Ueber den Einfluss der Tonlehre auf Herbart's Philosophie. 35 lebens, welche mit jener der Körperwelt das Gemeinsame hat, dass mit Berücksichtigung gewisser durch die Natur der Sache gebotener Abweichungen die allgemeinen mathematisch formu- lirten Naturgesetze auf dieselbe Anwendung finden. Die ersten Anfänge dieser Theorie fallen, wie man aus seinem eigenen Bekenntnisse weiss, in eine sehr frühe Zeit. In der 18.11 abge fassten Abhandlung: Psychologische Bemerkungen zur Tonlehre (S. W. VII. Band) sagt er (S. 25), dass er die psychologischen Grundformeln vom allgemeinsten Gebrauch, auf welche seine ganze Theorie gebaut sei, schon sechs Jahre früher besessen und zu mancherlei Untersuchungen angewendet habe, ehe es ihm gelungen sei, von ihrer Anwendung auf Musik die ersten Anfänge zu entdecken. Da er in den um 1808 er schienenen ,Hauptpunkten* der Metaphysik (S. W. III. S. 46) diese Anwendung bereits vorzulegen im Stande war, so muss die Entdeckung obiger Grundformeln mindestens in das Jahr 1800, eher noch weiter zurückgeschoben werden, zu einem Zeitpunkt, wo er das 26. Lebensjahr noch nicht überschritten hatte. Steht es durch obige Erklärung fest, dass er nicht durch die Tonlehre auf deren Entdeckung geführt wurde, so lässt die Art, wie er in den Hauptpunkten und noch mehr in den psychologischen Bemerkungen zur Tonlehre von der letzteren spricht, keinen Zweifel übrig, dass er durch dieselbe im Vertrauen auf die Richtigkeit obiger Grundformeln endgiltig bestärkt und zu dem Entschlüsse vermocht wurde, mit den selben als Basis einer neuen und besseren Psychologie als die seiner Vorgänger und Zeitgenossen, vor das Publicum zu treten. Er selbst nennt die Tonlehre die empirische Bestätigung seiner a priori construirten psychologischen Theorie. Wenn er in den Hauptpunkten der Metaphysik, nachdem er in §. 13 die ,Elemente einer berechtigten Psychologie* entwickelt hat, nach ,Anwendungen* fragt, so ,bietet sich die Tonlinie dar* (III. S. 46). In den psychologischen Bemerkungen zur Ton- lelire bekennt er (VII. S. 6), dass die Tonlehre ihm interessanter wurde, als er seine psychologischen Bemerkungen auf sie aus dehnen lernte und neue Aufschlüsse erhielt, die, wenn er nicht irre, dieser selbst die erwünschteste Bestätigung gewährten. Und noch nahe dem Schlüsse seines Lebens, in dem nur zwei Jahre vor seinem Tode veröffentlichten ersten Hefte seiner psycho- 3*