Die Kosmologie und Naturleliro des scholastischen Mittelalters. 403 eine besondere Seelenkraft der denkfähigen und denkmächtigen Seele fasste, machte er entschieden einen ahndungsvollen, glücklichen Griff, und wies auf jenen intuitiven Seelensinn hin, in welchem das ideale Apperceptionsvermögen und die specu- lative Denkfähigkeit des Menschen begründet ist. In der scho- lastisch-peripatetischen Theorie der Seelenvermögen fand sich für dieses geistige Intuitionsvermögen der Seele keine besondere Stelle, und insofern hätte Wilhelm über die auf sein Zeitalter folgende Epoche der peripatetischen Scholastik entschieden hinausgegriffen. Aber er war selber weit davon entfernt, die ganze und volle Bedeutung dieses Vermögens zu erfassen; es verkümmert bei ihm zu einem Vermögen leichter und schneller Auffassung, zu einem Vermögen glücklicher Geistesblicke. 1 Dass die ganze Tiefe des geistigen Ahndungsvermögens der menschlichen Seele in demselben enthalten sei, davon hatte der Platoniker Wilhelm keine Ahnung. Es war dem über den Gegensatz von Platonismus und Aristotclismus hinausgreifenden philosophischen Denken der Neuzeit Vorbehalten, im idealen Vernunftsinne der menschlichen Seele den Quell und Erzeuger der philosophischen Einsicht aufzuzeigon, und das philosophische Denken und Erkennen in der durchgängigen Zurückbeziehung des menschlichen Erfahrungswissens auf die Apperceptionen des idealen Vernunftsinnes und durch Begründung aus denselben in ein speculatives Denken und Erkennen vertiefend umzubilden, d. h. zum Range eines durchgebildeten philosophischen Denkens zu erheben. 1 Est autem ingenmm vis quaedam animis insita, suis viribus praevalens. Vfil in gen i um est vis animae naturalis ad aliquid cito percipiendnm. Subst. phys. VI, p. 307.