SITZUNG VOM 14. APRIL 18S2.
Gelesen s
Über den Affed des geistigen Schmerzes im Mittelalter.
Von dem c. M., Hrn. Zappcrt.
(Im Auszuge.)
Bei Völkern im Naturzustände äussert sich der Affect des
geistigen Schmerzes zwar meist lebhaft, doch stets nur kurz an
dauernd. Die Sitte der Leiehenmale trug mit dazu bei, die Dauer
des Schmerzes zu kürzen. Die Kirchenlehrer, welche die Todtenmale
in allgemeiner Übung vorfanden, traten ihnen nicht feindlich ent
gegen, denn sie lehrten selbst, dass das Beweinen der Todten des
Christen unwürdig sei. Und nicht bloss die Schmerzäusserung über
Hingeschiedene, sie bekämpften gleichmässig jede solche, über welch
immer zeitliches Widerfahrniss. Sie erklärten den Thränenguss
einzig gestattbar im Dienste Gottes, einzig in dem des Seelenheiles.
Mit derselben Entschiedenheit, mit der sie der secularen TKräne ent
gegentraten, mit gleichem Eifer suchten sie den Austritt der religiösen
zu fördern. Ordensregeln erklären das tägliche Beweinen seiner
Sünden als eine Pflicht des Mönches. Asceten kommen dieser Vor
schrift mit Inbrunst nach. Endlich klärt sich ihre Buss- zur Sehn
suchtszähre. Sündengereint verlangen sie fort aus der irdischen
Fremde in das jenseitige Vaterland. Dies war der Weltschmerz des
Mittelalters und wenn sieh in unserem Jahrhundert eine ähnliche
Stimmung waltend zeigte, so sprach sie sich mehr negativ als ein
Unbehagen an irdischen Zuständen aus, während der Weltschmerz des
Mittelalters sich positiver Weise als eine Sehnsucht nach dem Jen-