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Sitzungsberichte
der
kaiserlichen Akademie
der
Wissenschaften.
Philosophisch-historische C lasse.
Vierter Band.
Wien, 1850.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
In Commission bei W. Itrauinüllcr, Buchhändler des k. k. Hofes und
der k. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungsberichte
der
Philosophisch - historiscben Classc
der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften.
Vierter Band.
Jahrgang 1850. — Heft 1—5.
Jänner—Mai.
Wien, 1850.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
ln Commission bei W. Braumüller. Buchhändler des k. k. Hofes und
der k. Akademie der Wissenschaften.
Inhalt
Seite
.Sitzung' vom 2. Jänner 1850.
Freiherr Hammcr-Purgstall, Ueber die Namen der Araber 3
Roller, Ueber die Bildung secundärer Wurzeln im Sanskrit (Fortsetzung) 4
Adam Wolf, Ueber die Reformationsgeschichte der Stadt Eger 10
Schmidt, Ueber das Vcrhältniss der Geographie zur Politik 27
Sitzung* vom 9. Jänner 1850.
Freiherr Hammer-Purgslall, Ueber die Namen der Araber (Fortsetzung) . 27
Chmel, Nr. IV. seiner Vorträge über die Pflege der Geschichtswissenschaft
in Oesterreich 29
Pfizmaier , Ueber den nichtslawischen Ursprung der etruskischen Sprache 49
Sitzung vom 16. Jänner 1850.
Chmel, Schreiben an Herrn Palacky in Angelegenheit der historischen
Commission . . 55
Freiherr Hammer -Pur gstall, Ueber die Namen der Araber (Fortsetzung) . 64
Boiler, Fortsetzung des obigen Aufsatzes 65
Sitzung vom 30. Jänner 1850.
Freiherr Hammcr-Purgstall, Fortsetzung des obigen * • 72
Ratclinsons Uebersetzung einer Keil-Inschrift auf einem babylon. Ziegel
des k. k. Münz- und Antiken - Cabinetes 73
Ritter v. Laurin , Ueber die unlängst in der Nekropolis von Memphis aus
gegrabenen angeblichen Apis-Mumien 74
Ameth , Bericht über Herrn Dr. Kandler’s Werke 77
Schuller's Bericht über die bisherigen Leistungen des Vereins für sieben-
bürgische Landeskunde >... 87
Goldenthal, Bericht über Ausgaben und Bearbeitung hebräischer Werke von
Po llak und Kämpf 92
Sitzung vom 6. Februar 1850.
I v. Adelsburg, Nachricht über Beirut. 101
Ameth , Ueber Dr. Kaudler’s Werke (Fortsetzung) 105
Schmidt, Ueber Begriffsbestimmungen in der Geographie, ........ 107
Boiler, Ueber die Bildung der secund. Wurzeln im Sanskrit (Schluss)*. 113
Chmel, Ueber die Pflege der Geschichtswissenschaft in Oesterreich (Fort
setzung) 122
.Sitzung vom 20. Februar 1850.
Bouc , Ueber die Menschenfüsse - Abdrücke auf Felsen 143
Ameth, Ueber Dr. Kandler’s Werke (Fortsetzung) 147
Pfizmaier, Bemerkungen über die von La Peyrouse gelieferte Wörter
sammlung von Sagalien * 151
Suttner, Ueber physiologische Psychologie 171
Sitzung vom 6. März 1850.
Ameth, Ueber Dr. Kan dl er’s Werke (Schluss) 173
Zcibig , Die Bibliothek des Stiftes Klosterneuburg 184
Seile
Sitzung: rom 13. März 1850.
Chm elf Ueber einige neuere literar. Erscheinungen im Gebiete der
deutschen Kirchengeschichte 186
— Ueber die kirchlichen Zustände in Oesterreich im 15. Jahrhundert
(Fortsetzung) ..»...* 187
Sitzung* vom 20. März 1850.
Bergmann, Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs . * . . * 189
Pfiztnaier, Beitrag zur Kenntniss der Aino-Poesie 189
Chmelf Ueber die kirchlichen Zustände in Oesterreich im 15. Jahrhundert
(Fortsetzung) 201
Sitzung vom 10. April 1850.
v. Kremer , Bericht über seine wissenschaftl. Thätigkeit während seines
Aufenthaltes in Haleb 203
Derselbe, Auszüge aus Ibn-osch-Schihne’s Geschichte von Haleb 215
Derselbe, Nachrichten über den am linken Ufer des Tigris wohnenden
Araberstamm der Beni Lam 251
Bergmann, Beiträge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs 255
Arneth , Bericht über die Werke des Hrn. Prof. Gaisberger 255
Sitzung vom 17. April 1850.
t). Kremer , Schreiben an die k. Akademie 262
/Derselbe, „Aus M ä w e r d i’s moslimischem Staatsrecht” 266
v. Tschudi, Ueber die Sprachen Amerika’s 282
Hofier, Ueber den Versuch die Diethmar’schen dänischer Erbherrschaft zu
unterwerfen ^ 283
Sitzung vom 24. April 1850.
v. Kremer, Die Medreseen von Haleb und Mekke 304
Höfler , „Fränkische Studien” Nr. I., II., III 310
Zappert, Ueber die Quellen - Angabe der mittelalterlichen Geschichts-
Erzähler 312
Arneth, Bericht über Gaisberger’s Werke (Schluss) 313
Pfizmaier, „Beitrag zur Kenntniss der Aino-Poesie” (Fortsetzung) . . . 32t
Sitzung vom 8. Mai 1850.
Freiherr Hammer-Purg stall, „Ueber die Namen der Araber” (Fortsetzung) 333
Arneth , Brief Herrn Dr. Kandler’s an ihn, und seine Antwort 334
Simony, Ueber die alten Leichenstätten auf dem Hallstätter Salzbergc . 338
Sitzung vom 15. Mai 1850.
Freiherr Hammer-Purgstall, „Ueber die Namen der Araber” (Schluss) . 340
Arneth , Brief Herrn Havell's an ihn, und seino Antwort 341
Bergmann , „Beitrag zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs” (Fort
setzung) 346
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe»
Jahrgang 1850. 1. Heft. (Jänner.)
1
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Sitzung vom 2. Jänner 1850.
Freiherr Hammer-Purgstall begann die Lesung einer
für die Denkschriften der Akademie bestimmten Abhandlung-:
,,Ueber die Namen der Araber”. Kein Volk, selbst nicht
die Chinesen, hat den Namen so viele Sorgfalt zugewendet als die
Araber; wiewohl es bekannt, dass dieselben wie andere Völker
nebst den e i g e n e n N a m e n auch Zuname n und Vornamen
führen und über die letzten eine Abhandlung Prof. Kosegar ten’s
besteht, so hat sich doch noch kein Orientalist die Mühe gegeben
die verschiedenen Classen der Namen der Araber übersichtlich
zusammen zu fassen, und das Neue, das sich darüber sagen hisst,
zu Tage zu fördern. Die lexicalischen und biographischen Werke,
deren Verfasser diesem Gegenstände besondere Aufmerksamkeit
geschenkt haben, sind in Europa bisher wenig oder gar nicht be
kannt. Die Gesammtheit der arabischen Namen zerfällt in sieben
Classen. Die Vornamen, die eigenen Namen, die Zunamen,
die Beinamen, die Ehren titel (Unwan), die Herrscher
namen (Alamet) und die D i ch t e r n a m e n (Machlass). Die bei
den letzten sind bisher so wenig bekannt, dass sich die Ernen
nungen derselben (in dieser Bedeutung) nicht einmal in den
Wörterbüchern linden. Da in den biographischen Wörterbü
chern der Araber die berühmten Männer insgemein nach den eige
nen Namen und nicht nach den Vornamen geordnet sind, so wer
den auch jene hier vorausgestellt. Die eigenen Namen der Araber
zerfallen in die von dem Islam und die mit dem üblichen moslimi-
4
sehen; jene sind von Pflanzen, Vögeln, wilden Thieren, Insecten
oder besonderen Eigenschaften hergenommen. Hundert derselben
werden mit ihrer Erklärung aufgeführt. Die moslimischen sind
dreierlei, erstens die von dem Propheten (der nicht nur Mohamed,
sondern auch Ahmed und Mahmud heisst) hergenommen; zweitens
die Namen der im Koran genannten hebräischen oder arabischen
Propheten; drittens die aus dem Worte Abd und dem Namen
Gottes oder einem seiner Eigenschaftswörter zusammengesetzten
wie Abdalah, Abderrahman, Abdol-Medschid; die Eigenschaftswör
ter Gottes sind 99, welche mit dem hunderten Allah den Rosen
kranz des Moslemin bilden die Eigenschaftswörter des Propheten
aber nicht weniger als ein halbes Tausend. Ueber die geheimeu
Kräfte der Namen Gottes und ihrer Buchstaben zählt das biblio
graphische Wörterbuch Hadschi Chalfa’s mehr als zweihundert
Werke auf.
Dr. Anton Boiler setzte die Lesung seiner Abhandlung
„Ueber die Bildung secund ä r e r W n r z e I n im
S a n s k r i t” in folgender Weise fort:
Der specie Ile Passiv-Ausdruck des Verbums hat im Sanskrit
so wie im Zend und Altpersischen einen besonderen Exponenten.
An die reine, bisweilen noch weiter geschwächte Wurzel tritt
nämlich ^ (%) als Charakter, jedoch stets unter der Maske sei
nes Halbvocals, da die constanle Vermittlung zwischen Wurzel-
und Personal-Affixen durch betontes 5 (a) die vocalische Natur
des ersteren 'aufhebt. Dieser Passiv-Exponent reicht aber nicht
über die sogenannten speciellen Zeilen, Präsens und Imperfect
sammt ihren Modi, Imperativ und Potential (und im Veda Con-
junctiv) ; vielmehr weist der Veda-Dialekt Passiv-Formen auch
in diesen Zeiten aus, welche ausser den, nach der Conjugation
verschiedenen, Wurzelerweiterungen kein besonderes Characte-
risticum enthalten, und also mit den entsprechenden Formen des
Mediums zusammenfallen , wo nicht die (wie im Perfect) ge
schwächten oder veränderten Personal-Affixe einen Unterschied
begründen. Letzteres tritt in den allgemeinen Zeiten überhaupt
ein, und nur Wurzeln, welche vocalisch auslauten, können zum
Theile eine Unterscheidung dadurch bewirken, dass sie vor den
entsprechenden Zeit-Affixen den Vocal erweitern. Ausserdem
5
hat die 3. Pers. Sing', im Aorist eine besondere Passiv-Form,
welche in der nothwendigen Erweiterung des Vocals besteht,
wobei das Affix der Person und Zeit ganz abfällt und durch ^ fi)
ersetzt wird : (ni-ya-te) wird geführt von zfj führen. Fut.
Passiv und Med.: fne-shyate). Passiv: (näy-
ishyate). Perfect, rcdupl. Passiv, u. Med.: fqqtq fniniye). Aorist.
Pass. 3. Pers.: 5THIUI (anäy-i), Vedisch Pass, ($r-
nvire) werden gehört, gegen Medium : fflUMcl von , hören.
Um über die Natur und Geltung dieser, den westlichen
Zweigen des indogermanischen Sprachstammes fehlenden Aus
drucksweise Aufschluss zu erhalten , wird es nothwendig, ihren
Exponenten einer näheren Analyse zu unterziehen. Denn der
Einwand, dass die Charakteristik des Passivs von Haus aus ^ (y)
oder 7J fya) gewesen, widerlegt sich durch die Vergleichung von
Formen wie Passiv: f^Wcl (bhriyutc) wird getragen, von tra
gen, und Potential |r 1 fbibhryät) von selbst. Auch Hesse
sich nicht erklären , wie bei Wurzeln mit auslautcmlem ü fr)
der Halbvocal in fiy) erweitert werden sollte , wenn nicht
ein Vocal ^ fi) den Schlussvocal fr) bereits in seinen Con-
sonanten r verwandelt hätte, welcher seinerseits nun , wegen
vorausgehender Doppel-Consonanz die Auflösung des f fi) be
dingt.
Die Sprache kennt den Vocal ^ (und seine Erweiterung F
fe) unter drei Catcgorien, als Ortsadverb, Pronominalstamm und
Verbum, und benützt ihn überdiess theils einfach, theils in Verbin
dung mit andern Elementen als Ableitungs- und Beugungs-Affix.
Das Ortsadverb, das zugleich auch den Zeithegriff in sich auf
genommen hat, kommt nur in Ableitungen vor: JTV^fitas). i-nde,
(ry I (ittliä) i-ta, so, (Tel fiti) also, so. — Der Pronominalstamm
erscheint selbstständig , in Verbindung mit ?FT fam) dem Zei
chen der suhjectiven Persönlichkeit, nur im Nominativ Sing, aller
drei Geschlechter, als 5J^FT fayam — e + am) f MH. fiy am —
i + am) ^ fidam) dieser, diese, dieses. Ausserdem hat das
Veda den Accusativ masc. und ncutr. firn) und JfT fid)
als hervorhebendes Adverb bewahrt. In Verbindung mit Jf (ma)
bildet es den Stamm fi-nia), welcher in der classischen Spra
che in den Nominativen des Duals und Plurals , so wie in allen
6
Accusativen die Casus des nicht gebräuchlichen einfachen Stam
mes vertritt, im Veda hingegen so wie im Zend und Altpersi
schen auch in den übrigen Casus gebraucht wird. Derselbe
Stamm i[ erscheint erweitert als e im Compositum ^*7 (e-nu)
er, dieser, welches nur in den Accusativen und dem Instrumen
tal des Singulars (als Personal-Pronomen) vorkommt. In Ver
bindung mit dem Stamme H (saj HT (sä) tlT (tad) bildet es
77• (e-shahj , (eshäj ; 77T?T^ (e-tud) dieser hier. Im Ge
brauche lehnt sich 41(ayamj etc. gern an die angeredete
Person oder den Gegenstand der Rede , (eshuh etc.) ge
wöhnlich an die redende Person. Die Verbindung mit nachfol
gendem 51 als (ya = i + a) wurde zum Relativ: der dort.—
Das Verbum endlich vertritt die Bedeutungen gehen ; auf etwas
zugehen; erreichen. In der zweiten Rcdeutung (udire, subire)
dient es, wie seine Erweiterung <7T (yä) und sein Synonym
11O (gam) in Verbindung mit einem Nomen abstr. zur Umschrei
bung des Passivs.
Als Ableitungsaffix bildet jr: I. Sc cu n där e Wurze 1 f 0r-
men und zwar Denominative, welche das Verweilen in einem
Zustande oder die Aeusserung desselben bezeichnen: ( ISI ^A(j'äjäy)
als König (^Tlslräjan, König) bandeln, sich als König betragen,
tUFTT^( prafnäy, Fragen stellen, (tt H't > prapia Frage); II. N 0 m i-
ua 1 b iI dung e 11 und zwar a) unmittelbar aus der Wurzel (Krt-
bildungen), b) aus bereits fertigen Nennformen (Taddhita-Bildun-
gen). Die Krtbildungen mittelst siud in der älteren Sprache
(wie im Zend und Persischen, nicht minder im Gothischen) häu
fig, und bezeichnen in den arischen Formen gewöhnlich den
Agens: ^>T3r (kavi) weise, Dichter; in dieser Bedeutung ersetzt
es die classische Sprache meist durch (in). Die Taddhita-
bildungen bezeichnen den Abkömmling. Alle diese Formen wei
sen meistens auf einen Gegensatz der bezeiehneten Objecte
zu vorausgehendeu oder der Anschauung näher liegenden , und
reihen sich dem Character des Futurums an; die Patrohymica
erscheinen zu dem Stamme in demselben Verhältnisse, in wel
chem das 4 des Futurums zum Augmente 5T steht. Häufiger aber
erscheint ( in der Relativform (F, yd) zu Taddhita-Ableitungen
verwendet und zwar unter doppelter Auflassung. Erstlich dem
Locativ-Affixe entsprechend, um das Haften an einem Objecte, den
7
Ursprung durch dessen Vermittlung zu bezeichnen: (dantya)
au den Zähnen befindlich, durch die Zähne hervorgebracht. Zwei
tens wird ST (ya) dem Dativ-Affixe parallel, zur Angabe des Zwekes
oder der Bestimmung gebraucht (sthünya) mit Säulen
(F^ffTT, stliünä, Säule) zu versehen. Häufig erscheint es in die
ser Anwendung zu (iyu) erweitert. Die verschiedenen For
men des Part. Fut. pass, sind unter dieser Bildung mitbegriffen.
Unter den Beugungs - Affixen erscheint 1[ im Locätiv und, zu
V (e) erweitert, im Dativ.
Als Verbalaffix tritt ^ (wegen des folgenden a stets als
?7^) in dem Cliaracter der 4. Conjugation auf, welche sich durch
ihre neutrale Grundbedeutung zunächst au das Passiv sehliesst,
ja dasselbe sogar vertritt, wie auch die wechselnde Betonung
des letzteren schliessen lässt. Als Zeichen des Futurums er
scheint es in der Zeitbedeutung.
Wenden wir uns zu Bildungen nicht indogermanischer
Sprachen, so begegnen wir in den beiden ägyptischen Dialek
ten den Vocal i in der Verbalbedeutung: i, M. l, S. B.
Bt gehen, kommen, während in keinem von beiden die prono
minale (und adverbiale) erscheint. Hingegen tritt in dem Semi
tischen 1 , welches den objectiven Pronominalformen zur Stütze
“ £■
dient, die demonstrative Bedeutung hervor. Die mongolische Spra
che verwendet O i als Characteristik eines bestimmten Accusativ-
Verhältnisses, das Magyarische kennt i als Adverbum des nahen
Ortes in der Ableitung und als suffigirte Pronominalform der
3. Person). Das Sinesischc i gilt wie das Birmanische »
i als Demonstrativ. Am verwickeltsten, aber zugleich am beleh
rendsten ist der Gebrauch dieses Wortstammes in den Mala-
jisch-PoIynesischen Idijpmen. Was zunächst die Form betrifft, so
erscheint er hier tlieils rein, theils in Verbindung lhit gewis
sen An- und Auslauten welche theihveise bloss lautliche Erwei
terungen scheinen, theihveise aber selbst demonstrative Geltung
beanspruchen. Obgleich sich hierbei das Gebiet in gewisse
Gruppen (heilt, so herrscht doch unter den Gruppen selbst so
wie unter den in den Gruppen vertheilten Lautgebilden eine sol
che Ucbereinstimmung, dass sich ihre Identität nicht verkennen
8
lässt, wie am deutlichsten aus ihrer gegenseitigen Vertretung
in den einzelnen Dialekten hervorgeht.
Das eigentlich Malajische kennt einfaches i noch in dem
Verbalaffixe des transitiven Zeitwortes, und in Verbindung mit
anderen Demonstrativ-Stämmen in dem Personale er, .y'
f. ~c-
ini hier, itu da, und mit der Ligatur ^ ( n [l) als Relativ £-■*
(gang) ; mit vortretendem d als einfacher Stamm in ± (di),
Präposition des Ortes und Hiilfsverbum des passiven Ausdruckes,
werden. Das Javanische und Kawi theilen den Gebrauch des
Verbalaffixes; beide verbinden i ferner mit den dreifachen Orts
adverbien (Kn > Kij . (Hin (bi, ku, ku, Partikeln des nahen, fernen
uud dritten Ortes: der hier, der doi’t, der da) und gebrauchen
das Possessivpronomen thcils ohne Erweiterung wie im Kawi im
(At), theils in Verbindung mit nachfolgendem (P un ) Kr. theils
in orjcuui (he) erweitert Ng. Als Präposition gebraucht es das
Kawi theils rein (tuiri hi), theils in Verbindung mit Vorsätzen
(th, ;ki> (un imxxi, ri, ni, di, de), theils mit der Ligatur ver
bunden (imi Kl! % hing, ning, ring), von welchen Formen inn
(hing) auch im Kr. und Ng. erscheint. Aus der Verbalform ab
geleitet und als Präposition gebraucht erscheint (KJ!UKki| (den)
im Kawi ijt lio (denning), und mjUHijKj^ (dcnne) im Kr. und
Ng. mit der Bedeutung : von, durch.
Im Allgemeinen bezeichnen diese Präpositionen theils das
Orlsverhältniss nach dem doppelten Gesichtspuncte der Ruhe und
Bewegung, theils die verschiedenen, durch die Casus-Affixe flec-
tirender Sprachen bezeichneten Verhältnisse, Genitiv, Dativ, Ac-
cusativ, Ablativ (als Ausgangspunct) und Instrumental (als agens,
Ursache, Werkzeug); und zwar mit Ausnahme von (|[|(ui(Ki| (den)
und seinen Bildungen, welche auf die beiden letzten Verhältnisse
beschränkt sind, ohne weitere Unterscheidung ihrer Form; end
lich werden M<LJKT| (dipun) K. aijiui (de) Ng. aijioonj| Kaw. als
Hülfsverba des Passivs, wie im Malajischen gebraucht. Das Ta-
9
galische hat als Pronominalformen siya er, im obliquen Casus
n-iya ; ya-ri dieser, iyan, dieser liier, diyan der da,
yaon der dort; als Präposition i, um den Zustand der Ruhe,
di, ni um den obliquen Casus zu bezeichnen; endlich erscheint i
vor dem Verbal-Aus druck als Zeichen des Passivs. Die Sprachen
der Südsee kennen i in Verbindung mit a als Personale der drit
ten Person und Demonstrativ in weiterer Verbindung mit dem Ar
tikel als Demonstrativ; des nahen Ortes; als Präposition ver
tritt i (vor dem Ausdruck einer Persönlichkeit ia) alle Orts
und Zeitbeziehungen und alle Casusverhältnisse. Endlich bildet
es, Verbalstämmen vorgesetzt, einen passiven Ausdruck, der sich
in der Construction ausspricht, so wie auch der Nominal-Aus
druck eine Bildung mittelst ia darstellt.
Suchen wir nun in diesen vielfach verschlungenen Formen
den Einheitspunct, so werden wir auf das Ortsadverb gewie
sen,, welches unmittelbar au die Sichtbarkeit anknüpfend einer
seits die Lage der Objecte gegen das wahrnehmende Subject be
zeichnet, andererseits die Vei’hältnisse der Objecte, zunächst
unter dem Gesichtspuncte ihrer Räumlichkeit angibt. Die gerade
entgegengesetzten Begriffe des Ausgangs- und Zielpunctes fin
den ihre Vermittlung in der jeweiligen Beziehung des Objectes
zu dem Subjecte und seiner Beziehung zu jenem Gegenstände,
der als Ausgangs- oder Eudpuuct einer Thätigkeit gedacht
wird. Aus dem Begriffe der zwischen zwei Objecten bestehen
den äusserlichen Ruhe entwickelte sich der Begriff der Zusam
mengehörigkeit, endlich, je nach der Beziehung ein Verbum,
welches theils die Bewegung, als i, gehen, in den indogerma
nischen Sprachen, theils die Ruhe, als i, de, dhe, sein, sich
befinden, in den Sprachen des Malajisch-Polynesischen Stammes
darstellt.
Nach dieser Auseinandersetzung des Materiales wende ich
mich zu seiner Anwendung im Bilden des Passiv-Verbs.
10
Dr. Ad. Wolf las als Gast folgende Abhandlung': „U e b e. r
die R e formatiousgeschich tc der Stadt Eger.”
Die Reformation ist die intensivste aller Bewegungen, die
je das deutsche Volk ergriffen haben. Das Leben des Volkes
bricht wie ein frischer Bergquell heraus, Wissenschaft und Kunst
treten in neue Phasen, hohe Ideen werden durch die Welt ge
tragen, Kraft und Schwäche, Segen und Fluch künden sich in
den Höhen und Tiefen der Gesellschaft, eine Reihe von Männern,
ausgezeichnet durch Thatkraft und Lebensmut!), leuchtet allen
Parteien voran und sind heute noch der Stolz und Ruhm der
Nation. Die deutsche Geschichtsforschung der neueren Zeit hat
sich idieses fruchtbaren Stoffes bemächtigt. Die Namen Spittler,
Plank, Woltmanu, Herren, Ranke, Gfrörer, Raumer knüpfen sich
daran. Weniger hat die österreichische Geschichtsforschung auf
diesem Felde geleistet. Bücher wie Raupach’s Evangelisches Oester
reich können nicht befriedigen. Der Geist der Geschichtsforschung
lebt in den Worten des Dichters: In die Tiefe musst du steigen,
soll sich dir das Wesen zeigen! Soll jene Zeit ins Sonnenlicht
der Wissenschaft treten, so ist nothwendig, dass von Stadt zu
Stadt, von Kreis zu Kreis, von Provinz zu Provinz jene grosse
Revolution im Leben des Geistes und des Staates erforscht und
dargestellt werde.
Ich übergebe hier der hohen Akademie die Reformations-
gescbichtc einer Stadt, die einst reich und blühend war durch
den Fleiss und die Kraft ihrer Bürger, ihre natürliche Lage und
die ihr von Kaiser und Reich verliehenen Freiheiten.
Als handschriftliche uugedruckte Quellen wurden dabei
benützt:
Das Stadtarchiv.
Das Dekanalarchiv.
Die Chronik von Engelhard Pankratz von Haselbach, deutschem
Schulhalter und Notarius publicus in Eger; geht bis 1560.
Chronik von J. Barth. Eberhard, k. k. Obristwachtmeister;
starb 1718, setzte Engelhard’s Chronik fort.
Chronik vou Thom. Fauk, Bürgermeister, starb 1749.
Chronica inchoata, von Michael Schlecht, Archivar, starb 1756.
Chronik von Friedr. Sergius, Franciskaner, geht bis 1743.
Chronik von Bayer, Gerichtsherrn, bis 1600.
Rieger’s Archiv für Böhmen. Dresden 1792.1. B. S. 170—395.
Gedruckte: Eger und das Egerlaud, vonVinc. Pröckl, Ar
chivar. 1845.
Beiträge zur Geschichte der k. Stadt Eger, von J. Seb,
Grüner, Magistratsrath. Prag, 1843.
Die Geschichte des kleinen Egerlandes, das sich einst
weit über seine heutigen Grenzen hinaus ins Fichtelgebirge er
streckte, knüpft sich an die Geschichte der Stadt. In der frühe
ren Zeit vohburgiseh kam das Ländchen 1149 an die Hoheu-
staufen. Kaiser Fridrich I. incorporirte die Stadt dem Reiche.
Nach dem Untergang der Hohenstaufen begab sich Eger 1258
unter den Schutz König Wenzels von Böhmen. Rudolph I. ver
langte von Pre.misl Ottoqar ihre Restitution. Sie erfolgte erst
nach seinem Tode. Eine Urkunde Rudolph’s I. von 1279 erkennt
sie als dem römischen Kaiser unterworfen, bestätigt und er
weitert ihre Privilegien 1 ). König Ludwig der Baier verpfändete
Stadt und Bezirk an König Johann von Böhmen uni 10.000
Mark Silber. König Johann verpflichtete sich gegen den Egerer
Kreis und die Stadt, dass er sie bei den vom Reiche erworbe
nen Freiheiten lasse, keine Landsteuer von ihnen begehren
wolle, dass sie nicht unter der böhmischen Kammer, sondern un
mittelbar unter dem König und einem königlichen Commissär
stehen, mit diesem allein unterhandeln und sonst keiner Jurisdic
tion unterstehen sollen. Mit der Krone von Böhmen überging
152.6 das Egerlaud an das Haus Habsburg, blieb jedoch poli
tisch und iinanciell vom böhmischen Landtage unabhängig. Die
Stadt gab sich ihre eigenen Gesetze, Zoll- und Steuerordnung.
Wenn die Kaiser und Könige Geld nothwendig hatten, so wur
den die Postulata an den Landtag des Egerer Kreises gestellt,
Nach 171.4 haben die Stände daselbst Kaiser Carl VI. als
Könige von Böhmen bloss in pfandweiser Eigenschaft die Huldi
gung geleistet und noch auf dem 1721 in Eger abgehaltenen
Landtage haben die Egerer Stände ihren Beitritt zur pragma
tischen Sanctiou bloss als Pfandschaft zur Krone Böhmens
erklärt. Noch bis zur Stunde ist Eger bei der böhmischen
Ständetafel nicht eingetragen.
*) Grüne r’s Beiträge S. 7,
12
Durch ihre politische Stellung, so wie durch ihre Lage
an der Reichsstrasse von Nürnberg nach Prag kam die Stadt
in allen Conflicten zwischen Böhmen und dem Reiche zu An
sehen und Wichtigkeit. Bei Kaiser Carl IV. und Wenzel stand
sie in hoher Gnade, die grosse Reichsarmee gegen die Hussiten
1421 halte hier ihren Sammelpunct, Die Stadt selbst stellte
durcli mehrere Jahre Reiter zu den kaiserlichen Truppen. 1431
war dort die Conferenz zwischen den Gesandten des Kaisers und
Prokop dem Grossen. Das Baseler Concil ordnete 1433 daselbst
einen Convent an, wodurch die Hussiten bewogen wurden, Ge
sandte nach Basel zu schicken. Nach Sigismunds Tode huldigte
die Stadt Albrecht II., Ladislaus und nach dessen frühem Tode
dem Könige Podiebrad. Ihre Treue für ihn musste sie mit ei
nem siebenjährigen Banne büssen. Durch das Erbrecht und freie
Auerkennuim' kam sie zu Oesterreich und blieb es in Treue und
O
Anhänglichkeit bis auf unsere Zeit.
Grosse Bewegungen wiederholen sich in kleinen Kreisen.
Wie Arnold von Brescia, Petrus Waldo, Johannes Slavouius,
Huss u. a., predigte in Eger ein Tuchmacher Hans Schönbach
um das Jahr 1460 gegen die Hierachie, gegen den Ablass, ge
gen den Güterbesitz der Geistlichen. In schwärmerischer Begei
sterung sprach er von der evangelischen Einfachheit des ersten
Christenthums, von der Offenbarung Johannis, von einem dritten
und letzten Testament, nach welchem ein Hirt und ein Schaf
stall auf der Erde sein soll. Ein neuer Gesalbter werde in die
Welt kommen, alle Knie werden sich vor ihm beugen, die Völ
ker werden ihm nachfolgen und er wird über die Welt herr
schen wie ein Gott. Zwei Klostergeistliche, Johannes und Levi-
nus von Würsberg genannt, predigten in ähnlicher Weise in
dem Dorfe Höflas bei Eger. Der päpstliche Nuntius, Rudolph,
Bischof von Laibach, hörte davon und forderte die Franciskaner
in Eger nach Regensburg um sich zu rechtfertigen. Als hier
auf das Franciskanerkloster reformirt und dem Observanteuorden
übergeben werden sollte, zogen alle Mönche fort. Die Stadt
selbst kam in den Verdacht der Ketzerei und wurde erst 1466
davon freigesprochen, als der Erzbischof von Salzburg, die Bi
schöfe von Bamberg. Würzburg und Regensburg sich für ihre
Rechtgläubigkeit verbürgten. — Zu den Summen die 1490 nach
13
Rom flössen, hat auch Eger ein sogenanntes Gnadengeld von
2626 fl. beigesteuert. — Wie Tezel in Thüringen seine Ablass
briefe verkaufte, so kam 1517 nach Eger Niclas Puscher, Pfar
rer von Brüx als päpstlicher Commissär mit Ablassbriefen. ’) —
Zu den grössten Ereignissen der ersten Zeit der Reformation
gehört der Bauernaufstand im J. 1525, jene ungeheuere Bewe
gung, welche den deutschen Boden mit dem Blute so vieler
Tausende getränkt hat. Ihre letzten Zuckungen gingen bis ins
Fichtelgebirge. Unter der Bauernschaft des Egerländchens, welche
viele Zinsungen an die Stadt zu leisten halte, wurden viele
Drohungen gegen die Stadtherren laut. In der Stadt-Gemeinde
selbst bildete sich eine aufrührerische Partei. Achtzig Bürger
zogen bewaffnet zum Rathhause und verlangten die Entfernung
zweier Bürgermeister Georg Daniel und Andreas Bayer. Die
Sladtknechte warfen die Stiege ab und den zwei anderen Bürger
meistern Erhard Werner und Johannes Schmiedel gelang es, den
stürmischen Haufen, der sich immer vergrösserte, zu versöhnen.
Die zwei erstgenannten Bürgermeister wurden des Amtes ent
setzt. Die Chronik sagt: „Sie hatten zu viel für Schmieralien
eingenommen, desswegen sie von Bürgern und Bauersmann ge
hasst wurden.’’— Durch kluge Massregeln gelang es dem Ra-
the, auch die Bauern zu beruhigen. Diese wählten einen Aus
schuss von achtzig Mann, welche zur Pfingstzeit mit Spiessen
bewaffnet in die Stadt einzogen und dem Rathe die Forderungen
der Bauern vorlegten. Die Streitigkeiten wurden dahin gütlich
beigelegt, dass der Rath das Monopol des Salzhandels frei gab
und versprach „das was man im römischen Reiche andern nach-
lassen werde, sollte auch der hiesigen Gemeinde nachgelassen
werden” s ).
Die neue Lehre hatte bereits in Thüringen, im Voigtlande,
in Franken und der Oberpfalz Wurzel geschlagen. So rege die
Verbindung der Stadt Eger mit diesen Nachbarländern war,
blieb sie doch ihrem Glauben noch getreu. Als König Ferdinand
1542 durch Eger zog zur Eröffnung des Reichtages in Regens
burg, verehrten ihm die Bürger einen silbernen mit Thalern
*) Eugelhard’s Chronik.
2 ) Chronik des Sergius,
14
gefüllten Pokal. Im Schmalkaldischen Kriege stellte die Stadt ein
Contingent von 150 Mann Fassgängern und 11 Reitern. In der
Chanvoche 1547 kam CarlV. mit seinem ganzen Heere und vielen
Deutschen und italienischen Fürsten in die Stadt, am Gründon
nerstag traf auch König Ferdinand mit seinen Söhnen Maximi
lian und Ferdinand hier ein. Die Nachkommen des ersten grossen
Habsburger, der der Stadt den grossen Freiheitsbrief gegeben
hatte, feierten hier das Osterfest. Die Stadt war, wenn man
sich eines mittelalterlichen Namens bedienen darf, „gibellinisch”
gesinnt. Die böhmischen Stände konnten sie damals nicht zum
Abfalle verleiten. Als Moritz von Sachsen in Undank und Ver-
rath die Waffen gegen Kaiser Carl V. erhob, mit Albreclit von
Culmbach und Heinrich II. von Frankreich ein verrätherisches
Bündniss schloss, mit seinem Heere nach Süddeutschland rückte,
in allen Städten geistliche und weltliche Obrigkeit veränderte,
erliess er auch ein Aulforderungsschreiben an Eger, sich seiner
Partei anzuschliessen. Die Stadt sandte das Schreiben zum Kai
ser und rüstete gegen jeden Ueberfall; Bürger und Bauern
traten unter Waffen. —
Die Zeit hat wie der Ocean ihre Ebbe und Fluth. Nach der
hohen Strömung der ersten Reformationsjahre schien das deut
sche Reich durch den Augsburger Religionsfrieden 1555 neu
gestärkt und beruhigt. Während in Deutschland die antikatholische
Partei sich consolidirte und in Kirchen und Staat sich durch-
bildete, gewann in den österreichischen Erbländern erst jetzt die
Reformation immer mehr Boden. Auch das katholische Eger wurde
reformirt. Die nächste Ursache lag in der Unwissenheit, Lauheit
und der moralischen Verderbniss der Geistlichkeit. Jeder Verfall
von Zucht hat eine Revolution zu Folge. Der Gottesdienst wurde
von deutschen Ordenspriestern, welche unter dem Baillif von
Thüringen standen, von Franciskanern und Dominikanern verse
hen. Der deutsche Orden war seit dem Ueberlritte Alberts des
Markgrafen von Brandenburg in seiner Organisation zerfallen
das Capitel zu Regensbui’g, welches die Aufsicht führen sollte,
war zu weit entfernt, ebenso standen Klöster der Stadt unter
entfernten Generalaten. So kam es, dass wenige Priester mit
einem edlen hohen Sinne vorhanden waren. Deutsche Ordens
priester, Weltgeistliche, Mönche und Nonnen schienen in einem
15
sittlich verderbten Lebenswandel zu wetteifern. „Die Ordens
und Layenpriester führten ein solches epikureisches und wüstes
Leben, dass ihre Pfarrkinder und Zugehörige darüber geärgert/’
sagt der Chronist. Ein Ordensherr, Johannes Stark, balgte sich
mit Bürgern und Bauern. Der Weltpriester Johannes Kandier
schlief halbtrunken bei der Messe ein und als ihn der Ministrant
bei dem Kleide zupfte, rief er laut: Der Schellenkönig sticht! <).
Viele verliessen den Orden und wanderten in lutherische Ge
genden aus. Adam Viether zog ins Voigtland, Andreas Lang
ging nach Chemnitz, später nach Klagenfurt, Sebastian Schle
gel floh nach Krems in Oesterreich, kehrte später zurück,
Andreas Träger ging nach Jena. Unter allen ist bekannt
Johann Hab er mann oder Akenarius, Prediger zu Elster
berg, Plauen, Falkenau, Doctor und Professor der Theo
logie zu Jena und Wittenberg, Superintendent zu Zeitz, ge
storben 1590, berühmt durch ein hebräisches Lexicon und eine
hebräische Grammatik, die er herausgegeben. Zuin deutschen
Ordenshaus gehörten die Perreien: Liebenstein, Trebendorf,
Nebanitz, Oberlohma, Treunitz, St. Anna und die auswärtigen
Redtwitz, Arzberg, Schönbach, Asch. Die Bauern genossen
weder Religionsunterricht, noch hörten sie eine Predigt. Es
war genug, wenn ein Ordenspriester Sonntags sich bequemte,
Messe zu lesen. Zuletzt blieb in der Stadt ein einziger Ordens
priester übrig, der predigen konnte, Namens Simon Rissen.
Nach seinem Tode berief inan fremde Prediger. Die wurden
wegen ihres liiderlichen Lebens abgesetzt oder sie entliefen.
Der letzte war Andreas Döpner, der öffentlich ein Weib
hatte. Die Franciskancr (seit 1260 in Eger) entflohen theils
aus Armuth, theils aus Neigung; noch 1591 entlief Thomas
Schieferdecker. Die Dominikaner waren in ihrer Sub
sistenz meist auf christliche Almosen angewiesen, die bei dem
Priesterhasse jener Zeit nur sparsam flössen; die Ordensbrüder
verloren sich, nur der Prior Hermann Vilherius blieb mit
einem Laienbruder zurück; er war ein lebendiger eifriger Mann,
der in allen Drangsalen seinen Gelübden treu blieb und offen
gegen die neue Lehre predigte. — Auch die Nonnen zu
'} Die Chronik von Sergius führt ein langes Sündenregister an.
16
Sanct Clara (seit 1268 in Eger) fanden die Clausur zu
strenge. 1557, 1558 entwichen bereits einzelne Nonnen, und
1559 entfloh die Aebtissin Margarethe von der Aue
mit den meisten Nonnen, nachdem sie bewegliches und unbe
wegliches Gut verkauft hatten. x ) Die letzte Aebtissin Anna
Yeylin starb ausserhalb des Klosters. — Die Lehrer M ed
ler und Urer lasen öffentlich den lutherischen Katechismus
vor, und erklärten das Evangelium in der Sonntagsschule,
welcher auch Meister und Gesellen beiwohnten, in lutherischer
Art. Die schönen lutherischen Kirchenlieder wurden gerne ge
sungen, gedruckte und ungedruckte Schriften oft in Reimen waren
verbreitet, Spottgemälde auf den Papst und die katholische
Geistlichkeit gingen von Hand zu Hand. Witz und Satyre nehmen
in jeder Zeit grossen Einfluss auf den Sinn des Volkes.
Aus diesen mannigfachen Erscheinungen war es zu erklären,
dass der grösste Theil der Bürgerschaft der Stadt Eger um 1561
lutherisch gesinnt war. In den benachbarten Städten und Markt
flecken war die protestantische Lehre bereits durchgedrungen.
In Asch finden wir schon 1542 einen protestantischen Pfarrer;
in Schönbach predigte 1552 Michael Enickl, ein Einge-
borner, das neue Evangelium; bis 1555 waren auch Anzterg,
Redtwitz, Schönberg mit protestantischen Pfarrern versehen.
Die Bürger von Eger, vorzüglich die Frauen zogen an Sonn
tagen haufenweise in die nahegelegenen Orte Schönberg, Schirn-
ding, Königsberg, hörten die neue Lehre und genossen das
Abendmal unter beiderlei Gestalten. Es geschah, dass heimlich
Prädikanten in die Stadt kamen und die Kinder der protestan
tisch Gesinnten tauften.
Noch war der Rath und ein grosser Theil der Bürger
schaft katholisch. Die Conthurei des deutschen Hauses zu Eger
war stark verschuldet, und weder der Deutschmeister zu Mer
gentheim noch der Landescommendator zu Zeitz kümmerte sich
viel darum. Als 1556 der letzte Commendator des deutschen
Hauses Niklas Sachs starb, setzte der Baillif von Thü
ringen, von Holdringshausen, den protestantisch-gesinnten Chri
stoph Dacherode zum Amtmann des deutschen Hauses ein,
l ) (Jrüner’s Beiträge S. 63. 64,
Wegen Mangel an Ordenspriestern musste man Laienpriester zur
Aushilfe nehmen, wie Simon Lechner (1562) Leonhard
Ritter (1563), Martin Korndörfer, alle Egraner. Da
auch diese zur Seelsorge nicht ausreichten, musste sich der
Rath des deutschen Hauses annehmen und drang ernstlich in
den Landescommendator, das Ordenshaus ordentlich zu besetzen,
„sonst würden sie die Schlüssel Sr. päpstlichen Heiligkeit über
geben.” Da der Baillif keinen ordentlichen Ordensherrn ge
winnen konnte und wollte, schrieb er zurück , er wolle ihnen
einen oder zwei Intherische Prediger senden. Der Rath weigerte
sich dessen.
Dacherode hatte inzwischen die Bürger in ihrer Ge
sinnung ansgekundschaftet, und wusste die Lutherischen ge
neigt zu machen, dass sie ihm eine Schrift überreichten,
worin sie ihre Sehnsucht nach dem reinen Worte Gottes aus
drückten und ihre geringe Macht nur dem bösen Willen der
Papisten zuschrieben, obwohl nach dem Passauer Vertrage und
dem Augsburger Religionsfrieden den Protestanten völlige Kir-
ehenfreiheit zugesichert sei. Dacherode nahm sie freundlich
auf und versprach, ihr Schreiben dem Baillif zu übersenden.
Am 25. Juli 1564 starb Kaiser Ferdinand. Die duld
same friedliche Gesinnung Maximilians II. gegen die Prote
stanten war im ganzen Reiche bekannt. Am 17. November 1564
kam der Baillif von Hold rings hausen nach Eger unter
dem Vorwände, Dach er o d en die Rechnungen des Hauses ab
zunehmen. Solches geschah auch, und Heinrich Thiesel
von Dalwitz, der Sohn des Eibogner Kreishauptmanns, wurde
zum Nachfolger Dachero de’s bestimmt. Mit dem Baillif war
auch der Superintendent von Mühlhausen Hieronymus Thi-
1 es ins nach Eger gekommen. Er hatte durch Unterstützung
des Cburfürsten August von Sachsen studirt, und war von
ihm angestellt. Thilesius war ein feuriger gewandter Red
ner, ein gelehrter Mann, in seinem Wandel gerecht, in seinem
Aussehen ehrwürdig. Die Bürger hielten ihn für den Secretär
des Baillif. Am 19. November wurde in der Stadt das Fest
der heiligen Elisabeth, das diessmal auf einen Sonntag fiel,
gefeiert. Mehrere Bürger waren bereits insgemein geladen
worden, dem Gottesdienste beizuwohnen. Das Amt wurde wie
Sitsb. d. philos. histor. CI. Jahrg. ISöO. I. Heft, 9
gewöhnlich auf katholische Weise gehalten. Nach demselben
fing der Vicerector G o 1 d h a m m e r an, das Glaubensbekennt-
niss statt nach dem herkömmlichen Gebrauche in lateinischer
Sprache nun deutsch abzusingen. Die vier Bürgermeister, Peter
Rnpprecht, Bernhard Schmid 1, Georg Wasser
mann, Kaspar Kramer sassen in dem Herrenstuhle, und
hörten mit Verwunderung die neue Aenderung und schickten
den Thürknecht zum Chore, um den Magister um die Ursache
zu befragen. Andereas Döpner, der ordentliche Priester,
kam wie gewöhnlich in die Sacristei, um dann zu predigen.
Als er aus der Thüre treten w'ollte, hielt ihn 11 old rings
hausen mit dem Bedeuten zurück, dass heute ein anderer
statt seiner predigen werde. Thilesius trat mit einem Chor
rocke bekleidet heraus, und ging zur Kanzel; mit ihm Hol
dringshausen, Dache rode, Thiesel, Schreiber und
Diener. Der Huf: „ein neuer Prediger” ging von Mund zu
Mund, und die Leute, welche am Kirchen- und Marktplatze
müssig herumgingen, strömten in die Kirche. Thilesius be
stieg die Kanzel und las das Evangelium Matthäus 24. vom
Gräuel der Verwüstung. Er sprach von falschen Propheten,
von Zeichen und Wundern, und über die Stelle : „Himmel und
Erde w T erden vergehen, aber meine Worte w r erden nicht ver
gehen.” Seine Worte fanden einen fruchtbaren Boden in den
Herzen seiner Zuhörer. Das Volk frohlockte und strömte nach
geendigter Predigt hinaus; in jedem Hause, in jeder Stube
wurden die kühnen Worte des Predigers über die Abgötterei
der katholischen Kirche wiederholt.
Der Rath hielt zwar am nächsten Tage eine Sitzung und
liess den Bailli'f befragen, was für ein Bewandtniss es mit
dem neuen Prediger habe, und ob man sie reformiren wolle.
Der Baillif gab ihnen zur Antwort: Thilesius sei ein got-
tesfürebtiger gelehrter Mann, und werde zu ihrer Befriedigung
abermals predigen. Der 21. November war ein Marienfest.
Thilesius bestieg abermals die Kanzel; seine Rede ging einen
Schritt weiter und griff die Grundlehren der katholischen Kirche
und die Verehrung der heiligen Maria an.
Die Aufregung in der Stadt stieg noch mehr. Der Grund
für die neue Lehre war gelegt. Die Stadt vergass ihre Geschichte,
19
den Glauben Ihrer Vorfahren und wurde nach und nach luthe
risch. Die Meinung der Mehrheit sprach sich dafür aus. Noch
am selben Tage wurde ein Schreiben an den Rath aufgesetzt,
worin der Wunsch ausgedrückt wurde, T h i 1 e s i u s als ordent
lichen Prediger hier zu behalten. Unterfertigt waren: Eber
hard Brunner, Rathsherr, Christoph Kl ing e r v o g e 1,
Georg Meinl, Jakob S t e f f 1, Hanns Wassermann,
vom Gerichte: Wilhelm Kestler, Gerichtsschreiber, Georg
Felddörfer, Goldschmied, Franz Gabler, Chris topli
Daniel, Franz Frischeisen, Severus Stauf, Apotheker,
Heinrich Wilderer, Balthasar Br lisch u. s. w. —
Das Memorial wurde am 27. November in einer stürmischen
Bürgerversammlung berathen. Die Stimmen im Rathe selbst
waren getheilt.
Der Caspar Kramer, Bürgermeister, ein durch Geist und
Reichthum einflussreicher Mann, war längst für die neue Lehre
eingenommen. Seine Partei drängte zu einem Schlüsse. Die drei
andern katholischen Bürgermeister mit Hans Sch midi und an
dern Katholiken beriefen sich auf den Kaiser; ohne seinen Willen
dürfe nichts geschehen. Der Streit wurde dahin ausgeglichen, dass
man durch eine Deputation die Genehmigung des Kaisers einholen
wolle, „damit der armen Bürgerschaft in Eger ein evangelischer
und der Augsburger Confession zugethaner Prediger möchte erlaubt
werden.” Bei der bekannten toleranten Gesinnung des Kaisers war
zu hoffen, dass er die Bitte nicht abschlagen werde. Kaspar
Kramer, Georg Meinl vom Gerichte, Georg Holdörfer von der
Gemeinde, Wilhelm Kestler, Gerichtsschreiber, brachten sie nach
Wien.
Thilesius blieb inzwischen in Eger, ging von Hans zu Haus,
taufte, besuchte Kranke und predigte. Holdringshausen und
Dacherode verliessen die Stadt, und kehrten nach Thüringen zu
rück. Letzterer wandte sich nach Mergentheim und starb in
Regensburg ’).
Die katholische Partei in der Stadt war nicht müssig. Sie
sandte einen Protest an den Wiener Bischof mit der Bitte, mög
licherweise zu verhindern, dass die Deputation vom Kaiser eine
Chronik von Sergius und Markl. Stadtarchiv, Protokoll, St&dtbuchNf.tl.
*
so
freundliche Antwort bekäme. Die Abgeordneten erhielten wochen
lang keinen Bescheid, bis es ihnen endlich auf Verwendung Michel
Aic'hler*Sj Appellationsrathes in Prag, der aus Eger gebürtig
war, gelang, durchzudringen. Der Bescheid des Kaisers war
nicht unbedingt und lautete : „Dass Ihr römisch kayserliche Ma
jestät mehr Bericht nothdürftig, den Ihr begehren nicht also-
balden zu bewilligen sei; derweilen dieser Handel verschoben,
bis zu Ihrer Majestät glücklichen Ankunft in der Cron Böheimb,
mögen dieweilen den Prädikanten bei sich enthalten, doch dass
er sich bescheidentlieh, glimpflich und unverweisslich verhalte,
damit nit Widerwillen oder aufruhr entstände ; — dass Sie kei
nen Kredenzbrief gehabt, dass es der ganzen Gemeine gefallen
willen gewesen, also an Ihre kays. Majestät anzulangen auch
dieweil die Verordnung, dass Prädikanten durch den Stadthalter
der Ballei in Thüringen geschehe, ob es auch mit Vorwissen
und Zulassung des Hochmeisters in Preussen fürgenommen sey
worden, ob auch die Zulassung des Bischofs von Regensburg,
unter welches Diöeesen die Pfarkirehen gelegen, begehrt wor
den, — der Communion sub utraque halber wolle Ihre k. Ma
jestät in Bedenken nehmen und sie derhalb künftig ferner be
scheiden und mit angehelfterFrage, ob der Prädikant Thilesius
ein ordentlich geweihter Priester sei” 1 ). Am 3. Jänner kamen die
Abgeordneten wohlbehalten zurück und brachten der Bürger
schaft „frohe Botschaft und ein freudenreiches neues Jahr.”
Am 5. berichteten sie vor der versammelten Gemeinde über den
Erfolg ihrer Sendung und setzten hinzu, dass S. Majestät alle
anderen Secten und ebenso alles ärgerliche Lästern wider die
Katholischen verbäten.
So viel war gewonnen , dass Thilesius in der Stadt blei
ben durfte. Die lutherische bei weitem die zahlreichere Partei
wollte ihren Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche feiern, die
Katholiken wollten nichts gestatten , bevor der Kaiser nicht in
Prag sei und das Nähere entscheiden würde. Im Rathe selbst
war eine Spaltung, welche Kirche den Protestanten eingeräumt
werden solle. Thilesius drohte die Stadt zu verlassen, wenn
ihm nicht das Haus Gottes vollkommen frei gestellt werde; er
*) Riegger’s Archiv für Böhmen. Dresden 1793, I, Bd, p, 830, Chronik
des Sergius. Pröckl. p. 90,
wolle alles verantworten '). Er entwarf eine Agende, welche
viel weiter ging, als die vom Rathe vorgelegte, und forderte,
dass die ganze Gemeinde darüber abstimmen solle. Bürger
meister Schmidt und seine Partei im Rathe wollten die Be-
rathschlagung nur dem Rathe Vorbehalten wissen , weil sie ein
sahen, welch ein Beschluss bei der leicht beweglichen Menge
durchgehen würde. Am 12. Jänner war eine stürmische Sitzung
im Rathhause vom Morgen bis zum Abend. Hanns Schmidl und
die drei katholischen Bürgermeister verliessen die Sitzung und
konnten nur mit Mühe bewogen werden, zurückzukehren.. Auf
dem Platze standen gedrängte Volksliaufcn, ihre Gesinnungsge
nossen kräftigst zu unterstützen. Die Stadtthore waren gesperrt,
weil man einen Zulauf aus den Vorstädten fürchtete 3 ). Die
katholische Partei hielt ungeachtet aller Drohungen fest an
ihrem Rechte und Thilesius musste sich mit einem Seitenaltare
in der Pfarrkirche begnügen. Zugleich wurde in der Agende
festgesetzt, die Katholiken sollten Morgens von 7 bis 9 Uhr
ihren Gottesdienst feiern und dann den Protestanten Platz ma
chen. „Samstag zur Vesperzeit wird man zwei Psalmen und den
Hymnus singen, dann das Evangelium vor dem Altäre gelesen
und die Vesper mit einer lateinischen Collection beschlossen
werden. An Sonn- und Feiertagen beginnt das Amt mit dem
Kyrie eleison, hierauf wird das Gloria deutsch und ebenso an
dere Lieder gesungen, die Predigt endigt den Gottesdienst.’ ’
Bereits am 13. Jan. wurde das erste Amt nach dieser Vorschrift
gehalten, den 15. das erstemal getauft, den 21. zum ersten-
male das lutherische Abendmal ausgetheilt, den 1. Febr. das
erste Ehepaar getraut s ).
Thilesius hatte bisher mit grossem Eifer den Gottesdienst
und die Seelsorge allein versehen. Sein Urlaub nahm ein Ende
und er musste in die Heimat zurück. Am 26- Jan. kam Hold
ringshausen nach Eger und empfahl Johann Morgenstern als
Archidiakou. Die Gemeinde nahm ihn an und gab ihm eine Be
stallung von 120 fl. nebst Wohnung, Holz und 5 Kalm Korn.
*) Stadtarchiv. Protokoll des Stadtbuches Nr. IX.
2 ) Grüner’s Beiträge S. 55.
°) Chronik des Sergius und M a r k 1.
22
Am 13. Febr. kam Johann P a r e ä u s , früher Pfarrer zu Wichs
in Thüringen, nach Eger vom Baillif gesendet, und die Stadt nahm
ihn als ersten Superintendenten au. Er erhielt 200 11. 6 Kahn Korn,
Wohnung und Holz. Thilesius hielt am 18. Febr. unter grossem
Zndrange seine Abschiedspredigt und reiste nach wenigen Ta
gen nach Mühlhausen ab. Er hatte in Eger vier und dreissig-
mal gepredigt.
Die Bürger gaben ihm das Geleit bis vor die Stadt, der Rath
verehrte ihm 50 Thaler, einige Bürger und Frauen überreichten
ihm einen silbernen stark vergoldeten Becher im Gewichte von
51 und einem halben Lotli.
ln der Chronik von 1633, im Kreuzherrnarchiv inPröckl’s
„Eger und das Egerlaud'’ finden sich folgende Verse :
So viel ein ganz Jahr Monat hat,
So viel Kirchen in der Egerstadt
Werden wahrhaftig gefunden
Noch heutigen Tages diese Stunden.
Aber das heilige göttliche Wort
Ward in solchen niemals gehört,
Bis man zählt tausend fünfhundert Jahr
Und vier und sechzig, das ist wahr,
Am neunzehnten Novembris, habt Acht,
Dass solches ist an Tag gebracht
Durch den ehrwürdigen Herrn
Und schriftgelehrtcn Magistern,
Von Mühlhaus aus Thüringerland
AVard er von Gott hieher gesandt.
Hieronymus, sein Taufnam gewiss,
Thilesius, sein Zunam hiess,
Der hat zuerst an diesem Ort
Gepredigt rein laut Gotteswort.
Gott dem Herrn sei Lob und Preis
Sammt seinem Sohn und heiligen Geist. Amen. —
Die Bauern des Egerlandes hatten in ihren Gebräuchen und
Sitten viel vom altgermanischen Wesen erhalten. Sie waren
reich und frei und standen in keiner Hörigkeit. Ihre Abgaben be
standen in Zinsungen , Naturalleistungen, die sich meist auf
Privatverträge gründeten. Ihr Glaube war fromm und fest. Die
allgemeine Richtung der Zeit brachte auch diesen kleinen herr
lichen Volksstamm aus seiner Bahn, und es verschwanden nach
und nach die Kreuze, die an Strassen und Waldspitzen stan-
23
den, so wie die Marienbilder, die zum Segen oder zur Erinnerung
an Feldwegen und Aeckern aufgerichtet waren.
Zuerst waren die kleinen Herren des Landes der neuen
Lehre zugethan. Die Junker auf Ob e r ku ereut, Adam von
YVirsperg, dem Wildstein gehörte, die Zedtwitze zu Lie
berstein, ein noch heute blühendes Geschlecht, Junker Wal
len Scheck zu Haslau schickten ihre alten katholischen Prie
ster fort und setzten neue ein. Prediger zogen im Lande her
um und predigten auf den Dorfplätzen oder in der Kirche. Sie
hörten von der Freiheit des Geistes, vom einfachen christlichen
Leben, von der Freiheit des Leibes und die Worte fielen zün
dend in ihre Brust. Die neue Lehre nahm einen raschen Fort
gang, doch war der Gang der Reformation daselbst still und
friedlich. Kirchen und Altäre blieben unzerstört, die Glocken
läuteten wie sonst und die Laudleute wallfahrteten am Sonn
tagsmorgen wie ehedem zur Kirche. Kinsberg— heutzutage
ein berühmter Wallfahrtsort unter dem Namen Loretto, lieb
lich gelegen auf einem grünen Berge, umgeben von Wald und
Wiesen — hatte schon 1555 einen akatholischen Pfarrer, den
Schlosskaplan Brusch; in Mühlbach theilte der deutsche Or
densgeistliche Christoph Schmid das Abendmal schon 1561 in
beiderlei Gestalt aus; Neualbenreut nahm 1564 den prote
stantischen Johann Schumann aus Eger auf; in Wild stein
predigte Sebastian Schlegel von Falkenau. Bald waren Haslau,
Oberlohma, Treunitz, Trebendorf, Urbanitz alle noch im Jahre
1565 mit lutherischen Geistlichen besetzt und die Landleute
nahmen den Glauben an, der ihnen gepredigt wurde 1 ).
Die Reformation war durchgedrungeu. An die Stelle der
deutschen Ordensgeistlichen traten nun der Superintendent,
Archidiakon, Condiakou und Subdiakon, iu der Schule
der Conrector, Baccal aureus, Canto r. Die Super
intendenten von 1565 bis 1626 waren meistens aus frem
den Gegenden, wie Johann Paccäus (st. 1569), Johann Hagen
aus Redtwitz, Lorenz Codomannus bis 1580, Paul Presch war
aus Dresden biß 1586, Niklas Polandus von Chisch bis 1593,
Johann Hochstetler bis 1600, Georg Renner von Amberg bis 1624,
*) Chronik des Ser'gius, Mar kl, Dechantei-Archiv.
24
Jakob Bruckner. Die hatten die Aufsicht über die Landpfarrer,
über ilire Religiösen in der Stadt und die lateinischen und deut
schen Schulen. An Sonn- und Feiertagen predigten sic, zwei
mal im Jahre hielten sie Versammlungen ihrer Geistlichkeit. Die
Archidiakonen hatten die christliche Lehre an Sonntagen
zu halten und die Predigt und Episteln auszulegen. Die C o n-
diakoncn seit 1566 versahen zugleich die Pfarre Trebendorf
und Urbanitz. Die Subdiakonen seit 1593 vertraten die Stelle
des Superintendenten oder Archidiakon. Unter ihnen waren meist
Landeskinder, weil sie vom Rathe bestellt wurden, wie Erhärt
Steuitz 1592, Joseph Kleemayer 1593, Niklas Frank 1603,
Klemens Pesoldus 1604, Aegid ßrandtner 1617. Alle Religiösen
hatten in Jena studirt 1 ).
Noch war der Gottesdienst in der Hauptpfarrkirche zwischen
Katholiken und Protestanten gemeinsam. Den letzteren genügte
bald dieses sogenannte Simultan eum nicht mehr, und es ge
lang dem Superintendenten Paccäus, die Kirche allein in Besitz
zu nehmen. Den zwei übrigen Laienpriestern Simon Lochner
und Martin Korndörfer wies der Rath die Kirche zur Maria
Heimsuchung an 3 ). Die Kirche war früher ein jüdischer Tempel,
später zur christlichen Kirche geweiht und gegenwärtig so von
allem entblösst, dass weder Leuchter noch Kelche, nicht Brot
und Wein vorhanden waren. 1567 forderte Kaiser Maximilian
II. bei seiner Anwesenheit in Prag die egrischen Bürger auf,
sich zu rechtfertigen, „dass in ihren Kirchen kalvinische oder
zwinglische Secten wären angenommen worden.”
Die vier Abgeordneten, Kramer, Meinl, Holdörfer und Ness-
ler gingen nach Prag und führten ihre Sache. Der Kaiser ent-
liess sie gnädig mit dem schriftlichen Bescheide, „sie mögen
zwar lutherische Prediger halten, aber die Katholiken sollten
sie mit Lästerungen unangetastet lassen.” Die Katholiken ver
loren den frischen Muth für den Sieg ihres Rechtes nicht. Sie
klagten abermals beim Kaiser über die Rechtsverletzung und
Unbilden von Seite der Protestanten und namentlich über das
unduldsame Betragen des Paccäus. Wirklich befahl der Kaiser
') Riegger's Archiv, p. 242—243.
2 ) Stadtarchiv Fase. 1.
in einem ßes c r ip t e von Pr e s sbur g vom 29. September
1569, Paccäus solle abgcsehafft werden, die Jurisdiction der
Bischöfe von Regensburg solle unverändert bestehen und die Ka
tholiken in .allen ihren Ceremonien ungehindert verbleiben 1 ).
Die Duldsamkeit des Kaisers gegen die neue Lehre, so hoch
sinnig und lobcnswerth sie für sich war, begleiteten doch trau
rige Folgen. Sie schwächte das Vertrauen der Partei, die in
ihm ihr Oberhaupt sah und hob die ungezähmte Kraft der An
dersgesinnten. Diess zeigte sich im Grossen und Kleinen. Des
Kaisers Rescript wurde gar nicht geachtet, und der treue Schutz,
den Maximilian für die Katholiken befahl, wenig ausgeübt. Vil-
herius, der aller Unbild und Noth ungeachtet im Dominika
nerkloster verblieben, liess 1571 einen Taufstein in der Kirche
setzen. Dafür wurde er verhöhnt und drei Monate gefänglich
gehalten; erst 1572 wurde er losgelassen und musste einen
Eidschwur ablegen, sich nicht zu rächen. Vilherius wandte
sich in seiner Noth an David, Bischof von Regensburg. Dieser
führte Klage bei dem Kaiser. Ein zweites Rescript desselben
vom 15. Juli 1572 befahl den Protestanten abermals, die Ka
tholiken in ihrem Gottesdienste ungestört zu lassen, sich nach
der älteren Bewilligung mit einem Altar und Predigtstuhle zu
begnügen und die Jurisdiction des Regensburger Bischofs zu
achten. J ) Der Bischof schickte aber statt tüchtiger, mit Talent
und Mitteln ausgerüsteter Geistlichen am 23. Juni 1573 drei
Domherren als Commissäre, welche vom Rathe geradezu ver
langten, die Pfarrkirche solle den Katholiken wieder cinge-
räumt werden. Der Rath antwortete ihnen mit allgemeinen
Sätzen: der Kaiser habe die Augsburger Confession freigegeben,
die Bürgerschaft sei einig u. s. w. Der Rath war selbst pro
testantisch, die katholische Partei so gesunken, dass sie den
einzigen katholischen Geistlichen, Korndörfer, nicht ver
pflegen konnte, bis ihm der Erzbischof von Prag, zugleich
Grossmeister der Kreuzherren mit dem rothen Sterne einen
Freitisch in der Kreuzherrencommendatur anwies.
Die Religionsneckcreien dauerten fort. Man riss dem alten
Vilherius den Taufstein aus der Kirche und versetzte ihn zu
J ) Stadtarchiv Fase. 10.
2 ) Stadtarchiv Fase. 10.
26
den Franciskanern. Das orthodoxe Lutherthum hatte sich so
festgesetzt, dass der Archidiakon Rascliius, welcher 1578 mit
dem Superintendenten Codomannus Streit über die Transsubstan-
tiationslehre begann und seine Sätze auf der Kanzel vertheidigte,
als heimlicher Calviner und Irrgläubiger vom Amt entfernt
wurde. Im Jahre 1574 waren in der Stadt und in den Vor
städten nur 24 katholische Mannspersonen, darunter Bernhard
Schmidt, Wolfgang Vetterle und Martus Tiegl ‘). 1590 waren nur
noch zwei Familien ganz katholisch, und da die Capitelhcrren
zu Mergentheim das deutsche Haus sammt allem Zubehör 1608 an
die Stadt verkauften, so erwarb die Stadt das Patronatsrecht, und
damit vollkommen freie Verfügung über die Installation der Geist
lichen für Stadt und Land sammt den Realitäten, Zehenten und
reichen Sackzinsuugen, die sie jetzt noch besitzt. In das sogenannte
Bruderhaus, ein Institut für alte mittellose Bürger, wurden nur
lutherische Bürger aufgenommen, iin Armenhause der Kreuzherren-
commenda bloss lutherische Arme untergebracht. Die Stadt ging in
der Uebereiuslimmiing mit der protestantischen Welt auch so weit,
dass sie den Gregorianischen Kalender erst 1603 am 25. November
bekannt machen und einführen liess.
Merkwürdigerweise blieben mitten in der lutherischen Stadt
die Klöster und wurden allmälig wieder besetzt. Die Kreuz
herren standen unter dem Grossmeister zu Prag, und erhielten
den katholischen Gottesdienst. Durch sie wurden die Tridentiner
Concilbeschlüsse in Eger, wenn auch ohne Erfolg, publieirt
Clarissernonnen zogen nach und nach ein, die meisten kamen
aus Prag; sie erlangten ihren schönen Edelhof wieder. Zu Vil-
herius, dem allen Dominikaner-Prior — er starb erst 1608 —
kamen viele seiner Mitbrüder, und sie wurden durch milde
Gaben reichlich unterstützt 3 ). Das Franciskanerkloster stand
eine Zeit öde, bis unter Rudolph 11. neue Ordensleutc kamen.
Das .Steinhaus, zu Baldsassen gehörig, wurde vom Pfalzgrafen
Friedrich säcularisirt. Die kleinen Filialkirchen vor der Stadt, zu
.St. Jobst, St. Anna, heil. Kreuz wurden gesperrt; sogar der Gottes-
*) Stadtarchiv Fase. 2.
Riegger’s Archiv I. p. 230.
3 ) Chronik Schlecht’s
27
dienst in der königlichen Burg, in der schönen Capelle, welche aus
zwei übereinandergebauten Capellen besteht, vernachlässigt.
So war durch die Vernachlässigung der Regierung, die
Gewandtheit der protestantischen Häupter, die Einfachheit der
Bürger und den Schwung der bewegenden Ideen jener Zeit das
innere Leben der Stadt ganz (ungestaltet. Mit dem veränderten
inneren Lebin traten auch neue äussere Verhältnisse ein. Die
Stadt, von ihren frühesten Zeiten an kaiserlich gesinnt, folgte
nun in Folge der Veränderung der Religion einer neuen politi
schen Richtung. Sie nahm Theil an der grossen Empörung der
böhmischeu Stände gegen Ferdinand II., und hatte davon viel
Leid zu tragen. Was sie in stillem Frieden erworben , musste
sie in Blut und Notli verlieren. Die Söhne und Enkel jener
Männer und Frauen, welche einst den Worten Thilesius ge
horcht hatten, und zuerst der neuen Lehre ergeben waren,
büssten Leib und Leben und ihr irdisches Gut, als sie ihrem
Glauben getreu im Kampfe fielen oder auswanderten. — Welche
Leiden die Stadt im dreissigjährigen Kriege getroffen, welche
Motive, Leidenschaften und edle Willenskräfte da wirkten, durch
welche Mittel und Wege die katholische Religion wieder ein—
geführt wurde, so dass heutzutage das Volk mit begeisterter
Anhänglichkeit daran hängt, — erlaube ich mir der hohen Aka
demie in einem zweiten Aufsatze in späterer Zeit vorzulegen.
Dr. Adolf Sch midi trug aus einer grösseren Abhandlung
„über das Verhältniss der Geographie zur Politik” die Begründung
und historische Erläuterung des von ihm aufgestellten Begriffes
„geographische Einheit” — vor, auf welche er durch Analogie
mit dem Begriffe „ethnographische Einheit” — hingeführt worden
war. —
Sitzung vom 9. Jänner 1850.
Freiherr Hammer - Purgstall setzt die Lesung seiner Ab
handlung über die Namen der Araber fort, nämlich über die
Zunamen und Vornamen, jene sind vierfach; erstens
religiöse oder politische, welche mit: Din (Religion) oder mit
Dewlet (Reich) zusammengesetzt sind, wie Ssalaheddin (Sa-
28
ladin) dessen Zunamen das Wohl der Religion heisst, wie Ad-
h a dd e d hd e wl et der Arm des Reiches; solche ehrenvolle
Zunamen sind auch die von den Chaüfen angenommenen, wel
che immer mit dem Worte Gott enden, wie e 1 - Mot e wekkil
al-Allah, d. i. der auf Gott vertrauende, der Name des zehn
ten Chalifen der Bcni Abbas; z weite n s ehrenvolle Zunamen,
ohne den Namen der Religion, des Reiches oder Gottes, wie
die von den Chalifen den von ihnen belehnten Herrschern er-
theilte, wie z. B. el-Melik en-Nassir, d. i. der König
der Hilfreiche, oder die von Wefiren, Statthaltern, wie z. B.
der Thahir’s, des Statthalters von Chorasan, welcher wegen
seiner ausserordentlichen Thätigkeit Suljeminein, d. i. der
mit zwei rechten Händen Begabte zugenannt ward; mehrere
Wel'ire in Andalus, welche zwei Ministerien vereinten, hicssen
Sulwearetein, d. i. der mit zwei Wefirschaften Begabte;
drittens Zunamen, deren Bedeutung gleichgültig, wie Hariri,
von dem Handel mit Seide so zugenannt; viertens Zunamen
von einem körperlichen Gebrechen hergenommen; so führen cilf
arabische Grammatiker den Zunamen el-Achfefch, d. i. der
Blödsichtige und ein Dutzend arabischer Dichter heissen el-
Aascha, d. i. der Schielende. Ueber die Voimamen, worüber
schon eine Abhandlung Kofegarten’s besteht, wird Neues
aus noch unbenutzten Quellen zu Tage gefördert. Die Vorliebe
der Araber fiir Vornamen, die entweder von ihren Kindern her
genommen sind, wie Ebu Jusuf, Ebu Chalid, u. s. w.
oder in Ermanglung von Kindern metonymische, wie Eb ul F a d h 1,
der Vater des Verdienstes, Ebul Maani, der Vater der Be
deutungen. Im Koran befiehlt Gott durch Moses dem Aaron den
Pharao mit linden Worten anzureden, was die Ausleger von
dem Vornamen verstehen, in der Ueberlieferung wird erzählt,
dass, als Moses dem rotlien Meere sich zu spalten befahl, die
ses auf die erste Anrede: Meer spalte dich, sich nicht
rührte, worauf Gott dem Moses das Meer bei seinem Vornamen
anzureden befehl, der Vorname des Meeres ist: Ebu Chalid,
d. i. Vater des Immerwährenden; Moses sprach nun: Ebu
Chalid theile dich! und sogleich gewährte das Meer freien
Durchgang. Solche metonymische Vornamen legt der Araber
nicht nur den Menschen, sondern auch Thieren und Sachen bei;
diese Vornamen beginnen immer mit dem Worte: Vater, Mat
ter, Sohn oder Tochter und bilden die Familie der arabi
schen Rhetorik.
Regierungsrath Chm e 1 las Nr. IV. seiner Vorträge:
„U e b e r die Pflege der Geschichtswissen
schaft in Oester reic h” wie folgt:
Nachdem ich in drei früheren Artikeln einige Institute be
sprochen habe, welche vorzugsweise berufen wären, Geschichte und
vor allem vaterländische Geschichte zu fördern (I. das k. k,
Haus-, Hof- und Staatsarchiv, s. Sitzungsberichte II. Heft
184S. S. 16 — 26 und S. 90 — 108. II. Die k. k. Hofbiblio
thek, Sitzungsberichte III. Heft 1848. S. 54 — 86. III. Das
k. k. Münz- und Antiken-Cabinet und die Ambraser-
Sa m ml ung. Sitzungsberichte V. Heft. 1848. S. 55—81.), will
ich den Faden wieder aufgreifen und über die Pflege der
vaterländischen Geschichte theils Bericht erstatten,
theils auch pia desideria mit Freimuth aussprechen.
Seitdem durch die Constitution von 4. März 1849 die Ein
heit des Gesammt - Reiches Oesterreich ausgesprochen und
anerkannt wurde, ist die Geschichte des österreichi
schen Kaiserreiches das Ziel wie das Feld einer umfas
senden Reihe von Studien und Forschungen, welche früher
mehr Aggregat von Kenntnissen als organisches Ganzes ge
wesen.
Um mich deutlicher zu erklären, der österreichische Ge
schichtschreiber hat von nun an die weit schwierigere, aber auch
um so dankbarere Aufgabe, seinen Blick auf das Gesammt-
reich richten zu müssen, er soll nicht den successiven
Anwachs, das allmälige Gestalten des Ländercomplexes, der
durch Einen Regenten als persönliches Land zusammengehalten
wurde, zu seinem Hauptaugenmerk machen, nein, das ihn besee
lende Princip muss ein tiefer liegendes sein.— Ich betrachte
den österreichischen Kaiserstaat als eine der merkwürdigsten
Naturerscheinungen, als die practische Lösung eines grossarti
gen Naturproblems; dass es nämlich möglich sei, um höherer
Zwecke willen (Cultur und möglichste Entwicklung aller Kräfte)
die verschiedenartigsten Nationalitäten und Bildungsstufen in
30
einem Staate verbunden zu halten, ich glaube an eine gewisse
Naturnothweudigkeit: Oesterreich kann nicht zerfallen,
es hat einen grossartigen Beruf, den es erfüllen muss, so
spricht die Geschichte. Es hat nicht umsonst so viel bittere
Erfahrungen, eine so herbe Schule durchgemacht. — Die Völker
Oesterreichs haben gelernt, dass innerer Zwiespalt nicht för
dert, sondern nur Eintracht und vereinte Kraft.
Der Geschichtschreiber Oesterreichs soll nun in geistvol
ler Zusammenstellung die Schicksale der österreichischen Völ
ker, ihr Alleinstehen, ihren wechselseitigen Einfluss, ihre Käm
pfe, dann auch ihr Zusammentreten , ihre Vereinigung und Ge
meinschaft schildern ; eine ungemein umfassende, aber an Re
sultaten auch sehr fruchtbare Aufgabe!
Sie setzt voraus, dass man die sämmtlichen Sonder-Ge
schichten gründlich und im vollständigsten Umfange kenne, dass
man sich mit den Ansichten , Bestrebungen und Wünschen der
verschiedenen Nationalitäten vertraut gemacht, dass man nicht
blos die politische Geschichte, welche meist nur die äusse
ren Schicksale berücksichtigt, sondern auch die Religio ns-,
Culturs-, vor allem die Literatur- und Kunst-Geschichte
der Bestandteile des österreichischen Kaiserstaates studiert habe.
Wir haben natürlich noch keine solche Geschichte des
österreichischen Kaiserstaates, können sie auch noch nicht haben.
Alle bisher erschienenen Geschichten des österreichischen
Kaiserstaates haben entweder nur das allmälige Sichge-
stalten, den successiven Anwachs oder die Vereini
gung unter einer Dynastie zum Gegenstände ihrer Erzäh
lung gemacht.
Ein einziges im Jahre 1842 in Briinn erschienenes Buch
von 25 Bogen, von dem Appellationsrathe lg na z B e i d t el (Ver
fasser mehrerer anderer Werke), herausgegeben, behandelt die
Geschichte des österreichischen Kaiserstaates in einer kurzen
Uebersicht von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten auf
eine Art und Weise, die eigenthümlich ist, und sich der hier
angedeuteten annähert.
Herr Beidtel sagt in der Vorrede: „Was die Geschichte
„selbst betrifft, so kommt vor Allem viel auf den Begriff an,
„welchen sich ein Historiker von der Geschichle des Österreich!-
31
„sehenKaisertums macht. Der Verfasser denkt sich unter die-
„sem Namen eine Geschichte jener Länder, aus denen es ge
genwärtig besteht. Von dieser Ansicht ausgehend, konnte er
„also die gewöhnliche Form der Darstellung, nach welcher die
„Geschichte des Staates von der Provinz Oesterreich ausgeht
und dann, wenn zu dieser Provinz wieder eine andere hinzu-
„kommt, die Geschichte dieser letztem in so fern nachgeholt
„wird, als cs zum Ueberblick nothwendig ist, nicht billigen.
„Bei dieser Methode geht nämlich die Uebersiclit in Ansehung
„dessen , was in andern Provinzen zu derselben Zeit geschah,
„verloren, auch erhält dabei die Geschichte der Provinz Oester-
,,reich, die denn doch nicht allen Bewohnern des Staates im
„gleichen Grade interessant ist, einen unverhältnissmässigen Um-
,,fan«\ Angemessener schien es daher dem Verfasser, die Ge-
„schichte jener Länder, welche jetzt das österreichische Kaiser-
„thum ausmachen, in einige grosse Zeiträume zu theilen , und
„dann von der Geschichte jeder Provinz, was in dieser Periode
„in ihr vorkam, mit wenigen Worten so lange anzudeuten, bis
„sich diese Provinz an eine andere dauernd angeschlossen hat,
„Man gewinnt dadurch an Deutlichkeit und erklärt es leichter,
„wie sich nach und nach die grösseren Ländermassen, die zu
„Oesterreich, Ungern und Böhmen gehören, bildeten.”
„Eine etwas schwierige Aufgabe bei der Darstellung der
„österreichischen Geschichte ist die: von der allgemeinen Kir-
„cliengeschichte, so wie von der Geschichte der Nachbarstaaten
„nicht zu viel und nicht zu wenig zu sagen, indem das erstere
„leicht für einen dem Zwecke einer österreichischen Geschichte
„fremdartigen Gegenstand gelten könnte, das letzte aber man-
„clies, was leicht in der österreichischen Geschichte dunkel
„scheinen könnte, unaufgehellt lässt. In dieser Rücksicht ist es
„schwer zu allgemeinen Grundsätzen zu gelangen; das, was der
„Verfasser in dieser Beziehung in den gegenwärtigen Abriss
„aufnahm, nahm er nicht ohne guten Bedacht auf, er hielt es
„nämlich für durchaus nothwendig , um die innere Geschichte
„des österreichischen Kaiserthums , dessen Grundeinrichtungen
„aus dem Auslande gekommen sind, zu erklären.”
„Dieser inneren Geschichte ist, was heut zu Tage wohl
„keiner Rechtfertigung bedarf, vorzugsweise viele Aufmerksam-
32
„keit gewidmet worden. Man benützte dabei Gesetzsammlungen
„und andere Quellen dieser Art, wie denn die Geschichte der
„letzten Zeiträume fast durchaus nach speciellen Studien des
„Verfassers dargestellt ist, in Ansehung dieser inneren, so wie
„auch der äusseren Geschichte wurde in Anmerkungen oft auf
„die vorhandene Literatur aufmerksam gemacht, und, ohne auf
„Vollständigkeit Anspruch zu machen, einige von Büchern ange
geben , welche auch von dem Gegenstände handeln. Endlich
„wurde auch darauf gesehen, das Werk nicht mit Namen und
„Thatsachen zu überfüllen, um so bei demjenigen, was gesagt
„wird, eine allzu trockene Darstellung vermeiden zu können.”
Wäre der Plan des Herrn Beidtel alle acht Zeiträume
hindurch, in die er seine Geschichte cingetheilt hat, mit Sorg
falt und gedrängter Fülle von Daten ausgeführt worden, so hät
ten wir ein vortreffliches Compendiuin der österreichischen Ge
schichte. Leider aber sind insbesondere die ersten vier Zeit
räume (bis 1527 zur Vereinigung Oesterreichs mit Böhmen und
Ungern) nicht so ausgearbeitet, wie es unerlässlich ist, soll
nicht eine totale Verwirrung der Zeiträume erfolgen,
Herr Beidtel stellt oft rein unbegreifliche Behauptungen
auf; was soll es z. li. heissen , wenn er gleich anfangs unter
den Provinzen des österreichischen Kaiserstaates, die „noch
heut zu Tage bestehen,” als: 18 die Grafschaft Hoheneck. 19
die Grafschaft Sonnenberg, 20. die Grafschaft Pludenz, 21. die
Grafschaft Feldkirch, 22. die Grafschaft Bregenz, 23. die Graf
schaft Hohenems anführt, da doch alle sechs Grafschaften nur
einen Kreis, den Vorarlberger, den siebenten der Provinz Tirol
bilden. Wollte man so zählen, hätte man alle alten Grafschaf
ten und Fürstenthiimer aufführen müssen. — Die Literatur in
diesen vier ersten Zeiträumen ist durchaus nicht passend. So
wird z. B. im zweiten Zeitraum (vom fünften bis zehnten Jahr
hunderte) bei der Geschichte Siebenbürgens Bethlen angeführt,
der die Zeit des XVI. Jahrhunderts bearbeitete. Die Darstel
lung selbst ist meist so verschwommen und allgemein, dass die
Lesung dieser Zeiträume wirklich peinlich ist, besser ist die
spätere Zeit bearbeitet, vom 5. bis 8. Zeiträume. Die Geschichte
der das österreichische Kaiserreich bildenden Kronländer muss
synchronistisch und parallelisirend sein; sie muss Völkerge-
33
schichte sein, nicht hloss Regentengeschichte, sie muss
Culturg es chi cht e voranstellen, nicht aber die politische.
Dass zu diesem Behufe umfassende Vorarbeiten nöthig sind,
kann keinem Zweifel unterliegen. Einer Geschichte müssen
Karten und Tabellen vorausgehen. Und diese kommen auch
erst nach und nach und theilweise zu Stande, und nur durch
Zusammenwirken vieler mannigfaltiger Kräfte und unter
mehreren unerlässlichen Bedingungen kräftiger Unterstützung.
Wollte man im gegenwärtigen Augenblicke einen noch so
bedeutenden Preis auf eine zweckmässige Geschichte des
österreichischen Kaiserstaates, nach dem angedeuteten Gesichts-
puncte, auch setzen, sie käme doch nicht zu Stande!
Und doch ist Geschichte, nach meiner lebhaftestenUeber-
zeugung, die Seele des Staats- und Völkerlebens, also auch des
österreichischen. Insbesondere hat der letztere Staat, das jet
zige Kaiserreich, alle Ursache, der vaterländischen Geschichte
die sorgfältigste Pflege angedeihen zu lassen. Die Geschichte ist
so gut Nationen- als Regenten-Spiegel. Die Geschichte,
wenn sie in ihren reinen Quellen auftritt, ist wahrhaft ein —
Gottesgericht.
Es sei mir erlaubt, hier einige fromme Wünsche zum Theile
wiederholt auszusprechen, welche ich als Bedingungen ansehe,
unter denen vaterländische Geschichte wirklich gedeihen und
erwartete Frucht bringen könne.
Ich habe seit einer Reihe von Jahren in verschiedenen Auf
sätzen ähnliche Wünsche ausgesprochen, auch directe Vorschläge
gemacht, bisher so ziemlich vergeblich; das hält mich jedoch
nicht ab, wieder darauf zurück zu kommen. Gutta cavat lapi-
dem, — non vi, sed saepe cadendo.
Ich behaupte also: 1. Vaterländische Geschichte, und
zwar in synchronistisch-parallelisirender Methode vorgetragen,
sei eine der fruchtbarsten, ja unentbehrlichsten Wissenschaf
ten für uns Oesterreicher, und stufenweiser Unterricht darin
von den Volksschulen bis zur Universität inclusive ist wahres Be-
dürfniss.
2. Die besondere Pflege der vaterländischen Ge
schichte sollte hier in Wien, im Herzen des Kaiserreiches,
als eines der wirksamsten Vehikel, die Herzen aller Oester-
Sitzb. d. philos, histor. Cl. Jahrg. 1850. I. Heft. 3
34
reicher (aller Nationalitäten) für ihr grosses herrliches Vater
land zu begeistern, in besonderen Schutz genommen werden.
Ist unlängst ein grossartiges Institut erstanden, das die Be
stimmung hat, die geologischen Verhältnisse des Kaiserreiches
zu erkunden und diese Kunde gemeinnützig zu machen, so dürfte
die genaue Kenntniss und Kunde der Geschichte unseres ge
meinschaftlichen Vaterlandes wohl auch der Beachtung werth sein.
Mehr als Silb er und Gold ist die Liebe zum Vater
lande, der Patriotismus. — Anhänglichkeit an sein Heimat
land, an sein Volk, an seine Sprache, an seine Geschichte, das
ist der grösste Schatz, den der Mensch besitzt; dafür opfert
er alle übrigen Schätze, ja sein Leben.
Werden diese Neigungen, diese Erinnerungen hier ge
pflegt und finden sie hier warme Theilnahme und Beachtung,
so sind sie nicht gefährlich, ja vielmehr dann werden sie zum
neuen Bande, zur innigen Verknüpfung. — Die Geschichten der
einzelnen Kronländer sollten hier im Centrum des grossen Kai
serreiches aufs Grossartigste gefördert werden.
Wie?
Vor Allem durch grossartige Sammlungen, dann durch
ein Bildungsinstitut für Lehrer und Professoren der vater
ländischen Geschichte.
Die grossartigen Sammlungen sind erstens eine österrei
chische Reichsbibliothek, zweitens ein kaiserlich öster
reichisches Reichs- und Central-Arcbiv.
Die österreichische Reichsbibliothek, welche
füglich mit der schon bestehenden k. k. Hofbibliothek vereinigt
werden, eigentlich aus ihr hervorgehen könnte, müsste erstens
in einem sehr geräumigen Locale alle historischen, geographi
schen, statistischen Werke, Karten, Pläne enthalten, und zwei
tens durch die genauesten und vollständigsten Real- und Nominal-
Kataloge und Register, in denen selbst die einzelnen Aufsätze und
Artikel aus Zeitschriften angeführt wären, erst recht praktisch
und brauchbar werden. — In dieser Reichsbibliothek müsste der
gesammte gedruckte Apparat bereit gelegt sein. — Dass sowohl die
Dotation (zur Ausfüllung der Lücken und Anschaffung der neu
erschienenen Werke) als auch die Arbeitskräfte, vor Allein
aber das Locale der k. k. Hofbibliothek vermehrt werden rnüss-
35
tett, ist klar, sollte diese Reichsbibliothek mit derselben
vereinigt sein.
Im Ministerium des Innern ist zum Dienste und zur Bildung
der Herren Beamten durch den Herrn Grafen Stadion eine
solche Reichsbibliothek creirt worden. — Ihre Vervollständigung,
Erweiterung und Widmung für ein grösseres Publikum könnte
allerdings die vaterländische Geschichte mächtig fördern.
Die Bildung eines Central-Arch ives war ebenfalls
eine Lieblings - Idee des Herrn Grafen Stadion.
So wie die Verhältnisse gegenwärtig sind, ist der histo
rische Stoff auf wunderbare Weise zerstreut und zerstückelt.
Für die vaterländische Geschichtsforschung gäbe es wahr
lich kein grösseres Glück, .als wenn bis zu einem gewissen Zeit
räume (z. B. dem Aussterben des habsburgischen Hauses 1780)
jene Acten und Archivalien , welche von historischem Interesse,
also des Aufbewahrens werth sind, in einem grossen Reichs- oder
Central-Archive gesammelt und zweckmässig geordnet würden.
Aus den Archiven der verschiedenen Ministerien (des Aeus-
sern, des Innern , der Finanzen, der Justiz , des Cultus und
öffentlichen Unterrichtes, des Kriegs u. s. w.) müsste zu die
sem Behufe alles bis 1780 ausgeschieden werden und würde
dem Central - Archive zugetheilt, welches nach längerer Zeit
vielleicht wieder neuen Zuwachs erhielte. Durch die neue Ge
staltung Oesterreichs hat so Viel jetzt nur historisches Interesse.
Doch müsste ein Central-Archiv nicht für sich allein
stehen hier in Wien. Jedes Kronland hat sein eigenes Ar
chiv, wenigstens soll es eines haben, in dem das aufbewahrt
werden müsste, was das Land oder seine specielle Geschichte
betrifft. Dort ist es am besten aufgehoben, dort wird es am be
sten verstanden und gewürdigt. Alle diese Kronländer-Archive
jedoch sollten mit dem Central-Archive in Wien in genauester
Geschäftsverbindung stehen, die sämmtlichen Verzeichnisse müss
ten in Abschrift hier auch liegen. Die Oberaufsicht bliebe dem
Central-Archive, welches auch für die Bildung brauchbarer Ar
chivs-Beamten zu sorgen hätte. Zu diesem Behufe müsste aber,
so wie in Paris seit einigen Jahren eine Ecole des Chartes
besteht, welche die erspriesslichsten Früchte bringt, in Wien
ein ähnliches Institut errichtet werden-.
3 *
36
Ein historisch-diplomatisch es Seminar zur Bil
dung vaterländischer Geschichtslehrer, Professoren und Ar
chivs-Beamten. Junge fähige Männer, welche sich der Pflege der
vaterländischen Geschichte entweder in ernster stiller Forschung
in den Quellen und Documcnten, oder durch lebendige Mitthei
lung durch das ergreifende Wort, den mündlichen Vortrag und
Unterricht widmen wollen, sollen durch Stipendien und eröfthetc
Aussichten in Stand gesetzt werden, sich durch ganz specielle
Sach- und Sprachstudien für diesen schönen Beruf vorzubereiten.
Mögen diese hier nur angedeuteten Wünsche nicht bloss
pia desideria bleiben!
Die Kosten sind freilich auch zu berücksichtigen, jedoch
könnten Reichsbibliothek, so wie Central-Archiv durch zweck
mässige Einrichtung und Gebahrung zu Stande kommen ohne
bedeutende Mehrauslagen, nur das historische Seminar
würde eine massige Summe in Anspruch nehmen.
Durch anderweitige Ersparnisse im Staatshaushalte könnte
auch für diese Rath geschafft werden, jedenfalls ist das auf
Unterricht und Bildung verwendete Geld kein hinausgeworfenes.
Würde überdies auf jeder der vaterländischen höheren Lehr
anstalten, auf jeder Universität, ein Professor der vaterländi
schen Geschichte mit der erhebenden Aufgabe betraut, in
den Gemüthern der heranwachsenden Jugend den Sinn für Recht
und Gerechtigkeit, für höhere Staatsklugheit und wahre Politik
durch freimüthige, aber auch lebendige Darstellung der Geschicke
unseres Vaterlandes zu wecken; würde derselbe mit ergreifen
der Stimme aus allen Thatsachen den Spruch der Nemesis:
Discite justitiam moniti et non temnere divos den Zuhörern
zu deuten verstehen, wahrlich dann wäre sein Beruf ein segen
voller.
Da das österreichische Kaiserthum schon seiner Constitution
gemäss aus Theileu (Krouländern) besteht, welche in so mancher
Hinsicht ihre Selbstständigkeit wenigstens ihre histori
schen Eigenth ümlichkeiten beibehalten, so ist die Ge
schichte des Ganzen ohnehin nur erst dann zu verstehen, wenn
man die Geschichten sämmtlicher Theilc (Kronländer) kennt,
darin ist die österreichische Geschichte eine höchst eigen-
thümliche, mit keiner andern vergleichbar.
37
Je melir diess bisher versäumt wurde zu beachten, desto
unvollkommener und unbefriedigender sind unsere bisherigen
allgemeinen österreichischen Geschichten, ja die meisten sind
bloss Ee g e n t e n geschickte aber keine Staats- noch we
niger aber Vö lke r - Geschichte , und doch muss das Ideal
einer Geschichte alle Verhältnisse klar machen.
Lassen Sie uns nun die einzelnen Theile, die Kronlande, und
ihre Geschichte näher ins Auge fassen. Beginnen wir mit dem
Kronlande, dessen Hauptstadt auch Hauptstadt des gesammten Kai
serstaates, die Residenz des Kaisers, das Herz des Reiches ist.
Das Kronland Oesterreich im engern Sinne des Wortes, das
Land unter der Enns, und Wien, was hat es für seine Ge
schichte geleistet? Was ist dafür noch zu thun ?
Hat das Land unter der Enns eine Geschichte aufzuweisen,
welche die Geschicke des Landes als besonderes Ganzes mit Be
achtung seiner Eigentümlichkeiten und Besonderheiten vollstän
dig darstellte ? — Mir ist keine bekannt. —
In mehreren andern Kronländern sind in den letzteren Jahr
zehnten derlei Special- oder Provinzialgeschichten erschienen oder
vorbereitet worden. So erhielt das Land oh der Enns eine
Special-Geschichte in zwei Bänden, von F r a n z Xaver Pritz,
von A1 b e r t v. Muchar’s Geschichte des Herzogtums Steier
mark erschienen vier Bände (freilich nicht einmal die Ge
schichte des 13. Jahrhunderts beendigend), von Kärnten lieferte
Freiherr Gottlieb von A n k e rs h o f e n in einem starken Bande
die Geschichte vor und unter der Römerherrschaft, die Geschichte
des Mittelalters bis zur Verleihung des Herzogtums an das Haus
Habsburg (1335) soll von ihm noch bearbeitet werden.
Von der zweiten Abteilung (Geschichte Kärntens seit
1335), welche Herr Propst Hermann übernahm, sind bis jetzt
die vier ersten Hefte erschienen. Von der Geschichte Sie
benbürgens erschienen unter dem Titel: „Unterhaltungen
aus der Geschichte Siebenbürgens.” Von J. H. Benigni von
Mildenberg — bisher drei Bände, welche bis 1538 reichen,
wo Siebenbürgen sich von Ungarn trennte und ein selbständiges
Fürstentum Siebenbürgen begründet ward *). —
*) I)a wir die Bestrebungen der einzelnen Kronländer für die Erforschung
und Darstellung ihrer Specialgeschichten in besondern Artikeln bespre-
38
Es bildeten sich insbesondere historische Vereine und Laudcs-
inuseen, welche die Landeskunde wie die Geschichte durch Samm
lungen zu fordern suchten. — Von diesen Museen und Vereinen
gingen theils „Zeitschriften” und „Beiträge,” theils Urkundcu-
Sammlungen hervor oder werden vorbereitet. —
Was ist in dieser Beziehung im Lande unter der Enns, und
insbesonders in dessen Hauptstadt in Wien geschehen ? —
Wir haben weder einen Verein für die Landesgeschichte und
Landeskunde, noch ein Museum für die Urkunden oder Denkmäler.
Mehrere Versuche, einen historisch-archäologischen Verein
zu gründen, waren bisher ohne Erfolg geblieben. —
Bekanntlich hatte der Verfasser dieses Aufsatzes im Laufe
des Jahres 1848 ebenfalls einen solchen Versuch gemacht, der
anfangs von Ihnen begünstigt, späterhin von der Gesainmt-Aka-
demie beseitigt wurde, weil, wenn sich, wie die Gegner meines
Entwurfes folgerten, das Bedürfniss nach einem historischen
Vereine lebhaft aussprechen würde, derselbe ohne künstliche
Nachhilfe zu Stande kommen dürfte, und ist kein Bedürfniss
vorhanden, jede Unterstützung hinausgeworfenes Geld wäre. —
Dagegen lässt sich freilich nichts einwenden, sollte man
glauben? —
Das B edürfniss ist, glaube ich, unbestreitbar, aber das Ge
fühl dieses Bedürfnisses ist noch zu wenig lebhaft oder vielmehr
von andern verdrängt und verschlungen. Die allgemeine Ge
schichte des österreichischen Kaiserstaates ist mit der Geschichte
des Landes zu innig vei’bunden, sie erhält um so leichter den
Vorzug, je schwieriger es ist aus einer Masse von Daten und
Quellen auszusuchen, was sich auf einen kleineren Mittclpunct
bezieht. — So zum Beispiele ist Hormayrs Geschichte von Wien
eher eine Geschichte des österreichischen Kaiserstaates, als die
Geschichte einer Stadt, von deren Verfassung und ihrem
Wechsel man im Grunde wenig erfahrt.
Ich fürchte, dass eben wegen des Reichthumes an Quellen,
welche den in Wien lebenden Freunden der Geschichte zu Gebote
olien und darstellen wollen, genügen liier diese wenigen Beispiele, welche
nur beweisen sollen, dass vermehrte geschichtliche Thätigkeit in Oester
reich nicht gänzlich fehle.
39
stehen, die Geschichte des Landes unter der Enns noch lauge Zeit
unvollendet bleiben werde.
Oder sollte noch eine andere Ursache hier mitwirken, sollte
es wirklich Indolenz und Gleichgültigkeit, Bcquemlichkeitsliebe
und Arbeitsscheu sein, die von so Manchen seit geraumer Zeit den
Oesterreichern vorgeworfen werden?
Sollte denn der Vorwurf wirklich begründet sein, dass die
Oesterreich er aus sich nichts machen, dass sie, wie man es nur
mit einem Fremdworte bezeichnen kann, blasirt sind, ihrer
Geschichte kein Interesse abgewinnen können!
Das wollen wir nicht glauben! — Gewiss aber ist es, dass
wer aus sich nichts macht, auch nichts gelte, dass ungestraft
kein Land seine Geschichte vernachlässige. Lassen wir die Hoff
nung nicht sinken, dass auch das Land unter der Enns wieder
Theilnahme für seine Geschichte gewinnen werde, und die rech
ten Mittel, dieselbe zu fördern, auch in Anwendung bringen
wolle.
Ist denn kein Walter Scott unter uns, der den Oester
reichern ihre Geschichte durch Romane wieder interessant
machte!
Betrachten wir näher, was für die Geschichte des Landes
seit Jahrzehenden Grossartiges geschehen?
Wir betrachten zuerst die Bestrebungen für Geschichte des
CI er us und des Kirchenwesens.
*) Einen grossen Theil der Schuld, dass den Oesterreichern alle Lust und
Liebe zur vaterländischen Geschichte in den letzten Decennien abhanden
gekommen, trägt ohne Zweifel die mehr als strenge Censur, welche ge
gen jede freimüthige und wenn auch noch so begründete Darstellung zu
letzt ausgeübt wurde. Gewisse Zeiträume und Ereignisse durften ja gar
nicht besprochen werden. — Als Beweis, wie weit man hierin ging,
theile ich hier einige (wichtige) Actenstücke mit, aus der Zeit unmittel
bar nach dem Tode K. Maximilians I., durch welche die Verhältnisse im
Erzherzogthume Oesterreich unter und ob der Enns näher beleuchtet
werden. — Diese Actenstücke sollten in den österreichischen Blättern
abgedruckt werden zum Gebrauche für Geschichtsforscher (denn
wer läse sonst derlei Actenstücke?) — Da aber die Aufschrift: Frag
mente aus den ständischen Verhandlungen, anstössig war, wurden
die Stücke selbst als zum Drucke nicht geeignet bezeichnet!! — (§*
Anhang.)
40
Was geschah dafür von Seite des katholischen Clerns
selbst?
Nach den höchst unvollkommenen Leistungen des Wiener
Augustiners Marian Fidler 1 ) war durch mehr als drei De-
cennieu Stillstand 2 ), endlich ward ein Unternehmen angekündet,
das mit grosser Freude begrüsst nicht ungegründete Hoffnung ge
währte, dass wir doch einmal eine vollständige und tüchtige Ge
schichte des Clerus und seiner zahlreichen und höchst bedeuten
den Institute erhalten dürften.
*) „Austria Sacra: Oesterreichische Hierarchie und Monasteriologie. Ge
schichte der ganzen österreichischen, weltlichen und klösterlichen Cle-
„risey beyderley Geschlechts. Von Marian (a SS. S.) (Fidler) Prie
ster des reformirten Ordens der Augustiner Barfüsser am Hofkloster
„zu Wien in Oesterreich, Lehrer der griechischen Litteratur. Aus den
„Sammlungen Joseph Wendt’s von Wendtenthal, kaiserlichen ge
heimen Reichshofkanzley-Oificialen. Wien 1780 — 1788. 0 Bände in Oct.”
Vier Theile enthaltend: Erster Theil (Band 1 und 2): Das Vorder
österreich, oder schwäbische Oesterreich. Zweiter Theil (3. und
4. Band): Oberösterreich (Tirol) und Anfang von Inner
österreich (Görz, Gradiska, Friaul). Dritter Theil (Band 5
und 6): Innerösterreich. (Littorale, Krain, Kärnthen,
Steyermark). Vierter Theil (Band 7). Das Erzherzogthum
Oesterreich ob der Enns. (Band 8). Das Erzherzogthum
unter der Enns, oder Ni e d e r ö s t e r r e ic h (Band 9). Die k. k.
Haupt- und Residenzstadt Wien, sammt diplomatischen Beylagen und
dem Supplemente. — Es ist doch äusserst niederschlagcnd, dass man
nach Verlauf von mehr als sechzig Jahren (zwey Generationen) für
manche Daten und Beweisstücke noch immer zu einem Werke Zuflucht
nehmen muss, das im Ganzen als ein sehr verunglücktes zu betrachten
ist. — Wie viel ist seit dieser Zeit zu Grunde gegangen, was Marian
Fidler noch hätte benützen können! —
3 ) Nur im Jahre 1815 war von dem regulirten Chorherrn-Stilte Kloster
neuburg eine von dem Chorherrn Maximilian Fischer verfasste
Geschichte des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg in zwei Bänden auf
eigene Kosten herausgegeben worden. — Eine tüchtige Arbeit, durch die
im zweiten Bande abgedruckten Documente und Auszüge (aus dem Codex
traditionum) doppelt schätzbar. — Im Jahre 1819 erschien durch den
Lilienfelder Abbt Ladislaus Pyrker (später Bischof von Zips, Patri
arch von Venedig, endlich Erzbischof von Erlau) zum Drucke gefördert:
Recensus diplomalico-geiiealogicus Arcliivii Campililiensis etc. etc. von
dem verdienten Ilanthaler im Jahre 1740 zusammengestellt, in zwei
Foliobänden. — Eine fleissige jedoch mit Vorsicht zu benützende Arbeit.
41
Die von dem damaligen k. k. Hofcaplan Vincenz Darnaut un
ter günstigen Auspicien, mit grossartiger Unterstützung und zahl
reichen Mitarbeitern (wie wenigstens versprochen war), begonnene
„kirchliche Topographie” wollte die vier Diöcesen, das
Erzbisthum Wien , das Bisthum St. Pölten, das Bisthum Linz,
das Erzbisthum Salzburg erschöpfend bearbeiten. Der erste Band
erschien 1819, der achtzehnte (bisher letzte) im Jahre 1840, seit
zehn Jahre ist mit dem Tode des Domherrn Stelzhammer, der nach
Darnaut’s Abgang (starb 1821) sich des Unternehmens thä-
tig angenommen hatte, das Werk ins Stocken gerathen. Dasselbe
hatte vom 13. Bande angefangen seine Tendenz verändert, aus
der kirchlichen Topographie war eine allgemeine gewor
den , um eine grössere Theilnahme zu erzielen. — Von den
bisher erschienenen achtzehn Bänden betreffen 13 Bände das
Land unter der Enns, die Diöcesen Wien und St. Pölten. Die
Wiener Erzdiöcese zählt, Wien abgerechnet, 24 Decanate, eilf
Decanate im bisherigen Viertel unter dem Wienerwalde, dreizehn
Decanate im bisherigen Viertel unter dem Manhartsberge. Von
diesen 24 Decanaten sind bisher 7 Decanate bearbeitet, die
Decanate Klosterneuburg (Band 1 und 2), Laa (Band 3),
Baden (Band 4), Pottenstein (Band 5), Wiener-Neu
stadt (Band 12 und 13), Stocke rau (Band 9), Pillichs-
dorf (Band 11) von Wien (mit seinen 30 Pfarreien) erschien
ein Baud (15), das gewesene Stift von St. Dorothea und die
Pfarren Boss au und Liclitenthal enthaltend. Es ist mithin
von der Wiener Diöcese noch nicht der dritte Theil bearbei
tet, mehr als zwei Drittel, ja der Wichtigkeit nach mehr als
drei Viertel sind unbearbeitet! —
Bei der St. Pöltner Diöcese ist das Verhältniss noch un
günstiger. Von den zwanzig Decanaten dieser Diöcese sind erst
drei bearbeitet, das St. Pöltner (Band 7), Wilhelms
burger (Band 6) und Gerungser (Band 16) Decanat. —
Folglich nicht der sechste Theil der ganzen Diöcese *).
') Die beiden andern Diöcesen von Linz und Salzburg, wurden bisher in
fünf Bänden berücksichtigt , davon entfallen 4 Bände auf die Linzer
Diöcese. 1 Band auf die Salzburger und der enthält nur die Geschichte
des Stiftes St. Peter und eine allgemeine Schilderung der Stadt Salz
burg. — Im Ganzen haben diese achtzehn Bände nicht den sechsten Theil
42
Ohne Zweifel enthalten die erschienenen 13 Bände (für
das Krönland unter der Enns) so manches Gute und Brauch
bare, die Herren Maximilian Fischer, Johann von
Fräst, Ignaz Keiblinger, Bernard Schwindel,
N. Herborn, Alois Schützenberger, Ambros Bc-
czizka, verdienen für ihre Leistungen den lebhaftesten Dank,
aber der Plan war von Seite der ersten Unternehmer weder hin
länglich ausgearbeitet, noch seine Ausführung consequent durch
geführt, am meisten aber scheiterte das Werk au — Theil-
nahmlosigkeit.
der Aufgabe gelöst. Sollte das ganze Unternehmen nach dem bisherigen
Plane fort- und ausgeführt werden, müsste es mehr als hundert Bände
füllen, dazu kämen dann wenigstens fünfzig Bände Berichtigungen und
Nachträge ! —
(Fortsetzung folgt.)
Beilage zu Pag. 39.
Fragmente aus den ständischen Verhandlungen in Oesterreich ob- und
unter der Enns nach dem Tode Kaiser Maximilians I.
(Milgelheilt nach gleichzeitigen Abschriften des Archives der landesfürstlichen Sladt Freystadt.)
I.
„Oesterreich vnder der Ensschrifftlich cinlegcn.”
Römischer vnd hyspanischer k. mt. vnd ir. mt. brueder ertzhertzog Vardinandus
vnser allergenedigist erbherren vnd landsfursten obristen comissary vnd stalhalter ir
mt. gehaimen rats vnd aller nider vnd ober österreichischen landen. Hochwirdigister
liochwirdig fürsten wolgeboren gestreng edl vest genedigister genedig herren, die weil
E. f. g. vnd gunst ainer notturfftigen aufrichtigen vnuerdechtliclien bestendigen vnd
löblichen regirung halb, inhalt des durchleuchtigen hochgebornn fürsten vnd herren
herren Casimirs marggraff zu Brandeburg etc. vnsers genedigen herrn vnd seiner genaden
mitcomissarien beschaid vnd erbieten vnden zu Wien ainer ersamen landtschafft getan,
vnsern rat guetbedungkhen vnd anzaigen in namen der vier stand ainer ersamen land
schafft des ertzhertzogthumbs Österreich vnder der Ens dauon wir her gesandt in
schrifft zuuernemen begehrt haben wie wol vns dasselb nemlich dieser zeit zu thuen
swer ist vnd lieber E. f. g. vnd gunst als in sölichen bändln hochuerstendigen vnd
ersamen maynung vor darin verstanden wollen haben jedoch damit wir E. f. g. an
synen vnd begern auch vnserm beuelich vnd abfertigung dabaim ain genügen thain, ha
ben wir vnser anzaigen vnd guetbedungken hierjn nacbvolgender maynung thuen wellen
nemlich also
Erstlich das ain gemaine regicrung vber alle niderösterrcichischc Land mit ainem
obristen hauptmann marschalh canlzlcr vnd ander an zall der regenten personen werdt
aufgericht besetzt vnd versehen.
Vnd das die malstat desselben regiments in das ertzherezogthumb Österreich vnder
der Ens gen Wien zu halten in ansehen villerlay vrsach werd verordent.
43
Verrcr das die selb regirung der massen mit volmechtigcm gewalt furgeschen
dardurcb meniglich in allen handln vnd saclien bey inen an verrcr waygrung entlieh aus-
richtung vnd volziehung haben mug vnd meniglich des ihenen so im rechtlich vnd
gütlich zugehört werde tailhafftig vnd darjn weder durch suplicirung noch schub
kainswegs aufgehalten noch verhindert.
Das auch notturfftiglicli bestelt werde damit das vorgemelt regiment mit sold vnd
gewisser wezalung wieuor beschehen vnderhalten werdt auf das solich regiment sein
steten gang haben kun vnd nit gespert werdt.
Item das dasselb regiment die Sachen oder rechtfertigung so zwischen un-
sern allergenedigisten landsfürsten vnd der ihenen die spruch zu ir mt. vnd f.
g. zu haben vnd zu sueclien vermainen mit recht entscliaiden hab , jn massen das
in anderen vmbligunden kunigreichen vnd fürstenthumben auch beschicht.
Item das die selben personen des regiments wie in andern fürstenthumben
phlegt von landlewten furgenomen werden dabei dan vormuetlicher vnd versehen-
licher das sy das behertzigen , auch paser bericht sein was dasselbst für ir
allergenedigist landsfürsten vnd erbherrn auch irer gnaden land vnd lewt ist
dan wo frembdt vnd lierchomcn darzu verordent.
Item das auch die selben personen von landleuten aufrichtig erber vnd vn-
uerteclitlich sein dem gemainen nucz vnd nit dem aygen obligen vnd in albeg
die personen so vormals in dem regiment zu Wien bei Zeiten wayland kay. mt.
etc. hochlöblicher gedechtnus abgang gewesen sein in solicher kunfting aufrich-
tung ainer regirung aussgcsclilossen vnd nit dar zu chomen werden wen ain
ersamme landschafft vns in sonderhait beuolhen in dieselben kains wegs zu be
willigen vnd mag sy aus guten vnd vilfcltigen vrsachcn die sich zu seiner zeit
fürzubringen vrbutig mit nichte erleiden.
Item wir gedenchken auch das für vnSer allergenedigist landsfursten land
vnd lewt nit wenig sey das all officir so sunst ambter in dem land haben vnd
den sy allain billich auswarten sollen auch dasselb die notturfft erfordert das der
selben ambtleut keiner in die gehaymen regirung genomen vnd also mit zwaien
ambtern beladen werd damit das ain nit ytbo wie gewönlich beschicht nachtail
vnd mangel leyd.
Item das auch der selben regierung in sonderhait vnd austruchkt alle schan-
kung miet vnd gab die das gemuet des menschen gewönliclien zu currumpieren
rayezen vnd naygen zu nemmen werd verpoten, damit destaufriclitiger vnd vn-
uertechtlicher allenthalben gehanndlt werd.
