SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
IMMING MR WISSHSUUi m.
PHILOSOPH ISCH -IIISTORIS CH ECL ASSE.
VIERZIGSTER BAND.
«OO^OOO
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1862.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
VIERZIGSTER RAND.
Jahrgang 1862. — Heft I bis V.
('Mit 4 «nffln.)
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARE GEROLD’S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
18G2.
300122
INHALT.
Sitzung; vom 4. Juni 18G2.
j Müller Friedrich, Über die Sprache der Avghanen (Paxto)
Sitzung; vom 18. Juni 1862.
Hahn, Motive der jonischen Säule. (Mit 1 Tafel.)
Sitzung; vom 26. Juni 1862.
Ernennungen
Fiedler, Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen
Kirche im sechzehnten Jahrhunderte
Sitzung; vom 9. Juli 1862.
Pfizmaier, Die Würdenträger Tsiuen-pü-J, Su-kuang, Yü-ting-kue und
deren Gesinnungsgenossen
Siegel, Die Lombarda-Commentare. Eine rechtsgeschichtliche Unter
suchung
Sitzung; vom 16. Juli 1862.
Zingerle, Johannissegen und Gertrudenminne. Ein Beitrag zur deutschen
Mythologie
Sitzung vom 23. Juli 1862.
Miklosich, Über die nominale Composition im Serbischen
Gindely, Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614 . .
Bischoff, Das alte Recht der Armenier in Lember g
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. Juni, Juli
Sitzung vom 8. Oetober 1862.
Joseph v. Arneth, Archäologische Analekten. (Mit 2 Tafeln.)
Sitzung vom IS. Oetober 1862.
i Alussafia, Handschriftliche Studien. I
Sitzung; vom 22. Oetober 1862.
Pfizmaier, Tschin-thang, Fürst-Zertrümmerer von IIu
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
Seite
3
18
26
27
131
1G4
177
230
256
303
309
366
39G
439
VI
Si</un^ vom 5. November 1802.
^ Ficker> Die Reichsliofbenmten der staufischen Periode 447
Sitzung' vom 12. November 1862.
, v. Schlechta, Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow
(in der Mitte des vorigen Jahrhunderts). Ein topographisch
ethnographischer Beitrag zur Kenntniss der damaligen Türkei 550
v^il7iting’ vom 19. November 1862.
J Biermann, Zur Geschichte der Herzogtümer Zalor und Auschwitz
Sitzung* vom 3. Deeember 1862.
594
c
Müller, Friedrich, Zendstudien. I.
SStvsimg vom 10. Deeember 1802.
Pfizmaier, Die Geschichte des Hauses Thai-kung
Niizun^ vom 17. Deeember 1862.
u
Jus. v. ArnetU, Archäologische Analekten. (Mit 1 Tafel.)
635
645
697
717
SITZUNGSBERICHTE
I)EH
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XL BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1862. — JUNI.
SITZUNG VOM 4. JUNI 1862.
Vorbei egt:
Uber die Spruche der Arg h n n e n (Pa'/ to).
Von Di'. Friedrich Müller,
Docent der allgemeinen Sprachwissenschaft au der Wiener Universität.
Man sollte glauben, dass seit der Veröffentlichung der vortreff
lichen Ewald’schen Abhandlung über das Paj(to (Zeitschr. für Kunde
des Morgenlandes, Bd. II, S. 285) die Ansicht über diese Sprache und
das sie redende Volk sich berichtigt habe und der lange gehegte
Irrthum über die semitische Abstammung der Avghänen nie wieder
aufgenommen werden könne. Dem ist aber nicht so; sondern neuere,
besonders in England erschienene Werke darüber beweisen das
Gegentheil. Es hat also den Anschein, da man eine Nichtkenntniss
jener Arbeit nicht voraussetzen kann, dass die sprachwissenschaft
lichen Gründe den betreffenden Schriftstellern nicht schlagend
genug schienen gegenüber der von den Avghänen selbst über ihre
Abstammung gehegten Tradition. Indem ich nun in der vorliegenden
Abhandlung dieses Problem — da mir umfassenderes Material als
meinen Vorgängern zu Gebote steht — noch einmal zu untersuchen
mich unterfange, will ich, nachdem für die Männer der Wissen
schaft die indogermanische Natur des Pa^to unzweifelhaft feststeht,
dabei einen Schritt weiter thun und die Frage, ob es dem dräni-
schen oder dem indischen Sprachkreise beizuzählen sei — denn
nur zwischen diesen beiden bleibt die Wahl möglich — nach den
vorhandenen Mitteln zu einer vollgiltigen Entscheidung zu bringen
versuchen.
1*
4
Dr. F r. M ii 1 I e r
Dabei will ich jedoch ineine Arbeit insofern begrenzen, als ich
mich vor der Hand auf das Lautliche beschränke, die Formenlehre
aber unberührt lassd. Ich glaube, dass dieser Umstände es uns auch
ermöglichen wird, die Sache schärfer zu fassen und den innern
Charakter der Sprache besser zu durchschauen. Dabei mag diese
Skizze als ein Versuch einer wissenschaftlichen avghänischen Laut
lehre, an meine ähnlichen Arbeiten über Armenisch und Neupersisch
sich anschliessend, gelten.
Das Avghänische ist bestimmt der dräni sehen Sprachgruppe
beizuzählen und zwar vor allem andern wegen jener Lauteigenthüm-
keiten, die es als eine entschieden (iranische Sprache charakterisi-
ren. Diese sind:
I. Übergang einer alten Gutturalmedia, die im Sanskrit als
«p auftritt, in j,j. z. 11.: jj (zur) tausend = rieup. jVp* (hazär),
armen. (hazar), altbaktr. (hazanru), Skr. sahasra;
ajj (zrah) Herz = altb. (zeredhaem), Skr. lirdayam; ij
(zah) ich = neup. dialektisch j\ (az), ebenso ossetisch, altb.^"
(azurn), Skr. aham; (zabah) Zunge = neup. okj (zdbdn),
altb. -»»puy (hizva), Skr. gilivd; (ziyar) gelb = neup.
(zard), altb. (zairita), Skr. harita; JSjjj (vrizi) Reis =
Skr. vrihi', J~<> (mez), Präsensstamm v. (mital) harnen = arm.
■H t L (rnizel), altb. (e (miz), Skr. mih, lat. mingo.
II. Übergang der alten, im Sanskrit auftretenden Lautgruppe sv
in z. B.: (khüb) Schlaf = neup. (khfdb), arm.
.£>»/'/< (qün), altbaktr. (qafna), Skr. svapna; (Ichor )
Schwester == neup.^j^- (leliFahar), altb. sWs(qahhare), Skr.
svaear; Jjj 3 - (khwaral) essen = neup. O3(kliFardan),
altbaktr. (qar); J./»- (khpal) selbst = altbaktr.
v
(qaepaithya), altpers. uväipasiya, Skr. sva -f- einem Elemente,
das als zweites Glied in suO-pte, i-pse enthalten ist; -jy>- (khoz)
süss = arm..(qapqr), Skr. svädu.
III. Übergang des v nach älterem q in p, z. B.: (spai)
Hund, im Neupersiscben dialektisch (sipd), altb. “eJ-“ (gpd),
Skr. gvan; (spin) weiss = Peblewf -[NJ'DD (spinale) rein,
heilig, vgl. neup. (siped), altb. (gpaeta), Skr. gveta;
Über die Sprache der Avghanen.
5
■jC> (spaz) sechs, oder (spag)\ (sparas) sechzehn,
vgl. altb. (Ichshvas), armen, '(o (we%).
Da nun das Avghänische den grössten Theil des Schatzes
seiner geschriebenen Sprache aus dem Persischen entlehnt, so liegt
der Gedanke nahe, die als Beispiele angeführten Wörter mögen
etwa dem persischen Sprachschätze angehören. Dieser Einwand
lässt sich aber durch die Bemerkung beseitigen, dass das Avghänische
nur aus der persischen Schriftsprache Wörter entlehnt, in dieser
aber alle angeführten Formen nicht Vorkommen. Viele derselben
tragen im Gegentheile ein sehr altes und eigentümliches Gepräge
an sich, dass schon desswegen an eine Entlehnung gar nicht gedacht
werden kann.
Wir wollen hier einige solcher herausheben und beleuchten,
was gewiss zur Vervollständigung der Charakteristik des Avghäni-
schen nicht wenig beitragen wird. (spdras) „sechzehn“
— eine Form, die nur einer eränischen Sprache angehören kann —
ist durch und durch echt avghänisch. Der erste Theil, spd, ist
offenbar das altbaktrische (Ichshvas) „sechs“, das uns in
den modernen eränischen Idiomen nirgends in jener altertümlichen
Gestalt wie in dem avghänischen (spaz) begegnet, während
der zweite Theil das altbaktrische (dagan) „zehn“ mit Über
gang des Dentals in die Liquida r [über dieses echt avghänische
Lautgesetz vergl. weiter unten] wiedergibt, hjj (zrah) „Herz" ■—
das altbaktrische (zeredhaem) — kommt bekanntlich im
Neupersischen weder in der Schriftsprache noch in einem der Dia
lekte vor, sondern ist die Form (dil) — nach einem dem West-
Eränisehen eigentümlichen Lautgesetze —• eingetreten. Nur der
östliche kurdische Dialekt besitzt eine Form, die entfernt an die
unsere anklingt, nämlich aJj (zik), sich aber in Betracht der
ursprünglichen Gestalt mit ihr nicht messen kann. Die Form y
(yaw) „eins“, viel altertümlicher als das neupers. JÜ (yak) 0,
stimmt schön zum altaktischen -“»kj" (aeva); ebenso übertritft
die Form yjj* (dri) „drei“ das neupersische ^ (sili) an Alter
tümlichkeit insofern, als sie das erste Element vor der Assibilation
*) Darüber vergl. meine Bemerkungen in den Beiträgen von Kuhn und Schleicher,
ßd. III, S. 253 fl'.
6
I)r. I? r. M ii 1 1 e r
gewahrt und das zweite rein erhalten hat. Die avghänische Form
Ajj (zabah) „Zunge“ ist alterthümlicher als das neupersische übj
(zabän) oder die Pärsi-Form (hixvän), da sie wegen des
noch mangelnden, erst später angetretenen Suffixes an dem alt-
baktrischen (hizva) näher steht. Das Wortes (ghar') „Berg“
fehlt bekanntlich dein Neupersischen ganz; sein Vertreter lautet
dort äjT (kok), das in dem kaufet der Keilinschriften sich wieder
findet; schön stimmt aber unsere Form zu dem altbaktrisclien
(gairi), das wir zur Bezeichnung desselben Begriffes im Alt-
indischen und im Slavischen wieder finden.
Ich glaube, dass es aus diesen kurzen Zügen Jedermann klar
sein wird, wohin wir das Pa^to einzureihen haben. Es ist unzweifel
haft eine eranisehe Sprache, und berücksichtigt man das Terrain,
woher die Einwanderung der Avghänen stattfand und wo heutzutage
das Paj(to gesprochen wird, so kann es nicht zweifelhaft sein, dass
wir in demselben jene Sprache vor uns haben, die als unmittel
barer, wenn auch vielfach entarteter Nachkomme des Altbaktrisclien
gelten kann.
Haben wir nun damit im Pa^to eine echt eranisehe Sprache
erkannt, so ist es unsere nächste Aufgabe, dasselbe von den anderen
verwandten Sprachen, besonders dem Neupersischen, gehörig zu
unterscheiden. Wir heben zu diesem Behufe folgende Merkmale
desselben hervor:
I. Verwandelt das Pa^to den Dental (wahrscheinlich durch den
Cerebrallaut hindurch) häufig in die Liquiden l, r — ein Lautgesetz,
das dein Persischen bekanntlich ganz und gar abgeht—, z. B.:
(pldr) Vater = neup. (pidar), altbaktr. (piture),
Skr. pitar; jyÜ- (%al6r) vier = neup. (ciliar), altbaktr.
(cathware), Skr. datvar; ,_)-*» (sal) hundert = neup. J.«>
(sad) oder _x.o (sad), altb. (gala), Skr. gata; (khpal)
selbst — altb. (qaepaühya); (las) zehn = neup.
(dali), altb. |"“"3 (dagan); (spdras) sechzehn = altb.
(klisvas) -|- (dagan); (mild) Bär = altslav.
/U6,\K'k t \(v „Honigesser“, Bezeichnung für den Bären; (lal)
geben, machen = altb.(da), Skr. da und dhd; J.xJ (lidal)
sehen, (lemah) Auge = neup. (didan), vergl. altbaktr.
Über die Sprache der Avghänen.
7
(döithra) Auge; J__;i (laral) halten = altbaktr. (dir6)
halten, Skr. ähr.
II. Hält es sich von der im Neupersischen in der Schriftsprache
sich findenden Ausstossung des v als f frei, z. B.: (spai) Hund
= neup. jLü (sag) — sfag, nur dialektisch L“ (sipd); (var)
v
Thür — neup. (dar) = dFar, nur dialektisch y (bar).
III. Hat es das v im Anlaute nicht wie das Neupersische in g
umgewandelt oder in h erhärtet, z. B.: (wäwrali) Schnee =
altbaktr. (vafra), neup. ^j>y (barf); (wanah) Baum =
altb. -")"!? (vana), neup. y (bun) [in Zusammensetzungen];
(wö) Wind = neup. (bäd), altb. -“<?■“!? (väta), Skr. vdta. Im
Gegentheile hat das Pa^to oft dort, wo ein Labial stand, diesen
erweicht, durch welches Verfahren es sich mit den neupersischen
Dialekten berührt, z. B.: (ivrör) Bruder = neup. (birdi-
dar), altb. (brätare); ijjjj (wruzali) Augenbraue = neup.
jy\ (abrü), Skr. bhru; (kötar) Taube = neup. (kabö-
tar), Skr. kapöta; (täv) Hitze = neupers. (täb); ö[y*>b
(pdsvdn) Wächter = neup. Ob-oL (pdsbdn), armenisch iu nt h
(pahpan); (wral) tragen = neup. ja/ (burdan), altbaktr.
i!i) O ere), Skr. bhr; jj (wuz) Ziege = neup. y (buz), altb.
(buza). Dieser erweichte Labial fiel sogar manchmal spur
los ab, z. B.: jjj (rör) Bruder, Nebenform von (ivrör).
Mit dieser Erweichung theilt es mit den neupersischen Dia
lekten die Verkürzung und Verschleifung der Formen, z. B.:
(khör) Schwester = neup. (khpdhar); (zoe) Sohn
= neup. (zddah); (sivah) Huf eines vierfüssigen Thieres
= neup. (sunb), Pehlewi ;joid (sumb); (soe) Hase =
Skr. gaga; (mac) Biene, vgl. neup. (magas) Fliege, altb.
‘gvtyve (makhs/ii); jy (mör) Mutter = neupers. (mddar),
altbaktr. S'W-’G (mdtare); (wrör) Bruder = neupers.
(birddar), altbaktr. ^(brdtare); y (wo) Wind = neup.
(beul), altb. -“c?“!? (vdta).
Nachdem wir mit diesen kurzen Merkmalen das Payto im
Verhältniss zum Neupersischen — wie ich glaube — hinlänglich
8
Dr. F r. M ii 1 1 e r
charakterisirt haben, wollen wir zur Darstellung der Lautverhält
nisse desselben übergehen.
Dem, was wir oben über das Pa)(to bemerkt haben, ent
sprechend, schlieSsen sich seine Laute ganz dem Lautsysteme des
iranischen Sprachkreises an. Wir finden nämlich, was den Con-
sonantismus betrifft, die Classen der Gutturalen, Palatalen, Dentalen
und Labialen, sowohl Tenuis als Media, entwickelt. Aspiraten finden
wir nur in der ersten Classe (Tenuis und Media) vor; die den
persischen Dialekten eigene Aspirate der labialen Tenuis fehlt dem
Pax.to ganz; sie findet sich nur in fremden Wörtern vor und wird
auch da oft durch die einfache Tenuis ersetzt. Ferner finden wir
vor die zwei weichen eränischen Spiranten j und j, die beiden
Zischlaute ^ und ^, wovon auch hier der erstere seinem Ur
sprünge nach palataler, der zweite cerebro-dentaler Natur ist, den
Hauchlaut a, die Liquiden J, j, die Nasale j>, ü und die beiden
Halbvocale j, <J.
Mit diesen allen eränischen Sprachen zukommenden Lauten ist
aber das avghänische Lautsystöm nicht abgeschlossen, sondern es
zählt noch fünf eigenthümliche Laute, nämlich (mit doppeltem
Werthe), j, -j, ^, deren Ursprung und Aussprache wir am Ende
darlegen wollen. Nebstdem finden wir noch Jk, die aber als
sogenannte Cerebrale indischen Ursprungs sind und strenge ge
nommen nicht hierher gehören.
Wir wollen also die einzelnen Lautgruppen nach den Organen,
wie sie von hinten nach vorne folgen, betrachten.
I. Gutturale.
£ >> y ^ >
(7c) entspricht altem k, im Altbaktrischen 5, im Neu
persischen , im Sanskrit 3F7, z. ß.: Jlf (kdl) Jahr = Skr.
kdla „Zeit“. )jf (kral) machen = neupers. (kardan), altb.
(k ere), Skr. kr. (kasr) jünger, kleiner = neupers.
(ldh), altb. (kuc.u). (kötar) Taube = neup. (ka-
botar), Skr. Icapota. -jj> (Icöz) krumm, vgl. Skr. kubrja „höckerig“.
J^(kanal) graben = altb. j"; (kan), neup. oxf (kandan),
Über die Sprache der Avghänen.
9
Skr. khan. (mazak) Maus = Skr. mushika. J-d (Itkal)
schreiben = Skr. likh.
(kli) entspricht altem k, im Altbaktrischen jy, im Neu
persischen im Sanskrit z. B.: ^ (malakh) Heu
schrecke = neup. (marctkh), armen. (marakh). y
(pokh) gekoclit = neup. (pukhtuh), Skr. paö [statt pak\.
J Ckhandal) verlachen = neupers. (khandidan). ^
(mukli) Vordertheil, Antlitz = Skr. mukha.
Eigenthiimlich den eränischen Sprachen ist die durch darauf
folgendes v entstandene Verhärtung des aus altem s hervorgegange
nen 7t, besonders im Anlaute, zu für welches Lautgesetz wir
gleich am Anfänge Beispiele angeführt haben.
jf (g) entspricht altem g, im Altbaktrischen 53,, im Neu
persischen ; manchmal aber ist jf, wie im Neupersischen, aus
altem k erweicht. Im Sanskrit steht ihm sowohl 3T als ^ gegen
über; z. B.: (zangun) Knie, altbaktr. (zangra)
Fuss, auch -“Vf (zanra), (zanhra), Skr. ganglui, Hüfte.
(Qigar) Leber = neup. (gigar), Sanskr. yakrt. ö\X
(grän) schwer = neupers, C>\) (garan), Sanskr. guru.
(gumaral) übergeben = neupers. (gumdstan).
^ (9^0 entspricht altem g, im Altbaktrischen i_, auch (o, im
Neupersischen im Sanskrit z. B.: (därghal)
Lügner, vergl. altbaktr. (draoglia) Betrug, neupers.
(darogh), Skr. druh. (ghar) Berg = altb. fgairi),
Skr. giri. (gliwaz) Ohr = altb. -“jjjVcs (gaosha), neup.
(gos).
Was den Laut t> (h) anlangt, so scheint er wie im Neu
persischen doppelter Natur zu sein, und zwar I. gutturaler, wohin
ich den Fall (droh) Falschheit == neupers. (darogh)
rechne, II. dentaler, wofür mir zwar kein sicherer Fall bekannt ist;
aber durch den Übergang des sv in y- scheint auch der Übergang
des s in li sichergestellt zu sein.
10
Dr. F r. Müller
II. Palatale.
£ £ -> ^ £ '■>. u”
(c) entspricht einem alten k, im Altbaktrischen p, im Neu-
persischen , im Sanskrit 57. In dieser Eigenschaft kommt der
Laut im Avghänischen selten vor; mir ist kein Wort, in dem er
vorkommt, bekannt, das man als entschieden avghänisch und nicht
etwa aus dem Persischen entlehnt betrachten könnte. Sowohl in
ersterem als letzterem Falle tritt dafür ^ ein. Manchmal hat sich,
wie mir dünkt, ^ aus einem alten Guttural durch Verschmelzung
mit einem folgenden Zischlaute entwickelt, z. B.: ^ (maö) oder
ß (macai) Biene, das wohl unzweifelhaft mit dem sanskritischen
makshikä „Fliege“ identisch ist.
(g) entspricht altem g, im Altbaktrischen t^, im Neu-
persischen im Sanskrit sj\ Es ist aber sowohl in echt avghäni
schen Wörtern eben so selten in Gebrauch wie , indem dafür
eintrat, als auch in den aus dem Persischen entlehnten, welche man
lieber nach Art der avghänischen umbildete. Wir werden daher auf
die hierher gehörigen Fälle unter ^ zurückkommen.
Die beiden echt eränischen Laute j (zj und j (z) ent-
spreclien vollkommen den altbaktrischen [ und e*», neupers. j und
J, armen, ^und <L. In Bezug auf den Gebrauch gilt dasselbe, was
im Pärsi und den neupersischen Dialekten stattfindet, ja der Ge
brauch ist im Avghänischen ein so freier, dass man den einen
Laut mit gänzlicher Aufgebung des andern anwenden darf. (Vergl.
Memoiren der St. Petersburger Akademie, Ser. VI, T. V [arino 184S],
pag. 439.)
Was die Genesis dieser beiden Laute betrifft, so sind sie ent
weder I. in der unter S. 2 angegebenen Weise entstanden, oder
II. haben sich aus schon in älterer Zeit auftretenden Palatalen ent
wickelt, z. B.: (ivuz) Ziege = neup. j (buz), altbaktr.j*^
Qbuza~), vergl. unser „Bock“. Jjejj (zaredal) alt werden,
(zor’•) alt, vgl. altb. (zaurva) Alter, arm. A-fy (ger\) alt, Skr.
garat, griech. yipovr-. (zmakah) Erde = altb. -"6£f (zema),
neup. j (zamin), griech. yata. OS~>j (zangünj Knie, allhaktr.
Über die Sprache der A'vghAnen.
11
(zangra) Fuss, Skr. ganghd Schenkel. (zoe) Sohn
— neup. (zädahj, altbaktr. (zdta), vgl. Sanskr. gan-,
griech. yev~. Jjji (zaral) schreien, vergl. Skr. gf. (zwäk)
Leben, neupers. (zistan) lebend sein, vgl. Skr. giv.
Wir sehen in allen diesen Fällen ein Herabsinken des palatalen
Lautes, anfangs nur der Media — wie im Altbaktrischen — zur
weichen Spirans, dem im Neupersischen auch die Tenuis, nach
Herabsetzung zur Media, in vielen Fällen folgt. Das Armenische ist
hierin noch weiter gegangen, indem es die Media ganz in eine
Spirans (*-) umgewandelt und nebstdem eine weitere Spirans (<*)
entwickelt hat. Als Resultate derselben Lautbewegung sind die
beiden Laute (hart) und ^ (weich) anzusehen, von denen in
der Aussprache ersterer einem ts, dem armenischen g, letzterer
einem ds, dem armenischen & entsprechend, gleichkommen. Wir um
schreiben sie also, wie die beiden armenischen Laute, durch Z-
^ (%) entspricht also altem k, im Altbaktrischen r, im Neu
persischen im Sanskrit^, z. ß.: (%alör) vier = altb.
fLufä-up (cathware), neupers. jlp- (dihdr), Skr. datvar.
(za/al) trinken = neup. (öasidan). (qarman) Leder
= neupers. (darman), Sanskr. darman. lo- (? 7 ädirJ
Sonnenschirm = neup. jJ>1=>- (dadir), Skr. dattra. ajl»- (%drah)
Mittel = neup. ajW- (dar ah). ((arkh) Kreis = neupers.
(öarhh), Skr. dakra „Rad“, vgl. griech. xuxloz, lat. circus.
(Z) entspricht altem g, im Altbaktrischen q, im Neu
persischen im Sanskrit sT^; oft ist es aber aus älterem d her
vorgegangen und entspricht also altbaktr. r, Sanskrit vT; z. B.:
(ranZ) Mühe, Beschwerde = neupers. (rang).
(Ichor Zah) Nichte [Schwesterstochter] = neup. t>[p- (khd-
har-zddah). (zanZir) Kette = neup. y-d-j (zangir).
(rwaZ) Tag — neup. (rdz), altb. (raocd).
Neben diesen dem Avghänischen eigenthümlichen zwei Lauten
kommt hier noch ein dritter (j) zu betrachten, der sich unmittelbar
an j und j anschliesst und als spitzer und schärfer als J beschrie-
ben wird. Seine innige Verwandtschaft mit j, die auf gleichen
12
Dr. F r. M ii 1 l e r
Ursprung schliessen lässt, ist klar; man vergleiche (zwdk),
[zwand) Leben = (zwdlt), (zwand). Er bildet
aber auch eine Abschwächung aus älterem s, g, z. B.: (spaz)
sechs = altbaktr. (khshvas), neupers. (sas).
(ghwaz) Ohr = altbaktr. (gaoslia), neup. ( ( ß0-
.ß (laz) klein, vgl. Sanskr. lig „klein sein“. In dem Worte -j_p~
(klioz) „süss“ dürfte -j in ähnlicher Weise durch g hindurch aus
einem Guttural entstanden sein, der in dem armen, (qapqr)
und dem damit identischen CMA,XKX sich wiederfindet.
entspricht einem alten Guttural, im Altbaktrischen im
Neupersischen , im Sanskrit , z. B.: [äs) Pferd,
(aspali) Stute = altbaktr. -"ei”" (agpci), neup. (asp), Skr.
agva. ajL (sdrah) Kälte, (sor) kalt = altbaktr.
(gareta), neup. (sard), armen. (qrtanal) kalt
werden, gefrieren, vergl. griech. xpucx;. (spai) Hund = altb.
"ö“ (gpä). Sanskr. gvan, griech. xlhov. (spm) weiss =
Pehlewi fNJ'DD (spinak) rein, vergl. altb. -"s°ks-“0^ (gpaeta), Skr.
gveta, neup. (siped). (aal) hundert = altb. -“<?■»*> (gata),
Skr. gata, neup. Juj (sad), griech. s-xaröv. t>^ (swali) Huf eines
vierfüssigen Thieres = altbaktr. -“A-“* (gafa), Sanskr. gapha, neup.
(sunb).
III. Dentale.
° J u ü u“
O (t) entspricht altem t, im Altbaktrischen <*>, im Neu-
persisehen O , im Sanskrit rT , z. B.: (stayal) preisen
= altbaktr. >s?” (gtu), neupers. (sutudan), Skr. stu.
ßjf (kotar) Taube = neup. (kabotar), Skr. kapöta. In ijy
(türah) Schwert = armen, ‘""p (sur), altb. (guwri) scheint
O aus ^ aligeplattet zu sein, wie wir im westlichen Kurdischen
(tir) satt = neup. j^^(sh) finden. Häufig findet altes t im Avghäui-
schen seinen Vertreter in J , wie wir bereits oben gesehen haben.
J (d) entspricht altem d, im Altbaktrischen 5, 1^, im Neu
persischen j, i, im Sanskrit £, SJ; oft ist es aber aus altem t
Über die Sprache der Avghanen.
13
abgeschwächt, z. B.: (darul) beissen = neup. (dari-
dan), altb. ih^(dere), Skr. df. (darghal) Lügner, vgl. altb.
Cdraogha), neup. (darogh), Sanskr. druh.
(dogliay) Hölle, Unterwelt = neup. (dozakli), altb. $
(duzaka). (dwah) zwei — altb. -“>>», (dva), Skr. dvdu. JSj
(dri) drei = altb. JA (thri), Sanskr. tri, neup. aber A-j (sih).
Gleich altem t wird auch altes d iin Avghänischen durch J
vertreten.
(s). Sein Werth und seine Aussprache sind, wie bekannt,
ursprünglich gleich dem des sanskritischen ; man kann es aber
im Allgemeinen auf eranischem Gebiete als Vertreter des nicht in li
übergegangenen dentalen s, das mit dem ohnehin nur eine Spielart
desselben bildenden sogenannten cerebralen s zusammenfiel, be
trachten. Es entspricht also altem s, im Altbaktrischen ->o, £0 , im
Neupersischen im Sanskrit z. B.: (spaz) sechs
= altbaktr. ■ J o u »^iA' (klislivas), neupers. (sas). (späh)
Nacht = neup. (sab), altb. “(Hsjy (khshapare), Sanskr.
kshapas. i>(spün) Schäfer = neupers. öLi (subän).
(swal) gehen, sein = neup. 0-A^> (sudan).
Statt des , das nur von den westlichen Avghäneo gebraucht
wird, haben die östlichen das einen Laut, der in der Aus
sprache an unser palatales ch in den Wörtern „gleich“, „seicht“
erinnert und den ich daher mit y umschreibe. Er geht wie das
auf einen alten Dental zurück; seltener liegt ihm, wie dem neu
persischen [in (säkh) Zweig = Sanskr. gakliä,
(sunudan) hören = Sanskr. gru, griech. //tu-], ein Guttural zu
Grunde; z.B.: (uy) Kamel = altb.•“V J o > (ustra), Skr.ushtra,
neupers. ./O (sutur). (bayal) schenken = neup. OX-L-sd:
(bakhsidan). J.~=- (%ayal) trinken = neup. OXd^~ (casidan).
(duyman) Feind = neupers. (dusman). £
(kweyal) schreiben, vgl. neup. (ni-wistan), altpers. ni -
pistanaiy. (yakh) Zweig = neupers. (säkh), Sanskr.
gdkhd. iC/jl (aoyah) Thräne — Skr. agru, griech. Sdxpo. In
(ypah) Fnss = neup. ,_st> (pdi), altbaktr. -»s"ü (pddha) ist das
ein ziemlich schwer zu erklärendes prosthetisches Element,
14
Dr. F r. M ii I 1. o v
vielleicht ist: es wie itn altbaktr. ju <?Qst!y (khshtti) = Sanskr. sthd
gutturaler Natur.
IV. labiale.
(p) entspricht altem p, im Altbaktrischen a, im Neu-
persisehen , auch ^ , im Sanskrit ^, z. B.: JJL (pälal)
beschützen, vergl. Skr. pdlaydmi. y (par) darüber = altb.
(upairi), Skr. upari. (pldr) Vater = neup. (pidar),
altb- (patare), Skr. pitar. ,jl> (plan) weit, breit = altb.
(pathana), neup. ^ (palian), lat. planus. t>j,y ((purah)
voll, vgl. neup. j (pur), Sanskr. purna. (späh) Nacht = altb.
l^ü‘‘M3v‘ (khshapare), Skr. kshapas. (/puh) Kuss = neup.
(päi), altb. (pädha), Skr. päda. (khpal) selbst -
altb. (qaepaithya).
Nebstdem entspricht >_< altem v, wofür am Anfänge hin
reichend Beispiele angeführt wurden.
Die Aspirate (f) fehlt dem Avghänischen ganz, wofür es i_<
substituirt, und zwar nicht nur in einheimischen, sondern auch in
fremden Wörtern, z. B.: (iplds) Arrnuth = arab.
(ifläs). Ailj (pitnah) Unglück, Aufstand — arab. (fitnah).
(prakh) breit, weit = neup. ■£-}/> (firdkh). Jjjy (parva-
ral) ernähren = neup. O -Aj(farwardan).
j (b) entspricht altem b, im Altbaktrischen_;, im Neu
persischen , im Sanskrit z. B.: (ha/al) schenken
== neup. (bukhsidan). Manchmal ist k_» eine Erweichung
aus älterem p, z. B.: (khub) Schlaf = neupers.
(Ithfäh), altb.-“) (qafha), Skr. svapna, griech. uotoc; wie
wohl das Avghänische nicht so weit geht, wie das Neupersische,
z. B.: ^ (par) ohen = neup. y (bar), altb. J b*e)> (upairi).
öy'j (spun) Hirt = neup. oLu (subdn), armen. (pan). In
anderen Fällen ist <_> eine Erhärtung aus v, z. B.: Ajj (zabah)
Zunge = altb. (hizva), Skr. gilivd.
Wie wir bereits oben gesehen haben, werden altes p und b
oft zu v erweicht.
Über tlie Sprache der Avghanen.
15
Y. Liquida« und Nasale.
J J J, f> O
Bekanntlich fehlt dem Altbaktrischen und Altpersischen ein
Ausdruck für l; die neueren eränischen Sprachen gebrauchen es
aber sehr häufig, auch selbst da, wo alle verwandten Sprachen r
zeigen. Im Avghänischen ist J (l) kein seltener Buchstabe und
zwar einerseits als Vertreter eines alten l, r, andererseits als Ver
treter eines alten Dentalen, sowohl t als cl. Für letzteren Fall
wurden schon anfangs Beispiele angegeben, für den ersteren mögen
folgende dienen: (awlal) waschen, vergl. Sanskr. plu, griech.
tvXuvo). (pdlal') schützen = Skr. pdlaydmi. JjJ.i (daldal)
gebrochen, vgl. altb. (niz-daredair-yat), Skr. df.
(lär) Weg = altbaktr. (ratha), neup. alj (rdh).
(likalj schreiben = Skr. likh.
j (r) entspricht altem r, im Altbaktrischen \ im Neupersischen
j, im Sanskrit J", z. B.: (wror) Bruder = altbaktr.
(brätar), neup. (birddarj, Sanskr. bhrdtar. t>jj\ (dwrah)
Wolke = neup. (dbr), Skr. abhra. (parj oben = altb.
ahjijj) (upairi), neup. ^ (bar), Skr. upari, griech. unip.
(plärj Vater = altbaktr. (pitare), neup. jJ~> (pidar), Skr.
pitcir. jjÜ (%alor) vier = altb. (daihware), neup.
(dihdrj, Skr. catvar.
Neben j besitzen die Avghanen noch einen weiteren r-Laut,
den sie mit j (rj bezeichnen und der, was seinen Werth und seine
Aussprache betrifft, dem der Armenier [vgl. darüber meine Ab
handlung: Beiträge zur Lautlehre der armenischen Sprache, S. 27]
gleichkommt, z. B.: Jjjl (awral) tragen, auch Jjj (wfal), vgl.
armen, pu, rL ^,„ L (barnalj erheben, altb. (k) (bere), neup. ov
(burdanj, Skr. bhr. (khivaralj essen = altb. fqarj,
neup. öJjjs- (k/ifardanj. Jjl-i (däral) heissen, vgl. neupers.
(daridan). ajj (zruhj Herz, vergl. altbaktr.
CzeredhaemJ. J Jjjj (zaredal) alt werden, ai-rn. <VZy> (ger) alt,
16
Di*. Fr. Müller
Skr. garat. 4jL> (safali) Kälte = neup. (sard), altb. care tu.
JjT (krul) machen = neup. (kardan), altbaktr. ^£5 (kere),
Skr. kr. j* (mar) todt, J^-o (mral) sterben = neupers.
(murdan), arm. (maranil), altb. fta (mere), Skr. mr.
^ (m) und i> (n) entsprechen vollkommen den neupersischen
p ö; Beispiele dafür sind aus den Fällen, die angeführt wurden,
genug zu ersehen.
TI. Halbvocalc.
iJ j>
Sie entsprechen vor Allem alten y und v; ob ersteres im
Avghänischen ebenso wie im Neupersischen im Anlaute in ver
wandelt wird, lässt sich nicht bestimmen, da jene Wörter, in denen
eine solche Veränderung sich findet (^$5-, dem Neupersi
schen entlehnt sein können. Dass v im Anlaute häufiger als im Neu
persischen (wo es meist entweder in sich verhärtet oder in _lJ
übergeht) auftritt, ebenso häufig aus älterem p oder b erweicht sich
findet, haben wir schon oben zu bemerken Gelegenheit gehabt.
V 0 c a 1 e.
Was das Vocalsystem des Payto anlangt, so stimmt es im
Ganzen vollkommen zu dem System des Parst. Es hat die drei
Kürzen a, i, u nebst deren Längen ä, 1, u, und sowohl die offenen
als die geschlossenen Diphthonge e, 6 — ai, au. Die Bezeich
nung der Längen und Diphthonge geschieht wie im Neupersischen
mittelst der Halbvoeale (_$ und und die Unterscheidung des <_$
und und die im älteren Persischen da war, in dem
jetzt gesprochenen aber — wenigstens im westlichen Theile — ganz
abhanden gekommen ist, findet sich im Avghänischen bis auf den
heutigen Tag noch vollständig erhalten. Das Payto bat also auch hier
ein gutes Stück Alterthum gegenüber dem Neupersischen bewahrt.
In gleicherweise stellt sich das Payto durch die Möglichkeit
von Consonantenverbindungen im Anlaute an die Seite der älteren
persischen Dialekte. Das Neupersische duldet bekanntlich nur ein
fachen consonantischen Anlaut, wornacli ältere Consonantenverbin
dungen im Anlaut durch Vocaleinschub getrennt werden müssen.
Über die Sprache der Avghanen.
17
Ich glaube, diese Skizze wird hinreichen, die von mir oben
ausgesprochene Ansicht zu rechtfertigen. Mancher wird vielleicht
zu wenig Belege für diese oder jene Behauptung angeführt finden.
Wenn er aber bedenkt, dass ich mich bemüht habe, nur unzweifel
haft avghänische Formen zu citiren und jedes Wort, bei dem der
leiseste Verdacht persischen Ursprungs entstehen könnte, bei Seite
zu lassen, wird er es — in Erwägung des Umstandes, dass der
jetzige Wortvorrath des Pa^to, besonders des geschriebenen, meist
aus persischen und arabischen Wörtern besteht — bei dem Gegebe
nen bewenden lassen. Und sollte Jemand in das Besultat noch
Zweifel setzen, so hoffe ich ihn in einer nächsten Abhandlung, in
der ich den Formenbau des Pa)(to als echt ei'änisch darlegen will,
von der Richtigkeit desselben zu überzeugen.
Sit/.b. d. phil.-hist. CI. XXXIX. Bd. I. Hft.
2
18
H a h n
SITZUNG VOM 18. JUNI 1862.
Vorgelegt:
Mo tiv e der jonischen Säule.
Von Johann Georg v. Hahn.
(Mit i Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 28. Juni 1862.)
Seit geraumer Zeit lagen einige grosse Seeschnecken von der
Gattung, welche die Naturwissenschaft dolium gcdea nennt (s. Fig.
IV und VI), unbeachtet auf meinen Tischen, bis mich ein zufälliger
Blick auf die grosse Ähnlichkeit ihres Gewindes mit der Volute des
jonischen Säulenknaufes aufmerksam machte. Die Proportionen schie
nen mir dieselben zu sein und der Unterschied bestand nur darin,
dass die Oberfläche der Gewinde an den Gehäusen convex, die der
jonischen Volute aber mehr oder weniger concav sind. Um daher
die concave Seite der Gehäusewindungen untersuchen zu können,
liess ich eine Schnecke zersägen, und der erste Blick auf diese
innere Seite bestätigte meine Vermuthung vollkommen, dass diese
Schnecke das Motiv der jonischen Volute abgegeben haben möchte.
Ich liess nun Alles aufkaufen, was von dieser Schneckenart auf
dem Platze vorhanden war, und brachte davon an zwanzig Stücke
zusammen, von welchen ich zur weiteren Untersuchung mehrere zer-
theilen liess. Bei der Betrachtung der inneren Seiten bemerkte ich,
dass sich nicht nur das Hauptgewinde concav präsentire, sondern dass
auch die auf der Aussenseite sich als Wülste (torus) zeigenden
Rippen des Gehäuses im innern Hohlkehlen (Trochilen) bilden, die
nicht nur in Bezug auf ihre Structur, sondern auch in Bezug auf ihr
Motive der jonischen Säule.
19
Verhältnis» zu einander grosse Ähnlichkeit mit den Canneliiren der
jonischen Säule hatten, indem die Anschlüsse dieser Hohlkehlen
keinen scharfen Winkel bilden, wie sie die dorische CannelTrung
zeigt, sondern sich zu runden Bogen abstumpfen, welche sich hei
alten Exemplaren in einen ebenen Stern verflachen. Natürlich begann
ich nach dieser Beobachtung die Rippen der verschiedenen Gehäuse
zu zählen, um zu sehen, ob deren Anzahl etwa mit den vorschrift
lichen 24 Cannelüren der jonischen Säule übereinstimmen, stiess
jedoch hiebei auf die Schwierigkeit, dass sich in allen mir zu Gebote
stehenden Gehäusen, neben den ausgebildeten Rippen auch eine
Anzahl verkümmerter von sehrverschiedenerEntwickelung vorfanden,
auch konnte ich weder an der äussern noch an der innern Seite
des Gehäuses irgend ein festes Unterscheidungszeichen, für diese
nicht zur vollen Entwickelung gekommenen Rippen auffinden.
Die unternommenen Zählungen gaben aber als Durchschnitts
summe 22 ausgebildete und 4 verkümmerte Rippen, welche auf
der innern Seite eine markirte und nicht allzu disproportionirte
Cannelüre zeigen. Mithin lässt sich der Seeschnecke zwar nicht
der Beweis entnehmen, dass der Anzahl ihrer Rippen die Anzahl
der jonischen Cannelüren geradezu entnommen worden sei, aber
im Hinblick auf die übrigen der Schnecke entnommenen Motive,
erscheint diese annähernde Übereinstimmung der Cannelürenzahl bei
Schnecke und Säule immerhin als ein merkwürdiger Zufall.
Eine weitere Untersuchung der innern Seite des Gehäuses
führte endlich zu der Wahrnehmung, dass mit Hilfe von Stücken,
welche sowohl dem obern als dem untern Ende der Gehäuslippe
entnommen werden können, sich das die beiden Voluten ver
bindende Glied, der sogenannte Canal mit seiner nach abwärts
geschweiften Curve hersteilen lasse, doch waltet dabei der Unter
schied ob, dass die Cannelüren des mit den Schneckenstücken
gebildeten Canals concentrisch sind, während die Cannelüren des
Canals der jonischen Säule nach abwärts zunehmende Curven
beschreiben.
In Folge dieser Beobachtungen suchte ich mir nun den Ursprung
und die Entwickelung dieser Ornamente ganz aus der Tonnenschnecke
ungefähr auf folgendem Wege zu erklären. Ebenso gut wie heut zu
Tage neapolitanische Fischer aus dem Muschel- und Schneckenwerk
ihres Strandes schöne Festons zu verfertigen und damit an hohen
2*
20
Hahn
Festagen ihre Kirchen zu schmücken verstehen, dürften wühl auch
schon im Alterthume die Küstenbewohner zu den zierlichen Erzeug
nissen ihres Strandes gegriffen haben, wenn es die an diesem gele
genen Heiligthümer ihrer Götter zu schmücken galt, und es wäre
nicht undenkbar, dass auf ähnliche Weise aus den zu Guirlanden
an einander gereihten kleinen Porzellanschnecken in allmählicher
Entwickelung auch der das jonische Tempelgebälke zierende Perlen
stab geworden sei.
Unter dem Muschelwerk des Mittelmeeres zeichnet sich aber
die ihm eigentümliche Tonnenschnecke nicht nur durch ihre Grösse
aus, denn sie erreicht mitunter die Grösse eines Menschenkopfes,
sondern auch durch die grosse Schönheit ihres Gewindes und dessen
Rippen. Sie gewährt ausserdem noch den Vorthei], sich leicht an
eine senkrechte Fläche befestigen zu lassen, denn da der Spindel
canal nicht verwachsen ist, sondern offen steht, so braucht man nur
einen kleinen Holzspiess schief in die Fläche einzuschlagen, um daran
das Schneckengehäuse in der Art spiessen zu können, dass es mit
seiner grossen Mündung auf der Fläche ruht.
Nun erscheinen aber, wie dies schon das Dasein der Capitäler
beweist, die durch die Berührung der senkrechten Stützen mit den
auf ihnen ruhenden Querbalken entstehenden Winkel vorzugsweise
zur Ausschmückung einzuladen, und dort mag man denn auch vor
zugsweise diese grossen Tonnenschnecken befestiget und unter sie
etwa auch noch Blumen und Zweige, rund um das obere Schaftende
gebunden haben; da aber alle Schnecken dieser Gattung, gleich der
grossen Mehrzahl aller Gasteropoden, ihre Öffnung auf der rechten
Seite haben, so wäre eine das Auge befriedigende Ausschmückung
des obern Schaftendes nur dadurch möglich, dass sie als ein mäch
tiger Wulst, rings um die Säule herum mit der Aussenlippe nach
oben gerichtet, aneinander gereiht wurden, wobei dann ihre Wirbel
seite einen Winkel von etwa 45 Graden zu der rundgedachtenSäulen-
tläche bildete.
Um aber die Schnecken zu dieser Verwendung noch handsamer
zu machen, braucht man nur ihr spitzzulaufendes Hintertheil abzu
schlagen und deren Wirbelfläche aneinander zu reihen. Nach mehreren
vergeblichen Versuchen gelang es mit den in dieser Weise zugerich
teten Schneckenhäusern ein Capitäl herzustellen, dessen Abbildung
die Fig. I der Beilage gibt.
Motive der jonischen Siiule.
21
Die einseitige Richtung sämmtlicher Voluten des so erhaltenen
Naturcapitäls gewährte jedoch für dieses tragende Glied nicht die
nöthige Ruhe und Geschlossenheit und vielleicht mochte auch ein
solcher Wulst, wegen seiner weiten Ausladung über die Frontseite
des Säulenschaftes und des Gebälkes zur tektonischen Darstellung
nicht geeignet erscheinen. Da nun aber die Baukunst einmal ein
schönes architektonisches Motiv mit dem Verbindungswinkel zweier
Hauptglieder in Beziehung gebracht, vorfand, so versuchte sie sich
so lange an demselben, bis sie ihm die ihren Anforderungen entspre
chende Gestalt abgewonnen hatte.
Dem zu Folge blieben von dem früheren Volutenwulste nur
zwei Schnecken zur Ausschmückung der beiden zwischen dem Säulen
schafte und dem Gebälke entstehenden Winkel übrig.
Da aber die beiden Naturschnecken sich nach der rechten
Seite hin öffnen, so bilden sie an und für sich keinen symmetrischen
Gegensatz. Um nun diesen zu erhalten, lag der Gedanke sehr nahe,
ein Gehäuse zu zerschneiden, und diese als Gegenstücke zu benützen
(s. Fig. II). Sobald aber einmal ein Gehäuse zerschnitten war, konnte
bei Vergleichung der äussern convexen und der innern concaven
Seite seiner obern Hälfte kein Zweifel darüber bestellen, dass diese
innere Seite* als die weit aus schönere den Vorzug verdiene, und es
wurde von nun an diese Seite als das Modell für die Construction
der jonischen Voluten angenommen, und zur Herstellung des vom
Auge geforderten befriedigenden Abschlusses auf architektonischem
Wege, das dem Naturgehäuse entsprechende Gegenstück construirt.
Hieraus erklärt sich dann sowohl die concave Form der Volutenflächen,
als auch der Schwung der zwischen den beiden Voluten laufenden
Verbindungslinien, welche sich aus dem einer innern Aussenlippe ent
nommenen Stücke desselben Gehäuses hersteilen lassen, und dem
entsprechend gaben dann die auf diesem Stücke befindlichen Canne-
lirungen das Motiv zu den auf dem die beiden Voluten verbindenden
Canalstücke der jonischen Capitäler angebrachten feinen und nach
abwärts geschwungenen Cannelüren. Erblickt man aber in der Ton
nenschnecke das Motiv zu der jonischen Volute und der jonischen
Cannelüre, so ergibt sich der Gedanke gleichsam von selbst, das
Motiv zu den den Ecbinus des jonischen Capitäls zierenden Eiern in
dem gleichen Naturbereiche zu suchen, und hierbei fällt dann der Blick
sogleich auf dieCypräa oderPorzellanschneeke (s.Fig. V),weil sie alle
22
Hahn
hiezu erforderlichen Eigenschaften darbietet, nämlich eine dem archi
tektonischen Ei vollkommen entsprechend ovale, schildartige Ausbau
chung und eine dieser entgegengesetzte Flächenseite, welche in der
sie durchschneidendem Mündungsspalte des Gehäuses eine bequeme
Gelegenheit zur Befestigung an einer senkrechten oder sonst geeig
neten Fläche liefert, Ja die zwischen der Spindel und dem Aussen-
rande am obern. und untern Ende des Gehäuses befindlichen Aus
wüchse, welche die volle Symmetrie desselben stören, möchten viel
leicht die rahmenartige Einfassung des architektonischen Eies erklären,
und auf deren ursprüngliche Bestimmung hinweisen, diese die symme
trische Form des Gehäuses störenden Theile dem Blicke zu entziehen.
So weit war ich mit meinen Beobachtungen gekommen, als so
wohl die Schwierigkeit die auf der Seitenansicht des jonischen
Capitäls angebrachten Polster mit dem gefundenen Naturmotive in
Verbindung zu bringen, als auch der Wunsch, die Gewinde der
Tonnenschnecke mit den Gewinden der jonischen Volute wissen
schaftlich zu vergleichen und den Begeln der Kunst entsprechende
Modelle mit den Schneckenvoluten herzustellen, mir das Bedürfniss
fühlbar machte, meine Beobachtungen mit einem Manne vom Fache
durchzusprechen.
Ich lud daher Ernst Ziller, welcher als Stellvertreter des
Herrn Erophilus Hansen den Bau der Athener Akademie leitet, zu
einer Besprechung nach Syra ein, und derselbe war so freundlich
meiner Einladung zu folgen, sich der Untersuchung aller aufgewor
fenen Fragen mit grossem Eifer zu widmen, und sowohl die Masse
für das zu verfertigende Modell, nach den Proportionen der Capiäler
des Niketempels (s. Fig. 111) auf der Arkropolis zu Athen anzugeben,
als auch die Arbeit selbst zu leiten.
Herr Ziller untersuchte auf meine Bitte zuerst die Spirale der
Tonnenschnecke; er fand sie mit den Proportionen der Spirale der
jonischen Volute vollkommen übereinstimmend, und erklärte auch
die Form der Porzellanscbnecke den Proportionen der jonischen
Eier entsprechend, sobald deren obere und untere Auswüchse durch
den sie umgebenden Rahmen verdeckt werden.
Weit grössere Schwierigkeiten machte dagegen die Beantwor
tung der Fragen: ob der spitze Theil des Gehäuses der Tonnen
schnecke auch das Motiv zu den Polstern jdes jonischen Capitäls in
der Seitenansicht abgegeben habe.
Motive der jonischen Säule.
23
Den Haupteinwand dagegen bilden die durchaus convexen
Linien, welche dieses Gehäuse darbietet, während die jonischen
Polster aus convexen Curven bestehen; hierauf liesse sich jedoch
erwiedern, dass nachdem einmal statt der convexen Aussenseite der
obern Schneckenhälfte die concave innere Seite als Modell für die
Volute angenommen war, die Verwandlung der convexen Linien der
Polster in concave als eine natürliche Folge jenes Tausches betrach
tet werden könnte. Die weiteren Gründe, welche sich für die Bejahung
der Frage anführen lassen, sind folgende : Bringt man ein Gehäuse der
Tonnenschnecke in die Stellung, in welcher es auf der jonischen
Volute erscheint, d. h. richtet man den äussern Mündungsrand in
der Art nach oben, dass sowohl dieser Rand als die auf dem Gehäuse
laufenden Rippen und die Volutenfläche der Spitze senkrecht zu
stehen kommen, so erscheint nicht nur die Axe der Spindel von der
Schneckenspitze gegen den Schneckennabel ansteigend, sondern
auch die untere Contour der Schnecke wie hei dem Säulenpolster
weit steiler gegen den Nabel aufgewunden, als die obere Contour
sich zu ihm herabsenkend.
Herr Ziller mass den Neigungswinkel von 12 in die erwähnte
Stellung gebrachten Gehäusen, und fand denselben im Durchschnitte
wie 1 —11. Die Axe der Polsterhälfte des Niketempels fand sich
diesem Durchschnitte entsprechend, um ein Eilftel ihrer Länge höher
gestellt als die von dem Centrum des Volutenauges auslaufende Axe.
Bei den Capitälern des Erechteums zeigte sich dagegen ein viel
bedeutenderer Unterschied, denn liier beträgt er fast ein Viertel der
Axenlänge der Polsterhälfte.
Die durchgehenden Cannelüren der Polster des Erechteums
und die in der Mitte des Niketempels angebrachten stimmen trotz
der abweichenden Proportionen zwischen Steg und Hohlkehle in ihren
Dimensionen mit den Cannelüren der Schäfte, sobald man Hohlkehle
und Steg zusammengenommen als Einheit betrachtet. Und da es nach
dem Obigen nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass die inneren Canne
lüren der Tonnenschnecke das Motiv zu der jonischen Schaftcanne-
lüre abgaben, so Hessen sich die auf die Knaufpolster übertragenen
Cannelüren als die concav gedachten Rippen der Tonnenschnecke
und mithin als ein weiteres Anzeichen betrachten, dass sich die
jonischen Polster aus der Seitenansicht der Tonnenschnecke ent
wickelt haben.
24
Haha
Herr Ziller ist geneigter die eigentümliche Form des joni
schen Polsters einfach aus dem architektonischen Bedürfnisse abzu
leiten, die Frontansicht der Volute von den rückstehenden Gliedern
frei zu halten, dem jonischen Polster durch dessen gegen die Mitte
zu ansteigende Aufwindung grössere Leichtigkeit zu geben und zu
gleich die Ornamente des Knaufes und Schaftes den Augen blos zu
legen. Ich wünschte dagegen durch die Aufzählung der obigen An
zeichen die Forschung zu einer weitern Prüfung der Frage zu
reizen, ob die Architectur nicht etwa auch die Anleitung zur Errei
chung jener Zwecke von der Form des Naturmotivs für die Volute
empfangen habe.
Gestatten Sie mir nur noch einen kurzen Rückblick auf die sich
aus unserer Untersuchung der Tonnenschnecke ergebenden Resultate :
1. Das Gewinde der Tonnenschnecke des Mittelmeeres ent
spricht sowohl in der Zahl seiner Umgänge als in der Construction
seiner Spirale der Volute des jonischen Capitäls.
2. Mit der innern Seite des Aussenrandes des Gehäuses der
Tonnenschnecke, lassen sich die über den Canal des jonischen
Knaufes laufenden Verbindungscurven beider Voluten wenigstens an
nähernd herstellen.
3. Die convexen Rippen der Aussenseite dieses Gehäuses ver
wandeln sich auf der innern Seite in Cannelüren, welche grosse
Ähnlichkeit mit den Cannelüren des jonischen Säulenschaftes haben,
und sogar ihre Anzahl entspricht annähernd der Anzahl der jonischen
Cannelüren.
4. Die Form der den Eehinus des jonischen Capitäls schmücken
den und den sogenannten Eierstab bildenden Eier, entspricht der
Form der auch im Mittelmeer vorfindlichen Porzellanschnecken.
An diese Ansicht über die der jonischen Säulenordnung zu
Grunde liegenden Naturmotive erlaube ich mir schliesslich einige
nicht uninteressante Folgerungen zu reihen.
Wer in der Tonnenschnecke die Motive zur jonischen Säule
erblickt, der kann wohl die Entstehung dieser Säule nur in ein
Küstenland versetzen, weil nur in einem solchen die zu ihrer Bildung
erforderliche Vertrautheit mit den betreffenden Seeproducten voraus
gesetzt werden kann.
Das jonische Capitäl könnte demnach auch ein Marine- oder
Küstencapitäl genannt werden, und aus diesem Grunde möchte
J. G.v. 11;• liil . Motiv der j oiiisc*heu Säule.
Rg. IV.
natzLrV. (fr.
Äi£$ i. k. k.Hof _ic. Sta,afcsdruckerei
Sitz.im.gsli. ik.Äka.i.i. V. pMlos. lürtor. CI.XL Bi. 18$9.
Motive der jonischen Säule. 2S
daher auch da wo die Wahl erlaubt ist, die jonische Ordnung bei
allen Marinebauten den Vorzug verdienen.
Auch wäre in der obigen Auffassung die Möglichkeit gegeben,
die jonische Volute nicht blos als eine Ausschmückung oder weitere
Fortbildung der dorischen Säulenordnung aufzufassen, denn sie könnte
nun, als bereits mit der jonischen Säule verbunden, gedacht werden,
bevor man für diese etwa den Echinus aus der dorischen Ordnung
herüber nahm, und die etwa für die dorische Ordnung gebildeten
Proportionen analog auf die jonische Ordnung anwandte. Wenn man
in der Tonnenschnecke nicht nur die Motive der jonischen Volute,
sondern auch jene zur jonischen Cannelüre erkennt, so würde sich
sogar die Frage eröffnen, ob nicht etwa die dorische Säule ihre
Cannelirung von der jonischen Säule entlehnt und ihrem Charakter
angepasst habe.
Scheint doch überhaupt das Dasein von Gegensätzen und die
hieraus entstehende Spannung wesentliche Vorbedingung für jede
menschliche Entwickelung und daher die hohe Ausbildung der griechi
schen Architectur nur durch die Voraussetzung solcher Gegensätze
erklärlich zu sein. Wenn wir nun aber die hellenische Architectur
den schönsten Theil ihrer Motive der Muschelwelt ihrer Meere ent
nehmen sehen, so dürfte wohl die Frage erlaubt sein, ob sich nicht
etwa der uns nun eröffneten Muschelwelt des Erdballes, deren Formen
schon desswegen den architektonischen verwandter sein müssen, als
die der Pflanzenwelt, weil sie sich nicht wie diese auf organischem
Wege von innen nach aussen, sondern durch äussern Zusatz ent
wickeln, wenigstens eine Nachlese für unsere Architectur abgewinnen
Hesse, wenn auch deren Hauptform, die Volute, bereits von den Alten
erschöpft worden zu sein scheint.
26
Ernennungen.
SITZUNG VOM 25. JUNI 1862.
Krneiinniigeii.
Seine k. k. Apostol. Majestät haben mit a. h. Entschliessung
vom 14. d. M. die Wahl des wirkl. geheimen Rathes und Staats
ministers Anton Ritter von Schmerling zum inländischen Ehren-
mitgliede der kaiserl. Akademie allergnädigst zu genehmigen
geruht.
Mit derselben a. h. Entschliessung haben Se. k. k. Apostol.
Majestät zu wirklichen Mitgliedern der kaiserl. Akademie der Wis
senschaften für die philosophisch-historische Classe:
den Professor der classischen Philologie an der Universität zu
Wien, Dr. Johann Vahlen und den Vice-Director des geheimen
Haus-, Hof- und Staatsarchives, Alfred Ritter von Arneth aller
gnädigst zu ernennen und die von der Akademie getroffenen Wahlen
des Archivars der Stadt Prag, K. J. Erben, des Ministerial-Secre-
tärs im Staatsministerium, Dr. Gustav Hei der und des Professors
der deutschen Rechtsgeschichte an der Universität in Wien, Dr.
Heinrich Siegel zu eorrespondirenden inländischen Mitgliedern
und des Professors an der Universität zu Bonn, Otto Jahn so wie
des Trihunalrathes zu Lille, Charles Edmond Henri de Cousse
in aker zu eorrespondirenden ausländischen Mitgliedern der philo
sophisch-historischen Classe der kaiserl. Akademie der Wissen
schaften allergnädigst zu genehmigen geruht.
Fiedler, Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit d. röm. Kirche. 27
Vovgelegt:
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römi
schen Kirche im sechzehnten Jahrhunderte
Von Joseph Fiedler.
I.
Bis zum neunten Jahrhundert bewahrte die christliche Kirche
die volle unverletzte Einheit. Der ganze Klerus des Orients und
Occidents verehrte den Apostel Petrus und dessen Nachfolger auf
dem Stuhle zu Rom als das Haupt und den Mittelpunct derselben.
In der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts trat Photius, Patriarch
von Constantinopel, mit Neuerungen auf und veranlasste die welt
historische Spaltung, welche die christliche Welt in zwei Hälften
zerriss. Die grössere derselben, der Westen, blieb ihren bisherigen
religiösen Anschauungen treu, der Osten nahm die von dem neuen
Glaubenslehrer proclamirte Doctrin an.
Gleichzeitig (866 — 867) wurde auch der erste Same des
Christenthums im russischen Reiche von Constantinopel aus gesäet.
Derselbe wuchs jedoch erst dann zum lebenskräftigen das ganze
Land beschattenden Baume auf, als der Grossfiirst Wladimir die
Taufe durch den Metropoliten von Cherson feierlich annahm und
seine Unterthanen zur Nachfolge im Grossen bewog (988).
Die griechische Kirche erhielt dadurch einen wesentlichen
Zuwachs und sie wusste ihren Einfluss auf die Neupflanzung dadurch
zu wahren, dass dem Patriarchen von Constantinopel die Ernennung
28
Joseph Fiedler
iles geistlichen Oberhauptes in Russland, lies Metropoliten von Kiew,
Vorbehalten blieb.
Die natürliche Folge dieser durch Ursprung und Abhängigkeit
entstandenen Verbindung der griechischen und russischen Kirche
war, dass die Ansichten der älteren über das Verhältnis zum Abend
lande auch für die jüngere massgebend wurden; dass die Trennung
im Haupte und den Gliedern von der einen vollzogen, von der andern
dem ganzen Umfange nach adoptirt wurde.
Unter den vielen fruchtlosen Versuchen, welche seit dem
zwölften Jahrhunderte zur Wiedervereinigung der einen oder der
anderen mit der Mutterkirche gemacht wurden, waren es vorzugs
weise zwei, die einige Aussicht eines günstigen Erfolges boten.
Der erste fand Statt am zweiten Concil zu Lyon (1274). Es
gelang zwar, die Vereinigung der griechischen Kirche mit der römi
schen zu Stande zu bringen; allein nach zehn Jahren wurde sie
wieder vom Kaiser Andronikus zerrissen.
Der zweite geschah in der ersten Hälfte des fünfzehnten Jahr
hunderts und führte zum Concil von Ferrara, welches später nach
Florenz verlegt wurde. Nach langen Verhandlungen wurde endlich
am 6. Juli 1438 die Vereinigungsformel unterzeichnet. Der Metro
polit Isidor von Moskau (dem spätem Sitze des Metropoliten,
nachdem derselbe zuerst von Kiew nach Wladimir [1299] und
von da nach Moskau [1328] verlegt worden war) nahm an dem
Zustandekommen der Union lebhaften Anlheil, allein sein Eifer für
dieselbe erstarb in Folge des Widerspruchs des Grossfürsten Vasilji
Vasiljevid.
Dieser Fürst war es auch, der die bisherige Stellung der russi
schen Kirche der griechischen gegenüber wesentlich dadurch
änderte, dass er Isidors Nachfolger aus ^eigener Machtvollkommen
heit ernannte und denselben blos den Bischöfen zur Anerkennung
vorstellte (1447). Ivan Vasiljevid III. sein Nachfolger löste endlich das
letzte Band der Abhängigkeit von dem Patriarchate zu Constanti-
nopel durch die in eigener Person vorgenommene Investitur des
Metropoliten von Moskau mit dem Hirtenstabe und die Übertragung
der Kirchenhoheit auf die Person des Grossfürsten.
Durch diese Vorgänge gewann die russische Kirche die volle
Selbstständigkeit und die nachfolgenden Vereinigungsversuche wurden
auch immer direct mit dieser aufgenommen; allein sie änderten
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche.
29
ihre Natur darin, dass sie aus einer rein religiösen Angelegenheit zu
einer Frage der hohen Politik uirigestaltet wurden, als welche man
sie auch von nun an behandelte >).
II.
Es ist ausser allem Zweifel, dass in der zweiten Hälfte des
fünfzehnten Jahrhunderts Verbindungen zwischen dem päpstlichen
Stuhle und dem russischen Hofe bestanden, welche die Zuriickfüh-
rung des letzteren in den Schooss der katholischen Kirche zum
Gegenstände hatten.
Im Jahre 1469 war der russische Gesandte Ivan Fräsin bei
P. Paul II. 2 ) und derselbe am 17. Jänner 1472 bei P. Sixtus IV. 3 ).
Ganz bestimmt erzählt Albertus Campensis (Pighius) von sei
nem Vater gehört zu haben, dass vor ungefähr 50 oder 55 Jahren
(als er sein Schreiben „De Moscovia“ an P. Clemens VII. geschrie
ben hatte, was ungefähr 1523 — 1524 geschehen sein dürfte), ent
weder der Grossfürst Ivan Vasiljevic III. oder sein Vorgänger
Gesandte an den Papst geschickt habe, die Vereinigung zu bewerk
stelligen. Der damalige Papst mehr seinen als Christi Vortheil an
strebend, habe einen sehr grossen („ingens“) jährlichen Tribut zum
Zeichen und als Anerkennung des Gehorsams von ihm gefordert.
Die Gesandten haben ihn nach ihrer Rückkehr zum grossen Ärger-
uiss der benachbarten christlichen Fürsten vermocht, im Schisma zu
verbleiben, des Argumentes sich sehr geschickt bedienend, der
griechische Glaube sei jedenfalls besser als der katholische, da
diesem nicht das Heil der Seelen sondern nur das Geld aller Völker
am Herzen liege 4 ).
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass es eine der beiden Ge
sandtschaften Fräsin's war, da die Rechnung des Albert von Kämpen
1 ) H. .1. Schmitt, Kritische Geschichte der neugriechisch, u. der russisch. Kirche.
Mainz 1840. — Walter, Lehrbuch des Kirchenrechts. Bonn 1842. p. SO—61.
2 ) Derselbe wird es auch gewesen sein, für den Paul II. in dem Schreiben v. 14. Oet.
1470 von dem Könige Kasimir von Polen den freien Durchzug durch sein Deich
nnd die dazu gehörigen Länder begehrte. S. The i n e r, Velera Monuin. Polon. etc.
II. p. 167. Nr. CCV.
3 ) Adelung, Kritische Übersicht der Reisenden in Russland. I. p. 183. Anm.
4 ) De Moscovia etc. Albertus C a in p e n s i s. Venet. apud Paulum girardutn
MDXLIII. f. 9 — 10.
30
Joseph Fiedler
die Jahre 1471 —1484 ergibt, wo der russische Gesandte in Rom
gewesen ist*).
Aus Dlugosz ist bekannt, dass im Jahre 1474 ein Venetianer
Namens Antonius, nach Moskau gegangen war „quaedam negotia
Summi Pontificis illic apud Principem Moscoviae aeturus“ 2 ).
Am 7. September 1484 schrieb P. Sixtus IV. an den König
von Polen, sein Gesandter Stanislaus v. Buszenyn, Domherr von
Gnesen, habe vorgebracht von ihm (dem Könige) brieflich instruirt
worden zu sein, dass der Grossfürst durch Gesandte die Verleihung
des Kaiser- oder Königstitels bei dem heil. Stuhle erwirken wolle.
Der König sein Herr bitte daher wegen der Wichtigkeit der Sache
und zur Vermeidung des ihm drohenden Nachtheiles früher seine
Gesandten abzuwarten, ehe an die Erwägung der Sache gegangen
würde. Dem Könige sei aber seine (des Papstes) Gesinnung bekannt,
der alles wünsche, was zu seinem Vortheile dienen oder zur
Erhöhung seiner Würde beitragen könnte. Er möge auch überzeugt
sein, dass, wenn Gesandte des Grossfürsten anlangen würden, man
nur mit vielem Bedachte und nach reifer Überlegung in der Sache
vorgehen und seine Gesandten gerne früher vernehmen werde, wenn
sie rechtzeitig abgeschickt werden 3 ).
Unter P. Alexander VI. 4 ) befanden sich russische Gesandte in
Rom „componendarum rerum causa“ allein es kam zu keinem
Abschlüsse 5 ).
1512 — 1513 erbat sich der Grossfürst Vasilji Ivanovic von
dem ihm sehr befreundeten König Johann von Dänemark den
sichern Durchzug für seine Gesandten an den Papst und dessen
Verwendung bei diesem, um Zulassung jener zu dem eben tagen
den fünften lateranensischen Concil. Der fast gleichzeitig einge
tretene Tod des Königs Johann (20. Februar 1513) und des Papstes
Julius II. (19. Februar 1513) war jedoch Ursache, dass sie gar
nicht abgingen 8 ).
*) Adelung, 1. c. I. p. 182. Anm.
2 ) Dlusgos», Histor. Pol. XIII. p. 509. — Ciampi, Bibliogr. critic. II. p. 21.
3) The in er, I. c. II. p. 230. Nr. CCLVI.
4 ) Gew. 11. und gekr. 28. August 1492.
5 ) Beilage IN .
6 ) Paulus, Jovi us, De legatione Miscouitica in Alberti de Starczevics: Historiae
Ruthenicae Scriptores exteri. I. p. 4. — Albertus Campensis, I. c. fol. 10
erzählt dasselbe und fügt bei, dass es der in Rom anwesende Kanzler des Königs
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 3 1
In den ersten Regierungsjahren P. LeoX., AlexandersVI. Nach
folgers waren die Beziehungen zwischen Moskau und Rom minder
freundlicher Art «), da der Papst durch die öffentlichen Dankfeste,
welche er aus Anlass des von den Polen über die Russen am Dnieper
(8. September 1514) erfochtenen blutigen Sieges in Rom abhalten
liess, das Selbstgefühl des russischen Hofes und Volkes empfindlich
verletzt hatte.
Ein lebhafterer Verkehr entspann sich zwischen Leo X. 2 ) und
dem Grossfürsten Vasilji erst in der zweiten Hälfte der Regierung
des ersteren, so, dass später P. Clemens VII. in einer Zuschrift an
diesen erklären konnte, er erinnere sich sehr wohl: „pie memorie
leone X. predecessore et fratre pertruele nostro universalem eccle-
siam regente recordamur cum magna spe et letitia nostra
non semel ab eo ad te amicissime atque humanissime scriptum
fuisse“. Was den Papst dazu bewogen haben mochte, glauben wir
aus einem Actenstücke entnehmen zu können, welches in dieser
Richtung die interessantesten Aufschlüsse enthält. Papst Leo X.
von Dänemark, Erzbischof Eneas von Droniheim (Nidrosiensium) dem Papste Hadrian
VI., ihm selbst und anderen bestätigt habe (affirmauit).
*) Paulus Jovius 1. c. p. 4. — Stanislaus Oricovius (Orzechowski) schreibt
darüber in Orat. in Funer. Sigism. ap-ud Pisto r. Tom. III. pag. 49: Quibus devictis
(Moschis) tanta gratulatio omnium est subsecuta ut etiam Romae a Leone X. sup-
plicatio Sigismundi nomine decerneretur singulari genere verborum et numero
dierum. Cum enim in Leonis Senatu Nicolaus Wolski, legatus hic Sendomiriensis
Castellanus, exposuisset et genus hostium, et victoriae modum, res digna Patribus
illis est visa publica ipsius urbis Romae et gratulatione et supplicatione singulari.
Supplicatum itaque fuit, totaque urbe dies festus atque ludi eius victorine nomine
fuerant instituti, dolente ac moerente Maximiliano Caesare (welcher damals mit
Polen gespannt war und eine Allianz mit Russland gegen dasselbe durch Georg
Schnitzenpamer unterhandeln liess), qui captivos etiam ipsos per hunc ipsum
Nicolaum Volski Leoni missos intercoepit in Moscoviamque contra ius gentium
remisit. — Vgl. Ciampi, Bibliogr. critica. I. p. 85 u. Acta Tomiciana III. p. 7.
2 ) Wohl ist P iso (nach Ciampi ein Venetianer) von dem Papste Leo X. iu Folge des
vom K. Sigismund von Polen durch den Erzbischof von Gran gestellten Ansuchens
mit Friedensanträgen an die kriegführenden Mächte abgeschickt worden. Allein
die grosse Schlacht am Dnieper, zu welcher er gerade gekommen war und über
deren für die Polen überaus günstigen Ausgang er seine Freude unverholen aus-
spracli, liess die von ihm nicht sehr gewünschte Weiterreise zum Grossfürsteil
Vasilji Wegfällen. Siehe: Epistola Pisonis ad Joannem Coritiuin apud Pistor. III.
p. I. — Piso orator pape, cum conficiende pacis cujus causa venerat, nulla spes
superesset, non adita Moscovia (quod gratum ei accidei at) donatus a rege ac ho-
noratus, Vilna in Italiam reversus est. Acta Tomiciana. III. p. 7. Jakob Piso
war nach dieser Quelle protonotarius sedis apostolicae und ein Unterthan des Königs
Wladislaus von Ungern und Böhmen „cum autem vrae Matis subditus et istius
32
Joseph Fiedler
hatte mehreren Cai'dinälen, namentlich dem Cardinal Sta. Croce, de
Grassis, Protector des Königreiches Polen, von Ancona und einem
vierten (vielleicht Quatuor Sanctorum ?), der sich als Verfasser des
selben immer nur in der ersten Person anführt, anbefohlen, zu
erwägen , welche Aufträge dem von ihm zum Nuntius am polnischen
Hofe ernannten Bischöfe v. Castellamare zu geben wären. Diese
Commission versammelte sich im Hause eines der Collegen, des
Cardinais Sta. Croce, wo unter Mitwirkung des polnischen Gesandten
Johann v. Lasko, Erzbischofs von Gnesen, mehrere Gegenstände in
Vorschlag gebracht und besprochen wurden.
Über die gepflogenen Verhandlungen wurde von dem unge
nannten Cardinal ein Protokoll verfasst, dessen in die Form eines
Berichtes gebrachter Inhalt dem Papste unterbreitet wurde.
In diesem Berichte werden die von dem polnischen Gesandten
in Anregung gebrachten Verhandlungs-Gegenstände folgendermassen
angegeben:
1. Eintracht zwischen dem Könige von Polen und dem deutschen
Orden;
2. klug geführte Unterhandlungen des Königs von Polen mit dem
Grossfürsten von Russland über den Vorschlag, ob er nicht zum
Gehorsam gegen die römische Kirche und den päpstlichen Stuhl
zurückkehren und dem Nuntius einen Geleitsbrief geben wollte, damit
er in Begleitung einiger polnischer und dänischer Herren sicher zu
ihm kommen und über einige Gegenstände verhandeln könnte,
welche eben so sehr dem heiligen Stuhle als dem Grossfürsten selbst
zur Ehre gereichen würden, und zwar darüber, ob der Grossfürst
dem katholischen Glauben anhängen und jene Versprechungen halten
würde, die von den Griechen und den Russen selbst unter Papst
Eugen IV. dem florentinischen Concil gemacht worden sind. Der
selbe Nuntius sollte dann auch Augenzeuge der Vollziehung der
letzteren sein. Ein Mittel zur Erreichung des Zieles wäre die Erhe
bung des Grossfürsten zum Könige und die Errichtung eines König
reiches aus den ihm unterworfenen Ländern.
Hegni (Hungariae) indigena existat.“ K, Sigismund empfahl ihn seinem Bruder als
Lehrer für dessen Thronfolger Ludwig. Fr rühmt ihn besonders wegen seiner aus
gebreiteten Sprachkenntnisse, so wie wegen der Versprechungen, die Piso bei der
mit ihm über den Unterricht Ludwig’s gehabten Unterredung gemacht hatte. Im
gleichen Sinne schrieb er auch an den Erzbischof von Gran. — Acta T o m i-
ciana III. p. ‘>84. Nr. CCCXLIII und CCCXLIV.
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche.
33
Der polnische Gesandte war der Ansicht, dass sein Gebieter
die Glaubenseinigong des Grossfürsten nicht übel aufnehmen würde,
ja er bat Se. Heiligkeit um die Zustandebringnng derselben, die
Hoffnung aussprechend, der Grossfürst werde den ihm gemachten
Antrag gerne annehmen und ein Anhänger des katholischen Glaubens
werden, da der König von Überläufern erfahren hätte, dass schon
des Grossfürsten Vater dieselbe Gesinnung gehegt habe und es sehr
wahrscheinlich sei, dass der Sohn in gleicher Weise derselben bei
treten und die Ausführung des Vorhabens seines Vaters gestatten
werde. Es sei dies um so mehr zu erwarten, als der König von
Dänemark anderweitig Sr. Heiligkeit dieselbe Absicht des Gross
fürsten zur Kenntniss gebracht habe. Diese müsse bei dem Gross
fürsten sicher vorhanden sein, da er wahrgenommen haben würde,
dass er bei jedem kriegerischen Anprall von den Polen geworfen
werde und dies durch offenbare Fügung Gottes geschehe, die
Wenigen über Viele den Sieg davontragen lasse. Der Nuntius könne
daher mit sich nehmen die Acten des florentinisehen Concils und die
Instructionen, die dem Fr. Franciscus de Potentia, Procurator des
Minoritenordens und Nuntius nach Russland, gegeben worden sind,
woraus ersehen werden könne, welche Vorschläge den Russen
rücksichtlich der Glaubensartikel zu machen wären *).
Wir haben diesem Actenstücke eine grössere Aufmerksamkeit
geschenkt, da wir ganz im Widerspruche mit den Traditionen und
der bisherigen Politik der Krone Polens den Gesandten derselben
die Einigung der beiden Kirchen anregen und befürworten sehen.
Wenige Jahre darnach, als die Angelegenheit ernstlich in Verhand
lung genommen wurde, verwandelte sich der zu der früheren
Anschauungsweise zurückgekehrte polnische Hof in den heftigsten
Gegner derselben und erwarb sich das unbestreitbare Verdienst, das
schon halb gesicherte Zustandekommen des Ausgleiches durch das
Aufgebot aussergewöhnlicher Mittel hintertrieben zu haben.
Wahrscheinlich in Folge dieser Verhandlungen befand sich im
Jahre 1518 der Doininieanermönch Nikolaus Sambirg als päpstlicher
Nuntius in Moskau. Durch den an Papst Leo X. über seine Thätigkeit
erstatteten Bericht fand sich dieser bewogen, in dem Schreiben aus
Montefiascone vom 1. October d. J. 3 ) ihm seine Zufriedenheit tiher
*) C i a m p i, I. c. I, p. 232.
a ) Th ein er, 1. c. p. 378. Nr. CCCCVI.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. I. Hft.
3
34
Joseph F i e <1 I e r
diebisherigenErfolge sowie die Erwartung eines erfreulichen Schlusses
auszudrücken. Die Anträge wegen der Standeserhöhung des Gross
fürsten wolle der Papst nach dem Benehmen desselben behandeln. Es
sei ihm jetzt die Gelegenheit geboten, die höchsten Ehrentitel
in der Christenheit zu erwerben. Wenn er nämlich dem allgemeinen
Bunde der christlichen Fürsten beigetreten und zu der Expedition
gegen die Türken beigetragen haben werde, wolle er ihn unter der
Bedingung in den Schooss der Kirche aufnehmen, dass er jene
Satzungen beobachle, unter welchen auf dem Concil zu Florenz die
Vereinigung der orientalischen und occidentalischen Kirche zwischen
dem Papste Eugen IV. und dem K. Paläologus zu Stande gekommen
ist, ihn auch mit dem Königstitel schmücken und zu seinen theuersten
Söhnen zählen. Der Papst ermächtigte auch Sambirg, diese Ver
sprechungen dem Grossfürsten zu machen und die Versicherung zu
geben, dass er alles genehm halten werde, was auf den eben bezeich-
neten Grundlagen mit demselben ausgemacht werden würde.
Kurz darauf scheint es der päpstliche Stuhl für erspriesslich
gehalten zu haben, sich mit dem Grossfürsten zur weiteren Verfol
gung der angebahnten Schritte in engere Verbindung zu setzen. Es
wurde dazu der Bischof Zacharias (Ferreri) von Garda 1 ), Haus
prälat und geheimer Referendar des Papstes gewählt, welcher als
Nuntius mit einem Schreiben Leo’s X., ddo. 19. September 1S19
an Vasilji Ivanovic abging.
In diesem beruft sich der heilige Vater auf die ihm von glaub
würdigen Personen zugekommenen Berichte über die Geneigtheit
des Grossfürsten zur Herstellung der Einigkeit zwischen der russi
schen und römischen Kirche, drückt seine Freude über dieses gott
gefällige Vorhaben aus, ersucht den Grossfürsten seine Gedanken
dem Nuntius als einer vollständig glaubwürdigen Person ohne Rück
halt zu eröffnen und deutet demselben die Gewährung nicht gewöhn
licher Vortheile leise an 2 ).
Aus der Hauptinstruction für den Bischof Zacharias, ddo.
1. November 3 ) und der Nebeninstruction für dessen Mitbotschafter
In dein bei Tb einer, I. c. II. p. 403. Nr. CCCCXVIII abgedruckten Passbriefe für
ihn und seinen Genossen Johann de Thedaldis (equitem auratum) ddo. 18. Sep
tember 1319 wird er episcopus „Sardicenis“ genannt.
2 ) Ciampi, I. c. III. p. 40. — Turgenev, Historica Russiae Monumenta etc.
Petrop. 1841. Bd. I. p. 128. Nr. CXX1V.
3 J Ciampi, 1. c. II. p. 24 erwähnt diese Instruction als vorhanden in der „Bibliotheca
Ein Versueh der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 35
Johann von Thedaldis, ddo. 2. November 1519 1 ), geht hervor, dass
Papst Leo X. einen fünfjährigen Waffenstillstand unter allen Christ-.
liehen Hegenten zu Stande bringen und diesen Zeitraum zu einer
allgemeinen Expedition gegen die Feinde des Namens Christi be
nützen wollte. •
Er trug daher dem Nuntius auf, den König von Polen, welchem
bei diesem Werke ein nicht unwesentlicher Antheil zugedacht
war, um seine Ansicht über das Project überhaupt so wie über die
zu dessen Durchführung nöthigen und zweckmässigen Mittel zu befra
gen und denselben zu versichern, dass der Papst im Vereine mit den
Cardinälen für alles Nöthige sorgen werde. Da aber zwischen dem
Könige von Polen und dem deutschen Orden einige Differenzen bestan
den haben, sollte er den König zum Frieden mit dem Orden ermahnen,
und sich, wenn er-diesen dazu geneigt gefunden, selbst dafür wäre
und der König es billigte, zu dem Grossmeister Albrecht von Bran
denburg, Sigismund’s Schwestersohn, persönlich begeben, und den
selben zur Schliessung des Friedens mit Polen in eindringlicher
Weise ermahnen.
Zu gleicher Zeit beschloss auch der Papst, nachdem er von dem
Botschafter des Königs von Polen, Erasmus Ciolek, Bischof von Plock
gehört hatte, dass der polnische Staatsschatz durch die schweren und
langdauernden Kriege mit Moskau so erschöpft sei, dass der König
die gewohnten Kämpfe gegen die Ungläubigen aufzugeben genöthigt
war, den Grossfürsten von Moskau durch den Nuntius Zacharias per
sönlich ermahnen zu lassen, dass er den wahren Glauben Christi
di Pulavia MS. Tom. X. transcriptum ex Bibliotheca Zalusciana.“ — Sie ist abgedruekt
in A c t sf Tomiciana V. p. 188.
*) Acta Tomiciana V. p. 187.
2 ) Et propterea cum ex venerabili Fratre Erasmo, episoopo plocensi, sue M tis apud nos
oratore intellexerimus , eandem Mtin. suarn propter diuturna et maxima bella cum
duce Moscovie gesta, pecuniis adeo exhaustam esse, ut a bellis, que adversus turcas
et Tartaros aliasque infideles gentes gerere consueverat quasi desistere cogatur,
animo nostro cogitnvimus ipsum ducem Moscovie per Ftem. tuam hortari ac monere,
ut ueram Christi fidem agnoscere et ad obedientiam s. rom. ecclesie redire et cum
Sermo. rege — ut verum Christianum decet — quiete et pacifiee degere velit. Quod
futurum in domino speramus cum non solum ex dicto episcopo plocensi audiverimus,
sed etiam a charissimo in Christo filio nostro, christierno, Danie rege, per ejus
literas certiores facti fuerimus, ipsum Ducem Moscovie ad hoc sponte sua jam pridem
bene dispositum et inclinatum esse. Meminerimusque, dum in minoribus constitnti
essemus, ejus patrem similis animi atque propositi fuisse et ad f. mem. Alexandrum
VI. predecessorem nostrum suos oratores misisse, qui animum ac prositum huius modi
3*
36
Joseph Fiedler
anerkenne, zum Gehorsam gegen die heilige römische Kirche zurück
kehre und mit dem Könige von Polen im Frieden lebe.
Er glaubte einen günstigen Erfolg hoffen zu können, da er nicht
allein von dem polnischen Botschafter vernommen hat, sondern
ihm auch von dem Könige Christian von Dänemark brieflich berichtet
worden ist, dass der Grossfürst aus freien Stücken und von früher
her dazu geneigt sei; ja er erinnerte sich sogar aus seiner früheren
Zeit, dass der Vater des jetzigen Fürsten von dem gleichen Wun
sche beseelt, Gesandte an Papst Alexander VI. geschickt hat, um ihm
die beabsichtigte Vereinigung mit der römischen Kirche zu eröffnen.
Der Nuntius erhielt den Auftrag, dem Könige Sigismund den
Beschluss des Papstes mitzutheilen, und wenn dieser mit der Reise
nach Moskau einverstanden wäre, ihn anzugehen, dass er dem Nun
tius ein sicheres Geleite und angemessenes Gefolge gebe, um sicher
hin- und zurückgehen zu können, so wie auch, dass er ihm die genau
formulirten Bedingungen des künftigen Friedens einhändige, auf
deren alleiniger Grundlage er denselben mit dem Grossfürsten
unterhandeln sollte. Auch wurde ihm, wie stets, die Wahrung der
Würde und Ehre des Papstes und des heiligen Stuhles zur beson
deren Pflicht gemacht.
Früher jedoch bevor der Hauptnuntius Bischof Zacharias auf
brechen würde, sollte sich sein Genosse Johann von Thedaldis allein
zum Grossfürsten begeben, um dessen Gemüth zu erforschen i), und
pium christianam fidem agnoscendi et ad obedientiam ss. rom. eccl. redeundi signifi-
carent. Ftas. igitur tua postquam eidem Sermo. regi consilium nostrum communica-
verit si Mti. sue videbitur, ut ad dictum Ducem pretnissorum causa te transferas,
eam nostro nomine rogabis, ut pro nostro et hujus sancte sedis honore de tali
non modo salvo conduclu per dictum ducem prestando , sed etiam comitiva tibi
provideat, ut tuto ire atque redire valeas ac pacis inter ipsam et prefatum Ducem
ineunde conventiones et capitula tibi consignet tuque juxta eonventiones et capitula
hujusmodi et non aliter pacem ipsam cum dicto duce tractabis — nostrum tarnen et
dicte sedis honorem nunquam postponendo — ac ita solerter apte prudenterque te
gerendo, ut a nobis merito valeas commendari. — — — Datum Rome apud
S. Petrum sub annulo piscatoris die prima Novembris MDXIX., pontificatus nostri
anno VII.— Acta To mi cian a V. p. 188—189.
*) — — Postquam igitur apud eundem regem commissa vobis diligenter executi
fueritis ipsique regi visum fuerit, ut ad ducem Moscovie ejus animi explorandi
causa te conferas, tu cum benedictione nostra iter suscipies et ad dictum ducem
proficiscaris. Quo cum perveneris ipsum debita cum reverentia et bumanitate allo-
queris uobisque de sancto ejus orthodoxam fidem agnoscendi ac debitam nobis et
huic sancte sedi obedientiam prestandi et cum dicto Sigismundo rege perpetuam
pacem faciendi proposito, relatum fuisse dices, nosque propterea eidem Zacha-
Ein Versuch der Vereinigung’ der russischen mit der römischen Kirche.
37
demselben mit aller schuldigen Ehrerbietung vortragen, dass der
Papst über sein Vorhaben sich mit dem heiligen Stuhle zu vereinen
und mit dem Könige von Polen Frieden zu schliessen , berichtet
worden sei, und wenn dem so wäre, dem Nuntius Zacharias Ferreri
den Befehl gegeben habe, zu ihm zu reisen, um ihm den Willen
des Papstes und des Königs von Polen bekannt zu geben. Fände er
den Grossfürsten zur Union und zum Frieden mit Polen disponirt, so
solle er von ihm das sichere Geleite für den Bischof und dessen nöthige
Begleitung begehren; wenn nicht, so solle er doch dahin wirken,
dass der Grossfürst einen Waffenstillsland mit dem König von Polen
eingehe, der den Wünschen desselben und der ihm mitgegebenen
Commission entspräche. Hierauf solle er seine Rückreise antreten und
Bericht erstatten.
Es ist nicht ersichtlich, ob und wann die Nuntien die ihnen
aufgetragene Reise nach Moskau unternommen haben. Man könnte
sogar an deren Zustandekommen zweifeln, wenn man in einem spä
teren Schreiben des Königs von Polen an den Papst liest 1 ), dass er
dieselbe nicht für schicklich und sicher genug halte und bitle, der
heilige Vater möge dem Bischöfe Zacharias erlauben, die ihm für
Lithauen und Moskau gegebenen Facultäten während der Dauer
eines Jahres in Polen ausüben zu dürfen.
riae epo et nuncio maiulasse, ut si tali animo sit preditus ad eum se transferat
eique nostram ac dicti regis inentein declaret. Si ergo ipsum ducem circa pre-
missa bene dispositum esse ac dictum episcopum et nuncium libenter audire veile
cognoveris, ab eo requires, ut de sufficienti salvo conduetu veniendi, standi ac
redeundi ipsi ejusque necessarie eomitive provideat. Quodsi prefatum ducem ad
veram Christi fulem eognoscendam obedientiamque nobis et dicte sedi apostolice
prestandam minime inclinatum esse, nee ab aliquo persvaderi posse iutelliges, nihi-
lominus efficere eurabis, ut cum dicto Sigismundo rege inducias, quas idem rex
optaverit, et de quibus specialem tibi commissionem dederit, ineat, quibus initis
et peractis reditum ad nos parabis interimque nos de omnibus et siugulis premi-
sis certiores redere non pretermittas. Datum Rome apud S. Petrum sub annulo
piscatoris die secunda Novembris a. d. MDXIX. pontiticatus nostri anno septimo.
— Acta Tomiciana V. p. 187—188.
*) Nam quod ad profeclionem in Moscoviam attinet, quia res aliter se multo habet,
quam sit eitlem Scti. vre. persuasum, nec decens, nec satis tutum, ut illic irent
putavi; verum supplico illi enixe, ut pro lionore suo et meo populorumque ineorum
commodo ac etiam dignitate, concedere dignetur easdem facultates rev. dno. Za
charie, epo. gardiensi, ad annum duntaxat in regno et dominiis meis Polonie
exercendas, quas illi ad ducatum Lithuanie et Moscovie concessit. Nain illic
nullius pene usus esse possunt propter multitudinem incoLarum ritus greci et
raram necessitatem ejus modi iacultatum, que illic hominibus incumbunt. Erit hec
38
Joseph Fiedler
Ein oder zwei Jahre später ging Paul Centurione aus der
gleichnamigen genuesischen Patricierfamilie abstammend mit Em
pfehlungsschreiben des Papstes Leo X. in Handelsangelegenheiten
(mercaturae causa) nach Moskau. Der Hauptzweck seiner Reise be
stand eigentlich darin, den russischen Hof für sein Project wegen
Eröffnung eines neuen Weges für Specereien aus Indien zu gewinnen.
Da dieser grösstentheils Russland durchschneiden sollte, glaubte er es
durch persönliche Darlegung der an Zöllen und wohlfeilerem Preise der
Waaren für denselben sich ergeh enden Vortheile, welche bisher den Por
tugiesen als Monopolisten im reichsten Masse zuflossen , zu bewirken.
Es sollten dieselben nämlich vom Indus in den Oxus, von diesem in das
kaspische Meer, dann in die Wolga und endlich nach Riga gebracht
werden, von wo sie durch die Schiffe der Hansa weiter verführt würden.
Sein Plan scheiterte an dem Bedenken des Grossfürsten Vasilji Iva-
novid, einem unbekannten Fremdlinge die Gegenden zu eröffnen,
welche den Zugang zum kaspischen Meere und zu Persien bildeten *).
In seinen mercantilen Restrebungen verunglückt, wechselte
Centurione die Rolle, indem er die eines Diplomaten übernahm.
Während seines längeren Aufenthaltes in Moskau und bei den öfte
ren Berührungen mit den dortigen Hofleuten fand er wiederholt
Gelegenheit, sich mit diesen über die Nützlichkeit der Vereinigung
beider Kirchen zu unterhalten. Diese Unterredungen mögen die
Veranlassung gewesen sein, dass ihm der Grossfürst bei seiner Ab
reise ein Schreiben an den Papst Hadrian VI., den Nachfolger des
inzwischen verstorbenen Leo X. (1. Dec. 1321) mitgab, worin er
mit vielem Wortgepränge seine Zuneigung gegen den Papst an den
Tag legte, welche durch die von der Curie nach der Niederlage der
Russen am Driieper abgehaltenen Dankgebete bedeutend erkaltet war.
Bei dem Tode Papst Hadrian VI. (24. Sept. 1323) war Paul
Centurione zu einer zweiten Reise nach Moskau vorbereitet, die ihn
auch dessen Nachfolger Papst Clemens VII. antreten liess. Dieser gab
ihm ein Schreiben an Vasilji (ddo. 23. Mai 1324) mit, worin er ihn
unter Berufung auf die unter seinen Vorgängern den Päpsten Ale
xander VI. und Leo X. stattgehabten gleichen Verhandlungen auf das
Wohlwollendste ermahnte, die Majestät der römischen Kirche an-
res mihi non vulgariter grata et subditis meis utilis, cum ea que isthinc ex Urbe
aut Hungaria petuntur hic domi haberi possint. — Acta Tomieiana, V. p. 240.
*) Paulus J o v i 11 8 , 1. c. I. p. 3. — A de lung, h c. I. p. 177.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 39
zuerkennen und nach Vereinigung- der beiden Kirchen ein immer
währendes Bündniss zu schliessen, was für ihn (Grossfürsten) sehr
ehrenvoll werden dürfte, da er ihm kraft seiner päpstlichen Gewalt
den Königstitel verleihen wollte !). Vasilji hatte nämlich geglaubt,
dass die Verleihung desselben ein Hecht des Papstes sei, nachdem er
erfahren hatte, dass dieser auch dem Kaiser das Diadem und den
Scepter ertheile. Übrigens scheint ihn dieser Glaube doch nicht
gehindert zu haben, denselben auch früher vom Kaiser Maximilian I.
zu hegehren 3 ).
Centurione reiste nach Moskau ab und wurde daselbst von
Vasilji sehr freundlich empfangen. Er hielt sich volle zwei Monate
am russischen Hofe auf, und nachdem er sich neuerdings von der
Unausführbarkeit seines indischen Projectes überzeugt hatte, trat er
wahrscheinlich eist im Jahre 152S von dem russischen Gesandten
an den Papst Namens Demeter Jerasiinov (Demetrius Erasmus)
begleitet, die Rückreise an.
König Sigismund I. von Polen, welcher Centurione auf der Hinreise
in Allem förderlich gewesen war, gab dem Heimkehrenden ein war
mes Empfehlungsschreiben (ddo. Krakau 8. Juni 1525) an den Papst
mit, worin er sein vorgerücktes Alter und dürftigen Vermögens
verhältnisse betonend, die Gnade und Grossmuth des heil. Vaters
für ihn in Anspruch nahm s ).
Der Papst nahm den Gesandten des Grossfürsten auf das Glän
zendste auf, räumte ihm den prächtigsten Theil des Vaticans zur
Wohnung ein, kleidete ihn in Seide und wies ihm als Begleiter und
Dolmetsch aller weltlichen und göttlichen Dinge Franz Cheregatti,
Bischof von Abruzzo (Aprutinum) zu, einen Mann, den er zu den
weitesten und wichtigsten Missionen verwendet hatte. Nach eini
gen Tagen der Ruhe erschien Demeter vor dem Papste, bezeugte
*) Beilage II.
2 ) „Temporibus etiam fere Leonis X. Pont. Max. Idern Basilius a Maximiliano Cesare
Regium honorem ambiebat instautissime cuius protextu (sic) etiam tune evenisset
ad communionein ecclesiae Romanae, si Poloni machinationibus res ipsa non fuisset
etiam tune interturbata. Quod Rever. I). Hieronym. Baibus Episcopus (iurg-ensis
Illustrissiini Ferdinandi Archiducis Austriae apud apostolicam sedem nuperime
orator, qui istis rebus presens interfuerat Tuae sanetitatis praedecessori Adriano VI.
mihi et aliis pluribus affirmavit.“ — Albertus Camp, 1. c. f. 10.
3 ) Turgenev, Ilist. Russ. Mon. I. p. 129. Nr. CXXV. —Theiner, Vetera Monum.
Polon. et Lith. II. p. 430.
40
Joseph Fiedler
demselben die gewöhnliche Verehrung des Fusskusses und über
reichte demselben in seinem und seines hohen Senders Namen die
in Zobelpelzen bestehenden Geschenke und ein Schreiben des
Grossfürsten ddo. 3. April 1625 *), welches zuerst von ihm und
Centurione, dann aber von dem Dolmetsch Nikolaus Siccensis 3 ) aus
dem russischen Texte in das Lateinische übersetzt wurde. Der Inhalt
desselben war folgender: Die durch den Genueser Bürger Paul Cen-
turione überschickten Ermahnungen des Papstes wegen Einigung im
Glauben mit ihm und den übrigen christlichen Fürsten und wegen
Hilfeleistung gegen den gemeinsamen Erbfeind mit dem Beisatze,
dass seine (des Grossfürsten) Gesandten überall sichern Weg und
Zutritt finden werden, damit man endlich erfahren könne, durch
welche Mittel eine ewige Vereinigung und Freundschaft angebahnt
werden könnte, — haben ihm sehr Wohlgefallen. Er schicke darum
mit diesem Schreiben (seinen Gesandten) Erasmus ab und mit ihm
Paul Centurione zurück. Der Papst wolle Demetrius (Erasmus) bald
abfertigen und sicher zurückschicken. Dasselbe wolle auch er tliun,
wenn mit diesem päpstliche Gesandte an ihn geschickt werden
sollten, damit er solchergestalt sowohl durch mündliche Darstellung
als schriftlich belehrt werde, wie das Werk angefangen, behandelt
und zu Stande gebracht werden könnte und wenn er dann daraus
die allgemeine Übereinstimmung wahrgenommen haben würde, be
stimmen zu können, was ferner zu geschehen habe. Bis dahin wolle
er wie bisher standhaft gegen die Ungläubigen und Feinde des
Namens Christi streiten.
Demeter Jerasimov erkrankte in Born in Folge des so grossen
Klimawechsels an einem schweren Fieber, erholte sich aber bald
*) Die Datirung desselben lautet: „Datum in civitate nostra Moscovia anno ab initio
mundi septimo millesimo tricesimo“. Terlia Aprilis, was dem 3. April 1322 ent
sprechen würde. Letzteres ist aber unmöglich, da es die Antwort auf das Schrei-
heil des Papstes vom 5. Mai 1324 ist, und Centurione sich im Monate Juni 1323
in Gesellschaft des russischen Gesandten auf der Rückreise nach Rom am polni
schen Hofe befand. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Übersetzer das Dalum
nicht vollständig wiedergab, welches entweder anno — — septimo millesimo tri—
cesimo tertio. Tertia Aprilis; oder tricesimo tertio. Mense Aprili zu lauten gehabt
hätte, was allerdings der allein richtigen Jahreszahl 1323 entsprechen würde.
2 ) In dem Frammento concernente la legazione di Demetrio Erasmio ecc. in Tur-
genev’s Hist. Russ. Monumenta etc. Petropoli 1841. Bd. I. p. 131. Nr. CXXVII.
heisst er „interprete Schiavone Nicolo daSebenico“; und bei Ciampi, ßibliog.
critica etc. etc. I. p. 56. „Niccola Siksenski.“
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 41
wieder, so dass er trotz seines Alters von 60 Jahren im Stande war,
den Feierlichkeiten am Feste der hh. Cosmas und Damian, so wie
dem Consistorium beizuwohnen, worin der von seiner Sendung
nach Ungern rückgekelnte Cardinal Campeggio vom Papste und
allen Hofwürden empfangen wurde, so wie auch die Kirchen und
die Überreste der einstigen Herrlichkeit Roms zu besuchen. Er
war ein (namentlich in der heil. Schrift) sehr unterrichteter und
gewandter Mann, der schon früher als Abgeordneter an die Höfe
der Könige von Dänemark und Schweden, des deutschen Grossmei
sters und des Kaisers Maximilian I. geschickt worden war. Man hielt
ihn auch für den Träger wichtiger geheimer Aufträge des Gross
fürsten, die er in den Privataudienzen Vorbringen werde <).
Nachdem sich Jerasimov aller seiner Aufträge entledigt hatte,
trat er von dem Papste mit ehrenvollen Geschenken bedacht, die
Rückreise an. Begleitet war er von dem Bischöfe Franz (de Potentia)
von Scare, welchen der Papst am 14. October 152S zum Legaten an
den Grossfürsten in Vorschlag gebracht hatte, und welcher auch als
solcher durch Beschluss des li. Collegiums genehmigt wurde 3 ).
Als Hauptzweck der Thätigkeit des Legaten in Moskau wurde
bezeichnet, den Grossfürsten dahin zu vermögen, dass er in Gemein
schaft mit den übrigen christlichen Fürsten gegen die Türken
rüsten und zu den Waffen greifen möchte.
In dem Creditive vom 18. November 1S2S drückt der Papst
seine volle Befriedigung über die Sendung des Demetrius an ihn
aus, den er als einen sehr geschickten und in der Ausführung der
ihm gewordenen Aufträge genauen Mann bezeichnet. Dem Inhalte
des ihm überbrachten Schreibens des Grossfürsten, dass dieser in
1 ) Paulus Jovius 1. c. I. p. 4. — „Framraento“ ecc. bei Turgenev, Hist. Russ.
Mon. Bd. I. p. 131, Nr. CXXVII.
2 ) Anno MLXX. XIV. Octobris. Ultimo loco sua ßeatitudo proposuit mittendum esse
aliquem ad Principem Moscoviae , et fuit conclusnm ut mitteretur R. D. Fran-
ciscus de Potentia Episcopus Scarensis, qui curaret cum eodem Principe, ut una
cum alijs Principibus christianis contra Turcas pro defensione, Christianae fidei
sese praepararet et arma caperet. — Turgenev, 1. c. I. p. 388. Nr. CCLI.—Scare,
in Schweden, Westgothland. — ■— „et quoniam ccclcsia Scarensis, cui de tua
persona per felicis memoriae Adrian um predecessorem nostrum fuit provisum, in
Regno Svetiae est, cuis tu nunquam possessionem obtin*ere potuisti, dices isti Regi
serenissimo (Poloniae) nos mandaturos, ut ins tuum in gratiam ipsius Svetiae
Regis renunties, modo i 11 c dignam et catholicam personam illi ecclesiae iubeut
praefici Thein er, I. c. II. p. 435. Nr. CCCCLXII,
42
Joseph Fiedler
eine Verbindung mit dem heil. Stulile und den übrigen christlichen
Fürsten treten wolle, es möge daher jener einen Nuntius an ihn
schicken, entsprechend, sende er den Bischof Johann Franz von
Scare ab, einen Mann voll Weisheit und Geist, dessen Mühe und
Dienstleistung er sich schon öfters in wichtigen Geschäften bedient
habe, und mit dem er alle Angelegenheiten vertraulich bespreche.
Dem Paul Centurione habe er nur gelegentlich, als er gerade in
seinen eigenen Geschäften nach Moskau ging, ein Schreiben mit
gegeben. Es habe ihn sehr gefreut, dass dieses dem Grossfürsten
angenehm gewesen sei und die Absendung eines eigenen Gesandten
an ihn mit sehr werthvollen Geschenken zur Folge gehabt habe.
Der Legat werde ihm (Grossfürsten) die Gedanken des Papstes
sowohl über die Union als über die Verbindung gegen die Türken
ganz vollständig eröffnen, er möge ihm in Allem, was er vortragen
wird, solchen Glauben schenken, als wenn der Papst selbst zu ihm
spräche. Auch habe der Legat noch andere in diesem Schreiben
nicht enthaltenen Aufträge, die er mündlich Vorbringen werde. Die
sen wolle der Grossfürst ebenfalls geneigtes Gehör schenken. Er
bitte nur Gott, dass der Grossfürst gegen ihn eben so wohl gesinnt
sein möge, als er es gegen denselben ist, und verspreche, dass er
und der heil. Stuhl sich im Falle des Zustandekommens der Union
in der seine Ehre und Würde betreffenden Angelegenheit so gegen
ihn erweisen werden, dass er durch die That erkennen solle, mit
welchem reinen Gemüthe, treuen Glauben und unwandelbarer Liebe
er ihm zugethan sei. Er erhielt auch ein Empfehlungsschreiben des
Papstes an den König von Polen (18. Nov. 1S21> i ), worin er die
durch Centurione angeknüpften Verbindungen mit dem russischen
Hofe und die Gesandtschaft Demetrius Jerasimov’s als dem Könige
bekannt voraussetzend, diesem mittheilt, dass er den Bischof von
Scare zur Verfolgung und Beendigung derselben nach Moskau
schicke. Bis jetzt sei er wohl in Bestrebungen dieser Art nicht
besonders glücklich gewesen, nichts destoweniger wolle er es doch
versuchen, ob er den Grossfürsten nicht zur wahren katholischen
Religion und zur Freundschaft mit den übrigen Monarchen und
besonders mit ihm dem Könige von Polen herüber leiten könne.
Dazu brauche er aber nothwendig seine Hilfe und Anleitung. Er
1) Thein er, 1. c. II. p. 433. Nr. CCCCLXI.
SS53
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 43
habe daher dem Legaten den Auftrag gegeben, dem Könige seine
Ansichten über den Gegenstand zu eröffnen und sich dessen Rath
und Instruction über das was er zu thun und zu lassen habe, zu
erbitten; auch solle der Legat alles aufgeben, was dem Könige
nicht genehm wäre, da die Rücksicht für ihn alle andern weit über
wiege.
Dem Legaten befahl überdies der Papst in einem eigenen
Breve von demselben Tage, sich in allen Dingen an den Rath des
Königs zu halten und das Werk mit ganz besonderem Augenmerk
auf dessen Willen und Vortheil zu leiten, .was er um so mehr thun
solle, als der Papst die Gewissheit habe, dass sich der König allen
billigen und mit seiner Ehre verträglichen Bedingungen fügen
werde.
Der Bischof-Legat fand (wie er an den Secretär des Papstes
Jakob Sadoletus, Bischof v. Carpentras, berichtet 1 ) bei seiner am
1. April 1S26 in Krakau erfolgten Ankunft den König nicht. Derselbe
befand sich in Preussen, wo das in Danzig in Aufnahme kommende
Lutherthum seine Anwesenheit hothwendigmachte. Auch die Königinn
warabweseud. Er besuchte dieselbe in ihrem Landaufenthalte, und auf
ihren Rath reiste er in Gesellschaft Demetrius’ dem Könige naeh
Marienburg nach. Er kam daselbst am 28. März an 2 ). Am folgenden
Tage (Gründonnerstage) übergab er das päpstliche Schreiben und trug
seine Aufträge dem Könige vor. Sie wurden von diesem und dessen
Rathe sehr wohlgefällig und mit vielem Danke für die Güte des Papstes
aufgenommen. Der Bescheid wurde bis nach dem Ablaufe der heil.
Woche aufgeschoben. Am Mittwoch nach Ostern (4. April) wurde
er zur Audienz gerufen und ihm eröffnet, der König finde es nach
reifer Überlegung seines Vortrages für zweckmässig, dass er seine
Reise nach Moskau fortsetze, er werde ihm die nöthigen Geleits
briefe und Begleitung mitgeben. Auch erhielt er auf vertraulichem
Wege eine Instruction, welche die Ansichten des Königs und die
Art in welcher er den Frieden unterhandelt wissen wollte enthielt.
Er wolle den Wünschen des Papstes und dem Nutzen der Christen
heit nicht entgegen sein. Vor Allem möge er bei dem Grossfürsten
die Möglichkeit des Verdachtes, das Ganze sei in Folge der Anslif-
*) Derselbe, I. c. II. p. 434. Nr. ÜCCCLII.
2 ) Derselbe, I c. II. p. 43‘). Nr. CCCCLXXI und p. 442. Nr. CCCCLXXV.
44
Joseph Fiedler
tung des Königs geschehen, durch eine offene Darstellung der bei
ihm im Namen des Papstes geführten Unterhandlungen beseitigen.
Obwohl von dem Grossfürsten schwer beleidigt, lehne er den Frie
den nicht ab. Ein solcher sei erst bei seiner Erhebung zum Gross
fürsten von Lithauen geschlossen, mit Eid und Urkunde bekräftigt
worden. Nach dessen Bruch habe ihn der Grossfürst mit Krieg über
zogen und sich Smolensks durch Verrath bemächtigt; es sei daher
nicht wahrscheinlich, dass je ein Friede mit ihm Dauer und Bestand
haben werde. In Anbetracht der Umstände und des Nutzens der
Christenheit sei er wohl zufrieden, wenn der Legat dafür thätig ist,
dass der ursprüngliche ewige Friede in der vorigen Weise und mit
seinen Bedingungen hergestellt werde und darum auch alle nach
dessen Bruche gemachten Eroberungen zurückgegeben werden. Auf
dieser Fundamentalforderung solle er bei allen Friedensnegotiationen
immerfort beharren. Wenn der Grossfürst zur Rückgabe Smolensk
nicht zu bewegen wäre, vorschützend, dass dasselbe erst nach dem
Frieden erobert wurde, so sehe er nicht ein, wie der Friede zu
Stande kommen könnte.
Letztlich werde wohl nur wegen Verlängerung des bestehenden
Waffenstillstandes selbst auf zehn oder mehrere Jahre zu unterhan
deln sein. Die Schwebe der Dinge sei ihm erträglicher, als der Ver
lust Smolensks; auch könne sich in Folge des Gesandten- und Han
delsverkehrs eine günstige Gelegenheit zum Abschlüsse des Friedens
ergeben. Wenn daher der Grossfürst zur Verlängerung desselben
geneigtwäre, könne derNuntius Versprechungen wegen der Annahme
derselben und Abschickung von Gesandten im Namen des Königs
machen; denn es sei zu erwarten, dass er sie nur mit diesen unter
handeln und bestätigen würde, wie es zwischen ihnen beiden
Gewohnheit sei *).
Der Legat traf in Moskau ein und es scheint, dass es ihm
gelang, bei dem Grossfürsten für den oben angegebenen Haupt
wunsch des Papstes geneigtes Gehör zu finden. Seine Bemühun
gen, vereint mit jenen der Botschafter Kaiser Karl V. und Ferdi
nand I., Graf Leonard von Nogaroli und Sigmund Freiherrn von
Herberstein, endlich der polnischen und lithauischen Gesandten
4 ) Turgenev, Hist. Russ. M onumenta. Bd. I. p. 153. CXXIX undTheiner, 1. c.
II. p. 441. Nr. CCCCLXXIV.
Ein Vei'such der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 45
Peter Giska, Palatin von Polock und Capitän von Drohitzin und
Michael Bohusz Bohutinovicz, Schatzmeister des Grossherzogthumes
Lithauen etc. brachten einen Waffenstillstand zwischen Russland
und Polen zuwegen, dessen feierliche Ratification Herberstein
beschrieben hat i).
Der Grossfürst schickte auch mit ihm zwei Gesandte an den
heiligen Vater. In dem Creditive vom S. December (1522) werden
sie Hieronymus Mathaei, Sohn des Trusson, und Djak (scriba) Thi-
motbeus Semenov, Sohn Vlodighin’s, genannt 2 ). Das Accreditiv
für dieselben vom 1. Februar 1528, sowie das Schreiben des
Papstes an den Grossfürsten von demselben Tage 3 ) bestätigen die
ses und belehren uns über den Zweck der Absendung der gross-
fürstlichen Gesandten, ln dem ersten sagt er: Die von ihm durch
den Bischof Johann Franz von Seare vorgeschlagene und von dem
Grossfürsten angenommene Freundschaft und Vereinigung (unio-
nem) haben jetzt auch die Gesandten desselben überbracht und
bestätigt, was ihm sehr angenehm sei und er hoffe, dass sie aus
gezeichnete Früchte für den christlichen Glauben und die ganze
Christenheit haben werde.
In dem zweiten schreibt er dann umständlicher, dass mit sei
nem rückgekehrten Botschafter die genannten Gesandten des Gross-
fiirsten angekommen und ihm Schreiben und Geschenke von diesem,
und was ihm noch angenehmer gewesen, die Versicherung seines
Wohlwollens sammt dem Versprechen überbracht haben, dass sich
der Grossfürst mit ihm und den übrigen christlichen Fürsten gegen
die Ungläubigen vereinigen wolle, eben so auch, dass er den mit
Schweden und Polen abgeschlossenen Waffenstillstand ratificirt
habe, um nach Beilegung der Kriege an den Grenzen desto freier
gegen den gemeinschaftlichen Feind Vorgehen zu können. Er danke
ihm sehr dafür und dies um so mehr, als er es seinetwillen gethan
zu haben versichere.
Wegen der wechselseitigen Handelsbeziehungen schickte er
dem Grossfürsten ein zweites Schreiben, die volle Befugniss für die
! ) Herberstein, Cominentarii etc. ßasil. 1551. p. 140 et seqq.
2 ) Ciampi, 1. c. I. p. 235 mit derselben fehlerhaften Datirung - , wie oben bemerkt
wurde.
3 ) ß e ila g e I. B und C.
46
Joseph Fiedler
Kaiifleute enthaltend, die seiner Herrschaft unterworfenen Orte zu
besuchen, dort sich aufzuhalten und dorthin Handel zu treiben. Wenn
sich dieselben gemeldet haben, wolle er für deren gute Behandlung
Sorge tragen, so wie er auch schon jetzt dem grossfiirstlicheri Han
delsmanne Alexius Basci die vollständigste Handelslicenz ertlieilt habe.
Die von dem Grossfürsten erbetenen Architekten, Maschinen
bauer (Machinarum conflatores et excussores) betreffend, bedaure
er, dass das Ansuchen gerade jetzt gestellt worden ist, wo bei
der Eroberung Roms alle Architekten getödtet oder zerstreut wur
den, und er nur erprobte Männer schicken möchte. So viel er übri
gens derselben aufbringen konnte, habe er dem Gesandten zur freien
Wahl anheimgestellt; nach Herstellung des Friedens weide er auch
in diesem Punkte dem Grossfürsten besser dienen können und sei
nen Gesandten sammt Geschenken (was ihm jetzt unmöglich sei)
absenden. Er bitte den Grossfürsten, er möge nicht nur den Waffen
stillstand beobachten, sondern denselben vielmehr in einen ewigen
Frieden verwandeln. Er wolle sich auch mit allem Eifer und seiner
ganzen Autorität für die Herstellung eines allgemeinen Friedens in
der Christenheit verwenden, damit die Waffen derselben, v.on des
Grossfürsten Macht unterstützt, gegen die Feinde Christi gekehrt
werden könnten.
Den wie es scheint geheim gehaltenen Hauptzweck ihrer Sen
dung, nämlich die Aufnahme des Grossfürsten und seines Volkes in
die Gemeinschaft der römisch-katholischen Kirche, scheinen sie nicht
erreicht zu haben. Es ist mit klaren Worten in der Eingabe Stein-
berg’s an Kaiser Karl V., vorn 4. September 1551, ausgesprochen 1 ).
Die heimkehrenden Gesandten versah der Papst mit Passbriefen
an sämmtliche christliche Fürsten und Jurisdictionen, die ausgedehn
teste Freiheit des Verkehrs für sie in Anspruch nehmend“).
Von da ab trat ein längerer Stillstand in die wechselseitigen
Beziehungen der beiden Höfe ein.
III.
Im Jahre 1547, als K.Karl V. den Reichstag in Augsburg hielt,
trat daselbst Hanns Schlitte, ein geborner Deutscher 3 ), als Gesandter
ß ei 1 a g e I. H.
2 ) ß ei I ag e I. D.
3 ) Aus Goslar. — Adelung, Krit. Übers, der Reisenden; Artikel: Slitie. I. p. 201».
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 47
des Grossfürsten Ivan Vasiljevic' Groznoj (der Furchtbare) ein, und
überreichte dem Kaiser das Originalschreiben seines Gewaltgebers,
das Ansuchen desselben um Überlassung von Gelehrten, Künstlern
und Handwerkern enthaltend. Der Kaiser übergab dasselbe den
eben versammelten Reichsständen zur sorgsamen Erwägung, welche
nach langen Beratschlagungen sich endlich fiir die Gewährung
desselben unter einigen Vorbehalten erklärten. Darauf erlaubte Kai
ser Karl V. mit einem Erlasse vom 30. Jänner 1S48 1 ) dem Johann
Schlitte in Ansehung der Freundschaft, die der Grossfürst Vasilji zu
seinen Vorfahren und zu ihm selbst stets getragen hat und die Ivan
noch trägt „und zudem das wir auch in glaubliche Erfarung komen,
Das gemelter furst Basili vor dieser Zeit sich unter die Lateinische
Kirche begeben wollen vnnd soliichs gesucht habe und wie wir
glaublich bericht der itzig Furst auch geneigt sein sol zw freundtli-
cher wilfarrung“, dass er allenthalben im römischen Reiche und
seinen Erbländern Doctores und Meister in allerlei Künsten, Glocken-
giesser, Bergwerksverständige, Goldschmiede, Leute, so im Wasser
suchen, Zimmerleute und Steinmetzen, sonderlich die zierliche Kir
chen bauen können, Brunnmeister, Papiermacher, Wundärzte und
dergleichen Kunsterfabrene suchen, aufbringen und bestellen und
gedachtem Fürsten in Reussen zuführen möge; jedoch sollen weder
er noch diese unter dem Scheine nach Russland zu ziehen, sich in
die Türkei, Tartarei oder andere Länder der Ungläubigen begeben,
sie ihre Künste lehren, Gemeinschaft mit ihnen haben und nichts
wider den Kaiser, das heilige römische Reich, den König Ferdinand
und dessen Länder unternehmen, bei dem Eide, den er Hanns
Schlitte persönlich geschworen hat, und welchen von den Angewor
benen abzunehmen der Meister des deutschen Ordens, Hermann von
Brucknaw, als kaiserlicher Commissär beauftragt sei.
Von dieser Bewilligung gab der Kaiser selbst dem Grossfürsten
Nachricht. Er schrieb ihm am 31. Jänner 1348 2 ), dass er die von
Schlitte gemachten Eröffnungen über seine (des Grossfürsten)
Gesundheit und den Wunsch um Überlassung wissenschaftlicher und
gewerbkuridiger Männer mit Wohlgefallen vernommen habe und in
Anbetracht der Freundschaft, die zwischen dem Grossfürsten Vasilji
’) Beilage I. E.
2 ) B e i I a g e I. F.
mmmm
48 Joseph Fiedler
und dem Kaiser Maximilian, dem deutschen Reiche und dem
Hause Österreich in hohem Grade stattfand, noch stattfindet und
auch in Zukunft bestehen soll, dem Schlitte die Bewilligung ertheilt
habe, in allen Theilen des heiligen römischen Reiches und seiner
Erbländer für die Dienste des Grossfürsten taugliche Leute anzu
werben.
