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SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
NEUNUNDSIEBZIGSTER BAND.
WIEN, 1875.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DEE KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
NEUNUNDSIEBZIGSTER BAND.
JAHRGANG 1875. — HEFT I—HI.
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.WISSENSCHAFTEN;
WIEN, 1875.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
300122
*
Druck von Adolf Holzhausen in Wien
k. k. Universitäts-Buchdruckerei.
w.
INHALT.
L l
I. Sitzung 1 vom 7. Jänner 1875
/Pfizmaier: Ueber einige Gegenstände des Taoglaubons . . .
Rockinger: Berichte über die Untersuchung von Handschriften
des sogenannten Schwabenspiegels. V
II. Sitzung vom 13. Jänner 1875 .
Ritter von Aschbach: Die lateinischen Inschriften mit den
Namen römischer Schiffe von den beiden prätorischen
Flotten zu Misenum und Ravenna
j Thaner: Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Torna-
censis
III. Sitzung vom 20. Jänner 1875
Gomperz: Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer
Schriftsteller. I. Zu den Fragmenten der Tragiker . .
Porges: Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen
Sprachen
IV. Sitzung’ vom 3. Februar 1875
V. Sitzung vom 17. Februar 1875 1
VI. Sitzung vom 24. Februar 1875
Pfizmaier: Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China
um die Zeiten der südlichen Sung
VII. Sitzung vom 10. März 1875
VIII. Sitzung vom 17. März 1875
IX. Sitzung vom 31. März 1875
^Müller: Der Dual in den semitischen Sprachen
Sickel: Alcuinstudien. I.
U'
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SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLAHSE.
LXXIX, BAND, I. HEFT,
JAHRGANG 1875. — JÄNNER.
kais.akademieT
qi:r
WISSENSCHAFT
Sitzuugsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX.'Bd. I. Ilft.
1
I. SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1875.
Der Vicepräsident macht Mittheilung von dem am 17. De-
cember v. J. erfolgten Hinscheiden des corresp. Mitgliedes
Herrn Abate Dr. Giuseppe Valentinelli, Präfect der Mar
cus-Bibliothek in Venedig.
Die Mitglieder erheben sich zum Zeichen des Beileides
von ihren Sitzen.
Das Kloster Metten in Bayern dankt, unter Einsendung
einer Reihe von Büchern und Abhandlungen, welche Geistliche
des Klosters zu Verfassern haben, für die demselben übermit
telten akademischen Publicationen.
Die Lese- und Redehalle der deutschen Studenten in Prag
drückt den Dank aus für die ihr im abgelaufenen Jahre über
lassenen akademischen Schriften.
Herr Sectionsrath Dr. Hermenegild Jirecek spricht
unter Uebersendung seiner eben erschienenen Ausgabe der
,Neun Bücher böhmischen Rechtes' von Victorin von Wselird,
den Dank aus für die Wahl zum correspondirenden Mitgliede.
Herr Regierungsrath Dr. Constant von Wurzbach legt
den kürzlich erschienenen 28. Theil seines ,Biographischen
Lexikons des Kaiserthums Oesterreich' mit dem Ansuchen um
die Subventionirung vor.
Herr M. Friedländer in Wien legt ein Manuscript vor,
betitelt: ,Studien über die Kirchenväter auf Grund altjüdischer
Quellen' I. Theil, mit dem Ersuchen um Gewährung einer Sub
vention zum Zwecke der Drucklegung.
Herr Professor Dr. Thaner in Innsbruck übersendet eine
Abhandlung unter dem Titel: ,Zwei anonyme Glossen zur
4
Summa Stephani Tornacensis' mit dem Ersuchen um Aufnahme
in die Sitzungsberichte.
Das c. M. Herr Professor Dr. Rockinger in München
sendet einen fünften Bericht über die Untersuchung von Hand
schriften des sog. Schwabenspiegels für die Sitzungsberichte ein.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier legt eine für die Sitzungs
berichte bestimmte Abhandlung, betitelt: ,Ueber einige Gegen
stände des Taoglaubens' vor.
Das w. M. Herr Hofrath Birk legt als Vorstand der k. k.
Hofbibliothek den 7. Band der auf Kosten der Akademie her
ausgegebenen ,Tabulae codicum manu scriptorum — in biblio-
theca Palatina Vindobonensi asservatorum' im Drucke vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia Pontificia de’ nuovi Lincei: Atti. Anno XXVII, Sesa. 7“. Roma,
1874; 4».
Arneth, Le Chevalier Alfred de, et A. Geffroy, Marie-Antoinette. Corres-
pondance seerete entre Marie-Therese et le C le de Mercy-Argenteau, ete.
Tomes I—III. Paris, 1875; gr. 8°.
Ateneo di Brescia: Commentari per l’anno 1874. Brescia; 8°.
Commissione archeologiea municipale: Bulletiuo. Anno II, Nr. 3. Roma,
1874; 4».
Cosmos di Guido Cora. IV—V. Torino, 1874; 4°.
Institution, The Royal, of Great Britain: Proceedings. Vol. VII, Parts 3—4.
Nrs. 60—61. London, 1874; 8°.
Jahresbericht über die Studien-Anstalt im Benedictiner-Stifte Metten für
die Studienjahre 1843/44, 1849/50 bis 1854/55, 1856/57 bis 1873/74. 4».
Kornmüller, P. Utto, Lexikon der kirchlichen Tonkunst. Brixen, 1868; 8°.
— Die Choralkompositionslehre vom 10. bis 13. Jahrhunderte. 8°. — Die
Musik beim liturgischen Hochamte. Regensburg, New-York u. Cincinnati,
1871; 4°.
Mittermüller, P. Rupert, Das Kloster Metten und seine Aebte. Straubing,
1856; 8°. — Leben und Wirken des frommen Bisehofes Michael Wittmann
von Regensburg. Landshut, 1859; 8°. — Das Zeitalter des heiligen Rupert,
Apostels der Bojoarier. Straubing, 1855; 8°.
Mitth eilunge n aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 20. Band. 1874.
Heft. XII. Gotha; 4".
Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr aus dem Statistischen
Departement im k. k. Handelsministerium. III. Band, 1. und 2. Heft.
Wien, 1873 und 1874; 4°.
— Statistische, von den österr.-ungar. Eisenbahnen. Bearbeitet im Statist.
Departement im k. k. Handelsministerium. I. Band, 2. Heft; II. Band,
1. Heft. Wien, 1874, Folio.
Rechnungsabschluss des Comites für die österr.-ungar. Nordpol-Expe
dition. Wien, 1874; gr. 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 . IV e Annee, 2 e Serie, Nrs. 25—27. Paris, 1874; 4°.
Pfizmaier. Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
5
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
Dr. A. Pfizmaier,
wirkl. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
Die Grundlehren des ältesten und unverfälschten Tao
glaubens wurden zu den Zeiten der Tscheu und Han in ver
schiedenen, zum Theil umfangreichen Werken, deren Text in
Tao-yen-nei-wai-pi-
kiue-thsiuen-schu, ,die vollständigen Schritten der geheimen
Entscheidungen des Inneren und Aeusseren der Worte des
Weges* enthalten' ist, niedergelegt. Spätere Schriftsteller, wie
Tschuang-tse, Hoai-nan-tse, Fu-tse, Pao-pö-tse, Kin-leu-tse und
Andere ergingen sich in eigenen philosophischen Betrachtungen,
schmückten ihre Darlegungen mit wahren oder erdichteten Er
zählungen ünd Nachrichten aus und bewirkten dadurch eine
allmälige Erweiterung dieser Lehre. Ausserdem findet sich
auch Einiges in den Geschichtschreibern, besonders denen des
Hauses Tsin.
Der Verfasser dieser Abhandlung, über die Bearbeitung
eines der oben erwähnten ältesten Werke noch nicht mit sich
einig, hat vorläufig eine Anzahl Gegenstände, welche mit Tao
lehren gewöhnlich in Verbindung gebracht werden, ausgewählt
und Alles, was er über sie in Bezug auf diese Lehre finden
konnte, zusammengestellt. Es sind dieses, nebst dem. von den
Tao-sse (Männern des Weges) hochgeschätzten Mennig, haupt
sächlich die fabelhaften hundertzwanzig Unsterblichkeitspflanzen,
dann Bergdistel, Stechwinde und Aehnliches, ferner gewisse
in China allgemein für geisterhaft gehaltene Thiere, nament
lich Drachen, Schildkröten und Schlangen. Dass in den ange
führten, übrigens oft hochpoetischen Stellen selten von etwas
6
P fizmaier.
Wirklichem, sondern fast überall nur von abenteuerlichen und
wunderlichen Dingen die Rede ist, wird durch die Beschaffen
heit der behandelten Gegenstände, welche vorzugsweise die
Seite des Geisterhaften und Unbegreiflichen herauskehren, be
dingt. Indessen wird manches ganz wunderbare Vorkommniss,
selbst in den grösseren Geschichtswerken, mit vollkommener
sachlicher und chronologischer Genauigkeit, mit Angabe des
Ortes, der Zeit und Nennung des Namens der betheiligten
Personen, erzählt, bisweilen auch von den Verfassern als
Selbsterlebtes, mit eigenen Augen Gesehenes bezeichnet.
Das absichtlich Uebertriebene, plump Erfundene, weder
Poetische noch sonst Lehrreiche, wie es der Inhalt des Schan-
hai-king, ,Buches der Berge und Meere', ist, konnte zu dem
Zwecke, über den Taoglauben Aufschlüsse zu geben, nicht
benützt werden.
Das Buch der Sung :
Als Kaiser Kao-tsu noch in Dunkelheit lebte, schnitt er
kleines Schilfrohr auf dem neuen Werder. Er sah eine grosse
Schlange von der Länge mehrerer Klafter. Er schoss nach ihr und
verwundete sie. Am nächsten Tage hörte er auf dem Werder
den Ton von Mörserkeulen und Mörsern. Als er hinging, um
zu sehen, was es gebe, sah er mehrere Knaben, welche in
grüne Kleider gekleidet waren und in einem Haselgebüsch
Arzneistoffe zerstiessen. Er fragte, warum sie dieses thäten,
und sie antworteten: Unser König ward von
Lieu-ki-nu 1 angeschossen. Wir mischen Arzneistoffe und legen
sie auf. — Der Kaiser sprach: Warum hat ihn der Gott nicht
getödtet? — Die Knaben sprachen: Ki-nu, der als König
Herrschende, stirbt nicht. Er kann nicht getödtet werden. —■
Der Kaiser schrie sie an und sie zerstreuten sich. Er las jetzt
die Arzneistoffe zusammen und kehrte zurück. Er wandelte
ferner als Gast nach Hia-pei, um den Kriegsschaaren entgegen
zu gehen. Da sagte ein Schamane zu dem Kaiser: Das Land
ausserhalb des Stromes ist eben in Unordnung. Ob man es
beruhigen kann, dieses steht bloss bei dir. — Der Kaiser litt
früher an einem Handgeschwüre, das nach einem Jahre nicht
1 Kaiser Kao-tsu von Sun£ war von dem Gesc.hlechte Lieu und hiess
mit dem kleinen Namen Ki-nu.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
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geheilt war. Der Schamane besass einen gelben Arzneistoff.
Er Hess diesen bei dem Kaiser zurück und war dann plötzlich
verschwunden. Der Kaiser strich das gelbe Pulver auf das
Geschwür. Er legte es einmal auf und war geheilt. Er be
wahrte das Uebrige und die von ihm erlangten Arzneistoffe
der Knaben als eine Kostbarkeit. So oft er ein Metallgeschwür
hatte, legte er die Arzneistoffe auf und ward immer geheilt.
Das Buch der Tsi:
Jg| I, König von Yü-tschang, starb. Später erschien
er yüfc ^5 Tschin -wen-ki und sprach: Ich hätte noch
nicht sterben sollen. Der kaiserliche Nachfolger gab in die
Salbe eilferlei Arzneistoffe und bewirkte, dass meine Ge
schwulst nicht heilte. In den Absud gab er wieder eine Gat
tung Arzneistoff und bewirkte, dass die Schärfe nicht durch
schnitten ward. Ich habe es dem früheren Kaiser gemeldet.
Der frühere Kaiser hat mir erlaubt, dass ich nach der öst
lichen Strasse zurückkehre. Er entscheidet eben diese Sache.
— Hiermit zog er aus dem Busen eine Schrift auf grünem
Papier, zeigte sie Wen-ki und sprach: Zu dir besteht ein
wenig alte Freundschaft. Durch dich lege ich es dar dem Vor
gesetzten Kaiser. — Hierauf ward er plötzlich unsichtbar.
Wen-ki verheimlichte es und sagte es nicht weiter. Ihm ward
wegen dieser Sache sehr bange. Nach kurzer Zeit starb der
Nachfolger.
Das Buch von Wei:
Die Pho-lo-men(Brahminen) des Reiches ^ U-tschang
in Thien-tschö sind das höchste Seitengeschlecht. Sie erklären
den Schmuck des Himmels. Wenn die Menschen Streitigkeiten
haben, gibt man ihnen Arzneistoffe ein. Wer Unrecht hat, wird
wahnsinnig. Wer Recht hat, bleibt gesund.
Das Buch der Thang:
Ein Mann der Heilmittel, j§§ |g || ||
Na-lo-mi-pho-pho-mei aus Thien-tschö sagte, dass er zweihun
dert Jahre alt sei. Er sagte, er besässe die Kunst des langen
Lebens. Kaiser Thai-tsung glaubte es und erwies ihm die
grössten Ehren. Er beherbergte ihn in einem Palaste inner
halb des Thores des goldenen Wirbelwindes und liess ihn das
Arzneimittel zur Verlängerung des Lebens verfertigen. Er be
fahl, die Ehrenbezeigungen auf das Höchste zu treiben. Indem
8
Pfizmaier.
er ihn zum Vorgesetzten ernannte, schickte man Abgesandte
in der Welt umher. Man sammelte wunderbare Arzneistoffe,
merkwürdige Steine in unzählbaren Mengen. Zuletzt brachte
Jener nichts zu Stande.
Dasselbe Buch der Thang:
In dem Zeiträume Yuen-ho (706 bis 720 n. Chr.) sagte
der Bergbewohner #l> » Lieu-pi, dass das geisterhafte
Arzneimittel gefunden werden könne. Der Kaiser glaubte es.
Er ernannte ihn zum stechenden Vermerker von Tai-tscheu
und beschenkte ihn mit purpurnen Seidenstoffen. Er hiess ihn
das geisterhafte Arzneimittel suchen.
Dasselbe Buch der Thang:
Ein Mann des Weges machte » A # Lieu-kung-
tschö Arzneimittel zum Geschenke. Dieser versuchte sie und
sie bewährten sich. Er fragte, woher sie kämen. Der Mann
des Weges sagte: Ich habe diese Arzneimittel an den Thoren
von Ivi gemengt. — Um die Zeit hatte sich ^ Ü
Tschü-khe-yung eben empört. Kung-tschö rief hastig: Schade!
Die vorzüglichen Arzneimittel kommen aus dem Lande eines
mordsüchtigen Dieners. Haben sie sich auch bewährt, was
nützt dieses? — Er versenkte sie in den Strom und verjagte
den Mann des Weges.
Das Buch Hoai-nan-tse:
* I erbat das Arzneimittel der Unsterblichkeit von
der Königsmutter des Westens. *]!} Ijfy Heng-ngo stahl es
und floh in den Mond.
Anmerkung: Heng-ngo ist die Gattin des Lehensfürsten
I. Dieser erbat sich von der Königsmutter des Westens das
Arzneimittel der Unsterblichkeit. Er hatte es noch nicht ge
braucht, als Heng-ngo es stahl, es gebrauchte und die Unsterb
lichkeit erlangte. Sie floh in den Mond und wurde der Geist
des Mondes. 1
Dasselbe Buch Hoai-nan-tse:
Aber dieses Erdgelb ist der Fortsetzung der Knochen
vorgesetzt, gleichwie das Süssholz ein das Fleisch hervorbrin-
1 Sie wurde die Kröte des Mondes. Für *J3, Heng-ngo wird aucli
heng-ngo geschrieben und dieses gemeiniglich tschang-ngo
gelesen.
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
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gendes Arzneimittel ist. Es setzt die Knochen fort, und man
schätzt die Hervorbringung des Fleisches. Es bringt das
Fleisch hervor und man schätzt die Fortsetzung der Knochen.
Dass J Wang-sün-tschö 1 das Arzneimittel der
fortgesetzten Fäulniss vermehren und die verstorbenen Men
schen zum Leben bringen wollte, kann man ebenfalls eine ver
fehlte Erörterung nennen.
Dasselbe Buch Hoai-nan-tse:
Zur Seite der Erdhöhe des Kuen-lün befindet sich ein
Brunnen mit Edelsteinglanz. Die vier Gewässer an seiner
nordwestlichen Ecke sind die göttlichen Quellen des Kaisers.
Man einigt durch sie die hundert Arzneistoffe. Man bringt
durch sie Gedeihen den Zehntausenden des Volkes.
Das Buch Pao-pö-tse:
Die mittleren Arzneistoffe nähren das Angeborne. Die
niederen Arzneistoffe entfernen die Krankheit. Sie können be
wirken, dass giftige Insecten nicht beikommen, reissende
Thiere nicht den Tod bringen, böse Luft nicht umherzieht,
allen Ungeheuerlichkeiten der Weg verschlossen wird.
Die herbeigezogenen göttlichen Schliessen des Buches
der Elternliebe:
Das Höchste unter den Arzneimitteln der Unsterblichen
ist der Zinnober. Das nächstfolgende ist das gelbe Gold. Das
nächstfolgende ist das weisse Silber. Das nächstfolgende sind
die Unsterblichkeitspflanzen. Das nächstfolgende sind die fünf
Könige. Das nächstfolgende sind die fünf Wolken. Das nächst
folgende sind die glänzenden Perlen. Das nächstfolgende ist
der übrig gebliebene Mundvorrath Yü’s von dem grossen Ein
zigen. Das nächstfolgende ist das Gelb in den Steinen. Das
nächstfolgende ist die Blüthe des Steinzimmtbaumes. Das
nächstfolgende ist das Steinhiru. Das nächstfolgende ist der
fliessende Steiumennig. Das nächstfolgende ist die Steingrütze.
Das nächstfolgende ist das geschichtete Grün ("£|' ^ tseng-
tsing). Die nächstfolgenden sind das Fichten-, und Pistazien
harz, die Stechwinde, das Erdgelb, der Winter des Weizen
sommers, die Bergdistel, das grosse Ueberwindende, der
doppelte Söller, das gelbe Fortgesetzte, die Steinbinse, der
1 Wang-sün-tschö war ein Eingeborner des Reiches Lu.
10
Pfizmaie r.
Stein des Webstuhls, das purpurne .... 1 des Hauses. Dieses
ist dasselbe, welches auch j/ff Tö-lu genannt wird. Einige
nennen es den Stab der unsterblichen Menschen. Es heisst
auch der Stab der Königsmutter des Westens. Es heisst auch
^ jjijlj Thien-tsing, ,das Geistige des Himmels'. Es heisst
auch ZV % Khiö-lao, ,das Alter zurückwerfend'. Es heisst
auch: die Erdknochen. Es heisst auch ffl ffi Kiü-ki, ,die
Mispel'.
Die Tafeln der kämpfenden Reiche:
Jemand machte dem Könige von King das Arzneimittel
der Unsterblichkeit zum Geschenk. Der sich Anmeldende be-
harrte fest dabei und trat ein. Die Männer des Pfeilschiessens
fragten ihn: Kann man es essen? —Er antwortete: Man kann
es. — Sie nahmen es ihm weg und assen es. Der König
zürnte und schickte Leute mit deni Aufträge, die Männer des
Pfeilschiessens zu tödten. Die Männer sprachen: Wir haben
deu sich Anmeldenden gefragt. Der sich Anmeldende sagte,
man könne es essen. Desswegen assen wir es. Wir sind hier
schuldlos. Eines Verbrechens schuldig ist der sich Anmeldende.
Auch hat der Gast das Arzneimittel der Unsterblichkeit zum
Geschenk gemacht. Wenn wir es gegessen haben und der
König uns tödtet, so ist es das Arzneimittel des Todes. Der
König tödtet dann die schuldlosen Diener und setzt in das
Licht den Betrug der Menschen. Man hat dann den König
betrogen. — Der König tödtete sie nicht.
Der Frühling und Herbst des Geschlechtes Liü:
In Lu war ein gewisser Kung-sün-tschö. 2 Derselbe sagte
zu den Menschen: Ich bin im Stande, die fortgesetzte Fäul-
niss zu heilen. Wenn ich jetzt mehrfach das Arzneimittel der
fortgesetzten Fäulniss bereite, so kann ich damit die Todten
auferstehen machen. — Unter den Dingen gibt es gewiss
solche, mit denen man das Kleine, aber nicht das Grosse be
werkstelligen kann, mit denen man das Halbe, aber nicht das
Ganze bewerkstelligen kann.
1 Hier wird durch ein Viereck bedeutet, dass in dem benützten Originale
oder in der Handschrift ein Zeichen fehlte.
2 Kung-sün-tschö ist der in dem oben stehenden Citate aus Hoai-nan-tse
(S. 9) erwähnte Wang-siin-tschö.
UGber einige Gegenstände des Taoglaubens.
11
Die besonderen Ueberlieferungen von Tung-fang-sö:
Kaiser Hiao-wu liebte die Männer der Heilmittel und
ehrte die Götter und Geister. Er liess Menschen mit grosser
Anstrengung die göttlichen Unsterblichen und das Arzneimittel
der Unsterblichkeit suchen. Anfänglich wurde nichts gefunden.
Die Arzneimänner der Welt kamen von allen vier Gegenden
gleich Bienen, es liess sich nicht in Worte fassen. Tung-fang-
sö sah, dass die Männer der Heilmittel mit leeren Worten
Ehre und Ruhm suchten. Er sagte sofort, er steige in den
Himmel und wolle es bekannt geben. Mit Worten sagte er:
Die göttlichen Arzneimittel, welche der Kaiser nehmen lässt,
sind lauter Arzneimittel zwischen Himmel und Erde. Sie kön
nen den Menschen nicht unsterblich machen. Bloss die Arznei
mittel in dem Himmel können den Menschen unsterblich
machen. — Der Kaiser sprach: Wie kann aber der Himmel
erstiegen werden? — So erwiederte: Ich kann den Himmel
ersteigen. — Der Kaiser erkannte, dass Jener in seinen Wor
ten Betrug und Lüge auf das Aeusserste treibe. Er hiess sofort
So den Himmel ersteigen und das Arzneimittel der Unsterb
lichkeit nehmen. Sö hatte sich bereits verabschiedet und war
bei dem Thore der Vorhalle herausgetreten, als er wieder
zurückkehrte und sagte: Wenn ich jetzt den Himmel ersteige,
so werde ich als ein Lügner und Betrüger erscheinen. Ich
möchte einen Menschen erlangen, der mir zur Beglaubigung
dient und es bestätigt. — Der Kaiser schickte einen Mann
der Heilmittel, der mit Sö fortzog. Binnen dreissig Tagen
sollten sie zurückkehren. Sö mit seinem Begleiter hatte Ab
schied genommen und die Reise angetreten. Er begab sich die
Zeit hindurch zu den Lehensfürsten, trank bei diesen fort
gesetzt und verweilte hier und dort zehn Tage. Die Frist war
auch nahezu verstrichen und er war nicht gesonnen, den Him
mel zu ersteigen. Der Mann der Heilmittel sagte zu ihm: Die
Frist ist nahezu verstrichen. Wir trinken einen Tag um den
anderen Wein; was ist zu thun? — Sö sprach: Die Sachen
der Götter und Geister lassen sich unmöglich im Voraus
sagen. Es wird ein Gott kommen, der mich abholen wird. —
Hieraul war der Mann der Heilmittel einmal am Tage einge
schlafen. Nach längerer Zeit weckte ihn Sö hastig auf und
sagte: Ich habe dich äusserst lange gerufen, doch du hast mir
12
Pfi zm aier.
nicht geantwortet. Ich bin jetzt eben aus dem Himmel gekom
men. — Der Mann der Heilmittel war sehr erstaunt und
brachte die Sache bei der Rückkehr zu Ohren. Der Kaiser
glaubte, dass So ihn frech betrüge und gab Befehl, ihn in’s
Gefängniss zu werfen. So entgegnete jammernd: Es ist um
die Zeit das zweite Mal, dass ich den Tod erleiden soll. —
Der Kaiser fragte: Warum? — Sö antwortete: Der Himmels
fürst fragte mich, was für Kleider die Menschen der unteren
Gegenden tragen. Ich sagte: Die Kleider stammen von Insec-
ten. — Er fragte: Was für Tnsecten sind es? — Ich sagte:
Die Insecten sind von Mund beweglich nach Art der Pferde.
Sie sind gefleckt nach Aid der Tiger. — Der Himmelsfürst gerieth
in grossen Zorn und glaubte, dass ich ihn mit Worten betrüge.
Er liess mich binden, schickte einen Abgesandten herab und
liess sich erkundigen. Der Abgesandte kehrte zurück und mel
dete, dass es sich so verhalte. Er sagte, die Insecten heissen
Seidenraupen. Der Himmelsfürst liess mich hierauf frei. Wenn
jetzt der Kaiser glaubt, dass ich ein Lügner bin, möge er
Leute hinaufschicken und in dem Himmel nachfragen lassen.
— Der Kaiser war sehr erstaunt und sagte: Gut! — Die
Menschen von Tsi sind grosse Lügner. Sö wollte dadurch den
Männern der Heilmittel Einhalt thun und sich selbst bekannt
gehen. Man entliess die Männer der Heilmittel und verwendete
sie nicht mehr. Sö ward hierdurch Tag für Tag mit dem
Kaiser mehr vertraut und stand ihm näher.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
Jk # Hia-khieu-tschung verkaufte Arzneiwaaren
in Ning. Später entstand ein Erdbeben, die Häuser stürzten
ein und Tschung war todt. Die Menschen nahmen seinen Leich
nam und warfen ihn in das Wasser. Seine Arzneiwaaren ver
kauften sie. Tschung hüllte sich in seinen Pelz und schrie die
Menschen an. Später wurde er Gesandter für das Reich Fu-yü.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
'S Tschui-wen-tse war ein Mensch des Thai-
schan und verkaufte Arzneien auf dem Markte der Hauptstadt.
Später entstand eine Pest und die Todten wurden nach Zehn-
tausenden gezählt. Wen-tse umfasste eine hellrothe Fahne,
hielt in der Hand ein gelbes Pulver und fragte im Umhei - -
wandeln das Volk. Diejenigen, welche das Pulver gebrauchten
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
13
und genasen, wurden nach Zehntausenden gezählt. Später lebte
er in Scho und verkaufte gelbes Pulver und rothe Kugeln.
Das Zeitalter hielt daher diese Dinge für kostbar.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
Der auf dem Rücken den Kasten tragende Frühgeborne
schien nach seiner Sprache ein Mensch von Yen und Tai zu
sein. Er trug auf dem Rücken den Kasten zum Glätten der
Spiegel und zog auf dem Markte des Kaisers von U umher.
Er glättete einen Spiegel um ein Kupferstück. Bei dem Glätten
fragte er sogleich den Besitzer, ob er keinen Kranken habe.
Wenn dieses der Fall war, nahm er sogleich die Arznei der
purpurnen Kugeln hervor und gab sie ihm. Von Denen, die
sie erhielten, genas ein Jeder ohne Ausnahme. Später erstieg
er die schroffste Felsenwand der Berge von U und hängte die
Geschlechtsalter hindurch Arzneimittel auf. Er sagte zu den
unten befindlichen Menschen: Ich will zu dem Berge Pung-lai
zurückkehren und euch das göttliche Wasser geben. — Auf
der Felsenwand zeigte sich eines Morgens Wasser. Dasselbe
war von weisser Farbe, kam zwischen den Steinen hervor und
floss nach unten. Durch den Gebrauch desselben wurden viele
Krankheiten geheilt.
Die Ueberlieferungen von hohen vorzüglichen Männern:
ljf|? Han-khang führte den Jünglingsnamen ft
Pe-hieu und stammte aus Pa-ling in dem Kreise der Mutter
stadt. Er sammelte Arzneien auf den berühmten Bergen und
verkaufte sie am Eingänge des Marktes von Tschang-ngau.
Er hatte keine zweierlei Preise durch dreissig Jahre. Um die
Zeit war ein Mädchen, welches von Khang Arzneien kaufte.
Dieser ging von seinen Preisen nicht ab. Das Mädchen ward
böse und sagte: Bist du Han-pe-hieu ? Dann hast du keine
zweierlei Preise. — Schang sagte verwundert: Ich habe ur
sprünglich meinen Namen geheim gehalten. Doch jetzt kennen
mich alle Mädchen. Wozu brauche ich die Arzneien? — Er
verbarg sich hierauf und trat in das Gebirge von Pa-ling.
Die gezeichneten Lobsprüche der früheren weisen Män
ner von Kuei-yang:
Ij/fc Su-tan öffnete immer das Thor und den Vor
hof. Als Gäste kamen, sagte er zu seiner Mutter: Die Men
schen winken mich zu sich, damit ich mich entferne. Ich habe
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Plizmaier.
Arzneien, gepflanzt und sie unter einen Pflaumenbaum in dem
rückwärtigen Garten gelegt. Sie können gegen die hundert
Krankheiten wirksam sein. Ein Blatt heilt einen Menschen.
Wenn ich diese Arzneien verkaufe, ist es mehr als genügend,
uns den Unterhalt zu verschaffen. — Sofort folgte er den
Gästen und ging fort. Seine Mutter erfasste ihn und zog ihn
an sich. In ihren Gliedern lag es wäe Trunkenheit, ihre Füsse
konnten sich nicht erheben.
Die von Wang-tse-nien verfassten Verzeichnisse des Auf
lesens des Hinterlassenen:
Tschao, König von Yen, sass in dem inneren Hause des
Lichtes der Erdgötter und schlief angekleidet am Tage. Da
träumte ihm, dass in der Gegend des Westens weisse Wolken
in Fülle sich erhoben. Plötzlich wurde es in dem Vorhofe
finster. Ein Mensch, dessen Kleider aus Federn und Flügel
federn bestanden, fuhr in einem mit grasgrünen gehörnten
Drachen bespannten Wagen und trat aus den Wolken. Der
selbe begab sich gerade zu dem Orte, wo sich der König be
fand. Der König sprach im Traume mit ihm und fragte ihn
um die Kunst der höchsten Unsterblichen. Der geflügelte
Mensch sprach: Der Geist und der Verstand des grossen
Königs sind noch nicht eröffnet. Du wällst das beständige
Leben suchen, doch dieses lässt sich nicht erlangen. — Der
König wünschte, in der Lehre von der Zernichtung der Be
gierden unterrichtet zu wmrden. Der geflügelte Mensch zeich
nete mit dem Finger das Herz des Königs. Das Herz barst
in der Richtung der Hand. Der König erwachte in Schrecken
und litt dabei an Krankheit des Herzens. Nach längerer Zeit
stieg er zu dem Palaste des Leuchtens der Quelle empor. Er
sah daselbst wieder den Menschen, von dem er früher ge
träumt hatte. Derselbe sprach : In früheren Tagen wollte ich
eigentlich das Herz des Königs verändern. — Hiermit nahm er
einen grüngelben Beutel von dem Umfange eines Zolles her
vor. In dem Beutel befanden sich die den Puls fortsetzenden
berühmten Kugeln und das die vier Geistigkeiten ausbessernde
Pulver, welches so fein wie Asche war. Er berührte mit der
Hand das Brustfleisch des Königs, und dieser war plötzlich
genesen. Der König bat jetzt hinsichtlich des Heilmittels. Jener
sprach: Die Gegenstände, die man verwendet, haben neun
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
15
Namen. Die göttliche Unsterblichkeitspflanze wird gesotten mit
dem Blute des grasgrünen Falken. Schuppen und Galle des
schwarzen Flusses werden geröstet mit dem Fette der Meer
insel Kuen. Man verwahrt es in dem Gespinnste der Edel
steinraupen. Man verschnürt es mit goldenen Schnüren. Man
versiegelt es mit dem Edelsteinsiegel. Wenn der König es als
Arznei gebrauchen kann, so wird er den Himmel überleben.
Ertränkt er sich in Ausschweifung, hat er Freude am Begeh
ren, so quält er im Suchen nur das Herz. — Als er ausgeredet
hatte, verwandelte er sich in eine grüne Ente und trat in die
Markscheide des Himmels. Der König trachtete, die Arzneien
zu mengen, konnte es aber niemals zu Stande bringen. Der
schwarze Fluss ist der Nordpol. Sein Wasser ist dick, schwarz
und fliesst nicht. Ueber ihm entstehen dicke Wolken. Es gibt
darin schwarze Karpfen von der Länge von tausend Schuhen
gleich Wallfischen. Dieselben fliegen und lustwandeln immer
zu dem südlichen Meere.
Der Garten der Merkwürdigkeiten:
Kaiser Wu von Wei eroberte im Norden und überschritt
die Berghöhen jenseits von Tün-khieu. Er blickte in die Ferne
und sah einen Bergrücken, der keine Pflanzen hervorbrachte.
T Wang-tsan sprach: Es ist somit ein alter Grab
hügel. Als dieser Mensch in der Welt lebte, gebrauchte er
als Arznei rohen Giftstein. Nach seinem Tode dünstet der
Stein nach oben aus und befindet sich auswendig. Desswegen
sind Pflanzen und Bäume verbrannt und zerstört. — Man liess
jetzt den Boden aufgraben und fand wirklich ein grosses Grab.
Daselbst erfüllte Giftstein die Grabhöhle. Einige sagen, als
Tsan sich in King-tcheu befand, habe er in Begleitung 0]
Lieu-piao’s den Berg |5j=i; Tschang erstiegen und diese Merk
würdigkeit gesehen.
Die von Jin-fang verfasste Geschichte der erzählten
Merkwürdigkeiten:
Ein altes Sprichwort aus dem Zeitalter der Han sagt:
Hat man auch göttliche Arzneien, sie sind nicht so gut wie
die Jugend. Hat man auch Perlen und Edelsteine, sie sind
nicht so gut wie Gold und Geld. Auf dem Bergrücken des
göttlichen Kessels in Thai-yuen ist der dreifüssige Kessel, in
welchem der göttliche Ackersmann die Arzneien kostete, noch
16
Pf izmaier.
vorhanden. In dem Gebirge von Hien-yang ist der 0 rt, an
welchem der göttliche Ackersmann die Arzneien peitschte. Er
heisst auch die Hochebene des göttlichen Ackersmannes. Er
heisst auch der Berg der Arzneipflanzen. In dem Gebirge be
findet sich die purpurne Warte des Yang. In dem Zeitalter
wird überliefert, der göttliche Ackersmann habe hier die hun
dert Arzneien beurtheilt.
Die Merkwürdigkeiten der Verzeichnisse des Landes
ausserhalb der Berghöhen:
In den zu Kuang-tscheu gehörenden Landschaften, sowie
in den Districten und Strassen erzeugt man vielen Wurmfrass.
Alle Menschen jener Gegenden können es bestätigen. Man be
handelt ihn mit Pflanzen und Arzneimitteln. In zehn Fällen
gelingt dieses sieben bis acht Mal. Zu den Arzneien gehört
vorerst die goldene Haarnadel. Dieselbe ist von der Gestalt
zweier Schenkel und gleich dem Steinscheffel. Ferner das
l?t US Ku-leu-tse, der Leberflachs, die weisse Arznei
des Hauses |5jj| Tschin. Dieses heisst auch Ke-king,
der glückliche Dornstrauch. Ursprünglich besass das Ge
schlecht Tschin in Ngu-tscheu dieses Arzneimittel. Es löste
vortrefflich das Gift des Wurmfrasses. Wer von diesem be
fallen war, den suchte es. Früher und später rettete es viele
Menschen. Man gab ihm daher diesen Namen. Gegenwärtig
gibt es in Fung-tscheu und Khang-tscheu Menschen, welche
es pflanzen können. In dem Sammelhause von Kuang-tscheu
ist es gewöhnlich jedes Jahr der Tribut des Bodens. Sämmt-
liche das Gift lösende Arzneien erreichen an Wirksamkeit nicht
die weisse Arznei des Hauses Tschin.
-n Tan ist der Mennig. ft tb Tan-scha ist der
Zinnober.
Die herbeigezogene göttliche Schliesse des Buches der
Elternliebe:
Wenn die Tugend zu den Bergen und Erdhöhen gelangt,
so bringen die Erdhöhen schwarzen Mennig hervor.
Die sich drehenden Thürangeln des Nössels des Früh
lings und Herbstes:
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
17
Wenn der bewegende Glanz 1 erlangt wird, bringen die
Erdhöhen die schwarze Unsterblichkeitspflanze hervor. Diese
verlängert ebenfalls das Leben des Menschen. Wenn man Gold
hineinwirft, so heisst dieses der goldene znbereitete Trank.
Wenn man ,König' hinein wirft, so heisst dieses der Königs
saft. Wenn man es als Arznei gebraucht, so hat man bei bei
den das lange Leben. Es gibt ferner eine Weise, den liegen
den Mennig zu nehmen. Man sagt, in dem Wasser der Flüsse,
welche Steinmennig enthalten, gebe es mennigrothe Fische.
Wenn man sie früher in der Nacht des zehnten Tages der
Ankunft des Sommers erwartet, so schwimmen die mennig-
rothen Fische gewiss neben der Uferbank. Ihr rother Glanz
leuchtet nach oben hell wie Feuer. Wenn man sie mit Netzen
fängt, fängt man sie, so viele sie auch seien, nicht alle. Wenn
man sie zerschneidet, das Blut nimmt und damit die Fuss-
sohlen bestreicht, so kann man zu Fusse über das Wasser
gehen und lange Zeit in dem Wasser verweilen.
Das Buch der Liang:
Als ji^j jft Thao-hung-king das göttliche Beglaubi
gungsrohr fand, entschied er darüber im Geheimen. Er glaubte,
dass der göttliche Mennig zu Stande gebracht werden könne,
doch es kränkte ihn, dass er keinei Arzneien hatte. Der
Kaiser verlieb ihm gelbes Gold, mennigrothen Sand, geschich
tetes Grün, männliches Gelb und andere Dinge. Später mengte
Jener den fliegenden Mennig. Die Farbe desselben war gleich
Reiffrost und Schnee. Als er es als Arznei gebrauchte, wurde
sein Leib leicht. Als der Kaiser den fliegenden Mennig als
Arznei gebrauchte, fand er es bestätigt. Er ehrte und schätzte
Jenen noch mehr.
Das Buch der Thang:
am & Lieu-tao-hö, ein Mann des Weges, stammte
aus Yuen-khieu. Kaiser Kao-tsu hiess ihn den zurückkehrenden
Mennig mengen. Der Mennig war vollendet und er reichte ihn
dem Kaiser. Während er Alles darbot, starb er. Es war von
ihm nur die leere Haut vorhanden. Dieselbe war über dem
Rücken aufgesprungen und hatte Aehnlichkeit mit einer
m % Yao-kuang, ,der bewegende Glanz 1
Handhabe des nördlichen Nössels.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft.
ist der erste Stern der
2
18
Pfizmaier.
abgelegten Grillenhaut. Kao-tsu hörte es und sagte: Der Meister
Lieu mengte für mich den Mennig. Er gebrauchte ihn selbst
und entfernte sich als Unsterblicher. — Was er dargereicht
hatte, war auch nichts Anderes.
Das Buch Hoai-nan-tse:
Das rothe Wasser eignet sich für Mennig. Das gelbe
Wasser eignet sich für Gold. Das grüne Wasser eignet sich
für Schildkröten.
Das Buch Pao-pö-tse :
Ich untersuchte und überblickte die Bücher der Erhaltung
des Lebens. Ich erforschte die Sammlungen und betrachtete
sie lange Zeit. Bei den Heilmitteln zählten die Hefte, die ich
aufschlug und durchging, nach Tausenden. Ein jedes machte
den zurückkehrenden- Mennig und den Goldsaft zum grossen
Erfordernisse. Somit sind diese zwei Dinge die Gipfelung des
Weges der Unsterblichen. Hat man diese als Arznei gebraucht
und man ist kein Unsterblicher geworden, so folgt daraus, dass es
im Alterthum keine Unsterblichen gab. Einst dachte TU jfjfc
Tso-yuen-fang in dem Gebirge der Himmelspfeiler geistig an
die göttlichen Menschen. Sie übergaben ihm das mennigrotlie
Buch. Der Fürst der Unsterblichen erhielt es von Yuen-fang.
Er erhielt im Ganzen das mennigrothe Buch des grossen
Klaren in drei Rollen, das mennigrothe Buch der neun Drei-
füsse in einer Rolle, das Buch des Goldsafts in einer Rolle.
Mein Lehrer, der Gebieter von dem Geschlechte j||j Tsching,
ist der Schüler meines Grossoheims, des Fürsten der Unsterb
lichen. Dieser errichtete in dem Gebirge der Pferdespuren
einen Erdaltar, schwor einen Eid und erhielt sie. Zugleich
theilte man ihm mündlich mit und bestimmte als Vorschrift,
was nicht niedergeschrieben worden.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Vorschrift für den göttlichen Mennig des grossen
Klaren stammt von dem ursprünglichen Gebieter. Der ursprüng
liche Gebieter ist der Lehrer Lao-tse’s. Das Buch der Himmels-
betrachtung des grossen Klaren enthält vierzehn Hefte. Es
heisst, die oberen sieben Hefte können nicht gelehrt und über
geben werden. Die mittleren vier Hefte enthalten nichts, das
der Ueberlieferung werth wäre. Man versenkte sie in die drei
Quellen. Die unteren drei Hefte seien eben die obere, mittlere
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
19
und untere Rolle des mennigrothen Buches. In diesem Buche
heisst es: Wenn Höhere und Niedere den Weg erlangen, leben
sie beständig in dem Zeitalter.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Gegen das Ende der Han mengte der Gebieter von dem
Geschlechte Yin aus Sin-ye diesen Mennig des grossen
Klaren und erlangte die Unsterblichkeit. Dieser Mann war
ursprünglich ein Gelehrter und besass Gaben. Er dachte nach
und veröffentlichte die Gedichte und die Lobpreisung des
mennigrothen Buches sammt einer Einleitung. In dieser erzählt
er den Ursprung und das Ende der Lehrer der Erdhöhen zur
Zeit, als er den Weg erst lernte. Er führt vierzig Menschen
an, die er kannte und welche die Unsterblichkeit erlangten.
Er setzt dieses mit grosser Deutlichkeit auseinander.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Es gibt verschiedene Vorschriften für den Mennig der
neun Lichter und die neun Umwälzungen. Im Allgemeinen
sind sie einander nur ähnlich. Die Weise, sie zu bereiten,
ist folgende: Man muss früher die Arzneimittel mit Wasser
und Feuer mengen und die fünf Steine umwälzen. Die fünf
Steine sind Zinnober, männliches Gelb, Giftstein, geschichtetes
Grün und Magnet. Ein Stein wird fünfmal umgewälzt, und ein
jeder bildet fünf Farben. Die fünf Steine sind zusammen
fünfundzwanzig Farben. Jede Farbe beträgt einen Theil und
man füllt sie in verschiedene Gefässe. Will man einen Todten
auferstehen machen, so nimmt man, ehe es noch volle drei
Tage sind, einen kleinen Löffel voll 1 grünen Mennig. Man
mengt ihn mit Wasser und wäscht damit den Leib des Todten.
Ferner bringt man ihm einen kleinen Löffel voll in den Mund
und der Todte wird auf der Stelle lebendig. Will man eine
wandernde Küche, nimmt man schwarzen Mennig, mengt ihn
und bestreicht damit die linke Hand. Was man begehrt, kommt
in den Mund. Was man sagt, wird herbeigeschafft. Man kann
die zehntausend Dinge der Welt herbeischaffen. Will man die
Gestalt verbergen oder die noch nicht geschehenen, die zu
künftigen Dinge wissen, oder mit den Jahren nicht alt werden,
so gebraucht man einen kleinen Löffel voll gelben Mennig,
1 Man versteht hier einen Löffel von dem Umfange eines Zolles.
2*
20
Pfizmaier.
Mau lebt sofort lange und wird nicht mehr alt. Man sieht
sitzend weiter als tausend Weggängen, Glück und Unglück ist,
als wäre es vor unseren Augen. Das Leben des Menschen, das
alt gewordene Lebenslos, Vollsein und Schwinden, Langjährig-
keit und früher Tod, vornehmer und geringer Stand, Reich
thum und Armuth, alles dieses erkennt man. Die Vorschrift
dessen findet sich auch in dem mittleren Capitel des grossen
Klaren.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Für das Heilmittel des geistigen Mennigs der fünf Kaiser
sind in einem Capitel fünf Vorschriften. Man verwendet
Zinnober, männliches Gelb, weibliches Gelb, Steinschwefel,
geschichtetes Grün, Alaun, Magnet, Salz der westlichen Bar
baren und übrig gebliebenen Mundvorrath Yü’s von dem
grossen Einzigen. Man verwendet auch Schlamm des grossen
Einzigen und Geröstetes des Opfers des göttlichen inneren
Hauses. Man mengt es und in dreissig Tagen ist es zu Stande
gebracht.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Weise, wie man aus Goldsaft die Freude an der
Macht, den grossen Sieg bereitet: Man nimmt Goldsaft und
Quecksilber und siedet sie zusammen durch dreissig Tage.
Man nimmt es hervor, füllt es in einen gelben irdenen Krug
und versiegelt es mit einem Sechstel Schlamm. Man stellt es
über ein heftiges Feuer und röstet es. Plötzlich verwandelt es
sich in Mennig. Man gebraucht davon ein Stück von der Grösse
einer kleinen Bohne und ist sofort unsterblich. Wenn man
einen kleinen Löffel voll dieses Mennigs zu Mehl macht und
es mit einem Pfund Quecksilber mengt, so verwandelt sich
dieses sogleich in Silber. Wenn man ferner ein Pfund dieses
Mennigs nimmt, ihn über ein heftiges Feuer stellt und es
fächelt, so verwandelt er sich in rothes Metall (Kupfer) und wird
flüssig. Dieses heisst mit Namen: das Mennigmetall. Wenn man
damit die Schwerter bestreicht, so entfernen sich die Bewaff
neten auf zehntausend Weglängen. Wemi man aus diesem Mennig
metall Schüsseln und Schalen verfertigt und daraus speist, so
bewirkt dieses, dass man lange lebt. Wenn man damit das
Licht der Sonne und des Mondes auffängt, so erlangt es gött
lichen Saft, gleichwie der Mondspicgel Wasser erlangt. Wenn
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
21
man diesen Saft trinkt, so bewirkt dieses, dass der Mensch
nicht stirbt.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Das Wahrhaftige der neun Mennige ist das höchste Arznei
mittel der Unsterblichen. Jedoch die verschiedenen Arznei
stoffe, die man zur Mischung und Bereitung verwendet, sind
sehr viele. Was solche wie das klare Verkehrende der vier
Gegenden betrifft, so kann man sie erhandeln und erlangen.
Was solche wie die getheilte Führung der neun Gränzen be
trifft, so kann man diese Gegenstände bisweilen nicht erlangen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
m m jn Kö-tschui-tschuen sagt: Mein Grossvater,
der das Amt eines Hung-lu bekleidete, war in seiner Jugend
Befehlshaber von Lin-yuen. Er sagte: In diesem Districte
lebten die Mitglieder des Geschlechtes Liao. Dieselben
erreichten immer ein hohes Alter. Einige wurden über hundert
Jahre, andere über achtzig und neunzig Jahre alt. Später
übersiedelten sie und zogen aus dieser Gegend fort. Ihre Söhne
und Enkel starben häufig eines frühen Todes. Andere Menschen,
welche in deren Hause wohnten, häuften wieder die Geschlechts
alter und hatten das lange lieben. In Folge dessen merkte
man, dass dieses durch das Wohnhaus bewirkt werde, aber
man wusste nicht warum. Man vermuthete, dass es der Brunnen
sei, dessen Wasser besonders roth war. Man grub zum Ver
suche an den Seiten des Brunnens nach und fand mehrere
Zehende von Scheffeln Zinnober, welchen die Menschen des
Alterthums vergraben hatten.
Der Wagebalken der Erörterungen:
Der grosse Fürst ging mit sich zu Rathe, wie er dem
Könige Wu schreiben könne, dass Tsch’heu anzugreifen sei.
Er befahl einem kleinen Kinde, sich den Leib mit Mennig zu
bestreichen, bis es rein roth wurde. Als es erwachsen war,
hiess er es sagen: Der König von Yin geht zu Grunde. —
Das Volk sah, dass der Leib des Kindes roth war und hielt
es für einen Gott des Himmels.
Die Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
Die Tochter von dem Geschlechte % Thsai bat jjffl
Peng-tsu um die Vorschrift für die Verlängerung der Jahre.
Peng-tsu sprach: Wer die Gestalt erheben, zum Himmel
22
Pfizmaier.
steigen uncl oben ein Amt der Unsterblichen ausfüllen will,
muss Goldmennig gebrauchen und das grosse Einzige der neun
Himmel bereiten. Hierdurch steigt er am hellen Tage in den
Himmel.
Dieselben Ueberlieferungen:
M W £ Ma-ming-seng schloss sich an einen Men
schen des Weges. Er empfing drei Rollen des Buches des
göttlichen Mennigs des grossen Klaren. Er trat in das Gebirge,
mengte die Arzneien und gebrauchte sie. Er hatte keine Freude,
in den Himmel zu steigen. Er gebrauchte nur halbe Gaben
und wurde ein Unsterblicher der Erde. Er trieb sich in den
neun Landstrichen hundert Jahre herum. Hierauf stieg er am
hellen Tage in den Himmel.
Dieselben Ueberlieferungen:
Ngan, König von Hoai-nan, schloss sich an den Fürsten
der Unsterblichen an. Er empfing den Goldmennig und das
Heilmittel der sechsunddreissig Flüsse.
Dieselben Ueberlieferungen:
Li-schao-kiün schloss sich an den Früh-
gebornen j£jj Ngau-khi und erhielt die Vorschrift für das
Heilmittel des Ofenfeuers des göttlichen Mennigs. Sein Haus
war arm und er erlangte keine Arzneistoffe. Er bot daher das
Heilmittel dem Kaiser Wu von Han.
Dieselben Ueberlieferungen:
Kö-yuen führte den Jünglingsnamen
Hiao-sien. Er schloss sich an yfc 7C H/fc. Tso-yuen-fang
und empfing die unsterblichen Bücher der neun Mennige und
des Goldsafts.
Dieselben Ueberlieferungen:
0|J JäJ^ Lieu-yuen-fung stammte aus Nan-yang. Er
gebrauchte den Mennig der Wasserlilien und den Mennig der
Küchlein.
Die von Pei-yuen verfasste Geschichte von Kuang-tscheu:
In dem Districte Tschang-ping befindet sich der Damm
des mennigrothen Sandes. Das Wasser sieht daselbst hoch-
roth aus.
Dieselbe Geschichte von Kuang-tung:
TJober einige Gegenstände des Taoglaubens.
23
In dem Districte Tschang-ping liegt der Berg des Stein
fettes. Derselbe hat von weitem das Aussehen von Reiffrost
und Schnee. Ferner besteht eine Berghöhe im Osten aus Silber
erz. Im Süden ist sie Eisenerz. Im Westen ist sie Zinnober,
im Norden Kupfererz.
Das Buch Pen-thsao :
Der Zinnober ist von Geschmack süss und etwas kalt.
Er wächst in den Gebirgsthälern. Er ernährt den Geist, ver
mehrt die Luft und erleuchtet das Auge. Der Bleimennig ist
von Geschmack scharf und etwas kalt. Er wächst in den
Sümpfen der Ebenen. Er hilft gegen Erbrechen und Magen
krampf. Wenn die Menschen ihn als Arznei gebrauchen, wer
den sie unsterblich und kommen in der Hauptstadt von Schö
in’s Leben. 1
Der Pen-thsao des Geschlechtes U:
Der Zinnober ist bei dem göttlichen Ackersmann süss.
Bei dem gelben Kaiser und Khi-pe ist er bitter und giftig.
Bei Pien-tsiö ist er bitter. Bei dem Geschlechte Li ist er
sehr kalt. Er wächst bisweilen in Wu-ling. Man sammelt ihn
zu unbestimmten Zeiten. Er kann sich in Mennig verwandeln
und Quecksilber hervorbringen. Er fürchtet den Magnet und
hasst das Salzwasser.
^ Tschi ist die Unsterblichkeitspflanze.
Das Buch der Han:
Zu den Zeiten des Kaisers Wu wuchs die Unsterblich
keitspflanze in einem Gemache innerhalb der Vorhalle. Sie
hatte neun Stengel. Es erfolgte allgemeine Verzeihung und
eine höchste Verkündung für die Welt, dass man Lieder auf
das Gemach der Unsterblichkeitspflanze verfertigen möge.
Dasselbe Buch der Han:
Zu den Zeiten des, Kaisers Siuen, im dritten Monate des
ersten Jahres des Zeitraumes Schin-tsiö (61 v. Chr.) lautete
eine höchste Verkündung: Die Goldunsterblichkeitspflanze 2
1 In der Hauptstadt von Schö befindet sich eine Grotte der Unsterblichen.
2 Dieselbe stellt durch ihre Farbe das Gold vor.
24
Pfizmai er.
mit neun Stengeln wächst in der die Tugend enthaltenden
Vorhalle, in dem Kupferteiche. 1
Die Geschichte der Han von der östlichen Warte:
Zu den Zeiten des Kaisers Ming, im siebenten Jahre des
Zeitraumes Yung-ping (64 n. Chr.) reichten die Fürsten und
Reichsminister, weil in der vorderen Vorhalle die Unsterblich
keitspflanze wuchs, volle Weinbecher auf das lange Leben des
Kaisers.
Dieselbe Geschichte der Han:
Zu den Zeiten des Kaisers Hoan, im ersten Jahre des
Zeitraumes Kien-ho (147 n. Chr.) wuchs die Unsterblichkeits
pflanze in dem Sammelhause der gelben Vorrathskammer der
Mitte.
Dieselbe Geschichte der Han:
Im vierten Jahre des Zeitraumes Kuang-ho (181 n. Chr.)
überreichten die Provinzen und Reiche nach oben Blüthen-
schmuck der Unsterblichkeitspflanze.
Das Buch der fortgesetzten Han:
Im fünften Jahre des Zeitraumes Kien-thsu (80 n. Chr.)
wuchsen in dem Wohnhause |fj^ Po-ning’s, eines Mäd
chens von Ling-ling, fünf purpurne Unsterblichkeitspflanzen.
Die längste mass einen Schuh vier Zoll, die kürzeste sieben
bis acht Zoll. Der Statthalter Ä Tschin-fung hiess den
verdienstvollen Richter die Unsterblichkeitspflanzen übersenden
und brachte es zu Ohren. Der Kaiser meldete es und legte es
der Welt dar.
Das Buch der Sung:
Zu den Zeiten des Kaisers Schün, im zweiten Jahre des
Zeitraumes Sching-ming (478 n. Chr.) wuchsen in dem Districte
Lin-tsching Unsterblichkeitspflanzen mit purpurnen Blumen
decken und gelben Fruchtboden. Stoff und Farbe der Unsterb
lichkeitspflanzen blieben mit der Zeit unverändert.
Das Buch der Thang:
In dem Zeiträume Thien-pao (742 bis 755 n. Chr.) wuchsen
> Edelsteinunsterblichkeitspflanzen auf dem Fussgestell der Säulen
1 Der Kupferteich ist die Dachtraufe. Nach Einigen heisst sie so, weil
man aus Kupfer einen Teich bildet. Nach Anderen heisst sie so, weil
man mit Kupfer die Ränder des Teiches verziert.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
25
der Vorhalle der grossen Uebereinstimmung. Ein Stamm hatte
zwei Stengel. Ihr göttlicher Glanz erleuchtete die Vorhalle.
Dasselbe Buch der Thang:
In dem Zeiträume Schang-yuen (674 bis 675 n. Chr.)
wuchsen auf dem kaiserlichen Sitze der Vorhalle der ausge
dehnten Blüthenfülle Edelsteinunsterblichkeitspflanzen. Ein
Stengel trug drei Blüthen. Der Kaiser veröffentlichte ein Ge
dicht auf die edelsteingeistige Unsterblichkeitspflanze.
Das Buch Hoai-nan-tse:
Wenn man auf dem Beschwörerberge in der Richtung
des Windes Feuer legt, findet die purpurne Unsterblichkeits
pflanze zugleich mit dem Weiderich und dem Beifuss den Tod.
Dasselbe Buch Hoai-nan-tse:
Die Reispflanze wächst in dem Wasser, aber sie kann
nicht wachsen in den Stromschwellen der Flüsse. Die Unsterb
lichkeitspflanze wächst auf den Bergen, aber sie kann nicht
1 wachsen auf den Felsblöcken und Steinen.
Das Buch Pao-pö-tse:
Unter den Unsterblichkeitspflanzen gibt es eine Stein
unsterblichkeitspflanze. Es gibt eine Baumunsterblichkeits
pflanze. Es gibt eine Pflanzenunsterblichkeitspflanze. Es gibt
eine Fleischunsterblichkeitspflanze. Es gibt eine Pilzunsterb
lichkeitspflanze. Dem Namen nach gibt es hundert Arten. Die
Steinunsterblichkeitspflanze ist das Bild des Steines. Sie wächst
in den Winkeln des Meeres, auf Felsenbergen und an der
Wasserscheide der Meerinseln. Die Fleischunsterblichkeits
pflanze hat eine Gestalt wie Fleisch. Sie hat Kopf, Schweif
und vier Füsse'. Sie hat grosse Aehnlichkeit mit einem leben
digen Wesen. Sie legt sich an grosse Steine. Sie findet sich
nämlich in hohen Gebirgshöhlen, auf steilem und unwegsamem
Boden. Einige sind zurückgeworfen und blicken aufwärts. Die
Aufwärtsblickenden setzen sich fort. Die rothen sind gleich
Korallen. Die weissen sind gleich zerschnittenem Fette. Die
schwarzen sind gleich glänzendem Pech. Die grünen sind gleich
den Flügeln des Eisvogels. Die gelben sind gleich purpurnem
Golde. Doch alle sind von durchdringendem Glanze, wie festes
Eis. Entfernt man sich von ihnen in dunkler Nacht ein- bis
zweihundert Schritte, sieht man sogleich von weitem ihren
Glanz. Die grossen wiegen zehn Pfund, die kleinen drei bis
26
Pfizraaier.
vier Pfund. Wenn man nicht lange Zeit das sehr Geistige in
Ordnung bringt und die fünf Abschnittsröhre der reingeistigen
Kostbarkeit, mit denen Lao-tse in das Gebirge trat, an den
Gürtel hängt, so kann man auch nicht dazu kommen, diesen
Glanz zu sehen.
Wer die Unsterblichkeitspflanzen sieht, muss früher das
die Berge erschliessende, die Schädlichkeit zurückwerfende
Abschnittsrohr auf sie legen. Sie können sich dann nicht mehr
verbergen, verwandeln und entfernen. Man wählt mit Ruhe
den Tag des Gehilfen des Königs und stellt das Opfer hin.
Dann erst nimmt man sie. Man steigt immer in der Richtung
der Sonne hinab, schreitet langsam und geht, weiter mit ver
haltenem Athem. Erlangt man ferner das Steinbild, 1 so zer-
stösst man es durch sechsunddreissigtausend Stösse mit der
Mörserkeule und gebraucht davon sieben Geviertzolle. Ver
braucht man in einem Tage ein Pfund, so erlangt man tausend
Jahre. Verbraucht man zehn Pfund, so erlangt man zehn-,
tausend Jahre. Man kann damit auch Menschen betheilen und
sie es gebrauchen lassen.
Die Unsterblichkeitspflanze des Edelsteinfcttes wächst
auf den Bergen, welche Edelsteine enthalten. Sie befindet sich
immer an überhängenden und gefährlichen Stellen. Das Edel
steinfett fliesst daselbst heraus. Nach zehntausend Jahren und
darüber gerinnt es und bringt die Pflanze zu Wege. Es kommt
vor, dass es mit der Gestalt der Vögel und vierfüssigen Thiere
Aehnlichkeit hat. Es wird nicht regelmässig eingesammelt und
gebraucht. Oft hat es Aehnlichkeit mit dem grasgrünen Edel
steine der Gebirgswasser. Es ist ebenfalls durchsichtig wie
Krystall. Wenn man es findet und einsammelt, versetzt man es
mit dem Safte der herzlosen Pflanze. Nach einer Weile wird
es zu Wasser. Wenn man von diesem einen Gantang- gebraucht,
erlangt man eintausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanzen des siebenfachen Lichtes
und des neunfachen Glanzes sind Steine. Sie finden sich auf
hohen über Gewässer ragenden Bergen, zwischen felsigen IJfer-
höhen. Sie sind von Gestalt gleich Schüsseln und Trinkschalen.
Das Steinbild ist die oben erwähnte Uusterblichkeitspflanze.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
27
Sie haben nicht mehr als einen Schuh im Durchmesser. Im
Umkreise haben sie Stengel und Stiele, durch welche sie sich
fortsetzen. Dieselben erheben sich drei bis vier Zoll hoch.
Diejenigen, welche sieben Oeffnungen haben, heissen das
siebenfache Licht. Diejenigen, welche neun Oeffnungen haben,
heissen der neunfache Glanz. Sie sind gleich Sternen, bis
auf eine Entfernung von hundert Schritten kann man in der
Nacht ihren Glanz sehen. Ihr Glanz unterscheidet sich von
selbst. Man wartet gewöhnlich um die Zeit der Theilung des
Herbstes und findet sie. Man zerstösst sie und gebraucht davon
sieben Geviertzolle. Wenn man sie lange Zeit gebraucht,
erwärmt augenscheinlich der Leib, die fünf Arten des Ge
schmacks behagen. Verbraucht man ein Pfund, so erlangt
man tausend Jahre. Sie bewirken, dass der Körper Glanz be
sitzt. Ein finsterer Ort, an dem man sich aufhält, ist wie vom
Monde erleuchtet und man kann in der Nacht Schriften sehen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des Steinhonigs wächst in
einer Felsenthiire des Berges Schao-schi. In der
Mitte der Thüre befindet sich sogleich ein tiefes Thal, welches
man nicht überschreiten kann. Wenn man einen Stein in das
Thal wirft, so hört man einen halben Tag noch immer seinen
Ton. Vor der Thüre, in einer Entfernung von zehn Klaftern,
befindet sich eine Felsensäule. Auf der Säule liegt ein ge
stürzter Deckel. Der Fels ist hoch und mag im Durchmesser
eine Klafter haben. Die Honigunsterblichkeitspflanze wächst
auf dem Felsen und fällt in den gestürzten Deckel. Nach län
gerer Zeit zeigt sich plötzlich ein Tropfen, der mit dem letzten
Durchsickernden des Daches nach dem Regen Aehnlichkeit
hat. Von Zeit zu Zeit fällt nun ein solcher Tropfen. Jedoch
die Honigunsterblichkeitspflanze hört nicht auf zu fallen und
der gestürzte Deckel läuft auch niemals über. Oberhalb der
Thüre sind in dem Felsen Zeichen der Froschwürmerschrift
eingegraben, welche besagen: Wer ein Nössel Unsterblich
keitspflanze des Steinhonigs gebrauchen kann, der lebt zehn
tausend Jahre. — Allen Männern des Weges war daran gele
gen, diesen Ort aufzufinden, sie konnten aber nicht zu ihm
gelangen. Sie sollten blos eine Trinkschale an das Ende eines
starken Holzes oder Bambus befestigen und den Gegenstand
28
P fizm aier.
auffangen. Zuletzt war aber noch Keiner, der dieses im Stande
gewesen wäre. Derjenige, der über dieser Thüre eine Inschrift
eingegraben bat, ist Einer, der in einem früheren Geschlechts
alter den Ort gewiss gefunden hat.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des Steinzimmts wächst in
den Felsenhöhlen der Gebirge. Sie hat Aehnlichkeit mit dem
Zimmtbaume, ist aber ein fester Stein. Sie ist einen Schuh
hoch, von Farbe licht und von Geschmack scharf. Sie besitzt
Aeste und Zweige. Man zerstösst sie und gebraucht sie als
Arznei. Von einem Pfund erlangt man tausend Jahre. Wo in
dem Felsen ein gelber Fleck ist, findet man. sie. Auf den
Bergen von Tsin-schui ist sie sehr häufig. Wenn sie sich in
einem grossen Felsen befindet, so ist dieser Felsen immer
feucht und vertrocknet nicht. Schlägt man den Felsen, so ent
hält der Felsen mehrere Zehende von Fächern und man findet
sie. Wenn sie sich in einem grossen Felsen befindet, ist sie
roth, gelb und voll Wasser gleich einem Küchlein in' der
Eierschale. Man muss sie dann sogleich trinken. Trinkt man
sie nicht, so wird sie allmälig fest, gerinnt zu Stein und eignet
sich nicht mehr zum Einnehmen. Nach der Vorschrift muss
man sie gerade in dem Augenblicke, wo sie noch nicht fest
wird, schlürfen. Ist sie bereits geronnen, so kann man sie
nicht gebrauchen. Zersprengt man einen Stein, so findet sich
darin, wenn es viel ist, ein Gantang. Wenn es wenig ist, so
sind es einige Löffel voll. Kann man sie nicht auf einmal ein
nehmen, so nimmt man sie, hat man auch nicht viel gefunden,
nacheinander ein. Rechnet man das, was man früher und später
als Arznei gebraucht hat, zusammen und es sind drei Nössel,
so erlangt man tausend Jahre. Man will sie aber häufig an
wenden und bedauert nur, dass sie schwer zu erlangen ist.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des Steinhirns wächst in
schlüpfrigen Steinen. Sie ist ebenfalls gleich dem Gelben in
dem Steine, sie ist aber nicht jedesmal zu finden. Zerschlägt
man etwa tausend schlüpfrige Steine, so kann man ein Nössel
voll finden. Wenn man den Stein erst sprengt und sie in dem
Steine sich befindet, sind fünf Fai’ben glänzend hell und regen
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
29
sich. Gebraucht man einen Gantang, so erlangt man eintausend
Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Was die Baumunsterblichkeitspflanze betrifft, so rinnt
das Harz der Fichten und Pistazien in die Erde. In tausend
Jahren verwandelt es sich in Stechwinde. Nach zehntausend
Jahren wächst über dieser ein kleiner Baum, der von Gestalt
den Blüthen der Wasserlilie ähnlich ist. Derselbe heisst
^112 Mö-wei-hi-tschi, ,die Baumunsterblichkeits
pflanze der Freude der Macht'. Wenn man ihn in der Nacht
sieht, hat er glänzendes Licht. Erfasst man ihn, so ist er sehr
schlüpfrig. Setzt man ihn dem Feuer aus, so wird er nicht
verbrannt. Legt man ihn an den Gürtel, so entgeht man den
Waffen. Man umgürtet damit einen Hahn, mengt ihn unter
zwölf andere Hähne und schliesst alle zugleich ein. Man
schiesst aus einer Entfernung von zwölf Schritten zwölf Pfeile
ab. Die anderen Hähne werden verletzt, jedoch der Hahn, der
mit der Unsterblichkeitspflanze der Freude der Macht umgürtet
ist, bleibt gänzlich unverletzt. Man bricht an dem Orte, wo sie
wächst, sechs Keime und trocknet sie im Schatten durch
hundert Tage. Man macht sie zu Pulver und gebraucht davon
sieben Geviertzolle. Wenn man in einem Tage dreimal einen
Zweig verbraucht, so erlangt man dreitausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Unter einem tausendjährigen verdorrten Baume findet sich
eine Wurzel, die gleich einem sitzenden Menschen. Dieselbe
ist sieben Zoll lang. Wenn man sie einschneidet, so blutet sie.
Wenn man mit diesem Blute die Fusssohlen bestreicht, so
kann man zu Fusse auf der Oberfläche des Wassers gehen,
ohne unterzusinken. Bestreicht man damit die Nase eines
Menschen und dieser tritt in das Wasser, so öffnet sich für
ihn das Wasser und er kann auf dem Boden des Wirbels
weilen. Bestreicht man damit den Leib, so wird man unsicht
bar. Will man sichtbar werden, so streicht man es ab. Ferner
kann man damit Krankheiten behandeln. Ist die Krankheit
innerhalb des Bauches, so schneidet man einen kleinen Löffel
voll ab und gebraucht es. Ist Anschwellung und Schmerz aus
wendig, so reibt man an der leidenden Stelle einen kleinen
Löffel voll ein. In allen Fällen erfolgt unter der Hand die
30
P f i z in a i e r.
Heilung. Gesetzt, der linke Fuss schmerzt, so nimmt man ein
abgeschnittenes Stück und bestreicht damit den linken Fuss
des Menschen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
In der Rinde dreitausendjähriger Aeste der Fichtenbäume
befindet sich angesammeltes Harz, das wie ein Drache gestaltet
ist. Dasselbe heisst die Unsterblichkeitspflanze der fliegenden
Knoten. Die grossen Stücke wiegen zehn Pfund. Man macht
es zu Pulver und nimmt es ein. Wenn man ein Pfund ver
braucht, erlangt man fünfhundert Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Der Baum der Unsterblichkeitspflanze des Zaunpfirsichs
gleicht einem aufsteigenden Drachen. Blütlien und Blätter sind
wie bei der Flachsseide. Die Frucht gleicht einem Eisvogel.
Die Pflanze ist nicht höher als fünf Schuh. Sie wächst an der
Südseite der berühmten Berge, an dem Rande der nach Osten
fliessenden Quellen und Flüsse. Nach der Zeit der Ankunft
des Sommers erwartet man sie. Wenn man sie findet, macht
man sie zu Pulver und gebraucht sie als Arznei. Wenn man
einen Baum verbraucht, so erlangt man fünftausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die gemengt hervorgebrachte Unsterblichkeitspflanze
von r °th er Farbe und hellglänzend. Wenn
man sie schlägt, geben Zweige und Blätter einen Ton wie
Golderz von sich. Bricht man sie und legt sie zusammen, so
ist sie sogleich wieder wie sie früher gewesen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Das Mö-khiü-tschi, ,die Unsterblichkeits
pflanze der Baumkanäle', wächst auf grossen Bäumen. Es ist
gleich den Blüthen der Wasserlilie, hat neun Stengel und
bildet einen Busch. Sein Geschmack ist süss und scharf. Das
Ü 7k ^ Kien-mö-tschi, ,die Unsterblichkeitspflanze der
aufgestellten Bäume', wächst in Tu-khang-tscheu und Kuang-
tscheu. Seine Haut ist gleich derjenigen der Schlange der
Mützenschnüre, seine Knochen sind gleich denjenigen des
Glöttervogels. Wenn man diese zwei Unsterblichkeitspflanzen
findet und sie gebraucht, steigt man am hellen Tage in den
Himmel.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
lieber einige Gegenstände des Taoglanbens.
31
Das jfjf Hoang-lu-tse, ,das gelbe Schilfrohr',
das H 1 fsin-mö-hoa, ,die Blütlie des Klafterbaumes',
das vjt Yuen-yi-hoa, ,die Bliithe des ursprünglichen
Saftes'. Diese drei Unsterblichkeitspflanzeu wachsen auf dem
Thai-schan, in dem Bezirke ^ Yao und in ^ ^ Fung-
kao. Wenn man sie findet und gebraucht, bewirken sie, dass
der Mensch tausend Jahre alt wird.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Unter den Pflanzenunsterblichkeitspflanzen gibt es eine
allein sich bewegende Unsterblichkeitspflanze. Dieselbe bewegt
sich, ohne dass der Wind weht, von selbst. Ihre Stengel sind so
gross wie ein Finger der Hand und rotli wie Mennig. Sie hat
farblose Blätter gleich dem Portulak. Ihre Wurzel hat grosse
Knollen, die gleich einem Nössel sind. Die dünnen, welche
sie hat, sind wie Küchlein. Es sind zwölf Stück. Dieselben
umgeben die Wurzel an allen vier Seiten und scheinen die
zwölf Sternbilder nachzuahmen. Sie sind von einander eine
Klafter entfernt. Alle haben feine Wurzeln, welche dem weissen
Haupthaare gleich sind und sich aneinander legen. Sie wächst
in den tiefen Thälern hoher Gebirge. Zu beiden Seiten der
Stellen, wo sie wachsen, gibt es keine Pflanzen. Wenn man
die grossen Knollen findet, macht man sie zu Pulver und ge
braucht sie als Arznei. Verbraucht man sie, so erlangt man
tausend Jahre. Verbraucht man ein Stück von den dünnen, so
erlangt man hundert Jahre. Man kann damit andere Menschen
betheilen. Trägt man im Busen eine grosse Wurzel, so ist
man unsichtbar. Will man sichtbar werden, so dreht man sie
nach links und nimmt sie heraus.
*
Dasselbe Buch Pao-pö-tse :
Die Unsterblichkeitspflanze des Kuhhorns wächst auf dem
Berge der Langjährigkeit des Tigers und auf der Bergtreppe
von U. Von Gestalt hat sie Aelmlichkeit mit der Zwiebel,
wächst aber einzeln wie ein Kuhhorn. Sie ist drei bis vier
Schuh lang und von grüner Farbe. Man macht sie zu Pulver
und gebraucht davon sieben Geviertzolle. Gebraucht man sie
täglich dreimal bis zu hundert Tagen, so erlangt man eine
Lebensdauer von tausend Jahren.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
32
P f i z m a i e r.
Die Unsterblichkeitspflanze der Drachenunsterblichen hat
von Gestalt Aehnlichkeit mit aufsteigenden Drachen, die ein
ander auf dem Rücken tragen. Die Blätter macht sie zu
Schuppen, die Wurzel ist gleich einem gekrümmten Drachen.
Wenn man eine ganze Pflanze als Arznei gebraucht, so erlangt
man tausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze der purpurnen Perlen. Ihre
Stengel sind gelb, ihre Blätter roth. Ihre Früchte sind gleich
Damascenerpflaumen und von purpurner Farbe. Es sind vier
undzwanzig Stück. Dieselben legen sich ohne weiters an ein
ander und hängen herab wie eingefädelte Perlen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des weissen Abschnittsrohres
ist vier bis fünf Schuh hoch. Sie hat Aehnlichkeit mit dem
Pflaumenbaume. Sie blüht immer um die Zeit des grossen
Schnees. Im letzten Monate des Winters trägt sie Früchte.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze der hellrothen Pflanzen hat
in neun Krümmungen drei Blätter. Die Blätter haben Früchte.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze der fünf Tugenden hat von
Gestalt Aehnlichkeit mit Stockwerken und Vorhallen. Die
Stengel sind viereckig. An ihren Blättern ist von den fünf
Farben eine jede vorhanden und nicht gemengt. Die Blätter
sind von Gestalt gleich gestürzten Deckeln. Wenn auf ihnen
süsser Thau sich befunden hat, erhebt sich purpurner Glanz
in der Höhe von mehreren Schuhen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse: .
Die Unsterblichkeitspflanzen der Drachenlenkung (j| I»
ip ) wachsen immer im mittleren Monate des Frühlings ein
ander gegenüber und haben drei Knoten. Es sind zwölf Stück.
Die unten befindliche Wurzel ist gleich einem sitzenden
Menschen. Von diesen Unsterblichkeitspflanzen der Pflanzen
gibt es noch hundertzwanzig Arten. Wenn man sie im Schatten
trocknet und als Arznei gebraucht, so bewirkt dieses, dass der
Mensch in Gemeinschaft mit Himmel und Erde ein Ende
nimmt. Bisweilen erlangt man tausend Jahre oder zweitausend
Jahre.
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
33
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Baumunsterblichkeitspflanze wächst in den berühmten
Gebirgen, an der Südseite der grossen Thäler. Wenn man sie
zurechtbringt und verzehrt, kann man in das Wasser treten,
die Wolken ersteigen, im Wandeln verkehren mit dem gött
lichen Licht. Man kann den hundert Dämonen Aufträge geben.
Die Unsterblichkeitspflanze des süssen Thau’s wächst an der
Südseite der Felsengebirge. Sie hat fünf bunte Farben, welche
sie überdecken.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze der Wagen und Pferde wächst
in den berühmten Gebirgen. Sie ist es, in welche zu den
Zeiten Yao’s Wagen und Pferde verwandelt wurden. Wer sie
finden und verzehren kann, ersteigt die Wolken und zieht
dahin. Ueber ihr befindet sich Wolkenluft, welche sie über
deckt. Die Unsterblichkeitspflanze der tausend Jahre wächst
in den berühmten Gebirgen und auf dem Berge Pung-lai.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Erdunsterblichkeitspflanze wächst in den berühmten
Gebirgen. Wenn man sie erlangt und verzehrt, verlängert sie
die Jahre, vermehrt die Langjährigkeit. In einmaliger Erhe
bung legt man tausend Weglängen zurück, eilt nach Yue-
tscheu, Kiang-tscheu und Hai-tscheu.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Mondunsterblichkeitspflanze wächst an der Südseite
der berühmten Berge, zwischen Golderz, Perlen und Edel
steinen. Wenn man sie im Schatten trocknet, zurechtmacht
und verzehrt, so bewirkt dieses, dass der Mensch zwei Schuh
lange Haare hat. Sie verlängert die Lebensdauer auf zehn
tausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Erdreichunsterblichkeitspflanze wächst an der Süd
seite der berühmten Berge. Gelbe Wolken überdecken sie. Sie
ist das Geistige des gelben Kaisers in dem mittleren Palaste
ä e Meu-ki. Wenn man sie verzehrt, vermehrt sie die
Lebensdauer auf achttausend Jahre.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze der schwarzen Wolken wächst
in den berühmten Gebirgen, in den grossen Thälern an kühlen
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. LXXiX. Bd. I. Hit. 3
34
Pfizmaier.
Quellen. Sie liat einen schwarzen Blumendeckel, ein rothes
Innere. Die Stengel sind schwarz, der Geschmack ist salzig
und bitter. Wenn man sie verzehrt, kann man durch ein Jahr
in das Feuer treten, ohne zu verbrennen. Man kann in das
Wasser treten, ohne durchweicht zu werden. Die Steinunsterb
lichkeitspflanze wächst an der Südseite der berühmten Berge.
Sie ist von Farbe gelb. Auf ihr befindet sich das Arzneimittel
der Unsterblichkeit, welches gleich dem süssen Thau. Sein
Geschmack ist äusserst vorzüglich. Wenn man es nimmt und
verzehrt, bewirkt es, dass der Mensch nicht stirbt. Es ward
von zfc # T Tschi-sung-tse als Arznei gebraucht. Der
Verbleib der Bergunsterblichkeitspflanze sind von Osten nach
Westen drei Wege, von Süden nach Norden drei Wege. Alle
Steinunsterblichkeitspflanzen sind von Farbe weiss. Die Stein
unsterblichkeitspflanze ist von ^0. Han-tschung gegessen
worden. Sie macht mit Himmel und Erde gemeinschaftlich
gipfeln, verlängert die Jahre, vermehrt die Langjährigkeit,
macht mit dem göttlichen Lichte verkehren.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Menschenunsterblichkeitspflanze wächst an der Süd
seite der berühmten Berge. Sie hat einen grünen Blumendeckel
und weisse Stengel. Die Unsterblichkeitspflanze des gelben
Drachen wächst in den göttlichen Gebirgen. Sie ist von Ge
stalt gleich einem gelben Drachen. Die Unsterblichkeitspflanze
der Wolkenluft wächst in den berühmten Gebirgen. Ihr Blu
mendeckel ist weiss, die Stengel sind weiss, das Innere ist
roth. Die Himmelsunsterblichkeitspflanze wächst an der Süd
seite der berühmten Gebirge. Die Unsterblichkeitspflanze der
tausend Herbste wächst in den grossen Thälern. In jeder der
vier Gegenden hat sie eine verschiedene Farbe. Im Süden ist
sie roth, im Westen weiss, im Norden schwarz, im Osten grün.
Wenn man sie verzehrt, altert man nicht. Wer alt ist, stirbt
nicht. Die Donnerunsterbljchkeitspflanze wächst an der Süd
seite der berühmten Berge, auf weissen Steinen. Weisse Wol
ken überdecken sie. Die Unsterblichkeitspflanze der gelben
Wolken wächst in den berühmten Gebirgen, zwischen Golderz.
In der Höhe überdecken sie gelbe Wolken. Wenn man sie
verzehrt, lebt man tausend Jahre. Sie bewirkt, dass der Mensch
im Verkehre sieht das göttliche Licht, die Wolken ersteigt
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
35
und sie zu Wagen macht, den Wind zu Pferden macht. Die
Unsterblichkeitspflanze der grünen Wolken wächst an der Süd
seite der berühmten Berge. Die Unsterblichkeitspflanze der
Wolkenmutter wächst in den berühmten Gebirgen, zur Seite
der Sümpfe und Quellen. Die Unsterblichkeitspflanze des
weissen Tigers wächst an der Südseite der berühmten Berge,
an dem Fusse grosser Bäume. Sie ist von Gestalt gleich einem
Tiger. Die Farbe des Blumendeckels ist grün, der Geschmack
scharf. Wenn man sie verzehrt, bewirkt sie, dass der Mensch
Kraft besitzt. Ferner wächst die Unsterblichkeitspflanze der
östlichen Gegend an der Südseite des östlichen Theiles der
Gebirge. Die Unsterblichkeitspflanze der südlichen Gegend
wächst an der Nordseite des göttlichen Gebirges. Die Unsterb
lichkeitspflanze der nördlichen Gegend wächst in den Gebirgen
des nördlichen Meeres, in dem Wasser der grossen Thäler.
Sie ist verschieden von Gestalt und feuchtglänzend. Die Un
sterblichkeitspflanze der westlichen Gegend wächst auf dem
Kuen-litn zwischen Golderz. Die Unsterblichkeitspflanze der
zehntausend Jahre wächst an der Südseite der berühmten
Berge.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des Nachtglanzes wächst an
der Südseite der berühmten Bei'ge, in den kühlen Quellen der
grossen Thäler zwischen Golderz. Schwimmende Wolken
schweben über ihr. Die Unsterblichkeitspflanze des grossen
Einzigen wächst an der Südseite der berühmten Berge. Ihr
Blumendeckel ist gelb, die Stengel sind roth. Wenn man sie
findet und verzehrt, so bewirkt sie, dass der Mensch nicht
altert, dass er mit Himmel und Erde gemeinschaftlich sich
bewahrt.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Tigerun sterblichkeitspflanze wächst an der Südseite
der berühmten Berge. Sie ist von Gestalt gleich einem Tiger.
Wenn man sie verzehrt, wird der Körper leicht. Sie verlän
gert die Lebensdauer auf achthundert Jahre. Die Unsterblich
keitspflanze des singenden Vogels wächst in den berühmten
Gebirgen, an der Sonnenseite der Wälder. Sie ist von Gestalt
gleich einem Vogel und hat fünf Farben. Wenn man sie im
Schatten trocknet, zurechtbringt und verzehrt, so bewirkt sie,
- 3*
36
P f i z ra a i e r.
dass der Mensch von Körper leicht wird und mit dem Winde
zugleich wandelt.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Unsterblichkeitspflanze des rothen Drachen wächst
an der Südseite der berühmten Berge in Sümpfen und Quellen.
Sie ist von Gestalt gleich einem Drachen. Ihre Farbe ist roth
und weiss. Wenn man sie zur Zeit des Herbstes pflückt, erhält
sie sogleich weissen Glanz. Wenn man sie verzehrt, ist die
Lebensdauer mit Himmel und Erde ohne Gränze. Die Unsterb
lichkeitspflanze des schwarzen Drachen wächst in den berühm
ten Gebirgen, an dem Fusse grosser Bäume. Sie ist von
schwarzer Farbe und gleich einem Drachen. Wenn man sie
verzehrt, bewirkt sie, dass der Mensch in das Wasser tre
ten kann.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Thüre des Nestes der tausendjährigen Schwalbe ist
nach Norden gekehrt. Die Farbe der Schwalbe ist häufig weiss
und der Schweif von unvermischter Farbe. Wenn man sie
ausgräbt, sie nimmt, im Schatten trocknet, sie zu Pulver macht
und als Arznei gebraucht, so erlangt man fünfhundert Jahre.
Hiervon sind hundertundzwanzig Arten. Es sind Fleischun
sterblichkeitspflanzen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Fleischunsterblichkeitspflanze nennt man die zehntausend
jährige Kröte. Dieselbe hat auf dem Haupte Hörner. Unter
dem Kinn hat sie in mennigrother Schrift das Zeichen A
pä (acht). Am fünften Tage des fünften Monats, um die Mitte
des Tages, nimmt man sie. Man trocknet sie im Schatten durch
hundert Tage. Wenn man mit ihrem Fusse auf die Erde zeich
net, so bringt man sogleich fliessendes Wasser zu Wege. Die
tausendjährige Fledermaus ist von Farbe gleich dem weissen
Schnee. Wenn sie aufsitzt, hängt sie verkehrt, weil ihr Gehirn
schwer ist. Wenn man diese zwei Dinge findet und sie im
Schatten trocknet, dann sie zu Pulver macht und als Arznei
gebraucht, so bewirken sie, dass der Mensch viermal zehn
tausend Jahre lebt. An einer tausendjährigen Schildkröte sind
alle fünf Farben vorhanden. Ueber der Stirne hat sie zwei
hervorragende Knochen, welche mit Hörnern Aelmlichkeit
haben. Wenn man diese in Schafblut badet, so lösen sie sich
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
37
ab. Wenn inan sie nimmt und als Arznei gebraucht, so lebt
man tausend Jahre. Wenn man in dem Gebirge wandelt und
einen kleinen Menschen sieht, der in einem Wagen mit sieben
bis acht Zoll langen Pferden fährt, so ist dieses eine Fleisch
unsterblichkeitspflanze. Wenn man sie nimmt und als Arznei
gebraucht, wird man sofort ein Unsterblicher. Alle hundert-
undzwanzig Arten sind Fleischunstcrblichkeitspflanzen.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Die Pilzunsterblichkeitspflanze (Jjy ^ ) wächst biswei
len in dem tiefen Gebirge. Bisweilen wächst sie an dem Fusse
grosser Bäume, zur Seite der Quellen und Flüsse. Ihre Gestalt
ist bisweilen gleich Palästen und inneren Häusern, bisweilen
gleich Wagen und Pferden, bisweilen gleich Drachen und
Tigern, bisweilen gleich fliegenden Vögeln. Die fünf Farben
sind ohne Beständigkeit. Es sind ebenfalls hundertundzwanzig
Arten, von welchen es Abbildungen gibt. Man muss immer
mit langsamen Schritten hingehen. Wenn man sie einsammelt,
ritzt man sie mit einem beinernen Messer. Man trocknet sie
im Schatten, macht sie zu Pulver und gebraucht davon sieben
Geviertzolle. Dieses ist im Stande zu bewirken, dass der
Mensch zu den Unsterblichen emporsteigt. Das Richtige sind
mehrere zehntausend Jahre. Das Niedere sind tausend Jahre.
Will man Unsterblichkeitspflanzen suchen und in die berühm
ten Gebirge treten, muss man dieses im dritten Monate und
im neunten Monate thun. Dieses sind die Monate, in welchen
die Berge sich erschliessen und die göttlichen Arzneimittel
zum Vorschein bringen. Man bediene sich keiner Gebirgs-
trommeln. Als Tag wähle man die Himmelsstütze. Um diese
Zeit ist die Zusammenkunft der drei wunderbaren Dinge am
besten und diese kommen aus dem Thore der drei wunder
baren Dinge hervor. Wenn man vor dem Gebirge ankommt,
muss man an dem Tage der sechs Schatten, um die Stunde
der lichten Halle ein Abschnittsrohr der reingeistigen Kost
barkeit an dem Gürtel tragen, einen weissen Hund an einem
Stricke ziehen, ein weisses Huhn in den Armen halten und
ein Nössel weisses Salz und das die Gebirge eröffnende Ab
schnittsrohr und die Schrifttafel auf einen grossen Stein legen.
Man erfasst ein Bündel Pflanzen von U und Thang
und tritt damit in das Gebirge. Der Gott des Berges hat Freude
38
Pfizmaier.
und man findet gewiss die Unsterblichkeitspflanze. Wenn man
ferner den ,Gehilfen des Königs' erlangen will und an dem
Tage des ausschliesslichen Einklangs Zweige und Stengel oben
und unten in Gemeinschaft wachsen, so ist es gut. Diese Un
sterblichkeitspflanzen kommen auf den berühmten Bergen
häufig vor, jedoch der Sinn der gewöhnlichen Männer des
Weges ist nicht geistig, Vorsätze und Wandel sind unrein,
ihre Tugend ist gering. Ferner verstehen sie nicht die Kunst,
in das Gebirge zu treten. Erlangen sie auch die Abbildung,
sie kennen nicht die Gestalt. Sie können auch niemals etwas
finden. Die Gebirge ohne Unterschied besitzen Dämonen und
Geister. Die Dämonen und Geister geben die Unsterblichkeits
pflanze nicht den Menschen. Wenn die Menschen auch darauf
treten, sie können sie nicht sehen.
Die inneren Ueberlieferungen von dem Kaiser Wu
von Han:
Unter den höchsten Arzneimitteln der Unsterblichkeits
pflanzen der Unsterblichen befindet sich die Regenbogenunsterb
lichkeitspflanze des grossen Wahren.
Der Wagebalken der Erörterungen:
Zu den Zeiten des Kaisers Tschang (von Han) wuchsen
in Ling-ling fünf Stämme Unsterblichkeitspflanzen.
Das Heft der anfänglichen Schenkung:
Die Stengel der hellrothen Pflanze sind gleich Nadeln.
Die Keime der purpurnen Unsterblichkeitspflanze sind gleich
Bohnen. Diejenigen, welche gleich Perlen und Edelsteinen sind,
wachsen durch die geschenkte Luft. Auch sie wachsen noch
immer.
Die inneren Ueberlieferungen von dem Gebieter von dem
Geschlechte Mao:
Auf dem Berge Keu-khiö findet man fünf Arten
göttlicher Unsterblichkeitspflanzen. Die erste heisst die Drachen
unsterblichkeitspflanze der Unsterblichen. Dieselbe hat Aehn-
lichkeit mit Krokodilldrachen, die einander auf dem Rücken
tragen. Wenn man sie als Arznei gebraucht, wird man ein
Reichsminister der Unsterblichen der grossen Gipfelung. Die
zweite heisst die gemengt hervorgebrachte Unsterblichkeits
pflanze. Dieselbe ist von rother Farbe und hellglänzend. Wenn
man sie schlägt, geben Zweige und Blätter einen Ton wie
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
39
Golderz von sich. Wenn man sie bricht und die Stücke an
einander legt, ist sie sogleich wieder, wie sie früher gewesen.
Gebraucht man sie als Arznei, so wird man ein Grosser der
grossen Gipfelung. Die dritte heisst die Unsterblichkeitspflanze
der Leibesfrucht der Schwalbe. Die Karbe derselben ist purpur-
roth, die Gestalt gleich der Malve. Die Blätter sind im Bilde
gleich Schwalben, welche fliegen wollen. Ihr glänzendes Licht
ist durchdringend. Wenn man einen Stamm als Arznei ge
braucht, wird man ein Gebieter der Drachen- und Tiger
unsterblichen des grossen Klaren. Die vierte heisst die Unsterb
lichkeitspflanze des Nachtglanzes. Die Farbe derselben ist
grün, die Frucht rein weiss gleich einer Damascenerpflaume.
Wenn man in der Nacht die Frucht betrachtet, ist sie gleich
dem Mondo. Ihr Licht durchleuchtet das ganze innere Haus.
Wenn man einen Stamm als Arznei gebraucht, wird man eine
Obrigkeit der Unsterblichen des grossen Klaren. Die fünfte
heisst die Edelsteinunsterblichkeitspflanze. Dieselbe ist von
Farbe weiss wie Edelstein. Wenn man sie spaltet und verzehrt,
wird man zum kaiserlichen Vermerker des wahren Richtigen
der drei Obrigkeiten ernannt.
Die Abbildungen der von unsterblichen Menschen ge
pflückten Unsterblichkeitspflanzen:
Die Unsterblichkeitspflanze wächst auf den berühmten
Bergen. Wenn man sie verzehrt, so bewirkt dieses, dass der
Mensch die Wolken ersteigt. Er kann zu der Warte des Him
mels emporsteigen, nach den acht Gipfelungen blicken, im
Verkehre das Licht der Götter sehen. Die Unsterblichkeits
pflanze des Paradiesvogels wächst auf den berühmten Bergen
zwischen Gold und Edelsteinen, auf den gestreiften Steinen.
Wenn man sie im Schatten trocknet, sie zurecht bringt und
durch ein Jahr verzehrt, so bewirkt dieses, dass dem Menschen
Flügel und Schwingen wachsen. Seine Lebensdauer ist tausend
Jahre. Er ist im Stande, die Wolken zu ersteigen, dem Para
diesvogel Gesellschaft zu leisten.
Die Abbildung der Entsprechungen der glücklichen Zei
chen des Geschlechtes Sün:
Die Unsterblichkeitspflanze wächst gewöhnlich im sechsten
Monate. Im Frühlinge ist sie grün, im Sommer purpurn, im
Herbst weiss, im Winter schwarz.
40
Pfizmaier.
Die Geschichte der acht Inseln:
In fi. Tsu-tscheu 1 findet sich die den Geist ernäh
rende mennigrothe Unsterblichkeitspflanze. Dieselbe hat Aehn-
lichkeit mit den Sprossen der Blumenbinse und ist drei bis
vier Schuh lang. Wenn die Menschen sterben, überdeckt man
sie mit der Pflanze und sie werden lebendig. Wenn man sie
als Arznei gebraucht, hat man das lange Leben. Zu den Zeiten
des Kaisers des Anfangs ,aus dem Hause Thsin war eine grosse
Pest und es gab viele Todte. Ein Vogel hielt in dem Schnabel
diese Pflanze, überdeckte damit die Todten und in dem Augen
blicke wurden alle lebendig. Der Kaiser des Anfangs hörte
dieses und fragte den Frühgebornen des Dämonenthaies von
der nördlichen Vorstadt. Der Frühgeborne sprach: Dieses ist
die Pflanze der Unsterblichkeit. Sie wächst auf den Rubinen-
feldern. Ausserdem gibt es mehrere zehnmal zehntausend
Häuser der Unsterblichen des Berges der Weingefässe, welche
das Feld bebauen und Unsterblichkeitspflanzen pflanzen.
Die Geschichte der hohen Berge:
Auf den hohen Bergen findet man die Menschenunsterb
lichkeitspflanze. Dieselbe ist von Gestalt gleich einem kleinen
Kinde. Die Erdunsterblichkeitspflanze ist viereckig und misst
einen Schuh. Sie ist von Farbe gleich dem gelben Golde. Sie
wird von fünf farbigen Wolken überdeckt. Ein göttlicher Drache
bewacht sie. Wer sie verzehrt, kann durch sie die Jahre in
die Ferne rücken.
Die von Thsui-piao verfassten Erklärungen des Alter
thums und der Gegenwart:
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Yuen-ho (85 n. Chr.)
wuchs die Unsterblichkeitspfbiuze in Pei. Sie war von Gestalt
gleich der Mütze des Menschen. Ferner wuchs sie in Tchang-
wu. Sie war von Gestalt gleich einem Menschen, der zwei
Söhne in den Armen hält. Zn den Zeiten des Kaisers Tsching,
im fünften Jahre des Zeitraumes Kien-sohi (32 v. Chr.) wuchs
die Unsterblichkeitspflanze in Ying-tscheu. Sie brachte immer
im sechsten Monate ein Blatt hervor. Sie war im Frühfinge
grün, im Sommer purpurn, im Herbst weiss, im Winter
1 Der Name einer solchen Landschaft kommt sonst nirgends vor. Es
scheint hier der District Tsu-li in Kan-sü gemeint zu sein.
Ueber einige Gegenstände d< j s Taoglaubens.
41
schwarz. Im zehnten Monate wurde sie wieder gelb. Die Luft
drang aus dein Erdreich in der Höhe von einem Schuh fünf
Zollen.
Die Denkwürdigkeiten von vielseitigen Dingen :
Die berühmten Berge bringen die göttliche Pflanze
Tsehi hervor. Es ist die Pflanze der Unsterblichkeit. Die
höchste Unsterblichkeitspflanze ist diejenige von der Gestalt
der Wagen und Pferde. Die mittlere Unsterblichkeitspflanze
ist diejenige von der Gestalt des Menschen. Die niederste Un
sterblichkeitspflanze ist diejenige von der Gestalt der sechs
Hausthiere.
Die von Tu-pao verfassten Verzeichnisse des Äuflesens
des Hinterlassenen des Zeitraumes Ta-nie:
Im sechsten Monate des siebenten Jahres (611 n. dir.)
brachte in der östlichen Hauptstadt das Innere des Thores
JÜlt Yung-khang und der Osten des Thores ||
Hoei-tschang hundertundzwanzig Stengel der Unsterblichkeits
pflanze hervor. Dieselben befanden sich zerstreut auf der Erde
im Umkreise von zehn Schritten. Die purpurnen Stengel hatten
weisse Spitzen. Einige waren weisse Stengel mit schwarzen
Spitzen. Einige hatten Aeste, andere hatten keine Aeste. Es
gab deren auch, welche drei Aeste wie die alte Form des
Schriftzeichens jjj besassen. Die Wurzeln in der Erde waren
durchaus wie Baumwolle. Im Ganzen schlossen sie sich anein
ander und legten sich an die Ostseite der Vorhalle |||r
Kien-yang. Die Höhe des Sophorabaumes vor der östlichen
oberen Warte brachte neun Stengel der Unsterblichkeitspflanze
hervor. Diese wuchsen, indem sie auf einem gemeinschaftlichen
Stamme sich gegenseitig stützten. Der mittlere Stengel war
der längste. Die acht Stengel zu beiden Seiten waren der
Reihenfolge nach kürzer. Sie waren wie Söller oder Warten
und sehr niedlich. Wl 3c % Tuan-wen-thsao, der Anführer
der kriegsmuthigen Leibwächter, blieb bei ihnen und bewachte
sic. Er zeichnete eine Abbildung und gab es in einer Meldung
an dem Hofe kund.
Das Buch Pen-thsao:
Die grüne Unsterblichkeitspflanze heisst auch die Drachen
unsterblichkeitspflanze. Wenn man sie verzehrt, wird der
Leib leicht und man altert nicht. Man wird ein göttlicher
42
Pf izma ier.
Unsterblicher. Sie wächst in den Thälern des Berges ö
Thai-pe. Sie wächst auch auf dem Boden der tiint Berghöhen.
Dasselbe Buch Pen-thsao:
Die gelbe Unsterblichkeitspflanze heisst auch die Gold
unsterblichkeitspflanze. Wenn man sie verzehrt, wird man ein
göttlicher Unsterblicher. Sie wächst auf den hohen Bergen und
in den Gebirgsthälern.
Dasselbe Buch Pen-thsao:
Die rothe Unsterblichkeitspflanze heisst auch die inennig-
rothe Unsterblichkeitspflanze. Wenn man sie verzehrt, wird
man ein göttlicher Unsterblicher. Sie wächst auf dem Berge
Hö und in den Gebirgsthälern.
Dasselbe Buch Pen-thsao:
Die schwarze Unsterblichkeitspflanze heisst auch die
ursprüngliche Unsterblichkeitspflanze. Sie wächst auf dem Berge
Heng und in den Gebirgsthälern.
Dasselbe Buch Pen-thsao:
Die purpurne Unsterblichkeitspflanze heisst auch die Baum
unsterblichkeitspflanze. Wenn man sie lange Zeit als Arznei
gebraucht, verlängert man das Leben und tritt als göttlicher
Unsterblicher auf. Sie wächst auf dem Boden der Gebirgsthäler.
Sie ist von Farbe purpurn, von Gestalt gleich dem Maulbeer
baume.
% fEf ^ Thien-men-tung, ,der Winter des Himmels
thores', ist eine Pflanze gleich dem Spargel.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
% m ? Tschi-siü-tse war ein Mensch von Fung.
Er ass gern den Winter des Himmelsthores. Seine Zähne,
welche ausgefallen waren, wuchsen von Neuem.
Die Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
fr iö Kan-schi war ein Mensch von Thai-yuen. Er
gebrauchte als Arznei den Winter des Himmelsthores. Er lebte
unter den Menschen über dreihundert Jahre.
Die Denkwürdigkeiten von vielseitigen Dingen:
Eine Art Winter des Himmelsthores hat zwischen den
Stengeln Stacheln und die Blätter sind schlüpfrig. Derselbe
heisst U fr Khie-hieu. Er heisst auch der kopfüberstür
zende Dornstrauch. Mit der Wurzel wäscht man Atlas. Diese
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
43
Wurzel ist weiss. Die Menschen von Yue nennen ihn die
kleiderwaschende Pflanze. Er hat Aehnlichkeit mit dem Winter
des Himmelsthores, er ist es aber nicht. So oft man diesen
als Arznei gebraucht, prüft man ihn früher. Wenn man damit
Kleider regelrecht wäscht, so ist es nicht der Winter des
Himmelsthores.
Das Buch Pao-pö-tse:
^ pp Tu-tse-wei gebrauchte als Arznei den Winter
des Himmelsthores. Er hatte achtzehn Nebenweiber und hun
dertvierzig Söhne. Er wandelte in einem Tage dreihundert
Weglängen.
Die inneren Hefte des Buches Pao-pö-tse:
Der Winter des Himmelsthores heisst auch der Winter
des Erdthores.
res‘
Mi-men-tung,
ist das Geissblatt.
.der Winter des Weizentho-
Die Erörterungen y|| -=^ Tsien-fu’s:
Das Zeitalter einrichten und nicht die echten weisen
Männer erlangen, ist so viel als eine Krankheit behandeln und
nicht die echten Arzneien erlangen. Um die Krankheit zu be
handeln, soll man den Winter des Weizenthores erlangen, und
man erlangt den gedünsteten Weizen der Aehrenspitzen. Man
kennt nicht das Echte, mengt es und trinkt es. Die Krankheit
nimmt immer zu und man weiss nicht, dass man von den
Menschen betrogen ist.
Die Denkwürdigkeiten von Wanderungen zu den berühm
ten Bergen:
Auf dem Berge ^ Thsiuen, an der Bambusgränze und
in Kin-tscheu gibt es vielen Winter des Weizenthores.
Die von Sching-hung-tschi verfasste Geschichte von King-
tscheu:
Die inneren Seiten der Felsenwände und Uferbänke in
dem Districte Yü-fö bringen Winter des Weizenthores hervor.
Die Geschichte von Kuang-tscheu:
Der District Tschang-ping hat Ueberfluss an Winter des
Weizenthores.
Die Geschichte von Kien-khang:
Kien-khang bringt Winter des Weizenthores hervor.
44
Pf i z m ai p r.
Das Buch Pen-thsao:
Der Winter des Wcizenthores ist von Geschmack süss.
Er wächst gleichmässig an Flüssen und in Thälern. Er hilft
wider Verknüpfungen des Herzens und Bauches, Verletzungen
der Luft, Zerreissung der Adern in der Mitte des Magens.
Wenn man ihn lange Zeit gebraucht, macht er den Körper
leicht. Man magert nicht ab und altert nicht. Er wächst auf
den Bergen von Han-kö.
Der Pen-thsao des Geschlechtes U:
Der Winter des Weizenthores heisst auch der Schafiauch
(üjt. ). In Thsin heisst er auch der Rabenlauch. In Tsu
heisst er auch der Pferdelauch. In Yue heisst er auch dar
Schafiauch. 1 In Tsi heisst er auch der geschonte Lauch
Mfe ) - Er heisst auch der Lauch ^ Yii’s. Er heisst auch
der geheizte Winter. Er heisst auch der ertragende Winter
m =*> Er heisst auch die ertragene Anhöhe ). Er
heisst auch die Arznei der Unsterblichkeit. Er heisst auch der
übriggebliebene Mundvorrath j|| Yü’s. Er heisst auch der
Wall der Knechte (bJg ). Er heisst auch das nachfolgende
Fett m m Bei dem göttlichen Ackersmann und Khi-pe
ist er gleichmässig süss. Bei dem gelben Kaiser, bei dem Ge
bieter des Geschlechtes |]jjJ Thung und dem Fürsten von
Lui ist er süss und giftlos. Bei dem Geschleckte 1^5 Li ist
er süss und etwas warm. Bei Pien-tsiö ist er giftlos. Er wächst
in den Gebirgsthälern auf fettem Boden. Die Blätter sind wie
bei dem Lauch fett und glänzend. Er wächst, indem er Büsche
bildet. Man pflückt ihn zu unbestimmten Zeiten. Die Früchte
sind grün und gelb.
zfc Scho ist die Bergdistel.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
m ? Kiuen-tse liebte es, als Lockspeise die Bergdistel
zu gebrauchen. Er ass fortgesetzt ihr Geistiges durch drei
hundert Jahre.
Die Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
m t- 1=4 Tschin-tse-hoang erlangte als Lockspeise
das nothwendige Arzneimittel der Bergdistel und gebrauchte
1 Wiederholung des obigen Synonymums.
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
45
es. Er erlangte die Unsterblichkeit und zog hinweg auf den
Berg Hö. Seine Gattin von dem Gesclilechte ^ Kiang
erkrankte an der Pest. Ihr Eidam pflückte das Vorschrift-
massige der Bergdistel. Sie gebrauchte es und die Krankheit
wurde geheilt. Hundertsiebzig Jahre alt geworden, erstieg sie
den Berg, sammelte Bergdisteln und kehrte mit schwerer Last
auf den Schultern nach Hause. Sie ruhte nicht aus, sie war
nicht erschöpft. Ihr Aussehen und ihre Kraft waren so wie sie
mit zwanzig Jahren gewesen.
Die inneren Hefte des Buches Pao-pö-tse:
Was den Ahnherrn des Geschlechtes ^ Wen aus Nan-
yang betrifft, so waren gegen das Ende der Han grosse
Wirren. Er war hungrig, ermattet und wollte sterben. Da be
gegnete er einem Menschen, der ihm rieth, Bergdisteln zu ver
zehren. Er war hierauf nicht hungrig. Nach mehreren Jahr
zehenden kehrte er in seinen Geburtsort zurück. Sein Aussehen
war wieder jugendlich, seine Kraft hatte eine Zunahme erfah
ren. Desswegcn heisst die Bergdistel auch das Geistige des
Berges.
Das Buch der göttlichen Arzneien:
Wenn man durchaus lange leben will, muss man das
Geistige des Berges als Arznei gebrauchen.
fl? # Fö-ling ist die Stechwinde.
Die Ueberlieferungen von den Schildkrötentafeln in dem
Sse-ki:
Die Stecliw'inde befindet sich unter der Flachsseide. Sie
hat von Gestalt Aehnlichkeit mit einem fliegenden Vogel.
Wenn nach einem Regen der Himmel sich aufgeheitert hat,
wenn es ruhig ist und kein Wind weht, mäht man zur Nacht
zeit die Flachsseide weg und beleuchtet die Stelle mit einer
Laterne. Wenn das Feuer erlöscht, merkt man sich den Ort.
Am nächsten Morgen gräbt man die Erde vier bis sieben
Schuh tief auf, entfernt sie und man findet den Gegenstand.
Die Stechwinde ist die Wurzel einer tausendjährigen Fichte.
Wenn man sie verzehrt, stirbt man nicht.
Das Buch der Tsi:
[$jj jft Thao-hung-king reichte in dem Zeiträume
Yung-ming (483 bis 493 n. Chr.) eine Denkschrift empor, in
46
Pf izra ai er.
welchei’ er auf den Gehalt verzichtete. Der Kaiser erlaubte es
und beschenkte ihn mit zusammengebundenem Tuche. Er liess
an dem Orte, wo Jener sich befand, eine Aufforderung erge
hen und verlieh ihm monatlich fünf Pfund Stechwinde und
zwei Pfund weissen Honig, damit es ihm als Arznei diene.
Das Buch Hoai-nan-tse:
Unten befindet sich Stechwinde. Oben befindet sich
Flachsseide.
Die Erwähnung der Bücher der göttlichen Merkwürdig
keiten :
In der nordwestlichen Wüste gibt es Menschen, welche
süssen Thau trinken und Stechwinde essen.
Die Erörterungen der Vorbilder:
Khie-hien von Ying-tschuen konnte die Brod-
frucht vermeiden. Er gebrauchte als Lockspeise die Stech
winde. Als er zum ersten Male auf den Markt kam, stieg der
Preis der Stechwinde plötzlich um das Mehrfache.
Die Kunst der Vorbilder:
Was die Stechwinde betrifft, so dringt das Fichtenharz
in die Erde und wird in tausend Jahren zu Stechwinde. Sieht
man aus der Ferne, dass Fichten und Pistazien roth sind, so
befindet es sich unter ihnen.
Die Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
m M & Sieu-mei-kung gebrauchte als Lockspeise
die Stechwinde und erlangte die Unsterblichkeit.
Dieselben Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
M M ife Hoang-thsu-khi erlangte durch seinen jün
geren Bruder JJ 2p Thsu-ping den Weg. Er licss seine
Gattin und seine Kinder zurück und begab sich zu Thsu-ping.
Beide gebrauchten miteinander Fichten, Pistazien und Stech
winde. In fünfmal zehntausend Tagen konnten sie in ihrem
Aufenthaltsorte sitzen und auf der Stelle verschwinden. Sie
wandelten in der Sonne, ohne einen Schatten zu werfen. Sie
hatten das Aussehen von Knaben. Als sie mitsammen in ihren
Geburtsort zurückkehrten, waren ihre Anverwandten gestorben
und deren Geschlecht erloschen. Sie gingen jetzt wieder ge
meinschaftlich fort. Im Begriffe fortzugehen, belehrten sie
Nan-pe über die Heilmittel. Hierauf veränderten sie ihren
TJeber einige Gegenstände des Taoglaubens.
47
Geschlechtsnamen und nannten sich Tscln. Thsu-khi gab
sich den Jünglingsnamen ^ jijjf Lu-pan. Der Jünglingsname
Thsu-hing’s wurde # -7- Sung-tse (die Frucht der Fichte).
Nach ihnen waren mehrere Zehende von Menschen, welche
diese Arzneien gebrauchten und die Unsterblichkeit erlangten.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
Tü-tse war ein Mensch von Nie. In seiner
Jugend befand er sich auf dem schwarzen Berge und sammelte
Fichtenfrüchte und Stechwinde. Er machte diese zu Lockspeise
und gebrauchte sie. Zudem lehrte er, durch hundert Jahre eine
Zeit lang rüstig, eine Zeit lang alt, eine Zeitlang schön, eine
Zeit lang hässlich zu sein. Die Zeitgenossen erkannten jetzt,
dass er ein Unsterblicher sei.
Die erweiterten Denkwürdigkeiten:
Das ^ jjjjjj Fö-schin wird aus Fichtensaft bereitet und
übertrifft die Stechwinde. Einige sagen : Die Stechwinde reiht
die Fichtenwurzeln auf und erfüllt sie. Es wächst in den
Districten Tschü-ti und Pö-yang.
Die Denkwürdigkeiten von vielseitigen Dingen:
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen sagen: Die Fich
ten und Pistazien sinken in die Erde. Nach tausend Jahren
verwandeln sie sich in Stechwinde. Die Stechwinde verwandelt
sich nach tausend Jahren in Bernstein. Dieser heisst auch die
Stromperle. Gegenwärtig bringt der Thai-schan Stechwinde
hervor, aber keinen Bernstein oder Stromperlen. Yl-tscheu und
die Provinz Yung-tschang bringen Bernstein hervor, aber keine
Stechwinde. Einige sagen, diese werde aus gebrannten Bienen
nestern verfertigt. Man kann sich die zwei Angaben nicht
erklären.
Die Geschichte der hohen Berge:
Man nimmt zwei Pfund Stechwinde der Pistazie, weicht
sie in dicken Wein und versetzt das Ganze mit weissem Honig.
Man gebraucht es im Tage dreimal und verkehrt mit dem
Reingeistigen.
Der Pen-thsao des Geschlechtes U:
Die Stechwinde verkehrt mit dem Göttlichen. Bei dem
Gebieter von dem Geschlechte Thung ist sie süss. Bei dem
Fürsten von Lui und bei Pien-tsiö ist sie süss und giftlos.
48
Pfizmaie r.
Sie wächst bisweilen in Yl-tscheu unter den Wurzeln grosser
Fichten. Sie dringt drei Klafter und einen Schuh tief in die
Erde. Im zweiten und siebenten Monate wird sie eingesammelt.
Das Buch Pen-thsao:
Die Stechwinde heisst auch ^ Fö-schin. Sie ist
von Geschmack süss. Sie wächst gleichmässig in Gebirgsthä-
lern. Sie hilft gegen Krankheiten der Brust, gegen Traurigkeit,
Sorge, Herzklopfen und Schrecken. Sie wächst auf dem Thai-
schan.
M B Hu -ma, ,Hanf von Hu', ist der Sesam. Der
selbe heisst auch Kiü-sching, ,das grosse Uebertref-
fende. 1
Die herbeigezogenen göttlichen Schliessen des Buches
der Elternliebe.
Das Kiü-sching verlängert die Jahre.
Anmerkung. In dem gegenwärtigen Zeitalter ist Kiü-sching
die Frucht des Mispelbaumes (« *)•
Die erweiterten Denkwürdigkeiten:
Der Sesam heisst auch igf Fang-heng, ,der vier
eckige Stengel'. Wenn man ihn als Arznei gebraucht, altert
man nicht und erträgt Wind und Feuchtigkeit. Die Blätter
heissen -p| ^ Tsing-jang, ,das grüne Riedgras'.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
W Hi, der Aufseher des Gränzpasses, gelangte mit Lao-
tse zu dem Westen des fliessenden Sandes. Er gebrauchte als
Arznei die Früchte des Kiü-sching. Niemand weiss, wo
er starb.
Die besonderen Ueberlieferungen von Lu-niü-seng:
ik ^ Niü-seng war ein Mensch von Tschang-lö. In
seiner Jugend liebte er den Weg. Er gebrauchte als Lockspeise
Sesam und Bergdisteln. Er sagte sich von der Brodfrucht los.
Mit achtzig Jahren wurde er wieder jung, kräftig und hatte
1 Im nördlichen China heisst heutzutage Hu-ma der gewöhnliche Leiusame.
Zn vergleichen die Schrift: On the study and value of Chinese botanical
works. By E. Bretschneider M. S. S. 16. Nach der Meinung des Ver
fassers der genannten Schrift wird Iiiii-sching in dem Ni-ya mit Unrecht
als ein Synonymum von Hu-ma angeführt.
Ueber einige Gegeustätide des Taoglaubens.
49
eine Farbe wie Pfirsichblütlien. In einem Tage konnte er drei
hundert Weglängen weit gehen. Im Laufe erreichte er Rehe
und Hirsche.
Das Buch Pao-pö-tse:
Man dünstet einen Scheffel des besten Sesams wie Reis.
Man muss ihn an der Sonne trocknen und nochmals dünsten.
Man treibt ihn neunmal nacheinander durch ein feines Sieb
und bildet mit weissem Honig Kugeln von der Grösse eines
Küchleins. Wenn man von diesen täglich zwei Stück gebraucht,
ist in einem Jahre die Farbe des Angesichts schön, der Kör
per geschmeidig. In zwei Jahren wird das weisse Haupthaar
schwarz. In drei Jahren wachsen die ausgefallenen Zähne von
Neuem. In vier Jahren tritt man in das Wasser, ohne sich zu
benetzen. In fünf Jahren tritt man in das Feuer, ohne zu vei-
brennen. In sechs Jähren erreicht man im Laufe die rennen
den Pferde. Manchmal versetzt man ihn mit Honigwasser und
bereitet Kuchen von der Gestalt des Zuckers. Man brät diese
und verzehrt einen Kuchen.
Der Pen-thsao des Geschlechtes U:
Der Sesam heisst auch der viereckige Stengel. Er heisst
auch die Hundelaus. Bei dem göttlichen Ackersmann und dem
Fürsten von Lui ist er süss, gleichmässig und giftlos. Zur Zeit
des begründeten Herbstes pflückt man das grüne Riedgras (die
Blätter des Sesams). Dieselben sind bei dem göttlichen Ackers
mann bitter, bei dem Fürsten von Lui süss.
Das Buch Pen-thsao:
Der Sesam heisst auch Kiü-sching (das grosse Uebertref-
fende). Er ist von Geschmack süss und gleichmässig. Er wächst
an Flüssen und Sümpfen. Er hilft gegen Yeidetzungen, innere
Leere und Magerkeit. Er verbessert die fünf Eingeweide und
vermehrt die Luft. Wenn man ihn lange Zeit als Ai-znei ge
braucht, macht er den Körper leicht und man altert nicht. Er
wächst in Sckang-thang.
Die von Thsui-schl verfassten Gebote der Monate für die
vier Classen des Volkes:
Im zweiten Monate kann man Sesam säen. Man nennt
dieses die obere Zeit.
Sifczungsber. d. phil.-liist. CL LXX1X. Bd. I. Hft.
4
50
Pf izm&ier.
^ 5^ U-wi, fünferlei Geschmack', ist die Trauben-
frucht (uvaria).
Anmerkung zu dem Ni-ya: Die Traubenfrucht ist eine
wuchernde Pflanze. Die Früchte befinden sich in Büscheln
auf der Spitze der Stengel.
Die Nachrichten von den Grabhügeln der höchstweisen
und weisen Männer:
Auf dem Grabe Khung-tse’s wächst ein Traubenfrucht
baum.
Das Buch Pao-pö-tse:
tt pi * Sien-men-tse gebrauchte als Arznei die
Traubenfrucht. Nach sechzehn Jahren liess er zum ersten Male
die Edelsteintochter herabsteigen. Er konnte in das Wasser
und in das Feuer treten.
Der Pen-thsao des Geschlechtes U:
Die Traubenfrucht heisst auch Yuen-khl, ,die
ursprüngliche Erstreckung'.
Die Kunst der Vorbilder:
Die Traubenfrucht ist das Geistige der fünf Grundstoffe.
Ihre Früchte haben fünferlei Geschmack. Der Fürst von Hoai-
nan und Sien-men-tse gebrauchten als Arznei die Trauben
frucht. Nach sechzehn Jahren traten sie in das Wasser, ohne
befeuchtet zu werden. Sie traten in das Feuer, ohne zu ver
brennen. In einem Tage wandelten sie zehntausend Weglängen.
Lung, der Drache.
Die Ueberlieferungen Tso’s, Tschao fünftes Jahr:
In Tsching war grosses Wasser. Die Drachen kämpften
vor dem Stundenthore, in dem Wirbel des ^ej Wei. Die
Menschen des Reiches baten um die Erlaubniss, ihnen opfern
zu dürfen. Tse-tschan erlaubte es nicht und sprach: Wenn wir
kämpfen, blicken die Drachen nicht auf uns. Wenn die Dra
chen kämpfen, warum sollten wir allein auf sie blicken? Wenn
wir ihnen opfern, so ist dort ihr Haus. Wir begehren nichts
von den Drachen, die Drachen begehren auch nichts von uns.
— Hierauf liess man ab.
Die Geschichte der Han von der östlichen Warte:
Aus der Vorhalle des Sammelhauses Kung-sün-schö’s kamen
Drachen hervor. Dieselben leuchteten in der Nacht. Scho hielt
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubeus .
51
dieses für eine Beglaubigung und ein glückliches Zeichen. Er
legte sich daher den Namen der höchsten Würde bei und ver
änderte den Jahresnamen zu jft Lung-hing, ,die Erhe
bung des Drachen'.
Die Denkwürdigkeiten von Wei:
ip? ^ Hoa-hin, Ping-y ue n und ^
Kuan - ning waren Freunde. Sie nannten sich den einzigen
Drachen. Hin war der Kopf des Drachen. Yuen war der Bauch
des Drachen. Ning war der Schweif des Drachen.
Die abgekürzten Denkwürdigkeiten von Wei:
Kaiser Wen wollte die Altäre der Landesgötter übergeben.
Die Provinzen und Reiche meldeten an dem Hofe, dass drei
zehn gelbe Drachen erschienen seien. Kaiser Ming liess jetzt
kupferne gelbe Drachen giessen, welche vier Klafter hoch
waren. Er stellte sie vor der Vorhalle auf.
Das Buch der Tsin:
Lö-ki reichte einst ^ äpl Tschang-hoa ein
gelegten Fisch. Um die Zeit erfüllten die Gäste den Saal.
Hoa öffnete das Gefäss und sagte sogleich: Dieses ist Drachen
fleisch. — Die Anwesenden glaubten es nicht. Hoa sprach:
Man versuche es und wasche es mit bitterem Wein. Es wird
sich gewiss etwas Sonderbares zeigen. — Als man dieses that,
entstand ein fünffarbiger Glanz. Als Ki zurückkehrte, fragte
er den Eigenthümer des eingelegten Fisches. Derselbe sagte
wirklich, er habe in dem Garten unter gehäuftem Riedgras
einen weissen Fisch gefunden, dessen Gestalt ausserordentlich
gewesen. Er habe daraus eingelegten Fisch bereitet, der über
die Massen schön war. Er habe ihn desshalb zum Geschenk
gemacht.
Die Verzeichnisse der früheren Han in dem von Thsui-
hung verfassten Frühling und Herbst der sechzehn Reiche:
Im vierten Monate des zwölften Jahres des Kaisers Mu-
yung-hoang (345 n. Chr.), im Sommer, zeigten sich ein schwar-
. zer Drache und ein weisser Drache auf dem Drachenberge.
Hoang stellte sich an die Spitze seiner Gefährten, um sie zu
sehen. In einer Entfernung von zweihundert Schritten opferte
er ihnen eine grosse Opfergabe. Die zwei Drachen näherten
einander die Köpfe und hüpften freudig umher. Sie legten die
Hörner ab und entfernten sich. Hoang hatte grosses Wohlgefallen.
4*
52
Pfizmai er.
Er kehrte in die Vorhalle des Palastes zurück und erliess
innerhalb der Gränzen eine allgemeine Verzeihung. Er nannte
den neuen Palast: Palast der einmüthigen Drachen.
Das Buch der Tsin:
Fu-seng hatte früher geträumt, dass ein grosser Fisch
Binsen verzehre. Ferner sang man in Tschang-ngan das Lied:
Ein grosser Fisch des östlichen Meeres verwandelt sich und
spielt den Drachen. Der Sohn wird sogleich ein König, die
Tochter wird eine Fürstin. Fragt man, wo es ist: es ist im
Osten der Feste von Lö. — Um die Zeit wurde Fu-kien Heer
führer des Drachenbäumens. Sein Wohnhaus befand sich im
Osten des Thores von Lö. Später ging Alles in Erfüllung.
Das Buch der Tsin:
m m Fung-pö lustwandelte mit seinem jüngeren Bru
der ijjj Su-fe, seinem älteren Bruder yjjt Wan-ni
und sämmtlichen Jünglingen an dem Ufer des Wassers, als
ein goldener Drache auf dem Wasser herabschwamm. Su-fe
sagte zu Wan-ni: Ist vielleicht etwas zu sehen? — Wan-ni
und die Uebrigen sagten: Es ist nichts zu sehen. — Jener
nahm jetzt den Drachen und zeigte ihn ihnen. Alle hielten
dieses für ein ungewöhnliches glückliches Zeichen.
Das Buch der Tsin:
m Wl Iloan-wen hatte früher in Kan-tscheu ein Bet
haus errichtet. Er liess es oben ganz mit Drachen bemalen
und nannte es das Bethaus der gekrümmten Drachen. Als
^|| jjj Hoan-yuen sich die Rangstufe anmasste und ^|J ^
Lieu-I, dessen Jünglingsname ^ ^ Hi-lö, ihn strafte, starb
Yuen in dem Bethause der gekrümmten Drachen und Lieu-I
bewohnte es.
Das von Tschin-yö verfasste Buch der Sung:
li»!j ^ Lieu-mö-tschi, dessen Jünglingsname
Tao-ho, träumte einst, dass er mit Kaiser Kao-tsu auf dem
Meere schiffte. Plötzlich erhob sich ein Sturm. Voll Furcht ünd
Schrecken bückte er sich und blickte unter das Schiff. Er sah
zwei weisse Drachen, welche das Schiff einzwängten. Hierauf
gelangte man zu einem Berge, dessen Gipfel hoch sich thürmte,
zu einem prachtvollen Walde mit mannichfachen und dicht
stehenden Bäumen. Er empfand im Herzen grosses Wohlgefallen.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
53
Das Buch
£
der Sung:
Siti-sien-tschi
schloss sich einst an seinen
älteren Bruder Jp| ^ Li-tschi und verwaltete die Districte
Lin-hai und Lö-ngan. Er wandelte einst in dem Gebirge auf
einem Fusspfade und sah einen schwarzen Drachen von der
Länge einer Klafter. Derselbe hatte auf dem Kopfe Hörner.
Die beiden Vorderfüsse waren vorhanden, aber es fehlten die
Hinterfüsse. Er schleppte im Gehen den Schweif nach. Später
ward Kaiser Wen eingesetzt. Sien-tschi nahm zuletzt ein böses
Ende.
Das Buch der Tsi:
In dem Zeiträume Ivien-wu (494 bis 497 n. Chr.) hatte
man in King Sturm und Regen. Ein Drache drang in das
Bethaus der Pistazienbäume. An dem mittleren Pfeiler, über
der Wand, war ein Ort, wo Krallen und Fiisse zu sehen waren.
Der stechende Vermerker ff & Jüfc Siao-yao-hin fürchtete
sich und getraute sich nicht, daselbst zu wohnen.
Das Buch der Tsi:
Kaiser Wu hatte früher geträumt, dass Vögel mit golde
nen Fittigen zu dem Vorhofe der Halle herabkamen und zahl
lose kleine Drachen fingen und verzehrten. Hierauf flogen sie
zu dem Himmel empor. Im Anfänge der Zeiten des Kaisers
Ming kamen in dem Stammhause viele Tödtungen vor. Der
Traum ging zuletzt in Erfüllung.
Das Buch der Liang:
Die Kaiserin von dem Geschlechte u Khie, Gemahn
des Kaisers Wu, war voll Eifersucht und Scheu. Als sie starb,
verwandelte sie sich in einen Drachen und begab sich in den
Brunnen des rückwärtigen Palastes. Sie gab dem Kaiser Träume
ein. Bisweilen erschien sie bxxntglänzend und beleuchtete und
versengte den Leib des Kaisei-s. Sie wollte sich nicht beruhi
gen. Da staute der Dx’ache ohne Weiteres das Wasser und
stieg herauf. Seitdem war der Platz über dem Brunnen eine
Vorhalle. Daselbst waren Kleidungsstücke in Haufen gelegt.
Die Geschichtschreiber des Südens:
Zu den Zeiten der Liang befand sich in dem Graben der
Feste von Kiang-ling ein Drache. Derselbe, erhob sich, trat
heraus und leuchtete in fünf Farben. Er sprang hoch empor
in die Wolken. Sechs bis sieben kleine Drachen folgten ihm
54
Pfizraaier.
und entflogen. Sämmtliclie Fische sprangen in die Höhe, fielen
herab und verendeten auf dem Wege. Die Stelle, wo der
Drache heraustrat, war eine Höhle gleich einer runden Scheune
für mehrere hundert Scheffel.
Das Buch der Tschin:
Das Heer von Sui übersetzte den Strom. Nachdem
Liü-sü von King-tscheu geschlagen worden, trennte
er sich von
die grossen Doppelschiffe und ergab sich zum Scheine. Er
wollte die Schiffe von Sui verbrennen und nochmals auf Tod
und Leben kämpfen. Da erschienen fünf gelbe Drachen, welche
Farbe und Bild bereit hielten. Ein jeder derselben war zehn
Klafter lang. Sie erhoben die Häupter und rollten mit dem
Strome heran. Dabei stiegen in dem Ostwind die Wellen mit
Macht, Wolken und Nebel verbreiteten Finsterniss. Die Men
schen von Tschin zitterten, erschracken und verbrannten un
vermerkt in. dem Feuer. Desswegen liess Kaiser Wen von Sui
eine höchste Verkündung herabgelangen und meldete es in
dem Ahnentempel der Vorwerke.
Das Buch der Tschin :
Kaiser Siuen befand sich früher in Kiang-ling. ^5 ^
Li-tsung, der Vorsteher des Kriegsheeres, war zu ihm ein alter
Freund. Sie wandelten und weilten immer gemeinschaftlich.
Der Kaiser war einst in der Nacht vom Weine angegriffen.
Er spannte die Lampe und schlief. Tsung ging zufällig hinaus
und kam plötzlich zurück. Da sah er, dass der Kaiser ein
grosser Drache war. Er gerieth sogleich in Schrecken und lief
in ein anderes Zimmer.
Das Buch der späteren Wei:
In dem Reiche Ä 9$ Po - tschi gibt es drei Teiche.
Die Ueberlieferung sagt: In dem grossen Teiche befindet sich
der Drachenkönig. In dem nächsten befindet sich das Drachen
weib, in dem kleinen der Drachensohn. Die wandernden
Menschen legen ein Opfer hin und können dann vorübergehen.
Wenn sie nicht opfern, gerathen sie häufig in Sturm und
Schnee.
Das Buch der Wei:
Im ersten Jahre des Zeitraumes Tsching-yuen (254 bis
255 n. Chr.) erschien ein schwarzer Drache, der einem Hunde
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
55
glich. Derselbe lief nach Süden zu dem Thore j|£ Siuen-
yang. Er hüpfte, durchlöcherte mehrmals das Thor und trat
hinaus. Dieses war ein Zeichen des Verfalles von Wei.
Das Buch der Thang:
In dem Zeiträume Tsching-kuan (627 bis 649 n. Ohr.)
sagte man in Fen-tscheu, dass ein grüner Drache und ein
weisser Drache erschienen seien. Der weisse Drache spie einen
Gegenstand aus, der in der Luft wie Feuer glänzte. Er kam
herab und versank zwei Schuh tief in die Erde. Als man nach
grub, war es ursprüngliches Gold. Es war von Gestalt länglich
rund, einen Schuh breit und sechs bis sieben Zoll hoch.
Das Buch der Thang:
In dem Zeiträume Sien-thien (712 n. Chr.) ging Kaiser
Yuen-tsung der Dürre wegen selbst zu dem Teiche des Drachen
hauptes und betete. Da kam eine rothe Schlange aus dem
Teiche hervor. Die Wolken breiteten sich in allen vier Ge
genden, und genau um die Zeit erfolgte langwieriger Regen.
Die Geschichtschreiber der späteren Thang:
Zu den Zeiten des Kaisers Tschuang-tsung nannte sich
der Bonze J& Sching-hoei aus U-thai den Meister der
herniedersteigenden Drachen. Der Kaiser schätzte ihn hoch.
Er beugte immer das Knie und bezeigte ihm seine Achtung.
Die Könige und kaiserlichen Gemalinnen verbeugten sich vor
ihm. Sching-hoei sass ganz stolz und nahm die Huldigungen
entgegen. Als er in früherer Zeit von Ü-thai aus sich dem
Kaiser vorstellte, bezeigte ihm Yung, König von Tschin-
tscheu, keine Achtung. Sching-hoei gerieth in Zorn und rief:
Ich besitze fünfhundert giftige Drachen. Wie sollte ich mich
um den höchsten Befehl bemühen? Wenn ein Drache ein
Stückchen Stein erhebt, ist Tschang-schan ein Teich ! — Ueber
ein Jahr trat der Fluss Hu in grossem Massstabe aus und
verwüstete die Umgegend von Tschin-tscheu. Einige hatten
jene Worte gehört und hielten ihn noch mehr für einen Gott.
Seit dieser Zeit erwies ihm der Kaiser immer grössere Ehren.
Die Geschichtschreiber der Tscheu:
In dem Districte Fung in Siü-tscheu kam aus dem Brun
nen H Tan-hing’s, eines Menschen des Volkes, ein
Drache hervor. Der Mensch des Volkes hatte zwei Söhne und
eine Mutter. Dieselben sahen in Gemeinschaft den Drachen
56
Pfizmaier.
und starben zu derselben Stunde. Nachdem der Drache her
ausgestiegen war, schwemmte langwieriger Kegen Alles innerhalb
der Stadtmauern fort. Die Menschen des Volkes, welche daselbst
wohnten, fuhren auf Flössen und erstiegen die Stadtmauern,
um dem Wasser zu entkommen.
Das Buch Pao-pö-tse:
Ein Heilkünstler der westlichen Gränzen, der sich auf die
göttliche Beschwörung verstand, schritt langsam an dem Rande
des Wirbels und blies. Ein Drache schwamm sogleich heraus.
Dieser war, als er eben herauskam, mehrere Zehende von
Klaftern lang. Der Heilkünstler blies ihn jetzt wieder an.
Nach einmaligem Blasen schrumpfte der Drache sofort einmal
zusammen. Er war endlich nur einige Zolle lang. Der Heil
künstler las ihn auf und setzte ihn in einen Topf. Es waren
etwa vier bis fünf Drachen. Er nährte sie mit ein wenig
Wasser und verschloss die Oeffnung des Topfes mit einem weit
auseinander stehenden Gegenstände. Hierauf hörte der Heil
künstler, dass es Orte gebe, an welchen Trockenheit herrschte.
Er nahm sogleich die Drachen und ging hin, um sie zu ver
kaufen. Der Preis eines Drachen betrug mehrere Zehende von
Pfunden Goldes. Das ganze Land kam zusammen und kaufte.
Als er den Preis erhalten hatte, öffnete er den Topf, liess einen
Drachen heraus und setzte ihn in die Tiefe des Wirbels. Er
schritt wieder langsam und blies ihn an. Sobald er einmal
blies, kam der Drache heraus und war mehrere Zehende von
Klaftern lang. Nach einer Weile sammelten sich Wolken von
allen vier Seiten und es regnete.
Der Garten der Gespräche:
Der König von U wollfe sich an das Volk schliessen und
Wein trinken. U-tse-siü tadelte ihn und sprach: Es darf nicht
sein. Einst stieg ein weisser Drache in den Wirbel des Thsing-
ling und verwandelte sich in einen Fisch. Der Fischer [=|
Yü-tsie schoss nach ihn und traf ihn in das Auge. Der weisse
Drache stieg empor und klagte es dem Himmelskaiser. Der
Himmelskaiser sprach: Wohin hast du um diese Zeit deinen
Körper gesetzt ? — Der weisse Drache antwortete: Ich stieg
in den Wirbel des Thsing-ling und verwandelte mich in einen
Fisch. — Der Himmelskaiser sprach: Die Fische werden ganz
gewiss von den Menschen geschossen. Du trägst die Schuld.
4
■
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
57
Welche Schuld sollte Yti-tsie tragen? — Der weisse Drache
ist das kostbarste Hausthier des Himmelskaisers. Yü-tsie ist
der niedrigste Diener des Reiches Sung. Wenn sich der weisse
Drache nicht verwandelt hätte, hätte Yü-tsie nicht nach ihm
geschossen. Wenn man jetzt die Rangstufe der zehntausend
Wagen hintansetzt, den in Leinen gekleideten Männern sich
anschliesst und Wein trinkt, so fürchte ich, es wird die Sorge
wegen Yü-tsie entstehen. — Der König Hess hierauf ab.
Die von Hoang-fu-mi verfasste Darlegung der Geschlechts
alter der Kaiser und Könige:
Der Kaiser sammelte das Kupfer des Scheu-schan und
goss die Dreifüsse. An dem Fusse des Berges King war ein
Drache, der den Bart seines Kinnes senkte und herabkam.
Er ging dem gelben Kaiser entgegen. Die Diener wollten sich
anschliessen und erfassten den Bart des Drachen. Der Bart
ward ausgerissen und fiel hierauf zu Boden.
Das Schuö-wen:
Der Drache ist das älteste der Schuppeninsecten. Er
kann sich verdunkeln, er kann sich erhellen. Er kann sich
verkleinern, er kann sich vergrössern. Er kann sich verkürzen,
er kann sich verlängern. Zur Zeit der Theilung des Frühlings
steigt er in den Himmel. Zur Zeit der Theilung des Herbstes
steigt er in den Wirbel.
Die zusammengeschnürten Abbildungen der Erde:
Der Berg des Drachenteiches ist auf allen vier Seiten
hoch. In der Mitte befindet sich ein Teich, der siebenhundert
Weglängen im Umfange misst. Die Drachen wohnen in ihm.
Es gibt daselbst viele Bäume mit fünf Blüthen. Die Drachen
verzehren sie. Der Berg ist von dem Kuei-lii viertausend Weg
längen entfernt.
Die Ueberlieferungen von Unsterblichen:
Der Drachenreiter Hung suchte und fand in einem
Teiche zehn junge Drachen von der Gestalt der Eidechsen.
Er flocht eine Hütte aus Pflanzen, worin er sie bewahrte und
ernährte. Als die Drachen gross wurden, gingen sie nach und
nach fort. Fünfzig Jahre später zerstörte das Wasser die Hütte.
Eines Morgens kam der Drachenreiter und sagte: Ich bin der
Enkel ^ Fung-pe-tschang’s. Wenn die hier woh
nenden Menschen sich nicht hundert Weglängen weit entfernen,
i
58
Pfizmaier.
müssen sie alle sterben. :— Diejenigen, welche dieses glaubten,
entfernten sieh. Die es nicht glaubten, hielten es für ungeheuer
liche Worte. Zuletzt trat im achten Monate das Wasser aus.
Der Todten wurden zehntausend gezählt.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
m m -T- m Ling-yang- tse- ming war ein Freund
vom Angeln. Er fing mit der Angel einen weissen Drachen.
Tse-ming löste den Angelhaken, entschuldigte sich mit einer
Verbeugung und Hess den Drachen frei. Später, nach mehreren
Jahrzehenden, fing er einen weissen Fisch. In dem Bauche
des Fisches befand sich eine Schrift, welche Tse-ming belehrte,
wie er Arzneien gebrauchen und verzehren könne. Hierauf
stieg er auf den gelben Berg und sammelte fünferlei Steinfett
und die Steinlunge. Er gebrauchte dieses als Arznei. Nach drei
Jahren kam ein weisser Drache und holte ihn ab! Jener hielt
auf dem Berge Ling-yang hundert Jahre.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
0|j} J=!L Ma-sse-lmang war ein Pferdearzt des gelben
Kaisers. Einst kam zu ihm ein Drache herab. Derselbe senkte
die Ohren und öffnete den Mund. Sse-hoang stach dessen Lippen
mit der Nadel, gab ihm einen Absud von Süssholz zu trinken
und der Drache wurde gesund. Später kam eines Morgens der
Drache, nahm ihn auf den Bücken und entfernte sich.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
^ Thao-ngan-kung war ein Giesser von LÖ-
ngan. Er setzte mehrmals Feuer in Bewegung. Eines Morgens
stiess über einer Weinkanne purpurne Farbe gegen den Himmel.
Ngan-kung legte sich unter die Giessform und suchte mit Be
dauern. Nach einer Weile hielt ein rother Sperling über der
Giessform und sagte: Die Giessform Ngan-kung’s verkehrt
mit dem Himmel. Am siebenten Tage des siebenten Monates
hole ich dich mit einem rothen Drachen ab. — Zu der be
stimmten Zeit kam ein rother Drache. Ngan-kung stieg auf
ihn. Es regnete stark. Er erhob sich im Südosten und ver
schwand.
Dieselben Ueberlieferungen von Unsterblichen:
ff ft Hu-tse-sien war ein Wahrsager an dem
Fusse des Gränzpasses in Han-tschung. Er war alt und hatte
hundert Jahre gelebt. Im Begriffe, sich zu entfernen, rief er
Ueber einige Gegenstände des Taoglanbens.
59
das alte Weib eines Weinhauses mit den Worten: Mache dich
eilig- zurecht! Ich werde dir Gesellschaft leisten. — In der
Nacht kam ein unsterblicher Mensch, der in den Händen zwei
Riedgrashunde 1 hielt. Er rief Tse-sien. Dieser ergriff einen
Riedgrashund und gab ihn dem alten Weibe. Nachdem das
alte Weib ihn erhalten, ritten sie in Gesellschaft fort. Das
Reitthier war ein Drache. Sie stiegen zu dem Berge von Hoa-
yin empor. Auf dem Berge rief man einst mit lauter Stimme
die Worte: Tse-sien und die Weinmutter sind hier!
Die Erklärungen des von Li - sehen - tschang verfassten
Buches der Gewässer:
Die besonderen Ueberlieferungen von y'iyi Jjjj y|jj« Feu-
thu-tsching sagen: Zu den Zeiten Schl-hu’s fiel seit dem ersten
Monate des Jahres kein Regen. Als der sechste Monat kam,
begab sich Tsching zu dem Tempel an der Mündung des
Flusses Fu 2 , neigte das Haupt zu Boden find setzte sich der Sonne
aus. An demselben Tage stiegen zwei weisse Drachen zu dem
Fusse des Tempels herab. Hierauf regnete es in einem Um
kreise von tausend Weglängen. Es heisst ferner: Zu den Zeiten
Schi-li’s herrschte Trockenheit. Der Schamane Fö-thu-tsching
grub auf dem Bergrücken des Felsenbrunnens die Erde auf
und fand einen todten Drachen, der einen Schuh lang war.
Er weichte ihn in Wasser und nach längerer Zeit wurde der
Drache wieder lebendig. Tsching beschwor ihn und opferte
ihm. Der Drache stieg in die Luft und erhob sich in den
Himmel. Sofort fiel Regen herab. Daher der Name : Bergrücken
des Drachen.
Dieselben Erklärungen des Buches der Gewässer:
In dem mennigrothen Wirbel in Kiao-tscheu befindet sich
ein göttlicher Drache. Sq oft Dürre entsteht, legen die Men
schen des Dorfes Netzpflanzen in die obere Strömung des
Wirbels. Es sterben dann viele Fische. Der Drache zürnt und
um die Zeit fällt starker Regen.
Die Geschichte von Yü-tschang:
1 Ein Riedgrashund ist ein Bündel Riedgras.
2 Das Zeichen für den Namen dieses Flusses ist aus
zusammengesetzt.
7 und %
60
Pfizraaier.
U-meng ward wegen
der Sache ^ Kö-pö’s
in Anklagestand versetzt. Er wurde aufgegriffen und nach
Süden eingeschifft. Es ward befohlen, in dem Schiffe keine
Thüre zu öffnen. Der Schiffsherr hörte unter dem Schiffe einen
Ton, als ob man sich zwischen Baumwipfeln befände. Er ver
suchte es, die Sache zu erspähen. Da trugen zwei Drachen
das Schiff auf dem Rücken. Ueber Nacht gelangte man zu dem
Einkehrhause des Palastes. Man kehrte auf dem See nach
Yü-tschang zurück.
Die Geschichte der drei Thsin:
Ho-tsin, ,die Ueberfahrt des Flusses', heisst auch das
Drachenthor. Daselbst sind die Spuren des grossen Reingeisti
gen noch immer vorhanden. Man sagt: Neunhundert Weglän
gen von Tschang-ngan hängt das Wasser. Wenn man im Schiffe
fährt, sind an den Seiten Berge, zu Wasser und zu Land
dringt man nicht durch. Von den Geschlechtern der Schild
kröten und Fische kann keines heraufkommen. Die grossen
Fische des Stromes und des Meeres sammeln sich unter dem
Thore in der Zahl von mehreren Tausenden und können nicht
heraufkommen. Kommen sie herauf, so werden sie zu Drachen.
Desswegen heisst es: Man sonnt die Kiemen an dem Drachen-
thore. Man senkt die Ohren unter dem Schwangbaum.
Die Geschichte, der drei Thsin:
Der Berg des Drachenhauptes ist sechzig Weglängen
lang. Das Haupt dringt in den Fluss Wei. Der Schweif dringt
in den Fluss Fan. Das Haupt ist zwanzig Klafter hoch.
Der Schweif wird allmälig niedriger und ist fünf bis sechs
Schuh hoch. Die Erde ist roth und pflanzenleer. Man sagt:
Einst kam ein schwarzer Drache von der Südseite des Berges
hervor und trank aus dem Wei. Der Weg, auf dem er wan
delte, ward dabei ein Erdberg. Daher hat dieser von ihm den
Namen.
Die von Kö-hung verfassten Ueberlieferungen von gött
lichen Unsterblichen:
^ Fei-tschang-fang entfernte sich mit £ St
Hu-kung. Später entschuldigte sich Hu-kung und schickte ihn
fort. Tschang-fang kränkte sich und konnte nicht nach Hause
gelangen. Kung gab ihm den von ihm gebrauchten Bambus
stab und liess ihn darauf reiten. Jener schlief plötzlich ein
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
61
und war dann zu Hause angekommen. Er warf den Bambus
stab, auf dem er geritten war, in den Flaclisteich. Er blickte
hin und es war ein grüner Drache.
Die Worte der Gegenden:
Ein Drache, der noch nicht in den Himmel gestiegen ist,
heisst >&§ *|| Fan-lung, ,der gekrümmte Drache'.
Die von Tschin-hoai-yuen verfassten Denkwürdigkeiten
des südlichen Yue:
Der gekrümmte Drache hat einen Leib von vier Klaftern
Länge. Er ist von grüner und schwarzer Farbe und hat einen
rothen Gürtel, der gleich Goldstoffstreifen. Er schwimmt immer
nach dem Laufe des Stromes abwärts und geht in das Meer.
Er ist giftig. Wenn er den Menschen verletzt, so stirbt dieser.
^ Kuei ist der allgemeine Name für ,Schildkröte'.
Das Buch der Tsin:
Gegen das Ende der Jahre Fu-kien’s grub ein
Mensch von Kao-ling einen Brunnen und fand eine Schildkröte
von der Grösse von drei Schuhen. Dieselbe hatte auf dem
Rücken Streifen, welche das Bild der acht Abrisse waren. Fu-
kien befahl dem grossen Wahrsager, sie in einem Teiche zu
ernähren. Er speiste sie mit Hirse. Als sie starb, verwahrte
er ihre Knochen in dem grossen Ahnentempel. In derselben
Nacht träumte 0i M Kao-lu, der Gehilfe des Ahnentem
pels, dass die Schildkröte zu ihm sagte: Ich trat ursprünglich
aus und sollte nach dem Süden des Stromes heimkehren. Die
Zeit ward eben nicht getroffen und ich verlor das Leben in
dem Vorhofe von Thsin. — Ferner war ein Mensch, d'er im
Traume zu Lu sagte: Eine Schildkröte von dreitausend sechs
hundert Jahren, wenn sie stirbt, müssen Ungeheuerlichkeiten
entstehen. Es ist ein Bild des zu Grunde gehenden Reiches. —
Später ging dieses in Erfüllung.
Die in das Buch der Tsin aufgenommene Geschichte:
Khi-fö-kue-jin war ein Mensch des
Volksstammes Sien-pi aus Lung-si. Einst zogen die drei Stämme
Jü-fe-sse, Tschü-lien und Iloa-lu aus dem Norden der Sand
wüste nach Süden aus. Auf dem Berge * m Thai-yin
begegnete ihnen ein grosses Insect auf dem Wege. Dasselbe
war von Gestalt gleich einer göttlichen Schildkröte und so gross
62
Pfizraaier.
wie eine Anhöhe. Sie tödteten ein Pferd und opferten ihm.
Dabei beschworen sie es und sagten: Wenn du ein guter Gott
bist, so eröffne sogleich den Weg. Bist du ein böser Gott, so
verschliesse ihn sogleich und lasse uns nicht durchdringen. —
Plötzlich ward es unsichtbar und es befand sich an der Stelle
ein kleines Kind.
Das Buch der Liang:
Als Kaiser Yuen stechender Vermerker von Kiang-tscheu
wu r de, lebte ein gewisser ^f|] J|ij Lieu-king-kiung, ein
ihm werther Seitenverwandter aus Ngan-tsching. Derselbe fand
in den Feldern weisse Maden, die sich in eine goldene Schild
kröte verwandelten. Er wollte diese aufstellen. Die Schildkröte
erzeugte einen Glanz, der das innere Haus erleuchtete. King-
kiung hielt sie für einen Gott und betete sie an. Seine Bitten
wurden oft erfüllt.
Die Abkürzungen der Vorbilder der drei Reiche:
B Lö-fä-ho von Liang gelangte zu dem Nor
den der Feste von Siang-yang. Unter einem grossen Baume
zeichnete er die Erde in einem Umfange von zwei Schuhen.
Er hiess seine Schüler die Erde aufgraben. Sie fanden eine
Schildkröte, welche einen Schuh fünf Zoll lang war. Er schlug
sie mit dem Stocke und sagte: Dass du hier herauskommen
willst, sind bereits mehrere hundert Jahre. Wenn du mir nicht
begegnet wärest, wie sähest du wohl den Himmel ? — Er setzte
hinzu: Ich übergebe die dreifache Heimkehr. 1 — Die Schild
kröte trat jetzt zwischen die Pflanzen und entfernte sich.
Das Buch der Sui:
In dem Zeiträume Khai - hoang (581 bis 600 n. Chr.)
erschien in den Seitenflügeln des Palastes immer ein Mensch,
der die Bewohner des Palastes störte. Der Vorsteher des Pa
lastes brachte es zu Ohren. Der Kaiser sprach: Die Leibwache
an dem Thore wacht sehr streng. Von wo sollte ein Mensch
eintreten? Es wird nur ein ungeheuerliches Gespenst sein. —
Man vei'kündete daher den Menschen des Palastes: Wenn ihr
ihn treffet, so hauet nur nach ihm. — Später kam ein Wesen,
das einem Menschen glich, in der Nacht und stieg auf ein
— San-luiei, ,die dreifache Heimkehr*, ist der Name einer
Erdstufe.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
63
Bett. Die Menschen des Palastes zogen die Schwerter und
hieben nach ihm. Es war, als ob sie dürre Knochen träfen.
Es wollte von dem Bette herabfallen und entlief. Die Menschen
des Palastes setzten ihm nach. Es ging jetzt in den Teich und
sank unter. Am nächsten Tage befahl der Kaiser, den Teich
trocken zu legen. Man fand eine Schildkröte von einem Schuh
im Durchmesser. An ihr zeigten sich Spuren von Schwert
hieben. Man tödtete sie, und es hatte hierauf ein Ende.
Das Buch der Tsin:
Als -^5 ^ ^ Li-kin-tbsiuen von Ngan-tscheu sich
empören wollte, erschien in dem Söller der Provinz ein ge
panzertes Insect. Dasselbe war gleich einer Schildkröte, hatte
aber grosse Schuppen und ein spitzes Haupt. Es konnte in die
Erde versinken. Es kam unter den Füssen Kin-thsiuen’s her
vor. Diesem war es zuwider und er verbrannte es.
Das Buch Pao-pö-tse:
An einer tausendjährigen reingeistigen Schildkröte linden
sich fünf Farben. Ueber der Stirn des Männchens stehen zwei
Knochen hervor, welche mit Hörnern Aehnlichkeit .haben. Die
auslegenden Menschen sagen: Sie schwimmt auf den Blättern
der Wasserlilie. Bisweilen befindet sie sich unter Büschen von
Schafgarbe. Wenn man sie mit gesammeltem Zinnober badet,
so wird sie zerlegt. Man nimmt ihre Schale, röstet sie im Feuer
und zerstampft sie. Man gebraucht dgvon sieben Geviertzoll.
Wenn man täglich dreimal eine Gabe gebraucht, so verschafft
man sich ein Alter von tausend Jahren.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Khie-kien ging in seiner Jugend auf die Jagd
und fiel in einen hohlen Erdhügel. Er litt Hunger. Da sah er
in dem Erdhügel eine grosse Schildkröte, welche sich sehr oft
umdrehte, ohne sich einem bestimmten Orte zuzuwenden. Sie
sperrte den Mund auf und verschluckte Luft. Bald bückte sie
sich, bald blickte sie aufwärts. Er hatte g'ehört, dass die Schild
kröte Anleitung geben kann. Er machte den Versuch und ahmte
nach, was sie that. Hierauf war er nicht mehr hungrig. Nach
hundert Tagen konnte er Luft verschlucken und sich der Brod-
frucht entäussern. Der König von Wei setzte ihn in eine Erd
höhle, umschloss diese und machte den Versuch. Jener nahm
64
Pfizmaier.
durch ein Jahr keine Speise zu sich. Sein Aussehen war munter,
seine Kraft blieb sich gleich.
Das Buch Fu-tse:
Es waren Menschen des Landes, welche dem Könige
Tschao von Yen ein grosses Schwein zum Geschenke machten.
Sie sagten: Es sind jetzt hundertzwanzig Jahre, dass die
Menschen des Landes dieses Thier den Schweineunsterblichen
nennen. Sämmtliche Diener sagten zu dem Könige Tschao:
Dieses Schwein ist unbrauchbar. — Der König gab dem Koche
den Befehl, und machte es zu Speise. Als das Schwein todt
war, erschien es dem Reichsgehilfen von Yen im Traume und
sagte: Jetzt stützte ich mich auf den reinen Geist des Gebieters
und verwandelte mein Leben. Ich war anfänglich der Aelteste
des Fahrwassers von Lu, und diejenigen, welche die Schiffe
schwimmen Hessen, speisten mich mit den Kleinoden der Mund-
vorräthe von Reis. Doch ich freue mich über die Gnade des
Gebieters. Ich werde dir vergelten. — Später wandelte der
Reichsgehilfe von Yen zu dem Fahrwasser von Lu. Daselbst
war eine rothe Schildkröte, welche in dem Munde einen Edel
stein des Nachtglanzes hielt und ihn ihm schenkte.
Das Buch Kin-leu-tse:
Die grosse Schildkröte befindet sich zwischen Sandbänken.
Auf ihrem Rücken wachsen Bäume. Sie ist gleich einer Meer
insel an den Wasserwirbeln. Einst legten sich Kaufleute an
sie, fällten das Brennholz und bereiteten Speise. Die Schild
kröte wurde versengt und empfand Hitze. Sie kehrte sogleich
in das Meer zurück. Dabei fanden mehrere tausend Menschen
den Tod.
Die von Kö-tse-hung verfasste Geschichte des Dunklen:
fc % Hoang-ngan war ein Mensch der Landschaft Tai.
Er entfernte sich gewöhnlich und sagte von sich, er sei gemein
und niedrig, und getraue sich nicht, unter den Menschen zu
wohnen. Er ergriff eine Peitsche, nahm sie in den Busen und
wollte auf die Erde zeichnen, um seine Zahlen zu berechnen.
Eines Abends wurde die Erde ein Teich. Am nächsten Tage
zog er weiter, und die Erde wurde dort wieder ein Teich. Die
Zeitgenossen nannten die Sprache: das Zungenackern Hoang-
ngan’s. Er mochte achtzig Jahre alt sein, und er sah so gut
wie ein Jüngling. Er gebrauchte gewöhnlich als Arznei Zinnober.
1
lieber einige Gegenstände des Taoglaubons. 65
Sein ganzer Leib war roth. Er trug im Winter keine Kleider
und sass auf einer grossen göttlichen Schildkröte. Die Zeit
genossen fragten ihn: Wie viele Jahre sitzest du auf dieser
Schildkröte? — Er antwortete: Einst erfand Fö-hi das Netz.
Er fing mit dem Netze diese Schildkröte und gab sie mir. Der
Rücken der Schildkröte ist bereits eben. Dieses Insect fürchtet
das Licht der Sonne und des Mondes. In zweitausend Jahren
streckt es einmal seinen Kopf hervor. Seit ich auf dieser Schild
kröte sitze, erlebte ich es fünfmal, dass sie das Haupt hervor
streckte. Wenn ich gehe, nehme ich die Schildkröte auf den
Rücken und ziehe weiter. — Die Menschen des Zeitalters
sagten von lloang-ngan, er sei zehntausend Jahre alt.
Die Denkwürdigkeiten von merkwürdigen Dingen:
Es war ein Mensch, der auf eine Wanderung ging und
in eine tiefe Bergschlucht, in der sich Quellen befanden, fiel.
Es war kein Ausweg, er litt Hunger und war zur Hälfte todt.
Er sah zur Rechten und Linken sehr viele Schildkröten und
Schlangen. Diese streckten am Morgen und am Abend den
Hals und wendeten sich nach der Gegend des Ostens. Dieser
Mensch legte sich daher auf die Erde und ahmte es nach.
Hierauf war er nicht mehr hungrig, sein Körper war ausneh
mend leicht, er konnte bald die Felsen und Uferbänke erstei
gen. Nach einigen Jahren versuchte er es, den Leib zu strecken
und den Rücken zu erheben. Hierauf überschritt er die Berg
schlucht, trat heraus und war im Stande, nach Hause zu kehren.
Sein Aussehen war munter und sein Verstand wieder ziemlich
überwiegend. Desswegen ass er von Neuem Brodfrucht und
kostete feuchte Speisen, ln hundert Tagen hatte er seine ur
sprüngliche Leibesbeschaffenheit wiedererlangt.
Die Geschichte des Suchens der Götter:
Der Vertraute und Freund Tsai-mu’s, Vorstehers
der Scharen, war allein ein gewisser Wang-mung.
Er ward immer von dem Fürsten des Geschlechtes Tsai 1 be
dacht. Der Fürst gab einst Leuten den Auftrag, Fische zu
fangen. Sie fingen eine Schildkröte von der Grösse eines
Wagenrades. Der Fürst gab sie in die Küche unter den Vor
hang. Man bängte die Schildkröte verkeimt an dem Dache auf.
1 So wird Taai-mu genannt.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 5
*
66
Pfizmaier.
Mung wai' an diesem Abend kaum eingescldafen, als er im
Traume erschrack. So geschah es mehrere Nächte. Der Fürst
hörte es und fragte Mung, warum er im Traume erschrocken
sei. Jener erwiderte, nach dem Einschlafen habe er sogleich
geträumt, dass ein Mensch ihn verkehrt aufhänge. Der Fürst
dachte an die Schildkröte. Er befahl den Leuten, ihm zu
zeigen, wo die Schildkröte sei. Diese war wirklich verkehrt
an das Dach gehängt. Der Fürst sprach verwundert: Es ist
wirklich, wie ich vermuthete. — Er befahl, die Schildkröte auf
die Erde herabzunehmen. Hierauf konnte Mung sogleich ruhig
schlafen. Die Schildkröte entfernte sich.
Dieselbe Geschichte des Suchens der Götter:
In dem Zeiträume Hien-khang von Tsin (335 bis 342)
legte ?{=• Mao-pao, stechender Vermerker von Yü-tschang,
eine Besatzung nach Tschü-tsching. Ein Mann des Kriegsheeres
sah auf dem Markte von Wu-tschang einen Menschen, der eine
junge weisse Schildkröte verkaufte. Dieselbe war vier bis fünf
Zoll lang, rein weiss und lieblich. Pao kaufte sie sogleich,
nahm sie mit sich und setzte sie in einen Krug. Er nährte sie
durch sieben Tage. Sie wurde allmälig grösser und wollte nahe
an einen Schuh lang werden. Dieser Mensch erbarmte sich
ihrer. Er nahm sie zu dem Ufer des Stromes, liess sie in das
Wasser und sah, wie sie sich entfernte. Später kam für Tschü-
tsching die Zeit, wo Scln-li geschlagen wurde. Mao-pao gab
Yü-tscheu auf. Als man den Strom übersetzte, ertranken Alle
ohne Ausnahme. Pao war damals mit dem Panzer bekleidet,
hielt in der Hand das Schwert und warf sich ebenfalls in den
Strom. Als er in das Wasser kam, war es ihm, als ob er auf
einen Stein fiele. Das Wasser ging ihm kaum bis an die Len
den. Nach einei- Weile schwamm der Gegenstand (mit ihm)
fort. In der Mitte der Strömung blickte er darauf: es war die
weisse Schildkröte, die er früher ernährt hatte. Ihr Panzer
mass sechzig Schuh. Nachdem sie ihn zu der östlichen Ufer
bank gebracht hatte, streckte sie den Kopf hervor und blickte
diesen Menschen an. Langsam schwimmend entfernte sie sich.
In der Mitte des Stromes drehte sie noch mehrmals den Kopf um. 1
1 So lautet die Stelle des oben genannten Buches. Es scheint aber, dass
der Text verderbt ist und dass, wo Pao allein steht, darunter nicht Mao-
w
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
67
Die Geschichte des Suchens der Götter:
Hoang-tschü, ein Mensch des Volkes aus dem
Districte Po-yang, ging in das Gebirge und pflückte Dorn-
und Weidenfrüchte. Er verirrte sich hierauf und wusste keinen
Weg. Er litt durch mehrere Monate Hunger. Da sah er eine
grosse Schildkröte. Er beschwor sie sogleich und sagte: Du
bist ein reingeistiges Wesen. Ich habe mich verirrt und weiss
keinen Weg. Wenn ich jetzt auf deinem Rücken reite, zeige
mir den Weg. — Die Schildkröte drehte sich und kehrte sich
nach rechts. Tschü ging ihr sofort nach, ln einer Entfernung
von zehn Weglängen gelangte man zu einem Thalwasser. Man
sah daselbst Kauf leute, welche auf einem Schiffe fuhren. Tschü
ging zu ihnen und bat um Speise. Dann sagte er zu den Schiffs
leuten : Ich habe kürzlich an dem Ufer des Thalwassers eine
Schildkröte gesehen. Dieselbe ist sehr gross. Möget ihr mit mir
hingehen und sie fangen. — Er hatte kaum ausgeredet, als in
seinem Angesicht Geschwüre entstanden. Als er hinging, sah
er auch die Schildkröte nicht mehr. Nach Hause zurückgekehrt,
erkrankte er nach einigen Tagen und starb.
Der von Lieu-king-schö verfasste Garten der Merkwürdig
keiten :
Die Scheune des Districtes Yii-yao war fest mit einem
Siegel verschlossen. Als man sie aber öffnete, bemerkte man
einen grossen Abgang. Später gab man darauf Acht. Da zeigte
es sich, dass das Getreide von zwei steinernen Schildkröten,
die in dem Districte Fu-yang auf dem Grabhügel des Königs
Hoan sich befanden, verzehrt werde. Man befahl insgeheim,
den Mund der Schildkröten zu zerstören. Seitdem entdeckte
man keinen Abgang mehr.
Derselbe Garten der Merkwürdigkeiten:
Zu den Zeiten Sün-kiuen’s 1 ging in Yung-khang ein
Mensch in das Gebirge und traf auf eine grosse Schildkröte.
Er band sie ein und kehrte nach Hause. Die Schildkröte redete
sogleich und sagte: Lustwandeln ist nicht gut. Ich werde von
dem Gebieter der Zeit erlangt. — Der Mensch war sehr
pao, sondern der Krieger in dem Heere Mao-pao’s verstanden werden
soll. Gewiss können sich die Worte ,dieser Mensclr ursprünglich nicht,
auf Mao-pao bezogen haben.
1 Sün-kiuen ist der König von U.
5*
i
68
Pfizmaier.
hierüber verwundert. Er lud sie auf ein Schiff, fuhr ab und
wollte sie dem Könige von U emporreichen. In der Nacht hielt
er bei einem Dorfe von Yue und band das Schiff an einen
grossen Maulbeerbaum. In tiefer Nacht rief der Baum die
Schildkröte und sagte: Welche Mühsal, ursprüngliches Faden
ende! Was hat man mit dir vor? — Die Schildkröte sprach:
Ich wurde erfasst und mit Fäden umwickelt. Ich werde eben
zu Brühe gekocht. Nimmt man auch alles Brennholz der süd
lichen Berge, man kann mich nicht zergehen machen. — Der
Baum sprach: Tschü-kö-yuen-sün besitzt vielseitige Kenutniss.
Es bringt es gewiss zix Wege, uns zu quälen. Es befiehlt,
Genossen meines Gleichen zu suchen. Von wo geht die Be
rechnung aus? — Die Schildkröte sprach: Du bist erleuchtet
und hast nicht viele Worte. Das Unglück wird dich erreichen.
— Der Baum schwieg und hörte zu reden auf. Als man ankam,
befahl Kiuen, die Schildkröte zu sieden. Man mochte zehn
tausend Wagen Brennholz brennen, es blieb immer bei dem
alten Worte. Tschü-kö-khö sprach: Man mache ein Feuer aus
einem alten Maulbeerbaum, und sie ist gar. — Der Mensch,
der sie zum Geschenk gemacht hatte, erzählte jetzt, was die
Schildkröte und der Baum mit einander gesprochen. Kiuen
liess sogleich den Baum fällen. Man nahm ihn und sott damit
die Schildkröte. Diese wurde auf der Stelle weich. Wenn man
in der gegenwärtigen Zeit Schildkröten siedet, gebraucht man
noch häufig als Brennholz Maulbeerbaum. Die Landleute nennen
daher die Schildkröte: jjj ^ Yuen-siü ,das ursprüngliche
Fadenende'.
Pie ist die Flussschildkröte.
Der Frühling und Herbst Yen-t.se’s:
In Tsi war grosse Dürre. Fürst King berief sämmtliche
Diener und fragte sie: Ich will dem Gotte des Flusses opfern.
Kann man dieses? — Yen-tse sprach: Man kann es nicht. Der
Gott des Flusses macht das Wasser zu seinem Reiche, die
Fische und Flussschildkröten zu seinem Volke. Sollte er allein
nicht den Regen wünschen? Was nützt es, wenn man ihm
opfert?
Die Ueberlieferungen von göttlichen Unsterblichen:
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
69
In der Provinz Jü-nan gab es immer Wunder der Dä
monen. Zur Erntezeit erschienen plötzlich mehrere Schiffe.
Man zeigte ihnen den Weg und folgte ihnen über eine Stunde.
Ein Mann von Ehrfurcht gebietendem Benehmen gleich einem
Statthalter trat in das Sammelhaus. Er liess bloss die Trommel
rühren und ging im Inneren und auswendig umher. Sodann
kehrte er zurück und entfernte sich. Man war sehr darüber
in Besorgniss. Später begab sich ^ Fei-tschang-fang 1
zu dem Gebieter des Sammelhauses und traf' gerade diesen
Dämon. Wenn man zu dem Thore des Gebieters des Sammel
hauses kam, trat mau immer auf einem Seitenwege ein. Dieser
Dämon allein kam bis zu dem Thore und nicht weiter. Er
getraute sich nicht, vorwärts zu gehen und wollte sich ent
fernen. Tschang-fang rief mit scharfer Stimme und drang so
gleich vorwärts. Der Dämon verwandelte sich in einen vor
nehmen Greis. Er stieg von dem Wagen und erfasste ein Brett.
Er fiel im Vorhofe nieder, schlug das Haupt gegen den Boden
und bat, sich bessern zu dürfen. Tschang-fang sprach: Du bist
ein todter alter Dämon und sinnst auf nichts Gutes. Du hast
dir ohne Ursache den Weg zeigen und dich begleiten lassen.
Du hast das Sammelhaus der Obrigkeiten in Unruhe versetzt
und betrogen. Weisst du, dass du sterben sollst? Nimm wieder
deine wahre Gestalt an! — Dieser Dämon wurde nach einer
Weile eine grosse Flussschildkröte von dem Umfange eines
Wagenrades. Ihr Hals war eine Klafter lang. Tschang-fang
hiess ihn wieder die Gestalt eines Menschen annehmen. Er
händigte ihm ein als Schrifttafel dienendes Abschnittsrohr ein
und hiess ihn es dem Gebieter des Flachsteiches überbringen.
Der Dämon schlug das Haupt gegen den Boden und vergoss
Thränen. Er nahm ein als Schrifttafel dienendes Abschnitts
rohr und entfernte sich. Man hiess Leute ihm nachsehen. An
dem Rande des Teiches angekommen, schlang er den Hals um
einen Baumstumpf und starb.
Das Buch der Sterne:
Die dreizehn Sterne der Flussschildkröte befinden sich
in dem südlichen Nössel. Sie sind den Wasserinsecten vorgesetzt.
1 Fei-tschang-fäng ist schon bei dem Abschnitte von den Drachen vor-
gekommen.
70
Pfizmaier.
