lieber den fünffüssigen lambus vor Lessing’s Nathan. 627 Dieser grosse Geist und grosse Dichter war Gottsched nicht: er hat aber theoretisch die reimlosen Verse und speciell die reimlosen iambischen Verse immer vertreten und auch einige Versuche in denselben hinterlassen. In der Critischeu Dichtkunst (S. 315) führt er unter den Vorth eilen der ungereimten Verse auch den an, dass wir in Schauspielen dann bald glücklicher werden würden, als wir noch zur Zeit sind. Er meint, ,Tragödien und Comödien können und sollen von rechtswegen in einer leichten Art von Versen ge schrieben sein, damit sie von der gemeinen Sprache nicht merk lich unterschieden, und doch einigermassen zierlicher als der tägliche Umgang der Leute sein mögen'. Ein Seitenhieb gegen die Oper fällt ab, auch klingen ihm die Reime zu studiert und erinnern ihn ohne Unterlass, dass er nur in der Comödie sei; dann lobt er die Engländer: ,In diesem Stücke haben die heu tigen Engländer auch vor den Franzosen den Vorzug, indem sie nach dem Exempel der Alten in vielen ihrer besten Tra gödien nur ungereimte Verse brauchen, da hingegen diese lauter reimende Helden aufs Theatrum stellen 1 . ,Sollte ich es einmal wagen' — so schliesst er — ,ein Trauerspiel zu machen, so will ich es versuchen, inwieweit man hierinn wider den Strom schwimmen könne'. Ganz ähnlich sind die Worte, welche er in der Grundlegung einer deutschen Sprachkunst (3. Auflage 1752 S. 617) gebraucht; besonders weist er hier auf die Ver wendung dieser Verse im Lustspiele hin und wünscht, dass bald ein glücklicher Dichter diesen neuen Lorbeerkranz sich erwerben möge. In einer Anmerkung fügt er aber hinzu: ,Die ganze Schwierigkeit ist nur, die Comoedianten zu bereden, dass sie reimlose Stücke aufführen. Da sie aber auch prosaische Lustspiele auswendig lernen können: so würde sichs auch mit reimlosen Versen wohl tliun lassen'. In allen diesen angeführten Stellen hat Gottsched ebenso sehr oder vielleicht noch mehr den reimlosen Alexandriner als den fünffüssigen lambus im Auge. Wenigstens ist die in der letzt erwähnten Anmerkung genannte Uebersetzung des Agamemnon von Thomson eine 1750 zu Göttingen erschienene in reimlosen Alexandrinern. In den Critischen Beiträgen (1. Band 1730 S. 99 f.) wiederholt er seine Ansicht, dass im Trauerspiele und überhaupt in den theatralischen Gedichten das verdriessliche