138 Lorenz. will nicht der Frosch in der Fabel sein, ,der so gross werden will'. Er möchte so wenig als möglich sagen und schüttet doch mächtig sein Herz aus. Er glaubt, durch tausend Rücksichten verhindert zu sein, den Gang seines Lebens aufzuschliessen, und doch gibt er in jedem Satze ein markiges Urtheil über sich selbst, über seine Umgebung, seine Zeit, seine Lehrer, seine Eltern. ,Ich erkannte früh', sagt er unter Anderrn, ,dass die deutschen Professoren, Schriftsteller, Gelehrte, ßedactoren gelehrter und ungelehrter Blätter sich unter einander verständen, das Publicum und die Nachwelt zu betrügen und nahm mir vor, mich nie unter eine Menge von eingebildeten Menschen zu mischen, wo der, welcher sich nicht vor Jedem bückt und nicht Partei macht, oder welcher irgend Einen in seinem eiteln Treiben stört, nur Steinwürfe der Parteimänner und Schmähun gen der Gassenbuben, die sich berühmt machen wollen, zu erwarten hat“. Von seinem eigenen Vater versichert er uns, dass es ein rechtes Glück gewesen sei, ihn in seinem sechsten Jahre verloren zu. haben. Von der harten Behandlung der Mutter, von den Schlägen seiner Mitschüler, von der Peitsche und den Ohrfeigen ,des wackeren ersten Lehrers', von der Misswirt schaft des Landesherrn und der Beamten, von der Rohheit des Soldatenthums erzählt er uns mit rücksichtslosester Lebhaftig keit und im Tone von stahlhartem Selbstbewusstsein: ,1m achten bis zehnten Jahr Scenen sehen, wie die, welche ich sah, unterrichtet werden, wie ich es ward, Menschen kennen lernen, wie diese, hätte bei stärkeren Leidenschaften und mehr Ge legenheit auszuschweifen, als ich je gehabt habe, sehr viel schaden müssen; an mir ging es vorüber'. Wer diese Selbstbiographie liest und diese Eindrücke nach empfindet, der muss es errathen können, wie dieser Mann Ge schichte schreiben wird, auch wenn er kein einziges Buch von ihm gelesen hätte. Seine friesische Heimat mag ihm geholfen haben, alle weichliche Regung des Herzens unter die Ueber- zeugung eiserner Nothwendigkeiten zu beugen. Das kleine Land Jever war in politischer Beziehung den Launen seines Zerbster Tyrannen gerade so unterworfen, wie die friesische Küste den Stürmen des Meeres und gehörte, da es zur Zeit der Kreis- eintheilung keinem Reichsstand unterthan war und selbst keine Reichsstandschaft besass, noch zur Zeit von Schlosser’s Geburt