Die Denkwürdigkeiten des südlichen Yue:
In dem Meere gibt es hellrothe Flussschildkröten. Sie
sind von Gestalt gleich einer Lunge. Sie haben Augen, sechs
Ftisse und speien immer Perlen aus. Wenn sie sich zeigen,
entsteht in der Welt grosse Dürre.
Die von Thsui-piao verfassten Erklärungen des Alter
thums und der Gegenwart:
Die Flussschildkröte heisst auch der den Geschäften nach
gehende Aelteste des Flirsses.
Die Denkwürdigkeiten von vielseitigen Dingen:
Was neun Oeffnungen besitzt, verwandelt sich im Mutter
leibe. Was acht Oeffnungen besitzt, entsteht aus Eiern. Schild
kröten, Fluss- und Meerschildkröten, alle diese Gattungen ent
stehen aus Eiern und liegen in den Sonnenstrahlen.
Das Wunderbare der Denkwürdigkeiten:
Einst war ein Mensch, der zugleich mit seinem Sclaven
von einer Krankheit des Herzens und des Bauches befallen
wurde. Man behandelte ihn, konnte ihn aber nicht heilen. Der
Sclave starb, und man schnitt ihm den Bauch auf. Man sah
nach und fand eine weisse Flussschildkröte. Dieselbe hatte
rotlie Augen und war sehr frisch. Man brachte Arzneiwaaren
in den Mund der Flussschildkröte: sie starb durchaus nicht.
Später war ein Mensch, der auf einem weissen Pferde geritten
kam. Das Pferd harnte auf sie. Die Flussschildkröte zog den
Kopf ein und versteckte die Füsse. Man nahm jetzt zum Ver
suche Pferdeharn und wusch sie damit. Sie zerschmolz augen
scheinlich zu Wasser. Der Kranke trank davon sogleich einen
Gantang und war genesen.
Die zehntausend vollendeten Künste von Hoai-nan:
Grüner Schlamm tödtet die Flussschildkröte. Wenn sie
Portulak erlangt, wird sie wieder lebendig.
-||| Yuen ist die Meerschildkröte oder eine grosse Schild
kröte überhaupt.
Die Geschichtschreiber der Thang:
% ft Wei-tan befand sich in seiner Jugend in der
östlichen Niederlassung. Er gelangte einst zu der mittleren
Brücke und sah mehrere hundert Menschen, welche laut redeten
und an dem Ufer des Wassers versammelt waren. Die Fischer
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
71
hatten nämlich eine grosse Schildkröte gefangen und banden
sie an einen Pfeiler der Brücke. Die Schildkröte streckte den
Hals, sah sich nach allen Seiten um, als ob sie Jemanden
suchte, der sie rettete. Tan fragte: Um wie viele Geldstücke
ist sie zu verkaufen? — Man sagte: Um fünftausend. — Tan
sagte: Mein Esel kostet dreitausend. Könnt ihr sie geben? —
Man sagte: Ja. — Hierauf gab er ihnen den Esel, liess die
grosse Schildkröte in das Wasser und ging zu Fuss nach
Hause.
Das Buch Pao-pö-tse:
In dem Wasser M Tsai-teu waren grosse Schild
kröten. Dieselben befanden sich immer in der Seitentiefe. Man
nannte den Ort: die Seitentiefe der grossen Schildkröten. Die
Schildkröten konnten als alte Gespenster auftreten und Krank
heiten hervorbringen. Da erschien ein Mann des Weges, der
auf dem Haupte einen Feuerglanz trug. Derselbe konnte kin-
blicken und sie sehen. Er warf versiegelten Schlamm des Bunt
farbigen von Yue rings umher in die Seitentiefe. Nach längerer
Zeit schwamm eine grosse Schildkröte, welche im Umfange
und in der Länge eine Klafter mass, heraus. Sie wagte es
nicht, sich zu rühren. Man tödtete sie, und die Kranken wurden
gleichmässig gesund. Ferner kamen kleine Schildkröten reihen
weise heraus und verendeten an dem Flussarme in sehr grosser
Anzahl.
Die von Thsui-piao verfassten Erklärungen des Alterthums
und der Gegenwart:
Die grosse Schildkröte ist der Abgesandte des Aeltesten
des Flusses.
Die Geschichte des Suchens der Götter:
King, Fürst von Tsi, setzte über den Strom und den Yuen.
Als er zu dem (gelben) Flusse gelangte, hielt eine grosse Schild
kröte das linke Pferd des Dreigespanns an und tauchte es
unter. Alle befiel Bangen. ^ J'p Ku-ye-tse zog jetzt
das Schwert und folgte ihr nach. Er ging in schiefer Richtung
fünf Weglängen, in verkehrter Richtung drei Weglängen. Als
er an den Fuss der Schleifsteinsäule 1 gelangte, war es eine
5 Die Schleifsteinsäule heisst ein Felsen in dem gelben Flusse. Derselbe
ist von Gestalt gleich einer Säule.
72
P f izm a ier.
grosse Schildkröte. Er erfasste mit der linken Hand das Haupt
der grossen Schildkröte. Mit der rechten Hand drückte er das
linke Pferd des Dreigespanns an sich. Er hüpfte wie eine
Schwalbe, sprang wie ein Schwan und trat heraus. Er blickte
au dem Himmel empor und rief mit lauter Stimme. Das Wasser
floss auf einer Strecke von dreihundert Schritten zurück. Alle,
die es sahen, hielten ihn für den Aeltesten des Flusses.
-|j- To ist der Wassermolch.
Das Scliuö-wen:
Der Wassermolch ist ein Wasserinsect. Er hat Aehnlich-
keit mit der Eidechse und ist eine Klafter lang.
Die von Kö-I-kung verfassten erweiterten Denkwürdig
keiten :
Der Wassermolch ist drei Schuh lang und hat vier Füsse.
Er ist einen Schuh hoch. Der Schweif ist wie bei der Eidechse,
aber grösser. Bei Heiratlien in den südlichen Gegenden muss
man dazu kommen, ihn zu essen. Er ist es, den Kaiser Wu
von Wei bei der Rückkehr von der rotken Wand ausgrub.
Die Erklärungen Lü-ki’s:
Der Wassermolch hat Aehnlichkeit mit der Eidechse und
ist eine Klafter lang. Sein Panzer ist wie ein Eisenpanzer.
Man kann damit die Trommeln überziehen.
Die Geschichte des Suchens der Götter:
jJH j]jg Tschang-fö von Yung-yang-fuhr auf einem Schiffe.
In der Nacht kam ein Mädchen auf einem kleinen Schiffe,
warf sich auf ihn und sagte: Am Abend fürchte ich mich vor
den Tigern. Ich geti’aue mich nicht, bei Nacht zu wandeln. —
Fö scherzte mit ihr. Hierauf begab sie sich in sein Schlafgemach.
Um Mitternacht schien der Mond. Da sah er einen weissen
Wassermolch, der auf seinem Arme wie auf einem Kissen lag.
Fö erhob sich erschrocken und der Wassermolch entfernte sich
sogleich. Das Schiff, welches dieser bestiegen hatte, war ein
Stück trockenes Treibholz.
Die Verzeichnisse des Dunklen und Hellen:
Zu den Zeiten des Kaisers Kao-tsu von Sung, in dem
Zeiträume Yung-thsu (420 bis 422 n. Chr.), war ^
Tschang-tschün Statthalter von Wu-tschang. Um die Zeit ver
malte ein Mensch seine Tochter. Dieselbe hatte noch nicht
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
73
den Wagen bestiegen, als sie plötzlich von Sinnen kam, vor
das Haus trat und unter die Menschen Schläge austheilte. Sie
liess sagen, dass sie keine Freude habe, an einen gewöhnlichen
Menschen vermalt zu werden. Der Beschwörer sagte, es sei
ein Unrechtes altes Gespenst. Er führte das Mädchen zu der
Markscheide des Stromes, schlug die Trommel, bewerkstelligte
kunstgemäss die Beschwörung und leitete die Behandlung und
Heilung ein. Tschün glaubte, dass Jener das Volk betrüge.
Jener bestimmte einen Zeitpunkt, bis zu welchem er das un
geheuerliche alte Gespenst linden müsse. Später kam eine grüne
Schlange zu dem Aufenthaltsorte des Beschwörers. Dieser
nagelte sofort mit einem grossen Nagel ihren Kopf an. Bis
Mittag sah man wieder eine grosse Schildkröte aus dem Strome
kommen und sich vor dem Beschwörer niederlegen. Dieser
schrieb wieder mit rothem Zinnober auf ihren Rücken und
bildete eine Beglaubigungsmarke. Er schickte sie wieder fort,
trat ein und blieb stehen. Bis zum Abend trat ein grosser
weisser Wassermolch aus dem Strome. Derselbe wendete sich,
bald versinkend, bald schwimmend, gegen die Schildkröte,
folgte ihr nach und drängte sie. Der Wassermolch ärgerte sich
und starb. Der Beschwörer kam vermummt und trat zuerst
ein. Er sprach leichthin mit dem Mädchen. Das Mädchen weh
klagte schmerzlich und sagte, dass sie der Wohlthat der Ver-
mälung verlustig geworden sei. Seitdem ward sie allmälig
wiederhergestellt. Einige fragten den Beschwörer: Bei welchem
* Wesen kehrt das alte Gespenst ein? — Der Beschwörer sagte:
Die Schlange überliefert und verkehrt. Die Schildkröte ist der
vermittelnde Mensch. Der Wassermolch ist, was gegenüber
erjagt wird. Die drei Wesen sind lauter alte Gespenster. —
Tschün erkannte jetzt erst die reingeistige Bestätigung.
Sehe ist der allgemeine Name für ,Schlange*.
Das Buch der Han:
Kaiser Kao-tsu geleitete als Aeltester des Einkehrhauses
die Scharen zu dem Berge Li. Als er, in der Nacht wandelnd,
an dem grossen Sumpfe im Westen von Fung vorüberkam,
war daselbst auf dem Wege eine grosse Schlange. Er zog das
Schwert, zerhieb sie und ging hierauf weiter. Die Menschen,
welche später ankamen, sahen ein altes Mütterchen, das um
74
Pfizmaier.
die Schlange wehklagte und sagte: Dieses ist der Sohn des
weissen Kaisers. Der Sohn des rothen Kaisers kam vorbei und
tödtete ihn. — Das alte Mütterchen war dann plötzlich nicht
mehr zu sehen.
Das Buch der Tsin:
Yö-kuang hatte gewöhnlich einen nahestehenden
Gast. Derselbe blieb lange Zeit aus und kam nicht wieder.
Kuang fragte ihn um die Ursache. Er antwortete: Als ich
vordem mich auf dem Sitze befand, zum Geschenke Wein
erhielt und eben trinken wollte, sah ich in dem Becher Schlangen.
Mir war dieses sehr zuwider. Als ich getrunken hatte, erkrankte
ich. — Um die Zeit hatte man die Hörner an der Wand des
Gerichtssaales von Ho-nan gefirnisst und mit Schlangen bemalt.
Kuang vermuthete, dass die Schlangen in dem Becher der
Schatten der Hörner seien. Er liess wieder an demselben Orte
Wein auftragen und fragte den Gast: Ist in dem Weine wieder
etwas zu sehen? — Jener antwortete: Es ist so wie früher zu
sehen. '— Kuang sagte ihm jetzt, woher dieses komme. Der
Gast erklärte es sich vollkommen. Seine tiefsitzende Krankheit
war augenblicklich geheilt.
Das Buch der Tsin:
Als Lün, König von Tschao, sich die Rangstufe
anmasste, erschien in der Vorhalle eine grosse Königsschlange
sammt einer kleinen Königsschlange. Das an den Ohren herab
hängende Fleisch hatte Aehnlichkeit mit einem doppelten Kopf
tuche der Aelternliebe. Bei der kleinen Königsschlange war es
ebenfalls so.
Das Buch der Tsin:
Mu-yung-hi lustwandelte im Süden der Feste
und blieb unter einem grossen Weidenbaume stehen. Es war
als ob ein Mensch riefe: Der grosse König bleibt einstweilen
stehen. Hi war dieses zuwider, und er liess den Baum um
hauen. Da kam eine klafterlange Schlange aus dem Baume
hervor.
Die Geschichtschreiber des Südens:
± * * Tschü-I-khu von Liang sah eine schwarze
Schlange, welche eine Klafter lang war. Mehrere Zehende kleiner
Schlangen folgten ihr. Dieselben erhoben die Häupter in der
Höhe einer Klafter und blickten nach Süden. Plötzlich waren
lieber einige Gegenstände des Taoglaubens.
75
sie verschwunden. Ferner besuchte der Kaiser mit den Menschen
des Palastes den Garten von Yuen-tscheu. Er sah wieder eine
grosse Schlange, die sich auf dem Wege krümmte. Eine Schar
kleiner Schlangen umringte sie. Dieselben waren insgesammt
von schwarzer Farbe. Dem Kaiser war dieses zuwider. Die
Menschen des Palastes sprachen: Dieses sind keine Ungethü-
me. Wir glauben, es sind Gelddrachen. — Der Kaiser beauf
tragte die von ihm ernannten Vorsteher, und man erbeutete
in einem Tage mehrere hunderttausend Geldstücke, welche auf
den Wohnort der Schlangen drückten und diese niederhielten.
Hierauf stellte der Kaiser Vorschriften auf und hielt Zusammen
künfte. Er begnadigte die Gefangenen und unterstützte die
Erschöpften und Hilflosen. Er zog sich zurück und bewohnte
die verschlossene Abtheilung des ruhenden Herzens. Ferner
fielen Schlangen von dem Dache auf die Mütze des Kaisers
und waren plötzlich verschwunden. Ferner sah er in der Vor
halle des Drachenglanzes, in der von ihm gebrauchten Schulter
sänfte wieder kleine Schlangen. Dieselben krümmten sich in
der Sänfte und legten die Häupter auf das Haupt des goldenen
Drachen vor dem Knieeinschliesser. Wenn sie Menschen sahen,
so entflohen sie. Wenn man sie verfolgte, so erreichte man
sie nicht.
Das Buch der Thang:
Kaiser Thai-tsung zog seine Streitmacht auf dem Gebiete
i'Ö 'S Pe-pi zusammen. Er wollte immer den Feind erspähen.
Das Kriegsheer, das durch den Fluss gesetzt war, streifte in der
Ferne. Die Reiter zerstreuten sich nach allen vier Gegenden.
Thai-tsung bestieg mit einem gepanzerten Krieger einen Hügel
und schlief ein. Plötzlich sammelten sich die Streitkräfte der
Räuber von allen Seiten gleich Wolken und er bemerkte es
nicht. Da verfolgte eine Schlange eben eine Ratte und stiess
an den gepanzerten Krieger. Dieser erhob sich erschrocken
und sah die Räuber herankommen. Er meldete es eilig Thai-
tsung, und beide stiegen zu Pferde. Nachdem sie hundert
Schritte weit gejagt, wurden sie von den Räubern erreicht.
Der Kaiser nahm einen grossen geflügelten Pfeil hervor und
schoss nach ihnen. Er streckte den muthigen Anführer zu Boden.
Die Räuber zogen sich hierauf zurück. Um die Zeit hielt man
dieses für ein göttliches Wunder.
76
Pfizinaier.
Das Buch der Thang:
In dritten Jahre des Zeitraumes Kien-tschung (780 bis
783 n. Chr.) stand nördlich von dem Rande des Dorfes der
Menschlichkeit und • Aelternliebe in dem Districte Ning-tsin,
Provinz Tschao-tscheu, ein wilder Birnbaum von sehr grosser
Blätterfülle. Die hundert Geschlechter beteten ihn an und
hielten ihn für einen Gott. Plötzlich kam eine Schar von meh
reren tausend Schlangen aus Südosten. Dieselben liefen schnell
zu der nördlichen Uferbank und sammelten sich unter dem
wilden Birnbaum. Es waren zwei Haufen. Diejenigen, die an
der südlichen Uferbank zurückblieben, waren ein Haufe. Als
bald erschienen drei Schildkröten, die einen Zoll im Durch
messer massen. Dieselben umkreisten den wandernden Haufen
und den Seitenhaufen. Alle Schlangen verendeten, und später
stieg eine jede dieser Schildkröten auf die Haufen. Die Land
leute sagten, die Bäuche der Schlangen hätten Wunden gezeigt,
als ob sie von Pfeilen getroffen worden wären.
Das Buch der Thang:
i|fjj Li-tschao-tsching 1 war stechender Vermerket -
von Pin-tscheu. In der Feste hatte eben der Wassergraben
kein Wasser. Die Leute des Heeres murrten. Da erschien in
Eile eine grüne Schlange, die zur Höhe hinaufstieg und dann
herabkarn. Als man ihre Spur betrachtete, floss in der
Richtung derselben Wasser. Tschao-tsching befahl, einen Damm
zu bauen und das Wasser einzuschliessen. Dieses ward hierauf
eine stehende Quelle. Die Menschen des Heeres tranken sie
mit Begierde und zeichneten die Sache mit den Füssen. Der
Kaiser hörte es und befahl in einer höchsten Verkündung,
einen Tempel zu Stande zu bringen.
Das Buch Pao-pö-tse:
Fragt man, wie man sich gegen Schlangen und Vipern
helfen könne, wenn man in Verborgenheit in den Gebirgen
und zwischen Sümpfen wohnt, so wird gesagt: Einst gab es
auf dem Berge _£j( Yün - khieu viele grosse Schlangen.
Auch wuchsen daselbst gute Arzneien. Der gelbe Kaiser wollte
den Berg ersteigen. II J f Kuang-tsching-tse rieth ihm,
den Gürtel mit männlichem Gelb zu behängen, und die Schlan-
1 Ueber das letzte Zeichen ist noch das Classenzeichen Fl zu setzen.
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
77
gen entfernten sieh. Gegenwärtig trägt man an dem Gürtel
fünf Tael männliches Gelb von Wu-tu, welches von Farbe
gleich einem Hahnenkämm ist, und tritt in die Gebirgswälder.
Man braucht dann die Schlangen nicht zu fürchten. Wenn eine
Schlange einen Menschen beisst, so macht man ein wenig
männliches Gelb zu Pulver und legt es auf die Wunde. Man
ist dann auf der Stelle geheilt.
Dasselbe Buch Pao-pö-tse:
Es gibt zwar viele Arten von Schlangen, doch nur bei
der Viper, wenn sie einen Menschen sticht, hat man die grösste
Eile. Wenn man eines Tages dafür kein Mittel schafft, so
tödtet sie den Menschen. Versteht man nicht die Kunst der
Heilmittel und wird von dieser Schlange gestochen, so schneidet
man bloss mit einem Messer das Fleisch der Wunde aus und
wirft es auf die Erde. Das Fleisch wallt wie Feuer. Nach einer
Weile ist es verbrannt, und der Mensch bleibt am Leben.
Das Buch der Sterne:
Die zwei und zwanzig Sterne der aufsteigenden Schlange
befinden sich im Norden des inneren Hauses, nahe dem
Himmelsflusse. Sie sind den Iusecten und Schlangen vor
gesetzt.
Der Garten der Gespräche:
King, Fürst von Tsi, stieg auf der Jagd einen Berg hinan
und sah einen Tiger. Er stieg zu einem Sumpfe herab und
sah eine Schlange. Er fragte Yen-tse: Sind dieses unglückliche
Zeichen ? — Jener sprach: Es gibt weise Männer, und man
kennt sie nicht. Man kennt sie, aber man verwendet sie nicht.
Man verwendet sie, aber man betraut sie nicht. Sind dieses
unglückliche Zeichen? Das Gebirge ist des Tigers inneres
Haus. Der Sumpf ist der Schlange unterirdische Höhle. Warum
sollten es unglückliche Zeichen sein ?
Die neuen Einleitungen:
Als der Nachfolger * £ Schin • seng zu der rein
geistigen Erdstufe gelangte, wand sich eine Schlange um das
linke Wagenrad. Der Wagenführer sprach: Dieses ist das glück
liche Zeichen, dass du schnell das Reich erlangst. — Zuletzt
kehrte der Nachfolger nicht zurück. Jener stürzte sich in sein
Schwert und starb.
Das Buch Ku-I:
78
Pfizmaier.
Wen, Fürst von Tsin, zog auf die Jagd. Der Voran
jagende kehrte zurück und sagte: Vor uns befindet sich eine
grosse Schlange. Die Höhe derselben ist gleich einem Damme.
Sie liegt quer über dem Wege. Fürst Wen sprach: Man wende
den Wagen zurück und kehre heim. — Der Wagenführer
sprach: Ich habe gehört: Ist es ein glückliches Zeichen, so
geht man ihm entgegen. Ist es ein Ungethüm, so bekämpft
man es. Jetzt befindet sich vor uns ein Ungethüm : ich bitte,
es angreifen zu dürfen. — Der Fürst sprach: Es darf nicht
sein. Ich habe gehört: Wenn der Himmelssohn böse träumt,
so ordnet er den Weg. Wenn ein Lehensfürst böse träumt, so
ordnet er die Lenkung. Wenn ein Grosser böse träumt, so
ordnet er das eigene Selbst. Auf diese Weise kommt das Un
glück nicht heran. Jetzt habe ich den Wandel ausser Acht
gelassen, und der Himmel bekundet seinen Einfluss durch ein
Ungethüm. Wenn ich es angreife, so widersetze ich mich dem
Gebote des Himmels. — Er kehrte jetzt zu dem Bethause
zurück, übernachtete daselbst und stellte Bitten in dem Ahnen
tempel. Er zog sich zurück und ordnete die Lenkung. Nach
drei Tagen träumte ihm, dass der Himmel die Schlange strafte
und sagte: Wie hast du es gewagt, auf den Weg eines höchst
weisen Gebieters zu gerathen? — Fürst Wen erwachte und
liiess Leute nachsehen. Die Schlange war bereits angefault.
Die Erklärungen des von Li-sehen - tscbang verfassten
Buches der Gewässer:
Ueber den Süden der Stadtmauern der alten Feste von
Nan-hiang hinaus stand von Alters her ein Pistazienbaum der
Altäre. Derselbe mass dreissig Umfassungen. Als
Siao-hin die Provinz verwaltete, liess er ihn umhauen. Man
sagt, eine grosse Schlange fiel aus dem Bauche des Baumes
herab. Dieselbe mass in der Dicke zehn Umfassungen und war
drei Klafter lang. Mehrere Zehende kleiner Schlangen folgten
ihr und zogen in das südliche Gebirge. Sie machten ein Ge
räusch wie Wind und Regen. Ehe man den Baum fällte,
erschienen sie Hin im Traume. Dieser beachtete es nicht.
Wenige Tage, nachdem der Baum gefällt war, starb Hin
wirklich.
Die Ueberlieferungen von Sitten und Gewohnheiten des
Kreises Tschin-lieu:
Ueber einige Gegenstände der Taoglaubens.
79
Der kleine gelbe Bezirk ist ein Gebiet von Wei. Es ist
der gelbe Bezirk im Osten des alten Yang-wu Man gab dem
Bezirke den Namen von dem gelben Wasser. Der Fürst von
Pei griff zu den Waffen, kämpfte in der Wildniss und verlor
die kaiserliche Mutter in dem gelben Bezirke. Als die Welt
beruhigt war, schickte er einen Abgesandten und berief die
Seele in der dunklen Wildniss nach dem Palaste des Hart
riegels. Hierauf befand sich in dem Wasser eine mennigrothe
Schlange. Dieselbe wusch sich und begab sich in den Palast
des Hartriegels. An dem Orte, wo sie badete, fand sich zurück-
gelassenes Haupthaar. Desswegen gab man ihr den nach dem
Tode zu führenden Namen: Die vornehme Frau des lichten
Reingeistigen.
Die von Lui-thse-thsung verfasste Geschichte von Yü-
tschang:
Gegen das Ende des Zeitraumes Yung-kia (307 bis 312
n. Ohr.) schnitt eine grosse Schlange, welche zehn Klafter lang
war, den Weg ab. Die Vorübergehenden athmete sie sofort ein
und zog sie an sich. Diejenigen, die sie verschlang, waren
bereits hundert an der Zahl. Die Reisenden waren von dem
Wege abgeschnitten. jW U-meng, ein Mann des Weges,
begab sich mit einigen Schülern hin und wollte die Schlange
tödten. Die Schlange verbarg sich in einer tiefen Höhle und
mochte nicht hervorkommen. Meng berief sich auf den Fürsten
des Altares von Nan-tschang, und die Schlange kam aus der
Höhle hervor. Ihr Kopf ragte mehrere Klafter in die Höhe.
Meng uinwandelte an dem Schweife den Rücken und setzte
den Fuss auf das Haupt der Schlange. Er drückte sie auf die
Erde. Die Schüler tödteten sie au der Rückseite mit Aexten.
Die von Pei-yuen verfasste Geschichte von Kuang-tscheu:
Auf der Berghohe Jen-sche in der Provinz Tsin-
hing, fünf bis sechs Weglängen seitwärts von dem Wege, er
schien plötzlich ein Wesen, welches in der Dicke hundert
Umfassungen und in der Länge mehrere Zehende von Klaftern
mass. Die Wanderer, welche vorüber gingen, betrachteten es.
Sie gingen hin, aber kamen nicht zurück. So war es durch
Jahre. Die Menschen, welche man vermisste, waren sehr viele.
Tung-fung kam aus Kiao-tscheu über diese Berghohe.
Er sah es, erschrack sehr und sagte: Dieses ist eine Schlange.
80
Pf izmaier.
— Er verweilte bei den Reisenden und gebrauchte ein Ab-
sclmittsrohr. Als er sie über Nacht aufforderte, nachzusehen,
war die Schlange bereits todt. Zu ihren beiden Seiten lagen
weisse Knochen und häuften sich zu Hügeln.
Die Ueberlieferungen von Merkwürdigkeiten:
Der Lehensfürst von ü zfc Scheu-kuang war ein Zeit
genosse des Kaisers Tschang von Han. Derselbe verhörte die
hundert Dämonen und die alten Gespenster. Ein , Weib war
durch ein altes Gespenst krank gemacht worden. Der Lehens
fürst verhörte das Gespenst und fand eine grosse Schlange.
Ferner war ein grosser Baum. Die Menscheu, die bei ihm
stehen blieben, starben. Die Vögel, die zu ihm hinflogen, starben
ebenfalls. Der Lehensfürst verhörte den Baum. Der Baum ver
dorrte, und unter ihm befand sich eine grosse Schlange, welche
sieben bis acht Klafter lang war. Dieselbe bängte sich auf
und starb.
Die Geschichte des Suchens der Götter:
Die Mutter ^ 3# Tü-wu’s gebar Wu und zugleich
eine Schlange. Die Schlange brachte man in den Wald. Später
starb die Mutter und ward begraben. Man batte den Sarg noch
nicht herabgelassen, als eine grosse Schlange aus den Hasel-
staudeu und den Pflanzen daher kam und zu dem Orte der
Trauer eilte. Sie schlug mit dem Haupte den Sarg und weinte
Blut. Nach einer Weile entfernte sie sich. Die Zeitgenossen
sahen hierin ein glückliches Zeichen für das Geschlecht Tu.
Die Geschichte des Suchens der Götter:
fyS Thsin-tschen wohnte in der Wildniss |||_
Peng-hoang in Kliiö-O. Plötzlich drang ein Wesen, das einer
Schlange glich, ungestüm in sein Gehirn. Als die Schlange
kam, verspürte er früher einen Geruch. Hierauf drang sie so
gleich in seine Nase und krümmte sich. In seinem Kopfe em
pfand er Kälte und hörte in seinem Gehirn das Geräusch des
Fressens und Nagens. Nach einigen Tagen kam sie heraus
und entfernte sich. Unvermuthet kam sie wieder. Er nahm das
Taschentuch und verband schnell Mund und Nase. Doch es
ward ebenfalls eingedrungen. Nach Jahren hatte er sonst keine
Krankheit, er litt bloss an Schwere des Kopfes.
Der Garten der Merkwürdigkeiten:
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
81
In dem Zeiträume Thai-yuen (376 bis 396 n. Ghr.) fällte
ein Mensch von Jü-nan Bambusrohr. Er sah einen Bambus,
der in der Mitte die ausgebildete Gestalt einer Schlange hatte.
Die oberen Zweige und Blätter waren wie früher. In dem
Districte Thung-liü in der Provinz U fällte ein Mensch des
Volkes den übrig gelassenen Bambus. Er sah, dass eine alte
Bambusstange ein Fasan wurde. Kopf und Hals waren ganz
vollendet, der Leib war noch nicht ausgebildet. Hier wurde
ebenfalls der Bambus eine Schlange, die Schlange wurde ein
Fasan.
Derselbe Garten der Merkwürdigkeiten:
Su-kiuen von Sin-ye wohnte immer mit Sclaven
und Mägden in einer Hütte des freien Feldes. So oft es
Essenszeit war, kam sofort ein Wesen, das von Gestalt
mit einer Schlange Aehnlichkeit hatte. Es war sieben bis acht
Schuh lang und mit fünf farbigen glänzenden Schuppen begabt.
Kiuen hielt es für etwas Merkwürdiges und fütterte es. Es
vergingen bald mehrere Jahre. Sein Geschäft der Hervorbrin
gung ging besser von Statten. Ein Sclave erschlug später das
Thier heimlich. Er wurde von der Fresskrankheit befallen. Man
gab ihm täglich drei Scheffel Reisspeise, und er war noch immer
nicht satt. In kurzer Zeit starb er.
Der Garten der Merkwürdigkeiten:
Hl Tschung-tschung von Tan-yang wandelte in dem
Zeiträume Yuen-kia (145 n. Chr.) in den Monaten des Winters
am frühen Morgen. Er sah eine Schlange von zwei Schuh
Länge. Die Streifen und die Farbe derselben hatten Aehnlich
keit mit grünem Smaragd. Auf dem Haupte trug sie zwei
Hörner, welche weiss wie Edelstein waren. Tschung ward an
geregt und nahm sie als Hausthier auf. Hierauf hob sich sein
Geschäft täglich mehr. Ueber ein Jahr war die Schlange ver
schwunden. Tschung und seine zwei Söhne gingen einer nach
dem anderen zu Grunde. Hier war das Kommen der Schlange
von Glück, ihr Fortgehen von Unglück. Ist dieses nur bei
Drachen der Fall?
Die Verzeichnisse des Dunklen und Hellen:
Das Weib * a Sie-tsu’s von Kuei-ki hatte anfäng
lich einen Sohn aufgezogen. Sie gebar noch eine Schlange von
der Länge zweier Schuhe. Diese lief sogleich bei dem Thore
Sitzungsber. d. pbil.-liist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 6
82
Pfizmaier.
hinaus und entfernte sich. Einige Jahrzehende später starb
das Weib hochbejahrt. Da hörte Tsu im Nordwesten das Ge
räusch von Wind und Regen. In diesem Augenblicke sah er
eine Schlange, welche mehrere Zehende von Klaftern lang war.
Ihr Bauch mochte zehn Umfassungen messen. Sie kam bei der
Thüre herein und begab sich zu dem reingeistigen Saale. Sie
gelangte dabei zu der Stelle des Sarges, umkreiste diesen mehr
mals und schlug das Haupt gegen den Sarg. Aus ihren beiden
Augen quollen blutige Thränen hervor. Nach längerer Zeit
entfernte sie sich.
Dieselben Verzeichnisse des Dunklen und Hellen:
Der Angestellte der Provinz Kuei-ki, Jjj Sie-tschung
aus dem Districte Meu, erhielt Urlaub und kehrte nach Hause
zurück. In der Nacht war die Thüre verschlossen, und er hörte
auf dem Bette seiner Gattin das Schnarchen eines Mannes.
Er rief die Gattin, und diese kam aus dem Bette hervor. Sie
hatte noch nicht die Thüre geöffnet, als Tschang ein Messer
ergriff, ihr entgegenging und sie fragte: Wer ist der Betrun
kene? — Die Gattin war sehr erschrocken. Sie erklärte mit
Mühe, dass in der That Niemand da sei. Sie meinte, in seinem
Hause gebe es nur Eine Thüre. Wenn er suche, werde durch- t
aus nichts zu sehen sein. Man sah eine grosse Schlange, welche
sich zu den Füssen des Bettes versteckt hatte und nach Wein
roch. Tschung hieb der Schlange sogleich den Kopf ab, zer
schnitt sie in kleine Stücke und warf sie in den rückwärtigen
Wassergraben. Nach einigen Tagen starb das Weib. Wieder
nach einigen Tagen starb Tschung. Am dritten Tage nach
seinem Tode wurde er wieder lebendig. Er erzählte: Als er
eben gestorben war, habe ihn ein göttlicher Mensch zu einem
Sammelhause der Obrigkeiten geführt. Er sah die Obrigkeiten,
welche ihn fragten, warum er einen Menschen getödtet habe.
Er antwortete: Ich habe in Wirklichkeit noch keine böse That
verübt. — Man sagte: Was in kleine Stücke zerschnitten und
in den rückwärtigen Wassergraben geworfen ist, was für ein
Gegenstand ist dieses ? — Er erwiederte: Dieses ist eine j
Schlange, es ist kein Mensch. — Der Gebieter des Sammel
hauses besann sich und sprach: Ich habe ihn immer zum Gotte
verwendet, und er wagt es, die Gattinnen der Menschen zu
verführen. Zudem klagt er unbegründeter Weise die Menschen
Ueber einige Gegenstände des Taoglaubens.
83
an. — Er beauftragte die Leute der Umgebung, ihn herbei
zuholen. Die Angestellten kamen endlich mit einem Menschen,
der ein flaches tuchenes Kopftuch trug. Man verhörte ihn wegen
des Verbrechens, die Gattin verführt zu haben und brachte
ihn in das Gefängniss. Tschung liess man durch Leute zurück
führen.
Die erweiterte Geschichte der fünf Grundstoffe:
M it Yuen-yuen-ying, zu den Zeiten der Tsin
Statthalter von U-king, kam einst in das Amt und bat j||
Kö-pö, ihm durch die Wahrsagepflanze Glück und Unglück zu
bestimmen. Pö sprach: Wenn du zu dem Amte gelangst, wird
eine rothe Schlange als Ungethüm auftreten. Man darf sie nicht
tödten. — Als er später in dem Sammelhause ankam, war yi
wirklich eine rothe Schlange auf dem Umschläge des Abschnitts
rohres des kupfernen Tigers und krümmte sich. Ein Haus
genosse Yuen-ying’s erschlug sie. Später wurde Yuen-ying durch
fiM Siü-fö ums Leben gebracht.
Dieselbe erweiterte Geschichte der fünf Grundstoffe:
Zu den Zeiten der Tschin befand sich ||j| ^ Ku-kiai
von U-hing auf dem Felde. Er bestieg einen Baum und sam
melte Maulbeerblätter. Da sah er eine fünf Schuh messende
grosse Schlange in eine kleine Höhle kriechen. Die Schlangen,
die ihr folgten, reihten sich an einander. Einige massen drei
Schuh, andere fünf Schuh. Sie folgten einander nach der Ord
nung, und es waren zusammengenommen einige hundert. Kiai
stiesc schuell von dem Baume und betrachtete die Stelle, wo
sie hineingekrochen waren. Er sah durchaus nicht, dass eine
Oeffnung war. Am Abend kehrte er nach Hause und erkrankte
an der Stummheit. Er konnte nicht mehr sprechen.
Die erweiterte Geschichte der fünf Grundstoffe:
M M M Tung-fang-fei-lung, ein Mensch von
Tung-kuang, erkrankte schwer. Es träumte ihm, dass er in
eine grosse schwarze Schlange verwandelt wurde, und er sagte
es seiner Gattin. Als er gestorben war, kam alsbald eine grosse
schwarze Schlange in das innere Haus und kroch zwischen
die Balken hinauf. Die Söhne Fei-lung’s wollten sie tödten.
Ihre Mutter sprach: Dieses ist euer Vater. — Die Söhne beach
teten nicht die Worte der Mutter und tödteten hierauf die
6*
84
Pfizmaier.
Schlange. An demselben Tage fiel ein Platzregen. Alle Söhne
wurden vor dem Sarge vom Gewitter erschlagen.
Die Geschichte des Amtsgebäudes des Schriftschmuckes
in dem Zeiträume King-lung von Thang:
Der Teich Ä J|| Hing-khing war ein Gebiet auf
trockenem Boden an der östlichen Ecke der Stadtmauern von
Tschang-ngan. Auf demselben gab es viele Wohngebäude der
Könige und Lehensfürsten. Im Anfänge der Jahre der Himmels
kaiserin 1 grub der angesessene Mann J Wang-schün die
Erde auf und fand hundert Pfund gelben Goldes. Er hatte sich
dadurch reich gemacht. Die Vorsteher unter den Obrigkeiten
hörten dieses. Sie trafen heimlich Anstalten, um das Gold zu
suchen und wegzunehmen. Schün fürchtete sich und warf es
in den Brunnen. Als die Obrigkeiten des Bezirkes nachspähten,
sahen sie ein Paar rothe Schlangen, welche die Köpfe empor
hielten und die Mundwinkel aufsperrten. Daher wagten sie es
nicht, hinein zu steigen. Schün, welcher glaubte, dass dieses
Gold rechtmässig von ihm erworben worden, stieg wieder in
den Brunnen und nahm es weg. Auf dem Rückwege sah er
rothe Schlangen, die sich wie Feuerflammen krümmten. Er
fürchtete sich und stieg heraus. In derselben Nacht floss das
Wasser des Brunnens über und bildete allmälig diesen Teich.
Derselbe mag hundertmal hundert Morgen breit sein.
Die in der Druckerei fehlenden 5 chinesischen Zeichen
sind wie folgt herzustellen:
S. 8, Z. 12 v. u.: Das Zeichen für *1 ist m mit dar
unter gesetztem ft
S. 8, Z. 11 v. u. und in der Note: Zu links
S. 51, Z. 6: Zu j^j rechts |$
S. 55, Z. 9 v. u.: In *1^ ist pj durch -J zu ersetzen.
S. 79, Z. 9 v. u.: Zu *# links
1 So nannte sich die Kaiserin ffu von Thang.
Rockinger. Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
85
Berichte über die Untersuchung von Handschriften
des sogenannten Schwabenspiegels.
Von
Dr. Ludwig Rockinger.
V.
Eine ganz besondere Bedeutung für die Genealogie der
Handschriften des kaiserlichen Land- und Lehenrechtes hat
seit Ficker’s hierauf bezüglichen Untersuchungen 1 jene Gruppe
gewonnen, welcher der dritte Theil des Landrechtes,
Artikel 314—377 einschliesslich der Ausgabe des Freiherrn
s v. Lassberg, fehlt, und in welcher auch das Lehenrecht
nur unvollständig beziehungsweise in der sonstigen Gestalt
dieses Rechtsbuches gar nicht entgegentritt.
Sie zählt übrigens — ganz abgesehen von dem Einflüsse
auf die Genealogie der Handschriften des sogenannten Schwa
benspiegels — auch an und für sich schon höchst beaclitens-
werthe Glieder. Man denke nur an die im Besitze Homeyer’s,
den wir leider jetzt nicht mehr zu den unseligen rechnen
dürfen, in welcher sich Bestandteile der Vorstufe dieses Rechts
buches erhalten haben, des Deutschenspiegels, nämlich die Vor
rede und zwei Gedichte des Stricker, welche in allen bekannten
Handschriften fehlen, ausser in der wichtigen Baumwollen
papierhandschrift auf der Stadtbibliothek zu Freiburg im Breis
gau, welche die Gedichte enthält und dio Vorrede enthalten
j zu haben scheint. Die aus der Karthause Schnals stammende
1 Ueber einen Spiegel deutscher Leute und dessen Stellung zum Sachsen-
und Schwabenspiegel, in den Sitzungsberichten der philosophisch-histo
rischen Classe XXIII. S. 221 — 268. Zur Genealogie der Handschriften
des Schwabenspiegels, ebendort XXXIX, S. 31 — 41.
86
Bockinger.
auf der Universitätsbibliothek zu Innsbruck, wenn nicht mehr
dem 13., so der ersten Zeit des 14. Jahrhunderts angehörig’,
hat Ficker selbst mehrfach in den Kreis der Forschung ge
zogen. Von einer des baierischen allgemeinen Reichsarchives,
aus Herrenchiemsee stammend, welche bei dem Artikel vom
Wucher anstatt des einen der erwähnten Gedichte des Stricker
eines des Freidank enthält, habe ich seinerzeit in dem Berichte
der Sitzung der historischen Classe der Akademie zu München
vom 26. Jänner 1867 S. 193—233 Kunde gegeben.
Diese Handschriften nun stimmen keineswegs in allen
Beziehungen mit einander überein. Kann man sich von der
zuletzt genannten jeden Augenblick am berührten Orte einen
Begriff machen, so will ich hier nur des Beispiels wegen aus
der gleichfalls dahin einschlagenden Papierhandschrift der
Gymnasialbibliothek zu Quedlinburg, Num. 88 in Grossfolio,
aus dem 15. Jahrhunderte, leider durch Ausschnitte von Blät
tern an verschiedenen Stellen mehr oder minder unvollständig,
die auffallend gekürzte Reihenfolge der Artikel von L 228 an
mittheilen:
L
228
229
230
231
232
233
234
235
185
185
185
186
186
251
252
253
254
255
186 1 256 i
L
236
237
238
239
240
241
242
243
187 2
188 3
189
189
189
257 2
258 3
259 3
260»
261
262
1 Nur der Schluss von L 235.
2 Dieses Capitel ist das einzige welches eine Ueberschrift hat: Von der
scepinge der werlde.
Do got den minschen — here vnschuldich ane. liitczet hey dy hunde
an dat wilt, edder bleset hey sin horn, so is hey schuldieh, dar werde
wilt geslagen edder nicht.
3 Het eyn man heueke edder sperwere, entflucht ome — sey wedder
gheuen deine des sy sin.
Beslotene vögele weme dy vntvleigen vnde wy sy vengit na dren dagen,
des sint sy. nesten vögele up eyneme boyme, edder wur id is, dy wile
sey in deine neste sin, so sint sy des up des eygen hey is. wen sy ut,
vleyghen, so sint sy des wer sey venghet.
t
i
t
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
87
L
244
245
; i
246
247a
247 b
248
249
250
251
252
253 a
253 b
253 c
254
255
256
257
258 a (
258 b I
259 |
260 i
261 |
262 |
263
264
265
189
189
190
191
191
192
192
192
192
193
193
193
194
195
196
263
264
265
266
266
267
268
269
270
271
272
273
274
275
276
277 1
278 2
279 3
L
266
267
268
269
270
271a
271b
272
273
274
275
276
277 '
278
279
280
281
282
283
284
285
286
287
288
289
290
197
197
197
198
198
198
198
199 f
280
281 4
282 5
283
284
285
286
287
288
i 289
Geit eyn man to walde — vederspel was. so vele schal hey ome
half gheuen. vnde het hey nicht gudes, man schal ome sin liouet aff slan.
1 Den ioden schal nyman to ehristenen Ionen bring'hen — schal on bernen
alze eynen ketter.
- Den Christen is vorboden dat sy der spise — sint alle in denie banne.
3 Js dat sek ein iode let dopen —edder hey schal beiden lichteren mit
penninghen boithen.
4 Wey eynen beclageden man — drystunt achte dage.
5 Steruet eyn pert edder vehe dat man vor gherichte bringhen scholde,
man bringhe dy hut, vnde sy los.
88
Rockinger.
L
291
292
293
294
295
296
297
298
299
300
301
302 a
200
200
200
290
291
292
L
302 b
303
304
305
306
307
308
309
310
311
312
313a
313b
200
200
293
294
Hat Ficker in seiner Abhandlung über die Genealogie
der Handschriften unseres Rechtsbucbes von sechs Gliedern
dieser Gruppe sprechen können, so hat sich unterdessen deren
Zahl erweitert. Abgesehen von der des allgemeinen Reichs-
archives zu München, ist eine in der Bibliothek des Appella
tionsgerichtes zu Bernburg aufgetaucht. Von einer der kaiser
lichen Hofbibliothek zu Wien aus dem Jahre 1408 hat Laband
in der Zeitschrift für Rechtsgeschichte III. S. 155 Nachricht
gegeben. Auch die Num. 2929 aus dem Jahre 1447 daselbst,
und weiter die Num. 126 der Handschriften des kaiserlichen
Haus-, Hof- und Staatsarchives vom Jahre 1403 fällt in diese
Gruppe. Aber damit ist ihre Zahl noch nicht erschöpft.
Ich kann zum Gegenstände dieses Berichtes die Unter
suchung von drei mehr oder weniger in engem Ver
hältnisse zu einander stehenden wählen, deren Werth für
die in Frage stehende Familie wie für die Genealogie
unseres Rechtsbuches selbst nicht zu unterschätzen ist.
Zieht die erste schon durch ihr Alter die Aufmerksamkeit auf
sich, so schliessen sich ihr die beiden anderen, bei welchen
dieser Gesichtspunkt nicht in Betracht kommt, durch die Ge
stalt ihres Textes in ganz eigenthümlicher Weise an. Wenn
nicht auch die erste, so entstammen jedenfalls die beiden an
deren baierischem Boden, und diese enthalten neben unserem
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
89
Rechtsbuche noch Erzeugnisse der oberbaierischen Gesetz
gebung des Kaisers Ludwig des Baiers.
I.
Ich bandle zunächst von der äusseren Erscheinung
der drei Handschriften, wovon die Rede sein soll.
1.
Die in der Bibliothek des erlauchten gräflichen Hauses
von Ortenburg zu Tambach befindliche höchst werthvolle
Pergamenthandschrift in Quart gehört, wie die Schnalser zu
Innsbruck, ja vielleicht noch eher als diese, wenn nicht mehr
dem 13., so dem Anfänge des 14. Jahrhunderts an. Es findet
sich nämlich am Schlüsse des ersten Artikels des Lehenrechtes
bei der Erwähnung der siebenten Welt die Zählung: tausent
jar zwai hvndert jar fvmf vnd nevntzich jar. Widerspricht
auch die Schrift dieser Jahrzahl in keiner Weise, liegt auch
die Annahme sehr nahe, dass der Schreiber an dieser Stelle
gerade die Zahl des eben laufenden Jahres einsetzte, liegt
diese Annahme vielleicht sogar um so näher, als eine andere
Handschrift, wovon alsbald die Rede sein wird, an der betref
fenden Stelle auf eine Vorlage vom Jahre 1282 hinweist,
welche Zahl der allem Anscheine nach äusserst gewandte
Schreiber unserer Handschrift einfach in das Jahr seiner Ar
beit umsetzte, also in das Jahr 1295, so ist doch immerhin die
Möglichkeit nicht ganz und gar ausgeschlossen, dass diese
Jahrzahl am Ende doch auch nur auf der unmittelbaren Vor
lage beruht, und der in Frage stehende Codex doch erst dem
Beginne des folgenden Jahrhunderts angehören mag.
Er besteht aus zehn Lagen, wovon die zweite und zehnte
Quinterne sind, die übrigen Quaterne, und ist in durchlau
fenden Zeilen geschrieben, deren 29 auf die Seite treffen.
Der Titel des Werkes, roth geschrieben, lautet: Ditz ist
daz lantrecht püch. genomen von dem decret. vnd von dem
Decretal. vnd von Chunich Karels recht, vnd von gotes Worten
genomen.
Die erste Zeile des Textes, mit der grösseren Initiale H
beginnend, Herre got, ist roth mit lauter grossen Buchstaben;
90
Rockinger.
die zweite, himelischer, schwarz, gleichfalls nur mit grossen
Buchstaben geschrieben. Das übrige dann läuft regelmässig fort.
Auf dem sechsten Blatte des neunten Quaterns in der
Mitte der ersten Seite, unmittelbar nach dem Landrechte, be
ginnt das Lehenrecht in der Weise, dass der leere Raum der
letzten Zeile des Landrechtes noch für die rothe Ueberschrift
,Hie hebt sich an daz lehen püch' benützt ist, worauf mit der
blos gezeichneten aber nicht mehr farbig ausgeführten Initiale
S die erste Zeile ,Swer lehen' mit lauter grossen Buchstaben
folgt, sodann der übrige Text regelmässig fortläuft. Mit dem
ersten Drittel des letzten Blattes der zehnten Lage schliesst
das Lehenrecht.
Dann folgt ungefähr in der Mitte der Seite roth: Expli-
ciunt Jura Regis Caruli excepta De decreta et Decretali.
Ueber die früheren Schicksale dieser Handschrift lässt
sich wenig sagen. Schreibübungen einer Hand der zweiten
Hälfte oder vielleicht genauer des dritten Viertels des 14. Jahr
hunderts auf dem der Innenseite des Vorderdeckels aufge
klebten Pergamentblatte, wie auf dem der Innenseite des Hin
terdeckels aufgeklebten Papierblatte, deuten auf einen Salz
burger Bürger Friedrich den Pueb. Ein solcher begegnet uns
auch urkundlich um diese Zeit, beispielsweise im Jahre 1369.
Ob vielleicht weitere Einzeichnungen einer Hand wohl der
zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts einmal auf gewisse Spuren
führen?' Es findet sich nämlich auf der letzten, ursprünglich
‘ leeren Seite der zehnten Lage: Jtem ein puech von vnser
frawn, jtem sand Wilhalm, jtem den hübschen Wilhalm, jtem
ein puech haist der Renner, jtem Johannes Manttefilla, jtem ain
rechtpuech, jtem das puech von sand' Patriczen loch, jtem das
puech vom Apolanius, jtem das puech von künig Erekchen,
jtem ein ewangely puech, jtem ein epistier mit einem swarczen
samat, jtem ein tewtsch diernall, jtem von sand Oswald ein
puech. Und ganz unten am Rande der Seite ist von derselben
Hand noch angeführt: Jtem die hernach geschriben puecher
hat her Vlreich: jtem ein puech haist der dyernnall, ein epistier,
ein puechel von vnser frawen. Was schliesslich noch die
Frage betrifft, wie und wann die Handschrift in die Bibliothek
des gräflichen Hauses von Oldenburg gelangte, fehlen die An
haltspunkte für die Beantwortung.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels,
91
2-
Mit dieser Handschrift stimmt in auffallender Weise die
Num. 747 der fürstlich Fürstenberg’schen Bibliothek
zu Donaueschingen überein, in kleinem Quartformate, aut
Papier, durchlaufend, im 15. Jahrhunderte gefertigt, von Fol.
188' an viel gedrängter als bis dahin geschrieben.
Der rothe Titel lautet in ihr: Diez ist das puch genomen
von dem decret vnd von dem decretal vnd von innig Karls
recht vnd von gots wort genomen.
Den Inhalt bildet zunächst das oberbaierische Landrecht
des Kaisers Ludwig vom Jahre 1346, dann der sogenannte
Schwabenspiegel von Fol. 97—234—252 der neuen Foliii’nng,
woran sich von Fol. 252'—261 das Verzeichniss der Capftel
mit der je betreffenden Verweisung auf die alte mit römischen'
Zahlen je in der Mitte oben angebrachte Foliirung anschliesst.
Beim Einbinden dieser Handschrift benützte der Buch
binder für die Bekleidung der inneren Seite der Vorder- wie
Hinterdecke, bis zum Einschläge der ersten und letzten Lage,
einen Gerichtsbrief des Fronboten Haintz Kittzinger zu Hall,
welchen er an Stelle seines Herrn fertigte, des Pflegers Hein
rich Snellmann daselbst, vom Mittwoche vor Agnes des Jahres
1375. Am ersten leeren Blatte ist auf der zweiten Seite der
Name Wilham Klopffer von einer Hand des 16. Jahrhunderts
eingetragen.
3.
Einen sonderbaren Eindruck endlich macht auf den ersten
Blick die in der Bibliothek des historischen Vereines von
Niederbaiern zu Landshut unter Num. 1 befindliche Pa
pierhandschrift aus den Jahren 1474—1476, in Folio, gleich
falls durchlaufend gefertigt.
Sie enthält — abgesehen von einem uns nicht berührenden
Stücke ■— zuerst das oberbaierische Stadtrecht in der späteren
Gestalt der Eintheilung in Titel, mit einem Anhänge von an
derer Hand, dann unser Rechtsbuch, endlich ,den bom der ge-
sipten früntschafft jn teutsch kurtz zu beschreiben, wie jn der
hochgelert doctor Johannes Andree vormals jm latin völliger
92
Rockinger.
beschriben liatt' in dem augsburger Drucke des Johann Bämler
vom Jahre 1474.
Am Schlüsse des Landrechtes des sogenannten Schwaben
spiegels steht roth die Jahrzahl 1475, nach dem Lehenrechte
schwarz 1476.
Die Ueberschriften der Artikel des einen wie des an
deren sind von der gleichen Hand theils roth theils schwarz.
Bezüglich des früheren Aufenthaltes dieser Handschrift
mag Folgendes bemerkt sein. In einer nicht zur Ausfertigung
gelangten weilheimer Urkunde der betreffenden Zeit, welche
in den Einband hinein verarbeitet worden, erscheinen als Aus
steller Hanns Katzmair, als Sigler Hanns Aichhorn, als Zeugen
Matheis Schröter, Jakob Katzmair, Jörg Turner. Sie begegnen
uns in anderen weilheimer Urkunden der fünfziger bis sieb
ziger Jahre des 15. Jahrhunderts, und es ist wohl insbesondere
nicht zu übersehen, dass die Schrift der Urkunde ganz und
gar zu jener des Erasm Pausz passt, welcher sich in einem
Briefe vom Sonntage nach Georgi des Jahres 1473 ,an der
zeit gericht Schreiber der stat Weylheim' nennt, und später
als Unterrichter dortselbst begegnet.
II.
Wie schon bemerkt, begegnet uns in diesen Handschriften
das Landrecht des sogenannten Schwabenspiegels ohne den
dritten Theil, und auch das Lehenrecht nur unvollständig.
Der Inhalt beider Bestandtheile ergibt sich genauer
aus dem nachfolgenden Verzeichnisse der Capitel der
Handschrift von Tambach, welchen ich die Abweichungen der
beiden anderen in den Noten beifüge, und zwar so, dass die
schwarzen Ueberschriften des Codex von Landshut, wovon vor
hin die Rede gewesen, in Klammern gesetzt sind.
1. Landrecht.
V orwort.
1) Von gerichte stole vnd swerte. 1
2) Von lantaidinge. 2
1 III [Von gaistlichem vnd werltlichem gericht.]
2 III [Wie offt man lanntgericht suchen sol jnn dem jar.]
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
93
3) Von dreier liande freyen.
4) Wie man des vogtes dinch 1 suchen schol.
5) Wie got herein Moysi gab sechs hvndert gerichte vnd
fvmf'ev dir an disem buch stant., 2
6) Von siben herschilten vnd wer ir wirdich sei. 3
7) Von der sippe zal.
8) Wer rechte erben schol. 1
9) Von prüder 5 chinde erbe.
10) Wie prüder chinde alle ainen tail nement. B
11) Waz ein müter mit ir chinden erbet. 7
12) Wie erben für den toten geltent.
13) Von purgeln die nicht ze gelten habent. 8
14) Wie die erben nicht geltent.
15) Wie der man giltet nach weibes töde.
16) Von gälte di man erzeuget.
17) Swer gelten sol vnd im sein wip stirbet.
18) Wer ze rechte gezeug rouge sein.
19) Wer nicht gezivge muge sein.
20) Von erbegut vntz an die sibenden sippe.
21) Wie ein chint vater vnd müter 9 erbe verwurchet.
22) Von purgen recht den sechter ze meiden. 10
23) Von der Swaben rechte.
24) Waz ein ieslich man ze morgengab geit. 11
25) Wie ein vrowe ir morgengab pehabt. 12
26) Wie ein vrowe ir leipgedinge pehabt. 13
27) Wie ein man gut freunten stseten schol. 14
28) Von vrowen haimstiwer.
29) Von schidvnge chon leute. 15
1 III gediug. 2 III Von den gepotten.
3 III Von den siben herschilten. 4 III Wer ze recht erbt.
5 III geschwistergeitten. G III Wie tochter binden nicht erbs wirt.
7 III Was die müter mit jren kinden erbt, vnd auch die pfaffen.
8 III Von piirgsehafft der menig. 9 III [Wie weu ain kind seins vater.]
10 III Von der vest, vnd der purg recht.
11 III Wie starcke recht morgenngab hat.
12 III Der morgenngab verkauffen wil. 13 III [Von leippgeding.j
14 III Wie man frewndten gilt bestättigt.
15 III [Von sehaidung manns vnd weibs.]
94
Ro ekiu ge r.
30) Wie di erben mit der witiben erben 1 svlen nab des
mannes töde.
31) Wie der seltore prüder daz swert nimt. 2
32) Wie der Beitore prüder der geswisterd pfleger ist. 2
33) Daz sich ein cliinde mvnchet.
34) Wie der man seinev lechet flevset. 4
35) Waz todleib sei vnd wer ez erbe.
36) Da ein frei man [nit] erben last nach im. 5
37) Von der Swaben erbe. (1
38) Wie man nach lant site 7 recht neinen müzz.
39) Mau vnd weip habent niht gesvndert 8 gut.
40) Der nicht bat der mach nicht geben. 9
41) Von leipgedinge. 10
42) Von zinse. 11
43) Von leipgedinge zweier leib.
44) Von satzvnge des leipgedinges.
45) Von chiuden die nah vater tod geporen werdent. 12
46) Ein man geit wol sein aigeu seinem weib ans richters
vrlaub.
47) Von chiuden di man rehtlös arqusenich sait ditz ca-
pitel ist. 13
48) Wie man raub vnd devf 14 giltet.
49) Von dem rechtem strazraub.
50) Von stete reht guter 15 gewonhait.
51) Von des reiches secht jar vnd tach. 16
1 HX werben.
2 III [prüder der anderen gesehwistergeitten pfleger sol sein.]
3 III Von münchen vnd von siben järigen lcinden.
4 II seinew leben verlewset. III man seinem weib volgen raiisz.
5 III Der nit aigen ist vnd nit erben lät.
3 III erb vnd jrer wirdigbait. 7 III nach dem lanndsitt.
8 II besunder. III geczweiet.
9 III Man vnd weib haben nit geczwaiet güt.
10 III [Der tod zeug frumt an den hanntfesten als lebenndig.]
11 III Von zynns laugnen.
12 III [Wie ein kind seine recht behaben sol daz nach des vaters tod ge
poren wirt.]
13 II rechtloz saitt. III rechtlosz argkwonet.
14 III man deubhait vnd raub zwifalt.
15 IJI [Von der stet.] i 6 In III fehlt: jar vnd tach.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
95
52) Von dienstmanne aigen.
53) Von vnelichen 1 chinden.
54) Von rechtlosen leuten rauhes vnd devphe. 2
55) Von vormvntschaft. 3
56) Wie lang der 4 man halden vnd lazzen sol.
57) Der seinen vormvnt mit im 5 für geriht nicht pringet.
58) Wenne der man zv seinen tagen chomen sei.
59) Wanne der chnab (i elich weip genemen mach.
60) Wie div jvnchvrowe man nimt an 7 vreunde rat.
61) Der drev jar varende gut in 8 gewere hat.
62) Von chavphe vnvarendes gutes. 9
63) Der seinen erben vnreht gut bet 10 vnd si wenent 11 ez sei
recht.
64) Wer ze reht pfleger mvge sin oder nicht.
65) Wie alt der pfiffiger schulle sein.
66) Wie alt der clmabe vnd div jvnchvrowe sol sein so 12 si
ander 13 pfiffiger nement.
67) Wie alt ein chint svlle sin so ez 14 vater 15 gut verspilen
mach.
68) Von der pfleger vanchuusse.
69) Von vberpflffigern.
70) Wie der vater den 16 chinden pfiffiger geit. 17
71) Von arquffinigen pflegern.
72) Jst sein man nicht seines weibes genöz, er ist doch 18 ir
vormvnt.
73) Wie aigen weib freyes chint trag. 19
1 III [vngeleichen.]
2 II raubz vnd deubz. III Die da rechtlosz sind von raub vnd von deupphait
w r egen. 3 ITT setzt noch bei: vnd seinem rechte.
4 III [Wann der.] 5 In III fehlt: mit im. ' G III [jünglingk.]
7 III [Wie sich die junckfrawe bemannet an der.]
8 III [jnn der.] . 9 III [Von verkauften vnrechts gut.]
10 II schliesst hier. 11 III vnd w r önt.
12 III [Wie alt die kind sollen sein als.] 13 II sy ein andern.
14 III [Wann der sun des.] 15 II vater vnd muter. ,G III [seinen.]
17 Durch einen Ausfall, welcher den Schluss von Oap. 69 und den Anfang
von Cap. 70 betroffen hat, ist in II diese Ueberschrift nicht vorhanden,
und iusoferne in ihm auch fortan immer um eine Capitelzahl weniger
anzunehmen. 18 III [ist aber doch wol.] 19 III gepürdt.
96
Rockinger.
74) Wer ze recht aigen leut mvge haben.
75) Von stift vnge der fürsten ampte ze reht. 1
76) Von der fürsten amptleuten ze rehte wer die sein. 2
77) Wie man aigene leut. Verliesen mach.
78) Wie alt ein chint svle sein 3 daz aigen leut frei gelazen
mach.
79) Daz ein man seines weibes aigener leut nicht frei gelazen
mach. 4
80) Wen man vormvndes verzeihen mvge 5 oder nicht.
81) Wie der lame chemphen sol oder nicht. ü
82) Von rechter not were ditz saget.
83) Hie nennet man die Sache 7 da mit man dem richter bözet.
84) Wie man gesten vnd chvnden 8 richten vmbe gulte schol. 9
85) Der in der chirchen vreuel tut. 10
86) Wie man phenden dvlden schol.
87) Wie man von zyns gute zynsen sol 11 capitulum.
88) Wie der herre seinen zyns vordem 12 schol.
89) Von pfenden an des richters vrlaub 13 ditz ist.
90) Wie man richter weit, vnd wer seu sulen sein. 14
91) Von tilgenden des richters. 15
92) Wie man gelten vnd wider geben sol. 16
1 III Von stifft der fürsten ampt.
- III [Von der fürsten ambtleutten.]
3 III [kind sey]. Der L 73b entsprechende Artikel hat liier die Ueber-
schrift: [Wie der man sein lewt, nicht frey gelassen müge.J
4 III [Wie die wittib jrs gütz nicht müg one werden.]
5 II sehliesst hier. III [Wem man Vormunds nicht geyt ze recht.]
6 III [Von kampff des lamen manns.]
7 III Von Sachen.
8 II gesten chünden vnd.
9 III [Wie man kinden vnd gesten püessen sülle.]
10 III kirchen fräuelt.
11 II sehliesst hier. III [Wie man zinsz gilt zynnsen sol.]
12 III Wie man den zinsz aisohen.
13 II sehliesst hier. III Wie man pfennden sol dulden.
11 III [Wie man den richter erwelen sol.]
15 III Von der richter tugent. Bei den Versen von I und II stellt in I in
der Mitte der Zeile und in II am Schlüsse derselben ohne Unterbrechung
des Textes roth: Versus.
16 III Wie man den richter rechtfertigen sol.
Berichte über Handschriften des sog. Schwahenspiegels.
97
93) Von 1 vorsprechen.
94) Von haimlicher sprach der ratgeben. 2
95) Da man vndervert des vorsprechen wörte. 3
96) Von 4 ratgeben.
97) Von gezeugen ditz capite] ist. 5
98) Dem man an miete niht richten wil.
99) Wer richter mug sein an pan.
100) Wer über menschen plut gerichten müg.
101) Von elichem gerichte ditz capitel ist. 6
102) Wie man vorsprechen twinget der leut wort 7 ze sprechen.
103) Wie werltlich gericht zv gaistlichen leuten richtet. 8
104) Von purgelscheft der chlage vnd sei vol furen. 9
105) Dem man nicht entweichen mach. 10
106) Let der chlager di püz, der richter lset ir nicht.
107) Wer des ersten vorsprechen nemen schob
108) Wie man fraeuel vnd ander vnzvcht buzen 11 schob
109) Der dem anderm an sein triwe vnd ere sprichet. 12
110) Von rehtlosen leuten ditz capitel ist.
111) Den man wider dem gericht lobt ze antwürten. 13
112) Der zv drein ladvngen nicht für 14 chumt.
113) Man sol niemen verahten an furgepote. 15
114) Wie man mit pfände geparen sol vmb gulte.
115) Wes die fhrgepot ze reht sint.
116) Jn wie manigem gerichte man den echter ze acht tvn schob
117) Von versaümnusse des lantaidinges als recht ist.
' III [Von den falschen.] 2 III [Von haimlicher sag dem vorsprechen.]
3 III Der dem vorsprechen sein haimlichait sagt.
4 III Von valschen.
5 II Diez ist von geczeugen. eapitulum. III [Von den valschen zeugen.]
6 II Von eeleichem richter. III [Wie man eelich ding richten solle.]
7 III [man die vorsprechen zwinget daz wort da.]
8 III Wie der weltlich richter zue dem gaistlichen richter richten sol.
9 III Von piirgen daz man die klag vol füer.
10 III [Von statten vorsprechen vber allen den tag.]
11 III [friiuel an der vnzucht, richten.] 12 III trew spricht.
13 III [Der ainen man widerlobt ze antworten dem gericht.]
14 III Der dreystund fürgeladen wirt vnd nicht.
15 III Daz man niemand verachten sol on fürpot.
Der nun folgende Schlussartikel 108 in III hat die Ueberschrift: [Wie
man vmb gült richtet.]
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. 1 Hft. 7
98
R o c k i n g e r.
118) Von chempflich anspreche ditz capitel ist.
119) Von puze der aechter ditz ist.
120) Wer den man vor gerichte bechlait vnd wil niht ant-
würten.
121) Wie man vz der aechte chomen schob
122) Wanne man vber den sechter nicht richten schob
123) Da richter geeendert werdent.
124) Von püz nach der leute werdichait. 1
125) Wie man purge vmb clilage setzen schob
126) Jn gepunden tagen sol niemen aid sweren.
127) Dem ein tach geben wirt vnd er dar nicht chomen mach
noch sein pot.
128) Wie man vrtail an den chaiser zeucht vnd an ober richter.
129) Weih gericht phafen fürsten habent.
130) Wie man vrtail vinden vnd fragen vnd verwerfen svlle,
vnd wer daz tvn schob
131) Niemen sol vrtail sprechen vngefraget.
132) Daz dehain gericht an di vierden hant chvmt.
133) Von pfaltzgrauen deutscher lande.
134) Wer den chaiser angesprechen muge.
135) Von welher art der römisch chvnich schulle sein.
136) Wie man vber den chaiser richten sol vnd vber fürsten.
137) Wie der zehende leip dem fronen poten werden sol ze
taile.
138) Wer den fronen poten welen sol ze rechte.
139) Wer den chaiser pannen schulle vnd war vmbe.
140) Wie man den römischen chvnich chiesen schob
141) Wer den römischen chvnich chiesen schob
142) Wie des reiches fürsten ir furstampt Verliesen mvgen.
143) Wie der chaiser lehen leichet.
144) Wie man dem chaiser die gevangen antwurten schob
145) Von der fürsten lantaidinge.
146) Waz der frone pote lehens haben schulle.
147) Wie lange man gerichtes warten schulle.
148) Wa der chaiser in Sachsen hofe haben schulle.
149) Daz der chaiser in allen steten da pistftm inne sint hofe
haben schulle.
1 II verdienen.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
99
150) Jn wie manig secht der sechter chvmt.
151) Wie mau den sechter meiden scliol.
152) Wie der chaiser hof gepieten schol.
153) Wie man vber sechter vnd vber peunige leut richten
schol.
154) Wie svmleich fürsten mit reht hof gepieten mvgen.
155) W r ie erzpischolfe iren sent gepietent.
156) Wie man christenlichev dinch gepeutet.
157) Wie nfxtz der fürsten hofe 1 vnd sente sint der christenhait.
158) Von marchgrauen vnd pfaltzgrauen. -
159) Wie ein lierre seinen hof nidert.
160) Wie man stete vnd purge vnd dorfer von erste pautven
schol.
161) Der ainem sein haus ze vnrecht an gewinnet.
162) Wie man vervrtailte purge stören schol.
163) Niemen sol enpizzen sein der vrtail spricht vber meu-
schen leib.
164) Wie geschaidene vrowe ir leipgedinge pehab.
165) Waz ein weih an gehöret nach ir mannes töd.
166) Von auzgestiwerten chinden.
167) Von ansidele nach mannes töd.
168) Da ein man ein witiwen nimt vnd div stirbet, ir gut sol
wider gan. 3
169) Der gut versetz vmb zins.
170) Wie gröz rechticha[i]t gericht hat.
171) Von triwelaist 4 des herren vnd des mannes.
172) Wie man triwe laisten sol, der wirt seinem gaste vnd der
wegvertige seinem gesellen.
173) Von haimsuchen zwischen dem herren vnd dem manne.
174) Von stiphtvnge aines neuwen dörfes.
175) Wer frei lantssezen gut erbet.
176) Wie man leut frei lset.
177) Von den fronen poten.
178) Di vor gericht ir recht verliesent.
179) Von dinstmanne reht an erben. 5
1 II hoff sey. - II vnd von phalczgrafen ist dicz capitulura.
3 II wider werden. 4 II trewlaisten.
5 II recht der ehaiu erben hat ist daz capitulum.
7*
1Q0 Kockiuger.
180) Von des reiches dinstmanne vnd von phaffenfursten dinst-
manne recht.
181) Von aller jnsigel chraft.
182) Von wuchreren vnd furchauferen. 1
183) Von zwaier hande chinden ditz capitel ist.
184) Wie ein vater einem chinde mer geit danne dein anderm.
185) Wie man gut vor tode geschafen mach.
186) Waz ein man am todpete seinem weib georden mach.
187) Der am tod nicht schaphet vnd nicht hat wip noh chind.
188) Von aigen manne der 2 wip noch chind lset.
189) Der an gesch[e]fte stirbet.
190) Waz varende gut sei.
191) Wie man aid sweren schob
192) Von pedwungen aiden.
193) Von den zwelfen in steten.
194) Weihe man henchen oder enthaupten oder radprechen
oder prennen svlle.
195) Von gericht vntatiger leut.
198) Von den fronen poten.
197) Von geriht aller hande sach, 3 an todslach.
198) Von der lerne.
199) Von der püz der leine.
200) Von puz der wunden.
201) Der ein chind anspricht von vierzehen jaren.
202) Von ansprach siben jeriger chinde.
203) Da der vater nicht antwurt für den svn.
204) Da man zwen schuldiget einer sache.
205) Wie man den herren an dem chnecht lästert.
206) Die gevangen sol man dem richter antwurten.
207) Wie man cheler vnd prunnen graben sol.
208) Der eines vogels ramt vnd triphet einen menschen.
209) Da ein gehachter 1 pavm trifet ein menschen.
210) Wie man ein wagen vmb werfen schob
211) Wie man lerchinder Zeichen schob
212) Wie der vater mit den svn tailt.
213) Von rittermezigen zinsmännen.
1 II vnd von ehanffern.
4 II gehochter.
2 II der weder.
3 II slacht.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
101
214) Von witiwen leipgedinge. 1
215) Von lechen.
216) Von vier Landen chinden wie di erbent.
217) Von mvnzen ditz capitel ist.
218) Von vrlaub des cbaisers niwer mercbt.
219) Von hinfuren des prukes zole.
220) Von wazzer zol recht.
221) Wer zoles frei mit recht ist.
222) Von gelaite.
223) . Der gepowens lant vert mit wagen.
224) Der holtz oder gras sneidet, oder vischet.
225) Der nachtes gepeltzte pavm stilt 2 oder gemetes gras.
226) Von vischern.
227) Der mit dem leih richtet, des gut ist vrei.
228) Von devfe vnd von raub.
229) Der ein gut verchaufet.
230) Wie got selbe ret wider 3 Moysen auf dem perg Synai.
231) Wie man gut enphelchen 4 schob
232) Der ein maget auz furet vnd sei notzoget.
233) Wie man futern schob
234) Niemen ist schuldich ze antwürten für seinen chnecht.
235) Von schedlichen tyeren, wilden oder zamen.
236) Von schedlichen rossen ditz capitel ist.
237) Da der richter sein gewette nicht vindet.
238) Da zWene man vmb ein gut chriegent.
239) Von gezeugen der fürsten brif.
240) Da ainer gicht auf ein lehen, der ander auf ein aigen.
241) Von gewer jar vnd tach.
242) Von dinch fluchtigen leuten.
243) Der fromden acher pauwet.
244) Der viche auf schaden treibet.
245) Man schol vihe treiben für den gemainen herter.
246) Von fluste des herter.
247) Von gepowern vrtaile.
248) Wie man wazzers fluz weren schob
249) Von vnrechter frsevele.
1 II witiben capitulum.
4 II enphahen.
2 II schliesst hier.
3 II mit.
102
Roclcinger.
250) Wanne 1 sich ein ieslich getraide ergangen hab.
251) Von geltendem gut.
252) Wie prait die lantstraze sulle sein.
253) Von lehen vihe wie man da mit werfen sol.
254) Von offener devfe vnd von liaimlicher.
255) Der dem anderm posev dinch rsetet.
256) Der leut stilt vnd ir puz.
257) Der da hilt als der da stilt.
258) Von harre des chavfes.
259) Von enphelchnusse aller dinge.
260) Von anlehen 2 der chlainod.
261) Der sein aigen gilt stilt.
262) Von chindischen dieben vnder vierzehen jaren.
263) Von notwer des strazraubes.
264) Wer an dem raub schuldich wirt.
265) Der gut an gericht an greifet.
266) Von frsevele.
267) Von vogln vnd von tyeren weih recht di habent. 3
268) Von aller laie vederspil.
269) Von peslozen vogelen.
270) Der vederspil ab dem neste stilt.
271) Von pfauen vnd von tauben.
272) Von zamen vogelen.
273) Von wilden vogelen.
274) Von zamen tyeren.
275) Von schedlichen tyeren.
276) Von sechtern in dem panne.
277) Von lerchinden di .da entlavfent.
278) Von chaiserlichen nivwen ssetzen vnd fride.
279) Wie man für gericht chomen schob
280) Weihe nicht raise varen svllen.
281) Der raub auf ein purch furet.
282) Von notzogen. 1
283) Wie pfaphen vnd jvden ir reht verwurchent.
284) Wie man vber tragendev weip richten sol.
285) Von toren vnd von sinlosen leuten.
1 II wie. 2 II allen lehen.
4 II notzogen ainer raagt.
3 II tieren etc.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
286) Von lebentigen pfänden.
287) Von verspilen des chnechtes seines 1 herren gut.
288) Von der Juden rechte.
289) Von der juden tovphe.
290) Wie Christen di juden meiden schullen.
291) Von der juden püz vnd frseuele.
292) Von fürsten fride vnd purge.
293) Von den di man wider ze antwurten lobt.
294) Von fridprechern.
295) Der ein schuldhaften man dem gerichte nimt.
296) Von der heut 2 recht.
297) Da zwen 3 an ein ander für gepietent.
298) Wen inan an gericht gevahen müge.
299) Wie der vorsprech auzdingen sol daz recht.
300) Da zwen vmb ein todleib chriegent.
301) Von erbe chriegen.
302) Wie man di gewer weisen schol.
303) Der von der sechte chomen wil.
304) Von arqusenigen leuten.
305) Wer vber frein gezeuge inuge sein.
306) Der dem anderm pfenden wert.
307) Der ze vnrecht ze acher gset.
308) Von chriegem gute.
309) Man sol den sechter fliehen.
310) Wie der sechter vor 4 dem chaiser ledich wirt.
311) Wie di zwelfe dem richter helfen schullen.
312) Von der sch[e]pfen erbe.
313) Von chonleuten schaidvnge.
314) Der vber jar an der wunden leit vnd dan stirbet.
315) Der leut in aigenschaft zeuhet.
316) Von aigener leut lovgen.
317) Von der lant gewonhait.
318) Der an hantat pegrifen wirt.
319) Wie sich ain gezeuge versprechen mach.
320) Der fromdes vihe intreibet.
1 II Verspilt ein chnecht des. 2 II hawt.
3 II zwen man. 4 II von.
104 Rockinger.
321) Der fromdes chorn sneidet.
322) Von notigen scholleuten.
323) Von geste gulte.
324) Wie man gulte weten 1 sol.
325) Von gulte vor lantgericht.
326) Wie man leute weren schol.
327) iEin ieslich gevange müz reden 2 daz man gern hört.
328) Der sich ze vnrecht gutes vnderwindet.
329) Von der alten püze.
330) Von an laufen vnd von der wunden.
331) Von chetzern.
332) Wie hie vor chvnegen gelvngen ist.
2. Lehenrecht.
1) Hie hebt sich an daz lehen puch. 3
2) Wer nicht lehenpere ist. 4
3) Die des herschiltes darbent.
4) Von pfafen vnd von vrowen lehen.
5) Von pfaffen lehen vnd ir geswisterde lehen. 5
6) Phafen vnd vrowen habent geleihes recht. 6
7) Wie der man seinem herren sweren 7 schol.
8) Wie man lehen auf geit. 8
9) Wie ein man nich gezeug muge sein. 9
10) Von hulde sweren. 10
11) Der lehen von dem reich hat. 11
12) Wie der römische chvnech 12 nach seiner weihe vert.
13) Wie man tage suchen schol.
14) Wie der man seinem herren rechtes vor ist. 13
1 II man wette gelten. 2 II schliesst hier.
3 III [Von dem leheDnrecht.] 4 II sey oder ist. Der L 3a entsprechende
Artikel 3 in III hat die Ueberschrift: [Von gleicher ansprach.]
5 III [Von pfaffen lehen.] 6 ILI Von frawen lehen.
I III [man hulde thuen.] 8 III [auf geben sol].
8 III Von zeugen ön lehennrechten.
10 III [Wie man den herren ere erpietten sol vnd mag.]
II III Von lehenns des reichs.
12 II chunige ze Ram. III könig ze Rom.
13 III Ob der herre seinem mann icht vor hat.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
105
15) Da der herre mit dem manne mütwillet. 1
16) Wie groz recht gewere hat. 2
17) Da der herre dem 3 manne lehens lavgent.
18) Der gedinges lavgent. 4
19) Da zwene vmb ein lehen chriegent. 3
20) Von der gewere.
21) Von penanten lehens güte. 6
22) Der zv ainem pfvnt leihet 7 auz einem gut.
23) Da einem manne ein lehen versmacht.
24) Von gezeugen. 8
25) Da zwene ein lehen habent. 9
26) Wie zwene ein lehen tailent. 10
27) Von vorsprechen an lehen recht. 11
28) Von gericht 12 mit zweite mannen.
29) Von gedinge.
30) Von anvange der gewere. 13
31) Der lehen verchavfet. 14
32) Da der herre dem manne daz lehen wider 13 nimt.
33) Der auz mvnzen oder zollen leicht. 16
34) Der penantes güte leihet. 17
35) Wer vorsprech vnd gezeuge müge sein. ,s
36) Wie man lehen versetzet wider recht. 19
1 XII Von frist des manns on lehennrechten.
2 III [Von gewer ön lehennrecht.] 3 III [seinem.]
4 III [Von kriegen lehenns geding.]
5 III [Von zwaier mann krieg vmb ein lehen.]
6 III Von ainem lehen ains pfunds aus anderem gilt.
7 III [Von ainem leheun ains pfunds.] 8 III [geczeug lehennsrechten.]
9 III [Wenn der man die gewer hat an dem lehen.]
10 III [lehen miteinannder da taillen sollen.]
11 III [Wer vorsprech müg gesein an lehennrechten.]
12 III [lehens gericht.]
!3 III [Da der herr dem mann verzeiht ze weisen seins lehenns.]
14 III Der ein lehen verkaufft an des herren hannt.
15 III mann ein lehen.
18 III Von lehen aus münssen vnd aus den czöllen.
17 III [Da man dem mann lehen laugnet],
18 III [gesein one lehen.]
Der L 24b entsprechende Artikel in III hat keine Uebersehrift.
19 III [Von lehenns saczung an des herren handt.]
106 Rockinger.
37) Wie man lehen versetzen muge ze recht. 1
38) Da an lehen recht siben gezeug sint. 2
39) Von drein gezeugen. 3
40) Von zins lehen.
41) Wie man gut von hant ze hant leihet. 4
42) Wie der man dem herren lavgent. 8
43) Der man sol den herren des gutes peweisen. 6
44) j3Ein herre leihet wol daz gut furbaz. 7
45) Wie man lehen nevr ains 8 enpfecht. 3
46) Wie der man dem oberen herren sweren sol.
47) Wie der man sein gut versprechen sol.
48) Wie der herre seinem 10 manne tach geit. 11
49) Von dingen an vorspreche. 12
50) Von gelubde an vorsprechen. 13
51) Wie man lehens erben arquanet. 14
52) Wie der man daz lehen verwaigern schol. 16
53) Wie der herre lehen leihen schob 16
54) Wen der herre lehens verzeihen schob 17
55) Der herre sol den chinden sam dem vater leihen. 18
56) Von scepter lehen vnd vanlehen.
57) Von panne des römischen chvniges. 19
58) [Vnd ob der svn an dez vater stat nicht stet]. 20
' III [verseczen sol.] - III [Von siben ezeugen an lehennstädingen.]
3 III [zeugen an lehenns tädingen.]
Der L 2Tb entsprechende Artikel 42 in III bat keine Ueberschrift.
4 III [Wie ein gut von hant ze hant lehen ist.]
5 III [man seins lehen herren verlaugent.]
6 III [Wie der man den herren des lehengelcz weisenn sol.]
7 III [Wie man dem anderen ye für lehen leicht.] 8 II ainest.
0 III [Man darff nit mer wann ainsten lehen enpfahen.]
,0 II und III dem. 11 II geben sol.
12 III [Wie man an den vorsprechen dingen sol].
13 III [Wie der herre auszdinget gelübde.]
14 III [Von arckwänigen lehenns erben.]
15 III [Wie der man die lehen verwidert.]
16 III [Der herre sol niemands mansehafft. verschmähen.]
17 III [Welchem mann man lehen verczeihen sol mit recht.]
18 111 [kinden leihen recht sam als jr vater.]
13 III [Von des kaysers pännlehen.]
20 In I ist keine Ueberschrift eingetragen. III [Von preisziehen des her-
schilts].
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
107
59) Wie man sprechen vnd geparen 1 sol so man lehen en-
pfecht.
60) Von gewalt da man gewere nimt. 2
61) Wie der herre dem man 3 lehen an peutet.
62) Wie der herre den man vrtail fragen sol. J
63) Von gezeuge ze laiten. 6
64) Von gezeugen. 6
65) Wanne 7 daz chind lehen geleihen rnuge mit recht.
66) Von der 8 jar zal.
67) Wanne chind lehenpere sint.
68) Von vormvnde antwurt für daz chinde. 9
69) Wie daz chind seinev iare erzeugen sol. 111
70) Wanne daz chind ze lehens tagen chomen ist.
71) Von pfhegern. 11
72) Wanne daz chind lehen geleihen muge. 12
73) Von an veile. 13
III.
Das gegenseitige Verhältniss der drei Hand
schriften und die Reihenfolge ihrer Artikel zu der
Druckausgabe des Freiherrn v. Lassberg vergegen
wärtigt am einfachsten die nachfolgende Zusammenstellung, in
welcher unter I und II die von Tambach und Donaueschingen
vertreten sind, unter III die des historischen Vereines von
Niederbaiern erscheint.
1 In III fehlt: [vnd geparen.]
2 III [Von gewer des oberen herren.]
3 In III fehlt: [dem man.]
4 III [Von vrtail fragen.]
5 III [Man sol die zewgen nennen.]
6 III [Von zeugen vnd jrer sawnung.] 7 II Waz. Der L 46 und 47 ent
sprechende Artikel 69 in III hat keine Ueberschrift.
8 III der mann. 9 III [Von vorsprechen des Vormunds.]
10 HI [Wie man die jar erezeugen mag.]
11 III [pflegeren der kind.]
12 III [Wan die kind lehen geleihen mügen.]
13 III [Von anfall des lehenns.]
108
Ro ckiuger.
L I II
Vorw. al
— b / Vorw. 1
- cf '
— d|
— e f
— n
— g 1
— h
la
lb
2
12
22
32
42
52
62
72
82
92
1. Landrecht.
III
Vorw. a !
Vorw. b'
1 2
32
42
ö 2
62
72
8 2
92
L
4
3
s
5a
5b
5c
6
7
8
9
10
11
12
I II
102
4
6
112
12 7
13 8
14 2
15 9
I62
17 in
18
III
IO 2
11
12
132
14'
15
1 Dieses theile ich im Berichte VI vollständig mit.
2 Dieser Artikel findet im Berichte VI seinem ganzen Wortlaute nach Platz.
3 Vgl. unten Artikel 148c.
4 Vgl. unten Artikel 167.
5 Vgl. unten Artikel 15.
6 Vgl. unten Artikel 21.
7 Gegenüber L ob: swer daz erbe nimt, der sol des toten vater schulde
(III sol ze recht des vaters güllt) gelten die man ze recht waiz.
Den L oc entsprechenden Text theile ich im Berichte VI ganz mit.
8 Gegenüber L 6 fehlt im Eingänge: oder ein frowe. — wan ez deucht
die leut (III lewt sunst), da wer 'ein werre (II geuär) pei, ob er der
purge (III pürgen nür) ainen. — des erben svlen fvr in gelten. — vnd
hat er niht (II nichtz) ze gelten des purgel si worden sint, (III vnd)
hat er nicht, si mfizzen selbe gelten, jst auer das er gicht.
Gegenüber L 7: so sol ener seinen br?f senden enem mit seinem
jnsigele (III sennden dem gen den er pürg wirt vnd mit jnnsigeln). daz ist
gewiz.
9 Gegenüber L 9: pringet im div z^ (II pringt die zu jm) varnde gut oder
ander gut, er giltet wol von dem varendem ght da von, wan der man
des weibes maister vnd hovpt vnd vogt ist. von anderm güt daz im daz
wip z$ pringet mag er. — vmb sein erst gult, weder mit ir willen noch
an ir willen, gewinnent auer. — Der Schluss ,ob si vor niht erben hate‘
fehlt hier.
10 Gegenüber L 11: Swer g$t vz nimt daz man im porget oder daz man
im leihet, der sol.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
109
L I II
13 19 1
14 20 1
15 21'
16 22
17 23 1
18 24'
III L
— 19
20
2 21
16 22
17' 23
18 1 24
I II III
} 253 } 193
26 4 20 4
27 5 215
28 0 22 6
29 7 23 7
1 Dieses Capitel tlieile ich im Berichte VI vollständig mit.
2 Vgl. oben Artikel 12.
3 Gegenüber L 20: vf ir zeswen zopfen (II czwen zöpfe, III zwen zepff)
sweren daz ez ir wille nie würde. — nütz wider antwürten der innen
(II ynner) des von dem güt chomen ist (III antwortten den daz güt
jnnen des vergolten hat). — ich verzeich mich heut meiner morgengab,
vnd ich gib ev (III euch heint) ditze gut daz ez ewer sei. vnd sol den
menschen nennen (III den selben menschen bej dem namen nennen dem
sie es geit, es sej man oder weib. vnd sol auch daz güt nennen), dar
nach sol si u. s. w.
4 Gegenüber L 21 : noch den erben mit den ez ir "geben ist.
5 Gegenüber L 22: er sols im mit schrift (II und III geschrifft) geben
als hie vor von (III vmb) leipgeding gesprochen ist. oder er fare (III
körn) für seinen richter oder für seinen herren, vnd nem da zv gezeuge
(III zeugen) vnd ander die da pei sein. — die versprechen enzeit ir
erbgüt, ob si wellen. (III versprechen ir güt, ob sie wollen, bej der zeit),
oder si mvgen sich versäum, vnd ist daz in (III in ein) ehaft not enget
der da seinem frivnt (III seinen frewnden) also geschaffen hat, er sol
(III er greifft). — sol der richter enem daz gepieten daz er in an de-
hainen dingen dar an irre (III dingen nit jrr dar an), so wirt er seines
gutes mit recht ane. vnd swer ez gewinnet, der hat ez mit recht. — Der
Schluss lautet: div gab hat stete (II state) div vor dem richter geschieht.
6 Gegenüber L 23: seinem weibe ze haimstiwer varende güt, des gutes
mag er nicht an werden. — man sol ir daz güt wider lan, vnd swaz daz
güt vergolten (III gölten) hat, es en sei danne daz der man dar ge vnd
perede ez mit (III bered mit) sein aines hant daz er recht habe. — daz
den vrowen wirs (II wirser, III wierser) an stet dann den mannen, svlen
si nach dem alm^sen gen.
7 Gegenüber L 24-: dem schat div gab nicht (III nichtz) die man hat getan.
110
Ro ckinger.
L
25
26 I
I II
30 1
312
323
III
24 4
25 4
L I II III
27 332 26 2
28 342 272
1 Gegenüber L 25: durch daz si (III sie da) bewaren daz des gutes icht
verlorn werde, div vrowe sol die pivilde (II vigily, III vigili) mit der
erben (II chind) rat begen. vnd sol div witiwe (in III fehlt: div witiwe)
in dem gut. — daz gesinde behalten vntz an den dreizgisten von dem
gute vntz (III hintz an den xxx tag hintz daz) si sich berichten (III ver
richten) mügen. wellent auer die erben, so svln si vol dien, vnd svln
auch volles (III auch dar vmb vollen) lön enphahen. — da nach müz
die vrowe (III wittib) die hofspeis tailen di nah dem dreizgisten (III
den xxx tagen) beleihet, swa si die hat oder swa si anderswa ist. danne
(III darnach) sol der vrowen sein (in II fehlt: sein) ein ros gesatelet
oder sein pferft daz beste vnd (III sol die fraw sein rosz daz pest ge
sattelt vnd auch) den besten harnasch vnd sin bestes swert seinem herren
geben, ob er ein dinstman waz. da nach sol si (II man) den erben geben
ein bete, vnd einen polster, vnd ein chvssein, vnd zwai leilachen, vnd ein
tischlachen, ein (in II fehlt: ein) padelaclien, zwai pechein, vnd zwo twehelen
(III vnd ein padlach vnd zwen pachen). da zv setzent die leut noch manich
(III manig annder) dincli daz der zv nicht gehöret, swa der dinge icht ge
fristet (III gepricht)^ der geb (III geit man) auch nicht, si mvz ovch vmb
iesliches svnder (III auch besunder vmb yeglichs) ein ait t\ r n. swez aueru. s. w.
2 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
3 Gegenüber L 26: swa die svne nicht (III noch nicht) zv ir tagen cho-
men sint, da sol der seltor (III eltist) prüder. — vnd allez ir gut, ern
raiten ins danne war ez chomen sei, oder ob (III ob er) ez von rovb
oder von deufe oder von vngelüche an sein schulde verlorn sei (III von
annderem vngelück verloren hab). ir morgengab vnd alles daz zv varen-
dem güt gehöret, vihe vnd (11 oder) rinder, (III schwein), gens vnd (II
oder) hfner vnd alles gefvgele, chisten vnd angenageltiv tüch, garen (in
II fehlt: vnd alles u. s. w.) vnd pette div si dar prachte, vnd ellev lai
lachen tischlachen (III leylach vnd tischlach, wiirckhein vnd leynein)
vnd peche, livchten (in II fehlt: livchten. III peichein vnd leuchen), vnd
elliv wiplichev chlaider, vingerlein vnd arm golt, sselter vnd schapel vnd
elliv büch die zv gotes dlnst (II tisch; gehorent, sidelen vnd laden die
nicht angenagelt sint, vmbe hange, rvchlachen (II rauchlachen, III rohe-
lachen), vnd alles gepende. noch (III noch ich waisz vnd) ist vil mani-
ger hande (III manigerlaihannde) dinch daz (III daz da die) vrowen an-
gehoret, als versnitenev lachen (III vnuerschnittne tücher) ze chlaidern.
jst auer da vnverworchtes (III vnuerschnittens) golt oder silber, daz ge
höret die erben an. swa der wirt des dehaines (III wirt der da kains)
versetzet hat (II wo aber der chains versetzt war), da svln ez di erben
losen (III das sollen die erben widerlosen), ohne den Schluss von L 26.
4 Die Abweichungen dieser Artikel sind in den Noten 1 und 3 wie im Be
richte VI berücksichtigt.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
111
L
29 (
30 I
31
32
33
34
35
I II
35'
36
37'
38 2
39"
40'
III
28'
29
30'
31 2
32 3
33'
L I II III
36a 41' 34'
( 42' f 35'
t 43 4 I 36 4
37 44" 375
38 45' 38'
39 46" 39 6
40 47 7 40 7
1 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig’ mit.
2 Gegenüber L 33 lautet hier der Schluss schon: er müz reht nemen (III
nemen vmb was er klagt) nach des landes reht (II nach dem landz rech,
III recht vnd sitt).
3 Gegenüber L 34 ist hier bereits geschlossen: an seines weibes willen.
4 Gegenüber L 3Gb: Vnd ist daz ein man ein gut gewinnet ze zwaien lei
ben, vnd wirt nicht beschaiden weih leib ez nach dem andern niezen
svle (III nützen sol vnd mag), swelh leip in mit nutz vnd mit gewere
gehabt (III behabt) hat (II haben) als der stirbet. — vnd habent si des
gezeuge oder hantvest, so mag er des gütes nicht an werden an ir willen,
auer seines tailes (II auer gener tail) wirt er wol ane. er sol ez doch
den (II dem) herren. — vnd ist daz der herre den zins verwürdert (II
verwirffet, III verwidert), so zieh (II nem) er ze gezeug zwen man oder
mere, daz er im den zins geboten hab. vnd behabt (III behalt) er den
zins vntz an die zeit daz er auer zins geben svle, so piet danne ainen
mit dem andern dar mit gezeugen. daz tv alle die weil (II die czeit
weil) vntz er den zins verwürdert (III verwidert). er sol auch den zins
vnverbidibet (111 vnuerwerret) lau ligen (II vnuerbidenten ligen lasse).
5 Gegenüber L 37: hat auer ener gedinget daz er imz (I und II zins)
stetige, daz tv (III tut er) mit reht. — hinder im lazzen (III verlassen),
swer daz hat geerbet, der müz den leuten ir (II den) schaden da von
gelten, wan ez ist geschriben (III geschriben recht), daz niemen den an
dern triege (II laych). — so legent. si dehainen (III da dhainen) scha
den abe.
6 Gegenüber L 39: dinget auer er dem richter sein reht vz. —. verchaufen
muge, so chlag ez dem herren von dem der richter daz gericht hat. so
sol im der herre sein güt erlovben ze verchavfen. vnd hat im der richter
dehainen schaden getan, den sol er im gar (III sol im der richter) ab
legen (II im ab tün).
7 Gegenüber L 40: nah ir rehten zeit, ez müg sein ovch engelten, wan ez
ze spat chomen ist. — sol man ir zal raiten ain vnd viertzich wochen.
div sein wocli ist in ze genaden vf gesetzet (III ist ze gnaden), dem
maide chint ains min (II ain mynner dann) vierzich (III maid kind xlj)
wochen.
112
Rockinger.
L I II III
41
42 ^ 48i | 411
43 I 49' I 42i
44 50 1 43i
45 51 2 44 2
46 52 3 45 3
47 53 3 46 3
% ! 541 I 47S
L I II III
51 1
52 56 5 49«
53 57 6 50«
54 58 7 51 7
I 59 8 , 52 8
0iJ I 60 8 1 53 8
56 61" 54«
1 Dieser Artikel folgt im Berichte VI seinem ganzen Wortlaute nach.
2 Gegenüber L 45: die erben vor jar vnd tage (III vnd vor tag) mit ge-
zeugen daz si sein rekt erbe (II erben) svln sein (III daz er sein rechter
erb sein siille). versovment si daz, si verliesent, ob si gerillte (III ge-
rechtigkait) mügen han. so sehat ez in nicht, swie lang ez v^z ir gewer
ist, sev irre danne ehaftiv not daz si nicht furehomen mvgen. waz ehaft
sei, chvndet (III verkündet) man ev her nach, vnd wie man sei erzeu
gen schol.
3 Diesen Artikel tlieile ich im Berichte VI vollständig mit.
4 Gegenüber L 50: der richter sol in haizen (III jn mit recht) palmvnden
daz ist also gesprochen: man sol im vertailen vormvntschaft (III jm alle
vormundschafft vrtail) vnd alle vogtay, vnd daz er fürbaz niemens pfleger
möge wesen (III gesein). — ditz reht habent ovch weise leut geben ir
(III auch ander leut gen jren) pflegern.
Gegenüber L 51: wil auer ez, [ez] mach seines gutes selbe (III seins
selbs) pflegen (II selber pfleger sein).
5 Gegenüber L 52: mit Schilde vnd mit Schaft gesitzen mach ab (III ob)
einem stoche zv dem rosse gesatzet (in II fehlt: gesatzet) einer dovmellen
hoch, so daz man im den stegraif habe, vnd ein meil gereiten miige
(II mag).
6 Gegenüber L 53: vormvnt mit im für geriht nicht pringet.
7 Gegenüber I. 54: wir erzeugen mit chvnich Dauiden an dem salter vnd
mit ander liailigen Schrift (II und III gesclirifft), daz der man aller erste
ze seinen tagen chome (III komen sey) so er aehzich (III xviij) jar alt
wirt (III ist).
9 Gegenüber L 55: hat auer er nicht Vaters wan pfleger, er weibet sich
wider ir (III wol vber jren) willen, habent auer si ir flaisch niht ge-
mischet, der chnab vnd div jvnchvrowe, so mach man sev wol geschaiden
(III so sündert man sie wol) mit recht. — gelauben, er sol ez erzeugen
als hie vor gesprochen ist (in III fehlt: als hie vor gesprochen ist) mit
sambt der jvnchvrowen.
9 Gegenüber L 56: in seiner gewlr an reht wider ansprach bei (III gewer
drew jar an all ansprach von) dem der pei im.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
113
57
58
59
60
III
55 1
56 2
57 1
58'
59"
L
61
62
63
64
65
66
I II
67'
68'
69"
70"
71«
III
60'
611
62"
63"
64«
so hat er ez mit relit. vnd ist vilie dar vnder, vnd behabtezim ieman
an mit rehte, allen den nvtz der da von chomen ist vber die fftre die
muz er wider geben, jrret au er den ebaft not der ez mit relit haben sol,
so bat er ez mit relit. chvmt der, so piete man im reht. swaz auer an
ders gütes ist daz nicht varende gut sei, bat daz ain man in seiner ge-
wer stillichlichen zehen jar. — Diese Stelle lautet in III folgendermassen:
so bat er recht, dar zue. spricht es aber yemand vor dreyen jaren an
vnd ist vicli darunder, vnd wirt jm daz anebeliabt mit recht, aller der
nutz der da körnen ist dauon vber die für, den nutz sol er jm mitsambt
dem vich wider geben, jrrt aber den eebafte not der es ze recht haben
sol, so behalt man es liintz daz der köm, vnd piett man jm dann recht,
was aber annder gut ist nit varennds, vnd hat daz ein man stätigklich
jn seiner gewer x jar.
Chaiser vnd. chvnige habent ditze (III daz) gemaine reht gemachet.
jedoch habent si in selben ein lenger zil ovf gesetzet an ir gute, doch
habent die chaiser den steten svndriv (III besunder) reht verliehen vnd
gut gewonhait, der sein tail an disem buch stet (III geschriben st.eet).
wan gut geAvonhait ist gut A r nd rehte (II ist gut recht).
Dieser Artikel folgt im Berichte VI nach seinem ganzen Wortlaute.
Gegenüber L 58: nv wa sol ener sein gut vordem? daz sol er da swa
(III da tlmn da) , er sein gut (II sol tun avo er ez) vindet, mit des rich-
ters boten, da sol im. — Der Artikel schliesst: schaden ab legen, A r nd
enem (in III fehlt: enem) sein gut Avider geben an allen schaden (III
one schaden).
Der Wortlaut dieses Artikels findet theihveise im Berichte VI seine
Stelle.
Gegenüber L Gl: die Aveil ez vnder fvmf vnd zwaintzich jaren ist (III
alt ist) vnd nicht hindan getailet, man miiz dem vater Avider daz gut
geben.
Gegenüber L 62: ist ez (III es aber) in einer stat, der stat richter oder
der vogt. — daz er nimmer mer pflseger oder (III noch) vogt mvg
werden.
Bezüglich der Zählung dieser Artikel 69 und 70 vgl. oben S. 95 Note 17.
Ihr Wortlaut folgt im Berichte' VI.
Gegenüber L 66: des mag in der cliinde müter mfime oder pase (diese
Stelle fehlt in II) oder ander mage (III oder vater oder muter mag, id
est freunt) oder ir erbherre rvgen. vnd ist daz ein pfleger den chinden
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 8
114
R o c k i n g e r.
L I II III
67 72 1 65 1
5^ J 732 l 662
b8b ) I
68c 743 673
69 75 4 68 4
70 762 69 2
71 772 70 2
L
72
73a
73b
74
75
76
I II
782
79 5
III
712
72 ä
735
niht notdurft geit (III kinden ir notturfft nlt geit als) an ezzen oder
(III vnd) an trinchen ynd (III oder) an gewande, der ist (III der selb
ist argkwänig. vnd wirt ein pfleger ze einem wiiesten, so daz er sein
selbs gut onegreifft ze vnrecht, der ist) auer arquaenich. die weile div
cliint. — palmvnden vnd (III vnd sol) büzzen dem ricbter vmb die vntat
mit phenningen für die hant zehen pfvnt,
1 Gegenüber L 67: witiwe vber ir vormvnt daz er ir niht recht (II ge
recht) sei (III nit tüg), so gepiet im der richter für, vnd riht vber in als
liie geschriben stset. — si chint, div gent nach der leichteren (III die
gehören nach der läuchteren) hant. swanne auer der man stirbet, so ist
si ledich von dem rechte , vnd chvmt wider auf ir gepvrt. nimt auer si
da nah ein freien man, irev chint werdent mit samt ir (III mit jr) frey.
2 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig. mit.
3 Gegenüber L 68 c: auf ein gotzhaus, vnd er gibt (II gibt für) er hab
aigen leute, des ist nicht: si sint seines gotzhauses aigen (in III fehlt:
aigen). vnde giliet eines laifursten diustman er hab aigene leute, des ist
niht: si sint seines herren aigen.
1 Gegenüber L 69: gestiphtet von vier fürsten ampten. des ersten von
(III mit) einem chamrere, mit einem scbenchen, ader (III vnd) mit einem
trvchtsetzen, vnd mit einem marsehalche. die vier. — wol aigene leut.
sev schulten auer sein (III sein gewesen) hoehe freien oder mitter freien.
5 Gegenüber L 73b: si versprühet seu mit reht, ob der man leb oder t,5d
sei. vor irem richter swert si auf den hailigen daz ez ir wille nie würde,
vnd sol ir der richter antworten vnd gewaltich machen.
Diese Stelle lautet in III folgendermassen: sy verspricht sy mit
recht, der man leb oder sey tod. sie Schwert auf zue den hailigen oder
auf jr brüstlein, daz ez ir will nie wurde, der richter sol jr die hingeben
leut antworten vnd wider gewaltig machen.
Gegenüber L 74: Dehain vrowe mach irs mannes gut niht an wer
den, si müz iren vormvnt hau au allem gericlite, weder aigen, noh lehen,
noh leipgedinge, zynsgüt, (II zins), noch varende gfit. daz ist da von
wan er ir vormvnt ist vnd ir voget.
In III lautet diese Stelle so: Ein weib mag on jrs manns willen jr
gut nicht hingeben, weder aigen, noch lehen, leipgediug, noch zinsgüt,
noch varennd gilt, daz ist dauon, wann es aiu leib ist vnd zwo sei, vnd
daz der wirt des weibs haubt vnd maister jst.
115
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
L I II III
77 80' 74 1
78 81' 751
79 82 2 76 2
L I II III
80 | 83 3 | 77 3
81 J 84 3 J 7g3
82 854 79.1
83 864 804
Gegenüber L 75: Jvnge magde vnd jvnge witiwen (III Jung wittib
vnd maid) müzen vor gericht iren vormvnt haben, oder der richter sol
seu nicht hören (III verhören), hat auer ein vrowe einen eieichen man,
der ist ir vormvnt. vnd ist er nicht im lande, si nimpt ir einen vor Be
richte. der sol sein irs wirtes mach oder ir mach, daz si desterbaz mit
triwen besehen (III versehen) sei. swa iz den vrowen ze dem aide chvmt,
den svlen si selbe tvn, vnd nicht ir vormvnt. auer er sol gewsere für sei
loben, vnd sol si daz laisten.
Gegenüber L 76: Hat ein vrowe einen misseraten man der ir (III
jr jr) aigen vertvn oder verchaufen welle (III wil oder wolle) daz ir
(III sy) von erbe gevallen (III ongefallen) ist, si versprichet (III spricht)
ez wol mit rechte, si sol nemen einen vormvnt. der sol auch ir helfen
ze chlagen vnd ze behaben mit der gewizzen daz er (III jr wirt) vnge-
raten ist (III sey) vnd in böser füre (III für sey) vnd ir gutes vor im
angesten ist (III vnd daz sie jrs guts vor jm jn anngst sej), daz sol si
erzeugen mit zwaien mannen. — der ist fridepraache (II fridprachig,
III ein fridbrecher). daz sol man richten, der richter sol ir auch ir mor-
gengabe bescliirmen.
1 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
2 Gegenüber L 7ü: Vnd laufet ein man den andern an, ez sei nachtes
oder tages (III sey bej nacht oder pey tag), vnd so da ist (III vnd da
ist) niemen pei, der ander weichet liinder sich, vnd er ehern gerne (III
vnd körn geren) von im, diser siecht auf in, ener der wert sich, wan er
sein (III wan es in) nicht erlat, er siecht enen (III nu er schleht da).
— oder mer (III mer liinder sich) ob er von im rnocht sein chomen. vnd
swaz er getan.
3 Gegenüber L SO: oder sein reht nicht nah rechte furet. — oder ob er
vor gericht ielit tut oder (in II fehlt: tfl-t oder) sprichet wider reht, oder
vnrehte gewinnet, oder schvlde div von gerichtes halbe (III zieht hier
so zusammen: oder vnrechte schuld gewynnt die von gerichts) gewere
ist, vmb (III vmb dise) ieslich saclie wettet man dem richter ie nach der
staite vnd nach der leut gewonhait. vmbe alle schulde da der man buz-
würtich (II puzvellig) vmb wirt (III ist), da hat der richter sein ge-
wette an.
Gegenüber L 81: man sol niemen sein pfant an die juden setzen
(III versetzen) wan mit ienes willen des ez da ist, ez ensei danne vz
gedinget.
4 Dieser Artikel folgt im Berichte VI seinem ganzen Wortlaute nach.
8*
116
Rockinger.
III
89»
90 3
91 3
92 3
93 6
94 3
1 Gegenüber L 84: beschaiden wirt ze der zeit vnd man im daz gut
leibet, vnd geit man im den zyns zv dem nechsten tage nicht, so sol
man in danne zwiualtich dar nab geben, vnd also vil alle (ursprünglich
stand: vil lange ta tage alle, wovon lange ta tage unterpungirt ist) tage
dar nach die weil er den zyns inne hat. vnd so des zynses also vil wirt
vnd die weil daz gut wert (in II fehlt: wert) ist, so sol sich der herre
des gutes.
In III lautet diese Stelle folgendermassen: beschaiden wirt, vnd geit
er nit des zinsz den des negsten tags, so sol er jn zwifaltig geben dar
nach, vnd alle tag als vil vnd die weil der zinszman den zinsz jnnen
hat. vnd so des zinsz als vil wirt so vil daz gut wert ist, so sol sich
der herre des guts.
2 Gegenüber L 84: ob man nicht gelaube (diese Stelle fehlt in III), daz
er ez doch (in III fehlt: doch) erzeugen mvge. daz sol er tvn selb dritte,
swie verre daz (III sein) haus sei. mach auer der zinsman daz erzeugen
selb dritte, daz er seinen zins hab gegeben ze (III an) dem tage als im
beschaiden wart (III ist), so sint des herren gezeuge (II und III czeugen)
verlait, vnd (III vnd hat) sein gut behabet. daz ist.
3 Gegenüber L 85: Ein ieslich man mag wol den andern pfenden ze reht
auf seinem güte da man im gelt von geit an des ricliters vrlaub. wert
auer man im daz pfant, vnd ist daz gut sein aigen, er nimt.
4 Dieses Capitel findet im Berichte VI seinem ganzen Wortlaute nach eine
Stelle.
5 Diesen Artikel tlieile ich im Berichte VI vollständig mit.
6 Gegenüber L 91: Ez enmach mit rechte dehain tore nicht (in II fehlt:
tore nicht; in III fehlt: nicht) richter gesein, noch dehain man (III noch
niemand) der sein recht verlorn hat. pegent auer si (II peget aber sich)
ein vntat div minner ist dann fvmf Schilling von raube oder von divbe
(III vntat mit raub oder mit deubhait die raynnder ist dann v Schilling),
da mach man einen voget. vmb chiesen.
L
84
85
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87a
L
87b
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I II
95 3
96 3
97 3
98 3
99°
100 3
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
117
L I II III
93 j 101 1 ^ 95'
94 I 102 2 / 96 2
95 103 3 97 3
L
96
I II
III
( 104 4 f 98 4
I 105 * 99
97a 106 5 100 5
97b 107 6 101®
Gegenüber L 93: Ez enmach dehain riehter eliehev dinch gebieten an
seine gebiitele die daz taidinch ze reclit gebieten svlen. da sol man den
gebutel vmb vragen der vrtail also (III fragen allso), ob er daz taidinch
also geboten liab als relit sei. der gepdtel sol (III man sol) auch vragen,
ob er mit rechte verbieten schalle vber bracht vnd vber alle (III vnd
alle) vnzücht. — zv der 'zeit ob (III daz) er im wo teil (III betten) svlc.
haizent die iaien terce (II terc.z) zeit. — der sol dem riehter menich-
lichen (II nemlichen) chlagen mit den vorsprechen alles daz in (II im)
werre. In III lautet diese Stelle so: der wirt wetthaft, darnach sol dann
menigklich mit vorsprechen klagen vnd antworten. — des Schadens sicher
waiz der im da von chumftieh ist. — er mflz den schaden dolen, wozu
11 noch setzt: ob er im selb sein schaden spricht, hat auer er (111 hat
er aber ainen) vorsprechen, vnd missesprichet der, des mach er sich wol
erdolen (II und III erholen) mit. — vnd also er den vorsprechen genimt,
den mtiz er (111 so .der man ainen vorsprechen gewynnt, so sol jn der
riehter fragen, ob er an seins vorspreeheii wort wolle dingen, vnd spricht
er ja, so nnisz er jn) stete haben, des (III was der vorsprech spricht
das) ist etswa nich gewonhait vmb stete ze haben, der vorsprech sol dem
manne vz dingen sprach vnd tag vnd wandel. (dieser Satz fehlt in III).
man sol dem vorspreehen nicht offenliehe (III offennbar) sagen, wan zv
raunen swaz man im sagen wil. gert (III begert) auer der vorspreche einer
sprach, die sol im der riehter erlauben, vnd wellent si ze lange sprechen,
der gebutel (III püttel) sol seu für gerichte rufen vnd gebieten (II vo-
dern), womit Artikel 101 beziehungsweise 95 sehliesst.
Gegenüber L 93 : wan vber sein hausvrowen vnd vber seinev chint vnd
vber seine mage (III vnd seinen verchmage) vnd vber (III wider) seinen
herren vnd vber sein (III vnd seinen) man vnd vber sein toten, ob in
div ehlag an den leip get vnd (III oder) vber ir ere daz man si von ir
(III der) christenhait entsagen wil.
Gegenüber L 94: swaz er missesprichet, des hat er nicht schaden
des wort er da spriehet.
Der Wortlaut dieses Artikels folgt im Berichte VI vollständig.
Gegenüber L 90: Swer clilage schuldich wirt vor geriebt, oder der da
ehlagt, da svlen si baide pdrgel [vmb setzen], ob si nicht gutes in.
Gegenüber L 97a: schulde ist, da nach sol er büzen.
Gegenüber L 97b: clilage da get, (wozu III noch fügt: vnd sol die klag
für lassen körnen ee das man jenem kainen vorsprech geb). der riehter
sol auch vmb ein ieslich saclie vragen gemain die leute (111 sol vmb ein
yegkliche sach gemain leut fragen), daz maine wir also , daz er nicht
118
R o c k i ii g e r.
L
98
99
100a
I II
108 1
109 2
1102
III
102 1
1032
1042
L
100b
100c
101
102a
I II
! 1111 }
r 1123
| 113 4
III
105 2
\ 1003
J 107 ‘
des ersten vragen sol der leute mage vnd ir freunde, wan daz wsere
welich (in II fehlt: welich. III hat: geuarlich) an dem riehter (III den
richteren). — ein ieslich Sache (III yeglichs). daz ist geschribens reht.
1 Gegenüber L 98: dehain schade mer da von geschechen ist wan
zvchen (III dann allain daz ausz zuckchen). — vmb plütrvnst die ane
verch wunden (II fereliwunden) geschieht vnd ane lerne, da wetet man
(III man vmb) etswa fvmf Schillinge, etswa drei, etswa ein pfvnt, etswa
mer, etswa minner, ie nach gewonhait des landes vnd der stete. — ver
wundet, vnd ist er des vnsclmldich, so ist er (III vnd entschuldigt sich
jener des, er ist) dem riehter dehainer büze dar vmb schuldich, er hab
in danne chemplilichen an gesprochen, vnd ist daz man aine wunden
büzen sol div nicht ze verch gtet vnd an lerne ist, div sol man büzen
nach weiser leut (III leiit rat vnd) vrtail mit phenningen, dem chlager
hoeher dan dem riehter. daz wart nie rechter g-essetzet (III satz). —
wider got dar an tut vnd wider daz recht, womit der Artikel 108 schliesst.
In III begegnet folgende Fassung: wider got vast tliue vnd wider frones
recht wo man mit vrtail rieht.
2 Dieses Capitel findet im Berichte VI seinem ganzen Wortlaute nach eine
Stelle.
3 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
4 Gegenüber L 101: Man sol niemen verfechten noch vrtail vber in spre
chen (III Das man niemand verachten noch vber in vrtail sprechen solle),
im werde e furgepoten. daz beweret (II pewaret) man (III bewär wir)
mit (III an) dem büche Scolastica Historia, vnd auch an (III mit) dem
hailigen ewangelio, (III daran vindet man geschriben) da man list von
vnsers herren marter, wie die juden ze rate sazzen wie. — lieplich
(II leibleich, III leipplich) nicht vindent, si vindent auer mich gütlichen.
(III der edel vnd der getrew) vnser herre Jesus Christus gab den boten
als gütev wort vnd antwürte vnd weisvnge (III also süesse vnd als weise
antwort) daz si. — wider zv der (III den) juden fürsten vnd zv iren
richtern, vnd. — in nicht mit iv her? si sprachen: er redete also weis
liehen vnd als s^zev wort daz nie menseh so weis red geredocht (II ge-
redat, III also weise vnd als süesse wort redet) als er ret. vnd fvnden
(III als er. vnd vinden) dehain schuld an im. — der furredote (II für
redet) in swa er mit fügen moht (III verredte gemelich mit fliegen wo
er mocht). — daz sprach er dem suzen (III vnd dem warem) gotes s^n
vnserm herren Jesu Christo ze liebe vnd in dem sinne, ob si in selbe
heten gehöret vnd sein weis rede (III vnd 1er vnd) daz er vngenotiget
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
119
L I II
(102a)
III
108 >
106 1196
107 120 7
108 121«
109 122 9
L I II III
102b 1142
103a 115 3
103b 1164
104 t 117 3
105 J 118 5
vor in. — von Galylee erstet noch chvmt nicht weisages (II weyssagens).
In III steht: von Galilea kumpt noch erster weissag.
Gegenüber L 102a: vnd neue auch sein büze da von. daz ist recht
vor allen richtern an allen steten. — Der Schluss lautet: vnd göprist au
dem gute icht, daz sol gebresten dem richter.
1 Ueber die Fassung dieses Artikels vgl. unten in IV S. 146/147.
2 Gegenüber L 102b: den Zeiten (II der zeit) nicht vnd daz pfant ver
wandelt ist für den richter vnd entslecht (II entschlach).
3 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI. vollständig mit.
1 Gegenüber L 103b: man pringet in nach der rechte in dem nrestem ge-
richte in die ander rechte, also tut man in wol furbaz ze aechte.
5 Gegenüber L 105: da ze gesichten, da sol er vmb antworten, wan vmb
lehen, da sol er vmb antwürten vor seinem lierren. daz recht satzte der
chvnich Constantinus vnd sand Siluester ein vil (in II fehlt: vil) hailiger
habest.
6 Gegenüber L 106: die rechte dester harter (II destherter) furchte vnd
daz der rechter dester sehirrer (II dest pelder) da von chome. — ieslichen
man in gaistliehem gerichte der in der reellte sechs wochen vnd ainen
tach ist gewesen.
1 Gegenüber L 107: an die schrange (II Schranne). — behabt er im an
daz er im furgeboten habe seineu dreu taidinch. — der richter mag in
nimmer mit rechte da von gelan von der rechte, daz chvmt. — des sol
man in vberzeugen selb dritte mit den die in da Sachen.
8 Gegenüber L 108: sol vnbetwungen vnd vngevangen für cliomen vnd ane
burgelschaft, vnd sol dem richter purgel setzen vmb des' ehlagers vnd
vmbe des richter recht, vnd laz in danne von der rechte, vnd sol danne
den fride sweren. daz ist da von: da man [in] ze rechte tüt, do nam man
in vz dem gotes fride vnd chvndoten (II cliundat, in) jn die rechte. —
ez ensei danne daz seu ehaft not letze, die selben ehafteu not sollen die
chlager pei dehainem poten für gerichte nicht senden der die ehaften
not für seu berede, wan swanne der rechter chvmt, so müz er in (II jm).
9 Gegenüber L 109: er werd danne an der hanthaft (II hanttat) begrifen.
man sol auer danne alle rechter von der rechte. — alsani sol man den
rechter (II so sol man in) enphachen. vmb alle die schulde (II alle schuld)
wan vmb den totslach so sol er frid haben, sein leip vnd sein gut, vier
zehen tage.
120
Rock in g er.
III
L
110
111
112
113a
113b
I II
123i
1242
125 3
126-1
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III
L
114
115
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117a
I II
128 3
129 3
j 130 5
1 Gegenüber L 110: swaz vor enem richter ver^rtailet vvirt, daz sol vor
disem stet sein, vnd swie vil richter dar nah werde, den müz er allen
büzen. al die weil der clilager vngestillet ist, so frürnt ez nicht swaz man
den richtern gebüzzet.
2 Gegenüber L 111: werdicliait. wil auer ein man ze vil der büze, daz so
sten ze ir baiden freunden, niement. — daz ist wider daz frone recht
vnd wider daz lantreht. man sol dem manne büzen ie nach seiner werde-
chait. wil auer ein man ze vil der büze, so sol mans zv ir baider freun
den lan. vnd mügen ez die nicht verenden, so neme der richter weise
leüt ze sich (II zu jm), vnd verende ez mit irem rate. — vnd liaiz im
(II in) dar nach büzen, vnd nach enes staten.
3 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
4 Gegenüber L 113: den swert man in den gebunden tagen, vnd ob ein
man begrifen wirt an der hantat. — er ist als e in (II alz in) den selben
schvlden gebunden da der ait für gelobt wart, ez enwende in danne
ehafte not. man sol in beweisen waz der ait gelobt (II belobt) hat. man
sol dem richter büzen vnd auch dem der ait gelobt wart (II wirt). —
würde im danne ein tach gegeben vmbe seinen gezeuch oder vmb an
ders des er bedarf, vnd chvmt er zv dem tage nicht, er verleuset seine
gulte da mit nicht, ob in ehaft not irret, er hat auch den tach verlorn.
vnd werdent im drei ander tage gegeben, vnd chvmt er nicht ze dem
dritten tage mit seinen gezeugen, so hat er verlorn. jn irre danne ehafte
not oder vanchnusse daz er nicht boten gesenden müge die sein ehafte
not für in bereden mochten, nv sol er danne den schaden haben oder
nicht? nain er der richter richtet als. — herren schaden oder nicht?
nain ez. der herre. — oder ob er sein sus nicht gehaben mach, so sol
der herre sweren daz den chnecht ehaftiv not geirret habe do er chomen
solde, vnd daz auch er den selben boten nicht gehaben mach (II macht),
womit das Capitel 127 schliesst.
5 Gegenüber L 116: wan ein ieslich man niht rechte wizzen chan waz
recht vmb ein ieslich dinch sei. von div sol niemen. — vmb ein vrtaile
enmach noch ensol niemen vechten wan vor dem reiche. — nicht en-
beren, jener (II entweren jenem) dem si da schade was der sprichet
(II so spricht er) in wol dar vmb an. — an gewette, wan si niemen
hant der Ire vrtail beschulten hat.
Gegenüber L 117a: für den chaiser ziehen, alsam tv ein ieslich man dem
anderen lantmanne.
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Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
L
117b
117c
118
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121
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I II
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132 2
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III
L
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I II
136 5
137 2
138 2
139«
140 7
141 s
III
1 Gegenüber L 117c: ynd swem ez erlaubet wirt. daz erlaub geit der
richter der ez von dem chvnege hat. man sol si erwelen nach.
2 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
3 Gegenüber L 120: Julius des nicht daz vber al romischev reiche in deut
schen landen dehain chvneeh wer dau er alaine.
Gegenüber L 12 t: man chan auch nicht dehain fürsten ampt zwaien
mannen geleihen. — der chäiser sol diser herschefte deheine in seiner
gewelte han. er sol si leihen ie dar nach vnd si bestatet sint. (Dieser
Satz fehlt in II). — daz in gewerre dem pfaltzegrauen von dem Keine,
der ist ze reht vber in richter, womit hier der Artikel schliesst.
4 Gegenüber L 123: daz sein vater vnd sein müter frei sint gewesen, vnd
svlen nicht man sein gewesen wan der fürsten, vnd svlen mitterfreien. —
sol man sei nicht ze clivneginne welen. — von swelhem lande er geporn
ist, daz reht hat er verlorn. swen-man weit ze chvnege, der sol sein
recht wol behalden haben als hie vor geschahen ist von den riehtern.
die Franchen hant daz reht, slahent si einen man ze tode, si enwerden
(II werden) danne an der hantat.
5 Gegenüber L 124: fürsten lip vnd vber ir gut. — seinem ckantzebrre
eupfelhen. vnd tüt er des nicht, er tut ez doch mit rechte. (II fasst
diesen Satz so: daz tut er wol mit rechte.)
6 Gegenüber L 12S: vmbe dreu dineh tun: ob er an dem gelauben zwei-
velt, vnd ob er sein eieich weip lret, vnd ob er gotesheuser störet, vnd
tüt er dehainem bischolfe icht, oder ander iemen, der sol ez dem pfaltz-
graven von dem Keine ehlageu.
7 Gegenüber L 129: § daz er von danne chere. vnd als si sechs Wochen
dar inne sint, so svlen si alle pischolfe mit recht ze panne.
8 Den grösseren Theil dieses Artikels theile ich im Berichte VI vollstän
dig mit.
Gegenüber L 130b: vnd haiz daz beweren vor dem pabste. dar nah
sol in der pabest von allen pfeflichen eren schaiden vnd sein bistüm hin
leihen, vnd sol leben dar nach als in der habest haizet leben, wan der
pabest vollen gewalt hat im genade zetvn (II volle gnad vnd gewalt hat
122
Rockiuger.
I II
ui
!? 0d 1 142 i -
131
132
133
134
135a
J
} 143 2
1443
145 4
L
135b
135c
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137a
137b
137c
I II
146 5
147 6
148 7
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150 8
1519
III
jm ze tun) vnd dm sein pistflm wider ze lan vnd sein pheflich ere. daz
stet an seinen genaden.
1 Gegenüber L 130d: wan den römischen chvnlch. vnt sint si deliaines
laien man wan des chvniges, so mfigen si nicht fürsten gehaizen noch
fürsten gesein.
Gegenüber L 131: enphaeli es (II ez dann) von dem eliaiser mit
sein selbes hant. swaz ein man von im enpliangen hat, vnd enphecht er
daz von dem selben, so ist er nicht der vorderist an dem leben, von div
mag er nicht von der anderen hant des lehens rein fürste gehaizen.
2 Gegenüber L 133: in der stat oder in dem gericht ze richten ist, wan
daz vor pegunnen ze richten ist. daz schullen di lichter wol (II sullent
dy) auz richten, ohne den Schluss von L 133.
2 Gegenüber L 134: pot sol seu vodern. vnd swer im die versait, den sol
man ze secht tvn. der chaiser sol auch den recht tvn di ims inne (in II
fehlt: inne) chlagent, oder er ist nicht rechter richter nach geschribem
rechte.
4 Gegenüber L 135a: dehain herre sol sein lantaidinch an dem vreitag han.
sein ieslich man wirt sein mit recht vberich daz er vreitages dehain lan
taidinch suchen schulle.
5 Gegenüber L 135b: dehainen vronen (II fronepoten) han wan der frei
sei. — der richter vnd auch der Scherge schuldieh an vor got (in II
fehlt: vor got).
6 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
7 Gegenüber L 136: der chaiser mit recht liove inne gepeut. div erst stat
ist Grvne. div ander ze Goslsere, div dritte ze Walhausen (II Walthausen).
— lande ze Sachsen, daz ist div rnarch ze Brandenburch vnd div pfaltz,
vnd div lantgrafschaft von Duringen. — Ratspürch. der pischolf von
Choln ist chantzeler ze Lanchparten. der pischolf von Triere ist chantzeler
in dem chvnichreieh ze Arle.
8 Gegenüber L 137b: hauptstat also daz ein pistüm dar inne ist, vnd ist
gericht dar inne vmb plütig hant, vnd wirt ein man. — man in den
nideroren (II in dreien) steten ze aechte getan, so ist er nicht wan in
den selben gerichten in der sechte.
5 Gegenüber L 137c: auf di erden prechen. hat auer si turn, man tut daz
selbe, vnd hat si des tweders (II ytweders) wan graben, man sol in eben
machen. — auer iemen da von schade danne den purgern, den svllen
die purger gelten, daz selbe gericht sol man tvil vber alle die di wizzen-
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
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L
138
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140a
I II
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157 4
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160°
III
leicli den sechter belialtent, wan der sechter sol allen leuten wider
zam sein.
1 Gegenüber L 138: den dritten hof, der chvnich mitsamt den fürsten sol
in ze sechte tvu. der sol ze minsten siben sein, vnd swanne er sechs
wochen in der secbte ist gewesen, so sol man in ze pan tftn. daz recht
hat auch der pan hin wider.
Von gericht der sechter vnd psenniger leut ist hie vor ain ta.il gesckriben.
jdoch ist ditz gericht aller richter nicht vnd ditz gewet. man wetet ie
dem richter nach seinem recht vnd gewonhait. man sol auch ieglichem
manne. — sol achten wem er ebenwurtich ist so im daz laster geschieht.
2 Gegenüber L 139: alsam alle lierren vnd richter. doch sag wir. — Sume-
lich fürsten haut daz recht daz si mit reht hof gepietent für sich, daz
reht hant si vom reich, sein chvnig oder ein hertzoge oder ein ander lai-
furste hat daz recht, sitzent (II siezet ein). — Si sullen auer mit recht
ir geporn dinstman dar senden, der sol datz hof an seines herren stat
alle die guten ssetze di man da setzet stsete haben (II seezt vermercken).
jrret auer in ehaftiv not daz er den hof nicht gesuchen mach, der pered
sich des mit seinem aide, der hohe vnd der mitter vrei sende seinen
(II senden iren) aigen man dar. der dinstman seinen mach, die andern
alle svllen alsam tun als hie vor gesckriben ist.
3 Gegenüber L 140a: liabent als daz reht hintz in als di fürsten, wan daz
di fiirsten mit der secht twingent vnd di pischolfe mit dem panne.
4 Gegenüber L 140h: vnder erzpischolfen sint gepietent wol ieslicliev dincli,
vnd auch erziaken (II ercziaben). ez haitz (II haissen) etswa christenlich
dinch. vnd gepietent dar zv allen den herren ze chomen di zv ir. —
daz richte mit dem pan als daz decret vnd decretale sait (II czaigt vnd
sayt). — man da gepeut. sende vnd christenlicheu dinch sint den selben
ze nütz auf gesatzt. vnd wie man christenlicheu leben schol, vnd wie
man Christen gelauben pehalten svlle got ze eren vnd der sele ze nütz,
vnd den gelauben mit werchen volfüren, wan güt gelaub an güteu werch
an rechten gelauben (II wann guter gelauben an gute werch) sint enwicht.
5 Gegenüber L 141 : liulden an dem gerichte. wan so neuleich ain frid.
G Gegenüber L 143: an des lantherren vrlaub. man sol auch nicht dehain
stat pauwen an des vrlaub des der podm aigen ist. — an des lantrichters
(II lantherren) vrlaub sol niemen graben graben tiefer (II nyman graben
tieffer machen) wan als sein man. — an prustwer, an serichger (II ge
richt), vnd an alle wer. man veht auch wol ein hof vmb mit mavr. —
124
Rocki nger.
L
144a
144b
145
146
147a
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III
III
I 171
purch wider gepauwen (II pawen) an des (II der) lantherren vrlaub di
mit. — wider an des lantrichters (II lantherren) vrlaub.
1 Gegenüber L 144a: der sols dem lantherren oder dem lantrichter ehlagen.
— einem man sein haus vor hat mit gewalt, die weil mag man dehain
chlag dar vber hau, weder daz vor geschechen ist oder alemst dar auf
geschieht, wand (II vnd) er sein.
5 Gegenüber L 144b: Swelh haus vervrtailt ist, da sol der richter des
ersten drei sieg slachen, dar nach daz lantvolch mit haehen vnd mit
hauwen, vnd raum vntz auf die erden daz haus gar. man solz danne
nicht. — ain purch, man sol den graben eben machen, alle die in dem
gericht sein soln ez tvn in ir Selbs chost, ob inz der richter gepeut.
3 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI mit.
1 Gegenüber L 146: mit reht, so daz si nicht westen daz si ze vnreht pei
ein ander sazen, si pehabt doch ir leipgedinge daz er ir gab an aigen
vnd an gepauwe. vnd swaz si zv im pracht an varend gut, ob ez da ist,
daz fürt si wol mit ir. ist iz verlorn, mag man daz beweren, si m&z sein
mangel han.
5 Gegenüber L 147b: die auz gestiwerten chind haut nicht reht an.
6 Gegenüber L 148: daz aigen mit ein ander tailen also, swaz den auz
gestiwerten chinden vor auz geben ist, daz svllen si werfen zv dem gut.
daz ist varend gut oder ander gut. daz schnllen si alles geleich tailen.
auer di auz getailten chind tunt sweder si wellent. si hant mit recht
swaz in vor des worden ist. vnd ist ein ansidel da da der vater auf saz,
vnd let er mer svnne hinder im di nicht auz gestiwert sint, die svn pe-
sitzent daz ansidele mit für (II ansidel für) di tochter.
7 Vgl. oben Artikel 11.
8 Gegenüber L 149: man dar ab icht gelten oder zinsen, vnd hat sich di
vrist ergangen e daz di vrowe stvrbe, daz sol man ir manne geben, vnd
ist der man dannoch auf dem gut vntz sich ein ieslich n^tz ergangen hat.
9 Gegenüber L 151: vater noch vber nmter noch vber sein toten, also
starch ist ez vmb gericht daz man weder durch lieb noch durch haz
noch durch gilt noh durch vreunt nicht richten sol wan alaine durch
rechtichait. sein ieslich Christen man sol dem chaiser vnd allen richtern.
— man vert mit reht für seines herren haus, vnd ein mach für seines
mages haus, vnd der herre für seines mannes haus, vnd tut dar an wider.
— wundent di man ir herren oder slahent in ze töd in rechter notwer.
125
Berichte über Handschriften des sog. Schwahenspiegels.
L
152
153
154
155a
155b
156a
I II
172'
173 2
174
175 3
176'
III
L
156b
157
158
159
I II
177 5
178"
179"
180"
181 8
III
1 Gegenüber L 152: Ainem weguertigen gesellen vnd ein gast seinem wirt.
2 Gegenüber L 153: Svchet ein lierre seinen man, oder der man seinen
herren, vnd chlait auf in vor seinen mannen nach reht, er tut wider sein
triwe. recht so der man. — daz sol er seinen lantherren wizzen lan, vnd
sol. — schaden nicht auz. vnd geschieht im schaden von im selben oder
von den di durch seinen willen dar cliomen sint, den schaden sol er
gelten, der lierre dem manne, vnd der man seinem herren, ohne den
Schlusssatz von L 153.
3 Gegenüber L 155b: oder seines gotzliauses si ist (in II fehlt: si ist), jst
auer er frei, so ist si (II ez) des fronen poten. vnd hat.
4 Gegenüber L 156a: vreihait cliomen. daz ist da von daz er aigen ist ge
wesen. vnd lret.
5 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
G Gegenüber L 157: selb gesehen der in da an spricht, so pedorf er nevr
zwaier zv im selben, vnd ist ez vmb gut gewesen, so hat er ez nicht
vber al verlorn. hat auer er ez vmb sein er verlorn, so hat er ez allent
halben verlorri.
7 Gegenüber L 158: manichvalt ist. phaffen fürsten dienstman di habent
ainer slachte recht, gefurster apt vnd aptessinne dinstman habent.
Der chaiser vnd phaffenfursten habent vmb ir erber (II ober?) dinst
man ain recht genomen. — erbeut vater vnd muter gut geleich, ich-main
daz aigen gut ist vnd aigen haizt. daz erst chint daz da wirt daz ist
des gotzhaus, ez sei ein magt oder ein degcnchint. der chaiser mag nicht
di gewonhait mit laifursten dinstman gemachen, daz ist da von daz si
des reiches dinstman sein, da von mag der chaiser sein dinstman nicht
genidern. wan geb er seu in der laifursten dinstman gewalt, so hat er
seu genidert.
8 Gegenüber L 159: Des pabest jnsigel liaizet bulla. swer seu mit reht
nimt vnd geit, so hat si michel chraft, vnd ist recht vnd gut. der chvnig
jnsigel vnd fürsten prelat vnd convent jnsigel hant. chraft, werdent si
mit [recht] geben vnd genom. vnd werdent si vber ander sach geben
danne vber ir selber, si hant als groz. — habent sis mit ir herren vrlaub
nicht, so hant si nicht chraft wan vber ir selber gescheft. man let wol
ein jnsigel zv aim andern insigel an min brief daz er dester vester sei.
alle richter.
126
R o c k i n g e r.
L I II III
L I II III
160 182i
161 1832
162 1843
163 185 4
164 186 5
165 187
1 Gegenüber L 160: daz icli den gesüch nimmer wider gevoder, vnd daz
tvn ich, vnd er lset daz gut als lang vntz er mer. — sol ze gaistlichem
gericht gan, vnd dem pfarrer die sach chvnden, vnd der sol in für laden,
vnd sol richten als ob ich selb chlagt, wan er sol. — ich en hab danne
dar vmb gesworen als hie vor geschriben ist. — man ainem werltlichem
richter vmb gesüch. — mich der pischolf vnd der pfarrer wol ledich,
wan der aid ist. — dich selben, von div sol er nicht versweigen seines
eben Christen missetat. dar vmb würd er verloren, nv ob in ainer stat
offen wüchrer sint, vnd sint Christen, liabent di purger icht schuld dar
an ? nain si. ez hat der pfarrer oder der herre schuld dar an des di Stat
ist vnd der richter, ob er seu niht twinget als er schol. vnd hat er daz
gericht von den phaffenfursten, der sol in dar vmb vertigen. vnd richtet
gaistlich gericht nicht vber seu, so tv ez werltliches. vnd swer di. — sint
si des nicht gehorsam, so twinge seu (ursprünglich stand in I der pfarrer,
was unterpungirt ist) di pfafhait (II pfaffen) mit dem panne. vnd hilf
daz nicht, so gepiet der werltlich richter den leuten daz man seu auz
der stat treibe, vnd der richter nein ir gut, vnd gelt allen den wücher
den leuten da von, von dem varenden gut oder sust von anderm gut.
vnd swaz vbrich sei, daz nem der richter. oder swanne di wüchrer drei
stunt gemant werdent, vnd dannoch wüchernt, so peschrei seu geistlich
vnd werltlich gericht offenbar vor der ehristenhait, vnd slacli im haut
vnd har ab. daz ist der wüchrer reht püz di Christen sint. man sol di
wüchrser vber zeugen mit den di in den wücher geben liabent oder di
ez wares wizzen mit drein gezeugen. daz got den wuchreren veint sei,
und seu liazzet, daz list man an der heiligen Schrift (II geschrillt).
2 Gegenüber L 161: vnd seines gutes dar zv als vil er ir lobt do er sei
eieich nam vnd si an geding (II guts als vil als er gelobt hat do er sey
erst nam vnd angedingt) ze sam cliomen. sust tailt er geleich vnder weib
vnd vnder chint, vnd ie der sei ir tail. alsam daz varend güt. vnd stir-
bent der jvngoren vrowen (II vnder chind. vnd sterbent die jungem
chind) chinde e si zv ir tagen chomen sint. — erbt si der chind güt,
vnd erbent auch si di chind nicht, da nach erbeut div geswistered vf
ein ander, die ersten mit lesten, vnd (in II fehlt: vnd) nicht wan daz
varende güt daz von ir paider vater dar chomen ist.
3 Gegenüber L 162: müz er geleich tailen, vnd der sele ir tail, vnd gelten
vnd wider geben, vnd wil. — ez sei varend güt oder ander güt, so habent.
4 Gegenüber L 163: dannoch varend güt, so habent si nicht rechtes dar
zv. di weil.
5 Gegenüber L 164: mit geding ze sam cbom. daz sol stet sin, womit der
Artikel schliesst.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
127
L
166
167
168a
168b
169
170a |
170b J
III
I II
188
189i
1902
1913 _
L
170c
171
172
173
174
I
I II
192 4
III
193 5 -
f 194 6 —
l 1956 _
1 Gegenüber L 167: daz sullen die nsesten erben ze reht han als daz recht
püch sait. vnd lset.
2 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
3 Gegenüber L 170a und b: vinden auch an dem püch apokalipsi, daz ist
an der taugen püch, daz sand Johannes der ewangelist schraib. dar an
schraib er vns, er sach einen engel, der stvnd. — got vnd der werlt
vnmaer. — pei got vnd pei seinen hailigen oder pei den vier ewangeligen
oder auf einem geweichten chreutz oder auf einem geweichten alter. —
werltlich mit sieg püz (II puzzen), daz sint ains min viertzich (II sind
xiij) sieg, oder ein phvnt phenning. — gescliechen ist, oder daz alemst
ist, oder daz man noch tvn wil.
4 Gegenüber L 170c: sprechen, er sol vor got ledich sein. — richter daz
er daz gut ze vnrecht must geben, vnd hat er des gesworn. — gar ge-
werlich varen, so chom er für seinen pischolf oder für seinen pfarrser.
der lost.
5 Gegenüber L 172: nimt di dem richter helfen schullen ze richten, vnd
di selben haizent schepfen. di svllen vil weis leut sein, di svlen vor ge-
richt vrtail vinden, vnd niem anders (II ander), ez sol. — sol der min-
nor der meroren (mynner tail dem mereren tail) volgen. — wol auf daz
hochser gericht als hie vor geschriben stat. — der rieht [er] nicht fürbaz
vmb fragen, wan der dem di vrtail fvnden ist ze nütz, der lset nicht ab
so si furpaz gezogen ist. so mach halt der richter noch der sei fvnden
hat nicht ab gelan an enes willen dem si ze güt fvnden ist.
Gegenüber L 173: dehain vrtail vinden noch verwerfen. *
6 Gegenüber L 174: daz mach sein pürchgraue wol. — vnd daz nicht plüt-
regen geit. — püz leidet vmb deuphait, der wirt rechtlos, alle morder.
— alle radprechen. morder haiz wir di (II dy dy) leut haimlich en
totent, vnd sein danne laugent. ob (II oder) er wirt vberwunden. — daz
sint ains min (II mynner) viertzich sieg. — naclites levt an zvndet liaim-
leich vnd seu prennet, daz sint mortprenner. man sol seu radbrechen. —
di mit red ainem (II ainen) palmvndent so daz" si in entsagent von der
christenhait. — auf hebent vnd lesent. daz ist ain groz mort. vnd wer
dehain tod erger danne radprechen, man sold im tvn.
Die leut ze tod slachent oder raubent oder prennent an prant. —
deube oder rauber hauset oder liouet, oder seu mit rede sterchet, wirt
128
Rockinger.
L
175
176a
176b
177
I II
196
197 1
198'
199'
2002
2013
202 3
III
L
178a
178b
179
180
181
182
I II
203 4
204 5
205
206«
207 7
208 8
III
er mit rollt des vberret, man sol vber in richten als vber denb vnd
ranber. — vergift, oder mit * gotzleichnam, di sol man alle auf bürden
prennen. — vrchvnde an hern Moyses büch, der selb riehter bat nicht
liier gewalt, wan niemen ze relit für in chomen sol, wan er.
1 Gegenüber L 17Ga: mvnd wirt ab geslageri oder getumelt (II petmulet),
oder di oren ab gesniten, oder di zvnge auz gesniten (in II fehlt: oder
die zvnge auz gesniten), oder zwischen den painen pesniten, oder im sust
der glide debains wirt verderbt, swer. — hört (II halt) vmb iesliebes
ain svnder gericht vnd ain svnder püz. — zehen daz zehen tail der vor
dem pftz. swem man.
2 Gegenüber L 176b: Vnd bat ein man ein halben vinger oder fein halbe
zehen, vnd der im den selben stvmpf ab siecht, dem u. s w.
2 Gegenüber L 177 : der vater müz von sein selbes gut pftzen. vnd gewirit
der svn dar nach gut, er sol. — tötet, mftter vnd vater pftzen dem
pfarrer vnd got mit gaistlicher puz. hat ez u. s. w.
4 Gegenüber L 178a: oz sei dan vor gericht auz genom, also daz man ge-
zeuge sich vermaz also: herre, her riehter, wir nemon auz, ob der man
sterbe e der tach cliome daz vnser gezeug. — hinder im gelan, man sol
da von deliaim cblagfer vnd riehter pezern. -- gftt, pftzen dar nach vnd
di schuld ist. Wirt icht vber.
5 Gegenüber L 178b: ir tweder (II ytwedrer) dem andern gehelfen, ez sei
danne daz ir ainer der schuld erledigt werd. der.
6 Gegenüber L 180: zehen retern (II pfarden), vnd chvmt er dar nicht,
der herre muz di geltnusse alain gelten, gepeut man aim dar mit raer
oder mit min, di geben di geltnusse dar nach vnd si geziech (II ge
schieht).
7 Gegenüber L 181: prvnnen oder graben grebt, di schvllen si begraben
vnd bewftrclien aines mannes hoch, tftt er des nicht, swaz schaden da
von geschieht, den sol er gelten, man sol cheler graben an der leut
schaden, vnd nicht fftrbaz in die straz.
8 Gegenüber L 182 : vogels auf einem weg da di leut nicht elleichcn gfent
mit werfen vnd mit schiezen. — vber in richten, geschieht auer ez auf
einem gemainen. weg da di leut gemainchlichen gant, da wirt er slechtes
schuldich u. s. w.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
129
L
183
184
185
186
187
188
I II
209'
210 2
2113
212
213*
214**
III
L
189
190
191
192a
192b
192c
I II
215**
216 7
217 8
218 9
III
1 Gegenüber L 183: sein pavm ab hävwet so nahen pei dem weg so daz
er dar an gevallen mach, siecht der pavm ein menschen ze tod, man sol
im ab daz liaupt slahen. siecht der pavm ein vich ze töd, er sols gelten,
vnd dem richter sein vrsevel püz (II sein vrtail puezzen). jst auer ez in
dem walde, vnd wird da ab geslagen da di leut nicht gemainchleich gant,
so der pavm alernst (in II fehlt: alernst) vallen.
2 Dieser Artikel folgt im Berichte VI vollständig.
3 Gegenüber L 185: Siecht ein maister sein lerchint mit rüten oder mit
pesmen oder mit der hande daz ez plütrvnstich wirt, da tut er wider
nieman. machet auer er ez plütrvnstich anderswa, er müz dem richter
vnd den frevnden püzen, ez sei dan geschechen mit rvten. vnd siecht.
4 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
5 Gegenüber L 188: daz erbent nicht ir neclisten erben, wan daz aigen
wirt den nsesten magen, vnd daz leben.
6 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
7 Gegenüber L 191: mag er ze e nemen ain weib. nach der tod nimt er
auer ein ander oder mer. in der selben weis nimt ein wib mau ze (II
zur) e. — Man sol niemen auz seiner gewer weisen von gerichtes halb,
jst er halt ze vnrecht in der gewer, man prech si im e mit recht ze
seinen gesichten (in II fehlt: man prech u. s. w.). man sol im (II in)
für gericht laden ze rechten taiding.
8 Gegenüber L 192a: Man sol nicht phenning verslachen. — phenning
svllen drev jar gantzev (II jar doch gancz) doch steil. — vnd geb im
div stücli in div hant, er hab danne sein gesclivben. velschet. — valsclies
gezeihen. ein mvnzer sol an den phenning di swer gel?ch pehalten als
swer vnd si gesetzet sint, vnd geleich weis, vnd tiit. — geleich sint. ein
ieslicli mvnz sol ir svnder geprech han. swer u. s. w.
9 Gegenüber L 192 b und c: mvrnze an des laut herren willen, dannoch
chan ez nicht geschechen, ez sende dan der chaiser sein hantvest. daz
ist dar vmb daz sein die lantlevt inne werden daz ez stat hab. — ver-
peutet di verslagen sint, so sol man dannoch da mit vierzehen tag gelten
vnd pfant losen, wan von den juden: von den (in II fehlt: von den) loset
man pfant vber vier wochen. — tvnt si dar an wider daz vron recht.
Sitzungsber. d. pkil.-liist. CI. LXX1X. Bd. I. Hft. 9
130
Ro cki li ge r.
L
193a
193b
193c
194
195
196
197a
197b
I II
219'
220 2
221 2
222 3
223'
224
225 5
226°
III
I,
198
199
200
201a
201b
201c
201 d
201 e
201 f
I IT
227 0
228 7
229 3
230»
231»
III
1 Gegenüber L 193 a und b; im dreisfvnd rvf’et. er sol niclit gezeug laiten
w;in (II wann man) an maniger stat zol nimt da niclit leut pei sitzent.
Swer den marchet zol hin furet, der tu als hie vor gesprochen ist,
ohne den Schlusssatz von L 192 b.
2 Gegenüber L 193 c: frei, ein ieslicher der weder fftrt noch trait auf
prucken noch auf scheffen, der ist zoles frei, swer dar vber zoles gert,
der tut vnreht. (In II fehlt dieser Satz.)
3 Gegenüber L 194: genenden wil. daz ist also gesprochen: swer der ist
der sich seines glites erwegen wil. deinem. — ab legen der in seinem
gelait geschieht.
4 Gegenüber L 195: gericht vmb daz pfant weren, si wettent drei u. s. w.
5 Gegenüber L 197b: Jesliclies wazzer tramefluzze (II tramflüssig) ist. —
wazzer mezzen wan als verre so si aines mit einem (II ainest mit
dem) netz.
6 Gegenüber L 198: zv seiget dan von sippe. — wan im gerichtet ist als
recht ist. hat er des ehlagers gut icht inne, vnd ist ez da ze gesichten,
man sols im u. s. w.
7 Gegenüber L 199: ez enlset in dünne ehaftiv not.
8 Gegenüber L 200: chvmt ein man nach seinem gilt, vnd der selb man
hat ein chauf gechauft, vnd hat in dannoch nicht vergolten, vnd hat in
auch nicht verwandelt, man u. s. w.
3 Gegenüber L 201c am Schlüsse: herren dreizich Schilling geben.
Gegenüber L 201 d: vellet vicli dar in, vnd ist ez nicht verworcht,
er nutz den schaden gelten als relit ist, vnd sol er im den awasel han.
— so verchauf man den Iebentigeu ochsen vnd den toten, vnd tail man
daz gut dürftigen, west auer der man des der lebentig ochse waz daz
seinev hören so wesse (II wachs) waren, so sol enem.
Gegenüber L 201 e: ein man dem andern gut (in II fehlt.: gut),
Silber oder golt, goltvaz oder phenniug, oder swaz. — devp fvnden vnd
nicht daz gut, man sol ez zehentvaltic.h [gelten] wider (in II fehlt:
wider) gelten (in I schliesst mit dem ersten ,gelten 1 der Quatern VI, und
beginnt VII mit: wider gelten), oder er pered, ob der devp nicht fanden
wirt, daz er sein paz g'epflegen hab.
Borielite über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
131
201g
bis
20 lv
202
203
I II
232'
233'
234
III
L
204
205
206
207a
I II
235 2
2363
237 4
238 5
III
Gegenüber L *201 f: stirbet ez von der lechnvnge, er müzz ez gelten,
womit das Capitel 231 schliesst.
1 Gegenüber L 201 i: svlen ir tochter nemen, vnd di zaichen di zv dem
magtüm gehorent. daz ist daz petgewant daz si vnder di maget legt so
der man pei ir leit (II lag), vnd sols praiten für den ricliter vnd. für di
lent di daz erchennen clivnnen (II erchennen sullen vnd cbunnen) ob si
magt was (II war) oder nicht, ez sein man oder wfp. — sol dannoch ir
vater vnd ir pfizen auch den posen levnt (II lewmunt) den er in ge-
machet het. vnd sol sei ze ainer chonen han. jst auer u. s. w.
Gegenüber L 201 1 und m: einer maget leit mit gewalt di nicht ver-
trewet ist, vnd oz chvmt für gericht, der notzoger sol ir vater geben
hvndert pfvnt silbers, vnd sei ze e nemen. ez sol niemen pei seines vater
weib ligen, noch seines vater haimlich auz sagen.
Gegenüber L 201 n: in ein saat, er sol dei\echer (II eher) prechen,
vnd auz den echern (II eheren) mit der band reiben, vnd ezze daz chorn
(II ezzen des chorens).
Gegenüber L 201 q am Schlüsse: daz sol armer vnd eil enter levt
sein vnd.
Gegenüber L 201 v: Hie hant .div wort ein ende di got selb wider
Moysen sprach, di sint dar vmb in ditz püch geschriben daz man da
pei wizze daz man daz püch von der gotes warhait genomen hat. —
Diese ganze Schlussstelle = L 201 v fehlt in II, welche schliesst: ob jr
wider dicz puch richtet.
Gegenüber L 202: der auer ez tut, vnd ist ez aines schillinges
(I phenninges) wert, man sol in henchen. jst auer ez seines plienninges
wert, ez get. im an di hant. vindet man einen devp nachtes in der cliir-
chen, man zeucht in mit recht dar auz. filtert auer ein man devplichen
tages (II des tages), so. — schuldich zehen pfvnt. jst ez in ainer stat,
alsam. oder man precli im ab ain haus daz zehen pfvnt wert sei. vnd
als daz haus gevellet, man sol des holtzes nicht rvren noch dan tragen.
2 Gegenüber L 204: Ain vrfevle (II vrfeule) haizzet ain perswein.
3 Gegenüber L 205: treibet, der werd des selb dritte oder selb ander ent
sacht. jst auer niem da gewesen, so pered ez mit sein aines hant, vnd
sei ledich. daz pferft hat daz recht sam di tyer.
4 Gegenüber L 206: fronepot sein chreutz stechen auf daz tor, vnd sol ez
da mit fronen. — richter enen noten daz er sein phenning wider nem di
er dar vmb gab.
5 Gegenüber L 207a: Chriegent zwen (II zwen man) vmb ein güt, vnd
iehent in hab ez ain man ze aigen geben oder ze lehen geliehen oder ze
9*
132
Bociinger.
L
207b
208
209
210
211
212
213
214
I II
239 1
240
2412
2423
243
244' 4
I 245 5
* 246»
247
III
I II III
248 6 —
249 —
250«
251 7
252 8 —
pfant gesetzet, vnd choraent paid für gericht geleicli, vnd ietweder an
geweren, vnd iehent doch paid. — der nicht sein geweren pringt, der
hat verlorn. jst auer ez u. s. w.
1 Gegenüber L 207b: wil der fürste, er mag sein an den chaiser ziehen,
sagent si auer daz gut von einem man , vnd send der (II der seinen)
poten mit ainem gewissen poten, oder brief vnd jnsigel dar, vnd ist der
selbe herre nicht ein fürste, swelhem man dan br?f geit, der pehabt u. s. w.
2 Gegenüber L 209: niemen weren wan mit gericht. svvi lang er ez an
chlag lset, er gewinnet nimmer recht gewer dar an di weil er di er
zeugen. — recht gewer dar an di weil er di chlag erzeugen mach, chvmt
ener als oft für als er di chlag hört, di ansprach. — auch enem gepieten
der di ansprach an daz güt hat. so sol man enem ertailen daz er vmb
di ansprach immer mer ein gervwet man sei, ez sei danne daz seu ehaft
not letze, vnd /aig di als recht sei.
3 Gegenüber L 210: dinch fluchtich, er wirt schuldich der chlag. jst er
vmb vngericht oder vmb vrsevel pechlait.
4 Gegenüber L 212: Treibet ein man oder haizet er treiben sein vich auf
eines andern mannes. — als wildev vnd rainischev ros, daz sol man alles
in des ricliters gewalt u. s. w.
5 Gegenüber L 213: für den gemainen herten, dannoch sol er dem. —
gotzhseuser, vnd di aigen wisen mugen han, vnd di drei hove mugen
han vnd so vil wismat. — misse chvmt, wan vich daz so ivnch ist vnd
dae dem lierter nicht gevolgen mach, swelherlai daz ist, daz sol man alles
in tiin daz ez iemen schad. — sol der hübman Ionen, ob er halt nicht.
— inner halb dez pizevn. — vngevangen vnd vnpeschrait vnd vngeselien,
er müz u. s. w.
6 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
7 Gegenüber L 220: dem herren der gelt vnd dem ehinde daz gut, als
daz u. s. w.
8 Gegenüber L 221: chvniges straze von Rome sol. — der leere wagen
entweich dem geladen, der min (II mynner) geladen wagen entweich dem
paz geladen vnd dem sweroren. der geriten entweich. — swer des ersten
ze (II gen) müle chvmt, der mal auch zem ersten.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels!
133
I,
222
223
224
225
226
227
228
229
230
I II
253 t
254 2
2553
256 1
257 t
259
258 t
2601
III
L
231
232
233
'234
235 J
236
237
238 I
239 !
I II
261t
262 5
263«
264 t
265 7
266 7
267 8
268 9
269»
270 9
III
1 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig 1 mit.
2 Gegenüber L 225: Aines (II Aynew) ist offeniv devphait, ainev haim-
lichev. offeniv devf ist, so ein devp chvmt nachtes oder tages in ain haus
oder an ein ander stat, vnd stilt swaz daz (II da) ist, vnd wirt pegriffen
pei dem gut e daz er ez verperge. daz haizet offeniv devphait. vnd trait
ainer dem andern ein mantel hin, vnd sait daz enem nicht e yntz an den
vierden tach, wil er, er hat ez für ein devfe. also vb er dar vmb gefragt
wirt (II wart), vnd laugent do sein, so mag er ez u. s. w.
3 Gegenüber L 226: paide schuldich. mit champf wirt nicht wan (IL wirt
nür) der ain schuldich, womit der Artikel 255 auch schon schliesst.
4 Gegenüber L 230: andern ein silber vaz oder ein ander chlainSd, des
sol er paz.
5 Gegenüber L 232: pfleger oder frevnd, di svllen für ez (II in) den leuten
gelten.
6 Gegenüber L 233: daz ich also leib vnd gftt gewert han.
7 Gegenüber L 235: nimt auer er dar auf, er sol ez zwiualt gftt gelten,
vnd dem richter zehen pfvnt, ob der richter pftze wil.
8 Gegenüber L 236: im den gewalt vber vische (II vich) vnd vber gefugel
vnd vber allev tyer. — auch vber vische (II viche) vnd vber vogel puz
gesetzet vnd pan gesetzet. allen. — vnd sein chocher vnpedecht (II vnbe-
dechot). — vnschuldich an. jait auer er vnd zent di hunde an daz wilde.
— sols im wider geben, ez leb oder sei tod (II es sey lebentig oder
tod), womit der Artikel 267 schliesst.
9 Gegenüber L 237: vindet nicht, swer ez vber den vierden tach vindet,
des ist ez. swelch (II wem) gemauset vederspil entrinnet, swie lange daz
vnder wegen ist, man sols wider geben ze recht, geslözen vogel vnd in
kaveiten, swie lang di mausent, u. s. w.
Gegenüber L 238: hewech vnd valchen vnd sparber u. s. w.
Gegenüber L 239: ab der stange, pegreift man ez pei im. — halbes
als vil sol im der devp geben, vnd hat.
134
R o c k i n g e r.
L
240
241
242
243
244
245
246
247a
247b
248
249
250
I II
271 1
272
273
274
275'
276'
277 2
278 2
278 2
III
L
251
252
253a
253b
253c
254
255
256
257
258a
258b
259
I II
279 3
280-i
281‘
282 5
283 6
284 7
285 8
286 9
287 i"
III
1 Dieser Artikel findet im Berichte VI seinen Abdruck.
2 Diesen Artikel tlieile ich im Berichte VI vollständig mit.
3 Gegenüber L 251 : nicht mer wan dreizich mit im füren ze gericht vnd
an gewafen (II vnd vngebaft'ent) wan mit swerten. vnd swer dehain an
der wafen mit im dar trait, der.
4 Dieser Artikel findet im Berichte VI seine Stelle.
5 Gegenüber L 254: Vnd notzogt man ein magt oder ein weip in ainem
haus, vnd si rufet nach helfe, vnd di leut horent sei wol, vnd chöment
ir nicht ze helfe, mag man. — alles daz vieh (II vich nemen vnd) toten
daz dar inne ist gewesen, hvnde chatzen vnd himr. vnd ist si u. s. w.
6 Gegenüber L 255: di nicht gehorsam sint. — langev mezzer, so baut. ■—
hnrhaus oder im leithaus, daz ist daz selb recht, swer in dar inne iclit
tflt, der chvmt nicht in den pan.
7 Gegenüber L 256: ain leib der nie schulde gewan. da wurde der richter
schuldich an, womit der Artikel 284 scliliesst.
8 Gegenüber L 257: si nicht gutes, si püzent auch nicht, man sol sev
meiden, vnd ist. — svllen tvn sein vrevnde oder der riehter, womit der
Artikel 285 schliesst.
9 Gegenüber L 258b: Setzet ein man dem auderm ein lebentich pfant,
stirbt daz. — pfenning di ez im stet, er hab danne purgel dar auf (II
hab purgen da für vnd dar auff). vnd wil man im nicht gelauben daz ez
an sein schulde tod sei, so swer zen hailigen, man vberzeuge in dan
selb dritte, er sol ez auch Hindert.
10 Gegenüber L 259: daz ez sein aigenleich gut ist. verspilt auer er sein.
Berichte über Handschriften clea sog. Scliwabeuspiegols.
135
L
260
261
262
I II
288‘
289'
290'
291*
III
L
263
264
265
266
I II
292 2
293 3
294 4
III
1 Gegenüber L 260 bis 262 einschliesslich: ze chaufen, oder wiruet er icht
anders mit im, er sol sein scole (II gescholle) sein vnd sein gewere in
christemlichem recht, ez dinge dan der jude auz in seinem recht, ob im
der Christen des laugen wil. — selben judeu vail gefunden auf einem
srele. vnd gab ir dreizich. — gewesen, mau vberzeugt in mit Christen
wol. vnd laugent der jude, vnd hant ez Christen vnd juden gesehen, so
mtiz er mit samt den Christen der jude erzeugen, daz ist auer nicht wau
so min jude vrmvelt. — dehaines juden cliampf gset. — gilt, er muz ant-
wnrten da von als. — chelch vnd püch, vnd gasrbe oder anders icht daz
zu. — prennen sam (II als) ein chetzer. vnd swie man seu ze Christen
gelauben nicht petwinget, si sollen doch dar an vil strete peleiben für
di zeit daz seu getaufet werdent. den Christen. — paden. an dem antlaz-
tage nach nöen so svllen der jeden venster vnd ir tftr zv getan sein, si
svllen auch au di strazen noch an di gazzen gmn, noch di Christen zv
in, noch mit in reden, noch sev ansehen. daz schol weren vntz der hailig
ostertag für chvmt. juden scliullen judenhut auf tragen swa si in steten
sint. da mit sint si auz gezaichent daz man sev für juden erc.hen. juden
scliullen nicht Christen dirn noch Christen ammen han pei in di ir prot.
— geschrift an dem decretal. dise setze vnd ander setze vber di juden
sullen u. s. w.
2 Gegenüber L 264: ist durch di veste vnd durch di were di fürsten vnd
purge hant von werlichen leuten die di fürsten zaller zeit pei in svllen
han. des ist u. s. w.
3 Gegenüber L 265: ob di schuld auf in wirt erzeugt oder ist erzeugt, vnd
wirt si nicht auf in erzeugt, so puz auch nicht, vnd ist der man. —
wirt auer er purgel, man sol im alles daz selb tim sam enem. was auor
der man töd do er purgel wart, vnd mag er disen nicht für pringen, er
stirbet für in, er hab danue auz gedinget, ob er innen des stürbe daz
er nicht puzt wan nach der wunden dem chlager vnd dem richter, wo
mit der Artikel 293 schliesst.
4 Gegenüber L 266: nicht für pringen für den er fride het gelobt, ez get
im an di hant. pringt auer er für den fridprecher, dem grnt ez an den
hals, vnd stirbet. — stürbe (II stirbet), er ist mit recht ledich. er sol
puzen als recht ist. vnd wirt si nicht erzeuget e daz er stürbe, er ist
mit recht ledich, si en haben dann auz gedingt.
1 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig mit.
2 Gegenüber L 273: twedere in seiner gewalt vnd in seiner gewere nicht
hat gehabt, jst auer. — antworten wan vor gericht da si paid ze ge
sichten sint.
3 Gegenüber L 274: Swer erbe lehen oder ander gut nach dem dreizgistem
nicht antwurtet an di stat dar ez ze recht gehöret, ob man ez haizet, er
müz ez püzen, ob ez der anspricht vor gericht vnd auch behabt. vnd
hat u. s. w.
Gegenüber L 275: swertehalb dar zv geporen sein. — der müter
mage. swer auer einer sippe nsechner ist, ez sei.
4 Gegenüber L 277: den chlagern laisten vmb swaz ir chlag auf seinen
sait. vnd swaz si pehabt hant, oder noch auf in pehabent, daz sol der
richter in haizen geben, vnd sol seu petwingen.
5 Gegenüber L 281: Mit vbereren verwürchet niemen sein leben noch sein
gesvnt, ez sei danne der acher vor gericht pehabt (II bechlagt), vnd daz
wol waiz. — in vber chomen selb dritte
6 Gegenüber L 282: man ez an di chvneschaft (II chvnigschafft). hat auer
ir ainer mer gezeug vnd erberer, der pehabt daz gilt gar. jst auer ez
den vngessezen (II vmbgesezzen) nicht gewüzen (II wizzen), so schaid ez
ein wazzer vrtail oder champf. vnd swer u. s. w.
7 Gegenüber L 283: im ab di hant. ein ieslich man durch haus ere pe-
haldet wol ein aechter vber nach mit wizzen, vnd laz in des morgens
varen. daz ist gesatzt durch haus ere des wirtes. wan von haus u. s. w.
8 Gegenüber L 284 und 285: swaz vor seinem gericht recht vnd redlichen
geendet wirt daz sol sein nach chom stete han. swen ein richter ze secht
tvt, vnd in furbaz in des chvniges. — gesetzet hat. vnd swanne er ze
lande chvmt, dar nach vber vierzehen tag so chom für den richter mit
des chvniges brSf, vnd piet sich vor im ze recht drei vierzehen tag. vnd
chvmt u. s. w.
m
Berichte über Handschriften des sog;. Schwahenspiegels.
137
L
286a
286b
287
288a
288b
289
290
291
292
293
294
295
I II
311*
3122
3133
314*
315 5
316 6
III
L
296
297
298
299
300
301
302a
302b
303
III
I II
317 7
3188
319
320 9
321 10
321 —
1 Diesen Artikel theile ich im Berichte VI vollständig’ mit.
2 Gegenüber L 286b: des nicht, so nem seiner mfiter mag, wan schepfen
svllen vil weis leut so man sev pest haben mach, vnd hat daz chind so
witziger magen nicht, man nimt wol ein andern man an sein stat, vnd ist des
chindes recht verlern. daz ist da von daz dehain gericht weiser leut enperen
mach, di schepfen svllen svnder pench haben vor gerich da si u. s. w.
3 Gegenüber L 287: Swer pei seiner chonen (II chane) ze vnrecht sitzet
vnwizenleich. — zv der praclit daz er vor het e daz er di vrowen neme,
daz erbent di ersten chinde. daz recht habent auch di chind an ir mfiter
gut vnd erb.
4 Gegenüber L 290: vecht oder verwundet oder zeslecht (II siecht) an tod
slach vnd an lerne, vnd leit er iar vnd tag an der wunden, u. s. w.
5 Gegenüber L 291: aigen geben, des er wol vberich wer gewesen, vnd
ist u. s. w.
6 Gegenüber L 293: pehaben mit zwain sein magen di sein aigen sint,
oder mit zwain sein aigen mannen vnd er selb dritte, vnd spricht in ein
ander herre an. — pehaben, oder daz ez auf ein gotztyius gehört, so hat.
Gegenüber L 295: er in vertrsete als recht ist, erfier pehabt in mit
zwain sein magen oder mit zwain sein mannen, daz ist da von daz ener
herre nicht ze gesichten waz. vnd wer er da, so pehabt er in als vor. —
pcdiabt er in da, so vnderwinde sich sein da mit einem hals slag. vnd
der richter sol sein nicht zvrnen, wan er tüt ez mit recht.
7 Gegenüber L 290: geporn ist da man inne chempfet. an swem u. s. w.
8 Gegenüber L 297: chvnech sol nicht richten nach des mannes recht wan
nach des landes recht in dem. der man gesezen ist.
Gegenüber L 298: dehainer vntat gezeichen. ob er spricht er hab
seinen geschvben vnd geweren, so ist er ledicli.
9 Gegenüber L 301: nacht gepawern irregentes (II irre gentez) vich in
treibet mit dem seinen, er sol u. s. w.
10 Gegenüber L 302a: alter nach der inrunge, er mtiz ez.
138
L I II
304a 322'
304b 323 2
304c 3243
305 325 4
306 326
307 327 5
308 —
Rockinger.
III L
309
310
311
— 312
313
I II III
328 6 —
329 7 —
330 7
» 331 7 —
l 332 7 —
1 Gegenüber L 304a: wil er in spannen (II in einspannen) in ein eisen
halt, daz mag er wol tün (II getün). auch anders. — nicht pehalten, so
swer der gescholer zen (II gescholl hincz den) hailigen.
2 Gegenüber L 304b: er nicht ze gelten hat, so swer im ze gelten,
swanne er vber dreizich phenning iclit versparen (II ichtz ersparen) müge.
3 Gegenüber L 304c: so antwürt im der richter vor nacht ein pfant. daz
sol er versetzen mit gezeugen. wirt iht vber, ob er ez verchavfet, daz
sol er wider. — dorf, so wete im sein pfenning vntz an den achtoden
tag, gewert er in danne nicht so di svnne vnder gret, so antwürt im ein
pfant des morgens der richter vor (II ’zu) terce zeit, da mit werfe er
sam der gast.
4 Gegenüber L 305: lobt ze geben, jst ez in ainer stat, er sol im geben
di da genge sint. swa der man dem andern pfenning lobt, ez sei in dor-
fern oder auf landen oder in pistum (II padstuben), so sol er ie geben
di eieich vnd gewonlicli sint. swaz der u. s. w.