Das auch die viezthumb all ambtleut vnd phlegcr dem regiment gehorsam
vnd gewertig sein vnd ir aufsehen auf das regiment vnd sol mit inen zu bieten
vnd zu schaffen haben desgeleichen die post dem regiment zu gestelt vnd niths
desselben wissen vnd willen dar auf gefertigt oder angenommen dardurcb die
geschwinden Rnanz vnd prachtigken so dem landsfürsten land vnd leuten ver
derblichen schaden zugefuegt, abgelaynt die furan nit gedult mugen werden vnd
ain landtafel inhalt des artigkel in den beschwerungen begriffen aufgericht.
Item das auch kein handlung oder vrtail in demselben regiment werd beschlossen
noch ausgee dan allain der merer tail der regenten personen sein dabei gesessen vnd
haben darein webilligt.
Item die weil die eer vnd ambter yebo verkem die Sitten der menschen damit sich
nyemants der selben vbernem vnd alle aygen nuczigkait abgestelt werde die dan bisher
so vast vberhand genommen vnd der sich ain ersamc landschafft so hochbeswert so
wollen wir im besten hiemit auch angezaigt haben das vnss für retlich anselien ist das
die mer berurt regirung mit beseczung nemlich der regenten personen, albeg jerlich
abgeweilt vnd ausgewechsslt werde in ansehung nit allein voriger vrsach sonnder auch
das die so geschieht vnd teiglich darzu vnd doch etwo auss alter oder swachait oder
auch ander ir notturfft sich nicht brauchen wellen lassen destlcichter auf ain so klaine
zeit dem fürsten vnd ainer gemain zu dien bewegt vnd dar zu braucht mugen werden.
Vnd ob solich aweyllung vnd abwechsslung in der person des obristen haubtman
auch des canczlcr nit aus etlichen vrsachen fueglich sein möchte das doch der cancz-
lor an dem vil gelegen vnd der leucht die ihenen so in der canczley zu schaffen haben
44
vnpillicli beswercn mag alle jahr seiner canczellersclien Handlung vnd Sachen aygent-
lich anzaygen vnd rayttung den andern Herrn des regiments an stat vnnscr allerge-
ncdigisten landsfürsten tliue auch ain obrister sccretary neben im verordent wcrd an
des wissen und willen der selb canczler niclis in der canczley entlieh bcschlissen noch
ausgeen muge lassen.
Solichs Hab wir dieser zeit auf E. f. g. vnd gunst begern der gemein regirung
halb summarie vnd mit dem kurczisten anzaigen vnd hiemit fürbringen wellen wie wol
noch vil mer ze aufrichtigung derselben gehörig vnd in dem stat instruccion vnd be-
uelch so ainer yeden regirung gephlegt wirdt zu geben begriffen erczelt vnd gestelt
sol werden als E. f. g vnd gunst das selbst genediglicli ermessen vnd hernach zu
seiner zeit bedacht vnd fürgenomen mag werden.
Dann verrer vnser sonndern oberkait vnd gericht halben in dem land Österreich
vnder der Ens damit wir auch aufs kurczist dauon anczaigen hiemit tan so ist vns von
ainer ersamen landschalft anbringen beuohlen die weil das höchst gericht in dem land
Oesterreich durch ainen landmarschalh als ainen stathalter des fürsten vnd des lands
rechten gehandelt sol werden vnd dem landsfürsten landen vnd lewten auf das höchst
daran gelegen das dem nach dieselben personen so des rechten vnd landes breuch
bericht sein mit willen vnd wissen ainer ersamen landschalft beleihen vnd furgenom-
men auch mit der beßoldung gehalten werden wie von alter herchomen ist.
N. die ausschuss des crczherczogthumbs Oesterreich vnder der Ens.
II.
„Oesterreich ob der Ens einlegen.”
,,Hochwirdigister hochwirdig fürsten wolgcborn Herren edl.vest gnedigister gene-
dig vnd gounstig Herren vnd freundt. Als E. f. g. gunst vnd freundschafft vns negst
vergangen Eritag der selben maynung vnd willen endecht nemblich das wir ainer obri-
sten aufrichtigen löblichen vnd bestendigen regirung der nider östreichischen landen
aufzurichten E. f. g. gvnnst vnd freundschafft vnser rat vnd guet bedungken in schrifft
zu stellen sullen wie wol gancz pillich auch vns beschwerlich sölich vnser guet be
dungken an zuzaigen sonder E. f. g. vnd gunst als der hochuerstendigen vnd deren so
an zweyfel vnsers allergenedigisten vnd genedigisten Herren vnd landsfürsten auch der
selben landt vnd leuten nucz vnd fromen daran dan an solichem nit wenig gelegen
wol zugedencklien wissen maynung willen vnd guet bedunchken erstlich gehört vnd ver
standen beten, damit aber E. f. g. gunst vnd freuntschafft uns als die gehorsamen in
albeg spure auch das wir nit geren als wolten wir in solichem ainig lengerung
oder Verzug machen beschuldigt werden mugen wellen wir auf der selben E. f. g. vnd
gvnst ansynnen an stat vnser Herren vnd freundt des erczerczogthumbs Oesterreich ob
der Ens vnser guet bedungken angezaigter regirung halben hienachvolgend mit dem
allerkurczigisten yecz in der eyl vnd summarie anzaigen, E. f. g. gunst vnd freunt
schafft mit höchstem vleis bitten solich vnser guet bedungken genediglicli vnd fruntlich
zuuersten vnd annemen welle.
Erstlich das die obrist regirung angezeigter nyder östereichischen landen mit an-
selichen geschichkten obristen hawbtman marsclialh canczller auch regenten in treff
licher anzall sonderlich aus den niderösterreichischen landen personen beseezt vnd
geordent werden.
Das auch die malstat solicher regirung im ertzerezogthumb Oesterreich vnder der
Ens oder ob der Ens an aim gelegen ort benent werde.
Verrer das auch solichem obristen haubtman marschalh canczler vnd regenten gc-
nuegsamer vnd völliger gewalt gegeben werde damit meniglich bey inen an verrer
waygrung fuderliclie vnd austregliche ausrichtung vnd volzichung erlangen müge
vnd weder durch geuerlich schub beuelch noch suplicirung wider die billiglcait vnd alt
herchomen nit beswert noch aufgeezogen werde vnd in albeg das solich personen be-
rurter regirung von erkenten vnuertechtlichen vnd geschichkten auss aller nideröster
reichischen landen aus yedem ain anzall dar zu genommen werden wie von alter her-
chomen besonderlich aus vrsachen das die selben mit leib vnd guetern vnsern allerge
nedigisten herrn vnd landsfursten vnderworffen der landsbreweh vnd alt löblich her-
45
chomen wissen fragen vnd der natur vnd pilligkait nach iren herren vnd landsfürsten
auch derselben landt vnd lewten nuss hass dan auslender vnd der gebrewch vnd her-
chomen vnwissendt beherczigen vnd bedencklien mugen.
Auch das die officier vnd zuuor die mit ambtern beladen vnd nit wol zwaien aus
warten möchten in angezaigte regirung mit genomen werden.
All liebung mietgab vnd alle bewegung zu vei'kerung der billigkait sol bey angc-
zaigten regenten mit ernst verboten auch in yrcn aiden fürgehalten vnd wo solichs
erfaren wie recht vnd billich ist gestrafft werden.
In handlungen auch erledigung der vrtail sol niths beschlossen noch ausgeen es
seien dan der mercr tail offt gemelter regenten personen gegenburtig vnd haben darain
bewilliget.
Nach dem auch etlich vil landtleut zu vnsern allergenedigisten vnd genedigisten
herren vnd landsfürsten Spruch vnd anfordrung zu haben rermainen das gemelten re
genten sollich Spruch mit recht zu entschaiden haben vnd weder durch beuelcli oder
schueb darin verhindert noch aufgezogen werde vnd wie billich förderlich recht ergeen
lassen.
Das auch ernstlich bedacht werde damit an gerechter regenten handlang vrtail
vnd recht mit handhabung genuegsamlich fürgesehen werde,
Sunderlich das berürte regierung mit ainem ansechlichen getrewen vnd geschichten
canczller auch ainem obristen secretarien daneben fürsehen und dem selben mit ernst
aufgeladen das sy die parteyen mit nichte geuerlich aufziehen auch wider die pillig
kait mit tax vnd in ander wege bescliwern auch nichts entlichs für sich selb an wissen
vnd bewilligen der andern regenten ausgeen lassen.
Wie wol noch vil mer vnd trefflicher artigkel zu aufrichtung angerechter regirung
wie E. f. g. gunst vnd freuntschafft als die hochuerstendigen wol zu erwegen vnd zu
bedenchken wissen vnd etwo her nach zu seiner zeit bedacht aufgericht vnd furgenomen
werden mügen beuor sein so haben wir doch auf E. f. g. ansynnen vnd begern mit
aller kurcz vnd summarie hieuor angezaigt vnser guetbedunchken als die gehorsamen
nichs weniger der selben vnderteniglich anzaigen furtragen vnd zu stellen wellen hie-
mit gemaine landschafft vnser herrn vnd frewndt vnd vns E. f. g. gounst vnd freunt
schafft in aller gehorsam vndertenig vleissig vnd freuntlich beuollien haben.
III.
Hochwirdigister hochwirdig fürsten wolgeborn vnd edl genedigister genedig vnd
gounstig herrn vnd freundt. Auf E. f. g. gunst vnd freuntschafft getanen fürschlag vnd
maynung nemlich in dem wo gemaine landschafft oder sonder personen des erezher-
czogthumbs Österreich ob der Ens ainig mengl gebrech oder beschwert heten die selben
f. E. f. g. gunst vnd freundschaft zu tragen darin dan E. f. g. vnd gunst nach der
gebuer handln wellen etc. genedigister genedig vnd gounstig herren vnd freundt nach
dem E. f. g. vnd freundschafft gancz vngezweifelt genedig und guet wissen tragen wo
vnd wellicher mass sich vnser besonnder gounstig vnd lieb freundt vnd herrn die co-
missarien so die erbhuldigung von gemainer landschafft angenommen in krafft jrer
gwalt verschrieben haben darin klerlich der gemain vnd sonder ainer landschafft auch
sondern personen bescliwerung sambt andern vnd merern artigkeln begriffen demnach an
stat vnd in namen vnser herren vnd frewnndt aus krafft jres beuelchs vnser vndertenig
vnd fleissig bit E. f. g. vnd gunst welle mit dem allerfurderlichisten yetlich vnd all
artigkell angezaigter herren comissarien Verschreibung an stat vnd von wegen vnsers
allergenedigisten vnd genedigisten herren vnd landsfürsten genedige handlang vnd
volziehung thuen als dan obangezaigte vnsere herren vnd freundt sich des gancz vnge
zweifelt zu E. f. g. gunst und freuntschafft versehen auch solichs in aller gehorsam
vmb die selb der sy sich beuelhen tan mit allem vleis vndertenig willig vnd freuntlich
verdienen.
N. die ausachuss des erezherezogthumbs Österreich ob der Ens.
IV.
Römische vnd hispanische königlich Mt. etc. vnser allergenedigister herr
für sich selbs vnd an stat irer kuniglichen Mt. den möchtigen kunigreichen
46
Hispanien sambt den burgundischen landen von got furgeseczt auch dar ober
für das mayst zu römischer königlicher vnd kunffliger käy* Mt. vnd hoch erhebt
ist damit dan jrer k. Mt. erblich land vnd leut der vil geschefft so irer k. Mt.
von solhen königreichen vnd kaiserlichen eren, gepucren nil entgelten noch der-
lialben vorabsawmbt werden hat ir k. Mt. ain obriste regierung vnd stathaltcrey
vbcr alle irer Mt. nider vnd ober österreichische land furgenomen vnd geseczt
mit irer k. Mt. aufgerichten volkomen gewalt die seihen österreichischen lande
an irer kunigliclien Mt. stat zu regicrn vnd sy in berürten ircn gebrechen der
regirungen recht vnd friden zu fürsehen sambt andern nolturfften irer k. Mt.
stat ambter chamerguet fürstlich oberkaiten vnd herligkaiten, der österreichischen
land betreffend wie dan solich kuniglich Mt. gemuet vnd maynung vnd der obri-
sten regierung aufrichtung vnd gewalt der nider vnd ober österreichischen land
durch jre ausschuss in Hispanien von k. Mt. in irem abschiedt desgeleichen darnach
durch irer k. Mt. general landtag vnd gehorsam brieff wolvernomen haben sollen.
Nach vermugen solhs kuniglichen gewnlts haben die herrn obrist regenten
vnd stathalter kuniglicher Mt. treffentlich retc vnd comissarien auf den landtag
des fürstenthumbs Österreich ob der Ens gefertiget mit instruccion vnd beuelch
die erbhuldigung von einer landschafft zu enphalien vnd inen dagegen zu Zusagen
daz inen von ku. Mt. für sich selbs vnd an stat jrer Mt. brueders erezherezog Fer
dinands ire freyliaiten priuilegien alt löblich herchomen vnd guet gewonhaiten wie
von alter confirmirt vnd bestet werden sollen wie dan gleicher gestalt mit andern
landen gehandlt ist desgeleichen kuniglicher Mt. gewalt vnd beuelch vnd der
rete vnd comissarien instruccion clerlich ausweist darauf dan die selben rete
vnd comissarien den berren obristen stathaltern vnd regenten von dem landtag
geschrieben wie ain landtsehafft nit allein die erbhuldigung getan son-nder sich
sonnst auch aller gehorsam trew eern vnd guetwilligkait gegen ku. mi. vnd den
herrn obristen stathaltern vnd regenten erboten der sich die herren obrist stat
halter zu ainer ersamen landschafft vngezweyflt versehen die auch ku. mt. an--
bracht haben.
Die herrn obrist stathalter vnd regenten haben neben der erbhuldigung »u
sambt obangezaigtem k. mt. genedigem gemuet selbs treulich bedacht die der re-
gierungen rechten vnd friden der land vnd darzu das gemaine landschafftten
vnd gesonndert stend sonnst auch beswerungen haben möchten vnd derhalben ain
landschafft Österreich durch die rete vnd comissarien angesucht etlich aus inen
herauf zuuertigen mit denen die herrn obrist stathalter der landt regiment auch
gemainer landt vnd sonnder stenndt beswerungen halben weyter handlung hal
ten wolten.
Auf solhen der rate vnd comissarien beschaid die gesandten von der land
schafft gehorsamlich erschinen sein , daz die herrn obrisst stathalter vnd re
genten zu genedigem freuntlichem geuallen vnd danck angenomen vnd darauf
die gesanndten vmb ir rat vnnd guet bedunckhen ainer regierung halben daz sy
tiuch daneben gemainer landschafft vnd sonder stend beswerungen fürlegen
machten angeredt die habenn sy in sclirifften von inen emphangen vnd vernomen.
Vnd sein irer beswerungen yzo in hanndlung vnd vbung der maynung
<lie selben souil inen muglich vnd geburlich ist zu erledigen vnd inen dar auf
furderlich antburt vnd beschaid zu geben.
Aber der regierung halben wellen die herrn obrist stathalttcr vnd regenten
den gesanndten nit pergen das sy die zeit her seyd des lanndtags die kuniglich
mt. der notturfften vnd getegenhaiten der land regierung trewlicli erjndert vnd
derhalben vor kurczen tagen irer kuniglichen mt. maynung vnd beschlus emphan-
genn haben die dan im grundt vnd der substanncz der gesanten rat vnd guet
bedunckhen nit gar vngeleich ist.
So haben die herrn obrist stathalter vnd regenten gleicher weiss von den
gesanndten den andern vier nider österreichischen furstentliumb jr rat vnd guet-
bedungken zu ainer regierung emphangen vnd bey hannden. In den allen wellen
sich die herrn obrist stathalter noch gruntlicher vnd aigentlicher weder bisher
beschehenn mugen hat ersehen, die Sachen vleissig bewegen vnd dar auf ain
47
regierung kuniglichcr mt. maynung gemas furdcrlich furnemen, die ob got will
Irer ku. mt. derselben lannd vnd lewtcn fruchtper eerlicli ansebcnlich vnd
nuczlich sein die auch nach ircr ku. mt. beuelch aufgericbt geseczt vnnd den lann-
den verkundt vnd zuerkennen geben werden soll.
Darauf ist der herren obristen stathalter vnd regenten anstat ku. mt. ernnst-
licb ansuccken vnd beuelhen ain ersame landtschafft welle die obgeschriben
bisher gehalten handlungen vnd diese gegenburtig maynung vnd furnemen ains
regiments halben guetlicli versteen auch ausrichtung desselben regiments gehor-
samlichen erwarten vnd so es inen zu erkennen geben vnd verordent wirdet
dasselb benuegig vnd zu friden annemen.
Verrer nach dem sych allerlay lienndl vnd Sachen in den landen teglich zu
tragen dar jn von ku. mt. wegen fursehung zu thun not ist, sambt der appella-
cion von des lannds vnd stet rechten so zu Zeiten zuerledigen sein das dan
hieuor durch ain regiment bescliehen ist auch liinfüro allso sein solle.
Damit aber die lannd mitier zeit biss das regiment aufgericht wirdet in
teglichen zufallenden Sachen auch in iren rechten nit nachtail noch verzug leiden
so geben die herren obrist stathalter den gesanndten zuuersteen das sy an ku
niglicher mt. stat die regierung der lanndt biss ain newe regierung aufge
richt wirdet an sich genomen haben.
Der maynung was den liawbtleutten vnd Verwesern sambt den lannds-räten
in teglichen zufallenden henndlen vnd notturfften der lanndt zu swer sein wurd
daz sy dasselb alczeit die herren obrist stathaltter eylennds berichten des ge
leichen was appellacion von den rechten beschehen daz die selben den herren
obrissten statlialttern vbersend werden. Das auch sonnst meniglich aus den lan
den in notturfften sein Zuflucht zu den herren obristen stathaltern haben müge
so wellen die herren alczeit nach irem vermugen notturftig fursehung vnd ge-
burlich erledigung thuen.
Zu letzt begern die herren öbrisst stathalter vnnd regennten an stat ku.
mt. beuelhend die gesanndten hie wellen das alles an ain lanndtschafft des
fürstenthumbs Österreich ob der Ens mit pesstem vleis bringen vnd trewlich helf-
fen vnd furdern solher maynungen benuegig zu sein den selben zu geleben
vnd sich nach irer gethanen erbhuldigung als getrew hold gehorsam landlewt
vnd vnderthanen gegen ku. mt. auch den herren der obristen regierung an irer
ku. mt. stat beweisen vnd halten das werden ir. ku. mt. sambt irer mt. brueder
erezherezog Ferdinanden zu iren bisher bewisen trewen gehorsamen vnd guetwit-
ligkaiten vngezweifelt alls in allergenedigist vnd genedigist natürlich erbherren
vnd lanndsfürsten gegen inen bedenckhen vnd erkennen, dar zu wellen auch die
herren obrist stathalter gemaine landschafft zu iren kuniglichen maiestaten vnd
fürstlichen genaden nach irem vermuegen gern furdern vnd in irer regierung
treulich vnd wol beuolhen haben.
Vnd damit die herren obrist stathaltter mitlerzeit biss das regiment auf
gericht wirdet gemeiner landtschafften notturfften destmer grunds haben auch
desst gegründter fursehung darjn tun mugen so begern die herren stathalter daz die
gesanndten ain person aus inen bey der obristen regierung lassen vnd ob sy
des yecz nit gewalt beten dasselb an die landschafft bringen damit sy ain per-
don her vertig desgeleichen die herrn obrist stathalter der andern landt ge
sanndten auch ansueclien solher gestalt vnd maynung das die herren stathalter
dieselben personen in der land notturfften vnd Sachen gebrauchen mugeu. Actum
zu Augspurg am dreissigisten tag des monets Augusti anno 20.
V.
Die ander antburt von den comissarien-
Der herren obristen stathalter vnnd regenten anburt souil auf der gesannd
ten von ainer landschafft Österreich ob der Ens iungste schrifft auch ir mündtlich
vnderricht not ist.
Nach dem sy anzaigen daz sy auf der herren obristen stathalter furnemen
vnd maynung ains kunfftigen regiments halben in den nideröstcrreichischen landen
48
nach auch xvie all Sachen mitler zeit bis ain regiment aufgericht werden mag
vnderlialtcn werden dar zu daz sy ain pcrson die selb mitl zeit bey der obristen
regierung lassen auch ctlicli personell so sy in das kUnfftig regiment für guet
ansehcn, ernennen sullen dieser zeit beschliesslich nit handln noch bewilligen
mugcn ausserhalb ainer gcmainen landschaiTt auss vrsachen das sy solichs nach
irer instruccion nit macht haben zu dem daz sy auch der eyl halben in abwcsen
deren von der ritterschafft abgeuertigt denen vmb die handl nit wissendt sey von
den sy sich zu sonndern nit maynnen noch gedenchkcn erbieten sich aber die
Sachen all mit pessten vleis vnd fuegen an ain gemaine landschafft zu bringen etc.
Solher der gesanndten antburt vnd vnderricht die weil es die notturfft er-
uordert sein die herren obrist stathaltter guetlich zu friden wellen darauf von
stundan ainen landtag auf den fuderlichisten tag so muglich ist ausschreiben vnd
begern an die gesandten mit vleis sy wellen der herrn obristen stathalter an
stat ku. mt. handlung maynung vnd beuelch inhalt der vorigen schrifft treulich
an ain landschafft bringen auch furdern vnd daz pest thuen den selben gehor-
samlicli nach zu kumen vnd daz inen sunderlich die von der ritterschafft die
weil sy bey abfertigung der gesanndten anhaim nit gewest sein solh ietz be-
schehen handlung auch geuallen lassen vnnd ainen aus inen furderlich hernach
vertigen oder aber dem ihenen der ietz von den gesandten von hie an ku. mt.
hoff zewcht gewalt scliichken bey der obristen regierung bis zu aufriclitung des
regiments zu pleiben vnd anders so in der lannd sachen not werden möclit
verhclffen zu hanndln.
An ainer landschafft beswärungen wellen die herren obrist stathaltter pald
antburt vnd beschaid geben. Datum Augspurg am virtn tag Septembris anno etc.
im zwainczigisten.
VI.
Der ausschuss ob der Ens antburt auf der commissaricn
erste schrift.
Hochwirdigister hochwirdig fürsten wolgeborn herren edl vest genedigister
genedig vnd günstig herren wir haben E. f. g. vnd gunst schriftlichen abschydt
und jungst getanes daneben muntlichs furchalten auf den selben begern ainer re-
girung der nidcrösterreichischen land vnser guet bedungken auch gemainer land
schafft besclnverung vnd mengl schrifftliclis anzaigen eingelegt anstat vnd von
wegen vnser herrn vnd freundt des crczherczothumbs Österreich ob der Ens da-
uon wir auf derselben E. f. g. vnd gvnst beuelch vnd ansynnen alher gesanndt
empliangen vnd in aller gehorsam mit vleis vernomen, nach dem aber nu E. f. g.
gvnst vnd freundschafft selb in angezaigter schrifft genediglich vnd freuntlicli
melden wir an hinder sich bringen yedt vnd al artigkl jn gedachter E. f. g.
schrifft angezogen laut vnser instruccion beschlieslich der zeit nit handln noch
darein bewilligen mugen sonder solichs E. f. g. vnd gvnst begern nach an ober-
urte ain ersame landschafft mit bestem vleis vnd fuegen zu bringen vnd langen
zu lassen das wir thvn gancz willig vnd vrbutig sein so kun doch solichs als E.
f. g. selbs zu erwegen haben an ainen gehalten landtag vns gancz beswerlicli
vnd geleich vnmuglich bescliehcn als auch E. f. g. gvnst vnd freuntschafft im
beschluss der selben vnser vberantburten schrifften melden vnd an vns begern
mitler zeit zu aufriclitung der regierung ainen auss vns bey E. f. g. vnd gvnnst
alhie zu lassen damit E. f. g. des lands Sachen destcr mer grunts haben vnd
furselmng than auch denselben in angezaigts lands hendln prauclien mugen wel
ches aber wir jn kraflt vnser instruccion sambt E. f. g. gvnnst vnd freund t-
schafft muntlichcm ansueclien nemblich das wir etwo vil personen so zu angerech
ter regierung teyglich E. f. g. vnd gvnst schrifftlich anzaigen vnd zu stellen
sullen, nit macht noch gewalt haben sonnder das sambt andern wieuor gemelt mit
pestem vleis an offtgemelt vnser herren vnd freundt gemaine landschafft zu brin
gen vnd zu entdechkcn die sich an zweifei in allem dem das sy vnsern aller-
genedigisten vnd genedigisten herren vnd landsfürsten aus schuldiger phlicht zu
thun schuldig sein wie albeg bisher besehen als die getreuen gehorsamen red-
49
liehen und frumen vndertanen halten vnd erzaigen werden dem allem nach ist an
E. f. g. gvnst vnd freuntscliafft vnser vndertenig vleissig vnd freuntlich bit die
selben wellen ansehen das wir solchs alles laut E. f. g. vnd gunst beuelch ainer
ersamen landschafft anzaigen vnd zu berichten an ainen gehalten landtag zu tlian
aus vil vrsaclien vnmuglicli achten vns yecz zu solhcm general landtag bi’ieff ver-
tigen vnd zu lianden stellen lassen so welln wir laut vnsers vorgetanss erbieten
das alles mit bestem vleis vnd fueg an offt berurt ain ersame landschafft bringen
die sich on zweifei wie oben an gezaigt geburlicli vnd vnucrweislicli halten vnd
beweisen werden die wie sy vnd vns E. f. g. gvnst vnd freuntscliafft vndertenig
vleissig vnd freuntlich beuolhen haben wellen.
Wir bitten auch E. f. g. gvnst vnd freuntscliafft mit höchstem vleis vnser gc-
mainen vnd sondern beschwerung mengl vnd gebreclihalben lawdt vnser E. f. g.
vnd gunst deslialbcn vbcrantbiirter sclirifft genedigen gvnstigen vnd furderlichen
beschaid vnd abfertigung zu than das wir sambt ainer ersamen landschafft vmb
E. f. g. vnd gvnst vndertenig vleissig vnd freuntlich verdienen wellen.
N. die Ausschuss des erezherezoglhumbs Oesterreich ob der Ens.
Dr. Pfizmaier las eine Abhandlung: „Ueber den
nichtslawischen Ursprung der etruskischen
Sprach e. 11
Da in einer der Sitzungen der philosophisch-historischen
Classe eine Abhandlung von einem in der slawischen Literatur
rühmlichst bekannten Professor der slawischen Archäologie, in
welcher die Inschrift von Perusia aus dem Altslawischen erklärt
wird, vorgelesen wurde, so fühlte ich ein besonderes Verlangen
zu erfahren, oh denn wirklich, wie behauptet wird, der Ursprung
der nur noch in einigen kümmerlichen Resten auf Denkmälern
vorhandenen etruskischen Sprache von dem hier genannten Stamm
idiom herzuleiten sei, oder nicht. Indem ich zu diesem Zwecke
den Text der Inschrift von Perusia zum Gegenstände einer sorg
fältigen Untersuchung machte, gelangte ich zu der Ueberzeu-
gung, dass die etruskische Sprache nicht allein keine Tochter
der slawischen ist, sondern auch einen derselben ganz entge
gengesetzten Grundcharacter, den ich für panisch halte, an
sich trägt.
Was vorerst den Lautcharacter des Slawischen betrifft, so
bemerken wir vor allem gänzlichen Mangel der Härtung durch
Aspiration, der so weit geht, dass dem sonst in allen Spra
chen üblichen k die Aspiration entzogen und dasselbe zu einem
dem g ähnlichen Laut gemildert wird. Die bekanntesten Spra
chen , in welchen die eben angedeutete Härtung vorkommt,
sind das Plattdeutsche, das Englische, die skandinavischen Dia-
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. I. Heft. 4
50
lekte, das Griechische, das Sanskrit, das Hebräische und end
lich das Chinesische. Um einen Begriff hinsichtlich des Aller
bekanntesten zu geben, bemerke ich, dass in den drei zuerst
genannten die eigentlichen Laute p und t gar nicht existiren,
sondern überall in der Aussprache in die entsprechenden Aspi-
rate p-h und t-li verwandelt werden, im Griechischen bei gänz
licher Abwesenheit des f der Aspirat y p-h (nicht zu verwech
seln mit dem neugriechischen Laute) und hei dem Vorkommen
des t der eigentümliche Aspirat sich herausgebildet hat. In
dem Etruskischen der Inschrift von Perusia fehlt der Laut f,
was zwar mit dem Slawischen übereinstimmen würde, jedoch
finden sich bei vorkommendeh p und t die Aspirate ü ph und
0 th, was mit dem slawischen Lautcharacter durchaus unver
träglich ist.
Der Diphthong eu in den Wörtern eulat, hareuiuse ist
unslawisch, eben so die Verdopplung des a in ipaama, penth-
naama, was entweder auf eine der versuchten Erklärung wider-
streitende Zusammensetzung oder auf eine semitische Wurzel
deutet.
Bei den Slawen finden sich vocallose Sylben nur da , wo
ein r oder l zwischen zwei Consonanten steht. Dieser Regel
widerspricht das zweimal vorkommende Wort cnl.
Ebenso kommen Häufungen von Consonanten am Ende der
Wörter nur dann vor, wenn der vorletzte Buchstabe einer der
flüssigen l und r, oder ein Dental oder höchstens ein tv oder n
ist, wobei nur noch einige Präterita auf l eine Ausnahme ma
chen. Alle übrigen Verbindungen sind für den Slawen unaus
sprechbar und werden auf das sorgfältigste vermieden. Wörter
daher wie lautn, thils, sranc, tesns, himths, phulumch, umics,
thunchulthl fielen mir bei dem ersten Anblick als solche auf,
welche ihrem Character nach nicht das geringste mit dem Sla
wischen gemein zu haben scheinen.
Was den angeblich im Etruskischen vorkommenden Laut
r oder rz betrifft, so muss im Voraus zwischen einem wahren
und falschen Laute dieser Art unterschieden werden. Das wahre
r ist ein gemildertes r und von ganz einfachem, dabei aber nur
dialektischem Laut, und dieser ist dem Slawischen allerdings
eigenthümlich. Was jedoch hier mit einer solchen Bezeichnung
51
belegt wird, ist kein einfacher Laut, sondern die zufällig neben
einander stehenden Buchstaben r und z (das französische j)
und wird in allen Sprachen, welche überhaupt diese beiden Laute
besitzen, beobachtet. So in dem französischen verger, in dem
portugiesischen virgem und selbst in dem Slawischen, ohne
Rücksicht darauf ob der echte Laut in dem Dialekte existirt oder
nicht, z. B. derzu, rzanie. Ueberdiess steht, wie behauptet wird,
im Etruskischen der Buchstabe ^ sowohl für s (sch) als auch
für z, so dass bei Annahme des ersteren diese übrigens nur
zweimal in der Inschrift vorkommende Verbindung in noch vie
len andern als den eben bezeichneten Sprachen, selbst in der
deutschen z. B. in dem Worte Hirsch, beobachtet werden
würde.
Auffallend bleibt noch, dass der Vocal o in der Inschrift
Perusia gänzlich vermisst wird, während derselbe doch in den
slawischen Mundarten besonders häufig ist. Hierbei bemerke ich,
dass auch in dem ägyptischen Dialect des Arabischen das o
beinahe gar nicht vorkommt, oder doch wenigstens in allen den
Fällen, in welchen andere Dialecte dasselbe gebrauchen, durch
den Laut u ersetzt wird. Im Slawischen findet sich allerdings
etwas Aehnliches, jedoch in sehr beschränkter Ausdehnung, in'
dem nämlich das lange o in der czecho-slawischen Mundart im
mer durch ü ausgedrückt wird.
Was das Grammatikalische betrifft, so bieten sich für die geg
nerische Ansicht eben so wenig Anhaltspuncte. Vorerst vermisst
man die dem Slawischen vorzüglich eigenthiimliche Construction
und Zusammensetzung der Zeitwörter mit Präpositionen, wovon
ich in der Inschrift nicht die geringste Spur entdecken konnte.
Denn das Wenige, was in der Erklärung für Präposition gehalten
wird, beruht auf der Annahme von Buchstabenversetzungen und
Buchstabeuverwandlungen, deren Resultate gewöhnlich von ein
ander selbst wieder verschieden sind. So entspricht der slawi
schen Präposition u einmal das eu in eulat, das andere Mal das
u in umics. Das slawische po erscheint Z.31 als das etruskische
pa, Z. 29 als phu in pliulumch. Ein soll durch Versetzung sein
das slaw. na, ca das sa oder se, atli das slaw. do, re eine an
dere mit der gleichlautenden lateinischen Partikel identische Form
für das slaw. od. Das slaw. pre wird in drei verschiedenen Wör-
4 *
52
tern der Inschrift wiedererkannt: in epl, in pel und in dem per der
angeblichen Zusammensetzung naper.
Das eben Gesagte gilt ferner von den angenommenen For
men der Casusendungen, So wird die Endung as als Gen. sing,
erklärt in velihinas, als Gen. plur. in thuras, aras und peras,
das Wort apliunas einmal als Nom. sing, und dann wieder Z. ST
als Gen. sing, die Endung ci als Gen. sing, in thaura und tanna,
als Instr. sing, wieder in aphuna als Acc. sing, in satena und
unezea. Ausserdem erscheinen als eben so wenig begründete En
dungen des Gen. sing, s in larthals, es in aphunes Z. 11 (später
Z. 37 lautet dasselbe Wort in der nämlichen Endung apliunas')
und e in thunchultc. Als Ausgang des Dat. sing, wird eri und esi
angegeben, welche beide dem slaw. owi entsprechen sollen, dann
wieder e für männliche Eigennamen in dem Worte hareutuse.
Masu wird das erste Mal als Acc. sing, das zweite Mal als Gen.
sing, erklärt, während doch, wenn das slaw. Wort maso zu
Grunde liegen sollte, der erstere Casus maso, der letztere
masa heissen müsste. Für den Acc. sing, angesehen und aus dem
Lateinischen abgeleitet wird zuletzt noch die Endung am in
velthinam.
Ein ganz abweichender Instr. sing, auf t wird uns in mu-
niclet vorgeführt. Nicht minder abweichend sind die angeführ
ten Formen des Gen. plur. auf ul (statt üw) auf es (für die Ad-
jectivendung ch ausgegeben) und wahrscheinlich der letzteren
analog auf ch in phulumch, auf as in thuras, auf s in himths
und tesns, auf er in temamer, und noch auffallender auf l in
tliunchultl, auf e in satene und tesne, auf aama in ipaama,
welches letztere höchstens mit dem Dat. und Inst, des Duals
verglichen werden könnte.
Der angebliche Infinitiv auf r in amefaclir ist ebenfalls
unslawisch.
Von den Temporibus keine Spur, wahrscheinlich weil
diese, wie in den semitischen Sprachen, durch Veränderungen
in dem Körper des Wortes ausgedrückt werden und daher, wo
von gewissen Voraussetzungen ausgegangen wird, der Beob
achtung entgehen. Denn das ein Futurum bezeichnen sollende
Hilfszeitwort wollen, das allerdings in einigen slaw. Dialekten
die Stelle eines solchen vertritt, kann doch nicht auf einer und
53
derselben Inschrift, auf dem Raum von wenigen Zeilen und
allein in der 3. Pers. sing, auf fünferlei wesentlich verschie
dene Weise nämlich zuci, zia, zuc, cha und chuch geschrieben
werden, so dass hier nicht allein an der Richtigkeit der Be
deutung, sondern auch an der Identität des Wortes selbst ge-
zweifelt werden muss.
Eben so wenig wie das Grammatikalische bieten die ein
zelnen Wörter Anhaltspuncte der Vergleichung mit dem Sla
wischen dar. Hier sind eigentlich nur zwei Wörter, welche
ihrem Laute nach, keineswegs jedoch zu Folge ihres Cha-
racters, für slawisch gehalten werden könnten. Es sind plc
und masu. Von diesen kann das ersterc bequem von der se
mitischen Wurzel pbü abgeleitet werden, und, was den Cha-
racter betrifft, so sind Sylben ohne Vocale (d. h. nur mit ei
nem Halbvocale wie in dem slaw. wlk) selbst in den Dialekten
der vocalreiclisten semitischen Sprache, der arabischen etwas
sehr gewöhnliches. Bei dem letzteren, dem masu stimmt die
Endung nicht überein, und dasselbe könnte eben so gut semi
tisch sein, oder liesse sich, wenn schon einmal der Willkür ein
Feld geöffnet werden soll, unter anderem auch von dem Sansk.
mäs Monat ableiten. Dem ebenfalls slawisch scheinenden hui
fehlt die hier wesentliche durch Punctation oder jer zu bezeich
nende Milderung das t, ohne welche es auch arabisch, skan
dinavisch, englisch oder Sanskrit sein könnte.
Bei den übrigen Wörtern kann nicht einmal die äussere
Aehnlichkeit mit dem Slawischen geltend gemacht werden, und
die Vergleichungen sind entweder allzuweit hergeholt, oder
knüpfen sich an die grössten Unähnlichkeiten. So die Aufstel
lung der Bedeutung „Götter” für das etruskische Wort cei,
und dessen Ableitung von der slawischen Wurzel zeh brennen.
So die Erklärungen von aphun durch ohen, von cnesci durch
honositi, von cenu durch syn, von thunchult durch zahwolot
u. s. f. Siel und clel, wesentlich von einander verschieden,
werden beide durch slal, Präteritum von slati, s chicken, erklärt.
Auf die Autorität des Festus, also auf etwas Positives sich
stützend , ist die Angabe , dass ein Opferthier von den Etrus
kern ayonia, und der Tag, an welchem der König dasselbe
opferte, agonium genannt wurde. Wenn aber dieses Wort wirk-
54
lieh von dem slawischen ogoii Feuer abgeleitet und letzteres
zugleich auch etruskisch wäre, so müsste, die Richtigkeit der'
Erklärung vorausgesetzt, auf der Inschrift von Perusia für das
Wort Feuer ebenfalls ogon, nicht aber, wie diess der Fall ist,
das durch ogon erst zu erklärende aphun zu finden sein.
Ueberhaupt kann die grössere oder geringere äussere Aehn-
lichkeit bei solchen Untersuchungen, und in den Fällen, wo
die Verwandtschaft nicht schon constatirt ist, durchaus nicht zu
Grunde gelegt werden. Denn eine vollkommene Wörtergleich
heit findet oft Statt bei Sprachen, bei welchen es absurd wäre,
eine Verwandtschaft anzunehmen. So enthält z. B. die Inschrift
von Perusia nur zwei oder drei Wörter, welche mit bekann
ten slawischen, dagegen acht Wörter nämlich tanna, ame,
une, caru, cuna, cenu, masu, saiene, welche mit japanischen
völlig gleichlautend sind. Wenn bloss die Lautähnlichkeit ent
scheiden könnte, so wären slawische Wörter selbst im Chi
nesischen zu entdecken z. B. dan, altslaw. Tag, chin. tan,
der Morgen, pen, slaw. ein Baumstamm, chin. pen, eben
falls ein Baumstamm.
Ich glaube über den Gegenstand genug gesagt zu haben,
kann jedoch schliesslich nicht unerwähnt lassen, dass Versuche
gemacht wurden, auch die lateinische Sprache aus dem Slawi
schen abzuleiten, in Folge dessen lateinisch und etruskisch nahe
verwandte Dialekte sein müssten, und das letztere aus dem
ersteren noch leichter als aus dem Slawischen erklärt werden
könnte.
Ich erwähne hier nur der Methode, nach welcher lateini
sche und andere Namen aus dem Slawischen erklärt werden,
und welche so eingerichtet ist, dass sie höchstens dort, wo
slawisches Element bekanntermassen schon seinen Einfluss geübt,
wie z. B. bei den ostdeutschen Ortsnamen, nicht aber dort, wo
das Vorhandensein desselben erst bewiesen werden soll, ange
wendet werden könnte. So scheint es, dass so oft in irgend
einem Worte nach einem Labial ein 1 mit oder ohne dazwischen
befindlichen Vocal erscheint, das slaw. wol, als etymologischer
Bestandteil angenommen wird. Auf diese Weise werden unter
andern für slawisch erklärt die Volksnamen der Pelasger, der
Paphlagonier {pa eiue übrigens im Slawischen gar nicht ge-
55
bräuchliche Reduplication , phl so viel als wol, und agon so
viel als ogoh Feuer, das Ganze so viel als St ie r opfer er),
der Volsker, und der Name der Stadt Felsina so viel als Wo-
lotina „bovina”. Bisweilen geschieht die Ableitung seihst bei
Abwesenheit des Labials mit oder ohne Vocal, im letzteren Falle
also bei dem blossen Vorhandensein eines l, einmal auch wo ein
n an der Stelle des Z zu finden ist. So der Name der Illyrier
erklärt durch il so viel als wol, und yr so viel als ur „Auer
ochse” ; ferner der Name Ulysses, in welchem ul so viel als
wol oder wül, während doch Quin tili an ausdrücklich angibt,
dass Ulysses aus dem äolischen OCduaaeü? entstanden ist, und
bei Homer selbst der Name von oSCosoyca, zürnen, herge
leitet wird. So werden auch Latium (von wolot) luna (so
viel als woluna) und Bononia, der spätere Name von Felsina
für slawisch gehalten, und durch wol erklärt.
Das Wort tur Stier, ist nicht allein slawisch, sondern
kommt auch in allen semitischen Dialekten, im Lateinischen,
Griechischen und Skandinavischen vor. Die blosse Anwesenheit
der Buchstabenverbindung tur, tyr oder tr ist daher bei einer
etymologischen Forschung nicht für massgebend zu halten, und
es kann auf diese Weise weder der Name der Etrusker oder
Tyrrhen er, noch der Trojaner (Troja so viel als turowa) aus
dem Slawischen erklärt werden.
Sitzung vom 16. Jänner 1850.
Herr Regierungsrath Chmel liest folgendes von ihm an
das wirkl. Mitglied Herrn Palacky in Angelegenheiten der hi
storischen Commission gerichtete und zum Abdruck in den Sit
zungsberichten bestimmte Schreiben:
Verehrtester Freund und College!
Sie erhalten heute von mir ein Schreiben, welches zum Theil
im Aufträge unserer Classe, der philosophisch-historischen, zum
grossem Theile jedoch iin Interesse d e r Wissenschaft geschrieben
ist, die wir uns beide als Lebensaufgabe gewählt haben, nur mit
dem Unterschiede, dass ich von vorne herein auf jegliche Berüh
rung mit den Interessen des Tages Verzicht geleistet habe, ja die-
56
selbe absichtlich vermeide. — Ich lebe nur der Vergangen
heit, die Gegenwart ist mir nur in soferne interessant, als sie
mich zu Vergleichungen mit der erstem unwillkührlich aufTordert.
Unsere Classe hat mir Ihr Gutachten über die Modalitäten
der Herausgabe der Acta Conciliorum s. XV. zur Berichterstattung
zugewiesen, und ich habe bereits in der Sitzung vom 9. Jänner
diesen Bericht erstattet.
Erlauben Sie mir, dass ich Ihnen sowohl den Inhalt und so
zu sagen die Genesis meines Berichtes als auch die Resultate
desselben vorlege und daran aber einige Bitten anknüpfe, deren
Erfüllung ich sowohl bei Ihrem eigenen Interesse für die Wissen
schaft als bei Ihrem Patriotismus zuversichtlich hoffe.
Als ich Ihr wohldurchdachtes und wie alles was aus Ihrer
Feder kommt klares und bestimmtes Gutachten las und studirte,
drängten sich mir folgende Reflexionen auf, die theilwcise auch
durch frühere Aeusserungen und Ansichten, die Sie in so mancher
Debatte entwickelten, veranlasst wurden.
Ich musste mir erstens gestehen , dass Ihr Vorschlag zur
Herausgabe der Acta Conciliorum s. XV. allerdings ein sehr be
deutender ja grossartiger sei; es ist ein literarisches Unterneh
men, das des Dankes aller gegenwärtigen wie zukünftigen Ge
schichtsforscher und christlichen Theologen gewiss wäre! —
Auch das musste ich gestehen, dass die Ausführung eines
solchen Sammelwerkes nur durch Zusammenwirken Mehrerer und
durch Hilfe bedeutender Geldmittel für Reisen, Copiren, Zusam
menstellen und endlich den Abdruck möglich sei. —
Ich musste jedoch die vorhandenen Kräfte abwägen und da
gegen die Schwierigkeit und den Umfang des von Ihnen vorge
schlagenen Unternehmens in Anschlag bringen. —
Unsere Classe hatte gleich anfangs schon vor der feier
lichen Eröffnung der Akademie die besondere Pflege der vater
ländischen Geschichte zum Gegenstände ihrer Aufmerksamkeit ge
macht und derselben nicht unbedeutende Mittel und Kräfte zuge
wiesen und gewidmet. Sie, verehrter Freund und College, scheinen
von vorne herein mit dieser Art und Weise wissenschaftlicher
Thätigkeit nicht einverstanden gewesen zu sein. Sic meinten, man
könne und solle diess füglich den Provinzialvereinen überlassen,
welche für die Geschichte ihrer Länder und deren Quellen Sorge
57
tragen würden. — Sie glaubten, eine Akademie müsse Grossar
tigeres unternehmen und pflegen. — Daher Ihr Vorschlag; Sie glau
ben Acta Conciliorum s. XV. herauszugeben sei der Wissen
schaft erspriesslicher als Fontes zur Förderung vaterländi
scher Geschichte.—
Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine entgegengesetzte Ansicht
entwickle und dieselbe so gut ich kann zu begründen suche. —
Ich glaube, dass eine ö ste rr ei c hi s che Akademie in
Wien, diese jüngste unter allen Akademien, dem Vaterlän
dischen zunächst zugewandt sein soll und zwar aus zwei Grün
den, erstens weil das Vaterländische an und für sich den Vorzug
verdient, und zweitens weil dasselbe der besonderen Pflege
bedarf. —
Ich halte unser grosses, herrliches Vaterland mit seinen
vielgliederigen so höchst verschiedenen Bestandtheilen und deren
genaue Kunde für einen sehr würdigen Gegenstand, womit sich
eine Akademie beschäftigen könne. — Die Geschichte des öster
reichischen Kaiserstaates in ihrer Mannigfaltigkeit und in ihrem
Gemeinsamen , wäre sie keine würdige Aufgabe? — Wo ist denn
ein Reich, ein Staatenbund, eine Weltmonarchie, deren Geschichte
für österreichische Akademiker mehr Interesse haben könnte, als
unser Vaterland?
Allerdings war mein ursprünglicher Vorschlag, den ich in
der Sitzung unserer Classe am 24. November 1847 machte, auf
Grösseres und Vollständigeres gerichtet und ich bin noch in die
ser Stunde der Ueberzeugung, dass das Wirken unserer Akade
mie auf die damals ausgesprochenen Felder sich erstrecken solle.
— Ich meine noch jetzt, dass eine Bibliotheca Austriaca,
eine Bibliotheca Manus criptorum in Austriae terris
asservatorum, eine Sammlung der Denkmäler und Idio
tiken unserer Sprachen und vor Allem ein vollständiger hi
storischer Atlas nur durch gemeinschaftliches Zusammen
wirken und unter der Gunst grossartiger Hilfsmittel zu Stande
kommen können, folglich w ü r d i g e Aufgaben der pbilosophisch-
liistorischen Abtheiluug unserer Akademie seien.
Ich lasse jeden Unbefangenen darüber urtheilen, wodurch der
Wissenschaft mehr genützt werde, — ob durch Zustandebrin
gung eines solchen Apparates für genaue Kunde unseres vater-
58
ländischen Bod ens, unserer vaterländischen Sprache n, un
serer vaterländischen G e s c hic ht en, unserer Literaturen,
oder durch irgend eine andere wissenschaftliche Unternehmung;
ich glaube an Interesse für Einheimische und Fremde dürfte
sich das erstere mit jedem andern Unternehmen kühn messen.
Das Zustandebringen ist jedoch eben das Schwierige
der Aufgabe. Das Zusammenwirken setzt Einigkeit der Ansich
ten, Eintracht des Willens voraus. Das Zusammenwirken be
dingt ununterbrochene Thätigkeit und rastloses Streben nach Bes
serem.
Sie wissen, verehrter Freund, so gut als ich, dass die Jetzt
zeit auch in wissenschaftlicher Hinsicht mehr dem Positiven
und Materiellen zugewandt ist, als dem Schwankenden
und Vieldeutigen der Philosophie und Geschichte; wenigstens
in unserem Vaterlande haben seit geraumer Zeit aus mehreren
Gründen die Naturwissenschaften den letztgenannten den Rang
abgelaufen.
Darum bedarf besonders die Wissenschaft der Geschichte,
zunächst der Vaterlandsgeschichte , die von Zeugnissen abhängt
und in dieser Beziehung die abhängigste aller Wissenschaf
ten ist, jene materielle Unterstützung, welche ihr durch un
sere Classe seit dem Jahre 1847 zugewendet wird.
Ich glaube, die Herausgabe von „österreichischen Ge
schichtsquellen” und des damit in Verbindung stehenden „Ar
chivs für Kunde österreichischer Geschichtsquel
len” könnte für die Hebung des Geschichtsstudiums von Bedeu
tung werden, wenn sich die vaterländischen Geschichtsforscher
dabei eifrig betheiligten. Sie glauben, die historischen Vereine
der einzelnen Kronländer, die Laudes-Museen würden für die Ge
schichte ihres Landes hinlänglich sorgen. — Das glaube ich nicht.
Ihr Vaterland, verehrter Freund, hat freilich für seine
Geschichte glänzend gesorgt; und seit geraumer Zeit. Böhmen
pflegt dieselbe sorgfältig und steht auch in dieser Beziehung
auf der ersten Stelle; es helfen da wohl mehrere Gründe zusam
men und der nationale Aufschwung ist die glückliche Veran
lassung des augenfälligen Gedeihens derlei wissenschaftlicher Un
ternehmungen, wie z. B. das Archiv cesky ist, von dem ich spä
ter ein Mehreres zu sagen und zu erinnern habe. —
59
Auch Mähren leistet für seine Geschichte sehr viel und
verwendet verhältnissmässig noch mehr materielle Mittel zu seiner
Pflege. —
Ich nehme jedoch keinen Anstand zu behaupten, dass trotz
dem Böhmen und Mähren für ihre Geschichte noch besser sor
gen werden, wenn sie ihre Wege nicht allein gehen, sondern sich
bei einem wissenschaftlichen Unternehmen lebhaft betheiligen, das
Allen zu Gute kommt und wirklich auch nur durch allgemeine
Mitwirkung zu Stande kommen kann. —
Ich darf einem solchen Meister vom Fache nicht auseinander
setzen, wie viel noch zu thun, wie viel zu sammeln und zu sichten
ist; besonders wenn die Geschichtsquellen auch der letzten drei
Jahrhunderte berücksichtigt werden, was sie auch sollen. —
Wenn Böhmen und Mähren durch allgemeine Betheiligung nun
fünfzig oder sechzig Jahre früher zum Ziele gelangen können,
sollten sie dieselbe ablehnen und ausschliessen ?! —
Betrachten wir aber die übrigen Kronlande, was bieten sich
da für Erscheinungen dar? —
Die Landes-Museen und auch die jüngst gegründeten histo
rischen Vereine sind keineswegs in der Verfassung und in dem Zu
stande, der eine kräftige Lebensdauer verhiesse oder Hoffnung
gäbe, dass derlei mühsame und kostspielige Vorarbeiten, wie Quel
len und Forschungen sind, in rascher Folge geliefert würden. Die
Ungunst der Zeiten, vielleicht aber auch die Abnahme der frü
heren Theilnalime ist bei den meisten dieser Vereine Veranlassung
gewesen, dass ihre Abhandlungen, Mittheilungen, Zeitschriften
u. s. w. entweder in’s Stocken geriethen oder auf ein Minimum sich
beschränkten, wodurch dem Quellen-Sammeln wenig Förderung
entspriesst. —
Manche Kronlande haben noch gar keine Landes-Museen
und historischen Vereine und werden sie auch schwerlich, wenig
stens in der nächsten Zeit nicht, erhalten. —
Sollte da die kaiserliche Akademie und die von ihr aufge
stellte historische Commission nicht erspriesslich wirken können?
Und sie will es, sie ladet ein, sie bittet um Mitwirkung. —Ver
dient das nicht Dank, Anerkennung und Bereitwilligkeit? —
Ja, mein verehrter Freund, trotz aller Hindernisse und trotz
alles Weigerns oder anfänglichen Ignorirens, trotz der eben nicht
60
günstigen Stimmung so Vieler gegen unsere Akademie hoffe ich
doch, mit der Zeit wird sich unser Unternehmen Bahn brechen
und es wird grössere Theilnahme finden! —
Doch nun zur Sache. —
Wie Lässt sich das von Ihnen in Vorschlag gebrachte lite
rarische Unternehmen (Herausgabe der Acta Conciliorum s. XV.)
mit dem früheren, zu dessen Ausführung von der Classe die hi
storische Commission beauftragt wurde , vereinigen , wird nicht
das eine das andere hindern oder wenigstens benachtheiliffen ?
Die Classe sollte nach Ihrem Gutachten auch für die Durch
führung Ihres Vorschlages eine eigene Commission ernennen.
Wer sollte dieselbe bilden? —
Die Ehre der Akademie fordert cs, dass die einmal be
schlossene Herausgabe auch kräftig durchgeführt werde.
Die Commission kann nur in Wien ihren Sitz haben, meinen
Sie selbst, und auch ich. —
Sie sind das erste und unentbehrlichste Mitglied dieser
Commission.
Auch das correspondirende Mitglied Herr Scriptor E. Birk
ist nach Ihrem Gutachten unentbehrlich. —
Sie und Birk wurden auch nach meinem Berichte in die
Commission zur Herausgabe der Acta Conciliorum s. XV. von der
Classe gewählt. —
Um das so verdienstliche Unternehmen zu fördern und
Ihnen, verehrter Freund, einen Beweis unserer Achtung und un
seres guten Willens zu geben, haben auch das wirkliche Mit
glied, Th. G. von Karajan und ich unsere Bereitwilligkeit er
klärt, uns ebenfalls an der Commission zu betheiligen und die
Classe wählte uns in Folge dieser Erklärung zu Mitgliedern die
ser Commission. —
Dass , so oft Sie es für nöthig und erspriesslich finden in
dieser literarischen Angelegenheit (Herausgabe der Acta Conci
liorum) nach Wien zu reisen, Ihnen die Reise und Aufenthalts
kosten ersetzt werden (wie bei den Mai-Sitzungen) ist ganz in
der Ordnung. —
Die Commission ist also constituirt, wir erwarten Ihre
nähere Mittheilung oder besser Ihre persönliche Gegenwart bei
einigen Sitzungen, um das Unternehmen zu besprechen und die
61
nüthig’en Einleitungen zu treffen. Ich habe, um mein thätiges Mit
wirken bei diesem literarischen Unternehmen zu ermöglichen, auf
ein Vorhaben resignirt, wenigstens für längere Zeit, das ich end
lich einmal ausführen wollte.
Ich wollte meine bisher nur zum dritten Theile ausgeführte
„Geschichte K. Friedrichs IV. und seines Sohnes Maximilian I.”
sobald als möglich vollenden , selbst auf die Gefahr hin, Lücken
und Mängel nicht zu vermeiden, welcher ich nur zu gut be
wusst war. —
Ich warte noch und fahre fort, nur zu sammeln und Ma
terialien zu liefern, obwohl ich dadurch noch länger mich jener
vornehmen Verachtung aussetze, mit der darstellende Historiker
auf den Sammler und Kärrner herabzusehen belieben.
Was schadet es, wenn nur für zukünftige Geschichtschrei
ber tüchtiges Materiale geliefert wird.
Sehen Sie, mein verehrter Freund, dass ich guten Willen
habe und gerne unterstütze, was ich für gut und erspriesslich er
kenne.
Nun aber komme ich mit ein paar Bitten, die ich eben im
Bewusstsein meines guten Willens wage und Ihnen dringend
an’s Herz lege.
Ich habe in einer frühem Sitzung auf den reichen Inhalt
des von Ihnen herausgegebenen „Archiv cesky”, dessen zwanzig
stes Heft ich vor Kurzem erhalten habe, aufmerksam gemacht
und den dringenden Wunsch ausgesprochen, von den wichtigsten
darin enthaltenen Actenstücken authentische Uebersetzungen zu er
halten, oder vielmehr auf die Nothwendigkeit hingedeutet, den
nicht cechischen Geschichtsforschern den reichen Stoff darin zu
gänglich zu machen. —
Ich bin in grosser Verlegenheit, einen tüchtigen Uebersetzer
zu finden, der die wichtigsten Stücke in vollständiger und ge
nauer Uebersetzung, die minder bedeutenden doch wenigstens im
verlässlichen Auszuge mittheilte; seine Arbeit wäre für unser
„Archiv” willkommen. —
Könnten Sie, verehrter Freund, uns nicht einen solchen
Literaten namhaft machen, oder noch besser unter Ihrer Ueber-
wachung eine solche Arbeit veranlassen ? —
62
Sie würden allen Geschichtsforschern und Geschichtsfreun
den dadurch den grössten Dienst erweisen.
Möchten doch unsere vaterländischen Sprachen (besonders
„cechisch und magyarisch”) von dem jungen Nachwachs eifrig be
trieben werden.
Wie schmerzlich vermisse ich diese Sprachkenntnisse.
Leider ist in unsern Gymnasien auf solche unentbehrliche
Kenntnisse gar zu wenig Rücksicht genommen.
Eine zweite Bitte, die ich im Namen der historischen Com
mission, ja der ganzen Classe Ihnen, verehrter Freund, an’s Herz
lege, ist folgende:
Auf meinen Vorschlag hat die kaiserliche Akademie der Wis
senschaften die Ausführung einer Terrainkarte eines Theiles des
österreichischen Kaiserthums, durch die lithographische Anstalt
des militärisch-geographischen Institutes auf ihre Kosten ge
nehmigt.
Diese Terrainkarte in sechs Blättern, im Maasstabe der be
kannten Generalkarten des General-Quartiermeister-Stabes ist nun
auf vortreffliche Weise ausgeführt. Sie enthält das Terrain zwi
schen Regensburg und Pressburg, südlich ist die Grenze Venedig.
Auf derselben ist das jetzige Gebiet der Kronländer Öster
reich unter und ob der Enns, Salzburg, Steiermark,
Kärnten, Krain, Görz, Triest, vollständig dargestellt,
ausserdem enthält die Karte auf Blatt I und III beiläufig ein
Fünftel von B a i e r n, und zwar in der Ausdehnung von Nord
nach Süd, von Regensburg nach Kiefersfelden, und von West
nach Ost, von Landshut his Wegscheid.
Auf Blatt I und II den südlichen Theil von Böhmen und
zwar ein Fünftel des bisherigen Prachiner, zwei Drittel des bis
herigen Budweiser Kreises.
Auf Blatt II von Mähren die Hälfte des bisherigen Znai-
mer und ein Viertel des bisherigen Brünner Kreises.
Auf Blatt II und IV von Ungern Tlieile des bisherigen
Pressburger, Oedenburger, Eisenstädter und Szalader-Cömitates.
Auf Blatt III von Tirol ein Fünftel des bisherigen Un-
lerinnthalcr Kreises, von Wörgl bis Lofer; ein Drittel des bis
herigen Pusterthaler Kreises, von Niederndorf bis an die Grenze
von Kärnten.
63
Auf Blatt V ganz Friaul, der äusserste Punct ist gegen
Westen Treviso, gegen Süden Venedig. —
Auf demselben Blatte (V) ist der dritte Theil von Istrien
dargestellt. — (In einem spätem Blatte dürfte nachträglich wohl
der übrige Theil von Istrien zur Darstellung kommen.)
Auf dem Blatte VI sind die Comitate von Warasdin und
Agram fast ganz dargestellt und von Slavonien und der Ba
nal-Grenze ein Theil.
Diese Terrainkarte in sechs Blättern soll nun als Grundlage
dienen zur Bearbeitung eines historischen Atlasses für einen Theil
des österreichischen Kaiserstaates in einem gewissen Zeiträume.
Die historische Commission wünscht historische Karten jener
Länder zu liefern, welche das Haus Habsburg beim Anfänge sei
ner Herrschaft überkam. —
Aus fünf verschiedenen Zeiträumen soll auf diesen sechs
Blättern der geographische Zustand dieses ganzen Gebietes
(Oesterreich und seine Nachbarn) veranschaulicht werden, das
gäbe einen Atlas von dreissig Blättern. —
Diese fünf Zeiträume sind nach einem vorläufigen Plane
folgende:
1. Die Zeit Carl’s des Grossen. . . c. 800. n. Chr.
2. „ „ nach dem Beginne der Baben
berger c. 1000.
3. „ „ der Erhebung der Markgraf
schaft zum Her zogt hu me . 1156.
4. „ „ des Erlöschens der Baben
berger 1246.
5. „ „ des K. Ottokar’s II. . . . 1278.
Es handelt sich nun um eine zweckmässige Instruction, welche
die historische Commission als Richtschnur bei Vertheilung die
ser Terrainkarte an Geschichtsforscher und Kenner der Geogra
phie und Topographie des Mittelalters mitgeben soll und will.
Jeder mit einer solchen Terrainkarte hetheilte Forscher trägt
in 5 Exemplaren des Blattes, das ihm zufällt, je nach der ver
schiedenen Zeit die geographische oder topographische Notiz mit
rother Tinte ein, und gibt zugleich in einem eigenen Textblatte
die Nachweisung und Begründung dieser Notiz oder dieses Na
mens , und zwar diplomatisch getreu. Es soll nämlich beim Er-
scheinen des historischen Atlasses auch zugleich ein Werk über
Geographie und Topographie dieser Länder beigegeben werden.
Sie sehen, verehrter Freund, dass das ein weitaussehendes
und mühsames literarisches Unternehmen ist, jedoch wie wir hof
fen auch ein verdienstliches und die Geschichtsforschung wesent
lich förderndes.
Ich bitte also im Interesse unserer vaterländischen Geschichts
forschung uns Ihren Rath und Ihre Mitwirkung nicht zu entzie
hen, so wie wir unsern Collegen, den hochverdienten Slawisten
Herrn Schafarik, auch um seine ganz besonders wünschenswerthe
Mitwirkung ersuchen werden.
Vorzüglich handelt es sich in den ersten Zeiträumen (800
und 1000 nach Chr.) um Fixirung des slawischen Colonicwesens
in den deutschen ProvinzenOesterreich, Salzburg u. s. w. Eben so
um die Sprachgrenzen in den gemischten Provinzen Steiermark
Kärnten u. s. w.
In den späteren Blättern ist vorzüglich die politische
Grenze, z. B. bei Böhmen , Mähren u. s. w. nachzuweisen.
Wir bitten also um gütige Mittheilung Ihrer Gedanken über
die zu ertheilende Instruction, dann auch um freundliche Nach
weisung jener Forscher, die etwa mit Terrainkarten zu bethei
len und zur thätigen Mitwirkung cinzuladen wären. —
In der zuversichtlichen Erwartung, dass die historische Com
mission, welcher Sie, verehrter Freund, durch Beschluss derClasse
so wie Herr Schafarik als Mitglied beizutreten freundlichst ein
geladen werden, keine Fehlbitte thun werde, da ja durch dieses
Unternehmen gewiss solche literarische Zwecke gefördert wer
den, die Ihnen durchaus nicht ferne liegen.
Ich verharre mit inniger Verehrung und ausgezeichneter
Hochachtung
Ihr
Wien den 19. Jänner 1850.
ergebenster
Joseph Chmel m. p.
Freiherr Ham mer-P urgstall ordnet in der Fortsetzung
seiner Abhandlung über die Namen der Araber die metonymischen
Vornamen, welche sie nicht nur Thieren und Pflanzen, sondern
65
auch Speisen und nothwendigen Gegenständen des Hausgeräthes
ertheilen, indem er vierhundert solcher Vornamen, die alle mit
dem Namen Ebu, d. i. Vater beginnen, in neun Classen ordnet,
nämlich: zahme Thiere 12, wilde Thiere 15, Vögel 34, Ge
wänne und kriechende Thiere 14, Amphibien 2, Fische 16,
Pllanzen 6, Speisen und andere Gegenstände des Tisches 34,
Glieder oder Eigenschaften des Menschen 27 aufführt und nur
die bekanntesten mittheilt ; der Löwe allein hat bei den Ara
bern 730 Vornamen, wovon -21 mifgetheilt werden; manche
dieser Vornamen sind aus den Eigenschaften des Thieres dem
sie beigelegt werden leicht erklärlich, bei vielen lässt sich der
Grund des Vornamens gar nicht errathen.
Herr Dr. Boiler liest die Fortsetzung seines Aufsatzes:
„Ueber die Bildung secundärer Wurzeln im
Sanskrit.”
Berücksichtigt man das in der Sprache selbst vorhandeno
Materiale allein, so liegt es nahe, in dem passiven ^ die gleich
lautende Verbalwurzel selbst zu suchen: eine Annahme, die in der
Art und Weise, wie die heutigen, im Sanskrit wurzelnden Spra
chen Indiens den passiven Ausdruck bilden, eine direkte Bestäti
gung zu erhalten scheint. Diese fügen nämlich dem Participium
der vergangenen Zeit das Verbum l» (Sansk. ?7T> yä) gehen,
in der entsprechenden Zeitform bei: (main mä-
rujätä hün) ist genau: ich bin geschlagen gehend. Ja die latei
nische umschriebene Form des passiven Infinitivs der Zukunft
mittelst iri versetzt diese Verbindung geradezu auf das Gebiet,
auf welchem diese Untersuchung zunächst Statt findet. Hierzu
kommt die oben erwähnte, der classischen Sprache sehr geläufige
Umschreibung, welche den Ausdruck der Handlung in ein Abstrac-
tuin kleidet, und letzteres als Ziel der Thätigkeit überhaupt mit
dem Verbum der Richtung verbindet. Die hierdurch bedingte
nominale Geltung der Wurzel bildet um so weniger eine
Schwierigkeit, als nicht nur im Veda-Dialecte sondern selbst in
der classischen Sprache eine nicht unbedeutende Anzahl solcher
einfachen Nomina erscheinen, und jener Dialect insbesondere in
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jalirg. 1850. I. Heft. 5
66
seinen Infinitivformen (und auch sonst) Belege für die passive
Bedeutung dieses Wurzelnomens, welche bei dieser Erklärung-
vorausgesetzt wird, liefert. Man vergleiche Säma-Veda 1.1.1. 3.
10 : 31 F4 sTTÄTT ^ d^ftl : v 1% f^TFT HW
(ud u tyam jätavedasaih devarii vahanti ketavah = drpe vip-
väya suryam.) den Reichthum zeugenden führen nun, den leuch
tenden, die Strahlen auf; auf dass jeder die Sonn’ erblickt. Bem-
fey. d'rpe suryam, für jeden zum Anschauen (ad conspicien'dum —
ut conspiciat) die Sonne, und halte dagegen I. 1. 1. 1. 10 :
dt rfTtr (devo hyasi no drpe) denn Gott bist sichtbar uns.
Bemfey. asi no drpe, du bist zur Anschauung (ut conspiciaris)
uns. Man kann weitere Belege in Bildung zusammengesetzter
Verba in den modernen indischen Sprachen, und insbesondere
in jener, über einen grossen Theil der orientalischen Sprachen
verbreiteten Redensart finden w r olIen, welche das Ertragen eines
lästigen Zustandes mit einer Wurzel in Verbindung bringt,
welche essen, verzehren bedeutet. f^TcT (kriyate) wird
gemacht ist demnach Idict (kriyäm etij geht in Machung.
Bei näherer Untersuchung aber erweisen sich diese Analo
gien als ungenau, und eine Reihe Bedenken erheben sich ge
gen diese Auffassungweise, die durch Bopp’s Autorität einen
gewichtigen Vertreter für sich hat. Was zunächst die Neu-In
dische Ausdrucksweise betrifft, so beruht sie auf einem we
sentlich verschiedenen Principe; der Passivbegriff liegt im
Mittelworte und das Verbum (jänu) bezeichnet blos den
Zustand des Handelnden, daher es ebensowohl zur Umschrei
bung vollkommen activer Begriffe dient: (parkte
jäte Jiain) sie beharren im Lesen, sind fortwährend lesend.
Die lateinische Infinitivform erklärt sich gleichfalls auf
andere Weise; der als Supinum erscheinende Verbaltheil be
hält seine active Bedeutung, und der Passivbegriff liegt in der
Endung des eigentlichen Infinitivs, iri, analog den passiven In
finitiv-Ausdrücken des classischen Sanskrits, welches die Be
zeichnung des Passivs aus dem Infinitiv auf das denselben re
gierende Verbum überträgt: *T tffohtrl sldH (na pakyate jetum)
er kann nicht besiegt werden.
67
Wäre ^ selbständiges Verbum, und der Passiv-Ausdruck
wesentlich auf die Angabe der Richtung des Objectes unter
die Wirkungssphäre der Verbal - Thätigkeit gebaut, so liesse
sich nicht absehen, warum dasselbe überhaupt nicht in den
allgemeinen Zeiten erscheinen müsste, da es doch als einfaches
Verbum in diesen Zeiten im Gebrauche ist und die Sprache
überdiess Mittel besitzt, den formalen Ausdruck einer Zeit,
(und diess kann überdiess nur das reduplicirte Perfect treffen)
auf andere Weise zu ergänzen. Vielmehr stellt diese Beschrän
kung auf die speciellen Zeiten den Passiv-Exponenten ^ in eine
Kategorie mit den speciellen Erweiterungsaffixen der letzteren,
den sogenannten Vikarana’s der Grammatiker, und namentlich
mit der Characteristik der IV. Wurzelclasse, und weist ihm so
mit demonstrative Geltung zu, welche man diesen, auch wenn
man ihre formale Identität mit den analogen Adverbialstämmen
nicht einräumen will, nicht wird absprechen können. Zu der
selben Annahme nöthigt auch seine Vergleichung mit der Cha
racteristik des Futurums, mit der er auch der Betonung nach
übereinkommt; indem letztere, als Gegensatz des Augmentes in
der Bildung der vergangenen Zeiten, dem in verbaler Anwen
dung in den indogermanischen Sprachen nicht nachweisbaren
?T des letzteren gegenüber nothwendig pronominale Auffassung
voraussetzt.
Man wird also genöthigt sein, die Erklärung auf dem Ge
biete des Demonstrativstammes zu suchen, und hier gibt der
r
in den Veden erhaltene Gebrauch der Accusative (im)
und ^ (id) so wie die Casusbildung den nöthigen Haltpunkt.
So wie diese einerseits nachdrücklich hervorheben und zugleich
das räumliche Verhältniss der Wirkungssphäre der Thätigkeit an
geben, so weisst jenes passive ^ unmittelbar hinter dem Wur
zelausdruck auf das mit diesem nothwendig verbundene Object
der Thätigkeit, auf welches ihre Wirkung beschränkt wird.
cT^! (leriyate varah) die Wahl wird gemacht, ist dem
nach: die Wahlmachen hierin (hac-ea) (es ist). Dass hier
durch die passive Construction selbst nicht bedingt werde, hat
die Sprache auch vollkommen klar dadurch ausgesprochen, dass
an die Passivform stets die Affixe des Mediums treten, und wo
diese nicht gebraucht werden, die Bedeutung des Verbums eine
5 *
68
neutrale ist und in die 4. Verbalclassc zurücktritt, wie gffaifrT
(giryati) für (firyatc) , bricht, (rumpitur). Die Ver
bindung mit den Personal-Affixen der ersten und zweiten Per
son erklärt sich vollkommen aus dem herrschenden Gebrauche,
die Pronomina dieser Personen mit dem Demonstrativ zu ver
binden, wobei der oben erwähnte Gebrauch des Demonstrativs
(ay-am) dem H (sa) gegenüber besondere Beach
tung verdient.
Aus der unmittelbaren Beziehung des Demonstrativstammes
^ auf sein entsprechendes Object ergibt sich die Abwesenheit
der Characteristik in den allgemeinen Zeiten, wo dem Spre
chenden gegenüber diese unmittelbare Hinweisung auf das Ob
ject nicht möglich ist.
Vergleicht man den verbalen Ausdruck mit dem nominalen
des sogenannten passiven Participiums der Vergangenheit, so
fällt der Gegensatz in der Stellung des leidenden Objectes in
die Augen. Während nämlich der .Nominal-Ausdruck ihn als
wirkliches Subject unter eine bestimmte Cathegorie eines (ge
wordenen) Seienden stellt, als geliebtes, geschlagenes u. s. w.
und eben dadurch die unmittelbare Beziehung zu dem Agens
darstellt, wird beim eigentlichen Verbal-Ausdrucke nur das
Object näher bezeichnet und hervorgehoben, ohne seine Stel
lung zum Agens zu verändern; das Pronomen aber löst die
primitive Verbindung des Verbums mit seinem Objecte, und gibt
letzteren die Freiheit an die Spitze des Satzes zu treten, analog
den semitischen Relativ-Sätzen: oi( |CJ |<vjrl (narö vyäpädya-
te) der Mann wird getödtet, stellt sich dem Arabischen <3^
ein Mann, sie tödten ihn, parallel. Dass übrigens diese ur
sprüngliche Anschauung bald verdunkelt wurde, und mit Ver
kennung des Pronomens das vortretende Object in directc
Verbindung mit dem Verbum trat, wird man um so leichter
begreifen, wenn man die Entwicklung des Relativ-Pronomens
berücksichtigt, welche genau denselben Gang nahm.
Sehen wir nach der Bestätigung dieser Ansicht auf dem
Gebiete anderer Stämme, sö will ich zwar den im Koptischen
gewöhnlichen Uebergäng des Wurzel-Vocäls in H, so wie die
semitische Vocalisation des zweiten Radicals mittelst i nicht
urgiren, so wahrscheinlich auch der innere Zusammenhang
69
►
►
zwischen diesem i und jenem Objectsträger tj bleibt, finde
aber eine unbedingte Bestätigung in der bestimmten Form des
Magyarischen Verbal-Ausdruckes, dessen Characteristik ja, i
in der dritten Person geradezu das Objectiv-Pronomen dersel
ben Person darstellt, obwohl es im isolirten Gebrauche sich
unter dieser Form nicht mehr erhalten hat, dessen Dasein aber
die Possessiv-Formen ja, je, so wie die abgeleiteten Adverbien
ide etc. gegenüber von öda verbürgen. Der jener Sprache eigene
Gebrauch, in der dritten Person des Singulars die reine Wurzel-
Form zu verwenden, entfernt den Einwand eines möglichen Sub-
jectiv-Affixes, so wie die Weglassung des Objectiv-Pronomens
dieses im Verbum selbst zu suchen nöthigt: Az atya szereti a’
fiüt, ist genau: der Vater liebt ihn, den Sohn. Dass die einsil
bigen Sprachen keinen directen Beleg geben können liegt in der
Natur ihres Baues; merkwürdig bleibt jedenfalls das Streben,
welches mehre derselben (Birmanisch, Tibetanisch) kund geben,
durch schärfere oder schwächere Behauchung und Articulalion
des Anlautes die active und neutrale Bedeutung der Wurzel aus
einander zu halten.
Der transitiven Form des Verbums mit angehängtem i im ei
gentlich Malajisclien, Javanischen (u. Kawi) steht das Tagalische
Passiv mit dem Verbum vortretenden i zur Bezeichnung des
Werkzeuges und in allgemeiner Anwendung, — namentlich im Ja
vanischen und Kawi — dem hinter dem Anfangsbuchstaben einge
schalteten in gegenüber. Die beiden Tagalischcn Ausdrücke
(vortretendes i, eingeschaltetes oder suffigirtes in) sind, wie der
dritte mit angehängten an gebildete, allerdings nur Nominal-
Formen und werden nur als solche construirt, und auch das Ja
vanische (u. Kawi-) Passiv mit infigirtem in findet sich sübstan-
Q O- . Ct>
(KinaijKmiann^ oatjiKin • tuasin
OjTnanJUHUUKKTj (reh ning lcinnen minggäh mangkc dateng sura-
layeku) wegen befohlen — werden hinanzusteigen jetzt zuinSura-
laya. Bisweilen ist es zweifelhaft, ob man einen Nominal- oderVerbal-
Ausdruck vor sich habe, wie in der Formel ojiVrinosiJijJ(sinnerul)
geschrieben, vor der Angabe des Datums. Doch wird es gewöhn-
tivisch (als passiver Infinitiv) :
1
o.
70
lieh mit voraustretendem Nominativ construirt und nimmt zu
gleich die Conjunctiv- und Imperativ-Affixe zu sich, wodurch es
direct an der Verbalnatur Antheil nimmt. In diesen Formen tritt
die demonstrative Geltung des Pronominalstämmes deutlich her
vor, namentlich wo die Verstärkung mit n (in der infigirenden
Form) hinzutritt. Sie reihen sich an jene Tagalische Imperativ-
Bildung mittelst i, welches dem reinen Stamme nachgesetzt wird,
um Schnelligkeit oder Energie bei der Vollführung der Handlung
zu bezeichnen: bucasi öffne schnell, wo i die Richtung auf die
augenblickliche Vollstreckung andeutet.
Die zweite Form des Malajisch - Javanischen (und Kawi)
passiven Verbal-Ausdruckes besteht in der Voranstellung von j
von denen letzteres bereits das Nominal-Affix (mKKTlj (han) trägt.
Diese Bildung scheint von der infigirenden nur formal verschieden.
Ein Beispiel seines substantivischen Gebrauches, oder richtiger
seiner Infinitiv-Bedeutung im passiven Sinne liefert folgende Stelle
des Wiwoho
tamat dennira hamalios tulis) : schon vollendet sein. Sein lesen
den Brief, d. i. nachdem er den Brief gelesen hatte. Ja das eigent
lich Malajische hat diese nominale Geltung zur herrschenden ge
macht, und setzt den activen Ausdruck in dieselbe um; dennoch
ist die verbaleNatur derselben durch die Construction und die Ver
bindung mit den Conjunctiv- und Imperativ-Affixen, wenigstens in
der Javanischen und Kawisprache erwiesen.
Die Sprachen der Südsee haben einen Passiv-Ausdruck, wel
cher die verbale Natur zwar formell an sich trägt, indem er von
dem activen sich nur durch die Construction unterscheidet, von dieser
jedoch eher auf das nominale Gebiet gewiesen wird. Vor die Wurzel
tritt nämlich i oder e (letzteres meist im Präsens und Futurum
wie ersteres im Präteritum), und das passive Subject rückt, jedoch
nicht nothwendig, hinter das Verbum, während der Agens mit einer
Genitiv-Partikel vor demselben zu stehen kommt. Auch hier tritt
der passive Ausdruck gewöhnlich an die Stelle des activen, welches
überhaupt auf dem Gebiete des Malajisch-Polynesischen Sprach-
stammes mehr in den Hintei'grund tritt: o ta matou i hio ra, ta
71
matou ia e parau nei, e ta matou e ite ra, ta matou ia e faaite nei,
das von-uns werdcn-gcwusst da, von uns es werdeu-gesagt liier;
und von uns worden-gesehen-da, von uns es werdftn-bezeugt hier,
d. h. wir reden das was wir wissen und bezeugen das was wir
gesehen haben. Tahiti. Form und Construction schliesscn diese
Ausdrucksweise an die entsprechende des westlichen Stammes mit
vortretendem i (Tagalisch) di Malajisch, di, di-pun den (Java
nisch u. Kawi) dergestalt, dass beide nur durch die Stellung des
Agens sich unterscheiden. Dem mittelst ia (Zaa, mia etc.) gebil
deten Participial- Ausdrucke scheint dieses Passiv dergestalt als
Stiltzpunct zu dienen, dass i eigentlicher Träger des Neutral- oder
Passiv-Begriffes ist, a aber die specielle Beziehung auf ein indivi
duelles Sein bezeichnet, wodurch letzterer Ausdruck in seiner Bil
dung mit dem Kawi i|in(KI.| (den) zusammenfällt, indem nur die
Stellung der Exponenten, im westlichen Zweige vor, im östlichen
hinter der Wurzel einen formellen Unterschied machen dürfte.
Vergleicht man die verschiedenen Ausdruckweisen, so stellt
sich die Nominalform als die nächste aber auch ungenügendste dar;
als Nomen, und somit fixirt, schliesst sie, man möge sie unter was
immer für einer Kategorie auffassen, die eigentliche Verbal-Natur,
die in der Zeit hervortretende und in ihr wechselnde Erscheinung,
geradezu aus, und alle Behelfe, wie sie namentlich die mit solchen
Formen reich ausgestattete tagalische Sprache aufzubieten vermag,
können dieses Grundgebrechen nicht ersetzen: der Nominal-Aus
druck gibt nicht die lebendige Beziehung zwischen Agens und Ob
ject sondern bloss das räumliche Verhältniss des letzteren zur
Thätigkeit. Unter den verschiedenen Nominal-Bildungen liegt je
doch jene, welche das Object als passiven Träger einer in ihren
Wirkungen fortdauernden Handlung darstellt, also eine bestimmte
Affection desselben bedingt, dem verbalen Passiv-Ausdrucke ain
nächsten und durch den Uebergang des Objectiv-Affixes in ein
Verbum objectivum (um mich dieses Ausdruckes gegenüber dem
Verbum substantivum, vielleicht richtiger subjectivum zu bedienen)
werden, fieri, di, i etc. liegt die Möglichkeit nahe, einen den
Begriff erschöpfenden, wenn auch nur mittelbaren wirklichen Ver
bal-Ausdruck zu bilden, wie er sich auch in der That in den Ma-
lajisch-Polynischen Sprachen entwickelt hat, und in den secundären
72
Sprachen des Indogermanischen Stammes zur Herrschaft gelangt ist,
ja wie das Gothische beweist, den germanischen Sprachen längst
eigen war. Auch die Magyarische Bildung wird man so zu er
klären haben, dass sich aus dem objectiven t ein verbum objectivum
tenni, machen, entwickelte, welches zunächst die Causalform bil
dete, und durch Verwechslung der beiden bezogenen Glieder in
Bezug auf den Ausgangspunkt der Anschauung, zum Passiv wurde.
Am glücklichsten waren die semitischen und indogermani
schen Sprachen, in denen mit den einfachen Mitteln der Vokal-
Symbolik und des Gebrauches eines, auf ein bestimmtes Gebiet ge
wiesenen Pronominal-Stammes, es möglich wurde, das Wechselver-
hältniss zwischen Agens und Object derart zu fixiren, dass letzteres
zum Ausgangspuncte der Bezeichnung gemacht werden kann, ohne
ihre vitale Beziehung zu berühren, oder der Beweglichkeit der
Verbal-Form hemmende Fesseln anzulegen.
Sitznng vom 30. Jänner 1850.
Freiherr Hammer-Purgstall las die Fortsetzung seiner
für die Denkschriften bestimmten Abhandlung über die Namen der
Araber, nämlich über die metonymischen Vornamen, welche von
den Müttern hergenommen sind. Wiewohl die Väter der arabischen
Metonyme die Doppelzahl der Mütter, so spielen diese doch
eine grössere Rolle als die Söhne und Töchter; die Mütter
wurden von Mohammed besonders hoch geehrt und das Wort
desselben: das Paradies ist unter dem Schatten der
Schwerter und unter den Füssen der Mütter,”erkennt
der Mutterliebe des Weibes gleichen Rang im Paradiese mit
der Tapferkeit des Mannes zu. Die Vergleichung der metonymi
schen Namen, welche von den Müttern hergenommen sind, mit
denen der Väter, ist nicht nur für den Philologen, sondern auch
für den Philosophen eine höchst lehrreiche. Der erste und auch
der Naturhistoriker wird seine Aufmerksamkeit zuvörderst dar
auf richten, welche Thierc oder Pflanzen bei den Müttern leer
ausgehen, während sie bei den Vätern berücksichtiget werden,
und welche von beiden ihre Vornamen hergenommeu haben; der
Ethnograph und Physiolog wird bemerken, dass die Gastfreund-
73
Schaft und das Vergnügen der Tafel, so wie Alles was sich un
mittelbar auf die Natur des Menschen bezieht, fast ebeti so
stark die Mütter als die Väter anspricht. Die Geographie und
Astronomie, die bei den Vätern leer ausgeht, hält bei den Müt
tern reiche Lese, und die zahlreichen Namen der Welt und des
Unglücks sind alle von den Müttern hergenommen.
Herr Regierungsrath Arneth legt das beigeheftete Fac-
simile einer Keil-Inschrift auf einem babylonischen Ziegel des
k. k. Münz- und Antiken-Cabinettes mit der Uebersetzung des
Majors Rawlinson vor, und bemerkt dazu:
Seit mehreren Jahren ist die wissenschaftliche, um die Ver
gangenheit sich bekümmernde und daraus auf die Zukunft schlies-
sende Welt aufmerksam auf die Entdeckungen , welche bei den
Völkern der ältesten Geschichte, den Babyloniern und Assyriern,
gemacht werden. Zur Lesung der Schriftzüge, womit die dortigen
Monumente bedeckt sind, welche, weil sie keilförmig ist, Keil
schrift genannt wird, hat ein deutscher Professor, Grotefend, zu
erst den Grund gelegt. Colosse, besonders die Gestalten aus
Mensch, Adler, Ochs und Löwe zusammengestellt, Reliefs, sowohl
Schrift enthaltend, als durch Gestalten geschichtliche Ereignisse
darstellend, welche sich vor mehr als dritthalbtausend Jahren zu
getragen haben und die mit dem alten Testamente im Zusammen
hänge stehen, haben Franzosen und Engländer mit ausserordent
lichen Mitteln nach Paris und London gebracht; — die Franzosen
gaben für eine Sendung 730,000 Fr. — Monumente, welche sonst
die Ufer des Pfeils der Flüsse, des Tigris, und des mächtigen Eu-
phrates geschmückt, stehen jetzt an denen der Seine und Themse.
Nur in Deutschland und an dem grössten Strome dieses Mittelpunc-
tes Europas sind noch keine Werke, welche von den Künsten zu
Babylon, Niniveh, Persepolis Zeugniss geben.
Franzosen und Engländer haben die schönsten Werke über
ihre Entdeckungen herausgegeben. In Paris Botta und Flandin:
Monuinens de Ninive— bis jetzt ungefähr 90 Lieferungen,—
in London Layard : The Monuments of Niniveli. — Ein Folio
band mit Zeichnungen; es ist auch schon eine Uebersetzung ins
Deutsche erschienen.
74
Wahrscheinlich ist in ganz Deutschland nirgends als in Wien
ein Monument, worauf Keilschrift in grösserer Ausdehnung vor
kömmt, dessen Inschrift hier beigeheftet ist.
Derselbe liest folgenden Bericht des Herrn Ritters von
Laurin „über die unlängst in der Nekropolis von
Memphis ausgegrabenen angeblichen Apis-Mumien.”
Es sind bisher Mumien von Ibis, Krokodilen, Schlangen,
Chamäleonen, Eidechsen, Katzen u. s. w. aufgefunden worden,
und zwar in sehr ausgedehnten Grüften, die mitten uuter den
Begräbnissplätzen der Menschen der meisten Städte des ägypti
schen Alterthums ausgehauen sind.
Vor wenigen Jahren wurde nächst den Pyramiden von
Sauara eine kleine Gruft geöffnet, in der eine Ochsenmumie
sich befand. Diese war eigentlich nur das Skelet eines Ochsen,
der nicht einbalsamirt, sondern, von Haut und Fleisch befreit,
in Mumienleinwand so eiugeschlagen war, dass die Figur des
Thieres, wie es auf allen vieren liegt, vollkommen dargestellt war.
Insbesondere zeichnete sich durch Regelmässigkeit der
Form der Kopf aus. Zwischen den Hörnern- befand sich der
goldene Discus von 8 Vs Zoll im Durchmesser, auf der Stirne
ein schön vergoldetes länglichtes Dreieck aus Holz, die Augen
aus Glaspasten, und so eingefasst, dass man den Blick für le
bendig halten möchte, die Brust und der Hals waren mit be-
mahlten Lappen, welche theils menschliche Figuren-, wahr
scheinlich Wärter des Thieres darstellen, theils mit zahllosen
Hieroglyphen, Gebete und Votiva enthaltend, bedeckt.
Da dieses Exemplar einzig war (früher entdeckte hat
man wegen des schlechten Zustandes, in welchem sie sich be
fanden nicht berücksichtigt), so wollte der Eigenthümer nicht
zugeben, dass man es öffne. Es gab ein Schaustück ab, über
dessen Bedeutung viel Streit entstanden war, ohne die ei
gentliche Frage zu lösen, ob diese Mumie ein dem Apis ge
opfertes Thier, oder ein Votivum war, wie es wahrscheinlich
die Mumien der übrigen Thiere sind, oder endlich ob dieser
eine noch höhere Stellung im Memphis-Tempel des Vulcan an
gewiesen werden könnte.
Keilschrift
(Facsimile in der Grösse des Originals)
auf einem babylonischen Ziegel des k. k. Münz- und Antiken-Cabinettes, übersetzt von Major Rawlinson.
Anrufung der Gottheit. Nabuchodonosor,
(auf alten Monumenten kömmt dieser Name eben so
verschieden gebraucht vor, wie in neuerer Zeit.)
König von Babylon,
Gründer der Städte Tekel und Gitta
Im Lande der Chaldäer,
Der Sohn des Nabopalassar,
Königs von Babylon. Ich, der König.
So las Major Rawlins o n, seit 16 Jahren englischer Resident in Bagdad, der grösste Renner assyiischer Sehiilt J,
der Entzifferer der grossen Inschrift zu Beliistun, auf seiner Durchreise zu Wien im k. k. Münz- und^Anti e
Cabinette den 15. December 1849 den grössten babylonischen Ziegel desselben S. 43. Der zweite S. 52, Ni.
ihm ähnlich, nur steht statt Babylon zweimal Shinar, und der Schluss ist ausgelassen.
) Merkwürdig ist ein Brief des Herrn Isidor Löwenstern in Galignani’s Messenger Nr. 10.936, der Sich das Verdienst
Prof. Gr olefend zuerst auf diese Methode Keilschrift zu lesen aufmerksam gemacht zu haben.
75
Und doch wäre dieses möglich gewesen, wenn man
gleich anfangs die inhaltreichen Schriften, womit Kopf und
Brust bedeckt waren, genauer untersucht oder wenigstens de
ren Verschleppen verhindert hätte. Denn keines der später
aufgefundenen Exemplare war weder so gut erhalten, noch so
reich mit Schriften begabt, als dieses.
Gegen Ende des Jahres 1845 hiess es, die Araber hätten
eine Gruft aufgeräumt, in der mehrere Ochsenmumien sich be
fanden, wofür sie Käufer in Kairo suchten.
Am 21. Jänner 1846 begab ich mich mit dem Eigenthü-
mer der Gruft Navaga Mssara nach dem nächst den Pyramiden
gelegenen Dorfe Abu Osiris oder Abusir. Wir ritten an der
Staffelpyramide vorbei gegen Norden, und fanden nach einem
Ritte von etwa 10 Minuten mehrere Fellah, die auf uns warteten,
um uns den Fund zu zeigen und wo möglich bestens zu ver
kaufen.
Der Platz befindet sich mitten unter einer Anzahl kleiner
mitunter gut erhaltener Pyramiden, dort reiht sich eine Gruft
an die andere. Fürsten, Oberpriester, Minister, Feldherren sind
hier theils in Pyramiden, theils in tiefliegenden Stollen, theils
in oberflächlich liegenden Grüften und Gräbern auf das sorg
fältigste begraben worden. Nunmehr ist der Raum so aufge
wühlt, dass man mit der grössten Mühe durch die schmalen
Stege und über die Erdhaufen und mit beständiger Besorgniss
in einen Schacht zu fallen, vvegkommt. Grausenerregend sind
die Haufen von Menschenschädeln, Gebeinen, Mumiengut und
von zerschlagenen Särgen von Holz und von Stein, die die
Habsucht der Araber auf demselben ausgestreut hat, und die
ehedem kostbar verwahrt, nun aber vom. Winde hin und her
getrieben, und von Menschen und Thieren zertreten werden.
Mitten unter diesen Trümmern sind 2 Schachte von 40
Fuss ins Gevierte und 36 bis 40 Fuss Tiefe aufgedeckt wor
den, woraus man von 50 bis 55° Länge in westlicher Richtung
auf getriebene Stollen gelangt. Diese sind 8° hoch und 6° breit.
Links und rechts befinden sich Nischen von 4° Breite, 6—7° Länge
und 5Vs° Höhe. In jeder dieser Nischen befindet sich eine Och
senmumie, die beiläufig so aussieht, wie die oben beschrie
bene.
76
Alle sind mit dem Gesichte dem Stollenwegc zugekehrt,
und gewähren mit den glänzenden Glasaugen und den mannig
faltig aufgeputzten Hörnern einen eigenen Anblick.
Die, welche ich da zu sehen bekam, waren nur spärlich
mit Figuren, Papyrus u. s. w. versehen. Ich suchte die schö
neren aus, die dann augenblicklich hinaus gefördert wurden.
Beide Schachte habe ich mehrere Stunden aufmerksam
betrachtet. Nirgends war ein Zeichen über die Bedeutung der
selben zu finden. Die Thiere trugen manche Spur an sich, die
dahin gedeutet werden könnte, als wären es solche, die dem
Apis geopfert vvaren. Allein man weiss, dass die Opferthiere
theils verbrannt, theils in den Nil getragen wurden. Der zwi
schen den Hörnern äufgerichtete Diskus, die ehrerbiethige Hal
tung der an der Brust und am Halse und mitunter selbst unter
der Einwicklung gefundenen Figuren scheinen zu besagen, dass
diese Thiere nicht nur aufs sorgfältigste gepflegt, sondern
über alles Irdische hoch geachtet wurden.
Ich muss bemerken, dass der Eingang in den Stollen mit
Ochsengerippen verrammelt, und dass bei dem einen, diese
Gerippe beinahe den ganzen Schacht ausfüllten, so dass um
den Saum desselben ein nicht unansehnlicher Hügel von Och
sengebeinen durch das Ausgraben sich gebildet hat.
Diese Gerippe waren nicht in Leinwand eingewickelt, son
dern im losen Zustande über einander geworfen.
Am Eingänge des Stollens fand ich ein verziertes Thor,
welches einige Tage nach meinem Besuche in Abusir die Be
duinen heraus gebrochen, und wohl erhalten nach Kairo ge
bracht hatten, und ausboten.
Ich füge eine Zeichnung des Thörleins bei. (S. Taf. I.)
Der Stein ist ein harter Kalkstein, die 2 Pilaster enthalten
ganz gleiche Zeichen die wenig nützen möchten, der Architrav
aber dürfte über dieses Gewölbe Aufschlüsse geben, und die
Lösung der Frage über die Bedeutung dieser Grüfte erleichtern.
Die Zeichen auf den Pilastern möchte ich auslegen, wie folgt:
1. Diener des Herrn (Vorstehers).
2. Geistlich (sacerdotium).
3. Aufenthaltsort.
4. Vorsteher.
77
5. Einfriedung.
6. Begriibniss-Saal.
Die Zeichen am Arcliitrav bedeuten:
7. Grosser Aufenthaltsort.
8. Wand.
9. Göttlich.
10. Geweiht.
11. Opfer.
12. Ist mir nicht verständlich.
Diese 3 Stücke, welche je 5« lang sind, so wie 3 Mumien
die aus dieser Gruft genommen worden sind, verehre ich dem
Antiken-Cabinette Sr. Majestät unsers Kaisers, und wünsche, dass
es unsern vaterländischen Archäologen gelingen möchte, die
Inschriften, die theils an den Mauern selbst und theils am eben
beschriebenen Eingangsthore sich befinden, zu entziffern, und
eine der Controversen zu entscheiden , oder wenigstens zu be
leuchten, über die weder Herodot noch irgend ein bekannter
Schriftsteller sich deutlich ausgesprochen hat.
Derselbe beginnt seinen Bericht über die von Herrn
Dr. Kandier der Akademie zugesandten Werke:
Meine Herren!
Bevor ich meinen Bericht über genannte Werke erstatte,
bitte ich Sie, mir zu erlauben, einen Augenblick bei zwei Män
nern verweilen zu dürfen, die mehr oder minder deutlich auf
alle jüngeren archäologischen und historischen Leistungen, und
somit auch auf den Herrn Einsender grossen Einfluss ausgeübt
haben.
Beide waren Oesterreicher: Joseph Eck hei und Franz
Kurz. — Gesetzgeber in der antiken Numismatik, diesem wich
tigen Theile der gesammten Archäologie, war Joseph Hilarius
E c k h e 1. Durch diesen Mann und sein System ist Oesterreich
die Ehre widerfahren, dass sich alle wissenschaftlichen Anstal
ten in Italien, Frankreich, Spanien, England, in ganz Deutsch
land, Dänemark, Schweden, Russland nach einem Oesterreicher
richteten; Eckhel gehört gewiss zu den hervorragendsten Män-
78
nern der gesammten Literatur und zu den würdigsten Reprä
sentanten der österreichischen insbesondere. — Das ausgezeich
netste Werk dieses Gelehrten ist bekanntlich die: „Doctrina
numoruni veterum.” 8 Bde. 4. Vindob. 1792—1798.
Wenn schon nicht diesen grossen Namen, doch einen sehr
rühmlichen erwarb sich ein anderer Oesterreicher: Franz
Kurz. Dieser Gelehrte beendete einen Cyclus von historischen
Arbeiten, durch den er Licht in das dunkle Gebiet unserer Ge
schichte vom 13. bis in’s 16. Jahrhundert brachte, das heisst:
von Rudolph I. bis Maximilian I. Er gab 15 Bände über die
Geschichte dieses Zeitraumes heraus, denen er noch 6, sowohl
über frühere als spätere Begebenheiten hinzufügte. Er nannte
sie immer, meines Erachtens, mit vollem Rechte: Oesterreich
unter Albrecht, — Friedrich dem Schönen u. s. f., denn sie wa
ren die Träger des damaligen politischen Systems. Kurz gab
diesen Arbeiten noch: Oesterreichs Handel und Militärverfassung
bei; nur die kirchliche ist noch ungedruckt; es bliebe demnach
noch immer eine Rechts- und Kunstgeschichte zu verfassen. »
Kurz war eben so in den Classikern Griechenlands und Roms,
wie in den Chroniken und Urkunden des Mittelalters erfahren.
Dabei war er ein mit Wohllaut begabter Sänger und Schüler
Albrechtsberger’s im Generalbasse, als Schulmann und Pfarrer
eben so ausgezeichnet, wie als Gelehrter. Kurz war geboren den
2. Juli 1771, und starb den 12. April 1843. Der Geistliche, der
Soldat, der Gelehrte, der Bauer und der Taglöhner denken
noch mit Vergnügen an den schönen, freundlichen Mann, der voll
Patriotismus Jeden Beispiele der religiösen, heroischen Auf
opferung für Fürst und Vaterland, der echten Gelehrsamkeit, der
häuslichen Tugend auf das einnehmendste lehrte. Er kannte
keinen andern Ehrgeiz, als den, seine Pflicht als Patriot, Geist
licher und Gelehrter zu erfüllen; sein Vaterland und das Stift,
dem er angehörte, liebte er über Alles. ►
Nun gehe ich vom Ister zu Istrien über und versuche, Ihnen
einige Arbeiten über dieses so merkwürdige Land zu schildern.
Die Werke des Herrn Kandier, über die zu berichten Sie
mir den Auftrag ertheilt haben, ziehen in den zwei von eben ge
nannten Männern mit so viel Ruhm bebauten Richtungen unsere
Aufmerksamkeit auf sich, in archäologischer und historischer.
79
In den Reisebemerkungen von Vindobona über Tergeste
nach Salona im Jahre 1846, welchen Sie die Ehre erwiesen,
sie in den Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften
Bd. I. abdrucken zu lassen, sagte ich:
„Zwei Männer haben um die Archäologie, nicht nur Ter-
geste’s, sondern auch Istriens , und selbst noch weiter grosse
Verdienste; es sind dies: der verstorbene Dr. Rossetti und
der no;ch lebende Dr. Kandier. In den Händen dieses Mannes
ist nicht nur jedes Monument geborgen, sondern auch seiner
gelehrten Erläuterung sicher. Ihm ist jede Inschrift, welche auf
Istrien Bezug hat, sei sie zu Tergeste, in Venedig, wohin so
viele gebracht wurden, in ganz Istrien bekannt; er hat die
schönsten Monographien über das römische und mittelalterliche
Istrien — ich hätte auch hinzusetzen sollen: Triest — thcils
schon beendiget, theils vorbereitet. Dr. Kandier hat nicht
nur manche Inschrift kenntnisreich beschrieben und herausge
geben, er hat Monumente entdeckt, ausgegraben, entweder auf
» seine Kosten, oder auf die mehrerer Privaten, die er für den
Zweck der Archäologie zu gewinnen wusste, gerettet und zu
Tage gefördert. Er hat auch junge Männer für diese Studien
zu gewinnen gewusst, die mit ihm vereinigt Nachforschungen
nach Überbleibseln von einer Art römischer Telegraphen an
stellen und in ganz Istrien schon häufig aufgefunden haben.
Dieser Theil der Monarchie ist in archäologischer und geschicht
licher Beziehung gewiss in sehr guten Händen” 1 ).
Eine Anzeige der von Herrn Dr. Kandier der Akademie ein
geschickten Werke dürfte geeignet sein, obige im J. 1846 nieder
geschriebene Aeusserung mit glänzenden Beweisen zu belegen.
Erstens über Istrien, zweitens über Triest.
*) Eine ähnliche Aeusserung findet sich eben im Abendblatte der Wiener-
Zeitung vom 17. Jänner 1850. Nr. 15 (von Hm. Ritter v. Heufier zu
Rasen): „Der Geschichtsforscher Dr. P. Kandier in Triest, der über
fall, wo er das geographische Gebiet betritt, jenes im Einzelnen scharf
blickende, immer auch den tiefem Zusammenhang ahnende Beobachtungs-
„talent verräth, welches die echte Weihe auch des Naturforschers ist,
„hat Istrien sehr sinnreich in das weisse und rothe eingetheilt: das weisse,
„so weit die Sandstein-Formalion, das rothe, so weit im Stufenlande die
,,Kreide-Formation reicht.”
80
Cassiodorus, Geheimschreiber und erster Beamter des
Ostgothen Theodorich, f 575, schildert im sechsten Jahrhun
derte des XII. Buches im 22. Briefe Istrien folgendermassen:
Commeantium igitnr attestatione didicimus Istriam provinciam ma-
tribus egregiis fructibus sub laude nominatam, divino munere gra-
vidam, vini, olei, vel tritici praesenti anno foecunditate gratulari.
Est enim proxima vobis regio supra sinum maris Jonii constituta,
olivis referta, segetibus ornata, vite copiosa : ubi quasi tribus ube-
ribus, egregia ubertate largitis, omnis fructus optabili foecunditate
profluxit. Quae non immerito dicitur Ravennae Campania, urbis re-
giae cella penaria, voluptuosa nimis etdelitiosa digressio, fruitur in
Septentrione progressa, coeli admiranda temperie. Habet et quas-
dam non absurde dixerim, Baias suas, ubi undosum mare terrenas
concavitates ingrediens in faciem decoram stagniaequalitate deponi-
tur. Haec loca et garismatia — Salme — plura nutriunt, et piscium
ubertate gloriantur. Avernus ibi non unus est. Numerosae conspici-
untur piscinae Neptuniae; quibiis, e.tiam cessante industria, passim
ostrea nascuntur invisa. Sic nec Studium in nutriendis, nec dubie-
tas in capiendis probatur esse delitiis. Praetoria longe, lateque lu-
centia in margaritarum speciem putes esse disposita . . . Additur
etiam illi litori ordo pulcherrimus insularum, qui amabili utilitate
dispositus, et a periculis vindicat naves, et ditat magna ubertate
cultores .... Italiae ornat Imperium, primates deliciis, medio-
cres victualium pascit expensis: etc. etc.”
Die von Herrn Kandier herausgegebenen Werke sind fol
gende :
I. L’Istria, Poema latino di Andrea Rapicio *) Vescovo di
Trieste. Pavia 1826. — Andreae Rapicii Jurisconsulti Tergestini
Histria ad Sigismundum Herberstanium. Viennae Calendis Augu-
sti. 1556.
Dieses Gedicht, das meines Erachtens sowohl durch sei
nen Verfasser als durch den seltenen Mann, an den es gerichtet ist,
ein grosses Verdienst hat, beschreibt sehr anschaulich den Zustand
1 ) Rapicius, ajis der Familie Rapicia, Ravizza hat vermuthlich in Padua studiert,
ging nach Wien, wurde Secretarius Kaiser Maximilians II., 1567 Bischof
von Triest, wo er am Gifte starb 1673, weil er sich bemühte, die Zwistig
keiten der Bürger zu schlichten.
8t
Istriens im sechzehnten Jahrhunderte; es war gewiss ein lo
benswertes Unternehmen es herauszugeben.
Rapicius redet unter andern Herberstein folgender-
massen an:
Tuque adeo decus Aonidum SISMUNDE sororum
Ardua cui rerum series est credita, si te
Nunc sinit ingenti curarum mole quiere
Rex pius, et paulum ad dulces secedere Musas
Ne nostros contemne orsus, ne despice Vatem
Ausonium, tibi qui studiis se se Omnibus offert,
Scilicet ipso tuo perfusus numine dicam
Et patriae terrae laudes , et pinguia culta,
Histrorumque urbes , divini et munera ruris.
Dann beschreibt er Triest und seine merkwürdige Lage
und nach einer schönen Wendung und Lob auf König Ferdi
nand, seinen Krieg gegen die Türken, die aufkeimende Ruhe
von Ungarn, kehrt er wieder nach Triest, beschwört die Bür
ger , sich nicht mehr gegenseitig zu bekriegen, sondern ihre
Kräfte gegen die Türken, die Feinde des christlichen Namens
zu wenden, und führt zur Warnung das Beispiel von Rom an,
indem er sagt:
Roma vetus, tum te rexit malesana juventus,
Ria tui quondam Majestas nominis in se
Concidit, Imperiumque potens , nomenque, decusque
Defunctis Patribus paulatim cessit et inde
Dispariit, nulla ut vestigia prisca supersint,
Scilicet infestis volitans Discordia pennis,
Eruere una potest dominas a stirpibus urbes.
Hierauf beschreibt Rapicius die Stadt Muggia, lobt den
Arzt Anton Robba, schildert den langsam schleichenden Bach
Risano, das durch Krankheit verheerte Capo d’Istria — griechisch
Aegida, lateinisch Justinopolis, wo er seine Studien anling —■
ferner Isola, Pirano, Umago:
Sunt prope vitiferi porrecto in litore Humagi
Iugera
Apparent celsi mox culmina pulchra Parenti.
Auch Rovigno wird mit lebhaften Farben gemalt, und dann Pola:
Quid memorem abruptas moles, aequataque coclo
Culmina , ubi antiquae lucent miracula Polac ?
Desine Roma tuos nobis ostendere coiles
Convexos Regumque arcus , et stagna Neronis
Sit7,b. cl. philos. histor. Ci. Jahrg. 1850. I. Heft. G
82
Hic efiam Pariis fulgent erecta columnis
Templa Deum longe priscos superantia honores
Tum vero praeclarum, ingcns, memorabile Arenae
Juli opus, et veterum passim monumenta parentum.
Nachdem Rapicius noch die Weinrebenhügel von Buje
und Monton, den Gouverneur von Istrien Gradenigo geloht
hatte, bedauert er nicht in diesem Lande leben zu können:
istos
Linquere agros, quibus est toto nihil pulchrius orbe,
und beschliesst folgendervveise sein Gedicht:
Felices igitur colles , iterumque beati,
Quos dulees zephiri quos suavis spiritus aurae,
£t nemus umbrosum, atque avium certamina cingunt.
Non mihi contingat, quidquid fovet aurea ditis
Unda Tagi, non divitiae non fama Cylippi
Sit potior, non optarim mihi Lydia regna ,
Ripheosve greges aut fulvi munera Gangis.
Ultima sed vestris me vallibus occupet aetas ;
Hic ubi (dum vestros Proavi eoluistis amores)
Venturam placuit per saecula longa senectum
Ducere, et optatae concludere gaudia vitae.
II. Geografia antica — der Gegend um Triest l ). Der Ver
fasser nennt die ersten Bewohner Kelten und beschreibt die
Grenzen des von diesem Volke bewohnten Landes um Triest,
und zieht einen Kreis von der Kerka an die Culpa, von da auf
die Höhen von Lienz, das Venetianische bis an die Etsch. Unter
diesem Hauptvolke gab es jedoch andere Stämme, die wie Han-
delsfactoreien den Flüssen und Meeren nachzogen, so die Thra-
kier vom Ausflusse des Ister Stromaufwärts, dann in die Save
einbiegend und bis zum Ursprung verfolgend nach Laibach ka
men, von da südlich auf einem hohen Berg das adriatische Meer
erblickend, diesem zuzogen, und auf der Halbinsel zwischen
dem Meerbusen von Triest und Fiume niederlassend , ihr vom
heimischen Strome den Namen Istrien gaben. Hierauf bestimmt
Kandier die Wohnsitze der Varbari, Quarqueni, Alatrenses,
Arseriates, Beruenses, Flaemonienses, Feltrini oder Fertini, Fo-
retani, Taurisani, Fannienses, Culici und der Fannienses allein;
ferner der Forojulienses, Nediates , Togienses, Monocaleni,
*) Triest 1849.
83
Catali, Subocrini, Secusses; er macht die richtige Bemerkung,
dass die Städte immer an den Ausgängen der Thäler liegen,
um diese gegen eindringende Feinde zu schützen, oder auch die
Flächen vor den Einfällen der Gebirgsbewohner zu bewahren,
so Ceneta, Acelum, Vicetia, Ateste, Atina, Cellina, Julium Car-
nieuin, Aventio, Glemona, Ocra, Segeste.
Kandier hält Tergeste, Egida, Pirano, Emona, Parention,
Pola, Nesaction für Städte der Thrakier; — Muggia, Umago,
Buje, Montona, Pinquente, Pisino, Pedena, Rovigno, Orsera für
Städte der Kelten.
Der Verfasser bespricht dann in Kärnthen: Virunum, die
Städte der Sevaten und Laianker auf der Inschrift zu Cividale;
er gesteht von den Kelten selbst Spuren von Mauern, Metall
arbeiten oder Inschriften in ihrer Sprache nie gesehen zu ha
ben ; alles, was man häufig findet, ist römisch, und zwar aus
den Zeiten der Kaiser.
„Bensi per l’autoritä del Canciani, del Bertoli e di viventi,
seppi che intorno ad Udine, intorno ad Mereto, intorno a Poz-
zuoli, vi avevano o vi hanno ancora tumuli conici di terra, fre-
quenti, alti da due passi geometrici fino a 6 tesi viennesi, che
gli abitanti dicono Tomhe e le sono diffati, dacche nel disfarli
per avverne terriccio vi si rinvennero vasi funerari. Non e che
io pensi essere queste opere fatte in tempi antecedenti all' im-
pero romano , furono coetanee agli altri monumenti che abbon-
dano; rna i Celti avevano conservato le pratiche ed i costumi
dei loro maggiori, e li esercitavano anche durante 1’ impero di
Roma.” Ich freue mich sehr mit diesem practischen Geographen
und Archäologen gleiche Meinung zu haben, denn schon lange
sprach ich sie aus , indem ieh die Behauptung aufstellte, so
viele in der Monarchie aufgefundene Bronzen, andere Utensi
lien seien nicht vorrömisch, sondern der Herrschaft derselben
gleichzeitig.
