Ueber Kant’s mathematisches Vorurtheil und dessen Folgen. 17 selbst gemacht zu haben versichert, von welcher es aber minde stens fraglich ist, ob sie jeder Andere in gleichem Fall an sich bestätigt finden werde. Ich wenigstens vermag nicht einzusehen, wie dadurch, dass ich jene Vereinigung von Sieben und Fünf in einer Summe denke, die Zwölf noch nicht gedacht sein soll, die ja eben gar nichts Anderes ist, als die mit einem eige nen Namen bezeichnete Summe von Sieben und Fünf! Und ebenso wenig leuchtet mir ein, wienach behauptet werden könne, dass, die Zergliederung jener Summe noch so lange fortgesetzt, man nie die Zwölf darin antreffen werde, da es doch augen scheinlich einer solchen nicht einmal bedarf, sondern die frag liche Summe eben schon die Zwölf ist! Der gleich folgende Satz, aus dem die synthetische Natur des fraglichen Urtheils im Sinne der S. 42 gegebenen Erklärung eines solchen folgen soll, beweist nicht, was er will. Denn es ist zwar ganz richtig, dass ich, um zur Zwölf zu kommen, über ,diese Begriffe', nämlich sowohl über die Fünf als über die Sieben ,hinausgehen' muss; aber es ist ganz und gar falsch, dass ich zu diesem Zweck auch über die ,Vereinigung von Sieben und Fünf' hinausgehen müsse, welche eben die Zwölf ist! Das Urtheil 7 + 5 = 12, das keinen andern Sinn hat, als: ,die Vereinigung von Sieben und Fünf ist Zwölf', ist daher wirklich nicht blos analytisch, sondern sogar identisch, denn das Prädicat wiederholt das Subject, nur unter einem andern Namen! Alles, was man Kant zugeben kann, beschränkt sich darauf, dass man, um jene ,Vereinigung von Sieben und Fünf', welche durch 7 + 5 dargestellt wird, zu Stande zu bringen, des Hinausgehens sowohl über die 7 als über die 5 bedürfe, denn sonst kommt es eben zu keiner ,Ver einigung'. Aber diese ,Vereinigung' ist eben noch nicht das Ur- tlicil 7 + 5=12, sondern blos das Subject desselben! Jenes selbst, welches die Grleichsetzung dieses Subjects mit dem Prä dicat 12 ausspricht, ist augenscheinlich identisch! Die Art, wie Kant hier das Prädicat zu etwas von der Subjectvorstellung Verschiedenem zu stempeln sucht, hat, um es nicht schlimmer zu nennen, etwas von Selbsttäuschung an sich, und wird nur durch die weitere übertroffen, wie Kant bei dem Nachweis der synthetischen Natur geometrischer Urthcile zu Werke geht. Dass die gerade Linie zwischen zwei Punkten die kürzeste sei, ist ein synthetischer Satz, behauptet er (a. a. Sitzli. d. phil.-hist. Cl. LXVII. Bd. I. Ilft. 2