Beiträge zur Diplomatik VI. 425 geschrieben ist. Es mangelte jedoch W. B. an Zeit oder Neigung, die Absicht durchzuführen. Da liess der Bischof das von W. B. begonnene Schriftstück von einem seiner Schreiber nach St. 236 und nach dem Placitum weiter concipiren und schreiben. Für dies Dictamen scheint nicht erst ein Concept angefertigt worden zu sein. Hätte ein solches existirt, so hätte jeder des Diplomen- stils Kundige dasselbe leicht ausbessern können. Auch der Zusatz zu Zeile 8 erklärt sich am füglichsten, wenn wir an nehmen, dass der Scriptor aus dem Stegreif geschrieben hat. So mangelhaft auch das Elaborat ausgefallen war, so erwirkte doch der Bischof, dass es mit dem kaiserlichen Siegel ge schmückt wurde. Konnten doch unter Umständen selbst Privat urkunden in dieser Weise beglaubigt werden. 1 Noch stand das fürstliche Siegel in hohem Ansehen und genügte allenfalls, ein Schriftstück zum Zeugniss des Kaisers zu stempeln. In diesem Sinne mochte damals der Bischof von Chur mit einer vorläufigen Urkunde verlieb nehmen. Dass auch die Kanzlei dazu die Hand bot, begreift sich leicht. War sie doch in jüngster Zeit mit dem italischen Brauch bekannt geworden, Gerichtsurkunden einfach durch das Siegel zu beglaubigen. 2 Ueberdies gewann sie nun Zeit, das eigentliche Präcept auszufertigen, für dessen Abfassung ihr der ursprüngliche Gerichtsakt verblieb. Allerdings sind das alles nur Vermuthungen zum Zweck eine vereinzelt dastehende Erscheinung mit andern in annehm baren Zusammenhang zu bringen und so zu erklären. Wenn ich noch einen Schritt weiter gehe und nach einer passenden Bezeichnung für C suche, so geschieht es vorzüglich, weil ich den zuerst gethanen Ausspruch 3 zu berichtigen genöthigt bin. Notitia inquisitionis besagt nicht, dass in C zugleich der Spruch enthalten ist, 4 ja auch schon die Erneuerung der Schenkung. Und wenn mich auch bei dem Fund von C zunächst über raschte, dass hier ein Zeugniss über Inquisitionsverfahren im Hofgericht vorliegt, so glaube ich jetzt doch, wenn der Sache 1 Ficker Beiträge 1, 282. 2 St. 499: quod ut verius credatur, nostro sigillo sigillari iussimus. 3 Im Anzeiger vom 9. December 1875 nannte ich C eine Notitia inqui sitionis coram imperatore factae anulo imperatoris roborata. 4 Für solche Akte ist besonders in Italien gebräuchlich notitia iudicati, notitia scripti iudicati.