Friedrich Christoph Schlosser.
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reden — durch diese kritische Sonderung eines, wie es schien,
sicli selbst widersprechenden Begriffs beruhigt. Eine aufrichtige,
man könnte sagen, fromme Verehrung für das, was ,innerhalb
der Grenzen der Vernunft' die Religion zu leisten vermochte,
und eine scharfe Opposition gegen das, was der Kirchenglaube
in seinen Abwandlungen fordert, waren die Resultate dieser
Kantischen Lehre in der Grundstimmung der meisten und her
vorragendsten Männer der Zeit. Die Entschiedenheit, mit
welcher Kant in dem Streit der Fac.ultäten die Werthschätzung
der fundamentalsten Glaubenssätze auf ihre Wirkung für das
jeweilig Praktische und Moralische zurückführte, ist, wenn man
die Geschichtschreibung jener Zeit ins Auge fasst, auf die
Urtheile Schlosser’s in den bilderstürmenden Kaisern über
gegangen.
Was wollte Schlosser mit der Darstellung einer entlegenen
Zeitperiode, welche durch den grössten Meinungskampf in der
speculativen Dogmatik ausgezeichnet ist, eigentlich gesagt
haben? Was war seine eigene Ansicht über die dogmatische
Speculation ? Charakteristisch genug für ihn ist es, dass er
sich fast nie mit der begrifflichen Deduction der streitigen
Lehren des 7. und 8. Jahrhunderts lange aufhält; er verweist
die Lehre nicht nur aus Bequemlichkeit auf die gangbaren
Kirchen- und Dogmengeschichten, es widerstrebt ihm, sich in
die Irrgänge der dogmatischen Speculation zu verlieren, aber
er vernichtet sie durch die Erzählung der Thatsachen und
durch ein rücksichtsloses Urtheil über die handelnden Personen.
Wenn man die Geschichte der bilderstürmenden Kaiser auf
ihren allgemeinen philosophischen Gehalt zurückführen wollte,
so könnte man das Werk vielleicht als den Nachweis bezeichnen,
dass der religiöse Lehrsatz an und für sich so gut wie gar
keine Bedeutung besitze, sondern dass nur aus dem moralischen
Sinne, welcher in die Glaubenssätze hineingelegt und aus dem
Verwandtschaft der Ideen Schlosser’s mit Kant ist so gross, dass ich
übrigens noch vorsorglich die Bemerkung machen muss, dass ich nicht
etwa glaube, Schlosser habe einen Satz wie den citirten speciell sich
abgeschrieben und immer vor Augen gehalten, als er seine bilderstür
menden Kaiser verfasste; allein um die Fäden handelt es sich in Sachen
des Geistes, die von einem zum andern hiniiberleiten.