5 Gegenüber L 307: gesworn, oder purgel gesetzet, oder gelobt, daz ist
alles ledich mit recht, oder wil er anders da von chomen, so. — an ge
sprochen. oder er hab seines pfarrers rat. der sol im raten als an dem
decretal geschriben stat von den petwungen ayden. swes der man swert
da mit er (II ener) seinen leib vnd sein gut gefristen mach vnd gele-
digen, vnd anders nicht, wil er, er mag ez laisten. oder er mach sein
vberich werden mit recht, vnd [hat] im iener an ichtiv geschadet, daz
sol er im zwiualtich ab legen vnd gelten, vnd wil er im nicht gelten,
vnd der richter nicht richten, dar vmb sol er sein gut doch nicht fliesen
(II Verliesen): er sols wider gewinnen.
6 Gegenüber L 309 : man ze vnrecht vnderwindet daz man im (II im daz)
vor gericht mit recht an pehabt hat, daz sol man dem.
7 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
139
2. Lehenrecht.
L I II 111
la 1 1 1 i
lb | 2i 2'
L
7
I II III
I 9 I 10
I 10 1 11
3b
4a
4b
4c
5
6
2'
32
43
5
6
7 4
8 5
3‘
42
5n
6
7
8-1
9 5
8a
8b
9a
9b
10a
10b
11
12a
12b
11° 12 6
12 8 13«
13 14
14 15
15 7 I6 7
168 178
17 9 18 9
I810 1910
19“ 20 ii
1 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
2 Gegenüber L 3b: nicht gewaigern (11 geczeugen). wirt sein herre des
gutes an daz. — sein genoz ist.
3 Gegenüber L 4a: prüder oder mer, vnd enpfecht er mit lehens liant (in
III fehlt: mit lehens haut) ain lehens gut mit samt den prüdem, vnd
hat ez auch in (III auch mitsambt in) mit nütz.
4 Gegenüber L 5: als von recht ein man seinem (II und III seinem herren)
recht ze sagene swa.
5 Gegenüber L 6: manschefte ledich. ez mage auer der herre dem manne
daz lehen nicht genemen swanne er wil. er müz imz lau, er verwürch
ez danne wider seinen herren als vor geschriben sta3t an dem recht
pücli (III dann als daz lehennpüch hernach sagt).
6 Diesen Artikel tlieile ich im Berichte VI vollständig mit.
7 Gegenüber L 10a: mit reht jar vnd tach. so danne daz jar (III dann jar
vnd tag) für chvmt, so voder danne auer einen tach an seinem herren
(III voder aber der man), so daz ez u. s. w.
s Gegenüber L 10b: der herre gewere (III herre der gewer oder der jn
do onespricht), di mag er mit gemainen leuten erzeugen di nicht.
9 Gegenüber L 11: Vnd ist daz ein man seinem herren (III ein herr sei
nem manne seins) lehens laugent, vnd hat er di gewere jar vnd tag ge
habt (III gehebt daran) in stiller gewer. — mit zwain seinen mannen
(III zwain des herren manne).
10 Gegenüber L 12a: herre, daz sol er erzeugen mit seinen (III mit des
herrn) mannen, daz ist da von daz er der gewere noch darbet an dem gut.
11 Gegenüber L 12b: Vnd ist daz ein man einen herren pitet vmb ein le
hen, nv der herre sprichet also: daz erste güt daz mir ledich wirt, ez
(III des) sei lutzel oder vil, daz sei dein lehen, vnd der herre peweist
140
Rockinger.
L I II III
1P f 20' / 21*
13 ^ 21* 1 22'
14 22 2 23 2
15 23 24
16a 24 25
16b 25 3 26 3
16c 26 4 27 4
17 27 28
L I II 111
18 28* 29'
19 29 5 30 5
20 30 31
21 31 6 32 6
22 32 7 33 7
, 33 3 f 34*
1 34» I 35 8
den man nicht wa daz gut lige, noch penennet im daz güt nicht, nv ez
chvmt auer ein ander man zv dem selben herren, vnd der pittet in auch
vmb ein lehen. nv zv dem spricht auch der herre (III nu der herre der
spricht als zue dem ersten): daz erste güt daz mir ledich wirt daz sei
dein lehen. vnd der herre penennet im daz güt, vnd peweist (III weiszt)
in wa daz gut leit. nv ener stirbet der daz. — gegen enem (III jm) ge-
nüch. — dem manne (II manne also) des lehens als er ez im lech daz
er ez im (II er im ez also, III er jm das erst) leihen wolde daz im le
dich würde, vnd gicht im der herre des, so mag er niemen dehain lehen
geleihen (III do macht niemand mer das erst lehen leihen).
1 Der Wortlaut dieses Artikels findet im Berichte VI seine Stelle.
2 Gegenüber L 14: einem manne daz ze ainem jar nicht mer wan (III daz
zum jar) ein pfvnt giltet auz einem gilt daz mer giltet dem herren, so
sol der herre den (III daz dem herren dannoch mer gilt, der herre sol
dem) man.
3 Gegenüber L 16b: noch ir tweder (II noch yetweder) mach dehain wandei
(III nach dhainen wanndel sunderlich) da mit get^n der dem ander in ge-
schaden müge, ez sei danne daz si den gelt getailt haben (III den nutz
tailen), womit der Artikel schliesst.
4 Gegenüber L 16c: di ein lehen von im habent daz si daz lehen tailen,
daz er chvnne wizzen von wem er seines dfnstes svlle gewarten (II be-
barten, III warten), daz svllen si tvn inner sechs wochen vnd ainem tage.
5 Gegenüber L 19: dehain herre gedinge hin geleihen an dehainem güt
daz sein (III ein) man von im ze lehen hat.
6 Gegenüber L 21 : herre verzeihet in sein, vnd er welle sein (III verzeicht
jms, vnd gicht er wöls) niemen furpaz leihen, ern tü im also lieb daz
er ez gern tv. wan u. s. w.
7 Dieser Artikel findet im Berichte VI seine Stelle.
8 Zu L 23b: swaz ez im di weil (III was er jm jnn der frist) vergolten
sold haben, vnd swaz im inne des (II im jndert, III im des darjnnen)
schaden dar an geschechen ist, den (III geschieht, daz) sol im der herre
gelten so vnd er mit seinem ayd pereden mach wez daz güt wert sei
(III gelten als er bereden mag mit seinem aid). daz ist geschribens recht.
141
Berichte über Handschriften des sog. Scliwabenspiegels.
L
24a
24b
25
26
I II
35'
36 2
37 2
38 3
III
36 1
37'
38 2
39 2
40 3
L
27a
27b
28
29
30
I II
39 4
40 4
41 4
42 5
III
41 4
42 4
43' 4
44 4
45 3
Vnd ist daz ein herre einem manne leibet afiz einem gut ein penantez
gut (III benent gelt), vil oder lutzel, vnd daz gftt mach nicht so Vil ver
gelten als er im dar aüz penennet (III vergelten vnd er dar zue benennt)
hat, der man sol seinen herren. 1
1 Gegenüber L 24a: Vnd ist daz ainer leben hat vnd daz leben giltet
nicht mer wan fvmf Schillinge zem (III ain) jar, vnd swer ez ist der
nicht mer hat ze leben wan daz fvmf Schilling giltet (in III ist dieser Satz
ausgefallen), der mach nicht vorsprech geseinanlehens taidinge. er mach auch
nicht ge zeug sein an dehainem lehen recht, noch vrtail vinden noch ver
werfen an lehen recht, swer disev recht haben wil, der müz ze minste
haben ze lehen daz ein pfvnt giltet der lantpfenninge. — III kürzt hier
folgendermassen: mag vorsprech noch zeug nit sein vor leliens täding
vnd an lehenns recht, noch vrtail vinden noch verwerten, wer dise recht
haben wil, der sol ze mynnsten ze lehen haben daz järlich X U libr. gelt
oder mer gilt.
Zu L 24b: vnd ist daz er (III er sein) laugent ern hab auf im weder
pan noch sechte, so sol manz auf in beweren mit der richter brlf oder
mit gezeugen (III man auf jn beczeugen, oder mit des richters briefen
behaben). da mit u. s. w.
2 Gegenüber L 25: Vnd versetzt ein man sein lehen an seines herren
haut, vnd hat ez ener sechs wochen in stiller gewer vnd ain tag so daz
der herre. — der man prichet im den ayd wol selb dritte daz er ez wol
weste, hat er sein man gezeüge (III man ze zeug), vnd hat er der
(II den) nicht, so nein ander piderb leut. daz ist geschribens recht, nie
men. — so sol er seinem manne gepieten daz er im eines poten ver
wegen da hin, daz tut er wol ze gesicht (III er auch wol zw gesicht vnd
zu gehörde) frumer leut, ob er der potschefte laugen welle daz (II da)
man (III man jn dann) vberzeuge. st.irbet aller der man nach dem zil
vnd ez im enpoten ist.
3 Gegenüber L 26; so schieb di chlag an ein (III schieb es auf daz täding
zue ainem) andern tag. vnd pringe seiner manne dar zwainzich oder
mer. so get daz gericht für sich vmb der siben manne gezeugeschafft
(in III fehlt: vmb etc.).
4 Dieser Artikel folgt im Berichte VI vollständig.
5 Gegenüber L 30: der man daz gut verlern, jst auer daz der herre daz
gut pehabt dem er des lehens (III dem sein der man) gicht, so hat er
auch (III hat auch der man) sein lehen pehabt.
142
Roc kinger.
L I II III
31 43' 46'
32 442 47 2
33 45 3 48 3
34 46 3 49 3
35 47 4 50 4
36 48 51
L I II III
I 49® ( 52 3
6 l 50° 1 53 6
38 51 7 54 -
39 >52 s 55»
40a | 53 3 1 56 9
40b I 54 9 I 57 9
40c 55 10 581«
1 Gegenüber L 31: des gutes waiz. des pit im ein frist ze geben (III waisz,
vnd wes er nicht wais. da geb im der herre vmb ein frist) drei vier-
zehen tage, vnd swes er dar nach dem herren nicht vergicht, daz ist
(III vnd wer es dem herren verschweigt darnach, daz ist mit recht) des
herren. vnd swaz.
2 Gegenüber L 32: Vnd ist daz ein herre einem manne ein güt leihet,
vnd der herre hat daz gut auch ze lehen von einem anderm herren, vnd
vnderwindet sich der oberrore herre des selben gutes, der (III vnd ist
daz .sich der ober herre des gutes vnnderwindt, der vnter) herre u. s. w.
3 Dieser Artikel folgt im Berichte VI vollständig.
4 Gegenüber L 35: vnd pitte den oberoren herren (III pitt in) gerichtes.
der sol dem vnderem herren gepieten für seine manschaft ze drein vier
zehen tagen (III sol jn ze drein vierczehen tagen tädingen für seine
manschafft); vnd chvmt er (III kömpt der vnnder herre) nicht.
5 Gegenüber L 37: So ein man an lehens täidinge vorsprechen genimt
(III Tädingt ein man vor lehenns gericht), so frag in der herre, ob er
auf (III an) seines vorsprechen wort dingen welle (III wort wöll dingen
vnd ichen). spricht u. s. w.
6 Gegenüber L 37: spricht er vbel, des engilt er. wand man geit im de-
liain andern allen (III des mag er entgelten, man geit im kamen vor
sprechen mer) den tacli vmb di Sache, der man sol sprechen so er vor
sprech ist (III der vorsprech sol sprechen) swaz in u. s. w.
7 Der Wortlaut dieses Art. folgt im Berichte VI.
8 Gegenüber L 39: ez di man enpfahen. vnd het der vater daz gut von
aigenschefte (III manne von im enpfahen), oder si lazzen im daz (III
die) lehen.
9 Gegenüber L 40a und b: der den sechsten hersc.hilt furet jn (III der in
dem sechsten herschilt da fert mit) so getanem recht als vor gesprochen
ist. ein herre verzeihet wol die lehens (III wol mit recht den die lehen)
die in. — vnschuldich, vnd pftzzent si nach recht, so leihet man in auer
ir (III jn pillich zu) lehen. vnd stirbet der man inner den taidingen vnd
e (III jnnerhalb der täding ee) danne er sich vnschuldige, vnd lset.
10 Gegenüber L 40c: vnd in chirclihoven (III jn dem kirchhof). da mag
man nicht mit recht dehain werltlich lehen geleihen. geschieht auer ez,
so geb der man daz lehen dar nach auf vnd enpfach ez redleichen
143
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
L
41
I II III
J 56' | 59'
l 57' l 60 1
42a 58 2 61 2
49 b I 593 I 623
4 " b 1 603 ( 633
42c 61 64
L
42d
43 \
44 I
45 ,
46 l
47
I II III
62 1 65 1
63 5 \ 66 5
64 5 I 67 s
68
65 0
69 6
anderswa zem anderm male (III so geben daz wider auf vnd enpfahennds
an der stund annderswo).
1 Der Wortlaut dieses Artikels folgt im Berichte VI.
2 Zu L 42a: den s.vn. di (III daz) haizzent erb leben vnd auch leliens
erben.
3 Gegenüber L 42b: Nach des vaters tode inner jar vnd tage so sol der
svn chomen für seinen herren. vnd pit im ze leihen sein leben mit ge-
valenden henten, vnd als nohen dem herren gän (III vnd voder seine
lehen mit gewaldten hennden als nahennd) ob der lierre sitzet oder gmt
(III lierre stee), daz er in erraichen muge. sitzet auer der lierre, so
chnie der man für den herren (II für in nider). der man sol alsus
sprechen so er seines leliens mit gevalenden (III so sol er für in körnen
vnd voderen seine lehen mit gefalten) banden. — sein chlag iserchlichen
nevwen vor dem herren oder vor dem chaiser oder vor dem lantrichter,
ob ez aigen ist (III vor dem oberen herren oder vor dem könig oder
vor dem lannds herren). daz ist da von daz er der gewere darbet di er
(III er da) pilleich het.
4 Gegenüber L 42d: sein gut mit recht, da mit hat er frist ein jar daz er
sein gut. nicht vordem sol. gepeut auer der lierre im vnd andern sein
mannen sein tach, den sol er suchen, vnd er sol den man recht vertagen
vmb seines leliens vodervnge, womit der Artikel schliesst, während in III
noch steht: nach jrer vrtail.
0 Gegenüber L 43: er laiten. swen der man. — da mit fleuset nicht der
lierre (III damit hat der lierre verloren), der man chan nimmer. — wan
der herre sol dem manne sein gezeuge (III seinem manne die zeugen)
furtwingen mit recht swa er sein (III jr) pedarf. der herre sol (III herre
hat frist) sein gezeug gegen seinem manne zelaiten vntz an den dritten
tach. der tage sol ie ainer sein vber (III laitten vntz vber drej) vier
zehen tage, swem der herre dar gepeutet (III welhem zeug der herre
auf ainen tag gepotten hat), vnd chvmt. — not peliabt mit recht, des
(III da) ist auch der herre ledicli ze laiten, vnd auch der man. vnd svlen
pede ander gezeug nenien, vnd di twinge der herre auf drei ander tage,
vnd schuldiget. — mit gezeugen (III zeugen oder mit dem gut), als daz
geschieht, so ist er vvol gezeug. vnd ist daz er der gezeug u. s. w.
6 Gegenüber L 46: chint dem (III den) herren angevellet. — gegen seinem
obereren (II gegen dem, III gen seinem) herren, daz schadet dem manne
nicht an ir lehen. vnd ob halt im. — an den chomen di man, vnd
clilagen im auf den vndern lierren. der sol in dar vmb recht vertigen.
vnd wil (II die weil) er nicht recht (II recht tut), so sol er in daz güt
leihen, jr svlt wizzen, als manich herschilt ist, als ofte leihet ein man
dem andern lehens gfit. ez mach ie ein man dem anderm leihen lehens
gilt vntz (III kürzt hier folgendermassen: vnd wil er nichts rechts, so
sol er jn daz gut leihen, es mag geschehen daz ein lehen ye lehen ist
von ainem herrn auf den anderen hintz) auf di sibenden hant.
1 Gegenüber L 48a: di weil gat di jarzal nicht an. vnd als (III nit an,
wann so er an jnn dem lannd ist. vnd).
2 Gegenüber L 48b: daz sint vierzehen jar. — alter zelen noch raiten wan
von der zeit seiner gepurt von müter leib, vnd nicht von der zeit daz
ez di müter luibe (III zeit als es die müter enpfienng von mannes leib).
— chvmt an achzehen jare.
3 Gegenüber L 4Sc: Vnd wil ein herre nicht gelauben daz ein chind. —
des sol sweren sein vormvnt oder sein nsester mag. ob im di abgsent,
dannoch sol ez nicht fliesen, man sol im greifen vnder di nasen vnd
vnder di vchsen vnd ob seiner schäm, vindet man da chlainen miez, mit
den drin gezeugen hat der chnabe sein jarzal peliabt. so sol im sein
herre seinev lehen leihen mit recht. In III hat diese Stelle folgende
Fassung: des sollen schweren sein negst mag oder sein Vormund, oder
man bewär es mit drein zeugen, beliabt der knab sein jar zal vnd daz
enpfahen seins lehenns.
4 Gegenüber L 49a: chind daz vierzehen jar alt ist vnd sechs wochen (in
III fehlt: vnd sechs wochen), daz ist ze seinen tagen chomen, also daz
ez lehenpsere ist. vnd swert wol vmb sein selbes geschefte (III selbs
ding), ez mach auer nicht (III niemands) gezeug sein, wan so ez chvmt
zv achzehen (III gesein vntz nach xviii) jaren, so swert ez wol vmb ge-
zeugeschaft (III lehennschafffc) swie ivnch. — daz lehen dehainem chind
mer leich dan dem seltisten di weil daz lebt, vnd so daz stirbet (III leihe
die weil das eil ist lebt, nach des tode) so enpfach ez auer daz seitist
(III vnnder den geschwistergeitten).
5 Gegenüber L 49b und 50a: sein vormvnt (III sein Vormund seiil. vnd sol
es dem herren für legen), vnd der herre sol im tacli geben für sein man.
vnd versprech daz chind (III vnd sol sy daz rechtfertigen der gepiette
vnncz auf des kinds zeit).
Niemen mach (III mag des anderen) gezeug (III zeug) sein an le
hens taidinge (III an lehenn rechten) der (III der da) ze seinen tagen nicht.
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
145
L
50b
51a
51b
52
53
I II
73' |
_ I
III
77'
78 2
79 3
L
54a
54b
bis
159
I 11
III
80 4
IV.
Es ist hieraus schon ersichtlich, dass die Ueberein-
stimmung zwischen I und II eine grössere ist als mit
III, und zwar nicht allein nach der Seite der Zahl und der
Reihenfolge der einzelnen Artikel, sondern auch nach
der Seite des Textes selbst.
1 Gegenüber L 50b: so gset seine manne an (III so tritt an seiner manne
jar zal). — dem oberoren lierren (II und III herren dauon) dienen, ohne
den Schluss von L 50b, während III endet: als recht ist.
Gegenüber Jh 51a: ob daz chind nicht vormvndes bat. hat auer ez
vormvnt, der vorder im allev seineu recht an dem oberem herren. vnd
der sols im ze recht leihen, vnd der vormvnt antwürt dem herren für
daz chind vntz ez ze seinen jaren chvmt. so ist, daz an veile ledich. vnd
stirbet der daz an veile gelihen hat, so hat iener an dem an veile nicht.
AMEN.
In III begegnet folgende Fassung: ob die kind hiebt Vormunds haben
der des herren man ist. vnd haben sie den, der sol jn alle jre recht vor
deren. vnd der ober herro sol es den kinden leihen, vnd sol dem herren
der antworten dauon. vnd als vnnder den kinden ains ze seinen tagen
kömpt, so ist daz anefäll ledig, vnd stirbt der herr der daz anfall hin
lehe, so hat jener an dem anfall nichtz, vnd ist ledig.
Hieran schliesst sich sodann in III ohne alle Unterbrechung L 51b.
Gegenüber diesem: auch den eiteren kinden den ir u. s. w.
2 Gegenüber L 52: herren handt vnd an seinen willen. Vormund daz
lehen mit des herrn handt vnd mit des kinds willen. — jm des rechtens
helft' gen dem der sein gut hat. tut der herre des nit. — jm richten als
daz puch sagt.
3 Gegenüber L 53; die man jre. — lehennreeht ze tun. — kömpt, so sol
man jm lehen voderen, daz es u. s. w.
4 Dieser Artikel unter der Ueberschrift ,Von leben vodrungen 1 lautet:
Stirbt ein man der siin bat jnnderthalb der jar zal vnd er sein gut en-
pfahen sol, so sol man dem kind leihen on wider red, vnd sol des zewgen
nemen also daz man jm nicht gelaugnen miige.
Sitzunjjsber. d. phil -hist. CI. LXX1X. lid. 1. Hft. 10
146
Boekinger.
Was II betrifft, stimmt sie in mehreren Besonderheiten
in auffallender Weise mit I. So fehlt ihr auch im Art. 21 von
den Enterbungsgründen = L 15 der dritte. Am Schlüsse des
ersten Artikels des Leheni’echtes hat sie auch die Jahrzahl
1295. Als bemerkenswerthe Abweichung möchte erscheinen,
dass gegenüber den beiden Artikeln I 69 und 70 uns hier nur
einer entgegentritt. Die genauere Besichtigung ergibt aber,
dass diese beiden Artikel lediglich durch einen Ausfall, welcher
in Folge des 'Ogo'.o-sXeu-'ov ,geben' den Schluss von 69 und den
Anfang von 70 betroffen hat, wodurch auch die Ueberschrift
des letzteren mit in die Brüche gegangen ist, in II nur einen
bilden, was ich eben um dieses rein äusserlichen Umstandes
willen bei der Zählung nicht besonders berücksichtigt habe,
wie auch gerade desshalb weiter kein Gewicht hierauf zu legen
ist. Man möchte hienach meinen, diese Handschrift sei streng
genommen nichts- als eine spätere Abschrift von I. Trotz alles
innigen Anschlusses indessen wird dem doch nicht so sein.
Verschiedene Abweichungen des Textes könnten allerdings
hier und dort auf Rechnung des Schreibers gehen. Aber an
deres deutet doch wieder darauf, dass I selbst nicht die
Grundlage gewesen.
Ungleich merklicher sind die Abweichungen von III ge
genüber I wie II. Fällt schon zunächst der Mangel der Land
rechtsartikel L 8 -J-14 einschliesslich auf, dann die Verschiebung
der Artikel L 15 und 148c, so fällt hauptsächlich in die Wag
schale, dass das Landrecht hier bereits mit Art. L 102a schliesst,
von den weiter folgenden Artikeln nur noch der erwähnte
148c an viel früherer Stelle begegnet, also eigentlich die Ar
tikel von 102b an bis 313, eben mit der Ausnahme von 148c,
ganz und gar fehlen. Eine weitere Besonderheit hiebei ist
aber auch noch, dass der angeführte Schlussartikel L 102a in
unmittelbarer Folge doppelt erscheint, das erste Mal ohne be
sondere Ueberschrift gleich mit dem vorhergehenden Artikel
verknüpft, und dann in ununterbrochener Anreihung unter der
Ueberschrift ,wie man vmb giilt richtet' in folgender nicht
ganz zusammenstimmender Fassung:
Vnd beklagt man ainen man Vnd klagt ein man vmb giilt
vmb gült, man sol im ee für hintz ainem anderen, dem sol
tädingen als vor geschriben ist. man für pietten als vor ge-
Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
147
vnd kömpt er nicht für, dar-
umb sol man jn nicht verach
ten: wann der richter sol rich
ten hin zue seinem gut wo es
jn dem gericht leit. vnd nem
dauon sein püsz. daz ist recht
vor einem iegklichen richter.
an allen steten sol man dem
klager sein gült vor gericht
gelten, vnd geprist an dem gut
icht, das sol gepresten dem
richter. -
sprachen ist. vnd kumpt er
nicht für, darumb sol man jn
nicht verachten, vnd sol aber
der richter richten hintz sei
nem gut wo das jn seinem ge
richt leit. vnd sol auch sein
püsz dauon nemen, ob sy da
ist. daz jst recht von allen
richteren. an allen stetten sol
man dem klager sein püsz oder
gelt vor dem richter geben,
vnd geprist an dem gut iclit,
den schaden sol der richter
haben, vnd nit der klager.
So viel von der Zahl und Reihenfolge der Artikel. Habe
ich sodann oben bei 1 und II des Fehlens des dritten der
Enterbungsgründe gedacht, so ist dieser hier an seiner Stelle.
Anstatt des dort im Lehenrechte begegnenden Jahres 1295 er
scheint hier 1282. Auf weitere bedeutendere Abweichungen
gegenüber I und II stossen wir auch beispielsweise bei den
Artikeln, welche L 56, 73b, 74, 84, 93 entsprechen, w r ie auch
im Lehenrechte. Von einer Ableitung aus I oder II kann hie-
nach keine Rede sein. Im Gegentkeile ergibt sich für diese
beiden aus III 19 die Ausfüllung einer vielleicht durch das
'0[j,oiot£A£ut'ov ,nennen' entstandenen Lücke ihres Art. 25. In
diesem heisst es beim Verzichte der Frau auf die Morgengabe
nur: vnd sol den menschen nennen. In III dagegen lesen wir:
vnd sol den selben menschen bej dem namen nennen dem sie
es geit, es sej man oder weib, vnd sol auch das gut nennen.
Nicht minder auch bietet uns wieder III 64 eine interessante
Vervollständigung eines durch das 'Op-otcneXsu-bv ,ist‘ veranlassten
Ausfalles des Art. 71 von I und II. Hier steht nämlich nur:
der ist auer arqusenich. In III hat sich der wirkliche Text er
halten : der selb jst argkwänig. vnd wirt ein pfleger ze einem
wüesten, so daz er sein selbs gut onegreifft ze vnrecht, der
ist aber argkwänig.
10*
148
Roclci nger.
V.
Hat sich bereits aus den Noten zu 111 ein Einblick in
die Textesgestaltung ergeben, so ist dieser doch keines
wegs hinreichend für die Gesammtwürdigung. Die Abweichungen
gegenüber L sind nämlich theilweise so bedeutend, dass
blos mit einer grösseren oder geringeren Zahl von solchen für
den Hauptzweck nicht vielgewonnen ist, während auf der
anderen Seite die Mittheilung der Stellen, welche ich hie-
für als erforderlich erachte, den Umfang dieses Berichtes
unverhältnissmässig anschwellen würde. Ich werde daher diesen
Gegenstand besser dem alsbald nachfolgenden Berichte
Vorbehalten dürfen.
VI.
Was übrigens gerade die Frage nach der Gestalt des
Textes anlangt, kann ich wohl doch hier bereits bemerken,
dass sich gegenüber den bekannteren Formen desselben Ab
weichungen heraussteilen, welche theilweise der Gruppe eigen-
thümlich sind von welcher die Rede ist, theilweise aber auch
lediglich eine Besonderheit der drei Handschriften bilden,
von welchen genauer gehandelt wird, wie beziehungsweise noch
jener welche hiemit in näherem oder entfernterem Zusammen
hänge stehen. Einige Beispiele in diesem Bezüge mögen hier
noch eine Stelle finden.
Erhielt nach L lb insgemein Moses auf dem Berge Sinai
ausser den zehn Geboten von Gott noch weiter für den Fall
Bediirfens 613 Gesetze, so nach unserer Gruppe nur sechs
hundert und fünf.
Bei der Erwähnung der sieben Weltalter nach den Ori
gines Isidors, hier wie auch sonst dem Origenes zugeschrieben,
welcher hier noch näher als der weise Meister aus Griechen
land vorgeführt wird, ist der Anfang der siebenten Welt
mit Kaiser Heinrichs Zeiten bezeichnet.
Als Fallzeit für den Lämmerzehent erscheint im
Art. 250 anstatt des Walburgtages der Philippstag, während
weiter die Erwähnung des Margarethentages ganz und gar fehlt.
Berichte über Handschriften des sog. Sclnvabenspiegels.
149
Als eine Besonderheit von I und II mag- angeführt sein,
dass unter den Enterbungsgründen — abgesehen von dem
schon oben S. 146 berührten Falle — im zweiten anstatt
des Vaters die Mutter steht: veclit ein svn sein müter
wider recht vnd sleuzt die in, vnd stirbet si in der vanch-
nusse, u. s. w.
Wichtiger sind andere Abweichungen, welche mehr oder
weniger eben wieder zu den Eigentümlichkeiten unserer drei
Handschriften zählen.
Gleich im Art. 3 tritt uns ein sonst nicht gewöhnlicher
Ausdruck entgegen. Die dritte Stufe der Freien, sonst als die
freien Landsassen bezeichnet, bilden da die Edelinge: die
dritten haizent edelinge, vnd sint gepouwern. Auch im Art.
138 — in in ist er nicht mehr vorhanden —• stosson wir bei
Gelegenheit der Bestallung des Fronboten wieder auf diesen
Ausdruck : alle die vber verdampnete leibe richtent die sulen
freie lantsazen sein, vnd so der richter den edelinoh ansichtich
wirt, so sol in der richter nemen pei der hant, vnd sol in
setzen u. s. w.
Den Schluss von Art. 91 über die Richter bilden acht
lateinische Hexameter von der Gefährlichkeit und
Verwerflichkeit der widerrechtlichen Annahme von
Gaben, der Unrechten oder falschen Miethe, welche in III 85
zwar fehlen, auf deren ursprüngliches Vorhandensein aber auch
in ihrer Vorlage sich schliessen lässt.
Weiter stossen wir mehrfach auf das Fronrecht. Im
Art. 124, in welchem sich auch ausserdem eine eigenthümliche
Wiederholung geltend macht, steht anstatt der Worte ,daz ist
wider gotes reht nocht lant reht', von L 111: daz ist wider
daz frone recht vnd wider daz lantreht. Im Art. 163 heisst
es: daz ist geschriben vnd frons reht, daz man vrtail nüchter
vber menschen leip spreche: daz reht sol man vor allem ge-
richt mit Heiz pehalten. Am Schlüsse des Art. 218 lesen wir
anstatt der Worte ,tvnt dar an wider reht' von L 192c: tvnt
si dar an wider daz vron recht. Was insbesondere III an-
langt, bietet sie anstatt der Worte I und II 91 = dem Schlüsse
von L 86b ,der tut wider got vnd wider div werlt' in ihrem
Art. 85 dem Text: der thüt wider got vnd wider frones recht
vnd werltlichs. Ihren Artikel 102 sodann, welcher in I und
150 Kockinger. Berichte über Handschriften des sog. Schwabenspiegels.
II als 108 mit den Worten ,wider got dar an tut vnd wider
daz recht' schliesst, endet sie so: wider got vast thue vnd
wider frones recht wo man mit vrtail rieht.
Vielleicht mag auch noch als eine Besonderheit von II
hier angeführt sein, dass sie zu der Fassung des Schlusssatzes
des Art. 132 ,an die vierden hand mach dehaine gericht nicht
chomen da man mit plütiger hant richten sol' noch beifügt:
oder vmb all frayse.
Es dürfte nach Allem was bisher berührt worden keinem
Zweifel unterliegen, dass die Gruppe und beziehungsweise der
Ausbruch derselben, womit wir es zu thun haben, in ganz be
sonderem Grade der Aufmerksamkeit würdig ist.
II. SITZUNG VOM 13. JÄNNER 1875.
Die k. k. Direction des Gymnasiums zu Smichov-Prag
drückt den Dank aus für die überlassenen Schriften.
Die Direction der Landes-Oberrealschule zu Prossnitz
dankt für die gewährten Publicationen.
Der prov. Secretär legt eine für das Archiv bestimmte
Abhandlung- des c. M. Herrn Ministerialrathes Dr. Adolf Beer
vor, welche den Titel führt: ,Geschichte der österreichischen
Politik in den Jahren 1801 und 1802'.
Das w. M. Herr Regierungsrath Fiedler legt Namens
der historischen Commission eine ihr übersendete Abhandlung,
betitelt: ,Beiträge zur Geschichte der Türkeneinfälle in Oester
reich' von Herrn Johann Parapat, Pfarr-Administrator in
Vranjapeo in Krain, vor.
Das w. Mitgl. Herr Hofrath Aschbach legt für die
Sitzungsberichte eine Abhandlung vor: ,Die lateinischen In
schriften mit den Namen römischer Schiffe von den beiden
prätorischen Flotten zu Misenum und Ravenna'.
Herr Eduard Wertheimer aus Wien liest eine Abhand
lung: ,Zur Geschichte des Türkenkrieges Maximilians II. 1565
und 1566' mit dem Ersuchen um Aufnahme derselben in die
akademischen Schriften.
152
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Arneth, Alfred Kitter von, Marin Theresia und der siebenjährige Krieg.
I. und II. Band. Wien, 1S75; 8°.
Battaglini, Nieolo, Sul manuale del regno di Dalmazia (Anni 1871 — 1874)
del Luigi Maschek. Venezia, 1873; gr. 8°.
Genocchi, A., Intorno ad alcune lettere del Lagrange. Torino, 1S74; 8°.
Handelmann, Heinrich, Vorgeschichtliche Steindenkmäler in Schleswig-
Holstein. 3. Heft. Kiel, 1874; 4°.
Mortillet, G. de, Notes sur le Precurseur de rhomme. Paris, 1873; gr. 8».
Reception of Dr. Benjamin Gould by Ins Fellow-Citizens of Boston and
Vieinity. Boston, 1874; 8°.
,Revue politique et litterajre 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 . IV“ Anuee. 2“ Serie. Nr. 28. Paris, 1875; 4«.
Trafford, F. W. C., Amphioraina, ou la vue du monde des montaignes de
La Spezia. Zürich, 1874; 8°.
Aschbach. Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe. 153
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römi
scher Schiffe von den beiden prätorischen Flotten
zu Misenum und Ravenna.
Von
J. Aschbach,
wirklichem Mitgliedo der k. Akademie der Wissenschaften.
Augustus gab den gesummten Streitkräften im römischen
Reiche eine neue Einrichtung. Die stehenden Legionsheere
waren in den Grenzländern vertheilt, in Italien und bei Rom
befanden sich die prätorischen und städtischen Cohorten. Die
Legionen hatten die Reichsgrenzen gegen auswärtige Feinde
zu schützen, die in Italien liegenden Prätorianer und Cohorten
vorzüglich die Ruhe und Sicherheit in der Hauptstadt aufrecht,
zu erhalten, ausserdem aber auch dem Kaiser eine starke Leib
wache zu sein. Bei der Vertheilung der Streitkräfte wurde
aber auch die Seemacht nicht vernachlässigt. Augustus hatte
dem Gewinne der Seeschlacht bei Actium die Alleinherrschaft
verdankt, schon Grund genug, seine ganze Aufmerksamkeit
dem Seewesen zuzuwenden und diesem Theil der römischen
Kriegsmacht eine neue Organisation zu geben.
Das Mittelmeer bildete einen Binnensee des römischen
Reiches. Dass von dessen Mittelpunkt, von Italien aus, die
Streitkräfte leicht und schnell nach jeder Richtung in Bewe
gung gesetzt werden konnten, dass eine fortwährende Verbin
dung mit sämmtlichen am Meere gelegenen Provinzen bestand,
dazu dienten vortrefflich zwei Flotten, welche mit zahlreichen
Schiffen in geräumigen Häfen bereit lagen, überall hin wo es
nöthig war Kriegsvölker zu bringen. Die eine dieser beiden
154
Aschbach.
Flotten, welche prätorische genannt wurden, hatte ihre Sta
tion in der Nähe von Neapel an der cainpanischen Küste in
dem nach dem Vorgebirge Misenum genannten neu angelegten
Kriegshafen. In ihr eigentliches Bereich gehörte das tyrrhenische
Gewässer oder das westliche Mittelmeer. Die misenische
Flotte hatte ihre besonderen Stationen an den Küsten Nord
afrikas, Spaniens, Galliens, Liguriens, Siciliens, Sardiniens,
Corsicas. Die andere prätorische Flotte, welche am adriatischen
Meere in dem vortrefflichen Kriegshafen von Ravenna, wonach
sie auch die ravennatische benannt wurde, ihre zahlreichen
Schiffe hatte, überwachte und schützte die östlichen Küsten
länder: Aegypten, Phönicien, Syrien, Kleinasien, Thracien,
Macedonien, Griechenland und die benachbarten Inseln. 1
Wie Alles, was sich auf die Landstreitkräfte bezog, von
den Römern auf das Trefflichste und Zweckmässigste einge
richtet war, so vei'hielt es sich auch mit der Organisation
ihrer Seemacht. 2 Eine jede der beiden prätorischen Flotten
befehligte ein Praefectus, dem ein Subpraefectus zur Seite
1 Sueton. Octavian. c. 49. Classem Miseni et alteram Eavennae ad tutelam
superi et infei'i maris collocat. Tacit. Annal. IV. 5. Italiam utrique mari
duae elasses, Misenum apud et Ravennani . . praesidebant . . valido cum
reinige. Dio Cass. LV, 24. Kai a'jpu.ayixa xal r.z'07yj xal iTzr.iu>') xal vautSv
öaaorjxoTE ?jv. Dio muss in einem nicht vollständig auf uns gekommenen
Buche von der ravennatisehen Flotte näher gehandelt haben, wie man
aus den Worten des Jordanis de rebus Getic. c. 29 entnehmen kann.
Er bemerkt: (Ravenna) classem CGL navium Dione referente tutissima
dudum credebatur recipere statione. Appian hat im 22. Buche seiner l'öm.
Geschichte (Appian. hist. Rom. praefat. c. 15) von der römischen See
macht im 1. Jahrhundert der Kaiserherrschaft gehandelt;’ dieses Buch ist
aber verloren. Vegetius (de re milit. lib. IV, c. 31 [lib. V. 1], hat wahr
scheinlich seine Nachrichten aus Appian.
2 Es liegt nicht in der Absicht,, hier auch von den Provincialflotten zu
handeln, welche ihre Stationen in den vom Mittelmeere getrennten Ge
wässern oder auf den grösseren Grenzströmen hatten. Sie standen nicht
in Verbindung mit den beiden prätorischen Flotten: sie waren Legions
legaten untergeordnet. Die Provincialflotten — sociales biremes et triremes
— wurden nach den Ländern oder Flüssen, die sie bewachten und
schützten, benannt, daher die Namen: gallische, britannische, germanische
(rheinische), norische, pannonische, mösische, pontische, syrische, ägyp
tische Flotte. Vgl. Cardinali, diplom. imper. p. 281. Böcliing, Annotat. ad
dignit. imper. II. 991 u. 1011. Orell. Inscr. lat. Nr. 3599 sqq.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
155
stand: jede Flotte war mit einer Legion Schiffssoldaten (sie
hiess legio classica) bemannt. 1 Dazu kamen noch Tausende von
Matrosen und Ruderknechten. 2
Die Seetruppen hatten eine längere Dienstzeit als die
Legionäre und die in die Auxiliar-Cohorten und Alen einge
reihten Bundesgenossen. Erst nach 26 Dienstjahren erhielten
sie die ehrenvolle Entlassung mit dem römischen Bürgerrecht
nebst dem Connubium und sonstigen Belohnungen. 3
Gewöhnlich nahm man zum Seedienst die Bewohner von
den Inseln und Küstenländern des mittelländischen Meeres,
vorzüglich Sardinier, Corsen, Dalmatier, Griechen, thracische
Besser, Cilicier, Syrier, Aegyptier.
Die beiden prätorischen Flotten zu Misenum und Ravenna
mögen zu manchen Zeiten in voller Gesammtstärke (ohne die
Transportschiffe) gegen fünfhundert Kriegsfahrzeuge gezählt
haben. In dem ersten Jahrhundert der Kaiserherrschaft war
ihre Verwendung bei manchen Kriegen eine sehr lebhafte und
eingreifende. In den späteren Jahrhunderten trat offenbar ein
Verfall, besonders bei der misenischen Flotte, ein, indem die
Zahl ihrer Kriegsfahrzeuge ziemlich verringert wurde. Dagegen
1 Veget. 1. c. Apud Misenum et Ravennam singulae legiones cum classibus
stabant, no longius a tutela urbis abscederent et cum ratio postulasset,
sine mora, sine circuitu ad omnes mundi partes navigio pervenirent.
2 Die Milites classis oder Classici (Schiffssoldaten) wurden von den Clas-
siariis (Schiffsbedienung) unterschieden. Maffei, Mus. Veronens. p. 347.
3 Militärdiplome oder ehrenvolle kaiserliche Abschiede für Seesoldaten auf
der misenischen und ravennatisehen Flotte hat Cardinali in den diplomi
imperiali Velletri 1835 abdrucken lassen. Die Missio honesta des Kaisers
Claudius v. J. 52 für Trierarchi und Kerniges qui militaverunt in C1 a s s e
quae est Miseni, Tav. I, p. XV, die des K. Vespasianus v. J. 71 für
Veterani qui militaverunt in Classe Ravennate, Tav. V, p. XXI (nach
Vernazza in den Memorie dell’ Accademia di Torino, Tav. XXIII), des
K. Trojan v. .1. 109 für ii, qui militarunt in classe [Ravennate et Mise-
nensi], Tav. XIII, p. XXXII [theilweise unecht], des Iv. Hadrian v. J.
127 für ii qui militant in Classe Praetoria Rav .... ate, Tav. XIV,
p. XXXIII, v. J. 129 für ii qui militaverant in Classe Pr. Misenensi,
Tav. XV, p. XXXIV, v. J. 134 für ii qui militarunt in Classe Prae
toria Misenensi, Tav. XVI, p. XXXV (nach Vernazza diplom. di
Adriano 1. c.), des K. Antoninus Pius v. J. 145 für ii qui militaverunt
in Classe Praetoria Misenensi, Tav. XIX, p. XXXIX (Arneth,
zwölf Mil. Dipl. Tab. 8, p. 59).
156
A sch b ach.
blieb die Bedeutung der ravennatischen Flotte länger, welche
im Zeitalter der Antonini den Ehrenbeinamen Antoniniana
führte, und nach Constantin dem Grossen die Verbindung
zwischen Italien und Byzanz unterhielt.
Was die einzelnen Schiffe betrifft, so wurden sie zunächst
im Allgemeinen nach der Zahl der Ruderbänke oder Verdecke
benannt und in Ordnungen nach ihrer Grösse eingereiht. Zwei
Reihen von Ruderbänken waren wenigstens für ein Kriegs
fahrzeug erforderlich. Ein derartiges kleineres, schnellfahrendes
Schiff oder Zweidecker führte die Benennung Biremis oder
wurde mit dem griechischen Worte Dieres, manchmal auch
Dicrota 1 bezeichnet. Der gewöhnliche Name aber war Li
bur na, 2 da in der dalmatischen Landschaft Liburnia in der
Regel solche Schiffe gebaut wurden.
Hatte ein Schiff drei Reihen Ruderbänke oder Verdecke,
so hiess es eine Triremis oder Trieres. Die meisten Schiffe
der prätorischen Flotten gehörten zu derartigen Kriegsfahr
zeugen.
Geringer war die Zahl der Schiffe mit vier Reihen Ruder
bänke, welche Quadriremes genannt wurden. Aber nur
höchst selten kommen die Schiffskolosse mit fünf und sechs
Reihen Ruderbänke, die Penteren und Hexeren, vor. Wegen
ihrer Schwerfälligkeit warep sie wenig im Gebrauch.
1 Appian. de bell. civ. II. c. 39 u. de bell, lllyr. c. 3. ’Eyivovxo Atßupvoi,
ysvo«; Ixspov TXXuphov, oixov ’Ioviov xat xa^ vijaous iX/jaxsuov vauatv coxElatg
te xat xouoat^• oOsv 67Ci vuv *Pto|xaui xa xouepa xai o^sa otxpoxa Atßupvi-
oa; -pocrayopsuouaiv. Bei Cicero (ad Attic. 5, 11 und 16) kommt die Form
Dicrotum (sc. navigium), bei Hirt. bell. Alex. c. 47 die Form Dicrota
(sc. navis) vor.
2 Veget. de re milit. IV, 33. Liburnia Dalmatiae pars est, Jadertinae sub-
jacens civitati, cujus exemplo nunc naves bellicae fabricantur et appel-
lantur. Nach Veget. 1. c. c. 37 war Liburna aber auch ein allgemeiner
Ausdruck für Kriegsfahrzeug überhaupt. Die Trimmes und grösseren
Schiffe hiessen Liburnae majores.
:i Veget. de re milit. IV, c. 37 : Quod ad magnitudinem pertinet, minimae
Liburnae remigum habent singulos ordines, paulo majores binos, idoneae
mensurae ternos vel quatemos interdum quinos sortiuntur remigum gradus.
Nec hoc cuique enorme videatur, cum in Actiaco proelio longe majora
referantur concurrisse navigia, ut senorum etiam, vel ultra ordinum
fuerint.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
157
Unter dem Praefectns classis 1 standen die Führer der
einzelnen Schiffe, welche Navarchi, gewöhnlich auch Trierarchi 2
Messen. Auf den kleineren Fahrzeugen, den Liburnen, com-
mandirte oft auch nur ein Centurio 3 oder dessen Stellvertreter
Optio als Schiffscapitän oder Schiffslieutenant. Einen nicht
unwichtigen Posten hatten der Steuermann (Gubernator oder
Gybernator) und sein Stellvertreter, der Proreta. 4
Die Schiffssoldaten, Matrosen und Ruderer wurden nicht
nur im Allgemeinen als Classici, Classiarii und Kerniges be
zeichnet, sondern insbesondere, als in Schaaren von Kämpfen
den eingereiht, Manipulares genannt. Unter ihnen kommen auch
Veterani und Duplarii wie bei den Landlegiönssoldaten vor.
Die mit besonderen Diensten und Geschäften Betrauten waren
der Gustos armorum oder Naophylax, 8 der Scriba, der Medicus,
der Apparitor. 0
1 Er stand im Range ungefähr dem Legatus Augusti, der über einige
Legionen commandirte, gleich.
2 Tribuni militum gab es bei den Legiones classicae unter gewissen Um
ständen. TR in den Schiffsinschriften bedeutet aber nicht Tribunus, son
dern Trierarchus. Wenn die Legio classica, welche auf den einzelnen
Schiffen vertheilt war, bei Landungen in ihrer Gesammtheit auftrat, war
sie wie die Landlegionen in Cohortes geordnet und hatte Tribuni militum
zu Führern. Yeget. de re milit. IV, 32.
3 Tacit. Annal. XIV. c. S. spricht von dem Trierarchus Herculeus (d. i.
Befehlshaber der Triremis Hercules) und seinem Centurio Classiarius.
4 Veget. 1. c. Singulae liburnae (d. i. alle Kriegsfahrzeuge, auch die grösse
ren Triremes, Quadriremes etc.) singulos Navarchos, id est, quasi
Navicularios, habebant, qui exceptis ceteris nautarum officiis, guber-
natoribus atque remigibus et militibus exerecndis, quotidianam curam et
jugem exliibebant industriam.
5 Es kommt auch die Form Naufylax vor. Er hatte das Schiffsgeräthe unter
seiner besonderen Aufsicht. Seneca (de tranquillitate c. 3) erklärt Ar-
morum Custos durch qui annamentario praeest. In den Inschriften wird
Gustos abgekürzt nur mit C bezeichnet oder ganz weggelassen, so dass
nur Armorum bleibt. Es finden sich aber auch andere Abbreviaturen,
als ARM-C, oder A-C oder überhaupt ganz einfach nur A. Vgl. Bonner
Jahrb. 1873. S. 147.
6 Der Apparitor als Schiffsdiener überhaupt wird in den Inschriften auch
in abgekürzter Form angegeben als APP. und AP. — Die Munera
und Officia auf den prätorischen Flotten werden in einer ziemlichen An
zahl von Inschriften bei Gruter, Muratori, Orclli-Henzen, Mommsen u. A.
erwähnt.
15S
Asch bacli.
Die Schiffe waren überhaupt nach der Zahl der Verdecke
oder Reihen von Ruderbänken classificirt, aber ein jedes Fahr
zeug 1 führte noch einen besonderen Namen, der durch ein Ab
zeichen oder Insigne, das gewöhnlich an der Vorderseite des
Schiffes gemalt war, dargestellt wurde. Gerade dadurch wurden
die einzelnen Schiffe von einander unterschieden. Diese Sitte
bestand schon in alten Zeiten nicht nur bei den Griechen und
anderen seefahrenden Nationen, sondern auch bei den Römern.
Der Gottheit, unter deren Schutz das Schiff gestellt war, wurde
auf dem Hintertheile des Schiffes an einem Orte, welcher von
der Schiffsmannschaft wie eine Capelle als besonders geheiligt
betrachtet wurde und Aplustre oder Aplustrum hiess, eine
Statue aufgestellt. 1
Bei den Römern in der Kaiserzeit wurde die Namen
gebung der Schiffe in ein gewisses System gebracht, wovon
höchst selten abgewichen wurde. Grundidee war, dass jedes
Schiff unter einem höheren Schutze stehe und hiervon auch
seine Benennungen erhalten sollte. Daher wurden die Schiffs
benennungen gegeben nach Gottheiten, nicht allein römischen,
sondern auch griechischen und orientalischen, deren Cultus im
Römerreich aufgenommen war, aber auch nach Heroen und
überhaupt mythologischen Wesen und Persönlichkeiten. Von
Götternamen kommen vor: Ammon, Apollo und Sol, Aescula-
pius und Asclepius, Athene und Minerva, Ceres, Cypris und
Venus, Diana, Hercules, Isis, Jupiter, Liber Pater, Mars,
Marinus und Neptunus, Vesta und der Divus Augustus, aber
sonst kein Name eines andern apotheosirtcn Kaisers. Von den
Heroen und mythologischen Persönlichkeiten finden sich vor:
Arsinoe, Castor, Cupido, Danae, Diomedes, Lucifer, Nereis,
Pollux, Salvia (Navisalvia), Silvanus.
Es lässt sich aber nicht bezweifeln, dass auch folgende
Schiffsnamen, die nicht nachgewiesen werden können, vor
kamen : Aeneas, Amphitrite, Aphrodite, Ares, Artemis, Bacchus,
1 Ovicl. Trist. X. v. 1 :
Est mihi sitque precor flavae tutela Miuervae
Navis et a picta casside (i. e. Galea) nomen habet.
Vgl. Ruhnken. de tutel. et insign. nav. Roman, p. 267. Auch bei den
Legionen im Lager war ein geweihter Ort — templum — für den Le
gionsadler und die anderen Imsignia.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
159
Bellona, Capitolmus, Demeter, Dionysos, Faunus, Hermes,
Janus, Jason, Juno, Minos, Mithras, Osiris, Perseus, Phoebus,
Poseidon, Prometheus, Proserpina, Quirinus, Saturnus, Tellus,
Theseus, Thetis, Vulcanus u. a.
Ferner wurden Schiffsnamen beigelegt nach Vorzügen,
Tugenden und vortrefflichen zn mythologischen Gestalten aus
gebildeten Eigenschaften, wie Ännona (i. e. Ubertas), Clementia,
Concordia, Constantia, Fides, Fortuna, Justitia, Juventus,
Libertas, Ops, Pax, Pietas, Providentia, Salus, Spes, Triumphus,
Victoria, Virtus.
Auch von den Strömen und ihren Gottheiten wurden die
Namen entlehnt: Danubius, Euphrates, Nilus, Padus, Rhenus,
Tiberis, Tigris. Sicher kamen auch die nicht nachweisbaren
Namen: Iberus, Rhodanus, Tagus vor.
Auch nach überwundenen Völkern, wovon sich die sieg
reichen Kaiser Ehrennamen beilegten, trugen Schiffe den Namen,
wie Armeniacus, Dacicus, Parthicus, Varvaricus. Es fehlten
sicherlich auch nicht Ai’abicus, Britannicus, Germanicus.
Weitere Benennungen wurden gegeben nach Thieren,
besonders nach denen, welche Gottheiten als Attribute zuge
sellt wurden, wie Aquila, Capricornus, Muraena, Taurus. Es
sind dazu noch zu zählen: Cervus, Columba, Delphinus, Leo,
Pavo. Aber auch nach sachlichen Attributen der Gottheiten
benannte man die Schiffe, wie die Namen Arcifer, Armata,
Clupeus, Galea, Olivus, Quadriga darthun. Nur der Name des
Schiffes Salainina, das wohl unter dem Schutze der Athene
oder des Heros Theseus stand, kann in keine der angeführten
Kategorien eingereiht werden.
Nach dem epigraphischen Gebrauche fand eine genaue
Schiffsbezeichnung in solcher Weise statt, dass vor dem Schiffs
namen eine Ziffer gesetzt wurde, um die Zahl seiner Ruder
bänke damit anzuzeigen. Nur bei Zweideckern findet sich statt
der Zahl II gewöhnlich das Wort Liburna (oder Lib.) vor
gesetzt. Da bei den prätorischen Flotten nicht selten gleich
namige Schiffe vorkamen, so verlangte es die Genauigkeit
noch beizufügen, ob das Schiff zu der ravennatischen oder
misenischen Flotte gehörte.
Man verdankt die Kenntniss der Schiffsnamen fast einzig
und allein Grabinschriften auf Schiffssoldaten. Diese Inschriften
*
160 Aschbach.
sind einfach und ziemlich gleichförmig. Nach der Anfangs
formel D M (Diis Marabus) folgt der Name und Rang der
Militärperson (im Genitiv oder Dativ), welcher die Grabschrift
gewidmet ist, sodann der genaue Schiffsname mit oder ohne
Beifügung der prätorischen Flotte, hierauf die Angabe der
Nationalität des Verstorbenen, seines Lebensalters, der Dauer
seiner Kriegsdienstjahre, und nachdem der Name des Widmers
und dessen Eigenschaft als Erben, Verwandten, Freundes an
gegeben worden, kommt die Schlussformel B M F (bene merenti
fecit); oft fehlt auch F oder cs ist dafür P (posuit) gesetzt.
Der Schiffsname steht im Ablativ mit oder ohne die Präposi
tionen de oder ex. Die Nationalität wird mit Natione (abge
kürzt NAT. oder N) und folgendem Volksnamen gewöhnlich
im Nominativ ohne Rücksicht auf die Satzverbindung bezeich
net. Bei den feststehenden Formen konnte man sich Abbre
viaturen der weitgehendsten Art bedienen. 1
Da in diesen Grabschriften keine Angaben von Kaiser
regierungen oder Consulatsjahrcn verkommen,' 2 so fehlen die
Anhaltspunkte für eine genaue chronologische Bestimmung in
Betreff der Zeit, wann sie gemacht worden sind.
Ueber die Schiffe, welche zu den beiden prätorischen
Flotten gehörten, haben bereits einige italienische Alterthums
forscher geschrieben. Da man bei dieser Sache fast ganz allein
auf Inschriften sich stützen muss und in neuester Zeit das
1 Des Beispiels wegen eine fingirte Inschrift mit solchen Abbreviaturen:
D-M
T-FLA VI SEVERI
M C-P M III VIRT
N DEL'QVALMAXXV
C-IVL1VS MONTANVS
HBMF
i. e. Diis Manibus Titi Flavii Severi Militis Classis Praetoriae Misenensis
(ex) Trireme Virtute Natione Delmata Qui Vixit Annis L Militavit Annis
XXV C. Julius Montanus Heres Bene Merenti Fecit.
2 Mommsen hat mit Recht die Grabschrift auf einen Soldaten der miseni-
schen Flotte mit der chronologischen Angabe Antonino Aug. 1III et
Anrelio II Cos. unter die falschen Inschriften gesetzt (Inscript, regn.
Neapol. Nr. 477), da, abgesehen von den sonstigen auffälligen Unregel
mässigkeiten in der Inschrift ein solches Consulpaar nicht vorkommt.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
161
epigraphische Material eine ansehnliche Vermehrung erhalten
hat, so lassen sich nunmehr vollständigere Resultate gewinnen.
Im vorigen Jahrhundert haben in ihren Inschriftensammlungen
Fabretti, 1 Gori, 2 Doni, 4 Maffei, 4 Muratori, 5 Donati ein reiches
epigraphisches Material für den Gegenstand geliefert. Marini 6
und Vernazza 7 machten dann ergänzende Zusammenstellungen.
Der letztere führt 45 misenische Schiffe an, s die freilich nicht
alle als solche mit voller Sicherheit nachgewiesen sind. Cardi-
nali 11 suchte schärfer zwischen ravennatischen und misenischen
Schiffen zu unterscheiden und hat eine namhafte Ergänzung
des Schiffskatalogs geliefert, indem er dazu über anderthalb
hundert Inschriften benutzte. Einen weiteren Zuwachs erhielt
das epigraphische Material durch Th. Mommsen in der jüngsten
Zeit, 10 so dass der Gegenstand jetzt von neuem zur Bearbei
tung einladet.
Von den aus ungefähr zweihundert Inschriften gewonnenen
71 Namen prätorischer Schiffe gehören die meisten der mise
nischen Flotte an. Nur gering ist die Zahl der Schiffe, welche
als ravennatische nachgewiesen werden können; freilich wenn
man die Fundorte der Inschriften berücksichtigen würde, was
aber immer nur einen unsicheren Anhaltspunkt darbietet, 11 so
1 Fabretti, Inscriptionura antiquar. explicatio. Rom. 1702. Fol.
2 Gori, Inseripitiones antiquae, qnae exstant in Etruriae urbibus. Florent.
1727—44. 3 Voll. Fol.
3 Doni, Inscript, antiq. c. not. A. F. Gorii. Flor. 1731. Fol.
4 Maffei, Museum Veronens. Veron. 1749. Fol.
5 Muratori, Thesaurus veterum Inscriptionum. Mediol. 1739—42. 4 Voll.
Fol. Nachträge dazu von Donati. Lucea 1765. Fol.
13 Marini, gli atti e monumenti de’ fratelli Arvali. Rom. 1795. 3 Voll. 4°.
7 Jos. Vernazza de Freney, diploma di Adriano. Torino 1817. 4° und
abgedr. in den Memor. dell’ Accademia delle Scienze di Torino. T. XXIII.
Torino 1818. p. 83—159.
8 P. 156. Navium classis Praetoriae Misenensis appellationes, vel a tutela
quae esset in puppi vel a nomine quod esset in prora.
8 Clemente Cardinali Memor. Antiq. I. 2. und vermehrt in den Diplomi
imperiali di privilegj accordati ai militari. Velletri 1835. 4°.
10 Theod. Mommsen, Inscriptiones regni Neapolit. latinae. Dips. 1852. Fol.
11 Inschriften von Schiffssoldaten der ravennatischen Flotte sind bei Mise-
num, und umgekehrt von misenischen Schiffsleuten bei Ravenna gefunden
worden.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXX1X. Ud. I. Hft. 11
162
Aschbacli.
könnte man ein Verzeichniss von einer grösseren Anzahl Namen
ravennatischer Schiffe aufstellen.
Da nicht selten der gleiche Name Schiffen von verschie
dener Grösse beigelegt war, wie z. B. ein Schiff Fides als
Liburna', Triremis und Quadriremis vorkommt, so umfassen
die 71 Namen an hundert bestimmte Bezeichnungen prätori
scher Schiffe.
Schiffe mit demselben Namen und einer gleichen Anzahl
Ruderbänke müssen als verschiedene Kriegsfahrzeuge betrachtet
werden, wenn sie in beiden prätorischen Flotten Vorkommen.
So gehörte eine Triremis Hercules sowohl der misenischen wie
der ravennatischen Flotte an. Cardinali ist der nicht annehm
baren Meinung, ein solches Schiff sei als ein einziges zu be
trachten, welches bald der einen, bald der andern Flotte zu-
getheilt gewesen, um die Seeleute mit sämmtlichen Gewässern,
Küstenländern, Inseln, Stationen des Mittelmeeres näher bekannt
und vertraut zu machen.
Die dem nachfolgenden Schiffskataloge beigefügten In
schriften sind dazu ausgewählt, um einestheils die Angehörig
keit der Schiffe zu der betreffenden prätorischen Flotte nach
zuweisen, anderntheils um die Modificationen in der formellen
Bezeichnung derselben Schiffsnamen darzulegen.
Sehiffskatalog.
I. Aesculapius. a) Eine ravennatische Trireme.
DM
QPANENTI QVINTI
ANI MIL CI, PR RAV
III AESC • N • DEL • ST • * II
C • POSTVMI VALENS
PROR IIER ET M PLA
RERTIVS SYRIO
SVBHE ET PROC • MERENTI
i. e. Dis manibus Quinti Panentii Quintiani militis Classis
Praetoriae Ravennatis [ex] trireme Aesculapio natione
Delmata stipendiorum XXXII Caius Postumius Valens
proreta heres et Marcus Plarertius Syrio subheres et
procurator merenti.
Mommsen Inscr. R. N. Nr. 2805.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
1G3
Es ist etwas ungewöhnliches, dass nur die Zahl der Feld
züge (Stipendia) angegeben wird, ohne das Lebensalter zu
erwähnen. In zwei andern Inschriften (bei Muratori, Inscript.
Nr. 827, 5 u. 6) kommt die Trireme Äesculapius ohne Flot-
tenangabe vor; in der ersten ein T. Junius Yerecundus lll
AESCVLAPIO NATIDEL", in der andern ein P. Marius
Niger III AESCVLAPIO, der 25 Jahre Kriegsdienste geleistet
hatte.
b) Eine Libur na ohne Flottenangabe.
DM
CVALERIO LONGI
NO LIB-AESCVLAPIO
STIP • XV • N • CILIX VIXIT
ANN XXX VALERI
VS APOLLINARIS
II ERES LIB-AESCVL
B M F
Mommsen Inscr. R. N. Nr. 2828.
II. Ammon. Eine ravennatische Liburna.
DM
AVFIDI LIVI
ANI OPTIO
NIS RAV LIP, AMMON
QVALX
M A XVII
CIRCENIVS FR
ONTO III ARCI
H-B'M'F
i. e. Diis manibus Aufidii Liviani Optionis [classis Praetoriae]
Ravennatis [ex] Liburna Amnione qui vixit annis LX
militavit annis XVII Circenius Fronto [ex] Trireme Arci-
fero heres bene merenti fecit. (Orelli Inscript, lat. 3625
nach Marini, Frat. Arv. II. p. 409).
Zeile 8 III ARCI ist zu lesen: III ARCIfero, nicht Hl
ARSI i. e. Arsinoe; vgl. unten ARSINOE Nr. IX.
li*
III. Annona. Eine Q.uadrireme ohne Flottenangabe.
DM
CVLPIVS LICINI
ANUS ARMOR 1111 VESI
N-P • FL IVC-MARCEL
STRIGEX EADEM ET AEL
EXORAT STRIO 1111 ANN
MVNICI B M F D S
i. e. nach Mommsen’s Lesung- und Verbesserungen (Inscr. R.
N. Nr. 2735). Diis inanibus C. Ulpius Livianus armorum
(custos) IIII Vesta natione Pannonus Flavins Iucundus
Marcellus Strio ex eadem et Aelius Exoratus Strio IIII
Annona municipes bene merenti fecerunt de suis. (Strio
= Stridon in Dalmatien.) Für IIII ANN' entweder IIII
AMM i. e. Quadrireme Amnione oder LIB AMMone zu
lesen, möchte nicht zu empfehlen sein. Mommsen (2836)
findet auch in der Inschrift, worin Nr. XI die III Athene
vorkommt, im Schluss IIT ATENON die III Annona.
IV. Apollo. Eine misenische Trireme.
DM
C'VALERI MODESTI
MILCLPRMIS
III APOLIN
N • BES VIX • AN • XXX • M • A • V
H'B'MF
i. e. Diis Manibus Caii Valerii Modesti militis Classis Prae-
toriae Misenensis Trireme Apolline natione Bessus vixit
annis XXX militavit V heres bene merenti fecit.
Cardinali, diplom. imper. Nr. 22.
Eine andere Inschrift ohne Flottenangabe von der Trireme
Apollo bei Muratori 864, 7 = Mommsen 2832 auf einen Schiffs-
centurio M. Valerius Pi-iscus 7. III APOLLINE NATIONE
AEGYPTIVS.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schilfe.
165
V. Aquila. a) Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
L CATTI VIATOR IH_AQVILA NAT
IONE CORSVIX [A] E MIL
ANN- XXVII TARQVINIVS VALENS
EX EADEM H B-M-F
Murat. 843, 6. Mommsen 2773.
Eine andere Inschrift auf den Seesoldaten M. Claudius
Apollinaris III AQVILA NATione ALEXandrinus gibt Mommsen
2776. Vernazza p. 157 zählt diese Trireme zu den misenischen
Schiffen.
b) Eine Libur na ohne Flottenangabe.
C. MARCIVS VALENS
F • SERG • MAXIMVS TR
DE LIB- AQVILA SIBI ET
SILIAE EVTYCHIAE VXORI
ET LIBERTIS LIBERTAB-
POSTERISQ ■ EORVM OMNIBVS TF I
Gruter, Inscr. 806, 1. Mommsen 2660. Eine zweite ver
stümmelte Inschrift von Claudius Valens, Soldaten von der
LIB AQVILA, gibt Mommsen 2777.
VI. Arcifer. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
Vgl. oben Nr. II. Ammon. IIF ARCI, wofür man auch
fiT ARSI i. e. ARSInoe (vgl. Nr. IX Arsinoe) lesen will.
Orelli 3625.
VII. Armata. a) Eine Quadrireme ohne Flottenangabe.
D M
L • SARDINI SA
TVRNINI IUI AR
MATA NAT-AFER
VIX ANN XXXX
MILIT ■ ANN ■ XVIIII
CLO DIA SECVNDA
MATER FILIO BMF
Vignoli, Inscr. select. p. 229. Gori, Inscr. Etr. 378. Murat.
856, 6. Vernazza p. 156. Mommsen 2817. Die Lesung LIB
statt IIII dürfte zu verwerfen sein.
166
Asclibach.
b) Eine Liburna der misenisclien Flotte.
DM
MVLPIO MAXI MO
MIL CL PRMISLIB AR
MATA NAT • BESS VA- XLVII
MIL ANN-XXVIII.
i. e. Dis Manibus Marco Ulpio Maximo militi Classis Praeto-
riae Misenensis (ex) Liburna Armata natioue Bessus vixit
annis XLVII militavit annis XXV1I1.
Cardinali Nr. 19.
c) Eine Liburna ohne Flottenangabe.
MANIP-LIB ARMATA
NAT CILIX VIXIT
ANN XXXXV MILIT
ANN XXim PIBMF
Mommsen 2839.
Muratori gibt 784, 6 eine corrumpirte Inschrift, worin
wahrscheinlich auch unsere Lib. Armata (oder vielleicht auch
die IIII Armata) erwähnt ist.
P • ARRIVS P • F ■ MONTAN VS
MOCAZIA HELFIS VXOR
P- ARRIVS POLLVX
Q-D . . - S DAG VS OPIR III
TRINNATA MOCAZIA SECVNDA
P-ARRIVS P L CASTOR
Muratori bemerkt dazu: Nomen 111 TRINNATA corrup-
tum puto. Die drei letzten Zeilen der Inschrift sind wohl zu
lesen:
QDEciuS DAG VS OPTIO LIB
ARMATA MOCAZIA SECVNDA
P • ARRIVS PL- CASTOR
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
167
VIII. Armeniacus. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
M ■ TITIVS SEVERVS
III armeNa-nat . . .
VIX ■ AN ■ . . .
MIL . . .
TVRÄNNIVS . . .
ROME
RARISS . . .
PC
Verstümmelte Inschrift bei Muratori 2036, 1. Der Fund
ort Ravenna deutet darauf hin, dass dies Schiff zu der ravenna
tischen Flotte gehörte.
IX. Arsinoe. Eine nach der Mutter des Aesculapius
genannte Trireme ohne Flottenangabe.
DM
M-TITIVS
APVLVS
III ARSIN
NAT DEL
VIX ANXL
MIL AN XII
MANNIVS
APVLVS F
BMPT
i. e. Dis Manibus Marcus Titius Apulus III Arsinoe natione
Delmata vixit annos XL militavit annos XII Marcus
Annius Apulus frater bene merenti ponendum curavit.
Muratori 859, 1.
Cardinali, Dipl. mil. p. 282, verbessert die unrichtige Mura-
tori’sche Lesung ARC1N in ARSINoe. Auch in der von Orelli
3625 mitgetheilten Inschrift, worin III ARCI voi'kommt, will
man dafür ARSInoe lesen. Vgl. oben Nr. II. Amnion.
168
Aschbach.
X. Asclepius. Eine misenisclie Trireme.
DIS MANIBVS
LANTONIVS LEO Q
ET NEON ZOILI F
NATIO • CILIX MIL • CL
PR MIS “ III ASCLEPIO
VIXIT ANNOS XXVJI
MILITAVIT ANN • V1III
CIVLIVS PAVLYS IIE
RES CVR-FECIT
i. e. Dis manibus Lucius Antonius Leo qui et Neon Zoili
filius natione Cilix miles Classis Praetoriae Misenensis
centurio (ex) III Asclepio vixit annos XXVII militavit
annos VII1I Caius Julius Paulus lieres curanjum fecit.
Mommsen 2753. — Die misenisclie Trireme Asclepius ist
nicht mit der oben angeführten ravennatischen Trireme Aescu-
lapius (Nr. I) zu verwechseln.
XI. Athene. Eine Trireme ohne Flottenangabe. 1
D M
CPETICI HERACLI N
AEG-ARM III ATHEN
VIX ANN XXX MIL ANN XII
VALERIA THEODOTE
VXOR ET HEB M F
i. e. Dis Manibus Caii Petici Heraclii natione Aegyptii ar-
morum (custodis) ex trireme Athene vixit annis XXX
militavit annis XII Valeria Theodote uxor et heres bene
merenti fecit.
(Gori, Inscr. Etrusc. I. p. 240 liest Zeile 3: AEGAR III
ATHEN von Aegara, einer Stadt Lydiens — vgl. Murat. 841,
4. Mommsen 2681 hat die verbesserte Lesung.)
Muratori (808, 8) theilt eine ziemlich corrumpirte In
schrift mit einem sonst nicht vorkommenden Schilfsnamen
Atilinus mit.
1 Vernazza p. 157 rechnet sie zu den misenisclieu Schiffen; dagegen erklärt
sich Cardinali.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
169
DM
CVLRATTO VMBRO
NI PVLCRI III ATILINO
NATIONE OIL IN VIXIT
ANNIS NXXV MI UTA VIT
ANNIS XII CANTON1VS
SATVRNINVS III . . . NONRI
S 0 M
Genauer ist die Abschrift,, welche Mommsen 2836 liefert:
Q- VERSATIO VMBRO
maNIPVLARI III ATHEN
NATIONE CILIX
VIXIT ANNIS XXXV MILITA
VIT ANNIS XIII C • ANTONI
sATVRNINVS III ATENON
HERES B M
In der vorletzten Zeile III ATENON findet Mommsen
eine Corruption für III ANNONa, indem man in der Mu-
ratorischen Lesung III . . . NONRI eher den Namen III
rheNO N RE i. e. ex III Rheno Natione Retus finden könnte.
Cardinali p. 282 hat das corrumpirte Atilinus als Name
eines Schiffes in seinen Schiffskatalog aufgenommen.
XII. August us. a) Eine Pente re ohne Flottenangabe.
DM
T FVLVIVS NEPO
V AVG NAT BES
VIX ■ AN ■ XXXXII1I
MIL ■ AN ■ XXIIII
L • CASS • CORDV H P
INF-P-VI IN A P-V
i- e. Diis Manibus Titus Fulvius Nepos (ex) V Augusto na
tione Bessus vixit annis XLIV militavit annis XXIV
Lucius Cassius Cordus heres posuit. In fronte pedes sex,
in ag-ro pedes quinque.
Muratori 817, 2.
170
Asclibacli.
Dieselbe Pentere kommt vor in der Inschrift bei Mura-
tori 865, 1. (cf. Orelli. 3688. Not.)
DM
M-VAL-SATVR
ITI PIKT
VIX -AN XX
MIL MEN-VI
M> VAL • CAPIT
EXEHER FR
L DOM • MART
DVP -SVB P C
ITEM ■ V AVG
M • SESTI • PVDE
N • DEL • VIX AN
XVIILMIL • AN
VIII III PIET M
VAL CAPITO F . . .
R H B M PO . .
CVRAVIT
i. e. Dis Manibus Marci Valerii Saturnini (ex) III Pietate
vixit annos XX militavit menses VI Marcus Valerius
Capito exlieres frater L. Domitius Martins Duplarius
subheres ponendum curaverunt. Item (ex) V Augusto
M. Sesti Pudentis natione Delmata vixit annos XVIII
militavit annos VIII (ex) XII Pietate Marcus Valerius
Capito frater heres bene merenti ponendum curavit.
b) Eine misenische Tri re me.
DM
M LR.. NI VALERI
MIL EX CL -PR MIS
III AVG VIXIT ANN
XXXII MIL ANN
XII Q • CASSIV8 ROMAN VS
V TOR H .
Muratori, der die Inschrift 837, 1 gibt, liest die letzte
Zeile VI OPE i. e. die llexerc Ops. Mommsen Nr. 2746 ver-
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
171
bessert VI OP H i. e. VI OPE Heres (sc. bene merenti).
Vielleicht ist V IOVE zu lesen, denn es gab neben der Tri-
reme Jupiter wohl auch eine Pentere Jupiter.
Eine ravennatische Trireme Augustus führt Fabretti 5,
114 (vgl. Gori 3, 68) an. III Augustus ohne Flottenangabe
kommt mehrmals in Inschriften vor.
DM
CORNELIAE
DIONYSIADI
VERN • PVTEOL
VIX-ANN XXX ANT
IHIERAX NA VF III
AVG CONIVGI BMF
Maffei M. V. 349 = Mommsen 2702.
. . EX III AVG ■ NAT • S ARD VS
MILIT-ANN-VIII VIX ANN XXXV
NVMIS1VS ROMANVS EX EAD
III IVLIVS ROMANVS III PIETÄT
IIERED • B ■ M • FECER ■
Minervini Bollet. Nap. p. 7. Vgl. Mommsen 2804.
Andere Inschriften der III Augustus bei Cardinali Nr. 118
u. 119. Mommsen 2827. Zu dieser Classe muss auch gezählt
werden folgende bei Muratori 843, 6 befindliche:
DM
M ■ POMPEIO
SENEGAE DEL
VIX AN-L MIL
AN • XXV III AO
MAVRELIVS
MVS EX EADEM
AO ist mit der Ligatur NG geschrieben und unrichtig
gelesen. Die dritte Zeile lautete wohl SENECaeX4 (i. e. Na-
tione) DELmata. Bei dem Schluss ex eadem ist zu suppliren
trireme.
Barbarus 's, unten Varvaricus Nr. LXVII.
172
A schbach.
XIII. Capricornus. Eine misenisehe Trireme.
DM
M AEGNATTVS DI
OGENES EX III CA
PRICORN NATIO AI,EX AND ■ VIXIT
ANNIS XXI MILITAVIT ANNIS III
HERES CAMVLI
VS CLAVDIANVS R M
Marin, fratr. Arval II. p. 410.
Gruter 1030, 2 gibt eine Inschrift mit L. Ann. Sever.
Mil. Classis Praetoriae Misenensis ex Capricorno trireme.
XIV. Castor. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
D-M
C ■ DASIANVS TITI
ANVS N • DELMATA
V A XXX MIL AN VIII
111 CASTORE
Muratori 809, 4. ■— Cardinali, dipl. mil. 569 liefert eine
Inschrift auf M. Barbus Fronte III CASTOR-N • DELM■
Centaurus, eine bei Virgil vorkommende Bezeichnung
eines Schiffes (vgl. Cardinali p. 285), kann nicht bei den
beiden prätorischen Flotten in Betracht gezogen werden.
XV. Ceres. Eine misenisehe Trireme.
DM
GAIVS CALBISIVS SECVNDVS
miiJes ex classe praetoria
MISENENSI MANIPVLARIS EX
CERERE III MILITABIT XXI VIXIT AN
NIS XXX OCTABIA ARECVSA
CON1VX BENEMERENTI FECIT
Mommsen 2769. Er ändert die Zahl XXI in XI, Ohne
Flottenangabe kommt die III Ceres auch in den Inschriften
bei Mommsen 2749, 2764, 2792 (= Maffei M. Veron. 476, _6)
vor. Die Maffei’sche Grabschrift (475, 11) mit SCRIBA III
CERERE zählt Mommsen 457 zu den falschen Inscriptionen.
l)ie lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
173
Die in der Inschrift bei Mommsen 2766 vorkommende Triremis
Ceres ist bei der misenischen Quadriremis Fides Nr. XXVIII. a.
nachzusehen.
Chimaera und Cygnus, zwei Schiffsnamen bei Ovid und
Virgil, sind als Schiffsbezeichnungen der beiden prätorischen
Flotten nicht nachzuweisen. (Vgl. Cardinali 1. c. p. 285.)
XVI. Clementia. Eine Liburna ohne Flottenangabe.
DM
C • ACVTIVS LEO
LIB ■ CLEMENTIA
PORBEDIAE QVARTAE
CONIVGI CARISSIMAE
BENEMERENTI VIX • ANN • XXVIII
Muratori 1288, 3 = Mommsen 2747.
XVII. Clupeus. Eine Liburna ohne Flottenangabe.
Q LICOVIVS L ADAVCTVS
VIVI FECERVNT SIBI ET SVIS
SVORVM SVIS
BARTOLAE DONS F
DE LIBVRNA CLYPEO
TFI-
PAIVS VENTO I F V F SIBI ET SVIS
DEMARTE LIB LIBQ,
BICROTAE
Murat. 2033, 6.
Die durch Versehen aus drei verschiedenen Grabschriften
in eine zusammengestellte Inscription, welche Muratori aus
ungenauer Abschrift mittheilt, kann durch eine andere, die
ebenfalls bei Muratori 799, 2 in ziemlich corrumpirter Form
abgedruckt ist, berichtigt werden. Offenbar ist diese zweite
Inschrift mit den sechs letzten Zeilen der ersten identisch. Sie
lautet:
BA TOLAI DIONIS F■ DE LIB
AVPEO TEL PAIVS VERTONIS F
DE MAREAE BICROTA V F
SIBI ET SVIS LIB LIBEBTISQ
174
Aschbach.
i. e. Bartolai Dionis filius de Liburna Clupeo (vivus) feeit et
Paius Yertonis filius de Marte Bicrota vivus fecit sibi et
suis libertis libertabusque.
XVIII. Concordia. Eine misenische Trireme.
DM
LSALVIO PVDENTI MILITI
EX CLASSE PR MIS • DE III
CONCORDIA NATBESSO VIXIT
ÄNN-XXXV MILIT • ANN ■ XVI
BARBIVS CRESCENS VETER EX
CENTVRIONIB ■ EIVSD ■ CLASSIS
HER ES B M FECIT.
Muratori 849, 6 = Mommsen 2G69.
Marini, fr. Arv. II. p. 409 gibt eine andere Inschrift auf
einen Soldaten der misenischen III Concordia. Vgl. unten die
Trireme Salvia Nr. LIX.
Eine Trireme Concordia ohne Flottenangabe.
D M ARTORIA EV
PHRJENVSA NATT
SINOP • VIX • ANN • XXVI
ARTORIVS SABINVS
OPTIO III CONCORD
COIVGI BMF
Mommsen 2712.
Eine III Concordia kommt auch in der Inschrift bei
Mommsen 2736 vor.
XIX. Constantia. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
D M
C-DIDI MAXIMI
III COSTAN -V A XXVII . .
Cardinali, dipl. Nr. 570.
Der Schluss der verstümmelten Inschrift ist zu lesen
m CONSTANtia Vixit Annfs XXVII
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
175
XX. Cupido. Eine misenische Trireme.
D M
C-VTTIO
VERECVNDO
MIL - CL-PR-MIS
m cvpi
N-GREC
M A X- V A XXXIII
HB MF
i. e. Dis Manibus Caio Uttio Verecundo militi Classis Praetoriae
Misenensis III Cupidine natione Graecus militavit annos
X vixit annos XXXIII heres benemerenti fecit.
Cardinali, dipl. Nr. 15. Eine andere Grabschrift auf einen
MIL ■ CL ■ PR • MIS - Hl C VPID NAT • DELMAT bei_ Muratori
860, 7 = Mommsen 2794, einen MED-DVPL-III CVPID
ohne Flottenangabe (Murat. 860, 7 = Orelli 3641 = Mommsen
2701) und den Proreta 111 CVPIDIN (Mommsen 2721) cf. unten
die Trireme Euphrates Nr. XXVII.
XXI. Cypris. Eine Trireme. 1
XXII. Dacicus. Eine misenische Quadrireme.
D M
C IVLIO DIODORO
MIL ■ CLASS - PR - MISEN
TTTI DACICO NAT-BITIIYN
VIX ANN-XLV MIL-ANN-XXII
TI • CLAVD1VS PATERNVS
SCR1BA TIERES
Vignoli, inscr. sei. 297. Gori 3, 63. Mur. 822, 6. Vernazza
p. 95. Mommsen 2729. Ohne Flottenangabe andere Grab
schriften bei Murat. 807, 3 u. 808, 3 = Mommsen 2779 u. 2825:
1 Worüber Cardinali p. 283, ohne die Inschrift mitzutheilen, Folgendes
bemerkt: CYPRIS. Alla faeia 339 degli Adversaria Minora del
Marini deve esser notato un marmo che ricorde questa trireme, come
desumo delle postille marginali autografe dell’ esemplare degli Arvali,
che possiede oggi il Cav. Luigi Marini.
176
A s c li 1) a c li
MANIPularis IIII DACIC NATIOne PANNonus. Vgl. Liburna
Neptunus Nr. XLIV. Manipularis . . . IIII DACICO.
XXIII. Danae. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
ATHENIO DE
III DANAE CORO
NARIVS QVARTAE AVFIDIAE
VXORI SVAE BENEVOLENTI
E1VS ET HONORIS CAVSA FECIT
Fabretti 366, 120. Murat. 786, 1. Orelli 3645.
XXIV. Danubius. Eine Trireme der misenisohen
Flotte.
D M
C • SER VII
PAVLIN
MIL DVPL CL PR MISEN
III DANVVIO ASIA . . .
Murat. 853, 2 = Mommsen 2741.
Die Trireme Danubius wird auch angeführt in der Grab
schrift auf Babbius Maturus bei Mommsen 2766. Vgl. unten
die Trireme Fides Nr. XXVIII. a.
XXV. Diana, a) Eine Trireme ohne Flottenangabe.
A • PAPIRIO VERNACVLO
RO CIVITATE DON-N DELM
VIX ■ ANN • XXXXVI MIL A-XXVI
DIDIVS SATVRNINVS F DOC III ET DIANA
i. e. Aulo Papirio Vernaculo Romana civitate donato natione
Delmata vixit annis XXXXVI militavit annis XXVI
Didius Saturninus filius Doctor (i. e. Exercitator) III
Dianae.
Muratori 839, 8. (ET vor Diana ist fehlerhaft; vielleicht
ist zu lesen DE III DIANA mit Weglassung des ET.) Die
Inschrift von Seleucus Optio III DIANA gibt ebenfalls Muratori
851, 2. Eine andere, worin Julius Apollinaris MIL EX III
DIANA vorkommt, Murat. 781, 7 = Mommsen 2756, wird
unten bei der Pentere Victoria Nr. LXX, a. mitgetheiit.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
177
b) Eine Liburna ohne Flottenang'abe.
VLCIA ML-GLAPHYR
OB MERITIS EIVS
POSVERVNT T-ALFIVS
LABEO ET MYRCIVS
ZANATIS F-ET S VA VIS
DE LIBVRNA DIANA
Maffei, Mon. Veron. 125, 2 = Murat. 870, 8.
XXVI. Diomedes. Eine Trireme ohne Flottenang'abe.
. . EX Dl DIOMEDE IN F-P-XII-IN A-P-XII
i. e. Ex III Diomede. In fronte pedes XII, in agro pedes XII.
Verstümmelte Inschrift bei Mommsen 1474.
XXVII. Euphrates. Eine misenische Trireme.
DM
VALEIilO
PLOTIANO III
EVPPIRAT • CL • PR
MANTONIVS PAV
LINV H III SPE
. .INC-
Reines. VIII. 26 = Mommsen 2667.
DM
CERENNIVS PAVLVS
PRORETA III CVPIDIN
FliAVIVS SABIN VS ARM[orum custos]
III EVFRAT• HERES ET.
AMI CVS PF- MEM . . .
Mommsen 2711.
XXVIII. Fides, a) Eine misenische Quadrireme.
DM
P-BABBIO MATVI40 MILITI
EX CLASSE PRAET ■ MISENIENSI
I1II FIDE SYRO NATION-ARA
BO MIL1T • ANNIS IIII VLPIVS
MARINVS III CERERE ET CLAVDI
VS MARINVS III DANVVIO HERED
Mommsen 2766.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft.
12
178
Aschbach.
Eine Qu ad ri re me ohne Flottenangabe.
D M
SEX • SALLVSTIVS
FA VST VS M1LES
GYBERIIII FIDE
MILITA • ANNIS
XXVI VIXIT ANNIS
L HEREDES B M F
Muratori 2036, 1 = Mommsen 2700. Gyber. i. e. Guber
nator.
Die IIII Fides kommt noch vor in den Inschriften bei
Murat. 876, 3 u. 877, 1, und in der grossen Inschrift der
Vigiles bei Gori I, 125 u. 129. Siehe unten III Spes Nr. LXII.
b) Eine misenische Trireme.
C CLAVDIVS VICTOR
QVI EX SOLADI
NI F-MIL EX CLASS ■ PR• MISEN DE fil FIDE
MILIT • ANN • X ■ VIX ■ ANN XXX
TESTAMENT FIERI IVSSIT
Cardinali Nr. 16 = Mommsen 2793.
Eine III Fides ohne Flottenangabe.
D M
C SENIO SEVERO
MANIPVLARIO EX III FI
De natione bessvs
VIXIT ÄNNOS XXXXVI
MILITA VIT ANNOS XXVI AEMI
LI VS DOLENS ERES B M
FECIT
Gruter 561, 1. Mommsen 2814.
c) Eine Liburna, welche von Cardinali und Vernazza
zu der misenischen Flotte gezählt wird, da die Inschrift bei
Gori I, 129, Murat. 877, 2 (vgl. unten III Spes Nr. LXII) sie
ein misenisches Fahrzeug nennt.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
179
D M
L -VALERIVS VICTOR
EX 11 FIDE NATIONE
S ARD VS VICTIMARI
VS PRINC1 PALIS
MILTTAVIT ANNIS
XXIII VIXIT ANNIS XXXI
AVRELIÄ SPES CONIVGI B M
FEC1T
Murat. 864, 1. Orelli 3644. Momms. 2739.
(In der einen oder in der anderen Zahl ist ohne Zweifel
Versehen.)
DM
L AVRELIO FORTI FABRO DV
PLICARIO LIB ■ FIDE NATIONE
SARDO VIXIT ANNIS LII M-CARI
SIVS FRONTO HERES B-M-FECIT
CVRANTE ARRVNTIO PETRONI
ANO AMICO OPTIMO
Murat. 793, 5. Orelli 3642. Monnns. 2639.
Eine weitere Lib. Fides gibt Murat. 791, 2 u. 2036, 3
Mominsen 2816 (vgl. unten Liburna Justitia Nr. XXXIV).
XXIX. Fortuna, a) Eine misenisclie Quadrireme.
DM-
L • SVLPICIVS ARTEMI
DORI MIL-CLASS-PR
MISENEN-1I1T FORT VN
NATIONE AEGYPTIVS
VIXIT ANN-XXI-MILI
TA VIT ANN-VIII
L -VALERIVS ACIIIL
LEVS EX EADEM II BMF
Muratori 856, 4.
12*
180
Asclib ach.
M
DM
T • TITIANO
IVLIANO GYB
IIII FORT KAT
PARAETONIO
VAXLII MIL
A XIX VAL ■ ZO
SIME CONIV
BMPC
Marini, Inscr. Alb. p. 132. Mommsen, Corp. Inscr. lat.
Vol. III. P. I. Nr. 3165. p. 402. Paraetonium, aucli Ammonia
genannt, ägyptiöch-libyische Grenzstadt.
Zwei Inschriften, worin Till FORT ohne Flottenangabe
vorkommt, bei Maffei, Mon. Ver. 363, 1 und Cardinali, dipl.
mil. Nr. 14 und eine dritte mit IIII FORTV bei Maffei 1. c.
847, 11 = Mommsen, Insci\ R. N. Nr. 2778. Vgl. unten die
Quadrireme Vesta Nr. LXIX. a.
b) Eine misenische Trireme.
DM
C • TAMVDIVS CASSIANVS
MIL ■ CLASS • PR ■ MISENS
MANIP III PROVIDENTIA
NATIONE SARDVS VIXIT
ANNIS XXVIII MIL ANNIS VIII
SEX IVLIVS QVIRINVS MANIP
111 FORT VN A 11 ERES
BMF
Muratori 856, 8 = Mommsen 2818.
Ueber die III FORT VN A Donat. 284, 3, Fabretti 5, 116,
Murat. 856, 4 und 863, 1, Gori, J. E. 3, 72.
c) Eine Liburna ohne Flottenangabe.
Vgl. Cardinali p. 283 nach Marini, advers. min. p. 357.
XXX. Galea. Eine Trireme (ohne Flottenangabe), welche
den Dichter Ovid in die Verbannung ans Schwarze Meer
brachte. 1
1 Ovid. Trist. I. 10, v. 1.
Est mihi sitque precor flavae tutela Minervae
Navis et a pieta casside (i. e. Galea) noinen habet.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
181
PHALLAEVS
DIOCLIS FGVBER
DE GALEA ■ TBIERIS
ET NICE JL-P-F
IN FR• PAG IN AGR
PXV
Maffei 364, 2. Murat. 842, 1. Orelli 3610.
Gallus. Ein Schiff der prätorischen Flotten unter dem
Namen Gallus ist bis jetzt nicht nachgewiesen. In der Inschrift
bei Fabretti 5, 866: Vet. exPRNGALLO ist nicht ex Prae-
toria Nav Gallo zu lesen, sondern Veteranus ex [Classej Prae-
toria . . . Natione Gallo. Wie Aquila so könnte ,auch Gallus
der Name eines Schiffes sein, aber nicht als Volksname; es
müsste dieser nach der Analogie von Dacicus, Parthicus etc.
heissen Gallicus.
Gryps war nicht eine Liburna von den prätorischen
Flotten, sondern gehörte der syrischen Provinzial-Schiffsabthei-
lung an, wie in der Inschrift bei Orelli 3604 und Mommsen,
Corp. Inscr. Asiae. Nr. 434 ausdrücklich angegeben ist:
Trierarchi Classis Syriacae (ex) LIBVRNA GRYPI. Vgl.
Vernazza p. 90.
XXXI. Hercules, a) Eine Quadrireme von der mise-
nischen Flotte; ist nach der Lesung einer Inschrift zweifelhaft. 1
b) Eine ravennatische Trireme.
DM
T ■ FLAVIO CANDIDIO
MILITLCLAS ■ PR ■ RA
BEN III HERCVLIS
NATIONE SIRVS C
IVLIVS VICTORINVS
I-IERES FACIENDVM
CVRABIT
Cardinali p. 73 nach Fabretti 5, 42 = Donat. 286, 9.
Gewöhnlich kommt die Triremis Hercules ohne Flotten
angabe vor; eine misenische III Hercules aber gab es sicher,
1 Marini, Inscr. Alban, p. 131 liest in einer Inschrift: Miles CL-PR.MI
IIII HERCVLE, wofür aber Cardinali p. 9 liest III HERCVLE.
182
As clibacli.
da, wie unten angegeben wird, Tacitus in bestimmter Weise
davon spricht.
Eine Trireme ohne Elottenangabe.
C • AEMILIO SEVERO
7 -N PAN AN XLI
MIL ANN XXII IU HER
VALERIA flavina
CONl-P-C
ET PINNIVS PROBVS H
i. e. Caio Aemilio Severo Centurioni natione Pannonio annorum
XLI militavit annis XXII (de) IÜ Hercule Valeria Fla-
vina conjux ponendum curavit et Pinnius Probus heres.
Olivier, Mon. Pis. 675. Orelli 3618.
Bei Mommsen stehen 3 andere Inschriften 2697, 2762 u.
278b, worin die Trireme Hercules vorkommt: Diogenes Guber
nator 111 IlERC; Centurio HI HERCVL; und Apollinaris
Natione Aegypt. Hl HERC. Die Grabschrift von C. Helpidius
Firmus ex III HERCVLI NAT • BESSVS gibt Cardinali
Nr. 606 = Mommsen 7219.
Nach Tacitus (Annal. XIV. 8) sandte der Kaiser Nero
zur Ermordung seiner Mutter Agrippina von der miseni-
schen Flotte ab den Trierarchus Herculeus und den Centurio
Classiarius Oloaritus. Man versteht unter dem ersteren unrichtig
den Trierarchen Herculeus; es war der Befehlshaber der Trire-
mis Hercules, dessen eigentlicher Name sich nicht angegeben
findet.
XXXH. Isis. Eine misenische Trireme.
DM
C-MVCI
VALENTIS
MIL CL PR MLS
111 ISIDE
N CIL1X
VA-XXXVHI
MIL-A XVI.
Fahretti V. 19. Gori 3, 82.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
183
Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
TI • PETRONI CELER1S
NAT • ALEX • EX 111 ISIDE
VIX ■ ANN • XL MIL-ANN XVII
TITIVS AQVILINVS
EP1IDIVS
PANSA LU ISID-H-B M
FECERVNT
Gruter 556, 8. Orelli 3605. Momrasen 2807.
DIS MANIB '
C • RAVEN1VS CE
LER QVI ET BATO SCE
NOBARB1 NATIONE M ...
MANIPLEX 111 1SID
ANNXI VIX ...
L-^ELIVS.. . VENER...
Mommsen 2810.
Vor VENERe ist III oder Uli ausgefallen. Vgl. unten
Venus Nr. LXVIII.
XXXIII. Jupiter. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
D■MAN S
TESNEVS SERAPIAS
NATAEGYPT
VIX • ANNIS XXII
CONIVXS^A.NNIVS
BASSVS 111 IOVE
ET SERAPION FILIVS EIVS BMF
Matfei, M. Ver. 477, 7.
Gab es eine Pentere Jupiter? Vgl._oben Nr. XII die
Trireme Ang-ustus, wo in einer Inschrift VI OPE vielleicht V
IOVE zu lesen ist, und unten Nr. XLY 111 das Schiff^Ops,
wo in einer Inschrift VIGH nicht an VIOPE sondern an V10\£
zu denken wäre.
184
Aschbach.
XXXIV. Justitia. Eine misenische Liburna.
DM
L-VALERIVS VALENS
MANIPVLARIS LLB
IVSTITIA NAT-BESSVS
STEP • XXVIII VIXIT ANNIS
XLVII L-VALERIVS PRISCVS
FILIVS HERES EI VS PATRI B-M
Marini, fr. Arv. 2. p. 358. Orelli 3609. Mommsen 2835.
So auch die Inschrift bei Mommsen 2731, welche dem Silvano
Manipulari ex LIB-IVSTIT- natione Bithyno gewidmet ist.
Gewöhnlich findet sich diese Liburna als EVS abgekürzt wie
bei Murat. 2036, 3 u. Mommsen 2815:
C-SPEDIVS
PIDIN DRVSVS MIL
EX LIB-IVS-ANNIS XXXIII
EX LIB • FID ■ CASSIVS
Demgemäss ist auch die Inschrift bei Gori 1, 149 zu
verbessern:
DM-
L • VRBINIO QVAR
TINO MIL-EX CLAS
PR-MISEN "7' FAENI
1VS NAT-AFER VIX
ANN-LX MILITAVIT
ANNIS XXV FEQT
L-VALERIVS SATVRNINVS H-B-M
Gori liest unrichtig in der 4. und 5. Zeile: Centuria
Faeni Justi statt Centurioni (ex) LIBVRN IVStitia Natione Afer.
XXXV. Juventus. Eine misenische Trireme.
DM
TI-CL-VERBANI
MIL-CL-PR
MIS-III IVVEN
N-BESSVS
V A-XXXXV
H-B-M-F-
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
185
Gori 3, 82 = Fabretti 5, 18.
i. e. Dis Manibus Tiberii Claudii Verbani militis Classis Prae-
toriae Misenensis 111 Juventute natione Bessus vixit
annis XXXXV heres benemerenti fecit.
XXXVI. Liber Pater (Bacchus). Eine Trireme ohne
Flottenbezeichnung.
HI LIBERO PATMANIP
D • ARRVNTIVS CLEMENS
NAT • ALEXANDRIN VS
V1X ■ ANN • XL
MILITAVIT AN ■ XVIII
1VL1VS AMMONIANVS
H • B ■ M • F
Murat. 829, 10 = Mommsen 2761.
DM
EX HI LIBERO PATRE
C- CLAVDIVS AGRI
CVLA ET FLAVIA AGA
THOCLEA PARENTES
CLAVDIAE FECERVNT
FILIAE VIXANNI
Mommsen 2775.
Inschrift bei Murat. 1990, 9 = Mommsen 2785. M(il.)
1H LIBERO PATR • und bei Mommsen 2784 HI LIBERO_P
vgl. Trireme Lu cif er Nr. XXXVHI. — Die Worte MIH
LIBER PATER bei Muratori 829, 10 bezieht Marini p. 409
nicht auf unsere Trireme: er erklärt 1H durch tertium und
M- nicht durch Miles, sondern durch Magister.
XXXVII. Libertas. Eine Trireme ohne Flotten
bezeichnung.
DM
ARVLE - RESTITUTT
MANIP • III LIBERTATE
NAT AFER MIL ■ ANN X
VIX ■ ANN • XXX
FLAVIVS MARCELLVS FABER
DVPL • B ■ M
18G
As cUbach.
Mommsen 2690. ARVLE vielleicht APVLEi? Schluss
zeile: DVPLarius Bene Merenti. Jn einer anderen Inschrift
bei Mommsen 2791: Julius Gemellinus Nat. Germ. 111 LIBER.
So auch bei Mommsen 2764 in der folgenden:
DM
MAVRELI
FVSCI
MAN 111 CERER NAT
DELMAT VIX ANN L
MIL ANN XXXVI ET
AVRELIAE TVCHE LIBER
El VS NATSYRA VH ANN
XXX JL AEMILIVS VITALIS
MAN III LIBER PATER HERES EORVM BMF
XXXVH1. Lucifer. Eine misenische Trireme.
DM
C • HERENNI PTO
LEMAEI MIL • C • P • M
LU LVC1FERO NAT
AEG MIL AN
XXV VIX • AN ■ XLIV
T-1VLIVS NVM1SIAN
111 LIBERO P- HER
B M F
Mommsen 2784.
Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
VLPIAE PRIMIGENIAE
SANCTISSIMAE FEMINA (sic)
VIXIT ’ ANNIS XXX _
IVLIVS SEVERVS “ III LV
CIFERO CONIVGI KA
RISSIMAE El’ SV1
AM ANTIS SIMA E
BMF
Murat. 874 Mommsen 2837.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
187
ln einer Inschrift bei Orelli 3622 = Mommsen 2679
HARM III LVCIFER i. e. Harmostes (Armorum Custos)
vgl. unten Nr. LIX H HI SALVIA. Ob bei Marini II. p. 409
III L- zu lesen ist Miles Luciferi (sc. Triremis) oder (ex) lH
Lucifero? vgl. unten 111 Ops Nr. XLVIH.
XXXIX. Marinus. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
C IVL1VS SEVER
INVS ARMIGER
VS IH MARIN
N ■ DELMATINVS
MIL • ANN • XVHI
IVLIA VXOR
Muratori 824, 6 = Orelli 3631.
MXIMAXV
III MARI
CON1VS FEG
RIS ET P C
Verstümmelte Inschrift bei Cardinali Nr. 571.
XL. Mars, a) Eine ravennatische Trireme.
DM
L • N VMISIVS LI
BERALIS MIL
CL • PR ■ RA VENN
HI MART • STIP ■ XHI
NAT • CVASICANVS
M DIDIVS POL
LIO HERES ET COM
MANIP ET GELLIA
EXCITATA . . .
Hübner, Corp. Inscr. lat. (Inscr. Hisp.) Nr. 4063.
Die Inschrift mit Manipularis CL PR • RAVENN • IH
MARTE bei Murat. 780, 5 = Mommsen 2757. Zwei andere
Inschriften mit Hl MART, ohne Flottenangabo bei Mommsen
188
Aschbach.
2789 u. 2810. Die bei Gori 3, 67 u. Mommsen 2756 vorkom
mende Inschrift mit EX III M . . . kann sich auf eine Trireme
Mars, aber auch auf eine solche mit dein Namen Marinus,
Mercurius, Minerva oder Muraena beziehen.
b) Eine Liburna oder Dicrota Mars wird genannt bei
Cardinali p. 283 nach Muratori 799, 2 = 2033, 6:
PAL VS VERSONIS FDE
MARTE BICROTA.
Cardinali liest DICROTA.
XLI. Mercurius. a) Eine Quadrireme.
DM
VAL • CASTAE VIX ALM- HORATIVS
SATVRNIN IIII MERC • CONIVGI CARISSIM
CVM QVA VIXIT A-XII VAL VITALIS
III VEN ■ FRAT • SORORI PIENTISS POSVERE
SI QVIS HANC ARC • STRVCT • APERVERIT ET
ALIVD CORPVS POSVERIT TVNC POENAE
NOMINE DARE DEBEBIT FISCO
....BMF
Muratori 2037, 1.
Die verstümmelte Inschrift bei Mommsen 2722 D M- S j
C IVLIO PANISCO | PITVLO SEPTES . . | ODIALI Im
M . . . . | . . . könnte vielleicht auf die Quadrireme Mercurius
bezogen werden.
b) Eine misenische Trireme.
Nach Gori, Simb. Litt. Dec. II. p. 235. Cardinali p. 11.
Class. Praet. Mis. III MERC- und ohne Flottenangabe. Murat.
2027, 4.
Eine verstümmelte Inschrift bei Mommsen 7262:
. . . >111 MERC . .
EX VOT. .
RECONO . .
V . . .
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schilfe.
189
XLIL Mine rva. a)Eine Quadrireme der misenischen
Flotte.
DM
M VÄLERI BASSI MILITIS
[CL] PRAETORI MISENESIS
IIII MINERVA •
NATIONE GRAE
CVS VIXIT ANNIS XXXII MTLT
TA BIT ANNIS XI HB MF
Maffei, Mon. Ver. 125, 1. Vgl. auch die Inschrift bei
Gori 3, 82. Ein Armorum Custos EX IIII MINERVA wird in
der Inschrift bei Mommsen 2684 erwähnt. Die bei ihm Nr. 2722
gegebene verstümmelte Inschrift IIII M wird nicht Hin
auf die Quadrireme Mercurius, sondern auch auf die Quadri
reme Minerva bezogen werden können.
b) Eine ravennatische Trireme.
DM
MAVRPRO
ST ATI M • CL • PR
ANTONINIAN_
RAV III MIN-N
SYR ST XXI Q- V A XXVIII
AQVA •
ENE
i. e. Marci Aurelii Prostati militis Classis Praetoriae Antoni-
nianae Ravennatis (ex) ni Minerva natione Syrus stipen-
diorum XXI qui vixit annis XXVII etc.
Orelli 3598.
III MIN als III MINotauro zu lesen ist zu verwerfen.
Vgl. Cardinali p. 74.
c) Eine misenische Trireme.
D M
SEPIMIAE DOM1TIAE Q V ANN XLV
AVRELIVSJVITELLIVS MIL • CL • PR • MIS
NAVFYL • III MINERV SIBI ET CONIVGI
IN COMP AR ABILI BMF
LIBERTABVSQVE POSTERISQVE
190
Aschbach.
Muratori 851, 7. Mommsen 2704. Der Nauphylax ist s.
v. a. Armorum Custos. Die frühere Lesung NAVis FELicis
hat schon Vernazza p. 158 verworfen.
d) Die Trireme Minerva ohne Flottenangabe in In
schriften bei Vignoli Inscr. sei. 298. Fabretti V, 118. Muratori
793, 6 u. 780, 4 = Mommsen Nr. 751. Die letztere lautet:
ANTONIVS
. . . CENVS 111 MI. . RYA N AEGYPT
. . XIT ANNIS XLV MIDI
. . . VIT ANNIS XXII HYGIA
. . . ERTA EI VS ET H-B-M-F
e) Eine Liburna.
DM
M • MART • MARTIA
L1S NAT PANNON
IVS L1BVR- MINERVA QV
I VIXIT ANNIS L MIL
ITA VIT ANNIS XXVI
VETVRIVS QVINTI
AN VS IIERES
B M FEG
Mommsen 2799.
Minotaurus ist kein nachweisbares Schiff einer der
beiden prätorischen Flotten. Vgl. Minerva Nr. XLII. b.
XLJII. Murena. Eine Liburna ohne Flottenangabe,
wahrscheinlich ein ravennatisches Schiff.
IDIOPHANTVS ALE
XANDRI F
D (e) LIBVRNA MVR
ENA VIXIT ANNO
S XXXVIII MILITAVI
T ANOS XVI
HS
Mommsen, Corp. Inscr. lat. III. 1. Nr. 2034.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
191
XLIV. Neptunus. a) Eine misenische Trireme.
DM
M-VALERIO SIM1LI MIL
EX • CLAS ■ PR • MISEN NAT
BES -MILIT-ANN- XVIII VIXIT AU L
L-VALERIVS MACRIN EX III NEPTVNO ET C-TAR
SINNIV FVSCVS H • B • M • F
Mnratori 867, 4. Mommsen 2833.
Ohne Flottenangabe finden sich vier Grabschriften von
Schiffssoldaten mit III NEPTVNO (Mommsen 2755 und Mura-
tori 851), mit EX III NEPTVN (Mommsen 2674) und EX Hl
NEP (bei Murat. 863, 3 = Orelli 3417).
b) Eine misenische Liburna.
DM
C-VALERIO FINl
STO OPTIONI LIB NEPT
EX CLAS-PR-MISEN NAT
DELMAT • VIXIT • AN ■ LV
MILIT • AN • XX VIIII
M-ANTON1VS FIRM VS
IIERES B M P
Orelli 3626. Mommsen 2718.
Ohne Flottenangahe eine andere Inschrift.
D-M
M-VALERIVS DEXTER
LIB • NEPTVNO MANIPVLARIS
C • CALBISIVS CEREALIS lÜl DACICO HERES
Murat. 808, 3 = Mommsen 2825.
Ein Schiff Neptunus gehörte auch zur rovennatischen Flotte,
wie aus einer Grabschrift bei Mnratori 809, 7 zu entnehmen ist:
D-M
C-DIDIO RVBRO L-F
MIL-CLASS- [PR] RAVENN
SIMP -PR-NEPTVN
VIX -AN -XLIH MIL
AN-XIX
FABIA QYARTILLA COIVX
B-M-F
192
Asclibach.
Muratori liest in der vierten Zeile Simplaris, ein ein
fach decorirter Soldat, wie Duplaris ein doppelt decorirter
oder mit doppelter Ration (Annona) bedachter. Es ist aber
wahrscheinlich zu lesen: MANIPulari BIR [BIRem. i. c. LIB]
NEPTVNo, so dass wir hier einen Soldaten von der Biremis
Neptunus der ravennatischen Flotte haben.
XLV. Nereis. Eine Liburna ohne Flottenangabe.
DM
. . . GrVB . .
... III VIXIT
LIII MIL ANN XXIII
VALERIVS CLEMENS EX [IIII]
VESTA C • ARRVNT1VS
CLEMENS OPT
(io) LIB NEREIDE
HER-BMF
Orelli 3639. Mommsen 2711 mit Verbesserungen. Vgl.
Quadrireme Vesta Nr. LXIX.
XLVI. Nilus. Eine misenische Trireme.
DM
L-FLAVIO VALENTI
MIL • CL ■ PR • MISENENS
III NILO L • LONGINVS
CAPITO VET • HER -BMF
Cardinali Nr. 605. Mommsen 2782. VETeranus.
XLVII. Olivus. Eine Quadrireme ohne Flottenangabe.
Mommsen 2804.
D ALBVRNIVS
EX IIII OLIVO NAT • SARDVS
MILIT-ANN-VIII VIX • ANN • XXV
NVMISIVS ROMANVS^EX EA
ET IVLIVS PROCLVS III PIETÄT
HEREDES B M-FECER
Avellino, Bullettino archeologico Napoletano, Napoli 1845.
4°. Daselbst T. I. p. 7 von Minervini mitgetheilt.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
193
XLVII1. Ops. a) Eine Hexere ohne Flottenangabe. 1
DM
NAEVIO SENTLAN
MIL • YIOPE ET CAE
PIME CONIVG ■ El VS
NAEVIA AMMIAS
PARENTIBVS
Mommsen 2744.
DM
CYRILLAE VALERI
IVLIANI LIB
QY-A-XXVII
RELIQFILIÄ ANNVII
FEC • SEMPRONIVS
IVSPVS MARIT AP VICE
Mommsen 2745 nach Garucci, Mem. reip. Lig. Baeb. Rom.
1846. p. 7.
i. e. Diis Manibus Cyrillae Valerii Juliani Libertae quae vixit
annis XXVII reliquit filia(m) annorum VII fecit (Mo-
uumentum) Sempronius Juspus maritus Apparitor (ex)
VI OPE. (Vielleicht könnte der Schluss auch gelesen
werden V IOVE, vgl. das Schiff V Jupiter Nr. XXXIII.)
Die oben Nr. XII über die Trireme Augustus von Mura
tori 837, 1 mitgetheilte Inschrift, welche am Schluss hat:
VTOR II liest Mommsen 2746: VT OPE Heres.
b) Eine ravennatische Trireme.
DM
LACCE VALENTIS
III L • CLAS • PRANN
III OPEOXONOTIGRAE
V A XXXVI MIL AN XVI
H D M
1 Cardinali p. 282 bemerkt über das Schiff VI Ops: Quest’ unica nave da
sei remi, io conosco ne’ marmi antiche: uno de’ quali sta in Campidoglio
e se legge in Ficoroni (Mascli. scen. p. 224),' Muratori (p. 774, 9), e
Guasco (M. C. T. 2, p. 60), l’altro & edito solo dal Muratori (p. 837, 1).
Sitzuugsber. d. phil.-hist. 01. LXXIX. Bd. I. Hft. 13
194
Asch b ach.
Marini p. 409 gibt diese offenbar corrumpirte Inschrift,
welche ohne Zweifel nicht genau copirt ist. Er liest die vier
letzten Zeilen: III Lucifero CLASsis Praetoriae RAVennatis
111 0 PEOXON OTIGRAE Heres Dedicavit Monumentum.
Etwas genauer gibt die Inschrift Cardinali p. 74. Er liest:
MILCLAS P ■ RA VENN
111 OPE OXONATI GR AE
VA- XXXYI ■ MIL ■ AN ■ XVI
IIB M
Danach würde der Wortlaut der Inschrift sein: Diis
Manibus Lacce Valentis militis Classis Praetoriae Ravennatis
(ex) 111 OPE OXO natione Graecus vixit annis XXXVI,
militavit annis XVI heres bene merenti. Es bliebe dann
immer noch in der drittletzten Zeile 0X0 unerklärt; auch
die Lesung AXONATIORAET würde nur den Schluss Natione
Raetus erklären, nicht den Anfang des Wortes.
XLIX. Padus. Eine Quadrireme ohne Flottenangabe.
DM
TTARQVI
NI IV VENA
LIS IIIT PAD
NAGERMA
Murat. 856, 9.
i. e. Dis Manibus Titi Tarquinii Juveualis (ex) 11II Pado
natione Germanus.
DM
TDOMI
STI GRACILIS
NADITIO
VIX • AN • L
MIL AN XIII
IIII PADO
IiEREDES L PLAET0R1VS
BASSVS ET
L • MVRANIVS
SVPER BMP
Maffei M. V. 371, 8. Murat. 811, 3.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
195
Andere Inschriften mit IIII PADO bei Murat. 870, 7.
2033, 4. Gori 3, 76.
Panthern, ein bei Dichtern erwähntes Schiff, das aber
nicht als ein zu den prätorischen Flotten gehöriges nachgewiesen
werden kann.
L. Parthicus. Eine misenische Trireme.
DM
C • OARMINIYS
PROVINCIALIS
M-CLASPRMI
III PARTICO VIXIT
ARNIS L MIL
. . VIT ANN XXII
. . CONIVGI
. . BM
Marini Arv. p. 409.
DM
-Q • SERVILI IASO
NIS NAVFilll VESTA
NAT • CILIX MIL • ANN_XXII
IVL ■ IANVAR • NA VF • 111 PARTHIC
TVTOR AVRELI IASONIS
F ET HEREDES EIVS BMF
Mommsen 2707.
LI. Pax. Eine ravennatische Trireme.
M • TREBONIVS LVPVS NARCESSV
MIL EX C PR iil PACE
VIX • ANN • XXXVIII • MIL ANN • XIIII
M • VALERIVS RVFINVS
HER ■ PON CVR • AMI ■ BENEMER
i. e. Marcus Trebonius Lupus Narcessus miles ex Classe Prae-
toria Ravennate III Pace vixit annis XXXVIII militavit
annis XIIII Marcus Valerius Rufinus heres ponendum
curavit amico benemerenti.
Murat. 859, 8.
Für NARCESSV ist zu lesen NATBESSV i. e. Natione
Bessus.
13*
196
Asclibacli.
DM
M-VALERI MARCIANI
111 VENERE NATSYR
MIL • ANN ■ XYI • VIXIT
ANN-XXXV HERES
IVLIVS IIERMOGENES
111 PACE B M F
Maffei M. Y. 417, 1. Mommsen 2829.
Auch bei Mommsen 2728, wo ein Centurio III PACE
vorkommt.
Eine ungenau copirte Inschrift bei Muratori 849, 1 ist
hieher zu beziehen:
DIS MAN
Q-SAENI Q FILT FAB
POMPEIANI
COND 1111 PAFER
FVCICIA CLYMENA
VXOR
PROSDECTVS ET
TRYPHERNVS
LIB
Muratori liest unrichtig in der vierten Zeile COND . . .
(was er für ein Officium hält) (ex) Quadriremi Publii Africani:
es dürfte vielleicht CENT-1111 (oder III) PACE i. e. Centu-
rionis (ex) II11 (III) Pace zu lesen sein.
LII. Pietas. Eine misenische Trireme.
DM
C ■ MVSSIDI CAPITONIS
MIL-CLPRMISEN
EX III PIETATE VIX AN
NIS XXXXIY
MIL • AN • XVI TER ENT I VS
VALENS H B M F
Mommsen 2812.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
197
In andern Inschriften ohne Flottenangabe: Gori 1, 238
= Murat. 836, 7. Donati 289, 2. Mixrat. 865, 1. Orelli 3608.
EX III PIETATE. Vgl. auch oben Augustus Nr. XII, Pentere
und Triremis Augustus und Nr. XLVII das Schiff 1111 Olivus.
Pistrix bei Livius — aber kein prätorisches Schiff.
(Cardinali p. 285.)
LII1. Pollux. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
MAMONI
VS BASS VS EX III POLLVCE
NAT-AEGYPTIVS VIX T
ANNIS XXV MILIT
ANNIS IIII 1VLIVS CRISPIN VS
HERES BEN • MR • F
Mominsen 2795.
LIV. Providentia, a) Eine ravennatische Quadri-
reme.
DM
M • AVRELI • VITA
LIS MILITIS CL
PR . . ANTONI
ANRAVENN
NATIONE PANN
TUT PROVIDENTIA
STIP ■ XXVIII
VALERIA FAVSTI
NA FOLARIA
ET HERES EIVS
BENE MENERENTI
POSVIT.
Cardinali p. 73. Gruter 1107, 3. Gori 3, 74.
b) Eine misenische Trireme.
Murat. 856, 8 = Mommsen 2818. Vgl. oben Nr. XXIX,
b, die Trireme Fortuna: Mil. CI. PR. Misen. Manip. III PRO
VIDENTIA.
198
As cli 1) acli.
LV. Quadriga. Eine Trireme oline Flottenangabe.
... ILO PINTH1SI
F • DE TRIERE
QV ADRIG • VIX1T
ANN-XXXV II'S
SYMPHRONIA
CVS
Mommsen 457.
LVI. Rhenus. Eine misenische Trireme.
DM
HAMMOXIVS
ARISTO OPTIO III
RIIENO LVCIAE
XATIONE SYRAE
VIX1T ANN-XII
Mommsen 2714. Bei ihm noeh eine andere Inschrift
Nr. 2683.
DM
M VALERIO AN
TONINO ARMOR (sc. custos)
HI RHENO NAT
SYRVS VIX ANN
XXXVIII MIL ANN
XVIII HERES BMF
Die bei Gruter 544, 10 vorkommende Inschrift mit M
CPM III RENOCYR ist nicht Memoriae Causa Posuit Miles
Reno CYRenens zu lesen, sondern Miles Classis Praetoriae
Misenensis III Reno natione CYRenaicus. Vernazza p. 158 und
Cardinali p. 12 nehmen unrichtig eine Trireme Renocyrus an.
In der Inschrift bei Muratori 808, 8: C. Anton. Saturnin TU
. . . NONR1 . . ist vielleicht III rheNO N Ret i. e. 111 Rheno
Natione Retus zu lesen. Vgl. oben 111 Athene Nr. XI.
Riunata eine unrichtige Lesung für Armata. Vgl. oben
Nr. VII. Murat. 784, 8. OPT IR iIT TR1NNATA i. e. OPTIO
III ARMATA.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
199
LVI1. Salamina. Eine misenische Trireme.
D-M
G1ERMANICI
MIL GL -PR MI,SEE
TI! SALAMINA
NAT ALEX
VIX ANN-XLI1I
MIL AN XXIII
C-VALERIVS
UIOSCVRVS
HBMF
Marini Fr. Arv. p. 409.
LVIIT. Salus. Eine misenische Trireme.
DM
C • TERENTO SABINO
HI SALVTE MIL GLAS PR
MISEN1II VENERE NA
TIONE CILIX VIXIT AN
XXXV MIL AN XV-C IV
Mommsen 2797.
DM
TVRANN1VS
POLLIO III J5ALVT ■ MIL
GL ■ PR • MIS • N
LIBYCVS
V A XXXI ■ M • A • II1I HBMF
Murat. 860, 5.
DM
L • TERENTIO SABINO
TT! SALVTE Mil. GL GLAS
PRAET : MISEN ■ NAT
PANNONIO AELIVS
ROMANVS H B M F-
Murat. 857, 5. Mommsen 2819.
Ohne Flottenangabe III SALVTE bei Cardinali Nr. 17.
i
200
A s chba ch.
L1X. Salvia. 1 Eine misenische Trireme.
DM
T-TAMYDI
SEVEßl MIL
CL-PR-MIS m
CONCORDIA
N-PONTICVS
V A L MIL-A-XXV
STATIVS QVA
DRATVS H III
SALVIA CVRANTE
M-HELVIO ALEXANDRO
Marin i, Fr. Arv. II, 409.
Ohne Elottenangabe:
DM-
M-ARRIVS ANTO
NINVS MANIP
III SALVIA NATIO
AEGYPT1VS VIX1T
ANN-LIII MILIT
ANN XXVIIIl B-M-
Murat. 784, 4. — Mommsen 2760 (MIT,-ITT SALVIA).
Mommsen 2787 gibt ausserdem noch eine verstümmelte
Inschrift, worin die III Salvia vorkommt:
DM
III SALVIA C -IV . . .
STIP ■ XXV ■ NATI . . .
HERES V V1CT . . .
SONIVS MAR . . .
VS EI VS Q-CAES . . .
ET AELIA SOT . .
B . . . .
1 Die Göttin Salvia wurde gewöhnlich als Schutzgottheit für die Tiber-
eiufahrt mit dem Namen Navisalvia bezeichnet und mit der Mater Deum
zusammengestellt. Vgl. Preller, Eöm. Mytholog. S. 450.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
201
LX. Silvanus. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
.... ANTONIO
ARMOR • III SILVAN
EVFRANTVS CONI-
SVO KARISSIMO FECIT
QVI MILITAVIT
XIII ANN1S VIXITXXXXI
Mommsen 2676.
LXI. Sol. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
QVALERI VALENTS MA
NIPVL-III SOLE MILIT ■ AN • XXI VIX1T ANN1S XL
L MEMMIVS RVFINVS
M-ARRVNTIVS LONGINVS
HEREDES OB MERITA EIVS
Mommsen 2834.
DM
LJPOMPEIO ASIATICO
III SOLE NAT ■ ALEXANDR
MIL ANN-XXIII VIXAL111I
ET M POMPEO F1L EIVS
VIX • AN • VIII • M ■ V • DIEB ■ X
VALERIA MARCIA CONIVGI
KARISSIMO ET FJLIO DVLC1SSIMO BENEMERENTI.
Muratori 843, 3 = Mommsen 2809.
Die Trireme Sol kommt auch in einer Inschrift bei Maffei,
M. V. 477 ; 9 vor.
LXII. Spes. Eine misenische Trireme.
ITEM EX CL PR MIS
“ QVADRIERE FID . .
NEVI EVTYCHI
7-TRIERE SPE . .
FLAVI ANTIOCH . .
202
Asclibach.
ITEM CLASSIS PK M
7 QVADR1ERI FIDE
NAEV EVTYCHIAN
7 TRIEKI SPEI
FLAVI D OMI NON
7-LIBVRNA FIDEI
AELI ALEXANDR
Zwei Bruchstücke von der grossen die Cohorte VII Vi-
gilum betreffenden Inschrift bei Oori 1, 125 u. 129, bei Mura-
tori 876, 2 u. 877, 2 (auch bei Kellermann Vigil.).
Eine III Spes ohne Flottenangabe (bei Reines VIII, 46
= Mommsen 2667) oben bei der Trireme Euphrates Nr. XXVII.
LXIII. Taurus. Eine misenische Trireme.
DM
C VALERI GERMANI
MIL ■ EX CLPK MIS III TAVRO STIPXV
NAT • SARDVS
MESTRIA EVIIODIA
H • B ■ M • F
Muratori 852, 3 = Mommsen 2826.
Eine zweite Inschrift, worin ein Naophylax (i. e. Armorum
custos) III TAVRO vorkommt, bei Orelli 3633 = Mommsen
2705.
LXIV. Tiberis. Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DM
VALERI HIC HIERACL
SIT VS V1XIT AN • V MENS II
DIEB XI VALERIVS GERMAN VS
OPTI III TIBERI PA
TER PIENTISSIMO FILIO SVO FE
CIT MISERRIMO
Muratori 861, 5 = Mommsen 2719.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
203
LXV. Tigris. Eine misenisclic Trireme.
DM
CVALERI PA
PIRIANI
MIL-CL-PR-MIS
EX III TIGRIDE NATIONE
ALEX ■ Q • V ■ A • XLV • M A • XXII
VALERIA EPI
TEVXIS LIB ET HEUES
..MF
e. Dis Manibus Caji Valerii Papiriani militis Classis Prae-
toriae Misenensis ex III Tigricle natione Alexandrinus
qui vixit annis XLV militavit annis XXII Valeria
Epiteuxis liberta et heres (bene) merenti fecit.
Marini, Fr. Arv. II, p. 410.
LXVI. Triumphus. Eine ravennatisclie Trireme.
DM
C • VALERIO
BASSO MIL CL
PR ■ RAVERN
STIP XV III VIRT
N-SARD V • AX • XL
BASILIVS GERM
AN III TRIVMPH
HER ITEM SVBIIE
C-IVL- COXSTANS III VIRT-BENE
MER - POSVERVNT
e. Diis Manibus Caio Valerio Basso militi Classis Praoto-
riae Ravennatis stipencliorum XV (ex) III Virtute na
tione Sardo vixit annis XL Basilius Germanus (ex) III
Triumpho lieres et subheres Caius Julius Constans (ex)
III Virtute benemerenti posuerunt.
Cardinali p. 74 Nr. 120. Orelli 3612. Mommsen 2823.
Ohne Flottenangabe Grabschriften bei Muratori 803, 2
Mommsen 2771 auf L. Carisius Blandus Miles ex 111
204
As ch b ach.
TRIVMPHO Natione Bessus, und bei Muratori 817, 7 auf M.
Furnius Alexander (ex) III TRIVMPHO Natione GR- i. e.
Graecus.
LXVII. Varvaricus. Eine ravennatische Liburna.
DM
M-VALERIO M-FCLAVD.CO
LONO LIBVRN
VAR VAR • SCRIB • CL • PR • RA VENN • V1X • ANN • L
. MIL • AN • XXVI ■ VALERIVS COLONVS ET . . .
i. e. Dis Manibus Marco Valerio Marci filio Claudia Colono
(ex) Liburna Varvarico Scribae Classis Praetoriae Ra-
vennatis vixit annis L militavit annis XXVI. Valexius
Colonus et. . .
Orelli 3637. Cardinali p. 284 liest füt» VARVAR den
Namen BARBAR o, was offenbar nicht richtig- ist. Auch Gruter
5647 u. Gori HI, 78 lesen LIB • BARBAR • Varvaria war nach
Ptolem. (Oüapouapi'a) ein Theil von Liburnia in Illyrien. Var
varicus ist wie Parthicus und Dacicus nach dem Volksnamen
eine Schiffsbezeichnung.
LXVIII. Venus. Eine misenische Quadrireme.
DM
MARIVS MONTANVS
MILES CLASSIS PRAE
MISE IIII VENERE NA
TIONE CILIX VIXIT AN
XXXV MIL AN-XV C IV . . .
Mommsen 2797.
Quadrireme ohne Flottenangabe.
MPLOTIVS FIRM VS
FABER EX IIII VENERE
VIXIT ANNIS LXVIII
MILIT-ANNIS XXXXIIX
PLOTIVS AVGVSTALLS F
VIXIT ANNIS XVIIII
PLOTIA TYCHE PATRONO ET FF
Mommsen 2694.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
205
So auch IIII VENER in der verstümmelten Inschrift bei
Mommsen 2724.
Eine misenische Trireme Venus.
DM
MANTONIVS LO
NGVS EX CE ASSE
PRAET • MISEN OPTIO
III VENER NAT PONTIC
MIDIT AN XXII VIX • AN
XXXX ANTONIA VICTORI(na)
PATRONO BENEMERENTI F
Maffei, M. V. 477, 8. Donat. 174, 6. Mommsen 2710.
Eine zweite Inschrift mit dieser Trireme gibt Mommsen
2797, vgl. oben die Trireme Salus Nr. LVIII.
Trireme ohne Flottenangabe.
DM
M • MEVS • ATIMF
TIANVS "7 III VENE
RE AVIDIAE ROCV
EAE COIVGA BENE
MERENTI FECIT
Mommsen 2801.
Andere Inschriften, worin III Venus vorkommt, bei
Mommsen 2715 (Optio ex III VENER), Muratori 834, 5 =
Mommsen 2710 (Optio ex 111 VENERE), Maffei 477, 1 =
Mommsen 2829 (Valerius Marcianus III VENERE natione
Syrus) in der Nr. EIV bei der Trireme Pax angegebenen
Inschrift, und endlich bei Murat. 2037, 1 (Valerius Vitalis 111
VEN) in der bei der Quadrireme Mercurius Nr. XEI mit-
getheilten Grabschrift.
Noch ist in der oben Nr. XXXII bei der Trireme Isis
mitgetheilten Inschrift in Betreff des darin vorkommenden
. . VENER zu bemerken, dass davor III oder IIII ausgefallen
ist. Vgl. Mommsen 2810.
LXIX. Vesta, a) Eine misenische Quadrireme.
CN-ARRIVS MYRRO
N FORMIANVS VET
EX7- CL - PR • MISES • IIII VE
STA VIX-ANNIS L M
ENS1BVS VIII DIEB VS
XII VALERIA CHRISPI
NA CONIVNX
B M F
Muratori 784, 5 = Mommsen 2668.
DM
TI ■ CLAVDIO ZENO
NATAEG ■ MIL • CL ■ PRAET • MIS
EX m! VESTA VIXIT ANNIS
XXXII MILITAVIT ANNIS XII
PETRONIVS NERONIS
FEROX IIII FORTV
HB MF
Maffei, Mus. Ver. 478, 11 = Mommsen 2778.
DIIS MÄNIBVS
L • VALERIO MA
RTIALI MILITI EX
CLASSE PR MISENI
EX IIII VESTA NATIO
NE BESSVS MIL AN
NIS IIX VIXIT AN XXX
FECITMVALERIVS
ASPER FRATER BENE
M EREN IT
Gori III, 67. Murat. 863, 6. Mommsen 2830.
Eine Quadrireme Vesta ohne Flottenangabe in der In
schrift auf C. Serenus Maximus 1111 Vesta Natione Aegyptius
bei Mommsen 2723.
Erwähnt wird die IIII Vesta bei der II11 Annona oben
Nr. III, Mommsen 2735: (custos) armorum IIII VESI (leg.
VESTa), bei IIII Parthicus oben Nr. L, Mommsen 2707:
Nauf. IIII Vesta Nat. Cilix.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
207
b) Eine Trireme ohne Flottenangabe.
DIS MÄNIB
CIVLIO CAPITON
MAN1PLDE III VEST
VIX • ANN • XXXV MIL AN XV
Mommsen 2790.
In der Inschrift auf Arruutius Clemens Optio der Lib.
Nereis (vgl. oben Nr. XLV) ist vor Vesta die Zahl III oder
II1I ausgefallen. Orelli 3639 = Mommsen 2711.
LXX. Victoria, a) Eine misenische Pentere.
DM
L • MARRIO MONTANO
Mil j • GLAS • PRAET • MISE
V VICTORIA MILITA • AN • XXVI
IVLIA PIELPIS CONIVGI SVO BENEMERENTI
Gruter 567, 4. Mommsen 2798.
. . . NIBVS
. . . CASSO . .
. . PR MISEN
. . ICTORIA
Die von Mommsen 2840 gegebene Inschrift ist zu lesen:
DIS MANIBVS . . . CASSO . . (dass.) PRAETORIAE MISE-
NENIS V VICTORIA. — Auch die bei Marini, Arv. p. 410
vorkommende Inschrift mit OPT CL PR- VICTORIA
geht wahrscheinlich auf unsere misenische V Victoria.
Eine Pentere ohne Floftenangabe.
M • ANTONIV_RVFINVS
MILES EX V VICTORIA
SIBI ET IVLIO APOLLINARI FRATRI
MIL1TI EX III DIANA VIX1T
ANNIS XXXVIII MIL AN-XIIX
ET LIBERTIS LIBERTABVSQVE EORVM.
Muratori 781, 8 = Mommsen 2756.
208
Aselibach .
DM
VLPIAE RVFFINAE NATI ONE ITALICA VIX-ANN-
XXI AVR-MARTIN VS NAVFVLAR V VICT
CONIVGT B M P SI Q.VIS EM .
Muratori 2038, 6. Das Wort vor V VICT ist entweder
Naufylax oder Manipular. zu lesen.
Zwei andere Penteren Victoria ohne Flottenangahen in
den Inschriften bei Muratori 807, 5 = Monnnsen 2696 (Ar-
morum Custos V Victoria) und V VICT bei Monnnsen 2787.
Vgl. letztere oben bei der Trireme Salvia Nr. LXIX.
b) Eine Quadrireme.
NATDELVIX
ANNIS XXV M
AN V 1111
VICTORIA
Q-PLAETORIVS
BASSVS ARM
CVST HER
PC
Muratori 2038, 2.
c) Eine Trireme, welche von Vernazza und Cardinali
zur misenischen Flotte gezählt wird.
DM-
AVRELIO MARVLLO
NAVF I1I VICT • NAT • CILIX VIX-ANN-XLV
M VI D VII MIL-ANN
XXV ANTONIA ELPIDIA
CONIVX ET HERES
MARITO BENEMERENTI
Momnisen 2703.
Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schilfe.
209
Zwei weitere Grabschriften von Schiffssoldaten von der
III VICTORIA und III VICT kommen vor bei Murat. 873, 5
u. 817, 1 (Maffei 124 u. Orelli 3606) und bei Mommsen 2782
u. 2803.
LXXI. Virtus. a) Eine Quadrireme ohne Flotten
angabe. 1
b) Eine Trireme der misenisehen Flotte.
D M
M • VALERIO
MARIANO
III VIRTMIL
PRMISV
AXXXX
MIL
A • XVII
H-B-M-F
i. e. Dis Manibus M. Valerio Mariano III Virtute militi (Classis)
Praetoriae Misenensis vixit annos XXXX militavit annos
XVII heres bene merenti fecit.
Marini, Arval. II, p. 409. Cardinali p. 13.
Eine Trireme der ravennatischen Flotte.
Eine Inschrift auf C. Valerius Passus MIL- CL PR-
RAVENN-STIP-XV-m VIRT N-SAR bei Cardinali p. 74
Nr. 120 = Mommsen 2823. Vgl. oben Triumphus Nr. LXI1.
1 Cardinali p. 282 bemerkt darüber: II Muratori (p. 745, 4, Spreti V, 1
p. 386) incontrado in uno marmo tm Marcello IIII VIR ■ NAT • CILIX,
lo prose per un QVADRVMVIRO del die lo corresse il Marini (Arval,
p. 409). — Die bei Muratori 858,2 vorkommende Inschrift mit equo publieo
IIII VIR • IVR DIC etc. bezieht sich nicht auf eine Quadriremis, sondern
auf einen Quadrumvir.
Sitzuogsber. d. phil.-kist. CI. BXXIX. Bd. I. Hft. 14
210 Asclibach. Die lateinischen Inschriften mit den Namen römischer Schiffe.
c) Eine Libur na ohne Flottenangabe.
T • SYlLLIO ALBAN 0
QYI ET TIMOTHEVS
MENSICI FNATIONE
NICAENS
ARMOR ■ CVSTO . .
LIB • VIRTVT ■ MIL ■ ANN
XXY VIXIT ANN ..
ANT..ETH-
Momnasen 2682.
Eine andere Inschrift mit LIB VIRTVTE bei Muratori
795, 1 = Mommsen 2677.
I
Thaner. Zwei anonyme Glossen zur Summa Stepliani Tornacensis. 211
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani
Tornacensis.
Von
Dr. Friedrich Thaner,
k. k. Universitätsprofessor in Innsbruck.
Der Berliner Codex Ms. lat. in Quart Nr. 193 enthält
die Summa des Stephan von Tournay, 1 jedoch nicht voll
ständig; es reicht nämlich die Pars J. auf den ersten acht
Blättern nur bis zur Distinctio 18; Fol. 9 beginnt mit den
Worten possit. Aliud de sacris et maioribm, diese gehören aber
schon zum cap. Latorem 121 C. I. Q. 1.
Tn dieser Handschrift sind nun zum Texte der Summa
von zwei verschiedenen Händen Glossen, meist Band-, hin und
wieder auch Interlinearglossen zugeschrieben; mittelst der
üblichen Verweisungszeichen sind dieselben mit den betreffen
den Worten Stephan’s von Tournay in Verbindung gebracht.
Es liegt also eine glossirte Summa vor.
Die beiden Glossen, obwohl anonym, schienen mir eine
Untersuchung werth zu sein. Obgleich durchaus verschiedenen
Charakters und der Zeit nach um mehr als ein Jahrhundert
von einander entfernt liegend, werden sie doch zur Erläu
terung des nämlichen Werkes verwendet. Dann zeichnen sie
sich aber, insbesondere die spätere, durch eine reiche Benutzung
der vorausgegangenen Literatur aus. Ich beschränke meine
Untersuchung vornehmlich auf Ort und Zeit der Herkunft der
Glossen; den Resultaten derselben füge ich nur einige Proben
1 Ueber die Handschriften s. Schulte Lehrbuch des IC. R. 3. Aufl.
§. 14. Nr. 36.
14*
a
212
Thau er.
aus den Glossen selbst bei, die ihren rechtshistorischen Werth
zu zeigen geeignet sein mögen.
I. Die ältere Glosse, ich will sie als A bezeichnen, zeigt
in der Schrift den Charakter des XIII. oder XIV. Jahrhunderts.
Sie zerfällt in zwei Massen; die erstere vertheilt sich auf
die in den ersten acht Blättern enthaltenen Distinctionen, die
zweite hebt auf Fol. 86 mit C. XXVII Q. 1 an und läuft zum
Eherecht neben her, hier wie dort nur ein und das andere
Mal von einer kurzen Randnote der späteren Glosse durchsetzt.
Für die Bestimmung der Zeit, in welche die Abfassung
der Glosse A, oder vielmehr der Schrift, aus der sie ent
nommen ist, zu setzen sein wird, ist die Benutzung der Extra
vaganten massgebend.
Im eherechtlichen Theile — der erste zu den Distinctio
nen gehörige enthält deren keine — finden sich 20 Extra
vaganten 1 citirt.
1 Es sind die folgenden: 1. zu C. XXVII Q. 1 Alexander in decretalibus:
Qui clerici vel voventes cap. Consul'uit; zu C. XXXIII Q. 4 in extra.
Consulit nos. Compil. I. 1. 4. t. 6, c. 7. 2. zu C. XXIX Q. 2 de re.
eccl. non alie. cap. Nulli. Comp. I. 3, 11, c. 4. 8. 1. c. in extrav. de
c.nnd. appo. Quicumque. Comp. I, 4, 5, c. 1. 4, 1. c. in extrav. de
sponsalibus et malrimoniis De illis. Comp. I. 4, 1, c. G. 5. 1. c. in
extrav. de condi. appo. Super eo. Comp. I. 4, 5, c. 4. 6. zu c. 8 1. c.
in extra. Adriani Dignum est. Comp. I. 4, 9, c. 1. 7. zu C. XXXI
Q. 3 extra.. Licet praeter solitum. Comp. I. 4, 4, c. 3. 8. 1. c. c.
Onnisdae in titulo de sponsalibus Tua sanclilas. Comp. I. 4, 2 (de
desponsationc impuberum) c. 2. 9. zu C. XXXII Q. 1, e. 5. Alex.
Significasti nobis. Comp. I. 4, 20, e. 4. 10. zu c. 6 1. c. Alex. III.
Super hoc, quod a nobis. Comp. I. 3, 27, c. 9 (?). 11. Alex. Si
quis parrochus (1. parochianorum). Comp. I. 4, 20, c. G liier als c.
Urban. III. angeführt, aber irrtbümlicb, denn die Deeret. Meminimus,
als deren Tlieil sie angeführt ist, hat Alexander III. gegeben. 12. zu
C. XXXII Q. 2, c. 4 in extra. Dilectissimi. Comp. I. 2, 10, c. 3
Dilecti filii? 13. 1. c. de rest. spoliat. Fratres Comp. I. 2, 9, c. 3.
14. zu C. XXXIII Q. 4. D. Coelesti. (Decretale Coelestini) Videtur.
Comp. I. 4, 17, c. 1. 15. zu C. XXXV Q,. G, c. 1. ex decret. Alexand.
Episcopus i. f. — ? —. 16. 1. c. Ex litteris Comp. -4, 14, c. 2.
17. 1. c. P ervenil und zu C. XXXV Q. 8 in extra, de hiis qui matri-
monium ac. p. Fervenit. Comp. I. 4, 19, c. 3. 18. I. c. Consulv.il.
Comp. I. 4, 19, c. 2. 19. zu C. XXXV Q. 9 in extra, de of. iu. de. In
litteris. Comp. I. 1, 21, c. 14. 20. 1. c. in extra, de appellationihus
Significav ernnt. Comp. I. 2, 20, c. 35. Ueber die Citinveise s.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
213
Die jüngste darunter ist auf Fol. 92 zu C. XXIX Q. 2
citirt: in extrav. de condi. apjao. Super eo, also die Decretale
des Papstes Urban III. Compil. I. 1. 4, t. 5, c. 4 (Greg. IX.
4, 5, c. 5). Es fällt demnach die Zeit der Entstehung nicht
vor das Jahr 1185. An demselben Orte ist aber andererseits
eine Decretale nicht citirt, die der Verfasser nothwendig hätte
anführen müssen, wenn sie ihm überhaupt bekannt gewesen
wäre. Die Glosse nämlich, die das angegebene Citat Urbans III.
enthält, handelt von den Bedingungen bei der Eheschliessung;
da ist denn auch von der conditio inhonesta, ob dieselbe
contra substantiam matrimonii sei oder nicht, und von der con
ditio impossibilis die Rede, und der Verfasser stellt hierüber
dieselben Rechtssätze auf, die Gregor IX. durch seine Ent
scheidung in c. ult. X. 4, 5 sanctionirt hat. Aber diese selbst
erwähnt die Glosse nicht; sie begründet ihre Sätze vielmehr
durch ältere Beweisstellen aus dem Decretum Gratiani und
aus dem römischen Rechte, und von Extravaganten zieht sie
nur das cap. Quicumque Comp. I. und Greg. 4, 5, c. 1 heran.
Dass aber die Decretale Gregors IX. über die Bedingungen
damals noch nicht erlassen war, erhellt unzweifelhaft aus dem
Schlüsse der Glosse: Unde cum non minoris favoris sit matri-
monium, quam institutio vel legatum vel fideicommissum vel li-
bertas, credo, quod idem sit in matrimonio et maxime ar. illius
c. Quicumque. Ausserdem sind Extravaganten citirt, die in
den Decretalen Gregors IX. fehlen, 1 in der Compilatio prima
aber Vorkommen.
Die Glosse A ist demnach vor dem Jahre 1234 verfasst
worden. Dieses und das Jahr 1185 bilden jedoch nur die
äussersten Grenzen, die dafür vollkommen sicher stehen. Da
aber aus den Citaten anzunehmen ist, dass dem Verfasser be
reits die Compilatio prima vorlag, und da hinwieder keine ein
zige Decretale Innocenz’ 111. angeführt ist, so lassen sich die-
Maassen Beiträge. Wien 1857, S. 44, und Schulte Die Glosse zum
Decret Gratians, Wien 1872, S. 62. Obige Citate folgen theils der vor
der Compilatio prima üblichen Weise, theils jener, die nach derselben,
aber vor der Comp. III. und II. üblich war.
1 Nämlich die unter Nr. 11, 12, 13, 17, 18 u. 20 der vorigen Note ange
führten Decretalen.
214
Tlianer.
selben wobl um vieles enger stecken, so dass die Abfassung
etwa noch in die Zeit 1191—1198 fiele, die Glosse also mit
der Summa Bernardi Papiensis gleichzeitig wäre. Aus einer
Anführung Huguccio’s, die sicherlich dessen Summa super
decretis entnommen ist, geht gleichfalls hervor, dass A wohl
erst nach 1190 geschrieben ist.
Ueber die Frage nach der Person des Verfassers giebt
die Glosse keinen Aufschluss; keine der Einzelglossen hat eine
Sigle. Es lässt sich nur sagen, dass weder Gratianus noch
Rufinus, Johannes, Alexander III., Bazianus oder Huguccio die
Verfasser waren, denn A berichtet von ihnen als von dritten
Personen, indem die Auffassung des letzteren über das Votum
der Lehre sämmtlicher anderen gegenüber gestellt wird.
Bestimmtere Andeutungen finden sich über die Herkunft
des Verfassers. Es ist wahrscheinlich, dass er aus Frankreich
war. In der schon früher erwähnten Glosse über Bedingungen
der Ehe steht als Beispiel einer conditio, quae respicit prae-
teritum: si rex heri fnit Parisius; praesens: si rex vivit. Ein
Nichtfranzose hätte diese Beispiele kaum gewählt; Bernard
von Pavia hat dieselbe Eintheilung, aber zu den Beispielen
nimmt er Ort und Personen aus Italien, daher das zweite lautet:
si papa est Bomae. 1
Sicherlich gehörte der Verfasser nicht zur Kirche von
Bologna. Zu C. XXXI Q. 3 (Fol. 96) spricht er sich nämlich
auf’s Bestimmteste gegen die eherechtliche Praxis jener Kirche
aus, die der universalis consuetudo und der Decretale Licet
praeter solitum widerstreite. Es handelte sich um die im Titel
De sponsa duorum behandelte Frage, ob nach einer Ehe
schliessung ohne Consummation eine zweite Ehe mit einer
andern giltig sei. Die Giltigkeit widerstreite den obigen zwei
Factoren. Auf die universalis consuetudo konnte sich aber
ein französischer Magister viel eher berufen, als ein italieni
scher. Denn noch zur Zeit Huguccio’s stand Bologna mit seiner
Praxis nicht allein, die nämliche befolgten auch Imola, Modena,
Reggio und Parma. 2 Rom selbst hatte sich eine feste Doctrin
t Bernardi Papiensis Summa decretalium ed. Th. Laspeyres, p. 147.
2 s. Maas&en Paucapalea S. 468, not. 42.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
215
hierüber noch nicht gebildet, 1 und in Modena herrschte die
Consuetudo für Giltigkeit der zweiten Ehe noch unter Inno-
cenz III. 2 In Frankreich war dagegen allerdings die Voll-
giltigkeit der nicht consummirten Ehe, die eine zweite aus
schloss, universalis consuetudo; darüber lassen die Angaben der
Summa Parisiensis 3 keinen Zweifel.
Ich lasse nun die Stellen aus Ä folgen, die mir eine all
gemeinere Bedeutung zu haben scheinen:
1. Auf Pol. 2 steht eine Eintheilung des Jus in zehn
Abtheilungen, Fol. 2' des Jus divinum in: a Deo insitum menti
ut lex naturalis; a Deo traditum: lex Mosaica; a Deo editurn:
evangelium ; pro Deo conditum: canones.
2. Fol. 4 zu den Worten pro suscipiendis liberis in c. 6
D. 2 wird eine Erörterung des Bazianus 1 zu 1. 2 Cod. de
infirmandis poenis coelibatus angeführt.
3. Fol. 6 zu D. 9 mehrere Sätze allgemeinen Inhaltes,
darunter über das Verhältniss von Consuetudo und Lex Fol
gendes :
Consuetudo generalis. Si servatur ab omnibus et a papa,
derogat legi vel quasi abrogat legem, quia praesumitur ab Apo-
stolis introductam vel eorum sequacibus. Si servatur a papa et
non ab omnibus, secundmn quosdam idem est, quia omnes sibi
principatum contulerunt; secundum alios licet papa maior sit
singularitate minor tarnen univevsitate, secundum hoc (l. kos):
non. /Si cet'erae ecclesiae omnes servent et non papa vel Romana
ecclesia, secundum quosdam praeiudicat legi, secundum alios iuri
consuetudinis specialiter tantum. — specialis. Si consonat legem
et imitatur, firmiter servatur. VIII. D. Frustra (c. 7). Si obviat
legi, omnino est prohibenda, VIII. D. Mala consue. (c. 3). Si
1 Selbst Alexander III. erklärte es in einer Decretale an den Erzbischof
von Sens (Comp. I. 4, 4, c. 7) nur für ,tutius‘, die erste Ehe für giltig
anzuerkennen; Lucius III. bekannte sieb nach Huguccio zur entgegen-
gesetzten Ansicht.
2 C. 5 X, 4, 4.
3 Schulte Zur Geschichte u. s. w., II. S. 23, 24; vgl. auch Summa
Coloniensis, ebenda S. 6, n. 1.
1 Somit ist dies das erste Beispiel der civilistischen Wirksamkeit des
Bazianus, man s. Schulte Lehrbuch §. 14, Nr. VIII; vgl. Glosse B
Nr. 4.
i
216
Th an er.
non contingit legem consonando nec obvicmdo, potest ab illis ser-
vari, qui ea utuntur, nisi ista impediant: rei honerositas, XII.
D. Omnia (c. 12), scandali generatio, malignandi occasio, XII.
D. Nos consue. (c. 8), LXVIII. D. Cur episcopi (c. 5), erroris
cautela, LXIII. D. Verum (Grat, zu c. 88), evidens iniquitas VIII.
D. Quae contra morem (c. 2).
4. Fol. 6' werden 13 Gegenstände angeführt propter quae
causae referuntur ad sedem apostolicam mit Belegstellen aus
dem Decretum Gratiani.
5. Auf Fol. 86' ist zu C. XXVII Q. 1 eine Auseinander
setzung über das Votum als Ehehinderniss, die sich auf das
nächste Blatt hinüberzieht. Der Verfasser unterscheidet zuerst
Gelübde im weiteren Sinne: Votum est, quaedam promissio vel
protestatio spontaneae professionis, und im engeren: Votum
conceptio melioris boni animi deliberatione firmati; hierauf das
Votum generale und speciale; letzteres ist entweder continen-
tiae oder abstinentiae. Ehehinderniss ist nur das Votum per-
petuae continentiae; es hat die Unterabtheilung in Votum
solempne und simplex. Solempne est, quocl fit aliqua istarum
solempnitatum interveniente, seil, susceptione sacri ordinis, vel
susceptione habitus regularis, vel publica scriptura, vel publica
attestatione facta coram publica persona vel redditione in manus
publicae personae. Publica persona liic dicitur episcopus, abbas
et quilibet sacerdos. Quaelibet autem persona dicitur privata,
quantum ad hoc. Aliud autem votum continentiae, quamvis sit
factum coram multis, dicitur simplex, quod non vestitur aliqua
solempnitate. Es wird also hier das Wesen der Gelübdesolenni-
tät aufs Präciseste in die Publicität gelegt. Nunmehr gelangt
unser Canonist erst zum eigentlichen Gegenstände, welches
Enthaltsamkeitsgelübde denn ein wirkliches Ehehinderniss bilde.
Dabei sehen wir, wie es ungeachtet der Concordantia discor-
dantium canonum oder vielleicht gerade durch dieselbe in
Wirklichkeit mit der Rechtseinheit sehr übel bestellt war. Er
fährt fort: Solempne votum et impedit matrimonium contrahen-
dum et dirimit contractum, in quo casu intelliguntur omnia
capitula liuius quaest. a primo vsque ad Mud cap. Nuptiarum
(c. 41), et omnia similiter capitula in tali casu intelliguntur,
quae matrimonium post votum contractum dicunt esse separandum.
Simplex votum impedit matrimonium contrahendum sed non dirimit
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
217
contractum. In hac opinione fuit Gratianus, Ruf inus, 1 Jo
hannes, Alexander III. et Bazianus. Ugucio vero prae-
missam distinctionem sub sensu assignato non recepit. Die Theorie
Huguccio’s, die nun folgt, stellt im geraden Widerspruche zur
oben vorgetragenen Opinio. Nicliil enim secundum ipsum refert
quoad matrimonium, an tale Votum sit simplex an solempne.
Semper enim dirvm.it matrimonium, sive corde tantum sive verhis
exprimatur, sive fiat cum solempnitate vel non. Solempnitates
enim non sunt de substantia voti, sed fivnt ad probationem, ut
sint praescriptiones vel signa, si. Votum revocetur in dubium. Dicit
ergo Uguicio praescise, quod omne Votum perpetuae continenciae
et solum impedit matrimonium contrahendum et dirimit contractum
et in nullo casu est matrimonium post perpetuae continenciae
votum; et si quis postea de facto contrab.it, et ipsum contrallere
et ipsum veile contrahere est mortale peccatum. Hoc autem verum
est, si Votum continentiae teneatur proprie. Accipitur enim quan-
doque improprie, quandoque proprie. Proprie, si quis voveat,
quod de cetero servabit perpetuam continenciam, improprie, cum
quis promittit, quod post annum vovebit perpetuam continenciam
vel post mortem uxoris suae, si ei supervixerit; et huiusmodi
dicitur votum improprie i. e. promissio vel propositum animi de
faciendo voto in futuro. Proprie vero huius promissio dicitur
propositum ut XVII. qu. II. Nos novimus (c. 2). Similiter de
quolibet alio voto potest fieri talis promissio, ut promitto, quod
intrabo monasterium, postquam filius meus erit pubes, vel pater
vel uxor morietur, vel huiusmodi. Älii eundem sensum exprimunt
sub hac distinctione sed aliis verbis dicentes: Votum aliud de
praesenti, aliud d.e futuro. Votum de praesenti est, quod fit
tantum pur verba, praesentis temporis; votum de futuro, quod fit
tantum per verba de futuro. Per votum de praesenti vovetur
continencia in praesenti, per votum de futuro promittitur, quod
in futuro vovebitur continencia. Post tale igitur votum de futuro
non debet quis contrahere; si tarnen contrahit, tenet matrimonium.
Non enim obligatur ad continentiam servandam, sed promittendam
et vovendam, et ideo non impedit, quin teneat matrimonium; sed
1 Die betreffende Glosse des Rufmus hat Schulte Die Glosse zum De-
cret, §. 6, Nr. 7, aus dem Innsbrucker Codex des Decretum Gratiani
abgedruckt.
218
Thaner.
peccat veniendo contra propositum, si contrahat, et in hoc casu
loquuntur omnia capitula, quae dicunt nubentes post voturn non
seqjarandas, et istis contrahere vel veile contrahere non est pecca-
tum, sed voluntas frangendi votum, et quod sunt contra proposi
tum, est mortale peccatum ut XVII. qu. I. Qui bona, (c. 4), unde
et triennis eis poenitentia imponitur ut d. XXVII. Si enim (1. vir.
c. 3). Omnia ergo capitula huius quaest. a principio usque ad
cap. Nuptiarum intelliguntur de voto de praesenti; exinde usque
ad finem qu. de voto de futuro. Hac distinctione utitur Uguicius
et sequaces eius. Alexander vero III. et ifere tota ecclesia utitur
praedicta distinctione, quae est de voto solemni et simplid, et
quidem Alexander ponit eam in decretalibus: Qui clerici vel
voventes etc. in cap. Gonsuluit. Sed Ugucio respondet, quod non
loquitur ut papa sed ut magister; vel dicit, quod ipse vocat voturn
Simplex, votum de futuro; votum solempne, Votum de praesenti.
Hug-uccio und seine Schule vertraten also die Ansicht,
dass jedes Gelübde, wenn es nur ein wirkliches war, als
solches schon ein wirkliches (trennendes) Ehehinderniss abgebe.
Man kann diese Ansicht, die in den Solennitäten nichts wesent
liches erblickt, und die Gelübde, ob sie corde tantum oder
verbis ausgedrückt werden, einander gleich stellt, als die reli
giöse Auffassung bezeichnen im Gegensätze zur kirchlich
approbirten, welche vielmehr die juristische ist. Dieser letzteren
entspricht es, dass in der Definition des Votum sich kein reli
giöses Merkmal findet. 1
6. Auf Fol. 92 die oben berührte Auseinandersetzung
über bedingte Ehen zu C. XXIX Q. 2. Sie stimmt im Grossen
und Ganzen mit der Summa Decretalium Bernardi Papiensis
(1. 4, t. 5) überein, und hat wie diese als Beispiel einer con
ditio necessaria die Bekehrung zum Christenthume. In einem
Punkte weicht sie aber von ihr ab; während nämlich Bernard
von Pavia die honesta conditio (possibilis) allgemein ,in
1 In merkwürdiger Weise bemüht sich Robertus Flamesburiensis,
Summa de matrimonio ed. Schulte, Giessen 1868, p. XV, die beiden Auf
fassungen zu vermitteln. Tancred, Summa de matrimonio ed. A. Wunder
lich, Gotting. 1841, tit. 18, defiuirt das Gelübde als eine Verpflichtung
gegen Gott, und erklärt einfach votum continenticie impedit matrimonium
et dirimit. Erst im tit. 19 macht er die Unterscheidung in votum simplex
und solenne.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
219
desponsatione* gelten lässt, unterscheidet A wie folgt: Honesta
conditio, ut si navis ex Asia venerit, si dedideris mihi C, et
haec vel apponitur verhis de praesenti aut verbis de futuro. Cum
verbis de futuro, suspendituv obligatio, donec exstet conditio,
nisi carnalis intervenerit commixtio iit in extrav. de sponsalibus
et matrimoniis: De Ulis; si verbis de praesenti, frangi
debet ut in extrav. de condit. appositis: Quicumque, 1 nisi con-
feratur in alterius arbitrium, ut cum dicitur: si pater meus
voluerit, quo casu non videtur consensus de praesenti intervenisse
ut in extrav. de condi. appo.: Super eo. Das cap. Q,uicumque
wird demnach von A viermal verwerthet, einmal als Beispiel
einer bedingten Willenserklärung überhaupt, zweitens für den
eben angegebenen Fall der honesta conditio, drittens und
viertens als Argument, dass eine inhonesta conditio, die aber
nicht gegen das Wesen der Ehe ist, und die impossibilis con
ditio als nicht beigesetzt zu erachten sind. Bernard verwendet
es nur in der dritten Beziehung.
7. Die Methode veranschaulicht die Glosse (Fol. 104) zu
c. 3 C. XXXIV Q. 1 et 2 v. et reconciliari usque non potest.
S. (supra) XXXII qu. VII. Apostolus (c. 3) contra, et XXXII
qu. I. Quod autem tibi (c. 7) contra. Sed Mud Ieronymi est
reprobandum, Mud omnino tenendum; vel hoc dixit ad terrorem,
ut citius rediret; vel secundum vetus test.; vel nisi per acta poeni-
tentia vel sattem incepta ut XXXII qu. 1. Si quis uxorem (c. 4),
in extra. Si quis par (ochianorum). In gleicher Methode werden
(Fol. 112) zu c. 10 C. XXXV Q. 6 v. donec apud episco-
porum etc., ob die sine causae cognitione verstossene Gattin
vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens ihrem Manne zu
restituiren sei, drei verschiedene Schulmeinungen (secundum
quosdam, alii dicunt, tertii dicunt) angeführt. 2
1 Die verschiedenen Auslegungen dieses Capitels aus späterer Zeit stellt
G. J. Phillips Das Ehehinderniss der beigefügten Bedingung zusammen
in Zeitsch. f. K. E. V, 40G.
2 Die beiden ersten Meinungen bilden zusammen den ,alius casus 1 des
Tancred tit. 33, p. 74 (gemäss c. 13 X, 2, 13); die dritte Meinung
geht dabin, dass in allen Fällen Kestitution zu gewähren sei. Ein wei
terer Grund, die Abfassung der Glosse A wenigstens noch vor die Summa
Tancredi, vor 1210—1213 zu setzen.
220
T h a n e r.
8. Zu C. XXXV Q, 9 hat endlich Ä (Fol. 112') eine
Erörterung über die Rechtsmittel nach dem bekannten Schema
der sententia iniusta ex ordine, ex causa et animo. Im ersten
Falle ist die Sentenz ipso iure nulla, ist sie aber ex causa
oder ex animo iniusta, so bedarf es nach eingetretener Rechts
kraft der Retractatio. Es werden ferner die richterlichen Ur-
theile gefällt in causa civili, aut criminali vel spirituali. In
Civilsachen finde objectu falsi Retractation binnen 20 Jahren
statt, dies wird aus 1. 12 Cod. 9, 22 bewiesen. Aus anderen
Stellen des römischen Rechts, die sich aber alle auf Criminal-
fälle beziehen, werden andere Fristen oder unbeschränkte Zeit
für die Retractatio nachgewiesen. In Criminalsachen kann
secundum canones die Retractation immer stattfinden nach c. 65
C. XI Q. 3 und c. 5 C. XXXV Q.. 9 (secundum quosdam);
desgleichen in causa spirituali nach c. 4 C. XXXIII Q. 4.
Hierauf wird die Frage beantwortet, von wem die Aufhebung
des Urtheils auszugehen habe; dabei heisst es: Interlocutoriam
vero potest quilibet retractare ar. II. qu. III. §. Notandum et
in extra, de appellationibus: Significaverunt. Sententiam vero
depositionis nullus potest retractare, nisi summus pontifex ut de
poen. D. VI Qui vult (c. 1. i. f.). Et notandum, quod Pia.
(Placentinus) dicit, quod ad hoc, ut retractetur sententia objectu
falsi, oportet quod probetur testis falsus et pecunia corruptus
ut ff. de re iu. Divus Adrianus (1. 33 D. 42, 1); Io. Cremo. 1
(Ioannes Cremonensis) et eius sequaces dicunt sufficere, quod
probetur falsi ar. C. Si ex falsis instrumentis l. 1. (1. 1 C. 7, 58).
Ausser den genannten Magistern werden in der Glosse A
keine andern mehr erwähnt. Zweimal wird unter der Sigle B
das Decretum Burchardi citirt, und einmal, Fol. 96' zu c. 2
C. XXXII Q. 1 v. libere uxor dimittitur, kommt vor: et lioc
placet- magistro IS. I. XVI. Ex quo pars ut maritus (1. ex
conc. Paris. III. Maritis, Burch. 1. c., c. ult.).
1 Johannes Cremonensis identisch mit Johannes Bassianus s.
Savigny Gesch. d. röm. Rechts IV, 290, n. b. Schulte Die Glosse
S. 16 i. f. Ueber einen Priester Johannes Cremonensis als Historiker
aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts s. Wattenbach Deutschlands
Geschichtsquellen, 3. Aufl. II. 232, 314.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
221
Was schliesslich das Verhältniss von A zur Glossa ordi-
naria betrifft, so kehren wohl einige Stellen wörtlich in dieser
wieder, das meiste ist aber doch mehr oder minder von der
selben verschieden.
II. Die jüngere Glosse: B ist in einer Minuskel geschrie
ben, die über die Zeit der Abfassung leicht täuschen könnte;
ihr Charakter würde nämlich eher auf den Anfang des 13. als
in’s 14. Jahrhundert verweisen. Sie begleitet mit zahlreichen
Erklärungen den Text der Summa Stephans von Tournay von
Caus. I—XXVI (Fol. 10—85'), zu den Distinctionen der I. Pars
und zum Eherecht nur sehr vereinzelt zwischen den Glossen
von A.
Die Zeit der Abfassung fällt in die erste Hälfte des
14. Jahrhunderts. Auf Fol. 32' wird nämlich c. 7 C. VI. Q. 4 aus
dem Concil von Sardica erklärt; dabei heisst es zum Schlüsse:
Item cum dicitur: Si ergo hoc omnibus placet, statuatur, certe
de appellatione ante hanc sinodum. ante mille annos statutum
erat. Genau genommen würde dies das Jahr 1343 oder 1344
ergeben.
Auf Fol. 41' ist zu c. 45 §. 1 C. XI Q. 1 v. competentes
sanetus Thomas angeführt. 1 Thomas von Aquino ist aber
am 18. Juli 1323 heilig gesjn'ocken worden.
Es ist kaum ein Zweifel, dass der Verfasser ein Fran
zose war oder wenigstens in Frankreich gelebt hat. Er giebt
zu c. 4 C. I, Q. 3 (Fol. 10) eine Erklärung der Personate,
die eine besondere Vertrautheit mit den Gebräuchen der fran
zösischen Kirche voraussetzt. Ich lasse die ganze Stelle folgen,
da sie auch sonst über die Besitzverhältnisse der Klöster von
Interesse ist.
Älii casum huius decreti talem dicunt, quod cum abbates
plures ecclesias haberent, unus curam omnium ab episcopo susce-
pit, qui episcopo responderet. Verus autem Casus t.alis est: Con-
suetudo erat Galliae, quod cum unus abbas in episcopatu aliquo
1 Die Stelle — den Anfang s. unten im Texte Nr. 22 — lautet: Sanctus
Thomas volens facere aidenticum consonare sic exponebat, quod hic dicitur
competentes iudices i. e. clericus clericum et laicus laicum iudicem.
Quod autem exponendum sic, sicut praediximus, apparet ex fine autentici
Sin autem crimen ecclesiastioum etc.
222
Th an er.
plures habebat ecclesias, praesentavit abbas aliquem puerum quasi
qui diu viveret, qui reciperet örhnes sirnul ecclesias de manu
episcopiet liic aliquid de Ulis ecclesiis accepit. Episcopus autem,
antequam eum investiret, quantamcumque poterat ab abbate
exigebat pecuniam. Deinde abbas vel annuos ponebat sacerdotes,
vel annuas fecit exactiones, et itte qui suscepit ecclesias, dicebatur
persona. Tandem rescissa est huiusmodi consuetudo vel occasione
abbatum vel episcoporum, et dederunt abbates annuos census
episcopis pro Ulis ecclesiis, quod hie prohibetur. Hie est casus
decreti, unde nuper circo eundem casum Turonensis episcopus
et Cameriensis abbas quaestionem habebant, et erat quidem
simonia quantum et episcopos; sed quomodo punita ? Forte punita,
licet poena hie non contineatur; vel forte minus puniendi, cum
nescirent esse simoniam. Sed si fuit simonia, quomodo permittitur
eis simoniace acquisitum, possidere? Si non fuit simonia, quare
prohibetur ? Sed simonia non fuit ex parte dantium, qui coacti
dabant et non ad acquirendum sed redimendum, tit sibi Heer et
ut (in?) pace sua teuere, quod licet; redimere enim licet, erneue
non licet. Ex parte episcopi accipientis simonia fuit, et ideo pro
hibetur. Item quomodo monachi praescribunt tricennio? Forte hoc
speciale et odio episcopi eis concessit summus pontifex: vel
decimas, quae hie dieuhtur ecclesiae, praescribit monasterium non
suo nomine sed nomine ecclesiae, cuius sunt decimae. Et ita potius
d.icenda est ecclesia praescribere quam monasterium possidens
illam ecclesiam.
Zu c. 75 C. XII Q. 2 v. campana stellt Fol. 48 folgende
Interpretation: Quia in eo loco forte kaerebat patricius ille seil,
iudex forensium causarum. campanam ad convocandam Universi
täten populi, sicut in Francia habentur campanae communionum.
Zu c. 1 C. XIII Q. 2 Fol. 49 über die 40jährige Ver
jährung gegen Kirchen. Hoc secundum Autentic., nam sec. canones
videtur XXX, in Gallia numquam.
Zu c. 34 C. XVI Q. 1 Fol. 57 sind die Ausnahmen von
der Regel: Actor forum rei sequatur angegeben, darunter:
ratione negotii, ut si mercatores Alamahniae ratione mercaturae
in Frantia conveniantur.
Zu c. 3 C. XVI Q. 4 Fol. 64 ist die obige Bemerkung
über Verjährung wiederholt. Et nota, quod in Gallia ecclesia
adversus privatum praescribit, privatus erga ecclesiam numquam.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
223
Zu c. 10 C. XVII Q, 4 Fol. 6G'. Uncle in Gallia etiam,
iam dampnatus pro furto vel homicidio, si poterit irrumpere in
ecclesiam, vivet.
Es ist übrigens cler Verfasser auch mit Zuständen der
Lombardei bekannt: adhuc etiam in Lombcirdia in uno epi-
scopatu unus sohis arcliidiaconatus est; sed aliter est in aliis
ecclesiis. Fol. 35' zu c. 41 v. singuli arehidiaconi C. VII Q, 1.
Bei Erklärung des c. Kursus (36) C. XI Q. 3 Fol. 42'
ist ausdrücklich die Exposition der Bononienses erwähnt, da
gegen ist zu c. 17 C. XXXII Q. 7 Fol. 100' bemerkt: Nota
Parisienses magistri invenerunt in volumine Mediolanensis,
d. h. in den Werken des h. Ambrosius von Mailand.
Die Glosse B enthält zahlreiche Citate aus Schriften der
Legisten und solcher Magister, die das Decretum Gratiani be
arbeitet haben. Sie ist sicherlich einem grösseren Apparate zu
dem letzteren entnommen, vielleicht sogar mehreren derartigen,
und in Gestalt von Excerpten zur Erklärung, Ergänzung, Be
richtigung der Summa Stephans v. Tournay hinzugeschrieben
worden.
Es sind 12 oder 13 solcher Schriftsteller mit Siglen be
zeichnet, einige darunter sind nur einmal, andere an vielen
Stellen citirt. Da die ältere französische Scholastik des cano-
nischen Rechts noch so wenig bekannt ist, so wird es mir
gestattet sein, von jedem der Autoren wenigstens eine Probe
zu geben.
1. Der Legisten im Allgemeinen geschieht Fol. 66' zu
c. 13 C. XVII Q. 4 Erwähnung. Diese hatten gefunden, dass
das Capitel Pseudo-Urbans aus dem Codex Theodosianus 1 ge
nommen ist; da es somit in das Gebiet der Leges gehörte,
ergriffen sie durch Interpretation davon Besitz. Hoc est decretum
de lege factum, et id quod sequitur: praedia us. secr. coe. depu.