Die Gedanken der Gegenwart haben jedoch einen so mäch
tigen Einfluss selbst in die ernstesten, von der Gegenwart, wie
man glauben sollte, abgezogensten Untersuchungen. Zur Zeit
der unangefochtenen Existenz der grossen Reiche fand man überall
nur Spuren der grossen römischen Weltmonarchie; seit das
Wort Nationalität, was, grammatikalisch genommen, gewiss kein
6 *
84
classisches ist, entweder selbst so viel Verwirrung in die Welt
gebracht hat, oder zum Deckmantel diente, seitdem haben seihst
die Wissenschaften, die, wie man glauben sollte, politischem
Treiben am entferntesten sind, ihrem Einflüsse nicht widerstan
den. Man setzt Monumente in Zeiten aus denen es keine gibt,
besonders der Sprachzwang übte unerhörte Gewalt: — anstatt
unter der Fahne der Humanität — auch grammatikalisch genom
men ein sehr gutes Wort — vorwärts zu streben, gingen so viele
unter jener der Nationalität rückwärts, und gar manche suchten
im Nebel der Vergangenheit irgend etwas zu Erreichendes als
Ziel, das nach ihrer Individualität ihnen am meisten zusagte;
anstatt einzusehen, dass die grössten Wohlthaten aus der Ver
einigung der Menschen zu grossen edlen Zwecken entspringen,
wurde alles versucht, um sie zu trennen; statt dass sie sich
gegenseitig Hilfe leisteten, bekämpften sie sich. Wir haben kei
nen klaren Begriff von dem Wirken der keltischen Stämme, aber
w T ohl haben wir einen von dem grossartigen der römischen Herr
schaft, der allerdings noch viel zu wünschen übrig blieb, das ist
der christliche Staat, dieser ist die Vollendung des römischen,
wie das neue Testament des alten. So viel ist gewiss, und so
viel mir bekannt, von Niemand bestritten, die grösste Woblthat
des menschlichen Geschlechtes; die christliche Lehre würde nicht
so schnellen Eingang gefunden haben, wäre der grösste Theil
der damals bekannten Welt nicht in Ein grosses Reich vereiniget
gewesen, und hätten mehr als zwei Sprachen allgemeine Ver
breitung gehabt.
Nach einer unwillkürlichen Disgression kehre ich wieder nach
Istrien zurück, und schliesse mit den Worten des Verfassers:
,,L’ Istria ridotta che fu in provincia nella terza spedizione avve-
nuta nel 128 avanti. G. C., fece corpo da se, e questa pure
fu presidiata con quelle medesime massime con cui fu munita la
Venezia. Una strada corse per tutto il Litorale da Aquileja a
Pola, da Pola correva diritta al Monte Maggiore per venire alle
alture di Fiume. Da parte di terra da Aquileja correva una via
lungo la valle de Vipacco fino all’ altipiano di Adelsberg. Da
questo per la valle della Piuka fino a Fiume. Questo era contro
PIstria; contro i nemici esterni fu alzata una muraglia a torri
che dalle alture di Oberlaybach andava a Fiume. Due colonie alle
i
85
due estremitä della provincia, Trieste e Pola la coutenevano; l’in-
terno tutto fu presidiato da fortificazioni, Pola si riteneva cittä
principale. II Preside di altra provincia era contemporancamente
Preside dell’ Istria, perö questa ebbe, coma sospettiamo , altro
Magistrato subalterno, ebbe procuratore proprio. Durante le
guerre civili le due colonie di Trieste e di Pola ebbero novelli
coloni, colonie furono condotte in Capodistria , in Parenzo, in
Emona, in Pirano, e nell 1 interno.”
Herr Kandier hat sehr gut geschriebene Monographien
über die wichtigsten Städte Istriens seiner Sendung beigegeben.
III. Cenni dl Forestiero che visita Pola. Trieste 1845.
Mit Recht behandelt der Verfasser diese Stadt mit besonde
rer Vorliebe, denn es gibt nicht bald irgendwo ein köstlicheres
Kleinod, so bedeutsam ragt diese Stadt hervor durch ihre Geschicke
in der römischen Welt, durch ihre römischen Monumente, den
Tempel der Roma und des Augustus, durch das Ainphietheater,
durch das Monument der Sergier. Ein jedes dieser Monumente
allein würde hinreichen, einer Stadt unglaublichen Ruhm zu verlei
hen; hier sind sie vereint, und es ist schwer Zusagen, welchem
von den dreien der Vorzug einzuräumen. Meine Herren! es gehört
das Ueberschätzen alles Ausländischen dazu, von welchem wir, das
Militär abgerechnet, in allen Perioden unserer Geschichte, so trau
rige Belege finden, um nicht diese Stadt, zu einem der lehrreich
sten Excursions-Puncte von Wien aus zu machen.
Obschon ich den Tempel der Roma und des Augustus
schon zum Gegenstände einer etwas weitläufigeren Besprechung
in den Denkschriften gemacht habe, so scheint mir seine ungemeine
Wichtigkeit es noch zu fordern, abermals einige Worte darüber zu
sagen.
Die Monarchie besitzt im genannten Tempel eines der vor
trefflichsten Werke des Augusteischen Zeitalters an jener reizen
den Küste, die mit unserm »Strome nameusverwandt ist; auf dem
Frontispice war mit ehernen Buchstaben geschrieben :
ROMAE ET AVGVSTO C AE SARI DIVI F PATRI PATR TRIB POT
*) Tafel II. 1. Auf welcher Tafel auch noch der Kopf des Augustus nach
einer Silbermünze des k. k. Cabinettes, wie auch der Capricornus unter
3 und 3 gestochen sind.
)
86
Aus den vielen zu diesem Zwecke errichteten Tempeln sind
theils einige in Ruinen noch übrig, wie zu Ancyra *) in Galatien
und zu Mylasa ') in Carien; andere haben uns Münzen aufbewahrt,
wie eine Münze von Klein-Asien, welche wahrscheinlich zu Perga-
mum in Jonien geprägt wurde 3 ), eine andere weiset den Tempel zu
Nicaea in ßithynien 4 ), eine dritte den zu Tarraco 5 ) in Spanien
nach, und den bloss durch Münzen in seiner Gestalt bekannten Altar
der gallischen Völkerschaften zu Lyon 0 ) zeigen die Münzen des
Augustus und Tiberius. Schon wegen der Seltenheit der noch vor
handenen Tempel ist die möglichste Vorsicht für Erhaltung von
dem zu Pola geboten. Ueber die Zeit der Erbauung desselben
stimmt Dr. Kandier mit mir überein 7 ), dass sie ungefähr in
das Jahr S nach Chr. Geb. falle.
Ausser dem Tempel ist in Pola noch das Amphitheater von
der seltensten Erhaltung seiner äussern Umfangsmauer, die
Porta aurata oder das Monument derSergier, gewiss eines der
schönsten Werke , das uns aus dem Alterthume übrig geblie
ben ist. Das Theater wurde von den Venetianern, weil sie das
Material zur Erbauung der Forts nahmen, fast ganz zerstört.
Sehr lehrreich sind die zwei abgedruckten Dialoge über die Al-
terthümer von Pola vom Jahre 1600, wovon das Original in der
Marciana zu Venedig ist, und eine andere Abhandlung : „Sulla
mal’ aria dell’ Istria. S. 143 —153, die mir so gut scheint, dass
sie eine Uebersetzung verdiente, um die Einwohner von der
Furcht vor derselben zu befreien, und die Auswärtigen aber
nicht von der Einwanderung abzuschrecken.
Ausser den römischen Monumenten verdienen jedoch die
mittelalterlichen eben so sehr unsere Aufmerksamkeit, insbeson
dere der Dom und die Kirche des h. Franciscus.
Jedoch schöner und merkwürdiger, als alle Werke der
Kunst sind die der Natur, welche diesen prächtigen Hafen ge-
!) Tafel III. 1.
2 ) Tafel III. 2.
3 ) Tafel II. III. 3.
'•) Tafel III. 4.
5 ) Tafel 111. 6.
“) Tafel III. 5.
7 ) L’ Istria. 1S49. nr. 47. p. 187—188.
87
schaffen hat, und den Berg, der ihn absperrt von den Stürmen
des adriatischen Meeres.
Obschon Dr. Kandier an Carli i), Cassas 3 ) vortreffliche
Vorarbeiter gehabt, so ist seine Schrift über Pola gewiss ein
sehr gut geschriebenes Compendium dieser höchst merkwürdi
gen Stadt, die immer mehr unsere Theilnahme, unsere Aufmerk
samkeit anregen wird.
Herr Kegierungsrath Chmel theilt die Protokolle des Ver
eins für siebenbürgische Landeskunde mit, und liest folgenden
Bericht des Herrn Prof. Schüller über die bisherigen Lei
stungen dieses Vereins:
Der Verein für siebenbürgische Landeskunde wurde am 8. Oc-
tober 1840 zu Mediasch gegründet, und hat theils die Unterstüt
zung von Forschungen in allen Zweigen der Kunde Siebenbürgens,
theils Ausarbeitungen über Gegenstände derselben und ihre Ver
öffentlichung durch den Druck zu seinem Zwecke. Mitglied des
Vereins ist jeder, welcher für diesen Zweck durch einen jährlichen
Geldbeitrag von wenigstens zwei Gulden C. M., oder auch zugleich
durch wissenschaftliche Einsendungen und Ausarbeitungen mit
wirkt. Ausser den wirklichen Mitgliedern hat der Verein auch
Ehrenmitglieder und correspondirende Mitglieder, welche von der
Generalversammlung ernannt werden.
Die Geschäfte des Vereins werden theils durch einen Vor
steher, theils durch einen Ausschuss, theils endlich durch die Ge
neralversammlung geleitet. Der Vorsteher wird von der General
versammlung lebenslänglich gewählt und ist gegenwärtig der Ge
heimrath und Ober-Landescommissär von Siebenbürgen Joseph
Bedeus von Scharberg. Er führt den Vorsitz in den Generalver
sammlungen, überwacht die Thätigkeit des Ausschusses, repräsen-
tirt den Verein, und verfügt ausser den Generalversammlungen im
Namen desselben. Der Ausschuss besteht gegenwärtig aus 24 von
der Generalversammlung auf je fünf Jahre gewählten Mitgliedern,
und leitet theils unmittelbar in periodischen Sitzungen, theils mit-
Antichitä Italiche. Milano 1788—1790. 4 Bd. 4.
') Voyagc pittoresque et hislorique de l’Istrie et de la Dalmatie. Paris.
1802. Fol.
88
telbar durch den aus seiner Mitte gewählten Secretär und Cassier die
wissenschaftliche Thätigkeit und die ökonomische Verwaltung des
Vereins. So besorgt er auch namentlich die Prüfung der wissen
schaftlichen Einsendungen und die Redaction des in zwanglosen
Heften erscheinenden Archivs des Vereins für siebenbürgische Lan
deskunde. Die Generalversammlungen werden jährlich Donnerstag
nach Pfingsten von allen Vereinsmitgliedern, welche dieselbe besu
chen wollen, und zwar jedes Jahr an einem andern, von der nächst
vorhergegangenen Generalversammlung bestimmten Orte gehalten.
In ihnen werden die Protokolle des Vereinsausschusses und die
Jahresverrechnungen des Vereins vorgelesen und geprüft, die Wah
len des Vorstehers und des Ausschusses vorgenommen, wissen
schaftliche Vorträge von einzelnen Vereinsmitgliedern, welche diess
wünschen, gehalten, und durch sie wird endlich auch über die Art
und Weise der statutenmässigen Verwendung der Vereinsgelder zu
den von der Generalversammlung ausgesetzten Preisen, zur Beloh
nung anderer den Vereinszweck fördernden Werke, zur Bestreitung
anderer für nothwendig erachteten Ausgaben, und zur Bildung eines
Reservefondes verfügt. Gleichzeitig mit den Generalversammlungen
und am Orte derselben werden auch die Sitzungen der drei Sectio-
nen, welche die Mitglieder gebildet haben, der historischen, geo
graphisch-statistischen und naturhistorischen, gehalten.
Die Zahl der wirklichen Mitglieder des Vereins betrug im
Jahre 1847 nahe an 600, und das Vermögen desselben bestand
damals in 2943 fl. 41 kr. C. M.
Versuchen wir eine gedrängte Uebersicht desjenigen zu geben,
was der Verein für siebenbürgische Landeskunde seit dem Jahre
1842, wo er nach erfolgter Allerhöchster Bestätigung seine Thä
tigkeit begann, theils in den zu Schässburg, Kronstadt, Hermann
stadt, Bistriz, Mühlbach und Grosschenk gehaltenen Generalver
sammlungen, theils durch den Vereiusausschuss und den Vereins
vorstand geleistet hat, so verdienen folgende Puncte hervorgeho
ben zu werden:
I. Die durch Beschluss der Generalversammlungen bisher aus
geschriebenen Preisaufgaben sind:
a) Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das Volk, nach dem
Muster von Zschokke’s Schweizergcschichte für das Schwei
zervolk ;
89
b) Handbuch der Mineralogie Siebenbiirgen’s aus dem geognosti-
schen Standpuncte;
c) Regesten über die bereits vollständig oder auch nur theilweise her
ausgegebenen Siebenbürgen betreffenden Urkunden bis zum Jahre
1300 nach dem Vorbilde von Chmel’s Arbeiten in diesemFache;
d) Fortsetzung dieser Regesten bis zum Jahre 1526;
e) Fauna der Wirbelthiere Siebenbürgens ;
f) Monographie eines siebenbürgischcn Comitates, Districtes oder
Stuhles, oder auch eines einzelnen kleinen Rczirkes;
g) Geschichte der Union der drei ständischen Nationen Sieben
bürgens, ihrer Ursachen und ihrer Folgen;
h) „Flora Transilvaniae excursoria.”
Ausser diesen von dem Gesanuntvereine ausgeschriebenen
Preisaufgaben sind bisher von einzelnen Vereinsgliedern mittelst
des Vereinsausschusses und der Generalversammlung noch zwei
Preise ausgesetzt worden:
a) für eine siebenbürgische Rechtsgeschichte in der Regierungs
periode des arpadischen Mannsstammes, von den in Wien an-
gestellten Vereinsmitgliedern Andreas von Conrad, Ludwig
von Rosenfeld, Freiherrn Karl Geringer und Franz Conrad
ein Preis von 200 fl. C. M.
b) für eine historisch-topographische Beschreibung des Mühlba
cher Stuhles von dem ev. Stadtpfarrer von Mühlbach Joseph
Filtsch ein Preis von 50 fl. C. M.
Von diesen Preisaufgaben sind bisher folgende gelöst und von
dem Vereine gekrönt worden:
a) Handbuch der Mineralogie Siebenbürgens aus dem geognosti-
schen Standpuncte, von M. Ackner ev. Pfarrer zu Hammers
dorf bei Hermannstadt. Erscheint bei Steinhausser in Her
mannstadt, und hat den Hauptpreis erhalten;
b) Regesten der bereits vollständig oder auch nur theilweise her
ausgegebenen Siebenbürgen betreffenden Urkunden, unter
dem Titel: „Tentamen indicis diplomatici publici” lateinisch
bearbeitet von Carl Neugeboren, Magistratsrath in Hermann
stadt. Erhielt das Accessit und ist als Anhang zu einigen Hef
ten des Vereinsarchivs abgedruckt worden;
c) Monographie des Mediascher Stuhles, von dem ev. Gymnasial
lehrer Andreas Gruscr in Mediasch. Erhielt das Accessit.
90
Die Prüfung und Erledigung mehrerer anderer dem Vereins-
ausschusse bis zu Anfang des Jahres 1848 eingereichten Preis
arbeiten wurden durch die bald darauf beginnenden Unruhen,
welche für eine sehr lange Zeit alles wissenschaftliche Leben
gelähmt haben, verhindert.
II. Auf Kosten des Vereins sind bisher folgende Werke her
ausgegeben worden :
1. „Chronicon Fuclisio — Lupino — Oltardianum.” Die Redaction
dieses in zwei Bänden 4 to bei Gott in Kronstadt erschienenen
Werkes hat der dasige Magistratsrath Joseph Trausch besorgt.
2. Der vierte Band der von dem verstorbenen Schässburger
Kreisärzte, Dr. Baunigarten, herausgegebenen Flora von Sie
benbürgen (Enumeratio stirpium etc. Wien bei Camesina).
Er enthält die von Baumgarten ausgearbeiteten Kryptoga
men, dann den Index des gesammten Werkes und endlich
eine „Mantissa plantarum phanerogamarum.” (Hermannstadt
bei Steinhausser). Die Redaction und Ergänzung des Baum-
garten’schen Nachlasses hat der Professor am ev. Gymna
sium in Hermannstadt, M. Fuss , besorgt.
Die von dem Vereine angeordnete und dem ev. Conrector am
ev. Gymnasium zu Schässburg, Georg Teutsch, übertragene Bear
beitung des von seinen Verfassern benannten „Codex Krausio —
Kelpianus” ist durch die Wirren der beiden letzten Jahre ins
Stocken gerathen. So auch die Herausgabe eines Sammelwerkes,
welches alle in inländischen und ausländischen Schriften zer
streuten kleineren Aufsätze zur siebenbürgischen Landeskunde
enthalten und im Aufträge des Vereins von dessen Secretär
J. Benigni von Mildenberg angelegt und redigirt werden sollte.
Aus gleichen Gründen ist endlich auch die von dem Vereine
beschlossene Herausgabe einer von dem Professor am ev. Gym
nasium in Schässburg entworfenen siebenbüi’gisch - deutschen
Sprachkarte bisher unterblieben.
III. Aus dem Vereinsvermögen wurden im Sinne der Statu len :
a) Dem Verfasser des bei Gott in Kronstadt erschienenen Wer
kes : „Die Sachsen in Siebenbürgen nach ihrem Herkommen
und Character beschrieben,” Martin Schnell, eine Gcldunter-
stützung;
91
b) dein Verfasser der daselbst erschienenen Geschichte des
Kronstädter Gymnasiums , Jos. Duck, als Zeichen der Aner
kennung ihres Werthes ein Honorar zuerkannt;
c) Jedem der fünf akademischen Gymnasien des Sachsenlandes
ein von dem Pfarrer M. Ackner angelegtes instruclives geo-
gnostisches Cabinet nebst einer dazu gehörigen von demselben
entworfenen geognostischen Karte von Siebenbürgen ange-
schaift;
d) Ausgrabungen an einigen Orten, wo sich Ueberreste der
Vorzeit finden, veranstaltet.
IV. Das Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde
schliesst sich an das von dem Professor am ev. Gymnasium in
Hermannstadt begonnene Archiv für die Kunde von Siebenbürgen’s
Vorzeit und Gegenwart an , und es sind von demselben bisher
drei Bände (der Band zu drei Heften) erschienen. Die Bereit
willigkeit, mit welcher jede der vier deutschen Buchdruckereien
im Sachsenlande den unentgeltlichen Druck eines Heftes übernahm
► und besorgte , verdient ehrende Erwähnung.
V. Die Herausgabe eines siebenbürgischen Urkundenbuches
ist von dem Vereinsausschusse gleich in den ersten Jahren bean
tragt worden, und hat die wärmste Unterstützung der Ge
neralversammlung gefunden. Bei dem grossen Umfange und den
bedeutenden Schwierigkeiten dieser Aufgabe , und bei den ver-
hältnissmässig geringen Geldmitteln des Vereins konnten indes
sen bisher nur die Vorarbeiten dazu begonnen werden. Nament
lich hat sich der Vereinsausschuss darauf beschränkt durch an-
gekniipfte Verbindungen mit dazu geeigneten Männern des Sach
senlandes die Aufsuchung und Copirung der vorhandenen Urkun
den einzuleiten, ausserdem aber auch selbst unter der Leitung
des Professors an dem ev. Gymnasium in Hermannstadt, Carl
Schwarz, Abschriften machen zu lassen. So ist der Verein ge-
» genwärtig in dem Besitz von mehr als 3000 Copien von Urkun
den, von welchen die meisten den reichen diplomatischen Samm
lungen der beiden Ausschussmitglieder, des Grafen Jos. Kemeny
und Pfarrers M. Reschner, entnommen sind.
Dieses sind die Hauptmomente aus dem bisherigen Wirken
des Vereins für siebenbürgische Landeskunde. Wer die masslosen
Schwierigkeiten, mit denen das literarische Leben in Sieben-
92
bürgen zu ringen hat, kennt, der wird seinen Leistungen, wie
unbedeutend sie auch Manchem erscheinen mögen, seine Aner
kennung nicht versagen und wünschen, dass die durch die ver-
hängnissvollen Schicksale Siebenbürgens in den beiden letzten
Jahren ganz unterbrochene Thätigkeit desselben bald wieder be
ginne und sich immer mehr kräftige und erweitere. Auch ist kein
Zweifel, dass dieses geschehen werde. In der Ausschuss-Sitzung
vom 5. December v. J. hat sich der Verein neu constituirt; von
allen Seiten wird das Wiederaufleben desselben verlangt, und
die huldvolle Theilnahme, womit ihn die kaiserliche Akademie
unlängst beehrte, hat den Muth das begonnene Werk rüstig fort
zusetzen in begeisternder Weise erhöht. Dazu ist endlich auch
eine Vermehrung seiner Mittel für die Zukunft mit Grund zu
hoffen. In der Idee und dem Wunsche seiner ersten Gründer und
Pfleger lag es für einen so viel umfassenden Zweck, als die Kunde
des höchst interessanten und wenig durchforschten Siebenbür
gens ist, alle Vaterlandsfreunde, welche dabei mitwirken könn
ten, zu vereinigen. Da begannen die nationalen Zerwürfnisse;
der von Deutschen gestiftete Verein blieb eine fast ausschliesslich
deutsche Verbindung. Ist aber einmal der politische Neubau
Siebenbürgens im Geiste der Verfassung vom 4. März 1849
vollendet, dann werden allmälig alle Quellen des Unfriedens in
dem armen Lande versiegen und das gemeinsame Interesse aller
Freunde des gemeinsamen Vaterlandes wird alle zu grossartigem
Zusammenwirken für siebenbürgische Landeskunde vereinigen.
Dann wird wohl auch ein künftiger Biograph des Vereins gross
artigere Leistungen von ihm berichten können, als diess gegen
wärtig möglich gewesen.
Herr Dr. Goldenthal erstattet Bericht über das Buch
„Akedah von R. Isak Arama”, neu aufgelegt und mit Anmerkun
gen versehen vom Rabbiner Chajim Joseph Pollak; so wie über
die von Dr. J. Kaempf deutsch bearbeiteten zwei ersten Makamen
aus dem Buche „Tachkemoni des R. Jehuda Alcharisi”.
Arama und Alcharisi, zwei Zierden rabbinisch-wissen
schaftlicher Literatur, ernste Aufklärer und Bildner ihres Volkes,
tüchtige Vorkämpfer für Wissenschaft und Kenntniss, für Kunst und
93
Poesie! Beide aus dem blühenden Zeitalter jüdisch-geistigen Stec
hens, der Eine gerade in der Mitte, der Andere nahe dem Verfalle
desselben; doch Beide gleich ergriffen und durchschüttert vom
wehenden Odem jenes erhabenen Geistes, jenes Geistes achter
Menschlichkeit, Bildung und Sitte, der nur einer Zeit innezuwoh
nen pflegt, wo das Grosse, Edle und Erhabene den Sieg davon
trägt. Beide aus dem Zeitalter maurisch - spanischer Herrschaft,
wo das Judenthum zur Aufnahme arabisch-o-riechischer Bildung
o ö
seinen Kelch freiwillig aufschloss und der leuchtend erwärmenden
Sonne sich heiter und wohlgemuth zuwandte.
Beide Männer, deren Namen Klang im Judenthume haben,
deren Werke zu lesen und über sie zu sprechen, es noch nach
Jahrhunderten Nutzen und Vergnügen zugleich gewährt.
Der Eine, Rabbi Isak Arama aus Zamora in Spanien, blühte
gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, also kurz vor der Ver
treibung der Juden aus Spanien, die er auch mitgemacht haben
soll, war abwechselnd Rabbiner in den bedeutendsten Gemeinden
> Kataloniens nnd Aragoniens, und neben seinem Rabbinerthume auch
vorzüglicher Philosoph.
Vom Geiste der Aristotelischen Philosophie, welche durch das
Werk „More Nebuchim” des Rabbi Moses ben Maimon (Maimo-
nides) in die hebräische Literatur als unauslöschlicher Bestandtheil
übergegangen war, in dem innersten Kern seiner Denk-und Gefühls
weise durchdrungen, konnte er bei seinem Unwillen gegen die alles
Maass überschreitenden rationalistischen Erklärer der heiligen
Schrift, doch sich selbst nicht erwehren, die liebgewonnene Philo
sophie mit seinen anderen rabbinischen Studien in freundschaftlichen
Verband zu bringen. Gegen den Missbrauch philosophischer Exegese
zu irreligiösen Zwecken schrieb er zwar ein kleines kräftiges Bii-
chelchen: ChasuthKaschah ntpp Jiltn (strenge Vision) genannt; aber
einen hundert Abschnitte starken Folioband mit Predigten verfasste
er, welcher nichts enthält, als — Philosophie, und nur Philosophie.
Der Einfluss und die Wirksamkeit Maimonidis war so nach
haltig, so echt und wahr, dass sie überall sichtbar; nirgends, bei
keiner Gelegenheit, selbst bei einer scheinbar widersprechenden,
zu verkennen ist.
»Schon früher, zu den Zeiten des Rabbi Salomon ben Adereth
(abbrevirt Raschba genannt), dieses Heroen im talmudischen
94
Gebiete, verlauteten von mehreren Seiten Klagen über (len philoso
phischen Unglauben, und gingen zum Theil von ihm selbst aus, so
dass in Folge dieser, das gänzliche Beschäftigen mit Wissenschaft
und Philosophie, ja merkwürdigerweise mit dem More Nebuchini
selber, bis zum überschrittenen fünfundzwanzigsten Lebensjahre
einem Jeden streng und bannflüchig verpönt wurde. Aber gerade
zum Siege der Wahrheit und eines bessern Sinnes waren diese
Eiferer und Verpöner selbst Philosophen und, so viel sich aus
ihren Werken und Worten schliessen lässt, belesene Verehrer des
gediegenen Werkes Maimonidis.
Unser wegen seiner ungeheuchelten Frömmigkeit hochgeach
tete Verfasser, Rabbi Isak Arama, bezeugt diess, als einer der
grossen Schlusssteine jener Periode, zum ewigen Denkzeichen der
Geschichte, seiner selbst unbewusst, von Neuem. Mit Nachdruck
lässt er sich in dem genannten Werkchen gegen die Uebertreibun-
gen der Wissenschaftler aus; aber eben so nachdrücklich ist er
philosophisch gestimmt in seinen Predigten, in dem Buche Akedath
Jizchak. Er ist nicht bloss Philosoph, er ist predigender Philosoph,
nicht bloss deutet er in einem Buche, das nur von Einzelnen gele
sen wird, philosophisch die Schrift, sondern verkündet die aristo
telischen Kategorien einem Belehrung suchenden Volke täglich,
wöchentlich von geheiligter Stätte herab im Gewände der heiligen
Schrift 1 ). Er ist Philosoph, und begeisterter Philosoph; Maimo-
nides sein Wegweiser, Aristoteles sein Gewährsmann.
Nicht selten ist überhaupt diese Form von philosophi
schen Predigten in jener Zeit, wie diess ebenfalls in anderen Li
teraturen, nur anders gestaltet, oft zum Vorschein kommt und
naturgemäss zum Vorschein kommen muss. Auf ein neu angereg-
*) So gleich in der Sidra Bereschit bringt er den Spruch der Rabbiner in der
Mischna Abot (Abschnitt 5) „durch zehn
Aussprüche ist die Welt erschaffen worden”, d. h. weil es in der Gene
sis zehn Mal heisst: „und Golt sprach es werde Licht u.s. w.” mit den
zehn Kategorien des Aristoteles, welche nach demselben die gesammte
physische Welt umfassen, und dem Verfasser zum Glücke gleichfalls zehn
an der Zahl sind, in hermeneutische Verbindung. So fällt also nach ihm
der erste Ausspruch: „Es werde Licht” mit der ersten Kategorie des
Aristoteles, dem Wesen, oucta dem Sinne nach zusammen, und so
auch die übrigen.
95
tes Ergebniss folgt die ausbeutende Nutzanwendung auf den
Fuss. Hat sich eine neue auffallende Idee in der Wissenschaft
und Literatur Bahn gebrochen, so fehlen die literarischen Ver
mittler nicht, diese in die mannigfaltigsten Formen umzugiessen,
und sie so gemeinzugänglich zu machen. Maimonides, der ursprüng-
lichdenkende Maimonides, hat den Fingerzeig zur philosophischen
Exegese gegeben: Rabbi Joseph Alho nimmt schon den riesenhaft
hingeworfenen Kern und löst ihn in seinem Buche ,,Ikkarim” in
weitläufige Abhandlungen auf, und ein Heer von förmlichen wis
senschaftlichen Predigern schmücken damit in einer Zeit, wo
die selbständige Forschung bereits erschöpft war, ihre syna-
gogalen Reden aus.
Zu den vorzüglicheren dieser Gattung gehören, ausser man
chen anderen, das Malmad ha-Talmidim, D’VaWin (noch in
Handschrift, in das ich aber durch die Güte eines Freundes Ein
sicht bekam) des R. Jacob Antoli, des fleissigen Uebersetzers
aristotelisch - averroistischer Schriften aus dem Arabischen in das
Hebräische, und ganz besonders das vorliegende Werk : Akedath
Jizchak pmt» mpl? des R. Isac Arama.
Ein Beweis, welchen Anklang das Buch beim Volke gefunden,
sind die verschiedenen, seit der zu Salonichi 1522, davon veran
stalteten Ausgaben, so dass es sogar zum gewöhnlichen Lesehuche
für die nicht philosophischen Synagogenbesucher geworden.
Die uns gegenwärtig vorliegende neue Ausgabe bestätiget
abermals auf eine erfreuliche Weise die schon ausgesprochene
Behauptung in der ersten Einleitung zu unseren Berichten (Sitzungs
berichte, Jahrgang 1848, zweites Heft, Seite 51), dass sich un
ser geliebtes österreichisches Vaterland auch hierin dem Auslande
gegenüber vortheilhaft auszeichnet, dass es die wichtigsten und
gediegensten hebräischen Literaturwerke in schönen neuen Aus
gaben vervielfältiget und verbreitet. Anstatt der älteren löschpa-
piernen Foliö-Ausgaben, ist diese auf Kosten und Veranlassung
des Herausgebers, Herrn Victor Kittseer, in fünf typographisch
gefällig ausgestatteten Octav-Bänden, aus der rühmlichst bekann
ten Schmid’schen Officin in Pressburg hervorgegangen. Es ist
diese Octav-Form sowohl äusscrst bequem für den Gebrauch, als
auch der Fünftheiligkeit des Pentateuchs, nach dessen Abschnitten
die einzelnen Abtheilungen eingerichtet sind, nicht unangemessen.
96
Zuletzt ist noch das oben erwähnte, schon etwas seltener gewor
dene Werkchen Chasuth Kaschah mtrt desselben Verfas
sers als besondere Beigabe angefügt worden, wodurch diese Aus
gabe sich noch vortheilhafter ausnimmt.
Auch dadurch hat sich der Herr Herausgeber unsers Dankes
verdient gemacht, dass er den Herrn Rabbiner Cliajim Joseph
Po Hak zu Trebitsch in Mähren veranlasst hatte, der Correctur
des Werkes vorzustehen und es mit seinen Zugaben zu vermehren.
Herr Rabbiner Pollak hat demnach zu Anfang eines jeden Ab-
s chnittes (nytp) den Inhalt kurz zusammengedrängt, wie auch fort
laufend mehrere Anmerkungen gegeben, ausserdem die Lebensbe
schreibung des Verfassers dem Werke vorangeschickt und die in
den daselbst citirten Midrasch-Stellen vorkommenden Fremdwör
ter, griechischen und lateinischen Ursprungs, mit Benutzung der
in diesem Fache vorhandenen Arbeiten, wie die sehr verdienstliche
Aruch-Ausgabe des Herrn M. J. Landau in Prag, erklärt.
Zu den Daten in der Lebensbeschreibung, welche aus den
Historiographen aber recht brav und frisch lebendig zusammenge-
stellt ist, haben wir hinzuzufügen, dass R. Isak Arama nicht in
Spanien gestorben, sondern in Neapel. Der Herr Biograph weist
freilich richtig nach, dass er in Salonichi mit seinem Sohne nicht
ansässig war, aber da macht schon De-Rossi in seinem Dizio-
nario storico darauf aufmerksam, dass R. Meir Arama in der
Vorrede zum Commentar m^nn Tita Meir Tehilot zu den Psal
men erzählt, dass sein Vater mit ihm nach Neapel geflüchtet und
dort gestorben sei. Und steht uns jetzt das Werk Meir Tehilot
nicht zu Gebote, so dass wir uns von der Richtigkeit der An
gabe überzeugen könnten, so schenken wir doch De-Rossi um
so eher volles Zutrauen, als es gewiss ist, dass mehrere Auswan
derer zuerst von Portugall nach Neapel geflüchtet waren, und von
dort nachher in die anderen Gegenden Italiens und der Türkei sich
übersiedelt hatten. Wahrscheinlich auch meistentheils in Beglei
tung des Don Isac Abarbanel, der dort bei den Königen Fer
dinand und Alfons Bedienstung fand.
Die Anmerkungen ferner, welche Herr Rabbiner Pollak zahl
reich geliefert, sind gleichfalls lobenswerth und schmücken das
Buch sehr. Für den Kreis von Lesern, welchen Herr Rabbiner Pol
lak besonders im Auge gehabt, enthalten sie auch Neues genug.
97
Wir haben nur noch einer Kleinigkeit, nämlich des Fremd
wortes piJJDD j welches Arama im vierten Theile, Blatt 68 u. die
ser Ausgabe gebraucht, zu erinnern. Herr Rabbiner Pollak ist
dort in der Anmerkung über die richtigere Leseart von paiJJD
oder paaöJiD in Zweifel, verwirft daher beide, und setzt dafür
das aramäische pjJBlD, es mit dem griechischen 57:0770? als
eins betrachtend. Es ist aber diess nichts anders als das
arabische (Sikendschabin) Oxymel, ein aus Essig und
Honig gebrauter Trank, und kommt bei den rabbinischen Schrift
stellern aus dem maurischen Spanien nicht selten vor. Auch die im
Texte eingeschobene ältere Glosse erklärt es nicht anders.
Im Uebrigen ist diese Ausgabe, wie bereits erwähnt, eine sehr
erfreuliche Erscheinung, und wir wünschen dem Herrn Rabbiner
Pollak zu dieser ersten Verlautbarung seiner schriftstellerischen
Thätigkeit Glück und weiteres Gedeihen. Eine ähnliche Ausgabe
des äusserst selten gewordenen Werkes D'lUJn Schilte ha-
Gibborim von dem Mantuaner Arzte R. Abraham di Porta Leone
wäre gerade eine passende Fortsetzung. Bei dem regen Sinne unse
rer österreichischen Mitbrüder für echt wissenschaftliche Werke,
wie das beigedruckte beträchtliche Pränumeranten-Verzeichniss
zum Akedat Jizchak beweist, lässt sich auf angemessene Un
terstützung rechnen.
Der zweite nun von den in Rede stehenden Verfassern, deren
Werke neu bearbeitet uns vorliegen, nämlich R. Jehuda Al-
Charisi, gleichfalls Spanier aus dem Anfänge des dreizehnten
Jahrhunderts und Mitconcurrent des R. Samuel Ibn Tibbon in der
Uebersetzung des More Nebuchim des Maimonides ist, um es mit
einem Worte zu sagen, der hebräische Hariri.
Makainen-Dichtung, diese den unstäten, wandernden Ara
bern eigenthümliche Weise in Prosa zu reimen, in der Erzählung
zu dichten und mehr mit Worten als mit Witzen zu spielen, hat
auch in der hebräischen Sprache Nachahmung gefunden. R. Jehuda
Alcharisi war der erste Nichtaraber, der auf die Makamen auf
merksam wurde, welche später im Original durch Sylvestre deSacy,
und durch Rückert in deutscher Nachbildung der europäischen
Lesewelt näher gebracht wurden.
R. Jehuda Alcharisi, der Reimkünstler (tlin im Hebräi
schen : Reim, ’pin Charisi, der Reime zu machen versteht, der
SiUb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. I. Heft. 7
98
Reimkünstler), so zubeuanut von den späteren Schriftstellern —
er selbst schreibt sich bloss: Jeliuda ben Salomo — wegen seines
wahrhaft grossartigen dichterischen Talentes sowohl in der Erfin
dung, als auch im gewaltigen Beherrschen des Reimes, war der
Erste, der die Makamen des llariri in das Hebräische übersetzte,
und zwar so, dass das Original hier nicht nur an Sinnestreue, son
dern auch am Wortspiel, wie in einem Spiegel sich wieder zeigt.
Eine Probe dieser Uebersetzung, welche bis jetzt noch nicht ge
druckt ist, nämlich die dritte Makame von den beiden Gulden,
veröffentlichte de Sacy in seiner Vorrede zur Ausgabe des Hariri.
Wichtiger aber, selbständiger und poetisch werthvoller sind
seine eigenen verfassten Makamen, das Buch Tachkemoni
von dem wir eben sprechen wollen.
An seltsamen, witzigen Abenteuern, hinterlistigen Strei
chen, gaunerhaften Gaukeleien steht das Buch seinem arabischen
Vorbilde nicht nach ; aber von überraschenden Wortspielen, von
kühnen Wendungen der Sätze der heiligen Schrift, welche einen
besondern Reiz gewähren, und von verbindenden, singenden, klin
genden Reimen übersprudelt es, gleich einem frischen Springquell,
dessen Strahl rein und silberhell, hinreissend, bewältigend, sich
bemächtigend der Herzen, wie ein Blitz auf der Stell’, oder wie
der Sturm, so zermorschend, so schnell. Es ist ein Buch für den,
der die deutschen Makamen Rückert’s gelesen und selbst die im
arabischen Urbihle, meisterhaft grossartig und überraschend schön,
und wie das arabische nicht minder kunstvoll und originell.
R. Jehuda Alcharisi, den schon der Grossmeister orientali
scher Sprachstudien in Europa, Sylvester de Sacy, aufführt, ist
bei weitem nicht bekannt mit seinem merkwürdigen, unvergleichli
chen, unnachahmlichen Tachkemoni. Er selbst sagt in seiner Vor
rede, er hätte Nichts aus dem Buche des Ismaeliten entnommen,
wenn nicht etwa zufällig unversehens Was hineingekommen. *)
1 ) Eine Bemerkung riicksichtlich des Beinamens Alcharisi kann ich hier
doch nicht verschweigen , obgleich die Meisten mit der oben gegebenen
Erklärung zufrieden sind und es dabei bewenden lassen. Denn vorerst,
wenn der Name Charisi von Chams , Reim, hergeleitet wäre, so
müsste er, dem Geiste der Sprache gemäss, Charusi • lauten; dann
ist auch die Zusammensetzung des arabischen Artikels Al mit dem hebräi
schen Worte Charus etwas, wenn nicht Unmögliches, doch hier nicht als
99
Die Makamen Rückert’s unil Hariri’s sind bekannt, wir haben
daher nur hinzuzufügen, dass diess Buch ebenfalls in fünfzig Pfor
ten getheilt ist, in deren jeder ein neues Gaunerstückchen erzählt
wird, wobei immer zuletzt, wie dort Abu Seid, auch hier der
Held der Erzählung, Heber der Kenite, allemal zum Vorschein
kommt. Mehrmals bereits im Druck erschienen, doch seit der letz
ten Amsterdamer Ausgabe selten und vergriffen.
Eine neue Ausgabe ist an der Zeit, und das gegenwärtig uns
vorliegende Werk bietet eben die zwei ersten Makamen derselben
als Probe sammt einer deutschen Bearbeitung, besorgt durch
Herrn Dr. S. I. Kaempf, nunmehrigen Prediger und Rabbiner bei
der israelitischen Tempelgemeinde in Prag.
Den Massstab der Rückert’schen Makamen an diese deutsche
Bearbeitung zu legen, ist schon darum unstatthaft, da der Herr
Verfasser selbst in seiner Vorrede sich dieser schwierigen künst
lerischen Aufgabe bescheiden entschlägt und für sich eine freie
Bearbeitung gewählt. Ob dann noch das Werk für die deutsche
Literatur einen reellen Nutzen habe, ist freilich die Frage; jeden
falls aber zeugt auch diese Uebersetzungsw r eise von dem bedeuten
den Talente und den tüchtigen Kenntnissen des Hrn. Dr. Kaempf.
Nur hat er manchmal der Freiheit zu viel Raum gelassen, so
Seite 80 im Text: rpmiöN U'l* DMD jfiDHn '3 1JH’ tib Dm
nmman lmm Hr. Kaempf übersetzt: „die Tadler wollen nicht
gestehn — dass sie zu stumpf sind einzusehn — was herrlich sei
und schön.” Hier aber heisst es nicht im Texte: sie wollen nicht
gestehn, sondern sie wissen nicht, iym Dm. Es kommt hier
eine Verdächtigung des Charakters heraus, die der Verfasser gar
nicht beabsichtiget. Wörtlich müsste der Satz so gegeben werden :
Sie aber wissen nicht — dass der Mangel an ihnen liegt — dass
sie ihre Worte nicht verstehen, und ihre Schönheiten (nämlich
der hebräischen Sprache) nicht einsehen.
wahrscheinlich Befriedigendes. Es hat mir daher schon länger die Vermuthung
vorgeschwebt, hier muss ein Missverständniss obwalten. Man hat ihn nach
seinem arabischen Vorbilde und Muster, zur Auszeichnung oder Kenntlich
machung gleichviel, Chariri benannt, die Späteren aber möchten aus
Unkenntniss das ^ zum f, also aus Chariri VjVjn Charisi ge
macht haben. Diese Vermuthung gewinnt um so mehr Wahrscheinlichkeit,
als derselbe Schreibfehler sich in der Vorrede des Tachkemoni, wo unser
R. Jehuda ben Salomo den Hariri erwähnt, anerkanntermassen vorfindet.
7 *
100
Den hebräischen Text hat Herr Dr. Kaempf nach einer Hand
schrift, die sich in Padua befindet, durch die anzuerkennende Ge
fälligkeit des Herrn Professors Samuel David Luzzatto daselbst,
corrigirt. Es ist also diese Ausgabe der zwei ersten Makamen
Charisi’s, so wie die anderen Aufsätze im Literaturblatte des
Orients und die synagogalen Productionen, welche Herr Dr. Kaempf
sich die Ehre genommen, der kaiserlichen Akademie der Wissen
schaften zu überreichen, eine achtbare lobenswerthe Probe, ein
empfehlender Anfang, welcher zu den schönsten Erwartungen be
rechtiget.
Verzeichntes
der
eingegangenen Druckschriften.
(Jänner.)
Academy, American, of Arts and Sciences. Memoirs. New
series Vol. 3. Cambridge and Boston 1848; 4°
Archiac, Vicomte, Histoire des progres de la Geologie de
1834 ä 1845. Publie par la soc. geolog. de France.
Vol. 1. Paris 1847; 8°
Caspari, C. P. Ueber den Syrisch-Ephraimitischen Krieg un
ter Jotham und Alias. Christiania 1849; 8°
Fellöcker, Sigm., Theil des Himmels, zwischen VII h ' und
VHP' der geraden Aufsteig, und 15° südl. bis 15° nördl.
Abweichung für 1800. 1. Blatt. Fol.
— Verzeichniss der von Bradley etc. beobachteten Sterne
etc. Berlin 1848; Fol.
II an steen, Christoph, Beschreibung und Lage der Universitäts-
Sternwarte in Christiania 1849; 4°
Kn er, Rud., Versteinerungen des Kreidemergels von Lemberg
und seiner Umgebung. Wien 1848; 4°
Sftartitti, 2öa§ ifHSijoIera unb auf toeWjen Söegert ijt itjre Rettung
ntöglidj. 2tug§burg 1850; 8°
Matzka, Wilh., Versuch einer richtigen Lehre von der Rea
lität der vorgeblich imaginären Grössen d. Algebra. Prag
1850; 4°
Munch, P. A., Fagrskinna. Christiania 1847; 8°
— Den seldre Edda. 1847; 8°
Pirogoff, N., Rapport medical d’un voyage au Caucase. St.
Petersbourg 1849; 4°
— Anatomie pathologique du Cholera-morbus. St. Peters
bourg 1849; fol.
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. I. Heft.
a
Speculum Regale-Konungs-Skuggsjä. Christiania 1848; 8°
Uranus. Synchronist.-geordnete Ephemeride aller Himmelser
scheinungen Breslau, Jalirg. 1849, Heft 3, 4. 1850, 1. 8°
SB er ein, geognojl.=montaniji. für ^nneröfterreidj unb ba8 8anb
ob ber (SnnS. SSierter 23erid)t. ©ra& 1850; 8°
Wedl, C., Studien über die Cholera. — Ueber Pilze im Fa
vushaar. (A. d. Zeitschr. d. Gesellsch. d. Aerzte bes.
abgedr.) Wien 1849 ; 8"
Akademie, k., der Wissenschaften zu Stockholm. Abhandlun
gen 1847, 1848. 1. Heft. Stockholm 1849; 8°
— Uebersicht ihrer Verbandlungen. 1848. Nr. 7—10. 1849; 8°
$afd), ®. ©. 34re8berid)t über bie gortfdjritte ber $ed)noIogie.
1842—1846. ©totffjolm 1849; 8°
©banberg, 8. §., 3<4re8berid)t über bie gfortfdjritte in ber
©Ijemie für 1847. ©todljolm 1849; 8°
— ©inige 9tef[erionen in SSctreff beä ©tubium« ber ©Ijemie
unb über ba8 SSer^altnifj biefer SSiffenfc&aft juin ©taate.
©tocfijolm 1849; 8°
©ilfjlröm, Sof., 3a$*e$6eri<äjte über bie botanifdjen Slrbeiten
unb ©ntbetfungen. ©todfjolm 1849; 8°
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Jahrgang 1850. It. u. III. Heft. (Februar u. März.)
8
101
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Sitzung vom 6. Februar 1850-
err Regierungsrath Arneth liest eine mit zwei antiken Bü
sten und einer Goldmünze vom k. k. General-Consul, Herrn von
Adelsburg, dem k. k. Münz- und Antiken-Cabinette zugesen
dete Nachricht über die Stadt Beirut und ihre Alterthümer.
Antiken sammeln ist in Syrien eine schwere Sache , und
ihr Fund mehr ein Werk des glücklichen Zufalls , denn einer
planmässigen Unternehmung. — Seit langer Zeit ausgebeutet,
hat sich das Land vieler Gegenstände entäussert. — Das hie
sige Publicum ist hauptsächlich ein handeltreibendes und geld
suchendes: wenn es daher ein Steinmonument findet, so frägt
es ob der Stein ein gutes Baumaterial gebe, worauf Zerschla
gung oder sonstige Zubereitung erfolgt; kommen aber Münzen
zum Vorscheine, so wandern selbe, wenn Gold oder Silber, in
die Schatztruhe des Finders. — Anderen Theils sind die <refun-
denen Objecte verstümmelt und der Aufbewahrung kaum werth.
Unsere Vice-Consulate, weil unbesoldet, beschäftigen sich mit
ihrem täglichen Erwerbe , und fühlen selten Neigung der Wis
senschaft zu huldigen. Sie haben an den Paschen und anderen
türkischen Obrigkeiten Rivalen, da letztere für das neu errich
tete Museum in Constantinopel sammeln: so Zarif Pascha, Gou
verneur von Jerusalem, der in Gaza, an der ägyptischen Grenze,
Ausgrabungen veranstaltete.
Dessenungeachtet werde ich bedacht sein, auf vorkommende
Objecte ein wachsames Auge zu haben.
8 *
102
Zu diesem Ende habe ich die uöthigen Ersuche und Ein
ladungen veranstaltet, und habe vor der Hand gute Zusage er
halten.
Vielleicht wird es nicht unangenehm sein, über Beirut’s
Antiquitäten einige Notizen zu lesen. Die Stadt selbst ist eine
Antiquität. Wann sie entstanden, und wer sie gegründet (Ogyges
zu Ehren seiner Gemalin Beroe, oder Gerse Chanaams fünfter
Sohn) bleibt dahingestellt, und allenfalls bei Strabo, Plinius,
Ptolemäus oder Quaresimus, die ich nicht zur Hand habe, zu
erörtern. Unter Herodes und Agrippa soll sie sehr verschönert
und vergrössert worden sein. Unter den römischen Imperatoren
hiess sie Felix Julia ; blühte durch eine berühmte Schule der
Jurisprudenz , ward von Justinian, wie es heisst, die Mutter
und Amme der Gesetze genannt, und soll zu der Abfassung
der römischenPandecten Dor ot he u s und Anatolus als Rechts
gelehrte gesendet haben. Im J. 448 n. Chr. durch ein Conci-
lium bekannt, und einen Bischof besitzend, der den Namen eines
Metropoliten von Mesopotamien führte, fiel Beirut im J. 1110 ►
in die Hände der Kreuzfahrer, ward kurz darauf von den Is-
lamiten wieder erobert, und gänzlich zerstört, so dass nur die
Kirche des heil. Johannes, heut zu Tage die Hauptmoschee der
vStadt, übrig blieb. Seitdem sich aus dem Schutte erhebend,
ward sie abwechselnd die Residenz der druzischen Emire, unter
den Fachr-ed-din berühmt, oder türkischer Paschen oder
ägyptischer Gewalthaber, bis sie 1841 durch eine österreichisch
englische Escadre bombardirt, dem Grossherrn als legitimen
Monarchen zurückgestellt wurde; seitdem Generalconsulate von
Oesterreich, England, Frankreich, Preussen und Russland auf
stellen sah, Aufschwung durch Handel und Schifffahrt gewann,
und den Dampfschiffen unseres Lloyd eine Quelle reicher oder
doch wenigstens gesegneter Speculation ward.
An diese Schattenbilder der Vergangenheit, die nur dem
geistigen Auge der Geschichtsforscher noch zugänglich sind,
reihe ich einige Monumente, die dem Sturme der Zeiten ganz
oder zum Theile getrotzt, aber nicht mehr in ihrer ursprüng
lichen Bestimmung dienen , den Söhnen des Jahrhunderts Zuru
fen: „Wir sind, als wenn wir nicht wären”, und dem Forscher
Stoff zu belehrender Betrachtung bieten können.
103
Ich übergehe das Serail, oder die Wohnung des Pascha-
Gouverneurs, welches ursprünglich ein Palast des Druzen-Emirs
Fachr-ed-din gewesen, da er, wiewohl sehr verfallen, seine
antike Farbe verloren hat.
Unter den religiösen Gebäuden bemerke ich eine Moschee,
welche früher Kirche des heil. Johannes war; eine kleine Mo
schee ausserhalb der Stadt, el Chodef genannt, wo, nach christ
licher Sage, der heil. Georg einen ungeheuren Drachen erlegt hat,
so wie mehrere Katakomben , welche in den Gärten um Beirut
vorhanden sind , und namentlich jene die dicht an das von mir
bewohnte Haus anstossen. An antiken Tempeln aus der vor
christlichen Zeit ist mir keiner bekannt. Von einer Kirche mit
geneigten Säulen, von einer Kirche zu Ehren des h. Georg, und
der grossen Höhle , welche der Georgs-Drache bewohnt haben
soll, ist ungeachtet vorhandener alter Sagen, keine Spur zu sehen.
Alte Bade- oder Theatergebäude bestehen nicht mehr, doch
sieht man im Süden der Stadtmauern, im Meere, dicht am Ufer
Fundamente mit Abtheilungen und Canälen oder Rinnen, die,
durch einen steinharten, unverwüstlichen, grauen Kitt verbunden,
noch immer den anstürmenden Wogen widerstehen.
Mosaikpflasterung ist hier und dort wahrnehmbar. In einem
Garten des toscanischen Consuls , Herrn Laurella, sah ich
ein Pflasterstück, welches ziemlich erhalten, einen Ibis vorstellt.
Ein schöner Greisenkopf, dem ehemaligen französischen Consul,
Herrn Guys, gehörig, zerfiel im J. 1837 durch ein entstande
nes Erdbeben. Der Spaziergänger, welcher aus dem Thore Som-
tic tritt, und längs dem Meere hinwandelt, geht über Stellen,
die noch deutlich Mosaikboden zeigen.
Sarkophage werden häufig gefunden, doch haben sie selten
artistischen Werth. Zwei derselben, ausgezeichnet durch Form
und Bildhauerei, deren einer die Inschrift: Julia Mamaea führte,
sind vor einigen Jahren nach Nordamerika gewandert. Die von
mir gesehenen waren alle sehr gross, schwerfällig, für den
Transport ungeeignet, aus grauem Sandsteine oder selten weis-
sem Marmor, ohne Inschrift, ohne Verzierung, und mit dachför
migem Deckel verschlossen.
Säulen aus Granit liegen im Meere, vor dem Landungs
plätze , bilden zum Theilc parallel neben einander gelegt, den
104
Qaai vor der Stadt, und finden sich auch an andern Orten, in
ner und ausser der Stadt. Genaue Cilinder bildend, bieten sie
weder künstliche Capitäler noch Fussgestelle dar.
Die Steine, aus denen Beirut’s Ringmauer besteht, tragen
hin und wieder das Gepräge des Alterthums; namentlich ein
grosser Block, auf dem eine Inschrift eingegraben ist, oberhalb
des sogenannten Derki-Thores.
An Münzen fehlt es nicht, wohl aber an werthvollen. In
der Steppe aus gelbem Flugsand , der Beirut in Süd und Ost
umgürtet, wühlen Sturm und Regen oft Kupferobole aus dem
Grunde. Altfranzösische Münzen kommen gleichfalls vor. Sie
stammen aus den Kreuzzügen oder von Ludwig IX. her; sie
tragen das Bild von Retten, weil, wie Mich au d meint, der
König das Andenken an seine Gefangenschaft und Befreiung er
halten wollte. Viele Münzen gingen 1841 aus dem Lande, unter
diesen eine Sammlung nach Florenz, als Geschenk für Se. k. k.
Hoheit den Grossherzog von Toscana.
Alten Schmuck, wie Armbänder, Halsketten, eine goldene
Larve, blätterdünn gearbeitet, und andere ähnliche Objecte, die
in Dschebail ausgegraben worden, hatte ich Gelegenheit bei
Obersten Rose, englischem General-Consul, und anderwärts
zu sehen.
Ebenso Krüge, aus gebrannter Erde, zweihenklig mit bau
chiger Mitte.
Statuen kamen mir keine zu Gesicht, und so viel ich weiss,
hatte Niemand ein besseres Loos.
Dafür sind Köpfe zu finden, die sonderbarer Weise alle
den linken Nasenflügel, oder die Nase überhaupt verstümmelt
haben. Erst unlängst wurde im Hause Herrn Chasseaud’s,
der Consul in nordamerikanischen Diensten ist, ein wunderschö
ner Frauenkopf gefunden, dem ich vergeblich die Cour machte,
da der grausame Besitzer selben mit Gewalt in ein Museum der
neuen Welt schicken will.
Ich suchte ebendaselbst eine marmorne Frauenhand, die mit
einem Dolchreste bewaffnet ist, und in der Arbeit eine unge
meine Zierlichkeit aufweist, zu retten, und zwar für Wien zu
retten. Aber vergebens, auch diese Hand soll über den atlanti
schen Ocean wandern.
105
Mit Stillschweigen übergehe ich die Reste einer Wasser
leitung, die man in der nächsten Umgebung der Stadt noch sieht,
oder vielmehr erräth.
Herr Regierungsrath Ar net h setzt die Lesung seines Be
richtes über Dr. Kandler’s Werke fort:
IV. Cenni al Forestiero, che visita Parenzo. Trieste. 1845.
Obschon unter dem sehr bescheidenen Gewände eines Frem-
den-Führers in Parenzo weiss Herr Kandier eine sehr interes
sante Darstellung der Geschichte dieser Stadt im hohen Alter-
tliume, im Mittelalter und in der neuern Zeit zu geben.
Parenzo hatte ein Capitol, ein plebeisches und ein patrici-
sches Forum, einen Tempel des Neptun, des Mars, des Augus-
tus, und war zur Zeit seiner grössten Blüthe unter den An
toninen von 10.000 Menschen bewohnt. So schön und einleuch
tend diess der Verfasser über die römische Abtheilung ausein
andersetzt, um so schöner, uns alle im Allgemeinen mehr be
treffend, redet er von der Einführung des Christenthums in
Istrien, von den ersten daselbst erbauten Basiliken, unter denen
der Dom in Parenzo durch seine Bauart, durch seine Pracht —
das Monogramm des Namens Euphrasius ist äusserst zierlich
in den wunderschönen Capitälern des Domes so zu sagen ein
gewebt — durch die Dauerhaftigkeit mit der er den Stürmen
so vieler Jahrhunderte widerstanden hat, vor allen hervorragt,
er wurde im Jahre 543 vollendet, als Kaiser Justinian zu Con-
stantinopel schon 16 Jahre regierte. Auch die Stiftungsurkunde
die hier mitgetheilt ist, macht dieses Buch zu einem sehr merk
würdigen.
Diesen Arbeiten, die unter einer gefälligen Form doch
schöne und tiefe Ansichten und Untersuchungen enthalten, gehen
urkundliche Belege zur Seite, welche unter dem Titel: Atti
Istriani, editi per enra della Direzione del Museo di Antichitä
Tergestine. Vol I. Puntata prima.
V. Statuti di Pola. Vol II. St. di Parenzo; von beiden Städten
im Jahre 1843 und 1846 erschienen sind.
Es sind beide Bände gewissermassen Fortsetzungen des
sehr lehrreichen Werkes, das der um Triest so sehr verdiente
106
Dr. Rossetti unternommen und unter dem Titel: L’Archeo-
grafo Triestino in 4 Bd. herausgegeben hat 1 ).
Rossetti hatte den Wunsch, dass seine Sammlungen von
Urkunden und historischen Arbeiten aller Art über Istrien nicht ,
untergingen, vermachte dieselben dem Dr. Kandier, der sie mit
seinen Arbeiten bereichern und herausgeben sollte. Rossetti
hatte schon den Archeografo: Raccolta di opuscoli e di notizie
per Trieste e per l’Istria genannt, daher man glaubte den Titel
dieser Arbeiten in den: „Atti Istriani” zu verändern, welcher
der Sache um so mehr entspricht: quantocche egli pronunciava
essere Trieste compresa nella provincia dell’ Istria siccome lo e
in veritä sotto ogni riguardo. — Der erste Band enthält die
Satzungen von Pola; der zweite — meines Wissens noch nicht
erschienen — die Beschreibung des Museums. Es sind diese
Statuten für jeden Rechtskundigen äusserst lehrreich, weil sie
Belege bilden, wie viel aus dem römischen Rechte in die
Satzungen der Städte des Mittelalters, zumal in Italien und den
Orten verwandten Idioms übergegangen, wie viel sie auf die ,,
natürlichste Art geistig und sächlich vererbt. Die Satzungen tra
gen das Datum vom Jahre 1431, obschon einige Zusätze von
den Jahren 1367—1377, 1400 u. s. w. bis 1640 datirt sind.
Der ursprüngliche Text war gewiss lateinisch und dessen Ab
fassung ist zuverlässlich dem Jahre 1331 , in welchem Jahre
Pola sich an Venedig ergab, vorangegangen; seit welcher Zeit er
bis zum Aufhören der Venetianischen Regierung im Jahre 1797
und von da modificirt bis zum 1. Octoberl815 Gesetzeskraft hatte.
VI. Gleiche Statuten wurden über Parenzo: Statuti muni-
cipali della cittä di Parenzo. Tergeste 1846 herausgegeben.
Parenzo war römische Colonie, im Mittelalter der Sitz eines
reichen Bischofs und durch seine Lage zum Handel auf dem
Adriatischen Meere sehr geeignet. Wahrscheinlich entwarf Pa
renzo um das Jahr 1000 einen Codex seiner Gesetze und Ge- «
wohnheiten, zu welchem von Zeit zu Zeit Zusätze gemacht
wurden unter den Patriarchen, welche, vom Jahre 1230 an,
Markgrafen von Istrien waren, und von Venedig, dem sich Pa-
**) L'Archeographo Triestino. Ilaccolta di Opuscoli e Notizie per Trieste e
per l’Istria. Trieste 1S29—1837.
renzo 12(57 ergab. Im Jahre 1354 wurde die Stadt vom genue
sischen Admiral Paganini Doria ganz zerstört, wobei auch die
Statuten zu Grunde gingen. In der Erinnerung der alten wur
den 1363 neue gemacht, welche bis zum Jahre 1S06 als Ge
setz galten, bis dann der Code Napoleon, und mit 1. October
1815 das österreichische Gesetzbuch eingeführt wurde.
Herr Dr . Schmidt liest einen Aufsatz: „Ueber Be
griffsbestimmungen in der Geographie.”
In wissenschaftlichen Dingen soll man sich am wenigsten einer
Illusion hingeben und so müssen sich die Freunde der Geographie
gestehen, dass diese ihre Wissenschaft noch keineswegs jenen
»Standpunkt einnimmt, auf welchen Anspruch zu machen ihr ge
bühren sollte.
Der Historiker sieht mitleidig auf die Hilfswissenschaft
herab, und der Naturforscher betrachtet sie für nicht viel
mehr als ein parasitisches Gewächs seiner eigenen Wissenschaft.
Der Aufschwung den die Geographie durch Ritter genommen
hat, wird zwar von Niemand geläugnet, aber es fehlt auch nicht
an »Stimmen dafür, dass Ritter eigentlich eine ganz neue Wissen
schaft geschaffen habe, welche von dem was man früher Geographie
genannt, nicht einmal den Namen beibehielt, in der That auch ein
Agregat von mehreren Wissenschaften sei, von Geographie, Natur
kunde, Physik, Geschichte im weitesten Sinne, Statistik etc., also
mehr eine encyklopädische Zusammenstellung mehrerer Wissen
schaften, denn als organisch durchgebildete Eine Wissenschaft.
Es verlohnt sich jedenfalls der Mühe, dieser unläugbaren
Sachlage tiefer auf den Grund zu gehen. Klagen über Vernach
lässigung nützen genau so viel wie alle derlei Klagen, und jede
Vernachlässigung ist am Ende nicht ohne innere Verschuldung.
Geographie ist ihrem Stoffe nach Erfahrungswissenschaft,
und die Berichte der Reisenden sind zuletzt die Zeugenschaften,
aus welchen sie entsteht. Wie sehr die Geographie durch autopti-
sche Berichte tagtäglich gewinnt, ist bekannt, und in diesem Mo
mente kann sie kein Vorwurf treffen.
Aber das Gegebene soll nun verglichen, aus dem Besondereu
das Allgemeine abstrahirt werden, Tür den materiellen Stoff der
Begriff gefunden, und die ungeheuere Masse der gewonnenen Er-
108
fahrungen in ein System gebracht werden—dadurch wird erst
der Ballast von Reise-Notizen zur Wissenschaft der Erd
kunde. Wenn es nun nicht an dem reichen Materiale liegt —
welches durch Ritter’s Methode und Erweiterung den weitesten
Umfang erreicht hat — so kann es nur an der Bearbeitung des
Stoffes liegen, also vor Allem an der Logik der Geographie, an
der Bearbeitung der geographischen Begriffe.
Die Geographie hat mit allen Erfahrungs - Wissenschaften ge
mein, dass sie mit Schematen und Begriffen zu thun hat, deren
Inhalt Jedermann geläufig zu sein scheint, weil die Gegenstände
bekannt sind, auf welche sich dieselben beziehen. Es ist das der
selbe Fall wie mit der Psychologie, wo man eben auch mit dem
„Ich” leichten Kaufs im Reinen zu sein glaubt, weil man es täglich
im Munde führt. Die erste Bedingung wissenschaftlicher Methode
ist aber die Feststellung wissenschaftlicher Terminologie, feste
Bezeichnung der Grundbegriffe. Fehlt es der Geographie dar
an, so ist es nicht zu wundern, dass sie als Wissenschaft etwas in
Misscredit gekommen ist. Fehlt es daran, so ist aber die Bearbei
tung der geographischen Grundbegriffe das erste und nö-
thigste Geschäft. Ob diess aber nothwendig sei, wird eine kurze
kritische Uebersicht des in dieser Beziehung Geleisteten darthun.
Mehrfach wird aufKant als Begründer der neueren Geographie
verwiesen und wäre auch diess nicht der Fall, so würde der Kö
nigsberger grosse Denker jedenfalls unsere Aufmerksamkeit vor
Anderen dadurch erregen, dass er die Geographie einer eigenen
Bearbeitung würdigte. Kant hat nun jedenfalls das grosse
Verdienst, den Umfang der Geographie richtiger bestimmt, das
heisst für den dermaligen Standpunct weiter gezogen zu ha
ben. Kant schrieb eine physische Geographie führte dadurch
aus den Fesseln der Topographie und politischer Territorial-
Beschreibung hinaus, durch ihn wurde das naturwissenschaftliche
Element, der Geographie für immer begründet, und in so ferne
kann man ihn ohne weiters als den Vater der neueren Geographie
begrüssen.
Merkwürdig aber ist es, dass über dem Umfang der Wissen
schaft der Inhalt ihrer Begriffe ihm in einer Weise abhanden
kam, die man bei einem so grossen Denker nicht vermuthen
sollte. Es wird genügen einige seiner Definitionen hier nur anzu-
109
fuhren, deren augenfällige Mangelhaftigkeit jede weitere Kritik
entbehrlich macht:
„Berge sind Erhöhungen über der Oberfläche der Erde.
Wenn sich viele Berge beisammen finden, so nennt man sie
ein Gebirge.
Wenn aber ein solches Gebirge in einer immerwährenden
Linie, sie mag gerade sein oder krumm, fortläuft, so heisst es eine
Bergkette. Es besteht aber eine dergleichen Bergkette aus einem
Stamme und aus Aesten. Der Stamm der Berge ist derjenige Ort,
an dem viele Berge beisammen stehen. Aeste aber sind Berge, die
nur aus dieser Linie entspringen und eine andere Richtung
nehmen” ‘) u. s. w.
Ritter’s Erdkunde ist ein unsterbliches Denkmal deutschen
Fleisses und schaffenden Geistes, seine Aufgabe war aber eine we
sentlich andere, eine grössere, als die Bearbeitung der vor
handenen geographischen Begriffe vorzunehmen, er gab desshalb
auch keine strengen Definitionen, sondern Beschreibungen und Er
läuterungen. Ritter’s Schule scheint aber bisher mit der weite
ren Entwicklung seiner Methode, bei der Anwendung derselben
auf den Umfang der Erdkunde im Ganzen und Grossen oder in
specicllen Verhältnissen, sich ausschliessend beschäftiget zu ha
ben , und vergebens sucht man eine durchgreifende Revision
der geographischen Begriffe.
Bekanntlich liegen Ritter’s systematische Vorträge mehreren
geographischen Werken zu Grunde und Ritter wurde dadurch ver
anlasst, sich über das Verhälfniss seiner eigenen Arbeit zudenselben
auszusprechen 2 ). Er bezeichnete bei dieser Gelegenheit ein
Werk, welches sein eigenes System mit der meisten Gewissen
haftigkeit wieder gegeben habe 3 ). Sehen wir nach den Defini
tionen, so finden wir in diesem Werke z. B.:
*) Kaut, Im., Vorlesungen über physische Geographie. Herausgegeb. von
Dr. Fried. Rink. (Gesammelte Werke). Bd. VI. Leipzig, 1S39, p“. 524. u. s. f.
3 ) Erdkunde. Bd. II. S. 20. Note 42.
3 ) Die ersten Elemente der Erdbeschreibung. Berlin, 1830. 8. Diese An
deutungen sind ferne davon, eine Polemik zu bezwecken; da es sich nur
um die Sache handelt, nicht um Personen, so habe ich bei allen fol
genden Citalen die lebenden Autoren nicht genannt, da diese Werke ohue-
diess in den Händen Aller sind, die sich mit Geographie beschäftigen.
110
„Berggruppe als den haufenförmigen Zusammenhang meh
rerer Berge.” Es ist diess keine Erklärung, kaum eine Beschrei
bung, sondern vielmehr ein Bild, welches in seiner landschaftlichen
Beziehung eigentlich zunächst auf die basaltischen Kegelgebirge
passt. Der Unterschied von Gruppe und Kette ist weiterhin nir
gends hervorgehoben. Beruht dieser Unterschied nicht wesentlich
auf dem Begriffe von Gebirgs-E insenkungen? die selbst
wieder von Gebirgsspalten und Jochen unterschieden werden
müssen. Man lässt gewöhnlich die Centralalpen vom Orteies bis
zum Glöckner in ungestörtestem Zusammenhänge verlaufen, als
mauerartige Kette, ohne der Einsenkungen der Malserhaide und
des Brenner zu gedenken, welche über die Hälfte der mittleren
Höhe des Gebirges herabreichen und die Oetzthaler Gruppe
begrenzen.
Wir lesen weiterhin: „Eine Vertiefung die auf 2 Seiten von
Bergen begrenzt wird, wird ein Thal genannt, wenn sie breit
ist und sich weit hin erstreckt. — Schlucht ist diese Vertie
fung wenn sie kurz und schmal ist.”
Der Definition des Thaies fehlt schon das wesentliche
Merkmal, dass die Berge, welche die Seitenwände bilden, parallel
sein müssen, sonst wäre jedes Tiefland, welches rechtwinklig
von Bergen begrenzt wird, ein Thal. Sollen die Begriffe „breit”
und „weithin” als wesentliche Merkmale gelten, so entstellt die
Frage wie „breit und wie weithin?” Das lombardische Tiefland
ist auch „breit” von den Alpen und Apenninen begrenzt, er
streckt sich „weithin” und ist doch kein Thal. Der wesentliche
Unterschied von Thal und Mulde, letztere durch plutonische
Erhebungen so häufig gebildet, ist an jener Stelle ganz ausser
Acht gelassen.
In einem der ausgezeichnetsten geographischen Werke *)
findet man folgende Definitionen:
„Gebirge sind Bergketten und Berggruppen von bedeutender
absoluter» Höhe, welche festes Gestein — Felsen zur Grundlage
haben.” Derlei bedeutende absolute Höhen, welche kein festes
Gestein zur Grundlage haben, dürften schwer nachzuweisen sein.
*) iTruiidxüge der Erd- und Völker- und Staateukundc. 2. Auflage. Berlin.
1837. 3 Xhl. 8.
111
Und was ist festes Gestein ? gehören nicht auch viele Conglome-
rate und Breccien dazu?
Wir finden weiterhin „Langenthal” bezeichnet als solches
„welches mit der Hauptrichtung des Gebirges, dem es angehört,
parallel streicht; — Querthal, welches eine der Haupterstreckung
seines Gebirges entgegen gesetzte Richtung hat.”
Humboldt nennt bekanntlich jene Thäler Längenthäler,
welche mit dem Aequator parallel laufen; das ist zwar keine to
pische Definition, aber in letzterer Beziehung ist überhaupt jener
Begriff noch allgemein sehr schwankend. Die Etsch entspringt
zwischen zwei Widerlagen der Centralalpen, und in Bezug auf dieses
„ihr” Gebirge müsste man nach jener Definition das oberste
Etschthal ein Längenthal nennen. Weiterhin, heisst es gewöhnlich,
durchbricht die Etsch die südliche Kalkkette, und in so ferne wäre
das untere Etschthal, das sogenannte Lägerthal ein Querthal.
Südlich von Botzen kann aber von keiner „Kalkkette” die Rede
sein, dort stehen Gruppen verschiedener Gebirge in verschiedener
Richtung. Der Monte Baldo aber, der die ausgezeichnete westliche
Wand des unteren Lägerthaies bildet, streicht mit demselben
parallel von Nord nach Süd — in Bezug auf dieses „sein” Gebirge
müsste man daher das untere Lägerthal wieder ein Längen
thal nennen u. s. w.
Eine andere Definition lautet: „Stromschnelle heisst das
schnellere Fliessen eines Gewässers unabhängig vom Gefälle, ent
standen durch die plötzliche Verengung desselben. W'asserfall,
Katarakt aber ist der plötzliche bedeutende Höhenunterschied im
Gefälle.” — Offenbar ist hier zuerst „Stromenge” mit „Strom
schnelle” verwechselt, und der letztgenannte Begriff ist ganz
übergangen. Ich erinnere mich aber nicht beide Begriffe ir
gend genau bestimmt gefunden zu haben. Eine Stromenge des
Orinoko ist 890, jene der Donau im eisernen Thore 86 Klaf
ter breit; die Entfernung beider Ufer kann also nicht wohl als
Maasslab gelten, am geeignetsten dafür wäre vielleicht die Be
stimmung nach Procenten oder aliquoten Theilen der mittleren
Breite des Stromes.
Ein ähnlicher Maasstab dürfte für die Stromschnelle ausge
mittelt werden, indem man die Zunahme des Gefälles nach ali
quoten Theilen des mittleren Falles bestimmt.
112
Noch mangelhafter sind die Begriffsbestimmungen in anderen
Werken, z. B.:
„Gebirgsketten oder Gebirgszüge” sind Gebirge, die sieb in
grosser Länge und in geringer Breite ausdehnen. — Thäler sind
längliche, das Gebirge durchziehende, nicht sehr schroff ab
wärts führende Vertiefungen *).
ln Balbi’s „allgemeiner Erdbeschreibung” a ) findet sich
zwar ein eigenes Capitel „die geographischen Begriffe und Kunstaus
drücke”, aber die Definitionen sind auch hier sehr mangelhaft, z.B.:
„Gebirge heissen die beträchtlichsten Erhöhungen, welche
einen steilen oder wenigstens einen merklichen Abhang haben.” —
Berggruppe ist die Vereinigung mehrer Ketten, System die Ver
einigung mehrer Ketten. — Hauptkette heisst jene, an deren Ab
hängen oder Gipfeln die grossen Flüsse entspringen” u. s. w.
Es genügt nur, in Bezug auf letztere Definition insbesonders
zu bemerken, dass östlich von der Quelle der Etsch in dem
Zuge der Centralalpen kein „grosser” Fluss mehr entspringt;
die Drauquelle liegt auf der Einsenkung eines Armes der Cen
tralkette.
Auch eines der neuesten Werke, dessen Titel schärfere
Begriffsbestimmungen vermuthen Hesse, hat diesem Gegenstände
keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet 3 ), wie folgende De
finitionen beweisen: „Die Höhe oder die Erhöhung für sich ist
der Berg, und Berge, seien sie gereiht oder gruppirt, heissen
Gebirge” u. s. w. Im Gegentheile ist auch hier Umfang und
Eintheilung der Geographie zwar schärfer als sonst wohl unter
sucht, eigentliche Begriffsbestimmungen aber findet man bei wei
tem weniger als selbst in andern Werken.
Die angeführten Beispiele werden zu dem Beweise genügen,
dass eine Bearbeitung der geographischen Grundbegriffe ein drin
gendes Bedürfniss ist. Abgesehen von der Verwirrung, welche
nothwendig in den Lehrbüchern der topischen Geographie selbst
1 ) Praktische Anleitung zum gründlichen Studium der Erdkunde für
denkende Freunde dieser Wissenschaft.
2 ) Deutsche Ausgabe 3. Auflage. Pesth, 1842.
3 ) Philosophische vergleichende allgemeine Erdkunde als wissenschaftliche
Darstellung der Erdverhältnisse und des Menschenlebens nach ihrem in
neren Zusammenhänge. Braunschweig, 1845. 2 Bde. 8.
113
durch jene Vernachlässigung entstanden ist, muss dieser Uebelstand
sich um so bedeutender heraussteilen, wenn es sich um Anwen
dung der Geographie auf staatliche Verhältnisse handelt, welche
in neuerer Zeit immer mehr in Angriff genommen wird.
In späteren Mittheilungen werde ich mir erlauben, diesen Ge
genstand weiter zu verfolgen.
Herr Dr. Boiler beschliesst die Lesung seines Aufsatzes:
.,U e b e r die Bildung secundiirer Wurzeln im
S a n s k r i t.”
Wird der active Träger einer Thätigkeit erst in Folge einer
äusseren Veranlassung wirksam, dann erscheint die mit dem Expo
nenten dieses Verhältnisses versehene Wurzel in der Causalform.
Gleiches Verhältniss mit gleicher Bezeichnung findet Statt, wenn
die im Begriffe eines Nennwortes befangenen und seine Natur be
stimmenden Thätigkeiten auf ein anderes Object übertragen wer
den, welches dieselben zur Erscheinung bringt. Die Wurzel er
hält hiebei, wenn sie primitiv ist, bei vocalischem Auslaute die
stärkere Erweiterung (Wrddhi) eines einfachen Vocals, bei con-
souantischem Schlüsse aber bleibt jeder von Natur oder durch
Position lange Vocal unverändert, die übrigen kurzen Vocale
nehmen die schwächere Steigerung in Guna, nur 3J (a) wird meist
lang. Secundäre Wurzeln so wie Nennstämme guniren nur aus
lautende Vocale, der Inlaut bleibt unverändert. Dem Auslaute
5T (a) einer primitiven Wurzel wird ^ Cp) angefügt, die übrigen
Vocale werden euphonisch verändert, Consonanten hingegen be
wahrt. Der Exponent seihst ist 5FT (ay): MI^U (bhuwayj her
vorbringen, Dasein geben, von ^ (bhü) sein; i T?Tt7 (bheday)
spalten, spalten lassen von spalten, a. u. n. \IU£t (däpay)
geben lassen, Busse zahlen lassen, von ZI (da) geben, ^T^TRT
(meghäy) sich mit Wolken bedecken, von (megha) Wolke.
Das schwache ET schwindet zum Theile schon auf indischem Boden
im Prakrit und Pali; im Latein und Griechischen haben sich nur
die Formen ao, (der ersten Conjugation mit steter Contraction)
eo, (atu, ecu, ow) erhalten, während das gothische in beiden An
wendungen dem mehr characteristischen (lagyan, legen, von
114
lif/an, managyan. vermehren, von manag ft. viel) den Vorzug gal),
bis in den jüngeren germanischen Formen alle äussere Bezeichnung
schwand, und der Begriff im symbolischen Lautwechsel seinen
Ausdruck suchte, wovon sich bereits Anklänge in den classischen
Sprachen zeigen, wie gr. givo), dem Zend. upamd-
nayen , sie mögen erwarten, altpersisch , yyy yyy
amänaya ich erwartete, lateinisch maneo gegenüber, beweist.
Vergl. Altägyptisch men, fest stehen.
Da neutrale Wurzeln durch den Causalcharacter activ wer
den, so leuchtet ein, dass mit dem Verschwinden des neutralen
Radicals, die active Form dem zunächst der Form zugewandten
indischen Grammatiker eine Classe von activen Wurzeln dar
bot, an denen er den Causal-Exponenten ohne wirkliche causale
Bedeutung fand, wodurch er zur Aufstellung einer besonderen
Wurzelclasse, der X. bestimmt wurde.
Verfolgen wir die Darstellungsweise dieses Verhältnisses auf
dem Gebiete anderer Sprachstämme, so finden wir im Altägypti
schen ein vor den Wortstamm tretendes s, welches aus einfachen
Verbalwurzeln und Nominalstämmen theils einfach, theils doppelt
transitive Verbale bildet; C*’ ^ ia )
Q 2v"f' ( ha> setzen 5 n 9 .j)|/wws (senhu)
(nuh) Strick.
setzen
binden,
lassen von
von J
^ 9 ^° <^9 1 *^ 7
s. ha. Jeu. i her rat. u. i
mache mich stehen auf meinen Füssen
ISTS1
s. herau na. i lecke, u r tef. i
führe mich durch die Finsterniss zu meinem Vater.
Das Neuägyptische hat zwar in einzelnen Fällen, wo die Cau-
salbedeutung nicht mehr gefühlt wurde, jenes s bewahrt, wie in
COONg (.sonh) binden, in der Regel aber dasselbe in T verwandelt.
TMAGIO . rechtfertgen neben dem Altägyptischen s. ma
115
Die semitischen Sprachen bilden ein Causalverbum, durch ein
vor die Wurzel vortretendes j, wobei die gesetzmässige Dreisilbig-
keit den ersten Radicalbuchstaben nöthigt, seinen Vocal aufzu-
geben. Jj' hat herabsteigen lassen, hat betrübt, wobei es
bei dem Ueichthume der Formen möglich ist, feinere Schattirunge»'
anderweitig zu bezeichnen.
Das Magyarische bildet seinen Causalausdruck durch das beim
Passiv berührte at, et, tat, tet.
Die einsilbigen Sprachen unterscheiden den eigentlichen Cau
salausdruck von der einfachen Umwandlung eines neutralen
Verbums in ein actives. Während letztere (im Tibetanischen und
Birmanischen) in die Lautung der Wurzel selbst verlegt wird,
(Tibet, durch Consonanten- und Vocal - Wechsel, Hinzufügung
neuer Elemente, Vor- und Nachsetzung bder Veränderung der
\ V
stummen Buchstaben. ,Q^TJ (je) sich lösen, trennen,
(jed) trennen, zerstreuen, G*0 um fallen, (cel)
umwerfen, (chad) in Stücke gehen, zerbrechen,
Ccod) abschneiden, trennen; Birmanisch durch Behau
chung des Anlautes, wo er derselben fähig ist, und Einschaltung
eines h nach demselben: kyüt frei, los sein; khyüt erhöhen, lan
erschrocken sein, Ihan erschrocken), bildet das wirkliche Cau-
sale ein Compositum, dessen erster Theil den Begriff der Ver
anlassung ausdrückt, und wozu die Wurzeln welche machen,
senden, befehlen, bedeuten, verwendet werden, Chines. sse be
fehlen, fräsenden, Birm. tse senden, Cliin. tsu machen, Tibet.
(jug) machen , welche selbst ihrem Lautinbalte nach
zusammen gehören.
Die Malajischen Sprachen legen den Causalbegriff theils in
das Präfix, wie die Tagalische, theils in das Suffix, wie die Java
nische , Kawi und eigentlich Malajische, wobei letztere gewöhn
lich auch eine Veränderung des Anlautes, im Malajischen jedoch
nur in Verbindung mit einem Praefixe verbinden. Die Tagalische
Sprache bildet den transitiven Ausdruck überhaupt durch Vor-
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft.
9
llf>
Setzung von macä und den speciell causalen durch magpa: viacä,
bühai Leben hervorbringen, macähapis Traurigkeit verursachen,
magpasülat schreiben lassen.
Die Javanische (und Kawisprache) bilden den transitiven
Ausdruck durch Anfügung von (um (hi) das die Verdoppelung eines
vorhergehenden Consonanten, Einschaltung eines zu verdoppelnden
n nach einem Vocal, und die Umwandlung von t und u in e und o
bedingt; gewöhnlich wird auch der anlautende harte Consonant
in seinen Nasal verwandelt, dem weichen aber derselbe mit a
(als (uin(Kl|) bloss vorgesetzt, während die Vocale und Ilalbvocale
den gutturalen Nasal vorausschicken: aruia-nn (laku) gehen,
Q Q ••
ar^atjoama^ (■nglakonni) ausführen, (umarm (hilang) verloren gehen,
aamiin (ngilangngi) etwas verlieren.
Der Causal-Ausdruck im engeren Sinne wird durch Anfügung
von uimr|!Kin (7talte') Ng, oJUiwiiKi j (haken) Kr. und Kawi gebildet:
I
wobei dieselben Veränderungen des Anlautes eintreten, den auf
gleiche Weise wie vor cum (hi) behandelten Vocalen aber ein
zu verdoppelndes an angefügt wird: ananjionijjfm (ngilangngake N)
raaaiiaanniKtj! (ngilangngaken) Kr. Kaw. vernichten lassen. In
vielen Fällen wird jedoch die Grenze zwischen beiden Ausdrucks
weisen nicht beobachtet, obgleich erstere nie in das Gebiet der
CU * Q
(um^po^ (inn anJKEJWiywjj bji onop
annrniannji aruuBUl?uinnnKj(Kn (hennengngenna hing lampahnya
sang niwata kandeg lampahhireki) lasst uns schweigen von der
Reise des Niwata, dessen Aufbruch gehindert wurde; neben
O Q CU 0. , O " ,,
Kinotwi ojnn (Bior) asmo^snn ei oarw^l^aiu)(ir](Kii](/>nzu>asasira»ia-
zweiten hinübergreift:
I J
tenni maring nging pancadrigeku), ihr seid im Stande, diese
Sinne zu tödten.
Im eigentlich Malajischen findet dieselbe doppelte Bildung
Statt, mit vortretendem Suffixe p« (man) das in Bezug auf den
An- und Auslaut den oben gegebenen Gesetzen folgt. Die Unter
scheidung wird noch weniger festgelialten, namentlich tritt i mehr
in den Hintergrund und kan nimmt beide Gebiete ein.
117
Die Sprachen der Südsec bilden für beide Formen einen ge
meinsamen Ausdruck, der jedoch auch in die neutrale Bedeutung
zurückgreift, durch Vorsetzung von waka Neuseel. Rarolonga,
foekkaTong., faa und haa Tah. haa und liooHaw: toaha tnate,
vernichten, schaden von mate^ sterben, tvakau aufrichten, stellen,
tvaka rongo, benachrichtigen, rongo, hören, foekka tiingoa,
nennen, hingoa, Name, foekka kei, füttern, kei, essen, h oolohe,
gehorchen, lohe, hören, hookomo > hineinstecken, komo, ein-
treten etc*
Wenden wir uns nun zu der Erklärung. Als AnhältSpunct
bietet uns die Sprache das Casusaffix des Dativs, das in seiner
Form mit den Causal-ExponenteU zusammenfällt, und die Wurzel
^ gehen, die in den starken Formen unter Guna - Erweiterung,
erscheint. Auch hier scheint die verbale Erklärungsweise wie die
nächste so die einladendste; dennoch vermögen wir sie nicht für
ausreichend zu erkennen, namentlich spricht der Umstand gegen
sie, dass die Sprache den wesentlichen Theil, der ihr organisches
Leben selbst bedingt, den Vocalsyrnbolismus in den eigentlichen
Wurzeltheil verlegt, und so jenem Exponenten eine bloss äussere
Geltung zugesteht* Vielmehr kann jeher sogar wegfalleh ohne die
Bedeutung der innerlich umgebildeten Wurzel aufzuheben* Jener
Exponent kann daher nur die äussere Beziehung auf ein bestimm
tes Object vermitteln und so tritt er in Gegensatz mit dem Passiv-
Charakter. Während letzterer die Wirkungssphäre der Thätigkeit
umschreibt, weist der Causal-Expolient dem objectivett Träger der
Thätigkeit seine Rolle zu: rO3if I1*1 H(jivayämi manu-
schyam), ich, lebeh ihm, den Menschen.
Als gewichtigsten Einwänd kann man die Incongruenz des
Pronominalstamines mit dem secuiidären Objecte geltend machen
und in der That müsste, vom Ständpuncte der erhaltenen Sprache
aus, eine solche Annahme zurückgewiesen werden. Diese Bildung
greift aber zurück in eine Periode, wo uns die Denkmäler verlas
sen, und nur auf dein Pfade der Vergleichung ein weiteres Zurück
gehen möglich wird. Hier erweisen sich die malayischen und Süd
seesprachen von wesentlichem Nutzen. Wie der Mensch noch ganz
in der Natur befangen lebt, so trägt auch seine Sprache den sinn
lichen Charakter unmittelbarer Anschauung; wie die Begriffe noch
unklar und unentwickelt, so ist sein Wortvorrath verworren und
9 *
118
gestaltlos. In Mittelpunete der sinnlichen Erscheinungen bezieht er
diese zunächst auf sich, und gibt ihnen, nach seiner individuellen
Stellung Richtung und Ziel. Daher jener Reichthum an demonstra-
tiv-Stämmen und das Streben, alle Verhältnisse durch dieselben zu
bezeichnen. Denn mit der Erscheinung sucht er zugleich ihre Oert-
lichkeit zu bestimmen, und so werden ihm unsere Präpositionen
Elemente der Erscheinung selbst, die er mit ihr zugleich setzt, und
die er nicht zu trennen vermag. Man hat zwar mit Recht auf den
glücklicheren Entwicklungsgang bestimmter Völker hingewiesen,
der den Geist aus den sinnlichen Fesseln befreite; dennoch würde
man sehr irren, wenn man das Dasein oder den Einfluss jener
Uranfänge für sie in Frage stellen wollte. Man mag die naive
Anschauung der Südsee-Insulaner, die bei jeder Handlung die
Richtung gegen oder von sich ausdrücken, als etwas Kindisches
belächeln, man vergisst aber, dass unsere Präpositionen aus der
selben Anschauung hervorgegangen, ja, dass der regere Sinn der
Indogermanen diesem Systeme eine noch weit grössere Ausdeh
nung gab. Allerdings schwinden mit der erwachenden Schwung
kraft des Geistes jene sinnlichen Gränzen seines Blickes; wie die
äussere Erscheinung mehr zurücktritt, und der synthetische Ver
stand das stolze Gebäude seiner Begriffe aufthürmt, zieht sich
auch das Sprachleben mehr in seine vitalen Theile zurück, jene
äusseren Stüizen verschmähend, bildet er seine Kategorien in den
gedrungenen Gränzen des Lautes, verwendet aber jenes Aussen-
werk im Um- und Neubau, der mit dem geistigen Fortschritte
Hand in Hand geht. Nur hie und da bleibt ein Bruchstück, als
Erbstück aus der Vorzeit zurück, unverstanden und an dem neuen
Leben keinen Antheil nehmend.
Doch zurück zum Causal-Exponenten, den man noch diesen
Andeutungen keinen Anstand nehmen wird, mit jenem malajischen
zu identificiren. Der malajische Laut hat noch die Eigenthüm-
lichkeit bewahrt, dass er das folgende Nennwort ohne Präposition
zu sich nimmt, und also sich seiner eigenen demonstrativen Be
deutung nach bewusst ist. Noch mehr; die javanische und Kawi-
Form des speciellen Causals auf inrnujjnn (hake) und tuinKri(Kl|
(haken) ist wie dem Laute, so gewiss auch der Bedeutung nach
die Präposition J>\ (akan) zu, an, Zeichen des Dativ’s des
119
eigentlich malajischen. Letztere Sprachen haben hierin den Vor
zug, dass sie das eigentliche Causal Ton dem bloss transitiven
Verbum unterscheiden, ja sie erklären auch gewissermassen die
Uebereinstimmung des Dativ-Affixes mit dem Causal-Charakter.
Letztere findet auch in dem Umstande eine Bestätigung, dass
die neu-indischen Sprachen dasselbe Affix CO gebrauchen und
selbst in den romanischen Sprachen die ursprüngliche Anschau
ungsweise sich geltend macht, wenn sie eine Causalform durch
Umschreibung ausdrücken. Wir legen daher den eigentlichen Trä
ger der Causalbedeutung in die Wurzel selbst, und finden ihn
in dem Vocalwechsel der schon in der vorgeschichtlichen Periode
der Sprache thätig, zuletzt allein zur Herrschaft gelangte, und
diese in den germanischen (wie bereits in Griechischen) aus-
schliessend behauptet.
Was die Formen der übrigen Stämme betrifft, so wird man
in dem ägyptischen ,v etn Objectiv-Präfix, analog dem magyari
schen ya, i der bestimmten Conjugation zu suchen haben, und das
neu-ägyptische t als eine Erhärtung von s erklären, wenn sich
nicht erweisen lassen sollte, dass dieses s selbst aus einem frü
heren t hervorgegangen.
In den semitischen Formen, in welchen die Vocalsymboli-
sirung überhaupt die vorherschende Rolle spielt, wird man zu
nächst auf diesen gewiesen, doch dürfte auch hier noch der Rest
eines früheren Demonstrativ’s anzunehmen sein.
Die magyarische Form wurde beim Passiv besprochen. Die
tibetanische und birmanische Sprache haben -wenigstens den Un
terschied der Wurzelbedeutung in den Laut selbst gelegt, und
namentlich hat erstere eine Reihe von Formen geschaffen, welche
der Unterscheidung genügt. Die malajischen Sprachen ver
dienen namentlich in Bezug auf ihre Präfixe besondere Beachtung,
in denen sich zuerst das Streben kund gibt, den starren Theil
des Wortvorrathes von dem wandelbaren zu sondern, was die
tagalisehe Sprache auch vollkommen durchführt. Die polynesi-
schen Sprachen stimmen in Bezug auf das Causalverbum voll
kommen, selbst dem Laute nach, mit dem letzteren.
Noch bleibt mir eine Erscheinung der Causalwurzel zu er
klären, die Anfügung eines an die mit 3TT auslautenden Wur-
120
Kein vor dem Antritte des Causal-Exponenten. Untersucht man
die Erscheinung näher, so zeigt sich eine Reihe von Wurzeln,
welche mit und ohne erscheinen, ohne ihre Bedeutung wesent
lich zu ändern; doch scheint die transitive vorzuherrschen, wie
schneiden und FTT id. Ä^PT ^h'p), leuchten, id. ru-o,
stürzen, ru-m-po, stürzen machen, brechen. Hieraus ist man zu
dem Schlüsse berechtigt, dass die Anfügung von (J von der Cau-
salbildung unabhängig ist, da seihst Causalformen mit ohne
den Exponenten desselben erscheinen; so lateinisch dam-num,
Schadenersatz aus einer Wurzel dap, mit assimilirtem p; grie
chisch daaravy? Aufwand etc. Man kann demnach das p als Ob-
jectiv-Affix erklären, analog dem ägyptischen s, dem koptischen C
das nachgesetzt wird; vergl. G(JOITC, bitten mit cTtGüDIT. Pass man in
dem Lippenconsonanten einen Pronominalstamm zu suchen habe,
beweist die Prädicativ-Wurzel pu ägyptisch, sanscr. ^werden,
fio, welche bereits Schwartze mit dem ägyptischen Artikel
pe und der Präposition (ITJPT, w zusammengestellt hat.
Intensiv.
So nennen wir eine Wurzelform, welche die oftmalige Wie
derholung, die Stärke und den Umfang einer Thätigkeit bezeich
net. DJe Wurzel selbst erscheint reduplicirt, wobei die Wurzel-
vocale i, i, u, u gunirt, 31 hingegen verlängert, oder durch Aufnahme
des folgenden Nasals oder ^ erweitert wird. Gewöhnlich er
hält die neugebildete Wurzel den Präsens-Charakter der IV. Classe
ET und nimmt dann die Medjal-Affixe zu sich. oft sammeln
oder Vf und oder rj sehr glänzen. Diese Bildung
scheint sich bloss auf die östlichen Zweige des indogermanischen
Stammes zu beschränken, und nur einzelne Beispiele finden sich im
Griechischen wie ciatpocforcü von iScszttw zerreissen. Die Bedeutung
fliesst aus der Verdopplung, welcher das bereits zum Durchbruch ge
langte Sprachgefühl die Erweiterung des Vocals beifügte. Die an sich
klare Geltung der Reduplication, w T ird durch die Vergleichung mit
andern Stämmen, namentlich jenen, welche einer mehr sinnlichen
Anschauung Ausdruck geben, näher dahin bestimmt, dass dieselbe
wirklich die volle Wurzel vertritt; vergl. alt-ägyptisch pclpct,
in die Flucht schlagen, neu-ägyptisch 0)OKü)eK scharf, spitzig sein.
121
Eben so bieten die semitischen Sprachen eine Anzahl Quadriliteren,
welche durch Verdopplung entstanden sind. In den einsilbigen
Sprachen sind diese Wurzelverdopplungen recht eigentlich zu
Hause, und sie haben hier, wie in den malajischen und polyne-
sischen Sprachen ein weiteres Gebiet, indem sie, wie die Hie-
roglyphe bildlich, die Mehrzahl und Steigerung bezeichnen.
Tibet. ^ZJ| (go-go-wa) öfter gehen AjZJj* ÄjZJj -
"P. (log. log. pa) oftmals lesen; malaj. (kirakira) ver-
muthen, f bercerei-cerrei, sich zerstreuen, Javanisch:
ajdri2(UUi(i[jmrj2(UUiQm| ngoyagngoyag von hoyag anhaltend sich be
wegen, sich an etwas ergötzen von sem.
Die Sprachen der Südsee gebrauchen solche Formen
noch öfter, und zwar mit voller oder theilweiser Wiederho
lung: wehe wehe, trennen; tirotiro riri, zornig aufblicken ; kani-
kani, tanzen; tatari, erwarten; piperi, drängen.
Desiderativ.
Eine Wurzelform die nur den östlichen Zweigen eigen ist,
und den Wunsch oder die Geneigtheit eine Thätigkeit auszuüben,
in einen Zustand überzugehen, bezeichnet. Die Wurzel erhält Re-
duplication mit dem Vocale i, der jedoch einem folgenden u-
Elemente assimilirt wird, und fügt an das Ende, an einfachen
Wurzeln zum Theil unmittelbar, ausserdem mittelst bindenden
i den Charakter H- In den westlichen Sprachen lassen sich die
Inchoation auf sco hieherziehen, wie auch einzelne Reste, z. B.
lateinisch gnarus neben sansc. erforschen, yiyvthaxM, pip-
vrj!7xto, neben J-jj£| |durchdenken etc.
•\
In den übrigen Sprachstämmen findet sich keine entspre
chende Bildung. Man ist daher bei ihrer Erklärung auf die Spra
che selbst beschränkt, und auch diese bietet keine besonderen
Anhaltspuncte. Obgleich die Beziehung zur Wurzel wün
schen, keineswegs zufällig ist, und Wurzelverbindungen selbst
im Sanscrit nicht ganz unerhört sind, so dürfte diese Zusammen
stellung doch keine befriedigende Lösung, namentlich nicht für
die westlichen Formen geben. Vielleicht liegt für die eigentli-
122
chen Inchoativen, welche ohne Reduplication erscheinen, und
denen im Sanscrit und ^parallel geht, der Stamm der Wurzel
(anc) gehen, zu Grunde, dessen a in der Verbindung ausfällt.
Am nächsten liegt die vedische Präposition (accha) hinzu:
vor (coram), welche Benfey auf Hrf, gewiss mit Recht, zu-
rückführt, so dass man auf die Wurzel iksch, schauen,
Hl^ap, durchdringen, gelangen, zurückgeführt wird. Die Re
duplication des eigentlichen Desiderativs schliesst sie an die
Präsensformen der reduplicirenden 3. Wurzelclasse, der Aus
druck des Wunsches aber scheint in dem Charakter i zu liegen,
da die Wurzel ohne Reduplication überhaupt die Gewohnheit,
Uebung oder Wiederholung bezeichnet, wie sich aus einer Reihe
von solchen Wurzeln entnehmen zu lassen scheint. Von Wich
tigkeit ist die Vergleichung mit den Denomitivformen auf
(iy)t welche besonders im Veda häufig, was Verlangen nach
dem ausdrückt, was das zu Grunde liegende Nomen aussagt.
Die ägyptischen Formen mit hinten angefügtem C scheinen
gleichfalls eine solche Beziehung anzudeuten, und selbst das
sogenannte 0 intensivum, welches vor die Wurzeln tritt, liegt
jenem sanskritischen H der Habitualität am nächsten. Die po-
lynesischen Formen mit Vorgesetztem hia, welche Verba neutra
bilden: hia kai, hungern (siehe oben Passiv), führen auf eine
Wurzel Tong fia N. hia, wünschen, wollen.
Herr Regierungsrath Chmel liest die Fortsetzung seines
Aufsatzes:
„Ueber die Pflege der Geschichtswissenschaft
in Oesterreich.”
Vorerinnerung.
Ich sehe mich veranlasst, meine Vorträge über „Pflege der
Geschichtswissenschaft in Oesterreich” mit ein paar Worten zu
rechtfertigen:
Um das Gebiet des Wissens zu erweitern (allerdings Haupt
aufgabe einer Akademie, wenn auch nicht die einzige), muss man
dasselbe durch und durch kennen, das ganze Feld übersehen.
Wer das Alte nicht kennt, kann Neues kaum finden, wenigstens dar
über nicht vollständige Rechenschaft geben.
123
Geschichte ist vor allen andern Wissenschaften erst allmäh-
liger Ausbildung bedürftig, je reicher ihre Quellen fliessen, desto
sicherer wird sie. Sie ist mehr als jede andere abhängig vom Zu
sammenwirken Vieler.
Die Literatur ist die Leuchte der Geschichte, darum müssen
beide aufs engste sich verbinden. Auf den Schultern des Einen
kann der Andere weiter sehen. —
Was früher geleistet wurde, was Dieser und Jener arbeitete
muss man kennen und benützen.
Leider fehlt es unserer österreichischen Geschichts-Literatur
an den nöthigsten literarischen Hilfsmitteln, vorzüglich an Ueber-
sichten, Verzeichnissen, Realcatalogen. Wir vermissen schmerz
lich jene förderlichen Nachweisungen, welche so vielen andern
fremden Staaten und Völkern zu Gebote stehen.
Was wir haben, ist veraltet, ist mangelhaft und weit zurück.
V o g e l’s Specimen Bibliothecae Austr. ist vor 70 Jahren, Webe r’s
Handbuch vor 50 Jahren erschienen. Was ist seitdem geleistet wor
den, was ist beiden Sammlern nicht entgangen? Und wie unbe
kannt sind überdiess noch dazu diese Werke. Ein sehr ausgezeich
neter Geschichtschreiber Oesterreichs hatte schon mehrere Bände
seines Werkes geschrieben, ohne nur eine Ahnung zu haben, dass
eb solches Werk wie Vogel existire.
Um nun besonders die jüngere Generation, auf welche unsere
Hoffnung gerichtet ist, die berufen sein dürfte, die vaterländische
Geschichte zu regeneriren und des Namens einer Wissenschaft
würdig zu machen, in ihren Arbeiten zu fördern, sie auf das,
was existirt, aufmerksam zu machen, ihr die Lücken anzudeu
ten, welche ausgefüllt werden sollten, habe ich diese Vorträge
begonnen, sie sind für den jung« Nachwachs bestimmt, sie
sollen anregen.
Aber auch an und für sich ist eine Darstellung und eine
kritische Uebersicht der Geschichts-Literatur , wie ich glaube,
nichts Ueb er flüssiges.
Es gibt eine Geschichte der Geschichte, so wie jeder an
dern Wissenschaft. Eine Literatur-Geschichte muss die allmäh-
ligen Fortschritte der Historiographie und ihren Wechsel
schildern.
124
Die Schicksale der Geschichtswissenschaft, namentlich in
Oesterreich, und besonders in den letzten dreissig Jahren, wo
man sie für überflüssig, ja für gefährlich hielt, und die Jugend
zu ihrer Vernachlässigung auflorderte, sind der nähern Unter
suchung wohl werth.
Ueberhaupt ist Literaturgeschichte in Verbindung mit Cul-
tur- und Sittengeschichte, ohne Zweifel unter allem was wis-
senswerth ist, das Edelste, das Nützlichste.
Ich glaube somit Vorträge über die „Pflege der Geschichts
wissenschaft in Oesterreich” gerechtfertigt zu haben, es sind
kritische Fingerzeige.
Zu gleicher Zeit erschien ein anderes Werk über die To
pographie des Landes unter der Enns (von 1831—1841) von
Schweickhardt 1 ), das neben einigen guten Materialien und
Notizen (er konnte die Sammlungen Baron Penkler’s und
Adrian Rauch’s benützen) sehr viel Spreu und Unverbürgtes
brachte , dafür aber bereit liegendes Material aus Unkenntniss
liegen liess.
An Thätigkeit und Fleiss liess es der Verfasser, wie es
scheint, nicht fehlen, aber Quellenkenntniss und kritische Um
sicht mangelt durchaus. Für einen Einzelnen war dieses Unter-
*) ,,Darstellung 1 des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns, durch umfassende
„Beschreibung aller Burgen, Schlösser, Herrschaften, Städte, Märkte, Dörfer,
,,Rotten etc. etc. topographisch-statistisch-genealogisch bearbeitet, und nach den
,,bestehenden vier Kreis-Vierteln alphabetisch gereiht. Von Fr. Schweickhardt
,,etc. etc. Wien, 1831. In Commission in der Schmidl’schen Buchhandlung. In 80
mit Kupfern. Zusammen 37 Bdd. Das Viertel unterm Wienerwald 7 Bdd. ; das Viertel
oberm Wienerwald 14 Bdd.; das Viertel unterm Manhartsberge 7 Bdd., das Viertel
oberm Manhartsberge 6 Bdd. (unvollendet), die Haupt- und Residenz-Stadt Wien
3 Bdd. Es fehlen noch die ehemaligen Herrschaften Albrechtsberg, Breiteneich,
Burgschleinitz (zweimal, Fideicömmiss- und Pfarrherrschaft), Eggenburg (Stadt
und k. k. Stiftungsfonds-Herrschaft), Eisgarn, Gföhl, Gmünd, (Stadt und Allodial-
herrschaft, dann Pfarrherrschaft), Göpfritz, Greillenstein, Gross-Pertolz, Gross-
Poppen, Haindorf, Idolsberg, Kaltau, Langenlois (Markt), Maigen, Meyres, Nieder-
Fladnitz, Nieder-Kreuzstetten, Nieder-Ranna, Pöggstal, Prutzendorf, Rapotten
stein, Rastbach, Reinprechtspölla, Roregg , Rosenau, Schwarzenau, Spitz, die
freien Gemeinden Stiefern , und Thürneustift, Stockem, Theras, Therasberg,
Weitra (Bürgerspilalsherrscliaft und Fideicommissherrschaft) Wildberg — also 4&
Herrschaften; es ist mithin kaum die Hälfte des Viertels bearbeitet. — Bei allen
Fehlern und Mängeln ist das Schweickhardtische Werk doch dem Geschichtsfor
scher so wie dem Topographen und Statistiker unentbehrlich, darum ist diese
Lücke sehr empfindlich. — Es ist doch eine eigene Sache , dass selbst umfang
reiche Werke einen Gegenstand nicht erschöpfen, so auch die Hormayr’sche Ge
schichte Wiens, —
125
nehmen jedenfalls zu schwer, selbst wenn die umfassendsten
und gründlichsten Vorstudien durch dreimal längere Zeit vor
ausgegangen wären.
Auch S chw eickhard t’s Topographie blieb unvollendet,
so wie seine Perspectivkarte des Landes unter der Enns, von
der kaum der vierte Theil erschienen ist (63 Blätter mit eben
so viel Heftchen Beschreibung).
Nach unserer Ueberzeugung ist etwas Gediegenes und Voll
ständiges nur von vereinten Kräften zu erwarten, und anzu
sprechen.
Fassen wir einmal den Umfang und die Schwierigkeit der
Aufgabe näher ins Auge.
Das Land unter der Enns und seine Geschicke sollen dar
gestellt und geschildert werden, treu und wahrhaft, genau und
ausführlich.
1. Die Natur des Landes und seiner Bewohner.
2. Die Wohnplätze derselben, einst und jetzt.
3. Die Abstammung derselben nach den Volks Stäm
men und ihrer Sprache.
4. Die gesellschaftliche Verfassung in der diese Be
wohner lebten und leben nach den verschiedenen Stän
den und ihre Rechte,
5. Die staatliche Verfassung und ihre politischen
Veränderungen.
6. Die religiösen Ansichten dieser Bewohner und ihr
kirchliches Leben.
7. Die Sitten und die Bildung dieser Bewohner.
Nach dieser siebenfachen Gliederung umfasst eine gründ
liche und vollständige Landeskunde die Kenntniss:
Erstens der Naturgeschichte des Landes unter der
Enns.
Zweitens der Topographie desselben.
Drittens der Sprache und ihrer Denkmäler.
Viertens der Rechtsgeschichte und ihrer Denkmäler*
Fünftens der politischen oder S t aats g e schi ch t e.
Sechstens der Religions- und Kirchengeschichte,
Siebentens der Cultur-, Literatur- und Kunstge
schichte desselben.
120
Lassen Sie uns nun diese sieben Zweige eines Baumes
näher in’s Auge fassen.
Zuvor muss ich Sie aber an ein wissenschaftliches Unter
nehmen erinnern, welches vor beinahe zwanzig Jahren hier in
Wien augeregt wurde , nach einiger Zeit auch theilweise zur
Ausführung, leider aber auch ebenso bald wieder in’s Stocken
kam, wie so viele, ja die meisten literarischen Unternehmungen,
die auf ein Zusammenwirken Mehrerer berechnet sind. Ich
meine die „Beiträge zur Landeskunde Oesterreichs
unter der Enns.” Herausgegeben auf Veranlassung der Nie-
der-0 e st e r r e i ch ische n Stände von einem Vereine für
vaterländische Geschichte, Statistik und Topogra
phie. *)
*) Es erschienen die ersten zwei Bände im Jahre 1832, der dritte im Jahre 1833, der
vierte und letzte im Jahre 1834. Dass in diesen vier Bänden allerdings nicht wenig
Interessantes und Gediegenes zu Tage gefördert wurde, geht aus dem Inhalte der
darin vorkommenden Aufsätze hervor, daher ich es für erspriesslich halte , eine
Uebersicht desselben hier mitzutheilen :
Beiträge zur Landes-Kunde Oesterreichs unter der Enns. Herausgegeben
auf Veranlassung der Nieder-Oesterreiehischen Stände von einem Vereine
für vaterländische Geschichte, Statistik und Topographie.
Erster Band. Mit 11 Holzschnitten, 4 lithographirten Karten und 2 Ku
pfertafeln. Wien 1832. in Commission der F. Beck’schen Universitätsbuch
handlung. X. 341 S. 8°*
Inhalt: Einleitung. S. III.
1) Einige Worte über den dermaligen Stand der Landwirtschaft in Nieder-Oester-
reich. S. 1.
2) Das Erzherzogthum Oesterreich, verglichen mit mehreren Provinzen des Kaiser-
staates in Hinsicht auf Volksunterricht und Verbrechenzahl. Von Dr. Johann
Springer, k. k. Professor der Statistik an der Wiener Universität. S. 57.
3) Bemerkungen über die Mundart des Volkes im Lande Oesterreich unter der Enns.
Von Franz Tschischka. S. 74.
* 4) Die Denksäule nächst Wiener-Neustadt, Spinnerin am Kreuze genannt. Beschrieben
und historisch erläutert, von Ferdinand Karl Boeheim. S. 96. Mit 11 Holzschnit
ten und 2 Kupferlafeln.
* 5) Ueber die Gränzen des Landes Oesterreich unter der Enns. Von Johann Philipp
We'ber. S. 169. Mit 3 lithographirten Kärtchen.
6) Darstellung der pflanzen-geographischen Verhältnisse des Erzherzogthums Oester
reich unter der Enns. Von Johann Zahlbruckner. S. 205.