Dieses Schreiben erhielt Schlitte, um es nach seiner Rück
kehr nach Russland dem Grossfürsten einzuhändigen.
Mit einer nicht geringen Anzahl sehr unterrichteter, geschick
ter, kunstreicher und erfahrener Männer, welche er in Ausführung
des erhaltenen Auftrages und mit Benützung der kaiserlichen Erlaub-
niss, nach vieler Mühe, Arbeit, Geld- und Kostenaufwand zusammen
gebracht hatte, trat er den Rückweg an. Er nahm die Richtung nach
Lübeck, im Vertrauen auf Grund der k. Geleits- und Passbriefe unge
hindert durchziehen und sammt seinen Begleitern zuerst zu Schiffe
nach Liefland zu gehen, um von dort zu Land nach Moskau gelangen
zu können. Allein trotz aller k. Geleitsbriefe, des Völkerrechts, der
goldenen Bulle Reformation, der Reichsabschiede und des verkün
digten Landfriedens nahmen ihn die Lübecker unter dem Vorwände
einer in früherer Zeit Contrahirten Geldschuld und ohne Rücksicht
auf den desshalb mit seinen Gläubigern abgeschlossenen Vergleich
und „aller sein und seiner freundschafft gleich und rechtmessigs
erpietens“ fest und hielten ihn bis in das andere Jahr ganz muth-
willig gefangen. Er floh aus dem Kerker und kam bis Rasseberg.
Die Lübecker folgten ihm dahin und baten, ihn als „ratione effracti
carceris“ zu Hals, Hand und Haaren beklagt wieder gefänglich ein
ziehen zu dürfen. Durch geleistete Bürgschaft sich vor Gericht zu
stellen, entging er der neuerlichen Gefahr, bis endlich ein guter
Freund ihn aus dieser widerwärtigen Lage errettete und davon
brachte.
In Ansehung dessen, dass der Wille des Grossfürsten dahin
gerichtet sei, sich mit der römischen Kirche als ein Glied derselben
zu vereinen und dass zu diesem Zwecke, sowie gegen die Türken,
Tartaren und andere Ungläubige, erfahrene und verständige Werk
leute erforderlich sind, welche anzuwerben die Aufgabe Schlittes
gewesen, und die er auch ohne die Verhinderung durch die Lübecker
erreicht haben würde, nahm er kraft der vom Grossfürsten erhal
tenen Vollmacht und des von beiden Parteien und zwei Zeugen
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 49
siegelten Vortrags vom 1. August 1550 , den Johann Steinberg i)
zu dessen lateinischen und deutschen Kanzler auf, in der Absicht,
dass sich dieser bei allen Handlungen in- und ausserhalb Moskau’s,
insbesondere aber, wenn es nöthig sein würde, bei dem Kaiser und
dem Papste verwenden lasse, wofür er bei seiner Ankunft in oskau
zur Zufriedenheit besoldet und schadlos gehalten werden solle. Auch hat
sich Steinberg mit Rücksicht auf den Umstand, dass Grossfürst
Vasilji im Jahre 1527 eine Botschaft wegen der Vereinigung mit
der römischen Kirche nachRom abgesandt hat und diese Vereinigung
dort nicht angenommen wurde, erboten, in eigener Person nach Rom
zu gehen und die Versicherung der Annahme in einer glaubwürdigen,
mit demFischerringe besiegelten Urkunde zu erwirken; und wenn dies
erfolgt sein würde, sich zur Erledigung des Werkes nach Moskau zu
begeben. Schlitte versprach auch dem Steinberg einen Pass des
Grossfürsten für ihn und seine Diener zu verschaffen und in das
Haus seines Bruders in Breslau zu schicken und ihm auf Begehren
zustellen zu lassen. Hingegen sollte Steinberg ihn, Schlitte, in allen
seinen Geschäften sowohl bei dem Kaiser als an allen anderen Orten
fördern, sowie sie sich gegenseitig in Allem unterstützen sollten 3 J.
, Der übernommenen Verpflichtung kam Steinberg zuerst da
durch nach, dass er in einer Eingabe, ddo. 4. September 1551 s),
an den Kaiser dessen Unterstützung und Mitwirkung zur Erreichung
des heilsamen Werkes zu erbitten unternahm. Er stellte vor, dass der
Grossfürst Vasilji durch eine nach Rom, im J. 1527, abgefertigte Bot
schaft die Vereinigung mit der römischen Kirche angestrebt habe,
aber damals „auf billige, fragliche und mögliche Mittel nicht an- und
aufgenommen“ werden konnte. Der gegenwärtige Grossfürst nähre
dasselbe Vorhaben, wolle aber, ehe er sich in weitere Verhandlungen
einlasse, von dem Papste die Versicherung haben, dass es also ge
schehen werde. Da iym Steinberg den Auftrag des Grossfürsten
habe, diese zu erlangen, so habe er sich an den päpstlichen Nuntius
gewendet, welcher die Sache sehr wohlgefällig aufgenommen und
1 ) Er seihst unterschreibt sich Steinbergk und scheint dem gleichnamigen , adeligen
Geschleehte itn Clevischen angehört zu haben, dessen zwei Mitglieder später in
Schweden unter den Königen Gustav Adolph, Christina und Karl Gustav zu grossem
Einfluss und hohen Würden gelangt sind.
2 ) Beilage I. G. und in lateinischer Sprache bei Turgenev, Hist. Russ. Mon.
Bd. I. p. 134. Nr. CXXX.
3 ) Beilage I. H.
Sitzb. d. phil.-hist.CI. XL. Bd. I. Hft.
4
50
.1 o s e.p li Fiedle r
als besonders erspriesslich und rathsam erklärt habe, dass er sich
vorerst an den Papst wende, an welchen, so wie an einige der vor
nehmsten Cardinäle, er ihm Fürschriften und Empfehlungen mit-
geben wolle. Ganz besonders aber könnte er Hoffnung haben, erhört
zu werden, wenn er auch von Sr. kaiserlichen Majestät Fürsprache
und Förderung erlangen würde. Da dadurch zur Ausbreitung der
wahren Religion beigetragen, der 'ganzen Christenheit Nutzen ver
schafft werde, und der Kaiser vor drei Jahren sich auch in diesem
Sinne gegen den Grossfürsten schriftlich ausgesprochen habe, so
bitte er ihn „als den obersten Vogt und einigen advokaten der hai-
ligen Kirchen“ er möge ihm die gebotene Empfehlung an den Papst
geben, damit er ungesäumt zu diesem geben, und wenn er, wie
es zu hoffen ist, guten Bescheid erhalten haben würde, in Gemein
schaft mit dem Grafen Philipp von Eberstein, kaiserl. Truchsess,
der sich des heiligen Werkes mit Darstreckung seines Lebens und
Gutes anzunehmen erbietet, sich nach Moskau begeben und das
selbe zu Ende, richten könnte.
Die Vorstellungen Steinberg’s batten bei dem Kaiser den
günstigsten Erfolg. Er gab demselben ein Empfehlungsschreiben an
Papst Julius III., ddo. 13. September 1SS1 *), worin er die Erfül
lung des Wunsches des Grossfürsten warm befürwortete. Er that
es ungefähr mit folgenden Worten. Da nach dem misslungenen
Versuche des Grossfürsten Vasilji, dessen Nachfolger Johann die
Vereinigung mit der römischen Kirche einzugehen willens sei, wenn
ihm billige Bedingungen angeboten und die Gewissheit der Annahme
vom Papste gegeben werde und dessen Kanzler, der Überbringer
dieses Schreibens, nur aus diesem Grunde zu ihm reise, so empfehle
er ihm diese nicht nur nicht abzuweisende, sondern mit bereiten
Händen aufzunehmende Angelegenheit ganz angelegentlich, aus
ganzem Herzen und zwar mit gutem Grunde. Die bedeutende Ver-
grösserung der christlichen Staaten durch das Hinzukommen eines so
ausgedehnten Gebietes, die Vortheile für die Erhaltung und Aus
breitung der heiligen Religion, endlich die Hoffnung zur Wieder
erlangung der heiligen Orte, seien leicht ersichtlich. Der Papst möge
daher die Wichtigkeit des Gegenstandes reiflich erwägen, die hie-
mit gebotene Gelegenheit zur Verherrlichung des heiligen Stuhles
*) Honnayer's Taschenbuch 1831», p.37.
Lanz, CoiTcspoml. K.Karl V. III. |>. 78.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 51
und Ausbreitung der Religion durch ein so ausgezeichnetes Glied
nicht von sich weisen und die freiwillig angebotene Unterwerfung
und Treue nicht allein annehmen, sondern sogar in jeder Weise
dazu einladen, insbesondere aber durch die Vorlage solcher Bedin
gungen und Mittel, woraus hervorginge, dass er in dem ganzen
Geschäfte nur die Ehre Gottes, Eintracht und Einigkeit des Glaubens
und der Religion; des Fürsten, dessen Volkes und Aller Seelen
heil im Auge habe. Dadurch werde er ein dem Herrn , der auf der
Erde lebend verheissen hat, dass es nur einen Hirten und einen
Schafstall geben werde, gefälliges Werk verrichten, sich selbst,
durch den der Herr so Grosses vollbracht hat, unsterblichen Ruhm
und dem Kaiser, der einen solchen Zuwachs des christlichen Wesens
zu erleben wünscht, grosse Freude bereiten.
Auch derNuntiusamKaiserhofePieti'o Bertano, Bischof von Fano,
versah Steinberg mit einem Empfehlungsschreiben an den Papst
(ddo. 14. September 1551) r) des Inhalts : Es werde zu Sr. Heiligkeit
Johann Steinberg kommen, wegen der Unterwerfung des Fürsten
(Re) von Moskau und seiner Völker unter den päpstlichen Stuhl;
ein Mann der den Fürsten und dessen Völker wohl kennt und in
nächster Verbindung mit dem Botschafter desselben am Hofe des
Kaisers steht. Er, Nuntius, habe schon unter P. Paul III. diese Ange
legenheit betrieben, allein das Zustandekommen derselben keines
wegs erzielen können. Von dem Wunsche erfüllt, dass jetzt unter
dem Pontificate Sr. Heiligkeit eine so grosse und wichtige Aequisi-
tion gemacht werde, habe er nicht unterlassen wollen zu bitten, es
möchte in Betracht gezogen werden, welche Ehre, Achtung und
welcher Nutzen dem heiligen Stuhle und welch’ unendlicher und
ewiger Ruhm Sr. Heiligkeit daraus erwachsen würde, wenn ein so
grosser Fürst mit seinem grossen Volke in deren Gehorsam kommen
würde. Er sei übrigens überzeugt, dass sie nach ihrem heiligsten
und weisesten Urtheile nichts ausser Acht lassen werde, was eines
so grossen Werkes würdig wäre. Se. Heiligkeit möge das kaiser
liche Schreiben und den mündlichen Vortrag Steinberg’s gnädig auf
nehmen. Letzterer sei den Erfahrungen zufolge, welche er während
dessen längerer Thätigkeit am Hofe des Kaisers über ihn gesam
melt habe, ein ordentlicher Mann , von bescheidenem Benehmen und
*) Beilage I. J.
4*
52
Joseph Fiedler
ganz geeignet, eine so wichtige Sache zu negociren und zu Ende zu
führen. Es werden dabei auch keine grossen Schwierigkeiten Vor
kommen, nachdem der Grossfürst von dem ersten Gedanken, den
katholischen Glauben in der von dem Könige von Polen beobachteten
Form anzunehmen aus dem Grunde abgegangen ist, weil die
Gebräuche der letzteren von den römischen stark abweichen und er
sich überdies Sr. Heiligkeit dadurch verpflichtet machen will, dass
er denselben von ihr selbst annehme. Die Kosten wolle Graf Eber
stein (Helbersten) !)> k. Würdenträger und Cavalier aus Eigenem
tragen, wenn ihm ein Kloster in Württemberg, ein altes Patronat
seines Hauses 3 ) zurückgestellt würde, wie es Se. Heiligkeit aus der
Instruction Steinberg's ersehen werde. Über das Kloster wolle er
auf dem bevorstehenden Wege nach Flandern die nöthige Informa
tion einholen und darüber Bericht erstatten.
Ganz in demselben Sinne und nicht minder warm redete der
Nuntius der Sache und Steinberg das Wort in einem Schreiben vom
17. September d. J. an den Cardinal Farnese, Protector des
Königreiches Polen bei der päpstlichen Curie s ); und eben so warm
legte Granvella, Bischof von. Arras, Minister K. Karl V. (mit Zu
schrift vom 21. October. 15S1) die Förderung einer schnellen und
günstigen Erledigung derselben dem spanischen Botschafter Don
Diego Hurtado de Mendoza an das Herz 4 ).
IV.
Im folgenden Jahre 1552 finden wir Steinberg in Rom und es
scheint, dass er die günstige Stellung, in welche er durch die vielen
1 ) Philipp II. 1523—1589. I. Gemahlinn Anna v. Douliers f 1565. II. Katharina Gräfinn
zu Stollberg-Königstein -j- 1589.
1555 wurde er Oberst über ein Regiment deutschen Fussvolks mit 1200 Livr.
Gehalt im Dienste des spanischen Infanten Philipp und im folgenden Jahre k.
Landvogt und Hauptmann der vorderösterreichischen Lande. (Zehn Jahre vor
seinem Tode wurde er von einer Gemüthskrankheit befallen, wesshalb er einen
Curator an dem Grafen Hauprecht von Eberstein erhielt. Er soll den Wohlstand
der Grafschaft mächtiger gefördert haben als alle seine Vorfahren.) Imhof, Notitia
S. R. Imp. Proc. p.610. —Huhn, Baden'sches Lexikon, p.305. —Vergl. Adelung,
Kritische Übersicht etc. Artikel: „Eberstein“. I. p. 191.
3 ) Wahrscheinlich Herrenalb, ein ehemals berühmtes und reiches Cistercienserkloster,
im Jahre 1148 von Graf Berthold von Eberstein errichtet. Siehe Pfeiffer: Lexikon
von Württemberg, p. 607.
3 ) Beilage I. K. L.
4) Beilage I. M.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. # 53
und gewichtigen Empfehlungen versetzt wurde, benützend mit aller
Energie an die Durchführung seines Auftrages gegangen sei. Das
erste Actenstück, denn wir in diesem neuen Stadium der Angelegen
heit begegnen, ist ein Memoire Steinberg’s, ddo. 3. April 1552, an
seinen Hauptgönner den seit 31. Mai 1550 Cardinal gewordenen
Bischof von Fano über die Art und Weise wie dieselbe am besten in
Fluss gebracht werden könnte. Seine Vorschläge lauteten:
1. Der Papst möge dem Kaiser antworten, was er zu thun
gedenke, damit es nicht den Anschein habe, er achte wenig auf
dessen Verwendung.
2. Dem Grafen Eberstein und ihm Steinberg sollen Creditive
des Papstes an den Grossfürsten gegeben werden, deren Inhalt dem
Ermessen des Papstes und der mit diesem Geschäfte betrauten Car-
dinäle anheimgestellt bleiben müsse.
3. Es sollen ihnen auch Creditive an den Metropoliten von
Moskau als das Haupt des russischen Klerus mitgegeben werden,
damit er durch die aus dem Werke selbst entspringenden Vortheile
und die ihm aus dem Zustandekommen desselben erwachsende
Ehre und Würde angespornt werde, dasselbe eher zu befördern als
zu hindern.
4. Es sollen ihnen vom Papste selbst Pässe in generali et
meliori forma gegeben werden, an alle Fürsten, dann Civil- und
Militärpersonen, deren Gebiet sie berühren würden (mit specieller
Erwähnung des zwischen Polen, dem deutschen Orden und Russ
land zu unterhandelnden Friedens).
Der Cardinal wurde überdies um die Beförderung und Unter
stützung desselben bei dem Cardinal (Bernardino) Maffei inständig
gebeten und demselben die Erkenntlichkeit des Grossfursten und
Gotteslohn in Aussicht gestellt J ).
Am 23. Mai 1552 war es ihm gegönnt, seine Commission dem
Papste selbst vorzutragen. Er that es in folgender „Werbung“ 2 ).
Um nicht noch einmal Sachen vorzubringen, die Sr. Heiligkeit ohne
hin aus dem Schreiben des Kaisers, den Vorträgen der Cardinäle
und Erzbischöfe, dann des kaiserl. Botschafters Mendoza zur Ge
nüge bekannt seien, begnüge er sich damit, vorzutragen, dass der
*) Beilage I. ().
2 ) Beilage I. N.
54
Joseph Fiedler
Grossfiirst Ivan von Moskau, wie vordem sein Vater Vasilji, das Ver
langen trage, sammt seinem Volke unter Vermittlung des Kaisers
von Sr. Heiligkeit als Glied der lateinischen Kirche aufgenommen,
von derselben, dem Haupte der Christenheit, König titulirt und mit
den Insignien der königlichen Würde beschickt zu werden. Das
Zustandekommen des Werkes werde nicht allein der Kirche, der
persönlichen Würde des Papstes, sondern auch der ganzen Christen
heit von grossem Nutzen sein, da dadurch nicht blos ein ewiger
Friede zwischen Polen und Russland zu Stande gebracht, sondern
auch die Eroberung der heiligen Orte sehr erleichtert würde. Er
hoffe, der heilige Vater werde ihn nach seiner allbekannten Clemenz
nicht allein an-, sondern auch erhören, damit durch die That klar
werde, er habe bei diesem heilsamen Werke nicht so sehr seinen
persönlichen Vortheil als die Verherrlichung Gottes und die Aus
breitung der Kirche, wie es seines Amtes ist, vor Augen gehabt.
Wenn es geschehen und dem Grossfürsten Ivan Vasiljevid durch
den Grafen Philipp v. Eberstein, k. Truchsess, der sich selbstwillig
der Gesandtschaft mit ihm unterziehen will, zur Kenntniss gebracht
sein wird, zweifle er gar nicht, dass die Angelegenheit zu dem ge
wünschten Abschlüsse gebracht werden würde, da weder er noch
der Graf irgend welche Mühe zur Erzielung desselben scheuen
wollten.
Die weitere Verhandlung scheint einer Congregation der Car-
dinäle Sta. Croce, Pacieco, Putheo, Maffei und Pighino anver
traut worden zu sein, wobei Maffei als Stellvertreter des abwesen
den Cardinais Farnese, Protectors des Königreiches Polen, die
einflussreichste Rolle gespielt haben mag. Der Papst hatte ihm auch
befohlen, den König Sigismund Il.vonPolen von diesem Begehren des
Grossfürsten von Russland zu unterrichten, da er in einer so herr
lichen (speciosaj und von so vielen Protectoren beschützten Sache
ohne sein Vorwissen nichts entscheiden wolle.
Der König von Polen und seine Räthe sahen diese Unterneh
mung des Grossfürsten einerseits für den päpstlichen Stuhl ohne
Nutzen und andererseits für Polen nicht nur als bedenklich, sondern
sogar im höchsten Grade staatsgefährlich an. Die Gründe für diese
Ansicht wurden sehr weitläufig in der Instruction für den Gesandten
Polens an den päpstlichen Hof, Albert Cryczki, Secretär des Königs,
auseinandergesetzt, worin er auch den gemessenen Befehl erhielt, bei
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 55
dem Papste und den Cardinälen alles anzuwenden, dass dem Anbrin
gen Steinberg’s keine Folge gegeben werde. Es ist gewiss nicht
uninteressant, den Standpunct in so authentischer Weise kennen zu
lernen, den Polen in dieser Frage einnahm.
Der Cardinal Maffei — sagt die Instruction — habe dem
Könige im Aufträge des Papstes das Begehren des Grossfürsten mit-
getheilt, das Schreiben ihn jedoch auf der Rückreise aus Lithauen
nach Polen erreicht. Da er seine Räthe nicht bei sich gehabt, habe er
vorläufig den Cardinal gebeten, er möge dem heiligen Vater in seinem
Namen für die Mittheilung Dank sagen und einen Aufschub der Erle
digung erwirken. Jetzt nach glücklicher Rückkehr und nach
geschehener Einvernehmung der Senatoren, antworte er dem Papste.
Er danke demselben zuerst, dass er mit Rücksicht auf die Wichtig
keit des Umstandes, dem Könige sei als Nachbarn der Charakter des
moskowitischen Volkes wohl bekannt, dem Cardinal Maffei den
Auftrag gegeben habe, ihn davon in Kenntniss zu setzen.
Dem Moskowiter sei kein Ernst mit der Religion, da er nichts
mehr hasse, als die römische Kirche und den Papst, und der
angeborne Stolz des Fürsten und des Volkes nie eine Autorität über
sich anerkennen werde. Es sei nur die Titelsueht des ersteren,
der sich auch schon Kaiser genannt wissen wollte, worüber er
mit den Nachbarvölkern in grossen Streit gerathen ist, die ihn
dazu führe. Nach Erreichung seines Zweckes werde er wieder zur
alten Art zurückkehren.
Die Geschichte und die Überlieferung zeigen, dass mehrere
moskowitische Fürsten und zwar von den ersten Monarchen in der
Christenzeit unterstützt, dasselbe bei mehreren Päpsten angestrebt
haben, jedoch immer ohne Erfolg.
Auf dieselbe Weise hatte Herzog Daniel von Halic vom Papste
Innocenz erwirkt, dass er Opitz als Legaten a latere an ihn absandte,
welcher den Fürsten im Glauben wohl unterrichtet fand und dem
selben nach abgelegtem Versprechen des Gehorsams gegen den Papst
das Diadem aufsetzte. Darauf schickte aber der Fürst den Legaten nach
Hause und war ein noch erbitterterer Gegner des Papstes, wie vordem.
Aus der bei seinen zahlreichen Unterthanen griechischen Be
kenntnisses gesammelten Erfahrung wisse der König, wie zähe sie
56
Joseph Fiedler
an ihren Kirchengebräuchen hängen, dass ein Jeder lieber in der
niedrigsten Stellung werde verharren als unter der Autorität des
Papstes auf hohem Posten stehen wollen. Schon Erzbischof Isidor
von Kiew erklärte sich sammt seinen Begleitern auf dem florentini-
schen Concil für die römische Kirche und wurde mit dem Cardinals-
hute geschmückt und mit Aufträgen des Papstes zu den Moskowitern
geschickt, von diesen jedoch auf das Unwürdigste empfangen, so,
dass er nur durch Flucht dem Tode entging und zwar aus keinem
andern Grunde, als des Hasses wegen, der daselbst gegen die
römische Kirche herrscht.
Dieser Wankelmuth sei den Päpsten Alexander VI. und Leo X.
nur zu gut bekannt und die Ursache gewesen, dass Grossfürst Vasilji,
welcher dieselbe Würde durch eine feierliche Gesandtschaft und mit
grossen Versprechungen sollicitirte, trotz der Verwendung K. Maxi
milian I. und anderer angesehenen Potentaten, nichts erreicht habe.
Auch Hessen die Russen die heilige Schrift, die ein Unterthan
seines verstorbenen Vaters in die russische Sprache übersetzt hatte
und erscheinen Hess, öffentlich verbrenuen, weil die Übersetzung
von einem Katholiken und in polnischen Landen gemacht war.
Es Hege ferner Polen daran, dass Russland den Königslitel nicht
erlange, weil dadurch die Wiedereroberung der von den Russen dem
polnischen Reiche entrissenen Gebiete Russlands erschwert würde;
und die zu Polen gehörigen Ruthenen sich bestimmen lassen könnten,
zu den gleichgläubigen Russen abzufallen *), zumal, wenn sie sehen
würden, dass der Papst die Dogmen derselben anerkenne. Daraus
müsste auch nothwendiger Weise ein schwerer Krieg entstehen.
DieRuthenen trügen es jetzt schon sehr schwer, einem anders
gläubigen Könige unterthan zu sein und den Katholiken nachstehen zu
müssen. Die Würde der katholischen Mächte würde es ferner nicht
erlauben, dass ihr Kirchenoberhaupt von einem barbarischen Volke
hintergangen werde. Da die Könige von Polen die Art und Weise
der Russen kennen, alles zu versprechen, wenn sie etwas anstreben;
so haben sie stets als Wächter der Kirche und Enthüller (mdicesj
russischen Verrathes die Päpste davor gewarnt und diese ihnen
*) Sentiunt multi ex iis (Ruthenis) secreto (ut creditur) pro Mosco nulla alia magis,
quam Religionis causa. Eam enim per omnia communem habent, transfugerentque
passim multi, nisi exploratam Mosci tyrannidem formidarent -(1514) — Epistola
Pisonis ad Joan. Coritium in Pistor. Script, rer. Pol. III. p. 3.
Ein Versuch der Vereinigung: der russischen mit der römischen Kirche. 57
immer Folge gegeben. So wie es seinen Vorfahrern den Königen
Johann Albert, Alexander und seinem Vater Sigismund angenehm
gewesen, so hoffe er auch, dass seine Stimme gehört werde.
Der Papst werde auch wegen eines sehr zweifelhaften Gewin
nes bewährte Glieder der Kirche sich nicht entfremden wollen. Polen
sei immer getreu gewesen. Ganz das Gegentheil habe immer bei den
Küssen stattgefunden. Sie seien zur Schande des christlichen Namens
in die Gemeinschaft der Katholiken eingetreten und wieder abgefallen.
Alles dieses sei von so arger Beschaffenheit, dass es sehr oft
Grund zum Kriege mit den Moskowitern abgegeben habe, und würden
diese ihre Wünsche erreichen , so wäre nur noch mehr Anlass dazu.
An einen dauernden Frieden zwischen Polen und Russland sei nicht
zu denken, wenn auch davon in den dem Grossfürsten vorzulegen
den Bedingungen Erwähnung geschehe; denn so lange die Mosko
witer den entrissenen Theil Russlands nicht zurückgestellt haben,
könne keine Rede davon sein.
Selbst wenn zwischen beiden Mächten Friede würde, sei nicht
zu erwarten, dass Russland gegen die Türken würde Hilfe leisten
können, wenn man dessen Entfernung und den Umstand bedenkt,
dass es nur durch Polen jenen beikommen könne. Wenn dies
Polen auch zuliesse, so würden die beutegierigen Russen mit den
solche Räubereien nicht duldenden Polen zusammenstossen. Zu Wasser
seien die Russen ganz unerfahren, daher sie dort keinen Beistand
werden gewähren können, und würde man sie wassergeübt machen
wollen, so wäre davon mehr Nach- als Vortheil zu gewärtigen sein,
da sie den ihnen sowie allen nördlichen Völkern eigenen Raubge-
liisten nicht widerstehen und darum zu Wasser noch schädlicher
werden würden.
Es wäre sogar zu fürchten, dass die Russen Polen am Kriege
gegen die Türken hindern wollten.
Die Moldauer und Walachen griechischen Bekenntnisses wären
vielleicht für den römischen Stuhl zu gewinnen. Dieselben würden
aber im Schisma um so hartnäckiger verharren, wenn sie sähen, dass
der schismatische Russe sogar mit der Königswürde geziert werde.
Der Papst möge daher überlegen, was er in der Sache thun wolle.
Den Cardinälen als Hütern des christlichen Staates liege es ob, den
Papst so zu berathen, dass er nicht leichtgläubig oder durch Jemands
Bitten bewogen sieb selbst und den heiligen Stuhl preisgebe, Polen
58
Joseph Fiedler
Schaden zufiige und christliche Mächte dem Kriege überliefere. —
Ohne Zweifel durch die Einwirkung des polnischen Botschafters,
der in Folge der oben umständlich angeführten Aufträge alle An
strengungen gemacht haben wird, den ihm von seinem Sender als
staatsgefährlich bezeichneten Plan zu vereiteln, bestimmt, beeilte
sich der Cardinal Malfei nicht sehr denselben zu fördern. Steinberg
diese absichtliche Verschleppung und deren Grund wahrnehmend,
wendete sich beschwerdeweise zuerst an den Cardinal Pacieco, dann
an die Congregation selbst. In dem Memorial, welches er .dem ersten
überreichte, stellte er vor, dass er seit 16 Monaten das Geschäft
betreibe. Dasselbe sei dem Cardinal Matfei anvertraut, dessen
viele Arbeiten ihm wenig Zeit dazu übrig lassen, und da er zugleich
die Stelle des Cardinais Farnese, als Patron des Königreiches Polen
einnehme und wahrscheinlich von dem polnischen Botschafter im ent
gegengesetzten Sinne beeinflusst werde, so wäre es der Mühe werth,
dasselbe einem andern und zwar dem Cardinal von Fano zu übergeben,
welcher schon seit einigen Jahren davon ganz genau unterrichtet sei.
Der Cardinal Pacieco möge die Sache bei dem Papste in diesem Sinne
Vorbringen!).
In der zweiten ungefähr zwei Monate später übergebenen Ein
gabe an die früher bezeichneteSpecial-Congregation s ) ging er nach
vorausgeschickter kurzer Darlegung der bisher eingetretenen Ver
zögerungen der Angelegenheit auf die Sache selbst ein, den bis
herigen Standpunct derselben und die zunächst nothwendig zu
ergreifenden Schritte vorlegend. Er sagte: Der Kaiser hat an den
Papst ein eigenes Schreiben gerichtet, das der Cardinal Maffei in
Händen hat. Er selbst sollicitire dieselbe seit siebzehn Monaten. Der
Cardinal von Fano hat desslialb schon vor 5 Jahren an Papst Paul III.
geschrieben, und sich neuerdings bei dem Papst Julius III. ver
wendet. Dieser hat dieselbe nicht allein als eine nicht zu vernach
lässigende anerkannt, sondern deren Erledigung trotz aller gemachten
Einwendungen im letzten Consistorium in Gegenwart der Cardinäle
Maffei und Fano anbefohlen.
Gegenwärtig wird nichts anderes begehrt, als dass der Papst
dem Grossfürsten durch den Grafen von Eberstein und ihn Steinberg
*) Beilage I. P.
2 ) B e il age I. Q.
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 59
bedeuten möge, er wolle von des Kaisers Schreiben und seiner,
Steinberg’s Mühewaltung ausgehend, die Petita gewähren und, falls
es genehm ist, auch billige und mit des Grossfürsten Ehre verträg
liche Bedingungen beifügen.
Der auf diese Art benachrichtigte Grossfürst werde dann zur
Vollendung des Werkes seine Gesandten schicken.
Am Tage zuvor habe Johann Axelius in Steinberg’s Namen den
Cardinälen Putheo und Pighino die Bedingungen in Kürze vorgetra
gen, die beiden gefallen zu haben scheinen, und die Pighino, mit
welchem darüber umständlicher verhandelt wurde, wenn es belieben
sollte, vorlegen werde.
Diese Bedingungen !). die schon früher über Auftrag derCardinäle
von Augsburg und Maffei dem Papste überreicht und nun in Form
eines Memoires der Congregation der zu diesem Geschäfte benann
ten Cardinäle vorgelegt wurden, und über welche hinaus von Eber
stein und Steinberg nichts unterhandelt werden soll, ausser wenn
es zum offenbaren Vortheile des päpstlichen Stuhles gereicht, lauten:
1. Der Grossfürst vom Papste König titulirt und als solcher in
der ganzen (christlichen) Welt publicirt, soll gehalten sein, seine
Gesandten an den Papst zu schicken mit dem officiellen Aufträge
(mandatis publicis) dem päpstlichem Stuhle Treue und Gehorsam
zu schwören. Er soll vom Erzbischöfe von Moskau als Primas des
Reiches gekrönt werden, wobei er den obigen Eid in die Hände des
Primas ablegen wird. Im ersten Jahre nach seiner Krönung schickt
er seine Gesandte nach Rom zur Ablegung desselben Obedienz-
Eides.
2. Zu jedem neu gewählten Papste soll der König im ersten
Pontiflcaljahre nach Gewohnheit der übrigen Fürsten seine Gesandten
schicken, um demselben Treue und Gehorsam zu schwören.
3. Der Primas des Königreiches Moskau soll in herkömmlicher
Weise gewählt werden, die Bestätigung aber vom Papste erhalten,
der ihm auch das Pallium verleiht. Er ist Primas des Reiches und
Legatus natus und legt nach der Bestätigung entweder persönlich
oder durch seine Bevollmächtigten den Eid der Treue und des
Gehorsams ab. Wegen der grossen Entlegenheit der Provinz Moskau
übergibt der Primas den Erzbischöfen das Pallium, bestätigt die
60
Joseph Fiedler
anderen ordnungsmässig eingesetzten Bischöfe im Namen des Papstes
und nimmt ihnen bei der Bestätigung und Übergabe des Palliums den
Eid des Gehorsams für den Papst und sich als dessen Legaten.
4. König und Primas schwören, alle Mühe anwenden zu wollen,
dass die russische Kirche mit der römischen als der Mutter aller
übrigen Kirchen auf der Welt so schnell und ruhig als nur möglich
vereinigt werde.
5. Der ganzen Christenheit wird es zum wesentlichen Vortheile
gereichen, wenn der Papst, wie es ihm, dann dem Cardinal Maffei
und anderen Cardinälen gleich am Anfänge der Verhandlung vorgestellt
wurde, seine Autorität anwendet, um einen festen Frieden zwischen
dem Grossfürsten von Moskau, dem Könige von Polen, dem deut
schen Orden und den Ständen Lieflands zu Stande zu bringen, damit
sie dann desto bequemer und leichter die Waffen gegen die Türken
und Tartaren kehren könnten.
Gerade in dem Augenblicke als es schien, dass die Negotiationen
in ein günstiges Stadium treten würden, geriethen dieselben neuerlich
in die Gefahr des Stillstandes durch die Abreise des wärmsten und
einflussreichsten Förderers derselben, des Cardinais von Fano, nach
der Lombardie.
Dieser schrieb darüber am 3. Mai 1553 an den Grafen von Eber
stein Folgendes: Er werde von Steinberg erfahren haben, durch
welche Gründe das Geschäft aufgehalten und was alles von dem polni
schen Botschafter (welcher eigens desshalb nach Rom geschickt wurde),
dagegen vorgebracht worden sei. Nichts desto weniger habe er es bei
dem Papste und einigen der vornehmsten Cardinale so befördert, dass
jener in dem letzten Consistorium angeordnet habe, dasselbe solle
ohne Rücksicht auf die Einstreuungen des Botschafters in drei Tagen
erledigt werden. Dies sei aber wegen seines Unwohlseins und
späteren Abreise in die Lombardie nicht geschehen, doch habe er
dasselbe bei seinem Abgänge den Cardinälen Pacieco, Putheo und
Pighino so lebhaft empfohlen, dass er nicht zweifle, Steinberg — den
er ihm sehr empfehle— werde nächstens seine Abfertigung erhalten.
') ß e i I a g e I. S.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche.
61
V.
Am 17. März ISS3 erschien der Schwager des Königs von Polen i),
Herzog (Dux) Nikolaus von Radzivil, Kanzler und Oberstmarschall
des Grossherzogthums Lithauen, als Botschafter bei K. Ferdinand I.,
um wegen derHeirat seinesKönigs mit derErzherzoginn Katharina,
verwitweten Herzoginn von Mantua, zu unterhandeln und zugleich
gegen die warme Förderung des russischen Religionswerkes von
Seite des kaiserlichen Hofes lebhafte Vorstellungen zu machen.
In der öffentlichen Audienz, die er wenige Tage nach seiner
Ankunft erhalten hatte, überreichte er eine die letztere Angelegen
heit betreffende Staatsschrift 2 ), worin er im Namen des Königs sagt:
Sein König habe in Erfahrung gebracht, dass sich der Gross
fürst von Moskau bei K. Karl V. um die Verleihung der königlichen
Krone und Titels bewerbe, und da er seinenWunsch ohne Vereini
gung mit der römischen Kirche nicht leicht erreichen könne, habe
er sich auch für diese entschieden, und der Kaiser sich sehr ein
dringlich bei dem Papste verwendet, dass er in den Schooss der
römischen Kirche aufgenommen werde.
Den König seinen Herrn wundere es gar nicht* dass derGross-
fürst diese von seinen Vorfahren mit allem Eifer betriebene Angele
genheit neuerdings aufgenommen habe; sehr stark müsse es ihn aber
wundern, dass der Kaiser seinen bittersten Feind so begünstige und
wegen dessen Schmückung mit der Königskrone so grosse Sorge trage.
Die freundschaftlichen Verhältnisse des Königs mit dem Hause
Österreich, sowie wechselseitige Verträge, für deren Erhaltung und
Fortbildung der König immer auf das Gewissenhafteste besorgt war,
hätten ihn zu der Hoffnung berechtigen dürfen, dass der Kaiser
ihn von diesen Bestrebungen des Grossfürsten in Kenntniss setzen
und seinen Gegner in keiner Weise unterstützen werde. Nachdem er
jetzt dennoch mit vielem Schmerze das Gegentheil erfahren habe, so
könne er es nicht so sehr einem Übelwollen als vielmehr dem Um
stande zuschreiben, dass es von dem Kaiser, dessen Geist durch
so viele Geschäfte in Anspruch genommen werde, durch allerlei Vor
spiegelungen und zwar vorzugsweise durch das Vorgeben der Aus-
*) Er war der Bruder der zweiten Gemuhlinn Sigisinund’s II. Barbara v. Radzivil 1S50.
2 ) Beilage 111.
62
Joseph Fiedler
dehnung der Grenzen des göttlichen Wortes und des gegen die Türken
zu leistenden Beistandes erschlichen worden sei.
Der König von Polen seihst ein eifriger Förderer des christ
lichen Glaubens, würde dem Grossfürsten zur Erreichung seines
Wunsches behilflich gewesen sein, wenn er darin mehr als einen
blossen Deckmantel für dessen Ehrgeiz und den Willen, zwischen ihm
und dem Kaiser Zwietrachtsamen zu säen, erkannt hätte. Das Wesen
der Moskowiter so wie aller Russen bestehe in dem Hasse und in
der Verfolgung des römischen Glaubens und seiner Bekenner, und
wenn sie dennoch zur Erlangung der Königskrone und'des Königs
titels die Annahme des ihnen auf das Höchste verhassten Glaubens
versprechen, so thun sie es nur darum, weil sie gewohnt sind ihre
Versprechen entweder gar nicht oder nur bis zur Erreichung des
gewünschten Zieles zu halten.
Auch von der versprochenen Türkenhilfe sei nichts zu erwar
ten, denn nicht nur dass die Russen den übrigen Christen, so oft sie
in einem Glaubenskriege begriffen waren, alle möglichen Hindernisse
bereitet und sie von ihrem frommen Werke abzuziehen gesucht
haben, so ist auch die Entfernung so gross, dass sie, wenn
auch der König die Bewilligung zu dem nöthigen Durchzuge durch
seine Länder geben würde, mit einem Heere gar nicht ankommen
könnten. An die Ertheilung dieser Bewilligung sei aber bei den räu
berischen Gewohnheiten der Russen gar nicht zu denken.
Schon die Vorfahrer des Königs haben diesen Ehrgeiz der
Russen bekämpft, und sein Vater das Gelingen ihrer Absicht sowohl
durch gewichtige Vorstellungen bei den übrigen christlichen Mäch
ten als durch siegreiche Waffen hintertrieben. Auch Kaiser Maximi
lian I. habe trotz der Freundschaft mit dem denselben Zweck unter
gleichem Vorwände anstrebenden Grossfürsten Vasilji und trotz
des Entschlusses ihn darin zu unterstützen, in Folge der von der
Feindseligkeit der Russen gegen die römische Kirche erhaltenen
Proben, dies nicht nur nicht gethan, sondern eifrig dagegen gear
beitet. Er habe daher geglaubt, sich vor Allem an K. Ferdinand des
Kaisers Bruder wenden zu müssen, da er in ihm mehr einen wahren
Vater als den Schwiegervater verehre und das grösste Zutrauen zu
iflm habe, dass er bedenken möge, ob der Kaiser, wenn er mit Wissen
und Wollen und ohne alle Rücksicht auf den König so handelt, den
zwischen den beiden Regentenhäusern bestehenden freundschaft-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 63
liehen Verhältnissen Rechnung trage. Sollte er aber von der Ansicht
geleitet werden, das Reich Gottes auszudehnen, so sei es zwar für
den König weniger schmerzlich, doch sage ec voraus, dass der
Grossfürst sein Versprechen entweder gar nicht oder nur so lange
halten werde, bis er seinen Zweck erreicht hat. K. Ferdinand wolle
daher bei dem Kaiser dahin wirken, dass der Grossfürst nicht dahin
gelange. Der König wäre sogar bereit, wenn es K. Ferdinand für nötliig
hielte, einen Botschafter an den Kaiser zu senden. Er hoffe K. Ferdi
nand werde es bei dem Kaiser erwirken, dass er den Grossfürsten
nicht unterstütze, sondern dem Papste erkläre, dass er nach dem
Beispiele K. Maximilian I. nicht wünsche, dass der Grossfürst mit
dem Köiiigstitel ausgezeichnet werde. —
K. Ferdinand scheint die Sache so wichtig und dringend gefun
den zu haben, dass er den Botschafter schon am 24. März 1SS3
also mit der grössten Beschleunigung die schriftliche Antwort 1 ) zu
stellen liess: er habe bisher von dem Wunsche des Grossfürsten nicht
gehört, halte es aber für gerathener, dass er sich vorerst schriftlich
bei dem Kaiser um den Stand der Angelegenheit erkundige und
darüber informiren lasse, und wenn er erführe, dass etwas dergleichen
im Werke sei, den Kaiser ermahne, dass er davon ablasse. Sollte je
doch schon etwas geschehen sein, so wolle er seinen ganzen Ein
fluss bei dem Kaiser anwenden, dass er sich ganz im Sinne der Vor
stellungen des Botschafters gegen den Papst erkläre und des Königs
Bemühungen bei demselben unterstütze. Die Antwort des Kaisers
werde er ihm sogleich mittheilen. Die Reise des Botschafters zum
Kaiser (wozu er beglaubigt und instruirt sei) halte er jetzt nicht für
nöthig, er möge lieber bis zur Einlangung der kaiserlichen Antwort
an seinem Hofe bleiben. Letztere werde darüber entscheiden, oh die
Botschaft dahin nothwendig sei oder nicht, und es sei von da viel
leichter zum Kaiser zu gelangen, als wenn er nach Polen zurückge
kehrt sein würde. Wegen Erlangung einer schnellen Antwort, wolle
er einen eigenen Curier an den Kaiser schicken und sowohl seinem
Botschafter als seinem Agenten am Hofe des Kaisers den Auftrag er-
theilen, dass sie im Nachforschen und Verhandeln keinen Fleiss sparen.
An demselben Tage, wo Radziwil diese Antwort erhalten hatte,
schrieb K. Ferdinand I. ganz im Sinne derselben an seinen kaiser-
J ) Beilage VI,
64
Joseph Fiedler
liehen Bruder ») und legte wegen besserer Information eine Abschrift
der Eingabe des Botschafters und der ihm ertheilten Antwort bei.
Er machte in dem Schreiben die Ansicht geltend, die weit grössere
Wahrscheinlichkeit spreche dafür, dass der König von Polen in den
allgemeinen Angelegenheiten der Christenheit sowohl mit Rücksicht
auf die Türken als Frankreich (welche Mächte beide in jenen
Gegenden viele Praktiken unterhalten), viel mehr Schaden anrichten
könnte, wenn man ihm Anlass zur gerechten Unzufriedenheit geben
würde. Zugleich bat er um Angabe dessen, was er dem Botschafter
im Namen des Kaisers antworten solle.
Am 11. April 1553 erfolgte die Antwort des Kaisers an K.
Ferdinand 3 ). Dieser wurde ersucht, dem Botschafter im Namen
des Kaisers zu erklären, er möge es nicht befremdlich finden, dass
er geneigt gewesen sei, den Grossfürsten in seiner in Rom
betriebenen Angelegenheit zu unterstützen, da es ihm nicht
bekannt war, dass dieselbe etwas dem polnischen Hofe präjudicir-
liches enthalte und der Grossfürst seine Bemühungen auf eine so
ehrenvolle Grundlage, wie die Vereinigung mit der katholischen
Kirche, gründete und eine so bedeutende Erweiterung derselben in
Aussicht stellte. Doch belehrt, dass hierin für den König von Polen
ein Nachtheil liege und dass der Grossfürst unter diesem fingirten
heiligen Scheine nur seine Privatvortheile verfolge, wolle.er seinem
demnächst nach Rom abgehenden Gesandten den Auftrag geben,
dem li. Vater eigens zu erklären, dass er nicht allein eine dem
Könige von Polen nachtheilige Sache nicht befördern wolle, sondern,
dass er ihn bitte, er möge in seinen weiteren Entschlüssen dem
Gegentheile des von dem Grossfürsten Begehrten seine Aufmerksam
keit schenken und sich nicht zu einem Schritte bestimmen lassen,
der in der Absicht unternommen, ungewisse Freunde zu gewinnen,
gewisse und altbewährte Verbündete, die sich als so feste Anhänger
des Glaubens gezeigt haben, benaehtheiligen würde. Dies sei übri
gens seiner Ansicht nach dasjenige, was der König von Polen allen
falls von ihm verlangen könnte.
Diese Antwort theilte K. Ferdinand dem polnischen Botschafter
in Abschrift mit, der sich inzwischen in Wiener-Neustadt aufgehallen
*) Beilage VII.
2) Beilage VIII.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. OS
und benachrichtigte den Kaiser davon am 27. April i) mit dem Bei
satze, er glaube, der König werde sich damit zufrieden stellen; sollte
er aber noch irgend etwas begehren, werde er den Kaiser sogleich
davon in Kenntniss setzen.
In demselben Sinne schrieb auchK. Ferdinand am Anfänge Mai’s
zweimal an den Papst. Das Antwortbreve vom 27. Mai 1553 2 )
spricht von der Befriedigung, die der h. Vater darin finde, dass
er in einer und derselben Sache sowohl K. Ferdinand als K. Sigis
mund zu Willen sein könne; er habe die Begehren des Grossfürsten
schon früher verworfen.
Eben so klar und bestimmt hatte sich der Papst über die Ableh
nung schon in dem Breve vom 15. April 1553 3 ) an den Erzbischof
Nikolaus von Gnesen und die Bischöfe Andreas von Krakau, Johann
von Vladislav, Andreas von Posen und Samuel von Chelm ausgespro
chen und dieselbe mit der bei ihm schon früher vorhanden
gewesenen Übereinstimmung mit den vom K. Sigismund II. vom
Beginne an und von ihnen in der Eingabe vom 15. Februar d. J.
gegen die Aufrichtigkeit des Verlangens des Grossfürsten nach den
Union erhobenen Bedenken motivirt 1 , und dieselben zugleich ver
sichert, auch in Zukunft nur nach vorausgegangener Einvernehmung
des Königs und des polnischen Episcopats hierüber Beschluss fassen
zu wollen.
VI.
Trotz der directen Abweisung, wie sie Papst Julius III. dem
K. Ferdinand I. und den polnischen Bischöfen meldete, scheint man
am päpstlichen Hofe die Frage nicht allein von dem politischen
Standpuncte, welcher in den Breven den Sieg feierte, angesehen zu
haben, sondern eine einflussreiche besonders von dem Cardinal von
Fano geleitete Partei alles daran gesetzt zu haben, die dem Gelingen
derselben entgegenstehenden Hindernisse zu beseitigen. Ob bei
dieser das reine religiöse Interesse oder nur eine von der obigen
*) Beilage IX.
^Beilage X.
3 ) . . . „Moscouitte Principis postulala reiecimus nee quidquani ul Io (empöre de eo
per nos slatuetur, quin et eum isto pnestantissimo Rege, et vobiscum etiam prius
communicemus“. — Ravnaldus, Annal. Eccles. Tom XXI. Part. II. A. 1353.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. I. Hft. 5
Joseph Fiedler’
6 ß
verschiedene politische Anschauung massgebend gewesen sei, können
wir nicht entscheiden, so viel ist jedoch gewiss, dass die fortge
setzten Bemühungen Steinberg’s dennoch nicht ganz resultatlos ge
blieben sind. Er betrieb auch sein Geschäft mit aller Anstrengung
und täglich bei den Cardinälen, welchen es der Cardinal von Fano
bei seiner Abreise empfohlen hatte.
Ohne Rücksicht auf den neuerlichen Befehl des Papstes an Car
dinal Maffei, binnen drei Tagen die Expedition für Steinberg zu
machen, wurde es doch von mehreren Gegnern so nachdrücklich
bekämpft, dass ernstlich zu befürchten stand, es werde gar nie zu
Stande kommen, wenn es nicht dem Cardinal Maffei abgenommen
und in andere Hände gelegt würde.
Diese Schwierigkeiten enfmuthigten Steinberg so sehr, dass er
beschloss, unverrichteter Dinge abzureisen. Bevor er es that, wollte
er sich noch in einem Memoire <) dem Papste schriftlich empfehlen.
Der Eingang desselben enthielt den Dank für das Wohlwollen, womit
der heil. Vater die ihm anvertraute Commission aufnahm und deren
schnelle Erledigung neuerdings anbefahl. Dann fuhr er fort: durch
welche Umstände dieselbe hintertrieben, könne er nicht angeben, da
er wahrgenommen habe, dass der Papst in allen Dingen seinem hohen
Amte nachgekommen sei. Er danke ihm dafür im Namen des Gross
fürsten und werde sich Mühe geben, diesem seine Geneigtheit und
fast väterliche Liebe gebührend zu berichten, und er zweifle nicht,
dass jener Alles aufbieten werde, sie zu verdienen. Er bedauere
nur, dass er in dieser wichtigen Angelegenheit dem Grossfürsten
nicht eine Antwort bringen könne, die Gott gefällig, für den Papst
ehrenvoll, dem Grossfürsten erwünscht und dessen Unterthanen so
wie der ganzen Christenheit fruchtbringend und heilsam gewesen
wäre. Zum Abschiede bitte er um den apostolischen Segen.
Bevor jedoch Steinberg imStande war dieses Memoire zu über
geben, gelangte dessen Inhalt zur Kenntniss der Cardinäle Salviati
und Imola, die ihn zu sich beriefen und ermahnten von seinen Solli-
citationen nicht abzulassen und noch weniger unverrichteter Dinge
abzureisen, sie selbst würden die Sache in ihren Schutz nehmen
und sie dem Papste so anempfehlen, dass sie trotz aller entgegen
stehenden Hindernisse dennoch erledigt werden würde. Obwohl sie es
') Beila** e I T.
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 67
anfänglich thaten, blieb doch ihre Verwendung ohne allen Erfolg,
weil sie den Cardinal Maffei nicht verletzen wollten, der sich
der Ausführung des ihm gewordenen Auftrages aus allen Kräften
vvidersetzte.
Zur Beförderung des Zweckes übergab Steinberg zuerst ein
gemeinschaftliches Memoire *) an die beiden Cardinäle, als sie in
das Consistorium gingen, worin er neben dem bisher Erwirkten auf
dasjenige hinwies, was wenigstens zur Einleitung der weiteren Ver
handlung zu geschehen hätte, und sieh dabei als neuen Bestimmungs
grund auf die von Papst Pius II. an Sultan Mohammet II. abgeschickte
Gesandtschaft berief, um ihn zur Annahme des Christenthums zu be
wegen; — dann ein zweites 3 ) an den Cardinal Salviati allein wegen
Erwirkung des Auftrags zur Ausfertigung der schon beschlossenen
Schreiben an den Grossfürsten durch den päpstlichen Secretär Paul
Sadoletus, Bischof von Carpentras (Carpentoratensis), und Übergabe
derselben an ihn Bittsteller.
Während dieses vor sich ging, starb plötzlich der Cardinal
Maffei (16. Juli 1553, im vierzigsten Jahre), und es fehlte nicht
an einflussreichen Personen, welche keinen Anstand nahmen zu be
haupten, es sei aus Strafe geschehen, weil er vom persönlichen Vor
theile geleitet den günstigen Ausgang des moskowitischen Geschäftes
verhindert habe. Diese sprachen Steinberg Muth zu, dass er seine
Sache nicht aufgehen möge. Nach Behebung dieses wichtigsten Hin
dernisses werde er gewiss bald abgefertigt werden. Sie riethen, die
selbe, ihre Entwicklung und gegenwärtigen Standpunct dem Bischof-
Sacristan und Beichtvater des Papstes umständlich darzulegen, zu
welchem sie ihn auch führen wollten. Dieser werde kraft seiner Liehe
zur heil. Kirche und in Anbetracht des frommen und wahrhaft christli
chen Werkes den Schutz desselben übernehmen und dem Papste in
einer Weise anempfehlen, dass es in Kürze, im nöthigen Falle selbst
durch eine Appellation an das Gewissen Seiner Heiligkeit, gelingen
solle. Dies geschah auch, und nachdem der Sacristan sich über das
Wesender Sache informirt hatte, wendete er nicht allein für seine
Person alle Mühe an, sondern vermochte auch den Cardinal von Trani
(de Cuppis), Decan des Cardinalscollegiums, sie mit seiner Autorität
bei dem Papste zu fördern. Derselben hatte nämlich, als dieselbe
') Beilage I. (/.
*) Bei Inge I. I'.
68
Joseph Fiedler
Angelegenheit unter Papst Clemens VII. im Zuge war, die Verhand
lungen geleitet.
Steinberg übergab diesem zwei Memoriale; das erste am 13. Sep
tember 1553 4 ), worin er die Absendung der nöthigen Schreiben an
die Hauptpersonen betrieb; und das zweite am 2. October desselben
Jahres 2 ), in welchem er an die Rückkunft des Erzbischofs Marcus
Antonius Maffei, Protonotars des h. Stuhles aus Polen 3 ) anknüpfend,
um die endliche Erledigung des seit zwei vollen Jahren in der
Schwebe befindlichen Gegenstandes eindringlich bat. Ein gleichlau
tendes Memoire hatte er auch dem Cardinal Mignanello überreicht.
Der Cardinal von Trani wusste endlich den Papst zu überzeugen,
dass es zur Bekräftigung des Werkes nothwendigsei, eigene Schreiben,
die er zu diesem Behufe selbst abfassen liess, an den Grossfürsten
von Moskau, den dortigen Metropoliten, Kaiser Karl V., K. Ferdinand I.
und den König von Polen abzusenden.
Die bis zur Approbation des Papstes fertigen Concepte der
Schreiben sind äusserst interessante Actenstücke, da sie nicht nur
den Standpunct enthüllen, den der heilige Stuhl den verschiedene
Interessen vertheidigenden Hauptpersonen gegenüber einnahm, son
dern auch die Bedingungen enthalten, unter denen er das Zustande
kommen der Einigung als möglich ansah.
In dem Schreiben an den Grossfürsten 4 ) sagt der Papst: Aus
dem Schreiben K. Karl V. und dem Vortrage Steinberg’s habe er
ersehen, dass der Grossfürst nach dem Beispiele seines Vaters
Vasilji sieb und seine Länder mit der römischen Kirche zu vereini
gen, als Glied dieser anerkannt, im ganzen Erdkreise als solches
verkündigt und mit den Insignien der königlichen Würde beschickt
zu werden wünsche. Als Statthalter Christi, dessen Hauptptlicht in
dem Zurückführen der Verirrten, bestehe, werde er ihn mit offenen
Armen empfangen. Ein vorzügliches Hilfsmittel, dazu zu gelangen,
würde aber der Abschluss des Friedens mit Polen, den Ständen
Lieflands und allen anderen christlichen Fürsten sein, damit sie sich
nach Herstellung des Friedens zu Hause insgesammt und mit allen
Kräften gegen die Türken und Tataren, des christlichen Namens
Beul age I. W.
2 ) ß e i I a g e I. X.
3 ) Er war ein Bruder des Card. Bernardino Maffei. — S. Ciacconius, Vitie et res
gestse Pontif. etc. Rom 1630. IJ. p. 1706 und Beilage X am Ende.
4 ) Beilage I. Z.
Ein Versuch der Vereinigung; der russischen mil der römischen Kirche. 69
gemeinsame Feinde, wenden könnten. Die Bedingungen, welche ihm
billig und seinen Ländern angemessen geschienen haben, habe er
dem Grafen von Eberstein und Johann Steinberg, den Überbringern
dieses Schreibens, übergeben. Wenn er mit diesen Bedingungen
und dem Friedensvorschlage übereinstimme, so möge er seine mit
der zur Beendigung des Werkes erforderlichen Vollmacht versehenen
Gesandten nach Rom senden, damit sie von der väterlichen Liebe
des Papstes gegen ihn Kenntniss nehmen. —
Die Bedingungen, unter welchen die Union in Rom zugelassen
werden wollte, sind genau in der Instruction *) formulirt, die für die
beiden genannten Mittelsmänner bestimmt war.
Dieselben sollten dem Grossfürsten den apostolischen Gruss
und die Versicherung väterlicher Zuneigung melden. Dem Wunsche
desselben nach der Wiedervereinigung mit der katholischen Kirche
und der Auszeichnung mit der königlichen Würde wolle der Papst
gerne willfahren, wenn der Grossfürst folgende Bedingungen
eingeht:
a) Soll der Grossfürst unter gerechten und der Ehre nicht
widerstrebenden Bedingungen Frieden schliessen mit dem Könige
von Polen, den Ständen Lieflands und anderen angrenzenden christ
lichen Völkern, damit sie unter sich in Frieden die Waffen gegen
den Erbfeind kehren und die Ihrigen gegen die fast täglichen Ein
fälle desselben vertheidigen und sicherstellen könnten.
Wenn dies geschehen, wird der Grossfürst Ivan, von dem Papste
nunmehr König titulirt und als solcher in der ganzen christlichen Welt
proclamirt, in der kürzesten Zeit seine Gesandten nach Rom schicken
mit dem offenen Aufträge, dem Papste und der römischen Kirche
Treue und Gehorsam zu schwören. Er wird von dem Erzbischöfe
von Moskau als Primas des Reiches im Namen des Papstes gekrönt.
Jeder zu krönende Nachfolger wird den Schwur der Treue und des
Gehorsams in die Hände des Primas ablegen und im ersten Jahre
nach der Krönung seine Gesandten nach Rom schicken, um dem
Papste selbst den Gehorsam zu schwören.
bj Wenn nach geendigter Sedisvacanz ein neuer Papst recht
mässig gewählt worden, soll der König von Moskau der Gepflogen
heit anderer christlichen Fürsten und Potentaten gemäss im ersten
1 ) Beilage I. Y.
70
Joseph Fiedler
Pontificatjalire seine Gesandten nach Rom schicken, um dem neuge
wählten und gekrönten Papste den schuldigen Eid zu leisten.
cj Der Pi'imas des moskowitischen Königreiches soll nach der
bisherigen Sitte gewählt, werden. Bestätigt wird er von dem Papste,
von dem er auch das Pallium erhält. Nach der Bestätigung ist er
Primas des Reiches und legatus natus, soll jedoch vor derselben
entweder persönlich oder durch einen Bevollmächtigten den Eid der
Treue und des Gehorsams schwören. Wegen der Entlegenheit des
Reiches wird der Primas den Erzbischöfen das Pallium reichen, die
gewählten oder kanonisch eingesetzten Bischöfe contirmiren und so
wohl bei der Übergabe des Pallium als der Conlirmation den Eid des
dem Papste und dem Primas immerwährend zu leistenden Gehor
sams und Treue abnehmen.
dj Der König und der Primas werden eidlich angeloben, alle
Mühe an wenden zu wollen, dass die moskowitische Kirche so schnell
und ruhig als es nur geschehen kann mit der römischen, der Mutter
aller Kirchen, sich vereinige.
Ausser den hier angegebenen Bedingungen sollen Graf Eber
stein und Steinberg nichts mit dem Grossfürsten verhandeln, ausser
es wäre der Art, dass es zum augenscheinlichen Nutzen und Ruhme
der heiligen Kirche oder zur Beförderung und Befestigung des Frie
dens zwischen den Mächten Russland, Polen und Liefland geeig
net wäre.
An den Metropoliten von Moskau 1 ) sollte geschrieben werden :
Der Wunsch des Grossfürsten nach Vereinigung mit der römischen
Kirche werde ihm nicht unbekannt sein. Unter welchen Bedingungen
dieselbe angenommen würde, werde er von Eberstein und Steinberg
erfahren, denen er vollen Glauben schenken möge. Der Papst erwarte
auch von ihm, dass er den Großfürsten zum Fortschreiten in dem
heiligen Werke und zum Frieden mit Polen, Liefland und anderen
christlichen Mächten aneifern werde.
Bei K. Karl V. 2 ), der aus einem warmen Beförderer des
Ansuchens des Grossfürsten vielleicht ein eben so eifriger als wohl
zu beachtender Gegner desselben geworden war, schien es die
Klugheit zu gebieten, durch ein tieferes Eingehen in die Sache
*) Beilage I. AA.
2 ) Beilage I. Uli.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 7 1
namentlich durch eine Widerlegung der dagegen vorgebrachten
Einwendungen, so wie durch eine geschickte Hervorhebung der
anzuhoffenden Vortheile, einen günstigen Eindruck zu erzielen. Man
schrieb ihm daher: die Freude des Papstes, dass der Kaiser sich für
die Sache verwende, sei gross gewesen, besonders da dieselbe, schon
öfter ein Gegenstand der Verhandlungen, jetzt erst und unter seinem
Pontificate zu Ende geführt werde. Gleich nach dem Empfange des
kaiserlichen Schreibens und dem Berichte Steinberg’s sollte dieselbe
schleunigst expedirt werden, allein ehe noch die letzte Hand daran
gelegt werden konnte, sei sie zur Kenntniss des Königs von Polen
gelangt, welcher in einer eigenen Zuschrift vorläufig bat, dass sie
ohne sein Vorwissen nicht erledigt werden möchte, später aber
durch seinen Botschafter gegen die Gewährung derselben mehrere
Gründe geltend machte.
Diese haben jedoch nicht als ausreichend geschienen ein so
heilsames Werk abzulehnen, indem daraus dem Grossfürsten kein
Zuwachs an Macht zugeführt, noch dem Könige von Polen ein Nach
theil zugefügt werde, im Gegentheile sogar die gegründete Aussicht
vorhanden sei, dass sie unter einander zum Frieden gebracht, die
Waffen gemeinschaftlich gegen den Erbfeind kehren werden. Er
bitte daher den Kaiser fortzufahren, das Werk zu unterstützen und
auch bei seinem Bruder dahin zu wirken, dass er es selbst als ein
heilsames ansehe und seinem Schwiegersöhne, dem König von
Polen, dieselbe Meinung darüber beibringe.
In demselben Sinne war auch jenes an K. Ferdinand I. abge
fasst 1 ), welchem zur besseren Informirung auch eine Abschrift
des Schreibens an den Kaiser mitgetheilt wurde.
Eine besondere Berücksichtigung verdiente der König von
Polen 3 ), da man trotz der vielfachen von ihm gegen die Wünsche des
Grossfürsten geltend gemachten Gründe, diesem entgegenkommen
zu müssen glaubte. Durch eine genaue Darstellung der bisherigen
Verhandlungen sollte, wie es scheint, die Abweisung motivirt und
durch die Festigkeit des Tones, welche der Entwurf an den Tag
legt, den weiteren Versuchen dieselbe zu verzögern oder ganz
hintanzuhalten der Boden entzogen werden.
*) Beilage 1. CC.
2 ) Beilage I. DD.
7 2
Joseph Fiedler
Durch die in dem Schreiben des Königs — heisst es dort —
angeführten und dann von dessen Botschafter neuerdings vorgebrach
ten Gründe habe sich Se. Heiligkeit bestimmen lassen, die Enderle
digung des moskowitischen Geschäftes volle zwei Jahre hinauszu
schieben in der sichern Erwartung, der König werde durch die Wich
tigkeit der Sache bewogen, dieselbe endlich mit dem gebührenden
Wohlwollen aufnehmen und befördern. Nachdem es sich aber anders
gefügt hat und die Pflicht erfordert, dass nicht allein das anvertraute
Schaf erhalten, sondern auch nach dem Beispiele der heil. Apostel
andere gewonnen werden, eine Pflicht, durch welche sich sogar Papst
Pius II. bestimmen Hess, den Sultan Mohammet II., ungeachtet derselbe
gerade zu jener Zeit viele Reiche, Länder und Städte den Christen
mit Gewalt entrissen hatte, zur Annahme des Christenthumes durch
eine eigene Gesandtschaft aufzufordern: so könne er eine so günstige
Gelegenheit nicht von sich weisen, noch deren Benützung länger auf
schieben, sondern müsse sie in aller Weise erfassen und das durch
dieselbe Gebotene ehestens in Ausführung bringen. Er müsse dies
um so mehr, als dadurch dem Grossfürsten kein Zuwachs an Macht
und ihm Könige kein Nachtheil geschaffen, sondern sogar eine Ver
mehrung seiner Kräfte dadurch herbeigeführt werde, dass zwischen
den beiden Mächten ein dauerhafter Friede hergestellt werde,
welcher sie in den Stand setzt, ihre Waffen gegen den Feind der
Christenheit zu kehren und die Grenzen ihrer Länder von den täg
lichen Anfällen derselben zu befreien, ja dieselben sogar mit Gottes
Hilfe zu erweitern. Der König möge daher lieber billige Friedens
bedingungen Vorschlägen oder ihm vorgeschlagene annehmen, der
Papst werde es an Ermahnungen an den Grossfürsten nicht fehlen lassen.
Diese Schreiben wären ohne Zweifel expedirt worden, wenn
der Cardinal von Trani nicht inzwischen (am 10. December 1553)
gestorben wäre.
Ob sie nach seinem Tode an ihren Bestimmungsort abgingen
oder nicht, und was aus Steinberg und seinen Negotiationen weiter
geworden ist, können wir nicht angeben, da die Quellen gänzlich
versiegen.
Herr Adelung gedenkt wohl im Artikel „Eberstein“ 1 ) eines
Finalberichtes Eberstein’s und Steinberg’s über ihre Mission nach
*) Adelung', Kritische Übersicht der Reisenden» 1. S. 139.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 73
Moskau als im vaticanischen Archive vorhanden, welcher die endliche
Expedition Steinberg’s und den Vollzug der Mission bestätigen
würde. Allein wir haben Gründe an dem Vorhandensein desselben
zu zweifeln, da es unseren dreimaligen Bemühungen in Rom eine Ab-
schriftdesselben zu erhalten, so wie die etwa in Adelung’s Nachlasse
vorfindige Copie zu eruiren nicht gelungen ist, ein glückliches Resultat
zu erzielen und wir überdies die Erfahrung gemacht haben, dass
Herr v. Adelung ganz bestimmt Actenstücke an Orten wissen will,
wo sie trotz sorgfältiger Nachforschungen nicht gefunden werden
konnten, ja wo sich nicht einmal Spuren nachweisen lassen, dass
sie je dort gewesen seien.
74
Joseph Fiedle 1*
I.
Eingabe des Alphons fiarniz an K. Maximilian II., womit er die Verhand
lungsacten über die von 1522 — 1553 von den Grossfürsten Russlands
angeregte Union der russischen mit der römischen Kirche zur Information
vorlegt.
1509 22. Mär*.
S. C. R. M.
Estando en este village serviendo a dios avnque indigno teniendo todo
contento ninguna cosa me da pena que dure sino los trabajos en que v. m. se
halla dia y noche por responder como catholico amparo de la christiandad a
los inconvenientes que por nuestros peceados permite n. s. nos venguan y
padezcamos de cada dia y para esto serviendo con Io que puedo no ceso ordi-
nariamente en mis saerificios suplicar a dios de a v. m. sfuerca y salud para
sufrir y pasar adelante con buen animo en todo lo que tiene comeneado ansi en
vngria eomo en alemana y en nuestra religion christiana y tenguo mucba con-
fianea que me promete y asegura que en dias de v. m. ha de eaer la tirania del
turco en vngria y en su imperio dara Orden de paz y verdadera religion que
sperando tan buen successo eomo este justo es que eon toda alegria y conten-
tamiento pase v. m. por trabajos tan pesados y continuos como de eada dia se
ofrescen.
Teniendo aviso de la maldad que el rey de polonia agora nuevamente ha
hecho no contento con las pasadas he me acordado de la felicissima memoria
del emperador maximiliano bisabuelo de v. m. que avnque no aleaneo las fuercas
que v. m. pero con manas y diligcncias supo aumentar la casa de austria y ven-
garse de sus enemigos como tanbien del rey de polonia confederandose con el
duque de moscouia cuya amistad sieinpre dura y el ano de 1526 vinieron ein-
baxadores de alli al emperador don fernando mi senor y de vienna al emperador
Carlos y estuuieron en valladolid y el ano de 38 viniendo otros embaxadores
also mismo despues que hizieron en vienna su embaxada embareazon en
genoua para el emperador earlos que estaba en villafranea de nica y los turcos
que el rey francisco de francia tenia en marsella y otros puertos los prendieron
y emviaron al dicho rey francisco el quäl tomandoles vnas riquissimas piecas
de zebelinas que trayan para su m. le emvio los personages y criados quasi des-
nudos a villafranea adonde por su mandato y orden de mosiur de granvella
yo les administre lo necessario mientras alli fueron y despues que morio basilio
y succedio en aquellos stados el duque juan este procuro emviar embaxadores
para confederacion de aquella amistad con la casa de austria y emviando al
emperador earlos vn su canciller aleman llamado Johanes stembergius se queria
sometir a la yglesia de roma que ellos llaman de occidente con solo pedir titulo
de rey de sus terras lo quäl admitio su m. con mucha voluntad y scriuio sobre
ello al papa Jullio como tanbien en vida de basilio lo avia hecho para lo mismo
a elemente septimo y estonces digo en tpo de Jullio vhiera efetto lo «■
Ein Versuch der Vereinigung - der russischen mit der römischen Kirche.
75
pedia si la felice memoria de] emperador don fernando rni s. nolo storbara
por lo que c] rey viejo de polonia y la reyna bona su muger negociaron y tra-
taron del casamiento de la reyna ysabel de buena memoria con su hijo y viendo
agora lo que este ha hecho ha me pareseido traer a v. m. a la memoria lo que
ariba digo y cmbiarle las copias de las cartas que sobre esto se scriuieron de
todas partes para que vistas v. m. ordene et probea lo que mas a su servicio
convengua que a mi ver por este camino se podria dar al de polonia tanto en
que entender que se arepentiese de las dcsverguencas y maldades que ha come-
tido vltra que tanbien tiene ocupado lo mejor del grand maestre de prusia
v. m. perdone si esto diere fastidio que lo hago con aquel animo que siempre
tubc a su servicio y me durara mientras uiuiere. n. s. la s. c. r. m. guarde
y prospere muchos anos con victoria de sus enemigos de armentia a 22 de
mar^o 1307
de v. m.
menor criado y seruidor que sus cesareos pies y manos besä
A. Gamiz m. p. J )
Original im k. k. Hausarchive.
Beilage:
Literae Magui IHoscouitaruiii Ducis Basilij ad Clemcutcui Papam VII.
Beatissimo in Christo Patri ac Dno Domino Clementj Diuina prouidentia
Sacrosanctae Romanae Ecclesiae pastori.
Basilius Diuina fauente Clementia Imperator Vniuersorum Rhutenorum
Magnus Dux et Princeps Volodimeriae, Moscouiae, Nouogradiae, Ploscouiae, Smo-
lentiae, Iferiae, Ingariae, Permiae, Bolgariae. Dominator et Magnus Princeps
Inferioris Novogradiae, Cernigouiae, Raslauiae, Volothiae,Rostouiae, Jaroslauiae,
Belloseriae, Vdoriae, Obdoriae et Candiniae etc.
Beatissime Pater
Misislis nobis Paulum Ciuem Genuensem z ) cum literis qnibus nos vti vobis-
cum et alijs Principibus Christianis inCausa Religionis eonuenire, adeoquenostram
opem aduersus Christiani nominis hostes ferre velimus monetis atque hortamini,
significantes quod Legatis nostris via et accessus vbique tutus esse debeat, vt
tandem his medijs interuenientibus sciri possit, qua raeione haec causa ad
ineundam perpetuam inter nos vnionem necessitudinem et amiticiam suscipienda
esset: Quae nobis summopere placent.
Proinde hisce literis dilectum ac fidelem nostrum Erasmium ad vos desti-
nauimus, remittentes ctiam vna paulum illum Genuesem praecamurque vt nobis
Demetrium quam primum remitlatis, efficientes quo sine periculo tutus in nostras
*) Es scheint der in der Beilage VII genannte „licenciado“ Gamiz, Agent K. Ferdinand I.
bei K. KarlV. zu sein; einein der Sache mitthiitig gewesene, somit gut unterrichtete
Persönlichkeit.
2 ) Dasselbe Schreiben aber in einer ganz andern Fassung findet sieh in Ciampi's: Biblio
graphie critica delle nntiche Corrispondenze etc. dell’Italia colla Russin, colla Polo
nia et nitre parti settentrionali etc. Firenze 1834. Vol. 1. p. 57.
1522.
3. April
Moskau
A.
76
Joseph Fiedler
1528.
1. Febr.
B.
1538.
1. Febr.
c.
diciones redire possit. Idem et nos si quando Veslros legatos vna cum ipso
miseritis praestabimur, vt ita tarn familiari colloquio, quam scriptis admoneamur,
quomodo ac via hoc negocium commode et suscipi tractari ac confici possit,
ita vt si ex liocvnanimem omnium christianorum sentcntiam deprehenderimus: ct
nos quid amplius factum opus sit statuere et cum reliquis Christianis Principibus
conuenire possimus, interim vero medianle diuino auxilio veluti liactenus fecimus
aduersus infideles ac christiani nominis hostes strenue dimicabimus. Datum in
nostro Dominio et Ciuitate Moscouia anno ab Exordio Mundi 7030. Tercia die
Mensis April is etc.
Literae Clenientis Papae TU. ad Jlagnum Moscouitarimi Duccm Basillum scriptae etc.
Dilectefili Salutem et Apostolicam benedietionem etc. Amiciciam etvnionem
nobiscum tuam, per venerabilem fratrcm Joaimem FranciscumEpiscopum Scaren-
sem prius tibi propositam, et postea per te acceptatam, nuncOratores tili dilecti
filij Hieremias Matthei filius Trusona, et scriba tuus Trusona, ct scriba tuus Thi-
motheus Semenoua, filius Vlodighina, tuo nomine plenius nobis retulerunt et
confirmarunt, quod nobis merito fuit gratissimum. Cumenim omnes nostrae curae
ad bonum Vniuersale omnium Christi fidelium et fidei Christianae exaltationem
intentae sint, speramus ex hoc prseclaros fructus eidem fidei Christianae etVni-
uersis Christi fidelibus seeuturos esse. Ita enim religio, bonitas, celsitudoque
animi tui nobis pollicetur. Datum in Ciuitate nostra Vrbeuetana sub annulo pis—
catoris die j" Februarij JIDXXVIII, Pontificatus nostri Anno Quinto.
Aliae litterae eiusdem Papae Clcmcntis ad prefatum Duccm Baslliuiii.
Dilecte filiSulutem et Apostolicam benedietionem etc. Cum Venerabilifratre
Joanne Francisco Episcopo Scarensi oratore ad te nostro venerunt ad nos Ora-
tores tui, Dilecti filij Hieremias Matthei filius Trusona et scriba tuus Thimotheus
Semenoua, filius Vlodighina, qui nobis a te literas et munera, et quod multo
fuit gratius tuam beneuolentiam standique nobiscum, et cum Christianis caeteris
aduersus infideles Voluntatem et Vnionem attulerunt, accessit bis et pietas tua
in confirmatis cum Suecijs et cum Rege Polonife initis indueijs, vt paratis fini-
timis, liberior aduersus Christi hostes esse posses. Itaque et de literis Oratori-
busque ac muneribus tuis et de humanilate per te eidem Episcopo exhibita, ac
confirmatis ac initis indueijs supradictis gratias tibi magnas agimus aliquando
eciammaiores, quod nostra quoque causa te idfecisse testatus es. — DeComercio
autem nostrorum Mercatorum mutuo, ita probauimus, vt pergratum et id hr.bueri-
mus, Itaque mittemus ad te alias literas nostras, liberam eisdem tuis Mercatoribus
licentiam concedentes, vt ad nostra loca venire, et tuto in eis comorari et nego-
ciarj possint, cumquo ipsi venerint, et nos id scire curauerint, benigne eos
tractari in terris nostris faciemus, sieut ct tuo Mercatori Alexio Basci poto-
statem nunc fecimus emendi quecumque in terris nostris voluisset. Quae au
tem a nobis per Oratores petijsti De Arehitectis et Machinarum Conflatoribus
et excussoribus ad te mittendis, dolemus ea nunc incidisse tempora vt in hoc
siculi cupimus in omnibus, tibi gratificari nequeamus. Vrbe enim Roma sicuti
ex tuis audies, crudeliter direpta, omnes fere Architecti nostri vel interempC
Ein Versuch der Vereinigung' der russischen mit der römischen Kirche. 77
vcl dissipati fuerunt, nee ad te nisi fidos et nobis probatos mittere uolumus.
Vtcumque tarnen nobis in hac perturbacione licitum est, quos potuimus con-
quisiuimus, et ex bis quos Oratores tui voluerunt ad te mittimus, Quod si ali-
quando ea, quam speramus et praecamur a Domino redierit optata tranquilli-
tas, vtque ehristianos principes pacare et contra Communem fidei hostem arma
conuertere Valcamus, tune quidem et in hac et quauis alia re nobis per deum
licita nostruin erga te paternutn amorem tibi uberius quam nunc facere potui
mus exhibere conabimur, ac tune quoque noslrum ad te oratorem cum nostris
muneribus, id quod et nunc tempora prohibuerunt mittemus, interim uero
Tuain Nob 1 "” et hortamur et rogamus plurimum in deo Domino, vt non
modo has inducias conseruare, quod tuae fidei, sed eiusdem dei causa in per-
petuam pacem, quod tuae eximiae pietatis erit transferre velis, idem enim nos
et illis persuadere, vt facere velint annitemur, omnemque insuper operam
Studium et auctoritatem nostram ponemus in ceterorum Cbristianorum pace
procuranda, armisque vna tecum pro christi fide aduersus christi hostes con-
uertendis ac tempore et racionibus suscipiendi belli significandis sperantes
in domino Ihesu cui haue pietatem ad sui noininis defensionem praestare
debemus, vt reliquae Christianitatis Vires tua proxima et magna potentia
adiuta, eidem Deo honorem, Suae sanctae fidei exaltationem, et ehristianis
omnibus sccuritatem, tuae vero Nobilitati praeter eoelestia praemia, tibi a
Deo parat»,. et in terris sunnnam gloriam et nominis ac Imperij tui propaga-
cionem sint perpetuo allaturae. Datum in Ciuitate nostra Vrbe Vetana sub
annulo Piscatoris Die j" Februarij M.D.XXVIII Ponlificatus nostri anno Quinto.
Saliius Conductus eiusdem Pontlficis Clcinciitls Oratoribus Moscouiticis Concessus.
Vniuersis et singulis christi fidelibus ad quos hae literae nostrae per-
uenerint Salutem et apostolicam benedictionem etc. Cupientes dilectis filiis Ora
toribus Dilecti filij Nobilis Viri Basilij Ducis Moseouiae praesentium exhibi-
toribus, a nobis nostra cum benedietione et gratia discedentibus tutum ubique
iter et liberum transitum esse, Ornnes Reges, Principes, Duces, Marchiones
Comites, Barones, Domicellos, Respublicas, Comunitates et partieulares per-
sonas hortamur in Domino, subdictis vero nostris nobis et Santitati Aposto-
licae sedi mediate vel immediate subjectis in virtute sanctae obedientiae ac
sub exeommunicationis latae sententiae nostrique poena arbitrij, oinnibusque
legatis, Vicelegatis nostris et nostrarum terrarum Gubernatoribus praeci-
pimus et mandamus, quatenus dictos oratores cum quotquot fuerint eorum
Seruitoribus, vel cum comitibus equitibus vel peditibus, rebusque et Valisijs
ncc non Caruagijs et Bulgetis eorum uniuersis, et sine ulla datij, gabelae
Vectigalis fundi, nauis, passus, pontis, portus aut cuiusuis alterius indicti
vel indicendi oneris solucione, non solum ingredi, transire commorariue per
nostra et vestra loca permittatis et. faciatis, ac de victu alijsque opportunis
pro honesto pretio eis prouidealis, sed et pro nostra in nos et hanc Sanctain
Sedcm Apostolicam rcuerentia de Scorla Comitiua et Salvo Conductu si opus
fuerit, et ipsi Oratores Vos duxerint requirendos, benigne prosequamini.
Quod erit nobis Valde gratuni. Datum Orueti sub annulo Piscatoris Die p“
Februarij M. D. XXVIII, Pontificatus nostri anno Quinto.
78
Joseph Fiedler
Der Rom. k. Maitt. Pasport dem Moscowitlschcn Gesauten Hansen Sclileitien zugestelt
vnd gegeben.
1543. \vi r Karl etc. Bekennen offendtlich mit diessem brieff vnd thun kundt
allermenniglich , als vns vnser vnd des Reichs lieber getreuwer Hans Schleifte
furpracht vnd zu erkennen geben, wie der Durchleucblig Orossmechtig Fürst,
Herr Johan Fürst vnd Herr in Renssen Herezog zw Volodomery. zw Moskaw,
zw Neugraden, zw Pleskaw, zw Tferj, Ingern, Penien, vrthy vnnd Bulgarn, etc.
Vnser Lieber Freundt ibne verschienener Zeit ersucht, vnd des auch glaub
würdigen schein vnder seinem aufgetruekten Insigel vorfertigen vnd zustellen
lassenn, szo er vns aishalt in original furpracht hat, sich vmb etlich geschikte
Personen als neinlich Doctores vnd Maister in allerley kunsten Glockengiesser
Bergkvorstendige Goldschmitte, Leutlie so im Wasser suchen auch Zimmerleuth
vnnd Steinmeczen sonderlich die zierliche Kirchen pauwen können : Prun-
maister, Pappier Macher, Wundtarcze vnd dergleichen Kunsterfarne zu bewerben,
vnd dieselbigcn seiner Lieb zuzuefuren, vnd vns darauf demütiglich angeroffen
vnd gepettenn, Pas wir Ihme solliche Personen, allenthalber im hailigen Reiche
desselbigen Zugethanen vnd vnsern Erblichen Furstenthumbmen Landen Ober-
keitten vnd gepieten zu suchen, vnd gedachtem Fürsten in Reussen vnd
Moskawen zuzefuren zw gönnen vnd erlaubenn gnedigleich geruchtcn, Die
weil wir dan gemeltem vnserm liehen Freundt dem Fürsten zw Reussen in
ansehung der guten neigung szo weylandt seiner Lieb vatter Herr Basilj
Hocherfurst zw Reussen löblicher gedechtnus zw vnsern vorfarn vnd vns
getragen vnnd gemelter furst Johan zw vns gleicher müssen noch tregt,
Zwdem das wir auch in glaubliche erfarung körnen, Das gemelter Furst
Basilij vor dieser Zeit sich unther die Lateinische Kirchen begehen wollen,
vnnd sollichs gesucht habe, vnd wie wir glaublich bericht der itzig Furst
auch gneigt sein sol, zw freundtlicher wilfarung gneigt sein, Demnach haben
wir gedachten Hans Schleitten gnediglieh zugelassen, gegont vnd erlaubt,
lassen zw,-gönnen vnnd erlauben ihme auch hiemit wissentlich in krallt diess
brieffs, also das Er allenthalben im hayligen Reich desselben Zugothanen
vnnd vnsern Erblichen Furstenthumbmen, Landen, Oberkaitten vnd Gepieten,
solliche Obbcrurte personen suchen aufbringen vnnd bestellen, vnnd gedachtem
Fürsten in Reussen zufuren magk, von allermenniglich vnuorhindert, Doch der
gestalt, das wedder Er noch dieselben Personen die er also aufbringen wirdet,
vnther dem schein in Reussen zuzeihen sich in Turckey Tartharey oder ander
vnglaubige Landt mit nichtem begeben, auch dieselbigen Vnglaübigen Ire Künste
vnd Handtwercke nit berichten, leren noch vntherweissen, noch einige gemein-
schaft mit Ihnen haben, Darzw auch widder vns vnsern Freundtlichen Lieben
Brüdern Herrn Ferdinanden Römischen zu Hungern vnnd Bhem König etc. Das
haylig Reich desselbigen Zugethanen, auch vnsere vnnd iczgedachts vnsers
Bruders des Rom. Königs Erblichen Königreichen Furstenthumbmen Landen
vnd Leuthen zw nachtheil in solliehen fremden vnd vnglaübigen Landen, nichts
vornhemen practiciren noch handelen sollen, heimlich noch öffentlich in gar
keine weisse alles hey dem aydt vnd pflichten, so vns der gedacht Hans
Schleifte in eigener Person leiblich gethan hat, vnd alle die so Er also wie
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. t 9
obstehet, inReussen vnd Moskaw zu zeihen aufbringen oder bescheiden wirdet,
Vnserm vnd des Reichs Fürsten vnd Lieben Andechtigen Hermen von Brucknaw
Maistern Teuschs Ordens in Leyflandt, dene wir hierin zw vnserm Kayserlichen
Commissarien verordenet, vnd solliche pflicbt von Ihnen vnd Irem Iden Zwnhe-
men hiemit in CrafTt dieses brieffs empfohlen, vnd an vnser Stadt auch thun
sollen. Vnnd begern demnach an alle vnd jegliche Churfursten, Fürsten, gaist-
lichcn vnd weltlichen Prelaten, Grauen, Freyhern, Rittern, Knechten, Haupt-
leutten, Landvögtten, Pflegern, Verwesern, Amptleutten, Schulthaissen Burger
maistern, Richtern, Retten, Burgern vnd Gemainden, Auch andere vnsere des
hailigen Reichs vnd vnserer Erblichen Furstenthumb vnd Landen vntherthanen
vnd getreuwen, In was wirden, Stants oder wessens die sein, gnedigs vleis in
Crafft diesses brieffs den vnsern ernstlich beuelendt, Das sie gedachten Hansen
Schleiften solliche obberurte Personen allenthalben in vnseren vnnd iren Fur-
stenthumbmen Landen. Oberkeitten vnd gepieten, who vnd an welchen enden er
die bekomen magk, guthwillig volgen, dieselben on alle weygerung bestellen,
vnnd aufbringen auch sampt ihnen sich in Reussen begeben, vnd allenthalber
durch vnsere vnd Ire Furstenthumb Lande Herschaft Stette Flecken. Oberkaidt
vnd gepiett zw Wasser vnd Lande frey vnverhindert vnd vnaufgehalten durch
zeihen passieren vnd gedachtem vnserm Freundt dem Herezogen zu Reussen
zwzeihen lassen vnnd nit gestatten das sie daran dvreh Jemants verhindert
bekümmert, aufgehalten beleidiget noch beschwerdt werden, in gar keine weisse,
daran thun sie vnsern gefelligen willen, vnd ernstliche mainung. Mit orkundt
diess briefs mit vnserm Kayserlichen anhangenden Insiegel besigelt. Gegeben
in Vnser vnnd des Rychs Stadt Augspurgk am 30. tage des Manats Januarj
Nach Christi gebort funfzehen hundert vnd im acht vnd vierzigstem, vnsers
Kayserthumbs im 28. vnnd vnser Reiche im 32 jaren.
Carolus m. p. Maximilians m. p.
Cupia Ilterarum Sacrae Caesarcae Mattis ad Magniiin Moscouitaruin Ducem De auno
1548 etc.
Carolus Quiutus diuina fauente Clementia Romanorum,Imperator semper
augustus, ac Rex Germaniae, Hispaniae, vtriusque $iciliae, Hierusalem, Hun-
garie, Dalmatiae, Croatiae et Archidux Austriae, Dux Burgundiae, Brabantiae,
Comes Habspurgi, Flandriae, Tirolis etc. Serenissmo ac potentissimo Principi
Domino Johanni magno Duci Russiae, Volodameriae, Muschouiae, Nouogradiae,
Plescouiae, Smolensiae, Iferiae, Jugariae, Bothiae, Permiae, Bulgariae, Amico
nostro Charissimo salutein, et mutui amoris amicitiaeque nostrae continuum
augmentum. Serenissime ac potentissime princeps amice Charissiine. Qui
litteras Serenitati vestrae redditurus est, Cum hue ad nos venisset, et ostensis
mandatis, quae a vestra Serenitate acceperat et de Valetudine et rebus Sereni-
tatis uestrae, quibus petit viros aliquot, et literis eruditos, rerum aliarum
peritos ex hoc Imperio Germanico et ditionihus nrü haereditariis concedi,
quorum opera Serenitas vra in Illustranda ditione sua uti posset, Vtrunque sane
lihenter audiuimus, Idque praecipue ob eam quaeSerenitati vestrae nobiseum et
cum caeteris Christiani orbis principibus Christianae fidei et Religionis, quae
1548.
31. Jänn
F.
< o
80
Joseph Fiedler
1550.
u §r-
communis est professio, tum pro ueteri illa necessitudine foederis amicitiae quae
Serenissimo quondam principi Basilio Magno Duci Russiae et Serenitatis vrae
genitori, Cum Diuo Cesare Maximiliano Auo nro Colendissiroo Augustae me-
moriae primum, deinde nobiscum ac cum Serenissimo ac potentissimo Principe
Domino Ferdinando Romanorum Hungariae, Bohemiae Rege, fratre nostro
Charissimo, saeroque Imperio Romano et inclita domo nostra Austriae, jam
olim intereessit, et Serenitati vrae adhuc intercedit, Itaque postuiatis huius
internuntii vestrae Serenitatis tanto etiam libentius annuimus, facta Illi potes-
tate quacunque parte vellet in sacro Imperio et ditione nostra homines ad
ininisteria Seren, vestrae aptos conquirendi, qui si acceptam prouinciam recte
exequentur, In bona spe sumus nostrorum hominum operam esse vestrae Sere
nitati gratam eteius ditioni illustrandae commodam, ac Reip. Christianae magno
usui atque ornamento istis in locis futuram esse. Quod reliquum estSerenitatem
vestram (quae sibi de nobis omne Studium officiumque veri amici polliceri
potest) recte vaiere optamus et omnia fausta foeliciaque preeamur. Datae in
Ciuitate nostra Imperiali Augusta Vindelicorum Die ultima mensis Januarii.
Anno Domini Millesimo Quingentesimo Quadragesimo octauo, Imperij nostri
vigesimo octavo. Et regnorum nostrorum Trigesimo Tertio.
Carolus.
Johann Steinbergers Bestallung anno der wonniger Zabel 50 aul'gcriclit.
Kundt vnd zu wissen sey jderrnanniglicb das so vnd nachdem der Durch-
leuchtigst Grossmechtigst furst und herr, herr Johannes hoher Fürst in der
Moskaw, des jungstverschienenen sieben und verzigsten Jars den Ehr- vnnd
Namhaftigen Hans Schleiften in das hailige Reich Teuseher Nacion mit beuelich
seiner Grosfurstlichen Durchleuchtigkeit etliche gelernte auch allerhandt kunst
reiche erfarne Bergk: Baw vnnd Handtwerksleuthe aufzubringen, vnd hochst-
gedachter Grosf. Durch: in die Moskaw zuzefuren abgefertiget, alles nach laud
vnnd Inhalt seiner öffentlichen Mandata vnd zw der behoff zugestelten abferti-
gung brieff, damit aber nhun bemelter geschickter mit berurten gelernten, auch
Baw vnd Werckleuthen, was er der also auf vnd zu wege bringen wurdt, so viel
sicherer dorchkomen, vnd vngehindert passiven aueh sunst das sein gewerbe
vnd geschefft, dem hailigen reich, noch derselbigen zugetlianen, vnd verwanthen
Christlichen gelidern nit endtgegen noch zuwidder sein, mocht beargwhontwer-
denn, So hat er sich mitsollichen seinen endtpfangenen offenen Mandaten vnd abfer-
tigungbrieffen den negsten zw der Rom. Kay. Mait. vnsern allergnedigsten Herrn
gegen Augspurgk auf den gehaltenen Reichstagk verfügt, Irer Kay. Mait. solliche
seine gewerbe und beuelich vnderthanigst zuerkennen geben, mit demütiger
bitt ihne zw der notlurfft, wegen seines gnedigsten Herrn des Grosfursten, mit
notwendigen glaits vnd passprieffen allergnedigst zu versehen. Weil dan Ire Kay.
Mait. auss meher erwhents Schieitten Vorbringen, habendenBeuelichen vnd sunst
befunden, Das sich icziger Grosfurst als Irer Durchl. geliebter Herr Vater
Basilius etc. miiter gedechnus auch gethan, vmb vnser haylige wäre christliche
Religion annheme, vnd sieh denvegen mit der hailigen christlichen vnd Apo
stolischen Kirchen zu uergleichen hegert, So haben Sie ihme auch die dero vnd
anderervrsachen halb darin austrüglich angezogen vnd vermelt aufs aller stadt-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 81
ligst verfertigen vnd neben andern brieffen an hochermelte Grosf. D. zustellen
lassen, darauf er sieh mit einer anzahel seher gelernter geschickter, kunst
reicher vnd erfarner leudt, so er nit mit wenniger mühe, arbeit, geltspildung
vnd Kosten auf vnd zu wege bracht erhoben, vnd seinen Weck auf Lübeck
zugenhomen, der hoffnung aldo auf solliehe Kayserliche passprieff vnd gnedigst
mitgethailts glaidt, nit allein vngehindert durch zu zeihen, sondern auch mit
schieffen vnd andern: damit er sampt den seinen erstlich in Liefflandt vnd da-
dannen vort nach der Moskaw vorderlich körnen mocht beuordert zu werden,
vnd in dem allen gemeiner volekerrecht neben iczerwenten Kayserlichen glaits-
briell'en ersprieslieh genossen zu haben. Nichts desto wenniger aber vnd dessen
allen vnbetracht seint die von Lübeck ungezueiffelt auf anstifften vnd weitleuf-
tigen bericht mergedachts Hansen Schleitten widderwertigen vnd misgonner zu-
gefaren, Ihne ohne einige gegebene oder befugte vrsaehen dem ausgebrachten
Kayserlichen glaidt, gemeinenem Volker auch andern beschriebenen Rechten
Güldener Bull Reformacion, Reichsabscbeiden auch ausgeküntten hoch ver-
poenten Landtfreiden stracks vnd aufs höchst zuendtgegen, Vnther einem
gesuchten schein etlicher vormeinten geltschulde halb auch vnbetracht er sich
derwegen mit seinen gläubigem vorgleichen gefenglich eingezogen, auch in
sollichen schweren vnbillichen Haften vber alle sein vnd seiner freundtschafft
gleich vnd rechtmessigs erpietens bis ins ander Jar gancz mutwilliger weis ent
halten, das sich leczlich Got der almechtig seines teglichen seufzens vnd whe-
clagens als der eusers notthelffer erbarmen lassen vnd ihrne daraus gancz wun-
derbarleicher weis geholffen, also das Er bis gegen Rassebergk auf die Frey-
heit körnen, doliin sie ihrne guolgt vnd wie wol sie zuuor nie clegers stadt, noch
der Sachen vor ire person zuthunde haben wollen, allererst iren gefassethen
uidigen Widderwillen an den tagk geben, vnd ihne Schleitten Ratione effracti
carceris zu hals handt vnd hären beclagt, mit bit ihne widderumb gefengleieh
einzuziehen, solt er aber nliun sollicher vorstehenden beschwerung oberig vnd
endtladen sein, hat er aldo dem Rechten stadt zuthun, auch dessen endtlicher
erorterung auszuwarten angeloben müssen. Weil aber nliun sollichs gelobnus
so metu carceris vnd aus foreht der gefengnus erzungen an ihm selbst nichtig
vnd von keinen wirden, so hat ihne aus Schickung göttlicher gnaden ein guther
freundt aus seiner widderwertigen banden weitter errettet vnd endtlich dauon
bracht. Weil es aber nhun an dem das wie oben zum thail vormelt, sich melier
vnd hochgedachte Grosf. D. mit der heiligen Apostolischen Kirchen zu ucrei-
nigen auch dero als ein gleidt beyzupflichten in Vorhaben derwegen vnd damit
nhun sollichs dorch milde vorleihung gollicher gnaden ins werk bracht, auch
endtlich erhalten, wirdet Grosf. D. nicht allein gelernter, sondern allerhandt
erfarner leudt, damit nit allein solliehe christliche Religion auf vnd angericht,
sondern auch gegen die vnglaubige Tartarn Turcken vnd andere feinde clirist-
lichs namens bedorffen vnd von notten haben, vnnd nhun derhalben wie gehört
obgemelter Hans Schleifte abgefertiget, vnd die aufzubringen bcuelich sollichs
auch schon wie er dorch die von Lübeck gerurter gestalt nit were vorhindert
worden ins werk gericht vnd volfurdt, Damit aber nhun algleichwol sollich
christlich intent vnd Vorhaben zw nachthail ganczer gemeinen Christenheit
ferner nit aufgehalten oder vorhindert, sondern zw ausbreiltung gottliehs Na-
Sitzb. <1. phit.-hist. CI. XL. 1. Bit.Hft. 6
82
Joseph Fiedler
mens, vnd erhaltung vnser waren Religion alles Vermögens vnd mit höchstem
Vleis vorsecz vnd beuordert, auch zw derhehoff ein sicher pass vnd anders darzw
nottwendig vnnd deinstleieh erlangt, So hat sich gemeltcr Hans Schleitfe darauf
mit dem Erbarn vnnd Ehrenvhesten Johan Steinberger eingelassen vnd iline
crafft seines habenden gewalts vnd bcuelichs hoehgemelter Grosf. D. zw gulhem
vor ihren Lateinischen vnd Teuschen Canczler auf vnnd angenhomen, tliut das
auch hiemit vnnd in crafft dieses briues also vnd dergestalt das er sich in allen
handelungen vnd Sachen in oder ausserhalbe der Moskaw zuuorrichten gebrau
chen lassen soll vnd will, vnd sonderlich nach dem es wie obdedueirt an dem,
das sich hochernente Grosf. D. mit der Lateinischen christlichen vnd waren
apostolischen Kirchen zuuorgleichen, auch die Reehten religion Primatiuae
Ecclesiae in iren forstenthumbmen Landen Oberkeitten vnd geheilten anzu
richten bedacht vnd endtschlossen.vnd nliun derhalb zu beuordegung der Sachen
nött sein will das die Bähst, hail. auch villeicht die Rom. Kay. Mait. denvegen
ersucht, vnd vmb beuorderung diesses christlichen Vorhabens angelangt werden
mussten, so soll er auch in dem von hochgemeltem Grosf. vornehmlich vnd vor
andern gesehiektvnd gebrauchtwerden, ihme auch ohne das, was er also raeiöne
legacionis oder sunst erlangen wirdet, so bald er in der Moskaw ankumpt von
Grosf. D. ein erliche stadtliehe besoldung vnd vnderlialtung damit er Seher wol
zufrieden gemacht werden, Vnd nach dem es am tage vnd vnlaugbar das wei-
landt der auch dorclileuchtigst grosmechtigst Fürst vnd Herr Herr Basili etwan
hoher Fürst in der Moskaw etc. diesses iezigen Grosf. geliebster herr vater
hochlöblicher gedenckcn, sich dergestalt wie angezeigt mit der heiligen Kirchen
zuuorgleichen in emsigen Vorhaben gestanden auch zu uolfurung sollichs ires
intents ire oratores vnd geschickten anno der wenniger zahel 27 gegen Rom an
die Babst. hail. abgefertiget, aber domals auf gepurliche vnd tregliche mittel,
nit auf oder angenohmen werden mögen, damit sich aber nhun, auch ieziger
Grosfurst, sollicher abschleglichen mittel vnd Weigerung in gleichnus nit zu
befaren, sondern das sie vor ein gleidt der heiligen christlichen Kirchen sampt
alle iren Landen leuthen vnderthanen vnd verwanthen auf ir weitter answehen
endtlich vnd gewislich angenommen werden sollen, zuuor nach aller notlurfft
auch ohne vorgebliche grosse vnkosten versichert, So hat sich vorenvhenter
Steinbergk der Sachen allenthalber zum besten erpotlen, auch hiemit ver
pflicht obligert vnd verhaßt, das er sich eigener person erheben vnd vorderlich
gegen Rom zw der Babst. hail. verfugen vnd solliche Versicherung vormittelst
gotlicher Vorleihung in glaubwirdigem schein vnd suh annulo piscatorio erlangen
vnd ausbringen wolle, vnd wan sollichs also geschehen, damit den negsten zw
Grosf. D. in die Moskaw auf das sollicli christlich werck zu erweitterung got-
lichs Namens auch vieler seien hail vnd Seligkeit ferner vnd zum vorderlichsten
möge vorricht werden. Es sol vnd wil auch oft benenntter Hans Schleift, Ihme
Steinbergen ein schrifftlich pasport von viel vnd hochgedachtem Grosfursten
damit er sampt seinen dienern vnd zugethanenn feylich passiven auch vberal
sicher dorchkomen möge zum vorderlichsten auspringen, vnd das gegen Rres-
law in seins Schieitlen Bruders haus vorsehaflen vnd Steinbergen auf sein
hegeren zuslellen lassen. Vnd nachdem nhun auch gemclter Steinbergk hier
durch zw einem Moskauwischen Canczler vnd Deiner bestellet auf- vnd angenho-
Ein Versucli der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 83
men, so wil sich auch demnach geporen das er sieh dickervvhents Hans Schleit-
ten Sache gewerbe vnd gescheffte darin er von Grosf. Durch, vermöge ange
reihter Mandata vnd beuelich ausgeschickt annheme, vnd do es von dem
Schleitten gesucht, bey hoehgemeldter Kay. Mait. vnd sunst mit allem getreuwen
vleiss beuordern helffe, wie er ihme dan sollichs zugesagt: vnd das einer denn
andern in dem vnd sunst allen erlichen aufrichtigen vnd billichen Sachen in
sonderm beuelich haben auch ehren vnd vordem sollen vnd wollen, auch hiemit
diesse abrede vnd bestallung zw beiderseits in alle iren puncten artikelen clau
sulen meinung vnd effecten stet vhest vnd gancz vnverbruchlieh halten, auch
dawidder vnder einigem gesuchten schein nit thun vornhemen oder handelen
noch sollichs gethan werden vorschaffen oder vorhencken in gar keine weis
noch wege alles getreulich vnd sonder geferde. vnd des zw noch merer Orkundt
vnd warhafftigem gezeugnus haben die Erbarn vnd Ehrnvhesten Christoffel von
Weisbergk vnd Herbert von Langen beyde Rom. Kay. Mait. Oberste als die
sollichs vorhandelt, jre angeporne pietschaffte neben dickbemelter Steinbergs
vnd Schleitten pietschiere wissentlich unthen auf spaciutn dieses bestalbrieues
dene sie auch zugeleich den parchem mit eigenen handen vnderschrieben thun
drucken, weis besehehen am tage vincula petri welcher war der erste tagk
diesses lauffenden fünfzigsten Jars.
In dem lateinischen Texte bei Turgenev, Hist. Russ. Mon. I. p. 137 lautet die
Datirung: „Facta et transacta sunt haec in civitate Mindensi, in die Vincula Petri, qui
erat prima dies mensis Augusti anno Domini MDL“.
Werbung der Rom. Kay. Malt, den 4. September anno 1551, vorbracht darauff ich nit
allein gnedigst gehört, sondern auch wie aus nachvolgcndcn IrcrJIai mir an die Habst.
Ilail. niitgctliailtcn vorschriefft zu ersehen guthen bescheldt erlangt.
Aller Gnedigster Herr Kayser.
Ewer Kay. Mait. wissen sich zueiffels ohne aller gnedigst zu enfsinnenn,
wie vnd welcher gestalt der Durchleuchtigst Grosmechtigst Fürst vnd Herr
Herr Basilj weylandt Hoher Fürst in Reussenvnd derMoskaw etc. vorscheinener
Zeit willens gewesen sich mit der heiligen Christlichen Kirchen zuuorgleichen,
vnd dero als ein geleidt zu vnthergeben wie dan seine Grosf. D. damit sollich
sein christlich vornhemen ins werck heuordert eine stadtliehe Bothschaft anno
der wenniger zahel 27 gegen Rom an die Bab. hail. derhalb abgefertigett. Weil
aber sein Grosf. D. domais auf billiche tregliehe vnd mögliche mittel nit mögen
auf vnnd angenhomen werden, Ist solehs Christlichs Intent nit zw geringem
nachthail der ganzen gemeinen Christenheit auch vieler seien hail vnd Seligkeit
bishero angestellet worden. Weil es aber aller gnedigster Herr Kayser nhun an
dem das diesser iezregerender Grosfurst Johans eben des Vorhabens wie seiner
Durchl. herr vater Löblicher gedencken gewesen ist, sich auch gleichs vhals
mit der lateinischen Kirchen zu uoreinigen vnnd dero (so weit Ihme sollichs
ohne suchung eigenes nuczen auf billiche Gotselige mittel widderfaren mocht,
des auch von der Babst. Hail. zuuor gewislieh also zu geschehen vorstendiget,
als ein gleidt beyzupflichten endtschlossen, Ich auch sollichs von seiner Grosf.
6*
1551.
4. Sept.
H.
84
Joseph Fiedler
D. wegen bey der Babt. Hail. zu suchen beuelich, So habe ich demnach nit vnder-
lassen, sondern diesse Sachen an den Nuncium Apostolicum so icz alhier an E.
Kay. Malt, hoff aufs vleissigist gelangt, vnd lassen ihne ire Ehrwirden den handel
seher wol gefallen auch darauf vor gutlit vnd Ratsam angesehen, das ich mich
zum vorderlichsten an die Babst. hayh verfugt bette, wolten sie mir zw der not-
torfft an ire Hailigkeit auch etlich von den vornhemsten Cardinelen so diesse
Sachen mit allem getreuwen vleiss zu beuordern wissen, auch an ihne gar nichts so
zw ausrichtung dieses handeis deinstlich erwinden lassen wurden, vorschrifft vnd
Commendatitias mit geben, vngezweiffeiter zuuorsicht jeh wurde in soliicher
Christlichen sache nit allein gnedigst gehört, sondern auch endtlich erhöret
werden, zuuorderst do ich auch von E. Kay. Mait. an höchst gemelt Babt. Hail.
Vorschub vnnd gnedigste vorderung hierin ausbringen vndt erlangen wurdt.
Nachdem nhun sollichs vornhemen, do es also vormittelst gütlicher vorleihung,
vnd E. Kay. Mait. gnedigsten heuorderung ins werk bracht, nit allein zw aus-
breittung Gotlichs Namens, auch erweiterungvnd erhaltung vnser waren religion
deinstlich sondern darüber der ganczen gemeinen Christenheit in so viele wege
vordersam vnnd erspreisslich, in betrachtung weil vnder andern daraus nit ein
klein hofnung das hailige Landt widderumb zu recuperiren endtstehen vnnd
endtlich eruolgen mochte, Vnnd nhun auch E. Kay. Mait dessen sie sich in iren
schriefften hochstbenentten Grosfursten Johan vor dreihen Jaren zugeschickt
gegen S. Grosf. D. vornhemenn lassen, auch ohne das diesse Sachen in gnedigen
beuelich haben vnd mit gnaden zu beuordern geneigt sein werden. So gelanget
derwegen allen an E. Kay. Mait. als dem Obersten Vogt vnd einigen aduocaten
der hailigen Kirchen, mein vnderthanigst hochvleissig bitt, E. Kay. Malt geru-
chen mir wegen höchst erwhents Grosfursten solliche an die Bab. hail. gebetene
Vorsehriefft zu heuorderung der suchen allergnedigst mitzuthailen, AVil ich mich
damit vngeseumet gegen Rom zw leer hail. vorfugen, vnd wen ich darauf, wie
ich oberzelter vrsaclien halb endtlich zugeschehen hoffe guthen bescheidt in
glaubwürdigem schein wie sichs gepurt erlange, AVil ich mich alsdan, sampt
dem AVolgebornen Herrn philipsen Graffen zw Eberstain E. Kay. Mait Truchsas
der sich sollichs Hailsames vnd aller gemeinen Christenheit nutzlichs Vorhaben,
mit darstreckung leibs vnnd guts thut erpieten, vorderlich erhebenn vnd den
negsten nach der Moskaw zw Grosf. D. die Sachen vormittelst milter vorleihung
gotlichcr gnaden, endtlich vnd vnuorzuglich ins werck zu richten, reisen,
E. Kay. Malt wollen sich hierin allergnedigst erzeigen, das wirdet ohne das es
viel vnd hochernenter Grosfurstliehe D. deren wolgemelter Graff vnd ich sollichs
mit hochstenn Vleis romen vnd vormelden wollen vngzweyfelt iderzeit freundt-
lich zu uordeinenganez willig sein, werden auch got der almechtig E. Kay. Malt
als ein hoehrumlich Christlichs werk mit langweriger gesundtheit gelugseliger
regerung vnd guthem zustande alhier zeitlich vnd hernach ewigwerender Selig
keit rechleich erstatten, do ichs auch vor mich zuuordeinen weis erkent ich
mich als ein vnderthanigster vnd E. Kay. Malt gehorsamer Vnderthan schuldig
were cs auch iderzeit ganz willig
E. Rom. Kay. Mait
Vnderthanigster vnd Gehorsamestcr
Johan Stcinbergk.
Kin Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche.
85
Beatissimo in Christo Patri et Domino Dno
Julio Tertio Diidna Prouidentia
Sacrosanctae Romanae ac Vniuer-
salis Ecclesiäe Pontifici Max.
Dno nro Reuerendissimo.
Folgt: Bealissime pater Dop. Reuerendissime, anni sunt ex quo nobis significatum
est, Serenissimuin quomlam etc. etc. (Gedruckt bei Lanz: Corr. K. Kart'sV. 111. pag. 73.)
Literae Coiuuiendatitiac R mi Fanensis ad Pontlflcem Jiiliuiu IH.
Post pedurn oscula beatorum.
Beatissime Padre. Viene m. Giouanni Todeseo con lettere di S. M la alla
Beatitudine V. per dirle eome altre uolte il Re de Moscouiti fu de animo con li
soi populi di sottomettersi alla osseruantia della sede Apostolica et ritornare
alla christiana Catholica Religione, il quäl m. Giouanni hauendo molta cogni-
tione di quel Ite et populi Moscouitti, et strettissima eonuersatione d’uno suo
Ambasciatore gia a questa eorle, etsapendo con quanta facilita si consegiurebbe
questa santa opera con l’aiuto et fauore di V. B" c se e ofi'erto al presente di
volersi interponere, et affatiearsi in persona a questo negotio, et perche io nel
tempo della felice memoria di papa Paolo niossi gia la iletta pratica ne essendo
cisi possuto altendere alhora per alcuni rispetli, et desiderando io che nel Pon-
tificato della Sanlita V. si facesse un tanto et si degno acquisto no ho uoluto
lasciare di supplicarla a douer’ considerare, quanto honore utile et ehe repu-
tatione la sede Apostolica ne guadagnarebbe con la infinita et perpetua laude
di V. Santita, se un si grande Re et populi venissero alla deuotion di quella, la
quäle so certo che col suo sanctissimo et prudentissimo Juditio non preter-
mettera cosa nissuna degna de lei in tal materia. V. B" e uedra Ie lettere di
S. Maesta et udira quello che m. Giouanni le dix-a in presentia al quäle si
degnera ascoltarlo benignamente, et considerare la qualita della persona che in
uero per la lunga pratica di lui in questa Corte et per quanto l’ho cognosciuto
jo cognosco essere huomo da bene, ct di modeste et destrissime maniere, et
atto non solo a trattar la detta causa, ma per condurla a honissimo fine, Per me
credo non ci habbia da esser difficulta hauendo uoluto quel Re pigliare i riti ct
cerimonie catholicae ecclesiäe dal Re di Polonia, ma essendosi certifieato, che
quelle osseruantie della Religione sono diuersae et differenti molto dalla Chiesa
Romana et l’isoluto obligarsi a quella di Roma, et accetarla della Santita V. et
per euitar la spesa che si potria fare per questo magneggio, II Conte di Helber
sten vfficiale Imperiale di S. Maesta et Caualiere di rare qualita come informato
della uolunta del Re Moscouita si ofi'erisce spontaneamente Spender tutto il
denaro necessario per mantenere m. Giouanni appresso il detto Re finche duri
la pratica, pur che a lui si restituischi un Monasterio nel paese di Birtimbergo
antico juspatro'nato di casa sua comme la Santita V. potra uederc per una
instructione che m. Giouanni porta, et del quäl Monasterio io ne pigliaro infor-
matione a pieno nel uiaggio che si fara per fiaiulra, ct daronne raguaglio a
V. B' li cui Santissimi piedi bacio piu humilmente che so et posso, di Augusta
alli 14. di Seltembre löül. D. V. S.
Humil u >° seruo il Vcscouo di Fano.
1551.
ii. Sept.
J.
80
Joseph Fiedler
AI Cardinal Farucsio.
R m ” signor mio osseruandissimo.
15S1 Al tempo di Papa Paolo fe: re: si hebbe gia qualche pratica di riceuere
17. Sepi. all:» ubedientia della sede Apostolica il Re de Moscouiti, il quäle liaueua animo
di uiuere insieme eon li suoi populi sotto la deuotione et osseruanza de riti et
cerimonie ecclesiastice, il che per no so quali rispotti alhora non fu essequito et
intendendosi che questo Principe perseuera nella medesima buona et Santa opi-
nione, il presente m. Giouanni Todesco che e bene inforraato del desiderio di
quel Re se ne uienne a Sua Santita eon lettere di S. Maesta Cesarea caldissime
in fauore et raccomandatione die questa causa, la quäle essendo di tanta consi-
deratione, quanta e alli tempi presenti ne ho uoluto scriuere a S. Bne et racco-
mandarle il detto m. Giouanni, che se ofTerisce andar in persona a traltar questo
negotio, il quäle venendo ad effetto V. S. Rma. po considerare di quanta dignita
et reputatione sara un cosi fatto acquisto alla sede Apostolica et laude et
honore di S. Bne., onde ho uoluto scriuere a. V. S. R ,n “ accio prieghi, eshorti
et persuadi anchora N. S re a consentire et prestare ogni fauore a questa causa,
non ui interuenendo massime alcuna spesa di S. B ne , per che col prefato m.
Giouanni andra in compagnia il Conte di Ilelbersten honoratissimo Caualiere et
Vfficiale Imperiale di S. Maesta Cesarea, che spendera di suo quanto sara
necessario per tutta questa negotiatione, Ne in ricompensa desidera altro che un
Monasterio nel suo Conta gia antico juspatronato di Casa sua. Tutfo questo
V. S. R"" intendera dift'usamente da m. Giouanni, che ccrto e bonissima per
sona, et in questa Corte assai cognosciuto per destro et maneroso huomo et
pieno di modestia, tutto quello che V. S. R m ' fara in fauor di lui et del
negotio stesso sara corrispondente alla buona mente sua, et degno del uirtuo-
sissimo suo animo, che so esser cupidissimo della grandeza et utile di santa
sede, ne uolendo dirle altro me le raecomando et offero di buon core. Augusta
li 17 Settembre 1351. D. V. S. R" 1 “’
A Farneslo.
Illustrissimo et Reuerendissimo Signore et padrone osseruandissimo.
1551. Essendossi gia trattato al tempo di papa Paolo s. m. di raccogliere il Re
17. ^ept. de Moscouiti alla ubidientia della sede apostolica il quäl Re ha mostrato desi-
derar sempre di uenir insieme con e suoi popoli alla deuotione et osseruanza
de riti et cerimonie eeclesiastiee ne si essendo potuto alhora per alcuni ri-
spetti mandar innanzi il negotio: hora par che Dio habbia preparato il tempo di
cssequirlö. Per la quäl cagione il m. Giouanni Todesco uiene a S. B"° con lettere
caldissime di S. M la Cesarea, si per render le conto di questo, come bene infor-
mato della openione del Re, et monstrarle la faeilita di tale negotio, si per
ofl'erirse di andarui in persona a trattarlo. Et perche io uedo di quanta impor-
tantia et reputatione sia per douer esser alla sede apostolica un cosi fatto
acquislo, ne ho uoluto seruire a S. ß" c- senza I’uiuto et fauor di cui nulla cosa
in cio si puo adoperare. Priego adunque V. S. 111"'" la quäl so quanto e cupidu
del honor et grandezza di santa sede, che uoglia persuadere S. S lc a questa
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche.
87
Muy illustre Seiior.
Ahunque seriuiendo Su Magd, a V. S. con el lleuador de la presente Io
que alla vera por el gran duque de Moscouia, pudiera yo seusar de hazerlo
toda via por ser eosa que resulta en vtil y acrecentamiento de la Cliristiandad.
y que como tal es razon abracarla y fauorecerla en todo no he querido dexar
de suplicar por mi parte a V. S. que conforme a Io que su mag" scriue quiera
eneaminai y ayudar al que alla en nombre del dicho gran duque para que sele
haga ensu negoeioybreue y buen despacho de aquel todo el favor y mereed que
el mismo negoeio merece Guarde nuestro Senor la muy illustre persona deV. S.
con el acrecentamiento de estado que desea. De Augusta a 21 de Octobre 1581.
Seruidor muy cierto
y buen hcrmano de V. S.
El obispo de Arras.
Werbung der Babstlichcn Halligkeit den 23. Mai anno 1552. vorbracli(t).
Beatissime Pater quamius racio iniunctae mihi prouineise plane exigere vide-
atur, vt Sanctitatis Vestrre causam ob quam sollicitandamhuc venerim et quo vsque
superioribus annis in ea progressum, et postea a toto illo negotio buc vsque
cessatunr sit, online et ad longurn tempus commemorem, tarnen cum Sanctitas
Vestra ista ferme omnia tarn ex Sacrae Cesarcac Maiestatis quam aliorum
Cardinalium Arcbiepiscoporum et lllustris Domini Didici (sic) de Mendoza
Oratoris hie Caesarij literis, illi a me debita devocione et reuerentia oblatis
satis abunde perceperit, adeo etiam ut nefas videri possit semel bene
atque dilucide explicata retexere et ita superuacanea prolixitate Sanctitati
Vestrae eciam alias, hoc. praeserim tempore satis occupatse ae infinitis prope
tarn Ecclesiasticis quam Secularibus negotijs obstrietae molestus esse,
sufficiat ergo Sanctitatein Vestram semel cognouisse, Serenissimum ac Potentis-
santa opera, et hauer insieme per' raccomandato il detto m. Giouanni, et pre-
stargli in simil caso ogni suo fauor possibile, che certe e persona non solo
modesta et di buone conditioni, ma molto destra et manerosa et attissima al
maneggio di questa causa per quelloche per le atlioni sue se ueduto lungamente
in questa corte, et tanto piu si deue fauorire il negotio, quanto che non solo si
lia huomo che si proferisee ad una cosi degna impresa ma anebo chi uuole et
con la persona et col denaro proprio tentarne la essecutione, Et questo e ilConte
di Eberstein, eauallier honorato ct Vfficiale Imperiale di S. Mta. Cesarea che
andara in compagnia del detto m. Giouanni pur che allui in contraeambio se resti-
tuissa un Monasterio juspatronato antico di casa sua nel paese di Birtemberge
V. S. Ill ,na intendera da m. Giouanni ogni cosa piu distesamente, pero io non uoglio
allargarmi piu oltra, et perche so non manehara di quelli oltimi et degni vft'ic'
che alla borita del animo suo purissimo et Santo si conuengono, le cui man;
bacio humilmcnte, et in gratia me raccomando. Di Augusta li XVII. di Settembre
1581. V. S. 111™ et R m “.
Al cinbaxador del cuipcrador en Roma.
