Glaube und Geschichte im Lichte des Dramas
225
Erscheinungs- in die innerliche Welt des Bewusstseins verlegt.
Glücklicher und unglücklicher Ausgang, Hölle und Himmel,
fallen mit Seligkeit und Unseligkeit des Gewissens, Ewigkeit
und Zeitlichkeit mit der Endlosigkeit oder dem Ende des
Selbstlobs oder des Selbstvorwurfs des Helden zusammen. Für
die moderne Tragödie ist der active (Othellos; Don Cäsars in
der Braut von Messina) oder passive (Karl Moors; Guidos im
Julius von Tarent; Emilias) Selbstmord das erwünschteste Aus
kunftsmittel ; Byrons sich selbst zu ewiger Hölle verdammender
Manfred ist der moderne tragische Held. Das moderne Schau
spiel gipfelt in dem Bilde des eigenen Bewusstseins sittlich
gehandelt zu haben, als einziger unzerstörbarer Seligkeit. Die
moderne Komödie (Richter Adam in Kleists ,Zerbrochenem
Krug') und die moderne Posse (der ,eitle' Mann Falstaff, der
sich selbst eine Belohnung von König Heinz zuspricht) geben
die thörichte Einbildung des vermessenen Subjects, gerechter
Richter ,in eigener Sache' sein zu wollen, nach Gebühr dem
Gelächter preis.
Dem modernen Drama gelingt, was im wirklichen Leben
und in der wirklichen Geschichte das gläubige Gemüth und der
schönfärbende Optimismus apriorischer Geschiehtsconstruction
vermeint, das ungläubige Gemüth und der schwarzsehende Pes
simismus des blinden Willens verneint, den Zuschauer mit des
Helden, diesen mit seinem eigenen Geschicke auszusöhnen.
Auch hier fehlt der Spötter hinter dem Triumphator nicht.
Das Satyrdrama hat wie für die ,auswärtigen' Mächte des reli
giösen, so für die versöhnende Wirkung des profanen Dramas
einen Pfeil bereit. Tieck hat für dieselbe, die aus der An
schauung des wahren Dramas, z. B. des Shakespeare’schen, un
gekünstelt als wahre ,Katharsis' sich ergibt, aber nicht selten
wider Willen des Verfassers ausbleibt, oder von diesem mit
Wissen durch künstliche Mittel erheuchelt werden soll, im ge
stiefelten Kater' die ironische Rolle des ,Beschwichtigers' er
funden, der dazu angestellt ist, die Zuschauer, die über die
unbegreifliche Widerspruchsfülle des auf der ,Weltbühne' auf
geführten Stückes ungeberdig werden, mit sanft einschläfernden
Flötentönen zur Ruhe zu blasen. Religion und speculative Ge
schichtsphilosophie haben oft ähnliche Flötenbläserdienste ver
richten müssen.
Sitaunpilier. <1. phil-hist. CI. T.XXXV, Bd. I. Ilft.
15