7) Ueber die geognostische Untersuchung Oesterreichs. Von Paul Partsch. S. 269.
8) Ueber die Ausarbeitung einer Fauna des Erzherzogthums Oesterreich, nebst einer
systematischen Aufzählung der in diesem Lande vorkommenden Säugethiere,
Reptilien und Fische, als Prodrom einer Fauna derselben. Von L. J. Fitzinger.
S. 280.
Zweiter Band. Wien 1832. Mit 2 lithographirten Tafeln. 315 S. 8°-
Inhalt : 1. Systematisches Verzeichniss der Schmetterlinge im Erzherzogthume
Oesterreich. Von Vincenz Kollar. S. 1.
2) Uebersicht der Geschichte Oesterreichs unter der Enns , während der Herrschaft
der Römer. Von Joseph Cales. Arneth. S. 102.
127
Nach meinem Erachten kann doch nur von einem Vereine
vieler und verschiedener wissenschaftlicher Capacitäten das Zu
standekommen eines wirklich befriedigenden Werkes über „Lan
deskunde des Erzherzogthums Oesterreich unter und ob der
Enns” gehofft und erwartet werden.
So wie alle Erfahrungs-Wissenschaften die „Geschichte”
benöthigen , ohne Geschichte gar nicht existiren würden, so be
darf die „Geschichte” auch ihres Lichtes, sonst entbehrt sie
aller Wissenschaftlichkeit, wird ein ganz unkritisches Ge
wäsche oder einseitiges Berichten über Dinge, welche höchst
untergeordnet sind, indess die wichtigsten Verhältnisse unbe
rührt bleiben und unverstanden. —
Gehört es nicht zur Geschichte des Landes, zu wis
sen, wie dasselbe entstanden ist und sich nach und nach ge
bildet hat, auf welchem Boden stehen wir und wandeln wir? —
3) Bemerkungen über die Mundart des Volkes im Lande Oesterreich unter der Enns,
(Fortsetzung) Von Fr. Tschischka. S. 148.
4) Ueber die Höhe des St. Stephans-Thurmes in Wien , und dessen Erhöhung über
einige Puncte des Wasserspiegels der Donau und über die Meeresfläche. Von
Carl Myrbach von Rheinfeld. S. 215. Mit 2 lithographirten Karten.
*5) Der Rittergau im Parke zu Lachsenburg. Geschildert von F. C. Weidmann. S. 278.
Dritter Band. Wien, 1833. 221 S. 8°.
Inhalt: *1) Andeutungen zur Geschichte und Beschreibung des bürgerlichen Zeug
hauses in Wien. Von J. Scheiger. S. 3.
2) Systematisches Verzeichniss der im Erzherzogthume Oesterreich vorkomenden ge-
radflügeligen Insekten. Von Vincenz Kollar. S. 07.
3) Systematisches Verzeichniss der im Erzherzogthume Oesterreich vorkommenden
Weichthiere, als Prodrom einer Fauna derselben. Von L. F. Fitzinger. S. 88.
* 4) Bemerkungen über die Mundart des Volkes im Lande Oesterreich unter der
Enns. Von Franz Tschischka. (Schluss.) S. 123.
5) Gärten und Garten-Kunst in Oesterreich. Von Carl Ritter. S. 131.
6) Alphabetisches Verzeichniss aller Orte Oesterreichs nach ihrer geographischen
Länge und Breite. Von J. J. Littrow. S. 146.
Vierter Band. Wien 1834. Mit einem * Kupferstiche und einem Holzschnitte.
S. 285. 8°.
Inhalt: *1) Die Burg zu Wiener*Neustadt und ihre Denkwürdigkeiten. Historisch
und archäologisch beschrieben von Ferdinand Karl Boeheim (mit 1 Holzschnitte
und einem Kupferstiche). S. 1. (Sehr interessant.)
2) Alphabetisches Vorzeichniss aller Orte Oesterreichs nach ihrer geographischen
Länge und Breite. Von J. J. Littrow. (Beschluss.) S. 84.
*3) Der Rittergau im Parke zu Lachsenburg. Geschildert von F. C. Weidmann.
(Beschluss.) S. 131.
4) Beiträge zur cryptogamischen Flora Unter-Oesterreichs. Von Friedrich Wel witsch
S. 156.
*5) Herrschaft Wetzles. Von Johann Fräst. S. 274. (Die Herrschaft heist eigentlich
Dobra. — Nachrichten vom Geschlechte der Dobra. — * Interessante Briefe der
Kaiserin Eleonore dritten Gemahlin K. Leopolds I. an ihre Kammerfrau, Magda
lena Henriette Freiin von Schäfer.)
128
Gibt es keine Urkunden, die uns darüber Aufschluss
geben? Ja wohl , die älteste Geschichte des Landes liefert
uns der Geolog - , der Physiker, der Geograph, ihre
Forschungen müssen uns darüber belehren, wie sich Oester
reich nach und nach gebildet hat. — Das Wiener-Becken ist
der Boden eines grossen Landsees. — (Spuren einer früheren
Bevölkerung, Beschiffung dieses Sees. — Ist es wahr, dass
man an der Wand in der Nähe von Wiener-Neustadt eiserne
Ringe fand, woran die Schiffe befestigt waren ? s. Schmidls
Schneeberg S. 49.)
Die Hydrographie muss im Vereine mit der Ge
schichte die Veränderungen des Laufes der Donau, dieses
Hauptvehikels der Cultur, durch die, man darf es sagen,
die ganze Gestaltung unserer Geschichte wesentlich bedingt
war , beleuchten. Wie lückenhaft ist darin bisher noch unsere
Kenntniss.
Naturgeschichte im weitesten Umfange des Wortes,
Oekonomie und Medicin werden im Bunde mit der Ge
schichte zur Beleuchtung der Zustände und Geschicke des
Landes unendlich viel beitragen können, kaum thut es Noth,
Beispiele anzuführen. Doch wollen wir es thun.
Nur im Vereine naturwissenschaftlicher und geschichtlicher
Kenntnisse sind Aufschlüsse möglich über früheren Bergbau, über
frühere 0 ekonomie, über frühere Technologie, über frühere
Kunst und Literatur im Lande Oesterreich.— Wie wich
tig sind zur Beurtheilung der früheren Cultur-Geschichte
nicht genaue Kenntnisse aller Fächer des menschlichen Wis
sens, um dieselbe weder zu unterschätzen noch zn über
schätzen.
Muss eine Geschichte der Wie ner-Univ er si t ät, auf
die wir noch später insbesondere zurückkommen werden, nicht
den frühem Zustand der Naturwissenschaften und insbesondere
der Medicin, so wie auch der Mathematik, der Astronomie u. s. w.
berücksichtigen ? Sollen da nicht vereinte Kräfte etwas Tüchtiges
liefern können? Ja — aber auch nur vereinte Kräfte *).
*) Ich habe in meinen „Materialien” (Band II. S. 393—401) aus einem Codex MS. der
Je. k. Hofbibliothek (Nr. 5400) eine Apothelcer-Taxe aus dem 15. Jahrhundert,
eine andere aus der Handschrift Nr. 5155 mitgetheilt. Im „Geschichtsforscher” Bd.
129
Wie wichtig ist nicht die Geschichte der Krankheiten,
Epidemien und Seuchen, welche mit der Sittengeschichte
und der Culturgeschichte im innigsten Zusammenhänge stehen.
Die Geschichte der Spitäler, W ohlth ät igkei ts an
statt en, der Blinden-, Taubstummen-Institute, der
Heilanstalten für Irrsinnige u. s. w., ist sie nicht aufs ge
naueste verwebt mit unserer Culturgeschichte. —
0 gewiss bieten die Naturwissenschaften ungeheuer
viel Stoff zur interessantesten Darstellung früherer Zustände
dar und es wäre ein Verein für diesen Zweck sehr
erspriesslich. —- Was könnten da für Fragen zur Sprache kom
men und wie viele derselben auch glücklich gelöst werden!
Welch ungeheures Feld für Forschungen und gelehrte Ar
beiten bietet nun die zweite Abtheilung, die Topographie
dar, sie verfolgt alle Spuren, wo einst Menschen gehaust
und gewirkt haben im Laufe der Zeiten. — Alle Ueberbleibsel
menschlichen Thuns und Treibens sind ihr wichtig.— Ruinen,
alte Wälle und Gräben (Befestigungen), Gräber be
rücksichtigt der Topograph und sucht sie auf; er bemüht sich,
aus den Ueberbleibseln auf die Zeit ihres Entstehens , auf den
Grad der Cultur zu schliessen, die sie andeuten. — Was wäre
in dieser Beziehung noch alles zu leisten. Ausgrabungen zu
veranstalten, Untersuchungen zu pflegen, falsche Ansichten zu
berichtigen, durch Zusammenstellung des Bekannten gewisse Ver
hältnisse zu beleuchten, durch Combinationen und Vergleichungen
so manche neue Aufschlüsse zu erreichen, wäre einem thätigen
Vereine von Topographen allerdings möglich. — Wie weit sind
wir aber darin zurück. — Ich will von der frühesten Zeit
schweigen, obwohl auch von dieser Spuren zu verfolgen sind,
aber wir sind ja mit unsern römischen Ansiedlungen nicht im
Reinen, wir haben in unserer Nähe das bedeutende Carnun
tum, was hat man gethan seit Lambecius für seine Er-
I. S. 50—63 stehen „Beiträge zur Geschichte der Wiener-Universität im fünfzehn
ten Jahrhundert” — darunter das zweite Stück so wie das dritte nur durch den
sachkundigen Dr. E i c hen fe 1 d enträthselt und (vortrefflich) erläutert wurde ; das
letztere zählt die damals gangbare medicinische Literatur auf. — Ich glaube nicht,
dass bisher noch von diesen Notizen Gebrauch gemacht wurde, selbst nicht in
Schriften, welche die Geschichte der medicinischen Facultät in Wien speciell be
sprechen. —
130
innerung? Ja hier iu Wien selbst mit welcher geringen Auf
merksamkeit wurden seit mehr als 70 Jahren die auftauchenden
Ueberbleibsel römischer Cultur behandelt, konnte nicht schon
längst durch ein kräftiges Zusammenwirken eine grossartige
Ausgrabung veranstaltet werden? *)— Eben so wenig sind wir
mit der Topographie Wiens im Mittelalter im Reinen, so sebätzens-
werthe Beiträge unser correspondirendes Mitglied Schlager
über einige Plätze der Stadt uns geliefert hat, die freilich
selbst hie und da der Controverse Raum lassen.
Selbst aus der neuern Zeit ist unsere Lokalkenntniss Wiens
nichts weniger als vollständig, eine grosse Anzahl von Capel
len und Kirchen ist verschwunden, und man kann ihren Platz,
wo sie gestanden sind, nicht mehr mit Gewissheit angeben,
die zahlreichen Umbauten haben Gässen wie einzelne Häuser
verschwinden lassen. Wäre es nicht höchste Zeit, die Topogra
phie des alten Wien zum Gedächtniss für das neue in
einem vollständigen Bilde zu fixiren für alle Zeiten. — Da
wäre nun ein VeTein wirkliches Bedürfniss. —
Die Geschichte und Topographie Wiens ist wahrlich nicht
arm an Bearbeitern, eine grosse Zahl von Büchern und Auf
sätzen haben sich seit Jahrhunderten damit beschäftigt. Eine
Bibliotheca Viennensis würde einen geräumigen Saal füllen, ein
Verzeichniss derselben wäre höchst erwünscht.
In der letztem Zeit hat die Lust und Liebe zur Sammlung
und Aufbewahrung von Quellen zur Geschichte und Topogra
phie Wiens auf erfreuliche Weise zugenommen, es käme nur
darauf an, diese Freunde und Kenner zu vereinigen, das ist
aber freilich schwieriger als man glauben sollte.
Ich will hier nur jene Männer nennen , welche sich in der
letzteren Zeit um die Geschichte Wiens und seine Topographie,
die man nicht trennen kann, durch ihre Leistungen verdient
gemacht haben (seit Hormayrs Abgang aus Oesterreich).
*) Id neuester Zeit hat ja unser correspondirendes Mitglied Friedric h B lumberger,
Stiftskämmerer in Göttweig (wie mich dünkt) sehr begründete,,Bedenken gegen die
gewöhnliche Ansicht von Wiens Identität mit-dem alten ,,Faviana”—veröffentlicht.
(Siehe unser Archiv für Kunde österreichischer Geschichtsquellen. Jahrgang 1849,
II.Band, S.355—366.)—Eine Revision der Geschichte Wiens wäre dringend nöthig,
es würde sich freilich am Ende herausstellcn, dass wir von einer der interessan
testen Städte Deutschlands noch keine tüchtige Topographie und Geschichte haben,
so viel darüber auch geschrieben wurde.
131
Es sind die Herren Cainesina, Feil, Gräffer, Kal-
tenbaeck, von Karajan, von Leber, Schimmer, Schla
ger, Tscliischka, deren Arbeiten entweder bereits veröf
fentlicht wurden
besonders bei den zwei ersteren)
noch zit erwarten sind.
Eine nähere Würdigung derselben würde uns hier wohl zu
weit führen, doch können wir nicht unterlassen auf Folgendes
aufmerksam zu machen
i ) Gräffer* einer der kenntnisreichsten Antiquar-Buchhändler, ist durch vielfache
literarische Thätigkeit rühralichst bekannt. Sein, trotz so vieler Mängel und
Lücken sehr verdienstvolles Unternehmen : Oesterreichische National-
Encyklopädie verdient ohne Zweifel die sorgfältigste Ergänzung und Ueber-
arbeitung, die Idee ist eine höchst glückliche, die allmählige Vervollkommnung
das Werk vereinter tüchtiger Kräfte. —
Gräflfer’s Conversationsblatt (1819 und 1820, 1821 von März angefangen
redigirt Von Castelli) hätte grössere Theilnahme verdient, die leidige Censur hin
derte das Gedeihen, wir haben seitdem kein ähnliches Blatt.
In der letztem Zeit veröffentlichte Herr Gräffer eine grosse Anzahl von klei
neren Sammlungen und Aufsätzen, mitunter höchst barocken Inhalts und noch
sonderbarerer Form. Es ist schade, dass ein Mann von so viel Wissen und Geist,
um seinen Aufsätzen beim lesenden Publicum Eingang zu verschaffen , zu solchen
Mitteln greiffen zu müssen scheint.
In Herrn Gräffer’s Werken und Werkchen steckt eine staunenswerthe Fülle von
geschichtlichen, topographischen und literarischen Notizen* Schade dass er da
mit so viel Erfundenes vermischt. — Traurig, dass Gräffer mit wirklich nützli
chen literarischen Projecten sO gar nicht durchdringen konnte und keinerlei Un
terstützung fand. Eine Bibliotheca Austriaca, eine Bibliotheca Vindobonensis hätte
Gräffer ohne Zweifel geliefert (er wollte cs, er machte Vorschläge) umsonst*
der Mann wurde bei Seite geschoben, ja in seiner literarischen Thätigkeit —
gehemmt. —
Zur Geschichte Wiens lieferte Gräffer zuletzt:
1) Kleine Wiener - Memoiren. Wieh 1845. Fr. Beck’s ÜniverSitäts - Buchbandlung*
3 Bände (IV. 259—297—258 SS.) („Historische Novellen, Genrescenen, Fresken,
Skizzen, Persönlichkeiten und Sächlichkeiten, Anekdoten und Curiosa* Visionen
und Notizen zur Geschichte und Characteristik Wiens uftd der Wiener, in älterer
und neuerer Zeit. Von Franz Gräffer, Inhaber der goldenen Schriftsteller-Me
daillen des Kaisers von Oesterreich und des Königs der Franzosen”).
2) Wiener-Dosenstückc , nämlich : Physiognomien , Conversationsbildchen
Auftritte, Genrescenen * Caricaturen und Dieses und Jenes, Wieri und die Wiener
betreffend * thatsächlich und novellistisch. Von Franz Gräffer. 2 Theile. Wien,
Mörschner’s Witwe u. W. Bianchi» 1846. (282 u. 278 SS. 8°.) (Auch der 4. und
5. Theil der Wiener-Memoiren).
3) Wienerische Kurzweil*, oder lustige* drollige, auch possenhafte und
schnurrige Auftritte, Gescbichtchen, Gattungsstücke und andere derlei Schilde-
reien und Einfälle, Wien betreffend und die Wiener. Von Franz Gräffer. Mit einem
Titelbilde. (Schliesst sich auch des Verf. kleinen Wiener Memoiren an). Wien,
1846* Gedruckt und im Verlage bei A. PiOhler’s sei. Witwe. VI. 314 SS. 8o*
4) Netie W i e n er - L o c al fr e s ke n ; geschichtlich* anekdotisch, curios * novel
listisch etc., ernst und heiter* alte und neue Zeit betreffend. Von Franz Gräffer.
Mit einem Titelbildchen. Linz 1847. Verlag der k. k. priv. akademischen Kunst-,
Musik- und Buchhandlung von Friedrich Eurich Und Sohn. 8®; 306 SS.
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jabrg. 1850.11. u. III. Heft. 10
Es fehlt au planmässigem Zusammenwirken und an der
wünschenswerthen Eintheilung der Arbeiten, auch sind manche
5) Neue Wi e n e r - T a b 1 ett en und heitere Novellchen. Von Franz Gräffer. Mit
einem Titelbilde. Wien 1848. Im Verlage von Matthäus Kuppitsch, k. k. Hofbiblio-
theks-Antiquar und Buchhändler. VIII. 351 SS. 8°. Dieses Buch enthält ein Na-*
men- und Sachenregister zu den (obigen) acht Bänden von Gräffer*s vermischten
Wiener-Skizzen, in 4 Blättern. Gleich darauf erschien der neunte Band i
6) „Zur Stadt Wien”, und zwar: neue Memorabilien und Genreskizzen, Bur
leskes und Groteskes, Possen und Glossen, Leute und Sachen und Zustände des
alten und neuen Wien betreffend. Von Franz Gräffer. Wien 1849. Verlag von A»
Pichler’s Witwe. 238 SS. 8».
Die meisten dieser Aufsätze und Sächelchen erschienen in Journalen Und Ta
geblättern. —• Eine Auswahl aus diesen 9 Bänden in etwa zwei Bändchen Wäre
wirklich wünschenswerth.— Für Literatur- und Sittengeschichte enthalten
die Gräfferischen Memoiren gewiss schätzbare Beiträge. —
Friedrich Otto Edler von Leber, wohlhabend uhd Unabhängig * hätte
bei längerer Lebensdauer (er starb leider schon im 43. Jahre am 11. DecetnbeC
1846) gewiss für die geschichtliche Kunde seiner Vaterstadt und ihre Umgebung
bedeutendes geleistet. Jedenfalls ist sein Werk über das kaiserliche Zeughaus in
Wien von grossem Interesse und hat in Folge der leidigen Bestürmung Und Plün
derung desselben am 7. October 184S doppelten Werth, da es die Schilderung des
früheren Zustandes, dieser ausgezeichneten Waffen-Sammlung für alle Zeiten be
wahrt hat. Schon früher gab Leber ein historisch-topographisches Werk heraus,
in welchem dankenswerthe Notizen und Fingerzeige stehen und das trotz so man
cher Sonderbarkeiten und Missgriffe unsere Kenntniss der vaterländischen Vorzeit
wesentlich gefördert hat.
R ü c k b 1 icke i n d eut s ch e Vor zeit. Drei Bände. I. Die Ritterburgen Rau
heneck, Scharfeneck und Rauhenstein. Mit geschichtlichen Andeutungen über die
Vehmgerichte und Turniere. Herausgegeben von Friedrich von Leber, deS
k. sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Geschichte
und Kunstdenkmale zu Dresden ordentlichem Mitgliede etc. Mit zehn Steintafcln»
Der volle Reinertrag ist Badens Kinderbewahranstalt bestimmt. Wien 1844. In
Commission bei Braumüller et Seidel. XIV. und 316 SS. 8».
Der Verfasser hat mit vieler Mühe und nicht geringen Kosten genaue Untersu
chungen und Messungen der Baureste dieser drei interessanten Burgen bei Baden
vorgenommen und lieferte in genauen Abbildungen eine sehr ansprechende Dar
stellung dieser Baudenkmäler. Auch eine „Chronik der Vesten Ruhenegke Schar-
pfenecke und Rauhenstein” ist beigegeben, vom XII—XIX. Jahrhundert) die darin
vorkommenden geschichtlichen Notizen über die Tursonen sind jedoch weder er
schöpfend noch ganz stichhältig. Der Chronik folgen 52 Regesten von Urkunden
aus dem Archive des Augustiner-Convents zu Baden (von 1291 bis 1764). Der An
hang enthält Urkunden, Belege, Erläuterungen, Polemik, Miscellaneen und zeigt
von Belesenheit. — Die Urkunden VIII. IX. X. XI. XIII. XIV. XV. XVI. sind
zum ersten Male gedruckt (Zur Geschichte des Augustinerklosters in Baden).
S. 260—290. Das Gericht der heiligen Vehme. S. 285—287. (VI) Beweise , dass
die Herrscher von Oesterreich und Oesterreichs Bürger mit den westphälischcn
Vehmgerichten in Berührung gerathen sind. S. 287—290. Auswahl von 52 Schriften
über Vehmgerichte. S. 291—303. Die Turniere. — Im Ganzen kann man das
Buch als eine Bereicherung unserer Topographie und vaterländischen Geschichte
erklären. — Um vieles bedeutender jedoch sind der zweite und dritte Band der
Rückblicke unter dem Titel: Wien’s Kaiserliches Zeughaus zum ersten Male
aus historisch-kritischem Gesichtspuncte betrachtet, für Alterthumsfreunde und
Waffenkenner beschrieben und herausgegeben von Friedrich von Leber, des k. sächs«
133
Bestrebungen zu wenig gründlich, mehr Dilettantismus als
kritische Forschung. Es entstehen Aufsätze und Bücher,
Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Geschichte und Kunstdenk
male zu Dresden ordentlichem auswärtigen Mitglieder des historischen Vereins
von Oberpfalz und Regensburg zu Regensburg correspondirendem Mitgliede etc.
Zwei Theile. Mit 2 Titelbildern. Leipzig 1846, bei Carl Franz Koehler. Wien, bei
Braumüller und Seidel. Zusammen XVIII u. 525 SS. in 8. (Sehr gefällige Ausgabe).
Ein sehr verdienstliches von ungeiheinettt Fleisse und nicht geringer Sachkennt
nis Zeugniss gebendes Werk* das dem Verfasser für alle Zeiten den lebhaftesten
Dank und alle Anerkennung sichert. — Man findet weit mehr als man sucht und
ein zweckmässiges „Alphabetisches Sach- und NamenverzeichniSs” erleichtert den
Gebrauch. Hättün wir doch ein ähnliches Buch über die so interessante kaiserliche
Schatzkammer; diesen Wunsch kann ich nicht unterdrücken! —
Vergleiche : Ausführliche Häuser-Chronik der innern Stadt Wien, mit einer ge
schichtlichen Uebersicht sämmtlicher Vorstädte und ihrer merkwürdigsten Gebäude.
Nach den bewährtesten handschriftlichen und gedruckten Urkunden und Quellen
bearbeitet von Carl August Schimmer. Mit einer gestochenen Ansicht des
neuen Marktes im Jahre 1600. Wien 1849. Im Verlage Von Matthäus Kuppitsch, k. k.
IIofbibliotheks-Antiquar und Buchhändler (Franciskanerplatz Nr. 911, im 1. Stock).
80. VIII. 375 SS. (Seite 328—366. Nachträge und Berichtigungen, welche die
Herren von Kar aj an und Feil dem Verfasser nachträglich zukommen Hessen).—
Man lernt aus diesem übrigens verdienstlichen Büchlein , ein wie wenig klares
Bild von den allmäligen Werden und der Umgestaltung Wiens im Laufe der Zeiten
wir noch besitzen. Aus der ältern Zeit (vor dem XVII. Jahrhundert) bringt Schim
mer nur weniges, freilich wäre das Aufgabe für ein Menschenleben oder noch
besser für einen Verein , der Einzelne kann und wird den Stoff nicht bewältigen
können. Schimmer hat zwei Jahre früher zur Geschichte und Topographie Wiens
im nämlichen Verlage (Kuppitsch sammelte fleissig Viennensia und förderte das
Werk) zwei Bändchen herausgegeben, die manches Interessante darbieten : „Wien
seit Sechs Jahrhunderten. Eine chronologische Reihenfolge von Thatsacben, Bege
benheiten, und Vorfällen in Wien von 1200 bis auf die neuere Zeit, mit einer
quellengetreuen Darstellung des öffentlichen und geselligen Lebens in dem alten
Wien und Nachrichten über die aufgehobenen Klöster und verschwundenen Gebäude
in der Stadt und den Vorstädten. Nach seltenen und bewährten Quellen bearbeitet
von Carl August S cliimmer.” Erster Band. Mit einem Titelkupfer (des Graf
Styrum schneller Ritt von Neustadt nach Wien). Wien 1847. Im Verlage von Mat
thäus Kuppitsch. 8. XIV und 266 SS. Enthält 30 Artikel. Ztveiter Band (mit fort
laufenden Seitenzahlen von 269—512) VI. und 243 SS. mit einer Ansicht der Ste
phanskirche im Jahre 1563. — Enthält 11 Artikel. Mehrere unter diesen 41 Artikeln
betreffen aber auch Orte und Gegenstände ausser Wien, z. B. die beiden letzten
(Mödling, kammerstein, Perchtoldsdorf). —
Früher schon gab der fleissige Verfasset hetaus : Geschichte Von Wien Von
der ältesten bis auf die gegenwärtige Zeit. Wieii 1844, Sollinger Lex. 8. — Die
französischen I n v a si ön e n in Oesterreich und die Franzosen in Wien in den
Jahren 1805 und 1809. Nach den besten Quellen bearbeitet; Mit einer bildlichen
Darstellung von Wiens Belagerung. 12. Wien 1846, Dirnböck; — 1) Wiens
Öelagerungen durch die Türken; und ihre Einfälle in Ungarn und Oester
reich. Mit zwei Plänen, gr. 12. Wien; 1845; Heubner; 2. verm: Ausgabe. Mit 2
Plänen. 12. Ebendaselbst 1846. — Auch seine Werke über Kaiser Joseph (2.
Auflage 1845. 12) und über Mä ri a tfh er e s i a (2 Theile gr. 16. Wien 1845,
tlirnböck) fanden viele Leser. Schimmers literarisches Wirken ist nicht
ohne Verdienst, aber seine Arbeiten können und wollen keinen Anspruch machen
auf eine Abschliessung der Forschung; die sie vielmehr erst recht anregen. —
10 *
134
welche einen Gegenstand von grossem Interesse so mangelhaft
ja leichtsinnig behandeln, dass das Meiste von Neuem bearbeitet
werden muss, und doch ist für viele Jahre dadurch dem Publi
kum die Lust und Liebe verdorben. — Exempla sunt odiosa.
Da wäre nun das stille Wirken eines nie ermüdeten, nie
sich zersplitternden, noch weniger aber je seine Sammlungen
trauriger Zerstreuung und Verschleppung überlassenden Vereines
Ich habe in den Wiener Jahrbüchern der Literatur, Band 101. (1843.) S. 217—
253) in einer umständlichen Anzeige über die Ausbeute berichtet, welche dem
Geschichtsforscher aus den vier Bänden der Schlager’schen ,,Wiener Skizzen aus
dem Mittelalter (Wien 1835—1842)” erwachse, auch zugleich bemerkt, dass mehr
als Wiener Notizen darin zu finden seien, daher es heissen sollte: „Skizzen
aus der österreichischen Geschichte.”— Ich habe diese Uebersicht in
gewisse Rubriken getheilt. I. Locales; II. geistliche Institute; III. Rechtliches;
IV. Juden; V. Vertheicligungsanstalten, Kriegszüge und Schicksale im Kriege;
VI. historische Miscellaneen; VII. Feste, Spiele, Unterhaltungen, öffentliche Ge
schenke und Freudensbezeigungen. Seit dieser Anzeige hat Herr Schlager einen
neuen Band (Neuer Folge III. Band) ,,Wiener Skizzen des Mittelalters” (1846.
538 SS. 8.) geliefert, ebenfalls sehr reichen Inhalts (Die Bewachung und Ver
teidigung Wiens (S. 5). Aufgebot der Zechen und Erbbürger (S* 21). Das
Söldnerwesen (S. 34). Die alten Waffen. Zeughäuser, Pulverthürme, Schiesstätten,
Schützenordnungen (S. 43). Die Türkenraizz (S. 85). Zwei Stadtfehden (S. 90.
1417, mit dem Ritter Skai; 1408, 1409 mit den Rittern Laun und Druchsess).
Stadtrechnungen - Auszug über die Kriegsleistungen im 15. Jahrhundert (S. 139).
Geschichtliche Uebersicht der Feldzüge (S. 240). Das Wiener Fluss-Streitschiff
Arsenal (S. 273). Die Wiener Kleidertracht vom Jahre 1396—1430. (S. 293). ,,Das
gemayne Frawenhaus” (S. 345). Sittenzüge und Eigenthümlichkeiten des Mittel
alters aus dem Bürgerleben (S. 413—490). Urkundenbuch zu den Wiener Kriegs
zügen (S. 491).—
Im Jahre 1844 erschienen von Schlager: „Altertümliche Ueberlieferungen
von Wien aus handschriftlichen Quellen.”— Mit 7 artistischen Beilagen und einer
Vignette 200 S. 8. Enthält: (1. Zerstreute Notizen von Wien. In Gesprächsform.
S. 1—44. 2. Zur Geschichte der Stadtverschönerungen Wiens. I. Der Stephans-
freithof mit 1 Abbildung. S. 45. II. Am Steig und dem Haarpühel (rothe Thurm
strasse). S. 62. III. Die Bischofgasse. S. 65. IV. Am Brezzeneck (Lichten Steeg)
und in der Revellucken. S. 77. V. Die Seilerspinnstatt. S. 82. — 3. Der hohe
Markt mit 1 Abbildung (1640). S. 87. 4. Der Petersfreithof mit 1 Abbildung.
(16. Jahrhundert) S. 109. 5. Fortificationszustand Wien’s vor der ersten Türken
belagerung 1529. (Abbildung: das im J. 1828 abgebrochene Wiener Stadtthor am
Katzensteig.) S. 121. 6. Aus der bürgerlichen Geschichte Wiens. Notizen über
die Stadt-Wiener-Kämmerer, aus gleichzeitigen Stadtprotokollen zusammenge
stellt. S. 136. Die Skartdiener. S. 145. — 7. Zur alten Kunstgeschichte Wien’s.
Das alte Wappenbild am Wiener Magistratsgebäude mit 1 Abbildung. S. 151. Das
Spinnenkreuz am Wienerberge, mit zwei Abbildungen. S. 168. S. 198. Das
Spinnenkreuz bei Wiener Neustadt. —
Im Jahre 1S4S (Wien, Kaulfuss Witwe, Prandel und Comp.) gab Schlager
heraus: Georg Raphael Donner.— Ein Beitrag zur österreichischen Kunst
geschichte. Mit seinem Bilde, dem Facsiraile, und 14 Original-Beilagen. VI.
170 S. 120. _
Leider nöthigt ein langjähriges Augenleiden zur Unterbrechung seiner ver
dienstvollen literarischen Tliätigkeit. —
135
das einzige Mittel, der einzige Weg, endlich einmal etwas Tüch
tiges und Vollständiges zu erhalten. Der Einzelne kann im
glücklichsten Falle schätzbare Beiträge über irgend einen Ort,
ein Institut, eine Sammlung u. s. w. liefern, aber wie oft ist
das der Fall, dass er Jahre lang sammelt, arbeitet, sich alle
mögliche Mühe gibt und er stirbt, ehe die Arbeit vollendet ist,
seine Handschrift, seine Excerpte und Concepte werden ver
schleudert, verschleppt; man darf noch von Glück sagen, wenn
sie in irgend einer Bibliothek oder einem Archive aufbewahrt
werden und ruhig liegen bleiben, bis sie ein Berufener an’s
Licht zieht.
Da haben wir zum Beispiele die Sammlungen eines Wiss-
grill, eines Adrian Rauch (in der n. ö. Landschaftsbiblio
thek), über Adelsgeschichte und über Topographie des Landes
unter der Enns. Die Sammlungen des unermüdet fleissigen, wirk
lich verdienten Augustiners Xystus Schier über die öster
reichische Literar-Geschichte, zur Geschichte der Wiener-Uni
versität, zur Geschichte der berühmten Donau-Gesellschaft (Ma-
nuscripte in der k. k. Hofbibliothek). Die bedeutenden schät-
zenswerthen Handschriften des Wiener-Domherrn Smitmer zur
Geschichte Wiens und des Landes unter der Enns (nebst der
sehr respectablen Siegelsammlung Smitmer’s im Hausarchive).
— Aus früherer Zeit die Arbeiten und Sammlungen Reichard
Strein’s (in Linz, Göttweig und Wien), Enenkel’s, Preuen-
huber’s (in Linz und Wien), Steyerer’s (im Hausarchive in
Wien), K alten egg er’s (in Wien im Servitenkloster in der
Rossau).
Wenn ein Verein für Topographie und Geschichte des Erz
herzogthums nichts anderes thun und veranlassen würde, als das
wahrhaft Gediegene und Förderliche dieser noch ungedruckten,
meist auch noch höchst unvollkommen benützten Arbeiten zum
Drucke zu fördern, so hätte er schon ausgezeichnete Ver
dienste.
Aber ein Verein könnte und sollte auch neue Arbeiten
veranlassen und durch seine Mitglieder ausführen.
Früher war das Arbeiten und Sammeln eine gar mühsame
Sache, die Geheimnisskrämerei, die Eifersucht und der Neid
machten oft uniibersteigliche Schwierigkeiten und Hindernisse.
136
Die Archive waren unter siebenfachen Schlössern verriegelt,
selbst Bibliotheken nicht selten unzugänglich (aus Eifersucht),
und man sieht es an den meisten der damaligen Arbeiten, wie
lückenhaft, wie ängstlich und mehr als vorsichtig sie sind. —
Jetzt sind die Verhältnisse anders, seit der Zeit Kaiser Jo-
seph’s II. ist es eher das Gegentheil, was auf die Geschichte
nnd ihre Quellen verderblich einwirkt.
Auf die ängstliche Sorgfalt, mit der man archivalische Schätze
geheimnissvoll verschloss und mit Argusaugen hütete, folgte die
grösste Sorglosigkeit, ja Verachtung der alten Skarteken und
des archivalischen Staubes und Moders; die Papiere und Urkun
den wurden häufig verschleppt, allen Arten der Vernichtung
Preis gegeben. Wie Vieles ging auf diese Weise verloren oder
gänzlich zu Grunde.
Diese Periode dauert schon bei 70 Jahre und noch ist sie
nicht geschlossen, im Gegentheil, gerade jetzt im neuen Oester
reich wird das alte verachtet und die historischen Denkmäler
desselben werden eben nicht mit Pietät bewahrt. Wie viel mag
jn den Jahren 1848—-1850 zu Grunde gegangen und noch
dem Untergange geweiht sein. Jetzt wo die Archive und Regi
straturen der Aemter und Herrschaften auf wahrhaft grossartige
Weise, nach dem Beispiele des grossen Chalifen Omar, ge
bäumt und der Vernichtung Preis gegeben werden!
Jetzjt wäre ein historischer Verein für das Land wohl sehr
wünschenswerth. Ich gebe zu, dass viel Quark, Ballast und
Schofel zu beseitigen wäre, aber zu einer Acten-Vertilgungs-
Commission sollte man doch Leute und Männer von historischer
Bildung und die beseelt von historischem Interesse das Aufzu
bewahrende auszuscheiden verständen und Lust hätten,
bestellen.
Wie viel zum Beispiele zur Sitten- und Culturgeschichte
Hesse sich aus Criminalacten entheben und selbst Civil-Processe
geben öfters so manche geschichtliche und topographische Aus
beute.
Wenn ein historischer Verein hier in Wien bestände,
könnte derselbe eben jetzt so Manches acquiriren, so Vieles
fetten und künftigen Forschern bewahren. Ein solcher Verein
mit zahlreichen Filialen im Lande würde jedenfalls den histo-
137
rischen Sinn, und mit ihm wahre Besonnenheit und lebendige
Theilnahme für die höheren Interessen der Menschheit wecken
und erhalten.
Geschichte überhaupt, wenn sie anders die Lehrmeisterin
des Lebens werden soll, muss von allen Ständen gepflegt wer
den und für alle Stände. Darum ist eine Popularisirung der
selben, oder vielmehr eine Anwendung der Geschichte aufs Volk,
von grösster Bedeutung. Ja, die Wissenschaft selbst wäre höchst
unvollkommen und nichtig, wenn sie nicht auf alle Stände Rück
sicht nähme. Sie kann und soll vom Volke lernen. Geschichte
wird im Munde des Volkes so leicht zur Sage, umgekehrt kann
die Wissenschaft aus den Sagen des Volkes Geschichte, wahre
Begebenheiten ausmitteln. Darum behaupte ich, dass die Stif
tung, so wie die Wirksamkeit eines historischen Vereines, auch
der kaiserlichen Akademie nichts weniger als gleichgiltig sein
kann, und noch weniger sein soll.
Denkmäler, Quellen, Erinnerungen, Traditionen und Sagen
kann man aus den Händen des Volkes erhalten , und für die
Wissenschaft benützen. Die Geschichte hat ja die Ansichten,
Begriffe, Meinungen des Volkes zu berücksichtigen , dass das
bisher noch viel zu wenig geschah, dass man sich um das Volk
und seine Vorstellungen gar nicht kümmerte, dasselbe also auch
in den historischen Arbeiten nicht berücksichtigte, ist wahrlich
kein Vorzug. Die Geschichte ist demnach auf dreifache Weise
zu bearbeiten, für den Gelehrten, für die Gebildeten, für das
Volk. Aber der Gelehrte lernt mehr vom Volke, als leider das
Volk vom Gelehrten.
Nehmen wir zum Beispiele die Sprache und ihre Denk
mäler. Aus der Volkssprache, aus den Benennungen der gemeinsten
Gegenstände, aus den Namen der Gegenden, der Berge, Wäl
der, Flüsse, Bäche, der Thiere, der Pflanzen, der Mineralien
Hesse sich Vieles lernen; die Colonisirungs-Geschichte, die Ge
schichte unserer frühesten Cultur lässt sich aus vollständigen
Idiotiken wenigstens annäherungsweise, und durch Verglei
chung und Combinatiouen schöpfen. Darum wäre ein historischer
Verein für solche umfassende Sprachforschungen wie gemacht.
Von Jägern und Förstern, von Fischern und Bauern unmittel
bar aus dem Munde des Volkes, und zwar nicht auf Ausflügen
138
von wenigen Tagen oder gar Stunden, nein, durch jahrelangen
Aufenthalt, durch das beständige Leben unter ihnen kann man
diese oft uralte Volkssprache nach und nach lernen und sam
meln. Dazu wären Landgeistliche und Landbeamte, oder Schul
lehrer und ihre Gehilfen vortreffliche Vermittler. Vielleicht ist
Mehreren aus Ihnen das Wörterbuch der obderennsischen Mundart
von demKremsmünsterer Capitularen und Pfarrer in Kematen Mat
thias Höfer (Linz, gedruckt bei J. Kästner 1815 in drei Bänden
in Octav) bekannt.— Der Verfasser hat freilich zu viel etymolo-
gisirt und die Herleitungen mitunter bei den Haaren herbeige
zogen, ungeachtet dessen ist sein Werk doch recht verdienst
lich und lehrreich. -*-> Aber es wäre noch unendlich viel nach
zutragen. — Höfer hat vorzüglich nur die Volkssprache im
Hausruck- und im Traunkreise berücksichtigt. Jeder Kreis,
ja jede Gegend hat ihre eigenthiiiplichen Worte. Die österreichi
sche Mundart gehört freilich zur oberdeutschen und namentlich
zur baierischen, daher das vortreffliche Wörterbuch von Schm el-
ler (in 4 Bänden) in vielen Stücken auch uns aufklärt. Aber
es gibt doch in Oesterreich viel Eigenthümliches, und unsere
Volkssprache, die jetzige und noch mehr die ältere, hat Worte
ans andern Dialecten und ganz andern Sprachen, z. B. aus dem
Slavischen.
Bisher ist an’s ernstliche und umsichtige Sammeln noch
nicht gedacht worden, was Tschischka und Castelli und
Loritza dafür Dankenswerthes geleistet haben, ist höchst
partiell und willkührlich. — Die Aufgabe ist umfassend und muss
auf eine sehr umsichtige Weise mit gehöriger tiefer Sprach-
kenutniss und was die naturgeschichtlichen Namen betrifft, auch
mit genauer Sachkenntniss gelöst werden. Nur ein im ganzen
Lande verzweigter Verein kann dazu behilflich sein. — Auch die
Volkslieder und die Vo.lksgebräuche, die Volkssagen
und Volksmeinungen sollen studiert und vor allem gewis
senhaft aufgespiirt und gesammelt werden. — Wir sind in Oester
reich in dieser Beziehung noch gar zu weit zurück, und haben
doch gerade in diesen Seiten des Volkslebens einen reichen)
kaum oberflächlich gekannten, geschweige erschöpften Vorrath.
Ich weiss nicht, wie viele aus Ihnen meine Herren, zwei
grundgelehrte Werke unsers Jacob Grimm kennen, die in dieser
139
Hinsicht Bahn gebrochen haben und die für Oesterreich unend
liches Interesse haben, aber auch aus Oesterreich auf ganz be
sondere Weise ergänzt und vervollständigt werden könnten. Das
letztere desshalb, weil wir bisher unsere Schätze selbst nicht
gekannt, geschweige veröffentlicht haben.
Ich meine Grimm’s deutsche Ilechtsalterthümer (in
zwei Bänden) mit den deutschen Weisthiimern (in drei
Bänden) und die d e u ts c h e My t ho 1 ogi e; beide Werke wol
len nicht gelesen, sondern studirt sein, und das wollen eben
die wenigsten Menschen, ich zweifle, ob Viele unter uns Oester
reichern diese Werke kennen, sie schliessen eine neue Welt auf,
besonders dürfte die „deutsche Mythologie” uns fremd sein, denn
die deutschen Rechtsalterthümer sind doch den meisten Rechts
kundigen bekannt, wenigstens dem Namen nach.
Die Grimm’schen Rechtsalterthümer haben bei uns mehr
Beachtung gefunden, zum Theil auch sehr beachtenswerthe Be
strebungen veranlasst, auch unsere ältere Rechtsgeschichte zu
studiren, vor allem unsere Rechtsquellen zu sammeln, denn
das ist mit Recht die Grundlage späterer Studien.
Bekanntlich hat der k. k. geheime Hof- und Haus-Archivar
J. P. Kalte nbaeck, der durch seine in den 9 Jahrgängen der
Austria (Volkskalender, herausgegeben von dem sehr thätigen
Buchhändler Klang) veröffentlichten vaterländischen Denkwür
digkeiten zur Sitten- und Cultur-Geschichte Oesterreichs sich
wesentliche Verdienste erworben hat, auch, angefangen, die öster
reichischen Rechtsquellen zu sammeln und herauszugeben, jedoch
wie es scheint, ist auch dafür wie für so vieles Andere höchst
Wichtige im Publikum wenig Thciluahme, weit mehr noch im
Auslande, wo die historische Schule der deutschen Rechtsgelehr
ten wenigstens von solchen Werken Notiz nimmt 1 ).
Da die Sammlung der österreichischen Rechtsbücher höchst verdienstlich ist, sollte
sie jedenfalls von Herrn Kaltenbaeck fortgeführt werden, wäre auch ohne Zweifel
der kräftigsten Unterstützung von Seite der kaiserlichen Akademie würdig ; ich
will von den bisher erschienenen Lieferungen eine Uebersicht geben. — Es dürfte
kaum der zehnte Theil des Ganzen bisher geliefert sein.
Die Oesterreichischen Rechtsbücher des Mittelalters. Herausgegeben von J. P.
Kaltenbaeck, k. k. geh. Hof- und Haus-Archivar. Erste Reihe. Die Pan- und
Bergtaidingbücher. Erster Band. Wien 1846. Gedruckt bei den Edlen v. Ghelen-
schen Erben. Auch unter dem Titel: Die Pan- und Bergtaidingbücher in Oester
reich unter der Enns. — Erster Band etc. — Vorwort. S. VII—XVI. 612 SS. 8.
140
Wenn doch ein junger Geschichtsforscher sich das Studium
der deutschen Mythologie Grimm’s zum besondern Augenmerk
wählte und dann in Oesterreich über diesen Gegenstand sorg
fältige Forschungen machte! Für Religions-, Cultur- und Sitten
geschichte müssten die Resultate seiner Restrebungen ungemein
ergiebig und interessant sein *).
Enthält: 1. Die Pantaidingbücher des Klosters H eilige n k reuz.
/ I—XVII. \ S. 3—84.
\ it. XCVI—CIII./ S. 521—550.
n t»*- tj i ... ... , , . — T . * / XVIII-XXIV. \ S. 87-146.
2. Die Pantaidingbücher den Klosters Melk. ( ^ ciy _ cx ) s 553 _ 574 .
3. Mauerbach. (XXV—XXVII.) S. 149—161.
4. Klosterneuburg. (XXVIII—LXXIII.) S. 165—388. it. CXIV. (Pierpam.) S.
583—587. CXV. (Meierling auch Hitzing.) S. 588—595. CXVI. (Höflein.) S. 595.
Zusätze. S. 602—612.
5. St. Dorothea in Wien. (LXXIV—LXXIX.) S. 391—428.
6. Domkapitel, St. Michael und Dominikaner in Wien. (LXXX—
LXXXI. Hernals und Schöff.) Domkapitel. LXXXII. LXXXIII. (Währing und
Hangendenlüssen, ausser Gumpendorf.) Barnabiten zu St. Michael. LXXXIV—
LXXXVI. (Marggraff Neusidl, Ober Siebenbrun, Rammersdorf, Dominikaner.)
S. 431—476. it. CXI. (Maczleinstorf.) CXII. (Püsenberg.) CX1II. (Eczleinstorf)
alle 3 Domkapitel. S. 577—583.
7. Erzbist hum Wien. (LXXXVII-CXV.) S. 479—518.
Zweiter Band. Wien 1847. VIII. 320 Seiten. 8.
Erste Hälfte, oder I. und II. Lieferung.
Enthält:
8. Göttweig. (CXVII—CXXXV.) S. 3—58.
9. Chorherrnstift zu St. Pölten. (CXXXVI—CLI.) S. 61—86.
10. H e r zo g e n b u r g, St. Andrä und Dürnstein. S. 89—134.
11. Lilienfeld. (CLXIII—CLXXVII.) S. 137—176.
12. Seiten stetten. (CLXXVIII—CLXXXI.) S. 189—202.
13. Neukloster, (in Wiener-Neustadt.) (CLXXXII—CLXXXV.) S. 205—226.
14. Wi ener - Kl oster. (CLXXXVI—CCIII. — St. Clarenklostcr, St. Nikolaus,
Schottenkloster, Jesuiten, Augustiner auf der Landstrasse.) S. 229—280.
15. Frauenklöster zu Tulln und Erla. (CCIV—CCIX.) S. 283—309.
16. Cisterzienserstift Zwetl. (CCX—CCXI.) S. 309—320.
Es wäre zu wünschen, dass die ,,vaterländisch en Denkwürdigkeiten”
aus der Austria wieder abgedruckt würden , in einer abgesonderten Ausgabe,
zum Besten der zahlreichen Geschichtsforscher und Geschichtsfreunde. Sie könn
ten vom Herausgeber ohne Zweifel bedeutend vermehrt und vielleicht in der
ursprünglichen Schreibweise milgetlicilt werden , denn das Modernisiren nimmt
nicht selten das eigenthümliche Gepräge weg. —
*) Bekanntlich ist von der „Deutschen Mythologie von Jacob Grimm” im Jahre 1844
die zweite stark (um 376 S.) vermehrte Ausgabe in zwei Bänden erschienen (die
erste Ausgabe in einem Bande erschien 1835); doch braucht man jedenfalls auch
die erste Ausgabe dazu, in dem der in ihr gelieferte Anhang (I. Angelsächsi
sche Stammtafeln S. I. 2. Aberglaube. S. XXIX und CLI. 3. Beschwörungen. S.
CXXVI. 4. Kräuteraberglaube. S. CLX.) in der zweiten Ausgabe nicht aufgenommen
wurde , da das Werk zu voluminös geworden wäre. — Man kann von dem darin vor
kommenden Apparate und der staunenswerthen Gelehrsamkeit des geistvollen Verfas
sers nur durch eigenes Studium einen Begriff erhalten. Die Uebcrschriften der Capi-
tel sind (ich führe sie um derentwillen an die sich keine Vorstellung machen können
141
In München erschien im Jahre 1848 ein „Beitrag' zur
von «lern, was unter „Deutscher Mythologie” alles begriffen sey) wie folgt. I. Einlei
tung. II. Gott. III. Gottesdienst. IV. Tempel. V. Priester. VI. Götter. VII. Wuotan.
VIII. Donar. IX. Zio. X. Fro. XI. Paltar. XII. Andere Götter. XIII. Göttinnen. XIV.
Götterverhältnisse. XV. Helden. XVI. Weise Frauen. XVII. Wichte und Elbe. XVIII.
Riesen. XIX. Schöpfung. XX. Elemente. XXI. Bäume und Thiere. XXII. Himmel und
Gestirne. XXIII. Tag und Nacht. XXIV. Sommer und Winter. XXV. Zeit und Welt.
XXVI. Seelen. XXVII. Tod. XXVIII. Schicksal und Heil. XXIX. Personificationen.
XXX. Dichtkunst. XXXI. Gespenster. XXXII. Entrückung. XXXIII. Teufel. XXXIV.
Zauber. XXXV. Aberglaube. XXXVI. Krankheiten. XXXVII. Kräuter und Steine.
XXXVIII. Sprüche und Segen. —
Dass zur R eligions-, Cultur- und S i 11 e n g e s chi ch t e diese hier ange
führten Untersuchungen auf ganz besondere Weise wichtige Beiträge liefern, ist
in die Augen springend, sie fortzuführen auf unserm Lande, das in dieser Beziehung
noch viel zu wenig durchforscht ist, eben so erspriesslich als unerlässlich.— Um nur
einige Beispiele zu geben.—Ri e s e n (cap. XVIII), welche in Oesterreichs Sagen
eine grosse Rolle spielen, wie aus Lazius zu ersehen. — Siehe auch den hebräischen
Grabstein, aufgeführt in dem Büchlein : Lustra decem coronae Viennensis etc. 1733.
p. 72. Ich erlaube mir bei dieser Gelegenheit aufmerksam zu machen auf die hebräi
schen Grabsteine, welche im Garten der Militär-Akademie zu Wiener-Neustadt (ehe
malige kaiserl. Burg) liegen und der nähern Untersuchung bedürften. Bekanntlich
hatte Oesterreich in seiner fabelhaften und Sagen-Geschichte unter so vielen sonder
baren Namen auch den : ,,Ju dai sapta.” — Was die Riesen betrifft, so ist eine
urkundliche Spur in dem IV. Bande der monumenta boica p. 22. im Codex traditionum
des Klosters Formbach Nr. XIV. um das Jahr 1130. Graf Ekbert von Pütten gibt dem
Kloster einen Wald in der Nähe von Glocknitz ; die Gränzen dieses Waldes werden
angegeben: ,,a confinio, quod predictas villas (Chotelalie et Werde) dividit contra
,,meridi;inam plagam, usque ad arborem pirum notatam, in via stantem super montem
,,qui Huxinberge vocatur, et ab illa arbore usque adginganteam viam
,,E ntiskenwek et hanc viam totam usque in rivum Chrebezbach” und so fort. —
In unserer Mundart ist noch „enterisch” erhalten, was nicht geheuer ist, — nicht
ganz sicher. — Anklänge an Götter und Helden gibt es in Oesterreich wohl mehrere,
haben wir ja auch ein Dorf Venusberg (bei Trasmauer) — vgl. auch Wielands,
Eckartsau u. s. w.— Spuren des Teufels sind gar nicht selten wie bekannt und die
Rubrik des Aberglaubens, der Sprüche und Segen fände aus unserm
Lande eine reiche Ergänzung. Ich habe in früherer Zeit aus einem Codex Ms. des
15. Jahrhundert in der Stiftsbibliothek zu St. Florian eine solche Sammlung aber
gläubischer Meinungen und Bräuche , die in Oesterreich zum Theil jetzt noch nicht
verschwunden seyn dürften, Herrn Grimm mitgetlieilt, der sie auch im Anhänge
der ersten Ausgabe p. XLVI—LI. abdrucken liess. —
Wie zähe dieser Aberglaube und diese Meinungen im österreichischen Volke
wurzeln, davon überzeugte ich mich persönlich im Monat October des vorigen Jah
res 1849, auf einer kleinen Reise durch das Viertel ob dem Mannhartsberge , auf
der ich unter andern auch die allerdings sehr sehenswerthen Ruinen der ehemaligen
Burg Hartenstein (hinter Krems) besuchte und bei dieser Gelegenheit erfuhr,
dass in den unterirdischen Gängen dieser Burg ungeheure Schätze angeblich von den
reichen und mächtigen Chunringern herstammend, vom Teufel gehütet werden.—
Aus dem Munde eines benachbarten Pfarrers hörte ich mit Staunen, dass diese ver
meintlichen Schätze im Revolutionsjahre 1848 Gegenstand einer grossartigen Schalz-
gräberei werden sollten, an der sich Bürger von Krems, Linz und Wien be
theiligten, ja ein Bürger von Wien erschien als Natio nal gar di s t beim Pfarrer,
um ihn zum B esch wören des Teufels unter grossen Versprechungen zu bewegen!
Er hatte ein Büchleinl bei sich, mit den dazu dienlichen Beschwörungsformeln,
7 schwarze Blätter mit weissen Buchstaben !
142
deutschen Mythologie,” von Friedrich Panzer*), vorzüglich
Da Herrn Panzer’s Büchlein für uns Oesterreicher schon desshalb nicht unwichtig;
ist, weil der Verfasser mehrere Sagen aus Tirol, Salzburg, ja auch aus Oesterreich
ob und unter der Enns anführt, so theile ich eine nähere Nachweisung hier mit:
Beitrag zur deutschen Mythologie, von Friedrich Panzer. München, Chri
stian Kaiser. 1848. 8. IV. 407 SS. IV lithogr. Tafeln.
Inhalt: I. die drei Schwestern. Seite 1. (230 Sagen).
II. Feuer ,, 210.
III. Weisende Thiere . . ,, 220.
IV. Wasservogel .... ,, 226.
V. Bilmerschnitt .... „ 240.
VI. Nothhalm ,, 241.
VII. Riesen „ 242.
VIII. Frau Bercht .... ,, 247.
IX. Pflanzen ,, 248.
X. Sommer und Winter ,, 253.
XI. Aberglaube ,, 256.
Anmerkungen .... „ 271.
S. 1. Nr. 1. Der Hargcnstein bei Reute in Tirol.
S. 1. Nr. 2. Der Drachensee im Säven bei Lermes in Tirol.
S. 2. Nr. 3. Die Sigmundsburg bei Nassenreut in Tirol.
S. 2. Nr. 4. Das Lambrechtofenloch bei Lofer in Tirol.
S. 3. Nr. 5. Das Schloss Reichenau in Tirol.
S. 3. Nr.. 6. Die drei Schwestern von Frastanz in Tirol.
S. 5. Nr. 7. S. Anbetta, s. Gwerbetta, s. Villbetta zu Meransee in Tirol.
S. 7. Nr. 8. a. Die Hunt von Dorfheim bei Saalfelden im Pinzgau.
S. 9. Nr. S. b. Der Drache im Zillerthale in Tirol.
S. 11. Der Untersberg bei Salzburg. (Nr. 15.)
Aus dem Büchlein: ,,Sagen der Vorzeit, oder ausführliche Beschreibung von
dem berühmten salzburgischen Untersberg, oder Wunderberg, Brixen, Jahr 1818.”
S. 99, Nr. 114. „Der Schlossberg bei Schiegen nächst Maria-Zell in Oester-
,,reich (?). In dem Ueberschwemmungsgebiete der Donau bei Schiegen ist ein
„mit einem Graben umgebener Erdbügel, welchen die Leute für ein versunkenes
,,Schloss halten, in welchem einst drei Fräulein, zwei weisse und eine
„schwarze wohnten. Von dem Hügel soll ein unterirdischer Gang führen.
„Oefter wurde nach Schätzen gegraben.”
Bemerkung. Schiegen nächst Maria Zell im Ueberschwemmungsgebiete der
Donau? Statt Maria Zell muss es heissen: Inzell. Es ist das Schlügen gemeint
in der Pfarre H aibach im bisherigen Hausruckkreise.— In neuester Zeit
wurde da eine rö mi s c he Niederlassung aufgefunden. S. Vierter Bericht über
das Museum Francisco-Carolinum. Nebst der ersten Lieferung der Beiträge
zur Landeskunde von Oesterreich ob der Enns und Salzburg (Linz 1840,
bei Eurich). —
* „Bericht über die Ausgrabung römischer Altcrthümer zu Schlügen, und die
„Lage des alten Joviacum.— Von Professor J. Gaisberger in Linz.
S. 100, Nr. 15. „Die Teufelsmauer in Spitz und die sieben Hunde auf
„der Kirche in Michaeli an der Donau in Oesterreich.” —
„Vom Schlosse auf dem Berg bis zur Donau herab führt eine Mauer. Der
,,Teufel wollte damit die Donau vermauern, da krähte der Hahn und er musste
„das Werk unvollendet lassen; daher heisst sie die Teufelsmauer.”
„Unterhalb Spitz liegt der Ort Michaeli; auf dem First der Kirche sieht man
„sieben Hunde; das Volk sagt, eine Gräfin habe sieben Hunde geboren,
und zum Andenken sind diese auf der Kirche angebracht.” —
Anmerkung. Blumenbach sagt (II. 393) : Auf dem Dachfirst der alten , jetzt ge
sperrten Kirche sieht man 6 aus Thon verfertigte Hasen, welche der Sage nach
143
aus Bayern gesammelt. Aus Oesterreich könnte ohne Zweifel ein
eben so interessanter, wo nicht noch bedeutenderer Nachtrag
geliefert werden. Möchte doch diess mit Umsicht und Kritik
geschehen.
Sitzung vom 20. Februar 1850.
Der Secretär theilt eine Note vom Ministerium des Äus-
sern mit, worin der Akademie angezeigt wird, dass der k. k.
Iuternuntius beauftragt sei, von der hohen Pforte einen neuen
Ferman zu erwirken, um die Hindernisse zu beseitigen, die vom
Pascha von Damaskus dem Herrn v. Kr einer beim Besuche
der dortigen Bibliotheken gemacht wurden.
Dann trägt derselbe die vom Ministerium des Handels
mitgetheilten Berichte der k. k. Consulate zu Gibraltar und
Barcelona vor, über die Art und Weise, wie sie der Auffor
derung, die Zwecke der Akademie zu unterstützen, entsprechen
können und wollen, wobei sie sich einige Erläuterungen er
bitten.
Der Secretär wird beauftragt, dem Ministerium des Han
dels und den erwähnten k. k. Consulaten den Dank der Classe
auszusprechen und letzteren die verlangten Erläuterungen zu
geben.
Hierauf liest das wirkl. Mitglied der mathematisch-natur
wissenschaftlichen Classe, Herr Dr. Boue, Bemerkungen
„Ueber die sogenannten M enschenfüsse-Ab
drücke auf Felsen.”
Unter allen Wissenschaften gibt es vielleicht keine, die wie
die Geologie mit so vielen andern unwillkürlich in Verbindung
kömmt, weil, wie die Bienen nur von dem Honige der Blumen
leben, sie, die Erdbildungslehre, nur durch das Wichtigste und
Bestimmteste aus den andern Wissenschaften zu ihrem Ziele kom
men kann. Durch diese Eigenheit unserer Forschungen bin ich
denn zu einem Gegenstände geführt worden, der streng genom
men der ganzen Akademie angehören würde, aber im Grunde doch
zur Erinnerung: an einen grossen Schnee dienen sollen, welcher die Kirche so
sehr bedeckt haben soll, dass die Hasen über das Dach hinwegliefen.
S. 210, (II. Feuer.) Nr. 231. * Suwendfeuer bei Reuite in Tirol (Schmcller).
144
mehr der philosophisch-historischen Classe als der andern zu
kommt. Ausserdem wurde ich in meinem Vorhaben dadurch be
stärkt, dass ich nur bei Ihnen, meine Herren, weitere Auf
schlüsse über jenen zu behandelnden Gegenstand zu finden hof
fen konnte.
Die sogenannten Abdrücke von menschlichen Füssen sind
ein Merkmal der menschlichen Anwesenheit in gewissen Gegenden,
das, wie manches andere Paleontologische, von den ungelehrten
protestantischen Theologen schon unphilosophisch benutzt worden
ist und lange Zeit nur Zweifel und Lachen erregt hat. Wenn es
aber unmöglich ist, dass die Oberflächen der Kalksteine, der ältern
Sandsteine und Granite noch nicht verhärtet waren als die ersten
Menschen sich darauf bewegten, und dass ein späteres Weich
werden dieser Felsarten auch unter die grössten Unwahrschein
lichkeiten gehört, so bleibt diese unbestreitbare Thatsache doch
ein höchst interessanter Beitrag für die Ethnographie und die
Menschenwanderungen, ein neuer Beweis, wie Geologie und Ar
chäologie in einander greifen und sich gegenseitig ergänzen.
Der erste Fall war der von Schoolcraft im Jahre 1822
beschriebene Abdruck zweier Füsse in derbem Kalksteine von St.
Louis am Missisippi-Strome. (Americ. Jo. of Sc. 1822. B. 5. S. 223.)
Diese Erzählung und Zeichnung fanden wenig Glauben. Doch
beschrieb Herr David Owen nicht nur diese wieder im Jahre 1842
am selben Orte, sondern auch andere zu Harmony auf dem Wabach.
(Americ. Jo. of Sc. 1842. B. 42. S. 14.) Merkwürdigerweise finden
sich diese letzteren an einer Stelle, die jetzt unter dem Wasser-
Niveau sich befindet. Hr. J. Cozzens beschrieb drei andere, die
noch im Jahre 1804 bei Kingbridge hinter New-York zu sehen
waren und Meiselarbeit verriethen. (Werk über den New-Yorker
Staat 1843, S. 17.) Herr Buckingham sah ähnliche Fuss-
tritte von Menschen und Kindern, und selbst Abdrücke eines
Pferdehufes bei Athen in Georgien. (The Slaves Staates of Ame
rica 1841, l’Institut 1842, S. 140.) Herr Adams beschrieb
Aehnliches, so wie auch Abdrücke von Gallinaceen bei St. Louis
und am Ufer des Muskingum, dann eines einzelnen Menschenfusses
bei Liking Creek, 7 Meilen unter Newark, und einer Hand bei
Blackhand am Ohio-Canal. (Americ. Jo. of Sc. 1843. B.44. S. 200.)
Endlich fand und zeichnete Herr Davis Menschen- und Thier-
145
gestalten, so wie die Formen ihrer Fusstritte, die er auf den Fel
sen längs dem Guiandotte-Flusse im Ohio entdeckte. (Americ.
Jo. of Sc. 1847. B. 3. S. 286.)
Lange Zeit glaubte man, dass dieses nür eine eigenthiimliche
Sitte der nordamerikanischen rothen Race gewesen sei, aber
auch in Südamerika fand man Spuren davon und hier merkwürdiger
weise selbst auf Graniten oder crystallinischen Felsarten. So z. B.
erzählt uns Herr Rieh. Schomburgk von der Abbildung eines
Menschenfusses in Guyana auf einem grossen Granitblocke, der in
nächster Nähe eines andern liegt; indem der Fuss in der Lage ist,
wie der Fuss eines Menschen, der von einem Steine zum andern
springen w'ollte. (Ausland 1843. S. 396.) Sir Woodbine
Parish bestätigt auch das Vorhandensein von solchen Füssen
weiter südlich in Südamerika. (Americ. Jo. of Sc. 1838. B. 33.
S. 308.)
Aber zwischen Nord- und Südamerika liegen die an Denk
mälern der vergangenen Zeit so reichen Länder von Mexico und
Guatemala, so dass dem Herrn Feldmarschall-Lieutenant von
Hauslab auch diese in Sinn kamen, als ich ihm meine Gedanken
miltheilte. Nun fand unser College sogleich in den Bildern' von
den Wanderungen der alten Mexicaner ähnliche Spuren von Men
schentritten und er zeigte mir selbst ein ähnliches Bild, das ein
in unsern Tagen gestorbener oder noch lebender Rothhäuter le
Petit Corbeau von der Wanderung seiner Horde gemacht hat,
Und siehe da, etwas Aehnliches kommt auch da vor. ,
Da unter Ihnen, meine Herren, wahrscheinlich Männer sind,
die in den mexicanischen Alterthümern gut bewandert sind, so
werden sie unsere Beobachtungen leicht vervollständigen können.
Wenn der grösste Theil von Amerika durch diese sonderba
ren Reise-Zeiger ausgezeichnet ist, so war es der Mühe werth,
zu sehen, ob Aehnliches nicht auch in Asien vorkomme. In Indo-
stan gehören Abdrücke von Menschenfüssen unter die göttlichen
Dinge, für die man eine besondere Ehrfurcht zeigt. Im britti-
schen Indien ist z. B. der wohlbekannte Abdruck des Buddha-
Fusses auf einem Berge in Ceylon, und so viel ich mich erin
nere, auch anderswo. Drei Tagereisen weit von Bangkok im sia
mesischen Reiche bei Predit ist ein ähnlicher Abdruck im Gra
nite zu sehen. (Ausland 1829. S. 165.)
146
Aber auch auf den Granit- und Gneissfelsen Sibiriens hat man
am Irtysch bei Buchtarminskaja Abbildungen von Menschen- und
Vögelfüssen, so wie eines Pferdehufes entdeckt. (Erman’s Archiv
für Russland 1841. Bd. 1. S. 529 u. 1842. S. 175.)
Endlich selbst in Australien fand Herr Grey auf einem Sand
steinfelsen das Profil eines Menschenkopfes. (J. of two Expedit, in
N. W. a. W. Australia 1841. B. 1. S. 206.)
Nach der Allgemeinheit dieser Nachahmung menschlicher
Füsse oder Theile, so wie auch einiger Hausthiere, kann man kei
nen Zweifel mehr haben, dass sie eine uralte ethnographische Be
deutung hat, und nur darin die Laune einiger Arbeiter im letzten
Jahrhundert, wie in Sibirien, sehen zu wollen, granzt an Albern
heit. Das öftere Vorhandensein von zwei Füssen, ihre Lage auf
Felsen, bei Fluss-Ueberfahrten, ihre Richtung gegen den Fluss,
die Pferdehufe, die Füsse der Gallinaceen, zeigt Alles dieses
nicht auf im Wandern begriffene Menschen, die etwas von ihrem
Schicksale hinterlassen wollen? Könnten selbst die Buddha-Füsse
auf hohen Bergen nicht die Abfahrt am Meere von den indischen
Colonien bezeichnen, und hätten wir nicht auf diese Weise einen
handgreiflichen Beweis für die Art der allmäligen Colonisirung
der Südsee-Inseln, vorzüglich von der malaischen Küste aus?
Sollte diese in Amerika und in einem Theile von Süd- und
Nord-Asien gemachte archäologische Bemerkung nicht einen ge
meinsamen Racen-Ursprung oder selbst eine Volkswanderung
von Asien nach Amerika anzeigen, so dass die Rothhäute von
der gelben Race abstammen würden ?
Nach unseren obwohl beschränkten Kenntnissen derMenschen-
Racen können wir dieses nicht glauben; im Gegentheile, die Roth
häute sind ebensowohl Amerika eigen, als die gelbe Race Asien.
Sie haben zu grosse körperliche Verschiedenheiten, die kein
Klima geben kann. Aber unsere erzählten Thatsachen würden
auf ein sehr altes Zusammentreffen beider Racen im Norden und
auf einen ethnographischen Verband zurückführen, wie wir noch
jetzt dieselben Horden an beiden Ufern der Behringsstrasse be
merken. Dass ausserdem Asiaten zufällig, oder selbst aus verschie
denen Gründen nach Amerika gekommen sind und vielleicht einiges
Asiatische den Amerikanern aufgepropft haben, das möchte mir
glaubwürdig scheinen.
147
Vieles in den Monumenten der Azteken weist auf Indien hin,
denn, wenn ich mich nicht irre, erwähnt selbst ihre Geschichte
die Erscheinung von fremden Männern zu einer gewissen Zeit. Es
gibt auch manches andere merkwürdig Aehnliche. So z. B. ge
ben die Araukaner in Südamerika dem Mais oder Kukurutz einen
Namen, der demjenigen sehr ähnlich ist, den er bei den Chinesen
trägt. (Compt. R. A. d. Sc. Paris. 1840. B. 10. S. 202.)
Was am bestimmtesten aus meiner Auseinandersetzung folgt,
ist wenigstens, dass gewisse amerikanische Völker weite Wande
rungen in beiden Amerika’s gemacht haben, und dass manche jetzt
wilde Länder da einmal cultivirt waren, wie z. B. die Inschriften
bei Maypur in den Urwäldern Guyana’s (Berghaus, geographisches
Jahrbuch für 1840) und die verwaldeten Monumente Yucatan’s hin
länglich darthun. Das Bekannte aus der Geschichte der alten Mexi
kaner bestätigt vollständig diesen Schluss.
Endlich um diese Fussabdriicke zu machen, möchte ich nicht
immer eine förmliche Zeichnung und Sculpturkunst annehmen,
sondern eher glauben, dass sie auf Staub ihre Füsse modellirten
und dann mit harten Instrumenten in dem Steine diese Abdrücke
weiter ausführten. Ausserdem sind diese Abdrücke nur von Füs
sen von Wilden und keineswegs den Füssen civilisirter Men
schen gleich. Wenn einer dieser Fussabdriicke am Wabacb jetzt
unter dem Wasserspiegel sich befindet, so kann dieses auf eine
locale Senkung hinweisen, oder man könnte fragen, ob vielleicht
der Künstler das Wasser erstlich von dem Felsen durch einen
Damm entfernt hatte, ehe er seine Arbeit machte, weil Fuss-
abdrücke unter dem Wasser noch viel besser den Uebergang über
einen Fluss symbolisch charakterisiren möchten. *)
Herr Regierungsrath Arneth liest die Fortsetzung seines
Berichtes über Dr. Kandler’s Werke:
VII. L’Jstria. Unter dieser Aufschrift begann Herr Kandier
im Jahre 1846 eine Zeitschrift, deren Hauptzwecke der Heraus
geber mit folgenden Worten schildert:
*) Herr Regierungsrath Arneth bemerkt, dass solche Fussabdriicke auf
harten Steinen auch im Erzherzogthum Oesterreich neben kleinen Flüs
sen gefunden wurden*
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft.
11
148
„In Hstria intemlesi di discorrere della geografia fisica,
„amministrativa ed ecclesiastica, della relazione fra la provincia
„e le limitrofe, dell’ attitudine ai commerci ed all’ agricoltura,
„della statistica, delle instituzioni civili, della storia medesima,
„dacchö & quesla la maestra della vita, e di quanto possa tor-
„nare di vantaggio e di decoro.”
Es umfasst also die Zeitschrift l’Istria die wichtigsten
Zweige der Wissenschaften. In wie ferne sie ihrer Aufgabe nach
gekommen, zeigt ein näheres Eingehen in die vielen schönen
und gelehrten Aufsätze, welche in den vier bis jetzt heraus
gekommenen Jahrgängen enthalten sind. Es sind auch häufig
Zeichnungen zur Veranschaulichung der beschriebenen Gegen
stände beigegeben, als: Eine Karte von Istrien, Grundrisse von
Ravenna, vom alten Dome zu Pirano, vom Baptisterium zu
Pirano, von dem zu Rovigno, zu Pola, von der Kirche St“. Agatha
in Cittanuova, St a . Maria Maggiore zu Triest, Maria Formosa
zu Pola, S. Francisco zu Pola.
Aus der kirchlichen Geographie sind geschildert: Die Diöcesen
von Triest, Capo d’Istria, Parenzo, Pola, Veglia. Diesen Schil
derungen sind beigegeben: 1. Historische Erläuterungen über ver
schiedene Klöster und geistliche Orden als: Franciscaner, Bene-
dictiner, Jesuiten, Piaristen; 2. über geistliche Monumente und
Gebäude; 3. verschiedenes Kirchengeschichtliches, als: Verzeich
nisse der Bischöfe von Triest, Capo d’Istria, Citta nuova, Pedena,
Parenzo, Pola, — Nachrichten von Heiligen, als: Hieronimus,
Maurus, Pelagius, Germanus, Servolo,,
Die Geographie ist für alle 3 Perioden bearbeitet in den
Aufsätzen über alte Geographie, die Umgebungen des Monte
Maggiore, die Insel Cherso, die Colonien von Parenzo — über den
Timavus, über das istrische Emonia, über Albona — del antico
agro Triestino, Parentino, Petenati, die oben angezeigte Geografia
antica. — Die mittelaltrige enthält Aufsätze über Albona, Muggia,
Pirano, Umago, Cittanuova, Parenzo, S. Lorenzo, die Grafschaft
Orsera u. s. w. — Die neue schildert die Districte von Albona,
Bellai, Buje, Capo d’Istria, Castelnuovo, u. s. f.
So sind auch andere, über die natürliche Landesbeschaf
fenheit vielfaches Licht gebende Aufsätze enthalten, als: die
Geographie Istriens im Allgemeinen, die Geologie, Orographie, Bo-
149
tanik, Meteorologie, Aecker-unil Waldcultur, Bodenbeschreibungert,
Bevölkerung, z. B. von Triest. Diese Stadt hatte 1717: 5600 —
zur Zeit der Maria Theresia 1758: 6400— Kaiser Josephs 1785 i
17,600— Napoleons 1811: 24,600 — Franz’ 1815: 32,000,
1835: 50,200 — Ferdinand’s 1845: 60,000 Einwohner. Pola,
das aus der römischen Periode ein Amphitheater hat, welches
25,000, ein Theater, welches 10,000 Personen fasst, ist nach und
nach so herabgekommen, dass es nach der letzten Pest 1631 iin Jahre
1641 nur 347 Einwohner zählte, im Jahre 1809 aber nur 696,
im Jahre 1835: 1177 und im Jahre 1844 aber 1148.
Viele Aufmerksamkeit ist den Gesundheitsverhältnissen gewid
met , daher Abhandlungen unter dem Titel: Fatti fisici-Condizione
sanitaria dell’ Istria aufgenommen sind, die immer beweisen, dass das
Clima eher zu den gesunden zu rechnen sei, als zu den ungesunden.
Die erwähnte Zeitschrift enthält auch Aufsätze über die Ad
ministration iin Allgemeinen und im Besondern, «als: Gesetze im
14. Jahrhunderte und in der Gegenwart, die öffentliche und
Communal-Verwaltung, Civil- und Criminal-Gesetze , Ver
messung und Schätzung , Verwaltung zur Zeit der venetianischen
Herrschaft, öffentliche Einrichtungen für Wohlthätigkeit, Erzie
hung, Sicherheit, Schauspiele, Land-Oekonomie, Handel, Strassen,
Leuchtthürme, Materialien für den Handel im adriatischen Meere.
Die ernste Richtung der l’Istria zeigt sich in den Abhandlungen
über die Architectur des alten und neuen Istrien, über die alten
und neuen Wasserleitungen und Cisternen, eine Hauptangelegen-
heit Istriens. Insbesondere ist die Geschichte dieser Provinz sehr
berücksichtigt, indem sie Abhandlungen über die Markgrafen von
Istrien, deren Aufeinanderfolge, über die Patriarchen, die
zugleich Markgrafen waren und ihre Herrschaft, wie das Kaiser
haus in den Besitz von diesen Gegenden kam.
1374. Die Grafschaft Istrien in Folge der Verträge zwischen
dem letzten Markgrafen AIhrccht und dem Hause Habsburg.
1382. Ergab sich Triest freiwillig an Habsburg.
1500. Die Grafschaft Görz mit Pertinenlien in Folge Sücces-
sionsvertrag.
1509. Die Grafschaft Gradiska mit Aquileja in Folge von
Friedensschlüssen mit Venedig.
1647. Kam Gradiska an die Fürsten Eggenberg.
11 *
150
1706 wieder an’s Kaiserhaus.
1797. Die Markgrafschaft Istrien und die Inseln vom Quarnero
in Folge alter Rechte und Frieden von Campo formio.
1807. Der District von Monfalcone laut Vertrag von Fontai
nebleau.
1814. Das ganze Litorale in seiner gegenwärtigen Gestalt
laut dem Frieden von Paris.
Ausser diesem enthält das erwähnte Journal noch viele schöne
geschichtliche Untersuchungen, z. B. Frieden zwischen dem Mark
grafen von Istrien und dem Dogen Candiano II. v. Jahre 933.—•
Provinzial - Constitution vom Jahre 1100.— Parlamento Istriano
im Jahre 804. — Ueber die Einfälle der Türken, über die öster
reichischen Colonien in Indien, Capo d’Istria im 15. Jahrhunderte,
über die Uskoken, über den Markgrafen Albrecht von Istrien,
über die Slaven in Istrien, u. s. w., über die Berge von Golaz,
über das zoologische Museum des adriatischen Meeres zu Triest. —
Einen besondern Vorzug hat die Istria durch ihre gelehrten
Arbeiten über Gegenstände des Alterthums, z. B. ein vortrefflicher
Aufsatz des Herrn Kandier über zwei elfenbeinene Cassetten-
Dyptichen zu Pirano und Capo d’Istria, und insbesondere über
sowohl römische, heidnische und christliche, als mittelalterliche
und neue Inschriften, auf welchen Götter und Göttinnen Vor
kommen, als: Adsalluta, Bona Dea Castrensis, die vielleicht nur
in Pola bekannte Eia, Histria, Janus, Ica, Jupiter, Liberus, Mi
nerva, die Nymphen der Savus, Silvanus, Venus Iria; die Kaiser
und Kaiserinnen: Caesar Octavianus, Claudius, Nerva, Trajanus,
Philippus II., Ulpia Severina, Maximinianus Herculius, Licinius; die
Tribus: Claudia, Lemonia, Pupinia, Papia, Romilia, Velina; Künste
und Gewerbe: Figlina, Faber pectinorum, Panius, Lotor Vestiarius;
die Geographie: Municipium und Respublica Albonensium; Colonia
Hemonensium, Colonia Julia Parentiorum, Colonia, Respublica und
Municipium Parentiiiorum, Respublica und Municipium Polensium.
Eine vorzügliche Zierde der l’Istria bildet der beigelegte:
Codice Diplomatico Istriano.
Anno 538. Cassiodorus Senator Praefectus des Praetoriums,
Minister des Innern, des Gothenkönigs Witiges verlangt von den
Istrianern die Entrichtung der Lebensmittel und des Geldes für den
königlichen Pallast zu Ravenna.
151
538. Ein sehr ähnlicher Befehl.
543. Euphrasius Bischof von Parenzo legt zum Vortheile des
Clerus den Zehent auf. (Aus dem Archive zu Parenzo.)
804. Parlament von Istrien über die Klagen der Provinz.
(Aus dem Codex Trevisani.)
933. Winter, Markgraf von Istrien schliesst Frieden mit
dem Dogen von Venedig Candianus II. (Aus dem Codex Trevisani.)
1365. Albrecht bestätigt dem Adel und den Besitzern ihre
Hechte.
1382. Albrecht von Oesterreich genehmigt die von der Ge
meinde von Triest angebotene Unterwerfung. (Aus einer Handschrift
im Triester Stadtarchive.)
1491. K. Friedrich übergibt der Stadt Triest das Vitztumambt.
1717. Kaiser Carl VI. befördert die Schifffahrt und den
Handel in Innerösterreich.
Herr Dr. Pfizmaier liest:
„Bemerkungen über die von La Peyrouse gelie
ferte Wörtersammlung der Sprache von Sagalien.”
In einem in der Classensitzung vom 17. Jänner v. J. vorgelese
nen Aufsatze „über die Aino-Sprache,” hatte ich mir Vorbehalten,
meine Bemerkungen über die Wörtersammlung des Weltumseglers
La Peyrouse, welche mir damals noch nicht zu Gesicht gekom
men war, bei einer andern Gelegenheit der kais. Akademie mit—
zutheilen. Nachdem ich die gedachte Sammlung in dem Werke:
Voyage- de La Perouse autoar du monde (Paris 1797) aufge
sucht, bin ich jetzt auf Grundlage einiger anderer von mir auf
diesem Gebiete unternommenen Arbeiten, im Stande, darüber das
Folgende zu berichten.
Die dem 31. Capitel angehängte Sammlung ist betitelt:
Vocabulairc des hubitans de f ile Tchoka, forme ä la baie de
hangle, und enthält somit den Dialect der von den Europäern
gewöhnlich mit dem Namen Sagalien 1 ) bezeichneten Insel. Die
*) La Peyrouse sagt, dass diese Insel von den Eingebornen Tchoka oder
auch Tanina genannt wird. Er erwähnt ferner den Namen Okou-Yesso,
und meint, dass derselbe dieser Insel nicht eigentlnimlich, sondern wahr
scheinlich japanisch sei. Und allerdings ist die letztere Vermutliung rich
tig, denn V lv X ^7 jC Woku-Yezo, nach der Aussprache der westlichen
152
Sammlung selbst ist zwar. äusserst dürftig und nur aus 160
Wörtern bestehend, jedoch sind mir durch dieselbe manche Auf
schlüsse, die ich mir auf einem andern Wege nicht leicht er
halten hätte, zu Theil geworden.
Dialecte Oku-yezo, bedeutet im Japanischen das innere oder tiefe Jesso,
und obgleich mir der Ausdruck noch nicht im Japanischen vorgekommen,
so zweifle ich doch nicht an dessen Gebräuchlichkeit. Die Japaner nennen
die Insel sonst noch |) ^ Sakari, entsprechend dem von dem
gleichnamigen Flusse der Mantschurei entlehnten Sachalin, gewöhnli
cher Segalien oder Sagalien. Der Name |' ^ 7 ^ Kara-futo, zu
sammengezogen Karafto, der auch in einigen japanischen Schriften vor
kommt, scheint nicht japanisch, sondern von den Bewohnern von Jesso
der obgenannten Insel beigelegt worden zu sein, denn in der dem Werke
Mo-siwo-gusa beigegebenen kleinen Karte der Aino-Länder, auf welcher
der Name der verschiedenen Gebiete Koian) in der Aino-
Sprache mit Kata-ka-na-Sclirift ausgedrückt wird, heisst diese Insel eben
falls |- 7 7 ^ Karafuto,
Ueberhaupt scheint es, dass die Bewohner dieser zwei Inseln nicht
das eigene, sondern nur das fremde Land mit einem allgemeinen die
ganze Insel in sich fassenden Namen benennen. Wenigstens stehen auf
der oberwähnten kleinen Originalkarte ausser Karafuto zwar die Namen der
kleineren Inseln, nicht aber jene der Insel Jesso, auf welche hier vorzugs
weise Rücksicht genommen wurde. Auch ist mir keine Bezeichnung für
dieselbe in der Aino-Sprache vorgekommen, während in einem in die
gedachte Sprache übersetzten historischen Fragment dem japanischen
f ’T 31 yeaorno isi „das Land Jesso” der Ausdruck > * 1
> ^ ZJ aino-rkotan „Land der Aino” entsprechend gefunden wird.
Ich vermuthe sogar, dass die oben angeführten Namen Tchoka und
Tanina nicht einmal die Namen einzelner Gebiete, sondern ganz ge
wöhnliche Wörter sind, die auf die von den Reisenden gestellten Fra
gen, besonders bei der Richtigkeit der obigen Voraussetzung, leicht
als Antwort gegeben werden konnten. Denn 3 4y iaio (tcfiu) hat
wenigstens in dem Dialect von Jesso die Grundbedeutungen von ich
und dieser in 4em Worte J 3 ^y tsiokai, das sowohl durch
waga ich oder mein, als auch durch 7t ) 7 sono-fo
(wörtlich; diese Gegend), eine unserem Sie als Anrede entsprechende
Zusammensetzung erklärt wird. ka bedeutet Land, und somit hiesse
Tchoka nichts anderes als dieses oder unser Land. Eben so hat
4P-
tane im Dialect von Jesso die Bedeutung dieser, und könnte,
besonders bei der öfters beobachteten Verwechslung der Endlaute e und i
im Dialect von Kurafuto tan% lauten, wie es denn auch eben so häufig
153
Vor Allem habe ich daraus ersehen, dass der Dialect von
Sagalien von jenem der Insel Jesso sehr wesentlich verschieden
ist, so dass bezweifelt werden muss, dass die Bewohner dieser
beiden Inseln einander verstehen. Indem ich hiermit den Umstand,
dass in dem von mir benützten, sonst nichts weniger als reich
haltigen Vocabularium für einen und denselben Gegenstand oft
mehrere Synonyma gesetzt werden, so wie einige von mir an
den Textesstellen gemachte Beobachtungen in Verbindung bringe,
glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Aino-Sprache in zahl
reiche von einander stark abweichende Dialecte zersplittert ist,
gleichwie in Kamtschatka jedes Dorf seine eigene Sprache be
sitzen soll, so dass die Bewohner des einen die des andern
nicht mehr verstehen.
Ferner habe ich gefunden, dass der Lautcharacter der Aino-
Sprache mit dem der japanischen , wenigstens was die mir be
kannten Dialecte der letzteren betrifft, nicht in allen Stücken
Uebereinstimmung zeigt. Die Laute ch (sch) und Ich (tsch),
ny tan geschrieben wird. na hat ebenfalls in dem erslge-
nannten Dialecte eine dem Worte Land oder Ort analoge Bedeutung,
wie aus dem Ausdrucke l\ ^ i/ na-un sisiam, wört
lich: ein Mensch des Ortes und erklärt durch ) 3 y |'
|' io-sio-no fito ? ein Eingeborner, zu ersehen ist, in Folge
dessen Tanina soviel als ^ tane-na, dieser Ort, sein würde.
La Peyrouse erwähnt noch, dass die Bewohner von Sagalien die Gegend
südlich von ihrer Insel Chicha nennen, ein Name, über den ich mich bei
der sehr bedeutenden Verschiedenheit der Dialecte und der Unzugänglich
keit der Hilfsmittel nichts bestimmtes zu sagen getraue. Jedoch halte ich
es nicht für unmöglich, dass Chicha so viel ist als ^ si-sia (nach
der Aino-Aussprache Schi-scha) der grosse Fluss, wobei ich be
merke, dass jy si (schi) die Grundbedeutung von gross , gewaltig
hat in den Zusammensetzungen \ si-ruru, das hohe Meer,
■> y %/ si-an-guru ein Reicher.
Hierher gehört noch die Angabe, dass die Kamtschadalen die Japa
ner (eigentlich wohl die Kurilen), mit dem Namen Schischemann bele
gen und dass dieser Name von dem „japanischen” Worte S chis ch „Nadel”
herstammen solle, was insofern zu berichtigen ist, als eine Nadel im Japa-
schen y f ar * heisst, und Schi sch seinem Laute gemäss, der letzt
genannten Sprache gar nicht angehören kann, sondern wahrscheinlich
kurilisch ist. Es scheint dieses Schisch auch nicht mit dem oben ge
dachten Chicha in Verbindung zu stehen. Für „Nadel” ist mir übrigens in
der Aino-Sprache nur das Wort l\ }jr kemu bekannt.
154
so wie die Sylben tou und tsa, welche in der französischen
Transcription Vorkommen, sind dem Japanischen eigentlich fremd,
ebenso einige Consonantenhäufungen, wie qs-c/i, btle, die mir
aber in dem einen oder dem andern Palle in Folffe von Druck-
fehlem entstanden zu sein scheinen. Was in einer Vorerinnerung
hinsichtlich der Kehllaute und der Verbindung qs gesagt wird,
ist mir nicht klar.
Das japanische Alphabet ist für die Transcription von frem
den Wörtern, in welchen Häufungen von Consonanten Vorkom
men, vielleicht das ungeeignetste von allen. Dasselbe wurde ur
sprünglich nur für solche Sylben gebildet, welche auf Vocale
endigen, was für die älteste und reine Sprache auch völlig hin
reichend ist. Wo man später genöthigt war, Consonanten ohne
darauf folgenden Vocal auszudrücken, bediente man sich nur bei
n eines besonderen Zeichens, ausserdem aber setzte man eine
auf den Laut u endende Sylbe, welcher Laut u dann in der
Aussprache wegfällt, ohne dass dieses in der Schrift durch Irgend
etwas angedeutet wird. In dem herrschenden Dialect geschieht
dieses nach Regeln, welche, wenn man nur die Bedeutung und
die Abstammung eines Wortes kennt, nicht den geringsten Zwei
fel über die Aussprache übrig lassen. Bei fremden Wörtern, mit
Ausnahme der chinesischen, lässt sich jedoch nach der Schreib
art allein niemals bestimmen, wann dieses u ausgesprochen wer
den soll oder nicht, während bei Consonanten, welche mit u in
dem Syllabarium nicht Vorkommen, bisweilen auch wenn es der
Wohllaut zu erfordern scheint, eine auf einen andern Vocal aus
gehende Sylbe gesetzt wird. Hierzu kommt noch die Abwesen
heit gewisser Grundlaute und der Umstand, dass f und h, r und
l durch kein eigenes Zeichen von einander unterschieden werden,
oder, richtiger gesagt, dass die Laute h und l in dem oben ge
nannten Dialect gänzlich fehlen. Um von vielem nur einiges an
zuführen, bemerke ich, dass z. B. das holländische bilzenkruid
durch y ^ a 3 -fc j/u-bi-ru-sen-ko-ro-i-do, das
gleichfalls holländische walrus (Wallross) durch X l)
wa-ru-ri-yu-su, der Name der Engländer von dem Worte
Enylishi durch X j) ^ 'f i.-gi-ri-su, der Name der Deut
schen von dem holländischen duitsch, durch 'p ^ y doX-tsu
ausgedrückt wird.
155
Die Schreibweise der Aino-Wörter in dein Mo - siwo - gusa
unterscheidet sich bloss durch einen bisweilen seitwärts ange
brachten mir nicht ganz erklärbaren Verbindungsstrich, ferner
durch einen die Länge der Vocale anzeigenden Verlängerungs
strich, durch einen zur Seite des ^7 gesetzten kleinen Ring,
der das eine oder das andere Mal, jedoch wie es scheint, nur
aus Versehen, auch bei -^3 und ^7 zu finden ist, und endlich
noch bei zwei oder drei Wörtern durch einen neben das ^
gesetzten Punct. Hierüber ist zu bemerken, dass bei den Wör
tern der Aino - Sprache, welche hinsichtlich ihres Lautsystems
der japanischen ziemlich nahe steht, die Transcription weit regel
mässiger und weniger abweichend ist als bei gewissen euro
päischen, namentlich germanischen Wörtern. Ich erkläre hier
die Eigenthümlichkeiten der in dem Mo-siwo-gusa angewendeten
Schreibweise, in so weit als mir dieses durch die Vergleichung
mit der im Eingänge gedachten Wörtersammlung möglich ge
worden ist.
ist so viel als tou, z. B. | etü.
Die Verbindungen ^ jy und 3. iS lauten scha und schu,
z. B. ^ iS schaba, a- iS schuma. Eben so muss auch
der Verbindung 3 i/ der Laut sc/10 beigelegt werden, wovon
jedoch bei La Peyrouse kein Beispiel vorkommt.
iS und ^7 lauten öfters sein und sehe. Eben so scheint
öfters für tsclii, ^ Sy für tseha und 3 Sy für tsclio zu
stellen.
^ kann auch tsa lauten, z. B. o ^ Isaro.
j ohne Vocal lautet auch sch, und ^ auch tschi, wel
ches letztere jedoch in der Verschiedenheit der Dialecte seinen
Grund haben kann, z. B. jl V waschka, a ^ tschiro.
In den mit dem Consonanten/"anfangenden Sylben wie ~\
u.s. f. scheint dieses /"immer wie h zu lauten, wenigstens habe ich
den erstgenannten Buchstaben in dem Vocabularium nicht gefunden.
Eben so behalten die mit dem Consonanten r anfangenden
Sylben beinahe überall diesen Laut, der nur selten in l ver
wandelt wird.
Das u in den Sylben l\ rau, J° pu und X su, scheint
immer stumm zu sein , wenn diese Zeichen am Ende eines
Wortes stehen.
156
Auslassungen des Vocales können auch bei anderen auf
u endenden Sylben statt finden
Ich gebe hier das Verzeichniss derjenigen Wörter in der
Sammlung, welche mit dem Dialecte von Jesso Uebereinstim-
mung zeigen, indem ich dieselben mit den in dem Mo-siwo-gusa
enthaltenen zusammenstelle, wobei noch zu bemerken ist, dass
das Vocabularium von LaPeyrouse ganz nach der französi
schen Orthographie eingerichtet ist und demnach unter andern
ai und ay wie ä, und au wie o gelesen werden müssen.
Vocabularium von La Peyrouse.
Chy, oeil, les yeux. ....
Etou, le nez
Notamekann, les joues . .
Tsara, la bouche .....
Yma, les dents ......
Aon, la langue
(Offenbar ein Druckfehler
statt Aon.)
Mochtchiri, le menton . . .
(Dürfte wohl Nochtchiri
heissen.)
Qs- chara , les oreilles . .
Chapa, les cheveux ....
Ochelourou, la nuque . . .
Saitourou, le dos .....
Mo-siwo-gusa.
f v
ki, bedeutet Sache, und
ist dem v' angehängt wor
den.
1 r *
h p. ) jap. 7 7t fo.
°T-t
f ^ J J a P- f a -
^ ki ist ebenfalls angehängt
worden.
9 7
|) t V ) j a l'- 'i j? I' ft
wotogai.
7 ^ \ das Ohr.
^ jy der Kopf.
"7 ^7 n atcs,jap. )J £/
siri.
n-' 7° ^ jap- ^ f ^
senaka.
157
Vocabularium von La Peyrouse.
Tay, V avant-bras
(spr. te.~)
Tolio, les mamelles ....
(spr. tö oder to-o. Nach der
Schreibart dieses Vocabu-
lariuras darf das h zwischen
zwei Vocalen nicht ausge
sprochen werden.)
Hone, le ventre
(D ruckfehler statt Hone
oder Honi.~)
Tsiga, parties naturelles de
1’ komme
Assoroka, les fesses . . . .
Paraoure, le dessus des pieds
Ouraipo, Ia plante des pieds .
Kaima pompeam, le pouce du
pied
Mo-siwo-gusa.
)j- J~ oder 7 J~ die Hand.
)j- ke und 7 ki sind wie oben
angehängt worden. >r kc
hat die Bedeutung von Ge-
stalt.
7° ) I'
J |' to ist das Wurzelwort,
ka bedeutet Ort, und
7° p entspricht dem be
stimmten Artikel.
- 7t
1 j- jap- *J ^ j
in-kiö. Das im Dialect von
Sagalien angehängte ga ist
so viel als -fl ka und be
deutet Ort.
v 3 jy ^
Im Dialect von Sagalien wie
der die Anhängung von
ka, Ort.
7 )*' jap- ^ J i/ 7
7 7 7 a,si-no ko saki, die
Gegend vor den Nägeln der
Zehen.
^ yj Fuss oder Bein, jap.
p mata.
po wird wie das japani
sche 3 ko bisweilen de«
Hauptwörtern angehängt.
-3 >T Fuss, jap. i/ y asi.
l\ 7 der Nagel an den lläu-
f
158
Vocabularium von La Peyrouse.
Mo -siwo- gusa.
(Kann nur die Zehe oder
vielmehr den Nagel der
Zehe bedeuten.)
Kaiani ou Kahani, navire, vais-
seau.
(Bedeutet Masthaum von
^ -jl kaya Segel und
— ni, Baum.
Ouachekakai, Sorte de pelle en
bois, servant a jeter 1’ eau
des pirogues.
So'itta, banc de pirogue . . .
Moncara, hache de fer . .
(Scheint ein Fehler statt
Mo ucara.)
Couhou, arc (spr. kü) . . .
/lat, fleches ordinaires, en fer,
ä langue de serpent, les unes
barbelees, les autres unies .
Tassiro, grand coutelas . .
Matsirainitsi et makiri, petit
couteau ä gaine.
den oder Füssen, jap. £ *7
tsume. Pompe entspricht
dem auf Jesso gebräuchli
chen -nJ ■> }j- Finger.
— ^ ei' 1 Mastbaum, jap.
7 f/ fo- basira.
>T -fl 'J V jap. erklärt durch
|' i p 7 ; f 7
j\ 'J fj fune-no aka-wo
toruutsuwa, ein Werkzeug,
mit welchem man die Schiffe
vom Schmutze reinigt.
p. 4 3 V ]‘ a P- p ) 4 7
p yf fune-no tana-ita,
aas Bret auf dem Verdecke
eines Schiffes. Das japani
sche p_ /f ita, Bret, ist
auch in der Aino-Sprache
üblich.
1) p '7 h jap- |) f -3
masakari, eine Axt. DieSyl-
ben 7 und lj werden am
Ende der Wörter öfters ver
wechselt.
1 r
'f 7 jap- ^ ya.
ü v' p
’) t ^ jap- f p fia
lcogatana. Das erstgenannte
Wort fehlt.
159
Vocabularium von La Peyrouse.
Kaine, aiguille ä coutlre . .
(Scheint irrig statt Kaitne
spr. käm zu stehen.)
Achtoussa, casaque tissue de
fine ecorce de bouleau tres-
artistement preparee.
iSetarouss, grande casasque, ou
redingote de peau de chien.
Tchirau, souliers de forme chi-
noise, dont le bout en pointe
est tres-recourbe en haut.
Tama, grains de rasade bleue
isoles. (Ein japan. Wort.)
Hounechi, le feu
Taipo, un fusil (Ein jap. Wort,
eigentl. ; -j\° '■'} J teppö).
Ouachka, eau douce ....
Cliouhou, chaudiere de cuivre .
(spr. sc hü).
Tsouhou, le soleil .....
(spr. tsii).
Clioumün, pierre , terme gene-
rique.
Ai, tronc d’arbre, et bois en
general.
Mo - siwo - gusa.
h >T jap. 1) ^ fari.
/ 7 Birkenbast, jap. ’c ^
p Y ^ wo-fiö-kawa.
Toussa ist wahrscheinlich
so viel als "Y jap.
y" 7 sode, einAerttiel
oder Ae r melk leid.
p_ ^ Hund, %/ Leder.
X3 ^ als ein Wort des Dia-
lectes von Karafuto be
zeichnet , sonst )j >7-
jap. ^ seki-du.
ist ein Wort wie 7t 0 oder
das jap. zi ko. Das gewöhn
lichere Wort fiir Feuer ist
7
-p J *7 Wasser.
) =■- %/ jap- n f pl
kana - nabe.
7° '7 3- 7 otler 7° a f
Das hier angehängte 7 0
entspricht dem bestimmten
Artikel.
-3 a- v' ein Stein.
— ein Baum.
ICO
Vocabularium von La Peyrouse.
Mahouni, le rosier naturel . ,
Mo-siwo-gusa.
Pech koutou, angelique, plante
Mächi, goeland, oiseau palmi-
pede des bords de la mcr.
Pipa, grande telline-nacre, co-
quille idem.
Toukochich, le saumon . . .
He, et hi, oui ......
Tap ou tape, ceci, cela, celle-
ci, celui-lä.
Ajhe, manger. (Action de) .
(Soll wohl Albe heissen.)
Etaro, dormir ......
p eine Hagerose, jap.
■i/ p ^2 >\ fama - nasi.
— ni ist das obige Baum.
'7° ' 7 "\ jap- 7 V 7
7 p kuai-tai, der Name
einer unbekannten Pflanze.
i/ jap. 7 kamome,
eine Seemöve.
eine Auster, jap. p pi
kaki.
' V 7 I' jap. x. ^ 7 7
ame masu.
^ ) /f oder ^ ) 3
^ hat die Grundbedeutung
dieses.
T M
< 7
dieser, jap.
S
7
sono.
u |' 2 das Schnarchen, jap.
^ -j_N' 7 ibiki.
Tchine, uu . . . . '. . . .
Tou , deux . .
Tche, trois ........
7 V' 1 )
7°
^ “)
*) Diesen Zahlen bis einschliesslich fünf kann eine der Determinativpartikcln
y° v 7— ^ — -\° angehängt werden, z. B. 7° 7^ ''f' ^
— y c 'J — A o | v ^7° u . s* f. Von sechs angefangen
habe ich das y ° *7 nicht mehr beobachtet.
2 ) u ^d J~ (in manchen Wörtern vielleicht tsche ausgesprochen) fand
ich in der Aino-Sprache einige Male verwechselt, z. B. lind
yu-p J w e i s s *
161
VOcaliularium von La Peyrouse.
Yne, quatre ......
Ascline, ciuq
Yliampe, six . . . . . .
Araouampe, sept . . . .
Toubi schcimpe, liuit . . .
Tchinebi schampc, neuf .
Houumpe, dix ......
Tchinebi kassina, on/.e . .
Toubi kassma, douze . .
Tchebi kassma, treize . .
Ynebi kassma, quatorze .
Mo-siico-gusu.
4 'f
* f ^7
^ > 7 ivj s)
-s > ^ %/ 7° 3 )
^ v' ^ 4 )
^ 7 5 )
V ^ ^ 7° 7 f ^ 6 )
—
V * jy ji 4 r 7 7°
^ 7 )
7 ^ v J 7° v ; i/
-i
V -3 1 r 7*4
*) Das Grundwort ist und die Determinativpartikel.
а ) Zusammengesetzt aus yi^~J von unbekannter Bedeutung, wahrschein
lich eben so viel als mit der Grundbedeutung frühzeitig, dann
aus ^ zehn und -Sj der Partikel.
3 ) Zusammengesetzt aus ^ \po zwei mit der Determinativpartikel, und
—Sj -i- ^ jy der Zusammenziehung von V ze ^n und, wie es
scheint, von dem Vorgesetzten nicht, es ist nicht da, das
Ganze also so viel als; Zehn weniger zwei.
4 ) Ebenfalls zusammengesetzt aus "Nf ^ £/ eins, und -Nj ^ £/ wie
die Zahl acht, das Ganze also so viel als : Zehn weniger eins.
5 ) Das Grundwort ist ^
б ) Zusammengesetzt aus 'J 0 'J 7^ $/ eins, -Q V'' japanisch
J* übrig bleiben, und ^ ze ^n. Das ^
zehn ist in dem Vocabularium von La Peyrouse — ob dem Dialecte ge
mäss oder nicht, lässt sich bestimmen — weggelassen worden.
7 ) Wieder so viel als: zwei und zehn übrig. In dem Dialect von Jesso steht
V 7 7° zwei mit der Partikel ^7 • Die folgenden Zahlen
bis einschliesslich neunzehn sind in beiden Dialecten auf dieselbe Weise
zusammengesetzt.
162
Vocabularium von La Peyrouse.
Aschnebi kassma, quinze .
Yhambi kassma, seize . . .
Araouambi kassma, dix-sept
Toubi champi kassma, dix-huit
Tcliinebi schampi kassma, dix-
neuf .........
Die folgenden fünf hier noch angeführten Zahlen sind zwar
an und für sich von den auf Jesso gebräuchlichen verschieden,
bestehen jedoch aus Elementen, welche beiden Dialecten ge
meinschaftlich sind.
Ilouampebi kassma, vingt. Den vorigen analog von
Zehn, mit der Bedeutung von: Zehn, und zehn übrig. Im
Dialect von Jesso steht dafür p 7t ('hosch), ein eigenes
Grundwort.
Houampebi kassma tchine-ho, trente. Aus -s£ p zehn,
<2 V / ’fl 'f übrig bleiben, ^ i/ eins, und 7t mit der
Grundbedeutung: zwanzig. Im Dialect von Jesso p -sj P
p 7^. p° von -sj p zehn, p mit der Grundbedeutung:
weniger, und p 7t p° (aus p° zwei, pik- zwanzig)
vierzig.
Yne liouampe touch-ho, quarante. Aus ^ ^ vier, -SJ .i- P
zehn und touch-ho, das in dem andern Dialect nicht vorkommt,
aber offenbar die Beziehung zu zwei oder zwanzig andeutet. In
dem Mosiwo-gusa p 7t p° , das schon bei der vorherge
henden Zahl dreissig erklärt wurde.
*) Hier so wie in den drei folgenden Zahlen die Auslassung der Partikel -Nj.
2 ) ^ iX ist im Dialect von Jesso eine Abkürzung von -sj ^ £/
^ "V f/neun.
Mo-siioo-gusa.
v vji J * t ^ 7
~e ^ *)
v -z i/ ^ ^ > 7 ^ y
jyjiJ - ^ ^ 7°
p -3 jy -fl ^
^ ^ 3 )
163
Aschne houampe taich-ho, cinquante. Aus zf. ^ (/ ~J
fünf, -Nf > ^ zehn und taich-ho, das gleichfalls in dem
andern Dialect nicht vorkommt, aber die Beziehung zu drei oder
dreissig anzudeuten scheint. Die Grundsylbe tai entspricht dem
tsche drei. In den Mo-siwo-gnsa 'p ^ ^ 7 von
■"'? V zehn^ mit der Grundbedeutung weniger, und
"P Üs. \Xsechzig.
Tou aschne houampe taich-ho, cent. Das vorhergehende
aschne houampe taich-ho fünfzig mit ~p° zwei. In dem
andern Dialect 'P ^ ^ %/ von ^ ^ p/ fünf und
'p Hl z wan zig.
Die übrigen aus der Mehrzahl bestehenden Wörter zeigen
keine merkliche Uebereinstimmung mit den in dem Mo-siwo-gusa
enthaltenen. Um den Unterschied der Dialecte kenntlich zu
machen, liefere ich hier das Verzeichniss derselben zugleich
mit den in dem eben genannten Werke ihnen entsprechenden
Synonymen, wobei ich bemerke, dass eine gewisse Anzahl der
durch sie bezeichneten Gegenstände in dem Wo-siwo-gusa fehlt.
In einigen Fällen schienen mir die französisch geschriebenen
Wörter unrichtig abgedruckt worden zu sein, was von mir jedes
mal angemerkt wurde.
Vocabularium von La Peyrouse.
Tara, les sourcils
Quechetau, le front ....
Teiid, la barbe ......
Tapinn ehinn, 1’ epaule . .
Tacts sonk (?) le bras . . .
(Vielleicht Taits souk.)
Tay ha, le poignet ....
Tay pompe, la main, et les
doigts eu general.
Mo-siwo-gusa.
VW 7
Fehlt.
f ^
X 3- %/ 7 p_
*j \ oder (r \- 'p
Fehlt.
J '7 -'S f J die Finger.
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft.
12
Mo-siwo-gusa.
i r>4
Vocabularium von La Peyrouse.
Tchouai pompe , le pouce .
Khouaime pompc, 1' iudex . .
Kmoche kia pompe, le medius
Otsta pompe, Y annulaire . .
Para pompe, 1’auriculaire .
Tchame, de devant et le haut
de la poitrine.
-nJ -2- h~ ^ 7 *) oder
-'S -S- >7* 7 7
-s* b~ jy 4 ) oder
>r 7 j~ >r y' ) i/
-< 0
>r i i/ 6 )
)t 7 f ^ -fc° 0
W- 7 oder (77 die
Brust. Vielleicht so viel als
'SJ ^ das Her».
Cliipouille, parties naturelles de
la femnie.
Ambe, les cuisses .....
Aouchi, les genoux ....
Tcheai, le jarret, ou pli du
gen ou.
A i 7
^ ^ '7 3 und noch zwei
andere Synonyma.
Fehlt.
1 ) Offenbar so viel als der alte, der bejahrte Finger von 7 bejahrt
und *-sJ -i- mit der Grundbedeutung Finger.
2 ) Die Bedeutung der einzelnen Theile dieses Wortes ist yi^ der Weg,
'7 J J a P* treffen, entsprechen, und -Nf ^
Finger, also gleichsam der den Weg treffende Finger.
2) Von ^ 7 ein Becher, also der Becherfinger.
4 ) iS jap. ^ ;i\' V' verdorren.
5) -i/ i/ wahrscheinlich statt _i- V' ruhen, Yj~ ■£/ ) die Mitte und
^ in dem Sinne von befindlich zur Bildung von Beiwörtern
verwendet. Also der ruhende mittlere Finger.
ö ) klein, U 'i/ von ungewisser Bedeutung, etwa eigen
oder selbstständig.
7 ) -2- ^ ° klein, 77" i' a * ,e i befindlich.
165
Vocalmlarluin von La Peyrouse.
Aimaitsi, les jambes ....
Oatvhika, le gras de la jambe
Acouponi, les malleoles, ou
chevilles des pieds.
Otocoucciion, les talons . .
Tassou pompeam, l’index (du
pied) .
Tassou ha pompeam, le me-
dius (du pied).
Tassouam, pour l 1 annulaire et
1’ anriculaire (du pied).
Tclioiza, la mer
Hocalotirou, pirogue ....
Tacorne, toulet de pirogue . .
Oukannessi, avirons, oup agaies
Koch-koum, petit vase quarre,
d’ecorce de bouleau, et muni
d’une queue. II sert ä boire,
ainsi qu’ ä yider 1’eau des
pirogues.
Turatte, tres - longue et forte
courroie de six a huit lignes
de largeur.
Ho, grande lance de fer damas-
quinee.
Tasselmi, fleches fourchues ä
deux branches.
Etanto, fleches en bois, ä bout
de massue.
Matsirainüsi, petit couteau a
gaine.
Mo-siwo-yusa.
n oder ]\ -ft jf *]
Fehlt.
Fehlt.
Fehlt.
Fehlt,
Fehlt.
Fehlt.
7° T ol ^ er s ^
Fehlt.
Fehlt.
1 ^ und noc ^ ^ re *
andere Synonyma.
Fehlt.
Fehlt.
=- P ^ J a P- 3 7t fi>ko.
)* ^ l) p jap. ^ ^ f jl
kasane-ya ein doppelterPfeil.
Fehlt.
Fehlt.
166
Vocabularium von La Peyrouse.
Matsire, uom qu’ils donnent ä
notre couteau k gaine.
Hakame, gros anneau de fer,
de plomb, de bois, ou de dent
de vache marine.
Tchikotampe, nos cravates ou
mouchoirs.
Achka, chapeau ou bonnet .
Tobeka, peau de veau marin,
en forme de longue casaque,
Tetarape, Sorte de chemise
d’etoffe grossiere, et ornee
d’un lisere de nankin bleu
au bas, ainsi qu’au collet.
Otomouchi, petits boutons de
veste, en cuivre jaune, a tete
ronde.
Ochss (?) bas , ou bottines de
peau, cousues aux souliers.
Mirauhau, petit sac de cuir, k
quatre cornes en volutes: il
leur tient lieu de poche, et
est suspendu ä la ceinture de
cuir.
Tcharompe, pendans d’oreilles.
