Die Kosmologie und Naturlelire des scholastischen Mittelalters. 357 sei. Einige sagen — bemerkt Wilhelm — der Regenbogen sei etwas objectiv Wirkliches (irim esse substantiam), und halten ihn für ein Aggregat aus einer zahllosen Menge von Wolkentropfen, deren einige im Lichte der Sonne glänzen, während andere dunkel seien; obwohl von einander unter schieden, bilden sie für unser Auge ein Continuum von mannig faltigen Farbenübergängen. Die anderen, die den Regenbogen für einen Wiederschein der Sonne halten, rechtfertigen dies aus der kreisförmigen Gestalt desselben; wie jedoch der Regen bogen selber nichts Wesenhaftes, sondern blosses Bild einer Wesenheit sei, so seien auch die Farben blosse Bilder von Farben. Wieder Andere endlich nehmen an, dass die Iris nichts anderes als eine Wolke von mittlerer Dichtigkeit, nicht allzudunkel und nicht allzuhol], sei, welche, der Sonne direct gegenüber stehend und von ihr beglänzt, die vier Hauptfarben der vier Elemente annehme, vom Feuer die Rüthe, von der Luft die Purpurfarbe, vom Wasser die Bläue, von der Erde das Grün. Diese dritte, von Wilhelm erwähnte Ansicht, für welche er sich unter Weglassung des bei Isidor 1 vorkommenden spielenden Gedankens von den Farben der vier Elemente in den Ele- mentis philosophiae endgiltig entscheidet, trifft im Ganzen mit jener Seneca’s zusammen, 2 und wird von Wilhelm durch den analogen Fall dos Farbenspieles, welches unter gewissen Um ständen an von der Sonne beschienenen wassergefüllten Gläsern sich zeigt, erläutert. 3 Wollte man wegen einer relativen Dis- crepanz der Erklärungen Seneca’s und Wilhelms zweifeln, ob letzterer jenen vor Augen gehabt und benützt habe, so würde eine längere, fast wörtlich mit Seneca Q. N. I, 8 (n. 6. 7) zusammenstimmende Stelle in Wilhelms grösserer Schrift jeden 1 Vgl. Isidor. Nat. Rer., c. 31, und weiter auch Beda Nat. Rer. c. 31. 2 Vgl. Seneca Q. N. I, 3: Illud dubium nulli esse potest, quin arcus imago solis sit roscida et cava nube concepta. Quod ex hoc tibi appareat: Nunquam neu soli adversa est .... Saepe nubes a latere solis est, nec arcum efficit, quia non ex recto imaginem trahit. 3 Aqua in nube illustrata ut in vitreo vase ex splcndore solis, ubi est tenuior et calidior, rubeum ostendit colorem; ubi spissior, purpureum vel nigrum. Inde est, quod arcus ille nunquam nisi in opposita parte solis relucet. Aer enim vicinus soli ex ejus splendore ita irradiatur, ut diversi colores in eo non appareant. Elem. philos., lib. III.