1551.
21. Oct.
M.
1552.
23. Mai,
N.
88
Joseph Fiedler
1552.
3. April.
0.
simum Principem ac Dominum Dominum Joannem Magnum Moscouitarum
Ducem Dominum meum Clemenlissimum (sicuti quondam a Progenitore ipsius
Magno Duce Basilio pie memoriae quoque factum esse eonstat) percupere sese
vna cum Populo sibi subiecto a Sanctitate Vestra, aecedente auctoritate Sacrae
Cesarae Maiestatis recipi membrum Latinae et Sacrosanctae apostolicae Eccle-
siae atque a Sanctitate Vestra tamquam eius capite Rex diei Regiaque insignia
sibi mitti, ed quod hoc negotium si ita veluti confido mediante diuina et
Sanctitatis Vestrae ope equis condicionibus et mediis interuenientibus ad
optatum finem dedueeretur, citra eontroversiam non solum ad amplificandam
Diuinae Maiestatis gloriam sed et Sanctitatis Vestrae laudem adeoque totius
Christianae reipublicae propagacionem ac incrementum magno vsui futurum
esse: Siquidem hac occasione et auctoritate Sanctitatis Vestrae intercedente,
non solum firma atque perpetua pax inter Serenissimum Poloniae Regem
Liuoniae Status et iamdictum Magnum Ducem (quod antecessores Sanctitatis
Vestrae foelicis recordationis clapsis temporibus tantopere quesierunt, con-
stitui atque firmari, sed et terra Sancta non ita difficile recuperari possit,
Qua propter cciam non diffido, Sanctitatem Vestram me in hoc tarn pio ac
plane cliristiano negocio pro paterna ac innata sua summa bonitate, et passim
apud omnespraedicataClementia non solum benignissime audituram, sed et exau-
dituram esse, Ita vt res ipsa testetur: Sanctitatem Vestram in hoc toto negocio
nihil aliud quam eil, quae ad illustrandam omnipotentis Dei gloriam, Sacrosanctae
Ecclesiae propagacionem et officium Sanctitatis Vestrae pertinere videbuntur, spec-
tasse et quesijsse, quod si Sanctitas Vestra quemadmodum spero fecerit idque
Serenissimo principi Joanni Domino meo Clementissimo per generosum Philip—
pumComitem abEberstain dictaeCaesareae Maiestatis dapiferum (ipse enim hanc
Legacionis prouinciam una mecum subibit) et me significaverit, minime equidem
dubitabo, quin haec Caussa toties licet sine aliquo certo eftectu agitata suum et
quidem optatum sorcietur finem. Qua quidem in re Dominus Comes et ego
nihil laboris aut impensae subterfugiemus donec ei extrema manus foeliciter fuerit
imposita. Deus Opt. Max. velit Sanctitatem Vestram in hoc et omnibus sacro
sanctae Ecclesiae suae sancto suo spiritu regere, eamquc nobis ac toti Orbi Chri-
stiano quam diutissime incolumen conseruare.
Meinorialc R mo atque III"' 0 Cardinali Fanensi exblbitum 3. die aprilis anno 1552.
Quamuis Sacra Caesarea Maiestas ad promovendum hoc negocium Moscovi-
ticum veluti inter caetera et literis ab ea ad Summum Pontificem datis luceclarius
apparet, satis sit propensa, eain tarnen credo ad id inulto fore propensiorem si
summus Pontifex Suae Maiestati rescriberet eamque quid in hac caussa facere
statuisset, cerciorem redderet, Ita vt sua maiestas ipsius commendacionem penes
Suam Sanctitatem non fuisse exiguam neque vulgarem deprehendere possit.
Prseterea eciam omnino necessarium erit veluti R' n " atque 111'"“ Dominacio
Vestra vel sine monitore faeile conjieere poterit, Vt a Suramo Pontifice prmfato
Comiti de Eberstain ac mihi quoque literrn ad magnum Moscouitarum Ducein,
quo is, quando eo venerimns, nostra: relacioni in hoc fidem babeat, dentur; qua-
les autem cuiusque tenoris illas esse conueniat et quamuis hoc ipsum partim
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 89
ex Cmsare* Maiestatis literis, partim eciam ex mea summo Pontifici facta rela-
cione forsan satis intelligi possit, ea tarnen vt decet Summi Pontificis ae
Reuerendissimoruin Cardinalium (quibus hoc negoeium vt pcrcepi expediendum
est eommissum) meliori ac saniori iudicio relinquenda sunt, qui procul dubio
nibil quod ad promouendum hoc tarn pium honestum ac quidem vniuersae reipu-
blie® Christianae tarn magno vsui futurum negotium pertinere videbitur in ijs
prsetermittunt.
Deinde eum R" us Archiepiscopus Moscouiensis, qui eo loco vbi Magnus
Dux sedem habet, metropolitam obtinet, cui etiam tamquam supremo reliqui
Episcopi omnes obediunt, sine dubio tractationi huius causs* intererit, non abs re
fore opinor, si nobis ad ipsum etiam Iiter* Credenciales vt vocant siue plense
fidei traderentur, vt ipse de vtilitate huius negotii, item dignitate atque honore,
quem ipse confeeto negotio inde consequi poterit, admonitusillud nonremoretur,
sed pocius obuiis manibus excipiat amplectatur atque promoueat.
Vltimo uero, vt quo nune eciam tarn Iongum ae satis perieulosum iter
tuto suscipere ac conficere queamus, reliquum erit vt Suminus Pontifex nobis ad
hoc literas Salui Conduetus in generali ae meliori forma eonceptas ad Reges
Principes ac reliquos Status tarn Ecclesiasticos quam Ciuiles, quorum diciones
nobis adeund* ac peragrand* erunt (ita tarnen quod Serenissimi Regis Poloni®
ac Magistri Militum theutonici ordinis in Liuonia vt in priori Instruetione admo-
nitum est ideo quod de perpetua pace inter ipsos et Magnum ducem eonstituenda
agendum ae tractandum sit, peeuliaris fiat mencio) benignissime concedere
dignetur. Qu* quidem omnia R““ atque 111”“ Dominacio Vestra pro singulari suo
erga Sacrosanctam Ecclesiam et Christianam rempublicam amore huiusque
negocii cum necessitate tum quoque commodiori expedicione sibi commissa esse
velit, et quatenus vsus exegerit, tarn apud Summum Pontifieem quam eciam
R""' m Cardinalem Mapheuin sicuti hactenus Summa fide et diligentia fecit, et
adhuc optime facere poterit, ne grauetur, eam eciam atque eciam et rogo et ob-
testor. Quod si quemadmodum confido fecerit, id sanc prmterquam quod Sere
nissimus Moscouitarum Dux cui hoc mediante Divino auxilio diligenti commemo-
racione significabo procul dubio gratissimo (non dicam amplius) animo accipiet,
eciam Deus Opt. Max. cuius est b*c causa R m ” atque 111"“ Dominacioni Vestr*
hic prosperitate vit* ac postbac perenni beatitudine cumulatissime remunerabit.
Ego vero si hoc pro mea tenuitate vnquam vlla raeione demereri potero semper
pro virili annitar
R m “ atque 111"“ Dominacioni Vestr*
Deditissimus atque obse-
quenfissimus Cliens
Joannes Steinbergius.
Memoriale Cardinali Paeeco exhibitum.
Rev"° atque 111“' Domine ac Palrone obseruandissime.
Sola R"“ atque III““ Dominaeionis Vestiae fretus bumanitate ausus sum ipsius
patrocinium iinplorarc, quod eo libencius spcro impendet, quo causa ipsa pia
ac iusla uel me tacente optimi atque amplissimi euiusque viri atque adeo ipsius
Summi Pontificis fauore longe est dignissima.
s. n.
P.
90
Joseph Fiedler
Totos integros sedecim menses procuro vt Magnus Moscouitarum Dux
Joannes Dominus meus clementissiinus accedente auctoriate et voluntate Sacr®
C®sare® Maiesfafis recipiatur membrum latinse Ecclesia;, atque ab illins Capite
Summo Portifice Romano Rex dicatur Regiaque illi Insignia miltantur, quod
profecto non tantopere expeteret, nisi id ipsum Quod latini omnes de Ecclesia
et Pontifice Romano sentiunt ipse quoque sentiret.
Causae atque Petieionis buius expedicio Commissa est R mo atque Rl ino Cardi
nal! Mapheo, sed quia is multis impeditur negociis, neque presenti commode
vacare possit, vel propterea maxime quod loco R'” 1 atque IU ml Parnesij Regno
Polonieo patrocinatur atque illius Regni Orator nescio quid adferat, quo hoc
negoeium Moscouiticum forsan moretur, opere preeium est, vt alteri et si placet
Sanctitati Suse R"" et Rl mo Fanensi illud eommitatur, quando quidem ille de toto
isto negoeio optime atque ante aliquot annos est instructus. Prmcor R"”" atque
RI"*” Dominacionem Vestram vt h®e su® Sanctitati referre velit atque negotij
eonfectionem rogare et commendare officio fungetur pio planeque Christiano et
se digno. R m * atque RI 1 "” Dominaeionis Vestr®
Addictissimus atque
Obsequentissimus Cliens
Joannes Steinbergius.
R"" atque lll'” is Cardinalibus Sauet® Crusis, Paciecoj Putlieo, Mapheo et Pigino
Dominis uicis obsei'uandissiinis.
s. d. R mi atque Rl mi Domini Patroni obseruandissimi. Joannes Magnus Moscoui-
0’ t arum jj ux infrascripta petit.
Recipi Membrum Latin® Eeclesi®
A Summo Pontifice Rex dici Regiaque sibi insignia mitti.
Super hac Magni Ducis Peticione C®sar ad Pontificem Literas dedit eas
habet penes se Re"“ atque 111"“' Mapheus. Joannes Steinbergius iam integros
XVII hie Rom® sollicitat, R" us vero Fanensis de tota re et negoeio optime
instructus, ante quinquennium ad Paulum III. foelicis recordationis seripsit,
atque hoc tempore Julio tercio rem omnem ita exposuit, vt ille non modo non
negligendam sed primo quoque tempore nullis allegaeionibus in contrarium
forsan factis obstantibus expediendam in superiori Consistorio Reuerendissimis
Mapheo et Fanensi presentibus censuerit mandaueritque.
Atque in presentiarum nihil aliud petitur, quam vt Papa per Illustrem
Comitem ab Eberstain et Joannem Steinbcrgium Magno Duci significet, petita
concedere veile, a literis C®sare® Maiestatis et Joannis Steinbergii proeura-
tione si placet exordium sumendo, et si videbitur condicioncs ®quas et honestas
adiungat, quomodo enim alias herum dietis fidem babebit Dux Moscus? Ipse
autem Dux ita cercior factus mittet ex tune Romain suos legatos, qui omnem
rem conficient.
Ein Versuch <ler Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 91
Heri Joannes axclius R ,n< " de putheo atque Pighinum tnco atque huius
ncgocii nomine conueniens summatim condieiones attigit, qua! vis* atque tocius
negocij series vtrique plaeere eas R ,n “‘ Pighinus cum quo prolixius est actum
si videbitur in medium ädferre non grauabitur.
R'n.'u," ac m»««» D D Vestrarum
Obsequentissimus ae
Deuotissimus Cliens
Joannes Steinber gius.
Gedruckt bei Ciampi, I. c. III. p. 47. —Turgenev, Hist. Russ. Mon. Bd. I.
p. 13S. CXXXI.
lllcmorlalc in quo rcferiintiir Condieiones negocij Itloscouitici, quarum superius facta
est liiencio et iain antea Suimiio Pontifici ex inandato Rcv 1 """“ Cardinalluni Augu-
stani et Maphei cxliibilum, et nunc Denuo R™ i ’ atque UlCardinalibus Sauet®
Crucis, Pacieco, Puteo atque Pighino oblaliini.
Condieiones quibus Summus Pontifex dignabitur Regijs Insigniis ornare s -
Magnum Moscouitarum Ducem atque illum sub vnione sacrosanet* Apostolic*
Ecclesia! recipere Ipse Summus Pontifex praiseribet praeter quas nihil erit lici-
tum Comiti de Eberstain, et Joanni Steinbergio Nuncijs su* Sanctitalis ad
praedictum Ducem profecturis agere, nisi si qu* erunt res huiusmodi quse non-
nisi in euidentem Sacrosanetae Ecelesi* vtilitatem et honorem vergi possint:
et quidem infrascript* non videntur esse a negotio alienae:
Pr im um, vt Magnus Dux Joannes Rex a Summo Pontifice appellandus et
per uniuersum orbein ebristianum publicandus teneatur mittere ad Suam Sane-
tilatem Suos iegatos cum Mandatis pubiieis, iurandi fidelitatom et obedienliam
eidem Sanetitati Sua! et Sanet* Roman* Ecclesia!, qui Rex coronabitur a
Primate Regni Archiepiscopo Moscouiensi nomine Pontificis Romani, Jurabitque
Rex et pro tempore coronandus in manus dicti Primatis fidelitatem et obedien-
tiam Sanet* apostolic* ecclesi* et mittet primo coronaeionis anno Romam
Suos Legatos ad iurandum Pontifici obedientiam.
Item, quociescunque contigerit vacareSedem Romanam atque alium eidem
legitime pnefici Pontificem, teneatur tune existens Rex Moscouitarum more
aliorum cliristiani orbis Principum, et Potentatum mittere in primo Pontifi-
eatus anno suos legatos ad iurandum obedientiam et fidelitatem Pontifici Electo
et Coronato.
Item, vt Primas Regni Moscouitici eligatur vel constituatur huevsque
obseruato more, ita tarnen quod ille teneatur confirmari a Summo Pontifice, et-
ab eo pallium recipere, eritque is confirmatus, primas Regni et legatus Natus
Sancjffi Romanse Ecclesiae, qui corfirmandus vel ipse prmsens, vel per suum
procuratorem legitimem fidclitatis obedientimque iurabit iuramontum, emterunq
ob longinquitatem Prouinci* Moscouiticie is primas confirmatus, pallia dabit
Dicionis illius Archiepiscopis, omnesque alios Episcopos electos et Catholice
constitutos nomine Sacrosanct* Aposlolic* Ecclesi* confirmabit, et ab eis-
92
J o s e p h Fiedler
dem in confirmacione huiusmodi et palli tradieione recipiet iuramen um
fidelitatis et obedienei® Summo Pontifici Romano in perpetuum prmstandi et
sibi tamquam Legato Nato Dicf® Roman» Ecclesi®.
Item, dabunt omnem opcram idque se facturos iurabunt cum Princeps
Moscouitarum tum Primas Regni. vt Moscouitana Ecclesia, quanto eitius et tran-
quillius ficri possit, conueniat et vniatur cum Sacrosaneta Apostolica Ecclesia
matre omnium totius orbis Ecclesiarum.
E re autem tocius Christian® Reipublic® erit, si Summus Pontifex sicuti ab
inilio ipsi Pontifici, Reuerendissimo Cardinali Mapheo et aliis Cardinalibus
sepius est significatum, interponat suam auctoritatem vt (Irma perpetuaque Pax
fiat et stabifiatur inter Moscouitarum Principem Regem Poloni® et Milites
Liuoni® aliosque Liuoni» status vt ipsi firma Pace fruentes facilius commodius
et expeditius in tartaros atque Turcas arma vertere possint.
Liter® Re m ' atque III" 1 Cardlualis Fanensis ad PhiIlppuiu Comltem de Ebcrstalu.
1SS3. Illustris Domine Comes quibus racionibus ae impedimentis Negocium illud
g ‘ ' Moscouiticum hactenus remoratum sit et quomodo sese in hoc Serenissimi
Poloni® Regis Orator (qui ob hanc causam Romain missus) nobis opposuerit,
illa oinnia ex nostro Joanne Steinbergio cognoscere licebit. Nos tarnen qua
Potuimus fide et diligeneia hane causam vt meretur et Summo Pontifici et pr®-
cipuis quibusdam Cardinalibus ita eciam quod Sua Sanctitas in Consistorio
proxime habito ipsa nobis signifieauerit, quod illi omnino placeat: vt hoc
negocium allegaeionibus pr»fati Oratori non obstantibus omnino et quidem in
triduo expediatur. Quamuis autem hoc non sit subsequutum, partim propter
aduersam nostram ualetudiuem, qua interea temporis laborauimus, partim eciam
quod nobis iam in Lombardiam concedendum erat, factum est: discedentes
tarnen hoc negocium R mi ' atque 111™” Cardinalibus Pacieeo, Putheo ac Pighino
ita commendauimus, quod non dubitamus pr®dictum Joannem Steinbergk:
suam et quam tanto tempore summo Studio ae diligeneia procurabit breui habi-
turam expedicionem, qu® T. 111. Dominaeioni cui nos ac pr*fatum Joannem
Steinbergium quam oftlciosissime commendamus coelare minime voluimus.
Data Rom» III. die Maij anno etc. LI1I.
Cardinalis Fanensis
manu propria subscripsit.
Et quamuis post Reuerendissimi fanensis discessum pcnes supradictos Car-
dinales, quibus hoc negocium ab IIP“ Dominacione Sua vt supra ostensuni est
commendatum erat, singulis diebus, summa sedulitate ac diligeneia pro confec-
tione negotii sollicitauerim: tarnen hanc non obstante quod a Summo Pontifice
Cardinali Mapheo denuo et quidem in triduo cxpediendum commissa esset a
quibusdam priucitam vtilitatem publico bono ac commodo prwferentibus ita aperte
oppugnari deprehendi, quod nisi causa luec aliis committerelur, eam raro aut
numquam expeditum iri proinde eciam negocio inconfecto omnino discedere et
Summo Pontifici me ita vt seqüitur commendare conslitui.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 93
Beatisslmc Pater.
Posteaquam Sanctitas Vra me in ilio Serenissimi Moscouitarum Dueis domini
mei clementissimi negotio pro solita sua summa bonitate non solum benignissime
audierit, verum etiam hoc tamquam pium honestum ac sacro sanctae Ecclesiae
adeoque univcrsae Reipublicae Christinae non solum ad defendendam sed et ad
propagandam ortbodoxam religionem nostram multis nominibus profulurum,
primo quoque tempore expediendum censuerit commiseritque, et quamius postea
ceiam Serenissimi Poloniae Regis Orator sine vila causa sese expedieioni huius
negocii opposuerit illamque impedire conatus sit: Sanctitas Vestra nihilominus
tarnen et allegacionibus in contrarium fortassis ab eo faetis non obstantibus
causam hanc Reverendissimo Mapheo denuo ac ueluti saepius ostensum in triduo
conficiendam in praesentia Rev'" 1 atque 111 mi Cardinalis fanensis iniunxit, qua vero
de causa baec tarn pia ac plane Christiana commissio ita ut debuit non sit expe-
dita me equidem fugit, Caeterum cum Sanctitas Vestra in hac re omnino suo
officio functa esse videatur, Proinde illi eciam Suae Serenitatis nomine gracias
quam maximas ago: et quoque promitto me summa et ex qua debeo fide et
diligencia Suae Serenitati hunc Sanctitatis vestrae erga se propensum animum
ac amorem plane paternum cum debita exbibitae humanitatis et beneuolenciae
commemoraeione significaturum, nihil omnino dubitans quin Serenitas Sua pro
innata gratitudine et animi sui in referenda gracia promptitudine id summo
studio demereri eonab^tur, Dolet me tarnen summopere quod Suae Serenitati:
prout baec causa Sanctitatis Vestrae et optimorum quorumdam iudicio merebatur
non tale responsum quod Deo Optimo Maximo in primis acceptum, Sanetitati
Vestrae honorificum, ipsi vero Magno Duci tanto desiderio exoptatum, suisque
subditis adeoque vniuersae reipublicae Christinae ita frugiferum et salutare
fuisset, referre potuero: Beatitudini Vestrae quam nobis ac toti orbi Cbristiano
omnipotens Deus quam diutissiine incolumen conservet, me quam deuotissime
commendo: enixe rogans vti me paterna sua benedictione quo hoc tarn longum
iter eo foelicius et ingredi et absoluere valeam, impertire dignetur.
Sed nescio qua racionc luec mea intentio antequam actum deduceretur: ad
R monlm Cardinalium Saluiati ac Imolae noticiam peruenerit, qui me ad se voca-
tum monuerunt et horlati sunt, ne a causa desisterem aut re inconfecta discede-
rem: se enim patrocinium huius negocii suscepturos, Summoque Pontifici ita
commendaturos, vt tandem remotis obstaculis expediretur, et quamuis hoc inicio
praesiilere, nihil tarnen in effectu, eo quod Cardinalem Mapheum (jui sese
habila racione iniunctae atque acceptatae commissionis totis viribus huic nego-
cio opponebat) offendere voluerunt, nihil fuit subsequutum.
Sequens Memoriale eiiisdein ferme scntenciac cum superiori R mi ' atque 111 mi “
Cardinalibus Saluiati et Imolae cum ingredirentur consistorium exhibitum est.
R'” atque 111"" Domini Patroni observandissimi.
Joannes MagnusMoscovitarumDux etc. aRomanoPontificeinfrascriptapetit.
ltecepi MembrumLatinae et Sacrosanctae Apostolicae Ecclesiae et a summo
s. D.
T.
s. t>.
U.
94
Joseph Fiedler
S. D.
V.
Pontifice Komano accedente Saerae CaesareaeMaieslatis auctoritate Rex dici, ae
per Universum Orbem Christianum publieari sibique Regia insignia mitti etc.
Super hae Magni Dueis petitione Caesarea Maiestas ad Pontificem literas
dedit eas habet apud se R 1 "“’ Mapheus. Joannes Steinbergius XX menses Romae
procurauit, Reverendissimus uero Fanensis de toto negocio optime inslructus,
ante quinquennium ad foelicis rccordacionis Paulum III. scripsit, atque boe tem
pore Julio III. rem omnem ita clare atque dilueide exposuit, ut ille non modo
non negligcndam sed primo quoque tempore nullis allegationibus in contrarium
fortasse adductis obstantibus, expediendam et in consistorio die Lunae post
misericordias Domini habito Praedictis Cardinalibus Mapheo et Fanensi praesen-
tibus censuerit mandaueritque.
Atque in praesentiarum nihil aliud petitur quam vt Summus Pontifex
per Illustrem Comitein ah Eberslain et Joannem Steinbergium Magno Duci signi-
fieet (a literis Caesareae Maiestatis et Steinbergii procuracione si videbilur
exordium faeiens) se petita concedere veile, quomodo enim alias horum dieti
fidem habebitDux Moscus? et si placebit Condiciones cequas et honestas adiungat
ipse dux cercior faetus mittet et tempore Romam suos Legatos qui rem omnem
conficient.
Ante dies aliquot R m; ‘ Putheo, Pighino ae nonnullis alijs Cardinalibus
quaedam Condiciones ohlatae sunt, quae illis atque adeo totius negocii series
vtique placere visae sunt, nee immerito cum illis cognitum atque animadversum
sit Pium II. Pontificem Maximum et Vigilantissimum vel ultro suos nunclios ad
Mahometem II. Turcarum Imperatorem cum literis misisse, quibus illum ad sus-
cipiendam Christi fidem pie ae sancte hortabatur, tantum abfuit, quod vitro
venientem neglexisset, condiciones quarum supra facta est ineneio a lergo
ascripsi.
Memorialc Cardinali Saluiati de hoc negotio quam optime iiistrudo in consistorio
oblatum.
R m * atque 111”' Domine obseruandissime.
Rogo R'“'" atque 111“’*”' Dominationem Vestram ut negocii Moseouitici plane
Christiani memoriam habere velit apud Suam Sanetitatem: Vt tandetn confici
possit, vnas peto literas a Sua Sanctitate quibus eereior reddatur Magnus Dux
Moseouite, suam Sanetitatem cupere et veile illum membrum Sacrosanetaj
Apostolicre Eeclesise recipere, ipsumque Regiis insigniis ornare. Vt quam
primum huc mittat Suos legatos ad iurandum Pontifici et sacrosaut® Ecclesia;
obedieneiam et fidelitatem, qure omnia lacius R ,n “ Dominaeioni Vestr®, atque
eciam condiciones a negocio pro vt et Summo Pontifici multisque Cardinalibus
visum fuit minime alienas'exposui. Sua Sanctitas iussit istius modi literas
confici ae mihi tradi. Quid uero Cardinalem Mapheum moueat quod eas non
conficiat ipse nouit. Cuperem igitur a Suse Sanctitatis Seerelario Carpen-
toratensi, illas seribi ae mihi tradi, vt negocium tandem expediri possit, quod
quidem huiusmodi est, vt Sanctitati Sua; sempiternam laudem ac Vniucrs®
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 95
Reipubliete Christianse tantarumque Regionum quibus longe lateque Duximperat
aecessione maximum eommodum ac contra Tartaros et Turcas firmissimum
prsesidium sit allaturum.
R"" atque lil”"’ Dominacionis Vestrse
obsequentissimus cliens
Joannes Steinbergius.
Interim dum hcec ita vt prcefcrtur agerentur Cardinalis' Mapheus subito
moritur, nec defuerunt, qui affirmare ausi sunt Deum opt. Max. ipsius in hoc
negocio Moscouitico summa improbitate ac perfidia, eo quod priuatam vtilitatem
bono publico non sine animce suce dispendio prcetulisset ita idtum esse, qui me
eciam vt bono animo essem causamque hanc minime desererem liortati sunt, su-
blato enim hoc impedimento eam breui expeditum iri pra; se ferebant, suadentes
vt totum hoc negocium et quovsque in eo progressum quibusue in terminis
modo versetur, Il d " Domino Sacristano Episcopo N. ac Summi Pontificis Con-
fessori ad quem me.sicuti et fecere deducere vellent, ordine explicarem, illum
enim pro suo erga Sacrosanctam ecclesiam amore huius tarn sandte pite ac
plane Christianen Causte onus et patrocinium non gravatim suscepturum, Sum-
moque Pontifici ita commehdaturum, vt dempta mora tandem expediretur in hoc
cius conscienciam si opus esset onerando. Quod cum ita factum esset Sacristanus
re cognita pii ac Christiani hominis officio functus in hoc negocio conficiendo non
so/um quoad suam personam omnem operam collocauit, verum eciam R"' um at
que Illustrissimum Tranensem Sacri: Cardinalium Collegii Decanum vt ipse sua
auctoritate illum penes suam Sanctitatem adiutaret, commouit, qui eciam percepto
negocio ad ulteriorem meam sollicitacionem et sequentium memorialium exhibi-
cionem Pontifici persuasit, quod Sua Sanctitas pro confirmacione negocii infra
scriptas literas quas iam dictus Iieuerendissimus Tranensis ex iussu Pontificis
ita concipi curauit, vt Magnum Moscouitarum Ducem quam Sacram Ccesaream ac
Romanam Regiam Maiestatem nec non eciam Polonicv Hegern se daturnm sit-
pollicita, quee eciam nisi mors prefati Cardinalis trani interuenisset, absque
dubio iamdudum essent expeditce.
Itlciuoriale R m ° Carilinali Trancusi Sacri Decano in Conslstorio 13. Septcmbiis anno
1553 liabito oblatum.
R m " atque 111"" Domine obseruandissime.
Quo Vero nunc quod reliquum est, eciam istae literae ad ineundam cum Sere-
nissimo Poloniae Rege firmam stabilem atque perpetuam pacem ineundam non
solum vtiles sed omnino necessariae ad Magnum Moscouitarum Ducem ae ante
omnia eciam ad Sacram Caesaream et Romanam Regiam Maiestatem etc. malui e
expediantur, id sane a Summo Pontifice nemo melius atque R n * atque 111"'“ Domi-
nacioVestra obtinobit: si quidem eorum quae ante bac tempore Clementis Papae
VII. foelicis memoriae acta; l'acta, et ad praefatum Magnum Ducem scripta sunt
maiorem testem 111“'“ Dominaeio Vestra vt quae istis rebus tractandis non.solum
'nterfuerit sed vt intellexi et praefuerit, habere poterit neminem. Proinde lll 1 "'"'
1553.
13. Sept.
w.
96
J O s e I> h F i e il I e 1-
15S3.
2. Oct.
X.
S. D.
Y.
Dominacionem Vestram summopere et rogo et obtestor quo hoc negoeium Siimmo
Pontifici ea fide ac diligencia qua hactenus et amplecti et ita eommendare velit, vt
tandem cum immortali pontificis laude et summa Sacrosanct® Ecclesiae adeoque
totius reipublicae Christianae utilitate et commodo suum et quem meretur sorcia-
tur effectum. Id praetcrquam quod Deus Opt. Max. 111" Dominacioni Vestrae tam-
quam pium acCbristianum opus abunderemunerabit ego quoque hoc ipsumMagno
Duci ea qua debeo diligencia commemorabo, nihil omnino dubitans, Serenitas
Sua hoc pro solita gratidudine demereri conabitur.
Sequilar aliud eitlem Cardinal! Tranensi in coiislstorio 2. die orlolirls celebrato datum.
Postquam R mus Archiepiscopus Marcus Anthonius Mapheus etc. iam cx lega-
cione polonica sit reversus, Summoque Pontilici procul dubio quid in illa causa
Moscouitica sibi a Sua Sanetitate cominissa atque iniuncta eiTectum sit retulerit,
Idcirco 111"’" Dominicacionem Vestram eciam atque eeiam rogo, quo hoc nego-
cium per integrum biennium nunc a me sollicitatum vt hactenus fecit pro sua
summa benignitate complectens super hoc cum summo Pontilice loqui alque
Sanctitati Suae ita eommendare dignetur: vt tandem ea racione pro vt ipsi
Summo Pontifici ac eciam III" 1 ” Dominacioni Vesta® Visum fuit, expcd’iri possit hoc
praetcrquam, quod 111"’ Dominacio Vestra officio fungetur bono ac se digno
ctiam omnipotens Deus illi hic prospero rerum successu ac posthae perenni
gaudio cumulatissime remunerabit.
Eiusdem ferme tenoris Memoriale eodemque tempore Jteuerendissimo Car-
dinali Mignanello praesentatum est.
Reliqua memorialia singulis consistorijs Diucrsis. Cardinalibus pro expedi-
cione huius negocii tradita, cum sint ferme eiusdem tenoris cum superioribus et
ob id magis tediosa quam ad instructionem Causae necessaria ea hic lubens dedi~
taque opera omitto.
Literae Julij III. Pontificis Max. ad Magnum Moscouilaruin Diiceiu expediendae in
haue scutcnciaui saluo tarnen Suae Sanctitatis heue plante uieliorique iudicio cx
mandato Cardinalis Tran! conceplae sunt.
Salutem et apostolicam benedictionem. Haud sane mediocri nostro ac
fratrum nostrorum Sanct® Roman® Ecclesi® Cardinalium gaudio et aniini
Imtieia ex literis Dilectissimi filij nostri Caroli V. Romanorum imperatoris
semper augusti etc. atque idem nobilis viri Joannis Steinbergii nobis facta
relacione intelleximus, Serenitatem tuam veluti a Serenissimo Basilio quondam
Magno Moscouitarum Duce etc. Serenitatis tuae progenitore laudabilis memori®
tempore Clementis Septimi Pr*decessoris nostri felicis recordacionis, quoque
factum accepimus, summopere cupere, se suasque Diciones cum sacrosancta
Romana et Apostolica Ecclesia coniungere atque a nobis membrum eiusdem
ecclesi® declarari ac per uniuersum orbem Christianum publicari, Regiaque
sibi insignia mitti. Cum itaque nostrum qui licet iridigni Saluatoris nostri Jhesu
Chrj vices hic in terra gerimus sit officium, non solum ouem Pastoris sui
legitimi vocem audientem conseruare ac errantem reducere, Verum eciam
ÜÜS
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 9T
alienam ab ouile oinni st.udio ac labore in ömnipotentis Dei laudem ortborloxae
fidei ac sacrosanctie religionis nostr® augmentum conquirere, equidem Sereni-
tatem Tuam cum populo sibi subiecto libentissime atque obuiis manibus susci-
piemus, pracscrtim ubi illam prffidicta serio et ex toto animo desiderare cognos-
cemus, cuius quidem rei efficacissimum argumentum erit, si cum Serenissimo
Poloni® liege Liuoni® Statibus, atque alijs Cliristianis Potentatibus filijs nostris
dilectissimis firmam perpetuamque Pacein (id quo fiat non solum Votis omnibus
exoplamus, sed et Serenitatem tuam in Domino summopere et rogamus et obte-
stamur) iniuerit, vel saltem, qu.od per se quominus illa aequis et honestis con-
dicionibus inita sit non steterit omnibus tesfatum fecerit, vt ita ex Serenitatis
tu® ad nostram gregem accessione, Pax quoque Religionis Virtutumque omnium
atque scienciarum vel vniea alumna accessisse cum nostra ac bonorum omnium
vnanimi summaque leticia dici possit, ita enim fiet vt rebus internis in tranquillo
collocatis domesticoque timore sublato expedicius alacriusque in Tartharos
atqueTurcas communes Christianinominis hostes Serenitas tua cum alijs Christiani
Orbis Principibus vnanimiter arma vertere atque inde Dei omnipotentis auxilio
gloriosam victoriam ac numquam intermorituram laudem reportare possit. Con-
diciones autem qu® nobis vis® sunt mquiores ac dicionibus Serenitatis tum
accommodacibres, Illustri Comiti ab Eberstain et prmnominato Joanni Stein-
bergio qui Serenitali tum prmsentes literas nostras reddituri sunt, dedimus, qu®
si Serenitati tuae atque item quoe supra de firmanda atque in perpetuum stabili-
enda pace scripsimus, placebunt, et vbi Serenitas tua ad nos suos legatos cum
sufficientibus mandatis totius negoeii conficiendi gracia mittet, dabimus omnino
operain, vt illi intelligent nostrum erga Serenitatem tuam affectum atque amo-
rem minime vulgarem sed plane paternum esse. Deus Opt. Max. Serenitati tuae
propositum intentionem et Consilia ad amplificandam diuini nominis sui glo-
l'iam, Sacrosanct® Catholic® Eeclesi® incrementum, Sua ae subditorum suorum
aniinarum salutem cum prospera rerum administracione gubernet eamque ab
omni aduersitate quam diutissime ineolumen conseruet. Datum.
Titulus Magni Moscouitarum Ducis.
Serenissimo ac Potentissimo Domino Domino Johanni Vniuersorum Ruthe
norum lmperatori Magno Duci ae Principi Volodomeri®, Smolenci®, Inferi®,
Inguri®, Permise, Bolgarise Dominatori et Magno Principi, Inferioris Nouogar-
dite, Cernigoui® Rasanise Volothise Rostoui®, Jaroslauise ßellosori® Vdorise
Obdorise et Condini® etc.
Gedruckt bei Ci a mp i, I. c. III. p. 47 mit der vollständigen Datirung: Datum Rom®
apud S. Petrum sub anmiloPiscutoris die 1. Augusti anno lööO. Pontif. nostri an. 1. — Ein
anderes Exemplar desselben Schreibens t»is zu den Worten: „firmamperpetuamque Pacem“
befindet sich ebendaselbst, i. c. I. p. 24ii mit derselben DatiHing, nur ist dort statt des hier
innerhalb der Klammern Enthaltenen und des folgenden nachstehender Passus: „Condi-
tiones autem qua) noliis vis® sunt mquiores et ditionihus Serenitatis Tu® accomodatiores
illusstrissimo Comiti ab Herbestain et prmnominato Joanni Stembergio dedimus“. Dann
folgen die Bedingungen von Beil. I. Z. mit Weglassung der zweiten Bedingung. — Das
selbe auch bei Turgenev, Bist. Buss. Mon. Bd. t. p. 140. Nr. CXXXIit.
Silzb. d. p hil.-hist. CI. XL. Bd. 1. Hft. 7
98'
Joseph FiedIe r
Instructlo Jiilii III. Pontiflcis Maxim! qua brctilssiiuc oslcndltur quid Illuslris toiues
ab Eberslaln ct Joannes Steinbergius suac Sanctllads nomine cum Magno Mosco-
uitaruiii Duce agere debeant.
Z. Primo summi Ponteflcis nomine Serenissimum ac potentissiinum Dominum
Dominum Joannem Magnum Valodomeriae et Moseouiae Ducem etc. Apostoliea
benedictione plurimaquc salute impertire debent, pronamque ipsius voluntatem
ac plane paternum afiectum erga suam serenitatem significarc debent subiun-
gentes quod si Ser. sua; in rebus gerendis ac gubernandis pro voto et animi sen-
tentia suceederent nihil sueb Sanctitati vel graciusvel auditu iucundius esse posse,
Idque ob hanc maximecausam,quod Sanctitassuatamexsacrae CsesareEe Maiestatis,
Rcverendissimi Cardinalis de Fano, et aliorum literis ad ipsam ea de re scriptis,
quam Joannis Steinbergij procuratione cognouerit, Serenitatem Suam Patris sui
Basilii Laudatissimae memorise vestigiis insistentem Sacrosanetae Apostolicae ac
latinaeEcclesiae subseripere (sic), ac modo sibi aequae Condiciones adhoc propo-
nantur, et quodinembrum eiusdem suscipi Regijsque insigniis ornari debcat ccrto
confirmetur sese vna cum subditis suis ei conjungere veile, in quo quidem lam
sancto proposito vt Deus Opt. Max. suam Serenitatem quo hoc ad optatum
finem cum suo simulque omnium Christianorum summo commodo vlilitate atque
tranquillitate foeliciter deducere queat, confirmet Suam Sanctitatem sedulo
oraturam ac ouem vitro venientem, non modo non neglecturam, sed tamquam
desideratissimam obuiis vlnis amplexuram, adeoque in toto hoc negocio se ita
exhibituram, vt res ipsa testetur Suam Sanctitatem omnino Suo functam officio
ct in his omnibus nihil aliud, quam Dei omnipotentis gloriam Sacrosanetae
Ecclesiae Apostolicae propagacionem ac ipsius ducis et Subditorum suorum
communem nobiscum animarum salutem spectasse et quaesiisse dummodo sua
Serenitas eciam sequentibus condicionibus vt honestis aequis pijs ac in com-
munionem tolius Christianae Reipublicae vtilitatem tranquilitatemque vergentibus
annuat atque subscribat.
Et quidem primo vt sua Serenitas cum Serenissimo Poloniae Rege,
Liuoniae Statibus atque alijs finitimis et Christianis principibus, propter raciones
in literis suic Sanctitatis ea de re ad ipsam datis pro parte expressas stabilem
atque perpetuam pacem iustis tarnen atque honestis condicionibus interuenien-
tibus ineat, ita fiet, vt ipsi inter se firma pace fruentes facilius commodius
etexpeditius in nefandos agrorum communium depopulatores Tartharos etperpe-
tuos Christiani nominis hostes Turcas arma vertere et se suosque a pestiferis
illis ac quotidianis ferme incursionibus defendere ac in tuto collocare possint.
Quo facto consequens erit vt Magnus Dux Joannes Rex a Summo Pontifice
appellandus ac per Vniuersum Orbem Christianuni publicandus priino quoque
, tempore, mittat Romain suos Lcgatos cum mandatis publicis, iurandi fldelitalem
ct obedientiam eidern Sanctilati Suae et Sacrosanetae ltonianac Ecclesiae qui
Rex coroaabitur a primale Regni, Archiepiscopo Moscouensi nomine Pontificis
Romani iurabitque Rex, et pro tempore coronandus in manus dicti Primatis
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 99
fidelitatem et obedientiam Sanetae Romanae Eeclesiae et mittet primo Corona-
cionis anno Romani suos Lcgatos ad iurandum Pontifiei obedientiam.
11 e tn quotieseunque eontigerit vacare Sedem atque alium eidein legitime
prefici Pontificem teneatur tune existens Rex Moscouitarum more aliorum Chri-
stiani orbis Prineipum et Potentatuni, mittere in primo Pontificatus anno Romam
Suos Lcgatos ad iurandum obedienciam et fidelitatem Pontifiei Electo et
Coronato.
Item ut Primas Regni Moscouitici eligatur vel constituatur huc vsque
obseruato more, ita tarnen, quod ille teneatur confirmari a summo Pontifiee et ab
codem Pallium rceipere, Eritque is eonfirmatus primas Regni et Legatus natus
sanetae Romanae Eeclesiae qui confirmandus vel ipse praesens vel per suum
procuratorein legitimum, fidelitatis obedientiaeque iurabit iuramentum. Caete-
rum ob longinquitatein Prouinciae Moscouiticae Is primas eonfirmatus pallia
dabit Dicionis illius omnibus Archiepiseopis, atque alios episcopos clectos
vel canonice eonstitutos confirmabit, et ab eisdem in confirmacione eiusmodi
siue Pallii tradicione reeipiet iuramentum fidelitatis et obedieneiae Summo Pon
tifiei Romano in perpetuum praestandi et sibi tamquam Legato Nato dictae Ro
manae Eeclesiae.
Item dabunt omnem operam idque se facturos iurabunt, cum Princeps Mos
couitarum tum Primas Regni, ut Moseouitana Ecclesia, quanto eitius et tranquil-
lius fieri possit, conveniat atque vniatur cum Saerosaneta Apostolica Ecclesia
matre omnium totius Orbis terrarum Ecclesiarum.
Praeter hic enumeratas condiciones nihil licebit praefatis Comiti Eberstain
et Joanni Steinbergio ad Magnum Ducem profecturis Suinmi Pontificis nomine
cum Sua Serenitate agere, nisi si quae erunt res huiusmodi, quae nonnisi in
euidentem Sacrosanctae Eeclesiae vtilitatem et honorem vergi possint vel ad
erigendam stabiliendamque inter dictos potentatus ac Livoniae ordines firmam
pacem idonea atque aecommodata visa fuerint.
Ein Fragment dieser Instruction bis zu den Worten : — „luto coiloeare possint“
befindet sich bei Turgene v: Hist. Russ. Mon. I. p. 139, Nr. CXXXII.
Julius III. Pontifex Maximus ad Archiepisco|ium IQoscouienscm.
Salutem et Apostolicam benedictionem etc. Quamuis ea quae Superioribus
annis a Serenissimo Principe ßasilio quondam Magno Moscouitarum Duce augu-
stae memoriae penes praedecessorem nostrum Clementem papain VII. foelicis
recordacionis, de Moseouitana eeclesia cum hoc sancta Apostolica et iatina
Ecclesia coniungenda facta et agitata fuerint, ac modo apud nos Serenissimi
Principis Vestri Joannis: (vt qui charissimo progenitori Suo praefato Duci
Basilio non modo in Itegno, sed et Iteligione quantum inlelligiinus succedere
flagitat) denuo nunc procurentur sollicitenturque: Tuae fraternitati esse quam
notissima minime dubitemus. Praeterea tarnen eam et de nostra hae in re sen-
tentia et quibus mediis praedictam Unionem et Religionis nostrae ab utraqui
parle concordiain commode atque cum summo Principis vestri et omnium Chri-
7*
100
Joseph Fiedler
St
stianoriim Potentatuum ac Statuum tranquillitate nostrorumque omnimn anima-
rum salute inehoari ac foelieiter perfiei posse senciamus. Tuam fraternitatem per
Illustrem Gomitem ab Eberstain ac nobilein Virum Joannem Steinbergium (qui
illi praesentes exhibituri sunt) cerciorem reddere voluimus rogantes, quo eos
nostro nomine non grauatim audire et in hoe plenam (idem tribuere, adeoque
ipsum magnum Ducem, vt in tarn Sancto proposito grauiter pergcre, ae
roonitis nostris vt piis ita et fidelissimis de ineundo eum Poloniae Rege, Liuoniae
Statibus, alijsque Cbristianis Potentatibus filijs nostris dilectissimis stabili
perpetuaque pace non grauatim annuere. dignetur, veluti optime poterit,
ae tuam fraternitatem pro sua aequanimitate summa eum diligentia facturam
nobis pollieemur, modis Omnibus et mouere et hortari velit, ita futurum con-
tidimus, ut pace hoc modo constituta ipsi arma sua coniiungant, et pocius in
infideles Thartbaros imanesque Tureas Cbristiani Sanguinis perpetuos hostes,
quam sui ipsius Yiscera unanimiter conuertant, quibus mediante diuino auxilio
superatis tandein pacis exopfatae commodis foelieiter perfrui possint. In hoc
fraternitas tua praeterquam quod illi et honori et magno vsui futurum erit, se
digno pio ac plane Christiano ....
Eiusdem Pontlficis Juli! ad Sacram Caesaream Maiestatein Literae.
Salutem et Apostolicam benedietionem etc. Dilectissime filj, quantam animi
leticiam nobis ac R mi ‘ fratrilnis nostris Sanctae Romanae Ecclesiae Cardinali-
* bus tuae Maiestatis literae de Magno Moscouitarum Duce, una cum populo sibi
subiecto, in gremium Ecclesiae (quod redeuntibus, imo etiam alienis ab ouile
nullo vnquam tempore clausum esse debet) suscipiendo attulerint, Verbis satis
eonsequi non potest, quod Deus Opt. Max. rem tanti momenti, adeoque Vniversao
reipublicae Christianae tarn magno usui futuram, et toties superioribus annis
licet sine aliqua trüge agitatam nunc demum sub nostro Pontificatu idque potis-
simum tuae Maiestatis patrocinio fidelissimo ad effectum deduci Veile videatur,
Id eirco eciam statim atque ex Maiestatis tuae Iiteris et Joannis Steinbergij
ipsius Magni Ducis Cancellarij relatione negotio cognito, Id primo quoque tem
pore et quidem anno elapso expediendum commisimus, qua vero ratione acci-
derit, quod hoc ipsum antequam ei extrema manus imponeretur ad Serenissimi
Poloniae Regis notitiam peruenerit nos fugit, qui quidem Rex ad nos literas
dedit, quibus licet hanc rem piam, ac plane Christianam esse fateretur, rogauit
tarnen ne nisi se prius audito expediretur, et quamuis non ita multo post quo-
qne suum oratorem hac ipsa de caussa ad nos destinauerit et etiam nonnulla,
quamobrem Magno Duci petita non eoncedendn putarit in medium adferri
curauerit, ea tarnen non ejusmodi Visa sunt, quod rem, eum ad defendendam,
tum quoque propagandam religionem nostram, quam sancti Apostoli ae Mar-
tyres semper vita pociorem duxerunf, ita utilem impedire deberent, praesertim
cum exbac nöstra Concessione Potentiae Magni Moscouitarum Ducis nihil acce-
dere neque decere vel eciam vllatenus in praeiudicium Poloniae regis redundare
possit, imo quod praeterea eciam in bona spe suinmus huius rei occasione tir-
mam atque perpetuam pacem equis medijshonestisqueconditionibus intervenien-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 101
tibus: inter Poloniae Regem et praedictum Magnum Ducem constitui posse, ut
ita omni odio et simultate si quae nnquam intercesserint penitus sublatis ipsi
inter se conoordes viribusque conjunctis poeius in nefandos grassatores Tar-
tharos, atque indictos Cbristiani nominis hostes Turcas, qui saerosanctam Dei
Ecelesiam misere lacerant quam in sui ipsius Yiscera unanimiter arma vertant,
id quo flat aequidem nihil laboris aut diligentiae praetermittemus, sed utrumque
tarn Poloniae Regem quam Magnum Moscouitarum Ducem sedulo monebimus
atque hortabimur, Jam Tua Majestas nobis exoranda est, uti nobis opitulari et
hane causam eo quo eeperit animo promovere, Dilectumque filium nostrum
Ferdinandum Romanorum Hungariae ae Bohemiae Regem etc. Fratrem suum
ionge charissimum quo lianc causam per se piam et amplissimi cuiusque viri,
adeoque eciam Regiae Suae Maicstatis fauore et patrocinio longe dignissimam
pro singulari ac innata sua aequanimitate atque amore quo sanetam apostolicam
Ecelesiam prosequitur amplecti: Suaeque Maiestatis Genero Poloniae Regi ita
commendare velit, ne ipse nobis praesentem oceasionem Sacrosanetae Ecclesiae
tarn insigni membro, adeoque eciam cum Suae Serenitatis atque omnium Cliri-
stianorumcommodo summaque tranquillitateaugendae, elabi atque effluere paciatur
sed totis viribus poeius promoueat, suisque scriptis id quod etnos facturi sumus
ad hoc sedulo etmonere et hortari velit. Hoc praeterquam quod Maltas Tua sibi
hac racione praelibatum Magnum Ducem perpetua amicieiae necessitudine de-
vinctum reddiderit eciam omnipotens Deus cuius est haec causa illi procul dubio
hic dexteritate vilae prosperoque rerum successu et posthac perenni beatitudine
abunde remunerabit.
Eiusdcm Julij III ad Ferdinandum Romanorum Regem Literae.
Salutem et Apostolicam benedietionem elc. Dilectissime fiij. Quid Magni
Moscouitarum Ducis nomine superioribus annis a praedecessoribus nostris prae-
cipue vero Clemente VII. foelicis recordationis potitum sit et modo eciam a nobis
petatur hoc Mait. tua praeterquam quod ei alias satis animadversum esse
putamus, partim ex Caesareae Mait. fratris tui amantissimi literis ad nos ea de
re datis (quarum exemplar siue Copiam ut vocant hisce inclusam Mait. turn
transmittimus) partim eciam Joannis Steinbergij ipsius Ducis Cancellarij qui
Mait. tuac has literas nostras redditurus est relacione si videbitur intelligerc
poterit. Cuius quidem rei plane piae ac Christianae magnitudinem cum Summa
utilitate coniunctam, si Mait. tua pro summa sua prudentia vt meretur ad animi
'udicium reuocauerit, aequidem facile videbit, praesentem et tarn magni momenti
occassionem rei |j ene gerendae, nempe quae viribus vestris cum Magni ducis
coniunctis adversus inlideles Cythas ac Turcicam rabiem illa ex parte nobis ac
uniuersae Christianilati firmissimum praesidium tutissimumque propugnaculum
abunde pollicetur, neutiquam rejiciendam, sed vltra oblatam obuijs manibus
excipiendam atque amplectandam esse: Idque adeo magis, quod ex hae nostra
coneessione Potenciae Magni Ducis nihil quiequam accedere, neque eciam
Poloniae Regis (vt hanc vlterius remoraretur) decedere aut nostro quidam iu-
dicio ipsi vllum praejudiciutn parere poterit sed re bene considerata utrisque
102
Joseph Fiedler
no» solum ad tuendos verum etiam propagandos fines suos maximopere profutura
sit, siquidem vel hac sola oecasione, firma atque perpetua pax (quam praede-
cessores nostri tanto studio procurarunt) inter ipsos constitui atque stabiliri
possit, id quo fiat sane pro virili totisque viribus annitemur, nobis certissime
persuadentes Maiestatem tuam omni sinistra suspicione si forsan qua mouefi
possit penitus semota idem sedulo facturam, et tarn Poioniae Regem Generum
ut sui amantissimum ita et obsequentissimum quam ipsum Magnum Dueem pro
mutua illa amieitiae neeessitudine, quam sibi iam olim cum ipso intercessissc
percepiinus ad hoc diligentissime hortaturam, quo consequuto futurum spcra-
mus ut omni odio ac simultale penitus sublata, ipsi firma pace fruentes vnanimi
consonsu arma in foedissimos agrorum communium depopulatores Tartharos
ac crudelissimos Christiani nominis liostes Turcas conuertant, Id faxit Deus
Optimus Max: qui Sacrosanetam Eeclesiam Suatn tarn care parlam: pro immensa
potentia, gracia ac misericordia sua, defendat et adaugeat, Mait. tuam in pro-
spero rerum successu ab omni adversitate quam diutissime incolumen eonseruet.
Datum Romae etc.
Eiusdcm Julij III. ad Serenissimum Poioniae Regem Literae etc.
I)D. Saluten» et Apostolicam bcnedictionem etc. Dilectefilj. Expeditionen» negotij
Moseouitici: quae superioribus annis penes praedecessorem nostrum Clementem
septimum pie memoriae fuit sollicitata, et nunc apud nos denuo sollicifatur,
partim Serenitatis Tuae literis ea de causa ad nos datis partim etiam ijs quae
postea ab oratore tuo ailata sunt adducti: eam hucusque et per integrum bien-
nium distulimus, nobis persuadentes interim Sei'enitatem Tuam de buius rei
magnitudine quae nobis ac universae Reipublicae Christianae tantum spei atque
praesidij cum ad tuendam tum eciam propagandam l'eligionem nostram allatura
sitadmonitam, eam qua par estbenevolentiaamplexui'amacpromoturam.Caeterum
cum lange aiiter euenire inteiligamus et praeterea quoque consideremus nos
ratione incumbentis officij non solum ouem pastoris sui legitimi vocem audientem
conseruare verum eciam vestigijs Sanctorum Apostolorum religiöse insistentes,
vitae quoque periculo subeundo aiienam ab ovile suinmo studio conquirere de-
bere, id quod eciam absque dubio Piuin secundum praedecessorem nostrum foelicis
recordationis commouit, quod Machometem II. Turcarum Imperatorem non ob-
stante quod eo ipso tempore tot regna ditiones Civitates et oppida Crislianis
violenta manu eripuerat, atque sub Tyrannidem suam redegerat, ut tidem Christi
et religionem nostram amplectaretur missis ad eum legatis, pie ac sancte hor-
tatus sit, Proinde Serenitas tua iam vel sine Monitore intelligere poterit, quod
omnino nulla vel saltem probabili de causa praesentem occasionem buius sanctae
sedis taminsigni membro augendae negligere, aut diutius suspendere, sed vitro,
oblatam, modis Omnibus amplecti, ac primo quoque tempore expedire conueniat,
idque eo magis, quod hac nostra concessione Magni Ducis polentiae nihil acce-
dei'e neque eciam tuae quiequam decedere aut vllum praejudicium parere possit
imo veluti ex sequentibus patebit, ad vires vestras vtrimque augendas maximo
pere profutura sit, eo quod in bona spe simus hac vel sola raeione quoque
stabilem, atque perpetuam pacem in qua proeuranda praedecessores nostri vt
Ein Versuch der Vereinigung - der russischen mit der römischen Kirche. 103
eonstat usque adeo fuere soliciti, inter tuam Serenitatem: et Magnum Moscoui-
tarum Dueem aequis condilionibus intercedentibus prius eonstitui posse, qua
fruentes omnique slmultate et odio si quod unquam interuenerit penitus seposito:
armisque vestris coniunetis ea pocius in nefandos Tavtaros (qui subditis vestvis
in deformem seruitutem abductis, Comunes agros, recentis incendijs atque ra-
pinis obnixe foedant, perpetuo depopulantur) ae immanissimos Christiani
sanguinis perpetuos liostes Turcas, sanctamque Christi Ecclesiam misere in-
festantes, quam viseera vestra vnanimiter conuertatis, Ita futurum erit: quod ab
utraque parte non solumflnes vestros a quotidianis ae pestiferis illis incursioni-
bus defendelis, sed deo foeliciter aspirante devictis hostibus et propagabitis,
quo circa nunc Tuae Serenitatis erit occasionem hanc rei tarn bene gerendae
non modo non negligere aut aspernari, sed aequas pacis condiciones modis
omnibus et proponere et propositas vicissim suscipere, Quantum ad nos attinet
Magnum Ducem sedulo et donecrein omnem confecerimus monere et hortari non
desistemus. Omnipotentem Deum enixe rogaturi quo pro immensa sua bonitate
nostros conatus in lioc ad amplificandam Diuini nominis sui gloriam dirigat,
nobisque viam huius rei foeliciter atque tarn Serenitatis Tuae quam omnium
Christianorum summo eommodo ac tranquillitate nec non ipsius Magni Ducis et
subditorum suorum communi nobiseum animarum salute confieiendae common-
stret Tuamque serenitatem in prospero rerum gubernandarum statu quam diu-
tissime conseruet.
Aus der dein 6pan. Original beiliegenden gleichzeitigen Abschrift im k. k. geheimen Haus
archive.
II.
Breve P. Clemens VII. an den Grossfürsten Vasilji Ivanovic von Moskau
1524. 25. Mai. Rom.
Exriitplum breuis sanctisslml diii nostri cleiuentis scptiml ad ducem Moscouic
Clemens pp VII.
Dileete fili salutem et apostolicam benedictionem loeutus est nobiseum
Diieetus filius paulus centurio ciuis Genuensis de nobilitate tua plurimuin
eaque narrauit que partim antea noueramus partim qu^ nosse et intelligere ma-
gnopere desiderabamus: nam eximiam virtutem tuam et in omnibus arduis rebus
magnitudinem animi splendoremque dignum tanti principis gloria habebamus
nos jampridem cognitum quod uero ut ipse paulus nobis retullt optima mente et
voluntate erga rempublicam Cbristianam et apostolicam hanc sedem esses ali-
quamque inter nos coniunctionem arclioris vinculi et beniuolentie quam nos
omni alfectu optamus, Tu quoque non aspernaturus esses, hoc nobis supra om-
nia audire et cognoscere fuit ioeundissimum, presertim cum memores apprime
simus quam erga te amicam et beneuolam semper gesserimus voluntatem: Nam et
tempore felicisRecordationis alexandripapee Vl.predecessoris nostri cum tui legati
componendarum (ut audiueramus) rerum causa in vrbe roma versarentur mag-
num dolorem accepimus nihil fuisse conclusum et deinde pie memorie leone X°
1524.
2ö. Mai.
104
J o s e p h F i e d 1 e r
predecessore et fratrc patruele noslro universalem ecclesiam regente cum ali-
quantum apud ipsum auctoritate valeremus: recordamur cum magna spe ct
letitia nostra non semel ab eo ad te amicissime alque humanissime scriptum
fuisse quo etiam temporis idem paulus ipsius leonis literis in sui comendationem
ad te allatis multa se a liberalitate consecutum fuisse affirmat. Sed boc
sanctum amoris et amicitie fedus, quod tibi cum apostolica sede intercedere op-
tauimus semper si summus et omnipotens deus concederet nobis ut nos ipsi
tecum ad ipsius dei honorem et communem utriusque nostrum voluptatem face-
emus: profecto tanto nos diuinitus beneficio affectos arbitraremur: quo maius
ullum uix desiderare possumus (ibi uero et benignitati tue: si te nobis facilem
et promptum preberes: perpetuam gratiam deberemus. Cum igitur nobis paulus
affirmaret se iterum ad nobilitatem tuam veile reuerti bas omnino ad te literas
dare deereuimus quas siue per manus pauli siue alterius cuiusuis accepturus
esses quia. propter longinquitatem itineris et vie discrimina unius hominis salus
sepe periclitari potest hortamur et oramus nobilitatem tuam, ut amico animo et
benigna mente legas et perspicias nostrasque preces et promissiones ita ad
animum tuum propitia voluntate sinas peruenire si ex uero amoris affectu ct ex
nostra paterna erga te mente et caritate procedere videbuntur. Nos tili caris-
'me ita amauimus semper nobilitatem tuam propter virtutis famam animique
prestantiamutnihil ardentius optaremus quam te esse in communi sententia nobis-
cum cum aliquo cristianitatis corpore et presertim cum sede apostolica Omnibus
rebus unanimem atque coniunctum qvod adhuc factum est (superiorum tem-
porum ut poluimus intelligere) culpa: Nunc vero diuino admirabili benetitio
sedem petri obtinentibus, quid caus^ esse debeat cur tu nobis amicitiam et
societatem tuam sitientibus non pari Studio amoris respondeas, ac tanto desi-
derio nostro modo humanifatem tuam accomodes: Nostra dignitas eiusmodi
est: et ita in excelso posita ut multi pares tui maximum illi honorem habere
soliti sint Sed nos qui uere Christi vicarij esse cupimus a quo humilitatis exem-
plo imprimis sumus eruditi omnem nostram dignitatem non in expectando ut
rogemur: sed in rogando et preeando ponimus, si modo nostra deprecatio Deo
accepta sit illis ipsis, quos rogamus utilis et honorifica, hoc igitur animo petimus
utefili carissime utcontra? nos eum affectum prebeas:in federe quidemet amici-
tiam equalem et tanquam fratrem: in amore filium sicut te nos paterna caritate
desideramus complecti quod si deo mentem tuam recte inspirante nobiscum et
cum sancta sede hac unanimis esse institueris ut siue per nuntium tuum homi-
nem a te electum cui confidere possimus siue alia quapiam uia et ratione de
tua optima erga nos mente et parata nostris desideriis voluntate nos certiores
effeceris intelliges ct re ipsa experiere: Nos tantam gerere tui honoris et tue
amplifieande dignitatis curam ut nunquam te in hoc consilium cogitationemque
ineunde nobiscum amicitie et coniunctionis venisse peniteat sicut supradictus
paulus aut pro eo aliquis alter tecum copiosius loquetur cui fidem in bis habere
eum tua gratia et benignitate prosequi non grauaberis.
Datum rome di XXV, maij 1524. anno primo.
(Sanuto. 38. in fine.) — Gedruckt hei Ciampi, I c. I. p. 233. Ex .MS. Barhe-
rino 1297.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche.
10I>
III.
Memoire des Herzogs Radezivil, Botschafters K. Sigmund’s von Polen,
an K. Ferdinand I.
Sacra ac Sei' 1 “* Regia Ma 1 " Domine Dnc Clcmcntissimc etc.
Factus est non ita pridem certior Ser'““' Rex mens Principem Moschorum
diadema et titulos regios a Cesarca Ma" petere, quos quia nisi se eatliolicae
apostolicaeque sedi coniungat, consequi forte nullo modo possit, id quoque
euin faeere decreuisse, ac ea de re Caesaream Ma'"“ ad S"““ D. N. diligenter
scripsisse, postulate, nt is in gremium Ecclesiae assumatur.
Quae res quia et ante liac, cum a patre, tum a plerisque alijs ipsius Mosclii
maioribus sit omnibus modis affectala, non miratur quidem Ma‘” sua, id nunc
quoque Moschum tarn diligenter conari, sed quod liomini isti, cum quo grauis-
simas iustissimasque inimieiliarum causas habet, Caesarea Ma 1 ” tantopere
faueat, ae tantam de eo regia dignitate ornaudo curam agat in eo maxima
admiratione vacare nullo modo potest.
Nam quod multae ac'variae eaedemque maximae necessitudinis causae, arc-
tissimaque amoris et eonjunetionis vincula cum Inelyta domo Austriaca M“
intercedant ac foederis praeterea mutui sanctissimae pactiones illi aceesserint,
que omnia illius M 1 *' summa religione tueri et conseruare non modo non
destiterit unquam, verum etiam summa quaeque obseruantissimi et beneuolen-
tissimifratris officia ad colendam eonfirmandamque mutuam amicitiam aecommo-
data Caesareae suae Ma“ caeterisque eius familiae omnibus praestare atque
declarare semper summopere studuerit, existimat parem sibi quoque in ea
nunc re referri debuisse gratiam, ut de istis hostis sui eonatibus per Caesaream
M"'” fieret certior, et ij ipsi eonatus ab ea ratione nulla iuuarentur, quibus
iuuandis ac prouehendis uirium quidem nihil, caeterum ferociae conlidentiae-
que nonnibil, spe seu uanapotius, vt quidem Ser"°* Rex meus credit fauoris
Caesarei iaetatione accessura esse illi genti contra eins M'“ m videatur.
Postulabant id equidem conununia utrinque amoris et coniunctionis sua-
rum Maiestatum vincula, postulabant eae leges, quas in amicitia constanter
eolenda, sibi invicem seruanda imposuerunt et quas M‘” regia ita semper custo-
dienda esse existimauit, ut nihil corum, quae ad M 1 '” Caesaream pertinere vi-
derentur non eelerrime perferri a se debere ad ipsius M 1 ™ putaret, denique
postulabant id etiam ipsa foederis icti praescripta, quibus diserte cauetur ne al
ter alterius hosti, ulia se ratione, uel fautorem, uel adiutorem praebere in
animum inducat.
Nunc autem, quod aceidisse secus ad Regiam M‘” m perferatur non potest
id quidem M‘“ ipsius non cum dolore ferre, sed tarnen Caesaream M" m de qua
sibi omnia, quae de eoniunctissimo amieissimoque iure debent, pollicetur, tan-
quam non ex equo voluntati erga ipsam suae respondontem aut minus tenaeem
foederis et aminftiae secum mutuo initae, non incusat, sed obreptum esse in hoc
106
J o s e p h Fiedler
M" illius aliis grauissimis oceupationibus distract® arbitraretur, idque siue re-
ligionis et Ecclesi® Catbolic® finium propagandorum prsetextu siue specie
auxilij contra Turcam a Moseho forte promissi.
In quo si Caesarea M‘ al religionis Christian® propagand® studio adducta,
Moschum forte adiuuat, est quoque Regi® M“ idem prorsus animus atque uo-
luntas, ut nomenChristianum ecclesiamque Dei, maximis quibusquepopulorum ad
unitatem religionis sese adiungentium accessionibus augeri propagarique uehe-
menter cupiat; camque ob causam non solum non impcditurus, verum etiam
summopere adiuturus fuisset Moschum, si eum religionis et coniungendi Ecele-
si® desiderio duci potius quam falsam religionis speciem ambitioni su® prsete-
xere , et si non simultatem, certe scrupulum aliquem atque Suspitionem
alienatorum animorum inter se et C®saream M"' n injicere veile crederet.
Sed profeeto hoc est semperque fuit Moschorum et omnium Russorum
ingenium atque natura, ut nihil in vita, quam Roman® Ecclesi® religionem qui-
que eam retinent, maiori odio ex professo prosequantur, semperque prosecuti
sint, et nihilominus tarnen, ut optatum diadematis titulorumque regiorum
splendorem, uel hae ipsa religionis specie pr®texenda, aliquando tandem adi-
pisci possint, non dubitent id quod unum omnium maxime execrantur, susceptu-
ros se amplexurosque polliceri, cum neque id quod polliceantur prffistare
soleant, nee diutius quam potiantur optato, promissorum et iusiurandi religione
teneantur, quod plerisque et quidem illustribus exemplis possit sine negotio
confirmari.
Iam uero contra Turcas nemini Christianorum Moschos auxilio unquam esse
futuros, inde satis constare potest, quod non solum sint cmteris Christianis a
se dissentientibus infensissimi, eosque quoties aliquibus pijs bellis oecupati sunt,
impedire et a pio studio retrahere conantur, sed etiam quod tanto a Turcis di-
stent locorum interuallo , ut si maxime etiam aliquando, forte contra ingenium
suum vellent, non possint tarnen incolumen exercitum ad confligendum cum
Turcis educere. Nam si per ditiones Majestatis Regi® ipsius etiam permissu
iter facere vellent, longissimus is maximeque implicitus et propterea diu-
turni temporis circuitus esset, pr®ter quem nullus alius transitus est, nisi forte
per vastissimas Scytharum solitudines, quas tarnen armis peruias sibi facere
necesse haberent, obsistente gente ea, qu® cum Turcis religione consentit,
Moschos autem ipsos usque ad patrum nostrorum memoriam tributarios habuit.
Accedit etiam et illud quod Regia Maiestas nunquam illum per ditiones
suas cum exercitu transire pati posset, pr®sentim cum ea gcns uiuere rapto
consueuerit iniuriasque passim qua transit inferre soleat, populi uero Maiesta-
tis ipsius sint iniuriarum impacientissimi, ita ut in ipso transitu sit Moschus cum
illis satis et belli et difficultatum habiturus.
Ob quas quidem causas maiores Maiestatis ipsius impedire haue Moscho
rum ambitionem surnrno studio soliti sunt, ac alii quidem alijs modis ei obsti-
ferunt, Diuus autem Sigismundus parens Maiestatis ipsius non solum grauibus
uerisque rationibus apud christianos Principes Mosclii conatus impediuit, sed
armis etiam contra eum sumptis inuisam esse Deo vanam relligionem foelici
victori® successu docuit. Diuusque Maximilianus Saer® ac Ser”'" Regi® Maie
statis auus, quamuis Basilio Moscorum Duci, huius qui nunc Moscouiam obtinet
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 107
Patri, diadema itidem per similem religionis speciem affectanti, auxilio esse
statuisset, tarnen re explorata et probe a Principibus Moschoui® vieinis maxime-
que majoribus Maiestatis ipsius comperta atque cognita qnantopere scilicet in
ritibus suis seismatieis amplectendis pertinax et a Roman® ecclesi® doctrina,
auersa atque aliena ea gens esset, tum quam esset ad defieiendum recidendum-
que prnpensa et parata, non solum auxiiio et authoritate adesse deinceps non
voluit, verum etiam modis omnibus, illi ipsi Basilio, ne quod ambiebat conse-
queretur, obstitit.
Quod idem cum li®c quoque C®sarea Maiestas propter varias magnasque
necessitudines, qu® ilii totique Domui Austriac® cum ipsius Regia Maiestate
intercedunt et propter antegressamaiorum suoruin excmplamerito facere debere
videatur, posteaquam authoritate sua Moscho patrocinari dicitur, nemini id
alteri ipsius Regia Maiestas signifieandum putauit, quam Sacr® Maiestati
Vestr®, fratri nimirum C®sare® Maiestatis germano, cum quod non in soceri
magis quam Patris loco Sacram Maiestatem Vestram iiabeat, tum quod ipsius
obseruatissima sit, amorique et beneuolenti® illius patern® magnopere contidat.
Quapropter rogat Ser"" Rex meus plurimum si Sacr® Regi® Maiestati
Vestr® constat, C®saream Maiestatem scientem prudentemque nulia Maiestatis
ipsius ratione habita id facere Regia Maiestas Vestra vti iudicaret, an tantis
amiciti® vinculis, tantis et tot necessitudinibus, qu® Maiestati ipsius cum in-
clyta Domo Austriaca intercedunt, salis ab ipsius C®sarea Maiestate fiat.
Si autem Sacra Regia Maiestas Vestra existimat (quod Serenissimus quo-
queRex meusipse existimarc sibique persuaderemavult)Maiestati Caesare® non
aliud esse propositurn, quam ut Ecclesia Romana Moschic® nationis ad Christia-
nismum accessione augeatur, minus id quidem Regi® Maiestati ipsius dolen-
dum erit eo nomine, sed pramonet tarnen et pradicit Maiestas illius, aut non
facturum esse Moscbum id quod pollicetur, licet adeo simulet, aut certe non
diutius seruaturum quam voti conipos fiat, cui cum sit Maiestatis ipsius hostis,
nihilominus tarnenCasarea Maiestas non nrininrum fauoris exhibere in eo conatu
videtur.
ltaque rogat Ser'”" Rex meus, uti sacra Regia Maiestas Vestra, C®saream
Maiestatem necessitudinis, qu® illi cum ipsius Maiestate non leuis neque vrta
intercedit, fraterne admoneat, et quid eius ipsius causa in hac nunc llagila-
tione Moschica declarare illi Cmsaream Maiestatem oportuerit, vtque deinde
ita se operamque suam Regia Maiestas Vestra apud ipsius Maiestatem irrter-
ponat, ne Moschus diademate titulisque regijs propter objectam religionis
speciem exornetur, quo etiam inde Ser" ,l! Rex meus re ipsa cognoseat, quam
magni Sacra Maiestas Vestra suam erga se obseruantiam faeiat. Quod si sacra
regia Maiestas vestra Ser"° Regi rneo mittendum esse ca de re ad C®saream
Ma‘" n oratorem ipsius putat, erit id sacra Maiestas illius facere parata quando
quidem maiores Maiestatis ipsius videlicet Diuus Joannes Albertus, et Diuus
Alexander patrui, omni ratione apud sanctam sedem Apostolicam, et apud
alios Christianos Priucipes similem conatum Moschi impedienduni sibi esse
putauerunt.
In quo sperat regia Maiestas ipsius sacram regiam Maiestatem vestram
pro paterno in sc animo id curaturam esse, ut C»sarea Maiestas non modo tte
108
Joseph Fiedler
Moscki ambitionem authoritate et commendatione sua deineeps adiuuet, sed ut
etiam propter causas a Regia ipsius Maiestate breuiter commemorafas, summo
Pontiflci se id ipsum, ut Moscus Rex renuneietur non cupere, imo Diui Maxi
milian! aui sui exemplo eontrarium optare ostendat.
Hoc Sacrae Regiae Maiestatis vestrae officium, Ser 1 "'“ Rex meus Omnibus
studijs amicitiae et fllialis obseruantise plenis referre illi summa voluntatis
promptitudine conabitur.
A tergo: Copia propositionis Oratoris Poloni Regiae Maiestati factae.
Abschrift im k. k. Hausarchive.
IV.
Instruction des Königs von Polen für seinen Botschafter an Papst
Julius III.
s. n.
Instructio ad cuius priescriptuiii orator regiuscuui summo Pontilice aciurus esl.
Legatione de religione et Anuatis verbis quam modestissimis exposita,
dicet Orator uoster; post diseessum ex Polonia suum, missas esse ad nos
R mi Dni Cardinalis Maphei literas, quibus is nos S 1 " 1 D. N. vohmtate et mandato
certiores faeit, Mosehorum Prineipem diadema titulumque Regium affectare,
eique ambitioni suae, speeiem Religionis, quam se amplexurum, ac in pote-
statem Sanctae Roman® Ecclesiae concessurum polliceatur, praetcxere, ad eam-
que rem facilius impetrandam magnis quorundam intercessionibus niti.
Addit praeterea S""“ D. N. de re tarn speeiosa tantisque adiutoribus nitonte
nihil prius statuere uoluisse, quam nostram quoque hac de re sententiam ac
voluntatem cognosceret. In quo et si nos quidem S” 1 D ni N. pietatem erga nos
hominesque nostros prorsus paternam agnoscamus, indeque quanti nos faciat et
quantopere sit de rationibus nostris sollicita manifesto videamus, atque eo
nomine gratos vt nos memoresque eognoscat, nulla simus obseruantissimi filij
in S" m eius officia unquam praetermissuri; eo tarnen tempore quo nobiS R mi Dni
Cardinalis Maphei literae reddit* sunt, quod in Poloniam ex Litbuania redeuntes
in itinere efsemus, neque de re tanta absentibus consiliarijs nostris delibera-
tionem suscipere possemus, nihil nos aliud praestitisse, quam quod Rev mum Domi
num Cardinalem ut S mo D. N. gratias propterea nomine nostro ageret, remque
totam Moscouiticam aliquandiu did'eri peteret, rogauimus, nunc iam, liuc
quum incolumes Dei beneficio venerimus, Senatoresque nostros ea de re sen
tentiam rogauerimus, S" eius nos respondere.
Ac primum quidem summas nos S“ eius eo nomine gratias agere prorsus-
que paternum id esse agnoscere . quod quum non ignoraret non parum id
nostra referre, sciretque Mosehi populi ingenium et inores propter ipsam vicini—
tatem nobis inprimis cognilos et perspeetos esse, non soluin (ieri nos de re
(anta voluerit certiores, verum etiam R m ° D no Cardinali Mapheo id negotij dedc-
rit, vt nos adhortaretur, quo diligenter perpenderemus et significaremus, qu®
ad id interesse iudicemus quid nobis populisque nostris expediat, quid reli-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 109
gionis christianae ac Sedis apostolicae rationibus et dignitati condueat quod deni-
que cum S li . eius tum caeteris Christianis Principibus maxime gratum futurum
esse putemus, Interea uero S" m eius de re tanta nihil nisi sententia et volun-
tate nostra cognita statuere voluisse, summum hoe et certum esse S 11 ' eius
paterni in nos Rcgnumque ac ditiones nostras animi testimpnium, euius memoria
nunquam sit apud nos intermoritura, quin potius omnibus modis nos operam
daturos et elaboraturos esse, vt (quo gratum animum nostrum in S l “ eius
possimus deelarare) addietissimam obseruantiam nostram et omnia obsequen-
tissimi filij officia S' 1 eius cumulate probemus.
Dicet deinde nihil nobis in tota vita nostra eo gratiusnihil optatius aeeidere
posse, quam si Ecclesise Christiane nomen atque gloria maximis ac creberrimis
quibusque accessionibus longe lateque propagetur, Idcoque maximam nos
hoc tempore ex ea re quam Rmus D. Cardinalis S rai D. N. iussu nuneiarit, vo-
luptatem fuisse capturos si quod tarn speciose pnetexitur, aut non simulate pro-
mitli, aut quoquomodo promittatur, diuturnum firmumque fore credereinus, sed
nimirum neque religionis Studio religio pnetexitur, neque id quod petifur,
religionis rationibus dignitatique conducit. Neque enim verisimile esf, Moschum
apud quem nihil Romanae Ecclesi® pontificisque eius nomen inuisum magis est,
relicto Grecorum schismate, veram saerosancta; Romane Ecclesia; religionem
uere et ex animo amplexurum aut se propter insitam genti superbiam alicui
subjecturum, vt eius Maiestatem et autboritatem agnoscat, sed cum insana
quadam nouorum titulorum accessione ardeat, quos iam sibi nullius authoritate
usurpat, Cesaremque se appellari et dici vult et hoc nomine magnas cum finiti-
mis populis contenliones suscipit, ut regio diademate et appellatione ornetur
promissurum facturumque omnia, vbi vero id quod tantopere ambit eonsequutu s
fuerit, ad ingenium rediturum, id nemini dubium videri debere.
Accepisse enim nos cum ex Annalibus certissimis temporum testibus tum
ex ipsis maxiinorum optimorumque virorum etiam numuiuentium proximeque de-
mortuorumsermonibus sepiusiamidipsum ab aliis atque alijsMoscborum Ducibus
modis omnibus esse tentatum, nunquam tarnen tantum, ut, quod affectabant,
assequerentur, speciosos eorum conatus efficere potuisse. Licet enim et Summi
Pontifices, quorum iam ante in re implorabatur authoritas, et nonnulli Christiani
Principes, et ii quidem summi, qui Mosehis apud sanctam sedem aposlolieam
pnecibus alijsque omnibus modis adiutores se praebuerant, ij fuerint qui nihil
prsetermittere veile uiderentur quod ad propagandam Ecclesise Roman® sine adeo
Catholicae authoritatem pertineret: sua tarnen semper Mosehis in sclfismate et
erroribus mordicus retinendis pertinaeia, et in salutaribus uere religionis
dogmatibus leui quauis de causa identidem rejiciendis inconstantia, tantum ad
huc ad id adipiscendum obstitit, ut eo, quo nunc vires intendunt nunquam
peruenire potuerint.
Ambiuisse idem olim eodem modo atque praetextu Danielem Haliciensium
(quse prouincia non contemnenda pars Russiae nunc in ditione nostra sit) Ducem
et impetrasse ab Innocentio Ponlifice Maximo, cum iustissima impetrandi causa
esse videretur, missum esse Opizonem legatuin apostolicum de latere, qui ei satis
ut uidebatur, instructo infide Catholica, et sub obedientia Romani Pontificis se una
cum suis omnibus fore semper promittenti et ritu solemni iurato diadema impo-
110
Joseph Fiedler
suerit, sed non diutius eum fidem datam seruasse, quam id, quod concupierat
adeptus sit, mox enim dimisso legato eum ad ingenium redijise, et aeerbiorem
etiam quam prius hostem Catholicis ex professo fuisse.
Nos quoque ipsi, qui prouintijs et ditionibus nostris Muscouie finitiiniä
maximam partemRussi® omnis conditionis homines, qui Graecorum sectffisecfa-
tores sunt, babemus, experientia magistra, quotidie animaduertimus quam per-
tinax sit ea gens in suis ritibus ampleetendis, quam difficulter ab eis auellatur,
quam inconstanter in uera Romanae Eeclesiae religione persistat, etsi enim ob
singuläres aliquas rarasque virtutes, dexteritatemque in rebus agendis et merita
in Rempublicam nonnullis eorum per nos majoresque nostros magn® interdum
dignitatis obtigit accessio, quia tarnen ante adeptam dignitatem submiltere se
Roman® Ecelesi® Doctrin® atque authoritati illos necesse est, rarissimus est,
qui non malit contemptissimus uiuere, dummodo illi suos ritus retinere liceat
quam in excelsissimo quoque honoris ac dignitatis gradu ad Romanam se Eccle-
siam adiungens collocari.
Jam uero auorum nostrorum memoria, Isidorum Metropolitam Kioui®, quae
Metropolis totius Russi® et ipsa in Ditione nostra est, publice ad florentinum
concilium venissc et Romanae Eeclesiae una cum alijs Gr®cis, qui tune aderant
sese subdidisse, ornatumque galero Cardinalitio ab Eugenio Pontifice cum man-
datis sedis apostolic® ad eam gentem remissum esse, cum autem ad Moschos
peruenisset indignissime tractatum et rebus Omnibus spoliatum l'uga uix mortem
euitasse, non ob aliud quam odio Romani nominis atque Eeclesiae.
Hinc Smo D. N. quid sibi Ecclesiaeque ac Principibus Christianis de
Mosehorum consiliis, quae nunc susceperunt, deque Constantia polliceri debeat,
metiendum et aestimandum esse, notam nobis esse eius nationis ineonstatiam,
notam fluxam incertamque fidem, notam pertinatiam, notos mores longissime a
vera pietate et Romana Ecclessia discrepantes, Eos qu®cunque illis dignitatis
titulorumque fiat accessio, nunquam sui dissimiles esse f'uturos, ac facturos
quidem esse omnia, ut optatos titulos assequantur, sed ijs adeptis, nihilo sanc-
tiorem apud illos Jurisiurandi religionem esse futuram, quam olim fuerit apud
Danielem Haliciensium Regem, cuius iam supra meminimus.
Non ignorasse hoc Alexandrum quartum et Leoncm Decimum Pontifices
Maximos; Itaque cum Basilius, huius, qui nunc Moschis praeest, pater itidem vt
hic nunc diadema ab ipsis maiore etiam contentione et maturiere «täte atque
consilio, splendida legatione Romam missa peteret, multaque Iargiretur atque
omnia pollicitaretur, ac Caesarem Maximilianum et alios quosdam christianos
Principes itidem sufiVagatores haberet, nihil tarnen eum impetrasse. Nec sane
dehincullum praeter vana promissa extitisse in eo, uel in Moscorum quopiam
propens® erga Romanam et Catholicam Ecclesiam voluntatis argumentum, quin
cum Diuo parente nostro regnante quidain de subditis eius pio Studio duclus
sacram scripturam lingua Russica imprimi et in lucem aedi currasset, et ad
Moschos venisset, publice eos libros iussu Principis concrematos esse, propterea
quod a Romanae ecclesi® addieto, et in locis eiusdem authoritati subjectis editi
cssent. Tantum est genti insitum odium latini et Romani nominis; ita ut quamuis
sancti deigrati se in potestate Romani Pontificis fore, neutiquam credendum sit,
ex animo id promitti, aut certum firmum ac diuturnum fore.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. lli
Sed nostra etiam populorumque nostrorum, ne omnino Moschus Rex
appelletur, eo ingenio cum sint, non parum interesse, quum enim olim maiores
nostri magnis grauibusque bellis, quae tum cum Schythis gerebantur, fuissent
oecupati, Moschum certam Russiae partem Ditionibus nostris per dolum et
simulationem pacis ademisse, caque de causa maiores nostros diuumque Sigis-
mundum parentem nostrum maxima atrocissimaque bella cum patre huius, qui
nunc Moschouiam obtinet, non maiori alacritale quam fortitudine et foelicilate
gesisse. Eius ipsius Russiae maiorem potioremque partem atque adeo sedem
ipsam pracipuam quainDei maiorumque nostrorum beneficio teneainus: nolumus
omnino ab eis degenerasse uideri, eorumque non esse similcs, quin aiiquando
quod maioribus nostris ademptum est, si ultro non restituatur, armis repelamus.
Et si videamus nos quidem vt reiiquorum Christianorum Principum, ita nostrum
etiam esse, idque et proponereet optare nobissolitisumus, vt rebus rationibusque
Regni Ditionumque nostrarum probe constitutis, in communem potius nominis
et sanguinis Christiani hostem, ea ipsa arma verteremus. Ac scire nos quidem
non in titulis neque in Diadematis gloria atque splendore spem victoriae esse
repositam, Ideoque nihiio tune potiorem formidabilioremue, si quod affectat,
consequatur, Moschum esse futurum posscque nos et veile nostrum patrirnonium
etiam a Christiano Rege armis repetere. Licet enim Christianorum Principum
in hoc exempla, quod inter se ipsi bella gerant minime probemus, probarique
recte non posse satis videamus, quum totam hanc potentiam omnes opes non in
nostramet viscera, sed in communem Christiani nominis hostem potius conuertere
merito debeamus; quia tarnen (ut iam commemorauimus) nostrum nobis repetere
et pulehrum et honestum, ita propter iusiurandum etiam necessarium atque deli-
beratum est, alio nobis arma nostra necessario erunt conuertenda, satis autem
nobis persuasum esse S mum D. N. (quo est cum in nos turn in rem Christianam
animo) ex quo quod Christiani inter nos bello et armis agemus, voluptatem
non esse capturum.
Suspicari nos quidem certe, si Moschus diademate titulisque regijs ornetur
Ruthenos, qui in imperio potestateque nostra sunt, ad euin tanquam rituurn pa-
tronum ac professorem leuissima quaque sollicitatione inuitatos, a nobis deficere
conaturos, prasertim quod sibi persuadebunt ab ipso, atque ita ad se quoque
stare Pontifieem cum primoribus ecclessi® Roman®, et quasi approbare sua dog-
inata, quod eum ille quidem omnibus viribus laboraturus sit, nos autem contra
ne omnino fieri possit, obsistere et contendere cogitemus, non poterit ulla
ratione, ne ad bellum et multorum exercituum tristissimum interitum res euadat,
prohiberi. .Iam enim inde ab initioRuthenis graue et molestum est, non sui Ritus
Regibus parere, vbi posthabeantur ijs, qui ecclessi® Roman® parent.
Atque id quidem minus nos mouet, sed illud in primis curandum et mo-
dis omnibus cauendum esse, ne ecclessi® Roman® dignitati ac nomini, ne ejus
Praesidi Summo Pontitici ne nobis etiam Principibus Christian® religionis sectato-
ribus multum detrahi, ac quadam ignomini® nota inuri videatur, si a natione
tarn barbara tamque pertinaci, non piis modo viris, sed ipsius etiam pietatis
matri atque altrici Ecclesia illudatur, Id quod certe tametsi procul omen auerti
cupiamus, vere videmur prffidicere et al'firmare posse. Jam enim nos ostendisse
nalionem Moscham, nihil non polliceri, nihil non proferre, nihil non dissimulare
112
Joseph Fiedler
et simulare solere, si qua modo eius quod cxpetunt atque ambiunt adipiseendi
spes affulserit, easque ob causas maiores nostros pro sua pietate ac christiani
nominis defendendi studio hoc in more positum habuisse, ut quoties siinili am-
bitione flagrantes Moschi religionis speciem prmtexerunt, toties se illi tanquam
custodes et fraudis Moscouitic® indices opponerent, sanctamque sedem aposto-
lieam ne temere vanis hominibus, cupiditate diadematis quiduis pollicentibus fide m
habendam esse putaret, pr®monerent. Dari hoe solitum esse maioribus nostris
Diuis Poloni® Regibus a S""‘ Roman® Eeclessi® Pr®sidibus, vt quuin maxime id
quod nunc ambiunt Moschi affectavent, nulla tarnen ratione propter pertinaci® in
erroribus et simul inconstantiseculpam, optatum consequi posset. Gratissimum id
esse Diuo Joa'nni Alberto et Alexandro patruis nostris, Alexandrum Pontificem
Maximum gralificatum esse, Leonem decimum Diuo Sigismundo parenti nostro,
nune quoque nos sperare, ut quemadmodum maiores in hoc nostros merito
sequimur, quum magnis eos rationibus duci solitos animaduertamus, ita S" 1 "' quo
que Dominus Noster eorum, quorum locum diuinitus obtinet, autboritatem atque
eadem de re sententiam, et eeclessi® Dei, et sua nostra aliorumque Christianorum
Prineipum causa facile sit secuturus.
Alioquietiam atque etiam videndum esse, ne dum S‘“ eius unieo membro eo-
que incerto corpus Christian® eeclesi® augeri recte posse existimat, alia, quorum
hoc paeem tranquillitatemque perturbat, a se et S la sede alienet. Summa sem-
per obseruantia maiores nostri legitimam S 1 “ Sedis Apostolic® autboritatem
atque doctrinam uenerati amplexique sunt, eorumque nos vestigijs libenter in-
sistere non minus pulchrum et honestum quam pium et sanctum esse cogitantes,
in ea religione, quam a maioribus nostris per manus traditam aecepimus, in
qua nati atque educati sumus, quam ex saluberrimis Matris Sanct® Ecclesi®
vberibus hausimus, pro qua nulla hie unquam pericula declinare consuetum esR
cuius laudem et gloriam integram, vt maiores nostri seruarent, sanguinem spiri-
tum vitam profundere non dubitarunt, in ea inquam religione honestum piumque
putarunt constantissime perdurare. In Moschis omnia esse contraria, nunquam
eos religionis et pietatis eupiditate hane cum Romana ecclesia eoniunetionem,
s®po quidem ambitione expetisse eos, qui in Ecclessiam Roman® aliquando reci-
piebantur, cum magna christiani nominis ignominia deficere, et ad errores redire
consueuisse, nomen ipsum Ecclessi® Roman®, vt de re nihil addamus, esse illis
exosissimum, non pro Christo eos sed contra Christianos bella gessisse, in Omni
bus incertam dubiamque eorum fidem esse semperque fuisse. Qu® singula
quum tanta tamque detestanda sint, vt magnam soepe (sie) belli materiam
maioribus nostris contra illos suscipiendi pr®buerint, magis eeiam ae magis
deinceps, si optata consequantur, videri esse prmbitura, indeque exundantissi-
mos sanguinis humani fontes facile esse profluxuros.
Neque vero Summum Pontificem ullam paeem inter nos et Mosehum firmam
sperare debere, licet eius rei in conditionibus Moscho proponendis mentionem
factam esse videamus. Nam ut alias acerrimoruin odiorum et inimieitiarum cau
sas taceamus, nisi eam Russi® patrimonij nostri partem, quam nune quoque
Moschus per vim obtinet reeuperemus, pax inter nos nulla unquam constitui
poterit. Quod si etiam aliquando pax inter nos constituatur; non sperandmn
tarnen esse, vt Moschus nobis alijs vt Christianis Principibus contra Tuream pu-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 113
gnantibus sit adfuturus, ijs enim locorum interuallis Moschus a Tarcis distat,
vt si maxime uelit, non possit tarnen nisi per Ditiones nostras, idque longissimo
maximeque implieito circuitu ad bellum contra Turcam gerendum contendere.
Quod quidem si aliquando nobis permittentibus fieri aceideret; satis ille
profecto belli cum populis nostris rapinarum iniurias non patientibus priusquam
ad Turcam perueniret, esset habiturus. Mari autem etiamsi eodem cursus
dirigi possit; ita tarnen Moschos rei nauticse expertes et ignaros esse, vt fru-
stra sit ab illis ullum contra eum hostem nobis alijsue Christianis Principibus
auxilium expectandum, quod si quis existimet, seque eos ac cmteros homines
nauigationi assuefieri posse, periculum esse, ne plus eo ipso mali quam boni
Christianis afferatur. Quum enim non Moschi tantum sed aliae etiam barbarae
nationes, quarum solum magis ad septemtrionem porrectum est, ad rapinas et
excursiones siue natura, siue perpetua quadam eaque vetustissima consuetudine
maxime propendeant continereque se non possint, quo minus alias atque alias
Christianis iniurias lucri cupiditate quotidie fere inferant; non dubium esse,
multo id illis facilius fore, si maritimis etiam uiribus valere acceperint.
Multo etiam magis verendum esse, ne diademate sumpto nos Moschus sit
maiorum suorum exemplo impedire conaturus, si nos forte cum Turca bellum
gerendum suscipiamus.
Ae Valachi quidem et Moldaui, qui et ipsi Graecos ritus sequentes, Chri
stianis se hoc tempore addicere et contra Turcas propemodum deuouere inci—
piunt, ut etiam spes sit aliquando eos in potestatem S‘" sedis Apostolicae con-
cessuros esse, faeile in retinendo schismate suo confirmabuntur, si Moschum
eiusdem schismatis sectatorem Regij nominis dignitate ac splendore ornatum
intelligant.
Deliberandum itaque et deligendum esse S mo D”” nostro illi ne genti tarn
barbarae, tarn feroci, tarn ab omni humanitate et religionis fidei dictorumque
Constantia alienae, an nobis polius populisque nostris, qui post agnitam suscep-
tamque Christi religionem nunquam nos a Sancta Sede apostolica abduci passi
simus, gratiflcaturus sit.
Caeterum ab amplissimo Coilegio Cardinaüum, qui tanquam in specula
Reipubficte Christian* collocati, a consiliis sunt S 1 ' eius, postulare nos maiorem
in modum, ut in hac parte nobis potius sedi Apostolicae addictis, et aequa iusta-
que petentibus, quam barbaro et schismatico homini, et ab ista ipsa sede sem-
per alienissimo, religionem ambilionis gratia simulanti faueant, ac suadendo,
orando et moncndo apud S 1 "" eins perßeiant, ne facilitate et credulitate sua,
aut importunis cuiusquam precibus permota, et se sedemque istam sacrosanctam
ludibrio exponat, et in maiorem etiam contemptum addueat, et nobis Ditioni-
busque nostris incommodet, et vero Christianos Principes ciuili bello inter se.
eommitat, fore id consentaneum eorum officio, et nobis nostrisque imprimis
gratum.
A tergo: Exemplar Instructionis ad Pontifieem Maximum.
Abschrift irn k. k. Hausarchive.
Silzb. d. phil.—hist. CI. XL. Bd. I Hfl.
8
114
Joseph Fiedler
V.
Instruction des Königs von Polen für seinen Botschafter an K. Karl V.
S. d.
Inslructio, ad cuius praescriptum Orator noster cum Caesarea Malcstatc nomine
nostro acturus sit.
Prineipio mutuum amorem nostrum Maiestati C®sare® nomine nostro
commendet: eique et commodam, diuturnamque valetudinem et optatissiinos
quosque rerum omnium ae caeptorum euentus verbis noStris praecetur.
Dieat deinde: certis nos authoribus cognouisse, Moseborum Principem
per Catholic® religionis amplectend®, suique sub potestatem sanct® sedis
apostoüc® Roman® submittendi speeiem, diadema, titulosque Regios affeetare,
Majestatisque C®sare® authoritatem bis temporibus implorasse, et propterea
ab ipsa sanctissimo D. nostro, et ipsum et eius conatus diligenter commendatos.
Cum autem et maioribus nostris, cum Moscorum Ducibus magna atque
atrocia beila s®pe fuerint, et nobis cum isto, qui nunc Moscbis praeest, iustis-
sime inimicitiarum caus® intercedant, cum inclyta vero domo Austriaca magn®
nos contra et mult® necessitudines, atque adeo ®terna etiam amicici® foedera
coniunxerint: sperasse nos eum ex tot necessitudinibus fructum, persuasumque
omniuo habuisse, C®saream Majestatem nunquam eum, quem nobis liostem pater-
num esse non ignoret, iilla ratione adiuturam, ac de ornamentis eius solicitam
futuram fuisse, quin potius et iudicaturam id nobis, et num ea ipsa res, quam
Moschustentaret, nostra populorumque nostrorum, quicquam interesset, ex nobis
potissimum quaesituram, atque deineeps pro eo ac ex nobis comperisset, sua
authoritate Mosci conatus, vel adjuturam, vel impedituram fuisse.
Nunc quod secus accidisse experiamur, dum scilicet neque sit nobis ea
de re signiflcatum, et Moschus ab eo, qui cum arctissima nos ®tern® ami-
citi® vincula coniungere debuisse videantur, nobis nihil lale suspicantibus ad-
juvetur: non posse nos sane id non dolenter ferre, ipsique hdeo Mattj Cmsare®
amice non conqueri.
Ae ®stimamus nos quidem duabus potissimum rebus, Maiestatem Caesa-
ream ad adiuvandos Moschi conatus adductam esse, quod scilicet et Christian®
religionis nomen, gentis accessione vult augeri, et lianc ipsam gentern si contra
Turcas bellum gerendum sit, non ociosam, sed reliquis Christianis auxilio futu
ram esse arbitretur.
Sed si Mattas eius religionis propagand®, et nominis Christiani augendi
studio, Moschum in bac parte adiuuat: esse nos quoque eos, qui nomen Chri-
stianum, ecclesiamque Catholicam, cui pr®sit Romanus Pontifex maxiinus qui-
busque plurimorum populorum ad religionis unitatem sese adiungentium ac-
cessionibus augeri longeque ac late propagari percupiamus, eamque ob causam
non solum non impedituros nos Moschi conatus, sed etiam depositis, vel dissi-
mulatis inimicitiis summopere adjuturos fuisse, si pio eum ver® religionis desi-
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 115
derio potius duej, quam speciem tantum religionis ambitioni su® pr®texere cre-
deremus.
Sed nimirum id esse, fuisseque semper Mosehi populi Ingenium atque
naturam vt nihil illi quidem in vita expröfesso maiori odio quam Roman® eeclesi®
nomen ac religionem, eosque qui ea retinent, prosequantur prosecutique sint
et tarnen non dubitent id quoque quod unum omnium maxime execrentur sus-
cepturos se amplexurosque polliceri vt optatum Diadematis titulorumque regio-
vum splendorem, vel hac ipsa religionis specie ealidissime prstexenda adipisci
possint: ne quam diutiusque optatis potiantur promissorum, et iurisiurandi reli—
gionem illis sanctam esse solere. Quod multis exemplis ex vetere et recentiore
historia petitis comprobari possit.
Auxilio etiam contra Tureas nemini ehristianorum Mosehos esse futuros,
non solum quod sint christianis infensissimi, nullumque vnquam beneuolenti®
argumentum Christianis exhibuerint: sed etiam quod tanto a Turcis distent
locorum intervallo, ut si maxime etiam aliquando forte vellent, non possint
tarnen contra Tureas incolumem exercitum edueere: Quod si per ditiones no-
stras iter faeere nostro permissu cum exercitu vellent; longissimum eum,
maximeque implicitum et propterea diuturni temporis circuitum esse, praeter
eum nullum alium transitum esse, nisi forte per vastissimas Scitharum solitu-
dines ubi etiam non minus negotij habituri essent cum ijs, quibus de religione
cum Tureis convenit, et quibus Mosehi ipsi usque ad Patrum nostrorum memo-
riam seruiuissent. Jam uero nos quoque Moschum per ditiones nostras nunquam
cum exercitu transire permittere possemus. Esse nimirum homines qui viuere
rapto, Populos autem nostros iniuriarum esse impacientissimos. Itaque in ipso
transilu satis Moscho cum populis nostris esset belli futurum. Quoniam igitur
neque iuuare Christianam Rempublicam Mosehi contra barbaros possent, non
nunquam etiam maiores nostros pijs ejusinodi bellis impeditos distinuerint. Et
non semel olim etiam pr® se tulerint se ad unitatem et societatem eeclesi®
Catholic® accessuros et tarnen fefellerint, ob eas causas maiores nostros im-
pedire hane Moscborum callidam ambitionem summo studio solitos esse, ac
alios quidem alijs modis obstitisse. Diuum autem Sigismundum Parentem no-
strum non solum grauibus verisque rationibus apud Christianos Prineipes Mos-
chi conatus impediuisse. sed armis etiam contra eum sumptis, inuisam esse
Deo vanam religionis simulationem, faelici vietori® suecessu doeuisse.
Diuum etiam Maximilianum Maltis C®sare® auum, licet initio Rasilio Mos-
chorum Duci diadema ibidem olim per similem religionis speciem affectanti
rogatus auxilio esse statuisset, tarnen re explorata, et probe ex Principibus
christianis Mosehoui® vicinis maximeque maioribus nostris comperta etcognita.
quantopere scilicet Mosehi in schismatis ritibus amplectendis pertinaces, et a
Roman® eeclesi® doetrina auersi atque alieni essent, tum quam essent ad des-
ciscendum, recidendumque propensi, et parati, non solum auxilio et autboritate
adesse noluisse, verum etiam modis omnibus ne quod ambiebat Rasilius adipis-
ceretur, obstitisse.
Quod idem quum h®c quoque Cmsarea Mattas propter varias magnasque
necessitudines, qu® illi totique domui Austriac® nobiscum intercedunt et prop
ter antegressa maiorutn suorurn exemplä, merito faeere debere videatur, Pr®-
8*
116
Joseph Fiedler
sertim cum insita genti pertinacia non sit pennissura, vt Romanse ecclesiae
dignitas, eorum accessione augeatur, sperare nos futurum esse, vt Moschi am-
bitionem non modo authoritate sua deinceps non adiuvet, Sed etiam vt summo
Pontifici se Moscho non fauere, neque cum ulla re auctum et ornatuin cupere,
Imo quod Diuus Maximilianus olim fecerit, contrarium optare declaret. Inde
nos quanti Matfas eius nos faciat, constans et perpetuum nostrum adversus se
Studium ffislimaturos et judicaturos esse. Futuramque nobis esse eam rem tan-
topere gratam, quanto studio et cura ne optata Moschus consequatur labora-
mus. Neque vero intelligere nos cur ille regium titulum tantopere appetat, et
ambiat, qui Caesaris et Imperatoris nomen barbara et insana arrögantia per se
iam sibi ipse usurpet, et finitimis populis, qui se eo titulo dedignantur, arma
intentet.
Reiiqua prudentise et fidei in nos oratoris nostri eommittimus etc.
A tergo: Exemplum instructionis Oratoris Regis Polonise etc. ad Caesa-
ream M 1 '“.
Abschrift im k. k. Hausarchive.
VI.
Antwort K. Ferdinand’s I. für den Botschafter des Königs von Polen.
1553. 24. März.
Sacra Romanorum Hungari* Bohemiaeque etc. regia Ma u ’ Dominus noster
elementissimus benigno admodum animo intellexit scriptum quod Illus m “’ Prin-
ceps Dominus Nicolaus Radziwil Dux in Olicka et Niesswijcz Palatinus vilnen-
sis, cancellarius et supremus Marscalcus magni Ducalus Lithuaniw Brestensis
Borisonensis, Schawliensisque Capitaneus Ser mi et Ex”” Principis Domini Sigis-
mundi augusti Regis Poloniae magni Ducis Litbuaniae ac Russiae, Prussiae etc.
praelibatae, saerae Romanorum etc. regiae Ma"‘ filij et consanguinei charissimi
Orator dignissimus regiae suae Ma" exhibuit, nomine praefati Ser mi Domini Regis
Polonise, regiae eius Ma li ostendendo quod Ser 1 *’ eius regia baud ita pridem
cerlior reddita sit, Sacratissimam Romanorum Imperatoriam Ma 1 '™ praefatae
Romanorum Regiae Ma”’ fratrem et Dominum charissimum diligenier ad S'”“ 1 “
D. N. Summum Pontificem in fauorem Principis Moschorum, nt scilieet Sanc‘“ !
eius Principem illum in gremium Sanctae matris Ecclesiae Romanae assumere
dignarelur, scripsisse, quo deinceps diademate et titulis regijs a Ma 1 ' sua
Caesarea exornari posset, idque Ser‘ em regiam Poloniae nonnibil admirari,
propterea quod ista Ma”‘ suae Caesareae commendatio et fauor et cura quam de
praedicti Moschorum Principis dignitate exaugenda suscepit, absque Ser'“ eius
praescitu a Ma" Caesarea suscepta sit, nulla ratione habita multarum ac variarum
maximarumque necessitudinum et arctissimorum amoris atque coniunctionis
vinculorum, quae regis suae Ma“ cum inclyta Domo Austriaca a multis temporibus
hucusque quasi per manus ab vtriusque Ma”’ et Ser"’ eorum maioribus tradita
intercedaint, praeterea nee attentis sanctissimis mutui fmderis pactionibus, quae
vinculis illis amoris et necessitudinis accesserunt, quae omnia Ser 1 *’, eius regia
Ein Versuch der Vereinigung; der russischen mit der römischen Kirche. 117
sua ex parte summa semper religione liactemis tuen ac conseruari curauerit,
superinde a praelibata Romanorum etc. regia Ma' e summo studio petendo atque
rogando, si iam dict® regi® Ma*' uere constet, prsefatam C®saream Ma"“ hanc
commendationem et fauorem supramemorati Moschorum Prineipis prudentem
atque scientem, nulla ut dictum est, Ser“* Regi® Poloni® ratione liabita susee-
pisse, quod regia eius Ma'*‘ perpendere velit, an hac ratione a Ma** Caesarea tot
et tantis amicitiae et necessitudinum vinculis, quibus Ser*“ eius cum Ser m *
Austriaca i'amilia colligata sit, satisfiat, sin autem Cssarea eius Ma 1 “ hoc pro
saepedicto Moschorum Principe egisset non alia intentione, quam ut Sancta
Ecclesia Romana Moschic® nationis ad eius obedientiam ac gremium accessione
augeatur, quod tune regia eius Ma 1 *’ C®saream Ma'* m necessitudinis, qu® Ma“
Su® Cssare® cum Ser" regia Poloni® non levis neque una intercedit, fraterne
admoneat, atque se apud Cmsareain Suam Ma 1 "” ita interponat, ne Moschus
diademate titulisque regijs, propter obiectani religionis speciem exornetur,
nam si regi® eius Ma“ oper® pretium videatur, tune Ser 1 "" eius specialem hac
ipsa de causa oratorem ad Sacratissimam eius Imperatoriam Ma** m ablegare,
paratam esse et sperare, quod Regia eius Ma*’’ pro paterno suo in Ser"“ eius
animo id curatura sit, vt Ma‘*‘ C®sarea non solum Moschi Prineipis ambitionem
authoritate ac commendatione sua non adiuuet, sed summo Pontißci quoque id
ipsum renunctiet, atque se contrarium potius optare ostendat etc. Ad hec pr®-
libata saera Romanorum etc. Regia Ma 1 “ 111”” Domino Oratori benigne respondet,
se recenti memoria tenere omnia illa syncer® amiciti* beneuolertti® ac neces
situdinum vincula, qu* a multis usque temporibus inter Ser”““ istam Dornum
suam Austriacam ac Ser“”* Poloni® Reges hactenus semper intercesserunt, et
recordari etiam pactionum feederis nuper utrinque confirmati et renouati, adeo
se Ser**“ eius omni tempore ut charissimum filium et consanguineum suum
paterno plane amore et beneuolentia complexum fuisse, eundemque animum et
candem voluntatem se in posterum quoque erga eius Ser**“ constanter declara-
turam atque se in eo loco Ser"“ eius habiturum esse, quo piissimus parens
amantissimum filium merito habere solet et debet, affirmat etiam Regia eius
Ma'“ se summo desiderio teneri et optare, vt Ser“* eius tanquam charissimi filij
et consanguinei sui et Regni sui inelyti ac reliquarum prouintiarum et Domi-
niorum suorum dignitatem, honorem, commodum et incrementum plurimum
iuuare, fauere et exaugere queat, nullamque huius amicissim® candid® et
patern® voluntatis su® re ipsa declarand® seu patefaciend® occasionem negleetu-
ram esse offert, prout regia sua Ma'“ idem quoque a Ser" eius filialis obser-
uanti® Studium eundem amorem, eandem voluntatem, eademque amantissimi et
synceri animi officia hactenus sensit, et in futurum etiam se illa accepturum esse
non dubitat. Quantum vero ad summam legationis et petitionis supradicti 111"“
Domini Oratoris attinet, nempe quod Princeps Moschorum diadema et titulos
regios ambiat et ut hoc suum desiderium a pr®libala Sua Casaren Ma‘* tanto
facilius obtineat, se ad gremium ac obedientiam S. R. E. accessurum offerat, et
quod propterea a C®sarea Ma'” Reatitudini apostolic® diligentissime commen-
datus esse dicatur, de hijs regia ejus Ma'“’ ante hac ne unum quidem verbum
unquam audiuit uel intellexit, sed iudicat et censet regia eius Ma'"’ non abs re
fore, ut de hijs ad ipsammet C®saream eius Ma"“ causa Ser“* eius scribat atque
118
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a Caesarea eins Ma 1 ' de istis negotijs eopiose informelur et casu quo compererit
tale quidpiam agitari, aut iam etiam agitatum et traetatum fuisse, Regia eius
Ma'*’ pralibatam Caesaream Ma 1 "" fraterne adraonebit et Omnibus inodis et
rationibus a proposito reuocare studebit, iino si quid iam in tali negotio actum
fuisset, Regia eius Ma 1 “ non pr®termittet authoritatein suam tanto studio penes
Cfflsaream eius Ma 1 '" interponere, et eandem fraterne ac enixe liortari et per-
mouere, ut attentis causis et rationibus per 111"”"” Dominum Oratorem Ser 1 " eius
nomine deductis, in prsememoratam eiusdem petitionem benigniter ac fraterne
annuere, et ita etiam se S"° D. N. declarare, ac eandem petitionem Ser 1 " eius
apud suam quoque Sanctitatem sedulo, benigniter ac fraterne fouere et pro-
mouere dignetur, et quicquid pradibata Imperatoria Ma 1 *’ regi® Sure Ma 1 ' desuper
respondebit, hoc regia eius Ma 1 ” Ser" 0 Dno Regi Poloni® statim quidem prompta
parataque foret, paterne et amicabiliter indieare, sed quia sacra Regia eius Ma 1 *’
intellexit prfflnominatumlllus"”" Dominum Oratorem a Ser" 0 Rege et Domino suo
in mandatis habere, si regi® eius Ma“ videatur, vt specialis Orator hac de causa
ad Imperatoriam Ma lem a Ser 1 ' eius mittatur, ut ipsemet quoque idem legationis
munus suscipiat, ideo existimat Regia eius Ma 1 *’ satius et eonsultius fore eundem
Illus™"" Dominum Oratorem in aula Regi® su® Ma 11 ’interim subsistere, donee
Regia sua Ma 1 *’ a pr®fata C®sarea Ma 1 ' responsum ad literas super lioe negotio
acceperit, ut mox eo allato a regia Sua Ma“ cognoscere possit, an sibi hoc iter
ad aulam Imperatori® Mais subeundum sit uel non, attento quod ex Aula regi®
eius Ma“’ longe faeilius atque cominodius iter ad aulam Imperialam habiturus
sit, atque si prius in Poloniam rediret et inde postea informatione denium a
regia eius Ma 10 allata talem profectionem ad C®saream eius Ma 1 '" instituerit,
c®terum quo citius regia eius Ma 1 *’ ab Imperatoria Ma“ responsum aceipere
possit, iam parata est Ma 1 “ sua regia per proprium tabellarium de negotio
hoc Imperatori® Ma“ scribere idemque suis Oratoribus et Agentibus etiam,
quos ad pr®sens in curia Imperiali habet, diligenter inuestigandum et trac-
tandum demandare, ac quicquid intellexerit, de eo in gratiam Ser 1 ” eius
IIlu""" Dominum Oratorem pro paterno et inaximo in Eandem Ser“" eius
amore suo confestim abunde edocebit, simulque ipsi mentem ac opinionem
suam expresse significabit, num ci hac de causa ad s®pedietam C®saream
Ma 1 '" a Ser“ eius pergendum esse censeat nec ne, nain regia eius Ma 1 *’ vt ante-
dictum est, tum in hijs, tum in alijs omnibus quoquo tempore et loco cupidis-
sima est, Ser 1 '" eius tanquam charissimum filium et consanguineum suum omnibus
amicissimi et paterni animi studijs prosequi. Id quod regia eius Ma 1 *’ pr®fato
Illu"° Domino Oratori benigne respondere uoluit.
A tergo: Copia Responsi Saer® Ro. etc. Regi® Ma“’ Ulu rao Domino Oratori
Polono dati Die xxiiij mensis Martij Anno Dni MDLiij.
Minute im k. k. Hausarchive.
Gedruckt bei Tu r ge n ev, Mistor. Iiuss. Mon. Bd. I. p. 141. Nr. CXXXIV.
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 119
VII.
Schreiben K. Ferdinand I. an K. Karl V.
1553. 24. März.
Monseigneur. Le xvij de ee mois arriua Icy pour ambassadeur du Roy de
polongne son beaufrere Ie Duc nicolas Radliwel que Vre. M le - a naguaires erige
en duc de Olicba et Nieswicz, lequel apres auoir demande audience publique et
faitIes officesgeneraulx. aussi presente ses lettres de credence, mabaille le sur-
plus de sa Charge par eseript teile quil plaira a vre. M le - veoir et entendre par
la copie que J’enuoie a Martin de Guzman en cas quil sort encoires pardela et
licenciado gamez. se fondant la dite Charge, Comme si vre. M le - voulsist pro-
mouuoir le duc de Moscouia a la dignite et tiltre Royal, Et en eust fait les
poursuites deuers le pape, dont le dit Roy de polongne se sentiroit extreme-
ment greue pour les causes contenues ou dit eseript, et entre autres quil dit
ce seroit fauoriser contre luy ses ennemys et par ce contrauenir aux traictez
qu il a auec Vre. M" moy et nre. maison d’austrice, me priant pour conclusion
que pour estre frere germain de vre. M“ je la voulsisse persuader et tenir la
main affin qu eile ne se laissast aucunement induyre a choses que seroient si
griefues au dit Roy de polongne prenant en ce exemple a furent de tres louable
memoire messeigneurs nos predecesseurs ausquelz dieu absoille, qui auoient
bien este sollicitez de mes'me Chose, mais point que se y fussent onques laisse
induyre, offrant aussi le dit ambassadeur sil me sembloit conuenir de tant faire
que le dit Roy depecheroit pour ce propre ambassadeur deuers Vre. M 4 ' comme
plus particulierement est contenu en la dite copie, Surquoy luy ay monseigneur
Respondu, que je nayjamais de bouche ou par eseript entendu de Vre. M‘* ny
dautre comme aussi est la pure verite que icelle fut este par le dit duc deMos-
couie sollicitee de ce que dessus, moins qu eile en deust auoir fait instance, je
ne pouois aussi croire que Vre. dite M'° voulsist condescendre en chose quel-
conque que puist estre contraire aux traictez passez auec le dit Roy de po-
longe, et me tenant de ce assehure ne me sembloit besoing d’ennoyer ambassa
deur expres deuers Vre. M‘” mais que je fairois moy mesme loffice et en escri-
purois a Icelle, Et de la Responee qu eile m en feroit aduiserois le dit Roy de
polongne, ne deubtant quelle seroit teile qu il auroit occasion en prendre tout
raisonable contentement, ainsi qu il plaira a Vre. dite M“ aussi veoir par la copie
de ma dit Responee, Et a la verite monseigneur oultre les raisons conlenuz ou
dit eseript il me sembleroit que vre. dite M" ne se doibt laisser induyre de
prcjudicier au dit Roy de polongne, pour gratifier au dit Duc de Moscouia pour
leur qualitez tant diuerses, n’ayant le dit de Moscouia moyen faire seruice ny
a dieu a la chretienite ny aussi a vre. M 1 ” et nos communs affaires, nestoit que
le dit Roy de polongne nous fut ennemy que n est a present, ou par contraire
le dit de polongne peult beaucop mesures mesmes en ceste Saison tant pour
Respect du turc, comme aussi du Roy de france, qui tient cellepart bien grandes
practiques comme vre. M" scait, ausquelles il trouueroit plus de correspon-
dence donnant vre. dite M 1 ' au dit Roy de polongne juste occasion de Resente-
120
Joseph F i e <11 e 1'
ment au grant prejudiee de tous affaires tant publicques de la chretiente que
de notres particuliers, Suppliant pour ce vre. M l “ tant treshumblement que je
puis y auoir tout bon Regard et au plustot me faire sauoir ee que deburay
Respondre de sa part au dit Roy de polongne sur ee que dessus veullant le dit
ambassadeur icy actendre la dite Response, ainsi que jay commande aus diles
de Guzman et Gamez en faire de ma part treshumble instance a vre. dite M‘*.
Et j en Reeeuray honneur et plaisir singulier cc scait le createur etc.
De Gratz ce xxiiij' de Mars 1533.
Aus einem Copiar des k. k. Hausarchivs.
VIII.
Antwort K. Karl V. an K. Ferdinand I.
1553. 11. April.
Monseigneur mon bon frere. Je commenceray ceste par ce que touche le-
differend dentre les euesques de wirtzbourg et bamberg et le marquis Albert,
pour appaiser le quel comme vous auez ja entendu aucuns princes sestoient
dernierement assemblez a eydelberg, mais quelque diligence quilz y aient faicte
et les grandes offres que de son couste 1 a faitz le dit euesque de Wirtzbourg
Ion na sceu paruenir au dit aceord Et se sont departies les parties indignees
selon que les dits princes mont aduerty me Requerans de deffendre Aus
dits parties les Armes et a la Reste Regarder comme ces troubles se pour-
roient composer pour euiter linconuenient quen pourroit aduenir ja apparant,
par ce que des deux costeez Ion se fait fort de gens de guerre, Et pour
satisfaire a leur aduis je scripz aus dits parties afin quelles cessent les
armes et separent leurs gens de guerre, Et pour expedient pour pouoir
resercher moiens d’appoincter les dits differendz, m a semble conuenir de les
remectre a vne assemblee de princes du plus grand nombre la quelle se
doigd tenir a francfort au seizieme du mois prochain, et faiz convocquer a cest
effect au dit lieu tous ceulx treuuarent dernierement a passau et oultre iceulx les
duc Jehan fredericq et lantgraue de hessen, pour estre aussi eulx des princi-
paulx de la germanie, les aduertissant que ce soit pour regarder de moyenner
quelque aceord entre les dessusdits et dauantaige entre les duc de brunswyek
nobles du dit pays et la mesme ville, et aussi pour en cas que par le moien que
j ay mis en auant des commissaires quentendront a la Iiquidacion que ja de
long temps se debat entre le duc mauris et le dit duc Jehan fredericq, les
autres differendz dentre eulx ne se puissent convenablement vuyder, Lon en
traicte aussi en la dite assemblee a la quelle je deiibere denvoyer de ma part
trois commissaires asscauoir les contes de Coninckstayn et de solms et le con-
seilier de haze et vous prie y vouloir aussi envoier les votres pour joinctement
vacquer a si bonne euure, Et si dieu veult quen ceste plus grande assemblee
lesdits differendz se puissent appaiser ce sera vne bien bonne euure et conve-
nable a la fin que vous et moy tenons de rendre paisible ce saint empire et
preparer toutes choses pour plus convenablement et paisiblerncnt pouuoir
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 121
negocicr en la dielte prochayne, Oultre ee que en ceste assemblee des diuiscs
qui se pourront passer entre ceulx quy sy treuueront, se pourroit prendre
quelque ouuerture de ce que conuiendroit pour proeurer Ie dit Repoz publique
et se ouurir la matiere de Sorte que cela pourroit faeiliter la negociation sur ce
point en la dite diette, et peult estre se feront ouuertures qui pourront seruir
po.ur lighes et confederations a ce propoz, auec ce que sil n en suceede autre
mieulx, du moins pourroit y estre que sur lexpectacion du succes et resolueion
de lassemblee les troules (sic) demereroient suspenduz du moins quant a 1
execution selon quon voit souuent aduenir que ceulx qui ont envie de mouvoir
quelque chose, tiennent respect a le differer jusques a veoir lissue des assem-
blees, Et en fin Ion cognoistradu moins le desir que jay desercher tous moiens
pour proeurer la dite tranquillite contre lopinion que aucuns malignement ont
voulu semer al encontre de moy. Et pour vous informer plus particulierement
de ceste mienne determinacion et du chemin qu il me semble 1 on y doit tenir
je feray joindre a ceste copie des lettres que les prinees assemblez au dit
eydelberg mont escript et del instruction que je donne a mes dits commissaires
et pieces y seruans.
