Z i n g e r I e , Findlinge. 143 Findlinge. Von Dr. Ignaz V. Zingerle. Im ersten Hefte meiner „Findlinge“ habe ich Bruchstücke einer Legende*) veröffentlicht, die nach Vers und Reim noch der guten Zeit angehört und einen gewandten Erzähler verräth. Ich ahnte damals nicht, welchem Legendenwerke diese Bruchstücke ent nommen sind, aber der poetische Werth derselben erregte den Wunsch, mehrere Trümmer zu finden. Ein glücklicher Zufall ver setzt mich nun in die angenehme Lage, nicht nur neue Fragmente dieser Dichtung zu bieten, sondern auch dieselbe genau bezeichnen zu können. Archivar Dr. David Schönherr entdeckte im Archive zu Meran im October 1869 14 Doppelblätter, zwei einfache Blätter und ein halbes Blatt derselben Handschrift als Deckelüberzüge von Urbar- büchern des ehemaligen Clarissenklosters in Meran. Durch diesen glücklichen Fund fügte mein verehrter Freund seinen vielen Ver diensten um tirolische Kunst- und Culturgeschichte ein neues hei. Mit der grössten Liberalität übergab mir Dr. Schönherr die abge lösten Blätter zur Veröffentlichung, wofür ich ihm meinen tiefgefühlten Dank ausspreche. Sie zeigen die nämliche feste, reinliche, deutliche Handschrift des 14. Jahrhunderts, dieselben ultramarinblauen und rothen Initialen, dasselbe Format (Folio), auch sie sind doppelspaltig geschrieben, je eine Spalte in der Regel zu 32 Versen, wie das im ersten Hefte der Findlinge veröffentlichte Doppelblatt. Schade, dass einzelne Blätter zu sehr beschnitten sind, und dass an manchen Stellen die Schrift bis zur Unleserlichkeit abgerieben ist. Bei der ersten Durchsicht dieser Fragmente, die beiläufig 3900 Verse ent halten, ersah ich, dass es Reste des oftgenannten „Buches der *) Sitzungsberichte LV. ßd. S. 633—640.