(usibus secretorum coelestium deputata) exponunt legistae
specialiter de iis praediis, de quibus providetur vinum et oblatae
cdtciri ad eucharistiam conficiendam et de liis dicunt loqui
decrehm. Der so von den Legisten referirt, ist als M. G. be
zeichnet, ein Magister, von dem unten die Rede sein wird.
Mit Siglen bezeichnete Legisten sind Pia. (Placentinus).
1 Deeretales Pseudo-Isidorianae ed. Hinseltius, p. 145. c. V.
224
Tlianer.
2. Zu c. 10 D. 10 Fol. 6'. Recurre ad summam pla. I. I.
t. de legibus et const.
3. Zu C. XVI Q. 3 Fol. 60. Si vis ampliorem cognitio-
nem praescriptionis et eins specierum liabere, consule VII. libr.
summae pla.
Ferner J. Jacobus ? 1
4. Zu C. I Q. 4 Fol. 12. Si vis de ignorantia maiorem
liabere cognitionem, recurre ad s. j. I. t. (summam J. 1. III.) de
iuris et facti ignorantia.
Endlich B. (Bulgarus) und M. (Martinus).
5. Zu c. 1 C. II Q. 1. Fol. 14 Dicunt tarnen auct. de
re (?), guod si extra ius confiteatur coram tribus et probari possit,
deponendus sit, sed hoc B. non recipit.
6. Zu C. XIII Q. 2 Fol. 49. In legibus dicitur publicas
functiones non posse praescribi. Ad huius similitudinem dicit
Magister annua legata non posse praescribi, nisi singula XXX
annis, eodem modo et decimas. B. vero dicit, guod utriusque ius
praescribi possit, nt si debuit solvere legata et non solvit XXX
annis, de cetera tutus erit, sic et de decimis.
1. Zu VIII. P. §. 8 C. XVI Q. 3 Ad liaec. Fol. 63'.
Dixerat (Gratianus) decimas a privatis non posse praescribi. Idem
probat hie a simili publicarum functionum. Immo ampliüs hic
videtur probare, seil, guod nec ab ecclesia possint praescribi. Et
nota super hac quaestione contraria sensisse M. et B. Martinus
dicebat non posse praescribi, B. posse. Sic et nobis videtur, et
decreta id testantur; et nota, guod, licet Martinus diceret decimas
non posse praescribi, concedebat tarnen ecclesiam cuius est decima
posse praescribi, et sic ad idem redit.
Von Magistern begegnet zuerst an einer Stelle Magister
Roland. 2
1 Ueber die Sigle I. s. Saviguy Geschichte IV, 14a, 154 und das Siglen-
verzeichniss V, 244.
2 Es ist wohl derselbe Magister ltolandus (Alexander III.), dessen Summa
von mir (Innsbruck 1S74) herausgegeben ist, und an die sich in einigen
Stellen der Glosse B Ankliinge finden. So folgt die Erklärung des c. 6
C. XVI Q. 3 (Fol. 61') nach Form und Inhalt ganz dem Gange jener
Summa p. 49.
Zwei anonj r me Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
225
8. Zu c. 8 C. I Q. 3 hat Stephan v. Tournay bemerkt,
dass die Rubrik zu dem Capitel falsch sei. Dazu schreibt
die Glosse B Fol. 10: Unde magister Rol. Bononiae eam
emendavit apponens hanc seil.: De eodem.
Sodann die Sigle M. W. R.
9. Zur IV. P. nach c. 5 C. I Q. 7 Fol. 13. M. W. R.
Nisi rigor. Eine Erörterung über das Dispensiren. Als Gründe
hiezu werden angeführt necessitas und utilitas: utilitas ut in
filiis sacerdotum admittendis ad ordines, si scientia et sanctitate
polleant. Abrogirt wird eine Vorschrift durch Constitutio oder
Consuetudo, durch letztere z. B.: illud Telesfori de quinqua-
gesima, a. clericis ieiunanda, cui abrogatum est per consuetudinem
ecclesiae utentis in contrarium.
Ferner die Sigle M. M.
10. Zu c. 16 i. f. C. VII Q. 1 Fol. 34. Quaeritur, utrum
purgatio calicis sumpta solvat ieiunium. Dipunt quidam M. e.
(magistri econtra), quia aqua illa infusa ad purgandum calicem
ex reliquiis sanguinis sanctißcata transit in sanguinem, et sic
non solvit ieiunium. Alii putant, quod et verisimilius, seil, quod
in purgatione illa nec vinum nec aqua transubstantietur, et ita
solvant ieiunium, nec post illa missa celebranda. Quaeritur etiam
de aqua, quae primo vino miscetur ad conficiendam eucharistiam,
si illa transit in sanguinem, vel solvat ieiunium. Ant.iqui ma
gistri solebant dicere, quod quia de latere Domini exivit sanguis
et aqua, vinum mutetur in sanguinem et aqua in aquam illam.
M. p. e. (econtra.) aquam cum vino mutari aiebat in sanguinem.
Dieser in Form einer Brocarda geschriebenen Glosse
stellen zur Seite die Siglen M. G. und darunter M. M.
Endlich die Sigle M. 0., die ebenfalls nur an einer Stelle
vorkommt.
11. Zu C. XIV Q.. 4 Fol. 51. Sunt quibus videtur, quod
clerici in minoribus ordinibus constituti et arma possint arripere
praecipue in defensione patriae et in lioc casu usuram accipere.
Nota tarnen M. 0. visum in nullo casu usuram posse licite accipi.
Ausser diesen Magistern sind noch drei in weit grösserem
Umfange benutzt, nämlich M. G., der an 29, M. p., der an 15,
und M. p. de lo., der an 7 Stellen citirt ist.
M. G. ist schon bei Nr. 1 und 10 erwähnt worden; an
ersterer Stelle tritt er den Legisten entgegen mit den Worten:
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. LXX1X. Bd. I. llft. 15
226
Th an er.
Nos antem laxamus (decretum) ad omnia praedia stipendvis
fratrum supposita dicentes in eis ablatis committi sacrilegium.
M. G. ,
Einige mit M. G. signirte Glossen sind sehr ausgedehnt,
so die zu C. III Q. 1 Fol. 24 über die Restitution der Spo-
liirten, die von der Unterscheidung der Exspoliation in parti-
cidaris und generalis ausgeht, oder jene zu c. 36 C. XI Q. 3
über die Anfechtung rechtskräftig gewordener Urtheile Fol. 42'.
Es gehörte wohl auch dieser Magister Frankreich an.
Denn 12. zu C. III Q. 6 Extra provinciam steht folgende
Glosse: Vel sic possumus distinguere, cum sit discussio prima
et discussio secunda. Prima semper in eadem provincia fieri debet,
nisi appelletur vel temeritas timeatur, vel iudex suspectus habeatur.
Vel ut plenius videamus (über diesem Worte steht die Sigle
M. G.), quis ubi conveniendus, ab altioribus ordiamur. Nun folgt
Definition und Eintheilung von Jurisdictio (generalis et plena
liegt in Papst und Princeps, non generalis et semiplena ordi-
naria in episcopis et similibus judicibus, non ordinaria in dele-
gatis); darauf folgen die verschiedenen Fälle des Gerichts
standes, darunter ratione conventionis, ut ubi quis convenitur,
ibi respondeat oder si convenerit inter te et me, ut X tibi darem
trecis . . . ratione possessionis, ut si possides rem meam pari-
sius, ibi te convenire possum de re mea, .... ratione ultimae
voluntatis, ut si testator heredi trecis dandum legatum manda-
verit. Das zweite Beispiel lässt sogar vermuthen, dass er ein
Pariser war oder in Paris wenigstens Besitzungen hatte.
Ueber bedingte Eheschliessung vertritt M. G. dieselbe
Ansicht wie die Glosse A:
13. Fol. 85'. M. G. Si contraliatur matrimonium sub con-
ditione, pro non adiecta habetur • sic etiam videtur veile Affrica-
num concilium.
Der Magister P. ist uns bereits in Nr. 10 als Gegner
der antiqui magistri begegnet. Mehrmals ist er auch für Mei
nungen, die von denen Stephans v. Tournay abweichen, ange
führt, die übrigens P. selbst wieder von Anderen referirt, so
z. B. zu I. P. C. VII Q. 1, dass Niemand wegen eines körper
lichen Gebrechens, welcher Art immer, zu zwingen sei, seiner
Würde zu entsagen, es sei in allen Fällen immer nur ein Pro
visor zu bestellen. Bei Altersschwäche sei aber nicht einmal
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
227
auf Begehren ein Substitut zu gehen aus Rücksicht für das
Alter.
14. Zu c. 4 C. VII Q. 1 v. aegritudine hatte Stephan
v. Tournay als Ausnahme aufgestellt: nisi sit ita enormis, ut
de cetero nulla spes salutis nec idoneae conversationis liabeatur,
ut lepra, vel caecitas aut frequens morbus epilenticus. Dagegen
bemerkt M. P.: Quidam tarnen nullam hinc exceptionem faciunt,
quin Omnibus coadiutores dandi sunt, et ipsi in dignitatibus suis
sinendi, nisi aliquos sibi substitui pecierant. Diese treten also
gegen Stephans Behauptung auf, dass Jemand wegen unheil
barer Leiden unfreiwillig seiner Würde entsetzt werden könne.
15. Zu c. 14 1. c. v. alius loco eius nisi recusante eo
seil, episcopat.um non episcopum, quia nisi recusaverit episcopatum,
secundum M. p. alius non est ei substituendus.
16. Zu c. 5 C. X Q. 3 sagt Stephanus Torn., es sei
Consuetudo gewesen, einen numerus fixus der zu Taufenden
anzugeben, damit vielleicht etwas gezahlt würde, um in diese
Zahl aufgenommen zu werden. Dagegen M. p. Vel talis erat
consuetudo. Episcopus parochitanis ecclesiis certum numerum
imposuit, ut tot et non plures baptizarent, quatinus ad maiorem
ecclesiam plures conßuerent, quod hie prohibetur; vel sicut quidam
libri liabent, nec certus nummorum, et tune concordat illi, quod
dicituv I. qu. I. Placuit ut unusquisque. Priori casu melius
concordat littera pro eo, quod subditur ,in electa 1 .
Eine Stelle will ich noch anführen, die, wie sich zeigen
wird, auf die Spur des Verfassers leitet.
17. Zu c. 6 i. f. C. IX Q. 2. M. p. ,praesumptionem iam
praedampnatus 1 . Numquid hie est canon latae sententiae ? Quamvis
vid.eatur decretum veile, tarnen non credo esse canonem latae
sententiae.
Der Magister M. p. de lo. wird ebenfalls einmal im
Gegensätze zu Stephan v. Tournay angeführt; zu c. 43 C. VIII
Q. 1 M. p. de lo. contradicit. 1
1 Kieses Citat, dem der Glossator seine eigene Erklärung des Cap. hinzu-
fiigt, ist mit kleiner Schrift geschrieben, damit es in dem zwischen einem
darüber stellenden Citat aus M. G. und dem Texte des Stephan übrig
gebliebenen Raume Platz finde. Das Citat aus M. G. gehört zur VIII. P.
(nach c. 44), hätte also später zu kommen. Ich möchte daraus schliessen,
15*
228
Th an er.
An zwei Stellen berichtet er, was zu seiner Zeit (lioclie)
in Uebung war.
18. Zu C. II Q. 2 Fol. 15'. M. p. de lo. über die ver
schiedenen Fälle der Spoliation . . . si autem ci suo iudice sine,
ordine iudicicirio est, spoliatus, coram eo in nullci causa respondere
cogitur, nisi sit excommunicatus ab eo. Tune enim non restituta
communione causa excommunicationis examinabitur, sicut hohes
XI. qu. III. Excommunicatos (c. 17). Hodie 1 tarnen consuetudo
habet, ut ante absolvatur praestita cautione iuratoria vel fide-
iussoria, et forte si propter suspicionern dilapidationis spoliatus
est, ante examinationem non restituetur. Si autem talis coram
alio iudice suo convenitnr, etiam non restitutus respondebit in omni
causa praeterquam in causa, ob quam spoliatus est.
19. Zu c. 21 C. VII Q. 1. M. p. de 1. über Trans-
ferirung von geistlichen Personen und Kirchen. Nachdem er
von den Bischöfen gesprochen, fährt er fort: Similiter dico
et de sacerdote, qui curam animarum habet, non potest relinquere
oves sibi creditas sine, episcopi consensu; qui curam animarum non
habet, potest episcopo contradicente, sicut habes XIX qu. II.
Duae. Der Schluss lautet: Hodie etiam videmus transferri
ecclesias (de loco ad locum) propter maiorem commoditatem et
utilitatem.
Ueber die zuletzt bezeichneten Magister geben die letzten
Blätter der Handschrift einigen Aufschluss.
Auf Fol. 115' steht nämlich der Anfang eines Ordo
iudiciarius. Videndum est, quis sit ordo iudiciarius, et quae
manifesta, quae ordinem iudiciarium non requirunt. 2 Daneben
ist am Rande bemerkt: M. p. de blois.
dass die Glosse B ihre Citate nicht, einem Werke bloss entnommen,
sondern dass sie zuerst den M. G. ausgeschrieben hat und hierauf den
M. p. de lo. nachgetragen.
1 Es könnte dieser Satz freilich auch schon der Glosse B selbst angehören,
wenn die Sigle nicht für das ganze Notat gilt.
2 Derselbe enthält folgende Stellen: Magistri autem dissentiunt de prae-
stando iuramento calumniae in hac causa. Bulgarus dicebat non esse
praeslandum, quia sufficeret inscriptio, et metu talionis quilibet pertimesceret
alii falsa impingere. Martinus ait, quanto diligentim haec causa esset
tractanda, quam illa, tanto fortius exigendum huiusmodi iusiuvandum.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
229
Auf Fol. 1.16 steht: M. p. de louencenis. Dann folgt
mit den Worten Bene compositae domui aliquid deesse potest
ad ornatum die Vorrede desselben zu einem Werke über das
Decret Gratian’s, die ganz in der Weise wie die Vorrede 3 zur
Summa mag. Rolandi angelegt ist. 1
Fol. 117' col. 2 2 endlich enthält wieder eine Vorrede 3 zu
einer Schrift über das Decretum Gratiani. Videndum, quae
materia, quae intentio Gratiani in lioc opere et quae utilitas.
Daneben ist am Rande die Sigle M. G.
Quaedam etiam n o va decreta prodiemnt, quae iuramentum calumniae ab
ecclesiasticis eliminant causis etc.; ferner: Exdpiuntur (von gerichtlicher
Ueberführung oder Geständniss) forte etiam notoria, cum tarnen quidam
universaliter dicant non esse notorium, nisi quod non inficiatur reus, vgl.
Petr. Bles. Speculum c. 4; endlich: Sententia sub conditione lata similiter
potest dari in non convictum vel confessum sub hac forma: Ego excom-
munico eum, nisi tune venerit; sed nota, quod quaestio est, utrum sipostea
appellaverit et ad terminum sub tali poena propositum non venerit, sit
excommunicatus, sed inde alias. Diese Frage beantwortet Petrus Bles.
im cap. XVII verneinend.
1 Darin heisst es: Canonici juris corpus multiplici materiei qualitate
distinguitur. Für die Lösung der Widersprüche sind 12 Kategorieen
(casus, causa, finis etc.) angegeben, womit Petr. Bles. c. I. §§. 5, 6 zu
vergleichen ist. Zum Schlüsse ist von dem Plane Gratians die Rede, die
zerstreuten Canones zu sammeln und die discordia derselben zur conso-
nantia zurückzuführen, ne deinceps ut quondam ecclesiastica negotia de
iudicantium penderent arbitrio, sed eorum pocius fine canonico fierfit decisio.
Nach dem Gepräge dieser Vorrede gehört P. de lovencenis wohl noch
zu den Decretisten, die Bezeichnung des Decretum Gratiani als Corpus
iuris canonici lässt mich gleichfalls vermuthen, dass das Werk noch
vor die Compilation Raimunds v. Pennaforte fällt; das Citat bei Sarti
Appendix 214, col. 2, spricht als blosser Buchtitel nicht dagegen.
2 Auf Fol. 117 steht ein Tractat über die Beweislast, der mit den Worten
beginnt: Saepe nuvnero in judiciis examinandis et terminandis emergit
etiam apud peritiores dubietas, cui parti onus probationis incumbat.
3 Auch diese Vorrede gleicht jener zu der Summa magistri Rolandi. Aus
den verschiedenen Autoritäten habe Gratian praecepta, consilia, prohibi-
tiones et permissiones excerpirt. Ex his triplex genus doctrinae instituit:
morale, iudiciale et sacramentale. Mit G. beginnende Namen von Magistern
sind Gandulphus, der in der Summa decreti Lipsiensis, Schulte, Wien
1871, Gibertus, Girardus, Gelandus, die in der Summa Parisiensis,
Schulte 2. Beitrag, Wien 1870, S. 34, 35, also in französischen Summen
des 12. Jahrhunderts angeführt werden.
230
Thaner.
Nun unterliegt es wohl keinem Zweifel, dass die Sigle
M. p. de lo. der (flösse den Magister P. (Petras?) de Loven-
cenis bedeutet. Da liegt es nahe, auch den M. p. de blois und
M. G. dieser Stelle mit dem M. p. und M. Gr. der Glosse für
identisch zu halten. Es ist eben von den Werken jener Schrift
steller, welche die Glosse B am meisten benutzt hat, jedesmal
der Anfang abgeschrieben. Dass die mit M. G. und M. p. de
lo. bezeichneten Glossen aus Commentaren zum Decretum Gra-
tiani entnommen sind, ergiebt der Inhalt; aber auch mit den
Glossen M. p. ist dies der Pall. Allein Peter von Blois hat
nicht bloss über Process geschrieben; er ist der Verfasser des
Speculum juris canonici, das die allgemeinen Lehren des
canonischen Rechtes auf Grand des Decretum Gratiani ent
hält; es ist mehr als wahrscheinlich, dass er dasselbe auch
glossirt oder in anderer Weise bearbeitet habe. Ucbrigens ver
weist er sowohl in dem Bruchstück des Berliner Codex (sed
inde alias), als im Speculum (sed de his alias cap. I. §. 6)
auf ein anderes Werk. Endlich stimmt die Stolle Nr. 17 voll
kommen zu c. I. §. 8 des Speculum. Dort sagt er, offenbar
wegen des Wortes praedampnatus, das Decret scheine einen
canon latae sententiae anzunehmen; hier, ein solcher sei dann
vorhanden, wenn die Strafe sich auf Vergangenes zurück
bezieht (ad praeteritum retorquetur), wo also Jemand schon
im Voraus verurtheilt ist (praedamnatus), bevor ein Urtheil
über ihn gefällt wird. 1
Was endlich den Gesammtcharakter der Glosse B betrifft,
so ist zu bemerken, dass sie im Allgemeinen wenig mit der
Glossa ordinaria übereinstimmt, eine wörtliche Benutzung findet
sich nirgends; ausserdem ist hervorzuheben, dass sich keine
Decretale eitirt findet. Einmal ist Ovid citirt zum Beweise,
dass ,insimulare‘ dasselbe wie ,accusare‘ bedeutet, ein anderes
Mal die Rhetoriker (non quaestio facti sed iuris, vel sicut in
rhetoricis dicitur, non est coniecturalis sed diffinitiva).
1 Die Stelle Nr. 14 des M. P. scheint dem c. 22 des Speculum j. c. zu
widersprechen. Allein dort führt der Magister nur ,quidam‘ an, die jene
Meinung haben; nach der scholastischen Darstellungsweise musste M. P.
einer anderen folgen. Nr. 15 aber handelt gar nicht von morbus incura-
bilis (intervalla aegritudinis c. 14 C. VII Q. 1).
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stepliani Tornacensis.
231
An mehreren Stellen ist das (hodie) geltende Recht dem
früheren gegenübergestellt, z. B.:
20. Zu C. II. Q. 6 VIII. P. §. 18: hodie tarnen haec
possessio magni momenti reputatur propter inducias, quas resti-
tutus habebit, et hodie admittitur appellatio.
21. Zu C. III Q. 9 behauptet Stephan v. Tournay, dass
die Verurtheilung des Contumax pro crimine nur post Litis
contestationem zulässig sei; unsere Glosse sagt dazu: hodie
non solurn pro contumacia sed etiam pro crimine contumaciter
absentem sive Ute contestata sive non condempnari credimus etc. 1
22. Zu c. 45 §. 1 C. XI Q. 1 v. competentes, ut in cri-
minali causa ecclesiastica ecclesiasticum iudicem, in forensi cri-
minali forensem. Sic M. (x. exponit, et haec est mens autentici.
Cui tarnen hodie abrogatum per innumera decreta super posita,
quae iubent clericum in omni causa coram ecclesiastico iudice
accusari. Sanctus Thomas etc.
Mehrere Stellen scheinen mir endlich so erheblichen In
haltes zu sein, dass ich glaube, sie hiemit der Vergessenheit
entreissen zu sollen.
23. Zu C. II Q. 6 über die Clausei: sine remedio appel-
lationis, wo nach Stephan v. Tournay nicht zu appelliren ist,
quod quidam sic intelligunt nisi post datam sententiam. Hiezu
gibt die Glosse B noch mehrere Erklärungen: alii dicunt ante
acceptas et inspectas literas posse appellari, alii dicunt ,sine
remedio‘ quantum ad illum, contra quem literae dantur non pro
quo; alii dicunt in hoc casu numquam appellari posse, nisi
sit iniqua sententia, propter quam improbandam semper appel
lari licet.
24. Zu c. 4 C. III. Q. 4. Nota, quod quidam dicunt non
esse matrimonium sine dote innuentes decreto Evaristi XXX qu.
V c. 1., et dicunt aliter non esse expressum Christi et ecclesiae
coniunctionis sacramentum, nisi dotis celebritate matrimonium
consumatur, quia dotis datio significat virtutum dationem, qua
Christus ecclesiam dotavit.
1 S. Petr. Bles. Speculum c. 58, p. 107.
232
Thaner.
25. Zu c. 11 C. III Q. 6. Item qnaeritur, an Apostolicus
cuilibet privatae personae delegare possit causam episcopi, ui ille
deponat episcopam; sed in hac quaestione periculosum est praeci-
pitare sentcntiam, cum apostolicae potestati non sit derogandum,
nec hoc facile admittendum.
26. Zu c. 5 C. VI Q. 1 (Decret. Ps. Isid. ed. Hin-
schius, p. 40). Nota haec epistola dicitur Clementis ad Jacobum
minorem fratrem Domini; sed si recte cronica notetur, Jacobus
prius erat mortuus quam Petrus; ideo quidam apocrifam dicunt,
hanc epistolam. Liquide namque liabes super Matliaeum, ubi prae-
dicuntur signa praecedentia desolationem Jerusalem, quod ante
desolationem uterque Jacobus mortuus erat. 1
27. In einer längeren Auseinandersetzung zu C. XI stehen
folgende Sätze: In forensi criminali, si clericus conveniatur,
coram ecclesiastico iudice conveniendus est; si in causa pecuniaria
super re, quae fuerit de iurisdictione iudicis saeculans, coram
eo convenietur, vel iudex actorem mittet in possessionem, alias
coram ecclesiastico. Notandum etiam, quod in huiusmodi pecu-
niariis causis, si res fuerint saeculares non ecclesiasticae, si clericus
conveniatur coram ecclesiastico iudice, si forte iudex noluerit vel
non potuerit audire causam, mittere potest clericum ad saecularem
iudicem.
28. Zu C. XVI Q. 7, dass Laien keine Kirchen vergeben
könnten. Primo obiicitur de iure patronatus, sed ibi non a laico,
sed quodammodo per laicum ab episcopo. Ad lioc obiicitur de
maioribus, qui cappellanias dant, quidam etiam praebendas, et
reges episcopatus. Sed credo omnino contra tenorem esse; conde-
scendendo tarnen eis possumus dicere permissum esse privilegiatis
personis.
29. Zu c. 16 C. XXVIII Q. 1. Conditio autem in matri-
monio non admittitur, modus non excluditur; vel etiam non est
ducendus, quin prius ■ baptizetur, et secundum hoc condicio est
intelligenda.
1 Es war demnach bereits im 14. Jahrhundert die Unechtheit einer Ps.
Isid. Decretale hehauptet worden. Bisher wusste man dies erst von ein
zelnen Gelehrten des 15. Jahrhunderts.
Zwei anonyme Glossen zur Summa Stephani Tornacensis.
233
30. Zu c. 4, 5 C. XXX Q. 3. Vel dicimus, quod Pascalis
locale est, Urbani vero generale. 1
Hiemit schliesse ich die Reihe der Excerpte. Sie werden
an Werth gewinnen, wenn einmal der Versuch gemacht würde,
die französische Scholastik des canonischen Rechtes, die an
der Universität Paris ihren nationalen Mittelpunkt hatte, mit
der italienischen zu vergleichen. Eine solche Vergleichung wäre
aber meines Erachtens eine der lohnendsten Unternehmungen
o
auf canonistischem Gebiete, der Gallicanismus würde erst durch
sie recht begriffen werden.
1 S. meine Summa mag. Eolandi p. XXVI.
III. SITZUNG VOM 20. JÄNNER 1875.
Das Curatorium der Stadtbibliothek zu Triest gibt dem
Danke Ausdruck für die derselben bewilligten akademischen
Schriften.
Herr Dr. Adolf Wilbrandt in Wien spricht seinen
Dank aus für die Uebermittelung des ihm zuerkannten Preises
durch die philosophisch - historische Classe der k. Akademie.
Das c. M. Herr Professor Dr. Th. Gromperz übersendet
eine Abhandlung: ,Beiträge zur Kritik und Erklärung griechi
scher Schriftsteller. I. Zu den Fragmenten der Tragiker“.
Herr Dr. Alexander Budinsky in Wien legt ein Werk,
betitelt: ,Die Fremden an der Pariser Universität im Mittel-
alter' vor, mit dem Ersuchen um eine Subvention zum Zwecke
der Drucklegung.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss., zu Berlin: Monatsbericht.
September und Oetober 1S74. Berlin; 8 11 .
Bergwerksbetrieb, Der, Oesterreichs im Jahre 1873. II. (berichtlicher)
Tlieil. Herausgegeben vom k. k. Ackerbau-Ministerium. Wien 1874; kl. 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XVII
(neuer Folge VII), Nr. 12. Wien, 1874; 8".
— für Salzburger Landeskunde: Mittheilungen. XIV. Vereinsjahr 1874
Salzburg; gr. 8°.
Holenia, Das Bleibende im Wechsel. Wels, 1874; 8°. — Die dunklen Punkte
der Gegenwart. Wels, 1875; 8°.
Krones, F., Die Herrschaft König Ottokars II. von Böhmen in Steiermark.
Graz, 1874; 8°. — Quellenmässige Beiträge zur Geschichte der Steiermark
in den Jahren 1462 —1471. Graz; 8°.
Memoire sur l’achevement des travaux d’amelioration executes aux embouchures •
du Danube par la Commission Europeenne, etc. Leipzig, 1873; 4°.
Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr aus dem statist. Departe
ment im k. k. Handelsministerium. VI. Band, 1. Heft. Wien, 1874; 4 n .
Pichler, Friedrich, Die römische Villa zuReznei in Steiermark. Wien, 1874; 4°.
,Revue politique et litteraire* et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger*. IV 11 Armee, 2° Serie, Nr. 29. Paris, 1875; 4°.
Societä Italiana di Antropologia e di Etnologia: Archivio. IV 0 Volume. Fase.
3° e 4°. Firenze, 1874; 8°.
Wittstock, A., Autodidakten-Lexikon. Lief. 1—2. (Aasen—Bode.) Leipzig,
1875; gr. 8°.
Gomperz. Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller. 235
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer
Schriftsteller.
Von
Prof. Dr. Th. Gomperz,
corr. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
I.
Zu den Fragmenten der Tragiker.
Ich vereinige in den nachfolgenden Blättern Beiträge zur
Auslegung- und Kritik griechischer Texte, wie sie mir im Laufe
langer Jahre allmälig erwachsen sind. Manches davon hat schon
die doppelte Horazische Probefrist bestanden, während mir An
deres erst bei der Arbeit des Niederschreibens emporschoss.
An strenger, ja strengster Selbstkritik glaube ich es nicht haben
fehlen zu lassen. Unlieb wäre es mir, wenn man urtheilen
sollte, ich habe mich durch das Streben nach erschöpfender
Gründlichkeit zu lästiger Breite verleiten lassen. Noch uner
wünschter, wenn man in der freimiithigen Beurtheilung der
Ansichten hervorragender Forscher unziemliche Zuversicht oder
gar kleinliche Tadelsucht erblicken wollte. In Wahrheit gebot
mir die Achtung vor den Männern, deren Ergebnisse ich im
Einzelnen vielfach bestreite, diesen meinen Dissens ausreichend zu
begründen, während mein Wunsch, den Leser nicht zu blenden,
sondern zu überzeugen, es unstatthaft erscheinen Hess, an ent-
gegenstehenden Meinungen vorüberzugehen, ohne ihre Haltbar
keit eingehend zu prüfen.
1. Aeschylus Frg. 237 (Nauck).
Dieses zuerst von Bekker, Anecdot. 351, 9, veröffentlichte
Bruchstück der ToZov.oeq ist bis zur Stunde ungeheilt geblieben.
236
Gomperz.
Doch schimmert Gedanke und Aasdruck aus der Verderbniss
noch deutlich genug- hervor: ,der beutelose Jagdtag bringt dem
Waidmann nur vergebliches Mühen'. Also:
ofeo) Tt? ’Äy.xcuMv’ (oder ’Axxewv’) dOvjpo? v)p.epa
xevov xövou xXouxoüvx’ (1. y.evov xövov xovouvx’)
exep/iev iq oopiouc.
Vgl. Pers. 682 (Dind.) x£va xoXi? xovet xövov; — Der einzige mir
bekannte Besserungsversuch, derjenige Wagner’s, richtet sich
selbst. Dieser schlug nämlich vor, zu schreiben (Trag. gr. frgm.
I, 114): y.svov ipovou xXoüxou t’, — wobei man nicht weiss, was
unerträglicher ist, die Wahl der zwei Worte <pivoc und xXouxo?
zur Bezeichnung der Jagd und ihres Ertrages, oder die Ver
bindung so unsäglich disparater Begriffe, wie ,Mord' und
,Reichthum'.
2. Sophokles Frg. 160.
Der bis zu vollständiger Sinnlosigkeit verderbte Vers
yX(1xj<jv]c p.eXkav;? xw y.axeppuv;y.cT!
lässt sich, wenn ich nicht ganz und gar irre, der Hauptsache nach
mit evidenter Sicherheit hersteilen. Die ,Biene' steht hier, wie
uns der Scholiast zu Oed. Col. 481 (Nauck), der das Bruchstück
erhalten hat, mittheilt, statt des von ihr bereiteten ,Honigs' —
eine Gebrauchsweise, über die Gottfr. Hermann in Wolf’s
,Analekten' (III, 67 ff.) ausreichend gehandelt hat. Es ist selbst
verständlich ,der Honig' gemeint, der einem Redner ,von der
Zunge troff'. Bedenkt man nun, dass ein eppuv) y.dxa leicht, ja fast
unausweichlich zu eppuv;-/.oxa oder eppuvjy.cxt wurde (ähnlich hat
Porson bei Aeschylus, Frg. 362 eppuv;y,6xa oxop.a verbessert zu eppuv;
y.axd axöp.a) und dass dieser Fehler eine weitere Zerrüttung des
Verses nach sich ziehen musste, — so wird man es schwerlich
verwegen finden, wenn ich schreibe:
-(■XuaffV)? p.eXtcjoa .... eppuv; y.axa.
Die Lücke kann man sich in verschiedener Weise — bei
spielsweise durch xavSpo? oder durch xw xbx’ — ausgefüllt denken.
Es war übrigens, da das Drama, die A/eXXsmc epaaxai, dem
troischen Sagenkreise angehörte, vielleicht geradezu von Nestor
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
237
die Rede, xou y.ai aizb y'/.wctrqc |j.eA’.xoc fXimwv pesv aub-q (II. A 249)
und dessen honigsüsse Rede — xb Neuxöpetov sü-y-Xwcsov pikt —
auch Euripides feiert (Frg. 891, wo Barnes das verderbte piXoc
so trefflich gebessert hat). Ellendt’s vermeintlicher Herstellung:
p.eAiccf] xw y.ax£ppu^y,6xt vermag ich weder mit noch ohne
Dindorfs Amendement, wonach cxop.ax! aus dem Vorhergehenden
oder Nachfolgenden zu ergänzen sei (vgl. beider Lex. Sophocl.
s. v. 'f/MCGa), irgend welchen Geschmack abzugewinnen. Weder
der ,vom Honig der Zunge' überströmte ,Redner', noch der
in gleicher Lage befindliche ,Mund' wollen mir des Dichters
würdig scheinen, dem selbst die Musen gleich Plato die Lippen
mit Honig gesalbt hatten. (Vita Soph. p. XII fin. Nauck und
Aristoph. Frg. 231 a Dindorf. Auch ,Sophokles' erkl. v. Schnei-
dewin-Nauck 1 G , S. 10 u. 26.)
3. Sophokles Frg. 235.
Die fast völlig gelungene Wiederherstellung des herrlichen
grossen Bruchstückes der Tragödie Ousoxygehört zu den schön
sten Triumphen der Conjecturalkritik. Doch liefert die Behand
lung des Fragments gleichzeitig einen neuen Beleg für die alte
Wahrheit, dass eben die trefflichsten Kritiker nicht selten —
durch ihre Erfolge zu übergrosser Zuversicht gestimmt — Un
scharfes Messer an Stellen legen, die entweder völlig heil sind
oder doch weit gelinderer Heilmittel bedürfen. Haben doch
in unseren Tagen nicht weniger als drei Meister der Kritik —
Meineke, Nauck und W. Dindorf — hier eine gewaltsame
Aenderung für unbedingt geboten erachtet, die eine sorgfältige
Nachprüfung nicht nur als vermeidlich, sondern als geradezu
unmöglich erweist.
Die achthalb Verse schildern das Wachsthum einer
Zauber-Rebe, die vom Morgen bis zum Abend alle Stadien der
Entwicklung durchläuft, und lauten bei Nauck und Dindorf
bis auf eine Kleinigkeit in dem noch ungebosserten Schluss
übereinstimmend also:
b'crxi -ydp x:? evaXta
Eußottp aEa' xvjoe ßdx.)£sio? ßöxp-j?
ex’ yjp.ap epx;£i. -xpwxa [aev Aap-icpök eio
x£y.AV)p.xx(i)xai ypaopov oivavOqq Ssp.a?-
238
Gompe rz.
5 eh’ r i \>.ot.p auSjei piaaov op.pay.oc ii~ov,
yXuy.aivs-ca ts zazoiispyouTai ßo-puc-
SsiXp §s Tcaaa xsjAVSTai
OTitbpa y,aT« y.ipvamt totcv.
Dem aufmerkenden Leser wird es schwerlich entgehen,
dass der Hinweis auf das Süsswerden der Traube in einem
bestimmten Abschnitt ihres Wachsthums (V. 6) an sich wenig
passend ist. Denn dieser Vorgang entzieht sich ja durchaus
der unmittelbaren Wahrnehmung, und der Dichter weiss doch
im Uebrigen die Entwicklungsphasen des Rebstocks völlig sach-
gemäss durch Merkmale zu bezeichnen, die für das Auge des
Beschauers offen zu Tage liegen. Neben /Xwpov oivavövjq SEjjtac,
Stornos tuttov und xäicouepxouTat dürfte uns jenes yXuy.atvsTai auch
dann befremden — wenn es überliefert wäre. Und ferner: die
sehr wohl zu entbehrende, wenn nicht gar lästige Süssigkeit
hat ans jenem Verse eine ganz und gar nicht zu entbehrende
Zeitbestimmung verdrängt. Denn warum sollten sich, während
dem Morgen und dem Abend je ein Entwicklungsstadium des
Weinstocks zugewiesen ist —- dem ersteren das Emporschiessen
der Ranken, dem letzteren das Ausreifen der Trauben ■— in
den Mittag deren zwei zusammendrängen: das Erscheinen der
noch grünen Beeren und das Dunkelwerden derselben? Warum
sollten nicht vielmehr den vier geschilderten Phasen des Wachs-
Thums ebenso viele Zeitabschnitte entsprechen — Morgen,
Mittag, Nachmittag und Abend? Eben darauf weist aber in
ganz unzweideutiger Weise die Ueberlieferung. Anstatt des
von Meineke (zu Theocr. I, 46) vorgeschlageneh und von Nauck
wie von Dindorf in den Text gesetzten yXuzalvsxat (der Erstere
hatte früher xenalvE-tai vermuthet) bieten nämlich die Hand
schriften und die älteste Ausgabe der Euripides-Scholien (zu
Phoeniss. 227) übereinstimmend y.at xAlvetai. Darin aber gehen
sie auseinander, dass die Mehrzahl der Handschriften hierauf
ein vf folgen lässt, während die drittbeste derselben (der Pari
sinus) statt dessen ii, der älteste Druck endlich keines von
beiden bietet. Diese Divergenz erklärt sich am einfachsten
durch die Annahme, dass die Partikel welche der Zusam
menhang gebieterisch fordert, hinter dem im Munde der Spät
griechen gleichlautenden Tat von nWvsTat ausgefallen, die Lücke
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
239
aber einmal richtig', einmal unrichtig und ein drittes Mal gar
nicht ausgefüllt worden ist. Zur Anfechtung des Verses aber:
7.3C1 ZA’VETXl (te) XaXOXEpXOlJTai ßoTp'JC
liegt auch nicht der Schatten eines Grundes vor. Durch ti-yuxl
wird der genaue Synchronismus der beiden Vorgänge in einer
Weise bezeichnet, für die sich eine Fülle von Belegen an
führen Hesse; doch genüge ein auch in anderer Beziehung
sehr lehrreiches Beispiel, das nicht zutreffender gedacht werden
kann. Herodot schildert den wunderbaren Temperaturwechsel
einer libyschen Quelle, der sogenannten Sonnenquelle, IV, 181:
vjy/dvci §e y.ai cckXo 3owp y.pvjvalov eöv, to tov p.ev opOpbv yivsTai
yjAtapov, dyopijs oe xXr ( Quo6oy;<; ^u/poxspov p.soajy.ßpvq ts eoti y.at to
y.dp-a vi'veTa'. tkiy_pov TYjvizauTa os apoouoi tou; y.vjxo'j;- axoxX'.vop,£vv]<;
ob tv)c '(jp,epz? uxlsTat tou ilu/poü, s; o oÜEia! ts o yjXio? y.a: t'o
ubwp yivsTai /Xtapöv exi oe p.äXXov i'ov ec to Ospp.bv s<; p,so«; vuy.Tac
xsAai(si, TYjVty.aÜTa oe £ssi äp,ßoXdor,v xapsp/ovTai te p.Eoai vuy.TE? y.ai
'lu^ETat pi/p'. sc -qü. Sollte aber Jemand an der Folge: y.ai-TE-y.at
in diesem Zusammenhang Anstoss nehmen, so kann ihn Xenoph.
Anab. I, 8, 1: y.ai ^or, te rjv ap.oi ayopav xX'jOouoav y.ai xXiqctov
rjv 6 oTaOp.bc y.TE. über die Zulässigkeit dieser Verbindung
belehren, während sich die Nothwendigkeit derselben im
vorliegenden Falle aus der Erwägung ergibt, dass das Subject
zu y.XtvsTzi, nämlich rjp.ap, aus V. 5 zu entnehmen ist, die beiden
Verse mithin enger zu verknüpfen waren. Ich schliesse die
weitläufige Erörterung mit einem Uebertragungsversuch der
betreffenden Verse, der hoffentlich jeden etwa noch vorhandenen
Rest von Zweifel und Unklarheit verscheuchen wird:
Das Friihroth blickt auf rankendes Gezweige,
Des Tages Mitte griissen grüne Beeren,
Es sinkt die Sonne — dunkler glüht die Traube,
Da winkt der Abend und der Winzer bricht
Die reife Frucht — schon mischt er froh den Trank.
4. Sophokles Frg. 396.
Die das Menschenleben ordnende, wahrhaft prometheische
Thätigkeit des Palamedes ward wie von Aeschylus (Frg. 176),
Euripides (Frg. 582) und einem Unbekannten (adesp. 393),
240
Gomperz.
so auch von Sophokles in der Tragödie Nauplios in Versen
gefeiert, deren Verderbnisse durch die Bemühungen von Sal-
masius, Heath, Blomfield und nicht zum geringsten Theil von
Nauck nahezu völlig beseitigt scheinen. Doch liest man die
selben noch immer in einer Reihenfolge, die aller Logik Hohn
spricht und deren schwere Uebelstände durch die wenig glück
lichen Versuche von Heath und H. Keil nicht behoben worden
sind. Nur Joseph Scaliger hat durch die Versetzung von V. 3
nach V. 8 richtige Einsicht in den Gedankenzusammenhang
bekundet, wenngleich dieser Vers mit seinem sinnlosen xaüxac
(was durch Herwerden’s itdcrac, Exerc. crit. p. 14, nicht ge
bessert scheint) ein immer noch ungelöstes Räthsel geblieben
ist. Ich versuche eine neue Anordnung der Verse, von der
ich hoffe, dass man sie für die richtige und ursprüngliche halten
wird, wenngleich — doch ich lasse Otto Jahn statt meiner
sprechen: ,quamquam qui tandem factum sit ut singula membra
tarn mire disicerentur probabiliter explicari nequit* (Philolog.
26, 11).
2 a-aQ[j.öv dpiGp.ßy xat pixpwv süp^p.ata
7 epyjupe y.aväfYjvev ou Ssäscj-p.eva.
8 V aaxptov p.sxpa xai .^sptexpoepa;,
3 xäEsic xe xauxap (?) oüpävia xe axa,
9 utcvou op6Xa!;i ziGxa oyjp.avx^pia
10 veöv ~s ixpip.avxyjpatv evöakaad'oic,
11 apxxou axpoepae xe xai xnvo? ipuypav 36c.v.
1 aüxb? 3’ s®Yjupe xelyoq ’Ap'fEiwv expaxtjr
4 xd■/.£”/’ EXEuijs TrpOxos;- iE, b/bq csv.a
5 xax xöv Sex’ auGi? ijups TCVXTjxovxäoac
6 xai yy.X'.cawq xat axpaxou cpp’jxxwpt'av.
Bei der Constituirung des Textes habe ich von den bei Nauck
verzeichneten Vorschlägen reichlichen Gebrauch gemacht; ich
selbst habe nur V. 1 oüxop in auxoc geändert und V. 6 das zweite
xai eingefügt.
5. Sophokles Frg. 398.
Ein anderes Bruchstück derselben Tragödie (oder, wahr
scheinlicher, des Naöfe/.ioc wupxaeüq, während jenes wohl dem
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
241
NaüzA'.oc xawicXeuv angehört) hat seit drei Jahrhunderten eine
Fluth von Besserungsvorschlägen erzeugt, 1 von denen sich die
neuesten Herausgeber mit Recht nicht befriedigt zeigen. Das
selbe lautet (Stob. Flor. 104, 3) in der besten Handschrift, der
jenigen des Escurial, wie folgt:
Tw yap v.t/mc Tcpäcrcovri pupta pia
vj£ eariv eo ttaOcvxa rjtspa 0aveTv —
während die zwei Parisini statt vj-spa darbieten sl0’ exspa. Der
Sinn wie das Versmass verlangen gleichmässig nach su txaOsvxa
die Adversativpartikel 3s, und der Gegensatz zwischen dem Un
glücklichen, dem die Nacht sich endlos hindelmt, einerseits und
dem Glücklichen andererseits muss darin gipfeln, dass sie dem
Letzteren wie im Fluge verstreicht, oder (anders ausgedrückt)
dass ihm der Morgen graut ehe er sich dessen versieht. Die
sem Gedanken genügt, wie ich meine, vollkommen die leichte
Aenderung:
xw '(ap y.av.üc irpaffsovTl pupia [J,(a
vüS IcTiv, su 7caOsvta 3’ vjp.spa cpOävst.
Der Tag kömmt ihm, d. h. seiner Erwartung und vielleicht
seinem Wunsche, zuvor, der Tagesanbruch überrascht ihn. Der
Dichter hat dabei sicherlich nicht an den sanft und sorglos
Schlummernden, sondern weit eher an Jenen gedacht, dem die
Nacht in Freuden und Lustbarkeit dahinrauscht und der mit
Sappho (Frg. 130 Bergk) den Wunsch hegt: ,vuzxa‘ aifjfü ,-ps-
vscOat SwtXafftav 4 . Man denke an Verbindungen wie: xi'vetv xe xal
cu-aOestv, yopeieiv y.a! ev euxaBehjcri eivai, ev OucIvjat xe xat EiMtaBstYja't
(Herod. II, 134 u. 174; I, 191; VIII, 99) oder an Plato Rep.
1 Ich kenne die folgenden, in denen sich, wenn ich richtig nrtheile, Wahr
heit und Jrrthum gar wundersam vermengen: pupf ccv pia | vuE eotiv, eu
-xOovti Oi^pa 6'aVEtV (H. Grotius), puphx pt« | vuf Eariv, eü jraOovra Of]T£pa
Oavcfv (Brunck), ebenso bis auf Ozrdpz statt 01t:-:pv. Ahrens und Ellendt,
sü naOo’vra o’ rJ-Epa tpOavst (Jacobs), vü?. tu -ocöövx’ eü 3 1 loxt Gjjxspa ÖocveTv
(Bamberger), vüE' eu -zOdvxi zai psO’ fyiipa; ipOfvst | nr/iara oder <pO(veiv |
tpd.Et Tctyiaxa (Wagner), su jiaOövra 8’ Earl oapOaVEiv oder 8 1 supapss 8pz-
Oeu (Conington), su jiaOovui 8 1 rjpc'pa -pavsT (Seyffert), sÜTtaOouvri 3’ouz
Epoi; Oavsfv (Meineke), eü jraOo'vti 8’ EuOfw; tpOivsi (Heimsötli), vuE, £U7ia-
Oouvrt 8’ E'jOu; fjpdpa paVEf (O. Hense).
Sitzungsber. <1. phil.-liist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft.
16
242
G o in p e r z
] ; 347, C.: .... 'ip/o'nca i-1 ~'o äp/etv, cby wc st:’ afaOiv xc isvxsc,
guo’ ü)? sÜTxaövfaovxs? sv auxw, aXX’ wc krJ avaptaiov, vor allem aber
an Theognis 473—74: xw toveiv o’ sÖeXcvxi Txapaaxaobv o ; .vc/cffxw j
ou xac;ac vüy.xac yherai dßpä xcaOslv.
Die Situation, der das Bruchstück entstammt, ist schon
von Welcher (Griech. Tragüd. I, 190) ohne Zweifel richtig
erkannt worden. Es ist sicherlich jene Unglücksnacht, in der
die von Troja heimkehrenden Griechen Schiffbruch leiden und
von Sturm und Donner umtobt die Hilfe der Götter anflehen,
bis Nauplios durch ein verrätherisches Feuerzeichen sie vollends
ins Verderben lockt (Hygin. fab. 116).
Dass übrigens das von Homer angefangen auf allen Ge
bieten der dichterischen wie der prosaischen Rede heimische
Verbum cödvo) bei Sophokles bisher nicht nachgewiesen ist, kann
ich nur für ebenso zufällig halten als sein einmaliges Vor
kommen bei Aeschylus.
Wie hier den üppigen Prasser das Morgengrauen, so über
rascht anderswo der Hahnenruf die zu mageren Tafelfreuden
vereinigten, aber in Wortklauberei und Begriffsspalterei uner
sättlich schwelgenden Genossen des Menedemos:
C X7)V 6(0 XaXb)V
•/.axsXaßsv, opvi^ - xoiai 3’ cüo.eitw y.cpoc
(Lycophr. ap. Athenae. X, 420).
6. Sophokles Frg. 465.
Zu Soph. Ajas 581 —82:
CU ZpO? IGtXpOU (T0(pGU
öprjvsEv etcmoc«; -pbc, to|j.öw. xpaüp.axt
hat ein Scholion die Mittheilung erhalten: xat sv IToipisi
,Xgym yap sXy.oc oüosv oi r. xu^etv 1 .
Dieselbe Notiz begegnet uns bei Suidas (s. v. Op^vetv sTupodc),
der hier wie sonst mehrfach Sophokles-Scholien excerpirt hat,
die sich nur in der ,ab librario negligenti et imperito f des vier
zehnten Jahrhunderts geschriebenen Florentiner Handschrift G
vorfinden, ,ut Suidam libro usum esse nunc pateat, qui similis
fuerit ei, ex quo G. originem duxiff (Dindorf, Scholl, in
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
243
Soph. II, p. V). Da nun die Schreibung des Verses bei Suidas
in einem Punkte die augenfällig bessere ist (oioa statt oT). so
schiene mir von der bei ihm erhaltenen abweichenden
Fassung des Schlusses auszugehen auch dann methodisch rich
tiger — wenn sie sich nicht durch innere Gründe empfähle.
Dies ist jedoch in unverkennbarer Weise der Fall! Denn
/ptvöv, was jener statt vs/ß't bietet, passt an sich auf’s trefflichste
zu e/y.oc, während der mangelnde Abschluss des Gedankens den
Verdacht nicht aufkommen lässt, das Woi’t entstamme dem
Kopf eines Correctors. Diese Spur führt uns aber, wie ich
denke, zu der sicheren Erkenntniss, dass das Bruchstück (von
dem Wörtchen ttou abgesehen, das Dindorf, ich glaube, mit
vollem Recht in toi ändert — ou-w oioa wie so häufig v)3rj tot’
oder yap eioov, z. B. Eu. El. 369 [Nauck], Frg. 297) überhaupt
nicht verderbt, sondern verstümmelt ist. Ich schreibe:
Aov(p Y«p sXxos ouSsv oioa xo yavöv
<p.sp,uysvat)
.Ich habe noch nie gesehen (oder erfahren), dass eine klaffende
Wunde sich durch blosse Worte geschlossen hätte/ (Beiläufig,
Koyto ist hier ganz so nachdrucksvoll gebraucht wie Aeschyl.
Sept. 715: TsOvjypEvov tot p,’ oüy. d-ap.ßXuvsTc Xoytp.) Muco. ist
so sehr das vom Zusammenhang erforderte, bezeichnende Wort,
dass auch Meineke, wie ich nachträglich sehe, darauf verfallen
ist, indem er statt jravov oder TJjcstv schreiben wollte: p,ucr<xv. In
nicht minder einleuchtender Weise hat auch anderwärts die
Annahme der Verstümmelung, — oder richtiger, der unvoll
ständigen Ueberlieferung — eines Bruchstückes zu dessen
Heilung geführt. So Eurip. Frg. 358, das Hense (Lectiones
Stobenses p. 16) fast völlig sicher ergänzt hat: (saOXouc sycl>) |
oXt-j-ouc stoc.vü) p.aXXov -i) toXXouc y.axou?, und Eurip. Frg. 357, wo
Herwerden dem absurden: vaü; yj p.E-parc] xpewtjov •)) p.txpbv maooq
die schöne Sentenz abgewann: (xoX'Ady.c) | vab? p^ytoir,? xpsTcaov
rjv p.tkpov ozdoo? (Exercitt. crit. p. 49).
7. Sophokles Frg. 818
ist handschriftlich (Scholia in Iliad. bi 274) also überliefert:
sv toTuw tsroi? tomjiv sxXsXstp,p,svoi;
totov st ygopiop.sv •/] tocvti o6svet.
16*
244
Gomperz.
Ans diesem Wust liat die kritische Scheidekunst nach aller
hand Fehlversuchen, unter denen Wagner’s ’IXiov saw ywpwp.Ey
der ergötzlichste ist, ein ebenso zierliches als verständliches
Verspaar herausdestillirt, dem nur mehr eine letzte, leise Nach
hilfe Noth thut:
’EvetoTgiv tmtoic toTgiv exXeXeYpivot;
IjSiov av ywpoqisv 'q iravii <j0sve'..
Ein vornehmer Krieger fordert einen Genossen auf, den Staub
der Landstrasse und die sonstigen Unbequemlichkeiten des
Marsches zu meiden, indem sie mit windschnellen Rossen dem
Heerestross voraneilen.
’Evetchciv und ijSiov hat Hecker, sx.XeXsy|j.svoic Schneidewin.
■/wpcigsv Nauck und av ich selbst gefunden.
8. Sophokles Frg. 853.
ist ganz ebenso sehr ein ,locus conclamatus' geworden wie
unsere Nr. 5, doch mit dem Unterschiede, dass die Vermutlmn-
gen der Gelehrten diesmal nicht nach allen Richtungen der
Windrose auseinander stoben, sondern sich in einige wenige
Canäle ergossen hallen. Ich fasse mich bei der Besprechung
des erst kürzlich wieder von Nauck (Melanges Greco-Rom.
HI, 290—91), O. Hense (Kritische Blätter, 82—83), Cobet
(Mnemos. N. S. II, 1, 106—7) und Ritschl (Acta societ. phil.
Lips. II, 2, IX—X) erörterten Bruchstückes so kurz als es die
Sache irgend zulässt.
Dasselbe lautet in den Ilss. des Stobäus, Flor. 45, 11, also:
toXXwv y.xXwv oel tw y.aXwp Tip.wp.EVw -
p.apoo §’ &.'{wvoc ou p.EY’ EpysTat y.AEOc.
So heil der zweite Vers, so pflagitiose corruptus‘ (um mit Cobet
zu sprechen) ist der erste. Den Schluss desselben hat Nauck
vor zwanzig Jahren in der einleuchtendsten Weise gebessert:
,Labores subeundi sunt non ei qui y.aXwc Tip.aTai sed ei qui glo-
riam quaerit: hoc fere dici debuisse manifestum est ex versu
altero. Itaque scribendum suspicor: tw y.aXov ti p.wpivw/ (De
tragic. graec. fragm. observatt. crit. p. 30.) Diese ebenso sichere
als glänzende Emendation ist seither von stimmfähigen Bear-
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
245
theilern nahezu einmüthig als sulclie anerkannt worden. Nauck
selbst bat sie in den Text seiner Fragment-Sammlung- gesetzt,
während er sich über seinen Versuch, auch den Anfang des Ver
ses wiederherzustellen, niemals mit gleicher Zuversicht geäussert
hat. ,Merito y.a/.öv suspicionem movit, quamquam probabilem
medelam allatam non vidimus: sententiae conveniet koXa&'j xövwv
osü, schrieb er in jener Abhandlung (1855), ,fortasse xovwv scri-
bendund in der adnotatio critica dieses Sammelwerkes (1856)
und (mit einer durch die zahlreichen Misserfolge Anderer nur
massig gesteigerten Zuversicht) ,wie ich glaube, schrieb der
Dichter: toXXöv x6v<ov . . . in der obgenannten Akademie-
Schrift (1871). Um so viel richtiger hat (meines Bedünkens)
Nauck selbst über den Werth seiner Muthmassung geurtheilt als
der Feuerkopf Cobet, der diese Conjectur und jene Emendation
auf völlig gleiche Stufe stellt und nicht übel Lust hat, seinen
bedächtigeren Vorgänger der Zaghaftigkeit zu zeihen: ,Recte
et acute omnia .... Nunc omnia pristino nitore splendent .. . rßv
xov<uv non est ausus recipere quamquam certum est et mani
festum'. Ich vermag weder in jenes Lob einzustimmen, noch
in diesen Tadel. Denn einmal, weder Nauck’s Annahme, xovwv
sei durch den Einfluss des nachfolgenden xaXöv in xaXöv ver
wandelt worden, noch Cobet’s Voraussetzung einer unrichtig aus
gefüllten Lücke scheint so annehmbar, dass man es aufgeben
müsste, nach einem gelinderen Heilmittel zu suchen. Zweitens
und hauptsächlich aber: ich kann nicht finden, dass diese Her
stellung auch nur dem durch den Zusammenhang geforderten
Gedanken ein volles Genüge thue. Kein Zweifel, — so gut
Euripides schrieb (Frg. 147):
euxXeiav eXaßov oüx aveu icoXXöv xovuv
oder (Frg. 238): auv p.upiWt ia y.txAx yiyvetai icovoic, — ebenso
wohl hätte auch sein älterer Kunstgenüsse das schreiben
können, was ihm Nauck zweifelnd und Cobet zuversichtlich in
den Mund legt:
%oXXwv xövcov Sei "<o y.aXov n p,ü)p,evip.
Allein er hätte diesem Vers sicherlich nicht als sein augen
scheinliches, weil durch die Adversativpartikel oe mit ihm ver
bundenes, Gegenstück jenen anderen beigesellt:
[j.'.-/.pou S’ iy&voq ob jJ-iy’ ep'/emi y.Aeog.
246
G o m p e r z.
Denn hier ist ja nicht im mindesten von der Zahl, sondern
nur von der Beschaffenheit der Leistungen die Rede! —
Mit anderen Worten: gehen wir bei unserem Heilbemühen, wie
billig, von dem unversehrten der beiden Verse aus, und legen
wir, wie gleichfalls billig, auch an diesen winzigen Ueberrest
sophokleischer Dichtkunst den Massstab strengster Concinnitiit
des Gedankens wie des Ausdrucks, — dann finden wir, dass
nicht zaXwv anzutasten ist, sondern xoXXwv. Aus diesem ist,
durch Tilgung eines Striches, das von Nauck trefflich errathene
tovmv zu gewinnen — und damit dürfte denn das auf der hohen
See der Conjecturalkritik so lange umhergetriebene Verspaar
endlich in den sicheren Hafen gelangt sein. Es stehen zum
mindesten zwei Verse vor uns, die nicht sophokleischer sein
könnten:
xövwv xaXöv Bst xw xotXöv xi
(j.r/.poQ 8’ «yüvos ob [!.£-(’ ipy&xcn v.Kioc.
Der zweite Vers ist jetzt nichts als die negative Kehrseite
des ersten. Aber je einheitlicher der Gedanke, um so mannig
facher und anmuthiger variirt ist der Ausdruck — durch den
Wechsel in der Wahl der Worte, in ihrer Zahl und ihrer
Stellung (aydiv neben xcvoc, die Einzahl neben der Vielzahl, das
Adjectiv dem Substantiv einmal voran-, einmal nachgestellt).
Und nunmehr kömmt auch ,das Anklingen des Etymon“ zur
Geltung (xocX&v und xaXöv, wie Soph. Frg. 755: oux sW ax’ Ipywv
gv) y.aXwv sxy) xaXa), jenes ,tur die tragische Rede so charakte
ristische Kunstmittel', durch welches der Dichter ,den Gedanken
auch musikalisch herauskehrt' (Hense a. a. 0., der es mir
hoffentlich nicht übel nimmt, wenn ich meine, dass er dieses
trefflich ausgedrückte Apercu diesmal in überaus verkehrter
Weise an wendet).
Will man endlich die nicht eben gewöhnliche Verbindung
,xovu>v xaXfiiv‘ durch analoge Ausdrucksweisen gesichert sehen,
so sei auf Euripides Here. für. 357: yevvat'wv o’ äpsxai xövcov
und insbesondere auf Suppl. 316 ff. verwiesen:
spei os OY) xi; üq ävavSpi’.a yspiov,
xöXsi xapcv aoi axstpavqv eüxXsiai; Xaßeiv,
oduaq axeaxr)?, xai au'oq p.ev ayplou
äfüvo? Yj'iw, cpauXov äffkf^cy.q xövov, —-
Beitrüge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
247
ou 8’ si; xpoevo; ßXei]/avxa y.ac Xoyxy/C
pypvjv sy.-orTja«'. [was ein xaXo; tovos gewesen
wäre], SeiXbs fi>v eoeupeöv)?.
Uncl nicht, wie an dieser und zweifelsohne auch an unserer
Stelle, mit Rücksicht auf das Object und die Grösse eines
Kampfes, einer Gefahr oder Arbeit, sondern im Hinblick auf
die Art, wie sie bestanden wird, statuirt auch Aristoteles einen
entsprechenden Werthunterschied. (Pol. V [VIII], 4: &axe xo
y.aXbv aXX’ ob x'o 0y]pt(38e<; Sei ?;pwxaY«vi!;xEtv ou yap Xüy.oc ouoe xwv
äXXwv Övjpfwv xi xyu'naairo av ouOevgc y.aX'ov '/.tvouvov, aXXa p.äXXov
avyjp ayaOoc.)
Was schliesslich die bisher noch nicht erwähnten Muth-
massungen unserer Vorgänger betrifft, so brauchen wir bei
Seyffert’s übergewaltsamem Vorschlag: icoXXöv y®P “0Xwv ost
y.aXwc xtp.wp.Evw nicht zu verweilen. Allein auch das wunder
samer Weise nun schon fünfmal (von Bamberger, Herwerden,
Wecklein, Roscher und zuletzt von Kock) zu Tage geförderte
toXXwv TiaXwv Ssf trifft nicht nur der im Obigen gegen Nauck’s
Vermuthung vorgebrachte Einwand, sondern auch der weit
schwerer wiegende Einwurf, dass die Vielzahl von xaXv; (mag
dieses Wort selbst auch nicht, wie Letzterer will, hier geradezu
,sinnlos' sein) ,in der classischen Gräcität kaum denkbar', jeden
falls nicht erhört ist. Und des genialen Theodor Bcrgk flüch
tiger Einfall: toXXwv y.dXwv oet, hat vielleicht nicht den ätzenden
Spott verdient, mit welchem Nauck ihn überschüttet, aber sicher
lich noch weniger die Ehre, in der (durch Hense) modifieirten
Gestalt: icavto? y-aXu Sei erst jüngst wieder von einem Altmeister
unserer Wissenschaft als ,höchst wahrscheinlich' (non sine
magna specie veri) empfohlen zu werden. Denn auch einem
Ritschl werden wir es nicht auf’s Wort zu glauben brauchen,
dass Redeweisen wie roxvxa y.aXwv s^tsvat oder eipievat sofort
auch auf ein kahles t.tk'oc y.dXw Set als eine mögliche, oder gar
als eine sprichwörtliche Phrase zu scliliessen gestatten.
9. Euripides Erg. 240.
Dieses Bruchstück der Tragödie Archelaos lautet in den
Handschriften des Stobäus (Flor. 29, 14) wie folgt:
248
Gomperz.
OUT loTIV OCTl? 7)§SMC ißf)TWV ßlOÜV
suxXstav siaexr^ffaT’, aXXa /pv) xovetv.
Dass die Schlussworte des ersten Verses su-ceXso-tua sind, wird
wohl Jeder empfinden, der mit der tragischen Sprache der
Griechen vertraut ist. Das Recht, an dieselben die bessernde
Hand zu legen, gibt uns aber nicht sowohl dieses dunkle Ge
fühl als der von Cobet (Novae Lectiones 576—77) mit sieg
hafter Klarheit geführte Nachweis, dass es ein Präsens ßiöto,
ßwuv in alter attischer Sprache niemals gegeben hat, falls uns
nicht die Handschriften des Stobäus, die eben an dieser
einen Stelle dasselbe bieten, für ausreichende Bürgen einer
sonst völlig unbezeugten Sprachform gelten. Und noch ein
zweites Unicum müssen wir, wenn wir die zwei Verse für heil
halten sollen, einzig und allein auf die Autorität dieser, nicht
eben im Geruch besonderer Trefflichkeit stehenden Hand
schriften hinnehmen—das Verbum siay.Täaöa i, das sich nicht
einmal in späterer Zeit oder in anderen Dialekten belegen
lässt. Seine Stelle im Wörterbuch beruht vielmehr ausschliess
lich auf diesem einmaligen Vorkommen, während sich auch
nicht der leiseste Grund absehen lässt, warum das einfache
y.TtfcOa'. dem Dichter hier nicht ebenso genügt haben sollte, wie
an zahllosen anderen Stellen. All diesen schweren Verdachts
gründen gegenüber scheint auch mir wie Cobet, Nauck und
Herwerden die überlieferte Gestalt dieser Verse unhaltbar und
ich glaube, die Hand des Dichters wiederherzustellen, indem
ich schreibe:
OUT, &JTIV OOTl? rjoOV?}? i^VjXÖV ߣoV
cüy.Xciav sit’ STT^aar’, dXXä ypr; xovetv.
Wem etwa der Ausdruck Yjoovvj? ߣo; im Sinne des von Ari
stoteles so genannten äxoXauo-f/.b; ßioq für Euripides allzu abstract
scheinen sollte, der vergleiche Bacch. 389—90: o.os Ta? rjau-
/ta; ßto-oq. Einen meiner Schreibung des ersten Verses sehr
nahekommenden Herstellungsversuch finde ich jetzt zu meiner
angenehmen Ueberraschung in Nauck’s Separat-Ausgabe der
Euripides-Fragmente (Euripid. tragoediae III 2 , Lips. 1869, p. 58),
nämlich: rjSsos i^Xw ßtou, ein Versuch, den ich nur darum nicht
für gelungen halte, weil er uns nöthigen würde, das von demselben
Kritiker früher gefundene, überaus passende v.-y im zweiten
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
249
Verse wieder aufzugeben. Denn die Partikel bedarf in diesem
Zusammenhang nothwendig der Anlehnung an ein vorangehendes
Particip. (In der That verzichtet Nauck jetzt auf die Herstel
lung des zweiten Verses, indem er schreibt: ,E ; .sey.xV;<jaxo vitiosum,
emendatio incerta', während er in den Trag. gr. fragm. [1856.]
elx’ htvfyscp? vorschlug, den ersten Vers mit seinem £»jtü>v hingegen
noch unangefochten liess.) Man vergleiche übrigens, um zu
erkennen, wie sehr hier eixa am Platze ist, z. B. Frg. 435, 1:
auTÖg v. vuv Spfito sixa Sai'p.ovaq xäXet, Frg. 532, 2: %v.q tcovrjpä xapy’
e/ojP e?x’ eu Xiyeti, oder (worauf schon Herwerden, Exerc. crit.
p. 38, hinwies) Frg. 421:
|j.YjS’ (bq y.ay.b? '/auy.Xr^oq eü zpä^ac toxs
£/)xwv xa 7cXstov’ eixa xdvx’ axiMftev.
Der unvergleichliche Cobet endlich hat diesem Bruchstück
gegenüber mehr diagnostischen Scharfblick als therapeutisches
Geschick bewährt. Er hat die Corruptelen zuerst klar er
kannt und überzeugend erwiesen, allein während er in Betreff
des ersten Verses keinen Bath weiss (,in priore senario quid
lateat nesckü Mnemos. N. S. II, 100 [1874]), empfiehlt er
für den zweiten von neuem ein Heilmittel: ei)So|Gv exnjaax’
statt sozXeiav siaey.xvfcax’, welches schon bei seinem ersten Auf
treten (Mnemos. IX, 119) Cobet’s obengenannter Schüler
(a. a. 0.) mit Gründen zurückgewiesen hat, denen etwas hinzu
zufügen weder nöthig noch möglich scheint. Denn was lässt
sich gegen die Annahme, ein lückenhaftes €Y .... GKTIICAT,
das wir zu euBoijGv ey.rjcrax’ zu ergänzen haben, sei von einem
,Graeculus stulte‘ zu eöxXeiav eicestxijaax’ ergänzt worden, wohl
Treffenderes bemerken als was Herwerden bereits vor zwölf
Jahren bemerkt hat: es sei doch allzu gewagt, einem und
demselben Menschen die Unkunde zuzuschreiben, die sich
in der Bildung jenes eiffzxvjuaaöai verräth, ,et simul satis acu-
minis, ut vocabulum quod a sententia requiratur ex ingenio
possit supplere idque tale, quäle est euy./.eta, poeticum et pror-
sus Euripideum', wobei Herwerden auf die Fragmente 147,
239, 242, 477 verweist (und ebenso auf 219, 660, 849, Androm.
321, 800; Here. F. 1335, 1370; Suppl. 315, 1015; Hipp. 1299;
Med. 415; Orest. 30 hätte verweisen können).
250
(Io in p erz.
10. Euripides Frg. 254.
Dieses von der Conjecturalkritik mit Vorliebe behandelte
Bruchstück der Tragödie Archelaos bedarf, meines Erachtens,
keinerlei gewaltsamer, ja genau gesprochen überhaupt keiner
Aenderung. Denn als solche kann es nicht gelten, wenn wir
das vom Schreiber der Handschrift (des Antholognomicum
Orionis 111, 1) selbst durch darunter gesetzte Punkte als fehler-
’haft bezeichnete si (wie sclion Meineke wollte) zu =y. mehr er
gänzen als verändern, wenn wir ferner aus vägoi ,Gesetze' durch
Verrückung des Accentes vojj.o! ,Weiden' gewinnen und endlich
den lückenhaften zweiten Vers durch das Wort ßpüet am
Schlüsse vervollständigen:
£•/. xüv oaat'wv fap vogoi x’ aü^jij.axa
p-cvaXa (pspouat, Txavxa 8’ dvOpOxot? (ßpuet) 1
xdo’ scrxt 5(p-(jp.ax’, •!jv xic EÜaEßr, Oesv.
/Nicht Regen und Sonnenschein, nein gerechte Thaten
sind es, die das Weideland befruchten und ihm reichen Ertrag
entlocken, ja die da bewirken, dass den Menschen Alles, dessen
sie bedürfen, in reicher Fülle zu Theil wird. Gottesverehrung
ist Reichthum!' So ungefähr können wir den Gedanken des
Dichters umschreiben, der mit der epigrammatisch zugespitzten
Schlusswendung Bacon’s modern - positivistischem Worte:
,Knowledge is power' in echt antik-religiöser Weise gleichsam
entgegnet hat: ,Piety is wealth!'
Man vergleiche, wenn es dessen bedarf: Odyss. x, 109—14,
Hesiod. iv.f,. 228—35, und Plato Rep. II, 363 B—C (wo die
Worte: xoi? oaioiq a cpacu Osou? otSivai .... 6 p.ev zaq opu? xol?
S'.y.ai'on; y.xs. zeigen, wie nahe die Begriffe der oaiöxY)<; oder eöcjs-
ßsta und der äizaiocuvr; im antiken Geiste bei einander wohnten
und wie grundlos Meineke’s Annahme einer Lücke vor V. 3
ist, in der von der Eucsßeia die Rede gewesen sein soll, Stob.
Flor. Vol. IV, XL1V); ferner Herodot. III, 65 (fin.), VI, 139;
Sophocl. Oed. R. 25—27 und Nauck zur Stelle (insbesondere
Philostr. Vit. Apoll. 3, 20 ... . -/.ai zäq ayilaq txovy)pwq sßocry.£
[rj Ob aber Euripides mit dem Wort au^vjgaxa das Wachs
thum der die Heerden nährenden Gräser und Kräuter oder jener
selbst bezeichnen wollte, wage ich nicht zu entscheiden. Er
stellt das Gedeihen der Heerden voran — denn ,IIeerdenreich-
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechische* Schriftsteller.
251
thuin ist in alten Sagen Reichthum überhaupt' (Preller, Gr.
Myth. I 2 , 308; vgl. auch Democr. frg. mor. I: e'joatp.ovt'v) .... ouy.
ev ßoc7'/.^[j.aci oiy.EEi ouo’ ev XP U(7 Ö) —i jedoch mit einem ts, als
oh nun andere Quellen des Wohlstandes folgen sollten; dann
fasst er diese insgesammt in ein Ttocvxa zusammen, eine Ver
änderung des Gedankenganges, der eine Abänderung des Aus
drucks, os statt ts, zur Seite gehen muss und thatsächlich geht
(Krüger, Gr. Gramm. 69, 16, 6).
Die Conjecturen meiner Vorgänger sind, so weit ich sie
kenne, die folgenden: Schneidewin wollte schreiben: xwv yap
or/.aiwv o\ vöij.ot | |j,eydXa ospouor iravxa o’ avOpiixot? xaoe i
rapsoxi y_pv}p.ax’ y.xe. Ranke: o: xwv otzodwv yäp vop.ot xaüEY}p.y.xa
p.syäAa cpspouot, itdvxa o’ avOprihroiot toi | xcco’ satt /p^p.a-’ y.xe. Mei-
neke: ev. xwv Sixaiwv ol vöp,ot xavEvjp.axa | p.syaXa ospouai, zdvxa x’ av-
ÖpcoTTcf aer \ xoco’ eaxi ypfjp.ax’ y.xe. Herwerden (Ex. er. 89—40):
o: xwv oiy.alwv yäp oc|j.o: xaü^p.axa | p.eyäXa cpepouoiv ,reliqua,
quamvis de sententia satis constet, adeo corrupta sunt, ut manum
abstineri satius esse arbitrer'. Wagner, der die drei erstge
nannten Vorschläge verzeichnet, lindet Ranke’s Schreibung am
befriedigendsten ,praeterquam quod vs. 2 pro o’ fortassis x’ scri-
bendum erit‘ (Trag. gr. fragm. II, 125). Nauck hingegen hat
was er einst in der ed. maj. muthmasste, in der ed. min. still
schweigend zurückgenommen durch die Bemerkung: ,vs. 1. et 2
nondum emendati', während Dindorf eben jenem Vorschläge
TOtvx’ ev dvÖpwTton; entnimmt und das Uebrige ungebessert lässt.
11. Euripides Frg. 324.
epw? yäp äpy'ov y.aTU xolc äpyolc eW
fiXet y.äxoxrpa v.cd y.op.yjc cjavÖiop.axa,
<p£Üy£t os [j.öyßo'jq. ev os p.oi xsy.'rqpiov
oüoeip Trpoaatxwv ßt'oxov vjpäaÖY] ßpoxwv,
ev xol? o’ I/ouaiv ?)ßv]xr)? 7cecp'jy_’ ooe.
Aus der Wolke von Conjecturen, die zur Hebung des
metrischen Fehlers im Schlussvers des reizenden Fragmentes
aufgeboten wurden, hat sich bisher keine einzige allgemeine
Anerkennung errungen. Und mit vollstem Recht: denn um von
Jacobs’ kaum zu überbietender Geschmacklosigkeit: Ovjp iz-qq
252
G o m p e r z,
— die Bestie inmitten des Putzgeräthes eines üppigen Bou
doirs ! — zu schweigen gleichwie von der nicht geringen Zahl
sprachlich oder metrisch unmöglicher Vorschläge (Yioiwaövfc
Grotius, vyjtojty)? Salmasius, i/puct o’ sp.xäpuy.ev ^ßvjTyjs oos Pierson,
sv xok o’ iyp'jc. tcsuzsv ■fjßrj'rijs oos Luzac u. Boissonade), so fehlt
auch allen übrigen, in wechselnden Verhältnissen, innere Wahr
scheinlichkeit und äussere Probabilität, — hat doch in Wahr
heit kaum einer derselben auch nur seinen Urheber dauernd
befriedigt. Und dies Urtheil trifft nicht nur Gaisford’s zugleich
gewaltsames und erschreckend nüchternes: sv toi? §’ s/ouat
/pr { Eg.TCEffiu^’ ooe, Musgrave’s und Heath’s wunderliches
äp.ßa-cv]? und vjysxi\q, Valckenaer’s längst widerlegtes sv toi;
8’ l'/oua’ i<fi)ßoq sp.xso'j/’ ooe und Wagner’s sinnwidriges vjcu xaT;, —
sondern nicht minder (denk’ ich) des Letzten eventuellen, kürz
lich von Kock wieder vorgebrachten Vorschlag: e-yxpaT/fe und Plor-
werden’s v;0a; sp.xsou/’ ooe 1 Denn um kurz zu sein: die Worte ev
toT; 8’sjrouaiv — xesu/’ bedürfen zum mindesten durchaus keiner
näheren Bestimmung, wohl aber würden wir das kähle ooe gern
mit einem Prädicat bekleidet sehen, das zugleich die Vorliebe
des Eros für die Reichen motivirt und wo möglich das köst
liche Bruchstück in ein anmuthiges Bild wie in seine Spitze
auslaufen lässt. In ersterem Betracht scheint mir die Paraphrase
des Hugo Grotius: ,delicatus ille non vult nisi cum divitibus
morarp ganz und gar das Richtige zu treffen. Finden wir nun
für diesen Begriff einen malerischen Ausdruck, der zu dem
Kreis von Anschauungen stimmt, in dem diese Verse sich
bewegen, — ist derselbe überdies als ein seltenes und poetisches
Wort der Verderbniss in höherem Masse ausgesetzt und. ge
stattet endlich auch die besondere Art der Verderbniss eine
leichte Erklärung, dann werden wir an der Richtigkeit des
Gefundenen kaum länger zweifeln dürfen. Darum schreibe ich:
ev xoic o’ s/cüäW aßpoßaiY)? xe<poy’ ooe.
Die griechische Sprache und Poesie liebt es, einen Zärt
ling oder Weichling als ,weichschreitend' oder ,weichfüssig‘ zu
bezeichnen. Vgl. Aeschyl. Pers. 1072 yoäaO’ aßpoßäxai (von
1 Noch ward (vgl. Philol. V, 188) vermutliet: Ipracpu'/.’ rjßwv ael, desgleichen
j)0eo5, endlich (von Düntzer) OTOTOTrjs und raißtxTr);, ,i. e. rector 1 !
Beitrüge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
253
Persern), Aucs -ooaßps (im Orakelspruch bei Herod. I, 55)
neben äßpoSiai'xcov— AuSöv ’iy'kcc (Aesch. Pers. 41), äßpä
ßai'vwv xpüipspoßioc (Hesycli.). Auch Anakreon muss einst
äßpi-ou; oder otßpoßctxv;; gebraucht haben, denn nur dazu, nicht
zu dtßpoc passt die Erklärung bei Orion III, 11: b '/.cüpcoc ßsdvwv.
(Frg. 134 [109] Bergk); vielleicht legte auch er das Prädicat
dem Liebesgott bei oder seinem nächsten Verwandten im
griechischen Pantheon, dem Ganymed, von dem es in unseres
Dichters Troad. 820—21 heisst: Ss ypucia'.q ev ohoyboaq äßpa ßatvwv.
— Endlich vergleiche man Medea 1160 — 64, wo Glauke das
todbringende Prachtgewand und funkelnde Geschmeide nach
Art unseres Gretchens vor dem Spiegel prüft und damit ange-
than selbstgefällig das Gemach durchschreitet: Xaßoyaa w&cXous
itoodXou? o, xpuaoöv re Obica uxe^avov äp.®! ßoixpi/oi? j Xap-Ttpfo
xaxoxxpw G/v;p.axK£xai >t6[j.vjv, | aitujrov sizu TipocveXioGa Gwp.axcc.
»feuere’ ävaaxaa’ ev. Öpovwv Siep/Exac Gxsya;, äßpov ßatvouaa reaXXs6xb>
~ooi. Eine leise veränderte Nuance der Bedeutung — mehr
Behagen als Ueppigkeit — haftet den Worten an in dem
wunderbaren Lobgesang auf die Herrlichkeit Athens (Med.
829—30): de! Sta Xap/xpoxaxou | ßaivovxe? äßpwc aiOspo?.
Der äusserliche Hergang der Verderbniss bedarf für
Kundige kaum eines Wortes der Erklärung. Das Auge eines
Schreibers glitt sicherlich einmal (wie Aehnliches unendlich oft
geschah) von dem ersten 15 auf das zweite über, und der Torso
ABATI1C wurde nachträglich von einem Halbgelehrten zu
vjßvjxvjc jCorrigirth Und wohlgemerkt, — der bei manchen Kri
tikern so beliebte ,sciolus‘ ist diesmal eine ,vera causa f und
kein blosser Nothbehelf. Denn so wenig das an dieser Stelle
metrisch fehlerhafte f)ßy)xvjc aus dem Rohr des Dichters geflossen
sein kann, ebenso wenig pflegt doch ein so wohlgebildetes grie
chisches Wort aus einem blossen Schreibfehler wie von selber
zu erwachsen. Man kann daher von vornherein der Annahme
gar nicht entrathen, es habe ein Halbwisser an diese Corruptel
die letzte, schlimmbessernde Hand gelegt. — Der nunmehr be
richtigte Vers hat aber hoffentlich in Zukunft nicht mehr einen
Argwohn zu fürchten, wie ihn der von seinem eigenen Besserungs
versuch unbefriedigte Herwerden - das Kind mit dem Bade
verschüttend — gelegentlich aussprach : derselbe möge wohl einer
,traus impostoris' allein sein Dasein verdanken (Ex. crit. p. 46).
254
Gom perz.
12. Euripides Frg. 793.
Dieser Ueberrest des eui’ipideischen Philoktet erscheint
in den Hss. des Stobäus (Eclog. II, 1, 2) gleichwie in den
älteren Ausgaben in folgender Gestalt:
Zr,~y. OoV/.O'.c c/.pyuMq sv^j.evs’.
caswi; oiöp.vucO’ siosvai ~a oaip.ovwv
ol TÖvoi /ElptlivaxTsq avOplüTOt AÖfaiv;
ogv.c vap y. : j/v. Osfito Eraarauöat ^sp:,
oüoev Tt p.aAAOv oicEv •)) ttsiOsi Xeywv.
Die Fehler des ersten Verses sind längst, das unattisclie
Qwy.oic durch Dindorf(?), das ungriechische apvr/.oic durch Nauck
berichtigt worden, dessen treffliches Qay.oi? p.«VTtx,6t? (vgl. Phoen.
840: Öaxouuv ev Ispoieuv, oö p.avTs6op.ai oder Soph. Ant. 999: Oay.sv
öpviOoay.öxov) Valckenaer’s wenig passendes äpyjxdic mit Recht
verdrängt hat. Der Letztere hat das Verdienst, an der alther
kömmlichen Construction und Intei-punction von V. 2 und 3
zuerst Anstoss genommen zu haben, wenn er auch seinen über
eilten Vorschlag, ol xövSs durch övvjtöv oe zu ersetzen (ad Ammon,
p. 212) auf Heath’s Einsprache (Notae sive Lectiones etc. p. 181)
wieder zurückzog (Diatribe p. 116 a, b). Dem Vers unter Bei
behaltung jenes Wörtchens eine verständliche Construction ab
zugewinnen ist zweimal versucht worden: von Heath (1. 1.), der
das Fragezeichen an den Schluss des zweiten Verses hinauf
rückte und V. 3 übersetzte: ,homines ipsi sibi artifices harum
sententiarum extiterunt', und von Meineke, der avOpü-oic schrieb
und den Vers also verstand (adnot. crit.): ,qui talium sermo-
num mortalibus architecti (auctores) estisl Nauck endlich, dem
Dindorf, Heimsöth (Bonner Universitätsprogramm, Sommer 1867,
p. XIV) und Hense (Kritische Blätter, p. 78) gefolgt sind,
interpungirt wie Heath und setzt oü an die Stelle von ol
Die Entscheidung über die Haltbarkeit der Ueberlieferung
sowohl wie über die Zulässigkeit dieser Aenderungen hängt
im letzten Grunde von unserer Auffassung des Wortes %eipt!>-
vay.ie? ab, — ein Punkt, über den sich leider Nauck sowenig
als seine Nachfolger irgendwie erklärt haben. Das nicht eben
häufige jonische und poetische Wort kömmt ausnahmslos einem
Heifrägo zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
255
-/ w £ipo-£/vr ( c oder ^jAo^p/ic gleich 1 und so ist denn auch seine
nur hier nachweisbare Verbindung mit dem Genetiv sicherlich
nach der Analogie von wo; E'.p.t 2 zu beurtheilen, —
höchstens mit dem Unterschiede, dass das in yv.p&'iuc, durch
schimmernde /dp mehr auf die unmittelbare Urheberschaft,
auf das Machen und Verfertigen hinweist, als dies bei dem
seiner sinnlichen Grundbedeutung weiter entrückten oYjij.'.G’jpvä'
der Fall ist.
Daraus ergeben sich mir die nachstehenden Folgerungen:
Sicherlich unhaltbar ist die vormals übliche Auffassung des
Verses als Apposition zu dem in SisiavjcO’ enthaltenen up.sTq,
denn bei ihr entzieht sich avOpuxo'. jeder möglichen Construction
1 Vgl. Aeschyl. Prom. 45 (Hephaistos spricht von der Sehmiedekun s t
wie V. 47 T£yv7] lehrt): w ~oXXa [j.i<T7)0sT(7a y e ip to y a c: la. Choeph. 761
(von der doppelten Mühewaltung 1 der Kinderfrau und des Walkers):
Eyco oiiüXa; oe xaaSs y Eipioya^ia; lyoua’ xxe. Soph. Frg. 759: ßax’ ei;
ooov Brj ^a; 6 y^ipwva? Xsw; (es sind nach Plutarcli Mor. 802 b [979,
35 Diibn.] Schmiede gemeint).
Herod. I, 93, 7: s?*£pya<Tayxo oe p.iv oi ayopatoi ayOpio-oi ‘/.ca oi ysi-
pibyaxxs; xai cd ivspyatbuEvai 7üai8(axai. II, 141, 18: S7üsa0ai 8s' oi xcoy
fj.ayifj.ioy [J.EV ouosva avopcov, xaT^rjXou; 8s xai ysiptoyaxxa; xai ayopaiou;
avOpoj-ouc. II, 167, 7 (im Gegensatz zu xou; xa; x^yva; [xavOavovta; vor
her und xou; y^EtpoxE^va; nachher): xou; 8’cb:aXXay|j.s'vou; xtov ysipto-
ya^is'io'v —.
Bei Hippokrates heissen die Aerzte wie yEipoxs'yvxi und (in
homerischer Weise) 87jp.ioupyoi' (beides vereinigt de prisca med. c. 1 —
I, 570, 8 Littre) so auch ysipioyaxxai (II, 242, 2; 318, 3). Im Sinne
von Handwerkern überhaupt: ysipiovaljiv apa xouxoiai yp^ovxai, oxoaa
v)axux£ir); spya i) yaXxs{73; rj aXXo b xi iopatov spyov (IV, 232, 10).
Von den Herzohren heisst es: xai'xoi 8oxs'(o xo rcofqpia ysiptbvaxxo;
ayaOou, indem die Natur oder der Schöpfer mit einem geschickten Hand
arbeiter verglichen wird (IX, 85—86).
Mit die'ser Anwendung des Wortes und seiner Sippe in alter Sprache
(wozu allenfalls noch kömmt Pseudo-Plato Axioeh. 368 B: xou; ysipco-
vaxxtxou; ETCs'XOtopLEV xai ßavauaou; -ovoupivou; ex vuxxo; si; vuxxa xxi.
und ysiptovai-ioy im Sinne von Erwerbsteuer Arist. Oecon. II, 1346, a, 4)
stimmt auch der nacharistotelische Sprachgebrauch ebenso überein w r ie
die Erklärungen der Lexicographen.
2 Z. B. Eurip. Frg. 1045:
El OE XOU OeiüV
xo'8’ sau 7;Xa(j[j.a, 81\ p. 10 u py b ; tbv xaxtov
p.syiaxo; "crxio xai ßpoxotai Suap.svrj;.
256
Gom perz.
und jedem Verstandniss, wie denn auch Hugo Grotius und
Musgrave in ihren Uebertragungen das Wort einfach als nicht
vorhanden betrachten. Für Meineke’s Versuch aber, diesen
Anstoss hinwegzuräumen, spricht schon darum keine günstige
Vermuthung, weil sich avOpwrot, ein in diesem Zusammenhang
hochbedeutsames Wort (fragt es sich doch, ob die Wahrsagung
göttlichen Ursprungs oder blosses Menschenwerk sei), durch
die Verwandlung in avOptlntoic zu einem völlig entbehrlichen,
wenn nicht gar störenden Zusatz verflüchtigt. Jedenfalls werden
wir uns diese Aenderung erst dann gefallen lassen, wenn unser
Bemühen etwas Besseres zu finden sich als ein vergebliches
erweisen sollte. Nauck’s Vorschlag endlich kann Niemand bei
pflichten, der in twvSe /s'.ptovay.TEC mit uns und allen älteren
Erklärern (audaces fabri, Grotius; fabri, Musgrave; artifices,
Heath; endlich architecti oder auctores, Meineke) nichts anderes
erblickt als Erzeuger oder Verfertiger von Orakelsprüchen,
mit einem Worte Fälscher. Denn wenn es fraglich sein mag,
ob der Dichter die Behauptung: die Wahrsager sind Lügen-
sclnniede, hier mit kategorischer Gewissheit aussprechen konnte,
so ist es völlig unfraglich, dass er dieselbe nicht verneint haben
kann. Benjamin Heath’s Auffassung des Verses endlich läuft
darauf hinaus, dass av0pw7cot das Subject und oi /etpoivaxTec das
Prädicat des Satzes bilde. Nun gehen zwar die Ansichten über
die Grenzen, innerhalb deren es zulässig ist, dass sich dem
Prädicat der Artikel beigeselle, noch ziemlich weit auseinander,
— eines jedoch wird heute Jedermann zugeben. Ginge der
Dichter von der Voraussetzung aus, oder könnte er von ihr
ausgehen, dass die Orakelsprüche das Werk irgendwelcher
-/E'.pwvax-Ec seien, und erfolgte nunmehr nur die genauere Be
stimmung: jene /sipomy.Ts: sind Menschen, — dann wäre der
Artikel vor diesem Worte allenfalls statthaft. Allein das
Gegentheil ist die Wahrheit. Dass jene Sprüche das Erzeugniss
von '/sipwvay.-sc, d. h. dass sie BeäY)fj.to , jpYV)[Hvoidass sie ge
macht sind, dies ist der eigentliche, bedeutende Gedanke, alles
andere ist rednerischer Schmuck. Das Machwerk wird ein
Menschenwerk genannt, in scharfem rhetorischem Gegen
satz zu der Voraussetzung göttlicher Eingebung; dem Ge
danken wird damit nichts neues hinzugefügt, denn sobald eine
Weissagung auf Erfindung beruht, so beruht sie selbstverständ-
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
257
lieh auf menschlicher Erfindung. Wer dies erwägt, muss uns
nothwendig einräumen, dass o\ /ji'.c&'iav.-aq als Prädicat (oder
gar als Subject) des Satzes hier durchaus unmöglich, Heath’s
Rettungsversuch der Ueberlieferung-mithin missglückt ist.
Und im Gefolge all dieser grammatischen und logischen
Bedenken darf sich vielleicht auch ein ästhetisches schüchtern
hervorwagen. Ich möchte Euripides nicht ohne dringende Noth
die Plumpheit Zutrauen, die darin läge, dass er in zwei Versen
eine Frage aufwiirfe, um sie im dritten mit der unumwundensten
Bestimmtheit selbst zu beantworten. Und dies geschieht sowohl
nach der Auffassung, die der Vulgata zu Grunde liegt (mit
wie ohne Meineke’s Modification derselben) als nach derjenigen,
die Ileatli empfiehlt. Ist nicht vielmehr der folgende Gedanken
gang der ungleich passendere, — darf ich sagen, der einzig-
passende? — Philoktet drückt zuvörderst sein Erstaunen aus
über die masslose, über die unbegreifliche Zuversicht, mit der
die Wahrsager behaupten, in die Geheimnisse der Götter ein
geweiht zu sein. ,Oder (so fähi't er im zweiten Glied der
Doppelfrage fort) — oder sollte zu dieser Verwunderung kein
Grund vorhanden sein? Ist dies Alles eitel Menschenwerk und
ihr selbst nicht Opfer der Selbsttäuschung, sondern Betrüger?
Denn wer sich der Kunde göttlicher Dinge berühmt' •—• doch
hier vertreten uns von neuem kritische Bedenken den Weg.
Ueberliefert ist: ouBsv v. p.aXXcv oiosv •!) TcetOec Xeywv. Darin ist
ohne Frage xet'Ost nach oücsv ti jjjaXXov oiSsv nicht griechisch;
doch scheint kaum ein drastischeres Heilmittel nötliig als das
naheliegende und von Nauck angewendete: TcstOet(v) statt i:e(0eu
Der erste, oberflächliche Eindruck spricht freilich dafür,
dass hier ein stärkeres Wort erfordert wird. Die Conjectur
ä^atäv, auf die ich selbst einmal verfiel und auf die jetzt Heim-
söth gerathen ist (der dieses oder ^süäs'.v, (jjeuBv; Xdyeiv oder
jieuGvpfopsTv für unerlässlich hält), gehört, wie ich denke, in jene
Classe von Einfällen, welche die erste Ueberlegung in jedem
Denkenden fast nothwendig wachruft und die zweite fast
ebenso nothwendig verdrängt. Denn was muss der Dichter,
wenn unsere voranstehende Erörterung nicht von Grund aus
verkehrt ist, Philoktet hier sagen lassen ? Doch wohl dieses:
,Wer sich eines Wissens von den göttlichen Dingen berühmt,
der berühmt sich eines Scliei nwi ssens, und trachtet ein
Sitzungsber. d. phil.-hiat. CI. LXX1X. Bd. I. Hft. 1 7
258
Gomperz.
solches in Anderen fortzupflanzen'. Ob dieses Scheinwissen auf
unwillkürlicher Selbsttäuschung- oder auf absichtlicher Täuschung-
Anderer beruhe, ob die Wahrsager Betrüger oder Betrogene
seien, — diese Frage darf er nicht entscheiden, nicht darum
weil sie ja wirklich eine allgemeine Beantwortung gar nicht
zulässt, sondern weil er selbst sie durch Aufstellung jener
Doppelfrage, beziehungsweise durch das erste Glied derselben,
für eine offene erklärt hat. Dass aber wie dem Wissen das
Scheinwissen, so der wahrhaften Belehrung die Scheinbelehrung,
der Ueberzeugung die Ueberredung gegenübersteht, — der
Berufung auf Thatsachen und zwingende Beweise (oü Xoyw,
rj'hV spvw — airoSüiijis y.ai avdyy.Yj) die blosse %töavoAoyda, —
brauchen wir für diese Gedanken und diese Ausdrucksweisen
erst an bestimmte Schriftstellen zu erinnern oder auch nur an
den allgemeinen Sprachgebrauch der Griechen, vermöge dessen
OTÖavöv, xtÖavoTYji;, TxiOavoXoyfa gerade wie dv.iq, eiy.öxw?, ekoxoXoyia
kaum seltener den Begriff der blossen gewinnenden Scheinbar-
keit und Scheinwahrheit ausdrücken als jenen der Wahr
scheinlichkeit? An -st6si(v) ist daher sicherlich kein An-
stoss zu nehmen, und ich freue mich, in dieser Ueberzeugung
mit Otto Hense zusammenzutreffen. Ob desselben ungemein
witzige Vermuthung: itöi'Osiv Xecäv nothwendig und sicher ist,
darüber wird es mir schwer, zu einem abschliessenden Urtheil
zu gelängen. Mir würde tci'Qeiv X6yw oder Xoyoiq vollkommen
genügen, was Euripides vielleicht nur mit Rücksicht auf den
Schluss von V. 3 (Xoywv) durch das etwas matte Xsywv ersetzt
hat. Das ganze Fragment gewinnt somit folgende Gestalt:
xf crjxa Gdy.ot; p.avx'.x.bi? evvjgevoi
aatf&q otöp.vucrö’ sioevat xa Saip.ovwv;
xwvos /eipwvay.xe; avQpowot Xöywv;
Saxt? yup au^et Qsöiv sri<7xa<j0ai xept,
ouSsv x 1 . p.äXXov ososv ■!) icsi'öeiv Xeyuv.
13. Euripides Frg. 826.
Dieses Bruchstück der Tragödie Phrixos lautet in den
besten Hss. des Stobäus (Flor. 8, 7), wie folgt:
ävi)p 8’ o? stvat avSpo? oöx aijtov
osiAw y.sy./.TjxQai y.ai voaeiv cO.cyjph) voaov.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
259
(SstXß ist in beiden Parisini, wie es scheint, durch oeiXöv, dvSpo?
im Par. B. und wohl auch im Cod. Mendozae durch avepoq,
afo'/pä'/ endlich im letzteren durch aw/pov ersetzt.)
Valckenaer’s Besserungsversuch (Diatribe p. 216, C):
avspa oe cf sivat cer)?; avspop ok ä'ljiov
bedarf heutzutage keines Wortes der Widerlegung, da er einen
metrischen Fehler (den Trochäus avopcc) nur durch einen anderen
(den Daktylus dvepo? im fünften Fusse) ersetzt und überdies
Formen (avspa und ävspop) einführt, die nicht nur dem jambi
schen Trimeter sondern sogar den anapästischen und trochai-
schen Versmassen der Tragiker fremd sind (Nauck, Observatt.
p. 50). Düntzer’s arger metrischer Verstoss: — oüy. dljtov csOsv,
(Philolog. V, 190) sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Nauck endlich hat am angeführten Ort zu schreiben vorge
schlagen :
avvjp 3’ op sivat tpvjat'v, avSp’ obv. dljiov
SstXov y.exXvjaOat xat voastv aia/pav voaov.
Ich vermag diesen von seinem Urheber bis heute auf
recht erhaltenen, von Meineke halb und von Dindorf ganz
gebilligten Versuch nicht für einen glücklichen zu halten.
Geradezu anstössig erscheint mir darin d'vop’: denn welcher
Dichter oder Prosaiker wird, .wenn er den Gedanken aus-
drücken will: ,Wer ein Mann zu sein behauptet, dem ziemt es
nicht, feige zu heissen' u. s. w., statt dessen sagen: — ,dem
ziemt es nicht, ein feiger Mann zu heissen'. Feige und Mann
— dies sind ja zwei Worte, qui hurlent d’effroi de se voir
aecouples! Ich weiss wohl, dass eine derartige, nicht durchweg
naive, Verderbniss sich kaum mit unbedingter Sicherheit heilen
lässt; doch dürfte unser Restitutionsversuch schwerlich durch
einen zugleich sinngemässeren und minder gewaltsamen ver
drängt werden. Es liiess nämlich, wie ich denke:
avvjp 88’ sivat' tpvjctv avSpbp apiov,
SeiXoü y.E'/.AvjoOat y.at voaetv ato/pdv vocrov;
So mochte wohl Ino in Athamas dringen, der ,den Sohn
zu opfern sich weigert' (Welcher, Gr. Trag. II, 613). Man vgl.
beispielsweise Soph. Antig. 740: oo’, ojc sotxs, tv; yiwaixi aup.jjta/s't.
Die Ursachen der Verderbniss waren, falls ich recht sehe, das
17*
260
Go mp er z.
Asyndeton, dem wir in gleicher Eigenschaft noch ein oder
das andere Mal begegnen werden, zweitens und hauptsäch
lich aber die rhetorische Frage. Wer diese nicht und den
Gedanken nur allzu gut verstand, der musste die Negation
vermissen und konnte versucht sein, diesem Mangel abzuhelfen,
indem er oüy. einschob. Die Stümperhand, die dann dem ge
störten Versmass mit der Verkürzung von ovjcri'v zu oip’ zu
Hilfe kam (welches als zweite Person, vif., aufgefasst wieder
c3’ alteriren musste), hat glücklicher Weise den Trochäus
avopo? und damit das sichere Merkmal der Verderbniss nicht
verwischt. Auch für die Wirksamkeit dieser Fehlerquelle
werden wir gelegentlich noch einen oder zwei Belege bei-
bringen.
Eine auffallende Familienähnlichkeit mit diesem Bruch
stück zeigt ein anderes, dessen klarer Sinn in alter und neuer
Zeit durch unrichtige Construction und Interpunction wie nicht
minder durch völlig grundlose Aönderungs versuche immer
wieder verdunkelt, ja meines Wissens noch niemals deutlich
erfasst worden ist. Es ist der von Plutarch, de cohib. ira
p. 457 C (I, 554 Dübner) erhaltene Vers:
dvop’ vjoty.Yjca; - d'vop’ ävsx/ceov -sos;
Ich verweile nicht bei der vor Wyttenbach üblichen
falschen Abtheilung: dvcp’ dvsoctsov• ~b bl—, nicht bei dem
Verkennen der rhetorischen Frage, über das auch dieser nicht
hinauskam, nicht bei Meziriac’s Schlimmbesserung: «vtovsxtsov,
nicht bei Wagner’s ebenso nichtigem Vorschlag: dvopi tout"
avsxteov; Auch Conington’s von Nauck (adesp. 313, p. 699)
halb gebilligtes dp’ dvsy.xsov; soll uns nicht aufhalten, — allein
auch die Aenderung der Interpunction, die der zuletzt genannte
grosse Kritiker für nöthig hielt, ist unseres Erachtens keines
wegs berechtigt. Denn — um nicht weitschweifig zu werden
— auf die rhetorische Frage des Dichters:
dvSp’ ■rßv/.TfK, avop’• ävsy.X£0V xoos;
könnte ich wenigstens nur mit einem vernehmlichen Ja ant
worten. Hiesse es freilich: Ein wehrloses schwaches Geschöpf
wurde gekränkt — Witwen und Waisen wurden misshandelt:
ist dies zu ertragen? — dann würde unser empörtes Men-
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
261
schengefühl in den unwilligen Ruf ausbrechen: Nein, das ist
unerträglich. Allein ein Mann, — ein Mann zumal, dessen
Mannheit so überaus stark betont wird, — der wird sich schon
selbst zu helfen wissen! Seine Verletzung'ist am allerwenigsten
geeignet, unser entrüstetes Mitgefühl aufzuregen. Gälte es frei
lich eine Rechtsverletzung im eigentlichen Sinne, so wäre
der Appell an unser beleidigtes Rechtsgefühl immerhin statt
haft; allein dann wäre auch durchaus kein Grund vorhanden,
das Object derselben als Mann zu kennzeichnen, geschweige
denn seine Manneseigenschaft durch Wortstellung und Wieder
holung so ungemein nachdrücklich hervorzuheben. Doch es ist
ja augenscheinlich — und dies geht zum Ueberfluss auch aus
dem Zusammenhang, in welchem der Vers bei Plutarch erscheint,
sonnenklar hervor — von einer persönlichen Kränkung oder
Beleidigung und von der Wiedervergeltung derselben die Rede.
Dann ist aber auch das nackte: ,das ist nicht zu ertragen*
selber unerträglich und es muss unweigerlich heissen: ,das ist
für den Beleidigten nicht zu ertragen“. Und wie konnte man
nur den Gedanken:
,Einen Mann hast du beleidigt; ein Mann soll dies ertragen?“
jemals verkennen oder den sprachlichen und rhetorischen Aus
druck, den derselbe gefunden hat, jemals bemängeln?
Die Antwort ist einfach genug: die Schuld dieser Irrun
gen trifft nicht so sehr die Kritiker und Interpreten als die
■Grammatiker, die über eine durch wenige, aber ganz und gar
unzweifelhafte Beispiele bezeugte Construction oder Abart einer
solchen bisher beharrlich geschwiegen haben. Man glaubte
nämlich bei der Auslegung der drei letzten Worte des Verses
nur die Wahl zu haben zwischen zwei Verstössen gegen fest
stehende Normen der Sprache. Verstand man: avopi avexteov
ToSe; so hatte man die Gesetze der Syntax gewahrt, aber gegen
die vollkommen gesicherte Regel gefehlt, nach welcher die
Elision des i des Dativ bei attischen Dichtern durchaus unstatt
haft ist. Verstand man avSpa avexreov ":68s; so glaubte man in
entgegengesetzter Weise zu fehlen. Letzteres ist jedoch ein
gewaltiger Irrthum. Alle Welt weiss, dass bei der unpersön
lichen Construction der Verbaladjective die handelnde Person
ebenso wohl im Accusativ wie im Dativ erscheinen kann, und
alle Grammatiker erklären einmüthig ein Siwwreov oe als völlig
262
Gomperz.
gleichbedeutend mit Sei oe ouiy.etv. Dass jedoch bei dieser Construc-
tion neben dein Accusativ der handelnden Person auch ein Ob-
jectsaccusativ erscheinen könne, das finde ich nirgends ausdrück
lich angemerkt, weder bei Krüger, noch bei Matthiae, Kühner,
Bernhardy, Madvig oder Curtius, und es scheint dies vielfach
oder allgemein bezweifelt zu werden. Nur so wenigstens ver
mag ich Wagner’s laut geäusserte und aller anderen Kritiker
stillschweigende Abneigung zu verstehen, avSpa hier als Accu
sativ der handelnden Person neben xöoe als Objectsaccusativ
aufzufassen (,Illud alterum vero avop’ accusativum esse, qui
nonnunquam pro dativo cum adjectivis verbalibus conjunctum
reperiatur, nemo opinor affirmabit etc/ III, 214). Doch wünschte
ich einen Grund zu erfahren, warum Isokrates, Euagor. 190 B.,
wenn er statt des stärkeren einen schwächeren Ausdruck hätte
wählen wollen, an Stelle dessen was er geschrieben hat: ou
p,v)v SouXeuxeov xob? vouv e^ovxa? xot? ouxw ‘mvmc; opovoüotv, nicht
auch hätte schreiben können: ou pu-qv öepaxeuxeov xou? vouv
lyo'nac ~ oh c .... ippovouvxaq. Doch es bedarf keiner hypothe
tischen Folgerungen. Bei Plato Bep. III, 413 D: ouio) veouc
O'naq ei? oetptax’ axxa xopnaxeov y.a't ei? yjSova? au jjtexaßXVjxeov, ßaoa-
vi'^ovta? — kann man allerdings die Möglichkeit einer Aria-
koluthie vorschützen, wie sie sich thatsächlich findet Rep. V,
453 D: ouy.ouv y.cd [j. t v veucxeov y.ai ustpaxeov aa^eaOat sy. xou Xoyou,
v)toi oeXotva xiv’ eXui^ovTa? Yjp.a? üzoXaßelv —. Allein völlig frag
los und unzweideutig ist Xenoph. Mem. III, 11, 2: S> avop ec,-
scpr, b Sowpaxi)?, Tuöxspov rjp.ä? oe! p.äXXov 0eoooxr] -/dptv eyeiv oxt vjp.tv
Po y.aXXo? eauxvj? eixtSeiijev, v) xauxvjv vj[J.lv oxt eOsaodp.eöa; äp’ ei p.ev
xaixv] dxpeXip,ü)xepa eaxiv vj eztSei^i?, täütvjv vjpufv ^aptv exxeov, st
oe r]|Av ■f] Oea, -i/p.a? xauxY); Und nicht minder Plato Gorg. 507,
C—D: e! oe eoxtv aXYjOvj, xov ßouXop.evov, wc eoty.ev, euoatp.ova elvat
ow^po(i6vi)v |j.sv otüuxsov w. aoy.vjxsov y.xe (eine Stelle, die
auch in ihrem weiteren Verlauf für die Gebrauchsweisen der
Verbaladjective überaus lehrreich ist).
Dieselbe Construction ist möglicherweise verwischt worden
bei Eurip. Frg. 846 (Stob. Fl. 49, 4):
■t) yap xupavvt? xdvxoösv xoi;e6exat
SetvoTc epwcrtv 5 ore ouXazxeov, xäxep.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
263
Dass das überlieferte rj? (Vindob.) oder oic (Parisin. A
und Codex Mendozae) ouXay.Tsov repi niclit griechisch sei, hat
zuerst Hugo Grotius erkannt, der den Soloecismus durch die
Schreibung o'uc — nepi nur zur Hälfte geheilt hat. Ihm folgte
Valckenaer (ad Herod. III, 53 und Diatribe p. 226 c) mit der
scharfsinnigen Entdeckung, dass in Ttepi nichts anderes versteckt
ist als IICP, d_. h. etä-rep. In o<.c aber (was augenscheinlich die
frühere Stufe der Verderbniss darstellt) vielmehr 3 cs als sc?
zu suchen, dazu bestimmt mich vornehmlich die folgende Er
wägung. Der Gedanke: ,auf die Fürstenmacht richten sich von
allen Seiten die Pfeile gewaltiger Begehrlichkeit', dient, wie
das einleitende -(dp beweist, zur Begründung eines vorangehenden
Satzes, der doch nur eine Ermahnung enthalten konnte. Da er
scheint mir denn zum Schluss der Hinweis auf diese Zukunfts
gefahr in ihrer Totalität: ,Darauf nimm Bedacht, o Vater,
und danach richte dein gegenwärtiges Verhalten ein' ein wenig-
angemessener als eine Ausdrucks weise, die den Kampf mit
feindlichen Rivalen mehr in den Vordergrund der unmittelbaren
Gegenwart zu rücken scheint. Diesem vielleicht allzu subtilen
Argument steht jedenfalls eine schlagende Parallele zur Seite
in Eurip. Frg. 142 (Andromeda):
i'fö) Se iratoa? om iä> vcöou? Aeyew
töv yvtjuuov y«p oüosv ovt£? evSeet?
v6|j.w vocouciv o ce u7.ä^acGat /pswv. 1
(Xiysiv schlage ich hier, wie schon Nauck ed. min. p. 34
erwähnt hat, zu schreiben vor statt des mir völlig unverständ
lichen Xaßeiv: ,ich dulde nicht, dass man von Bastarden spreche,
denn die sogenannten unechten Kinder stehen den echten in
keinem Punkte nach und es ist nur ein conventioneller Makel,
der ihnen anhaftet'. Nauck vermutliete einst, Observatt. p. 37,
oint spC>, Enger, Adnotationes ad trag, graec. fragm. p. 8, sehr
gewaltsam ep.ä? Se TtatSa?. An eine sichere Heilung des Scha
dens ist kaum zu denken.). Die Worte 3 ae v.~k. enthalten hier
eine offene Drohung, wie in Frg. 846 wohl eine versteckte.
Sollte übrigens der warnende und drohende Sohn nicht Hämon
1 Derselbe Halbvers auch Iph. Aul. 989:
— Elia aoi raya
00V15 ylvcnx' av Total pAXouaiv ydpoi?
0avoua’ Ep-lj Tial?- o ee tpuXä^aaöai ypemv.
264
G o m p e r z.
sein, der Kreon soeben ermähnt haben wird, seine Aller
nächsten, die zugleich die festesten Stützen seines Thrones
sind, nicht durch Härte und Grausamkeit von sich zu stossen?
Das nothwendig und anerkannt falsche Lemma ’HXewcpa wäre
dann aus einer Verwechslung dieser mit der verwandten Ge
stalt der Antigone zu erklären.
14. Ion Frg. 27 (p. 571 Nauck).
Der bis vor kurzem unvollständige Vers hat jüngst seine
Ergänzung gefunden durch Emanuel Miller’s Entdeckung und
Verwerthung der Florentiner Hs. des Etymol. magnum. (Melanges
de litterature grecque, Paris 1868, p. 244):
(sxeicaq, äXXa) tu Ol IIgoctmXou poac.
Man füge noch einen Buchstaben hinzu, der hinter einem
fast völlig gleichen sehr leicht ausfallen konnte — C hinter
dem ersten G ■— und statt des widersinnigen: ,Du hast mich
überzeugt, aber trinke u. s. w.‘ tritt, ich möchte sagen, eine
ganze Scene vor unser Auge, wie sie in jenem Satyrspiele
(’0|j.!BaXY) <j«Tupr/.r ( ) gar wohl an ihrem Platze war. Omphale will
augenscheinlich verhüten, dass der ewig hungernde und durstende
Herakles seiner Trinklust masslos fröhne; zu diesem Behufe
scheint sie ihm das edle Nass anfänglich ganz und gar ver
sagt, vielleicht sogar es vor seinen Nachstellungen geborgen
zu haben (Frg. 26 ctvcc oüx. i'vi | ev xw owS^ei.). Doch dieser hüllt
sein weltliches Gelüste unter den Deckmantel religiöser Scrupel;
zum Zweck der Libation zum mindesten müsse Wein herbei
geschafft werden, — und dass derselbe dann nicht wieder ver
schwinde, dafür gedenkt er wohl selbst zu sorgen. Doch kaum
ist der lieben Pflicht genügt — und wir können uns die Züge,
die der Heros dabei thut, kaum tief und herzhaft genug denken
— so nimmt die Lydierin mit echt weiblicher Hartnäckigkeit
die Rolle des Mässigkeitsapostels wieder auf, indem sie spricht:
sxTisicra?, aXXa xtGi Ilay.xwXou poa?.
,Nun hast du gespendet, zum Trinken aber möge dir Wasser genügen.“
Die kleine Besserung ward schon von Nauck, dem ich
sie gelegentlich mitgetheilt hatte, in der Praefatio zu den
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
265
Euripidis fragmenta p. XIX erwähnt, doch schien es nicht
überflüssig, mit einem Wort der Begründung und Ausführung
darauf zurückzukommen. Weiteres über diese und andere Dar
stellungen desselben Themas findet man hei Otto Jahn ,über
ein pompejanisches den Herakles hei der Omphale darstellen
des Wandgemälde* (Berichte der sächs. Gesellsch. d. Wiss.
Philolog. hist. Classe 1855 III, IV, insbesondere S. 220—21)
und in Köpke’s Doctor-Dissertation ,de Ionis Chii poetae vita
et fragmentis*, Berlin 1836, p. 27 sqq.
In eine ganz ähnliche Situation versetzt uns augenschein
lich das bedeutendste Fragment des gleichnamigen Satyrspiels,
welches Ion’s älterer Zeitgenosse, Acliäus von Eretria, verfasst
hat (Frg. 31 — Athenäus XI, 466 F). Auch hier hatte
Omphale guten Grund, die ihr und ihrer weiblichen Umgebung
ohnehin gar gefährlichen Neigungen der Satyren nicht durch
reichlichen Weingenuss zu reizen. Und gewiss, nur einer dursti
gen Kehle ist der Jubelruf entstiegen, mit dem der Chor der
Satyren (xoiet too? aa-upouq taoe XeyovTac Athen. 1. 1.) die Ent
deckung eines mächtigen Trinkgefässes (eines rauso?) feiert,
dessen Umschrift AIQNYGX) (Aiovüuou) wohl geeignet war, auch
tief gesunkene Hoffnungen neu zu beleben. Hätten die Kritiker
das Bruchstück aus dieser Stimmung heraus zu deuten ver
sucht und die Mahnung, die Aristoteles dem dramatischen
Dichter ertheilt, das Geschriebene auch sofort gespielt zu
denken (oti p,iX'.ara xpo cp.ij.«-wv xtösp.evov — Poet. c. 17), auch
einig-ermassen auf sich bezogen, — der geniale Scherz des
Achäus hätte schwerlich so weitwendige und zugleich so
unfruchtbare Erörterungen veranlasst, wie wir sie jetzt bei
Dawes Miscell. crit. 2 222 sqq. oder bei Wagner III, 68 lesen
müssen.
o oe sxusck; g£ xou Osou y.aXsi TitxAcc.
xb Ypä[j,p,a ^atvuv SsXx’ iwxa xxt xptxov
0 N To t’ T zapeaxi xoux. äxoüofav
=■/. xouxey.siva aav t6 t’ 0 y.7)pö<j<jexov.
So lauten die Verse fast durchweg in den besten Hss.
des Athenäus, die uns dieselben mit nahezu beispielloser
Treue überliefert haben (nur ipai'vtov im zweiten und tö t’ im
dritten Vers musste erst von Toup aus cpatvov und toü gewonnen
266
G o ra p e r z.
werden). So lauten sie auch bei Nauck, mit dem ich in Allem
übereinstimme, nur darin nicht, dass er in V. 3 eine Schwierig
keit findet (jiraperav cu zaxouai'av Porsonus, qua coniectura diffi-
cultas non tollituP), von der ich nichts weiss, oder die ich viel
mehr durch eine Veränderung der herkömmlichen Interpunction
ganz und gar beheben zu können glaube. Denn so sehr auch die
Kritiker von Casaubonus bis Meineke in der Schreibung und
Auslegung des V. 3 von einander abweichen — in einem
kommen sie überein, in der Beziehung von r.apeaxtv und axouaia
auf die Anwesenheit und Abwesenheit der Buchstaben
selbst und in einer dieser Auslegung gemässen Interpunction:
ö, vu x’ au Trapsen, z’ ouz axeaxtv 0 Casaubonus; OV. NP Trapsen,
zouz aicoueiav e/ei | T oder v/ T Dawes; 0, NY ts, z’ Y xapsexr
z’ ouz axoueiav Tyrwhitt; auch Toup, Schweighäuser und Nauck
verbinden xo t’ Y -apsen, desgleichen Porson, dessen Schrei
bung xacpesxiv, oü zäxousiav mir leider nicht verständlich ist. Wie
Meineke, der dieselbe billigte (Athenae. vol. IV, 215, wo
zaxouat'a statt zaxoucn'av nur ein Druckfehler ist), sie verstanden
haben mag, wünschte man wohl zu wissen. Während Porson
selbst ohne ein Wort der Erklärung hinzuzufügen übersetzt:
,cujus etiam absentiani indicant' (Tracts and Miscell. Criti-
cisms p. 242), versteht Wagner die vermeintliche Emendation,
die er mit dem Ehrenwort ,egregie‘ bezeichnet, gerade umge
kehrt als ihr Urheber: ,o, v et u adest. cujus (sc. literae u)
praesentiam in contraria parte literae t et o testanturh
Meine Auffassung der ersten anderthalb Verse ist genau
diejenige, welche Nauck durch seine Interpunction andeutet
(indem er nicht gleich Meineke am Ende des ersten Verses,
sondern erst hinter cpaivtov ein Komma setzt) und die Tyrwhitt
durch die Uebersetzung ausdrückt: ,poculum autem me jam
diu vocat, dei nomen scriptum praeferensh Von da ab glaube
ich jedoch einen anderen Weg einschlagen zu müssen als die
G-esammtheit der bisherigen Herausgeber und Erklärer. Der
Chorführer liest die ersten fünf Buchstaben des Namens Dio
nysos, mit der Hand auf das Gefäss weisend, zusammen: Ss/.t’
uöra za! xptTOv j Q N ts x’ Y — mit anderen Worten: er buch
stab irt, und buchstabiren heisst nicht einen Satz bilden. Diese
blosse Aufzählung bedürfte an und für sich — auch wenn sie
nicht, wie wir nachzuweisen trachten werden, unterbrochen
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
267
wurde — keiner eigentlichen Construction und keines dieselbe
tragenden Verbums. Und da andererseits Trapsaxi sich von y.ouy.
oraouirfav — xijpöroerov nicht ohne die grösste Gewaltsamkeit trennen
lässt, die letzteren Worte aber, wenn wir dem Dichter nicht
die äusserste Geschmacklosigkeit Zutrauen wollen, nicht be
sagen können: die Buchstaben Sigma und 0 verkünden ihre
eigene Anwesenheit, so müssen wir nothgedrungen für die
beiden engverbundenen Satzglieder ein anderes Subject, bezie
hungsweise Object, suchen, — oder vielmehr ich finde ein
solches ohne es zu suchen. Der Ileureka-gleiclie Ausruf Trape-
crci verkündet, ich möchte sagen triumphirend, das Ergebniss
der durch die ersten fünf Buchstaben bereits genügend ge
sicherten Lesung: ,Der Gott ist da, — und dass er nicht ferne
ist' (so hiess es wohl nach einer kleinen Pause) ,dies bekräf
tigen auf der anderen Seite des Trinkgefässes auch die Buch
staben San und 0'. Betreffs der Ausdrueksweise xdpecri xotnt
aTOUGt'av — y.Y]putj(j£T0v zte. (,er ist anwesend und nicht seine Abwesen
heit verkünden u. s. w.‘) brauche ich wohl nicht erst an Wen
dungen zu erinnern, wie: y.ai opäcai -/.ouy. dxapvoup.ai to
\>:c\ (Soph. Antig. 443).
Entgegnet man aber, dass dieser Ausbruch froher Ueber-
raschung im Mund desjenigen nicht an seinem Platze ist, der
durch diese Entdeckung nicht überrascht sein kann, da er sie
gemacht hatte noch ehe er den ersten Vers sprach, — so kann
ich die Triftigkeit dieses Einwurfes nicht bestreiten, ebenso
wenig jedoch die oben. dargelegte Argumentation als untriftig
erkennen. Hier öffnet sich uns, so weit ich sehe, nur ein Aus
weg. Ich denke mir die Schaar der Satyren in zwei Halbchöre
gespalten und die Verse derart zwischen diese vertheilt, dass
der zweite Chorführer die Anführung der Buchstaben, eben da
sie ermüdend eintönig zu werden droht, durch jenen Freuden
ruf unterbricht, um sie in veränderter, überaus anmuthiger
Weise wieder aufzunehmen und zu Ende zu führen. (Dass
aber Athenäus oder seine Hss. die ,personarum notae' hier so
wenig wie bei Frg. 3 und 16 bewahrt haben, kann uns nicht
im mindesten Wunder nehmen.) Erst jetzt, denk’ ich, sind wir
im Stande, die Meisterschaft des Dichters, der mit einem un-
gemein spröden Stoffe siegreich spielt, in vollem Umfang zu
bewundern.
268
G o m p e r z.
A. 6 os axütfoq \xs tou 0co3 v.ctXd rJ'kca
to ypot^.a «patvtov osXt’ iwxa za! rpixov
-- N io t’ T — B. oiäpsaTi, y.O’j/. cwtousi'av
s/. Toimsxetva aav to t’ 0 y.YjpüaasTOV,
15. Kritias, Sisyphus 1 (Nauck p. 598.)
Die Wiederherstellung’ des ebenso hoch interessanten als
arg zerrütteten Bruchstücks (Sext. Empir. p. 403—4 Bekk.)
schreitet nicht eben rasch vorwärts. Während eine Besserung:
yvövai 6eob? 0vy)toT<kv ei*eupslv (V. 13) im Lauf der letzten fünf
zehn Jahre nicht weniger als dreimal gefunden worden ist
(von Herwerden, Ex. crit. p. 74, von Haupt, Hermes II, 332
und geraume Zeit vorher von Köchly, Akad. ■ Vorträge und
Reden S. 277) —- liegt manch anderer Vers noch vollständig
im Argen. Ich beabsichtige vorerst nur die These zu erweisen,
dass die in V. 24 erkennbare Lücke durch das Wort romi aus
zufüllen, das aus dem vorhergehenden Vers herüber reichende
Satzglied mithin zu schreiben ist: ob -pap eppovoov | svei-i (korm).
Um diese Ergänzung jedoch auch Anderen als das erscheinen
zu lassen, wofür sie mir seit langem gilt, als eine nahezu un
bedingt sichere Restitution, zu diesem Behuf muss ich etwas
weiter ausholen. Hoffentlich erweist sieh dieser Umweg auch
in anderer Rücksicht nicht als völlig unergiebig.
Kein Leser unseres Fragmentes, kann sich der Wahr
nehmung entziehen, dass Kritias — oder richtiger der von ihm
redend eingeführte Sisyphus — nicht nur alle Formen des
Gottesglaubens gleichmässig für Fictionen, wenngleich für über
aus heilsame, erklärt, sondern dass er auch keineswegs bemüht
ist, dieselben irgend strenge zu sondern. Monotheismus und
Polytheismus, die populär naive und die metaphysisch ver
feinerte Theologie (w? estt oafp.wv V. 17; tov äai'p,ova V. 39; touc
0sou; V. 23 und 27 ; oaqj.övuv yevoc im Schlussvers und io 0eiov
V. 16) gehen bunt durch einander, kaum bunter freilich als
hei Pindar oder Aeschylus, bei Sophokles oder Herodot. Nur
dadurch unterscheidet sich der philosophische Dichter von
anderen Repräsentanten der grossen Uebergangsepoche — denn
etwas anderes ist doch der schon bei Homer nachweisbare
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
269
Keim dieser Begriffsverwirrung (vgl. Lehrs, Populäre Auf
sätze S. 128) und seine volle Entfaltung im fünften Jahr
hundert — dass er, darin Euripides gleichend, auch die eigent
lichen Philosoplieme seines Zeitalters zum mindesten durch
Seitenblicke berücksichtigt. Oder sollte der Anldang von V. 18:
vom äxc6wv y.a': ßketomv opovöv xs y.ai
an Epicharms:
vogc opfi y.al vooc azouet, xaAAa y.Moa y.a: xuoAa
oder auch an des Xenophanes:
ooao; opä, cOAoc ce voe:, oöao? oe x’ äy.oüs:
ein rein zufälliger sein? Dies muss man wohl im Auge behalten,
will man anders die Frage richtig beantworten, was denn xb
(ppovoüv (V. 23) unserem Dichter bedeute und was er von dem
selben auszusagen vermöge. Dass dies eine Frage sein könne,
das hätte ich allerdings nicht für möglich gehalten, wenn nicht
erst jüngst noch Köchly (gleichwie vorher Bach und Wagner,
nicht aber, wie Letzterer irrig meldet, auch Bekker) Normann’s
Supplement (ösotc) gebilligt und in den Text aufgenommen
hätte. Dass dies unstatthaft sei, lässt sich freilich ohne jede
weit ausgreifende Untersuchung erweisen. Denn die Götter auf
eine Linie zu stellen mit dem noch nicht denkfähigen Kindes
alter (xb [j.->j spovouv Aesch. Choeph. 753) oder mit dem nicht
mehr denkkräftigen Greisenalter (p.v; Sid xb yripac i^ecv^/Mc
S> xoö opoveTv Isocrat. Philipp, p. 85 fin.) — wem wäre dies
jemals in den Sinn gekommen und wer konnte dadurch zur
Erwiderung veranlasst sein : ,Das Denken oder das Denkprincip
wohnt bei den Göttern?' (Köchly übersetzt freilich: ,Allwissen
heit wohnt bei den Göttern'. Allein diese Uebertrag-ung hängt
auch nicht mehr durch den dünnsten Faden mit dem Original
zusammen, welches sie wiedergeben will.) Doch fassen wir den
Gedankenzusammenhang ins Auge, um zu erkennen, nicht so
wohl was derselbe nicht zulässt, 1 als was er erheischt.
Unmittelbar vorher war von der Allwissenheit der Götter
die Rede. ,Auch was du in der Stille deines Inneren Schlimmes
1 In diese Rubrik gehört ohne Zweifel auch Heath’s Ergänzung (aüxois),
Musgrave’s ?v eoxi Oslcov und auch des Hugo Grotius nacktes: l'vsdxi,
worauf er folgen lässt: xouoSe tou; AÖyouc auTof; Xe'ytov —.
270
Gomperz.
sinnst, es wird den Göttern nicht verborgen bleiben' — tout’ 1
oÜ£i atjOei tob? ösoü?. Hieran reiht sich jenes mit yap eingeführte
Satzglied. Wie kann man nun die Allwissenheit der Götter
begründen? Doch nicht anders als durch den Hinweis auf
ihre Allgegenwart. So erscheinen die beiden Eigenschaften
eng verbunden neben einander gestellt bei Xenoph. Mem. I,
1, 19: SüntpiXTY)? os TcccvTa p,sv rj'feiio Osou? Etosvat, xd te Xsyö-
gsva y.ai 7TpaTTÖp.£va y.ai Ta ctiy73 ßouAsuop.sva , Ttavxa^oö 3e
trapsllvai —; und die eine geradezu durch die andere begründet
beim Komiker Philemon (ap. Stob. Eclog. I, 2, 32 und I,
10, 10 — Com. gr. frg. IV, 31 u. Addenda; die merkwürdigen
Varianten der ersten Verse sollen uns hier so wenig kümmern
wie die von Hense, Lectt. Stob. p. 15 kürzlich behandelten
Schlussworte des letzten Verses):
ov ouSe st? hsXvjÖsv ouSs ev ttoiöv,
m au xonjatov, ouBs TXETOi-ip/.wc iftSXai,
oute Oeoc out’ avOpcoxo?, outö? eqj.’ syu,
’A-/jp, 8v av Tic ovop.aosie y.ai Ata.
syw 3’, ö Oeou ’otiv spyov, stp.i xavxa^ou,
svTauö’ ev ’AOvpatc, ev IlaTpat?, ev W/.eAia,
ev tat? toAegi Tctoatcrtv, ev Tai'? oktal?
Träcatc, ev üplv roäarv oux, sctiv tottoc,
oü p.tj ’otiv ’Ar/p' 5 oe trapwv äiravTa/ou
ttocvt’ sij ävay'/.Y)? oios Travxajvou icaptöv.
Der komische Dichter hat hier sicherlich die Lehre und
wahrscheinlich auch die Worte des Diogenes von Apollonia
(ap. Simplic. in Phys. Arist. fol. 33, a) vor Augen, in denen
dieser dem Nus des Anaxagoras ein physisches Substrat leiht,
eben die ,allverbreitet ungehemmte Luft', um mit Schiller’s Marfa
zu sprechen: y.ai p.ot oo/ssi t'o ty)v vovjotv e/ov sivat o arjp y.aAsöp.svo?
Otto t<3v dvOpwxwv y.at (uro toutou txaVTa y.ai (?) y.ußspväaOai zai icctVTWV
y.paTEEtv. atro yap u.ot toutou ooy.set 6 vöo? sivat y.at ettI irav d<pi-/0at
y.at TtavTa StaTiösvat y.ai ev xavxi Evslvat. D. h.: ,Und als Träger
jener' (im vorhergehenden — Frg. 4 Mullach — als noth-
wendig erwiesenen Welt-) ,Intelligenz gilt mir der Stoff, den
die Menschen Luft nennen und von ihm scheint mir Alles ge-
1 Tauf bei Naucls ist gewiss nur ein Druckfehler, den Köchly wiederholt.
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
271
lenkt zu sein und er Alles zu beherrschen. Denn eben daher
scheint mir der 1, (von Anaxagoras so genannte) ,Noo; zu stammen
und* (mittelst dieses seines Trägers) ,überall hin zu dringen
und Alles zu ordnen und in Allem zu sein*. (Hierin ist 6 voo?
meine, von Mullach — Frg. 6 — bis auf den nicht zu ent
behrenden und ich möchte sagen ein Stück Geschichte der
Philosophie enthaltenden Artikel vorweggenommene Emenda-
tion. Wie sicher dieselbe ist, erkennt Jedermann, der den Zu
sammenhang aufmerksam erwägt, insbesondere wenn er mit
unserer Uebersetzung die Künsteleien vergleicht, mit denen
sich der an Unrechter Stelle — a-o in aü-ou — ändernde
Panzerbieter, Diogenes Apolloniates p. 60 sqq., abquält, ohne
doch dem total unmöglichen e'Occ, 60OC, das aus ONOOC ent
standen ist, einen halbwegs erträglichen Sinn zu entlocken.
Dass aber Schleiermacher’s Zweifel an der Abhängigkeit des
Diogenes von Anaxagoras und an seinem Eklekticismus an
sich haltlos und zum Ueberfluss durch das ausdrückliche Zeug-
niss des Theophrast bei Simplicius — ad Phys. fol. 6, a —
widerlegt ist, weiss jeder Kenner dieser Dinge.)
Desgleichen schrieb nun auch Kritias ohne Zweifel (viel
leicht in directem Hinblick auf die soeben angeführten Worte
seines Zeitgenossen): ib yäp tppovoüv J eveoti (rorm), wobei der
Ausfall des letzten Wortes sich von selbst erklärt: ,denn der
Weltgeist ist in Allem*. Auch Heraklit, dem das Feuer jeden
falls als <pp6vtp,ov und die ,Luft mit ihren feurigen Phänomenen*
als <ppsvr)ps<; galt (vgl. Hippol. IX, 10 — p. 448, 25 Dunck. u.
Schneidew., Sext. Emp. 218, 20 Bekk. —• Bernays Rh. Mus.
IX, 260, und Paul Schuster’s ,Heraklit* in Acta soc. phil.
Lips. III, 186), hat seine Welt-Intelligenz oder ihren stofflichen
Träger höchst wahrscheinlich nicht nur yvoVv) sondern gelegent
lich auch i'o tppovoüv genannt, nach Plut. de Is. et Osir. c. 76,
p. 382 C (I, 466—67 Dübner): -r\ bk £öca xa't ßXsTOuca
tfoo'.q dp-uoTi (Bernays’ Besserung statt dXXu? ts) sowaxsv äicoppovjv
xat p.oipav ex tou (ppovoovTO? 07tü)? xußEpvaxai io aupneav xaO’
'llpdx/vEiTov. Denn dass Plutarch jenes participiale Abstractom
auch dann anzuwenden liebt, wenn er Tn eigenem Namen redet,
dies spricht bei Lichte besehen eher dagegen als dafür, dass
er den Ausdruck auch hier aus eigenen Mitteln hinzuthut.
Denn bei ihm und anderen späteren Schriftstellern bedeutet
272
G o m p e r z.
t'o opovouv die Einzel-Vernunft, hier aber nothwendig die Welt-
Vernunft oder ihren stofflichen Träger. (Plut. Mor. 138 F—I,
1G4 Dübn.; 166 C—I, 197 Dübn.; 706 A—II, 860 Dübn. —
Vita Demetr. c. 1; Arist. Physiogn. 6, p. 813, b, 9; 11; 20.)
Doch ist jener Sprung von den ,Göttern' zum , Weltgeist'
nicht ein allzu gewagter? Lag für Kritias überhaupt und speciell
an dieser Stelle eine Veranlassung vor, die Philosopheme der
spiritualistisclien Schulen seiner Zeit ernstlich zu berücksichtigen
und sie unter die theologischen Dogmen zu mengen, die er
oder sein Sisyphus bestreitet? Beginnen wir mit der letztei’en
dieser Fragen. Dass unser Dichter alle Vorstellungen und
Ausdrucksweisen seiner theologischen und metaphysischen Geg
ner bunt durch einander würfelt, dies konnten wir bereits hin
reichend erkennen. Es geschah dies von Seiten eines so geistes
hellen Mannes gewiss nicht ohne die Absicht, diese insgesammt
als seine gemeinsamen Gegner zu kennzeichnen und mit den
selben Schlägen Alle zu treffen. Dass er aber gerade bei der
Besprechung der göttlichen Allgegenwart nicht nur die Grötter-
vielheit fallen lässt, sondern die jüngste und am meisten ver
feinerte Ansicht allein hervorhebt, dies macht, denk’ ich, seinem
gesunden Sinn ebenso viel Ehre als seiner Redlichkeit. Denn
dass die als menschenartige Persönlichkeiten aufgefassten Einzel
götter, dass die individuelle Hera oder Artemis wirklich überall
zugleich anwesend sei — wer hätte jemals, geschweige denn
in einer aufgeklärten, mit dem Begriff der Möglichkeit rech
nenden Zeit solch einen Gedanken ernsthaft zu denken ver
mocht? Je gestaltloser und schattenhafter hingegen, je mehr
zum blossen ,Weltgeist' verflüchtigt die himmlischen Mächte
gedacht wurden, um so glaubhafter konnte jene Lehre erschei
nen. Somit hat Kritias, vielleicht ohne viel darüber nachzu
denken, zugleich dem Gebote einer ehrlichen Polemik und
dem instinctiven Bedürfniss gehorcht, nicht zu den Menschen
der Vergangenheit sondern zu den Kindern seiner Zeit zu
sprechen, indem er diesmal den ,Göttern' den Rücken kehrte
und auch nicht bei dem doch immerhin persönlichen ,Dämon'
stehen blieb, ja nicht einmal beim ,Göttlichen' Halt machte, son
dern bis zum nebelhaften ,Weltgeist' fortschritt. Wie viel aber
der Grieche in Bezug auf derartige unvermittelte Uebergänge
vertrug, wie wenig es ihn anfocht, grundverschiedene und, genau
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
273
genommen, unvereinbare Ansichten von den göttlichen Din
gen dicht bei einander zu finden, dies kann wer es noch nicht
weiss aus den von Lehrs (Popul. Aufsätze S. 128) angeführten
pindari sehen Stellen entnehmen.
Und nicht nur hier, auch im eigentlichen Kernpunkt
unseres Bruchstücks, dort wo das theologische Bekenntniss
nicht gelegentlich gestreift, sondern ausdrücklich vorgetragen
wird, — auch dort hat Kritias nicht die Lehren einer grauen
Vorzeit, sondern die spiritualistischen Doctrinen seines Zeit
alters im Auge. Denn wie heisst es doch daselbst? ,Es gibt
ein übermenschliches Wesen, dem Unsterblichkeit zu eigen ist
gleichwie das Vermögen rein geistiger (durch kein Körper
organ vermittelter) Wahrnehmung und Erkenntniss, ferner ist
dasselbe die Erkenntnissquelle anderer Wesen und schliesslich
befindet es sich im Vollgenuss göttlicher Macht und Herrlich
keit.' Nur ein Punkt dieser Paraphrase kann (meines Bedün-
kens) als zweifelhaft gelten, da ich ein augenscheinlich und
anerkanntermassen verderbtes Wort zu bessern versucht habe,
ohne für die unbedingte Sicherheit meiner Aenderung einstehen
zu können. Ich lasse die drei Verse nebst einer Rechtfertigung
meiner Auffassung derselben folgen, wobei es nicht meine
Schuld ist, wenn diese nicht jedes polemischen Beigeschmacks
entbehrt.
17 (j>? soxi oaiguv atpOfxw GälXojv ßt'w,
vom x’ axouwv xai ßXejnov ppovfito xs y.at
tz ap£^o>v xe xauxa •/.«! puoiv Ostav popöv —.
Dem letzten dieser Verse ist schon gar Seltsames begegnet.
Anstatt den einzigen Anstoss, den derselbe wirklich bietet, mit
behutsamer Hand zu entfernen — ich meine das jeder mög
lichen Construction widerstrebende xpoos/mv, wofür ich xap£/MV
vermuthe (vgl. Bast Commentat. palaeogr. 837 und 934) — hat man
mit Granaten auf Sperlinge geschossen. Köchly hat, man möchte
fast glauben in der Absicht die gesammte Conjecturalkritik zu
verspotten, nahezu den ganzen Vers umgeschrieben:
xpoospuov xe xdvxa y.ai «ppeotv ppoupöv dyav
und xpoosym xdvxa trotz alle dem so übersetzen müssen (,Auf
Alles achtet'), als stünde nicht xdvxa da, sondern xdot. Der
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 18
274
Gomperz.
treffliche Herwerden aber verlor, wie ihm dies in jungen
Jahren zuweilen begegnet ist, einfach die Geduld und rieth
V. 19 sammt 20—21 ,una litura/ zu tilgen. Nun liegt uns V. 20
in arg verderbter, oder vielmehr, wie schon Fabricius sah, in
paraphrasirter Gestalt vor, die Paraphrase mag nun dem Sextus
selbst oder einem seiner Leser angehören. Aus dieser, aus den
Worten: bP o3 xta'v jj.lv to Xeyßb ev ßpoxoi? ay.oiistat, das Ursprüng
liche mit voller Sicherheit wieder zu gewinnen, dies ei’scheint
mir als ein Ding der Unmöglichkeit. Gegen V. 21 ferner,
dessen kleine Eingangslücke längst von Normann augenscheinlich
richtig ergänzt worden ist, besteht auch nicht der Schatten eines
Verdachtsgrundes. Möglicherweise schrieb Kritias: 8; ovj ßpo-owt
xäv tb jj.lv keyßb -/.Xüsiv | (to) opwjj.svov 81 Txav iSeÜv ouvvjostat. Dem V. 19
gegenüber erhebt endlich Herwerden die specielle Anklage, es sei
,inepte supervacaneum äatjxovt, aoöitw ßüp OaXXovti, tribuere ösi'av
<i>6<jtv‘. Dem muss ich jedoch auf das entschiedenste wider
sprechen. Denn nichts hindert uns das Wort oaij-uov hier gei’ade
so als generelle Bezeichnung übermenschlicher Wesen zu
verstehen, wie wir dies bei Plato Apolog. 27 D thun müssen.
Sokrates gebraucht dort oatp.wv im weiteren Sinne zur Be
zeichnung des Gattungsbegriffes, zu dem sich Götter und Unter
götter (Dämonen im engeren Sinne) verhalten wie species
zum genus: tob? 81 8ai'p.ova? ob)'! vjtot (Lob? ys. rjYoup.söa i) 0ewv
raioap; — Und auch ohne solchen ausdrücklichen Beleg hätte
man diese Anwendung des Wortes aus einigen seiner sonstigen
Gebrauchsarten mit Sicherheit erschliessen können. Denn zeigt
einerseits die hierarchische Anordnung; ,Götter, Dämonen und
Heroen dass die Begriffssphären von Oso? und Sai'p.wv nicht voll
ständig zusammenfallen, so lehrt andererseits die gelegentliche,
aber gar nicht seltene Bezeichnung der Götter als Dämonen (vgl.
Nägelsbach, Hom. Theol. 68 L ), dass der letztere Begriff nicht (wie
etwa der des Heros) ein dem Göttesbegriff widersprechendes
positives Merkmal enthält. Vielmehr erklären sich beide Ge-
bx-auchsweisen nur aus der Voraussetzung, dass oou'jj.wv von
Haus aus der an Inhalt ärmere Begriff ist, — woraus sich
ohne weiteres die hier vorliegende dritte Art der Anwendung
ei-gibt. Ein Gott ist ein Dämon und etwas mehr. Dax'um
erscheint er in der Rangfolge übennenschlicher Wesen dem
Dämon (im engeren Sinne) übergeordnet, in der logischen
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
275
Stufenreihe dieser Wesen hingegen dem Dämon (im weiteren
Sinne) untergeordnet; darum allein kann man endlich, sobald
es sich nicht darum handelt, die Gesammtheit der Gottesattri
bute zum Ausdruck zu bringen, den Gott auch Dämon nennen,
d. h. den Gattungsnamen an die Stelle des Artnamens setzen.
Das bei diesem Anlass in Sicht kommende logisch-sprachliche
Gesetz lässt sich, denk’ ich, ganz allgemein also formuliren:
so oft ein Wort einmal (im weiteren Sinne gebraucht) die
Gattung, ein andermal (in engerer Anwendung) eine dieser
untergeordnete Art bezeichnet, muss diese letztere anderen
logisch - coordinirten Arten (falls unter diesen solch’ eine Ab
stufung überhaupt stattfindet) an Attributenreichthum, und,
wo dieser ein Werthmass darstellt, auch an Werth nach
stehen. Man denke an das Verhältniss von Fürst und
König, von Thier (oder besser animal) und Mensch. Auch
Napoleon kann ein glücklicher Soldat* heissen, aber ein Sol
dat schlechtweg ist eben ein gemeiner Soldat. Der Feld
herr ist ein Officier, die Rathgeber des Monarchen sind Räthe, -—
aber wenn man von Officieren, Rathen, Richtern oder auch Lehrern
schlechthin spricht, wird Jedermann zunächst an die unteren
Sprossen der hierarchischen Stufenleiter denken. Mit alle dem soll
natürlich nur auf einige, und zwar die mindest subtilen Ge
brauchsweisen des Wortes ooep.iov hingewiesen werden, — ein Ge
genstand, über dessen feinere Verzweigungen wir ja die meister
hafte Erörterung von Lehrs in den ,Populären Aufsätzen* besitzen.
Doch, um von dieser langen Abschweifung zurück
zukehren — Kritias geht bei dem Aufbau der Gotteslehre
mit gutem Bedacht von der allgemeinsten Vorstellung aus: ,es
gibt ein übermenschliches Wesen*, welches nun näher
bestimmt wird. Und wie? Die erste Bestimmung, ,das unver-
welkliche Dasein* liess und lässt sich nicht missverstehen. Das
zunächst Folgende aber: vöu x’ caouwv y.ai ßksTcwv opovüv ts •—
wundert man sich wohl bei Köchly übersetzt zu finden: ,Es
lebt ein Gott .... Der Alles sieht und Alles hört und
Alles merkt*. Der Hinweis auf den Zwang des Versmasses,
der so manche Ungenauigkeit entschuldigt, gilt wenigstens
nicht für Herwerden, der die Worte ganz ähnlich verstanden
haben muss, da er auf Grund dieses Verständnisses oder Miss
verständnisses die V. 19—21 verurtheilt: ,tribus his versibus
18*
276
Go mp erz.
nihil omnino dicitur quod non multo melius in duobus praece-
dentibus enarraverit poetah Fast schäme ich mich, diese aus
gezeichneten Philologen, die nur diesmal etwas eilfertig gelesen
haben, darauf aufmerksam zu machen, dass Kritias an dieser
Stelle noch ganz und gar nicht von der göttlichen Allwissen
heit handelt. Diese wird vielmehr erst aus den hier wie später
(in dem von uns bereits sattsam erörterten: tö yap fpovouv x/re.)
aufgestellten Prämissen gefolgert. Oder wäre der an unserem
Ort ausgesprochene Gedanke so nichtssagend oder —• im fünften
Jahrhundert! — so abgenützt gewesen, dass man annehmen
müsste (was Köchly und Herwerden vorauszusetzen scheinen),
der Dichter sei über diese Vordersätze hinweg eben nur dem
Schlusssatz zugeeilt, ohne ihnen irgend eine selbständige Be
deutung beizulegen.
Und doch wird mit jenen Worten den Theologen, d. h.
den theologisch-metaphysischen Zeitgenossen des Kritias, ein
Protest in den Mund gelegt gegen nichts geringeres als die
gesammte anthropomorphische Auffassung der göttlichen Dinge!
Denn wenn man von der Gottheit behauptet, sie denke nicht
blos sondern sie schaue und höre auch mit dem Geiste 1
(was überdies damals auch ungleich paradoxer klang als heute,
— man denke an stehende Verbindungen wie o©6aX|j.otat
ISetv xai yviigp voijaai, Ps. Hippocr. de arte §. 2—VI, 4,
Littre, oder oute oöv o4s i opä |j,ay.p6r<pa oute Sv yvtbgv) yiyvoiaxot,
Antiphon bei Galen. XVIII, 2, 656 Kühn), 2 so heisst dies mit
1 ,1t is even very possible to conceive how the soul raay have ideas of c o 1 o u r
without an eye or of sound withont an ear‘. (Berkeley.)
2 Ich möchte das übel zugerichtete Bruchstück nach Bernays (Rh. Mus.
9, 256) und Sauppe (de Antiphonte sophista p. 10) also ordnen: xauxaöi
yvcoaei, ev 8e oü8'ev aüxo (xaö’ eauxo')* ouxe ouv ctysi opa p.axpox7]xa ouxe av
yviop.7) yiyvtuaxoi 6 p.axp’ axxa yiyvcÄaxtov. — Für unseren Zweck wichtiger
ist es daran zu erinnern, dass die im obigen paradox genannte Ausdrucks
weise dies für Niemanden in höherem Masse war als für unseren Autor!
Denn eben von Kritias erzählt Galen daselbst, er habe die Sinneswahr-
nehmungen von der intellectuellen Erkenntniss fortwährend und nach
drücklich unterschieden: Kpixiag p.ev ev xto rcpibxip ’Acpopiap/Ö xa8e ypacpei.
,jj.7^Te ä tw aXXto atouaTi aiaOavexai pjxe a zfj yvd>(J.7) yiyvtoaxed, xai rcaXiv
,yiyvcocjxoucriv oi avÖpcorcoi e’i xi? piv uyiai'vei x?j yvtbp.7)', xai ev f O[xiXuSv
Tcpoxe'ptp ,ei 8’ aüxo? aax^aeia?, otcoi? yva>p.r) ij (t)$?) txavbc,, Tj'xiaxa av ouxto;
uk’ auxou (wohl ucp’ auxou) av a8iX7]Öe(7]S , J xai TCoXXaxi? ev xa> auxo> xai ev xo)
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
277
anderen Worten: sie besitzt keine Sinneswerkzeuge (denn wozu
sollte sie das besitzen, dessen sie nicht bedarf?) und sicherlich
ebenso wenig andere leibliche Organe, sie ist ein rein geisti
ges Wesen, — was eben die neue Lehre der spiritualistischen
Philosophen jener Zeit war.
Das Welt- und Lebensprincip aber, mochte es nun ein
rein geistiges (Gottheit, Weltseele, Weltgeist) oder ein stoff
liches (Feuer oder Luft) sein oder auch zwischen beiden Denk
weisen in der Mitte schweben (wie der Noü; des Anaxagoras,
der als XsirrÖTaTÖv ts Ttavxuv /pr)|j.dxuv xai y.aöapcbTaxov unverkenn
bar diese Mittelstellung einnimmt) — dieses zugleich als Quelle
aller menschlichen und thierischen Wahrnehmung und Erkennt-
niss anzusehen, war in jenem Zeitalter gang und gäbe. Ich
erinnere wieder, nicht sowohl um der Sache als um des Aus
drucks willen, an Diogenes von Apollonia: . . . savxa tu aöxü
(tu äipi) xai Gj y.ai opä y.ai ay,o'JEi x.ai tyjv dX/a]v vörjaiv e/ei
uxo toO auxou zdvxa, (Frg. 6 fin. Mullach.), was ebenso gut also
hätte ausgedrückt sein können: tö ah-'o r^api/v. a-aoi to i^vjv y.ai to
öpäv y.ai to ay.ouetv y.xs. Und so hat Plato dort, wo er einen
Theil der erkenntnisstheoretischen Doctrinen seiner Zeit durch
mustert (Phaedo, 96, B) wirklich geschrieben: y.ai troxepov to
ai[xa ecrnv u cppovcup.sv (die Lehre des Empedokles und unseres
Kritias), 9) o arjp •<) to orup 9) tojtwv p.sv ouBsv (es folgt die zuerst
von Alkmäon aufgestellte Hypothese), 6 Be Eyy.soaXct; «mv 6 xd;
aij0i)asip Trapsjjuv too axoieiv y.ai opdv y.ai co^paivsoGai, sy. tootuv
oe yQvoiTO iJ.V(5p,T) y.ai 005a, sy. Be y.ai ooijrjc .... yiyvEoGai
ETitoTV)|j,Yiv. Womit man zum Ueberfluss noch vergleichen mag
die abweichende Fassung desselben Gedankens bei Hippocrat
de morbo sacro c. 14: y.ai xcuxu (tu eyy.s:päXu) opoveopsv ptaXiaxa
y.ai vosöp.sv y.ai ßXe-op.ev y.ai dy.oiop.sv y.ai otay'.vuxr/.op.EV xd xe ahypa
y.ai y.aXa y.ai xdyaGa y.ai y.ax,d y.xe. (Meine von Littre, VI, 386
zum Theil abweichende Schreibung der Stelle beruht der Haupt-
Seuxspw xuv 'OpiXiuv ctvTiSiatpüv raTs alaOijaEai T7|V yvti[i7]v [~oX-
Xazi?] e’lprjzsv (das Wort yvwpr) nämlich, dessen ältere Anwendung Galen
hier illustrirt). Verstehe ich den letzten dieser Brocken richtig, so hat
Kritias gleich so vielen anderen Attikern ütp 1 eauxoü statt ujto asauroü
gebraucht (Krüg. 51, 2, 15) und einen Gedanken ausgedrückt, der an
Demokrit’s fragm. mor. 23 (Mullach) anklingt: ....&>? e1 to awpa Sizdaarco
Trj zaztoaEu?, oüz av aüxrjv cärocpuyetv.
278
Gomperz.
sache nach auf den von diesem mitgetheilten Lesarten der
prächtigen Wiener Hs. Siayivcbaxo^sv statt •'(•tvdxjy.ojAEV hat aus
dieser und dem Marcianus auch Ermerins aufgenommen; nicht
aber xai v,cüm statt y.ai ra xaXa, oder vxyaOä statt ayaOa;
und ebenso wenig hat dieser oder Eeinhold, der hier nur die
Vulgata wiedergibt, die mir unerlässlich scheinende Umstel
lung der letzten Worte : — man las: v.ai v.t/.cc xai ayaOa — vor
genommen.)
Eines Commentars werden die Worte : zaps^wv ie raüra
nunmehr hoffentlich nicht bedürfen! Das überlieferte zpou-
iym hat nur Fabricius zu rechtfertigen versucht durch den
Hinweis auf das völlig singuläre: touto yäp toxvu zpöae^e bei
Aristides de dictione civili I, 226, wo Normann seither mit
vollstem Rechte toütw hergestellt hat (II, 736, 12 Dindorf).
Matthiä’s gelegentlichen Einfall ,cuve/wv azavra' sollte man viel
leicht aus dem Schattenreich, in dem die äp,evv)va xäpyjva ver
fehlter Conjecturen umherschwirren, ebenso wenig herauf
beschwören wie Bach’s nichtiges zpoaa/wv (den Anapäst im
ersten Fuss konnte sich ja Kritias ebenso wohl erlauben wie
Euripides, um von den selteneren Beispielen dieser Licenz bei
den älteren Dichtern zu schweigen) oder Wagner’s sofort wie
der zurückgenommenes “psutj-wp dzavTwv oder eines Unbekannten
(bei Bekker) cppoupöv (oder eipopöv) i äy«v | Tipcceyßc, to raü-n;,
wovon äytx'i auf Pseudo-Plutarch zurückgeht ohne damit einen
Schatten von Autorität zu gewinnen. Denn einmal besitzt der
Verfasser der Placita philosophorum nicht ein Atom von solcher,
zweitens führt er den Vers auch im übrigen augenscheinlich
falsch an: S? rau-’ äxo6st y.ai ßXezet — und endlich erklärt sich
die Verderbniss des Schlusses: tppovei t &yav insbesondere gar
leicht aus dem Abbrechen des Citats an eben dieser Stelle
(De plac. phil. I, 11, Plut. Mor. 880 F, 1073 Dübner). Dass
aber raüra, woran man beileibe nicht rütteln darf, nichts anderes
bedeutet als ra äy.sisiv y.ai ßXezsiv y.ai ppovsTv oder xrjv ts x/.ory)
y.ai opacnv (die zwei typischen Vertreter der Sinne überhaupt)
y.ai tyjv <ppovr,<jiv — und dass von dem ,übermenschlichen Wesen',
dessen Theile oder Ausflüsse somit Thier- und Menschenseelen
sind, nur mehr ein Schritt oder vielmehr kein solcher ist zum
Weltgeist oder opovouv (vgl. z. B. Lorenz, Epicharm’s Leben und
Beiträge zur Kritik und Erklärung griechischer Schriftsteller.
279
Schriften S. 104—5) — thut es Noth, dies Alles erst aus
zusprechen oder gar zu erweisen?
Die Schlussworte: y.a: Osi'av cuotv <popßv endlich besagen,
dass der mit all diesen Eigenschaften und Vermögen ausge
stattete oaiV-wv eine Gottheit im eigentlichen Sinne, oder viel
mehr, wie der Zusammenhang lehrt, die Gottheit ist. ,Mit
göttlicher Natur begabt' oder bekleidet heisst hier das Welt-
princip, weil es gilt seiner ,Trefflichkeit, Herrlichkeit, Hoheit'
inne zu werden (Lehrs a. a. 0. 125; 144) oder auch — was
im Grunde dasselbe ist — es als geeigneten Gegenstand der
Anbetung zu bezeichnen, denn Osbq &q tisto oy)|j.M sagt Homer,
nicht aber w? §aqj,wv. Und überwiegt nicht dort, wo die mono
theistische oder halb-monotheistische Anschauung der Götter
welt vorherrscht, die Anwendung von Oso; jene von oaqj.wv ganz
ausserordentlich? Schliesslich mag daran erinnert werden,
dass einem Dämon Qei'a tf'jc.c, beizulegen noch weit weniger be
denklich ist als wenn man von ihm sagte: er ist ein oder der
0=6;. Denn die Differenz der zwei Begriffe ist gerade in den
Adjectiven am schärfsten ausgeprägt, wie denn nach Nitzsch’s
und Nägelsbach’s treffender Bemerkung oaqj.6v.oc; ,einer Ver
tauschung mit OeToc schon nicht mehr fähig ist' (Hom. Theol. 69 1 ).
In ähnlicher Weise hat sich auch clo; von dem sicherlich stamm
verwandten oaqj.wv begrifflich so weit abgezweigt, dass Hesiod
den Phaethon Saqj.cva STov nennen konnte (Theog. 991), womit
das superlativische Sla Osawv bei Homer sich nicht vollständig
vergleichen lässt.
Verzeichniss der behandelten Stellen:
Aehaeus Frg. 31 (Nauck)
Aescliylus Frg. 237 (Nauck)
Antiphon ap. Galen. XVIII, 2, 656 (Kühn)
Critias Frg. 1 (Nauck) V. 19 —21
9 i
ii ii n ii
„ ap. Galen. XVIII, 2, 656 (Kühn)
Diogenes Apolloniat. Frg. 6 (Mullach)
Euripides Frg. 240 (Nauck)
Seite
265
235
276
273
268
276
270
247
250
251
280
Gomp erz.
Euripides Frg. 793
„ „ 826
v n 846
Hippocrates de morb. sacr. (VI, 386, Littre) .
Ion Frg. 27 (Nauck)
Sopliocles Frg. 160 (Nauck)
„ „ 235
n » 896
» n 898
„ « 465
ff „ 818
« « 853
Tragicus (anonym.) Frg. adesp. 313 (Nauck)
Seite
254
258
262
277
264
236
237
239
240
242
243
244
260
Porges. Ueber die Verbalstannnbildung in den semitischen Sprachen.
281
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen
Sprachen.
Von
Dr. Nathan Porges.
Einleitung'.
§. 1. Sprache ist das Product einer in der geistigen
Natur des Menschen begründeten Nothwendigkeit, seine Vor
stellungen und Begriffe aus sich herauszusetzen und in einer
selbstgeschaffenen, durch den Laut repräsentirten, allgemeinen
Anschauung festzuhalten. Je weiter wir in der Erforschung
der ältesten Bildungen der Sprache, die wir Wurzeln nennen,
zurückgehen, desto mehr Bedeutung muss naturgemäss dem
einzelnen Laute zukommen. Doch geht diese Bedeutung nicht
etwa so weit, dass jeder einzelne Laut ein Object bezeichnen,
mithin wirklich Sprachwurzel sein könnte; denn zunächst ist
nicht jeder einzelne Laut als solcher schon aussprechbar. Vor
allen Dingen muss jede wirkliche Wurzel den Charakter der
Syllabarität, d. i. der Spreckbarkeit an sich tragen. Die laut
liche Einheit, welche durch das Wurzelgebilde repräsentirt
wird, ist also keine ideale, wie etwa der einzelne vocallos ge
dachte Consonant, sondern eine empirische, reale, in Theile
zerlegbare, entsprechend der Einheit eines Begriffes, der eben
falls eine Synthesis von empirischen Einzelmerkmalen mit Zu
grundelegung des allgemeinen Substanzbegriffes darstellt. Jede
Wurzel hat aber zur Vorbedingung ihrer Existenz nicht nur
das physische Moment der Sprechbark eit, sondern auch als
zweites, wesentliches, das geistige der in sie gelegten oder,
wenn man will, aus ihr resultirenden Bedeutsamkeit. Erst
282
Por ges.
dadurch wird eine Sylbe, die nichts weniger als eine wirkliche
Wurzel ist, zu einer solchen gemacht. Wohl haftet auch den
artikulirten Lauten das Moment der Bedeutsamkeit an, und
zwar in hohem Grade schon durch ihre scharfe und bestimmte
Distinction in der Aussprache, aber die Unterschiede zwischen
den Bedeutungen der einzelnen Laute sind zu allgemeiner und
vager Natur, als dass sie zur Unterscheidung bestimmter, über
die blosse Empfindung hinausgehender Vorstellungen dienen
könnten. Erst die wirkliche Wurzel dient zum Ausdruck einer
Idee. Aber keine objective Nothwendigkeit entscheidet die
Wahl des Wurzelwortes, sondern uns zum Theil unerklärliche,
aus dem Quell der Subjectivität entspringende Bestimmungs
gründe geben den Ausschlag. Die Sprachbildung ist eben Sache
des Gefühls und so wie dieses unendlicher Variationen fähig,
aber auch wie dieses nichts absolut Zufälliges, nichts schlecht
hin Willkürliches.
Es entsteht nun die Frage: Welcher Art war die ursprüng
liche Bedeutung einer thatsächlich gebildeten Wurzel ? Bunsen
(Outlines of the philosophy of universal history t. II p. 82 ff.)
beantwortet diese Frage folgendermassen: ,Die Einheit der
Laute in dem Wurzelworte muss der Einheit eines bewussten
Gedankens entsprechen, jedem Gedanken aber musste ein reales
oder substantielles Object der Wahrnehmung zu Grunde liegen,
ein Ding, das als solches Existenz, und zwar eine qualitativ
bestimmte Existenz hat, da eine qualitätslose Existenz, das
blosse Sein für die Wahrnehmung unfassbar ist; demnach hat
jedes Wort ursprünglich zur Bezeichnung eines substantiellen
Objectes in der Aussenwelt gedient, welches durch seine Qua
lität auf die Seele einen Eindruck machen konnte, der be
deutend genug war, um durch den Laut wiedergegeben zu
werden/ Es hat ursprünglich nach Bunsen’s Annahme nur
substantielle, isolirte, satzbildende Wörter gegeben, und der
Charakter der Ursprache (s. das. S. 83) ist demnach ,absolut
unveränderliche Substantialitäth Erst im Laufe der Zeit erhielt
das gebildete Wort eine Beziehung zur Innenwelt, und erst
allmälig schritt die Sprache von satzbildenden Wörtern zum
gegliederten Satze fort, welcher Fortschritt von Bunsen als der
Uebergang von der unorganischen zur organischen Sprachform
bezeichnet wird. Ist aber, so fragen wir, ein solcher Uebergang
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
283
möglich? Ebenso wenig, wie. ein Mineral sich je zur orga
nischen Pflanze vervollkommnen wird, kann eine unorganische
Sprache, wie z. B. die chinesische, sich zur organischen Ge
stalt entwickeln. Bunsen macht sich also durch die Festhaltung
der Termini ,organisch' und ,unorganisch' zum Mindesten einer
Inconsequenz schuldig. Ausserdem aber spricht gegen seine
Ansicht, die übrigens durch die Tendenz der zu erweisenden
Möglichkeit einer einzigen Ursprache stark beeinflusst zu sein
scheint, noch Folgendes. Jede Sprache muss von Anfang an
nicht nur die Beziehung und Einwirkung des Objectes auf
die Sinnesorgane, sondern auch das psychologische Moment der
Beziehung des Menschen zur Aussenwelt, wie nicht minder
das ideelle der Beziehung der einzelnen Dinge unter einander
in Baum und Zeit zum Ausdrucke zu bringen suchen. Die
Substantialität als das sprachbildende und die Idealität als das
sprachentwickelnde Princip wirken stets, wenn auch unabhängig
von, so doch gleichzeitig mit einander. Auch den unorganischen
Sprachen kann das Princip der Idealität mithin nicht vollends
mangeln, da vielmehr die menschlichen Seelenvermögen bei
der Sprachbildung nicht nur schon vorhanden gewesen sein,
sondern auch bereits eine wichtige Rolle gespielt haben müssen.
Sagt doch Bunsen selbst (1. c.) ausdrücklich: ,Was im Gedanken
existirt, muss stufenweise seinen positiven Ausdruck in der
Sprache finden.' Wie konnte also das Chinesische z. B. bis
zum heutigen Tage bei substantiellen, satzbildenden Wörtern
stehen geblieben sein, ohne das Princip der Idealität irgendwie
zur Geltung zu bringen? Sicherlich haben es alle Sprachen,
auch die unorganischen, von Anfang an nicht mit sogenannten
substantiellen Wörtern zu thun gehabt, sondern es musste ein
jedes Wort, sowie es gesprochen wurde, als bestimmter Satz-
theil, als Nomen oder als Verbum zum Vorschein kommen.
Was bildet nun aber die tiefe, unüberbrückbare Kluft zwischen
organischen und unorganischen Sprachen? Nichts anderes, als
dass erstere die Fähigkeit besassen, eine genaue Sonderung
und Ausprägung der einzelnen Redetheile in der äusseren Form
vorzunehmen, während die unorganischen Sprachen, weil sie
das Gesetz der absoluten Einsylbigkeit eines jeden Wortes
strenge festhielten, die Wurzel in ihrer ursprünglichen Gestalt
als unveränderlich ansehen mussten und sie darum auch nach
284
Porges.
dem jedesmaligen Bedürfnisse bald als diesen, bald als jenen
Redetheil gebrauchen konnten. Die Redetlieile stellen nämlich
nur die Differenzen dar, in welche jede Wurzel auf dem realen
Boden des Satzes ihrer Bedeutung nach nothwendigerweise aus
einanderging, die Wurzel selbst ist aber an und für sich betrachtet
weder verbal noch nominal, sondern beides zugleich und auch,
wenn man will, keines von beiden, da sie in ihrer Anwendung
in der Rede sowohl das eine, als auch das andere werden
konnte, und wiederum auch entweder das eine oder das andere
werden musste. Bunsen selbst bezeichnet (1. c.) dieses Ver-
hältniss der potentiellen Wurzelbedeutung zur actuellen treffend
als die indifferente Qualität, welche zwischen dem Verbal- und
Nominalpole in der Mitte liegt. Man kann von allen Wurzeln
sagen: In ihrem Schoosse liegen Subject und Prädicat ver
borgen, eine Eigenschaft, welche mit dem Heraustreten fester
•Unterschiede bei fertigen Wörtern sich verliert oder wenigstens
abnimmt. Doch selbst in Fällen, wo ein schon gebildetes Wort
seiner Form nach noch immer der Einreihung in verschiedene
Redetheile fähig ist (z. B. engl, work, Nomen und Verbum,
syr. ^^3, chald. baj; desgl.), hat es als wirklicher Satztheil
stets entweder verbale oder nominale Bedeutung. Ob dieselbe
jedoch auch in der äusseren Gestalt des Wortes unterschieden
werden kann oder nicht, das ist es, was die organische und
unorganische Sprachformation charakterisirt. Die Differenzirung
von Verbum und Nomen ist nämlich der erste Anfang und die
Grundlage der organischen Sprachentwickelung, die ihrem Wesen
nach auf Differenzirung hinausgeht. Darum sind die unorgani
schen Sprachen entwickelungsunfähig, weil sie es nicht dahin ge
bracht haben, die Verschiedenheit der begrifflichen Beziehung am
Wurzelworte auch äusserlich zu unterscheiden, während die orga
nischen Sprachen, nachdem sie einmal dasPrincip der äusserlichen
Bezeichnung eines innerlichen Unterschiedes gewonnen haben,
eines weiteren Fortschrittes nicht nur fähig, sondern auch be
dürftig sind und von der niedersten Stufe der grammatischen Ent
wickelung zur höchsten, der vom indogermanischen und semiti
schen Sprachstamme thatsächlich erreichten, emporsteigen können.
§. 2. Wenn man in den semitischen Sprachen die Wurzel
aus den drei vocallos gedachten und daher unaussprechbaren
Stammconsonanten bestehend sich denkt, so ist diese Abstraction
lieber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
285
vom Standpunkte der philosophischen Sprachforschung aus aller
dings richtig und darum nothwendig, dem historischen Bestände
der Sprache jedoch völlig inadäquat und in der empirischen
Grammatik darum nicht am Platze. Wenn wir nun die semi
tischen Wurzeln nicht ideell als formlosen wortbildenden Stoff
betrachten, sondern empirisch als fertige Wörter in’s Auge
fassen, in der concreten Gestalt, wie sie auf dem realen Boden
des Satzes stets zur Erscheinung gelangen müssen, so haben
wir es, wie bereits auseinandergesetzt, nicht mehr mit der
ungetheilten indifferenten Wurzel zu thun, sondern zunächst
mit den ältesten und daher einfachsten Verbal- und Nominal-
stämmen, die man relativ, im Verhältnisse nämlich zu den
späteren complicirteren Verbal- und Nominalbildungen wohl
auch Verbal- und Nominalwurzeln zu nenneu berechtigt ist.
Die Frage nach der Priorität des Verbums oder des Nomens
ist von Ewald (Hebr. Sprachlehre VII. Ausg. 1863, S. 283) mit
Recht eine ,völlig eitle' genannt worden, insofern die Wurzel
als blosser Wortstoff an sich weder verbal, noch nominal ist,
jedoch die Fähigkeit besitzt, beides zu werden. Insbesondere
gilt dies von den semitischen Sprachen, wo die ungetheilte
Wurzel, vom historischen Standpunkte aus betrachtet, ohnehin
nur ein ,gelehrtes Gedankending' und ohne die Ausbildung
eines weiteren Unterschiedes überhaupt nicht aussprechbar ist.