I ay entendu ce que m auez escript quant a lambassadeur que le Roy de
polongne a envoie deuers vous ensemble la responce que luy auez donne, Et me
conformanl a votres aduis vous luy pourrez respondre de ma part qu' il ne doit
treuuer estrange quant ores jeusse eu inclination a fauoriser le duc de rnoscouya
en la poursuite quil faisoit a Rome puisque je n estoie informe qu il y eust en ce
chose que peut porter prejudice au dit S r Roy de Polongne, Et faisant le dit
duc de rnoscouya sa poursuite auec si honneste pretexte comme est celluy de se
vouloir soubmectre et tous ses pays a l obeissance de notre mere saincte eglise,
augmentant par ce boult si grandement notre catholique religion, Mais estant
aduerty que le dit S r Roy de Polongne y pourroit auoir prejudice el que le dit
duc y pourroit tenir fn faincte et simulee pour ses desseingz particuliers que
seroient de prejudice au dit S" Roy de polongne, je ne fauldray d en charger a
celluy que je dois presentement envoier a Rome qu il declaire bien expressement
a sa Sque non seulement je ne vouldroie pretendre chose que fut au prejudice
du dit S r Roy, mais dauantaige qu il le supplie de ma part qu il veulle tenir
Regard a la poursuite qu il vouldra faire au contraire de celle du dit duc de
rnoscouya, sans se laisser persuader a chose que pour gaigner amys incertains
peult estre de prejudice a ceulx qui le sollt certains et anciens et qui sc sont
tourjours monstrez si ferme en la Religion, quest a mon aduis conforme a ce que
le dit Roy de Polongne peult desirer que je face.
Au Regard du mariaige dont le dit Ambassadeur vous a parle pour la du-
ehesse douaigiere de mantoua madame ma nyece votre fille avec le dit S r Roy
de Polongne, j ay entendu par les lettres de Votre main la Response que luy
auez donnee et selon que je puis entendre par icelle, vous aurez ja passe plus
auant a enchennuer la negociation auec les considerations contenues en vos
dites lettres, Et de mon coustel n y a a dire autre chose sy non que j auray le
mesme contentement de sa bonne collocation que si c estoit ma propre fille pour
1 amour es 1 afiection que je luy porte comme a teile et de mesme aussi a
toutes ses seurs
122
Joseph Fiedler
Je prins 1 autre jour vne purge sans la quelle je tiens qu il f'ut este
impossible me soubstenir, telz estoient les humeurs dont icelles m a faict quitte,
mais le combat pour y parvenir fut si graml que bien peu s en eust faillu que
je n y soie demeure tant se treuua la nature alteree etopprimee et des humeurs
de la purge, mais en fln la nature se treuuant deschargee a Reprins vng petit
de force el commence graces a dieu a me reffaire, contunuant 1 eau de bois. et
le bain en icelle que jay eneommance, Et pour me treuuer en ceste eure je
respondz a celle de votre main comme vous vees par celle de secretaire A tant
etc. De bruxelles le xj“ d auril 1SS3.
Aus einem Copiar des k. k. Hausarchivs.
IX.
Auszug aus dem Schreiben K. Ferdinands I. an K. Karl V. ddo. Öden
burg, 27. April 1553.
I ay monseigneur fait tenir a l’ambassadeur du Roy de polongne la copie
de la Responce que Vre. M” m a faicte sur ce que de person mesme il m auoit
propose quant a la practique du duc de Moscouia estant le dit ambassadeur
demeure a neustadt qualre lieues d iey pour estre ce lieu en ceste assemblee
assez estroit de logis, Je pense aussi monseigneur que dieolle se trouuera satis-
fait, En eas tout effors qu il y voulsist eneoires pretendre quelque autre chose
que ne pense je ne fauldray d en aduertir Vre. dite M l " etc.
Ebendaselbst.
X.
Breve P. Julius III. an K. Ferdinand I.
1SS3. 27. Mai.
Julius Papa III.
Charissime in christo fili noster salutem et apostolicam benedictionem.
Bin® Maiestatis tute literie ad nos ineunte Maio scriptae, ualde nobis fuerunt
gratae; quod per utrasque earum occasio nobis oblata cst, tum Maiestati ipsi
tuae, quam toto animo semper atque omni paterno affectu sumus proseculi, tum
etiam eharissimo in christo filio nostro Sigismundo Augusto Poloniae Regi Ser““
cum quo multas et graues amoris ac necessitudinis eausas habemus gratificandi:
Nam de negocio Moscouiliei Ducis, quod Maiestas tua tarn multis uerbis asserit,
si illius petitioni per nos concederetur, nequaquam religioni reique publieae
Christian® utile fore; ipsi autem Poloni® Regi eiusque regni et Prouinciarum
rebus ualde incommodum multis nominibus futurum uebementer gauisi sumus,
nos iam antea jirefciti Ducis postulata, in ipsius Polonice Megis gratiam abie-
cisse nostrumque erga prsefatum Sigismundum Augustum Studium Maiestatis
simul tuae desiderio fuissc consentiens. Altera fuit petitio Maiestatis tu®, qu®
pertinet ad dispensationem cum eharissima in christo filia nostra Chaterina tu®
Ein Versuch der Vereinigung- der russischen mit der römischen Kirche. 123
Maiestatis nata, ut scilieet legum impedimento soluta, praefato Sigismundo
Augusto Poloni® Regi, per nostram atque huius sanct® Sedis indulgentiam
nubere possit. Ea res cum non ita usitata aut facilis consensu esset, statim
aduocauimus nobis Consilium Venerabilium fratrum nostrorum sanct® Roman®
ecclesi® Cardinalium. Qui nobiscum simul in eam sententiam frequentes ierunt,
eam esse person® tu® auctoritatem et dignitatem, tantaque tua in recta et
catholica Dei fide conseruanda offieia; erga nos autem atque hanc apostolicam
Sedem tarn sincerum esse studium et cultum: tantas uero ex ista duorum prae-
stantissimorum Regum Sanguinis animorumque coniunctione commoditates ad
communem christianorum populorum utilitatem esse propositas; ut tu® Maie
statis petitioni iilud concedendum esset prout ex nostris desuper confectis
literis intelliget. Reliquum est, ut de istiusmodi nuptijs, dignitatis, concordi®
et benevolenti® plenis, eidem tu® Maiestati, ipsique simul Sigismundo Augusto
Regi, amicissimo animo gratulemur, Deumque supplices oremus, ut hoc matri-
monium uestris Regijs utriusque familijs atque uniuerso christiano populo
faustum et felix esse uelit et ut illud omnibus optatis euentibus sua benedie-
tione faecundet. H®c autem omnia expressius ex dilecto filio Marco Antonio
Maphffio sanct® apostolic® sedis protonotario quem .dedita opera ad ipsum
Ser m “ ,n Poloni® Regem Nuntium mittimus, Maiestas tua intelliget; atque ab
eodem pr®fat® dispensationis literas aceipiet. Datum Rom® apud sanctum
Petrum sub Annulo Piscatoris die xxvij Maij M. D. Liij; Pontificatus Nostri Anno
Quarto.
Pau. Sadoletus Carpent.
A tergo:
Charissimo in Christo filio nostro Ferdinando Romanorum ac Vngari®
Boemi® Regi illustri.
Orig. Breve auf Perg. im k. k. Hausarchive.
Verzeichntes der eingegangenen Druckschriften.
125
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JUNI 1862.)
Academia, Real, de Ia Historia, Memorial historico Espanol, Tomo
VI. Cuaderno 21. 22, 24. Madrid, 1853; Tomos VII—XIV,
1854—1862; 8°. — Historia general y natural de las Indias.
Por D. Jose Amador de los Ri os. Tomos III & IV. Madrid,
1853 & 1855; ld. Folio. — Cortes de los antiguos Reinos de
Leon y Castilla. Tomo 1°. Madrid, 1861; kl. Folio.-—Memorias
de D. Fernando IV de Castilla. Por D. Antonio Benavides.
Tomos I & II. Madrid, 1860; 4°. — Munda Pompejana, Memoria
premiada. Por D. Jose y D. Manuel Oiivier Hurtado. Madrid,
1861; kl, 4 0- — Noticias sobre la vida, eseritos y viajes del
Rmo. P. Mtro. Fr. Enrique Florez. Por Fr. Francisco Mendez.
2 <la edicion. Madrid, 1860; 8°. — Jan er, D. Florencio, Condi-
cion social de los Moriscos de Espana. Madrid, 1857; 8°. —
Idem, Examen de los sucesos y circunslancias que motivaron
ei compromiso de Caspe. Madrid, 1855; 8°. — Ros eil, Don
Cayetano, Historia del combate naval de Lepanto. Madrid,
1853;8°- — De la Escosura y Hevia, Juicio critico del feuda-
listno en Espana. Madrid, 1856; 8°. —Don Jose Arias y
Miranda, Examen critico-bistörico del influjo que tuvo en el
comercio, industria y poblacion de Espana su dominacion en
America. Madrid, 1854; 8°. — Indice de los documentos pro-
cedentes de los Monasterios y conventos suprimidos. Seceion I a
Castilla y Leon. Tomo I. Madrid, 1861; 8°. — Coleccion de
Cortes de los antiguos Reinos de Espana. Catälogo. Madrid,
1855; 8°. — Discursos leidos en las sesiones publicas. Madrid,
1858; 8<>. — Discursos trienales de los Sres. Directores
126
Verzeichniss
Balleste ros y Duque San Miguel en 1832 & 1859; 8°. —
Discurso sobre el estado de los estudios histöricos en Espaila
durante el reinado de Carlos II. Por Don Carlos Ramon F ort.
Madrid, 1860; 8°. — Noticia de las actas leidas en junta
publica del 1° de Julio de 1860, Por Don Pedro Sab au.
Madrid, 1860; 8».
Academie Royale des scienees, des lettres et des bcaux-arts de
Belgique, Memoires. Tome XXXIII. Bruxelles, 1861; 4°. —
Memoires couronnes et Memoires des savants etrangers.
Tome XXX. Bruxelles, 1857—1861; 4°. — Memoires couronnes
et autres Mömoires. Collection in 8°. Tomes XI & XII. Bruxelles,
1861 & 1862. — Bulletins, 30 me Annee, 2 rac Serie, Tomes XIXII.
Bruxelles, 1861; 8°.— Comptes rendus des seances de la Com
mission Royale d'hisioire, 3 me Serie, Tome IIP. Bruxelles, 1862;
8°. —Annuaire. 28 e Annde 1862. Bruxelles 12 0- — Gachard,
Actes des Etats Gendraux des Pays-ßas. 1556 —1585. Notices
cbronologiques et analytiques. Tome I r . 6 septembre 1576 —
14 aoüt 1578. Bruxelles, 1861; 8°.
— de Stanislas, Reponse du President aux trois recipiendaires
dans la seance publique du 22 Mai 1861. Nancy, 1862; 8°.
Accademia, Regia, di Scienze, Lettere ed Arti di Modena,
Memorie. Tomo III. Con 3 lavole. Modena, 1861; 4°‘
Akademie der Wissenschaften, König!. Bayer., zu München,
Sitzungsberichte, 1861, II. Heft 3. München, 1861; 8°. —
Abhandlungen der histor. Classe. IX. Band, I. Abtheilung.
München, 1862; 4°. — Cornelius, C. A., Studien zur Ge
schichte des Bauernkrieges. — Fallmerayer, J. Pb., Das
Albanesische Element in Griechenland. III. Abtheilung. —
Kunstmann, Friedrich, Valentin Ferdinand’s Beschreibung
der Serra Leoa mit einer Einleitung über die Seefahrten nach
der Westküste Afrika's im 14. Jahrhunderte. (Aus den Ab
handlungen der Königl. Bayer. Akad. d. W. III. CI. IX. Bd.
I. Abtldg.) München, 1861; 4°. — Martius, C. Fr. Ph. v.,
Zum Gedächtniss an Jean Baptiste Biot. — Siebold, C.
Tb. E. v., Über Parthenogenesis. München, 1862; 4°. —
Mitglieder-Verzeichniss. 1862. München; 4°.
American Journal of Science and Arls, Vol. XXXIII, No. 98. New
Haven, 1S62; 8°.
der eingegangenen Druckschriften.
127
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. IX. Jahrgang,
Nr. 1—3. Nürnberg, 1862; 4».
Äusstellungsbuch, Österreichisches. (Special-Katalog über die
Londoner Ausstellung. Deutsch, englisch und französisch.)
Wien, 1862; kl. 4».
Austria, XIV. Jahrgang, XXI. — XXV. Heft. Wien, 1862; 8°.
Berlin, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1861 —1862. Berlin; 4°.
'Boletin bibliogräfico Espanol, Ano III, No. 10. Madrid, 1862; 8°.
Gent, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften. Gent,
1858 & 1859; 8».
Gesellschaft, Provincial Utrecbt’sche, für Kunst und Wissen
schaft. Aanteckeningen van het Verhandele in de Sectie-Ver-
gaderingen, 1859, 1860, 1861. Te Utrecht; 8°. — Verslag
van het Verhandelde in de algemeene Vergadering, 1860 &
1861. Te Utrecht; 8°. ■— Clapadere, Edouard, Becherches
sur l’evolution des araignees. Avec 8 planches. (Memoire, auquel
la Societe des Arts et Sciences d’Utrecht a decerne une medaille
d'or.) Utrecht, 1862; 4°. — Semper Karl, Entwickelungs
geschichte der Ampullaria polita Deshayes, nebst Mitthei
lungen über die Entwickelungsgeschichte einiger anderen Gastro-
poden aus den Tropen. (Eine von der Utrechter Gesellschaft für
Kunst und Wissenschaft gekrönte Preisschrift.) Mit 4 Tafeln.
• Utrecht, 1862; 4».
Göttingen, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1861 — 1862. Berlin, Göttingen, Leipzig; 4° & 8°.
Greifswald, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus
den Jahren 1861—1862. Braunschweig & Greifswald; 4° &8°.
lstituto, I. B., Veneto di scienze, lettere ed arti, Atti. Tomo VII 0 ,
Serie 3“, Disp. 6“, Venezia, 1861 —1862; 8°.
Kanitz, F., Serbisch-byzantinische Monumente. Wien, 1862; gr. Fol.
Lexer, Matthias, Kärntisches Wörterbuch. Mit einem Anhänge:
Weihnacht-Spiele und Lieder aus Kärnten. (Mit Unterstützung
der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien herausge
geben.) Leipzig, 1862; kl. 4°.
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Baildenkmale. VII. Jahrgang, Nr. 6. Wien,
1862; 4«.
128 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Societe d’archeologie de Lorraine, La salle des cerfs et tout ce
qu’elle a vu. Nancy, 1862; 8°.
— Imperiale d'emulation d'Abbeville. Memoires. 18S7, 18S8,
18S9 & 1860. Abbeville, 1861; 8».
Society, Royal Geographical, of London, Proceedings. Vol. VI,
No. 2. London, 1862; 8«.
Verein, historischer, von Oberpfalz und Regensburg, Verhandlun
gen, XX. Band (XII. Band der neuen Folge). Mit 2 lithogr.
Tafeln. Regensburg, 1861; 8°.
Verzeichntes der eingegangenen Druckschriften.
125
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JUNI 1862.)
Academia, Real, de Ia Historia, Memorial historico Espanol, Tomo
VI. Cuaderno 21. 22, 24. Madrid, 1853; Tomos VII—XIV,
1854—1862; 8°. — Historia general y natural de las Indias.
Por D. Jose Amador de los Ri os. Tomos III & IV. Madrid,
1853 & 1855; ld. Folio. — Cortes de los antiguos Reinos de
Leon y Castilla. Tomo 1°. Madrid, 1861; kl. Folio.-—Memorias
de D. Fernando IV de Castilla. Por D. Antonio Benavides.
Tomos I & II. Madrid, 1860; 4°. — Munda Pompejana, Memoria
premiada. Por D. Jose y D. Manuel Oiivier Hurtado. Madrid,
1861; kl, 4 0- — Noticias sobre la vida, eseritos y viajes del
Rmo. P. Mtro. Fr. Enrique Florez. Por Fr. Francisco Mendez.
2 <la edicion. Madrid, 1860; 8°. — Jan er, D. Florencio, Condi-
cion social de los Moriscos de Espana. Madrid, 1857; 8°. —
Idem, Examen de los sucesos y circunslancias que motivaron
ei compromiso de Caspe. Madrid, 1855; 8°. — Ros eil, Don
Cayetano, Historia del combate naval de Lepanto. Madrid,
1853;8°- — De la Escosura y Hevia, Juicio critico del feuda-
listno en Espana. Madrid, 1856; 8°. —Don Jose Arias y
Miranda, Examen critico-bistörico del influjo que tuvo en el
comercio, industria y poblacion de Espana su dominacion en
America. Madrid, 1854; 8°. — Indice de los documentos pro-
cedentes de los Monasterios y conventos suprimidos. Seceion I a
Castilla y Leon. Tomo I. Madrid, 1861; 8°. — Coleccion de
Cortes de los antiguos Reinos de Espana. Catälogo. Madrid,
1855; 8°. — Discursos leidos en las sesiones publicas. Madrid,
1858; 8<>. — Discursos trienales de los Sres. Directores
126
Verzeichniss
Balleste ros y Duque San Miguel en 1832 & 1859; 8°. —
Discurso sobre el estado de los estudios histöricos en Espaila
durante el reinado de Carlos II. Por Don Carlos Ramon F ort.
Madrid, 1860; 8°. — Noticia de las actas leidas en junta
publica del 1° de Julio de 1860, Por Don Pedro Sab au.
Madrid, 1860; 8».
Academie Royale des scienees, des lettres et des bcaux-arts de
Belgique, Memoires. Tome XXXIII. Bruxelles, 1861; 4°. —
Memoires couronnes et Memoires des savants etrangers.
Tome XXX. Bruxelles, 1857—1861; 4°. — Memoires couronnes
et autres Mömoires. Collection in 8°. Tomes XI & XII. Bruxelles,
1861 & 1862. — Bulletins, 30 me Annee, 2 rac Serie, Tomes XIXII.
Bruxelles, 1861; 8°.— Comptes rendus des seances de la Com
mission Royale d'hisioire, 3 me Serie, Tome IIP. Bruxelles, 1862;
8°. —Annuaire. 28 e Annde 1862. Bruxelles 12 0- — Gachard,
Actes des Etats Gendraux des Pays-ßas. 1556 —1585. Notices
cbronologiques et analytiques. Tome I r . 6 septembre 1576 —
14 aoüt 1578. Bruxelles, 1861; 8°.
— de Stanislas, Reponse du President aux trois recipiendaires
dans la seance publique du 22 Mai 1861. Nancy, 1862; 8°.
Accademia, Regia, di Scienze, Lettere ed Arti di Modena,
Memorie. Tomo III. Con 3 lavole. Modena, 1861; 4°‘
Akademie der Wissenschaften, König!. Bayer., zu München,
Sitzungsberichte, 1861, II. Heft 3. München, 1861; 8°. —
Abhandlungen der histor. Classe. IX. Band, I. Abtheilung.
München, 1862; 4°. — Cornelius, C. A., Studien zur Ge
schichte des Bauernkrieges. — Fallmerayer, J. Pb., Das
Albanesische Element in Griechenland. III. Abtheilung. —
Kunstmann, Friedrich, Valentin Ferdinand’s Beschreibung
der Serra Leoa mit einer Einleitung über die Seefahrten nach
der Westküste Afrika's im 14. Jahrhunderte. (Aus den Ab
handlungen der Königl. Bayer. Akad. d. W. III. CI. IX. Bd.
I. Abtldg.) München, 1861; 4°. — Martius, C. Fr. Ph. v.,
Zum Gedächtniss an Jean Baptiste Biot. — Siebold, C.
Tb. E. v., Über Parthenogenesis. München, 1862; 4°. —
Mitglieder-Verzeichniss. 1862. München; 4°.
American Journal of Science and Arls, Vol. XXXIII, No. 98. New
Haven, 1S62; 8°.
der eingegangenen Druckschriften.
127
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. IX. Jahrgang,
Nr. 1—3. Nürnberg, 1862; 4».
Äusstellungsbuch, Österreichisches. (Special-Katalog über die
Londoner Ausstellung. Deutsch, englisch und französisch.)
Wien, 1862; kl. 4».
Austria, XIV. Jahrgang, XXI. — XXV. Heft. Wien, 1862; 8°.
Berlin, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1861 —1862. Berlin; 4°.
'Boletin bibliogräfico Espanol, Ano III, No. 10. Madrid, 1862; 8°.
Gent, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften. Gent,
1858 & 1859; 8».
Gesellschaft, Provincial Utrecbt’sche, für Kunst und Wissen
schaft. Aanteckeningen van het Verhandele in de Sectie-Ver-
gaderingen, 1859, 1860, 1861. Te Utrecht; 8°. — Verslag
van het Verhandelde in de algemeene Vergadering, 1860 &
1861. Te Utrecht; 8°. ■— Clapadere, Edouard, Becherches
sur l’evolution des araignees. Avec 8 planches. (Memoire, auquel
la Societe des Arts et Sciences d’Utrecht a decerne une medaille
d'or.) Utrecht, 1862; 4°. — Semper Karl, Entwickelungs
geschichte der Ampullaria polita Deshayes, nebst Mitthei
lungen über die Entwickelungsgeschichte einiger anderen Gastro-
poden aus den Tropen. (Eine von der Utrechter Gesellschaft für
Kunst und Wissenschaft gekrönte Preisschrift.) Mit 4 Tafeln.
• Utrecht, 1862; 4».
Göttingen, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1861 — 1862. Berlin, Göttingen, Leipzig; 4° & 8°.
Greifswald, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus
den Jahren 1861—1862. Braunschweig & Greifswald; 4° &8°.
lstituto, I. B., Veneto di scienze, lettere ed arti, Atti. Tomo VII 0 ,
Serie 3“, Disp. 6“, Venezia, 1861 —1862; 8°.
Kanitz, F., Serbisch-byzantinische Monumente. Wien, 1862; gr. Fol.
Lexer, Matthias, Kärntisches Wörterbuch. Mit einem Anhänge:
Weihnacht-Spiele und Lieder aus Kärnten. (Mit Unterstützung
der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien herausge
geben.) Leipzig, 1862; kl. 4°.
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Baildenkmale. VII. Jahrgang, Nr. 6. Wien,
1862; 4«.
128 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Societe d’archeologie de Lorraine, La salle des cerfs et tout ce
qu’elle a vu. Nancy, 1862; 8°.
— Imperiale d'emulation d'Abbeville. Memoires. 18S7, 18S8,
18S9 & 1860. Abbeville, 1861; 8».
Society, Royal Geographical, of London, Proceedings. Vol. VI,
No. 2. London, 1862; 8«.
Verein, historischer, von Oberpfalz und Regensburg, Verhandlun
gen, XX. Band (XII. Band der neuen Folge). Mit 2 lithogr.
Tafeln. Regensburg, 1861; 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH- HISTORISCHE C L A S S E.
XL. BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1862. — JULI.
[fp ‘
ill;. !
9
—
131
%
SITZUNG VOM 9. JULI 1862.
Vorgelcgt:
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue und
deren Gesinnungsgenossen.
Von dem w. M. Dr. August Pfizmaier.
Das wechselvolle Schicksal der Würdenträger von Han, ihr
bewegtes und gefahrvolles Leben, die Mannigfaltigkeit und vielfache
Verzweigung ihrer Geschäfte finden in den von der Geschichte auf
bewahrten Nachrichten über ihr Wirken hinreichende Beleuchtung.
Während jedoch die meisten dieser Angestellten, ungeachtet ihres
oft sehr überlegenen Geistes, auf den von ihnen betretenen Wegen
strauchelten und zu Grunde gingen, wurde es verhältnissmässig nur
Wenigen möglich, durch Klugheit und Redlichkeit sich vor dem
Falle zu bewahren und ein gutes Ende zu nehmen.
Zu der Zahl der Letzteren gehören sechs in dieser Abhandlung
vorgeführte Würdenträger, welche, nicht immer die höchsten Stellen
bekleidend, nicht durch ihr schnelles Emporkommen Aufsehen
erregend, auch nicht durch grosse Thaten glänzend, hlos durch ihre
seltenen, eine und dieselbe Gesinnung bedingenden Eigenschaften
des Geistes und Herzens Gegenstand der Verehrung ihrer Zeit
genossen wurden. Dieselben sind Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-
kue, Sie-kuang-te, Ping-tang und Peng-siuen.
In Rücksicht auf die Gleichartigkeit ihrer Eigenschaften wird
in den Urtheilen über diese Männer jedes Einzelnen auf überein
stimmende Weise mit Lobsprüchen gedacht. Tsiuen-pü-I, heisst es
9-
132
Dr. P f i z in a i e r
in der Geschichte, lernte und schloss sich an die Lenkung. Er
blickte herab auf die Ereignisse und liess sich nicht beirren. Sofort
legte er den Grund zu einem bleibenden Namen, sein Anfang und
sein Ende sind rühmlich. Su-kuang brachte zur Ausführung des
Stillstehens und der Genügsamkeit.Entwürfe und entkam der Um-
strickung der Schande und des Verderbens. Er steht ebenfalls mit
jhm in der Reihe. Yü-ting-kue, Vater und Sohn, erbarmten sich der
Verwitweten, verstanden sich auf die Untersuchung in den Gefäng
nissen und wurden in dem Amte verlässliche Diener. Sie-kuang-te
bewahrte den Ruhm der Aufhängung des Wagens. Ping-tang war
auf seinen Umzügen beseelt von Ehrgefühl. Peng-siuen erblickte den
Abgrund und hielt inne. Sie waren verschieden von denen, die vor
Allem nur die Sorge haben, dass sie es können verlieren.
Nicht ohne Grund werden, wie aus dem Gesagten zu ersehen,
diese Männer den anderen Würdenträgern gegenüber gestellt, deren
einziger Kummer es ist, dass sie ihr Amt verlieren können, und
welche desshalb Unrecht begehen. Auf solche um ihr Amt besorgte
Männer hat zuerst Khung-tse aufmerksam gemacht, indem er ihr
Verhalten aus Verstocktheit, d. i. einer der Menschlichkeit entgegen
gesetzten Eigenschaft, herleitet. Die Worte, mit denen er dies aus
sprach, lauten in dem Lün-yii: Dem verstockten Manne darf nicht
gestattet werden, dem Gebieter zu dienen. Wenn er es noch nicht
erlangt hat, so hat er die Sorge, wie er es könne erlangen. Wenn
er es bereits erlangt hat, so hat er die Sorge, dass er es könne ver
lieren. Hat er vor Allem die Soi’ge, dass er es könne verlieren, so
gibt es nichts, wozu er am Ende nicht fähig wäre.
Tsinen-pü-1.
El
p-rj Tsiuen-pu-I, dessen Jünglingsname
Man-thsien, war in der Landschaft Pci-hai geboren. In seiner Jugend
verlegte er sich auf das Werk „Frühling und Herbst“ und ward der
Vertreter der Gelehrsamkeit in seiner Landschaft. Dabei hielt er
sich in seinem öffentlichen Auftreten streng an die Gebräuche, so
dass sein Name in dem ganzen Landstriche und in der Landschaft
zu Rerühmtheit gelangte.
Gegen das Ende der Lenkung des Allhalters Hiao-wu bildeten
sich in den Landschaften und Fürstenländern Räuber- und Mörder-
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
133
banden. Pao-sching-tschi, der auch bei dem Ereignisse des Wurm-
frasses der Beschwörer thätig gewesen, erhielt die Stelle eines
„gerade mit dem Finger zeigenden Gesandten“, in welcher Eigen
schaft er, in ein Kleid von fünf Farben gekleidet und in der Hand
eine Axt haltend, die Räuber und Mörder verfolgte und festnahm.
Indem er auf diese Weise die Landschaften und Fürstenländer unter
suchte und durchforschte, erreichte er itri Osten die Ufer des Meeres.
Überall, wohin er gelangte, strafte er diejenigen, welche dem
Befehle nicht gehorchten, auf Grundlage der bei der Zusammen-
zielning eines Heeres geltenden Restimmungen. Er war daher in
den Landschaften und Fürstenländern angesehen und gefürchtet.
Pao-sching-tschi hatte von der Weisheit Tsiuen-pü-I’s im All
gemeinen Kunde erhalten. Bei seiner Ankunft in Pö-hai schickte er
einen Angestellten der Gerichte zu Tsiuen-pu-I mit der Bitte, dass
dieser ihn besuchen möge. Tsiuen-pu-I setzte auf das Haupt eine
sogenannte Mütze des „vortretenden Weisen“ und umgürtete ein an
der Spitze mit einem hölzernen Knopfe von der Gestalt einer kno
spenden Wasserlinse versehenes Schwert. Seine Seite behängte er
mit einem Ring und Halbring von weissem Edelstein. Ausserdem
trug er ein Kleid mit einem grossen Brustlatz und einem breiten
Gürtel.
In dem erwähnten stattlichen Anzuge erschien er vor dem Thore
Pao-sching-tschi’s und überreichte die mit seinem Namen beschrie
bene Platte. Die unter dem Thore befindlichen Leute wollten ihn
veranlassen, das Schwert abzulegen, aber Tsiuen-pü-I erwiederte:
Das Schwert ist die kriegerische Vorkehrung des Weisheitsfreun
des, dasjenige, wodurch er schirmt seinen Leih, es darf nicht abge
legt werden. Ich bitte, mich zurückziehen zu dürfen.
Die Angestellten brachten ihrem Gebieter die Meldung. Pao-
sching-tschi öffnete die Seitenthüre und bat den Gast, dass er ein-
treten möge. Indem er dies that, sah er von ferne die ehrwürdige
und ernste Gestalt Tsiuen-pii-l's so wie dessen wunderbare Kleidung
und Kopfbedeckung. Pao-sching-tschi schleppte in seiner Eile die
Schuhe, in welche er nicht mit den Fersen getreten war, an den
Füssen nach und ging Tsiuen-pü-I entgegen, mit dem er hierauf zu
der Halle emporstieg.
1 ) In (lei* Abhandlung; über dieses Ereigniss wird Pao-sching-tschi’s hei den Nachrich
ten über Lieu-khie-H gedacht.
134
Dr. Pfizmaier
Nachdem Beide sich niedergelassen, stützte sich Tsiuen-pü-I
mit den Händen auf den Fussboden und sprach: Ich vermass mich,
verborgen zu leben an den Gestaden des Meeres und zu kennen Pao-
kung-tse’s *) gefürchteten Namen schon lange Zeit. Jetzt ward mir
vergönnt, von Angesicht mit ihm zusammenzutreffen und ein Wort
zu ihm zu sagen. Wer, indess er auftritt als Angestellter der Ge
richte, zu unbiegsam ist, wird gebrochen. Wer zu biegsam ist, wird
abgesetzt. Bei der Geltendmachung des Schreckens erweist man den
Menschen Gnade, dann erst setzt man in den Boden die Verdienste,
verbreitet den Namen und besitzt immerwährend den Segen des
Himmels.
Pao-sching-tschi erkannte aus diesen Worten, dass Tsiuen-pu-I
kein gewöhnlicher Mensch sei. Er nahm dessen Ermahnungen ehr
erbietig an und richtete sich im Umgänge mit ihm ganz nach dem
Geiste der Gebräuche. Seine Fragen an ihn bezogen sich auf die
Wohlthaten, die man in dem gegenwärtigen Zeitalter zu erweisen,
und die Handlungen, die man in demselben zu verrichten habe. Die
unter dem Thore Pao-tsching-tschi's weilenden und für die Geschäfte
zugetheilten Männer waren ausgewählte Gerichtsbeamte der Land
striche und Landschaften. Als diese Angestellten das Ohr hinneigten
und Tsiuen-pü-I zuhörten, entsetzten sich alle ohne Ausnahme über
dessen Worte. Erst als die Dunkelheit des Abends einbrach, war er
mit seiner Rede zu Ende und entfernte sich.
Pao-sching-tschi empfahl hierauf angelegentlich Tsiuen-pü-I,
der die Aufforderung erhielt, sich zu den „öffentlichen Wagen",
d. i. an den Ort, wo Urkunden eingereicht wurden und die Vorge
ladenen erschienen, zu begeben und zum „stechenden Vermerker“
des Landstriches ^ Tsing ernannt wurde.
Nach dem Tode des Allhalters Hiao-wu und in dem ersten
Jahre des Allhalters Hiao-tschao (86 vor uns. Zeitr.) setzte sich
j0lj Lieu-schi, der Enkel des Königs Hiao von Tsi, mit den
gewaltigen und hervorragenden Männern der Landschaften und
Fürstenländer zu dem Zwecke, einen Aufstand gegen Han zu
erregen, in Verbindung und gedachte dabei früher Tsiuen-pü-I, den
1 J —j— ^ Kung-tse war Pao-sciiiDg-lschi's Jünglingsiiaitie.
Die Würdenträger Tsiuen-pu-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
135
stechenden Vermerket' des Landstriches Tsing, tödten zu lassen.
Dieser Anschlag wurde jedoch entdeckt, worauf sämmtliche Ver
schworene festgenommen und, nachdem sie ihre Schuld bekannt,
hingerichtet wurden.
Tsiuen-pu-I ward nach diesem Ereignisse zum Aufseher des
Gebietes der Hauptstadt des Himmelssohnes ernannt und erhielt ein
Geschenk von hundertmal zehntausend Geldstücken. In dieser Stel
lung ward er sowohl von den Angestellten als dem Volke der Haupt
stadt des Himmelssohnes seines ehrwürdigen Äusseren und seiner
Treue willen geachtet. So oft er eine Untersuchung in den Kreisen
vornahm, kehrten auch Leute, welche bisher in den Gefängnissen
verwahrt gewesen, in ihre Heimath zurück.
Auf die zuletzt erwähnte Handlungsweise war auch die Mutter
Tsiuen-pii-1's von Einfluss. Diese richtete nämlich hei einer solchen
Gelegenheit an ihren Sohn ohne Umstände die Frage, wie viele Men
schen er dem Leben wiedergegeben habe. Wenn Tsiuen-pu-I, was in
den meisten Fällen geschah, viele Menschen dadurch, dass er in seiner
Meldung an den Hof deren Verbrechen als leicht hinstellte, dem Leben
wiedergegeben hatte, freute sich seine Mutter, lachte und genoss Speise
und Trank, während ihre Worte von denen, deren sie sich zu ande
ren Zeiten zu bedienen pflegte, verschieden waren. Wenn er hin
gegen, was auch bisweilen geschah, für keinen Einzigen die Ent
lassung aus dem Gefängnisse erwirkt hatte, zürnte seine Mutter und
verschmähte es, Speise zu sich zu nehmen. Tsiuen-pu-I war daher
als Gerichtsbeamter zwar streng, aber nicht verderblich.
Im fünften Jahre des Zeitraumes Schi-yuen (82 vor uns. Zeitr.)
versetzte ein ungewöhnliches Ereigniss die Hauptstadt Tschang-ngan
in Aufregung. Ein Mann, der einen mit gelben Farren bespannten
Wagen bestiegen und eine gelbe mit Schildkröten und Schlangen
bemalte Fahne aufgesteckt hatte, begab sich, mit einem gelben
Schlepprock und einer gelben Umhüllung des Schlepprockes ange-
than, zu der nördlichen Thorwarte des Himmelssohnes und nannte
sich den Nachfolger von dem Geschlechte Wei. Dieser Sohn des
Allhalters Hiao - wu hatte sich neun Jahre früher bei dem Ereig
nisse des Wurmfrasses der Beschwörer selbst getödtet und hätte
sich demnach jetzt, wenn die Angabe wahr gewesen, als recht
mässiger Nachfolger des Himmelssohnes Hiao-wu noch am Leben
befunden.
136
Dr. F f i z m a i e r
Das Amt der öffentlichen Wagen, wo die für den Hof bestimm
ten Meldungen in Empfang genommen wurden, brachte den Vorfall
sogleich zur Kenntniss des Himmelssohnes. Eine höchste Verkün
dung befahl den Fürsten, Erlauchten, Heerführern und den mit einem
Gehalte von zweitausend Scheffeln Angestellten, den Fremdling in
Augenschein zu nehmen und sich zu äussern, ob sie in ihm den Sohn
des Allhalters wieder erkennten. Unterdessen hatte sich innerhalb der
Mauern von Tschang-ngan eine nahe an zehntausend Köpfe starke
Menge von Angestellten und Volk versammelt, um den Angekom
menen zu sehen. Der Heerführer der Rechten fand es für nöthig,
die bewaffnete Macht unter die Thorwarte zu führen, um gegen
unvorhergesehene Fälle geschützt zu sein.
Der Landesgehilfe, der oberste Vermerker und die mit einem
Gehalte von zweitausend Scheffeln Angestellten, welche jetzt herbei
gekommen waren, blieben unschlüssig stehen und getrauten sich
nicht, ein Wort zu reden. Zuletzt erschien auch Tsiuen-pü-I, der
Aufseher des Gebietes der Hauptstadt. Derselbe schrie sofort die
unter ihm stehenden Angestellten zornig an und liess den Fremdling
festnehmen und binden.
Einige Angestellte hielten ein solches Vorgehen für bedenklich
und sprachen: Ob er es ist oder nicht ist, kann man noch nicht
wissen. Möge man einstweilen bedächtig zu Werke gehen.
Tsiuen-pü-I erwiederte: Was habt ihr, o sämmtliche Gebie
ter, von dem Nachfolger des Geschlechtes Wei zu besorgen?
Einst widersetzte sich Khuai-I dem Befehle und floh aus dem Lande.
Tsclff stellte sich ihm entgegen und gewährte ihm keinen Einlass 1 ).
Der Frühling und Herbst hält dies für recht. Der Nachfolger des
Geschlechtes Wei hat sich eines Verbrechens schuldig gemacht
gegen den früheren Allhalter. Er ist geflohen und nicht sofort
gestorben. Wenn er jetzt kommt und sich stellt an diesem Orte, so
ist er ein Verbrecher. -— Hierauf schickte er denünbekannten in das
Gefängniss, wo in Folge einer höchsten Verkündung die Unter
suchung eingeleitet ward.
i) Khuai-I, der zur Nachfolge bestimmte Sohn des Fürsten Ling von Wei, war nach Ver
eitelung einer von ihm beabsichtigten Gewaltthat aus dem Lande geflohen. Nach dem
Tode des Fürsten Ling ward Tschi, der Sohn Khuai-Fs, zum Fürsten von
Wei erhoben. Als hierauf Khuai-I mit Hille Tschao-yang’s von Tsin zurückkehren
wollte, widersetzte sich ihm sein eigener Sohn Tschi mit Waffengewalt.
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
137
Der Himmelssohn und der erste Heerführer Ho-kuang wünsch
ten Tsiuen-pü-I sogleich bei der Kunde von dessen Einschreiten
Glück und sprachen dabei: Die Fürsten, die Erlauchten und
grossen Diener sollen Gebrauch machen von der Kunst der richt-
schnurmässigen Bücher und in’s Licht stellen die grosse Gerechtig
keit. Hierdurch fällt ihr Name schwerer in’s Gewicht als die Vor
halle des Hofes.
Sämmtliche Würdenträger hatten die Überzeugung, dass sie
Tsiuen-pü-I nicht gleiciikommeri. Der erste Heerführer Ho-kuang
war Willens, ihn mit seiner Tochter zu vermalen, aber Tsiuen-pü-I
weigerte sich entschieden und mochte dem Wunsche des Heer
führers nicht nachkommen. Nach längerer Zeit ward er krankheits
halber als Aufseher des Gebietes der Hauptstadt des Himmelssohnes
entlassen und starb in seinem Hause, was in den Urkunden von
Tschang-ngan verzeichnet ward >)•
Der in späterer Zeit, im dritten Jahre des Zeitraumes Pen-schi
(71 vor uns. Zeitr.), mit der Würde eines Aufsehers des Gebietes
der Hauptstadt des Himmelssohnes bekleidete, durch seine grosse
Hinneigung zu dem Volke bekannte Tschao-kuang-han
sagte von sich selbst: Wo es gilt, zu wehren dem Verrath, Einh-alt
zu thun dem Unrechten Wandel unter den Angestellten und dem
Volke, endlich in Sachen der Vorhalle des Hofes komme ich Tsiuen-
pü-I bei weitem nicht gleich.
Unmittelbar nach dem oben erwähnten Ereigniss leitete der
oberste Richter gegen den in Haft befindlichen Unbekannten die
Untersuchung ein, deren endliches Ergebniss war, dass der.Mann,
der sieh für den Sohn des Allhalters Hiao - wu ausgegeben, ein
Betrüger sei. Derselbe war eigentlich ein Eingeborener von
Hia-yang»), sein Geschlechtsname war Sching, sein Kindesname
Er hatte in letzter Zeit auf dem Gebiete des
1 ) Wie in dem Verzeichnisse der Würdenträger von Ilan zu finden, ward Tsiuen-pü-I
im ersten Jahre des Zeitraumes Schi yüen (86 vor uns. Zeitr.) zum Aufseher des
Gebietes der Hauptstadt des Himmelssohnes ernannt und starb, nachdem er krank
heitshalber seines Amtes entlassen worden, in dem fünften Jahre desselben Zeit
raumes (82 vor uns. Zeitr.), also noch in dem nämlichen Jahre, in welchem er
den vorgeblichen Sohn des Allhallers Hiao-wu verhaften liess.
2 ) Das heutige Han tsehing, Kreis Si-ngan in Schen-si.
138
Dr. P f i z in a i e r
Kreises Hu, wo der Nachfolger von dem Geschlechte Wei den Tod
gefunden, seinen Aufenthalt genommen und daselbst die Wahrsage
kunst ausgeübt. Ein ehemaliger Hausgenosse des Nachfolgers war
einst zu Sching-fang-sui gekommen, um sich wahrsagen zu lassen,
und hatte ihm bei dieser Gelegenheit gesagt: Du hast in deiner
Gestalt und in deinem Aussehen grosse Ähnlichkeit mit dem Nach
folger von dem Geschlechte Wei. — Sching-fang-sui beschloss, von
diesen Worten Nutzen zu ziehen und machte sich sogleich Hoff
nung, dass er zu Ansehen und Reichthum gelangen werde. Uin
diesen Zweck zu erreichen, begab er sich, indem er sich den Namen
des Nachfolgers von Han beilegte, zu der Thorwarte des Himmels
sohnes.
Um sich vollkommen zu überzeugen, hatte der oberste Richter
mehrereMenschen, welche als Mitbewohner des Gaues und der Gasse
den erwähnten Sching-fang-sui genau kannten, unter ihnen einen
gewissen jjj|^ Tsch'hang - thsung - lo, vorladen lassen.
Sching-fang-sui ward hierauf des Betruges und der Ruchlosigkeit
schuldig erkannt und auf dem östlichen Verkaufsräume von Tschang-
ngan in der Mitte des Leibes entzweigehauen. Nach Einigen war der
Geschlechtsname dieses Mannes Tsch’hang und der Kindesname
'T Ä Yen-nien, wesswegen er in der Geschichte des Allhalters
Hiao-tschao unter dem Namen Tsch’hang-yen-nien erwähnt wird.
Su-kuang.
Su-kuang, dessen Jünglingsname 7^ Tschung-
ung, war auf dem Gebiete |?j?| Lan-ling 1 ) in der Landschaft
Tung^hai geboren. In seiner Jugend war er ein Freund des Lernens
und erläuterte das Werk „Frühling und Herbst“. Während er in dem
väterlichen Hause weilte, kamen aus fernen Gegenden Männer, welche
ihn in den Wissenschaften unterrichteten. Seine Kenntnisse wurden
in dem Masse berücksichtigt, dass er nach Tschang-ngan berufen
und daselbst zum Hofgelehrten und grossen Würdenträger der
grossen Mitte ernannt wurde.
Das heutige Yi, Kreis Yen-tscheu in Sclian-tung*.
Die Würdenträger Tsiuen-pu-1, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
139
Als im dritten Jahre des Zeitraumes Ti-tsie (67 vor uns.Zeitr.)
der Allhalter Hiao-siuen seinen Sohn zum Nachfolger einsetzte,
wählte er Ping-ke *) zum grossen Zugesellten, Su-kuang zum kleinen
Zugesellten des Nachfolgers. Einige Monate später erhielt Ping-ke
die Stelle eines obersten vermerkenden Grossen, worauf Su-kuang
zu der Stelle eines grossen Zugesellten des Nachfolgers befördert
wurde.
Scheu, ein Sohn von Su-kuang’s älterem Bruder, mit dem
Jünglingsnamen auch =? Ä Kurig-tse genannt, war ebenfalls in
der Eigenschaft als Weiser und Vortrefflicher befördert und als
Befehlshaber des Hauses des Nachfolgers angestellt worden. Dieser
Su-scheu schätzte die Gebräuche, war ehrerbietig gegen Andere
und besass bei einem lebhaften Geiste die Gabe der Rede. Wenn der
Allhalter Siuen das Wohngebäude des Nachfolgers besuchte, ging
Su-scheu dem hohen Gaste bittend entgegen und beantwortete dessen
Fragen. Wenn dann der Wein aufgetragen wurde und die Feier
begann, reichte er den Becher und bot dem Himmelssohne das Ge
schenk auf dessen langes Leben. Dabei waren seine Worte und sein
Benehmen gemessen und zierlich, so dass der Himmelssohn an ihm
das grösste Wohlgefallen hatte.
Der zu dem Nachfolger in dem Verhältnisse eines Grossvaters
von mütterlicher Seite stehende, zu den Emporkömmlingen gezählte
iÖ pp Hiü-pe, Fürst von E9^ 'j- Ping-ngen 3 ), rechnete auf die
Unmündigkeit des Nachfolgers und machte an dem Hofe die Anzeige,
dass er seinen eigenen jüngeren Bruder Schün 8 ) beauftragt
habe, das Haus des Nachfolgers zu beschützen und zu überwachen.
1 ) Ping-ke ist in der Abhandlung: „Das Ereigniss des Wurmfrasses der Beschwörer“
der Gegenstand eines besonderen Abschnittes.
2 ) In dem Verzeichnisse der zu den mütterlichen Verwandtschaften des Himmelssohnes
gehörenden Lehensfiirslcn von Han wird dieser Mann '
ff m -
kuang-
han genannt. Derselbe war der Vater der von dein Gesehleehte Hiii stammenden
„erhabenen Königinn“ von dem Gesehleehte Hiii, welche ihrerseits die Mutter des
zur Nachfolge bestimmten Sohnes des Allhalters Hia-siuen.
3 ) Dieser
Hiii - schiin erscheint ebenfalls unter den Lehensfürsten
von Han.
140
Dr. Pfizmaier
Der Himmelssohn befragte desshalb Su - kuang. Dieser ant
wortete: Der Nachfolger ist der Gehilfe und Genosse des Landes,
der Freund des Lehrers des Landesfürsfen. Er ist gewiss in der
Welt ein glänzender und hervorragender Mann. Es ziemt sich nicht,
dass er allein in seine Nähe ziehe die auswärtigen Häuser, das Ge
schlecht Hiü. Auch besitzt der Nachfolger einen grossen Zugesellten,
einen kleinen Zugesellten, mit den Untergebenen der Ämter ist er
bereits versehen. Wenn man jetzt wieder heissen wollte Schün
überwachen des Nachfolgers Haus, würde man zur Schau stellen
dessen Erniedrigung. Dies ist nicht das Mittel, auszubreiten des
Nachfolgers Tugend in der Welt.
Der Himmelssohn fand diese Worte vortrefflich und erwähnte
sie wieder vor dem Landesgehilfen Wei-siang. DieserWürdenträger
legte zum Zeichen, dass er sich gedemüthigt fühle, seine Mütze ab
und entschuldigte sich mit den Worten: Dies ist, was ich und
Menschen meiner Art nicht im Stande sind zu erreichen.
Su-kuang hatte auf diese Weise seine Fähigkeiten und seinen
Einfluss geltend gemacht, und er erhielt mehrmals Belohnungen und
Geschenke. So oft der Nachfolger an dem Hofe erschien und die
Stufen zu der Halle des Himmelssohnes emporstieg, ging der grosse
Zugesellte vor ihm her, während der kleine Zugesellte unmittelbar
folgte. Vater und Sohnübten dabei gleichzeitig das Amt von
Lehrern und Zugesellten, was in der Vorhalle des Hofes als ein
höchst ehrenvoller Aufzug betrachtet ward.
Su-kuang und Su-scheu verblieben in ihrem Amte fünf Jahre.
Der Nachfolger des Himmelssohnes war jetzt zwölf Jahre alt und
verstand vollkommen das Werk Lüri-yü und das Hiao-king. Um
diese Zeit sprach Su-kuang zu Su-scheu: Ich habe gehört: Wer
weiss sich zu begnügen, erfährt keine Schande. Wer weiss inne zu
halten, geräth nicht in Gefahr. Sind die Verdienste erworben, so
zieht man sich zurück. Dies sind die Wege des Himmels 3 ). — Jetzt
haben wir es in dem Dienste des Hauses gebracht bis zu Angestellten
mit dem Gehalte von zweitausend Scheffeln. Die Dienste des Hauses
sind verrichtet, der Name ist begründet. Wenn wir, da es sich so
1 ) Su-scheu war, wie oben angegeben worden, der liruderssohn Su-kuang’s. Da jedoch
der Letztere bei dem Ersteren Vatersslelle vertrat, werden sie, was unten noch
zweimal geschieht, Vater und Sohn genannt.
2 ) Dies sind Worte Lao-tse’s, welche von Su-kuaug angeführt werden.
Die Würdenträger Tsiueu-pu-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
141
verhält, uns nicht entfernen, so fürchte ich, dass es uns später reuen
wird. Wie könnte dies so gut sein, als wenn wir, Vater und Sohn,
einander folgen, treten aus dem Durchwege und zurückkehren des
Alters willen nach unserem Geburtsorte? Wenn wir beschliessen in
Langjährigkeit das Leben, wäre dies nicht auch vortrefflich?
Su-scheu stiess mit dem Haupte gegen den Boden und ant
wortete: Ich folge dem Rathe des grossen Mannes.
Vater und Sohn veränderten sofort an einem und demselben
Tage ihren Wohnsitz und meldeten sich krank. Nach Ablauf dreier
Monate ward ihnen Müsse und Ruhe gewährt. Su-kuang meldete
hierauf, dass er bedeutend krank sei und machte an dem höchsten
Orte eine Eingabe, worin er bat, für die Bestattung seiner Gebeine
sorgen zu dürfen. Der Himmelssobn ertheilte in Rücksicht auf die
Jahre und die Gebrechlichkeit dieser Männer seine Genehmigung und
machte ihnen ein Geschenk von zwanzig Gewichten Goldes, wozu
der Nachfolger noch weitere fünfzig Gewichte schenkte.
Bei der Abreise der beiden Männer bereiteten die Fürsten, die
Erlauchten, die grossen Würdenträger, die alten Bekannten und die
Söhne der Stadt an dem Wege die Feierlichkeit der Darbringung
für die Geister und stellten sich vor dem Thore der östlichen Vor
stadt von Tschang-ngan in Reihen auf. Diejenigen, welche ihnen auf
diese Weise das Geleite gaben, waren auf mehreren hundert Wagen
angelangt, und sie entfernten sich erst wieder, nachdem sie auf das
Herzlichste Abschied genommen. Die Menschen, welche sieh an dem
Wege eingefunden hatten, um die Scheidenden zu sehen, riefen ein
stimmig: Wie weise die zwei Grossen des Landes! — Einige waren
bei diesem Anlasse von Trauer erfüllt und vergossen Thränen.
Nachdem Su-kuang an dem Orte seiner Heimath angekommen,
gab er täglich Auftrag, dass in seinem Hause Wein und Speisen
hergerichtet und aufgestellt werden. Dabei lud er seine Verwandten
und ehemaligen Gäste ein und vergnügte sich mit ihnen. In der
Zwischenzeit fragte er mehrmals, wie viel von dem Golde seines
Hauses noch übrig sei, worauf er Theile davon schnell verkaufte und
damit seine Auslagen bestritt.
Nach einem Jahre wandten sich endlich die Söhne und Enkel
Su-kuang's im Geheimen an dessen Bruder und diejenigen bejahrten
Männer, zu welchen er Liebe und Vertrauen batte, mit den Worten:
Die Söhne und Enkel hatten gehofft, dass sie zu den Zeiten des
142
Dr. Pfi zmaier
Gebieters einigermassen den Grund legen werden zu dem Betriebe
e ines Geschäftes. Jetzt werden Speise und Trank täglich verbraucht
und werden bald zu Ende gehen. Es ziemt sich, dass ihr, als ob es
von euch, o Menschen des Stabes, ausginge, mit dem Gebieter
sprechet und ihn ermahnet, anzukaufen Felder und Häuser.
Die bejahrten Leute trugen zu einer günstigen Zeit Su-kuang
dieses Anliegen vor. Su-kuang erwiederte: Wie sollte ich vergess
lich sein in meinem Aller, so dass ich nicht gedächte der Söhne und
Enkel? Ich nahm Rücksicht darauf, dass ich aus früherer Zeit be
sitze Felder und Hütten. Wenn ich heisse meine Söhne und Enkel
anstrengen ihre Kraft in deren Mitte, so genügt dies, ihnen Kleider
und Speise zu verschaffen, so dass sie sämmtlichen Menschen gleich
gestellt sind. Wenn ich jetzt die Felder durch neue vermehren und
daraus übermässigen Vortheil ziehen wollte, so würde ich meine
Söhne und Enkel nur lehren den Leichtsinn.
Ist man weise und besitzt viele Güter, so schadet dies unserer
Gesinnung. Ist man thörieht und besitzt viele Güter, so vermehrt
dies unsere Fehler. Auch ist der Reiche der Gegenstand des Hasses
der Menge der Menschen. Wenn ich nicht mehr sein werde und
nachdem ich belehrt und umgestaltet habe meine Söhne und Enkel,
will ich nicht vermehren ihre Fehler und erwecken den Hass.
Auch ist dieses Gold etwas, wodurch höchstweise Gebieter in
ihrer Gnade ernähren die alten Diener. Wenn ich mich daher freue
mit den Genossen der Heimath, wenn dieVerwandten des Namens in
Gemeinschaft bewirthet werden von jenem Geschenke, indess ich
verlebe meine noch übrigen Tage, sollte ich dies nicht auch dürfen?
Die Verwandten Su-kuang’s unterwarfen sich mit Freuden die
sem Ausspruche. Sowohl Su-kuang als Su-scheu nahmen nach Errei
chung des Alters ein gutes Ende.
Yü-ting-kue.
Yü-ting-kue, dessen Jünglingsname (pj
tm
X
Man-thsien, stammte aus <^|] Tan in der Landschaft des östlichen
Meeres. Dessen Vater -^j— Yü-kung war ein Vermerker der
Gefängnisse des Kreises und bekleidete in der Landschaft die Stelle
eines tÄ Kiue-tsao, d. i. eines entscheidenden, durch seinen
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
143
Ausspruch die Untersuchung der Verbrechen leitenden Gerichts
beamten. Bei den vorkommenden Verbrechen entschied er gerecht,
und wo die Aussprüche dem Buchstaben des Gesetzes gemäss erfolg?
ten, erregte dasjenige, was durchYü-kung entschieden worden, nie
mals Unzufriedenheit. In der Landschaft errichtete man ihm noch bei
seinen Lebzeiten einen Anbetungsort, der mit Namen „Anbetungsort
Yü-kung’s“ genannt ward.
Während der Amtstätigkeit Yü-kung’s erregte die Verurthei-
lung des später berühmt gewordenen „älternliebenden Weibes“ 1 )
grosses Aufsehen. Dieses Weib, welches in der Landschaft des öst
lichen Meeres lebte, war frühzeitig Witwe geworden, zudem auch
kinderlos geblieben und pflegte ihre Schwiegermutter mit der
grössten Sorgfalt. Die Schwiegermutter wollte sie wieder vermälen,
worein jedoch das älternliebende Weib durchaus nicht willigte. Die
Schwiegermutter äusserte sich daher gegen ihre Nachbarn: Das
älternliebende Weib dient mir mit Sorgfalt und Mühe. Ich bedaure,
dass sie, die kinderlos ist, bewahrt ihr Witwenthum. Ich bin alt und
falle ihr schon lange zur Last. Was kann ich, indess ich rüstig bin,
beginnen? — Nach einiger Zeit erhängte sich die Schwiegermutter,
um dem älternliebenden Weibe nicht zur Last zu fallen.
Die Tochter der Schwiegermutter machte hierauf bei den
Gerichten die Anzeige, dass ihre Mutter durch jenes Weib getödtet
worden. Die Angestellten der Gerichte nahmen das älternliebende
Weib fest, welches anfänglich die That leugnete, später jedoch, als
man sie zu überführen suchte, der Wahrheit zuwider sich schuldig
bekannte. Als die Urkunde der Gerichtsverhandlung an das oberste
Amt der Landschaft eingesendet wurde, war Yü-kung der Meinung
dass dieses Weib, welches ihre Schwiegermutter länger als zehn
Jahre gepflegt habe und durch ihre Älternliebe bekannt sei, unmög
lich die That verübt haben könne. Der Statthalter der Landschaft
gab jedoch diesen Gründen kein Gehör. Yü-kung, der dessen Ansicht
zwar bestritt, aber seine eigene Meinung nicht zur Geltung bringen
konnte, nahm die Urkunde der Gerichtsverhandlung in die Arme
und beweinte den Vorgang öffentlich in dem obersten Amte der Land
schaft. Zu gleicher Zeit entschuldigte er sich wegen Unwohlsein
l ) Dasselbe ist übrigens nicht das älterhliebende Weib, welches in der Abhandlung:
„Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen“ bei den über Yuen“
sehe gebrachten Nachrichten erwähnt worden.
144
Dr. Pfi zm aie r
und legte seine Stelle nieder. Der Statthalter fällte endlich das
Urtheil, welches auf Hinrichtung des älternliebenden Weibes lautete.
Nach diesem Ereignisse entstand in derLandschaft des östlichen
Meeres eine durch drei Jahre anhaltende Dürre. Der Statthalter
nahm seine Zuflucht selbst zur Wahrsagekunst, um die Ursache
dieser ungewöhnlichen Erscheinung zu erfahren. Dabei äusserte
sich Yü-kung: Das älternliebende Weib hätte nicht sterben sollen.
Vordem hat der Statthalter mit Gewalt die Sache entschieden. Das
Unglück hat offenbar hierin seinen Grund. — Hierauf liess der Statt
halter ein Rind schlachten, brachte auf dem Grabhügel des ältern
liebenden Weibes die Gabe der Geister dar und versah das Grab mit
einer Gedenkplatte. Sobald dieses geschehen, erfolgte, wie ange
geben wird, ausgiebiger Regen und das Getreide war zur Erntezeit
gereift. Dieses Ereignisses willen ward Yü-kung in der Landschaft
der Gegenstand grosser Hochachtung und Verehrung.
Yü-ting-kue lernte in seiner Jugend die Gesetzkunde bei seinem
Vater Yü-kung. Nach dem Tode des Vaters wurde er ebenfalls ein
Vermerker für die Gefängnisse und bekleidete die Stelle eines ent
scheidenden, durch seinen Ausspruch die Untersuchung der Ver
brechen leitenden Gerichtsbeamten. Zudem war er ein aushelfender
Vermerker des Beruhigers des Vorhofes, in welcher Eigenschaft er
die Bestimmung erhielt, in Gemeinschaft mit dem yfc [Jj Tschung-
sching, einem der beiden Gehilfen des obersten Vermerkers, den
Geschäften nachzugehen und die Untersuchung gegen Empörer zu
führen. Seiner hoben Begabung willen ward er zu einem dem ober
sten Vermerker aufwartenden Angestellten befördert, hierauf, was mit
der Zuweisung eines anderen Wirkungskreises verbunden war, zum
Tschung-sching „mittleren Gehilfen“ des obersten Vermerkers ernannt.
Nach dem Tode des Allhalters Tschao (74 vor uns. Zeitr.) ward
der König von Tschang-yi nach Tschang-ngan berufen und zur Würde
des Himmelssohnes erhoben. Da dieser König sofort nach seiner Erhe
bung sich den Ausschweifungen und Lastern ergab, überreichte Yü-
ting-kue an dem Hofe einen Aufsatz, worin er dem Könige in Bezug auf
dessen Lebenswandel Vorstellungen machte. Alsbald nachher der König
von Tschang-yT abgesetzt und an dessen Stelle der Allhalter Siuen
erhoben wurde, leitete der oberste Heerführer Ho-kuang die Geschäfte
des äjT jjoj Schang - schu „Vorstehers der grossen Urkunden“,
Die Würdenträger Tsiuen-pii-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
145
wobei er die einzelnen Meldungen an dem Hofe berücksichtigte.
Sämmtliclie Würdenträger, welche dem Könige von Tschang-yi
seines Wandels wegen Vorstellungen gemacht hatten, wurden jetzt,
indem sie die niederen Stufen übersprangen, zu höheren Ämtern
bestimmt, bei welchem Anlasse auch Yü-ting-kue zu einem Grossen
des glänzenden Gehaltes ernannt ward. In dieser Eigenschaft brachte
er auch die Geschäfte des Vorstehers der grossen Urkunden zurecht,
wobei er vielfach mit Geschäften betraut und verwendet wurde.
Nachdem er einige Jahre später zu einem mit dem Namen
Schui-heng belegten „Beruhigen der Hauptstadt“, mit welchem Amte
die Aufsicht über die Abgaben von den Teichen und Gärten verbun
den war, ernannt worden, erhielt er (69 vor uns. Zeitr.), und zwar
wieder mit Überspringung der niederen Stufen, die Stelle eine s
„Beruhigers des Vorhofes“ (obersten Richters).
Sobald sich Yü-ting-kue im Besitze der letztgenannten hohen
Würde befand, suchte ersieh einen Lehrer und lernte das Werk
„Frühling und Herbst“. Indem er in den Händen das richtschnur-
mässige Buch hielt, sass er mit dem Angesichte nach Norden gekehrt
und beobachtete genau die für einen Jünger geltenden Gebräuche.
Als ein bescheidener und ehrerbietiger Mann schätzte er die Gelehr
ten, welche sich mit der Kunst der richtschnurmässigen Bücher
befassten, überaus hoch Selbst die Niedriggestellten und Ärmlichen
unter ihnen, so wie diejenigen, welche sich zu Fuss zu ihm begaben,
behandelte er wie seines Gleichen, wobei er seine Güte und Hoch
achtung gegen sie auf ausnehmende Weise bekundete. Bei allen
Männern des Lernens erfreute er sich daher des besten Rufes.
Wo Yü-ting-kue als Richter zweifelhafte Fälle entschied, liess
er bei der Auslegung des Gesetzes die Billigkeit walten und sein
Bestreben ging dahin, sich gegen Hilflose und Witwen mitleidig zu
zeigen. Wo die Beschall'enheit des Verbrechens zweifelhaft war,
legte er das leichtere Vergehen zu Grunde, und in allen Fällen
untersuchte er mit Sorgfalt und Aufmerksamkeit. In der Vorhalle
des Hofes ertheilte man ihm daher Lobsprüche, indem man sagte:
Als Tsch’harig-schi-tschi!) der Beruhiger des Vorhofes war, gab
Z
Tsch'hang-scht-tschi wurde im dritten Jahre des Allhalters
Hiao-wen (177 vor uns. Zeitr.) zum Beruhiget* des Yorhol'es ernannt.
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XL. ßd. II. Hfl. 10
146
Dr. Pfizmaier
es in der Welt kein mit Gewalt überführtes Volk. Als Yü-ting-kue
der Beruliiger des Vorhofes war, befand sich das Volk von selbst in
der Lage, dass es nicht mit Gewalt überführt ward t).
Yü-ting-kue war übrigens ein so starker Weintrinker, dass er
selbst von mehreren grossen Krügen 2 ) Weines nicht angegriffen
wurde. Wenn er in den Monaten des Winters die Angestellten zu
Berathungen über Fälle von Verbrechen einlud, trank er ebenfalls
Wein, wodurch sein Geist an Beinheit und Helle gewann.
Nachdem er durch achtzehn Jahre Beruliiger des Vorhofes
gewesen, ward er zu einem anderen Amte versetzt und (52 vor
uns. Zeitr.) zum obersten vermerkenden Grossen ernannt. Im dritten
Jahre des Zeitraumes Kan-lu (51 vor uns. Zeitr.) ward er an der
Stelle des mit Tode abgegangenen Iloang-pa zum Landesgehilfen
ernannt und erhielt bei dieser Gelegenheit das Lehen eines Fürsten
von 2p Si-ping.
Im dritten Jahre der Ernennung Yü-ting-kue's zum Landes
gehilfen (49 vor uns. Zeitr.) starb der Allhalter Siuen, und auch
der neue Allhalter Yuen ehrte und schätzte Yü-ting-kue als einen
verlässlichen alten Diener. Um diese Zeit war ^ Tschin-
wan-nien, der Yü-ting-kue in dessen früherem Amte nachfolgte, der
oberste vermerkende Grosse. Während der acht Jahre, dass beide
Männer zugleich im Amte waren, entstand zwischen ihnen bei ihren
Erörterungen und Berathungen niemals eine Meinungsverschieden
heit. Als später (44 vor uns. Zeitr.) Kung-yü an der
Stelle Tschin - wan - nien’s zum obersten vermerkenden Grossen
ernannt ward, war dessen Meinung öfters derjenigen Yii-ting-kue’s
entgegengesetzt.
Da Yü-ting-kue, einsichtsvoll und in den Geschäften der Len
kung erfahren, immer nur Bewährtes voranstellte, so ward dasjenige
*) Durch den obersten Richter Tsch’hang - sclu - tschi wurden nur gerechte Urthejle
gefallt, wesshalb das Volk niemals eines Verbrechens mit Gewalt überführt ward.
Zur Zeit Yü-ting-kue’s wusste das Volk, dass man sich bei den Urtheilsspriichen
von Beweggründen der Grossmuth und Billigkeit leiten lasse, wesshalb es ihm
nicht in den Sinn kam, dass es mit Gewalt eines Verbrechens überführt werden
könne.
2) Das YVeinmass 7p Schi entsprach einem grossen Kruge und enthielt zehn -lj-
Tu oder „Rössel“.
Die Würdenträger Tsiuen-pü-F, Su-kuang-, Yü-ting-kue etc. 14:7
was er als Landesgehilfe rieth, für ausführbar gehalten. Die Ver
hältnisse hatten sich jedoch ungünstiger gestaltet. Nicht allein, dass
der Himmelssohn erst seit Kurzem die Lenkung angetreten hatte,
waren auch die Länder im Osten des Durchweges alljährlich von
Unglück und Schaden heimgesucht worden, und das Volk jener
Gegenden, welches seine Wohnsitze verliess, trat in den Durchweg.
Diejenigen, welche an dem Hofe Eingaben machten und die Sache
auseinandersetzten, schoben alle Schuld auf die grossen Würden
träger.
Der Himmelssohn beschied daher mehrmals an Hoftagen J ) den
Landesgehilfen und den obersten Vermerker zu sich, damit sie gleich
bei ihrem Eintritte die einzelnen höchsten Verkündungen in Empfang
nehmen. Bei dieser Gelegenheit stellte er sie in Bezug auf ihre
Amtsgeschäfte mit folgenden Worten zur Bede: Schlechte Ange
stellte der Gerichte verfehlen die Mörder und haben in Verdacht das
vortreffliche Volk. Es kommt so weit, dass Unschuldige sterben.
Bisweilen kommen Bäuber und Mörder zum Vorschein, die Anger
stellten der Gerichte verfolgen sie nicht eifrig und binden im Gegen-
theil die Verlusttragenden. Später wagen es diese nicht, noch ein
mal etwas anzüzeigen, aus diesem Grunde breitet sich das Übel
immer mehr aus. Das Volk wird häufig mit Gewalt der Verbrechen
überführt und verknüpft. Die Landstriche und Landschaften sind
nicht zurecht gestellt. Diejenigen, die nach einander an dem höch
sten Orte Eingaben machen, drängen sich an der Thorwarte und in
dem Vovhofe.
Die Angestellten der zweitausend Scheffel werden gewählt
und erhoben ohne Rücksicht auf ihre Gediegenheit, desswegen sind
unter den Inhabern der Würden viele nicht verlässlich in ihrem
Amte. Auf den Feldern des Volkes ereignen sieb Unglück und
Schaden. Die Angestellten mögen nicht das Übel beseitigen, sie
sammeln mit Hast die Abgaben von den Feldern und verdoppeln
dadurch die Drangsale. Im Osten des Durchweges hat das herum
ziehende Volk viel zu leiden von Hunger und Kälte, von Krankheiten
und Seuchen. Es ward bereits erlassen eine höchste Verkündung,
dass die Angestellten flugs leeren mögen die Scheunen, öffnen die
Vorrathshäuser, um das Volk aufzurichten und zu retten. Ich
Der Hiininelssohn gab alle fünf Tage einmal an dein Hofe Gehör.
10*
148
Dr. P I* i z m a i e r
beschenkte die Frierenden mit Kleidern bis zum Frühling, und ich
furchte noch immer, dass sie nicht werden genügen.
Was' werden jetzt der Landesgehilfe und der oberste Ver-
merker Willens sein zu veranstalten, um den Weg zu verschiiessen
diesem Ungemach? Möget ihr, indess ihr vollständig äussert über
jedes Einzelne eure Gedanken, darlegen meine, des Himmelssohnes,
Fehler und Verirrungen.
Die Antwort Yü-ting-kue’s auf diese Vorwürfe war eine Ein
gabe, worin er wegen seiner Vergehen um Entschuldigung bat.
Im ersten Jahre des Zeitraumes Yung-kuang (43 vor uns.Zeitr.)
gab es im Frühling Rauhfrost und im Sommer Kälte. Dabei war die
Sonne grün von Farbe und glanzlos. Der Himmelssohn stellte jetzt
nochmals in einer einzelnen höchsten Verkündung seine grossen
Würdenträger folgendermassen zur Rede: Die Leibwächter, welche
aus den östlichen Gegenden ankommen, sagen, dass unter dem Volke
Väter und Söhne einander verlassen 1 )- Sind der Landesgehilfe, der
oberste Vermerker, die mit der Untersuchung der Dinge betrauten
Angestellten versteckt und reden nicht? Es wird der Fall sein, dass
diejenigen, welche aus den östlichen Gegenden ankommen, hier noch
hinzufügen und vermehren. Jedoch warum gehen die gegenseitigen
Widersprüche so weit? Ich will wissen, was an der Sache Wahres ist.
In der gegenwärtigen Zeit lässt sich in Bezug auf die Ernte
des Jahres noch nichts im Voraus wissen. Ob Wassernoth, ob
Trockenheit entstehe, der Kummer darüber ist nicht gering. Von den
Dingen, welche die Fürsten und Erlauchten thun konnten, um zu ver
hindern, was sich noch nicht ereignet, um zu Hilfe zu kommen bei
dem, was sich bereits ereignet, wird nicht ein jedes der Wahrheit
gemäss vorgetragen 3 ). Möge es nichts geben, das ihr mir vorenthaltet.
Yü-ting-kue ward in Folge dieser Verkündung von Furcht
befallen und machte eine Eingabe, in der er die Schuld sich selbst
beimass. Zugleich schickte er die ihm verliehene Abdrucksmarke
eines Lehensfürsten zurück und bat um die Erlaubniss, für die
Bestattung seiner Gebeine Sorge tragen zu dürfen.
Der Himmelssohn gab hierauf zur Antwort: Du, o Gebieter,
standest zur Seite meiner, des Himmelssohnes, Selbstheit und
*) Sie thun dies, weil sie hei der eingelretenen Hungersnot!) einander nicht ernähren
können. *
2 ) Es isi sonst nicht angemessen, hier über Alles ohne Ausnahme Rede zu stehen.
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang-, Yü-liug-kue etc.
149
getrautest dich nicht, sorglos zu sein und zu ruhen. Die Angelegen
heiten der zehntausend Gegenden haben ihre grosse Eintragung
gefunden durch dich, o Gebieter. Diejenigen, die im Stande, frei
von Fehlern zu bleiben, sind allein die höchstweisen Menschen.
In der gegenwärtigen Zeit hat man übernommen die Ernie
drigung von Tscheu und Thsin. Gewohnheiten und Umgestaltung
gehen allmählich ein, das Volle hält wenig auf Gebräuche und
Gerechtigkeit. Die Stoffe der Finsterniss und des Lichtes sind nicht
in der richtigen Übereinstimmung. Wenn Brandschäden und Unglück
hereinbrechen, ist es nicht ein und dasselbe Ende, an dem sie ent
stehen. Seit höchstweise Menschen überlassen an ihres Gleichen die
Eintragung, wagen sie es nicht, dabei ausschliesslich zu handeln.
Um wie viel weniger thun dies diejenigen, welche keine höchst
weisen Menschen? Tag und Nacht denke ich darüber nach, woher
es kommt, dass ich noch nicht im Stande, vollständig geltend zu
machen die Erleuchtung.
Das richtschnurmässige Buch sagt: Wenn die zehntausend
Gegenden sich etwas zu Schulden kommen lassen, so liegt die Schuld
davon an mir, dem Himmelssohne, seihst. — Bist du, o Gebieter, auch
betraut mit einem Amte, wozu hast du nöthig, ausschliesslich zu
handeln? Mögest du dich bestreben, zu untersuchen die Landschaften
und Fürstenländer. Die Statthalter und Landesgehilfen ')» die Hirten
der Landschaften, welche nicht die rechten Menschen, mögest du sie
nicht heissen lange Zeit morden das Volk. Mögest du ewig in den
Händen halten Seil und Leitfaden, dir angelegen sein lassen, auf das
Ausserste anzustrengen das scharfe Gehör, das scharfe Gesicht.
Mögest du dich zwingen, Speise zu dir zu nehmen und wachen über
deine Krankheit.
Yü-ting-kue meldete nach dieser Erwiederung seine bedeutende
Erkrankung und begehrte dringend seinen Abschied. Der Himmels
sohn schenkte ihm hierauf einen bequemen Wagen sammt einem
Viergespann, ferner sechzig Gewichte Goldes, und enthob ihn seiner
Amtsthätigkeit. Yü-ting-kue begab sich sofort zu seinem jüngeren
Bruder, wo er nach einigen Jahren (41 vor uns. Zeitr.) in einem
Alter von mehr als siebenzig Jahren starb. Er erhielt nach seinem
Tode den Namen Lehensfürst Ngan.
Die LandesgeliiHeu in den Ländern der Lehensfürsten.
150
Di*. Pfizmai er
Sein Sohn und Nachfolger in dem Lehensfürstenthume Si-ping
hiess mit Namen Yung. Dieser Solin war in seiner frühen
Jugend ein Freund des Weines und Hess sich viele Fehler und
Missgriffe zu Schulden kommen. Gegen sein dreissigstes Lehensjahr
jedoch ging er in sieh und führte einen anständigen Lebenswandel.
Während der Amtsthätigkeit seines Vaters war er nach einander ein
im Inneren Aufwartender, ein Anführer der Leibwächter und ein
Hiao-wei von Tschang-schui. Nach dem Tode Yü-ting-kue’s beging
Yü-yung dieTrauer den Gebräuchen gemäss, und sein grosseÄltern-
liebe bekundender Wandel ward in der Welt bekannt. Aus diesem
Grunde ward er in seiner Eigenschaft als Lehensfürst der Reihe
zugleich ein Kuang-lS-hiün „Verdienst des glänzenden Gehaltes“
für die „zerstreuten Reiter“ und brachte es bis zu einem obersten
vermerkenden Grossen.
Yü-yung war mit der Allhalterstochter
Kuan-tao vermählt. Dieselbe war die älteste Tochter des Allhalters
Siuen und die Muhme des Allhalters Sching. Unter den weisen und
einen tadellosen Lebenswandel führenden Männern war Yü-yung vor
allen übrigen zu ihrem Gemahle erkoren worden. Um dieselbe Zeit
war auch der Himmelssohn willens, Yü-yung zu seinem Landes
gehilfen zu ernennen.
Als Yü-yung (20 vor uns, Zeitr.) starb, folgte ihm dessen Sohn
Tien in dem Lehensfürstenthume. Dieser Solm Tien war jedoch
aus der Art geschlagen und führte einen wenig erbaulichen Lebens
wandel.
In Rezug auf Yü-kung, den Vater Yü-ting-kue’s, wird noch
erzählt, dass einst das Thor der Gasse, welche er bewohnte, ein
stürzte. Während die Väter und Greise der Gasse damit beschäftigt
waren, dieses Thor in Gemeinschaft wieder herzustellen, äusserte
sich Yü-kung gegen sie mit folgenden Worten: Ihr müsset ein wenig
erhöhen und vergrössern das Thor der Gasse, so dass es fassen
kann ein Viergespann und einen hochgedeckten Wagen. Ich habe
geleitet die Untersuchung in den Gefängnissen und im Verborgenen
viele Wohlthaten erwiesen. Ich habe noch niemals einen Menschen
mit Gewalt überführt. Unter meinen Söhnen und Enkeln werden
gewiss einige sich emporschwingen. — Diese Vorhersagung ging in
so ferne in Erfüllung, als Yü-ting-kue Landesgehilfe, Yü-yung
s
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
täl
oberster vermerkender Grosser ward, ingleichen das Fürstenthum,
mit welchem der Erstere belehnt wurde, sich auf dessen Nachkommen
vererbte.
Der oben genannte Yü-tien befand sich übrigens durch drei
undvierzig Jahre im Besitze seines Lehenfürstenthums, welches end
lich in dem ersten Jahre des Zeitraumes Keng-schi (23 uns. Zeitr.)
inmitten der damals waltenden allgemeinen Zerrüttung zu Grunde ging.
Sie-kuung-te.
| l^rf- Sie-kuang-te führte den Jünglingsnamen
Iflä ) 9 l
Tschang-king und war auf dem Gebiete Siang in der Land
schaft Pei geboren. Ursprünglich ertheilte er in demFiirstenlande Tsu
Unterricht in der Lehre von den Gedichten des Landes Lu. Unter
anderen dienten ihm auch Jgjg Kung-sching und Kung-
sclie, die später zu Berühmtheit gelangten und von den Zeitgenossen
„die beiden Männer ‘des Geschlechtes Kung“ genannt wurden, als
ihrem Lehrer.
Als (59 vor uns. Zeitr.) W* ff - wang - tschi
zum ersten vermerkenden Grossen ernannt ward, entfernte er Sie-
kuang-te aus dessen Wirkungskreise und verlieh ihm eine' Stelle in
dem Amte des obersten Vermerkers. Dabei zog er ihn mehrmals in
Geschäften zu Rathe und überzeugte sich von dessen Tüchtigkeit.
Hierauf ward Sie-kuang-te in Erwägung, dass er vermöge seiner
Kenntniss der richtschnurmässigen Bücher und seines trefflichen
Wandels für ein Amt an dem Hofe von Han geeignet, zum Hofgelehrten
ernannt, in welcher Stellung er an den in dem Söller j^|= ^
Schi-khiü 1 ) stattfindenden Erörterungen theilnahm. Noch später
ward er im Amte versetzt und erhielt die Stelle eines Grossen,
dessen Pflicht es war, dem Himmelssohne Vorstellungen zu machen.
Im fünften Jahre des Zeitraumes Thsu-yuen (44 vor uns. Zeitr.)
wurde der die Stelle eines ff? '> \t M Tschang-sin-schao-fu
*) Der Allhalter Siuen hatte in dem dritten Jahre des Zeitraumes Kan-lu (51 vor
uns. Zeitr.) eine Verkündung' erlassen , der gemäss sämintliche Gelehrte sich in
dem Söller Schi-khiü wegen der Auslegung der fünf richtschnurmässigen Bücher
zu berathen hatten.
132
l)r. P f i z in a i e r
„kleinen Versammlungshauses von Tschang-sin“ *), d. i. Leiters des
Hauses der Gemahlinn des Himmelssohnes bekleidende 's"
Kung-yü, zum obersten vermerkenden Grossen ernannt, worauf
Sie-kuang-te an dessen Stelle in das Amt eines Leiters des Hauses
der Gemahlinn des Himmelssohnes eingesetzt ward. Als Kung-yü
schon im sechsten Monate nach seiner Erhebung starb, ward Sie-
kung-te wieder an dessen Stelle zum obersten vermerkenden Grossen
ernannt.
Sie-kuang-te war ursprünglich ein milder, angenehmer und
überaus freisinniger Mann. Als er jedoch einer der drei Fürsten
geworden, redete er ohne Umschweife, machte dem Himmelssohne
Vorstellungen und bestritt die Meinung Anderer. Wahrend der ersten
zehn Tage nach der Erhebung dieses neuen obersten Yermerkers
begab sich der Himmelssohn nach Kan-tsiuen. Nachdem die Feier
an dem grossen Anbetungsorte der Vorwerke beendet, verlängerte
er seinen Aufenthalt daselbst und beschäftigte sich mit Pfeilschiessen
und Jagen. Sie-kuang-te machte sofort eine Eingabe, in der er Fol
gendes sagte: Ich vermass mich, zu sehen, dass die Länder im
Osten des Durchweges erschöpft auf das Äusserste, dass diejenigen,
die das Volk unter den Menschen, auswandern und sich zerstreuen.
Du, vor dem ich stehe unter den Stufen, lässest täglich schlagen die
Glocken des zu Grunde gegangenen Thsin, hörst die Klangspiele
von Tsching und Wei. Ich bin in Wahrheit darob tief betrübt. Jetzt
sind Kriegsanführer und Streiter ausgesetzt der Sonne, befinden sich
unter freiem Himmel. Die Obrigkeiten, die ihnen folgen, sind ange
strengt und ermüdet. Es ist zu wünschen, dass du, vor dem ich
stehe unter den Stufen, schleunigst zurückkehrest in dein Wohn
gebäude, dass du daran denkest, mit den hundert Geschlechtern
dich zu betrüben und zu freuen. Die Welt wäre dann überaus glück
lich. —- Auf diese Vorstellung trat der Himmelssohn noch an dem
nämlichen Tage den Rückweg an.
Noch in dem Herbste desselben Jahres feierte der Himmelssohn
die Darbringung des schweren Weines in dem Ahnenheiligthume
der Han. Zu diesem Behufe verliess er die Hauptstadt durch das
*) Tschang-sin ist der Name des damals von der Gemahlinn' des llinimelssohnes
bewohnten Gebäudes.
Die Würdenträger Tsiuen-yü-I, Su-knang, Yü-ting-kue etc.
153
„bequeme Thor“ *) und war hierauf Willens, sich auf die indem Flusse
Wei liegenden gedeckten Schiffe zu begeben. Sie-kuang-te, der den
Wagen besteigen sollte, nahm die Mütze ab, senkte das Haupt zu
Hoden und sprach: Es ziemt sich, über die Brücke zu fahren. —
Der Himmelssohn bedeutete ihm: Der Grosse des Landes bedeckt
sich mit der Mütze. — Sie-kuang-te erwiederte: Wenn du, vor dem
ich stehe unter den Stufen, mir nicht Gehör gibst, so schneide ich
mir den Hals ab und beflecke mit Blut die Räder des Wagens. Du,
vor dem ich stehe unter den Stufen, wirst dann nicht dazu kommen,
das Ahnenheiligthum zu betreten 3 ).
Auf den Himmelssohn machten diese Worte einen üblen Eindruck.
Tsch’hang-meng, der an der Spitze des Wagenzuges fah
rende Grosse „des glänzenden Gehaltes“ s), trat jetzt vor und sprach:
Ich habe gehört: Wenn der Gebieter höehstweise, ist der Diener
geradsinnig. Die Schiffe besteigen, ist gefährlich. Sich zur Brücke
begeben, gewährt Sicherheit. Ein höchstweiser Gebieter besteigt
nicht das Gefährliche. Den Worten des obersten vermerkenden Grossen
kann Gehör geschenkt werden. •—• Der Himmelssohn erwiederte
hierauf: Ein verständiger Mensch, sollte er sich nicht auf diese
Weise benehmen? 4 ). — In Folge dessen fuhr man über die Brücke.
Ungefähr einen Monat nach der hier erzählten Begebenheit bat
Sie-kuang-te bei dem Anlasse, dass die Ernte schlecht ausgefallen
und das Volk auswanderte, gemeinschaftlich mit dem Landesgehilfen
Sse-kao, dem grossen Vorsteher der
Pferde und Heerführer der Wagen und Reiter 5 ), um die Erlaubnis?,
*) Das erste Thor, welches sich 911 der Südseite der Stadtmauern von Tschang-ngan
in westlicher Richtung- befand, führte den Namen
bequeme Thor“.
2 ) Da die Handlungsweise des Jlimmelssohnes ungebührlich ist, würde er es durch
aus nicht dahin bringen, dass für ihn ein Ahnenheiligthum errichtet würde. Nach
Anderen verträgt sich der Anblick eines Todten oder Verwundeten nicht mit der
Schicklichkeit und Reinheit, und der llinrmelssohn dürfte dann nicht in das Ahnen
heiligthum eintreten.
3 ) Sowohl „das Verdienst des glänzenden Gehaltes“, als „der Grosse des glänzen-'
den Gehaltes“ waren Anführer der Leibwache.
4 ) Die Worte, mit denen man Vorstellungen macht und die Meinung Anderer bestreitet,
sollen so gut gewählt sein, wie diejenigen Tsch'hang-niPng’s.
5 ) Derselbe stammte von dem Vater der „vortrefflichen Gemnhlinn“ von dem Ge-
schlechte Sse, welche Letztere in der Abhandlung: „Das Ereigniss des Wurm-
l'rasses der Beschwörer“ vorgekommen.
134
Di*. Pf i zm a i er
für die Bestattung seiner Gebeine Sorge tragen zu dürfen. Der
Himmelssohn schenkte einem jeden von ihnen einen bequemen
Wagen, ein Viergespann und sechzig Gewichte Goldes, indem er
sie zugleich ihrer Amtsthätigkeit enthob.
Sie-kuang-te war im Ganzen zehn Monate oberster vermerkender
Grosser gewesen, als er seine Entlassung erhielt. Er schlug hierauf
den Weg nach Osten ein und kehrte in seine Heimath zurück, wo
ihn der Statthalter von Pei, der ihm bis an die Markscheide der
Landschaft entgegen gezogen war, erwartete. Die Landschaft Pei
erwies Sie-kuang-te die Ehre, den bequemen Wagen, den er von
dem Himmelssohne zum Geschenk erhalten, in ihrem Versammlungs
hause aufzuhängen, damit er Söhnen und Enkeln zum Andenken diene.
Ping-tnng.
. i~|~i
[jg -p Ping - tang führte die Jiinglingsnamen
Tse-sse. Dessen Grossvater war mit einem Vermögen von hundertmal
zehntausend Geldstücken aus der Gegend von 0
dem Lande Liang nach Ping - ling in dem Kreise der
Hauptstadt des Himmelssohnes übersiedelt. In seiner frühen Jugend
war Ping - tang ein Angestellter für den Verkehr mit den fremd
ländischen Gästen, in welcher Eigenschaft er die Gebräuche in
Gang brachte, bei Erwerbung von Verdiensten behilflich war und
zunächst den Ta-hung-liü, den Vorgesetzten des Amtes für den Ver
kehr mit den fremdländischen Gästen, vertrat. Dabei zeigte er in
seinen Aufsätzen und im Lernen Umsicht-und Genauigkeit.
Später ward er zum Befehlshaber der Stadt Tschang-
Scliiin-yang 1 ) und zuletzt, wegen seiner Geschick
lichkeit in der Auslegung der massgebenden Bücher, zum Hof
gelehrten ernannt. Die Fürsten und Erlauchten an dem Höfe von Han
zogen Ping-tang hervor, damit er sieh mit ihnen bespreche und
berathe, ihnen seine Auslegungen mittheile und seine Dienste dem
Inneren widme. So oft sich Brandschäden oder Absonderlichkeiten
ereigneten, brachte Ping-tang unbedenklich die Kunst der mass-
Das heutige Yü-tscheu in Ho-nan.
Die Würdenträger Tsiuen-pu-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
iss
gebenden Bücher in Anwendung und sprach von Gelingen und Fehl
schlagen. In der Zierlichkeit des Aufsatzes vermochte er zwar die
berühmten Männer Siao - wang - tschi und |e Khuang-heng
nicht zu erreichen, aber der Geist seiner Aufsätze und seine Erwä
gungen waren dieselben.
Zur Zeit des Allhalters Yuen waren in Folge eines Vortrages
des damaligen Landesgehilfen /pT Wei-hiuen-sching die
Gärten bei den Grabmälern der Gemahlinn von dem Geschlechte Wei
und ihres Sohnes, des bei dem Ereignisse des Wurmfrasses der
Beschwörer zu Grunde gegangenen Nachfolgers Li, so wie die in
den Landschaften und Fürstenländern befindlichen Ahnenheiligthümer
des Stammvaters des Hauses Han aufgelassen worden. Ping-tang
überreichte jetzt in Bezug auf die letztere Verfügung dem Himmels
sohne den folgenden Aufsatz:
Ich habe gehört, dass Khung-tse sagte: Wenn Jemand als König
lenkt, so bedarf er eines Geschlechtsalters, dann erst wird er mensch
lich *). — Binnen dreissig Jahren sind der Weg und die Tugend in
Übereinstimmung und verbunden, verfertigt man die Gebräuche,
bringt empor das Klangspiel, so dass schlagende Wetter und Schä
digungen nicht entstehen, Unglück und Aufruhr nicht ihr Haupt
erheben.
Jetzt hat das höchstweise Han empfangen den Befehl und führt
die Lenkung der Könige. Es setzt fort die Weisheit, übernimmt die
Beschäftigung durch mehr als zweihundert Jahre. Eifrig bestrebt,
zeigt es keine Saumseligkeit, Lenkung und Erlässe bestehen in ihrer
Reinheit. Gleichwohl sind die Sitten und Gewohnheiten noch nicht
in Übereinstimmung, die Stoffe der Finsterniss und des Lichtes sind
noch nicht zu einander gestellt, Brandunglück und Schäden sind
mehrmals zum Vorschein gekommen. Sollte dies wohl die Bedeutung
haben, dass die grosse Grundlage noch nicht errichtet worden?
Woher kommt es, dass die Umgestaltung der Tugend aufgehört bat,
dass der Aufforderung nicht Folge geleistet wird schon so lange
Zeit?
Unglück und Glück sind nicht umsonst, es geschieht gewiss
aus einem Anlass, dass sie herbeikommen. Es gebührt sich,
*) Wer die Welt lenkt, braucht einen Zeitraum von dreissig Jahren, bis der Weg
der Menschlichkeit vollendet wird.
156
Dr. P f i z in aier
aufmerksam die Spuren zu verfolgen auf ihrem Wege und ange
legentlich sieh zu befassen mit ihrer Grundlage.
Ehemals war. der allhallende Yao gekehrt mit dem Angesicht
nach Süden und führte die Lenkung. Vor Allem war er im Stande
zu erleuchten die erhabene Tugend, um einander zu nähern die
neun Verwandtschaften, und die Umgestaltung erstreckte sich auf
die zehntausend Länder 1 ).
Das Buch der Älternliebe sagt: Unter den Angeborenheiten des
Himmels und der Erde ist der Mensch die vornehmste. Bei dem
Wandel des Menschen ist nichts grösser als die Älternliebe. Bei
der Älternliebe ist nichts grösser als die Ehrfurcht vor dem Vater.
Bei der Ehrfurcht vor dem Vater ist nichts grösser als die Gleich
stellung mit dem Himmel, und hierzu war der Fürst von Tscheu der
Mensch. — Der älternliebende Sohn bringt gut in Ausführung den
Willen der Menschen. Der Fürst von Tscheu hatte bereits vollendet
die Beschäftigung der Könige Wen und Wu, und er verfertigte und
erfand Gebräuche und Klangspiel, richtete ein die Sache der Ehr
furcht vor dem Vater, der Gleichstellung mit dem Himmel. Er
wusste, dass König Wen es nicht wünschte, als Sohn herabzublicken
auf den Vater, desswegen liess er mit Verzichtleistung ihn folgen in
der Reihe. Nach oben erhob er auf den Gipfel Heu-fsi und stellte
ihn gleich mit dem Himmel. Dies ist die Tugend der höchstweisen
Menschen, es ging ihnen nichts über die Älternliebe.
Des erhabenen Allhalters Kao höchstweise Tugend nahm in
Empfang den Befehl und besass die Welt. Er ehrte den grossen
höchsten Allhalter 2 ) gleichsam wie Wen und Wu von Tscheu nach
träglich als Könige walten dessen den grossen König s ) und den
Letztgeborenen des Königs 4 ). Auf diese Weise ist der Stammvater
von Han derjenige, den die späteren Nachfolger ehren sollen, indem
Aus dem Buche der Yü, wo von Yao gesagt wird: Er war im Stande zu erleuch
ten die erhabene Tugend, um einander zu nähern die neun Verwandtschaften.
Sind die neun Verwandtschaften mit einander befreundet, so schmückt man mit
Glanz die hundert Geschlechter. Sind die hundert Geschlechter beleuchtet mit
Glanz, so bringt man insgesammt zur Ühereinslimmung die zehntausend Länder.
2 ) Dieser Ehrenname wurde dem Vater des Gründers des Hauses Han nachträglich
verliehen.
3 ) Tan-fu, der Grossvater des Königs Wen von Tscheu, erhielt nachträglich den
Namen Ta-wang „der grosse König“.
4 ) Tschung-yung, der Vater des Königs Wen von Tscheu, erhielt nachträglich den
Namen Wang-ki „der Letzt geborene des Königs“.
Die Würdenträger Tsiuen-pu-l, Su-kuang, Yü-ting-kue elc. 157
sie ihm darreichen in grosser Ausdehnung, in vollem Masse, und es
ist dies das Höchste die Tugend und Älternliebe.
Das Buch sagt: Wenn man auf richtige Weise verehrt das
Alterthum, emporstellt die Verdienste, begründet die Angelegen
heiten, kann man durch die Jahre der Ewigkeit fortsetzen die zu
Grunde gegangenen Selbstheiten i).
Der Himmelssohn beherzigte diese Worte und erliess eine
höchste Verkündung, worin die Wiederherstellung der Ahnenheilig-
thümer des Stammvaters des Hauses Han befohlen ward.
Ping-tang ward jetzt ohne Verzug als Gesandter ausgeschickt,
indem er den Auftrag erhielt, für das ausgewanderte Volk in dem
Landstriche Yeu thätig zu sein. Bei dieser Gelegenheit wurde er zu
einem mit Meldungen an dem Hofe sich befassenden „stechenden
Vermerker“ 2 ) mit einem Gehalte von zweitausend Scheffeln beför
dert, in welcher Eigenschaft er den Gutgesinnten seine Theilnahme
bezeigte und sie durch wohlwollende Güte an sich zog. Dabei sprach
er es aus, dass man die Benützung der Salzteiche der Landschaft
Pö-hai, wo bisher nur von den Obrigkeiten Salz gesotten wurde, fiir
den Augenblick nicht mehr verbieten möge, da hierdurch der Noth
des Volkes abgeholfen werde könne. Die eilf Männer, welche an den
von ihm besuchten Orten beurtheilt wurden und Stellen für seine
Rundreise erhielten, hatten ganz besondere Befähigung zu ihrem Amte.
Zu einem anderen Amte versetzt, erhielt er zunächst bei dem
Landesgehilfen die Stelle eines „dem Rechte Vorstehenden“. Einer
Ausserachtlassung der Gesetze schuldig erkannt, ward er mit einem
niedrigeren Range wieder zu einem anderen Amte versetzt und zu
einem „stechenden Vermerker“ der Landschaft Sö-fang 3 ) ernannt.
Nach einiger Zeit ward er wieder an den Hof berufen und zu
einem Grossen „der grossen Mitte“ ernannt, in welcher Eigenschaft
*) Diese Worte aus den grossen Eidschwüren sind, wie Sse-ku angib!, von der heute
vorhandenen Zusammenfügung dieses Werkes verschieden. Sie lauten daselbst : Wenn
inan im Stande, auf richtige Weise zu erforschen die Wege des Alterthums und
dadurch begründet die Verdienste, begründet die Angelegenheiten, so kann man
durch lange Jahre theilhaftig werden des Landes.
2 ) Ein stechender Vermerker hatte die Landschaften , mit deren Untersuchung er
betraut war, zu bereisen. Sein Gehalt betrug in früherer Zeit sechshundert, in
späterer Zeit zweitausend Scheffel.
3 ) Diese im äussersten Nordwesten gelegene Landschaft war erst durch den Allhalter
Iliao-wn gebildet worden und die zur Überwachung derselben bestimmten „stechen
den Vermerker“ standen im Range niedriger.
158
Dr. Pfiz maie r
er seine Dienste dem Inneren widmete. Indem er hierauf ohne
Unterbrechung zu anderen Ämtern versetzt wurde, erhielt er nach
einander die Stellen eines „kleinen Versammlungshauses von Tschang-
sin“, d. i. Leiters des Hauses der Gemahlinn des Himmelssohnes,
eines Ta-hung-liü, d. i. Vorgesetzten des Amtes für den Verkehr
mit den fremdländischen Gästen (15 vor uns. Zeitr.), und eines
„Verdienstes des glänzenden Gehaltes“, d. i. Anführers der Leib
wache.
Zu den Zeiten des Allhalters Sching (19 vor uns. Zeitr.) waren
grosse Mengen Volkes zur Übersiedlung nach dem in der Umgebung
der Hauptstadt des Himmelssohnes gelegenen Gebiete j|§j
Tschang-ling, wo eine neue Stadt gebaut wurde, gezwungen worden.
Noch vor der letzten Beförderung Ping-tang’s hatte der als Schmeichler
bekannte, die Stelle eines „Beruhigers der Leibwache“ bekleidende
•Jg ^]|[ Tschün-yü-tschang, der ein Sohn der älteren Schwe
ster der Gemahlinn des Himmelssohnes, an dem Hofe gemeldet, dass
die Ansiedlung von Tschang-ling nicht bewerkstelligt werden könne.
Der Himmelssohn schickte die bezügliche Eingabe an die Inhaber
der Vorsteherämter zur Begutachtung, wobei Ping-tang als seine
Meinung äusserte, dass, wenn die Arbeiten durch eine Reihe von
Jahren fortgesetzt würden, die Ansiedlung endlich zu Stande kommen
könne.
Nachdem der Himmelssohn den Bau von Tschang-ling bereits
eingestellt und das daselbst zur Ansässigmachung gezwungene Volk
in die Heimath entlassen hatte, schickte er in Betracht, dass Tschün-
yü-tschang an der Spitze des Baues gestanden und seine Redlichkeit
in der Eingabe bewährt habe, den Gegenstand nochmals an die
Fürsten undErlauchten, welche darüber berathen sollten, oh Tschün-
yü-tschang mit Land zu belehnen sei. Ping-tang äusserte wieder als
seine Meinung, dass Tschün-yü-tschang zwar einen guten Ausspruch
gethan, dies jedoch kein Verdienst sei, für welches ihm eine Lehens
stufe gebühre. Aus diesem Anlasse ward Ping-tang schuldig erkannt,
bei der früheren Berathung nicht die richtige Meinung geäussert zu
haben. Er ward daher mit einem niedrigeren Range zu einem
anderen Amte versetzt und zum Statthalter von Klwü-lo ernannt.
Gleich nach der letztgenannten Verfügung belehnte der
Himmelssohn den „Beruhiger der Leibwache“ Tschü-yü-tschang
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
159
mit einem Fürstenthume. Ping-tang erhielt in Berücksichtigung, dass
er die in den massgebenden Büchern vorkommenden Verdienste
des Königs Yii *) erläutert hatte, den Auftrag, als Gesandter seine
Thätigkeit dem gelben Flusse zuzuwenden. Zu dem Range eines
„Beruhigers der Hauptstadt“ für die Reiterschaaren erhoben, leitete
er die Arbeiten an den Dämmen des gelben Flusses.
Als der Allhalter Ngai (6 vor uns. Zeitr.) zur Lenkung ge
langte, berief er Ping-tang an den Hof und ernannte ihn zu einem
Grossen des „glänzenden Gehaltes“. Nachdem dieser das Amt
„sämmtlicher Angestellten“ und der „zerstreuten Reiterschaaren“,
womit die Aufsicht über die Wagen des Hiinmelssohnes verbunden
war, erhalten, wurde er (S vor uns. Zeitr.) wieder Kuang-lo-hiün,
hierauf oberster vermerkender Grosser und zuletzt Landesgehilfe.
Zu den drei letztgenannten Ämtern gelangte er in einem und dem
selben Jahre.
Weil jetzt der Winter eingetreten war, um welche Zeit keine
Einsetzung von Lehensfürsten stattfand, wurde Ping-tang noch im
Winter vorläufig nur die Rangstufe eines Lehensfürsten innerhalb
des Durehweges verliehen. Im Frühling des nächsten Jahres liess ihn
der Himmelssohn durch einen eigenen Abgesandten vorladen, indem
er ihn mit einem Fürstenthume belehnen wollte. Ping-tang war jedoch
ernstlich erkrankt und leistete der Vorladung keine Folge.
Daheim wurde Ping-tang von Einigen mit den Worten aufge
fordert: Kannst du dich denn nicht mit Gewalt erheben, in Empfang
nehmen die Abdrucksmarke eines Lehensfürsten und sorgen für die
Söhne und Enkel?
Ping-tang antwortete: Ich befinde mich auf einer hohen Stufe
des Ranges und habe bereits auf dem Rücken getragen Zurechtwei
sungen, die roh von mir verschluckt wurden. Wenn ich mich erhebe,
in Empfang nehme die Abdrucksmarke eines Lehensfürsten, hierauf
zurückkehre zu meinem Lager und sterbe, so habe ich im Tode noch
ein Überbleibsel von Schuld. Wenn ich mich aber nicht erhebe,
so sorge ich dadurch für die Söhne und Enkel. — Sofort machte
A ) In den „Verdiensten des Königs Yü“, welche das Buch der Schang enthält, wird
erzählt, wie Yii die Wasser leitete, Bergen und Flüssen , Höhen und Tiefen ihre
ISintheilung gab. Pipg-tang hatte diesen Theil der massgebenden Bücher erläutert,
und er erhielt desshalb den Auftrag, seine Thätigkeit dem gelben Flusse zuzu
wenden.
160
Dr. P f i z m a i e r
er eine Eingabe, worin er nm die Erlaubniss bat, für die Bestattung
seiner Gebeine Sorge tragen zu dürfen.
Der Himmelssolin ertheilte hierauf die folgende Antwort: Ich
der Himmelssohn habe ausgewählt unter der Menge und ernannt
dich, o Gebieter, zum Landesgehilfen. Dass du Einblick hast in die
Geschichte, sind der Tage wenige. Die Stoffe der Finsterniss und
des Lichtes sind nicht in Übereinstimmung gebracht. Im Winter gibt
es keinen grossen Scbnee, die Dürre des Sommers erzeugt Brand-
ungliick. Wenn icb, der Himmelssohn, nicht die Tugend besitze,
warum sollte dies notlnvendig sein, o Gebieter, deine Schuld? Warum
reichst du, o Gebieter, argwöhnisch hinauf ein Schreiben und bittest
hinsichtlich deiner Gebeine, gibst zurück die Rangstufe und die Stadt
eines Lehensfürsten des Landes innerhalb des Durchweges und
heissest den Vorsteher der Buchführer feiern? Ich schenke dir, o
Gebieter, eine nährende Kuh und von dem vortrefflichsten Ehren
weine zehn Krüge. Mögest du, o Gebieter, trachten anzuwenden die
Heilmittel und dich dadurch festhalten.
Ping-tang starb ungefähr einen Monat nach der hier erwähnten
Anmeldung seines Rücktrittes (4 vor uns. Zeitr). Sein Sohn
Yen gelangte wegen seiner Kenntniss der massgebenden Bücher
zuletzt zu der Würde eines „grossen Vorstehers der Scharen“,
was mit der Würde eines Landesgehilfen gleichbedeutend 1 ), und
erhielt das Leben eines Fürsten von ^H|J Fang-hiang. Es wird
bemerkt, dass seit der Erhebung von Han n Wei-
hien 2 ) nur noch bei Ping-tang der Fall vorgekommen, dass der Sohn
eines Landesgehilfen zu dieser schon im Besitze seines Vaters
befindlichen hohen Würde emporgestiegen.
Peng-siuen.
J=L Peng-siuen führte den Jünglingsnamen
pei und stammte aus WM Yang-hia a ) in dem Königslande Hoai-
1 ) Der Allhalter Ngni veränderte (im J. 1 uns. Zeitr.) den Namen „Landesgehilfe“ und
setzte dafür „der grosse Vorsteher der Schaaren“.
2 ) Wei-hien wurde von dem Allhalter Siuen im dritten Jahre des Zeitraumes Pen-schi
(71 vor uns. Zeitr.) zum Landesgehilfen ernannt. Dessen Sohn, der Landesgehilfe
AVei-hiuen-sching, ist an einer vorhergehenden Stelle hei Ping-tang erwähnt worden.
3 ) Das heutige Thai-kang, Kreis Tschin-lieu in llo-nan.
Die Würdenträger Tsiuen-pü-I, Su-kuang, Yii-ting-kue etc. 161
yang. Er bearbeitete das Buch der Verwandlungen und ward, nach
dem er dem berühmten Tsch’hang-yü als seinem Lehrer
gedient, zum Hofgelehrten erhoben. Zu einer andern Stelle versetzt,
ward er endlich der grosse Zugesellte, d. i. Landesgehilfe 1 ) des
Königs von Tung-ping.
Tsch’hang-yü ward indessen, da er auch der Lehrer des All
halters gewesen, an dem Hofe geehrt und des Vertrauens gewürdigt,
und er empfahl Peng-siuen als einen Mann, der in den massgebenden
Büchern bewandert, dabei von strenger und ernster Gemüthsart, mit
den Angelegenheiten der Lenkung betraut werden könne. Peng-siuen
trat daher in das Gebiet des Himmelssohnes, wo er (14 vor uns.
Zeitr.) zum Fu-fung der Rechten „Aufseher des Gebietes der
Hauptstadt des Himmelssohnes“ ernannt wurde. Zu einem anderen
Amte versetzt, ward er (13 vor uns. Zeitr.) zunächst „Beruhiger
des Vorhofes“. Da jedoch um diese Zeit ein Gesetz erlassen wurde,
demgemäss die Eingeborenen der Königsländer sich nicht in der
Hauptstadt des Himmelssohnes aufhalten durften, so trat auch Peng-
siuen als Eingeborener des Königslandes Hoai-yang bald aus dem
Gebiete dieser Hauptstadt und wurde zum Statthalter von Thai-yuen
ernannt. Nach einigen Jahren kehrte er jedoch zurück und wurde
zuerst (8 vor uns. Zeitr.) „grosser Vorsteher des Ackerbaues“, hier
auf (7 vor uns. Zeitr.) „das Verdienst des glänzenden Gehaltes“ und
noch in demselben Jahre „Heerführer der Rechten“.
Als der Allhalter Hiao-ngai zur Lenkung gelangte, ward Peng-
siuen (6 vor uns. Zeitr.) zu einer anderen Heeresabtheilung als
„Heerführer der Linken“ versetzt. Ungefähr ein Jahr nach dieser
Ernennung wollte es der Himmelssohn dahin bringen, dass die
wichtigsten Stellen bei der bewaffneten Macht von Mitgliedern der
Geschlechter J Ting und /jj^ Fu a ) bekleidet werden. Er schickte
daher an Peng-siuen ein Rolirbret, auf welchem er ihn von seiner
Absetzung mit folgenden Worten verständigte :
Die Inhaber der Vorsteherämter haben mehrmals an dem Hofe
Bericht erstattet und gesagt: Die Menschen der Länder der Lehens
fürsten dürfen nicht übernachten an dem Orte der Leibwache. Für
*) Die Landesgeliilfen der Lehenkönige wurden damals „Zugesellte“ genannt.
2 ) Die Mutter des Allhalters Ngai war von dem Geschlechte Ting. Dessen Gemahlinn war
von dem Geschlechte Fu.
Sitz!», d. phil.-hist. CI. XL. ßd. II. Hft.
ii
162
Dr. P f i z m a i e r
die Heerführer ziemt es sich nicht, zu beaufsichtigen die Waffen und
Pferde und einzunehmen eine hohe Rangstufe. Ich, der Himmelssohn,
bedachte, dass du, o Heerführer, betraut bist mit der wichtigen Stelle
eines Anführers von Han, dass aber dein Sohn überdies in früherer
Zeit sich vermählt hat mit der Tochter des Königs von Hoai-yang.
Die Verbindung wurde nicht getrennt, es ist dies gegen die Gesetze
des Landes. Ich heisse Man <), den Grossen des glänzenden Gehaltes,
schenken dir, o Heerführer, gelbes Gold fünfzig Gewichte, einen
bequemen Wagen und ein Viergespann. Mögest du hinaufreichen
die Abdrucksmarke und das breite Band eines Heerführers der Linken
und als Lehensfürst des Landes innerhalb des Durchweges zurück
kehren in dein Haus.
Nachdem Peng-siuen bereits mehrere Jahre seiner Amtsthätig-
keit enthoben war, wurde er von dem „Vorstellungen machenden“
Grossen ; f^ Pao-siuen zu wiederholten Malen empfohlen. Als
endlich in dem ersten Jahre des Zeitraumes Yuen-seheu (1 vor uns.
Zeitr.) im ersten Monate und am ersten Tage des Neumonds eine
Sonnenfinsterniss eintrat, richtete Pao-siuen nochmals an den Him
melssohn Worte in Betreff Peng-siuen's , worauf dieser an den Hof
berufen und zum Grossen „des glänzenden Gebaltes“ ernannt wurde.
Im folgenden Jahre wurde Peng-siuen oberster vermerkender Grosser
und allsogleich wieder „grosser Vorsteher der Räume“ 2 ), wobei
er das Lehen eines Fürsten von Tschang-ping erhielt.
Als der Allhalter Ngai (das Jahr vor dem J. i uns. Zeitr.) starb,
wurde Warig-mang, damals Fürst von Sin-tu, grosser Vorsteher der
Pferde und setzte sich, indem er im Namen des unmündigen Allhalters
Ping die Zügel der Lenkung ergriff, in den ausschliesslichen Besitz
der Macht. Bei diesem Anlass sandte Peng-siuen an den Hof eine
Eingabe, worin er um seine Enthebung hat und sagte: Die drei
*) Man ist der Kindesname. Der vollständige Name dieses Würdenträgers wurde
nicht aufgefunden.
2 ) Der Allhalter Sching hatte im ersten Jahre des Zeitraumes Nui-ho (8 vor uns. Zeitr.)
den Namen „oberster vermerkender Grosser“ in den eines „grossen Vorstehers der
Räume“ verwandel t. Nachdem der Allhalter Ngai im zweiten Jahre des Zeitraumes
Kien-ping (1> vor uns. Zeitr.) den Namen „oberster vermerkender Grosser“ wieder
eingefiihrt, wurde im zweiten Jahre des Zeitraumes Yuen-scheu (das Jahr vordem
J. 1 uns. Zeitr.) der Name „grosser Vorsteher der Sehaaren“ nochmals an dessen
Stelle gesetzt.
Die Würdenträger Tsiuen-pu-I, Su-kuang, Yü-ting-kue etc.
163
Fürsten sind die Füsse des dreifüssigen Kessels, indess sie stützen
den Gebieter. Wenn ein Fuss die Last nicht mehr erträgt, so macht
er Umstürzen und durch einander gerathen den vortrefflichen Inhalt.
Meine Begabung und Beschaffenheit sind seicht und geringfügig.
Meine Jahre sind diejenigen des Alters und des hohen Alters. Ich
lag öfters darnieder an Krankheiten, ich hin schwachsinnig, verwirrt
und vergesslich. Es ist mein Wunsch, zurückzugeben die Abdrucks
marke und das breite Band des grossen Vorstehers der Bäume und
des Lehensfürsten von Tschang-ping, zu bitten hinsichtlich meiner
Gebeine, zurückzukehren in die Gasse meiner Heimath und zu warten,
bis ich mit dem Leibe ausfülle einen Wassergraben.
Wang-nang erstattete über diese Eingabe Bericht, worauf die
an dem Hofe die erste Stelle einnehmende Königinn von dem
Geschleckte Wang Folgendes antwortete: Ich bedenke, dass du, o
Gebieter, Einsicht hast in die Geschäfte erst der Tage wenige, dass
deine Verdienste und deine Tugend noch nicht anerkannt worden.
Du wirst bedrängt durch das Alter und hohe Alter, schwachsinnig,
verwirrt, hast du nichts, wodurch du stützen könntest Land und Haus,
beruhigen das grosse Innere. Ich heisse Fung 1 ), das Verdienst des
glänzenden Gehaltes, Zusammenlegen die höchste Verkündung.
Mögest du, o Gebieter, hinaufreichen die Abdrucksmarke und das
breite Band des grossen Vorstehers der Räume und dich gemächlich
begeben in dein Land.
Wang-mang verdross es, dass Peng-siuen um die Versetzung
in den Ruhestand nachgesucht hatte. Daher kam es, dass dieser
Würdenträger nicht, wie früher zu den Zeiten des Allhalters Ngai,
bei seinem Austritte mit einer gewissen Menge Goldes, einem beque
men Wagen und einem Viergespann beschenkt wurde.
Peng-siuen starb nach einigen Jahren (J. 4 uns. Zeitr.) in
seinem Fürstenthuine und erhielt nach seinem Tode den Namen
Lehensfürst Khing. In dem Lehenfürstenthume folgte ihm sein
Sohn und (J. 18 uns. Zeitr.) sein Enkel. Nach dem Untergange
Wang-mang's (J. 23 uns. Zeitr.) ward auch der Fürst von Tschang-
ping seines Lehens verlustig.
Der vollständige Name des Würdenträgers, der damals die Stelle eines „Verdienstes
des glänzenden Gehaltes“ bekleidete, ist Khien-fung.
164
Heinrich Siegel
Die L ombarda-Co m ment a r e.
Eine rechtsgesehichtliche Untersuchung.
Von dem c. M. Heinrich Siegel.
Gegen Ende des eilften Jahrhunderts waren nach längerer
Arbeit von mehreren Bechtskundigen die bisher immer bios chrono
logisch zusammengestellten zahlreichen Edicte langobardischer
Könige zu einem stofflich gegliederten wohlgeordneten Ganzen ver
einigt worden. Die Sammlung, welche den Namen über longobardae
oder lombardae erhielt, wurde sodann im zwölften Jahrhundert
commentirt, und davon geben namentlich zwei Schriftwerke Zeug-
niss, welche als Lombarda-Commentare des Ariprand und Albert im
Jahre 18SS zum ersten Male im Drucke veröffentlicht worden sind.
Die Anschauung von dem Walten und Wirken einer Wissen
schaft auf der Grundlage des langobardischen Rechtes, von der Weise
ihrer Thätigkeit und dem Gange ihrer Entwickelung verdankt die
Gegenwart Johannes Merkel, dessen „Geschichte des Lango
bardenrechtes“ !), auf den umfassendsten handschriftlichen Studien
beruhend, die Bahn gebrochen und zugleich den Grund gelegt hat,
während August Anschiitz in den Hauptfragen durchweg über
einstimmend mit Merkel Einzelnes fester zu begründen und weiter
zu führen gesucht hat 2 ). Die Ansichten dieser beiden Gelehrten
f) Berlin, 1850. Eine italienische Übersetzung, wozu der Verfasser einzelne neue
Bemerkungen in Noten lieferte, ist von Bollnti gefertigt in den Memorie e Docu-
menti inediti speltanti alla Storia del Diritto ltaliano del medio Aevo. Vol. unico.
Torino, 18i>7 als erster Fascikel erschienen.
2 ) Vergl. Besonders die Einleitung zu seiner Ausgabe der Lombarda-Commentare.
Die Lombarda-Commentare.
165
sind in allen Puncten zur ungetheilten Herrschaft gelangt, und dabei,
auch nachdem durch die Veröffentlichung der Commentare eine
wichtige Erkenntnissquelle allgemeiner Benützung zugänglich und
theilweise wenigstens eine Prüfung der bestehenden Auffassung
möglich geworden, unangefochten geblieben. Nichts desto weniger
erscheinen jene Ansichten in mehreren Puncten, welche mit der der
Lombarda zugewandten commentirenden Thätigkeit in Verbindung
stehen, als irrig, wie im Folgenden an der Hand eben dieser Com
mentare nachgewiesen werden soll.
I.
Die Commentare oder, wie man sie auch nennen kann,
die Summen zur Lombarda *) werden als das Erzeugnis einer
schriftstellerisch wirkenden Thätigkeit betrachtet. Allein dieselben
bekunden nur eine mündliche Rechtslehre, die ihren Sitz an der
Schule zu Bologna hatte 2 ). Die Commentare sind nicht verfasst wor
den in der Absicht, dass sie von Anderen wieder abgeschrieben
werden und so vervielfältigt in weiten Kreisen Verbreitung finden
sollen; die Commentare sind verfasst worden, um von dem Katheder
herab vor einem Auditorium gelesen zu werden. Die erhaltenen
Handschriften aber sind Hefte von Scholaren, die dem mündlichen
Vortrage nachgeschrieben wurden. Zum Beweise hiefür darf man
sich allerdings nicht darauf berufen, dass fast in jedem Titel von
ihm die Rede, qui tractat, supponit, loquitur, posuit, disseruit u. s. w.,
wobei man an des Commentators Worte denken möchte, die vom
Standpuncte des Schülers wiedergegeben werden; denn aus mehre
ren Stellen 3 ) geht hervor, dass unter dem Namenlosen nicht der
*) Nur in einer der Handschriften findet sich die Bezeichnung commenta. In allen
anderen fehlen Überschriften. Dagegen wird das Bruchstück eines weiteren Com-
mentars suinmulae Aliprandi genannt (Anschütz, Commentare 194), und ferner
verzeichnet ßethman, Archiv für ältere deutsche Geschichte 10, 412 Summe legum
Longbbardorum.
2 ) Mit Rücksicht darauf, dass die Zeugnisse von den Werken der Glossatoren des
römischen Rechtes insgesammt umgekehrt als Vorträge und nicht als Bücher auf
gefasst wurden, sagt Savigny, Geschichte des römischen Rechtes im M. A. 3,
5öG : „Es ist ganz unrichtig, wenn man nach einer sehr gewöhnlichen Vorstel
lung die wirkliche Verschiedenheit beider Arten der Mittheilung übersieht“.
