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Zeugen- u. Inquisitionsbeweis im deutschen Gerichtsverfahren etc. 369
Voraussetzungen der Zeugenfälligkeit, die sich auf Standes- und
Stammesgleichheit und ein bestimmtes Vermögensmass beziehen,
seien hier nur im Vorübergehen erwähnt, da sie den Gegensatz von
Zeugen und Inquisitionsbeweis nicht berühren.
0. Das Zeugenverfahren einzelner Stammesrechte nach
Urkunden karolingischer Zeit.
Das Ergebniss, welches die Untersuchung über die Capitularien
geliefert hat, wird durch die Urkunden nach allen Richtungen hin
bestätigt. Auf Grund derselben soll in Folgendem das Zeugenverfahren
des hier behandelten Zeitraums, soweit es die Unterscheidung von
Zeugen- und Inquisitionsbeweis erheischt, nach den Sonderrechten
der im fränkischen Reiche vereinigten Stämme dargestellt werden.
Wenn auch das in den Urkunden gebotene Material nicht ausreicht,
alle Stammesrechte in gleicher Weise zu berücksichtigen, so genügt
es doch, um für alle mit Sicherheit jene Schlüsse zu ziehen, auf die
es zur Erhärtung des berührten Gegensatzes ankömmt.
Weitaus am anschaulichsten schildern uns das Verfahren die
Gerichtsurkunden aus den Gebieten des langobardischen und des
westgoth’schen Rechts. Die Gründe liegen nahe. Einerseits kamen
daselbst die Urkunden im Gerichtsverfahren schon früher zur An
wendung, indem dieses das von den Römern überkommene Notariats
wesen seinen Zwecken dienstbar machte. Anderseits zwang die con-
currierende Nachbfschaft des römischen Rechtes, die Beobachtung
aller einzelnen durch das germanische Stammesrecht gebotenen
Förmlichkeiten in der Urkunde ausdrücklich zu betonen, während
dort, wo das heimische Recht auf abgeschlossenem Territorium un
geschmälerte Geltung hatte, eine solche Veranlassung nicht vorlag.
Ich beginne mit den Urkunden des langobardischen
Rechtsgebietes 1 ). Um zur Anschauung zu bringen, wie der
1 J Die Urkunden, auf welche die folgende Darstellung sich stützt, betreffen zumeist
Processe um unbewegliches Gut, in welchen der durch Gemeindezeugniss geführte
Beweis dreissigjährigen Besitzes den Ausschlag gibt. Als anschauliche Beispiele
für Zeugenverfahren vergleiche man Memorie e documenti per servire all’ istoria
del duealo di Lucca IV b , 27; 63; 65; V^, 386; 466; 504; Muratori, Antiquitäten
Ilaliac I, 973; 11 r , 1015 ; V, 311,
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