Die Gefahr vor Gericht un d im Rechtsgang. 121 Anforderungen, als auch in den Folgen seiner Verletzung genannt wurde. Keiner war sicher, schuldenfrei, wie er gekommen, von den Schranken zu scheiden. Gar Mancher Hess ein Pfand zurück als Zeichen verwirkter Busse, überkommener Schuld. Gleich nahe und nur noch grösser in der drohenden Wirkung war aber für die streitenden Theile die „Gefahr“ , welche in der Verhandlung selbst gelegen war. Es fand in der That auf den Rechtsgang volle Anwendung der biblische Spruch: wer da stehet, sehe wohl zu, dass er nicht falle. So Vieles hing ab von Worten, Sylben, ihrer Aussprache und von den Förmlich keiten bei Handlungen, welche die Erklärungen begleiteten s). Gleich 3 ) Über den Sinn des mittelhochdeutschen Ausdruckes „vare“ (ahd. fara), wofür wir uns des neuhochdeutschen „Gefahr“ bedienen, sind schon die seltsamsten, einander widerstreitenden Ansichten ausgesprochen worden. Man nehme nur die Zusammen stellung bei Nietzsche, de prolocutoribus p. 15,16, welche in Folge von Äusserun gen neuerer Rechtshistoriker überdies leicht vermehrt werden könnte, wenn anders Vollständigkeit nach dieser Richtung einen Werth hätte. — Wir sehen hier von den verschiedenen Bedeutungen ab, welche dem Worte im Leben über haupt zukamen, indem wir iu dieser Hinsicht verweisen auf Graff, Althochdeutsch. Sprachschatz 3, 575—578, Scherz, Glossar 2, 1690 —1691, Wächter, Glossar 413, 416, 417, Brem.-Niedersächs. Wörterb. 1, 345 — 348, Schmeller, Bair. Wörter!). 1, 550, Weigand, Synonima n. 2339, Weigand-Schmitthenner's Wörterb. u. W. Fahr, befahren, Wackernagers Wörterb. zum ahd. Leseb. u. W. var, varen. Auf dem R e c h tsgebiete wurde der Ausdruck „vare“ einmal gebraucht fiir Rechts- nachtheil, Busse, insbesondere auch die gerichtliche Busse im allgemeinen. Als Belege dieser gewöhnlichen Bedeutung stehen unzählige Zeugnisse, namentlich in Statuten und Weisthümern zu Gebote. Vgl. beispielsweise Statuten von Hamburg, Stade, Riga (Sitzungsberichte 42, 206) : Freiberger Statuten bei Schott 196, 210, 233, 251, 259 ; Dittmer, Sassen- und Holstenrecht S. 93, 95, 152, 153, 154, 181, 183, vgl. 182, 185, 186; ferner Lüneburger Stadtrecht hei Kraut 53, 13; 56, 14; Frankfurter Stadtrecht 1297, §. 11 vgl. 12 bei Thomas Oberhof 218; und die Weisthiimer bei Grimm 1, 274; 2, 85. 94. 336. 617. 769; 3, 737. 789. 824. 833. 834. In den Rechfsbiiehern findet sich der Ausdruck nicht, nur Eine Handschrift (die Breslauer) des Richtsteig Landrechts setzt c. 38, §. 4 für hüte, und zwar die persönliche Busse, vare. Das Wort hat aber noch eine engere technische Bedeu tung und mit vare in diesem Sinne ist identisch der am Niederrhein übliche Aus druck bevanc (von bifähan, capere, illaqueare, illigare, stringere. Graff, Althoehd. Sprachschatz 3,403). Unter vare wurde nämlich insbesondere der verfängli che Formalismus verstanden, welcher d i e S te 11 u n g und das Ver fahren vor Gericht beherrschte, und zwar sowohl in seinen Anforderungen, als auch in seinen Wirkungen. Diese Bedeutung ergeben auf das Unzweifelhafteste die Stellen, welche zuerst Nietzsche, de prolocu toribus p. 15 ff. gesammelt und Homeyer, Sachsenspiegel 2, 618 und Richtsteig