3 ) Vergl. 1,3, S. 18: Cumque plerumque homicidia consilium prevenit, prius de mor
tis consilio ut maioris p o n i t. Si ergo de morte altcrius quis consHiatus fuerit,
XX solidos componal, nisi cum rege consiliatus fuerit, quo casu ncc ipsc ncc hercs
166
Heinrich Siegel
Lehrer sondern der Gesetzgeber verstanden wird, derDictator, wie es
einmal geradezu heisst 1 ). Wohl aber beweisen die mehrfach wieder
kehrenden Wendungen: audisti s ), audimus 3 ), audisti — nunc audi 4 ),
audistis 5 ), audistis— nunc audite 6 ) und audivimus 7 ) auf’s Klarste, dass
der Commentator zu einem Hörer oder vor mehreren Hörern spricht.
Der Zweck eines solchen commentirenden oder summirenden Lehr
vortrages war aber der, in das Rechtsstudium einzuführen, dem an
gehenden Juristen eine Herrschaft über den Stoff im Allgemeinen
zu verschaffen; desshalb wurde jeweils das Gefüge der einzelnen
Theile, woraus die Lombarda bestand, aufgewiesen und erklärt, zu
diesem ßehufe wurde ferner von Titel zu Titel der Inhalt der darin
aufgenommenen Satzungen übersichtlich mitgetheilt, und dabei
mussten denn natürlich auch die Ansichten von Juristen über Gesetze
eine Berücksichtigung finden.
II.
Als die Männer, von welchen die beiden Commentare herrühren,
gelten allgemein die beiden berühmtesten langobardischen Juristen
des zwölften Jahrhunderts: Ariprand undAlbert. Allein weder dieser
ejus tenetur. Quod magis litigii tollcndi causa quam c ontrarii int eile c-
tus y euer andi posuit; I, 4, S. 19 3 : In hoc enim loco, ubi dicit (scilicet
Liutprandus in cd. 71) „minus non“, vana et confusa solet esse littera , u. a. in.
!) Vergl. I, 35, S. 68 2 .— Es liegt freilich ein Irrthum zu Grunde, wenn der Gesetz
geber regelmässig gerade mit Beziehung auf die Composition der Lombarda, die
Stellung und Ordnung der verschiedenen Theile in dem Werke genannt wird,
ein Irrthum, der um so auffallender ist, als es im zwölften Jahrhundert doch nicht
unbekannt war, dass eben jene Arbeit von mehreren Rechtsgelehrten vollbracht
worden war. Vergl. des Albacrucius geschichtliche Einleitung zur Lombarda bei
Anschütz, Commentare 7. Ob ferner dann mit diesem einen Irrthum noch der weitere
sich verband, dass der Gesetzgeber König Rother gewesen sei, lässt sich kaum
entscheiden. Denn wenn auch die Commentatoren ihre Vorträge mit dem Satze
anhoben: expositurus ergo Longobardorum iura Rot har a criminibus meritissime
exordium cepit, so muss diese Bemerkung nicht notliwendig auf die Lombarda
bezogen werden, indem das erste Gesetz, mit welchem das systematische Gesetz
buch beginnt, zugleich auch das erste der von König Rother erlassenen Edicte ist.
2) I, 14, S. 36 l .
3) 1, 24, S. 50. II, 56, S. 189L
4) I, 11 pr . S. 31L II, 13, S. 35L
5 ) I, 14, S. 362.
6) I, 13, S. 332 H, 43, S. 156 2 .
7 ) 1, 34, S. 1352. 11, 37, s. 1452. II, 49, S. 163 2
Die Loinbarda-Cominentare.
167
noch jener hat die uns bezeugten commentirenden oder summiren-
den Lehrvorträge an der Schule zu Bologna gehalten.
Die Ansicht, dass der eine und zwar der erste der beiden Com-
mentare von Ariprand sei, gründet sich darauf i), dass ihm der
selbe in einer der drei bekannten Handschriften wirklich zuge
schrieben wird. Der Codex Vaticanus Reginae Sueciae 1060 führt
Fol. 59 die Titelüberschrift: Ariprandi comenta incipiunt 3 ). Diese
Worte, an deren Inhalt unzweifelhaft festzuhalten wäre, wenn nicht
andere Gründe ihre Unrichtigkeit unwiderleglich aufwiesen, waren
sichtlich das Hinderniss, dass man der Frage nach der Urheberschaft
weiter nachforschte, in Folge dessen die Wahrheit solange ver
borgen bleiben konnte. Denn wird nur die Frage einmal aufgeworfen,
so stellt sich auch hei dem mehrfachen Gegensätze der Meinungen
welche der Commentator einerseits und Ariprand andererseits ver
treten, sofort heraus, dass die beiden unmöglich eine und dieselbe
Person sein können.
Dieses Widerspiel der Ansichten wird aber in folgenden Puncten
bezeugt.
1. Im Lombardenreiche mochte wohl häufig der Fall vorge
kommen sein, dass einer durch einen andern zum Meineide verleitet,
zu einer Brandstiftung in Wohnhütten und zur gewaltsamen Entfüh
rung von Frauen und Mädchen veranlasst wurde, weil König Liut-
prand gerade mit Rücksicht und in Beschränkung auf die genannten
Verbrechen Strafen für den intellectuellen Urheber festsetzte. Das
Edict 3 ) bestimmte: Si quis über homo ad alium liberum hominem
Consilium dederit de periurare, aut casam alienam incendere, ubi
homo cum rebus suis inhabitat, aut midierem alienam, aut puellam
tollere aut rapere, et causa approbata fuerit, componat pro illicito con-
silio, quod contra rationem ministravit, solid C : ita sane ut inter ista
capitula quae diximus, unde compositio per ipsum datur, qui ipsum
malum fecit, sol. DCCCC, ipse consiliator componat sol C. Et unde
compositio fit de sol. CCC, consiliator componat sol L. Et si minus
de solidis CCC fuerit ipsa compositio, consiliator componat sol. XL,
minus non.
A ) S. Merkel a. a. 0. 36. Anschiit/, a. a. 0. XIX, XX.
2 ) Anschütz a. a. 0. XV.
3 ) Walter, corpus jur. gerin. 1, 786.
168
Heinrich Siegel
Aus diesem Gesetze, welches in der Lombarda Aufnahme fand
unter dem Titel: de illicito consilio (I, 4), leitete nun der Com-
mentator den allgemeinen Grundsatz ab: wer den Anlass gibt zu
irgend einem Verbrechen, ist strafbar; nur haftet der eine in ge
ringerem, der andere in höherem Masse je nach der Beschaffenheit
des begangenen Verbrechens. Um diesen Unterschied und zugleich
das Verhältniss der Busse des Rathgebers zu der des Thäters zu
veranschaulichen, verbi gratia, führt er sodann die Bestimmungen
obigen Gesetzes in der Weise an, dass er sagt: Zum Beispiele, wo
der Thäter 900 Schillinge büsst, wie bei einer Entführung, da trifft
den Urheber eine Strafe von 100 Schillingen; wo der Thäter 300
Schillinge zahlen muss, wie bei der Brandlegung, da macht sich der
Urheber einer Strafe von 50 Schilling schuldig. Verwirkt der
Thäter endlich weniger als 300 Schillinge, wie ein Meineidiger, so
zahlt der Urheber des Verbrechens blos 40 Schillinge; indess kann
letzterer auch noch weniger zahlen müssen, wenn nämlich für den
Thäter selbst eine Strafsumme, die weniger als 40 Schillinge
beträgt, festgesetzt isti).
Ganz anders als der Commentator fasste dagegen Ariprand,
wie wir aus dem zweiten Commentare erfahren, die Bestimmungen
des Liutprand’schen Gesetzes auf. Die darin einem Rathgeber ange
drohten Strafen sind, sagt er, nur für den festgesetzt, der entweder
eines Meineides, einer Brandlegung oder eines Frauenraubes Ur
heber ist. Und zum Beweise für die Richtigkeit seiner Auffassung
beruft er sich auf die Worte des Gesetzes: ita sane ut infra ista ti'ia
capitula. Wenn, um den Gegensatz in der Auffassung des Commen-
tators und Ariprand’s an einem Beispiele zu zeigen, Jemand einen
Andern zur Erbrechung eines Grabes und Beraubung des Todten
veranlasst, so ist nach Ariprand’s Meinung derjenige, von welchem
der Anschlag zu diesem Verbrechen ausging, straflos, es liegt ja
kein Meineid vor, und keine Brandstiftung und kein Frauenraub.
Nach des Cornmentators Auseinandersetzung aber muss er 100 Schil-
ln dem letzten Passus ist ein Cornma versetzt, wodurch das Verstiindniss erschwert
wird. Richtig interpunctirt lautet die Stelle: minus vero in his tribus tantum capi-
tulis non (sc. consiliator componit), in aliis in minus tcnctur, cum ct ipsc princi-
palis in minus aliquando tencatitr. Hierdurch ist Wilda, Strafrecht der Germanen
029 widerlegt.
Die Lombarda-Commentnre<
169
linge büssen, als intellectueller Urheber eines Verbrechens, das für
den Thäter gesetzlich J ) die Strafe von 900 Schillingen nach sich
zieht 3 ).
2. Hinsichtlich der Büssung von Wunden ist der Commen-
tator (I, 7) der Meinung, dass dieDienste und der Lohn des Arztes
nicht in Anschlag gebracht werden dürfen bei Freien, sondern nur
bei Eigenleuten und Aldionen. Diese Meinung wurde, wie wir aus
dem zweiten Commentare erfahren, von Einigen getheilt, nur nicht
von Ariprand, der sie vielmehr, und Albert stimmt mit ihm über
ein, für absurdum et inconsultum erklärt hat.
3. Wenn Jemand mehrere Söhne hinterlässt, so haben auf die
gesammte väterliche Erbschaft alle einen Anspruch zu gleichen
Theilen, vorausgesetzt, dass der Vater nicht einen bevorzugt hat
wegen seiner besseren Dienste. Das Recht, einen solchen Vorzug
einzuräumen, steht aber dem Vater in dem Masse zu, dass er beim
Vorhandensein von zwei Söhnen einem den dritten Theil als Voraus
zuwenden kann und so fort in entsprechendem Verhältnisse, wenn
er mehr als zwei Söhne hinterlässt.
Nach des Commentators Meinung (II, 20), der sich auch
Albert angeschlossen, gelten nun die gleichen Grundsätze auch für
die Töchter. Eadem, sagt er, in filiabus meliorandis obtinente ra-
tiones). Aber auch hier ist Ariprand 4 ) entgegengesetzter Ansicht,
indem er folgendermassen argumentirt. Wie der Söhne Voraus nach
der Legitima sich bemisst, so muss sich auch der der Töchter nach
ihr bestimmen. Die Legitima der Söhne ist aber die ganze Erbschaft,
während die mehrerer Töchter blos in der Hälfte besteht. Wenn daher
zwei Töchter vorhanden sind, so kommen auf die Bevorzugte vier
Zwölftel. Und da weiter der Vater die andere Hälfte, welche nicht
die Legitima ist, ganz als Voraus zuwenden kann, so empfängt mög-
*) S. ed. Rotliaris 15 (I. 2. lomb. I, 12).
2 ) Der zweite Commenlator, der mit dem ersten vollkommen übereinstimmt, er
wähnt daher neben dem Frauenrauh auch dieses und noch ein drittes Verbrechen,
S. 19 2 . Und Albert sagt, wie aus dem zweiten Commentar ersichtlich ist, im
Widerstreit gegen Ariprand: ista tria capitula ycnevalia esse, et — ubi— lex
nullam consiliatori indicit penam, ibi §tmpcr sccundum ista tria capitula propor-
tionalitcr subcondcsccndendum in compositionc consiliatoris esse.
3 ) Allschütz Uli 1 .
4 ) Anschütz 113 2 , U4 2 .
170
Heinrich Siegel
licherweise die eine Tochter zehn Zwölftel, während die andere
mit zwei Zwölflel sich begnügen muss.
4. In Ansehung der Strafe, welche den Richter wegen Ver
schleppung einer Rechtssache trifft, unterscheidet der Commen-
tator (II, 41), ob dieselbe in Absichtlichkeit oder in blosser Fahr
lässigkeit ihren Grund habe. Während unter der ersten Voraus
setzung die Strafsumme z. R. 20 Schillinge betragen soll, ausge
nommen in vier Fällen, wo das Wergeid und Amt verwirkt wird, so
soll derselbe Richter unter der zweiten Voraussetzung blos zwölf
Schillinge schulden. Nach Ariprand’s Meinung wird dagegen nicht
unterschieden. Sive dolo sive negligentia, sagt er, dilatavit, supra-
dieto modo (nämlich nach dem Modus, den der Commentator blos
für dolose Rechtsverzögerung gelten lässt) minor et maior iudex
puniatur, ausgenommen die Fälle, welche hier als fünf gezählt
werden, in denen er sein Wergeid zahlen muss und das Amt verliert,
wenn nämlich die Verschleppung ihren Grund hat in der Rücksicht
nahme auf einen vornehmen Herrn *) oder veranlasst wurde durch
verwandtschaftliche oder freundschaftliche Rücksichten, durch
Bestechung oder Hass a ).
5. Für eine Wunde (ferita), die einem Freien versetzt wird,
sind als Busse drei Schillinge zu zahlen, für zwei Wunden sechs,
für drei neun und für vier zwölf Schillinge. Wenn noch mehr Wun
den beigebracht werden, so bleiben sie, wie das Gesetz, ed. Rotha-
ris 43, sagt, ungezählt.
Der Commentator hat ebensowenig den vorausgehenden als
den von den feritae handelnden Titel der Lombarda (6, I) und so
mit auch nicht das genannte Gesetz, welches als lex 3 in demselben
aufgenommen ist, commentirt. Er wendet sich unmittelbar von dem
vierten Titel: de illicito consilio zum siebenten: de plagis, wie der
Eingang des Commentars zu letzterem zeigt, indem es da heisst:
D Vergl. du Fresne ed. Hensche! s. v. gasindium (familia, fainiliaritas): si illius
rationem habuerit, cujus gasindus est. 3, 490 2 .
2 ) Einer dritten, der strengsten, Meinung 1 ist, wie nebenbei bemerkt werden mag,
Albert. Er stimmt mit dem Commentator darin überein, dass der Unterschied von
Absicht und Fahrlässigkeit von Bedeutung sei, dagegen bestimmt er die Wirkungen
anders. Die Strafe, die nach des Commentators Ansicht im Falle des dolus begründet
ist, soll nach seiner Meinung bei blosser negligentia eintreten, und ubicumque
(iudex) dolum eommisit, et honorem amittat et widrigelt componat.
Die Lombarda-Commentare. 171
facto consilio factum aliquando sequitur, merito de plagis
Ioquitur.
Dagegen hat, wie wir aus dem zweiten Comrnentare erfahren
und aus einer Glosse 1 ) ersehen, Ariprand wohl eine Ansicht aus
gesprochen über eine an die Schlussbestimmung jenes Gesetzes
sich knüpfende Streitfrage. Er ist der Meinung, dass mehr als eine
Wunde (feritae) niemals gezählt werden, auch dann nicht, wenn
verschiedene Glieder dadurch verletzt sind, während Albert sagt,
dass nur vier Wunden und nicht mehr an einem und demselben
Gliede in Ansatz gebracht werden, dass dagegen auch mehr zu
zählen und zu büssen sind, wenn sie an mehreren Gliedern sich
finden. Bei dieser Sachlage könnte nun freilich Ariprand immer
noch der Commentator sein; die erwähnte Meinung hätte allerdings
nicht in dem Coinmentar Raum gefunden, sie würde blos als Glosse
ausgesprochen worden sein. Allein ein weiterer Umstand, der hier
in Betracht kommt, sehliesst diese Möglichkeit aus. In dem folgen
den Titel nämlich, wo es sich um eine vollkommen übereinstimmende
gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der plagae 2 ) handelt 3 ), trägt
der Commentator die Ansicht vor, welche Albert gerade im Gegen
sätze zu Ariprand für die feritae aufgestellt und vertheidigt hat. Si
in diversis membris (sc. plage fuerint facte) quantecumque
fuerint 4 ), numerabuntur 5 ).
6. Gestützt auf solche Beweise 6 ) vermag ich denn auch den
in dem Comrnentare zum 59. Titel des zweiten Buches auf die Aus
einandersetzung: qui provocando repetit, quia rem concessam facit,
secundum Ariprandum, et si iterum convictus fuerit, tenetur in nichi-
lum folgenden Satz: set in hoc sibi non consentio nimmermehr als
') S. dieselbe bei Anschütz XXIV, Note i.
2 ) Worin sachlich der Unterschied zwischen plaga und ferita bestand, erhellt nicht.
Du Fresne ed. Henschel gibt ferita durch vnlnus und plagare durch vulnerare
wieder. Vgl. 3, 231 3 ; 5,2842.
3 ) Vgl. ed. Itotharis 45 (l. 1. lomb. I, 7).
4 ) Der zweite Commentator setzt hinzu: ut iam dictum est, nämlich in dem voraus
gehenden von den feritae bandelnden Titel.
5 ) Mit Unrecht sagt daher Anschiitz XXIV, Note 1; „Ariprand hat den Titel I, 6
übergangen, die in der Glosse vorgetragene' Meinung findet sich jedoch bei
Ariprand I, 7 V .
6 ) Es wurden blos solche Stellen benützt, wo handschriftlich ohne jede Variante
der Name Ariprand's beglaubigt ist; doch soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein
172
Heinrich Siegel
einen späteren Zusatz zu erkennen 1 )- In den Handschriften erscheint
diese Erklärung nicht als beigefügt. Sie muss daher, wie Ansehütz
selbst sagt, auch schon in den Originalhandschriften gestanden
haben. Ferner weist die Erklärung an sich, die Rede in der ersten
Person, nicht auf einen Zusatz. Diese Sprechweise kommt, wenn
gleich selten, noch an anderen Orten vor. So heisst es II, S8: idem
in testibus quidam dicunt. quibus non consentio. Ferner steht mehr
mals: dixi, so I, 19 und II, 13. Zu einem späteren Zusatze hat man
also die Erklärung nur aus dem Grunde gestempelt, weil der Com-
mentator darin in einen Widerspruch zu Ariprand tritt, während
die beiden doch eine und dieselbe Person sein sollen. Da letzteres
aber nicht der Fall ist, wie ans anderen Stellen erwiesen worden 2 ),
so gibt jener vermeintliche Zusatz nur einen weiteren Beleg für
unsere Behauptung.
weiterer Beleg in I, 36 enthalten wäre , wenn die in dem zweiten Commentare
von der allerdings besseren Handschrift, dem Codex ßononiensis, dem Ariprand, statt
dessen der Codex Parisiensis 4617 einen Leuprandus nennt, zugeschriebene Mei
nung wirklich von demselben herriihren würde« Denn während bei der Frage nach
der Haftung des Herrn für die Handlungen des Eigenmannes der Commentator den
Satz ausspricht, dass ersterer durch blosse Übergabe des letzteren in einzelnen
Fällen befreit werde „ut De homicidiis libcrorum Si quis ex levi et De iniuriis
mulicrum lege ultima“, heisst es im zweiten Commentare im Anschlüsse hieran:
secundum quosdam. Set Aripr an dus et Albertus in hoc concordant quod et in
lege ultima lege De iniuriis mulicrum et servum debet tradere et LX solidos
praestare. Noch mehr fehlt es an der für eine Beweisführung nothwendigen
sicheren Grundlage hinsichtlich II, 51. Zwar wird auch hier eine der Meinung
des Commentators nicht entsprechende Ansicht in dem besseren Codex (Parisi-
ensis 4615) dem Ariprand zugeschrieben; allein der Codex Vaticanus setzt statt
des Ariprand quosdam, und dann geben die beiden Handschriften nebst dem von
II, 56 ab auch für den ersten Commentar in Betracht kommenden Codex ßono
niensis in II, 59, S. 191 1 eine jener geradezu widersprechende Meinung als die
des Ariprand.
*) So Anschütz Commentare XX.
2 ) Damit entfällt denn auch jeglicher Grund, die Stellen in I, 17, S. 42 1 ; II, 12,
S. 92 1 ; vgl. I, 15, S. 38, Note 9; I, 19, S. 46, Note 31 , welche eines marchio
Erwähnung thun, mit dem Herausgeber S. XX gleichfalls für Zusätze zu erklären,
wogegen bereits Merkel in der italienischen Übersetzung seines Werkes S. 43,
Note 51 sich ausgesprochen hat. Die Veranlassung dazu gaben offenbar die Stellen
in II, 12, S. 92 1 . Und allerdings wäre es sehr seltsam, wenn jemand seine Mei
nungen über früher streitige Puncte noch anführen würde, während ein entge
gengesetzter fester Gerichtsgebrauch darüber sich gebildet hat. Dagegen lässt
sich sehr wohl begreifen, dass ein dritter der Ansicht eines in grossem Ansehen
stehenden Juristen auch dann noch gedenkt, wenn ihr der Gerichtsgebrauch
bereits derogirt hat.
Die Lombarda-Commentare.
173
Gegenüber diesen vielfältigen Beweisgründen dai’f nun die
Bemerkung: Ariprandi commenta incipiurit als ein einfacher Irrthum
bezeichnet werden. Es ist ein Irrthum, der keineswegs ohne Bei
spiel dasteht 1 ), und überdies unschwer seine Erklärung findet. „In
einer Zeit, worin keine gedruckten Bücher vorhanden waren, konnte,
wie Savigny 2 ) sagt, ein solcher Irrthum über den Verfasser sehr
leicht entstehen.“
Nicht einmal ein solcher Irrthum liegt bezüglich des Verfassers
des zweiten Commentares vor. Die Ansicht, dass er von Albert
herrühre, gründet sich blos auf folgende Betrachtungen, einmal
darauf, dass in den Auseinandersetzungen dieses Commentares
regelmässig die Meinungen von Ariprand und Albert einander gegen
über gestellt werden 2 ), und weiter darauf, dass „Auszüge aus
diesem Werke in der Contraria a domnio Vacella facta mit der Sigle
des Albert stehen“ 4 ). Allein die ersterwähnte Thatsache beweist
nur, dass, während zu der Zeit da der erste Commentator las, der
bedeutendste Jurist Ariprand war, dessen Ansichten daher stets mit
seinem Namen genannt werden, in der späteren Zeit daneben ein
zweiter Glossator in grossem Ansehen stand, Albert, vielfach ein
Gegner von Ariprand, dessen Meinungen daher gleichfalls nament
lich von dem späteren Commentator mitgetheilt wurden 5 ). Und die
zweite Thatsache, auf welche Anschütz sich beruft, zeigt blos, dass
Vacella gleich dem Commentator Ansichten des Albert referirt. Ge
bricht es sonach für die Behauptung der Identität zwischen Albert
und dem zweiten Commentator an jeglichem Anhaltspuncte, so kann
auch hier die Unmöglichkeit, dass Albert der Commentator war,
auf's Bündigste nachgewiesen werden.
*) Wie bekannt trägt eine Zusammenstellung und Verarbeitung der echten Beda’schen
Bussordnung in fünf verschiedenen Handschriften Beda’s Namen. Ja in einer der
selben wird Beda ausdrücklich als Verfasser bezeichnet, und dennoch ist i n diesem
Werke, wie die Auffindung zweier Münchener Handschriften durch Hillebrand
unwiderleglich ergeben hat, nicht das echte Beda’sche Poenitentiale enthalten.
Vgl. Wasserschieben, die ßussordnungen der abendländischen Kirche 38.
2 ) Geschichte des römischen Rechfes im Mittelalter 4, 298.
3 ) Darauf gestützt hat Merkel 38 Albert für den Commentator erklärt.
4 ) Diesen weiteren Beweisgrund hat Anschütz XXI beigebracht.
5 ) Welches Ansehen gerade diese beiden Juristen genossen haben, geht auch daraus
hervor, dass Vacella in seii;“'- contraria eine Zusammenstellung ihrer Meinungen
unter Beifügung seiner eigenen Ansichten gibt. Anschütz XXIV.
174
Heinrich Siegel
Hinsichtlich der Frage, oh eine Schwester oder Tante erben
könne, wenn ein Bruder vorhanden sei, standen sich Albert und
Ariprand *) schroff gegenüber. Der Commentafor stellt (If, 14) die
beiden Ansichten neben einander. Albert meint: wenn ein Bruder da
ist, so kann niemals eine weibliche Seitenverwandte erben, sie sei
auch wer sie sei. Ariprand dagegen behauptet, dass aucli unter der
gegebenen Voraussetzung in zwei Fällen die Spindel gerufen werde,
nämlich einmal die Schwester des Verstorbenen mit seiner Tochter,
d. i. ihrer Nichte unter Ausschluss des Bruders des Verstorbenen,
und zweitens die Tante des Verstorbenen in Gemeinschaft mit dessen
Bruder, d. i. ihrem Neffen 3 ). Zum Beweise dieser seiner Behaup
tung beruft er sich auf 1. 22 (ed. Liutprand. 4) und 1. 26 (ed. Liut-
prand. 14b) Lomb. de successionibus II, 14. Dagegen erklärt sich
nun allerdings der Commentator. So viel kann nach seinem Ver
ständnisse der erwähnten Gesetze nicht aus denselben geschlossen
werden. Set tot intellectus, lauten seine Worte, recte ex illis sc.
legibus percipi non potest. Allein nimmermehr bekennt sich der
Commentator mit dieser Bemerkung zu der Meinung des Albert,
vielmehr tritt er in die Mitte zwischen beide, wie auch die bereits
vorausgegangene Erörterung zeigt. Im Gegensätze zu Albert hat der
Commentator bereits mit Ariprand 3 ) dahin sich einverstanden er
klärt, dass Schwestern allerdings, aber auch nur sie und nicht Tan
ten, trotz des Bruders erben können, ja mit Ausschluss desselben
wirklich erben. S. p. 9S 3 : Interdum tarnen ex latere veniunt feminae
cum descendentibus, ut sorores in capillo cum (ilia Longobardi et
hoc fratre non existente secnndum AI her tum. Set Aliprandus
dicebat, quod sorores in capillo preferuntur fratre existente et est
Casus 4 ).
III.
Als Ergebniss der bisherigen Ausführungen stellt sich hervor:
im Anschlüsse an die Lombarda wurden summirende oder commen-
Nach dem Codex Paris. 4617 Leuprandus, worauf hier nichts ankommt.
2 ) Siehe S. 1032, 104 2 , vgl. S. 98 2 .
3 ) Im Codex Paris. 4617 u. Cod. Vatic. corr. post. Leuprandus. Vgl. Note i dieser Seite.
4 ) Die Frage über das Verhältniss der hier dem Ariprand (im Cod. Paris. 4617 und Codex
Vatic. corr. post, dem Leuprand) zugeschriebenen Ansicht und derjenigen, welche
in dem erslen Commentare ebenfalls als eine Meinung Ariprand’s (nach Cod. Vatic.
freilich Eriprand's) mitgetheilt wird, kann liier unerörtert bleiben. Ihre Beant-
Die Lomharda-Commentare.
175
tirende Vorlesungen zu Bologna üblich. Vorträge dieser Art wurden
aber nicht gehalten von Ariprand und Albert. Diese auch in den
Commentaren vielgenannten Juristen müssen daher in anderer Weise
thätig geworden sein. Ohne Zweifel waren sie Richter. Ein Ariprand
wird öfter in ungedruckten Urkunden aus der Zeit Heinrich’s V. iu
dex d. imperatoris genannt 1 ); den Namen Albert aber führt nach
weisbar eine grosse Anzahl von iudiees aus der Mitte des zwölften
Jahrhunderts 3 ). Und da ist nun weiter ein zweifaches möglich.
Entweder wurden sie blos als Richter thätig, während dritte die
von ihnen in solchen Fällen, wo das Gesetz verschiedenem Verständ
nisse Raum liess, in den ergangenen Urtheilen aufgestellten und
begründeten rechtlichen Meinungen sammelten und als Glossen
formulirten, oder die letzteren führen unmittelbar auf Ariprand und
Albert zurück, welche ausserdem, dass sie Recht sprachen, selbst
noch als Glossatoren lehrend und jedenfalls schriftstellerisch wirk
sam waren 3 ). In dem einen wie in dem anderen Falle aber erschei
nen gegenüber den Commentaren die Glossen als das Ursprüngliche,
wie denn auch geschichtlich die ghissirende Thätigkeit der com-
mentirenden vorangeht, welch’ letztere erst seit der Entstehung der
Lombarda anhebt und in stetem Zusammenhänge mit ihr sich voll
zieht 4 ). Daher sind Glossen niemals aus den Commentaren gebildet
worden 5 ), vielmehr haben umgekehrt die Commentatoren aus den
Glossen, zumal aus denen eines Ariprand und Albert geschöpft und
wortung-, ohne Bedeutung für die Frage, oh nach den Ausführungen des zweiten
Commentar» dessen Urheber Albert sein könne, bleibt besser bis zu einer. Aus
gabe der Glosse verschoben.
1 ) Siehe. Merkel S. 61, Note 49, vgl. Anschütz XIX.
2 ) Siehe Anschütz XXI.
3 ) Zur Vergleichung dient einerseits, was Merkel 28, 29 über die Wirksamkeit der
Pfalzrichter zu Pavia am Ende des zehnten bis hinein in den Anfang des eilften
Jahrhunderts sagt, und andererseits, was Savigny a. a. 0. 3, 557, 558 von der
schriftstellerischen Thätigkeit der Glossatoren des römischen Rechtes bemerkt hat.
4 ) Der sogenannte Neapolitaner Commentar, noch vor der Lombarda zu Pavia in den
Jahren 1057—1087 entstanden (Merkel 13, 15), ist nach den Andeutungen Mer
kers nicht eine Summe oder ein Commentar in diesem Sinne. Er enthält vielmehr
Glossen und Formeln, welche zum Papienser Rechtsbuche geschrieben am Ende
des eilften Jahrhunderts auf die Lombarda übertragen wurden. Vgl. S. 25 a. E.
S. 28, vgl. S. 53, Note 11, S. 29.
5 ) Wie für einen Tlieil der Glossen Merkel 36—41 und Anschütz Commentare XXIII,
XXIV insbesondere Note 1, XXVI und Jahrbuch für gern, deutsch. Recht 2, 475
behaupten.
176
Heinrich Siegel, Die Lombardn-Commcntare.
bei der Aufgabe, die ihnen gestellt war, nur zu einem kleinen Theile
den reichen Schatz verwerthen können. So wird unsere Thätigkeit
und Aufmerksamkeit der Glosse und ihrer Ausgabe zugewiesen. In
noch höherem Masse erkennen wir nach diesen Untersuchungen die
tiefe Wahrheit, welche Merkel in den schönen Schlussworten seines
Werkes ausgesprochen : Und wenn erst alle Handschriften der
Lombarda für jenen Zweck erschöpfend untersucht und bekannt
sein werden, wenn mit diesem handschriftlichen Material der Grund
zur Gelehrtengeschichte gelegt ist, dann wird es gelingen einen
uns bisher fremd und verborgen gebliebenen Theil der Rechtsge
schichte nicht blos in seinem ganzen Umfang, sondern auch in
seinem Einfluss auf die Schule des römischen Rechts, ja in seinem
Zusammenhang mit unserem deutschen Rechte klar und wahrhaftig
darzustellen, im Geiste Savigny’s, der diese Rahn gebrochen und
den Ort gezeigt hat, wo Nachkommende den Schatz heben sollen.
177
SITZUNG VOM 16. JULI 1862.
Vorgelegt:
Johannis sagen und G ertrudenminne.
Ein Beitrag zur deutschen Mythologie.
Von Dr. Ignaz V. Zingerle,
Professor an der k. k. Universität zu Innsbruck.
Noch lebt in Baiern *), Tirol 2 )> Vorarlberg Schwaben 4 ), in
einigen Gegenden Österreichs 5 ) und Böhmens 6 ), sowie im Hildes-
heim’schen 7 ) die alte Sitte fort, den Johannissegen oder die Johannis
minne zu weihen und zu trinken. Am Beginne des vorigen Jahrhun
derts war dieser Brauch noch viel weiter verbreitet 8 ). Der Wein
wird am Gedächtnisstage des heil. Johannes Evangel. (27. Decem-
ber) Vormittags in der Kirche vom Priester gesegnet. Die Segens
formel fehlt im Missale romanum 9 ), findet sich aber in Ritualen und
Sammlungen von Benedictionen oft 10 ). In früheren Zeiten reichte
4 ) Bavaria I. 387, 398. Quitzmann 230. Leoprechting, 211.
2 ) Tiroler Sitten, Nr. 924—928.
3 ) Vonbuh’s Beiträge, 133.
4 ) Meier, Sagen, 467. Birlinger, Volksthüml. II. 111 IE
5 ) Pritz, Überbleibsel, 62.
6 ) Mündl. Mittheilung.
7 ) Seifart, Sagen II, 192. Grimm, Myth. 33.
8 ) Usitatissimum est in Germania-, die S. Jonnnis Evangelistae, benedieere vinum,
quod vocamus S. Joannis Seegen. Gretseri op. omn. t. V, p. II, 268 b.
9 ) Ebendort.
10 ) Ein Hituale der Constanzer Diöcese vom Jahre 1781 schreibt Folgendes vor:
Sacerdos juxta historiam de s. Joanne Evangelista toxicatum poculum benedi
cente ac bibente, benedicturus vina, alha, vel superpelliceo, et stola albi colo-
Sitzh, d. jiliiI,-liist. CI. XL. Bd. II. Hft. 12
178
Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
der Priester den geweihten Wein am Commnniongitter oder am
Altäre den Gläubigen mit den Worten : bibe amorem Sti. Joannis in
nomine patris et filii et spiritus sancti 4 )- Heute scheint diese Gepflo
genheit grösstentheils aufgegeben zu sein, doch kommt sie noch hie
und dort, z. B. in Oberbaiern und im Hiidesheim’schen 3 ) vor. Ge
wöhnlich wird jetzt der von einem Hausvater in die Kirche gebrachte
Wein nach der Weihe nach Hause getragen und dort zum Theile in
feierlicher Weise getrunken, zum Theile in die Weinfässer geleert
oder aufbewahrt. Ehemals trank man den Johannissegen nüchtern 8 );
jetzt trinkt man den nach Hause genommenen entweder vor oder
nach Tische. Bi Hing er berichtet darüber aus dem Ravensbur
gischen: Jeder Bauer nimmt seinen Johannissegen, etwa eine Mass,
oft noch mehr guten rothen Wein mit nach Hause. Rother muss es
sein. Kommt man von der Kirche heim, so werden Mutter, Kinder,
Knechte und Mägde, bis zum einfachsten Hirtenbuben herab zusam
mengerufen, und Alles setzt sich um den Tisch herum. Der Haus
vater trinkt zuerst aus dem Becher und sodann macht er die Runde
am ganzen Tische, sogar das Kind in der Wiege muss St. Johannis
wein trinken. Dessgleichen ist St. Johannissegen im Wirthshause
zu treffen. Der Wirth lässt ziemlich viel Wein zur Kirche tragen
und davon bekommen Nachbarn, Stammgäste und solche ärmere Leute
ris indutus, stans in cornu epistolae, vino extra dictum cornu juxta se in mensa
posito, et vasis apertis dical: nos te Deum in auxilium nostrum invocamus,
cujus audito nomine serpens eonquiescit, draco fugit, vipera silet, et subdola
ista, quae dicitur rana inquieta, torpescit, scorpio extinguitur, regulus vincitur,
squalongus nihil noxium operatur, et omnia venenata, et adhuc fortiora anima-
lia noxia terrentur. Tu, Domine, extingue omnes diabolicas fraudes, et omnes
humano generi adversantes nequitias, et hunc liquorem vini, per intercessionem
sancti Joannis Evangelistae, tua virtute bene*{*dicito, et omnes ex eo gustantes
ab omni malo cuslodias, et ad regnum gloriae'tuae perducas. Deus, cujus
potestate Joannes Evangelista venenosi potus digessit toxicum, bene-J-dicere
dignare haue creaturam vini, ut omnes ex eo gustantes, expulso toto genere
nocivo, infuso tuae beue-{-dicf ionis mysterio, in animo et corpore mereantur mi-
sericorditer exhilarari. — — Denique vinum in vase mundo (non calice) por-
ligens populo ad bibendum dicat: Bibe amorem sancti Joannis in nomine patris’
et filii, et spiritus sancti. Andere Weiheformeln enthält Gelasii de Cilia tbe-
saurus benedictionum, pag. i9 und ein sacerdotale conformatum ad consuetu-
dinem ecclesiae Romanae aliarumque ecclesiarum. Venetiis 1567. Vgl. Gr et s er,
t. V, p. II, 268 b.
1 ) De Cilia, p. 20.
2 ) Bavaria I, 587. Seifart II, 192.
3) Idque gustare mos ante omnem alium potum. Greiser V, II, 268 b.
Johannissegen und Gertrudenminne.
179
die keinen Wein aufzubringen vermochten, zu trinken 1 ). Zu Bai
singen muss von dem St. Johannisweine, den man aus der Kirche
mitgenommen hat, Jedermann trinken. Der Vater und die Mutter
fangen an und so gelits um den Tisch herum, indem jeder sagt:
Was iner et g’hairt,
Soll 111er et weere a ).
In der Oberndorfer Gegend sagt man beim St. Johanniswein
trinken :
Grüss dich Gott, Bruder gut!
Wir haben getrunken Christi Blut;
Gott Vater mit mir.
Gott Sohn mit dir,
Gott heiliger Geist mit uns beiden,
Dass wir glücklich von einander scheiden 8 ).
Nach dem feierlichen Rundtranke geht der Hausvater in den
Keller und schüttet unter Gebet 4 ), oder mit Hersagung der Formel:
Am Johannissegen
ist alles gelegen 5 )
in jedes Fass einige Tropfen des gesegneten Weines. Dadurch soll
alles Böse vom Keller abgehalten, das zu rasche Ausgehen oder
Verderben des Weines verhindert werden 8 ).
Den Anlass zur Weihe des Johannisweines soll die alte Legende
gegeben haben, der zu Folge der Götzendiener Aristodemus dem
heil. Johannes vergifteten Wein zum Trinken mit der Erklärung
überreichte, Christ werden zu wollen, wenn der Apostel den Becher
ohne Nachtheil leeren würde. Der Heilige trank hierauf den Gift-
1) Volksthüml. II, HO.
») Ebend. 111.
3 ) Ebend. 112.
4 ) Birlinger II, 112. Tiroler Sitten, Nr. 927.
5 ) Vonbun, Beitr. 134. Vgl. Meier, Sagen 467.
6 ) Birlinger II, 112. Tirol. Sitten, Nr. 927.
Schon G re ts er bemerkt: Nec desunt qui inde etiam in alia vini dolia , vene-
ficiorum avertendorum gratia, aliquid huius consecrati vini infnndant. Nec even-
tus pietatem proborumque exspectationem fallere solet I. c. Vgl. Greiser I,
201 a. Dass Hexen dem Volksglauben zufolge gerne in Kellern zusprachen und
ihr Unwesen trieben, melden uns Sagen und Processacten. Tirol. Hexenproces.se,
40 Tirol. Sagen, Nr. 341.
180
Dr. Ignaz V. Zingerle
becher, ohne Schaden zu nehmen *). Darauf nehmen auch die
Gebete der Kirche bei der Weinweihe Bezug, denn es heisst: Deus
cujus potestate b. Joannes Evangelista potum venenosum et toxicum
digessit a )od. deus, cujus potestate Joannes Evangelista venenosi potus
digessit toxicum 3 ). Und desshalb glauben die Leute, dass der
geweihte, oder der mit St. Johannissegen vermischte Wein ihnen
eben so wenig schaden könne, als der Giftbecher dem Evangelisten
Nachtheil gebracht hat, ja dass derjenige, der am 27. December
davon trinke, das ganze Jahr hindurch vor Vergiftung und Verhexung
gesichert bleibe 4 ). Man glaubt, dass er gegen den Blitz 5 ) und das
Vermeintwerden 6 ), sowie gegen andere Gefahren schütze. Die
Kirche spricht aber bei der Weihe die Bitte aus: 1. dass alle davon
trinkenden vor jedem Übel bewahrt werden, 2. dass sie mit der
Fülle göttlichen Segens beschenkt werden, 3. dass sie verdienen,
an Leib und Seele erheitert zu werden 7 ), 4. dass sie zum Reiche
der Herrlichkeit kommen 8 ).
Allein nicht nur am Feste des Evangelisten, zur Zeit der Win
tersonnenwende, sondern auch am Gedächtnisstage des Täufers, am
Sommersonnwendfeste, trinkt man Johannissegen. Meier berichtet
darüber aus Schwaben: Am 24. Juni trank man noch vor einigen
Jahrzehenten in Rotenburg a. N. den Johannissegen oder Johannis
trunk. Man stellte Tische und Stühle vor’s Haus und die Nachbarn
nebst Bekannten und Verwandten setzten sich hier zusammen. Wenn
manche Nachbarn auch das ganze Jahr hindurch sich angefeindet
hatten , so mussten sie an diesem Tage sich aussöhnen und mit
einander essen. Der eine brachte Brot, der andere Fleisch, ein
dritter Wein u. s. w., dann ass und trank man auf offener Strasse
und sang lustige Lieder dazu bis tief in die Nacht. In der neuesten
Zeit hat man diese alte gute Sitte wieder eingeführt. — Eben so
wird noch in Heilbronn Abends auf der Strasse der Johannissegen
1 ) Legemla aurea, ed. Grässe, p. 59. Passional ed. Hahn, p. 238, 77.
2 ) Venet. Sacerdotale. Gretser, 1. c.
3 ) Constanz. rit. Vonhun’s Beitr. 134. De Cilia, p. 21.
4) Vergl. Gretser, I. c. Meier, Sagen 467. Birlinger II, 111.
5 ) Tirol. Sitten, Nr. 926.
6 ) Ebend., Nr. 928.
7 ) Ut omnes ex eo gustantes expulso loto genere nocivo , infuso tuae henedictionis
mysterio in anima et corpore mereantur iniserieorditer exhilarari. De Cilia 21.
8 ) Gretser, I. c.
Johannissegen und Gertrudenminne.
181
getrunken. Ein solches gemeinsames Essen hielten früher auch die
Zünfte in Überlingen am See *)• — Der Johannistag mit seinen
Trinkgelagen wird in Schwaben das Versöhn u n gs fe st genannt 3 ).
In Nürnberg war es eine alte Sitte, am 24. Juni den Johannissegen
zu trinken, damit ein warmer und fruchtbarer Sommer erfolgen
möge 8 ).
Aber auch ausser den beiden Johannisfesten wird Wein
geweiht, denn auch hei Trauungen wird er vom Priester gesegnet,
dem Brautpaare und dessen Zeugen und Verwandten gereicht. In
dieser Segensformel 4 ) wird der Name des heil. Johannes zwar nicht
erwähnt, das Volk nennt aber dessenungeachtet diesen Trunk ein
stimmig Johannissegen oder Johannisminne. Die Sitte, bei Trauungen
geweihten Wein zu trinken, lebt noch in Tirol 5 ), Oberbaiern 6 ),
Oberpfalz 7 ) fort. Dahn berichtet darüber aus Oberbaiern: Nach
der Trauung erfolgt ein Opfergang mit Niederlegung von kleinen
Spenden auf die Stufen des Altars, dessen Schluss die Ausspendung
des vom Priester geweihten Johannisweines an das Brautpaar, viel
fach auch an alle Gäste bildet. Dabei geht das Brautpaar voran und
trinkt dreimal, ihm folgen das Kranz- und Ehrenpaar, dann die
*) Sagen, p. 428.
а ) ßirl in g er II, 110.
8 ) Panzer II, 239.
4 ) Nach de Cilia lautet sie: Adjutorium nostrum etc. Dominus vobiscum etc.
Oremus. Domine sancte, pater omnipotens, aeterne Deus, bonorum omniutn dator
et conservator: qui inter reliquas creaturas tuas vinum, in hominuiti susten-
tationem et laetitiam, ex fructu uvarum prodire jussisti, quique per unigenitum
filium tuum Dominum nostrum Jesum Christum in nuptiis in Cana Galilaeae aquam
in vinum mirabiliter permutasti, et Sacramentum pretiosissimi sanguinis ejusdem
Filii tui in vini materia sauctificari fecisti : te supplices deprecamur ac petimus,
ut hanc creaturam vini bene-j-dicere et sanctificare digneris, ut fnmuli tui et fa-
mulae, ex eo gustantes animae et corporis recipiant sospitatem et te omnium
gratiarum largitorem sine fine collaudent. Per eundem Christum Dominum nostrum
Amen. — Apergat aqua benedicta in inodum crueis, nihil dicens. Postea vinum
distribuitur per manus laicorum in mundo profano vase, primum quidem sponsis,
tum aliis Christi fidelibus, qui nuptiis intersunt omnibus modeste gustantibus.
p. 213.
) Tirol. Sitten, Nr. 923. Bei grossen Hochzeitsaufzügen tragen 6 „junge Knechte“
den Wein, der geweiht werden soll, in grossen zinnernen Kannen in die Kirche.
Zillerthal.
б ) Leoprechting 243. Bavaria I, 387 und 398. Wolf, Zeitschrift II, 127
Q u i tz m a n n, 89, 251, 258.
7 ) Schönwerth, aus der Oberpfalz I, 87.
182 Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
übrigen; am unteren Inn wird nur dem Brautpaare vom Pfarrer, den
andern Gästen vom Hochzeitlader der Kelch gereicht , ). Letzteres
ist auch in Tirol üblich.
Ist in den bisher genannten Fällen der Johanniswein geweiht
und auf eine bestimmte Zeit oder einen kirchlichen Act beschränkt, so
begegnet uns noch eine Sitte, bei welcher der Johannissegen weder
durch eine kirchliche Ceremonie, noch durch ein Fest bestimmt
wird. Es ist dies der Brauch, vor dem Abschiede St. Johannissegen
zu trinken, der einst in Deutschland weit verbreitet, nun meines
Wissens grösstentheils erloschen ist. Dem Scheidenden trank man
die Johannisminne zu, dass er Glück und Schutz auf der Reise
habe 2 ). Zuerst mochte sie wohl vom Priester geweiht gewesen
sein, oder wenigstens war der Abschiedstrunk mit gesegnetem
Weine vermischt. Später jedoch, als damit schon Missbrauch
getrieben wurde, und man selbst den letzten Trunk im Wirthshause
St. Johannissegen nannte, fehlte jede kirchliche Weihe. Über die
Entartung dieser schönen Sitte, Johannissegen beim Abschiede zu
trinken, schreibt schon G r ets er: „Verum haec etiam consuetudo
hibendi in honorem Sanctorum, in abusum tandem migravit; nee
tarn ad honorem, quam dehonorationem Coelitum tendere coepit*
dum multi nominibus Sanctorum, quasi illicio utentes, et se et alios
nimio potu ingurgitant ac sepeliunt. — Idem non injuria dixeris de
benedictione S. Joannis, quae jam jam abituris offertur. Quae sine
dubio a pietate et ab observantia in sanctum Apostolum originem
traxit. Quia enim traditur, venenum sine ul Io damno bibisse, ideo
christiana vetustas huric haustum, vel polius delibationem vini intro-
duxit, ut meritis Apostoli, quid quid potus sumptum esset, id ad utili-
tatem animae ac corporis cederet, et ut hac benedieta clausula potus
intra viscera immissus, quasi obsignaretur. Propterea haustus Sti.
Joannis pauxillulum quiddam continet. Bibens enim hoc valedicto-
rium poculum non tarn bibit, quam libat, et supremis labris vinum
tangit. Quae consuetudo non est damnanda, sed potius laudanda, si
maneat intra debitos terminos. Sed vitiis excrescentibus, imrnane
A ) Bavaria, I, 398.
®) Quocirca benedictio S. Joannis non tantum ipso festo S. Joannis, sed quocunque
tempore, cum amici a se muluo digrediuntur, usurpari consuevit, tametsi fre
quenter non sine abusu. Greiser V, II, 208.
Johannissegen und Gertrudenminne.
183
quantum etiain haustus iste excreverit, dum non tantum sobriis, sed
et jam ebriis oflfertur et importune etiam ingeritur, nee seine], sed
saepius, poculis capacibus, quae funditus exsiccare uecesse sit, nisi
cum mala gratia abire velis, ut proinde omnem benedietionem ab hoe
haustu tarn immoderato exulare oporteat“ *). Die Sitte, beim Schei
den Johannissegen zu trinken, bat sieh nur in einigen Gegenden
Baierns 3 ) erhalten. Einen interessanten Beliebt über das Trinken
des Johannis« eines vor der Abreise gibt uns Panzer 8 ). Vor der
Abfahrt eines Salzzuges von Passau nach Regensburg, brachte der
Seilträger aus dem Seilnachen einen Plutzer 4 ) Wein, füllte einen
kleinen Becher und sprach zu den vorüberreitenden Rossleuten:
„bring euch den heiligen Johannissegen!“ leerte den Becher,
schwang ihn rückwärts über den Kopf und goss einige Tropfen aus.
Daun reichte er jedem der Rossleute den gefüllten Becher und jeder
sprach: „In Gottes Namen den heiligen Johannissegen“, leerte den
Becher, schwang ihn rückwärts über den Kopf und goss einige
Tropfen aus. Hatten alle getrunken, so sprach der Seilträger: „In
Gottes Namen fahren wir!“ Er fuhr unter beständigem Seiiaus-
werfen zurück an den Hohenauer 5 ) und übergab das Seil dem
Sesstaler, welcher es in die Schwing einmachte und das Zeichen
zur Abfahrt gab: „liohm in goz.n nam!“. Inzwischen war der Seil
träger auf den Hohenauer gestiegen und hatte dem Sesstaler den
Plutzer mit Wein hingestellt. Der Sesstaler brachte nun den Johan
nissegen dem Seilträger, dieser dem Bruckknecht, dieser dem Seil-
bigler, dieser dem Bussknecht u. s. f. und jedesmal wurden obige
Worte gesprochen und einige Tropfen rückwärts ausgegossen. —
Am Johannistage, nach der Kirche, bringt man sich im Haus den
Johannissegen mit geweihtem Weine, dann giesst man einige
D Opera V, II, 201.
2 ) Bavaria I, 387. Quitzmann, 250 und 251. In Schwaben mahnt an diese Sitte
der oben mitg'etheilte Spruch: „Grüss dich Gott Bruder gut“ etc. Birl. II,
112.
3 ) Beiträge II, 231.
4 ) Ein Henkelgefiiss mit weitem Bauche, engem Halse und kleinem Boden.
5 ) Die Hohenau, das grösste der Schiffe, mit 1750 Centner Ladung. Auf diesem
befanden sich der Hohenauersesstaler, der den ganzen Salzzug befehligte, der
Seilträger, Steuermann, Bruckknecht, welcher das Seil in dein der Hohenau
seitwärts angehängten Nachen führt, der Seilbigler, welcher die Knöpfe in das
Seil macht, und der Koch. Panzer II, 230.
184
Dp. Ignaz V. Z i n g e r I e
Tropfen auf den Fischzeug und auf die Waidziln und spricht dabei:
„im goz.n nam!“ — Merkwürdig ist hier das Ausgiessen einiger
Tropfen rückwärts über den Kopf, das uns an alte Trankopfer mahnt.
Alle die bisher berührten Bräuche leben noch fort oder sind erst
vor wenigen Jahrzehenten erloschen. Man könnte demnach glauben,
dass die Sitte, Johanniswein zu trinken, eine verhältnissmässig
junge sei, wie dies Schmid in Wetzer’s Kirchenlexikon *) meint.
Dem ist aber nicht so. Wir finden den Brauch vor wichtigen, gefahr
vollen Unternehmungen oder bei Abschieden Johanniswein zu trinken,
schon in früher Zeit. Eben so wenig fehlen Anspielungen auf diese
Sitte bei mittelalterlichen Dichtern. Hartmann von Aue kennt sie
bereits, denn als Erec den fürchterlichen Kampf im Baumgarten
bestehen sollte, vernahm er eine heilige Messe zu Ehren des heil.
Geistes, kehrte dann zum Frühstücke und trank St. Johannissegen
vor seiner Ausfahrt:
einen trunc man im dar truoc
und träne sant Johannes segen. Erec. 8630.
Im Minnekloster 2 ) heisst es:
Sie sprach: „gesell got müez din pflegen!
trinc vor sant Johans segen!“
ich sprach: „frou, daz tuon ich gern.
des sol ich iuch billich gewern“.
ir junefrou stant ouch da bi.
sie sprach: „als lieb ich dir si,
nim daz guldin küpfelin
und bring uns dar inn guoten win“.
diu junefrou mit dem win drät kam,
min gespil den köpf nam.
si sprach: „geselle trinc mit mir,
als ich sin wol gunne dir.
trinc sant Johannes minne
und hab in dinem sinne
der drier künige namen,
Es scheint diese Sitte gar nicht alt zu sein. V, 769.
2 J Lassberg, Liedersaal II, pag. 262.
Johannissegen und Gertrudeuininne.
185
da/, wir vroelich ze samen
schiere komen miiezen
und unser sünd hie büezen“.
und:
ich daht do an daz grüerie het
und an sant Johans minne,
daz was mir vast in minem sinne •).
In Dietrich’s erster Ausfahrt liest man:
auf sassen die zwen kiine man,
man raicht in dar die Schilde,
zwei sper nach ritterlicher art;
auch sant Johannes minn und segen
den fürsten da gegeben wart. —
44. Er ward gehaischet und geinant,
ein kapelan bracht in zu liant,
die herren trunken beide,
gesegnet waz die reine flut:
wer in da trank, der waz behüt
vor schaden und vor leide,
der junge fürst und der hub an
zu trinken an der stunde,
her Hildebrant sich bas besan,
er trank die schalen zu gründe,
er sprach: „wol auf nun, in den tan!
uns von dem ungetauften man
auch nimmer leit geschehen kan“.
In der Weinprobe steht:
der zwölft bräht mir sant Johans segen
und tet min wunderlich pflegen s ).
Oft wird die Sitte, vor dem Abschiede St. Johannisininne zu
trinken, in der älteren Oswaldlegende 3 ) erwähnt, z. B.:
er gap im sant Johannisminne
und enpfalh in der himelischen küniginne
1 ) Ebendaselbst II, pag. 264.
2 ) Liedersaal III, 336.
3 ) Ed. E 11 rnii II e r.
V. 610
186
Dr Ignaz V. Zingerle
sie gap im sant Johannis minne
und enpfalh in der himelischen küniginne V. 1127.
dö gap er im sant Johannis minne V. 122S.
Im Morolf wird er genannt:
— wir wellen trinken sant Jolians segen
und wellen uns scheiden von dem heidenschen laut.
V. 3 103.
In Clara Hätzlerin's Liederbuch heisst es:
Behalt mich in dem hertzen dein
setz sant Johannes ze pürgen mir,
das du chomest gesunt her wider schier 1 ).
Zum letzten Male begegnete er mir im schönen Volksliede „St.
Gertrud “:
St. Gertrud gedacht in ihrem Math,
In das Elend zu gehn, das war nicht gut.
Könnt ich doch dem Reuter helfen, ja helfen,
Könnt ich dem IJcuter helfen.
Jetzt bring ich dir auch der Namen drei,
Gott Vater, Sohn und lieilger Geist,
St. Johann sei eur Geleiter an grün Haide,
St. Johann sei eur Geleit.
Der Teufel antwortet mit Bezug auf diesen Trunk später dem
Ritter:
Hättest du den letzten Trunk nicht gethan,
Wie wiird ich mit dir getanzet han,
Mit dir und deinen Gesellen, zu der Hellen,
Mit dir und deinen Gesellen 3 ).
Oswald von Wolkenstein 3 ) nennt Johannisminne in einem
Minneliede:
Dye magt liess in mit synnen
rynnen
in den grans
1 ) Ed. Haitaus, pag. 191b.
2 ) Simrock, Volkslieder, pag. 149. Vgl. Wolfs Niederländ. Sagen. Nr. 359.
3) Ed. B. Weber XXIX, 3, 36.
Johannisseg-.en und Gertrudenmiune.
187
durch weysse zendlein zynnen
der mynue
sand Johanns.
Die vom Gelage aufhrechenden Gäste tranken auch St. Johan-
nisminne und wähnten, sich mit dem Namen des Heiligen gegen
schädliche Wirkungen des Weines schützen zu können, ln den
Fastnachtspielen des XV. Jahrhunderts wird dieser Brauch öfters
erwähnt, Im Spiele von zwei Eheleuten heisst es:
Herr wirt, nu haissct uns einschenken,
so woll wir mit sand Jolians rninn trinken
und uns dan heben unser strass,
dass man mer leut zu euch herein lass i).
Im Spiele von drei bösen Weibern steht:
knecht, pring uns sand Johanns minnen,
es ist zeit, das wir gangen von hinnen 2).
Im Liede : „wer essen wil, der geen zum tisch“ heisst es:
wirt gib vns sandt Johans wein
aide ich far dahin s ).
Ich lasse die mir noch bekannten Belege folgen:
ward es eben, wie man sagt, Sant Johannes Segen und
das henkermahl syn. A. Blaurer 9. Sept. 1531 4 ).
In einem Schauspiele von Salomon’s Urtheil sagt die rechte
Mutter zum Kinde, das ihr die Henker entreissen wollen:
ach saug noch eins zu guter letz
und drink nun Sanct Johannes drunk 5 ).
Leicht begreiflich ist es, dass sich der Humor schon früher
des Brauches, beim Scheiden aus der Schenke St. Johannissegen zu
trinken, bemächtigte und desselben spottete. So sagt Neithart in
dem nach ihm benannten Spiele:
A ) Keller, Fastnachtsp. Nr. 167, 27.
3 ) Ebendaselbst, 488, 19.
3 ) Wolf, myth. Zeitschrift, I 468.
4) Bei Wal ebner, Botzheim, S. 177.
5 ) Baum gart, Judicium Salomonis 1661. K. b. — Weini. Jahrbuch, VI, 29,
188
Dr. Ignaz V. Zingerle
„Ser lieben lierren, trinket mit mir!
Da ist guoter wein inn.
Ich han gesegent sand Johanns minn
Für Strauchen, für feil, für alles übel“ J ).
und scherzend gab man sich das Räthsel auf, welcher Heilige der
grösste Füller sei und antwortete: Johannes der Evangelist, denn
wenn einer zu viel getrunken hat, dass er kaum lallen kann, so muss
er noch St. Johannis Segen trinken 2 ). Ein Dichter vom Ende des
XV. Jahrhunderts hat das Johannissegnen schon zu einem Schwanke 3 )
benutzt. Er schildert uns ein Pantaiding im Himmel. Da führt der
heil. Nikolaus Klage gegen St. Johannes und sagt:
„Ich klag hie über sant Johans:
Ich geniess sein nimmer umb ein gans.
Wan nun ietzund der herbst trit an,
Gelert, bauren, frauen und man
Froelich trinkent an für sich dar;
Das wärt dan aus das lange jar.
Wan ein trinker dan sol zu haus,
So spricht er: „wirt, nun geh heraus
Und trag noch her sant Johans nam !“
So trinkens, das sie werden lam,
Haubt, hend und fuess und al ir glit;
So mag er niendert einen trit.
Der fuerman, der da fueren sol,
Der wirt dan also flaschen vol,
Das er dan schilt gleich wie ein pock;
Wa bei dem weg dan stet ein stock,
Den grüsset er für einen man
Und ruert in mit der deichsei an.
Durch dorn und Stauden er sich strauft;
So leit er dan vor muede und schlauft,
Das man zue lest in kaum erweckt;
Wan er tief in der pfützen steckt,
\
1 ) Keller, Fastnachtspiele 432, 21.
2 ) Ratbvekelin. Hamburg 1394, S. 10. Weim. Jabrb. VI, 29.
3 ) v. Keller, altd. Erzählungen, png. 32. Weim. Jahrb. VI, 30.
Johannissegen und Gertrudenminne.
189
So rueft und schreit er bitterlich
Und bit mich dan ganz inniklich:
„Hilf hiinel, her sant Nicola!“
So ist Johannes niendert da,
Das er mir bei gestanden wer;
So nent er mich ein nothelfer;
So han ich ungemacli von im
Und hilf im aus der lachen bin.
Als bald ich das selb nicht entue,
So redt er mir gar übel zue
Und spricht, ich sei ein man on solt.
Ob das Johannes leugnen wolt,
Das wil ich ziehen auf sein eid,
Von im geschieht mir grosses leid“.
Gott stellt nun St. Johannes zur Rede. Dieser beruft sich auf
die anderen Heiligen:
Fragt die heiling umbhin all;
Was bin ich im darum verfall,
Wil ich im bald herwider kern.
Er weist gar wol, ich schwer nit gern.
Petrus, zuerst darüber befragt, antwortet:
— wer trinkt sant Johans minn
Und tuet es um des gdaubens gwinn,
Da von kan er nit vol wem.
Solts Johannes wider kern,
Wan sant Niclaus kem in solch schwer;
Mich deucht nicht, das es billich wer.
Ein Ungenannter spricht:
-— „es g'schicht bei guetem wein.
Die grossen krueg und flaschen schwer,
Die macht Johannes alle 1er;
So wirt manger weist nit wie,
So get es im gar übel ie.
Sant Niclaus hilf muess bei im sein.
Urteil ich auf die gwissen mein:
190
Di*. I "ii a i. V. Z i nger le
Johannes hast es wol verschwielt,
Nun kom sein ab und gwin sein liuld!‘
Auch St. Bartholomäus erkennt des Evangelisten Schuld an:
Es trinkt oft einr sant Johans nain,
Das er wirt strauchens nimmer an;
Kan von Strauchen nit gesagen,
Das fallen muess er auch wagen
Mit seinem haubt über ein bank.
In macht der guete wein so krank,
Das er sein vater nit erkent
Und get bürzelen bei der wend.
Da ist Johannes schuldig an,
Der selb die red wol teilen kan“.
St. Andreas meint aber, man schiebe dem heil. Johannes zu
viel Schuld zu. Die Hauptschuld habe St. Bernhart i).
„Ich weiss ein, ob ers merken wil,
Von dem es alles sambt geschieht;
Der stet und spricht kein wörtle nicht.
Das ist der dort, sant Bernhart,
Dev tuet morgens die ersten fart;
Man hebt mit im zue trinken an
Und lat des tags auch nit davon“.
Gott, als Vorsitzender, schlägt am Ende einen Sühneversuch
vor:
„Die meist schuld hat sant Bernhart.
Johannes ist in grossem wart (?)
Gen sant Niclaus, als ich verste;
Und het Johans geklaget,
Des kaemt ir beidenthalb zue schad.
Drumb, Bernhart, kauf Jolian ein lad
Und tues auf den nechsten kirclitag,
Da er sein brief ein legen mag
*) Gndeke (Weim. Jahrb., VT, 30) weist nach, dass auch sonst der ßernhard’s-
trunk vorkomme, z. B. „Etlicher hat ein trunk gespart, Der kam und trank ein
Bernhart. Hehhenslin“. Vgl altd Bl. I, 413. „Se hin, trink ein guten Pernhart
Das dir kein geluek schad. Fastnachtspiele 432, 10.
■
Johannissegeii und Gertrudenminne. 191
Und sein Schreibzeug 4 darein behalt
So sol Johans herwider bald
Sant Niclas auch ein erung tuen;
Damit so komt es wol zue suen:
Zwen hendsehueeh zue der ersten weich“.
Der Vergleich gelingt, obwohl St. Nikolaus sich nur mit Mühe
dazu bewegen liisst. Gerade der Übergang des Johannissegen in
Scherzreden und Schwänke bezeugt uns, wie allgemein verbreitet
und volkstümlich dieser Brauch gewesen war.
Auch den Ursprung und die Bedeutung des Johannissegen
berühren Dichter des XVI. Jahrhunderts. Burkhart Waldis sagt:
Von dem schreibt man und sagt dabey,
Das in des keisers tyranney
Mit viler drauung dahin zwungen,
Endlich durch pein so weit gedrungen,
Mordlichen gift vor alln must trinken.
Meinten, er wnrd bald nidersinken
Und sterben fort in einem nu.
Docli schickt im gott sein gnade zu,
Das im der boese trunk nicht schadt.
Draus das bapstum getreumet hat:
Wer solchs auf disen tagbedenkt,
In seinem namen wein einschenkt
Und bringt also ein trunk zu wegen.
Das nennens sanct Johannes segen.
Da gehn dann ire pfaffen hin
Auf vorteil und auf guten gwin,
Gross kannen weins aufs altar setzen,
Etlich latinisch wort drein schwetzen.
Darumb sich dann die leute dringen
Und trinken all, die gelt mitbringen.
Sie han auch kleine kueehlin bdacht,
Mit wein genetzt und abgemacht.
Die braucht man gegen) winter steif
Wider die boese luft und reif.
Sauft jeder hausman an dem tag,
Das er stark kreftig werden mag.
192
Dr. Ignaz V. Z i n g e r I e
Die weiber auch den glauben hon,
Trinken sie vil so Werdens schon *).
Eine Legende 2 ) des XVI. Jahrhunderts: „in der glasweiss
Hans Vogels. vrsprung S. Johannes segeus“ hat die Schlussworte:
der papst Pelagius anfing,
dass man segnen sollt den weine
an Sanct Johannes tag alleine,
dass jederman den segen tranck.
also name zu danck
ein anfang Sanct Johannessegen.
Allein nicht nur Gedichte, auch Urkunden und Chroniken
bezeugen uns die Verbreitung und Hochhaltung des dem Lieblings
jünger geweihten Weines. In einer Plassenburgischen Urkunde von
1484 vermacht Jemand an ein Gotteshaus fünf Gulden zu Wein, am
„sanndt Johannstag zu Weyhnaehten, so man dem Volck pfligt aus
dem Kelch sanndt Johanns Mynn zu geben“ s ). „Ein Gut, davon
man Sand Giligen Kirchen zu Pegnitz jarlich dritthalb Mass Wein,
zu den Weihnachten, Sannd Johanns Mynn dienen soll“ 4 ). Anno
1466 liess in Regensburg am Neujahrstage nach alter Gewohnheit
der Rath ein Amt und dreissig Messen halten, nach welchem St.
Johanns Minnetrunk gereicht wurde 5 ). Anno 1431 wurde ebendort
beim Aufbruche des dortigen Zuzuges gegen die Hussen, Wein zu
St. Johannisminne geweiht 6 ). „St. Johannissegen ward abthan“
„Das Paepstisch Reich“, 3, 5. Weim. Jahrh. VI, 28.
2 ) In einer Meistersängerhandschrift aus der grossherzogl. Bibliothek zu Weimar
(Mscr. Q. 307). Der Inhalt ist der Legende von der heil. Gertrud nahe ver
wandt; Ein reicher Bürger in Mainz wird arm und verspricht, sich dem Teufel
nach zwölf Jahren zu stellen, wenn derselbe ihn für diese Zeit mit Geld ver
sehen wolle. Der Teufel lässt ihn wirklich einen Schatz linden. Als nun am
letzten Tage des zwölften Jahres der Bürger sich an den ausgemachten Ort
begehen will, um sich dem Bösen zu stellen, empfiehlt ihm seine Tochter vorher
St. Johannis Segen zu trinken. Der Bürger that dies, und als er dann mit dem
Teufel zusammentrifft, vermag ihm dieser nichts weiter anzuthun, als ihn gehörig
zu kratzen. So kehrt der Bürger gerettet nach Hause zurück und erzählt allen
die Geschichte. Wolfs myth. Zeitschrift III, 300.
s ) Sehmeller II, 393.
4 ) Mon. boiea, XXV, 331. Sch melier II, 393.
5 ) Sc hm eil er, ebendaseihst.
6 ) Gemeiner Regensburgische Chronik III, 22, 401. IV, 382. — Sehme er, eben
daselbst.
Johannissegen und Gertrudenminne.
193
Pfl um., Annal. 1323 —1331 <). „Solle der Siechenmagdt alle Nacht
eine zwey Massige Kanten mit gutem alten Wein gegeben werden den
krankhen zu einem Sant Johannes Seegen“ Biberach, Chronik 2 ).
Die angeführten Zeugnisse mögen genügen s ). Aus ihnen
ergibt sich u nbestreitbar, dass die Sitte, Johannissegen zu trinken,
tief in die Vorzeit zurückreiche, da schon Hart mann von Aue als
bekannt sie vorführt, und dass sie im XV. Jahrhundert allgemein
üblich war. Aus dem bisher Gesagten ergibt sich ferner, wann und
zu welchem Zwecke man den geweihten Wein getrunken habe. Man
nahm ihn am Feste, um gegen Zauberei , namentlich Vergiftung 4 )
und schädliche Speisen gesichert zu sein. Er schützt den Trinker
vor Blitz 5 ), macht den Mann kräftig und das Weib schön °) und ver-
hilft dem Kranken zur Genesung 7 ). Ihn trank man am 24. Juni,
damit ein warmer und fruchtbarer Sommer folgen möge s ). Und er
durfte bei dem Dankopfer für die Ernte in manchen Orten nicht
fehlen 9 ). Man trank Johannissegen bei Trauungen, damit die Ehe
gesegnet, fruchtbar und glücklich werde. Der Scheidende leerte
dem Heiligen zu Ehren den Becher, damit er vor bösen Zufällen
gesichert sei, Glück auf dem Wege und freudige Heimkehr finde.
Vor einem schwierigen und gefahrvollen Unternehmen trank man
Johannisweih, damit ein gutes Ende das mühsame Werk kröne. In
allen diesen Fällen handelt es sich vorzüglich um Erlangung von
Schutz und Frieden 10 ), Fruchtbarkeit und Jahressegen.
1 ) B irl i n g er II, 111.
2 ) Ebendort.
3 ) Grimm (Mythol. 54) verweist noch auf die Stellen: „sant Johannes namen
trinken“. Altd. Bl. I, 413. „Diz ist sancte Johans minne“. Cod. pal. 364, 158.
„S. Johans segen trinken“. Ans hei in 3, 416. „Johanssegen“. Fis chart,
Gesell. Kl. 99 b. Sitnpliciss. 2, 262.
4 ) „Johannes Evangelista a veneno conservat“. Haupt's Zeit. 1, 144. „Johannes zu
behueten hat, Das eim getrunken gilt nicht schad“. B. Waldis päpstl. Reich
3, 13.
5 ) Tiroler Sitten, Nr. 926.
6 ) Weim. Jahrb VI, 29.
7 ) Bavaria I, 387.
8 ) Panzer II, 239.
9 ) Ein rothes Gründonnerstagei, ein Kränz!, geweihtes Salz, alles mit einigen Tropfen
Johanniswein begossen, werden in ein Päckl zusainmengebunden, in die erste
Garbe gelegt und, wenn abgedroschen ist, in’s Ofenfeuer geworfen. Loching in
Niederbaiern. Panzer II, 212. Das Antiasskreuz, das in der Mitte eines jeden
Ackers aufgesteckt wurde, begoss man auch mit Johauniswein Ehend.
10 ) Meier 428. Birlinger II, 110.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. ßd. II. 11 ft.
13
194
Dr. Ignaz V. Zingerle
Es fragt sich nun, woher stammt diese alte weitverbreitete
Sitte? was war ihre älteste Bedeutung? J. Grimm gab schon auf
beide Fragen Bescheid, indem er nachwies, dass derartige Minne
tränke aus dem Heidenthume stammen und sie ursprünglich die
Bedeutung von Trankopfern gehabt haben. Wie es uralter und ver
breiteter Brauch war, den Hausgöttern bei feierlicher Mahlzeit einen
Theil der Speise zurückzustellen und namentlich der Berlita und
Hulda eine Schüssel mit Brei hingesetzt wurde, Hess man die Götter
auch den feierlichen Trank mitgeniessen. Aus dem Gefässe pflegte
der Trinkende, ehe er selbst genoss, etwas für den Gott oder Haus
geist hinzugiessen 1 ). Einen Abwesenden oder Verstorbenen pflegte
man zu ehren, indem man seiner bei Versammlung und Mahlzeit
erwähnte, und auf sein Andenken einen Becher leerte. Dieser
Becher, dieser Trunk wurde altn. erfi dryckja, und wiederum minni
genannt. Bei festlichen Opfern und Gelagen ward des Gottes oder
der Götter gedacht und Minne getrunken s ). Grimm weist aus
nordischen Quellen nach, dass Odhin’s, Thor's und anderer Götter
Minne geleert wurde. Aber nicht nur im Norden, selbst im südlichen
Deutschland galt diese Sitte. Denn Bischof Aribo von Freysing 8 )
berichtet, dass zu Heimram’s Zeiten, also zu Anfang des VIII. Jahr
hunderts, die Baiern noch solche Neulinge im Christenthume waren,
dass die Väter aus demselben Kelche ihren Söhnen die Minne Christi
und der Heidengötter zutranken. Hingen die alten Deutschen selbst
nach ihrer Bekehrung noch zäh und treu an heidnischen Sitten und
Gebräuchen, so galt dies besonders in Bezug der Opfergelage und
des Minnetrinkens. Denn der schon von Tacitus erwähnte Hang
zum Trinken lebte bei unseren Ahnen noch fort. Desshalb durften
die Glaubensprediger und Priester an ein völliges Ausrotten solcher
beliebter Überkommnisse des Heidenthums nicht denken. Sie mussten
einen anderen Weg einschlagen, der, wenn nicht schnell, doch all
mählich zum gewünschten Ziele führte. Sie Hessen den alten heidni-
*) Mytli. 52.
2 ) Eltendort 53.
3 ) Sed habitatores ejus (regionis) neophiti eo in tempore idiolatriam ex se radici-
tus non exstirpaverunt, quia ut patres calicem Christi comnnincm et daemoni-
orum suis quoque filiis propinabant. Vitir Hemrammi Act. SS. 22 Sept. c. 7.
Q u i t z in a n n, 2ÖÜ.
4 J- Germ. e. 23.
Johannissegen und Gertrudenminne.
195
sehen Sitten und Bräuchen die möglichste Schonung angedeihen,
Hessen die alten zu Ehren der Götter üblichen Feste und Feierlich
keiten fortbestehen, schoben aber an die Stelle der betreffenden
heidnischen Gottheiten christliche Heilige unter. Lehrreich über
dies Vorgehen bei Einführung des Christenthums ist ein Brief Gre
gor des Grossen an den Abt Melittus in Frankreich. Er schreibt:
Cum vero vos Deus omnipotens ad reverendissimum virum fratrem
nostrum Augustinum Episjcopum perduxerit, dicite ei, quid diu me-
cum de causa Anglorum cogitans tractavi videlicet, quia fana ido-
Iorum destrui in eadem gente minime debeant, sed ipsa quae in eis
sunt idola destruantur. Aqua benedicta fiat in fanis aspergatur, alta-
ria construantur, reliquiae ponantur, quia si fana eadem bene con-
structa sunt, necesse est, nt a cultu daemonum in obsequium veri
Dei debeant commutari, ut dum gens ipsa eadem fana non videt
destrui, de corde errorem deponat, et Deum verum cognoscens ac
adorans ad loca, quae consuevit, familiarius concurraf. Et quia
boves solent in sacrificiis daemonum multas occidere, debet bis etiam
hac de re aliqua solemnitas immutari, ut die dedicationis vel nata-
litiis sanctorum martyrum, quorum illic reliquiae ponuntur, taber-
nacula sibi circa easdem ecclesias, quae ex fanis commutatae sunt,
de ramis arborum faciant et religiosis conviviis solemnitatem cele-
brent. Nec diabolo jam animalia immolent, sed ad laudem Dei in
esum suum animalia occidant, et donatori ornnium de satietate sua
gratias referant, ut dum eis aliqua exterius gaudia reservantur, ad
interiora gaudia consentire facilius valeant. Nam duris mentibus si-
mul omnia abscidere impossibile esse non dubium est, quia is qui
locum summum ascendere nititur, necesse est, ut gradibus vel pas-
sibus, non autem saltibus elevetur. Sic Israelitico populo in Egypto
Dominus se quidem innotuit; sed tarnen eis sacrificiorum usus, quos
diabolo solebant exbibere, in cultu proprio reservavit, ut eis in
sacrificio suo animalia immolare praeciperet; quatenus, cor mutu-
antes aliud de sacrificio amitterent, aliud retinuerent, ut etsi ipsa
essent animalia, quae offerre consueverant, verumtamen Deo haec et
non idolis immolantes, jam sacrificia ipsa non essent. Haec igitur
dilectionem tuam praedicto fratri necesse estdicere, ut ipse, in prae-
senti illic positus, perpendat qualiter omnia debeat dispensare“ J ).
13*
1 ) Ep. I.XXVI. Migne op. Gregom III, p, 1215.
196
Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
Solche Aufträge gab somit der grosse Kirchenlehrer dem Bischof
Augustinus, damit die Angelsachsen für die neue Lehre leichter
gewonnen würden. Die alten Cultusstätten sollen beibehalfen, aber
Heiligen geweiht werden. Die altherkömmlichen Opfermahle sollen
zu Ehren der Heiligen begangen werden. So traten Heilige in Sitten
und Bräuchen an die Stelle der alten Götter, wie schon Theodo-
retus von Alexandrien (-{-458) bemerkt hatte: „Unser Herr Gott
hat seine Märtyrer an die Stelle unserer Götter gesetzt, die er den
Geschäften dieser nachgehen hiess“. Die Bekehrer forschten, um die
Götter desto leichter durch Heilige in den Augen des Volkes zu ver
drängen, sorgsam nach Analogien zwischen beiden und setzten den
Heiligen, der Ähnlichkeiten mit dem Gotte hatte, an die Stelle des
letzteren. So wissen wir bestimmt, dass der heil. Bonifaz und andere
Missionäre die alten Heiligthümer Wuotan’s dem heil. Michael*)
oder Martin 3 ) weihten. An die Stelle des Donar tratPetrus 3 ), wäh
rend Maria, „die hohe Frau“ an die Stätte Frouwa's ’►), Hulda’s und
Berhta’s gesetzt wurde. Katharina 5 ) vertrat die Sunna. Den drei
Nonnen wurden die drei heiligen Schwestern 6 ) substituirt. Dass
man bei der Verchristlichung des Minnetrinkens in ähnlicher Weise
vorging, die heidnische Sitte fortleben liess, an die Stelle des
Gottes aber einen Heiligen setzte, dafür haben wir ein schlagendes
Zeugniss aus dem Norden, auf das schon Grimm hingewiesen hat 7 ).
Von Olaf Tryggweson erzählt nämlich Oddo monachus in dessen
Leben, c. 24: „ex Eoo mari veniens Olaus ad insulam Norvigiae
Mostur nominatam adplicuit . hic noctu innotuit ipsi sanctus Martinus
episcopüs dicens illi: moris in bis terris esse solet, cum convivia
celebrentur, in memoriam Thoreri, Odini et aliorum asarum scyphos
evacuare . hunc ut mutes volo atque ut in mei memoriam in poste-
rum bibatur, tua cura efficias . vetus autem illa consuetudo ut depo-
*) W o 1 fs Beiträge I, 32. S imrock, 276.
2 ) W o I f’s Beitr. I, 38. Simrock, Myth. 275. Quitzmann, 37.
3) Wolfs Beitr. I, 81.
4 ) Grimm's Myth. 248. Wolfs Beitr. I, 148.
5 ) Mannhart’s Götterwelt, 314. Pfeiffer’s Germania VI, 214. Ostergabe des
Meraner Lesevereins 1860, p. 13 b.
6 ) Simrock’s Myth. 382 ff. Quitzmann, 155. Tiroler Sagen, p. 21.
7) Myth. 53.
Johannissegen und Gertrudenminne.
197
natur conveniens est“ *). Dort ward seitdem Martin zu Ehren die
Minne getrunken, die bisher den Göttern gegolten hatte. Aber auch
in Deutschland ward der Minnetrank Heiligen anstatt den Göttern
geleert. Schon Karl der Grosse schritt gegen die Minne des heil.
Stephan ein, der an Fros (Freys) Stelle getreten war 2). Wir sind
desshalb vollkommen zur Annahme berechtigt, dass auch dem Johan
nissegen ein alter Minnetrunk zu Grunde liege und dass dabei der
Apostel an die Stelle eines alten Gottes getreten sei. Es fragt sich
nun, welchen Gott der Evangelist vertrete. Um zu einem sicheren
Resultate zu gelangen, müssen wir uns zunächst die Vorstellung des
Volkes von Johannes vergegenwärtigen und dann unter den ajfen
Göttern Umschau halten, ob keiner derselben Analogien dazu biete.
Johannes der Evangelist gilt unter den zwölf Aposteln als der
schönste, liebenswürdigste, freundlichste. Er wird im Abendlande
immer als blühender Jüngling, sitzend dargestellt. Bart und Waffen
fehlen ihm. Seine Tunica ist grasgrün, sein Mantel roth. Als Attri
but führt er den Kelch. Er heisst seit uralter Zeit der Jünger der
Liebe und des Friedens. Seine letzten Worte sollen gewesen sein:
„Kindlein liebet euch!“ Er ist Verfasser der Apokalypse und gilt als
solcher als der Prophet des neuen Bundes, als der Seher der
Zukunft. Sein Fest wird am 27. December, drei Tage nach der
Wintersonnenwende gefeiert. An diesem Tage wird vorzüglich die
Johannisminne geweiht und getrunken. Aus den an ihm haftenden
Glauben geht hervor, dass man den Apostel als Spender des Segens
und der Fruchtbarkeit, als Beschützer der Ehen ansehe und ver
ehre. Durch den ihm geweihten Trank glaubten Männer Stärke,
Frauen Schönheit, Reisende Glück zu erhalten. — Bei den zwei
obersten Göttern Wuotan und Donar forschen wir vergebens nach
Ähnlichkeit. Sie sind vorzüglich als Götter des Kampfes gedacht,
reitend in glänzender Rüstung. Als der dritte Gott, durch Macht,
Ruhm und Verehrung ausgezeichnet, begegnet uns in der altnor
dischen Götterwelt Freyr, dessen Name in deutscher Sprache Frö
A ) Keissler, Antiquit. septentrion. et celtic., p. 3ö8; vgl. histor. Olavi Tryggwii
filii ex vet. serm. lat. reddit. I, 303. Wolf, Beitr. I, 44. K. Maurer, Bekeh
rung des no/weg. Stammes II, 285.
a ) Omnino prohibendum est omnibus ebrielatis malum et istas conjurationes , quas
faciunt per S. Stefanum aut per nos aut per filios nostros prohibemus. Schan-
n a t, Conc. Germ. 1. p. 286, cap. 111, anni 780.
198
Dr. Ignaz V. Zingerle
lauten würde <). Freyr ist der trefflichste unter den zwölf Äsen 2 ).
Er ist der beste von allen, die über die Götterbrücke Bifröst zu
Asgard’s hoher Halle reiten. Keine Maid und keines Mannes Weib
macht er weinen und löst jedem die Bande 8 ). Wegen seiner Schön
heit heisst er der klare, der schimmernde 4 ). Er wurde jugendlich 5 )
und auf einem Stuhle sitzend dargestellt 6 ). Während andere
Götter Waffen führen, fehlt ihm das Schwert, denn er gab seine
leuchtende Waffe, welche sich von selbst gegen die Brut der Reif
riesen schwang, dem Diener Skirnir, als dieser auszog, für seinen
Herrn um die leuchtende Gerdhr zu werben 7 ). Freyr waltete über
dem Regen und Sonnenschein, wie über der Erde Ergrünen und
Wachsthum s ). Ihm kommen desshalb unter den Farben die grüne
Grimm, Myth. 190.
2 ) Der Sohn liiess Freyr und die Tochter Freyja. Sie waren schön von Antlitz und
mächtig. Freyr ist der trefflichste unter den Äsen. Gylfaginning c. 24.
3 ) Freyr er heztr
allra bnllridhn
äsa gördhum i;
mey hann ne graetir,
ne mauns konu,
ok leysir or höptum hvern. Oegisdrekka, Str. 37.
4 ) ski'rum Frey
nytum Njardhar hur. Grimnismal, St. 43.
5 ) Mannhart, Götterwelt, p. 237. *
6) Grimm, Myth. 197.
7 ) Gulli keypta
leztu Gymis döttur,
ok seldir thitt svä sverdh;
. en er jjduspells synir
ridha Myrkvidh yfir,
veizta thu thä, vesall! hve thu vegr.
Oegisdrekka, Str. 42. Im Gylfaginning c. 37 heisst es: „Da antwortete Skir
nir und sagte, er wolle die Botschaft werben, wenn ihm Freyr sein Schwert
gehe. Das war ein so gutes Schwert, dass es von seihst focht. Und Freyr liess
es ihm daran nicht mangeln und gab ihm das Schwert. — Das ist die Ursache,
warum Freyr kein Schwert hatte, als er mit Beli stritt und ihn mit einem Hirsch
horn erschlug. Da sprach Gangleri: Es ist sehr zu verwundern, dass ein solcher
Häuptling wie Freyr ist, sein Schwert hingab ohne ein gleich gutes zu behalten.
Ein erschrecklicher Schaden war ihm das, als er mit jenem Beli kämpfte und
ich glaube gewiss, dass ihn da seine Gabe gereute. Da antwortete llar: Es lag
wenig daran als er dem Beli begegnete, denn Freyr hätte ihn mit der Hand
tödten können; aber es kann geschehen, dass es dem Freyr übler dünkt sein
Schwert zu missen, wenn Muspel’s Söhne zu streiten kommen“. Simrock’s
Edda, p. 301. Vgl. G y 1 f. c. öl.
8 ) „Er herrscht über Regen und Sonnenschein und das VVachsthum der Erde. Gyl-
f a g i n n i n g c. 24.
Johanissegen und Gertrudenminne.
199
die Farbe des Grases, und die rothe, die der Blumen und Blüthen,
zu. Freyr, der strahlende Sonnengott, galt als Spender der Frucht
barkeit, der Liebe und des Friedens. „Ihn soll man anrufen um
Fruchtbarkeit und Frieden“ sagt die jung. Edda *). Adam von Bre
men, der Freyr Fricco nennt, schildert ihn auch als Gott des Frie
dens und der Liebe: „tertius est Fricco pacem voluptatemque lur-
giens mortalibus, cujus etiam simulacrum fingunt ingenti priapo“ 2 ),
Bei Opfermahlen wurde der zweite Vollbecher dem Niördr und
Freyr um ein gutes Jahr und Frieden geleert 3 ). Er wurde selbst
der Friedselige genannt. Als König Olaf Tryggweson das Bild Frey’s
in Drontheim stürzte, sagten die alten Verehrer desselben, er habe
oft mit ihnen geredet, ihnen die Z uku nft vorh erg esa gt, gute
Ernte und Frieden geschenkt. Daher schrieb man ihm auch
den Frödhfrieden zu. In seinem Tempel zu Thvera duldete der Gott
keine Watfen. Kein Mörder oder Geächteter durfte das Heiligthum
betreten 4 ). Er galt aber auch, wie wir gerade gehört, als Verkün
diger der Zukunft 5 ).
Als Gott der Liebe und Fruchtbarkeit war er der Schützer der
Eben. Ihm wurden hei Hochzeiten Opfer gebracht, ihm die Minne
geleert
Freyr hatte das beste Schiff 7 ). Als Besitzer dieses Schiffes
war er zweifelsohne Patron der Seefahrer und anderer Reisender,
denen er Frieden und Schutz spendete.
Am meisten verehrte man Freyr um die Mittwinterzeit. Der
dreiwöchentliche Jul friede, während dessen alle Fehden schweigen
9 Gylfag., c. 24.
2 ) Grimm, Myth. 193.
3 ) Maurer, Bekehrung des norweg. Stammes 1, 157, A. 15. II, 200. — Sepp
Heidenthum II, 341. — M a n nhar t, Götterwelt 240.
4 ) Man n h a r t, Götterwelt 240.
5 ) M a nnlia r t, German. Mythen, 247.
6 ) Si nuptiae celebrantur (sacrificia offerunt) Fricconi. Adam v. Bremen. Grimm,
Myth. 193.
7 ) Skidbladnir ist das beste Schiff und das künstlichste. Gewisse Zwerge, Iwakli’s
Söhne schufen Skidbladnir und gaben das Schiff dem Freyr; es ist so gross, dass
alle Äsen mit ihrem Gewaffen und Heergeräthe am Bord sein können, und so
bald die Segel aufgezogen sind, hat es Fahrwind, wohin es auch steuert. Und
will man es nicht gebrauchen, die See damit zu befahren, so ist es aus so vielen
Stücken und mit so grosser Kunst gemacht, dass man es wie ein Tuch zusam-
menfalten und in seiner Tasche tragen kann. G y I f a g i n n i n g, c. 43.
200
Dr. Ignaz V. Zingerle
mussten, leitete das grosse Fest der Wintersonnenwende, das Jul-
fest, ein. Es begann seil König Hakon des Alten Zeit in Norwegen in
der Mittwintersnacht und dauerte drei Nächte, somit vom 2S. bis
27. December Auf das feierliche Opfer im Tempel vor Freys
Bild folgte am Abend ein grosses Gastgebot, wobei allerlei Spiele
ausgeführt und das ausgedehntesle Gastrecht geübt wurde. Sogar
den Vögeln des Himmels setzte man eine Garbe mitleidig vor die
Thüre 2 ). Zum Nachtmahl trugen die Diener den dem Freyr und der
Freyja geweihten Sühneber (sönargaltr) auf den Tisch und man
legte darauf das Gelübde ab, im beginnenden Jahre grosse und
kühne Tliaten zu thun. So liess König Heidhreckr einen Eber auf-
ziehen, so gross wie man nur einen finden konnte und so schön, dass
jedes Haar desselben von Gold zu sein schien. Diesen brachte man
am Julabende in die Halle vor den König. Dieser legte die eine
Hand auf sein Haupt, die andere auf die Borsten seines Rückens und
gelobte ein Abenteuer, die Mannen folgten dem Beispiele des Königs
nach. Am Julabend führte man den Sühneber vor, ein jeder Mann
legte die Hände auf ihn und schwor. Noch jetzt wird in Ostergoth-
land am Julabend ein mit einer Schweinshaut überzogener Block
(jülbucken) auf den Tisch gesetzt. Der Hausvater tritt heran und
schwört, in dem nun beginnenden Jahre ein treuer Hausvater und
liebevoller Herr gegen seine Dienstleute sein zu wollen. Dann legen
die Hausfrau und das Gesinde ebenfalls das Gelübde treuer Pflicht
erfüllung ab. — An anderen Orten aber backt man Kuchen von
Roggen oder Weizenmehl in Ebergestalt. Dieser gebackene Juleber
wird gegen 12 Uhr Abends in die Stube getragen, nachdem dem
Vieh etwas Brot, Bier und Salz gespendet ist. Der schwedische
Bauer bewahrt ihn bis zum Frühjahre auf, um bei der Aussaat Stücke
davon in das Saatgefäss zu legen, andere, den pflügenden Pferden
unter den Hafer zu mischen, das übrige dem säenden Knechte vor
zusetzen; auch die Hüterjungen empfangen einen Antheil, wenn sie
die Kühe zum ersten Male heimtreiben. Von dem allen hofft man
gesegnete Ernte und reichlichen Milcherlrag s ). — Nachdem in
1 ) K. Maurer, Einführung I, 159; II, 425.
2 ) In einigen Gegenden Süddeutschlands streut inan noch in dieser Nacht Getreide
für die Vögel auf’s Hausdach.
3 ) M a n n h a r t, Götterwelt 240.
Johannissegen und Gertrudenminne.
201
Norwegen das Christenthum eingeführt war, wurden zur Zeit des
Julfestes dennoch festliche Gelage angeordnet und gehalten. So
enthält das Gulathingsslag, §. 7 die Bestimmung *): „Eine Bierbe
reitung haben wir noch geheissen zu machen dem Bauern und der
Hausfrau zu gleichen Theilen und das zu weihen die heilige Nacht
(d. h. den 25. December) zu Christs Ehren und der Sancta Maria,
für gutes Jahr und für Frieden (til ars ok til fridhar) 2 ). Wenn aber
nicht so geschieht, so soll man dafür büssen mit 3 Mark an den
Bischof“ etc.
Vergleicht man das früher über St. Johannes Mitgetheilte mit
dem eben Gesagten, so ergibt sich eine Reihe von Analogien.
Johannes ist der freundlichste und schönste unter den Aposteln,
Freyr unter den 12 Äsen. Beide werden jung, waffenlos und sitzend
dargestellt. Beiden kommen dieselben Farben zu. Johannes führt
den Becher als Attribut, vermuthlich hatte auch Freyr, dem zu Ehren
die grössten Biergelage stattfanden, dessen Minne getrunken wurde,
der mit einem Horn den Beli erschlug, ein Trinkhorn als Zeichen.
Johannes ist der Jünger der Liebe, Freyr der Gott der Liebe und
des Friedens. Die Feste beider fallen zusammen. Zu Freyr's Ehren
trank man den Vollbecher um ein gutes Jahr’ und Frieden, man
trinkt Johannissegen , damit ein fruchtbarer Sommer werde. Bei
Trauungen trinkt man Johannisminne, bei Hochzeiten opferte man
dem Freyr. Beide spenden Eheglück. Der alte Gott, wie der heil.
Evangelist sind Verkündiger der Zukunft. Freyr hatte das beste
Schilf, bei ihm gelobte man auf Abenteuer auszuziehen. Vor der
Reise trank man St. Johannissegen um Glück zu haben, man trank
ihn, bevor man ein Abenteuer bestand 3 ). Wir haben hier schon so
viele und so auffallende Ähnlichkeiten zwischen dem alten Gotte
und dem Apostel, dass wir annehmen müssen, der Lieblingsjünger
sei von den Glaubenspredigern dem Freyr substituirt worden. Diese
Annahme wird aber durch noch zwei Stücke bekräftigt. In der jün
geren Edda heisst es: „Freyr herrscht über Regen und Sonnen
schein“ 4 ). Von den Kleidern des heil. Johannes liest man: „Sie
*) Vgl. Maurer, Eint 1, 159; II, 427.
2 ) Dies stimmt wörtlich zur jung. Edda: „und ihn (Freyr) soll man anrufen , um
Fruchtbarkeit und Frieden“. G y 1 fa g i n n i n g, c. 24.
3 ) Erec 8650. Dietriches erste Ausfahrt, Str. 43 und 44.
4 ) G y 1 f a g i n n i n g, c. 24.
202
Dr. Ignaz V. Zingerle
glänzen bis heutzutage reich an Wundern. Werden sie zur Zeit der
Trockenheit im Freien ausgeklopft, so bringen sie Regen, bei Regen
güssen führen sie den heiteren Himmel zurück" <). Wie Freyr
Regen und Sonnenschein gewährt, so spenden dies hier die Kleider
des Apostels. Einen merkwürdigen Beleg aber, dass der Name
Johannes mit Freyr auch sonst in Beziehung stehe, gibt uns eines
der schönsten und ältesten deutschen Märchen, das vom treuen
Johannes a ). Schon J. W. Wolf bat gezeigt, dass darin ein Freyr-
Mytlius liege 3 ). Es erzählt: Ein alter todtkranker König riefseinen
liebsten Diener, den getreuen Johannes zu sieb und empfahl ihm
seinen Sohn. „Nach meinem Tode“ sprach er, „sollst du ihm das
ganze Schloss zeigen, aber die letzte Kammer sollst du ihm nicht
weisen, denn in ihr stellt das Bild der Königstochter vom goldenen
Dache verborgen. Wenn er dies erblickt, wird er eine heftige
Leidenschaft zu ihr empfinden und ihretwegen in grosse Gefahren
gerathen“. Der treue Diener versprach den Wunsch seines Herrn
zu erfüllen. Nach dem Tode des Vaters nahm der Prinz von der
reichen Burg Besitz und ward vom treuen Johann darin herumge
führt, er merkte aber bald, dass der Diener immer an einer Thüre
vorüberging. Von Neugierde ergriffen, was in diesem Zimmer sei,
zwang er den Johannes, dasselbe zu öffnen. Da erblickte er das
Bildniss der Jungfrau, das gar herrlich war und von Gold und Edel
steinen glänzte. Er fiel vor Liebe ohnmächtig zur Erde nieder und
als er wieder zu Sinnen kam, sprach er: „Meine Liebe zu ihr ist
sogross, wenn alle Blätter an den Bäumen Zungen wären, sie
könntens nicht aussagen. Mein Leben setze ich daran sie zu erlangen.
Du bist mein treuer Johannes, du musst mir beistehen“. Der Diener
besann sich lange, wie die Sache anzufangen wäre, denn es hielt
schwer, nur vor das Angesicht der Königstochter zu kommen. End
lich sprach er zum Könige: „Alles was sie um sich hat ist von
Gold, Tische, Stühle und alles Hausgeräth. In deinem Schatze liegen
fünf Tonnen Goldes, lass eine von den Goldschmieden des Reiches
verarbeiten zu allerhand Gefässen und Gerätschaften, zu allerhand
Vögeln, Gewild und wunderbaren Thieren, das wird ihr gefallen,
*) Bagatta admiranda orbis christiani I, 177.
2 ) Grimm, Märchen I, 30.
3 ) Beiträge I, 23 und 103.
Johannissegen und Gertrudenininne.
203
wir wollen damit hinfahren und unser Glück versuchen.“ Der König
liess alle Goldschmiede herbeikommen, die mussten Tag und Nacht
arbeiten, bis endlich die herrlichsten Dinge fertig waren. Als alles
auf ein Schiff geladen war, zogen der König und sein treuer Diener
Kaufmannskleider an, um sich ganz unkenntlich zu machen '). Dann
fuhren sie über das Meer zur Stadt, worin die Königstochter vom
goldenen Dache wohnte. Der treue Johannes suchte sich nun aller
lei von den Goldsachen zusammen, stieg an's Land und ging gerade
nach dem königlichen Schlosse. — Als er in den Schlosshof kam,
stand da beim Brunnen ein schönes Mädchen, das batte zwei gol
dene Eimer in der Hand und schöpfte damit. Und als es das blin
kende Wasser forttragen wollte, sah es den fremden Mann und
fragte, wer er wäre. Da antwortete er: ich bin ein Kaufmann und
öffnete sein Scbürzchen und liess sie hineinschauen. Da rief sie:
„ei, was für schönes Goldzeug!“ und sprach: „Das muss die Königs
tochter sehen, die hat so grosse Freude an den Goldsachen, dass
sie euch alles abkauft“. Es nahm ihn bei der Hand und führte ihn
hinauf, denn es war die Kammerjungfer. Als die Königstochter die
Waare sah, war sie ganz vergnügt und sprach: „Es ist so schön
gearbeitet, dass ich dir alles abkaufen will“. Aber Johannes be
merkte darauf: „ich bin nur der Diener von einem reichen Kauf
mann: was ich hier habe ist nichts gegen das, was mein Herr auf
seinem Schilfe stehen hat“. Da wurde sie immer neugieriger, dass
sie endlich sagte: „führe mich hin zu dem Schilfe, ich will selbst
hingehen und deines Herrn Schätze betrachten“. Da führte sie der
getreue Johannes zu dem Schilfe hin und war ganz freudig, und der
König, als er sie erblickte, sah, dass ihre Schönheit noch grösser
war, als das Bild sie dargestellt hatte und meinte nicht anders als
das Herz wolle ihm zerspringen. Nun stieg sie in das Schilf und
betrachtete all die Schätze. Indessen aber flog das Schilf davon, wie
ein Vogel in der Luft. Nachdem sie alles betrachtet hatte, wollte
sie heim. Als sie aber an des Schilfes Band kam, sah sie, dass es
fern vom Lande auf hohem Meere ging und mit vollen Segeln fort
eilte. „Ach!“ rief sie erschrocken, „ich bin betrogen und in die
Gewalt eines Kaufmannes gerathen; lieber wollte ich sterben“. Der
*) Ein alter Zug-, der uns auch sonst begegnet. G u d run, Str. 290 fT. Oswaldle
gende ed. E 11 m ü 11 e r, 201ö 11'.
204
Di*. Ignaz V. Zingerle
König aber fasste sie bei der Hand und sprach: „ein Kaufmann hin
ich nicht, ich bin ein König und nicht geringer an Geburt als du
bist: aber dass ich dich mit List entführt habe, das ist aus über
grosser Liebe geschehen. Das erste Mal, als ich dein Bildniss
gesellen habe, bin ich ohnmächtig zur Erde gefallen“. Als die
Königstochter dies hörte, ward ihr Herz ihm geneigt, so dass sie
gerne einwilligte seine Gemahlinn zu werden. Das Märchen — spinnt
sich noch weiter fort und erzählt uns von der bewundernswerten
Treue und Opferwilligkeit des Johannes gegen seinen Herrn. Zu
unserem Zwecke genügt der angeführte Theil, denn dieser erinnert
uns lebhaft an die Mythe von Freyr und Gerdhr, die uns in Skirnis-
mäl *) der älteren Edda und im Gylfaginning, c. 37 erhalten ist.
Ich theile sie mit s ): „Gymir hiess ein Mann und seine Frau Oer-
boda; sie war Bergriesengeschlechts. Deren Tochter ist Gerda,
die schönste aller Frauen. Eines Tages war Freyr auf Hlidskialf s )
gegangen und sah auf alle Welten. Als er nach Norden blickte,
sah er in einem Gehege ein grosses und schönes Haus. Zu diesem
Hause ging ein Mädchen, und als sie die Hände erhob um die Thüre
zu öffnen, da leuchteten von ihren Händen Luft und Wasser und alle
Welten strahlten von ihr wieder. Und so rächte sich seine Ver
messenheit an ihm, sich an diese heilige Stätte zu setzen, dass er
harmvoll hinwegging. Und als er heimkam, sprach er nicht, auch
mochte er weder schlafen noch trinken und Niemand wagte es, das
Wort an ihn zu richten. Da liess Niörd den Skirnir, Freys Diener,
zu sich rufen und bat ihn, zu Freyr zu gehen, mit ihm zu reden und
zu fragen, warum er so zornig sei, dass er mit Niemand reden wolle.
Skirnir sagte er wolle gehen, aber ungern, denn er versehe sich
übler Antwort von ihm. Und als er zu Freyr kam, fragte er, warum
Freyr so finster sei und mit Niemand rede. I)a antwortete Freyr
und sagte, er habe ein schönes Weib gesehen und um ihretwillen
sei er so harmvoll, dass er nicht länger leben möge, wenn er sie
nicht haben solle. „Und nun sollst du fahren und für mich um sie
bitten und sie mit dir heimführen, ob ihr Vater wolle oder nicht und
will dir das wohl lohnen.“ Da antwortete Skirnir und sagte, er
A ) Edda v. M ö h i n s, p. 71.
2 ) Nach S i m r o c k’s Übersetzung-. Edda, p. 33 und 301.
3 ) 0 d h i n’s Hochsitz. S. Grimm, Myth., p. 124.
Johannissegen und Gertrudenminne. 205
wolle die Botschaft werben, wenn ihm Freyr sein Schwert gebe.
Das war ein so gutes Schwert, dass es von selbst focht. Und Freyr
liess es ihm daran nicht mangeln und gab ihm das Schwert und
auch sein rasches Ross. Skirnir fuhr gen Jötunheim zu Gymir’s
Wohnung. Da waren wüthige Hunde an die Thüre des hölzernen
Zaunes gebunden, der Gerda’s Saal umschloss. Er ritt dahin, wo der
Viehbirt am Hügel sass und fragte ihn, wie er mit der schönen Maid
sprechen könne. Der Hirt mahnt ihn vom Beginnen ab. Gerda hatte
aber den Hufschlag vernommen und fragt ihre Magd, welch’ Getöse
dies sei? Diese antwortet:
Ein Mann ist hier aussen von der Mähre gestiegen
Und lässt sie im Grase grasen.
Gerda befiehlt ihn einzuladen in den Saal zu treten und milden
Meth zu trinken. Er folgt der Einladung und bietet Gerda eilf all
goldene Äpfel an, ihre Liebe für Freyr zu kaufen »). Sie will aber
von Mannes Minne nichts wissen und schlägt die Äpfel aus. Da
bietet er ihr den wunderbaren Ring Draupnir an 2 ), allein auch
diesen lehnt sie ab. Nun droht er ihr, mit dem Schwerte das Leben
zu nehmen, und erhebt dann eine Beschwörung, in Folge deren
Gerda ihren Sinn wandelt. Sie spricht zu Skirnir:
Heil sei dir vielmehr, Held, und nimm den Eiskelch
Firnen Metlies voll.
Ahnte mir doch nie, dass ich einen würde
Vom Stamme der Wanen wählen
und dann sagt sie zu, nach neun Nächten im stillen Walde Barri,
dem Freyr der Minne Freude zu gönnen.
1) Epli ellifu
her hefi ek algullin,
thau mun ek ther, Gerdhr! gefa,
fridh at kaupa,
at thü ther Frey kvedhir
oleidhastan Ufa. Skirnisma'I, Str. 19.
, %
2 ) Bang ek ther tha gef,
thann er hrendr var
medh ungum (5dhins syni;
atta eru jafnhöfgir,
er af drjupja
ena niuudu hverja ndtt. Str. 21.
206
Dr. Ignaz V. Z i n g e r I e
Das Märchen und die Mythe haben so viele verwandte Züge,
dass Wolf mit Recht in jenem die verblasste Göttersage wieder
erkennt ‘). Der Königssohn tritt in's verbotene Zimmer und sieht
dort das Bild der sehönheitstrahlenden Prinzess. Freyr besteigt den
ihm versagten Hochsitz des Odhin und erblickt von dort die schim
mernde Gerda. Beide entbrennen in verzehrender Liebe, beiden
steht ein treuer Diener tröstend und helfend zur Seite. Johannes
bemerkt, dass alles, was die Königstochter um sich habe, von Gold
sei. Dies klingt wie eine Übersetzung der Worte Freys:
Ihre Arme leuchteten und Luft und Meer
Schimmerten von dem Scheine 2 ).
Im Märchen geht der treue Johannes in die Königsburg, in
der Mythe der treue Skirnir zum Riesenhause. Johannes trifft ein
Mädchen am Brunnen, das ihn zur Königstochter führt, den Skirmir
meldet eine Magd der Gerda an. Johannes zeigt der Königstochter
die kunstreichen Goldsaehen, Skirnir der Riesentochter die eilf
Goldäpfel und den kostbaren Ring Draupnir. Die Prinzess sagt, sie
wolle lieber sterben als eines Kaufmanns Gemahlinn werden. Gerda
spricht:
Noch mag ich und Freyr, so lange wir athmen beide,
Ie zusammen sein 3 ).
Als der entführten Prinzess der König sich zu erkennen gibt,
wird sie ihm geneigt; als Skirnir den göttlichen Zauber spricht,
wandelt sich Gerda’s Sinn und sie verspricht dem Freyr Minne.
— Der analogen Züge gibt es hier so viele, dass sich die Ver
wandtschaft zwischen beiden nicht leugnen lässt. Aber, könnte man
einwenden, im Märchen vertritt Johannes den Skirnir und nicht
Freyr. Allein das genügt uns, der Name des Heiligen, der an Freys
Stelle getreten ist, kommt darin vor. Es findet sich dies ja auch
sonst, dass sich der alte Name erhalten hat, aber nicht mehr an der
eigentlichen Person haftet. Der Name ist vom Herrn auf den Diener
herabgerückt worden, wie wir einen ähnlichen Fall am Knechte
Ruprecht haben. Nikolaus vertritt den umwandelnden, segenspen-
x ) Beiträge I, 103.
2 ) Skirnismalj Str. 6.
3 ) Ebend., Str. 20.
Johannissegen und Gertrudenminne.
207
denden Odhin, aber nicht er führt den alten Beinamen des höchsten
Gottes i), sondern der ihn begleitende Diener 2 ). Das bei späteren
Überarbeitungen alter Mythen die Namen verschoben worden sind,
zeigt uns auch die prosaische Oswaldlegende im Leben der Heiligen.
Hier führt nicht der heil. Oswald, der die Stelle Wuotan’s vertritt,
den Namen Guodan, sondern eine Nebenperson s ). In ähnlicher
Weise ist auch der Name Johannes in der als Märchen fortlebenden
Mythe herabgedrückt worden.
Aus dem bisher Beigebrachten ergibt sich, dass im deutschen
Volksglauben und Volksbrauche Johannes der Evangelist an die
Stelle des Freyr (Fro) getreten, dass der Johannissegen aus der
Freysminne entstanden ist, dass die vom 2o. — 27. December
üblichen Gebräuche grösstentlieils Reste des Freyscultus sind 4 ).
Diesem Sonnengotte, dessen Symbol das Rad war, wurden die
Weihnachts- und Johannisfeuer angeziindet und die Scheiben
geschlagen 5 ). Allein nicht nur zur Wintersonnenwende wurde
Freys Fest gefeiert, auch die Sommersonnenwende, wenn der Stand
der Sonne sich wieder neigt, ward ihm geheiligt. Daraus erklärt
sich, dass am Feste Johann des Täufers auch Minne getrunken
wurde, damit ein warmer und fruchtbarer Sommer folge °), und dass
an diesem Tage das Versöhnungsfest 7 ) begangen wird. Daher
rühren die Johannisfeuer 8 ), die auch an diesem Tage jetzt noch
1 ) „Hruodperaht“, d. i. der Ruhmglänzende.
3 ) Vgl. Kuhn in H a u p t’s Zeitschrift V, 482. M enzel's „Odhin“ 92. — S i m-
r o c k, Myth. 276. Grim m, Myth. 472 und 889. W e i n h o 1 d, Weihnachts
spiele, p. 8.
3 J Meine Schrift: „Die Oswaldlegende“, p. 96.
4 ) Auch Stephan war an Freys Stelle getreten und die an seinem Feste haftenden
Sitten sind auf den Gott des Friedens und der Fruchtbarkeit zu beziehen*
Wolf, Beit. I, 117; II, 92 1F. Q u i t z m a n n, 91. Die von Karl dem Grossen
verbotene Stephansminne hatte auch dem Freyr ursprünglich gegolten. Q u i t z-
m a n n, 2ö0.
5 ) Wolf, Beit. I, 120.
6 ) Panzer II, 239. Birlinger bemerkt: Was den Minnetrunk anbelangt, wie
man in Rottenburg bis auf unsere Zeit herein zu thun pflegte, so darf man nicht
vergessen, dass das Minnetrinken sowohl zu Ehren des Johannes Evang., wie zu
Ehren des Täufers geschah ; beide wurden zusammen genommen, wie bei kirch
lichen Stiftungen. II, 102.
7 ) Birlinger II, 110.
s ) B i r 1 i n g e r II, 96—108. P a n z e r I, 214 ff.; II, 239. Tiroler Sitten, Nr. 77o bis
777. M o n t a n ii s, 33. K u h n, Norddeutsche Sagen, p. 390. W o I f, Zeitschrift
208
Di*. Ignaz V. Z i n ge rl e
von den Hügeln leuchten, und die Sitte, brennende Räder von den
Höhen zu rollen *).
Auf Freyr, den Gott der Liebe und Fruchtbarkeit, weist die
Sitte, dass die Ledigen und Kinder je paarweise (ein Knabe und
ein Mädchen) über das Johannisfeuer springen und dabei rufen:
Saut Johannes Segen,
Lass meiner Mutter und deiner Mutter
’s Werg drei Ellen hoch werden 3 ).
Das Rad ist Symbol der Sonne 3 ) und kann nur Freyr gelten,
der die Sonne scheinen lässt und über die Fruchtbarkeit der Erde
herrscht. Auf Freyr sind auch die an diesem Tage üblichen Liebes-
orakel 4 ), dasSchmüeken der Häuser 5 ) und des Viehs mitKränzen 6 )
und Maien, so wie andere Gebräuche zu beziehen. Eben so deuten
die Nussbaumzweige 7 ) beim Johannisfeuer und an den Häusern auf
unsern Gott, denn die Nuss ist ein uraltes Symbol der Fruchtbar
keit s ). Die Kohle, vom Johannisfeuer genommen 9 ), schützt gegen
unzählige Übel, wie die geweihte Johannisminne. Werdas Feuer
umtanzt oder übersprungen hatte, der blieb das Jahr hindurch von
III, 31. Vernaleken, Alpensagen, p. 372. Vernaleken, Mythen, p. 307.
Meier, Schwab. Sagen, p. 423. Bavaria I, 373. Grimm, Myth. 586 ft’. N o r k,
Festkalender 409.
*) Meier, Schwab. Sagen, p. 424.
2 ) Birlinger II, 104, 105. Meier, Schwab. Sagen, p. 423. Panzer I, 214 —
216. Bavaria I, 374.
3 ) Gr im m, Myth. 578, Kuhn, Herabkunft des Feuers, 48 ff. Mannhart, Göt
ter weit, p. 104.
4 ) Kuhn, Westphäl. II, 176. N o r k, Festkalender 419.
ö ) N ork, Festkalender 433. Kuh n, Westphäl. Sagen II, 173. K u h n, Norddeutsche
Sagen, p. 391. Einen interessanten Beleg gibt Schmitz: Die Kinder machten
am Johannistage Kränze und Sträusse von „Johannisblurnen und Jungfrauflachs“
und warfen selbe auf die Dächer. Einige Zeit hierauf, wenn die wilden Stachel
beeren zeitig waren, sammelten sich an einem Sonntagsnachmitlage alle Kinder
um ein altes Mütterchen, nahmen die jetzt welken Kränze und Sträusse und
zogen betend aus dem Orte. Die Kränze wurden nun auf einen Haufen gelegt und
angeziindet und hierauf liefen die Kinder mit den noch brennenden Sträussen an
die wilden Stachelbeerhecken und beräucherten dieselben. Von nun an durften sie
wilde Stachelbeeren essen. Eitler Sitten, p. 42.
6 ) Schmitz, Eitler Sitten, p. 42. Kuhn, Norddeutsche Sagen, p. 393.
7 ) Kuhn, Westphäl. Sagen II, 173. Grimm, Myth. 588.
8 ) W o 1 t’s Zeitschrift III, 95. Quitzman n, 90.
9 ) Kuhn, Westphäl. Sagen II, 173. Grimm, Myth. 588.
Johannissegen und Gertrudenminne.
209
vielen Übeln, namentlich vom Sonnenstiche und von Augenschmerzen
befreit !). Vieh, das man durchsprengte oder über die Brandstelle
führte, wurde vor Behexung geschützt und geheilt, und die Asche des
verglimmten Feuers vermehrte die Fruchtbarkeit des Bodens und
übte grosse Heilkraft in vielen Dingen 3 ). Noch hat sich in manchen
Gegenden die Überlieferung bewahrt, dass man das Johannisfeuer
nur durch Reibung von trockenem Holze, und zwar von Tannen- und
Eichenholz erzeugen müsse 3 ), wie dies bei dem Notfeuer üblich
war 4 ). Das Johannisfeuer und dessen Brände haben ganz dieselben
schützenden und fördernden Eigenschaften, wie die Johannisminne.
Aus allem ergibt sich, dass sowohl Johannes der Evangelist als der
Täufer dem Freyr substituirt worden sind. Beide Johannisfeste
waren ursprünglich Feste des alten Sonnengottes. Dass der 24. Juni
mit seinen Tänzen und Feuern heidnischen Ursprunges ist, geht
schon aus den Predigten der frühesten deutschen Bischöfe hervor,
welche gegen dasselbe als heidnischen Unfug und Teufelsspuck
eiferten. Der heil. Eligius mahnt schon im VII. Jahrhundert die
Deutschen davon ab, dass sie an dem Johannisfeste die Sonnewend
lieder oder andere teuflische Gesänge (choraulas vel cantica diabo-
lica) und Tanz und Sprünge üben, und Burchard von Worms wieder
holte dies Verbot in seinem Beichtspiegel im Jahre 1024 5 ).
A ) Monta n u s, 33. Vernaleke n, Mythen, p. 308, N o r k, Festkalender 410.
2 ) Montan u s, 33. Vernaleke n, Mythen, p. 309. Bavaria I, 373.
3 ) Mont a n u s, 33.
4) Vgl. Grimm, Myth. 370. Wolf, Beitr. I, 116; II, 3S1. Seifart II, 133.
Kuhn, Herabkunft des Feuers, 44.
6 ) Montanus, 33. Dazu vergleiche man eine von Kemble (die Sachsen 1,
296) aus einer Harle y’schen Handschrift über den Johannisabend angeführte
Stelle: Ejus venerandarn nativitatem cum gaudio celebrabitis ; non illo cum gau-
dio, quo stillti, vani et prophani amatores mundi hujus, accensis ignibus per
plateas , turpibus et illicitis ludibus, come.ssationibns et ebrietatibus, cubilibus
et impudicitiis intendentes illam celebrare solent: Dicamus de tripudiis , quae in
vigilia sancti Johannis fieri solent, quorum tria genera. ln vigilia enim beati
Johannis colligunt pueri in quibusdam regionibus ossa et quaedam alia immunda,
et insimul cremant et exinde producitur fumus in aere. Faciunt enim brandas
et circuunt arva cum brandis. Tertium de rota, quam faciunt volvi: quod cum
immunda cremant, hoc habent ex gentilibus. — Und da das Johannisfeuer mit
dem Nothfeuer zusammenfällt (Kuhn, Westphäl. Sagen II, 138), so bezieht
sich auch die Stelle: 13 de igne fricato , de ligno id est Nodfyr im indiculus
superstitionnm et paganiarum, auf das Sunnwendfeuer und bezeichnet es als heid
nische Sitte. Bonifacii opera ed. Migne, p. 809.
Sitzb. d. phiI.-hist. CI. XL. Bd. II. Hft. 14
210
Dr. Ignaz V. Z ingerle
Wenn wir in Johannes dem Täufer, der als Attribut die Trink
schale hat, wie Johannes Ev. den Kelch bei sich führt, einen Vertreter
Freys, des Gottes der Fruchtbarkeit, sehen, erklärt sich auch die
Beziehung des Heiligen zu den Nüssen, diesen Symbolen der Fülle
und des Lebens, worauf manche Volksglauben anspielen: Wenn’s
am Johannistag Mittags regnet, dann gibt’s keine Haselnüsse t). Am
Johannistage Mittags zwischen 11 und 1 Uhr öffnet sich die Buch
nüsse, regnet’s dann hinein, so gerätlx die Buchmast nicht, ist gut
Wetter, so wird die Mast gut; nachher schliessen sich die Nüsse
wieder 8 ). Wenn’s am Johannistage nicht regnet, so gerathen die
Nüsse gut s ). Wenn's am Johannistage regnet, werden die Nüsse
wurmig und viele Mädchen schwanger 4 ). Eine Doppelnuss heisst
in England St. John’s nut 5 ). Das Verhältnis Johann des Täufers
zu Freyr verbreitet auch Licht über die Blumen und Kräuter, die
nach Johannes benannt sind, und über die Aberglauben, die sich
daran knüpfen. Es ist nicht zu gewagt, anzunehmen, dass diese
Pflanzen einst unserm alten Gotte geweiht waren und nach Einfüh
rung des Christenthums den Namen wechseln mussten. Nur durch
diese Annahme gewinnen die Anschauungen, die das Volk von ihnen
hegt, Sinn und Bedeutung. Da begegnet uns zunächst das allbe
kannte Johanniskraut (hypericum perforatum). Dies Kraut ist gut
wider die Hexen und jeden Zauber und darf dessbalb bei der
Kräuterweihe am IS. August nicht fehlen °). In der Johannisnacht
sammelt man Johanniskraut, das man gegen Hexerei aufhängt 7 ). In
Niederbaiern steckt man es am Sonnwendtage kreuzweise in das
Eck des Fensters, denn so hilft es gegen Donnerwetter 8 ). Am
Niederrheine machen die Kinder Kränze davon am Johannismorgen
und werfen sie auf die Hausdächer unter besonderen Liedern. Diese
*) Kuhn, Westphiil. Sagen II, 175.
