Ueber österr. Zustande in den Jahren 1740— 1792.
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chen zu dürfen, weil ich als Mitglied höherer Gerichtsstellen
Gelegenheit hatte, viele Acten in Ansehung der altern Gemeinde
einrichtungen von Mähren, Schlesien, Steiermark, Kärnten, Kram,
dem Küstenlande und Dalmatien zu sehen, und diese Acten
grösstentheils dasjenige erläuterten oder näher bestimmten, was
mir aus gedruckten Werken bekannt war, eine übrigens sehr natür
liche Erscheinung, da die Entwickelung den westeuropäischen Staats
verfassungen während des Mittelalters überall in den Giundzügen
dieselbe gewesen ist und in den österreichischen Staaten die Institu
tionen des Mittelalters noch um die Mitte des achtzehnten Jahrhun
derts vorherrschend waren.
Wie in den meisten westlichen Ländern Europas war auch
in den westlichen Provinzen des jetzigen Kaiserthums Oester
reich das Land in dem Besitze von Edelleuten, geistlichen Stiftun
gen und einigen grösseren Städten gewesen, welche die Bauern ihres
Gebietes oder wie man in den letzten zwei Jahrhunderten sagte, ihres
Herrschaftsbezirkes in dem Zustande gänzlicher oder halber Leib
eigenschaft hielten. Ereignisse und Betrachtungen verschiedener Art,
unter denen auch religiöse gewesen waren, hatten aber viele diesei
Edelleute und Communitäten bestimmt, einzelnen Ortschaften auf ihren
Gütern eine mehr oder weniger beträchtliche Freiheit zu geben, bald
unentgeltlich, bald auf leichte Bedingungen, ohne sie jedoch aus
dem Herrscliaftsverbande ganz zu entlassen.
Eines der gewöhnlichsten Privilegien der begünstigten Orte war,
dass die Einwohner einen gesicherten Besitz ihres Vermögens er
hielten, Gewerbe treiben konnten, sich ihre Ortsobrigkeit zu wählen
befugt waren und ihre Kinder zu was immer für einem Stande be
stimmen durften. Oft kam dazu noch eine Marktfreiheit, gewisse
Ehrenbezeugungen in dem Wohnsitze des Herrn, das Recht Zölle
anzulegen und noch so manches Andere. Dagegen war es sehr ge
wöhnlich, dass die begünstigte Gemeinde die Bestätigung ihrer Obrig
keiten bei dem Besitzer des umliegenden Landstriches ansuchen,
ihm einen bestimmten jährlichen Zins entrichten, gegen ihn ein ge
wisses Ceremoniel beobachten und ihn in Nothfällen mit einem Zu
zuge von Mannschaft unterstützen musste. Solche th eil weise
Emancipationen gewisser Ortschaften kamen noch im Anfang des
achtzehnten Jahrhunderts in Mähren vor, wie das Beispiel der Stadt
Ungrisch-Brod beweiset.