806 Prof. Zimmermann. seits, als eine Art Heimweh zu erkennen gab. Es werden nun die Qualität und Quantität der Buss- und Bittzähren und der sie begleitenden Geberden besprochen, die psychischen und physischen Mittel aufge zählt, durch die man den Erguss religiöser Zähren zu wecken oder zu steigern suchte. Der heutige Vortrag gelangt endlich bis zu jener Zeit, in der Manche diese Thränen zu heucheln sich beigehen Hessen. Der Cardinal Nico/aus Cusanus als Vorläufer Leibnitzens. Vom Hin. Professor Zimmer mann. In den neueren Lehrbüchern der Geschichte der Philosophie wurde noch vor kurzem in der merkwürdigen Periode, die das Wiedererwachen des Alterthums und den Anbruch einer neuen Mor- genröthe der Wissenschaften verkündigt, neben den gefeierten Namen eines Cardinais Bessarion, eines Marsilius Ficinus, eines Pico von Mirandola, Beuchlin, Pomponatius, Giordano Bruno, Campanella, nur selten und flüchtig der Cardinal Nico laus von Cusa genannt. Sein Name verschwand in der dichten Finsterniss, in welcher man in der Epoche der sogenannten Aufklä rung das gesammte Mittelalter und insbesondere dessen philosophische Bestrebungen vergraben wähnte, und die um so greller gegen das Licht abstach, das ein Jahrhundert später plötzlich aufgegangen sein sollte. Der neuesten Zeit blieb es Vorbehalten, die Vergangenheit gerechter und unparteiischer zu beurtheilen und in der Geschichte der Wissenschaft wie in jener der Völker den folgenschweren Satz anzuerkennen, dass die Natur keinen Sprung in ihrer Entwickelung duldet. Man fing an einzusehen, dass der Baum der Erkenntniss, der so plötzlich in Blüthe stand, seine Wurzeln bis tief in die Vorzeit gestreckt habe, und dass wer die Gegenwart begreifen wolle, die Vorwelt verstanden haben müsse. So ward es klar, dass die neuere Philosophie, deren Beginn man übereinstimmend in die Zeit eines Descartes und Bacon von Verulam setzte, nicht mit einem Schlage sich gebildet haben könne, und die Keime ihrer Welt anschauung in ihren Vorgängern längst gefunden werden müssten. Dieser Einsicht ist es zu verdanken, dass zunächst der Übergangs periode aus der Scholastik zur neueren Philosophie ein aufmerksames Studium zugewendet, dass die traditionell gewordenen Schriften eines