2 ) Kuhn, Norddeutsche Sagen, p. 393.
3) Mei er, Schwab. Sagen, p. 429. Bechstein, Mythe, Sage I, 163. Wolf,
Zeitschrift III, 104.
4 ) Leopr ec hting, Lechrain, p. 184.
5 ) Kuhn, Westphiil. Sagen II, 46 und 175. Über die Beziehung der Nüsse zur
Liebe und zum Kindersegen gibt viele Belege Mannhart in Wolfs Zeitschr.
III, 100.
«) Tiroler Sitten, Nr. 520. Wolf, Zeitschr. I, 329.
r ) Kusswurm, Eihofolke II, 103.
») Panzer II, 299.
Johannissegen und Gertrudenminne.
211
Kränze nennt man Johanniskronen. Auch alle die um das Johannis
feuer tanzten, trugen diese Johanniskrone, mit der auch hier und
dort auf dem Lande die Heiligenbilder noch geschmückt werden.
Diese Kränze wurden auch gegen Zauberei und Unholde aufbewahrt
und das Kraut wurde als wirksamer Talisman dagegen getragen 4 ).
Als ein Hauptmittel gegen Zauberei und Teufelsmacht ist die Pflanze
bei alten Botanikern auch fuga Daemonum 3 ) oder Daemonifugium
oder Teufelsfuchtel genannt und es heisst von ihr, sie widerstrebt
mit solcher Gewalt den Symptomatibus, so aus Zauberei verursacht,
dass kein anderes Gewächs noch andere Medicamente dieses Kraut
in solchem Falle übertreffen können. Man gab davon den Hexen und
Zauberern vor der Tortur ein, um die Wahrheit an den Tag zu brin
gen. Eine Arznei aus Johanniskraut und Distelsamen war unter den
Hexenverfolgern unter dem Namen Olebanum bekannt und sollte alle
Teufelsgewalt in den Gefolterten vernichten. Die gelöcherten
Blätter dieser Pflanze brachten die Sage, dass der Teufel die Heil
kräfte dieses Krautes missgönne und dass er demselben so aufsässig
sei, dass er es nächtlicher Weile mit Nadeln durchsteche *). Will
man einen weiten Weg unternehmen, so pflücke man vor Sonnen
aufgang oder vor dem Avemarialäuten Johanniskraut und lege es in
die Schuhe. Geschieht das, wird man nie müde werden 4 ). Die
gelben BUithendolden zusammengedrückt, geben einen dunkelrothen,
dem Blute ähnlichen Saft, das Alfblut 5 ) genannt, womit man man
ches Wunderliche zu Stande zu bringen vermeinte 6 ). Die Landleute
nennen es auch Johannisblut. — Aus Hildesheim berichtet S eifart:
Früher suchte man, besonders auf dem Galgenberge, am Johannis-
1 ) Montanus, 145, vgl. Schmitz, 42.
2 ) Lonicerus, Kräuterbuch 293. Braunschweiger Distillirbuch, p. 13. Nach Letz
terem umgürtete man sich damit am Johannistage und warf es auch in das
Feuer.
3 ) Mo nt an us, 145; vgl. Braunschweiger, p. 13.
4 ) Tiroler Sitten, Nr. 521.
5 ) Landleute nennen die Pflanze geradezu Alfblut. Montanus, 145. Der Name steht
auch mit Freyr in Beziehung, denn Grimnismal, Str. 5 heisst es:
Alfheim gaben dem Freyr die Götter im Anfang
der Zeiten als Zahngebinde,
und in Gyl faginning c. 17, spricht Gangleri: „So ist eine Wohnung die Alf
heim heisst. Da haust das Volk, das man Lichtalfeu nennt 4 *. Die Liehtelben
wohnen somit hei Freyr.
6 ) Montan us, 35, 145.
14*
212
Dr. Ignaz V. Zi n ge r 1 e
tage Mittags, Schlag zwölf Uhr das Joliannisblut*), welches an der
Wurzel der sogenannten Johannisblume (Habichtkraut, hieracium
pilosella) hing. Das Blut, in Federkielen aufbewahrt, war heilsam
und glückbringend; wischte man davon heimlich Jemandem etwas
an die Kleider, so hatte er Glück im Spiele auf dem Johannis
markte 2 ). Früher sammelte man es in der Johannisnacht um zwölf
Uhr. Die Blumen mussten stillschweigend ausgegraben werden. Der
Sage nach hängt das Blut an den Wurzeln der Blume, weil einst
ein auf dem Galgenberge unschuldig Hingerichteter geweissagt
habe, dass sein unschuldiges Blut sich von nun an und für alle
Zeiten auf Tag und Stunde der Hinrichtung an der Johannisblume
finden würde, weil er eben so unschuldig sterbe, wie einst Johannes 3 ).
Nicht weniger bedeutungsvoll als das genannte Johanniskraut ist im
Volksglauben der Beifuss (artemisia vulgaris) Buck., auch Sonnen
wendgürtel, St. Johannisgürtel, Johanniskraut genannt. Loni-
cerus berichtet darüber: Dies Kraut ist den gebärenden Frauen,
wie bei den Heiden Diana, sehr behilflich. Etliche heissen’s darum
Beifuss, denn wenn man zu Fuss über Feld wandert und ein solches
Kraut in den Schuhen bei sich trägt, soll es vor Müdigkeit erhalten.
Sie haben's auch in St. Johann's Nacht um's Feuer getragen, sich
damit gegürtet und gekrönt für bös Gespenst, Unglück und Krank
heit des Jahres. Nenrien’s desshalb St. Johann’s Gürtel 4 ). Im Mittel-
alter wurde dies Kraut gegen Teufelsspuck und als Zauberbraut
angewendet. Noch glauben Landleute, dass der Teufel dem nichts
anhaben könne, der dies Kraut bei sich trage. Die Wurzel, über die
Hausthüre gelegt, sichert vor dem Einschlüpfen böser Wesen und
gegen Feuersgefahr. An ihm hängt der Aberglaube, dass am St.
Johannistage unter der Wurzel des Krautes Kohlen zu finden seien,
die im rechten Zeitpuncte des Tages erhoben, zu Golde würden.
Behexte Milch und Eier werden durch einen Schlag mit dem Bei-
fussstengel entzaubert. Ein Arzt des XVI. Jahrhunderts sagt:
schneide man den Beifuss unter sich und gebe ihn einer Frauens-
*) Es ist der Saft der deutschen Cochenille coccus porphyrophora. Seifart II,
192.
2 ) Sagen aus Hildesheim II, 134.
3 ) Ebend. II, 183. Das Springgras, von dem Fr. Müller in den siebenbiirgischen
Sagen, Nr. 33 erzählt, scheint die Johannisblume zu sein.
4 ) Krautet buch, p. 243. Über diese Pflanze vgl. Grimm, Myth. 1161.
Johannissegen und Gertrudenminne.
213
person, so vertreibe er die Monatsblüte, schneide man ihn aber
über sich, so befördere er dieselbe *). — In Westpbalen nennt man
das sedum telephium (Fetthenne) Johanniskraut. Wer da wissen
will, ob er ein Mädchen, das er gerne möchte, bekommen wird,
pflanzt am Johannistage zwei solche Pflanzen neben einander.
Wachsen sie dann mit den Kronen gegen einander, so wird er sie
bekommen, weichen sie von einander, so bekommt er sie nicht.
Auf gleiche Weise erforschen dasselbe auch andere, indem sie jeder
von den beiden Pflanzen den Namen dessen geben, von dem sie es
wissen wollen 2 ). Im Volmethale'steckt man am Johannistage Johan
niskraut (sedum telephium) an die Wand und lässt von den Fami
liengliedern die Zweige anrühren. Wachsen die Zweige in die Höhe,
so bleibt Gesundheit im Hause; wachsen sie abwärts, so gibts einen
Sterbefall =). Die frischen Blätter legte man zur Heilung auf die
Wunden. Die am St. Johannismorgen ausgegrabene Wurzel hing
man an einem Faden zwischen die Schultern, um die Hämorrhoiden
zu vertreiben 4 ).
Johannisblume 5 ) heisst das Chrysanthemum. Sie dient als
Liebesorakel, denn Liebende reissen die einzelnenweissen Strahlen,
blätter der Blume mit den Worten: „er (oder sie) liebt mich —
liebt mich nicht“ ab und zählen genau, ob das letzte Blättchen mit
einem „liebt mich“ oder „liebt mich nicht“ zusammenfällt 6 ).
Göthe hat diesen -sinnigen Brauch in Faust verherrlicht. Wer
weder Tag noch Nacht Ruhe in seinem Haupte hat und allezeit
gerne bei Frauen ist, der trage diese Blume bei sich, seine Phantasie
und böser Wille wird in guten verwandelt 7 ). — „DieJohannisblume“,
sagt Pro hie 8 ) „blüht Nachts zwischen eilf und zwölf Uhr und wird
Menschen und Vieh eingegeben. Venediger haben den Samen davon
in Schuhen und machen sich dadurch unsichtbar. Ein Köhlerknabe
hatte solche Körner, da war er unsichtbar, sie sahen ihn nicht,
*) Montanus, 141.
2 ) Kuhn, Westphiilische Sagen II, p. 176.
s ) Ebendort II, p. 177.
4 ) Montan u s, 145.
5 ) Lonicerus, 222.
6 ) Menzel, Naturkunde II, 163.
7 ) Lonicerus, 222.
8 ) Unterbarzische Sacen, Nr. 327.
214
Dr. Ignaz V. Zingerle
wiewohl sie ihn hörten. Da ging der Junge in ein anderes Land und
nahm allen Kaufleuten das Geld aus den Laden.“ Hier ist damit das
Farrnkraut gemeint, das nach dem Volksglauben in der Mitternachts
stunde der Johannisnacht blüht und seinen Samen abwirft. Wer
denselben bei sich trägt, ist unsichtbar >)• Wer ihn zum Gelde legt,
der wird reich, denn das Geld nimmt nie ab 3 ). Wer mit einer
Farrnblüthe in der Hand zwischen eilf und zwölf Uhr in der Johan
nisnacht auf’s Joch steigt, findet eine Goldader 3 ). Wie in der Mitt
sonnenwendnacht, blüht und samet dies Kraut auch in der Christ
nacht 4 ). Manche Leute heften das blühende Farrnkraut oberhalb
ihrer Hausthüre an, damit ja alles gut gehe, wohin ihre Peitsche
beim Fuhrwerke reicht 5 ). Am Lechrain grabt man Farrnwurzeln
am St. Johann, und trocknet sie an freier Luft so, dass kein Sonnen
strahl auf sie fällt. Eine solche Wurzel schützt dann jeden Ort, wo
sie aufgehängt wird, vor dem Wetterstreich. Ihr Name ist Johan
niswurz «). Betrüger schneiden die Farrnkrautwurzel im Früh
jahre, wenn sie die Strunkknospen treibt, zu der Gestalt einer
Menschenhand, welche sie Johannishand oder Glückshändchen
nennen und vorgeben, dass derjenige, welcher es hei sich trage, in
allen Unternehmungen, vorzüglich aber bei Erwerbung von Geld
und Gut höchst glücklich sein werde. Zu der Bereitung der Frei
kugeln wurde besonders der Farrnsamen angewendet. Gewehre und
Schwerter wurden damit gefeit 7 ). Der Same bringt Reichthum,
Glück im Spiele und macht den Besitzer selbst fest 8 ). Wer sich
Blüthe und Samen des Farrnkrautes in der Johannisnacht verschafft,
dem stehen alle Schätze der Erde, ewige Macht und Jugend zu
Gebote 9 ). Alle gesperrten und verriegelten Thüren oder sonstige
Behältnisse öffnen sich sogleich von selbst bei Berührung mit dieser
wunderbaren Blüthe. Mit ihrer Hilfe kann man die unter der Erde
*) Kuhn, Westphäl. Sagen I, 2/76. Mark. Sagen, p. 330. Tiroler Sitten, Nr. 503.
Grimm, Myth. 1160.
2 ) Tiroler Sitten, Nr. 505.
s ) Tiroler Sitten, Nr. 773.
4 ) Tiroler Sitten, Nr. 893. B i r 1 i n g e r I, 333, 340.
5 ) Panzer II, 306. Grimm, Myth. 1160.
6 ) Leoprechting, Lechrain, p. 101.
7 ) M ontanus, 144.
8 ) B i r 1 i n g e r I, 340.
9 ) Vernaleken, Alpensagen, p. 374.
Johannissegen und Gertrudenminne.
21S
tief verborgenen Schätze finden i). Hier fällt der blähende Farrn-
zweig mit der Springwurzel zusammen, die am Oberharz auch
Johanniswurzel heisst. Pröhle ») erzählt davon: „Vor vielen
Jahren gab es eine wunderbare Blume, die Springwurzel oder
auch Johanniswurzel genannt wurde. Sie blühte nur in der
Johannisnacht zwischen eilf und zwölf Uhr (einige sagen: unter dem
Farrnkraut). Nur in waldigen Gegenden, wo viele edle Metalle im
Schoosse der Erde ruhten, wurde sie dann und wann in dieser Nacht
auf einsamen Bergwiesen gesehen. Die Berggeister wollten durch
sie den Menschen zeigen, wo ihre Schätze zu finden wären. Die
Blume selbst war gelb und leuchtete in der Nacht wie ein Licht.
Sie stand niemals stille, sondern hüpfte beständig hin und her. Wer
so glücklich war sie zu pflücken, dem zeigte sie alle Schätze der
Erde und machte ihn dadurch sehr reich und glücklich. Vor ihr
müssen alle Schlösser aufspringen. Ein Mann aus Klausthal sah sie
zwischen dichten Farrn blühen".—Aus all diesem geht hervor, dass
die Springwurzel mit ihrer geheimnissvollen, wunderbaren Blüthe ein
Farrnkraut ist, wie dies schon Kuhn bemerkt hat s ).
Noch ist eine Pflanze zu erwähnen, nämlich das satyrium, wel
ches zugleich Friggjagras und St. Johannisnycklar, d. i. St. Johan
nisschlüssel heisst 4 ). Das Volk bringt aber dasselbe, so wie die
Orchis mit der Wiedererlangung verlorener Mannheit in Verbin
dung und gibt ihnen eine phallische Beziehung 5 ).
Alle diese Pflanzen, die nach Johannes benannt sind, schützen
entweder vor Zauberei und Übel, oder sie bringen Glück und Reich
thum, Segen zu Hause und auf dem Felde. Einige von ihnen stehen
*) Vernaleken, Mythen, p. 309.
2 ) Harzsagen, p. 99.
3 ) »Von ganz besondere*; Wichtigkeit ist aber, dass die Springwurzel unter dein
Farrnkraut blühen soll; die Johanniswurzel, auch Johannishand, ist nämlich de r
Wurzelstock einer Farrnart (aspidium mas , polypodium f. m. Lin., bei Peter
mann, Pflanzenreich, S. 102). Dies Farrnkraut hat wie das Adlerfarrnkrant (pteris
aquilina) grosse, gefiederte Blätter. Dazu kommt aber noch der Name selber
adh. faram, farn , mhd. varam, varn, ags. fearn, der, abgesehen von dem
epenthetischen a, das althochdeutsche Eigenheit ist und von dem hochdeutschen
m st. n, das auf unorganischem Wechsel zu beruhen scheint, genau das ver
schobene skr. parna ist.“ Herabkunft des Feuers 219. Wie die Springwurzel, so
muss auch die Wünschelruthe in der Johannisnacht geholt werden.
4 ) Man n h a r t, Germanische Mythen, 247.
ft ) Die Nachweise sieh in W o 1 fs Zeitsehr. III, 261 ff.
216
Dr. Ignaz V. Zingerle
mit Liebe und Ehe in Beziehung. Alle diese Züge und Aberglauben
erklären sich, finden Sinn und Bedeutung nur, wenn man annimmt,
dass sie ehemals Freyr geweiht waren, denn er spendete Reichthum
und Jahressegen, er gab Liebeslust und glückliche, kinderreiche
Ehe. Alle diese Pflanzen erhalten aber ihre volle Kraft nur dann,
wenn sie an dem Sonnenwendfeste, d. i. an dem dem Sonnengotte
geheiligten Tage gepflückt werden. Nur aus der Annahme, dass bei
diesen Pflanzen der Name Johannes an den des Freyr getreten sei,
erklärt sich ihre Beziehung zur Liebe undEhe, denn—Johannes, der
jungfräuliche Jünger, der selbst seine Braut der Legende zufolge
verlassen hat, um nur dem Herrn zu dienen, steht mit diesen in
keinem Verbände; eben so wenig auch Johann Bapt.—
Unter den Thieren wird der kleine Goldkäfer (coccinella sep-
tempunctata) *) nach Johannes benannt. Nach dem Volksglau
ben können diese Thierchen das Wetter anzeigen. Man setzt
eines auf die Hand und fordert es mit folgendem Spruche zum
Fliegen auf:
„Siinnskürnken fleg wech,
bring mi morgen göd wäder,
lat’ en ragen üvergän,
lät de sünnen wedderkäm’n,
bring mi morgen göd wäder!“
Fliegt der Käfer weg, so geht die Bitte in Erfüllung, andern
falls gibt es Regen 2 ).
In Niederbaiern heisst er „suwendkäfer“. Kinder setzen ihn
auf die Hand und sprechen:
*) Ei* heisst in Schweden Jungfrau Mariens Schlüsselmagd („jungfru Marie nyckel-
piga“). Im Frühjahre lassen ihn die Mädchen auf der Hand umkriechen und
sagen: „hon märker mig brudhandskar“ (er bezeichnet mir die Brauthand-
schuhe). Fliegt er weg, so achten sie, nach welcher Seite hin, denn von da
kommt der Bräutigam. Der Käfer scheint also Bote der Liebesgöttin; aber auch
die Zahl der schwarzen Punkte kommt in Betracht, sind ihrer mehr als sieben,
so wird das Korn im Jahr theuer, sind ihrer weniger, so ist eine reiche Ernte
zu erwarten. Dieser Käfer wird fast in allen unseren Dialekten mythisch benannt:
nhd. Gotteskühlein, Gotteskalb, Herrgottskalb, Herrgottstbierchen, Ilerrgotts-
vöglein, Marienvöglein, Marienkäfer, Marienkälblein, Frauenkühlein. Grimm,
Myth. 658.
2 ) Kuhn, We8fphäl. Sagen II, 91. Ein ähnlicher Spruch wird an St. Katharina
gerichtet, die mit Sunna in Verbindung steht. M a n n h a r t, Götterwelt, p. 314.
Pfeiffer, Germania V, 214.
Johannissegen und Gertrudenminne.
217
„Suwendkäfer flieg' in Brunn,
bring uns heut und morgen ein schöne Sunn i)“.
Man setzt einen solchen Sonnenkäfer auf den Finger und fragt
ihn wie den Kukuk: „Sunnekieken ik frage di, wi lange schall ik
leven? Een jaar, twee jaar“ u. s. f., bis der Käfer wegfliegt, dessen
Heimath in der Sonne oder im Himmel ist. In der Schweiz halten die
Kinder den Goldkäfer auf der Hand und sprechen: „cheferli, che-
ferli fliig us, i getter milech ond brocka ond e silberigs löffeli
dezue“. Grimm bemerkt hiezu: „Hier wird dem Käfer wie der
Schlange Milch und Brocken geboten. Er muss dem Alterthum für
einen Boten und Vertrauten des Gottes gehalten worden sein 3 )“. Da
er aber mit der Sonne, dem Begen und der Liebe in Verbindung
steht, kann dieser Gott kein anderer, als Freyr gewesen sein.
Weniger bedeutungsvoll für uns ist das Johanniswürmchen,
welches in lauen Sommernächten, namentlich zur Sonnenwendzeit,
leuchtend umfliegt. Es dient aber auch zu abergläubischen Zwecken,
besonders zum Giessen der Freikugeln und zur Hexensalbe 3 ). Das
an diese Thierchen gerichtete Kinderlied ist ohne mythische Be
züge 4 ).
* *
*
Neben dem Johannissegen wird im Mittelalter öfters die Ger
trudenminne genannt. Diese scheint im nördlichen Deutschland
üblicher gewesen zu sein, während jener in Süddeutschland ver
breitet war. Die Zeugnisse, dass der heil. Gertrud Minne getrunken
wurde, reichen tief in das Mittelalter zurück. In Eckehard’s casus
*) Panzer II, 547. Noch weitere Kinderreime auf diesen Käfer geben Simrock,
Kinderbuch Nr. 555—559. Stöber, Elsässisches Volksbüchlein I, Nr. 338 bis
341. Schmitz, Eifler Sitten, p. 73. R o ch h o I z, Alleinannisches Kinderlied,
p. 92, wo er bemerkt, dass die meisten Kinderreime dasselbe als eine Milch
und Butter bescheerende Kuh behandeln. Es war dies Thierchen auch den Indern
ein vorzüglich geheiligtes und heisst im Sanskrit Indragopa, Schützling des
Gottes Indra. II a g e n’s Germania VII, 435. Über diesen Käfer und seine Namen
etc. vgl. Mann hartes Mythen, p. 242—255, der eingehend nach weist, dass
dieser Käfer im Norden Gottheiten wie Frigg, Freya und Freyr geweiht war.
2 ) Myth., 658.
3 ) Mont a n u s, 35.
4 ) Simrock, Kinderbuch Nr. 559. Stöbe r’s Volksbüchlein I, Nr. 337.
218
Dr. Ignaz V. Zingerle
S. Galli liest man: „amoreque, ut moris est, osculato et epoto, lae-
tabundi discedunt“ !)• Im Rudlieb 2, 162 heisst es:
post poscit vinum, Gertrudis amore quod haustum
partieipat nos tres, postremo basia figens,
quando vale dixit post nos gemit et benedixit 2 ).
Im sogenannten über occultus wird dieser Sitte bei Darstel
lung eines Raufhandels gedacht:
Hujus ad edictum nullus plus pereutit ictum,
sed per clamorem poscunt Gertrudis amorem s).
Im Peregrinus, einem lateinischen Gedichte des XIII. Jahrhun
derts, V. 335 steht:
et rogat, ut potent sanetae Gertrudis amore,
ut possent omni prosperitate frui 4 ).
Hartmann von Aue nennt auch schon diese Sitte:
ze hant truog er im dö
ze heiles gewinne
sent Gertrüde minne Erec. 4018.
In der Wiener Meerfahrt bezieht sich darauf die Stelle :
alrest wart in dö bekant,
daz sie wären gepfant
von trunkenheit der sinne.
Sant Gerdrüden minne
wart in sider harte sur 623 5 ).
Der holländische Geschichtschreiber Melis Stoke erzählt beim
Jahre 1296, dass Graf Floris von Holland kurz vorher, ehe seine
Mörder ihn in’s Freie lockten, einem derselben Gysbrecht vom
Amstel St. Gertrudenminne zutrank:
— drinct van der hant myn
sinte Gheerden minne ende vaert wel °).
*) Bei P e r t z II, 84.
2 ) Grim in, Latein. Gedichte, p, 138.
3 ) Hau p t, Zeilsehr. I, 422.
4 ) Grimm, Myth. 34.
Hagen, Gesab. II, 483,
6 ) M o n e’s Anzeiger I, 233.
Johannissegen und Gertrudenminne. 219
Grimm theilt noch den Beleg mit: „vorn mit sant Gertrüde
minne“ Amgb 336 1 ).
Oie Entstehung dieser Sitte erläutern zwei holländische Ge
dichte 3 ) und ein deutsches Volkslied s ). Sie erzählen: Set. Gertrud
hatte sich von der Welt zurückgezogen, um in einem Kloster ihr
Leben dem Dienste Gottes zu widmen. Ein Ritter aber, der sie
schon vorher geliebt, setzte seine Bewerbungen um sie nichts desto
weniger fort und wich nicht aus der Nähe des Klosters, wie oft auch
Gertrude erklärte, ihrem Entschlüsse ewig treu bleiben zu wollen.
Als er alle Bemühungen vergebens sah, rief er den Teufel um Bei
stand an und verschrieb demselben seine Seele nach sieben Jahren,
wofür Satan versprach , ihn zu seinem Ziele zu führen. Aber die
sieben Jahre verstrichen, und des Bösen Hilfe hatte nichts gefruchtet.
Dennoch wollte er des Ritters Seele haben und dieser musste sich
in sein Schicksal ergeben. Da erschien St. Johann Gertruden im
Traume und kündigte ihr an, in welcher Gefahr sich der Ritter
befinde und Gertrud, welche indessen Äbtinn des Klosters geworden
war, sammelte nach ihrem Erwachen alsbald ihre Nonnen um sich
und trat mit diesen vor das Klosterthor, wo derTeufel eben mit dem
Ritter vorbeifuhr. Sie ging auf den Ritter zu und bot ihm einen
Becher Weines und ermahnte ihn, diesen zu leeren auf den Schutz
St. Johannis. Der Ritter folgte ihr und als er den letzten Tropfen
kaum eingeschlürft, da flog unter gräulichem Geheul des bösen
Feindes die Verschreibung zerrissen zu seinen Füssen. Darum malt
man St. Gertrud, den Hirtenstab mit einer Hand haltend und mit der
andern einen Becher und daher schreibt sich auch die Sitte, zu
trinken aufSinte Geertenminne 4 ). Als Formel, die Minne der heil.
Gertrud vorzutrinken, gibt Janus Douza folgende:
— Esse scyphum hunc comitemque scyphi Gertrudis amorem,
Propino, (et prosit) voce manuque tibi! 5 )
D Myth., 84.
2 ) Das eine in Chignett, bydrngen Hl. 392—411, das andere in Hoff in a n »'s
horae belgicae 11, p. 41—46.
3 ) S i m r o c k’s Volkslieder, p. 148.
4 ) W o 1 f, Niederländische Sagen, Nr. 369.
5 ) W o 1 f, Niederl. Sagen, p. 699.
220
Dr. Ignaz V. Zingerle
Bilderdyk behauptet, dass man, seitdem der früher genannte
Graf Floris von Holland seinem Verräther Gysbrecht St. Gertruden
minne zugetrunken habe, aus Abscheu vor dem Andenken an des
Letzteren Schandthat nicht mehr St. Gertrudenminne, sondern St.
Johannissegen trinke r). Das Aufhören dieser Sitte in Holland würde
somit schon an’s Ende des XIII. Jahrhunderts fallen. St. Gertruden
Minneglas hatte die Form eines Schiffchens 2 ). Man trank aber nicht
nur vor der Reise und hei anderen Gelegenheiten 3 ) diese Minne,
sondern rief auch die Heilige um gute Herberge an. So beginnt der
Knecht zu rufen:
eijä, vrouwe Sant Gedrüt!
wie sol ich armer knelit getuon?
sende mir einen wirt zuo,
da min liere mit eren si.
Rittertreue V. 252 ff. 4 _).
Im Gedichte: „der Reiher“ heisst es:
Si hat oueh bi aller wochen
sente Gedrüden nie gesprochen
noch umb kein guote herberge gebeten V. 80 5 ).
Als es gegen Abend ging und die Stadt noch fern lag, rief der
junge Schreiber:
Eija, fraw sant Gerdraut,
nu du mir gut herberg kunt,
das ich behalt mein leip gesunt
und das ich kein schaden enpfa!
und bald sah er ein Dorf vor sich liegen 6 ). Und als er nicht nur
gutes Nachtlager, sondern auch süsse Minnefreuden hei der Frau
4 ) Ebendort.
2) Le Francgh van ßerkhey’s Oud hollandsch vriendschap, p. 162. W o 1 f’s niedl.
Sagen, p. 699.
3 ) Das holländische von Hoff mann mitgetheilte Gedicht (hör. belg. II, 41) rieth
am Schlüsse Herren und Knechten, wo sie auch seien und wohin sie auch gingen,
St. Gertrudenwein zu trinken. Vgl. S i m r o c k’s Volkslieder, p. 601.
4) Hagen, Gesab. I, p. 112.
5 ) Hagen, Gesab. II, p. 167.
6 ) Keil er’s altd. Erzählungen, p. 276, 30.
Johannissegen und Gertrudenminne. 221
gefunden hatte, musst« sie die Magd wecken. Da that sie es leise.
Der Dichter bemerkt dazu:
Ich wen nit, sant Gerdraut,
die der schreyber des abencz bat,
geb der meyd den selben rat,
Das sie ging für die tür *).
Sie verschaffte aber nicht nur Lebenden gute Herberge, son
dern nahm auch die Verstorbenen in der ersten Nacht gastfreundlich
bei sich auf. Denn es heisst in einer Aufzählung von allerlei Aber
glauben (in einer Handschrift des XV. Jahrhunderts): „aliqui dicunt
quotquando anima egressa est, tune prima nocte pernoctabitcum beata
Gertrude, secunda nocte cum archangelis, sed tertia nocte vadit
sieut diffinitum est de ea“ a ). Gertrud galt ferner als Friedensstif-
terinn. Denn im latinarius metricus eines Andreas reetor scholarum
(Münch. HS.) finden sich unter andern Versen, worin die besondern
patrocinia verschiedener Heiligen aufgezählt sind, auch folgende:
0 pia Gertrudis, quae pacis eommoda cudis,
bellaque concludis, nos eoeli mergito ludis 3 ).
Gertrud, deren Fest auf den 17. März fällt, wird überdies als
Anbringerinn des Frühlings und als Beschützerinn des Gartenbaues
verehrt. „Am Gertrudentage steht der Bär auf 4 )“, sagt man in Tirol,
während in Baiern die Sprüche üblich sind: „Um Gertraud geht die
Wärm von der Erd auf“ und „Am Gertraudtag läuft die Maus am
Rocken hinauf und heisst den Faden ab“ (d. h., es beginnt auf dem
Lande die Arbeit ausser dem Hause 5 ). Eine altbairische Bauernregel
lautet:
Gertraud
lauft die maus
go Feld aus 6 ).
‘) Ebendort, p. 283, 14.
2 ) S c h m e 1 I e r in H a u p t’s Zeitschr. I, 422.
3 ) Ebendort.
4) Tiroler Sitten, Nr. 711.
5 ) Schmeller's Wörterbuch II, 71. Panzer II, 552.
6 ) Q u i t /. m a n n, p. 124.
222
Dr. Ignaz V. Zingerle
In Tirol erzählt man sich, die heil. Gertrud sei die erste Gärt-
nerinn gewesen, desshalb solle man an ihrem Feste garteln, dann
werden Gemüse und Blumen gut gedeihen J ). Am Gertrudentage die
Gärten zu bestellen ist auch im Lechrain 2 ) und in Österreich 3 )
üblich.
Gertrud steht auch zu den in der Erde schlummernden Schätzen
in Beziehung, denn das nach ihr benannte Gertrudenbüchlein gilt
als das kräftigste Mittel beim Schatzgräbern Wer ein solches Büch
lein hat — es soll derzeit nur mehr eines zu finden sein — kann der
Teufel vergrabene Schätze bringen, und sich unsichtbar machen 4 ).
Schönwerth bemerkt: „Wer ein Gertrudenbüchl besitzt, liest es
vom Anfang bis zu Ende, dann kommt der Teufel und bringt Geld,
und liest man es rückwärts vom Ende bis zum Anfang, so muss er
wieder verschwinden. Auf dem Titelblatte des Buches, wenn es ein
rechtes ist, spinnt eineSpinnerinn am Spinnrade und eine Maus läuft
den Faden hinauf“ 5 ). — Auf den Bildern ist St. Gertrud als Nonne
dargestellt, die einen Hirtenstab in der einen, und ein wie ein Schiff
chen geformtes Gefäss in der andern Hand führt °). Oder sie trägt
einen Rocken in der Hand, an dem eine Maus hinaufläuft oder den
Faden abbeisst 7 ). Erstere Darstellung kommt in Holland, letztere in
Deutschland vor. Das Buch: „Heil. Jungfrau und Äbtissin Gertraud,
himmlische Gebether und Anmuthungen, zuerst zu Köln gedruckt im
Jahre 1506“ stellt auf dem Titelblatte diese Heilige am Rocken
spinnend dar, an dem drei Mäuse hinauflaufen. In ihr Kleid sind
Zauberzeichen eingewohen. Krainische Bauernkalender bilden die
Heilige ab mit zwei Mäuslein, die an einer Spindel mit Flachs.
*) Tiroler Sitten, Nr. 710. Eine Legende erzählt, dass sie selbst Bäume gepflanzt
habe: Juxta urbem Lhoram est monasterium S. Benedicti, nomine Neustadium, in
quo, quia S. Gertrudis consueverat, dum appeteret brumae tempus, surculos po-
morum sua manu inserere intra hortulum ob divinae incarnationis venerationem
ex eodem tempore semper continuata propago est istius modi arbusculorum. Ba-
galta admiranda I, 399, 11.
2 ) Leopr echtin g, S. 166.
3 ) Nach einer brieflichen Mittheilung des Lehrers Wurth.
4 ) Tiroler Märchen 1, p. 82, Alpenburg, Mythen, p. 263. Baader Sagen, Nr. 479.
Wolf, ßeitr. II, 109.
5 ) Oberpfalz III, 48. Die in meinen Tiroler Sagen, Nr. 689 und 691 genannten
Hexenbücher sind Gertrudenbüchlein.
6 ) W o 1 f, Niederl. Sagen, Nr. 359 und pag. 699.
7 ) Q u i t z m a n n, 124.
Johannissegen und Gertrudenminne.
223
garn nagen, zum Zeichen, es dürfe an ihrem Festtage nicht
gesponnen werden <). Die Maus ist in Deutschland stehendes Attri
but dieser Heiligen 3 ). Die Veranlassung desselben wird aber ver
schieden erklärt. In Tirol erzählt man, der Teufel sei in Gestalt
einer Maus ihr erschienen, habe denFaden der heil. Spinnerinnabge
bissen oder den Flachsrocken verunreinigt, um sie zum Zorne zu
reizen. Diese Annahme kennt auch Molanus 3 ). Nach anderen führt
sie eine oder mehrere Mäuse, weil sie diese schädlichen Thiere vom
Felde vertrieben haben soll 4 ). Auch diese Legende kennt Mola
nus, denn, an der Stelle, wo er von den Mäusen und Ratten auf den
Bildern der heil. Gertrud spricht, bemerkt er : „Puto hujus rei pri-
mariam esse rationem, quam a canonicis accepi. Illi enim, cum ab
eis peterem causam usitatae picturae, responderunt, se a senioribus
confratribus audivisse, ex puteo, qui est in crypta ecclesiae, majores
solere aquam adferre, qua cum adspergerent domus suas et agros,
liberabantur a muribus. Sed nunc, addebat unus eorum, refriges-
cente multorum charitate, sicut alibi, sic in nostra ecclesia cessant
miracula“ 5 ), Ein alter Glaube ist es, dass sie die Mäuse vom Spinn
rocken vertreibt °). Sie gilt somit als Schützerinn vor den Mäusen,
beherrscht sie 7 ). Wie man sich in Baiern das Attribut der Maus
erklärt, ist schon bemerkt worden s ).
Der Heiligen, die Beschützerinn der Reisenden ist, wurden
Kirchen und Capellen an Strassen und Bergübergängen geweiht 9 ).
Eine Gertruidenburg findet sich am südlichen Ufer der Maas 10 ).
Eine Pflanze führt ihren Namen, denn Panzer berichtet: „Ehemals
wurden aus Gertrautenkräutern und gelben Frauenpantoffeln Kränze
gebunden und geweiht. Man nannte sie Meehtildenkränze. Diese
*) Panzer II, 552. Vgl. Grimm, Myth. 248.
2 ) Menzel, Symbolik II, 116.
3 ) Hist, imag., p. 2G7.
4 ) Menzel, Symb. II, 116.
5 ) M o I a n u s, Hist. im. I. III, c. 11. Bagatta admiranda I, 133, 5 und 456, 27.
6 ) Gertrudis mures a colis mulierum abigit. Haupt, Zeitsch. I, 144.
7 ) S imrock, Mytli. 403. Kuhn, Westphäl. Sagen II, 8.
8 ) S c h m e 11 e r II, 71. Q u i t z in a n n, 124.
9 ) Weiler Gertrauden bei Rattenberg', wo am 17. März grosser Markt ist, Weber,
Tirol I, 540. St. Gertraud, Dorf in Ulten. Weber’s Tirol III, 451. Auch die
uralte Capelle auf dem Schlosse Zenoberg bei Meran führt ihren Namen.
l0 ) R e 11 b e r g’s Kirchengeschichte II, p. 543.
224
Dr. Ignaz V. Zingerle
wurden in das Sunwendfeuer geworfen, auch auf die Felder gesteckt,
damit der Hagel keinen Schaden anrichten konnte 1 )“. — Auch ein
Vogel steht mit ihr in Beziehung, denn in Norwegen wird der
Schwarzspecht Gertrudsvogel genannt. Man erzählt davon: eine
Frau, Namens Gertrud, wurde wegen ihrer Unbarmherzigkeit von
Jesus, der mit Petrus auf der Erde wandelte, in den Schwarzspecht
verwandelt. Der Vogel trägt noch die rothe Haube, hackt in die
Baumrinde nach Futter und pfeift gegen das Regenwetter, denn er
dürstet immer und hofft zu trinken 3 ). In Esthland sagt man, der
Schwarzspecht sei ein verwandeltes Weib aus Worms, welches am
Sonntage während des Gottesdienstes Brot buck. Das schwarze
Kleid wurde auf des Herrgotts Verwünschung zu schwarzen Federn
und in dem rothen Flecke auf dem Kopfe erkennt man noch die
rothe Mütze 3 ). Beaclitenswerth ist, dass der nämliche Vogel, der
auch bei anderen Völkern mythische Beziehungen 4 ) hat, anderen
Sagen zufolge die Springwurzel bringt 5 ). Auffallend ist, dass im
Jever’schen Kinderreime der Kukuk neben Gertrud genannt wird:
Kukuk, kukuk Görderüt
stäk dine ver hörns herüt «).
Der Vollständigkeit halber schliesse ich noch folgende auf St.
Gertrud bezügliche Sagen an: „Von der Karleburg in Franken ging
St. Gertrud nach Neustadt. In der Nähe von Waldzell ward sie von
Erschöpfung und Durst ergriffen. Da flog plötzlich ein Storch vor
ihr auf und es entsprang eine Quelle, deren Wasser kranke Augen
heilt 7 ). An einer Stelle, wo die heil. Gertrud kniete, wächst heutzu
tage noch kein Gras 8 ). Dies mahnt an die gra.slosen Stellen der
Elbentänze. Bemerkenswerth ist, dass ein Waldfräulein, das Glück
Beiträge I, 212.
2 ) Grimm, Mythologie, 639. R u s s w u r m, Sagen aus Hapsal, p. 172. Wolf,
Zeitschr. III, 221. Wolf, ßeitr. II, 109.
3 ) Ross wurm, Eibofolke II, 198. Sagen aus Hapsal, p. 171.
4 ) Grimm, Myth. 639.
5 ) Glimm, Sagen I, p. II. Myth. 92ü. Meier, Sagen, p. 240. Tiroler Sitten,
Nr. 426. Schon Konrad v. Megenherg p. 380 kennt diesen Glauben.
«) Wolf, Zeitschr. III, 222.
7 ) Archiv des historischen Vereines von Unterfranken XIII, 3, 134. Mannhart,
German. Mythen, 310
s ) Herr lein, Sagen 126. Wolf, Beitr. II, 30.
Johannissegen und Gertrudenminne.
225
und Segen in’s Haus brachte, Gertraud heisst *). E ine der drei heil.
Schwestern, deren mythische Bedeutung lange schon festgestellt ist,
heisst Gertraud. Jede derselben trägt einen langen Stab mit einem
Blumenkranz. Sie sind die Beschützerinnen des Dorfes, denn rings
herum waren schon oft Viehseuchen, in Hermatshofen aber nie 2 ).
Wir haben bisher eine Reihe Züge kennen gelernt, welche die
mythische Bedeutung Gertrud’s ausser Zweifel setzen. Ihr zu Ehren
wurde von Reisenden und am Beginne des Frühlings 3 ) Minne
getrunken, wie alten Gottheiten. Sie gibt gute Herberge, nimmt
Verstorbene auf, bringt den Frühling, beschützt den Gartenbau, ver
treibt Mäuse, spendet Schätze und stiftet Frieden. Nach ihr sind
Pflanzen und Tbiere benannt. Dass sie mit Freyr ähnliche Seiten
hat, ergibt sich aus dem Gesagten sicher. Ihm wie ihr wird der
Minnebecher geleert. Er wie sie stehen mit der Schifffahrt in Bezie
hung, beide beschützen Reisende und geben Glück, beide schenken
Frieden und Reichthum. Das nach der Heiligen genannte Kraut wird
in das dem Sonnengotte geweihte Feuer geworfen. Aus dieser Ver
wandtschaft schloss man, dass Gertrud an die Stelle Freya’s, der
Schwester des mildesten der Äsen getreten sei 4 ). Man brachte sie
auch mit Nehallenia oder Isis 5 ) und mit Frigg in Verbindung «). Es
lässt sich nicht leugnen, dass St. Gertrud zu diesen Göttinnen ein
zelne Analogien bietet; im Grossen und Ganzen entspricht sie ihnen
aber nicht. Die Göttinn die durch sie vertreten ist, muss innigere,
stärkere Verwandtschaft zeigen. Wir finden deren eine, sie ist
Gerdhr, die wir in ihren Beziehungen zu Freyr schon früher kennen
gelernt haben. Schon ihr Name mahnt an den der Gertrud, noch
mehr an die holländische Form Gheerde. Dass man aber bei Substi-
tuirungen auch auf die Namen Rücksicht genommen habe, bestätigen
uns die Wechselbeziehungen zwischen Odhin, der den Beinamen
Aswalt führte und Oswald 7 ), zwischen Frouwa und Maria „unser
*) P a n z e r II, p. 46.
2 ) Panzer II, p. 157.
3 ) Sepp, Heidenthum II, 341. Vergl. Am 17. März feiern die Irländer dem heil. Pa-
tricius zu Ehren, der mit dem Klee in Verbindung gedacht wird, festliche Gelage
und betrinken sich zu Ehren des Heiligen. Nork, Festkalender, p. 219.
4 ) G r i m m, Myth. 282. W o I f, Zeitschr. III, 221. S i m r o c k, Myth. 521.
5 ) S i m r o c k, Myth. 403.
6 ) S i m r o c k, Myth. 379.
7 ) Meine Oswaldlegende, p. 91.
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. II. Ilft.
15
226
Dr. Ignaz V. Z i n ge r I e
lieben Frau“. Gerdhr war Frey’s Gattin, denn im Hyndlulyodh Str. 29
heisst es ausdrücklich:
Freyr älti Gerdlii,
hon var Gymis döttir,
jötna aettar
ok Aurbodhu.
Als solche trat sie an Frey's Stelle, theilte sich in seine
Geschäfte, wohnte mit ihm in Alfheim. Dass sie den Rocken führt,
darf uns nicht auf Frigg oderFreya führen, denn als weibliche Gott
heit wurde sie gewiss auch spinnend und webend gedacht. Dies
waren ja Geschäfte jeder Frau. Der tief liegendste Zug der Gerdhr
besteht aber darin, dass sie eine Frühlingsgöttinn war, die aufgrü
nende Saat i) repräsentirte, wie uns Lüning so schön und treffend
die Mythe von Freyr und Gerdhr erklärt: „Freyr soll die Saat aus
dem Boden hervnrloeken, aber die winterlich starre Macht der Erde
hält sie noch gefesselt. Im Samenkorn ist die nach oben treibende
Kraft noch nicht erwacht, es liegt noch still im dunkeln, kalten
Schooss der Erde und will nicht hervor. Frühlingsluft und Sonnen
strahlen suchen die kalte Erdrinde zu durchdringen und die keimende
Saat hervorzulocken, aber sie zögert und sträubt sich, wie die heran
reifende spröde Jungfrau, in deren Herz noch keine Ahnung höheren
Lebens gedrungen ist. Doch immer treibender und mächtiger wer
den die Strahlen der Frühlingssonne 2 ), die starre Rinde löst sich,
noch ein paar Nächte und die Saat steht fröhlich grünend da, der
Umarmung des Gottes gewärtig“ 3 ). Freyr, die Sonne, sendet seinen
Diener, den Sonnenstrahl 4 ) zur Gerdhr, der Saat, die noch in der
Gewalt des Winters, in Jötunheim 5 ) ruht. Wenn wir somit diese
glückliche Lösung annehmen, so erklärt sich, warum Gertrud,
Gerdhr’s Vertreterinn den Frühling bringt, als Beschützerinn des
Garten- und Feldbaues gilt, warum sie mit Feldmäusen in Beziehung
steht und ihr zu Ehren im Frühlingsanfänge Minne getrunken wird.
Wenn aber Gerdhr die wiedergrünende Saat bezeichnet, erklärt es
*) Gerdhr vgl. gerdlii, das eingehegte Saatfeld.
2 ) Wie die Besprechungen SkirmVs.
3 ) L ü n i n g’s Edda, p. 77.
4 ) Skirnir heisst der Glsinzor, ({einiger.
5 ) Vgl. Grimm, Myth. 49S.
Johannissegen und Gertrudenminne.
227
sich auch, warum sie mit der Schifffahrt in Beziehung stand. Wenn
die Äcker zu grünen beginnen, werden auch die Flüsse wieder fahr
bar und die Schiffe stossen vom Gestade. Desshalb führte sie ver-
muthlich eben so, wie Freyr Skidbladnir besass, ein Schiff als Attri
but, wie Gertrud ein Glas in Form eines Schiffleins trägt. Sie galt
desshalb mit Recht als Beschützerinn der Schiffer, wie Gertrud als
Patronin derselben verehrt wird *). Ein Trinkgefäss konnte Gerdhr
führen nicht nur aus dem Grunde, weil ihr zu Ehren Minne getrunken
wurde, sondern weil sie auch nach der Edda den Trunk reichte.
Denn in Skirnismäl heisst es:
Inn bidh thu hann ganga
i okkarn sal
ok drekka inn rnoera mjodh. Str. 16.
und:
Heill ver thü nü heldr, sveinn!
on tak vidh hrlmkalki
fullum forns mjadhar. Str. 37.
Gerdhr, als Gemahlinn Frey’s, spendete, wie ihr Gatte, Reichthum,
und schon daraus erklärt sich, dass sie Schätze verlieh, und dass Ger
trud auch mit dem Schatzheben in Verbindung steht. Gerdhr und die
Schätze hängen aber auch in anderer Weise zusammen, denn sie
repräsentirt uns die Saat, die in der Erde ruht, wie die vergrabenen
Schätze. Sie ist aber auch als Frey’s Gemahlin die Herrin von Alf-
heim, wo die Elben wohnen. Dass aber dieselben die Schätze
bewachen oder sogar verfertigen, ist uns durch viele Sagen bestä
tiget. Aus dem Verhältnisse der Gerdhr zu den Elben ergibt sich
auch, dass elbische Züge an ihrerStellvertreterinn, der heil. Gertrud
haften. Aus dem Zuge, dass Gerdhr Gebieterinn und Hausfran in Alf-
heim war, möchte ich auch den Glauben erklären, dass abgeschie
dene Seelen in der ersten Nacht bei der heil. Gertrud Herberge
finden. Der Edda zufolge kommen alle waffentodten Männer in die
Walhöll zu Odhin, andere Gestorbene wurden in Fölkvängr bei
Freya aufgenommen, die Jungfrauen wurden bei Gefjon versammelt.
Da die Gottheiten Odhin, Freya, Gefjon Verstorbene aufnahmen, so
lb«
'J S im rock, Mvth. 403.
228
Dr. Ignaz V. Ziogerle
scheint mir die Annahme nicht zu gewagt, dass auch Freyr und
Gerdhr ihre Diener bei sich in Alfheim beherbergten *). Dafür spricht
dass seelig Verstorbene in Sagen wirklich an die Stelle der Elben
treten, als Elben aufgefasst werden. Das Alfheim, die Wohnung
Gerdhr’s und der Elben, scheint der Erde näher gelegen zu sein, als
die Walhöll, die Wohnung des höchsten Gottes und der im Kampfe
gefallenen Helden. Aber noch schöner und höher ist Himil. Denn im
Gylfaginning c. 17 heisst es, nachdem vonOdhin’s Saal die Rede
gewesen: Am südlichen Ende des Himmels ist der Palast, der Gimi
heisst und der schönste von allen ist und glänzender als die Sonne.
Es wird stehen bleiben, wenn sowohl Himmel als Erde vergehen und
alle guten und rechtschaffenen Menschen aller Zeitalter werden ihn
bewohnen. So heisst es in der Völuspa 3 ):
Einen Saal sah ich, lichter als die Sonne,
Mit Gold gedeckt, auf Gimils Höhn.
Da werden werthe Fürsten wohnen.
Und ohne Ende der Ehre geniessen.
Har fährt fort, dass es noch einen Himmel südlich und
oberhalb von diesem gebe, welcher Andlang heisse, und noch einen
dritten, der Windblain genannt werde und in diesen Himmeln glau
ben wir, sei der Palast gelegen und nur von den Lichtalben glauben
wir diesen Palast jetzt bewohnt 8 ). — Nach der Einführung des Christen
thums wurden diese Vorstellungen noch mehr getrübt und mit
christlichen Anschauungen verquickt. Dies ist auch bei der uns über
St. Gertrud erhaltenen Stelle der Fall: „aliqui dicunt quot quando
anima egressa est, tune prima nocte pernoctabit cum beata Gertrude
secunda nocte pernoctabit cum archangelis, sed tertia nocte vadit
sicut diffinitum est de ea“ 4 ).Ich erkläre sie so: „Die abgeschiedene
*) Dass viele Aufenthalte der Verstorbenen angenommen wurden, sagt Gylfagin
ning c. 52: Es gibt viel gute und viel üble Aufenthalte; am besten ist’s im
Gimil zu sein. Sehr gut ist es auch für die, welche einen guten Trunk lieben
in dem Saale, der ßrimir heisst und gleichfalls im Himmel steht. Ein guter Saal
ist auch jener, der Sindri heisst und auf den Nidabergen steht, ganz aus rothem
Gold gebaut. Diese Säle sollen nur gute und rechtschaffene Menschen bewohnen
Für Meuchelmörder und Meineidige ist Nastrand bestimmt, am schlimmsten ist.
alter der Aufenthalt in Hwergelmir.
2 ) V ö 1 u s p a, Str. 63.
3 ) S i m r o c k, Edda, p. 290.
4 J Ha u p t, Zeitschr. I, 422.
Johannissegen und Gertrudenminne.
229
Seele kommt zunächst in Gerdhr’s Wohnung nach Alfheim, in der
zweiten Nacht nach Valhöl *), in der dritten Nacht nach Gimil, wo
ihr Recht gesprochen wird. Denn von Gimil heisst es:
Da reitet der Mächtige zum Rath der Götter,
Der Starke von Oben, der Alles steuert*.
Den Streit entscheidet er, schlichtet Zwiste
Und ordnet ewige Satzungen an.
Mag vielleicht diese Auffassung nicht genügen, so ist dennoch
kein Grund vorhanden, nur wegen der genannten Stelle der Her
berge bei St. Gertrud, diese an die Stelle Freya’s zu setzen.
Ich schliesse hiermit ab. Als Resultat der vorliegenden Unter
suchung ergab sich: St. Johannes der Evangelist trat im
Volksglauben an die Stelle Frey’s. Dasselbe gilt von
Johannes dem Täufer. Die Feste beider Heiligen galten
ursprünglich dem Sonnengotte, sowie die Minne, die zu
Ehren beider Johannes getrunken wird. Die nach Jo
hannes genannt en Kräuter und Tliier e waren ehemals
Freyr geheiligt. Die heil. Gertrud trat an Gerda’s
Stelle. Die Gertrudenminne ward dieser Göttinn ge
weiht. Am 17. März, an dem noch lange Minne getrunken
und festliche Gelage gefeiert wurden, ward einst Ger-
da's Fest begangen. Alle auf diesen Tag fallenden
Gebräuche und Glauben sind auf die Saatgöttinn zu
beziehen. Ihr war der Schwarzspecht heilig. Es liegt
somit der alten Sitte, Johannis- und Gertrudenminne
zu trinken, eine der schönsten Mythen, die Mythe von
Frey’s mächtiger Liebe zu Gerdhr zu Grunde.
*) Der berühmteste der Erzengel, St. Michael, vertritt ja sehr häufig 1 Odhin. Vgl.
W o I f s beitrüge I, 32 ff. Simrock, Myth. 276.
230
G i n d e I y
SITZUNG VOM 23. JULI 1862.
Das wirkliche Mitglied, Herr Prof. Dr. Franz Miklosicli legt
für die Denkschriften eine Abhandlung über die nominale Com
position im Serbischen vor. Die Untersuchung umfasst: a) Die Com-
position zweier Nomina, bj Die Composition einer Partikel mit einem
Nomen. Der erste Tlieil behandelt nach einer allgemeinen Einleitung
1. die beiordnende, 2. die determinative, 3. die Abhängigkeits- und
4. die positive Composition. Im zweiten Theile werden zuerst die
Compositionen mit ne und dann die mit den Präpositionen untersucht.
Vorgelegts
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
Von Anton Gindely.
Im Jahre 1614 berief Kaiser Mathias Ausschüsse aller Land
tage der österreichischen Länder nach Linz, um sie da gemein
schaftlich berathen zu lassen. Die Gefahr, welche von den Türken
drohte, wurde von ihm als Veranlassung bezeichnet und damit die
Nothwendigkeit begründet, dass über die Abwendung derselben
gemeinschaftliche Beschlüsse gefasst würden. Es war seit dem
Zustandekolnmen der österreichischen Monarchie das erste Mal, dass
eine solche Versammlung zu tagen begann, und es ist gewiss im
gegenwärtigen Augenblick nicht ohne grosses Interesse, den Ver
lauf ihrer Berathungen kennen zu lernen. Was wir hiei'über nach
unseren Forschungen in den Archiven, namentlich denen von Wien,
Dresden und Simancas auffinden konnten, bieten wir in der folgen
den Erzählung.
Der erste österreichische Reichstag- zu Linz im Jahre 1614.
231
Die Zerwürfnisse, in welche Kaiser Rudolf II. mit seiner Familie
geriet, sind die wichtigste Veranlassung gewesen, dass die Stände
Ungerns, Österreichs, Mährens und Böhmens nicht nur die Erwei
terung ihrer Rechte, sondern auch die gesetzlich bestimmte Frei-
gebung des Glaubensbekenntnisses erlangten. In Folge des Zuges,
welchen Mathias im Jahre 1608 gegen den Kaiser unternahm,
musste sich der Letztere zur Abtretung von Ungern, Mähren und
Österreich herbeilassen und mit Böhmen begnügen, so dass die
früher in einer Person geeinte Monarchie nunmehr in zwei Theile
zerfiel, bis nach Rudolfs Tode auch Böhmen in Mathias’ Besitz
kommen sollte. Allein Rudolf, anstatt mit dem sich zu begnügen,
was ihm noch geblieben war, dachte unablässig auf den Wieder
gewinn des Verlorenen und griff nach jeder Gelegenheit, um seinen
Bruder zu discreditiren und entweder zur freiwilligen oder gewalt
samen Abtretung des Gewonnenen zu nöthigen. Aus diesem Grunde
gestattete er dem Erzherzog Leopold die Werbung des Passauer
Kriegsvolkes und schlug alle Forderungen, dasselbe zu entlassen,
rundweg ab. Dem schliesslichen Einfalle desselben in Böhmen, wel
cher mit Rudolfs Connivenz von Leopold veranlasst wurde, lag die
Absicht zu Grunde, sich vollständig dieses Landes zu bemächtigen,
die Macht der Stände zu brechen und Mathias selbst mit Gewalt zur
Resignation zu nöthigen. Allein der Passauer Zug misslang voll
ständig; wohl gelangte das Kriegsvolk bis Prag, aber von hieraus
musste es sich wieder schleunig zurückziehen, da Mathias den
Böhmen mit einem Heere zu Hilfe eilte. Rudolf verlor nun auch die
böhmische Krone, aber die Stände, anstatt alsbald Mathias als ihren
Herrn anzuerkennen, hielten den Zeitpunct für passend, um Vor
kehrungen zu treffen, welche für die Zukunft jedes Ausschreiten der
königlichen Macht verhindern sollten. Als das tauglichste Mittel hiezu
schien ein Bündniss aller Stände der einzelnen österreichischen
Länder unter einander und die Beseitigung der Erblichkeit des
Thrones. Sie strebten damit nach etwas, was nicht nur in ihren
eigenen Wünschen lag, sondern was ihnen auch von dem rührigsten
Feinde des Hauses Österreich, dem Fürsten von Anhalt, auf gehei
men Wegen unablässig empfohlen wurde.
In dem Momente, wo also Mathias an die Stelle seines Bruders
zu treten beabsichtigte und wo er von Seite der Böhmen auf eine um
so riickhaltslosere Aufnahme hoffen durfte, weil er sie vor allen wei-
232
G i n d e I y
teren Excessen der Passauer allein retten konnte, in diesem Momente
traten an ihn die Böhmen mit zwei Forderungen, welche ihm zum
ersten Male deutlich den Abgrund zeigten, in welchen seines Bruders
Verblendung das kaiserliche Haus gestürzt hatte. Sie lauteten: Con-
föderation aller österreichischen Stände und keine Designation des
Nachfolgers mehr. Mathias sollte also ein Bündniss der sämmtlichen
Stände der Monarchie erlauben, so geartet, dass ein Ausschuss der
selben überall die gemeinschaftlichen Interessen wahrnehmen und
bestimmen sollte, wann eine Verletzung derselben stattgefunden habe
und wann mit gemeinschaftlicher Macht gegen den Verletzer aufge
treten werden müsse. Bisher konnte der Kaiser ohne ständische
Bewilligung kein Heer zusammenbringen, aber auch die Stände selbst
durften es nicht, ohne sich des Treubruches schuldig zu machen;
nun sollte aber die bewaffnete Macht in ständische Hände übergeben
und ihnen für immer das Recht zu ihrer Berufung und Verwendung
zugestanden werden.
Was ein Bündniss aller Stände der Monarchie, verbunden mit
dem Rechte, mit gewaffneter Macht ihre Interessen zu vertreten,
bedeute, darüber konnte sich Mathias keine Illusion machen. Sobald
der Feldzug gegen Rudolf sein Ende nahm, musste er seine Truppen
entlassen; alsdann war er bis auf eine Handvoll Soldaten, welche in
Wien gewissermassen seine Leibgarde bildeten, ohne irgend ein
stehendes Heer. In Böhmen, Mähren und Schlesien war dann keine
Compagnie Soldaten zu sehen und nur in Ungern gab es einige tau
send Mann, welche aber in den gegen die Türken erbauten Festungen
ihre Quartiere hatten und schlechterdings ihrer Bestimmung nicht
entfremdet werden durften. Von einem stehenden Heere war in der
Monarchie unter Rudolf keine Rede, jede Truppenaushebung war
allemal für einen schon entbrannten oder nicht weiter aufzuschieben
den Kampf bestimmt; unter Mathias konnte also noch weniger von
der Errichtung eines solchen die Rede sein, weil die Stände nicht
nur selbst das Recht hiezu in Anspruch nahmen, sondern auch das
einzige Mittel dazu, das Geld, in Händen hatten und damit karger
zu gebahren drohten, als je zuvor. Mathias sah, wie er gleich seinem
Vorgänger zur Hilflosigkeit verurtheilt, aber zugleich dadurch
schlimmer gestellt sein sollte, dass fortan die Stände nicht als blosse
Opponenten am Landtage, sondern die Waffen in der Hand mit der
Gesammtkraft des Landes ihm entgegentreten durften; dort aber,
Der erste österreichische Deichstag- zu Linz im Jahre 1614.
233
wo die bewaffnete Macht, ist auch der Schwerpunct der Kraft; dieser
sollte jetzt verrückt werden und nicht zu Gunsten des Königthums.
Das war der Sinn der ständischen (Konföderation.
Noch mehr, die Böhmen verlangten von Mathias zugleich das
Versprechen, es solle fortan bei Lebzeiten des regierenden Königs
kein Nachfolger designirt werden; was sie damit wollten, wird aus
Folgendem klar. Die Monarchie, welche Ferdinand I. unter dem Ein
drücke der Schlacht bei Mohacz verhältnissmässig leicht begründete,
konnte er nicht eben so leicht auf seine Nachkommen vererben, denn
Böhmen und Ungern nahmen ihn zu ihrem Herrscher nur unter der
Bedingung, dass er ihr Wahlrecht anerkannte. Dennoch gelang es
seiner Klugheit, mit Berufung düf alte Successionsgesetze, nament
lich die goldene Bulle, in Böhmen sich von dieser Bedingung frei zu
machen, und ehe er starb, galt mit Ausnahme Ungerns der übrige
Theil der Monarchie als erblich. Um sicher zu gehen, hatte er bei
Lebzeiten seinen Sohn Maximilian II. da als Erben, dort als Nach
folger durch Wahl anerkennen lassen, und so erbte sich durch
gleich kluges Vorgehen unter gleichen Bedingungen die Monarchie
von Maximilian auf Rudolf II. fort.
Aber bei einer solchen Bewegung wie die der letzten Jahre,
wo der Kaiser selbst die Erbfolge durch Begünstigung des Erzher
zogs Leopold umstossen wollte und der älteste Prinz des Hauses,
Mathias, wenn auch gezwungen durch die dringendsten Erwägungen,
sich an die Spitze der Rebellion stellen und seinen Bruder entfernen
musste, wäre es mehr wie sonderbar gewesen, wenn sich nicht auch
hie und da die Stände alter Rechte erinnert und sie geltend gemacht
hätten. Die Österreicher konnten sich allerdings auf kein Ereigniss
berufen, das für ein Wahlrecht plaidirte, desto mehr aber die Böh
men, welche sich den Anschein gaben, als ob das Wahlrecht stets
von ihnen ausgeübt worden wäre und sonach keiner neuen Anerken
nung bedürfe. Um es aber wirklich ausüben zu können, wollten sie
in vorhinein jedes Hinderniss dadurch wegräumen, dass sie ihrem
künftigen König Mathias verwehren wollten, über die Nachfolge bei
seinen Lebzeiten zu bestimmen, sei es auch nur, um die Stände zu
einer freien Wahl aufzufordern. An Ungern glaubten sie zu sehen,
dass der regierende König selbst in einem Wahlreiche Macht genug
besitze, um die Wahl nach seinem Belieben zu lenken und so die
Erblichkeit auf diese Weise einzuführen. Wenn aber der König
234
G i n (1 e 1 y
starb und kein Nachfolger bereits gekrönt war, dann fühlten sie sich
sicher, dass keine Macht der Erde ihr Wahlrecht beeinträchtigen
könne. Klar und offen lag es vor, dass die Sympathien der Stände
vornehmlich dem Kurfürsten von Sachsen galten und dass sie diesen
auf den böhmischen Thron zu erheben wünschten.
Was sollte Mathias solchen Forderungen gegenüber thun? Sollte
er mit seinem Heere nach Österreich zurückkehren und auf die böh
mische Krone, die ihm unter so harten Bedingungen angetragen
wurde, verzichten? Er konnte sicher sein, dass entweder Rudolf
oder die böhmischen Stände noch immer einen Candidaten für die
selbe finden würden und dass sie dann nur um so sicherer für ihn
verloren war. Seine Begleiter aus Österreich und Ungern sympathi-
sirten mit den Böhmen; wenn er also Jemand Anderen, als seine
machtlosen Räthe befragte, so hörte er sich nur zur Nachgiebigkeit
gemahnt. Er fügte sich zuletzt in das Unvermeidliche und gab den
ständischen Forderungen nach. Im Geheimen versprach er, sobald
es die Zeit erlaube, einen General-Landtag Ö in Böhmen zu berufen,
der die Conföderation und ihre Modalitäten mit allen übrigen Län
dern der Monarchie berathen und zum Abschluss bringen sollte;
auch gab er im vorhinein dem Principe der Conföderation seine Zu
stimmung. Eine Urkunde wurde dabei nicht unterzeichnet. In Bezug
auf die Nachfolge gab er ein gleiches Versprechen ab: es sollte bei
seinen Lebzeiten über einen Nachfolger nicht verhandelt werden,
damit die Böhmen seiner Zeit sich ungehindert ihres Wahlrechtes
bedienen könnten.
Aus diesen von Mathias eingegangenen Verpflichtungen kann
man im voraus vermuthen, womit die Regierungszeit dieses Herr
schers ausgefüllt war; von einer Seite suchten die Stände hei ihm
die Erfüllung der geleisteten Versprechen, von der anderen Seite
suchte Mathias von den verderblichen Consequenzen derselben und
somit von ihnen seihst sich frei zu machen. So wie im Jahre 1608
die Ungern sich an die Spitze der Bewegung stellten, weil sie
zunächst dazu wegen der türkischen Angelegenheiten gedrängt wur
den, so stellten sich jetzt die Böhmen an die Spitze der Opposition,
um die Conföderation um jeden Preis zu Stande zu bringen.
') Unter einem böhmischen General-Landtage verstand man einen solchen, bei dem
neben den Böhmen auch die Vertreter von Mähren, Schlesien und der Lausitz
erschienen.
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
235
Mathias hatte bei seiner Krönung in Prag im Jahre 1611 zuge
sagt, dass er dem ersten Landtage, den er in Böhmen berufen werde,
die Frage wegen der Conföderation vorlegen wolle. Der bald dar
auf erfolgende Tod seines Bruders, des Kaisers, nöthigte ihn nach
Deutschland zur Kaiserwahl zu reisen, und da die deutsche Krone
auf sein Haupt fiel, zur Berufung eines Reichstages nach Regens
burg, wodurch nicht weniger als zwei Jahre verflossen, ohne dass
er den Angelegenheiten seiner Monarchie grössere Aufmerksamkeit
zuwenden konnte. Gegen das Ende des Jahres 1613 trat jedoch für
ihn ein Moment grösserer Ruhe ein, so dass die Berufung der Land
tage in allen seinen Besitzungen nicht länger hindanzuhalten war; er
selbst, wie die Stände, hatten sich indessen auf einen heissen Kampf
um ihre gegenseitigen Interessen vorbereitet.
Wenn man den Charakter und die Handlungsweise des Kaisers
Mathias unparteiisch beurtheilt und namentlich sein versöhnliches
und entgegenkommendes Benehmen gegen Böhmen in den Jahren
1618 und 1619 berücksichtigt, so kann man über ihn keine
andere Meinung haben, als dass er die Ruhe liebte und ihr jedes
mögliche und mit dieser überhaupt verträgliche Opfer zu bringen
bereit war. Wie hätte er also nicht wünschen sollen, mit den Stän
den in Eintracht zu leben, da er doch selbst ihre Macht mit seiner
eigenen Ohnmacht am besten vergleichen konnte? Wenn er dennoch
im Laufe der Jahre 1612 und 1613 den entschiedenen Beschluss
fasste, die ständischen Conföderationen nicht zuzugeben und lieber
einen Kampf auf Leben und Tod zu wagen, so konnte dieser Entschluss
nur das Resultat der Überzeugung sein, dass er zu Grunde gehen
müsse, wenn er sein Versprechen einlösen wolle. Er wusste dass die
Conföderation nicht das letzte Wort der Stände sei, und das heimliche
und laute Flüstern kleiner deutscher Fürsten, welche sich darüber
unterhielten, wem wohl nach seinem Tode die einzelnen Länder der
Monarchie zufallen würden, konnte ihn genug über die Wünsche der
einen und die Befürchtungen der anderen aufklären. Kam es doch
bereits in dieser im vorhinein als gewiss angenommenen Länder-
theiluiig so weit, dass der vorsichtig eund furchtsame Jakob I. von Eng
land von dem Kurfürsten von der Pfalz, der eben um seine Tochter
freite, zu verstehen gab, er dürfte wohl einmal die Krone von Böhmen
die seinige nennen. Und dies wurde nicht im Geheimen gesagt, sondern
so, dass der spanische Gesandte davon Kenntniss nehmen konnte.
236
G i ii d e 1 y
Wenn sich aber Mathias gegen die drohenden Gefahren, die
entweder seiner eigenen Regierung oder dem Erbrechte seines
Hauses drohten, nicht anders zu schützen wusste, als dass er sein
den Böhmen gegebenes Versprechen nicht einhielt, so musste er
auch auf die Miltei bedacht sein, den kommenden Kampf aufzu
nehmen. Die österreichischen Stände hatten ihm selbst im Jahre 1609,
die böhmischen Stände im selben Jahre seinem Bruder Rudolf ge
zeigt, dass sie sich in kürzester Zeit zu waffnen wüssten, ohne hiezu
eben die Erlaubniss des Souverains nöthig zu haben. Wenn sie sieh
nochmals und ohne seine Erlaubniss waffneten, so war es um ihn
geschehen, sobald er ihnen nicht selbst mit einem Heere entgegen
treten konnte. Wenn ein Arzt sich lange abmüht, die Ursache einer
Krankheit zu entdecken, so glaubt er sie schon halb besiegt zu
haben, wenn ihm dies nach vielen Versuchen und Untersuchungen
endlich gelungen ist, denn nun kann er .das entsprechende Heilmittel
anwenden. Durch das ganze XVI. Jahrhundert waren den deutschen
Habsburgern unablässig von den Protestanten Verlegenheiten bereitet
worden und man hoffte immer, deren loszuwerden, wenn der Pro
testantismus unterdrückt wäre. Unzweifelhaft ist es Khlesl gewesen,
der die Quelle der Gefahren für die Herrschaft seines Herrn nicht
länger in dem abweichenden Glaubensbekenntnisse, sondern in dem
Unabhängigkeitssinne des Adels suchte. Statt also mit Brevier und
Rosenkranz ihnen entgegenzutreten und sich mit ihnen herumzustrei
ten, ob der Apostel Petrus Bischof von Rom gewesen sei oder nicht,
hielt er die Aufstellung einer kleinen Armee für das erspriesslichste
Bekehrungsmittel der Stände. Während er in Frankfurt mit der
allergrössten Mühe den Widerwillen der geistlichen Churfürsten
gegen die Wahl Mathias’ zum Kaiser zu besiegen trachtete, liess er
die böhmischen Angelegenheiten nicht ausser Acht, sondern suchte
bereits die Mittel in Bereitschaft zu halten, mit denen der künftigen
Gährung entgegengetreten werden sollte. Auch Mathias überzeugte
sich schnell genug, dass nur eine starke militärische Stellung ihn
retten könne, und so ward denn die Errichtung einer Armee am
kaiserlichen Hofe als dasjenige angesehen, worin sich alle Bemühung
concentriren müsse. Alle Räthe Mathias’ waren in dieser Beziehung
nur einer Meinung.
Gewiss, bei dem gichtkranken Mathias, der mehr wie die Hälfte
des Jahres mit Unwohlsein kämpfte oder bettlägerig war und der
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
237
von seinem Bruder Rudolf einen guten Theil der Unschlüssigkeit
geerbt hatte , war mit der Errichtung einer Armee kein anderer
Zweck verbunden, als ruhig zu herrschen. Wenn seine Umgebung
und einige der wichtigsten Personen am Hofe von dieser künftigen
Armee nichts Geringeres hofften, als aus den österreichischen Län
dern ein zweites Spanien oder Frankreich zu machen, so war das
weit mehr, als dem Kaiser auch nur zu träumen einfiel. Mathias
hatte sehr wenig Geld, um eine Armee auszurüsten, und hatte er
auch die deutsche Krone auf sein Haupt gesetzt, so durfte er von
daher keine Unterstützung weder an Geld noch an Mannschaft
erwarten. Seine einzige Hoffnung bildeten Philipp III. von Spanien
und der Papst; an diese schickte er seine Gesandten Alexander
Ridolfi und den Grafen Coüalto.
Bei Spanien bedurfte es nicht allzu vieler Bemühungen, um ein
günstiges Resultat zu erlangen. Philipp III. war von den Nöthen
seines Vetters vollständig überzeugt, denn die Berichte Balthasar’s
von Züiiiga, des spanischen Gesandten in Wien, verschafften ihm die
genaueste Kenntniss der österreichischen Zustände. Zudem hatte
Züniga vom ersten Augenblicke au, seit er nach Österreich gekommen
war, die Ursache der Ohnmacht aller österreichischen Regenten
nur in ihrer wehrlosen Lage den Ständen gegenüber gesehen und
selbst auf die Nothwendigkeit eines kleinen Heeres hingewiesen.
Auch trug man sich in Spanien noch immer mit der Hoffnung, die
Niederlande wieder zu gewinnen, und da man hiezu nicht selbst
stark genug war, so hoffte man auf eine günstige Diversion von
Seite des Kaisers; man durfte also diesen um keinen Preis sinken
lassen, da man sich seiner bei so weit gehenden Plänen bedienen
wollte.
Wollte Mathias sicher gehen, so musste er diesen Hoffnungen
schmeicheln und die Erwartungen, die er selbst von der Aufstellung
eines Heeres hegte, auf das Abenteuerlichste übertreiben. Ridolfi,
. mit der Mission nach Spanien betraut (1613), betrat diesen Weg,
begnügte sich aber nicht, blos auf die Staatsmänner einzuwirken,
sondern versuchte dem König selbst so nahe wie möglich zu
kommen. Zwischen der deutschen und spanischen Linie der Habs
burger war trotz der Trennung durch Zeit und Länder doch eine
innige verwandtschaftliche Anhänglichkeit nie erstorben und wurde
namentlich durch die weiblichen Glieder der Familie gehegt und
238
G i n d e 1 y
gepflegt. Mathias legte desshalb durch Ridolfi der alten Erzherzoginn
Margaretha, welche, in einem Kloster in Madrid lebend, ihre Zeit
zwischen Gebeten, strengen ßussübungen und feurigen Wünschen
für das Wohl ihres Hauses theilte, seine Angelegenheiten an’s Herz,
überzeugt, dass sie bei dem Könige wirksam vorbitten würde. Auch
der Jesuit Alphons Carillo, der lange Zeit in Österreich gelebt hatte
und mit Mathias bekannt war, eine nicht unwichtige Person, wurde um
seine Unterstützung ersucht; er entzog sie nicht, sondern übergab
dom König ein Memoire, worin er auf das Wärmste die Bitte Mathias’
befürwortete. Das Resultat aller dieser Bitten und Empfehlungen
war, dass Philipp III. seinem Vetter versprach, sobald die Noth es
erheische, 3000 Mann in der kais. Armee mit spanischem Gelde
zu unterhalten, und überdies ihm eine jährliche Unterstützung von
100.000 Gulden bewilligte, welche mit dem J. 1613 bereits flüssig war.
An den Papst Paul V., auf welchen Mathias, wie erwähnt, auch
einen Theil seiner Hofthungen stützte, wurde der Graf Collolto abge
schickt (1613). In der Audienz, welche der Papst dem Gesandten
ertheilte, schilderte der letztere die Sachlage in Österreich: Die
Anmassungen derTürken gingen so weit, dass sie sich Siebenbürgens
zu bemächtigen suchten, was den Kaiser nothige, zu wafthen;
es komme nun Alles darauf an, oh er mit eigenen Mitteln ein Heer
zu Stande bringen wolle, oder ob er sich desshalb an seine prote
stantischen Unterthanen wenden solle. Im ersten Falle stehe das
Heer in seiner Macht, im zweiten Falle seien die Ketzer die Herren
der Armee und er vollständig in ihrer Gewalt. Von dem Beistände
Seiner Heiligkeit und anderer christlicher Fürsten hänge es nun ab,
ob Mathias den einen oder den anderen Weg betreten werde. Klar
sei es, dass wenn der Kaiser selbst das Heer aufstelle, so könne er
den Türken nicht nur besser widerstehen, sondern er sei dann auch
alleiniger Besitzer eines Heeres in Deutschland, könne sich dessen
gegen die einheimischen Feinde bedienen und so ganz „wunder
bar e W i r ku ngen“ mit demselben hervorbringen, und dies Alles
sei so leicht ausführbar und zugleich so folgenreich, dass der Kaiser
in gewisser Beziehung den Türken für ihre Anmassung noch dank
bar sein müsse, weil sie ihm Gelegenheit geben, zu waffnen, ohne
dass die Ketzer einen Argwohn daraus schöpfen könnten.
Paul V., welcher um diese Zeit auf dem päpstlichen Stuhle
sass, hatte zur Maxime seiner Regierung ein gutes Einvernehmen
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
239
mit dem Hause Habsburg gemacht, doch ging sein Eifer für dasselbe
nicht weiter als fromme Wünsche reichen , denn seine persönliche
Neigung war auf seine Familie gerichtet, welche er mit einem
riesigen Vermögen auszustatten suchte. Drei Jahre vorher hatte
die katholische Liga in Deutschland ihn gleicherweise um Unter
stützung gegen die protestantische Union ersucht und trotz
aller Bitten war von ihm nichts anderes als Versprechungen zu
erlangen. Damals gab man in Rom zu verstehen, der Papst könne
nicht anders handeln, weil er sich sonst die Feindschaft Hein-
rich’s IV. zuziehen würde; jetzt bestand dieses Hinderniss nicht
mehr, aber der Papst war deshalb um nichts freigebiger. Er
antwortete dem kaiserlichen Gesandten, er sei nicht in der Lage,
jetzt eine Geldhilfe zu leisten, wolle sich aber nach Mitteln
umsehen und verspreche etwas im folgenden Frühjahre (1614)
zu thun. Collalto, vorbereitet auf diese Antwort, entgegnete: sei
auch der päpstliche Stuhl nicht augenblicklich im Besitze der
nöthigen Geldmittel, so würden sich doch noch Wege finden, die
selben durch irgend ein Auskunftsmittel herbeizuschaffen, und
der Papst thäte gut, wenn er die ganze Angelegenheit einigen
Cardinälen zur Begutachtung übergeben wollte. Gleichwohl ging
Paul auch nicht auf diesen Vorschlag ein, denn die Auskunftsmittel
zur Herbeischaffung von Geld konnten füglich keine anderen sein,
als ein Anlehen oder eine Besteuerung der geistlichen Güter,
welche beide Wege in Rom nicht geliebt wurden. Als nun Collalto
nach fruchtlosen Bemühungen beim Papste seine Abschiedsaudienz
nahm, wiederholte er nochmals seine frühere Darstellung der be
drängten Verhältnisse des Kaisers und protestirte dann gegen das
Betragen des heiligen Vaters, ihn für die Folgen verantwortlich
machend, wenn der Kaiser, von den Türken und Ketzern gleich-
massig bedrängt, unterliegen sollte. Aber nicht mit dieser Prote
station sich begnügend, nahm er plötzlich jenen Ton an, dessen
sich im Mittelalter allenfalls die Hohenstaufen bedienten, wenn
sie sich im Kampfe mit der Kirche befanden. Er erinnerte den
Papst nämlich daran, dass er kein Souverain über seine Besitzungen
sei, sondern Lehen vom Kaiser besitze, und dass dieser in der Noth
zur Einziehung solcher Lehen und ihrer Veräusserung schreiten
werde. Dem Papste mag diese Drohung etwas abgeschmackt vor
gekommen sein, denn sie alterirte weder seinen Gleichmuth, noch
240
G i n d e I y
vermochte sie ihn zu der verlangten Unterstützung. Wie wenig
indessen seine Behauptungen von der Erschöpfung des päpstlichen
Schatzes der Wirklichkeit entsprachen, ergab sich daraus, dass in
demselben Momente, wo der Kaiser für die Verwirklichung hoch
fliegender Pläne nur um 60.000 Ducaten vergebens bat, der Papst
für seinen Neffen Güter um 300.000 Ducaten ankaufte.
Zu der misslungenen römischen Gesandtschaft gesellte sich auch
das völlige Misslingen des Reichstages von Regensburg im Jahre 1613.
Der Kaiser hatte von demselben eine Geldsubvention unter dem
üblichen Titel „gegen die Türken“ erwartet, aber hierin sich ge
täuscht gesehen. Die protestantischen Stände, obenan die Union,
waren darüber völlig einig, nie und nimmer dem Kaiser eine Steuer
zu zahlen. Schon im Jahre 1608 und nun abermals brachen sie den
Reichstag unter allerlei falschen Vorwänden ah; der einzig wahre
Grund war aber der Entschluss, dem Kaiser nichts von dem Gelde
herauszugeben, womit sie ihn selbst bekämpfen wollten. Mathias
konnte höchstens bittweise von den katholischen Reichsgliedern etwas
erhalten. Bei solchem Mangel an Geld konnte nun keineswegs von
einer Eroberungspolitik die Rede sein, mochten auch im kaiserlichen
Cabinete immerhin noch einzelne Räthe kindischen Träumereien
nachhängen. Es war jetzt mehr wie je eine gewandte Politik den
österreichischen Ständen gegenüber nöthig, weil diese einiges, und
mehr als der Wahrheit gemäss war, über die Absichten des Kaisers
auf ein Heer in Erfahrung gebracht hatten. Ihre Aufmerksamkeit
musste von den innern Angelegenheiten abgekehrt und auf einen
andern Gegenstand gelenkt werden. Die Türken boten in dieser
Beziehung einen nicht nur gewünschten, sondern auch begründeten
Vorwand, die Ausbreitung ihres Einflusses über Siebenbürgen war
eine unbestreitbare Thatsaehe und für die christlichen Völker
jedenfalls mit hoher Gefahr verbunden. Wenn es nun dem Kaiser
gelang, mit ständischer Hilfe ein Heer zusammenzubringen, dann
waren allerdings nicht die von Collalto geschilderten Vortheile von
demselben zu erwarten, aber es war doch einiges gewonnen,
wenn sich die gesummten Völker Österreichs einem solchen Ziele,
wie die Bekämpfung der Türken, zuwandten, denn je schneller und
glänzender da die Resultate der Anstrengung waren, desto weniger
konnten sie verfehlen, zur Erhöhung der kaiserlichen Auctoi'ität
beizutragen.
Der erste österreichische Reichstag 1 zu Linz im Jahre 1614.
241
Es bedurfte wahrlich eines kühnen und an Hoffnungen reichen
Geistes, der von den Ständen ein bereitwilliges Eingehen auf die
Türkenfrage erwarten konnte; dennoch musste der Versuch gemacht
werden, wenn man die Berathungen über die Conföderation in die
Ferne schieben oder den unvermeidlichen Bruch aufhalten wollte.
Man entschied sich im kaiserlichen Cabinete, die Landtage aller
Länder zu berufen und sie einzeln aufzufordern, an der Bildung eines
Heeres theilzunehmen, das gegen die Türken verwendet werden
sollte. Den Anfang mit Berufung der Landtage beschloss der Kaiser
in Böhmen zu machen, da dieses Land die wichtigste Provinz der
Monarchie war, denn Ungern, welches ihm ehedem diesen Rang
streitig machte, lag mit seinen schönsten Theilen zu den Füssen der
Türken und war seil beinahe 100 Jahren den übrigen Ländern nur
von seiner jämmerlichen Seite bekannt. Es gehörte eine nur durch
die Noth begreifliche Entschlossenheit dazu, wenn Mathias zuerst
es gerade mit jener Provinz aufnehmen wollte, welcher er ein Ver
sprechen gegeben, das er nicht mehr erfüllen wollte. Gegen Ende
des Jahres 1613 reiste er nach Tabor, besehied dahin die obersten
Beamten Böhmens und machte sie auf die Nothwendigkeit der Be
rufung eines Landtages aufmerksam. Da in Prag um diese Zeit die
Pest wüthete, so verglich man sich dahin, dass der Landtag in Bud-
weis tagen solle. Kaum hatte sich die Nachricht davon in Böhmen
verbreitet, als sich im Lande die grösste Aufregung kund tliat; fast
der ganze Adel erklärte im ersten Augenblick, er werde nicht nach
Budweis gehen; man frug sich, warum denn nicht ein General-Landtag
berufen worden sei, man misstraute der Stadt Budweis, weil sie ganz
katholisch war, vor Allem aber regte die Nachricht auf, der Kaiser
habe den obersten Beamten erklärt, der Landtag müsse sich mit der
Bewaffnung beschäftigen, damit ein Feldzug wegen Siebenbürgens
unternommen werden könne. Also war die Befürchtung, die man seit
Jahr und Tag hegte, Mathias wolle eine Armee aufstellen und die
ständische Verbindung nicht zugeben, endlich wahr geworden. Es
gab vielleicht keine Zeit, ausser dem Jahre 1618, wo die Gährung
in Böhmen einen so hohen Grad erreicht hatte, wie in diesem Augen
blicke. Man war geneigt, einen Aufstand zu organisiren, aber die
Dinge waren nicht reif, da ohne fremde Hilfe die Böhmen nicht auf-
kommen konnten; nun war aber auf die stets bereiten Unterstützer
jedes Aufstandes, den Kurfürsten von der Pfalz und den König
Sitzb. der phil.-hist. CI. XL. Bd. II. Hfl.
16
242
G i n d e 1 y
von Frankreich, nicht zu rechnen, denn der erste war minder
jährig, der zweite ein Knabe von kaum acht Jahren.
Bei diesem Mangel an hinreichender Vorbereitung und bei der
Unwahrscheinlichkeit auswärtiger Hilfe kam der Landtag in Budweis
dennoch zu Stande, und wenn auch nicht so zahlreich wie sonst
besucht, konnte man doch die Versammlung nicht für ein Rumpf
parlament ansehen, um so weniger, als die bedeutendsten Häupter
der Opposition: Schlick, Thurn, Fels und Andere, sich einfanden.
Der Kaiser erschien mit einem stattlichen Gefolge; in seiner
Begleitung war der belgische General Graf Buquoy, der bis dahin
in spanischen Diensten gestanden war und von dem man sich in die
Ohren raunte, dass er zum Commandanten über die künftige öster
reichische Armee ausersehen sei. Um diese Zeit waren die spanischen
Truppen und ihre Anführer, welche in Belgien stationirt waren, die
kriegsgeübtesten in Europa und ihr Ruf war selbst noch glänzender
als ihre Kriegsthaten. Einen im spanischen Dienst geschulten General
zu berufen, wurde natürlicher Weise in Böhmen nicht anders, denn
als eine neue Drohung angesehen, und das Betragen der Kathdliken
selbst gab hiezu nicht geringe Veranlassung. Die Jesuiten, welche
man, obwohl sehr mit Unrecht, als die Mitwisser aller Geheimnisse
des kaiserlichen Cabinets ansah, Hessen dem General zu Ehren ein
Schauspiel in Budweis aufführen, welches verblümt und unverblümt
andeutete, was die Katholiken in Bezug auf die Österreichischen
Länder von ihm hofften und erwarteten.
Dem am 29. Januar 1614 in Budweis eröffneten Landtage wurde
die bedrohliche Lage der Dinge in Ungern auseinandergesetzt und
daran die Forderung geknüpft, die Stände sollten die Kosten zu
Unterhaltung von 6000 Manu zu Fuss und 2000 Reitern tragen,
ausserdem aber einen Beitrag zur Instandhaltung der ungrisclien
Grenzfestungen leisten und endlich die Bezahlung der königlichen
Schulden auf sich nehmen. Wenn die übrigen Länder nach gleichem
Massstabe das Heer vergrösserten, wie dies jetzt den Böhmen zuge-
muthet wurde, so musste selbst mit Ausschluss der inner- und vor
derösterreichischen Länder eine Armee von 30.000 Mann zu Stande
kommen, ungerechnet die Mannschaft, welche Mathias auf eigene
Kosten ausrüstete und welche mit spanischem Gelde gezahlt wurde.
Dies konnte eine Armee werden, wie man sie seit Menschengedenken
nicht mehr in Österreich gesehen hatte.
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614. * 243
Jetzt musste der erste Zusammenstoss erfolgen, wenn anders
die Stände ihre Wünsche auf eine allgemeine Conföderation nicht
aufgabcn oder des ihnen von Mathias gethanen Versprechens nicht
vergessen hatten. Dies war nun nicht der Fall, und statt auf die
Berathung der königlichen Propositionen einzugehen, fassten die
Stände den Beschluss, sich vorerst darüber zu berathen, was denn
bezüglich der Conföderation zu geschehen habe. Da sich diesem
oppositionellen Schritt alle Rälhe des böhmischen Hof- und Kammer
gerichtes anschlossen, wurden sie desshalh vor den Kaiser berufen,
der sie persönlich « egen ihrer Haltung zur Rede stellte. Die Mehrzahl
der so Getadelten schwieg, einige entschuldigten sich und erklärten,
sie seien nicht im mindesten gewillt gewesen, dem Kaiser nahe zu
treten, nur Wenzel von Ruppa blieb fest und erwiederte: er sei
durcli sein Amt nicht blos dem König, sondern auch dem Lande ver
pflichtet. Die Opposition fühlte sich dadurch gekräftigt und der
Landtag beharrte auch fernerhin auf dem eingeschlagenen Wege,
indem er dringend nach der Auflösung und nach der Berufung eines
General-Landtags verlangte. Auch ein zweiter Versuch des Kaisers,
die Opposition dadurch zur Nachgiebigkeit zu bringen, dass er die
vornehmsten Häupter derselben, den Grafen von Schlik, Wenzel
von Ruppa und Wilhelm von Lobkowitz zu sich berief und sie per
sönlich zur Berücksichtigung seiner Wünsche aufforderte, hatte nur
einen höchst unvollkommenen Erfolg. Die Stände Hessen zwar in
Folge dieses Entgegenkommens von ihrer schroffen Haltung etwas
nach, verlangten nicht mehr nach Auflösung, allein sie zeigten sich
nur erbütig, dem Kaiser in seinem dringendsten Bedürfnisse zu helfen
und bewilligten desshalb die fernere Erhebung der Bier- und Häuser
steuer. Aber damit hatte auch ihre Nachgiebigkeit ein Ende, weder
wollten sie etwas von einer Übernahme der Schulden, am aller
wenigsten aber von der Ausrüstung der ihnen zugemutheten 8000 Mann
etwas wissen. Zu allem dem musste Mathias selbst diese so eng
begrenzte Bewilligung theuer genug bezahlen, er musste nämlich
den Ständen einen Revers ausstellen, dass er nunmehr sicher einen
General-Landtag längstens bis zum Monat Januar 1615 berufen und
dass er diesem vor Allem die Berathung und Inslehenführung der Con
föderation mit Gewissheit vorlegen werde.
Während der Verhandlungen im Landtage waren mit Ausnahme
Ruppa's von der Opposition nur die Gestirne zweiten Ranges, wie
16 4
244
G i n d e I y
Stephan von Sternberg, Graf Schlik und Wilhelm von Lobkowitz in s
Gefecht geschickt worden. Thurn und ßudovec, dann in zweiter
Linie Leonhard von Fels, waren vorsichtig im Hintergrund geblieben,
brüteten aber über desto verwegeneren Plänen. Erst nachdem die
Stände sich so weit hatten besänftigen lassen, dass sie den kaiser
lichen Wünschen, wie eben erzählt, nachzugeben sich entschlossen,
traten Thurn und Fels in den Vordergrund. Beide hatten eine Schrift
entweder selbst entworfen oder sieh entwerfen lassen, welche, an
den Kaiser gerichtet, diesen von der Absicht eine Armee aufzustellen
abbringen sollte. Am 26. Februar erlangten sie eine geheime Audienz
bei Mathias und unter Versicherungen ergebenster Treue überreichten
sie ihm ihre schriftliche Vorstellung blos in ihrem beiderseitigen
Namen. Ohne gerade offen in derselben dem Kaiser von der Werbung
einer Armee abzurathen, weil die Stände dies als eine Kriegserklärung
gegen sich betrachten würden, deuteten sie doch unverblümt darauf
hin, dass die Werbung den Kaiser den Verlust aller Kronen kosten
dürfte. Jedes neue Kriegsheer würden die Stände so misstrauisch
wie ehemals das Passauische betrachten, sie würden von demselben
befürchten, dass es die Länder bedrücken, vor Allem aber, dass es die
Freiheit bei der Königs wähl unterdrücken solle. Mit ironischer
Schmeichelei hiess es dabei: Sei doch gegen das Passauer Volk nur
mit höchster Anstrengung des Landes das Feld behauptet und die
Freiheit der Wahl, welcher Mathias seine Krone danke, ge
sichert worden. Auch darauf wurde der Kaiser aufmerksam gemacht,
dass wenn er selbst auf eigene Kosten Truppen werben wollte, er
dies ohne Bewilligung der Stände weder thun, noch die geworbenen
irgendwo einquartieren, noch auch nur durchmarschiren lassen dürfe.
Und um alle Gründe für die beabsichtigte Werbung wegzuräumen,
nahmen Thurn und Fels keinen Anstand, dem Kaiser den Rath zu
geben, sich wegen Siebenbürgens keine Sorgen zu machen, das
selbe sich selbst zu überlassen, denn wegen der entfernten Lage
dieses Landes habe man gar keine Hoffnung auf nachhaltige Ver
teidigung desselben, und überhaupt sei Alles verloren, sobald man
sich von der „lieben Mutter“, der Donau, entferne.
Gewiss ist, dass der Kaiser beim Empfange dieser Schrift
weniger durch die Opposition gegen die Aufstellung eines Heeres,
als mehr noch durch die höhnische Hinweisung auf das böhmische
Wahlrecht gereizt worden sein mochte. Damals trug er sich noch
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
24b
stark mit der Hoffnung, von seiner Frau Nachkommenschaft zu
erhalten; der beleidigte Stolz und das verletzte Familiengefühl konnten
ihn natürlich nicht zu einer günstigen Aufnahme der thurnischen
Schrift bewegen und er musste durch dieselbe nur um so mehr in
der Vorstellung bestärkt werden, dass es für ihn und seine Familie
ohne Verminderung der ständischen Macht keine Sicherheit mehr
gebe. Was würde er erst gesagt haben, wenn er um die Verhand
lungen gewusst hätte, welche einige Wochen nach dem Schlüsse
des Budweiser Landtags Thum, Schlick und sogar Wenzel Kinsky
mit dem Kurfürsten von Sachsen anknüpften. Durch einen Agenten,
welchen dieser in Prag unterhielt, Hessen sie ihm sammt und sonders
entbieten, sie wollten völlig mit dem Hause Habsburg brechen und
ihm die Krone von Böhmen antragen. Die Schwerfälligkeit und auch
die Rechtlichkeit des Kurfürsten waren Ursache, dass dieser Antrag
vorerst keine Folgen hatte.
Bei Gelegenheit des Budweiser Landtages trat zum ersten Male
die Absicht des Kaisers, einen Reichstag, oder wie man dies damals
bezeichnete, einen Generalconvent nach Linz zu berufen, offen her
vor. Im Laufe der Debatten wurde an die böhmischen Stände das
Ansinnen gestellt, einen Ausschuss aus ihrer Mitte zu wählen, der in
dem Generalconvent die Kriegsfrage mit berathen helfen sollte. Die
Stände lehnten diese Forderung völlig ab; das, was der Kaiser in
Linz verhandeln lassen wolle, könne er eben so gut am General-
Landtage in Prag anbringen. Sie waren nicht absolut gegen eine
gemeinschaftliche Berathung mit den Landtagsausschüssen anderer
Länder eingenommen und konnten es auch nicht sein, denn da zu
zu dem künftigen General-Landtage in Prag nicht blos die Länder der
KroneBöhmen, sondern auch Vertreterallerübrigen Provinzen berufen
werden sollten, so war da auch ein Generalconvent beisammen. Ein
Prager Generalconvent war desshalb den Böhmen genehmer, weil der
Kaiser vermöge des eben ausgestellten Reverses genöthigt war, daselbst
zuerst die Conföderationsfrage erörtern zu lassen; in Linz dagegen
war er an seinen Revers nicht gebunden und konnte seine eigenen
Wünsche den Ständen zur Berücksichtigung empfehlen. Gegen die
Berufung aller österreichischen Stände an einen Ort wurde also von
keiner Seite ein Widerspruch erhoben, die Differenz bestand allein
bezüglich des Gegenslandes der Berathung: die Stände wollten ihre
Angelegenheiten, der Kaiser die seinigen berathen wissen.
246
G i ii <1 e 1 y
Wann die Idee, einen Generalconvent nach Linz zu berufen,
zuerst im Cabinete des Kaisers aufgetaucht ist, wissen wir nicht zu
sagen; weder die Acten des Wiener Archives, noch die Berichte des
spanischen Gesandten geben darüber genügende Aufschlüsse. Wahr
scheinlich ist jedoch, dass der üble Verlauf des Budweiser Land
tages auf die Frage bringen konnte, ob denn nicht eine allen
Landtagen vorzulegende Angelegenheit besser in Gemeinschaft als
getrennt berücksichtigt werden dürfte. Manche von den Rathen
erschraken vor einem Generalconvent und meinten, der Kaiser biete
selbst Hand ku den Verschwörungen und Bündnissen der Stände,
wenn er sie Zusammenkommen lasse. Auch der spanische Gesandte
war dieser Ansicht und glaubte, dass ein Generalconvent die Aucto-
rität des Kaisers beeinträchtige und dass derselbe gemeinsame
Angelegenheiten aller Länder, wie z. B. die über Krieg und
Frieden, nicht durch ihren Beirath, sondern nur allein entscheiden
dürfe. Dennoch entschied sich der Kaiser für die Berufung des
Generalconvents. Die Gefahr von den Türken war unbestreitbar da,
und wenn Siebenbürgen in’s Bereich ihrer Macht gezogen wurde,
so konnte dies gewiss nicht tröstlich und beruhigend auf die Öster
reicher, Steirer und Andere wirken. Wer einen hohem Werth darauf
setzte, vor türkischer Unterjochung sicher zu sein, als dem Hause
Habsburg gegenüber das ständische Wahlrecht aufrecht zu erhalten,
konnte nicht im Zweifel sein, dass er mit aller Kraft Mathias zu
unterstützen habe. Was Mathias nicht am Landtage von Böhmen oder
von Mähren oder von Ungern einzeln erlangen konnte, war vielleicht
nicht so ganz unmöglich, auf einem Reichstage durchzusetzen. Mit
Hilfe der kleinen Provinzen, die fast sainmt und sonders in Hader
mit den grossen lebten, konnten die besten Resultate erlangt werden.
Dass dem Cardinal Khlesl, dem Urheber dieses wichtigen Entschlusses
die Absicht vorgeschwebt haben sollte, mit dem Linzer Reichstage
eine Art von Reichsparlament zu inauguriren, darüber gelang es uns
nicht, die leiseste Spur in den Archiven ausfindig zu machen; es
hiesse aber den staatsmännischen Blick dieses Mannes sehr gering
schätzen, wenn man nicht annehmen wollte, dass er bei der Linzer
Versammlung Pläne für die Zukunft gefasst oder wenigstens Träume
reien sich hingegeben haben sollte, wie unter den Ländern der
Monarchie eine wirksame Verbindung errichtet werden könnte.
Träume von Staatsmännern bleiben aber nie ohne Einfluss auf ihre
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
247
Handlungsweise. Vor 200 Jahren war es in gewisser Beziehung weit
leichter, sich mit solchen Einigungsplänen zu tragen, da die sprach
liche Verschiedenheit durch die vermittelnde Einwirkung des lateini
schen Idioms nicht so schroff hervortrat und damals noch jene
Reiche, welche heutzutage als Muster von Gesammtstaaten dastehen,
Frankreich, Grossbritannien und Irland, ja Spanien selbst in ihrem
Schoosse die unausgeglichensten Gegensätze trugen.
Nach dem Schlüsse des böhmischen Landtags wurden also in
Eile die übrigen Landtage der Monarchie berufen und ihnen gleicher
weise die Forderung des Kaisers wegen eines aufzustellenden Heeres
vorgetragen. Alle waren mehr oder weniger schwierig, aber doch
auch verhältnissmässig summt und sonders nachgiebiger wie Böhmen.
An alle wurde auch die Forderung gestellt, Ausschüsse aus ihrer
Mitte nach Linz abzuschicken. Bezüglich Böhmens befand sich der
Kaiser in nicht geringer Schwierigkeit, da der Landtag von Budweis
jede Sendung nach Linz abgelehnt hatte. Er half sich zuletzt damit,
dass er den Statthaltern, den Beisitzern des Landsrechts, des Hof-
und Kammergerichtes, so wie endlich den Defensoren den Befehl
ertheilte, einen Ausschuss aus ihrer Mitte zu wählen und nach Linz
zu schicken. Wahr ist, dass die genannten Räthe, so wie die Defen
soren alle Häupter der katholischen und protestantischen Partei in
sich vereinten und nahezu die Hälfte der gewöhnlichen Mitglieder
zahl des Landtages umfassten, aber trotz ihres moralischen Ansehens
und ihrer Anzahl waren sie doch nicht der Landtag. Der Kaiser
erreichte indessen seinen Zweck, da auf seinen Befehl eine Deputa
tion nach Linz abgefertigt ward ; sie bestand aus sieben Personen,
darunter Adam von Waldstein, Wilhelm Slawata, dem Grafen von
Thurn, Colonna von Fels und Johann von Klenau.
Am anhänglichsten waren der kaiserlichen Familie jene Län
der, welche unmittelbar unter der Herrschaft der Erzherzoge Maxi
milian und Ferdinand standen, also Vorder- und Innerösterreich. Der
Kaiser galt, als ältester Prinz der deutschen Linie, auch in diesen
Ländern als der oberste Herr, abgesehen von seiner Stellung als
Kaiser, und es entstand desshalb darüber kein Zweifel, dass man
auch Ausschüsse aus Tirol, Steiermark u. s. w. zu berufen habe, um so
mehr, da man sich auf ihre Ergebenheit verlassen konnte. Der Tiroler
Landtag, aufgefordert einen Ausschuss zu wählen, that dies, theilte
aber die Besorgnisse des spanischen Gesandten und widerriet
248
G i ii (1 e 1 y
den Generalconvent; es könnte nämlich in Linz leicht die Verhand
lung einen Gang nehmen, der nichts weniger als dem Kaiser genehm
sein dürfte. Besser wäre es, wenn Mathias Vertrauens
personen aus den einzelnen Ländern, katholisehe wie
protestantische, beriefe und einer solchen aus seiner
eigenen Wahl her vor gegangenen Versammlung die Er
örterung über die einz uschlagende Politik übe rliesse.
Dies konnte nun nicht mehr geschehen, so naheliegend auch
immer die von den Tirolern angedeutete Gefahr sein mochte, es
blieb dabei, dass die Ausschüsse in Linz Ende Juli (1614) Zusam
menkommen sollten. Der Versammlung sollte der grösste Glanz und
die grösste Bedeutung gegeben werden, desshalb berief der Kaiser
dahin seinen Bruder, den Erzherzog Maximilian, und seinen Vetter,
den Erzherzog Ferdinand. Auch Spanien und Belgien, von Mit
gliedern derselben Dynastie beherrscht, sollten vertreten sein. Für
Philipp III. sollte der Gesandte Balthasar von Zirniga, für Erzherzog
Albrecht der Graf Buquoy als Stellvertreter auf dem Generalconvent
sich einfinden. Es konnte wohl nicht besser angedeutet werden,
dass die Habsburger alle ihnen unterthanen Länder, wenn auch
mehrfach getheilt, als einen gemeinsamen Besitz ansahen, eine An
schauung, die man da am stärksten hervortreten lassen mochte, wo
sie am heftigsten angefeindet war.
Anstatt dass der Generalconvent schon Ende Juli zusammen
getreten wäre, fand seine Eröffnung erst am 11. August Statt. Theils
waren die Ausschüsse später erschienen, so zum Beispiel die schle
sischen erst am 9. August, theils waren unter den Erschienenen
selbst Streitigkeiten ausgebrochen, die erst geschlichtet werden
mussten. Die Vertreter von Steiermark, Kärnten und Krain ver
langten nämlich bei den Sitzungen den Vorsitz vor den Österreichern
und unterstützten ihre Ansprüche damit, dass sie auf das höhere
Alter ihres Herzogstitels hinwiesen. Aus einem ähnlichen Grunde
verlangten auch die Mährer vor den Österreichern den Vorrang.
Diese wiesen sowohl die ersteren wie die letzteren mit ihren For
derungen ab; gegen die Steirer erklärten sie, ihnen den Vorsitz
nur im eigenen Lande gestalten zu wollen, so dass also bei gemein
schaftlichen Zusammenkünften die Österreicher in Österreich, die
Steirer in Steiermark den Vorrang haben sollten. Mit diesem Vor
schlag ward der Streit geschlichtet. Den Mährern wollten die Öster-
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
249
reicher nurdann den Vorrang einräumen, wenn sie imVereine mitden
Böhmen sitzen und stimmen würden, anders nicht. Die Mährer
wollten zwar nichts davon wissen, brachten auch den Streit an den
Kaiser, allein sie konnten keine bessere Entscheidung erlangen, da
dieser nach anfänglicher Weigerung über den Streit zu richten
zuletzt sein Missfallen den Mährern bezüglich ihrer Präteiisionen zu
erkennen gab. Die Vertreter der Ungern und Croaten waren zeitig
genug erschienen. — Am 11. August um ein Uhr Nachmittags fand
die feierliche Eröffnung des Reichstages endlich Statt. Sämmtliehe
Gesandten, etwas über 70 an der Zahl, wurden in einen Saal
besehieden, wo sie den Kaiser an eine Tafel gelehnt trafen, umgeben
von beiden Erzherzogen, von Züiiiga und Buquoy und dem Reichs-
Vicekanzler Ulm. Der Letztere ergriff im Namen des Kaisers zuerst
das Wort, erörterte in einer längeren Rede die Gründe, welche zur
Berufung der Versammlung Anlass gegeben, worauf Mathias selbst
den Inhalt des Vortrages in einigen Worten recapitulirte und dann
die beiden Erzherzoge ersuchte, den weiteren Verhandlungen unaus
gesetzt beizuwohnen und ihnen zu präsidiren. Hiermit war das Cere-
moniellderEröffnungzuEnde. Der Kaiser entfernte sich und die ganze
Versammlung begab sich mit ihren Präsidenten an der Spitze in den
Speisesaal des Erzherzogs Maximilian, um da die Verhandlungen zu
beginnen. In einem ausführlichen Vortrage wurde dem Generalconvent
der Stand der türkischen Angelegenheiten mitgetheilt. Es wurde darauf
hingewiesen, dass durch den gegenwärtigen Fürsten von Siebenbür
gen, Bethlen Gabor, dieses Land förmlich in türkische Botmässigkeit
gefallen sei, dass jedoch bei den Siebenbürgern selbst der Wunsch
vorherrsche, sich an die Christenheit anzuschliessen und dass sie
desshalb Gesandte an den Kaiser abgeschickt hätten. Was die Türken
selbst betreffe, so begnügten sie sich nicht nur nicht mit dem neu
erworbenen Einflüsse in Siebenbürgen, sondern sie verlangten sogar
vom Kaiser die Abtretung einiger ungrischen Grenzfestungen und
verletzten übrigens durch zahlreiche Streifzüge den Frieden. Diesem
allem entsprechend wurden den Ständen mehrere Fragen vorgelegt,
die sich auf folgende Puncte reducirten: 1. Ob man den Türken
ungestraft die Verletzung des Friedens hingehen lassen dürfe, und
ob nicht die Stände als dessen theihveise Garanten auch dessen Auf-
l'eehthaltung über sich nehmen wollten. 2. Wie es mit Siebenbürgen
zu halten, ob dasselbe den Türken überlassen werden solle oder nicht.
250
G i n d e 1 y
Nach Ablesung dieser Propositionen endigte um vier Uhr Nachmittags
die erste Versammlung des Generalconvents. Die Ausschüsse ent
fernten sich, um Jeder für sich ein Gutachten abzugeben.
Nichts zeigte bis dahin, dass die Linzer Versammlung in ihren
Berathungen eine andere Bahn betreten wollte, als die vom Kaiser
verzeichnete; aber ob die Ausschüsse den Wünschen des Kaisers
entsprechend beschliessen würden, war eine andere Frage. Das
Meiste hing von den Ungern ab. Diese, die steten Berichterstatter
überdas Thun und Treiben derTiirken, mussten am besten die Grösse
der Gefahr erkennen, welche ihnen von denselben drohe und unter
allen Umstünden empfanden sie auch am härtesten die Schrecken des
Krieges. Wenn sie auf die Bewaffnung und Hilfeleistung der übrigen
Provinzen drangen, so konnten sie allenfalls verdächtigt werden, dass
sie die Kriegsgefahr übertrieben, und es konnte behauptet werden,
dass die Türken selbst an keinen Krieg dächten. Aber in dem Falle,
dass die Ungern selbst keine Sorge vor dem Kriege an den Tag
legten, dass sie zur Einhaltung des Friedens um jeden Preis rieten,
mussten sie nicht blos als unverdächtige Zeugen gelten, sondern ihre
Meinung auch das grösste Gewicht haben, da die Ungern selbst
am besten wissen mussten, was ihnen fromme.
Nun heisst es aber, dass die Ungern mit den Türken um diese
Zeit ein Einverständniss unterhielten und dass sie sonach sich vor
den Letzteren sicher wähnten. Der spanische Gesandte war es, der
dieses nach Hause berichtete, und nichts ist wahrscheinlicher, als
dass diese Nachricht in Bezug auf einige der ungrischen Häuptlinge
ihre volle Richtigkeit hat. Die Türken waren um diese Zeit im Innern
bereits so zerrüttet, dass sie gieriger als je nach der Unterstützung
ungrischer und siebenbürgiseher Magnaten suchten, überzeugt, dass
es stets Ehrgeizige genug geben würde, welche die Zerrüttung in
ihrem Vaterlande zu einem permanenten Zustande machen würden.-
Bei der angedeuteten Schwäche des türkischen Reiches war es den
Ungern nicht unverborgen, dass jeder von Seite des Kaisers energisch
geführte Krieg den christlichen Waffen und dem Kaiser zum Vortheil
gereichen würde. Aber des Kaisers Macht zu vergrössern, dagegen
wehrten sich die Ungern mit gleicher Beharrlichkeit wie die Böhmen.
Dennoch durften die. Ungern die Gunst des Kaisers nicht so
leicht verscherzen. Die stolze Nation wünschte zwischen Kaiser und
Sultan in behaglicher Unabhängigkeit zu leben; hiezu bedurfte es
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
251
aber doch einigen Schutzes gegen den Letzteren. Gegen die türkische
Grenze erhob sich in Ungern eine Reihe von Grenzfestungen, welche
fast grössere Dienste im Frieden als im Kriege leisteten. Durch
diese Festungen wurden nämlich die selbst im Frieden nie unter
brochenen Streifereien der Türken im Zaum gehalten, Repressalien
ermöglicht und überhaupt die ungrische Grenze davor bewahrt, dass
sie bis tief in’s Innere völlig entvölkert wurde. Die Grenzfestungen
im Stande zu halten und mit genügender Truppenmacht zu versehen,
dazu waren die Ungern platterdings zu arm. Unabsichtlich hatten des
Kaisers Vorfahren in dieselben theihveise deutsche und slavische
Resatzung gethan, hatten auch hie und da einem Fremden das
Commando übergeben, bis sie durch die periodisch wiederkehrenden
Aufstände in Ungern veranlasst wurden, das, was sie früher nur
zufällig thaten, mit Absicht zu thun. Denn nur die Festungen, welche
überwiegend fremdes Militär hatten und in denen ein Fremder
eommandirte, waren für den Kaiser sicher; die Treue aller übrigen
hing von Umständen ab. Was die Ungern also auf dem Linzer Con
vente zu erreichen suchten, war folgendes. Sie wünschten die
Grenzfestungen in ihre Gewalt zu bekommen, und hiezu sollte der
Generalconvent die Hand bieten, damit dasjenige Geld, welches
Jahr aus Jahr ein die gesummten Länder auf die Festungen dem
Kaiser zahlten, unmittelbar in ihre Hände käme. Man sieht, die
Ungern wollten sich mit Hilfe des Kaisers die anderen Provinzen
tributär machen, dem Kaiser aber in seinen Wünschen keineswegs
entgegenkommen.
Diesem allem entsprach die Antwort, welche die Ungern auf die
kaiserlichen Propositionen abgaben. In höchst blumenreicher Sprache
erzählten sie zuerst alle ihre Leiden, die seit dem Abschlüsse des
Friedens von Szitva-Torok sie getroffen, und gaben zu, dass derselbe
von den Türken unablässig gebrochen werde. Nichtsdestoweniger
rieten sie zu keinem Krieg, sondern nur zur Absendung einer
Gesandtschaft an den Sultan, damit dieser zur Einhaltung des Friedens
gemahnt werde. Die Hauptsache aber war, dass sie offen erklärten,
sie wollten in ihre Grenzhäuser weder deutsche Soldaten, noch
deutsche Befehlshaber, überhaupt keine Volks- sondern nur eine
Geldhilfe haben. Es sei nicht ihre Absicht damit die Deutschen za
beleidigen, da sie deren Tapferkeit in vielen Schlachten, die sie ver
eint mit ihnen geschlagen, kennen gelernt hätten, aber gewiss sei
252
G i n d e 1 y
es, dass die Unbilden, welche die Umwohner der Grenzfestungen
von fremden Soldaten erführen, arg seien. Bezüglich Siebenbürgens
rieten sie dem Kaiser, durchaus nichts zu thun, was die Türken zu
einem Angriffe reizen könnte.
Die Ungern waren nicht die ersten, welche ihr Votum abgaben,
aber es ist nicht zu zweifeln, dass die übrigen Deputirten schon im
vorhinein um den Inhalt wussten und dass sie in ihrer Antwort da
durch wesentlich beeinflusst wurden. Nichtsdestoweniger fehlte es
nicht an ergebenen Beistimmungen der Stände. Obenan die Lausitzer,
an deren Spitze Heinrich von Gersdorf stand. Ohne Scheu und Rück
halt sprachen sie sich nach den Wünschen des Kaisers über die
schwebenden Fragen aus. Erwarteten sie gleich vom Kaiser, dass er
für den Frieden thätig sein werde, so erachteten sie auch die
Kriegsgefahr für so gross, dass sie nicht umhin konnten, den Kaiser
zu mahnen, alsogleich ein Heer von 9000 Mann aufzustellen, das
nach Bedürfnis verdoppelt und verdreifacht werden könnte. Es
werde zwar eifrig herumgetragen, dass, wenn einmal ein solches
Heer aufgestellt wäre, der Kaiser sich dessen gegen die Bekenner
der augsburgischen Confession bedienen könnte, „solchen lieder
lichen und falschen Suspitionen sei aber nicht nachzuhängen“, denn
sie seien gewisslich vom Teufel eingegeben.
Die Niederlausitzer waren also vollständig auf des Kaisers
Seite. Ohne der Aufrichtigkeit ihrer Überzeugung, welche sie
so reden liess, nahetreten zu wollen, wird man doch nicht fehlen,
wenn man in diesem Votum zugleich eine gegen die Böhmen
gerichtete oppositionelle Haltung erblickt, die ihren Grund in
mancherlei staatsrechtlichen Prätensionen der Böhmen hatte. Die
Oberlausitzer hielten sich gerade auf der entgegengesetzten Seite
der Niederlausitzer. Sie erklärten nicht votiren zu können, so
lange die Böhmen , denen sie incorporirt seien, nicht ihre Mei
nung kund gethan hätten. Die Stände Inner- und Vorderöster
reichs, also die von Steiermark, Kärnten, Krain und Tirol, gaben
!hre, Meinung an die Erzherzoge ab und durch diese als ihre un
mittelbaren Herren gelangte sie erst an den Kaiser. Was die
Tiroler für eine Politik empfahlen, ist uns nicht bekannt. Die
Steirer, Kärntner und Kramer verwarfen nicht den Beginn
des Krieges und waren geneigt, das Äusserste beizusteuern,
wofern Böhmen, Ungern und Deutschland das Ihrige thäten;
Der erste österreichische Reichstag zu Linz im Jahre 1614.
253
entzögen sich aber diese der Mithilfe, dann allerdings sei dem Kaiser
nur zum Frieden zu rathen.
Ganz anders und gar nicht verlockend lauteten die Voten der
übrigen Provinzen. Die Niederösterreicher wollten den Frieden um
jeden Preis erhalten, sie beschuldigtenden Kaiser, dass er seihst durch
kriegerische Bewegungen die Türken gereizt habe und baten ihn, die
selben rückgängig zu machen; sie wünschten zwar nicht, dass Sieben
bürgen preisgegeben werde, aber doch auch nicht, dass man desshalb
sich mit den Türken entzweie. Endlich sollten nach ihrer Meinung zu
den beginnenden Verhandlungen mit den Türken wegen Erneuerung
des Friedens ständische Ausschüsse beigezogen werden. Wenn doch
der Krieg losbräche, so müsse der Kaiser bei den einzelnen Land
tagen und nicht bei einem solchen Generalconvent um Hilfe ansuchen.
Die oberösterreichischen Stände befolgten getreu das Beispiel
ihrer Landsleute. Sie fanden keinen Grund zu der Annahme, dass
der Sultan den Frieden brechen wolle, also eben so wenig einen
Grund zu Rüstungen kaiserlicherseits; auch meinten sie, die türki
schen Streifzüge an der Grenze könnten gegen den Willen des
Sultans unternommen worden sein. Bezüglich Siebenbürgens wollten
sie sich in nichts einlassen, um so weniger, als ja Bethlen Gabor
nicht als Geschöpf des Sultans anzusehen sei, denn er sei durch
freie Wahl der Stände zum Grossfürsten erhoben worden.
Die Schlesier waren nächst den Oberlausitzern die zweiten,
welche kein Votum abgaben. Sie hatten eben so wenig als die Böhmen
durch einen förmlichen Beschluss der Stände Abgeordnete nach Linz
geschickt; die, welche dennoch dahin gereist waren, konnten sich
nicht mit einem vollgiltigen Mandat ausweisen. Es war also voraus
zusehen, dass sie sich für nicht berechtigt zu irgend einer Beschluss
fassung erklären würden ; sie zeigten jedoch auch noch dadurch eine
feindliche Stimmung, dass sie es von sich ablehnten, eher über die
Türkenfrage zu urtheilen, so lange die Böhmen und Ungern, so
wie endlich auch die Kurfürsten des Reiches nicht ihre Meinung
geäussert hätten.
Die Böhmen setzten ihre Opposition vom Budweiser Landtage
fort. Ihre Abgeordneten erklärten, ohne irgend eine Vollmacht vom
Landtage dürften sie nichts beschliessen, alles was sie thun könnten,
sei, das Gehörte ad referendum nach Hause zu nehmen. Die Mährer
schlossen sich im Ganzen der Haltung der Böhmen an.
2J)4 Gindel y, Der erste österreichische Reichstag zu Linz im J. 1014.
