Aschbach, Die Anicier und die römische Dichterin Proba. 369 Die Anicier und die römische Dichterin Proba. Von dem w. M. Dr. Joseph Asch bach. I. Die Anicier. Es gibt kaum eine andere römische Familie, welche eine so lange Reihe von Jahrhunderten hindurch ihre politische Bedeutung gewahrt hat wie die Anicische. Schon in der Zeit der Kriege, welche Rom zur Herrschaft über Italien geführt haben, werden die Anicier unter den angesehenen und reichen römischen Bürgern ge nannt, und sie gelangten dann auch in rascher Folge zu hohen Staats ämtern. Aber die Anicische Familie erhielt erst recht ihre eigentliche Bedeutung und eine hervorragende Stellung, als unter Constantin dem Grossen der römische Staat eine neue Einrichtung bekam, der alte Cultus schwand und das kaum eingeführte Christenthum zur Staats religion erhoben wurde. Die Anicier gehörten damals zu den ersten senalorischen Familien, welche am entschiedensten und eifrigsten dem neuen Cultus und den Cönstantinischen Einrichtungen sich zu wandten und wesentlich dazu beitrugen, den Übergang vom heidni schen Rom zur christlichen Kaiserherrschaft zu befördern. Durch ihre Stellung am Kaiserhof, durch ihre weitverzweigten Familien-Verbin- dungen und ihren mächtigen Einfluss in dem wieder Ansehen gewin nenden Senat, durch ihre unerschöpflichen Reichthümer und ihren unermesslichen Länderbesitz in Italien und in fast allen Provinzen des Reiches, waren die Anicier in den beiden letzten Jahrhunderten der römischen Kaiserherrschaft im Abendlande beinahe die einzige innere politische Macht, welche das Zerfallen und den Untergang des Reiches noch aufhielt. Sie bekleideten fast beständig die höchsten Staatsämter: selbst den Kaiserthron bestiegen einige Mitglieder der Familie.