T 580 Höfler wäre, den neuen Völkern alle Culturelemente zu entziehen, nicht aber sie mit diesen zu befruchten. Allein die Völkerwanderung war ja selbst nur ein Moment unter vielen, welche eine neue Zeit herbeiführten, wenngleich ein sehr wesentliches. Sie war nicht blos eine germanische, noch eine blos hunnische, sie war eine slavisch-avarische, eine arabische, zuletzt eine mongolische und türkische (seldschukische und osmanische) wie eine berberische. Es ist nicht nur ausserordentlich schwer zu sagen, wann die Völkerwanderung aufhörte, da sie sich stossweise durch das ganze Mittelalter hindurchzieht, sondern ebenso schwer zu sagen, wann sie beginnt. Mit welchem Rechte da zum Jahre 375 gegriffen wird, dem Hunnensturme, während nicht die Hunnen, sondern die Germanen den Sturz des römischen Reiches entschieden und die Hunnen, nachdem sie die Gothenreiche zertrümmert, .60 Jahre lang sich ruhig verhalten, ist schwer auszumitteln. Die ger manische Völkerwanderung, d. h. der Einbruch der Germanen in das römische Reich, beginnt aber nicht nur früher, lange vor 375 und dauert bis 569; er findet nicht blos an der Donau, sondern auch am Rhein und von der Maas her statt, indem die Franken nach Gallien dringen und ein Reich begründen, mit welchem sich später die Wieder herstellung des römischen Reiches verknüpft. Will man die Grenz scheide zwischen Alterthum und Mittelalter mit einem Jahre be zeichnen, das den Eintritt der Völkerwanderung als massgebendes Ereigniss darstellen soll, so hat man den wilden Hunnen mit ihren Schildgesichtern und Reinen wie Brückenpfählen zu viel Ehre er wiesen, als man ihren Einbruch auf die Gothen als Ausgangspunkt von Ereignissen nahm, die vor ihnen schon im vollsten Kommen be griffen waren, nach ihnen und unabhängig von ihnen noch Jahr hunderte erfüllten. Was hat denn etwa der Hunnensturm für einen Einfluss auf den Verlust Britanniens, auf die Eroberung Afrika’s durch die Vandalen, Spaniens durch die Westgothen, Galliens durch Burgunder, Westgothen und Franken ausgeübt? Handelt es sich um einen universalhistorischen Abschnitt, um die Begründung einer neuen Ara, so darf nicht ein Ereigniss dazu verwendet werden, das selbst dem Wellenschläge zu vergleichen ist, der ruhelos hin und herwogt. Es ist nun kein Grund vorhanden, warum dazu nicht Ereignisse dienen sollten, welche auf das römische Reich einen nachhaltigen ■