Am 10. August erstatteten die Erzherzoge dem Kaiser Bericht
über die schriftlichen Voten aller Länderausschiisse. Da dieselben mit
sehr geringer Ausnahme jede Unterstützung des Kaisers ablehnten,
so rieten die Erzherzoge seihst, Mathias möge die Erneuerung des
Friedens rnit dem Sultan auf Grundlage des Vertrages von Szitva-
Torok weiter verhandeln und bezüglich Siebenbürgens Bethlen Gabor
zu gewinnen trachten, damit dieser von seinen Verbindungen mit den
Türken ablasse und sieh enger an die Christen anschliesse. Fünf Tage
später berief der Kaiser seihst die Ausschüsse vor sich, dankte ihnen
für ihre Bemühungen und versprach, an die einzelnen Landtage wegen
der türkischen Angelegenheiten sieh wenden zu wollen, wenn die
Verhältnisse es nöthig machten. Unmittelbar darauf reisten die
Depulirten nach Hause. Die Kosten des vierzehn Tage dauernden
Reichstages beliefen sich auf 200.000 Gulden.
So endete der erste österreichische Reichstag. Nachdem der
Kaiser gefunden hatte, dass mit Ausnahme Spaniens weder in Deutsch
fand noch in Rom für ihn auf Unterstützung zu rechnen sei, hatte ei
serne Hoffnungen, ein achtunggebietendes Heer mit eigenen Mitteln
auszurüsten, herabgestimmt und denVersuch gemacht, ob nicht die
Stände selbst zur Errichtung einer Armee gegen den äusseren Feind
die Hand bieten wollten, weil er nach Besiegung desselben auch die
inneren Gegner im Zaum zu halten hoffte. Dieser Versuch scheiterte
am Generalconvent zu Linz, denn fast ausnahmslos schien man es
für ein geringeres Unglück zu halten, in die Botmässigkeit der
Türken zu fallen, als die kaiserliche Macht zu stärken, weil diese
dem ständischen Wahlrecht gefährlich werden konnte. Die folgenden
Jahre bieten das Schauspiel eines ununterbrochenen Kampfes zwi
schen den Ständen und dem Kaiser. Die Böhmen drangen ohne
Unterlass auf die Erfüllung der Zusage wegen der Conföderation und
als sie diese nicht durchsetzen konnten, nahmen sie zuletzt durch
den später von ihnen selbst am meisten beweinten Fenstersturz zum
offenen Aufstand Zuflucht. Die Nachtheile, welche für eine gedeih
liche Entwickelung der Monarchie der spätere Sieg der absoluten
Macht hatte, sind zu bekannt; wir wagen indessen nicht zu be
haupten, dass der Sieg der Stände der Monarchie eine andere
Zukunft als die des Polenreiches verschafft hätte.
B i sch o ff, Das alte Recht der Armenier in Lemberg-.
255
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
Von Dr. Ferdinand Bisclioff,
o. ö. Professor an der k. k. Lembergcr Universität.
Wohl schon lange bevor Lemberg eine Stadtgemeinde nach
deutschem Rechte geworden, mögen daselbst auch Armenier bereits
ansässig gewesen sein, welche, wie die Rutlienen und Juden, eine
besondere Gemeinde mit ihren eigenen Obrigkeiten, dem Vogt und
den Senioren, bildeten und hauptsächlich den Handel mit dem Aus
lande, besonders mit dem Orient betreibend, nach ihren hergebrach
ten Rechten, Sitten und Gebräuchen lebten, die ihnen von den pol
nischen Königen wiederholt bestätiget und durch neue wichtige
Rechte und Privilegien vermehrt und erweitert wurden.
In ihrem Emporstreben gerieten sie häufig in Widerspruch
mit der herrschenden deutschen Stadtgemeinde, namentlich über
die Gerichtsbarkeit, über welche ein zweihundert Jahre lang sich
hinziehender äusserst lebhafter und hartnäckiger Streit geführt
wurde J ). Während die Armenier, auf das Herkommen sich berufend,
keine andere Gerichtsbarkeit als die ihres eigenen Vogtes und ihrer
Senioren anerkennen wollten , behauptete die Stadtgemeinde, auf
Urkunden gestützt 2 ), die Armenier unterständen dem Stadtvogt. Ein
Vgl. über dieses und das Folgende meine Abhandlung über das alte Recht der
Armenier in Polen, in den Osten*. Blattern für Literatur etc. (Beilage zur Wiener-
Zeitung). Jahrg. 1857, Nr. 28, 113, 37, 39.
a ) Die Hauptstütze war wohl die Locationsurkunde K. Kasimir’s d. Gr. für Lemberg
vom Jahre 1356, deren Echtheit gegen Zubrzycki von Rö pell -(über die Verbrei
tung des Magdeburger Stadtrechtes im Gebiete des allen polnischen Reiches ost
wärts der Elbe) behauptet wird. Auffallend ist es jedenfalls, wie sieb die Armenier
im Besitz ihrer eigenen Vogl ei bis zum Jahre 1469 und noch länger behaupten
konnten, wenn die Stadtgemeinde jenes Kasimir’sche Privilegium wirklich besass. —
Dasselbe ist abgedru ekt in meinem Osten*. Stadtrechte und Privilegien, S. 72,
nicht nach Zubrzycki, sondern nach der Confirmationsurkunde K. Kasimir’s IV.
256
F. B i s c h o f f
Decret des IC. Kasimir IV. vom Jahre 1469 entschied gegen die
Armenier, indem es diese dem Stadtvogt unterwarf, der aber dem
Gericht armenische Senioren beiziehen und nach deren Ausspruch
richten sollte. Durch spätere k. Decrete aus den Jahren 1476, 1510
und 1518 wurde diese Entscheidung genauer bestimmt, so dass die
Armenier dem städtischen Vogt und Gericht unterworfen sein , in
gewissen Fällen — nämlich wenn es sich um unbewegliche Güter,
Gewaltthaten, Mord und Verwundung oder Diebstahl handelt — vom
Stadtvogte mit Stadtschöffen nach dem Magdeburgerrecht, in allen
anderen Fällen zwar auch vom Stadtvogt aber mit armenischen
Senioren statt der Schöffen und nach dem armenischen Recht
gerichtet werden sollten.
Gelegentlich eines noch im Jahre 1518 vor ihn gebrachten
Streites über die Gerichtscompetenz befahl der König Sigismund I.
den Armeniern, sie sollten ihr Recht aus dem Armenischen in’s Ru
thenische oder Lateinische übersetzen lassen und ihm heim nächsten
Generalconvent vorlegen. Am Tage vor Maria Verkündigung 1519
hatten die Armenier dem König zu Krakau ihr Recht in einer latei
nischen Übersetzung vorgelegt; am Samstag vor Quinquagesima
1519 erhielt es die königliche Bestätigung. Der König sagt in der
ßestätigungsurkunde, es habe ihm nothwendig geschienen, das in
armenischer Sprache geschriebene und so nur den Armeniern be
kannte Recht durch eine Übersetzung in die lateinische Sprache
auch dem Stadtvogt und anderen Leuten, welche mit den Armeniern
Rechtshändel hätten, verständlich zu machen. Nach reiflicher Über
legung mit seinen Rathen habe er einige Bestimmungen verändert
und verbessert und ertheile nun dem armenischen Rechte mit Zu
stimmung der Reichsstände seine Genehmigung und Bekräftigung.
Das in die Confirmationsurkunde selbst aufgenommene Recht
besteht aus zehn nicht durch Zahlen bezeichneten und aus hundert
vierundzwanzig gezählten, zumeist auch mit Inhaltsüberschriften
versehenen Capiteln, von denen keines besonders lang, mehrere
aber ganz kurz sind. Die meisten betreffen das Privat- und Straf
recht, einige das gerichtliche Verfahren, andere die Polizei 1 )- Rie
ses Rechtsdenkmal ist eine sehr lehrreiche und merkwürdige Quelle
) Eine übersichtliche Zusammenstellung- des Inhaltes siehe in meiner in Note 1 ange
führten Abhandlung.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg-. 257
für die Kenntniss der Gesellschafts-, Rechts- und Staatszustände
seiner Zeit.
Ein beträchtlicher Theil seiner Bestimmungen ist den heiligen
Schriften des alten und neuen Testamentes entnommen, ein anderer
w urzelt in eigenthiimlichen Sitten und Lebensanschauungen. Manche
seiner Satzungen stimmen mit anderen Rechten, namentlich mit dem
Deutschen überein.
Die ersten sechs Capitel sind armenischen Königen zugeschrie
ben, manche andere enthalten gewiss uralte Rechtssätze, aber die
vorliegende Fassung erhielt das Rechtsdenkmal vermuthlich erst
nachdem die Armenier in Polen sesshaft geworden waren, jedenfalls
aber vor den obenerwähnten k. Decreteri, wodurch ihre eigene
Gerichtsbarkeit aufgehoben worden ist. Armenische Senioren und
Priester mögen daran den wichtigsten Antlieil gehabt haben. Ein
zelne auf einander folgende Capitel stehen im Zusammenhang mit
einander, aber ein fester Plan in der Anordnung des Ganzen ist nicht
wahrnehmbar.
Die oft sehr bedeutender! Abänderungen K. Sigismund’s sind
den betreffenden Capiteln angehängt, die ältere Gestalt dieser somit
durch dieselben nicht verändert worden.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieses Recht auch bei
anderen als der Lemberger armenischen Gemeinde in Anwendung
stand. Dafür spricht auch das Vorhandensein von Handschriften an
verschiedenen Orten.
Die prächtig gezierte von König Sigismund selbst gefertigte
Originalhandschrift in armenischer und lateinischer Sprache soll
sich, laut einer Mittheilung, die ich Herrn Vincenz Pol, dem viel
gefeierten Dichter verdanke, im Besitze des Grafen Titus Dzyalynski
befinden.
Lateinische Handschriften fand ich zwei hier in Lemberg. Die
eine aus sechsundzwanzig (oder dreizehn halbgebrochenen) in
braunes Leder gebundenen, der ganzen Breite nach jedoch mit
Freilassung breiter Ränder beschriebenen Pergamentblättern beste
hend, befindet sich im Lemberger Stadtarchiv. Sie ist vom Vice-
kanzler des Königreiches Polen, dem Bischof von PrzemysI Peter
unterschrieben, also eine authentische, mit dem Originale gleich
zeitige Ausfertigung, wahrscheinlich zum Gebrauche im Stadtgericht.
Nach dieser Handschrift ist der Text hier mitgetheilt. — Die zweite
Sitzb. (1. phil.-hist. Cl. XL. BO. II. Hff. 17
258
F. B i s c h o f f
befindet sich in der k. k. Universitätsbibliothek zu Lemberg und
enthält zweiundvierzig numerirte, in Pergament gebundene, gleich
falls der ganzen Breite nach beschriebene kleine Papierquartblätter,
deren erstes folgenden Titel zeigt: Statuta juris Armeniei per Si-
gismundum primum Regem Polonie pientissimum approbata et con-
firmata iussuque ac mandato eiusdem Regiae Majestatis ex lingua
illorum natiua in latinum sermonem translata et hic fideliter ex exem-
plari descripta. Die auf dem ersten und dritten Blatt befindlichen
Worte: Conuent. Leopol. Carmelit. discalceat. bezeichnen den
früheren Besitzer der Handschrift, welche kaum viel jünger ist als
die erste. Aus dieser zweiten Handschrift sind hier die Varianten in
den Noten mitgetheilt. Von anderen lateinischen Handschriften ist
mir nichts bekannt geworden.
Im Jahre 1601 wurde auf Anordnung der armenischen Senio
ren eine Übersetzung des armenischen Rechtes in die polnische
Sprache gemacht. Diese enthält nebst anderen für die Kenntniss der
Geschichte der Lemberger Armenier wichtigen Stücken, ein keines
falls lange vor dem Ende des siebenzehnten Jahrhunderts, vielleicht
später, entstandener Papiercodex, der sich im Besitze des Directors
der Ossolynskischen Bibliothek, Herrn v. Bielowski, befindet. Der
gleichen Handschriften erinnert sich Herr v. Bielowski wohl noch
zehn in Galizien und Russisch-Polen gesehen zu haben.
Eine alphabetisch geordnete Übersetzung des armenischen
Rechtes in die polnische Sprache ist in einem Repertorium des alten
Stadtarchives verzeichnet, wurde aber von mir, wie vieles andere,
vergeblich darin gesucht.
Von einer Übersetzung in die ruthenische Sprache fand ich
keine Spur.
In nomine dotnini amen. Ad perpetuam rei memoriam. Cum iura
et constitutiones prineipum, uti et relique res mortalium, nunequam
adeo consulte et subdueta ratione condi promulgari et teneri solent,
ut non postea cum tempus tum vsus moneant et doccant, semper aliquid
sit, quod vel mutare et corrigere nel etiam abrogare interdum opor-
teat, nihilque ab initio adeo elaborattim et perfectum videri potest, quod
experiendo aliqua in parte emendari non sit necesse. Proinde Nos
Das alte Hecht der Armenier in Lemberg.
239
Sigismundus dei gratia Rex Polonie Magnus dux Lituanie, nec non ter-
rarum Cracouie, Sandomirie, Siradie, Cuiauie, Lancitie, Russie, Prussie-
que, ac Culmensis Elbingensis, Pomeranieque, etc. dominus et heres,
Significamus tenore presentium vniuersis presentibus et futuris liarum
notitiam habituris, Quia licet hactenus Armenos Leopolienses subditos
nostros, sub liijs priuilegijs et juribus ipsorum armenicis, que prede-
cessores nostri illis eonfirmauerunt et snsceperunt, tenuimus et eon-
seruauimus, quia tarnen non pridem orta dilferentia inter illos et Pro-
consulem, Consules et comunitatem Ciuitatis nostre Leopoliensis de
ipsis eorum iuribus, visum est necessarium, nt, cum ea scripta essent
lingua armena atquc ita solis ipsis eognita, iudicari uero per Aduoca-
tum ciuilem Leopoliensem cum sex viris senioribus ritus sui iuxta illa
deberent, exceptis quatuor articulis in alijs literis nostris descriptis, in
quibus iure theutonico Magdeburgense sunt iudicandi, essenti) et ipsi
Aduovato ciuili et ceteris hominibus, qui cum illis actionem haberent,
eognita et manifesta, ne locus ambiguitatibus 3 ) et cauillationibus relin-
quatur, mandaueramus ipsis armenis eadem jura sua in Latinum sermo-
nem traduci et conuerti facere, et nobis tradere, que mature cum Con-
siliarijs nostris discussa, et in aliquibus articulis parum mutata et cor-
recta, presentibus literis nostris inserenda et denuo confirmanda duxi-
mus, quorum tenor sequitur, et est talis.
Johannes Dei gratia Rex Armenie tempore felicis Imperij sui con-
stituit, quod dies dominicus est 3 ) dies resurectionis domini nostri iesu
cristi, et ideo mandato suo Regio precepit.ut nullus eius officialis seu
xices gerens ipsius, die dominico aliquas exactiönes regias tolleret, et
etiam statuit, quod nullus judicum die festi 4 ) dominico aliquas eausas
judiciarias cognosceret et neque difiniret, Insuper statuit, quod die
dominico nullus debeat pro quacunque causa captiuari et detineri, et
quod nullus andere debeat creditor in debitore debita et eredita extor
quere 5 ), ut omnes Cbristiani die celebri dominico essent liberi et securi
congregare se et accedere ad ecclesiam, non implicando se negotijs
alijs, cum lacrimisque deum omnipotentem depreeari, ut nullus Cri^tia-
norum die dominico alter alteri se oponeret, aut etiam viudictam sume-
ret, nt quilibet secure persisteret in orationibus deo omnipotenti qui-
libet gratias acturus, ut die dominico precipue sancte et indiuidue
trinitati laudes depromerent. *
(Quod hic dicitur quod nullus die dominico debeat judicari capti
uari etc. jntelligitur exceptis causis Regiis, patrati ne 6 ) recentis crimi-
nis, et debitore inpossessionato.)
*) U. ß. Magdeburg ense iudicandi essent, etc.
2 ) ambiguitatis.
3 J est febit.
4 ) festo.
5 ) in dehitori extorquere debita.
‘0 patratore.
17“
260
F. B i s c I) o f f
Item Tlieuti Regis armenie memoria digna') et laudabilis et aliorum
Regum et principum Catholicorum Armenie.
Instigante eos ad id iusticia dei jura et instituciones atribuendo
vnicuique qnod suum est populo suo ex prophetis et sanctorum Aposto-
lorum dictis ae aliorum Doetorum ecclesie sanete Instituit populö sibi
subiecto scilicet Ciuitatibus, Oppidis, villis et alijs locis suo regimini
subiectis seu subiugatis, generaliter et speeialiter Omnibus et singulis
precipiendo, ut huiusmodi instituta firmiter et illese conseruarent.
Reges Armenie Juris formam Judicibus decerunl ä ) talem.
Item omnibus Judicibus et administratoribus iusticie comunis pre-
cipimus ut faciant iusticiam Judiciumqne iustum vnicuique, diuiti et
pauperi, viduis, et orphanis, Ciui et hospiti, seu aduene, munera et
coruptiones nullas accipiant et Judices id etiam attendere debent et
custodire, ne iniustum hominem Judicio iustificarent et econuerso. si
uero aliquis Judex iniuste iudicauerit et in tali facto comprobatus fuerit
infamis pronunctietur.
(Infamiam Iudicis tollit appellatio que per ludicem admitti debet,
et ideo Iudex male pronunctians seu iudicans, infamis non est, quoniam
Iudex appellationis eius sentenciam si iniustam esse cognouerit, corri-
gere potest.)
Item Iudicum Interest, partes litigantes ad concordiam inducere si
possunt, et Iuramenta partibus non faciliter decernere, si vero Iudex
non poterit partes litigantes componere, tune decernat Iudex id quod
Iuris est. .
Item duobus uenientibus ad Iudicium inculpantibus se pro debito
uel pro quacunque alia causa uel re controuersiali, si ex utraque parte
testimonia legittima et Iure admissibilia non babuerint, tune in tali casu
reo neganti non actori decernatur probatio, sed reus per Iuramen-
tum corporale euasionem contra actorem obtinebit secundum Iuris
formam.
Item ad Aduocatum duobus uenientibus Armenicum 3 ) in quibuseunque
cauqps et emergentijs cum testimonio tune quicunque ex eis habuerit
testimonium iustum scilicet duorum aut tri um virorum proborum et
dignorum testimonio talis causam obtinebit et Iudex in eius partem de
cernere tenebitur. si uero pars aduersa euadere volens contra testi
monium licitum et sufticiens redarguere uoluerit testimonia huiusmodi 4 )
ut pars succumberet in causa, tune in tali casu standum est probationi-
bus testimonialibus sufficientibus non obstante contradictione partis
impugnantis testimonium.
1) «ligni.
2 ) discerniint.
3 ) Armenis.
*) eiusmodi.
Das alte Hecht (1er Armenier in Lemberg.
261
De Jure Testamentorum armenicorum.
Aliquo armeno oppresso infirmitate (lebet *) accersire spirituales
nec non duos aut tres viros non redargutos in sua conditione ex officio
senioratus propter testimonium, ac alios propinquos suecessores suos,
Imprimis debet legare aliquid ecclesie sue, Episcopo et presbiteris,
sepulcrum etiam suuni debet nominare, postea residuantia 2 ) bona, pro-
pinquis et amicis iuxta suam uoluntatem assignabit, et premissa debent
esse ultima uoluntas decedentis, et testes huiusmodi debelnint admonere
et auisare propinguos illius testatoris, ut eo viuente impugnarent testa-
mentum, alias eo decedente testamentuin huiusmodi sub quacunque
forma conditum, effectum suum sortiri debet, hon obstante aliqua con-
tradietione propinquorum et successorum eo quod tempestiue obstare
neglexerunt uoluntati testatoris. Si uero ille testamentuin faciens morie-
tur, tune tale testamenuum debet 3 ) obtinere robur firmitatis, luxta
dictum sancti Pauli Apostoli dieentis, quod testamenta morte confir-
mata debent obtinere robur firmitatis. Si uero ille testator superuixerit
tune tale testamentum 4 ) dependebit in arbitrio limitacione et discus-
sione testatoris ad limitandum uel mutandum prout sibi plaeuerit.
De Jure Matrimoniali.
Amicorum inuitacio circa desponsationem taliter procedere debet,
quod 5 ) sponsus Imprimis debet facere contraetum cum patre sponse
ut scilicet ei iam assignaretur certa quantitas et qualitas dotis , quam
postea erit accepturus, et dos eidem dari et assignari debet, quoniam
dotes feminarum sunt et habentur pro sorte earum paterna et materna
de bonis. si uero pater deuenerit ad infirmitatem et uoluerit filie sue le
gare testamentaliter id quod sibi placitum fuerit, tune potest facere talia
pro arbitro sue uoluntatis, contradictione filiorum et successorum quo-
rumlibet nion obstante, si uero aliqua fdia virgo cum fratribus post
mortem patris superstes fuerit, tune fratres eam exdotabunt, et perinde
in bonis post patrem relictis hereditabunt, deficientibus uero fratribus,
filie hereditabunt.
Item bona cuiuslibet mortui habentis prolem deuoluuntur 6 ) ad uxorem
filios et filias.
Carentis uero legittima prole, bona in propinquos deuoluentur 6 )
uxorem tarnen defuncti non debent priuare suecessores illo quod impor-
tauit ad maritum suum, sed ante omnia importate debent ei tradi et
dari, et quidcunque ei meliorauit maritus ipsius super auro, argento et
alijs, circa istud plenarie debet eonseruari, et suecessores defuncti
A ) debent.
2 ) residua.
3 ) habere et obtinere.
4 ) testimonium.
5 ) Quia.
6 ) deuoluantur.
202
F. B i 3 c h o f f
tenebuntur et debent esse astrieti suceedere in tres partes bonorum
defuncti, Sorte quarta vidue seu uxori illius mortui assignata et exdi-
uisa, de Omnibus bonis mobilibus et immobilibus. si vero aliquis tarn
ex patre quam ex matre in quarto gradu successionis successores nön
habuerit, tune talia bona deuoluuntur et spectant ad fiscum Regie Maie-
statis, tarnen Regia Maiestas pro anima illius mortui aliquid propter
deum tribuere debet.
(Maiestas Regia de bonis ad se et fiscum suum deuolutis, dare
aliquid propter deum non tenetur, quoniam bijs legibus armenicis
ligatanon est. disponet itaque Maiestas sua de hijs ipsis bonis ad se
deuolutis, pro arbitrio suo, que armeni ipsi celare nullo modo audeant
sub grauissima pena.)
Item cum filia quelibet maritatur cum sorte sua paterna et materna,
et maritus prolem non habuerit cum ea, tune poterit constituere tutores
in casu sterilitatis scilicet non alios nisi fratres ac propinquos, et que-
cunque bona vxor importauit, debent eedem vxori tradi, et cum melio-
ratione seu totalicio ipsius. si uero ille moriens voluerit vxorem sinuil
cum fratribus tutricem facere, hoc sibi de Jure permissibile est, ut in
simnl salutem eius anime non obliuiscerentur, et talis 3 ) sententia debet
obseruari si vxor premortua fuerit quam maritus ipsius.
Capitulum primum.
Si quis Iuris Regii aut domini fuerit excessiws, contra Regiam
Maiestatem aut dominum suum, demerebitur talis eollum, filij uero eius
et fratres locum paternum non obtinebunt propter excessum criminosum
patris eorum, pueri uero bona paterna non perdunt, si cum patre in tali
consilio criminoso non fuerint, et similiter fratres predicti excessoris,
si uero fuerint in consilio prefato, tune quilibet eorum iuxta factum
pati debet.
(Filii illorum qui excedunt contra Regiam Maiestatem et rempubli-
cam, etiam bona paterna perdunt, quoniam in tali casu omnia confis-
cantur.)
Capitulum sccundum.
Humanum genus deus liberum creauit et fecit. verum quia neces-
sarij sunt dominis suis serui ad seruiendum propter terram et aquarn,
simile hoc ius s ) est quando aliquis colonus seu Kmetlio domino suo
liichil mouendo a domino suo ubi wlt transire potest, si vero aliquis
dominorum istud tollerare nollet, scilicet libere emittere eundem sub-
ditum suum, volens eundem retinere in sua Jurisditione tune pueri post
mortem patris 4 ) si tales pueri in dominio huiusmodi domini 5 ) non
’) legal um.
2 ) et talis etiam.
3 ) genus.
4 ) patris fehlt.
5 ) domini fehlt.
Das alle Recht der Armenier in Lemberg.
263
fuerint procreati. habent libertatera eundi et se transferendi sub alios
dominos ubi uoluerint.
(Hec constitutio intelligenda est de colonis genere armenis, non
de alijs, ville uero et possessiones armenorum subjacent Juri communi
regni.)
Capitulum tercium.
Si pueri inter se contencionem fecerint et vnus puerorum altern in
occiderit si puer oeeisus ultra duodecim annos babuerit tune Caput
debet soluere, sicut pro virilis et integri bominis capite. si uero ille
oeeisus puer liabuerit minus quam duodecim annos, hoc est decem uel
undecim, tune pro capite eius medietas capitis solui, debet, si uero
puer oeeisus babuerit minus quam decem annos, tune tereia pars capitis
solui debet. si uero puer liabens quindecim annos fuerit homieida , et
excesserit contra statutum istud, tune pro capite integro solutionem
faciet amicis illius occisi, sicut superius scriptum est.
(Intelligenda est liec constitutio seu Lex, de pueris armenis. sed
si puer armenus occidat puerum Catholicum, luet penam iuxta conditio-
nem pueri occisi, et secundum ins in quo residet persona occisa.)
Capitulum quartum de Pueris uno alterum ledente.
Si pueri vnus alterum in ludo leseret nolenter siue ex ira, huius-
modi res bene et diligenter debet inquiri, tali modo sicut inquiri eon-
suetudo est de occiso, tune illius lesi anni debent computari, et in
quod membrum eum lesit, an in oculum, an in manum, aut in pedem, ut
secundum talem lesionem et qualitatem membri leso solutio impendatur,
cum reformatione et contentacione pro medicinis et impensis per leden-
tem facienda, quod Jus puerorum in factis, iustum inuenimus.
(De pueris genere armenis hec etiam constitutio et quatuor im-
mediate sequentes intelligende.)
Capitulum quintum de pueris unum ') alterum in aqua submergentis *).
Pueri natantes in aquis 3 ) vnus alterum submerserit, ex tune Iudi-
ces debent talem casum submersionis bene et perfecte rescire, si sub-
mersio talis facta est ex loco, aut ira, aut ex malo corde, studiose
intentionis, aut si ille submersus seipsum ex casu submerserit in pro-
fundo aque, et illi connatantes ipsi submerso auxiliari non poterant,
tuncjudices rescitis ad planum 4 ) predictis casibus, si ille se solum ex
casu submersit et 5 ) eius connatantes illi subsidiari non poterant, tune
pro tali submerso solutio non impendatur, si uero ex alia causa pre-
dicta submersus 6 ) fuerit, tune solutio capitis impendi debet iuxta com-
putacionem annorum illius submersi, sicut pro capite occisi.
*) uno.
a ) submergente.
3 ) si unus.
4 ) plenum.
5 ) aut.
c ) submersio.
264
F. B i s c li o f f
Capitulum sextum de pueris dum aliquis puerorum ex subhmi loco in
virn pacti alicuius alias ozaklath salierit et ex tali saltu lesionem in-
currerit.
Si talis Casus inter pueros acciderit, quod aliquis puerorum in
vim pacti de sublimi loco saltum fecerit, et ex tali saltu 3 } aut se lese-
rit, aut mortem incurrerit, ex tune dans occasionem huiusmodi rei,
medium capitis soluet, si ille qni saltum fecit aut ad lesionem aut ad
mortem, tune computatis annis illius lesi aut ex saltu mortui, ita decer-
natit sieut prius scriptum est de euentibus inter pueros.
Capitulum septimum de adolescenlibus inter se pactum faeientibus de
aliqua re onerosa leuanda.
Consueucrunt adolescentes pacto inter se constituto et laudato
aliquam rem grauem et onerosam subleuare, et ex tali subleuatione rei
onerose, si se aliquis ex eis leserit ex tune ille qni pecunias pacti huius
modi prefati 3 ) reposuit, tanquam dans occasionem lesioni, medietatem
pene debet soluere, sicut pro re sanguinolenta, et cum hoc illi leso
damnum et impensas medicine soluere sit astrictus, et lioc ideo statu-
tum est, quod nemo alter alterum inducat ad damna et nocumenta
sanitatis.
Capitulum octauum de temulentis seu ebrijs.
Si in ebrietate contigerit, quod yiius alterum leserit, Ius prohibet
quod tale factum lesionis in ebrietate patratum non est pretermitten-
dum et tollerandum, quando quidem ebrietas est primum inicium tocius
mali. si itaque in ebrietatis conditione et euentu vnus alterum leserit,
de tali facto Iudicium debet esse iustum, scilicet, obnoxius damnum et
impensas medicine leso soluat, si uero per ebrium occisus fuerit ali
quis, tune per Iudicium occisio 4 ) talis occisionis diligenter est scru-
tanda et rescienda scilicet si talis occisio, mala et studiosa intencione,
aut ex alia causa facta fuerit, scilicet si in simul vnus contra alium ad
seditionem consurrexit, aut cuius inicium in tali casu erat, iuxta emer-
gentias et qualitatem causarum debet exerceri Iudicium, et iuxta facti
excessiui exigentiam excessor est puniendus. Coadiutores uero facti
predicti ex ebrietate comissi diligenter prouisi etiam castigari debent
sicut Iudicium decreuerit.
Capitulum nonum de inventione Thesauri subterranei.
Si aliquis in suo fundo hereditario Thesaurum inuenerit. sub
terra 5 ) scilicet aurum argentumque si de tali inuentione Thesauri per
fecta fuerit rescientia quod talis Thesaurus fuisset priorum Regurn, ad
flscum Regium talis Thesaurus isto modo pertinere debebit, et inuentori
*) alias ozaklath fehlt,
2 ) casu.
3 ) praefato.
4 ) occasio.
5 ) sub terra fehlt.
Das alte Hecht der Armenier in Leinberg.
265
huiusmodi thesauri decima ex eodem Thesauro dari debet, et simil iter
etiam illi decima de eodem thesauro dari dehet, in cujus fuiulo heredi-
tario repertus fuerit, si uero rescitum fuerit, quod talis thesaurus erat
alicuius maguatis vel patricij viri, et hujusmodi bonorum hereditario-
rum in quibus thesaurus repertus fuerit, restaret heres, aut successor
legittimus, ex tune huiusmodi thesaurus cedere debet domino fundi
hereditarij, in quo thesaurus repertus fuerit et de tali thesauro decima
pars pertinebit ad fiscum principis.
(De tliesauro inuento Inquisitio fiet et examen per Commissionem
Regie Maiestatis.)
Capitulum decimum de illo qui aliquem traliit per Barbam.
Si in contencione euenerit quod unus alterum per Barbam trälleret
et presertim Iuuenis seniorem Iure diffinitum est quod talis tractor
barbe senioris hominis in etate, in tali culpa censendus est sicut ali
quem leserit.
Capitulum vndecimum de fioueis subterraneis in quibus frumenta di-
uersi generis conseruantur sind in terra Armenie fit.
Si aliquis aperuerit foueam terream in qua frumenta sua seu aliena
fuerint reposita et in eandem foueam immiserit hominem pro frumentis
ibidem existentibus recipiendis, et homo in predietam foueam immissus,
propter aerem strictum ibidem inclusum moreretur, debet judicari de
huiusmodi immissore sic 4 ) illum hominem solus interimeret, si vero
ille homo ibidem immissus lesus fuerit, tune ille qui eum immisit in
huiusmodi foueam damna et impensas medicinarum solvet, ex eo quia
debuit ille qui immitebat hominem 2 ) huiusmodi in foueam predietam
expectare et proiongare aliquantulum temporis donec aer in huiusmodi
foueis frumentarijs strictus et inclusus, per aperturam fouee 3 ) disso-
lutus fuisset, si uero de huiusmodi fouea frumentaria aer exiuerit et
homo ibidem immissus lederetur, talem casum officium tenetur proui-
dere secundum qualitatem in talibus facti et iusticie.
(De armenis et eorum seruis pretio conductis hec constitucio est
intelligenda.)
Capitulum duodecimum de Jure 4 ) Kmethonum.
Si aliquis Armenus mandauerit colonis seu kmethonibus laborare
ultra consueludinem vsitatam utpote arare, metere, et alios quoscunque
labores, et ille kmetho ex tali labore inusitato lesus fuerit aut etiam
moreretur, talis dominus inusitatis laboribus 5 ) subditos premens pec-
eauit supei iori domino scilicet deo. si uero talis kmetho inusitato la-
') immissione sicut,
2 ) hominem fehlt.
3 ) apertura in fouea.
4 ) Colororum siue Kmethonum.
5 ) Kmethones ac subditos.
266
F. B 1 s c h o f f
bore lesus, medicinis ex lesione euaserit, tune dominus ipsius, ei ex
premissa causa existens occasio principalis lesionis, damna et sumptus
medicine soluet, si uero talis lesio saluti ipsius kmethoni importaret
perpetuam imbecillitatem, auctoritas officij judicialis in tali casu id
decernet, quod iusticia suadebit.
Capitulum tredecimum de inhonorante suurn spiritualem.
Sanctorum Apostolorum preceptum et mandat *) constitucio, quod
nemo suuni spiritualem presbiterum inhonestis verbis et turpibus de-
honestare audeat. quia talis homo dehonestans suum spiritualem perinde
tali inhonoratione excedit contra deuin, quoniam spirituales persone
sunt deprecatores dei et in Iudicio diuino sunt mediatores et respon-
sales pro homine, testatur ad id scriptura diuina, quod nemo suum spi
ritualem debet obloqui. Apostolorum enim Instituciones hunc incurrere
magnam penam diffiniuerunt 2 ), qui spirituali maledixerit, que male-
dictio perinde habetur, ac si maledixerit deo. sanctum enim Ewan-
gelium dicit, qui vobis maledixerit micbi maledixit.
Capitulum quatuordecimum demaledicente 3 ) intergum Regie Maiestati
aut alicui ex Consiliarijs ordinis senatorij.
Si aliquis petulanti lingwa ausus fuerit intergum maledieta aliqua
obicere Maiestati Regie aut patrieijs senatoribus Regni, et resciretur,
talis faciens huiusmodi maledieta, si talis maledictor fuerit persona
spiritualis, debet degradari 4 ) si uero fuerit secnlaris tune debet pro
tali maledicto facinore excommunicari, et tale Iudicium debet pertinere
ad Episcopum, aut ad magnos prelatos et Doctores. Quoniam Regia
Maiestas pro suo sacro Regali statu, representat etiam viceir diuine
auctoritatis, et ideo jus decreuit ut quilibet se et insolentiam suam com-
pesceret, et in respectu haberet Regalis dignitatis sublimitatem.
Capitulum quindecimum de mancipio seu seruo literato absque c.on-
sensu sui domini in presbiterum non ordinando.
si apud aliquem fuerit seruus aut jure mancipij aut jure emptionis
literatus, et ex literatura idoneus ad sacerdotium, talis seruus illiber
non potest adipisci statum spiritualem absque speciali consensu et
manumissione domini sui. Ius enim prohibet per hoc domino ipsius do
lorem inferre, talis enim res redundat ad destrüctionem domus. si tarnen
sciretur, quod talis seruus esset idoneus ad sacerdotium sicut fuit
dignus presbiteratu seruus sancti Pauli Apostoli onissimus 5 ), tune talis
seruus ex Consensu domini sui poterit suscipi ad ordines et ministeria
cultus diuini.
*) praeceptis et mandatis.
2 ) definierant.
3 ) maledictione.
4 ) perpetuo debet degradari.
5 ) omissirnus.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg - .
267
Capitulum sedecimum de seruis Cristianorum.
si Cristianus emerit maneipium <) seu seruum Cristianum, tune
iuxta veteris legis et testamenti constitucionem talis seruus sex annis
continuis domino suo seruire debet, septimo vero anno talis seruus per
dominum debet manumitti in libertatem. Noua vero lex Cristiana insti-
tuit, talem seruum tune liberum esse ex seruitute, quum 2 ) primum
peeunias pro eo datas emeruerit. si solus seruus emptus est, solus
modo premisso debet esse über, si uero cum uxore captiuatus emptus
fuerit tune et cum vxore ac pueris über esse debet emeritis ut prefer-
tnr pecunijs, pro eo datis. si uero taü seruo dominus vxorem dederit
et prolem inter se utrisque sexus procreauerint, tune in tali casu vxor
prefati serui vnacum pueris debet esse in hereditate et dominio per-
petuo sui domini, solo predicto seruo tantum libertatem manumissio-
nemque babente, si uero talis dominus voluerit aecipere pecuniam pro
predicta muliere, tune eadem mulier vnacum pueris suis vtriusque sexus
manumittj in libertatem debent. Si uero predictus seruus libitum et
voluntatein non obstantibus predictis conditionibus babuerit remanendi
circa dominum suum , tune dominus tenebitur eundem cum vxore et
pueris suscipere, et ad ecclesiam cum eodem seruo accedere, et bonis
bominibus ibidem in ecclesia de taübus protestari, ac literas huiusmodi
protestaciouis obtinere et habere in vim signilicatorie scilicet in hunc
modum, quod predictus seruus a me ad mortem non vult recedere, si
vero talis seruus postea deliberatus, voluerit habere voluntatem ex ser
uitute über esse et dominus ipsius talem eins deiiberationem resciuerit,
non debet eum illibertare dominus suus contra ipsius deiiberationem
sibi seruire, sancto Apostolo dicente, omnes seruos apud deum esse
liberos.
(Hactenus non fuit nec est vsus in Regno. manicipiorum et ser-
uorum in illibertate seruandorum.)
Capitulum decimum septimum de mulieribus emptis cristianis.
Si aliquis necessitate cogente fiüarn suam vendiderit christiano,
non debet filiam vendere in perpetuam seruitutem, si uero huiusmodi
ancille seruitus non placuerit domino eius, tune in tali casu pater pote
nt eam exemere et talis dominus non habebit auctoritatam predictam
seruam alicui vendere alteri 3 ) ex odio talis dominus prefatam seruam
voluerit desponsare in vxorem filio suo debet ad id accedere voluntas
patris eiusdem serue. si vero talis ancilla seu serua soli domino vel
filio ipsius in vxorem non placuerit, tune talis serua emerendo annos
pro pecunijs pro eadem datis, libera a iugo seruitutis esse debet sine
pecunijs. si vero pater ipsius serue ante annos seruitij ipsam a domini
0 maneipium suum seu etc.
2 ) quain.
3 ) alteri fehlt.
268
F. Bis c hoff
eins exemere voluerit tenebitur eam dominus ipsius ad exemptioneni
dare non obstante eo quod anni seruitutis ipsius non transfluxerunt.
Capitulum decimum octauum de Paganis seruis emptis.
si aliquis Armeuus enierit seruum vel ancillas seruiles paganos
istique serni tempore seruitutis eorum ßaptismi sancti sacramenta sus-
ceperint, tune tali modo huiusmodi serui debent esse liberi a seruitute
tanquam pecunias pro eis datas emererentur. si vero tales serui vtrius-
que sexus pagani sacrum baptismum suscipere noluerint, tune in isto
casu dominus eorum plenipotens erit, ipsos ad placitum suum vendere
cui voluerit.
Capitulum decimum nonum de percutiente patrem vel matrem.
Quicunque parentes suos verberauerit, ab tale indignum et scele-
stum faeinus est mortalis apud deum iuxta dispositionem veteris testa-
menti, noue vero legis Christiane testamentum ea similitudine demon-
strat, quod talis verberator parentum ad mortem debet penitere, si vero
in puerilitate verberauerit parentes, tune in tali casu parentes debent
istud obtegere alias ogarnäez t). Si vero percussor parentum istud malo
corde et animo fecerit, et parentes pro nichilo reputauerit, tune paren
tes, talem filium de excessu multociens corrigere debeant coram spiri-
tuajibus et coram senioribus, si uero a talibus excessibus se retrabere
nollet, tune talis pater huiusmodi filium rebellem et temerarium perse-
cutorem parentum suorum, poterit et a se et a bouis omnibus exliere-
ditare. si vero ipse idem filius ita exhereditatus postea ad ea ed cor et
se a ) redierit et humiliatus fuerit sicut decet parentibus penitentiam
sustinere tune pater et mater in tali casu debent eum in fauorem paren
talem suscipere.
Capitulum vigesimum quod quilibet debet portare iniquitatem et deme-
ritum excessus sui.
Si pater aut filius in aliquibus excessibus mortalibus seu crimi-
nalibus excessiui reperti fuerint, tune pater pro excessu.filij pati non
debet. Et similiter filius pro excessu patris nulla pena affici debet, sed
quilibet iuxta facta excessuum suorum pati debet, et eo facto jus com-
plebitur, in Iusticie perfectione ad quamlibet personam, tribuendo vni-
cuique quod suum est.
(Ab hac constitucione excipitur crimen lese Maiestatis.)
Capitulum vigesimum primum de eo qui furauerit s ) hominem.
In veteri testamento sanccitum est, quod quicunque furando homi-
nem vendiderit et de tali venditione manifestum fuerit, talis homo est
mortalis, tarnen in noua lege Christiana ita constitutum est, quod si
Christianus christianum furando vendiderit, ad aliam provinciam, et tale
malefactum contra eum manifestum fuerit, propter agendam penitenciam
’) alias ogarnaez fehlt.
a ) postea ad Cor et ad se redierit.
3 ) furatus fuerit.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
269
noua lex non decernit eum ad penam mortis, sed talis debet detineri et
in carceribus seruari sub cautione fideiussoria, quod predictus venditor
Christiani, tenebitur pecunias pro prefato vendito receptas viceuersa
remittere, et prefatum hominem venditum debet adducere ad hospitem
apnd quem eundem subtraxit. restituereque tenebitur si vero ille liomo
venditus aliquo modo decesserit tune ille venditor debet esse astrietus
predictas pecunias pro eodem bomine ab emente receptas, illi bospiti
apud quem eundem furatus fuerit. realiter et in effectu soluere, et
nicbilominus predicto furi manus eius abscidi ') debent, aut sibi in
fronte ardenti et candenti sigillo in fronte 2 ) nota perpetue infamie im-
primi et cauterisari debet, ut alij formidine pene, a talibus absterre-
rentur.
(llee constitucio admittitur quando armenus alium armenum yen-
diderit sed si Armenus Cliristianum vendiderit, de boe cognoscet Regia
Maiestas et puniet ita prout ei videbitur.)
Capitulum vigesimum secundum de eo qui obloquitur snos Patentes.
Quicunque parentes suos inhonestis verbis dehonestare ausus
fuerit, talis est mortalis, si parentum suorum aliqua preterita manifesta-
uerit eo facto committit peccatum mortale secundum veterem legem.
Noua uero lex dietat quod talis oblocutio parentum equiparatur buic
sictit parentes percuteret, ut autem talia inhonesta contra parentes in
pueris compescerentur diffinitum est, quod tales pueri per parentes
possunt de Omnibus bonis mobilibus et immobilibus exhereditari.
(Filij manifestare deuent jure et merito crimina vel excessus
parentum suorum contra Regiam Maiestatem et Rempublicam comis-
sorum et in tali casu filij armenorum pene buius constitucionis non
sunt subiecti.)
Capitulum vigesimum tercium de duobus contendentibus et uno alterum
ex eis s ) uulncrante.
Contendentibus duobus armis et vno alterum uulnerante, et uulne-
ratus in huiusmodi uulneribus non morerelur et in 4 ) infirmitate uullne-
rum iacens et conualescendo ambulaverit cum corulo alias zliaska 5 )
diffinitur jure, quod ille qui uulnerauit tenebitur illi uulnerato damna
medicinam et impensas soluere cum totidem penis pecuniarum Iudicio.
Capitulum vigesimum quartum de eo qui sertium aut seruam occidemt.
Si aliquis seruum suum aut seruam occiderit quocunque instru-
mento ad occidendum babilo tune Iudicium penam sanguinis illius occisi
debet requirere ab liospite si talis seruus fuerit ebristianus aut cuius-
eunque alterius secte tune ille occisor tenebitur equali valore solvere
') abscindi.
2 ) in fronte fehlt.
3 ) ex eis fehlt.
4 ) in fehlt.
5 ) eorilo.
270
F. B i s c li o ff
Caput occisi serui aut serue tarn cliristiani quam alterius secte, si rero
seruus aut serua percnssi a domino a percussione ietus non morerentur
statim, diemque aut dies iacuerit, et postea moreretur non debet in tali
easu pro capite solutio fieri et hoe propterea qtiia eum emerat pro suis
pecunijs et sibi damnum intulit. penitenciam tarnen pro isto agere debet.
Capitulum vigesimum quintum de eo qui contentione commissa per-
cusserit mulierem pregnantem.
Contendentibus duobus hominibus et interse percusserint mulierem
pregnantem et per talem percussionem mulieri illa proles sine tempore
completo abscederet tune medietatem Capitis soluere debet marito talis
mulieris aut sicut cum marito prediete mulieris componere poterit. si
autem puer fuerit in vtero in plenitudine temporis cum persona liumana
et tali percussione abscesserit tune solutio debet impendi sicut pro in-
tegro capite, notum enim est in Jure diuino quod siue perfectus fetus
fuerit siue non. in vtero tune jus diffinit antiquum, quod caput pro capite
dari debet. Noua vero lex demonstrat talem casum pena pecuniaria et
penitencia emendandum et soluendum esse.
(De homine Armeno mulierem pregnantem percutiente hec con-
stitucio est intelligenda in alijs locum non habet.)
Capitulum vigesimum sextum de Boue alicuius aliquem percutiente.
Boue alicuius aliquem percutiente et ex tali percussione liomu
moreretur lex antiqua decernebat quod talis Bos debet occidi et carnes
ipsius vendi et pecunias pro Carnibus venditis receptas pauperibns di-
stribuere, et nichilominus hospes euius bos prefatus fuerit caput sol
uere tenebitur si vero prefatus bos semper erat ita indomitus et ferus
et ille hospes per vicinos erat admonitus ut talem bouem indomitum a
se alienaret, hospes uero tales admonitiones vicinorum non curabat et
interea bos talis indomitus liominem ad mortem occiderit tune talis
hospes cujus bos erat mortalis est et penam Capitis debet soluere sicut
decreuit Ius, a morte tarnen hospes prefatus über esse debet. si vero
bos famulum aut famulam alicuius leserit et hospes de consueludine l'era
bouis nesciuerit immunis hospes debet esse et indemnis. si vero talis
hospes sciuit de consuetudine uocendi bouis prefati, et Bos aliquem
leserit tune hospes tenebitur illi leso ad solutionem damni et medi-
cinarum.
Capitulum vigesimum septimum de domino ledente seruum.
Si dominus seruo suo oculum exverberauerit jure dictante talis
seruus über esse debet a seruitute empta, si fuerit Christianus, si vero
fuerit seruus paganus tune jus diffinit eundem per dominum debere
vendi pro medietate preeij.
Capitulum vigesimum octauum de juuenco juuencum aut boue bouem
occidente.
Si Bos bouem aut Iuueneus Iuuencum occiderit alicui bos aut
Iuuencus qui superuiuet debet vendi et precium pro venditione huius-
modi bouis aut Iuuenci receptum per medium diuidant inter illos quo-
Das alte Recht (1er Armenier in Lemberg-.
27t
rum predicta juinenta fuerint. et similiter occisum animal per medium
diuidi debet. si vero ille cuius Los erat indomitus sciuit de consuetudine
fera sui bouis et per vicinos admonebatur vt non foueret tale jumentum
scilieet bouem nociuum et ipse non curabat admonitiones tune pro illo
occiso boue viuum bouem dabit illi cui occisus est bos et sibi illum
accisum bouem recipiet.
Capitulum vigesimum nonum de foueis et fontibus.
Quicunque aperuerit foueam aut foderet fontem et non tegerit
eandem foueam aut fontem et ibi ceciderit alicuius jumentum bospes
illius fouee aut fontis soluet illud jumentum eilte illius iumenti pro se
recepta iure id dictante.
Capitulum Tricesimum de homine cadente in foueam.
Masculus aut femina si ceeiderint in foveam aut fontem et ibi
moreretur si in die ceciderit tune mediam penam valoris sanguinis, ille
cuius fouea aut fons fuerit soluet, si uero noctu ceciderit in fontem aut
foueam ex tune integri capitis penam soluet, ille cuius fouea aut fons
fuerit, quod statutum debet extendi ad vtriusque sexus homines cadentes
modo premisso in fouea aut fontes etiam ad seruos et seruas.
Capitulum Tricesimum primum de Jumentis et pccoribus.
Si bos occiderit vaccam aut aliud jumentum Cornutum vel Arietem
et bospes nesciuerat consuetudinem eiusdem bouis tune medietatem
precij illius animalis occisi soluere debet. si vero tale jumentum paruum
fuerit. tune pro tali nicbil solui debet. si uero magnum pecus occisum
per bouem fuerit, tune tale pecus occisum vendi debet et pecunie illi
quorum pecora fuerint equaliter inter se parcientur, si yero sciuit illius
bouis indomiti consuetudinem nociuam et non alienauit a se, tune inte
grum valorem pro occiso iumento persoluet, ita Ius dictat.
Capitulum Tricesimum secundum de Equis.
Si bospes liabens equum indomitum qui pedibus et morsu dentium
homines consuetudinem haberet ledere, bospes equi leso liomini per
equum damnum et sumptus medicine soluat. si uero manifestauerit equi
nocere consueti >) consuetudinem, tune medietatem damni soluet, ita
jus dictat.
(Hoc quod in calce Imins constitutionis dieitur intelligitur, si talis
horno Armenus occasionem ledendi equo suo non dederit.)
Capitulum Tricesimum tercium de equo habente consuetudinem ledendi.
Si aliquis habucrit equum nocere consuetum et in domo tarn
familie quam alijs manifestauerit ut a tali equo cauerent et postea talis
equus aliquem leserit aut occiderit in domo, tune bospes manebit absque
culpa in tali casu. si uero homines domestici aut vicini dixerint illi qui
equum talem haltet ut eum non foueret et ipse talem equum non alie
nauit 3 ) et equus aliquem enormiter leserit 3 ) aut occiderit tune, lus
H eousiieti fehlt.
3 ) aliennret.
3 ) vulnein 11 erit.
272
F. ß i s c h o f f
spirituale in isto (lebet prospicere qualis pro isto debeat iniungi peni-
tencia et emenda.
(Melius placet et admittitur ut is qui equum ferum et nocere con-
suetum admonitus per vieinos non alienauerit puniatur ea pena que supra
in Capitulo vig-esimo sexto de boue indomito est expressa.)
Capitulurn Tricesimum quartum de fure noc.turno tempore in domo
inuento.
Dum aliquis furem nocturno tempore in sua domo inuenerit, si
talem furem noeturnum interfecerit in domo manet absque culpa, si
vero in die aliquis furem in domo sua inuenerit et eum oceiderit occi-
dens erit mortalis. Ita noua lege disponente, quod occisorem noclurni
furis non culpat, occisor uero fiiris in die quia presumitur homicidium
eommisisse scienter et voluntarie solns (lebet esse mortalis et tale jus
est de furibus constitutum nocturnis et diurnis. si vero aliquis in domo
nocturno tempore et similiter dilirno, furem cum manifesta re furti
apprehenderit tune (lebet talem furem et cum signo furtive rei alias
zliczem ad judicium addncere et qualis querela contra eundem furem
coram judicio proposita fuerit tali pena ipse für per sententiarn et in-
uentionem Iudicij punietur.
Capitulurn Tricesimum quinttim de Jure ortorum ! ) et agrorum.
Mittens aliquis propria voluntate sua lumeuta in ortuin 3 ) alicuius
aut in sementa Campi et talia jumenta damnum fecerint jus diftinit quäle
damnum talia jumenta in ortis 8 ) aut frnmentis campestribus diuersi
generis intulerint tune ille cuius lumenta huiusmodi damnum inferentia
in ortis 8 } et sementis fnerint damnum passo soluet sicut bomines tale
damnum et valorem taxaverint et inuenerint.
Capitulurn Tricesimum sextum de incendijs et aruipirijs alias poza-
row 4 ).
Si ex quocunque loco ignis et aruipirium exiuerit et borea crema-
uerit aut frumenta in campis adliue existentia js a quo ignis huiusmodi
exiuit pena licitp castigari debet tarnen Judicium debet diligenter inqui-
rere a quo talis ignis exiuit, si ex propinquo vel longinquo, si ab amico
vel inimico 5 ), si ex eventu aut voluntarie, a sene vel a puero. Si aliquis
propria voluntate premissa fecit duplum cuiuslibe't damni prefati 6 ) dam
num passo soluet. Si aliquis prope lioreum ignem posucrit et non pro-
spexerit bene illum ignem ne damnum inferat et per talem non prospec-
tionem ignis damnum patrauerit duplum pro quolibet damno seorsum
passo damnum ignis non prospector soluet. Si a remotis ignis venit
M liortoruiu.
2 ) hortum
3 ) hortis.
4 ) alias pozarow fehl!.
5 ) si ab amico vel fehlt.
6 ) praedicto.
Das alte liecht der Armenier in Lemberg.
273
tune medietatem damni huiusmodi qui dedit occasionem per ignem
soluet illi cui damnurn per conflagrationem ignis est illatum . si vero
talis ignis incinerauerit pecus aut vestimenta de tali damnificatore tale
Judicium et pene esse debent sicut presens Capitulum declarat.
Capitulum Tricesimum septimum de fuleli deposito et fideli manu.
Si aliquis cuipiam dederit aurum argentum et alias quaslibet res
et suppellectilia diuersi generis et specieij ad (ideles manus conservan-
das, et tales res apud illum fidelem depositarium de domo eius furtiue
surriperentur, si fiirem predictarum depositarius cum manifesta re furti
aprehenderit, talis für patibulo debet puniri . si Yero für talis compre-
liensus non fuerit tune ille depositas res suas ad fideles manus apud
illum querere debet cui dedit ad seruandum cum doeumento sufficienti.
Si vero sufficiens documentum actor contra depositarium non habuerit
tune juramento corporali depositarius solus euadet, quod tali damno
rerum depositarum nec scienter nec negligenter occasionem dedit, et
juramento Corporali prestito perpetue absolutus ab inculpante esse
debet . si vero iste qui taliter ut prefertur iurabit et inuenlus fuerit
periurus, pro quolibet damno seorsum rerum depositarum duplum soluet
et solus tanquam periurus honore debet priuari et infamis pronunctiari.
Si vero aliquis, non dando servare aliquid ad lidele depositum, calum-
niatus fuerit aliquem. quod tanquam dedisset aliquid seruare, Tune et
talis calumuiator perpetue est infamis declarandus , sicut quilibet calum-
niator, qui falsa crimina scienter intentat.
(De Armenis bec constitucio quemadmodum et alia est intelli-
genda . hoc est si Armenus est depositarius suo Jure per Christianum
convenietur . e diuerso christianus depositarius per Aiunenum depositum
querentem Jure suo conuenietur, qui actor sequitur forum rei.)
Capitulum Tricesimum octauum de Jumentis alicui ad seruandum datis.
Si aliquis dederit alicui ad seruandum equos, boves, oves et di-
uersa pecora et pecudes et si (alia pecora aut lesa, aut mortua aut per
potentem manum ablata fuerint et nemo sciret vnde tale accidens eue-
nisset, tune ille conseruator Juramento corporali euadet, si non dedit
occasionem lesioni aut morti Jumentorum . si vero apud illum conser-
uatorem aliquod pecus aut Jumentum fuerit furtiue surreptum, tune ille
conseruator illud pecus furtiue ablatum soluere debet illi cuius tale
pecus fuerit . si uero ursus, lupus vel aliquod aliud animal ferum ju-
menta aut leserit aut deuorauerit, tune talis conseruator illi cuius pecora
sunt demonstrare debet locum, demonstrato uero et probato loco indem-
nis debet esse et diffinitione Jus pro magna iusticia accepit.
(Quo ad Armenos bec constitucio habet locum . qui christianos
inculpati eo Jure euadent. Christianus uero inculpatus suo Jure etiam
Armenum euadet.)
Capitulum Tricesimum nonum de eo qui alicui arma accomodauerit.
Si aliquis apud amieum accomodauerit arma diversa, taliaque arma
aut franget aut perdet, si qui accomodauit non erat circa fractionem aut
Sitzb. (1. phil.-hist. CI. XL. Bd. I. Hft. J8
274
F. ß i s c h o f f
perditionem armorum, tune ille qui accomodauit arma dainnum debet
soluere aut fractionis aut perditionis armorum. si vero ille cuius fue-
riut arma fuit presens circa destructionem aut perditionem armorum,
indemnis ille qui accomodauit in tali casu manet. Si vero aliquis equos,
Jumenta ct alias res vtensibiles pro certo precio apud aliquem aren-
dauerit et talis res animata lesa fuerit aut moreretur et liospes illarum
rerum verus proprietarius circa id fuerit presens tune iste proprie-
tarius propter huiusmodi presentiam suam in isto damnosus esse debet
et non ille qui arendauit . si uero proprietarius predictarum rerum circa
lesionem aut perdicionem premissorum presens non fuerit, ille qui tales
res locauit seu arendauit soluere damnum rerum tenetur . quos Casus
in presenti capitulo descriptos iudiciale officium armenicum diligenter
attendet, pensitabit et discutiet.
(Inter Armenos bec constitucio ut cetere intelligenda et seruanda
est. Christiani vero per armenos conuentj suo jui-e iudicabuntur.)
Capitulum quadragesimum de co qui aliquid apud alterum ad Prestam
receperit.
Si aliquis apud alterum aliquas res receperit ad prestam seu in
mutuum ad certum tempus et is qui ad prestam seu in mutuum aliquid
accipit depauperabitur, et propter depauperationem ad tempus prefixum
soluere non poterit, veteris et Noue legis patrocinio eidem depauper-
tato talis prerogatiua concessa est, quod a creditore nullam grauitatem
habere debet, et vsuram ab eodem depauperato recipere non debet, sed
debet ei assignare et limitare certum tempus, ut ei tantum principali-
tatem crediti debiti. solueret, et si is depaupertatus illi suo creditori
antebac aliquid vsure dederit, quidquid ab eodem receperit vsure hoc
debet computare 2 ) ad sortem principalis summe, quoniam dei precep-
tum est proliibititum, quod nemo sapiens christianam (idem s ) vsuram
accipiat . si vero talis depaupertatus debitor non soluto debito more
retur, tune successores ipsius debitoris nullam vsurum soluant credi
tori, propter principalem summam, que per successores solui debet
creditori.
(Hec constitucio inter Armenos seruanda est et intelligenda hoc
modo, quando debitor ex casu fortuito et non sua culpa aut malefieio
incidit in paupertatem ut ereditoribus suis soluere non possit.)
Capitulum quadragesimarn primum de rebus impignoratis.
Si aliquis apud alterum acceperit in pignore domum aut ortum
aut vineam, vel agros vel aliquid istissimile, si uero ille qui obligauit
aliquam ex predictis rebus neglexerit solutionem facere illi cui obli
gauit, extunc ille obligationem rei habens a prefato, qui ei obligauit,
praesens fehlt.
2 ) reputari.
3 ) clirisl.ianae hMei in usurnin.
4) hortuni.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
275
tantum essentialem summam absque vsura recipere debebit et pignus
seu rem obligatam ei recepta summa principali restituet. si uero ille
tenutarius obligat.orius magis commodi accepit de bonis predictis obli-
gatis, quam est summa essentialis, tune id totuin quod superius sum
mam principalem in vim commodi reeepit restituere *) ad sortem priu-
cipalem computare defaleäreque debebit . si uero ille qui obligauit non
habuerit facultatem bona obligata reformare in necessitatibus bonorum
et ille qui in possessione obligationis bona tenet reformauerit reparaue-
ritque sumptibus suis, tales sumptus erogatas ad reparationem bonorum
ille qui eadem tenet in obligatione ad summam principalem adnumerare
debebit et ita illi sumptus erunt summe principalj adnumerati et coadu-
nati ad soluendum . habens vero in pignore vestimenta et jumenta, et
talia vestimenta aut jumenta in tali obligatione anicbilarentur et decres-
cerent, tune tale damnum ille tenutarius obligatorius ad sortem princi-
palis summe debet defalcare. Si uero fuerit in obligatione aurum,
argentum vel aliquid istis simile, si per furtum aut aliquam alterius
euentus perditionem perderetur apud illum qui in obligatione habet
talia, si predicta res neque negligentia neque culpa ipsius qui in obli
gatione habet aliquo modo ex premissis modis perdita fuerit, tune obli-
ga'tor 2 ) iurarnento eorporali se expurgabit, quod eius occasione per-
ditio prefata facta non est . si uero tales res sua culpa essent perdite,
aut solus eadem occultauerit, asserendo ista esse perdita, et contra
eum probatum fuerit, quod tales res habet, tune duplum soluat . si ei
potens manus istud receperit, tune istius damnum esse debet, qui obli
gauit . si uero fructiferam arborem in tenuta obligatoria aliquis exci-
derit aut sepes cremauerit, si id acciderit ex scitu et voluntate illius qui
tenet in obligatione, damnum ipsius debet esse, et similiter de pecori-
bus et jumentis inuadiatis est judicandum, quod si jumenta in pignore
fuerint lesa aut decederent, tune damnum obligatorii esse debet, qui
damno buiusmodi prouidenter non obuiauit . si uero pecora buiusmodi
non decesserunt culpa istius qui tenuit ea in obligatione, tune damnum
debet esse illius qui obligauit talia jumenta, quia jure prouisum est rem
obligatam debere custodire ne perdatur . et multo magis probibet jus
non vsurari.
(Inter armenos seruanda est bec constitucio.)
Capitulum quadragesimum seeundum de eo qui aliquem cremauerit in- ■
cendio.
Si aliquis aliquem cremauerit ex inimicitia et statifn in recenti
facto incendij fuerit comprehensus, talis boino incendiarius, sicut igne
pecauit ita igne perire debet . si vero in tempore et liora deprebensus
non fuerit et post factum captiuaretur, talis debet puniri carceribus’
penaque peecunaria et soluet omnia damna que per talem ignem eueue-
rint . si vero proditor mala voluntate id fecerit collo debet plecti.
ts*
) restituere fehlt..
) obligatorius.
276
F. B i s c h o f f
(Incendiarij jure communi Regni iudicentur et puniantur.)
Capitulum guadragesimum tercium de eo qui alicui in orto ') fructife-
ram arborem destruxerit.
Intrans in ortum 2 ) alienum destruens illo in orto arborem fructi-
feram cuiuscunque fructus et probatum contra eum tale factum fuerit,
jus dictat, quod ipse destructor arboris fructifere similem arborem
debet illo in orto *) plantare et quamdiu huiusmodi arbor plantata fruc
tus non produxerit, tune iste qui plantauit omnia damna fructus arboris
excise soluet tamdiu usque noua arbor plantata germinare ceperit.
Capitulum guadragesimum quartum de equis etjumentis.
Occidens alicui j>ecora uel equos manifeste ius diffinit quod debet
valorem occisi equi aut jumenti occisor soluere illi cui in hoc damnum
intullit . si vero occiderit ex iuimititia officij juris interest talia proui-
denter indagari, sicut ius decernit iuxta proposita et responsa partium,
taudem sententiam promulgare.
Capitulum guadragesimum. quintum de eo qui propter paupertatem
vsumfructum agrorum vendidit.
Si aliquis urgente inopia vendiderit alicui vsumfructum de agris
campestribus suis, tune consanguineus illius venditoris poterit propin-
guitate sui fratris s ) emptionem vsusfructus agrorum . ab illo extraneo
redimere et eliberare et solus effici vsufructuarius . si vero propinquus
non extiterit illius venditoris et solus venditor haberet facultatem pecu-
niariam redimere vsufructum predictum, hoc ante tempns facere potest.
Si vero exemere non poterit, tune ille qui emit vsufructum agrorum
debebit emptionis sue jus ad suum tempus determinatum lenere, tem
pore vero veniente ille heres iterum poterit suam redimere et obtinere .
tempus vero huiusmodi venditionis est jure prefixum septem anni . si
vero ultra septem annos possessor illius vsufructus voluerit longius
tempus prorogare vero lieredi ad redimendum, hoc in beneplacito est
istius possessoris . si vero ad termiuum septem annorum predictorum
ille qui vendidit vsumfructum aut suus propinquus non redemerit, tune
elapsis septem annis integris iam ille vsufructuarius efficitur verus heres
illius rei empte et prefatum tempus septem annorum in huiusmodi causa
debet haberi et obseruari pro prescriptione completa et irreuocabili .
si uero alio genere contractus ille heres vendiderit agros suos, tune
iuxta qualitatem negotij et iuxta partium proposita et allegata Judicium
sententiabit.
(Hec constitucio admittitur in liereditatibus Juri armenico subjec-
tis, verum si armeno in Jure Ciuili uel terrestri Regni iacens hereditas
oppignoratur, uel vsusfructus eins venditur, iuxta dispositionem illius
juris cui eadem hereditas subjacet dicta oppignoratio vel venditio vsus-
liorto.
2 ) hortum.
3 ) juris.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg 1 .
277
fructus iudicari debet . idem de prescriptione intelligendum , que
etiam iuxta iura, quibus hereditas cuius vsusfructus venditur subiacet,
iudieanda est et obseruanda.)
Capitulum quadragesimum, sextum de emptione domus in civitate et
jure municipij.
Si aliquis alicui vendiderit domum in ciuitate et Jure municipale
potest propinquus ad Ynius anni decursum propinquitate repetiere emp-
torem extranenm pecunias soluendo pro quibus eadem domus empta
erat. Si vero propinquus rion fuerit et ille paciliee et quiete huiusmodi
possederit anno integro amplius elapso anno ille qui emit verus prefate
domus efficitur heres, eandemque erit Jure hereditario possessurus abs-
que aliqua contradietione omnium et singulorum proximorum . si uero
diues pauperi domum vendiderit et ei tempora a ) prefixerit ad soluen-
dum. et si ille pauper solutionem facere per eadem domo non preual-
uerit, tune polest eandem domum illi viceuersa restituere et ille ab ipso
eandem domum recipere tenebitur absque aliqua contradietione . do-
morum vero agrorum et ortorum 3 ) que in suburbio Ciuitatis iacent jus
exemendi easdem per propinquos debet prescriptionem septem annorum
habere (per propinquos) 4 ).
(Armeni emptores et venditores domorum seu hereditatum naturam
et observationem illius juris, in quo jacent eiusmodi domus et heredi
tates, seruare debent.)
Capitulum quadragesimum septimum de Molendiuo aquatico.
Si aliquis cogente inopia molendinum aquaticum vendiderit, ad
annum integrum poterit propinguus hoc idem molendinum redimere jure
propinquitatis . anno vero elapso integro is qui possidet per 5 ) propin
quos impeditus 6 ) non fuerit, amplius non poterit Übeltätern et Jus
redemptionis molendini habere, si is qui emit molendinum huiusmodi
vigore prescriptionis prefati molendini verus et perpetuus heres efficitur
jure id dictante.
Capitulum quadragesimum octauum de emptione 7 ) equi.
Vendens equum alter ab altero, forum emptionis equi debet tieri
in presentia duorum vel trium testium, proplerea ne equus esset fur-
tiuus, et ne antiquam claudicaturam liabeat, et quod non esset ptisi-
cus 8 ) alias Dijchawicznij, aut Nossathij . si uero cognitum fuerit ad
septimum diein aliquod vicium ex predictis in equo empto, tune emptor
A ) infellig-endum est.
2 ) et in tempore.
3 ) hortoruin.
4 ) per propinquos fehlt.
5 ) si per.
6 ) impetitus.
7 ) emptore.
8 ) phtisiens.
278
F. B i s c h o
talem equum vitiosum restituere venditori poterit. Si vero equus ad
septimum diem predieta vicia aut unum eorum in se repertum non
habuerit, tune formn venditionis equi sunm elfectum sortiri debet . si
vero equus ille furtiuus fuerit, tune intercessor tenebitur emptorem pro
prefato equo suo grosso et impensa eliberare, intercedere et indemnem
reddere.
Capitulum quadragesimum nonwrn de ucnäito Boue.
Vendens ßotiem alter alteri coram tribus testibus tale forum debet
facere et vendens bouem Juliusmodi de jure tenebitur talem bouem dare
illi ementi ad aratrum siue currum ad tentandum i), quod talis bos non
esset nociue consuetudinis, nec furatus . si vero bos fuerit nociue ae
fere consuetudinis ad septimum diem potest illi venditori restitui . si
fuerit furtiuus et aliquis alloqueretur se ad illum, tune emptor debet se
trahere ad principalem intercessorem . qui intercessor debet eum suo
grosso vbilibet intercedere et indemnem reddere, Jure ita dictante.
Capitulum quinquage&imum de vendita vacca.
Vendens alicui vaecam debet emptori cauere, quod talis vacca
quolibet anno consueuit impregnari. sin aliter compertum fuerit in pre-
dicta vacca, quam ipse venditor spopondit, tune in vno integro anno
eandem vaccam emptor venditori restituere potest . si vero ipsa vacca
fuerit prolificans bene, tune forum debet suum etfectum sortiri.
Capitulum quinquagesimum primum de Apibus.
Vendens alicui apes in autumno in Alueario cum melle et venditor
spopondit emptori, quod in huiusmodi alueario est tantum mellis et
nominat certam mensuram et expressam quantitatem, si ille emptor
credere venditori noluerit, tune poterit aluearium aperire et mel men-
surare, et quiequid mellis ad illam quantitatem et mensuram deffecerit,
boc ille venditor aut melle aponat aut pecunijs soluet 2 ) defectum mel
lis . si mel deficiens aponere noluerit, tune forum huiusmodi ad nichi-
lum redigitur . si uero illud mel excesserit quantitatem et mensuram
condictatam in alueario, tune emptor restituere venditori huiusmodi
exerescentiam mellis non tenebitur, quia s ) spe lucri non damni emit .
si aliquis vendiderit vernali tempore propter examen apum talis reci-
piendo huiusmodi apes debebit ponere in suo inellificij 4 j loco, ad deci-
mam vel vigesimam diem eas seruando propter inquirendum, si ille
apes emitteut examen vel non, et forum pro huiusmodi apibus debet
fieri coram duobus uel tribus testibus et introitus ac exitus apum ita
fiat et inueniatur, sicut in foro condictatum est, si exitus et introitus
apum ita inuenietur sicut contractus fori conclusus est inter venditorem
et emptorem, tune huiusmodi forum debet suum effectum sortiri . si
’) siue ad Cunium et tentandum.
2 ) aut mel apponat aut pecunia soluat.
3 ) qui.
4 ) In submelliiicii.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg-.
279
vero inter liuiusmodi apes aliquid nocini fuerit aut mater eorundem
moreretur inter spacium decem aut vig-inti dierum, potent emptor ven-
ditori tales apes viceuersa restituere. post decursum vero vig-inti dierum
si aliquid nociui predictis apibus euenerit tune emptoris non autem ven-
ditoris debet esse damnum.
Capitulum quinquagesimum secundum de vasis ex Arilla ’) fabricatis
pro vino infundendo qui voeantur Banije vijnne.
Emens aliquis apud alterum Vas Argilleum pro vino fundendo 2 ),
si tale vas ad integrum annum non stilauerit, tune forum pro eodem
vase initum teneri debet . si vero in tali vase fuerit aliqua lesio et per
emptorem cognosceretur illius vasis, hoc ipsum vas viceuersa recipere
debet ab emptore, si vero de liuiusmodi vase leso vinum efluxerit, tune
damnum ad medium esse debet . si tale vas in primo fori contractu
fuerat integrum et dum infodiebatur in terram lesum.est, tune venditor
in isto culpabilis non erit, quia Jura que disponunt hoc intelligere de
vasis inagnis et parvis 3 ).
Capitulum quinquagesimum tercium de fructu arboris fructifere ven-
dito.
Contigit multociens plerisque vendere fructus arborum fructife-
rarum in ortis 4 ) propter hierum liabendum . si lucfauerit 5 ) fortunatus
est, sin perdiderit hierum infortunio suo imputet, et tale forum in pre-
sentia trium testium fore debet, et tempus liuiusmodi fori ad decem dies
durat, in quibus decem diebus forum emptor potest deicere, lapsis vero
decem diebus “) forum liuiusmodi prefatum in rem transit elfectualem et
determinatam, emptor post dies decem lapsos condictatum pretium
soluat.
Capitulum quinquagesimum quartum de molendini arenda.
Si aliquis arendauerit molendinum coram testibus, debet ille qui
arendat sibi statuere et edicere mensuram, qualem mensuram ille qui
arendat dare debebit . si vero arendator 7 ) molendini lucrauerit s ) ali
quid 8 ) super arenda, hoc eius hierum erit, et iste qui arendat debet
tenere arendam, non obstante lucro illius qui arendauerit 9 ), nec eun-
dem arendarium debet propter lucrum liuiusmodi in aliquod detrimen-
tum inducere . omnia vero necessaria ad molendinum iste qui aren-
dauit dare et reparare debet, similiter et destructa secundum consue-
tudinem in molendino observari consuetam reformabit, si vero ex incu-
') Arqilla.
3 ) infundendo.
3 ) non parvis.
4 ) hortis.
5 ) iucratus fuerit.
6 ) forum emptor*potest deicere lapsis vero decem diebus fehlt.
7 ) arendatorius.
8 ) aliquid fehlt.
9 ) illius arendarii.
280
F. Bise h o f f
rabilitate istius qui arendauit molendinum in i) aliquod daninum in mo-
lendino 2 ) foret s ) in lapide, Rotha aut presepio molari, aut 4 ) alijs
aparamentis molendiui damnum foret, aut si aliquid de molendino fura-
tum fuerit, tale totum damnum ille qui arendauit debet soluere . si vero
molendinum conflagratum fuerit 5 ) illius culpa, cuius hereditarium
fuerit, suum daninum erit, si vero ex causa arendatoris *) molendinum
combustum fuerit tune arendatoris 7 ) est damnum et taliter Jure ditfi-
niendum erit.
Capitulum quinquagesimum quinfum de Judice et spirituali persona
inhoneratis 8 ).
Si aliqui in ciuitate et Jurisdicione propria atraxerint se ad Jus et
causa fuerit sanguinolenta aut contenciosa, quod vnus alteri controuer-
sialiter contrariaretur, debet accedere ibi ubi est locus Judicij, quod
judicium est electum a deo et hominibus, in quo Judicio sedere con-
sueuerunt spirituales et seculares, qui tune temporis fuerint, et propo-
sitionem coram eis actor facere debet contra ream partem, et judicium
auditis partium propositis et responsis inter eos discutiet id quod juris
fuerit. et vtraque pars tale decretum suscipere debet et eidem non
contrafacere ,J ) et de decreto huiusmodi iudiciali vtraque pars non debet
nec ad dextram neque ad sinistram declinare . qui vero decreto teme-
rarie et superbe contradicere aimis fuerit, talis liomo mortalis est . in
noua enim lege ita 10 ) ostenditur, quod quicunque aduersaretur juri pro
nichiloque judicem babuerit, talis est mortalis, quia inobedientia contra
auctoritatem judicii facta perinde habetur, ac si deo inobedientia osten-
deretur, jura ita diftiniente.
(Quod hie dicitur, quod decreto juris armenici nec ad dextram
nec ad sinistram declinari debet intelligendum est quo ad personas
armenorum, que si volunt possunt non appellare a decreto juris sui
armenici, bomini vere Catholico grauato in judicio armenico reseruata
est appellatio.)
Capitulum quinquagesimum sextum de metis agrorum.
Jure diftiniente nemo debet mutare metas agrorum vicino suo,
quas metas agrorum confirmauerunt predeeessores et successoribus
scilicet filijs relinquerunt bona, quod deus concederet vobis succes
soribus agros et alia bona cum gaudio et sine iniuria proximi vti frui,
*) in fehlt.
3 ) in molendino fehlt.
3 ) ferat.
4 ) atque.
5 ) conflagrauerit.
6 ) arendatorii.
7 ) molendinum — arendatoris fehlt.
8 ) inhonestatis.
9 ) contradicere.
'«) ita fehlt.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg'.
281
tarn fratres quam extranei iniusticia mauere et conuiuere, sicut enim
tibi a patre tuo relietum est, taliter teuere debes, et alterius lieredi-
tatem tibi nou vsurpes . si vero aliquis ante te iniuste aliquid accepit,
in tali casu recurendum est ad judieium.
Capitnlum quinquagesimum septimum de Testimonio.
Item jure precipimus vobis, quia unius hominis testimonium in
jure nostro armenico nichil importancie et vigoris habet, sed tantum
testimonium duorum vel trium bonorum virorum robur habet . si uero
aliquis uellet coram judicio iniuste ex inimicicia testificari, et judex aut
judieium cognoverit quod ipse iniuste testificatur debet sententiari
sicut quilibet malus . ita ius dictat.
Jus ostendit, quod testimonium isto modo debet esse . coram ju
dicio armenorum debet probare super armenum armenis duobus aut
tribus bonis hominibus, quibus licitum esset credere . non debet alios
testes inducere, tantum ex genere armenorum . sic ius dictat.
Postquam venient duo ad jus Armenicum vnusquisque disponat
suarn rem 1 ) solus, non debet procuratorem pecunijs conuenire, ut in
iusticia iusticiam vincere possit, quia talis res est contra deum et iusti-
eiam sanctam.
Capitulum quinquagesimum octauum de homine occiso inuento in ali-
euius granicie 2 ).
Si in alieuius granicie 2 ) vel campo inuentus fuerit homo occisus
et ignorabitur homicida, tune iudex cum senioribus Ciuitatis cui ille
locus magis adiacebit, et debent revidere ad cuius graniciem s) per-
tinet propinquius ille locus, et in cuius Ciuitatis districtu fuerit, si vero
homicidam non invenerint, qui interfeeit predictum hominem, tune pro
capite illius hominis oecisi nullus aliquid pati debet sed illius interempti
propinqui et consanguinei debebunt inquirere culpabilem bomicidij,
quem si inuenerint talis homo mortalis est qui occidit.
Capitulum quinquagesimum nonum de inhobedientibus pueris paren-
tibus suis.
Si apud aliqnem fuerit inobediens filius et noluerit obedire paren-
tibus eum corrigentibus, debent falem fdium inobedienlem adducere ad
seniores et accusare eundem filium coram senioribus, eum esse malum
et inobedientem, vt pote sedieiosum et ebriosum . talem vetus lex pre-
cipit lapidandum. Nona vero lex assimilat hunc casum inobedieneie fili—
alis sicut parentes verberaret 4 ), et propter tale scelus inobedientie
poterint 5 ) eum parentes alienare a toto patrimonio hereditario.
(Ista constitutio inter solos armenos et eorum gentem locum
habet.)
*) rem fehlt.
2 ) limite.
3 ) limilein.
4 ) verherauerit.
5 ) poteruut.
282
F. B i s c li o f f
Capitulum sexagesimum deperditis homimbus criminosa facta patran-
tibus.
Quicunque patrauerit factum mortale seu criminosum solus debet
subici mortalitati, idest si aliquid furatus fuerit pena suspendij deleatur
et cadauer suspensum ad noctem in patibulo relinqui non debet, sed
debet tale cadauer deponi et sepcliri. vetus lex ita dictat. de noua vero
lege nostra constitutum est, quod si quis maleficium aliquod patrauerit
et conuictus fuerit testimonio trium bonorum virorum possessionatorum
talis debet iuxta malefaetum pati, hoc est si fuerit für suspendatur, si
yero fuerit predator et violator pacis et securitatis comunis debet capitc
plecti. taliter jus 1 ) punienda esse facinora malefactorum.
(Cause criminales non pertinent ad judices armenos cum in bijs
armeni Leopolienses sunt subiecti juri Tbeutonico et civili Maidebur-
gensi.)
Capitulum sexagesimum primum de furibus castigandis.
Jus nostrum non admittit furem occidere aut homicidam Tiranui-
cum neque aliquem alium dignum morte nisi prius jure et suflicientibus
documentis conuictus 2 ) . si quis vero obieeret alicui quod ipse est
liomicida tirannicus hominum alias zabijacz s ), et istud non probauerit,
tune inculpator non probans solus in tali facto remanebit et magna pena
talem bominem non probantem obiectionem alicui obiectam jus punire
debet . si vero armenus armenum infamauerit asserendo eum esse paga-
num et infidelem, et non probauerit istud contra eum, tune per judices
debet puniri sicut nequain oblocutorem 4 ) carcere et pena . si vero
aliquis noctu violenter infregerit se in domicilium alterius et hospiti
domus damnutn furti aut violentia illata fuerit, omnino talis mor-
talis est.
Capitulum sexagesimum secundum de violatore femine, vxoris vel
ancille.
Si quis in via rapuerit alieuius vxorem vel illiam et talis fdia est
virgo et eandem violaverit, talis violator mortalis est . si vero coitum
cum fca non commiserit, niebilominus reus est et puniri debet per judi
ces carcere et pena propter inhonestatem.
Capitulum sexagesimum tercium de inuentore alieuius rei.
Si aliquis transiens per viam viderit pecus seu animal oberrans
cuiuscunque hominis fuerit, si vicini ipsius fuerit, licitum est ut resti-
tuatur, absque aliqua receptione, si vero tale pecu.'r fuerit ex longinquo
ignöti hominis, tune tale pecus per illum qui vidit uel inuenit oberrans
pecus 5 ) debet ipsum idem pecus recipi ad domum illius inuentoris, et
’) jus fehlt.
2 ) conuictum.
3 ) alias Zahijacz fehlt.
4 ) obloquutor.
s) pecus fehlt.
Das alte Recht der Armenier in Lemhen
283
liebet protestari vieinis, quod tale pccus inuenit oberrans ignoti liomi-
nis, debetcpie illud servare tamdiu quoad liospes seu dominus illius
pecoris se manifestauerit, domino vero illius pecoris probatione liabita
quod suum pecus sit restitui debet peeus cum reformatione impen-
sarum . et in qualibet re inuenta ita lex precipit obseruandum et facien-
dum, scilicet pecuniarum vestimentorum et quarumlibet aliarum rerum .
quia jus Christianum nostrum ostendit quamlibet rem inuentam esse
restituendam illi cuius propria fuerit absque grauamine.
(ilene stat hec eonstitucio, hoc adiecto, quod protestari debet
vieinis et officio Castri uel Ciuitatis quod pecus seu animal alienum
habuerit.)
Capitulum sexagesimum quartum de eo qui cum alio in viam exiuit.
Si vero aliquis cum altero ad viam exiuerit et vni ex eis accidens
aliquod euenerit, videlicet aut per casum equi, aut in ponte equus irre-
titus fuerit vwijasznije, aut currus oneratus in lutoso loco fuerit imer-
sus, quod de facili ex luto exire non potest, aut talis currus pervertitur
aut frangitur, tune comes vie non debet ab illo socio sustinente acci-
'dens recedere . si vero recesserit potest iudicialiter eum conuenire,
quem jus l ) debet secundum iusticiam et jus punire.
Capitulum sexagesimum, quintum de modo vestimentorum portan-
dorum.
Jus dictat masculo non debere licere ambulare in veste muliebri
et e conuerso mulieri non ficet in liabitu masculino incedere. Talis enim
res contraria est deo, ex eo quia ex tali impossibilitate babitus multe
nequicie oriri possunt . tales si qui reperti fuerint transgressores per
predicatores et judicem debent puniri.
Capitulum sexagesimum sextum de edificante novam domum 3 ).
Aliquis edificans nouam domum et voluerit circum domum sursum
pinacnlum construere, ita tale pinaculum debet construere, quod nemo
de eodem pinaculo caderet . oportet enim ut istud ita teneatur, ne in
alieuius domo istud accidens euenerit . si vero aliquis de tali pinaculo
ceciderit ex laqueo maligni spiritus liospes illius nichil pati debet . sed
penitenciam spiritualem debet suscipere.
Capitulum sexagesimum septimum de eo qui in alieuius sementa in-
trauerit eum falce.
Si quis intrauerit in frumenta Campestria alieuius non debet talia
frumenta falce metere sibi ipsi ad vsum tarnen si aliquid manu euulse-
rit 4 ) hoc potest facere . si vero falce damnose meteret aliquid, et
liospes eum inuenerit in suis segetibus, damnum Iiospiti debet sol-
uere.
') judex.
2 ) et jus fehlt.
3 ) de aedilicatioue uouae doinus.
4 ) evulsit.
284
F. B i s c h o f f
Capiiulum sexagesimum octauum de eo qui in vineam alicuius in-
trauerit.
Si aliquis alicui in vineam intrauerit absque domini vinee volun-
tate, potest nuas vini comedere quantum placet, sed nicliil de vinea illa
exportare debebit, quia justo jure probibetur, quod vinee absque con-
sensn proprietariorum suorum destrui per neminem debent . de qua
vinea nemo in saccös nec in aliqua alia depositoria aliquid asportare
debet . si vero aliquis de vinea aliquid receperit et per hospitem vinee
in tali facto inuentus fuerit, in qiiocunque damnilicauit dominum vinee
id ei soluere debet.
Capitulum sexagesimum nouum de vxorante nouiter.
Si aliquis nouiter vxorem duxerit, tali non licebit ad bellum pro-
ficisci, propterea ne sibi ibi aliquid aduersi et nociui contingat, ideo
talem nouiter vxoratum jus a bello liberat, ut cum sua vxore noua
sponsa gaudeat in domo sua . pauperes enim deus diligit et non sinit
deus vt in eorum domo ita cito post nouas nuptias aliquid noui molestie
tristitieque emergat, ideo tali nouo vxorio nullus imputare debet.
(Armenus babens terrestria 1 ) ratione quorum ad bellicam expe-
ditionem est obligatus non gaudet prerogatiua buius constitutionis.)
Capitulum septuagesimum de Molendino manuali alias ozarnowem
mlijnie 2 ).
Jure prohibitum estf molendinum manuale non debere obligari nee
superiorem nec inferiorem lapides, quia isfo victus pauperis susten-
tatur 3 ) transgressor vero presentis constitueionis 4 ) per iudicium puni-
atur et compescatur ne tale molendinum impignoraret.
Capiiulum septuagesimum primum de debito simplici absque pignore.
Existens aliquis debitor alicuius sine pignore et pro tempore cre-
ditum debitum soluere non poterit jus proliibet illi creditori recipere
violenter vadium in domo debitoris propter solutionem non factam . si
vero debitor propria voluntate bona pignus seu vadium creditori dare
voluerit, tali modo creditor accipere poterit . si pauper bomo astrictus
necessitate ineuitabili aliquam rem in pignus dederit creditori, tune tale
pignus apud illum creditorem pernoctare non debet, sed creditor tale
pignus 5 ) restituere viceuersa illi qui dedit et tempus ei congruum
assignet, quo secundum statum inopie sue posset soluere.
Capitulum septuagesimum secundum de jure servilium famulorum fl ).
Jure statutum est quod non licet famulo seruili et famule precium
famulatus adimere et negligere , apreciato enim famulo vel ancille, dum
Armenus hactenus terrestria bona non possidet.
а ) de molendino manuali quod trusatilis mola ab aliis dicitur.
3 J suppedilatur.
4 ) consuetudinis.
5 ) apud — pignus fehlt.
б ) de iure seruilium personaruin seu famulorum.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
285
tempus eius sernicij expirauerit, ad occasum solis salarinm Tel preeium
promeritum solui debet per hospitem. propterea quia panper est et in
isto consistit eius spes nutriendi, ne suspiria emitteret ad deum et ex
eo sequeretur pecatum, quiä cogente eum paupertate subiugauerat
se seruitio, ideo indignum est, ut eius promeritum salarium sibi solui
negligeretur.
Capitulum septuagesimum tercium a uiduis pignora non recipiantur.
Jure constitutum est quod a viduis nec vestimenta nee alie res
mobiles in vim pignoris recipiantur . si in alio iure aliquo pignora a
viduis recipere licet, in nostro tarnen Armenico istud interdictum est,
quia vestimenta viduis sunt necessaria, quia ex dei precepto misericor-
dia est lmbenda ergo viduas, sicut deus judeis in Alkairo aut in Egipto
misericordiam ostendit.
Capitulum septuagesimum quartum de muliere dirimente duos sedi-
ciosos viros.
Duobus in simul contendentibus et sediciose decertantibus et
midier inter eos se ingesserit ad dirimendam sedicionem, volens illum
iuuare qui succumbit aut vincitur per prevalentem, et alio modo non
valens sediciosos ab inuicem dissociare et prevalentem per virilia arri-
puerit, jus decernit tali mulieri manum amputandam qua tetigit virilia,
si vero jus favorabiliter inclinaretur ad id, tune potest talis mulier ma
num redimere.
Capitulum septuagesimum quinttim de fodiente 3 ) mortuum et eundem
spoliante.
Quincunqe mortuum de tumulo effodierit et eundem spoliaverit si
recenter in tali facto deprehensus fuerit, talis spoliator mortalis debet
esse pro tali facto . si vero non deprelienderetur in tali recenti facto et
postea rediens ad se coram presbitero confessus fuerit, tune confes-
sor =) ipsius debet sibi penitentiam iniungere iuxta excessum huiusmodi
pecati, propter quod pecatum ad mortem ipsius debet alienari a com-
munione Christianorum et talem pecatorem judicium reputat, sicut esset
homicida . huiusmodi casuum tale ius est.
Capitulum septuagesimum sextum de eo qui aliquem ex casu et non
studiose occidit.
Transiens per viam sine culpa alicui ita quod nullum inimicum
habuerit, et in eum inopinate predones insilierint, et aliquem ex predo-
nibus, defendendo vitam, occiderit, de jure tale factum homicidij 4 )
ecclesia sancta non reputat pro facto bomicidii studiose et volenter 5 )
palrati, si etiam talis Casus Presbitero acciderit sancta ecclesia talem
A ) consequeretnr.
2 ) eflodiente.
3 ) confessionarins.
4 ) bomicidii fehlt.
5 ) non volenter.
286
F. B i s c h o f f
casum equaliter discutit. tarnen patrator talis casualis pecati (lebet con-
fiteri et penitenciam suscipere, si spiritualis fuerit in tali euentu, tune
eius sacerdotio niebil nocet, si fuerit liomo secularis in tali casu liomi-
cidij <) potest sacramenta ecclesie suscipere.
Capitulum septuagesimum septimum de pueros incorigibililer et disso-
lute servante ~).
Qui pueros suos 3 ) admiserit erescere dissolute et non dederit
tales pueros ad Studium literarurn aut artificij existens pauper, jus pre-
cipit tales pueros per parentes iuxta facultatem tradendos ad discipli-
nam "literarurn aut artificij, ut postea adulti digni essent aut presbite-
ratu aut bono aut honesto artificio, si talis pater eo respectu pueros
suos disciplinandos non tradiderit quod scilicet yita monastica sit rigida
et regulariter obseruanda, talis pater est inaledictus . jure enim et pre-
cepto diuino preceptum est, vt pater liberos suos in debita castigacione
et timore preceptorum diuinorum foueat, ut a jure diuino non excedant.
Capitulum septuagesimum octauum de pueris recedentibus a paren-
tibus et se ab eisdem alienantibus.
Quicunque pueri habuerint parentes christianos et diuina precepta
tales parentes integre obseruauerint, ijdem parentes liberos suos more
suo circa se debent erudire taliter et precipere. pueris yero nolentibus
parentibus suis obedire, eorum bona et salubria documenta paruipen-
dentes, tales pueri sunt maledicti . deus efiam precipit, si aliqui paren
tes pueros suos non docuerint honeste yiyere, precepta dei addiscere,
tales parentes incurabiles pueri possunt (limitiere . sed etiain modernis
temporibus multociens contingit, quod a bonis parentibus et honestis
nequam discolique pueri se alienarit, ideo etiain tales pueri sunt male
dicti.
Capitulum septuagesimum nonum de eo qui proficiscitur ad bellum.
Proficiscens aliquis ad bellum et ibi occidens bominem tale homi-
cidium ex institucione sanctorum patrum pro non pecato habebatur 4 )
quod et nos ita obseruandum decernimus, tarnen nichilominus tenebitur
talis occisor confiteri et condignam sibi penitentiam iuiunctam adirn-
plere, ita Jus decernit 5 ).
Capitulum octuagesimum de Jure artificum.
Si artifex aliquid furatus apud aliquem in artificio suo dum ei ali-
quid ad laborandum datur et compertus fuerit in isto tune rubore suf-
fusus et cum infamia duplum rei ablate soluat . si autem rescitum non
fuerit tune talis debet conscius esse sui facti et couscientie. 1
1 ) in tali homicidio.
2 ) de pueros dissolulos et niilli arti nddictos hal>ente.
3 ) pueris suis.
4 ) ha best tu r.
5 ) definit.
I)as alte Recht der Armenier in Lemberg.
287
(Armem inter se hanc constitucionem obseruabunt si vero armenus
artifex Christiauo quidpiam ad laborem datum furatus fuerit jure in quo
residet ille Christianus punietur.)
Capitulum octuagesimum primum de puero viciato in natura.
Si apud aliquem fuerit puer natus mutus aut alio vitio nature labo-
rans, tune talis puer defectuosus in natura non succedit in bona paren-
tum suorum tanquam natura viciosus . si autem post puerperium puero
aliqua lesio contigerit sciiicet elaudicatura, cecitas aut lepra aut fatui-
sat !) aut euentus talis quod habens rationem impotens est ad sur-
gendum et negotia sua disponendum, et fratres eius istius essent speij
quod deus ei tribuet sanitatis et defectuum revelatiohem ipsius sortem
paternam et maternam eius fratres seruare debent tamdiu usque deus
eum conualescere tribueret . si conualuerit porcio eius paterna sibi
cedere et assignari debet . si uero hon conualuerit tune de tali sorte
eius fratres eum alere et necessariis Omnibus ad tempora vite ipsius
extrema prouidere debebunt.
Capitulum octuagesimum secundum de Jure mercatorum.
Mercator vnus alteri mercatori aliquas merces vendens et talis
mercator vendens sciret suas merces esse falsas aut putrefactas, et 2 )
nichilominus sciens de tali vicio mercium suarum tales merces lauda-
uerit, et laudando bonitatem mercium non veraciter iuraret sciiicet quia
diceret ita, bone merces mee sunt, et per boe colluderet suum emp-
torem, et talis emptor credens eius commendationi postea in huiusmodi
mereibus falsuin aut putrefactionem inuenerit, et istud protestatus fuerit
fidedignis bominibus, de tali falsitate et putredine in mereibus huius
modi comperta jus decernit, tales merces falsitatem et putredinem in se
habentes illi qui vendidit restituendas . similiter tale jus debet obser-
uari, si aliquis jumenta, equos et alia pecora alicui vendiderit et dixerit
sibi sub vinculo veritatis, quod talia jumenta predicta et alia carent
nocumento, et postea aliter emptor inuenerit, ita ut premissum est de
mereibus et talis casus etiam est discernendus. Non tantum uenditori
res viciose seu putrefacte restituantur, sed etiam idem ex decreto judi-
cii puniatur.
Capitulum octuagesimum tercium de limitibus hereditatum.
Si aliqui vicini inter se liabuerint limites inter domos et agros
campestres, et contenderent pro terra sciiicet istis duobus verbis, meum
tuum, jus istud non demonstrat, quod talis res debeat juramento euadi,
sed vtraque pars pro sua parte debebit statuere testes fidedignos, et
quecunque partium Ji abuerit magis testes, magis iuste testificantes,
jndicium parti meliora testimonia et probainenta testium habenti illos
limites adiudicare debet.
0 fatuita.
2 ) aut.
288
K. I! i s c li o f f
Capitulum octuagesimum quartum de hospitahbus.
Si aliquem officium instituerit seniorem in hospitali vt prouideret
pauperes in hospitali decumbentes necessaria eis ministrando in victu
et amietu, si vero talis hospitalarius alias spitlialnij auaricia ductus
aliquid sibi vsurparet pauperes fainelice seruando et teneretur in pau-
peris habere pietatem ne famem paterentur et defeetum tale officium
rigide sine pietate castigare debet.
Capitulum octuagesimum quintum de jure monasteriorum.
Si aliquis de sublimi natalium statu, aut de Curia Regie Maiesta-
tis, miles, terrigena, nobilis, aut stipendarij venerint ad villam mona-
sterii et il)i voluerint stacionem facere, sencientes quod in claustro
apcior locus stacionis esset, et tandem intrauerint in claustrum sta
cionem ibi habituri J ) cum timpannis fistulatoribas et mulieribus, Prior
claustri debebit istud defendere, et cum eis licitis et honestis verbis
loqui abliortando et rogando eos, ut a proposito eorum se retinerent .
si vero non curauerint Prioris admonitiones rogationes et postulationes,
in eodem claustro stacionem fece rint, tales sunt a deo et a sanctis patri-
bus maledicti . quod est terrihile auditu, quia claustrum est locus pro
vita sanctorum patrum institutus, qui tenenfur deum omnipotentem exo-
rare pro felici incolumitate et statu Regie Maiestatis , et pro omnibus
Christianis, quia predictis personis claustrum intrare licet non tali modo
sicut premissum est, sed cum timore dei ad orandum deum cum obla-
tione et propter indulgentias obtinendas.
Capitulum octuagesimum sextum de destiuctione classis vel nauium
in mari.
Si nauis alias okranth prope ciuitatem fracta fuerit, licitum est
ciuitatis hominibus juuare et eliberare bona eiüsmodi de perditione
marina . et si tales ciues aptauerint se ad talia bona nanis diripienda,
non debent istud facere. ex quo talis nauis destructio est multum dam-
nosa domino illorum bonorum ex fractione nauis naufragantium, si vero
noluerint de bona voluntate iuuamen predictis rebus facere, tune deci-
mam partem illorum bonorum illi iuuantes debebunt recipere pro con-
tentacione juuaminis sui, si vero eis ista decima pars suffieere non
videretur, tune quintam partem huiusmodi bonorum pro adiuuamine
recipient, et residuum restituent illi qui est proprietarius predictorum
bonorum . quia sepe numero talia in mari accidunt sed de jure arine-
nico id observatur, quod pro tali juuamine nichil est recipiendum.
Capitulum. octuagesimum septimum de locatione noue ville 'in cruda
radice.
Si aliquis nouam villam in cruda radice locauerit istud non potest
facere absque Consensu Regie Maiestatis, et dum talis noua villa pos-
sessionata fuerit Colonis imprimis debent ostendere locum et fundum
pro ecclesia edificanda et demum cuilibet domicilio et aree debent
habere voleutes.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
289
exdiuidere agTos, prata et alia vtensibilia domestica, ut quilibet sciret
super quo residet, si vero desei'tam villam aliquis voluerit possessionare
debet ibi Iocare Colonos eo iure et eonsuetudine, in qua predicta villa
a principio erat locata.
Capitulum. octuagesimum octauum de resignationc bonorum immo-
bilium.
Quodlibet forum debet in suo robore conseruari . si quis vendi-
derit aut emerit bona immobilia hereditaria si pater et mater talia bona
hereditaria immobilia vendere vellent alicui tune talis venditio esse non
potest nisi cum scitu et presentia puerorum, fratrum et aliorum proxi-
morum qui ipsis succedere deberent in talibus bonis, et talis venditio
fiat cum omui J ) consensu voluntate et testirnonio si vero filius alieuius
patris legittimi vendere bona sua immobilia voluerit, tune ea vendere
non poterit absque consensu et scitu patris et patruorum ac aliorum
proximorum . si uero sine consensu et presentia ac testirnonio predicta
bona per prefatas personas, superius expressas sine consensu predic-
tarum personarum fuerint vendita, tune successores et proximiores
legittimi poterint illum ementem jure proximitatis a predictis bonis alie-
nare, si uero talia bona inscripta fuerint cum consensu et consilio ac
testirnonio predictarum personarum et talis venditio cogente paupertate
facta fuerit, ex tune ad annum integrum et legalem propinguiores pote
rint emptorem a predictis bonis per ius proximitatis repellere, si uero
nulla necessitas compulsiua fuerit, propter quam venditio predictorum
bonorum facta est, tune contractus fori emptionis debet in suo vigore
permanere, cuius venditiouis recognitio debet esse coram judice Arme
norum et sub istius judicis sigillo litera resignationis et emptionis
bonorum obtineri et extradi debet, et sicut litere et munimenta sub
sigillo Maiestatis Regie concessa et data omnis generis contractum
perfectum faciunt, ita huiusmodi litere sub sigillo judicis armenorum
super predicto casu dato etiam robur debent obtinere firmitatis ex eo,
quia tale officium procedit ex autoritate Maiestatis Regie.
(Hec constitucio locum habet quo ad gentem Armenorum preser-
tim cum judex eorum sit Aduocatus ciuilis juris Maideburgensis.)
Capitulum octuagesimum nonum de divisione fratrum.
Si fratres inter se post mortem patris bona paterna mobilia et
immobilia diuidere equo libramine voluerint, imprimis antequam divisio
inter ipsos modo premisso fieri debeat ante omnia debebunt predicti
fratres post mortem patris reponere dotem et partem vxoribus eorum
tantam dotem in omnibus rebus quantam et qualem eorum vxores a
patribus ipsarum importauerunt ad domum eorundem fratrum, et taliter
dotibus eorum uxoribus repositis ita vt premissum est, predicti fratres
omnium bonorum paternorum hereditariorum inter se equalem et iustam
facient diuisionem . si vero aliquis fratrum ante diuisionem aliquid a
') omni fehlt.
Sit/b. il. phil.-liist. CI. XL. Bit. II. Hit.
10
290
F. ß i s c li o f f
patre receperit, hoc totum in diuisionem equalem reponere debebit . et
quilibet fratrum post diuisionem factam erit sortis sue dominus et
Iieres . Ita enim justicia juris demonstrat.
Capitulum nonagesimum de pena furis.
Jus deeernit quemlibet furem cum re furtiva manifesta ad judicium
adductum pena patibuli esse puniendum.
Capitulum nonagesimum primum de jure furum et depredatorum.
Furem et predatorem 9 cum eorum complicibus ecclesia eos non
protegit sed jus eosdem morte condemnat, fures enim et predatores
cum complicibus eorum semper debent esse mortales, similiter si quis
hominem furatus fuerit aut 2 ) dispercusserit modo predatorio veteri et
noua lege decernente tales morti dedendos et condemnandos.
Capitulum nonagesimum secundum de seruo misso a domino in neces-
sitate domini.
Dum dominus servum suum miserit in necessitate negotiorum
suorum ad viam varia discrimina contingunt et accidentia, si tali seruo
in via aliquid aduersi euenerit et seruus recusabat a tali itinere vel via
subeunda, et dominus ipsius ad tale iter sicut seruum compullit in tali
accidente seruo in via occurso dominus ipsius qui eum ad tale iter com
pullit erit in culpa . si uero seruus absqtie domini scitu ad tale iter
equitauit et ibi fuerit preuentus accidente aliquo casu dominus suus
remanebit absque culpa et damno.
Capitulum nonagesimum tertium de mittente seruum alienum ad suam
necessitatem.
Si aliquis seruum alienum miserit in necessitate sua privata et tali
seruo in via aliquod accidens evenerit quod periret, ille qui eum misit
ad tale iter absque consensu domini ipsius reus est istius sanguinis, jus
enim diffinit neminem posse imperare seruo alterius, qui suum proprium
non habet, judicis igitur offitium erit predictum casum diligenter inqui-
rere, quo modo illum seruum ad tale iter periculosum misit, aut ex qua
causa talis mors illi euenit.
Capitulum nonagesimum quartum de jure seruorum apreciatorum.
Si aliquis habuerit seruum apreciatum, et is seruus dixerit domino
ut eum mitteret ad ipsius necessitatem priuatam, et dominus ei non ad-
miserit, et seruus non attenta domini sui recusatione iuerit ad suam
necessitatem et in isto sibi euenerit sibi mors, in tali casu dominus
culpabilis non erit . si vero talem seruum dominus mis erit ad iter sua
voluntate et alii homines disuadebant ei, quod eum non mitteret, et liuic
seruo in tali missione aliquid sinistri in via acciderit, dominus ipsius
tali modo obnoxius erit malo euentui serui illius.
Capitulum nonagesimum quintum de peccore ex damno sementorum
in forestam abigendo.
') ileprnedatoi'cm.
2 ) Dt.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
291
Si alicuius iumenta in frumenta hijemalia et estiualia intrauerint,
ille euius sunt frumenta in qua peccora intrauerunt non debet talia
pecora aut jumenta aliquo modo verberare aut ledere, sed eadem ju-
menta ad suam forestam införestare, si vero tale peccus aut iumentum
is euius frumenta sunt occiderit, debet tale peccus occisum soluere . si
execauerit tale iumentum aut cornu ei excusserit violenter aut caudam
absciderit, aut in pedem claudicaturam ei intulerit, officium judiciale
debite de tali casu debet inquirere et taxato predicto casu aliquo ex
prefatai is qui fuerit transgressor presentis statuti tune quartam partem
illius us malis soluere tenebitur . si autem liospiti jumentorum -et pee-
corum pirus dictum fuerit in vim admonitionis, quod sub bona custodia
iumenta eit peccora sua seruaret, ne nocumenta segetibus inferant, et
ipse iumenta sua non retraxerit, judices prouidere debent talem casum
iuxta testimonium vicinorum eundem casum iuxta attestaciones tales
diseernendo. *
Capitulum nonagesimum sextum de eo qui equum alicuius terrore
perterruerit.
Si aliquis sub aliquo equum voluntarie perterruerit, ita quod homi-
nem insidentem equus ita perterritus deiecerit et deiectus homo mortem
obiret, talis Casus non aliter iudicandus est, nisi sicut pro occiso capite,
et sicut jus decernet scriptum pro capite . ille perterritor equi, existens
occasio huiusmodi Casus, soluet caput amicis et propinquis . ille vero
deiectus equo, si superstes fuerit, tarnen se leserit in quocunque mem-
brum corporis !), ille perterritor damnum et medicinas soluet 2 ), etiam
si iocose premissa facta fuerint, tale iudicium est faciendum . si vero
solus equus absque hominis incitatione perterritus et hominem ei insi
dentem deicerit. et tandem deiectus aut mortuus aut lesus fuerit, nullus
ob hoc et tale 3 ) accidens aliquid molestacionis et damni sustinebit,
quia equi multas liabent feras consuetudines et quomodocunque Casus
evenerit, ita sicut hie declaratur, judicium secundum meritum cause id
quod juris et justicie fuerit decernet.
Capitulum nonagesimum septimum. de occisione hominis voluntaria
aut casuali.
Homicidium non voluntarium tali modo fit, si aliquis seccans seu
scindens ligna 4 ) securi et securis ex ietu sectionis deciderit et hominem
interimerit quemcunque et etiam si lapidem uel lignum aliquis desursum
non voluntarie proiecerit aut si quis ad arborem fructiferam lignum aut
lapidem proiecerit 5 ) et isto etiam hominem interemerit aut magister
discipulum ex improuiso percusserit 6 ) aut pater filium aut dominus
*) hominis.
2 ) soluet amicis.
3 ) per hoc tale.
4 ) ligna fehlt.
5 ) aut si quis ad arborem —
6 ) percuteret.
19*
proiecerit fehlt.
292
F. Bi s ch o ff
famulum aut Iiospita seruam aut frater fratrem aut quicunque aliquem
non voluntate occidendi oeciderit aliquo modo ex premissis aut equi
cum curru currentes irrefrenabiliter hominem oeciderint. aut si vena-
tores ad saggittandas feras siluestres aut campestres sagittant intencione
ad feram sagitta occidendam et sagitta illa ad feram emissa hominem
oeciderit, talis oeeisio hominis habenda est pro non voluntaria. Volun-
taria yero oeeisio talis habetur insequens alter alterum studiose occi-
dendum et ille quem taliter insequitur conuertendo se illum suuin inse-
cutorem oeciderit, aut predatores et spoliatores viarum ex insidiis exi-
lient volentes trucidare aliquos equitantes et euntes secure, isti vero
vitam defendendo quos predones volunt trucidare eosdem predones
oeciderint, aut aliquis existens in expeditione bellica inimicum suum
domesticum ibidem inuenlum oeciderit voluntarie aut aliquis nocturno
tempore obsederit intencione occidendi viam et transitum alui •) aut
uxor nequam suum maritun) Yenenave?it scienter aut si aliquis ex inuidia
aliquem inioxicauerit aut oeciderit predictis easibus committitur homi-
cidium Yoluntarium, ita sicut gladio patraretur. Si vero aliquis siue
masculus siue femina premisso modo aliquem oeciderit, equale est
eorum jndicium pro eapite soluendo iuxta ius scriptum.
Capitulum nonagesimum octauum de fluuiis in villis currentibus.
Si aliquis de fluuio communi currenti per Yillam eduxerit aquam
ad suum ortuin et expleta sua necessitate illam aquam ita eduetam non
prouiderit et exinde illa aqua non prouisa damnum Yicino intulerit et de
tali eductione aque vieinis non manifestauerit, tune tale damnum per
huiusmodi aquam pre buiusmodi illatam 2 ) ille eduetor eiusdem soluere
debebit, et passi modo premisso damnum hominibus tale damnum ob-
ducere et manifestare debent, et iuxta talem processuin jure damnum
illatum soluendum decernetur.
Capitulum nonagesimum nonum de imperitis medicis.
Sepenumero contingit phisicos medicamenta prebere hominibus
et 3 ) aut imperitia artis aut ex improuiso medieinis imperite et indis-
crete datis homines 4 ) perimunt aut ex odio aut ex ignorantia malam
homini dant medicinam. aut medieus mittit diseipulum indiscretum ad
patientem, aut non bene edoctum, et ex istis causis 5 ) liomo moreretur
tune caput soluendum est iuxta jura scripta per prefatos Casus mortui
hominis illeque medieus et discipulus reus est pene soluendi capitis 6 ),
si paciens eger noluerit obedire consilio et regimini sui medici et mo
reretur talis paciens, medieus erit in tali casu absque culpa.
*) alieui.
2 ) damnum per huiusmodi aquam illatum.
8) vt.
4 ) hominibus.
5 ) easibus.
6 ) hominis capitis.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg;.
293
Capitulum centuagesimum de eo qui absque voluntate sua compulsiue
aliquoubi mittitur *).
Si aliquis compulerit aliquem absque ipsius voluntate in arborem
fructiferam ascenclere ut fructus inde deieiat aut per fluuium inundantem
inandauerit nolenti ire aut mandauerit insidere equum indomitum aut in
similibus casibus tale quid acciderit ita, quod mors illi qui compellitur
acciderit, tune talis compulsor reus est capitis illius quem ad impossi-
bilia recusantem compellit facienda.
Capitulum. centuagesimum primum de operarij 2 ) conuentis ad labo-
randum quemeunque laborem.
Dum operarij conueniuntur ad aliquem laborem insimul peragen-
dum et inter tales operarios vnus minus laborauerit quam alter, tune
jure 3 ) decernendum est, quod qui magis laborauerit ex eis magis sibi
soluatur secundum laboris qualitatem, ille vero qui minus laborauerit
minorem mercedem laboris accipiet.
Capitulum centuagesimum secundum de jure pastorum.
Dum pastores apreciabunt se pascere diuersi generis quecunque
jumenta, debent diligenter pascere et custodire fuleliter ne aliquod dam-
nuin a feris rapacibus in jumentis inferatur. Si damnum in grege ju-
mentorum mala custodia pastorum euenerit seu absente pastore damnum
illatum fuerit, pastor debet soluere tale damnum . presente vero pastore
et non posset pastor defendere damnum, tune debet adducere hospitem
cui damnum illatum fuerit uel est 4 ) ad locum damni illati . si vero de
grege aliquod jumentum tune pastor soluet . si vero a solo pastore
damnum illatum fuisset videlicet aut perenssione bacculi, aut lapidis,
aut cujuscunque ligni iactu peccus leserit aut occiderit, soluet damnum.
si vero iumenta seipsa occiderint tune casum Judicium secundum iusti-
ciam discernet.
Capitulum centuagesimum tercium de legatis bonis ecclesie.
Si aliquis legauerit ad pia opera vineam, domum, molendinum,
agrum et bis similia alicui ecclesie et talis ecclesia fuerit per infortu-
natum casum exusta, siue in ciuitate siue in villa ecclesia huiusmodi
consistat, tune ex illis legatis ecclesie cum seientia Episcopi proventus
colligantur et de 5 ) talibus prouentibus ecclesia illa vice uersa instau-
retur, si vero illa ecclesia in priori loco construi et instaurari non pos
set ex eo quod bomines eiusdem ecclesie parochiam aliorsum transtu-
lerint mansiones suas et in illo alio loco ecclesia construatur de pre-
dictis prouentibus eidem legatis iccedente ad id semper Episcopi sei
entia et consensu.
') de eo qui »liquid inuitus tacit.
a ) operariis.
3 ) vere.
4 ) vel est fehlt.
5 ) de fehlt.
294
F. ß i s c h o f f
Capitulum centuagesimum quartum de jure mercatorum et institorum.
Mercatores et institores in exercicio et opera mercium suarum ita
se gerere debent et tenebnntur sicut Regia Maiestas eis cum consilio
suo instituerit tarn in ciuitatibus, oppidis, villis ac in omni ilinere . pri-
liium debet prospici, ut pondera, talenta, mensure libreque diuersi gene-
ris ac vlne sint vere et iuste, res vero mercimoniales ita instituantur,
sicut qualitas temporis exposcet, preficiendo etiam et constitucndo *)
super id custodes ut diligenter attenderent et custodirent, ut nemini in
premissis fuit injuria . si vero aliquis inuentus fuerit qui in premissis
ponderibus, talentis, vlnis, libris et mensuris iniuriam alicui aut furtum
intulerit, pro vna re ex premissis iniurata aut per furtum usurpata, qua-
druplum talis iniuriator soluat et nicliilominus infamis permaneat, ut
alijs exemplum per hoc daretur similia superfugiendi et non faciendi;
etiam si quispiam occulte cuderet monetam pecuniariam aut auream et
si reseitus fuerit talis cussor buiusmodi monelarum, tune ei manus,
quibus peccauit, amputentur. Theloneatores etiam jus precipit ut a
mereatoribus exigant theloneum misericorditer et eosdem non agra-
uando, et ad quam ciuitatem mercator uenerit in eademque ciuitate
forum mercium suarum exercuerit, ibidem theloneum soluat . in itinere
vero theloneum exigere a mercantijs jus prohibet . exactio vero thelo-
nei per neminem alium debet constitui nisi per prineipem et Consiliarios
si vero aliqui dominorum thelonea tenuerint, tune alio modo theloneum
exigere non debent, nisi sicut a principe constitucio promulgata fuerit .
etiam Jus constituit, quod valor in rebus victui hnmano quotidiano
neeessario ad comedendum et bibendum neeessariis ita debet imponi
sicut annus frumenta germinauerit, et 2 ) alia queque, et istud procedere
debet ex potestate et constitucioneprincipis, quas quidem constituciones
predictas quilibet obseruare inviolabiliterque tenere debet tarn diues
quam pauper, et quilibet negociator in contrarium premissis sua volun-
tate nichil facere nee constituere potest, nisi prout predicta institucio 3 )
constituit.
(Hee constitucio intelligenda est et seruanda sah'o officio palati-
norum qui prouident, ut iuste sint mensure, et libras ac pondera insti-
tuunt, et qui inuentus fuerit armenus in re furtiua aut cussor monete,
jure ciuili Magdeburgensi cui in criminalibus et talibus causis armem
subsunt punietur. Qnod vero de tbeloneo in itinere non exigendo dicit
liec constitucio, intelligendum est Cameris ad id deputatis exceptis et
transgressione thelonei.)
Capitulum centuagesimum quintuni de jure umnium 4 ) artificum et
mechanicorum.
') custocliendo.
2) et fehlt.
3 ) constitucio.
4 ) omnium fehlt.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg-.
29S
Omnes artifices suscipiunt labores aut insimul aut diuisim condic-
tato precio pro labore suo . si vero artifex non secundum voluntatein
illius cui laborat rem elaborauerit, aut eandem rem illius qui dedit de-
struxerit, Jus decernit quod ille artifex seeundario rem huiusmodi prout
voluntas fuerit illius qui dedit ad laborandum reparare debebit pro uno
et eodem precio, si vero seeundario reformare denegauerit, judicio
intererit talia prouidere ut damnum male elaborate rei defalcaretur ad
illud precium prius condictatum. Si vero aliquid artifex de re sibi ad
laborandum data furtiue usurpaverit, quadruplum rei usurpate soluat .
si vero rem sibi ad laborandum datam quopiam modo perdiderit tune
rei amisse verum valorem soluet . si vero artifex pannos et bis similia
ad laborandum sibi data dudum retinuerit eidemque res per Tineas aut
Mures fuerint corrose in tali casu artifex soluet totum damnum, si vero
talem rem artifex obligauerit statim redimere tenebitur, si vero talis res
apud artifices ex causa inimicicie alicuius igne conflagrauerit, artifex
iiulemnis manebit . si vero ex ipsius artificis occasione tales res incine-
rate fuerint tune artifex damnum soluet.
(Si artifex armenus de re sibi ad laborandum data aliquid furtiue
usurpauerit jure Ciuili Magdeburgensi iudieabitur, quia in causa furti
armeni ipsi juri ciuili Maideburgensi sunt subjecti.)
Capilulum centuagesimum sex/um de artificibus laborantibus instru-
mentis dominorum suorum et non suis 2 ).
Artifices laborantes instrumentis dominorum suorum, et aliquod
instrumentum in labore domini fuerit destructum, damnum domini erit.
Si vero illis instrumentis artifex suam rem et non domini illius instru-
menti laborauerit et tale instrumentum destruxerit soluet damnum do-
mino destructi instrumenti in labore privato non domini facto 3 ), si
laborator instrumenta laboris aliqua apud dominum arendauerit ad labo
randum suum privatum laborem et instrumentum in labore destructum
fuerit domini erit damnum ex eo quia precium pro rebus 4 ) arendatis
domino soluit.
Capitulum centuagesimum septimum de aquircnte aliqua bona in
hello.
Aliquis in bello existens si aquisiuerit aliqua bona, talia bona ille
acquirens poterit pro sua voluntale disponere, nulli cadem bona resti-
tuendo . ius enim bcllicum a Regibus et Principibns cst specialibus
prerogatiuis dotatum cum et jus spirituale disponit de talibus bonis
posse elemosinas facere quia talia bona inodo premisso acquisita non
assimilantur bonis furtiuis aut spoliatiuis.
’) reparare.
2 ) et non suis fehlt.
3 ) factum.
4 ) rebus fehlt.
296
F. B i s c h o f f
Capitulum centuagesimum octauum de prescriptione debiti.
Pro debitio triginta annis tacens et illud iure 1 ) non repetens,
silere perpetue debebit. si vero interea temporis pro debito huiusmodi
aliquis debitorem suuin monuerit et desuper testimonium legittimum
babuerit, ille creditor aut 2 ) successores ip.sius illum debitorem aut
successores eius poterint non obstante prescriptione pro debito iure
impetere et molestare, si vero in huiusmodi debito pignus creditori da
tum fuerit et receptum, et per triginta annos continuos illud pignus non
fuerit repetitum, tune tale pignus etiam obligatum alteri transit in rem
hereditariam et proprietatem possidentis.
Capitulum centuagesimum nonum de eo qui emerit aliquant rem et
aliquant partem summe dederit venditori.