Doch behauptet Buschmann (A. L. Z. Febr. 1848, S. 274 ff.),
dass die nominelle Beziehung der Wurzel die ursprüngliche
sei. Er stützt sich darauf, dass die einfachen Wörter des
malayischen Sprachstammes an sich meist Substantiva oder
Adjectiva sind, denen sich das Verbum beigesellt, als durch
Verbindung eines Nominalausdruckes mit dem Existenzbegriffe
bewirkt, wie denn überhaupt ein wahrhaftes Verbum, d. h. ein
Gebundensein von Prädicatsbegriff, Copula und generellem Sub-
ject (Person ) keineswegs in allen Sprachen zu finden ist, manche
vielmehr es niemals über einen in aller Strenge nominalen oder,
wenn man will, participialen Charakter hinausbringen. Dass
dieses aber von den semitischen Sprachen nicht gilt, ist klar,
denn offenbar repräsentirt das semitische Verbum nicht etwa
die Verbindung eines Nomen mit dem Existenzbegriffe, sondern
ist der Ausdruck der Handlung und Bewegung. Darum steht
auch das Thatwort im Semitischen weit über dem Nennworte
286
Po r ges.
als dem Ausdrucke des Existenten und Ruhenden und bildet
den Gipfelpunkt der sprachlichen Ausbildung, insofern es den
lebendigeren und bei weitem vollständigeren Begriff gibt, wäh
rend das Nomen ihn stets begränzt und ruhend auffasst. Wenn
es nun im Allgemeinen als feststehender Grundsatz gilt, dass
die Durchbildung des Verbums das beste Kriterium für den
Geist einer Sprache ist, so findet dieses im Besonderen seine
volle Anwendung auf den Semitismus, und höchst charakte
ristisch für den semitischen Sprachgenius ist die Art der
Ausbildung der Verbalwurzel zu Verbalstämmen höherer und
niederer Art, fälschlich Conjugationen genannt. Diese sind es,
welche wir im Folgenden näher betrachten wollen. Unsere Aufgabe
aber, die wir bei der Darstellung der semitischen Verbalstamm
bildung immer vor Augen haben werden, soll hauptsächlich eine
doppelte sein, erstens eine erschöpfende Auseinandersetzung der
semitischen Verbalstämme nach lautlicher Form und Bedeutung
zu geben, zweitens die genetische Entwickelung der einzelnen
Stammformen und ihre Beziehungen unter einander klar dar-
zuthun. Was wir als den zweiten Punkt unserer Aufgabe hin
gestellt haben wollen, ist z. B. die Beantwortung der Frage:
Wie verhält sich der Causativstamm zum Reflexivstamme? Oder
noch specieller: Tritt in der arabischen sog. X. Conjug. Jaää-wI
der Charakter des Causativs zum Reflexivstamm hinzu und
bildet einen causativischen Reflexivstamm, oder umgekehrt,
wodurch wir einen reflexivischen Causativstamm erhielten?
Oder sind vielleicht Causativität und Reflexivität einander bei
geordnet und beide in der Causativ-Reflexivbildung durch eine
höhere Einheit zu einem Ganzen verbunden? Aehnlich können
Fragen nach der Genesis aller Formen mit doppeltem Stamm
charakter gestellt werden, und wir wollen in unserer Auseinander
setzung bestrebt sein, dergleichen Fragen nicht ungelöst zu lassen.
§. 3. Innerhalb der Wurzel musste die Sprache zunächst
den einfachen Grundbegriff des Verbums ausbilden, dessen
allgemeiner Inhalt kein anderer sein konnte, als die Handlung
und Bewegung schlechthin im Unterschiede von dem Begriffe
des Existenten und Ruhenden, wie er im Nomen ausgedrückt
erscheint, zu bezeichnen. Diese erste Unterscheidung erfolgte
nun in dem semitischen Sprachstamme vermittelst des Worttones.
Ueber die Yerbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
287
Das Verbum hat den Accent ursprünglich nach dem zweiten,
das Nomen nach dem ersten Wurzellaut. Ewald (Hebr. Spl.
§. 119, S. 311) findet in der nach vorwärts drängenden Aus
sprache des Verbums die grössere Lebendigkeit des Verbal
begriffes angedeutet. Das einmal gewonnene Grundgesetz der
die verbale Beziehung cliarakterisirenden Aussprache, dass der
Ton scharf auf dem mit dem vorletzten Mitlaute verbundenen
Vocal ruht, bleibt natürlich auch für die weiteren Verbalstamm
bildungen massgebend. Denn da die Sprache, sobald einmal
der ursprünglich indifferente Wurzelbegriff durch das Mittel
der accentuirten Aussprache seinen entsprechenden Verbalaus
druck im Gegensätze zum Nomen gefunden hat, es fortan nicht
mehr mit ungetheilten Wurzeln zu thun haben kann, sondern
entweder mit Verbal- oder mit Nominalwurzeln: so können die
weiteren Verbalstammbildungen nicht mehr aus dem indiffe
renten Wurzelkörper hervorgegangen sein, sondern sind viel
mehr aus der durch die erste Differenzirung entstandenen, im
einfachen Grundstamme, und zwar in der 3. P. Sing. masc. des
Prät. am reinsten hervortretenden Verbalwurzel abzuleiten.
§. 4. Der Verbalbegriff kann sein innerhalb der Bedeu
tung der Wurzel liegendes Gebiet nicht nur schlechthin aus
füllen, wie dies im einfachen Grundstamme geschieht, sondern
auch nach zwei Richtungen hin erweitern, intensiv und extensiv.
Intensiv, denn die Bedeutung eines Verbalbegriffes kann in sich
selbst verschiedentlich gesteigert oder verstärkt werden; extensiv,
denn der einfache Begriff der qualificirten Handlung lässt sich
durch Hinüberführung zu einem bestimmten Ziele hin, durch
Anwerbung eines nothwendigen Ergänzungsobjectes (eines Obj.
im Acc.) zur directen Transitivität erweitern. Wir finden daher
im Semitischen neben dem einfachen Stamm, der den einfachen
Thätigkeitsbegriff bezeichnet für den Ausdruck der intensiv und
extensiv erweiterten Thätigkeit, noch zwei neue Stammbildungen,
die sich der äusseren Form nach so viel als möglich an die
ursprüngliche Gestalt der Verbalwurzel anlehnen. Der Inten-
sitäts- und Extensitäts-Grundstamm werden nämlich nach dem
Muster des einfachen aus der Verbalwurzel abgeleitet, und
zwar charakteristisch durch das Mittel innerer Wurzelerwei
terung (im Gegensätze zur äusserlichen Anfügung von Wörtchen
der allgemeinsten Bedeutung) gebildet. Da der Intensitätsstamm
288
Porges.
dazu dient, sowohl quantitative als qualitative Steigerung und
Verstärkung des Begriffes auszudrücken, so bildet er sich har
monisch mit der zu bewirkenden Begriffserweiterung entweder
durch Hinzufügung eines vierten, an sich bedeutungslosen Con-
sonanten zur dreibuchstabigen Wurzel oder durch verschieden
artige Reduplicationen. Der Extensitätsstamm wiederum bildet
sich seinem Charakter entsprechend durch Einschiebung eines
gedehnten Vocals, eines langen ä nach dem 1. Radical, also
durch Wurzelerweiterung von innen heraus.
§. 5. Was die Bedeutung des Verbalbegriffes im Semi
tischen betrifft, so darf man hierbei wohl nicht die gewöhn
liche Annahme festhalten, nach der jedes Vei-bum entweder
eine Handlung oder das Vorhandensein einer Beschaffenheit
ausdrückt, ein Activum oder Neutrum ist. Man muss sich viel
mehr der Ansicht Becker’s (Organismus S. 83) anschliessen,
wonach alle Verbalbegi'iffe Thätigkeiten bezeichnen. Auch die
Verba, welche scheinbar ganz neutrale Zustände der Ruhe oder
nur die Existenz von Beschaffenheiten ausdrücken, müssen im
Gegensätze zum reinen Existenz-Begriffe als Thätigkeitsbezeich-
nungen aufgefasst werden. Eine jede Thätigkeit aber kann
nicht nur dadurch stattfinden, dass sie vom handelnden Sub-
jecte selbst ausgeübt, sondeni auch dadurch, dass sie von
demselben nur veranlasst oder verursacht wird.' Wir erhalten
somit für jede Verbalstammclasse neben dem Grundstamme,
welcher natürlich zum Ausdrucke der dem Begi’iffe nach ein
fachsten, directen Thätigkeit dient, die Möglichkeit einer
neuen Bildung zum Zwecke der Bezeichnung des indirecten,
eine Thätigkeit veranlassenden Handelns. Weitere Veranlassung
zur Ausbildung besonderer Stammformen bot dem semitischen
Sprachgeiste der dem menschlichen Bewusstsein von Natur
innewohnende Gegensatz des Ich und Nicht-Ich, der im Thätig-
keitsbegriffe als bewusste Unterscheidung zwischen der Rich
tung der Thätigkeit nach aussen hin und der Beziehung des
Handelns auf den Handelnden selbst sich geltend macht. Die
Beziehung der Handlung auf das Ich, ihre Rückbezichung also
auf das Subject in einer besonderen Vei'balstammbildung zu
bezeichnen, schien dem Spi’achgenius des Semitismus geradezu
Bedürfniss. Wir erhalten mithin sowohl für die directe, als
auch für die indirecte Thätigkeit neben der Grundform zum
Heber die Yerbalstararabilduug iu den semitischen Sprachen.
289
Ausdrucke des nach aussen hin gerichteten Handelns auch
noch die Möglichkeit der Bildung einer entsprechenden Re
flexivform, welche dazu dient, die vom Subjecte auf sich selbst
bezogene Thätigkeit zu bezeichnen. Im Ganzen haben wir
demnach für jeden der drei Grundstämme, den einfachen, inten
siven und extensiven, vier Bildungsmöglichkeiten kennen gelernt:
a) eine Grundform zum Ausdrucke directer nach aussen ge
setzter Thätigkeit,
b) eine Causativform zum Ausdrucke indirecter nach aussen
gesetzter Thätigkeit,
c) eine Reflexivform zum Ausdrucke directer rückbezüglicher
Thätigkeit,
d) eine Causativ-Reflexiv-Form zum Ausdrucke indirecter und
zugleich rückbezüglicher Thätigkeit.
Erstes Capitel.
Einfache Stämme.
1. Der einfache Grundstamm bezeichnet den einfachen
Thätigkeitsbegriff im Unterschiede vom Nennwort, auch dient
er nicht selten, von Nominibus abgeleitet, zur Bildung deno-
minativer Verbalbegriffe in der Bedeutung ,dasjenige sein' oder
,sich irgendwie mit demjenigen beschäftigen', was den begriff
lichen Inhalt des Nomens ausmacht, so pb ,Ziegel machen'
(von und dieses von |ab ,weiss sein'), nan ,mit Harz be
schmieren' (von lön ,Harz' und dieses von nan ,roth sein'),
fcpy ,das Genick brechen' (von Pfiy), “Ol£> ,Getreide kaufen und
verkaufen' (von "ültf), olffi ,Jude sein', ,die Haut ver
letzen', ,frondes avulsit', ,vergolden', bps ehe
lichen' (von bya), - aNn ,decorticavit' (von Va^o), Aüiä: I. 1. id.
(von Arüff: ,cortex‘). Die Form des einfachen Grundstammes ist,
wie in §. 3 auseinandergesetzt wurde, durch den Wortton, welcher
den zum vorletzten Mitlaute gehörenden Vocal trifft, im Unter
schiede vom Nomen genügend charalcterisirt. Der natürlichste
Stammvocal ist a, theils als der schlechthin nächste Laut, theils
als treibender, nach vorwärts drängender Vocal, der zum Aus
drucke einer Thätigkeit, einer Bewegung am geeignetsten ist.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 19
290
Po rges.
Dass dieses a ursprünglich den Accent hatte, zeigt das He
bräische und Syrische deutlich. Im Arabischen aber verlor es
späterhin seinen Ton, weil es bald in offener Sylbe zu stehen
kam und hier als kurzer Yocal, von zwei anderen a-Lauten
umgeben, den Ton nicht zu behaupten vermochte. Doch nur
die Aegypter sprechen heute noch (JjÜ> mit dem Ton auf der
ersten Sylbe, die Beduinen hingegen betonen das zweite a und
sprechen: natak. 1 Im Aethiopischen war wenigstens noch zu
Ludolfs Zeit das Verbum i'?/.: nagara betont (Ludolf gr. äth.
I, 7). Es scheint demnach, dass unter allen semitischen Dia
lekten der aramäische die ursprüngliche Grundform so ziemlich
am reinsten erhalten hat. Doch dürfen wir uns nicht etwa den
ersten Wurzellaut von Anfang an ganz vocallos denken, wie
in Zwischen zwei festen Consonanten am Anfänge einer
Sylbe war vielmehr zum Mindesten ein flüchtiger Vocal ä oder e
in der Aussprache unbedingt nothwendig. 2 Die Aussprache
ktab (ohne Vocal nach dem 1. Wurzelbuchstaben) wird also wohl
nicht die älteste gewesen sein. Andererseits sind aber auch die
Formen btsjj, J.Äi, <M-A: vom Ursprünglichen mehr oder minder
weit entfernt. Im Hebräischen hat sich das kurze a des ersten
Wurzelbuchstaben durch den Einfluss der folgenden Tonsylbe
zu — dehnen müssen, in den vocalreichen südsemitischen Dia
lekten liess man auch nach dem 3. Rad. ein kurzes a nach
klingen, was im Arabischen das Zurückgehen des Tones um
eine Sylbe zur Folge hatte, während das Aetliiopische dessen
ungeachtet den Accent auf seiner alten Stelle beliess, doch
nur in der activen Aussprache des zweiten Radicals mit a.
In der halbpassiven hingegen mit e, z. B - . in AdlA:, wo das
kurze e den Ton nicht zu behaupten vermochte, trat bald die
Accentuirung der ersten Sylbe ein. Im Hebräischen aber hat
sich sogar auch in den intransitiven ursprünglich mit kurzem ö
oder i gebildeten Formen der Ton auf seiner alten Stelle zu
behaupten gewusst, indem, um dies zu ermöglichen, die kurzen
Vocale zu — und — gedehnt wurden, z. B. jta|5, pan.
1 S. Wallin’s Not. in Zschr. d. D.M.G. VI, 1852, S. 104.
2 Das Mittel, zwei anlautende Consonanten mit, Hilfe eines prosthetischen
Hauchlautes (n oder n) aussprechbar zu machen, scheint einer späteren
Periode der sprachlichen Entwickelung anzugehören.
Ueber die Verbalstarambildung in den semitischen Sprachen.
291
Das Semitische hat — und zwar wohl nach Beendigung
der Stammbildung — in der einfachen Grundform, und darum
zunächst in dieser, weil sie die am wenigsten eingeschränkte
Bedeutung hat und den eigentlichen Verbalbegriff seinem
Inhalte nach am reinsten und vollständigsten repräsentirt,
neben der ursprünglichen activen Form auch eine halbpassive
und passive, durch inneren Vocalwechsel von einander unter
schieden, ausgebildet. Die active kennzeichnet sich durch den
Vocal a, die halbpassive durch den i- oder u-Vocal nach dem
zweiten Wurzellaut, die passive endlich durch die beiden Vo-
cale ix und i, z. B. Jjci', _ , j-Äi. Nur das Arabische hat
in der einfachen Grundform diese dreifache Aussprache that-
sächlich durchgeführt. Das a bezeichnet nach De Sacy (§. 322 ff.)
die Thätigkeit des Subjectes, z. B. ,bauen*, das u eine
habituelle oder inhärente Qualität: j+x ,bebaut sein', das i eine
vorübergehende, zufällige Eigenschaft: y+x ,lange leben', u mit
" 9 ——
i verbunden die Passivität: y+x ,bebaut werden'; ,erheben',
f ^ ^ j
,eine hohe Stimme haben', ,berühmt, hoch sein',
,erhoben werden'. 1 Das Hebräische hat im einfachen Grund
stamme nur die active und halbpassive Aussprache unter
schieden, die passive nach Ewald (hebr. Spl. S. 339) deshalb
nicht, weil die charakteristischen Vocale desselben nicht stark
genug hätten ausgebildet werden können. In der halbpassiven
Aussprache sind die Vocale — und — aus 6 und i durch den
Nachdruck des Tones entstanden. Da — wie im Arabischen i
oft nur den Begriff des Afficirtseins ausdrückt, ohne dass der
Urheber genannt ist, so sind dergleichen halbpassive Verba
1 Nicht selten hat ein Verbum in der halbpassiven Aussprache eine durch
aus fremdartige Bedeutung, namentlich im Arabischen, so ,vilem
esse, 1 ,sugere‘; ,odisse‘, (_V ö~^ ,deficere‘ (vom Regen); auch
im Hebräischen, z. B. jttü ,alt sein 1 , jBb ,schlafen“. Doch scheint es, als
ob dergleichen Beispiele, wenn wir nicht etwa die kühnsten Ideenasso
ciationen zu ihrer Erklärung heranziehen wollen, auf zwei verschiedene,
nur dem Lautstoffe nach zufällig congruirende Wurzeln zurückzuführen
wären.
19*
*
292
Porge s.
der Bedeutung nach mit Reflexivis oft nahe verwandt, doch
dadurch von ihnen unterschieden, dass sie nicht wie diese die
innere Selbstthätigkeit des Subjectes ausdrücken. 1 Im Aethio-
pischen sind die kurzen Vocale u und i überhaupt verschwunden
und beide in der Aussprache durch das kurze e, in der Schrift
zugleich Zeichen der Vocallosigkeit, ersetzt worden. Wir haben
daher zur Bezeichnung der halbpassiven Verbalbedeutung im
Aethiopischen nur eine Form mit e, z. B. ,er war thätig“,
A'flft-’ ,er kleidete sich an'; die passive Aussprache aber ist ganz
verloren gegangen, und nur einige Spuren im Participium scheinen
darauf hinzudeuten, dass ursprünglich eine solche existirt hat.
Aehnlich wie das Aethiopische hat auch das Aramäische nur
in den Participien die Vocale i und u mit passivischer Be
deutung bewahrt und die halbpassive Aussprache (bis auf das
eine Verbum 5aaa ,schaudern“) stets durch den Vocal — ver
mittelt, z. B. transitiv ,theilen“, intr. ,getheilt sein“,
,absolvit“, ,absolutus est“. Es ist übrigens nicht
unmöglich, dass der aramäische Sprachzweig vom semitischen
Grundstöcke und vielleicht auch das Aethiopische vom Ara
bischen sich noch vor der völligen Ausbildung einer eigenen
Passivform losgelöst und eine solche mithin niemals besessen
haben. Die Spuren passivischer Aussprache in den Participien
wären aber dann nicht als die dürftigen, verkümmerten Reste,
sondern als die noch unentwickelten Keime und Anfänge der
Passivbildung zu betrachten. Beides wäre gleich möglich und
durch Analogieen erklärlich. So bietet einen passenden Beleg
für die Annahme, dass die Passivformen nach und nach ver
kümmert und verloren gegangen sind, der Umstand, dass jetzt
im Vulgärarabischen fast nur noch im Partie. Reste der alt
arabischen, durch inneren Vocal Wechsel bewirkten Passivbil
dung anzutreffen sind; für die zweite Annahme, dass die Part.
Pass, älter sind als die übrigen Passivformen, spricht wiederum
die ursprünglich mehr neutrale Bedeutung des semitischen Pas-
sivum, dem der Begriff eines mit dem Verbum der reinen
Existenz verbundenen Part. Pass, zu Grunde zu liegen scheint.
Wenn wir die Bedeutung der sog. halbpassiven Formen
näher in’s Auge fassen, so finden wir, dass sie zunächst nicht
S. Ewald Hebr. Sprach!. S. 841.
Ueber die Verbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
293
immer Intransivität nach unserem Begriffe bezeichnen, z. B.
3HK (c. c. a. i3HK), tX+=>, A^u-»: e tc. Das Vor
kommen von Transitivis mit halbpassiver Aussprache scheint
befremdend und bedarf zu seiner Erklärung eines tieferen
Einblickes in das Wesen der activen, halbpassiven und pas
siven Bedeutung überhaupt. Jedes semitische Verbum bezeichnet
Thätigkeit eines Subjectes; diese aber ist, je nachdem das
Subject sich zu ihr verhält und ihren Erfolg vermittelt, einer
dreifachen Unterscheidung fähig: 1. das Subject setzt die Thä
tigkeit als etwas Spontanes aus sich heraus; 2. das Subject
lässt die Thätigkeit als eine durch innere Bestimmtheit ver-
anlasste aus sich heraustreten; 3. das Subject ist nur insofern
thätig, als es eine Thätigkeit, ohne zur Vermittelung ihres
Erfolges direct beizutragen, in sich aufnimmt, an sich geschehen
lässt. Diese drei Stufen der Thätigkeit sind es, welche im
Semitischen durch active, halbpassive und passive Aussprache
unterschieden werden. Die erste Art der Thätigkeit, die
schlechthin spontane Handlung kann sowohl transitiv, als auch
intransitiv sein, das häufige Vorkommen von Grundformen mit
dem Vocal a zur Bezeichnung intransitiver Verbalbegriffe ist
also, abgesehen davon, dass es das Ursprüngliche ist, durchaus
nur natürlich, und desgleichen auch das Wechseln der activen
mit der halbpassiven Form ohne sonderlichen Unterschied in der
Bedeutung des Verbalb egi’iffes, wie es nicht selten sich findet,
leicht erklärlich, z. B. bna und 33)3 und 33£, 33"i =
Ä ■- 9 . 7
33© = -'ir.A,, öjj — i>yi — öyi, vereinzelt, getrennt sein',
und - wvv, und 3.^1, u^AA: und ^iiA:, A’nn: und AV\fi:. Die
zweite Art der Thätigkeit, die unfreie, nicht durch Selbst
bestimmung, sondern durch innere Bestimmtheit veranlasste
Handlung wird durch die halbpassive Aussprache bezeichnet.
Diese dient daher zum Ausdrucke leiblicher oder geistiger
Bestimmtheit, äusserer oder innerer Zustände und sogar mühe
vollen Handelns und Schaffens, insofern es ein unfreies ist.
Auch hier ist die Beziehung auf ein ausserhalb des Subjectes
befindliches Object im Acc. nicht ausgeschlossen, z. B. 33tn
,aushauen', ,loben', eigentlich ,von der Empfindung des
294
P o rge s.
Wohlgefallens an etwas bestimmt, beherrscht sein', ,tragen',
,zerhauen'. Man sieht nun leicht ein, dass sehr oft die
Entscheidung- für die active oder halbpassive Vocalisation Sache
des subjectiven Gefühls ist. Die dritte Art der Thätigkeit, die
vom Subjecte in sich aufgenommene Handlung, findet ihren
Ausdruck in der passivischen Aussprache und entspricht ganz
dem durch das Passivum in seiner ursprünglichen Bedeutung
bezeichneten Thätigkeitsverhältnisse. Wir dürfen eben nicht
die gewöhnliche Ansicht vom Passivum festhalten wollen, wo
nach das Subject desselben nur leidend gedacht werden muss.
Diese Ansicht ist, wie Gabelentz in seiner Abhandlung über
das Passivum (s. Abhandlungen d. k. sächs. G. d. W. Jahrg.
VIII. Leipzig 1861) dargethan hat, eine irrige. Wenn nämlich
beim Passivum das Subject ursprünglich nicht auch wirklich
Subject, sondern eigentlich Object gewesen wäre, so würde
nicht einzusehen sein, warum die active Form allein nicht ge
nügt haben sollte, und eine besondere Passivform geschaffen
werden musste. Das Subject beim Passivum muss demnach
ursprünglich in gewisser Beziehung auch als thätig gedacht
worden sein, und zwar insofern, als es die Handlung in sich
aufnimmt, an sich geschehen lässt. 1 Doch ist diese Grund
bedeutung der Passivform sicherlich nur jener alten Periode
der Sprachbildung, in welche das Entstehen des Passivums
fällt, eigenthümlich gewesen. Bald ward das Passivum zu dem,
wofür wir es heute ansehen müssen, zu einer reinen Umdre
hung des Activums. Die Handlung bleibt ihrem Inhalte nach
dieselbe, ob sie nun activisch oder passivisch aufgefasst wird;
nur dem Gesichtspunkte nach, von welchem aus man die
Handlung betrachtet, ist das Passivum dem Activum gerade
entgegengesetzt. Spuren von der ursprünglichen Bedeutung des
Passivs aber, wonach dasselbe nicht die Leidentlichkeit allein
bezeichnet, zeigen sich in den semitischen Sprachen in dem
Umstande, dass beim Passivum in der Regel das Agens nicht
genannt werden darf (vergl. den grammatischen Terminus
j 5 —. gj ^ } y 0^.0 rd
ÜäLs Dü “ütn Kbir bjns), wie auch
1 Das Nähere über diese Ansicht s. Wüllner, Ursprung- und Urbedeutung
der sprachlichen Formen.
Ueber die Verbalstammbildüng in den semitischen Sprachen.
295
darin, dass einzelne Passiva, namentlicli die der Causativ-
formen intransitiver Verba mit den Activen des entsprechenden
Grundstammes der Bedeutung nach so ziemlich ganz Zusammen
fällen, z. B. nü und nam, wofür in der äthiop. Bibelübersetzung
regelmässig ‘P'l" (act.), und 2© (Gen. 42, 28 und das. 43,18),
nrtrn (Ez. 32, 32) und Mit?.
Es erübrigt nur noch, das Nähere über die Art der
Passivbildung im Semitischen anzugeben. Dieselbe erfolgt durch
inneren Vocalwechsel; ö oder ü nach dem ersten, i nach dem
zweiten Wurzellaute sind die wesentlichen Passiv-Vocale. Es
liegt jedoch die passivische Kraft zum grössten Theile in dem
u-Laute nach dem ersten Radical. Im Arabischen, welches
wohl unter allen semitischen Sprachen in Bezug auf die Voca-
lisation die relativ grösste Ursprünglichkeit bewahrt hat, treten
in der ältesten Passivform, im Präteritum, beide Vocale un
verändert auf: Im Futurum (Impf.) hingegen ist, wohl
zur Unterscheidung vom Präteritum, an die Stelle des i der
' / (i j ^ *
a-Vocal getreten: Juüj. Im Hebräischen hat sich der i-Laut
neben dem o-Vocal nur ausnahmsweise im Inf. abs. erhalten,
z. B. rnsn. Im Syrischen und Aethiopisclien zeigen sich die
Vocale u und i mit passivischer Bedeutung nur in einigen
Participialformen. Das a, welches wir in clen Part, des Pael,
Aphel etc. zur Bezeichnung des Passivums finden, dürfte ebenso
wie in den entsprechenden Formen des Arabischen nur zum
Zwecke der Unterscheidung von den activen Participien, die
ein e, resp. i auf der Stammsylbe haben, an die Stelle des
e-i-Vocales getreten sein, z. B. Part. aph. act., M-oio pass.,
® o5 ? ’
J.AÄA! act., JAS.« pass.
2. Der einfache Causativstamm bezeichnet eine indi-
recte, nach aussen hin gerichtete Thätigkeit, eine Handlung,
welche vom Subjecte selbst nicht ausgeübt, sondern nur veranlasst
wird. Also nicht eigentlich die Thätigkeit, welche im Grund
begriffe des Verbums enthalten ist, sondern nur der mit Erfolg
verbundene Anstoss dazu wird im Causativiun ausgedrückt.
Die Annahme Ewald’s (Hebr.. Spl. §. 122, S. 321), dass die
active Bedeutung des Hiphil erst aus der eines pass. Part,
ebenso entsprungen sei, wie affectare von affectus kommt,
296
Porges.
stösst auf manche, nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Erstens
findet sich nirgends eine Spur davon, dass t£>, das charakteri
stische Zeichen des semitischen Causativum, zur Bildung von
Participien oder zur Vermittelung passiver Bedeutung irgend
wie gedient hat; zweitens lehrt die Sprachwissenschaft, dass
nicht nur der Bedeutung, sondern auch sogar der Form nach
das Passivum in vielen Sprachen aus dem Causativum sich
entwickelt hat, aber nicht umgekehrt. 1 Auch die von Ewald
beigebrachte Analogie aus dem Neusyrischen, wo das particip-
bildende ma- auch häufig causale Bedeutung vermittelt, ist von
zweifelhaftem Wertho, da die im Neusyrischen mit ma- gebil
deten Verba wohl nicht eigentlich Causativa sind, sondern von
Participien (mit >ao) abgeleitete Denominativa in der Bedeutung
,zu etwas machen, etwas hervorbringen-'. Die Bedeutung des
semitischen Causativum ist wohl mit Recht nur auf das auch
formell zu Grunde liegende Activum zurückzuführen und ver
hält sich zu diesem wie die indirect bewirkte zu der direct
ausgeübten Thätigkeit. Manchmal tritt dieses Verhältnis zwi
schen der Grundform und dem Causativum nicht ganz deutlich
zu Tage, doch meist verschwindet das scheinbar Fremdartige
bei näherer Betrachtung, z. B. tnn: ,reden', A'jnn: ,lesen'
eigentlich ,reden machen', nämlich das Buch; I. 2. A®/; ,zeigen 1 ,
Ab <*>,£: ,erkennen' eigentlich ,hervorheben' von rad. naa mit
der Grundbedeutung ,hoch sein'. Mjpi: ,auf einem Instrumente
blasen' eigentlich ,ein Instrument blasen machen' von nB3
,blasen'. JJ’tth'n ,helfen' eigentlich /weit machen', vergl.
.weit sein'. 2 Die im Causativum ausgedrückte, vom handelnden
Subjecte veranlasste Thätigkeit kann nun entweder weiter auf
ein directes Object übergehen oder nicht. Wir erhalten also,
da die ächte Causativität ihrer Natur nach ohnehin schon ein
fache Transitivität involvirt, im ersten Falle einen doppelt,
im zweiten einen einfach transitiven Verbalbegriff. Alle Bei
spiele, die man für die Möglichkeit absolut intransitiver Be
deutung der Causativform anführen könnte, sind entweder nur
scheinbar oder, wenn wirklich vorhanden, Ausnahmen, Will-
kürliclikeiten des Sprachgebrauches und grammatisch nicht zu
1 S. Gabelentz über das Passivum in Abh. d. lc. sächs. G. d. W. 1861.
2 Vergl. auch zum Theil die Beispiele auf der folgenden Seite.
Heber die Yerbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
297
rechtfertigende Anomalien. Ursprünglich muss jedes Causa
tivum, das von einer Verbalwurzel abgeleitet ist, transitive
Bedeutung gehabt haben. Oft jedoch wird das Object als
selbstverständlich oder leicht zu ergänzen ausgelassen, und so
erhalten wir Causativa mit scheinbar intransitiver Bedeutung,
z. B. a’tfjsn ,horchen' eig. ,spitzen' sc. JfK ,das Ohr', ähnlich
ntsn, wo es abs. für Jis rtEn ,das Ohr neigen' steht; igran von
,anrühren', bedeutet eigentlich ,anrühren machen'; Jes. 6, 7 und
Jer. 1, 9, wo es ,anrühren' zu bedeuten scheint, muss l'T als
fehlendes Object im Gedanken ergänzt werden; irbjtn, fi’nüci
sc. 13“)^; ,beredt sein' eig. ,einwirken, an’s Ziel gelangen
lassen' sc. zjcUS' ,seine Bede', ,bleiben' eig. ,stellen' sc.
,seinen Fuss'; KK'Vi- ,sich beugen' eig. ,beugen' (transit.),
,ruhen' eig. ,schlaff werden lassen' sc. ,die Glieder';
Vcl*.] ,abiit' eig. ,avertit' sc. ,se', = rrbi’n. Erst in dem
verderbten Sprachgebrauche einer späteren Zeit finden wir
Causativa, von Verbalwurzeln abgeleitet, mit wirklich intran
sitiver, resp. statt doppelt nur einfach transitiver Bedeutung,
wie p’yn (Jona 3, 7) ,schreien', Ign = niy (II. Chr. 28, 23),
abnn = nbn (Jer. 29, 8); /FA: und ACP-A: ,helfen', un d
,zügeln'. Doch ist selbst in diesem Falle, wo die Cau-
sativform die eigentliche Causal - Bedeutung eingebtisst hat,
gleichwohl ein gewisser Unterschied zwischen ihr und der ein
fachen Grundform darin bemerkbar, dass erstere einen inchoa-
tivischen Nebenbegriff in sich enthält. 1 Wie die Causativität
1 Ewald (1. c.) meint, dass in solchen Verben der Unterschied zwischen
der Grundform und dem Causatiy darin besteht, dass erstere eine Be
schaffenheit, einen Zustand, letzteres ein Handeln, ein Ueben ausdrückt.
Aber in diesem Handeln liegt doch wohl nicht das Aeqiüvalent für die
dem Causativ ursprünglich innewohnende Transitivität, und die von
Ewald zum Belege angeführten Beispiele rechtfertigen keineswegs die
zuvor gegebene Erklärung. in der angeblichen Bedeutung ,mit
Willen in die Irre gehen 1 bedarf selbst eines Beweises. Ob eine Thä-
tigkeit mit Willen und Absicht geschieht oder nicht, darauf kommt es
im einfachen Causativum gewiss nicht an. Nur bei den Intensitätsstämmen
finden wir die Nebenbedeutung der mit Eifer ausgeübten, beabsichtigten
Handlung, und zwar nicht selten im Unterschiede vom Causativum, dem
der Nebenbegriff der Sorgfalt, des Eifers u. dgl. ganz abgeht, z. B.
298
Porges.
zur blossen Inclioativität sieb abschwächen konnte, zeigen die
denominativen Causativfovmen am deutlichsten. Diese haben
nämlich meist die intransitive Bedeutung des Hervorbringens
dessen, was das Nomen bezeichnet, und der Uebergang zur
inchoativischen Bedeutung ist von hier aus leicht erklärlich.
Hierher gehören z. B. pppfi, Bpttfn von Jpj5, shitf ,Hörner, Wurzeln
treiben', pap, a'pXi'i von Jdb, Di“!X ,weissen, rothen Schein hervor
bringen', J’btp von ab» ,sc,hneeweiss werden', a'pn, Abend werden'
eig. ; Abend machen* von 2“$; von ^Morgen* eig.
,Morgen machen* im Sinne von ,aufstehen* ? ,finster werden*
eig. ,finster machen* (vergl. unser ; Nächt machen* für .schlafen
gehen'); = D’pKH, ,schwach werden' (von V-Uiio),
aber auch trs. ,schwächen', .ruA) ,entfernen' und ,fortmachen',
imJ] ,illucescere', ,Knospen treiben' = rnan. Hierher ge
hören auch diejenigen Formen der sog. IV. Conj. im Arabischen,
welche, von Ortsnamen und räumlichen Bezeichnungen abge
leitet, das Streben, die Richtung irgendwohin ausdrücken, z. B.
flil ,nach Syrien reisen' (von j»Lw ,Syrien'), eig. ,nach Syrien
machen'. Die Richtung irgendwohin wird im Arabischen näm
lich als directes, accusativisches Object aufgefasst, wie dies auch
in anderen Sprachen (vergl. Acc. der Richtung bei Städtenamen
im Lat., !T7 locale im Hebr.) geschieht. Ebenso zu erklären
ist von cNa»-, J.AJ1 von J-aj, im Hebr. pö'p ,sich nach
rechts wenden' b'Nöton ,links gehen' wie etwa im Deutschen
,rechts um!, links um! machen'.
Der Unterschied der denominativen Causativform von der
oft ebenfalls vorhandenen intransitiven Grundform in Bezug
auf die Bedeutung ist caeteris paribus der, dass letztere die
Thätigkeit des Subjects schlechthin, erstere als eine eben her
vorgebrachte, bewirkte, erst eingetretene darstellt, z. B. Bpn
,weise sein', B'snn ,weise werden', B“tK ,roth sein', B'pNn ,roth
werden', pnö ,süss sein,' p'flüfl ,süss werden'. Nicht selten
wy' y.
,gross ziehen', ppn ,gross machen', tS^ und ,befreien',
jedoch mit dem Nebenbegriffe des eifrigen Handelns,
y -f O
,wissen lassen, benachrichtigen 4 .
ersteres
,lehren‘,
Uel'er die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
299
erscheint auch eine Causativform ihrer Bedeutung nach/ inso
fern diese nämlich eine intransitive ist, als Denominativbildung,
obwohl eine verbale Grundform dazu vorhanden ist, von der
ein transitives Causativum sich ableiten lässt und bisweilen
auch wirklich abgeleitet worden ist. So geht z. B. b'^an in der
Bedeutung ,gross werden' auf das Nomen bl“i|, in der Bedeu
tung ,gross machen' auf das intransitive Verbum bl| zurück,
ebenso ist Ebain ,beschämen' zu ttüa, id. intransitiv ,in Beschä
mung gerathen' zum Nomen nttfa gehörig, renn ,vermehren'
vom Verbum naa, id. ,viel sein' vom Nomen an abzuleiten.
Uebrigens kann auch das Vorkommen transitiver Bedeutung
bei Denominativis in der Causativform keineswegs befremden,
so z. B. pabn trs. und intr. ,weiss machen' und ,weiss werden'
eig. ,weissen Schein hervorbringen' gleichviel ob an sich selbst
oder an Anderen. In späterer Zeit wurden mit Hilfe der Cau
sativform auch solche Denominativa gebildet, denen die Be
deutung des Hervorbringens ganz abgeht, und deren Beziehung
zum Nomen nur aus dem Sprachgebrauclie sich erklären lässt,
z. B. jrbnn (mit scheinbar privativer Bedeutung von nybin) ,die
Würmer, das Wurmstichige wegnehmen' (Mischna Tr. Middoth
„e
II, 5), jÄji ,Vorderzähne bekommen' aber auch ,verlieren' (von
v*j), ,einen Obolus besitzen, arm sein' (von ^Ai).
Die ursprünglichste Causativform ist unstreitig die im
Aramäischen und Himjaritischen noch erhaltene mit anlau
tendem resp. u**. 1 Reste davon lassen sich auch in den
1 Dass in der That das ächte causativbildende Präfix ist, bestätigen
auch die analogen Causativa vieler afrikanischer Sprachen, deren Con-
jugationssysteme überhaupt mit dem semitischen in vielen Punkten grosse
Aehnlielikeit haben. So werden Causativa mit s gebildet im Sessuto
(Schrumpf, Beitr. z. siidafr. Spracht, in Z.D.M.G. XVI, S. 454, z. B.
sebetsa .arbeiten 1 , Caus. stbets-is-a, bona ,sehen 1 , Caus. bon-is-a), im
Suaheli (Pott über die Spr. v. Kaffer- und Kongo-Stamme in Z.D.M.G.
1848, 2), im Canaresisehen (das. S. 274), im Sechuana (Ewald über die
Völker und Spr. südlich v. Aeth. in Z.D.M.G. 1847, S. 48) im Galla und
Dankali (Krapf p. 0), im Kihiau (Pott über die Kihiau-Sprache in Z.D.M.G.
1852, 6) etc. Im Amharischen (Isenberg dict. p. 83) bildet z. B. flA:
ein doppeltes Causativum, AhflA: und AHA:, in der Saho-Sprache wird
-ösh als causativbildendes Suffix angehängt (Journal asiatique 1843
tom. II p. 116). Gelegentlich sei auch erwähnt, dass in vielen dieser
300
P o r g e s.
anderen semitischen Dialekten nacliweisen. Abgesehen von
einigen mit Bi und D (to) anlautenden Triliteris, welche durch
Hinzufügung des causativbildenden s-Lautes aus schwachen
Yerbis entstanden und mit der Zeit in den Grundstamm zurück
gefallen zu sein scheinen [z. B. i|pp, Alibi:, zIa-Z cf. “pD,
.jzi» mit der Grundbedeutung ,verwickeln, verwirren“’; anp, >x£i£>,
p* .T. c f. >aio^, aas mit der Grundbedeutung ,verbinden, ver-
schliessen, verstopfen“; z= IUH/.: = j jfidit“; cf. e]ta,
«-aH HDW cf. na; ■ ~i»- ,würgen, martern“, eig.,seufzen machen“,
cf. p3K, prti, pjn; ,transfixit“ von ms, ms ,durchbrechen“ (vgl.
auch DBn ,nähen“, i&n ,graben“, HD, KID, dnd und ähnliche auf
eine Urwurzel DD, de hinweisende Wörter); Ml/.- ,messen“ cf.
npT ,Spanne“ u. a. m.], haben wir noch im Arabischen und
Aethiopischen eine der aramäischen \.zsL\_»,)-Form entsprechende
reflexivische Causativbildung, in der das ursprüngliche s des
o ^ 0'-°
Causativum unverkennbar erhalten ist, nämlich: J.ä£ä.wI und
Ah-GM-A: (AtrH’-t-A: Aft-PS-t-A:). Als alte verkümmerte Causativ-
bildungen erscheinen uns ferner im Hebräischen Formen wie Q'piap,
npnblp, bapn (n für Ei), im Aramäischen bapp ,occurrere“, Dppp,
^31^» ,festinare“, Dpba (aus Dnblp ,urere“ und mit diesem gleich-
79 . .
bedeutend), ,vex'lachen“, 1 im Arabischen pJu.Au von ^.ÄJ
^ ^ 53^
(Kosegarten gr. ar. §. 369), J.J ,fluere“, J.aau ,profundere“, und
Sprachen die Passivbildung ähnlich wie im Semitischen durch den o-u-
Yocal bewirkt wird, z. B. im Sessuto Jcia rata ,ich liebe 4 Pass. Jcia rat'öa
(Schrumpf 1. c.), ebenso im Sechuana und Suaheli durch o vor dem aus
lautenden Verbalvocale (Ewald und Pott 1. c.), im Kongo durch u, im
Kihiau durch o u. s. w.
1 Die Form . ov V /' lässt sich übrigens auch als eine in den Grundstamm
zurückgefallene Reflexivform, die ursprünglich - ok\;| gelautet hat,
erklären. Aehnlicli scheint im Hehr. H'nnp ,wetteifern 1 von n*in ,hitzig
sein 4 aus dem in der Sprache noch vorhandenen Reflexivum mnrin ent
standen zu sein. Vergl. im Arabischen die von Reflexivis der Form
Ä=£'l, abgeleiteten Verba , y-j (ICosegarten gr. ar. §. 602),
im llebr. nDX und DX<D (cf. DIN und 1K1V1 Ps. 45, 12), im Aramäischen
T ! !
XJ7D und ,ätreben, wünschen, fordern 1 , “ijk und utl, und
und jSj (\1z) und a. dgl.
lieber die Yerbalstammbildung in den semitischen Sprachen
301
JlKm ,laxare‘, im Aetliiopisclien von rad. p~n.
Aus i» ist durch einfache Ab Schwächung zum spiritus asper
zunächst n entstanden, welches im Hebräischen ausnahmslos
(t6xjx Jes. 63, 3 und ähnliche Formen sind Aramäismen), im
Chaldäischen neben X und 8i, im Himjaritischen (s. Osiander
in Zschr. d. D.M.G. XX, 1866, S. 213 ff.) neben ^ zur Bil
dung von Causativen dient. Dass dieses n zur Causativbildung
wesentlich gehört und nicht etwa nur prosthetischer Hilfslaut
ist, zeigt sich besonders darin, dass es im Hebräischen und
Himjaritischen nur ungerne aufgegeben wird (vergl. Formen
wie jrirtr, jbbin 1 Fut. Hiph. von bb“i).
Im Arabischen, 1 Aethiopischen und Syrischen 2 zeigt sich
in der Causativform eine weitere Abschwächung des n zu X.
Die bl?Btr-Form ist sowohl im Chaldäischen, als auch im Sy
rischen die ungleich seltenere. Auch in diesem Verbalstamme
lässt sich der Einfluss des für die Aussprache der Verbalwurzel
in ihrer einfachsten Gestalt gültigen Grundgesetzes erkennen,
dass der Ton scharf auf den Vocal des vorletzten Radicals
fällt, während die vorhergehenden Laute so kurz als möglich
gesprochen werden. Die älteste Causativbildung dürfte dem
nach bttptö gelautet haben. Dass V) weder mit einem flüchtigen
e-i-Vocal, noch vocallos mit einem prosthetischen Hauchlaute,
sondern stets mit einem ä-Laut verbunden erscheint, 8 wie in
1 Nur von den drei Verbis
sativum mit jD gebildet:
§. 534). Ob die Form
und . . wird ausnahmsweise das Cau-
^ ' . -s
cUa^l
und (De Sacy gr. ar.
(das. Note zu §. 467) zu den einfachen
Causativbildungen mit (j*, gehört, ist zweifelhaft. Sie dürfte vielmehr aus
;uüf
£. I io für entstanden sein (s. Kosegarten gr. ar. § 201).
2 Im Aethiopischen und Syrischen gibt es nur ein Beispiel einer Causativ
form mit n, nämlich das wahrscheinlich aus dem Hebräischen oder Chal
däischen in’s Syrische und Arabische und von hier aus in’s Aethiopische
** y ^ O ^
gewisserinassen als Fremdwort hinübergetragene r _icucn,
im talmud. Dialekt — JfcKD-
3 Darum sind auch im Syrischen die beiden Verba und
sicherlich keine Causative, sondern einfache Grundstämme mit prosthe
tischem Elif. Aus demselben Grunde sind wohl auch im Aethiopischen
Formen wie ,Kälte haben 4 , Ahf’HH: ,Krampf haben,
302
Por ges.
>'«i,S»L ,verwechseln*, 'C&a. ,vollenden*, 5<n^ul, ,sich rühmen 1 ,
eigentlich ,glänzen machen*, hat wohl seinen Grund in der
transitiven Bedeutung des Causativums, welche zu ihrer Be
zeichnung des transitivischen zum Ausdruck einer Bewegung
am besten geeigneten a-Vocals bedurfte. 1 Das Gewicht des
ersten positionslangen a veranlasste aber im Hebräischen und
Aramäischen zunächst die Verdünnung des a der zweiten Sylbe
zu e (l), welches in letzterem Dialekte in Folge der Quantität
der ersten Sylbe nach und nach den Ton verloren zu haben
scheint, 2 in ersterem hingegen ihn nur durch Dehnung des
nicht als alte aus der Verbalwurzel abgeleitete Causativa, sondern viel
mehr als Denominat.iva im Grundstamme zu betrachten, denen quadri-
literale, aus alten mit jV gebildeten Causativis vielleicht hervorgegangene
Nomina zu Grunde liegen, so AfrT/./.:, zunächst entstanden aus
,frigus‘, (vergl. hebr. f-iJD, syr. ,frigus vehemens 1 , samar. -UJX
dass.) und dieses vielleicht mit 1p, y£ zusammenhängend. Zur Zeit als
fr: noch causativbildendes Präfix war, wurde es niemals mit prosthetischem
Hauptlaut, sondern nur mit Hilfe eines ihm nachfolgenden a-Vocales
ausgesprochen. Erst in später Zeit mag die Sylbe Ah: durch ibstraction
aus der Afr't’'t ) 'l’A:-Porm causativbildende Kraft erhalten haben. Jeden
falls erscheinen im Aeth. dergleichen Causativbildungen noch ganz ver
einzelt und erst im Amharischen finden wir Causativa mit Ah: wie AfrflA:
von f)A:, äthiop. fl6\0: (hebr. etwas häufiger.
f-
1 Vergl. das a des Accusativs, das | des Elativs, der unserem Comparativ
und Superlativ entspricht (Form das a in den Formen des pl.
0, o * Q ö ^ ^
fractus: xlnil und das nach Derenbourg (Journ. as.
s
Jahrg. 1S67, 1, S. 447 ff.) mit dem | des Elativs und Causativs ver
wandt ist.
2 Der ganze Charakter des Aramäischen lässt uns schliessen, dass die
Betonung desselben in späterer Zeit nicht der des Hebräischen analog
. war, sondern dem rhythmischen Gesetze folgte, welches nur die Quantität
der letzten Sylbe berücksichtigt. Wenn auch die ältesten syrischen Na
tionalgrammatiker über die Lehre vom Tone nichts Näheres bestimmen,
so lässt sich doch vielleicht gerade daraus entnehmen, dass schon zu
ihrer Zeit das Syrische in seiner Aeeentuirung ausschliesslich rhyth
mischen Regeln folgte, die, weil sie so einfach und natürlich sind, dass
eine falsche Anwendung derselben unmöglich scheinen musste, von den
alten syrischen Grammatikern einer näheren Erörterung nicht für werth
befunden wurden. Das Jüdisch-Aramäische entspricht nun zwar in seiner
uns überlieferten Accentsetzung scheinbar völlig dem Hebräischen, doch
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
303
e-i-Lautes zu langem i zu halten vermochte, was seinerseits
wiederum die Assimilirung des ihm vorhergehenden Vocales,
die Verwandlung des ursprünglichen ä in ! zur Folge hatte.
So scheint die Vocalisation der Form entstanden zu sein.
Dass die i-Vocale darin nichts Ursprüngliches sind, zeigt so
wohl die Flexion (vergl. die Formen ’nb-yn, b'IJN, bun etc.), als
auch die Vergleichung mit den übrigen semitischen Dialekten.
Im Arabischen, wo die Accentsetzung ganz unter der Ober
herrschaft des rhythmischen Gesetzes der Quantität der letzten
Sylbe steht, riss das erste positionslange a der Causativform
den Ton an sich, ohne jedoch wie im Syrischen seinen Ein
fluss auf das folgende a auszudehnen. Das Aethiopische endlich
hat die ursprüngliche Vocalisation wie das Arabische, und den
Ton auf der zweiten Sylbe wie das Hebräische beibehalten.
Wir haben bereits oben erwähnt, dass in den abgeleiteten
Verbalstämmen mit begränzterer Bedeutung ein Unterschied
zwischen activer und halbpassiver Handlung in der Aussprache
nicht stattfindet. Im Causativum wird daher keine besondere
halbpassive Form gebildet, doch findet sich im Arabischen und
Hebräischen zu diesem Verbalstamme ein regelmässiges Pas-
sivum: Jiai'l, D“inn. Auch im biblischen Chaldäisch
begegnen wir unter vielen anderen Hebraismen der Hoph’al-
Form ö’pn (Daniel 7, 4).
3. Der Reflexivstamm entspricht seiner Bedeutung nach
so ziemlich dem griechischen Medium. Zunächst bezeichnet er
die eigentliche Reflexivität, welche sich in eine directe und
indirecte theilt. Directe Reflexivität ist diejenige, vermöge
deren das tlnitigc Subject sich zum directen accusativischen
Object seiner Handlung macht, oder auch nur als rein selbst-
thätig, sich selbst bestimmend auftritt, wie im accusativischen
ist dies wohl nur in der Schriftsprache (und hier vielleicht nur in der
biblischen Literatur und im Targ*um) der Fall gewesen, während im
Volksmunde die Aceentuation, der des Syrischen analog, vom Ursprüng
lichen immer weiter sich entfernte. Bei einer so desorganisirten Sprach-
formation, wie sie im Spät-Aramäischen uns entgegentritt, lässt sich
nicht erwarten, dass eine auf dem feinsten Sprachgefühl beruhende
Accentsetzung, wenn sie auch ursprünglich einmal üblich gewesen sein
mag, sich lange erhalten hat.
304
Porges.
und sog. .inneren' Medium, indirect diejenige, vermöge deren
das Subject als im eigenen Interesse handelnd, nur als ent
ferntes dativisches oder ethisches Object seiner Thätigkeit
erscheint, wie im dativischen Medium. Direct reflexiv und
darum in der Regel nicht mit einem Object im Accusativ ver-
bunden 1 sind z. B. nötw ,$uAavrscöat 1 , nnoj, pbm,
■t’A'flh:, >cL»iZZ|, ferner Bezeichnungen von Thä-
tigkeiten, die eine Rückwirkung auf das Gremüth des han
delnden Subjectes zur Folge haben, z. B. an?, n;w ) -t-ifijup:
,frohlocken', chald. p?px, wasnK =O0£3fi ,sich erquicken, auf-
S c "f
atkmen', ; endlich dient das directe Reflexivum häufig
dazu, um die innere spontane Selbstthätigkeit eines Subjectes
hervorzuheben. In solchem Falle kommen die Reflexivformen,
die von intransitiven Verben gebildet werden, der Bedeutung
nach dem Grundstamme sehr nahe, unterscheiden sich aber von
demselben dennoch dadurch, dass sie die aus freier Selbst
bestimmung hervorgehende Handlung, also eine Thathand-
lung darstellen, während die intransitive Grundform die innere
halbpassive Bestimmtheit des thätigen Subjectes, also vielmehr'
eine Thatsache ausdrückt, 2 so 2“ip .nahe sein' (Thatsache), 2“ip3
,sicli nähern' (Thathandlung), nbn ,krank sein', nbra ,erkranken',
bp ,leicht sein', bps ,sich leicht machen', flö ,zerfliessen', Jiö3
,zerrinnen' (von etwas Belebtem, einem Volkshaufen), Nb» ,voll
1 Wenn ein directes Reflexivum «ausnahmsweise ein Object im Accus, neben
sich hat, so ist dies entweder ein inneres Object wie [xayrjV [j.aysaOai,
ßou).7)v ßouXetjgaQat, oder es ist in Folge einer Abschwächung des ursprüng
lichen Reflexivbegriftes das Reflexiwerhältniss bei der Construction des
Verbums ganz ausser Acht gelassen und nur der active Sinn festgehalten
worden. So stehen ^313, 'kOd’fl: ,sich hüten 4 (vor Jemandem),
q-q/fp: eig. ,sich unterwerfen 4 , d. i. ,Jemanden bedienen 4 , eig.
,sich senden lassen 4 , daher auch gleich dem vorhergehenden Beispiele
,bedienen 4 mit Obj. im Accus.
2 De Sacy (gr. ar. §. 296) meint in Betreff des Unterschiedes der arab.
VIII. Form von der I.: ,Toutefois il parait, que dans ce cas l’huitieme
forme diftere ou differait originairement de la premiere en ce qu’ eile
signifiait se mettre ä faire l’action indiquee egalem ent par les deux
formes. 4 Nun lässt sich aber ein solcher Unterschied, wenn er über
haupt vorhanden ist, kaum als ein aus der Natur des Reflexivum her
vorgegangener betrachten.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
305
sein 1 , ,sich füllen', und id., I. gegen
wärtig sein', VIII. ,sicli vorstellen', I. ,abfuit, distitit', VIII.
,peregrinus fuit, profectus est', V&zi ,müssig sein', vi_oi] ,sich
zur Ruhe setzen'. Das directe Reflexivum dient auch, nament
lich in den nordsemitischen Dialekten, denen die der arabischen
sog. VI. Conj. entsprechende Form fehlt, zur Bezeichnung der
Reciprocität, welche als Reflexivität eines in sich getheilten
Ganzen aufgefasst werden kann, z. B. öBSM, onba, pi>i3 = aippx
; sich unter einander berathen*
fi?zj ,conversatus est' =
Indirecte Reflexiva ordnen sich natürlich sehr oft ein
Object unter, z. B. bitiö: ,für sich fordern, entlehnen' (eines der
wenigen Beispiele, in denen die Niph’al-Form indirecte Re
flexivität bezeichnet), >^*«.z) ,bei sich überlegen', VIII.
,für sich zerreissen', VIII. ,sich tastend etwas suchen', ’t'Z.ßP'-
,zu eigenem Nutzen Jemanden drücken'.
Da der Reflexivstamm oft nur die innere Selbstbestim
mung des Subjectes ausdrückt, so erklärt es sich leicht, dass
derselbe durch eine geringe Modification seiner ursprünglichen
Bedeutung auch diejenige Art innerer Selbstbestimmung be
zeichnet, die aus der Zulassung und willigen Entgegennahme
fremden Einflusses resultirt. Das Reflexivum drückt in diesem
Fall eine solche Thätigkeit aus, vermöge deren ein Subject
die Einwirkung eines Anderen, dessen Thätigkeit jedoch hier
bei ganz in den Hintergrund tritt, mit Wissen und Willen an
sich geschehen lässt, also eine causative Reflexivität, z. B.
Itnu ,sich suchen lassen' d. h. ,Antwort geben', -inj>3 ,sich er
flehen lassen', iV* ,sehen', w»p.z| erscheinen', eig. ,sich sehen
lassen' (cf. video und videor), ppj? ,fliehen', p~yni\‘ ,sich in die
Flucht schlagen lassen', II., VII. id., olS I. ,leiten', VII.
,sich leiten lassen'. Von hier zur Passivität ist, wie man sieht,
nur ein kleiner Schritt. Aehnlich ist auch auf das griechische
Medium sehr früh die Bedeutung des Passivum übertragen wor
den (vgl. auch im Lateinischen tondeor ,ich lasse mich scheeren'
und ,ich werde geschoren'). 1 Wir begreifen nunmehr, dass in
1 Becker (Organismus II. Ausg. S. 28) hat gegen Buttmann, Hofmeister
u. A. die von Bopp adoptirte Ansicht, dass im griechischen Medium die
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 20
306
Porges.
denjenigen semitischen Dialekten, welche in ihrer gegenwär
tigen Gestalt eine eigentliche, durch inneren Vocalwechsel
gebildete Passivform nicht besitzen, die Uebertragung der
passiven Bedeutung auf die Reflexivform in der Regel gestattet
ist, so im Aramäischen und Aethiopischen. 1 Das Arabische
hingegen hat für die VII. und VIII. Form auch da, wo sie
annähernd passive Bedeutung haben, die mediale Grundbedeu
tung wenigstens ursprünglich stets festgehalten, vermöge deren
das Subject eine Handlung von aussen her auf sich richtet,
sich fremder Einwirkung freiwillig hingibt, sich mit Willen
afficiren lässt und so den wirklichen Erfolg der ganzen Thä-
tigkeit vermittelt, während das Passivum der Grundform die
bewusste oder unbewusste Thätigkeit des sich hingebenden
Subjectes ganz in den Hintergrund treten lässt und ausdrückt,
dass ein Subject zum Gegenstände der Handlung eines Anderen
gemacht wird, zunächst ohne Rücksicht darauf, ob Erfolg
stattfindet oder nicht, so ptA=- ,zum Zielpunkte des Betruges
^. 0r0
gemacht werden', £ <A=it ,sicli betrügen lassen'. Man kann also
sagen: Erst mit der Zeit ist Conj. VII. und
VIII. zum wirklichen Passiv der Grundform I., und das ächte
durch inneren Vocalwechsel gebildete Passiv immer sei-
/•O <"0 r«0 eO rO
tener geworden. So ist (-iLck&l, dL&Äjl,
der Bedeutung nach so viel als etc.
Auch im Hebräischen, wo vom einfachen Grundstamme die
entsprechende Passivform nicht vorhanden ist, hat der ursprüng
lich reflexive Niph’al-Stamm häufig rein passivische Bedeutung,
z. B. nbü, namentlich aber da, wo auch zu den anderen
Verbalstämmen das eigentliche Passivum (nämlich Pu’al und
Hoph’al) fehlt. Doch findet sich auch die Niph’al-Form manch
mal ähnlich wie die VII. Oonj. im Arab. in der Bedeutung
ursprüngliche, im Passivum die übertragene Bedeutung vorliege, durch
triftige Beweisgründe unterstützt.
1 Im Aethiopischen sind die meisten lteflexivstämme reflexiv und passiv
zugleich (s. Dillmann äth. Gr. §. 80), manche nur reflexiv, wenige nur
passiv, im Aramäischen stellt sicli so ziemlich dasselbe Verhältniss her
aus, doch hier etwas mehr zu Gunsten der passiven Bedeutung.
Ueber die Verbalstammbildung in deu semitischen Sprachen.
307
,etwas an sich geschehen lassen', z. B. K3£ö3 ,sich linden lassen',
ntn3 ,sich sehen lassen, erscheinen'. Da auch von intransitiven
Verbalbegriffen ein Passivum gebildet werden kann, welches
dazu dient, die Handlung selbst als Subject hinzustellen (sog.
unpersönliches Passivum), so findet sich im Arabischen wohl
auch von der VII. und VIII. Form ein entsprechendes Passiv
in unpersönlichem Sinne gebraucht,
sich den Weg abgeschnitten oder abschneiden lassen', pass.
,Jemandem wurde der Weg abgeschnitten', wiixiH act.
,dissensit', pass. ,dissensum est'. Das Aethiopische scheint
sogar am einfachen Reflexivstamme ursprünglich active und
halbpassive Bedeutung in der Aussprache unterschieden zu
haben, z. B. +OäA: ,sich umhüllen' act., -üOfCA: ,umhüllt werden'
pass., doch wohl niemals in durchgreifender Weise. Gegen
wärtig ist dieser Unterschied bereits ganz verwischt, und die
Wahl des ä- oder e-Vocales für den zweiten Wurzelbuchstaben
sehr oft von der Willkür des Sprachgebrauchs abhängig (s. Dill
mann 1. c.).
Was die Form des Reflexivums betrifft, so finden wir
auf dem Gebiete des Semitismus zwei verschiedene Bildungen,
die eine durch vortretendes n (in ns, -Z|, -nn), 1 die andere
o
durch Vorsatz eines 3 (in "3, -jjj, AP) aus der Verbalwurzel
1 In der arab. VIII. Form hat sich das welches ursprünglich mit
prosthetischem Elif verbunden die erste Sylbe t-d bildete, wie die Ver
gleichung mit den anderen semitischen Dialekten zeigt, erst später aus
einem euphonischen Grunde zwischen den ersten und zweiten Kadical
eingedrängt. Dieselbe euphonische, auch mit theilweiser oder gar völliger
Assimilirung verbundene Verschiebung des reflexivischen T findet sich
in allen semitischen Sprachen (ausser im Aethiopisc.hen), wenn solches
vor Zischlaute zu stehen käme, z. B. . oV t .“DH,
“isntön, p'itaxi, -nnton,
I, §. 222). Im Aethiopischen findet sich diese Lautverschiebung nur des
halb nicht, weil sie nirgends nothwendig ist, da in allen solchen Fällen,
wo das ^ vocallos vor einem Zungen- oder Zischlaut stehen sollte, eine
völlige Auflösung desselben in den ihm folgenden ersten Wurzelbuch
staben stattfindet, z. B. für .ß'HTluZb:, jBfifa: für
AUKD'P:, ßfhAdr-, JBH.'ftAt etc.
20*
308
Porges.
entstanden. Der flüchtige Vocal oder Hauchlaut, mit dessen
Hilfe diese Consonanten sich vorn anfügen, ist für die Bedeu
tung der ganzen Form offenbar völlig ohne Einfluss und die
reflexivische Kraft liegt nur in den Lauten n und 3. 1 Um ihre
Aussprache zu ermöglichen, wurde ihnen zuerst mit Hilfe eines
prosthetischen K oder n ein flüchtiger Vocal vorgesetzt. Erst
später entstand die Form ■H’FA: aus A : H>-1-A: (vergl. bttjpnR,
m -C »O
VjuoZj, JJCÄi't aus d>Äüi'l und die reflexiven Intensitätsstämme
jJüij aus jJLäj'f — bteßfin, vS-oi], bppnk) und bys3 aus byssn
(vgl. Inf. bto^n, aus bta[33n entstanden- und die arab. sog. VII. Conj.
d-ULl). Dass aber in der That die äthiopische Form 'M’+A:
ursprünglich Aä-d’-t-A: gelautet haben muss, lässt sich aus dem
mit dem ersten Wurzellaute verbundenen a erkennen. Dieses
wäre geradezu unerklärlich, wenn das reflexive ä vom Anfang
an einen Vocal hinter sich gehabt hatte. Die Form hätte in
diesem Falle unbedingt Ub-t-A: lauten müssen (vgl. jAs'l, Ad>-1-A:).
Aehnlich weist die im Arabischen ausnahmsweise gestattete
" c*°
Contraction der Form J.ÄÄ-> zu JÄH! (in Fällen, wo der erste
Radical ein Zungen-, Zahnzungen- oder Zischlaut ist, am häu-
w w <*0 ua
figsten, aber auch sonst, z. B. für wie nt?sn für
npprn) darauf hin, dass aus entstanden ist. n und 3
scheinen in ihrem Einflüsse auf die Bedeutung des Verbal
begriffes sich dadurch zu unterscheiden, dass 3 mehr zur
Bezeichnung der directen Reflexivität, wie aus dem Hebräischen
1 Analoge Rcflexiv-Passivbildungen finden sich im Makassarischen, z. B.
ni-buno ,getödtet werden 1 , ta-sunke ,geöffnet sein 1 , in der Sprache der
Philippiner: s-in-ulat ,es wurde geschrieben 1 (Gabelentz über das Pas-
sivum in d. Abh. d. kgl. sächs. Ges. der W. VIII. Jalirg. 1861, S. 479),
das Favorlang auf Formosa bildet Passiva mit Hilfe von en, in, an, -n
(s. Zschr. d. D.M.G. XIII, S. 91 ff.) Im Osmanischen und Ujgurischen
gibt es eine Form mit n gebildet, die tlieils reflexive, theils passive Be
deutung hat, z. B. sev-in-viek ,sich lieben 1 und ,geliebt werden 1 (s. Gabc-
lentz 1. c.). Im Sechuana gibt es Reciproea auf ana (s. Z. D.M.G. VI,
S. 344); im Kihiau wie im Zulu (s. Z. D.M.G. 1848, S. 140) werden
Rociproca durch na gebildet; im Sessuto (s. Schrumpf in Z. D.M.G. XVI,
S. 454) Reflexiva durch it, z. B. it-sebetsa ,für sich arbeiten“, im Fin
nischen oder Suomi Passiva mit t (s. Gabelentz 1. c.).
lieber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
309
zu ersehen, und Reciprocität dient. Letzteres lässt sich daraus
entnehmen, dass im Aethiopischen den durch vortretendes AV
aus Quadriliteris gebildeten Reflexivformen fast immer die Be
deutung einer gewissen Reciprocität anhaftet, z. B. Xl'fr£' r b&
,hin und her donnern', XlÄfiOa= ,hin und lier springen' (cf. »ina).
Nur ausnahmsweise bildet öF im Aethiopischen ein directes
Reflexivum, z. B. VH 1 *!).?®: ,sich niederwerfen' (s. Ludolf gr.
äth. p. 35 V., Dillmann äth. Gr. §. 87). Die Frage, welche
von beiden Reflexivbildungen die ältere ist, muss zu Gunsten
des P entschieden werden, da wohl eher anzunehmen ist, dass
der aramäische Sprachzweig vom semitischen Sprachstamme
vor der Ausbildung einer neuen Reflexivform mit 3 sich los
gelöst und mithin eine Niph’al-Bilduug niemals besessen habe,
als dass die aramäischen Dialekte allmälig so ganz und gar
jede Spur einer wirklich vorhandenen Niph’al-Form verloren
haben sollten. Der Einfluss der neueren Bildung mit 3 zeigt
sich in den verschiedenen Dialekten verschieden. So wurde
durch sie im Hebräischen die ursprünglichere mit P im ein
fachen Stamme ganz verdrängt, im Arabischen trat sie an die
Stelle der älteren Reflexivform in Fällen, wo diese aus eupho
nischen Gründen nicht gebildet wurde, im Aethiopischen ging
sie bis auf einige Spuren ganz verloren, das Aramäische endlich
scheint, wie bereits erwähnt, eine Reflexivbildung mit 3 gar
nicht gekannt zu haben.
4. Ein ächtes Causativ-Reflexivum erhalten wir, wo eine
solche Handlung bezeichnet wird, in der das Subject, welches
die Thätigkeit veranlasst, zugleich als das directe oder indi-
recte Object seiner eigenen Handlung erscheint, also wo das
handelnde Subject irgend eine transitive oder intransitive Thä
tigkeit veranlasst, welche entweder direct auf ihren Urheber
zurückgeht, oder wenigstens in dessen selbsteigenen Interesse
erfolgt. Da nun in jedem Causativbegriffe zunächst nur die
ein Handeln veranlassende Thätigkeit ausgedrückt liegt, so
erscheint in dem Reflexiv des Cairsativs gewöhnlich eben diese
Thätigkeit vom Subjecte auf sich selbst zurückgerichtet. Das
Subject ist also in solchem Falle reflexiv, insofern es die Veran
lassung zu irgend einer Thätigkeit auf sich selbst bezieht. Doch
involvirt ein vollständiger causativer Verbalbegriff ausser der
Activität des veranlassenden Subjectes auch noch eine durch
310
Porges.
Passivität hervorgerufene, veranlasste Thätigkeit eines An
deren, die ihrerseits wieder auf das sie veranlassende Subject,
ihren mittelbaren Urheber zurückgehen kann. So erhalten wir
noch eine zweite Art des Causativ-Reflexivum, in welcher aus
gedrückt wird, dass ein Subject sich zum Objecte der von ihm
selbst veranlassten, einem Anderen mitgetheilten Thätigkeit
macht. Der Grundcharakter des Causativ-Reflexiviun im Allge
meinen ist demnach die Reflexivität, welche dadurch näher
bestimmt ist, dass sie einen Causativbegriff zu ihrem Inhalte
hat, der des Reflexiv-Causativum hingegen die Causativitat,
welche ausdrückt, dass die vom Subjecte veranlasste Handlung
eine reflexivische Thätigkeit ist. Das Causativ-Reflexivum ist
also im Besonderen, genetisch betrachtet, ein Reflexiv des Cau-
sativum, d. h. eine Form, welche aus einem Causativum durch
Hinzutreten der Reflexivität entstanden ist. Gerade dadurch,
dass letztere erst zu dem causativischen Verbalbegriffe hinzu
gefügt ist, denselben als Ganzes erfasst, und dessen Bedeutung
gleich der eines einfachen Thätigkeitsbegriffes modificirt, er
scheint sie in der hieraus resultirenden, zusammengesetzten
Stammbildung, als das wesentliche, dominirende, den ganzen
Begriff charakterisirende Element, welches das causative Mo
ment in oder unter sich enthält. Wir nennen darum eine solche
ihrem Wesen nach reflexive Verbalform mit Recht Causativ-
Reflexivum im engeren Sinne. Diesem gegenüber steht das
Reflexiv-Causativum, welches im Grunde genommen nichts
anderes ist als ein Causativum, dessen Eigenthümlichkeit darin
besteht, dass der in ihm enthaltene Thätigkeitsbegriff ein reflexi-
vischer ist. Der Bedeutung nach drückt das Reflexiv-Causa
tivum also ein solches Handeln aus, vermöge dessen ein Sub
ject die reflexivische Thätigkeit eines Anderen veranlasst, der
Form nach könnte es mithin wohl als Causativum des Reflexi-
vum erscheinen, d. h. aus einem reflexivischen Stamm durch
Hinzufügung des causativischen (s, “) gebildet werden. Wenn
aber irgendwo im semitischen Sprachgebiete eine Reflexiv-
Causativform wirklich existirte, dann müsste dieselbe, wie
überhaupt jede Causativform, wenigstens einfach transitiv sein,
doppelt transitiv aber, falls der zu Grunde liegende reflexi
vische Begriff nur dativische Reflexivität enthielte und daher
selber zur Annahme eines Objectes im Acc. geeignet wäre,
Heber die Verbalsfcammbildung in den semitischen Sprachen.
311
während dagegen die Causativ-Reflexivform als eine Unterart des
Reflexivum nicht einmal einfach transitiv zu sein brauchte. So
würde z. B. das Reflexiv-Causativum von ,videre' bedeuten
,facere ut aliquis se videat', das Causativ-Reflexivum hingegen
als Reflexivum vom Causativbegriffe fl ergäbe den Sinn
,sieli selbst zum Sehen veranlassen', ,sich sehen machen', oder
auch ,facere ut alius vel alii ipsum videant', ,sich sehen lassen,
sich zeigen'. Im Causativ-Reflexivum vermittelt also das Subject
den grössten Theil des Erfolges der darin ausgedrückten Hand
lung, es ist thätig, indem es erstens eine Thätigkeit veranlasst
und zweitens dieselbe auf sich zurücklenkt, es ist causativ und
reflexiv zugleich; das Object aber, welches vom handelnden
Subjecte den Anstoss zur Thätigkeit erhält, ist entweder eben
dieses Subject selbst, wie in dem Causativ-Reflexivbegriff ,sich
sehen machen', oder ein ausser ihm liegendes, wie in dem
angeführten Beispiele ,sich sehen lassen, sich zeigen', und in
diesem Falle nur insofern an der ganzen Handlung mitbethei-
ligt, als es das Werkzeug, das Mittelglied ist, dessen sich das
handelnde Subject zur Vermittelung seiner reflexiven Thätigkeit
bedient. Im Reflexiv-Causativum hingegen gibt das Subject
nur die Veranlassung zu irgend einer reflexiven Thätigkeit,
deren Ausübung aber ganz dem Objecte des Causativbegriffes,
der zum rückbezüglichen Handeln veranlassten Person anheim
fällt, während das handelnde Subject nur in einer Beziehung,
nämlich als Urheber der Reflexivität eines Anderen activ auftritt.
Ein Object kann mithin beim Reflexiv-Causativum, da es den
Erfolg der darin ausgedrückten Handlung zur Hälfte vermittelt,
nicht unerwähnt gelassen werden.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen können wir zur
Entscheidung der Frage upergehen, welcher von beiden hier
erörterten zusammengesetzten Verbalbegriffen es ist, der im
Semitismus durch einen besonderen Verbalstamm bezeichnet
worden ist. Dieser Stamm, der seiner Form nach das charak
teristische Zeichen des Causativs mit dem des Reflexivs ver
bunden aufzuweisen hat, findet sich in allen semitischen
Sprachen ausser im Hebräischen, im Aramäischen sogar in
doppelter Gestalt: V^sL:] und "JULo, erstere Form jedoch,
weil erst spät gebildet, mit ausschliesslich passiver Bedeutung
312
P org es.
(s. Hoffmann gr. syr. §. 60). Es zeigt sich bei näherer Be
trachtung, dass dieser Vei’balstamm durch Vorsetzung des
0 . *»
reflexivischen «yjZ] ( - nx) oder A-L an die wirklich vorhan
dene oder doch ideell zu Grunde gelegte Causativform mit
gebildet worden ist, mithin seinem Wesen nach ein Reflexivum
und zwar das des Causativum repräsentirt. Die syrischen
Formen aus V^o) (vergl. zur Erklärung des zweiten z
Formen wie r~zzj, für iX=>-l2l) und aus
vi-ol. gebildet, sind in ihrer Composition deutlich genug.
Dass übrigens, ganz abgesehen von der Eschtaph’al-Form,
■*' o ^ ü
die Verbalstammbildung JjJbCwl = Ah-l-tH-A: nicht aus dem
Reflexivstamme durch vorgesetztes causati visches y* (h:) ent
standen sein kann, erkennt man schon daraus, dass yjü cau
sativum hier ohne den ursprünglich mit ihm verbundenen,
für die Causativbildung wesentlichen a-Laut erscheint, wäh
rend das reflexivische cj (V:), welches eigentlich vocallos sein
sollte, den a-Vocal hinter sich hat, was nur dadurch völlig
zu erklären ist, dass die Form ursprünglich AL'ih-l-A:
gelautet hat, woraus in Folge einer regulären Laut-
X " ° » 7 7 <*>
Verschiebung Ah+'^-l-A: entstand, wogegen das
Causativ vom Reflexivum, falls ein solches gebildet worden
wäre, \4-d2n-*., A^t+A: oder A-I-'M-A: hätte lauten müssen. Gleich-'
wohl hat Dillmann (äth. Gr. §. 83) für das Aethiopische die
Behauptung aufgestellt, dass die Form Ah-hü-NV aus dem Re
flexivum durch Vorsetzung ,des causativischen AA:‘ gebildet sei.
Die Gründe, welche ihn zu dieser Annahme bewegen, sind
folgende: Erstens ist die Lautverschiebung ^A: zu im
Aethiopischen nicht vorhanden. Dies beweist aber 'nicht das
Mindeste; denn die in Rede stehende Lautverschiebung ist im
Aethiopischen zunächst nur darum beim Reflexivum nicht vor
handen, weil zwischen dem n des Reflexivums und dem ersten
Radical oft ein trennender a-Vocal sich befindet, während in den
anderen Dialekten das n vocallos sylbenschliessend ist, z. B.
-i-A-h/,: cf. “irjpjtpn aus IPiDJin. Dort aber, wo auch im Aethiopi
schen t' : und b= ohne trennenden Vocal zusammenstossen, wird
den Regeln der Euphonie nicht durch die Lautverschiebung von
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
313
■J'iV zu tvi' : , sondern durch das auch sonst im Semitischen nicht
selten angewendete Mittel der völligen Auflösung des vocal-
losen ä-: in das ihm folgende iV (resp. II: a- 8- (TB) Genüge
gethan. Uie Causativ-Reflexivform hätte darum auch im Aetliio-
pischen auf keinen Fall gegen alle Regeln der semitischen
Euphonie Aä-Aü’-hA: bleiben können; sie hätte sich vielmehr,
wenn sie erst auf dem Boden speciell äthiopischer Sprachbildung
entstanden wäre, in AA^-l-A: verwandeln müssen, ebenso wie im
Fut. des Refl. in ■ßfbii.OK verwandelt ward. Da sie sich
aber durch das in ihr erhaltene causativische y* A: ® als uralte
semitische Stammbildung zu erkennen gibt, so wäre es geradezu
ganz unnatürlich, wenn das Aethiopische die überkommene Form
JjtäXwl, die allen Ansprüchen der Euphonie entspricht, nicht
unverändert beibehalton hätte. Einen zweiten, scheinbar trif
tigeren Beweis aber glaubt Dillmann in der Bedeutung der
Ah-l-Ü>+A:-Form gefunden zu haben, und zwar darin, dass sie ,fast
immer das Causativ vom Reflexivunk sei, nicht aber umgekehrt.
Von vornherein müssen wir bemerken, dass sogar dann, wenn
die nähere Untersuchung der Bedeutungen im Einzelnen Dill-
mann’s Behauptung bestätigen sollte, unsere Ansicht von der
Genesis und Urbedeutung der Causativ-Reflexivform btspntt’N da
durch nicht im Mindesten wankend gemacht würde. Wir wären
in diesem Falle höchstens zu der Annahme gezwungen, dass im
Laufe der Zeit das Aethiopische die Genesis der Form Ah-hib-hA:
ganz vergessen und dann nach ihrem Muster Causativa und
Reflexivis gebildet hat. Wir wollen nun aber untersuchen, in
wieweit wir zu dieser an sich nicht unwahrscheinlichen An
nahme unsere Zuflucht nehmen müssen. Zunächst gibt Dillmann
selbst zu, dass es wenigstens ausnahmsweise auch Reflexiva
von Causativis im Aethiopischen gibt; wir aber gehen so
weit, die Behauptung aufzustellen, dass dergleichen sogenannte
Ausnahmen zum Mindesten die Hälfte aller existirenden ein
fachen intensiven und extensiven 1 Stammbildungen dieser Art
1 Da es sieh hier nur um Feststellung der allgemeinen Bedeutung der aus
dem Reflexiv und Causativ zusammengesetzten Stammform handelt, so
sind wir berechtigt, die drei verschiedenen Arten derselben, die (nach
Ludolf) mit IV. 1, IV. 2 und IV. 3 bezeichnet werden, vorläufig in Eins
zusammenzufassen. Uebrigens sind IV. 1 und IV. 2 ohnehin im Sprach-
gebrauche nicht scharf gesondert (s. Dillmann §. 83).
314
Porges.
ausmachen. 1 Als Beleg hierfür lassen wir zunächst einige der
von Dillmann offenbar mit Unrecht für seine Ansicht beige
brachten Beispiele folgen: Ahd-dAP: ,sich sehen lassen*, Ah-Mi/.'n:
,eine Kniebeugung machen*, eigentlich ,sich beugen*, Ail-hCniU:
,Geduld üben*, eig. ,sich geduldig machen* sind ohne Zweifel
Reflexiva von Causativis, nicht aber umgekehrt. Unsere Be
hauptung wird ferner durch eine Menge von Beispielen unter
stützt, welche dauernde Bestimmtheiten und Stimmungen der
Seele bezeichnen, wie Ab+f^diiD ,gern und viel Mitleid üben*,
eig. ,sich mitleidsvoll machen*, also offenbar Reflexiv vom Cau-
sativum. 2 Ein vom Reflexivum , sich erbarmen* gebildetes
Causativum müsste bedeuten ,machen, dass Jemand sich er
barmt, Jemanden mitleidsvoll machen*. Reflexiva von Causa
tivis sind endlich auch diejenigen Verba dieser Form, welchen die
Bedeutung ,für etwas halten, erklären* oder auch ,sich etwas zu
verschaffen suchen* innewohnt. 3 Nun mögen hier zum Ueberfluss
' noch einige von Dillmann nicht angeführte Beispiele von Afi-Dt'-t-A:-
(AJl-H’+A:- AM’J-t-A:-) Formen Platz finden, denen sicherlich die
Bedeutung des Reflexivs eines causativen Verbalbegriffes anhaftet:
Ahd-^dlO: ,valde obfirmato animo esse*, Afi l-^A/i.: ,huc illuc se
movere* (wäre dieses Verbum ein Causativ vom Reflexivum +-JAA :
,falsch schwören*, so müsste es bedeuten ,Jemanden zum Meineid
verleiten*); Ah'Khin: ,sich für eine Sache bereit finden lassen*,
,vacare*, wogegen Arvh/.’nn: ,facere, ut aliquid conveniat* offen
bar ein Causativum vom Reflexivum •üZ.'fifl: ,convenire* ist;
Ah-l i/.A: in der Bedeutung ,aufathmen, sich erquicken* (cf. iiiSän),
Ah+A/?,®: in der Bedeutung ,sich in sicherer Hoffnung freuen*
d. h. ,sich hoffen machen*, Atrl'-A^^: ,valde anxium esse*,
1 Schräder (De linguae aeth. indole, Gotting'iae 1860 p. 50) spricht sich
über diese äthiopische Verbalstammbildung nicht bestimmt genug aus, so
am Anfang seiner Untersuchung: Exoriuntur autem hac Stirpes ita, ut
stirpibus simplicioribus praeponatur vocula Afldu Duplici igitur modo bas
stirpes exstitisse conjicias, aut ex stirpibus causativis praeposito AU aut
ex stirpibus reflexivis praeposito Air etc., und zum Schlüsse p. Öl adno-
tatio 1: Quae cum ita sint, non cum Dillmannio facere possum, qui in
grammatica sua his stirpibus solam notionem causativum tribuendam esse
statuens, eas nonnisi causativas esse stirpium reflexivarum voluit etc.
2 Andere Beispiele s. Dillmann a. a. O.
3 Beispiele s. Dillmann 1. c.
Ueber die Yerbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
315
Ah-t-Vt-4: ,anhaltend sich beschäftigen', Mrl-VPVd ,se extulit, super-
bivit' (neben der reflexiv-causativischen Bedeutung ,extulit'),
Mrt-rfi(I)lI: IV. 1. ,delectatus est', ,sich erbetteln' etc.
Diese Beispiele werden genügen, um uns zu überzeugen, dass
auch das Aethiopische ursprünglich nur Causativ - Reflexiva
besessen hat, und dass die vielen Bildungen von Causativis
aus Reflexivstämmen durch vorgesetztes Ml: einer Zeit ange
hören, in der man wohl die alte Form häufig anwendete, ihr
innerstes Wesen aber und ihre historische Genesis bereits ver
kannte oder wenigstens nicht mehr berücksichtigte. Doch haben
solche Causativa von Reflexivis keineswegs, wie Dillmann meint,
oft nur die Bedeutung ,das ausüben, was das Reflexivum aus-
drückt'; denn zu dem vortretenden Causativbildungs-Präfix ver
hält sich das dem Reflexiv-Causativum zu Grunde liegende
reflexive Verbum nicht anders als irgend ein beliebiges in
transitives Zeitwort im einfachen Grundstamme, welches im
Causativum transitiv werden muss. Haben also öfi-t-'M-A-Formen
wirklich die von Dillmann angegebene Bedeutung, dann sind es
eben keine Reflexiv-Causativa, sondern Causativ-Reflexiva, welche
manchmal dem Sinne nach nicht sehr von den entsprechenden Re
flexivis verschieden sind, z. B. Mvt’OHU:,sich veranlassen, geduldig
zu sein', so ziemlich gleichbedeutend mit ■t’OTUJ: ,Geduld üben'.
Wir wollen nunmehr nach dieser Auseinandersetzung die
verschiedenen Bedeutungen des Causativ-Reflexivstammes im
Einzelnen anzugeben versuchen. Das Causativ-Reflexivum theilt
natürlich alle Eigenthümlichkeiten des einfachen Reflexivum,
es bezeichnet somit erstens directe Reflexivität, z. B. uL&auJ
,sich stellen', plIüuJ ,sich einschläfern', (jöUiauJ ,sich aus-
^ ■? 0 ^ O . - ui — -- 0 .
breiten', *-LuÄ-ud ,sich übergeben', ,sich verdient
C3 o
machen', ,sich bereiten', ,sich unterwerfen, sich
dienstbar machen'; ! zweitens indirecte, dativische Reflexivität,
1 Manchmal ist die Bedeutung solcher Causativ-Reflexiva mit der des ein
fachen Grundstammes so ziemlich übereinstimmend, doch unterscheiden
sie sich vom Grundstamme erstens als causativische Verbalbildungen da
durch, dass in ihnen die im Grundbegriffe des Verbums schlechthin als
einfache Thätigkeit erscheinende Handlung als eine jetzt erst bewirkte,
jetzt erst eingetretene dargestellt wird, daher die von De Sacy (gr. ar.
316
Porges.
z. B. ,etwas für sicli nehmen' ,für sich am
Leben erhalten'. Hierher gehört auch der grösste Tlieil der
Causativ-Reflexiva mit ästimativer oder declarativer Bedeutung,
welche ini Grunde genommen nichts anderes ausdrückt als
,eine Person oder Sache in seinem Interesse d. h. für sich,
also auch für Andere zu etwas machen, für etwas halten, gut
oder schlecht heissen', z. B. X. ,sicli etwas erlaubt sein
lassen, für erlaubt halten 1 , X. ,für nöthig erachten',
,etwas für schändlich erklären'. Solche Causativ-Reflexiva
unterscheiden sich von einfachen Causativis oft nur durch das
überwiegend subjective Moment, welches in dem Begriffe des
Dafürhaltens liegt. Hierher gehört ferner ein grosser Tlieil der
Desiderativa der arab. X. und äthiopischen sog. IV. Conjug.,
z. B. j-üLXwfl ,um Verzeihung bitten' eigentlich ,sich verzeihen
~i ü
lassen', ,sich erlauben lassen, um Erlaubniss, um
williges Gehör bitten'. In vielen Fällen jedoch lässt sich so
wohl die ästimative, als auch die desiderative Bedeutung nicht
als dativische, sondern als directe, accusativische Reflexivität
eines causativen Vcrbalbegriffes erklären, z. B. ,-iüuJaAil ,sich
^ X- u ^ o
tränken lassen, um einen Trunk bitten', v_*jsXxXm^ ,sich zum
Bewundern veranlassen, bewundernswerth finden'.
Wir haben bereits bei der Besprechung des einfachen
Reflexivum auseinander gesetzt, dass dieses oft die Bedeutung
erhält ,sich von Jemandem mit Willen afficiren lassen'. Dem
entsprechend bedeutet auch das Causativ-Reflexiv nicht selten
,sich von Jemandem eine Thätigkeit mittheilen lassen', z. B.
.sich etwas übergeben lassen' von üoJ.A.1 ,übergeben',
ü y O .
,gerne wissen wollen' eigentlich , sich mit Willen
§. 303) angegebene inchoativische Bedeutung der X. Form, z. B. üiiuLtM
,erwachen 1 , ! ,eiuschlafen‘; zweitens als Reflexivbildungen da
durch, dass sie die freie Thätigkeit des handelnden Subjectes in den
Vordergrund treten lassen, z. B. Atid-mdi/,: ,gern und viel Mitleid üben 1
eigentlich ,sich selbst veranlassen, mitleidig zu sein“.
Uelaer die Yerbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
317
benachrichtigen lassen' von ^benachrichtigen'. Hiermit ist
endlich auch wie beim einfachen Reflexiv der Uebergang zur
passivischen Bedeutung, welche das Causativ-Reflexiv V|_oIz|
immer, manchmal vermittelt, erklärt, z. B.
"• y y y <*> y
Pass, von Pass, von ,finster machen',
Pass, von ,verwechseln', bbantfK (Esra 4, 13) Pass, von
bb'z'i: (Esra 5, 11; 6, 14). Im Aethiopischen hat sich dieser
Uebergang von der Reflexivität zur Passivität deshalb nicht
vollzogen, weil dem Sprachbewusstsein die richtige Auffassung
und das Verständniss des Wesens der Causativ-Reflexivbildung
bald abhanden gekommen ist, und diese dann nicht so sehr
als Reflexiv-, sondern vielmehr als Causativ-Bildung betrachtet
und behandelt worden zu sein scheint, was sich an vielen
Beispielen zeigen lässt, die ihrer Bedeutung nach offenbar
Causativa von Reflexivis sind: ,pudore affecit' von
,pudore suffundi', AtrlV.'Ad): ,praeparavit' von •l-.CAd): ,prae-
paratus est', Ah+Virf^: ,Jemanden zum Abfall vom Glauben
verleiten', Ab+1-tlA: ,machen, dass Jemand sich ergibt'. Das
Arabische hat wie sonst bei den anderen Verbalstämmen, so
auch hier seine besondere Passivform durch inneren Vocal-
^-0 ^ 0 .
Wechsel ausgebildet, z. B. (Denominativ) ,Jemanden für
sich zum machen', Pass, ,zum Vezir-Stellvertreter
ernannt werden'.
Zweites Capitel.
Intensiv-Stämme.
1. Der Intensiv-Grundstamm hat den Zweck, die gestei
gerte Kraft, die eifrige Anstrengung bei der Ausübung einer
Handlung, die Vielseitigkeit, die schnell auf einander folgende
Wiederholung oder Dauer einer Thätigkeit, ihre völlige, allsei
tige Durchführung, innere Bewegtheit u. dgl. auszudrücken.
Das Mittel zur äusseren Bezeichnung dieser Stammbildung
ist immer eine innere Vermehrung der Verbalwurzel selbst,
und zwar: a) durch Wiederholung von Wurzellauten, durch
Reduplicationen verschiedener Art; b) durch Wurzelerwei
terung.
318
Porges.
a) a. Inteusitäts - Grundstämme mit Wiederholung der
ganzen Wurzel kann es nur da geben, wo dieselbe ihrem
Wesen nach nur zweibuchstabig ist. Doch gehören keineswegs
alle Reduplicationsbildungen der Form höhö hierher. Es gibt
auch wurzelhafte, meist onomatopoetische Doppelgebilde dieser
Art, die wir uns gleichsam als in der Verwachsung zur Welt
gekommene Zwillingsgeburten von gleichem Geschlechte vor
zustellen haben, da ihnen kein geschichtlich nachweisbares
Simplex zu Grunde liegt. Dieselben gehören nur der Form
nach zu den Intensitäts - Stämmen, der Bedeutung nach sind
sie einfache Verbalbildungen, die ihrer äusseren Gestalt ent
sprechend in treffender Weise die nicht hlos zufällige, gele
gentliche, sondern im Wesen des Begriffes liegende Wieder
holung, die Collectivität mehrerer naturgemäss auf einander
folgender, gleicher Einzelwahrnehmungen, Empfindungen und
Vorstellungen bezeichnen, also meist Begriffe wie Hin- und
Hergehen, Wanken, Zittern, Rollen, Tröpfeln, Peitschen,
Klopfen, Schlagen (aber nicht einmaliges), Zerschlagen, Bewe-
gungen von Licht, Schall u. dgl., z. B. “i?"!?, ?]2{S3t, Däö3,
^ Q s ^ a-> O a*
1 Dergleichen wurzel-
hafte Quadrilitera sind fast immer intransitiv. Die ächten
zweigliedrigen Intensivstämme aber, die durch Wiederholung
einer im Wesentlichen zweibuchstabigen Verbal wurzel ent
standen sind, haben häufig transitive Bedeutung und sind in
der Regel auch daran kenntlich, dass ein geschichtlich ihnen
vorangehendes, entsprechendes Simplex sich nachweisen lässt. 2
1 Aelmlielie Bildungen mit ähnlichen Bedeutungen finden sich auch im
Indogermanischen, z. B. oXoXü^eiv, ßopßopu£av, ululare, murmurare, tintin-
nare etc. und Koptischen (s. Ewald Hebr. Spl. §. 121, 2. S. 319, Anm. 4:
Scholtz gr. aeg. p. 76).
2 Indessen ist sogar da, wo das entsprechende Simplex in der Sprache
vorhanden ist, die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass die Doppel
wurzel historisch der einfachen vorangellt, also nicht eine Intensitäts-
Stammbildung ist, sowie auch umgekehrt da, wo in dem gegenwärtigen
Bestände der Sprache nur die reduplieirte Verbalform sich vorfindet,
diese nicht gerade ursprünglich und wurzelbaft zu sein braucht, sondern
ebensowohl durch Verdoppelung einer einst vorhandenen, dann verloren
gegangenen einfachen Verbalbildung entstanden sein kann. Eine scharfe
Sonderung zwischen der acht wurzelhaften, von Anfang an quadriliteralen
TJeber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
319
Sie drücken stets eine quantitative Steigerung des zu Grunde
liegenden, in der einfachen Wurzel repräsentirten einfachen
Verbalbegriffes aus, die sinnliche Vervielfältigung, das collectiv-
artige Wiederholen irgend einer mit Bewegung verbundenen
Thätigkeit, die vervielfältigte Gewalt, mit der etwas ausgeübt
wird, die Allmäligkeit, das Hin- und Hergehen, die vielseitige
Vertheilung einer Bewegung u. dgl., z. B. ia“is ,zerbröckeln',
psxa ,zerschlagen', baba ,rollen', tü&üs = ,hin- und her-
tasten', p&pss ,vacillare'; \ nSo, JJiJli' ,locomovit'
(cf. hebr. bpbpriii), ,humiliavit' (cf. J>r), ,trenefacere'
von J\ mtr., ,amarum reddidit' von rad. “iü; cf. =
nt:,sprengen', A<hd\<ü: ,humectavit' von rad. ftb, (TUVRA: ,destillavit'
von !TIAA: ,madiduin esse' (cf. bto), ihlfv- ,abrasit‘ von IAA: ,tetigit',
‘FI'+lTi: ,zermalmen' etc.
ß. Intensitätsstämme mit Wiederholung der zwei letzten
Radicale 1 drücken meist starke Steigerungen qualitativer Natur
oder heftige Bewegungen ,hin und her', ,fort und fort' aus,
z. B. ns’3’ ,sehr schön sein', nnnrtp ,heftig bewegt sein';
,integrum reddidit, völlig unversehrt machen', Xi'./c’ .«.Aj ,hin
und her' oder auch,lebhaft träumen'; A.C'Ad>A>t>: ,erschüttern' und
intr. ,erschüttert werden', ViflAflA:,flammen', A'JÖVfKTin ,tröpfeln'
(cf. pa:), AC^bc^A: ,hin und her tasten'. (Das A: ist prosthetisch.)
Bei Farbenbezeichnungen angewendet, bezeichnet diese Art der
Reduplication entweder die bei Farben allein mögliche innere
Bewegung, nämlich das Schillern, oder die gesteigerte Intensi-
vität des Farbentones, deren verschiedene Grade wir in unserer
und der aus schwachen Verben durch Verdoppelung' der zwei wesent
lichen Radicalbuchstaben entstandenen Reduplicatiousgebilden der Form
böbs ist eben, undurchführbar.
1 Intensivstämme mit Wiederholung der beiden ersten Wurzellaute oder
des 1. Rad. allein sind in den altsemitischen Sprachen äusserst selten
und nur als Ausnahmen, wenn nicht gar als Schreibfehler zu betrachten.
Hierher mag FplT (Ps. 72, 6), welches aus rpEnv entstanden sein dürfte,
gehören; ferner ,retrocessirt' (aus ^ g ö ß v|) von ^ g S ,vieit‘.
Dergleichen Keduplicationsbildungen sind etwas häutiger im Neuarabi
schen (Journ. as. 1861 I. p. 380—386) und Neusyrischen (Stoddard
american Journ. V. p. 111.)
320
Porges.
Sprache durch Hinzufügung der Worte ,hell', /hinke]/, .hoch',
,tief v oder durch Compositionen wie ,pechschwarz', ,blutroth'
u. dgl. auszudrücken pflegen, so z. B. ‘Ha'jian ,dunkeh’oth sein',
Aib-PüiPrfi: ,röthlich sein'. Das Arabische hat diese Art von In-
tensitätsstammbildung bei Yerbis durch eine andere, deren
Charakter die Verdoppelung des letzten Radicals ist, ersetzt,
z. B. (s. sub y); doch haben sich Reste der Bildung bikl'3
^ O ^ 0
in der seltenen sog. XII. Conj. erhalten, so ,viridis-
simum esse' für ,giberrimum esse' für
,asperrimus fuit*, ? scaber fuit*
für I ^beständig fortregnen^ j<^6 7 sehr nass
- ^ O _ 0 *9 " ^ o .'■ü' -0
sein' für Jud«LA~»l. Man sieht, dass diese Stammform Jd^kM
nur von solchen Verben gebildet wurde, die einen flüssigen
Consonanten oder Lippenlaut als letzten Radical haben, und
zwar darum, weil andere Laute nicht in gesmirtes • überzu
gehen geeignet sind. 1 (Nur ganz ausnahmsweise findet sich
dp}** für ALSc** .) Verhältnissmässig am häufigsten findet
sich die Reduplication der beiden letzten Vocale zur Bildung
intensiver Verbalstämme im Aetliiopischen, während dieselbe in
den anderen semitischen Dialekten überwiegend zur Bildung
von Nominalstämmen angewendet wird.
Y- Intensitätsstämme, durch Wiederholung des letzten
Wurzellautes gebildet, dienen zur Bezeichnung einer alhnäligen,
mehrere unmittelbar auf einander folgende Acte umfassenden
durativen Thätigkeit einerseits, einer völlig oder auch mit
Energie durchgeführten Handlung andererseits: (A'OV'AA: =
bnbn(rin), flVflAA: ,ganz umwickeln', 7Afin: ,ganz überziehen',
(+)(frfl , I >< h: ,commixtus est', (A r 5)ArhAA: ,durch Treten abreiben',
Aäifiri: ,schimmlig sein', £A>AA: = y*.jc6 ,vertilgen', A,cn: ,heilen,
aufbrechen' (von einer Wunde), ACHH: ,aufbrechen' (von der
Knospe), MHrhAA: ,languit'; jl°,•>, ,agilis fuit', ,über
ziehen'; ,comminuit', »f 3 ,distinxit‘; bbfcK von bas = bö[3
1 Vergl. im Hebräischen die Nominalbildungen ,*1331311 für m333n, nlBBB
für niSBBB 3313 für 3333 u. a. m.
t : " . r - : -
Ueber die Verbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
321
,verwelken'. 1 Hierher gehört auch die arabische sog. XIV. Gon-
jugation (s. De Sacy §. 266) insofern ihr eine Intensiv
form zu Grunde liegt, z. B. dlXü..c.f ,copiosus fuit',
t ,festinavit', OA-oeil ,commoratus est'. (Das in der
Mitte ist wahrscheinlich reflexivisch.) Im Hebräischen vertritt
die Intensitäts-Stammbildung mit reduplicirtem letzten Radical
den Piel bei den Verbis V'J>, z. B. aaip, nnia, TTjy. Erst sehr
spät und ganz vereinzelt finden sich reguläre Pielformen wie
D.’p für aoip. Im Aramäischen bilden die Verba aL meist regel
mässig ihren Pael; doch ist von ihnen ziemlich häufig und
ausnahmsweise von den lh neben der regulären Intensitäts-
Stammbildung auch die Reduplicationsbildung vorhanden.
Im Arabischen gehört endlich auch die sog. IX. Conjuga-
tion hierher, die zur Bezeichnung von intensiven Farben,
stark hervortretenden körperlichen Gebrechen und solchen
Handlungen dient, welche die Bewegung des Zurückweichens,
cs — o
Auseinandergehens zu ihrem Inhalte haben, z. B. ,gelb
sein 1 , ,blind sein', ,sich zerstreuen', ,abiit',
j.y ,recessit', ,discessit'. 2 Weit häufiger dient diese Art
der Reduplication bei Nominibus zur Bezeichnung dauernder
oder intensiver Eigenschaften, Farben etc., z. B. |:in, rpäljjj,-
b’bpn, pjtl». Das Hebräische insbesondere hat diese Redupli
cationsbildung deshalb überwiegend in Nominalstämmen auf
zuweisen, weil es zwei gleiche Consonanten am Ende eines
Wortes, die nicht gut contrahirt werden können, nur dann
gerne duldet, wenn sie, wie dies in fast allen hierher gehörigen
Nominibus der Fall, durch einen wesentlichen, von Natur
1 Die Form 'JinplBJt Ps. S8, 17 scheint, verschrieben für ’ririSi - , da die
Annahme einer Intensivbildung DHöS durch keine Parallele zu belegen
wäre.
2 Ob die Allmäligkeit des Zurückweichens, die Dauer der Bewegung, das
völlige Sichentfernen oder das immer weitere Auseinandergehen durch
die intensivisehe Stammform der letzten vier Beispiele bezeichnet werden
soll, lässt sich wohl kaum mit Bestimmtheit angeben. Die von einigen
Grammatikern aufgestellte Ansicht, dass Conj. IX. ,Fehler 1 und daher
auch ein ,Fehlen* bezeichnen könne, scheint zu gewagt.
Sitzungsber, d. phil.-hisfc. CI. LXXIX. lid. I. Hft. 21
322
Porges.
langen Vocal von einander getrennt sind, oder wenn ein un
wandelbar langer Vocal wie 1 in Döip, Qöi"i ihnen vorhergeht. In
|3jn, JJKlg aber scheint nur der mittlere Radical dadurch, dass
derselbe als Hauchlaut die Verdoppelung nicht ertragen kann,
die Beibehaltung der Reduplication des letzten Wurzelbuch
stabens bewirkt zu haben, während sonst in vielen anderen zur
Bezeichnung von stark hervortretenden Eigenschaften dienenden
Nominal-Intensitätsbildungen die Reduplication des mittleren
Radicals vorgezogen wurde, z. B. “>)!?, “©X, ftBB, übx u. a. dgl.
Die bisher aufgezählten Reduplicationsbildungen scheinen
sämmtlich nur ausnahmsweise ein Passivum durch innei’en
Vocalwechsel gebildet zu haben, denn erstens sind sie zum
nicht geringen Theile Intransitiva, da sie oft Bezeichnungen
für Farben, Eigenschaften oder für solche Bewegungen zu ihrem
Inhalte haben, welche auf kein directes Object übergehen;
zweitens war auch die Anwendung dieser Verbalstammbildungeu
in der Sprache eine so beschränkte, dass kein Bedürfniss nach
einer besonderen Passivform sich geltend machte, zumal da,
wenn es nöthig war, auch die Reflexivform passivische Be
deutung vermitteln konnte. Wo jedoch der Sinn ein achtes
Passivum von dergleichen Intensitätsbildungen erheischte und
namentlich bei Verbis, deren häufiger Gebrauch eine Unter
scheidung von Activum und Passivum nothwendig erscheinen
liess, hat sogar das Plebräische eine besondere Passivform auf
zuweisen, z. B. -©‘löh ,durchglüht sein', bbü$J ,Verwelkt sein'.
Die Reduplicationsstämme mit Wiederholung der ganzen Wurzel
dürften wohl am ehesten ein regelmässiges Passivum gebildet
haben, da sie sich sowohl nach Form und Bedeutung, als auch
mit Rücksicht auf ihren häufigen Gebrauch am besten dazu
eignen, so z. B. baba, Pass. baba. Die Intensitätsbildungen der
Form bbra von Verbis v'P bilden im Hebräischen ihr Passivum
durch Verwandlung des tt der zweiten Sylbe in z. B. bbln,
Pass. bbin. In dem i der ersten Sylbe scheint das passivische
u (ö) schon zu liegen, vergl. rnbia Lev. 18, 9 für rnbia
(s. Ewald Hehr. Spl. S. 343).
S. Die feinste und natürlichste, darum in ihrer Anwen
dung bei Weitem ausgedehnteste und bedeutungsreichste Inten
sitätsbildung ist die durch Verdoppelung des zweiten Radicals
vermittelte. Diese Reduplication erfolgt aber nicht etwa so,
TJeber die Verbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
323
dass zwischen die beiden gleichen Consonanten ein trennender
Vocal tritt, eine Art der Verdoppelung, welche im Amharischen
etwas häufiger ist, z. B. AW,: = 33© (Isenberg gr. amhar. p. 21,
54, 33), sondern wie z. B. mm, tt, 11 u. dgl. im Deutschen,
also (JJü' = J.XÄJ.
Dieser Intensitätsstamm (hebr. Piel, syr. Pael, ai’ab. Conj.
II., äth. I, 2.) bezeichnet:
1. eine qualitative Steigerung des Verbalbegriffes, anhal
tende Dauer, Völligkeit der im einfachen Grundstamme aus
gedrückten Handlung, Eifer, Gewalt, Schnelligkeit, mühevolle
Thätigkeit, z. B. sp33 ,eifrig verfolgen*, nb© ,wegschicken, be
gleiten* (cf. nb© ,schicken*), 2»3 ,plagen* (cf. JJ33 ,berühren*),
ftq ,höhnen* (cf. pK3 ,verschmähen*), 33© ,zerbrechen, zerschmet
tern* (cf. 33© ,brechen*), WSt,befehlen* (cf. chald. Klar, N3it ,wollen*;
0 a y a y ^ C3 ^
los; ,desideravit*).; ^i.a-5 ,inquinavit‘, aisas, Vj-o; ,heftig
schlagen*; üiAP: I. 2. ,anhaltend wachen*, ,ganz vollenden* =
nbs, if < t > 4 > : ,ganz zerstossen*, fl\P4: = chald. p«l,genau überlegen*.
Dieser Intensitätsstamm hält den Begriff des thätigen Wirkens
und Schaffens oft auch in der Weise fest, dass er, von intrans
itiven Verben gebildet, sogar annähernd causative, also trans
itive Bedeutung zu vermitteln im Stande ist. Das Wirken
erweitert sich in solchem Falle zum Bewirken, das niedere
Schaffen in dem Sinne von Handeln verstärkt sich zu einem
Schaffen höherer Art, zum Hervorbringen, z. B. ■ II.
schreiben lehren*, vi II. ,fröhlich machen*, II. ,lehren*,
eigentl. ,wissen machen*, II. ,für einen Lügner halten,
zum Lügner machen*, II. ,für wahrhaft halten, glauben*;
nas ,ehren* eigentl. ,gewichtig machen*, Gegens. bbp ,gering
schätzen, fluchen*, eig. ,leicht machen*, 33N zu Grunde richten*,
cf. -T3K3, Xöp ,verunreinigen*, .Tlt ,beleben, wiederbeleben, am
Leben erhalten*, cf. n’13,3, bpa cf. b'33p, ©3p cf. ©'3pp, ni3 ,trunken
machen, sättigen*, cf. nipp ,obsignare fecit* von ,ob-
signavit*; aa AA: (Form I. 2) vergleichen* von ^FiA: ,gleich, ähnlich
sein*, fh'J'A: I. 2 SO viel als Arh'?”A: = 33K, 3'3X,3; 4,?A: == ©3p etc.
Der Gebrauch der Piel-Form anstatt des Causativum ward in
den einzelnen Sprachen mit der Zeit immer häufiger, und so
ist z. B. in der arabischen Vulgärsprache jetzt von vielen
21*
324
Por ges.
Verbis Conj. II. im Gebrauch da, wo die Schriftsprache Conj. IV.
hat. Doch unterscheidet sich wenigstens ursprünglich der In
tensitätsstamm mit annähernd causativiselnp- Bedeutung vom
eigentlichen Causativum erstens dadurch, dass ersterem die
Kraft eines ächten Causativum, aus einfachen Transitivis dop- ,
pelt transitive' Verba zu machen, völlig abgeht, vergl. “ib’ (in
rnb’ja) ,gebären helfen' und Tbin ,zeugen'; zweitens dadurch,
dass ersteres dafür immer den Nebenbegriff der eifrigen, beab
sichtigten, mit Mühe und Sorgfalt verbundenen Thätigkeit hat,
welcher dem eigentlichen Causativum stets fehlt, vergl. bm
,gross ziehen' und b'mn ,gross machen' u. a. m. 1
Der Intensitätsstamm mit reduplicirtem mittleren Radical
bezeichnet:
2. eine quantitative Steigerung des im einfachen Grund
stamme ausgedrückten Verbalbegriffes, Wiederholung derselben
Handlung, öftere Ausübung eines Geschäftes, die Verrichtung
einer Thätigkeit, welche sich auf mehrere Objecte dersel
ben Art erstreckt, eine durch wiederholte Uebung erlangte
Fertigkeit, Gewohnheit u. dgl., z. B. pme ,lachen', pm‘ ,viel
lachen, scherzen', "iSp ,zählen', "isa ,erzählen' eigentl. ,Vieles
aufzählen', mn ,das Mörderhandwerk üben', ,Ehebrecher
sein', “i3p ,Viele begraben', tftPö hin und her tappen, durch
suchen'; duVD: == 313 ,oft lügen, ein Lügner sein', rliAP: ,hin und
her denken', ,heilen', a<!>B ,Protector sein', äO/,= I. 2 ,viel
Schmerzen haben' cf.*/fö£: I. 1 ,Schmerz empfinden'; = pttb
^ 03
,mehrere Male küssen'; Uv^i,mehrere Male schlagen' u. dgl. Der
in diesen Verbis durch Verdoppelung des mittleren Radicals be-
zeichneten quantitativen Steigerung des Verbalbegriffes entspricht
die nach Form und Bedeutung naheverwandte Verstärkung des
1 Ob der Piel wirklich, wie Ewald (Hehr. Spl. S. 316. 3) behauptet, aus
nahmsweise in poetischer Sprache und in dem verderbten Sptacligebrauche
einer späten Zeit auch zur Bezeichnung innerer Anstrengung, versuchten
und nicht ganz ausgefiirten Strebens, also in desiderativer oder incho
ativer Bedeutung gebraucht worden ist, bleibt zupj Mindesten zweifelhaft, ^
da die angeführten Beispiele nRS ,patescit‘ H. L. 7, 13; .Tes. 48, 8;
60, 11; rpH ,trunken werden 4 Jes. 34, 5; 7; Jov.x> ,sich zu neigen An
fängen, halb und halb neigen, schwanken 4 (Freitag, Chrest.. p. 99, 15)
sieh wohl auch anders erklären hissen, als durch das Tiineinlegen einer
dem Piel ganz fremdartigen Bedeutung.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
325
begrifflichen Inhaltes in Nominalstämmen mit Dagesch im
zweiten Wurzelbuchstaben, z. B. 333, 33^, “)3X etc.
3. Von Nominibus abgeleitet, bezeichnet der Intensitäts-
stamm Piel ein thätiges Wirken in einem Berufe, die Ausübung,
den Gebrauch, den Besitz dessen, was das Nomen ausdrückt oder
überhaupt die absichtliche Beschäftigung damit, im Allgemeinen
die Thätigkeit, welche darin besteht, dass der Handelnde zu dem
im Nomen bezeichneten Gegenstände sich irgendwie in thätige
Beziehung setzt. Es hängt natürlich von dem jeweiligen Spracli-
gebrauche ab, in welchem Sinne eine derartige denominative
Verbalbildung zu fassen ist, z. B. {3“ ,entaschen', eigentl. ,sich
mit (dem Wegräumen) der Asche beschäftigen', Xian ,entsün-
digen', nicht von v. Xtali ,sündigen', sondern vom Nomen Xtsn
,Sünde' oder nxan ,Sünde', Sündopfer' abzirleiten, tthtf , ent
wurzeln', ,dic Zweige abhauen', ”iBJ? ,mit Staub, Erde
werfen', f.“3 ,Priesterdienste verrichten'; \2i-o ,devirginavit‘ von
,virgo', von Tdijis, chald. D*| = arab. mÄ-as* ,ein
Go- ^ ---
Heer (XD’J, ^ae») zusammenziehen', ,jöy* ,einen Kranken
''ß-- "* ßr* ^ß--
heilen', ,die Spitze abbrechen', ,vergolden', »a~*
,Brod machen', ^Xs ,gelbe Zähne weiss machen' eigentl. ,sich
mit ihnen angelegentlich beschäftigen'; biAA:, Ca ,coronavit'
von AYi A. A:, (LiKa ,corona', ^ine Säule aufrichten',
So? O
AÄ/, : 7 Nägel yJtib, l-iSÄ? ir 3 ^) beschneidend Hierher
gehören auch die ziemlich stark vertretenen Denominativbil
dungen von Zahlwörtern, wie .133? ,wiederholen', W, ga*i, Van,
ri^ir; ^ ,siebenmal waschen' oder auch ,Jemandem die Pflicht
auferlogen, den Koran in sieben Tagen durchzulesen'; Itoy,
y&S, OMI// etc.
Man erkennt die Denominativa an ihrer eigentümlichen
Bedeutung. So sind z. B. alle Intensitätsstäminbildungen mit
scheinbar privativem Sinne auch dann, wenn ihre Ableitung
vom Nomen in der Sprache nicht direct durch eine in ihr vor
handene, entsprechende Nominalform nachweisbar ist, als De-
nominativa zu betrachten, z. B. ^jgo ,entsteinigen‘, cf. stei
nigen'. Beide Verbalformen bedeuten, im Grunde genommen,
326
P o rg e s.
ein und dasselbe, nämlich ,sich mit Steinen beschäftigen', und
wenn auch im Hebräischen ein Nomen bpD nicht vorhanden ist,
so ergibt doch die scheinbar privative Bedeutung des Piel, dass
wir hier eine Denominativbildung vor uns haben. Da übrigens
die meisten Denominativa erst einer späteren Zeit angehören,
so ist es wohl auch möglich, dass ächt deverbale Stämme, falls
sie nur ihrer Form nach zur Annahme irgend einer nominalen
Beziehung geeignet waren, neben ihrer ursprünglichen, aus der
Verbalwurzel abgeleiteten Bedeutung auch noch die des ent
sprechenden Denominativbegriffes erhalten haben. Beispiele
dieser Art Hessen sich besonders aus dem Arabischen, wo die
einzelnen Verbalstämme oft die verschiedensten Bedeutungen
zugleich vermitteln können, in Menge beibringen.
Die für den Steigerungsstamm wesentliche allgemeinste
Bedeutung ist Thätigkeit im eminenten Sinne des Wortes, im
Gegensatz zur Zuständlichkeit. Neutrale Bedeutung kann kein
Verbum in diesem Stamme haben. Formen, welche Ruhe
und Unthätigkeit zu bezeichnen scheinen, sind, falls die Ellipse
eines als selbstverständlich weggelassenen Objectes nicht an-
nehmbar ist (wie z. B. in jo.3 ,expergefactus est' eigentl. ,ex-
pergefecit' sc. XmJü ,se ipsum £ , = to-^3, v_a£3 = v_*£äj)
so zu erklären, dass dem semitischen Sprachgeiste manchmal
dasjenige als Thätigkeit erscheint, was wir als eigenschaftlich
oder zuständlich vorhanden auffassen, z. B. UUiP: I. 2 ,schön
sein', ,gefallen', eigentl. ,befriedigen'.
Dass der Intensitätsstamm die einfache Grundform ver
drängt hat, ist ausser im Aethiopischen, wo die Sparsamkeit
im Gebrauche der Verbalstämme am grössten ist, verhältniss-
mässig selten der Fall. Eher noch scheint die Pielform in ihrer
an Causativität streifenden Bedeutung den Gebrauch des eigent
lichen Causativum ein wenig eingeschränkt zu haben; so finden
sich sogar J.Ä3 - Bildungen mit doppelt transitiver Bedeutung,
wenn auch nur ausnahmsweise, z. B. ,schlagen lassen' =
' - •>? . . .
Gewiss ist, dass der Unterschied zwischen der ächt
causativen und der durch intensive Steigerung des Verbal
begriffes bewirkten, causativischen Thätigkeit mit der Zeit
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
327
immer geringer geworden ist, so ward allmälig ziemlich
gleich T?K^, DJJ2 = O'psn, pin = p'tlTt, <e<M>: = U. dgl.
Was die lautliche Form des durch Verdoppelung des
zweiten Wurzellautes gebildeten Intensivstammes betrifft, so
entspricht dieselbe vollkommen der des einfachen. Sie mochte
ursprünglich kattäl, später kattdla mit nachklingendem kurzen
a-Vocal gelautet haben. Das Nordsemitische behielt erstere,
das Südsemitische letztere Form bei. Aus kattäl wurde
durch das Lautgewicht der ersten Sylbe kattel oder kattil,
welches im Aramäischen der rhythmischen Tonsetzung gemäss
auf der ersten Sylbe betont wurde, im Hebräischen dagegen
die ursprüngliche Accentuation nur dadurch zu bewahren im
Stande war, dass der kurze Vocal der letzten Sylbe sich zu e,
— dehnte, was wiederum (im Prater.) die Verwandlung des
ersten a in i zur Folge hatte.
Das Hebräische und Arabische haben zum Steigerungs-
Grundstamme eine regelmässige Passivform durch inneren
Vocalwechsel ausgebildet: Jjs, Die intensivische Bedeu
tung des Activum überträgt sich in der Kegel auch auf das
dazu gehörige Passivum; doch findet sich im Hebräischen in
Ermangelung einer entsprechenden Passivform zum einfachen
Grundstamme der Pual oft als reines Passivum vom Kal, wie
np.b, SM, Pass, von npb, =33; nb’, “i?p == Niph. "6i:, “lapj.
b) Intensitätsstämme, durch Wurzelerweiterung, d. h.
durch Hinzufügung eines vierten Radicals zu Triliteris gebildet,
gehören grösstentheils einer späteren Zeit an. Sie fallen der
lautlichen Gestalt nach mit den Quadriliteris in der einfachen
Grundform vollständig zusammen, 1 sind jedoch durch ihre
1 Nur im Chaldäischen scheinen einzelne Quadrilitera der einfachen Grund
form durch die Art der Vocalisation sich von den vierbuclistabigen ächten
Intensitätsstammbildungen zu unterscheiden, z. B. ipiS ,auf dem Kücken
liegen 1 , hingegen b3“l3? (Intensivst.) ,wälzen 1 (s. Fürst Lehrgebäude der
aram. Idiome S. 1:28). Doch ist dies wohl immerhin nur ausnahmsweise
der Fall, in der Kegel haben auch im Chaldäischen die eigentlichen
Quadrilitera im einfachen Stamme stets die Form vierbuehstabiger Inten
sitätsbildungen, ohne darum an der intensivischen Bedeutung theilzu-
nehmen, und-jp'is ist kaum eine ächte Steigerungsstammform im Unter
schiede von 1p“)S, wie Fürst (1. c.) es annimmt.
328
Porges.
intensivische Bedeutung- im Vergleiche mit den ihnen zu Grunde
liegenden dreibuchstabigen Wurzeln deutlich als Steigerungs
stämme zu erkennen. Hierher gehören:
a. Intensitätsstämme, gebildet durch Einschiebung eines
flüssigen Lautes (in der Regel i oder woraus durch einen
einfachen, von der Euphonie manchmal geforderten Laut
wechsel b, ausnahmsweise sogar a werden kann), oder eines
Halbvocales i, ’ zwischen den ersten und zweiten Radical. Der
so eingeschobene neue Wurzellaut dient dazu, die Verdoppelung
des zweiten Radicals zu ersetzen, so das a in ,veste
induit 4 (cf. chald. baaa, und zu rad. b~c vgl. nbüSP), £>3y£. ,con-
0 -- --Cu-' _ <^0-- "x
torsit 4 (cf.npif), Uu»y£=> — i,a «».'s ,abscidit 4 , ,sieben'
-- o
(cf. “iaaa, '“Haa ,Sieb‘), ,percussit in naso 4 (cf. atsn ,Nase 4 ,
-- -- O — "
äiopn ,Schnabel 4 ), ,gallopiren 4 (cf. J.3&;,hüpfen'); im Aethiopi-
schen ist die Einschiebung eines i ziemlich selten, z. B. ^CfnV strei
cheln 4 (cf. k»a), um so häufiger aber im Aramäischen: =
,wälzen 4 , ,entblösson 4 (rad. bay), Vpl und V|.fL ,spinnen,
drehen 4 , Vo^a. Via» ,verdrehen 4 , = hehr. ppa ,Zweige
brechen 4 , pJ.pi? = p|W ,erwürgen 4 , app3 = Bpa ,abhauen ; auch
im Hebr. bapa und aapa. Mit 3 gebildete Intensitätsstämme
- - o- . — ®-
sind z. B. ,vor Alter zittern 4 (cf. biPPt), 7^; ,concrepuit 4
(cf. ,increpuit 4 ), ,zu Boden strecken 4 (cf. ,in
humum coegit hasta fixum 4 ), V-'JÄP (cf. ^As») ,fest bleiben,
zögern 4 , EJiTUl: ,stechen, durchbohren 4 (cf. aap), ‘THHH: ,schelten 4
(cf. Jä^, Ljo); T»! (Targ. zu I. B. Mos. 29, 3; 8; 10;) = Ip?
Cu^V 0*0 - - o r °
,wälzen 4 (ibid. v. 19); b für “1 in ,superbivit 4 ,
,expandit 4 , Bpba — epa ,ausbreiten, Baba = apa ,Duft
verbreiten 4 (cf. nom. subst. nsj>bi von pyj, ekd-* ,saxum 4 von
- --- u —
,congelare 4 ); a für 3 in y^j ,rubuit oculis prae ira 4 (cf.
--- —-0-. —•- ---r o —-
,rugivit‘ (cf. ? increpuit‘) ; ; wohl
pflügen, eggen 4 (wohl von rad. ,hauen 4 , doch kann es viel
leicht auch mit rad. aap chald.,ritzen, reissen 4 Zusammenhängen);
v ai'n. ,ertragen 4 von ,ji- ,stark sein 4 , von rbj ,schreiten 4 .
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
329
Durch Einfügung eines Halbvocals gebildete Intensiv-
stämme finden sieb im Aramäischen, Arabischen und Aethiopi-
schen, doch im Ganzen ziemlich selten. Der eingefügte Halb-
vocal verschmilzt mit dem vorhergehenden a entweder zu einem
Diphthong, au oder ai, wie im Arabischen und Syrischen, oder
zu einem Mischlaute, e oder S, wie im Aethiopischen und Chal-
däischen (nach der durch hebräische Lautzeichen uns über
lieferten Aussprache), z. B. ,diffindere' von ,Andere',
v^.a* = ,anhelare‘, ,decrepitus fuit £ von Jib* ,vilis
-''T 0- # ^
fuit‘ ? , Aufseher sein* (cf. hebr. “iw), ,susurravit*,
^ O ^ -53 -
; transnxit* ; ,pactus est* ; = ? fastigiavit*;
q>(D(D: (cf. mr) ,gefangen nehmen', Hl./.P: = U)/;P ,färben', (A'4)F>/\rt:
,laxare', wahrscheinlich von (TIAA: — bbn, nbn ,herabhängen'; 1
~ v * y . . y v . . .y y
»-ola-4, = atr>© ,retten', ,-ooi. ,torsit‘, ,portavit,. ,rumi-
navit'; 'Tti = ,vertreiben', bnto Esr. 6, 3 ,ertragen', J|yi*i
Targ. Jon. zu I. Mos. 31, 9 (für V’Jtn), pöiD ,suppeditavit' u. dgl.
ß. Intensitätsstämme, gebildet durch Anhängung eines
radicalen i oder •> an das Ende der Wurzel, sind namentlich
im Aethiopischen häufig. Auch hier scheint der hinzugefügte
Halbvocal, wie aus der Bedeutung zu ersehen ist, die Verdoppe
lung des mittleren Wurzellautes zu ersetzen. Hierher gehört auch
im Hebräischen nsbj? Ez. 31, 15 (für wofern es nicht
etwa einfach verschrieben ist, vielleicht auch ninfron,
und -»cl^. , falls diese nicht vielmehr zu den Intensitätsstämmen
mit Reduplication des letzten Rad. zu rechnen sind; im Aramäi
schen -aj»j» ,eröffnen, verkündigen', ,terruit', ,alie-
navit', jdelectavit'; im Aethiopischen KrliPP: ,von Unkraut
reinigen', kd.P(D: ,candidus albus fuit', fUhlffi: (cf. ^L>, ^olo) ,re
dend t', HCfiP: (cf. ( ,calumniatus est'. Häufig dient
im Aethiopischen diese Art von Intensitätsstammbildung zur
Ableitung neuer Verbalstamme aus dreiläufigen Nominal wur
zeln, z. B. ,Mühe haben', 7C0P: ,in die Kehle stechen',
/
1 ,sich drehen', (A'})*t , l"l' ; erschrecken ‘ (trans. und intr.),
,expandit‘ gehören vielleicht auch hierher, doch ist bis jetzt
noch keine genügende Erklärung dieser Wörter gefunden worden,
330
Po rges.
fh-flAP: ,durch List an sich bringen', ©CH®: ,Jüngling sein';
vergl. die Denominativa von und ^»A^z) ,evanuit'
von a.zL, rrb (entstanden aus D’X Nb), arab. Im Ara
bischen findet sich die in Rede stehende Wurzelerweiterung
selten, z. B. ,secavit', ,prostravit'. Hierher gehört
auch die sehr seltene sog. XV. Conj. LiJii!, insofern ihr eine
intensivische Form ,_A*i zu Grunde liegt, 1 so ,dick
seiniALw! ,auf dem Rücken liegen'. Das angefügte i oder i
scheint übrigens auch hie und da inchoativische Bedeutung zu
vermitteln, so z. B. ,defecit, tabuit', ,vertrocknen,
verwelken', ‘DA’AP: ,matt werden'.
Y- Intensitätsstämme, gebildet durch Einschiebung eines
Halbvocales zwischen den zweiten und dritten Radical, sind
selten, z. B. ,commovere' ; Hierher
zu rechnen ist auch die sehr seltene sog. XIII. Conj. im Ara-
bischen, z. B. ,stark finster sein' von 0,A=>.l
\ c T 0 *°
,properavit', lodx! yädhaesit'.
Uebrigens bleibt die Möglichkeit nicht ausgeschlossen,
dass in manchen der hier angeführten Beispiele (namentlich
sub y) der ein- oder angefügte wurzelerweiternde Laut nicht
eigentlich eine Intensitätsbildung bezwecken, sondern nur zur
Vermehrung der Lautfülle oder zur Modificirung und Speciali-
sirung der Wurzelbedeutung nach den verschiedensten Rich
tungen hin dienen sollte. Die Gränze zwischen den vier-
buchstabigen Steigerungsstämmen und den der Form nach
gleichwerthigen, nicht intensivisehen Quadriliteris ist eben
nicht scharf zu ziehen.
2. Der intensive Reflexivstamm verhält sich nach Form
und Bedeutung zu dem ihm geschichtlich vorhergehenden inten
siven Grundstamm wie der einfache Reflexivstamm zu der ihm
entsprechenden Grundform; seiner Bedeutung nach ist er also:
a) accusativisches Reflexivum: BjSJfin,
nainn, Nznnn; ^foZ) ,sich nähern', Vamzj ,sich einsichtig machen'.
1 Das
(J
scheint reflexivisch zu sein.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
331
Da im Südsemitischen für die Bezeichnung des Reciprocitäts-
verhältnisses eine besondere Form vorhanden ist, so ist der
reflexive Intensitätsstamm sowohl im Arabischen, als auch im
Aethiopischen nur ganz ausnahmsweise auch reciprok; um so
häufiger ist dies im Hebräischen und Aramäischen der Fall,
z. B. ntnnn ,einander ansehen', irnbrn ,unter einander flüstern',
^.LsZ) ,sich gegenseitig bekämpfen', p-snx ,8taAÜ<ja<;9at'. Im Ara
bischen sind accusativische Reflexiva, z. B. ,sich in viele
^ w ^ C5 **
Theile trennen', A-lii' ,sich umgürten', y/S-'-i ,sich gross machen,
sich für gross halten'; im Aethiopischen ,sich zeigen',
+ä'SO: ,sich verhärten', -HBCrfv ,sieh glücklich machen', -HV.Vr =
-H’t’OA = Dfjjfln etc. Die intensivische Reflexivform dient,
als directes Reflexiv analog dem griechischen sog. inneren
Medium oft zum Ausdrucke starker, dabei aber freier Ge-
müthsbewegungen und Neigungen, z. B. baxnn, rjatfjnn,
+07UJ: ,Geduld haben, sich gedulden', +4.? u d>: ,sicli freuen',
rpxriK ,seufzen', >a.izozj ,laetari', wQzZiZj ,sich lustig machen',
w?>-LLzj ,studuit'. Das accusativische Reflexivum steht in der
Regel ohne directes Object, doch finden sich Ausnahmen, und
zwar da, wo die Sprache das eigentliche Wesen der Reflexiv
form vergessend, nur den Thätigkeitsbegriff in rein activer
Auffassung festhält, z. B. ba:nn, eigentlich ,sich listig machen',
dann aber auch ,überlisten' mit Obj. im Ace., ,sich frei
gebig machen', daher ,schenken' mit Obj., [JiaJnfi ,sich einsichts
voll machen, einsehen' c. c. a. Aehnlich wie das einfache
Reflexivum bisweilen der Bedeutung nach vom einfachen Grund
stamme nicht wesentlich differirt, weicht auch die reflexive Stei
gerungsform vom Grundstamme manchmal nicht sehr ab, da im
Sprachgebrauche sowohl das Moment der Reflexivität, als auch
das der Intensivität und der Energie des Handelns bedeutend
sich abzuschwächen pflegt; so ist 'pxnn ziemlich gleich F)JK, da
ersteres ,sich erzürnen', letzteres ,zürnen' bedeutet, und dieser
Unterschied in der Sprache nicht immer mit aller Strenge
festgehalten wird, ebenso riapnn, eig. ,sich heftig erzürnen'=
rjap ,zürnen'; •HPdv ,bereuen' = iPW ,reuig sein'; ^aaJZ) =
<*> y y <*> <*» # --S5^--'
,verecundus fuit', -c^-dZ| = ,accessit'; ,cognovit',
cf. I-, o,sich fürchten', cf. oLk.
332
P o r g e 8.
Der iutensivische Reflexivstamm bezeichnet:
b) dativische Reflexivität, im Hebräischen und Aramäi-
sclien ziemlich selten, z. B. pisnn ,sich (Dat.) abreissen', Pn:np
,fiir sich vererben' (III. Mos. 25, 46), ^nnn ,für sich herum
gehen'; bapnN ,für sich in Empfang nehmen', ,bei sich
überlegen'. Dergleichen Reflexiva bedeuten immer ,für sich,
aus eigenem Antriebe, im eigenen Interesse (reflex.) eine Hand
lung eifrig (intens.) betreiben'. Daher flndet sich Conj. V. im
Arabischen häufig bei Verbis angewandt, denen der Begriff
,eine Sache wissen' oder ,erkennen' zu Grunde liegt und be
deutet in diesem Falle ,etwas zu erkennen, zu begreifen, zu
errathen bemüht sein', z. B. ,aus den Gesichtszügen zu
errathen suchen', ,spioniron', ,eifrig verfolgen' (in
seinem Interesse), v_dJo3 ,strenge suchen'.
c) Das Reflexivuni vom Steigerungsstamme 1 dient sehr
häufig dazu, um Denominativa zu bilden. Dieselben erhalten
dann die Bedeutung ,sich zu dem machen oder zu machen
bestrebt sein', so insbesondere auch ,sich für dasjenige aus
geben, was das Nomen ausdrückt', überhaupt ,sich selbst zu
dem im Nomen enthaltenen Begriffe irgendwie in nähere Be
ziehung setzen', z. B. irrri“ ,sich zum Juden machen', “P’pn
,sich nach Geschlechtsregistern (mpin) ordnen lassen', nönnn,
“)©yrn, ,sich zu einem Tön, 'vwy, X’ö: machen, sich als
solchen ausgeben, sich fromm u. dgl. stellen', T’taxn ,sich Pro-
^ Ci
viant (üTg) bereiten'; o*.*j ,sich wie ein Araber benehmen',
3yj^'i ,sich für einen Juden ausgeben', ,sich mit einem
Ö-- O 9 ''w ---- _
Beinamen (iUÄ.£=3) schmücken*, ,sich gegen Mittag wenden*,
B ■ Qj VJ ^
,sich an’s Meer begeben', -Xö ,sieh Jemanden als Sohn
adoptiren 4 ; ] ,ore (V^^) praeditus est‘, ,martern',
1 Auch das einfache Refiexivum wird manchmal zur Denominativbildung
verwendet, so z. B. “ijTfitf ,Jude werden 4 (aus eigenem Antriebe), dagegen
TTnN ,sich zum Juden zu machen bestrebt sein, sich dafür halten, aus
geben 4 , ,Presbyter werden 4 , 'HlVl*’/.: ,sicli der Erstgeburt ent
ledigen' 5 PW (von jl*)]) ,arcani particeps factus est 4 , ,homo factus
est; “iDi- ,männlich geboren sein, ,verständig werden 4 von DD 1 ?-
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
333
d. h. ,Jemandem mit Absicht Martern bereiten* (von ir 1 -*-) c. c.
cj ; -t'tnfr’: == xasnn, +0(D£: ,sich blind stellen*, ■t’PlJÄ: =
■Ivln'i(l): ,sicb für einen Lügner ansgeben* oder pass. ,als Lügner
erkannt werden*, -I-OP4: ,sich einen Quell aufsuchen, sich um
einen Quell lagern*, -HTIP/,: ,den Vogelflug beobachten*. Die
angeführten Beispiele enthalten theils directe, accusativische,
theils indirecte, dativische Reflexivität.
Als Passivum tritt die Reflexivform der Inten sitätsstamm-
Classe im Hebräischen nur selten auf, z. B. ronipn ,vergessen
werden* (für nsiiip) Koh. 8, 10; vergl. aarnn ,sich stellen* (Reflex.),
aa; Med. ,stehen*, aain Pass. ,gestellt werden*. Der Grund hier
für scheint darin zu liegen, dass der bysnn-Form als einer
Intensitätsstammbildung ein grösseres Mass von Selbstthätigkeit
des handelnden Subjectes von Natur innewohnt, als dem ein
fachen Reflexivum, weshalb erstere minder häufig zur Be
zeichnung einer blos receptiven Thätigkeit, der einzigen,
welche das Subject beim Passivum äussert, verwendet worden
sein dürfte. Dies zeigt auch das Aethiopische und Aramäische,
indem in beiden Sprachen das einfache Reflexivum mit grösserer
Vorliebe in passivischer Bedeutung gebraucht wird, als das
intensivische, vergl. III. 2 r l'll'n/, : refl. ,sich erinnern*, hingegen
■HPn/,: III. 1 pass. ,erwähnt werden*, ,sich verdunkeln*,
pass.,verdunkelt werden*; -^-*-“Zi pass. ,numeratus, compu-
tatus est*, ,cogitavit secum, meditatus est* (ausnahmsweise
,reputatus est* Rom. 4, 11); -Lizj ,cogitatus est*, -Abz) ,cogi-
tavit 1 ; ,ductus, afflictus est*, f^*z] ,conversatus est*;
,pastus est* (pass.), ^.özj ,pavit se, oblectavit se* (sc. cogita-
tionibus, cupiditatibus); ,sublatus est*, exaltavit
se, extulit se*; '-»i’Zj? jLmzp %izp ^.o-zj und viele andere
Verba dieser Form sind fast immer nur als Reflexiva des Stei
gerungsstammes im Gebrauch. Im Allgemeinen kann aber doch
nur behauptet werden, dass im Aramäischen und Aethiopischen
die intensive Reflexivbildung oft passive und reflexive Beden-
y 7 77 * 7 7 77 <•*
tung zugleich, z. B. 2Zcu.Zp V^zp ^zofll ,invitatus est*
cf. ,sich bereiten*, manchmal die letztere allein, wie z. B.
iopll Lthpeel und Ethpaal = “WH ,cavit sibi*, selten jedoch nur
die erstere zu vermitteln geeignet ist, wie z. B. vZ|iz] ,despectus
est‘, -PAIIII: ,juberi*, ’IJüllü ,gemessen werden*. So ist die Eth-
paal-Form namentlich da, wo die einfache Grundstammform in
334
P orges.
der Sprache gar nicht vorhanden ist oder doch von der ent
sprechenden intensiven Stammbildung in der Bedeutung- stark
abweicht, zur Annahme der passiven Bedeutung- des Pael ganz
y *»y y y <*> y
besonders geeignet, z. B. von Va«, pl, Ethpa.:
Vo-z| etc. mit passivischer Bedeutung, desgleichen Pass,
von ,collegit' (cf. p^ ,elegit'), Pass, von pd ,ven-
didit' (cf. pl ,emit'), -pZ), Pass, von -j.p ,benedixit' (cf.
tP ,genua flexit'), vziamZ), Pass, von ,condemnai-e', da
gegen Ethpeel so viel als Peal ,debuit'. Schliesslich hat
die Uebertragung der passivischen Bedeutung auf die inten
sive Reflexivform wohl auch da besonders stattgefunden, wo
ein zur Annahme der Passivität geeignetes einfaches Re-
flexivum fehlte, oder der intensive Grundstamm durch seinen
häufigen Gebrauch ein entsprechendes Passivum notlnvendig
erscheinen liess. — Im Arabischen steht die sog. V. Conj.
auf der Uebergangsstufe zur passivischen Bedeutung, indem
sie oft in affectivem Sinne gebraucht wird, d. h. zur Bezeich
nung des Thätigkeitsverhältnisses, wonach irgend ein Subject
aus freier Selbstbestimmung die Handlung eines Anderen
auf sich einwirken lässt und so ihren Erfolg selbst ver-
mittelt, z. B. Haiü ,illustris factus est', ,doctus evasit'
eigentlich ,sich belehren lassen ? sich in die Flucht
schlagen lassen' = ,offenbar geworden sein', nicht
,offenbar gemacht worden sein'. Aehnlich im Hebräischen itfsnnil
,sich suchen lassen, sich verkleiden', Dnjnn ,sich trösten lassen,
Trost annehmen' (I. Mos. 37, 35).
Was die Form des intensivischen Reflexivstammes betrifft,
so erscheint diese im Nordsemitischen mit einem prosthetischen
Hauchlaute k oder n vor dem Reflexiv-r, im Südsemitischen
ohne denselben, aber dafür mit Yocalisirung des n, also einer
seits btäpnn, Vpzj, andererseits J.zäi'. Auch da,
wo der Steigerungsgrundstamin durch ein anderes Mittel als
die Reduplication des mittleren Radicals gebildet ist, wird der
entsprechende Reflexivstamm mit -m, "HK', zj, yy, -I-: abgeleitet,
so ööi“in,7, pa^twn, ,imaginatus est', ^-5pzj, iPoZ)
,frigefactus est', ,erubuit', ipoz] ,ferocivit' etc. Eine Form
mit reflexivischem j findet sich in der Intensitätsstammbildung
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
335
nur ganz vereinzelt in den selteneren quadriliteralen Steige-
rungsstämmen des Arabischen und Aethiopischen, so z. B. in
der arab. sog. XIV. und XV. Conjug., wo das wie bei den
eigentlichen nicht intensivischen Quadriliteris in die Mitte der
Wurzel eingeschoben wird, z. B. dh&Xfcf ,copiosus fuit',
,sehr dick sein', IkUU ,sich aufrichten', ,sich aus
breiten', im Aethiopischcn, wo A’ü = "in ist, z. B. A'Jfötfffi:
,niederfallen', AWA®: ,hin und her gehen'. Dergleichen Re
flexivformen sind ihrer Bedeutung nach stets intransitiv. Das
Aethiopische scheint einige Ausnahmen von dieser Regel zuzu
lassen, so z. B. ,rollen' (trs. und intr.), AViÜiiVf»:
,bewegen' und ,sich bewegen', A'tfUAO:,ausbreiten' (ausschliesslich
transitiv). Doch da sich von dergleichen Verbis neue Passiv-
Reflexiva gebildet finden, wie -i-Vn-Cn-/.: ,gewälzt werden',
•t-'t/UAO: ,sich ausbreiten' (oder pass. ,ausgebreitet werden'), so
muss man annehmen, dass in Folge eines unklaren Sprach
bewusstseins das prosthe tische A: vor dem '5: als causativisches
A:, das 'i ; selber aber als wurzelhaft aufgefasst wurde, wo
durch manches ursprünglich intransitive Verbum dieser Form
Transitivität erhielt und somit auch wieder die Fähigkeit, ein
neues Refiexivum mit +: zu bilden (s. Dillmann äth. Gr. §. 87).
Eine besondere Passivbildung durch inneren Vocalwechsel
" 63--^
findet sich regelmässig nur im Arabischen, also JJül;', Pass.
^ lu 9 9
Im Hebräischen finden wir in einzelnen Fällen zum
Ersätze des Passivum vom Hithpael folgende Mittel: erstens
den Wechsel des ~ der letzten Sylbe mit ~, namentlich vor
N, wodurch es zu ~r wird, z. B. Nöten, NtehAn (Ew. hebr. Sprl.
S. 343), zweitens die passivische Vocalisirung mit u (ö) und
zwar entweder an der Stelle des kurzen Hilfsvocals in dem
reflexivischen _ nn, z. B. DS3n für oasrin, Nöten für Nötenn, npann
für njrsnn, oder an Stelle des a nach dem ersten Rad., so:
JWfö Jes. 52, 5 für pNirite, 2>Wnn Jer. 25, 16. Da das Hebräische
seine Passivformen nicht mehr als nöthig vom Activum zu
unterscheiden bestrebt ist (vergl. bte|5, arab. J-£s), so genügt es
zur Bezeichnung des Passivum vom Hithpael, dass der u-Laut
nur einmal als charakteristischer Passivvocal auftritt. Vereinzelt
Porges.
336
findet sich auch das reflexivische 3 einer Intensitätsstaram-
bildung im Passiv vorgesetzt in 6x3: Jes. 59, 3, welches der
Bedeutung nach effectivisch zu sein scheint: ,sie sind befleckt'
im Unterschiede von ,sie sind befleckt worden', welches im
Hebräischen ibxl heissen müsste.
Eine eigenthümliche, verderbte Reflexiv-Passivbildung vom
Intensitätsstamme ist die monströse Form bys^3 (auch bpsDi),
wie sie im Hebräischen eigentlich gar nicht, 1 im Talmudischen
und Spätchaldäischen jedoch ziemlich häufig anzutreffen ist,
z. B. II. Sam. 23, 7, pan: ,beabsichtigen', htean? ,gestört,
vernichtet werden'. Das 3, welches jedenfalls aus dem Hebräi
schen herübergenommen ist, scheint die reflexivische, effecti-
vische oder passivische Bedeutung der regulär mit n gebildeten
Reflexivform entsprechend zu verstärken.
3. u. 4. Intensivische Causativ- und Causativ-Reflexiv-
Stammformen wurden nur vom Aetliiopischen ausgebildet, doch
ist ihre Anwendung in der Sprache eine ziemlich geringe.
Den übrigen semitischen Dialekten schien die Ausbildung
dieser beiden Stämme, welche der Bedeutung nach von den
entsprechenden einfachen Verbalformen nicht stark differiren,
kein dringendes Bedürfniss und darum unterblieb sie. Inten
sive Causativstämme der Form A'M-A: mit Verdoppelung des
mittleren Rad. sind: AUUIP: ,schön machen', AAfKl) (denominativ)
,verständig machen', A/,a<U: ,vollenden lassen'. Wie das ein
fache Causativum der Bedeutung nach in späterer Zeit mit
dem einfachen Grundstamme zusammenfiel, so erhielt auch
Form II. 2 hie und da dieselbe Bedeutung wie die ihr ge
schichtlich vorangehende I. 2, z. B. l&l- und A7<U{: ,beflecken',
O/.P: und AO/.P: ,gleichmachen'. Wo der einfache und inten
sivische Causativstamm neben einander Vorkommen, verhalten
sie sich zu einander wie I. 1 (Kal) zu II. 1 (Piel), z. B. A'iO/,:
1 Die Beispiele von hyan;-Formen, welche in <len hebräischen Gramma
tiken gewöhnlich angeführt werden: ‘-1333, 1333_ und HlFliM, welches
letztere Wort überdies nicht einmal seiner Bedeutung nach unzweifelhaft
feststeht, sind so wie manche andere der in unserem heutigen Bibeltexte
vorhandenen stark befremdenden Unregelmässigkeiten derart vereinzelte
Anomala, dass wir wohl besser daran thun, eine unrichtige Punctation
oder einen unbedeutenden Schreibfehler als Grund der sonderbaren Ano
malie zu betrachten.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
337
,ausführen lassen' (einf. Causativum), ATn/,: ,zur Arbeit mit
Gewalt zwingen' (intens. Caus.); vergl. A<l>o/;n: (Denominativ
von < üC r l , 4:, )3n|5) ,das Abendmahl reichen' und das einfache
Causativum ,darbringen', s. Dillmann äth. Gr. §. 79.
Der intensive Causativ-Reflexivstamm ist vom einfachen
nicht streng gesondert. Als specifisch äthiopische Bildung aber
hat er weit häufiger als dieser seinem ursprünglichen Charakter
entgegen die Bedeutung eines Causativs vom Reflexiv ange
nommen; so ist Ah+'SUJIU: ,erfinden' von *411)111: ,suchen' das Re
flexiv von dem ideell zu Grunde liegenden Causativum ,suchen
machen', desgl. Ah+AflA 1 : ,Jemanden als Thoren behandeln',
eigentlich ,Jemanden für sich zum Thoren machen'; AiH\<iJUrfi:
,erfreuen' hingegen und viele andere Verba dieser Form sind
dem Sinne nach offenbar Causativa, von Reflexivis gebildet.
Drittes Capitel.
Extensiv- Stämme.
Die Extensivstämme unterscheiden sich von den ein
fachen in der Bedeutung dadurch, dass sie die Handlung des
Subjectes stets als direct auf ein Object bezogen, mit Absicht
auf dasselbe hin gerichtet darstellen. Der Extensiv-Grund-
stamin ist demnach ursprünglich stets mit einem accusativischen
Object verbunden, weil ihm Transitivität von Natur zukommt.
Sein Charakter ist formell ein mit dem ersten Wurzellaute ver
bundenes langes a, welches den höchsten Grad transitiver
Activität bezeichnet.
1. Der Extensiv-Grundstamm scheint spät entstanden zu
sein und sich erst aus gewissen, der Form nach verwandten
Intensitätsstammbildungen, die wir bereits oben kennen ge
lernt, als selbstständiger Stamm mit eigentümlicher Bedeu
tung entwickelt zu haben. Im Aramäischen findet sich der
Extensivstamm noch nicht, allein die Form desselben ist in
den Intensitätsbildungen , scidit', ,latravit', --•A.j?
,sustulit‘ bereits vorhanden. Den Uebergang von der Intensiv
form mit Verdoppelung des zweiten Rad. zu dem Extensiv-
Grundstamme bilden diejenigen Intensivstämme, in denen an
die Stelle der Verdoppelung des mittleren Wurzellautes die
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. I. Hft. 22
i
338
Porgeg.
Dehnung des ihm vorhergehenden Vocals getreten ist. Im
Hebräischen gehören nicht nur die mittelhauchlautigen Verba
wie |NE, rpn, Via (auch chald. ij-ja Dan. 2, 19) hierher, son
dern auch manche bspö-Formen, 1 die ihrer Bedeutung nach
Intensivstämme repräsentiren, z. B. fitW Jes. 10, 13, Dpi Ps.
77, 18, “USjb IIos. 13, 3. Auch im Aethiopischen gibt es einige
Verba der Form :f"NV, die ihrer Bedeutung nach keine Exten
sivstämme zu sein scheinen, 2 z. B. A/,/,: ,fundavit'. Im Ara
bischen, wo neben der Intensitäts- auch die Extensitäts-
Grundform als selbstständige, völlig entwickelte Stammbildung
vorhanden ist, kann natürlich nicht von einem Ersätze der
Verdoppelung durch Dehnung, sondern höchstens von einer
nahen, sowohl lautlichen als auch begrifflichen Verwandtschaft
der beiden Verbalstammformen die Rede sein, vgl. fia = d.L
,aequavit‘, j*J^= = ,affatus est',
= CJUc ,multo studio quaesivit'. 3 Eigentliche Extensiv
stämme der Form Poel sind im Hebräischen ausser bei den
Geminatis. nur ganz vereinzelt, z. B. ptfib ,die Zunge gegen
Jemanden gebrauchen', ,verleumden'; J’11> ,scheel ansehen' =
^jLc. I. Sam. 18, 9; caiu? Hiob 9, 15; »Tf 1 I. Sam. 21, 3. Doch
sind die beiden letzten Beispiele wahrscheinlich falsch, die
beiden ersten mindestens zweifelhaft. Von Geminatis gehören
hierher pin, DpiD, “HiS, ppin u. a. m. In einigen derselben ver
tritt die Poel-Form den fehlenden Piel und entlehnt diesem
seine intensivische Bedeutung, so in den beiden letzten Bei
spielen “i*ii2 und ppin, in den beiden ersten hingegen ist der
1 Im Hebräischen findet sich für das lange a der südsemitischen Dialekte
6
häufig i, so auch im Part. hebr. arabisch
2 S. Dillmann §. 78. Das ä in solchen Verbis scheint aus e oder ö ver
färbt zu sein.
3 Sehr oft jedoch ist die wesentliche Bedeutungsverschiedenheit beider
Stämme recht deutlich in die Augen fallend, z
fecit 1 , III. ,obstitit 4 , II. ,extulit‘, III. ,de
II. ,metum injecit, monuit/, III. ,cavit sibi, metuit aliquem 4 , TT ,in-
columen praestitit 4 , III. ,pacem fecit vel coluit 4 , Xjuii II. ,assimilavit,
,comparavit 4 , III. ,similitudine retulit aliquem 4 u. dgl.
. B.
II. ,conspicmim
honore disceptavit 1 ,
Uetoer die Yerbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
339
Bedeutungsunterschied des Poel vom Piel deutlich hervortre
tend: j:ln Ps. 102, 15 ,bemitleiden, lieben'', |3H Spr. 26, 25
,lieblich machen', 32iD ,umgehen, durchgehen, umgeben', 23p
II. Sam. 14, 20 ,verwandeln, ändern'. Im Aethiopischen ist der
Gebrauch des Extensiv-Grundstammes nicht sehr häufig, doch
ist dies wohl als ein Resultat der späteren Sprachentwicklung
zu betrachten, da das häufige Vorkommen des extensiven Re
flexivstammes auch einen häufigen Gebrauch der entsprechenden
Grundform voraussetzt. Am geläufigsten ist der Extensiv-
Grundstamm dem Ai-abischen. Er bezeichnet im Besonderen
erstens eine mit Absicht auf ein Object ausgedehnte Thätig-
keit. Sehr viele Verba, die im einfachen oder auch im Stei
gerungs-Grundstamme nur durch Vermittlung einer Präposition
auf ein Object sich beziehen können, nehmen dieses im Extensiv
stamme direct, d. h. im Accus, zu sich, z. B. (c. c. lLLä),
III. c. c. a., Jls III. ,affari', I. c. c. i_>, III. c. c. a. ,anfallen',
I- II- c - c - ck?’ HI- c - c - a - ,adversatus est' i. e. ,exiit ex
oboedientia alicujus'; y& I. c. c. III. c. c. a. ,juvit';
,durum esse' III. c. c. a. ,durum se praebere contra
aliquem'; VHH: ,trösten', HArfv ,befreien', CH4P: ,quälen', vergl.
,miserum esse'. Da der Extensitätsstamm seinem Wesen
nach ein Zielstamm ist, so steht er am häufigsten bei Verbis,
welche Streiten, Ringen, Kämpfen, Freundschaft, Feindschaft
halten oder stiften, Loben, Tadeln u.dgl. bedeuten, und bezeichnet
oft das Suchen und eifrige Streben des Subjectes, Jemanden
durch sein Handeln zu afficiren. Doch die Kraft der Exten
sivität geht dann meistens noch weiter und bewirkt, dass die
Handlung nicht nur schlechthin auf ein Object direct gerichtet,
sondern dasselbe auch zur Gegenseitigkeit, zu entsprechender
Rückwirkung veranlassend erscheint. Der Extensiv-Grundstamm
bezeichnet daher zweitens auch die Reciprocität. Natürlich kann
dieselbe, da sie zum Mindesten zwei handelnde Subjecte voraus
setzt, sich nur in der Dual- oder Pluralform deutlich geltend
machen, z. B. IplKs ,sie kämpften mit einander' eigentlich ,sie
hieben auf einander ein' (von III. ,Jemanden bekämpfen'),
c ,zu Boden strecken wollen', ,mit einander ringen'; Ojji
C ' 22* J
340
P o r g e b.
I. ,berühmt sein', III. ,Jemanden an Ruhm zu übertreffen
suchen', eigentlich ,Jemanden zum Ziele seiner Ruhmsucht
machen, sich in Bezug auf Jemanden berühmt machen';
I. und III. id.; I. ,repulit', III.,alter alterum repulit' Jü
III. ,de honore disceptavit'. 1
Wo der Extensiv-Grundstamm reciprok ist, müsste er
eigentlich seiner Natur nach stets ein Object im Acc. sich unter
ordnen. Doch war dies nur ursprünglich ausnahmslos der Fall,
mit der Zeit jedoch wurden Ausnahmen immer häufiger, und
zwar aus leicht begreiflichen Gründen. Denn da zunächst der
Unterschied zwischen dem einfachen und extensiven Grund
stamm weniger in einer Veränderung des Thätigkeitsbegriffes
selber, als vielmehr in der Art der Richtung liegt, welche die
Handlung auf ihr Object nimmt, dieses Moment aber meistens
für den Sinn des Satzes minder wesentlich ist und es für den
Redenden oft ziemlich gleichgültig bleibt, ob er die einfache
Grundform mit indirectem oder die extensive mit directem
Objecte gebraucht, so konnte letztere sehr leicht dem Sinne
nach als einfache Grundstammbildung betrachtet und gleich
dieser mit indirectem Objecte construirt werden, oder auch
absolut ohne jede Ergänzung stehen, z. B. ursprünglich
wohl immer mit acc. Object verbunden, dann aber auch ohne
dasselbe: Cor. 10, 90 c. c. ,transivit‘ (cum aliquo), p. 15
urspr. mit Acc., später mit construirt ,sich gegen Jemanden
erheben', £it> III. = I., c. c. Cor. 22, 39. Wo der ein
fache Grundstamm schon transitiv ist, fällt die entsprechende
Extensivstammbildung ohnedies sehr oft der Bedeutung nach
ganz oder fast ganz mit jenem zusammen, z. B. ^<AAI. = III.,
1 JIP ,concentum feeit 1 scheint Denomin. von ,melodia“ zu sein und
nicht hierher zu gehören, hingegen dürfte £"/£<}>: ,zweifeln“ vergl. yp
,heucheln, aus einer Religion in die andere übertreten“ reciprok zu
fassen sein, etwa ,zweifeln“ im Sinne von ,in Bezug auf etwas hin und her
schwanken“ (vgl. ,zweifeln“ von ,zwei“, ,duhitare“ von ,duo“). Die Grund-
C --
bedeutung von rad. (Jpij dürfte ,spalten, theilen“ sein (vgl. (Jp), daher
I. ,vendibiles et bene distractae fuerunt merces“, IV. ,opes suas expendere“
i. e. ,dividere“.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
341
yö I. = HI. Ferner kann das nothwendige Object bei der
Jö'li'-Form so wie überall, wo es sich von selbst versteht und
aus dem Zusammenhänge der Rede oder nach einem bekannten
Sprachgebrauche leicht zu ergänzen ist, verschwiegen werden,
^ ^ Cj io ^ ^
wie bei yi=> (absolut) für x-UI ,mit Gott in Verbindung
stehen, ein eifriger Verehrer Gottes sein! (s. Reiske’s Anmer
kung zu Abulfedae Annal. T. III, p. 320). Auch zur Bildung
von Denominativis mit in der Regel transitivischer Bedeutung
ist die Extensiv-Grundform sehr geeignet, z. B. (III. von yu)
,Jemandem ein Geheimniss anvertrauen', ,heilen' (von
,Medizin'), ^-iLo ,mit der Hand (^.iua cf. Nom. nöB, Verb, pap)
über etwas fahren' oder auch ,einander bei der Hand nehmen',
,einen Vertrag auf ein Jahr mit Jemandem schliessen',
,voce vocavit camelos aut increpuit eos',
;;U' ,die Wolken mit einander vergleichen, deuten' (dagegen
j3J? ,Wolken machen, bilden'). — Auch von dieser Stamm
form besitzt das Arabische ein entsprechendes Passivum: jöjji.
2. Das Reflexivum des Extensitätsstammes findet sich
sowohl im Arabischen, als auch im Aethiopischen in sehr häu
figem Gebrauch erstens in einfach reflexivischer Bedeutung:
-1-AWP: .sich scheeren', +ArfiP: ,sich schmücken'(cf. rad.'bn), 0^1aj =
,zu sich zurückkehren', ,sich muthig machen'
etc. sind Beispiele directer Reflexivität; ,familiaritatem
inivit‘==j~wle, 0^1 A3',ex-reichen', ,con studio se applicuit'
c. c. a., -t-AAI*: ,verspotten' (cf. rad. obp), 'HW.1JA: ,begnadigen' etc.
sind Beispiele dativischer oder ethischer Reflexivität (=,etwas für
sich, aus eigenem Antriebe, in seinem Interesse thun'). Zweitens
— und das in der Regel — ist die Form JöIäj reciprok mit
oder ohne Sach-Object, z. B. (Jplij >sich umarmen, umhalsen'
id., ,coi - respondiren', JöIäj ,sich bekämpfen',
^jLö ,sich gegenseitig verspi-echen', -r/.'nn: ,sich treffen', -PAä4:
,zixsammenhängen', +A0^ ,sich verstehen' (ebenso u^ÜJI *xLwö
342
Porges.
,die Leute haben von einander gehört'), d-'P.'M’: ,von einander
ahfallen', +Z.WA: ,zusammenlaufen', -HnAA: c. c. a. .unter sich
theilen', -H ff PIT); ,unter einander verkaufen'. Dem reciproken
Thätigkeitsbegriffe verwandt sind Begriffe von solchen Hand
lungen, welche von mehreren in gleicher Weise thätigen Per
sonen nach einander ausgeübt werden oder die gegenseitige
Beziehung zweier oder mehrerer Objecte unter einander be
wirken oder auch mehrere Objecte derselben Art nach einander
erfassen, z. B. +Z.1A: ,mit beiden Füssen zappeln', +4.')’,?: ,der
Reihe nach abzäh] en',
yfp ,nach einander ankommen',
,der Reihe nach zur Tränke gehen', ,reihenweise an
kommen' u. dgl.
In passivischer Bedeutung findet sich dieser Verbalstamm
im Aethiopischen nur bei solchen Verbis, welche in der Grund
form S’+A: Vorkommen, z. B. •KH't’P: Passiv von UH-P: ,quälen'.
Im Arabischen zeigt Form VI. den Uebergang zur Passivität,
indem sie häufig in effectivischem Sinne gebraucht wird, z. B.
,gesegnet sein', <5^ ,hoch erhaben sein', ,deut
lich sichtbar sein', jjUj getrennt, unterschieden sein',
,für gross gelten, gehalten sein'.
Auch dient dieser Reflexivstamm nicht selten zur Bildung
von Denominativen, z. B. +°zä®: ,mit Stäben (jrjj) loosen',
+J/.4: ,mit den Hörnern auf einander losgehen', ^0)1*3' ,sich
krank stellen', ^ 1+3 ,sich todt stellen', ,sich schielend
stellen'. 1
Hat schon der extensive Grundstamm der Bedeutung nach
manchen Berührungspunkt mit dem intensiven, so gilt dies
noch in weit höherem Grade von dem Verhältnisse der beider
seitigen Reflexivstämme zu einander. Daher kommt es, dass
im Arabischen sehr oft die VI. Conjng. dem Sinne nach mit
der V. übereinstimmt und sich in Folge dessen manchmal bei
intransitiven Verbis, wo sogar die directe Reflexivität nicht
1 Verba, welche die Bedeutung ,sich für etwas ausgeben, als etwas gelten
lassen, irgend eine Eigenschaft erheucheln* haben, sind schon darum als
Denominativa zu betrachten, weil dergleichen Verbalbegriffe ohne ein
geschichtlich vorangehendes Nomen gar nicht denkbar sind.
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
343
stark hervortreten kann, von Form I. nur wenig unterscheidet,
so z. B. iajüu I. V. VI. ,fallen', I. V. VI. ,erscheinen 1 ,
UaÄ I. V. VI. ,in die Hand nehmen'.
3. u. 4. Causativa und Causativ-Reflexiva des Extensitäts
stammes finden sich nur im Aethiopischen ausgebildet. Erstere
sind sehr selten, z. B. AAlUT: jemandem sein Beileid bezeigen',
vergl. ,betrübt sein', ,geduldig tragen'; 1 ATViP:
,etwas durch sein Licht beleuchten', ATrfi.<?: ,Eines zum Anderen
fügen', ,addiren' (Denominativ), s. Dillmann §. 79.
Extensive Causativ-Reflexivstämme sind im Aethiopischen
häufig. Meistens sind es Causativa von Reflexivis III. 3, z. B.
gegenseitig Feindschaft stiften', Mi-WünT: ,zusammen
leimen', Ah+V}/,: ,machen, dass etwas bis zu Ende aufbewahrt
bleibt, für sich aufsparen', Ah+fK’ih: ,rein machen', Ahl-T//. 1 :
,herunterdrängen'. Doch gibt es auch manche Reflexiva von
Causativis in der Ah+J+iV - Form, z. B. Ah+'HöO: ,Groll hegen
gegen Jemanden', AhTfRP: ,gerne verzeihen', Ah-t-iUA: und
,neidisch sein', ,erhorchen', ,etwas
für sich angenehm finden'. Ein Denominativum ist Ati'Kz'P.O:
(von ,Mark') ,entmarken'.
Viertes Capitel.
Stammbildung der Plurilitera.
Die semitischen Sprachen haben allerdings überwiegend
dreilautige Verbalwurzeln, doch werden mehrlautige Bildungen
mit der Zeit immer häufiger, so dass sie in den späteren semi
tischen Dialekten, z. B. im Neuarabischen und Neusyrischen,
einen nicht unbedeutenden Theil des Wörtervorrathes aus
machen. 2 Zahlreich sind besonders die Quadrilitera. Zu ihnen
1 Zur Erklärung der Bedeutung des Wortes AA<I>U): vergl. auch im Ara
bischen I. ,klagen 1 , IV. ,einen Klagenden versöhnen 1 (Kosegarten
gr. ar. §.375), vielleicht ,Jemanden zum Klagen veranlassen und ihm
dadurch Erleichterung verschaffen“.
2 Im Aethiopischen machen die Plurilitera' ungefähr den sechsten oder
siebenten Theil der Sprache aus.
344
P orges.
gehören vor Allem der Form nach die selteneren vierbuchsta-
bigen Intensitätsbildungen, die wir bereits oben kennen gelernt
haben, ausserdem aber noch die eigentlichen, nicht mit inten-
sivischer Bedeutung ausgerüsteten Quadrilitera, innerhalb deren
wir drei Hauptgattungen unterscheiden: 1. die durch eine Art
Wurzelerweiterung aus dreilautigen Wurzeln entstandenen,
2. die aus vierlautigen Verbalstämmen durch Beibehaltung der
Bildungssylben hervorgegangenen quadriliteralen Grundformen,
3. Denominativa aller Art.
1. Die Vorsetzung, Anfügung oder Einschiebung eines
minder wesentlichen vierten Wurzelbuchstabens, der in der
Regel ein weicher, mit Berücksichtigung der Euphonie ge
wählter Laut ist, hatte den Zweck, entweder die Bedeutung
einer dreibuchstabigen Verbalwurzel mannigfach zu moditiciren
und nach Bedürfniss zu specialisiren oder dem Buchstaben-
complex mehr Lautfülle zu verleihen. Hierher gehören z. B.
= chald. 1271? (der hinzugefügte 4. Radical ist 7, resp. -1);
rfiVniY ("?:) ,lahm sein', (F) ,genau sein'; 1 iAis (01 cf.
Juli) ,zerstreuen'; VrhftP: (rh: cf. ntw) /vernachlässigen'; trsai
(tr cf. atai); (jU-ia 0 cf. ,reclinavit, imposuit dorsum
quiescendi causa') ,ruhig sein', (J) ,sich zei-streuen',
y^*^- (j) ,sammeln', oLLv (J), (,) ,compsit, fucavit',
(^) = jeilen, flüchten', (g) ,gelb färben',
,fest binden' (o) von y^a^. ,einengen', jixXr (J)
,nachschleppen, Überhängen' von rad. qny, (^) von jjba,
OZ3°y* (g), (^), yÄ^ (f), yXyS* (,), yÄX- (g),
([»)’ (I), S+y~> (J) etc.
1 Die durch Einschiebung eines *n etc. nach dem zweiten Rad. gebildeten
Quadrilitera unterscheiden sich von den der Form nach congruenten In
tensivstämmen nur durch die Bedeutung, und wo diese, wie in einigen
der angeführten Beispiele der Fall, nicht den Ausschlag zu geben
vermag, bleibt die Bildungsgeschichte des betreffenden vierbuchstabigen
Verbums in der That zweifelhaft. Im Aethiopischen ist vor Gaumen
lauten die Einschiebung eines sehr beliebt (Dillmann äth. Gr. §. 73)
und es scheint daher dieser Laut in rf/fWliV flVftJ’d 5 : u. dgl. nur der
Euphonie halber infigirt zu sein.
lieber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
345
2. Manche Q.uadrilitera sind aus erweiterten Verbalstäm
men mit Beibehaltung der Stammbildungssylben hervorgegangen,
und zwar aus dem Causativum: anbs (von mb mit Causativ-
präfix 2£, aus W entstanden), m“ip eilen', ,flagellavit',
(VfjÄ'fl/.'t': , durchschimmern 1 (A- für ft:), ^loz , aufschieben'
(z für .*<), ähnlich btpfi gängeln', Ah®:,mischen' (von Flüssigkeiten)
von (Dbrh: (vielleicht = “au, -p:, wie ®M>: ,den Bogen spannen'
= TP»), oder aus der Reflexivform mit Verwandlung des n in i,
z. B. Ä^A©: streitsüchtig sein' von luu, .PCnP: ,schiessen, jacu-
latus est' von nm, am, ß'iW'- ,verwirrt sein' von oaJü, jLij,
bbm in der Sprache der Mischna: nbaanajj naiD (Tr. Succach
II. 2) ,eine ungeordnete, eine mit verwirrtem Gezweige bedeckte
Laubhütte' von bba ,verwirren'. Hierher gehört vielleicht auch
äth. -FfflA: ,den Sprecher machen' von -ODA: ,sprechen 1 .
3. Theils aus vierbuchstabigen Nominibus, theils aus No
minalstämmen mit Beibehaltung aller oder einzelner Bildungs-
sylben (Vor- oder Nachsätze), theils aus mundgerecht gemachten
Fremdwörtern, theils endlich auch aus verschiedenen Partikeln
oder gar ganzen Redensarten mit Hilfe der wunderlichsten Ab
kürzungen und Contractionen linden sich zahlreiche Quadrilitera
abgeleitet. Es liegt in der Natur der Sache, dass dergleichen
Denominativbildungen erst sehr spät in den einzelnen Sprachen
o
auftauchen und allmälig darin sich festsetzen, z. B. jvüAä. (von
thaten erweisen' (von ©/UTF ,Barmherzigkeit'), ©Ffi; ,gefangen
nehmen', ,in Trümmern liegen', AA.AP: ,die Nacht zu-
346
P o rges.
i—fi-wHi (voncpiXoasooc) ,philosophiren'; ua^-o(von y.aOoAty.ö?);
(von v.x.iri'fopoq), Btapb ,XY)t<rax; sein'; von ^ ^innS.?