Achkakaroupe, petit parasol, ou
garde-vue, qui garantit du
soleil les yeux des viellards.
Mo-siwo-gusa.
Fehlt.
Fehlt.
Fehlt; scheint aber ein allge
meiner Ausdruck zu sein,
nämlich 3 tchiko, ein
gewisser (un tel) und
-sj 3- ^ tan-be, diese
Sache, das Ganze so viel als
diese gewisse Sache.
E?
a von dem japanischen
kozi.
Fehlt. Vielleicht von —^ |~
Milch und ] Seide.
Fehlt; kann aber eine Zusam
mensetzung sein von Jg
yi^ weiss, so viel als
schmucklos, und -nJ
Sache.
Fehlt.
Fehlt.
-sj -i/ j- ein lederner Beu
tel, japanisch erklärt durch
« ^ 7” 7 J ^ ^
kawa-no te-bukuro.
9 *
Fehlt.
ein Ohring.
167
Vocabularium von La Peyrouse.
Hierachtchinam, grande etforte
natte , sur laquelle ils s’as-
seyent et se couchent.
Tamoui, un chien .....
Nintou, seau a puiser . . .
Chichepo, eau de la mer . . .
Abtka (?) petite corde . . .
Scheint ein Fehler statt
Alika, in welchem Falle das
Wort übereinstimmen würde.
H steht bei dieser Schreib
weise im Anfänge öfters
überflüssig, und könnte, wie
es in der Aussprache der
Franzosen zu geschehen
pflegt, gerade dort wo es
nothwendig ist, ausgelassen
worden sein.
Sorompe. grande cuiller debois
Nissy, perche, ou gaule . . .
Pouhau, cabane ou maison . .
Nioupouri, les cases, ou ie
village.
Oho, la plaine ou sont elevees
ces cases.
Naye, riviere qui coule dans
cette meine plaine.
Mo-sitoo-gusa.
Fehlt.
p £/ auch p ^ und -\
J rj ° oder 7° 7^
!) 7 V
ij >\ japanisch )\ p na-
toa, eine Schnur.
7 "\° ein Esslöffel; jap. er
klärt durch v ) t t ^
t p kui-mono-no kai.
|) '7 japanisch 7t satvo,
eine Stange.
^7 A. und noch zwei andere
Synonyma.
3 ein Ort oder ein Dorf.
^ 7 1) iS jap- f f 7 aki-
tsi. ein Lagerplatz.
'7 -sf ein Fluss J |- ^ ein
bewässertes Thal-
168
Vocabularium von La Peyrouee.
Hourara, le firmament . . .
Ma-siico “l
Hourara haiine, les nuages ,
Tebaira, le vent
Oroa, le froid
Tebairouha, l’hiver, ou saison
de la neige.
Qs-sieheche, planche de sapin.
Toche, ecorce de bouleau brüte,
en grands morceanx.
Otoroutcliina, herbages en ge
neral, on prairies.
Choulaki, mousse, plante . .
Tsiboko, ache, ou celeri sau
vage.
Taroho, fleur du rosier, vul-
gaireraent appelee rose de
c h i e n.
Muhatsi, Sorte de tulipe . . .
Tsita, oisenu eil general, ou
chant d’ oiseau.
gusci,
7 l) der Himmel. \ x) /j
ein anderer Ausdruck für
Wolke.
jy •=, eine Wolke.
7 4 ^
'i 7 jap- Ü 1 h f somit si,
kalt.
-3 der Winter.
Fehlt.
7 7 Birkenrinde, jap. t
WO-flÖ- 110
kawa.
— l\ Pflanzen oder Gräser
überhaupt, entsprechend dem
jap. l}- ^ kusa,
(7 f- 7 -
Fehlt.
T ✓ 7° jap- )* 7
)J 3. uba-yuri, nebst einigen
andern Namen ähnlicher
Pflanzen.
l) 7 e ‘ n kleiner V T ogel, jap.
l) |' 3 ko-tori, -p 7
J 9 7 ein grosser Vo
gel, jap. I) |. > 7
wowo - tori.
i
169
Vocabularium von La Peyrouse.
Qs-lari, plume d’oiseau . . .
Etouchlca, choucas, Sorte de
corbeau.
Tsikaha, petite hirondelle com
mune.
Omoch, mouche commune, ä
deux ailes, ou diptere.
Möcomaie, grand camed’espece
commune, coquille bivalve.
ötuss : , grondin, espeeede pois-
son.
Emoe, poisson en general, ou
le nom particulier d’ une
espece de barbeau.
Mo-sitvo-gusa.
7° "7 7 j' a P- ^ ) ') |'
tori-no fa.
•a 7 iS J*' jap- 7 j?
karasu, ein Rabe. Ein ähn
licher Vogel heisst *7°
-jl yv- t der schön-
schnabelige, japanisch er
klärt durch a" ) X 7 'fl
7 J v =- 9 \
7 -5? j/ karasu-no
ffotoku-nisite kutsibasi ut-
sukusi, ein dem Raben ähn
licher Vogel mit schönem
Schnabel.
T 7 7 1 i I' 7° 7 ode ‘-
{ 'i I' T 3 7 7 die Re-
genschwalbe jap. 7? 7 7
7 7^' ame-tsubarne.
i ■> p. 7°. J
7° 7 /<- 3. %/ jap. f 7
)j asari, eine Muschel.
Ausserdem noch eine bedeu
tende Anzahl von Arten und
Namen.
Der entsprechende japanische
Name unbekannt.
—mit derBedeutungFisch
vielen Namen von Fischen
angehängt. Lässt sich mit
dem letzten Worte des Dia-
lectes von Sagalien verglei
chen. Die Vocale e und i wer-
170
Vocabularium von LaPevrouse.
Chauboun, espece de carpe, ou
poisson du genre de la carpe.
Pauni, arete ou colonne epi—
niere des poissons, qu’on fait
g'riller et qu’ ou reserve par
tas.
Chidarape, laitances, oeufs, et
vessie aerienne des poissons,
qu’il reservent egalement.
Hya, non ........
Houaka, non, cela ne se peut
pas: je ne puis ou je ne veux
pas.
Ta-sa, qui ? quoi? qu’est-ce?
pronom interrogatif.
Couhaha, venez ici . . . , .
Cbulia, boire .......
Jtlouaro. coucher, ou ronfler .
Mo-siwo-yusa.
den häufig verwechselt, z. B.
) 7° z und ) 71
Nase.
Fehlt, jedoch bedeutet n. iy
>7" einen kleinen Fluss-
und Teichfisch, jap. t 7" 7
ugui.
Fehlt.
v ft* f oder -=? der Fisch
rogen, 7 7 die Milch der
Fische. -\» n-£ 4 be
deutet ein Dach von Matten,
jap. erklärt durch ^ ^ jy
-j- 7 N 7 siki- mono-vo
fuki, und es wäre nicht un
möglich, dass die beiden Ge
genstände mit einander ver
wechselt wurden.
j- a jap- 7* 'f it/a.
>rf J
— ^ jap- ture-zo.
7 i 'i J a P- 'f 3 koi -
7 j '
■a a -E. schlafen.
171
Herr Professor »Suttner liest als Gast einen Aufsatz:
„Einige Worte über physiologische Psycho
logie.”
Nach einer kurzen Besprechung des Bedürfnisses der Meta
physik und Psychologie stellte er die Aufgabe der Psychologie
fest und zeigte wie
a) einerseits durch die verschiedenen Versuche, die Seeleii-
zustände zu erklären allmählig verschiedene psychologische
Systeme entstanden, die im innigsten Zusammenhänge mit meta
physischen Ansichten stehen, mittels deren sie auch allein ver
standen w r erden können (so die Lehre Descartes’, Locke’s,
Leibnitz’s, Wolf’s Kant’s) und wie eben nach den beiden
letztgenannten skeptische und materialistische Meinungen die
Psychologie iiberfluthen konnten;
b) wie andererseits eine sorgfältige Erwägung des Zusam
menhanges der Seele mit dem Leibe und der Wechselwirkung
der psychischen uud physischen Thätigkeiten im menschlichen
Organismus es dahin brachte, dass man einsah, der Psycholog
müsse sich zum Gedeihen seiner Wissenschaft mit dem Phy
siologen in Verbindung setzen.
c) So leicht es auch scheinen mag, diese Verbindung
zu Stande zu bringen, da Psychologie und Physiologie beide
in einem gewissen Sinne Naturwissenschaften sind, so könne
sich doch gründliche Psychologie nicht mit jeder Physiologie
verbinden, namentlich nicht mit einer Physiologie, welche die
complicirten Lebensthätigkeiten durch die Annahme einer Le
benskraft erklären will, und eben so wenig mit einer die Ent
deckungen der heutigen Physik verachtenden, auf einer das
Universum a priori construirenden Naturphilosophie ruhenden
Physiologie.
d) Wenn es nun auch Bedürfniss ist, dass Psychologie
sich mit wahren Ergebnissen einer gültigen Physiologie berei
chere, so dürfe dennoch eine hierdurch entstehende physiologische
Psychologie nie die physiologischen Untersuchungen mit den
psychologischen vermengen; diess sei ein Verstoss gegen Logik
und Metaphysik; die Folgen einer verkehrten Ansicht über das
Verhältniss der Physiologie und Psychologie weise die Ge
schichte der Philosophie nach. Endlich zeigte Professor Suttner
172
e) die Consequenzen einer jeden physiologischen Psycho
logie in der nicht die Einsicht herrscht von dem, was Materie
eigentlich ist, und wie sie sich verändert, und widerlegte die
wichtigsten sich hiebei nothwendig zeigenden Irrthüiner und
Unzulänglichkeiten, welchen nur eine tüchtige Metaphysik Vor
beugen kann. Dabei wurde auf das jüngst erschienene Werk
Domrich’s als ein solches, das alle Aufmerksamkeit der
Psychologen und Physiologen verdiene, besonders hingewiesen.
Sitzungsberichte
der
philosophisch-historischen Classe.
Sitzung vom 6. März 1850.
Der Secretär legt vor einen vom Herrn Alfred von
Kr einer aus Damaskus eingesandten Aufsatz: „Beiträge zur
Geographie des nördlichen Syriens.” der zum Abdruck in den
„Denkschriften” bestimmt wurde, und den zweiten Bericht des
Herrn Professors Carrara aus Spalato über die Ausgrabun
gen bei Salona.
Herr Regierungsrath A r n e t h beschliesst die Lesung sei
nes Berichtes über die vom Herrn Dr. Kandier eingesandten
Werke.
II. Triest. Ueber Triest hat Herr Kandier nach seiner
Weise ein Büchelchen anspruchlosen Titels herausgegeben, das
aber doch als Resultat fleissigen Forschens anzusehen ist; obschon
er es der Akademie einzuschicken unterlassen, so will ich es doch
anführen.
1. Guida al Forestiero nella cittä di Trieste. Trieste 1844.
Eine sehr gut geschriebene Einleitung über die Geschichte der
Stadt eröffnet das Buch. Erst Kelten, Thrakier, dann Römer,
Gothen, Exarchen von Ravenna, Carl der Grosse 773. Im Jahre 1150
hatte Triest zum Podestä den Grafen Heinrich von Görz und sam
melte seine Statuten, welche bis zum Jahre 1809 Gesetzeskraft
hatten. Heinrich Dandolo zwang Triest 1202 dem heil. Marcus
sich zu ergeben, von welchem Joche Triest immer sich zu befreien
trachtete, was ihm nur durch sein Anschliessen an Oesterreich
174
1382 gelang, von welcher Zeit fast jedes Jahr eine neue Probe
des fortgeschrittenen Wohlstandes zeigt.
„L’anno 1809 segnava il massimo stadio della prosperitä ed
attivitä di Trieste, il di cui nome notissimo si era nel vecchio e nel
nuovo mondo; ma questo medesimo anno segnare doveva epoca
infaustissima. Ceduta alla Francia ed incorporata alle provincie
illiriche, ebbe taglia di 50 millioni, e col frutto di presso che
cento anni di operositä e di travagli, vidde tolte le leggi tutte che
regolavano il suo commercio ed alle quali do^ette la sua esistenza;
la condizione sua equiparata a quella delle altre cittä. E tosto
Trieste all’ antico stato ritornava; scemato il numero degli abitanti,
che altri cieli cercavano, deserte le vie, ozioso il porto.
In sulla fine del 1813 ritornava Trieste al antico signore,
senza il rossore di avere ad altri giurata fede, perche lo stesso
nemico ebbe in grandissimo prezio la fedeltä dei Triestini all’
augusta casa d’Austria, facendone encomio siccome argomento di
ubbidienza, dispensö da un giuramento che o non si sarebbe prestato
od a forza col labro soltanto. Deila quäle fede tenuta anche nelle
sventure e sotto straniero dominio, Francesco I. impartiva alla
cittä il titolo solenne difedelissima, eie restituiva le antiche
franchigie, all’ombra delle quali crebbe a quel punto in che e
giunta fra le oscilazioni inseparabili delle mercantile iraprese, sem
pre corragiosa, sempre fedele e devota all’ Augusta Casa alla
quäle la sua esistenza e dovuta.”
Hierauf gibt Kandier ein Verzeichniss der Capitäne , Prä
sidenten, Gouverneurs und Bischöfe von Triest; dann beschreibt
er den Dom, die Adlersäule, das Castell, das Museum der Alter-
thümer, das Winckelmann-Monument, den Bischofsitz, die Gewerb-
schule, die Kirche des h. Ciprian, den Convent der Benedicti-
nerinnen, St“. Maria Maggiore, die Schweizer Kirche, den Bogen
Riccardo, die englische Kirche, den grossen Platz mit den Monu
menten für Kaiser Leopold und Carl VI., das Cabinet der Minerva,
Mariahilf, die Akademie, nautische Schule, Bihliothek, das
Gymnasium, das alte Lazareth, die Seebäder, das Tergesteum,
den österreichischen Lloyd, den Regierungspalast, das Theater,
die Börse, die Leopoldssäule, die Kinderbewahr - Anstalt, den
protestantischen und den jüdischen Tempel, S. Nicolo der
Griechen, S. Spiridion der Illyrier, S. Antonio, die Mauth, die
175
Schiffswerfte Panfili, das Armenhaus, das neue Lazareth, die
grosse Kaserne, den botanischen Garten, das Theater Mauroner,
die Fabriken Chiozza, das grosse Spital, den Exercierplatz, die
Dampfmühlen, die Ackerbau-Schule, den Hafen und grossen
Kanal, Spaziergänge, Schiffswerfte S.Marco, Villen, Gottesäcker,
das Gestüte, Lipizza, Grotten in der Nähe, Kunstsammlungen.
2) Statuti Municipali del Comune di Trieste che portano
in fronte l’anno 1150. Triest 1849.
Dieser im Jahre 1318 geschriebene Codex ist in Triest auf
bewahrt. Die gelehrte Einleitung des Herrn Kandier setzt uns
auf den Standpunct, dieses wissenschaftliche Werk zu heurtheilen.
Zwei Indices— einer: Statutorumperlibros et rubricas dispositus,
der andere, rerum et verborum memorabilium, quae in Statutis
occurrunt—machen diess ausserordentlich merkwürdige Buch sehr
brauchbar (obschon nicht an die Akademie, sondern an mich
eingeschickt).
3) An die Fasten in der Zeitschrift L’Istria schliesst sich
ein kleines, sehr brauchbares Büchlein :
Fasti sacri e profani di Trieste e dell’ Istria.
Den Anfang machen: Fasti Christiani di Trieste e dellTslria
v. J. 50 — 1847.
50. Der heil. Evangelist Marcus predigt in Aquileia. Das
Evangelium wird in Istrien gepredigt, in Triest vom h. Hyacinth,
in Capo d’Istria vom h. Aelius, in Pedena und Pola vom h.
Hermagoras.
348. Die erste christliche Kirche in Aquileia gebaut.
524. Gründung der Episcopate in Triest, Capo d’Istria, Citta-
nuova, Umago, Parenzo, Cissa, Pola.
Metropoliten von Istrien:
Bischöfe von Aquileia v. 63 — 347.
Erzbischöfe von Aquileia v. 369 — 529.
Patriarchen von Aquileia v. 557 — 569.
Patriarchen von Grado v. 571 — 1012.
Patriarchen von Aquileia und Metropoliten von Istrien von
1028 — 1734.
Zugleich Metropoliten von Triest und Erzbischöfe von Görz
v. 1752 — 1784.
Erzbischöfe von Laibach v. 1791 bis jetzt.
176
Reihe der Bischöfe von Triest v. 524 bis jetzt.
Capo d’Istria von 524 —1830, seit dieser Zeit mit Triest
vereinigt.
Bischöfe v. Pedena v. 524—1788, seit 1791 mit Triest.
Fasti profani.
V. Chr. Kelten bewohnen die Gegend um Triest.
621. Die Thrakier vom Ausflusse der Donau ins schwarze
Meer verlassen, von den Persern gedrängt, ihre Wohnsitze, und
besetzen das Land, dem sie den Namen Istrien geben, gründen
Triest, Egida, Aemona, Parenzo, Pola, Nesactium.
180. Gründen die Römer Aquilea gegen die Istrier, Japyden
und Carner.
178. 179. Der römisch-istrische Krieg. Istrien ergibt sich
den Römern.
44. Im Kriege zwischen Caesar und Pompejus war Istrien
auf Seite des letzteren.
42. Pola römische Colonie.
32. Augustus stellt die Mauern von Tergeste und Pola her
und macht Wasserleitungen.
Nach J. Chr. 10. Tergeste errichtet dem Augustus eine
Statue.
99. Das Monument der Sergier in Pola.
120. Rasparosanus, König der Roxolaner, zieht sich nach
Pola ins Privatleben zurück.
326. Crispus zu Pola gelödtet.
493. Theodorich Herr von Istrien.
539. Beiisar erobert Istrien.
789. Carl der Grosse wird Herr von Istrien.
1077. Die Grafen Eppenstein Markgrafen von Istrien.
Und so ist sehr kurz und angenehm die Uebersicht der
Geschichte Istrien’s und Triest’s bis 1813 gegeben, der sich
eine Reihe der Markgrafen von Istrien von 799 —1204, derMark-
grafen von Istrien und Patriarchen von Aquileia von 1200 —
1408, der Grafen von Istrien von 828—1342, der Beherrscher
von Istrien aus dem österreichischen Kaiserhause von 1382 bis
heute anschliesst.
4) Documenti per servire alla conoscenza delle condizioni
legali del municipio ed emporio di Trieste. Trieste 1848.
177
Dieses fleissig und einsichtsvoll zusammengestellte Werk
ist in 2 Theile getlieilt; der 1. beginnt mit einer Urkunde von
König Lothar II. (gegeben Pavia 8. August 948), welche den
Bischöfen von Triest die Herrschaft über die Stadt einräumt
und erstreckt sich bis 1713; der 2. Theil beginnt mit 1717
und geht bis 1848.
III. Relazione storica della Basilica di St". Maria e S. Giustö
in Trieste. Trieste 1843.
Diese Basilica gehört in vielfacher Beziehung zu den merk
würdigsten Kirchen. Auf der Höhe von Triest stand einst das
Capitol und ein Tempel dem Jupiter, der Minerva und Juno
gewidmet. Er war vermuthlich wie jener in Rom, den die Tar-
quinier erbauten, den Vespasian, nachdem er in den Vitellischen
Unruhen abbrannte, im J. 71 n. Chr. wieder herstellte, auf wel
chen die Worte Horaz a ) so schön passen:
„Unde nil maius generatur ipso (Jove),
„Nec viget quidquam simile aut secundum;
„Proximos illi tarnen occupavit
„Pallas honores.”
Römische Münzen vom J. 71, 76, 82 zeigen seine Gestalt,
wie die mitgetheilteMünzabbildung(Taf.IV). Vorseite: IMP. CAES.
VESPASIAN. AUG. P. M. T. R. P. P. P. COS. VII. Belorberter Kopf
des Vespasian; Rückseite: Auf sechs Säulen steht das Atrium,
durch die geöffneten Th ore erblickt man den sitzenden Jupiter, ihm
rechts steht Pallas, links Juno. Aussen neben den Säulen stehen
die noch nie beschriebenen Statuen der Dioscuren, wie ich glaube,
im Giebel sitzt abermals Jupiter zwischen Mars? und Venus? von
mehreren Gestalten umgeben. Im Abschnitt: S. C. (Senatus Con-
sulto.)— Auf der Stelle des Capitolinischen Tempels erhob sich
aus seinem Gesteine nach vielen Christenverfolgungen, ein neuer
Dom der Mutter Gottes zu Ehren, also eine klare Darstellung der
sinnreichen Idee, die von deutschen Malern der früheren Jahrhun
derte, besonders von Van Eyck so oft ausgeführt wurde, Christum
in den Ruinen eines verfallenen Tempels geboren werden zu lassen.
Im J. 380 befahl Theodosius die Tempel der Heiden in christliche
Kirchen zu verwandeln und diess geschah in Triest vermuthlich
*) Cin-m. i. la.
178
um das Jahr 400. Der erste im J. 524 eingesetzte Bischof von
Triest erbaute nahe an der Basilica der Mutter Gottes eine andere
den Märtyrern Justus und Servolus zu Ehren, welche mit einander
in Verbindung standen; im Beginne des 15. Jahrhunderts wurden
beide Kirchen vereint und so entstand der heutige Dom von
5 Schiffen. Im Campanile sieht man noch die Säulen des Atriums
tum Capitolinischen Tempel. Die Aussenwände sind mit ausge
zeichneten römischen Monumentengeziert. „In questa chiesa furono
accolti e benedetti dal populo tutto e dal prelato il Duca Ernesto
d’Austria nel 1413; il Duca Federico d’Austria nel 1436 che fu
accompagnato in Terra santa dal Vescovo diTrieste Marino; l’Im-
peratore Leopoldo I. nel 1660; l'Imperatore Carlo VI. nel 1728;
l'Imperatore Giuseppe II. nel 1788; l’Imperatore Francesco I.
piu volte.”
Herr Kandier schliesst die kleine Monographie: „Imperciocche
su questo colle dove gli orgogliosi romani alzarono templi d’ini-
quitä e trofei di vittorie, su questo colle, per concessione di pio
imperatoredelgranCostantino, fu piantato l’arbore glorioso e trion-
fale sulle rovine di culto bugiardo, sugli avanzi di mondani segni
di valore gueresco, e quindici secoli piu tardi quel Santo vessillo
sta ancora fermo ed inconcusso segnale di salute. La santa chiesa
tergestina fondata pervolontä di un discepolo, sempre pura, sempre
illibata mantenne Ia fede che ebbe dal Santo evangelista S. Marco,
inviato dal principe degli Apostoli, ne il precetto o il consiglio,
ne le aberrazioni del secolo , la macchiarono mai, sempre pura,
sempre illibata, mantenne la fede per corso di 18 secoli, e per la
Serie continuata dei suoi vescovi e dei suoi pastori rannodandosi al
principe degli Apostoli, sorge anche questa chiesa a testiinonio
delle cristiane dottrine.”
An diese Arbeiten schliesst sich ein schön ausgestattetes
Werk:
V 7 . Pel fausto ingresso di Monsignor Vescovo D. Bartolomeo
Legat nella sua chiesa diTrieste, il diXVIII.AprileMDCCCXLVII.
T rieste 1847.
Es ist eine schöne nachahmenswerthe Gewohnheit der Italiener,
Feierlichkeiten, wenn auch nicht so ernster Art wie gegenwärtige,
durch Druckwerke zu verewigen. Die Idee zum vorliegenden
Werke war, die Ereignisse der drei Bischofsitze, aus denen
179
jener von Triest besteht, geschichtlich darzustellen. Wenn das
Werk etwas eilig zusammengefügt werden musste, um die Ge
legenheit des Einzuges des neuen Kirchen - Oberhauptes nicht
zu versäumen, so dürfte doch der Inhalt desselben beweisen, wie
glücklich er ausgedacht und vollzogen wurde. Der Stadtrath von
Triest Hess das Werk drucken, um zum ewigen Andenken an
diesen feierlichen Act zu dienen. Dasselbe enthält:
1. Schicksale der Kirche von Triest mit einem Grundrisse
der Kirche der h. Maria und der Kapelle der h. h. Justus und
Servolus. -— Ein Verzeichniss der Bischöfe mit biographischen
Notizen und Inschriften z. B. auf Aeneas Silvius Piccolomini, der
v. J. 1447— 1450 Bischof in Triest war, die anderen sind
Grabschriften.
2. Schicksale der Kirche von Aemona (Citta nuova)» Die Un
tersuchung, dass es zwei Aemona gab, ist sehr geschickt geführt;
eines und das bekanntere ist das heutige Laibach, für das zweite
spricht sich Herr Kandier als für das heutige Citta nuova, wie
ich glaube, mit Recht aus. Ein Grundriss des Domes zu Citta nuova
sammt dem des Baptisterium’s ist beigegeben, worauf ein Ver
zeichniss der Bischöfe folgt.
3. Schicksale der Kirche zu Pedena. Eine lehrreiche Unter
suchung, so wie die Reihe der Bischöfe.
Hierauf folgt ein Grundriss der Pfarrkirche S. Antonio zu
Triest, ferner eine Abhandlung über die weltliche Herrschaft der
Bischöfe von Triest im Mittelalter. Ein Grundriss der Kirche
S. Maria maggiore und Zeichnungen von 20 Münzen, von denen
die ersten von Gebhard im J. 1203 und die letzten von Rudolf
im J. 1302 geschlagen wurden.
Die Atti dei Santi Martiri Tergestim.
Ein Codex aus dem 14. Jahrhunderte enthält Liturgien und
Hymnen auf die Heiligen der Triestiner Kirche, deren fortgesetzte
Tradition his ins 3. Jahrhundert zurückgeht.
Litanei der Kirche von Triest.
Facsimile eines Briefes des Papstes Pius II. vom J» 1453 in
der Stadtbibliothek.
Eine Sammlung katholischer Dichtungen.
VI. Vita di Girolamo Muzio Giustinopolitano, scritta da Paolo
Giaxich. Trieste 1847. Zur Feier des gleichen Ereignisses der
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft. 13
180
Besitznahme des bischöflichen Stuhles von C.ipo d’Istria (der mit
jenem von Triest vereint) und des Einzugs zu Capo d’Istria ist
eine Biographie eines, obwohl in Padua gehornen, jedoch durch
seine späteren Schicksale zum Capo d’Istrianer gewordenen
Gelehrten veröffentlicht worden, welche ein Venetianer, Paul
Giaxich, verfasst hatte. Diese Biographie hat Dr. Kandier
gleichfalls eingeschickt. Dieser Gelehrte ist Hieronymus Muzius,
der 1496 zu Padua geboren wurde und mit seinem Vater 1504
nach Capo d’Istria übersiedelte. Im J. 1514 verlor er seinen Vater,
der nichts, als eine zahlreiche Familie hinterliess. Diese brachte im
jungen Manne die Entscheidung hervor der Liebe zu seiner Familie
seine Freiheit, sein Talent und seine Feder irgend einem grossen
Herrn zu widmen, und bewog ihn in die Dienste des Cardinais
Grimani zu Venedig zu treten, dann in die des Bischofs Bonomo,
mit welchem er nach Wien und Wels reisete, wo er den Kaiser
Maximilian I. sterben sah. Muzius ging nach Venedig, um sich ganz
den Studien zu widmen, wollte sich 1524 im Dienste Tizzoni’s zu
Carl V. nach Spanien begehen, woran er durch den Krieg zwischen
Carl V. und Franz I. gehindert wurde, blieb bei den Tizzonis auch
nach der Sclacht von Pavia, 24. Febr. 1525, wodurch Italien von
den Franzosen befreit wurde, bis 1528, in welchem Jahre er
Tizzoni verliess und in den Dienst Claudio’s Rangone’s trat, mit
dem er, da dieser den Franzosen diente, im J. 1530 nach Paris
ging und 1531 nach Modena zurückkehrte, trat hernach in die
Dienste Galleo tloPico’s Grafen von Mirandola, bei welchem Murzius
in grosser Ruhe bloss den Wissenschaften lebte, da machte er die
Bekanntschaft Luigi Gonzaga’s gleich in Waffen, wie in Dich
tungen berühmt, doch blieb Muzius bis 1535, und trat dann in die
Dienste Hercules, III., Herzogs von Ferrara, hier blieb er ganz den
Wissenschaften gewidmet, bis der kriegerische D’Avalos, Mark
graf von Pescara und Vasto im J. 1540 ihn zu sich nach Mailand
rief, von dessen Sieg an der Sonna Muzius glaubte, dass er
hinreiche, a trar l’Italia da franceschi oltraggi ed a fiaccar Io
scettro di Parigi. f ) Nachdem die kaiserliche Herrschaft in Italien
befestiget war, ging Pescara zu seinem Herrn nach Worms und
nahm Muzius mit. In Speier auf der Jagd unterhielt sich Kaiser
*) Muzio. Rirae.
181
Carl während eines langen Rittes mit Muzius. Während der Reise
nach Worms Und seinem Aufenthalte daselbst lernte Muzius den
Lutheranismus kennen, den er sogleich mit aller Kraft bekämpfte,
so dass er sich in Italien sogleich den Namen: Malleus Haeretico-
rüm verdiente. Der am letzten März 1546 erfolgte Tod Pescara’s
betrübte ihn tief; er belobte diesen Feldherrn nach allen Kräften
und beschwor, dessen Witwe, die von allen Gelehrten und Künstlern
hochgefeierte Maria von Aragon ihm von Leo Aretinus ein Moiiu-
ment errichten zii lassen.
Der Nachfolger PeScarä’s, Ferrante Gonzaga, nahm Muzius
sogleich in seine Dienste, erhielt im Jahre 1549 den Auftrag
sich nach Brüssel zu begeben, wohin Don Philipp kam. Von
Brüssel zurückgekehrt, wurde Muzius nach Mailand, dann nach
Rom geschickt, um dort während des Conclaves der Wahl des
Papstes Julius III. anwesend zu sein. Aus dem Dienste Ferrante
Gonzaga’s trat Muzius in die des Herzogs von Urbino Guido-
bald II., 1552. Bei diesem lebte er nur den Wissenschaften.
Muzius hatte auch den Gedanken, das „befreite Jerusalem” zu
besingen; es wäre wahrscheinlich ein Verlust für die Mensch
heit, wenn er diesen Gedanken ausgeführt hätte, weil Tasso So
viele Achtung für Muzius bekannte, dass er seine unsterbli
chen Gesänge vermuthlich nicht begonnen haben würde. Von
den 10 Gesängen, mit welchen Muzius Capo d’Istria verewigen
wollte, sind 8 verloren gegangen; zwei und ein Bruchstück
des dritten sind in diesem Buche gedruckt. Papst Pius V.
suchte Muzius für sich zu gewinnen und berief ihn 1557 zur
Reform des Ritterordens des h. Lazarus. Ganz sich den Ge
schäften des Papstes und der katholischen Kirche widmend,
schrieb Muzius viele Werke, liess sie unter seiner Aufsicht
im Jahre 1570, 1571 zu Venedig drucken, und, nach Rom
zurückkehrend, hatte er das Unglück seinen Beschützer zu ver
lieren , da Pius V. 1572 starb und sein Nachfolger dem Muzius
die Bestallung einzog. Muzius wünschte in die Dienste des
Herzogs von Savoyen , Emanuel Philibert zu treten, der zuni
Grossmeister des Lazarus-Ordens ernannt wurde. Von Caponi
eingeladen begab sich Muzius auf dessen Landgut Panaretta,
wo er 1576 starb; seine auf sich selbst gemachte Grabschrift
ist in dessen Nähe auf seinem Grabe:
13 *
182
HIERONYMI MVTII IVSTINOPOLITANI
QVAE FVIT MORTALIS
HIC IMMORTALITAT1S EXPECTAT DIEM
Ich habe mich hei dem Leben des Muzius aus mehreren
Rücksichten etwas länger aufgehalten:
1. Weil Muzius unter den grossen Männern des 16. Jahr
hunderts sich in Italien einen ausgezeichneten Platz zu erwer
ben wusste.
2. Weil er auf dem Boden geboren wurde, der jetzt zum
Kaiserthume Oesterreich gehört, also unter die berühmten Män
ner des Gesammt-Vaterlandes zu zählen ist, der, obschon er
ganz Italien kannte, doch sich eine Stadt in Istrien zu seiner
Vaterstadt erkor, ungeachtet er nicht da geboren war, was
abermals einen Beleg zur günstigen Beurtheilung Istriens ab
gibt.
Einen Augenblick möchte ich noch verweilen, Ihnen die
grossen Männer Italiens im 14., 15. und 16. Jahrhunderte vor
zuführen ; sie alle zu nennen fehlt hier Zeit und Raum.
Sie wissen, dass sich auf den Schultern der grossen Män
ner des 13. und 14. Jahrhunderts Mitteleuropas einzelne ausseror
dentliche Erscheinungen im 15., 16. Jahrhunderte erhoben, welche,
wenn sie schon nicht mehr, ich möchte sagen, die autochtoni-
sche Kraft ihrer Vorgänger beseelte, doch zu den trefflichsten
Männern gehörten, die das Grosse ihrer Vorgänger durch eine
fast unbegreifliche Vielseitigkeit ersetzten. So manche dersel
ben in Italien waren Maler, Bildhauer, Musiker zugleich,
führten mit eben der Geschicklichkeit den Degen, wie die
Feder, den Meissei und den Griffel. Muzius hatte mit Cellini
— geboren 1500, gestorben 1570 — dessen genauer Zeitge
nosse er war, manche Aehnlichkeit. Muzius war Dichter, Di
plomat, Theolog, Soldat, und zeigte in allen diesen vier Fächern
eine nicht gewöhnliche Geschicklichkeit.
Ich würde besorgen, diese Besprechung weit über die
einer solchen nothwendigen Gränzen hinauszuführen , wollte ich
unternehmen, das Zeitalter, in dem Muzius lebte, und dessen
Kind er war, umfassender vor Ihre Augen zu führen.
VII. Discorso in onore del Dr. Domenico de Rossetti ecc.
dal Dr. Kandier. Trieste 1844.
183
Rossetti wurde aus einer sehr wohlhabenden , ehemals
venetianischen Familie zu Triest, 19. März 1774, geboren.
Seine Studien fing Rossetti in Toskana an, setzte sie in Steier
mark fort, und hörte die Rechte in Wien, wo er 1800 den
Doctor-Grad erhielt. In Triest erhielt Rossetti bald einen Ehren
platz nach dem andern, immer seinem angebornen Herrn, selbst
in den unglücklichsten Tagen seiner Vaterstadt treu; als aber
die Geschicke Triests keine Refreiung vom französischen Joche zu
versprechen schienen, verliess Rossetti jedes öffentliche Leben,
und widmete sich ganz den Wissenschaften und Künsten; zu
vörderst richtete er alle seine Aufmerksamkeit auf Petrarca, in
dem er einen der eifrigsten Reförderer italienischer Bildung
sowohl als des Geschichtstudiums überhaupt verehrte. Rossetti
sammelte daher alles, was diesen ausserordentlichen Mann näher
anging, Handschriftliches wie Gedrucktes, Gemälde wie Bild
hauerarbeiten , Medaillen wie Abgüsse. — Desgleichen sammelte
Rossetti alles, was auf den Papst Aeneas Silvius Piccolomini
Bezug hatte.
Seit seinen Jugendjahren nährte Rossetti immer den Ge
danken, die Manen des ausserordentlichen Kenners des Alter
thums, des Schöpfers der Archäologie, Winckelmann’s
zu sühnen , der in Triest das Unglück hatte, am 3. Juni 1768
ermordet zu werden. Rossetti setzte ihm ein Monument nahe
dem ehemaligen Capitol und vereinigte ringsherum in einem
Museum die Alterthümer von Triest. Das Museum wurde am
3. Juni 1843 feierlich eröffnet 1 ), es verdient also Triest den
Ruhm zuerst das Andenken Winckelmann’s gefeiert zu ha
ben , welches seither in mehreren Städten nachgeahmt wird.
Im Jahre 1813 als Triest wieder freudig unter Oesterreichs
Scepter zurückkehrte, übernahm auch Rossetti wieder die öf
fentlichen Geschäfte , die ihm seine Vaterstadt übertrug. Jedoch
mitten unter diesen fand er immer noch Zeit, den Wissenschaf
ten und Künsten zu dienen; er gab den Archeografo Trie-
stino in Bänden, ein Werk über das Winckelinann-Monu-
ment heraus, wurde in Gesetz-Angelegenbeiten häufig vom
Kaiser nach Wien berufen, wo er alle Zeit mit Abfassung und
) Apertura del Museo di Antichitä in Trieste.
184
Entwürfen von Gesetzen, mit Kunst und Wissenschaft zuhrachte.
Bevor Rossetti den 26. November 1842 starb, verfasste er sein
Testament:
„Legava alla civica biblioteca la collezione delle cose del
Petrarca e del Piccolomini, e stampati, e codici e monumenti
di ogni genere, con cio die raccolte venissero progredite; legava
alla civica biblioteca l’intera sua libraria — istituiva del proprio
peculio ogni biennio seicento fiorini a premiare il megliore
opuscolo di storia o statistica triestina, il miglior opuscolo per
l’istruzione del basso popolo, per premiare il villico, che avra
il primato nella piantagione di un bosco, il servo che sara piu
fedele e probo u, s. f.”
Herr kaiserlicher Rath Bergmann liest einen vom Herrn
Wilhelm Sedlaczek, Propst des regul. lateranens. Chor
herrenstiftes zu Klosterneuburg, ihm für die Akademie mitgetheil-
ten Aufsatz des dortigen Chorherrn, Herrn Dr. Hartmann
Joseph Zeibig:
„Die Bibliothek des Stiftes Klosterneu
burg. Ein Beitrag zur österreichischen Lite-
rärgeschicht e.”
Der Herr Verfasser erzählt in kurzem Umrisse mit einfa
chen Worten, was vom heil. Leopold, dem frommen Stifter
dieses Gotteshauses an, bis auf den gelehrten Propst Jacob II.
Ruttenstock (f 1844) in einem Zeiträume von mehr als sieben
Jahrhunderten sowohl die Vorstände als auch einzelne Mitglieder
zu der dermaligen Bibliothek von 40.000 Bänden, nebst 1254
Handschriften und 1460 ersten Drucken beigetragen, verzeichnet
und im Laufe sturmbewegter Jahrhunderte aus Brand und Krieg
(1683) für die Nachwelt gerettet haben. Einen Ruhepunct in
früherer Zeit macht das Jahr 1330, in welchem unter dem Biblio
thekar, Magister Martin, der Bücherschatz 366 Handschriften
zählte, an deren Spitze die theologischen, die Kirchenväter
stehen, jedoch war auch den Classikern ihre Stelle angewiesen.
Im Jahre 1414 wurden sogar Einkünfte zur Gründung eines ßiblio-
theks-Fondes von Seite des Stiftes angewiesen. — Zum Belege
Seiner Angaben schliesst der Herr Verfasser noch an: drei Hand-
185
Schriftenverzeichnisse, ein Verzeichniss der Abschreiber von 1386
bis 1496 in zwei Reihenfolgen; dann ein Bücherverzeichniss vom
Magister Martin vom Jahre 1330, ferner ein Verzeichniss der
dortigen Paläotypen vom Jahre 1462 angefangen mit Hinweisung
auf Hain und Andere. —.
Von ganz besonderem Belange ist die letzte Beilage, welche
„die Werke der ersten Lehrer an der Wiener Hochschule in den
Handschriften der Stiftsbibliothek” enthält. —Unter den eilf Namen
glänzen, wenn auch nur in gleichzeitigen Abschriften, die berühm
ten eines Heinrich von Langenstein aus Hessen (f 1397)
mit dessen namentlich aufgeführten Tractaten, Sermonen etc. in
27 Nummern; Heinrich von Oyt a (f 1397) mit 10 Nummern;
Nicolaus von Dinkelsbühl (f 1433) mit 36 Nummern;
Johann von Gmunden (-J- um 1442) mit einem Calendarium
und zwei astronomischen Stücken; Thomas Ebendorfer von
Haselbach (f 1464) mit 27 Nummern.
Wir wünschen im Interesse der vaterländischen und Lite
raturgeschichte, dass auch andere Stifter und Klöster unseres
grossen Oesterreichs dem lobenswerthen Vorgänge des Chorherren
stiftes Klosterneuburg, in Herrn Dr. Z e i b i g, folgen, und ihre
Handschriften- und Bücherschätze auf ähnliche Weise veröffent
lichen und zum leicht benutzbaren Gemeingute machen möchten. —
Der Aufsatz wird zum Abdruck im „Archiv” der historischen
Commission bestimmt.
Herr Regierungsrath C h m e 1 legt das nun fertig gewordene
Werk des Herrn von Meiller vor: „Die Markgrafen und Her
zoge Oesterreichs aus dem Hause Babenberg. Dargestellt in chro
nologisch gereihten Auszügen aus Urkunden und Saalbüchern.”
Er macht zugleich darauf aufmerksam, dass dieses Werk nicht nur
allen Erwartungen entsprochen habe, sondern dass der Verfasser
auch durch viele Mühe und Zeit erfordernde Zugaben, bestehend
in gelehrten Anmerkungen und umfassenden Indices, dessen
Brauchbarkeit für den Geschichtsforscher noch ungemein erhöht
habe, so dass das nach der ursprünglichen Anlage und dem darauf
gegründeten Voranschläge nur zu höchstens 25 Druckbogen ange-
186
nommene Werk nun volle 47 fülle. Um daher dem Herrn Verfasser
einen Beweis von der Zufriedenheit der Akademie und ihrer Wür
digung seiner ausgezeichneten Leistung zu geben, ja um ihn nur
für den ausserordentlichen Aufwand an Zeit und Mühe nach einem
billigen, zu dem Voranschläge und dem jetzigen Umfange des
Werkes im Verhältniss stehenden Maasstabe zu entschädigen,
glaube er, dass die Classe ihm zu dem ursprünglich bestimmten
Honorar von 300 fl. einen Zuschuss von wenigstens 400 fl. C. M.
bei der Gesammt-Akademie erwirken solle.
Die Classe erklärt, nach Prüfung des Werkes, sich einstim
mig für diesen Vorschlag des Herrn Chmel, und beschliesst dem
gemäss den Antrag an die Gesammt-Akademie zu stellen.
Sitzung vom 13. März 1850.
Unter den von dem Secretär vorgelegten Eingaben ist be
sonders erwähnenswerth ein von Herrn Saint-Genois in Gent
der Akademie zum Geschenke übersandtes Exemplar des in den
Plublicationen der Maetscliappy der vlaemsche Bibliophilen von
ihm herausgegebenen: „ Journal ofte Dagregister van onze reyze-
naer de Keyzerlyke Stadt van Weenen, ten Jare 1716” —
welches „Tagebuch” der im Jahre 1716 nach Wien gesand
ten Deputation der Stände von Flandern, um sich der Ausfüh
rung des Barriere-Tractates zu widersetzen, viele interessante
Details über die damaligen Zustände Wiens enthält.
Ip Würdigung dieses Umstandes und in Rücksicht auf die
minder allgemeine Zugänglichkeit dieses Werkes, das nur in ei
ner beschränkten Anzahl von Exemplaren gedruckt und in einer
wenig verbreiteten Sprache abgefasst ist, beschliesst die Classe,
es in ihren Sitzungsberichten ausführlicher besprechen zu las
sen, und ersucht Herrn von Karajan sich diesem Geschäfte zu un
terziehen, wozu er sich bereit erklärt.
Herr Regicrungsrath Chmel machte auf einige neue litera
rische Erscheinungen im Gebiete der „deutschen Kirchengeschichte”
aufmerksam, deren erste unter dem Titel: „Kurze Kirchenge-
187
schichte von Kärnthen (Klagenfurt 1850) von Franz Lorenz
Hohenauer, Propst, Dechant und Stadtpfarrer zu Friesach in
Kärnthen” eine dankenswerthe „Skizze” von kirchlichen Ver
hältnissen liefert, die jedenfalls der umfassendsten und gründlich
sten Bearbeitung werth wären; die andere aber unter dem
Titel: „Die älteren Matrikel des Bisthums Freysing. Heraus
gegeben von Dr. Martin v. Deutinger, Dompropst in München.
Vier Bände in Gross-Octav (deren drei bereits erschienen sind)
1849—1850,” eine „kirchliche Statistik” aus älterer Zeit (die
letzte von 1738—1740) liefert, wie sie bis nun wenig deut
sche Bisthümer aufzuweisen haben, jedes aber ohne Zweifel ver
diente.— Hr. Probst von Deutinger hat sich durch diese Lei
stung und durch ähnliche historisch-topographische Arbeiten den
verdienstvollsten deutschen Geschichtsforschern angereiht. Möch
te doch die österreichische Kirchengeschichte ähnliche Freunde
und Förderer finden! Leider ist im gegenwärtigen Augenblicke
dazu wenig Hoffnung.
Herr Regierungsrath C h m e 1 setzte hierauf die Lesuug seiner
Abhandlung über die kirchlichen Zustände in Oesterreich, nament
lich in der Passauer Diöcese (unter Bischof Leonhard von Passau
1439—1451), welche er im Jahre 1849 (s. Sitzungsberichte vom
Februar und April) begonnen hatte, fort, indem er nachwies,
dass das Basler Concilium in Oesterreich selbst nach dem un
selig frühzeitigen Tode König Albrechts II. eine nicht unbedeu
tende Zahl von Anhängern (namentlich in der theologischen
Facultät der Wiener Universität) hatte, ja selbst Albrechts Nach
folger Friedrich IV. durch mehrere Jahre sich seinen Bestrebungen
für Reform nicht ganz abhold zeigte, bis es dem weltklugen
Papst Eugen IV. gelang, freilich nicht ohne beträchtliche Opfer
der Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche, denselben für sich
und die römische Curie zu gewinnen, wodurch die Reform der
Kirche aus ihrem eigenen Schoose für immer vereitelt wurde.
Der Verfasser trug ein denkwürdiges Schreiben des Concils
vom 4. Jänner 1445 (also ein Jahr vor der Katastrophe) an
Kaiser Friedrich IV. vor, in welchem dasselbe mit allem Nach
drucke die Sachlage und Stellung der Kirche gegen ihren Gegner
188
auseinandersetzte. Concilium oder Papst? das war die Frage.
Leider gelang es nicht dieser Frage eine Wendung zu geben,
wovon der Friede und mit ihm die Wirksamkeit der katholischen
Kirche abhängt, nämlich: Concilium und Papst.
Omne regnum inter se divisum perit!
Sitzung vom 20. Harz 1850.
Herr kaiserlicher Rath B erg mann beginnt seine „Beiträge
zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs und der angränzen-
den Gebiete in älterer Zeit” zu lesen. Sie sind Resultate seiner
Reise die er im vorigen Spätsommer dahin und nach Graubündten
gemacht hat, um an Ort und Stelle neue bisher unbenutzte Mate
rialien zu sammeln.
Nach einer kurzen Einleitung über das interessante Ländchen
von 46 65 /ioo Quadrat-Meilen mit 106000 Einwohnern bespricht er
die wichtigsten historischen Quellen, die diessfalligen Urkunden,
die theils im Inlande, theils im Auslande, in St. Gallen, Chur, Mün
chen etc. zu finden sind; macht auf die Wichtigkeit des 3 Strassen
verbindenden Knotenpunctes zu Landek im Oberinnthale auf
merksam mit kurzer geschichtlicher Rückschau in frühere Jahr
hunderte und gelangt dann zum Arlberg der seinen Namen von
Arle, dem dortigen zwergartigen Nadelholze, erhalten hat. Zum
Schlüsse redet er von der „St. Christophs - Bruder
schaft auf dem Arlberg, die ein armer Knecht, Heinrich das Fin
delkind, voll christlicher Liebe zur Rettung der über diesen un-
wirthlichen Berg ziehenden Wanderer im Jahre 1386 stiftete,
und schliesst mit einer chronologischen Darlegung, wann und durch
wen dieser Alpenübergang von 895,5 Wiener Klaftern über der
Meeresfläche fahrbar gemacht wurde.
189
Herr Dr. Pfizmaier beginnt die Lesung eines Aufsatzes:
„Beitrag zur Kenntniss der Aino-Poesie.”
In den mir zu Gesicht gekommenen originellen Aino-Poesien
sind die Verse unregelmässig, so dass an die Abschnitte von
fünf und sieben Sylben, welche die Stelle der Verse vertreten,
ursprünglich zwar gedacht worden zu sein scheint, in den meisten
Fällen aber diese Zahl entweder überschritten oder nicht erreicht
wird. In dem aus dem Japanischen übersetzten und aus drei
Strophen oder dem dreifachen Lied von 31 Wörtern bestehen
den Gedichte, in welchem das Versmass genau eingehalten wird,
übt die Schreibweise in so fern einen Einfluss auf die Zählung,
als die Consonanten am Ende einer Sylbe (ein Gegenstand der
von mir bereits in dem Aufsatze über die Wörtersammlung von
La Peyrouse erläutert wurde) und das :> n wenigstens am
Ende der Wörter für vollständige Sylben gerechnet werden. So
ist ^ bi a das offenbar kom-kom-se oder kom-kom-schc
ausgesprochen wird, ein fünfsylbiger, > -3 ^ j- J
tsusiteku woman, ein siebensylbiger Versabschnitt.
Hingegen werden Verbindungen, wie ^ y tsiya, ^ siya,
3. y tsiyu, weil sie die Laute tsa oder tscha, scha und tschu
auszudrücken bestimmt sind, nur für eine Sylbe gerechnet, z. B.
-\ — y ^ y '7° tutscha-ani-he, fünf Sylben, l\ 7° ^
3- — ^ "\ scha-tum lienne nin, sieben Sylben. In den
unregelmässigen Gedichten wird, insofern als hier Spuren von
Regelmässigkeit Vorkommen, ohne Unterschied bald die Aus
sprache bald die Schreibweise zu Grunde gelegt, jedoch richtet
sich bei den letztgenannten Verbindungen die Zählung immer
nach der Aussprache.
Hinsichtlich des Tones , der ausserdem nur noch berück
sichtigt wird, bemerke ich, dass die Ainowörter ein Aggregat
von mehreren einzelnen Theilen sind, deren jeder eine eigene Be
deutung hat, und dass die Hauptbestandteile derselben, eben
so wie die verschiedenen angehängten Tlieile oder Partikeln,
grösstentheils ein- oder zweisilbig sind, eine Eigentümlichkeit,
welche ich nach meinem Erachten nur desswegen nicht überall
nachweisen konnte, weil durch die Mangelhaftigkeit des mir zu
Gebote stehenden Vocabulariums jeder ausgedehnteren Forschung
190
ein Ziel gesetzt wurde. Die einsylbigen Aggregate tnodificiren
den Ton des Ganzen je nach ihrer Bedeutung, während die
zwei- oder mehrsylbigen den von mir gemachten Beobachtungen
zufolge die vorletzte, die auf einen Consonanten oder auf einen
Diphtongen endenden aber die letzte Sylbe betonen, z. B.
) *7 tt ^ j) iS 't mosiri-wöro-wa-no, von der Insel,
■Ji '7 ^ ^ teikup-ne-yasehka, ein Vogel in der ver
stärkten Nominativbedeutung, 'i ^ wogdi, ]j leiben. Die
besonders ausgedehnten Sylben, welche wahrscheinlich auch den
Ton an sich reissen, werden mit einem Verlängerungsstrieh be
zeichnet, z. B. ) V' sindzi, der Ursprung.
Der durch die Abweichungen des Tones entstandene Ryth
mus ist ungefähr derselbe, wie in den japanischen Versen.
Einen eigentlichen Reim konnte ich in den Aino - Versen
nicht entdecken, da die am Ende derselben öfters beobachteten
gleichen Vocalausgänge nur zufällig sind und auch in Prosa
Vorkommen.
Bei dem in diesem Aufsatz gelieferten Citaten habe ich die
Transcription mit lateinischen Lettern hinzugesetzt, um die
äusserst schwer zu bestimmenden Umrisse und Gliederungen de.i
Wörter kennbar zu machen, wobei ich aber, da mir für die
speciellen Fälle noch manche Zweifel übrig blieben, die eigen-
thümliche, d. i. vom Japanischen abweichende Aussprache nicht
besonders angab. Ich bringe hier nur in Erinnerung, dass die
Verbindungen 3 j. tsio, ^ j. tsia, j. tnu, 3 V sio,
"Y jysia, 3. jy siu, wie tscho oder tso, tscha oder tsa,
tschu, scho, scha und schu gelesen werden müssen, ferner dass
das ■£/ si, öfters für schi gesetzt wird, und endlich der Laut
r bisweilen in /, und der Laut li in f (bei ~\ auch in j') ver
wandelt werden kann. So oft der Vocal u entweder gewiss
oder doch mit Wahrscheinlichkeit weggeworfen wird, wurde der
selbe in der Transcription in Parenthese gesetzt.
Wenn das '^7 t su seinen Vocal verliert, kann es in weni
gen Fällen wie sch ausgesprochen werden, bisweilen aber auch,
wie in dem Worte 7 0 ^ J rapp, Flügel, den Laut des nächst
folgenden Consonanten annehmen. Es versteht sich dabei von
191
selbst, dass das eben gedachte u möglicherweise auch in Wör
tern , wo dieses nicht angedeutet wurde, weggeworfen wer
den kann.
Das Werk Mo-siwo-gusa enthält vier Gedichte, von wel
chen die ersten drei nicht sehr lang, das letzte aber von sehr be
deutendem Umfange ist. Bei den ersten drei finden sich die noth-
wendigsten Randerklärungen mit chinesischen Zeichen, jedoch
nicht ganz hinreichend und auch nicht in dem Maasse, dass
durch sie allein die einzelnen Wörter oder das Grammatikalische
unterschieden werden könnte. Das vierte Gedicht hingegen ent
hält diese Erklärungen nur im Anfänge, während sie in dem
ganzen übrigen, beinahe das zwölffache des Erklärten betra
genden Theile desselben durchaus vermisst werden.
In sämmtlichen Gedichten findet sich übrigens eine beträcht
liche Anzahl Wörter, welche in dem oben gedachten Vocabula-
rium nicht Vorkommen.
Das erste der in dem Mo - siwo - gusa enthaltenen Ge
dichte führt den Titel }j- y ] -y tsära-ke (jap. j ij ^
kiri - ko - zio) der Vertrag, was offenbar einen
Vertrag mit den Göttern bedeutet, und sein Inhalt ist ungefähr
folgender: Ein Genosse des Ainostammes, hier der „Neffe”
genannt, betet zu den Göttern des Meeres, und reicht ihnen
die für die Geister der Vorfahren bestimmten gefalteten Papiere,
so wie einen Zuber mit Wein, worauf die Götter mit dem
Fächer auf die Brust schlagen und auf diese Weise Wind und
Regen hervorbringen. Das Gedicht lautet:
192
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P
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V ^ V ^ js
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) f = A
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j? f *
^ * fl
w'
I - karaku -ne- gurit
Nep(u): ita - un
Tono - to siri - ku
Wa - inunnu
Ku - ke - nun - kora
Iiebe-rots(u) - kamun
Ikasi - ina - u -nits(u)
Koba -i- wots(u)tu
Kamui kots(u)tsia-wa
J-i-na - uku -pe
Simon te - ke - wa
Jkasi - na-u - ni
Atsutekani
Hari -ki te-ke-wa
Siake- sintoko
Atsiitekan
Rebe - rots(u) - kamui
Kamui -si- ki siama
Sireba wots{ii)ta
Aino ivo7-o-sibe
Kamui - wo - inu7ii
J - uko - yai - rap (u)
Ki - i - wa - ne - yaki - ne
Rebe - rots{u) - kamui
J - e - hetsfic) se - tsiü
Kamui - awonke
Isi - rerats(u) - tom(ii)
Sitaiki ivots{u)td
Anki ma - u - e
Pirika tasi - kon - ne
Tawan musi-roro
Tsi-nisi koyub(u)
Ane - garakari
Ki -wa- ne- yaki - ne
Ku - karuku - utare
Mawa-sino-no-bo
Wokai-nan-konna
Se - kots(u) ta-u- ne
Inonno itaku
Anna.
Der Neffe, dieser Mann
Was spricht er wohl
In des Festes Mitte ?
In tiefem Sinnen
194
Betend er steht.
Die Götter an dem Meer
Der Ahnen Geisterblätter
Wo sie erfassen,
Dort in der Götter Nähe
Fleht er laut.
In der rechten Iland
Der Ahnen Geisterblätler
Reicht er dar,
In der linken Hand
Den Zuber mit Wein
Reicht er dar.
Die Götter an dem Meer
Ihr Götterauge seitwärts
Wohin es fällt,
Sind Aino-Reden,
Und göttlicher Gesang
Lobpreisend tönt.
Wie diess geschieht,
Die Götter an dem Meer
Stöhnen Worte,
Mit dem Götterfächer
Auf die Brust
Wo sie schlagen,
Des Fächers Stärke
Heft'ger Sturmwind
Dort verweilt,
Und Wolkenschauer
Sie verLih’n.
Wie diess geschieht,
Mein Neffe, der Genosse
Ohne Kummer
Hier verweilt.
Von dieser Sache
Des Gebetes Worte
Sind also.
Da die Aino-Sprache bet uns noch Völlig unbekannt ist,
so glaube ich nicht unrecht zu thun, durch die Analyse des
vorstehenden, so wie der übrigen noch zu citirenden Gedichte
einiges zur Kenntniss derselben beizutragen.
^ i, eine Vorsatzsylbe, welche bisweilen gebraucht wird,
unt die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand zu lenken, und
195
der, wie der gleichlautenden chinesischen, die Grundbedeutung
dieser zukommt.
7 'fl karaku (jap. ^ woi) ein Neffe.
4 ne, eigentlich die Gestalt (jap. j. p -fi katatsi)
dient, den Hauptwörtern angehängt, zur Hervorhebung der Be
deutung, und entspricht einem verstärkten bestimmten Artikel.
pW ty" guru, hat in Zusammensetzungen meistens die Be
deutung Mensch. s
7° 4 ne P (J a P- - j~ nani) was? Eigentlich ist ^
ne oder | ^ ne das Wurzelwort, und p ist ein nur bei
gewissen wenigen Wörtern gebrauchter bestimmter Artikel von
der Bedeutung des jap. wa oder ) l mono. Dasselbe
Wort bildet auch } p J ^ ne-ta, was? mit der Accussativ-
partikel p ta, ^ ne-ni, wer? mit — ni, das in einigen
Zusammensetzungen die Person bezeichnet.
*1 P 4 Ha-un, sprechen. Sonst bedeutet spre
chen immer ^ p ^ itaku oder \ p ^ itaki, und diese
Form kommt nur in dem oben citirten Gedichte vor. Ich ver-
muthe, dass *J p 'f ita-un, so viel ist als *} *7p yf
itaku-un, nämlich das Grundwort mit un, der bestimm
ten Genitivpartikel, offenbar ein Japonismus, deren ich mehrere
in der Aino-Sprache bemerkt habe, gerade wie sich der Satz :
Was spricht er? im Japanischen ausdrucken lässt durch
p ) V\^ p p ^ — p nani-wo kataru-no-ka. Wo im
Japanischen das ) in solchen Verbindungen vorkommt, kann
man die Bedeutung dabei oder davon darunter verstehen.
|. j |' tono -to K hier ein Fest, ein Trinkgelage
(jap. lj t, 'fl P saka-mori), hat ausserdem die Bedeutung
Wein, wahrscheinlich zusammengesetzt aus ) |- tono, Herr,
und |' to, Milch, gleichsam Herrenmilch.
p )J jy siri-ka, der Boden, sonst auch Land, zu
sammengesetzt aus l) siri, Erde und p ka, Ort.
r) wa ist am Ende der Wörter als bestimmter Artikel sehr
gebräuchlich, ist mir aber im Anfänge und in Verbindung mit
Zeitwörtern nur in diesem Beispiele vorgekommen. Ich ver-
muthe, dass es hier Zur Verstärkung der Bedeutung dient.
SiUb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft. 14
196
inunnii (jap. pt- ) ^ inorii) beten. Das
Ainowort steht hier für ein stilles Beten oder des Beten in
Gedanken.
y j' b~ p ku-ke-nan-kora, thun, verrichten, am
Ende eines Satzes, mit zukünftiger oder potentialer Bedeutung,
von p tu, thun, )j- ke, mit der ursprünglichen Bedeutung
von Gestalt, den Zeitwörtern, bisweilen auch den Hauptwörtern
angehängt, und y 3 -i- j- nan-kora, einer Endpartikel ähn
lich dem jap. l) -p nari, sonst aber auch durch J y J
arö, haben oder sein mögen, erklärt, wahrscheinlich eine
Zusammensetzung von — nani, sogleich (jap. p -j- ) ~J
ö-naku) und y ^ kora, so viel als a 3 koro oder /u- a
koru, fassen, ergreifen (jap. p d; motsu), welches letz
tere dadurch bestätigt wird, dass dieses Wort auch ^ j-
I t) nan-korö, geschrieben, und V\^ n koru auch für das
jap. y\.^ jr nasaru, thun, gebraucht wird.
-sj rebe, die Meereswellen oder das hohe Meer,
ein Wort, das mir sonst nicht vorgekommen ist, vielleicht von
re, laut rufen und -sj be, Wasser, gleichsam das laut
rufende Wasser.
p n rosch, stehen, abgekürzt für fr V' tJ rosi-ke, mit
Weglassung der Partikel y- ke. Im Original steht p p, was
offenbar ein Fehler ist, da das t) in dem handschriftlichen
oder mehr kursiven Kata-ka-na bisweilen Aehnlichkeit mit dem
p zeigt, und desshalb mit diesem verwechselt werden konnte.
Das dritte Mal, wo dieser Ausdruck vorkommt, steht in dem
Original pn , was ebenfalls ein Fehler und aus der noch leich
ter möglichen Verwechslung des t) mit 3 entstanden zu sein
scheint.
-i- -p kamun, Gott, oder, da der Plural höchst selten
durch eine besondere Form unterschieden wird, Götter. Ein
Gott heisst sonst immer j -p kamui, und p kamun,
scheint hier wieder eine Zusammenziehung von ^ l\ p kamui,
und der ob en erwähnten Partikel .2- p un zu sein.
£/ p 'f ikasi (jap. 7“ ^ -fc sen-zo) ein Ahnherr.
197
2 ft 2 ina-u (jap. y ^ — nigi-te), ein Stück zusam
mengelegtes Papier zum Opfer für die Geister.
2 — nits(u) (jap. j-t'- jf 'p tsuganuru) ein Bund
oder Büschel.
3 koba (jap. 'y t motsu) halten oder fassen.
ft h eine Endpartikel, welche hier geh en oder handeln
bedeutet.
p_ '2 2 wots(ii)ta (jap. n n |- tokoro), wo, all wo,
mit der Nebenbedeutung als.
"Y '2 a kots(ii)tsia (jap. -\ maye) vorn, als
Postposition vor, gegenüber.
2 wa, ein dem bestimmten Artikel entsprechende Partikel,
ungefähr dem gleichlautenden japanischen >\ wa, entsprechend.
-X° 2 Y ft s ft i-i-na-uku-pc, beten, anrufen, fehlt
in dem Vocahularium, könnte aber zusammengesetzt sein aus
ft N ft i-i-na, so viel als ft ft ine (jap. X ft ^ makasu)
sich anvertrauen, ugu, rufen, und -\° pe, das
öfters für ^ be, Sache, vorkommt. Die zur Seite stehenden
zwei Puncte , wie bei dem eben angeführten ft'2 , finde ich
nicht selten ausgelassen, was entweder einer dialectischen Ver
schiedenheit der Aussprache oder blosser Nachlässigkeit zuzu
schreiben ist.
t V'' simon, sonst auch ft t 'i/ simoi, zur rech
ten Seite befindlich.
>r ~JT te-ke, die Hand, von j~ Hand, das merkwür
diger Weise mit dem gleichnamigen japanischen Worte völlig
übereinstimmt, und dem angehängten ke, Gestalt.
*7 wa, die Partikel.
2 ft ^ ^ ^ ikasi-na-u zusammengezogen statt ft ft
j" ( v' ikasi-ina-u.
— ni hat sonst nur die Bedeutung Baum, und könnte
wenn hier das 2 nicht durch Versehen ausgelassen wurde , für
'2 — Bund oder Büschel gesetzt worden sein.
ft J~ '2 y atsutekani, dar reichen, fehlt in dem
Vocabularium. Scheint die Zusammenziehung von 2 f atsu Ö a P‘
7 atarii) treffen und ^ J b~ ft te-ke-ani, sich ver-
14 *
198
binden, letzteres wieder von b~ J~ te-ke, Hand, und —
ani, mit.
^ 1) hariki, zur Linken befindlich.
>jr iS schake, Wein, von dem japanischen }j-
sake.
3 |' 2- %/ sintoko (jap. b~ p tvoke), ein Zuber.
■*- p 7" '7 y atsutekan, abgekürzt , statt '7 7
.=. p atsutekani.
^ iy si-ki, das Auge, von v' si, Auge und ^ ki,
Sache.
-3 ^ i/ schama (jap. 7 soba), die Sejite.
J'' U'"' V' sireba (jap. p 'J tsuku), auf etwas tref
fen oder wohin gerathen.
> * 7 aino (jap. y 1 ' :K »/eso), ein Bewohner der
Insel Jesso. Scheint zusammengesetzt aus 'f ai, Bogen
und ) no, der Adverbial- oder Adjectivpartikel.
V' o y woro-sibe, sprechen, sonst auch auf
tragen, befehlen (jap. H- h~ n p wowose-tsukeru),
a y woro, bedeutet Ort oder Umstand, davon die Post
position A woro-wa oder ) *J t) y woro-wa-no, von.
Die Bedeutung von i/ ist mir nicht klar.
— p ^ y wo-inani (jap. pr \J uta), Gesang. Fehlt in
dem Vocabularium.
7° 7 /f "Y a i-uko-yai-rap (jap. - 7 j
soran-zuTni), ein Loblied singen, von der Vor-
satzsylbe /f i, a ^ nko, wechselseitig und 7° 7 'f ^
yairap, Lob, Preis.
4 t ^ 4 7 'f t ki-i-wa-ne-yaki-ne (jap. ^ p ■£/
^ y" sikare-domoi), wenn es so ist, nachdem dieses
geschehen, von ^ ^ ki-i, Sache, *j wa, der bestimmen
den Partikel, ^ ne, Gestalt, ^ ^ yaki, so viel als p 'J ^
bei den Zeitwörtern obgleich, als, bei den Hauptwörtern
eine das Sein, den Zustand bezeichnende Partikel, und ne,
dem bestimmten Artikel.
1
199
p ~\ Z /{ i-e-liets(u), seufzen oder stöhnen.
se, sein oder ihr.
3. ^ tsiü, ein Wort, eine Rede. Die letzten drei Aus
drücke sind in dem Vocabularium nicht enthalten.
(T ■*- p y awonke, ein Fächer, von dem japanischen
* 7 7 d( J l
l\ I' p 7 IX /f isi-rerats(u)tom(u), die Brust,
ein zusammengesetztes Wort von i/ ^ isi, das gewöhnlich
Schweif bedeutet, aber ausserdem auch, wie in dem Worte
3 i/ /f isi-koba, die Absicht (jap. y p v ^ n
kokoro-ate), die Grundbedeutung Herz zu haben scheint, fer
ner von \S reraru, so viel als W" J y teraru, d i e
Brust (denn y und werden in der Aino - Sprache öfters
verwechselt) und endlich von M |- tom(u), das zwar allein
nicht vorkommt, aber so viel als p° tum(u), Farbe,
Aussehen sein könnte.
t •'f p. ^ sitoihi (jap- P ' p tataku) schlagen,
v J anki, ein Fächer, ebenfalls von dem japanischen
% 7 7 ° gi -
2. -3 ma-u-e (jap. t ^ 'f ikiwoi) Kraft,
Stärke. Fehlt in dem Vocabularium.
lj to pirika, gut, stark.
- 2 - 3 p. t as ^ con (j a P- y y arasi) ein Sturm
wind. Fehlt in dem Vocabularium.
y ne, die bestimmte Partikel.
1/ )\ tahan (an einigen Stellen auch -v J'? £
tabari) dieser oder auch hier.
s v V U musi-roro, bleiben, verweilen. Fehlt
in dem Vocabularium.
i/ =. y tsi-nisi, Wolke, sonst %/ — nisi. Die Bedeutung
des hier Vorgesetzten p ist mir nicht klar, es müsste denn mit
dem y. in p ^ y tsi-kots(u) einem bescheidenen Ausdruck
für das Fürwort der ersten Person (jap. ^ p p *1 wata-
kusi) identisch sein, in welchem Falle ich glaube, dass es un
gefähr den Sinn von dieser oder der haben könnte.
200
■j" 3- zi koyub(u), eine Fluth.
!) "t 3 7 f f 7 ane~garakari (jap. yv- >7
sadzu kuru) verleihen. ^ ane, hier dem Zeitworte vor
gesetzt, hat sonst die Bedeutung jener (jap. J and).
Dieses und das vorhergehende Wort fehlen in dem Vocabularium.
'f' ^ ^ V t ki-wa-ne-yaki-ne, wenn es so ist,
wie oben. ^ ki ist so viel als p ^ ki-i, Sache, jedoch
ist das erstere das gewöhnliche Wort.
mein.
p ka, ich oder
p kW -fl karuku, Neffe, so viel als p y pi karalcu.
\yb utare, bedeutet eigentlich Diener (jap. yf y
ke-rai, oder -sj U i/ simo-be) steht aber auch für Genosse
oder Mensch überhaupt.
s ) i- 7 7 ^ mawa-sino-no-bo, ruhig, ohne Be
schwerde, fehlt in dem Vocabularium. Der Ursprung lässt sich
nicht mit Sicherheit bestimmen, könnte jedoch hergeleitet sein
von ~i rna, (jap. p" 3 p woyogu) schwimmen mit dem Ar
tikel r) wa, ferner von ) v' sino (jap. yi^ ^ ^ itaru) g e-
langen, ) no, der Adverbialpartikel, und /}-* bo, das dem
japanischen zi ko, Sohn, entspricht und zur Bildung verschie
dener Wörter verwendet wird. So mit der eben gedachten Parti
kel ) no, in dem Worte p woman-no bo, ferne,
abgeleitet von -y "3 p tooman, gehen.
yf -p p wokai (jap- kl" 4^ iru), sonst auch yf jf p
wogai, bleiben, verweilen.
1/ Z1 -zs ■)- nan-lconna, so viel als das oben vorge-
kommene 7 3 "V p~ nan-kora, haben oder sein mögen.
p Zi -j2_ se-kots(uJ, dieser oder der (jap. ) ano,
von dem oben erklärten "t se, mit derselben Bedeutung, und
'7 a kots(u') das einigen Wörtern angehängt wird, und
Grund, Boden zu bedeuten scheint, z.B. p zi tsi-kols(u),
ich, p zi -fc 4- tsise-kots(u), die Hausflur von iz. A.
Haus.
^ p. ta-u-ne (jap. )J tjC P kudari) ein Abschnitt
in der Bedeutung von Angelegenheit oder Sache. ne,
ist offenbar der Artikel. Das Wort fehlt in dem Vocabularium.
201
J -v J 'f inonno (jap. 'A*' ) ^ inorii), beten.
^ p. 'i itaku, sprechen, wird wie das japanische
tndsu, auch als ein die Bescheidenheit ausdrückendes
Hilfszeitwort gebraucht.
anna, haben, von ~J an, mit derselben Be
deutung. Die häufig vorkommende Verlängerung auf den Laut a,
die hier zugleich mit der Verdopplung des Consonanten verbun
den ist, scheint keinen Einfluss auf die Bedeutung zu üben,, und
wurde von mir vorzüglich am Ende der Sätze beobachtet,
z. B. y p yL vj \ g iy J ^ wohon-no schomo u-nu-
kara, ich habe dich lange nicht gesehen, in welchem
Satze dem letzten Wort A^-p p nukar(u), sehen, zu Grunde
liegt. J 7 an, ist übrigens als Hilfszeitwort beinahe so ge
bräuchlich wie in den europäischen Sprachen. Für p p
anna, habe ich auch j- ana gefunden.
Herr Regierungsrath Chmel setzte die Lesung seiner kriti
schen Abhandlung über die „religiösen Zustände in Oesterreich
unter Bischof Leonhard von Passau (stirbt am 24. Juni
1451)” fort.
Nachdem er über die Spuren der Geltung des Basler
Conciliums in der Passauer Diöcese und über die von demselben
gemachten Versuche, sich grösseren Anhang zu verschaffen,
mehrere Belege beigebracht, ging er auf die aus dieser trüben
Zeit bis jetzt gesammelten Daten über, welche uns ein mehr
oder minder vollständiges Bild des kirchlichen Lebens gewähren
sollen. — Vorerst über das Thun und Wirken der zahlreichen
Klöster. Der Referent sprach sich mit Berücksichtigung des
bisher Geleisteten über die Wichtigkeit und das Interesse von
Monographien der Klöster im Lande aus, deren Aufgabe er
umständlich auseinandersetzte. Er wies nach, dass eine Kloster
geschichte, welche nicht über die sämmtlichen Stiftungen
(theils aus Pietät und zum Gedächtnisse, theils zum Wohle der
leidenden Menschheit gestiftet), über die inneren Verhältnisse,
die Ordensstatuten, die Wahlen und Rechte, so wie über die
Pflichten der Obern und die Leistungen der Glieder für Seelsorge,
202
. > .
die Wissenschaft und Kunst genaue und freimüthige Aufschlüsse
gibt, ihren Zweck durch blosse Erzählung der äusseren Schick
sale durch die manchen Jahrhunderte seiner Existenz sehr wenig
leiste. — Er bedauerte , dass in dieser Beziehung bisher noch
nicht das Wünschenswerthe geleistet sei. — Mussten ja fremde
Gelehrte auf die Schätze österreichischer Klosterbibliotheken auf
merksam machen, die sie auch selbst trefflich ausbeuteten! —
*
<8C&—-
*
Verzeichntes
der
eingegangenen Druckschriften,
(Februar.)
Adrian, J. Valent., Catalogus codicum manuscr. ßibliothecae
academicae Gissensis. Prancofurt ad M. 1840; S°
Archiv für schweizerische Geschichte, herausgegeben auf Ver
anstaltung der allgem. geschichtforschenden Gesellschaft
der Schweiz. Bd. 1—6. Zürich 1843 u. f.; 8°
Bataillard, Paul, De l’apparition et de la dispersion des Bo
hemiens en Europe. Paris 1844; 8°
— Nouvelles Recherches sur l’apparition et la dispersion
des Bohemiens en Europe. Paris 1849; 8°
College, The R. of Chemistry, instituted 1S45. Lond. 1849; 8»'
©aisberget, iSofepb, Sauriacum unb feine römifd)en 2llterilnt=
mer. 8inj 1846; 8°
— $)te ©räber bei §aüflabt im öftemidfifcben ©aljfammergute.
Sinj 1848; 8°
Gesellschaft, naturforschende, in Bern. Mittheilungen. 1846,
Nr. 57 — 86. Bern 1846; 8°
— naturforschende, schweizerische. Verhandlungen bei ihren
Versammlungen. 1846 —1849; 8°
— Allgemeine schweizerische für die gesammten Naturwis
senschaften. Neue Denkschriften. Bd. 1—3. Neuschatel
1837 u. f.; 4°
Gloesner, Memoire sur la Refraction. Liege 1846; 8°
— Discours prononce a la salle Academique de l’universite
de Liege etc. Liege 1847; 8°
Karsten, G., Die Fortschritte der Physik im Jahre 1847.
Jahrgang II., III. 1. Heft. Berlin 1849; 8°
Sitzl). d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. II. u. III. Heft.
a
Martins, C. F. Pli. von, Ueber die botanische Erforschung
des Königreichs Bayern. München 1850; 8° (in 5 Exem
plaren).
Mohr, Tlieod. von, Die Regesten der Archive in der schwei
zerischen Eidgenossenschaft. Bd. I. Heft 1, 2. Chur
1849; 4°
Redteubacher, Ludw., Fauna austriaca. Die Käfer. Wien
1849; 8«
Society, R. of Edinburgh, Transactions. Vol. XVI. p. 5. Vol.
XIX. p. 1. Edinburgh 1847 u. f.; 4°
SBetein für ftebenbütgifcüe Sanbesfunbe. CßrotocoHe. 1. u. 2. gort=
fejjung. $ermannftabt 1846; 4°
Will, J. G. Fried.,' Ueber die Absonderung der Galle. Erlan
gen 1849; 8°
— Ueber die Secretion des thierischen Samens. Erlangen
1849; 8°
(März.)
Anderson, Thom., On the Constitution and properties of Pi-
coline etc. Edinburgh 1846; 8°
On certain products of the composition of the lixed oils
in contact witli sulphur. Edinburgh 1847; 4°
— On the products of the destructive distillation of ani
mal substances. Edinburgh 1848; 4°
— On the colouring matter of the Morinda citrifolia. Edin
burgh 1848; 4°
— On a new species of Manna from Neu-South-Wales.
Edinburgh 1849; 8°
— Note on the Constitution of the phosphates of the Orga-
nic Alkalies. (s. 1. et d.) 8°
Archiv der Mathematik etc. Herausg. von J. A. Grnnert.
XII. Th. 4. XIII. Th. 1—4. Heft. Greifswalde 1849; 8°
Sonn, UmoetfttätSfcfyriften. 1849. 31 .jpefte.
Stecher, ©ibeon, bie Scfdjneibung ber ^öraeliten k. SSBicn
1845; 8“
Effemeridi, astrouomiche di Milano p. l’anno 1849. Milano
1848; 8°
Ellis, Alex. J., Phonetic spelling familiaris explained, for the
use of Romauic readers. London 1849; 8°
Gesellschaft, antiquarische in Zürich, Mittheilungen VI. Bd.
3. 5. VII. Bd. 1. Heft. Zürich 1848; 4"
— k. sächsische der Wissenschaften. Berichte über die Ver
handlungen der mathein. phys. Classe. Heft. 1. 2. Leip
zig 1849; 8°
Grunert, Joh. Aug., Beiträge zur meteorologischen Optik etc.
I. Th. 3 Hefte. Leipzig 1849; 8°
Äörnbact), $aul, ©tubien über ftanjöftfdje unb bacoromanif^e
©pracbe utib Siteratur. SSien 1850; 8°
Klose, Sam. Benj., Darstellung der inneren Verhältnisse der
Stadt Breslau v. J. 1458— 1526. Namens des Vereins
für Geschichte etc. Schlesiens. Herausg. von Gust. Ad.
Stenzei. Breslau 1847; 4°
Kollar, Vinc., A treatise on insects injurious to gardeners
etc. Transl. by J. and M. Loudon. London 1840; 8°
— 33ilbli($e 9taturgef<bidite aller brei Steife, mit borjüglicber
SSerütfjtcbtigung ber für ba3 allgemeine Sehen mistigeren
Slaturprotucte :c. Ipeft 1846; 8°
Playfair, Lyon, Report on the state of Large Towns in Lan-
cashire. London 1845; 8°
Schweitzer, Ped., Serie delle monele e medaglie d’Aquileja
e di Venezia. Trieste 1848; 4°
Seligmann, P. Romeo, die Heilsysteme und die Volkskrank
heiten. Wien 1850; 8°
Test am ent, the new, Paragraf, fonetic edition. Lond. 1849; 12°
Tübingen, UniberfitätSfSriften, 1849; 4 .fiefte.
SS er ein für fiebenbürgifebe Sanbetlfunbe, ^Srotofolle. §ortfe|ung
1. 2. .fjermannftabt 1846; 4°
Verollot, M. P., du Cholera morbus en 1845 — 1847 etc.
Constantinople 1848; 8°
äßolf,, Slbant, bie ©efdncbte ber f>vagmatifd;en ©anction bis 1740.
SSSien 1850; 8°
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Jahrgang 1850. IV. u. V. Heft. (April u. Mai.)
203
Sitzungsberichte
- der
philosophisch - historischen Classe,
Sitzung vom 10. April 1850.
Der Secretär theilt ein Schreiben des k. k. Vice-Consuls in
Janina, Herrn Dr. von Hahn mit, worin dieser für die ihm
von der Akademie zugesandten literarischen Hilfsmittel und
Nachweisungen zur Entzifferung des von ihm aufgefundenen
albanesischen Alphabets dankt, und die Hoffnung ausspricht,
nun bald damit zu Stande zu kommen.
Dann einen Bericht des Herrn Dr. Carrara in Spalato
über einen am 19. März d. J. von ihm gemachten Fund, bei
Gelegenheit der auf Kosten der Akademie unternommenen Aus
grabungen bei Salona, bestehend in 73 Medaillen von Silbef
und drei grösseren Medaillen von Kupfer, sämmtlich aus der
Zeit des west- und oströmischen Kaiserreiches.
Endlich mehrere abermals von Herrn v. Kremer aus Haleb
und Damaskus eingesandte Berichte und Arbeiten, wovon die zu
der von Ilrn. v. Kremer beabsichtigten ausführlichen Topographie
von Damaskus dienenden Vorarbeiten bis zu dessen Rückkunft
aufbewahrt. die nachstehenden aber sogleich zur Einrückung in
die Sitzungsberichte bestimmt werden.
I. „Bericht über meine wissenschaftliche Thä-
tigkeit während des Aufen thaltes in Haleb vom 4b
Juli— 20. September 1849.’
Der Kädhi Mohibb-od din Ibu-osch-Schihne, der bekannte
Geschichtsschreiber Haleb’s, seiner Vaterstadt, führt mehr ab
ein halbes Hundert daselbst befindliche Collegien (Medreseen)
15 *
204
auf: eine grosse Anzahl herrlicher Moscheen schmückten zu sei-
ner Zeit die Stadt, so wie viele Kapellen und unzählige Mau
soleen berühmter Scheiche, in- und ausserhalb der Mauern der
Stadt, eine ungeheuere Bevölkerung belebte alle Strassen und
Märkte und der indische und persische Handel, der über Haleb
nach den Häfen des nördlichen Syriens ging, führte den Be
wohnern stets neue Reichthümer zu. Allein seit der Zug der
indischen Waaren durch das rothe Meer über Aegypten und der
persische Handel über Trapezunt geht, sank die merkantilische
Bedeutsamkeit der Stadt, das Volk verarmte und ebenso sank
die wissenschaftliche Bildung und Liebe zu derselben, obgleich
auch da die allgemeinen Ursachen mitwirkten, die der Verfall der
arabischen Literatur vom siebenten Jahrhunderte der Hidfchre an
herbeiführten. Durch das letzte Erdbeben im Jahre 1822, das zwei
Drittel der Stadt in Trümmern verwandelte und die Bevölkerung
um wenigstens 10.000 Seelen verminderte, war der Wohlstand der
Stadt aufs tiefste erschüttert und dieser litt noch mehr, als beim
Einzuge der Egyptier unter Ibrahim Pascha, die meisten reichen
Familien aus Furcht vor der Conscription sich nach Bayhiad, Mos-
sul oder in die benachbarten Städte Kleinasiens begaben.
So ist erklärlich dass statt der Moscheen oft nur Schutthaufen
zu sehen sind. Wenn auch der Moslime unter der eingestürzten
Kuppel seiner Moscheen noch unerschüttert im Glauben an das
Wort Gottes und seines Propheten, mit derselben Inbrunst wie
vor Jahrhunderten die vorgeschriebenen Gebete verrichtet, so will
doch die alte Herrlichkeit durch kein auch noch so flehendes Ge
bet der Gläubigen sich zurückrufen lassen. Die Collegien, die frü
her von Wissbegierigen wimmelten, sind jetzt verödet und ohne
Besucher, und in den Räumen worin man früher die Wissenschaften
vortrug, in welchen die Europäer bei den Arabern in die Lehre
gingen: als Mathematik, Astronomie, Medicin, sind grösstentheils
ganz verlassen oder man trägt darin nichts anders vor als die
geistestötenden Wissenschaften der Neuaraber: Grammatik (Sfarf)
Syntax (Nahu) und Koranexegese, so wie die daraus abgeleitete
mohammedanische Jurisprudenz (Fikh), Wissenschaften, die alle
am todten Buchstaben kleben und nie zu einer höheren Weltan
schauung führen. Von Medveseen ist nur eine einzige mehr in Ha
leb, die noch Bücherschätze enthält, es ist die Medreset-al- Ah-
205
medige. Es ward diese Medrese, so wie aus den Stiftungsbriete
erhellt, von Ahmed EfTendi, dem ehemaligen Kädhi von Jerusalem
gegründet im Jahre der Hidfchre 1173. Die Medrese ist so wie alle
Gebäude Halebs aus einer Art festen Sandsteines erbaut. Dureh
einen ummauerten Vorhof, in welchem sich die Gräber einiger
Scheiche der Medrese befanden, gelangt man über einige Stufen
zu einem Thore, das in den etwas höher gelegenen zweiten Hof
führt. Dieser ist so wie der erste ganz mit Steinen gepflastert und
mit farbigem Marmor mosaikartig eingelegt. Rund um den Vorhof
herum läuft ein Säulengang dessen Daeh von schlanken Säulen
getragen wird. In der Mitte des Hofes steht ein Wasserbecken aus
Steinen mit schönen in die Steine gemeisseltcn Arabesken, lieber
denselben ist ein Dach das auf dünnen, kurzen Säulen ruht. Auf
der südlichen Seite des viereckigen Vorhofes ist eine Terasse aus
Steinen, die auf arabisch Masstabbe genannt wird, über welche
man zu einem Thore kommt, das in das Innere der Medrese führt.
Tritt man durch das Thor ein, so befindet man sich in einem ge
räumigen Zimmer, gegenüber dem Thore ist ein M ihr ab. In den
beiden Wänden, die wenn man eintritt sich zur Rechten und Lin
ken befinden, sind zwei Thüren welche in die beiden Zimmer füh
ren, wo die Bibliothek autbewahrt wird, allein es herrscht die
grösste Unordnung, indem die Bücher in Kisten übereinanderge
schichtet liegen, so dass es das ge wohnliche Geschick des Suchen
den ist, das gesuchte Werk nicht zu finden. Was sich in dieser
Bibliothek an arabischen Werken befand oder noch befindet ist
aus der für die k. k. Hofbibliothek eingesandten Abschrift des
Kataloges zu ersehen , obgleich die Bemerkung gemacht wer
den muss, dass in dem Kataloge viele Werke die der Biblio
thek neuerlich durch Vermächtnisse zufielen, nicht verzeichnet
und dass manche der in dem Kataloge verzeichneten Werke feh
len, welche durch die Gewohnheit die Bücher auszuleihen verlo
ren gingen oder auf andere Art abhanden kamen, wie es leider
auch mit dem grossen und im Kataloge verzeichneten historischen
Werke Sehebs’s : der Fall ist. Eine andere
Medrese, die vor nicht zu langer Zeit noch Bücher enthielt, ist die
Medreset-ol-Osmänije: allein dieselbe ist durch die schlechte
Aufsicht aufgelöst worden, indem Bücher ausgeliehen und nicht
regelmässig eingetrieben wurden, so dass nach und nach die Bü-
206
cliersammlung verschwand. Die Zimmer, welche ehemals die Bi
bliothek enthielten sind jetzt in Ställe verwandelt und der Hof so
wie die Gemächer sind von Eseln und Maulthieren erfüllt, so dass
wirklich das Wort, das Chafädfchi in seiner poetischen Anthologie:
Rihänet-ol-Elebbä on Sohret-Hajät-id-Dunjä (ÄiLsüj
L j llül über den Verfall der Wissenschaften und
der Literatur zu seiner Zeit ausspricht, aufs vollkommenste in Er
füllung gegangen zu sein scheint, wo er sagt: Die Würde des
Mufti’s und Kädhi’s und der Aemter zu welchen wissenschaft
liche Kenntnisse erforderlich sind wurde zum Spiel,
zur Gaukelei, zur Possenreisserei und die Collegien zu Wohn
stätten der Esel iLWlo-s-Ulj Uai! I j 1 y loj)
Ein solcher Verfall aller Pflanzschulen der Wissenschaft und
der Literatur musste auch nothwendig den Verfall dieser nach sich
ziehen. Daher kommt es, dass jetzt die alten Hauptwerke der
Arabischen in Geschichte, Geographie, Poesie und Philologie von
Tag zu Tag mehr in Vergessenheit gerathen. So sind von den
alten Geschichtswerken des Ibn-ol-Dfchaufi, Ibn-ol-Esir,
Jafii, A’ini, Ihn Kesir, Noweiri, Ihn Hadfchr keine
Abschriften mehr anzutreffen. Freilich muss der Umstand berück
sichtiget werden, dass von Haleb beständig Bücher nach Europa
geschickt wurden. So ward die grosse und jetzt in St. Peters
burg befindliche Rousseau’sche Sammlung grösstentheils in Ha
leb aufgekauft. Es ist daher immer als ein glücklicher Zufall
zu betrachten, dass ich das Werk Mes’üdi’s, betitelt: öLJlyLi-l
auffand, welches sich bis jetzt noch auf keiner europäischen Bi
bliothek befand, so wie das gleich seltene und für die syrische
und ägyptische Geschichte höchst wichtige Werk desEm ir’sR okn-
od-diu Beibers, des Dewadär’s, betitelt: ÄljjJI
i3y}\ Derselbe berichtet in der Vorrede des Werkes, dass, nachdem
er hingerissen von seinem Gange zur Geschichtbeschreibung schon
früher das kurze Werk: Sob det - ol-F ikret-fi-Tarich-il
Hidfchret verfasst und solches bis auf die Zeiten des Beginnes
der türkischen Dynastie in den ägyptischen Landen fortgeführt
hatte, er zur Behandlung der Geschichte der Herrschaft des
207
Mtfif fortschritt, worin er die Ursachen angibt, welche die Ueber-
macht der Babritischen Mamluken begründeten; diese Geschichte
habe er fortgeführt bis auf die Tage des Sultans Kilawun und
die Regierung seines Sohnes, des Sultans Melik - on - Näfsir
Mohammed. Aus diesem Werke nun habe er in dem vorliegen
den Werke das Wichtigste ausgewählt und in Kürze zusam
mengestellt und das Buch dem obengenannten Sultan gewidmet
oder wie er sich ausdrückt: es der Sultanisclien Bibliothek
dargeboten.
Das Werk Mes’udi’s befasst sich nicht bloss mit Geschichte,
sondern auch mit Geographie und behandelt beide zugleich, eine
Erscheinung, die sich in der Kindheit jeder Literatur nach-
weisen lässt, indem diese beiden Wissenschaften so innig ver
flochten sind, dass die eine die andere ergänzt und sie erst bei
weit vorgeschrittener wissenschaftlicher Bildung getrennt werden
können. Das Werk Mesudi’s enthält daher sowohl eine Be
schreibung der den Arabern zu seiner Zeit bekannten Meere
und Inseln, als auch die Geschichte der ältesten Völker nach
Berichten arabischer Reisenden. Freilich ist darunter viel Fa
belhaftes eingemischt, allein es finden sich auch manche höchst
merkwürdige Notizen, auf die ich besonders aufmerksam machen
werde. Folgendes ist die ausführliche Iuhaltsanzeige des Werkes
mit Heraushebung der merkwürdigsten Stellen. Das Werk beginnt
mit einer kurzen Kosmogonie, nach den Begriffen der moham
medanischen Lehre: Erschaffung der Gestirne, der Menschen,
der Dschinnen. Hierauf folgt eine Beschreibung der Erde, des
Weltmeeres und der Inseln. Die Meere, die beschrieben werden,
sind folgende: 1. Das Meer, welches das schwarze, und Defenti
genannt wird. 2. Das Bahr Kend d. i. das Meer von Kend,
vielleicht Bahr-Hind d. i. indisches Meer zu lesen, in welchem
die Insel Serendib d. i. Ceylon liegt. 3. Das Meer Rudschend
4. Das Meer der Korallen d. i. das Meer von Anda
lusien , auf dessen Grunde die Korallen wie Bäume wachsen.
5. Das Bahr Tinnis d. i. das Meer von Tinnis. Hierauf folgt
eine Beschreibung der Inseln, dann eine kurze Beschreibung
des Landes der Sinesen, das als reich und blühend beschrieben
und dessen erste Handelstadt Chaukuoa (IjLlo-) genannt wird.
Auf dieses kömmt die Schilderung der Inseln des Meeres von
208
Zanguebar: Bahr-of-Sendsch. Dann folgt die Erwähnung des
grossen indischen Oceans, des Meeres von Jemen und seiner
Wunder. Nun geht er zu den Inseln des Westens über, als:
Sicilien, welches er eine grosse Insel nennt, die 15 Tage
im Umkreise hat, mit Bergen und Wäldern, Flüssen und Saaten,
der Afrikanischen Küste gegenüber gelegen. Auf der Insel be
finde sich der Berg Berkan der ohne Unterbrechung
bei Tage Rauch und bei Nacht Feuer ausspeiet; aus demselben
fliegen Funken heraus und diese sind schwarze Steine, ebenso
durchlöchert wie der Schwamm, welche auf dem Wasser schwim
men und in alle Länder verführt werden um damit in den
Bädern die Füsse zu reinigen. So oft aus dem Berge Feuer
hervorbricht, ergiesst es sich in das Meer und verbrennt alles,
was sich auf dessen Wege befindet von vierfüssigen Thieren und
Fischen, die dann von den Wellen an’s Ufer getrieben werden.
Niemand ist im Stande sich diesem Orte zu nähern. Die Insel
S ar danij e (Sardinien), berichteter, ist eine grosseinsei zwanzig
Tage im Umfang mit Bäumen und Quellen, Saaten und Handels
gütern. Die Insel Ikritiscli (Kreta) ist im Meere der Griechen
gelegen, mit Gebirgen und Goldbergwerken, mit Flüssen und
Früchten. Die Insel ist 22 Tage lang und 7 Tage breit. Auf
diese Beschreibung der Inseln des Westens folgt die einiger
fabelhaften Inseln, wie der Insel Wakwäk, der schwimmenden
Inseln u, s. w. An diese schliesst sich das Capitel an über
Adam und seine Nachkommen, die Sündfluth, Noah und seine
Abkömmlinge und über die Abstammung der verschiedenen
Völker von den Söhnen Noah’s. Folgende sind die Völker, die
von Jafet abstammen. Die Eschan (iL>li1), die Rüs d. i.
Russen), die Bordschan (^U^j), die Chafredsch (^j^), die
Türken, die Slawen, die Völker Gog und Magog, die Perser,
die Mesanan (ölij.« Medier?), die Bewohner der Inseln des
Meeres, die Bulgharen (_>UL). Ueber die Slawen gibt er folgen
den merkwürdigen Bericht: Die Slawen zertheilen sich in meh
rere Völker, einige von ihnen sind Christen; auch Magier gibt
es unter ihnen, so wie auch Sonnenanbeter. Sie wohnen an
einem grossen Strome, der von Osten nach Westen fliesst, ein
anderer Strom ihres Landes strömt von Osten nach Westen,
209
bis er in einen anderen Strom sich ergiesst, der vom Lande
der Ilghos kömmt. In ihrem Lande sind viele Flüsse*
die sämmtlich von Norden herkommen. Keiner ihrer Seen ist
salzig, weil ihr Land von der Sonne fern ist; ihr Wasser ist
süss; das Wasser aber das der Sonne nahe, ist salzig. Das
Land das von ihnen weiter gegen Norden liegt, wird nicht be
wohnt, wegen der Kälte und der Menge des Wassers. Ihre
meisten Stämme sind Magier, die ihre Todten verbrennen und
anbeten; sie haben viele Städte, so wie auch Kirchen worin
sie Glocken aufhängen, die mit einem Hammer angeschlagen
werden, so wie bei uns die Christen Breter mit einem hölzernen
Klöpfel schlagen. Es folgt nun ein Capitel über die Griechen
und auf dieses ein höchst merkwürdiges über die Sinesen,
woraus ich nur folgendes heraus hebe: Die Sinesen sind von
gelblicher Gesichtsfarbe und stumpfnasig. Es ist ihre Sitte,
wenn Jemand sich bei dem Könige wegen der Ungerechtigkeit
seines Beamten beklagt, dass der König eine Untersuchung an
stellt und findet er dass die Klage gegründet sei, so straft er
den Bedrücker, ist sie aber falsch, so wird der Ankläger mit
vielen Schlägen bestraft, weil er es wagte den König zu belügen.
Ferner ist es ihre Sitte, wenn einer der Diener des Königs
etwas wünscht, dass er eine grosse Glocke schlägt; da begeben
sich die Leute in ihre Häuser und lassen ihm die Strassen frei,
dass sie ihn nicht sehen. Ferner ist es ihre Sitte, dass die Stadt
in zwei Theile getheilt wird, den einen bewohnt der König, seine
Verwandten, Beamten und Diener, im zweiten Theile wohnen das
Volk und die Unterthanen, und ihre Märkte sind in dem zweiten
Theile, so dass niemand sich in das Gebiet des Königs begibt.
Ferner ist es ihre Sitte, dass sie Mädchen bei Erbschaften besser
bedenken, als Knaben. Wenn die Sonne das Zeichen des Widders
betritt, feiern sie ein grosses Fest mit Schmausen und Trinken.
Ihr kostbarster Schmuck ist der, welcher aus dem Horne des
Nashorns, Weschan (01 Ojy j-» ,^-1=-
genannt, verfertigt wird, denn, wenn es zugesägt wird, zeigen
sich in demselben verschiedene wunderbare Bilder. Man verfer
tigt daraus Gürtel, wovon einer 4000 Meskal Goldes kostet.
Dieses findet sich bei ihnen in Ueberfluss, so dass sie die Ge
bisse ihrer Pferde und die Ketten ihrer Hunde daraus machen.
210
Sie haben seidene Kleider, die mit Gold gewoben sind. Nun
geht er auf das Volk der Ehteride oder nach einer anderen
Leseart: Ehnude oder aJyibl) über, von denen er Fol
gendes erzählt: Das Volk der Ehteride ist aus dem Stamme
Amir’s Ben Jafet. Sie Hessen sich in dem Lande zwischen
den Griechen und Franken nieder, ihr Reich ist weit, ihr König
angesehen. Sie bewohnen viele Städte und sind jetzt grössten-
theils Christen. Einige von ihnen haben gar keine Religion. Sie
bekriegen die Franken und Slawen, von welchen sie wieder be
kriegt und vertrieben werden. Sie gleichen in ihrem Aeusseren
den Griechen. Auf dieses Kapitel folgt die Erwähnung des Landes
Andalus oder Spaniens und auf dieses ein höchst beaGhtens-
werther Bericht über das Volk der Bordschan (öb-y). Er
lautet: Die Bordschan sind vom Stamme des Junän Ben Jafet,
ihr Reich ist gross und ausgedehnt, sie bekriegen die Griechen
und Slawen, Chafaren und Türken. Am heftigsten aber bekämpfen
sie die Griechen. Von Constantinopel in das Land der Bord
schan sind 15 Tagereisen. Das Reich der Bordschan ist 20
Tagreisen lang und 30 Tagreisen breit. Das Gebiet der Bord
schan ist von einem dornigen Zaune umgeben, in welchem
sich Oeffnungen wie Fenster von Holz befinden. Dieser Zaun
ist wie eine Mauer an einem Graben. Die Dörfer haben keinen
solchen Zaun. Die Bordschan sind Magier und haben kein
heiliges Buch, ihre Pferde, die sie zum Kriege gebrauchen,
weiden immer frei auf den Wiesen und Niemand reitet sie als
zur Zeit des Krieges und findet man einen Mann, der ein
Kriegsross zur Zeit des Friedens besteigt, so wird er getödtet.
Wenn sie in den Krieg ziehen, so stellen sie sich in Reihen auf.
Die Bogenschützen bilden das vorderste Treffen, den Nachtrab
aber bilden die Weiber und die Kinder. Die Bordschan haben
weder silberne noch goldene Münzen, alle ihre Kaufe und
Heirathen werden mit Kühen und Schafen bezahlt. Ist Friede
zwischen ihnen und den Griechen, so führen die Bordschan
Mädchen und Knaben aus dem Geschleckte der Slawen oder der,
Griechen nach Constantinopel. Wenn bei den Bordschan Jemand
stirbt, so versammeln sie alle seine Diener und sein Gefolge
thun ihnen gewisse Weisheitssprüche kund und verbrennen sie
hierauf mit dem Todteu und sagen : Wir verbrennen sie in
211
dieser Welt, so werden sie in der andern Welt nicht verbrannt
werden. Sie haben auch einen grossen Tempel, stirbt nun Je
mand, so schliessen sie ihn daselbst ein und mit ihm seine Frau
und Diener; diese bleiben darin bis sie sterben. Es ist ferner
bei ihnen Sitte, wenn ein Sclave fehlte oder sich verging und
sein Herr ihn schlagen will, dass jener sich vor demselben nieder
wirft, ohne dass ihn Jemand dazu zwang und dass ihn sein
Herr so lange schlägt, als es ihm beliebt. Steht der Sclave
auf bevor er die Erlaubniss dazu erhalten hat, so verwirkt er
sein Leben. Es ist noch ihre Sitte, dass sie hei Erbschaften
die Weiber reichlicher betheilen als die Männer. Höchst merk
würdig ist die Stelle, wo Mes’üdi auf die Könige von Chorasan zu
sprechen kömmt und eine Menge ganz unbekannter Namen von
Völkern anführt die Chorasan bewohnen, und worunter besonders
der Name Ascherüsa !) auflallt, der offenbar identisch
mit dem Arachosia der Griechen, welcher Name bisher nur
verdorben in den Werken der Griechen aufbewahrt wurde, sich
aber neuestens auch in den entzifferten Keilinschriften in seiner
ursprünglichen Form vorgefundeu hat. Die Stelle lautet: Was
aber die Könige von Chorasan anbelangt, wie die von Ssoghd
(jJco Sogdiana) und die anderen von Ascherüsa Ara
chosia) der Bordschan und derer von Hewadschin
Deilem, Dschid Geten ?) von Ofwa (I^Jl) der Kurden
(o \ß) derer von Schemmas f^ulr- 1 ) und Mawara-on-nehr, so
gab es deren viele , die sich zu verschiedenen Religionen be
kannten, die meisten beteten die Sonne und das Feuer an und
waren Magier. Es folgt dann ein Capitel über die Kunden von
Adam, Erwähnung der Nachrichten über die arabischen Wahr
sager; hierauf ein Capitel über die Kunde der Jemämet-os-
Serka, der arabischen Fernseherin. Auf dieses folgt ein Capitel
über die Wunder Aegyptens; den Schluss des Werkes macht
ein Capitel über die Könige Aegyptens nach der Sündfluth.
Ausser diesen beiden Werken, von denen sich schwerlich
ein zweites Exemplar in Haleb finden dürfte, ist die meisst be
kannte und berühmte Geschichte, die des Karamani, gewöhnlich
Tarich Karamani genannt, welche hier für das beste historische
Werk gehalten wird. Es ist ein universalhistorisches Compendium
212
vor beiläufig 200 Jahren verfasst und fertigt oft ganze Dynastien
mit wenigen Zeilen ab. Das Werk ist ganz der Art, wie das auf
der k. k. Hofbibliothek befindliche : Nochbet-ot-tewar.ich,
nur ist dieses viel vollständiger als jenes. Es wäre mit Grund
zu erwarten gewesen, dass sich in Haleb doch die grossen Ge
schichten der Stadt vorfinden würden, wenn auch nicht die des
Ibn-ol-Adim, die derselbe nach alphabetischer Ordnung ver
fasste und Boghiet-ot-thalebi-fi-Tarich-Halebi nannte,
von welcher Ibn-osch-Schihne in seiner Geschichte Halebs erzählt,
das ins Reine geschriebene habe 40 starke Bände betragen und
das bloss in Skizze Vorhandene ebensoviel; nach dem zu frühen
Tode des Verfassers aber sei das Werk noch vor dem Unheil
das mit Timur hereinbrach, zerstreut worden. „Jetzt,” fährt lbn-
osch-Schihne fort, „findet man nur sehr wenig davon, und ich kenne
nur einen einzigen Band von der Hand des Verfassers ge
schrieben, der einen Theil des Buchstabens Mini und darin die
Biographie des Melik-ol-Aädel Mlr-od-din Mahmud, so wie die
Biographie meines Oheims des Emirs Husam-od-die Mahmud, dem
Schihne (d. i. Polizeipräfekteu) von Haleb, so wie einige andere
Biographien enthält.” Dieser Band befindet sich in meinem Be
sitze. Wie dieses Werk so sind manche und leider gerade die
wichtigsten Werke der arabischen Literatur zwar dem Namen
nach bekannt und berühmt, allein nicht mehr auf den Bücher
märkten des Morgenlandes zu finden. Dasselbe Schicksal, welches
das soeben besprochene Werk betroffen hat, scheint auch den
aus diesemWerke vom Verfasser selbst verfassten Auszug, betitelt:
Sobdet-ol-H alebi-fi Tarich-Halebi, betroffen zu haben,
welcher von Ibn-ol-Hanbali in seinem biographischen Lexikon der
berühmten Männer Haleb’s, zugleich mit dem Werke es-fobed-
weda Dhareb fi Tarich Haleb angeführt wird. Das einzige Werk,
das die Geschichte Halebs behandelt und sich noch jetzt in
Haleb vorfindet, ist das Dorr-o 1-M o nt ech ab min Tarich
Haleb, aus welchem die beiliegenden auf die Geschichte und
Topographie der Stadt bezüglichen Auszüge genommen sind.
Dieses Werk behandelt die Geschichte und Topographie der
Stadt in fünfundzwanzig Capiteln, als:
213
I. Von dem was die Vorzüglichkeit von Haleb betrifft.
II. Von dem der Haleb erbaute und von dem Horoskope unter
dem es erbaut wurde.
III. Von der Art des Namens der Stadt und dessen Ableitung.
IV. Von der Eroberung Haleb’s.
V. Von dem Baue und den Wällen der Stadt.
VI. Von der Anzahl der Thore.
VH. Von dem Schlosse.
VIII. Von den Palästen, welche die Könige von Haleb be
wohnten.
IX. Von der Moschee von Haleb und der Moschee des Schlos
ses. und von dem was an Moscheen innerhalb und aus
serhalb der Stadt erneuert ward.
X. Von den Wallfahrtsorten ausser- und innerhalb der Stadt.
XI. Von den kleinen Moscheen ausser-und innerhalb der Stadt.
XII. Von den Chanen und Karawanseraien ausser- und inner
halb der Stadt.
XIII. Von den Collegien (Medreseen), die inner- und ausser
halb der Stadt.
XIV. Von den Talismanen und seltsamen Dingen, die sich in
Haleb und dem Gebiete der Stadt befinden.
XV. Von den Bädern, die sich inner- und ausserhalb Haleb’s
befinden.
XVI. Von den Flüssen und Kanälen der Stadt.
XVII. Von Ueberschlag des Einkommens.
XVIII. Erwähnung von Einigem womit Haleb in Prosa und Versen
gelobt wurde.
XIX. Von den Gränzen Haleb’s und dem vor Alters oder neu
erlich dazu gehörigen Gebiete.
XX. Von den Schönheiten, die Haleb eigenthümlich sind, und
Nachtrag dessen was Ibn-Scheddad zu erwähnen vergass,
von dem was sich zu seiner Zeit vorfand.
XXI. Von den Moscheen, Collegien Capellen, Klöstern, Grab-
mälern und zu Haleb gehörigen Gebieten.
XXII. Von dem, was sich daselbst von Strassen, grossen Häu
sern und herrlichen Revieren befindet, und was dazu von
Gärten, Teichen und Chanen gehört.
XXIII. Von den Dingen die Haleb eigenthümlich sind.
214
XXIV. Von den Lustorten Ilaleb's.
XXV. Von den Statthaltern, Kadhi’s, Emiren und Würdenträgern
Haleb’s zu dieser Zeit und den Städten Syriens, die dazu
gehörten.
Ein ebenfalls auf die Geschichte dieser Stadt bezügliches
Werk ist das biographische Werk Ibn-ol-Hambali’s 1)
betitel:Q\j j jJI Kitab-Dorr-al-
h abeb -fi-Tarich Äj an Haleb, welches die Lebensbeschreibun
gen der berühmten Männer von Haleb bis zum Ende des 9. Jahrh.
der Hidschret fortführt, ganz auf die Art wie Ihn Challikan, mit
reichlichen Proben von Gedichten, so wie mit Angabe der Werke
eines jeden Schriftstellers. Als eine höchst werthvolle Erwerbung,
betrachte ich das Werk Ibn Hamdün’s, gewöhnlich bekannt unter
dem Namen: et-Tefkir et - ol-H amdüunije. Es ist diess eines
jener grossen Sammelwerke der arabischen Literatur, worin eine
unerschöpfliche Masse Stoffes für Geschichtsforschung so wie für
das Studium der Literatur und Auffassung des eigenthümlichen
Geistes der arabisch- mohammedanischen Cultur verborgen liegt.
Der Verfasser ist Ibn-Hamdün , der nach Ibn Challikan’s Angabe
im J. d. H. 562 in Bagdad starb, und dem derselbe kein grös
seres Lob zu ertheilen weiss, als dass er der Verfasser der
Teskiret ist, welche er eines der herrlichsten Sammelwerke
nennt, worin Geschichte, Philologie und seltene Begebenheiten
nnd Dichtkunst zur Sprache gebracht werden. Ein
eben so kostbarer Fund ist der des bis jetzt in Europa ganz unbe
kannt gebliebenen Werkes, betitelt: T e t i m m e t-o 1-J etim e t
von Sa’älebi, wodurch er sein grosses Werk vervollständigt, das
unter dem Titel: Jetimet-od-dehr, allen Europäischen For
schern .arabischer Literatur und besonders den Liebhabern der
arabischen Poesie genugsam bekannt ist, von dem schon Ibn-
Kalakis I) der bekannte ägyptische Dichter in seinem
Diwan die Verse singt:
Ar j Üls] j lSo I ■££ AC^I j 1 ^ L» 1
AC*^ I w—^ .J j \^i La
Die Verse der Gedichte der Jetime
Sind Jungfrauen uralter Gedanken:
215
Die starben ah — drauf lebten jene fort
Desshalb ward dieses Buch genannt Je time.
Es enthält dieses Supplement die Namen von 211 Dichtern,
aus allen Ländern des arabischen Culturkreises mit einer Aus
wahl ihrer vorzüglichsten Gedichte und oft auch Auszügen aus
ihren prosaischen Schriften. Nur aus solchen Werken, wo von
einheimischen Kunstrichtern die schönsten und gehaltvollsten
Erzeugnisse der arabischen Poesie zusammengestellt werden,
ist es möglich, die arabische Literatur und Poesie zu studiren
und aufzufassen, indem bei der Unzahl der Gedichtsammlungen,
die oft mit ihren Commentaren dicke Folianten ausmachen, es
für den europäischen Orientalisten höchst mühselig, ja oft un
möglich wird, durch den Schwall nichtssagender Verse und schaaler
Reime sich durchzuarbeiten und aus diesem Dorngestrüppe die
Rosen zu pflücken. Erst wenn diese grossen poetischen Antho
logien, wie die so eben besprochene Sa’alebi’s, die des Ebu’l-
Fer ed feil - el-Issfahän i, genannt das Buch der Lieder, Ki-
täb-ol-Aghani, die Baeherfi’s, genannt Dumjet-ol-Kassr,
die Hafiri’s genannt: Seinet-od-Dehr, und endlich
die Ch aridet-o 1-Ka ssr von Imäd-od-Din aus den Schränken
morgenländischer und abendländischer Bibliotheken, wo sie ver
modern, gezogen und mit Lust und Liebe studirt werden : dann
erst wird es möglich sein, den Geist eines Volkes aufzufassen,
das allen Nationen Vorder-Asiens den Stempel seiner eigen-
thümlichen Geistesbildung aufgedriiekt und über Spanien und
Süd-Italien herein auf die geistige Entwicklung der Völker Eu-
ropa’s einen höchst bedeutenden Einfluss ausgeübt hat.
