Müller. Die Guttural-Laute der indogermanischen Sprachen Die Guttural-Laute der indogermanischen Sprachen. Von Dr. Friedrich Müller, Professor an der Wiener Universität. Den Gegenstand der vorliegenden Abhandlung bildet die Unterscheidung einer doppelten Guttural-Reihe in den indo germanischen Sprachen, eine Entdeckung, die zuerst von Ascoli in seinen bekannten Vorlesungen veröffentlicht und später von Fick und anderen Forschern weiter ausgeführt worden ist. Wir behandeln diese Frage in dem vorliegenden Aufsatze deswegen, weil wir einerseits in manchen wesentlichen Punkten von diesen Gelehrten abweichen und andererseits eine zusammen fassende Darstellung der ganzen Frage uns wünschenswerth erscheint. Wir nehmen an, 1 die indogermanische Grundsprache habe zwei Reihen von Guttural-Lauten besessen, die wir kurzweg 1 In Betreff des Verhältnisses von lc, g, gh zu lc, g, gh sind zwei An nahmen möglich. Entweder hat sich die eine Reihe lc, g, gh in jenen Sprachen, die beide Reihen unterscheiden, zu lc, g, gh und lc, g, gli gespalten, oder beide Reihen sind schon in der Grundsprache bereits vorhanden gewesen. Die erste Annahme schliesst als zweite Annahme in sich, dass Arisch und Letto-Slaviseli vor ihrer Spaltung eine engere Einheit gebildet haben müssen, aus welcher sie die Keime für die Spaltung der einen Reihe in zwei mitgebracht haben. Damit bleibt aber das Ver halten der übrigen Sprachen gegenüber den beiden Guttural-Reihen schlechterdings unerklärt. Dagegen erledigen sich mit der zweiten An nahme alle Schwierigkeiten auf eine natürliche Weise. Uebrigens müssen diejenigen, welche blos eine Reihe annehmen und diese später in zwei Reihen sich spalten lassen, folgerichtig auch zur Annahme sich bequemen, dass die indogermanische Grundsprache blos die Reihe der tönenden Momentan-Laute besessen habe und die Entwicklung derselben zu Aspiraten (gh, dh, hli) in jenen Sprachen, welche diese Laute besitzen oder einmal besessen haben (Altindisch, Armenisch, Griechisch, Lateinisch, Germanisch) durch Spaltung sich vollzogen habe. 1*