,sic,h entgegenstellen, disputiren'; v 2^o (von ?o-*^.o) ,einsam
machen'; (j,einen Titel geben' von ^.Ic; >iUAi ,4Uj.i
sagen', d. h. ,eine Rechnung abschliessen', dMr^ ,sagen: S
JUL ütt iyS 5lj‘ etc.
Quinquelitera sind im Ganzen selten und mit Ausnahme
der wenigen Denominativa als erweiterte Bildungen von Tri-
und Quadriliteris zu betrachten. Die fiinflautigen inten sivischen
Verba der Form bybyä haben wir bereits oben besprochen.
Intensivische Erweiterungen vierbuchstabiger Verba sind wohl
die Quinquelitera (refl.) von , ^s\Xs.3, jtX^xXci
(De Sacy I. §. 314), letzteres mit reflexiviscliem ^ in der
Mitte wie ^A~u. r '(, UaD_u4. Die Intensitätsstammbildung von
Quadriliteris ist, wenn auch sehr selten, so doch schon darum
wenigstens ausnahmsweise möglich, weil sogar auch solche Qua-
drilitera, welche an und für sich schon als Steigerungsstämme
auftreten, in einzelnen Fällen noch eine weitere Steigerung durch
Hinzufügung eines fünften Radicals oder durch ein entsprechendes
Aequivalent wie Verdoppelung eines Wurzellautes, Dehnung
des wesentlichen Stammvocals zulassen. So ist die arab. sog.
XI. Conjugation Jliil eine Intensivform der ihrem Lautwerthe
nach vierbuchstabigen IX. Jjiil (aus Jixil entstanden) und
bezeichnet mithin eine doppelte Steigerung des Grundbegriffes,
die zunächst durch das Mittel der Reduplication des 3. Rad.
bewirkt, sodann, da eine weitere Verdoppelung unmöglich war,
durch die Dehnung des kurzen zu I— fortgesetzt wurde.
Auch die sog. XIII. Conj. Jwelche zu ihrer Erklärung
die Voraussetzung einer quadriliteralen Intensivbildung
erfordert (vergl. die Verba repräsentirt in ihrer,
fünfbuchstabigen Gestalt eine doppelte Steigerung des zu
Grunde liegenden, durch drei Buchstaben bezeichneten ein
fachen Verbalbegriffes.
TJeber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
347
Fünfbuchstabige Denominativa sind z. B. AA'V’AA: (von
mb, A'VAh: ,das Flüstern 4 ) ,susurravit 4 , AWPAA: ; increpare 4
(Dillmann §. 72).
Verba mit mehr als fünf Wurzelbuchstaben sind zu
schwerfällig, als dass eine Bildung derselben hätte stattfinden
können. Nur ganz vereinzelt existirt im Aethiopischen nach
Dillmann (S. 133) das sechslautige Verbum •hAl+A+A: (refl.)
von Al+A: ,ungeduldig, unwillig sein 4 .
Da die einfachen Grundstämme der Quadrilitera ihrer
lautlichen Form nach ganz mit den entsprechenden Intensitäts
stammbildungen zusammenfallen, so haben sie in den einzelnen
Sprachen nur jene erweiterten Verbalstämme aufzuweisen, welche
auch in dreibuchstabigen Verbis als Steigerungsstammformen
ausgebildet worden sind. 1 Ausser dem Grundstamme, der im
Arabischen und Hebräischen sein regelmässiges Passivum hat:
findet sich daher im Aramäischen nur noch die
' y y /" y y ~
entsprechende Reilexivform mit -Z], "ns, z. B. ,^2.^1,
..Lozj, P|pbBriK, bapflpK; 2 im Arabischen ist ausser der Reflexiv-
form wie ; sicli wälzen*, <>*.*-,sich zerstreuen*,
noch eine andere vorhanden, in welcher das reflexivische : auf-
tritt, das aber des Wohllautes wegen seine Stelle nicht am An
fänge, sondern in der Mitte des Wortes zwischen dem dritten
und vierten Radical erhalten hat. Die Form (JG.Ä*i! scheint
übrigens aus euphonischen Gründen nur von solchen Quadri-
literis ausgebildet worden zu sein, deren zweiter Wurzellaut
^ 0 " U rC ' ^ ^ u " o ^
eine Liquida ist, z. B. ,sich ausbreiten 4 , UazLwl ,sich
1 Ganz vereinzelt findet sich im Chaldiiischen vom Quadril. ,anzeigen‘
der Eschtaphal JHlöRttlK und im Hebräischen von bSÖl? ,links 1 der
Hiphil b’Söirn (für b’BöiPfl) abgeleitet. Nur die lautliche Aehnlichkeit
dieser beiden vierbuchstabigeu Wörter mit Triliteris hat solche Bildungen
ausnahmsweise ermöglicht.
2 Im Hebräischen sind nieht-intensivische verbale Quadrilitera überhaupt
selten, doch muss für diese das Vorhandensein einer entsprechenden lte-
fiexivform nach dem Muster der Intensitätsstammbildungen pcpIÜ'C’n,
nanöfin, bpbpnn als Bildungsmöglichkeit unbedingt zugegeben werden.
348
Porges.
aufrichtenu*..<u01 für ,taciturnus fuit' (Lumsden
gr. ar. S. 136). Ausserdem besitzt das Arabische von manchen
ö 0 'O
Quadriliteris auch eine Intensivform die nach Bedeu-
tung und Form der IX. und XI. Conjugation entspricht,
z. B. ^l+iat ,quietus fuit', I ,discurrit', ,abhorruit',
OS- „«1 '
JU-o! , durus fuit'. Es scheint, als ob diese Stammform
wiederum nur von solchen Verbis gebildet worden wäre,
deren dritter Radical ein Hauchlaut ist, wodurch die Form
£ — _ 0 "O ö <*o
JJL.il die ihr analoge Jl*il an Lautgewicht nicht um Vieles
übertrifft. Das Aethiopische besitzt ebenso viele Quadriliteral-
als Intensitäts-Stammformen, also ausser der Grundform ein
entsprechendes Causativum, meistens in Denominativbildungen,
z. B. A^CAA: ,tasten machen', Caus. von ^CAA: ,tasten', AAt®:
,Geruch einathmen' von Ai®: ,duften', AtiCIffl: ,schmücken',, cf.
,pulchra facie fuit, luxit', A^ihöl: (Denom.) ,in Schutz geben'
rd. [DU, jxn), AA.AP: ,die Nacht (nb’b) zubringen'; ferner ein
Reflexiv-Passiv mit •FP'iMi: ,sich verschleiern', -hi. AP: ,sich
nähren', ,von Grund aus zerstört werden', +ACP®:
,viehisch werden', +^AA*n: ,Fürst werden'; überdies noch eine
Reflexivform mit A - *: = (s. oben). Endlich hat das Aethio
pische auch einige Causativ-Reflexivformen mit reflexiv-causa-
tiver Bedeutung von Quadriliteris ausgebildet, z. B. Ah+A'iAA:
,Abschied oder Urlaub geben' von •üA'iAA: ,sicli beurlauben'
(dieses vielleicht von rad. bsw mit eingeschobenem abzuleiten).
Auch extensive Reflexiv-Passiv- und Causativ-Reflexivformen
hat das Aethiopische von manchen Quadriliteris abgeleitet, z. B.
ü'iYfAA: (cf. b'Z'bz') ,verkettet sein', üiVn-1-p: ,sich verschwören',
-t-A^A®: ,einträchtig beisammen sein' und davon Ah+A^A®: ,zu
sammenstimmend machen'.
Die Quinquelitera sind meist an sich schon zu schwer
fällig, als dass sie noch einer Erweiterung durch Anfügung
von Stammbildungssylben fähig wären. In der Regel also
findet sich von ihnen nur der Grundstamm, doch manchmal
auch das Reflexivum, wie >Q.Vn.N»zj, -üA'i'PAA: ,leise
mit einander flüstern', (Form JXt.il).
TJeber die Verbalsfammbildung in den semitischen Sprachen.
349
Das A=, welches im Aethiopisclien fast ausnahmslos 1 vor
Quinqueliteris erscheint, ist ausser in den Denominativis AWPAA:
und AA'VAiV, wo es causativbildend ist, wohl nur ein prosthe
tischer Hilfslaut. Dillmann (§. 177, S. 117, §. 85, II. S. 132) nimmt
zwar alle Quinquelitera mit anlautendem A: als wirkliche Cau-
sativa, doch wie es scheint mit Unrecht, denn erstens ‘bleibt
nach dieser Annahme unerklärlich, warum fünfbuchstabige Verba
im Aethiopischen stets nur in der Causativform sollten auf-
treten können, und zweitens warum dergleichen Formen ihrer
Bedeutung nach doch nichts weniger als Causativa sind. 2
Vielmehr lehrt die Vergleichung des Aethiopischen mit den
anderen semitischen Dialekten, dass es an die Stelle des prosthe
tischen mit kurzem e oder i versehenen Hauchlautes der anderen
Sprachen in der Regel ein A: treten lässt, z. B. Ah-M'-IA: =
Ji&ll = = bipipPiürt = bppPiüK. Ueberdies haben
die fünf buchstab igen Verba der Form bybvä auch im Ara-
bischen ein prosthetisches I, wie und demgemäss
ist wohl das A: in A’VIVflflUl: ebenfalls nur prosthetisch.
Fünftes Capitel.
Schluss.
Weitere Verbalstamm-Bildungsmöglichkeiten als die oben
auseinander gesetzten sind für den semitischen Sprachgeist
nicht vorhanden. Im Kreise dieser Stämme hat sich der Trieb
der semitischen Verbalstammformation vollständig erschöpft.
1 Eine der seltenen Ausnahmen ist A^IJPP: = äA’UP: ,maeruit, flaccuit 1 .
2 Wenn auch einzelne Quinquelitera in der That causativische Bedeutung
haben, so ist dies doch noch immer kein triftiger Beweis für die Dill-
mann’sche Ansicht, da wir immerhin mit Recht annehmen dürfen, dass,
ähnlich wie in den Reflexivis mit anlautendem A"V, das unklare Sprach
bewusstsein das A: vor Quinqueliteris fälschlich als Causativzeichen auf
gefasst und in Folge dieses Missverständnisses dem ganzen Verbalbegrilfe
sogar die Transitivität, welche ihm ursprünglich nicht zukam, späterhin
zuerkaunt hat (s. oben S. 835).
350
Por g68.
Allein nicht jede einzelne Sprache hat ein gleiches Bedürfniss
gefühlt und in gleichem Grade die Fähigkeit besessen, alle in
ihrem Bereiche gelegenen Bildungsmöglichkeiten in wirklichen
Bildungen zu realisiren, auch nicht jede Verbalwurzel war nach
ihrer lautlichen Gestalt und der ihr anhaftenden Bedeutung
zur Annahme aller Stammformen geeignet. Dazu kommt noch
die natürliche, ökonomische Sparsamkeit im Gebrauche der
vorhandenen Bildungen, welche wiederum zur Folge hat, dass
manche derselben immer seltener werden, im weiteren Verlaufe
der Sprachentwicklung fast ganz ausser Anwendung kommen
und endlich etwa nur noch als alterthümliche Formen hie und
da in der Schriftsprache sich erhalten. Gründe genug, warum
die semitischen Sprachen nur einen verhältnissmässig kleinen
Theil aller möglichen Stammbildungen auch wirklich besitzen.
Wir sprechen hier nur von solchen Verbis, die aus Verbal
wurzeln hervorgegangen sind; die Denominativa treten natürlich
stets nur in denjenigen Verbalformen auf, welche am besten
geeignet sind, die jeweiligen Beziehungen des Thätigkeitsbe-
griffes zum Nomen auszudrücken, und bilden auch weiter nie
mals mehr Formen aus, als das Bedürfniss erfordert. Am
reichsten und erschöpfendsten in der Ausbildung der Verbal
stämme ist das unter allen semitischen Sprachen am meisten
durchgebildete Arabische; die verschiedenen Stammformen
waren ein geeignetes Mittel, um die vielfachen Nebenbedeu
tungen, deren ein Wort fähig war, im Verbum selber auszu
drücken und zu unterscheiden. So kommt es, dass im Ara
bischen die verschiedenen Stämme einer und derselben Wurzel
in ihren Bedeutungen oft ungemein von einander abweichen, 1
während in den übrigen semitischen Dialekten in der Regel
die einzelnen Stammbildungen nach den oben erörterten Unter-
1 Nicht hierher gehören jene Beispiele, wo zwei Verbalstammformen,
die ihrer lautlichen Gestalt nach aus einer und derselben Wurzel her
zukommen scheinen, in Wirklichkeit keine nähere Beziehung’ zu einander
IJcl hllllli WiC
haben, als dass ihre Wurzeln Homonyma
- o s ^ ^ o -• g
dageg. ,vergolden' Denom. von (JO«5 ,brechen' dag.
ö G '. -- x-G^-
,versilbern' von x ^ f , Silber', pl f> ,schwimmen' dag. >
s, -
zwei Jahren tragen' von ,Jahr‘.
.Frucht von
Ueber die Verbalstammbildung in den semitischen Sprachen.
351
schieden inhaltlich von einander getrennt sind. Dass der ur
sprüngliche Begriff einer Verbalwurzel am einfachsten und
reinsten in dem einfachen, durch keinerlei äussere oder innere
Zusätze vermehrten Grundstamme hervortritt, ist natürlich und
darum auch fast immer der Fall. Doch kommt es oft vor,
dass dieser Stamm in der Sprache gar nicht vorhanden ist,
entweder niemals gebräuchlich war oder früh verloren ging,
und dass in Folge dessen einige später ausgebildete Stämme
ihrer Bedeutung nach nicht mehr auf den Grundbegriff der
einfachen Wurzel zurückgehen, sondern auf den erweiterten
Verbalbegriff irgend einer erweiterten Stammbildung zurück
geführt werden müssen. So erscheint Hiphil als der Bedeutung
nach vom Niphal gebildet, wo Kal nicht vorhanden ist, in
JJrnrn ,beschwören' von ,schwören', Ethpeel vom Aphel
in ,er wurde gezeigt' von ,zeigen' (vgl. dagegen chald.
Xin, hebr. ntn ,schauen'), ,er wurde überliefert' von
W-A; umgekehrt erscheint Niphal als Passiv-Reflexiv vom
Hiphil in “lötfj von Tüün, von D’bpn, von ähn
lich im Aethiopisclien -üt’JP'O: ,bekannt werden' von
,bekannt machen', +£>!>/,: ,geliebt werden' von ö;£$/,'■ ,lieben'.
Die Bedeutung eines erweiterten Verbalstammes bleibt im
Allgemeinen nur dann scharf von der des Grundstammes ge
sondert, wenn die Bedeutung der einfachen Wurzel im Sprach
bewusstsein noch nicht verwischt ist. Wo dies aber bereits
der Fall, können mit Leichtigkeit Bedeutungen vermehrter
Stämme auf den einfachen Grundstamm übertragen werden,
neben denen die alten Bedeutungen entweder erhalten bleiben
oder allmälig verschwinden. In Fällen, wo die Grundform
nicht mehr im Sprachgebrauche vorhanden ist, kann sie sogar
durch Rückbildung wieder von Neuem geschaffen werden, und
ein erweiterter Stamm fällt auf diese Weise gewissermassen
in den einfachen Grundstamm zurück. So hat K33 ,erschaffen'
seine Bedeutung erst vom Fiel K~i3, in welchem die eigentliche
und sinnliche Bedeutung der Verbalwurzel x*i3 ,graben, aus
hauen' sich erhalten hat, entlehnt, ebenso KB“; ,heilen' vom
Piel xan ,flicken' (cf. »i}), nb: offenbaren' vom Piel nb'a ,auf
decken', DKö ,verachten' vom Niphal dxöJ ,zerfliessen, verachtet
352
Porges.
werden'. Häufiger ist ein ähnliches Yerhältniss der Rückwärts-
bildung bei Causativis ersichtlich. Aus entstand
eine Grundform von gleicher Bedeutung-, aus bpv, ur
sprünglich Futurum des Hophal die Grundstammbildung- ba;.
Namentlich hat dieser Process bei mittelvocaligen Wurzeln
stattgefunden, und hier deshalb leichter, weil die Wegwerfung
des causativischen s, n genügte, um die Form eines einfachen
..
Grundstammes zu erhalten. So ward aus im Neuara
bischen • aus im Neusyrischen uui, aus nun ent
stand na, aus «an — wa. Aehnlich ward von -"fDln Imp. isp
Inf. niap gebildet und der Grundstamm naa hat auf diese
Weise vom Hipliil ppDih eine neue Bedeutung erhalten. Aus
bnn, ursprünglich Causativum von rad. bn, eigentlich ,nieder
werfen', in übertragener Bedeutung ,betrügen' (vergl. nö*j
,werfen', Piel ,betrügen', eigentlich zum Falle bringen wie
fallo, aipäkXw), entstand ein Intensitätsgrundstamm bnn, und
dieser scheint im Arabischen (in mit zu verhärtetem
1. Rad. in den einfachen Stamm zurückgefallen zu sein (s. Ewald
hebr. Spl. S. 333 ff.). Auch im Aetliiopischen zeigt sich Aehn-
liches. So hat erst von I. 3 seine Bedeutung ent
lehnt, desgleichen OäA : von °zää: u. a. m.
Die Uebertragung von Bedeutungen aus einem Verbal
stamme in den anderen hat aber in der Regel einen ganz
anderen Grund, als das Zurückfallen erweiterter Verbalbil
dungen in einfache oder das Rückwärtsbilden neuer Grund
formen. Die Verbalstämme sind nämlich schon von Natur derart
bedeutungsverwandt, dass die Gx-änzen, welche den einen von
dem anderen trennen, meist nicht scharf und bestimmt genug
sich ziehen lassen oder doch in Wirklichkeit nicht so streng
gezogen sind, um eine Ueberschreitung derselben durch den
Sprachgebrauch unmöglich zu machen. Oft sind es blos feine,
auf subjectivem Gefühl beruhende Nuancirungen, welche eine
Verbalform im Untei-schiede von einer andei-en auszudrücken
bestimmt ist, und nichts ist natürlicher, als dass die Sprache,
dei-gleichen feine Unterschiede ignorirend, späterhin manche
Stämme in einem Sinne gebrauchte, zu dessen Bezeichnung sie
lieber die Verbalstamrabildung in den semitischen Sprachen.
353
ursprünglich wohl nicht geeignet waren. Auch sind mit der
Zeit viele logisch scheinbar einfache, sprachlich jedoch abge
leitete Verbalbegriffe aus vermehrten Verbalstämmen auf die
entsprechenden einfachen übertragen und — noch mehr —
von da aus wieder in abermals erweiterter Bedeutung den
erweiterten Stammbildungen zugewiesen worden. 1 Wenn wir
nun noch hinzunehmen, dass meist schon die einfache Grund
form mehrere, wenn auch vielleicht ursprünglich wenig ver
schiedene Bedeutungen besass, welche allmälig in Folge der
verschiedensten Ideen-Associationen für eine Fülle concreter
und abstracter Begriffe die Grundlage ihrer Bezeichnung durch
die Sprache abgaben, dann werden wir es begreiflich finden,
warum in dem unter allen semitischen Dialekten sprachlich
am meisten durchgebildeten Arabischen das gegenwärtige Be-
deutungsverhältniss mancher Stammbildungen zu einander aller
Regeln zu spotten scheint. So regelmässig und wohlgegliedert
daher auch die semitische Verbalstammbildung als Ganzes
erscheint, so einfach und durchsichtig auch die Beziehungen
der einzelnen Stämme unter einander für den Grammatiker
sind, so werden wir es doch nie dahin bringen können, die
wirkliche vom Sprachgebrauche adoptirte Bedeutung einer
jeden Verbalform nach den Regeln a priori zu bestimmen.
1 So hat z. B. die Grundstammbildung büK von der Intensitätsform bSKiltl
ihre Bedeutung erhalten. Aehnlich geht Niphal *75133 auf den Piel 123
zurück, 7jp2: auf Tj-p (s. Ewald hehr. Spl. S. 333), YA'fy/^ ,erklärt
werden 1 auf I- 2, /wVhO): ,trauern machen 1 auf den Extensiv-
Grundstamm Arfiü): I. 3. Aehnlich lässt es sich erklären, dass im He
bräischen einzelne Causativbildungen, welche einen scheinbar einfachen
Verbalbegriff bezeichnen,, sich zur doppelten Transitivität, also zur
höchsten Causativkraft, die ihnen nicht von Natur inne wohnte, empor
schwingen konnten. So ward z. B. p3n ,unterscheiden 1 ausnahmsweise
um einen Grad höher causativ in Ps. 119, 27: Cl'SH ,mache mich ein
sichtig*. Das doppelt transitive p2n geht nämlich auf das aus dem
einfach transitiven Causativ durch Zurückfallen in den Grundstamm
(s. S. 352) entstandene p2 zurück. — Der Process des Zurückfallens in
den Grundstamm braucht aber nicht einmal wirklich in der Form, son
dern nur begrifflich im Gedanken des Redenden erfolgt zu sein, so t2'3n
,schauen* und ,schauen lassen*, als ob es ein Verbum t2D! ,schauen*, aus
nach rückwärts gebildet, wirklich gäbe.
354 Porges. Ueber die Yerbalstammbildnng in den semitischen Sprachen.
Doch wie dem auch sei, der Semitismus hat unstreitig in
seiner höchst charakteristischen Ausbildung der Verbalwurzel
zu zahlreichen Stammformen die höchste Stufe sprachlicher
Entwicklung erstiegen und in einer Weise behauptet, welche
für die Anlagen des semitischen Sprachgeistes stets ein be
redtes Zeugniss ablegen wird.
Verbesserungen.
S. 313, Anmerk. 3, Z. 4 v. o.: Vor dem Worte ,vorläufig 1 ist ,hier‘
einzusehalten.
S. 320, Z. 18 v. o. für ,Vocale‘ muss es heissen: ,Radicale‘.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXIX, BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1875. — FEBRUAR.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXIX. Ud. II. Hft.
23
IY. SITZUNG VOM 3. FEBRUAR 1875.
Die Direction der k. k. Unterrealschule zu Bruneck
spricht den Dank aus für die von der Classe empfangenen
Schriften.
\
Die Direction der Bürgerschule zu Ungarisch-Brod
erstattet den Dank für die überlassenen Publicationen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1872. VIII. und X. Heft. Wien, 1874; 4°.
Cunningham, A., Arehaeological Survey of India. Report for the Year
1871—72. Calcutta, 1874; 8°.
Fischer, Karl, Festschrift aus Anlass des 50jährigen Jubiläums der k. k.
priv. wechselseitigen Brandschaden-Versicherungs-Anstalt. Wien, 1875; 4°.
Gesellschaft der Wissenschaften, kgl. Böhmische: Sitzungsberichte. 1874,
Nr. fi. Prag; 8°.
— Kurländische, für Literatur und Kunst: Sitzungs-Berichte aus dem Jahre
1873. Mitau, 1874; 8°.
Harz-Verein für Geschichte und Alterthumskunde: Zeitschrift. VII. Jahr
gang. 1874. 4. Heft. Wernigerode; 8°. — Teppiche des Jungfrauenstiftes
Marienberg bei Helmstedt. Von Frh. A. F. v. Münchhausen. Werni
gerode, 1874; 4°.
Haswell, J. M., Grammatical Notes and Vocabulary of the Peguan Language.
Rangoon, 1874; 8°.
Institut Royal Grand-Ducal de Luxembourg: Puhlications de la Section
historique. Annee 1873. XXVIII (VI.) Luxembourg, 1874; 4°.
23*
358
Nachrichten über Industrie, Handel und Verkehr, aus dem statist. De
partement im k. Ir. Handelsministerium. VI. Band, 2. Heft. Wien, 1874; 4 n .
,Revue politique et litteraire 1 et .Revue scientifique de la France, et de
l’etranger 1 . IV e Annee, 2 e Serie, N 09 30—31. Paris, 1875; 4°.
Society, The Asiatic, of Bengal: Journal. Part. II. Nr.2. 1874. — Proceedings.
Nr. VIII. August, 1874. Calcutta; 8°.
V. SITZUNG VOM 17. FEBRUAR 1875.
Der Vorstand der k. k. Hofbibliothek in Wien bestätigt
dankend den Empfang von drcissig Exemplaren des siebenten
Bandes der von der k. Akademie herausgegebenen Tabulae
codicum manu scriptorum.
Die Direction des k. k. Staatsgymnasiums der innern
Stadt in Wien spricht den Dank aus für die überlassenen
Publicationen.
Herr Director S. Lj u b ic in Agram legt fünf Exemplare
seines mit Unterstützung der k. Akademie herausgegebenen
Werkes: ,Opis Jugoslavenskih liovaca' vor.
Das w. M. Herr Professor A. Mussafia legt eine Ab
handlung: ,Die catalanische metrische Version der sieben weisen
Meister' vor, mit dem Ersuchen um Aufnahme derselben in die
Denkschriften.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Bayer., zu München: Sitzungsberichte
der philosoph.-pliilolog. u. histor. Classe. 1874. Bd. II. Heft. 1. München; 8°.
— Abhandlungen der philos.-philolog. Classe. XIII. Bandes 2. Abtheilung.
München, 1874; 4°; — Abhandlungen der mathem.-physik. Classe. XI. Bandes
3. Abtheilung. München, 1874; 4°. (Nebst den betreffenden Separatab
drücken.) — Ueber den Einfluss des Freih. Justus v. Liebig auf die
Entwicklung der reinen Chemie. Denkschrift von Emil Erlenmeyer.
München, 1874; 4°. — Ueber Deutschlands Weltstcllung. Rede von Franz
v. Löher. München, 1874; 8°.
— — und Künste, siidslavische: Rad. Knjiga XXIX. U Zagrebu, 1874; 8°.
359
Gesellschaft, k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XVIII
(neuer Folge VIII), Nr. 1. Wien, 1875; 8°.
Halle, Universität: Akademische Gelegenheitschriften aus dem Jahre 1874.
4° und 8°.
Ljubic, Simeone, Opis jugoslavenskih novaca. (Mit Unterstützung der kais.
Akademie d. Wiss. in Wien lierausgegebeu.) U Zagrebu, 1875; 4°.
Madrid, Universität: Revista. 2 a Epoca. Tomo IV, Nr. 3—6. Madrid, 1874; 4°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 21. Band, 1875.
I. Heft. Gotha; 4°.
Quetelet, A., Congr&s international de statistique. Bruxelles, 1873; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
l’etranger 1 . IV U Annee, 2° Serie, N oa 32—33. Paris, 1875; 4°.
Verein, liistor., für Schwaben und Neuburg: Zeitschrift. I. Jahrgang,
1. —3. Heft. Augsburg, 1874; 8°. — XXXV. Jahres-Bericht, für 1869 und
1870. Augsburg, 1872; 8°.
Vischer, Wilhelm, Das Urner Spiel vom Wilhelm Teil. Basel & Genf, 1874; 4".
VI. SITZUNG VOM 24. FEBRUAR 1875.
Der Oberbibliothekar Herr Dr. L. v. Steiger dankt im
Namen der Bibliotheks-Commission der Stadt Bern für das von
der Classe der dortigen Bibliothek an akademischen Publica-
tionen gemachte Geschenk.
Das w. M. Herr Dr. Pfizmaier übersendet eine für die
Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung, betitelt; Ungewöhn
liche Erscheinungen und Zufälle in China um die Zeiten der
südlichen Sung‘.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
A cademie Royale de Belgique: Bulletin. 43° Annee, 2° Serie, Tome XXXVII.
N° 6; Tome XXXVIII, N°“ 7 — 12. Bruxelles, 1874; 8°. — Annuaire,
1875. XLI mc Annee. Bruxelles; kl. 8°.
360
Akademie der Wissenschaften, k. k., zu Krakau: Pamietnik. Wydzial
mathem.-przyrodniczy. Tom I. W Krakowie, 1874; 4°. — Munumenta medii
aevi historica res gestas Poloniae illustrantia. Tomus 1. W Krakowie, 1874;
4°. — Sprawozdanie komisyi fizyjo-graficznej. Tom VIII. 1874; 8°. —
Rozprawy i sprawodzd. z posiedzen. Wydzialu filolog. Tom I. 1874; 8°;
wydzialu histor.-filozof. Tom II. 1874; 8°; wydzialu matem.-przyrod. Tom I.
1874; 8°. — Lud. Serya VIII. Czesc IV. Krakow, 187ö; 8°. •— Niemiecko-
polski slownik. W Krakowie, 1874; 8°. — Anton Walewski, Dzieje
bezkrolewia po skonie Jana III. Tom I. W Krakowie, 1874; 8°. — A. Z.
Hel ela pism pozostalich. Tom I. W Krakowie, 1874; 8°.
Filopanti, Quiricus, Indication de quelques uouvelles idees seientifiques
exposees dans son ouvrage ,L’ Universo“. Bologne, 1875; 8°.
Malo, L6on, Notice sur Eugene Flachat. Paris, 1873; 8°.
Peov, T., Zeitschrift der bulgarischen gelehrten Gesellschaft. I. Jahrgang,
9. u. 10. Heft. Braila, 1874; 8°.
Räjendraläla Mitra, Notices of Sanskrit Mss. Nr. VIII. (Vol. III, Part 1.)
Caleutta, 1874; 8°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientilique de la France et de
l’etranger“. IV e Annee, 2° Serie, N" 34. Paris, 1875; 4°.
Society, The Royal Geographical, of London: Proceedings. Vol. XIX, Nr. 1.
London, 1875, 8°.
Verein, siebenbürgischer, für romanische Literatur und Cultur des roma
nischen Volkes: Transilvani’a. Anulu VIII, Nr. 1 -4. Kronstadt, 1875; 4".
Pfizraaier. Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
361
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China
um die Zeiten der südlichen Sung.
Von
Dr. A. Pfizmaier,
wirkl. Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften.
_Uie seit dem Sse-ki in ununterbrochener Reihenfolge
erschienenen grossen Geschiehtswerke Chinas bestehen, hierin
von einer hergebrachten Anordnung nicht abweichend, regel
mässig aus drei Hauptabtheilungen: f- « ,Geschichte der
Kaiser', Denkwürdigkeiten' und n i$ ,Ueberlieferun-
gen von Personen'. Eine Unterabtheilung der JjD Denkwürdig
keiten' ist ^ ff ,die fünf Grundstoffe', in welcher die in
Bezug auf die fünf angeblichen Elemente: Metall, Wasser,
Holz, Feuer, Erde vorgekommenen ungewöhnlichen Erschei
nungen verzeichnet werden. Während jedoch das Sse-ki und
die Bücher der beiden Han unter dieser Aufschrift wenig Be-
merkenswerthes enthalten, bietet das von Tschin-yö
verfasste Buch der (südlichen) Sung (100 ^ ,Bücher' in 16
Bänden) vieles, das allerdings Beachtung verdient und nicht
nur die Sache selbst als etwas sehr Eigenthümliches erscheinen
lässt, sondern bisweilen auch die Sitten der Zeit zu beleuch
ten und manche geschichtliche Nachrichten zu ergänzen im
Stande ist.
Das genannte Buch der Sung richtet in diesem Theile
sein Augenmerk vorzugsweise auf die vorhergegangene Dynastie
Tsin und auf die Zeiten der drei Reiche, in weit geringerem
Masse auf die südlichen Sung, letzteres wohl aus dem Grunde,
weil diese von Dauer kurze Dynastie an Ereignissen der
gemeldeten Art ärmer sein mochte. Der Verfasser dieser Ab-
362
Pfizmaier.
handlung hat in seiner Arbeit das wirklich Denkwürdige und
Neue, das sich in dem Buche der Sung vorfand, aufgenommen
und auch die daran geknüpften, grösstentheils politischen Deu
tungen wiedergegeben, das für uns Werthlose, wie die oft ein
förmige Aufzählung gewöhnlicher Naturerscheinungen, aber
nicht berücksichtigt. Bemerkt werde, dass sämmtliche in den
fünf Büchern der fünf Grundstoffe besprochenen Erscheinungen
unglückverkündender Art sind. Zur Bezeichnung dieser Eigen
schaft dienen die Ausdrücke ,Unglück', ^ ,Ungeheuer
lichkeit', f|| , Ausartung'.
In dem Buche werden die in ihm behandelten Gegen
stände in Classen getheilt, denen besondere, mehr oder minder
dunkle Benennungen zukommen. Diese Classen sind, mit Aus
schluss derjenigen der minder bedeutenden Dinge, die folgen
den: Veränderungen der Eigenschaft des Holzes (das Holz
nicht das Krumme und Gerade), verändertes Aeussere der
Menschen (die Haltung nicht ehrerbietig), Ungeheuerlichkeiten
der Kleidung, Veränderungen der Eigenschaft des Metalls und
anderer metallähnlicher Stoffe (das Metall nicht gefügig), War
nungen, unbegründete Furcht und unbegründete Reden (das
Wort nicht befolgt), seltsame Erscheinungen an Hunden
(Hundeunglück), Entartungen der für weiss gehaltenen Gegen
stände (Aufziehen des Weissen, Vorzeichen des Weissen), Be
schädigungen des Metalls durch Holz, Ungeheuerlichkeiten der
Pflanzen, Ausartung der Flügelthiere, Entartungen der für roth
gehaltenen Gegenstände, Ungeheuerlichkeiten der Trommeln
(oder trommelähnlicher Töne), seltsame Erscheinungen an Rin
dern (Rinderunglück), Ungeheuerlichkeiten des Pfeilschiessens,
seltsame Erscheinungen an Pferden (Pferdeunglück), Unecht
heiten der Menschen (Missgestalten, Missgeburten, ungeheuer
liches Auftreten der Menschen), Ungeheuerlichkeiten der Ge
dichte.
Das Holz nicht das Krumme und Gerade. 1
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Wei, im ersten
Monate des sechsten Jahres des Zeitraumes Hoang-thsu (225
1 ft j|=j Khiö-tsehl ,das Krumme und Gerade“ ist in dem Schu-king
die Benennung des Holzes, weil es krümm und auch gerade ist. Der
Sinn ist liier: das Holz wird seiner Eigenschaft verlustig.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
363
n. Chr.) regnete es Holzeis. 1 |f|] ^ Lieu-hin erklärte: Das
Holz ist nicht das Krumme und Gerade. ^)| |fj] Lieu-hiang
sprach: Das Eis ist die Vollkommenheit des Yin. Das Holz
ist das kleine Yang. Es ist ein Bild des vornehmen Dieners.
Dieser Mensch wird ins Verderben gerathen. Die Luft des
Yin bedrängt das Holz. Das Holz ist früher kalt. Desswegen
wird es zu Eis, nachdem es Regen erhalten. Im sechsten Mo
nate dieses Jahres wurden die Provinzen Li und Ping 2 von
Kriegsvolk überzogen. Tsai-fang und Andere tödteten
den Statthalter Siü-tschi. Sie stützten sich auf die
Provinz und empörten sich. Vieles ward von ihnen bedrängt
und durchstreift. Zugleich sammelten sie um sich, was sich
durch die Flucht dem höchsten Befehle entzogen. Man schickte
zwei Hiao-wei und den stechenden Vermerken von Tsing-tscheu,
damit sie in Gemeinschaft Strafe verhängen und den Frieden
herstellen. Der Statthalter ist ein ehemaliger Lehensfürst. Es
war das Entsprechende, dass der vornehme Diener ins Ver
derben geräth. Einige sagten: Das Holzeis ist ein Bild der
Lederpanzer und Angriffswaffen, ln diesem Jahre, nachdem
man Tsai-fang gestraft hatte, befehligte ferner im achten Mo
nate der Himmelssohn ein Heer der Schiffe und unternahm
den Eroberungszug gegen U. Seine Kriegsmänner waren zehn
mal zehntausend, die in Reihen gestellten Fahnen bedeckten
eine Strecke von mehreren hundert Weglängen. Im Angesichte
des Stromes hielt er eine Heerschau.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im zweiten
Monate des dritten Jahres des Zeitraumes Thai-hing (320 n.
Chr.) regnete es Holzeis. Zwei Jahre später geriethen g|j
Tscheu-I, Tai-yuen, /] j'jfy Tiao-hiä und
Lieu-wei ins Verderben. Es stimmte mit dem Frühling und
Herbst überein, es war das; Entsprechende. Einige sagen: Dass
nachher ^ ^ Wang-tün die Mutterstadt überfiel, davon
war es ebenfalls das Bild.
1 M tK
,es regnete Holzeis‘ ist so zu verstehen, dass es regnete
und dabei das Holz sich mit Eis überzog.
2 Die Provinzen Li-tscheu und Ping-tscheu. Das Wort
,Landstrich 4 findet sich öfters weggelassen.
Tscheu
364
Pfizraaier.
Zu den Zeiten des Kaisers Mö von Tsin, im ersten
Monate des achten Jahres des Zeitraumes Yung-ho (352 n. Chr.),
regnete es Holzeis. In diesem Jahre unternahm Wi Yin-hao
den Angriff im Norden. Das nächste Jahr wurde sein Kriegs
heer geschlagen. Im zehnten Jahre wurde er abgesetzt. Man
sagt auch: Es ist das Bild, dass ^ Siün-sien und Yin-
hao im Norden angriffen und Hoan-wen in den Grenz
pass drang.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im zwölften
Monate des vierzehnten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen
(389 n. Chr.) regnete es Holzeis. Im zweiten Monate des
nächsten Jahres verwaltete Wang-kung das nördliche
Gehege. Im achten Monate verwaltete m m Yü-kiai das
westliche Gehege. Im neunten Monate wurde 3E H W Wang-
kue-pao Gebietender der Bücher der Mitte. Plötzlich wurden
ihnen die Stellen von Heerführern verliehen. Im siebzehnten
Jahre ward m # ü Yin-tschung-kan mit der Verwaltung
von King-tscheu betraut. Obgleich er für Recht und Unrecht
andere Bemessungen hatte, wurde er zuletzt mit Jenen zugleich
zermalmt und vernichtet. Dieses war das Entsprechende. Man
sagt auch: Obgleich # m Fu-kien geschlagen wurde, waren
Kuan-tscheu und Ho-tscheu noch nicht geeinigt. Die Sien-pi
aus T # Ting-ling plünderten und durchstreiften die Pro
vinzen Sse, Yuen, Teu, Yang, Sching und Sehen. Sie bedrängten
Liang und Yung. Die Dienstleistungen der Krieger nahmen
kein Ende. Dieses war ebenfalls das Entsprechende.
Zu den Zeiten ^ ^ Sün-liang’s von U, im zweiten
Jahre des Zeitraumes Kien-hing (253 n. Chr.), unternahm
jä§ Tschü-kö-khö den Eroberungszug gegen Hoai-
nan. Nachdem er ausgezogen, brach der Porstbalken der Ge
richtshalle, in welcher er sass. Khö stellte unnützer Weise ein
Heer auf und berief zur Dienstleistung. Er raubte dem Volke
die Zeit des Ackerbaues. Er machte Unrechte Entwürfe und
schädigte das Reich an Gütern und Kraft. Desswegen ward
das Holz seiner Eigenschaft verlustig, es ward zerstört und
brach. Es kam so weit, dass er das Heer herumführte und hin
gerichtet und vernichtet wurde. In dem Buche der Verwand
lungen ist ebenfalls das Unheil der Schwäche des Forstbalkens.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
365
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im fünften
Monate des fünften Jahres des Zeitraumes Thai-khang (284 n.
Chr.) sank die Erde in dem Ahnentempel des Kaisers Siuen
ein, die Dachbalken brachen. Im ersten Monate des achten
Jahres sank die Vorhalle des grossen Ahnentempels ebenfalls
ein. Man erbaute den Ahnentempel neu und mauerte den
Grund bis zu den Quellen. Im neunten Monate dieses Jahres
baute man dann wieder einen neuen Ahnentempel. Mail brachte
aus der Ferne berühmtes Bauholz und mengte es mit kupfer
nen Säulen. Tschin-hiä war der Baumeister. Es ar
beiteten daran sechzigtausend Menschen. Im vierten Monate
des zehnten Jahres war er vollendet. Im eilften Monate, Tag
Keng-yin (27), brachen wieder die Dachbalken. Das Einsinken
der Erde ist das Bild der Trennung. Wenn die Dachbalken
brechen, ist das Holz nicht das Krumme und Gerade.
Siin-sching sagte: Um die Zeit entstand in der Vorhalle des
rückwärtigen Palastes ein verderbliches Feuer. Ferner brachen
die Dachbalken des Ahnentempels ohne Ursache. Vor diesem
hatte der Kaiser vieles Unvorhergesehene, und es war ihm noch
mehr zuwider. Im nächsten Jahre starb der Kaiser, und die
Häuser der Könige geriethen augenblicklich in Verwirrung.
Man verlor hierauf die Welt.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im zweiten
Jahre des Zeitraumes Thai-ngan (303 n. Chr.), hiess
Ying, König von Tsching-tu, ^ Lö-ki an der Spitze
der Heeresmenge sich gegen die Mutterstadt wenden und
I, König von Tschang-scha, angreifen. Das Kriegsheer war
erst herangezogen, als die Zahnstange 1 brach. Unvennuthet
wurde er in dem Kampfe geschlagen, Ki wurde hingerichtet.
Ying trachtete zu entfliehen. Sein Heer löste sich auf, und er
ward zuletzt mit dem Tode beschenkt.
Als ^ Wang-tün sich in Wu-tschang befand,
wuchsen an dem Musterstabe unter den Glöckchen Blumen,
die gleich den Blüthen der Wasserlilie. Nach fünf bis sechs
Tagen welkten sie und fielen ab. Hier hatte das Holz seine
Eigenschaft verloren und veränderte sich. "F ü Kan-pao
sprach: Die Seitenthüre der Glöckchen ist das Bild des
1 Die Zahnstange ist eine mit Elfenbein verzierte Fahnenstange.
2
366
Pfi zmaier.
Geehrten und Vornehmen. Der Vorgesetzte unter den Glöck
chen ist die Obrigkeit von Ehrfurcht gebietendem Aussehen.
Jetzt wachsen wahnsinnige Blumen auf dürrem Holze. Sie be
finden sich ferner an der Seitenthüre der Glöckchen. Dieses
besagt: Das Grossartige des Ehrfurcht gebietenden Aussehens,
die Fülle der Blüthen des Ruhmes, sie sind gleich dem Her-
vorspriessen wahnsinniger Blumen: sie können nicht lange
währen. Später wurde er endlich wegen Widersetzlichkeit gegen
den höchsten Befehl eingezogen und erging ferner über ihn
die Tödtung. Dieses war das Entsprechende. Man sagt auch:
Diese Blumen waren Kinder des Verderbens. In den Verwand
lungen der Tscheu ist es: Auf dürren Weidenbäumen wachsen
Blüthen.
Als m £ Hoan-hiuen sich die höchste Rangstufe erst
angemasst hatte, brach die Stange der Glockenfahne des Dra
chen. Hiuen veranstaltete Jagden, hielt Auszüge und Einzüge
ohne Unterbrechung. Er ass und trank am Abend und in der
Nacht, schlemmte im Uebermasse. Erde und Holz hinderten
den Ackerbau. Er machte ferner viele verrätherische Anschläge.
Desswegen verlor das Holz seine Eigenschaft. Womit die
Glockenfahne verglichen wird, es ist der Glanz der drei Stern
bilder, der das Licht auf legt. Die Stange der Glockenfahne
bricht, das hohe Licht ist entschwunden. Nachdem er sich auf
seiner Rangstufe achtzig Tage befunden, wurde er geschlagen.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Sung, im fünften
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Thai-schi (466 n.
Chr.), erglänzte auf dem Berge der gelben Feste von Lin-I
in dem südlichen Lang-ye ein Pfeiler auf dem Dache der Halle
des Wegmannes Scbing-tao-tu in der Nacht von
selbst und erleuchtete das Innere des Hauses. Hier hatte das
Holz seine Eigenschaft verloren. Einige sagen: Wenn das Holz
faul ist, glänzt es von selbst.
Die Haltung nicht ehrerbietig.
§[i Jl| Teng-yang, oberster Buchführer zu den Zeiten
der Wei, gestattete im Einherschreiten den Sehnen, dass sie
den Leib nicht zusammenhielten. Im Sitzen und Aufstehen
neigte er sich auf die Seite, als ob er keine Hände und Füsse
F SÄ Kuan-lu
hätte. Dieses war eine unehrerbietige Haltung
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
367
nannte dieses: Jj|j» Kuei-tsao ,die Dämonenbeweglichkeit'.
Die Dämonenbeweglichkeit ist ein Vorzeichen des unglück
lichen Endes. Später wurde er endlich hingerichtet.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Yuen-khang (291 bis 299 n. Chr.), traten die jüngeren
Brüder der umherschweifenden vornehmen Gäste zusammen
und veranstalteten Trinkgelage bei fliegendem Haupthaar und
nacktem Leibe. Sie tändelten gegenüber mit den Sclavinnen
und Nebenweibern. Wer sich widersetzte, litt Einbusse an der
Freundschaft. Wer sie des Unrechts zieh, wurde verspottet.
Die vorzüglichen Männer, auf welche das Zeitalter blickte,
schämten sich und nahmen nicht Theil. Es war nämlich der
Beginn des Eindringens der Menschen von Hu in das mittlere
Reich. Wie sollte es sein, dass das Volk von I-tscliuen einmal,
von seinem Haupthaare bedeckt, opfert?
In demselben Zeiträume Yuen-khang, zu den Zeiten des
Kaisers Hoei von Tsin, trat ^ ^ Ku-mi als Nahestehen
der und Vornehmer mehrmals in den zweiten Palast und lust
wandelte und spielte mit dem zugetheilten Gebieter. Er hatte
keinen unterwürfigen Sinn. Er spielte auch einst mit ihm das
Bretspiel und stritt um den Weg. Ying, König von Tsching-
tu, sprach mit strenger Miene: Der kaiserliche Nachfolger ist
der Zugesellte des Reiches. Wie wagt es Ku-mi, die Gebräuche
hintanzusetzen? — Mi änderte sich noch immer nicht. Dess-
wegen gerieth er ins Verderben.
In dem Zeiträume Thai-yuen (376 bis 396 n. Chr.) trugen
die Menschen keine Kopfbinden mehr. Der Kopf ist das ur
sprüngliche Haupt. Die Binde lässt das Haupthaar nicht herab
sinken. Sie ist es, welche dem ursprünglichen Haupte beisteht
und die vorschriftsmässige Zierde bildet. Jetzt schaffte man sie
plötzlich ab. Wenn der Gebieter der Menschen allein steht
und keine Stütze hat, so gelangt er dadurch zu Gefahr und
Untergang. Später musste sich 1/ Hoan-hiuen die Würde
des Himmelssohnes an.
Wenn man ehemals Holzschuhe verfertigte, drangen die
Zähne über dem viereckigen Holze durch. Man nannte dieses:
m m Lu-mao ,die offenbare Bedeckung'. In dem Zeiträume
Thai-yuen drangen sie plötzlich nicht durch. Man nannte dieses
It w Yin-mao ,die verborgene Bedeckung'. Später gab es
368
Pfizmaier.
viele Anschläge im Verborgenen. Man machte alsbald grosse
Wirren entstehen.
Der spätere Kaiser Fei (von Sung) ritt immer einzeln
und schweifte in der Ferne umher. Wenn er auf den Märkten,
in Strassen, Lagern und Klöstern aus- und eintrat, gebrauchte
er gewöhnlich nicht den kaiserlichen Handwagen. Zuletzt stürzte
er und wurde vernichtet,
Ungeheuerlichkeiten der Kleidung.
Kaiser Wu von Wei, in Betracht ziehend, dass die Welt
voii Unglück heimgesucht und wüst war, die Güter mangelten,
verglich zuerst die aus Fellen verfertigten Seitenlappen der
Mützen des Alterthums und schnitt aus Atlas und Tuch weisse
Hauben. Er veränderte dadurch die alte Tracht.
Fu-hiuen sprach: Weiss ist Sitte des Kriegsheeres, es ist nicht
Sitte des Reiches. ^ ^ Yü-pao hielt dafür: die gebleichte
Farbe sei einfach unheilvoll, die Trauer um den Todten sei
die Haube. Es seien Worte für Zerstörung und Schande. Das
Leder ist nämlich das Letzte des Zeitalters, das Ungeheuer
liche des Angriffs und der Tödtung. Als man anfänglich weisse
Hauben verfertigte, nähte man den Vordertheil zu, um ihn
von dem Hintertheile zu unterscheiden. Man nannte ihn
Yen ,das Gesicht'. Dieser Gebrauch setzte sich im gemeinen
Leben fort. In dem Zeiträume Yung-kia von Tsin (307 bis
312 n. Chr.) entfernte man allmälig die Naht. Man nannte
dieses ,gesichtlose Hauben'. Doch wenn die Frauen das Haupt
haar zusammenfassten, ward dieses immer loser. So fest sie es
auch knüpften, es konnte nicht aufrecht stehen. Das Haupt
haar bedeckte die Stirn, und es trat nichts als die Augen
hervor. ,Ohne Gesicht' ist ein Wort für ,sich schämen'. Die
Stirn bedecken, ist die Haltung der Scham. ,Immer loser
werden' besagt, dass die Welt Gebräuche und Gerechtigkeit
vergisst, dass sie den Leidenschaften freien Lauf lässt, und am
Ende zu grosser Schande gelangt. Nach dem Zeiträume Yung-
kia kehrten zwei Kaiser nicht zurück. Die Welt schämte sich.
Kaiser Ming von Wei setzte eine Mütze von fünffarbigem
Stickwerk auf und trug Aermel, deren eine Hälfte blau, die
andere farblos war. Er zeigte es einst dem geraden Diener
JpLYang-feu. Dieser tadelte ihn und fragte: Nach welcher
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
369
Vorschrift in den Gebräuchen ist diese Kleidung? — Der
Kaiser schwieg. Es war nahezu Ungeheuerlichkeit der Klei
dung. Blau ist keine Farbe nach den Gebräuchen. Schmutz
kleider sind nicht zweierlei. Der jetzige Gebieter der Menschen
kleidet selbst sich in vorschriftswidrigen Farbenschmuck. Dieses
heisst: Die Ausartung, welche man selbst hervorbringt, kann
nicht gebannt werden. Nachdem der Kaiser nicht die ewigen
Jahre erlangt, verfiel er mit dem Leibe, und der Segen ent
fernte sich von den Häusern der Könige. Die spätere Nach
kommenschaft nahm kein gutes Ende. Man verlor alsbald
die Welt.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, im ersten
Jahre des Zeitraumes King-thsu (237 n. Chr.), grub man
Kupfer aus und goss zwei riesige Menschen, die man ^
Ung-tschung ,Mitteigeborne der Greise' nannte. Man stellte sie
vor dem Thore des Vorstehers der Pferde auf. Das Alterthum
lehrt: Wenn lange Menschen erscheinen, so sind sie der Unter
gang der Reiche. Lange nördliche Fremdländer erschienen in
[JjU yßfa Lin-thao. Sie waren das Unglück des Unterganges
von Thsin. Der Kaiser des Anfangs merkte nicht darauf. Er
hielt es im Gegentheil für ein glückliches Zeichen. Er goss
kupferne Menschen und bildete sie ab. Wei nahm zum Muster
die Geräthe untergehender Reiche, und von Rechtswegen hatte
es zuletzt nichts zu nehmen. Es waren nämlich Ungeheuerlich
keiten der Kleidung. 1
'fr
Ho-yen, oberster Buchführer zu den Zeiten der
Wei, liebte es, Frauenkleider zu tragen. # £ Fu - hiuen
sprach: Dieses ist Ungeheuerlichkeit der Kleidung. Die Vor
schriften für die Kleider, durch sie bestimmt man das Höhere
und Niedere, unterscheidet das Innere und Aeussere. Das
grosse Richtige sagt: Ein schwärzliches Drachenkleid, rothe
Doppelschuhe, Hakenbrust, gemeisseltes Zinn. — Es besingt
deren Schmuck. Das kleine Richtige sagt: Es ist Ernst, es ist
Pracht, gemeinsam des Kriegsmuthes Gewand. — Es besingt
deren kriegerisches Aussehen. Wenn das Innere und Aeussere
1 Ungeheuerlichkeiten der Kleidung 1 bezieht sich nicht auf das hier zuletzt
Gesagte, sondern auf das frühere, wo Kaiser Ming eine neue Kopf
bedeckung einführt.
370
Pfizmaier.
sich nicht unterscheiden, so sind die Vorschriften der Könige
ihrer Ordnung verlustig. Wenn Ungeheuerlichkeiten der Klei
dung entstanden sind, folgt der Leib ihnen zum Untergange.
jfo ä. Mei-hi trug Männermützen, und Khie verlor die Welt.
Ho-yen trägt Frauenkleider, und er verliert' ebenfalls sein
Haus. Das Unheil ist das gleiche.
Die Frauen von U, welche sich zurecht machten, fassten
hastig ihr Haupthaar zusammen und theilten es zu Hörnern,
welche über die Ohren gingen. Der Gebrauch nämlich, fest
zuhalten, zusammenzubinden und mit grosser Eile Hörner zu
bilden, bedeutet das Ausserachtlassen der Mitte. Desswegen
ist es Sitte in U, einander nachzujagen, mit hastigen Worten
das Schiessen mit Armbrustkugeln zu erörtern und durch augen
blicklichen Schmerz einander zu schätzen. Diejenigen, welche
die Trauer dreier Jahre hatten, brachten hier und dort Zer
störung zu Wege und starben. ^ Tschti-kö war darob
besorgt. Er veröffentlichte die Erörterungen der richtigen Ver
bindung. Konnte er auch nicht nach der Richtschnur belehren,
der Unordnung steuern, war es doch ebenfalls ein Unternehmen
für die Rettung seines Zeitalters. Nach der von % #
Sün-hieu gegebenen späteren Vorschrift für die Kleider war
der obere Theil lang, der untere Theil kurz. Ferner häuften
sich an dem Halse fünf bis sechs Theile, doch für das untere
Kleid blieben ein oder zwei Theile. -J-* ^ Yü-pao sprach:
Bei dem oberen Theile Ueberfluss und Verschwendung, bei
dem unteren Theile Sparsamkeit und Knappheit, dieses ist die
Ungeheuerlichkeit des Uebermasses nach oben und des Unge
nügenden nach unten. % fö Sün - hao war wirklich ver
schwenderisch, grausam und eigenwillig nach oben, aber die
hundert Geschlechter verkümmerten und ermatteten nach unten.
Zuletzt verlor er das Reich. Dieses war das Entsprechende.
Nach der Erhebung von Tsin waren die Kleider oben
knapp, unten überreich. Wer die Kleider anzog, drückte sie
nieder. Das untere Kleid war nämlich das Bild, dass der Ge
bieter herabgekommen und schwach, der Diener zügellos und
ausgelassen, dass der Niedere den Höheren verdeckt. Es war
gegen das Ende des Zeitraumes Yuen-khang (291 bis 299 n.
Chr.). Die Frauen nahmen die beiden Bekleidungen der Brust
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
371
und des Rückens heraus und brachten sie über den Beinen
an. Hier trat das Innere nach Aussen.
Wer sich der Wagen und Gespanne bediente, schätzte
vor Allem das Leichte und Dünne. Auch veränderte man mehr
mals deren Gestalt. Man hielt weisse Bambushaut für echt
farbig-. Was die überlieferte Gestalt der Trauerwagen des Alter
thums betrifft, so ist das Gespann ein Geräthe des Weisheits
freundes. Der Weisheitsfreund erhebt nämlich sein Herz. Er
hat keine immerwährende Angelegenheit und legt nicht die
Wirklichkeit zu Grunde. Yü-pao sagte: Zur Zeit des Unglücks
von Tsin verlor der Himmelssohn die Handhabe. Die Macht
ward durch die begünstigten Diener hergestellt. Es war das
Entsprechende dessen, dass das Niedere das Höhere verdeckt.
Gegen das Ende des Zeitraumes Yung-kia (307 bis 312 n. Chr.)
wanderten die begabten Menschen der Paläste aus und über
siedelten zu den westlichen und nördlichen Barbaren. Dieses
war das Entsprechende dessen, dass das Innere nach aussen
tritt. Als die Welt in Verwirrung gerieth, kehrten viele Vor
gesetzte, Stützen und Aelteste der Gegenden ihrem Vertrauens
amte den Rücken. Sie wechselten auch mehrmals ab. Dieses
war das Entsprechende dessen, dass man die Wirklichkeit nicht
zu Grunde legt.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, nach dem Zeit
räume Thai-schi (265 bis 274 n. Chr.), schätzte und gebrauchte
man in dem mittleren Reiche Betten von Hu, Schüsseln von
Mi und bereitete Gebratenes von -=^ Kiang, Gebratenes
von Ml. Die vornehmen Menschen, die reichen Häuser mussten
jene Geräthe aufstellen. Bei glücklichen Festen, frohen Zu
sammenkünften waren sie das Erste. In dem Zeiträume Thai-
khang (280 bis 289 n. Chr.) verfertigte man in der Welt auch
aus Filz Kappen, Gürtel und Mundbinden. Die hundert Ge
schlechter scherzten untereinander und sagten: Das mittlere
Reich muss von Hu zertrümmert werden. Der Filz wird in
Hu erzeugt, jedoch die Welt bereitet daraus Kappen, Leib
gürtel und Mundbinden. Hu hat es bereits in drei Dingen zur
Ordnung gewiesen. Kann man anders, als geschlagen werden ?
— Yü-pao sagte: In dem Zeiträume Yuen-khang (291 bis 299
n. Chr.) empörten sich die & % Ti-kiang. In dem Zeit
räume Yung-kia (307 bis 312 n. Chr). besassen ^|J '^|
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXX1X. Bd. II. Hft. 24
372
Pfizmaier.
Lieu-yuen und ^ Schi-li sofort die mittlere Hauptstadt.
Nach dieser Zeit stützten sicli die Barbarenstämme der vier
Gegenden abwechselnd airf die blumige Erde. Dieses war das
Entsprechende.
Wenn man nach dem Zeiträume Thai-khang in der Welt
Häuser herstellte, versetzte man die Frauen zu dem leeren
Brachfelde der östlichen Gegend. Die nördlichen Vorhöfe machte
man zu Gärten. Yü-pao sagte: Wenn der König an dem Hofe
sich nach Süden kehrt, so ist dieses das richtige Yang. Die
Rangstufe der Kaiserin in dem nördlichen Palaste ist das grosse
Yin. Die Rangstufe des Sohnes des Geschlechtsalters, wenn er
in dem östlichen Palaste wohnt, ist das kleine Yang. Jetzt
das Innere im Osten bewohnen, ist so viel als mit dem Aeusse-
ren zugleich das Angesicht nach Süden kehren. Es ist über
mässiges Yang ohne Yin. Es ist ein Bild, dass das Weib die
Rangstufe verfehlt und dem kleinen Yang sich entgegenstellt.
Als die Kaiserin von dem Geschlechte ^ Ku den Nachfolger
Min-hoai mordete, nahte unvermuthet auch das Unglück heran.
Als man ehemals zum ersten Male Schuhe verfertigte,
war für die Frauen das runde Haupt, für die Männer das vier
eckige Haupt. Das Runde hatte den Sinn des Gehorsams und
der Nachgiebigkeit. Hierdurch unterschied man Männer und
Weiber. Im Anfänge des Zeitraumes Thai-khang von Tsin hatten
für I'rauen die Schuhe ein viereckiges Haupt. Hierdurch ent
fernten sie die Nachgiebigkeit des Runden und waren von
den Männern nicht verschieden.
in dem Zeiträume Thai-khang erfand man in der Welt
den Tanz der Ruhe des Zeitalters von Tsin. Man stellte auf
den Händen Becher und Schüsseln zusammen und stürzte sie
um. Der Gesang hiess: Die Ruhe des Zeitalters von Tsin.
Man tanzte Becher und Schüsseln. Die Musik entsteht in dem
Herzen des Menschen, sie ist es, durch welche man die Dinge
betrachtet. Desswegen sagt die Geschichte: ,In Gesammtheit
der Berg der Schilde steht' ist die Sache des Königs Wu.
,Hervorschicken, breiten, auf das Gefährliche treten' ist der
Vorsatz des grossen Fürsten. ,Kriegsmuth und Wirren sind
schuldig' ist das Zurechtbringen von Tscheu und Schao. Sie
sagt ferner: Wo beim Zurechtbringen das Volk thätig ist, sind
die Merkmale der tanzenden Reihen fern. Wo beim Zurecht-
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
373
bringen das Volk massig ist, sind die Merkmale der tanzenden
Reihen nahe. — Jetzt stellt man auf den Händen Becher und
Schüsseln zusammen und stürzt sie um. Dieses ist das äusserst
Gefährliche. Becher und Schüsseln sind Gefässe für Wein und
Speise. Doch indem man sie mit dem Namen ,die Ruhe des
Zeitalters von Tsin' benennt, spricht man es aus, dass die
vorzüglichen Männer des Zeitalters von Tsin vor allem auf
Wein und Speise bedacht sind und dass ihr Wissen sich nicht
auf die Ferne erstreckt. Die Ruhe des Zeitalters von Tsin ist
gleichsam von der Art wie Becher und Schüsseln sich auf den
Händen befinden.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Yuen-khang, befanden sich unter den Schmuckgegen-
stäuden der Frauen Gürtelgehänge der fünf Waffengattungen.
Ferner verfertigten sie aus Gold, Silber, Schildkrötenschuppen
und ähnlichen Dingen Aexte, Streitäxte, Lanzen, Hakenlanzen
und gebrauchten sie als Haarnadeln. Yti-pao sagte: Der Unter
schied der Männer und Weiber ist die grosse Gliederung der
Reiche. Desswegen sind die Gegenstände der Kleidung von ab
weichender Art, die Darbietungen und Handopfer sind nicht
dieselben. Dass jetzt die Frauen Kriegsgeräthe zu ihrem
Schmucke machen, dieses ist ebenfalls der Ungeheuerlichkeiten
grösste. — Alsbald erfolgte die That der Kaiserin von dem
Geschlechte ■jl| Ku. Zuletzt verlor man durch die Waffen
die Welt.
Gegen das Ende des Zeitraumes Yuen-khang bis zu dem
Zeiträume Thai-ngan (302 bis 303 n. Chr.) sammelten sich in
den Festen des Stromes und des Hoai verdorbene Haarflechten
auf den Wegen an. Wenn es viele waren, erreichten sie bis
weilen die Zahl von vierzig bis fünfzig Stücken. Yü-pao hiess
einst Leute sie verstreuen und entfernen. Einige warf man in
den Wald und unter die Pflanzen. Andere warf man in Gruben
und Thäler. Als man am nächsten Tage nach ihnen sah, waren
alle wieder, wo sie früher gewesen. Einige Menschen des Vol
kes sagten, man sehe Dachse, welche sie in den Mund nehmen
und ansammeln, Es ward ebenfalls nicht untersucht. Pao
sprach: Die Haarflechten sind ein gemeines Kleidungsstück
des Menschen. Sie sind das Bild, dass man sehr niedrig steht
und eben das niedere Volk anstrengt und entehrt. Verdorben
24*
374
Pfizmaier.
sein, ist das Bild der Abmattung und des Darniederliegens.
Der Weg ist dasjenige, wodurch die Ordnungen der Erde, die
vier Gegenden mit einander verkehren, vermittelst dessen die
Befehle der Könige kommen und gehen. Wenn daher verdor
bene Haarflechten jetzt auf den Wegen sich ansammeln, so
stellt dieses vor, dass das niedere Volk kraftlos und krank
ist. Es ist das Bild, dass man sich ansammeln und Aufruhr
erregen, die vier Gegenden abschneiden und den Befehlen der
Könige den Weg verschliessen wird. Der auf der Rangstufe
sich befand, beachtete es nicht. In dem Zeiträume Thai-ngan
sandte man die Waffen des Tages Jin-wu (19) hervor. Die
hundert Geschlechter empfanden Schmerz und Groll. ijj| ^
Tschang-tschang, ein Mann von Kiang-hia, ward sofort das
Haupt der Empörung. King und Tsu, die sich ihm anschlossen,
waren wie ein Strom. Hierauf wurden Angriffswaffen und
Lederpanzer in dem Jahre erhoben, die Welt wurde durch sie
alsbald in grossem Masse zertrümmert und zerstört. Dieses
war nahezu Ungeheuerlichkeit der Kleidung.
Seit den Zeiten des Kaisers Hiao-hoai von Tsin, dem
Zeiträume Yung-kia (307 bis 312 n. Chr.), kleideten sich die
vorzüglichen Männer und Grossen zuletzt in einfache Kleider
aus frischen Bambustafeln. Die Männer von weitreichender
Kenntniss wunderten sich hierüber. Sie kratzten sich verstohlen
mit den Fingern und sagten: Dieses war in dem Alterthum
das dünne und grobe Trauertuch, womit die Lehensfürsten und
Grossen den Himmelssohn bekleideten. Jetzt trägt man es
ohne Ursache ganz als Kleidung, es wird wohl etwas Ent
sprechendes geben! — Später fuhren die Kaiser Min und Hoai
am Abend aus. 1 Sie wurden ihres Platzes nicht theilhaftig.
Seit den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, dem Zeit
räume Thai-hing (318 bis 321 n. Chr.), banden die Krieger
hochrothe Säcke an die Haarschöpfe. Die Haarschöpfe befinden
sich auf dem Haupte und sind das Höchste. In den Verwand
lungen der Tscheu ist der Himmel das Haupt, die Erde ist
ein Sack. Die Erde ist der Weg des Dieners. Tsin ist von
dem Grundstoffe des Metalls. Roth ist die Farbe des Feuers.
Dieses ist der Mörder des Metalls. Rothe Säcke an die Haar-
1 D. i. sie starben.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
375
schöpfe binden, ist das Bild, dass der Weg des Dieners nach
oben übergreift. Im ersten Jahre des Zeitraumes Yung-tschang
(322 n. Chr.) griff der oberste Heerführer ^ Wang-ttin
zu den Waffen. Das Innere ward überfallen, die sechs Kriegs
heere wurden zerstreut und lösten sich auf.
Wenn man ehemals den Stiel der Flügelfächer bildete,
schnitzte man das Holz und gab ihm die Gestalt von Bein.
Indem man zehn Flügelfedern verwendete, nahm man eine
ganze Zahl. Als im Anfänge der Erhebung von Tsin Wang-
tün im Süden den Eroberungszug unternahm, veränderte er
dieses zum ersten Male. Man bildete einen langen Stiel, der
unten vorragte und erfasst werden konnte. Dabei verminderte
man die Flügelfedern und gebrauchte deren acht. Die Ein
sichtsvollen verwunderten sich darüber und sagten: Der Flügel
fächer hat den Namen von den Flügeln. Indem man einen
laugen Stiel verfertigt, ergreift man den Stiel und bringt die
Flügel zurecht. Indem man zehn in acht verwandelt, nimmt
man, was noch nicht hergestellt ist, und entreisst, was bereits
hergestellt ist. — Wenn man um diese Zeit Kleider verfertigte,
war wieder der Obertheil kurz, der Gürtel reichte bis unter
die Achseln. Wenn man Mützen aufsetzte, band man den Unter-
theil an den Hals. Der Untertheil bedrängte den Obertheil,
der Obertheil hatte keinen Boden. Unten waren die Beinkleider
eine gerade Leinwandbreite, man bildete die Mündung ohne
Nahtausschnitte. An dem Untertheil verfehlte man in grossem
Masse den Zuschnitt. Wider Vermuthen entstand Aufruhr durch
die Bewaffneten. In drei Jahren überfiel man zweimal die
Mutterstadt. Als jltf Idai-si 1 erst die Nachfolge in der
Würde (des Kaisers) erhalten hatte, vergassen die ihm ent
gegenziehenden Obrigkeiten, den Leopardenschweif aufzustellen.
Die Einsichtsvollen hielten dieses für das Bild, dass er kein
gutes Ende nehmen werde. Es waren nahezu Ungeheuerlich
keiten der Kleidung.
Ü] 'if M, -7* Sse-ma-tao-tse von Tsin errichtete in
dem nördlichen Garten des Sammelhauses Weinstuben und eine
Reihe Buden. Er beauftragte die Menschen des Geschlechtes
1 Hai-si ist der als Kaiser herrschende dfb Yi. Hoau-wen setzte ihn ab
und ernannte ihn zum Fürsten von Hai-si.
376
Pfizmaier.
M I, daselbst Wein und Fleischspeisen nach Art der kleinen
Händler zu verkaufen. Er lustwandelte mehrmals darin und
verkaufte und tauschte in eigener Person. Dabei betrank er
sich, legte sich schlafen und tliat so durch Tage und Nächte.
Kaiser Ling von Han benahm sich einst ebenso. Yü-piao hielt
dieses für das Bild, dass der Gebieter seine Rangstufe ver
lieren und sich bei den kleinen Gerichtsdienern befinden werde.
Tao-ts'e wurde zuletzt abgesetzt. Er wanderte aus und starb
als gemeiner Mensch. 1
Als 3*7 Hoan-hiuen sich die Rangstufe amnasste
und eingesetzt wurde, waren über der Vorhalle Aufstellungen
von Vorhängen aus liochrothem Nesseltuche. Die Vorderseiten
waren gemeisseltes gelbes Gold. An den vier Ecken hielten
metallene Drachen in dem Munde fünffarbige Flügeldeckel
und wehende geschlissene Federn. Die Untergebenen sagten
verstohlen zu einander: Dieses ist ziemlich von der Art der
Trauerwagen. — Es waren Ungeheuerlichkeiten der Kleidung.
Gegen das Ende der Tsin trug man lauter kleine Mützen,
jedoch die Kleider waren bauschig und gross. Die Sitte fand
zusehends Nachahmung, den gemeinsten Menschen ward es
zur Gewohnheit. Die Verständigen sagten: Dieses ist das Bild
des Wechsels der Erdaltäre. — Nach dem Zeiträume Yung-
thsu (420 bis 423 n. Chr.) wurden die Mützen wieder gross. 2
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Sung, im sechsten
Jahre des Zeitraumes Yuen-kia (429 n. Chr.) theilten die
Frauen unter dem Volke, welche das Haupthaar knüpften, das
Haupthaar in drei Theile, zogen den Haarring heraus und
richteten ihn gerade nach oben. Man nannte dieses den zum
Himmel fliegenden Haarschopf. Es stammte ursprünglich aus
dem östlichen Sammelliause und gelangte allmälig weiter zu
dem Volke und den gemeinen Menschen. Um diese Zeit wohnte
der Vorsteher der Scharen, i|g I-khang, König von
1 Dass bei den Ungeheuerlichkeiten der Kleidung hier und noch einmal
später cles Weines und der Speisen, weiter unten auch der Vorhänge und
Wagen Erwähnung geschieht, ist desswegen, weil Kleider und Speisen als
eine Classe von Gegenständen zusammengestellt und Ausschmückungen
zu den Kleidern gezählt werden.
2 In dem genannten Zeiträume gelangte das Haus Sung zur Herrschaft.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
377
Peng-tsching, in dem östlichen Sammelhause. Spätei’ wurde er
wegen Beleidigung des Kaisers zur Uebersiedelung bestimmt
und abgesetzt.
0} IjS ||j| Lieu-te-yüen, zu den Zeiten des Kaisers
Hiao-wu von Sung stechender Vermerker von Yü-tscheu, war
geschickt im Wagenlenken. Schi-tsu 1 liess ihn einst die ge
malten Räder lenken. Er fuhr zu dem Wolinhause des grossen
Vorgesetzten ^ I-kung, Königs von Kiang-hiä. Yuen-te
nahm unter den Arm den Rinderstab, drängte Schi-tsu und
sagte, am Abend solle man zurückkehren. Er verlangte über-
diess, dass man die Miethwagen vermehre. Schi-tsu war sehr
vergnügt. Diese Sache hat gleiche Bedeutung mit dem Vor-
kommniss, dass Kaiser Ling von Han in dom westlichen Garten
eigenes Geld aufhäufte.
In dem Zeitalter des Kaisers Hiao-wu von Sung waren
die begünstigten Diener ^ ff|l Tai-fä-hing und |||
SS A Kiuen-ya-jin der Verfertigung rundhäuptiger Schuhe
vorgesetzt. Alle Menschen des Zeitalters ahmten es nach. Um
die Zeit nahm die Gewohnheit der Darreichung des Runden
sehr überhand. Die Sitte viereckiger Muster hörte auf. 2
Ausartung der Schildkröten.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Yung-hi (290 n. Ohr.), kochte ein Hausgenosse
iÜ Wei-kuan’s Reisspeise. Sie fiel auf die Erde und ver
wandelte sich gänzlich in Seeschnecken. Diese streckten die
Fiisse hervor und fingen an zu gehen. Die Seeschnecke ist
eine Art Schildkröte. Es war nahezu Schildkrötenunheil. Yü-
pao sagte: Die Seeschnecke ist das Bild der mit Panzern be
deckten Kriegsmänner. In den Verwandlungen der Tscheu
sind es Lanzen und Angriffswaffen alter Gespenster. — Im
nächsten Jahre wurde Khan hingerichtet.
1 Schi-tsu ist Kaiser Hiao-wu.
2 Von rundhäuptigen Schuhen wurde bereits oben (S. 372) gesprochen.
378
Pfizmaier.
Das Metall nicht gefügig. 1
Das steinerne Glückszeichen von Tschang-yi in dem
Zeitalter der Wei war für das Geschlecht Tsin Beglaubigungs-
marke und höchster Befehl, doch für Wei war es eine Un
geheuerlichkeit. Wei liebte es, anzugreifen und zu kämpfen.
Er schätzte gering die hundert Geschlechter, setzte Festen und
Vorwerke in Stand, machte Einfälle in Grenzgebiete. Alle drei
Ahnherren des Geschlechtes Wei hatten hiermit zu thun.
^Kj Lieu-hin hielt dafür, dass Metall und Stein von
gleicher Art sind. Die steinerne Abbildung brachte keinen
gewöhnlichen Schmuck zum Vorschein. Dieses ist die Seltsam
keit des nicht Gefügigen. Als Tsin die grosse Beschäftigung
bestimmte, zerstörte es häufig den Schmuck des steinernen
Glückszeichens des Geschlechtes Tsao, verhängte in
grossem Masse Strafe über Tsao. Dieses war das Entsprechende.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, in dem Zeit
räume Tsing-lung (233 bis 237 n. Chr.), nahm man im Westen
der inneren Häuser des Palastes )&i Sching - sieu die
metallenen nördlichen Barbaren von Tschang-ngan. Die den
Thau aufnehmenden Schüsseln zerbrachen mit einem Tone,
den man auf einer Strecke mehrerer Zehende von Weglängen
hörte. Die metallenen nördlichen Barbaren weinten. Hierauf
hielt man sich an die Feste von Lieu-pa. Hier verlor das
Metall seine Eigenschaft und bewirkte Seltsamkeiten.
Zu den Zeiten der U befand sich in dem Districte
j||? Li-ling ein durchlöcherter Felsen, der mit einem Siegel
Aehnlichkeit hatte. Einige sagten: Die Belohnung durch das
steinerne Siegel kommt hervor, in der Welt ist grosser Friede.
Zu den Zeiten Sün-hao’s, im ersten Jahre des Zeitraumes
Thien-ni (276 n. Chr.), kam das Siegel hervor. Ferner befand
sich in dem Gebirge von Yang-sien eine Felsenhöhle, welche
zehn Klafter lang war. Hao stellte anfänglich den Palast von
Wu-tschang her. Er hatte die Absicht, seine Hauptstadt zu
wechseln. Um diese Zeit war Wu-tschang der getrennte Palast.
$ Tsung-ke ,das Gefügige 4 heisst in dem Schu-king das Metall,
weil es sich umbilden lässt. Der Sinn ist hier, dass das Metall seiner
Eigenschaft verlustig wird.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
379
JjJtJ j|f| Puan-ku sagte: Der getrennte Palast hat gleiche Aus
legung mit Feste und Vorwerk. Es bedeutet, dass man Festen
und Vorwerke in Stand setzt. Im zweiten Jahre des Zeit
raumes Pao-ting (267 n. Chr.) zog Hao aus dem östlichen
Grenzpasse. Er entsandte t m Ting-fung und gelangte
bis Hö-fei. Im dritten Jahre des Zeitraumes Kien-hung (271
n. Chr.) betrieb Hao wieder grosse Rüstungen. Er zog aus
:7jr Jjl Hoa-li und machte Einfälle in die Grenzgebiete. Es
hatte diese Bedeutung. Desswegen bewirkte es, dass das Metall
seine Eigenschaft verlor. Zuletzt kehrte er den Rücken, stellte
sich als Gefangener, und U ging zu Grunde.
Zu den Zeiten des Kaisers Iloei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-hing (304 n. Chr.), machte Tsching-
tu einen Angriff auf Tschang - scha. Jede Nacht hatten die
Spitzen der Lanzen und Hakenlanzen einen Glanz wie hän
gende Leuchten. Hier schätzte man den höchsten Befehl hin
sichtlich des Volkes gering und liebte Angriffe und Kämpfe.
Das Metall verlor seine Eigenschaft und brachte Veränderun
gen zu Wege. Der Himmel warnte als ob er sagte: Die Waffen
sind gleichsam Feuer. Thut man ihnen nicht Einhalt, so wird
man verbrennen. Tsching-tu merkte nicht hierauf. Zuletzt wurde
es geschlagen und ging zu Grunde. i
Zu den Zeiten des Kaisers Hoai von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-kia (307 n. Chr.), wuchs in dem
Districte j|| LIiang, auf der Steintafel ^j|| Ku-tä’s, zu
den Zeiten der Wei stechenden Vermerkers von Yü-tscheu,
Metall, das man abpflücken konnte. Hier war das Metall nicht
gefügig und brachte Veränderungen hervor. Im fünften Monate
erregte 2^? Khl-sang Aufruhr, die Räuberscharen erhoben
sich gleich dem Wirbelwinde.
Zu den Zeiten der Tsin, zur Zeit als ]§[ Tan, König
von Thsing-lio, der Sohn des Geschlechtsalters war, brachten
die metallenen Glöckchen, mit denen sein Gürtel behängt war,
plötzlich etwas hervor, das sich gleich Hirse erhob. Die Mutter
des Königs Khang vermuthete, dass es von böser Vor
bedeutung sei. Sie zerstörte sie und verwarf sie. Als er später
zum Nachfolger des Kaisers Hoei bestimmt ward, nahm er auf
seiner Rangstufe kein gutes Ende. Er wurde zuletzt durch
^ J§ M Sse-ma-yue getödtet.
380
Pf iz maier.
Zu den Zeiten des Kaisers Yden von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-tschang (322 n. Chr.), wollte
H* £ Kan-tschö in das Gebiet Wang-tün’s ein
fallen. Mitten in diesem Beginnen hielt er inne. Als er zurück
kehrte, geschahen in seinem Hause viele Veränderungen und
Wunder. Als er in den Spiegel blickte, sah er nicht sein Haupt.
Hier verlor das Metall seine Eigenschaft und bewirkte Unge
heuerlichkeit. Wider Vermuthen ward durch Tun in sein Ge
biet eingefallen. In Folge dessen wurde er vernichtet.
Zu den Zeiten Schi ■ hu’s flogen in der Feste
Nie die zwei metallenen Paradiesvögel über dem Thore Jl^ |^r
Fung-yang in den Fluss Tschang.
Zu den Zeiten Hai-si’s von Tsin, in dem Zeiträume Thai-
ho (366 bis 370 n. Chr.), errichtete man in dem Districte
Schan-yin, Provinz Kuei-ki, Speicher. Als man die Erde auf
grub, fand man zwei grosse Schiffe, die in der Mitte voll von
Münzen waren. Die Münzen hatten radförmige Streifen und
waren von grosser Gestalt. Um die Zeit war es gegen den
Abend. Die Arbeiter meldeten es eilig den Obrigkeiten. Diese
schickten Leute, welche den Ort absperrten und sehr streng-
bewachten. Am nächsten Morgen konnte man die Münzen
nicht mehr linden, und es waren nur die Schiffe da. Als man
deren Gestalt betrachtete, waren in ihnen lauter Räume für
Münzen.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes I-hi (405 bis 413 n. Chr.), sah 3? # £
Yin-tschung-wen, Statthalter von Tung-yang, in den Spiegel
und erblickte nicht sein Haupt. Wider Vermuthen wurde er
auch hingerichtet. — Die Auslegung war dieselbe wie bei
-J^ Kau. 1
Zu den Zeiten des späteren Kaisers Fei von Sung, im
vierten Jahre des Zeitraumes Yuen-hoei (476 n. Chr.), fiel in
den beiden Provinzen ßtl I-hi und Tsin-ling ein Wagen
des Donnerschlages zur Erde. Derselbe war gleich einem grü
nen Steine. Die Bäume und Pflanzen wurden verbrannt und
starben.
i Der oben genannte Kan-tschö.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China
381
Das Wort nicht befolgt.
Zu den Zeiten des Königs von Tsi aus dem Hause Wei,
im Anfänge des Zeitraumes Kia-ping (249 bis 253 n. Chr.),
gab es in der östlichen Provinz lügenhafte Worte, indem man
sagte: Ein weisses Pferd stieg aus dem Flusse. Ein ungeheuer
liches Pferd ging in der Nacht zu der Seite des Weideplatzes
der Obrigkeiten hinüber. Wie alle Pferde sich mit ihm ins
Einvernehmen setzten! Am nächsten Tage sah man seine Fuss-
spuren. Dieselben waren so gross wie ein Scheffel. Es wandelte
mehrere Weglängen und kehrte in den Fluss zurück. — König
Pieu von Tsu war ursprünglich mit ö töf Pe-ma ,das
weisse Pferd' belehnt worden. Er hatte Verstand und Muth.
Als daher ^ U B. Ling-hu-yü diese Worte hörte, machte
er mit ^ /gj? Wang-ling einen Anschlag zur Einsetzung
des Königs. 1 Er schickte an diesen Leute und liess ihm sagen:
Die Ereignisse in der Welt kann man noch nicht wissen, ich
wünschte, dass der König selbst daran Freude habe. — Pieu
antwoi’tete: Ich erkenne die grosse Absicht. —• Die Sache
wurde verrathen. Ling und Yü wurden hingerichtet. Pieu wurde
mit dem Tode beschenkt. Dieses war die Strafe des nicht be
folgten Wortes. Das Gedicht sagt: Ehe das Volk Lügen spricht,
ist es besser, man schreckt es nicht.
Als ^||J jjj'rji Lieu-schen in der Würde nachfolgte, führte
H Jj§J Tsiao-tscheu an, wie der Lehensfürst Mo von Tsin
und Kaiser Ling von Han für ihre Söhne die Namen bestimmten.
Man tadelte dieses und sagte: Der zu vermeidende Name des
früheren Gebieters ist -||| Pi. Die Lesung dessen ist Her
richten 1 '. Der zu vermeidende Name des späteren Gebieters ist
jjj|| Sehen. Die Lesung desselben ist ,übergeben'. Es ist als
ob man sagte: Das Geschlecht Lieu ist bereits hergerichtet.
Man wird es anderen Menschen übergeben. Dieses ist ärger
als die Vorzeichen des Lehensfürsten Mö und des Kaisers
Ling. — Scho ging wirklich zu Grunde. Dieses ist die Nicht-
befolgung des Wortes.
1 Zur Einsetzung; desselben zum Kaiser von Wei Fang;, der eigent-
liehe Kaiser von Wei, war von Sse-ma-sse abgesetzt und zum Könige
von Tsi ernannt worden.
382
Pfizmaier.
Als ||f|J ^|j| Lieu-pi starb, gelangte ^|J Lieu-schen
zu der Würde. Die Bestattung war noch nicht geschehen, es
war auch noch kein Monat überschritten, als man den Namen
des Zeitraumes veränderte und das Jahr das erste des Zeit
raumes Kien-hing (223 n. Chr.) nannte. Hier wurde das Wort
nicht befolgt. ^ j||| Si-thsö-tschi sprach: Dass nach
den Gebräuchen der Gebieter eines Reiches, in seine Würde
eingesetzt, ein Jahr überschreitet und dann erst den Namen
des Zeitraumes verändert, es ist dcsswegen, weil ein Diener
und Sohn es nicht erträgt, dass es in einem Jahre zwei Ge
bieter gibt. Man kann dieses Raschheit und Unkenntniss der
Gebräuche nennen. — Die Weisheitsfreunde wussten daher,
dass Scho nicht nach Osten übersiedeln könne. Später ergab
es sich auch an Tsin. Bei ijh U-sün-liang von Tsin,
dem Kaiser Hoei von Tsin, jq |)(| Yuen-liiung von Sung
war es das Gleiche. Liang starb nicht im Besitze seiner Würde.
Kaiser Hoei erliess Befehle, die nicht seine eigenen waren.
Yuen-hiung wurde wider Vermuthen hingerichtet. Das Wort
wurde nicht befolgt.
In dem Zeiträume Thai-ho von Wei (227 bis 232 n. Chr.)
wandte sich ^ Kiang-wei nach Schö. Er verlor seine
Mutter. Die Menschen von Wei Hessen seine Mutter ihm eigen
händig schreiben. Sie nannte ihn beim Namen und gebot ihm,
zurückzukehren. Dabei schickte sie ihm Eppich 1 und gebrauchte
diesen als ein Gleichniss. Wei antwortete auf das Schreiben:
Bei einem guten Acker von hundertmal hundert Morgen rech
net man nicht einen Morgen. Ich sehe bloss das Milchkraut, 2
es gibt für mich keinen Eppich. — Wei entkam zuletzt nicht
der Schuld.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, im ersten
Jahre des Zeitraumes King-thsu (237 n. Chr.) meldeten die
Inhaber der Vorsteherämter an dem Hofe: Der Kaiser ist
ffl IE Lie-tsu ,der glänzende Ahnherr'. Er errichtete mit
iz IE Thai-tsu ,dem grossen Ahnherrn' und rfa IE Kao-tsu
1 pT Tang-kuei ,heimkehren sollen 1 bedeutet den Eppich.
2 ü Yuen-tschi ,der ferne (weitgehende) Vorsatz 4 bedeutet das
Milchkraut.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
383
,dem hohen Ahnherrn' den unzerstörbaren Ahnentempel. 1 —
Man befolgte es. Nach den Anordnungen für das Stammhaus
und den Ahnentempel ist bei den Benennungen der Leib ver
sunken, der Name zu Stande gebracht, und man stellt dann
die Gebräuche zurecht. Desswegen sind bloss die Verdienste
offenbar, die Wirkung des Himmels und der Erde geht vor
über. Bei den früheren Königen gibt es kein Beispiel, dass
man im Voraus bestimmt hätte. Hier wurde, nämlich das Wort
nicht befolgt, es war der ärgste der Verstösse. Zwei Jahre
später fuhr der Wagen des Palastes am Abend aus. 2 Hierauf
war die Leitung unscheinbar, die Lenkung müssig..
In dem Zeitalter % ft Sün-hieu’s von U war ein
Mensch des Volkes, der von einer erschöpfenden Krankheit
befallen wurde und der, als er genas, seine Worte wiederhallen
lassen konnte. Er sprach hier, und man hörte es dort. Hörte
man es an dem Orte, wo er sich befand, so bemerkte man
nicht, dass seine Stimme laut war. Hörte man es aus der
Ferne, so war es, als ob ein Mensch gegenüber spräche. Man
bemerkte nicht, dass die Stimme aus der Ferne kam. Der
Ort, wohin die Stimme ging, entsprach dem Orte, wohin er
sich wendete. Die Entfernung betrug nicht über zehn Weg
längen. Einer seiner Nachbarn hatte auswärts Zinsen zu fordern.
Dieselben kamen durch Jahre nicht ein. Er wandte sich an
jenen Menschen. Er Hess ihn sie fordern und Furcht wegen
Glück und Unglück einjagen. Der Schuldner glaubte, es sei
ein Dämon und Geist. Er stürzte zu Boden und gab das
Schuldige her. Jener Mensch wusste ebenfalls nicht, wie dieses
geschehen. Es war das Unheil des nicht befolgten Wortes.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Thai - ngan (302 bis 303 n. Chr.) erbaute
Tscheu-I in Yang-sien ein Wohnhaus. Als es eben fertig war,
gaben die Thüren der Seiten einen Ton von sich, als ob ein
Mensch seufzte. Nach der Flucht I’s wurden die Leute seines
Hauses hingerichtet. Dieses war nahezu Nichtbefolgung des
Wortes.
1 Die genannten drei Namen sind Namen, welche nach dem Tode gegeben
werden.
2 D. i. der Kaiser starb.
384
Pfizmaier.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im vierten
Jalire des Zeitraumes Thai-hing (321 n. Chr.), redeten die
Menschen Ungeheuerlichkeiten und sagten, es gehe grosse In-
seeten, welche in dem Hanfe und auf den Firnissbäumen
leben. Wenn sie einen Menschen beissen, so sterbe er. Ferner
sagte das Volk von Tsing-ling: Man sieht ein altes Mädchen
auf dem Markte weilen. Dasselbe ist von seinem Haupthaar
bedeckt, geht den Krämern nach und verlangt zu trinken. Fs
sagt: Der Himmelskaiser hiess mich durch das Wasserthor
austreten, doch ich benützte aus Irrthum das Insectenthor.
Wenn ich zurückkehre, wird mich der Himmelskaiser gewiss
tödten. Was soll ich thun? — Hierauf wurden die hundert
Geschlechter in Gemeinschaft von Furcht bewegt und sagten,
die Gestorbenen seien bereits zehn an der Zahl. Im Westen
bis zu der Mutterstadt hieben alle Häuser, welche Firnissbäume
oder Hanf besassen, diese um und entfernten sie. Nach einiger
Zeit war ein Ende.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-tschang (322 n. Chr.), entsandte
3E Hl Wang-sün, stechender Vermerker von Ning-tscheu,
seinen Sohn Tsching, damit er Geiseln hereinbringe.
Derselbe brachte allerhand Fremdländer aus Yü-tscheu und
Pö-tscheu, in der Zahl von einigen Hunderten. Das Volk in
den Städten redete plötzlich ungeheuerliche Worte und sagte,
die Menschen von Ning-tscheu verzehren in grossem Massstabe
die kleinen Kinder aus den Häusern der Menschen. Man habe
mit eigenen Augen gesehen, wie man sie dünstete, briet und
mit ihnen die Kessel anfüllte. Ferner sagte man, die in Ver
lust gerathenen Kinder haben einen Besitzer. Die angesehenen
Frauen schlugen sich plötzlich auf den Wegen in die Brust
und wehklagten. Hierauf verschloss und verzeichnete unter
den hundert Geschlechtern Jedermann die kleinen Kinder und
Hess sie nicht vor das Thor treten. Plötzlich sagte man wieder,
man habe einen Besitzer, der die Menschen verzehre, gefunden.
Die Obrigkeiten führen eben auf einem grossen Doppelschiffe
mit grossen Stöcken die Untersuchung. Endlich versammelten
sich täglich vier- bis fünfhundert Menschen am frühen Morgen
vor dem Doppelschiffe und warteten, bis sie den Vollzug der
Strafe sehen würden. Die Männer des Beruhigers des Vorhofes,
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
385
welche man fragte, sagten, es sei wahr. Einige sagten, die
Schrift der Provinz und der Districte sei bereits nach oben
gelangt. Wang-tsching hatte grosse Furcht. Er prüfte und
erforschte es: die Sache war durchaus ohne Begründung. Unter
den Häusern des Volkes hatte auch noch keines ein kleines
Kind verloren. Jetzt erst wusste man, dass es ungeheuerliche
Reden waren. Von diesen zwei Dingen sagte Yü-pao, dass man
sie noch nicht erörtern könne.
Im zweiten Jahre des Zeitraumes Yung-tscliang (323 n.
Chr.) setzte sich der oberste Heerführer J ^ Wang-tün
in Ku-schö, das er erobert hatte, fest. Die hundert Geschlechter
redeten ungeheuerliche Worte und sprachen von einer umher
ziehenden Insectenkrankheit. Die Insecten fressen grosse Löcher
in den Menschen und dringen nach einigen Tagen in den
Bauch. Wenn sie in den Bauch dringen, sei der Mensch todt.
Es gebe gegen sie ein Mittel. Man müsse die Galle eines
weissen Hundes erlangen und sie als Arznei gebrauchen. Von
dem Hoai und Sse verbreitete sich dieses bald bis zu der
Mutterstadt und den Hauptstädten, in einigen Tagen geriethen
die hundert Geschlechter in Schrecken und Aufregung. Alle
sagten, sie seien bereits von der Insectenkrankheit befallen.
Ferner sagte man: So lange die Insecten sich noch auswendig
befinden, müsse man sie mit einem glühenden Eisen brennen.
Sie würden dann augenscheinlich verbrannt. Von zehn Menschen
Hessen sich sieben bis acht brennen. Jedoch die weissen Hunde
hatten urplötzlich einen Werth, so dass man gegenseitig um
sie bat, oder sie raubte. Ihr Preis stieg um das Zehnfache.
Es gab Einige, welche sagten, dass sie die Anwendung des
glühenden Eisens verstehen. Sie brannten die hundert Ge
schlechter um Lohn und verdienten in einem Tage fünfzig-
bis sechzigtausend Stücke Geldes. Erst als man dessen müde
war, hörte man auf. Nach vier bis fünf Tagen ward es allmälig
ruhig. Die Erklärung sagt: Nackte Insecten sind eine Art
Menschen, und der Mensch ist ihnen vorgesetzt. Dass es jetzt
heisst, die Insecten verzehren den Menschen, dieses besagt,
dass diejenigen, die ursprünglich von derselben Art sind, sich
gegenseitig verderben und morden. Von unten nach oben stei
gen, beleuchtet die Widersetzlichkeit. Dass sie in den Bauch
dringen, bedeutet: das Verderben kommt von der Mitte, es
386
Pfizmaier.
kommt nickt von aussen. Der Hund besitzt die Eigenschaft
des Bewachens und Vertheidigens. Weiss ist die Farbe des
Metalls, jedoch die Galle ist dem Gebrauche des Kriegsmutlies
vorgesetzt. Die Kaiser und Könige gehen im Kreise, die fünf
Oberherren vereinigen sich an dem Tage Meu-sö (35). Sie
sind dem Gebrauche der Waffen vorgesetzt. Das Metall ist
der Grundstoff von Tsin, das Feuer verbrennt das Eisen. Dass
man damit Krankheiten behandelt, dieses besagt, dass man
sein Geschlecht entfernt und kommt. Das Feuer verbindet
sich mit dem Metall- und wirkt gemeinschaftlich gegen die Ver
derblichkeit der Insecten.
Zu den Zeiten Hai-si’s von Tsin hatte |{^ Yü-hi
vier bis fünf Jahre hindurch Freude daran, Trauerlieder an
zustimmen. Er bewegte die grossen Schellen und sang. Dabei
liess er die Leute der Umgebung einstimmen. Auch wenn er
ein Fest gab, hiess er die Tänzerinnen bei dem Tanze den
Gesang der Menschen von ^ Sin-ngan und die Worte
der Trennung singen. Die Töne dieses Gesanges waren überaus
traurig. Die Zeitgenossen wunderten sich darüber. Später wurde
er auch wirklich geschlagen.
Zu den Zeiten des Fürsten von Hai-si aus dem Hause
der Tsin und seit dem Zeiträume Thai-ho (366 bis 370 n. Chr.)
hielten die Frauen und Mädchen der grossen Häuser nach
lässiges Schläfenhaar und einen seitwärts geneigten Haarschopf
für vollkommenen Schmuck. Da sie viele Haaraufsätze ver
wendeten, trugen sie diese nicht immer auf dem Kopfe. Sie
verfertigten vorerst falsche Haarschöpfe und legten diese über
Wasser. Sie nannten dieses: falsche Häupter. Wenn Leute
sie ausleihen wollten, so nannte man sie: ausgeliehene Häupter.
Die Sitte verbreitete sich bald über die Welt. Seit dieser Zeit
gaben Menschen und vorzügliche Männer oft ihre Sache auf.
Desswegen verloren Einige nach dem Tode ihr Haupt. Das
Haupt bildete man bisweilen aus Pflanzen und Bäumen. 1 Das
Wort ,falsche Häupter' war davon das Vorzeichen.
1 Den Todten fehlte manchmal das Haupt, weil es der Feind mitgenommen
hatte. Bei der Aufbahrung musste daher das Haupt aus Gras und Baum
zweigen gebildet werden.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
387
In dem Zeiträume Thai-yuen (376 bis 396 n. Chr.) schlu
gen die kleinen Kinder auf dem Erdboden zwei Eisen anein
ander. Sie nannten dieses: die streitenden Seitengeschlechter.
Später griffen f
Wang-hiao-pe in dem nämlichen Geschlechte einander an und
s'chlugen gegen einander.
Hundeuuglück.
In dem Hause
Hund, der, mit einem Kopftuche bedeckt und in ein lioch-
rothes Kleid gekleidet, das Dach erstieg. Dieses war Hunde
unglück. Die Höhe des Daches ist das übermässige Yang,
der hohe und gefährliche Boden. Der Himmel warnte, als ob
er sagte: Yuen ist das übermässige Yang, das nichts über sich
hat. Er ehrt und erhöht sich vorläufig selbst. Er ist es, der
als Hund sich mit einer Mütze bedeckt. Als er zum Könige
von Yen sich einsetzte, ward er wirklich durch Wei vernichtet.
Die von ^ King-fang verfassten Ueberlieferungen von
den Verwandlungen sagen: Der Gebieter ist nicht gerecht, der
Diener will sich die Rangstufe anmassen. Die Ungeheuerlich
keit dessen ist: Hunde kommen an dem Hofe bei dem Thore
heraus.
Jg * IJÜ Ying-khiü, zu den Zeiten der Wei Aufwartender
für die Mitte, befand sich in dem geraden Nachtlager, als er
plötzlich einen weissen Hund erblickte. Unter allen Menschen,
die er fragte, war keiner, der ihn sah. Ueber ein Jahr starb
er. Es war nahezu Hundeunglück.
Tschü-kö-khö unternahm den Eroberungs
zug nach Hoai-nan. Als er heimkehVte, wollte er sich zu der
Zusammenkunft an dem Hofe begeben. Ein Hund nahm seine
Kleider in den Mund und zog sie fort. Khö rief aus: Der
Hund will nicht, dass ich gehe! — Er kehrte zu seinem Sitze
zurück. Nach einer Weile erhob er sich wieder. Der Hund
nahm nochmals seine Kleider in den Mund. Er befahl, den
Hund zu verjagen. Hierauf bestieg er den Wagen. Er trat an
dem Hofe ein und erfuhr das Verderben.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im neunten
Jahre des Zeitraumes Thai-khang (288 n. Chr.), ging in Yeu-
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. LXXIX. Bd. II. Hft. 25
388
Pfizmaier.
tscheu ein Hund mit der Nase auf der Erde dreihundert
Schritte weit.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Yuen-khang (291 bis 299 n. Chr.) hörte man in dem
Districte Leu, Provinz U, in einem Hause des Volkes in der
Erde die Stimme von Hunden. Man grub die Erde auf, sah
nach und fand ein Männchen und ein Weibchen. Man brachte
sie wieder in die Höhlung und überdeckte diese mit einem
Mühlstein. Ueber Nacht konnte man sie nicht mehr finden.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen, in dem Zeiträume Thai-hing
(318 bis 321 n. Chr.), fand man in einem Nebengebäude des
Sammelhauses der Provinz U ebenfalls zwei solche Thiere.
Später wurde der Statthalter jj|| Tschang-meu durch die
Bewaffneten von U-hing getödtet. Die Denkwürdigkeiten von
den Dreifüssen der Hia sagen: Ein Hund, den man bei dem
Aufgraben der Erde findet, heisst Ku ,ein ansässiger
Kaufmann'. P ? Schi-tse sagt: Ein Hund, der sich in
der Erde befindet, heisst ^ Ja Ti-lang ,ein Erdwolf'. Es
ist dieselbe Sache, aber ein verschiedener Name.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-hing (304 n. Chr.), warf in dem
Hause * m Tschü-khuei’s, inneren Vermerkers von Tan-
yang, ein Hund drei Junge, welche keine Köpfe hatten. Später
wurde Khuei durch w se Tsao-wu, stechenden Vermerker
von Yang-tscheu, getödtet.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-hoai von Tsin, im fünften
Jahre des Zeitraumes Yung-kia (311 n. Chr.), sagte in Kia-
hing, Provinz U, in dem Hause m # Tschang-lin’s ein
Hund in menschlicher Sprache: Die Menschen der Welt sterben
Hungers.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Lung-ngan (397 bis 401 n. Chr.), bellten unter
dem Amtsgebäude der Provinz U immer in der Nacht die
Hunde und sammelten sich auf der hohen Brücke. Die Hunde
der Häuser der Menschen hatten es sehr eilig, und die Hunde
stimmen waren sehr viele. Es gab Leute, welche in der Nacht
hinausgingen und spähten. Sie sagten: Ein Hund hat zwei bis
drei falsche Köpfe. Alle wenden sich nach vorwärts und bellen
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
389
verwirrt. Es dauerte nicht lange, so erregte Sün-ngen
Aufruhr in U und Hoei.
® £ Hoan-hiuen sollte zum Könige von Tsu ernannt
werden. Man hatte bereits den Teppich der Ernennung gelegt,
die Obrigkeiten standen auf den Stufen. Hiuen war noch nicht
hervorgetroten, als ein Hund kam und auf den Teppich harnte.
Die zehntausend Menschen, welche herbeigekommen waren
und warteten, waren sämmtlich erschrocken und verwundert.
Hiuen war von Gemüthsart misstrauisch und grausam. Es wurde
schliesslich nichts gesagt. Man verjagte bloss den Hund und
wechselte den Teppich.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Sung, im zweiten
Jahre des Zeitraumes Yung-thsu (421 n. Chr.), sprach in der
Mutterstadt ein Hund die Sprache der Menschen.
Aufziehen des Weissen, Vorzeichen des Weissen. 1
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im zehnten
Jahre des Zeitraumes Thai-khang (289 n. Chr.), wuchs im
Westen des Palastes von Lö-yang, in dem Dorfe £ m
I-thsieu ein Stein in der Erde. Er war anfänglich drei Schuhe
hoch und von Gestalt gleich einem Rauchfasse. Später war er
wie ein gebückter Mensch. Er krümmte sich und konnte nicht
ausgegraben werden. flj (Hj Lieu-hiang erklärte dieses für
ein Vorzeichen des Weissen. Im nächsten Jahre fuhr der
Wagen des Palastes am Abend aus. 2 Der Palast des Königs
gerieth zuerst in Unruhe, zuletzt ging er durch Aufruhr zu
Grunde. Die von King-fang verfassten Ueberlieferungen von den
Verwandlungen sagen: Der Stein erhebt sich wie ein Mensch.
Der gemeine Mensch ist der Stärkere in der Welt. — Dieses
kommt ihm nahe.
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Hien-khang (335 bis 342 n. Chr.), wuchsen
auf der Erde Haare. Es war nahezu ein Vorzeichen des Weissen.
1 Aufziehen ist Erziehen. Weiss gilt als die Farbe des Westens. Man be
zeichnet durch Weiss vorzüglich das Metall, aber auch Steine, Knochen
.und Haare.
2 Der Kaiser starb.
25*
390
Pfixmaier.
Sün-sching hielt dafür, es sei die Seltsamkeit der Anstrengung
des Volkes. Nachher wurde Hu vernichtet und pjj JJjJ Tschung-
yuen wendete sich den Verwandlungen zu. Heerführer und
Reichsgehilfen waren zufriedengestellt. Hierauf wurden die
Gegenden niedergehalten und häufig verändert, und an die
Grenzen Besatzungen gelegt. Zugleich. bewerkstelligte man
Ansiedelungen. Die grossen und kleinen Abtheilungen, die man
überall mit den Armen umfasste, mit denen man sich umgür
tete, setzten sich zehn tausendmal in Bewegung. Unterdessen
war bei Erobern und Angreifen, bei Fordern von Abgaben
und Dienstleistungen kein ruhiges Jahr. Die Welt gerieth in
Aufregung, das Volk verkümmerte und grollte.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im fünften
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen (377 n.
Chr.), wuchsen auf dem Boden der Mutterstadt Haare. Bis
zum vierten Jahre richteten die Räuber von Tschi den
Angriff gegen Siang-yang, belagerten Peng-tsching, kehrten
sich gegen Kuang-ling. Eroberungen und Einlagen von Be
satzungen kamen dabei heraus. Streitkräfte folgten einander
und lösten sich nicht auf.
Zu den Zeiten Stin-hiang’s von U, im fünften Monate
des zweiten Jahres des Zeitraumes U-fung (255 n. Chr.), erstand
in dem Districte Yang-sien, auf dem Berge der getrennten
Strasse ein grosser Stein von selbst. Die von King-fang ver
fassten Ueberlieferungen von den Verwandlungen sagen: Die
gemeinen Kriegsmänner sind ein glückliches Zeichen des Him
melssohnes. — Die Erklärung sagt: Ein Stein, der auf dem
Berge ersteht, sind Menschen mit gleichem Geschlechtsnamen.
Auf ebenem Boden sind es Menschen mit verschiedenem Ge
schlechtsnamen. — Yii-pao hielt dafür, es sei das Entspre
chende dessen, dass Sün-hao den abgesetzten alten Häusern
zu ihrer Rangstufe verhalf. Einige sagen, es sei das glückliche
Zeichen der Einsetzung Sün-hieu’s.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im zwölften
Monate des fünften Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (295
n. Chr.), wuchs ein Stein in dem Dorfe I-nien.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-khang (300 n. Chr.), berichtete
die Provinz Siang-yang dem Kaiser, man habe einen tönenden
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
391
Stein gefunden. Wenn man ihn schlage, höre man den Ton
sieben bis acht Weglängen weit.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Thai-ngan (302 n. Chr.), schwamm in
dem See )|j Hia-kia, District Ku-schö in Tan-yang, ein
grosser Stein zweihundert Schritte weit und stieg auf die Ufer
höhe. Das Volk erschrack und alles rief durcheinander: Ein
Stein kommt! — Wider Vermuthen drang Schl-yung'
in Kien-nie.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im fünften
Monate des achten Jahres des Zeitraumes Thai-schi (269 n.
Chr.), regnete es in dem Lande Scho weisse Haare. Dieses
war das Vorzeichen des Weissen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-ning (301 n. Chr.), befand sich
in dem gerechten Kriegsheere des Königs Kiung von Tsi ein
kleines Kind, das aus dem Districte Fan-tschang in Siang-tsching
hervorgekommen war. Dasselbe war acht Jahre alt. Sein Haupt
haar und sein Leib waren gänzlich weiss. Es konnte ziemlich
gut nach dem grossen Muster die Schildkrötenschale brennen.
Dieses war ein Vorzeichen des Weissen.
||| Teng, König von Tung-ying, zu den Zeiten der Tsin
grosser Heerführer der Wagen und Reiter, übersiedelte von
Ping-tscheu und hielt Nie nieder. Auf seinem Zuge hielt er in
Tschin-ting. Um die Zeit lag von lange her aufgehäufter Schnee,
doch vor dem Thore allein war er im Umkreise von mehreren
Schuhen geschmolzen. Teng verwunderte sich hierüber und
liess die Erde aufgraben. Man fand ein Pferd von Edelstein,
das gegen einen Schuh hoch war. In seinem Munde fehlten
die Zähne. Weil JI^ Ma ,Pferd' der Geschlechtsname des
Reiches war, 2 schickte es Teng dem Kaiser und hielt es für
ein glückliches Zeichen. Jedoch die Erörternden sagten: Wenn
ein Pferd keine Zähne hat, so kann es nicht essen. Es ist ein
Zeichen von ungeheuerlicher Vorbedeutung, die Bestätigung
des Schwindens und des Untergangs. — Nach der Deutung
1 Schi ,Stein 1 ist der Geschlechtsname dieses Hannes.
2 Die Kaiser von Tsin waren aus dem Hause Sse-ma.
392
Pfizmaier.
war dieses ein Vorzeichen des Weissen. Nachher wurde Teng
durch yjfc Jjl Khi-sang getödtet, und das Haus der Tsin ging
bald zu Grunde.
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Sung, in dem Zeit
räume Yuen-kia (424 bis 453 n. Chr.), war ^ ^
Siii-tschen-tschi Vorgesetzter von Tan-yang. In der Nacht war
innerhalb des westlichen Thores ein Dunst wie gebeizte Seide.
Er zeigte nach Südwesten und mass in der Länge mehrere
Zehende von Klaftern. Ferner überdeckte ein weisser Glanz
das Dach. Er drehte sich lange Zeit herum und glitzerte, dann
erlosch er. Dieses war ein Vorzeichen des Weissen.
Zu den Zeiten des früheren Kaisers Fei, im ersten Jahre
des Zeitraumes King-ho (465 n. Chr.), befand sich [ffä
Teng-yuen in Thsin-yang und pflanzte purpurne Blumen. Die
selben waren sämmtlich weiss. Es war ein Vorzeichen des
Weissen.
Das Holz schädigt das Metall.
Zu den Zeiten des Königs von Tsi aus dem Hause Wei,
gegen das Ende des Zeitraumes Tsching-schi (240 bis 248 n.
Chr.), ordnete ^5 Li-sching, Vorgesetzter von Ho-nan,
die Gerichtshalle. Ein kleiner Holzstab stürzte herab, schlug
gegen den Hals des das Abschnittsrohr aufnehmenden steiner
nen Tigers und durchschnitt ihn. Hier schädigte das Holz das
Metall. 1 Sching wurde zehn Tage später geschlagen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im dritten
Monate des achten Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (298
n. Chr.), zerbrach der Stein des Altares des vermittelnden
Gottes der Aussemverke mitten in zwei Theile.' 2 Das Holz
schädigte hier das Metall. Der Altar des vermittelnden Gottes
der Aussenwerke ist der Sitz des Gottes, von dem man Söhne
begehrt. Dass er ohne Ursache einbrach, war die Ungeheuer
lichkeit dessen, dass der Nachfolger in Gefahr gerathen sollte.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im vierten
Monate des zehnten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen (385 n.
1 Der Stein wird, wie oben (S. 389) schon einmal angegeben worden, zu
dem Grundstoffe des Metalls gezählt.
■2 Der Stein ist der Musikstein, der mit einem Holzschlägel geschlagen wird.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
393
Chr.), zog f| ^ Sie-ngan aus, um Kuang-ling niederzu
halten. Als er erst auszog, zerbrach die metallene Trommel
mit steinernen Enden ohne Ursache. Dieses war die Seltsam
keit, dass das Holz das Metall schädigte. 1 Der Himmel hatte
eine Absicht, als ob er sagte: Ngan mit seinen Scharen ver
breitet den Ruf, dass er auf den Fusspfaden das Land durch
streift. Zuletzt ist daran nichts Wirkliches. — Glockenstangen
und Trommeln sind das Bild des Nichtverwondens. Im achten
Monate kehrte er wegen Krankheit zurück. In demselben
Monate starb er.
Ungeheuerlichkeiten der Pflanzen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hien von Han, im Frühlinge,
dem ersten Monate des fünf und zwanzigsten Jahres des Zeit
raumes Kien-ngan (220 n. Clir.), befand sich Kaiser Wu von
Wei in Lö-yang. Er wollte die Vorhalle m Kien-schi
errichten. Man fällte die Bäume von ^j|| |||| Tschö-lung, und
es kam Blut hervor. Ferner grub man Birnbäume aus und
versetzte sie. Die Wurzeln wurden verletzt, und es kam eben
falls Blut hervor. Dem Kaiser war dieses zuwider. Er legte
sich hierauf nieder und erkrankte. In demselben Monate starb
er. Es war nämlich Ungeheuerlichkeit der Pflanzen. Es war
auch ein Vorzeichen des Rothen. Dieses Jahr war das erste
des Zeitraumes Hoang-thsu, bezogen auf die Zeiten des Kaisers
Wen von Wei.
Zu den Zeiten Sün-liiang’s von U, im sechsten Monate
des ersten Jahres des Zeitraumes U-fung (254 n. Chr.), ver
wandelte sich das Schwadengras von Kiao-tschi in Reispflanzen.
Einst, als die drei Miao auswandern wollten, waren die
fünf Getreidearten veränderte Gattungen. Dieses war Unge
heuerlichkeit der Pflanzen. Nachher wurde Hiang abgesetzt.
Zu den Zeiten Lieu-schen’s von Scliö, im fünften Jahre
des Zeitraumes King-yao (262 n. Chr.), brach in dem Palaste
ein grosser Baum ohne Ursache, Tsiao-tscheu war
desswegen bekümmert. Es wurde mit ihm nichts darüber ge
sprochen. Da schrieb er auf einen Pfeiler: Eine Menge und
1 Auch die Trommel wurde mit einem Holzschlägel geschlagen.
394
Pfizmaier.
gross, bei diesem versammelt man sieb. Man hat bereit und
übergibt: wie lässt sich da noch sprechen? — Das Geschlecht
^ Tsao' ist die Menge. Wei ist das Grosse. Eine Menge
und gross, die Welt wird sich bei ihm versammeln. Bereit v
haben und übergeben, wie könnte da wieder ein Eingesetzter
sein? — Scho ging wirklich zu Grunde, wie Tscheu sagte.
Dieses war Ungeheuerlichkeit der Pflanzen.
Zu den Zeiten Sün-hao’s von U, im ersten Jahre des Zeit
raumes Thien-ni (276 n. Chr.), war der See Hl ¥ Lin-ping
in der Provinz U seit dem Ende der Zeiten der Han voll
Unkraut und versperrt. Um die Zeit öffnete er sich eines
Abends plötzlich und war von den Pflanzen befreit. Die Ael-
testen und Greise überlieferten einander: Wenn dieser See
sich verschliesst, ist die Welt in Unordnung. Wenn dieser See
sich öffnet, ist in der Welt der Friede hergestellt. — U ging
unvermuthet zu Grunde, und die neun Umkreise wurden ein
einziger.
Zu den Zeiten Sün-hao’s von U, im achten Monate des
dritten Jahres des Zeitraumes Thien-ki (279 n. Chr.), wuchs
in Kien-nie das Gemüse des Dämonenauges in dem Hause
ff Hoang-keu’s. Es wuchs an einem Brustbeerbaume
und war eine Klafter lang. Die Stengel waren vier Schuh
breit und zwei Linien dick. Ferner wuchs das Gemüse des
Enzians in dem Hause & ¥ U-ping’s. Dasselbe war vier
Schuh hoch und gleich dem Loquat. Von Gestalt war es oben
rund und hatte einen-Schuh acht Zoll im Durchmesser. Die
Stengel waren fünf Zoll breit, und zu beiden Seiten wuchsen
Blätter von grüngelber Farbe. Die Namen der Abbildungen
der östlichen Warte bezeichnen ,Dämonenauge' durch
Tschi ,Unsterblichkeitspflanze'. Das Gemüse des Enzians be
zeichnen sie durch ¥ ü Ping-liü ,das gleichmässige Nach
denken'. Hierauf ernannte man Keu zum Leibwächter der
aufwartenden Unsterblichkeitspflanze, Ping zum Leibwächter
des gleichmässigen Nachdenkens. Sie erhielten ein silbernes
Siegel und ein grünes breites Band. Yti-pao sagte: Im nächsten
Jahre unterwarf Tsin das Haus U. (J- Wang-siün liess
die Schiffe Stillstehen und fand gerade den Flussarm 2p Ping.
1 Von dem Geschlechte Tsao waren die Kaiser von Wei.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
395
Geschlechtsname und Name 1 deuteten offenbar auf das Un
scheinbare der Dinge. Was m m Hoang-keu ,gelber Hund <2
betrifft, so nahm' U durch den Umzug der Erde in Empfang
Han. Darum hatte es anfänglich das glückliche Zeichen des
gelben Drachen. Es erreichte seine letzten Jahre und hatte
die Ungeheuerlichkeit des Dämonenauges. Es verlässt sich
auf das Haus eines gelben Hundes. 3 Der Name ,gelb‘ ist nicht
verändert, aber zwischen dem Vornehmen und Gemeinen ist
ein grosser Unterschied. 1 Dieses ist das Entsprechende des
Geistigen und Unscheinbaren des Weges des Himmels.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im Frühlinge
des zweiten Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (292 n. Chr.),
brachte der Bambus an der Grenze von Pa-si Blumen von
purpurner Farbe hervor. Er trug Früchte gleich dem Weizen.
Die äussere Haut war grün, ihr Inneres roth und weiss, der
Geschmack süss.
Im sechsten Monate des neunten Jahres des Zeitraumes
Yuen-khang (299 n. Chr.), Tag Keng-tse (37), wuchs ein
Maulbeerbaum in dem westlichen Flurgang des östlichen Pa
lastes. Er wurde täglich um einen Schuh länger. An dem Tage
Kiä-schin (41) verdorrte er und starb ab. Es war die gleiche
Ungeheuerlichkeit wie bei dem Könige Thai-meu von
Yin. Der Nachfolger konnte nicht aufmerksam werden, dess-
wegen wurde er abgesetzt und gemordet. Puan-ku gibt an:
Wenn ein wilder Baum an dem Hofe wächst und urplötzlich
gross wird, so werden kleine Menschen urplötzlich auf der
Stufe der grossen Diener weilen. Es ist das Bild der in Ge
fahr schwebenden und untergehenden Reiche und Häuser. Der
Hof wird ein Erdhügel sein. Später wurden ^ ^ Sün-sieu
und Tschang-lin wider Vermuthen zu den Geschäften
verwendet. Man gelangte hierauf zu grosser Unordnung.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im vierten
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Yung-khang (300 n.
Chr.), Tag Ting-sse (54), setzte man den kaiserlichen Enkel
% U-ping- bedeutet: U ist unterworfen.
- Hoang-keu ist der erste der oben yorgekommenen Namen.
3 Auf das Haus Hoang-keu’s.
4 Der Drache ist vornehm, der Hund gemein.
396
Pfizmaier.
,ijp| Tsang zum kaiserlichen grossen Enkel ein. Im fünften
Monate, Tag- Kiä-tse (1), begab er sieb zu dem östlichen Pa
laste. Ein Maulbeerbaum wuchs wieder in dem westlichen
Flurgange. Im nächsten Jahre masste sich Tschao-lün
die Rangstufe an und tödtete Tsang durch Gift. Dieses war
die gleiche Ungeheuerlichkeit wie bei den Kaisern Min
und Hoai.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-hoai, im Winter des
dritten Jahres des Zeitraumes Yung-kia (309 n. Chr.), ertönten
in dem Districte 3|| Hiang die Maulbeerbäume wie sich lösende
Holzstäbe. Das Volk nannte dieses das Wehklagen des Maul
beerwaldes. Lieu-hiang erklärt: Sang ,Maulbeerbaum/ ist
"jS| Sang ,Trauer um die Todtenh Ferner bringt er den Ton
des Wehklagens hervor: es ist die ärgste der unglücklichen
Vorbedeutungen. Um diese Zeit war die Mutterstadt leer und
schwach, die Räuber von Hu drängten im Vereine.
Sse-ma-yue hatte keine Lust, die oberen Reiche zu beschützen.
Im Winter des vierten Jahres ermattete er und trat nach
Süden aus. Im Frühlinge des fünften Jahres starb er. Wj
Schl-li überdeckte dessen Menge, umzingelte sie und erschoss
sie. Von den Königen und Fürsten abwärts bis zu den ge
meinen Menschen waren die Todten zehnmal zehntausend.
Ferner sprengte man den Sarg Yue’s und verbrannte den
Leichnam. Tschung-yuen hatte nichts, um dafür um den
höchsten Befehl zu bitten. Niederlassung und Mutterstadt fielen
schnell: es war das Entsprechende des Wehklagens der Maul
beerbäume.
Im fünften Monate des sechsten Jahres des Zeitraumes
Yung-kia (311 n. Chr.) wuchsen in dem Districte Wu-si vier
Oleaster so, dass sie sich gegenseitig umschlangen. Sie sahen
aus, als ob sie zusammengewachsen wären. Vor dieser Zeit zog
iH" Kö-king-schün die Wahrsagepflanze. / jjj| jj||
Yen-schü-yü von Yen-ling überblickte es und vermehrte es,
indem er sagte: Später werden wieder ungeheuerliche Bäume
gleich einem glücklichen Vorzeichen wachsen. Es sind aber
keine Bäume des scharfen Bienenstachels. Wenn dieses ge
schieht, ist im Südosten, in einer Entfernung von mehreren
hundert Weglängen gewiss Einer, der Widersetzlichkeit übt.
— Später erregte |j|| Siii-fö Aufruhr. Dieses war Unge-
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
397
heuerlichkeit der Pflanzen. |fj$ Kö meinte, das Holz sei nicht
das Krumme und Gerade.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Tsin, im neunten
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Thai-ning (323 n.
Chr.), wuchsen in dem Districte Yen in Kuei-ki Bäume, die
gleich menschlichen Angesichtern waren. Nach dieser Zeit griff
3E Wang-tün zu den Waffen und übte Widersetzlichkeit.
Das Unglück ward niedergeschlagen, und es kam nichts zu
Stande. In dem Zeitalter der Kaiser Ngai und Ling von Han
war gleichfalls diese Ungeheuerlichkeit. Es waren aber Men
schengestalten ausgebildet und vorhanden. Desswegen war das
Unglück auch gross. Jetzt waren es nur menschliche Ange
sichter, sonst nichts. Desswegen waren die Veränderungen auch
leicht.
In dem Zeiträume I-hi (405 bis 418 n. Chr.) wuchs auf
den Mauern des Palastes und zu beiden Seiten des kaiser
lichen Weges lauter Burzeldorn. Es war Ungeheuerlichkeit der
Pflanzen. Der Burzeldorn hat Stacheln, man kann nicht darauf
treten und einhergehen. Er wuchs auf den Wänden und auf
dem Wege des schnellen Einherjagens. Der Himmel warnte,
als ob er sagte: Der Gebieter der Menschen legt die Hände
zusammen und schweigt. Er kann in Sachen der Lenkung
nicht Gehör geben. Wohnt er auch auf dem Gipfel des Sternen-
daches, es ist noch immer, als wäre es ein leerer Palast. Be
sitzt er auch den kaiserlichen Weg, er ist noch niemals ein
hergejagt. Ueberall wächst Burzeldorn. Es ist wie eine leere
Ruine.
Im achten Jahre des Zeitraumes I-hi (412 n. Chr.) wuchs
in dem grossen Tempel ein Weihrauchbaum zur Seite des
Altares. Der Weihrauch schätzt in der Schrift das Schwarze. 1
^ Sun g ist die Tugend des Wassers. 2 Es war die Beglau
bigung, dass dieses herrschen werde.
Hain ,Weihrauch“ ist das Zeichen
He
halten.
2 Das Haus Sung herrschte durch die Kraft des Wassers,
als schwarz bezeichnet wird.
,schwarz“ ent-
dessen Farbe
398
Pfi zm aier.
Ausartung der Fliigelthiere.
Zu den Seiten des Kaisers Hien von Han, im drei und
zwanzigsten Jahre des Zeitraumes Kien-ngan (218 n. Chr.),
sammelten sich Reiher an dem Teiche hinter der Vorhalle
Wen-tschang in dem Palaste von Nie. Im nächsten
Jahre starb Wu, König von Wei. Zu den Zeiten des Kaisers
Wen von Wei, im dritten Jahre des Zeitraumes Hoang-thsu
(222 n. Chr.), sammelten sie sich wieder an dem Teiche des
Gartens Fang-lin in Lö-yang. Im siebenten Jahre
sammelten sie sich nochmals. Im Sommer dieses Jahres starb
Kaiser Wen. Gegen das Ende des Zeitraumes King-thsu (237
bis 239 n. Chr.) sammelten sie sich abermals an dem Teiche
des Gartens Fang-lin. In den vorigen Geschlechtsaltern waren
sie zweimal gekommen und sofort war grosse Trauer gewesen.
Dem Kaiser war dieses zuwider. Im nächsten Jahre starb er.
Zu den Zeiten Lieu-schen’s von Schö, im zehnten Monate
des neunten Jahres des Zeitraumes Kien-hing (231 n. Chr.),
flogen in Kiang-yang bis Kiang-tscheu Vögel von dem Lande
im Süden des Stromes zu dem Norden des Stromes hinüber
und konnten nicht weiter. Sie fielen in das Wasser, und deren
tausend verendeten. Um diese Zeit setzte Tschü-kö-liang Jahr
um Jahr die Menge in Bewegung. Seine Absicht war, das
mittlere Reich, das Reich der Hia zu verschlingen, doch zuletzt
starb er im Süden des Flusses ^ Wei. Was er plante, wurde
nicht erreicht. Ferner theilten sich und stritten die Anführer.
Sie verloren in ziemlichem Masse Krieger und wandernde Scha
ren. Dass Vögel nach Norden flogen und nicht weiter konnten,
dass sie in das Wasser fielen und verendeten, alles dieses war
davon das Bild. Liang konnte am Ende nicht den Wei über
schreiten, es war auch das Entsprechende. Dieses ist im All
gemeinen von der.Art wie zu den Zeiten der Han, in dem
Reiche Tsu Raben kämpften und in den Fluss Sse fielen.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, im ersten
Jahre des Zeitraumes King-thsu (237 n. Chr.), waren von dem
Söller von Ling-siao erst die Balken zusammengefügt,
als Elstern darüber ein Nest bauten. Der Leib der Elster ist
weiss und schwarz, von gemischter Farbe. Dieses war Unge
heuerlichkeit der Flügelthiere. Es war ferner das Vorzeichen
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
399
des Weissen und Schwarzen. Der Kaiser fragte
O
Kao-tang-lung. Dieser antwortete: Das Gedicht sagt: Die Elster
hat ein Nest, doch die Taube wohnt darin. — Dass inan jetzt
Häuser des Palastes aufbaut, ab.er Elstern kommen und nisten,
dieses ist das Bild dessen, dass die Häuser des Palastes noch
nicht vollendet sind und man selbst sie nicht bewohnen darf.
Der Himmel hat eine Absicht, als ob er sagte: Die Häuser
sind noch nicht vollendet. Es werden andere Geschlechter sein,
welche sie einrichten und als Kaiser bewohnen. Man kann
nicht anders, als tief darüber nachdenken. — Der Kaiser ver
änderte jetzt die Miene und hatte ein erregtes Aussehen.
Zu den Zeiten Sün-kiuen’s von U, im vierten Monate
des zwölften Jahres des Zeitraumes Tschi-U (249 n. Chr.),
hielten zwei Vögel eine Elster in dem Schnabel und Hessen
sie in das östliche Gebäude fallen. Kiuen liess den leitenden
Reichsgehilfen # m Tschü-khiü für die Elster ein Leucht
feuer anzünden und sie opfern. Nach der Erklärung Lieu-hin’s
war dieses eine Ungeheuerlichkeit der Flügelthiere. Es war
auch ein Vorzeichen des Schwarzen. Es war die Strafe dafür,
dass man beim Sehen nicht hellsehend, beim Hören nicht
scharfhörig war. Um diese Zeit waren die Absichten Kiuen’s
ungemessen, die Tugend im Schwinden. Er glaubte der Ver-
läumdung und liebte es, zu tödten. Seine zwei Söhne sollten
in Gefahr gerathen. Sie sollten gegenseitig die Gefahr bereiten.
Er sah das Ungeheuerliche und kam nicht zur Besinnung. Er
fügte dazu ein Leuchtfeuer, was der ärgste der Wege der
Dunkelheit ist. Im nächsten Jahre wurde der Nachfolger
Ho abgesetzt, ||| Pa, König von Lu, wurde mit dem Tode
beschenkt. Tschü-khiü wurde seines Amtes entkleidet,
Lö-J starb vor Kummer. Dieses war das Entsprechende. Das
östliche Gebäude ist das Sammelhaus der Vorbilder und der
Belehrung. Die Elster fällt in das östliche Gebäude: es ist
noch die Absicht des Himmels.
Zu den Zeiten Sün-kiuen’s von U, im ersten Monate des
zweiten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen (251 n. Chr.), gab
man dem früheren Nachfolger Ho das Lehen eines Königs
von Nan-yang und schickte ihn nach Tschang-scha. Eine
Elster nistete auf dem Mastbaume. Die alten Palastgefährten
Ho’s hörten dieses, und Alle waren voll Kummer und Schmerz.
400
Pfizmaier.
Sie hielten dafür, dass die Spitze des Mastbauraes auf die
Seite geneigt und gefährlich ist, ein Bild dessen, dass man
nicht lange in Sicherheit sich befindet. Später starb Ho wirk
lich keines guten Todes.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im achten
Monate des vierten Jahres des Zeitraumes Thai-schi (268 n.
Chr.), flogen Bergfasane zu dem Thöre Tschang-hö 1 hinauf.
Als Tschao-lün sich bereits die Rangstufe angemasst
hatte, fing man in Lö-yang einen seltsamen Vogel, den Nie
mand mit Namen zu nennen wusste. Lün hiess Leute mit dem
Vogel hinaustreten, in der Feste und in der Stadt umhergehen
und überall die Leute fragen. Nach vielen Tagen war im Osten
des Palastes ein kleines Kind. Dasselbe sah ihn und sagte
sogleich: Es ist der sich unterwerfende, zurückbleibende Vogel,
der Vogel ||| I. 2 — Die Leute, welche den Vogel mitgenom
men hatten, kehrten zurück und meldeten es Lün. Dieser hiess
sie wieder das kleine Kind aufsuchen. Endlich sahen sie es
nochmals. Sie nahmen es und traten in den Palast. Man sperrte
den Vogel in einen Käfig und schloss das Kind hinter Thüren
ein. Als man am nächsten Tage nachsah, waren beide ver
schwunden. Dieses war Ausartung der Fliigelthiere. Es war
ferner die ärgste der Ungeheuerlichkeiten.
Als Tschao-lün sieh die Rangstufe anmasste, drangen
Wachteln in die Vorhalle der grossen Gipfelung und Fasane
setzten sich auf die östliche Halle. Die grosse Gipfelung und
die östliche Halle sind Orte des Hofopfers, des Hörens in
Sachen der Lenkung. Dass aber Wachteln und Fasane an
1 Tschang-hö ist mit % PI Thien-men ,Himmelsthor 4 gleichbedeu
tend. Das chinesische Zeichen für tschang fehlt. Es ist aus p^| und
^|j| zusammengesetzt, wobei das letztere von dem ersteren eingeschlossen
ist. Das Zeichen für Kö ist
2 m # & m Fö-lieu-niao-i. Wie man diese Worte verstanden
wissen wollte, lässt sicli nicht bestimmen, jjjjj Fö nannte man in
Tsu auch die Eule. Diese galt für einen Vogel, der die Grenze nicht
überschreitet, also zurückbleibt. ||^| I wird als ein dem Paradiesvogel
ähnlicher Vogel bezeichnet. In dem Buche der Tsin steht * #1 Ä
Fö-lieu-niao, dessen Bedeutung ebenfalls ungewiss ist. In dem genannten
Buche ist das Wort
i weggelassen.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
401
dem nämlichen Tage sich auf sie setzen, hier hat der Himmel
eine Absicht, als ob er sagte: Du sollst nicht auf dieser Stufe
verbleiben. Das Gedicht sagt: Die Elstern fliegen mit Macht,
die Wachteln laufen schnell. Ein Mensch, der ohne Güte, ihn
halten wir für den Gebieter? — Dieses wird hier gemeint.
Einst ward der Stammhalter der Yin erregt durch den Gesang
des Fasans. Er fürchtete sich und ordnete die Tugend. Lün
sah die zwei Wesen, er liess sich niemals warnen. Desswegen
gelangte er zu Vernichtung und Untergang.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-hoei von Tsin, im zweiten
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Yung-kia (307 n.
Chr.), sank im Nordosten von Lö-yang, in dem Dorfe ^ ^
Pu-kuang die Erde ein, und es kamen Gänse hervor. Die von
grasgrüner Farbe flogen und flatterten an dem Himmel. Die
weissen hielten inne. Dieses war Ausartung der Flügelthiere.
Es war auch Vorzeichen des Schwarzen und Weissen. -j|y 3|l|
Tung-yang sagte: Pu-kuang ist das m M Ti - tsiuen der
Tscheu, der Ort des Vertrages und der Versammlung. Weiss
ist die Farbe des Metalls. Grasgrün ist das Bild von Hu.
Kann es wohl ganz gesagt werden? — Später folgten ^|J
Lieu-yuen und JfiJj Schi-ll auf einander und besassen aus
schliesslich das Blumige. Die zwei Kaiser Hoai und Min sanken
unter und wurden vernichtet wider Gerechtigkeit.
In dem Zeitalter des Kaisers Idiao-hoai von Tsin befanden
sich in dem Hause Tscheu-I’s Gänse in einem Käfige,
doch ihre Köpfe waren ausserhalb des Käfigs abgeschnitten.
Nachdem I entflohen, wurde sein Haus hingerichtet.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Tsin, im achten
Monate des dritten Jahres des Zeitraumes Thai-ning (325 n.
Chr.), erschienen zwei Vögel, der eine von grasgrüner, der
andere von schwarzer Farbe. Ihre Flügel massen eine Klafter
vier Schuh in der Breite. Der eine setzte sich auf das Sammel
haus des Vorstehers der Scharen. Man tödtete ihn mit Pfeil
schüssen. Der andere setzte sich auf das Haus eines Haus
genossen im Norden des Marktes. Er wurde ebenfalls erlegt.
Dieses war Ausartung der Flügelthiere. Es war auch Vor
zeichen des Schwarzen. Im Schaltmonate, an dem Tage Meu-
tse (25), starb der Kaiser. Später ereignete sich der Aufruhr
Su-siün’s und jjjjf Tsu-yö’s.
402
Pfizmaier.
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im ersten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Ilien-ho (327 n.
Ohr.), setzten sich fünf Seemöven auf den Vorhof der Vor
halle. Dieses war auch ein Vorzeichen des Weissen. Um diese
Zeit widersetzte sich Jj$| Yü-liang einstweilen den An
schlägen und wollte Su-siün vorladen. Es war das Verschulden,
dass die Worte nicht befolgt wurden. Desswegen erschien
früher das Vorzeichen des Weissen. Im zweiten Monate des
dritten Jahres erregte Siüu wirklich Aufruhr. Die Häuser des
Palastes wurden verbrannt und zerstört. Sie verwandelten sich
in Schmutz und Unkraut. Dieses war das Entsprechende.
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im siebenten
Monate des achten Jahres des Zeitraumes Hien-khang (342 n.
Chr.), setzten sich weisse Reiher auf das Dach der Vorhalle.
Um diese Zeit war Kaiser Khang erst zu seiner Rangstufe
gelangt. 1 Dieses war das Vorzeichen des Mangelns der Dauer.
Später hatte man zweimal das Jahr durchsetzt, als der Kaiser
stai'b. Lieu-hiang sagte: Wenn Vögel der Wildniss in bewohnte
Paläste und Häuser dringen, so werden diese leer sein. Als
j|I Tschang-kuan sich an dem richtigen Hofe von Liang-
tscheu befand, liess er gute Sperlinge los. Alle Vögel, die aus
seinen Händen kamen, waren sogleich todt. Diejenigen, welche
sein Gefolge losliess, flogen sämmtlich davon.
. Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im ersten
Monate des sechzehnten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen (391
n. Chr.), nisteten Elstern auf dem Habichtschweife der Ost
spitze der grossen Gipfelung. Sie nisteten ferner an der West
spitze der Lernhalle der Reichssöhne. Im achtzehnten Jahre
war der östliche Palast eben fertig. Im ersten Monate des
neunzehnten Jahi-es nisteten Elstern wieder an dessen west
lichem Thore. Dieses hatte wohl gleiche Deutung mit dem
Voi'kommnisse des Zeitraumes King-thsu von Wei. 2 Die Lern-
halle ist es, wo die Lehren der Sitte sich ansammeln. Das
westliche Thor ist das Vorzeichen des Grundstoffes des Metalls.
1 Kaiser Tsching war im sechsten Monate des oben genannten Jahres
gestorben. Kaiser Khang war im siebenten Monate bereits eingesetzt,
jedoch das Jahr zählte noch zu den Jahren des Kaisers Tscliing.
2 Oben (S. 398) aus den Zeiten des Kaisers Ming von Wei angeführt.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
403
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im dritten
Jahre des Zeitraumes I-hi (407 n. Chr.), legte Tschü-I,
Heerführer der Drachenpferde, eine Besatzung nach Scheu
yang. Eine Sclavin kochte Speise, als plötzlich eine Schar
Raben sich auf den Herd setzte. Dieselben kamen wetteifernd,
pickten und frassen. Die Sclavin verjagte sie, doch sie ent
fernten sich nicht. Ein Jagdhund biss die Raben und Elstern
todt. Die übriggebliebenen pickten in Gemeinschaft auf den
Hund, und dieser verendete. Sie verzehrten ferner sein Fleisch,
und nur die Knochen blieben übrig. Im sechsten Monate des
fünften Jahres starb I.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Sung, im dritten
Jahre des Zeitraumes Yung-thsu (422 n. Chr.), ernannte man
^ Siü-sien-tschi zum Vorsteher der Scharen. Seinen
hundert Gefährten wurden Rangstufen verliehen. Da setzten
sich Störche der Wildniss auf den Habichtschweif der grossen
Gipfelung, klapperten und schrieen.
Zu den Zeiten des jungen Kaisers, im Frühlinge des
zweiten Jahres des Zeitraumes King-ping (424 n. Chr.), nisteten
Störche auf dem Habichtschweife des Westens des grossen
Ahnentempels. Man verjagte sie, aber sie kamen wieder. Zu
den Zeiten des Kaisers Wen, im Frühlinge des zweiten Jahres,
des Zeitraumes Yuen-kia (425 n. Chr.), setzten sich Möven
des Stromes in einer Anzahl von mehreren Hunderten inner
halb der kleinen Stufen vor der Vorhalle der grossen Gipfe
lung auf. Im nächsten Jahre verhängte man über Siü-sien-tschi
und Andere die Hinrichtung.
Aufziehen des Rothen, Vorzeichen des Rothen.
Zu den Zeiten 4V # ffl Kung - sün - yuen’s wuchsen
auf dem nördlichen Markte von Siang - ping Stücke Fleisch
und wurden gross. Im Umfange mass ein jedes mehrere Schuhe.
Sie hatten Kopf, Augen, Mund, Schnabel und bewegten sich
ohne Hände und Füsse. Dieses war Aufziehen des Rothen.
Die Auslegung sagte: Eine Gestalt haben, die nicht vollendet
ist, einen Leib ohne Stimme haben, hier wird das Reich ver
nichtet und geht zu Grunde. — Yuen wurde unvermuthet
durch |^jJ Wei hingerichtet.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. II. Hft.
26
404
Pfizmaier.
m
Teng-kia, Anführer der Besatzung von U, tödtete
ein Schwein und opferte den Göttern. Als er die Handlung
beendet hatte, bängte er es auf. Da sah er ein Menschenhaupt,
welches sich hinbegab und das Fleisch verzehrte. Er spannte
den Bogen, schoss nach ihm und traf es. Das Haupt erhob
ein grosses Geschrei und umkreiste das Dach durch drei Tage.
Dieses war nahezu ein Vorzeichen des Rothen. Später meldeten
Menschen, dass Kia damit umgehe, sich im Norden aufzuleh
nen. Er wurde hingerichtet. Die von King-fang verfassten Un
geheuerlichkeiten der Verwandlungen sagen: Der Berg ist zu
sehen, er verdeckt den Strom in der Stadt. Die Stadt hat das
Aussehen der Waffen, sie ist wie ein Menschenhaupt und von
rother Farbe.
Tschü-kö-khö von U die Hinrichtung
Als
bevorstand, wusch er sich in einem Waschbecken. Das Wasser
roch nach Blut. Der Aufwärter übergab ihm ein Kleid. Das
Kleid roch ebenfalls nach Blut. Dieses war nahezu ein Vor
zeichen des Rothen.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im eilften
Monate des siebenten Jahres des Zeitraumes Thai-khang (286
n. Chr.), bedeckte in Ho-yin rother Schnee eine Fläche von
zweihundert Morgen. Dieses war ein Vorzeichen des Rothen.
Später hatte man vier Jahre durchschritten, als der Kaiser
starb. Die Paläste der Könige geriethen hierauf in Unordnung.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im dritten
Monate des fünften Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (295
n. Chr.), zeigte sich in dem Districte Liü fliessendes Blut.
Seine Ausdehnung betrug von Osten nach Westen hundert
Schritte. Dieses war ein Vorzeichen des Rothen. Das äusserste
Unheil, die gipfelnde Unordnung am Ende des Zeitraumes
Yuen-khang, die auf dem Boden liegenden Leichname, das
fliessende Blut, dieses war das Entsprechende. Yü-kan hielt
dafür: Dass acht Jahre später die Landstriche Fung und Yün
in Verwirrung geriethen, in Siü-tscheu die Getödteten und
Verwundeten mehrere Zehntausende waren, dieses sei das Ent
sprechende.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im dritten
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Yung-khang (300 n.
Chr.), regnete es in Yö-schi Blut. Wenn Lenkung und Strafe
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
405
lass- und langsam sind, so gibt es beständige Hitze, das Un
geheuerliche des Vorzeichens des Rothen. Im ersten Monate
dieses Jahres geleitete man den Nachfolger Min-hoai und ver
schloss ihn in dem Palaste Hiü. Der Himmel warnte, als
ob er sagte: Es geziemt sich nicht, nachlässig und eigenwillig
zu sein. Verrätherische Menschen werden bewirken, dass der
Nachfolger zum Geständniss gezwungen wird und stirbt. Kaiser
Hoei, unwissend und schwachsichtig, ward nicht aufmerksam.
In diesem Monate stürzte Min-hoai zu Boden. Hierauf kam
das Blutopfer der Häuser der Könige zu Stande, das Unglück
nahm seinen Lauf durch die Welt. 14 $ Nao-tsclii tödtete
den König Min von Tsi, täglich regnete der Himmel Blut und
benetzte die Kleider. Der Himmel kündigte es dadurch an:
dieses ist die Bedeutung. Die von King-fang verfassten Ueber-
lieferungen von den Verwandlungen sagen: Die Untersuchung
in dem Gefängnisse, die man zurückschickt, wird nicht nieder
geschlagen.— Dieses bedeutet: Man untersuchte nachträglich,
was nicht sein Verbrechen war. — Der Himmel regnet Blut.
Dieses bedeutet: Wenn man sich nicht befreundet, nährt das
Volk im Herzen Groll. — Man hatte nicht drei Jahre ver
bracht, und es waren nicht die Menschen dieses Stammhauses.
Sie sagen ferner: Die schmeichelnden Menschen beziehen Ge
halt, die verdienstvollen Diener werden gemordet: der Himmel
regnet Blut.
Ungeheuerlichkeiten der Trommel.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im dritten
Monate des neunten Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (299
n. Chr.), kamen Stimmen wie von Rindern aus der Feste von
Hiü-tschang. Im zwölften Monate setzte man den Nachfolger
ab und verschloss ihn in dem Palaste von Hiü. Dem
Frühling und Herbst zufolge erklangen in dem Sarge des
Fürsten Wen von Tsin Stimmen wie von Rindern. Lieu-hiang
hielt es für Ungeheuerlichkeit der Trommel. In der Erklärung
sagte er: Ein solcher Ton ist das Bild des Zornes. Es wird
Anschläge des Jähzorns geben und daraus Unglück der An-
griffswaffen und Panzer entstehen. Von dieser Art ist es. Im
nächsten Jahre entsandte die Kaiserin von dem Geschlechte
26*
406
Pfizmaier.
Ku JjSi Stin-liü, damit er den Nachfolger tödte. Er- er
schlug ihn mit einem Arzneistössel. Der Ton ward aussen
gehört.
Als ^ Su-tsiün sich in dem Lager von Li-yang
befand, ertönte die Trommel des Heerführers von selbst, als
ob ein Mensch sie rührte. Tsiün zerschlug sie mit der Hand
und sagte: Zur Zeit, wo ich Erde erhalte, geschieht dieses.
Dann ist die Feste leer. — Er erregte sofort Aufruhr und
wurde vernichtet. Dieses war die Strafe dafür, dass das Gehör
nicht scharf war. Die Ungeheuerlichkeit der Trommel erstand
früher.
Gegen das Ende der Jahre Schi-hu’s befand sich neun
Weg-langen nordwestlich von Lö-yang ein steinernes Rind auf
einem Fussgestelle von grünem Steine. Plötzlich brüllte es,
und man hörte den Ton vierzig Weglängen weit. Schi-hu
schickte Leute und Hess ihm beide Ohren und den Schweif
absclilagen, ferner die vier Füsse mit eisernen Nägeln an- ,
nageln.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, am dritten
Tage des fünfzehnten Jahres des Zeitraumes Thai-yuen (390
n. Chr.), zur Zeit des Neumondes, erscholl im Nordosten ein
Ton gleich dem Donner. Lieu-hiang erklärte es und hielt dafür,
dass der Donner sich den Wolken anvertrauen solle, gleichwie
der Gebieter sich dem Diener anvertraut. Donner ohne Wolken,
dieses ist das Bild dessen, dass der Gebieter um die Niederen
sich nicht kümmert und dass das niedere Volk sich auf lehnen
wird. Als der Kaiser starb, gerieth die Welt allmälig in Un
ordnung. m S Siin - ngen und ^JE} ^ Idoan - hiuen be
drängten im Vereine Mutterstadt und Städte.
Auf dem Berge Hia-kia, District Tschang-tsching
in U-hing, befand sich eine steinerne Trommel. Dieselbe war
eine Klafter lang, ihre Oberfläche hatte im Durchmesser drei
Schuh. Unter ihr war ein Fels, der das Fussgestell bildete.
Wenn sie ertönte, war ihr Ton gleich demjenigen einer eher
nen Trommel. Die drei U hatten dann Krieg. Zu den Zeiten
des Kaisers Ngan von Tsin, in dem Zeiträume Lung-ngan
(394 bis 401 n. Chr.), erklang sie mit lautem Tone. Später
ereignete sich der Aufruhr ||| Sün-ling-sieu’s.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
407
Bindernnglfick.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im neunten
Jahre des Zeitraumes Thai-khang (288 n. Chr.), war im Nor
den der Versperrungen von Yeu-tselieu ein todtes Rindshaupt,
welches sprach. Es war nahezu Rinderunglück. Um diese Zeit
litt der Kaiser an vielen Krankheiten. Er machte die späteren
Dinge zum Gegenstände tiefen Nachdenkens, doch was er an
vertraute und übergab, war nicht die höchste öffentliche Sache.
Er sann, sein Herz war aufgeregt. Dieses war das Entspre
chende. m i Sse-kuang sagt: Wenn Groll und Unwille
das Volk bewegen, so sprechen Dinge, die keine Sprache
haben, eine Sprache. — Dieses ist ebenfalls der Sinn.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Thai-ngän (302 bis 303 n. Chr.), sprachen die Rinder,
mit welchen ijr{| Tschang-tsching von Kiang-hia fuhr, die
Worte: Die Welt ist eben in Aufruhr. Wozu fährst du mit
uns? — Tsching fürchtete sich und kehrte zurück. Ein Hund
sagte ferner zu ihm: Warum erfolgt die Heimkehr so früh?
— Sofort blieb er hinter den Rindern zurück. Ferner stand er
wie ein Mensch und ging einher. Tsching hiess einen guten
Wahrsager es deuten. Dieser sprach: In der Welt wird es
Unordnung durch die Waffen geben. Das Unglück, das sie
anrichten, wird nicht bei einem Hause stehen bleiben. — In
diesem Jahre empörte sich ^|| ||| Tschang - tschang und
durchstreifte früher Kiang-hia. Tsching war Anführer und Vor
derster. Hierauf kam über die fünf Landstriche Verderben
und Verwirrung. Tsching ward ebenfalls mit seinen Seiten
geschlechtern vernichtet. Die von King-fang verfassten Unge
heuerlichkeiten der Verwandlungen sagen: Wenn Rinder spre
chen können, gehen ihre Worte in Erfüllung. Die Deutung
ist glücklich oder unglücklich. Die Thürangeln der Luft der
Keime der Verwandlungen sagen: Der Gebieter der Menschen
liebt nicht die vorzüglichen Männer, die laufenden Pferde sind
bedeckt mit gestreiftem buntem Stickwerk. Die grossen Wölfe
verzehren die Speise der Menschen. Die sechs Arten der
Hausthiere haben dann ungeheuerliche Worte. — Um die Zeit
machten der Himmelssohn und die Lehensfürsten Güte gegen
408
Pfizmaier.
die Niederen nicht zum Gegenstände ihres Strebens. Dieses
war ebenfalls das Entsprechende.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen, im ersten Jahre des
Zeitraumes Thai-hing (318 n. Chr.), warf eine Kuh J =tjt
Wang-liang’s, Statthalters von Wu-tschang, ein Junges mit
zwei Köpfen, acht Füssen, zwei Schweifen und einem gemein
samen Bauche. Nach drei Jahren verendete es. Ferner waren
Rinder, denen ein Fuss und drei Schweife gewachsen waren.
Alle verendeten nach der Geburt. Sse-ma-pieu erklärte: Zwei
Köpfe ist das Bild dessen, dass die Lenkung sich bei den
besonderen Thoren befindet, dass zwischen Höheren und Nie
deren kein Unterschied ist. Die von King-fang verfassten
Ueberlieferungen von den Verwandlungen sagen: Wenn die
Füsse viele sind, ist dasjenige, das man betraut, das Unrecht.
Wenn die Füsse wenige sind, sind die Niederen dem Aufträge
nicht gewachsen. Später ging dieses alles in Erfüllung.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im zwölften
Monate des vierten Jahres des Zeitraumes Thai-hing (321 n.
Chr.), verendeten die Rinder des Opfers der Aussenwerke.
Lieu-hiang erklärte die Stelle des Tschtin-thsieu: Die Rinder
des Opfers der Aussenwerke verendeten. Er sagte: Fürst Siuen
war kleinlich, verfinsterten Geistes und unordentlich. Desswegen
nahm der Himmel das Opfer nicht an.
Im siebenten Jahre des Zeitraumes Hien-ho (332 n. Chr.)
warf in dem Hause ^ Yuen-ying’s, eines Menschen des
Volkes in |j£ Kieu-te, eine Kuh ein Kalb mit zwei
Köpfen, acht Füssen und zwei Schweifen an einem gemein
samen Leibe. Die von King-fang verfassten Ueberlieferungen
von den Verwandlungen sagen: Wenn man Unschuldige tödtet,
so bringen die Kühe Ungeheuerlichkeiten zur Welt.
Als das Reich II £ IJoan-hiuen’s sich in King-tscheu
befand, begab er sich zu dem stechenden Vermerker m # «
Yin-tschung-kan. Auf der Reise gelangte er zu der Storch
höhle. Er begegnete daselbst einem Greise, der grüne Rinder
von ausserordentlicher Gestalt und Farbe trieb. Hoan-hiuen
tauschte sie gegen die Rinder,, mit denen er fuhr, ein, nahm
sie und fuhr mit ihnen bis zu dem Bache King in Ling-
ling. Die Rinder waren ungewöhnlich schnell und munter. Er
liess sie jetzt ausruhen und tränkte sie. Die Rinder traten auf
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
409
einem Fusswege in das Wasser des Stromes und kamen nicht
heraus. Hiuen schickte Leute, welche nachsehen und sie be
wachen sollten. Die Tage vergingen, und es war nichts zu
sehen.
Im neunzehnten Jahre des Zeitraumes Yuen-kia von Sung
(442 n. Chr.) schickte Tsin-ling ein Kind, dessen Hörner an
der rechten Brustseite wuchsen und acht Schuh lang waren.
Im zweiten Monate des nächsten Jahres bewirkte der östliche
Palast Unglück.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu, im dritten Jahre
des Zeitraumes Ta-ming (459 n. Chr.), machte Fei
yen, stechender Vermerker von Kuang-tscheu, einen drei-
hörnigen Wasserbüffel zum Geschenk.
Ungeheuerlichkeiten des Pfeilschiessens.
HP ^ Teng-tschi, Heerführer der Wagen und Reiter
von Schö, unternahm den Eroberungszug nach Feu-ling. Er
sah einen schwärzlichen Affen, der um einen Berg herumging.
Er schoss nach ihm mit dem Bogen und traf ihn. Der Affe
riss die Pfeilspitze heraus, rollte Baumblätter zusammen und
verschloss die Wunde. Tschi sprach: Leider! Ich widersetzte
mich der Eigenschaft der Wesen. Ich werde sterben. — Wider
Vermuthen starb er. Dieses war Ungeheuerlichkeit des Pfeil
schiessens. Einige sagen: Eine Aefiin hielt ihr Junges in den
Armen. Tschi schoss nach ihr und traf sie. Das Junge riss
ihr die Pfeilspitze heraus, nahm Baumblätter und verschloss
die Wunde. Tschi seufzte und warf den Bogen in das Wasser.
Er wusste, dass er sterben werde.
Zur Zeit als Kaiser Kung von Tsi König von Lang-ye
war, liebte er wunderbare Spiele. Einst schloss er ein Pferd
innerhalb des Thores ein und gebot den Leuten, nach dem
Pferde zu schiessen. Er wollte sehen, nach wie vielen Pfeil
schüssen es todt sein würde. Unter den Leuten seiner Umge
bung war einer, der ihm Vorstellungen machte und sagte:
Jäy Ma ,Pferd' ist der Geschlechtsname des Reiches. 1 Doch
1 Der Geschlechtsname der Kaiser von Tsin war Sse - ma
,Vorsteher der Pferde 4 .
410
Pfizmaier.
jetzt schiesst man nach ihm: dieses ist die ärgste der unglück
lichen Vorbedeutungen. — Hierauf liess man ab. Doch das
Pferd war bereits von zehn Pfeilen bedeckt. Dieses war näm
lich Ungeheuerlichkeit des Pfeilschiessens. Wider Vermuthen
masste sich Hoan-hiuen die Rangstufe an.
Pferdexinglück.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Ta-hi, 1 wuchsen in Liao-tung einem
Pferde Hörner. Dieselben befanden sich unter den Ohren und
waren drei Zoll lang. Nach der Erklärung Lieu-hiang’s ist
dieses ein Bild der Waffen. Nach dem Tode des Kaisers Wu
wurde das Haus der Könige von Waffenunglück heimgesucht.
Dieses war das Entsprechende. Die von King-fang verfassten
Ueberlieferungen von den Verwandlungen sagen: Die Diener
wechseln mit der höheren Lenkung. Die Ungeheuerlichkeit
dessen ist, dass dem Pferde Hörner wachsen. Ferner kommt
vor: Macht der Himmelssohn in eigener Person Angriffe, so
wachsen dem Pferde Hörner. Der Frühling und Herbst des
G-eschlechtes Liü sagt: Wenn der G-ebieter der Menschen den
Weg verfehlt, so wachsen dem Pferde Hörner.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im zwölften
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Yuen-khang (291 n.
Chr.), wollte der kaiserliche Nachfolger die Gegenstände des
Opfers aufstellen. Der grosse Zugesellte, König m Ltin von
Tschao, fuhr in einem Dreigespanne und gelängte zu dem Thore
von Nan-tsching. Die Pferde standen still. Starke Männer trie
ben sie an, aber konnten sie nicht von der Stelle bringen.
Liin stieg in einen kleinen Wagen, und sie gingen dann vor
wärts. Dieses war Pferdeunglück. Der Himmel warnte, als ob
er sagte: Lün kennt nicht die Seite der Gerechtigkeit. Zuletzt
bringt er Aufruhr und Ungehorsam zu Wege. Er ist kein zu
gesellter, leitender, die Gebräuche übender Mensch. — Lün
ward nicht aufmerksam und ging desswegen zu Grunde.
1 Stellt für das erste und einzige Jahr des Zeitraumes Yung-hi (290 n. Chr.),
in welchem Jahre Kaiser Wu von Tsin starb. Man nennt dieses Jahr
auch das eilfte des Zeitraumes Thai-khang.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
411
Im Winter, im eilften Monate des neunten Jahres des
Zeitraumes Yuen-khang (299 n. Chr.), wurde eine rothe Stute
scheu und lief zu der Meldhalle des Beruhigers des Vorliofes.
Sie wieherte schmerzlich und war todt. Es war wohl ein Bild
dessen, dass Min-hoai, zum öeständniss gezwungen, sterben
werde. Dass sie die Meldhalle des Beruhigers des Vorhofes
sah, war auch der Wille des Himmels.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im zweiten
Jahre des Zeitraumes Ta-hing (318 n. Chr.), warf ein Pferd
Yang-yin’s aus Pö-yang, Angestellten der Provinz
Tan-yang, ein Füllen mit zwei Köpfen, die vor dem Halse
sich trennten. Es verendete nach der Geburt. Nach der Er
klärung Sse-ma-pieu’s war es das Bild dessen, dass die Len
kung sich bei den besonderen Thoren befindet und zwei Häupter
hat. Nachher verging sich (J) ^ Wang-tün gegen den Kaiser.
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im fünften
Monate des achten Jahres des Zeitraumes Hien-khang (342 n.
Chr.), Tag Kiä-sü (11), zeigte sich ein Pferd, das von Farbe
roth wie Blut war. Dasselbe lief aus dem Thore j|j) |^r
Siuen-yang gerade in den vorderen Theil der Vorhalle, machte
Krummsprünge und lief hinaus. Man verfolgte es sogleich, doch
Niemand wusste, wo es war. An dem Tage Ki-mao (16) war
der Kaiser unwohl. Im sechsten Monate starb er. Dieses war
Pferdeunglück. Es war auch ein Vorzeichen des Rothen. Als
!Üi M Üjä? Tschang-tschung-hoa sich in Liang-tscheu befand,
wollte er jj>J| )|fji Tschang-tso, Reichsgehilfen von Si-ho, hin
richten lassen. In dem Stalle Tso’s hatten mehrere Zehende
von Pferden zu gleicher Zeit rückwärts keinen Schweif.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im zehnten
Monate des vierten Jahres des Zeitraumes Lung-ngan (400 n.
Chr.), wuchsen in Liang-tscheu einem Pferde Hörner. Der
stechende Vermerker Kö-tsiuen schickte es und liess
es Hoan-hiuen, dem Beruhiger der Hauptstadt, zeigen. Lieu-
hiang erklärte: Einem Pferde sollen keine Hörner wachsen.
Hiuen sollte nicht zu den Waffen greifen und sie gegen den
Kaiser kehren. Er sah das Unheil und kam nicht zur Besin
nung. Desswegen gelangte er zu Ausrottung und Vernichtung.
412
P f izmaier.
üuechtheiten der Menschen.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, im dritten
Jahre des Zeitraumes Thai-ho (229 n. Chr.), starb die Tochter
J=| Hi-nung’s, eines Kriegers in den Abtheilungen 1 #:
Tsao-hieu’s, und wurde wieder lebendig. Die Menschen jener
Zeit öffneten einen Grabhügel aus dem Zeitalter der Tscheu
und fanden ein Mädchen, welches mit einem Todten begraben
worden war. Nach einigen Tagen athmete es, nach einigen
Monaten konnte es sprechen. Die Kaiserin von dem Geschlechte
Kö ernährte es aus Mitleid. Ferner öffneten Menschen
des Volkes von Thai-yuen einen Grabhügel und sprengten
den Sarg. In dem Sarge befand sich ein lebendiges Weib. Sie
fragten nach ihren Verhältnissen, aber sie erfuhren es nicht.
Nach den Bäumen des Grabes zu urtheilen, mochten es dreissig
Jahre her sein. In den von King-fang verfassten Ueberliefe-
rungen von den Verwandlungen ist das äusserste Yin das
Yang. Die unteren Menschen werden obere. Es ist das Bild
des Erstehens des Königs Siuen von Tsin. Die Kaiser Ping
und Hien von Han hatten beide diese Seltsamkeit. Die Deu
tung hielt dafür, es sei die Vorhersagung hinsichtlich
Wang-mang’s und iS) ^ Tsao-tsao’s. Als Kung-sün-yuen
kochte, wurde ein kleines Kind in dem Kessel zu Tode ge
sotten. Später erging über ihn Ausrottung und Vernichtung.
Zu den Zeiten Sün-hiang’s von U, im zweiten Jahre des
Zeitraumes Kien-hing (253 n. Chr.), wollte
Tschü-kö-khö den Eroberungszug nach Hoai-nan unternehmen.
Ein älternliebender Sohn, mit einem Trauerkleide angethan,
trat in seine Nebenthüre. Er fragte nach und erhielt zur Ant
wort: Wir bemerkten nicht, dass er eintrat. Um die Zeit war
das Innere und Aeussere bewacht und mit Vorposten umgeben,
man sah aber durchaus nichts. Alle verwunderten sich darüber.
Als Khö zurückkehrte, wurde er wirklich getödtet. Als er
bereits von dem Verderben erreicht war, befand sich seine
Gattin in dem inneren Hause und hiess die Sclavin Wasser
in ein Handbecken giessen. Sie bemerkte, dass die Sclavin
nach Blut roch. Ferner war der Blick ihres Auges ein unge
wöhnlicher. Die Gattin fragte um die Ursache. Die Sclavin
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
413
sprang empor, erhob das Haupt bis zu den Dachbalken, ver
drehte die Arme, knirschte mit den Zähnen und rief: Fürst
Tschü-kö wird durch Siün getödtet!
Zu den Zeiten Sün-hieu’s von U, im vierten Jahre des
Zeitraumes Yung-ngan (261 n. Chr.), starb |J^ Tschin-
tsiao, ein Mensch des Volkes von & Ngan-U. Nach
sieben Tagen durchbrach er den Grabhügel und kam hervor.
Yii-pao sagte: Dieses ist dieselbe Sache, wie bei dem Kaiser
Siuen von Han. Es ist das Vorzeichen, dass Hao, Lehensfürst
von U-tsching, die Absetzung erfuhr und dass das alte Haus
die Rangstufe erlangte.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Wei, im achten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Hien-hi (265 n.
Chr.), erzählte man in dem Districte Siang-wu, dass ein grosser
Mensch sich sehen lasse. Derselbe sei drei Klafter lang, seine
Fussstapfen seien drei Schuh zwei Zoll lang. Sein Haupthaar
sei weiss, er trage ein gelbes Tuch und ein gelbes einfaches
Kleid. Er stütze sich auf einen Stock und rufe das Volk.
£ ft Wang-schi sagte: Jetzt wird grosser Friede werden.
— Wider Vermuthen setzte sich Tsin in den Besitz von Wei.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im fünften
Jahre des Zeitraumes Thai-schi (269 n. Chr.), wuchsen einem
siebzigjährigen Menschen von Yuen-tsching Hörner. Die Denk
würdigkeiten von Han erklären: Es war wohl ein Bild dessen,
dass Lün, König von Tschao, sich die Würde anmassen und
Aufruhr erregen werde.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im zweiten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Hien-ning (276 n.
Chr.), erkrankte ||g| ||| Yen-khi, ein Mensch von Lang-ye,
und starb. Er war bereits lange Zeit in den Sarg gelegt, als
allen Menschen des Hauses träumte, dass Khi zu ihnen sagte:
Ich werde wieder lebendig werden. Möge man schnell den
Sarg öffnen. — Man nahm Khi sofort heraus. Er konnte all-
mälig essen und trinken, sich biegen, strecken und sehen. Doch
er konnte nicht gehen und nicht sprechen. Nach zwei Jahren
starb er nochmals. Nachher richteten
^ Jjjjff Schi-li das Haus der Tsin zu Grunde.
In dom Zeitalter des Kaisers Hoei von Tsin wurde
Tu-sl-kia begraben, jedoch eine Sclavin irrte
414
Pfizmaier.
sich und fand nicht heraus. Zehn Jahre später öffnete man den
Grabhügel und legte einen Todten hinzu. Die Sclavin lebte
aber noch immer. Anfänglich war sie wie umdunkelt. Nach
einiger Zeit kam sie allmälig zur Besinnung. Als man sie
fragte, sagte sie, sie müsse eine oder zwei Nächte zugebracht
haben. Zur Zeit als die Sclavin vergraben wurde, war sie
fünfzehn bis sechzehn Jahre alt. Als man den Grabhügel öffnete
und sie wieder lebendig ward, schien sie noch immer fünfzehn
bis sechzehn Jahre alt zu sein. Man vermälte sie, und sie hatte
Kinder.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Kuang-hi (306 n. Chr.), wurde jpjj- Wf
Sie-tschin aus Kuei-ki ein Sohn geboren. Derselbe hatte auf
einem grossen Kopfe Schläfenhaar, das zu beiden Seiten sich
begegnete und dann wieder nach oben gekehrt war. Er hatte
zwei Körper, einen männlichen und einen weiblichen. Bei der
Geburt hatte er sogleich die Stimme eines Mannes. Nach einem
Tage starb er.
In dem Zeitalter der Kaiser Hoei und IJoai von Tsin
war in der Niederlassung der Mutterstadt ein Mensch, der
einen männlichen und weiblichen Leib in sich vereinigte. Er
konnte auch mit beiden sich des Menschenweges bedienen
und war von Sinnesart überaus ausschweifend. Wie man glaubt,
entstand hieraus der Geist der Unordnung. Nach den Zeit
räumen Ilien-ning und Thai-khang (275 bis 289 n. Chr.) kam
die männliche Begünstigung sehr in Schwung und mehr als
die weibliche Wollust. Unter den vorzüglichen Männern und
Grossen war keiner, der sie nicht schätzte. In der Welt ahmten
Alle einander nach. Bisweilen kam es so weit, dass Mann und
Weib sich trennten, sich hassten, Eifersucht und Scheu weit
trieben. Desswegen ward der Geist der Männer und Weiber
verwirrt, und ungeheuerliche Gestalten traten auf.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen, im Anfänge des Zeit
raumes Thai-hing (318 bis 321 n. Chr.), war wieder ein Mäd
chen, dessen Scham sich über dem Bauche befand. Es lebte
in Yang-tsclieu und war von Sinnesart ebenfalls ausschweifend.
Die von King-fang verfassten Ungeheuerlichkeiten der Ver
wandlungen sagen: Wenn einem Menschen ein Kind geboren
wird und dessen Scham sich an dem Kopfe befindet, so ist in
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
415
der Welt grosse Unordnung. Befindet sie sich auf dem Bauche,
so hat die Welt Angelegenheiten. Befindet sie sich auf dem
Rücken, so hat die Welt keine Nachkommen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-hoai von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yung-kia (307 n. Chr.), gebar in dem
Disti’icte U, Provinz U, eine Sclavin Tpij Wan-tsiang’s
ein Kind mit dem Kopfe eines Vogels. Die zwei Füsse wären
Pferdehufe. Es hatte eine Hand, war haarlos, von gelber Farbe
und so gross wie ein Kissen.
Zu den Zeiten des Kaisers Min von Tsin, im vierten
Jahre des Zeitraumes Kien-hing (316 n. Chr.), gebar *
Hu, die Gattin -j^ 4 jjfk Jin-kiao’s, eines Angestellten des Di-
strictes Sin-thsai, fünf und zwanzig Jahre alt, zwei Mädchen,
welche einander zugekehrt und mit Bauch und Herzgegend
zusammengewachsen waren. Von der Brust aufwärts und von
dem Nabel abwärts waren sie getrennt. Dieses war nämlich
die Ungeheuerlichkeit dessen, dass die Welt noch kein Einzi
ges war. Um die Zeit richtete der innere Vermerker
Liii-hoei nach oben die Worte: Nach den Abbildungen des
Entsprechenden der glücklichen Zeichen nennt man verschie
dene Wurzeln mit gemeinschaftlichem Körper: zusammenhän
gendes Geäder. Verschiedene Halme mit gemeinschaftlichen
Spitzen nennt man: glückliche Kornähren. Die Seltsamkeiten
der Pflanzen und Bäume hält man noch immer für glückliche
Zeichen. Jetzt haben zwei Menschen ein gemeinschaftliches
Herz. Von den Verwandlungen wird es ausgesprochen: Wenn
zwei Menschen ein gemeinschaftliches Herz haben, so zer
schneidet ihre Schärfe das Metall. Eine glückliche Vorbedeu
tung wird deutlich gesehen. Sie entsteht in dem Reiche des
eingezwängten Ostens. Es ist nämlich das glückliche Zeichen,
dass die vier Meere gleichen Sinnes sind. Man kann sich nicht
enthalten vor Freude zu hüpfen. — Man zeichnete den Gegen
stand sorgfältig und reichte es nach oben. Diejenigen, welche
damals verständig waren, belächelten es.