II. Auszüge aus Ibn-osch-Schihne’s Geschichte
von Haleb.
V. Capitel. Beschreibung des Baues und der Mauern der Stadt.
Ibn-ol-Chatib berichtet in der Beschreibung dieser alten,
festen Stadt, deren Befestigung schon in alten Zeiten spruch-
wörtlich geworden war, dass sie von drei Mauern umgeben
war. In dem was folgt stimmt er mit Ibn-Scheddäd überein
und beide berichten, dass die Mauer aus Steinen erbaut war,
ein Werk der Griechen. Als in der Folge der Chosroes Anu-
251
III. „Nachrichten über den ain linken Ufer des
Tigris wohnenden Araberstamm der Beni Lara.”
Die Gränze zwischen den Beni Lam und den Beni Sche-
\ mer ist el-Wädi, ein Fluss der aus den Gebirgen von Luristan
kommt. Bakfai ist ein Dorf in ihrem Gebiete, das den Miri an
den Statthalter von Luristan zahlen muss, daselbst ist ein Schloss,
die Einwohner sprechen lurisch Im Sommer wohnen die Ben-
Lam am linken Tigrisufer hinab, im Winter ziehen sie ins Ge
birge, im Frühling verlassen sie das Gebirge und ziehen an
einen Ort, der Karatepe, d. i. der schwarze Hügel heisst, die
ser Ort ist zehn Stunden vom Tigris entfernt, bis zum Gebirge
sind 6 Stunden, daselbst sind herrliche Weiden. Zu Ende des
Frühlings begeben sie sich am Tigris hinauf zur Mündung des
Wädi’s und bleiben daselbst bei zwanzig Tage, dann ziehen sie
7 Stunden weiter östlich nach Tib Jb) einem Wadi, das
aus den persischen Gebirgen kömmt, von salzigem nicht trink
baren Wasser, dieses Thal ist mit vielen Bäumen bewachsen
und liefert gute Weiden. Hier bleiben sie 10 Tage und ziehen
dann nach A’li-el-Gharbi, einem Orte, wo die Capelle eines
mohammedanischen Heiligen steht am Tigris, von diesem Orto
begeben sie sich nach A’li-efeh-Scherki, das ebenfalls ein
Mefar (Grab eines Heiligen) ist und bleiben daselbst 18 Tage,
an diesem Orte befinden sich bei hundert Dattelbäume und
die Einwohner züchten Büffel und Kühe. Von diesem Orte
ziehen sie an den Nehr Sa’d acht Stunden abwärts am Tigris.
Dieser Nehr Sa’d ist ein Arm des Tigris, an dem Felder von Korn
und Gerste sind, daselbst wohnen Fellähs, sie sind Unterthaneu
I der Beni Lam, der Fluss ist breit und tief. An diesem Orte blei
ben die Beni Lam ein volles Monat, die Pferde weiden das Grün,
futter, welches sic fl üi in ihrem Dialecte nennen, eine andere
Art heisst bei ihnen skdti, ihre Kühe, »Schafe und andere
Heerden nähren sich davon, ohne dass es nölliig wäre, ihnen dürres
Futter üls zu geben. Von hier ziehen sie am Tigris 6 Stunden
hinab nach Dair, wo sich wieder gutes Grünfutter findet, von da
begeben sie sich noch weiter am Tigris hinab zum Flusse Nehr
Ilidd (jo-), der ein Arm des Tigris und selbst im Sommer mit
215
Die starben ah — drauf lebten jene fort
Desshalb ward dieses Buch genannt Je time.
Es enthält dieses Supplement die Namen von 211 Dichtern,
aus allen Ländern des arabischen Culturkreises mit einer Aus
wahl ihrer vorzüglichsten Gedichte und oft auch Auszügen aus
ihren prosaischen Schriften. Nur aus solchen Werken, wo von
einheimischen Kunstrichtern die schönsten und gehaltvollsten
Erzeugnisse der arabischen Poesie zusammengestellt werden,
ist es möglich, die arabische Literatur und Poesie zu studiren
und aufzufassen, indem bei der Unzahl der Gedichtsammlungen,
die oft mit ihren Commentaren dicke Folianten ausmachen, es
für den europäischen Orientalisten höchst mühselig, ja oft un
möglich wird, durch den Schwall nichtssagender Verse und schaaler
Reime sich durchzuarbeiten und aus diesem Dorngestrüppe die
Rosen zu pflücken. Erst wenn diese grossen poetischen Antho
logien, wie die so eben besprochene Sa’alebi’s, die des Ebu’l-
Fer ed feil - el-Issfahän i, genannt das Buch der Lieder, Ki-
täb-ol-Aghani, die Baeherfi’s, genannt Dumjet-ol-Kassr,
die Hafiri’s genannt: Seinet-od-Dehr, und endlich
die Ch aridet-o 1-Ka ssr von Imäd-od-Din aus den Schränken
morgenländischer und abendländischer Bibliotheken, wo sie ver
modern, gezogen und mit Lust und Liebe studirt werden : dann
erst wird es möglich sein, den Geist eines Volkes aufzufassen,
das allen Nationen Vorder-Asiens den Stempel seiner eigen-
thümlichen Geistesbildung aufgedriiekt und über Spanien und
Süd-Italien herein auf die geistige Entwicklung der Völker Eu-
ropa’s einen höchst bedeutenden Einfluss ausgeübt hat.
II. Auszüge aus Ibn-osch-Schihne’s Geschichte
von Haleb.
V. Capitel. Beschreibung des Baues und der Mauern der Stadt.
Ibn-ol-Chatib berichtet in der Beschreibung dieser alten,
festen Stadt, deren Befestigung schon in alten Zeiten spruch-
wörtlich geworden war, dass sie von drei Mauern umgeben
war. In dem was folgt stimmt er mit Ibn-Scheddäd überein
und beide berichten, dass die Mauer aus Steinen erbaut war,
ein Werk der Griechen. Als in der Folge der Chosroes Anu-
216
Fchirwan gen Haleb zog und die Stadt belagerte, wurden die
Mauern zerstört. Der König von Haleb war zu dieser Zeit
Justinianus, der König der Griechen. Als sich Anufchirwan der
Stadt bemächtigte, stellte er das, was an den Mauern zerstört
worden war, wieder her und baute sie aus grossen persischen
Ziegeln auf. Ibn-ol-Chatib berichtet dieses von den Mauern
zwischen dem Thore Bab-ol-Dfchinän und dem Bab_
on-Nassr >—<^) Ibn-Sclieddäd sagt: Dieses habe ich be
merkt an den Mauern zwischen dem Thore Bab-ol-Dfchinän und
Bab-Antakije. Auf diesen Mauern befinden sich zahlreiche Thürme
die von den Königen des Islams nach der Eroberung der Stadt
erneuert wurden, wie von den Benu Ommeje, den Benu Sfälih,
als sie vor den Abbasiden Statthalter über Haleb waren, vor
züglich aber von Sfälih Ben A’li und Abd-ol-Melik, seinem
Sohne.
Als die Stadt durch die Belagerung des Nikeforos, des
Königs der Griechen, im Si’ 1-Kide des Jahres der Hidfchre
351 zerstört ward, flüchtete sich Seif-od-Dewlet und Nikeforos
machte sich zum Herrn der Stadt und alle Einwohner wurden
getödtet. In der Folge kehrte Seif-od-Dewlet wieder zurück und
erneuerte die Mauern der Stadt im J. d. H. 353. Seinen Namen
fand man auf verschiedenen Thürmen geschrieben. Einen solchen
Thurm sah ich auf der westlichen Seite des Thores Bab-Kin-
«isrin. Ebenso erbaute auch sein Sohn Sad-od-Dewlet verschie
dene Thürme auf. Dieses befestigte die Mauern der Stadt im
J. d. H. 367. Auch die Benu Dcmirdafh I y<) erbauten
einen Theil derselben als sie Haleb beherrschten. Moif- od-
Dewlet Ebu Olwän Semäl (JU) Ben Sfälih, Ben Demirdafch
erbaute einige Thürme nach dem Jahre d. II. 420. Diese
Thürme hielten sich bis sie durch die Hände der Tataren
zerstört wurden. Ebenso bauten nach ihnen andere Könige,
deren Namen auf den Mauern geschrieben sind, wie Kasim-od-
Dewlet, Ak-Sonkar und dessen Sohn der Atabeg Imäd-od-Din
Sengi erbaute eine Scheidemauer Ibn-ofch-Schihne
bemerkt hierzu: die Scheidemauer ist eine Mauer aus
serhalb der Feste. In dem Werk et-Tehfib jyi!) wird dieses
217
Wort erklärt, als eine niedere Mauer ausserhalb der Mauer der
Stadt und der Citadelle. Diese Scheidemauer erbaute er an meh
reren Stellen vom Thore Bab-oss Sfagir bis zum Thore Bab-
ol-Iräk und von dem Schlosse des Scberif ! J*Ji) bis
zum Thore Bab-Kinnisrin und dem Thore Bab-Antakije (d. i.
Thor von Antiochien), so wie vom Thore Bab-ol-Dfchinan bis
zum Thore Bab-on-Nassr. lbn-ofch-Schihne bemerkt hierzu: das
Bab-on-Nassr ist dasselbe, das in alten Zeiten Bab-ol-Jehud,
d. i. das Thor der Juden genannt wird. Von diesem Thore
führte er die Mauer fort bis zum Tbore Bab-ol-Erbain und
erbaute dessgleichen eine zweite Mauer vor den Wällen der
Stadt. Er erbaute ebenfalls die Mauer des Thores Bab-ol-
C.
Irak. Der Bau begann im Jahre d. H. 553. Als der König
el-Melik-of-Sähir, Ghajas - od-Din, Gäfi Haleb in Besitz nahm,
befahl er die Mauern des Thores Bab-ol-Dfchinan bis zum
Thore Bordfeh-of-Saabin UÜ| aufzubauen und eröff-
nete das neue Thor, welches Bab-ol-Feredfch genannt wird.
Zugleich befahl er auch Stadtgräben zu graben. Diess geschah
im J. d. H. 592. In demselben Jahre befahl er die Scheide
mauer, die Nür-ed-din-Mahmud erbaut hatte, niederzureissen,
und 'erneuerte die Wälle und Thürme bis zu derselben Höhe,
wie an der früheren Mauer. Er selbst beaufsichtigte den Bau,
und diese Stelle ward eine der am meisten befestigsten. Als
er die Thore wieder herstelleu wollte, wies er jedem seiner
Emire einen Thurm an , dessen Bau derselbe so lange zu be
sorgen hatte, bis er vollendet war. Jeder der Emire schrieb
seinen Namen auf den Thurm, den er erbaut hatte. Ibn-ofch-
Schihne bemerkt hiezu: Dass war ihre Sitte und als die
Mauern von Haleb erneuert wurden, ward mein Vater mit dem
Bau des Thores Bab-oI-Makam und des Ilab-ol-Kanät (äLäH
beauftragt, und Hess ober jedem Thore seinen Namen in Psawan-
Syenit (Oj-p/S") meissein. Sein Name blieb daselbst bis ihn
der Emir Demirdafch der Statthalter von Haleb herunternehmen
liess. Dieser erbaute Thürme vom Thore Bab-ol-Dfchinän bis
zum Bab-on-Nassr und auch die Mauer im Osten der Stadt
beim Där-oI-Adl, so wie auf dessen südlicher Seite ein Thor
und ein anderes auf dessen östlicher und endlich ein drittes auf
Siub. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. Heft. lfi
218
dessen nördlicher Seite am Rande des Stadtgrabens, dieses
Thor ward Bab-oss-Sfaghir genannt und aus demselben pflegte
er auszureiten. Er erbaute auch das Dar-ol-Adl, d. i. das
Haus des Gerechtigkeit zum Behüte seiner Audienzen, zwischen
den beiden Mauern, der neuen, die er bis zum Meidan hin
erneuert hatte, und der alten, worin sich das Bab-on-Nassr
befindet. Hier ist auch die Scheidemauer, die Nur-od-Din er
baute. Der Bau des Dar-ol-Adl begann im Jahre 585. Der
Melik-of-Sähir liess es sich auch angelegen sein, den Graben
der Griechen zu vollenden. Er ward so benannt, weil die
Griechen ihn gegraben hatten, als sie Haleb belagerten, in den
Tagen des Seif-ad-Dewle Ben Hamdän. Dieser Graben lauft
vom Schloss des Scherlfs bis zum Tliore das zur Stelle
Makäm-Ibrahim führt, und das unter dem Namen Bab-on-Nefis
bekannt ist. Hierauf geht der Graben der Griechen an diesem
Thore vorüber östlich bis zum Thore Bab-on-Neireb
dann wendet er sich nördlich bis zum Thore Bab-ol Kanät,
ausserhalb dem Thore Bab-ol-Erbäin , von dem man nach Ban-
kusa (Lyil*) geht. Dann geht er nördlich von el-Dfchobeil bis
dass er in den Stadtgraben mündet. Der Melik-os Sahir lfess
die Erde herauswerfen und an dessen Rand auf der Seite der
Stadt aufhäufen, so dass dieser Ort sehr erhöht ward und einen
Abhang gegen den Graben bildete, der dadurch an Weite und
Tiefe gewann. Dadurch erhielt auch die Stadt einen ausser
ordentlichen Grad von Festigkeit. An diesen Graben an erbaute
• . c t
man in den Tagen des Melik-ol-Asis Mohammed Ben Melik-
of-Sähir Ghafi eine Mauer aus Ziegeln. Später erbaute der
Atabeg Schihäb-od-Din Togrulbcg einen grossen Thurm gegen
über dem ehemaligen Kalkofen (^IsUl und den Gräbern
der Juden im Norden von Haleb. Diess geschah nach dem
Jahre 020. Der Atabeg Togrulbeg befahl den Steinmetzen
weisse Steine aus dem Graben der Griechen zu hauen, seine
Absicht war dabei, denselben zu erweitern und tiefer zu machen,
die Stadt gewann dadurch an Festigkeit. Das sogenannte
Schloss des Scherif ist kein Schloss, sondern in dem Zustande
in dem es sich jetzt befindet nur eine Mauer, welche die Stadt
umgibt. Es ist auf dem Berge, der im Süden an die Stadt
*
219
stösst, erbaut und dessen Mauer lauft um die Mauer der Stadt
herum. Der Scherif Ebu Ali-ol-Hasan, Ibn Hibet-Olläh-ol-Hä-
fchimi, Mokaddem-ol-Ahdas ) .io.'i! ^ jju) in Haleb, das ist
Präfect der Stadt gewann grosse Macht und Ein
fluss. Er übergab zwar die Stadt an den Ebu’l Mekärim Mo-
sellim Ben Koreifeh, doch als Moselliin getödtet ward, bemäch
tigte er sich der Statthalterschaft der Stadt und Salim Ben
Mälik-ol-Okails setzte sich in Besitz der Citadelle von Haleb.
Da erbaute der Scherif sein Schloss, das nach ihm Kalaat-
ofch-Scherif, d. i. Schloss des Scherif genannt ward, im
Jahre 478, aus Furcht, dass ihn das Volk von Haleb tödten
möchte, und trennte das Schloss von der Stadt durch eine
Mauer, Hess auch einen Graben graben, dessen Spuren noch
jetzt übrig sind; doch sind sie sehr verborgen, schwer
zu erkennen und unbekannt. Als Schenes-ol-Molük Alb-
Arslän sich der Stadt Haleb bemächtigte, befolgte er die
Handlungsweise seines Vaters in Bezug auf die Ismailiten. Er
erbaute ihnen in Haleb ein Ordenshaus jilj!_>). Sie ver
langten von ihm, dass er ihnen die Citadelle übergebe. Er ent
sprach auch ihrem Ansuchen. Aber der Kadhi Ebu-ol-Hasan
Ibn-ol-Chaschschäb tadelte diese Nachgiebigkeit, trieb sie aus
der Citadelle hinaus, nachdem er ihrer .300 getödtet und 200
zu Gefangenen gemacht hatte. Ihre Köpfe wurden in der Stadt
herumgetragen. Diess ereignete sich im J. 50S. Die oben er
wähnte Mauer ward zerstört als im Jahre d. H. 510 Ilghäfi Ben
Ortok Haleb besetzte. Die Stadt kehrte nun in ihren alten Zu
stand zurück. In der Folge befahl der König en-Nässir Sfälih-
od-Din Jusuf Ibn-ol-Melik-ol-A’fif Mohammed Ibn-ol-Melik-of-
Sähir Gbajäs-od-Din Ghäfi Ibn-ol-Melik-ol-Nässir Sfaläh-od-
Din Jusuf Ben Ejjub die Thürme der Wälle von Haleb wieder
aufzubauen im Jahre d. H. 642, vom Thore Bab-ol-Dfchinän bis
zum Bab-Kinnisrin, also vom nördlichen Ende der Stadt bis
zum südlichen, lauter grosse Thürme, von denen jeder wie
eine Burg oder ein Schloss für sich allein aussieht. Der Bau
ward sehr fest ausgeführt,im Ganzen etliche zwanzig Thürme. Die
Höhe jedes Thurmes betrug 40 Ellen und der Umfang
derselben 40 bis 50 Ellen. Jeder Thurm hatte verdeckte Gänge,
16 *
220
welche die Vertheidiger vor den Steinen der Wurfmaschinen
und Pfeilen schützten. Vom Fusse der Mauern und Thürme ging
ein Abhang in den Graben hinunter, so dass alles wie ein grosses
Schloss aussah, ebenso war auch die Höhe bedeutend. Dadurch
ward die Stadt ausserordentlich befestigt, und als die Tartaren
Haleb belagerten und mit den Einwohnern den Kampf begannen
und endlich unverrichteter Dinge abziehen mussten , ward
die Stadt in Vertheidigungszustand gesetzt und befestigt. Die
Mauern der .Stadt hatten 128 Thürme und Vorwerke (*j x>) und
der Umfang derselben, ohne den Umfang der Citadelle zu rech
nen, betrug 1520 Ellen, die Thore sind 49 an der Zahl und
die Zahl ihrer Vorwerke ist 48. Die Mauern Haleb’s verblieben
in diesem Zustande von Festigkeit und Uneinuehmbarkeit, wie
wir erwähnt, bis Hulaku imr Jahre d. H. 658 die Stadt eroberte.
Er zerstörte ihre Mauern und Thürme auf das völligste. Ebenso
ward auch die Citadella verwüstet, bis dass sie neu aufgebaut
ward in den Tagen der Herrschaft des Melik-ol-Elfhref Chalil
Ben Kilawun, so wie berichtet werden wird. Was aber die
Mauern der Stadt anbelangt: so blieben sie in diesem Zustande
bis zu der Zeit als der Emir Seif-od-Din Gümüfclibogha
el-Hamawi im Jahre d. H. 693 die Statthalterschaft über die
Stadt antrat. Er Iiess die Mauern der Stadt wieder herstellen
und Hess Thore bauen, die geschlossen werden konnten. Zwi
schen dem Bab-on-Nassr und Bab-ol-Dfchinäu war ein Thor,
das Bab-ol-Ibäre genannt ward; es ward zu dieser Zeit erbaut
und erneuert und Bab-ol-Feredfch genannt. Es war zwar schon
in alten Zeiten in Haleb ein Thor, das Bab-ol-Feredfch ge
nannt ward, doch befand sich dieses in der Nähe des Thores,
Bab-ol-Aäfige, anstossend an den Palast, nach welchem heut
zu Tage der Chankah-ol-Kassr benannt wurde. Der Köuig ef-
Sähir Ghäfi Hess es niederreissen. Die Mauern Haleb's blieben
nun in diesem Zustande, bis Timurlenk die Stadt eroberte,
verwüstete und verbrannte und zum zweiten Male ihre Mauern
niederreissen Hess. Alle Statthalter, die nach Haleb kamen,
befahlen einzelne Theile von den Mauern aufzubauen, ohne
höheren Befehl, bis endlich der Melik-ol-Muejjed Scheih zur
Herrschaft gelangte und zum dritten Male nach Haleb kam im
221
Jahre d. H. 820. Er besichtigte selbst den Zustand der alten
Mauern der Stadt, stieg zu Pferde und umritt sie; ich war (fügt
Ibn ofch-Schihne hinzu) mit ihm. Er gab Befehl, dass sie so
wieder aufgebaut werden sollten, wie sie in alten Zeiten waren,
vom Thore Bab-ol-Iräk bis zum Thore Bab-ol-Erbäin, auf,
eine solide Weise; dessgleiehen sollte auch die äussere Mauer,
die sich auf der Seite des Grabens der Griechen befindet, wieder
hergestellt werden. Dieses Werk ward wirklich begonnen und
er befahl Geld sowohl in Haleb und dessen Gebiet, als auch
in anderen Ländern zu sammeln. Der Verfasser des Werkes
berichtet: lieber den Bau setzte er den Alem-od-Din Suleiman
Ibn-ol-IIäni, den Wesir. Er riss viele Moscheen und Medreseen
nieder und bemächtigte sich vielen Gutes auf widerrechtliche
Weise und herrschte despotisch. Dadurch entstand für das Volk
ein bedeutender Schaden. Die Häuser und Moscheen, die an
der Stelle, wo die alte Mauer stand sich befanden, wurden
niedergerissen. Hätte diess länger fortgedauert, so wäre noch
mehr Schaden entstanden. Ibn-ol-Chatib berichtet : Der Bau
ward sehr fest ausgeführt und grosse Thürme erbaut. Der Bau
dauerte drei Jahre. Man fing den Bau von der höchsten Stelle
des Schlosses des Scherifs an und ftfhfte ihn von der östlichen
nach der westlichen Seite fort. Der Bau ward bis nahe zum
Bab-ol-Dfchinän fortgeführt, von der westlichen Seite; von
der östlichen Seite bis nahe gegenüber der Moschee Dfchämi’-
ot-Tawäfchi. Ibn Schihw fügte hinzu, der Bau erstreckte sich
weiter als gegenüber der Dfchämi’-ot-Tawafchi bis gegenüber
dem Hämmam-of-Seheb. Derselbe liess auch noch die Grund-
r
festen zu dem Thore legen, das er anstatt des Bab-ol-Iräk
zu erbauen befohlen hatte; ferner liess er noch ein Thor bei dem
Thore Bab-ol-Erbain hauen, so wie es vor Alters war. Als der
Bau so weit vollendet war, starb der Melik-ol-Muejjed. Hierauf
befahl der Sultan ol-Melik-ol-Efchref Birsebäi die äusseren
Mauern zu erbauen, so wie die am Graben der Griechen, und
liess das niederreissen, was auf der Seite der Moschee Dfchämr-
ot-Tawäfchi war erbaut worden. Von der Strasse Bifä an
liess er den Bau niederreissen. Ibn-ofch-Schihne sagt: Doch
geschah diess erst als die Pfeiler des Thores erbaut worden
waren, welches er hier zu errichten befohlen hatte; Hierauf
222
begann er es daselbst auszubauen. El-Efchref sandte hierauf
wegen des Baues der Mauern den Kadhi Seiu-od-Din Ben A’bd-ol-
Bäsit den Intendanten der ägyptischen Truppen
Dieser nahm das Mass der Mauern und in seiner Gegenwart
ward der Bau begonnen im Schäbän 831. Hierauf kehrte er
nach Kähira zurück und erstattete darüber dem Sultan Bericht,
der in seinem Entschlüsse verharrte. Er beauftragte den Emir
Seif-od-Din Bek, den Statthalter der Citadelle von Haleb mit
dem Bau. Er gab sich alle Mühe, begann den Bau und Gott
liess ihn durch seine Hände beendigen. Den Mosliinen aber
verursachte der Bau in den Tagen des Efchref keinerlei Scha
den und Nachtheil oder Beschwerde, denn was er auf den Bau
ausgab , war von den Einkünften der blühenden Städte, welche
er darauf verwendete. Er baute die Mauer auf ihren alten
Grundfesten aus grossen Steinen auf. lbn-Scheddäd sagt:
Der grüne Meidan ist 750 Ellen lang und seine Breite von
Süden beträgt 50 Ellen und von Norden 70 Ellen. Die Länge
des Meidans des T'hores Bab-Kinnisrin beträgt 1150 Ellen.
Der Meidan des Thores Bab-ol-Jräk ist 520 Ellen lang und
von Süden 85 Ellen breit und von Norden 150 Ellen. In den
Nachträgen zu Ibn-oY-Chatib wird nach Ibn-Scheddad’s Citirung
berichtet, dass der Melik es-Sähir Ghäfi, als er die Erneuerung
der Mauern vom Thore Bab-oI-Dfchinän bis zum Bordfch-of-
Sääbin anordnete, das neue Thor (Bab-oI-Mostedlchidd) und die
Scheidemauer niederreissen liess. Die Mauer und Thür me wur
den der ehemaligen Höhe der Mauern gleich aufgebaut, so dass
diese Art Stelle eine der festesten ward. Ibn-Scheddad sagt:
Die Citadelle von Haleb war aber damals nicht mehr fest, die
Mauern derselben waren vorher niedergerissen worden und die
Könige pilegten nicht mehr daselbst zu wohnen.
VI. Capitel. Lieber die Thore von Haleb.
Ibn-Scheddad sagt: Das erste der Thore auf der südlichen
Seite der Stadt ist das Thor Bab-Kinnisrin, dcsshalb so genannt,
weil man aus demselben gen Kinnisrin ziehl. Es ist möglich,
dass es von Seif-od-Dewle-lbn-Ilamdän erbaut ward, weil an
dessen Seite ein Thurm steht auf dem sein Name zu lesen ist
Jn der Folge stellte es der König el Melik-on-Nässir Jusuf Ibn-
22a
ol-Melik-ol-Afif Ibu-ol-Mclik-of-Sähir Ghäfi oI-Melik-on-Nassir
Sfaläh-od-din Jasnf Beil Ejyüb im Jahre 654 wieder her und
liess die Steine zu dessen Bau von einem Thurme bei den
östlich von Haleb gelegenen VVasserrade herbeibringen, welcher
Thurm einer der Thürme des Schlosses war, das Mosclliin Bea
A'bd-ol-Melik erbaute. Man brachte zu diesem Thore die Thor
flügel von Rakka, welche früher in den Mauern von Amuirije
(waren, und dieses ist die Stadt Ankurija !).
Als der Beherrscher der Gläubigen Mötesstam Billäh diese Stadt
im Jahre d. H. 220 eroberte, liess er die Thorflügel nach Serr-
menrä übertragen, nachdem er diese Stadt im Jahre d. H. 221
zu bauen angefangen hatte. Als diese Stadt in Verfall geriet!),
wurden sie nach Rakka übertragen. Ueber diesem Thore erbaute er
gewaltige Thürme und Wohnorte für die Soldaten
so dass es gleichsam ein mächtiges und hohes befestigtes Schloss
ward. Er baute auch daselbst Mühlen, Backöfen, Oehlbrunneu
und Cisternen zur Aufbewahrung des Wassers, liess auch Waf
fen hin tragen und befestigte es. lbn-Schaddad erzählt: Ein wun
derbares Zusammentreffen ist das, was mir der Kadhi-ol-Kud-
hat Kemal-od-Din Ebu Bekr Ahmed Ben Ebi Mohammed, der
unter den Namen Ibn-ol-Isnäd bekannt ist und der Kadhi-ol-
Kudhät Medfchd-od-Di» Abd-or-Rahmän, der unter den Namen
Ibn-ol-A’dim bekannt ist erzählten. Sie sagten: Eines Tages
begaben wir uns auf Besuch zum Scheich-oss-Sfalih Scherf-od-
Din Mohammed BenMusa’l-Hauräni, der ausserhalb Haleb’s wohnte.
Zufällig traf es sich, dass, als wir zu ihm kamen, die Thor
flügeln von Rakka aufgestellt werden sollten. Wir kamen dar
auf zu sprechen. Da sagte uns der »Scheich, am Tage, wann
diese Thorflügel zerstört werden, kommt einer, der die Stadt
erobert und der dieses Thor und die übrigen Thore der »Stadt
verwüstet. »So traf es wirklich ein. Denn als die Tartarcn Haleb
eroberten, war dieses Thor das erste, das zerstört ward. Als
hierauf die Tartaren vertrieben wurden und der Melik-of-Sahir
Ebu’l Feith Beibers sich der Stadt bemächtigte, liess er das
Eisen womit das Thor beschlagen war, so wie die Nägel heraus
nehmen und nach Damaskus und Kähira transportiren. Auf die
ses Thor folgt im Osten das Bab-ol-Irak, welches so genannt
224
<
ward, weil man aus demselben gegen Irak geht; dieses Thor
ist alt und auf einem der Thürme daselbst ist der Name: Ebu
Olwan Semäl Ben Sfälih Ben Dermirdasch zu lesen: Derselbe
lebte in Haleb nach dem Jahre d. H. 420. Vor diesem Thore
ist ein Meidan, den der Melik-oI-Aädil Nur-od-Din Mahmud Ben
Sengi im Jahre 550 vollendete, es hat zwei Thore. Ibn-ol-Cha-
tibsagt: Von diesem Thore bleiben keine merklichen Ueber-
reste mehr übrig. Der Ort wo dasselbe stand ist jetzt nördlich
von der Moschee Dfchami’-ot-Tawäfchi, beim Baade llammam-
of-Seheb. lbn-ofeh-Schihne sagt: Diess ist richtig, ich sah selbst
dort eine grosse Halle mit einen» grossen Portale, mit zwei Mas-
staben von Marmor und einem schönen gew’ölbten Gange (J^l, L,).
ln der Folge liess der Melik-ol Muejjed Scheich, als er die
Mauern niederreissen und so hersteilen wollte, wie sie in alten
Zeiten waren, auch diese Halle niederreissen, und das Thor ol-
F’rata wieder herstellen. Es ward die Halle also niedergerissen
und das Thor neu aufgebaut, so wie es früher war. Als aber
Muejjed starb, ward dieses Thor wieder beseitigt, und die Wie
derherstellung der Mauer aufgegeben. Auf dieses Thor folgt öst
lich das Bab-dar-ol-Aadl, durch welches nie ein anderer ritt,
ausser dem Melik-of Sahir Gfajas - od - din Ghafi. Er ist es, der
dasselbe ei’bautc. Auf dieses folgt östlich das Bab-oss-Sfaghir.
Dieses ist das Thor , aus welchem mau vom Platze unter der
Citadelle von Seite des Grabens derselben und des Clian-
kah-ol-Kassr zum Dar-ol-Adl kömmt. Ausserhalb derselben
befinden sich die beiden Thore, die der Melik-of-Sähir Ghafi,
in den Mauern, welche er an Dar-rol-Adl aufgebaut hatte, ma
chen liess. Das eine von diesen Thoren heisst das Bab-oss-Sfaghir,
und führt zum Rande des Grabens der Citadelle, und aus dem
selben geht man zu dem oben erwähnten Meidan. Das andere
versperrt das erstere. Dem ersten Bab-oss-Sfaghir, ist das Bab-
ol-Erbäin nahe. Durch lange Zeit blieb es vermauert, hierauf
ward es wieder eröffnet, es hat zwei Thüren. Ueber den Ur
sprung des Namens dieses Thores hegt man verschiedene An
sichten. Einige sagen, es seien vierzigtausend aus diesem Thore
ausgezogen und nicht wieder heimgekchrt, darnach sei es be
nannt worden. Ibn-el-Chatib erzählt, es sei nur ein einziger
Mann heimgekehrt. Seine Frau sah ihn vom Fenster, als er
225
ins Haus trat, und sagte zu ihm : Du kommst als Verspäteter
(oLt^a)* Da antwortete er: Ein Verspäteter ist, wer nicht
kommt. Andere geben als Ursache des Namens an, dass in der
Moschee, die sich innerhalb des Thores befand , vierzig Re
ligiöse , oder wie Andere berichten, vierzig der Ueberliefe-
rungen kundige Männer oder vierzig Scherife lebten , und auf
der Seite der Anhöhen bei der Moschee ist ein Friedhof, der
für Scherife bestimmt ist. Ibn-ol-Chatib, berichtet : Das Thor
Rab-ol-Erbäin ward zerstört, und es blieben nur dessen Trüm
mer übrig, als bis der Sultan ol-Melik-el-Eschref Birsebai die
äussere Stadtmauer aufzubaueu befahl, und der letzte Rest von
den Steinen des Thores verschwand , so dass jetzt nicht ein
Stein mehr davon übrig ist. Ibn - Scheddad sagt : zwischen
diesen drei Thoren, nämlich: dem Thore Bab-ol-Iräk , Bab-afs
Sfaghir und Bab-el-Erbäin , liess der Sultan-ol-Melik-of-Sähir
Ghajas-od-Du Ghafi einen Hügel aus der Erde errichten, die
aus dem Graben der Griechen gegraben ward, und nannte diesen
Hügel: el-lnwatir (^"1^1). Ebn-osh-Sehihne fügt hinzu: Es
scheint, als ob dieser Namen von dem Worte (ä/d^ll) Wetire
abgeleitet wäre, welches so viel bedeutet: als einen Weg am
Berge; denn diess wäre auch ganz mit dem Worte: Tewatir
der Fall; ferner bedeutet es kurzweg den Weg oder auch eine
wüste Erde, welches ebenfalls auf das Wort : Tewatir sich
anwenden lässt; eben so auch : grobe Erde, auf welche Bedeutung
auch Tewatir passt. Diesen Hügel umgibt von Osten das Schloss
des Scherif bis zum Thore Bab-ol-Ranät Er öffnete
daselbst drei Thore, deren Bau er jedoch nicht vollenden konnte,
sondern die erst von-seinem Sohne dem Melik-ol-Afif Moham
med ausgebaut wurden. Das südliche dieser Thore ward Bab-ol-
Makam genannt, desshalb , weil man von demselben zur Stätte
Ibrahims
Jetzt ist es unter dem Namen
Bab-on-Nei'is bekannt. Ein Mann war daselbst als Isfasalar auf
gestellt; dieses Wort ist persisch, und bedeutet so viel
als Vorsteher einer Sache und oft. nennt man ihn
jetzt Motewells-ol-Hadschr ( iy ^\ i* 1 dem Sinne, dass ihm
226
das Verbot und die Erlaubnis, in dein was die Stadt
oder die Citadelle, oder das Thor betrifl't, zukommen. Auf
dieses Thor folgt im Osten das Thor Bab-on-Neireb , so ge
nannt, weil man von diesem Thore zu einem Dorfe kömmt, das
diesen Namen führt. Auf dieses Thor folgt das Bab-ol-Kauät,
so genannt, weil die Wasserleitung (iUä), die der König of-
Sähir von Hailam (_o %=-.') zur Stadt führte, an dem Thore
vorüberfliesst. Ibn-osch-Schihne fügt hinzu, jetzt ist dieses Thor
unter dem Namen : Thor von Baukusa bekannt, weil man aus
demselben nach Baukusa geht. Baukusa ist ein grosses Stadt
viertel, ausserhalb der Mauern auf der östlichen und westlichen
Seite der Stadt gelegen. Daselbst befinden sich grosse und kleine
Moscheen, Bäder, Bazare und Buden, und es ist jetzt ein bedeu
tender Handelsplatz JÜ* Zwischen dem Thore
Bab-on Neireb und Bab-ol-Kanät ist ein kleines Thor, jetzt
unter dem Namen Bab-Chandak Baludsch bekannt; dieses Thor
steht auf der Erde , die aus dem Graben der Griechen heraus
geworfen wurde; darauf erbaute man Mauern aus Ziegeln in
den Tagen des Melik-el-Afif, hierauf wurden diese Mauern aus
Ziegeln umgeäudert und aus Steinen aufgebaut. Ibn Scheddäd
sagt: Auf das Bab-ol-Erbäin, dessen vorher Erwähnung geschah,
folgt auf der nördlichen Seite das Bab-on-Nassr, das vor Alters
unter dem Namen Bab-ol-Iehud bekannt war; weil das Juden
viertel sich innerhalb, und die jüdischen Grabstätten sich ausser
halb derselben befanden. Der Melik-of-Sähir missbilligte diesen
Namen und nannte es Bab-on-Nassr, welcher Namen den
früheren verdrängte, so dass es jetzt nur unter dem Namen
Bab-on-Nassr bekannt ist. Ibn-osch-Schihne macht hiezu die
Bemerkung: Offenbar muss eine Ursache vorhanden gewesen
sein, welche diesen Namen veranlasste; doch führt weder
Ibn-Schaddäd noch ibu-ol Chalib eine Ursache an. Der Ver
fasser des Werkes sagt: dieses Thor veränderte der Melik-of-
Sähir. Es hatte zwei Thüren, aus diesen kam man in eine Bo-
schura und von dieser erst ins Freie. Er riss es nieder und
baute an dessen Stelle vier Thore, jedes dieser Thore mit einem
Dergah d. i. Thorweg). Von einem dieser Dergahe ge
langte man zum anderen durch ein hohes festgebautes Gewölbe.
22?
Darüber erbaute er auf beiden Seiten hohe Thürine, die eben
falls sehr fest gebaut waren. Von diesem Thore führte eine ge
wölbte Brücke über den Graben. Ausserhalb dieses Thores waren
sehr hohe Hügel von Erde , Asche und den (Trümmern der)
Kirchen der Stadt. Er liess diese Stellen ebnen und baute da
selbst Buden, worin Getreide und Holz verkauft wurde, lbn-ol-
Chatib berichtet in Bezug auf dieses, dass ehemals zwei Thore
an diesem Orte waren, aus welchen man zu einer Bathura ge
langte. Ibn-osch-Schihne bemerkt hiezu: Die Bathura ist ein
Stück Land ausserhalb der Stadtmauern , welches von beson
deren Mauern umgeben wird, die es vom Stadtgraben scheiden.
Von dieser Bathura erst gelangt man aus der Stadt hinaus.
Ibn Scheddad sagt : Auf dieses Thor folgt das Bab-ol-Feradis,
welches auf der östlichen Seite der Stadt gelegen ist. Der Melik-
of-Sähir Ghajas-od-diu Ghali erbaute es und errichtete darüber
hohe, feste Thürme. Nach seinem Tode ward es vermauert und
blieb so bis es der Melik-on-Nässir, sein Enkel, eröffnen liess.
Ibn-Schihne bemerkt: Dieses Thor wird von Ibn-ol-Chatib nicht
aufgeführt, überhaupt ist sein Bericht vom Verfalle der Stadt
mauer Ilaleb’s sehr flüchtig geschrieben. Das Bab-ol-Feredsch
wird auch Bab-ol-Abbäre genannt; auch noch ein anderes Bab-
ol-Feredsch wird in der Nähe der Citadelle angeführt. Bei der
Aufzählung der Thore aber führte er ein Bab-ol-Dschinan an,
vielleicht hielt er diese beiden für Eines, weil Dschinan soviel
als Ferädis bedeutet, dieses letztere (d. i. das Bab-ol-Ferädis),
ist jezt unter dem Namen Bab-ol-Feredsch bekannt, einige nennen
es auch Bab-ol-Ibbäre , >L). Der Verfasser des Werkes
sagt: Auf dieses Thor nämlich das Bab-ol-Dschinan, folgt das
Bab-Antakije, welches diesen Namen erhielt, weil man aus dem
selben nach Antakije zieht. Nikefor, der König der Griechen,
zerstörte dieses Thor als er sich im J. d. H. 35 Haleb’s be
mächtigte. Als Seif-od-Dewle zurückkehrte, haute er es wieder
auf und so blieb es stehen bis es der Melik-on-Nassir Shalah-
od-Din Jusuf niederreissen liess und vou neuem aufbaute. Er
begann diesen Bau im J. 643, und beendigte denselben im
J. 645. Er erbaute bei dem Thore zwei gewaltige Thürme, so
wie auch Dergahe und Gewölbe (Lli>.), eines über dem andern;
jji.niw Hl -
228
es hat zwei Tliüren. ILm-osh-Schiline berichtet: Auf dieses Thor
folfft das Bab-os-Säade, von dem man zum Meidän-ol-Hossä
f
(Lai! il>l .Uo) kömmt. Es ward von Melik-on-Nassir 645 erbaut,
er Hess auch dabei Thürme errichten. Es hat einen Dergah und
zwei Thüren. Ibn-osh Schihne sagt : Auch dieses Thor führt
Ibn-ol-Chatib nicht auf, weil es zerstört ward und keine Spur
zuriickliess. Aber als der Sultan ol-Melik-ol-Muejjed Scheich
die Wiederherstellung der Mauern anordnete, kam man auf ein
vermauertes Thor, welches vielleicht dasselbe war. Hierauf ward
es wieder vermauert. Ibn-Schedaäd sagt : Auf dieses Thor folgt
das Thor von Kinnisrin. Der Verfasser berichtet, dass vor Alters
in Haleb nur zwei Thore waren, das eine ward Bab-ol-Feredsch
genannt und war in der Gegend des berühmten Hammara-ol-
Kassr. Dieses ward vom Könige ol-Melik-os-Sähir niederge
rissen und liess keine Spur zurück. Das andere Thor war bei
der Brücke, die über den Fluss Kraik geht, ausserhalb des Bab-
Antakije, erbaut von Sima dem Langen L“ 1 ), der es Bab-
ol-Selämme nannte; dessen Spuren sind auch verschwunden. Die
Griechen zerstörten es in den Tagen des Seif-od-Dewle Ben
Hamdan. Wir werden es unter den alten Gebäuden von Haleb
anführen.
Aus dem VH. Capitel: Von der Citadelle von Haleb.
Ibn Scheddad sagt: Die Citadelle von Haleb soll von Mi
chail erbaut worden sein, nach dem Berichte anderer von Se-
lukus (^jSjLü : Seleukos) 5 der die Stadt Haleb erbaute. Die
Citadelle steht auf einem die Stadt beherrschenden Berge
und ist von Mauern umgeben. In alten Zeiten hatte sie zwei
Thore, wovon eines am Fusse des Berges, das andere oben
erbaut war, beide von Eisen ; in der Mitte zwischen beiden be
fand sich ein Brunnen, der künstlich ausgegraben ward, zu dem
man 125 Stufen hinabsteigt, die unter der Erde ausgegraben
und von Oeffnungen, aus denen man Wasser ziehen konnte, durch
bohrt waren, je zwei und zwei, von welchen die einen das
Wasser den andern zuführen. In der Citadelle befand sich ein
Kloster der Christen, worin einmal ein Weib durch 17 Jahre
eingeschlossen wurde. Der Verfasser der Charidet-ol-Adfchäib
229
sagt: Die Citadelle von Haleb ist fest und man sagt, dass in
ihren Fundamenten sich 8000 Säulen vorfinden. Ihre Capitäler
sind am Abhange des Berges sichtbar. Die Mauer der Citadelle
steigt dann von beiden Seiten der Citadelle zur Stadt herab.
Es heisst, dass Chosroes Anufchirwan, als er Haleb eroberte
und die Mauer von Haleb erbaute, wie wir bereits berichtet
haben, auch einiges an der Citadelle baute. Als Ebu Obeide
die Stadt eroberte, waren die Mauern der Citadelle neu aufge
baut, da das Erdbeben, welches Haleb vor der Eroberung be
traf, die Mauern der Stadt und des Schlosses verwüstet hatte.
Doch war diese Wiederherstellung der Mauern nicht fest, dess-
lialb riss er sie zum Theile nieder und baute sie neu auf. Ebenso
haben auch die Beni Ommeje und Beni Äbbas daran Spuren
zurückgelassen. Als Nikefor im Jahre 351 sich der Stadt be
mächtigte, wie schon früher berichtet worden ist, vertheidigte
sich das Schloss gegen ihn. Es hatten sich eine Anzahl Aliden
und Häfchimiten dahin zurückgezogen und es schützte sie, ob
gleich damals die Mauern in keinem guten Zustande waren, denn
sie waren zerstört worden, so dass sie sich mit ihren Händen
und Satteldecken vor den Pfeilen der Feinde abwehren mussten.
Nikefor liess diese Feste berennen. Ibn Molla berichtet in seiner
Geschichte, dass der Schwestersohn des Königs Nikefor, so be
gierig war die Feste zu erobern, dass er Schwert und Schild
nahm und gegen die Festo stürmte. Der Weg, auf dem man der
Feste nahen konnte, war so enge, dass nicht mehr als eine
Person Platz hatte. Als er nun zur Feste hinanstieg, Hessen
ihn die Vertheidiger bis ganz nahe zum Thor kommen und war
fen dann einen Stein auf ihn herab, der ihn tödtete. Die Grie
chen brachten desshalb 12,000 moslimische Gefangene um.
Andere Berichte geben eine noch höhere Anzahl an. Nikefor
kehrte hierauf in sein Land zurück und that den Bewohnern
der Dörfer nichts zu Leide. Er sprach zu ihnen: Säet; denn
diess ist mein Land und nach Kurzem werde ich zu euch wieder
kehren. Die Anzahl derer, die in Haleb von den Griechen zu Scla-
ven gemacht wurden, beträgt über 10,000 Knaben und Mädchen.
Nachdem Nikefor 8 Tage in Haleb verweilt batte, während welches
Zeitraumes getödtet, geplündert, verwüstet und gesengt w'ard,
verliess er endlich die Stadt am Mittwoche im Neumonde des Monats
230
Si’I-Hiddfche, der Verfasser des Werkes spricht: Von dieser Zeit
an gaben sich die Könige alle Mühe, die Citadelle zu erbauen und
zu befestigen. Seif-od-Dewle erbaute Theile davon, als er die
Mauern Haleb’s herstellte. Sein Sohn Säd-od-Dewle, der ihm in
der Herrschaft nachfolgte, erbaute ebenfalls einen Theil derselben
und bewohnte sie, nachdem er das zu Ende geführt hatte, was
sein Vater zu bauen begonnen hatte. Dessgleichen erbauten auch
die Benu Merdas ein Stück und erneuerten die Mauern.
Dasselbe tliaten die Könige, welche ihnen nachfolgten bis Imäd-
od-Diu Ak Sonkar zur Herrschaft gelangte und nach ihm sein
Sohn I’mäd-od-Din Sengi; diese beiden befestigten sie und Hessen
herrliche Spuren daselbst zurück. Taghtekin erbaute daselbst
einen neuen Thurm auf der südlichen Seite und ein Magazin
zur Aufbewahrung des Proviantes, worauf sein Name zu lesen
ist. Auch Nur-od-Din Ben Imad-id-Din erbaute darin viele Ge
bäude und errichtete einen Meidan, liess ihn mit Gras bepflanzen,
wesshalb derselbe den Namen Meidän-cfl-Achdhar, d. i. der grüne
Meidan, erhielt. Ebenso baute auch sein Sohn der Melik-oss-
Sfälih eine alte Baschure neu auf und schrieb seinen Namen dar
auf. So ward der Bau der Citadelle stets 'fortgeführt, bis sie
in den Besitz des Melik-on-Nässir Sfaläh-od-Din Jusuf Ben Ejjub
kam ; dieser verlieh sie seinem Bruder Melik-ol-Aädil Seif-od-
Din Ebi Bekr, der daselbst einen Thurm und einen Palast
für seinen Sohn Felek-od-Din erbaute, der noch heutigen Tages
nach dessen Namen benannt wird. Als der Melik-of-Sähir Gha-
jaf-od-Din Ghäfi sich der Citadelle bemächtiget hatte, befestigte
und verschönerte er dieselbe. Er baute daselbst eine grosse
Cisterne und Magazine für das Getreide und liess die daselbst
befindliche Baschure einreissen. Ebenso liess er den Hügel, auf
dem die Citadelle steht, steil abgraben und mit Steinen die Her
kali heissen , belegen. Dessgleichen erhöhte er auch das
Thor auf dem Ort, wo es jetzt steht. Anfangs war das Thor
nahe der Stadt und stand in Verbindung mit der Baschura.
Diese stiirtzte ein im Jahre d. H. 600 und tödtete im Sturze
viele Leute, unter andern auch den Ustäd (spanisch: Usted)
Säbit Ben Säwis (nach einer andern Leseart: SaVis ( . oder
yxS), welcher die südliche Mauer der grossen Moschee von Haleb
231
erbaut hatte, worin sich der Mihräb-oss-Sfahe, d. i. Mihrab der
Vorhofe, befindet. Der König el-Melik-of-Sähir erbaute vor die
sem Thore eine Brücke, die sieh bis znr Stadt erstreckte. Vor
dem Thore erbaute er zwei Thürme, deren gleiche niemals er
baut wurden. Er erbaute an der Citadelle fünf Dergahe (Ibn-
ofch-Schihne bemerkt hiezu der Dergah ist die Stelle die hinter
dem Thorflügel ist und auf welche dieser sich stützt), mit ge
wölbten Gängen und Spitzgewölben LU-.),
wozu Ibn-ofch-Schihne die Bemerkung macht: Unser Scheich
sagt im Kamus: das Wort ^.jl bedeute eine Art von Gebäuden;
allein diese Erklärung befriedigt nicht den Wissbegierigen, ln
dem Lisan-ol-A’rab wird folgende Erklärung gegeben: Der
ist ein Zimmer das in die Länge erbaut ist und auf Persisch
Adistan genannt wird (ötuol L*ylAll>
es ist aber offenbar, dass es an diesem Orte soviel als eine Art
von Gewölbe bedeutet, die Kabwe (Ijü) genannt wird, während
die Lk>- jene Gewölbe bedeuten, welche scharf gebogen sind
(jVcl aJL ILsL l 5 ). Ferner liess er drei Thore
von Eisen verfertigen; jedes dieser Thore hat seinen Pförtner
und Aufseher innerhalb derselben erbaute er
Orte zum Aufenthalte der Soldaten uud der Würdenträger
(Älj jJ I und hing darin Kriegswerkzeuge auf. Er eröffnete
noch ein anderes Thor östlich vom grossen Thore und erbaute
daselbst einen Dergah, der niemanden eröffnet wurde, als ihm
wenn er ins Dar-ol-A’dl sich begab. Der Bau dieses Thores
und desjenigen, das er vor demselben erbaute, endete im Jahre
611 am 24. des Monats Ramadhan. Bei Gelegenheit als man
die Erde des Schlossgrabens ebnete, fand man 19 Ziegel aus
lauterem Golde, die 97 Rotl Halebinischen Gewichtes wogen:
Das Rotl hat 720 Dirchem. Ferner erbaute er daselbst noch
eine Satura zur Aufbewahrung des Wassers, mit fest gebauten
Stufen bis zur Quelle hinab, welche die übrigen Gebäude mit
Wasser versieht, auch einen Gang erbaute er von Norden der
Citadelle bis zum Bab-ol-Erbain. Der ganze unterirdische Gang
ist gewölbt und wird nur zur Zeit der Noth betreten und dient
gleichsam als ein geheimes Thor. Er erweiterte auch den Gra-
232
ben der Citadelle und leitete viel Wasser hinein. Am Rande des
Schlossgrabens auf der Seite der Stadt liess er Höhlen graben,
die als Gefängnisse dienten, in jeder Höhle waren beiläufig
50 Zellen oder darüber. In der Citadelle erbaute er einen Pa
last den er Där-ol-I’ff, d. i. Haus der Ehre, nannte, ifn dersel
ben Stelle wo früher ein Palast des Königs Melik-ol-Aädil
Mur-od-Din-Mahmud-Ben Sengi stand, Par-of-Seheb, d. i. goldenes
Haus genannt, so wie einen Palast Dar-ol-Awämid, Palast der
Säulen genannt, welcher alle wunderbaren und seltenen Dinge
enthielt. Darauf dichtete Refchid-Abd-or-Rahmän Ibn-on Nablusi
ein Kasside im Jahre d. II. 589, worin er unter anderen folgende
Verse singt:
Des Hauses Herrlichkeiten leuchten — in dunkler Nacht
Glüht von des Hauses Stirn des Morgens Strahlenpracht.
Die Sonne liebt’s auf dieses Haus herabzuseh’n:
D’rum will sie nie aus seinem Hofraum untergeh’n.
J läw I
j|} j
Der Verfasser des Werkes sagt: diese Kasside ist lang,
besingt nach den angeführten Versen das Wasserbecken, den
Springbrunnen und Marmor und geht zuletzt zum Lobe des
Meli Kof-Säbir über. Ich habe sie abgekürzt und nur einige
Stellen hervorgehoben, dass man daraus die Schönheit des Pala
stes kennen lerne. Um denselben herum erbaute er Häuser,
Zellen, Bäder und einen grossen Garten vor der grossen Halle
des Hauses, worin verschiedene Arten von Blumen und Bäumen
blühten. Vor dem Thore dieses Palastes erbaute er einen ge
wölbten Gang durch welchen man zu den bereits früher
erwähnten Dergahen kömmt: vor dem Thore erbaute er noch
Orte für die Schreiber der Register und die der Kriegsbuch
haltung Als er sich im Jahre 609
mit Dhaifa Chatün (oy U- der Tochter seines Ohms, des
Melik-ol-Aädil verheirathete. die nach seinem Tode in Haleb
233
herrschte, wies er ihr dieses Haus zum Wohnsitze an. Aber
am Tage nach der Hochzeit entstand eine Feuersbrunst und
das ganze Haus verbrannte mit Allem was sich an Teppichen,
Schmucksachen, Geräthen und Gefiissen darin befand, nebst
dem Serdchanah (ijläojy) am 11. Dfchumadi dieses Jahres.
Hierauf baute er das Ilaus aufs neue auf und nannte es Dar-
ofch-Schuchüss wegen der Menge der Ausschmü
ckung desselben. Die Länge desselben betrug 50 Ellen und
ebenso dessen Breite. Zur Zeit des Melik-ol-Afif Mohammed
Ben-ol-Melik-of-Sähir Ghäfi stürzten von der Ciladelle löThü-
ren mit ihren Vorwerken ein und zwar im Jahre 622. Diess
ereignete sich zur Zeit des Winters. Die Länge des eingestürz
ten Stückes betrug beiläufig 500 Ellen. Es ist diess die Stelle,
welche dem Dar-ol-Adl am nächsten ist, auch ein Theil der
Brücke, die der Melik-of-Sähir erbaut hatte, stürzte ein. Der
Atabeg Schihäb-od-Din Toghrulbeg Hess sich den Wiederauf
bau angelegen sein, rief Handwerksleute zusammen und frug
sie um Rath. Sie riethen ihm vom Schlossgraben an den Ab
hang des Berges hinanzubauen, um dem Bau Festigkeit zu ver
schaffen, und wenn er nicht so bauen würde, so würde alles
was er baue schnell wieder einstürzen und sich dasselbe ereig
nen, was sich so eben ereignet hat, und wenn ein Feind die
Citadelle berennc, so würde er nicht abgewehrt werden können.
Der Atabeg aber sah dass diess viel Geld und lange Zeit er
fordere. Desshalb folgte er diesem Rathe nicht, sondern liess
Oliven und Maulbeerbäume fällen, legte die Grundfesten in die
Erde und baute darauf. Desshalb konnten die Tartaren, als sie
die Citadelle berannten, sich derselben nur von diesem Puncte aus
bemächtigen, weil die Minierer freien Spielraum hatten. Im Jahre
62S erbaute der Melik-el-Afif ein Ilaus zur Seite des Serdchanah,
dessen Beschreibung die Gränzen der Möglichkeit übersteigt;
die Länse desselben betrug 30 Ellen und eben soviel dessen
Breite. Als die Tartaren die Citadelle am 9. Rebiul-ewwel des
Jahres 658 übergaben, bemühten sie sich die Mauern zu zer
stören und verwüsteten alles was sich daselbst befand von
Proviant, so wie das Serdchanah und die Kriegsmaschinen.
Als der Melik-ol-Mofaffir lvothos, die Tartaren bei Ain Dfohä-
Sitzb. d. philos. liistor.CI. Jahr». 1850. IV.Heft.
17
234
lut in die Flucht schlug, flüchteten auch alle in Haleb befind
lichen Tartaren. Später kehrten sie noch ein zweites Mal
nach Haleb zurück nach der Ermordung des Melik-ol-Mofaffir
Kothos. Ha sahen sie in der Citadelle einen grossen Thurm,
der als Bad erbaut wurde auf Befehl des Königs ol-Melik-ol-
Mofaffir. Sie verboten dessen Bau und verwüsteten die Citadelle
auf das vollkommenste, so dass sie keine Spur von dem daselbst
befindlichen Palaste und Schätzen, so wie auch keinen Ort in be
wohnbarem Zustande zuriickliessen. Die beiden Stätten Ibralum’s
steckten sie in Brand und man war nicht im Stande das Feuer zu
bezwingen. Diess ereignete sich im Moharem 659. (Dieser Artikel
ist dem Werke: en-Nodfcluim-of-Sahire-fi-Achbar
Moluk M issr wel-Kahira entnommen). Ibn-ol-Chatib berich
tet nach Erwähnung dessen, was wir auf seinen Bericht gestützt
oben angeführt haben : Seit der Zeit als die Mauern der Citadelle
nicht mehr fest waren, wohnten auch die Könige nicht mehr da
selbst, sondern sie hatten ihre Paläste in der Stadt. Hierauf
erzählt er die Geschichte derer, die sich im Jahre 351 in die
Citadelle von Haleb flüchteten. Dann sagt er: Verschiedene
Könige wollten hierauf das Schloss wieder aufbauen und befe
stigen ; Fefch-ol-Kala’i empörte sich in der Citadelle gegen sei
nen Herrn Mortedhi-id-Dewle Lulu : übergab sie aber hierauf an
die Statthalter des Iläkim und ward an der Stelle die Mcrkef
heisst, getödtet. Sein Schloss, nachdem der Chankah-ol-Kassr
(der Chan des Schlosses) den Namen erhielt, war in der Cita-
delle und das Bad, welches unter dem Namen Hammam-ol-Kassr
bekannt, an dessen Seite ebenso. Dieses Schloss ward in der
Folge niedergerissen um der Citadelle mehr Festigkeit zu geben
und an dessen Stelle der Schlossgraben geführt. Der Melik-of-
Sähir liess dieses Bad, das in seinen Tagen stark besucht war,
niederreisseu und verwandelte es in eine Küche zu seinem Ge
brauche. Als Afifrod-Dewle getödtet ward, ernannte Sahir und
sein Sohn Mossaussir immer einen Wali über die Stadt und
einen für die Citadelle, aus Furcht, dass sich dasselbe ereignen
möchte, was mit Afif-od-Dewle sich zugetragen hatte. Als die
Bonn Demirdafch zur Herrschaft gelangten, bew’ohnten sie das
Schloss und ebenso alle Könige, die ihnen nachfolgten und sie
befestigten dasselbe, besonders aber der Melik-of-Sähir-Ghafi,
235
der die Citadelle zugleich befestigte und verschönerte und da
selbst eine Cisterne baute. Hierauf erwähnt Ibn-ol-Chatib alles
was wir schon vorausgeschickt, bis auf die Eroberung von Haleb
durch Hulagu. Ibn Molla berichtet in seiner Geschichte, dass im
Jahre 421 Semäl Ben Sfalih sich nach Hille ausserhalb Haleb be
gab, wegen eines Zerwürfnisses mit seiner Frau. Unterdessen stieg
Nassr zu Pferde und ritt als wollte er beim Bab-ol-Irak hinaus
reiten. Als er aber dem Thore des Schlosses nahe war, zog er sein
Schwert und stürzte mit einer Anzahl seiner Anhänger, die das
selbe thaten, in das Schloss. Die Soldaten fürchteten ihn und
stellten sich ihm in den Weg. Er setzte sich in der Mitte der
Citadelle (aäIäM^S^.®) nieder und sprach : Gefehlt und schlecht ge
handelt hat der, welcher meinen Bruder mir vorzog, denn ich
bin geeigneter mit Männern mich zu balgen, er aber ist geeig
neter sich mit Weibern zu balgen. Von dieser Zeit an Hess er
am Thore der Citadelle eine Kette aufhängen, welche den Rei
ter hinderte einzureiten, und verordnete, dass niemand mit
seinen Wallen das Schloss betrete und wenn auch der In
haber derselben noch so hoch in seiner Gunst stehe. Nassr
bemächtigte sich so der Citadelle der Stadt und ernannte zu
seinem Wefir den Ebu’l-Feredfeh ol-Muemmel Ibn Jusaf,
den Diakon den Christen, der tugendhaft war und gut
herrschte. Von ihm hat das Bad, das in el-Dfcholum
ist, den Namen erhalten. Ibn-ofch-Schihne sagt: Inder Citadelle
war eine Glocke, so gross wie ein grosser Backofen. Sie war
auf einem der westlichen Thiirme aufgehangen. Der Thürmer
sehlug sie dreimal in der Nacht an. Zum ersten Male
am Beginne der Nacht um den Leuten den Schluss des Ein-
und Ausgehens in die Citadelle und aus derselben, das zweite
Mal um die Ablösung der Wachen, und das dritte Mal um die
Morgenröthe anzuzeigen. Die Ursache, warum die Glocke daselbst
aufgehangen ward, werden wir im !). Capitel angeben, wenn
wir zur Erwähnung; der beiden Stätten Ibrahirus in der Cita-
delle und so wieder auf die Citadelle zu sprechen kommen.
Die Citadelle blieb verwüstet bis auf die Tage des Sultans el-
Melik-ol-Efchref Chalil Ben Kilawun. Ibn-ol-Molla berichtet,
nachdem er die Zerstörung der Mauern und der Citadelle Halebs
17 *
236
durch Timurlenk erwähnte, folgendermassen. Die Citadcllo
hlicb verwüstet bis der Emir Seif-od-Din Dfchekem als
Statthalter des Sultans el-Melik-on-Nässir Feredfch Ben Berkuk
kam und sich für unabhängig - erklärte. Er befahl die Citadelle
wieder aufzubauen und zwang das Volk in dein Sehlossgraben
zu arbeiten und die Erde aus demselben aufzuräumen. Er betrieb
dieses Werk sehr eifrig. Ibn-ofch-Schihne sagt: Er Hess sogar
die angesehensten Männer dabei arbeiten. Das habe ich selbst ge
sehen, als ich noch jung war, an meinem Herrn Vater, dem Gott
gnädig sei, obgleich er von den Emiren einer war. Sie trugen
Steine auf ihrem Rücken. Der Verfasser desWerkes berichtet ferner:
Er riss den Basar, der unter dem Namen Suk-ol-Afi
bekannt ist, am Rande des Schlossgrabens, östlich vom Thore der
Citadelle (Bah-ol-Kaläa) nieder, dessgleichcn die Bibliothek des
Sultans Hasan, die dem Thore der Citadelle gegenüber lag. Nörd
lich vom Bade Hammän-n-Nässiri war ein grosser Bogen, dessen
nördlicher Theil an den Sehlossgraben stiess, er ward Bab-ol-
Kaus-ol-Barräni. d, i. Thor des äusseren Bogens genannt. Der an-
dere Bogen war westlich von dem soeben genannten Bogen auf
der Seite des Fferdebafar's, von dem man in die Gegend des Dar-
ol-A"dl kömmt. Der Pferdebafar lag zwischen diesen beiden Bögen.
Auch dieser Bogen war gross, grösser als der erste und ward
Bab-ol-Kaus-ob-Dfchuwani, d. i. Thor des innern Bogens genannt.
Diese liess Dfchekem niederreissen und verwendete die Steine
davon auf die beiden Thürme, die er neu aufbauen liess. Er
liess sich die Sache sehr angelegen sein und stellte die Mauern
der Citadelle in ihren früheren Zustand wieder her und erbaute
die beiden Thürme, die am oberen Thore der Citadelle stehen,
und befahl auch ein Gemach auf dem Dache der beiden genann
ten Thürme zu erbauen. Es ward erbaut, doch ward es nicht
unter Dach gebracht, im Jahre d. H. 809. Als der Melik-ol-
Muejjed Scheich zur Herrschaft gelangte und nach Haleb kam,
befahl er, dass das Gemach überdacht werde, zugleich gebot er,
dass das dazu erforderliche Holz im Gebiete von Damaschk ge
fällt werde. Man brachte es nach Haleb, es war ausserordent
lich lang und von bedeutender Dicke. Damit ward nun dieses
Gemach überdacht und ward so ein hohes und angenehmes Gemach.
237
Ibn-ofeli-Schihne berichtet: fcli glaube von meinem Olim dem Kadhi-
ol-Kudhät-Feth-od-Din oder von einem anderen gehört zu ha
ben : Dass der Emir Dfchekem einige der erwähnten Baumstämme
aus dem Gebiete von ßälbekk holen liess, doch reichten die,
welche man brachte, nicht aus und el-Muejjed befahl auch andere
zu bringen. Ihn Mulla berichtet: Dlchekem baute auch noch
zwei Thürme die am Abhange der Citadelle stehen, der eine
südlich vom Schlosse nahe beim Pferdebasar, der andere nördlich
gegenüber dem Bab-ol-Erba’iu.
Aus dem IX. Capitel: Beschreibung der grossen Moschee von Häleh.
Der Verfasser des Werkes berichtet: An der Stelle, wo
jetzt die grosse Moschee steht war der Garten der grossen
Kirche zur Zeit der Griechen. Die Kirche soll von Helena,
der Mutter Congtantin’s, des Königs der Griechen, des Erbauers
von Constantinopel erbaut worden sein. Es wird berichtet, dass
sie sowohl diese als auch die Küchen von Damaskus erbaut
habe. Wir werden bei der Erwähnung der Medreseen noch
einmal darauf zu sprechen kommen. Der Verfasser des Werkes
fährt fort: Als die Moslimen Haleb eroberten, schlossen sie
mit den Bewohnern der Stadt an der Stelle, wo jetzt die grosse
Moschee stellt, den Frieden ab. Ibn-ofeli-Schiline bemerkt hiezu
Und diess ist der Ort wo nur Gott angebetet wird, dem Ehre
und Ruhm. Ibn-Scheddäd sagt: Boliä-od-Din Ebu Moliammed-il-
Hasan Ben Ibrahim Ihn-Säid-Ibu-ol-Cliafchfchdb-il-Halebi theilte
mir mit, er habe von dem Scherif Ebu Dfchafer-oI-Halebi-ol-
Ilafchiini und dieser von einem seiner Ahnen den Beim Sfälih
vernommen, dass auf der nördlichen Seite der erwähnten Moschee
der Friedhof dieser Kirche war. Ibn-ol-Adim sagt: Ich vernahm
von Kädhi Schems-od-Din Ebi Abd-Allah Mohammed Ben Jusuf
Ben-ol-Chidhr, dass die Moschee von Haleb an Vergoldungen
und Ausschmückungen mit Marmor und Mosaik der Moschee
von Damaschk ähnlich sei, sowie dass er gehört habe der
Erbauer derselben sei Suleimann Ben Abd-ol-Melik, der sich
den Bau sehr angelegen sein liess, um dadurch ein ähnliches
Werk zu Stande zu bringen, wie sein Bruder au der Moschee
von Damaskus. Andere berichten, dass dieselbe gleichfalls von
Welid erbaut worden sei, weil er das Geräthc der Kirche von
238
Kurus ( u ojy) in die Moschee übertrug. Die^e Kirche war
eines der Wunder der Welt. Mau erzählt, der König der Griechen
habe für drei Säulen, die sich daselbst befinden 70,000 Dinare
geboten, ohne dass Welid sie ihm überliess. Man berichtet,
dass die Abbasiden alles was sich in dieser Moschee von Mar
mor und Gerätschaften befand, wegnehmen und in die Moschee
von Ambar bringen Hessen, als sie die Spuren der Ommejaden
in Syrien vertilgten und in Vergessenheit zu bringen suchten.
So blieb es bis zum J. d. H. 351 als Nikefor Haleb einnahm.
Niemand entkam, als diejenigen, die sich in die Citadelle ret
teten. Sein Schwestersohn stürmte gegen die Citadelle, aber
ein Weib schleuderte einen Stein auf ihn herab und tödtete
ihn, wie schon früher berichtet ward. Da liess Nikefor die
meisten Gefangenen tödten und verbrannte die Moschee der
Stadt. Hierauf verliess er Haleb und Seit-od-Dewle kehrte von
Kinuisrtn zurück, und baute einiges an der Moschee neu. Als
Saif-od-Dewle starb und ihm sein Sohn Ebu’l-Määli Säd-od-
Dewle Scherif in der Herrschaft nachfolgte, baute er ebenfalls
au der Moschee. Karuna der Sclave seines Vaters
baute die Kuppel des ^Springbrunnens (äjljü! iä,) die in der
Mitte der Moschee sich befindet. Der Verfasser berichtet ferners:
Die Säulen, auf welchen diese Kuppel ruht, sind 7 Spannen hoch.
Unter dieser Kuppel ist eine Wasserrose von weissem Marmor
von ausserordentlicher Grösse und Schönheit, man sagt dass
es ehedem ein Altar in einer der Kirchen von Haleb war. Um
diese Wasserrose herum ist geschrieben: Dieses befahl zu ver
fertigen Krarüu der Sklave des Seif-od-Dewlet-Ibn-Hamdan
im Jahre d. II. 354. Die östliche Seite der Moschee bauten die
# r
Kädhis aus dem Gesehlecbte der Benu Immad-od-Din, die
über Tripolis in Syrien herrschten.
Mittwoch Nachts am 27. Schewwal des Jahres 564 in den
Tagen des Melik-ol-Aädil Nur-od-Din Sengi verbrannten die
Isma'iliten die Moschee und die Bafare, die sich um dieselbe
ausdebnen. Nur-o—Din gab sich alle Mühe sie wieder aufzubauen,
liess die röthlichen Säulen aus den Steinbrüchen bei Buadin
(^oUj) holen und die Säulen der Moschee von Kinnisrin
hieher bringen, weil die in der Moschee befindlichen Marmorsäulen
239
durch den Brand sich gespalten und llisse bekommen hatten
und umgestürzt waren. Diese Fussgestelle der Säulen sowie
einige der Capitäler fand man im Vorhofe der Moschee in der
Erde. Man sammelte sie und baute sie übereinander auf an
den östlichen der daselbst befindlichen Säulengänge. Die südliche
Hälfte de östlichen Säulenganges, die sich auf der südlichen Seite
der Moschee befindet und jezt an den Seidenmarkt
stösst und dem beim südlichen Thore Eintretenden zur Rechten
liegt, war ehemals ein der Moschee als fromme Stiftung ver
machter Bafar. Die Moschee hatte nicht eine ganz regelmässige
viereckige Form. Da wollte Nur-od-Din Mahmud diesen Raum
der Moschee hinzufügen. Er befragte desshalb den Gesetzge
lehrten Älä-od-Din Ebu-l-Feth Abd-or-Rahmau Ben Mahmud
ol-Ghifnawi, der einen Gesetzspruch abgab, welcher dieses für
erlaubt erklärte. Auf dieses hin liess er den Markt niederreissen
und fügte ihn der Moschee hinzu, wodurch sie bedeutend erweitert
und für das Auffe des Beschauers verschönert wurde. Ibn-ol-
c °
Adim berichtet: Ich habe diesen Gesetzesspruch von Ghisnewi
selbst geschrieben gesehen. Er vermachte der Moschee viele
Stiftungen (Wakfe üjäj)- Ibn-ol-Chatib sagt: Was die Moschee
anbelangt, so brannte sie im Jahre 679 in den Tagender Tar-
taren nieder. Es verbrannte sie der Herr von Sis. Als At-
Sonkar Herr über Ilaleb ward, baute er sie wieder auf. Die
Leitunjr dieses Baues hatte der Kadhi Schems-od-Din Ben
o
Sfakar (^jio) el-IIalebi. Er vollendete das Werk im Redfcheb
des Jahres 684. Der Verfasser des Werkes berichtet: Ich ver
nahm, dass die vom südlichen Säulengange nördliche Mauer
die an den Vorhof der Moschee stösst, ein Ueberrest des
Baues des Nur-od-Din Machmud sei. Als der Emir Tonbogha
(Isullo) oss-Sfälihi, Statthalter über Haleb war, baute er den
östlichen Säulengang. Im Jahre 824 stürzte der westliche
Säulengang ein dessen Dach ein Spitzbogen aus Holz gewölbt
war. Der Emir Fafchbeg (JO) el-Jusufi wollte es aus Steinen
wölben lassen, begann den Bau, starb aber bevor er den
selben vollenden konnte. Der Bau ward nun auf Kosten der
Moschee fortgesetzt und das Dach mit Steinen und Kalk in Form
eines Gewölbes aufgebaut. Ibn-Scheddäd thut hierauf der Ci-
sterne Erwähnung , die sich im Vorhofe der Moschee befindet,
240
c
und erzählt, dass Ibu-ol-Adun in seiner Geschiehte berichtet
sein Vater und Ohm Ebu Ghänim hätten ihm Folgendes mit-
getheilt: In früheren Zeiten war einer aus den angesehenen
Männern Halebs Aufseher über die Stiftungen der Moschee von
Ilaleb. Da kam einst in der Nacht ein Unbekannter, klopfte an
das Thor und überreichte ihm tausend Dinare und sprach: Gib
sie aus auf eine fromme und wohlthätige Weise. Da nahm er
sie und dachte nach, wie er sie auf eine fromme Weise aus
geben könne. Da fiel es ihm ein. sie auf den Bau einer Cisterne
auszugeben, in welcher das Wasser der Wasserleitung auf
bewahrt werden könne: denn das Quellwasser Haleb’s ist salzig,
und der Feind überfiel off die Stadt. Schnitt er der Stadt das
Wasser der Wasserleitung von Hailän (o4L»~) ah, so kam das
Volk in grosse Nöth. Desshalb entschloss er sich im Vorhofe der
genannten Moschee eine Cisterne auszugraben und so weit zu
machen, dass sie viel Wasser fasse. Er fing damit an einen
weiten Graben zu graben, und kaufte Steine und Kalk; Werks
leute wölbten die Cisterne aus, aber das Gold, das er erhalten
hatte, endete ohne dass die Cisterne fertig war. Da betrübte
er sich und dachte nach, wie er es anstellen müsse um dieses
gute Werk zu vollenden. Da klopfte ein nächtlicher Besucher
wieder an das Thor und als er zu ihm herauskam fand er, dass
es derselbe sei, der schon einmal gekommen war. Dieser gab ihm
tausend andere Dinare und sprach: Vollende damit dein Werk.
Er nahm sie und vollendete damit den Bau der Cisterne, die
ausserordentlich weit, fest und solid gebaut war und den gröss
ten Theil des unter dem Vorhofe der Moschee befindlichen Rau
mes einnimmt. Man sagt es sei nie erlebt worden, dass das
Wasser je mangelte, obgleich die Wasserträger und viele Leute
sich dessen bedienen. Der Verfasser des Werkes erzählt weiter: Das
Volk von Haleb begann den Vorsteher der Moschee zu schmähen
und beim Statthalter von Haleb zu verläumden. Sie sagten : er
habe viel vom Gelde der Stiftungen (Wakfe) auf den Bau der
Cisterne ausgegeben. Da verlangte der Hakim von ihm, dass er
Rechnung lege über die Verwendung der Gelder der Stiftung. Er
entsprach dieser Anforderung und als man die Rechnung prüfte fand
man keinen Dirchem, der auf den Bau der Moschee verwendet worden
wäre. Als ihn nun der Hakim fragte: Aber ich sehe keine
241
Erwähnung der Auslagen für den Bau der Cisterne; da ant
wortete er: Bei Gott ich habe nichts von dem Vermögen der
Moschee darauf ausgegeben, sondern es kömmt von einem, der
durch seine Thal das Wohlgefallen Gottes sucht. Hierauf er
zählte er den Hergang. Man berichtet, dass derjenige, mit dem
sich das zutrug Ibu-ol-Eiser \) war, der damals über die
Stiftungen der Moschee die Aufsicht hatte — doch Gott vveiss es
am besten. Der Verfasser des Werkes berichtet: Bohä-od-Din Ebu
Mohammed-ol-Hasan, Ben Ibrahim. Ben Said, Ibn-ol-Chasehsehab
berichtet uns nach der Erzählung des Keiiial-od-Din, Ibn-ol-
Adira Folgendes: EI-fadhl-Ibn-ol-Iklil-ol-Halebi-ol-Moredfchim
berichtet, dass man beim Bau der Lüsterne, die sich in der Mitte
der Moschee befindet, beim Graben auf die Figur eines Löwen
aus Stein stiess. Man stellte ihn mit gegen die Kible gewandtem
Haupte auf. Ibn-ol-Chatib berichtet: Diese Cislerne ist heut zu
Tage ausgetrocknet und verstopft. Hierauf kommt Ibn-Scheddad
auf den Minaret zu sprechen und sagt Boha-otl-Din Ebu Moham
med erzählte mir das seines Vaters Ohm, der Kadhi-fachr-od-
Din Ebu-l-Hasan Mohammed. Ben Jahja, Ben Mohammed, Ibn-il-
Chuschschab den Bau der grossen Moschee von Haleb im Jahre
d. II. 483 vollendete. Kemäl-od-Ditn Icn-ol-Adim erzählt in
seiner Geschichte gestüzt auf die Autorität unseres Scheichr
Ebu’b-Jumn, Seid Ben, Hasan-ol-Kindi von Ebu Abd-Allah Mo
hammed Ben Ali-il-Ghatimi unter den Ereignissen des
Jahres 482, dass in diesem Jahre der Grundstein zum Minaret
der Moschee von Haleb "eiest und derselbe von Kädhi-Ebu-ol-
Hasan Mohammed-Ben-Jalija Ben Mobannned-Ibn-il-Chaschschäb
vollendet worden sei, anstatt eines Minaretcs, der vor diesem
bestand. In Haleb war ein Tempel des Feuers von alter Bauart.
Dieser ward angelegt und zulezt als Ileitzstube eines Bades ge
braucht. Der Kädhi liess von diesem Tempel die Steine zum
Baue des Minaretes nehmen. Einige seiner Neider verläumdeten
ihn beim Emir der Stadt, Kasim-od-Dewle, der über ihn er
zürnt ihn rufen liess und zu ihm sprach: Du hast einen Tempel
niedergerissen, der mir gehört und mein Eigenthum ist. Da
antwortete er: 0 Emir, diess war ein Tempel des Feuers, der
dann zur Heitzstube eines Bades ward, ich nahm davon die
242
Steine und baute daraus einen Tempel des Islams auf, worin
Gottes Namen genannt wird, des Einzigen der keine Genossen
hat, und ich schrieb deinen Namen darauf und habe dir den
Gotteslohn dadurch zugewendet, und wenn du mir befiehlst, dass
ich den Werth der Steine zahle, so wird der Gotteslohn mir
zugewandt. Diese ltede gefiel dem Emir und er billigte diese
Ansicht und sagte : Der Gotteslohn soll mein sein, thue was du
willst. Der Verfasser des Werkes bemerkt- hiezu, dass Ibn-ol-
Adin in einer Randanmerkung angebe der Name des Verleumders
sei Ibu Nassr Ibn-on-Nohas gewesen, der Polizeivogt Qoll) von
Haleb war. Derselbe berichtet weiter: Ich las in der ausgc-
wählten Geschichte des Jahja Ben Ebi Sarj j)-en-Neddschär
il-Halebi, dass die Grundfesten dieses Minarets in der Zeit des
Säbik Ben Mahmud Ben Sfalih durch den Kadlii Ebu'l-Hasan
Ibn-oI-Chafchfchäb gelegt worden seien. Derjenige der ihn
erbaute war ein Mann aus Sennin, er legte die Grundfeste so tief,
dass man auf Wasser stiess , verband die Steine durch eiserne
und bleierne Klammern und vollendete dieses Werk in den
Tagen des Kasim-od-Daulet-Ak-Sonkar. Die Höhe dieses Mi
narets beträgt bis zum hölzernen Geländer (yy \j nach den
Handellen (jJ| 97 und die Zahl der Stufen ist 174.
Sein-od-Din Ibn-ol-A’dfchemi-ol-Halebi berichtet mir, sein Vater
habe ihm erzählt, dass in der Nacht Montags den 18. Schewwal
des Jahres 575 ein grosses Erdbeben in Haleb war, wodurch
die meisten Häuser umgestürzt und viel Einwohner getödtet
wurden, auch der Minaret stürzte und schleuderte einen Mond,
der sich auf der Spitze desselben befand, fiOO Schritte weit. Der
Verfasser fahrt fort: Der Grossvater dieses Kädhi’s Ebu-l-Hasan
war der Kadlii Isa, derselbe, der sich von Hifsu-ol-Akrad
(^fi\ y&z-) nach Haleb begab in den Tagen des Seif-od-
Dewle Ben Hanulän. Seine Ahnen standen stets in hohem
Ansehen bei den Königen und waren ihre llathgeber bei
Regierungsangelegenheiten. Keiner von ihnen nahm eine Statt
halterschaft von irgend einem der Könige von Haleb an. Sie
verschmähten diess wegen ihres Adels und hohen Ruhmes.
Er ist es, der die Moschee, die Mesdfched-ol-dfchore-il-assfer
(yu, O y J-\ d. i. Moschee der gelben Wasserrose genannt
243
wiedererbaute. Die Wasserrose ward aus einem ferneren Orte
herbeigeholt. Er baute auch eine Grabstätte (Torbet), welche
an die Häuser der Glieder seiner Familie stösst. Sie ist ein
wunderbares Bauwerk, ganz aus den Steinen, welche Herkeli
genannt werden, erbaut. Dieses Werk vollendete er im
Jahre 508 und wies demselben als Stiftung Hakl-ol-Hammäm
und Beilune an. Aus den Einkünften dieser Stiftung werden
die Ausgaben bestritten, bleibt etwas übrig, so wird es von der
Familie der il-Chaschschäb an die Armen vertheilt. Die Franken
unternahmen häufige Züge nach Haleb; da pflegte nun dieser
Bm-ol-Chaschschäb die Kranken unter den Belagerten ärztlich
zu behandeln und sie mit Geld zu unterstützen bis er in einer
Nacht im Jahre d. H. 519 nahe bei seinem Hause ermordet
ward. Seinen Platz nahm nach ihm sein Sohn Ebu’l Hasan Jahja
ein, der seine Stelle ausfüllte und sich hohes Ansehen erwarb.
Der Verfasser des Werkes berichtet: Als die Tartaren sich
Haleb’s bemächtigten am Sonntage Sfafer 658, drang der Herr
von Sls in die Moschee ein , tödtete viele Leute und verbrannte
die südliche Seite derselben. Der Brand griff aber um sich gegen
Süden und Westen bis zur Medresct-ol-Holawije (äij iU-! ju>)
Auch der Markt der Seidenwaaren brannte nieder. Imäd-od-Din-el-
Kafwini that dem Hulagu zu wissen, wie die Leute des Zer-
rasson Siaeddindie Moschee verbrannten und die Kirche der Christen
wiederherstellten. Da befahl Hulagu diesem ein Ende zu machen
und das Feuer zu löschen. Viele Leute des Herrn von Sis
wurden getödtet, doch des Feuers konnte man nicht Meister
werden. Da sandte Gott, dem Ehre und Ruhm, einen heftigen
Regen, der es löschte. Hierauf gab sich Nur-od-Din Jusuf Ben
Ebi Bekr Ben Abd-ir-Rahmdn der Sföfi Mühe die Moschee
zu reinigen und begrub die erschlagenen Moslimen, die darin
lagen in Gruben, die auf der nördlichen Seite der Moschee
gemacht worden waren, um darin Getreide aufzubewahren. Als
JfT-od-Din Ahmed, einer der Bitekdfchi, welches Wort so viel
als Schreiber bedeutet, starb (Ebn-ofch-Schihne bemerkt hiezu :
Bitekfchi bedeudete nicht sowohl Schreiber als vielmehr einen
der die Bücher führt) vermachte er von all seinem Gelde einen
Zehent an Gott. Sein Bruder, der ihn beerbte, verwendete einiges
244
davon auf Almosen mul erbaute auch eine Mauer der Moschee,
worauf er 20,000 Dirheme ausgab; 18,000 für den Bau und 2000
für die Malten, womit der Boden bedeckt wurde und die Lam
pen. Als der Sultan-oI-Melik-of-Sahir sieh Haleb's bemächtigte,
befahl der diese Mauer mit Kalk auszubessern und ein hölzernes
Dach im Spitzbogen über die nördliche Mauer zu wölben, eben
so erbaute er auch ein festes Dach über die westliche Mauer auf
der Seite des Vorhofes der Moschee. Der Verfasser des Werkes
berichtet weiter : ln der Citadelle war eine Glocke, so gross,
wie ein grosser Backofen, die auf einem der Thürrne aufgehangen
war. Die Wachen pflegten sie dreimal in der Macht zu läuten.
Das erste Mal um den Leuten den Thorschluss der Citadelle
anzuzeigen, das zweite Mal zur Ablösung der Wachen, das
dritte Mal um den Tagesanbruch anzuzeigen. Die Ursache der
Aufhängung dieser Glocke war nach dem was Montechab-od-Din
Jahja Ben Taij-in-Meddfchar-el-lIalebi in seiner Geschichte
erzählt, folgende : Als die Franken Antakije erobert hatten im
Jahre d. H. 491, wollten sie sich auch des Gebietes von Haleb
bemächtigen, zogen gegen Ilaleb aus, verwüsteten das Gebiet
der Stadt, eroberten Mäarrel-on-Xöman und tödteten alle Ein
wohner. Da fürchtete sich der König Rodhwan Ben Tadfch-od-
Dewle Tutusch, weil er zu schwach war sie von seinem Lande
abzuwehren. Er suchte daher mit ihnen Frieden zu schliessen.
Da stellten sie an ihn viele Forderungen, unter anderen auch
diese, dass er ihnen jährlich einen Tribut an Geld und Pferden
zahle, dass auf der Citadelle von Haleb diese Glocke aufgehangen
und auf dem Minarct der grossen Moschee ein Kreuz aufge
richtet werde. Er ging diese Bedingungen ein, doch der Kadhi-
Ebu-I-Hasan Ben Jahja lbnu’l-Chafchfchäb, der damals in der
Stadt bedeutenden Einfluss hatte, warf ihm die Aufpflanzung des
Kreuzes auf dem Minaret der Moschee vor und tadelte ihn dess-
lialb. Die Franken gaben darauf in diesem Puncte nach und ver
langten statt dessen das Recht auf der grossen Kirche, die von
der Königinn Helene, der Mutter Constantin’s des Königs der
Griechen, erbaut worden war und die jetzt cl-Holawije genannt
wird und die an die grosse Moschee anstösst, das Kreuz auf
richten zu dürfen. Das Kreuz blieb auf dieser Kirche, bis dass
die Franken Haleb im Jahre 518 belagerten. Sie rissen die um
■
die Stadt befindlichen Gräber auf. Da entriss der Kädhi-Ibn-oI-
Chafehfchab vier Kirchen den Christen und verwandelte sie in
Moscheen, worunter sich auch die grosse Kirche befand von der
das Kreuz herabgeworfen ward. Was aber die Glocke betrifft,
so blieb sie aufgehangen bis der Scheich Ebu Abd-Allah Ben
Hasan.-ol-Maghrebi nach Ilaleb kam. Dieser hörte den Ton der
Glocke, als er unter der Citadelle vorüberging. Da wandte er
sich zu seinen Begleitern und sagte : Was habe ich da ver
hasstes in eurer Stadt gehört, das ist ja ein Zeichen der Franken.
Man antwortete ihm: So ist es hier Sitte seit alter Zeit. Da
ward sein Tadel heftiger, er verstopfte mit den Fingern seine
Ohren, setzte sich auf die Erde nieder und rief: Gott ist der
Grösste! Gott ist der Grösste! (Allah ekber! Allah ekber!)
Da hörte man plötzlich ein lautes Dröhnen durch die Stadt, wel
ches vom Fall der Glocke in den .Schlossgraben und dem Zer
brechen derselben herrührte. Diess geschah im Jahre d. II. 587.
Die Glocke ward hierauf nochmals erneuert und aufgehangen,
riss aber sogleich und zerbrach. Seitdem hat dieser Gebrauch
^ ‘ C \
aufgehört. Kamäl-od-Din. der unter dem Namen, Ibn-ol-Adfm
bekannt ist, berichtet in der Biographie dieses Mannes (d. i. des
Mohammed Ben Hasan-ol-Maghrebi, des Religiösen) dass er ein
frommer, des Korans und der Ucberlieferungen kundiger Mann
war, einer der Heiligen. Er kam nach Ilaleb und wohnte in dem
Gasthause (ÄsLiall j\j) nahe unter der Citadelle. Er war einer
der Begüterten und Wohlhabenden in seinem Lande, doch vcrliess
er es, begab sich auf den Weg der Selbstentäusserung (juj£) und
pilgerte zum heiligen Hause Gottes (d. i. zur Käbe). Hierauf be
gab er sich nach Haleb und ging von da in das Gebirge Libanon,
welches er bereiste, oder dort, wie einige berichten, starb.
XVII. Capitel: Ueber das Einkommen der Stadt Ilaleb.
Ibn-Scheddad sagt: Montcchab-od-Din Ebu Sekerja Ben Ebi
Taidsch-in-Neddfchar-oIIIalebi berichtetFolgcndesinseinemWerke,
das er über die Geschichte von Haleb schrieb, und O.kud-ol-
Dfche wahi r-l'i-S ire t-i 1-Melik-i f-S ahir betitelte: Kcrim-
od-Dewle Ben Schirawe der Christ, der Vorsteher der Finanzkam-
mer von Haleb (J». jjj ; ^ „) zu dieser Zeit, berichtete mir,
246
dass er im Jahre der Hidfchret 609 in den Tagen der Herrschaft des
Melik-of-Sahir einen Ueberschlag sämmtlicher Einkünfte des Ge
bietes von Haleb machte, mit Ausschliessung der davon abgeson
derten Ländereien, Güter und Gebiete, und es ergab sich die
Summa von 7,984500 Dirhemen. Er sagt: Ich habe in den Tagen
des Melik-on-Nässir die Erfahrung erlangt, dass dieser Ueber
schlag in der Regel sich so auswies, wie der zu Ende seiner Re
gierung gemachte, obgleich der König damals in Damaskus ver
weilte und Haleb verlassen hatte. Folgendes ist die detaillirte
Aufzählung (alles Quellen des Einkommens):
Das Dar-ol-Rikwe
Der Zehent
Die Chane
Der Basar der Pferde , Kamehle und
Ochsen
Das innere Zollhaus
Die Zuckermelonsteuer
Das äussere Zollhaus .
Die Steuer auf Weintrauben ....
Die Steuer auf Gartenerzeugnissen . .
Die Steuer auf Gärberei
Die Steuer auf Mehl
Die Steuer auf Seidenfärberei . . .
Der Basar der Schafe
Der Basar der Turkmanen für Schafe
Der Holzmarkt
Die Steuer auf Darmsaiten ....
Die Abzugskanäle .........
Beiluue
Der Zwischenhandel mit Gartenerzeug
nissen
Die Gärten
Die Münze
Der Riba’
Der Hakura
Holz- und Kohlenverschleiss ....
Die Seifensiedereien .......
1,200,000 Dirheme.
600,000 „
200,000 „
380,000
350,000
100,000
80,000
SO,000
50,000
150,000
100,000
80,000
450,000
300,000
50,000
40,000
5000
20,000
20,000
50,000
100,000
400,000
100,000
20,000
10,000
55
55
55
»
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
55
B
247
Der Tribut der Araber der Wüste
Das eingeführte Salz
Der Schlächtereien
ölkU 1 ö 'i I . .
Der Steuer auf Lauge (Jil|) ....
Die Sase a-jUI .
Der Tribut der Turkonianen 150,000
und 30,000 Stück Schafe im Werthe
100,000 Dirheme.
350,000
100,000
100.000
20,000
100,000
>5
11
11
von
Der Kopfsteuer der Juden und Christen
Der Steuer auf Unterhaltungen und
Vergnügungen
Der Chan des Sultan ......
Die Gefängnisse ........
Die Fischereipacht .......
Die Gemüse .
Die Wagen .
Das Eisen .
Der Hanf
Die Seide
Der Charädsch
Der Ertrag der Mistgruben . . .
Der Ertrag der Verlassenschaften ohne
Erhen
600,000
100,000
600,000
80,000
60,000
50,000
20,000
50,000
50,000
50,000
80,000
30,000
10,000
300,000
n
ii
n
n
ii
ii
ii
ii
ii
ii
Ich gebe hier den arabischen Text dieses Kapitels, da in dem
selben viele Ausdrücke Vorkommen, die mir dunkel geblieben sind,
und über die selbst eingeborne Gelehrte keine genügende Aus
kunft zu ertheilen wüsten !
Jais wJi»- i—j I
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248
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ix(Lll aL) jj*s.aS! -ix (UM Oy~^~j ^«11 a L) a*j.aU -ft (US
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Jill ix (Ll 1 aU) oLUL11 jlL _jl*ö~^ 1 (i_»l 1 aL<) ^
0J ^ l-*4 l^^ll -A 1 ^-ff ix ^c-a11 Ai U4 Ayi U 1 ix (Ul 1 Ojy~£^)
aj Lj.) J1y>-\ ix (Ll 1 a Ir*' l^c 5 ) U ^1j . U) I 0j3> ^ff y ix (Ul 1
it (Ul 1 cj^jlf) olULll olL ix (Ll 1 aIx* 1 ) i_tUlll j ^yUi 1 ix (vUll
3Jxki 1 ix (l_Ul 1 0) Aj» Ll 1 4ix (Ul 1 0y3) O1
kLUl 1 ix (l—Äl 1 ü) Xi jJj ix (Ul 1 0j~c*~) Oy LI 1 ix (Ul 1
öU ix (USI OyX) £l/l (tun Oy U) yjsLl ix (Uli Oy^)
(Lll A L) lyjsi ij ]y xil A^uJ-l U-jjlJl ii (o lll i^Jlff) J.il jl
249
Anmerkungen.
1. Das Bab-ol-Dfchinän besteht noch jetzt und führt sei
nen allen Namen, so wie die folgenden Thore:
2. Bab-on-Nassr,
3. Bab-Antakije,
4. Bab-Kinnisrin.
5. Das Bab-oss-Sfaghir ist jetzt nicht mehr bekannt.
6. Bab-ol-Iräk ist noch jetzt unter demselben Namen be
kannt.
7. Kala’at-ofch-Scherif: vor dem Thore von Kinnisrin sind
noch einige Grundfesten alter Gebäude aus grossen Quaderstei
nen zu bemerken: diess sind die einzigen jetzt noch bemerk
baren Ueberreste des Schlosses des Scherif’s.
8. Bab-ol-Erbäin ist jetzt nicht mehr bekannt.
9. Ebenso auch der Thurm ßordfeh-os-Sääbin.
10. Bab-ol-Feredfch ist noch jetzt unter dem alten Namen
bekannt ebenso wie das folgende:
11. Bab-ol-Makäm.
12. Das Bab-ol-Kanät besteht nicht mehr.
13. so wird gewöhnlich der Flintenstein genannt.
14. Das Dar-ol-A’dl besteht jetzt nicht mehr, soll aber
an der Stelle gestanden sein, wo jetzt das von Ibrahim-Pascha
erbaute Serai steht.
15. Das Bab-on-Neireb ist bekannt und wird jetzt in der
Volkssprache Bab-on-Nirab ausgesprochen.
16. Am besten sind diese Thürme noch zwischen den Tho
ren Bab-Kinnisrin und Bab-ol-Dfchinan erhalten.
17. Vorwerke auf arabisch äiju genannt, sind Thürme,
die in geringer Entfernung 'von der Mauer standen und den
Zweck hatten, diejenigen welche die Citadelle bestürmten, auch
von der Seite oder im Rücken angreifen zu können. Der ein
zige dieser Thürme, der sich erhalten hat, ist an der Citadelle
auf der nördlichen Seite derselben zu sehen. Er ist aus grossen
Steinen in viereckiger Form erbaut und soll mit der Citadelle
durch einen unterirdischen Gang verbunden gewesen sein.
18. Das Bab-ol-Aäfige ist jetzt unbekannt.
Sitzb. d. pliilos. liistor. CI. Jalirg. 1850. IV. Heft.
18
250
19. Die Dfchami-ot-Tawafchi ist noch jetzt bekannt und auf
der östlichen Seite der Stadt gelegen.
20. Meidän-ol-Achdar ist jetzt nicht mehr bekannt.
21. Das Hamam-of-Seheb ist in der Vorstadt Bankusä gele
gen und noch jetzt unter diesem Namen bekannt.
22. iah List ein über die Strasse zwischen zwei Häusern
geführtes Gewölbe.
23. Chanküh-oI-Kassr ist jetzt nicht mehr bekannt.
24. Dergeh, diese sind grosse Nischen, die zu Seiten des
Thorweges angebracht waren, um beim Eindringen des Feindes
denselben von beiden Seiten des Thores angreifen zu können.
25. Diese Capitäler sind jetzt nicht mehr sichtbar, es ist
aber wahrscheinlich, dass der Verfasser der Charidet-ol-Adfchäib
die am Abhange des Schlossberges sichtbaren Steine, mit welchen
derselbe gepflastert ist, für Capitäler von Säulen ansah.
26. Eine Satura Ijy L ist ein grosser Brunnen von kegel
förmiger Bauart, der oben enge, sich gegen unten erweitert.
27. Serdchanah ist nach der Erklärung des
Scheichs Aakil ein Gemach, worin Pauken, Trommeln, Trom
peten und dergleichen musikalische Instrumente aufbewahrt
werden.
28. ist ein Dorf in geringer Entfernung von Haleb,
wo gute Steinbrüche sind.
29. so werden in Aegypten gewöhnlich die Chane ge
nannt.
30. Ai^L ist eine Art wohlriechender Erde, die man bei
Haleb findet und welcher man sich in den Bädern bedient.
31. Die Bahiret-of-Somme ist ein Fischbehälter in einer Ent
fernung von ein und einer halben Tagreise, durch welches der Fluss
Koaik strömt und wo die Fische aufgefangen werden. Dieses Fisch
behälter wird als Staatseigenthum verpachtet.
251
III. „Nachrichten über den ain linken Ufer des
Tigris wohnenden Araberstamm der Beni Lara.”
Die Gränze zwischen den Beni Lam und den Beni Sche-
\ mer ist el-Wädi, ein Fluss der aus den Gebirgen von Luristan
kommt. Bakfai ist ein Dorf in ihrem Gebiete, das den Miri an
den Statthalter von Luristan zahlen muss, daselbst ist ein Schloss,
die Einwohner sprechen lurisch Im Sommer wohnen die Ben-
Lam am linken Tigrisufer hinab, im Winter ziehen sie ins Ge
birge, im Frühling verlassen sie das Gebirge und ziehen an
einen Ort, der Karatepe, d. i. der schwarze Hügel heisst, die
ser Ort ist zehn Stunden vom Tigris entfernt, bis zum Gebirge
sind 6 Stunden, daselbst sind herrliche Weiden. Zu Ende des
Frühlings begeben sie sich am Tigris hinauf zur Mündung des
Wädi’s und bleiben daselbst bei zwanzig Tage, dann ziehen sie
7 Stunden weiter östlich nach Tib Jb) einem Wadi, das
aus den persischen Gebirgen kömmt, von salzigem nicht trink
baren Wasser, dieses Thal ist mit vielen Bäumen bewachsen
und liefert gute Weiden. Hier bleiben sie 10 Tage und ziehen
dann nach A’li-el-Gharbi, einem Orte, wo die Capelle eines
mohammedanischen Heiligen steht am Tigris, von diesem Orto
begeben sie sich nach A’li-efeh-Scherki, das ebenfalls ein
Mefar (Grab eines Heiligen) ist und bleiben daselbst 18 Tage,
an diesem Orte befinden sich bei hundert Dattelbäume und
die Einwohner züchten Büffel und Kühe. Von diesem Orte
ziehen sie an den Nehr Sa’d acht Stunden abwärts am Tigris.
Dieser Nehr Sa’d ist ein Arm des Tigris, an dem Felder von Korn
und Gerste sind, daselbst wohnen Fellähs, sie sind Unterthaneu
I der Beni Lam, der Fluss ist breit und tief. An diesem Orte blei
ben die Beni Lam ein volles Monat, die Pferde weiden das Grün,
futter, welches sic fl üi in ihrem Dialecte nennen, eine andere
Art heisst bei ihnen skdti, ihre Kühe, »Schafe und andere
Heerden nähren sich davon, ohne dass es nölliig wäre, ihnen dürres
Futter üls zu geben. Von hier ziehen sie am Tigris 6 Stunden
hinab nach Dair, wo sich wieder gutes Grünfutter findet, von da
begeben sie sich noch weiter am Tigris hinab zum Flusse Nehr
Ilidd (jo-), der ein Arm des Tigris und selbst im Sommer mit
252
Schiffen befahrbar ist. Von diesen Nehr Hidd gehen viele Bäche
aus, an denen zahlreiche Dörfer liegen. Die Einwohner dersel
ben besitzen nichts als Büffel und Kühe; sic leben wie auf
Inseln, weil sie Reis säen und ihre Felder ringsum unter Wasser
setzen. Ihre Steuer nehmen die Scheiche der Beni Lam. Jede Fa
milie (ÄjCp) der Beni Lam hat einen Scheich, doch über allen
diesen stehen 4 Hauptscheiche, die von dem Statthalter von Bagh-
dad bestätigt werden, also unter türkischer Oberherrschaft stehen.
Jedem Scheich sind die Steuern von einigen Dörfern angewiesen.
Die Steuern werden von den Fellahs theils in Reis theils in Geld
gezahlt. Die Felder werden zum Behufe der Besteuerung mit
Stricken vermessen, dieses Messen nennt man Muhabelet,
jeder Strick Habl hat eine Länge von 10 Bä’ oder 20
Ellen (j>). fi ,r jedes Habl ist eine Steuer von 15 Piastern
Bagh zu bezahlen; das Dorf Bakfäi und einige nahe an Luri-
stan liegende Dörfer zahlen Tribut an den Statthalter von Lu-
ristan, die übrigen sind dem Wäli von ßaghdäd tributpflichtig.
Das Gebiet der Beni Lam zieht sich längs dem Tigris hinab
bis nach Bassra. Sie leben unter Zelten von Kamehlhaaren.
Alle unter einem Scheich stehenden heissen Höfchije, das
so viel als Clienten bedeutet. Die Beni Lam stellen bei 20,000
Reiter und 10,000 mit Flinten bewaffnete Männer. Sie jagen
die Gazellen mit ^Lu d. i. abgerichteten Leoparden und Falken.
Sie sind alle Schi’iten, sind sehr gastfrei, geben den zu ihnen
sich Flüchtenden Schutz; bei ihren Schmausereien werden un
geheure Schüsseln voll Reis, die so gross sind, dass sie von
10 Männern getragen werden müssen, und ganze gebratene,
kleine Kamehle verzehrt. Die Scheiche sind aus dem Stamme
der Beialm. Die Scheiche aus den Belafm sind drei, die
über alle anderen herrschen und die von der Pforte eingesetzt
werden, es sind die J\e Beit Abd’ Ali, die Beit
Dfchindil J.j und die Reit Erär ; ihre Gegner
sind der Stamm o liÜ Jut IjCs- Afchiret-Abd - el-Chan. Die
Scheiche von Abd-el-Chau sind drei, zwischen diesen zwei Par
teien sind stete Streitigkeiten. Die Beni Lam haben lange Lan-
253
zen wie die Beduinen und Schilder jj j darak genannt. Sie ha
ben sehr gute Pferde. Die drei berühmtesten Raccn derselben
heissen: Widhu Plural von ÄLoj dann Nussuh und
Obojän oDie Pferde werden auch mit Reis gefüttert, der
in der Sprache der ßeni Lam T ummen jjc genannt wird. Ihre
Weiber sind sehr schön, die Männer haben im Frühling eine
Krankheit,die Dfcharab d. i. Krätze heisst, die aber nicht
tödtlich ist und vom Reisessen kommt. Die Namen ihrer Fami
lien sind folgende: 5L* Maalla el-Chomeif, die Abd-efch-
Sehäh, 4 | die ess-Sfarcha, ^JJ| die el-Loweimi.
die el-Bawijje, die Chafadfche die el-Bumohammed
Ihre Gedichte bestehen in kurzen Stanzen, die sie ein
sam auf den Karahelcn durch die Wüsten reitend singen. Die
erste Art Gedichte heisst Dinveir^ Folgendes ist eine Probe
davon:
^,.0 LäW—J AwJ <1 A^,plj
A l ,-o «Xj lafl. > i
-XIjjjb <1 «X*P
lj.ü I J.5 <_»3 ^
Üoduinen-Aussprache:
Ja i’ssa Iabisä schatafan min hunüd
T’hädschini benagat.bedewi min hunüd
Abd lasir li-n’ghaimisch min hunüd
Lagaf dschudamha wa tamor a’leijje.
Uebcnctzung.
0 Geliebte, gekleidet in indisches Tuch, du sprichst mir Beduinen
worte mit indischer Aussprache. Was!? — ein indischer Sklave soll
ich werden der Noghaimisch (Frauenname)/
Die zweite Art Gedichte heisst Atäbe, <x. Up folgendes diene
als Beispiel.
254
O l» l* j Uai Ij I
O l‘y j «w ^ '—’
LUill ^ JJjJl ajL*>1
Beduinen- Aussprache.
T’bälen-näs mostirre wanäbat
Aadh-el-dscheff biddhähilt wanäbat
Jenöb behemm telgäni wa nobät
Aseffih biddelil a’n el-ghadäbe.
Übersetzung.
Die Menschen schlafen alle frohen Gemüthes und auch ich schlafe,
die Hand heisse ich (aus Gram o Geliebte) mit den Vorderzähnen
(jio» Lo) nnd Schneidezähnen, machst du (o Geliebte) auch manchmal
mir Gram, so vertreibe dafür auch manchmal durch Minne meinen Kum
mer (ghadäba mit dem griechischen Srjra ausgesprochen).
Die dritte Art der Gedichte heisst und heisst:
ein solches Gedicht singen.
Folgendes ist ein Beispiel davon :
Beduinen-Aussprache.
Tulu’ el-gümar temmeit a’add bendsehümah
Ja reiteni kahriba wa m’allaga beserdu mah.
Uebersetzung.
Als der Mond aufging zählte ich die Sterne.
0 Geliebte ein Bernstein wollt’ ich werden, dürft’ ich nur an deinem
Nacken hängen.
Anmerkung. Die Araberinnen pflegen nämlich Zierden von Bern
stein um den Hals zu hängen.
255
Der kaiserliche Rath Bergmann beginnt seine: „Bei
träge zu einer kritischen Geschichte Vorarlbergs
und der angrenzenden Gebiete in älterer Zeit” zu
lesen.
Sie sind Resultate seiner Reise, die er im Spätsommer
des Jahres 1849 dahin gemacht hat, -um an Ort und Stelle
neue bisher unbenutzte Materialien zu sammeln. Nach einer kur
zen Einleitung über diese kleine, aber durch ihre wichtige Lage
und grossartige Industrie interessante Landschaft von 46, 'Vioo
Geviertmeilen mit 106000 Einwohnern, geht er auf die histori
schen Quellen, die Urkunden über, die theils im Inlandc
zu Wien, Innsbruck im sogenannten Schatzarchive und in der
Bibliotheca Tiroleiisis, die durch die Munificeuz Sr. Majestät
des Kaisers Ferdinand I. au das Ferdinandeum gekommen ist,
dann in Vorarlberg selbst, zu Bludenz, Feldkirch, Bregenz, llo-
henembs; theils im Auslande zu St. Gallen, Chur, Zürich,
Konstanz, Stuttgart, München etc. zu finden sind. Er macht auf
die Wichtigkeit des Knotenpunctes, den die drei zusammenlau
fenden Strassen zu Land eck im Oberinnthale bilden, aufmerk
sam, mit kurzer historischer Rückschau in frühere Jahrhunderte,
und spricht von den dortigen Stiftungen Antons Freiherrn
von Y ffa n (d 1 Ivano), eines der tirolischen Hauptleute K. Maxi-
milian’s I., im Jahre 1514, und Leonhard Genger’s oder
Gienger’s zu Rottenegg im Jahre 1571 und seines Vetters
Damian G e n g e r zu Grünbüchel. Von da gelangt er zum
Arlberg, der seinen Namen von A rle, dem dort waclvsenden
zwergartigen Nadelholze, erhalten hat, und schliesst mit einer
chronologischen Darlegung, wann und durch wen dieser Al
penübergang von 895,5 Wiener Klaftern fahrbar gemacht wurde.
Herr Regierungsrath Arnetli las den Anfang seines „Be
richtes über die Werke des Herrn Joseph Gaisber-
ger,” die derselbe theils im Drucke, theils im Manuscripte
der kais. Akademie der Wissenschaften eingeschickt hat.
I. Der Krieg um die spanische Erbfolge und der Aufstand
des baierischen Landvolkes gegen die Kaiserlichen im Jahre
1705, in soweit das Land ob der Enns der Schauplatz war.
256
Meine Herren !
Selten bot die Geschichte ein merkwürdigeres und lehr
reicheres Schauspiel, als am Beginne des achtzehnten Jahr
hunderts. Ueher ganz Europa schwebte der Friede , als dieser
Welttheil in’s achtzehnte Jahrhundert trat. Kaiser Leopold
hatte schon 43 Jahre geherrscht ; ein Fürst , der grosse Feld
herren in seinem Dienste halte: Montecuccoli, Ludwig von Ba
den , vor allen aber Carl von Lothringen und den Prinzen Eugen.
Wissenschaften und Künste liebend war Leopold. Ludwig XIV.
hatte 58 Jahre Frankreich durch grosse Männer im Kriege wie
im Frieden im Anfänge mit unglaublicher Pracht geblendet, dann
durch Sittenlosigkeit verdorben, und endlich sowohl durch Auf
wand wie durch Bigotterie den Grund zu der am Ende des Jahr
hunderts ausbrechenden Staatsumwälzung gelegt. 29 Jahre hatte
zum grössten Vortheile Englands Wilhelm von Oranien mit gros
sen Geistesgaben geherrscht; in Spanien liess seit 35 Jahren
Carl II., in Portugal seit 23 Jahren Peter II. schwach die Zügel
der Regierung fallen ; im Norden aber traten mit Heldenkühnheit
Carl XII. seit drei Jahren, und Czar Peter I. seit achtzehn Jahren
hervor; in Constantinopel lag Mustafa II mit den aufrührerischen
Janitschareu im Kampfe. Diess die Gestalt Europas, als in Spa-
ni en ein Ereigniss eintrat, das man beim Ryswicker Frieden
voraussehen musste, dessen aber Niemand dabei erwähnte.
