72 Mayr. mit anderen Beantwortungen der Frage vertraut gemacht, und die neuere Philosophie fügte auch ihrerseits selbstständige Lösungsversuche hinzu. Im Ganzen kamen die Philosophen auf das alte ,primos in orbe fecit deos timor' zurück. Sie be mühten sich jedenfalls, das Problem aus den Höhen der Meta physik auf den festeren Boden der Empirie und Psychologie zu verpflanzen. So sagt auch Voltaire: ,Pour savoir, comment tous ces cultes ou ces superstitions s’etablirent, il me semble qu’il faut suivre la marche de l’esprit humain abandonne a lui-memeh 1 Jedoch der psychologische Weg hat seine Gefahren. Fast unmerklich schiebt der Forscher den Seelen primitiver, überhaupt fremdartiger Menschen Ideen, Gefühle, Begehrungen unter, die ihnen ebenso ferne liegen, als sie ihm selbst ge läufig sind. Voltaire’s heller Geist war sich der Gefahr wohl bewusst; seine ausgebreiteten Kenntnisse bewahrten ihn vor einem Abwege, den jemand leichter geht, welcher aus Un wissenheit seine Umgebung mit all ihren specifischen Merkmalen für die Menschheit schlechthin nimmt. 2 Es ist nun überaus merkwürdig, dass Voltaire den Urmenschen sich, ganz in mo derner Weise, nach Analogie des Wilden und des Kindes construirt; selbst der ihm aus unmittelbarer Anschauung be kannte französische Bauer muss ihm zum Verständnisse des Urmenschen herhalten. 3 Die Geistes- und Gemüthszustände, Idole. — Gegen den Vonvurf der Teufelsanbetung: ,Ces reproches absurdes sont intolerables . . II est temps que nous quittions l’indigne usage de calomnier toutes les sectes et d'insulter toutes les nations. (Essai, c. I.) 1 Phil, de l’hist., V. 2 So sagt Voltaire z. ß. er halte Sonne und Mond nicht für die ursprüng lichen Gottheiten. Culturlose Menschen ,ne sont frappes ni de la beaute ni de l’utilite de l’astre qui anime la nature . . ils n’y pensent pas, ils y sont trop accoutumes. On n’adore, on n’invoque, on ne peut apaiser que ce qu’on craint; tous les enfants voient le ciel avec indifförence; mais que le tonnerre gronde, ils tremblent 1 . (Art. Religion, S. III.) Dass die Verehrung des Lingam bei den Indern nicht auf wollüstige Ueppigkeit deute, erörtert er Essai, 143; Fragments liistoriques sur l’Inde, 29. — Les oreilles du Comte de Chesterfield (1775), c. 0. 3 Tous les peuples furent pendant des siicles ce que sont aujourd’hui les habitants des plusieurs cotes meridionales de l’Afrique. (Phil, de l’hist., V.) — Examinons ce qui se passe dans les enfants . . Les premiers hoinines ont sans doute agi de meine. (Art. Religion, S. III.) — Cf. Phil, de l’hist., VII, XX.