Kant, und die positive Philosophie. 81 Kant betrachtet als diese das zu Stande bringen ,einer innerlich und zu diesem Zwecke auch äusserlich vollkommenen Staatsverfassung-' (a. a. 0. S. 305). ,Eine solche', setzt er hinzu, ,ist der einzige Zustand, in welchem die Natur alle ihre Anlagen in der Menschheit völlig entwickeln kann.' Zur voll ständigen und zweckmässigen Auswicklung sind aber ,alle Anlagen eines Geschöpfes (also auch des Menschen) bestimmt'. Bei allen Thieren bestätige dieses sowohl die äussere als innere Beobachtung. Ein Organ, das nicht gebraucht werde, eine Anordnung, die ihren Zweck nicht erreiche, sei ein Wider spruch in der teleologischen Naturlehre. Gehen wir von jenem Grundsätze ab, so ,haben wir nicht mehr eine gesetzmässige, sondern eine zwecklos spielende Natur; und das trostlose Un gefähr tritt an die Stelle dos Leitfadens der Vernunft'. Grund der Zuversicht Kants, einen ,Leitfaden' für die Geschichte zu entdecken, ist daher allerdings kein anderer, als die Zuversicht, dass ein solcher in der Natur überhaupt vorhanden sei. Die teleologische Naturlehre duldet keinen ,Widerspruch', also auch nicht, dass vorhandene Anlagen nicht zur Entwicklung gelangen. Gibt es nun kein anderes Mittel, die im Menschen schlummernden Anlagen zur vollen Entfal tung zu bringen, als eine vollkommene Staatsverfassung, so muss das Absehen der ,teleologischen' Natur, das unmit telbar auf jene gerichtet ist, mittelbar auch auf diese gerich tet sein. Worauf beruht nun die Zuversicht, dass die Natur über haupt teleologisch sei? Offenbar auf dem festen Glauben, dass die Natur ,gesetzmässig' sei. Kant stellt in obiger Stelle ,gesetz mässige' und ,zwecklos spielende Natur' als Gegensätze ein ander gegenüber. Da nun das Gegentheil der ,zwecklos spie lenden' die ,teleologische' Natur ist, so müssen Obigem zufolge letztere und ,gesetzmässige' Natur im Sinne Kant’s gleich bedeutend sein. Und von diesem Gesichtspunkte aus fallt ein Licht auf den Werth, welchen die jährlichen Tafeln' der Ehen, Geburten und Sterbefälle durch die sich in ihnen kundgebende Gesetzmässigkeit für Kant’s Versuch - einer teleologischen Ge schichtsansicht besitzen. Denn erfolgen jene ,nach beständigen Naturgesetzen', ungeachtet ,der freie Wille des Menschen auf Sitzungsber. d. pliil.-liist. CI. LXXVII. Bd. I. Hft. 6