Im Anfänge der Erhebung von Tsin war ein Mädchen,
dessen Scham sich auf dem Bauche, gerade unter dem Nabel
befand. Es kam aus dem mittleren Reiche nach Kiang-tung.
Es war von Sinnesart sehr ausschweifend und gebar nicht.
Die von King-fang verfassten Ungeheuerlichkeiten der Ver-
416
Pfizmaier.
Wandlungen sagen: Wenn einem Menschen ein Kind geboren
wird und dessen Scham sich an dem Kopfe befindet, so ist in
der Welt grosse Unordnung. Befindet sie sich auf dem Bauche,
so hat die Welt Angelegenheiten. Befindet sie sich auf dem
Rücken, so hat die Welt keine Nachkommen.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im zwölften
Monate des dritten Jahres des Zeitraumes Thai-hing (320 n.
Chr.), gebar die Gattin des obersten Buchführers j||j |jjj- 2p
Tseu-sche-ping ein Mädchen, welches zur Erde fiel, ein lautes
Geschrei ausstiess und nach einer Weile starb. Dessen Nase
und die Augen befanden sich über dem Scheitel. Die Stelle
des Angesichts war gleich dem Halse. Der Mund hatte Zähne,
welche zusammenhingen und ein Ganzes bildeten. Die Brust
war gleich einer Flussschildkröte. Die Nägel an den Händen
und Füssen waren wie Vogelklauen und nach unten einge
krümmt. Die von King-fang verfassten Ungeheuerlichkeiten
der Vorbilder sagen: Ist eine Menschengeburt ein anderes
Wesen, das von Menschen nicht gesehen wird, so ist jedesmal
in der Welt grosser Krieg. — Zwei Jahre später erfolgte die
Niederlage von Schl-teu.
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im eilften
Monate des vierten Jahres des Zeitraumes Hien-ho (329 n. Chr.),
begab sich ein unbekannter Mensch zu dem südlichen Thore,
wo die Wagen hielten. Er erklärte, er sei von einem höchst
weisen Menschen abgesandt worden. Sein Gehalt sei derjenige
eines Angestellten des glänzenden Gehaltes. In der äusseren
Abtheilung fragte man ihn aus. Er war 3 % Liii-tschang
aus dem Districte Than in Tung-hai. Seine Worte waren un
begründet. Man schor ihm das Haar, gab ihm dreihundert
Peitschenhiebe und schickte ihn fort.
Im vierten Monate dös fünften Jahres des Zeitraumes
Hien-khang (283 n. Chr.), sagte die in Ki-yang wohnhafte,
etwa zwanzigjährige Tochter 3E W m Wang-ho - kiao’s,
eines Menschen des Volkes aus Hia-pei, dass sie den Himmel
erstiegen habe und zurückgekehrt sei. Sie habe das Siegel
des bestätigenden glücklichen Zeichens mit dem breiten Bande
erhalten und solle zu der Welt Mutter sein. Der Statthalter
von Tsin-ling hielt dieses für Ungeheuerlichkeit. Er liess sie
aufgreifen und in das Gefängniss bringen. Im eilften Monate
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
417
begab sieb ein Mensch, der in der Hand einen Buchsbaum
stab hielt und mit einem hochrothen Kleide angethan war, zu
dem Thore, wo die Wagen hielten. Er erklärte mündlich, er
sei der Abgesandte eines höchstweisen Menschen und verlangte
den Himmelssohn zu sehen. Die Aufseher des Thores nahmen
seine Worte entgegen. Er erklärte, sein Geschlechtsname sei
§ Liii, sein Name Si. Er sagte, die Tochter von dem
Geschlechte Wang-ho müsse unter ihrem rechten Fusse sieben
Sterne haben. Die Sterne haben Haare von sieben Zoll Länge.
Der Himmel habe jetzt den Befehl erlassen, dass sie die Mutter
der Welt sein möge. Als man es an dem Hofe gemeldet hatte,
bekannte er und ward hingerichtet. Zugleich liess man es nach
Tsin-ling herabgelangen. Man hielt daselbst die Hinrichtung
für gerecht.
Zu den Zeiten des Kaisers Khang von Tsin, im zehnten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes lvien-yuen (344 n.
Chr.), hatte ^ Yt, die Tochter y|| Tschin-tö’s, eines
der von Kuo-wang, Beaufsichtiget- des Lagers des
Heerführers der Leibwache, befehligten Kriegers, an ihrem
Fusse Schriftzeichen, welche besagten: Mutter der Welt. Wenn
man sie ausbrannte, wurden sie immer mehr sichtbar. In der
Mutterstadt entstand grosser Lärm. Die Inhaber der Vorsteher
ämter liessen Yi aufgreifen, binden und brachten es zu Ohren.
Plötzlich war sie aus dem Gefängnisse des Districtes Kien-
kliang verschwunden.
Gegen das Ende der Zeiten Scln-hu’s schrumpften alle
Häupter an den Bildnissen der weisen und höchstweiseu Men
schen, die man vor der Vorhalle iK Bt Ta-wu gezeichnet
hatte, plötzlich ein und rückten zwischen die Schultern.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Ning-khang (373 bis 375 n. Chr.), verwandelte
sich in Tscheu-ling, Provinz des Südens, ein Mädchen von
dem Geschlechte Thang allmälig in einen Mann.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im siebenten
Jahre des Zeitraumes I-hi (411 n. Chr.), war jjjjf Tschao-
tschii, ein Mensch von Wu-si, in seinem achten Jahre eines
Morgens urplötzlich acht Schuhe lang. Sein Bart war voll und
dicht. In drei Tagen starb er.
418
Pi'izmaier.
Gegen das Ende des Zeitraumes I-lii liatte ein Mensch
aus U-ping in Yü-tschang zwei männliche Wege. Sie waren
doppelt neben einander gewachsen.
Zu den Zeiten des Kaisers Kung von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Yuen-hi (419 n. Chr.), war der männliche
Weg eines Menschen von Kien-ngan ohne Haupt und völlig
eben. Unter dem Stamme stellte er die Körperbildung des
Weibes vor.
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Sung, im siebzehnten
Jahre des Zeitraumes Yuen-kia (440 u. Chr.), verwaltete
fij jöE i Jeu-pin die Provinz U. In dem Districte Leu fuhr
ein Mädchen plötzlich in der Nacht mit Wind und Regen und
gelangte voll Hast in das Innere der Provinzfeste. Sie be
merkte, dass sie sich von dem Hause gerade erst einen Augen
blick entfernt hatte, und ihre Kleider waren nicht befeuchtet.
Mit Tagesanbruch stand sie bei dem Thore und verlangte zu
verkehren. Pin hiess sie vortreten. Da sagte sie: Der Gebieter
des Sammelhauses soll sich erheben und mir entgegengehen.
Es steht ihm grosser Reichthum und Ansehen bevor. Thut er
es nicht, so hat er gewiss Unheil. — Pin fragte, woher sie
komme, und er erfuhr es ebenfalls nicht. Er glaubte, sie sei
eine Wahnsinnige, und er gab eine Anweisung für das Ge-
fängniss. Die Leute ihres Hauses holten sie ab, und sie konnte
nach einigen Tagen sich entfernen. Zwanzig Tage später wurde
Pin hingerichtet.
Gegen das Ende des Zeitraumes, Ta-ming (457 bis 464
n. Chr.) gebar die Gattin ^ ^ ||^ Yang-schi-hoan’s, eines
Menschen aus dem Districte Ning, aus der Mitte des Bauches
ein Mädchen. Dieses Mädchen ist bis zu dem heutigen Tage
noch am Leben.
% Zu den Zeiten des Kaisers Ming, im ersten Monate des
ersten Jahres des Zeitraumes Thai-yü (472 n. Chr.), sahen
die untergebenen Menschen auf dem Wasser des westlichen
Teiches des Nachfolgers Fussspuren von der Länge dreier
Schuhe.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
419
Ungeheuerlichkeiten der Gedichte.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, in dem Zeit
räume Thai-ho (227 bis 232 n. Chr.), sang man in der Mutter
stadt nach der Weise: ,Die Helmglöckchen f ff Tsao-tse'.
In dem Gesänge hiess es:
Wie ist dir, Tsao, zu helfen?
Dieses war Ungeheuerlichkeit der Gedichte. Später wurde
^ Tsao-schuang hingerichtet. Das Geschlecht Tsao wurde
abgesetzt.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Wei, in dem Zeit
räume King-thsu (237 bis 239 n. Chr.), sangen die Knaben
das Lied:
Der Fürst von 0! Der Fürst von 0!
An den Wagen die Pferde er spannt.
Ehe man es denkt, der Fürst von 0,
Im Osten den Fluss er durchsetzt.
Der Fürst von 0 kehrt im Osten zurück:
Wie ist ihm zu helfen ?
Als König Siuen das Gebiet von Liao-tung unterwarf,
gelangte er auf der Heimkehr nach |A| Jg Pe-wö. Im Be
griffe, zurückzukehren, hielt er Tschang-ngan nieder. Da
erkrankte der Kaiser schwer und rief ihn eilig zu sich. König
Siuen bestieg einen Wagen der verfolgenden Schwertspitzen
und setzte im Osten über den Fluss. Zuletzt zerstückelte man
das Haus der Wei. Es war wie in den Worten des Liedes
der Knaben.
Zu den Zeiten des Königs von Tsi aus dem Hause Wei, in
dem Zeiträume Kia-ping (249 bis 253 n. Chr.), gab es ein
Lied, welches lautete:
Weisse Pferde mit weissen Zäumen,
Nach Südwest sie jagen.
Wer ist, der mit ihnen fährt?
Des rothen Tigers Reitersmann.
,Hellrother Tiger' (^ )j& Tschü-hu J ist der kleine
Name M Pieu’s, Königs von Tsu. /|U Wang-ling und
4- * fi Ling-liu-yü hörten dieses Lied und entwarfen
einen Plan, wie sie Pieu zum Kaiser einsetzen könnten. Die
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXX1X. Bd. JI. Hft. 27
420
Pfizmaier.
Sache wurde entdeckt und Ling saramt Anderen hingerichtet.
Pieu wurde mit dem Tode beschenkt.
Im Anfänge der Zeiten Sün-liang’s von U sangen die
Knaben das Lied:
0 du Khö, was ist mit dir?
Wie hängst du herab!
Schilfrohr das einfache Kleid,
Bambushaut das Hakenwerg.
Wo suchen wir dich auf?
In dem Söller der Weiden.
pgj Yang-tse-kö ,Söller der Weidenbäume' ist
in zurückkehrender Sprache: ^ -r m Schl - tse - kang,
,Bergrücken der Steine'. 1 Als
war, wickelte man seinen Leib wirklich in eine Schilfmatte,
band die Lenden mit Bambusbast und warf ihn auf den Berg
rücken der Steine. Später bewilligte man den alten Angestellten
Khö’s, den Leib zu bestatten. Sie suchten ihn auf diesem Berg
rücken.
Im Anfänge der Zeiten Sün-hiang’s schrien in Kung-ngan
weisse Wassermolche. Die Knaben sangen das Lied:
Weisse Wassermolche schreien,
Der Schildkrötenrücken ist eben.
Der Südprovinz Feste,
ln ihr lässt sich lange leben.
Bewachen, sterben, sich nicht entfernen,
Das Gerechte kann es nicht geben.
,In der Feste der Provinz des Südens kann man leben'
bedeutet: Die Drangsale mit der Flucht vertauschen. Im
nächsten Jahre wurde Tschü-kö-khö geschlagen. Sein jüngerer
Bruder ||f{i Yung hielt Kung-ngan nieder. Es wurde ebenfalls
in sein Gebiet ein Einfall gemacht. Yung schnitt die Schild
kröte seines goldenen Siegels ab, gebrauchte sie als Arznei
und starb. Der Wassermolch hat Schuppen und ist ein Bild
1 ,Zurückkehrende Sprache 1 ist wohl so zu verstehen, dass Yang-tse-kö
in verkehrter Ordnung: Kö-tse-yang gelesen wird, was übrigens mit
Schi-tse-kang wenig Aehnlielikeit hat. In dem Texte steht dreimal das
Zeichen m Kang .Krug 1 , welches, wie nicht zu zweifeln, für [jrj
Kang , Bergrücken 4 gesetzt w urde.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
421
der gepanzerten Krieger. Ferner ist Weiss das Vorzeichen der
Waffen.
Zu den Zeiten Sün-hieu’s, im zweiten Jahre des Zeit
raumes Yung-ngan (259 n. Chr.), wollte man die als Geiseln
gestellten Söhne bewachen. Da kam ein seltsamer kleiner Sohn
und sagte:
Die Hacke der drei Fürsten,
Sse-ma geht hin.
Er sagte ferner:
Ich bin kein Mensch,
Ich bin der Morgenstern.
Als er ausgeredet hatte, stieg er in die Höhe. Er blickte
nach aufwärts und schleppte freudig ein Stück gebleichten
Taffets. Nach einer Weile verschwand er. Yü-kan sagt: Vier
Jahre später ging Schö zu Grunde. In sechs Jahren wurde
Wei abgesetzt. In ein und zwanzig Jahren ward U unterworfen.
Hierauf wandten sich die neun Gegenden nach Tsin. Wei, U
upd Schö sind die kämpfenden Reiche. ,Die Hacke der drei
Fürsten, Sse-ma 1 geht hin' hat diese Bedeutung.
Im Anfänge der Zeiten Sün-hao’s (264 n. Chr.) sangen
die Knaben das Lied:
Lieber trinken das Wasser von Kien-nie,
Nicht essen die Fische von Wu-tschang.
Lieber zurückkehren nach Kien-nie und sterben,
Nicht halten in Wu-tschang und dort wohnen.
Hao übersiedelte unvermuthet nach Wu-tschang und
machte es zur Hauptstadt. Das Volk wurde stromaufwärts ge
schafft; und hingebracht. Alle waren unmuthig und erbittert.
Siin-hao schickte einen Abgesandten, damit er in dem
ungeheuerlichen Tempel an dem Fusse des Berges des stei
nernen Siegels opfere. Der Abgesandte schrieb mit Mennig
auf den Felsen: Tsu ist der Flussarm der neun Landstriche.
U ist die Hauptstadt der neun Landstriche. Die Kriegsmänner
von Yang-tscheu stehen auf. Himmelssöhne sind vier Ge
schlechtsalter, sie ordnen den grossen Frieden. — Hao hörte
dieses, und seine Absichten gingen immer weiter. Er sagte:
Von dem grossen erhabenen Kaiser bis zu mir sind vier
1 Die Kaiser von Tsin waren von dem Geschlechte nj <8§ Sse-ma.
27*
422
Pfizmaier.
Geschlechtsalter. Der Vorgesetzte des grossen Friedens, wenn
ich es nicht bin, wer sollte es wieder sein? — Willkür und
Bedrückung wurden immer ärger. Wider Vermuthen ergab er
sich und ging zu Grunde. Es war nahezu Ungeheuerlichkeit
der Gedichte.
Zu den Zeiten Sün-hao’s, in dem Zeiträume Thien-ki
(277 bis 280 n. Chr.), sangen die Knaben das Lied:
Die Knaben des Ufers kommen wieder,
Die Knaben des Ufers halten in dem Munde das Schwert;
Sie schwimmen über den Strom.
Sie fürchten nicht an dem Ufer den Tiger,
Sie fürchten nur in dem Wasser den Drachen.
Kaiser Wu von Tsin hörte dieses und gab
Wang-tsiün den Namen eines Heerführers der Drachenpferde.
Als man den Eroberungszug gegen U-kiang unternahm, zog
im Westen keine Heeresmenge hinüber, sondern Wang-tsiün
eroberte früher Mö-ling.
Nach den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, nach dem
Zeiträume Thai-khang (280 bis 289 n. Chr.), sangen die Knaben
von Kiang-nan das Lied:
Krumm und verschrumpft das Fleisch,
Die Zahl ein schräges Auge.
Das mittlere Reich wird geschlagen,
U wird wiederhergestellt.
Nach dreissig Jahren sangen sie feirner:
Der Hahn kräht, er schlägt nicht mit den Flügeln,
U wird wiederhergestellt, es strengt sich nicht an.
Um die Zeit glaubten die Menschen von U, sie seien
unter den Söhnen und Enkeln des Geschlechtes Siin. Dess-
wegen folgten diejenigen, die sich vermassen, Aufruhr zu
erregen, Einer dem Anderen. Das schräge Auge ist das Schrift
zeichen JJtj sse ,vier‘.< Von dem Untergange U’s bis zu der
Erhebung des Kaisers Yuen von Tsin sind etwa vierzig Jahre.
Es ist alles wie in den Worten des Liedes der Knaben. Kaiser
Yuen war klein von Gestalt und jung. ,Krumm und ver
schrumpft das Fleisch' deutet gerade auf ihn. Yü-kan sagt:
Man weiss nicht, worauf es deutet. Man vermied es.
1 PM Sse ,vier‘ wird als das schiefgelegte pj Mö ,Auge‘ betrachtet.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
423
Gegen das Ende des Zeitraumes Thai-khang (280 bis
289 n. Chr.) stimmte man in der Niederlassung der Mutter
stadt zum ersten Male den Gesang der gebrochenen Weiden
bäume an. Diese Tonweise hatte zum ersten Male die Worte
, Angriffs Waffen und Lederpanzer bitter und scharf/ Sie endete
mit , erlegen, fangen, enthaupten, durch schneiden'. Um die Zeit
war das Ansehen der drei Menschen des Geschlechtes
Yang 1 vollkommen, doch sie wurden sammt den Seiten
geschlechtern vernichtet. Die Kaiserin wurde abgesetzt und
starb eiugeschlossen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Yung-hi (290 n. Chr.), war in dem Districte Wen in
ELo-nei ein Mensch, der einem Wahnsinnigen glich. Derselbe
verfertigte eine Schrift, worin er sagte:
Hellglänzend der Schmuck in seiner Dauer,
Die grossen Lanzen bilden eine Mauer.
Gehen Giftmittel auch umher,
Die Lanzen wieder verletzen schwer.
Er sagte wieder:
Die beiden Feuer versanken in die Erde.
Wie traurig! Die Luftblume des Herbstes
Kehrt heim mit der Gestalt in Kiai-yeu:
Die Menschen des Weges seufzen.
Als ^ ^ Yang-tsiün in dem inneren Sammelhause
wohnte, bildete er aus Lanzen eine Leibwache. Als er starb,
ward er wieder durch Lanzen in’s Verderben gestürzt. Die
Kaiserin von dem Geschlechte ^ Yang wurde abgesetzt, die
Kaiserin von dem Geschlechte ^ Ku schnitt ihr die Speise
ab. In acht Tagen starb sie und wurde im Norden des Post
hauses ift[{ Kiai-yeu begraben. Die hundert Geschlechter
bedauerten sie. ,Die beiden Feuer' sind der dem Kaiser Wu
nach dem Tode gegebene Name. 2 |j|j Lan ,Luftblume' ist der
Mädchenname der Kaiserin von dem Geschlechte Yang.
In dem Zeiträume Yung-hi (290 n. Chr.) sangen die
Knaben das Lied:
1 Der Geschlechtsname Yang hat die Bedeutung ,Weidenbaum“.
2 Kaiser Wu von Tsin erhielt nach seinem Tode den Namen Yen.
424
Pfizmai er.
An des zweiten Mondes Ende,
In des dritten Mondes Beginn,
Ein Dornenpinsel, ein Weidenbret
Bringen in Gang die höchste verkündende Schrift.
In dem Palast die grossen Pferde,
Wie oft treten sie auf als Esel.
Wj Yang-tsiün war anfänglich im ausschliesslichen
Besitze der Macht. ||jL Thsin, König von Tsu, wurde zu den
Geschäften verwendet. Desswegen heisst es: ,ein Dornenpinsel,
ein Weidenbret'. 1 Wären die zwei Menschen nicht hingerichtet
worden, so hätten die Gebräuche zwischen Gebieter und Die
ner sich verkehrt. Desswegen heisst es: ,Wie oft treten sie
auf als Esel'.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Yuen-khang (291 bis 299 n. Chr.), sangen die Knaben
der Niederlassung der Mutterstadt das Lied:
Der Südwind erhebt sich und bläst,
Der weisse Sand wird in der Ferne geseh’n.
Was ist das Reich Lu?
Wie Berge hoch tausend Jahre,
Den Todtenschädeln wachsen Zähne.
Sie sangen ferner:
Im Osten der Feste, junges Pferd,
Entsende den Ton nicht durch die Kehle!
Ist die Zeit, bis zum dritten Mond
Hängt man sich an deine Mähne.
J& Nan-fung ,Südwind' ist der Mädchenname der
Kaiserin von dem Geschlechte Ku. Weiss ist der Grundstoff
von Tsin. & PI Scha-men ,Sandthor' 2 ist der kleine Name
des Nachfolgers. Lu ist das Reich ^ Ku-mi’s. Es besagt:
Die Kaiserin von dem Geschlechte Ku wird mit Mi Aufstand
erregen und den Nachfolger in Gefahr stürzen. Jedoch der
König von Tschao ködert durch das Blutopfer die Gewaltigen
1 Das Reich Tsu wird auch durch den Namen M King ,Dornstrauch 1
bezeichnet. Der Geschleehtsname Yang-tsiün’s ist Yang ,Weiden
baum 1 . Das Bret bedeutet die Schrifttafel.
- Laute, durch welche ein Bonze bezeichnet wird.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
425
und Weisen und bringt dadurch Anmassung der Rangstufe
und Entreissen zu Stande. Um diese Zeit ward Min-lioai ziem
lich der Hoffnung der Menge verlustig. Zuletzt wurde er ab
gesetzt und fand nicht seinen richtigen Tod.
In dem Zeiträume Yuen-khang trugen die Kaufleute und
die Ackersleute der Welt grosse Sonnenschirme. Die Knaben
sangen das Lied:
Der Sonnenschirm von Königskraut,
Er bedeckt beide Ohren.
Man sieht einen Einäugigen
Auftreten als Himmelssohn.
Als der König von Tschao sich die Rangstufe anmasste,
war er wirklich einäugig. Nachdem Lün, König von Tschao,
sich in den Besitz der Rangstufe gesetzt hatte, sangen die
Knaben in der Niederlassung das Lied:
Der Tiger kommt aus Norden,
Seine Nasenspitze schwitzt.
Der Drache kommt aus Süden,
Er ersteigt die Stadtmauern und schaut.
Das Wasser kommt aus Westen:
Warum geht es so über?
Nach einigen Monaten vereinigten der König von Tsi,
dann Tsching-tu und Ho-kien die gerechten Waffen und straften
Lün. Tsching-tu ist das westliche Gehege, und es 1 befand sich
in Nie. Desswegen heisst es: Der Tiger kommt aus Norden.
— Tsi ist das östliche Gehege, und es befindet sich in
Hiü. Desswegen heisst es: Der Drache kommt aus Süden. —
Ho-kien ist das Versteck der Gewässer, und es befindet sich
innerhalb des Gränzpasses. Desswegen heisst es: Das Wasser
kommt aus Süden. — Tsi 2 blieb zurück und stützte die Len
kung. Es wohnte im Westen des Palastes. Es hatte ein an
dem Gebieter nicht hängendes Herz. Desswegen heisst es: Er
ersteigt die Stadtmauern und schaut.
1 Die Streitkräfte des Landes Tsching-tu, so wie später die Streitkräfte
der Reiche Tsi und Ho-kien gemeint werden.
2 Der König von Tsi.
426
Pfizmaier.
Zu den Zeiten des Kaisers Hoei von Tsin, in dem Zeit
räume Thai-ngan (302 bis 303 n. Chr.), sangen die Jünglinge
das Lied:
Fünf Pferde schwimmen über den Strom,
Ein Pferd sich verwandelt in einen Drachen.
Später entstand in der mittleren Ebene grosser Aufruhr,
Stammhaus und Gehege rissen sich häufig los. Bloss Lang-ye,
Jü-nan, Si-yang, das südliche Tün und Peng-tsching 1 gelangten
zu dem Lande ausserhalb des Stromes, und Kaiser Yuen erhielt
die Nachfolge in Tsin.
Als W] ^ Sse-ma-yue in die Niederlassung zu
rückkehrte, sangen die Knaben das Lied:
In der Niederlassung die grosse Ratte,
Sie ist lang zwei Schuh.
Wenn sie nicht bald geht,
So kommt der grosse Hund.
Als Keu-lii im Begriffe war, m Jpi Khi-sang
zu schlagen, sangen sie wieder das Lied:
Er überschreitet im Anfang die Brüder,
Der grosse Lö wird übersetzt.
Er steigt auf den Maulbeerbaum, schlägt die Maulbeeren,
Er tritt indessen auf. 2
Aus diesem Grunde warf Yue einen Hass auf Hi und
entriss diesem Yuen-tscheu. Misshelligkeit und Verdruss wurden
hierauf zu Wege gebracht.
Zu den Zeiten des Kaisers Min von Tsin, in dem Zeit
räume Kien-hing (313 bis 316 n. Chr.), sang man in Kiang-
nan das Lied:
Laut tönend, wie ein weisser Kübel, der bricht,
Man vereint, bringt zu Stände, erfasst, verfertigt einen Krug.
Yaug-tscheu zertrümmert, wechselt, zerschlägt,
U-hing stürzt die Kanne um.
1 Die Kriegsmacht dieser fünf Provinzen.
2 In diesen Versen bezieht sich sang .Maulbeerbaum 1 auf den Namen
Khi-sang, ebenso i^jrj keu indessen 1 auf den Namen Keu-hi. Auf den
letzteren Namen bezieht sich auch das in den oberen Versen vorkom
mende keu ,Hund‘.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
427
Weiss ist der Grundstoff von Tsin. Das Gefäss des Kübels
hat eine Mündung und gehört zu den Krügen. Der Stoff der
Thongefässe ist hart und ist ebenfalls eine Art Metall. ,Laut
tönend wie ein weisser Kübel, der bricht' besagt: Die zwei
Hauptstädte sind umgeworfen, über die Häuser der Könige
ergeht grosse Zerstörung. ,Man vereint, versammelt sich, erfasst,
verfertigt einen Krug' besagt: Kaiser Yuen setzte sich als Taube 1
auf das Uebriggebliebene und stand dadurch den Altären der
Landesgötter vor. Er konnte noch nicht bewältigen und wieder
herstellen die mittlere Ebene, die Seitenkönige in Kiang-nan.
Desswegen vergleicht man ihn mit etwas Kleinem. Als die
Sache ^ m Schi-teu’s sich ereignete, erlitten die sechs
Kriegsheere grosse Einbusse. Die Menschen der Waffen plün
derten Mutterstadt und Städte. Er erstreckte sich bis zu den
zwei Palästen. Drei Jahre später überfiel Tsien-fung
wieder Mutterstadt und Städte. Man deckte sich durch Ge
wässer und vertheidigte sich. Man hielt einander fest über
einen Monat. Täglich verbrannte man Festen und Städte. Die
Brunnen wurden verschüttet, die Bäume durchschnitten. Fung
und die Anderen wurden geschlagen und zogen sich zurück.
fX % Tschin-tsch’ung nahm seine Genossen und kehrte nach
U-hing zurück. Das Kriegsheer der Obrigkeiten folgte ihnen
auf dem Fusse. Man betrat die Provinzen und Districte.
Tsch’ung und sein Sohn übergaben ihre Häupter. Die Ge
nossen, welche mit ihnen hingerichtet wurden, zählten nach
Plünderten. Dieses heisst: ,Yang-tscheu zertrümmert, wechselt,
zerschlägt, U-hing stürzt die Kanne um'. Die Kanne ist ein
irdenes Gefäss. Es ist wieder kleiner als der Krug.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Thai-ning (323 bis 325 n. Chr.), sangen die
Knaben das Lied:
Schade um die Kraft! Schade um die Kraft!
Man lässt die Pferde los an des Berges Seite.
Das grosse Pferd ist todt,
Das kleine Pferd hat Hunger.
1 Das Zeichen tsl hat in dem Liede die Bedeutung ,zu
bringen*. In der Erklärung bedeutet es ,sich aufsetzen 4 .
Stande
428
Pfizmaier.
Der hohe Berg stürzt ein,
Der Stein von selbst zerbricht.
Als Kaiser Ming starb, war Kaiser Tsching jung. Er
wurde durch Ü Iü Su-tsitin bedrängt und übersiedelte nach
^ ßi} Schi-teu. Daselbst litt er Mangel an Speise. ,Der
hohe Berg stürzt ein* besagt, das Tsiün unvermüthet starb.
,Der Stein* ist ^ Su-schi, 1 der jüngere Bruder Tsiün’s.
Nach dem Tode Tsiün’s stützte sich Schi auf Schi-teu. Wider
Vennuthen wurde er von den Fürsten geschlagen.
Gegen das Ende der Zeiten des Kaisers Tsching von
Tsin sang man unter dem Volke das Lied:
Was tönt und rollt über Steine wie Donner?
Der Wagen fährt in des Hartriegels Palast.
Nach wenigen Tagen fuhr der Wagen des Palastes am
Abend aus. 2
Zu den Zeiten des Kaisers Tsching von Tsin, im zwölften
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Hien-khäng (336
n. Chr.), sang man in Ho-pe die Worte:
Der Weizen kommt in die Erde,
Er tödtet den Tiger von Stein. 3
Später geschah es wie in den Worten des Liedes.
Jßj JsÜ Yü-liang war ausgezogen, um Wu-tschang nieder
zuhalten. Er kam in Schi-teu hervor. Die hundert Geschlechter
sangen auf der Uferhöhe:
Der Fürst von Yü zieht hinauf nach Wu-tschang,
Er flattert umher wie ein fliegender Vogel.
Der Fürst von Yü kehrt zurück nach Yang'-tscheu,
Weisse Pferde ziehen die Fahnenwimpel.
Sie sangen ferner:
Der Fürst von Yü zieht erst hinauf, um die Zeit
Flattert er umher wie ein fliegender Rabe.
Der Fürst von Yü kehrt zurück nach Yang-tscheu,
Weisse Pferde ziehen die wehenden Spleissen.
1 In diesem Namen hat Schi die Bedeutung ,Stein 1 .
2 Kaiser Tsching starb.
3 jU Schi-hu war König von Tschao. Der Name hat auch die
Bedeutung: steinerner Tiger.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
429
Später ward er nacheinander vorgeladen und trat nicht
ein. Als er starb, wurde er in die Hauptstadt' zurückgebracht
und begraben.
Als Jp| Yü-I sich in U in der Provinz U befand,
sangen die Knaben das Lied:
Lieber essen die Ringelblume des unteren See’s,
Nicht essen den Wasserklee des oberen See’s.
Yü in U versinkt, das Leben geht verloren,
Er tödtet wieder den Heeresleiter Wang.
Nach nicht langer Zeit gingen Yü-I und J y^y Wang-
hiä einer nach dem anderen zu Grunde.
Zu den Zeiten des Kaisers Mö von Tsin, in dem Zeit-
raixrne Sching-ping (357 bis 361 n. Chr.), sangen die Knaben
plötzlich auf den Wegen das Lied:
O-tse hört die Weise.
Zuletzt in dem Schlafwagen man sagt:
O-tse, höi’st du?
Nach nicht langer Zeit starb Kaiser Mö. Die "Kaiserin
wehklagte und rief: O-tse, hörst du? 1
Zu den Zeiten des Kaisers Ngai von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes Lung-ho (362 n. Chr.), sangen die Knaben
das Lied:
Der Gantang flach 2 kein volles Nössel ist,
Der grosse Einklang, 3 erhält er lange Dauer?
Der Fürst von Hoan dringt in Schi-teu,
Der Kaiser barfuss entläuft.
Der Kaiser hörte es, und es war ihm zuwider. Er ver
änderte wieder den Namen des Jahres und nannte es J0.
Pling-ning ,Erhebung und Ruheh Das Volk sang wieder:
Verändert man es gleich zu Erhebung und Ruhe,
Es ist auch wieder kein Vertrauen auf das Leben.
O-tse steht für
1 Die Kaiserin ist die Mutter des Kaisers.
¥ tse, Sohn.
¥ Sching-ping ,Aufsteigen und Friede 1 , der Name des vorher
gehenden Zeitraumes, wird hier so betrachtet, als ob es ,der Gantang
flach 1 bedeutete. Zu einem Nössel sind zehn Gantang erforderlich.
3 Hü Lung-ho, der Name des Zeitraumes, hat die Bedeutung
,grosser Einklang 4 .
430
P f i z m a i e r.
Kaiser Ngai starb wider Vermuthen. Im fünften Jahre
des Zeitraumes Scliing-ping (361 n. Chr.), war Kaiser Mö ge
storben. ,Kein volles Nössel' bedeutet: er gelangte nicht zu
zehn Jahren.
Zu den Zeiten des Fürsten von Hai-si aus dem Hause
Tsin, in dem Zeiträume Thai-ho (366 bis 370 n. Ohr.), sang
das Volk:
Grün, grün des Kaiserweges Weidenbäume!
Weisse Pferde, purpurne lose Zügel.
Du bist der kaiserliche Nachfolger nicht:
Wie erlangst du des süssen Thaues Trank?
Weiss ist der Grundstoff von Tsin. ,Pferd' sind die Seiten
geschlechter des Reiches. Purpurn ist die das Richtige ent-
reissende Farbe. Es stellt in das Licht, dass man das Purpurne
zwischen das Hellrothe bringt. Der Fürst von Hai-si wurde
plötzlich abgesetzt. Die drei Söhne waren nicht die Söhne
Hai-si’s <und fanden den Tod. Man erwürgte sie mit Pferde
zügeln. Den Tag nach ihrem Tode machten die südlichen Ge
genden süssen Thau zum Geschenke.
Gegen das Ende des Zeitraumes Thai-ho sangen die Kna
ben das Lied:
Die Rinder am Pfluge pflügen den Kaiserweg,
Am weissen Thore säet man kleinen Weizen.
Als Hai-si abgesetzt wurde und in U sich aufhielt, pflügten
die Menschen des Volkes vor seinem Thore und säeten kleinen
Weizen, wie es in dem Liede gesagt wird.
Als dem Fürsten von Hai-si aus dem Hause Tsin ein
kaiserlicher Sohn geboren ward, sangen die hundert Ge
schlechter :
Dem Paradiesvogel wird geboren ein Junges,
In der Welt ein Jeder sich freut.
Man sagte zuerst, es sei ein Füllen des Pferdes,
Jetzt ist es bestimmt, es ward ein junger Drache.
Dieses Lied war sehr schön und sein Sinn sehr verbor
gen. Der Fürst von Hai-si war unmännlich. Er Hess [fj]
Hiang-lung, einen Menschen seines Gefolges, mit den auf-
Ungewöhnliche Erncheinungen nnd Zufälle in China.
431
wartenden Nebenfrauen Kinder erzeugen, die er für die seinigen
ausgab. 1
m * s Hoan-schi-min verwaltete King-tscheu und
hielt ± m Schang-ming nieder. Das Volk sang plötzlich
das Lied:
Das Lied ,gelben Sonnenhofs Sohn' endet.
Es sang ferner:
Gelben Sonnenhofs Pracht in Yang-tscheu,
Der grosse Fö kommt nach Schang-ming.
Nacli einiger Zeit starb Sclff-min, und ^ Wang-
schin verwaltete King-tscheu. jßi~ fÄ Hoang-tan-tse ,Sohn
des gelben Sonnenhofes' ist der Jünglingsname Wang-schin’s.
Der kleine Name Schin’s ist # a Fö-ta ,buddhagross'.
Der'grosse Fö kam somit nach Schang-ming.
Ü Wang-kung hielt die Ausgänge der Mutterstadt
nieder. Er griff zu den Waffen und strafte [g| =f|r
Wang-kue-pao. Die hundert Geschlechter sangen das Lied:
In den Jahren von einst wir assen weissen Reis,
In diesem Jahre wir essen Weizenkleie.
Der Himmelsfürst straft, verhöret dich,
Er lehrt dich zudrücken die Kehle.
Die Kehle ist verstopft und wieder verstopft,
Der Hauptstadt Mund ist geschlagen und wieder geschlagen.
,In den Jahren von einst wir assen weissen Reis' besagt:
man erreichte die Absicht. ,In diesem Jahre wir essen Weizen
kleie.' Die Kleie ist grob und unrein, das Wesentliche ist be
reits entfernt. Es stellt in das Licht, dass man geschlagen
werden wird. Der Himmelsfürst wird zur Rede stellen und
strafen. ,Zudrücken die Kehle' ist das Vorzeichen der nicht
durchdringenden Luft, des Todes. ,Geschlagen und wieder ge
schlagen' ist ein Wort des Nachdrucks. Als Ivung wider Ver-
muthen starb, herrschte in der Mutterstadt in grossem Mass-
stabe die Krankheit des Hustens, und die Kehlen waren ver
stopft.
Sse-ma,
JlJ Ma ,Pferd 1 in den obigen Versen bezeichnet pjJ
den Geschlechtsnamen der Kaiser von Tsin. Lang ,Drache 1 be
zeichnet Hiang-lnng, den Mann aus dem Gefolge Hai-si’s.
432
Pfizraa ier.
Als Wang-kung sich in den Ausgängen der Mutterstadt
befand, sagte man plötzlich unter dem Volke:
Ein kleiner Mensch mit gelbem Kopfe
Als Räuber will ersteh’n.
Der Fürst von 0 ist in der Feste,
Nach unten zeigt er auf die Bande.
Man sagte ferner:
Ein kleiner Mensch mit gelbem Kopfe
Gewillt ist, Aufruhr zu erregen.
Er baut darauf, dass er ein eisernes Messer 1 fand,
Er leistet Widerstand an den Gehegen.
Der obere Theil des Zeichens hoang ,gelb' ist der
Kopf des Zeichens ^ kung. /J> J\^ Siao-jin ,kleiner
Mensch' ist der untere Theil des Zeichens kung. 2 Wider
Vermuthen geschah es wie in den Worten der Singenden.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, in dem Zeit
räume Lung-ngan (397 bis 401 n. Cbr.), verfertigte das Volk
plötzlich Lieder des Unmuthes. In diesen Weisen kommt vor:
Die Pflanzen, die wachsen, man kann sie nehmen und knüpfen,
Die Mädchen, man kann sie nehmen und umfassen.
Es besagt: Hoan-hiuen hatte Uebergrilfe gemacht und
befand sich auf der Rangstufe des Himmels. Die gerechten
Fahnen fegten am zweiten Tage des dritten Monats rein und
bestimmten die Mutterstadt. Die Palastmädchen Hiuen’s, die
Söhne und Töchter der Häuser der widersetzlichen Genossen
und die begabten Nebenfrauen waren insgesammt die Beloh
nung des Kriegsheeres. Im Osten und in Ngeu-yue, an den
im Norden fliessenden Flüssen Hoai und Sse, hatten die Men
schen überall zu bekommen. Um die Zeit war die Sache: ,die
Pflanzen kann man knüpfen', was so viel als: ,die Mädchen
kann man umfassen', zu glauben.
1 Wie aus einer weiter unten folgenden Stelle hervorgeht, wird unter
4: 7] kin-thao ,metallenes oder eisernes Messer' das Geschlecht ^jj
Lieu verstanden.
2 Man suchte in dem Zeichen kung die Zeichen siao und
A jin. hat jedoch einen Strich weniger, und die Aehnlichkeit
von ist ebenfalls gering, weil es oben geschlossen ist.
TJngewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
433
Nachdem Hoan-hiuen sich die Rangstufe angemasst hatte,
sangen die Knaben das Lied:
Die Gräser wachsend erreichen des Pferdes Bauch,
Der Rabe in Hoan-hiuen’s Auge pickt.
Als Hiuen geschlagen wurde, gelangte er auf der Flucht
nach Kiang-ling. Im fünften Monate wurde er hin gerichtet,
wie es als die Zeit bestimmt worden. 1 Zu den Zeiten Hoan-
hiuen’s enthielt der Gesang des Volkes die Worte:
Die wandelnde Glocke fällt zur Erde,
Idoan ergreift die Flucht.
Die wandelnde Glocke ist das unreinste der Geräthe.
Idoan ,Umkleidung' ist das unterste der vier Gliedmassen.
Es besagt: Hiuen gelangt nach unten. Er weilt oben gleich
sam wie der Abtritt der wandelnden Glocke. Das Lied ist das
Hersagen des niederen Stoffes, der Mund des Volkes. Doch
dass es sagt ,zur Erde fallen' ist das Vorzeichen des Falles,
das Wort ,die Flucht ergreifen', seine Bestätigung ist offenbar.
Zu den Zeiten f|J m Sse-ma-yuen-hien’s sangen
die Menschen des Volkes die Verse:
Es wird geben eilfmal den Mund,
Er wird werden von den Waffen verletzt.
Das Holz sich breitend wird nach Norden übersetzen,
Es flieht und tritt in den umflutheten Gau.
Sie sangen ferner:
Das eiserne Messer hat schon geschnitten,
Wie schön ist es in der eisernen Stadt!
Von diesen Versen heisst es, dass sie von A&
Tschö-tan-lin, einem Manne des Weges aus Siang-yang ver
fasst worden. Es wurde darüber viel geredet, und es wanderte
in dem Zeitalter umher. ^ Meng-I erklärte es wie folgt:
+ — P Schi-yi-keu ,eilffacher Mund' ist das Bild des
Zeichens £ hiuen. 2 Mö-hoan ,das Holz breitet sich'
1 Zur Zeit, wo die Gräser hoch gewachsen sind.
2 In dem Zeichen £ suchte man die Zeichen + - -p Jedoch
ist -.1.. unvollkommen, K ist für P gesetzt und nicht
leicht zu erkennen. Bei dem Zeichen tL sollte rechts unten noch der
Punkt * gesetzt werden. Derselbe wird in einigen neueren Drucken
434
Pf izm aier.
ist Hoan. Das Geschlecht Uoan wird gänzlich entfliehen
und in die Niederlassung des Gränzpasses treten. Desswegen
heisst es: der umfluthete Gau. & 7i Kin-thao ,eisernes
Messer' ist das Geschlecht ^|J Lieu. Der Sinn des Liedes
ist: Unter den Fürsten sind viele von dem Geschlechte Lieu.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im Anfänge
des Zeitraumes J-hi (405 bis 418 n. Ohr.), sangen die Knaben
das Lied:
Das Haus der Obrigkeiten nährt Binsen,
Sie verwandeln sich in Weiderich.
Die Binsen hören nicht zu wachsen auf,
Sie bilden von selbst Haufen.
Um die Zeit nährten die Obrigkeiten jjti Lu-lung. 1
Man begünstigte ihn durch Gold und Purpurseide. Man bot
ihm die berühmten Landstriche. Man trieb das Nähren auf
das Aeusserste, doch er konnte Freundschaft zu uns nicht
hegen. Er hob Streitkräfte aus und griff im Inneren an. Er
ward alsbald ein Feind. ,Die Binsen hören nicht zu wachsen
auf, sie bilden von selbst Haufen/ Zur Zeit als Lung Aufruhr
erregte, erinnerten sich die Menschen an das Lied der Knaben
und hassten es, dass darin das Wort ,Haufen bilden' vorkam.
Die Verständigen sagten: Man mäht es ab und legt es in
Haufen. Man lässt auch das Feuer einwirken. Es ist das Aus
sterben der Pflanzen. Man fällt es, zerhackt es und bildet Haufen.
Man macht auch daraus Brennholz. Es ist ebenfalls das Ende
der Binsen und des Weiderichs. Wenn das Vollständige auf
das Aeusserste getrieben ist, wird es ebenfalls abgemäht und
daraus Haufen gebildet werden. Lung hatte die Kraft seine) 1
Waffen erschöpft. Er vervollständigte seine gedeckten Schiffe.
Zuletzt ward er vernichtet und ging zu Grunde. Die zu Boden
liegenden Leichname waren gleich Haufen.
Als Lu-lung sich auf Kuang-tscheu stützte und dieses
besass, sang man unter dem Volke die Worte:
aus Rücksicht gegen den Kaiser Khang-hi, dessen Name dieses Wort
ist, weggelassen, in der Mehrzahl der Drucke jedoch beibehalten. In
Japan schrieb man das Zeichen immer aus, und bei uns ist zur Ver
stümmelung desselben noch weniger ein Grund vorhanden.
1 In diesem Namen wird j(nt Lu für i!§f Lu ,Binse 1 genommen.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
435
Die Binse wächst weit und breit,
Zuletzt bis zur Hälfte des Himmels.
Später hielt er in den Armen die obere Strömung, den
Boden mehrerer Landstriche. Im Inneren bedrängte er den
Handwagen der Mutterstadt. 1 Es entsprach dem Worte: ,die
Hälfte des Himmels'.
Im dritten Jahre des Zeitraumes I-hi (407 n. Chr.) kamen
die kleinen Kinder auf den Wegen zusammen, erhoben sofort
beide Hände und sangen:
Binsen sind stark, sind stark.
Zunächst sangen sie:
Kämpfend seufzen, kämpfend seufzen.
Am Ende sangen sie wieder:
Greise von Jahren alt, Greise von Jahren alt.
Um die Zeit wusste Niemand, was es bedeute. Später
bedrängte Lu-lung im Inneren, die Schiffe mit Breterdäcliern
verdeckten die Flüsse. Es war die Bedeutung von: ,sind stark,
sind stark'. Nachdem er in der Bucht von Tscha ange
kommen, bestimmte er öfters die Zeit und wollte mit den
Obrigkeiten kämpfen. Es ist das Entsprechende von: ,kämpfend
seufzen'. Einst wandte sich m. m Wen-khiao an j|j-
Kö-king-schün, damit er ihm und Yü-liang hin
sichtlich Glück und Unglück wahrsage. King-schün sagte:
Ursprünglich Glück. — Khiao sagte zu Liang: So oft King-
schün wahrsagte, war dieses das Ergebniss. Er getraute sich
nicht, alles auszusprechen. Wir haben mit Reich und Haus
die Sicherheit und die Gefahr gemein. Da es aber heisst:
,Ursprünglich Glück', so kommt die Sache zu Stande. —
Hierauf waren sie einverstanden, verhängten in Gemeinschaft
Strafe und vernichteten J Wang-tün. ,Greise von Jahren
alt.' Hierauf hatten sämmtliche Fürsten die Beglückwünschung
der hundert Jahre. Sie wussten, dass die Genossen der unge
heuerlichen Widersetzlichkeit von selbst vergehen und enden
würden. Um die Zeit sang man wieder ein Lied, worin es
hiess:
1 Del- (kaiserliche) Handwagen der Mutterstadt ist die Mutterstadt selbst.
Sitzungsbor. d. pliil.-Uist. CI. LXXIX. Bd. II. Hft. 28
436
Pfizmaier.
Die Binsen eine Menge,
Sie jagen dem Lauf des Wassers nach.
Der Ostwind plötzlich sich erhebt:
Wie kann man dringen nach Schi-teu?
Lu-lung wurde wirklich geschlagen und konnte nicht in
Schi-teu einlaufen.
Zu den Zeiten & m Fu-kien’s sangen die Knaben
das Lied:
O-kien 1 an der Halfter immer zieht,
Dreissig Jahre sind es her.
Spätei - , wenn er will geschlagen sein,
Wird er an des Stromes, des Sees Seite sein.
Später wurde Kien an dem Flusse m Fei 2 geschlagen.
Er befand sich auf seiner falschen Rangstufe im Ganzen
dreissig Jahre.
Zu den Zeiten Fu-kien’s sang man die Worte:
Des Flusses Wasser ist klar und wieder klar,
Fu-kien stirbt in der neuen Stadt.
Kien wurde durch Yao-tschang getödtet und
starb in Sin-tscliing (neue Feste).
Zu den Zeiten Fu-kien’s sang man die Worte:
Fisch und Schaf, Feld und Rössel,
Sie werden vernichten Thsin.
Yü ,Fisch' und Yang ,Schaf' ist Sien.
(Fj Thien ,Feld' und Yj-' teu ,Nössel' ist pi. 3 Kien
gab sich den Namen Thsin. Es besagt: Was ihn ver
nichtet, ist (das Volk) Sien-pi. Seine Diener riethen ihm, alle
Menschen von Sien-pi hinrichten zu lassen. Er befolgte dieses
nicht. Als Hoai-nan geschlagen war, wurde Kien wieder von
H & 4 Mu-yung-tsclmng angegriffen und floh zu Yao-
tschang. Er selbst starb, sein Reich wurde vernichtet.
1 m ^ O-kien, was nicht dasselbe wie Fu-kien.
2 Zur linken Seite dieses Zeichens ist noch das Classenzeichen *j zu
setzen.
n Die gemeine Form dieses Zeichens wird mit 03 und zusammen
gesetzt und dabei der obere Punkt von 4 weggelassen.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
437
Das Metall schädigt das Holz. 1
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Wei, im ersten
Monate des siebenten Jahres des Zeitraumes Hoang-thsu (226
n. Chr.), reiste der Kaiser nach Hiü-tschang. Das Thor von
Hiü-tschang stürzte ohne Ursache ein. Dem Kaiser war dieses
im Herzen zuwider. Er trat nicht ein und kehrte nach Lö-yang
zurück. Dieses war Schädigung des Holzes durch das Metall
und Bewegung des Holzes. Im fünften Monate fuhr der Wagen
des Palastes am Abend aus. Die von King-fang verfassten
Ueberlieferungen von den Verwandlungen sagen: Wenn Höhere
und Niedere sich einander entgegensteilen, die Ungeheuerlich
keit dessen ist: das Thor der Feste stürzt ein.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Tsin, im sechsten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Thai-bing (319 n.
Chr.), stürzte der Reisspeicher der Provinz U ohne Ursache
ein. In diesem Jahre war grosse Hungersnoth, die Todten
waren mehrere Tausende.
Zu den Zeiten des Kaisers Ming von Tsin, im ersten
Jahre des Zeitraumes Thai-ning (323 n. Chr.), wandte sich
JÜ M. Tseheu-tsching zu J Wang-tün. Er hatte be
reits ein Wohnhaus errichtet, als die von ihm aufgestellten
sechs Läden mit fünf Zwischenräumen zu gleicher Zeit heraus
sprangen und zur Erde fielen. Die übriggebliebenen Gestelle
breiteten sich noch immer um das Haupt der Pfeiler. Dieses
war Schädigung des Holzes durch das Metall. Im fünften Mo
nate des nächsten Jahres sann ^aj| Jlj^ Tsien-fung auf Auf
ruhr. Sofort vernichtete man Tsching sammt dessen Seiten
geschlechtern, und y/jj] Ipk Hu-schö wurde wider Vermuthen
auch ein Erdhügel.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im ersten
Monate des ersten Jahres des Zeitraumes Yuen-hing (402 n.
Chr.), wollte 'jjj ^ jq |||} Sse-ma-yuen-liien sich nach
Westen wenden und Hoan-hiuen strafen. Er pflanzte die Zahn-
1 Das Metall wird als Ursache der Schädigung' wohl desswegen angegeben,
weil Nägel, Schrauben und ähnliche Dinge mit dem Holze in Verbindung
gebracht werden.
•28*
438
? f i z m a i e r.
Stangen über das südliche Thor von Yang-tscheu. Bei dem öst
lichen konnte man sie nicht aufstellen, und erst nach längerer
Zeit waren sie gerade gerichtet. Es war nahezu Ungeheuer
lichkeit der Schädigung. Wider Vermuthen wurde er durch
Hoan-hiuen gemordet.
Im fünften Monate des dritten Jahres des Zeitraumes
Yuen-hing (404 n. Chr.) stürzte die Halle ^ Lö - hien
(die Halle der Freude an weisen Männern) ein. Der Himmel
hatte eine Absicht, als ob er sagte: Kaiser Ngan ist unwissend
und finsteren Geistes. Er hat niemals ein Herz, das an weisen
Männern Freude hat. Desswegen wurde diese Halle geschädigt.
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Sung, i,m siebzehnten
Jahre des Zeitraumes Yuen-kia (440 n. Chr.), verwaltete
^|J Lieu-pin die Provinz U. Der Habichtschweif an dem
westlichen Ende des Daches der Provinzhalle fiel ohne Ursache
zur Erde. Man stellte ihn her und war damit noch nicht fertig,
als wieder der Habichtschweif an dem östlichen Ende herab
fiel. Nach einiger Zeit wurde Pin hingerichtet.
Aufziehen des Schwarzen, Vorzeichen des Schwarzen.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-hoai von Tsin, im zwölf
ten Monate des fünften Jahres des Zeitraumes Yung-kia (311
n. Chr.), war Versperrung durch schwarze Luft in allen vier
Gegenden. Es war nahezu ein Vorzeichen des Schwarzen.
Zu den Zeiten des Kaisers Wen von Sung, im dritten
Monate des sechsundzwanzigsten Jahres des Zeitraumes Yuen-
kia (459 n. Chr.), besuchte der Kaiser die Ausgänge der
Mutterstadt. Da erhob sich urplötzlich schwarze Luft. Die
Deutung war Krieg. Im nächsten Jahre plünderten die Hiung-
nu’s im Süden. Sie gelangten zu den Melonenschritten 1 und
tränkten die Pferde in dem Strome.
JR Kua-pu ,die Melonenscliritte', d. i. die Wasserscheide des
Flusses, heisst eine Gegend der Provinz U.
Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
439
Das Feuer schädigt das Wasser.
Zu den Zeiten des Kaisers Wu von Tsin, im sechsten
Monate des fünften Jahres des Zeitraumes Thai-khang (284 n.
Chr.), war in Jin-tsching alles Wasser des Teiches des Reiches
Lu rotli wie Blut. Lieu-hiang erklärte: Es ist nahezu Schädi
gung des Wassers durch das Feuer. Es ist die Strafe dafür,
dass das Gehör nicht scharf ist. Die von King-fang verfassten
Ueberlieferungen von den Verwandlungen sagen: Ausschwei
fungen der Sinne, die weisen Männer verbergen sich, Reich
und Haus schweben in Gefahr, die Seltsamkeit dessen ist: das
Wasser fliessf roth.
Zu den Zeiten des Kaisers Mö von Tsin, im zweiten
Monate des dritten Jahres des Zeitraumes Sching-ping (359
n. Chr.), war in dem östlichen Teiche der Feste von Liang-
tscheu Feuer. Im vierten Monate des vierten Jahres war in
dem Wasser des Sumpfes Ku-tsang ebenfalls Feuer.
Dieses war die Ungeheuerlichkeit der Schädigung des Wassers
durch das Feuer. Im nächsten Jahre tödtete ij|| ^
Tschang-thien-sl den mittleren erhaltenden Heerführer jj^| ^
Tschang-yung. Dieser war der die Lenkung erfassende Diener.
Zu den Zeiten des Kaisers Ngan von Tsin, im neunten
Monate des zweiten Jahres des Zeitraumes Yuen-hing (403 n.
Chr.), war das Wasser des Sees Lin-ping in Tsien-
thang roth. Hoan-hiuen belehrte die Provinz U und liess sagen,
es sei eine Offenbarung. Er glaubte, es sei für ihn von glück
licher Vorbedeutung. Wider Vermuthen wurde er geschlagen.
Ungeheuerlichkeiten der Nacht.
Zu den Zeiten des Fürsten des Bezirkes Kao-kuei aus
dem Plause .der Wei, im ersten Monate des zweiten Jahres des
Zeitraumes Tsching-yuen (355 n. Chr.), an dem Tage Meu-sö
(35), erhob sich ein Sturmwind mit Finsterniss. Alle, die des
Weges gingen, stürzten zu Boden. Es war nahezu Ungeheuer
lichkeit der Nacht. Lieu-hiang sagt: Wenn gerade am Mittage
Finsterniss eintritt, wird das Yin zum Yang. Der Diener be-
meistert den Gebieter. Um die Zeit unternahm King, König
440
Pfizmaier. Ungewöhnliche Erscheinungen und Zufälle in China.
von Tsin, den Strafzug gegen # JX jytf Wu-khieu-kien.
An diesem Tage wurde er abgesetzt.
Zu den Zeiten des Kaisers Yuen von Wei, im zehnten
Monate des dritten Jahres des Zeitraumes King-yuen (262 n.
dir.), hörte man heftige Donnerschläge und war Finsterniss
am Mittage. Dieses war Ungeheuerlichkeit der Nacht. Puan-ku
sagt: Bei Ungeheuerlichkeit der Nacht erstehen zugleich Wol
ken und Wind, und es wird dunkel. Desswegen hat sie mit
beständigem Wind das Bild gemein. Lieu-hiang in seinem
Frühling und Herbst erklärt: Der Himmel warnte, als ob er
sagte: Lasset nicht die Grossen und die Obrigkeiten des Zeit
alters den Befehl in Anspruch nehmen, ausschliesslich die Ge
schäfte führen. — Das nächste Jahr starb # ^ ^ Lu-
ki-yeu. Es waren wirklich Obrigkeiten des Zeitalters, und das
fürstliche Haus wurde erniedrigt. Wci hatte diese Ungeheuer
lichkeit. Das Entsprechende war, dass Tsin die Welt besitzen
werde.
Zu den Zeiten des Kaisers Hiao-wu von Tsin, im zwölften
Monate des dreizehnten Jahres des Zeitraumes Tliai-yuen (388
n. Chr.), Tag Yi-wi (32), war Sturm und Finsterniss. Später
starb der Kaiser, und die Lehensfürsten widersetzten sich dem
höchsten Befehle. Schilde und Lanzen beleidigten im Inneren.
Die Macht wurde JÜj Yuen-hien entrissen, das Unglück
durch Hoan-hiuen zu Stande gebracht. Dieses war das Ent
sprechende.
S. 387 bei ist statt ^ das Classenzeichen F zu
setzen.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
LXXIX, BAND. III. HEFT.
JAHRGANG 1875.
MARZ.
VII. SITZUNG VOM 10. MÄRZ 1875.
Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter übermittelt
in Abschrift das vom Bundesrathe des deutschen Reiches unter
dem 23. Jänner d. J. genehmigte Statut für die Fortführung
der ,Monumenta Germaniae historicah
Der prov. Secretär legt im Namen der Weisthümer-Com-
mission den erschienenen, von den Herren Ignaz V. Zingerle
und K. Theodor von Inama-Sternegg herausgegebenen,
zweiten Band (die tirolischen Weisthümer), I. Theil (Unterinn
thal), der von der kais. Akademie gesammelten österreichischen
Weisthümer vor.
Die Direction der Landes-Realschule zu Sternberg spricht
den Dank aus für die in Aussicht gestellten akademischen
Publicationen.
Das w. M. Herr Regierungsrath Dr. C. Ritter von
Höfler in Prag übersendet das Manuscript für den zweiten
Band der in den Fontes erscheinenden Ausgabe des Congresses
von Soissons.
Das w. M. Herr Regierungsrath Fiedler legt vor: ,Ein
Fragment eines alten Salzburger Necrologiums aus dem Ende
des 12. bis in das 14. Jahrhundert, bestehend aus einem
Pergamentblatte in einer Papierhaudsckrift der Prämonstra-
tenser-Abtei Wüten bei Innsbruck', mitgetheilt von P. Willi
bald Hauthaler, Conventualen des Benedictinerstiftes St. Peter
in Salzburg.
444
Für die zwei von der kais. Akademie zu besetzenden
Stellen der Centraldirection für die Fortführung der ,Monumenta
Germaniae historica' wurden das w. M. Herr Prof. Dr. Sickel
in Wien und das c. M. Herr Prof. Dr. Stumpf-Brentano
in Innsbruck gewählt.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Gesellschaft, Deutsche Morgenläudische: Zeitschrift. XXVIII. Band, 4. Heft.
Leipzig. 1874; 8°.
— k. k. geographische, in Wien: Mittheilungen. Band XVIII. (neuer Folge
VIII.) Nr. 2. Wien, 1875; 8».
Jahresbericht des k. k. Ministeriums für Cultus und Unterricht für 1874.
Wien, 1875; 4».
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 21. Band, 1875.
Heft II, nebst Ergänzungsheften Nr. 39 u. 40. Gotha; 4°.
Müller, F. Max, Rig-Weda-Sanhita, the Sacred Hymns of the Brahmans etc.
Vol. VI. London, 1874; 4«.
Museums-Verein, Vorarlberger in Bregenz, XIV. Rechenschafts-Bericht.
Bregenz, 1874; 4°.
Revista de la Universidad de Madrid. .2* Epoca. Tomo V, Nr. 1. Madrid,
1875; 4°.
,Revue politique et litteraire 1 et ,Revue scientifique de la France et de
rötrangerh IV° Annee. 2° Serie, N os 35 — 36. Paris, 1875; 4 n .
Smithsonian Institution: Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. XIX.
Washington 1874; 4°— Miscellaneous Colleetions. Vols. XI—XII. Washing
ton, 1874; 8°.
Society, North-China Branch of the Royal Asiatic: Journal. New Series
Nr. VIII. Shanghai, 1874; 8«.
Verein, histor., für das Grossherzogthum Hessen: Archiv für hessische
Geschichte und Alterthumskunde. XIII. Band. Darmstadt, 1874; 8°.
— histor., für Niedersachsen: Zeitschrift. Jahrgang 1873. Hannover, 1874; 8°.
— histor., für Steiermark: Mittheiluugen XXII. Heft. Graz, 1874; 8° — Bei
träge zur Kunde steierm. Geschichtsquellen. 11. Jahrgang. Graz, 1874; 8°.
VIII. SITZUNG VOM 17. MÄRZ 1875.
Die königl. Akademie der Wissenschaften in Berlin gibt
nach Vollzug der akademischen Wahlen die Zusammensetzung
der Central-Direction für die Fortführung der ,Monumenta Ger-
maniae historica' bekannt.
Herr Dr. Johann Loserth überreicht eine Abhandlung
unter dem Titel: ,Die Chronik des Benesch Krabice von Weit-
mühk mit dem Ersuchen um Aufnahme derselben in das Archiv.
Das vv. M. Herr Regierungsrath Fiedler übergibt eine
für das Archiv bestimmte Abhandlung des c. M. Herrn Mini-
sterialrath Adolf Beer: ,Oesterreich und Russland in den Jahren
1804 und 1805h
Das w. M. Herr Professor Wolf aus Graz legt ein Manu-
script vor: ,Die Selbstbiographie Christophs von Thein, 1453
bis 1516h
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia, Reale, deiLincei: Atti. Tome XXVI. An. XXVI. Sess. V“—VIII“.
Roma, 1874; 4°.
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss. zu Berlin: Monatsbericht. No
vember 1874. Berlin, 8°.
— — Kgl. Bayer, zu München: Sitzungsberichte der pliilos.-pkilolog. und
histor. Classe. 1874. Bd. II. Heft 2; der matliem.-physikal. Classe. 1874.
Heft 3. München, 8°.
Coello y Quesada, Don Francisco, Noticias sobre las vias poblaciones y ruinas
antiguas espeeialmente de la epoea romana en la provincia de Alava. Ma
drid, 1875; 4° — Duscursos bidos ante la Academia de la historia en la
recepcion publica del ilmo. Senor II. Fr. Coello y Quesada. Madrid, 1874; 4°.
446
Gesellschaft der Wissenschaften, Kgl. böbm., in Prag: Sitzungsberichte.
1874. Nr. 7—8. Prag, 8«.
— — Oberlausitzische: Neues Lausitzisches Magazin. LI. Band. Görlitz,
1874; 8°.
— Deutsche, für Natur- und Völkerkunde Ostasiens: Mittheilungen. G. Heft.
December 1874. Yokohama, 4°.
Königsberg, Universität: Akademische Gelegenheitsschriften aus d. J. 1874/5.
4° und 8°.
Müller, Marcus Joseph, Philosophie und Theologie von Averroes. Aus dem
Arabischen übersetzt. (Aus dem Nachlasse desselben herausgegeben von
der kgl. bayer. Akademie der Wissenschaften.) München, 1875; 4°.
Raspail, F. V., Peu de cliose, mais quelque chose. III. Paris, 1875; kl. 8°.
,Kevue politique et litterainv et ,Revue scientifique de la France et de
fetranger'. 1V C Annee. 2° »Serie. N° 37. Paris, 1875; 4°.
Schuermans, H., Replique k M. Roulez. Bruxelles, 1875; 8°.
Schüler von Libloy, Friedrich. Der Socialismus und die Internationale
nacli ihren hervorragendsten Erscheinungen in Literatur und Leben. Leip
zig, 1875; 8°.
Societe litteraire, scientifique et artistique d’Apt. Memoires. N. S. Tome I 01 ',
N os 2—3. Apt, 1874; 8°. — Proees-verbaux de seances. 2™° Serie. Tome 2 mc .
(1872 et 1873). Apt, 1874; 8».
IX. SITZUNG- VOM 31. MÄRZ 1875.
Der Secretär-Stellvertreter theilt Dankschreiben für aka
demische Publicationen mit: von dem niederösterr. Landesaus
schasse und von der Direction des Ober-Realgymnasiums zu
Pilsen.
Das w. M. Herr Professor Dr. Friedrich Müller legt
eine Abhandlung vor: ,Der Dual in den semitischen Sprachen'.
Das w. M. Herr Professor Dr. Sickel legt den ersten
Tlieil von .Alcuin-Studien' vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt.
A ccademia Pontificia de’Nuovi Linc.ei: Atti. Anno XXVIII. Sess. l n . Roma,
1875'; 4 n .
Akademie der Wissenschaften, Kgl. Preuss. zu Berlin: Monatsbericht. Decem-
ber 1874. Berlin, 1875; 8°.
Annuar.io marittimo per 1’ anno 1875. XXV. Annata. Triest. 1875; 8°.
Cos mos di Guido Cora. VI. Torino, 1874; 4 n .
Eil er o, Pietro, Scritti minori. Bologna, 1875; 8°.
Kirchmann, J. H. v. Ueber das Princip des Realismus. Leipzig, 1875; 8°.
Memoire de la Commission Europeenne du Danube. Atlas: Cartes du Delta
du Danube et plans comparatifs etc. Leipzig, 1874; gr. Folio.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. 21. Band, 1875.
Heft III, nebst Ergänzungsheft Nr. 42. Gotha; 4°.
Monatshefte, Philosophische. Redigirt und herausgegeben von E. Bratu
scheck. XI. Band, 3. Heft. Leipzig, 1875; 8°.
Räj endraläla Mitra, Catalogue of Sanskrit Mss. existing in Oudh. Fase. IV.
Calcutta, 1874; 8°.
,Revue politique et litteraire‘ et .Revue scientifique de la France et de
l’etranger 4 . IV‘ Annee, 2 e Serie. N os 38—30. Paris, 1875; 4°.
448
Seewarte, Deutsche: VII. Jahres-Bericbt für das Jahr 1874. Hamburg, 4°.
Society, The Royal Geographical, of London: Proceedings. Vol. XIX, Nr. 2.
London, 1875; 8°.
— American Geographical, of New-York: Journal. Vol. IV. New-York and
London, 1874; 8°.
Verein, historischer, für Niederbayern: Verhandlungen. XVII. Bd., I. 4. Heft;
XVIII. Band, 1.—2. Heft. Landshut, 1873; 8°.
Müller. Der Dual in den semitischen Sprachen.
449
Der Dual in den semitischen Sprachen.
Von
Dr. Friedrich Müller,
Professor an der Wiener Universität.
A m Ende einer kurzen Abhandlung, betitelt: ; Der Dual
im Semitischen' (Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprach
wissenschaft. Herausgegeben von Lazarus und Steinthal, Band
VII. S. 403—411), stellt Theodor Nöldeke, als Resultat seiner
Untersuchung in dieser Richtung, Folgendes hin: ,Der Dual be
deutete, und zwar noch zur Zeit, da sich Nord- und Süd
semiten schieden, die paarweise Verbindung; diese Bedeutung
hat sich im Hebräischen klar erhalten, obwohl der Gebrauch
des Duals auch hier schon im Schwinden ist; im Aramäischen
hat sich der Dual fast spurlos verloren, eben so im Aethiopischen,
während derselbe im Arabischen nach der Trennung von jenem
die Bedeutung der Zweiheit schlechthin angenommen und sich
über alle flectirbare Redetheile ausgebreitet hat'.
Zu diesem Ergebnisse fügt der genannte Gelehrte noch
folgendes Geständniss. ,0b nun aber jener letzterreichbare
Dualbegriff auch der uranfängliche der Semiten ist, wie das
Suffix des Duals ursprünglich lautete, und was seine Grund
bedeutung gewesen, das sind Fragen, an deren Beantwortung
ich mich nicht zu wagen bekenne.' (Ibid. S. 411.)
Indem ich mich mit dem oben kurz aufgestellten Resul
tate nicht einverstanden erklären kann, wenn ich auch zugebe,
dass die Form des Duals von der Auffassung des paarweise
Vorhandenen ausgegangen ist, wozu das Altägyptische eine
450
Müller.
lehrreiche Parallele liefert, clie wir im Folgenden anführen
wollen, — muss ich noch dazu gleich hier bekennen, dass ich
weniger scrupulös bin, als mein allzuvorsichtiger Freund es ist,
indem ich von den drei Fragen, deren Lösung von ihm als
desperat hingestellt wird, jene in Angriff zu nehmen mir ge
statte, der man auf dem Wege inductiver Forschung beizu
kommen hoffen darf, nämlich die zweite nach der ursprüng
lichen Form des Dualsuffixes.
Zunächst möge es uns gestattet sein einen Blick auf die
Sprache der Urkunden des ältesten Culturstaates, nämlich
Aegyptens, zu werfen.
Das Altägyptische (bekanntlich zu den sogenannten hami-
tischen Sprachen zählend) unterscheidet gleich den semitischen
Sprachen neben einem doppelten Geschlechte (Masculinum und
Femininum, letzteres mit dem Zeichen t) drei Zahlen, nämlich
Singular, Dual und Plural.
Der Singular hat lautlich ausser dem Motionszeichen t
beim Femininum keine bestimmte Bezeichnung, z. B. son
,Bruder' (kopt. co»), son-t ,Schwester 1 (kopt. com). Nur bei
einigen Wörtern wird in der Schrift das Zeichen für ,Eins',
ein kurzer, senkrechter Strich, hinzugefügt.
Den Dual kennzeichnet lautlich das Suffix -ui beim Mas
culinum und das Suffix -i beim Femininum. Z. B. son-ui ,die
beiden Brüder', son-t-i ,die beiden Schwestern'. Graphisch wird
der Dual durch Beifügung des Zeichens für ,Zwei', nämlich
zwei kurze senkrechte Striche, oder durch doppelte Setzung
des den Lautzeichen beigegebenen idealen Determinativs aus
gedrückt.
Der Plural hat lautlich das Zeichen u (selten iu), z. B.
son-u ,die Brüder', son-t-u ,die Schwestern'. Graphisch wird
der Plural durch Beifügung des Zeichens für ,Drei', nämlich
drei kurze, senkrechte Striche, oder drei Punkte, oder durch
dreifache Setzung des idealen Determinativs charakterisirt.
Gleichwie im Hebräischen gibt es auch im Altägyptischen
eine Reihe von Ausdrücken, welche nur im Dual Vorkommen.
Es sind dies die paarweise vorhandenen Glieder des mensch
lichen Körpers und die beiden eine ethnische Einheit bildenden
Der Dual in den semitischen Sprachen.
451
Bestandtheile (Ober- und Unterland), aus denen das Land
Aegypten bestand. Dieselben lauten : 1
A. Masculina:
heh-ui die Ohren,
rot-ui die Füsse (kopt. p&t),
tot-ui die Hände (kopt. tot),
ta-ui die beiden Welten (Ober- und Unter-Aegypten).
B. Feminina.
' ser-t-i die Nasenlöcher (kopt. uj*.htc, ein versteinerter Dual),
är-t-i die Kinnladen,
hä-t-i das Herz, ,die beiden Herzhälften' (kopt. <jht ein
versteinerter Dual),
mer-t-i die Augen,
sa-t-i die Beine,
%en-t-i die Füsse
keb-t-i die Arme (kopt. crßoi),
hon-t-i die Hörner (kopt. «jmn).
Wenn wir nun im Aegyptischen die Zahlensuffixe Dual
ui, i, Plural u untereinander vergleichen, so stellt sich un
zweifelhaft das Dualsuffix ui als aus u und i zusammengesetzt
dar, und es bleibt nur noch die Frage übrig, wie wir dem
männlichen u-i gegenüber das weibliche i zu deuten haben.
An eine Verkürzung von t-u-i zu t-i ist, vermöge des sonstigen
Charakters der altägyptischen Sprache, nicht zu denken, so
dass wohl nichts anderes übrig bleibt als i für ein selbstän
diges Element anzusehen, das an und für sich zur Bezeichnung
der Zahl verwendet werden kann.
Wenn wir uns nun wegen Deutung des Elementes i ans
Altägyptische wenden, so erhalten wir keine Antwort, doch
dürfen wir vielleicht hoffen, von der jüngsten Tochter des
selben, dem Koptischen, eine Aufklärung zu erlangen. —
Machen wir ja oft die Wahrnehmung, dass die alte Sprache,
sofern sie zu literarischen Zwecken verwendet wurde, manches
Gut, das in der ungebildeten Volkssprache stehen blieb, abge
worfen hat, und dass dieses Gut später, wenn die Volkssprache
zu literarischem Schaffen neu belebt wird, wieder hervortritt
1 Brugsch. Hieroglyphisclie Grammatik. Leipzig 1872. S. 5.
Sitzangsber. 1. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. III. Hft. 29
452
Müller.
um Formen zu schaffen, die den Gestalten der alten Sprache
gegenüber neu zu sein scheinen.
Das Koptische nun verwendet in ziemlich vielen Fällen
das Element i zur Bildung des Plurals. Man vergleiche:
A-fiom Baben von «Amr Rabe,
;\q>oq>i Riesen von &.q>coq> Riese,
Palmzweige von üht Palmzweig,
auio^- Brüste von auiot Brust,
io-\- Väter von icot Vater,
Vögel von Vogel,
äciUoi Greise von ätUo Greis,
ujßo-j- Stäbe von ujü<»t Stab,
ui<$>epi Genossen von ujq>np Genosse,
ac.&M.o.Tr(\.i Kamele von atAMoVA. Kamel.
Durch diese Fälle dürfte wohl i als Pluralsuffix im Kop
tischen sicher gestellt sein. Es trägt sich nun weiter, in
welcher Beziehung es zum Dualsuffix der Feminina im Alt-
ägyptischen steht. — Um gleich hier unsere Ansicht über
diesen Punkt auszusprechen bemerken wir, dass das Suffix i
von Haus aus die Mehrzahl überhaupt bezeichnet haben
dürfte, welche Geltung es auch im Koptischen beibehalten hat,
und dass die Dualbedeutung, wie sie im Altägyptischen zu
Tage tritt, nur eine Differenzirung der ursprünglichen Bedeu
tung repräsentirt, wie denn ja in den meisten Fällen der Dual
als eine Variation des Plurals sich deutlich zu erkennen gibt.
Während aber das Femininum (son-t-i) den Dual durch
Suffixirung des Zahlzeichens i an den Singular (son-t) bildet,
fügt das Masculinum (son-ui) dasselbe Zeichen i an den Plural
(son-u) an. Es ist derselbe Vorgang, wie er im arabischen
qatal-ä, qatalat-ä gegenüber qatal-tum-ä stattfindet.
Während wir in dem Dualsuffix i das Schauspiel der
Begränzung eines bestimmten Suffixes zu eigenthümlichen
grammatischen Zwecken vor uns haben, tritt uns in den zahl
reichen koptischen Pluralbildungen mittelst ui die entgegen
gesetzte Thatsache entgegen, dass nämlich eine Form, für die
kein Verständniss vorhanden ist (das Koptische besitzt näm
lich keinen Dual), mit einer ähnlich lautenden Form ver
schmilzt.
Der Dual in den semitischen Sprachen.
453
Man vergleiche:
Aipnoiri Häupter von x<pe Haupt.
Löhne von fie^e Lohn.
epAuuoiri Thränen von cp.«u Thräne,
ep^iio-ri Tempel von ep<pei Tempel.
hotti Häuser von hi Haus.
oTre^ptooiri Pfosten von ois-42c.po Pfosten,
cßtuoivi Lehren von cßco Lehre,
ccpipmoiri Seiten von ecpip Seite.
Teßii6ioTj-i Heerde von vefinn ein Stück Vieh.
«pnon-i Himmel (ot cüpavoi) von <pe Himmel,
oßiioiri Werke von owß Werk.
spiio-D-i Speisen von *pn Speise.
Höchst interessant erscheinen uns die koptischen Plurale
4fii.\iR Sclaven, Sclavinnen von ficoii Sclave, fi&mi Sclavin und
Mid-Truj Schwüre von .mi&ui Schwur, iuu\To Schmerzen von
A.H&.0 Schmerz, <rA.Aa.1r2e. Füsse von <raAo2c. Fuss, in denen nach
unserer Ansicht die Pluralzeichen i und u in den Stamm ein
gedrungen sind, nach einem Gesetze, das innerhalb der
semitischen Sprachen wiederholt zur Anwendung kommt.
Ueberblicken wir nun die von uns im Vorhergehenden
herangezogenen Thatsachen, so stellt sich in Betreff der Zahlen
bezeichnung' für das Altägyptische folgendes heraus:
Das Altägyptische bezeichnet den Plural mittelst des
Suffixes u (mit dem Semitischen umü, unü verwandt?) welches
an den Singularstamm angefügt wird. Der Dual wird durch
ein zweites, als solches innerhalb der Schriftsprache ausser
Gebrauch gekommenes Pluralsuffix i gekennzeichnet, das bei
Masculinstämmen an den Plural, bei Femininstämmen an den
Singular tritt. — Im Koptischen, wo der altägyptische Dual
verschwunden ist, tritt das alte Dualsuffix wiederum als Plu
ralsuffix auf, ebenso wie einzelne nach alter Weise gebildete
Dualformen in -ui als reine Pluralbildungen erscheinen.
Ich denke nun, dass die in solcher Weise gewonnene
Einsicht in den Vorgang, welcher den ägyptischen Zahlen
bezeichnungen zu Grunde liegt, uns befähigen dürfte in den Me
chanismus derselben Kategorie innerhalb der semitischen Spra
chen einzudringen. Und zwar müssen wir, da es sich zunächst
um einen rein lautlichen Process handelt, uns an jene Sprache
29*
454
Müller.
wenden, die für die Untersuchung das reichlichste Material
darbietet, an jene Sprache, in welcher namentlich der Dual
als lebendige Form existirt, das ist ans Arabische.
Allerdings bemerkt unser verehrter Freund Th. Nöldeke,
einer der tüchtigsten Kenner der semitischen Sprachen, in dem
am Anfänge unserer Untersuchung citirten Aufsatze, dass die
Entwicklung des Duals, wie sie im Arabischen vorliegt, relativ
spät sei; es darf uns aber dieser Ausspruch um so weniger
von unserer Untersuchung zurückhalten, als einerseits die ara
bischen Formen beim Verbum, auf die man so viel Gewicht
legt, nicht ohne Parallele dastehen (vergl. das unten über das
Assyrische Bemerkte) und andererseits sich, wie wir unten sehen
werden, vom Arabischen aus die Bildung des Duals in allen
semitischen Sprachen ganz befriedigend erklären lässt, wäh
rend aus den spärlichen Ueberresten, welche die übrigen semi
tischen Sprachen darbieten, die Entwicklung des arabischen
Duals schlechterdings nicht begriffen werden kann.
Im Arabischen erstreckt sicli der Dual auf alle flect.ir-
baren Redetheile, wird aber nicht, wie wir gleich sehen werden,
auf dieselbe Weise abgeleitet. — Die einfachste und am mei
sten durchsichtige Form dürfte der Dual des Verbum III pers.
perfecti sein, wo den Singulären qatala ,er hat getödteP, qatalat
,sie hat getödteP, die Duale qatalä ,sie zwei (Männer') haben
getödteP, qatalatä ,sie zwei (Weiber) haben getödteP entgegen
stehen, Formen, die nicht gar so isolirt dastehen, als man ge
wöhnlich glaubt, da das Assyrische ganz ebenso tsabtä (Dual)
dem Singular tsabit und dem Plural tsabtü entgegenstellt.
(Sayce, Assyrian grammar 59.) — Es ergibt sich daraus ä als
Dualzeichen, das in den obigen Fällen an die fertigen Singu
larformen angetreten ist, derselbe Process, den wir oben in
dem altägyptischen Dual Feminini son-t-i gegenüber dem Sin
gular son-t gefunden haben. 1
' Wenn Th. Nöldelte (a. a. O. 40S) die dritte Person Dual femin. bei den
transitiven Verben mit letztem Radic.al y als Beweis dafür anführt, dass
die arabischen Dualformen secundäre, in später Zeit vom Singular ab
geleitete Bildungen sind, da sonst gegenüber rämat ,sie hat geworfen 4 , ra-
mätä ,sie zwei (Weiber) haben geworfen 4 gesagt werden müsste, so beruht
die Bemerkung auf einer allzu subtilen Interpretation der Sachlage. —
Gerade so wie Nöldeke fürs Femininum statt ramatä : ramätä heraus-
Der Dual in den semitischen Sprachen.
455
Derselbe Vorgang, nämlich Anfügung eines den Dual
charakterisirenden ä, dürfte auch den Formen qataltumä ,ihr
zwei habt getödtet', humä ,sie zwei', antumä ,ihr zwei' zu
Grunde liegen, welche wir aus qatal-tumü-ä, humü-ä, ant-
umü-ä entstanden erklären. Man könnte wohl in Bezug auf
diese Formen das oben erwähnte qatalat-ä ,sie zwei (Weiber)
haben getödtet' einwenden, welches den fertigen Singular qa-
talat voraussetzt, und diese Formen in jener Zeit entstanden
sein lassen, wo aus den ursprünglichen Bildungen qataltumü,
humü, antumü die abgekürzten qataltum, hum, antum sich ent
wickelt hatten, aber einerseits macht ü -f- ä = ä keine Schwie
rigkeit, da ja arab. pyiLo (maquam-ü) zu ^»Iäxi (maqäm-ü),
Jyäj (yuqual-u) zu JLüj (yuqäl-u) wird, andererseits kommen
wir bei den Formen yaqtuläni u. s. w. gegenüber yaqtulüna
u. s. w., die doch auf demselben Bildungsprincipe beruhen,
wiederum arg ins Gedränge.
Wenn nun auch der lautliche Vorgang in beiden von uns
besprochenen Fällen derselbe ist, nämlich Anfügung eines den
Dual charakterisirenden ä, so besteht doch zwischen denselben
ein wesentlicher Unterschied, insofern in dem einen Fall der
Dual vom Singular gleich dem altägyptischen sonti abgeleitet
wird, während er in dem anderen Falle den Plural gleich dem
altägyptischen sonui voraussetzt.
bringt, könnten wir statt des Masculinum ramayä yazawa aus den Sin
gulären rarna yaza ein gar nioht existirendes ramaä yazaä herausbringen.
— Der Sachverhalt scheint aber folgender zu sein. Man bildete damals
als man noch ramaya sprach: ramayat, ramayä, ramayatä, welche Formen
später zu rama, ramat, ramatä zusammengezogen wurden. Bei ramatä
gab die Aussprache rama, ramat die Analogie ab, nach welcher die Form
gemodelt wurde. Während also Nöldeke sagt, die Form ramatä beweist,
dass die Dualbildung am arabischen Verbum jung ist (ein Schluss, der
schon durch arab. qatalä = assyrisch tsabtä hinfällig wird), bemerken
wir dagegen: die Formen ramayä, yazawä beweisen, dass die Dualbil
dung alt ist, da sie nicht von rama, yaza kommen können, sondern von
den dahinter liegenden ramaya, yazawa abgeleitet werden müssen. — In
dessen können wir immerhin Th. Nöldeke zugeben, die Femininform
qatalatä, auf die allein sein Schluss sich erstreckt, sei eine spätere
Bildung; sie muss aber dann nothwendiger Weise nach Analogie von
qatalä gebildet worden sein (qatalatä : qatalat = qatalä : qatala), das
jedoch seinerseits keine Neubildung sein kann, da es durch die iden
tische assyrische Form als alterthümlich- sichergestellt ist.
456
Müller.
Gehen wir nun auf die Betrachtung der übrigen Formen
über.
Vor allem Anderen sind hier die Duale der Dauerform
yaqtuläni ,sie zwei (Männer) tödten' und tacjtuläni ,sie zwei
(Weiber) tödten' und ,ihr beide tödtet' zu berücksichtigen
(vgl. assyrisch: isdhurä), die den Singularformen yaqtulu,
taqtulu (3. Pers.), taqtulu, taqtulina (2. Pers.) (vgl. assyrisch
isdliur), und den Pluralformen yaqtulüna, yaqtulna (3 Pers.),
taqtulüna, taqtulna (2. Pers.) (vgl. assyrisch isdhurü) gegen-
über stehen. Wie man ersieht, so scheinen dieselben nicht
so sehr aus den Pluralformen (da dann 3. Pers. yaqtuläni
für beide Geschlechter stehen müsste) abgeleitet zu sein
(falls nämlich nicht arab. yaqtulna gegenüber dem hebrä
ischen tiqtolenah eine an yaqtulüna angelehnte Neubildung ist,
vergl. jedoch assyrisch Plural isdhurü, isdhura gegenüber Singular
isdliur, tasdhur), als vielmehr von dem Singular mittelst des
Dualsuffixes -äni ihren Ausgang (und zwar analog den Nomi
nalbildungen) genommen zu haben.
Um also der Eigenthümlichkeit dieser Bildungen auf die
Spur zu kommen, erscheint es nothwendig die Nominalformen
selbst einer eingehenden Betrachtung zu unterziehen. — Die
Participialform kätib-ü ,schreibend', bildet den Plural Nom. kä-
tib-üna, Gen Acc. kätib-ma, dem der Dual Nom. kätib-äni, Gen.
Acc. kätib-aini entgegen steht. Im Hebräisch - Aramäischen
geht dem kätib-Ina die Form köthebk-im, köthebh-In (nach
dem der Genitiv als Casus generalis eingetreten ist) parallel,
daher auch der Dual (falls er von köthebh gebildet werden
könnte) köthebbajim (für köthebhajm), köthebhen dem ara
bischen kätibaini entsprechen würde.
Wenn man nun die Formen Plur. kätib-ma und Dual kätib
aini , dessen auslautendes ni selbst Nöldeke a. a. 0. 406 aus
na verfärbt erklärt, das also eine ältere Form kätib-aina vor
aussetzen lässt, mit einander vergleicht, wem fällt nicht auf
den ersten Blick das oben gefundene Dual bezeichnende ä
auf, das sich aber vom Ende der Wertform weg in das Innere
derselben, in den Stamm, eingedrängt hat? Also kätibaini =
kätib-ä-Ina.
Lässt man diese Erklärung für richtig gelten, so muss
dann auch kätibäni gegenüber kätib-üna aus kätib-ü-ä-na ent-
Der Dual in den semitischen Sprachen.
457
standen sein. Es bildet dann diese Form das Mittelglied zwi
schen qatalä und kätib-aini, insofern das ä hier nur eine Silbe
übersprungen hat, während es in kätibaini zwei Silben über
springen musste.
Gegen unsere Erklärung dieser Formen — wornach sie
als ursprünglich äussere in innere übergehen, wird wohl kein
Semitist etwas Wesentliches einzuwenden vermögen, da ja ge
rade die semitischen Sprachen den inneren Wortbildungsprocess
mit einer gewissen Vorliebe entwickeln und, wie bekannt,
die sogenannte innere Pluralbildung der südsemitischen Spra
chen auf einer umfassenden Anwendung dieses Principes
beruht.
Ist es aber richtig, dass ä das Zeichen des Dual in den
semitischen Sprachen ist, und dies dürfte wohl von Niemandem
bezweifelt werden können, dann haben wir auch ein Mittel
gefunden, um das Alter der Dualformen in den einzelnen se
mitischen Sprachen zu beurtheilen. Und wir denken, dass
dieses lautliche Mittel einzig und allein den Ausschlag geben
muss, da, wie wir weiter unten sehen werden, der mehr oder
weniger eingeschränkte Gebrauch oder die Verwendung der
Form in den einzelnen Sprachen in dieser Frage von gar
keinem Belange ist.
Zugegeben nun, dass das a in den hebräischen Formen
jädajim ,die beiden Hände', raglajim ,die beiden Füsse' (beide
.Formen stehen für jädajrn, raglajm) den Dual gegenüber
dem Plural in -dlm -lim charakterisirt, dass also das Sprach
gefühl des Hebräers in dem ä vor dem Pluralsuffix -Im die
Kategorie des Duals herausgefühlt habe, 1 so lässt sich von da
aus die Bildung analoger Nominalformen, nimmermehr aber die
Bildung einer Pronominalform mit dem Zeichen ä am Ende, noch
weniger aber die Bildung einer Verbalform mit demselben Zeichen
ä am Ende (wie sie uns das Arabische darbietet) begreifen. 2
1 Oder eigentlich in dem ganzen Suffix -ajim, da nur auf solche Weise die
Bildung des Duals von Femininstämmen (wie hehr, delätliajim ,die beiden
Thiirflügel 1 , von doleth ,Thür‘, arab. madinat-äni ,die beiden Städte 1 ,
Gen. Acc. madlnat-aini) sich begreifen lässt.
- Wenn die Formen antumä, humä, qatalä, qatalatä wirklich Neubildungen
auf dein Gebiete des Arabischen wären, dann müssten sie nothwendiger
Weise antumäni, liumäni, qataläni, qatalatäni lauten.
458
Müller.
Wir könnten dann zwar begreifen, wie eine Sprache, die eine
Kategorie zur Bezeichnung paarweise auftretender natürlicher
Gegenstände schafft, diese Kategorie im Laufe der Entwicklung
auch auf andere Substantiva ausdehnt, — nimmermehr aber,
wie sie dieselbe Kategorie auf andere Redetheile überträgt, um
so weniger als die Verwendung des lautlichen Repräsentanten
dieser Kategorie einen Sprachzustand voraussetzen würde, wel
cher dem der Flexion geradezu entgegengesetzt ist.
Nach unserer, durch sorgfältige Prüfung der oben heran
gezogenen Tliatsachen gewonnenen Ansicht, ist es also nicht
das Hebräische, welches formell den Sprachzustand des Urse-
mitischen (jener Sprache, die den semitischen Dialekten bei
ihrer Abtrennung von einander zu Grunde lag) am getreuesten
in diesem Punkte repräsentirt, sondern vielmehr das Arabische.
— Die arabischen Dualformen könuen, abgesehen davon, dass
sie durch das Assyrische als alterthümlich bezeugt werden, un
möglich Neubildungen sein, da sie ein Sprachbewusstsein vor
aussetzen würden, dem die Natur der flectirenden Sprachen
nicht entspricht, womit aber gar nicht gesagt ist, dass die Ver
wendung des Arabischen dem ursprünglichen Gebrauche
der Ursprache näher steht. — In dieser Beziehung ist das He
bräische mit successiver Einschränkung der Kategorie, die der
Sprache entbehrlich schien, zum ursprünglichen Gebrauche
zurückgekehrt, ein Vorgang, der ganz und gar mit dem Ge
brauche des Duals in den indogermanischen Sprachen über
einstimmt.
In den indogermanischen Sprachen ist gewiss die Kate
gorie des Duals, wie in den semitischen, von der Auffassung
paarweise vorkommender natürlicher Gegenstände, namentlich
der doppelt vorhandenen Organe des menschlichen Körpers,
ausgegangen. Nur von da aus lässt sich diese Kategorie über
haupt begreifen. — Sie mag also ursprünglich nur am Nomen
substantivum ausgeprägt gewesen sein, und von da aus, zu
nächst nach dem Gesetze der Oongruenz, auch über das Adjec-
tivum sich verbreitet haben. — Interessant ist es, dass der
Dual innerhalb des Pronomens gerade in der ersten Person,
wo das Semitische keinen Unterschied zwischen Dual und
Plural kennt, in den indogermanischen Sprachen am deutlich
sten bezeichnet auftritt, also gerade hier sehr alt sein muss. —
Der Dual in den semitischen Sprachen.
459
Vom Pronomen aber zum Verbum, das ja auf einer prädica-
tiven Verbindung’ des subjectiven Pronominal-Elementes mit
dem Nominal-Verbalstamme beruht, ist kein weiter Sprung,
wie jeder Sprachkundige ohne Beweis einsehen dürfte.
Dieser Process, nämlich successive Verbreitung der Dual-
Kategorie über das ganze flectirbare Sprachmaterial, muss sich
aber bereits in der indogermanischen Ursprache, d. h. jener
Sprache, die den indogermanischen Sprachen bei ihrer Abtren
nung von einander zu Grunde lag, vollständig entwickelt
haben; — denn nur auf diese Weise lässt sich das gleich-
massige Vorkommen des Duals im Altindischen, Altbaktrischen,
Griechischen und Slavischen begreifen. — Und auch hier
machen wir, wie in den semitischen Sprachen, die Wahrneh
mung, dass die Sprache zurückschreitet, d. h. dass sie zu jenem
Punkte, von dem sie ursprünglich ausgegangen, nach und nach
zurückkehrt. Es wird ihr in Folge der idealen Entwicklung
und der damit Hand in Hand gehenden lautlichen Zersetzung
der Dual zum Ballast, mit dem sie nichts anzufaugen vermag,
den sie also bis auf einzelne Ueberreste ganz fallen lässt. —
Wenn das Altslavische den Dual noch als lebendige Sprach-
form handhabt, dagegen einige der modernen slavischen Spra
chen denselben nur als verstümmelte Form bei der Zahlenbil
dung von Ausdrücken für einzelne paarweise auftretende Glieder
des menschlichen Körpers kennen, so wird wohl Niemand in dem
Gebrauche der letzteren, der mit dem Gebrauche der Urprache
trefflich zusammenstimmt, eine Alterthümlichkeit erblicken,
gegenüber welcher der Gebrauch der alten Sprache als Ent
artung erscheinen müsste. — Und ganz derselbe Vorgang dünkt
uns liegt im Hebräischen im Gegensätze zum Arabischen uns
vor. — Das lautlich heruntergekommene Hebräische soll von
einer Kategorie, die es erwiesenermassen eingeschränkt hat und
für die es kein rechtes Verständniss mehr besitzt, die ur
sprüngliche Form treu bewahrt haben, während das Arabische
von einem Punkte aus, an dem die Formen am wenigsten
durchsichtig sind, so durchsichtige und mit dem ursprünglichen
Bildungsprincip im besten Einklänge stehende Neubildungen
erzeugt haben soll. — In der That heisst dies den flectirenden
Sprachen eine Lebenskraft zumuthen, die sie nicht besitzen
und nicht besitzen können!
460
Müller. Der Dual in den semitischen Sprachen.
Nach unserer Auffassung ist also der Vorgang innerhalb
der semitischen Sprachen ein wesentlich anderer, als Theodor
Nöldeke sich ihn denkt. Obwohl wir dem genannten Gelehrten
zugeben, dass die ursprüngliche Auffassung der semitischen
Sprachen im Ganzen jene war, welche uns im Hebräischen
vorliegt, so glauben wir doch nicht, dass das Hebräische in
formeller Beziehung den Standpunkt der semitischen Ur
sprache repräsentirt. — Im Gegentheile die semitische Ur
sprache scheint den Dual in dem Umfange gekannt zu haben,
wie ihn das Arabische darbietet, und die übrigen semitischen
Dialekte dürften erst nach und nach mit dem immer mehr
um sich greifenden lautlichen Verfalle von dem Standpunkte
der alten Sprache abgekommen sein.
Sickel. Alcuinstudien.
461
Alciiiastudien.
i.
Von
Dr. Th. Siekel,
wirkl. Mitgliede der k. Akademie der Wissenschaften.
Mit Recht zählt man die auf uns gekommenen Briefe
Alcuin’s zu den wichtigsten Quellen für die Geschichte der
Zeit Karl des Grossen. Aber mit gleichem Rechte hat man
auch wiederholt vor der Ueberschätzung ihres Werthes gewarnt.
Es steht nämlich die Ausbeute an historischem Stoff,
welche sich im günstigsten Falle aus diesen Episteln gewinnen
lassen wird, in keinem Yerhältniss zu ihrer Zahl und zu ihrem
Umfange. Und das ist nicht etwa allein Folge der Ueberliefe-
rung, von der ich später reden werde, sondern hat seinen
tieferen Grund in der ursprünglichen Beschaffenheit dieser
Correspondenz oder in der Individualität Alcuin’s. Von Haus
aus eine contemplative Natur wurde Alcuin durch seinen Be
ruf und durch seinen Ruf als gern gehörter Lehrer, wie auch
durch die äusseren Lebensverhältnisse in der Entfaltung seiner
Eigenart noch bestärkt. Ein beträchtlicher Theil seiner Briefe
ist daher rein didactischen Inhalts und nimmt gar nicht auf
concrete Verhältnisse Bezug. Wohl brachten es seine Stellung
in der späteren Periode und der Einfluss, den er ausüben
wollte und zum Theil wirklich ausübte, mit sich, dass er über
allerlei Dinge schrieb, die da geschahen oder geschehen sollten.
Aber bei seiner entschiedenen und mit den Jahren zunehmen
den Neigung, sich in lehrhaften Erörterungen und in Eririah-
462
Sickel.
riungen zur Sittlichkeit zu ergehen, fiel auch in solchen Episteln
die Berichterstattung knapp und dürftig aus. Bei den vertrau
licheren Briefen kommt dann noch hinzu, dass er auch ohne
Noth gern geheimnissvoll thut, die Begebenheiten seiner Zeit
mehr andeutet als erzählt und die Namen etwa hinter einem
Spiel mit Worten oder Zahlen verbirgt. So verständlich nun
diese Art der Correspondenz den Mitlebenden oder doch den
in die Verhältnisse eingeweihten Empfängern der Briefe sein
mochte, für uns ist sie es nicht in gleichem Masse. Somit ver
ringert sich noch um ein Bedeutendes die Zahl von Alcuin-
briefen, aus denen wir ohne sonderliche Mühe und doch mit
Sicherheit Kunde von historischen Dingen zu schöpfen ver
mögen.
Allerdings hat seit der Veröffentlichung dieser Briefe die
Geschichtsforschung gerade auf die minder verständlichen
allen Fleiss und allen Scharfsinn verwandt. Da sie selbst keine
Zeitangaben enthalten, hat man besonders die zu Tage liegen
den Beziehungen auf historische Vorgänge zu verwerthen ge
sucht, um so wieder den Schlüssel für die nicht gleich ver
ständlichen Stellen zu erhalten. Mit der Zeit ist daher manches
Räthsel, das uns Alcuin aufgegeben hat, in befriedigender
Weise gelöst worden. Bei anderen Briefen dagegen sind wir
noch nicht über mehr oder minder glückliche Deutungen hin
ausgekommen. Die eine und andere Epistel endlich scheint
für uns mit sieben Siegeln verschlossen zu sein. Der Forschung
bleibt also hier noch immer die Aufgabe gestellt, die Ausbeute
nicht allein zu einer reicheren, sondern auch zu einer sichereren
zu machen.
Indem man im allgemeinen die älteren Ausgaben mit
Einschluss der vor etwa hundert Jahren von Frohen Förster
besorgten für unvollständig hielt, sowohl was die Zahl als was
den Text der Briefe betrifft, versprach man sich von einer
neuen Edition, dass sie viele der Schwierigkeiten des Ver
ständnisses beheben werde. In diesem Sinne ist auch in den
Schriften unserer Akademie einmal dem Verlangen nach einer
neuen Ausgabe der Alcuinbriefe Ausdruck verliehen worden. 1
Nun da eine solche, Dank Jaffe, Wattenbach und Dümmler,
Zeissberg in S. B. 43, 332.
Alcmnstudien.
463
im sechsten Bande der Bibliotheca reruin Germanicarum 1 vor
liegt, stellt sich der Sachverhalt doch anders heraus. Aller
dings hat diese Publication unter der Ungunst der Umstände
gelitten.' 2 Noch mehr aber fällt etwas Anderes ins Gewicht.
Herausgabe und Sichtung des Stoffes müssen, zumal wenn
letzterer so eigenthümlicher Art ist wie hier, einander in die
Hände arbeiten, und für Editionen, möge nun ihr Hauptvorzug
in der Veröffentlichung von bisher nicht bekanntem Material
bestehen oder darin, dass schon bekannter Stoff in besserer
Form geboten wird, muss erst der rechte Zeitpunkt gekommen
sein. Das war hier nicht der Fall, indem für die kritische
Verarbeitung der Alcuinbriefe verhältnissmässig noch wenig
geschehen ist. Daher gilt auch von den Monumenta Alcuiniana,
was schon oft von Quelleneditionen gesagt worden ist, dass
sie die Forschung nicht so sehr zum Abschluss gebracht, als
neu angeregt haben.
Schon wiederholt hatten mich Fragen der Zeitrechnung
und streitige Punkte der Geschichte des Salzburger Sprengels,
die beide in deu Episteln Alcuin’s berührt werden, beschäf
tigt. Darum war auch mir die neue Ausgabe derselben will
kommen. Ich fand allerdings in ihr nicht all den Aufschluss,
den ich suchte, aber ich lernte durch sie den Stand der Ueber-
lieferung in den Hauptzügen kennen und erfuhr speciell, dass
die Mehrzahl der auf Arno bezüglichen Briefe in Hand
schriften enthalten ist, welche mir in Wien zur Verfügung
standen.
Als ich zu diesen Codices griff, gedachte ich sie nur für
die eine Gruppe der Episteln zu benutzen und wollte auch
nur innerhalb dieser die Feststellung der Daten versuchen.
Doch erkannte ich bald, dass es unausführbar war, einen ein
zelnen Theil der Correspondenz Alcuin’s für sich zu behan
deln. Es steht nämlich auch mit den ältesten Handschriften
so, dass der in ihnen zusammengetragene Stoff in Bezug auf
den Grad und die Form der Ueberlieferung durchaus nicht
gleichartig ist und dass in ihnen originale und nichtoriginale
Sammlungen von Briefen dicht nebeneinander stehen. Ich
1 Oder Monumenta Alcuiniana, Berolini 1873.
2 S. ineine Anzeige in v. Sybel’s historischer Zeitschrift, 32, 352.
464
Sick el.
musste deshalb meine Untersuchungen auf den ganzen hand
schriftlichen Apparat ausdehnen. Desgleichen lässt sich die
chronologische Bestimmung der Briefe nur an deren Gesammt-
heit vornehmen. Dennoch habe ich die beschränktere Aufgabe,
die ich mir anfänglich gestellt hatte, auch in der Folge als
die hauptsächliche betrachtet, weil das den äusseren Umständen,
unter denen ich arbeitete, entsprach.
Die einst Salzburger, jetzt Wiener Handschriften mit
Alcuinbriefen hatte ich täglich zur Hand. Auch andere Codices
der Salzburger Gruppe, jetzt in München, konnte ich durch
Monate hindurch in Wien benutzen. Auf mein Verlangen wurde
mir ferner von St. Gallen ein Manuscript hierher gesandt. Die
Handschriften an anderen Orten dagegen habe ich nicht selbst
einsehen und prüfen können. Ich habe mich über sie aus aller
lei Publicationen und besonders aus Katalogen unterrichtet,
habe dann über sie diese oder jene Auskunft erhalten, wohl
auch Collationen: aber meine Kenntniss von ihnen ist doch
eine beschränkte und eine durch Andere vermittelte geblieben. 1
Danach haben auch die Ergebnisse der Untersuchungen ver
schieden ausfallen müssen; sie sind reicher und sicherer bei
den Handschriften, die ich selbst und mit aller Müsse zu prüfen
vermochte, als bei den andern Codices, und wiederum bei
diesen bestehen Unterschiede, je nachdem ich mir mehr oder
1 Die Untersuchungen, welche ich jetzt veröffentlichen will, habe ich als
historische Uebungen im hiesigen Institut für Geschichtsforschung be
gonnen. Dessen Mitgliedern, die unter meiner Leitung die Wiener und
die Münchener Codices eingehend geprüft und verglichen haben, ver
danke ich einen grossen Theil der Vorarbeiten. Einer derselben, Karl
Foltz, benutzte eine Reise durch Frankreich und England, um für mich
eine Reihe von Codices zu beschreiben und stellenweise zu vergleichen.
Es sind dies, um mich gleich hier der von Jaff6 gewählten Siglen zu
bedienen: Codex T in Troyes, P und L in Paris, H, V, A, K in London,
O in Cambridge und einige andere. Einerseits war aber seine Zeit sehr
beschränkt, andererseits konnte er nur nach den Gesichtspunkten Vor
gehen, welche wir bis dahin bei der gemeinsamen Arbeit gewonnen
hatten. So sehr ich ihm zu Dank für seine Notizen verpflichtet bin, so
genügten sie mir dann allerdings nicht, um jede neu «auftauchende Frage
zu beantworten. Ich habe mich daher noch an die Güte von L. Delisle
in Paris und von E. M. Thompson in London gewandt und werde ihre
Mittheilungen, wo ich sie verwerthe, besonders hervorheben.
Alcuinstudien.
465
weniger Kunde von ihrer Beschaffenheit und ihrem Inhalte
verschaffen konnte. Dennoch glaube ich in diesem ersten Theile
meiner Alcuinstudien ganz allgemein, wenn auch nicht in glei
chem Grade ausführlich, von der Sammlung und Ueberliefe-
rung der Alcuiubriefe reden zu dürfen. Denn auch wo, wie
z. B. bei der britischen (Korrespondenz, meine Untersuchungen
durchaus nicht als abschliessend gelten sollen, werden sie doch
wenigstens Anknüpfungspunkte für weitere Forschung darbieten.
Desgleichen hoffe ich, dem, welcher einmal eine neue Aus
gabe in Angriff nehmen will, vorgearbeitet zu haben, wenn
ich auch nicht neue Handschriften nachzuweisen habe und
selbst unter den bisher bekannten und benutzten nur die vor
züglicheren in Betracht gezogen habe.
Was ich nun jetzt und in der Folge unter dem Titel
Alcuinstudien zu bieten gedenke, werde ich in folgender Weise
eintheilen.
Unter den Handschriften unterscheide ich: 1. Codices
archetypi, 2. abgeleitete, deren Vorlagen nicht auf uns ge
kommen sind, 3. aus uns erhaltenen abgeleitete Codices. Im
Allgemeinen werden für Herstellung der Texte nur die beiden
ersten Klassen zu verwerthen sein: darum sollen auch sie
allein den Gegenstand dieser ersten Abhandlung bilden. — In
einer zweiten will ich von den Manuscripten der dritten Klasse
reden. — Ich gedenke dann die computistischen Briefe Alcuin’s
besonders zu behandeln, einmal weil sie eines Commentars
bedürfen, dann weil sie als die Ecksteine für den Aufbau der
Zeitbestimmung anderer Episteln zu dienen haben. — In einer
vierten Abhandlung will ich zwei ineinander greifende Auf
gaben zu lösen suchen: die, die Daten einer Reihe von Briefen
zu bestimmen, und die, festzustellen, was sich aus ihnen für
die Geschichtskunde gewinnen lässt. Dabei werde ich jedoch
in erster Linie diejenigen Briefe berücksichtigen, welche sich
auf die Geschichte des fränkischen Reiches beziehen, und die
jenigen, welche als Quellenschriften für altenglische Geschichte
zu betrachten sind, nur insoweit als es der Zusammenhang
erfordert; die volle Ausbeutung der letzteren überlasse ich
lieber denen, welche auf diesem Gebiete arbeiten.
466
Sickel.
Es wird uns nirgends ausdrücklich berichtet, dass die
von Alcuiu geschriebenen Briefe, sei es von ihm selbst oder
von seiner Umgebung, wie es z. B. mit den Episteln Einhart’s
geschehen ist, sei es von den Empfängern derselben, etwa wie
Karl der Grosse die von den Päpsten an ihn und seine Vor
fahren gerichteten Schreiben zusammenstellen liess, gesammelt
seien. Wir können also nur aus der Beschaffenheit der auf uns
gekommenen Sammlungen einen Rückschluss auf deren Ent
stehung ziehen.
Auf der Hand liegt, dass sich nur ein Theil von der
ebenso umfangreichen als vielseitigen Correspondenz erhalten
hat. Selbst den noch vorhandenen zahlreichen Briefen an K.
Karl oder denen an Arno von Salzburg lässt sich entnehmen,
dass doch auch manche andere verloren gegangen sind. Weit
höher müssen wir den Verlust an dem Briefwechsel Alcuin’s
mit seinen Freunden Benedict von Aniane und Rado anschla
gen, denn von Schreiben an jenen sind uns nur noch fünf,
von Schreiben an diesen ist uns nur noch eines bekannt. Des
gleichen lässt, was anderwärts über Alcuin’s lebhaften Verkehr
mit seinen Schülern berichtet wird, auf eine Correspondenz
schliessen, im Vergleich mit der die uns erhaltenen Briefe
(etwa 300) nur als geringfügiger Bruchtheil erscheinen. 1
Gar manche Epistel mag nie an ihre Adresse gelangt
sein: Alcuin selbst nimmt das wiederholt an und klagt andere
Male über die Schwierigkeit, zuverlässige Boten zu finden. 2
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass nicht doch der eine und
1 Vgl. Frohen, Alcuini opera 1, 2.
2 Ep. 188 (ich citire die Briefe regelmässig nach der Jaffe’schen Ausgabe;
habe ich ausnahmsweise eine der älteren Editionen anzuführen, so setze
ich den Namen des Herausgebers hinzu): anniversario tempore plurimas
vestrae sanctae dilectioni direxi litterulas . . . sed nescio, si ad vestram
venerandae dignitatis pervenerunt faciem. — Ep. 189: memini, me anno
transacto vobis de Italia revertentibus duas dirigere cartulas; similiter
modo obviam vestro adventui duas transmisi ad palatium; sed nescio
quae ex illis ad vestram pervenerunt praesentiam. — Ep. 109: si mihi
gerulus gratus occurrisset, saepius tuae scripsissem dilectioni. — Ep. 203:
propter inopiam portitorum qui vix fideles inveniuntur. — Dagegen
Ep. 11: sufficiunt alae fidei in palatio regis, quibus nec volnntas deest
in accipiendo nec fides in reddendo.
Alcuinstudien.
467
der andere unbestellte Brief durcli einen Zufall auf uns e-e-
Ö
kommen sei. Hatte aber ein Brief seine Bestimmung erreicht,
so hing- die Erhaltung desselben nicht allein von Zufälligkeiten
ab, sondern oft auch von seinem Inhalt. Wenn der vorsichtige
Alcuin eine seiner Streitschriften gegen Bischof Felix nicht
eher veröffentlichen mag, als bis der König sie gutgeheissen
haben wird (Ep. 142, 145), so wird er auch die Geheimhal
tung mancher Epistel vertraulichen Inhalts gewünscht haben.
Und wie er einmal (Ep. 127) Arno versichert, dass er einen
von diesem erstatteten Bericht nur dem Candidus mitgetheilt
und dann sofort dem Feuer überliefert habe, so mögen auch die
Empfänger seiner Briefe viele derselben wohlweislich der
Oeffentlichkeit entzogen haben. Es ist wohl denkbar, dass uns
die erhaltenen Episteln so arm an historischem Stoff Vorkom
men, weil die relativ inhaltreicheren am meisten der sofortigen
Vernichtung preisgegeben worden sind.
Auf der anderen Seite lag es aber auch wieder in der
Tendenz vieler Briefe Älcuin’s, dass dieselben entweder von
ihm oder auch’ von den Adressaten in weiteren Kreisen ver
breitet wurden. Litterae per manus currunt multorum, heisst
es in Ep. 208, und in Ep. 141 schreibt Alcuin an Leidrad:
etiam litterae pro me fraternis loqui possunt auribus, si eas
ostendere vel in publicum procedere vestre placeat prudentiae.
Zu solcher Kundmachung bedurfte es nicht einmal eines be
sonders interessanten Inhalts. Schon dass der Stil Alcuin’s als
musterhaft galt, forderte dazu auf, die Briefe in eigentlichen
Abschriften oder in formelartigen Auszügen zu vervielfältigen.
Wir können somit annehmen, dass es schon zu Lebzeiten
Alcuin’s mit der seinen Episteln gegebenen Publicität selu-
verschieden bestellt gewesen ist; noch mehr in der Folgezeit,
in welcher Verbreitung und Erhaltung derselben durch allerlei
Umstände bedingt war.
Als Adressaten begegnen uns in den noch bekannten
Briefen am häufigsten Karl der Grosse und Arno von Salz
burg. 1 Und dass nun von den an Arno und seine Umgebung
1 Jaffd bezeichnet 39 Aleuinbriefe als an Arno gerichtet. Aber es ist frag
lich, ob die Ep. 120, 127, 148 als ein einziges Stück zu zählen sind oder
als zwei oder als drei Stücke. Andererseits wird vielleicht noch mancher
Sitzungsber. <1. pliil.-liist. CI. LXX1X. Bd. III. Hl't. 30
468
S ick el.
gerichteten Briefen allein in dem einen nachweisbar in Salz
burg geschriebenen Codex 34 Stück (neben vielen an andere
Personen gerichteten) eingetragen worden sind, ist gewiss ein
neues glänzendes Zeugniss dafür, dass seit Arno in Salzburg
ein lebhaftes Interesse für historische und literarische Denk
male herrschte. Jedoch nicht mit dieser an Alcuinbriefen
reichsten Handschrift der Salzburger Gruppe will ich begin
nen, sondern mit dem Codex, den ich um etwas älter befun
den habe.
Codex Vindobonensis 795 = Y.
Bis zur Veröffentlichung des neuen Katalogs der Wiener
Handschriften war dieser Codex als Salisburgensis 140 bekannt. 1
Diese Bezeichnung verbürgt jedoch keineswegs die Herkunft
aus Salzburg, denn sie wurde nicht allein den in den Jahren
1806 und 1807 von Salzburg nach Wien geschafften Codices
beigelegt, sondern wurde auf zahlreiche in denselben Jahren
von anderen Orten nach Wien gekommene Manuscripte aus
gedehnt. Aber der Salzburger Ursprung von Y lässt sich sonst
erweisen. Zunächst lehrt die Vergleichung des Inhalts, dass
Y identisch ist mit einem von Frohen oft erwähnten und hie
und da als Codex Salisburg. LXXI angeführten Manuscript. 2
andere Brief ohne Inscription als an Arno gerichtet betrachtet werden
'honnen. So will ich für jetzt die Zahl noch nicht genau bestimmen. Hin
sichtlich der Ueberlieferung kommen dann zu den Briefen an Arno noch
andere hinzu, nämlich solche an die Mönche von St. Peter oder solche
an gerade in Salzburg weilende Schüler Alcuin’s.
1 Pertz, Archiv 3, 604. — Rossi, Roma sotterranea 1, 135. — Tabulae
codicum manuscriptorum in bibl. palfitina Vindobon. asservatorum J, 134. —
Monumenta Alcuiniana 137. — Die Untersuchung der einst Salzbur
ger Handschriften mit Alcuinbriefen hat mich veranlasst, der Geschichte
der Salzburger Bibliotheken nachzugehen. Die da von mir gesammelten
Nachrichten gedenke ich in den Mittheilungen der k. k. Ceutralcommis-
sion für hist. Denkmäler zu veröffentlichen. Hier wird es genügen anzu-
fiihren, was sich auf die einzelnen Codices bezieht.
2 Im Monitum praevium 1, 2 heisst es nur: duo vetusti optimae notae ac
fere coaevi Codices manuscripti e bibliotheca illustrissimi capituli cathe-
dralis Salisburgensis. Später wird zuweilen die damalige Nummer von Y
Alcrünstudien.
469
Unter dieser Nummer finden wir Y auch in dem Handschriften
katalog, welchen der Ensdorfer Benedictiner Anselm Desing
im vorigen Jahrhunderte anlegte. 1 Wollen wir Y weiter zurück
verfolgen, so entgeht uns allerdings das eine Merkmal, an dem
die Mehrzahl der älteren Manuscripte des Salzburger Dom-
capitels erkenntlich ist, nämlich der Einband des 15. Jahr
hunderts (S. 486), indem Y in Wien einen neuen Einband
erhielt. Aber Y trägt andere Kennzeichen, dass er im J. 1433
dieser Bibliothek angehörte. Als nämlich damals die Bibliothek
neu geordnet und die Codices beschrieben und signirt wurden,
wurden ziemlich ausführliche Inhaltsangaben verfasst und von
ein und derselben Hand einerseits in einen Katalog und an
dererseits in die Handschriften, wo möglich auf deren erste
Seite, sonst auf die Vorsetzblätter eingetragen. 2 In Y lautet
diese Notiz: hic sunt rescripti libri in hoc volumine contenti:
primo epistole quedam Albini; secundo orthogravia brevis;
angegeben: so Froben 2, 562, wo aber der Zusatz: nbi subiunctae ha-
bentur epistolae Alcuini LIII ad Arnonem zu berichtigen ist. — Gele
gentlich der Ablieferung der von Salzburg nach Wien gekommenen
Handschriften an die Hofbibliothek wurde ein Verzeichniss (jetzt, in den
Currentacten des Haus-, Hof- und Staatsarchivs) aufgesetzt. Die einzel
nen Handschriften sind da aber so oberflächlich bezeichnet, dass es nicht
möglich ist, sie mit Sicherheit wiederzuerkennen. Unter Nr. 355 kommen
wohl Albini epistolae in 4° vor, aber damit kann weder Y noch Z ge
meint sein.
1 Pertz, Archiv 3, 101. — Das Original jetzt in München Cod. bav. cat.
16. Mittheilungen aus demselben verdanke ich der Güte von Rockinger.—
Ich kenne noch zwei Kataloge derselben Bibliothek von 1587 und
von circa 1700 in dem Archiv der Landesregierung zu Salzburg, über
gehe aber ihre Angaben als minder werthvoll für die Geschichte der
hier zu besprechenden Codices.
2 In der Einleitung zu diesem Katalog, jetzt im Germanischen Museum in
Nürnberg, Cod. 8743 (s. Anzeiger für Kunde deutscher Vorzeit, 1858,
Sp. 202, und 1872, Sp. 12) heisst es: Sub . . . D. Johanne archiepiscopo
Salczburgensi (Johann II. Reysperger 1429—1441) . . . qui, cum adhuc
esset maioris ecclesie prepositus, librariam ... de novo construxit et
maiorem partem librorum illigari fecit ac ornavit, venerabiles domini N
et N maioris ecclesie Salczburgensis canonici, cooperante ipsis V. V. D.
Johanne Holveld arcium magistro, recollegerunt reformaverunt ordina-
verunt intitulaverunt et registraverunt volumina librarie capit.uli ecclesie
s. Rudperti etc. — Y ist hier als Cod. 160 verzeichnet.
30*
470
Sickel.
item questiones evangeliorum Augustini; item Augustinus super
epistolam ad Romanos; item questiones diverse doctorum super
epistolas Pauli; item explanacio gladiorum qui dicuntur in
passione domini; item epistole Karoli ad Albinum; fast ebenso
von primo an im Katalog. War demnach Codex Y im 15. Jahr
hundert in Salzburg, so ist wohl die Vermuthung erlaubt, dass
er sieh auch schon in früheren Zeiten dort befand und dass
unter anderen auf ihn die Worte einer Aufzeichnung aus dem
12. Jahrhundert zu beziehen sind: cuius (Arnonis) vitam Albi-
nus magister Karoli per sua scripta plurima quae hic apud
nos sunt multum collaiulat et extollit, 1 und diese Vermuthung
wird zur Gewissheit, wenn sich aus der Handschrift selbst
darthun lässt, dass sie in dem Kreise Arno entstanden ist.
Aus der Inhaltsangabe von 1433 wird ersichtlich, dass
schon damals die 205 Blätter der Handschrift so wie jetzt
geordnet waren. Ja Eintragungen auf dem letzten Blatt von
Händen des 9. Jahrhunderts 2 beweisen, dass die jetzt letzte
Lage schon damals diese Stelle einnahm. Aber in seiner ersten
Anlage muss das Manuscript anders geordnet gewesen sein
und muss mit f. 21 begonnen haben. Von hier an bis f. 191
sind nämlich die Pergamentlagen von ö bis 9 Halbblättern
(wiederholt sind Halbblätter gleich bei der Bildung der Qua-
ternionen eingeheftet worden) auf der je ersten und der je
letzten Seite mit den Buchstaben a bis z bezeichnet worden.
Hier folgen auf Schriften des Augustinus 3 von f. 148—150'
an kleinere exegetische Schriften Alcuin’s. 1 In eine Zeile mit
den letzten Worten dieser Connnentare setzte dann der Copist
als Ueberschrift der sich unmittelbar anschliessenden Ep. 259:
De sexagenario numero reginarum et octogenario concubi-
narum. 5
1 Mon. G. h. SS. 9, 770 Note aus dem Cod. Vindob. 2090 gleicher Her
kunft.
2 Zum Theil tironische Noten, welche aber so abgerieben und verblasst
sind, dass es mir nicht gelingt, noch den ganzen Satz zu entziffern.
3 Tab. cod. 1. c.
4 Froben 1, 700, u. zw., wie im Elenchus praef. X gesagt wird, ex cod.
Salisb., d. h. aus Y.
5 Also bis auf die Umstellung von numero gleich der Aufschrift im Cod.
Paris. 13,373, von dem noch die Rede sein wird.
Alcuinstudien.
471
Ehe ich weiter von der f. 150'—183' umfassenden Samm
lung von Alcuinbriefen rede, muss ich bemerken, dass in den
23 ursprünglichen Quaternionen eine Hand a vorherrscht
(f. 21—162, 176'—178, 184—190), daneben aber auch ein
Schreiber ß (f. 162'—171') und ein dritter y (f- 172—176',
178'-—183') erkennbar sind. Wohl schreibt a Ep. 259 bis zu
Ende, dann ß die Ep. 93 und 277; aber a löst einmal y mitten
in der Ep. 72 und mitten in der Zeile ab, so dass Art und
Wiederholung des Wechsels erkennen lassen, dass die ver
schiedenen Schreiber an gleichem Orte und zu gleicher Zeit
arbeiten. Sie alle haben in der zweiten Hälfte des 8. Jahr
hunderts schreiben gelernt, so dass ihre Schrift weder den
ausgeprägten Charakter der um 800 über ganz Westfrancien
verbreiteten Schule an sich trägt, noch den nicht minder be
stimmten der in Salzburg unter Arno beginnenden Schule
(S. 492). Des weiteren ist ein Schreiber 8 zu beachten. In
den vorausgehenden exegetischen Tractaten des Augustinus
hat er hie und da Berichtigungen und Zusätze eingetragen.
Ferner hat er auf vielen Seiten, besonders bei dem Uebergang
von einem Quaternio zum anderen, Titelaufschriften hinzu
gefügt. So gehört z. B. zusammen, was f. 43' oben steht:
sancti Augustini in evangelio, und was f. 44 oben folgt: secun-
dum Lucam. Von 8 stammen auch die Inhaltsangaben zu eini
gen Alcuinbriefen, wie f. 156 zu Ep. 239: explanacio gladiorum
qui dicuntur in passione. 1 Die Hand 8 gehört gleichfalls in die
Zeit um 800.
Die f. 150' beginnende Briefsammlung enthält zunächst
als Y 1, 2, 3- die Ep. 259, 260, 257, die sich in gleicher Ord-
1 Da diese Inhaltsangaben Aufschluss geben können über das Verhältniss
von Y zu anderen Handschriften, tlieile ich sie hier mit. Zu Ep. 93,
f. 162': contra eos qui negant trinam immersionein esse faciendam in
baptismo et quod non sit sal in sacrificio. Zu Ep. 277, f. 108: contra
eos qui nolunt sacerdotibus dare confessionem (vgl. den Cod. Ambrosia-
nns nach Mon. Alcuin. 849). Zu Ep. 30, f. 179: epistola Albini ad Feli-
cem hdreticum.
2 Da für die Zwecke meiner Untersuchung nicht allein festgestellt werden
muss, welche Briefe in einem Codex stehen, sondern auch in welcher
Reihenfolge sie stehen, so zähle ich innerhalb jeder Handschrift die
Briefe. — Am Schluss von Y 3 ist explicit gesetzt, also wurde hier eine
Pause in der Arbeit gemacht.
472
Si ekel.
nung aucli im Ood. Pavisiensis 13,373 und im Cod. Mona-
censis 14,727 finden. Den letzteren, welchen der Regensburger
Bischof Baturich schreiben liess, könnte man als aus dem
jedenfalls älteren Y abgeleitet betrachten, wenn er nicht nach
den bisherigen Ausgaben zu urtheilen ein Plus von Worten
vor Y voraus hätte. 1 Es folgen dann als Y 4, 5, 6 die Ep.
239, 93, 277, die wir zum Theil vollständiger in allen Haud-
schriftengruppen antreffen. Auch Y 7, 8, 10 = Ep. 304, 74,
72 können wir als in A und verwandte Handschriften aufge
nommen zu den ziemlich verbreiteten Briefen rechnen. Da
gegen sind Y 9, 11, 12 oder Ep. 62, 48, 30 bisher nur hier
nachgewiesen worden; dass sie so gut wie die vorausgehenden
Stücke von den Copisten gekürzt worden sind, macht das
Wort reliqua am Schluss der Abschrift von Ep. 30 wahr
scheinlich.
Quaternio z (f. 184 191) enthält die beiden Schriftchen
zur Topographie Roms, um derentwillen Giov. Batt. de Rossi
diesen Codex so genau beschrieben hat: die nur hier über
lieferte Notitia ecclesiarum urbis Romae 2 und De locis s. mar-
tyrum, auch im Cod. Vindob. 1008 und im Cod. Wirceburg.
theolog. f. 49 erhalten. 3
1 Z. B. in Ep. 260, Mon. Ale. 821, ,ut cum pedibus—scribentis“ fehlt in
Y; desgleichen das letzte Alinea der Ep. 257 ,haec tibi—intellecta“.
2 Froben 2, 597. — Rossi 1. c.
3 Zuerst 1729 aus letzterem Codex edirt von Eckhart comment. de rebus
Franciae orientalis 1, 831. Dann aus Y in Froben 2, 598. Jüngst (1871)
Urlichs Codex urbis Romae topographicus 82, wo die Notitia ohne alle
Rücksicht auf die handschriftliche Ueberlieferung für ein Werk späterer
Zeit erklärt und eines neuen Abdrucks nicht werth befunden wird. Ich
füge gleich einige Bemerkungen über beide MSS. hinzu.
Auch Cod. Vindob. 1008 stammt nach Einband, Signatur u. s. w.
aus der Salzburger Capitelbibliotliek (Nr. 99 im Katalog vom J. 1433).
In ihm sind Handschriften vom 9. bis 12. Jahrhundert vereinigt. Ur
sprünglich gehörten nur f. 159—186 zusammen, woran sich aber' bald
die weiteren Blätter bis f. 191 anschlossen. Diese Theile sind von zwei
sich abwechselnden Ammanuensen geschrieben; dazu kommen Marginal
noten von dritter Hand. Die Eintragung der topographischen Schrift auf
f. 189'—191 kann man als der in Y fast gleichzeitig betrachten. Die
Texte stehen sich auffallend nahe. Dennoch sind die kleinen Varianten
der Art, dass mir die directe Ableitung des einen Textes von dem an-
Alcuinstudien.
473
Mit Fug und Recht hat Rossi die einst von Frohen aus
gesprochene Vermuthung', dass Alcuin der Verfasser beider Auf
zeichnungen sein könne, zurückgewiesen. Aber den Zusammen
hang derselben mit dem übrigen Inhalt der Handschrift hat er doch
verkannt. Zunächst ist zu beachten, dass in dem ursprünglichen
Codex f. 21—191, wie wir schon sahen, nicht blos die eine durch
ihre Aufschrift besonders kenntlich gemachte Ep. 30 vorkommt,
sondern auch andere Schriften und Briefe Alcuin’s. Sodann
dass betreffs der Schrift für den Quaternio z dasselbe gilt wie
für die vorausgegangenen Tlioile: es tritt hier nämlich wieder
der Schreiber a ein, der auch auf diesen Blättern zuweilen
Correcturen vornimmt oder ausgelassene Worte nachträgt, und
dann der Schreiber o, von dem die eigentlichen Zusätze zu
dem ursprünglichen und auch aus den anderen Handschriften
bekannten Texte der Topographie stammen. 1 Noch wichtiger
deren gewagt vorkomnit und dass ich eher Abstammung aus gleicher
Quelle aunelimen möchte.
Den Würzburger Codex, von dem Dr. Ilenner die Güte hatte, mir
ein Facsimile zu senden, setze ich in die zweite Hälfte des 9. Jahr
hunderts.
1 Es fällt mir nicht bei, mich auf das mir fremde Gebiet topographischer
Untersuchungen verirren zu wollen. Und auch meinen Handschrifteu-
befund würde ich dem Rossi’s gegenüber nicht geltend machen, wenn
ich dessen nicht für meine Zwecke benöthigte. Inwiefern meine Beschrei
bung auch dahin führen muss, die Annahmen Rossi’s zu modificiren, das
mögen andere erwägen und entscheiden. In diesem Sinne lege ich dar,
worin meine Wahrnehmungen von denen meines Vorgängers zweien.
Zunächst trage ich nach, dass sich auch auf f. 184—191 vielleicht
noch zwei Hände unterscheiden lassen, nämlich neben der von a die ihr
sehr nahe stehende von ß; der eventuelle Wechsel würde mitten auf
f. 184' eingetreten sein. Doch wäre das ein Moment von untergeordneter
Bedeutung gegenüber dem Umstande, dass dieser Quaternio von dem
selben oder von denselben Ammanuensen beschrieben worden ist, welche
die vorausgehenden und, wie wir noch sehen werden, die nachfolgenden
Blätter von Y beschrieben haben. Die Initialen, mit denen die einzelnen
Sätze beginnen, vermag ich nicht mit Rossi als nachträglich geschrieben
zu bezeichnen. Auch das finde ich nicht, dass viele Einzelbuchstaben
von anderer Hand mit schwärzerer Tinte nachgezogen seien; es geht
durch die ganze Handschrift hindurch, dass die Buchstaben bald mehr
bald minder schwarz erscheinen. Die K allerdings, mit denen die Anfänge
der Capitula oder der Paragraphen bezeichnet werden sollen, stammen
474
Si ekel.
ist, dass derselbe Zusammenhang- auch zwischen dem Quater-
nio z und den ersten und letzten Blättern des jetzigen Codex
besteht.
Natürlich wurde in jener Zeit stets auf losen Pergament
lagen geschrieben. Um sie nicht in Verwirrung geratlien zu
lassen, wurde die Reihenfolge durch Zahlen oder Buchstaben
festgestellt; zu grösserer Sicherheit wurden auch noch wie in
Y dem Wurm parallel laufende Titelaufschriften hinzugefügt.
So lange nun die Lagen noch nicht in einen festen Band ge
bracht waren, konnten nach Erforderniss, weun dem Besitzer
neues Material zuströmte, immer neue gleichen Formats ange
reiht werden. In dieser Weise und gleich einem Collectaneen-
bucli ohne vorgefassten Plan ist offenbar auch Y entstanden.
Und indem Y mehr anwuchs, als man vorausgesehen hatte,
indem das Alphabet zu Ende war, mit dessen Buchstaben man
die Hefte bezeichnet hatte, sah man schliesslich davon ab, die
weiteren Quaternionen mit Zahlzeichen zu versehen. Wer auf
Ordnung hielt, sorgte in solchem Falle wohl für baldigen Ein-
von späterer Hand; doch kann icli wiederum die von Rossi angenomme
nen zwei Phasen der Eintragung dieser K nicht gelten lassen. Bei
mancher Correctur oder bei manchem Zusatz fällt es auch schwer zu
bestimmen, ob sie von erster Schreiberhand oder von späterer Hand her
rühren. Ersteres glaube ich mit Zuversicht sagen zu können von dem
Zusatze auf f. 185' (Rossi 1, 139): intrabis in speluncam magnam et ibi.
Am meisten weiche ich von Rossi darin ab, dass er drei oder selbst vier
Männer unterscheiden will, die zu verschiedenen Zeiten den ursprüng
lichen Text bereichert haben sollen, während ich die sämmtlichen Nach
träge der einen Hand 8 zuschreibe, d. h. dem Manne, der den ganzen
Codex mit Ueberschriften und Verbesserungen versehen hat und den wir
am füglichsten als Besitzer oder doch als Benutzer dieser Handschrift
betrachten können. Endlich habe ich noch eine Einzelheit zu berichtigen.
Am Rande von f. 1«7', wo das zweite Schriftchen beginnt, will Rossi
aus verblassten Zügen de libro herausgelesen haben: darauf u. A. stützt
er seine Annahme, dass uns in allen Handschriften nur ein Auszug ans
einem grösseren Werke überliefert sei Mit aller Bestimmtheit kann ich
nun sagen, nachdem ich mit Herrn Scriptor J. Haupt die betreffende
Stelle wiederholt untersucht habe, dass de libro hier nicht gestanden hat.
Sicher erkenne ich der. b. o mit Abkürzungsstrich am oder im b, so dass
ich die sichtbaren Buchstaben zu de ruberto ergänzen möchte. Ob damit
ein Hinweis auf S. Ruprecht in Salzburg, auf eine dort befindliche
Schrift oder dergleichen geboten werden soll, lasse ich dahin gestellt sein.
Alcuin8tudien.
475
band. 1 Aber wie oft werden nicht auch z. B. in älteren Kata
logen neben Volumina und libri noch Schriften in scedula oder
in quaternionibus erwähnt. 2 Gar mancher Band ist dann später
durch ursprünglich nicht beabsichtigte oder durch fehlerhafte
Vereinigung von Pergamentlagen entstanden. Unter Umständen,
besonders wenn die Schreiber planlos was ihnen unter die
Hände kam copirt hatten, konnte es schwer halten oder ge
radezu unmöglich sein, die Lagen in einer dem Stoffe ganz
entsprechenden Weise aneinanderzuheften, und es hing in allen
Fällen von dem Belieben oder dem Verständnisse dessen, der
die Vereinigung anordnete, ab, inwieweit die Theile der Hand
schrift in die richtige Reihenfolge gebracht wurden. So etwa
ist es auch Y ergangen. Auf den allmählich vermehrten, zu
letzt nicht mehr genau bezeichneten Lagen war zum Tlieil ver
schiedenartiger Stoff zusammengetragen: schon bei dem ersten
Einbinden, das aller Wahrscheinlichkeit nach (S. 470) bald
erfolgte, sind da die Quaternionen schlecht geordnet worden,
so dass Lagen gleichen Inhalts, nämlich mit Abschriften von
Alcuinbriefen, von einander getrennt und andererseits an die
ersten Blätter mit solchen Briefen Hefte ganz anderen Inhalts
angereiht worden sind. Ich werde später darauf zurückzukom
men haben. Zunächst, indem ich die Detailbesclmeibung wieder
aufnehme, sehe ich von der Verschiebung der Quaternionen ab. 3
Auf der jetzt ersten Lage (f. 1—4) finden wir als Ep. 13,
14 die Ep. 71, 296 von den Schreibern y und a eingetragen.
Die letztere nur aus Y bekannte Epistel entbehrt der Inscrip
tion; aber in Anbetracht der Verbindung, in der sie hier auf-
tritt, und dem Inhalte nach müssen wir sie als gleichfalls an
1 Alcuini, Ep. 141: illud qnoque vobis lionerosum non videatur, antequam
de civitate eatis, ut iubeatis ligare et involvere et in modum unius cor
poris eonponere Las quaterniones, ne forte sparsi rapte dispergantur per
manus legentium vel forsitan invidentium nomini meo; sed quasi unum
codicem habete hec omnia pariter conposita.
2 So in St. Gallen, Katalog des 9. Jahrhunderts (Cod. S. Galli 728), in
Weidmann’s Geschichte der Stiftsbibliothek 364. — Vgl. auch Watten
bach, Schriftwesen 227.
3 Nur für die Zählung der Briefe in Y halte ich mich an die, wie ich
meine, ursprüngliche Ordnung der Blätter.
476
Sickel.
Arno gerichtet betrachten. 1 Dass die Ep. 71 auch in die Codi
ces TN und H übergegangen ist, wird später seine Erklärung
finden. — Die nächsten drei Quaternionen (f. 5—20) ent
halten die Orthographia brevis und verschiedene Alphabete 2
von einem neuen Schreiber s; aber dass die Hand o hier eben
falls Glossen und Zusätze eingetragen hat, beweist, dass auch
diese Lagen mit allen übrigen den Besitzer gemein hatten.
Bezeichnend für das allmähliche Anwachsen unserer Hand
schrift ist, dass die drei jetzt den Schluss bildenden Lagen
aus sechs (f. 192 — 197), aus zwei (f. 198 —199) und wieder
aus sechs Halbblättern (f. 200—205) bestehen. Die zwei ersten
von y beschrieben enthalten zunächst die von Alcuin an Arno
gerichteten Ep. 107, 92, 101, 136, 102, 104 (also Y 15—20)
ohne gemeinsame Aufschrift, aber auf der Mitte von f. 197'
mit dem Zusatz von v endend: usque hic Albinus magister.
Dem entspricht die Marginalnote von der gleichen Hand: item
Angilbertus, durch welche die f. 197'—199 ausfüllenden und
nur aus Y bekannten drei Briefe Angilbert’s an Arno ange
kündigt werden.Dass hier f. 198 und 199 hinzugefügt wur
den, geschah offenbar um die Angilbertbriefe noch anscldiessen
zu können; da sie nur bis zur Mitte von f. 199 reichten, fügte
Y auch noch die an Candidus gerichteten, von Froben 2, 457
abgedruckten Verse hinzu. — Die letzte Lage endlich (f. 200
bis 205) unterscheidet sich in mehr als einer Beziehung von
allen früheren. Obwohl auch deren Pergament sehr verschieden
ist, so erscheint es doch als Fabricat einer Gattung in Ver
gleich mit dem anders bearbeiteten Pergamente des letzten
auch im Format kleinen Heftes. Ferner begegnen wir hier
1 In Mon. Alcuin. 887 tl ist aus Y die Lesart: et convivia modestia nach-
zutragen.
2 Pertz im Archiv 5, 462 hat die hier in Y vorkommenden Runen mit
denen des Codex 8. Gail. 878 vergleichen wollen. Aber abgesehen davon,
dass letztere viel später aufgezeichnet sind, stehen die Alphabete in Y
in jeder Hinsicht denen der Handschrift Nr. 52 der Bibliothek von Va-
lenciennes näher (abgebildet in Mangeart, Catal. de la bibliotheque de
Valenciennes 67), welche der Mönch von S. Amand Agambertus im J. 806
niederschrieb.
3 Froben 2, 562—563. — Jaffe, Mon. Carol. 365—369 Nr. 13, 15, 14.
Ich bezeichne diese fortan mit Y 21—23. — Vom Excerpt des einen
Briefes Angilbert’s im Cod. Monacensis 4650 wird später die Rede sein.
Alcuinstudien.
477
einer sechsten Hand £, die sich durch Regelmässigkeit und Ele
ganz auszeichnet und, wenn sie nicht um etwas jünger ist, doch
einer jüngeren und zwar westfränkischen Schreibschule angehört.
Eingetragen ist hier als Y 24 die Ep. 97 1 von Alcuin an Karl,
welche auch in dem zuvor angeführten Cod. Paris. 13, 373 steht.
Sowohl aus der Beschaffenheit des Codex wie aus seinem
Inhalt folgere ich, dass er in den Kreisen von Arno geschrie
ben ist und zwar im Laufe des J. 708 oder gleich darauf.
Für ersteres zeugen die Briefe Y 13 —23, die theils von Alcuin
theils von Angilbert an Arno gerichtet, nur in des letzteren
Umgebung gesammelt und nur mit seiner Genehmigung abge
schrieben werden konnten. Es kommt ein anderes Moment
hinzu: sie alle gehören, wie ich in einer folgenden Abhand
lung darthun werde, in das J. 798 und sind Arno, der zu Be
ginn des Jahres in Rom das Pallium erhalten hatte, darauf
den König Karl aufsuchen wollte, aber Monate lang in West-
francien auf dessen Rückkehr aus Sachsen warten musste,
daher erst zu Ausgang des Jahres in seinen Sprengel heim
kehren konnte, auf seiner damaligen langen Reise zugegangen.
Die Briefe sind allerdings nicht ganz in chronologischer Reihen
folge in Y eingetragen worden, also nicht jeder gleich beim
Einlauf, sondern die Collection ist erst gegen Schluss der Reise
oder bald nach deren Beendigung entstanden. In vollem Ein
klang damit steht die Beschaffenheit des Codex und was sonst
in ihm copirt worden ist.
1 Und zwar, was Jaffe gegenüber zu betonen ist, vollständig. Die zum
Tlieil beachtenswerthen Varianten von Y 24 sind: (Mon. Carol. 403)
Langobardorum et reliqua. ad nos vestra epistola. progeniae.
quur. ex hac vestra. repperiri. (ib. 404) commatico. has
apices. decimam dantes corpori suo. quadragesima doctoribus. vocari
quam quinquagesima. debuerit. Ex hinc et. iuxta postfatam
rationem. sed octuagesimam. (ib. 405) dierum ieiunando. imitare.
in quibus non licet ieiunium. quadraginarium. dicantur. apud
quosdam in venerationem propter caenam. imitare. ipsum diem
sanctum paschae. Melciades. vel quinta feria. quis de fidelibus.
cur. (ib. 406) solutam. crisma. primi. caenando. pariter
eis. in figuram. solempnitate. ortodoxorum. Septuagesima
denique ut estimamus. ebdomade sunt. sexaginta quattuor. requievit
non solum ob. umbra futurorum, sed ne cum Iudaeis sabbatizantur,
ieiunium solvere conantur. vesperescente. (ib. 407) relegione
prosecuta. usurpastis. beatitudinae.
478
Sickel.
Dass in allen Theilen die gleichen und auch gleichzeitig
arbeitenden Schreiber erkennbar sind und dass in allen ein
und derselbe Mann o etwas bemerkt hat, beweist doch, dass
alle Lagen von Y, nur etwa die letzte ausgenommen, schon
zur Zeit, da sic beschrieben wurden, zusammengehörten. Und
die Merkmale, die ich früher hervorgehoben habe, passen sehr
wohl zu der Annahme, dass der Codex wenigstens von f. 150
an, wo die Briefe beginnen, bis zum Schluss, desgleichen
f. 1—20 auf einer Reise geschrieben ist. Es sind also Arno’s
Reisegefährten gewesen, welche den Stoff zusammengetragen
haben. Es braucht darum Arno noch nicht der Schreiber zu
sein, den ich o genannt habe, noch auch der eigentliche Be
sitzer der Handschrift, sondern der eine und andere kann
unter den hervorragenden Personen seiner Umgebung gesucht
werden; aber der Kürze wegen mag es mir wohl gestattet sein,
fortan Y als Arnonische Handschrift zu bezeichnen.
Bei einigen der nicht an den Salzburger Erzbischof ge
richteten Briefen in Y lässt es sich nun auch leicht erklären,
wie sie gerade damals zur Kenntniss Arno’s und so in seinen
Reisecodex gekommen sein mögen. Ich schicke voraus, dass
auch sie sämmtlich vor dem J. oder spätestens im J. 798 ver
fasst sind. Briefe wie die Ep. 93 und die sicher dazu gehörige
277 waren Novitäten, welche gewiss schnell Verbreitung fanden
und auch Arno interessiren mussten. Besonders aber habe ich
hier auf die Ep. 259, 260, 257, 97 in Y und ihr sonstiges
Vorkommen in Handschriften zu verweisen. Ich sagte schon:
Ep. 259 hat in Y und im (Jod. Paris. 13, 373 die gleiche
Uebersehrift; die Ep. 259, 260, 257 stehen in beiden Manu-
scripten in gleicher Ordnung; aber auch Ep. 97 findet sich
in beiden und in beiden als Nachtrag und von anderer Hand
als die vorausgehenden Briefe geschrieben. Indem ich demnach
Verwandtschaft zwischen beiden Codices vermuthete, consta-
tirte ich, dass die Pariser Handschrift aus Corbie stammt und
schon um 798 geschrieben sein, also Vorlage für Y gewesen
sein kann. 1 An Gelegenheit dazu hat es sicher nicht gefehlt,
1 Hier und in der Folge werde ich oft von den musterhaften Arbeiten von
L. Delisle über ältere Bibliotheken Gebrauch zu machen haben, nämlich
von seinen Abhandlungen in der Bibliotheque de l’Ecole des chartes (ich
I
Alcuinstudien.
479
als Arno im J. 798 Monate lang in der Nähe von Corbie,'
dessen Abt Adalhard ihm befreundet war, weilte. Von einer
anderen Begegnung zwischen dem Salzburger Erzbischof und
dem Abt Angilbert von S. Riquier im Herbst desselben Jahres
(wahrscheinlich in diesem Kloster selbst) haben wir zuverlässige
Kunde 1 : mit dieser darf man es in Zusammenhang bringen,
dass die damals in Y aufgenommene Ep. 71 an Arno auch
zur Kenntniss von Angilbert und weiter von Adalhard gekom
men und so auch in deren Sammlungen von Alcuinbriefen,
die wir später kennen lernen werden, übergegangen ist.
In diesem Zusammenhänge komme ich noch einmal auf
die topographischen Schriften in Y zurück. Sobald Rossi
f. 21—191 unsrer Misoellaneenhandschrift als corpo del codice,
wie er sich ausdrückt, erkannt hatte und darauf hin die Autor
schaft von Alcuin in Abrede stellen zu können meinte, hat er
die vorausgehenden und nachfolgenden Blätter, wie es scheint,
keiner näheren Prüfung unterzogen. In Folge davon ist ihm
eins entgangen, was doch auch für seine Zwecke wichtig werden
kann und was ich genügend bewiesen zu haben glaube, nämlich
die Zusammengehörigkeit aller Theile von Y, wenn sie auch erst
allmählich zusammen und später etwas in Unordnung gekom
men sind. In Anbetracht derselben dient die Aufnahme dieser
werde eitiren Bibi. mit. der Jahreszahl des Bandes) und von dem noch
nicht abgeschlossenen Werke Le cabinet des manuscrits (bisher tom. 1
lind 2, Theile der auf Veranlassung von Haussmann publicirten Histoire
generale de Paris). — Nach Bibi. 1860, 501 war Cod. Paris. 13, 373 =
S. Germain 1291 im Corbieer Katalog von c. 1200 als Nr. 31 Quest.iones Orosii
et responsiones Augustini verzeichnet. Im jetzigen Pariser Handschriften
kataloge (Bibi. 1868, 227) lautet die Inhaltsangabe vollständiger: Questiones
s. O. et resp. s. A.; Albini questiones in Genesim et epistolae etc.; bene-
dictiones; epistola Karoli ad Albinum etc. — alles nach Delisle saec.
IX. — Die Schrift der drei ersten Briefe im Cod. Paris, 13,373 hat nun
die grösste Aehnliclikeit mit einer in Corbie im J. 809 in den jetzt
Pariser Cod. 11, 533 eingetragenen Notiz. Letzterer fand sich noch zu
Zeiten Mabillon’s (s. die Schriftprobe in De re diplomatica 363) als
Codex 2 in Corbie. Später kam er nach S. Germain (dort Cod. 15) und
wurde vielfach für den Nouveau traite de diplomatique, besonders 3, 339
zu planche 53, benutzt. Die Schriftproben aus diesem Mauuscript haben
mir auch dazu gedient. Alter und Herkunft des Codex Harleianus 208
(S. 496) zu bestimmen.
1 Ep. 107 und Mon. Carol. 369 Nr. 15.
480
Sickel.
römischen Berichte in Y noch zur Bekräftigung des von mir
zuvor gewonnenen Resultates, dass der Codex im J. 798 und fin
den damals aus Rom heimkehrenden Arno geschrieben ist. Mög
lich dass diese Berichte von den Reisegefährten des Salzbur
gers schon in Rom copirt worden sind und dass der betreffende
Quaternio seine jetzige Stellung als z erst später erhalten hat
und so zwischen die beiden Briefcollectionen Y 1 —12 und
Y 15 sequ. gerathen ist. Aber ebenso gut denkbar ist, dass
Arno und seine Begleiter nach dem Besuche der ewigen Stadt
und noch voll von den Eindrücken des dortigen Aufenthalts
ein ihnen in Gallien bekannt gewordenes Itinerarium, wie es
z. B. Angilbert aus Rom mitgebracht haben kann, haben ab
schreiben lassen, so dass hier in Y doch erst die zwölf Alcuin-
briefe, auf f. 150' — 183' und danach die topographischen
Schriften eingetragen wären. In dem einen und anderen Falle
liegt die Annahme nahe, dass der Schreiber o, von dem hier
alle Zusätze stammen, dieselben nach eigenen Wahrnehmungen,
eventuell mit Hilfe selbstgemachter Reisenotizen, zugefügt hat. 1
1 Ich will mich gleich hier über die Angabe in Froben 1, 2 aussprechen:
In veteri quoque catalogo inclyti monasterii s. Petri Salisburgi notantur
septem epistolae ad Arnonem . . quae nunc inquirentium oculos fugiunt.
Es ist mir nur ein alter Büclierkatalog von S. Peter bekannt, etwa um
1200 geschrieben, in dem jetzigen Codex membr. A. IX. 3 des Stiftes.
In diesem begegnet aber nicht einmal der Name Alcuin. Das schliesst
nicht aus, dass einige der dort angeführten Werke, wie Duo volumina
de operibus sex dierum cum interrogationibus et responsionibus, sicher
von Alcuin sind. Aber es werden auch keine Briefe in diesem Katalog
erwähnt. Ich bin daher geneigt anzunehmen, dass hier eine Verwechs
lung zwischen der Bibliothek von S. Peter und der des Domcapitels
stattgefunden hat. Vom Codex Y mit acht Briefen an Arno, von denen
aber zwei ohne Adresse sind, konnte allenfalls gesagt werden, dass er
sieben solcher Briefe enthalte. — Von dem in Froben 2, 448 erwähnten
Cod. Salisburgensis wird in der folgenden Abhandlung die Rede sein. —
Endlich w r ird von Froben 2, 556 ein Codex, saec. XI olim Millestatensis
angeführt, von dem man vermuthen dürfte, dass er sich jetzt in Wien
befinde. Die hiesige Hof bibliothek besitzt aber nicht eine einzige ehemals
Millstädter Handschrift, während die Archivalien dieses Klosters aller
dings nach Wien gekommen sind. Millstadt wurde 1598 den Jesuiten
übergeben, und dass sie auch die dortigen Handschriften erworben, kann
man schon daraus schliessen, dass Rieberer S. J. in domo professorum
Viennae bibliothecarius Froben Abschriften aus dem betreffenden Codex
zusandte. Wohin dann die Millstädter Bibliothek gekommen, ist unbekannt.
Alcuinstudien.
481
Wir haben bei der Ueberlieferung der Alcuinbriefe auch
noch das Verhältniss zu den Originalen festzustellen. Watten
bach G. Q. 125 sagt von diesen Briefen: ,man sammelte und
vervielfältigte sie nicht als historische Denkmäler, sondern als
Vorbilder und Formeln'. Der gleichen Ansicht huldigt Dümm-
ler, der insbesondere hervorhebt (Mon. Ale. 132), dass die
Copisten zumeist die Namen und Zeitmerkmale ausgelassen
haben. Ich stimme beiden darin bei, dass man im Mittelalter
diese Episteln im Allgemeinen mehr als Muster des Epistolar-
stils denn als historische Denkmäler geschätzt, mehr um der
Form als des Inhalts wegen gesammelt und dem entsprechend
insbesondere die historischen Beziehungen vielfach getilgt hat;
ich werde in späteren Abschnitten an einzelnen Handschriften
darthun, wie man dabei zu Werke gegangen ist. Ich bin aber
andererseits der Meinung, dass manche Sammler die Briefe
doch in anderer Absicht und Weise aufbewahrt und verviel
fältigt haben, und dass zumal solche, die Alcuin persönlich
nahe gestanden haben, seine Episteln auch als historische Zeug
nisse werth gehalten und gesammelt haben. Und ich stütze
mich dabei nicht allein auf Herkunft und Anlage gewisser
Manuscripte, sondern auch auf die Beschaffenheit der Copien
in denselben.
Allerdings vermag ich bei Gattungen, von denen sich
nicht ein Exemplar in der Urschrift erhalten hat, keine scharfe
Grenze zwischen Abschriften eigentlicher Briefe und den etwa
aus ihnen entstandenen Formeln zu ziehen. Einerseits laufen
nämlich die Nachlässigkeit der Copisten und das bewusste
Streben Dictate zu schaffen in ihren Wirkungen ziemlich auf
dasselbe hinaus. Andererseits liegt es in der Eigenart mancher
Briefschreiber und so auch, wie ich schon sagte, Alcuin’s,
dass ihre an individuellen Beziehungen armen Episteln mit
geringer Mühe zu eigentlichen Formeln umgebildet werden
konnten. Aber ein Versuch der Unterscheidung lässt sich doch
machen und, wenn man die Extreme einander gegenüberstellt,
lassen sich gewisse Kennzeichen der einen und der anderen
Kategorie gewinnen.
Von päpstlichen Briefen müssen wir da ganz, von könig
lichen Briefen fast ganz absehen. Wie die römische Curie in
jenen Zeiten einzig dasteht in wohl geregelter Geschäftsführung,
482
Sickel.
in bewusstem Festhalten und Fortbilden der Tradition, so sind
auch alle von ihr ausgehenden Schriftstücke nach bestimmten
Formeln verfasst und nach bestimmten Normen ausgefertigt,
daher leicht zu erkennen und zu beurtheilen. Minder streng
wurde es an den Königshöfen mit der Abfassung von Briefen
genommen; dennoch lassen sich gewisse Merkmale feststellen,
welche allen literae regales gemeinsam sind, und andere die
einzelnen Arten derselben eigenthümlich sind. 1 Aber wie ein
grosser Abstand ist zwischen privilegia pontificum und prae-
cepta regum einerseits und Charta pagenses andererseits, so
auch zwischen den Episteln jener Autoritäten und denen der
Privaten.' Nur die am mindesten feierliche Form der literae
regales berührt sich mit der Form, in welcher damals alle
Welt mit einander schriftlich verkehrte, und hält sich dabei
doch in gewissen vom Herkommen gezogenen Schranken. Und
von dieser Form bei der Vergleichung auszugehen, nöthigt
und berechtigt uns auch der Stand der Ueberlieferung. Von
Königsbriefen der Karolingerzeit sind uns nämlich wenigstens
einige Stücke im Original erhalten, denen auch die nur in
Copien auf uns gekommenen Exemplare entsprechen. Von
Episteln anderer Personen dagegen ist meines Wissens nicht
ein vollständiges Original mehr vorhanden, 2 die Copien solcher
Episteln gleichen aber in Allem den Abschriften von literae
regales.
Als Minimum von Thcilen und zugleich von Kennzeichen
solcher Briefe und zugleich der Briefformeln lassen sich salu-
tatio, textus und conclusio bezeichnen. Dagegen waren Dati-
rungsformeln damals in den Episteln nicht gebräuchlich. Ich
verweise auf die 52 von Jafle in den Mon. Carolina 335—430
veröffentlichten Briefe theils von Karl theils von seinen Zeit
genossen, so wie auf die 71 aus Einhart’s Feder (ib. 437—486),
welche sämmtlich literae sine data sind. Hätten diese Brief
schreiber oder Alcuin als Verfasser von etwa 300 uns von ihm
bekannten Episteln irgend welche Zeitbestimmung hinzugefügt,
1 Urkundenlehre der Karolinger 394.
2 Der Originalbericht von Maginarius an Karl vom J. 787 im Pariser
Archiv (Tardif GO Nr. 80) ist nur Fragment und es fehlen gerade die
charakteristischen Theile.
Alcuinstudien.
483
so wäre es doch ein seltsamer Zufall, dass nicht ein einziges
Stück mit seiner Datirang auf uns gekommen ist.' Ich kann
daher das Fehlen der Daten in den Abschriften der Alcuin-
briefe nicht als Verstümmlung gelten lassen.
Die drei wesentlichen Theile der Briefe waren aber sehr
mannigfaltiger Gestaltung je nach der Individualität des Schrei
bers und des Adressaten fähig, und am meisten der Context.
Daher wüsste ich für die Beurtheilung dieses Haupttheiles
allerdings kein besonderes Kriterium aufzustellen und zumal
die Vollständigkeit oder Unvollständigkeit des Textes glaube
ich höchstens daraus ermessen zu können, ob der Gedanken
gang ohne Sprung zu rechtem Abschluss kommt oder nicht.
Eine weitere und bessere Bürgschaft für Unversehrtheit in der
Ueberlieferung sehe ich darin, dass ein Brief in der ursprüng
lichen Einkleidung des Textes zwischen salutatio und conclusio
erhalten ist.
Eingang oder Schluss oder aucli beide fehlen freilich in
vielen unserer Abschriften von Alcuinbriefen. Aber diese Un
vollständigkeit der Copien berechtigt für sich allein noch nicht
bewusste Umbildung zu Formeln anzunehmen. Legten doch
grade Verfasser von Formelsammlungen Werth darauf, in
ihren Dictaten auch wortreiche und zierliche Vorbilder für den
Gruss in der Einleitung und für das Lebewohl am Ende dar
zubieten. Andererseits vertrug es sich mit der Absicht Episteln
als historische Zeugnisse zu sammeln sehr wohl, die rhetorische
conclusio zu unterdrücken und dessgleichen die Adresse, zumal
wenn Schreiber und Empfänger aus dem Zusammenhang erkenn
bar waren. Auf gleiche Stufe darf man es stellen, wenn ge
wisse Copisten, dazu wahrscheinlich durch die Vertrautheit
mit dem Formelwesen bestimmt, zwar die Inscription auf-
nahmen, die Namen in derselben jedoch durch ille oder durch
N ersetzten.
1 Auch die Mon. Moguntina will ich noch anfiihren. Aus ihnen ersehen
wir, dass selbst römische Geistliche wie Theophilacias und Gemmulus
und desgleichen Alcuin’s Landsleute, den einzigen Abt Eanwulf ausge
nommen (ib. 283, 284), ihre Briefe nicht zu datiren pflegten. Ygl. auch
Hahn in Forschungen 15, 47.
Sitzungesber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. III. Hft. 31
484
Si ck e 1.
Es ist endlich auch zu bedenken, dass gewisse Mängel
gar nicht von den Copisten verschuldet zu sein brauchen, son
dern schon von den Schreibern der Originale stammen können.
Nämlich, wenn es auch offenbar zum guten Tone gehörte,
jeden Brief mit Inscription zu versehen und in dieser Schreiber
und Empfänger zu nennen, so ist doch vielleicht hie und da
unter guten Freunden davon Umgang genommen, indem ja
solche Episteln verschlossen zu werden und auf der Aussen-
seite eine Adresse (superscriptio) zu erhalten pflegten. 1 So
möchte ich nicht jedes Stück, blos weil es in diesem Punkte
hinter dem gewöhnlichen Masse zurückbleibt, schon als zur
Formel geworden bezeichnen.
Ich will das gleich auf die Briefe Alcuins im Codex Y
anwenden, bei dem Art und Entstehung für die Absicht histo
rische Denkmäler zu sammeln sprechen. Ep. 71, 92, 101,
102, 133 ex-scheinen hier vollständig copirt. 2 Ep. 104 und 107
sehen wir mit inscriptio und conclusio versehen; aber in jener
sind die Namen entweder getilgt oder auch ursprünglich, als
schon in der superscriptio enthalten, ausgelassen worden.
Ep. 296 endlich hat den richtigen Schluss, entbehrt aber des
Eingangs, so dass wir, wie ich schon sagte, Schreiber und Em
pfänger nur aus dem Zusammenhänge entnehmen können. 3 Dazu
kommen noch in derselben Handschrift die drei Episteln An
gilberts , in denen der Abschreiber nach Ai’t der Formel-
sammler den sehr ausführlichen Eingang wiedergegeben, je
doch die Namen getilgt hat, nachdem er durch die Aufschrift
1 Bei den an Lull gerichteten Briefen haben die ersten Copisten zumeist
auch diese Aussenadresse abgeschrieben: epistola Milredi episcopi ofl'e-
renda Lullo episcopo, ad Lul epistola episcopum (Mon. Mogunt. 268, 283),
ja einige Male sogar nachgezeichnet. Was z. B. ib. 219 die Worte der
superscriptio:-offerenda Lullo episcopo viro clarissimo trennt, sollen die
Schnüre oder Bänder sein, mit denen der Brief verschlossen war, und
ib. 287 Nr. 120 sind die vier durch das Pergament gebohrten Löcher
und an jedem ein Stück Schnur abgebildet. — In manchen Briefcodices
sind diese Adressen zu Ueberscliriften geworden.
2 Womit noch nicht gesagt sein soll, dass sie in allen Einzelheiten gut
copirt worden sind; Ep. 92 z. B. ist durch die Fahrlässigkeit des Ab
schreibers stellenweise unverständlich geworden.
3 Nunc velim te properare in patriam entspricht durchaus der damaligen
Situation Arns.
Alcuinsfcudien.
485
(S. 476) den Schreiber schon kenntlich gemacht hatte. Kann
man nun bei Ep. 104, 107 etwa annehmen, dass die Auslas
sung der Namen schon im Original stattgefunden habe, so be
weisen die Angilbertbriefe jedenfalls, dass derselbe Copist oder
dieselben gemeinschaftlich arbeitenden Copisten hier in der
einen Beziehung verschieden vorgegangen sind. Dergleichen
Nachlässigkeiten schliessen die Absicht der Vervielfältigung
historischer Zeugnisse gewiss noch nicht aus, haben aber natür
lich die weitere Ueberlieferung beeinflussen und der Umge
staltung der Episteln in Formeln Vorschub leisten müssen.
Denn sobald der nächstfolgende Copist diese Briefe Angilberts
an Arno ohne den Titel abschrieb, sobald ferner diese Briefe
aus einem Arno gehörigen Manuscript in eins an anderem Orte
übergingen, erschienen sie als namenlos und konnten insofern
nicht mehr als historische Denkmäler, sondern nur noch als
Dictate gelten. Wir werden solche Fälle noch vielfach kennen
lernen. Hier will ich also nur hinzufügen, dass noch mancher
andere Umstand die Verstümmlung und die Umbildung zu
Formeln herbeiführen konnte. Nehmen wir z. B. Ep. 257,
wie sie in Y und in den andern S. 471 genannten Handschriften
vorliegt. Das Interesse concentrirt sich hier offenbar auf den
Inhalt, auf Alcuins Ansichten de tribus visionum generibus: da
wurde von dem Copisten die Inscription als nebensächlich
ausgelassen, vom Schreiber des Codex Y auch der Schlusssatz
mit dem Namen des Adressaten Fridugisus, welcher in der
Corbieer Handschrift noch beibehalten war. Insbesondere lag
es nah, den Namen des Empfängers in der salutatio und im
weitern Verlauf diesen ganzen Tlieil fallen zu lassen, wenn
der Adressat minder bekannt war, wie das bei vielen an be
liebige Schüler Alcuins gerichteten Briefen geschehen ist. An
dererseits kann auch geringeres Interesse an dem Inhalt ins
Spiel gekommen sein: so bei den Ep. 239, 277, die in Y
kürzer als in andern Handschriften erscheinen. So erhalten
wir Uebergänge verschiedener Art und verschiedenen Grades
von eigentlichen Briefen zu Formeln, oft in einem Codex
nebeneinander, wie eben dem Schreiber das Material auf die
sem oder jenem Wege und in mannigfaltiger Gestalt zuging
oder auch wie er je nach seinem Interesse und seinem Ver
ständnisse es wiederaeben mochte. Eben deshalb ist es bei
31 *
486 •
S icke 1.
den Alcuinbriefen so wichtig-, die Geschichte und den Werth
jeder einzelnen Handschrift im Allgemeinen und weiter ihren
Werth für jeden Brief insbesondere festzustellen. So ist Y
Codex archetypus für die Briefe an Arno und für sie in erster
Reihe zu benutzen, aber ein abgeleiteter und daher minder
werthvoller Codex für die Mehrzahl der andern Episteln.
Codex Vindobonensis 808 = Z. 1
Ich erinnere mich nicht, dass Froben einmal eine Signatur
von Z anführe, aber dass er mit den schon citirten Worten
der Vorrede Z gemeint hat, unterliegt keinem Zweifel. 2 Im
Desing’sclien Catalog ist Z als Nr. XXXIV eingetragen und
dem 10. Jahrhundert zugeschrieben. Z trägt nun auch den
alten Salzburger Einband. Die Pergamentlagen sind auf dop
peltem starkem Bindfaden aufgeheftet. Die Deckel von Buchen
holz sind mit meist dünnem Schweinsleder überzogen. Die
Verzierung derselben äst sehr einfach: gestrichene Doppellinien
bilden eine Randeinfassung und als Diagonalen, ein schräges
Kreuz. Die Deckel wurden durch ein Gesperr von Leder mit
Messingschliesse zusammengehalten. Am hintern Deckel oben
war die Oese für die Kette angebracht. Auf dem vordem
war mit Hilfe eines Metallrahüiens ein mehrere Zoll breites
Pergamentblatt für eine kurze Titulatur befestigt und darüber
noch ein ganz kleines Blättchen aufgeklebt, auf das die Katalog
nummer in arabischen Ziffern mit Mennig aufgetragen wurde.
So hat Z die Signatur 146 und auf dem grossem Streifen steht
(wie auf allen diesen Handschriften in schöner gothischer
Minuskel mit starken Abkürzungen): Isidorus de officiis divi-
nis etc. que hic || interius circa principium sunt descripta. Die
ersten Worte bilden den Eingang der Eintragung in den
Katalog 3 , die folgenden verweisen auf die Inhaltsangabe, die
1 Tabulae cod. 1, 136. — Mon. Alcuin. 137.
2 Am schlagendsten wird es durch die von Froben 2, 558 aus Cod. Salisb.
angeführten Lesarten bewiesen.
3 I. d. o. d., item de observancia quatuor temporum; item epistole Alcuini
et in fine quedam curiose quittitates et pulchri versus.
Alcuinstudion.
487
der im Katalog gleichlautend auf die innere Deckelseite in
gothischer gemischter Schrift eingetragen ist.
Bei der weiteren Beschreibung von Z können wir von
den jetzt mit 1 —100 bezeichneten Blättern durchaus absehen,
da, was sie enthalten, in keiner Beziehung zu dem zweiten
Theile des MS. steht, der f. 101 — 234 umfassend als ur
sprünglich besondere Handschrift zu betrachten ist. 1 In dieser
finden wir Pergament von sehr verschiedener Art, aber von
gleichem Format (25,5 Ctm. Höhe bei 13 Ctm. Breite). Ur
sprünglich jedoch muss das Pergament höher und breiter ge
wesen sein. Vereinzelte Reste von Quaternionenbezeichnungen
am untern Rand zeigen, dass da je 1 Ctm. abgeschnitten ist,
was wohl auch oben geschehen sein mag, und indem z. B.
f. 227 vom Worte scribe nur noch die zwei ersten Buchstaben
sichtbar sind oder f. 228' von dem hier oft wiederholten
tironischen scriptum zuweilen nur noch das rechts gestellte
signum auxiliare, scheint beim Einbinden auch die Breite um
1 Ctm. verkürzt worden zu sein. — Durch die ganze Hand
schrift geht ein gleiches, um 800 sehr häufiges Linienschema,
nur die Zahl der Zeilen fällt hie und da von 24 auf 21 herab.
