Ueber v vor den Casusendungen im Slawischen. 207 Bedeutung gewann. Hätten wir nur ältere slawische Denkmäler, ge wiss würde von unserem Flexions-ß nicht viel darin zu finden sein. Im Genitiv Plural setzte sich in der späteren Sprache B ohne Rücksicht auf die Beziehung fest, weil die Endung dieses Casus, Ti, namentlich bei kurzen Worten eine Erweiterung der Form begün stigte. Im Accusativ, Instrumentalis, Locativ kam sie gänzlich ab. Im Plural war ß von besonderer Bedeutung, weil es ihn als einen Complex Einzelner erscheinen Hess, was im Dual wegfiel, weil hier schon die genaue Beziehung auf Zwei in der Form gegeben ist, woraus ich mir erkläre, dass es im Dual nicht in Anwendung kam. Die Betrachtung der einzelnen Dialekte wird die Bedeutung des besprochenen Elementes in klarem Lichte zeigen. Weniger scharf tritt die Bedeutung von ß im Kirchen-Slawischen hervor. Es ist natürlich, dass eine spätere Sprachform , für welche wir die Casusendungen mit ß erklären müssen, erst mit der Zeit festen Gebrauch und Bedeutung erhält; auch muss man sich hierbei erinnern, dass in Übersetzungen der originelle Geist einer Sprache sich weniger entfalten kann. Zumal solche Feinheiten in der Auffas sung der Beziehung leiden leicht. Wir möchten eine Parallele hier ziehen zwischen der eigenthümlichen Auffassung der Beziehung beim Nomen mit der beim Verbum im Slawischen. Wie sich im Zeitworte vorzüglich die Sonderung des Einmomentigen und in mehr Momente Zerlegbaren auf der einen Seite vom ununterscheidbar Dauernden auf der andern ausspricht, so wird hier im Plural geschieden zwi schen einer Mehrzahl von einzelnen Individuen und einer mehr ab- stract empfundenen ununterschiedenen Menge. Stromove im Böhmi schen z. B. sind einzelne Bäume, jeder tritt gleichsam persönlich für sich heraus, daher werden diese Formen den belebten gleich geachtet, stromy sind Bäume schlechthin. Im Singular verhält es sich ähnlich, -ovi bezeichnet bestimmt den Einzelnen als Individuum, daher für die belebten im Böhmischen ausschliesslich in Gebrauch — vgl. padnouti, -— die gewöhnliche Endung gibt schlechthin nur die Dativbezeichnung ohne solche Hervorhebung — padati. — Im Kir chen-Slawischen sind es im Plural besonders einsylbige Substantiva, denen auf diese Weise mehr Gewicht verliehen wird, im Dativ Sin gular vor allem civiH'h. in der Bedeutung von Gottes Sohn. Fremden Wörtern wird obh mit Vorliebe gegeben, weil es Nomina propria von Personen, seltener Bezeichnungen von Beamten u. dgl. sind,