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Härtel.
diese Erwägungen richtig findet, wird nicht zweifeln, dass die
Frage ob Friede oder Bündniss den Angelpunkt der ganzen
Verhandlung bildete und Demosthenes, der mit solcher Ent
schiedenheit auf das Bündniss hinarbeitete, mit den Intentionen
der Bundesgenossen in Conflict gerathen musste. Ja er wird
nun weiter begreifen, warum Aeschines gerade diese Periode
der Vorverhandlung, auf welche Demosthenes seine Anklagen
zu richten wiederholt und mit Entschiedenheit in Abrede stellt,
in seine Vertheidigungsrede zog, indem er um den Theil der
Verantwortlichkeit für den schlimmen Ausgang, welche er mit
mehr als dem Schein des Rechts auf Demosthenes abwälzte,
sich selber zu entlasten wähnte. Daraus aber folgt — und
das ist für das richtige Verstiindniss der Methode des Aeschines
durchaus festzuhalten — so wenig wie sonst aus dem herben
Tadel, welchen er gegen andere Bestrebungen und Ziele seines
Gegners richtet, dass er dieselben seiner Zeit nicht gebilligt
und gefördert habe. Einen Widerspruch konnte man ihm nur
schwer nachweisen, da er nicht wie Demosthenes und Philokrates
in der Lage war, als leitendes Mitglied der Bule seine Inten
tionen in Psephismen zu fixiren.
Es wäre bei dieser Stellung Demosthenes’ zu den Wünschen
und Absichten des Synedrions von grossem Interesse, genauer
den Zeitpunkt der beiderseitigen Anträge kennen zu lernen.
Vielleicht rücken wir einer Entscheidung dieser Frage durch
eine Betrachtung der Geschäftsgebahrung des Synedrions und
der Verhandlungsart zwischen ihm und den athenischen Be
hörden etwas näher. Dieselbe muss von anderen bekannten
Fällen ausgehen, über welche freilich die Ansichten der Gelehrten
gar sehr differiren. Zunächst ist, um den Geschäftsgang zu
verstehen, festzuhalten, dass das Synedrion der Bundesgenossen
mit seinem Sitz in Athen aus je einem Abgesandten eines jeden
Bundesgliedes zusammengesetzt wurde, aber dass Athen selbst in
ihm nicht vertreten war. Schon dadurch cbarakterisirt es sich