Carl II. starb unbeerbt. Die Ansprüche auf diese Erbschaft
setzten den ganzen Welttheil in Flammen. Wie diess in Ober
österreich geschehen, setzt Herr Gaisberger mit ungemeiner
Gelehrsamkeit sowol aus gedruckten wie ungedruckten Quellen
auseinander. Max Emanuel, Churfürst von Baiern, rief dem Kaiser
Leopold I. bei seinem Einzuge in das von der Türken-Bela
gerung befreite Wien zu : „Fast drei Jahre sind es, dass Euere
Majestät mir zu Alt-Oetting diesen Degen verehrt. Was ich
damals verheissen, das habe ich hiermit gehalten, und zu Euerer
Majestät Gehorsam diesen Degen ausgezogen , werde ich ihn
auch ferner zu Euerer Majestät Nutzen und wider alle Dcro-
selben und der Christenheit Feinde jederzeit gebrauchen.” Der
kriegerische Fürst, der des Kaisers Schwiegersohn geworden,
hielt Wort gegen die Türken , denn schon 1638 half er Belgrad
erstürmen.
257
Als die spanische Krone vom älteren Zweige Habsburgs auf
den jüngeren übergehen sollte, suchte diess Ludwig XIV. aus
Ehrgeiz und Wilhelm III. aus dem Wunsche, das Gleichgewicht
nicht zu stören, aus allen Kräften zu verhindern, sie ernannten
daher den kleinen Sohn Max Emanuels und der Tochter Kaiser
Leopolds zum Nachfolger in Spanien, wozu sich auch der An
fangs über solche Einmischung erzürnte Carl II. verstand. Der
plötzliche Tod des Kindes vereitelte die Hoffnungen der Feinde
Oesterreichs, als Ränke aller Art den schwachen Carl ver
mochten, Philipp von Anjou zum Erben einzusetzen, und Chur
fürst Max Emanuel sich so sehr der französischen Partei ergab,
dass er gegen seinen Kaiser und Vater seiner gewesenen Frau
die Waffen erhob. Leopold war demnach gezwungen, nach Bai-
ern seine Truppen zu senden. Wie durch zwei Jahre das Land
um die Donau und den Inn fürchterlich verheert wurde, wird
in diesem Büchlein der Wahrheit gemäss umständlich erzählt.
Mehrmals bot Kaiser Leopold die Hand zum Frieden , die von
Max Emanuel immer mit Trotz zurückgewiesen wurde , bis die
Schlachten am Schellenberg, 2. Juli 1704 , und bei Hochstädt,
13. August , ganz Baiern in die Hände des Kaisers und seines
Aliirten lieferten , so dass der Churfürst über den Rhein floh.
Wie, wenn Max Emanuel im Successions-, wie seine Vorfahren
im Reformationskriege zu Oesterreich gehalten hätte?!
II. Der Aufstand des baierischen Landvolkes gegen die
Kaiserlichen im J. 1705, in so weit das Land ob der Enns
dessen Schauplatz war.
In Folge des Vertrags von Ilbersheim besetzten die Kai
serlichen ganz Baiern, der Churfürst war auf der Flucht beim
Feinde sowohl des Kaisers als Deutschlands. Französische und
baierische Soldaten in Ingolstadt, welches am 11. November
1704 an die Kaiserlichen zu übergeben war , wollten sich den
Anordnungen, selbst der Churfürstin nicht fügen, und griffen zu
den Waffen; die zu Braunau, Schärding, wollten gleichfalls diess
Beispiel nachahmen ; — der kaiserliche General Gronsfeld benahm
sich mit Härte; bald durchflogen das Land Gerüchte von bevor
stehenden Aufständen der Bauern , an welche sich versprengte
Soldaten anschlossen, die Lande, wodurch die kaiserlichen Truppen
auf ihre Lage aufmerksam gemacht wurden, und in der That erho-
258
ben sich die Landleute von Griesbach, Pfarrkirchen, dem Rot-
thale, die von Ried, Braunau, Mauerkirchen u. s. vv. schlossen
sich an , und waren so stark, dass sich Burghausen, Braunau,
Schärding den Bauern ergab. Gegen die nun drohenden Ge
fahren ergriffen die Landstände von Oberösterreich ihre Mass-
regeln, worüber sie vom Kaiser Leopold belobt wurden. Durch
einige augenblickliche Erfolge wurden die Bauern iibermüthig
gemacht, wollten sich unter Führung eines französischen Ofli-
ciers München’s bemächtigen, wurden aber bei Sendling im furcht
baren Kampfe gänzlich geschlagen , welcher Niederlage schnell
die zweite bei Vilshofen folgte. Die kaiserlichen Generäle be
nützten rasch die hierdurch entstandene Muthlosigkeit der Bau
ern, und in kurzer Zeit ergab sich Schärding, Braunau, Burg-
hauseu den Kaiserlichen ; auf die Fürbitte des Erzbischofs von
Salzburg verzieh Kaiser Joseph I. den theils durch List betro
genen , theils durch Thorheit verführten Bauern auf die gross-
müthigste Weise. Diese interessante Untersuchung endet Herr
Gaisberger mit folgenden Worten :
„So schloss sich diese blutige Episode des spanischen Erb
folgekrieges. Baiern blieb zwar noch mehrere 'Jahre von den
Kaiserlichen besetzt; der Churfürst selbst wurde sammt seinem
Bruder in die Reichsacht erklärt , und musste fern von seinem
Lande , fern von seinem Volke , das noch immer mit grosser
Liebe an ihm hing, fern von den Seinigen, die gleichfalls aus
dem Lande entfernt wurden , die mürrische Laune seines Bun
desgenossen, so wie den Hochmuth französischer Generäle zu
Genüge erfahren, und als es endlich nach Josephs I. frühem
Hinscheideu, und der durchaus veränderten Politik der See
mächte zu den Friedensunterhandlungen zu Utrecht kam, zur
bittern Enttäuschung inne werden , dass man bei dem Drange
der Umstände eines Bundesgenossen willen — der doch Alles
geopfert — den allgemeinen Frieden nicht hindern könne ! Was
er endlich als Lohn seiner Anhänglichkeit an die undeutsche
Macht, als Lohn seiner Ungeheuern Opfer erhielt, war — sein
durch den lange dauernden Krieg erschöpftes, verwüstetes, fast
ganz verwildertes Land. Diese herbe Erfahrung war dem am
15. April 1715 in seine Hauptstadt rückkommenden Max Ema-
nuel eine strenge Zurechtweiserin. Nach und nach schloss er
259
sich wieder an das benachbarte , durch so viele Bande mit ihm
verbundene Erzhaus Oesterreich an , die Waffen der beiden
Brudervölker, die so eben noch gegen einander gewüthet, wurden
vereint wieder gegen den Erbfeind der Christenheit getragen ;
ja, die beiden älteren Prinzen Max Emanuels kämpften hier an
Eugens Seite mit einer solchen Hingebung, Aufopferung, und
einem solchen beispiellosen Muthe auf den gefährlichsten Puncten,
dass dieser in einem Berichte an den Kaiser dankbar dieser
Verdienste Erwähnung machte, und jene bei ihrer Rückkehr
nach Wien durch eine besondere Ehrenbezeugung ausgezeichnet
wünschte. Max Emanuel selbst, tief bereuend die Bahn, auf
die er gerathen, erlebte noch die Freude, seinen ältesten Sohn
Carl Albrecht mit Amalia, Josephs I. Tochter vermählt zu sehen,
und beschwor noch sterbend diesen seinen Thronerben , den
Frieden, die Eintracht mit dem Erzhause Oesterreich heilig
zu bewahren.”
Ausser diesen mit den grossartigsten Begebenheiten im
Zusammenhänge stehenden Untersuchungen hat der gelehrte Ver
fasser noch mehrere, das Einzelne von Oberösterreich betreffende
Abhandlungen geschrieben *), die wir wegen der Kürze der zu
gemessenen Zeit übergehen wollen, um zur eigentlichen Aufgabe
der Akademie zu kommen ; desshalh sind mehrere gedruckte
archäologische Arbeiten zu prüfen , um so richtiger die noch
ungedruckten beurtheilen zu können.
III. Bericht über die Ausgrabung römischer Alterthümer zu
Schlögen und die Lage des alten Joviacum. Linz , 1840.
Diese Monographie schildert im Eingänge das Entstehen
des Museums Francisco-Carolinum zu Linz, wie dieses im Lande
der Sammelpunct merkwürdige r Funde und anderer interessanter
Gegenstände wurde. Im Jahre 1837 erzählt der Verfasser weiter,
*) Recension über die Geschichte des Kaiserthums Oesterreich in den Jahr
büchern der Literatur 1828.
Ueber die Nothwendigkeit des philologischen Studiums, im Jugendfreund.
1834.
Systematischer Katalog der Bücher des Francisco - Carolinums. Linz, 1845.
Geschichte des Klosters der Elisabethinerinnen. Linz, 1846.
Erinnerungen an Franz Freindaller. Linz, 1848.
260
wurde in Haibacli eine Goldmünze des Diocletian gefunden. Dieser
Fund gab eine natürliche Veranlassung, da dieser Kaiser sich
Jovius nannte , auf seine Stadt Joviacum zu denken, und sie in
der Nähe aufzusuchen. Bald bildete sich ein kleiner Verein,
der Nachgrabungen anstellen liess, deren Erfolg Aufdeckung
des Gemäuers von sieben römischen Häusern, Auffindung von
Münzen, Ziegeln mit dem Stämpel der zweiten italienischen Le
gion , Gefässen mit Jagdsccnen u. dgl. war. Der Verfasser
gibt in raschen Zügen die Geschichte des Landes vom fünf
zehnten Jahre vor Christi, dem der Eroberung durch die Rö
mer, benennt die Supercilia Istri: Comagenae (Tuln), Cetium
(Trasmauer), Namare (Mölk) , Arelape (Erlaph), ad Pontem
Isis (Ips), Lacus felicis (Nieder-Walsee, eine sehr schöne Be
nennung, weil die Donau in dieser Gegend einen See zu bilden
scheint) , Elegium (Erla) , Lauriaeum (Lorch) , Lentia (Linz),
Joviacum (bei Acspach), Stanacum (bei Engelhartszell) , Bojo-
durum (Innstadt), Batava castra (Passau), und geht dann auf
die genauere Ausmittelung der Stätte über an der Joviacum zu
suchen sei. Aus der im Itinerarium angegebenen Schrittezahl
brachte er folgende geschichtliche Puncte mit vieler Wahr
scheinlichkeit heraus : 1. Die natürliche Lage von Schlägen,
von welcher die Donau weithin beherrscht wird eignete es zu
einem Vertheidigungspunete am Donau-Limes. 2. Es liegt 27,000
Schritte von der Umgegend Kleinmüncheus und 38,000 Schritte
von der Innstadt. 3. Es liegt am Donaustrome unter Bojodurum,
und ober Lentia. 4. Hier hatte eine Abtheiluug der zweiten
italischen Legion ihr Standquartier; — aus der höchst werth
vollen Lebensbeschreibung des heiligen Severin durch Eugippius,
dieser Verbindung zwischen den römischen und fränkischen
Schriftstellern in unserer Geschichte schliesst der Verfasser,
dass Joviacum von seinen Einwohnern um 477, und von den
Soldaten um 488 verlassen , von den eingedrungenen Barbaren
zerstört worden sei.
Dieser Monographie über Joviacum ist auf zwei Blättern
ein recht hübsches Kärtchen der Gegend, die aufgefundenen
Grundmauern und terra cotta’s, Stämpel der Legionsziegel,
einer Fibula, einen Capricornus vorstellend, lithographirt bei
gegeben.
261
IV. Lauriacum und seine römischen Alterthümer.
Auch hier gibt der Verfasser einen raschen Ueberblick über
die Lage des Ortes, über die Ankunft der Hörner in unsern
Gegenden, über die Bündnisse der denselben entgegenstehenden
Völkerschaften, über Marc Aurel, dessen Krieg gegen den mäch
tigen Marcomannenbund, während welchem Lauriacum zwischen
167—174 gegründet sein mag. Der Donau-Limes zog die Auf
merksamkeit der römischen Imperatoren immer um so mehr
.auf sich, weil sie wohl einsahen, dass in ihm die Wohlfahrt des
römischen Reiches ruhe; daher Constantin auf Münzen setzen
liess: SALVS REIPVBLICAE DANVBIVS; denn der heftigste Kampf
wurde besonders um diesen Grenzstrom zwischen Römern und
Barbaren geschlagen.
Aus der Nolitia Imperii erhellt, dass Lauriacum 1. Stand
ort eines Theils der zweiten italischen Legion, 2. einer Flotte,
3. einer römischen Waffenfabrik war. Um das J. 454 traf Severin
bei seiner Ankunft in Oesterreich das ganze Land wohl bevöl
kert ; bald jedoch brachen die anstürmenden Allemannen und
Thüringer die kleinen Castelle und grösseren Orte bis auf Lau
riacum, das sich deren erwehrte, bis es auch im J. 737 den
Avaren erlag. Gegen die Wuth dieser Völker beschloss der
Franken-König als Schutz aufzutreten. Er rückte im J. 791 an
die Enns, und drang bis an die Raab , gewann daher dieses
ganze Land für das Christenthum, zu dem man sich in dieser
Gegend zuerst in Lauriacum mit jenem Muthe und jener Aus
dauer bekannte, wodurch Florian Märtyrer wurde. Die vorzüg
licheren Ueberreste des römischen Lauriacums wurden wahr
scheinlich durch die Avaren und dann durch Errichtung der
Anesburg gegen Ende des J. 900 zerstört.
Obschon diesen Umwälzungen doch noch manche Dinge ent
gangen sind , und fast noch jeden Tag beim kommenden Früh
ling und dem Anbau der Saaten irgend ein Monument aus den
Eingeweiden der Erde hervortritt, so sind doch nur wenige
davon gesammelt, kaum aufgefunden werden sie zertrümmert,
verwendet, verkauft, eingeschmolzen. Leider sind die schönen
Gegenstände, welche selbst Pighius — Hercules Prodicius pag.
139 — noch 1574 sah, schon lange nicht mehr vorhanden,
andere, der Sage nach, nach Vlaschin in Böhmen gebrachte,
262
konnten noch nicht ausgemittelt oder gezeichnet werden. Was
noch zu zeichnen war, hat Herr Gaisberger auf acht Tafeln
lithographiren lassen, und wenigstens auf diese Weise der Nach
welt mit einer äusserst umsichtigen und gelehrten Erklärung
überliefert. Aus dieser köstlichen Monographie über das römi
sche Lauriacum ist die grosse Belesenheit des Verfassers, sein
kritischer Geist, sein ausserordentlicher Fleiss recht deutlich
zu erkennen, — Gaben und Eigenschaften, die sich von Schritt
zu Schritt, von Arbeit zu Arbeit immer vervollkommnen.
Sitzung vom 17. April 1850.
Der Secretär legt folgendes Schreiben von Hrn. A. v.
K r e m e r vor :
Hohe kaiserliche Akademie der Wissenschaften!
Indem ich die Ehre habe der hob. kais. Akademie der Wis
senschaften den Empfang Ihres Schreibens vom 28. Jänner an
zuzeigen, halte ich es zugleich für meine Pflicht eine Ueber-
setzung des vor einigen Tagen mir von der k. k. Internunciatur
in Constantinopel zugestellten Ferman’s zu geben, worin dem
Pascha von Damaskus aufgetragen wird mich die Moscheen
und Medreseen von Damaskus besuchen und daselbst Nachfor
schungen anstellen zu lassen. Dieser Ferman lautet, wie folgt:
(Nach den gewöhnlichen Eingangsformeln.)
Der an meiner hohen Pforte residirende kais. österr. aus
serordentliche Bevollmächtigte und Gesandte Graf v. Stürmer,
hat mittelst Takrir die Anzeige gemacht, dass der öster. Un-
terthan Herr Kremer letzthin nach Damaskus geschickt wurde, um
die in den dortigen Moscheen und Medreseen befindlichen Bü
chersammlungen in Augenschein zu nehmen und von den vor
handenen Bücherverzeichnissen Abschriften zu veranstalten. Zu
gleich hat der erwähnte Herr Gesandte das Ansuchen gestellt,
ein hoher Ferman möge erlassen werden, dass Herrn Kremer in
der Vollführung des ihm aufgetragenen Geschäftes von Nieman
den Hindernisse in den Weg gelegt werden und man es sich
angelegen sein lasse, ihm Schutz und Unterstützung angedeihen
zu lassen. Dem zufolge fordern Wir auf Dich, der du Wali von
263
Damaskus bist, du mögest dem erwähnten Beamten in der Voll
führung der ihm aufgetragenen Geschäfte Schutz und Hülfe an
gedeihen lassen und auch ihr, obgenannte Vice-Richter und
andere Beamten, ihr möget dem Oberwähnten, wenn er auf
seiner Hin- und Herreise zwischen Constantinopel und Damas
kus in dem Amtsbezirke wessenimmer von Fach anlangt, die be-
nöthigten Lebensmittel und Fütterungen gegen Entgelt verab
folgen lassen und dafür Sorge tragen, dass er unbehindert und
sicher überall durchkomme. Darum haben wir diesen hohen Be
fehl erlassen, damit ihr dessen erhabenem Inhalte gemäss han
delt. Diess wisset und glaubt meinem hohen Zeichen. Gegeben
in den mittleren Tagen des Monaths Rebiulachir. (Anfangs März
1850.)
Dieser Ferman, den ich als die erste Kraftäusserung eines
einigen Oesterreichs im Oriente mit Begeisterung begriisse, dürf
te kaum einer Entgegnung von Seite des Pascha’s Raum lassen
und auf diese Art hoffe ich den ersten der von der kais. Aka
demie mir beim Antritte meiner Reise Vorgesetzten Zwecke, d. i.
eine Angabe der in den Bibliotheken und Medreseen von Da
maskus befindlichen handschriftlichen Schätze und mögliche Aus
beutung derselben erreichen zu können. Den zweiten der mir
Vorgesetzten Zwecke, das ist eine Ausarbeitung einer ordentli
chen Topographie von Damaskus zu liefern, glaube ich um so
leichter befriedigend lösen zu können, als bereits, während die
Weigerung des Pascha’s mich an bibliographischen Studien hin
derte, meine ganze, nach wiedererlangter Gesundheit frische
Thätigkeit dem topographischen Fache gewidmet war, wie aus
meinem bereits vor einem Monate eingesendeten, so wie mit diesen
Zeilen vorliegendem Berichte, wovon ersterer die Moscheen und
Grabmähler, der zweite aber die Medreseen, d. i. Collegieu von
Damaskus aufzählt, zu ersehen ist. — Indem ich mit tiefge
fühltem Danke die Einwilligung der kais. Akademie, meinen
Aufenthalt im Oriente auch zu geographischen Zwecken benützen
zu dürfen vernehme, worin mich die kais. Akademie auf die noch
unbeschriebenen und nur flüchtig besichtigten, für altarabische
Culturgeschichte so wichtigen Denkmähler von Medäin Ssälih
hinweist und mir zur Besichtigung derselben, als sichersten
Weg die Begleitung der Dscherdakarawane angibt, kann ich
264
nicht umhin, iler kais. Akademie meine auf Nachricht einheimi
scher Reisender gegründeten Erkundigungen über die Art und
Weise, wie dieses Ziel am sichersten zu erreichen sei, vorzule
gen. Die kais. Akademie geruhte als die sicherste Art dieser Reise
die Begleitung der Dscherdakarawane anzugehen, die Mitte Novem
ber dieses Jahres Damaskus verlässt, um der von Makka heimkeh
renden Pilgerkarawane mit Lebensrnitteln und Briefen bis Hedeje
entgegenzugehen. Es würde leicht sein, sich dieser Karawane, de
ren Katib oder Secretär immer ein Christ ist, als Kaufmann mit
einer Waarenpacotille anzuschliessen. Allein diese Karawane
macht nicht blos in dem genannten Felsenthale nicht Halt, sondern
verweilt selbst in Zedlje nur drei Tage und kehrt alsdann zurück,
daher auch der Name Dscherde d. i. Rennkarawane. So wäre nicht
blos die physisch nothwendige Zeit zur Copirung der Inschriften
nicht vorhanden, sondern es wäre auch zu befürchten, dass die
mohammedanische Begleitung der Karawane in mannigfacher Hin
sicht hindernd bei Forschungen einwirken würde. Länger aber an
der Stelle zu bleiben und die Karawane heimziehen zu lassen, wäre
höchst gewagt * indem zu dieser Zeit die ganze Gegend von wan
delnden Araberstämmen durchschwärmt wird, die keineswegs An
stand nehmen, einen einzelnen Kaufmann als guteBeute zu betrach
ten. Zum Belege des soeben Gesagten führe ich nur die Stelle aus
Ritter’s Erdkunde Band XIII Seite 441 an: Ein Grieche, der mit
der Relaiskarawane (d. i. die Dscherde) der Hadj als Schreiber des
Pascha’s von Damask öfter der rückkehrenden Pilgerkarawane ent
gegen gezogen war, behauptet, dass auch viele Inschriften auf
diesen Felsenwohnungen eingehauen seien, mit Charakteren, die er
nicht gekannt habe, die aber weder arabische, noch griechische,
noch römische seien. Leider habe er seinen Plan einige davon zu
copiren nicht ausführen können, aus Furcht vor seinen mohamme
danischen Reisegefährten. Dieser Möglichkeit, auf Ort und Stelle
angelangt doch an genaueren Forschungen verhindert zu sein,
wollte ich mich keineswegs aussetzen, vielmehr erlaube ich mir
der hohen Akademie folgenden, sowohl aus Ritters Angaben als
aus Nachrichten der Eingebornen geschöpften Reiseplan vorzule
gen. Anstalt mit derDscberdekarawane nach einer zw ei und zwan
zigtägigen Wüslenreise müde und ermattet in Medäin Sfälih, wo
die angestrengteste Thätigkeit erfordert würde, anzukommen,
265
würde ich Vorziehen über Aegypten noch nach Surs utid von da
an den arabischen Hafen Wadisch begehen zu dürfen, der von
Arabern des Zuwestät-Stammes häufig besucht wird, mit einem
Scheiche oder Stammesältesten dieser müsste ich dann gegen ein
Geldgeschenk sicheres Geleit mir erkaufen und unter dessen Schute
mich nach dem von Weischh höchstens drei Tagreisen entfernten
Medain Ssälis begeben. Als der günstigste Augenblick zum Antritt
dieser Reise erscheint der Monat August, wo zwar die Hitze am
grössten ist, das Land aber am wenigsten von Arabern durchstreift
wird, die sich um diese Zeit in die Gebirge zurückziehen und wo
das Reisen bei Nacht Und Anhalten während des Tages grössere
Wahrscheinlichkeit des Unbemerktbleibens gewährt. In Begleitung
von nur 10 Beduinen des mächtigen Huweität-Stammes dürfte es
keineswegs so schwer halten bis zu Medasu Schülis vorzudringen
Und unter dem Schütze einer solchen Begleitung die nöthigen For
schungen anzüstellen. Auf ähnliche Weise hat der Naturforscher
Rüssel seine so lehrreichen Excursionen bis Meghäsr Schüaib aus
gedehnt Und ebenso ist der Botaniker Schimper bis Taif und in
die Nähe von Mekka vorgedrungen. Da aber eine solche Reise nicht
unbedeutende Kosten nöthig machen würde, so erlaube ich mir
eine Uebersicht meiner Hauptausgaben einzusenden, woraus erhellt,
dass der von der kaiserl. Akademie mir bewilligte Betrag von
1000 fl. C. M. ohne Einrechnung der Reise von Wien nach Triest
und der mannigfaltigen kleinen Ausgaben nur bis zum Monate März
1850 ausreichte, und sehe mich daher genöthigt, die kais. Akademie
um die weitere Bewilligung eines Betrages auf fünf Monate zu
bitten, wo auf den Monat wenigstens 900 Piaster zu rechnen wä
ren , was auf ein Jahr bemessen ohnediess nur um 80 fl. C. M.
mehr ausmachen würde, als die mir früher angewiesene iSumme.
Ueber die während des Aufenthaltes in Damaskus theils für Frei
herrn von Hammer-Purgstall, theils aus eigenen geringen Mitteln
angekauften arabischen Manuscripte, wird an die hohe kais. Aka
demie baldigst Ausführliches berichtet werden.
Die Classe ersucht den Freiherrn Hammer-Purgstall
in Bezug auf den Reiseplan Herrn v. Kremer’s Anfragen zu
beantworten, und beauftragt den Secretär, den Antrag bei
■Sitfcb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. Heft. 19
266
der Gesammt-Akadeinie zu stellen, ihm in Anerkennung seiner
eifrigen und zweckmässigen Verwendung und seiner bisherigen
Leistungen auch für das zweite Jahr ein Reisestipendium von
1000 fl. C. M. bewilligen zu wollen.
Von den von Herrn v. Kremer früher eingesandten Auf
sätzen wurde der nachstehende zum Abdruck in dem heutigen
Sitzungsberichte bestimmt, dem er folgendes Einbegleitungs
schreiben beigegeben hatte:
„Die vorliegenden Arbeiten, wovon die erste die vorzüglich
sten Moscheen und Grabmäler (Torbet) von Damaskus, die zweite
das mohammedanische Wasserrecht behandelt, sind beide ans des
Schreibers topographischen Studien über Damaskus entsprungen.
Die erste Abhandlung über die Moscheen, so wie die Grab-
mähler berühmter Männer ist nach dem topographischen Werke
c c
des Scheichs Abd-ol-Bäsit-el-Ilmewi ausgearbeitet, das einen Aus
zug aus dem grossen leider wahrscheinlich verloren gegangenen
Werke Nöaimi’s gibt welches die Bangeschichte von
Damaskus enthält. Eine genauere Kenntniss der herrlichen Mo
scheen, die Damaskus schmücken und die bis jetzt in allen
Reiseberichten durch die Beschreibung der grossen Moschee der
Beni Omejje verdrängt wurden, ist für arabische Kunstgeschichte
höchst wichtig; nicht minder beachtenswerth sind die Grabmäler
der grössten Emire, berühmter Geschlechter und angesehener
Familien. Wenn auch schon die Gräber des edlen und unglück
lichen Geschlechtes der Barmekiden dem Zahne der Zeit erle
gen sind und ihr Andenken nur im Munde des Volkes unter den
Worten Kubür-ol-Berämike und in fast verschollenen Lobge
sängen arabischer Dichter fortlebt, so birgt doch manche Kup
pel (icS), wie man besonders am Fusse des Berges Kasiün
und im zauberischen Thale el-Merdfche antriflft, das
sich auch die Barmekiden zur ewigen Ruhestätte ausersehen
hatten, die irdischen Ueberreste so manchen Sultans, so man
chen Gelehrten, deren Ruhm einst den Orient durchflog. Dem
Orientalisten treibt bei der Beschauung der Denkmäler nicht
bloss eine fromme Ehrfurcht gegen die grossen Männer verflosse
ner Jahrhunderte, zu einer näheren Erforschung derselben, son
dern auch eben so sehr die Aussicht auf nicht unbedeutende
267
Ausbeute für morgenländische Geschichte. Diesem Gedanken ver
dankte die erste dieser Arbeiten ihr Entstehen, nur bedauert
der Schreiber, dass ihn der gänzliche Mangel aller europäischen
Hilfsmittel hinderte, beiliegender Schrift die Ausdehnung, Aus
führlichkeit und historischen Erläuterungen zu geben, wie er
gewünscht hätte; diese wird er, so Gott will, in seinem topo
graphischen Werke über Damaskus nachfolgen lassen ’_).
Zur zweiten dieser Arbeiten trieb der Wunsch, etwas Ge
naueres zu lernen über das höchst künstliche und wahrhaft
bewunderungswürdige System der Bewässerung, dass man in
allen Häusern von Damaskus, so wie in der ganzen Ghuta, d. i.
der Ebene von Damaskus beobachten kann. Nach eingezogenen
Erkundigungen heisst es, dass ein specielles darauf bezügliches
Werk sich in der Bibliothek eines der angesehendsten und reich
sten Eftendi’s, Mahmud Effendi mit Namen, befinde. Der Schrei
ber dieser Zeilen hat Hoffnung dieses Werk benützen zu können,
und übersetzte gleichsam als Vorbereitung darauf das in Mäwerdi’s
berühmtem Werke: Kitäb-ol-ahkäm-if-Sultänije befindliche
Capitel: über Urbarmachung der Ländereien und Auffindung von
Wässern 1 , das aber nur allgemeine Rechtsgrundsätze angibt.
Der Abschnitt über die Urbarmachung der Ländereien wurde
desshalb mit übersetzt, weil er von Mäwerdi in demselben Capitel
behandelt wird und dann vorzüglich desshalb, weil darin eine
wichtige Stelle über die Moorgründe von Bassra vorkömmt,
woraus hervorgeht, dass, wie, wenn ich nicht irre, auch Ritter
in seiner Erdkunde von Asien sagt: einst in einer frühem Cul-
turperiode, ebenso wie die pontinischen Sümpfe, auch diese
Moorgründe der Sitz blühender Dörfer und ergiebigen Acker
baues waren”.
„Aus M ä w e r d i’s in oslimischem Staats recht,
über Urbarmachung brachliegender Gründe
und mohammedanisches W a s s e r r e c h t”.
Wer brach liegendes Land urbar macht, erwirbt dadurch den,
Besitz, ohne Rücksicht auf die Erlaubniss des Imäns. Ebu Hanife
*) Dieser Aufsatz ist, so wie alle übrigen von Herrn v. Krem er eilige-
sandten Vorarbeiten zu einer ausführlichen Topographie von Damaskus
bestimmt worden, bis zu seiner Rückkunft hinterlegt zu werden.
19 *
268
meint, die Urbarmachung sei bedingt durch die Erlaubniss des
Iinäns, weil der Prophet den Ausspruch that: Niemand darf über
etwas verfügen, ausser wenn sein Imän es billiget. Doch ein an
derer Ausspruch des Propheten lautet: Wer brachliegendes Land
urbar macht, dem gehört es. Daraus erhellet, dass der Besitz des
brach liegenden Landes durch die Urbarmachung bedingt ist und
nicht durch die Erlaubniss des Imans. Schäfi’i gibt folgende Defi
nition des Ausdruckes: Brachliegendes Land (O : Alles Land
das unbebaut ist und nicht zum Revier eines Bebauers gehört,
heisst: brach liegendes Land (01^*). Ebu Hanife sagt: Brachlie
gendes Land heisst alles Land, das vom urbaren fern ist und vom
Wasser nicht benetzt wird. Ebu Jusuf sagt: Brachliegendes Land,
heisst alles Land, das vom urbaren Lande so fern gelegen ist, dass,
wenn Jemand, der sich demselben vom urbaren Lande her nähert,
mit lautester Stimme ruft, er doch nicht von den am nächsten
wohnenden Menschen im urbaren Lande gehört werden kann. Diess
sind zwei Definitionen, die von der oben (in Schäfit’s Definition)
gemachten Voraussetzung, dass es an bebautes Land gränzen
könne, abweichen. Auf Urbarmachung brach liegenden Landes haben
die Nächstwohnenden, so wie die Entfernten gleiches Recht. Mä-
lik sagt: Die nächts wohnenden Inhaber des urbaren Landes haben
mehr Recht zur Urbarmachung des brach liegenden, als die Ent
fernten.
Als Hauptbedingung der Urbarmachung wird dieKenntniss des
Landes erfordert das urbar gemacht werden soll: denn der Prophet
verlangt als absolut nothwendig, die Möglichkeit der bedungenen
Kenntniss. Ist die Urbarmachung brach liegenden Landes zur Be
wohnung beabsichtigt, so geschieht die Urbarmachung durch Bau
und Ueberdachung, weil die erste Vollkommenheit der Urbarma
chung diejenige ist, wodurch die Bewohnung des Landes möglich
wird. Wird aber die Urbarmachung zum Säen oder Pflanzen beab
sichtigt, so sind drei Bedingungen zu berücksichtigen: 1. die
Aufhäufung von Erde, wodurch das urbar zu machende Land von
dem andern geschieden wird; 2. Hinleitung von Wasser, wenn
das Land dürre ist und Ableitung desselben , wenn es Moorgrund
(^IUj) ist, denn dürres Land wird durch Hinleitung von Wasser
fruchtbar gemacht, Moorland aber durch Ableitung des Wassers,
269
so dass das Land, sei cs nun der ersten oder zweiten Beschaffen-
heit, besäet und bepflanzt werden könne; 3. das Ackern des Lan
des. Das Ackern aber begreift, in sich das Durchfurchen des ebe
nen, Abträgen des höheren und Ausfällen des niedrigen Landes.
Sind diese drei Bedingungen erfüllt, so ist die Urbarmachung
vollendet und Besitz von dem urbargemachten Lande ergriffen. Ei
nige der Schüler Schäfiis irren, wenn sie sagen: wenn es nicht
besäet und bepflanzt ist, so ist es auch nicht in Besitz genommen.
Diess ist aber eine irrige Ansicht in dem Falle, wenn das brach
liegende Land zur Bewohnung verwendet wird, wobei man nicht
auf die Beschaffenheit des bewohnten Landes Rücksicht zu nehmen
braucht. Wenn der Säer des Landes nach dessen Urbarmachung
derjenige ist, der es zuerst beackerte und besäete, so ist der Ur
barmacher der Besitzer des Landes, so wie der Errichter des Baues
Besitzer desselben. Will der Besitzer des Landes es verkaufen,
so ist es ihm erlaubt, will der Besitzer des Baues ihn verkaufen,
so gibt es verschiedene Ansichten. Ebu Hanife sagt: hat er den
Bau seihst errichtet, so ist ihm der Verkauf erlaubt, hat er den
Bau nicht seihst errichtet, so ist er ihm nicht erlaubt. Mälik sagt:
Der Verkauf des Baues ist unter allen Umständen erlaubt, er be
kömmt dadurch den Ackerer (jUl) als Mitbesitzer des Landes
durchseinen Bau. Schäfii meint: der Verkauf des Baues sei auf
keine Weise erlaubt, ausser wenn er Gegenstände hat, die beweg
lichen Werth haben, als: Bäume und Saaten, diese Gegenstände
darf er verkaufen, doch nicht das unbewegliche Gut. Wenn Jemand
auf einem brachliegenden Lande sich einen Zufluchtsort bereitet, so
hat er mehr Recht auf dessen Urbarmachung als ein Anderer, wenn
aber Jemand sich desselben bemächtigt der es urbar macht, so hat
er mehr Recht, als der, welcher bloss daselbst einen Zufluchtsort
suchte; wenn der auf einem Lande Zufluchtsort Suchende es vor
der Urbarmachung verkaufen will, so ist diess, wie offenbar aus
der Lehre Schäfiis hervorgeht, unerlaubt. Viele Anhänger dessel
ben erklären es für erlaubt, da er, sobald er daselbst sich ansiedelte
i mehr Recht darüber erwarb als ein Anderer, und ihm der
Verkauf so wie der anderer Besitzthümer zusteht. Dasselbe sei
der Fall, wenn der Ansiedler das brach liegende Land verkauft
und sich dann, nachdem es in Besitz des Käufers übergegangen,
270
einer desselben bemächtigen würde, der es urbar machte. Ihn
C
Ebi Horeire, ein Anhänger des Schafii sagt: der Preis sei desshalb
dem Käufer keineswegs erlassen, weil er das Besitzthum, das er
erworben, verlören habe. Ein anderer der Anhänger Schäfii’s,
welche die Rechtmässigkeit des Verkaufes vertheidigen, sagt: der
Preis sei ihm erlassen, weil seine Besitznahme nicht eingetreten
sei. Wenn er sich aber irgendwo ansiedelt und Wasser an den Ort
hinleitet, so wird er Besitzer des Wassers und des Theiles von
dem brachliegenden Lande und dessen Revier, worin das Wasser
fliesst. Doch kömmt nichts als dieses ihm zu und wenn er darauf
auch mehr Recht besitzt als ein Anderer, und es ist ihm der Verkauf
des Landes worin das Wasser fliesst erlaubt. Ueber die Gesetzlich
keit des Verkaufes anderer Gegenstände des Ortes der Ansiedelung,
gilt das was wir oben von den zwei Fällen sagten. Vom urbar ge
machten Lande ist bloss der Zehent, nicht der Charädsch (d. i. die
Kopfsteuer) zu bezahlen, ausser wenn das urbar gemachte Land
mit Wasser, das mit Zehent oder Charädsch belegt ist, bewässert
wird. Ebu Hanife und Ebu Jusuf sagen: wenn auf das urbar ge
machte Land Wasser hingeleitet wird, von dem Zehent oder Cha
rädsch zu bezahlen ist, so hat das bewässerte Land ebenfalls den
Charädsch zu bezahlen. Mohammed Ibu-ol-Hasan sagt: Wenn das
urbar gemachte Land an Flüssen liegt, die von den Barbaren
Ip'i \ d. i. Nichtarabern) gegraben wurden, so hat das Land
den Charädsch zu zahlen. Liegt das bewässerte Land an Flüssen,
die Gott strömen liess , wie der Tigris oder Euphrat, so hat das
Land den Zehent zu zahlen. Die Iräker und andere sind alle der
Ansicht, dass alles was von den Brachgründen von Bassra und
dessen Moorlanden urbar gemacht würde, den Zehent zu zahlen
habe. Aber nach dem Ausspruche des Ibn-el-Hasan ist der Tigris
von Bassra 1 J *) ; ein Strom, den Gott strömen liess die
einmündenden künstlich angelegten Flüsse wurden von den Mosli-
men in den Brachgründen gegraben. Was die Ansicht Ebu Hanife’s
anbelangt, so begründen seine Anhänger diess auf verschiedene
l ) Das Wort: Tigris J scheint hier in der Bedeutung von Canal genom-
men zu sein, da von drei Tigris hier die Rede ist. Ein Aufschluss darüber
wird sich wohl in dein trefflichen geographischen Wörterbuche: Merässid-
el-l’ttila’ finden, das ich leider nicht zur Hand habe.
27t
Art nach seinem Ausspruche. Einige geben als Ursache an, dass
das Wasser, von dem Charädsch zu zahlen sei, bei der Ebbe in dem
Tigris von Bassra zuriickbleibe, so dass das Land von Bassra nur
von der Fluth bewässert werde, die Fluth aber werde durch das
Meer verursacht, nicht aber durch den Tigris und Euphrat.
Diese Begründung ist aber falsch, weil die Fluth das süsse
Flusswasser vom Meere zurückdrängt, so dass es sich nicht
mit dem Meerwasser vermischt und nichts von diesem bewässert
wird, so dass zur Zeit der Fluth nur das Wasser des Tigris
und Euphrats (die Ländereien) bewässert. Andere Anhänger des
selben, worunter Talhat-Ibn-Adam sagen, die Ursache liege
darin, weil das Wasser des Euphrats und Tigris in den Moor
gründen stagnire, wodurch es seine Eigenschaft (als
steuerpflichtiges Wasser) verliert und zu nichts mehr benützt
werden kann, dann fliesst es in den Tigris von Bassra ab und
ist nicht mehr , als charädfchpflichtiges Wasser, weil die Moor
gründe keine charädfchpfliclitigen Wasser enthalten. Diese Be
gründung ist aber ebenfalls unrichtig, weil die Moorgründe
(^ILj) von Irak sich vor dem Islam bildeten, der Boden ge
staltete sich aber in der Folge so um, dass sie zu Brachgründen
wurden, aber die Eigenschaft des Wassers änderte sich nicht.
Die wahre Ursache wird von den Geschichtschreibern angegeben
und ist folgende. Das Wasser des Tigris floss einst in den
unter dem Namen Ghaur (j^s) bekannten Tigris, der in den
Tigris von Bassra strömt, von el-Mefär durch gerade und wohl
beaufsichtige Canäle. Damals waren diese Moorgriinde Land voll
Saatenfeldern und Dörfern, mit zahlreichen Niederlassungen.
Als Kobäd Ben Firüf zur Herrschaft kam, ereignete sich unter
halb Kesker (^3) eine grosse Ueberschwemmung, deren Ur
sache unbekannt bliel-, so dass das Wasser alles bedeckte und
von Bauten alles was es erreichte, vernichtete. Als Anufchirwän,
sein Sohn, zur Herrschaft kam, befahl er diess Wasser zu bän
digen; da wandte man viele Wasserräder an, bis man einige
dieser Ländereien wieder in ihren bebauten Zustand gesetzt
hatte, so blieb es bis der Gesandte Gottes den Abd-Allah Ben
Hudäfe ( isljö-) es Seheini (^^Jl) an den Chosroes Tewif,
als Gesandten schickte, da schwollen der Euphrat und Tigris
272
gewaltig an, wie man noch nie gesehen und eine grosse Ueber-
schwemmung entstand. Eberwif gab sich alle Mühe das Wasser
zu dämmen, so dass er an einem Tage 70 Dammaufseher kreuzigen
liess. Das Geld zum Baue der Dämme liess er in Matten
aufschütten, doch konnte er das Wasser nicht bezwingen. Hierauf
kamen die Moslimen nach Irak und die Perser wurden durch
Kriege beschäftigt, die Ueberschwemmungen aber nahmen zu ohne
dass Jemand darauf Acht gab. Die Bauern aber waren nicht im
Stande sie zu dämmen und zu bändigen, so breitete sich der Moor
grund immer weiter aus und nahm zu. Als Moäwije zur Herr
schaft kam, beauftragte er seinen Freigelassenen Abd Allah Ben
Derrädfch mit der Einsammlung des Charädfches von Irak, dieser
sammelte bloss aus dem Gebiete der Moorgründe (^IkJ 1 ^y>S)
die Summe von einer Million Dirhem; später brachte Hasan der
Nabatäer für Welid Ben Abd-ol-Melik, so wie dann unter Hi-
fchäm bedeutende Summen aus dem Gebiete der Moorgründe
zusammen. So blieb es bis zu unserer Zeit, bis die trockenen
Stellen ebenso wie die Moorgründe oder noch unbrauchbarer
wurden. Diese Begründung der Anhänger Ebu Hanife’s mit un
serer Erklärung der Zustände der Moorgründe, ist nur eine
Entschuldigung, zu der sie das einstimmige Zeugniss der Sfahäbe
zwang: dass nämlich alles was von den Brachgründen Bassra’s
urbar gemacht werde, zehentpflichtiges Land sei. Dafür ist aber
keine andere Ursache vorhanden als die Urbarmachung.
Unter dem Ausdrucke Revier ist alles das gemeint,
was vom Brachgrunde zur Bewohnung oder Besämung urbar ge
macht wird. Bei Schäfii wird darunter alles das verstanden,
was dem Lande nicht fehlen darf, als: Wege, Hofraum, fliessen-
des Wasser zur Tränkung und Bewässerung. Ebu Hanife sagt:
Unter dem Ausdrucke Revier des Saatlandes ist das zu ver
stehen, was von dem Wasser ferne liegt und von demselben
nicht erreicht wird. Ebn Jusuf sagt: das Revier ist alles das,
bis wo die Stimme desjenigen, der von den Gränzen her ruft,
gehört wird. Wären diese zwei Definitionen richtig, so dürften
nie zwei Bauten zusammenstossen oder zwei Häuser Zusammen
hängen. Die Genossen des Propheten (aW^ 0 ) legten Bassra
C
nach dem Plane Omer Ibn-ol-Chattäb’s an und zertheilten es
273
in Gehäge (JaJaa.) für die verschiedenen Familien der Bewoh
ner, und der Hauptstrasse , wo zugleich das Gefängniss war,
gab man eine Breite von 60 Ellen, die übrigen Gassen waren
20 Ellen breit, jede Seitengasse war 6 Ellen breit, in der Mitte
eines jeden Gehäges war ein weiter Platz, wo die Pferde ange
bunden wurden und die Gräber der Verstorbenen sich befanden,
die|Wohnungen stiessen aneinander. Diess hätten sie nicht ge-
than, wenn sie nicht alle einer und derselben Meinung gewesen,
oder wenn sie nicht durch einen Ausspruch (des Propheten)
von dem es nicht erlaubt ist abzuweichen, bestimmt worden
wären. Befchir Ben Käb erzählt von Ebu Horeire, dass der
Gesandte Gottes sagte: Wenn auf einem Wege ein Gedränge
des Volks entsteht, so erweitere man ihn auf sieben Ellen.
Abschnitt.
Die aufgefundenen Wasser werden in drei Classen einge-
theilt: Wasser von Flüssen, Wasser von Brunnen und Wasser
von Quellen. Die Flüsse theilt man wieder in drei Kategorien:
1. Wasser, die Gott strömen liess in grossen Flüssen, die nicht
von Menschensöhnen gegraben wurden, wie der Tigris und Eu
phrat, welche beide er-Räfidäni, d. i. die Segensreichen genannt
werden. Ihr Wasser reicht zur Bewässerung und Tränkung, und
Niemand lässt es sich beikommen zu denken, dass sie ja nicht
ausreichen sollten. Es ist nie ein Mangel, der Streit oder gegen
seitiges Geizen damit hervorrufen könnte. Jedem dem es beliebt,
steht es zu, davon sein Gut zu wässern und von seinem Gute da
hin einen Ableit-Canal zu machen. Niemand wird gehindert Was
ser zu nehmen oder einen Ableit-Canal zu graben. 2. Die kleinen
Flüsse, die Gott strömen liess, diese sind zweifacher Art. Die ei
nen haben hohen Wasserstand auch ohne geschwellt zu werden
und reichen ohne Verminderung für alle Anwohner aus-, jedem
Landbesitzer, der daran wohnt, ist es gestattet davon sein Land
zu bewässern, wann es Noth thut, und keiner hindert den andern.
Wenn aber Leute von diesem Flusse einen Canal in ein anderes
Gebiet leiten wollen oder einen Ableit-Canal eines andern Flusses
hineinleiten wollen, so ist wohl zu sehen; schadet es den Anwoh
nern dieses Flusses, so ist es zu verhindern, schadet es nicht, so
ist es auch nicht zu verhindern. Die Flüsse zweiter Art haben nie-
274
deren Wasserstand und das Wasser erreicht nicht die zur Bewäs
serung nöthige Höhe, ausser durch Schwellung. Der oberst Woh
nende der Anwohner des Flusses hat in diesem Falle das Recht
mit der Schwellung zur Bewässerung seines Landes den Anfang
zu machen bis der Boden gesättigt ist. Hierauf schwellt sein Nach
bar den Fluss, so dass derjenige, der der nächste an der Mündung
des Flusses sein Gut hat, der letzte zur Schwellung kömmt.
Ubädet-Ibn-oss-Ssämit erzählte, dass der Gesandte Gottes in Be
zug auf die Bewässerung der Palmbäume aus einem Bache festsetzte,
dass der am obersten Wohnende vor dem unten Wohnenden seine
Palmen bewässere, dann das Wasser dem ihm zunächst Wohnenden
zukommen lasse und so fort bis alle Ländereien bewässert worden.
Ueber die Menge des Wassers aber, das er auf seinem Lande an
schwellen dürfe, erzählt Mohammed Ben Ishäk von Ebu Mälik
Ben Sälebe und dieser von seinem Vater: der Gesandte Gottes habe
im Wadi Mehsur festgesetzt, es dürfe das Wasser auf dem Lande
bis zur doppelten Höhe des Knöchels am Fusse angeschwellt
werden, habe es diese Höhe erreicht, so müsse es den Nachbarn
zugesendet werden. Ebu Molk sagt: Beim Bache Seil Buthan
traf man eine gleiche Anordnung. Diese Entschädigung war
aber von ihm nicht auf das Allgemeine für alle Zeiten und Länder
berechnet, weil dieselbe durch das Bedürfniss modificirt wird. Die
ses ist verschieden nach 5 Bedingungen; erstens der Verschieden
heit der Ländereien, wovon die einen mit Wenigem gesättigt wer
den, andere nicht mit Vielem; zweitens die Verschiedenheit des
sen was darauf gepflanzt wird, denn die Saat braucht eine andere
Bewässerung als Palmen und Bäume; drittens die Verschiedenheit
des Sommers und Winters, denn in jeder dieser Jahreszeiten ist
ein verschiedenes Maass der Bewässerung nothwendig; viertens die
Verschiedenheit der Zeit des Säens, Erntens, denn in jedem dieser
Zeitpuncte ist ein verschiedenes Maass der Bewässerung noth
wendig; fünftens die Verschiedenheit der Beschaffenheit des Was
sers, wie lange es währt und wann es zu fliessen aufhört, denn
wenn das Wasser zu einer bekannten Zeit aufhört, so bewahrt
man einen Vorrath davon auf; fliesst es aber beständig, so nimmt
man nur solches Wasser, das sogleich verbraucht wird. Wegen
dieser fünffachen Verschiedenheit reicht jene Bestimmung, die der
Gesandte Gottes für einen Fall machte, nicht aus, cs kömmt
275
dabei nämlich auch die vorauszusetzende Kenntniss im Falle der
Noth zu berücksichtigen. Wenn nämlich Jemand sein Land be-
giesst oder bewässert und es fliesst das Wasser in das Land
seines Nachbarn ab und ersäuft es, so ist er nicht zum Scha
denersatz verpflichtet, weil er auf seinem Gute nur sein Recht
ausgeübt hat, gibt es aber in diesem Wasser Fische, so hat der
zweite mehr Recht darauf als der erste, weil es in seinem Be
sitze ist. In die dritte Kategorie der Flüsse gehören die Canäle
die von Menschen gegraben wurden, als sie die Ländereien ur
bar machten. Ein solcher Canal ist gemeinschaftliches Gut, wie
eine Strasse, die den Einwohnern gemeinschaftlich gehört, ohne
dass Jemand ein besonderes Recht darauf hätte; wenn diesen
Canal bei Bassra die Fluth erreichen würde, so hätten alle An
wohner zu dem Besitz desselben gleiches Recht und würden nicht
darüber untereinander in Streit gerathen , weil das Wasser in
hinreichender Menge vorhanden wäre, auch würden sie nicht
nöthig haben es zu schwellen, weil es durch die Fluth die Höhe
erreicht, welche erforderlich ist um die Ländereien zu trän
ken; nach der Bewässerung der Ländereien sinkt es mit der
Ebbe. Wäre diess an einem anderen Orte als Bassra, wo keine
Ebbe und Fluth wäre, so gehörte der Canal demjenigen der
Landbesitzer, der ihn gegraben, kein Anderer hätte ein Recht
daraus Wasser zu schöpfen oder abzuleiten, keinem der An
wohner stünde es zu, vereinzelt eine Brücke darüber zu schlagen
oder Wasser daraus zu schöpfen um eine Mühle in Bewegung
zu setzen, ausser mit Einwilligung aller Inhaber, weil sie in
gemeinschaftlichem Besitze sind und es dem Einzelnen verboten
ist, in diesem Falle etwas eigenmächtig zu unternehmen. Ebenso
wie es bei einer gemeinschaftlichen Gasse verboten ist, ein Thor
hinein zu eröffnen oder einen Erker darüber zu bauen oder sie
zu überwölben, ausser mit Einstimmung aller Mitbesitzer. Dann
sind aber, wenn sie zur Bewässerung davon Gebrauch machen,
drei Bedingungen zu beobachten. 1) Dass sie sich nach Tagen
darein theilen wenn viel, und nach Stunden wenn wenig Was
ser ist, und dass sie das Loos entscheiden lassen, wenn Streit
über die Reihenfolge entstehen sollte, so dass festgestellt wird,
wer der erste sei und wer ihm folgen solle und dass an Jeden
die Reihe kommt, worin er mit keinem Anderen theilen muss ,
276
worauf dann die Anderen folgen, wie sieh die Reihenfolge her
ausstellte. 2) Dass sie der Breite nach über die Mündung des
Canals eine Holzwehr errichten, welche die beiden Ufer des
Flusses berührt, und dass sie auf ihr die Abzuggräben nach Ver-
hältniss der Ansprüche auf das Wasser eintheilen , so dass in
jedem Graben gerade so viel Wasser kömmt als der Besitzer mit
Recht beansprucht, wie z. B. ein Fünftel oder Zehntel, womit
er seine Erde reichlich bewässert. 3) Dass Jeder von ihnen vorne
bei seinem Lande eine Seihgrube y) gräbt, deren Grösse
durch Uebereinkunft aller bestimmt wird, oder die der Ausdeh
nung der Besitzungen entspricht, und dass er vom Wasser des
Flusses nicht mehr nimmt, als ihm mit Recht zukömmt, und dass
er darin mit allen seinen Mitbesitzern gleichsteht. Es kömmt ihm
nicht zu, dass er mehr benützt, so wie sie ihm nichts davon
entziehen dürfen. Keinem von ihnen ist es erlaubt, dass er eine
ihm vorhergehende Seihgrube zurücksetze , sowie der Miteigen-
thümer einer Privatgasse kein vorhergehendes
Thor (eigenmächtig) zurückversetzen darf, ebenso darf auch
keine nachfolgende Seihgrube vorangestellt werden, wenn es
auch erlaubt ist ein hinteres Thor voranzustellen, indem dadurch
nur ein Recht vermindert wird *), während bei der Voranstel-
*) Diese etwas dunkle Stelle erkläre ich mir folgendermassen. Unter dem
Ausdruck ^ L d. i. Thor, ist hier nicht das Hausthor zu verstehen, wel
ches sich in der Strasse weder weiter hinaus noch weiter hinab versetzen
Hesse, sondern vielmehr das, was im Gemein-Arabischen mit dem Worte
\y bezeichnet wird. Es ist nämlich der Brauch in allen orientalischen
Städten, dass jede Strasse lo- mit einem quer über die Strasse er
richteten Thore von Holz, das B a ww abe genannt wird, zur Nachtzeit ab
gesperrt und dadurch Diebe und derlei Volk abgehalten, und die Sicher
heit der Strassen vermehrt wifd; jede dieser Bawwäbet hat einen Wächter
) W* genannt, der das Thor denjenigen öffnet, die Laterne haben.
Von einer solchen Bawwäbe ist hier die Rede; er meint nämlich: es darf
keiner der Miteigcnthümer der Privatgasse die Bawwäbe um einige Häu
ser in die Gasse hinabrücken, weil dadurch die ausserhalb der Bawwäbe
Hegenden Häuser den Angriffen der Diebe u. dergl. ausgesetzt, also in
ihrem Rechte auf Sicherheit geschmälert würden: würde aber eine mehr
gegen das Ende der Sackgasse zu liegende Bawwäbe zur Mündung der
277
lung einer Seihgrube ein Recht vermehrt wird. Die Ausdeh
nung des Revier’s des im Brachgrunde gegrabenen Canals, sagt
Schaft!, wird bestimmt durch die Kenntniss der Menschen von
einem ähnlichen. Dasselbe gilt von den unterirdischen Canälen
(Äw), weil ein solcher ein verborgener Canal ist. Ebu Hanife
sagt: Das Revier eines Flusses erstreckt sich soweit als man
den Thon des Flusses antrifft. Ebu Josef sagt: Das Revier ei
nes Canals ist das was sich nicht auf der Oberfläche
der Erde ausdehnt und doch Wasser ansammelt. Diese Defini
tion ist sehr gut.
Abschnitt.
Bei Grabung von Brunnen können drei Umstände eintreten.
1) Werden sie zum allgemeinen Gebrauche gegraben, ihr Wasser
ist dann Gemeinbesitz und derjenige, der die Brunnen grub hat
in diesem Falle nicht mehr Rechte als die Anderen. Osmän Ben
Affan widmete den Brunnen Bir Riime dem allgemeinen Ge
brauche und schöpfte mit einem Eimer zugleich mit den übrigen
Leuten; war das Wasser viel, so liess man auch noch die Thiere
trinken und bewässerte nebstdem auch noch die Saaten; gab es
Wassernoth, so lag es näher die Thiere und nicht die Saaten
zu tränken, Menschen und Thiere theilten sich darein, ward die
' I
Noth grösser, so hatten die Menschen mehr Ansprüche auf das
Wasser als die Thiere. 2) Wenn ein Brunnen zum gemeinschaft
lichen Gebrauche gegraben wird, wie in der Wüste, wenn ein
Landstrich von einem Stamme mit Heerden zur Beweidung be
sucht wird, und dieser Stamm nun daselbst einen Brunnen gräbt,
um daselbst daraus zu trinken und seine Thiere zu tränken, so
hat dieser Stamm mehr Recht auf das Wasser, als andere, so
lange sie sich daseihst zur Benutzung der Weiden aufhalteu.
Ihnen steht es zu den Ueberrest ihres Wassers anderen Leuten
zu gehen. Reisen sie fort, so wird der Brunnen Gemeingut und
was beim Entstehen nur Einigen gehörte, wird zuletzt gemein-
Gasse hinaufgerückt, so gemessen die früher ausserhalb der Bawwabe
gelegenen Häuser dieselbe Sicherheit, wie die innerhalb derselben gele
genen 5 diese werden dadurch in ihrem Rechte zwar geschmälert, weil
sie das, was sie früher allein besassen, nun mit mehreren theilen, allein
keineswegs in ihrer Sicherheit.
278
sames Eigenthum Aller. Kehren sie nach der Reise wieder dahin
zurück, so sind sie und Andere gleichgestellt und nur wer frü
her ankömmt, hat das Vorrecht. 3) Wenn er zum eigenen Ge
brauche als Besitzthum gegraben wird. So lange man aber noch
nicht so weit gegraben hat, dass man auf Wasser stiess, ist
der Besitz noch nicht erworben. Quillt einmal das Wasser her
vor, so ist der Besitz gesichert, weil die Auffindung des Wassers
vollendet ist, nur ist es nothwendig den Brunnen mit Steinen
zu umgeben, und es ist dann diese Ummauerung des Brunnens
die Vollendung der Auffindung und der Besitznahme des Reviers.
Die Rechtsgelehrten sind verschiedener Ansicht über die Aus
dehnung des Reviers. Schafii sagt: die Ausdehnung des Reviers
werde bedungen durch die sichere Kenntniss eines gleichen
Brunnens. Ebu Hanife sagt: das Revier eines aufquillenden
Brunnens ist 50 Ellen. Ebu Jusuf sagt: Die Ausdehnung des Re
viers beträgt 60 Ellen, ausser es wäre das Brunnenseil noch län
ger, wo dann die Länge des Brunnenseils die Ausdehnung des
Gehäges bestimmt. Das Gehäge eines Brunnens mit steinerner
Einfassung beträgt 40 Ellen. Diese Bestimmungen sind bloss durch
eine Ueberlieferung festgesetzt. Findet sich eine darauf bezügliche
Ueberlieferung vor, so muss sie befolgt werden, w t o nicht, so
muss es begründet werden und zu der Bestimmung hat man
durch die Länge des Brunnenseils eine Methode, die ganz rich
tig ist und die zur nothwendigen Kenntniss gehört.
Hat jemand Besitz von einem Brunnen und dessen Gebiet
erlangt, so hat er grösseres Recht darauf und auf dessen Was
ser. Die Anhänger Shafii’s sind verschiedener Ansicht, ob er
schon bevor er ihn benützte und Wasser daraus schöpfte Be
sitzer werde, Einige meinen er habe schon vollständigen Be
sitz genommen noch bevor er Wasser daraus schöpfte, so w r ie
der, welcher eine Erzmine besitzt, auch das darin befindliche
in Besitz bekömmt, wenn er auch noch nichts daraus genommen
hat. Er kann daher den Brunnen noch vor der Benützung ver
kaufen und wer ihn ohne seine Einwilligung benützt, von
dem kann er Entschädigung verlangen. Ist aber der Brunnen in
seinem ausschliesslichen Besitze und Rechte, so kann er daraus
seine Thiere, Saaten, Palmen und andere Bäume tränken und
bleibt ihm kein überflüssiger Rest übrig, so braucht er auch
2?9
nichts davon wegzugeben, ausser dem, der desselben zur Er
haltung seines Lebens bedarf. El-Hasan erzählt, dass einst ein
Mann zu den Inhabern eines Brunnens kam und sie um Was
ser anflehte. Sie gaben ihm keines und er verdurstete. Da nö-
C
thigte sie Omer zur Zahlung des Blutgeldes. Wenn ein über
flüssiger Rest zurückbleibt, so ist nach Schäfii’s Lehre die
Verpflichtung vorhanden, den Rest den wasserbedürftigen Be
sitzern von Lastthieren und Heerden zukommen zu lassen, eher
als den Saaten und Bäumen. Ebu A’beid Ben Harbeweih, einer
der Anhänger Schäfii’s sagt: Er braucht nicht den Ueberfluss
davon an Thiere oder Saaten zu vertheilen. Andere hingegen
sagen : Er muss den Ueberfluss an Thiere oder Saaten abgeben.
Schäfii’s meint, er sei verpflichtet den Ueberfluss an Thiere zu
überlassen, nicht aber an Saaten. Diess ist das gerichtlich Fest
gesetzte. Ebu Sinäd erzählt von el-Aradfch und dieser von
Ebu Horeire, der berichtet, der Prophet Gottes habe gesagt:
Wer den Ueberfluss des Wassers vorenthält um dadurch den
Ueberfluss von Grünfutter zu verhindern, dem wird Gott seine
Barmherzigkeit vorenthalten am Tage der Auferstehung. Bei der
Verschenkung dieses Ueberflusses sind 4 Bedingungen zu beob
achten: 1) Dass es sich auf dem Grunde des Brunnens befinde,
hat er denselben ausgeschöpft, so braucht er nicht das Wasser
zu verschenken und es ist ihm erlaubt dasselbe zu verkaufen.
2) Dass der Brunnen in Verbindung steht mit Grünfutter, das
abgeweidet wird ; ist der Brunnen nicht in der Nähe des Grün
futters, das abgeweidet wird, so braucht er das Wasser nicht
zu verschenken. 3) Dass die Thiere keinen andern Brunnen als
diesen finden; finden sie einen andern freistehenden, so braucht
\ er ihnen nicht sein Wasser abzugeben, und es haben die Thiere
zu dem freihstehenden Brunnen zu gehen. Ist aber auch der andere
Brunnen im Besitze eines Inhabers, so muss jeder von den zwei
Besitzern der beiden Brunnen den Ueberfluss seines Wassers an
diejenigen Heerden vertheilen, die zu ihm kommen; werden die
Thiere durch das Wasser des einen Brunnens gesättigt, so fällt
die Verpflichtung für den andern hinw'eg. 4) Dass durch das Her
beikommen der Thiere zu seinem Wasser ihm kein Schaden an
seinen Saaten und Heerden entstehe. Entsteht ihm durch das
Herbeikommen der Thiere ein Schaden, so kann er sie abhalten
280
und es ist dem Hirten erlaubt den Ueberfluss des Wassers für
sie zu schöpfen. Gegen diese vier Bedingungen hin muss er den
Ueberfluss seines Wassers abgeben, und es ist ihm verboten einen
Preis dafür zu nehmen; ist aber eine dieser Bedingungen nicht er
füllt, so ist es ihm erlaubt dafür einen Preis zu nehmen, wenn er
es nach Maass und Gewicht verkauft; verboten ist ihm diess aber,
wenn er es kärglich und ungemessen verkauft um damit ein Thier
oder eine Saat abzuwässern. Wenn Jemand einen Brunnen grub
und denselben so wie dessen Revier in Besitz nahm, und es gräbt
dann ein Anderer ausserhalb dem Revier (des ersteren) einen Brun
nen, und es zieht das Wasser des ersteren Brunnens sich in den
zweiten, sickert dorthin, so erhält er davon den Besitz und darf
nicht daran gehindert werden, ebenso wenn ein Brunnen gegraben
wird weil sich Wasser daselbst zeigte, so hat er rechtlichen Be
stand. Mälik sagt: Wenn das Wasser des ersten Brunnens dahin
quillt und dadurch sich verändert, so kann er daran verhindert
und der Brunnen verschüttet werden.
Abschnitt.
Was die Quellen anbelangt so werden diese in drei Katego
rien eingctheilt: 1) Dass sie zu den Wassern gehören, die Gott
aufquellen liess und die nicht von Menschen aufgegraben wurden;
von diesen gilt dasselbe, was von den Flüssen gilt, die Gott
strömen liess. Wer ein Land urbar machte, dem kömmt es auch
zu von dessen Wasser seinen Bedarf zu nehmen. Entsteht ein
Streit darüber wegen der nicht hinreichenden Menge, so kömmt
zuerst das Land in Betracht, das mittelst dieses Wassers ur
bar gemacht worden ist; haben verschiedene Personen aufein
ander gefolgt, so hat derjenige, der das Land zuerst urbar
machte, das Recht zuerst sein Land mit dem Wasser zu tränken,
dann der Nächstfolgende, reicht das Wasser nicht aus alle zu
befriedigen, so muss der Letzte sich den Mangel gefallen lassen;
haben mehrere gemeinschaftlich zugleich ein Land urbar gemacht
und keiner früher als der andere, so mögen sie sich abfinden
durch Theilung des Wassers, oder Abwechslung im Gebrauche
desselben. Die zweite Kategorie umfasst die Quellen die von
Menschen aufgefunden werden und die demjenigen gehören, der
sie auffand, der dadurch zugleich Besitzer ihres Revieres wird.
281
Nach der Lehre des Schäfii kommt dabei die bedungene Kennt-
niss einer ähnlichen Quelle in Betracht so wie der Grad der
Nothwendigkeit derselben. Ebu Hanife sagt: das Revier einer
Quelle ist 500 Ellen, der Aulfinder der Quelle hat das Recht,
ihr Wasser wo er immer hin will zu leiten und das Land worin
ihr Wasser fliesst ist sein Besitzthum, ebenso wie das dazu ge
hörige Revier. In die dritte Kategorie gehören die Quellen,
welche jemand auf seinem Grunde aulfindet, dieser hat ein grös
seres Recht sein Land damit zu bewässern und wenn es gerade
für ihn hinreicht, so hat Niemand ein Recht darauf als der,
welcher nothgedrungen trinkt. Wenn nach Befriedigung seines
Bedarfes noch etwas übrig bleibt und er von dem Ueberreste
einen Brachgrund urbar machen will, so hat er das grösste
Recht, das von ihm urbar gemachte Land zu bewässern, wenn
er es aber nicht zur Urbarmachung eines Landes verwendet,
so ist er verpflichtet, denselben an Besitzer von Heerden, nicht
aber von Saaten, zu überlassen, so wie es mit dem Ueberreste
des Brunnenwassers zu geschehen pflegt; wenn er Ersatz da
für verlangt von den Inhabern der Saaten, so ist diess ihm
unverwehrt, wenn er aber Ersatz verlangt von den Inhabern der
Thiere, so ist diess widerrechtlich. Demjenigen, der einen Brun
nen grub und davon Besitz ergriff oder eine Quelle auffand, ist
es erlaubt sie zu verkaufen und es ist ihm unverwehrt, dafür
einen Preis zu nehmen. Sä’id Ibn-ol-Musejjab sagt, ebenso wie
Ebu Sib, es sei ihm nicht erlaubt sie zu verkaufen, und Preis
c c c
dafür zu nehmen sei ihm verboten. Omer Ihn Äbd-ol-Afif
und Ebu-f-Siäd sagen wenn er sie verkauft um Geld dafür zu
erhalten (LiJ) so ist es ihm erlaubt, wenn er sie aber verkauft
in der Absicht die Gegend zu verlassen (3Ü). so ist es verbo
ten, und es haben dann die dem Besitzer zunächstwohnenden
Menschen das grösste Recht darauf ohne Kaufpreis, und kehrt der
Fortgewanderte zurück, so tritt er wieder in den Besitz ein.
Herr J. J. von Tschudi, correspondirendes Mitglied der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Classe, legt der k. Akade
mie sein Werk: „Ueber die Kicfiua-Sprache” zur Heraus
gabe durch dieselbe vor, und hält einen Vortrag:
Siizb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. Heft.
20
282
„Ueber die Sprachen Amerika’s im Allgemeinen
und insbesondere über diejenigen des westlichen
Theiles des mittleren Südamerika.”
Als Einleitung behandelte er die Frage, welche Nationen
sind in .den vor-Columbischen Zeiten mit Amerika in Verbindung
gestanden, oder woher sind die in allen Sagen der ältesten
amerikanischen Geschichte immer erwähnten Fremdlinge gekom
men und welchen Einfluss haben sie auf den Cultus, die Kunst
und die Sprache der Eingebornen genommen? Zuerst führte er
die Einwanderungen der Nordmänner im 10. Jahrhunderte, die
der Irländer im 9. und 10. an, dann die Hypothese über das
Vorrücken der zehnthalb gefangen nach Samaria geführten
Stämme der Juden bis nach Amerika, und erwähnte aller dafür
sprechenden Beweise. Weitläufig erörterte er das merkwürdige
Document von Votan und die von Don Pablo Feliz Cabrera
gegebene Erklärung desselben, dann die Arbeiten von de Guignes,
der aus den chinesischen Jahrbüchern nachweiset, dass die Ein
wanderer eines Theiles des westlichen Amerika’s ostwärts von
China oder den indischen Inseln hergekommen seien, und die
von Paravay zuerst ausgesprochene Ansicht, dass das in
Pian-y-tien beschriebene Land Fusang Mejico sei. Er erklärt
dann, dass die grossen Reformatoren des mittleren und west
lichen Südamerika Quetxocoatl in Mejico, Bochica in Columbien
und Manco Capac in Peru buddhaistische Priester verschiedener
Secten waren, und weiset die Uebereinstimmung der Religionen
der Mejicaner und Peruaner mit dem Buddhaismus weitläufig
nach. Den Einfluss, den die Einwanderungen auf die Sprachen
der Urbewohner Peru’s ausübten, gibt er als sehr gering an.
Er behandelt ausführlich die allen Sprachen Amerika’s eigen-
thümlichen grammatikalischen Verhältnisse und erklärt, dass philo
sophisch nachweisbar die meisten Ausläufer des Indianerstam-
mes, wohl sehr unfreiwillig, an den Fuss der Pyrenäen und an
die Küste Congo’s gelangt seien. Nach einer annähernden
numerischen Uebersicht der Sprachen Amerika’s und einer Aus
einandersetzung ihrer spärlichen Schriftsprachen tritt er näher
auf die Kicfiuasprache ein. Als das wichtigste literarische
Erzeugniss der amerikanischen Sprachen erklärt er das dreiactige
Kicfiua-Drama Ollanta oder die Strenge eines Vaters und die
283
Grossmuth eines Königs, welches zu Ende des fünfzehnten
Jahrhunderts verfasst wurde, nahe an 1000 achtzeilige Verse
enthält und allen Anforderungen dramatischer Poesie entspricht.
Schliesslich überreichte er der Akademie das Manuscript eines
Werkes über die Kichuasprache in drei Theilen, wovon der
erste die Sprachlehre, der zweite die Sprachproben (gesammte
Literatur mit Einschluss des Drama’s), der dritte den Sprach
schatz oder das Wörterbuch enthält.
Herr Professor Dr. Constantin Höfler, Archivs Vorstand zu
Bamberg und Mitglied der kön. bayerischen Akademie der Wissen
schaften, liest als Gast:
„Ueber den von Kaiser und Fürsten ausgehenden
Versuch, das freie Volk der Dithmarschen däni
scher Erbherrschaft zu unterwerfen.”
Die nachfolgenden Begebenheiten fallen in eine der merkwür
digsten Uebergangsperioden der deutschen Geschichte, in welcher
die Slawen bereits den Traum eines grossen slawischen Gesammt-
reiches zu realisiren versuchten, die Ungern den deutschen Kaiser
aus seiner Hauptstadt vertrieben und anstatt mit dem Erbfeinde im
Osten zu kämpfen, in ihrem Streite mit Slawen und Deutschen
ihn in Konstantinopel, am Hämus und der unteren Donau festen
Fuss fassen, ja sie selbst von Bosnien aus umspannen liessen.
Deutschland aber war voll Gährung undUnordnung, und liess
eher alles als eine ruhige Entwicklung seiner Gegensätze er
warten. Das Ansehen des Kaisers (Friedrich IV. des Habsburgers)
war soviel als vernichtet, — Kaiser und Papst, meinte Aeneas
Sylvius, seien in Deutschland ficta nomina; — die Fürsten unter
einander voll Eifersucht, Hass und Streit, gegen sie der Reichs
adel in heftigster Spannung und nur, wenn es den Reichsstädten
galt, mit ihnen verbunden. Diese, reich und mächtig, noch immer
von dem grossen Gedanken beseelt, das Geschick Deutschland’s
an sich zu reissen, anderseits aber auch durch ihre Handelsunter
nehmungen auf ein möglich friedliches Auskommen mit ihren
heimischen Gegnern angewiesen und in der Collision zwischen
Geldmacht und grösserer Freiheit mehr um die erste als um die
zweite besorgt. Daneben war das Wort der Reform des Reiches,
20 *
284
die Nothwendigkeit seiner politischen Umgestaltung, schon aus
gesprochen, allein eben so schwierig, den Pnnct mit dem man
beginnen sollte auszuwählen, als gefahrvoll sie länger zu verschie
ben. Die Zeit drängte. Noch konnte man hoffen, dass durch
schnelle umsichtige Ergreifung des Moments die wichtigsten und
eigentlichen Lebensfragen gelöst, mit ihnen die Vorbereitungen
zu weiteren und umfassenderen Reformen getroffen werden möchten,
während ein längeres 9 Hinausschiehen der immer mahnender sich
gestaltenden Reform das Reich in einen Abgrund schleudern
musste und Deutschland dann die Schuld verabsäumter Reform
seiner Gerichte, der Aufrichtung des Landfriedens, einer allgemeinen
Reichssteuer und Executionsordnung mit der Unmöglichkeit zu
bezahlen hatten, später diese Fragen zugleich mit den eigent
lichen Verfassungsfragen, welche auch erledigt sein wollten,
befriedigend und ohne Revolution lösen zu können. —
In diese kostbare, wenn nicht recht benützt, unwiederbring
liche Zeit fallen nun die nachfolgenden Begebenheiten, welche,
abgesehen von ihrem eigentlichen historischen Werthe, auch
die Gründe enthalten, aus welchen man in Deutschland die Zeit
nicht fand, auf die wichtigsten und nachhaltigsten Erörterungen,
welche allein eine lebensvolle Zukunft in sich schliessen, einzu
gehen. Zugleich zeigen sie, wie die Ausrenkung der Glieder des
deutschen Reichskörpers, leider die einzige grosse That-
sache der neueren Geschichte, in der alle Geschichtschrei
ber der verschiedensten Parteien übereinstimmen , schon im
XV. Jahrhundert angebahnt wurde.
Das Land, in welches ich Sie führe, ist keines jener duftigen
Alpenlande, in denen sich der stille Reiz nördlicher Vegetation
mit der Gluth des Südens vermählt, sondern ein nordisches
Marschland, voll Sumpf und Moor 1 ), mühsam dem Meere abge-
*) It ist dat Landt Dithmerschen ein klein Land von Grote. Den it sint in
der Lenge von Brimchbüttel, welches int Süden gelegen, beth tho Lun
den, welches gar int Norden liegt, soven Mile Weges. In der Brede
averst von Busen, welches der westerste Ort ist, wente tho Alversdage
sind v e e r Mile Weges. —
Von Süden strecket sich die Elve herdalil beth in die Sehe unnd
scheedet Dithmerschen von den benaberten Landen Kehdingen, Hadeln
etc. Tho Westen strecket sick die Sehe beth in die Eider , welche Eider
285
trotzt, mühsam gegen den Andrang des Meeres erhalten, durch
gleiche Weise gegen die Elemente, wiegegen feindliche Nachbarn
geschützt und beinahe zur uneinnehmbaren Burg umgewandelt;
die unschöne Heimath eines freiheitslustigen Hirtenvolkes, das
zu eben der Zeit, als die Urkantone in den Schweizerbergen mit
dem Adel Schwabens und Oesterreichs den siegreichen
Kampf bestanden, in ruhmvollen Schlachten auch seine Freiheit
bewährte, und während im übrigen Deutschland Unterwerfung-
unter die Fürstenmacht das allgemeine Loos zu werden schien,
trotzig und sieggekrönt noch immer sein freies Banner flattern liess.
Es ist diess das Land der rohen und unbesiegbaren Ditmarsen,
wie sie Ulrich von Hutten nennt, Ditmarique rüdes genus insu-
perabile hello.
Seit 804 ein christlicher Gau des grossen Frankenreiches,
gehörte das zwischen Holstein, der Eyder und der Elbe gelegene
Land erst zur Grafschaft Stade l ) (nachher mit der Mark Bran
denburg vereinigt), dann als die Bewohner sicli durch Ermordung
ihrer Grafen besonders hervorgethan und wegen ihrer mancher Kampf
mit dem Herzoge von Sachsen, mit Holstein und Dänemark ent
brannt war, kam es an das Erzstift Bremen, als Lehen desselben
an den Grafen von Holstein (Fl95), sechs Jahre später au Däne
mark. Ja Kaiser Friedrich II. erkannte es selbst urkundlich 1214
dann Dithmerschen int Norden umme wennt, int Osten scheidet von den
benaberten Völkern, als Eiderstedischen , Husumerm, Stagelholmern. Int
Osten iss idt mit Graven unnd andere morastigen unnd
sumpffigen Orden von den Holste nen underscheiden, also det
allein eine St rate und Wech, dardorch men tho Vote int Landt
körnen kann. Itt ist umme dat Landt an der Elve, Sehe unnd Eiderkante
ein grott Wall oder dick uppgeföhrt, umme die Stromwinde unnd dach-
tigen Ebbe und Vlot willen, up dat solle Water nicht infalle unnd Scha
den doe ; dich sin dorch de dicke hen unnd wedder Scliluse edder Syle
gemaket, dardorch men in Kriegeslufften de Marschlande
ville Waters lopen laten kann, dardorch men ock des Regen- edde Schnee-
Waters, so aver die Graven erstiegen unnd von der hogen Grest herdahl
sich allthoseher hupen mochte, weder umme quidt werden kann. Den Nach
solche Schlüse, de de Vlot thodeilt, de Ebbe aerst eropenet, wert solch
Upwater in de Elve, Sehe edder Eider affgestruwet.
Neocorus Chronik des Landes Dithmarschen I. S. 208—210.
*) Dahlmanns Anhang zu Neocorus Chronik des Landes Dithmarschen.
Band I. 1827. S. 564.
286
mit allen Ländern jenseits der Elbe und Eide gelegen als dänisches
Eigenthum an. Was aber das Bestreben des Kaisers, seinem
Gegner, dem Welfen Otto IV., Bundesgenossen zu entreissen, dem
Reiche Schaden zufdgte, machte die Tapferkeit der Dietlimarschen
wieder gut, welche durch den Sieg bei Bornhövede, 22. Juli 1227,
zugleich von Dänemark und von Holstein sich losrissen und nun
der Kirche von Bremen in mehr scheinbarer als wirklicher Unter-
thänigkeit sich unterstellten.
Ein Jahrhundert später, als Graf Gerhard von Holstein in
Verbindung mit den meklenburgischen Fürsten das Land überzog
und siegverblendet die letzten Schaaren der Diethmarschen in der
Kirche von Oldenwarden zu verbrennen gedachte, machten
diese einen glücklichen Ausfall, entrissen den Fürsten den Sieg
und richteten ein ungeheures Blutbad unter den übermüthigen
Schaaren an. „Und quam mit grosser Noth allein Grave Geerd
und HerzogHinrich von Meklenburg mit gar weinig Volkes davon.”
Die anderen wurden alle erschlagen 1 ) 7. September 1319. Dieselbe
siegreiche Tapferkeit hewiesen sie im Anfänge des XV. Jahrhunderts
(1403 — 1404), auf’s Neue gegen die Holsteiner, so dass Herzog
Adolf von Schlesswig, Graf zu Holstein, Stormarn und Schauen
burg am 22. April 1456 jedem Anspruch auf „Landfolge” ent
sagte und sein Schwestersohn König Christian I. von Däne
mark sich in denselben Vertrag einschliessen liess (Vormer ifte
der Dithmerschen Vorvaren jenige Volghingse unsere Vorvaren
aller seliger Dechtnisse vorseghelt hadden, scholen bilecht unnde
gedodet wesen to ewigen Tiden 2 ).
Allein der wilde Freiheitssinn des Volkes verleitete es kurz
nachher zu arger Gewaltthätigkeit, welche leicht schwere Ver
wicklung mit Dänemark herbeigeführt hätte, würde nicht .das
Interesse der mächtigen Hansestadt Lübeck es geboten haben,
vermittelnd einzutreten und das freie Volk wider die königliche
Macht zu schützen. Ueberhaupt war ja damals die Scheidung des
fürstlichen und republikanischen Interesses imHerzen Deutschlands
wie an dessen Gränzländernnoch scharf undunausgleichbar; selbst
4 ) Reimar Kock bei Neocorus. I. S. 622.
a ) Urkd. bei Neoc. Anhang I. S. 640. 641. Vergl. auch über den Rendsburger
und Gottorpischen Vergleich, Chris tiani Schleswig holst. Gesch. I. S. 74.
287
viel später, als die Klugheit bereits die Binnenstädte des Reiches
zu milderem Auftreten gegen die Fürsten bewog, scheute sich
die Hansestadt Lübeck nicht, den Kampf mit der Krone
Dänemark allein zu bestehen. Bedenkt man überhaupt, wie
viele Reichsstädte damals noch in Blüthe und Kraft waren, wie
stark die schweizerische Eidgenossenschaft in Ober-Deutschland,
welche Verlockung sie bereits für viele Reichsstädte gewesen, wel
che Gemeinwesen im Nordwesten (in Flandern) und in welcher
Blüthe sie waren, welcher unabhängige Sinn von der friesischen
Küste bis zur Diethmarschen hinüber, und in den zahlreichen han
seatischen Städten lebte, so wird man zugestehen müssen, dass was
im XVI. Jahrhunderte als ausgemachte Thatsaclie erscheint, das
Uebergewicht der Fürsten, noch in dem drittletzten Jahrzehente
des XV. nichts weniger als unbestritten war.
Um so näher lag es, dass die Letzteren alle Kraft aufboten,
das Zünglein in der Wagschale zu ihren Gunsten stehen zu machen.
Es waren aber die Diethmarschen gerade im XV. Jahrhunderte
im vollsten Genüsse einer ehrenvoll errungenen, nur mit Mühe
und Anstrengung erhaltenen, nur mit grossen persönlichen La
sten zu behauptenden Freiheit, insofern bei einem Leben, welches
nicht sowohl dem Einzelnen als der Genossenschaft seines Ge
schlechtes angehörte, und welchem von einem Alter von 11 Jah
ren und 5 Wochen jeder als sein eigener Vormund, mit 18 Jahren
aber als frei und eigener Herr schon pflichtig w r ar, von einem
Genüsse die Rede sein kann, wo eine beinache ununterbro
chene Theilnahme an den gemeinsamen Lasten und Mühen, die
Freiheit zu einer beständigen nie rastenden Anstrengung und Ar
beit gestaltete ‘). Kaiserliche Privilegien hatten sie hierin be
schützt. Nichts schien zu besorgen, als plötzlich ein Ereigniss
eintrat, welches die Erungenschaft von Jahrhunderten in Frage
stellte.
Was wir bisher hievon kannten, möge im Kurzen hier fol
gen, dann die Erklärung durch Neuaufgefundenes mitgetheilt
werden.
Während der Fasten 1474 schrieb der Lübeck’sche Agent
am kaiserlichen Hofe Dr. Günther Milwitz von Nürnberg aus,
*) S. Dahlmann 1. c. II. S 545.
288
wo König Christian von Dänemark mit Kaiser Friedrich IV. M.
Albrecht Churfürsten von Brandenburg (Achilles) und anderen
Fürsten auf seiner Pilgerreise nach Rom zuzammengetroffen war,
in grossem Geheim an die Bürgermeister der Hansestadt, wie
er in Erfahrung gebracht, habe der König Christian I. zu Däne
mark ungeachtet seines erst jüngst getroffenen friedlichen Ab
kommens mit den Dithmarschen von Kaiser Friedrich III. die
Incorporation des Landes Dithmarschen mit Holstein und der
letzten Erhebung zum Herzogthum erlangt J ). Diess sowie den
Erlass schwerer Gebotsbriefe an Lübeck und andere Reichs
und Freistädte „betreibe der Herr Marggrav Albrecht
Achilles von Brandenburg.
Ein zweiter Brief desselben a ) drückt sich noch bestimmter
sowohl über den Punct der Incorporation von Dithmar
schen unter dem Könige von Dänemark als „einem Hertz ogen
etc. Holstein und als dem natürlichen Erbherrn der
Dithmarschen” aus, als über die an die Städte Lübeck, Ham
burg , Wismar und Rostock ergangenen kaiserlichen Gebots
briefe wegen ungebührlichen Verhaltens in Prägung „der gülden
Müntze,” der Agent weiss noch mehr zu berichten wie die
kaiserlichen Gebotsbriefe einem „mächtigen Ritter” zugestellt
worden, weil der Herr Margrav in Besurgunge gestanden ist, „Lü
beck” würde „soliche Briffe nit insiuueren und den Dithmarschen
verkündigen.” Auch in diesem Briefeist der alte Feind der Städte,
der schon 1445 mit so deutlichen Worten den Nürnbergern und
ihrer Republik den Grundsatz des Erbfürstenthums entgegenge
stellt, Albrecht Achilles als die eigentliche Seele des von
dem Kaiser und dem Könige von Dänemark wider die freien
Bauern und die Städte intendirten Schlages genannt. Endlich
meldete Dr. Milwitz zum dritten Male, wie er sich wegen der
auf keiner richtigen Sachlage beruhenden kaiserlichen Gebots
briefe an den Churerkanzler (Erzbischof von Mainz) gewendet
und von demselben Zusage erlangt, die alten Städteprivile
gien wider die neuen Gebotsbriefe zu handhaben. Auch bean
tragte er ein Geschenk für den Erzbischof als für „eyn Schrei-
*) Nürnberg uff Montag nach Lähm 1474. Anhang zu Neocorus II. S. 550.
Erffurt am Mondage nach Palmen.
289
ben durch den myn dyner die Schickungendes Briefs von The-
nemarken erfahren hadt—Waldener genant”—„Es sind beide,
setzt er gleich anfangs hinzu, alle Dink-feile, gehört, gross
Vleiss und Arbeidt hie” ’).
Auf einem besonderen Bogen aber bemerkte der Doctor
wie an dreissig benannte Fürsten, Grafen, Städte etc. kaiserliche
Briefe ausgegangen waren—„Ine allen und in iglichen in sonder
ernstlich und heftiglich zu gebitteu bey eyner mergklichen Pene
und Verlissungen irer Priveleygen. so sye vom Reych haben
ob die von Lübeck den Dithmarsen eyneche Hilff oder
Beystandt thun w'olltenn über solich Priveleyge der H. Könik
itzt erlangt hat und aussbracht, ine den von Lübeck nich zuzu-
foreu noch zu gehen zu lassen.” Endlich w'eiset das Lübecker
Archiv, aus welchem die erwähnten Actenstücke genommen
sind, auch noch ein Schreiben des Lübecker Rathes (1474) au
den Kaiser auf, aus welchem folgende etwas spätere Thatsa-
chen erhellen:
1. Die Lübecker hatten wirklich den kaiserl. Gebotsbriefen
und der vom kaiserlichen Commissär Herrn Buhzen von Alves-
leven, Ritter, an sie ergangenen Bothschaft Folge leistend von
den Dithmarschen „mit Vliess begert den kayserlichen Gepotten
nachtzukommen.”
2. Dass die Letzteren „Ihre Antwort auch schrifFtlich inne
gethan haben auff Meinung, dass der hochgeporen Fürst der
hirtzog von Bur gundien (Karl der Kühne, der Erbfeind
der Schweizerischen Bauern — dessen Drohbriefe an die
Diethmarsclien Christiani in der neueren Schlesswig-Holsteini
schen Geschichte I. 521. mittheilt) umb dergleichen Sachen
auch schriftlich sie hat laszzen ersuchen und begert desgliclien
mit dem Anhänge, ob dem also nit beschee, so were er der
königlichen Maiestad zur Thenmark also gemant und zugetan,
das er die nit vorlaszzen w T olde — mit Vormeldung redlicher
Ursachen und Gerechtigkeiten,” nämlich dass sie zu der Bre
mer Kirche gehörten, sie also gutwillig nicht sich fremder
Herrschaft zuwenden lassen wollten.
*) Erffurt am Mitwoche nach Jacobi a”' 1474 1. c. S. 553.
290
3. Dass bei dieser Gefahr eines für Lübeck höchst schädlichen
„Unrattes” und Krieges — „dadurch dass Got abkere
dieselbe K. Stat dem Riehe apgedrungen mocht
werde —der Rath das Vertrauen hege, dass, wenn der
Kaiser von der wahren Sachlage unterrichtet ge
wesen wäre, die kaiserlichen Gebotsbriefe nicht ausge
gangen wären, der Kaiser somit die Stadt Lübeck „py sol
cher ire Freiheit gnedichlich lassze bliebe” 1 ).
So liegt denn hier offenbar ein mysterium iniquitatis vor,
das eine mächtige Reichsstadt zugleich wie ein kleines, aber
tapferes deutsches Volk zu umhüllen drohte, und dessen Haupt-
theilnehmer anscheinend der Kaiser Friedrich IIII. von Habs
burg ist, über dessen Grad von Schuld übrigens die diethmar-
sische Chronik selbst entschuldigende Aufschlüsse gibt, wenn
sie meldet, in welcher Art dem Kaiser durch den König von
Dänemark die Sache vorgestellt worden war: „It were ein Volk
im römischen Rike, nha bi sinen Furstendomergele-
gen, dat allen umeliggendden Nabern schedlich were unnd ne-
mand gehorsam, hadden ock keinen Heren unnd einen
grossen Moth föreden ehrer vormenten frieheit; dat heten de
Diethmerschen mit Begerde unnd Bidde, dat sine Kaiserlich
Maiest. dorch Kaiserliche Gewalt ohme desulven genedigst
wolde vorgunnen, nhademe it nicht gudtwere, dat
ein Volk ohne ein Hovet unde Vorsten levede.
Und bat ock wider dat sine Kaiserliche Majestet genedicli-
lich uth dissen dreeen lenderen Holsten Stormarn und Dietmer-
schen ein hertochdom maken wolde. Der Keiser Friedrich, der
drüdde hefft sich dess nuht beschwert in dess Koninges beger
gewilligt, ehm dat tho gefallen gedaen unnd de dietmer-
schen vorlehnet und uth den dreen genanten Gravenschopgen
ein Hertochdom gemaket und dem Koning vorlenet nha Luth
der gülden Bullen von Keiserlicher Majestet unnd ock vorgitzie-
ten Breven von den Corfursten ehme darup gegeven wart also
dar investirt unnd in de Possesion gesettet 2 ).
!) L. c. S. 557. 558.
J ) 10. S. 412.
291
Wir heben vor der Hand als Hauptmotive der Handlung des
Kaisers, durch die dem Reiche seine lebendige Mauer gegen
das Dänenthum allmälig entzogen werden musste, wenn auch
vor der Hand sie noch durch das übrigens sehr lockere Lehenband
mit demselben zusammenhingen, die zw ei angeführten Thatsachen
besonders hervor, dass 1. Die Diethmarschen bisher herrnlos
gewesen, wie denn auch der Kaiser noch späten) 1481 (Wien 30.
Juni) an den Dänenkönig schrieb: „er habe auf das Fürbringen des
letzteren das Land Dietmars, so ahn Mittel Unss und dem hl.
Reich zugehören und sonst keinen Herrn noch ordentlich
Regiment haben so 11” zu Lehen verliehen.
2. Dass es nicht gut wäre „dat ein Volk ohne ein Hovet
unde Vorsten levede,” einPrincip, dessen Realisirung sich
Niemand zur ernstlicheren Aufgabe gestellt als die vorerwähnten
beiden Fürsten M. Albrecht Achilles und — H. Karl von Burgund.
Wenden wir uns nun dazu, den Grad der Schuld und die Mo
tive Anderer in dem sonderbaren Handel zu untersuchen.
Am ehesten zu begreifen wird das Benehmen des Königs von
Dänemark sein.
Als Graf von Holstein wegzugehen und als Herzog von Hol
stein, Stormarn und Diethmarschen wiederzukehren, gleichsam im
Fluge ein deutsches Herzogthum zu gewinnen, angeblich herrnlose
Gegner zu erblichen Unterthanen zu machen, lohnte jedenfalls den
Antritt einer Pilgerreise und der König konnte dabei noch den
jenigen, welcher ihn wegen der Widerrechtlichkeit der Sache
schmähen wollte, auf Kaiser und Churfürsten hinweisen, denen es
besser zustand als ihm, das Interesse des Kaiserreiches im Auge
zu haben.
Aber auch in Bezug auf König Christian gestaltet sich bei
näherer Ansicht die Sache anders, als wie sie aus den mitge-
theilten Actenstücken hervorgeht.
Christian war am 8. Februar 1474 zu dem Kaiser nach Ro
thenburg an der Tauber gekommen. Schon am 13. d. M. erfolgte
die Ausfertigung der kaiserlichen Gebotsbriefe an die Diethmarschen,
dem Dänenkönige als einem von dem Kaiser mit dem Herzogthum
*) I. S. 443.
292
Holstein worin Diethmarschen incorporirt worden, belehnten,
„rechten natürlichen Herrn und Landsfürsten Huldi
gung Glupt und Eid zu thun und als getreue Unterthanen gehorsam
und gewertig zu sein.”
An demselben Tage wurde .auch der kaiserliche Lehensbrief
ausgefertigt; durch einen dritten Brief Jedermann verboten , für
ewige Zeiten, die Unterthanen des Dänenkönigs „an keinem an
deren emde noch gericht dann an den emden do sich das in den
selben Fürstentumen vnd lannden gepurt fürneren zu beklagen.”
Andere Mandate von demselben Datum ergingen von Rothenburg
aus an die Städte Lübeck, Hamburg Lünneburg und Wismar zu
Gunsten König Christians, dass sie den Gulden nicht von 23 Schil
lingen auf 24, 25, herabsetzen sollten, „da aller Aufschlag darauf
gesetzt sey;” ferner an die Städte und Unterthanen des heiligen
Reiches an der See, mit den ungehorsamen Unterthanen des Dänen
königs keinerlei Kaufmannschaft, Handel, Gewerb noch Gemein
schaft zu haben.
Alle dänischen Privilegien wurden durch eine kaiserliche Ge-
neral-Confirmation bestätigt, dem Markgrafen Alb recht Achilles
von Brandenburg und dem Erzbischof von Magdeburg kaiserlicher
Seits aufgetragen, die von römischen Kaisern den Dänenkönigen
verliehenen Privilegien zu confirmiren, endlich selbst der König
von Polen gebeten so wie der Deutschmeister in Liefland aufgefor-
dert, ihre Unterthanen nicht mit den ungehorsamen Unterthanen
des Dänenkönigs Handel treiben zu lassen. Verordnungen 1 }, welche
wenigstens soviel klar beweisen, dass die Dinge lange ehe der
König zu dem Kaiser nach Rothenburg gekommen war, bereits in
Gang gebracht worden waren. Auch kann, nachdem der Lübecker
Agent, der seine Nachrichten von einem kaiserlichen Geheimschrei
ber zog, mit dürren Worten M. Albrecht von Brandenburg
als den Leiter des Ganzen bezeichnet, über denjenigen, welcher
die Seele der ganzen Operationen war, vernünftigerweise kein
Zweifel obwalten.
Wirklich findet sich auch in den Acten des M. Albrecht ein
Bogen vor mit dem Anbringen des Königs von Dänemark bei dem
Kaiser und zwar in der Art beschrieben, dass die kaiserliche Ge-
J ) Aufbewahrt im k. Archiv zu Bamberg. M. S.
293
nehmigung (fiat) unmittelbar bei den einzelnen Posten bemerkt ist,
was auf geheime mündliche Unterhandlungen mit dem Kaiser selbst
hinweiset.
Voran stehet das Verlangen, die Zölle von Rensburg, Plone
und Odesslo auf den Fuss dessen von Gottorp im Herzogthume-
Schleswig zu setzen. Dann folgen diejenigen Forderungen, deren
Bewilligung durch kaiserliche Gebotsbriefe schon
erwähnt, ist, mit einigen anderen, als dass Herzog Eric von
Wollgast den in seinen Händen befindlichen dänischen Schatz
herausgebe: „item um des Bischofs von Lübeck wegen, dem seine
Regalia zu lassen, um seine Privilegien zu confirmiren und meinem
Herrn Markgrafen Albrecht zu befehlen, juram e n t um
fidelitatis von jm zu nemen (fiat)”.
Dieräthselhafte Ueberlassung eines freien Volksstammes durch
den Kaiser selbst an den König von Dänemark gewinnt aber noch
weiter einiges Licht, wenn man erfahrt, dass es bereits in Rothen
burg (nach Christiani ‘) zwischen dem Kaiser und dem Könige
zu ernsthaften Verhandlungen in Betreff des Herzogs Karl
von Burgund gekommen war, der wie es scheint schon damals
mit dem Plane umging, den freien Ost friesen es auf ähnliche
Weise zu machen, wie der Dänenkönig den freienDiethmarschen, da
sie beide ohne Haupt und ohne Fürsten waren. Wenn daher der
Kaiser glaubte, durch die reichlichen Bewilligungen den Dänen
könig auf seine Seite gezogen und an ihm eine Stütze gegen Karl
von Burgund gewonnen zu haben, so war er in nicht unbedeu
tendem Irrthume befindlich.
Da es sich hier um ein gemeinschaftliches Princip handelte,
verstanden sich der Burgunderfürst und der Dänenkönig sehr
schnell miteinander, so dass noch im Hochsommer 1474 — als König
Christian sich von seiner italienischen Reise auf grösserem Um
wege 3 ) nach Hause begab — Herzog Karl der Kühne wohl ein
Ermahnungsschreiben an die Diethmarschen erliess (25. Juli 1474),
seinem aufrichtig geliebten Freunde und Blutsverwandten dem
Dänenkönige in Hinblick auf „die Verbindungen Ligen und Freund
schaften,” durch welche sie gegenseitig verbunden seien, treu zu
1 ) i. S. 63.
2 ) Er besuchte auf Bitten des Kaisers den Herzog Karl in dem Lager von Neuss.
294
gehorchen, widrigenfalls er wegen der genannten Verbindungen
dem Könige alle Hilfe und Gunst mit allen möglichen Kräften leisten
werde.
Von einem wirklichen Vortheile aber, den das Reich durch die
Intercession des Dänenkönigs erlangte, ist so wenig etwas bekannt,
dass Barante, in seiner so ausführlichen Geschichte der Herzoge
von Burgund, und nach ihm ReifFenberg, von der ganzen Verhand
lung gar nichts mitzutheilen wissen.
Offenbar war es die Absicht der Unterhändler, die Sache selbst
bis zur Rückkehr des Dänenkönigs geheim zu halten, um dann gleich
mit dem gehörigen Nachdrucke zu Werke zu gehen. König Chri
stian, der übrigens noch mehreres durchzusetzen gedachte, begab
ßich desshalb auf seiner Rückkehr aus Italien nach Augsburg
(3. Juni 1474), wie er hoffte zeitig genug, um dem Reichstage noch
beizuwohnen, zu welchem namentlich die nordischen Städte ein
berufen waren, in der That aber zu spät, um anderes betreiben zu
können, als was mit dem Kaiser selbst, seinem Freunde Albrecht
Achilles und dessen Freunden zu unterhandeln und durch letzteren
zu erreichen möglich war 1 ). Die Sachen hatten nämlich seit der
Fasten bereits eine Wendung genommen, welche dem Könige nichts
weniger als erwünscht sein konnte. Die Einverleibung der Dieth-
marschen war längst kein Geheimniss mehr; da die Bestechlichkeit
der kaiserlichen Secretäre, von M. Albrecht so oft es seinen Vor
theil galt mit Glück versucht 3 ), sich diessmal wider ihn erwiesen,
hatten die Diethmarschen, mit der Gefahr welche ihnen drohte ver
traut, auch jetzt wieder Hilfe gesucht, wo sie so oft schon in schwie
rigen Lagen ihren Trost gefunden, in ihrem guten Rechte und ihrem
rüstigen Arm. Man sieht aus einem bisher unbekannten Briefe M.
Albrecht’s an den kais. Commissär Ritter Busso von Aivesleven, wie
unangenehm es ihm war, dass die »Sache (wie er annahm), weil der
König „vnnser sorgfeltigkeit darinen nit bedacht hat”, zu früh be
kanntwurde, und die Instruction, welche er jenem ertheilte, beweiset
auch, dass er an dem Widerstande der Diethmarschen ein arges
*) Vergl. hierüber die (handschriftliche) Correspondenz des Königs mit seinem
„lieben Schwager” M. Albrecht Achilles.
2 ) Die Beweise hiefür sind im 2. Bande des kaiserl. Buches herausgegeben
von Dr. J. von Minutoli.
295
Hinderniss vermuthete. Wirklich war auch bei den Diethmarschen
alles in voller Gährung, und obwohl vor der Hand nur gesetzliche
Mittel gewählt wurden, und eine Gesandtschaft an den Kaiser be
stimmt wurde, so war doch Sprache und Haltung so entschieden,
dass Ritter Busso von Alvesleven wohl die Möglichkeit gewahrte,
in das Land zu kommen, aber keine, der Erbitterung der Be
theiligten zu entgehen, sobald er seinen Auftrag zu erfüllen wirk
lich den Muth hatte. Er entschuldigte sich daher mit der auch von
anderer Seite her bestärkten Gewissheit *), durch Verkündigung
der kaiserlichen Mandate einem sicheren Tode entgegen zu sehen,
den schlauen Rath hinzufügend : der König solle zuerst die
Sache der Diethmarschen von der Lübecks zu trennen
suchen, dann, aber auch nur dann möchte der Anschlag gelingen.
War aber der Plan gleich Anfangs durch die Freiheit der Lübeck-
schen Diplomatie verrathen worden und dadurch in’s Stocken ge-
rathen, so hatte nun auch der pfiffige Rath des Ritters Busso so
wenig Aussicht des Gelingens für sich, dass vielmehr gerade jetzt
die Lübecker mit den Diethmarschen sich auf 10 Jahre
verbanden und so ihren Rücken gegen die Dänen wie die Dieth
marschen vor diesen schützten. Bald kommen neue Verbündete.
Hinrik Bischof von Münster und Administrator von Bremen erklärte
sich gegenüber dem Dänenkönig auf das Entschiedenste gegen jede
Beeinträchtigung der Rechte des Bremer Stiftes auf Diethmar
schen 2 ) und forderte letztere geradezu auf — offt juvv der vor-
genomte Her Koning darumme to dage escliede offt süss anders mit
Bremen anlangende unde ursachte juvv denne darvon nicht en-
kern — unde mit eme offte den synen darunnenDage holden noch
annemen by huldinge unde horsame so gy uns unde unser kerken
vorstriket synt.” Diese energischen Schritte fanden allmälig nach
und nach im Laufe des Sommers bis zum Anfänge des Herbstes
Statt, so dass am kaiserlichen Hofe keine Ahnung herrschte, welche
Beweffunar sich allmälia; im Schoosse der Betheiligten kund thue.
M. Albrecht glaubte daher mit grosser Klugheit so zu handeln,
wenn er in Augsburg, wo er die Anliegen König Christian’s bei
*) Durch Bischof Albrecht von Bremen in seinem Schreiben an M. Albrecht.
2 ) Reide Briefe (vom Tag des Bisch. Lambert 17. Sept. 1474) bei Chribtiani.
.1. S. 522. 523.
296
dem Kaiser bevorwortete, als „allererste” Bitte vom Kaiser Fried
rich begehrte, die ding in still zu halten, bis zu des Königs
Heimkunft in sein Königreich, damit er solches desto hass
und sicher gethun mog. — Aus dem weiteren Verlaufe aber
zeigt sich klar, dass der Kaiser noch immer hoffte, durch Vermitt
lung des Königs von Dänemark „ein ewig hilflich versten-
tenuss” mit dem Könige von Frankreich Ludwig IX. aufrich
ten zu können, an dessen Hilfe ihm als Reichsoberhaupt um so
mehr liegen musste, als Karl der Kühne gerade damals an das
deutsche Rheinufer vorzudringen suchte, und wäre es ihm gelungen,
die Stadt Neuss zu erobern, er hätte zweifelsohne bereits die un
widerstehliche Lust nachdem linken Rheinufer in sich ge
spürt , welche unsere westlichen Nachbarn seit Jahrhunderten
characterisirt. Aber auch die Aussicht, durch Dänemark mit dem
Könige von Schottland in Biindniss zu treten, war gegeben, ob
wohl die Wirksamkeit einer solchen Hilfe wie billig für das deut
sche Reich in leisen Zweifel gezogen wurde, und nur wenn auch
England sich an den Wirren des Continentes hetheiligte, von
Wichtigkeit war. Näher aber lag es damals an (Ost) Friesland
zu denken, welches gerade damals II. Carl von Burgund und der
mit König Christian entzweite Graf Gerhard von Oldenburg (des
Königs Bruder) in sichere Gewalt zu bringen suchten. Wohl dess-
halb wurde in Augsburg bestimmt, es solle „die königliche wirde
von Tennemark in uns’rn schütz und schirm nemen die Friesen
von bevelhen der kaiserlichen Majestet, doch dem hl. Reich an alle
obrikeit unschedlich”, eine Clausel, welche übrigens zu mannigfal
tigen Vermuthungen Anlass gibt. Durch alle diese Verhältnisse
kommen wir denn zu einer weiteren entscheidenden und belehren
den Thatsache. Es ist nämlich kaum nothwendig, auf den Grimm
des Burgundischen Herzogs, an dessen glänzendem Hofe das
Ritterthum seinen Nachsommer feierte, gegen die Schweizer
Bauern zu erinnern, deren gleichfalls durch Schlachten gesicherte
Existenz den Fürsten und dem Adel Ober- und Westdeutschlands
ein nicht geringerer Gräuel war, als den Nordischen die Existenz der
Diethmarschen und Friesen, und einst den Deutschen der Bestand der
italienischen Republiken gewesen war. Gelang es aber, derBauern-
Republik in der Schweiz ein Ende zu machen, gelang es, wie es
im Bündnisse Gerhards und Karls Ende November 1474 hiess: ad
297
laudcm omnipotentis Dei sanctaeque orthodoxae fiilei exaltationem
et ampliationem’) Ost- und dann Westfriesland zu un
terjochen und „zum wahren und vollständigen Gehor
sam des Herzogs zu bringen; gelang es ferner, was durch M.
Albrecht, dem heissen Gegner der Reichsstädte und einer von den
Fürsten unabhängigen Ordnung der Dinge beabsichtigt wurde, aucli
die Diethmarschen, gleichgültig ob unter ein deutsches oder
ein dänisches Haupt zu bringen, so war dasjenige erreicht,
worin sich die Fürsten jener Tage trotz aller Verschiedenheit der
Abstammung, des Interesses oder der Macht sowohl verständigten:
es war dann in Mittel-Europa das republikanische Element
in seinen bedeutendsten Gestaltungen überwältigt und man
konnte hierauf um so eher hoffen, auch mit den Reichsstädten
fertig zu werden, gegen welche man bereits an den Fürstbi
schöfen vielfach einen natürlichen Verbündeten, an dem Adel
einen stets schlagfertigen Helfer fand und in deren Scboosse gerade
damals der Kampf zwischen den Zünften und Geschlech
tern — die Vorwehen des Kampfes zwischen den Bürgern und
den Proletariern — ausbrach, der über kuriz oder lang eine
Einmischung des Kaisers oder gar der Fürsten zur Folge haben
musste. So verwirrt übrigens damals der Zustand des Reiches
war, so heillos, wo es sich um wirksame und kräftige Vertretung
der Interessen des Reiches gegen Aussen handelte, so schwach in
Bezug auf alle Puncte, wo dem Kaiser in Aufrechthaltung seiner
Würde nnd seines Amtes nicht eine Fürstenpartei zur Seite stand,
die es gerade in ihrem Interesse begründet sah, den Kaiser nicht
ganz fallen, nicht zur Puppe erniedrigen zu lassen, so war doch
von den alten Einrichtungen so viel übrig, dass die grössten Uebel-
stände noch immer durch sich selbst zu einer Heilung gelangen
konnten.
Ohne den Kaiser und das Churfürsten-Collegiiiin um Erlaub
nis zu fragen, erschlugen bekanntlich bald nachher die Schwei
zer Karin, Herzog von Burgund bei Nancy und erledigten dadurch
den schönsten Thron Mittel-Europa’s zu Gunsten ihres früheren
Erbfeindes des Hauses Habsburg, dessen Erbe Maximilian von da
l ) Wiarda. Ostfries. Geschichte Baud II. S, 88. Nota y. von Barante, mrrk“
würdiger Weise gar nicht gekannt.
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. u» V. Heft.
21
298
aus seinen Zirkel ansetzte, um eine halbe Welt zu umspannen. Der
Plan, die freien Friesen, die, wie Aeneas Sylvius sagte, kein
fremdes Joch ertragen, aber auch nicht über andere
zu herrschen verlangen, in das Burgundische Joch zu zwin
gen, verging dadurch von selbst. Ebenso vereinzelte sich dadurch
auch der Plan, die Diethmarschen unter das dänische Joch
zu bringen und wurden ihre Gegenbemühungen um so leichter vom
Erfolge gekrönt. — Anfänglich hatten diese nur den Vergleichs
weg zu versuchen gedacht; nachdem sie aber die Aufforderung des
Administrators von Bremen erhalten, und wie sie sagten „der Durch
lauchtigste und unbesiegteste Herr Herr Friedrich Kaiser der Bö
rner,welcher die Herrschaft des Erdkreises hat und
der Welt Herr ist”, sie aufgegeben, — so appellirten sie zehn
Tage nachdem eine vage Erzählung zu ihrer Kunde gekommen, der
Kaiser habe sie einem andern zugewiesen, an das andere Licht der
Christenheit, den Papst (Sixtus IV.), dem es zustehe, die Kir
chen vor Schaden zu bewahren. Eine eigrenthümliche Wendung;
der Dinge trat ein, als sie auseinandersetzten, es sei Unrecht, dass
der Kaiser sie nach dem Käthe der Fürsten, Grafen und Herren
dem Dominium eines weltlichen Fürsten unterwerfe, während
sie doch der Kirche von Bremen und Hamburg unterworfen seien.
Der einen Appellation folgte bald die andere nach *) und nun sah
Deutschland das Schauspiel, dass die alten kaiserlichen Freiheiten
der Diethmarschen, die die Churfürsten, Grafen und Herren nicht
kannten oder nicht hatten kennen wollen, von Sixtus IV. bestätigt
wurden, ihre Aufrechthaltung mit Anwendung geistlicher Censur
geschützt und angeordnet ward 1477 2 ). Die Sache spann sich
hinaus. Bald trug die bessere Einsicht auch bei dem Kaiser den
Sieg über des dänischen Königs Machinationen davon. Der Kaiser
erklärte endlich 1481 dem Könige, dass es sein Wille nicht
habe sein können, das Land dem Stifte Bremen zu
entziehen, und lud ihn daher, wenn er rechtliche Einsprache ma
chen könne, vor seinen Richterstuhl. Käme er nicht, würde in
Rechten erkannt werden 3 ). Und als nun der König mit Gewalt
*) 27. Sept. und 3. Christian! 524 u. 525.
2 ) Die Urkunde bei Chris tiani und Neocorus.
3 ) Neocorus ß. I. S. 444 et 445.
299
zur Herrschaft zu gelangen suchte, erging es ihm wie es Karl dem
Kühnen bei Murten und hei Granson, beinahe wie es diesem bei
Nancy ergangen. Die Schlacht der Diethmarsclien hei Diesentdü-
felswerf am 17. Febr. 1500 war ein glänzender Sieg ‘) über das
zahlreiche königliche Heer — würdig den Tagen von Morgarten und
Sempach an die Seite gestellt zu werden — rettete der Dieth-
marschen alte Freiheit und zerhieb den zu Rothenburg und Augs
burg geschürzten Knoten.