Gebildet war die Handschrift aus 17 Lagen von 4 Blättern
oder von 8 Plalbblättern; die beiden letzten Halbblätter des
8. Quaternio jedoch (zwischen f. 154 und 155) waren schon
hei der ersten Zusammenstellung und ehe geschrieben wurde
ausgeschnitten, wie sich auch aus der Vergleichung des In
halts von Z mit dem des abgeleiteten Codex R ergibt. Qua
ternio V trägt auf der ersten Seite oben die Aufschrift Albinus
in Majuskel, Quat. VIII dieselbe in Minuskel. Am untern
Rande von f. 186' sind die oberen Schäfte von III noch sicht
bar, ebenso f. 202' die Reste des Zahlzeichens V: sie passen
genau zu einer Quaternionenbezeichnung, die von f. 163 oder
von der jetzt 9. Lage ausgeht. Wir müssen demnach in der
Scheidung der Theile des Cod. Vindob. 808 noch weiter gehen
1 F. 100' gibt sich auch als einst letzte Seite eines Codex zu erkennen.
Zum grossem Theil leer geblieben, diente sie zu Federproben und be
liebigen Eintragungen unter Anderm von drei Verszeilen, zu denen wieder
bemerkt ist: hos Engilbertus faciens cum carmine versos | nescivit
fallax metri conponer(e) normam.
488
S ielf e 1.
und f. 101—162 als ursprünglich gesondertes Volumen be
trachten ; ich will dieses fortan mit Z' bezeichnen und die dann
folgenden Theile mit Z" und Z'". 1
Die acht Q.uaternionen von Z' sind, wie die Tafel zeigt,
von sieben verschiedenen Händen beschrieben. Es ist näm
lich ein damals häutiger Vorgang 2 beobachtet worden; die ab
zuschreibenden Briefe wurden an mehrere Ammanuensen ver
theilt, deren jeder seine Pergamentlage zum Ausfällen erhielt;
nur dem einen (s) wurde hier ein doppeltes Pensum (Quat. V
und VII) aufgetragen. Eine Folge davon ist, dass jede Lage
mit einem neuen Brief beginnt, ferner dass zu Ausgang der
Lagen eine oder auch mehrere Seiten unausgefüllt blieben.
Diese benutzte dann der Schreiber a, um noch nachträglich
die an verschiedene Personen gerichteten Ep. 132, 222, 216, 5,
292 einzuschalten. Scheiden wir nun diese fünf Stücke aus,
so bilden die in erster Linie in Z' copirten Briefe, wie ein
Blick auf die Namen des Schreibers und des Adressaten lehrt,
eine Sammlung von durchaus einheitlichem Charakter: es sind
lauter Briefe von Alcuin an Arno mit Ep. 181 als Beilage.
1 Die Beziehungen zwischen den Handschriften lassen ( sich am besten
durch Concordanztafeln ersichtlich machen. So will ich solche für Z
als für die reichhaltigste »Salzburger Handschrift hieV S. 546 beifügen.
Zu den in der sechsten Reihe enthaltenen Namen bemerke ich, dass die
eingeklammerten nicht in Z stehen, sondern von mir entweder aus an
deren Codices oder dem Inhalt der Briefe entsprechend ergänzt worden
sind. In den nächstfolgenden Columnen habe ich nicht sämmtliche
Handschriften aufgeführt, sondern nur die mit denen gerade Z zu ver
gleichen ist, und zwar habe ich die von Z unabhängigen Codices voran
gestellt und die drei aus Z abgeleiteten zuletzt gesetzt. Innerhalb einer
jeden Handschrift habe ich die Briefe gezählt; soweit ich es für noth-
wendig halte, gebe ich später in den Anmerkungen zu den einzelnen Codices
die Reihenfolge der Briefe in ihnen an und erkläre dabei, was mich in
einigen zweifelhaften Fällen bestimmt hat so oder so zu zählen. Nur
innerhalb des Codex B, der ganz eigenthümlich beschaffen ist, liess sich
solche Zählung nicht anwenden: darum habe ich in dessen Columne mit
B nur angezeigt, dass der betreffende Z-Brief im Codex B benutzt ist.
2 Wattenbach, Schriftwesen 254. — Auch im Kloster S. Amand, das ja
unter Arno in lebhaftem Verkehr mit Salzburg stand, sind manche Hand
schriften in gleicher Weise angelegt worden. — Dass Z von mehreren
Schreibern geschrieben, hatte auch Jaffe wahrgenommen, ohne jedoch
die »Sache weiter zu verfolgen.
Alcuinstudien.
489
Bei Ep. 181, welche nur in Z und zwar ohne salutatio
und ohne conclusio überliefert ist, drängt sich zunächst die
Frage auf, von wem sie verfasst und an wen sie adressirt ist.
An der Autorschaft Alcuins ist nicht zu zweifeln; sind wir
doch über die Vorgänge, die zu Ep. 181 Anlass gaben und in
ihr dargestellt werden, durch andere Briefe Alcuins und durch
eine Antwort Karls an Alcuin (Ep. 180, 182—184) hinlänglich
unterrichtet. Aber wer ist der Adressat? An Arno oder an
andere Freunde pflegte Alcuin nicht in so gemessenem Tone
zu schreiben. Dieser Ton und die Worte: vestra sanctitas
consideret scheinen eher einem bei Hofe lebenden Bischöfe,
etwa dem Erzcapellan Hildibold, zu gelten, dem auch Alcuin
rücksichtsvoll begegnen musste, zumal wenn er in dem Con-
flicte mit dem Bischof Theodulf ihn auf seine Seite ziehen
wollte. Bezeichnend ist dabei, dass sich Alcuin in der Sache
selbst in der offenbar nur fragmentarisch auf uns gekommenen
Ep. 181 fast wörtlich so wie in der an seine Lieblingsschüler
gerichteten Ep. 180 äussert, was Frohen verleitete beide als
einen Brief (bei ihm Ep. 118) zu betrachten; es wurde also
in diesem Falle, und das mag in der Correspondenz Alcuins
öfters geschehen sein, ein und dasselbe Dictat zu zwei Zwecken
verwendet, vielleicht noch zu mehreren, da es geradezu im
Interesse des Schreibers lag, dieser seiner Darstellung der Be
gebenheiten und dieser seiner Rechtfertigung weitere Verbrei
tung zu geben. So mag es sich auch erklären, dass Ep. 181
nach Salzburg mitgetheilt und dort wichtig genug befunden
worden ist, in die Sammlung von Briefen Alcuins an Arno
aufgenommen zu werden. Noch näher würde die Berichter
stattung nach Salzburg liegen, wenn man Ep. 183 so auffassen
dürfte, wie es die letzten Herausgeber gethan haben, nämlich
so dass Alcuin den dem Bischof Theodulf entronnenen Cleriker,
um ihn der Strafe zu entziehn, zu Arno gesandt habe. Ich
kann jedoch dieser Auslegung nicht beipflichten. Man ver
gleiche nur was Alcuin von diesem Geistlichen in Ep. 180
sequ. aussagt: certum est eundem reurn mulla perpetrasse pec-
cata et scelera und dergl., mit den allerdings auch nicht
schmeichelhaften, aber von dem Schreiber nicht bös gemeinten
Prädicaten des an Arno gesandten jungen Mannes, um sich
zu überzeugen, dass von Identität der Person nicht die Rede
490
Sickel.
sein kann. Ueberdies ist ja der in Ep. 183 Empfohlene ein
Zögling Alcuins, von dem sich dieser noch gutes verspricht. 1
Wird er dennoch als von Theodulf verfolgt hingestellt, so
möchte wohl eher an einen jener infantes zu denken sein,
welche den Skandal in der Klosterkirche ex impetu stultitiae
(Ep. 184) herbeigeführt hatten und dafür zur Rechenschaft ge
zogen wurden. Wie dem aber auch sei, Ep. 181 konnte auf
mehr als einem Wege und durch verschiedene Personen nach
Salzburg und zur Kenntniss Arns gebracht werden und da in
eine Sammlung gerathen, mit welcher vor Allem eine Zusammen
stellung von Briefen Alcuins an Arno beabsichtigt war. Zur
Bestimmung der Zeit, da das geschah, bietet gerade Ep. 181
einen Anhaltspunkt. 2 Noch mehr dient dazu Ep. 189 vom
24. Mai 802, so dass wir, wozu auch der Schriftcharakter
passt, die in Z' enthaltene Sammlung als im Laufe des Jahres
802 entstanden bezeichnen können.
Mit f. 163 beginnt, wie wir sahen, ein neues Volumen
Z". Von hier bis zur Mitte von f. 212' schrieb ein der Salz
burger Schule ungehöriger Copist 6 und zwar fortlaufend, so
dass er bei den einzelnen Quaternionen nicht mehr Abschnitte
macht, sondern z. B. Ep. 302 auf der letzten Seite der 4. Lage
beginnen und auf der ersten Seite der 5. enden lässt. Damit
ist noch nicht entschieden, ob auch die von Ö copirte Samm
lung ursprünglich bis f. 212' gereicht hat oder nicht. Ueber-
blicken wir zunächst die hier eingetragenen Briefe, so finden
wir u. A. als Z 54 und 62 die Ep. 109 an Arno und die Ep.
90 an die Juvavenses aufgenommen. Aber die Briefe an an
dere Adressaten herrschen vor. Ziemlich alle von 6 copierten
Stücke begegnen in zahlreichen Handschriften, besonders in
denjenigen die wir später als Repräsentanten der drei Haupt
linien kennen lernen werden. Dabei ist jedoch das Verhältniss
der Verbreitung im Einzelnen zu beachten. Z 35—54 kehren
mit geringen Ausnahmen in den drei Handschriftengruppen
1 Vgl. auch Ep. 301, die ich mit Diimmler als an dieselbe Person gerichtet
betrachte.
2 In der neuen Ausgabe: Ende 801 oder 802, also etwa wie Mabillon an
genommen hatte. Ich halte das für richtig und rücke demgemäss auch
K. 197 meiner Acta Karolinorum zu 802 vor.
Alcuinstudien.
491
TN, KG, A wieder. Dann folgt ein Abschnitt, indem Z 55
und 56 nur in abgeleiteten Codices begegnen. Z 57—63 end
lich, darunter auch zwei Briefe Karls, hat Z wieder mit an
dern Handschriften gemein. Wie die hier erkennbare Samm
lung entstanden ist, wie weit sie reicht und wie sie etwa
erweitert worden ist, lässt sich erst später darthun. Aber das
geht schon aus den Namen der Adressaten hervor, dass die
Zusammenstellung der Hauptgruppe nicht in dem weitab ge
legenen Salzburg erfolgte und dass' auch, was als Zusatz er
scheint, nicht gerade in Salzburg gesammelt sein muss. Es
ist vielmehr anzunehmen, dass dem Schreiber 0 ein ganzer
über epistolarum als Vorlage diente und dass er höchstens
einzelne Briefe selbst hinzufügte. Auch über das Alter dieser
Collection kann ich mich erst später äussern und nur das zeit
liche Verhältniss zwischen Z' mit seinen Einschiebseln von
der Hand a und zwischen Z" will ich gleich hier feststellen.
Der Ammanuensis a hat zur Zeit, da er auf die leer geblie
benen Seiten von Z' die Ep. 222, 216, 5 und 292 nachtrug,
wohl kaum die in Z" für Salzburg angefertigte Abschrift einer
auch diese vier Stück umfassenden Briefsammlung gekannt.
Erklärlicher, wenn auch nicht wahrscheinlich ist es, dass 6,
welcher eine mehr oder minder abgeschlossene Collection co-
pirte, von den bereits in Z' vorhandenen Nachträgen nicht
Notiz genommen hat. War aber einmal in Salzburg mit einer
Sammlung von Alcuinbriefen in Z' begonnen, so lag es nahe
dass die erste Gelegenheit wahrgenommen wurde, um an sie
eine zweite nach Salzburg gekommene Sammlung anzu-
schliessen. Und dass auf sie nicht lange gewartet werden
musste, ergibt sich aus dem Verhältniss von Z'" zu den vor
ausgegangenen Theilen.
Auf der Mitte von f. 212', wo Z" und zugleich die Hand
O,enden, hat der Schreiber a die Arbeit wieder aufgenommen,
um zunächst sechs den letzten Jahren Alcuins ungehörige
Briefe an Arno einzutragen, dann f. 221''—225 die Disputatio
Pippini cum Albino, endlich bis f. 234 Gedichte Alcuins. Er,
der ja die erste Lage von Z' beschrieben und dann die hier
leer gebliebenen Seiten ausgefüllt hatte, erscheint also in her
vorragender Weise bei der sei es von ihm selbst ausgegan
genen, sei es ihm anbefohlenen Zusammenstellung der Alcuin-
492
Sickel.
briefe betheiligt. Es liegt die Annahme nahe, dass der Tod
Alcuins Anlass gegeben hat die Sammlung abzuschliessen.
Dass es nicht viel später geschehen sein kann, lehrt das Alter
der Handschriften, welche, wie wir sehen werden, direct oder
indirect aus Z geschöpft haben. 1 In diesem Zusammenhänge
will ich auch noch ausführlicher von der Schrift von a und
seinen Genossen reden. Ueberblickt man die nachweislich
unter Arno in Salzburg entstandenen Handschriften, 2 so er
kennt man leicht die Eigenthümlichkeiten der damaligen Salz
burger Schreibschule. Sie hat mit der von Tours, die für
Westfrancien massgebend wurde, das Bestreben gemein, die
cursiven Buchstaben und Verbindungen auszumerzen und gleich
förmige und selbständige Minuskelbuchstaben einzuführen, ohne
dass man sich jedoch hier wie dort schon ganz von alten Ge
wohnheiten loszureissen vermochte. Die Salzburger Schrift
unterscheidet sich aber von der gleichzeitigen westfränkischen
wesentlich dadurch, dass in Salzburg die Buchstaben durch
schnittlich grösser und fetter gemacht wurden und dass die
Schaftbasen nicht so stark nach links gebogen und nicht so
sehr verjüngt wurden wie in Tours. Sie steht daher der an
dern an Eleganz weit nach, ist dagegen weit lesbarer. Sämmt-
liche an Z betheiligte Schreiber gehören nun der Salzburger
Schule an, und dass ihre Schrift noch nicht so entwickelt ist
in der angegebenen Richtung, wie etwa in dem Cod. Vindob.
387 vom J. 809, bestärkt mich darin die Entstehung unseres
Codex in die ersten Jahre des 9. Jahrhunderts zu setzen.
Wir können nun den ganzen Inhalt von Z überblicken
und, wenigstens so weit es sich um die Correspondenz von
1 Spätestens 830 wurde Z für ein jetzt nicht mehr erhaltenes Formelbuch
benutzt, von dem in der zweiten Abhandlung die Rede sein wird.
2 Ich begnüge mich auf einige auch in weitern Kreisen bekannte Codices
zu verweisen. So auf die älteren Theile des Verbrüderungsbuches von
S. Peter, insbesondere auf die von Karajan mit a, i, 1 bezeichneten Hände.
Ferner auf den Codex der Stiftsbibliothok zu S. Peter IX, 16 (Facsimile
in den Monum. graphica 8, 6) mit der Unterschrift: Episeopus Arnus
constituit librum istum in suis temporibus. Endlich auf den Cod. Vin
dob. 387 (olim Salisburg. 421; im Katalog von 1433 Nr. 224), der zum
grossen Theil bis 809 geschrieben ist: s. Pertz, Archiv 3, 532 und Mon.
G. h. SS. 1, 86.
Alcuinstudien.
493
Alcuin mit Arno handelt, das Verhältniss von Z zu andern
Handschriften feststellen. Dabei sehe ich hier, wo wir die
Briefe bis zu ihrer Aufnahme in Z verfolgen wollen, natürlich
von den, wie ich zeigen werde, aus Z schöpfenden Hand
schriften R, B, D ganz ab.
Die Z-Briefe theilen sich je nach Adressaten und nach
der Provenienz in zwei Hauptgruppen. Z" bietet uns ^höch
stens ein oder zwei Stücke ausgenommen) nur nach Salzburg
auf Umwegen gekommene Briefe dar. Zu dieser Gruppe können
wir aber auch die Nachträge in Z' rechnen. Kehren doch vier
der hier von a eingeschalteten Episteln nochmals in Z" wieder,
und wenn das mit Ep. 132 (filiae regis) nicht der Fall ist, , so
begegnet uns dieses Stück doch in einem der grossen Sammel
codices anderer Herkunft. Nach Ausscheidung dieser fünf
Episteln bleiben uns in Z' und in Z'" nur an Arno gerichtete
Schreiben.
Wenn schon das genügen würde Z, auch abgesehen von
seiner äussern Geschichte, als eine in Arns Umgebung ent
standene Sammlung zu bezeichnen, so kommt noch das andere
Moment bestätigend hinzu, dass diese Collection in ihrem gan
zen Umfange nur in diesem einen Codex vorliegt. Einen Theil
der Briefe hat allerdings Z mit Y gemein, aber Y entstammt
ja demselben Kreise. Sonst sind nur vier Briefe aus Z' (kein
einziger aus Z'") in noch andern MSS. nachgewiesen, nämlich
die Ep. 18, 109, 125, 194, alle durchaus unverfänglichen In
halts und daher auch zu weiterer Verbreitung geeignet. Ep.
18 wurde von Alcuin schon in seiner britischen Heimath
verfasst und da mag das Concept in die dortigen Collectionen
V und A gekommen sein. Ebenso mögen von Elnon aus, wo
Ep. 109, und von Tours aus, wo die Ep. 125 und 194 ge
schrieben sind, Exemplare verbreitet und so Ep. 109 in alle
Handschriftengruppen, die beiden andern in den einst Adalhard
gehörigen Codex H übergegangen sein. In der Hauptsache
steht es doch so, dass Arno die an ihn gerichteten Briefe
Alcuins geheim gehalten, aber doch so hoch geschätzt hat,
dass er sie sammeln und in Abschriften für die Salzburger
Bibliothek aufbewahren Hess. Bezeichnend genug ist dabei,
dass auch nach dem Tode beider Freunde Salzburg seine
Schätze nicht mittheilte, wie es solche aus dem Westen em-
494
Si cke 1.
pfangen hatte. Der rege Verkehr zwischen dem Osten und
AVesten hatte eben bald nachgelassen und, soweit er noch fort-
bestand, scheint Salzburg mehr empfangen als ausgetheilt zu
haben.
Hier ist jedoch noch zu erwähnen, dass uns auch Briefe
Alcuins an Arno bekannt sind, die in den bisher genannten
Salzburger Codices nicht Vorkommen. Nehme ich nun auch
an, dass die Eintragung einer Epistel an Arno in eine dortige
Handschrift uns deren Echtheit verbürgt, so glaube ich doch
nicht umgekehrt einen Brief an Arno beanstanden zu dürfen,
weil er nicht in Salzburger Denkmälern nachweisbar ist. Es
lassen sich eben zur Erklärung der ausschliesslichen Ueber-
lieferung an andern Orten allerlei Umstände anführen. AVenn
z. B. Ep. 163 und 168 (nur aus H bekannt) in den Salzburger
Codices fehlen, so ist es denkbar dass sie zu den vier Schrei
ben gehören, von denen Alcuin in Ep. 189 sagt: nescio quae
ex illis ad vestram pervenerunt praesentiam. Es kann auch
füglich bei den Episteln, welche Arno auf seinen Reisen zu
gestellt wurden, geschehen sein,-dass sie nie nach Salzburg
kamen, dagegen an andern Orten, wo gleichfalls Alcuinbriefe
gesammelt wurden, in die Handschriften geriethen. Anderer
seits können Briefe wie die Ep. 209 und 233 um ihres rein
lehrhaften Inhalts willen aus der Sammlung in Z ausgeschlossen
worden sein. 1 Endlich lässt sich an einem bestimmten Falle
darthun, dass jener a, den wir als den Veranstalter der gros
sen Sammlung in Z kennen gelernt haben, keineswegs alles [in
Salzburg vorhandene Material aufgenommen hat, sei es weil
es seiner Aufmerksamkeit entging oder aus einem andern
Grunde.
Ich komme hier auf das ohnehin noch festzustellende
Verhältniss von Z zu Y. Letzterer Codex, sahen wir, ist zu
Ausgang des J. 798 oder im J. 799 geschrieben, Z dagegen
etwa 802 bis 804. Hat nun Z aus Y geschöpft oder nicht?
Dass Y Copisten als Vorlage gedient hat, ist unverkennbar:
f. 199 steht am Rande neben den versus ad Candidum ein
1 Ep. 233 stellt übrigens in einem andern Salzburger Codex, in X. —
Ausser den oben genannten Schreiben an Arno sind es nur noch Ep.
108 und 147, die in Y und in Z fehlen.
Alcuinfitudien.
495
tironisches scribas, uncl wahrscheinlich sollen auch die in Y
neben den Ep. 92, 133, 102, 104 befindlichen Kreuze besagen,
dass diese Stücke copirt werden sollten oder copirt waren.
Des weitern lehrt uns die Vergleichung- der Texte, dass die
Schreiber von Z den Codex Y benutzt haben. Freilich sind
bei Y zwei Phasen zu unterscheiden. Namentlich der eine an
Y betheiligte Ammanuensis versieht sich sehr oft, bringt aber
sofort Correcturen an, indem er Buchstaben oder auch Worte
über den Zeilen hinzufügt. In diesem Zustande diente Y als
Vorlage für Z, so dass die Schreiber des letztem den insoweit
verbesserten Wortlaut von Y wiederholen konnten. Dagegen
sind in Y von nicht viel späterer Hand noch weitere Ver
besserungen des Textes vorgenommen, welche nicht in Z über
gegangen sind. Vergleichen wir nun Z mit Y im ersten
Stadium, so finden wir nur unbedeutende und allüberall vor
kommende Varianten b Und sie werden durch so grosse
Uebereinstimmung der Texte aufgewogen, dass nicht einmal
ein Mittelglied zwischen Y und Z denkbar ist. Bezeichnend
ist z. B. das Verhältniss der Abschriften von Ep. 92, deren
Schluss (s. Monum. Alcuin. 383) durch Auslassungen und Ent
stellungen sehr verderbt ist, in beiden Handschriften aber ganz
gleich lautet. 2
Es gibt freilich auch Umstände, welche gegen die Ab
leitung der Abschriften in Z aus Y zu sprechen scheinen. So
fällt auf, dass der Schreiber a in Z die Ep. 107, 101, 133,
102, 104, welche in Z' gerade die erste Lage ausfüllen, in
dieser Reihenfolge dem Codex Y entnommen haben und dabei
doch Y 16 = Ep. 92 übersprungen haben soll, welche erst
von s als Z 19 nachgeholt wird, und dass dann Ep. 133
(Y 18) nochmals von 0 als Z 15 eingetragen wird. Zweitens
} Ep. 107 in Y: providehtiae, quid deo utile, Hrodbercti, Aedilberetum;
dagegen in Z (Schreiber a, welcher fünf Stücke aus Y abschreibt): pru-
dentiae, quid de eo utile, Hrodberti, Aedilbertum. — Ep. 104 in Y ca-
rissimo; in Z (a) clarissimo. — Ep. 92 in Y: melius at, mercedis, vox
nostra, inpediant; dagegen in Z (Schreiber s): melius ac, mercedes, vox
nostrae, inpediunt.
2 In beiden steht: adiuvator tuus firma est, und in beiden fehlen einige
Worte nach memento te. Der betreifende Schreiber in Z copirt hier
wie sonst sklavisch.
496
Sickel.
fällt auf dass a als Veranstalter der Collection in Z' die Ep.
71 und 296 = Y 13 und 14 auslässt. Drittens dass von den
Briefen Alcuins an andere Personen im Cod. Y 1—12 gar
keine Notiz genommen wird. Letzterer Umstand jedoch findet
seine Erklärung darin, dass bei der ersten Anlage von Z offen
bar nur eine Collection von Briefen an Arno beabsichtigt war.
Da man an die Ausführung ging, können die Ep. 71 und 296
um so leichter übersehen worden sein, da sie sich auf einer
andern und vielleicht schon damals verschobenen Pergament
lage (s. S. 470) befanden. Was endlich den zuerst ange
führten Umstand anbetrifft, so vermag ich ihn nur auf Rech
nung der stattgefundenen Arbeitstheilung zu setzen. Kurz diese
Bedenken fallen nicht so sehr ins Gewicht gegenüber dem
aus der Text Vergleichung gewonnenen Ergebniss, dass die
Schreiber von Z' die betreffenden Briefe Y entlehnt haben.
Was aus diesem Sachverhalt zu folgern ist, wenn man eine
neue Edition vorbereiten will, bedarf wohl keiner Ausfüh
rung mehr.
Beachtung verdient noch, wie der Schreiber a es mit den
Namen im Eingang hält: wo er sie in der Vorlage Y fand,
d. h. in Ep. 101, 133, 102, gab er sie auch wieder. In dem
von ihm allein geschriebenen Zerscheinen dann die sechs
Briefe nicht allein sämmtlich mit den Namen , sondern auch
die salutatio und conclusio so vollständig, dass ich anzunehmen
geneigt bin, dass a hier die Originalbriefe copirt hat.
Um die Entstehung von Z" darlegen zu können, muss
ich erst die Beschreibung anderer Codices vorausschicken.
Codex musei Britannici Harleianus 208 = H.
Als ich zum ersten Male eine Schriftprobe aus diesem
Manuscript sah, kam mir die Schrift bekannt vor: sie gleicht,
wie ich dann festgestellt habe, der Schrift Corbieer Mönche
aus dem Beginn des 9. Jahrhunderts, wie sie unter andern aus
den Pariser Codices 11, 533 und 13, 373 bekannt ist (s. S. 479).
War ich schon deshalb geneigt, H in Zusammenhang zu brin
gen mit diesem Kloster, so noch mehr als ich fand, dass auch
Alcuinstudien.
497
die in H gesammelten Briefe auf die Kreise Adalhards von
Corbie hinweisen.
Freilich passt nicht eine Angabe der drei Cataloge der
Stiftsbibliothek aus dem 11. 12. und 13. Jahrhundert, die auf
uns gekommen sind *, auf unsere Handschrift. Ja ich erhielt
dann, indem mir nicht genügte, was über Ii in Frohen 1, 22
und in den Mon. Alcuin. 133 2 gesagt wird, von Mr. E. M.
Thompson Mittheilungen, nach denen der Codex schon im
10. Jahrhundert als in England befindlich erscheint. Nach dem
Wappen auf dem jetzigen Einbande gehörte H im 17. Jahr
hundert Sir Symonds Dewes. Früher war H wohl in York,
da auf der letzten Seite um 1400 Ebor. vermerkt ist. Endlich
ist von einer Hand des 10. Jahrhunderts auf f. 87' ein Al
phabet mit angelsächsischen Buchstaben eingetragen und auf
der nächsten Seite die Worte: liwät ic call feala ealde säge. 3
Dennoch verträgt sich damit meine Annahme. Die Brief
sammlung in H kann nämlich frühestens 814 zum Abschluss
gekommen sein, da sich am Ende derselben unter andern Epi
steln Dungais eine erst nach dem Tode Karl des Grossen an
Theodrada geschriebene 4 befindet. Soll also Adalhard auf die
Sammlung Einfluss genommen haben, so kann das nur zu der
Zeit geschehen sein, da er fern von seinem Kloster in der
Verbannung lebte. 5 Von seinen damaligen literarischen Be
schäftigungen legt eine Abschrift der Historia tripartita Zeug-
niss ab. 0 Dieser Codex ist dann allerdings nach Corbie ge
bracht worden, wo er in den drei Katalogen verzeichnet wurde
und wo ihn noch Mabillon sah. Aber die Lebensumstände
Adalhards würden es wohl erklären, dass andere Manuscripte,
die er sich damals von Corbieer Brüdern schreiben Hess, nie-
1 Delisle, Cabinet 2, 427.
2 Offenbar Druckfehler ist liier: saec. XI. In Jaffas Aufzeichnungen stellt
richtig saec. IX, und so wird das Alter auch schon in Manuseripts in
the Harleian, collection 1, 64 bestimmt.
3 Mein College Zupitza übersetzt: Fürwahr, ich sehr viel alte. Sage, wozu
er als Prädicat ergänzt: gehyrde (hörte) oder gefrägn (erfuhr). Er glaubt
darin den Anfang eines nicht mehr erhaltenen Gedichtes zu erkennen.
4 Mon. Carol. 429 Nr. 46.
5 Simson Jahrbücher des fränkischen Reichs unter Ludwig d. Fr. 21.
0 Wattenbach G. Quellen 1, 189.
498
Sicke 1.
mals nach diesem Kloster gekommen. So meine ich steht,
was wir won der Geschichte der Handschrift wissen, der An
nahme nicht im Wege, dass die Sammlung in H von Adalhard
veranlasst und dass H der nach 814 von einem Mönche der
Corbieer Schule geschriebene Codex archetypus dieser Samm
lung sei.
Es ist unverkennbar, dass der Sammler hier in erster
Linie Alcuinbriefe hat zusammenstellen wollen. Auf 90 Briefe
desselben, denen nur einmal f. 78—79' Carmina eingefügt sind,
folgen allerdings sieben Schreiben von Dungal und eins von
Karl; aber den Abschluss bildet wieder Ep. Ale. 154. Für
den Eifer und das Geschick, mit denen gesammelt ist, zeugt
der Umstand, dass hier nahe an 70 Briefe zusammengetragen
sind, von denen bisher keiner in andern Handschriften nach
gewiesen ist. Wer aber solches Interesse an Briefen Alcuins
nahm und dasselbe so erfolgreich bethätigte, hat sicher auch
von den andern stark verbreiteten Briefen des Meisters Kennt-
niss gehabt und Abschriften besessen, so dass H aller Wahr
scheinlichkeit nach, worauf ich noch zurückkomme, nur der
eine Band einer grösseren Sammlung im Besitz desselben
Mannes oder Klosters gewesen ist.
Gehen wir nun näher auf den Inhalt ein. H 35, 70, 74,
77, 78, 80 = Ep. 250, 177, 267, 121, 117, 116 sind an Adal
hard gerichtet, TT 71 = Ep. 199 an dessen eine Schwester
Gundrada, II 97 (Dungal) an die andere Schwester Theodrada,
H 1, 76 = Ep. 144, 300 wahrscheinlich an dieselben. 1 Eben
das bringt mich auf die Vermuthung, dass die Briefe von
Adalhard oder in seinem Aufträge zusammengestellt worden
sind. Dass in Id noch ein weiterer Brief an denselben und
einer an seine Schwester Gundrada fehlen (Ep. 17, 243), kann
kein Bedenken erregen, zumal wenn II nur einen Theil der
Sammlung gebildet hat. Ich glaube weiter geltend machen zu
dürfen, dass in H eine Reihe von Schreiben aufgenommen ist,
von denen nur ein sehr hochgestellter Mann, wie es doch der
1 Wenn schon Jaffe mit gutem Grund Ep. 121 als an Adalhard geschrieben
bezeichnete, so halte ich für entscheidend, dass sie uns in H überliefert
ist. Bei Ep. 144 und 300 trifft nur dies letztere Moment ein; darum
drücke ich mich vorsichtiger aus.
Alcuinstudien.
499
Abt von Corbie war, Kenntniss haben und sich Abschriften
verschaffen konnte. Dass z. B. die Ep. 164 an Angilbert auch
Adalhard mitgetheilt worden sein wird, lässt sich schon aus
Alcuins Worten schliessen. Ep. 82 an den Papst Leo mochte
Adalhard bei seinem wiederholten Aufenthalt in Rom bekannt
geworden sein. Auf sehr gute Verbindungen in den höchsten
Kreisen weisen auch die Episteln 21, 159, 169 an Gisela hin,
ferner die Ep. 71, 125, 147, 163, 168, 194 an Arno, die Ep.
176, 262, 263 an Remedius und alle die weitern H-Briefe an
Prinzen und hohe Würdenträger.
Zum Schluss will ich noch die Worte von Adalhards
Biographen Radbert anführen: ab aliquibus, ut epistolae ma-
gisti-i Albini ferunt, Antonius vocabatur. 1 Sie besagen noch
etwas mehr, als dass in diesen Kreisen die Briefe Alcuins be
kannt waren. Der Name Antonius begegnet nämlich in den
Ep. 116, 117, 164, 177, 250, 267. Von diesen Briefen findet
sich ein einziger zugleich in andern Handschriften, die andern
nur in H. Es scheint also fast, dass sich Radbert auf die
epistolae Albini in H berufe, d. h. in einer Adalhard gehörigen
Handschrift.
Codex Trecensis 1165 = T.
Wie Jaffe in seiner Beschreibung 2 nur die erste Hälfte
der jetzigen Handschrift berücksichtigt hat, in welcher die
Alcuinbriefe Vorkommen und welche mit der zweiten, wieder
in Hefte von verschiedenen Händen des 9. und 10. Jahrhun
derts zerfallenden Hälfte in keinem wesentlichen Zusammen
hänge steht, so will auch ich mit T nur f. 1—86 des Codex
von Troyes bezeichnen. Die Geschichte desselben lässt sich
nicht über Pierre Pithou (1539—1596) verfolgen, der ihn ent
weder besass oder benutzte. 3 Schon damals war die Hand-
1 M. G. SS. 2, 526; eine Notiz die sehr an die S. 470 aus Salzburg bei
gebrachte anklingt.
2 Mon. Alcuin. 135. — Ausführlicher im Catalogue des manuscrits des depar-
tements 2, 478.
3 Delisle Cabinet 2, 15.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. III. Hft.
32
500
S iclcel.
schrift am Ende verstümmelt. Nach einem abgeleiteten Codex
zu urtheilen, mag die Briefsammlung in T einst fünfzehn Lagen
meist von acht Halbblättern ausgefüllt haben, von denen jetzt
nur noch die ersten zehn 1 und der zwölfte vorhanden sind.
Durchgehends schrieb eine Hand, die ich mit Rücksicht auf
die fast ganz durchgeführte Distinction gegen das Ende des
9. Jahrhunderts setze; tironische Noten bildet sie nur an einer
Stelle. 2 Diese Zeitbestimmung steht in Einklang damit, dass,
wie sich später ergeben wird, T nicht der Codex archetypus
einer Sammlung ist.
Bereits Dümmler (M. Ale. 138) hat das Verhältniss des
Codex bibl. Vatic. Christinae 272 = N zu T richtig dahin
festgestellt, dass N aus dem damals noch vollständigen T ab
geschrieben ist, also für uns die jetzigen Lücken in T aus
füllt. Dies bestimmt mich bei der Nummerirung der Episteln
in T so vorzugehen, dass ich auch die nur in N erhaltenen
Briefe mitzähle. 3 T ist vor Jaffe noch für keine Ausgabe be
nutzt worden. N lag Duchesne vor, nach dem dann Froben
1 Die erste ist sehr beschädigt. — Keste vom Quaternionenwurm sind noch
f. 15 und 23 sichtbar.
2 Nämlich für salutem f. 71 in Ep. 36, abgebildet in Mon. Alcuin. 256.
3 So ergiebt sich die Reihenfolge: T 1 = Ep. 78, 2 = 96, 3 = 83,
4 = 100, 5 = 103, 6 = 239, 7 = 67, 8 = 99, 9 = 98, 10 = 110,
11 = 114, 12 = 118, 13 = 119, 14 = 111, 15 = 112, 16 = 254,
17 = 198, 18 = 172, 19 = 193, 20 = 205, 21 = 138, 22 = 124,
23 = 170, 24 = 156, 25 = Froben 2, 356, 26 = ib. 357, 27 = 252,
28 = 28, 29 = 23, 30 = 50, 31 = 41, 32 = 88, 33 = 299, 34 =
216, 35 = 256, 36 = 292, 37 = 47, 38 = 43, 39 = 42, 40 = 215,
41 = 211, 42 = 5, 43 = 302, 44 = 279, 45 = 283, 46 = 282, 47 =
293, 48 = 45, 49 = 27, 50 = 35, 51 = 303, 52 = 36, 53 = 294,
54 == 16, 55 = 251, 56 = 105, 57 = 264, 58 = 212, 59 = 200,
60 = 152, 61 = Mon. Carol. 352, 62 = 185, 63 = 32, 64 = 75,
65 = 207, 66 = 109, 67 = 20, 68 = 9, 69 = 93, 70 = 277, 71 =
51, 72 = 52, 73 = 213, 74 = 19, 75 = 2, 76 = 44, 77 = 90, 78 =
128, 79 = 178, 80 = 94, 81 = 129, 82 = Mon. Carol. 353, 83 = ib,
354, 84 = ib. 351, 85 = 95, 86 = 40, 87 = 37, 88 = 46, 89 = 76,
90 = 77, 91 = 54, 92 = 4, 93 = 55, 94 = 53, 95 = 144, 96 = 29
97 = 85, 98 = 34, 99 = 247, 100 = 229, 101 = 149, 102 = 290,
103 = 223, 104 = 71, 105 = 69, 106 = 241, 107 = 116, 108 = 81,
109 = Froben 2, 563, 110 = 154.
Alcuinstudien.
501
die nur in N erhaltenen Briefe Ep. 32, 33, 37, 40, 46, 95
ohne nochmalige Vergleichung der Handschrift abdruckte. 1
Codex musei Britannici King’s 8 E XV = K.
Aus den Katalogen 2 konnte ich nicht mehr entnehmen,
als dass man in England K etwas älter schätzt als Jaffe in
den Mon. Ale. 134. Durch Foltz erfuhr ich dann, dass der
Codex von einer und zwar westfränkischen Hand geschrieben
ist; aus einem Facsimile schloss ich auf einen Schreiber aus
der Zeit Ludwig des Frommen. Dazu passt sehr wohl, was
ich endlich durch Mr. E. M. Thompson über die Geschichte
der Handschrift erfuhr. Auf f. 1 liess sich nach Anwendung
von Reagentien entziffern: 1. ex dono Jo. Bridges, womit
wahrscheinlich der 1618 gestorbene Bischof von Oxford dieses
Namens gemeint ist; 2. einzelne Worte einer hier etwa im
10. Jahrhundert eingetragenen Notitia. Laut derselben schenkt
Megenhardus all sein Eigen in Vinciaco an Adalharius, Odgri-
mus und andere, iniungens eis ut liumiliter oracionem, si eum
supervixerint, deo offerant et sacro altari s. Audomari; Vorbe
halten bleiben dabei gewisse Güter in Vinciacum, ferner Leib
eigne und Vieh ad sacrum altare, ad opus fratrum; Zeugen
sind unter andern Sefridus, Heribertus. Diese Urkundenreste
genügen S. Omer oder Sithiu als Heimath von K erkennen zu
1 Nach der Vorrede erhielt Frohen vom damaligen Präfecten der Vaticana
ein Verzeichniss der in den dortigen Mannscripten befindlichen Werke
Alcuins und im weitern Verlauf auch einige Abschriften. Doch werden
dann in der Ausgabe hei den Briefen nur die Codices Vatic. Christ. 69
und 226 (Frohen 1, 139, und 2, 355) namhaft gemacht, d. h. dieselben
Handschriften, welche Dümmler nach Mon. Alcuin. 138 für die neue
Edition vergleichen liess. — Ich füge hier gleich hinzu, dass ich den
von Frohen 1760 veröffentlichten Conspectus omnium opusculorum Al-
cuini etc., der möglicher Weise bestimmtere Angaben über die ihm bis
dahin bekannt gewordenen Codices enthält, nicht aufzufinden vermochte,
sondern nur den von Klotz in den Acta eruditorum Lipsiensium 1760
S. 233 publicierten Auszug kenne.
2 Casley, Catal. of the MSS. of the Kings library 156. — Hardy, De-
scriptive catalogue of materials relating to the history of Great Bri-
tain 1, 504.
32*
502
Sickel.
lassen *, also ein Kloster, dem seit 820 einer der namhaftesten
Schüler Alcuins Fridugisus Vorstand.
Codex S. G-allensis 271 = G.
Jetzt in einem Einbande des vorigen Jahrhunderts be
steht Gl aus 15 Lagen von zusammen 117 Blättern mit mo
derner Seitenbezeiclmung 1 — 234. Von der ersten Anlage
waren wohl p. 1—32, d. h. zwei Q.uaternionen ausgeschlossen,
da die am untern Rand von p. 49, 97, 113, 125, 141, 189
befindlichen Quaternionenbezeichnungen P, E—H, L auf p. 33
als einst erste Seite hinweisen. Durch alle Lagen hindurch
geht das gleiche Linienschema von anfangs 16, später 17 —19
Zeilen. Das Pergament der Handschrift war vielfach durch
löchert, bald gut bald schlecht gereinigt und geglättet. Schon
diese Beschaffenheit des Materials beeinflusste die Schrift.
Auch die angewandte Tinte war, wie besonders p. 13 ersicht
lich ist, sehr verschieden. Dazu kommt grössere und gerin
gere Sorgfalt beim Schreiben: p. 1 — 32 sind sehr schön ge
schrieben und p. 18—19 bieten Muster der besten Majuskel,
während die Minuskel später minder regelmässig wird und für
Ueberschriften nur noch literae capitales rusticae angewandt
werden. Man kann daher auf den ersten Blick geneigt sein,
mehrere Hände unterscheiden zu wollen. Aber durch den
ganzen Codex ist die Behandlung der Texte und ist beson
ders die Orthographie so gleichmässig und eigenthümlich, dass
nur ein Schreiber denkbar ist. Ich führe dafür eine Reihe
von Beispielen aus den verschiedenen Theilen der Handschrift
an, nach denen sich zugleich die Brauchbarkeit derselben be
messen lassen wird.
1 Vinciacum = Vinchi, d£p. du Nord, arr. de Cambrai, canton de Mar-
coing. Es kommt in der Stiftungsurkunde für S. Omer in Gallia Christ.
13, instr. 110 vor, auch in Mon. G. h. DD. 168, spur. Nr. 50. — Von
den Personennamen, die Mr. Thompson mit Sicherheit entzifferte, finden
sich folgende im Cartulaire de S. Bertin: Odgrinus advocatus p. 88,
anno 839; Heribertus p. 112 sine anno; Megenliardus ist vielleicht =
Megenharius monachus et presbyter, welcher zwei Urkunden von 867
und 875 (ib. 115, 116) schrieb.
Alcainstudien.
503
Dass ein gewisser Werth auf die Correctheit gelegt
wurde, ist unverkennbar: p. 6 wird mit alias am Rande eine
Variante geboten, p. 101 bekundet die Marginalnote require
das Streben den Text zu verbessern, p. 143 wird eine ganze
Zeile nachgetragen; Correcturen von erster und von etwas
jüngerer Hand finden sich fast auf jeder Seite. Schon der
erste Schreiber reiht ausgelassene Worte und Buchstaben über
den Zeilen ein: p. 4 (omni) cubito, p. 11 aposto(lo)rum, p. 21
fu(g)it, p. 31 (h)oste, p. 95 a(li)qui, p. 153 vi(t)a, p. 161 in
(c)elis u. s. w. oder er verbessert in anderer Weise p. 6 con-
spetu in eonspectu, p. 25 orrorem in horrorem oder verschlech
tert wohl auch p. 219 principes in princibes. Für später
geändert halte ich: p. 4 nobilita (te), subversor anstatt supv.,
p. 26 per(pe)tuam, p. 33 accione (letus con)laudem, p. 50
distin(c)te, p. 53 quolibet für quolipet, p. 58 qu(i)a, (si)torpens,
a(n)geli ru(i)na, p. 70 sapiens für sabiens, p. 300 abita(tura),
p. 199 altissima anstatt abtissima etc.
Aber trotz wiederholter Revision ist das Vierfache von
Fehlern stehen geblieben. So p. 4 pluiis (pluviis), p. 11 prin-
tipe (princ.), p. 38 iocu(n)dius, p. 164 b(e)atus, p. 183 ex
radirace (radice), p. 187 be(ne)diccio, ualato (ualeto),
dirigare (dirigere). Dann viele welche eben denselben Schrei
ber erkennen lassen: beatidudo, consuedudo, fortidudo, inquie-
dudo, multidudo auf p. 39, 47, 49, 69, 125 u. s. w., p. 52
Dauit, p. 148 te (de) stercore, p. 184 te te duoque (de te tuo-
que), p. 219 addestante (att.), p. 38 und oft sabiencia, p. 69
strebitus, p. 71 subblementum, p. 188 pouulo (pop.), p. 222
consecraberis (—veris), p. 4 peatus, plandus (b.), p. 133 poni-
tate, p. 176 prespitero, 1 p. 67 und 136 glarissimo (cl.), p. 76
galigo, p. 172 consegrari, aber auch p. 223 cuttur (g.), cunta
für cuncta sehr oft, p. 4 und 46 dilie (dilige), p. 48 ilaris
(hil.), p. 70 oste (hoste), p. 100 herit (erit), p. 93 confersacio
(conv.), regelmässig accio, benediccio u. s. w. Dass aber diese
Orthographie dem Schreiber von Gr eigentümlich ist, lässt
sich erweisen. Einmal findet sich keine Spur davon in dem,
wie wir sehen werden, G zunächst stehenden Codex K. Ferner
1 P statt B setzt ja der Schreiber auch in der .Quaternionenbezeichnung
p. 49.
504
Sickel.
unterscheiden sich die zwei Copien der Ep. 47 in Gr p. 176 bis
179 und 229—230 wohl dadurch, dass in der zweiten weniger
Worte und Buchstaben ausgelassen sind, aber sie weisen beide
die gleichen orthographischen Fehler auf. 1
Ich füge gleich ein Wort über die tironischen Noten in
G hinzu. Nach einer Bemerkung von Pertz (Archiv 5, 509)
erwartet man deren viele. Aber das Vorkommen derselben be
schränkt sich auf drei Stellen. P. 38 (Ep. 78) ist zu dem in
der Zeile ausgeschriebenen Explanat die gleichbedeutende Note
an den Rand gesetzt. 2 P. 93 findet sich ein tironisches.amen.
Endlich steht p. 423 in der Zeile eine jedenfalls nicht correcte
Note, die entschieden mit ua beginnt; also hat wohl, da hier
ein Wort ausgefallen ist, der Schreiber die Lücke mit vacat
oder vacuum andeuten wollen.
Ehe wir aus der Schreibweise Folgerungen ziehen, wird
es gut sein die Geschichte der Handschrift zu verfolgen. 3 Be
kanntlich liegt sie der Canisius’selien Ausgabe von 1601 zu
Grunde, wie auch Baluze auf p. 1 des MS. bemerkt hat: Co
dex vetus epistolarum Alcuini, quo usus est Henrieus Canisius,
optimus. Steph. Baluzius. 4 Anderthalb Jahrhunderte früher
finden wir G im Katalog der Stiftsbibliothek vom J. 1461 ver
zeichnet als G 14. Alcwuini ad Edilhardum ai’chiepiscopum 5
Gehen wir noch weiter zurück, so lässt es sich freilich nur
als Vermuthung aussprechen, dass unser Codex mit inbegriffen
1 Beiden Abschriften ist auch ventibus statt ventis gemein. Dagegen war
in der ersten celo caritatis geschrieben, dann verändert in gelo, bis am
Rande vielleicht nach der zweiten Copie das richtige uelo caritatis nach
getragen wurde.
2 Möglicher Weise jedoch soll es eine Emendation sein: exclamat, wie an
dere MSS. hier lesen. Beide Noten stehen sich sehr nahe und die Note
in G hält die Mitte zwischen beiden Formen.
3 Weidmann, Geschichte der Stifts-Bibliothek von St. Gallen 1841. —
Scherrer, Verzeichniss der Handschriften der Stifts-Bibliothek von St.
Gallen. Halle 1875.
4 Vgl. dessen autographe Unterschriften in Musee des archives nat. 543
und 555.
5 Weidmann 416 aus dem Cod. 1399, also nach der Ueberschrift der ersten
in G eingetragenen Epistel. — Gleiche Bezeichnung von Briefsamm
lungen Alcuins nach der voranstehenden Epistel kommt auch sonst in
mittelalterlichen Bücherverzeichnissen vor.
Alcuinstudien.
505
gewesen sein mag in den duo libelli epistolarum Albini, welche
der älteste Katalog von S. Gallen aufzählt, 1 aber zu ihr fügt
es sich wohl, dass auch die Schrift und noch mehr die Ortho
graphie auf S. Galler Ursprung hinweisen.
Die erstere setze ich um die Mitte des 9. Jahrhunderts.
Ueber die Schreibschule vermag ich nur zu sagen, dass sie
entschieden nicht westfränkisch ist, wohl auch kaum deutsch.
Es wäre in S. Gallen, wo das Material dazu vorhanden ist,
zu untersuchen ob die Schrift übereinstimmt oder doch Ana
logien darbietet mit Codices oder Urkunden, die nachweisbar
von rhätischen Schreibern herrühren. Dieser Gedanke wird
nämlich durch die Orthographie nahe gelegt. Sowohl west
fränkische als deutsche Copisten der betreffenden Zeit sind im
Allgemeinen fest in der schulmässigen Schreibweise, während
bei Männern romanischen und insbesondere rhätoromanischen
Stammes auch dazumal ihre lingua vulgaris einwirkt und
durchschimmert, am meisten in Urkunden, aber auch in Co
dices in der Weise dass sie die Orthographie ihrer Vorlage in
ihrer Art umbilden. Speciell in S. Gallen lassen sich bis
900 Schreiber deutscher Abkunft und Schreiber churwälscher
Herkunft und ladinischer Mundart unterscheiden, und was die
letzteren charakterisirt, findet sich eben auch in G. 2
Aus der Art wie in G die Schlussworte einer Epistel
und die Anfangsworte des nächsten zumeist in eine Zeile zu
sammengedrängt werden, wie aus anderen Merkmalen lässt
1 Cod. s. Galli 728. Abgedruekt im Serapeum 1 (1841), 81 und in Weid
mann 364; die betreffende Stelle W. 392. — Der Katalog muss zur Zeit
Karl des Dicken schon vorhanden gewesen sein, da in ihm oft vermerkt
wird, dass Bücher an diesen oder an seine Gemahlin Richardis ausge
liehen worden sind. Man kann aber füglich mit Weidmann noch weiter
zurückgehen und das Verzeichuiss als vor S72 oder als unter Abt Gri-
■ mald angelegt betrachten, da die von Grimald dem Kloster geschenkten
Bücher (Weidmann 396) noch nicht in demselben erscheinen.
2 Als Beispiele können dienen Wartmann Urkundenbuch Kr. 40, 458, 658,
705. In Nr. 40 von c. 764 und allen andern Urkunden dieses Jahr
hunderts springen allerdings die Verstösse gegen die Regeln der Gram
matik noch mehr ins Auge. Ist es dagegen in dieser Hinsicht mit
Nr. 458 von 858 und den andern besser bestellt, so nicht mit der Ortho
graphie: eben deshalb eignen sie sich am besten zur Vergleichung mit
unserm Codex.
506
Sickel.
sich entnehmen, dass der Schreiber nicht etwa zugleich Sammler
ist, sondern eine fertige Sammlung copirt. Diese Vorlage für
G ist jedoch nicht erhalten oder ist wenigstens noch nicht be
kannt geworden. Dagegen besitzen wir eine G sehr nahe' ver
wandte Handschrift in dem aus Sithiu stammenden K und
beider gemeinsame Quelle mag sich ebenfalls in Westfrancien
befunden haben, mit dessen Klöstern auch S. Gallen im 9. Jahr
hundert in Bücheraustausch stand. 1
Beide Handschriften bieten uns durchweg dieselben Epi
steln und auch in gleicher Ordnung; 2 nur hndet sich Ep. 47
zweimal in G eingetragen. Noch mehr zeugt für die Ver
wandtschaft dass in K und G viele Briefe gleich verkürzt er
scheinen , wie bereits in der neuen Ausgabe hervorgehoben
worden ist. :i Die Differenzen zwischen beiden MSS. sind weder
zahlreich noch bedeutend 1 und laufen meist darauf hinaus,
dass bald dieser bald jener Codex ein oder mehrere Worte
auslässt; 5 es kann also nicht der eine direct aus dem andern
abgeleitet werden, sondern beide sind, wie ich schon sagte, auf
eine gemeinsame Vorlage zurückzuführen, die ich fortan fKG
nennen will.
Codex musei Britannici Tiberius A 15 = A.
Der ganze Codex ist mit Ausnahme eines Index von der
Hand eines Angelsachsen geschrieben, wie ich nach einem
1 Vgl. die von Scherrer 144 mitgetheilten Notizen des eod. S. Gail. 446.
2 Canisius hat aus Versehen die Ueberschrift von Ep. 216 in G (Ad bon-
tificera Ricbodum Treverensis civitatis conomento) als Ep. 17 gezählt
und dann den Text als Ep. 18 folgen lassen. Indem ich diesen Fehler
vermeide und das nächste Stück des MS. (Ep. 215) als G 18 bezeichne,
bleibt von da an meine Zählung um 1 hinter der von Canisius beliebten
und aus Mon. Alcuin. 140 ersichtlichen zurück. — Ich bemerke gleich
hier, dass Foltz die Jaffc’sclie Collation von K als genau bezeichnet.
Aber offenbar hat Jaffc nicht alle Briefe dieses Codex verglichen, so
nicht Ep. 23, 27, 212, 286, so dass auch ich nicht in allen Punkten das
Verhältniss zwischen K und G teststellen kann.
3 Vgl. Ep. 36, 83 90, 93, 100 u. s. w.
4 Die stärkste, dabei sehr erklärliche Abweichung findet sich im Eingang
von Ep. 129; s. Mon. Ale. 515.
5 Da es genügt nachzuweisen, dass der jüngere G nicht direct nach dem
älteren K geschrieben ist, beschränke ich mich anzuführen, dass in G
Alcuinstudien.
507
Facsimile schätze, im 11. Jahrhundert. 1 Das jetzt erste sehr
beschädigte Blatt gehört offenbar nicht an diese Stelle: nach
den wenigen Worten, die Foltz auf f. 1 zu entziffern ver
mochte, hat hier ein Brief an Hygbaldus von Lindisfarne ge
standen. 2 Wir zählen somit Blätter und Briefe besser vom
nächsten Blatte an, wo auch die jüngere Copie 0 (Mon. Alcuin.
134) einsetzt. 3
folgende K fehlende Worte stehen: hec sunt seinite (M. Ale. 385), frau-
dulenta (40s), orantes — dileetissimi (630), eum — diligamus (712), et
non mortis (865).
1 Nach Mon. Alcuin. 134 setzte Jaffe die Schrift in das 12. Jahrhundert.
Doch gibt auch schon Hardy Deseriptive catalogue 1, 504 saec. XI an.
Endlich setzt Stubbs, der A für frühere Publicationen und namentlich
jetzt für Memorials of S. Dunstan (London 1874) ausgebeutet und gründ
lich untersucht hat, denselben in den Beginn des 11. Jahrhunderts. Er
handelt ausführlich vom Zustande der Handschrift in den Memorials, In-
troduction 22 und 54.
2 Im Verbrüderungsbuch von S. Peter stehn col. 47 unter den episcopi vel
abbates defuncti nebeneinander: Albinus abbas, Hrgbaldus (wie Karajan las)
episcopus (von der Hand b, die von 782 bis 807 vorkommt), Wizo pres-
byter (Hand a 780—810). Albinus und Wizo hat schon Büdinger Oesterr.
Geschichte 150 richtig gedeutet. Der Dritte in diesem Bunde ist offen
bar Hygbaldus, wie zu lesen ist, der 803 gestorbene Bischof und Abt
von Lindisfarne.
3 A 1 = Ep. 286, 2 = 287, 3 = 272, 4 = 14, 5 = 16, 6 = 280,
7 = 13, 8 = 18, 9 = 17, 10 == 11, 11 ad ducem et uxorem eius in
Francia (noch nicht entziffert), 12 = 1, 13 = 303, 14 = 6, 15 = 89,
16 = 255, 17 = 288, 18 = 215, 19 = 211, 20 = 293, 21 = 43,
22 = 45, 23 = 41, 24 = 256, 25 = 23, 26 = 27, 27 = 24, 28 = 88,
29 = 22, 30 = 42, 31 = 35, 32 = 108, 33 = 225, 34 = 276, 35 =
271, 36 = 149, 37 Brief von Aichfrid an Kiglac lector (so in A; da
gegen im Codex V Alcheridus anachorita an Higlac lector et presbyter,
noch unedirt; nach gütigen Mittheilungen von Stubbs und Pauli gehört
Higlac von Lindisfarne in das achte Jahrhundert), 38 Papst Sergius an
Abt Ceolfrid (Haddan and Stubbs, Councils 3, 248 aus A), 39 P. Paul
an Bischof Ecgberth (ib. 395 aus V), 40 = Ale. Ep. 72, 41 = 36,
42 = 73, 43 = 131, 44 = 304, 45 = 3, 46 = 25, 47 Ecgred an Erz
bischof Wulfsig (Haddan and Stubbs 3, 615 aus A), 48 = Ale. Ep. 228,
49 = 132, 50 = 74, 51 = 241, 52 = 28, 53 = 78, 54 = 114, 55 =
111, 56 = 112, 57 = 119, 58 = 93, 59 Karl an Nieephorus (Mon.
Carol. 4, 393), 60 = Ale. Ep. 83, 61 = 100, 62 = 239, 63 = 98,
64 = 110, 65 = 216, 66 = 90, 67 = 34, 68 = 75, 69 = 128, 70 =
277, 71 = 51, 72 = 32, 73 = 15, 74 = 212, 75 = 200, 76 = 109,
77 = 283, 78 = 282, 79 = 292, 80 = 20, 81 = 19, 82 = 9, 83 =
508
Sicke 1.
Nach A 51 folgt f. 67 ein Inhaltsverzeichnisse das die
Briefe A 52—107 umfasst, von anderer aber gleichzeitiger
Hand begonnen, dann von dritter etwas jüngerer Hand fort
gesetzt. A weist vielfache Correcturen auf und zwar an den
selben Stellen an denen auch Codex V solche hat.
Ueber den Zustand und die bisherige Benutzung eines
Codex, den man nicht selbst gesehen hat, zu reden ist eine
missliche Aufgabe; aber ich kann ihr doch nicht aus dem
Wege gehen. Bekanntlich ist A im J. 1731 durch Feuer so
beschädigt, dass die Handschrift im Catalogue of the M'SS. in
the Cottonian library 617 als kaum noch lesbar bezeichnet
wurde. Es ist nun Jaffe’s unbestreitbares Verdienst, dass er
doch noch einen Theil zu entziffern versucht und verstanden
hat, nämlich die Briefe von A 75 an; soweit es ihm nicht
möglich war, bediente er sich der Abschrift 0, von der es in
Mon. Alcuin. 134 heisst: continet apographa eodicis A. Das
ist aber nur zum Theil richtig, denn der Schreiber von 0 hat
neben A mindestens noch V benutzt. 0 kann also keinen
vollkommenen Ersatz bieten, und für eine neue Edition wird
doch noch A in seinem ganzen Umfange mit allem Aufwand
von Mitteln und Mühe verglichen werden müssen, um so mehr
da gewisse Theilsammlungen und gewisse Briefe in keiner
andern Handschrift so vollständig und so correct erhalten zu
sein scheinen wie in A. Um dazu aufzufordern und zu er-
muthigen 1 will ich nach Foltz, der nur einige Stichproben vor
nehmen konnte, wenigstens an zwei Fällen zeigen, wie viel
sich noch aus A gewinnen lassen wird.
Ep. 11 nach A (S. 162 6 ): Et si nomen Paulini mei non
in cera quae deleri potest (scripsi), 2 sed in anima quae perire
47, 84 = 2, 85 = 44, 86 = 178, 87 = 54, 88 = 4, 89 = 251, 90 =
207, 91 = 5, 92 = 55, 93 = 105, 94 = 152, 95 = 279, 96 = 185,
97 = 52, 98 = 94, 99 = 56, 100 = 53, 101 = 288, 102 = 129,
103 =r 302, 104 = 248, 105 = 171, 106 = 219, 107 = 85, 108 =
190, 109 = 220, 110 = 297, 111 = 87, 112 = 61, 113 = 218, 114 =
58, 115 = 79, 116 = 229, 117 = 38, 118 = 39, 119 = 298, 120 =
305, 121 = 246, 122 = 306, 123 = 221, 124 = 60, 125 = 57. —
Die weiter in A folgenden Stücke gehören nicht mehr zur Collection der
Alcuinbriefe.
1 Auch Stubbs hält die Mühe für nicht aussichtslos.
2 Fehlt in A, muss aber aus V ergänzt werden.
Alcuinstudien.
509
non potest, ut non fit, quae utinam deo donante et te interce-
dente beata sit, sicut et illam assidue beatam esse optat qui
amat: ne queso obliviscaris etc. (S. 163 t ): quo elementa pa-
nis et vini in substantiam sanctissimi corporis Christi et san
guinis consecraveris etc.
Ep. 215 (S. 711 u ): ad videndum. Rogo, si Samuel libel-
lum excerptionis in Johannis evangelium habeat perscriptum, ut
dirigas nobis, et vasa ad missarum sollemnia, si adhuc parata
sint. Si de meo requiris itinere, obviam domino regi vadam;
per quam viam nescio, quia illius ignoro egressionem de Sa
xonia vel biennalem mansionem. 1
Die in T enthaltenen Briefsammlungen.
Bei der Betrachtung des ersten Theils von T springt in
die Augen, dass in T 1—24 ausschliesslich Briefe Alcuins an
Karl zusammengestellt sind. Zu solcher Sammlung können
1 Vgl. dazu Ep. 35 und 89. — Zwei von Jaffe aus dem Codex A mitge-
tlieilte Ueberschriften geben mir noch Anlass zu einer Bemerkung.
Ep. 1 soll gerichtet sein ad Pulehardum abbatem Hoddalielmi; Ep. 288
ad Dogpuleum. Das sind entschiedene Lesefehler; ob von Jaffe oder vom
Schreiber des Codex, kann ich nicht entscheiden. An beiden Stellen ist
nämlich der angelsächsische Buchstabe für AV verkannt und durch P
wiedergegeben. Ferner ist statt F gelesen worden E; offenbar ist hier
in der Vorlage Majuskel angewandt, in der sich beide Buchstaben ähn
lich sehen (vgl. in der Anmerkung auf S. 507 bei A 37 Alchfrid und
Alcheridus), Ohne AVeiteres verbessereich also in obigenUeberschriften:
Wulfhardum, Dogwulfum. — Wer ist nun der Adressat von Ep. 1?
Gleich Wattenbach (Mon. Alcuin. 903) verwerfe ich, was Jaffe zu die
sem Briefe bemerkt, und ich suche den Adressaten nicht in Tours, son
dern in England. E. Pauli, an den ich mich deshalb wandte, wies mir
denn auch unter den Zeitgenossen Alcuins einen britischen Geistlichen
dieses Namens nach. In den Unterschriften eines Synodalbeschlusses
vom J. 789 (Hadden and Stubbs, Councils 3, 465) befindet sich ein W,
allerdings ohne Titel, aber nach Aebten und vor Presbytern, so dass man
diesen AV. als Abt betrachten darf. Später (800—8221 erscheint ein W.
als Bischof von Hereford (Stubbs Kegistrum sacrum Anglicanum 171).
Dieser Abt und Bischof wird es sein, an den Alcuin die Ep. 1 richtet.
Ein Kloster Hoddahelm kennen allerdings weder Pauli noch der von
ihm zu Eathe gezogene Stubbs. Es lohnt sich also, noch einmal im
Codex A naehzusehen, ob da wirklich Hoddahelmi steht.
510
Sickel.
aber auch noch T 25 und 26 gerechnet werden, Stücke com-
putistischen Inhalts, welche Ducliesne aus N als Nr. 25 und
26 seiner Ausgabe aufnahm, Frohen dagegen, indem er den
Test seines Vorgängers wiederholte, aus den Briefen ausschied
und unter die opuscula (2, 356—357) setzte. Es wird gleich
hier nothwendig, diese und zwei andere im Codex bibl. Vatic.
Christinae 226 überlieferte computistische Schriftchen am
rechten Orte einzureihen.
Zu Alcuins Worten in Ep. 111: direxi excellentiae ve-
strae stamen quarundam supputationum de solis lunaeque per sig-
niferum cursu, bemerkt Froben 1, 125 richtig, dass das scriptum
de solis per signiferum cursu in Ep. 99 (Fr. Ep. 68) enthalten
sei; wenn er aber hinzufügt, dass das scriptum de lunae cursu
zu Ep. 103 (Fr. Ep. 70) gehöre, so ist das mindestens noch
zweideutig. In Ep. 103 ertheilt nämlich Alcuin auf eine an
ihn gerichtete Frage so gut als er es eben vermag Antwort;
um sich verständlich zu machen, legt er eine uns nicht erhal
tene figurae formula bei und beruft sich zugleich auf eine frü
here Zuschrift an Karl, welche behandelt habe signorum par-
titiones per horas et quomodo convenirent novem horae lunares
quinque diebus solaribus. Froben lässt uns also noch in
Zweifel, ob er bei der zu Ep. 103 gehörigen Schrift an die
figurae formula oder an die alia vobis directa epistola denkt.
Die neuesten Herausgeber dagegen nahmen an, dass die Zeich
nung und der Brief verloren seien. Letzterer ist aber, wie der
Zusammenhang lehrt, in T 25, 26 erhalten. Nur gehören die
von Duchesne getrennten Stücke, wie schon Froben vermuthete,
zusammen und sind besser umzustellen: Luna quippe veloci-
tate — XXXI ostentis; luna verbi gratia — invenimus agen-
dum esse. Ferner ist auch die Aufschrift in den Ausgaben 1
zu emendiren, denn Ratio de luna XV gibt keinen Sinn und
muss ersetzt werden etwa durch Ratio de lunae per signiferum
cursu. — Ich knüpfe daran gleich an, was zu den beiden an
dern Abhandlungen Alcuins De saltu lunae (Froben 2, 358)
und De bissexto (ib. 365) zu bemerken ist. Zu den Worten der
Ep. 98: has vero lunaris saltus supputationes, quas in alterius
1 Wie die Handschriften T und N lesen, weiss ich nicht.
Alcuinstudien.
511
cartulae distinctu notavi, verweist Jaffe auf den ganzen Com-
plex der computistischen Schriften in Fr. 2, 356—368. Gemeint
ist aber nur De saltu lunae. Dagegen findet sich ein Hinweis
auf De bissexto in Ep. 111: quod mea olim devotio de bis
sexto paucis inchoavit ratiunculis etc. Alle drei Tractate bilden
also gewissermassen Beilagen zur Correspondenz zwischen Al-
cuin und Karl.
Zu Codex T zurückkehrend glaube ich auch noch T 27 =
Ep. 252 ad Angilbertum zum ersten Theile oder zur ersten
Briefcollection in T rechnen zu müssen. Einmal weil T 28 =
Ep. 28 in mehreren Handschriften als Kopf einer besondern
Sammlung erscheint, dann weil T 27 zwar an Angilbert adres-
sirt, dem Inhalte nach jedoch Antwort auf eine in Karls Auf
träge von Angilbert gestellte Frage ist, folglich mit zur Corre
spondenz zwischen Alcuin und dem König gehört. — Zunächst
drängt sich hier der Gedanke auf, dass wir in T 1—27 eine
bei Hofe entstandene officielle Sammlung vor uns haben. Aber
wie sollen wir dann die Lücken in derselben erklären? Es
fehlen nämlich manche in dieselbe Zeit fallende Briefe Alcuins
an Karl, namentlich die theologischen Inhalts wie Ep. 142,
143, 191 u. a. Ich möchte daher eher einen dem Hofe nahe
stehenden, in alle Geheimnisse eingeweihten, aber doch eigenen
Neigungen folgenden Mann als Sammler betrachten.' Dabei ist
Ep. 118 als durchaus confidentiellen Charakters und gewiss
nur den vornehmsten Rathgebern des Königs mitgetheilt zu
beachten. Auf ein lebhaftes Interesse für Fragen der Astro
nomie und Zeitrechnung muss man daraus schliessen, dass die
von ihnen handelnden Briefe fast vollständig (es fehlt nur
Ep. 97 von Karl an Alcuin, d. h. die Antwort auf Ep. 96) in
die Collection Aufnahme gefunden haben. Will man nun zu
nächst auf gut Glück auf eine bestimmte Person bei Hofe
rathen, so darf wohl Angilbert um so mehr als der Veran
stalter dieser Sammlung in Vorschlag gebracht werden, da das
letzte Stück eben an ihn adressirt ist.
Weitern Aufschluss erhalten wir, wenn wir die Verbrei
tung der Briefe von T' (so will ich fortan T 1—27 bezeichnen)
in von T unabhängigen Handschriften ins Auge fassen. Zu
nächst kommt da der Codex Londoniensis Lambeth 218 angel-
512
Sick el.
sächsischer Schrift aus dem 11. Jahrhundert in Betracht. 1 Er
enthält f. 131'—208' neunzehn Alcuinbriefe. Einerseits schei
nen aber Blätter ausgefallen zu sein, andererseits sind f. 201 bis
207 Stücke andern Inhalts eingeschoben. Vom ersten hier
copirten Brief Ep. 103 fehlt der Eingang, vom vorletzten Ep.
124 der Schluss. Da nun die jetzt auf f. 131—200' vorhan
denen Briefe L 1—18 genau T 5—22 entsprechen, so ist es
wahrscheinlich dass L einst die vollständige Collection T’ ent
halten hat. Es folgt dann als L 19 f. 207—208' noch die
Ep. 245 an den Prinzen Karl, die sonst nur noch in H be
gegnet. Vergleichen wir nun die Texte von L und von T, so
wird klar dass L nicht aus T schöpft, sondern auf eine mit
T gemeinsame Quelle fT zurückzuführen ist. Den schlagend
sten Beleg liefern die Ep. 110 und 114, die in L mit der
allen andern Manuscripten fehlenden Inscription auftreten.
Aber der Schreiber von L lässt gleichfalls Worte aus, die
nach T zu urtheilen in fT gestanden haben, z. B. in Ep. 114
S. 465 Note ff.
Vom Codex Paris. 5577 = P, der sich hier ebenfalls
mit T berührt, habe ich erst die Beschreibung nachzuholen.' 2
Der Einband zeigt Wappen und Monogramm von Jean Bap-
tiste Colbert, 3 in dessen Bibliothek P nach einer f. 18 von
Baluze eingetragenen Notiz 1676 kam, offenbar durch Colberts
Bruder Nicolas, der seit 1661 Bischof von Lupon war. Denn
liier befand sich seit vielen Jahrhunderten die Handschrift laut
der auf f. 3 (erstes Blatt des alten Codex) eingetragenen Be
merkung: hic über est beatae Mariae Lucionensis. — F. 3 bis
18 sind, wie mir. scheint, von einem Schreiber um 900, der
Urkunden zu schreiben gewohnt war. 4 Es folgt eine zweite
> Mon. Ale. 135. — Mir stehen einige weitere Angaben über den Codex
zu Gebote, aber sie genügen mir nicht; es bedarf noch eingehender
Untersuchung der Handschrift.
2 Mon. Alcuin. 135. — Catalogus bibl. regiae 4, 134, wo die Handschrift
(olim Colbert. 4167) in das 10. Jahrhundert gesetzt wird.
3 Vgl. Delisle, Cabinet 1, 446.
4 Hier steht unter andern das Capitul. pro pago Cenomannico (Mon. G. li.
LL. 1, 82), dann die Verse, die Baluze, Miseell. 4, 550, und nach ihm
Froben 2, 456 veröffentlicht haben. In der Verszeile: Et princeps Ka
rolus ist dieser Name als Monogramm, jedoch ohne Vollziehungsstrieh
geschrieben.
Alcuinstudien.
513
Hand, die f. 19 ein Inhalts verzeichn iss vorausschickt, dann
f. 20 — 133 fünfzehn Briefe und einige Alcuinische Streitschriften
einträgt; sie gehört der Zeit um 900 an. 1 Aus den weitern
Theilen von andern Schreibern will ich nur die Epistola Fre-
digysi hervorheben. Schon der Entstehungszeit nach müssen
wir den Codex als einen abgeleiteten betrachten und insbe
sondere den Theil mit den Briefen. Aber so mannigfaltig der
Inhalt ist, so bestehen doch zwischen den einzelnen Stücken
allerlei Beziehungen, so dass wahrscheinlich P Copie einer
Handschrift gleichen Inhalts ist. Dieser weist auf einen theo
logisch gebildeten Hofgenossen hin. Das gilt auch von dem
Theil, der uns hier am meisten beschäftigen muss. Zuerst
finden wir da als P 1 u. 2 die Ep. 115, 140, dann die in
letzterem Brief erwähnten libelli, ferner die Ep. 141, 240, 243,
118. Indem zwischen f. 116 und 117 Blätter ausgefallen sind,
erhalten wir von der nächstfolgenden Ep. 154 nur den Schluss.
Von P 8—14 auf f. 117'—131' ist besonders zu reden. Der
letzte Brief f. 131'—133 ist von Gisla und Rodtruda. an Alcuin
geschrieben (Ep. 137). — P 8 — 11 sind nämlich Ep. 119, 111,
112, 254, also = T 13-16; P 12—14 sind Ep. 110, 114,
118 = T 10—12. Obgleich hier eine Verschiebung stattge-
funden, constatiren wir somit, dass in P die Briefe T 10—16
aus fT übergegangen sind. 2
Drittens haben wir mit T die Handschriften KG zu ver
gleichen. Letztere kennen nur die fünfzehn ersten Briefe von
T' und lassen auch da noch aus T 2, 5, 7, 8, 12 = Ep. 96,
103, 67, 99, 118, also drei Briefe astronomisch-computistischen
Inhalts, einen welcher die Unterwerfung und Behandlung der
Avaren betrifft und jene ganz vertrauliche Ep. 118. Für die
Nichtaufnahme dieser fünf Briefe können zwei Momente mass
gebend gewesen sein : die Geheimhaltung des einen und der nicht
Jedermann interessirende Inhalt der andern. Wichtiger ist der
1 Besonders um der Gestalt der vielfach angewandten Uneialbuehstaben
willen kann ich diese Schrift nicht für älter halten.
2 Auch in P fehlen den Ep. 110 u. 114 die Adressen. — Das Distichon,
das Jafte an den Kopf von Ep. 110 gesetzt hat, erscheint in P als noch
zur vorausgegangenen Ep. 254 gehörig. Es scheint da auch besser am
Platze; aber ich wüsste nicht zu erklären, wie es in T mit anderer
Reihenfolge gerade zu Ep. 110 gekommen sein sollte.
514
9 ick el.
andere Umstand, dass sielt zwischen der einen mehr und der
andern minder verbreiteten Hälfte der Briefe von T' eine Zeit
grenze ziehen lässt. Doch ist hier noch zu beachten, dass,
während die Briefe in KG nur bis T 15 reichen, der Codex
P noch T 16 kennt; also sind nur T 17—27 von der weitern
Verbreitung ausgeschlossen, der Abschnitt ist zwischen T 16
und T 17 zu machen und T 16 ist als das sechste Stück zu
betrachten, das die Veranstalter der Collection in KG bei
sonstiger Benutzung der Gruppe T 1—16 ausgelassen haben.
In dieser letzten Gruppe, die ich fortan die Sammlung ■{ nennen
will, ist T 13 = Ep. 119 das jüngste Stück, nämlich vom
August 799. 1 Das älteste Stück der zweiten Gruppe dagegen
(Ep. 124) fällt in den October oder November 799. Daraus
folgere ich, dass eine erste Zusammenstellung der Briefe Alcuins
an Karl nach dem August 799 stattgefunden, bald, wenn auch
mit Einschränkungen, Verbreitung gefunden hat und speciell
in die Codices übergegangen ist, aus denen PKG schöpfen,
dass dann in den nächsten Jahren die Sammlung y um Briefe
vom Herbst 799 an und um einige frühere, aber bei der ersten
Zusammenstellung nicht berücksichtigte Stücke, nämlich T 25,
26 und eventuell auch Ep. 252, vermehrt worden, in der er
weiterten Gestalt aber nur in den Codices T und L über
liefert ist.
1 Die Beweisführung- für diese Datirung- bleibt, wie ich schon sagte, einer
der folgenden Abhandlungen Vorbehalten. Aber eine Erklärung will ich
mit Rücksicht auf diese specielle Serie von Briefen gleich hier abgeben.
Für die Episteln T. 1—6, 7—15 vermag ich die Abfassungszeit bis auf
den Monat zu berechnen. Nicht so für T 6, 10 = Ep. 239, 254. Bei
diesen halte ich, da der Inhalt dem nicht im Wege steht, die Stellung
derselben in den Handschriften oder genauer ausgedrückt in den Theil-
sammlungen für massgebend, wie das ja auch Diimmler (s. S. 903 zu
Ep. 29) vereinzelt geltend gemacht hat, und reihe Ep. 239 u. 254 inner
halb der Zeitgrenzen ein, welche durch die chronologisch bestimmbaren
Briefe dieser Gruppe gegeben werden. — Indem ich die Daten vieler
Briefe anders berechne als Jaffe und indem ich zahlreiche Briefe, die
auch in der neuen Ausgabe ohne alle andere Zeitbestimmung als die aus
der Lebensdauer Alcuins gewonnene geblieben sind, nach ihrer Zuge
hörigkeit zu dieser oder jener Sammlung einem bestimmten Zeiträume zu
weise, wird die Vertheilung auf die Lebensperioden Alcuins eine andere,
als man bisher annahm (s. Wattenbach G. Q. 1, 125).
Alcuinstudien.
515
Von T 28 beginnt entschieden eine neue Sammlung, daran
kenntlich dass fast alle bis T 50 reichende Briefe auch in den
Handschriftengruppen Z, KG, A Vorkommen, dann die nach
T 50 folgenden wenigstens in K G und A. Bis in das Detail
lässt sich das Verhältniss hier allerdings noch nicht darlegen.
Aber einige vorläufige Bemerkungen muss ich um des Ganges
der Untersuchung willen gleich anbringen. Die unverkenn
bare Verwandtschaft zwischen T" und, um uns an einen Codex
zu halten, K schliesst nicht aus, dass die Handschrift von Troyes
in T 30, 33, 38, 39, 48, 57, 61, 73 ein Plus von Briefen vor
K voraus hat, darunter wieder einen Brief Karls (Mon. Carol.
352) und zwei Briefe von Alcuin an Remedius (Ep. 213, 264),
d. h. Schreiben die nicht zu Jedermanns Kenntniss gelangen
mochten. Ich komme darauf gleich zurück. Die Frage ist nun,
wie weit T" reicht. Die Gemeinsamkeit des Inhalts von T
und K geht nämlich bis T 81 und umfasst dann noch T 91 bis
94, während die Briefe T 82—90 dieser Handschrift eigen-
thümlich sind. Dabei gilt auch von letztem Briefen, dass sie
mehr und minder vertraulicheren Charakters sind; es finden
sich da nämlich drei Schreiben von Karl an Angilbert, je einer
von Karl an Leo III. und Offa u. s. w., so dass es mehr als
Zufall erscheint und wieder auf besondere Stellung des ur
sprünglichen Besitzers des Codex archetypus von T hinweist,
dass T um diese Stücke reicher ist als der sonst am nächsten
stehende Codex K. Dabei möchte ich die Stellung, welche
die betreffenden Briefe in T und wahrscheinlich ebenso in fT
einnehmen, auf ähnliche äussere Umstände zurückführen, wie
wir sie als massgebend für die Einschaltung gewisser Briefe in
die Collection Z' (S. 488) kennen gelernt haben. Die Briefe
T 82—90 können nämlich ihrem Umfange nach gerade einen
Quaternio in T oder fT ausgefüllt haben, der ursprünglich den
T 91—94 enthaltenden Blättern nachgefolgt sein mag, dann aber
durch Verschiebung vor dieselben zu stehen gekommen ist.
Und dass in den früheren Lagen von T acht Briefe einge
schoben sind in die T und K gemeinsame Serie, kann eben
falls daher kommen, dass sie in einem Exemplar dieser gemein
samen Sammlung auf leer gebliebene Blätter nachgetragen sind.
Somit nehme ich auch für die Entstehung von T" zwei Stadien
an: erst ist eine Sammlung, die am vollständigsten in K wieder-
Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. LXXIX. Bel. III. Hft. 33
51G
Si ekel.
kehrt, abgeschrieben worden; dann ist diese um die acht an
verschiedenen Stellen eingefügten Briefe und um die zusammen
hängende Gruppe der Briefe T 82—90 vermehrt worden. Diese
Erweiterung hat aber nicht erst im Codex T statfgefunden,
sondern bereits in fT. Die so entstandene grössere Sammlung
T" reicht also bis T 94 inclusive.
Bleiben uns also für einen dritten Theil von T (T'") die
Nummern T 95—110, so spricht für die Richtigkeit dieser Ein-
theilung, dass gerade von T 95 an die Verwandtschaft von T
mit einer andern Handschrift, mit dem Codex archctypus II
anhebt. Dieses T'" enthält nur Alcuinbriefe, mit Ausnahme
von T 109, Brief eines Unbekannten über die zwischen Karl
und Alcuin discutirte Frage de septuagesima, 1 dessen Auf
nahme in die Collection wiederum ein Interesse des Sammlers
für den computus ecclesiasticus bekundet. Von den Alcuin-
briefen in T"' sind sieben auch in andern Handschriften (so
vier auch in K) nachweisbar, die Gesammtheit derselben da
gegen findet sich nur in II und zwar mit Ausschluss des nicht
von Alcuin verfassten T 109. Dabei fällt auf dass die Briefe
T 95 — 108 und 110 in H vertheilt sind, aber doch genau die
selbe Reihenfolge inne halten; es ist nämlich Hl = T 95,
II 5 = T 98, II 18 = T 99, II 61—63 = T 103—105, II 99 =
T 110. Den innigen Zusammenhang zwischen fT (denn von
T als viel jüngerem Codex kann da nicht die Rede sein) und
II bekundet vollends, dass in beiden die Ep. 29 u. 85 durch
Auslassung des Eingangs der letztem in gleicher Weise zu
sammengezogen sind. 2 Dieses Verhältniss kann auf den ersten
Blick um so mehr überraschen, da keines der Stücke T 1—94
in II vorkommt. Aber wir erinnern uns hier, dass auch aus
andern Gründen (S. 498) H nur als Theil einer grösseren
Sammlung, als ein Nachleseband erscheint. Wahrscheinlich be-
sass Adalhard bereits einen mit fT 1—94 übereinstimmenden
* Duehesne S. 1656 aus N = Frohen 2, 563. — Vgl. Ep. 96 u. 97.
2 Mon. Alcuin. 366 und 367 Note b. Allerdings ist da nur N erwähnt, aber
schon in T und fT muss der gleiche Fehler gemacht worden sein.
Uobrigens habe ich bei der Zählung der Stücke in den Mannscripten
beide Briefe auseinander gehalten und demnach H 1 = T 96 = Ep. 144,
H 2 -)- 3 = T 96 —[— 97 = Ep. 29 und S5 angesetzt.
Alcuinstudien.
517
Codex, 1 so dass er nur die in fT'" gebotene Fortsetzung in
die Nachtragshandschrift H aufnehmen Hess. Weshalb ich nicht
umgekehrt eine Vervollständigung der T-Sammlung durch Be
nutzung von H annehme, liegt auf der Hand. Für die Vor
aussetzung, dass der Besitzer von fT ähnlich wie der Abt von
Corbie noch weitere Bände mit Alcuinbriefen besessen habe,
bietet sich gar kein Anhaltspunkt dar. Warum sollte er dann
aus der inhaltsreichen Handschrift H nur so wenige Stücke in
seine Sammlung nachgetragen haben? Weshalb sollte er zwei
Briefe an Karl und je einen an Arno und an Adalhard aufge
nommen und viele an dieselben Personen gerichtete ausgelassen
haben? Auch das zeitliche Verhältniss zwischen H als erst
nach 814 für Adalhard geschriebenen Codex archetypus und
der Sammlung fT, welche, wenn sie von Angilbert angeregt
sein soll, vor 814 entstanden sein muss, kommt da in Betracht.
Ich nehme also an, dass fT oder wenigstens fT"' von St. Ri-
quier aus nach Corbie oder an Adalhard mitgetheilt worden
sei. Damit erklären sich alle Beziehungen zwischen den be
treffenden Handschriften und insbesondere auch, um dies noch
nachzuholen, die Ueberlieferung der Ep. 116. Alcuin richtete
diesen Brief an Adalhard, aber mit der unverkennbaren Ab
sicht durch diesen noch ein Mal, wie er es schon zuvor ver
sucht hatte, auf Angilbert wirken zu lassen. 2 Dies Schreiben
wird also von Adalhard Angilbert zugesandt worden sein; so
wurde es zunächst in St. Riquier als T 107 in die dortige
Sammlung aufgenommen und kam erst mit dieser Sammlung
an Adalhard zurück und in dessen Codex H.
Die in A enthaltenen Briefsammlungen.
Schon eine oberflächliche Betrachtung lässt die Alcuiu-
briefe in A als in drei Hauptgruppen zerfallend erscheinen. 3
Die erste reicht bis dahin, wo das Inhaltsverzeichniss für die
1 Eben diess bestärkt mich in der Annahme, dass das Plus von Briefen
in T" im Vergleich mit K schon in fT vorhanden war.
2 Olim tibi de bis scripsi, optans salutem karissiini filii (d. i. Angilberts)
toto cordis affcctu; volens per te fieri quod per me non posse fieri agnovi.
3 Von dem allerletzten Tlieile der Handschrift, welcher die Briefe aus der
Zeit Dunstans enthält (s, Stubbs, Memorials of S. Dunstan) sehe ich hier
ganz ab.
33*
518
Sic kel.
folgenden (Ep. 52 sequ.) einsetzt; ich nenne sie A. Dann
kommt eine Reihe von Briefen, die mit der Collection in K G
parallel läuft, nur mit dem Unterschiede dass die schon zuvor
in A' aufgenommenen Briefe der Handschriften K G in A"
nicht wiederholt worden sind. Es sind also A 52 = KG 1,
A 53—64 = KG 3—14, A 65 = KG 17, indem die Briefe
KG 2, 15, 16 bereits in A' als A 25, 23, 28 Vorkommen.
Dies A" endet mit A 103 = KG 67. Indem aber das In-
haltsverzeichniss über diese Nummer hinausgeht, war schon
vor dessen Anfertigung A" mit A'" verbunden, d. h. mit einer
Sammlung, die wir vorläufig um der an der Spitze stehenden
Briefe willen als auf Canterbury hinweisend betrachten können.
Für A' will ich sogleich die Nothwendigkeit einer wei
tern Scheidung betonen, und zwar will ich zuerst die Mittel
gruppe A 18—31 herausgreifen. Sie wird nämlich dadurch ge
kennzeichnet, dass fast sämmtliche Briefe derselben in den
drei Handschriftengruppen K, T, Z wiederkehren. Das Verhält-
niss der Verbreitung ist dieses: A 18—20, 24—26, 28, 31
(= Ep. 215, 211, 293, 256, 23, 27, 88, 35) kommen auch in
K, T, Z vor; überdies in K, T noch A 23 (Ep. 41), in T, Z
noch A 22, 30 (Ep. 45, 42), in T noch A 21 (Ep. 43), in Z
noch A 27 (Ep. 24), so dass nur A 29 (Ep. 22) dem Codex A
allein angehört. 1 Allerdings lässt sich nun bei dieser und bei
andern Theilsammlungen der ursprüngliche Umfang nicht mit
aller Bestimmtheit feststellen. So sind betreffs der Epistel
A 29 die zwei Fälle denkbar: entweder stand sie von Anbe
ginn in Verbindung mit den übrigen Stücken der Mittelgruppe
von A' 2 und wurde von den Schreibern der Codices K, T, Z
ausgelassen; oder sie ist erst im Laufe der Zeit zu'Ab zuge
wachsen. Eine sichere Entscheidung Hesse sich nur fällen,
wenn etwa ein Codex archetypus für die Collection Ab auf
gefunden würde. Wie sie aber auch laute, sie wird nichts
an dem schon gewonnenen Ergebnisse ändern, dass eine Gruppe
von 13 bis 14 Briefen den Codices A, K, T, Z gemeinsam ist,
1 Genauer A und dem verwandten V.
3 Der Kürze wegen werde ich fortan Aa gebrauchen für A 1 — 17, Ah für
A 18-31, Ac für A 32—51.
Alcuintstudien.
519
noch an dem weitern Ergebniss, dass A der-relativ beste Re
präsentant des Codex archetypus dieser kleinen Sammlung ist.
Das folgere ich einerseits aus der grossem Vollständigkeit der
Texte in A (als Beispiel habe ich schon S. 509 Ep. 215 an
geführt), andererseits aus dem Verhältniss von A zu V.
V oder Codex musei Britannici, bibl. Cottonianae Vespa-
sianus A XIV 1 von zwei Händen scheint mir um 1000, also
noch früher als A, geschrieben. Er enthält verschiedene auf
England bezügliche Briefe, darunter auch einen Theil der
britischen Correspondenz von Alcuin. 2 Alle dreissig Alcuin-
briefe in V finden sich nun auch in A, oder mit andern Worten
die beiden Schreiber von V excerpiren dieselben Sammlungen,
welche später vollständiger in A zusammengefasst worden sind.
Dabei ist noch Folgendes zu bemerken. Das Plus von Briefen,
welches A vor K, T, Z voraus hat, begegnet schon in V und
ist also auf die gemeinsame Vorlage von VA zurückzuführen.
Zweitens verdient die Reihenfolge der Briefe in V Beachtung.
Die sechs ersten Nummern von V sind der Theilsammlung Ab
entnommen. Dann folgen, nachdem das Schreiben von Alchfrid
oder Alcherid (S. 507 N. 3) eingeschoben ist, als V 8, 9
die Ep. 72, 74, welche zur Gruppe Ac gehören. Folglich hat
die Vorlage von V wahrscheinlich mit der Collection Ab be
gonnen. Nun setzt in V f. 146' eine neue Hand ein. Sie co-
pirt zuerst Ep. 28, die also auch hier einen Abschnitt be
zeichnet, und bringt noch vier weitere Briefe, die in A" und
in Ac zerstreut stehen. Als V 17—23 folgen Excerpte aus der
Theilsammlung Aa. 3 Endlich als V 24—31 eine kleine auf
York hinweisende Collection von formelmässig zugestutzten
Briefen, welche in den Codex A als A 118—125 in gleicher
1 Mon. Alcuin. 134. — Sehl- ausführliche Inhaltsangabe, aber ohne Zeit
bestimmung im Catalogue of the MSS. in the Cottonian libsary 436. —
Hardy 1,504: saec. X. — Stubbs Memorials of S. Dunstan, introduction
22 un4 54: early in the eleventli Century.
- Allerdings gehören Ep. IS an Arno und Ep. 53 an Paulinus nicht zu
dieser Correspondenz; aber in Ep. 18 werden doch Vorgäuge in Nurd-
humberland erwähnt, so dass nur der andere Brief eine Ausnahme
bildet.
3 Dass hier als V 17 auch Ep. 1 aufgenommen ist, spricht gleichfalls da
für, dass Wulfhard nicht auf dem Coutinent, sondern in England zp
suchen ist.
520
Sickel.
Ordnung- eing-eschoben sind. Wir ersehen aus alledem, dass
V und A auf dieselben Sammlungen zurückzuführen sind, dass
diese Sammlungen aber dem Schreiber von V und dem von A
nicht in gleicher Reihenfolge Vorlagen und dass sie von den
Schreibern in verschiedenem Grade ausgebeutet worden sind. i
Aber auch V kann sich, was die Gruppe Ab betrifft, nicht
mit A messen.
Sind somit nach dem Handschriftonbefund für Ab die
selbe Zahl und Reihenfolge anzunehmen, wie sie im Codex A
vorliegen, so lässt sich auch aus dom Inhalt der Briefe deren
Zusammengehörigkeit erweisen. Dass die Ep. 24 und 25 auf
dem Continent geschrieben, unterliegt keinem Zweifel. Indem
nun die Ep. 24 und desgleichen 22, 23, 27 auf die Zerstörung
der Cuthbert-Kirche am 8. Juni 793 Bezug nehmen, erfahren
wir, dass Alcuin schon damals seine Heimath wieder verlassen
hatte. Andererseits ergibt sich aus Ep. 35, dass Alcuin noch
bis in die zweite Hälfte des J. 795 auf die Heimkehr Karls
von dem sächsischen Feldzuge harrte. In diesen Zeitraum
793—795, während dem Alcuin ununterbrochen auf dem Fest
lande weilte, lassen sich aber auch die Ep. 88, 211, 215, 256,
293 einreihen; thun sie doch der spätem Stellung des Schrei
bers als Abtes von S. Martin noch keine Erwähnung, ja auch
noch nicht einmal des Entschlusses dauernd in Francien zu
bleiben. 1 Zwischen einzelnen Stücken dieser Gruppe bestehen
noch specielle Beziehungen: Ep. 43 und 45 können als zu
gleich expedirt betrachtet werden, und der Stimmung nach
gehören Ep. 211, 215, 293 zusammen. Fragen wir endlich,
von wem wohl diese Episteln verbreitet sein mögen. Die Mehr
zahl eignete sich zu sofortiger Mittheilung in weiteren Kreisen.
Nicht so Ep. 42, in welcher Alcuin den König Aethelred in
ziemlich starken Ausdrücken ermahnt und die der Empfänger
1 In Ep. 35 schreibt er seinen Landsleuten: in quibus (litteris) legens ve-
stras visum est mihi facies cernere. Quod ut vere fiat, omnium efficiat
largitor bonorum. Eine so bezeichnende Stelle kommt freilich in den
letztgenannten Briefen nicht vor. Aber auch was sie nicht besagen,
kommt in Betracht. — Zu Ep. 215, die ich also auch bis 795 zurück
schiebe, will ich noch auf die Worte der Ep. 159 hinweisen: fatoor si-
quidem, propemodum ante annos triginta me voluntatem habere huius
operis.
b
Alcuinstudien.
521
der Oeffentliehkeit kaum preisgegeben haben wird, während
für Alcuin mit der Zeit kein Grund zur Discretion mehr
bestehen mochte. Nehmen wir noch dazu, dass die Adressaten
theils auf dem Inselland, theils auf dem Continent zerstreut
lebten, so erscheint die Zusammenstellung dieser Briefe durch
die Empfänger geradezu ausgeschlossen. Nur von Alcuin oder
seiner Umgebung kann die Verbreitung dieser die Jahre 793 bis
795 umfassenden Sammlung ausgegangen sein.
Verfolgen wir nun gleich Ab auf seinen Wanderungen.
Am wenigsten verändert erscheint diese Gruppe in Z". Zwar
sind die Ep. 43, 41, 22 ausgefallen, auch die Reihenfolge ist
verschoben, endlich sind in Z" Stücke anderer Herkunft mit
denen aus A b vermengt; dennoch sind diese Abweichungen
geringer als die welche Ab in K und T erfahren hat. Ein
Umstand aber ist Ab bei der Reception in Z, K, T gemeinsam.
Wir sahen dass Z" und T", in welchen eben Ab wieder her
vortritt, einen scharf markirten Anfang haben, dort Z 35, hier
T 28: beide gleich Ep. 28 an den Erzbischof von Canterbury.
Mit demselben Briefe beginnt nun auch K, worauf schon in
K2 = Ep. 23 die Verwandtschaft mit Ab anhebt. 1 Kurz
gegenüber den Differenzen in der Behandlung von Ab in den
Handschriften Z, K, T, ist die gleiche Stellung von Ep. 28 vor
den Ab-Briefen in die Augen springend. Ich deute das dahin,
dass Ab aus der Umgebung Alcuins zunächst nach England
und insbesondere auch nach Canterbury gekommen und erst
von dort mit einem neuen Kopf versehen weiter verbreitet
worden ist.
Ueber die Zeit da das geschah erhalten wir einigen Auf
schluss, wenn wir uns die nächste Phase des Anwachsens von
Ab zu veranschaulichen suchen. Ausser Ep. 28 und den Ab-
Briefen linden wir in Z" die Ep. 279, 283, 282, 216, 292, 5,
302. 2 In T" begegnet uns derselbe Zuwachs, zum Theil in
gleicher Ordnung, denn Z 35, 36 sind = T 28, 29, Z 37 bis
41 = T 44—48, Z 47—49 = T 34—36 und kommen daneben
1 Auch in A" = K steht Ep. 28 au der Spitze. In V dagegen steht es
erst an zehnter Stelle, d. h. der Schreiber von V hatte Ab noch ohne
den Zusatz von Ep. 28 vor sich und nahm letztere erst aus A" auf.
2 Ich gehe mit Absicht zunächst nicht über Z 53 hinaus.
522
Sickel.
auch Verschiebungen vor, die wohl nur auf andere Anordnung
der jo mehrere Briefe fassenden scedulae oder quaterniones
zurückzuführen sind, so unterscheiden sich Z 35—53 nur da
durch von T 28—50, dass, wie wir schon sahen, nicht alle
Briefe der Sammlung Ab in Z und nicht alle in T Aufnahme
gefunden haben. Der gleiche Zuwachs lässt sich ferner auch
in K und dem entsprechend in A" nachweisen; nur ist die
Reihenfolge in diesen Manuscripten dadurch eine ganz andere
geworden, dass sich schon eine weit beträchtlichere Zahl von
Briefen an den ersten Stamm Ab angesetzt hat. Das berech
tigt uns die oben angeführten sieben Episteln als eine zweite
Gruppe herauszuheben; ich will sie fortan ß benennen, da
gegen Ab = a setzen. In Z" und T" sind also als bereits
vereinte Gruppen übergegangen: Ep. 28 -f- a (jedoch mit
einigen Auslassungen) + ß.
In der Gruppe ß ist nur die eine Ep. 5 soweit fassbaren
Inhalts, dass man sie annähernd datiren und vor 792 setzen
kann, da der Adressat Angilbert spätestens in diesem Jahre
aus Italien heimgekehrt ist. 1 An sie kann man Ep. 302 als
aus gleicher Situation entsprungen und in Z und T unmittel
bar folgend wohl anschliessen. Endlich darf man vielleicht in
Ep. 216 an Richbod von Trier die Worte exaltatio saeculi
auf die 791 erfolgte Erhebung des Empfängers auf den bischöf
lichen Stuhl beziehen. Die übrigen Briefe von ß lassen sich
in jede beliebige Zeit verlegen, und nicht einmal das lässt
sich aus ihnen herauslesen, ob sie auf dem Continent ge
schrieben sind oder nicht. 2 Nur das möchte ich wieder be
tonen, dass Alcuin noch nicht als in Tours ansässig erscheint.
Dazu kommt noch ein anderes Moment. Wir besitzen ausser
Ep. 28 noch mehrere Briefe an den Erzbischof Aethelhard von
Cantcrbury, und dass unter letzteren Ep. 85 vom J. 797 in
den Manuscripten in ganz anderer Verbindung erscheint, 3 lässt
muthmassen, dass sie noch nicht geschrieben war, als Ep. 28
an die Spitze von a -f- ß gestellt wurde. Aus alle dem ge-
1 Abel Jahrbücher 1, 321.
2 Terrarum louginquitas in Ep. 282 ist unserra Verfasser nämlich so ge
läufig, dass er es unter den verschiedensten Umständen auwendet.
3 Desgleichen die an ihn mit gerichtete Ep. 61 vom J. 796.
Alcuinstudien.
523
winnen wir für ß etwa die gleichen Zeitgrenzen wie für a. Des
Weitern meine ich auch für ß als Sammler einen der damaligen
Begleiter Alcuins annehmen zu können.
Nun vermag ich auch die früher offen gelassene Frage,
wo in Z die Sammlung a —f- ß endet, zu beantworten. Auf
Ep. 302 folgt dort nämlich als Z 54 die Ep. 109 an Arno,
die auch in T, K, A wiederkehrt. Aber erstens schliesst sich
Ep. 109 in dem nächstverwandten Codex T nicht so unmittel
bar an wie in Z, und zweitens ist sie erst im J. 799 geschrieben
und dadurch von den Gruppen a —ß ausgeschlossen. Diesen
Brief und was noch sonst in Z" folgt, können, wir erst in an
derem Zusammenhänge unterbringen.
Von den Briefen der Gruppe ß linden sich die Ep. 5,
216, 292 auch schon unter den vom Amm'anuensis a in Z'
eingetragenen Zusätzen, ein Beweis dass diesen Stücken eine
weite Verbreitung zu Theil geworden war, mögen sie nun
diesem Salzburger Schreiber direct aus der Umgebung Alcuins
oder gleichfalls auf dem Umwege über England zugegangen
sein. Es mag noch mancher andere Brief wie diese auf losen
Blättern über Land und Meer geflogen sein, so unter andern
die von demselben Copisten in Z' eingeschalteten Ep. 132 und
222. Die zweite findet sich nur in Z und seinen Abkömm
lingen. Die erste dagegen noch in Ac als A 49. Indem sie
dem J. 800 angehört, kann sie uns als Ausgangspunkt für die
Untersuchung von Ac dienen.
Es ist das eine bunte und wüste Sammlung. Neben vier
Briefen anderer Verfasser bietet sie Briefe Alcuins an be
kannte und unbekannte Personen, an Adressaten diesseits und
jenseits des Canals, so wenig geordnet dass die an denselben
Eanbald II. von York gerichteten Ep. 72, 73, 74 von einander
getrennt (A 40, 42, 50) sind und zwischen zwei derselben Ep.
36 an den gleichnamigen Vorgänger in York eingeschoben ist.
Offenbar hat die in Ac vorliegende Collection keine oder ge
ringe Verbreitung gefunden; auch in den angelsächsischen Co
dex V sind nur fünf Stücke derselben übergegangen. 1 Dass
1 Aus den Fehlern in A (vgl. z. B. Ep. 108 S. 446) kann man folgern,
dass die für Ac benutzte Vorlage noch viele cursive Verbindungen hatte,
wie sie auch in den britischen Handschriften des 9. Jahrhunderts ge
bräuchlich waren.
524
Sickel.
vier andere Briefe von Ac in den Codex des Adalhard, drei
in den Salzburger Y, je einer in K, T und Z gerathen sind,
erklärt sich wohl aus der Verbreitung von Einzelabschriften.
Ac gibt uns daher keinen sonderlichen Aufschluss über die
Schicksale der Alcuinbriefe, und so will ich nur noch consta-
tiren, dass die hier gebotene Gruppe von Alcuinbriefen später
als a und ß zusammengestellt ist und dass in den betreffenden
Theil des Codex A sogar ein nach 830 verfasster Brief (A 47)
eingedrungen ist.
Es steht in doppelter Hinsicht ganz ebenso mit den Epi
steln in Aa: auch sie tragen keinen einheitlichen Charakter,
auch sie sind minder verbreitet worden. Beginnen wir mit der
Zeitbestimmung einiger Episteln. Mit .Taffe setze ich Ep. 13
zum J. 789, Ep. 14, 16—18 zum J. 790. Ich sehe aber keinen
stichhaltigen Grund, die Ep. 1-, 6, 11 in weit frühere Zeit zu
verlegen. Der Inhalt von Ep. 89 passt zu 795 und zu meh
reren der nächsten Jahre. Erhalte ich somit einen Zeitraum
von mindestens sieben Jahren, so ergibt sich schon daraus,
dass die Briefe zum Theil in England, zum Theil auf dem
Continent geschrieben sind. 1 Andererseits sind sie an Corre-
spondonten hier und dort gerichtet. Damit wird es uns er
schwert, von den übrigen Briefen in Aa zu sagen, wo sie ver
fasst und wohin sie gesandt sein mögen. Fiir die Zeit jedoch,
zu der die Ep. 255, 272, 280, 286—288, 303 aufgesetzt sein
können, bemerke ich wiederum, dass kein Wort derselben auf
die von Alcuin seit 796 eingenommene Stellung hinweist. Am
jüngsten erscheint mir um des Namens David willen Ep. 255. 2
So nehme ich auch für sämmtliche Stücke in A a die Zeit von
etwa 789 bis etwa 796 an. Also schon eine dritte Sammlung,
die den früher betrachteten a und ß ziemlich gleichzeitig und
die aus analogen Gründen gleich diesen auf die Umgebung
1 Ep. 14 fasse ich durchaus anders auf, als die neuesten Herausgeber laut
der Aufschrift. Ich meine, dass Alcuin erwartet von Offa an Karl
als Unterhändler geschickt zu werden. Dem entsprechend erkläre ich
auch die Ep. 15—17.
5 Nach Jaffe’s Datirung von Ep. 4 wäre Karl schon 783—785 so genannt
worden. Aber die Hofschule und die dort aufgekommenen Namen sind
erst etwas spätem Ursprungs. Der erste Brief bestimmten Datums, in
dem ich David finde, ist Ep. 69 aus dem Mai 798.
Alcuiustudien.
525
Alcuins zurückzuführen wäre. Ich halte es, da Alcuin viele
Schüler und Verehrer hatte, für wohl dünkbar, dass mehrere
derselben sich mit der Zeit Abschriften verschafften und diese
einzeln oder zusammeng'estellt verbreiteten. Dass dabei beson
dere Geheimnisse verrathen, kann man von all diesen Collec-
tionen nicht sagen. Dagegen mögen die einzelnen Sammler
hier und da nach besondern Gesichtspunkten ihre Auswahl ge
troffen haben. Etwas der Art kann man Aa entnehmen. Es
ist uns hier nämlich vorzüglich Correspondenz mit Freunden
und Genossen, nicht mit Respectspersonen geboten, 1 dazu
einige Geschäftsbriefe; so geht auch durch fast alle diese
Briefe ein warmer, vertraulicher Ton und rückhaltslose Mit
theilsamkeit.
Eben ein Genosse des Freundeskreises mochte sich etwa
zum Angedenken solche Sammlung anlegen, aber er zählte sicher
, nicht zu den vertrautesten, nicht zu den in Geheimnisse ein-
geweihten Personen der Umgebung Alcuins, sondern zu denen
zweiten Ranges, denen nur in solche Correspondenz Einsicht
gestattet wurde. Ich will es auch hier wagen Muthmassungen
auszusprechen, nicht als wenn ich wähnte, die rechte Person
ausfindig gemacht zu haben, auch nicht als wenn ich Werth
darauf legte, dass sie ausfindig gemacht werde. Aber den
Werth können solche Vermuthungen doch haben, dass sie uns
veranschaulichen, wie bei dem damaligen Verkehr zwischen
den Menschen die Briefe verbreitet werden konnten. Nur in
diesem Sinne will ich die leisen Andeutungen der Handschriften
verfolgen.
In Aa und in der Collection KG erscheinen unter den
Adressaten D'ogvulfus und Dodo. Mit der Ep. 288 an jenen
schliesst Aa ab. Als scriniarius, wie er betitelt wird, könnte
er füglich auch Sammler und Verbreiter von Briefschaften ge
wesen sein. Aber mehr noch lässt sich für Dodo geltend
machen, an den der erste Brief Alcuins in Aa gerichtet ist
(Ep. 286). Er, der spät in die Zucht Alcuins gekommen und
bald wieder aus ihr entlassen war, erhält allerdings in Ep. 286
eine Strafpredigt. Aber dieselbe ist so wenig wie die Verse
1 Wer ist die Adressatin von Ep. 'ISO Adaula mit Namen? Im Verbriiderungs-
bueli von S. Peter col. 40 findet sieb eine Atula eingetragen.
526
Sickel.
de Cuculo in Froben 2, 237 böse gemeint und endet in ge
radezu herzlicher Weise. Wir werden uns also Dodo Cuculus
genannt doch nicht als Trunkenbold zu denken haben, sondern
nur als Freund einiger Gläser guten Weins. Wird er doch
auch noch im J. 801 von Alcuin nach York geschickt, wobei
ihm von Tours aus weitere schriftliche Aufträge ortheilt werden. 1
Ueber Dodo haben wir also wenigstens Nachrichten, die recht
wohl damit reimen, dass der Verbreiter von Alcuinbriefcn zwi
schen Tours und York oder Canterbury den Verkehr vermit
telt haben muss.
Auf Dodo-Cuculus weist noch ein anderer eigenthüm-
licher Umstand hin. Gleich an zweiter Stelle im Codex A
also in der Collection Aa, steht Ep. 287 von Aquila an Cu
culus geschrieben. Es ist das der einzige nicht von Alcuin
verfasste Brief in dieser Reihe und es stehen hier zwei Briefe
an dieselbe Person an der Spitze. Ueberdies sind es nur die
aus gleicher Quelle fliessenden Codices V und A, welche Ep.
287 kennen. Das sieht doch so aus, als beständen irgend
welche Beziehungen zwischen Dodo und dieser Sammlung. Aus
der Bekanntschaft zwischen Arno und Dodo braucht übrigens
noch nicht gefolgert zu werden, dass letzterer auch in Salz
burg gewesen sei; sie kann füglich gelegentlich eines Auf
enthalts des Erzbischofs in Francien geschlossen worden sein. 2
Es könnte auch Dodo gewesen sein, der im J. 798 Arno oder
Adalhard oder beiden einige der in Y copirten Briefe über
bracht hat. So Ep. 259 an Daphnis, der uns einmal (Mon.
Ale. 867) als specieller Freund von Dodo genannt wird, so
Ep. 257 u. 260; denn diese drei Briefe gleichen in Inhalt und
Ton der Correspondenz mit guten Freunden in Aa. 3
1 Ep. 167, 173, 174. — Vielleicht bezieht sich auch Ep. 43 auf ihn.
2 Dodo scheint in S. Amand bekannt gewesen zu sein. Die Verse de Cu
culo stehen nämlich auch in einem gleichaltrigen Manuscript von
S. Amand Nr. 93 des alten Katalogs (Delisle, Cabinet 2,448), jetzt Nr. 387
der Handschriften von Valenciennes.
3 Für Beziehungen zwischen Arno und Dodo zeugt auch der Umstand,
dass die Ep. 286 zum Theil in den Codex D übergegangen ist, dessen
Schreiber für die übrigen Alcuinbriefe durchgehends Salzburger Hand
schriften benutzt.
Alcuinstudien.
527
Ueber A" kann ich erst später reden und über A'" habe
ich nur wenig zu sagen: ich bin über diesen Theil des Codex
nicht genügend unterrichtet und ich brauchte ihn nicht ein
gehender zu untersuchen, da die hier vorherrschende britische
Correspondenz, drei Briefe ausgenommen, auf dem Continent
nicht Eingang gefunden hat. Auch hier sind Briefe Alcuins
mit Briefen anderer Verfasser untermengt. Unter jenen lassen
sich wieder einzelne Gruppen erkennen. Voran gehen als A
104—111 acht Schreiben an den Erzbischof von Canterbury,
zu denen aber auch noch die zwei folgenden Ep. 61 und 218
gezählt werden können: ihre Mittheilung ist offenbar von Can
terbury aus erfolgt. 1 Auf ein paar Stücke, die man als an
Offa und seine Umgebung gerichtet bezeichnen kann, folgt eine
kleine Collection von Briefen an britische Geistliche (A 118 bis
124), die bereits sämmtlich zu Formeln umgebildet sind u. s. w.
Die Sammlung der Codices K und G.
Wir können nun zu diesen Handschriften zurückkehren,
deren Inhalt in erster Linie mit dem von T zu vergleichen
ist. KG beginnt nämlich mit den Ep. 28 und 23, 2 d. h. mit
den Briefen, welche in Z und T den Kopf der vereinten Col-
lectionon a -j- ß bilden. Der Sammler von fK G springt aber
sofort wieder ab, um als K 3—14 vorzüglich Briefe Alcuins
an Karl mitzutheilen. Er benutzt dazu die in T erhaltene
Gruppe. Aber einerseits lässt er Stücke aus (S. 513) und
kürzt die andern um ein beträchtliches, 3 andererseits schiebt
er als KG 8 und 9 zwei Briefe anderer Herkunft ein: Ep. 93
und Karls Schreiben an Nicephorus (Mon. Carol. 393 = Reg.
1 Vgl. auch Stubbs, Memorials of S. Dunstan, Introduction 56.
2 Der Schreiber von G scheint allerdings (s. S. 502) mit dem jetzt dritten
Stücke begonnen zu haben, aber er selbst hat dann doch p. 1—32 obige
zwei Briefe hinzugefügt oder, besser gesagt, an die Spitze gestellt.
3 Nur die drei ersten Briefe dieser Serie Ep. 78, 114, 111 sind in KG so
vollständig aufgenommen, wie sie in T erscheinen. — Vereinzelt kommt
es wohl auch vor, so in Ep. 239, s. Mon. Alcuin. 757, Note d, dass der
Text in IC G, obgleich er im Allgemeinen kürzer lautet als der in T,
einige Worte vor der Copie in T voraus hat, iudem der Schreiber von T
hier die betreffenden Worte seiner Vorlage ausgelassen hat.
528
Sickel.
Kar. 227). Es ist möglich, dass Ep. 93 auch dem Könige
mitgetheilt und so als Beilage in die an ihn gerichteten Briefe
gerathen ist, aber auch, dass Ep. 93 im Codex archetypus von
K G auf ein leergebliebenes Blatt eingetragen ist. Wie das
andere Schreiben in die Sammlung gekommen, lässt sich vol
lends nicht ergründen; aber dass es geschehen, lehrt uns, dass
die betreffende Sammlung frühestens 811 zum Abschluss ge
kommen ist.
Gehen wir in der Reihenfolge weiter, so stossen wir in
KG 15—18 auf Briefe von a -f- ß, deren später, wenn auch
sehr zerstreut, noch elf folgen. Bemerkenswerther ist, dass von
KG 15 an eine engere Verwandtschaft mit T", wie ich diess
S. 515 abgegrenzt habe, zu Tage tritt: KG hat von hier an
noch 52 Episteln und unter diesen 49 mit T" gemein. Aller
dings fehlen in KG die T-Briefe Ep. 50, die aus der Collection
a stammenden Ep. 42, 43, 45, die Ep. 213 und 264 an Reme-
dius, endlich T 61 Brief Karls an britische Bischöfe (Mon.
Carol. 352 := Reg. Kai’. 145). Andererseits fehlen in T die
Ep. 56, 11, 283 = KG 60, 62, 63, d. h. zwei an Paulinus
und ein an Dodo gerichtetes Schreiben. Gegen das Ende ist
KG überhaupt eigenthümlich gestaltet. Es stehen hier sieben
Briefe an Paulinus, zwischen welche als KG 63, 64 die uns
schon in der Gruppe Aa aufgefallenen Episteln an Dodo und
Dogvulf eingeschoben sind. Dann wird in G die schon vor
her befindliche Ep. 47 wiederholt. Den Schluss von KG bildet
endlich die stark verbreitete Ep. commendatitia 302. Es macht
dies den Eindruck als wäre hier wie in Z" zu einer KG mit
T gemeinsamen Sammlung eine Nachlese gekommen. Vielleicht
hat auch dabei Dodo die Hände im Spiel gehabt. Ferner ver-
räth die Aufnahme von zwei weiteren Briefen an Paulinus an
dieser und des Briefs an Nicephorus an früherer Stelle ein
gewisses Interesse für den Osten des Reichs und für die Be-
Ziehungen zu Byzanz.
Auffallender Weise sind nun die 49 gemeinsamen Briefe
in KG ganz anders geordnet als in T. In T 28—50 erkannten
wir früher die bereits vermengten Sammlungen a -f- ß, die nur
um zwei zur britischen Correspondenz gehörige Einschiebsel,
die wenig verbreitete Ep. 50 (T 30) und die stark verbreitete
Ep. 47 (T 37) vermehrt worden sind. Somit erscheinen als
Alcuinstudip.n.
529
neuer Zuwachs, den ich 3 nennen will, T 51—81 und 91—94.
In K Gr dagegen sind alle aus a, ß, 3 aufgenommenen Briefe
bunt untereinander gemischt. Dabei ist weder in dem Tlieile
von T", der die 8-Briefe enthält, noch in dem von KG mit
den Briefen aus a, ß, 3 ein Princip der Anordnung zu erkennen.
Von chronologischer Reihenfolge ist gar nicht die Rede, und
auch zur Gruppirung nach Adressaten wird höchstens ein Mal
ein Anlauf genommen. In T stehen z. B. wohl Ep. 94 und
129 an Paulinus nebeneinander, aber zwei weitere Briefe an ihn
gehen weit voraus, und ein fünfter folgt erst später nach. Ebenso
sind die mehrfachen Episteln an Arno und an Remedius in T
vertheilt. In KG stehen allerdings, wie ich schon sagte, die
Briefe an Paulinus ziemlich beieinander, desgleichen zwei
Briefe an Päpste. Aber sonst sind auch in KG die Stücke
untereinander gewürfelt. Ich komme darauf zurück, sobald ich
die neue Gruppe 3 in anderer Beziehung gekennzeichnet habe.
Die Briefe von 3 gehören den verschiedenen Lebensab
schnitten Alcuins an. Zwar kann ich die Ep. 2, 4, 9 nicht so
früh ansetzen, als Jaffe wollte. Das früheste sichere Datum
790 bietet meines Ermessens Ep. 15. In die Zeit des zweiten
Aufenthalts Alcuins in Francien und vor die Zeit seiner Er
hebung zum Abt von S. Martin fallen die Ep. 19, 32, 36. An
dererseits liegt uns in Ep. 251 an IPraban ein Brief aps den
letzten Lebensjahren Alcuins vor. Somit kann 3 erst kurz vdr
804 oder bald nach 804 zusammengestellt worden sein. Das
offenkundigste Kennzeichen dieser Gruppe ist nun, dass in ihr
fast ausschliesslich die continentale Correspondenz berücksich
tigt wird. Finden sich doch unter ihren 35 Nummern nur die
Ep. 15, 20, 36, 44 und Reg. Kar. 145 an Bewohner der Insel
reiche gerichtet, und obendrein berühren drei derselben auch
fränkische Verhältnisse. Im übrigen sind die o-Briefe in alle
Himmelsrichtungen versandt worden, so dass sie nur da ge
sammelt werden konnten, wo sie geschrieben und wo etwa die
Concepte aufbewahrt wurden.
Es lässt sich nun wohl mit Sicherheit annehmen, dass
man im Martinskloster zu Tours eine mehr oder minder voll
ständige Sammlung der Briefe des Meisters besessen hat. Aus
solcher liess sich dann leicht nach diesem oder jenem Gesichts
punkt eine Auswahl treffen. Dabei denke ich jedoch nicht an
530
Sick el.
einen Epistolarcodex, der sich auch leichter erhalten hätte, son
dern an Briefe auf scedulae oder quaterniones, die eher ver
loren gehen konnten. Waren es nur fliegende Blätter, auf
denen die auserlesenen Episteln vereinzelt oder in kleineren
Gruppen standen 1 und die den Schülern oder Copisten über
geben wurden, so konnten diese auch die eine oder die andere
Epistel überschlagen, konnten dieselben gleichfalls auf Zettel
schreiben oder in beliebiger Ordnung in Bände eintragen. Nur
so wüsste ich zu erklären, dass T und KG bei wesentlich
gleichem Inhalt so verschiedene Reihenfolge aufweisen. Dürfen
wir somit 3 als eine etwa 804 von Tours ausgegangene Pu-
blication betrachten, so wirft das ein weiteres Licht auf die
Entstehung der Sammlungen, aus denen T und KG abzuleiten
sind. In fT war an y mit dessen Fortsetzung bereits die Col
lection a —|— ß angereiht, als dem Sammler die Serie 5 zuging.
Derjenige aber der den Codex archetvpus von K G zusammen
stellte, scheint schon beim Beginn seiner Arbeit die vier Col-
lectionen vor sich gehabt zu haben, so dass er, wenn er auch
die Excerpte aus den •■'-Briefen als zusammenhängende Gruppe
fortbestehen liess, Ep. 28 und 23 wieder an die Spitze stellen
konnte. Sollte das ganz zufällig geschehen sein? Es kommt
hier noch in Betracht, dass die so entstandene Sammlung alle
andern an Verbreitung übertriift. Denn abgesehen davon dass
aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen der Urhandschrift und
den uns bekannten V, A, K, G noch allerlei jetzt verschollene
Mittelglieder liegen, so bezeugen schon jene vier Codices dass
die betreffende Sammlung bereits im 9. Jahrhundert (s. S. 523
Note 1) diesseits und jenseits des Canals bekannt war. Ich
folgere daraus, dass sie aus Kreisen stammt, die auch nach
dem Tode Ale ui ns den Verkehr zwischen dom Festlande und
England unterhielten, d. h. von einem Manne ausgegangen ist,
der britischer Herkunft, dann aber in Francien heimisch ge
worden hüben und drüben seine Verbindungen hatte.
1 Für das letztere spricht, dass auch in T und KG, wie wir das schon
bei den Abschriften der Collection ß constatirten, gewisse Briefe in
gleicher Verbindung erscheinen: es sind nämlich T 52—54 = KG 29 bis
31, T 58—59 = KG 32—33, T 70—71 = KG 25-2G, T 75—76 =
KG 42—43.
Alcuinstudien.
531
Bei der Art wie wir uns die Veröffentlichung- der S-Briefe
vorzustellen haben, können nun auch die Textdifferenzen zwi
schen T und 6K nicht Wunder nehmen. 1 Ich constatirte
zuvor dass die Stücke der Collection ■; in KG sehr gekürzt
sind. Hie und da ist das auch bei Briefen der Gruppe a der
Fall. 2 In ähnlicher, wenn auch nicht so entschiedener Weise
sind die S-Briefe in KG behandelt: es sind z. B. die Texte
der Ep. 36 und 90 in KG unvollständiger als in T. 3 Ferner
ersetzen die Schreiber von KG zuweilen (Ep. 15, 19, 212 u. a.
aus der Gruppe o) die Namen der Adressaten durch ille. T
verdient also auch für die Briefe der Collection o im Allge
meinen den Vorzug vor KG.
1 Ich berücksichtige liier nur solche Stellen, die in K und G gleich lauten,
also schon auf deren gemeinsame Vorlage zurückzuführen sind.
2 Z. B. Ep. 27, bei der allerdings auch das umgekehrte Verhäitniss ein-
tritt, dass die in KG aufgenommenen Worte scelera-penetralia (Mon. Ale.
199 Note d) in T ausgefallen sind, offenbar durch Versehen des Copisten,
dessen Auge von dem ersten propter zu dem zweiten propter übersprang,
Versehen die auch sonst Vorkommen und leicht, von den absichtlichen
Auslassungen zu unterscheiden sind.
3 Ich will hier noch einer andern Ep. 93 betreffenden Differenz gedenken.
Nach Jaffe (Mon. Ale. 389 Note p und 391 Note b) ist in K erst ein
längerer Passus ausgefallen und folgt dann der Schluss des Briefes unter
neuer Aufschrift. In G findet dieselbe Auslassung statt, so dass auf die
Verszeilen auf neuer Seite 61 gleich De observacione etc. folgt, hier
zwar ohne Aufschrift, aber durch die Initiale D als Anfang eines neuen
Briefes bezeichnet. Eine Vergleichung mit T ist da allerdings nicht
möglich, da in diesem Codex die betreffende Lage ausgefallen ist. Aber
N verbindet beide Theile zu einem Briefe, lässt also den Text in KG
verkürzt erscheinen. Desgleichen nach Jaffe der Codex Q und endlich
der von ihm nicht verglichene Codex Y, welcher Ep. 93 bis concedat
(Mon. Ale. 392) ohne allen Absatz enthält. — Ich gehe hier überall von
der Voraussetzung aus, dass der vollständigere Text dem ursprünglichen
näher stehe. Dieselbe ist allerdings nicht in allen Fällen statthaft. Ich
werde in der nächsten Abhandlung bei der Betrachtung von Hand
schriften. die aus uns noch vorliegenden abgeleitet sind, Beispiele dafür
beizubringen haben, dass die Copisten sich unter Umständen auch Zu
sätze erlaubt haben. Solche Fälle sind aber leicht erkennbar, während
da wo sich T und K G durch ein Plus oder Minus von Worten unter
scheiden, aus der Construction oder dem Gedankengang zu entnehmen
ist, dass in K G eine Kürzung und nicht etwa umgekehrt in T eine Er
weiterung beliebt worden ist.
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. LXXIX. Bd. III. Hft. 34
532
Sickel.
Hier wäre nun auch noch A" zur Vergleichung herbei
zuziehen. Dass und wie der Schreiber von A eine KG dem
Inhalt und der Anordnung nach gleiche Vorlage benutzt, habe
ich schon S. 518 gesagt. Wie es sich aber mit den Texten
verhält, vermag ich nicht anzugeben. Die Jaffe’sche Collation
lässt uns da ganz im Stich. Wenn dann Foltz (S. 508) u. a.
die Texte der Ep. 11 u. 215 vielfach von T und von KG ab
weichend und besonders vollständiger gefunden hat, so genügt
das Ergebniss seiner Stichproben nicht, um die Frage zu
beantworten, wie es mit den Texten der Gruppe 8 in dem
K G verwandten A" steht. Jene beiden Briefe stehen näm
lich im Codex A bereits in der ersten Abtheilung und sind
deshalb von dem Schreiber in dem KG correspondirenden
zweiten Theile nicht noch einmal wiederholt worden. Es be
darf also auch da noch gründlicher Collation der Handschrift A.
Die Nachträge in T" und in Z".
Es erübrigt mir noch von T 82—90 oder von den drei
Briefen Karls in Mon. Carol. 351—354 und von den Ep. 37,
40, 46, 76, 77, 95 zu reden. Dass jene zu Alcuins Lebzeiten
verfasste Schreiben des Königs hier Vorkommen, hat offenbar
denselben Grund wie die Aufnahme gewisser Briefe in den
Codex epistolaris Einharti, d. h. Alcuin ist wahrscheinlich der
Dictator jener Karlbriefe. 1 Aus gleichem Grunde mag auch
1 Urkundenlehre der Karolinger 104. — Soweit sich obige drei Briefe da-
tiren lassen, fallen sie in die Zeit, in welcher Alcuin am Hofe lebte. —
Lorenz, Papstwahl und Kaiserthuin 38, findet es unerklärlich, dass ich
den Brief an Angilbert (Reg. K. 146) dem an den Papst (K. 147) habe
vorausgehen lassen. Der Vorwurf gilt nicht mir allein, sondern auch
Duchesne, Baluze, Bouquet, Jaffe u. A., die alle beide Briefe so wie ich
geordnet haben und von denen meines Wissens nur Mansi abgewichen
ist. Ich antworte aber um so lieber, da ich bei dieser Gelegenheit be
richtigen kann, was ich in der Anmerkung zu K. 14G gesagt habe. Die
von mir dort erwähnte Verzögerung der Abreise Angilberts ist nicht so
zu verstehen, dass er, nachdem er den Auftrag erhalten zu P. Leo zu
gehen, noch Zeit verloren habe, sondern so, dass er bereits beauftragt
war zu P. Hadrian zu reisen, auf die Kunde von dessen Tode die Abreise
jedoch verschob, bis ihm neue Aufträge für Leo ertheilt wurden. Was nun
K. 146 und 147 betrifft, so halte ich an dieser Reihenfolge fest. Lorenz
scheint anzunehmen, dass K. 147 als Antwort auf das päpstliche Schreiben
Alcuinstudien.
533
T 61 (Brief Karls an Athilhard u. a. Bischöfe) in die Samm
lung o und weiter in den Codex T aufgenommen worden sein.
Der ganze Nachtrag T 82—90 aber ist wohl gleich S von Tours
aus dem eifrigen Sammler von Alcuinbriefen mitgetheilt worden,
als den wir den Besitzer des Codex archetypus schon kennen
gelernt haben. Ich betone: dem Sammler von Alcuinbriefen,
denn T enthält, wenn Alcuin bei jenen drei königlichen Schrei
ben Karl als Secretär gedient hat, mit Ausnahme des im An
hänge befindlichen T 109, nur Briefe aus Alcuins Feder und
erscheint in dieser Beziehung als Sammlung von durchaus ein
heitlichem Charakter.
Auch die Bi’iefe Z 54—63 haben sich als ein Nachtrag
oder Einschiebsel erwiesen (S. 523). Indem die Collection
a —J— ß stark verbreitet war, konnte sie an verschiedenen Orten
noch mancherlei Zuwachs erfahren, so auch in Salzburg durch
dorthin adressirte oder auf Umwegen gelangte Briefe. Als
der Salzburger Copist 0 au seine Arbeit ging, scheint ihm
a -f- ß schon in der erweiterten Gestalt zur Hand gewesen zu
sein. Unter den betreffenden zehn Briefen kann ich drei nur
in Salzburger Manuscripten nachweisen. Es findet sich näm
lich Z 56 — Ep. 295 nur an dieser Stelle; man ist deshalb
versucht Arno als Adressaten anzunehmen. Z 57 bietet nur
einen Theil der Ep. 107 (Forte aliquantum temporis etc.), die
bereits der Schreiber a aus Y in Z' eingetragen hatte. 1 Z 55
endlich (Ep. 222) ist gleich Z 11 und war gleichfalls bereits
expedirt und darauf erst der Beschluss Angilbert zu senden und die
Weisung an diesen (K. t46) erfolgt seien. Da ist ilim aber das nicht
allein aus dem Inhalt, sondern auch aus der fonnelmässigen Fassung er
sichtliche Verhältniss zwischen K. 146 und 147 entgangen. K. 146 ist
nämlich die dem Gesandten ertheilte Instruction und K. 147 die Antwort,
die er dem Papst iiberbringen soll; beide gehören also zusammen und
sind zu gleicher Zeit verfasst. Aber in einem Urkunden- oder Regesten
buch muss man das eine Stück vor das andere stellen, und da entspricht
es nur dem einfachen Hergange, dass man K. 146 als zuerst bestellt vor
das erst später überreichte K. 147 setzt.
1 Auch der Copist 0 hatte den Codex Y vor sich, liess aber den Eingang
mit seinem historischen Inhalt aus und setzte bei Y f. 192' Zeile 18 mit
der Abschrift ein. Auf der folgenden Seite von Y übersprang 0 eine
Zeile, verbesserte sich aber sofort und machte im Codex Y da, wo er
fortzufahren hatte, ein Zeichen.
34*
534
Sickel.
vom Ammanuensis a auf einem leei'gebliebenen Blatte copirt.
Die andern Stücke dieser Nachlese in Z" sind mehr oder min
der verbreitet gewesen, wie aus der Concordanztafel ersicht
lich ist. Wie sie nach Salzburg gekommen sein mögen, dar
über gibt allenfalls Ep. 222 eine Andeutung. Auch ich bin
der Meinung der letzten Herausgeber, dass der Inhalt dieses
ohne Adresse überlieferten Schreibens am füglichsten auf
Osulfus passt, der reich begabt und von seinem Meister Alcuin
vielfach begünstigt, diesem doch durch unstetes und unregel
mässiges Leben Kummer machte und fern von der Heimath
in der Lombardei seinen Tod fand. 1 Er muss, wenn die Ep.
222 und 223 an ihn gerichtet sind, in England wohl bekannt
gewesen und gute Verbindungen gehabt haben, und könnte so
a -f- ß und die Ep. 86 an die Cantuarienses von dort bezogen
haben. Er weilte ferner um die Zeit, da die Briefe Karls an
Angilbert und Leo verfasst wurden, am fränkischen Hofe. 2 Ich
denke mir, weil Ep. 222 sich nur in Salzburger Handschriften
findet, dass er diesen Brief entweder eben in Salzburg erhalten
oder doch mit andern Briefen dorthin gebracht hat. 3 Die übri
gen Stücke dieser Gruppe können gleichfalls durch Osulfus
nach Salzburg gekommen sein oder auch vom Schreiber 0
direct aus den Originalen oder gleich dem Fragment von Ep.
71 aus dort befindlichen Copien geschöpft sein. Indem die
beiden Karlbriefe hier so wie in T zu beurtheilen sind, ist
auch Z in seinem ganzen Umfange eine Sammlung von lauter
Alcuinbriefen.
Codex Vindobonensis 966 = C.
Frohen 1, 177 führt für seine Ep. 122 (= Jaffe Ep. 209)
einen Wiener Codex theol. 131 an, den Kieberer für ihn be-
1 Ep. 245 und Mon. Alcuin. 21. — Im Verbrüderungsbueh von S. Peter
col. 52 findet sicli ein Osulfus presbyter, aber nach Karajan’s Bestim
mung der Hände erst 820—S70 eingetragen, wodurch die Identität der
Personen ausgeschlossen wird. Ich will dabei nachtragen, dass dort auch
mehrmals der Name Toto vorkommt, der an den Alcuinschreiber Dodo
erinnert, aber doch nicht mit Sicherheit auf diesen bezogen werden kann.
2 Mon. Alcuin. 630 Note 2.
3 Unter diesen Umständen glaube ich es unentschieden lassen zu müssen,
ob Ep. 295 an Arno oder an einen andern Bischof adressirt war.
Alcuinstudien.
535
nutzte: es muss heissen Cod. theol. 331, wie C früher be
zeichnet wurde. Nach Wien war er schon zu Zeiten des Hugo
Blotius gekommen, des ersten Vorstandes der k. Bibliothek
(1575—1608), der, als er den ersten Handschriften und Druck
werke umfassenden Katalog anlegte, C, wie auf dem hinteren
Deckel ersichtlich ist, eigenhändig L 3681 signirte. 1 Weiter
zurück vermochte ich die Geschichte von C nicht zu verfolgen.
O
Zwar finden sich hier und da noch alte Signaturen und auch
eine Notiz, in der ein dominus plebanus erwähnt wird; aber
Niemand weiss sie sicher zu deuten. Nur der Inhalt weist
doch wieder auf den Osten als die Heimath des Codex hin.
C ist eine Collectaneenhandschrift aus der ersten Hälfte
des 9. Jahrhunderts. Der eine Schreiber, von dem die Haupt
masse stammt, hat sich was ihm gerade zu Gesicht kam, in
seinerWeise, d. li. bald copirend, bald excerpirend zusammen
getragen. 2 Von ihm sind auch folgende Alcuinbriefe an ver
schiedenen Stellen eingeschaltet worden:
Ep. 96, die uns noch bekannt ist aus TN und aus dem
Codex s. Amandi saec. VIII exeuntis, jetzt in der Bibliothek
von Valenciennes Nr. 237. — Die sehr verbreitete Ep. 97,
offenbar aus Y, aber ungenau und unvollständig eopirt. —
Ep. 209 an Arno endlich findet sich nur in C, dann aus C
excerpirt in einer Handschrift von Benedictbeuern (Cod. lat.
Monac. 4650), die durchgehends aus Salzburger Codices schöpft.
Schon damit scheint mir die Frage nach dem Ursprung
von C gelöst. Aber es kommt da noch ein anderer Brief in
Betracht. Die fünf ersten Blätter enthalten nämlich einen etwa
850 copirten Brief aus anderer Feder. Am ausführlichsten
1 Der Blotius’sche Katalog bestellt aus fünf Bänden, von denen jedoch der
zweite nicht mehr erhalten ist. Die Ausscheidung der Manuscripte nahm
erst der Nachfolger von Blotius Tengnagel vor.
2 Für den Inhalt verweise ich auf Tab. codicum 1, 167 und auf Fertz
Archiv 3, 188. Ausser den von Pertz aufgelösten tironischen Noten (Al-
binus ad Karolum vor Ep. 96) finden sich nur noch f. 37 mitten in der
Zeile drei Noten, welche bedeuten libro de trinitate. — Dass der Codex
ganz allmählich angewachsen ist, ergibt sich auch aus der Ungleichheit
der Lagen (-t—8 Halbblätter). Sie sind erst im späten Mittelalter mit
arabischen Ziffern bezeichnet worden. Beim Einbinden ist die erste Lage
an das Ende versetzt worden.
536
S ickel.
ist dieser bisher von Denis 1 besprochen, der ihn als von einem
Freunde Alcuins, wahrscheinlich Arno, während eines Feld
zugs gegen die Avaren, also 791 oder 796, an italienische
Geistliche geschrieben bezeichnet. Dann wieder von Büdinger 2 ,
nach dem hier ein bejahrter italienischer Geistlicher aus dem
Donaugebiete und aus dem Land der Slaven, zu deren Bekeh
rung er von Aquileja aus ausgesandt sei, an seine jüngeren
Amtsbrüder in Italien schreiben soll. Um meine etwas ab
weichende Meinung zu begründen, will ich erst die Stellen der
Epistel vorausschicken, auf die ich mich stütze und die allein
der Mittheilung werth scheinen.
Dilectissimis filiis in Christo Alpinis Ausonicisque parti-
bus degentibus, mare praesidentibus omnique deeoris stemmate
praeditis citra Dannubii fluenta latitans, in :i Sclavorum monti-
bus et abietum densitudine cubans, non sicomoros sed fagos
vellicans, Noricus Italicis, blancidius nigerrimis, Job laetis,
senex iuvenibus, christicolis et caelitibus 1 polumque efficaci
volatu 5 penetrantibus ranicula locis humentibus garriens sive
luscinia pippans, idiomate 6 carens tenentibus idioma, volatili-
bus 7 terrigena, extorris indigenis suis, licet tetris in domino
dominorum paciferam ac permanentem sempiternamque salutein.
Comicus Turpilius tractans de vicissitudine litterarum, sola, in-
quit, res est quae homines absentes praesentes facit. Nec fal-
sam dedit, quam in se noverat sententiam. 8 Quid enim est,
ut ita dicam, tarn praesens inter absentes, quam per epistolas
affari 9 et audire quos diligas ? Nam et rüdes Italici qui sibi,
ut in rethoricis Cicero ait, victu fero 10 vitam requirebant, ante
cartae et membranarurn usum aut in dedolatis ex ligno codi-
cellis aut in corticibus arborum mutua epistolarum alloquia
missitabant, 11 unde et portitores earum tabellarios et scriptores
1 Codices MSS. theologici 1, 2115.
2 Oesterreichische Geschichte 146.
3 C. inter. 4 C. celibes. 5 C. volatui. 6 C. idioma.
7 C. volatiles.
8 Comicus — quodammodo nesciebant ist Hieronymus (ed. Veronensis a.
1734) 1, 20 ep. 8 entlehnt. Hieronymus 1. c.: quam in re, non vera, sen
tentiam. 9 Hier, alloqui.
10 C. victo ferro; Hier, ritu ferino vitam quaerebant; Cicero de invent. 1, 2:
sibi victu fero vitam propagabant.
11 C. musitabant.
*
*
♦
A
-V
Alcuinstudien,
537
a libris arborum librarios vocavere. Quanto igitur nos potius,
expolito 1 iam artibus mundo, id non debemus obmittere, quod
sibi prestiterunt apud rjuos erat eruda rustieitas et qui huma-
nitatem quodammodo neseiebant. Namque sepius apices car-
tarum etiam in neophitis amoris magnitudinem inter, nee non
quibusdam perfectis exprimere nituntur, quatinus oculis legatur
in syllabis, quod cerni minime valet in mentibus. Ideo 2 vestrae
mellifluae memor, karissimi, germanitatis iianc scedulam vobis
in commune direxi, nt cognoscatis quantam pro vobis liabeam
sollieitudinem, quam nec terrarum longinquitas nec rubigo obli-
vionis, 3 interpolatio nec diuturnitas temporum abolere valuit,
quominus admoneam, quos magis diligam, haut dubium gestiens
vestrae salutis prosperitatem in deo semper manentem. Prae-
terit figura huius mundi et quiequid amatur in mundo. Aut
ex umbra panis saturabitur esuriens? Edulium salutis est deum
credere et amare et fidei amoris opera 4 nectere. Umbratica est
saeculi felicitas, vera tantummodo in futuro expectatur. Mirari
satis nequeo cur amatur [f. 1'] quod cito vclud fumus relin-
quitur, et tune liquido monstratur quod nihil fuit, quando ali-
quid esse videbatur. Et cur non diligitur, quod nunquam re-
linquitur ? . . .
[f. 2'] Nec arrogans et compilator iudicer ceu aliena prata
sulcans, quia melior est fontis aqua 5 hausta, algidior et ad
potandum habilior, quam errantes per divexa montis cam-
porumque huc illucque rivuli a 0 diversis animantibus et bestiis
et a porcis turbati, vel ubi sues volutabra delegere solent.
Nunc divino fulti iuvamine aggrediamur . . .
[f. 3'] Praeconis quippe officium suscipit, quisquis ad
sacerdotium accedit. Sed cum rector se ad loquendum prae-
parat, sub quanto cautelae studio loquatur attendat, ne, si
inordinate ad loquendum rapitur, erroris vulnere audientium
corda feriantur. Licet deus natura omnes aequales fecerit,
tarnen ueeesse est nt rectores [f. 4] a subditis timeantur; quando
ab eis deum minime timere depraehendunt, ut humana saltim
formidine peccare metuant, qui divina iudicia non formidant.
In eo enim quod rectores metum sibi a perverse viventibus
1 C. expoliato. 2 Ideo -- expectatur aus Alcuini epist. 282.
3 C. oblibionis. 4 C. operibus. 5 C. aque, 6 C. deest.
538
S i ekel.
exigunt, ceu non kominibus sed aniinalibus dominantur, quia
videlicet ex qua parte bestiales sunt subditi, ex ea debent
etiam formidini iacere substrati. Vobis dicitur: patres nolite
sine causa ad iracundiam provocare filios vestros, et illis dici
tur : filii oboedite patribus vestris in domino . . .
[f. 4'] Nunc specialiter amplius perfectiusque praesens nos
muniat et unum efficiat carta, sicut dominus dixit patri inter-
pellans pro nobis: ut sint, inquit, unum sicut nos unum sumus,
rogo. Non tres sed unum sumus, quia funiculus triplex vix
rumpitur, pater videlicet cum filiis. Quocirca nec 1 aliquid
magis homini in hac mortalitate viventi 2 necessarium est nosse
quam deum et animam. Quantum enim quisque deum agnoscit,
in tantum diligit; qui minus agnoscit, minus diligit, et qui
minus diligit, minus ei dimittitur. Est anima imago et simili-
tudo dei, non tarnen pars dei, quia ad imaginem sui conditoris,
perfectae quidem summaeque trinitatis, quae est in patre et
filio et spiritu sancto, condita est . . .
[f. 5] Proinde 3 igitur quia melior pars est hominis anima,
decet eam dominam fore et quasi de sede regalis culminis im-
perare, quid, per quae vel quando vel ubi vel quomodo faciat
membra, et considerare diligenter, quid cuique 4 membro im-
peret faciendum. Homo plane solus inter mortales ratione
viget, consilio valet, intellegentia antecellit. [f. 5'] Sed con-
cupiscentiae et irae, quae obesse plurimum solent, ratio, quae
mentis propria est, imperare debet. Cuius excellentiores vir-
tutes — provida gubernat ratione. 5 Inter 1 ’ spiritum tarnen et
animam eiusmodi potest differentia esse, quod omnis anima
spiritus est, non tarnen omnis spiritus anima. Sed et apostolus
discernit inter spiritum et mentem, inquirens: psallam spiritu,
psallam et mente. Spiritu psallit, qui rerum obscuras signi-
ficationes non intellegens ore profert; psallit mente, qui easdem
signifieationes mentis efficacia intellegit. Hoc itaque absque
scrupulositate sciendum est, quod animae pulchritudo est et
eius deformitas vitium.
1 Nec aliquid — qui minus agnoscit, minus diligit: aus Ale. ep. 243, voll
ständig in Froben 2, 146. 2 C. vivente.
3 Proinde — imperare debet: etwas abgekürzt aus Ale. 1. c.
4 C. cui. 5 Cuius — ratione: wörtlich aus Ale. l.-c. 146—147.
6 Inter — vitium: etwas abgekürzt aus Ale. 1. c. 149.
Alcninstudien.
539
Heu pro dolor, quod de mysterio crucis nonnulla prae-
libare gestiens — sed volatilis episcopi epistola exire conpulit.
Nunc rogo ut diligenter et morose relegatis, quod cita occupatio
nec correcta 1 perfectio avulsit. Noli hinc recedere fili, usque
dum inchoatum opus peragas, quia valde nunc surgere indigent,
qui tarn longo tempore addicti et prostrati sub infructuosa vite
fuerunt.
Valete vernantes, florete pollentes, vigete Iaetantes, gau-
dete felices, filii mei et fratres karissimi et desiderantissimi,
amen.
Der Schreiber dieses Briefs gibt sich selbst mit Blan-
cidius, ich meine deutlich genug, als Wizo oder Candidus zu
erkennen. 2 Wie er sich nach seinem augenblicklichen Auf
enthalte, wohl in Kärnten, Noricus nennt, redet er seine Lands
leute als Italici an, weil auch sie gerade im obern Italien zwi
schen den Abhängen der Alpen und dem Meere, d. i. in dem
Sprengel des Paulinus weilen. ;i Von ihm erfahren wir aus
drücklich, dass er sich zu Ausgang des J. 798 nach Salzburg
begeben und dass er wieder im J. 802 zu Arno reisen sollte. 1
In Salzburg hat man ja Wizo auch ein gutes Andenken be
wahrt (S. 507 N. 2). Dazu kommt, dass dieser Brief durch
Inhalt und Wortlaut einen Alcuin sehr nahe stehenden Schrei
ber verräth. Mit der Verwahrung des Verfassers gegen die
Bezeichnung compilator verbindet sich doch gleich das Be-
kenntniss ein solcher zu sein. Bisher war nur beachtet worden,
dass er im Eingang die Schriften des Hieronymus plündert.
Nun habe ich zuvor in den Anmerkungen nachgewiesen, dass
er in noch höherem Grade Alcuin abschreibt. Allerdings ge
hören die beiden betreffenden Alcuinbriefe zu den sehr ver
breiteten, so dass sie einige Zeit nach Alcuins Tode jedem
1 C. incorrecta.
2 Auch in der Handschrift steht am Rande Candidus, wie mir scheint von
einer Hand des 15. oder 16. Jahrhunderts.
3 Vgl. Ausonia in den Ep. 94 und 185 an Paulinus und in den Versen an
denselben bei Froben :2, *231.
4 Ep. 107 und 189. — Ich führe andere Briefe Alcuins an Arno, nach
denen Wizo sich bei letzterem befindet, deshalb nicht an, weil es bei
ihnen unentschieden bleibt, ob sich Arno zur Zeit des Empfangs derselben
in seinem Sprengel oder in Francien aufgehalten hat.
540
Sickel.
schriftkundigen Manne zu Gebote stehen mochten. Anders
steht es, wenn wir ausser dem Namen Blancidius noch andere
Anhaltspunkte dafür haben, dass das Schreiben früher verfasst
sein muss: dann passt die Vertrautheit mit den Alcuinbriefen
am füglichsten zu Wizo. Auf eine frühere Abfassungszeit
weist aber die ganze Situation hin. Erinnern wir uns, dass
Alcuin einen sehr lebhaften Antheil au der Bekehrung der
Slaven und Avaren nahm, fast einen grossem als Arno und
Paulinus, denen sie zunächst oblag. 1 Schreiber und Empfänger
obigen Briefes scheinen nun eben mit der Verkündigung des
Evangeliums beschäftigt zu sein und zwar unter Völkerschaften,
die besondere Behandlung erforderten; es klingt auch das an
die Gedanken an, die Alcuin in zahlreichen Briefen über die
Christianisirung im Osten entwickelt. Es ist also wohl denk
bar, dass auch Wizo im Salzburger Sprengel, der bis nach
Kärnten reichte, solche Aufgabe gestellt war und dass gleich
zeitig andere Alcuinschüler Paulinus zu gleicher Dienstleistung
zugesandt worden waren.
Auch Büdinger hatte anfänglich an Wizo als Schreiber
des Briefes gedacht. Aber er meinte, dass Wizo zur Zeit
seines Aufenthalts im Salzburger Sprengel noch jung gewesen .*
sei, sich also nicht wohl senex nennen und so seinen Freunden
als iuvenibus gegenüberstellerv könne. Zunächst wird man es
aber mit all den hier so gehäuften und stark aufgetragenen
Gegensätzen nicht so genau nehmen, sondern aus ihnen nur
herauslesen dürfen, dass dem Verfasser sein augenblicklicher
Aufenthalt nicht behagt und dass er seine Genossen um ihre
bessere Lage beneidet. So deute ich extorris indigenis suis:
er fühlt sich in der Fremde einsam (idiomate carens) und ver
waist, während die Freunde sieh da, wo sie sich mit ihrer
Umgebung noch verständlich zu machen vermögen, auch hei
misch fühlen können; so beziehe ich auch senex iuvenibus nur
auf einen gewissen Altersunterschied. Ich wüsste ferner nicht,
dass sich durch irgend eine Stelle belegen Hesse, dass Wizo
damals noch jung war. Dass Alcuin ihn seinen Sohn nennt, “
will nichts besagen, denn so redet er ja auch Riculf, Angil-
1 Ep. 64, 67, 71 u. s. w. — Ich werde in der Folge näher auf die Ge
schichte der Mission im Osten eingehen.
Alcuinstudien.
541
bert u. A. (Ep. 4) an. Dagegen lässt, sich aus Alcuins Briefen
allerlei aiiführen, wonach gerade Candidus als ein Mann reiferen
Alters und als an Jahren anderen, wie etwa Fridug-isus, vor
aus erscheint. Ihm allein wurde Arno’s vertraulicher Bericht über
die Zustände in Rom mitgetheilt (Ep. 127). Er erhielt, lange be
vor Fridugisus bei Hofe eingeführt wurde, vertrauliche Auf
träge an König Karl. Als Alcuin im J. 800 ablehnte Karl nach
Rom zu folgen, ihn aber von seinen Jüngern begleiten Hess,
scheint er Wizo an deren Spitze gestellt zu haben (Ep. 119,
161). In solchem Sinne, meine ich, hat sich auch Wizo selbst
seinen jüngeren Gefährten gegenüber als senex bezeichnen
können. So sehe ich auch in diesem Worte kein Hinderniss,
den Brief Wizo beizulegen und so zu deuten, wie ich oben
vorgeschlagen habe.
Ich komme auf den Codex C zurück. Dass er einen
auf die Verhältnisse ' im Osten bezüglichen Brief mit enthält,
spricht gleichfalls für seine Herkunft und berechtigt uns eben
falls ihn der Gruppe der Salzburger Handschriften mit Alcuin-
briefen zuzuzählen.
Codex Vindobonensis 458 = X.
Nach Einband u. s. w. ehemals in Salzburg, im Katalog
von 1433 unter Nr. 33 verzeichnet, wird X von Froben sehr
oft (besonders 1, 39 und 2, 418) als Cod. Salisb. LNV1I an
geführt. Ein gewisser Baldo 1 Hess ihn einst von mehreren
schreiben. Um welche Zeit, lässt sich nicht mit Sicherheit
sagen. Denn möchte man den Haupttheil von X der Schrift
nach in den Beginn des 10. Jahrhunderts setzen, so zeigen die
letzten sich unmittelbar anschliessenden Seiten eine entschieden
ältere Hand, die zuletzt auch noch ein Wort in tironischen
Noten wiederholt, so dass man darnach den ganzen Codex eher
dem 9. Jahrhundert zuschreiben muss. Unter verschiedenen
Schriften, die mit Ausnahme der ersten theils Alcuin theils
1 S. die Verse in Mon. Alcuin. 138. — Der jüngste Baldo oder Paldo, der
im Verbriiderungsbuch von S. Peter vorkommt, ist um 860 eingetragen.
542
Sickel.
dessen Schüler zu Verfassern haben, 1 stehen auch drei Briefe
Alcuins und ein Gutachten dos Paulinus. Nur letzteres (Ep.
68) ist dem Codex X eigenthümlich. Ihm ist hier als inhalt
lich verwandt Ep. 67 angereiht, die als an K. Karl gerichtet
in die Collection y und danach in mehrere Handschriften auf- ,,
genommen ist. Auch die beiden weitern Alcuinbriefe in X,
Ep. 154 und 233 lassen sich in vielen Manuscripten nach-
weisen.
Somit gehört X nicht zu den Codices, die ich in dieser
Abhandlung besprechen wollte. Aber er bildet, ähnlich wie C,
den Uebergang zu den in der Folge zu betrachtenden Hand
schriften und gibt mir überdies Anlass zu einigen Bemer
kungen allgemeiner Art. Z, TT, T, K, G, A boten uns doch
im eigentlichsten Sinne Sammlungen von Alcuinbriefen, wenn
auch hier und da anderer Stoff eingeschoben sein mochte; auch
die Schreiber von Y bekunden die Absicht Alcuinbriefe zu
sammenstellen zu wollen. Bei allen diesen Handschriften kom
men also die Merkmale derselben und die Beschaffenheit der
in ihnen enthaltenen Briefsammlungen zusammen, um uns mehr
oder minder Aufschluss über Entstehung und Herkunft zu
geben. In C und X dagegen stossen wir auf die ersten Exem
plare einer weit zahlreicheren Classe von Manuscripten, in die
sich die Episteln Alcuins nur vereinzelt und gelegentlich ver
loren haben, in denen sie neben dem Hauptinhalte fast ver
schwinden. 2 Bei dieser Classe muss also die Feststellung
etwaiger Verwandtschaft von dem ausgehen, was die Haupt-
1 In der Inhaltsangabe der Tab. eed. 1, 75 fehlt der Hinweis auf die Drucke
den ich hier nachholeu will: 1. f. 1—20' Arculfus de sanctis locis Jeru
salem: Text ziemlich gleichlautend mit dem der Grotser’schen Edition,
noch nicht verzeichnet in Tobler, Bibliographia geogr. Palaestinae St;
2.—9. f. 27—81 nach X .in Frohen 2, 419—440, der die Autorschaft
Alcuins wenigstens in Frage stellt; 10. f 81'—86' nach X u. Cod. Monac.
14, 447 in Fr. 1, 342—345 = Ep. 233; 11.—13. f 86'—168 aus denselben
MSS. in Fr. 1, 342—390; 14. f. 168—175 in Fr. 2, 154; 15. f. 175—177'
mit Benutzung von X in Fr. 1, 339 und f. 177'—179 aus X in Fr. 2,
596; 16. 179—186 aus X von Frohen Mansi mitgetheilt, jetzt Jade
Ep. 68; 17. f 186—189 = Ep. 67 u. s. w.
2 Schon Jafte hat eine beträchtliche Zahl solcher Manuscripte angeführt
und benutzt, ohne jedoch den Vorrath erschöpft zu haben.
Alcuinstudien.
543
masse in den Codices bildet, eine Aufgabe, die man wohl dem
Herausgeber der sämmtlichen Werke Alcuins (denn in der
Regel finden sieb die Briefe mit andern Schriften Alcuins ver
bunden), aber nicht dem Bearbeiter der Briefe allein zumuthen
kann. Es handelt sich dabei auch vielfach nur um Dedica-
tionsschreiben, die ganz sachgemäss im Zusammenhänge mit
den gewidmeten Schriften überliefert worden sind.
Zum Codex X zurückkehrend bemerke ich, dass seine
Episteln 154 und 233 und mehrere seiner andern Schriften in
gleicher Verbindung in zahlreichen Handschriften begegnen,
so im Codex S. Hall. 267, im Codex Monac. 2543, im Codex
Coloniensis 106 u. s. w. Namentlich letztem habe ich hier
hervorzuheben. 1 Knust hat es zuerst erkannt, dass dies die
Handschrift ist, welche von Alcuin für Arno bestimmt war und
diesem laut Ep. 234 durch Fridugisus überbracht werden
sollte. Ob sie je wie die Ep. 234 nach Salzburg oder wenig
stens in die Hände Arns gekommen ist, wird sich kaum noch
sagen lassen. Genug dass wir ihre einstige Bestimmung und
ihre directe Herkunft aus Alcuins Schreibschule kennen. Da
bedürfen wir für die hier gebotenen Briefe anderer Codices
gleichen Inhalts, aber in diesem oder jenem Grade abgeleitet,
nicht mehr.
Die gang und gäbe, auch von mir getheilte Meinung ist,
dass Meister Alcuin es in der Correctlieit des lateinischen
Stils doch noch nicht so weit gebracht hatte, als er selbst es
mit seinen Schriften über Grammatik und Orthographie an
strebte. 2 Aber wir entnehmen das doch mehr dem uns be
kannten Entwicklungsgang der Studien in jener Zeit, als dass
wir uns auf unanfechtbare Proben Alcuin’scher Schreibweise
berufen könnten. Liegen uns überhaupt derartige Proben in
den Editionen bereits vor? Und wenn nicht, ist bei dem Stand
der Erhaltung und Ueberlieferung des Stoffes auch nur Aus
sicht vorhanden, dass wir ich möchte sagen ein Autographum
Alcuins noch ausfindig machen werden? Und wenn auch das
1 Pertz Archiv 7, 855. — Jaffe und Wattenbach Ecelesiae Colon. Codices
MSS. 43.
2 Wattenbach in Mon. Alcuin. 80 und in den Geschichtsquellen 1, 125.
544
S i c t e 1.
nicht, inwieweit können wir mindestens eine den Originalen
möglichst nahe kommende Form noch zu gewinnen hoffen?
Es ist meines Wissens von den Herausgebern von Briefen
Alcuins noch nicht einmal der Versuch gemacht, Texte von
einer sich bis auf die stilistischen Eigenthümlichkeiten er
streckenden Genauigkeit herzustellen, d. h. auch hier der For
derung gerecht zu werden, welche doch sonst an die Ausgaben
von literarischen und historischen Denkmälern gestellt wird.
Man ist vielleicht vor den allerdings sehr beträchtlichen Schwie
rigkeiten zurückgeschreckt. Wenn ich z. B. versucht habe,
den Werth einer Reihe von Handschriften im Allgemeinen und
bezüglich der einzelnen Theile ihres Inhalts zu bestimmen, so
ist damit für die Lösung jener Aufgabe noch nichts erreicht.
Selbst Abschriften ersten Grades, als welche wir die gewisser
Briefe in Y betrachten können, erweisen sich als hie und da
bis zur Sinnlosigkeit entstellt: wie könnten wir da getreue
Wiedergabe der Originalepisteln in grammatikalischer und
orthographischer Beziehung erwarten? Und mag 'sich die In
dividualität der Copisten auch nur ausnahmsweise so geltend
gemacht haben, wie wir das bei dem rhätischen Schreiber von
G wahrnahmen, so wird sie doch überall einige Spuren zu-
rückgelassen haben. Eben daher kommt es, dass die Texte
aus mehreren Codices gleicher Güte so zahlreiche Varianten
aufweisen. Diese Handschriften selber geben uns aber noch
keinen zuverlässigen Massstab für die Auswahl unter den Les
arten. Doch dies ist noch nicht einmal die grösste Schwierig
keit, auf die wir stossen. Es drängen sich uns weitere Fragen
auf. Ist anzunehmen, dass Alcuin zumal in den späteren
Jahren noch selbst geschrieben hat, oder nicht vielmehr, dass
er zumeist dictirt haben wird? Inwieweit werden sich dann
die Urschriften seiner Notare mit dem vollständig gedeckt
haben, was der Meiste]- dictirte und was er etwa selbst nieder
geschrieben haben würde? Briefe, Abbandlungen und ganze
Bücher sind oft in grosser Hast geschrieben worden (Ep. 202,
234 u. s. w.), bei der leicht Fehler unterlaufen mochten. Und
auch wo sicher grössere Sorgfalt aufgewandt worden ist, wie
bei den Briefen an Karl, traut Alcuin selbst seinen Amma-
nuensen nicht und will für ihre Nachlässigkeiten nicht verant-
Alcuinstudien.
545
wörtlich gemacht werden. 1 Und doch, da wir autographe
Werke Alcuins nicht mehr anftreiben können, werden wir uns,
ohne uns über den möglichen Abstand zu täuschen, an die wohl
noch eher auf uns gekommenen Urschriften seiner Notare, als
unter seinen Augen entstanden und seiner eigenen Schreib
weise näher stehend denn die späteren durch allerlei Einflüsse
hindurchgegangenen Abschriften, zu halten haben. Nur auf
diesem Wege werden wir uns eine annähernd richtige Vorstel
lung von dem Alcuin zuzutrauenden Grade von Correctheit oder
Incorrectheit bilden können. So muss, meine ich, das For
schen nach und in den Handschriften auch darauf gerichtet
sein, wo möglich aus Alcuins eigener Arbeitsstube hervorge
gangene Manuscripte zu entdecken. Ausser jenem Codex Co-
loniensis ist, so viel ich weiss, noch keinem andern die gleiche
Eigenschaft beigelegt worden. Deshalb will ich auf die Hand
schrift von Valenciennes Nr. 74 2 mit Ep. 137 und 158 ver
weisen, die an mehreren Stellen mit dem Monogramm Kisela
versehen das dieser Prinzessin von Alcuin übersandte Original
zu sein scheint.
1 Mag es auch zum Theil Ausrede sein, so ist doch bezeichnend was Al
cuin, als ihm Unrichtigkeiten in einem früheren Schreiben nachgewiesen
waren, in Ep. 100 sagt: nisi forte notaria manus verba syllabas aut lite-
ras immutasset, qnod saepe evenire solet . . . sicut in priore cartula
nostra de saltus diminutione per vestram divitissimam (?) inquisitionem
factum esse cognovi. Et ita error scribentis cpiodammodo dictanti depu-
tabitur. — Erinnert man sich, welchen Werth Alcuin auf correctes Ab
schreiben der heiligen Schriften legte, so muss auffallen, wie die Biblia
Radonis (Cod. Vindob. 1190) von Fehlern und Auslassungen wimmelt.
Kurz die Praxis blieb weiter hinter der Theorie zurück.
2 Nach Mangeart, Catal. 64, in dem auch noch andere bisher nicht be
nutzte Codices von S. Amand mit einzelnen Briefen Alcuins verzeich-
PP V.
Quaternio
in Z
I
X
I
I
I
II
II
II
II
III
III
IY
IV
IV
IV
Blattzahl
in Z
101 — 104'
104'— 105'
105'— 107
107 - 108
108 — 108'
109 — 112
112'— 114'
114'— 116
116'
117 — 123
123'— 124'
125 — 126
126 — 127
127 — 128
128 — 129'
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
107
101
133
102
104
113
64
109
132
181
222
125
91
18
133
Schreiber und Adressat
des
Briefs
(Alcuinus Arnoni)
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
(Alcuinus Arnoni)
(Alcuinus Arnoni)
(Alcuinus) Aquilae
Albinus Aquilae .
(Alcuinus) pater filiae
(Alcuinus) de Theodulfo
(Alcuinus) filio .
Albinus Aquilae .
(Alcuinus) Aquilae
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Ordnungszahl in den Handschriften
Y TN
18
66
KG
34
H
23
76
49
R B
1 Von Forte aliquantos
3 Wiederholt in Z 195—
dies bis zum Schluss wiederholt in Z 199—200' = Z57. 2 Wiederholt
196 = Z 54. 4 Nur Excerpt in Z. 5 Wiederholt in Z 196—197 = Z 5
10
64 11
12 — 10
13
14
in Z 128-129' = Z 15.
5. 0 Siehe zuvor Z 3.
D
m
4^
Ci
Sickel.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. LXXIX. Bd. III. Hft.
Quaternio
in Z
IV
IV
IV
V
V
V
V
V
V
VI
VI
VI
VII
VII
VIII
Blattzahl
in Z
129'— 130'
130'- 131
131'- 132'
133 — 134'
134'— 135'
135'— 136'
136'— 138'
138'
139 - 140'
141 — 144
144 — 145'
145'— 148'
149 — 153'
153'— 154'
155 — 156'
16
17
18
19
20
21
22
23
2t
25
26
27
28,29
80
31
3
70
106
216
92
135
195
194
5
292
126
151
134
120, 127
148
196
Schreiber und Adressat
des
Briefs
(Alcuinus Arnoni)
(Alcuinus) Aquilae
Albinus Machario
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
(Alcuinus Angilberto)
(Alcuinus discipulo)
Albinus Aquilae .
(Alcuinus) Aquilae
Albinus Aquilae .
Alchuinus Aquilae
(Alcuinus Aquilae)
Albinus Aquilae .
Ordnungszahl in den Handschriften
16
TN
I
KG
II
34
42
36
17
50
37
65
91
79
50
R
D
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
2
3
15, 16
14
1 Wiederholt in Z 187 — 188' :
holt in Z 190-191' = Z 49.
: Z 47. 2 Wiederholt in Z 194'—195 = Z 52, an beiden Orten Excerpt. 3 Wieder-
4 F 148' enthält Kalendis Novembris — praecedamus. Der Copist scheint diesen Passus
als nicht zu Ep. 134 gehörig betrachtet zu haben.
Alcuinstudien. 047
Quaternio
in Z
VIII
VIII
VIII
IX (I)
IX —X
(I—II)
X
X
X
X
X
(II)
(II)
(II)
(II)
(II)
X—XI
(II—III)
XI (III)
xi (in)
XI (III)
Blattzahl
in Z
156'— 159'
159'— 162'
162'
163 — 167'
167'— 172
172 — 173
173 — 174'
174'— 176
176 — 177
177'— 178
178 — 180'
180'- 184'
184'— 185
185 — 185'
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
ö £
H ® £
U4 'ö <3
188
189
183
28
23
279
283
282
293
45
35
27
211
215
Schreiber und Adressat
des
Briefs
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae . .
Albinus Aquilae. .
Albinus Adelhardo .
(Alcuinus Aethelredo)
Albinus Eugeniae
Albinus Altapetra
(Alcuinus) amicis
(Alcuinus) amico
Alchuinus Egfrido
Alchuine Eboracensi(s) eccle-
siae fratribus
(Alcuinus Wiremuthensibus)
(Alcuinus Damoetae) . . .
(Alcuinus Machario) . . .
Ordnungszahl in den Handschriften
TN
28
29
44
45
46
47
48
50
49
41
40
KG
1
2
56
35
36
28
23
22
49
18
V A
10
1
52
25
95
77
78
20
22
31
26
19
18
H
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
42
F 157' ist, weil die Tinte durchschlug, unbeschrieben geblieben.
11
12
13
>*
548 Sichel.
Quaternio
in Z
Blattzahl
in Z
Ol e g
H o 3
t-l ^ <tj
Schreiber und Adressat
des
Briefs
Ordnungszahl in den Handschriften
TN
KG
E 1
XI—XII
(III—IV)
XII (IV)
XII (IV)
XII (IV)
XII (IV)
XII (IV)
XII (IV)
XII— XIII
(IV-V)
XIII (V)
XIII (V)
XIII (V)
XIII (V)
XIII (V)
XIII— üTV
(V—VI)
185'— 187
187 — 188'
188'— 190
190 — 191'
191'— 192'
192'— 194
194'
194'— 195
195 — 196
196 — 197
197 - 199
199 — 200'
200'— 202'
202'— 205'
46
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
58
59
88
216
256
292
42
24
5
302
109
2-22
295
107
86
223
1 Siehe zuvor Z 18.
2 Siehe zuvor Z 24.
(Alcuinus Aedilbercto)
Albinus Machario .
Albinus Magenhario
(Alcuinus discipulo)
Alchuinus Edilrado .
Alchuinus Hugibaldo
(Alcuinus Angilberto)
Albinus amicis .
Albinus Aquilae .
(Alcuinus) filio .
(Alcuinus episcopo)
(Alcuinus Arnoni)
Alchuinus genti Cantuuariorum
(Alcuinus) pater filio prodigo
3 Siebe zuvor Z 23.
6 Siehe zuvor Z 1.
15 -
— 103
Siehe zuvor Z 8.
16
17
53
37
28
65
24
79
30
27
91
103
76
48
49
60
61 |
Siehe
50
zuvor Z
7 8
11.
Alcuinstudien. 549
Quaternio
in Z
XIV (VI)
XIV (VI)
XIV (VI)
XIV— XV
(VI - VII)
xv (vn)
XV (VII)
XV (VII)
XV— XVI
(VII—VIII)
XVI (VIII)
XVI (VIII)
Blattzahl
in Z
205'— 207'
207'— 208
208 — 210'
210'- 212'
212'— 214
214 — 215'
215'— 216'
216'— 219'
219'— 220'
220'— 221'
§ .2
60
61
62
63
64
65
66
67
68
69
M. Carol.
354
M. Carol.
353
90
56
235
202
192
203
204
234
Schreiber und Adressat
des
Briefs
Carolus rex Leoni Papae . .
Carolus rex Homero . . .
Alchuinus fratribus Invaven-
sis ecclesiae
Albinus Paulino .
Alcuinus Aquilae
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Albinils Aquilae .
Albinus Aquilae .
Albinus Aquilae .
Ordnungszahl in den Handschriften
Y TN
KG
H
19
60
66
99
R B
D
1
550 Sickel. Alcuinstudien.
Bl BL ÖAW
+YW18985406