Ich übergehe, wie es kam, dass diese Freiheit der Diethmar-
schen nur noch 59 Jahre angedauert, und wie ein Bayerischer
Pfalzgraf und Prätendent der Krone Dänemark durch ihre Hilfe
seine Ansprüche zu realisiren versucht, sowie was bei ihnen vorge
kommen, dass sie im XVI. Jahrhunderte die Freiheit nicht mehr
bewahrten, die sie bis dahin so lange, so theuer, so eifrig verfolgten. 2 )
Aber Eines darf zur Vollendung des Bildes nicht unerwähnt blei
ben, nämlich was nähere Aufschlüsse über das räthselhafte Beneh
men des M. Albrecht gibt, in dessen Character es lag, keinen
Schritt ohne grosse Berechnung zu wagen und dessen kühnste Tha-
ten, wie Ludwig von Eyb lehrt, von gleicher Klugheit getragen
worden sind. Da er mit Vorzug kaiserlicher Rath war und man
selbst vielfach anzunehmen berechtigt ist, dass wie der Kaiser
überhaupt, so am wenigsten in dieser Sache ohne ihn einen ent
scheidenden Schritt gethan habe, so darf was seine Pläne zu be
leuchten vermag nicht mit Stillschweigen übergangen werden.
Man muss um die Verhältnisse jener Tage richtig zu würdigen
auf zw T ei Puncte aufmerksam machen, auf die allgemeine Lage der
Dinge und auf die besondere Politik der einzelnen Fürsten. Was
die erste betrifft, so gab es keine grössere oder wenigstens näher
liegende Gefahr als diejenige , welche allen Nachbarn von Seite
des Herzogs von Burgund drohte, der gerade damals im Einver
ständnisse mit dem Herzog von Bretagne und dem König von Ara-
gonien und wegen eines neuen Einfalles der Engländer in Frank
reich mit König Eduard VI. in LTnterhandlung stand. Andererseits
hatte der hinterlistige Ludwig XI. einen Waffenstillstand mit Karl
dem Kühnen geschlossen, welcher diesem Zeit gab, sein Heil an
') 1. c. E. I. S. 483.
a ) Neocorus gibt selbst die inneren Gründe an. Vergl. I. S. 410.
21 9
300
Deutschland zu versuchen, Wo man französischer Seits hoffte, der
Herzog werde seine Kraft in vergeblichem Kampfe vergeuden. *)
Nur durch die Verbindung Karls mit England, die am 25. Juli 1474
bis zum (eventuellen) Theilungsvertrage Frankreichs 2 ) führte,
lässt sich erklären, dass auch der König von Schottland als
Bundesgenosse des deutschen Reiches gegen (Eduard und Karl) in
Vorschlag gebracht werden konnte.
Der Streit, der zwischen dem Cölner Domcapitel und dem
Erzbischof Hermann (von Hessen) ausgebrochen war, hatte Karin
den erwünschten Anlass gegeben, sich in die deutschen Verhältnisse
einzumischen. Anstatt aber den Sieg wie im Fluge davonzutragen,
sah er sich durch die hartnäckige Vertheidigung des kleinen Neuss
aufgehalten, und während er dadurch die Gelegenheit verlor, die
Londoner Tractate mit Gewinn in Ausführung zu bringen , regte
Ludwig der XI. „die Eidgenossenschaft von Oberdeutschland”, den
Schweizerbund gegen Karin auf, so dass sich dieser durch eine
allgemeine Conföderation von Fürsten und Völkern bedroht, in
seinem Eroberungszuge festgehalten, endlich gezwungen sah, um
seine Existenz zu kämpfen.
Das war der Zeitpunct, in welchem der Versuch angestellt
wurde, die Diethmarschen um ihre Freiheit zu bringen. Man sieht,
wenn die Fürsten auch in vielen Puncten uneins und widereinan
der waren, gab es dennoch einen, in welchem sich der Markgraf
von Brandenburg, welcher zum Entsätze von Neuss heranzog, und
der Herzog von Burgund, welcher es belagerte, der König von
Dänemark, der mit Frankreich und Schottland an das Kaiserreich
sich anschloss, und sein Bruder, welcher dem Burgunderherzog
Ostfriessland zu gewinnen suchte, Churfürsten, Fürsten und Rit
ter die Hand boten. Vergessen wir nicht, es war das Jahrhun
dert da, in welchem die Grundlage zur Centralisation der Staaten
gelegt und ein politisches Princip zur Herrschaft erhoben wurde,
das mit einer Consequenz ohne Gleichen durch alle religiösen
Kämpfe des XVI., durch alle politischen Streitigkeiten des XVII.
festgehalten wurde. Mochten neue Welten endeckt, neue Confessio-
*) I/Allmagne est si grande et si forte qu’il s’y consumera et s"y perdrs
de tous les pointa. Com in in es.
2 ) Barante Hist, des ducs de Bourgogne, II. p. 441 et Reiffenfaerg.
301
nen geschaffen werden, Reiche entstehen oder untergehen, nicht
früher hat das Territorialsystem die Siegeshoffnung aufgegeben, als
bis aus der unablässigen Verzögerung heilsamer Reformen die Re
volution hervorging und Freiheit wie Civilisation gleich sehr be
drohte.
Wohl in keinem Fürsten jener Zeit hatte sich aber der Ge
danke, die Kraft der Regierung in sich zu vereinigen, so zur
Herrschaft erhoben, als in M. Albrecht von Brandenburg. Er, der
Zeitgenosse Ludwigs XI. und des Matthias Corvinus, der mit dem
Kampfe um Erweiterung der Souverainitätsrechte eine stürmische
Laufbahn begonnen, zeichnete damals seinem Schwager dem Dänen
könige in einem eigenen Gutachten den Weg vor, auf welchem er
hoffen konnte, Ritterschaft und Geistlichkeit sich zu unterwerfen,
und die Grundsätze, welche damals ausgesprochen wurden, sind
auch von Christian selbst, wie von seinen Nachfolgern beobachtet,
in eine Ausdehnung und Folgerichtigkeit ins Leben geführt worden,
dass die Proclamation des dänischen Königsgesetzes nur
als der Schlusstein eines Gebäudes betrachtet werden darf, an
dessen Fundamenten M. Albrecht hilfreiche Hand angelegt hatte.
Bei einem so tief blickenden Fürsten darf aber wohl auch der Ge
danke vorausgesetzt werden, dass, wenn nur einmal die königliche
Macht gehoben, Holstein mit den Diethmarschen zum Königthume
geschlagen worden, eine derartige Minderung freier Völker
und Er weiter ungfürstlicherHerrschaft auch zu grösserer
Einengung der deutschen Hanse 1 ) führen müsste, wovon wiederder
Rückschlag auf die Reichsstädte im Binnenlande unausbleiblich
war. Diesem mit Beharrlichkeit fortgeführten Systeme und seiner
im XVI, Jahrhunderte erfolgten siegreichen Ausbreitung ist auch
wirklich die deutsche Hanse, der deutsche Welthandel, die deutsche
Seemacht erlegen.
Was aber nun Albrecht Achilles persönlich betrifft, so liegt
die Vermuthung nahe, es mochte mit dem Diethmarschen Handel
noch eine eigene Bewandtniss gehabt haben. Gerade zwischen den
Verhandlungen zu Rothenburg und denen auf dem Reichstage zu
Augsburg in Betreff Holsteins und der Diethmarschen gingen näm
lich die wenig oder gar nicht bekannten zwischen dem Herzoge von
*) Namentlich Lübeck»
302
Mailand, Galeazzo Sforza, Maria und M. Albrecht Achilles vor, die
vielleicht das Lückenhafte in der Darstellung der nordischen Ver
hältnisse zu ergänzen vermögen.
Wir finden nämlich unter der ungedruckten italienischen Cor-
respondenz des Dänenkönigs nicht nur mehrere interessante Be
merkungen über die Absichten des Herzogs von Burgund auf Fries
land, sondern auch Unterhandlungen über ein Project des Herzogs
von Mailand durch Verwendung M. Albrechts die Bewilligung des
Kaisers zur Erhebung Mailands zu einem Königreiche zu erlan
gen. Tlieils Albert Ditzing, des Königs Secretär und M. Albrechts
früherer Diener, theils der König, endlich der Herzog selbst schrei
ben dem Markgrafen darüber und beide führen auch offen an, wie
30—40000 Ducaten fürM. Albrecht und diejenigen Personen
bestimmt seien, welche mit ihm in der Sache zu Gunsten des Her
zogs thätig sein würden. M. Alhrecht ging auch in das Project ein,
sprach mit dem Kaiser, empfing aber von dem Fürsten, welcher
vier Kronen auf seinem Haupte hatte und keine davon abzugeben
gedachte, eine Antwort, die dem Bewerber alle Hoffnung raubte.
Ist es nun nach dem Gebrauche jener Tage nicht nöthig,
gerade an einen Bestechungsversuch in Betreff Mailands zu'denken,
so darf in Bezug auf die Verhältnissemit Holstein und Diethmarschen
nicht vergessen werden, dass das Haus Hohenzollern (Brandenburg)
selbst diese Gegenden in den Bereich seiner Erwerbungen zu brin
gen hoffte.
Schon bei den Verhandlungen, die zur Beendigung des gros
sen Kampfes II. Ludwigs von Bayern-Landshut mit dem Kaiser und
M. Albrecht Achilles 1461 stattfanden, erhielt der Unterhändler
M. Friedrich’s II., Wentzlaw, die ausdrückliche Weisung, bei dem
Kaiser wegen Holsteins vorzubringen:
„Item vonMarggraveFriedrichs wegen das lanndt zu Hol
stein antreffend, das ledig worden ist, von dem Herzogen
„von Slesswick, des sich der König von Denmark undermannt
„hat und nicht bekennt zu lehen vom Reich, das unser gne-
„digster Herr der Kaiser das Marggrave Friedrichen zu
„leyhcn geruh, so w r olle er versuchen und Fl'eiss haben, oh
„er das einbringen möge i).
4 ) Höt’Ier kaiserl. Buch I. S. 80.
303
Was jedoch hier im Namen des Marggrafen Friedrich (cum
ferreis dentibus) angetragen wurde, ging ursprünglich von
seinem Bruder dem M. Albrecht Achilles aus, dessen Na
men so oft in der Diethmarschen Sache genannt wird, und welcher
frühe die wichtigsten Unterhandlungen seines Bruders als dessen
vertrautester Rath führte.
56 Jahre nach diesem ersten Unterhandeln zu dem Zwecke der
Einverleibung Holsteins in Br an de nburg, einer Unterhand
lung, welche zu keinem Resultate führte, war die Sache durch
consequentes Fortschreiten auf der einmal eingeschlagenen Bahn
schon so weit gediehen, dass Albrechts Enkel, Churfürst Joa
chim I., bereits im Jahre 1517 von K. Friedrichs Sohne Max-
milian einen Versicherungsbrief auf die eine Hälfte der Herzogthü-
mer Holstein und Schleswig erhielt, eine Anwartschaft auf
die andere. Zwischen dem ersten Auftauchen der brandenburgischen
Bewerbung um Holstein und die Erlangung eines kaiserlichen Ver
sicherungsbriefes liegen nun die, wie es anfänglich schien, glücklich
geführten Unterhandlungen, einerseits Holstein als deutsches Lehen
K. Christian, der eine brandenburgischePrinzessin geheirathet hatte,
zu geben, andererseits um ihm das deutsche Lehen annehmlicher
zu machen, das Diethmarsche Land dazu zu verleihen.
Hiemit war aber auch zugleich für eine andere Sache gesorgt,
die M. Albrecht äusserst am Herzen lag, denn da er dem Augen
blicke entgegensah, in welchem das Reich bei den ununterbroche
nen Kämpfen unter den Ständen sich dreifach spaltete, und wie er
es nannte, „3 prey” entstehen würden 2 ) :
„All geistlich Fürsten einer, all weltlich Fürsten einer,
all Städt einer,” so war zu hoffen, dass durch Vorgänge wie die
erwähnten, Völker , welche ,.n och o h n e Vorste n und ohne
Hoveden lebten”, Fürsten und Haupt noch zeitig erhalten
würden, und zwar die Diethmarschen ein derartiges, dass, was
schon früher erstrebt worden war, durch die Verhandlungen d. J.
1474 näher gerückt und somit vorbereitet wurde, was dann das
Jahr 1517 wirklich zu bringen schien.
*) Ludwig v. Eyb S. 104. 105.
3 ) Ludwig v. Eyb S. 97.
304
Da ferner M. Albrecht die Lebensfrage Deutschlands, die Ite-
formfrage als eine Verständigung der einzelnen mächtigen Familien,
Oesterreichs, Brandenburgs, Sachsens und Bayerns, aulfasste »),
konnte er sich vielleicht selbst schmeicheln, durch das ebeno-eschil-
derte Treiben die kostbarste Zeit, die gebieterisch eine all
gemeine politische Reform verlangte,im Interesse
des Ganzen verwendet zu haben, sobald man nur darunter
verstand, was man brandenburgischer Seits liiemit begreifen wollte.
Jedenfalls aber wird hiedurch die Thatsache klar, dass so lange
die deutschen Fürsten auf derartigen Wegen wandelten, wohl die
Freiheit der Völker gefährdet und der ruhige Entwicklungsgang
des deutschen Lebens gestört, nimmermehr aber die Aussicht geför
dert werden konnte, das grosse Werk der p olitischenUm-
gestaltung des Reiches segenvoll zu Ende zu bringen.
Von einer Vollendung der politischen Reform war aber auch
die der bereits angebahnten r eligiö sen Ref o rm unwiderruflich
bedingt.
Sitzung vom 24. April 1850.
Von den von Herrn v. Kr einer eingesandten Aufsätzen wur
den die nachstehenden zum Abdruck in dem heutigen Sitzungs
berichte bestimmt.
Die Medreseen von Haleb.
Medreseen der Schäüiten.
Die Medreset-es-Sodschädschije, erbaut von Bedr-od-Daulet-
er-Rebi Soleiman Ibn-Abd-el-Dschebbär Ihn Ortok, dem Herr
scher über Haleb; diess ist die erste Medrese, die in dieser Stadt
erbaut ward. Der Bau begann im Jahre 516. Als er die Medrese
bauen wollte, hinderte ihn das Volk von Haleb daran, weil sie
grösstentheils Schiiten waren. Sie rissen Nachts das nieder, was
bei Tage gebaut worden war. Da bat er zuletzt den Scherif Sohre
Ibn Abd Ibn Ebi Ibrahim, diesen Bau zu leiten, damit die
Leute (aus Ehrfurcht vor ihm) von der Zerstörung desselben ab
stünden; dieser vollendete den Bau auch wirklich. Dieser Scherif
stand in hohem Ansehen bei den Königen. Als Imäd-od-Din Senki
*) Kaiserliches Buch, herausgegeben von Höflcr.
305
sich nach Mossul begab, im Jahre 539, nahm er denselben mit und
er starb in Mossul. Diese Medrese besteht jetzt nicht mehr und an
ihrer Stelle sind jetzt Wohnhäuser.
Die Medrese-el- Assrunsje war einWohnhaus des Ebu’l-Gasan
Ali Ibn Ebi-t-Torejjä (t^T), des Wesirs des Ibn Demirdasch
c* Der König el-Äd’l Nür-od-Din Mahmud Ibn Senki
wandelte es in eine Medrese um, nachdem er auf rechtliche Weise
davon Besitz erlangt hatte und wies dendaselbstangestelltenRechts-
gelehrten Wohnungen an. Diess geschah im Jahre 550. Von einem
Berge in der Nähe von Sindschar liess er den Scheich Scherel'-od
Din Ebu Sa’id A’bd Allah Ibn-Ebi-s-Serwi Mohammed Ihn Gibet-
Allab Ben-el-Mutahher Ibn A’.li Ibn Ebi A’ssrün herberufen und er
nannte ihn zum Vorsteher und Professor daselbst; er war der er
ste Professor und nach seinem Namen ward sie benannt. Nür-od
Din baute noch ferner eine Medrese in Membedsch, eine in Hainäh,
eine in Himss, eine in Bälletik und eine in Damaskus.
Die Medreset-en-Nefersje, deren Stifter unbekannt ist.
Die Medreset-el-Enwwamije innerhalb dem Thore Fäb-el-
Euba’in in der Nähe der Gasse Häret-el-feräfsre, darin ist eine
Herberge für Kalender-Derwische.
Die Medreset-oss-Shalisije, erbaut vom Kadsi Bohä-ed-Din
Ebu'l-Muhä-Sin Jusuf Ben Raff, der unter dem Namen Ibn Sched-
dad bekannt ist, im Jahre 601.
Die Medresct-os-Sähirije (a,auch Sultänije benannt,
dem Schlosse gegenüber, für Schäfiisten und Hanifiten gegründet
vom Melik-os-Sähir im Jahre 613, vollendet von Tughril Bey dem
Atabey des Welik-el-Afis, der sie ausbaute im Jahre 630. Ueber
dem Thore steht in Stein gegraben die Inschrift, dass sie für Ha
nifiten und Schafiiten bestimmt sei.
Die Medreset-el-Esedije, erbaut vom Emsr Esed-od-Din
Schirküh, jetzt eben so wie die andere 'zerstört.
Die Medreset-er-Rewahije, erbaut von Rokn-od-din Ibn-el
Kajjim Hibet-Allah-el-hamawi.
Die Medreset-esch-Schoaibije (aIu*1H) 5 so genannt nach dem
ersten Professor daselbst, dem Scheich Schu’aib.
Die Medreset-esch-Scherefije, erbaut vom Scheich, dem
Jmnäm Scheref-od Din Ebu Tälib Abd-er-Rahmän Ibn Ssälih Abd«
306
er-Rahim, der unter dem Namen Ibn-el-Adschemi bekannt ist, er
gab für den Bau über 400,000 Dirhem aus und bereicherte die Me-
drese mit vielen Stiftungen.
Die Medreset-el-Bedrije, erbaut von Bedr-od-Din dem Frei
gelassenen des Pmäd-od-Diu Schsädi Ibn-el-Melik-en-Nassir Schal-
lah-od-Din Jüsuf Ibn Ejjüb, jetzt besteht diese Medrese nicht mehr.
Die Medreset-es-Seidije, erbaut von Ibrahim, der unter dem
Namen Ibn-Seid-el-Kejjal-el-halebi bekannt ist, erbaut im Jahre
655.
Die Medreset-es-Seifije , erbaut vom Emir Seif-od-Din A’li
Ibn I’Im-ed-Din Soleiman Ibn Haider im Jahre 617 für Schäfi’iten
und Hanifiten. Jetzt ist sie zerstört.
Die ausserhalb Damaskus befindlichen Medreseen der Schäfi’-
iten sind folgende :
Die Medreset-es-Sähirije, erbaut im Jahre 616 vom Sultän-el-
Melik-os Sahir Ghajjas-od-Din Ghäfi Ibn Jusuf Ibn Ejjub dem Herr
scher über Haleb, daneben erbaute er eine Torbet, die er dazu be
stimmte , dass darin die Könige und Emire von Haiebbegraben
werden sollten.
Die Medreset-el-herewije, erbaut vom Scheich Ebu’l Hasan
Ali Ibn Ebi Bekr-el-herewi, südlich von Haleb, besteht jetzt nicht
mehr.
Die Medreset-el-boldukije (aJ jJJ I), erbaut vom Emir-Hosam-
od-din Bolduk, dem Freigelassenen des Melik-os-Säbir. Diese Me
drese zerstörte ein Mann, der Lliawädschä Bekr hiess, und aus
Reha gebürtig war, später in Haleb in Ansehen kam. Ahmed Pa
scha, der unter dem Namen Ibn-el-Ekmekdschi, d. i. Sohn des Bä
ckers bekannt ist, verwandte ihn zum Bau seines Palastes, wozu
dieser die Steine der Medrese verbrauchte, die schon dem
Einsturze nahe war. Diess geschah ums Jahr 1024.
Die Medreset-el-Kaimerije, gegründet im Jahre 646 vom Emir
Hosäm-od-Din Ibn Ebi ’l-Fewäris-el-Kaimeri nahe bei dem Orte
Makam Ibrahim, jetzt verwüstet.
Die Medreset an der Dchobeile, d. i. am Berge, erbaut im
Jahre 595 von Schems-od-Din Ebi Bekr Ahmed Ibn Ebi Ssalih
c c
Abd-er-Rahim Ibn-el-Adschemi, es ist auch hier zugleich eine
Torbet, wo der Stifter begraben wurde. Diese Medrese ist für
Schäfiiten und Mälikiten bestimmt.
307
Die Meilreset, welche Schems-od-Din Bülü, der Freigelassene
Nur-ed-Din Resläu’s, des Sohnes des Mesüd, Herrschers über Mos-
sul erbaute.
Die Medreset am Orte Makam Ibrahim, erbaut von Bohä-ed-
Din, bekannt als IbnEbisSibal (JLj).
Die Medreset die If-od-Din Ebul-Feth Mudhaffer Ben Mo
hammed Ibn Sultan Ibn Fätik-el-hamawi am Makam erbaute im
Jahre 652.
Die Medreseen der Hanefiten.
DieMedreset-el-halawije,(ij^sL|), die ehedem eine Kirche war,
die von der Kaiserin Helena erbaut worden war. Der Kadhi Ebu-
el-haban Ibn-el-Chaschäb wandelte sie in eine Moschee um zur
Zeit, als die Franken bei Belagerung Halebs im Jahre 518 die Grä
ber der Moslimen verwüsteten und verbrannten. Vor Alters hiess
diese Mesdreset Medschid-es-Serrädschin , als Nür-od-Din König
ward, verwandelte er sie in eine Medrese und stellte daselbstWoh-
nungen für die Rechtsgelehrten und einen Saal her. Diess ist eine
der berühmtesten Medreseen in Haleb, daselbst ist die Anzahl der
Studierenden am grössten, und diese Medrese hat vor allen andern
das reichlichste Einkommen. Der Stifter setzte fest, dass im Mo
nate Ramadhän der Professor daselbst von dem Einkommen der
Medrese 3000 Dirhem für Gewänder, und jeder Rechtsgelehrte
ebenfalls eine bestimmts Summe bekommen solle ; ebenso dass in
den Tagen des Frühlings und Herbstes, wenn man (purgirende)
Arzeneimittel zu nehmen pflegt, Geld für die Arzeneien und Früchte,
am Tage der Geburt des Propheten Süssigkeiten, und ebenso an den
Festen bestimmte Summen Geldes, zur Zeit des Obstes Geld um
Melonen, Aprikosen und Maulbeeren zu kaufen, ausgetheilt werden
sollen.
Die Medreset-ath-Schädbachtije vom Emir Schädbacht. der
Nür-od-Din Mahmüd’s Statthalter war, er baute sie im Jahre 824.
Die Medreset-el-Atäbekije, erbaut von Schihäb-od-Din Tug-
ril Bek, dem Atäbege dem Freigelassenen des Melik-os-Sähir
Ghajjas-od-Din Ghäfi, dem Vicekönig (aiLLJ 1 <_*i li) in Haleb. Der
Bau desselben ward im Jahre 618 vollendet. Jetzt besteht diese
Medrese nicht mehr.
308
Die Medreset-cl-hadädije (ao1.XsM), erbaut von Husam-od-
C
Din Ben Omer Ibn Lädschin, dem Schwestersohne Ssaläh-od-Din’s,
war ehemals ebenfalls eine der vier Kirchen, die Ibn-ol-Chaschschäb
in Moscheen verwandelte.
Die Medrcset-el-Dscherdikaje (a^oj&H), erbaut vom Emir Iff-
od-Din Dscherdik-on-Nüri im Jahre 590.
Die Medrcset-el-Mukaddemije, erbaut im Jahre 545 von I1T—
od-din Abd-el-Melik-el-Mukaddem, die ebenfalls eine der vier Kir
chen war, welche Ibn-ol-Lhaschschäb in Moscheen umgestaltete.
Die Medreset-el-Tümänjie I) , erbaut vom Emir
Ilosäm-od-DinTuman en-Nüri.
Die Medreset-el-hosämije, erbaut vom Emir Hosäm-od-Din
Mahmud, westlich vom Schlosse auf der Hauptstrasse zwischen die
sem und dem Schlossgraben.
Die Medreset-el-Esedije, dem Schlosse gegenüber, jetzt et-
Tawäschije genannt, erbaut von Bedr-od-Din-el-Chädim, dein Frei
gelassenen Esed-od-din Schirküh’s. Diese Medrese zerstörte der
Mollä Ahmed, der Aufseher der Stiftungen (o IsjÜ U) in Ha-
leb im Jahre 935 war.
Die Medreset-el-Kilidschije, erbaut vom Emir Modschahid-od-
Din Mohammed Ibn Schems-od-din Mahmud Ibn Kiliisch-en Nuri;
jetzt besteht sie nicht mehr.
Die Medreset-el-Ghutaisje (a 1), erbaut von Säd-od-
Din Mes’üd Ibn-el-Emir Iff-od-Din lbek, der unter dem Namen
Ghaitis vielleicht zu lesen) bekannt ist, dem Frei-
■' c
gelassenen des Iff-od-Din farahschäh Ibn Schahinscliah Ibn Ejjüb,
dem Herrscher über Balbek. Diese Medrese ist eben so wie viele
andere jetzt verschwunden.
DieMedrcset-el-Medschhdijet-el-Dschuwanije vonMedsclid-ed-
Din Ibn-el-Däje gegründet, jetzt eingegangen.
Die Medreset-el-Medschdijet-el-Berränije, eben von demsel
ben gegründet, doch jetzt zerstört.
Die Medreset-esch-Schädbachtije, deren Stifter schon oben
genannt wurde.
Die Medreset-el-Eswedije, erbaut von Emir Iff-od-Din Eswed-
et-Turkmäni, diese Medrese ist jetzt ebenfalls verschwunden.
309
Die Medreset-es-Saifije in Häfsir erbaut von Seif-
od-Din Ali Ibn Suleimän Ibn Haider-el-Mukaddem.
Die Medreset-es-Nakib auf demDschebel Dschauschen
Die Medreset-el-Dokäkije (aJIüjJ I), erbaut von Mohibb-ed-
Din Ibn Hasan Ali Ibn Fadlil Ibn Dokak im Jahre 666, jetzt besteht
auch diese Medrese nicht mehr.
Die Medreset-el-Dschemälije, erbaut von Dschemäl-od-Din
we-d-Dewlet Ikbal-es-Sähiri, der als Stiftung dieser Medrese drei
Viertel des Bades Hammam-el-Atik vermachte, vier Faddän (Wein-
feldmass) am Nefreb, vier Feddän bei Dabik. Diese Medrese be
steht jetzt nicht mehr.
Die Medreset-el-Alaije, erbaut von Ala-ed-Din Ibn Ebi-a-
Ridschä.
Die Medreset-el-Kemälijet-el-Adimije, erbaut von Kemal-od-
Din Omer Ibn Ahmed Ibn Hibet-Allah Ibn Ebi Dschoräde, der un
ter dem Namen Ibn-el-Adim bekannt ist; der Bau begann im Jahre
639 und endete 649.
Medreseen der Mäljkiten und Hanbeliten.
Die von Emir Seif-od-Din Ali Ben Alam-ed-Din Suleimän Ibn
Haider unterhalb dem Schlosse erbaute Medrese für Malikiten und
Hanbeliten.
Die Säwije, d. i. Zelle in der grossen Moschee, gestiftet von
Nür-od-Din.
Die Medreseen von Mekke,
nach el-Fäsi’s Geschichte von Mekke.
Die mit frommen Stiftungen versehenen Medreseen in Mekke
sind eilf:
1. Die Medreset-el-Melik-il-Efdhal Abbäs Ibn Modschähid,
des Herrschers über Jemen auf der östlichen Seite der Kabej
für Schafiiten gestiftet vor dem Jahre 770.
2. Die Medreset Där-ol-Aschele (iWl jb), gestiftet vom
EmirÄrghün, dem Statthalter, Melik-en-Nass’ri, für Hanefiten
ums Jahr 720.
3. Die Medreset-el-Sindschil für Hanefiten, gestiftet im
Jahre 579, jetzt Där-es-Silsile genannt.
4. Die Medreset-el-Melik-il-Manssür Omer Ben Ali den
Beherrscher von Jemen, für Schäfiiten, gebaut im Jahre 641.
310
5. Die Medreset der HabilTinerin, der Freigelassenen des
Mostanssir-el-Abbäsi, für zwanzig Schäfiitische Rechtsgelehrte,
gebaut im Jahre 580.
6. Die Medreset des Melik-el-Manssür Ghajas-od-Din Ebi’l-
Mofaffer, dem Herrscher über das Land Bengalen in Indien, für
die Rechtsgelehrten aller vier Sekten. Der Bau begann im Jahre823.
7. Die Medreset des Melik-el-Modschähid, des Herrschers
über Jemen, südlich von der Käbe , für Schäfi’iten gestiftet im
Jahre 737.
8. Die Medreset Ebi Ali Ibn Ebi Sekeri I) ist der un
ter dem Namen Ebi Tähir-el-O’meri-el-Muessin bekannte Ort,
gestiftet im Jahre 630.
9. DieMedreset-el-Erschüfs (jyo'i 1) am ThoreBäb-el-U’mre.
10. Die Medreset Ibn-el-Haddäd-el-Mehdevvi für Mälikiten,
bekannt unter dem Namen Medreset-el-Edänibe, gestiftet im
Jahre 638.
11. Die Medreset-en-Nehawidi, in der Nähe der eben vor
her genannten Medrese, seit beiläufig 200 Jahren gestiftet.
Herr Professor Dr. Hoefler legt Nr. I, II, III seiner „Frän
kischen Studien” zur Aufnahme in das „Archiv” der historischen
Commission vor, indem er diese durch folgenden Vortrag begründet-
Indem ich mir die Freiheit nehme, einer Einladung des k. k.
Regierungsrathes und Akademikers Herrn v. Chmel Folge leistend,
Ergebnisse von Nachforschungen in dem Archive zu Bamberg unter
dem Titel „Fränkische Studien (I, II, III)” der verehrlichen
historischen Commission resp. der anwesenden philosophisch
historischen Classe zur Prüfung und etwaigen Genehmigung für
„das Archiv” zu unterbreiten, dürfte es kaum nothwendig sein,
jenen tiefen innern Zusammenhang in das Gedächtniss zu rufen,
welcher einst und selbst so lange Zeit zwischen Franken und
Oesterreich Statt fand. Nicht blos, dass von Franken das
ruhmvolle Geschlecht der Babenberger ausgegangen, sondern
auch als dieses mit so vielen andern im Laufe des XIII. Jahrhun
derts erlosch, haben die Beziehungen beider Länder noch immer
fortgedauert. Wie gleichzeitig mit den Babenbergern die Meran er
auf fränkischem und jetzt österreichischem Boden wurzelten, haben
31t
die Fürstbischöfe von Bamberg hier wie in Kärnthen
reiches Besitzthum erlangt und beinahe bis zum Untergange des
deutschen Reiches behauptet. In Mitte des im XIII. Jahrhunderte
verhängten Aussterbens der Zäringer, Babenberger, Meraner,
Hohenstaufen etc. und der sie ablösenden neuen Dynastie erhoben
sich die Hohenzollern, — gleich den Habsburgern aus ale
mannischem Stamme, — zu Macht und Ehren in Franken, frühe
zu grossem Besitze in Oesterreich, und bleibt die Art, wie sie
zu letzterem kamen, noch immer ein Gegenstand reiflicher, müh
samer Forschung, ein schwer zu lösendes Problem. Ebensowenig
ist auch ihr Verhältniss zu den Ortenburgern noch hinreichend
erforscht, wenigstens die politische Seite, ihre dynastische Ver
bindung mit diesem Geschlechte von kärnthnerischen Herzogen
und bayrischen Pfalzgrafen noch nicht genug erörtert.
Bei diesem tiefen Zusammenhänge der ältesten Geschichte
Oesterreichs und Frankens ist es nur billig, in der ersten Abhand
lung- der fränkischen Studien die ältesten Urkunden mitzutheilen.
welche über die wichtigste Katastrophe des Mittelalters, das Empor
kommen neuer, den Untergang alter Geschlechter in beiden Lan
den Aufschluss geben.
An diese Urkunden, welche meist dem ältesten Privilegien
buche der Bamberger Kirche entnommen sind, reiht sich nun eine
interessante Haus - und Personenchronik der Hohenzollern an, die
erste und älteste, welche unter dem Namen eines Ankunftb uches
der Burggrafen von Nürnberg verfasst worden ist und auf Archiva
lien des geheimen Haus- und Staatsarchivs der Hohenzollern
sich stützt. In Bezug auf Erwerbung der Brandenburgischen Be
sitzungen dürfte es keine genauere Quelle geben, deren Schweigen
über das, worüber sie sich aussprechen müsste, warum wirklich
die Erwerbung österreichischer Besitzungen der Erzählung Aven
tin’s gemäss geschehen, ebenso bedeutsam ist, als dasjenige interes
sant, was sie direct berichtet. Für die Geschichte der Ausbildung
des Territorialsystems in Deutschland müssen sie selbst von all
gemeiner Bedeutung sein.
Vereinzelt für sich steht der Epistolarcodex von Reinharts
brunn (Fränkische Studien N°- III.) dar, welcher die Epoche
Babenbergischcr Blüthe beleuchtet, Briefe an Otto von Freising,
den Babenberger, Friedrich Barbarossa’s, des Welfen Heinrichs
312
des Löwen, des damaligen Babenbergischen Herzogs von Bayern,
der Landgrafen von Thüringen etc. enthält, und zugleich in Be
treff des in Thüringen entschiedenen Kampfes zwischen Welfen und
Hohenstaufen etc. (nach Lothar III. Tode) der Entwicklung
deutscher Bildung und deutscher Gelehrsamkeit im XII. Jahr
hunderte merkwürdig ist. Wie oftmals zwischen einem bereits
entladenen Ungewitter, das von dannen zieht, und einem drohend
herannahenden die Landschaft eine eigenthümliche Färbung erhält,
von den scharf und dicht herabfallenden Sonnenstrahlen beleuchtet,
von zweifachem Dunkel bedroht, die Natur in herrlicher, duftender
Frische der überstandenen Gefahr munter sich freut, anderseits
vor der drohenden zagend bebt, steht die Periode, in welche die
99 Briefe des Epistolarcodexfallen, zwischen dem ersten Abschnitte
des grossen, Deutschland convulsivisch erschütternden Kampfes des
regnum cum sacerdotio und der damit verbundenen Erniedrigung des
kaiserlichen Ansehens unter Heinrich IV. und Heinrich V. — und
zwischen dem zweiten Abschnitte desselben Kampfes unter Fried
rich Barbarossa, dem vor Rom siegreichen, in Venedig sich beu
genden Kaiser, in eigenthüinlichem Glanze da.
Aus innern wie aus äussern Gründen schien es daher dem Ver
fasser geziemend, der ihm zu Theil gewordenen schmeichelhaften
Aufforderung mit diesen Erstlingen zu entsprechen zu suchen, um
dadurch den Uebergang zu bahnen, sei es zur Mittheilung speciell
österreichischer Quellen, sei es um auf der eingeschlagenen Bahn
zu verharren und, was in früherer Zeit die Wiege des deutschen
Kaiserthums, Franken und Bayern, mit der Heimath der
spätem Cäsaren verband, als weitere Frucht archivalischer Studien
und in dankbarer Anerkennung der ihm gewordenen Einladung
erörternd vorzulegen.
O
Herr Georg Zappert liest als Gast eine Abhandlung: „Ueber
die Quellen-Angabe der mittelalterlichen Geschichts-Erzähler”.
Er weist darin nach, wie in Folge des mit kritischen Waffen
gegen Polytheismus und Haeresie geführten Angriffs und Vertheidi-
gungskampfes sich ein urtheilfähiges Lesepublicum heranbildete,
das nicht mit der frühem Gläubigkeit der heidnischen Zuhörer die
Berichte der Historiker hinnahm. In Folge dessen sehen sich die
313
Geschichtserzähler nicht blos veranlasst, dem Leser ihre Wahr
heitsliebe zu versichern, sondern manche diese sogar mit Schwü
ren zu betheuern. Viele Leser jedoch wollen sich nicht durch sol
che summarische Eide beruhigen lassen, sie verlangen von dem
Geschichtserzähler, dass er die vorgebrachten Facta durch ge
schichtskräftige Belege erhärte. Dieser Nöthigung zur Quellen-
Angabe fügen sich nun die Historiker. Ferner bespricht Herr Zap-
pert die Wege, auf welchen den Geschichtserzählern, deren gröss
ter Theil zum Stande der Mönche zählte, die Kunde politischer
Geschehnisse zugekommen sind. In Folge der Nöthigung zur
Quellenangabe beklagen die Historiker dort, wo diese mangeln,
laut die Armuth oder den Verlust einst vorhandener geschichtli
cher Belege. Er beschliesst diesen Theil der Abhandlung mit den
Formeln, unter denen die mittelalterlichen Geschichtserzähler die
autoptische Geschichtsquelle aufzuführen pflegten.
Beschluss des Berichtes des Herrn Regierungsrathcs Ar-
neth über die von Herrn Professor Gaisberger eingesandten
Werke:
Die Gräber bei Hallstadt im österreichischen
Salzkammergute. Linz 1848, mit 9 Iith. Tafeln.
Der Geschichtsforscher, welcher die Gräber vom Norden bis
zum Süden Europa’s, welcher die Weise , wie die grossen Völker
in Asien ihre Todten begruben, welcher den Gebrauch bei glei
chen Ereignissen in Africa, wie der Aegypter prächtige Pyramiden
oder Marmorpaläste erbaute, in denen der Todte der Verwandlung
entgegenharren sollte, wie in America z. B. in Peru die Todten zu
sammengekauert im Innern des Landes gegen Osten, an den Küsten
gegen Westen gewendet, schaarenweise aufgefunden werden , wer
alles dieses und ähnliches miteinander vergleicht, findet in den Ge
bräuchen der Todtenbestattung die merkwürdigsten Anhaltspuncte
zur Aufhellung der Geschichte. Selbst aus den Gräbern holt sich
der Mensch mitunter die urältesten Urkunden seines Geschlechtes ,
und aus der Bestattung zur letzten Ruhe zeigt sich nicht selten die
Weise des Lebens.
Die Gräber im hohen Norden Europa’s sind häufig in Form
von Schiffen angelegt, um anzuzeigen, dass der Mann, den die
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. Heft. 22
314
Erde hier deckt, einer jener kühnen nordischen Seefahrer war,
von denen nns die Lieder und so viele Erzählungen Kunde geben.
Ein gelehrter Däne l ) hat hierüber die interessantesten Aufschlüsse
gegeben.
Herr von Estorff hat ein treffliches Werk a ) über die heidni
schen Alterthümer der Gegend von Uelzen im Königreiche Hanno
ver veröffentlicht, das äusserst begierig macht auf das grössere,
dessen Vorläufer dieses sein soll.
Unweit Bochum an der Ruhr wurden 1803 germanische
Gräber aufgefunden, über welche Kortum 3 ) gelehrt geschrie
ben hat.
Die bei Stendal in der Altmark gefundenen Gräber hat Minu-
toli erklärt 4 ), und jenes vor hundert Jahren bei Merseburg ent
deckte Dorow 5 ).
Auch in Böhmen wurden interessante Grabhügel gefunden,
z. B. im Berauner Kreise, in welchem zu Podmokle der.grosse Fund
von Goldmünzen gemacht wurde; die Gräber sind in den Abhand
lungen der k. böhmischen Gesellschaft 6 ) der Wissenschaften be
schrieben , welche Beschreibung Jos. Dobrowsky mit Anmerkun
gen begleitet hat.
Ergiebiger als diese waren die Grabhügel bei Amberg und bei
Schesslitz und andern im alten Regnitzgau, von denen die ersten
von Popp ’), die zweiten von Haas 8 ) beschrieben wurden. So wa-
*) Worsaae, Die Alterthumskunde des Nordens. Leipzig 1847. 4.
*) Mit einem Atlas von sechzehn Tafeln und einer illuminirten archäologi
schen Karte. Hannover 1846.
3 ) Beschreibung einer neu entdeckten altgermanischen Grabstätte. Dortmund
1804.
4 ) Beschreibung einer in den Jahren 1826 und 1827 zu Stendal in der Alt
mark aufgefundenen alten heidnischen Grabstätte. Berlin 1827.
5 ) Altes Grab eines Heerführers unter Attila, entdeckt am 15. April 1750 bei
Merseburg. Halle 1832. Fol.
6 ) Prag. 1803.
7 ) Abhandlung über einige alte Grabhügel, welche bei Amberg entdeckt wur
den. Ingolstadt 1821.
®) Ueber die Gräber bei Schesslitz. Bamberg 1827.
315
ren auch die an der Altmühl bei Eichstädt aufgefundenen i) Grä
ber voll von den Todten mitgegebenen Gegenständen.
An der Isar bei Landshut wurden altdeutsche Gräber mit Ge
schirren und Waffen ausgegraben 2 ).
Unfern Augsburg bei Nordendorf 3 ) wurde ein grosses Lei
chenfeld mit den mannigfaltigsten Schmuckgegenständen entdeckt.
Dergleichen bei Titmaningin Bayern *), bei Bel-Air 5 ) in der Nähe
von Lausanne, welche Gegenstände von ausgezeichnetem wissen
schaftlichen Werthe enthielten, so wie viele andere in der Schweiz
enthüllte Gräber «).
Ein vorzügliches Werk über germanische Gräber haben die
Brüder Lindenschmidt herausgegeben ; und ein eben so schönes
und lehrreiches der Würtembergische Alterthumsverein 7 ).
An alle diese ausgezeichneten Werke über einen so merkwür
digen Gegenstand , wie es die Gräber unserer uralten Vorfahrer
sind, schliesst sich das Werk Herrn Gaisb e r ger’s über die Gräber
von Hallstadt im Salzkammergut würdig an, und hat für uns den
Vorzug, dass es nicht nur das erste, sondern bis jetzt einzige in
Oesterreich ist, welches diesen merkwürdigen Gegenstand allsei
tig kritisch bespricht, mit Abbildungen begleitet, und also ein Werk
liefert, welches sich des Beifalls in- und ausländischer Archäolo
gen erfreut.
1 ) Beschreibung verschiedener Alterthümer, welche in Grabhügeln alter Deut
scher nahe bei Eichstädt sind gefunden worden. Herausgegeben und mit
Anmerkungen erläutert von Ignaz Pickel. Nürnberg 17S9.
2 ) Die altdeutschen Grabmäler im Högelberge und der Umgegend von Lands
hut, entdeckt im Jahre 1823 von Carl Lorber, zusammengestellt von
Dr. A. v. Br au müh 1. Landshut 1826.
s ) Rais er, Die aus einer uralten Grabstätte bei Nordendorf bis Ende des
Jahres 1843 erhobenen merkwürdigen Fundstücke und Alterthümer. Augs
burg 1833.
4 ) K o ch-S ter n f e 1 d, Zur bayerischen Fürsten-, Volkes- und Culturgeschiclite.
München 1837.
5 ) Fred. Troyon, Description des tombeaux de Bel-Air.
6 ) Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in Zürich.
7 ) Jahreshefte des würtembergischen Alterthumsvereins. 1846.
22 *
Der um Wissenschaft und Kunst sehr verdiente Verwaltungsaus-
sehuss des Museum Francisco-Carolinum zu Linz äusserte gegen den
gelehrten Verfasser obigen Werkes den Wunsch: „die Gräber von
Hallstadt in den Abhandlungen des Francisco-Carolinum bespro
chen zu sehen,” und der thätige Gelehrte entsprach demselben mit
diesem Werke auf ausgezeichnete Weise.
Gleichzeitig mit dem von Wolfgang Menzel *) ausgesproche
nen Wunsche: „dass im schönen Oesterreich doch neben dem Stu
dium der römischen Alterthiimer auch das der keltischen und
germanischen in Schwung kommen möchte , da sich dort gewiss
noch reiche Funde werden machen lassen”, wurden in Hallstadt
obige Entdeckungen durch einen sehr umsichtigen, Geschichte und
Alterthum sehr hochachtenden Mann, den k. k. Bergmeister
Herrn Ramsauer gemacht.
Wer immer das reizvolle Salzkammergut und das oft in Ge
mälden dargestellte Hallstadt, einen der merkwürdigsten Orte
desselben, besucht hat, erinnert sich, dass man über 2000 Stufen
aufwärts steigend zum Rudolphsthurme , der Wohnung des Berg
meisters gelangt; links derselben dem Eingänge in den Salzstol
len zugewendet, liegt am Saum eines Waldes eine hellgrüne Matte,
180 Klafter über dem Spiegel des Sees erhoben, über den der An
blick und dessen angränzende tiefbuchige Thäler so sehr die Mühe
des Steigens lohnt. Hier in dieser einsamen Schlucht hat Herr
Ramsauer die Stätte aufgefunden, in der Kelten, etwa um die Zeit
des Severus Alexander ihre ewige Ruhe gefunden haben ; wie diess
geschehen und noch zu sehen , hat der Verfasser umständlich be
schrieben.
Ungemein lehrreich und schön sind die folgenden Capitel:
Ueber des Landes ob der Enns älteste Bewohner von 400 —13 v.
Ch. G. oder keltische Herrschaft. Von 13 v. bis 488 n. Ch. G.,
oder römische Herrschaft, von 488 — 547 germanische Herr
schaft, und der Abschnitt über die nationale Bestimmung der Grä
ber, die Herr Gaisberger mit siegreichen Gründen für keltische er
klärt; ich möchte angedeutetermassen glauben zur Zeit der römi
schen Herrschaft, als besiegte Kelten dieser dienstbar, ihre lang
') Jahrbücher der Literatur. Bd. CXVf. A. B; 113.
317
aufgefundenen Salzberge ausbeuteten. Sinnreich schliesst der Ver
fasser die treffliche Monographie :
„Endlich darf man hier wohl auch jene Benennungen von Na
turgegenständen , Flüssen, Gebirgen und Gebirgszügen , die das
Leichenfeld zunächst umgaben, in Erinnerung bringen. In ihrem
uralten von Geschlecht zu Geschlecht überlieferten Namen tönen
die Laute der Sprache der keltischen Bewohner noch unverkenn
bar nach. Es genügt aber hier nur jene Naturgegenstände anzu
führen, die unsere Gebirgshöhe wie in einem Kreise nahe umge
ben. Der Abhang selbst, wo sie steil abfällt, heisst der Hallberg,
Hallbach aber der in einer tiefen Schlucht von Norden dem See
zueilende Bach. Den an ihrem Fusse ruhenden Hallstädter See
durchftiesst die Traun (trouna, troun keltisch tief) ; gegenüber,
gleichfalls an der Ostseite erhebt sich der Saa-Stein (gaelisch säa
grossj, im Westen ist die Karwand und das Brunnkar ^7car-Fels},
im Süden breitet sich die Thalebene Lann (Lann gaelisch Wiese^
aus, woran sich weiter gegen Süden hin die Taubenkar, der Kop
penkarstein und der weithinschauende Riese, der Thorstein an-
schliessen, umherlagert als stummberedte Zeugen für den dauern
den Aufenthalt jenes mächtigen uralten Volkes, das einst über
einen grossen Theil Europa’s herrschend, durch Geschicke und
Unfälle jeder Art gebrochen, nach und nach auf einen kleinen
Kreis eingeschränkt, zuletzt nur noch auf wenigen Hochlanden
wie Schiffbrüchige auf einsamen Klippen ein kümmerliches Asyl
gefunden.”
Sollten Sie, meine Herren, noch im geringsten an der
Wichtigkeit der Gräber in historischer Beziehung zweifeln? eine
Wichtigkeit, die sich bald kundgibt, indem sie die Aehnlichkeiten
oder Verschiedenheiten des Schädelbaues bei den aufgefundenen
Körpern darstellt, oder welche in der gleichartigen oder verschie
denen Orientirung der Begrabenen zu suchen, von denen bei wei
tem die meisten nach Sonnenaufgang schauen; gleiche Waffen oder
sonst in die letzte Ruhestätte mitgenommene Utensilien lassen auf
Stammähnlickeit schliessen. Ich bitte Sie einen Augenblick auf
die Gräber der Griechen Ihre Aufmerksamkeit zu wenden. Hätten
die Griechen, dieses begabteste Volk der Erde, sonst nichts hinter
lassen, als ihre Gräber, wir würden staunen über ihre auf den
mitgegebenen Gegenständen ausgedrückten Philosopheme, über
318
ihre Lebensanschauung, über den hohen Zustand ihrer unerreich
baren Künste, sei es, dass Sie in Gedanken die Necropolen um
Volci — die Gräber in der Basilicata, in Sicilien, im eigentlichen
Griechenlande, auf den griechischen Inseln, in der Krimm, auf
der Nordküste von Africa, im ganzen Klein-Asien — betrachten.
Denken Sie einen Augenblick an die Gräber, in welchen die rö
mischen Herren der Welt von ihren Kämpfen ausruhten, überall
sehen Sie im Grabe ein Bild des Lehens. Von ganzen Nationen
aber sind keine anderen Ueberbleihsel als ihre Gräber; daher diese
so wichtig sind, und mit Pietät zu erforschen, wie viel Geschichte
sie uns noch aufbewahren. — Für die meisten Wissenschaften geht
aus der Vergleichung viel Wahrheit hervor; —wie viel Cuvier aus
der Anatomie comparee Lehrreiches zu Tage gefördert, ist bekannt;
auch die andern Untersuchungen gewinnen durch Vergleiche, in
diesem Theil der Geschichte ist im angezeigten Werke Tüchtiges
geleistet.
Ovilaba und die damit in Verbindung stehenden
römischen Alterthümer.
Der Verfasser hat das Manuscript „Ovilaba” zur Veröffentli
chung in den „Denkschriften” eingeschickt.
So wie das Museum Francisco-Carolinum zu Linz schon vor
her die in seinen Vereinsschriften schon früher erschienenen Ab
handlungen des Verfassers an die kaiserliche Akademie einzusen
den die Aufmerksamkeit gehabt, so hat jetzt der Verfasser die
mit dem Manuscripte Ovilaba in naher Beziehung stehenden letzten
Abhandlungen „Lauriacum” und die „Gräber von Hallstadt” einge
schickt, die Referent für so merkwürdig hält, dass er sie als Ein
leitung zur Besprechung des Manuscriptes, wie Aehnliches bei
Kandler’s Werken geschehen, auszugsweise erwähnen zu müssen
glaubte, denn nur aus den Monographien lässt sich die Geschichte
eines Landes erst klar zusammenstellen, und die Männer erkennen,
welche dieses zu leisten im Stande sind.
Der Verfasser hat kritisch untersucht: I. Die Lage des Ortes
Ovilaba.
Um diese auszumitteln, hat Herr Gaisberger alle dahin ein
schlagenden Angaben sorgfältig verglichen; das betreffende Seg
ment der Peutingerischen Karte in Abzeichnung beigegeben. Ferner
II. Die entdeckten römischen Alterthümer.
319
Diese tlieilt der Verfasser mit einer ausserordentlichen Genauig
keit, Umsicht und Kritik mit, welche diese Arbeit vor allen aus
zeichnet; er ist der erste, der das Monument auf der Aussenmauer
der Stadt - Pfarrkirche zu Wels, welches Appian bald nach Wels,
bald nach Linz, bald nach Schwatz in Tirol, Lazius, Gruterus,
Katancich u. s. w. nach Linz versetzten, Wels vindicirt, er hat
zuerst es richtig, besonders in dem Umstande gelesen, dass das
vorkommende vet nicht veteranvS , sondern vetvria (tribu )
auszulegen sei. Dieses Monument ist in der Zeichnung mitge-
theilt. Die zwei schönen Büsten, eines Römers und einer Rö
merin, gegenüber der Pfarrkirche in einem Hause eingemauert,
sind gleichfalls abgezeichnet. Alle Umstände vereinigen sich darin,
dass das alte Ovilio, Ovilaba das heutige Wels sei.
Die Gründung von Ovilaba schreibt Herr Gaisberger dem
Städtegründer, dem in vielfacher Beziehung ausgezeichneten Im
perator M. Aurelius zu.
Ovilaba war eine nicht unwichtige Colonie des grossen römi
schen Reiches, was der Verfasser besonders durch die sorgfältigste
Auslegung und Abschrift zweier römischen Inschriften beweiset,
von denen eine in Köppach, die andere im Stifte zu Lambach
aufbewahrt ist.
Ganz der Wahrheit gemäss schliest der Verfasser:
„Blickt man jetzt noch einmal auf die vorgebrachten Angaben
zurück, so ergibt sich wie dieser oft erwähnte Ort — vielleicht
auf keltischer Grundlage beginnend — durch den edlen M. Aurel
zum Schutze des Landes erweitert und vergrössert unter dem
Namen Ovilia — nach späterer Umbildung Ovilaba — in die Reihe
der römischen Colonien, in das Gebiet der Geschichte eintritt,
durch religiöse, politische und staatswirthschaftliche Einrichtungen
und Verhältnisse keine unbedeutende Rolle im Ufernoricum be
hauptet; aber den heftigsten Stürmen der Völkerwanderung bloss
gestellt und vielfältig beschädigt um das Jahr 477 endlich erliegt.
-— Längere Zeit in Trümmern gelegen taucht es im achten Jahr
hundert aus dem tiefen Dunkel wieder empor; anfänglich als unbe
deutende Burg, bald als Eigenthum und Wohnsitz eines wie durch
heldenmüthige Tapferkeit und religiösen Sinn, so durch Ansehen
und ausgebreitetes Besitzthum ausgezeichneten Grafengeschlechtes,
320
dessen letzter männlicher Sprosse, Adalbero, ein Zeit- und
Geistesgenosse Gregors VII. als Bischof von Würzburg unseren
Ort an dieses Hochstift vererbt. Schon um diese Zeit wegen leb
haften Handelsverkehrs vielfach besucht, tritt er auch frühzeitig
mit vollkommenen Stadt- und Bürgerrechten ausgestattet hervor,
und wird endlich unter dem vorletzten der Babenberger durch
Kauf landesfürstliche Stadt, was sie noch gegenwärtig ist. Sie
bildet daher mit der ganzen Stufenleiter ihrer wechselnden Schick
sale in fast tausend Jahren ein kleines Stück der Geschichte des
Landes selbst u. s. w.
Sie ersehen, glaube ich, hieraus, wie sehr die Monographie
Ovilaba für die Denkschriften der Akademie geeignet ist.
Es erübrigt mir nur der Wunsch, dass es dem Verfasser ge
fallen möge und dass er Zeit genug habe auszuführen, wozu er so
schöne Vorstudien gemacht, die Geschichte von Wels ganz herab
zuliefern, oder doch bis zum Tode Maximilians I., der sich in
Wels ereignet; das Pörtal der Pfarrkirche möchte ich der Zeit
Karls des Grossen zuschreiben; die Glasfenster in derselben etwa
aus dem 13. Jahrhunderte sind vortrefflich.
Bedenken Sie, verehrte Herren, die früher geschilderten
Arbeiten des Verfassers, so sehen Sie, wie derselbe Ihnen den
Zustand des Landes ob der Enns zur Zeit der Römer an der Donau,
an der Enns — auf den Bergen, in der Fläche an der Traun, wie
am Beginne des 18. Jahrhunderts den zwischen Inn und Donau be
schrieben hat, wenn Sie ferner dessen Arbeiten im Schulfache,
dessen Leistungen in Inauguralreden, von denen jene v. J. 1834
in lateinischer Sprache, dessen biographische Skizze Freindaller’s,
eines der ausgezeichnetsten Gelehrten Oesterreich’s, des Gründers
der theologisch-praktischen Linzer Monatschrift, Ihrem Urtheil
unterziehen, so werden Sie, glaube ich, mit mir in den Schluss ein
stimmen, dass in Oesterreich die Gattung vortrefflicher Männer noch
nicht ausgegangen ist, welche voll Liebe zu ihrer angeerbten Re
ligion und Dynastie, den Wissenschaften und ihrer Pflege, dem
Unterrichte, mit Ausdauer und Aufopferung ergeben sind, und
dass sie oft Proben ihrer Kenntnisse liefern, welche besonders in
Anbetracht ihrer sonstigen Arbeiten erstaunenswerth zu nennen
sind. Sie dürften daher im vorliegenden Falle abermals bestätiget
finden, meine Aeusserung im Jänner d. J. über das Wirken des
321
Chorherrn und Geschichtschreibers Franz Kurz habe auf richtiger
Anschauung beruht, dass dieser seltene Mann eine vortreffliche
Schule zur Geschichtsforschung und Geschichtsschreibung in
Oesterreich gegründet habe.
ln Folge dieses Berichtes und auf Antrag des Herrn Ar-
neth bestimmt die Classe die Abhandlung des Herrn Gais-
berger über Ovilaba zum Abdrucke in den „Denkschriften der
Nichtmitglieder.”
Herr Dr. Pfizmaier liest die Fortsetzung seines Auf
satzes:
„Beitrag zur Kenntniss der Aino-Poesie.”
Der Gegenstand des nächsten Gedichtes ist die erste Versamm
lung der östlichen Aino in der Landschaft Tokaptsi zur Zeit der
Trauer um die Vorfahren. Ein Genosse des Ainostammes, hier der
„Bruder” genannt, spricht von der alten Zeit, und während die
Worte langsam hervorgebracht werden, und der „Bruder” unter-
dess auf die von den Vorfahren zu erwartenden Belohnungen auf
merksam macht, versammeln sich die Familien in Tokaptsi an der
Mündung des Flusses. Zuletzt wollen auch die neuen Glieder der
Familien in den Kreis der Verwandten eintreten, wesshalb der
„Bruder” sich ihnen nähert, während dort, wo er sich hinsetzt,
die „Grossmütter des Familienreichthums,” d. i. die Vorfahren
selbst ihnen die Güter einhändigen. Die göttlichen Gestalten dieser
Vorfahren erscheinen an den Thüren gleich glänzenden Wolken.
Nachdem der „Bruder” wieder hinzutritt, wird gefragt, warum
dieses geschehe, indem die Geschwister das, was die Insel (d. i.
die Insel Jesso) betrifft, nicht verschweigen dürfen.
Das Ganze bezieht sich offenbar auf einen Gebrauch, an dem
Tage der Trauer um die Vorfahren den neu eingetretenen Fami
liengliedern ihren Antheil an den Gütern des Hauses zu verab
reichen, und durch den Ausdruck „Bruder” scheint, sowie in
dem vorhergehenden Gedicht durch „Neffe” eine priesterliche
Person bezeichnet zu werden. Das Gedicht lautet:
322
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/- aÄj - ne - guru
Fusiko - tu-i- um - no
Nep{u) vko -itats(u) kn
Ya-ya- ukere
An - kusiu
Siomo nep(u)
Itakan-koro - ka
Ekasi - irenka
An - gusi-tu
Itakan-ru-ue-ne
Tokats(ii)p(u) tsi ko - tan
Sia-nobuto-roke
Base - irituku
E-i-yomare
Ari - ana - koro - ka
Siri - kalü u - ena - kusiu
Ne - a-u - ehe
A - e - tükari
324
Tu - e-ru -u - e- ne
Ari - anats(u)ka
Asiri - ginne
Ne - a - iritaku
Iritaku tüsi
Anu - koyub(u)
Ki - guni - kusiu
I- aki-ne - guru
E - sireba - i
Ne - a - gusi - tu
Igo - ibe - futs(u)tsi
Tsui - siama - ke
Siukup(u) ikoro - bo
Womakarie - um
I- aki-ne - guru
Ai-siko- sireba
Ru - e - an a - ki - ne
Tan - be - ana
lyo - ibe - futs(u)tsi
Kamui -ne- kusiu
Aba - woro - um - no
Tsü - bekere - kuroro
1 - aki -ne - guru.
Ko-a- nukaru
Kiri - siama - ke
Ko - sireba - i
Nep (w) - ne - kusiu
Kama - ana
Ko - irituts{u)he
Mosin-ne - kusiu
Yai- ko - wokixte
Ki-i-nun - konna.
Der Brnäer dieser Mann,
Von dem Alten und von dem Fernen
Was spricht er wohl zu uns ?
Langsam, langsam
Weil es lautet,
Bald darauf
Nachdem er es gesprochen,
Auf der Ahnen Lohn,
Was sich bezieht,
Wie das Wort vorüber,
In Tokaptsi’s Land
An des Flusses Mündung
325
Der Verwandten viele
Sind vereint.
Diess geschieht,
Doch die Zeit weil nicht gelegen
Trank und Speise
Gelangt zu ihnen nicht,
Und sie sind getrennt.
Wie diess geschieht,
In dem neuen Kreis
Die Verwandten
Der Verwandtschaft Seil
Anzuzieh’n
Weil sie begehren,
Der Bruder dieser Mann
Tritt hinzu,
Dort wo er wartet,
Des Hausguts Ahnfrau’n
Ihm zur Seite
Die blanken Schätze
Bringen dar.
Der Bruder dieser Mann
Kommt hinzu,
Wie diess geschieht
Dann diese Sache.
Des Hausguts Ahnfrau’n
In Gestalt der Götter
Vor den Thiiren sind
Der Berg’ und Meere helle Wolken.
Der Bruder dieser Mann
Weilend blickt,
Zu ihrer Seite
Kommt er an
Um welcher Sache willen ?
Und dann auch
Er der Bruder
In Betreff der Insel
Kann nicht schweigen.
So ist es.
Ich gebe hier wieder die Erklärung der einzelnen Wörter,
mit Ausnahme derjenigen, welche schon in dem ersten Gedichte
vorgekommen sind.
326
^ ~J aki (jap. 3 |* ^ tcotoko), einjüngererBruder.
n V' 7 fusiko (jap. ~\ i/ ^ inisi-ye), alt, von
der Zeit.
; 1 ] r -tca-no (jap. ^ ^ I' towoku),
ferne, als Adverbium. ^ | tü-i, ist das Grundwort, und
7 wa und ) 110, die schon früher erklärten Partikeln.
-3 yJ uko, entspricht eigentlich dem jap. — t -jl* p
tagai-ni, gemeinschaftlich, miteinander, dient aber zur
Bildung vieler Zeitwörter von einfach transitiver oder auch neu
traler Bedeutung, z. B. ^ 3 yJ uko-ibisi, fragen,
kr ZJ yJ nko-isiup-ke, verwelken.
^ '7 ^ itakka, die Verlängerung des Zeitwortes auf
a, von p p yf itakQu), sprechen.
^ n ^ yaya-ukere (jap. ^ n. 7 soro-soro),
allmählig. \ ^ j/aya hat die Grundbedeutung allein (jap.
|) |' t fitort). Das Wort heisst in den Vocabularium wieder
holt kr ^
^ l/ p kuschiu (jap. j g yotte), weil oder wegen.
7° ;f ^ 3 v / schomo-nep (jap. pp |' — p nani-
to-naku), eine kurze Zeit oder es währt nicht lange, ein
Japonismus, der seinerseits wieder dem Chinesischen nachgebildet
worden, von ^ 3 i/ schomo, nicht, und 7° -f- ne P> was?
-i- p) p itakan, zusammengezogen aus P p P
itakfu), sprechen und .3- an, haben.
p 'O ZJ koro-ka, entspricht der abgekürzten Endung des
japanischen Conjunctivs auf V" do (statt ^ V’ do-mo). Dieselbe
hat die Bedeutung: nachdem, mit dem Nebenbegriffe: ob
gleich.
2 ekasi, so viel als das früher vorgekommene
■y' p yf ikasi, ein Ahnherr. Die Laute 2. und yf wer
den im Anfänge der Wörter öfters miteinander verwechselt.
-^3-2- \y ^ i-renka (jap. p l\ mukü), vergelten
oder belohnen.
V'p* gusi, so viel als 3- j/ p kusiu, weil oder wegen.
J p tä, gewöhnlich ohne Verlängerung^ ta (jap. p tco),
die Accusativpartikel.
327
^ Z *} /i^ ru-u-e-ne (jap. __ |* ato-ni), nach
dem, von z 7 y\^ru-u-e, (jap. |' £/7 asi-ato), die
Fusstapfen und ne, der bestimmten Partikel.
7° 7 ft I tokapptsi (jap. ausgedrückt durch ft [•
7 tokatsi), der Name einer Stadt und eines Gebietes in dem
östlichen Theile der Insel Jesso, an der Mündung eines Flusses
gelegen. Das 7 nimmt in der hier gebrauchten Schreibweise
bisweilen den Laut des folgenden Consonanten an, z. B.
7° '7 urupp, der Name der Insel Urup.
p_ ^ ko-tan, zusammengesetzt aus ko, selbst, und
^ £ tan, Ort (letzteres sonst für das Pronomen dieser ge
bräuchlich) bedeutet ursprünglich Ort, ausserdem aber auch
Reich, Weg und Dorf.
|- 7" 7 "Y scha-nobuto, erklärt durch j j\ ft
7 ff 7 kawa-no wotsi-gutsi, die Mündung eines
Flusses, ein Ausdruck von ungewisser Zusammensetzung. Fehlt
in dem Vocabularium.
>r t> ro-ke (jap. 7 *] utsi) innerhalb, in. Fehlt in
dem Vocabularium.
■jz. base (jap. v' gi. tvowosi), viel, vielfach,
sonst auch -fc )' ° pase. Die Laute b und p werden öfters mit
einander verwechselt.
7 ft l) yf iritak(u), ein Verwandter (jap. v'
✓f sin-rui). Fehlt in dem Vocabularium.
^ ^ 3 'f Z e-i-yomare (jap. 7 J >T ft kake-ö),
sich versammeln, ft Z «-*> ist eine den Zeitwörtern Vor
gesetzte Partikel, wie ft i, ' ft i-i, ^ ft i-e, ft u-i
und mehrere andere. Fehlt in dem Vocabularium.
lj 7 ari (jap. 7* 7 ft kakute), so. Fehlt in dem Vo
cabularium.
ft o rJ 7" 7 ana-koro-ka, obgleich oder nachdem
e sisl . fj ana, ist die auf a verlängerte Form von .i- ~J
an, haben.
| 7° ft l) & siri-katu (jap. 7 "fc v' si-set), die
Zeit, mit Vorsetzung von )) wi, Land. Fehlt in dem
Vocabularium.
I
328
j~ 3. u-e-na, die auf a verlängerte Form von 5L *J
n-en, s chleclit.
Tf ne-a-u-ebe, wird erklärt durch -u ß
^ in-ziki, Trank und Speise, ist aber offenbar zusam
mengesetzt aus ^ ne, Gestalt, das auch wie das japanische
7 wo oder js- ß won, als Ehrenpartikel gebraucht wird, ferner
aus y a-u, Zunge, und -sf 3 cbe, statt -sj ß essen.
]) -ft ] 7° -2- 7 a-e-tü-kari, erklärt durch g
jf woyobi-gatasi, unerreichbar, wie es scheint, zu
sammengesetzt aus 3 7 a-e, mit der Grundbedeutung wie,
gleichwie, aus ] 7 0 tu, ferne, so viel als ß ] 7° tü-i,
und )J -ft kari, das wie y^-ft lcaru, bisweilen die Bedeutung
des Hilfszeitwortes sein annimmt.
JZ J 7 ° tu-e, erklärt durch a. ß^ tayuru, auf
hören, verwandt oder identisch mit ß | 7° tü-i.
~ft 7 j~ 7 ana -ts(.u)ka, entspricht dem japanischen
^ j~ lj 7 ari-te-mo, habend, indem man hat, mit einem
nachfolgenden auch.
') *1 asiri, neu. Fehlt in dem Vocabularium. Doch
findet sich ) v'7 für Anfang (jap. 7 fazime)
und kr v' 7 asinke für an fangen (jap. l\
fazimu). Das lj ri wird, w T ie aus einem weiter unten vorkom
menden Beispiele zu ersehen, bisweilen in -u n verwandelt.
ß jy iß ginne (jap. -Q 7" bun-mawasi), ein
Zirkel. Scheint die Zusammensetzung von )J ß giri, dem
eigentlichen Worte für Zirkel, und ß ne, dem bestimmten
Artikel. Auf ähnliche Weise steht weiter unter ß \y t
mosin - ne, statt ß )J j/ t mosiri-ne.
7 ß ne-a, in der Verbindung ßp ßl )J ß ft ß ne-a-
iritak(u), scheint so viel als ß ne, hier eine Ehrenpartikel,
wie das jap. 7 wo i un d 7 “5 b leibe n oder sein, das Ganze
zu vergleichen mit dem japanischen yu- ßL* gozaru, sein,
in welchem a" ebenfalls eine Ehrenpartikel, und n-• zaru,
so viel als 7 aru i haben, mit dem wegen dem vorher
gehenden Vocale eingeschalteten Laute s.
329
•£/ ] '7° tüsi (j a P- '7 tsuna), ein Seil.
7" a- 3 7^ unuko-yubu, erklärt durch t fiku.
ziehen, scheint aber die Zusammensetzung von -i/ ~J an,
haben, a vj uko, wechselseitig oder dem Ausdrucke des
einfachen Transitivs und ! j" a. yubü, das an einer Stelle für
binden (jap. J a- yu) gebraucht wird. Fehlt in dem Voca-
bularium.
7 ki (jap. ^ p tai), wünschen oder wollen. Fehlt in
Vocabularium.
— 7" 9 un h e * ne Endpartikel, welche ursprünglich die Be
deutung des japanischen ) ^ mono, Sache, zu haben scheint.
Z e, in der Verbindung ^ u 7 ' v' Z e-sireba-i, ist
eine andere Form der früher erwähnten Anfangspartikel /f i.
Das /f i am Ende dieses Wortes ist das ebenfalls früher vor
gekommene ^ i, mit der Bedeutung selbst gehen oder
t li u n.
\y v 7 sireba (jap. J tsuku oder /t^ X
tsiaku-suru), ankommen. Fehlt in dem Vocabularium.
^ ne, in der Verbindung ) p. %/ff" ^ ne-a-gusi-tä
entspricht der japanischen Ehrenpartikel ^ wo oder iy ^ won.
7 a, in der eben gedachten Verbindung entspricht dem
jap. /i" ^ iru, weilen oder sein.
V 7 7" gusi, an einer früheren Stelle durch j~ 'J g
yotte, weil oder wegen, und in dem Vocabularium durch die
jap. Eigenschaftspartikel o* fadzu, erklärt, findet hier seine
Erklärung durch 7 7/7 warten, eines der vielen
Hilfszeitwörter der japanischen Sprache.
] 7? tä, wird hier durch an |' tokoro, wo, als
Conjunction, erklärt.
( 3 /[ iyo-ibe (jap. /f ^ -fi ka-zai), ein Fami
liengut. Für das Wort Familiengut (jap. 7 ^ 7 S 7
ziu-mot, was ganz dasselbe wie das eben genannte) fand ich
noch zwei andere dem hier vorkommenden nicht sehr ähnliche
Wörter, nämlich in dem Vocabularium -sf /u- a. ^ iyuru-be,
und unter den Redensarten Z | a ^ ikori-e, zu welchen
auch noch das weiter unten stehende a a 'i Ucoro- bo
zu zählen sein dürfte.
Sitzb. d. phiios. histor. CI. Jahrg. 1850. IV. u. V. Heft.
23
330
^.'7 7 futs(u)tsi (jap. 7 so-bo), eine Gross
mutter. Fehlt in dem Vocabularium, welches für das japanische
\ ) n )' fawa-no fawa (ebenfalls Grossmutter) 3.
schutsi enthält.
>T -3 ^ j/s{ 'j? tsui-schama-ke, zur Seite, aus ^ 7
tsui, von ungewisser Bedeutung, -3 ^ jy schama (jap.
soba), Seite, und 7" ke, an oderauf, einer Locativpartikel.
In dem Vocabularium steht für das jap. )^ / soba, Seite,
das mit ^ v' scliama verwandte Wort p l\ p jy P
i-scham(u)ta, in welchem p ta die Locativpartikel ist.
7° ^ 1 i/ schukup(u), kahl (jap. a 7” p kaburo).
In dem Vocabularium wird ^/° t? 1 V" schukup(u), durch
^7 jjf' 7 sodatsu, erziehen, grossziehen, erklärt.
03^ ikoro-bo (jap. 7 ^ zai-mot), ein
Gut, ein werthvoller Gegenstand. Scheint abgeleitet von o a
i-lcoro, dein, einem Ehrenfürwort, und ^ 7>o, so viel als das
jap. 3 fco, ursprünglich Sohn, sonst aber auf alle Gegenstände
anwendbar, so dass das Ganze gleichsam das Deinige bedeuten
würde. Fehlt in dem Vocabularium.
^ p -zz ^ womdkane (jap. )J p )p J tsuke-tari), an-
geliängt oder zugetheilt, mit *} wa, einer Determinativ
partikel. Fehlt in dem Vocabularium.
;V t 7 a v p 7 ai-siko-sireba, an kommen, von
/f 7 ai, das einigen Zeitwörtern vorgesetzt, eine Verstärkung
auszudrücken scheint, ferner von i/ siko, das einige Male
bei Zeitwörtern vorkommend, die Grundbedeutung selbst zu
haben scheint, und ■£/sireba, dem eigentlichen Wort für
an k o mm e n.
2 f^ru-e, so viel als 2 *7 /c-ru-u-e, Fusstapfen,
im Sinne von gethan,
f t fl ana-ki-ne, ein Wort, dessen man sich bedient,
um ein anderes in einem Satze (nach meiner Beobachtung immer
ein Hauptwort) hervorzuheben, von p anci, der verlän
gerten Form von -i- 7 an > haben, ^ ki, Sache, und
^ ne, der bestimmten Partikel.
p tan, dieser.
-sf be, Sache.
331
■j- y ana, die verlängerte Form von _i_ y an, haben.
Dient zur Hervorhebung des vorhergehenden Wortes.
^ ne, in der Verbindung 3. £/ ^ ^ fr kamui-
ne-kuschu, hat die Bedeutung Gestalt.
JC' y aba (jap. |' to) die Thüre.
) *f n y woro-wa-no (jap. lj 0 yori), von, zusam
mengesetzt aus t) ^ woro, dem eigentlichen Worte für von,
*7 wffi, der bestimmten Partikel, und ) no, der Adverbialpartikel.
J tsw, erklärt durch 1 ^ "3 ^ yama-umi, Berg
und Meer. Fehlt in dem Vocabularium.
ix >r -sj bekere (jap. ^ t T akiraka), hell.
\ a J7 kuroro (jap. t ^ kumo), eine Wolke. Fehlt
in dem Vocabularium.
3 /i'o, in der Verbindung yw ^ J 3 ko-a-nu-karu,
hat die Grundbedeutung selbst.
Y a, ist das schon früher als Hilfszeitwort vorgekommene
bleiben oder sein (jap. iru).
/u- -^3 ^ nukaru (jap. /u- i. miru), sehen.
h~ ^ ^ iy j) y kiri-schama-ke, zur Seite, wobei
-3 ^ i/ schama, wie oben, das eigentliche Wort für S eite.
Die Bedeutung des Vorgesetzten )J ^ kiri, ist unbekannt, das
selbe könnte jedoch, wie oben bei \ asiri-
ginne, schon angedeutet worden, so viel als l) ^ giri, Ver
wandte, sein.
n ko, in der Verbindung ^ 3 ko-sireba-i,
hat wieder die Grundbedeutung selbst.
ne, in der Verbindung ^ J° if. nep-ne, hat die Be
deutung; Sache.
y -3 'P kama-ana (jap. ^7 -3 mala), auch, ferner.
■)- y ana, ist olfenbar die Verlängerung von ns ~J an, ha
ben, und ein Ausdruck der Verstärkung. Fehlt in dem Voca
bularium.
'7 y? |) 'i a ko-iritats(u)he, erklärt durch —
|. ^ ani-woto , Geschwister. Fehlt in dem Vocabularium,
zeigt aber Aehnlichkeit mit >7 j) /f iritak(v),Verwandte
23 *
332
$/ •t mosin-ne, zusammengezogen aus | ^
mosiri (jap. -j \/ sima), Insel, und ^ «<?, der bestimmten
Partikel.
j- *y ^ 3 'f ^ yaiko-wokute, erklärt durch ^
jf modasi-gatasi, nicht zu verschweigen. Das Wort
fehlt durchaus in dem Vocabularium. 3 ^ ^ yaiko, hat sonst
in einigen Zeitwörtern die Bedeutung allein (jap. )J |' t
fitori).
■j- js. 3 -j- /( ^ ki-i-nankonna, so ist die Sache,
aus ^ ki-i, Sache, und j- 3 _s- nankonna,
das an anderen Stellen durch 7 7 7 ar ° > lia * ,en werden
oder mögen, und J 7 narb, sein werden oder
mögen erklärt wird, und mit dem in dem ersten Gedichte vor
gekommenen y 3 7" nankora, identisch ist.
Sitzungsberichte
der
philosophisch-historischen Classe.
Sitzung vom 8. Kai 1850.
Freiherr Hamme r-Purgstall setzte die Lesung seiner für die
Denkschriften bestimmten Abhandlung über die Namen der
Araber fort, indem er zuerst von den Metonymien die Söhne
und Töchter nachtrug und dann zur vierten, fünften und sechs
ten Classe der Namen, d. i. zu den Beinamen, Herrscher
namen und Ehrentiteln überging. Sein von den metonymi
schen Namen der Araber gegebenes Verzeichniss umfasst fünft
halb hundert Väter, dritthalbhundert Mütter, hundert Söhne und
achtzig Töchter, während Freytag’s Wörterbuch nur zwei hun
dert siebenundzwanzig Väter, hundertfunfzig Mütter und gar
keine Söhne und Töchter zusammenstellt. Die Beinamen oder
Bezugsnamen der Araber sind sehr mannigfaltig, je nachdem
sie vom Stamme, von der Familie, vom Geburtsorte, vom Wohn
orte, von dem Gewerbe, vom Amte, von Gliedern, Kleidern oder
anderen Zufälligkeiten hergenommen sind. Ganz neu ist, die in
den Wörterbüchern nicht zu findende Bedeutung des Wortes
Alamet, welches den Herr scher na men bezeichnet, der im
verschlungenen Zuge vom Staatssecretär der Chalifen den Be
fehlen oder Diplomen vorgesetzt ward, und an dessen Stelle
das türkische Tugra getreten ist. Die sechste Classe der ara
bischen Namen ist der Ehrentitel, welcher von der Welt einem
grossen Manne oder Gelehrten seines Verdienstes willen beige
legt wird; so führte der grosse Philosoph Gafali, welcher in
Europa als Ellgazelis bekannt ist, den Vornamen Ebul-Hamid,
334
d. i. Vater des Lobenden , den Zunamen Seineddin, d. i.
Schmuck der Religion, den Namen Mohammed, d. i. der Lo-
benswürdige, den Ehrentitel Hodschetol-Islam, d. i. Ur
kunde des Islams; sein Beinamen Gafali, unter dem er be
rühmt geworden, heisst der Wollkrämplerische, weil diess
seine erste Beschäftigung war. Mit der siebenten Classe der
Dichternamen wird die Abhandlung in der nächsten Sitzung be
schlossen werden.
Herr Regierungsrath Arneth hält folgenden Vortrag:
Meine Herren!
Da ich glaube, dass es eine Hauptaufgabe der k. Akademie
der Wissenschaften sei, die Monarchie in ihren verschiedenen
Bestandtheilen kennen zu lernen; da ich neulich gezeigt zu haben
glaube, wie viel diessfalls für Oberösterreich durch Herrn Gais
berg er, wieviel für Istrien u. s. w. durch Herrn Kandier ge
schehen ist, so diene heute ein Bericht dieses letzteren, Ihnen zu
beweisen, welche guten Vorsätze dieser Gelehrte für genannten
Zweck auszuführen gesonnen ist; wesshalb ich Ihnen denselben
theihveise vorzutragen die Ehre habe:
Mentre le chiedo scusa del ritardo le rendo distintissime gra-
zie per la benignitä usata nel parlare delle meschine cose mie, be-
nignitä che io devo considerare unicamente come manifestazione
d’ animo propenso.
L’ offerta che la S. V. si compiace di farmi di assumere cioö
lo studio dell’ antica Geografia del tratto di paese tra 1’ Adige e la
Culpa, fra la Drava e l’Adriatico, e troppo lusingliiera perche abbia
a respingere; ma ad accettarla si oppongono difl'icoltä, non invin-
cibili, perö gravi. Zuechero e caffe, pepe e cotoni sono generi che
in Trieste abbondano, come abbondano sensali, e capitani e mer-
cadanti; ma libri e suppellettile letteraria sono merci non ammesse
nel portofranco , persone dotte poi non sono ammesse che al tran-
sito colle debite cautele sanitarie; i tempi che corrono qui in
Trieste non sono troppo propizii a siffate speculazioni. Le quali in
Trieste non potrebbero trattarsi che per due vie; colla possibilitä
di avere dal di fuori libri e materiali, e con assistenza pubblica,
non dico giä operosa, perö tale che la pubblica autoritä dia presso
335
la turba degli idioti e dei sospettosi crcdito alla cosa, persuadendo
che il pubblico reggimento non e avverso a siffatte esplorazioni.
Le quali lamentazioni io non farei, se appunto nell’ autunno de-
corso, mentre mi recai a cercare le tornbe degli antichi Conti
d’Istria, non mi fosse avvenuto di scorgei'e, corac qualche semplice
fanzionario inferiore, sospettasse, paventasse che dalle tombe non
evocassi gli antichi Conti a riprendersi il governo dell’ Istria, ed a
piantare un nuovo stato colle ombre degli antichi cavalieri. Le
quali scampiagini mi fanno ridere ma non tolgono di porre ostacoli;
gli anni miei progrediscono e le forze scemano, ne posso oziosa-
mente attendere che queste volgari avversioni a ciö che e di studio,
tornino entro a’ limiti, nei quali erano prima.
Ed e per ciö che l 1 intervento dell’ Accademia Imperiale, Ia
quäle e per tutto 1’ Impero, tornerebbe di grandissimo vantaggio, e
per 1’ autoritä di Corpo riconosciuto anzi creato dallo Stato, e per
la possibilitä di dare mezzi e supelletile letteraria, la quäle per
buona Sorte non e Iontana da Trieste. Quindi io accetto di buon
grado un incarico dall’ Accademia imperiale, e quello che Ella si
compiacque accenarmi, ed altro che stia nelle mie forze, ad unica
condizione, che possa avere per uso temporaneo quei libri e quelle
suppelletili che sono o nei publici stabilimenti, o negli archivi
dicasteriali, i quali Ultimi non dovrebbero andarne privi. E se ciö
ö possibile che io abbia, nulla m’ importa de! titolo che fossi per
avere, perche avrei a cuore soltanto la cosa; ne piu mi abbisogne-
rebbe. Io spero che la venuta di S. Maestä gioverebbe grandemente
se, come si dica, esso visitera Pola, e se, come spero, visitera quelle
antichita.
Ella mi chiede se siensi fatte scoperte in antichita .... per
1’ amor del Cielo . . . . le menti sono occupate di altro, sembra
che gli uomini non credono piii di essere su questa terra per le
utili discipline, pel giovamento vicendevole, per operare. All’ in-
vece si si agita per sapere cose nuove, cose mai prima d’ ora
conosciute e scoperte, se cioe quelli che sono slavi non sieno
piutosto italiani e tedeschi, o se gli italiani non sieno piutosto
slavi; interessa di scoprire se un uoino avra la scienza e l 1 onestä
della vita, se sarä mandato dal popolo, o se sarä mandato
dal governo; se quaranta uniti in una sala a porte aperte ne
sapranno di piü che uno in una stanza a porte chiuse. Poi la dicta
336
provinciale, poi i comuni, poi il parlamento, poi le importe, poi la
recrutazione, poi la carestia, poi le banconote, poi 1’ affrancazione
del suolo; e ciö tutto senza rinunciare alle vecchie abitudini ed
occupazioni del chiacchierare e mormorare, che se altravolla era
cosa tolerata ora che e libera la parola . . . . si figuri. E a chi
piace il pasticcio freddo, ed a chi piace invece il caldo, e tutti hanno
ragione, e guai a chi venisse in capo di ridere come si faceva una
volta. Si figuri che venisse scoperta un’ iscrizione di Giustiniano
col DOMINVS NOSTER, ed una di Augusto o di Antonio col III.
VIR. R. P. C. (non mi fido neinmeno di scriverlo) od una che di-
cesse CONS. VENET. ET HIST, o che meuzionasse un Doge od
un duca di Croazia; P illustrarla sarebbe cosa da far andare
in estasi gli uni, in furore gli altri, il parlarne di tutte insieme sa-
rehhe essere increduli in fatto di politica. Le quali cose se non sono
di tutti e non si esagerate come per buon umore le scrivo, non
cessano perö di avere una base di verith, la quäle si manifesta ab-
bastanza apertamente e piu che non occorra per ingenerare non
curanza in quelli che altrimenti avrebbero dato attenzioue agli anti-
chi monumenti, vi ha una desidia, la quäle deve essere vinta con
influenza del pubblico regimento, con che intendo I’ Accademia
Imperiale.
Questi giorni usci per le stampe di Gorizia una guida d’ Aqui-
leja posta insieme dallo speziale Vincenzo Zandonati. Vi sono
aggiunte le inscrizioni di Aquileja abbastanza corette, parte quäle
che io avveva veduto in manoscritto. Del resto 1’ opera non fu che
un porre insieme cose giä scritte da altri; perö 1’ intenzione mi
pare lodevole ed e sempre qualche cosa, anzi e prodigioso lavoro
calcolando che quell’ uomo vive isolato in meschino luogo, e senza
alcun soccorso di libri o di persbne.
Ed ecco come anche in mezzo alle agitazioni dei tempi,
quäle cosa si presta per la storia, e giova sperare che vengono
migliori tempi.
Io calcolo che le discussioni per 1’ affrancazione del suolo
possono dare materiali per la conoscenza del Medio Evo, e me-
diante questo risalire a tempi piu antichi.
In Codicetto cartaceo del secolo XV. di cui feci orora aquisto
trovai il Libello di P. Aurelio Vittore, de urbe Roma, il quäle di-
versifica da quei testi stampati che ho a mano. Non ci dö impor-
tanza alcuna, perche dubito che il testo sia stato dettato cosi dall’
Autore, e non’ sia piuttosto rifatto sulla notizia, e su testo; per
che e ben possibile che quel testo medesimo che io ho, sia gia’ alle
stampe. Essendo piccola cosa, lo ho consegnato alla Tipografia, e
fra dieci o dodici giorni mi permetterö inviargliene copia, la quäle
io prego di considerare non giä quäle cosa stampata, ma quäle
copia per farne confronto coi testi che si hanno e dai quali forse
diversifica.”
Die philosophisch - historische Classe bevollmächtigte hierauf
den Berichterstatter, folgenden von ihm beantragten Brief an Herrn
Kandier zu schreiben:
Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften, sehr erfreut
über Ihr so freundliches Entgegenkommen, beauftragte mich, Ihnen
ihren Dank zu melden und Sie zu bitten, in Ihrem so preiswürdigen
Unternehmen das Land „tra 1’ Adige e la Culpa, fra la Drava e l’Adria-
tico” zu beschreiben, und in Ihrer so interessanten Art kennen zu
lehren. Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften ist sehr er-
bötig, alle ihr möglichen Unterstützungen dieses Vorhabens zu ge
währen und ersucht Sie, ihr von Fall zu Fall anzugeben, wie und wo
Sie ihrer Mithilfe bedürfen sollten, und welche allgemeine Autori
sation Sie wünschen. Ich glaube, dass Sie in ganz Istrien in Be
zug auf Archive und Bibliotheken ohnehin keine Schwierigkeiten
haben ; der Vorgang in Bezug auf die Gräber der Grafen von Istrien
ist allerdings so sonderbar, als dass nicht jedes Ilinderniss, sie be
kannt zu machen, gehoben werden sollte ; daher ersucht Sie die
philosophisch - historische Classe der kaiserlichen Akademie,
ihr bekannt zu geben, was sie veranlassen kann, um Ihr so
löbliches Unternehmen ausführen zu helfen ; denn alle Ministerien
sind ihren Ansuchen immer auf das Ermunterndste entgegen ge
kommen.
Kaum werden Sie jetzt Zeit haben, dieses Briefchen zu lesen,
daher ich es nicht verlängern will. Benützen Sie die Anwesenheit
Sr. Majestät gut, um für Istrien in jeder Beziehung etwas Vor-
theilhaftes einzuleiten; wie sehr ich das Beste nicht bloss die
ses interessanten Landes, sondern mit ihm und theilweise durch
dasselbe der ganzen Monarchie wünsche, habe ich oft und beson
ders in meinen von Ihnen so freundlich aufgenommenen „Reise-
338
bemerkungen von Carnuntum über Tergeste nach Solona, 1848”
ausgesprochen.”
Zu dieser so freudigen Zusage von einer so ausgezeichneten
Feder wie die Dr. Kandler’s das Land zwischen der Etsch und
Culpa, zwischen der Drau und dem Adriatischen Meere geschildert
zu sehen, kann ich noch neu hinzusetzen: Es hat sich, wie Sie
sich erinnern, Herr v. Jabornegg-Altenfel’s schon vor längerer
Zeit an die Akademie gewendet, um seine Kärnten betreifenden
Arbeiten durch dieselbe fortzusetzen. Die Zeitereignisse haben
den diessfälligen Verkehr unterbrochen, nun sendet Herr von
Jabo r negg zwei seiner bisjetzt herausgegebenen Hefte „Kärnten’s
römische Alterthümer in Abbildungen” mit Vorschlägen begleitet,
welche die Fortsetzung bezwecken. Indem ich die Ehre habe, Ihnen
sowohl Hefte wie Vorschläge vorzulegen, bitte ich Sie das Weitere
einzuleiten.
Nach Einsichtnahme der Druckschrift und Anhörung der Ein
begleitung ertheilte die Classe dem Berichterstatter die Vollmacht,
beantragtermassen Herrn von Jabo r negg um Einsendung des
Manuscriptes und der Zeichnungen zu ersuchen.
Das correspondirende Mitglied Herr Wuk Stephano wich
Karachich überreicht seine neuesten Werke über serbische
Sprache, Literatur und Sittengeschichte (s. das Verzeichniss am
Ende} der Akademie zum Geschenke.
Die Classe spricht ihm ihren besten Dank aus und wird nicht
ermangeln, diese wichtigen und interessanten Werke in ihren
Sitzungsberichten besprechen zu lassen.
Herr. F. Simony, Reichsgeolog, hielt einen Vortrag über die
alte Leichenstätte auf dem Hallstätter Salzberge
in Oberösterreich in Verbindung mit einigen in der Umge
bung Hallstatt’s aufgefundenen Antiken. Er ergänzte zugleich den
Vortrag durch Vorlegung von Abbildungen der besprochenen
Alterthumsgegenstände. Nach kurzer Schilderung und Auf
zeichnung des Terrains von Hallstatt berührte er die Geschichte
der Aufschliessung des Leicheufeldes, dabei besonders hervorhe-
339
bend den rastlosen Eifer und die grosse Umsicht Ramsauer’s ,
dem es allein zu danken ist, dass diese für Archäologie so wich
tige Fundstätte in einer Vollständigkeit ausgebeutet wird, wie
es kaum irgend anderswo bisher geschehen sein dürfte. Bei
der Besprechung der Beschaffenheit der Grabstätten, der muth-
masslichen Beerdigungsweise, des gegenwärtigen Zustandes
und der Lage der Skelette, der verschiedenen Beigaben, und
bei der Bestimmung der Nationalität — sie als keltisch erken
nend — stützte er sich hauptsächlich auf das vortreffliche Werk-
chen Gaisberger’s „Die Gräber bei Hallstattund fügte dann
ergänzend Manches bei, was in der erwähnten Abhandlung unbe
rücksichtigt geblieben ist, aber zu einer anderen Beurtheilungs-
weise Veranlassung geben dürfte. Den Wunsch aussprechend,
dass Gaisberger bei dem seit der Drucklegung seiner Arbeit be
deutend vermehrten Materiale recht bald in die Lage gesetzt wer
den möge, eine zweite Auflage zu veranstalten, stellte er, falls
die Akademie dem Verfasser zu einer dem Interesse und der
Wichtigkeit des Gegenstandes entsprechenden Ausstattung behilf
lich sein wollte, seine mit möglichster Treue gemachten Zeich
nungen zur Verfügung —
Schliesslich deutete Hr. Simony auf die erfreuliche Aussicht
hin, dass durch die von der geologischen Reichsanstalt ausgehenden
wissenschaftlichen Uutersuchungsreisen der Monarchie eine voll
ständigere Uebersicht des in den verschiedenen Provinzen zer
streuten ethnographischen Materials gewonnen werde, indem der
Chef des Institutes, Sectionsrath Ilaidinger, die Wichtigkeit ar
chäologischer Forschungen anerkennend, jeden der reisenden
Geologen dringend aufgefordert hat, allen antiquarischen Vor
kommnissen diö grösste Aufmerksamkeit zu widmen. Endlich
lud Hr. Simony die Akademie noch ein, dieselbe möge als
erste wissenschaftliche Autorität der Monarchie das letzter
wähnte Staatsinstitut mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln
*) Die Classe hat das Anerbieten des Hrn. Simony mit Dank angenommen,
und die von ihm eingesandten Zeichnungen werden, da ihr Abdruck
längere Zeit erfordert, mit einem der nächsten Hefte nachgeliefert
werden.
340
unterstützen, damit dasselbe durch seine Mitglieder auch die ge
nannten Alterthumsforschungen mit um so sichererem Erfolge be
ginnen und fortsetzen könne. —
Sitzung vom 15. Mai 1850.
Auf den in dieser Sitzung beschlossenen Antrag der Classe
wurden von der Gesammt-Akademie Unterstützungen bewilliget:
Herrn Professer Kollar, zur Drucklegung seines Werkes :
„Staroitalia slawjanska” (das slawische Alt-Italien), ein Betrag
von 1500 fl. C. M.
Herrn Ritter Ad. v. Pichler, zur Herausgabe seines Auf
satzes: „Das mittelalterliche Drama in Tirol”, ein Betrag von
100 fl. C. M.
Freiherr Hammer-Purgstall endet die Lesung seiner Ab
handlung über die Namen der Araber mit dersiebenten Classedersel-
ben, den Dichternamen, el-Machlafs. Wiewohl die Bedeutung
des Wortes Mach! afs, als Dicht er namen im neuen Meninski zu
finden, so fehlt dieselbe doch sowohl in Frevtag’s Wörterbuch, als
in seinem Werke über die arabische Prosodie, und der ursprüng
liche Sinn des Wortes Machlafs, dessen übertragener der von
Dichternamen, war bisher ganz unbekannt. Machlafs oder in
einer andernForm T achal lufs, d.i.Befreiung oder Rettung, ist der
Name der Redefigur des Ueberganges, welcher nach den Ge
setzen arabischer Poetik in jeder Kafsidet, d. i. in jedem Zweck
gedichte, welches sich das Lob eines Helden, Gönners, oder einer
Schönen, Geliebten zum Zwecke vorsetzt, ein doppelter sein muss,
nämlich erstens der Uebergang von dem Eingänge des Gedichtes,
der von was immer für einem Gegenstände hergeholt werden kann,
zum Lobe des Besungenen oder der Besungenen, und zweitens zu
Ende des Gedichtes der Uebergang vom Lobe des Helden oder der
Geliebten zur Person des Dichters, der sich im vorletzten oder
letzten Distichon nennen muss; diese Losmachung, Machlafs, vom
eigentlichen Zwecke des Gedichtes ist nun zugleich in der Bedeu
tung des Dichternamens üblich geblieben. Als Beispiel eines ganz
341
nach den Regeln arabischer Poetik eingerichteten Gafel’s, in wel
chem der doppelte Uebergang zuerst von dem Beginne des Gedich
tes zum Lobe des Besungenen, und von diesem am Schlüsse zu
dem Namen des Verfassers beobachtet ist, wird aus dem Göthe-Al-
bum der Stadt Frankfurt gegeben, und endlich die Schwierigkeit
im Ocean arabischer Namen durch alle Klippen der vielfältigen und
oft ganz gleich, oder wenigstens ähnlich lautenden Namen sicher
durchzusteuern, mittelst Beispielen anschaulich gemacht.
Das obenangeführte Gafel ist das Folgende:
Wenn mir Einer Paucken, Cymbeln, Flöte
Als des Musikchores Werkzeug böte,
Um dem grossen Geist ein Lied zu singen
Das erhaben über Sumpf und Kröte,
Nie erreicht ich doch das ideale
Bild, das die Begeist’rung Ihm erhöhte
Dort, wo Engel, Hymnen singend, schwimmen
Durch die Himmel, steuernd Stemenböte.
Höher steht er auf des Poles Zinnen
Als dass Er des nied’ren Lobs benöthe,
Wie so viele längst vergess’ne Dichter
Die besangen Silvien und Damöte.
Jüngling war Er Greis, als Greis ein Jüngling,
Herr der Abend- und der Morgenröthe.
Letzter Kunstgriff des Gafelensängers
Ist, dass Namen er zusammenlöthe,
Seinen mit dem Namen des Gelobten
Wie der Diwan eint Hemm äh *) und Göthe-
Herr Regierungsrath Am e t h hält folgenden Vortrag:
Sie wissen, meine Herren, welchen Einfluss Zeichen und
Farben häufig auf ganze Völker ausüben, desshalb glaube ich,
dürfte ein mir aus London zugekommener Brief, der auch für
die Akademie Ausdrücke freundlicher Theilnahme enthält, für
Sie nicht unmerkwürdig sein. Ein in Silchester, Grafschaft
Hampshire in England, aufgefundener Adler aus Bronze gab Herrn
Ha veil, der die Sitzungsberichte der Akademie mit Aufmerk-
l ) Remmah ist die verstärkte Form von Ramih, der Sperrschwinger, der
arabische Name des Arcturus.
342
samkeit liest, Veranlassung, mich um meine Meinung über die
aufgefundene Bronze zu fragen. Ich habe hiemit die Ehre, Ihnen
den Brief des Herrn Havell, meine Antwort und die dahin
gehörigen Zeichnungen vorzulegen.
2, Wellington-place West-Kings Road
To the Chevalier Arneth.
Sir,
Reading, Berkshire,
England.
I liave read with the greatest interest the report of the im
portant Transactions of your newly formed Academy in the city of
Vienna.
I most respectfully congratulate you and the City of Vienna
upon the very beautiful and valuable discoveries and take the
liberty to address you on a subject which bas engaged my at
tention many years past viz.: RomanAntiquities. The inclosed
wood-cut 1 ) has been inserted, according to my wish, by the Editor
of the London Illustrated News in tlic number for December 8.
1849 and is a faithful sketch as to form and size of an Antiquity in
my possession. Not awarc of any other name more appropriate, by
which I could designate it, I presume to call it a small Bronze
Roman Eagle. It is exquisitely executed, and appears formerly to
have had wings, indications of which may be traced by the inden-
tations on the sides of the Bronze, though not so couspicuous, I
confess, on the wood-cut inclosed. I am very desirous of having the
learned opinion of a Classic and an Archaiologist as yourself, and
shall feel myself greatly honoured by any Suggestion you may be
disposed to make, as to the origin, age, purpose etc. of the Anti
quity beforc you.
In my liumble opinion I consider it to be of Roman origin
both with reference to its locality, form, and the corroded state of
the metal bearing the indelible impress of the „devouring tooth
of time.” Silchester the place of its discovery is situated in the
county of Hampshire about 9 miles distant from my native Town
(Reading in the County of Berkshire, England).
*) Tafel V. Nro. 1.
343
Therc are at Silchester (the Caer Segont of the Britons, and
the Vindonum of the Romans) the remains of a raised Amphitheatre
(I beliefe of turf) being built chiefly of clay and gravel. Antiqui-
ties of different kinds, coins etc. are contiuually found within its
walls. Bronze figures, rings, spear-heads etc. The small Bronze
Eagle was found tliere as described in print. It is in beautiful pre-
servation, and wants only the wings to constitute a perfect speci-
men of Roman art and workmanship.
As to its design and use, I can only form conjecture, though
it may have, probably lieaded a staff baton on even the sceptre of
the triumphing Emperor as is represented on some of the coins
(Ithink) of Carausius, Constantine and other Emperors of Rome.
Perhaps too a passage in Florus Rom. Hist, may throw some
light upon it: Lib. IV. cap. 12. I have thus endeavoured to bring
forward all that strikes my mind on the subject; and now respect-
fully solicit your patient and candid attention to the placing me
in the valuable possession of that Information which is always so
delightful to the inquirer after truth — to eite the words of the
Weiter — „Magna est veritas et praevalebit” „0 magna vis verita-
tis, quae contra hominum ingenia, calliditatem, solertiam, contra-
que omnium insidias, facile per seipsam defendat.” — I again beg
your kind indulgence and patience and hoping to be honoured by
a reply to my inquiry.
I subscribe myself
Your obedient Servant
Charles Havetl.
I think it better to send by the samc mail the Journal so
celebrated in England and so extensively circulated.
To the Chevalier Havell.
Sir,
I feel highly llattered by the kind manner in which you acknow-
legde my endeavours to promote archaiological studies and still
more so, that you give me the honour to ask for my opinion regar-
ding the interesting object found.
Having given a glance at every Roman coin or Monument I
could command I am of opinion that the Eagle found at Silchester
in all probability is a production of Middle Age.
344
With a view to Support this opinion I inclose the drawiug of
a seal I ), the artistical idea of whieh I think to be very similar to
your Eagle.
You are well aware, Sir, of the many relations that pre-
vail betvveen raonuments of the Romans and Celtes, who vvere in
possession of all those countries now inhabited by the German
race; — briefly I feel rather ' inclined to believe the Eagle of
Saxon origin.
The Eagles on the batoons of Antonius 2 ), Augustus 3 ) and
Germanicus 4 ), to which Florus IV. 12. alludes, as those on the
Roman Medaillons as far as to the times of the Emperors Probus,
Numerianus, GallienuS, have, I should think, more of natural and
artistical truth and are less formed as to the traditions of hcraldry
as the Eagle found in the county of Berkshire.
I subscribe entirely to the words quoted in Your letter „0
magna veritas” .... and highly impressed with their truth I
would not give vent to the first impression the drawing made
on my mind viz. that the Eagle is no Roman but a heraldic one,
but even earnest reflections dont allow me an other Suggestion.
To show better the great difference that in my opinion at least
exists between a Roman eagle and a heraldic one I take the liberty
to submit to your attention several drawings of tliem 5 ). I have
no doubt that even such eagles as were employed as Orna
ments, bore the general character of those of the legions.
Pray excuse the frankness with which I lay open my opi
nion and bear in mind I shall always be flattered to receive
communication from you whencver you think I could be of
Service in reference to your pursuits.
Vienna Mai 14. 1850.
1 ) Tat. V. Nr. 2.
2 ) „ 3.
3 ) » '*■
4 ) „ „ 5.
5 ) » „ ö-
I am Sir Your obedient servant
Joseph Arneth.
345
Herr kais. Rath Bergmann setzt die Lesung seiner Ab
handlung: „Kritische Beiträge zur Geschichte Vor
arlbergs” fort.
Er geht von seinem neulichen Vortrage über das römische
Clunia bei Feldkirch in der Geschichte seines Vaterlandes
weiter zurück, nämlich in die Zeit der Eroberung Rhätiens
durch Drusus, da der Walgau (das Illthal), in lateinischen Ur
kunden von den J. 881, 948 etc. Vallis Drusiana genannt,
diesen seinen Namen von jenem Alpenbesieger erhalten haben
soll. Der Hauptangriffspunct vom Süden her war von Trient aus,
das nach den Resultaten der Forschungen des sei. Grafen Be
nedict v. Giovanelli schon von L. Muratius Plancus im J. 717
U. C. (37 vor Chr.) erobert und befestiget worden war, an
der Etsch herauf im J. 739 (15 J. vor Chr.); jedoch andere
Corps erstürmten die andern Alpenpässe. In einem Sommer
feldzuge erlagen das tapfere und kampfmuthige Volk der Rhätier
und die Vindelicier den concentrirten Angriffen des Drusus und
seines Bruders Tiberius, der aus Gal'Ien über den Bodensee
gekommen war. Die letzte Entscheidungsschlacht war in Vinde-
licien. Jene, wenn auch persönlich tapfer, folgten Häuptlingen,
die sich besser auf schnelle Ueberfälle und Plünderungen als
auf umsichtiges Kriegführen verstanden, kaum mit soldatischem
Gehorsam. Jede Thalschaft, durch hohe Gebirge von der andern
getrennt, wehrte sich gegen den ihr zunächst geltenden An
griff und ward einzeln überwältigt. Mangel an Lebensmitteln
im armen Berglande und der nahende Winter zwangen alle
zu baldiger Uebergabe. —
Den hohen lyrischen Woi’ten Horazens, der Od. IV. 4
und 14 das Lob des Drusus und Tibex-ius besingt, und nebst
bei deren Stiefvater Augustus reichlich Weihrauch streut,
stellt Bergmann die prosaischen der römischen Historiker
besonders des Dio Cassius in L. IV. 22 gegenüber, und
versucht diese angefeierten Grossthaten in ihr gehöriges Maass
zu setzen.
Nicht unmöglich, ja wahrscheinlich ist es, wie der Verf. meint,
dass wenn nicht Drusus selbst doch einer seiner Legaten (dru-
sianische Colonnen) aus dem graubündenschen Prätigau, wo man
Siub. d. philos. histor. Gl. Jahrg. 1850. IV. u.V.Heft. 24
346
römische Münzen öfter gefunden hat, durch das Bergjoch Dru-
s er-Thor ins Thal Montavon und weiter ins Walgau — vallis
Drusiana — übersetzt habe. Die Möglichkeit zeigt der Verf.
aus der Geschichte der Kriegsjahre 1622 und 1799, in denen
diese Alpenpässe des Rhätikon von ganzen Compagnien überschrit
ten wurden.
Verzeichnis«
der
eingegangenen Druckschriften.
(April.)
Academie d’Archeologie etc. Belgique. Bulletin et Annales. T. VII.
livr. 1. Anvers 1850; 8°.
Akademie, k. bayerische, der Wissenschaften:
Abhandl. derphilos.-philolog. Classe, Vol. V. 3. 1
„ „ historischen Classe. . Vol. V. 2.3.)
” " ( 1849; 4°.
„ „ inath.-physik. Classe, Vol. V. 3. }
— Almanach, 1849. München 1849; 12°.
— Bulletin 1849. München 1849; 4°.
Annalen der k. Sternwarte bei München. Bd. 2. 3. Mün
chen 1849; 8°.
Atti verbali della Sezione di Geologia, Mineralogia e Geografia
ecc. della4. Riunione di scienziati italiani. Padoval843; 4°.
Boucher de Perthes, misere, erneute, cholera. Abbeville 1849; 12°.
— Petites Solutions de grands mots. Abbeville 1848; 12°.
Büchner, Ludw. Andr., Ueber den Antheil der Pharmacie an
der Entwicklung der Chemie. München 1849; 4°.
Cittadella, Vigodarzere, Andrea Conte, Versi. Bovigo 1839; 8°
— Discorso, letto nell’ adunanza del 15. Settembre 1842.
Padova 1843; 4°.
— Sulla presente condizione della lingua comune in Italia.
Padova 1844; 4°.
— Discorso, letto in occasione della solenne distribuzione
de 1 premj d 1 industria ecc. Venezia 1846; 4°.
— Dei lavori dell’Accademia di Padova. Padova 1848; 8°.
Heyden, N. J. Vander, Nobiliaire de Belgique. Anvers 1850; 8°.
Journal, the astronomical. Vol.I.Nr.1.2.3. Cambridge 1849; 4°.
Istituto, J. R. Veneto di Scienze ecc. Memorie Vol. 1. 2. 3.
Venezia 1843 u. f. 4°.
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Zigno, Achille de, Sulla giacitura dei terreni di sedimento
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— Memoria sopra alcuni corpi organici che si osservano nelle
infusioni. Padova 1842; 8°.
— Introduzione allo studio della Geologia. Padova 1843; 4°.
— Sopra due fossili rinvenuti nella Calcaria dei monti Pa-
dovani. Padova 1845; 4°.
— Nota intorno alla non promiseuita dei fossili fra il bian-
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— Scritti, pubblicati da etc.
3ürtd), Untrerjitätäfdjtiften.
(Mal.)
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— — — — des lettres 1847, 1849, ibid.; 4°
— — — — de Medecine 1849, ibid.; 4°
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Fusinieri, Ambrogio, Memorie sperimentali di Mecanica mole-
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— Memorie sopra laluce, il calorico ecc. Padova 1846; 4°
— Memorie di Meteorologia. Padova 1847; 4°
©ebenfbudj bet uralten Stabte Ärem§ unb Stein. ÄremS 1850; 8“
©efellfc&aft, beutfcfje motgenlänbtfcfje. Sb. 4, £ft. 1. 2. Seidig
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Grünert, Joh. Aug., Beiträge zur meteorologischen Optik etc.
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3abornegg = 2tItenfetg, 9Jt.gr. Bon, unb ©tyriftalnigg, Sllfreb
®raf, ÄärntfyenS römtfdje Slltertfyumer tn Slbbilbungen. £ft. 1, 2.
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9tadjrtd)ten Bon bet ®eorg*9Iugnft’g*UntBerfttdt u.b. f. ©efellfdjaft ber
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Selskabs, kgl. danske Videnskabernes, Forhandlinger og dets
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tik Afdeling. Vol. I. Kjöbenh, 1849; 4°
Societe d’Agriculture etc. de Lyon. Annales T. 1, 3, 5, 6, 7.
Lyon 1846—49; 8°
Societe geologique de France, Bulletin, T. VI. 29—32. Paris
1849; 8°
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Lifli. wrtiL gedr. ui demüc. %of n. Slaalsdnuucerev.
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Erste Abtlieiluoo Februar und AIjirz 18i)0.
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Nr. 3.
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AR.
LEG XII • ANTIOVAE.
AR.
Nr. 4. If Av - CAESAR AVGVSTVS. Caput Augusti ad d.
IjN SIGNIS RECEPTIS. Miles stans, d. hoc signum tenens.
Nr. I.
AR.
■ 4? Av. Id.
IV SIGNIS RECEPTIS SPQR. Clypeus votivus, cui inscriptum est:
r
CL • V inter duo signa militaria.
N.
Av. CAESAR . COS VII — CIVIBVS . SERVATEIS. Caput Augusti.
IV- AVGVSTVS . S . C. Aquila coronae insistens et duo lauri rami.
JE.
Av. GERMANICVS CAESAR. Imperator in quadriga.
Nr - 5 - IV- SIGNIS-RECEPT.
/
DEVICTIS - GERM. S. C. Imper. stans, d. extcnta, s. signum
tenens.
Nr. G.
')•?
• Trift .10.
ü. A. (Columna
Anloniiiiaiia.)
Trift. 7.
Tab. 15.
C. T. (Columna Trajaiia.l
Sigilluin llcinrici dei gracia, ducis medelicensis.
Ina. v aeir. i.d. k k.Es'.u. Staatsdrnckerä antdZeitungt A.Jiirtinger.
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Eiste Abtlieilan^ JaKt^aiig L8ö0.
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