Si aliquis emerit bona cuiuscunque generis et forum fecerit pro
eisdem ac partem precii venditori dederit et venditor emptori crediderit
solutionem precii, jus dictat, quod huiusmodi bona per venditorem
nemini alteri possunt vendi, nisi ille eorundem erit possessor, qui prius
emit. si vero emptor ex sua voluntate dimiserit forum illorum bonorum,
tune in tali casu poterint bona alteri vendi sub testimonio tarnen quod
ille prior emptor ad id consensit.
Capitulum centuagesimum decimum de emptore aliquorum bonorum
venditore bonorum volente retractum facere 3 ).
Si aliquis emendo bona aliqua et dando partem precii iterum deli-
berauerit, quod nollet forum teuere, talis non aliter forum infringere
potest, nisi duplum dati precii solvat, et ille qui emerit bona si voluerit
cassare forum emptorum bonorum talis partem peeuniariam quam dedit
ammittit.
Capitulum centuagesimum vndecimum de pecuniis ad pignus datis.
Si quispiam apud aliquem pecunias ad pignus reciperet prefigendo
certum tempus et diem pignus suum exemendi et postquam illud tempus
prefixum venerit et ille invadiator pignus in pecuniis impignoratum non
exemerit, jus dictat, quod talis invadiator admoneatur semel, bis, ter,
quatinus pignus suum exemeret et pecuniam solueret. si autem noluerit
exemere, ex tune ille tenens pignus, adhibitis duobus testibus, debet
hoc ipsum pignus uendere, et si illud pignus pro maiori summa ven-
deret 4 ), quam ipsius erat, et testisus premissis de isto constiterit, tune
ille venditor pignoris tenebitur illi qui obligauit pignus excrescentem
summam restituere illam quam acceperit ultra principalem summam su
per vadium datum.
Capitulum centuagesimum duodecimum de eo qui promittit aliquid
cuipiam.
1 J iure fehlt.
2 ) et.
3 ) De emptore aliquorum bonorum venditorum volente retractuin facere.
4 ) vendiderit.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg - .
297
Si aliquis negotium Armenicum in quibuscunque causis suscepe-
rit *) ordinandum et disponendum, et ille qui eum condictat pro illo
seruitio disponendi illius negotii promittit sibi satisfacere, ille disposi-
tor buiusmodi negotii, si perducet negotium iuxta voluntatem illius qui
ei commisit, in vim satisfactionis pro cura eiusdem dispouentis tale
negotium, ille qui eum eondictauit, id quod ei promisit soluere debebit,
si uero tale negotium non disposuerit, tune nichilominus, quia ille fati—
gas et curas ea in re habuit, debebit ille spopondens cum eo componere,
sicut fatige et cura reposcent.
Capitulum centnagesimum tredecimum de filio contrahente debitum
absque consensu patris.
Si pater habuerit filios aut illias et aliquis ex eis sine scitu et con
sensu patris contraxerit aliquod debitum et aut moreretur aut profugerit
ad aliam terram illo debito non soluto, jus diffinit quod tale debitum
nec pater nec fratres non tenebuntur ad soluendum, sed ille qui est
principalis debitor et non alter tenebitur ad soluendum, et damnum non
soluti debiti illius esse debet qui illud contraxit et fecit, ita tarnen hoc
distinguendo, si patre vivente talis debitor moreretur et pater ei nicliil
tempore vite sue inscripsit, tune nec pater nec fratres tenebuntur ad
solutionem illius debiti. si vero post mortem patris ille debitor acceperit
sortem liereditariam paternam aut maternam, et non soluto debito illo
moreretur, tune tale debitum per creditorem repeti potest immo et
debet de Sorte ipsum concernenti, non autem de Sorte fratrurn vel so-
rorum.
Capitulum centnagesimum quatuordecimum de hospitibus deponentibus
merces in hospitiis.
Postquam liospes aliquis venerit cum mereibus, aut liospitium et
custodes apreciaverit ad custodiendum illas merces suas, et ille custos
diligentem custodiam susceperit custodiendarum- mercium illarum et in
ipsius 2 ) custodia damnum in illis mercantijs quocunque modo patratum
fuerit, tune tale damnum ille custos tenebitur soluere. si vero absque
custodia hospes merces et res suas nec hospiti in curam commiserit
nec eas ad custodiendum alicui dederit, sibi ipsi imputet. et damnum
ipsius esse debet, exceptis casibus fortuitis, qui non procederent ex
occasione hospitis aut custodis.
Capitulum centuagesimum quindecimum de orphanis.
Si post mortem alieuius patris minorennes remanserunt ct esset
debitum paternum aut maternum non solutum, tune in tali casu debitores
contra minorennes agere non possunt, usque illi minorennes annos dis-
cretionis perfectos eonsecuti fuerint. tarnen omnia bona illorum mino-
rennium, siue fuerit domus aut ager ethijs similia, tunc.talia ipsi senio-
res s ) debebunt arendare et census arendatorios illorum bonorum con-
’) susciperet.
2 ) ipsa.
3 ) seniores id est tutores.
298
F. Bisckoff
gregare; usque illi minorennes peruenerint ad annos discretionis perfecte
lioc est quilibet masculus debet esse ad viginti annos in tutoria, feminei
vero sexus proles tamdiu in tutoria esse debet donec rnaritum leg-itti—
mum consecuta fuerit, qui maritus eius erit tutor et ipsa marito con-
seeuta tutore sua bona pro arbitrio suo disponet cum consensu et seitu
mariti sui tanquam tutoris <)•
Capitulum centuagesimum sedecimum de hereditate et successione in
bona parentum.
Moriente aliquo sine testamento et relinquente post se filios et
filias legittimos, tune equalis diuisio bonorum paternorum et mater-
norum debet cedere et venire tarn ad filios quam ad filias aequali sorte
et successione, si vero testamentum condiderit et bona hereditanda 2 )
filiis legauerit, et adhuc tempore vite sue filias in bonis suius exdivi-
scrit et filiis magis assignare quam filiabus voluerit, istud in eius volun-
tate consistere debet. si vero filios non babuerit sed filias, tune filie in
omnia bona paterna et materna succedere debent succedentque pleno
jure, moriente vero aliquo 5 ) filios vel filias non babente et babuerit
fratrem aut ex fratre nepotes, illi successores debent esse in tali casu.
si vero fratrem aut fratris filios non babuerit, tune soror aut sororis
proles succedet. si vero aliquis sterilis esset, et baberet in quarto gradu
propinquos et probarent se esse veros propinquos ad suceedendum
sicut jus decerneret. tune succedent in bona illius steriliter defuncti in
tali casu et gradu propinquitatis.
Capitulum centuagesimum decimum septimum de sanguine humano
inestimabilis precii existentis 4 ).
Si aliquis sanguinem humanem violenter et temerarie effuderit.non
est precium sanguinis huinani, ex eo quia deus creauit hominem ad
imaginem suam et nemo resuscitare polest bominem occisuin nisi deus,
et precium prius pro sancto Jozepbo et demum pro domino Jesu deo
et creatore mundi dignum et iustum quisquam non putet, quia fratres
sanctum Jozeph vendiderunt pro viginti denariis et dominum Jesum
Judas vendidit judeis pro triginta denariis, erant enim ista precia in-
digna iniqua et mala, tarnen ad jus et justiciam pertinere videtur, si
aliquis armenum occiderit pro capite debet soluere trecentos sexaginla
quinque tlorenos et hoc ex ea causa similitudinis rationabilis, quia in
quolibet homine sunt membra trecenta sexaginta quinque et similiter in
anno sunt trecenti sexaginta et quinque dies, et ideo talis seueritas in
iure constituta est, ne bomicidia quorumeunque sfatuum et conditionum
bominum patrarentur, et ut esset rigor et refrenalio in talibus et ut
quilibet in pace et securitate uiuat.
') tutoris legitimi.
2 ) hereditaria.
3 ) aliquo lilio.
4 ) existentis fehlt.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg-.
299
(Ilec constitucio locum liabet, quando armenus armenuni oecide-
rit. si yero Christianus occidat armenum uel armenus Christianum jure
communi ciuili in quo residet uel Regni puniatur.)
Capitulum centuagesimum decimum octauum de appellacione a judicio
ad Regiam Maiestatem facienda.
Iure iusto et Iegittiino decretum est, quod si alicui in judicio et
controuersia aliqua istud acciderit, quod pretenderit se per sentenciam
Iudicis vel Aduocati et *) seniorum armenorum in judicio eorurn arme-
nico iuxta predictos articulos et emergentias causarum iniuriari et
grauari, ille grautus debet et potest in casu grauaminis sui pretensi
appellare non alibi nisi ad Regiam Maiestatem et sacra Maiestas Regia
secundum Iura scripta armenorum predicta articulum appellationis di-
gnabitur decidere et diffinire, et cuilibet ex armenis liberum erit appel
lare ad Regiam Maiestatem tarn diuiti quam pauperi quoniam armeni per
duces et principes et non per ciuitates sunt priuilegiati et exempti per
priuilegia Regiarum Maiestatum et Majestatis Regie Iurisdictioni pri-
marie iuxta priuilegia sua sunt dediti et subiecti et nemini alteri et ita
is qui eis contulit iura debet et non alter eos iudicare de mera iusticia.
Capitulum centuagesimum decimum nonum de judice' quod non debet
iudicare unam partem absque alteram.
Quilibet judex armenieus exaudita querela vnius partis non debet
causam iudicare nisi ytraque parti personaliter presente, et que pars
liabuerit maiora documenta testium judex auditis partium propositis et
responsis ac documentis testium sententiam inter partes promulgabit,
et quid juris fuerit decernet inter partes collitigantes que testificatio
in eausis debet esse per tres testes.
Capitulum centuagesimum vigesimum de forma et online celebrandis
judieii arrnenici.
Iusticia dietat et euidenter cuilibet de jure sciendum est, quod
solus judex nullam controuersiam iudicare debet existens priuata per
sona, sed in suo judicio Armenico debet habere duodecim viros probos
juris arrnenici peritos. si duodecim viros habere nequiuerit habeat sex,
si vero sex non potuerit habere ex tune habeat quatuor, et tali modo
premisso debet exercere judicium et non aliter, et nullus iudex debet
consulere in causa quam solus esset iudicaturus, quoniam sibi suspitio-
nem notoriam faceret.
Capitulum centuagesimum vigesimum primum de inlionor ante judicium.
Si aliquis inhonorauerit judicium aut armis aut verbis annenicum,
tune talis debet puniri per judicium secundum exeessum, debent enim
scire partes quia ad judicium non veniunt, ut dissiderent, sed ut quilibet
quereret quiete et paeifice justiciam suam, et una partium aut propo-
nente aut replicaute altera audiat non interumpendo nec prepediendo
*) vel.
3 ) Armeni.
300
F. B i 8 c li b f f
causam loquentis et preponentis. et iuxta proposita et responsa partium
judex sentenciam aut interlocutoriam aut diffmitiuam promulgabit, prout
coram ipso per partes litigantes fuerit deductum et quilibet judex habet
auctoritatem puniendi et corrigendi omnes excessiuos in iudicio secun-
dum qualitatem excessus !), seilieet carceribus et penis.
Capitulum centuagesimum vigesimum secundum de eo qui coram ad
uocato legittime accersitus non comparuerit.
Quicunque per signum quodcunque Aduocati armenici tribus vici-
bus euocatus fuerit et contumaciter non comparuerit, pro prima vice
tres grossos succumbet Aduocato. secunda vero vice non comparens et
sex grossos pene aduocato et penam carceris succumbet et tamdiu in
carceribus est detinendus quoad exfideiussus fuerit per possessionatos
fideiussores. quod parebit deinceps iuri et iudicatis, et illius fideiussori-
bus pariter cum exfkleiusso debet prefigi terminus in tribus septimanis
ad statuendum coram iure armenico et respondendum et iustificandum
se deobiciendis 3 ). Si uero ad ius aliquis citatus fuerit et tribus vicibus
contumaciter non paruerit pro qualibet vice succumbendo penam pre-
fatam sex grossorum aduocato et senioribus armenorum cadet in causa,
et ita victus aut bona aut pecunias erit astrictus per iudicium dare illi
qui tali modo contra eum ius produxit, immo et mercibus potest soluere
victori, si vero bona aut pecunias vel merces non habuerit, ex tune
debet ei ad soluendum prefigi tempus iuxta arliculos superius de-
scriptos 3 ).
Item cuilibet hospiti quarta die cum eius iniuriatore aut debitore
omnimodum jus per aduocatum et seniores armenicos administrari debet
in quolibet genere iniuriarum, et executio rei iudicate ita procedere
debet, sicut superius premissum est, et huiusmodi executio debet per-
fici et continuari per officium et iurisditionem cui ille victus subest.
Capitulum centuagesimum vigesimum tercium de femina cuius libet
Status citata ad iudicium.
Si aliqua femina aut muliebris sexus persona ad aliquod iudicium
cittata fuerit, tune poterit maritus aut amici eins consanguinei pro ea
in iure intercedere agere que poterint ad hierum uel perditionem cause,
habita sufficienti et legali iuris plenipotencia cui plenipotencie fides ad-
hiberetur in iudicio. et ne in isto dolus et fraus commitatur judices
debent attendere, seilieet qui se propinquiorem asseruerit et se voluit
inserere in causam illius femine vel mulieris, volendo causam ipsius ad
hierum et perditionem deducere, talis ea presente prius probet pleni-
potenciam consanguineitatis sue, de qua dubitari non possit in judicio,
et nisi talia probata fuerint, et aliquo dolo quepiam femina vel rnulier
in sua causa eeciderit, talis dolus in premisso casu et non alio ei nocere
non debebit.
*) exce8suum.
2 ) omnibus obyciendis.
3 ) Der folgende Absatz führt die Überschrift: Hospitum ius in iudicio Armenorum.
Das alte Recht der Armenier in Lemberg. 301
Capitultim centuagesimum mgesimtim quartum de forma juramenti
prestandi.
Ins scriptum armenicum ita difinit, si quispiam homo aliquem ar-
menum jure armenico atraxerit ad juramentum corporate prestandum,
tune ille armenus nemine teste fultus pro quacunque re, siue magna
sine parua fuerit, solus iurabit, juramentum uero fieri debet in ecclesia
super sancta cruce et non alibi presente aduocato armenico cum iliis
viris qui secum solent in judiciis presidere, et postquam erit tempus
super sanctam Crucem digittos ponendi, tune aetor juramentum pre-
stanti debet tribus vicibus ad manus infundere aquam, demum ille jura
mentum facturus explebit juramentum iuxta propositionem et contro-
uersiam. simili modo post manum mortuam si aliquis aliquem de aliqua
re inculpauerit, tune inculpatus modo superius premisso iuramento
proprio absque quouis teste se Cxpurgabit *). Que omnia et singula ita
ut premissa sunt et Iimitata ac correcta rata et firma esse volentes de
certa nostra scientia et deliberatione ac consensu Consiliariorum nostro-
rum status utriusque ita approbanda et eonfirmanda esse duximus,
approbamusque et confirmamus prout hactenus fuerunt tenta et vso
accepta, ita videlicet, quod ubi armenus aetor fuerit iudicium et forum
rei sequi debebit, vbi uero armenus citaretur seu reus existeret, secun-
dum iura predicta armenica per Aduocatum ciuilem Leopoliensem eum
senioribus armenis iudicabitur, exceptis quatuor articulis, in aliis literis
nostris deseriptis, in quibus armenos ipsos Leopolienses etiam reos et
conuentos iuri ciuili Maideburgensi subiecimus et subesse yolumus,
yltra vero eosdem quatuor articulos iure suo armenico predicto iudica-
buntur in quo illos ita relinquimus et conseruamus prout ad hoc tempus
in usu et possessione eins fuerunt. In quorum omnium et singulorum
fidem et testimonium premissorum sigillum nostrum est presentibus
appensum. Actum et Datum Piothrkouie in Conuentione generali sabato
proxima ante dominicam quinquagesime. Anno domini Millesimo quin-
gentesimo decimo Nono. Regni nostri anno tredecimo. Presentibus ibi
dem Reuerendissimo et Reuerendis in Christo patribus dominis Joanne
sancte Gnesensis ecclesie Metropolitane Arehiepiseopo et primate sedis-
que apostolice legato nato. Matbia Wladislauiensi. Joanne Posnaniensi.
Fabiano Warmiensi. Petro Premisliensi et Regni nostri Vice Cancellario.
Episcopis. Necnon Magnifieis. Yenerabilibus. et Generosis. Christoforo
de schidlowijecz Palatino et Capilaneo Cracouiensi et Regni nostri Can
cellario- Joanne de Lubrancz Posnaniensi. Nicolao de Dambrouicza
sandomiriensi. Jaroslao de Lasko siradiensi. Joanne Jarand de Rrudzow
Lanciciensi. Ottba de Chodecz Russie generali. Nicolao de Nisczieze
Plocensi et Andrea de Thanczin lublinensj. Palatinis. nee non Luca de
Gorka posnaniensi et Capitaneo Maioris polonie generali. Nicolao de
schidlouijecz sandomiriensi et Regni nostri Thesaurario. Nicolao Jordan
') expurgabit.
302
F. B i s c li o f f, Das alte Recht der Armenier in Lemberg.
de Zakliczin Woinicensi. et procuratore generali Cracouiensi ac sepu-
siensi. Zathoriensi. Osszwancziniensi capitanco Joannez Prerampskj
siradiensi Adam de drzewicza Radomiensi Castellanis Joanne Liathalski
Gnesnensi Cracouiensi et lanciciensi Joanne Carnkonuskij *) scarbi-
miriensi Andrea Crziczld saneti Michaelis plocensis et sredensis eccle-
siarum prepositis. secretariis nostris et Canonicis Cracouiensibus stanis-
lao Chroberskij Vexillifero, Incisore et pincerna Curie nostre. Siluestro
Ozarouuskij 2 ) succamerario nostro et Zanichostensi Nicolao Thomijczki
Magistro stabuli nostri et Costensi Capitaneis Et alliisquam pluribus
Dignitarijs. offieialibus et Aulicis nostris circa premissa testibus fide-
dignis sineere nobis et fidelibus dilectis. Datum per manus prefati
Reuerendi in Christo patris domini Petri Episcopi Premislien sis et
Regni nostrj Vieecancellarij. sineere nobis dilectj.
Petrus Episcopus et
vicecancellariiis sst.
(eigenhändig).
Rio eiusdem Rdi. in Chro patris domini
Petri Episc. Premislien. et Regni polonie
Vieecancellarij.
') Karnkowski.
2 ) Ozarowski.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
303
VERZEICHNISS
DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JULI 1862.)
A ca demia Regia disciplinarum Nederlandica. Programma certa-
minis poetici e legato Hoeufftiano propositi A°. MDCCCLXII; 4°.
Aeademie d'Archeologie de Belgique, Annales. Tome XIX“, 2 m "Li-
vraison. Avers, 1862; 8°.
Akademie der Wissenschaften, Königl. Preuss., zu Berlin, Monats
bericht. April 1862. Berlin; 8°. — Ad legem Aciliam de pe-
cuniis repetundis laiam anno ab Urbe condita 631 0 vel 632°.
Ah Adolfo Friderico Rudorffio Auctore. — Die vedischen
Nachrichten von den naxatra (Mondstationen). Von A. Weber.
II. Theil. (Aus den Abhandlungen der k. Akad. d. W. zu Berlin.
1861.) Berlin, 1862; 4».
— der Wissenschaften, k. ungrische, zu Pest. Jahrbücher. Band
1—9. Pest, 1833 — 1859; 4°. — Magazin für Wissenschaft.
Jahrgang I—XI. 1834—1844. Pest, 8". —Historisches Maga
zin für Ungarn. Zur Verbreitung geschichtlicher Quellenkennt-
niss herausgegeben von der histor. Commission der ungr. Akad.
d. Wissensch. Band 1—8. Pest, 1855—1861; 8°.
Association Normande, Annuaire des cinq Departements de la
Normandie. 28“ Annee. Caen & Paris, 1862; 8°.
Austria, XIV. Jahrgang, XXVI—XXIX. Heft. Wien, 1862; 8«.
Bericht des k. k. Krankenhauses Wieden vom Solar-Jahre 1860.
Mit 1 lith. und 34 gedruckten Tabellen. Wien, 1812; 4°.
Boletin bibliografico Espanol, Aiio III, No. 11 & 12. Madrid,
1862; 8«.
Fenicia. Copia dell 1 epistola alla Santita del Pontefice che reggerä
la Santa Sede quando verrä publicata la politica del Coinm.
304
Verzeichnis.?
Fenicia , scritta dallo stesso nell’ Agosto del 1834 ed estratta
dal 1° dei 12 Volumi die quest' opera. Napoli, 1861; 8°.
Gesellschaft, Deutsche morgenländische, Zeitschrift. XVI. Band,
1 & 2. Heft. Leipzig, 1862; 8°. — Abhandlungen für die
Kunde des Morgenlandes. II. Band, Nr. 3. Leipzig, 1862; 8°.
Institut des Provinces, Annuaire. 1862. 2 ll ° Serie, lV e Vol. (XIV e ,
Vol. de la Collection). Paris & Caen; 8°.
Kammelitz (Der Dollmetseher). Ein Centralorgan für jüdische
Angelegenheiten in hebräischer und deutscher Sprache. Her
ausgegeben von Alexander Zederbaum undDr.Aron Isak Gol
denblum. Jahrgang 1860—1861, Nr. 1—SO. 1861—1862,
Nr. 1—34, 36 & 37. Odessa; 4».
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmale, VII. Jahrgang, Nr. 7. Wien,
1862; 4«.
— aus J. Perthes’ geographischer Anstalt, Jahrgang 1862, VI. Heft
nebst Ergänzungsheft Nr. 8. Gotha; 4°.
Monumentos arquitectönicos de Espaila. (Cuaderno 7 — 12.)
Madrid; gr. Folio.
Museum Francisco-Carolinum, 3., 12., 13. & 20. Jahresbericht,
Linz, 1839, 18S2, 18S3 & 1860; 4" & 8°.
Pfeiffer, Franz, Berthold von Regensburg. 1. Band. Wien,
1862; 8°.
Protokoll über die Verhandlungen der am 21. Mai 1862 abgehal
tenen XXXV. General-Versammlung der Actionäre der ausschl.
priv. Kaiser Ferdinands-Nordbahn. Wien, 1862; 4°.
Saint-Genois, Le Baron Jules de, Voyages faites en Terre-
Sainte par Th et mar, en 1217, et par Bouchard de Stras
bourg en 117S, 1189 ou 1225. (Extr. du T. XXV. de l’Acad.
R. de Belgique.) 4°.
Sharswood, William, The Miscellaneous Writings. Vol. I. Copy.
Nr. 1; pp. 1 —16. Philadelphia, 1862; 8°.
Societe d’Ethnographie de France, Revue Orientale et Americaine,
5° Armee, 1862, No. 4. Paris; 8°.
— franrjaise d’Archeologie, Bulletin monumental ou Collection des
Memoires sur la statistique monumentale de la France. 3° Serie,
Tome VII. (27° Vol. de la Collection). Paris, Caen & Rouen,
1861; 8-».
der eingeg-angenen Druckschriften. 30S
Societe Hollandaise des Sciences ä Harlem, Etrait du Programme
pour l’annee, 1862; 4°.
Society, The Royal Dublin —, Journal. Vol.III, No. 20—23, Dublin,
1861; 8».
— The Royal Asiatic—, of Great Britain&Ireland, Journal. Vol. XIX.
Part. 3. London, 1862; 8°.
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde, Zeitschrift. Band
IX, Heft 1. Kassel, 1861; 8°. — Miltheilungen. Nr. 1 — 4.
August 1861 — Januar 1862; 8°.
— historischer, für Niederbayern, Verhandlungen. VII. Band,
3. & 4. Heft. Landshut, 1861; 8°.
— Serbisch-literarischer, zu Belgrad, Glasnik. XIV. Band. Belgrad,
1862; 8°.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. It. Hft.
20
SITZUNGSBERICHTE
»eh
PIII I, 0 S 0 P IIIS C 11-111 S.T ORISCIIE CI, A S S E.
XL. HAND. III. HEFT.
JAHRGANG 1862. — OCTOBER.
309
SITZUNG VOM 8. OCTOBER 1862.
Vor gelegt«
Are h äologisc h e A n a l e k t e n.
Von dem w. M. Joseph Ritter v. Arneth.
(Mit 2 Tafeln.)
Einleitung.
In den verschiedenen Ländern der österreichischen Monarchie
gibt es mehrere römische Inschriften, deren Inhalt für die Vorge
schichte der einzelnen Länder, in denen sie sich befinden, noch mehr
aber für die Geschichte der Römer in den Donauländern von grosser
Wichtigkeit ist; da aber die Mehrzahl entweder noch gar nicht oder
fehlerhaft mitgetheilt wurde und da eine definitive Richtigstellung
ihres Textes sehr wünschenswerth war, habe ich seit einer Reihe
von Jahren mein Augenmerk darauf gerichtet, Abdrücke der In
schriften in Papier zu erhalten, und nach diesen Facsimiles anferti
gen zu lassen. Auf diese Weise ist der Text von jenen Monumenten
vollkommen sicher hergestellt worden, von denen Abdrücke zu erlan
genwaren ; denn dies war aus localen Gründen nicht bei allen der Fall.
Das auf diese Weise gesammelte epigraphische Materiale wollte
ich mit einem eingehenden Commentare begleitet der Öffentlichkeit
übergeben; so war der ursprüngliche Plan. Inzwischen bin ich durch
ein Augenübel, das nach dem Urtheile der Ärzte von zu grosser An
strengung herrührt, verhindert, die betreffenden Studien fortzusetzen,
und da voraussichtlich bis zur gänzlichen Herstellung von demselben
noch eine längere Zeit vergehen, das werthvolle Materiale aber man
chem Fachgenossen willkommen sein dürfte, so habe ich es vorge-
21*
310 v. A r n e t h
zogen, die Facsimiles mit dem Commeutar, so weit er eben fertig
geworden war, als ein neues Heft von Analekten, der Classe zur Ver
öffentlichung vorzulegen.
Ich erlaube mir über den Inhalt der folgenden Blatter einige
Bemerkungen vorauszustellen, die zur Orientirurig dienen mögen.
Ich durchgehe die einzelnen Länder der Monarchie von Westen
gegen Osten und beginne mit Tirol. Ich glaube der erste zu sein,
der Rose hm a n n' s verdienstliches Manuscript über die Alterthiimer
dieses Landes in einem weiteren Kreise und eingehend bekannt
macht und hoffe mir den Dank der Alterthumsfreunde zu gewinnen.
So wie Ros ch m a n n dem schönen Kreise jener Männer angehört, die
in sorgfältigen Localsludien die Vorgeschichte unseres grossen Vater
landes im Detail darzulegen bestrebt waren und dadurch schätzbare
Vorarbeiten lieferten , welche eine zusammenhängende Bearbeitung
dieser interessanten Periode erst ermöglichen: so habe ich es für
passend gefunden im Anhänge an Rosehmann’s Notizen diese
Specialarbeiten übersichtlich zusammenzustellen, so weit sie mir
bekannt geworden sind, um Anderen die sich dafür interessiren, das
zeitraubende Aufsuchen zu ersparen.
Was in neuerer Zeit in Krain und in Wien aufgefunden wurde,
bildet das Mittelglied zwischen Tirol und Ungern; die neuesten
Inschriftenfunde von Cilli und in Kärnten habe ich schon an anderen
Orten besprochen. Der Ödenburger Votivstein gab mir den Anlass
auf Denkmäler ägyptischer Funde in Ungarn hinzuweisen, nament
lich auf das interessante Gefäss von Egyed; es ist schon von Herrn
Jänkovicz in den Abhandlungen der königl. ungrischen Akademie
besprochen worden. Da diese aber in ungrischer Sprache geschrie
ben und daher in Deutschland meist unbekannt sind, habe ich die
Übersetzung der Abhandlung von Herrn .1 ankoviczin der im Verlaufe
dieses Aufsatzes folgenden Note beigefügt, welche auf mein Ersuchen
Herr Professor Schimko zu veranlassen die Güte hatte; ich glaube
auch damit einen interessanten Beitrag zur archäologischen Literatur
geliefert zu haben, indem diese Abhandlung das rege Interesse der
Ungern für die Alterthiimer ihres Landes bekundet und zugleich eine
Probe der wissenschaftlichen Behandlung derselben in Ungern abgibt.
Die unedirten Inschriften von Mehadia, Mitrowitz und jene bisher
so fehlerhaft mitgetheilte vonKoslacz, sind gerade die interes
santeren , in deren Studien ich durch mein Augenübel leider unter-
Archäologische Annlektun.
3! 1
brachen wurde; doch glaubte ich sie, wenn auch entweder ohne
allen oder doch ohne erschöpfenden Commentar, hier anreihen zu
müssen, um sie der Wissenschaft nicht länger vorzuenthalten.
Von jeher bat es zu meinen Lieblingsbeslrebungen gehört, zur
Erforschung der Geschichte unseres grossen schönen Donaustromes
beizutragen. Die Römer, die an ihm einen würdigen Abschluss des
Weltreiches fanden, entwickelten an seinem Ufer die ganze Leb
haftigkeit ihres Kriegerlebens. Welch’ mannigfaltige und lehrreiche
Zeugen mögen davon noch hie und da verborgen sein; wie viel aber
auch dem Forscherfleiss und der Einsicht künftiger Fachgenossen
überlassen bleiben mag, mich freut es, wenigstens einige wichtige
Details,seiner Geschichte in's Licht gestellt zu haben. Ich hoffe zur
näheren Zeitbestimmung der Geschichte der Arbeiten des Kaisers
Tiberius, welche den riesigen Strassenbauten am rechten Ufer unter
Trajan vorangegangen, beigetragen zu haben. Die Sicherstellung
des Textes dieser gleichlautenden, in den bisherigen Abschriften
auch gleichmässig verdorbenen Inschriften ain Koslaez und I T.tcz
vollendet erst meine frühere Arbeit über die grosse Ti'ajansinschrift
am eisernen Thore.
Ich erfülle eine angenehme Pflicht, indem ich dem hohen
k. k. Generalcommando in Temesvar, namentlich dem im Jahre 1858
verstorbenen k. k. FZM. Fürsten Karl v. Schwarzenberg und
Seiner Excellenz dem Herrn FML. Grafen Coronini und deren
Nachfolgern für die Verschaffung schöner Abdrücke der Inschriften
im Banate meinen Dank öffentlich ausspreche; auch die k. k. Donau-
Dampfschifffahrts-Gesellschaft hat durch Vermittlung der k. k. Central-
Commission die Abdrücke von Inschriften, insbesondere jener von
Koslaez und Islacz besorgt, wobei der Betriebs-Director Herr
Cassian eine rühmenswerthe Theilnahme und Kenntnis« bewährte.
Auch die durch die k. k. Centralcommission ermöglichte Mittheilung
von Tiroler Inschriften ist mit Dank zu erwähnen, so wie, dass die
k. Akademie der Wissenschaften ihren Einfluss dahin verwendete,
dass es mir möglich ward, das Ro sch ma n n 'sehe Mahuscript zu
genauerem Studium benützen zu können, indem sie mir eine Copie
desselben, welche in der Bibliothek zu Innsbruck sich befindet, zur
Beurtheilung mittheilte.
Schliesslich füge ich eine vielleicht Manchem willkommene
Anweisung bei, haltbare Papierabdrücke von Inschriften zu bekommen.
312
v. A r n e t h
Um ein deutliches Bild — Facsimile — einer Inschrift zu
erhalten, nehme man nicht zu starkes, weisses, gewöhnliches unge-
leimtes Druckpapier. Dieses wird mittelst eines in Wasser getauchten
Schwammes benetzt, bis es ganz weich ist, dann auf die Inschrift
gelegt und mit einer nicht zu harten Kleiderbürste so lange geschla
gen, bis das Papier in die feinsten Vertiefungen eingedrungen ist.
Sollte das Papier hie und da reissen, so wird ein anderes kleines
Stückchen darauf gelegt und nochmals geschlagen. Hierauf nimmt
man einen zweiten Bogen desselben Papiers, der trocken sein muss
und mit gewöhnlichem Buchbinderkleister oder leicht gekochter
Stärke mittelst einer weichen Bürste oder eines Pinsels überstrichen
wird. Mit demselben bedeckt man den ersten Bogen, der sich auf
der Inschrift befindet, er wird ebenfalls so lange mit der Bürste
geschlagen, bis er sich mit dem ersten Bogen fest verbunden hat.
Sobald das Ganze vollkommen getrocknet ist, wird es sich leicht
ablösen lassen und kann abgenommen werden. Diese Abdrücke sind
so gut wie Gypsabgüsse, lassen sich pressen, rollen u. s. w., ohne
dass ein Buchstabe undeutlich wird. Bei grossen Inschriften bedeckt
man das Ganze gleichfalls mit feuchtem Papier, wobei jedoch die
Bogen an ihren Grenzen über einander hinwegreichen; dann kommt
die zweite Lage darauf. So können Abdrücke von den grössten
Inschriften gemacht werden.
Tirol.
Trient.
Dem ausserordentlich fleissigen und insbesondere mittelalterliche
Monumente mit grosser Klarheit beschreibenden Herrn Tinkliauser,
Conservator in Tirol, verdanke ich die Abschriften, zu denen
Herr Tinkhauser schrieb: investigavit et scripsit, von 13 römischen
Inschriften, welche sich zu Trient befinden. Da jedoch der Graf
B. Giovanelli in seinem bekannten Werke 1 ) schon sechs derselben
auf den S. S. 4, 41, 73, 83, 84, 99 mitgetheilt hat, so erübrigt
nur eine kleine Nachlese, wie ich sie im Nachfolgenden gebe:
A ) Intorno all’ origine e condizione antica di Trento. Treu fco 1824.
Archäologische Analekten.
313
Im Magistratsgebäude:
V. F.
PRISCVS BELLO
NIS CARCI (?) SP (?)
R.I.'E VLPIAE
VEPI SAFIC (?) ViCI (?)
FIL.SECVNDAE
VXORI CARISSIMAE
'E -M VIBVLEIO
PRMO GENERO
OPTIMO
IN. AGR. PX1S
IN. F'PXIS
Virus Fecit | Priscus Bello \ nis ? \ Et
Vlpiae | Filius Secundae | Vxori Carissimae | Et Marco Vi-
buleio | Primo Genero \ Optimo | ln Agro Pedum undecim et semis
| 'In Fronte Pedum undecim et semis.
Diesem zufolge hat Priscus in seinen Lebzeiten sich, seiner
Gemahlinn, seiner Tochter und seinem Schwieger ein Grabmal von
11 */ 8 Fuss > n der Länge und 11 Fuss in der Breite errichtet.
Ein Durchdruck oder eine Abklatschung würde allerdings über
die richtige Lesung der Namen in der zweiten und vierten Zeile
Aufklärung geben. Der nicht häufige Anfang V‘F (Vivus Fecit) im
Gegensatz des gewöhnlichen Anfangs D-M (Diis Manibus), und das
noch seltenere Ende die Angabe enthaltend, wie gross das Grabmal
sein soll, machen diesen Stein merkwürdig, er beweiset auch, dass
der Römer eine achtungswerthe Kaltblütigkeit über den Augenblick
seiner Beerdigung zu behalten im Stande war.
Die Beschatfenheit der Grabstätte ruft die Verse des Horatius 1 )
in’s Gedächtniss:
lloc miserae plebis stabat commune sepulcrum
mille pedes in fronte, trecentos cippus in agrum
Hic dabat, heredes monumentum ne sequeretur
In der Kleinkinder-Wartanstalt:
M
PARIMCORNELIO
M-F-FAVSTO?
FRATRI
Q-CORNELO-CONSTA
NT ■ I • FILIO • PASTOR
SVIS
’) Satyrn-1. 8. 10. 12. 13.
314
v. A p n e t h
M | Patri Marti Cornelio j Marti Filio Fausto | Fra-
tri | Quinto Cornelio Consianti | Filio Pastor |. Suis.
In einem Privathause auf dem Domplatz:
SATVRNO
AVG
SA CR VII
.L.NONIVS
SABINVS
V.S.L.M
Saturno | Augusto \ Sacrum | Flavias? Nonius | Sabinas \
Votum Solvit Libens Merito.
Dem Saturn gewidmete Inschriften sind ziemlich selten, Maffei 1 )
bat eine ähnliche zu Verona befindliche veröffentlicht.
In einer Kirchenmauer bei St. Apollinare:
FAVSTINAE
AVG
DD
Faustinae | Augustae \ Datum Dedicatum:
V-F
CASSIDIA
LONG
SIBI
M-AN
Viva Fecit | Cassidia | Longa | Sibi | et Marco ? Antonio ?
MAGNOET
INV1CTO ’IMP- CAES
Magno Et | Invicto Imperatori Caesari | Vielleicht Maximi
ane | ? 3 ).
Im Magistratsgebäude zu Trient:
C IVLIO
INGENVO
C-I
TRIB ■ LEG • III • ITAL
TtB-CL-VICTOR-VE
INFANTI-BENIG
PLVRA-DE-SE
MERENTI
Cajo Iulio. | Ingenuo \ Clarissimo luveni | Tribuno Legionis
III Italicae \ Liberias Claudius Victor Vir Egregius \ Infanti
Benigno \ Plura De Se | Merenti.
’) Maffei mus. V'ei on. 81. 4S0.
*) Orelli 10S6.
Archäologische Analekten.
315
Die Buchstaben der dritten Zeile CI hat zuerst Labus *) als
Clarissimo Iuveni richtig gelesen. Ich kann bei dieser Gelegenheit
nicht umhin auf eine im Ferdinandeum zu Innsbruck aufbewahrte
Arbeit des gelehrten Roschmann aufmerksam zu machen, welche
vor einem Jahrhunderte schon druckfertig beendigt und mit vielen
Zeichnungen versehen wurde. Da ich Gelegenheit hatte dieses
Werk genau durchzugehen, so sei mir ein Urtheil darüber erlaubt,
das ich mit mancher hieher gehörigen Bemerkung begleiten will.
Wäre dieses Werk Roschmann's vor 100 Jahren gedruckt worden,
wie viel Arbeit hätte es den nachfolgenden Gelehrten erspart, wie
hätte Herr Tinkhauser in Roschmann’s Fussstapfen treten und mit
diesem die Wissenschaft der lateinischen Inschriften und Alter
thumskunde überhaupt in Tirol begründen können.
Das Werk Roschmann’s habe ich mit so vieler Theilnahme
gelesen, dass ich es stets mit der geognostischen Karte von Tirol
verglich. Die Natur hat die Völker bei ihrem Eintritt in ein ihnen
unbekanntes, wohl von Sendboten aller Art ausgekundschaftetes
Land, wie dies der Alpenübergang des Hannibal bewiesen, meist am
sichersten durch die Thäler den Flüssen nach geführt, in denen sie
am leichtesten die Mittel fanden den Durst zu stillen. Die Uranfänge
der Geschichte sind am sichersten an der Hand der Geologie zu
studiren. Schade, dass in diesen trefflichen Karten nicht auch die
politische Geschichte berücksichtigt wurde, und dass auf ihnen nicht
auch Monumente verzeichnet wurden, wozu so schöner Raum und so
gute Gelegenheit gewesen wäre.
Roschmann’s schönes Werk führt den Titel:
Inscriptiones et alia diversi generis per omnem Tirolim Monu-
menta, maximam parlem adhuc exstantia ae potissimum inedita colle-
git et illustravit Ant. Roschmann. S. C. R. M. Archivarius aulicus,
ßibliothecae puhlicae Theresianae Praefectus et Illustr. Prov. 0. 0.
(Ordinum) Historicus. A. S. 1756.
Der auf 19 Seiten in gutem Latein und sehr guter Zusammen
stellung verfassfen Einleitung ist nur wenig oder gar nichts hinzuzu
setzen; dass sie zum Drucke geeignet war, möge folgende Stelle
daraus beweisen:
*) Labus. Intorno i’antico Marino di C. .1. Ingenuo. Milano 1824 Marmi Bresciaui p. ö6.
316
v. A r n e t h
„Rerum Tyrolensium origines ex primis fontibus promere medi-
tanti duo praeprimis agenda sunt, turbatam nimirum, ac mire foedatam
a scriptoribus tum exteris turn nostris (utpote del quorum fere singuli
e rivis plurimum aberrantibus sua extra patriam multum et manifeste
decepti, hausere) veterem geographiam omnem ex primaevis anti-
quissimorum incolarum linguis eruere, pro temporum rationibus
distinguere, atque universim veris stabilire ac circumseribere limitibus
id quod etiam prodromo nostro pro viribus praestare allaboravimus.
Alterum est, ut in monumenta antiquissima, per regionem omnem
ubique dispersa tanquam documenta domestica nobis unice propria
fatali ruinae atque usibus indignissimis ut plurimum obnoxia tandem
aliquando cum cura indigemus; euriosis assuetisque buicce labori
oculis, nunquarn defatigata sollicitudine secundum apicem omnem
Iustramus, cum viris doctis docili animo correctionemque neutiquam
aversanti, sedulo communicamus, solerta in unum corpus et ordine
colligamus. Necessitatem, usum, finem ac sensum legitimum cum
nostra res agatur imperterrito prorsus labore atque omni eruditionis
genere cives nostros, ut liquide haec omnia comprehendant, docere
contendamus; ut sic, quantum in nobis graviter probibeamus, ne quid
in posterum a nobis ipsis (cum plurima ad'huc in luminis auras cifra
dubium protrahenda sint) quod ad gentis nostrae gloriam, historiae
iucem, literarum splendorem atque immensum eruditionis incremen-
tum facere possit, turpi incuria aut damnanda negligentia, non sine
Patriae ignominia peccetur“.
Nach der vortrefflichen Einleitung geht der Verfasser zur
näheren Beschreibung und Auseinandersetzung der Monumente, und
vom Süden nach Norden sich wendend bespricht er:
I. Die Gegenden vonRoboretum(um Roveredo) und beschreibt zwei
Grabsteine in Avio und einen Meilenstein des Maxentius, von welchem
auch ein ähnlicher zu Blumau *) unfern Bozen gefunden und nun zu
Wien 3 ) aufbewahrt wird; zu Roveredo selbst zwei Grabschriften und
eine historische Inschrift; zu Chiareno eine dem Jupiter zu Ehren.
II. Zu Riva und Arco. Eine historische, eine mythologische,
zwei Grabinschriften zu Bolognano und auch zu Drodi eine Grab
inschrift.
>) B. Weber. Tyrol. 11, 209.
3 ) Arneth. Meilenstein u. s. w. Nr. 22.
Archäologische Annlekten.
317
III. Judicarien. Zu Lamaso eine historische, eine Grab- und
drei mythologische Inschrriften. Zu Stenico eine Grabinschrift. Auf
dem Berge Tebel eine Inschrift, den Schicksalsgöttinnen gewidmet.
IV Trient und Umgegend. Ein Grabdenkmal dem Cornelius,
eine mythologische Inschrift. Den schönen oben aufgeführten dem
Saturn gewidmeten Stein hat Roschmann selbst am 3. Oetober 1734
abgeschrieben im Hause des Ludwig Travajon, wo er gefunden und
au einem schmutzigen Orte eingemauert worden war. Im Palaste
Madruzzi ausser der Stadt die Basis zu einer Statue des C. Valerius,
eines Flamen der Roma und des Augustus u. s. w. J ), eine Grabschrift,
dann die eben erwähnte Grabschrift desC. I.Ingenuus; ferner auch die
oben angezogene Grabschrift auf Priscus, dessen Grab viereckig
gewesen zu sein scheint. — Ich habe von ähnlichen Gräbern in meinen
Reiseskizzen aus Dalmatien gesprochen 2 ). Roschmann sah diesen
Stein am 3. Oetober 1734 in einem Graben des erzbischöflichen
Palastes ausser der Stadt und erhielt dann vom berühmten um unsere
Studien sehr verdienten Sperges eine Abschrift. Folgende Inschrift
gehört gewiss zu den inhaltreichsten so kurz sie auch ist; Rosch
mann hat sie am 3. Oetober 1734 zu Trient an der Kirche des heil.
Apollinaris theihveise abgeschrieben, sie wurde ihm im Oetober 1739
getreu, ganz abgeschrieben, nachdem ein Theil der dieselbe decken
den Steine weggebracht war, zugeschickt:
IMP. CAESAR. DIVI.F
AVGVSTVS. COS. XI. THIB
POTESTATE.DEDIT
M. APPVLEIVS. SEX. F. LEG
IVSS V. EI VS. FAC. CVRAVIT
Diese Inschrift beweiset offenbar, dass Trient schon im Jahre
Roms 731, vor Christi Geburt 23, in der Macht der Römer war,
weil dieses Jahr dem ersten der Tribunizisclien Gewalt August’s
entspricht 3 ). Dieses Jahr ist in vielfacher Beziehung und auch darum
wichtig, weil während desselben Augustus schwer erkrankt dem
Aprippa seinen Siegelring übergab, wodurch er ihn gewissermassen
als seinen Nachfolger bezeichnete. Es ist merkwürdig ein Monument
dieses Jahres in unseren Gegenden zu finden. Es ist diese Inschrift
*) Giovanelli Discorso sopra un’iscrizione Trentina. Trento 1824.
3 ) Denkschriften der k. Akademie der Wissenschaften. I.
3 ) Eckh ei. D. N. V. VI. 91.
318
v. A v n e t li
sowohl hei Roschmann wie hei Giovanelli ganz gleich, anders abge-
theilt als bei Tinkhauser. Ferner die schon hezeichnete Inschrift
der Faustina, vermuthlich der Jüngeren, zu Ehren, weil diese ihren
Gemahl M. Aurelius auf seinen Kriegszügen begleitete.
In der nämlichen Kirche ist noch eine andere selbst den nach
folgenden fleissigen Nachforschern vieler Monumente entgangene
historische Inschrift, ferner eine der Diana gewidmete. Hierauf be
tritt der gelehrte Roschmann das EnganeischeJ) Thal, das Valsugan
und hält eine Abhandlung überdiebei Telve an der Brenta gefundenen
Fibulae, die ich, um zu beweisen, wie gelehrt der Verfasser spricht,
anführen zu müssen glaube. Seite 219—223.
Fibulae ex Aere.
Tres ex bis erutae sunt in Dynastia Telfanensi in Valle Euganea
in loco al Marter haud ita pridem, quarta vero cum pede Idoli seu
sigilli Romani aenei in arce destructa Arnaniae in eadem valle intra
Telvanum et Castellum Altum in loco dicto Castelleto, cum lapides
ad novam Templi Telvensis fabricam quaererentur: atque haec oinnia
dono Illustrissimi D. Caroli L. B. Butfa de Lilienberg Exc. Repraes. et
Camerae Sup. Austr. Consil. Actualis Bibliothecae Theresianae
cesserunt.
Admiratio haud immerito nos subeat, cur inter antiquitatum
Romanarum reliquias tarn frequenter, atque alia longe, quam qua nos
hodie utimur forma, occurrant fibulae. Verum si yel obiter tantum
consideremus, quam multiplex earum in vestibus usus fuerit, non
jam amplius earum copiam mirabimur, praecipue si meminisse veli-
mus defunctorum Corpora vestita rogo fuisse imposita; vestituin
autem nulla fere ratione absque fibulis adhiberi potuisse; consumtis
igitur per flammas vestibus, atque ipsis corporibus fibula inter cine-
res et ossa supererant, atque hinc in Theatrales ac vestiarias divisas
communiter fuisse, quae etiam solae ad nos spectare videntur.
Fuere autem vel ideo testante Oelavio Ferrario 2 ) ueeessa-
riae, quoniam pallia aperta, et reliqua amicula, quae tunieae injici-
ebantur ne humeris defluerent, fibula nectebantur; qualiter chlamides
veteres numi et statuae referunt, ita et lacernas fibula junctas credi
par est.
*) Gegend tertiärer Bildung. Geognoslisehe Karte von Tirol. Bl, VT.
z ) I*. 2. L. 3. c. 16. De re vest.
Archäologische Anal eklen.
319
Hiirum quoque usum'in contrahendis, seu attollendis. iterumque
in adstringendis vestibus fuisse idem Author statuit. Pleraque haec
paticis complexns est Isidorus: Fibulae sunt, quibus pectus femi-
narum ornatur, vel pallium tenetur; viris in humeris, ceu cin-
gulum in lumbis'). Usus igitur primus (ilmlae fnit, vestem vesti
connectere, innectere, aut subnectere ac veiut appendei'e, (nam
bis universim vocihus utuntur authores) pallia neinpe et pallas, chla-
mides, saga, imo vestes qnascunque.
Ornamentüm est igitur fibula et instrumentum, quud pectus femi-
uai uni ornat, pallium Virorum in humeris, cingulum in lumbis firmat.
Sic Tertullianus 2 ): Pallii Habitus in fibulae morsu liumero acqui-
escebat, pallia quoque fibulata Vopiscus offert 8 ).
De fihula figente Statius 4 ):
Taenariam f'ulva mordebat jaspide pullam et Saga Tibulato-
ria Trehellius Follio 5 ).
Et iterum de chlamide Statius c ):
. . . torto chlamidein diffibulat auro :
De vestibus aliis Virgilius deDidone 7 ) Aurea purpuream sub-
nectit fibula vestem, exempli gratia togam cum pallio, aut cblamidem
cum sago, veste nempe altera, tigebant, jungebantque libulae, sed
etiam eandem vestem non ubique consuebant sed fibulis jungebant:
sie Pollux 8 ) testatur, tunica dissoluta fibulis circa Immeros con-
nectebatur. quam fibula circa pectora claudebat. Et lueulenter
Aelianus 9 ): Tunicarum eam partem, quae est ab humeris. Idem
circa brachia factum usque ad manus non consuebant, sed con-
tinuis fibulis aureis et argenteis constrinxere.
Et circa pectus Soplmcles 10 ) quoque:
„Haec cum dixisset, mox celeri manu vestem suam solvit,
qua aurea mamiilas coercebat fibula. totumque nudavit latus ac
sinistrum hum er um. “
’) Orig. L. XIV. e. 31. p. m. 130S.
2 ) De PalljO c I.
In Probo. c. 4.
4 ) V. 658 L. VII. Thehaid.
ft ) In Rugilliano Tyrano p. m. 759.
6 ) Theb. 6 750.
7 ) Aen. IV. v. 139.
8 ) In Onomastico VII. 13. Seberi. 338.
9 ) Var. 1. 18.
,0 ) Trach. n. 933.
320
v. Arnet h
Idem circa Bellonae vestes notat *) Clandianus:
. . . post terga reductas:
Uberibus proprior mordebat fibida vestes.
Usus dein fibularuin quoque fuit ad constringendum in baltlieis
nimirum ac zonis etc.
Sic Trebellins Pollio de Zenobia 3 ) „ad Conciones galeata
processit, cum limbo purpureo gemmis dependentibus per ultimam
fimbriam media cochlide (gemma) velnti fibida miiliebri adstricta.
Et Virgilius inter praemia Victorum pbaretram describit 3 ).
Lato quam circumplectitur auro Baltlieus et tereti subiiectit
fibida gemma.
Atque iterum 4 ).
— ■— — -— teritur qua sutilis alvo Baltlieus et laterum
juncturus fibida mordet.
Et inter effectus pacis Prudentius 5 ).
— — — — Amilsis exfibulat lila zonis.
Usus quoque ulterior fuit ad internectendos crines.
— ■— — — ut fibida crinem Auro internectat 6 ).
Fibulae tandem etiam praemia militaria fuere. Sic Quinctius
alter Praetor suos Equites Catellis ac Fibidis donavit 7 ).
Fibulas nostris simillimas alfert Graevius 8 ).
So gelungen übrigens die Aufführung der Stellen aus den Clas-
sikern über Pfeilspitzen, Messer, Schlüsseln ist, so misslungen halte
ich die Auslegung eines angeblich in der Nähe von Trient bei Pergine
gefundenen und 1741 dem berühmten Maffei gegebenen und von
diesem veröffentlichten Basrelief °), welches, wenn es echt wäre,
den Raub des Palladiums durch Diomed nicht aber, wie Ros Ch
ina nn meint, einen Fechter darstellt. Die zu Matrei gefundene
') In Eutrop. II. 183.
2 ) Ed. Obrecht, p. 330.
3) Aen. L. Y. v. 312.
4) Aen. XII. v. 273.
5 ) Psychomach v. G33.
6 ) Virg. Aen. VII. v. 813.
7 ) Liv. L. 39. c. 31.
8) Thes. Antiqq. Rom. T. V. f. 1033.
9 ) Museum Veronense. Tab. IV. p. LXXV. 4., wo Sc. MafFei diese Bronze zwar stechen
liess, aber vielleicht im Vorgefühle ihrer wahrscheinlichen Unechtheit kein Wort
darüber sagt.
Archäologische Analekten.
321
christliche Inschrift ist merkwürdig, so wie es auch die Erklärung
einer für Paris gehaltenen Bronzefigur wäre; wenn diese selbst echt
wäre, wäre sie eher ein Fechter als Paris.
VI. Die Alterthümer des Nons- und Sulzberg.
Die zu Vervö entdeckten, den DIS DEABVSQVE OMNIBVS, fer
ner die IOVI VICTORI und der Victoria gewidmeten Inschriften sind
nach Verona gewandert und die dem Saturn, dem Mars, demMercu-
rius, der Luna, der Venus gewidmeten sind zu Grunde gegangen.
Einen grossen Scharfsinn hatRoschmann in der Auslegung
einer Inschrift dem Deus Cautus zu Ehren an den Tag gelegt,
welcher Stein in Romeno gefunden wurde.
Unser geehrter College Labus hat so viel möglich alle Steine in
seinem neuesten Werke *) gesammelt, welche sich auf den Deus
Cautus beziehen, und da sich in dieser Sammlung der von Rosch-
mann oder vielmehr von Sperges, welcher die Abschrift Roschmann
mittheilte, abgeschriebene Stein nicht findet, so ist’s der Mühe werth,
ihn hier mitzutheilen:
D.DNGAVAV
IOC-CEEX
VO-P-UM.
Deo Domino Cauto Augusto
Jocundus Cerio Ex
Voto posuit Libens Lübens Merito.
Einen anderen zu Vervö allen Göttern und Göttinnen für das
Wohl der Bewohner von Vervö (VERVASSIVM) gewidmeten Stein
beschreibt Roschmann und bedauert mit Recht, dass er, der allein
Zeugniss gibt von der Bewohnung des Orts durch Römer, von da
weg nach Verona 2 ) gebracht wurde.
Im Schlosse Bragherio sind vier sehr merkwürdige römische
Inschriften aufbewahrt, wozu vorzüglich der um die Wissenschaften
so verdiente Sperges beitrug, eine dem Jupiter, die andere der
Minerva«), die dritte der Concordia gewidmet und die vierte eine
Grabschrift.
Roschmann beschreibt eine über einen Fuss hohe Bronze-
Figur des Mercurius, und stellt trefflich alle Classiker über den
Marmi antichi Bresciani. p. 43 f.
2 ) Sc. MafTei Mus. Ver. 91. 3.
3 ) Von MafTe i. 380. 8, irrig: nach Lomnso verlegt.
322
v. A r n e t h
Götter-Boten zusammen; erstlich ist diese Bronze im Val di Sole
oder Sulzberg gefunden, dann in den Besitz der Grafen von Firmian
nach Innsbruck gekommen.
Mir scheint die Stellung dieser Bronze viel zu gezwungen und
zu sehr von der ruhigen der Alten abzuweichen, um sie für echt zu
halten; sie ist vermuthlich ein Cinquecento aus dem Zeitalter häuti
ger Verfertigungen des Mercurius; wer denkt dabei nicht an jenen
bekannten des Giovanni di Bologna zu Florenz. Das k. k. Münz- und
Antiken-Cabinet bewahrt mehrere ungemein schöne Figuren des
Mercurius aus Bronze; die antiken haben alle eine ruhige Haltung,
die modernen eine übertrieben belebte.
VII. Gegend um Neumarkt. Bei Buchholz in der Nähe von
Salurn und bei Auer unfern des Höllenthals wurden Thon- und ins
besondere bei Auer Bronze-Gegenstände gefunden, von den ersteren
halte ich jedoch nicht alle für echt— für unecht halte ich der Zeich
nung nach eine Handhabe eines grossen Gefässes, auf welchem oben
eine bacehische Gestalt auf einem Weintraubengehäge liegt, welches
andere bacehische Gestalten halten, unten sitzt Ariadne, welche
Bacchus zu trinken gibt; auf beiden Seiten sind Satyre beschäftigt,
Weintrauben in Gefässe auszupressen.
In der Bibliothek zu Innsbruck. Nur die Ansicht kann über die
Echtheit entscheiden.
VIII. Gegend um Botzen. Eine Bronze-Fibel; eine Inschrift der
Isis, ferner der bei Rabland unweitMeran gefundene im Schlosse
Maretsch aufbewahrte Meilenstein; der römische Thurm am Bache
Talfers hei Botzen; der Meilenstein von Blumau, 2 Grabinschriften im
Schlosse Schwanburg—bilden den Gegenstand zu gelehrten Beschrei
bungen. Erst in neuerer Zeit haben Kandier auf die Thürme in
Istrien und Mutzel auf die in Deutschland aufmerksam gemacht, wie
sie eine fortlaufende Station der Signale zum römischen Felddienst
abgaben.
IX. Gegend um Meran. In der Nähe des Dorfes Tscherms
wurde ein viereckiges römisches Grab eines Jünglings gefunden, in
dem Urnen und eine goldene Bulle waren; sie wurden nach Innsbruck
gebracht, wo sie Roschmanh.am 7. Februar 1733 sah.
Vor allen hier beschriebenen Gegenständen ist der Thurm von
Mals merkwürdig. Er ist fast ohne Zweifel wieder einer jener römi
schen Wartthürme und die Ziegeln, sagt Roschmann, sind mit XCI
Archäologische Analekten.
323
bezeichnet, was vielleicht LEG. X Gemina Pia? Der Thurm ist
100 Fuss hoch und hat 100 Fuss im Umfang. Bei Tirol wurde eine
kleine Fortuna in Bronze gefunden.
X. Sabiona (Soeben) an der Eisack. Die Gestalt in Bronze auf
einer Lotus-Blume, welche Roschmann Isis nennt, ist wohl Horus
Harpocrates, sie hat die bekannte Handbewegung des Horus gegen
den Mund.
Die Inschrift:
D- I- M
r F SOL- SOC
O- SAC- NEN
TINVS- SE
GVNBONS
glaubt Roschmann mit dem Grafen Philipp de la Torre: Deae lsidi
Matrizn lesen, welche Leseart viel für sich hat, obwohl sie gewöhn
lich, wie auch von Orelli, Deo Invicto Mithrae gelesen wird.
Was die Inschrift bei Seeben (Sabiona) dem Mars zu Ehren
betrifft, so halte ich dafür, dass sie Roschmann gut interpretirt hat,
obschon ich in der fünften Zeile lieber lesen würde nostri (Augusti
scilicet) Verna als wie Roschmann NVmerarius.
XI. Gegend umLoncium (Lienz). DerZeichnung nach wäre man
versucht den Altar mi.t einem Dioseuren und der Venus (?) oder
Helena (?) für unecht zu halten; da aber Roschmann sagt, der
Marmor wäre vor 100 Jahren in der Nähe des Schlosses Prugg,
wo er aufbewahrt, gefunden worden, so liegt die Schuld der Ver-
muthung ihrer Unechtheit in der Zeichnung.
Zu den merkwürdigeren Funden um Lienz gehört die Auf
deckung eines Caldarium bei Nussdorf an der Drau eine Post von
Lienz entfernt.
Dieses begrüsste Joannes Putschius in einem zu Innsbruck in
MSC aufbewahrten Gedichte folgendermassen f ):
Hinc nos de Carnis in Norica venimus arva
Et legimus forti Teutona regna pede
Utque Dravi potamus aquam, Loncina videmus
Moenia, Romanaque atria facta manu
Nunc Romanorum Palatia demiramur.
‘) p. 2. L. 2. c. 13.
Sitzb. a. ptiil.- hist. CI. XI,. Bd. III. Hft.
22
324
v. A r n e t h
Auf eine sehr anschauliche Weise wird die Aufdeckung und die
im Jahre 1753 auf Befehl des Kaiser Franz durch den Architekten
Nagel vorgenommene Zeichnung des Hypocaustums beschrieben und
in Abbildung mitgetheiit.
Roschmann beschreibt einen Athleten aus Bronze, der von Herrn
Pichl in der Nähe von Lienz gefunden im Jahre 1739 der Bibliothek
zu Innsbruck geschenkt wurde; dann beschreibt er die Bronzefigur
des zu Lavant im Jahre 1746 gefundenen Hercules.
Die Echtheit der von Matfei angestrittenen Inschrift, worauf die
Stadt Lienz vorkömmt, behauptet Roschmann meines Erachtens mit
guten Gründen, leider ist sie verloren, sie hiess nach Roschmann:
M- AVRELIO- ANTONINO- CAES-
IMP- DESTINATO- IMP- L- SEPT1
MI SEVERI- PERT1NACIS- AVG
FIL- RESP- LEN.
Zu den schon von Roschmann angeführten Ursachen für die
Echtheit der von ihm aufgeführten Inschrift scheint mir noch die in
Cividale im Jahre 1843 gefundene zu kommen, welche folgende ist:
IMP. CAES
M.AVREL
ANTONINO
IMP. L. SEPTIM
SEVERI. PI1
PERTINA. AVG
VVILIO
RESP. FORO IV
XII. Gegend von Aguntum (Innichen an der Drau). Es werden
hier meist zu Innichen gewesene Inschriften und bei Innichen befind
liche Meilensteine des Philippus und Gordianus aufgeführt.
Von beiden Imperatoren sind in der Nähe von Wien sehr lehr
reiche Meilensteine gefunden worden, welche die Vermuthungen
Roschmann's auffallend bestätigen, der von Philippus wurde bei
Vösendorf und der Gordian’s III. bei Klein-Schwechat ausgegraben a ).
Über die bei Aufkirchen gefundene Statuette in Bronze
schreibt Roschmann eine gelehrte Dissertation, dieselbe für einen
•
1 ) Wurde schon in meinen „Reisebemerkungen“ S. 6 (im Jahre 1849), später auch
von R. v. Eitelberger, Jahrbuch der k. k. Central-Commission II. Bd. 1857, S. 258
publicirt, welcher sie mit Unrecht eine unedirte nennt.
s ) Arneth, Rom. Meilenstein. W. W. 14. 17.
Archäologische Analekten. 325
Athleten haltend, ich wäre der Meinung, sie habe Jupiter darge
stellt, den Blitz schleudernd.
XIII. Gegend von Littamum (um St. Lorenzen), Meilenstein des
Sept. Severus 1723 beim Strassenbau gefunden, allerdings sehr
beschädigt, doch wegen der Angabe der Zahl der Schritte nicht
unwichtig, sie bezeichnet die Entfernung von Aquileia LXI.
Ferner sind noch dort gefunden eine Lampe in Bronze und
zwei in Erde.
XIV. Gegendvon Sebatum (um Schahs). Spuren der römischen
Strasse, welche von Aquileia bis Veldidena führte, und zwar über
Tricesimum, Julium Carnicum, Loncium, Aguntum, Sebatum, Litta
mum, Vipitenum, Veldidena. Es ist um Schahs die berühmte Fran
zensstrasse 2347 Fuss über dem Meere, i. e. ein Knotenpunct meh
rerer Strassen und auslaufender Thäler 1 ).
XV. Gegend von Vipitenum (um Sterzing). Südlicher als
Sterzing liegt Mauls, wo das berühmte Mithrasmonument gefunden
wurde, welches jetzt im untern Belvedere aufbewahrt wird 2 ); wer
die vorliegende Zeichnung dieses Monumentes mit dem Monumente
selbst vergleicht, wird zugestehen, dass die Zeichnungen des Herrn
Roschmann bei weitem nicht dem Texte gleichkommen, dass sie
also unmöglich durch den Stich veröffentlicht werden könnten.
Ausser jenem Mithrasmonument sah Roschmann noch zu
Mauls eine Grabschrift der Aurelia Rufina von ihrem Sohne Quarti-
nus errichtet; einen anderen von der Postumia Victorina ihrem sehr
frommen Schwiegersöhne Ti. Claudius Raeticianus, wobei noch fol
gende Worte eingegraben sind, welche doch zeigen, wie oft einzelne
Leute solche Werke des Alterthums zu schätzen wussten: Der ober
Stain ist Funden an | dem End zu unterst im Grund, | als der ist
gegraben | an Unser Frawen | zu Lichtmessabend anno | Domin
MCCCCL p. p. p. p., II. Jahr. |
XVI. Gegend von Matrejum (um Matrei bis zum Brenner). Ein
Meilenstein des Maximinus und Maximus bei Lueg, worauf ausser
der Titulatur der Imperatoren noch vorkömmt ABAVGMPCXXX.
Dieser Stein ist sowohl wegen dem seltenen Vorkommen der Namen
Maximinus und Maximus auf Monumenten merkwürdig, als auch
wegen Angabe der Entfernung von Augusta.
*) Geognostische Karte von Tirol 1849. VI.
2 ) Arneth, Statuen, Biisteu w. öl.
22*
32(5
v. A r ne t li
Auch ein goldenes Ohrgehänge wurde 1741 bei Matrei gefun
den, wo überhaupt viele Münzen ausgegraben werden.
XVII. Gegend von Searbia (um Scharniz).
Zu Ambras beschreibt II osch in a n u zwei sehr roh gearbeitete
Idole des Priapus, welche auf dem Kuchl zu Telfs gefunden wur
den. Vorzüglich merkwürdig ist die Beschreibung des Meilensteines
bei Reit, der, obschon ohne Schrift, wegen seiner oben befe
stigten Weltkugel zu den denkwürdigsten Monumenten der Art
gehört.
Bei Telfs wurde eine hübsche Statuette eines Amors in Bronze
gefunden.
XVIII. Gegend von Masciacum (um Mäzen, Schwaz und
Ratenberg).
Unfern Schwaz ein merkwürdiger Grabstein, von Camnestriuus
und Exorata ihrem Sohne Exoratus und ihrem Eidam Seccendinius
Candidianus errichtet. In Mäzen, ganz nahe an Ratenberg ist ein
römischer Thurm beschrieben, der auf hohem Fels erbaut und des
sen obere und untere Umgebung wahrscheinlich aus dem Mittelalter
herrührt.
XIX. Gegend von Veldidena (um Innsbruck).
Hier beschreibt Roscbmann sechs Meilensteine; zuerst den
schon erwähnten bei Reit unfern Seefeld, die übrigen wurden bei
Wüten und Ambras entdeckt, sie sind alle ohne Schrift. Rosch-
mann glaubt, dass sie von Augustus herrühren. In Ambras drei
Meilensteine des Sept. Severus, ferner einer von Julianus, wie ein
ähnlicher zu Innsbruck.
Bei Wilten wurden im Garten einige Gegenstände in Bronze
gefunden, bei denen ich vermuthe, dass das, was als Thorax eines
Kaisers beschrieben wird, ein mit einem Kopfe und Harnisch ver
ziertes Gewicht gewesen sei.
Ferner beschreibt Roschmann einen Dolch, Geräthe verschie
dener Art, Gefässe u. dgl. und schmückt diese Beschreibung mit
seiner gewohnten Gelehrsamkeit.
XX. Gegend um Ampas bei Ambras.
Ein keltischer Armring in Bronze.
XXI. Aus der Fremde nach Innsbruck gebrachte Gegenstände,
welche ausMcih nsteinen und einer Statuette eines Soldaten, Mars(?)
bestehen.
Archäologische Aualekten«
Roschmann endigt seine mühevolle, lehrreiche Arbeit mit
Anführung der Worte 1 ): Indecorum enim, ac sane indignum veris
patriae, communis matris nostrae, filiis foret, si de illis verum esset,
quod de suis Romanis olim conquestns est Plinius Junior : ad
„quae noscenda iter ingredi, transmittere mare solemus, ea sub
oculis posita negligimus, seu quia ita natura comparatum, ut proxi-
morum incuriosi, longinqua sectemur, seu quod omnium rerum
cupido languescit, cum faeilis occasio est, seu quod differimus tan-
quam saepe visuri, quod datur videre, quoties velis cernere. Qua-
cunque de causa, permulta in urbe nostra (dico in patria nostra),
juxtaque urbern, non oculis modo, sed ne auribus quidem novimus,
quae si tulisset Achaja, Aegyptus, Asia, aliave quaelibet miraculorum
(ajo ego monumentorum) ferax commendatrixque terra, audita, per-
leeta, lustrataque baberemus“.
Roschmann theilt in seinem Manuscripte im Ganzen über
70 (73) epigraphisehe Monumente mit, von denen zu seiner Zeit
noch 18 für völlig unedirt gelten konnten. Einzelne derselben,
wie z. B. VIII, p. 99 u. a. waren schon dazumal, als er sein Werk
zusammenstellte, spurlos wieder verschwunden. Weniges, was
wirklich schon vor ihm edirt war, wie der Inschriftstein am Zoll
gebäude zu Mauls (Murat. MCCXLIII. 10), dürfte dem fleissigen
und gewissenhaften Sammler insoferne entgangen sein, als er zum
ei sten Male es mitzutheilen glaubte. Von den damals für unedirt
geltenden Inschriften sind im Laufe der Zeit freilich manche, wie
die Monumente p. 193. VIII. p. 382 n. V, 469. n. III von Giova-
n eil i (Intorno all’ Origine di Trento p. 75), von Mich. Huber
(das alte Agunt, S. 44), von Job. Primiss er (kurze Nachricht von
dem k. k. Raritätencabinet zu Ambras, S. 36) u. a. veröffentlicht
worden, allein die Mehrzahl der berührten Inschriften gibt, weil
nachträglich wieder verloren oder wenigstens unsichtbar geworden,
denn doch ein höchst schätzenswerthes Supplement zu allen vor
handenen oder künftigen Werken über Tirols römische Alterthümer.
Anton Roschmann, geboren am.7. Deeember 1694 zu Hall,
gestorben am 25. Juni 1760 zu Innsbruck, war einer der fleissig-
steu unter den Männern des an Gelehrten reichen 17. und 18. Jahr
hunderts. Es ist hier wohl nicht der Raum, eine Parallele zu ziehen
>) L. VIII. Ep. 20.
328
v. A r n e t h
zwischen unserem Gelehrten und denen seiner Zeit, eines Mabil-
I on, Montfauco n, M affei, Murato ri, Norisi us, Ciampini,
Magliabeehi u. s. w., aber er stand diesen ersten Lichtern ihrer
Zeit würdig zur Seite; warum aber ist sein Name nicht von eben
so gutem Klange? Weil seine Arbeiten nicht das Licht der Welt
erblickten.
Das eben besprochene Werk ist jedoch entweder ohne alle
oder doch nur mit wenigen Abbildungen.
Ich will mich diesen Augenblick nicht darüber aussprechen
wie schädlich es für den Ruhm der österreichischen Literatur ist,
dass so viele Werke, die gediegen sind, welche irgend einen Theil
des Reichthumes wissenschaftlichen Resitzes bezeugen, nicht zur
Öffentlichkeit kommen. Resonders glaube ich aufmerksam machen
zu dürfen, dass wir unsere Rlicke sursum richten und nicht zu sehr
in provinziellen Details gefangen halten; fast ist das Studium der
römischen Alterthümer schon zu sehr vernachlässigt worden; zu
welchen Nachtheilen solche Vernachlässigung führe, erhellt auch
aus dem Werke Roschmann’s. Nun, indem wir uns bemühen,
Theilnahme für die Monumente der grossen Geschichte unserer
Vergangenheit zu erwecken, werden die Monumente, die, jetzt kaum
aus dem Schoosse der Erde hervorgegraben, schnell ihrer Zerstö
rung entgegen gehen, gerettet und der Relehrung zugänglich wer
den; dann werden die Sammlungen aus dem Roden des Kaiser
reiches nicht mehr in fremde Länder wandern, denn der Besitz,
welcher zur Aufklärung im Gebiete des Geistes führt, ist ein eben so
reeller Besitz, als jener der zoologischen Gegenstände; Schriften
auf Erz und Stein haben einen eben so hohen Werth wie solche auf
Papier, und die Ansicht der mit Dingen der zeichnenden Kunst aus
gestatteten Werke erfüllt uns mit eben so hohen und richtigen
Begriffen über den Werth der menschlichen Ausbildung, wie die
geschriebenen.
Ich halte dafür, dass durch die Arbeit Roschmann’s ein
wesentlicher Theil der Erforschung der Alterthümer in der Monar
chie in Ausführung kam.
Wäre diese Arbeit schon vor 100 Jahren veröffentlicht worden,
wie sehr hätte sie die Bemühungen unterstützt den Zustand der
Monarchie in der keltischen und römischen Periode kennen zu lernen;
denn Labus hat, um mit dem Süden zu beginnen, fast den ganzen
Archäologische Analekten.
329
westlichen Theil der Lombardei archäologisch beschrieben, so wie
er den archäologischen Theil des vortrefflich ausgestatteten Museo
Bresciano bearbeitet hat. Der erste Band des Museo Bresciano ist
eines der schönsten Werke, welches eine Stadt in neuerer Zeit
herausgegeben hat. Labus hatte die Inschriften dieses merkwürdigen
Museums in Arbeit und die Gefälligkeit gehabt, mir die Bogen, wie
sie erschienen waren, zu schicken und acht unter dem Titel: „Marmi
antichi Bresciani, raccolti nel Museo Patrio classificati ed illustrati“
zuzusenden, als ihn der Tod leider den Wissenschaften am 6. October
1853 entriss und diese Arbeit unvollendet liess, welche, so weit sie
fertig war in Mailand, auf 231 Seiten 4° erschien. Der grösste Theil
der Beschreibungen des Museums von Mantua ist aus dieser ausge
zeichneten Feder hervorgegangen 1 ). Eine Zusammenstellung seiner
Arbeiten haben wir glücklicherweise von ihm selbst im Almanach der
kais. Akademie der Wissenschaften des Jahres 1881.
Von Dalmatien über Istrien herauf bis Ämona gab Kandier 2 )
entweder schon, oder wird geben die Beschreibung aller Monumente.
Um Verona herum hat Orti Manara Gli antichi Marmi alla gente
Sertoria spettanti. Verona 1833. Gli antichi Monumenti greei e
romani nel giardino de Conti GiustiVerona 1835. Dell’ anticha Basi-
lica di S. Zenone. Verona 1839. Dei due antichissimi Tempi cristiani
1840 u. m. a. entweder schon veröffentlicht oder die Veröffentlichung
zugesagt.
Nicht minder trefflich hat der unlängst den Wissenschaften
durch den Tod entrissene Furlanetto 3 ) das Museum von Padua
beschrieben und unser ausgezeichnetes Mitglied der Graf Andrea
Cittadella-Vigodarzere 4 ) eine biographische Skizze dieses grossen
Gelehrten drucken lassen.
Die Sammlungen von Pavia und Como hat Aldini beschrieben 5 ).
*) Accademia di Scienze Lettere ed Arti di Padova. Trimestre 3. et 4. del 1831
sino 1832.
2) L’Istria. 1846—1832.
y ) Gli antichi lapidi Patavini illustrati. Padova 1847. Furlanetto starb den 2. Novem
ber 1848 zu Padua 77 Jahre alt.
4 ) ßiograßa di Giuseppe Furlanett o. Revista periodica di lavori della I. R. Accad.
di seien., lettere ed arti di Padova. Trimestre 3. et 4. del 1831 —1832.
5 ) Sugli antichi lapidi Tieinesi. Pavia 1831. Gli antichi Marmi Comensi. Pavia 1834.
Ariosti Inscriptioni antiche 1723. Msc.
330
v. A r n e t h
In Kärnten 1 ), Krain 3 ), Steiermark 3 ), Tirol 4 ), Salzburg 5 ),
Ober-Österreich 6 ) haben diesen Theil unserer Geschichte sehr fleis-
sige Männer bearbeitet. In Unter-Österreich waren in älterer Zeit
gelehrte Forscher 7 ), welche sich dieser Art Studien widmeten. In
neuerer Zeit haben Job. G. Seidl und ich 8 ) Einiges bekannt gemacht.
Vorzügliche Leistungen im epigraphischen Fache haben in Ungern
Katancscich ®) insbesondere Schönwisner 10 ) geliefert. In Siebenbür
gen waren und sind mehrere Männer thätig dieses Fach zu bebauen 41 ).
Aus dieser raschen Skizze sieht man, dass das epigraphische Feld in
der Monarchie häufig bebaut wurde, und dass es auch auf selbem wie
auf jedem nie ruhender Arbeitsamkeit bedürfe, um schöne Früchte
zu erhalten.
Zu den bedeutenden Vorarbeiten zu einem grossen Werke
über den Zustand der Monarchie in den Zeiten der römischen Herr-
*) v. J a 1) ornegg- A 11 en fels. Kärnten's römische Alterthümer. Ankers hofen.
S. Alinanach 1852. S. 213.
2 ) Linhart. Krain, Laibach 1788.
3 ) J. G. Seidl. Ep. Excurse. Jahrb. d. L. CXVI. u. s. f. Muchar, Geschichte von
Steiermark. Knabl, Zeitschrift.
4 ) Giovanelli, gest. 7. Juni 1846, hat sich um die Alterthümer Tirols, insbesonders
der um Trient, durch zahlreiche Werke verdient gemacht: „Intorno all’ antica
Zecca Trentina. Trento 1812“. — 2. Discorso sopra un’ Iscrizione Trentina. Trento
1824. — 3. Trento Cittä de’ Rezj e colonia Romana. Trento 1825. — 4. Ara
Dianae und die Strasse Claudia Augusta von Tridento bis Vipitenum. Botzen 1824. —
5. Uber den Saturnusdienst in den tridentinischen Alpen. — 6. Über drei Portale
der Schlosscapellen zu Innsberg bei Meran (1825?). — 7. Römische Strassen-
monumente zu Maretscb. Innsbruck 1825. — 8* Dell’ Origine dei sette e tredici
Comuni, Trento 1825. — 9/1 Slavini di Marco und über ein rhätisches Gefiiss.
Fiesoie 1833. — 10. Altertümliche Entdeckungen in Südtirol. Innsbruck 1844.—
11. Le Antichila Rezio-Etrusche scoperte presso Matrai. Trento 1845.
5 ) Vierthaler, Wanderungen. Schumann, Geschichte, v. Heffner, Denkschriften
d. kais. Akad. d. Wissensch. I.
6 ) Gaisberger, Joviacum, Lauriacum, Hallstadt, Ovilaba. Denkschriften, Bd. II.
Römische Inschriften, 13. Bericht. 1853.
7 ) Lazius, Lambecius, Klein, Notitiati.
8 ) Arneth, Meilensteine R.
9 ) Istri adcolae, ßudae 1827.
10 ) Iler p. Pannoniam R. Lehne.
41 ) Caryophilus. De Tbermis Herculaneis. Vindob. 1837. Seivert Inscriptiones Daciae
Med. Vindob. 1773. Bar. v. Hohenhausen, Alterthümer Daeiens, Wien 1775. Griselini.
femesvarer Banal. Wien 1780. Ackuer, Jahrbücher der k. k. Central-Commission,
I. Band.
Archäologische Analekten.
331
schaff zähle ich die Roschmann’s besonders in Berücksichtigung der
Zeit ihres Ursprungs vor mehr als 100 Jahren, und wenn dann die
einzelnen Länder das Vorhandene so viel möglich genau veröffent
licht haben werden, so kann erst an eine Bearbeitung des Ganzen
geschritten werden. — Freilich werden sich in der Bekanntmachung
der einzelnen Werke Wiederholungen finden, die beim Ganzen weg
fallen.
Rosehmann hat den richtigen Weg betreten. Wäre sein Werk
vor 100 Jahren in die damalige Literatur gekommen, es würde in
Österreich, Deutschland und der übrigen gebildeten Welt gerechte
Anerkennung gefunden und viel Nutzen gestiftet haben, da er damals
in Deutschland, wo jetzt so viele und so glückliche Inschriftenleser
sind, fast allein gewesen ist.
Wien.
Im Jänner 1862 wurde bei der Erdaushebung zum Bau der
neuen Oper ein Gral* aufgefunden, gebildet aus mehreren behauenen
Steinen, worunter einer mit folgender römischer Inschrift: Diis mani-
bus Antonius ingenuus tesserarius
Antoniae nubili conjugi et filiis pro
pietate faciendum curavit.
Die Form der Buchstaben und
deren Verschränkungen erinnern
an die vielfachen der Zeiten des
Septimius Severus, gestorben 211,
und seiner Nachfolger bis zum
Schlüsse des dritten Jahrhunderts.
DasGefäss, das im Grabe aufgefun
den wurde, hat die besseren For
men der römischen Gefässe, es
gehört also in die Zeit der In
schrift, folglich liegt der Schluss
nahe, dass auch die mitgefundenen
Gebeine, römische aus dem dritten
Jahrhunderte unserer Zeitrechnung
seien. Wie sehr römisches Wesen
DAfToM
NfSINGE
NVS'ESSE
RARIV S
ANTONIA.
NVBILI
C OMIVGI
T:n lis pro
PI ETAT E-PG
tv
332
v. A r n e t h
um die Zeit des Septimius Severus in unserer Gegend herrschte,
zeigt eine Unzahl Inschriften auf Meilensteinen und anderen Monumen
ten, wie auch das Factum, dass dieser zu Sabaria zum Imperator
ausgerufen wurde.
Die Gebeine des obgenannten
Grabes überschickte ich dem Ana
tomen Herrn Professor Hyrtl mit den
angedeuteten historischen Vermu
thungen, dessen Äusserungen wieder
zur Bestätigung der Annahme dienen,
dass von den Gebeinen einige Kin
dern angehören und da auf der
Inschrift Söhne der Antonia Vor
kommen , so stimmen Inschrift und
Inhalt des Grabes zusammen.
Zur Erläuterung der Inschrift:
Das D. M. durch den eigenen Namen
getrennt, erscheint nicht häufig. Tes-
serarius ist der Überbringer der
Parole des Feldherrn, bei Orelli und
Hentzen *) mehrmals erwähnt; ein solcher hat dies Denkmalseiner
Gemahlinn Antonia Nubilis und seinen Söhnen aus Anhänglichkeit
machen lassen.
K r a i n.
Römersteine in Krain.
Treffen in Unterkrain ist ein classischer Boden. Schon Valvasor
weiss von Römerfunden aus dieser Gegend zu erzählen, und wie
zahlreich diese sind, kann man sich leicht aus dem diesfälligen Auf
sätze des steiermärkischen Epigraphikers Richard Knabl über die
1 ) Corpus Inscript. .3462, 7180, 7336. In diesen Stellen erscheint der tesserarius immer
mit dem Beisalze des Namens und der Zahl jener Legion oder Cohorte, in der er
diente; da dies hier nicht der Fall, könnte für diese Inschrift auf die ursprüngliche
Bedeutung des Wortes tesserarius zurückgegangen werden, nach welcher der
Genannte ein Verfertiger von tesserae war.
Archäologische Annlekten.
333
„Treffener Altarsteine“ (Mitteilungen des historischen Vereines in
Krain 18S1, p. 74) überzeugen. Vor einem Jahre acquirirte das
Laibacher Museum von einem Landmanne Joseph Sore von S. Stefan
bei Treffen H. N. 2 einen Römerstein, welchen derselbe zu seinem
Feuerherde benützte und von dem bisher nur Hitzinger in der
slovenischen Zeitschrift „Novice“ 1839, Nr. 21, p. 161 eine kurze
Notiz veröffentlichte. Da diese Zeitschrift schon wegen ihrer
Sprache wissenschaftlichen Kreisen minder zugänglich ist, so copire
ich hier die Aufschrift dieses anderweitig noch nicht veröffentlichten
Steines:
DIIS DEABVSQV
OMNIß . GENI.
..CI SACR.
PRO SALVTE IMP. ALE. AN
RI AYG. IVLIVS TEREN
TIVS BP. COS. LEG. X.
GEM. SEVERIAN.
Y. S. L. M. IVL1ANO
ET CRISPINO COS. PR. NON.
OCTOBRES.
Die Lesung bietet keine Schwierigkeiten. „Diis deabusque Om
nibus, Genio loci sacrum. Pro Salute Imperatoris Alexandri Augusti,
Julius Terentius beneficiarius consulis legionis X. geminae Severia-
nae Votum solvit lubens merito; Juliano et Crispino consulibus pridie
nonas octobres“ (6. October 224 n. Chr.). (Der Correspondent der
k. k. C. C. z. E. d. Baudenkm. Dr. E. Costa hatte die Gefälligkeit
die Copie einzuschicken.)
Ungern.
Zu Ödenburg:
r —■K" -- —i
T SILVANOAV&SAC T
; TIBöVUQVINtLI
| ANYA -DEOMVJN :
2 FL\SCARB*QVAES '
: PP AEDJLISII’VIR. s
: IDAVGVRAT.Y5 i
i ATP RISTIN AM
1 S PECSEIVL-RESTITV I
334
v. Arne t h
Silvano Augusto sacrum | Tiberius Julius Quintili | anus Decurio
Municipii | Flavii Scarbanliae Quaestor 1 | Pecuniae publicae, Aedilis,
duumvir Juri dicundo Auguratus | ad pristinam | speciem restituit.
Tiberius Julius Quintilianus, Decurio des Municipiunas Flavia
Scarabantia, Mitglied des Senates der Freistadt Flavia Scarabantia.
Schatzmeister des öffentlichen Geldes, Aufseher der öffentlichen
Gebäude, als einer der zwei obersten Richter eingeweiht, hat den
Altar in seiner ursprünglichen Gestalt wieder hergestellt.
Am 7. August J 856 im Hause Nr. 73 in der inneren Stadt
wurde folgender Inschriftstein gefunden:
f ISIDWGI
! ETBVBASf |
! GPPhf LINVA J
n POMPON s
i SEVERN i
1 LIßV> S > i
' 7 K '
Isidi Augustae | et Bubasti | Gaius Publius Philinus Pomponi
| Severi | Libertus votum solvit.
Auf dem Postamente ist die Kuh 2 auf deren Seite der Halbmond,
welche der Isis Iläthor geweiht war, vorgestellt. Auf ägyptischen
Monumenten ist die Kuh mit einem Discus (dem Monde), zwischen
den Hörnern das Bild der Isis; die Isis kömmt auf lateinischen In
schriften mehrmals vor, seltener mit dem Beinamen Augusta — (der
geheiligten) Bubaslis die Tochter der Isis und des Osiris, als Mond-
göttinn häufig verehrt. Der Widmer dieser Ara Gaius oder Gnaeus
Publius Pliilinus, ein Grieche oder ein Ägyptier, den yiXsivo? und
fihvog kömmt in Athen vor, und hei einem Verehrer ägyptischer
Idole konnte man ungezwungen an Philae, die reizende Insel im
Nile denken 3 ); dielnselPhilae liegt au der Grenze zwischen Ägypten
*) Varro L. L. 5. 14, §. 81. Quaestores a quaerendo, qtii conquirerent puhlicas pecunias.
2 ) So erscheint ein von der Stadt Bubastis hergeleiteter Beiname BVBASTIACA auf
der Inschrift eines Marmorcippus, welcher lange, nachdem ich die Vermuthung
bezüglich der Herleilung des Namens Philinus von Philae niedergescln ieben hatte,
in Ostia entdeckt wurde. In derselben widmet eine Caltilia Diodora ßubastiaca
Archäologische Analekteu.
335
und Äthiopien. Die Stadt und das Gebiet liegt in Unter-Ägypten
am rechten Ufer des östlichen Nilarms, von welchem in der Nähe
von Bubastis ein alter Canal in das rothe Meer ging. Die Göttinn „des
Hauses der Bast“, „der Herrinn der Stadt Bast“ war die katzenköpfige
Bast, von der so viele Monumente in den härtesten Steinen aut' uns
gekommen sind, z. B. zwei von Belzoni entdeckte, durch Jussuff
unentgeltlich bis zum k. k. Münz- und Antikencabinete, an dessen
Eingang sie aufgestellt sind, geführte treffliche Statuen, eine mit
dem Namensringe Bamse III., des Memnon der Griechen und die
andere des Sesonchi’s, Shushak der Hebräer.
Isis und Bubastis, nach griechischer Weise mit Herodot zu reden,
Demeter und Hora oder Ceres und Proserpina, hatten in Bubastis
herrliche Tempel. Es ist dieser Stein eine merkwürdige Bestätigung
des Ereignisses, dass im sinkenden römischen Beiche jeder Cultus
seinen Eingang, seiue Anhänger fand. Der Mithrasdienst der schon
unter Pompejus aus Asien nach Rom wanderte, hinterliess im Um
fange der Monarchie von Tirol bis Siebenbürgen vielfache Monumente;
der ägyptische Cultus hatte ihrer besonders viele in Salzburg, der
Colonie Hadrian’s, demÄgypten aus so vielenRucksichten und beson
ders seines Günstlings desAntinous wegen so theuer war. Hadrian
brachte ägyptische Anschauungsweise und ägyptische Monumente
am meisten nach Rom, nachdem ihrer schon früher dagewesen, wie
unter anderen das Diplom des Domitian beweiset, dessen Original
auf dem Capitol auf einer Säule beim afrikanischen Jupiter befesti
get war.
In Salzburg werden viele ägyptisirende Vorstellungen gefunden.
In Wien auf der Landstrasse in einem dem Herrn Erzbischöfe gehö
rigen Grunde ein Pastophors aus Syenit, schon seiner Schwere
wegen merkwürdig, da er gewiss nicht in Österreich, sondern in
Ägypten gearbeitet wurde, aber in älterer als hadrianischer Zeit;
so viel ich mich erinnere, hat mir Nikolaus Jankowich von Jesc e-
niczeund Wadas erzählt, dass das sehr schöne ägyptische Gefäss
bei Ödenburg gefunden worden. Dieses sowohl, wie die aus zwei
fachem Steine verfertigte Isis-Priesterinn im k. k.Münz- und Antiken-
der Isis Bubastis mehrere Statuen. Ich erwähne dieser Inschrift, weil durch sie
meine Hypothese plötzlich eine Stütze erhält, von der früher nichts bekannt war.
Vergl. über die Inschrift in Ostia die Augsb. Allg\ Zeitung. Beilage zu 118,
28. April 1862.
336
v. A r n e t li
Cabinete und ähnliche noch trefflichere im Museo Borbonico zu
Neapel, verdanken derhadrianischenZeitihren Ursprung. Das Gefässi)
wurde mit der ganzen Sammlung Jankowich von weiland dem Pala
tin von Ungern Erzherzog Jpseph für das Museum in Pest gekauft,
wo es nun laut freundlicher Mittheilung des dortigen Directors Herrn
August v. Kubinyi aufbewahrt wird. Dasselbe wurde nach dem
1) S. Tafeln.
Archäologische Aualekten.
337
Zeugnisse des Herrn v. Kubinyi mit sorgfältiger Beschreibung und
gelungenem Stiche vom ehemaligen Besitzer Nikolaus von Janko-
wich im „Amaggar tudos tärsasäg ev. Könyvei. I. Kötet. 1833“ ver
öffentlicht (Jahrbuch der ungrischen gelehrten Gesellschaft. I. Bd.
1833) ').
i) Meinungsäusserung über ein in Egyed gefundenes geziertes Gefäss, welches
zum ägyptischen Gottesdienste der Isis gebraucht wurde.
„Über alle bisher in unserem Vaterlande aufgefundenen Alterthümer ist erhaben
das zum ägyptischen Gottesdienste der Isis gebrauchte Gefäss, oder die, nach
Auffindung der zerfallenen Theile zusammengesetzte Opferkanne (Giesskanne),
welche 1831 im October im Sapronyer Comitate in Egyed, auf dem Gute des
Herrn Grafen Festetics-Wincze aufgefunden wurde.
Der erste Fund, welcher blos den mittleren Theil der Kanne in Form einer
hohlen Kugel zeigte, hat weder die Finder und die das Erz untersuchenden Gold
arbeiter, noch den hiesigen Plebanus auf seinen alterthiimliehen Werth aufmerk
sam gemacht, obgleich ihnen der Glanz der silbernen und goldenen Zeichnungen,
so wie die Einlegung ausgezeichnet und bewunderungswürdig erschien, welche
Wahrnehmung aber den Grafen so reizte, dass er die Aufklärung über die Zeich
nungen und das ganze Werk wünschte.
Der innere Theil der Kanne ist eiförmig. Die Höhe 5 Zoll, die Breite 4V 2 Zoll,
und der Hals, Mund, Griff, Boden fehlen ganz, wodurch Vielen meine Behauptung,
dass das Gefäss eine Kanne war, unglaublich erschien, bis später die abgefallenen
Theile, welche in der Zusammenfügung bemerkbar sind, gegen alle Erwartung
aufgefunden und zusammengestellt wurden. Die Kanne bestellt nicht aus gegosse
nem sondern aus geschlagenem Kupfer, welches zuerst mit glänzendem Silber
und dann mit einer schwarzen Glasur überzogen ist, welche letztere wahrschein
lich erst dann angewendet wurde, als die Zeichnungen von Personen schon ein
gegraben waren. Die Zeichnungen bestehen aus goldenen und silbernen Fäden
und Plättchen, welche nach künstlerischer Gravirung des Kupfers eingelegt sind.
Dies ist besonders an den Figuren des zweiten Bildes in der mittleren Gegend
an solchen Stellen bemerkbar, welchen die äussere Glasur um der näheren Unter
suchung willen abgeraspelt wurde. Es ist wirklich zu bedauern, dass ein so aus
gezeichnetes Denkmal das Unglück hatte, durch Unwissenheit und Goldbegierde
in die Hände eines Päpaer (Papa) Silberarbeiters zu gerathen , welcher es auf
längere Zeiten in Scheide- und Königswasser hielt, um zu erfahren, ob es Silber
oder Gold sei, und wodurch die Kanne so gelitten hat, dass nicht nur die Gold-
und Silberfaden aufgelöst wurden, sondern selbst das Kupfer an mehreren Stellen
verdorben wurde.
In den auf das Silber gestrichenen Gegenstand sind die aus Gold- und Sil
berfäden gefertigten Abbildungen und Verzierungen gestellt, deren Vorzüglichkeit
den Grafen bewogen, noch mehrere Nachgrabungen anzustellen, welchen zu ver
danken ist, dass die seit Jahrhunderten abgefallenen und von einander entfernten
Stücke der Kanne, als: Hals, Mund, Boden und Griff, mit Ausnahme des letzteren
(von welchem nur der untere Theil in Form eines zierlichen Frauenkopfes übrig
ist), aufgefunden wurden, welcher zweite Fund die ganze Opferkanne vervoll
ständigt.
Zwar nicht auf diesem Wege, d. h. durch Herrn Grafen Festetics, sondern
durch das Comifat Weszprim, wurde zur Bereicherung des Nationalmuseums der
338
v. A r n e t h
Da diese Arbeit den deutschen Gelehrten wenig zugänglich
sein dürfte, so folgte sie in der Note nach der von Herrn Professor
dritte Fund eingesendet, welcher aus einem Becken und dazu gehörendem Griffe
(manubrium) besteht, welches (der Ähnlichkeit nach) zu der Egyeder Kanne
gehört. Dass das Becken als Pfanne diente, ist klar aus der leeren und am Ende
befindlichen Öffnung des Stieles, mit welcher Pfanne der opfernde Priester ent
weder Speise oder Trank opfernd in’s Feuer schüttete. Auch das Becken ist aus
geschlagenem Kupfer und die runden Verzierungen auf dem Boden scheinen mehr
Drechslerarbeit als mit freier Hand gezeichnet zu sein. Der obere Theil ist wie
bei der Kanne mit Silber überzogen, und der innere mit Gold- und Silhergemäl-
den, deren eines dem Kranze in der Kanne ganz gleich ist. Leider erfuhr auch
das Becken das Loos der Kanne, was uin so mehr zu bedauern ist, da es bei
seiner Auffiudung viel vollständiger war, als jene. Doch sind auch noch am
Becken die Kennzeichen der ägyptischen Verfertigung zu sehen, nämlich: die
allgemeine Überziehung des Kupfers mit Silber, die in dasselbe gelegten Gold-
und Silberverzierungen und die darüber gezogene Glasur.
NB.
1. Von dem Becken schweigt die Abhandlung im Weiteren.
2. Über die Kanne legt dann noch Herr Jankovits seine eigene Ansicht,
so wie auch eine ganz genaue Beschreibung der Figuren und Abbildungen
nebst Erklärung vor.
Der Mund der Kanne, wie ich dies schon bemerkte, ist mit Silber über
zogen und geziert, den Hals umschliessen zwei Reben mit Blättern und Trauben;
jetzt ist nur die Gravirung sichtbar, wahrscheinlich waren die Blätter mit Silber,
die Trauben mit Gold eingelegt.
Der mittlere und hauptsächlichste Theil der Kanne, welcher zuerst und allein
gefunden wurde, ist in drei Abtheilungen (Höfe) geschieden, welche durch mit
Silber eingelegte Kränze geschieden sind. Die obere Abtheilung enthält in Kreis
form, mit Federn oder Baumblättern eingelegte, sechzehn Figuren. Die mittlere
Abtheilung enthält die nach ägyptischen Zeichnungen verfertigten Abbildungen
von Personen. Die untere Abtheilung ist mit strahlenförmigen ßlüthenstengeln der
Lotuspflanze eingelegt.
Dieser Theil der Kanne war auf den Untersatz gestellt, welcher aber abge-
fallen und erst hei der zweiten Nachgrabung gefunden wurde und wahrscheinlich
auch mit Silber- und Goldfäden geziert war, welche aber nicht mehr sichtbar
sind.
Das Zerbrechen der Kanne in mehrere Theile kann nur durch Feuer bewirkt
worden sein, da dies an mehreren Gegenständen, z. B. Knochen-, Eisen- und
Kupferstücken, einer Menge römischer Münzen und einem schön gezierten Stiele
oder Griffe einer Kanne, welche durch die angestellten Nachgrabungen des Herrn
Grafen Festetics aufgefunden wurden, zu sehen ist.
Die Verzierungen der Kanne an Mund, Hals und Untersatz verrathen allso-
gleioh den griechischen Geschmack und Meister, nicht aber den ägyptischen. So
auch die Reben um den Hals, deren meisterhaft gezeichnete Blätter und Früchte
uns an die schönsten attischen Zeichnungen erinnern.
Die doppelten Kreise ober den Abbildungen von Personen sind nichts anderes,
als in’s Runde gezogene griechische sogenannte „Meander-“ Zeichnungen, und
den Lorberkranz nebst seiner Umfassung kann nur derjenige für einen griechi-
Archäologische Anaiekten.
330
Sch im ko freundlichst veranlassten Übersetzung. Dem neu nach
Teheran ernannten preussischenConsul B ru gscli, dem so berühmten
sehen gelten lassen, welcher ihn nicht auf einer der bei uns bekanntesten grie
chischen Münze MAKEAONQN ÜPßTHS sah und untersuchte.
Trotzdem sind aber die Figuren, welche durch diese griechischen Zeichnun
gen in der mittleren und grössten Abtheilung der Kanne eingeschlossen sind,
keine griechischen, sondern echt ägyptische.
Unter den durchaus mit Gold eingelegten Personen kann man jener den
Hauptplatz geben, welche zwischen den zwei Altären (wenn man die Kräten als
auf Altären sitzende Götzen ansehen kann) steht, und auf welche von beiden Sei
ten zwei Personen, eine männliche und eine weibliche sehen. Diese Hauptperson
ist Isis, was uns schon die bei ihr befindlichen Zeichnungen, nämlich Klingel
(sistrum) in der Rechten und die Puppe in der Linken, so wie auch die Lotus-
pflanze und ihr Kopfputz angeben.
Neben ihr rechts und links sitzen auf mit Silber eingelegten Altären, mit
Gold verzierte sich aufbliihende Kröten als Götzen im hieroglyphischen Sinne.
Rechts und links befinden sich ganz gleich gezeichnete und gekleidete männ
liche Personen mit Palmzweigen in der Hand (Nr. 3 und 9), welche Ibisköpfe
tragend, auf die Göttinn sehen und mit den Palmzweigen zu griissen scheinen, und
wahrscheinlich die bekannten Brüder der Isis, Osiris und Horus? darstellen. Neben
diesen stehen auf beiden Seiten (Nr. 4 und 8) junge Frauen, gleichfalls auf die
Göttinn blickend. Auch sie sind gleichförmig gezeichnet und bekleidet, und zwar
so, dass das Oberkleid gespalten und flügelartig wegsteht. Der Kopfputz ist aus
Lotusblättern und sie stellen wahrscheinlich die jüngeren Schwestern der Isis dar.
Ihnen gegenüber in demselben Kreise steht eine Frau, welche ihre Attri
bute wieder als Isis bezeichnen, auf dieselbe sehen zwei bis an die Gürtel
bekleidete Männer, deren einer einen weit kleineren Kopf hat, als die von Nr. 3
und 9, in der Linken eine Fahne haltend, reicht er mit der Rechten der Isis eine
Puppe. Der Andere besitzt ein angenehmes jugendliches Gesicht, obgleich sein
Kopfputz übereinstimmend ist; mit beiden Händen hält er einen grossen Pfeil
gegen eine Schlange, und es ist wahrscheinlich, dass dieser der Bruder der Isis
ist, dargestellt in dem Augenblicke, als er den, in der Gestalt einer Schlange
erschienenen Typhon ermordete und nach seinem Siege Harpokrates den Sohn
der Göttinn der Mutter zurück gibt.
Unter dem Halse der Kanne sind zwölf mit Silber eingelegte Figuren zu
bemerken. Weil dieselben mit dem Kopfputze 1, 2, 4, 5, 6, 8 des ersten Bildes
grösstentheils übereinstimmen, glaube ich, dass sie wirkliche Kopfputze sind, die
beim Opferbringen der Isis durch die Priester und Priesterinnen gebraucht wur
den. Solche ägyptische Kopfputze sehen wir nicht nur auf dieser Kanne, sondern
auch auf der berühmten Turiner Tafel (Mensa Isiaca), wo die Isis mit einem der
selben bekleidet ist. Pignori glaubt, dieser Putz sei von Blättern des ägyp
tischen Baumes „Musa“, welcher der Isis geweiht war und an jedem Tage des
Neumondes frische Blätter trieb, welche dann zur Zierung des Göttlichen für
würdig gefunden wurden.
Aber auch die Vogelköpfchen und Fliigelchen, welche sich auf der Stirne der
Isis und ihrer Schwestern befinden, sind bemerkenswerth, weil dieses Zeichen bei
allen Gemälden und Büsten der Isis erscheint, wie dies Pignori, Kircher und
später Montfaucon, Caylus u. A. bestätigen, indem sie zugleich angeben,
dass sie in numidischen Farben prangen und entweder aus Federn von grossen
Sitzb. d. phil.-hist. «CI. XL. Bd. III. Hft. 23
340
v. A r n i* t h
Ägyptologen, zeigte ich den Stich des Gefüsses, woran dieser
Gelehrte das grösste Wohlgefallen hatte, er hält es für Arbeit aus
Hahnen zusammengesetzt, oder auch die mit den Federn altgezogenen Häute der
Hähne sind, welche die ägyptischen Königinnen derartig zum Kopfputze verwen
deten, wie die Frauen Europa's den Paradiesvogel.
Dass die Kanne aus geschlagenem, mit Silber und einer Glasur überzogenem
Kupfer besteht, dass die Gemälde mit Gold und Silber nach eigenlhiimlich mei
sterhafter Art eingelegt sind, bezeugen, dass sie zum ägyptischen Gottesdienste
gebraucht wurde. Ferner erzählt uns auch Apulejus Metainorphoseos, XI. ßd., dass
der Gebrauch der Kanne beim Dienste der Isis als unentbehrlich herrschte. Wir
sehen also, dass die Egyeder Kanne ein zum Gottesdienste der Isis gebrauchtes
glänzendes Kirchcngefäss ist, und man kann behaupten, dass dort, wo die glän
zende Kanne und Opferpfanne, römische Münzen, Lampen u. s. w. gefunden wur
den, und wo Ruinen von alten Gebäuden noch zu finden sind, zu seiner Zeit ein
Tempel der Isis stand.
Da bisher in unserem Vaterlande keine ägyptischen Alterthümer gefunden
wurden, ist es wahrscheinlich, dass die Kanne nur ein von fremdem Boden
geraubtes Gut ist, denn dass Ungern und Siebenbürgen ein classiseher Boden fiir
Allerthiimer sind, sieht man aus den vielen entdeckten Gegenständen. So wurden
bei Värhely in Siebenbürgen 1823 und 1832 zwei schätzbare alte .Mosaiktafeln
und bei Pisza-Jenö mehrere grosse Kupfermünzen des Ptolomäus nebst einem mit
aufrecht gerichteten Figuren geziertes, und mit den Farben des Chalcedons und
Opals glänzendes Glas gefunden, welches auch ß ertlich für echt ägyptisch aner
kennt. Meine Ansichten bestätigt insbesondere ßerezin in seinem Reisehuche
von 1821 und 1822 (Russland, Ungern und Siebenbürgen), welchem er 130 mei
sterhafte Abbildungen beifügte, welches Werk aber leider wegen dem plötzlichen
Tode des Verfassers in Italien nicht gedruckt wurde.
Auch die Geschichte zeigt es als glaubwürdig, dass Isis und später Mithra in
Ungern verehrt wurde.
Die Gelehrten behaupten, dass der ägyptische Gottesdienst der Isis, d. h. die
Priester und Priesterinnen, zuerst durch Sulla aus der griechischen Stadt Corin-
thos nach Rom gebracht, unter den Bürgermeistern Piso und Gabinius im Jahre 38
vor Christus aus der Städt vertrieben, später wieder zurückgebracht wurden.
Nach dem Kaiser Augustus, der Antonius besiegte und die ägyptischen Länder
unterjochte, erlaubte er, nach dem Commentare des Servius zum Virgil , jeden
Religionscultus in Rom, unter welchen Begünstigungen der ägyptische Gottes
dienst der Isis sich immer mehr verbreitete, so dass nicht nur Doinitius, Antonius,
Commodus und Caracalla diesem Cultus beiwohnten, sondern auch erhabene Tem
pel zu diesem Zwecke in Rom errichteten. Da aber auch mehrere griechische und
römische Schriftsteller behaupten, dass der ägyptische Gottesdienst der Isis in
Griechenland und Rom allgemein verbreitet und durch die Kaiser begünstigt
wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass derselbe durch die Legionen auch nach
Pannonien gebracht wurde, insbesondere unter M. Aurelius Antoninus, weil eben
zu jener Zeit, als in Rom der Isisdienst allgemein war, unzählige Legionen gegen
die Quaden und Marcomannen mehrere Jahre hindurch in Oberpannonien, wo
Egyed liegt, stationirten. Wahrscheinlich erbauten sie hier der Isis einen Tempel,
und verschallten sich auch die nöthigen Gegenstände (Kanne, Opferpfanne etc.),
welche aber nach einer schnellen Vertreibung zerstört unter den Trümmern des
Tempels begraben wurden.
Archäologische Analekten.
341
der Zeit der Ptolemäer, worüber ich nicht ganz seiner Meinung bin,
es eher aus der Zeit Hadrian’s glaubend. Wie dem immer, ich bin
der Meinung, dass dieses in Deutschland so zu sagen unbekannte
Anmerkung des Übersetzers:
Der Schluss der Abhandlung zieht Parallelen zwischen der Kanne und
Mensa lsiaca..
Über letztere siehe die Werke des Pignorius:
I. Velustissiinae tabulae etc. Venetiis 1605. 4°*
II. Characteres Aegvptii etc. Francof. 1608. 4 0, et Amsterd. 1669.
Die Egyeder Kanne ist mit dem berühmtesten ägyptischen Allertbume, der
Tabula oder Mensa lsiaca, an Alter gleich, ßougine berichtet uns in seinem
„Handbuch der Literatur. Zürich 1789. 8 0,<f „das merkwürdigste Monument der.
ägyptischen Hieroglyphen ist die Mensa lsiaca, die noch in dem königlichen
Archive zu Turin aufbewahrt wird. Sie ist eine länglich viereckige kupferne
Tafel, darin viele hieroglyphische Figuren mit Gold, Silber und einem verwischten
Metalle eingelegt sind.“ Volkmann bemerkte in seinen „Nachrichten von Italien"
wie auch Winkel mann (Leipzig 1777, 8°*) „dass es mit einem schwärzlichen
Schmelzwerke überzogen sei“. Nun ist aber auch die Egyeder Kanne aus Kupfer
blech zusammengehämmert und überall mit Silber überzogen, sowie auch mit
einer schwärzlichen Glasur (Schmelzwerk). Die Figuren sind mit Gold und Silber
eingelegt. Folglich können wir behaupten , dass nicht blos die hieroglyphi-
seheu Figuren echt ägyptische sind, sondern auch die Anfertigung der Kanne aus
derselben Zeit, möglicher Weise von demselben Meister heustammt.
Die bekannte Isistafel erschien zum ersten Male im XVI. .Jahrhundert anno
1559 in Rom, nebst einem guten Kupferstiche in Kleinfolioformat von Aneas
Viens, welchen Giacomo Franco in Venedig im Jahre 1600 nochmals, aber mit
schlechter Abdrückung herausgab. Cardinal Bembo bekam die Tafel zum Geschenke
vou seinem Gönner Papst Paul III., welcher sie einem Schlosser abkaufte, der
sie zu einem nützlicheren Gelasse schmieden wollte. Torquato, der Neffe Bembo's,
verkaufte sie an den Herzog von Mantua, bei welchem Pignorius dieselbe sah
und mit seiner Abhandlung bekannt machte. Bei der Erstürmung Mantua's im
Jahre 1650 durch den deutschen Kaiser wurde sie geraubt und die Ausgabe des
Leipziger Conversations - Lexikons vom Jahre 1820 führt sie als verloren an. Sie
wurde aber, wie dies Brücker, Hist. Critica Phil. Tom I, pag. 249. 4°- bezeugt,
durch den gelehrten Arzt des Herzogs von Savoyen wieder aufgefunden und ange
kauft, und durch ihn nach Turin gebracht, wo sie durch Caylus in seinem
Werke „Recueil d'antiquites egyptiennes VII. Bd.,“ nebst einem authentischen
Kupferstiche nochmals bekannt gemacht wurde.
Nach der Abhandlung des Pignorius: „Laut*. Pignorii Mensa lsiaca, qua
sacrorutn apud Aegyptios ratio, et simulaera subjectis tahulis aeneis exhibentur,
et explicantur“ suchten mehrere Gelehrte, wie Hohenburg, Kircher, Mont-
faucon, Keisler, Bnnier, Caylus, die Tafel zu entziffern und hielten sie
säinmtlich für eine später in Rom verfertigte Arbeit, bei welcher aber auf ägyp
tische Weise verfahren wurde nach den Angaben des Plinius.
Gegen diese Ansicht erklärt sich Eschen bürg Job. Joch.
Das grösste Verdienst erwarb sich um die Isis der Gelehrte Jabionszky:
„Miscellan. Berolinensia“ Tom VI, p. 359, Tom VII, p. 373. Sowie auch Gotthilf
Eph. Lessing, dessen Werk aber nicht erschien.
23*
1142
v. A r n e t h
Gefäss mit der Auslegung des Herrn Brugsch, der diese bei seiner
Durchreise Anfangs Februar 1860 machte, und die Bekanntmachung
gestattete, veröffentlicht werde, und thue dies im Folgenden:
1. Isis, 2. Papyrus mit Frosch als Zeichen einer unendlichen
Zahl von Jahren oben darauf. 3. Der Gott Tuuud mit dem Jahres
palmzweige. 4. Die Göttinn Triphis (Terp'a) mit demselben Zeichen
der Jahrespalme. 5. Horus, welcher den Typhon in Form einer
Schlange ersticht. 6. Isis wie 1. 7. Horus bietet der Isis das Sym
bol des Herzens, eine gehenkelte Vase, dar. 8. wie 4. 9. wie 3. Zu
dieser Erklärung setzt Herr Brugs ch hinzu: „Das Ganze, wie ich
so ziemlich sicher bestimmen kann, stellt eine Verehrung der Isis
als Symbol des Jahres (nach Horapollo*) durch die ägyptischen
Gottheiten des Jahres dar.“ Es ist dies Gefäss demnach ein Beleg
der richtigen Leseart des Horapollo.
’Evteturöv o£ ßovlöpevoi oVjAtöacct, fatv, tovtsoti yuvaixa £w-
ypayovGLv • rü ds avTrh xai rrjv Ssdv aripaivovaiv. Tat? di Trap'
avzocg saziv dorrjp, Atyozmart xalovp.evog IdäiSig, EAAvjvtffri di
’Affrpoxöcov, og xai doxsT ßaailsvsiv rtöv XsnrCjv dartpuv 6t£ p.tv
[XEiCuv, cts di f/GGurv ävarsAAwv ■ xai 6r£ p.iv Xap-TtpoTspog, 6ti di,
oö-£ ovTorg. Irt di xai diöri xazd rrjv tovtov tov darpov dvazoXriv
arip.sioviJ.e$a nepi ttuvtotv tcöv tv rth ivcavrtn pslXovtojv teXeiaSat •
diÖTtep ovx aloyojg tov iviavzov, iaiv leyovoiv. xai izepoig di eviavzov
ypawovTeg, tpoivrxa i^oypa(povai : dia rö divdpov tovto p.6vov rcöv
äAAcov xazd rhv dvazoXr/V zvg aelvvrig, piav ßaiv ysvväv, d>g £v raig
diirdsxa ßdeaiv tvuzuröv dnapnt^eaSai.
Inschrift, in Ödenburg gefunden:
i SILVANÖ
A V G
I M'APPIANVS i
k VRSlNVS^C ^
i LEGflc |
L£C
... L*y g 1
>) Ilorapollinis. Hieioglyfica 1, 3.
Archäologische Analekten. 343
Silvano | Äugusto | Marcus Appianus \ Vrsinus Centurio
Cohortins? | Quaestor Municipii? \ Legatus?
Dem Silvainis waren in Ödenburg mehrere Altäre errichtet,
wahrscheinlich war die Gegend eine waldige.
Ofen 1. 2. 3.
18 V <
Karansebcs (Banat).
Soli Invicto Numini Mithrae | Pro Salute | Publii Aelii
Marci \ Rermadio, Actor Turrani | Dilecti Votum Solvit Lübens
Merito.
Der unbesiegten Sonne, dem Gotte Milhra löst Hermadio,
Geschäftsführer des Marcus Turranus Dilectus für die Genesung des
344
v. A r n e t h
Publius Aelius Marcus freudig sein Gelübde. Die Deutung der ver
einzelten Buchstaben ist durch viele Belege, insbesondere aber
12" ■
TS‘I - N’
'HER.MADIO
ACT-IVRRAN
DII/WMa/WI
12"
durch die von Weleker*) aus der Villa Giustiniani mitgetbeilte
Inschrift sichei' gestellt, denn dieselbe ist folgende:
NVMINIINVICTO
SOU MITHRAE
M. AVREL1VS. AVG. L
EVPREPES VNACVM
FILIIS SVIS D. D.
SACERDOTE. CALPVRNIO
IANVARIO DED1CATA
VIU) KAL. MAIAS. IMP
L. SEPTIMIO SEVER. PERTIN. II
D s ) CLODIO ALBINO CAESARE II)
COS
Der Name der Inschrift zu Karansebes, Hermadio, erscheint
mehrmals, insbesondere im Königreiche Neapel, aber für obige
Inschrift ist er im innigsten Zusammenhänge auf einem Mithras-
monumente und der Galleria Giustiniana zu Rom mit der Aufschritt:
L. FL. IIERMADION 1 HOC MIHI LIBENS | DON. DEDIT
Da die am 25. April 194 dem Mithras gewidmete Inschrift eine
ganz ähnliche Anrufungsformel und das Monument des Mithras mit
*) Georg Zoega’s Abhandlungen. Öllingen 1817. S. 395. n. t ).
2 ) Der VII Kal. Majas entspricht dem 25. April des 2. Constilat des Sept. Severus dem
J. 194, folglich ist obiger Inschriftstein am 25. April 194 n. dir. Geh. gesetzt worden.
a ) Da Clodius Albinus Mitconsul war, so lässt sich dessen Name leicht ergänzen.
Archäologische Aualcklen.
345
dem Namen Hermadio sich beide in der Galleria Giustiniana befin
den, so ist wahrscheinlich, dass das Monument ebenfalls ans dem
Ende des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung herrühre.
Beide w erfen ein nicht zu verkennendes Licht auf die Inschrift zu
Karansebes und machen wahrscheinlich, dass auch dieselbe aus dem
Ende des zweiten Jahrhunderts stamme. Diese Vermuthung erscheint
um so gegründeter, da Septimius Severus zu Sabaria (Steinamanger)
von den römischen Legionen im Jahre 193 n. Chr. zum Imperator
ausgerufen wurde, aus diesem Factum sowohl wie aus den ange
führten Inschriften zu Karansebes und den Monumenten zu Rom
würde der ausserordentliche Verkehr zwischen diesen Gegenden
erhellen, wenn auch andere Beweise fehlten.
ACTOR — Geschäftsführer. Ohsehon dies Wort selten vor
kömmt, so erscheint es doch ganz ausgeschrieben auf einem in
Petronell ausgegrabenen von mir herausgegebenen Votivsteine 1 ),
es kann wohl die vorgeschlagene Leseart keinem Zweifel unter
liegen.
TYRRAN'DIL ist schon aus dem oben angeführten Steine
bekannt, der wie aus dem ACTOR zu schliessen ein wohlhabender,
Mann gewesen zu sein scheint, w r eil er, sei es in seiiier An- oder
Abwesenheit einen Geschäftsführer hatte.
Karansebes. 2.
11'i
[IKPCAESDIVI 1
IHÄDMII/DIVKÄ
1 lA'JNEP'DIVMRVA!
^PRCMPTAELIO ?
i HADRÄNTONIN i
MAPIO "PONT
MAXiTRIB'POr
yvmr aa r im
20*
') Stalueii, Büsten, Inschriften ti s. w. IS T r. Üu7.
346
v. A r n e t h
Imperatori, Caesari, Di in | Hadriani Fiiio Dici Tra | lani
Nepoti, Divi Nervae \ Pronepoti Tito Aelio | Hadriano Antonino |
Augusto Pio Pontifici | Maximo Tribunitiae Potestutis \ vicesimum
tertium Consul quartum.
Kiiriinscbes 3.
S-L * Mf
-12"
Iovi Optimo Maximo | Antestius Galas | Pro Salute \ Saa et
Su | orum Votum | Solvit Lubens-Merito.
Jupiter, dem Besten und Grössten (d. i. dem Capitolinischen)
löset sein Gelübde für sein und der Seinigen Heil L. Antestius Galus.
Jupiter Optimus Maximus war gleich dem Capitolinischen, der ins
besondere in Rom auf dem Capitol, da wo jetzt Kirche und Kloster
Ara Caeli ist, verehrt wurde i).
Die plebeiselie Familie der Antestier, deren Vornamen Cajus
und Lucius, hatte den Zunamen Gracchus auf den Münzen als
triumvir monetalis. Lucius um die Mitte des siebenten Jahrhun
derts Roms oder hundert Jahre v. Chr. um die Zeiten des Sulla, liess
auf einige Silbermünzen die Dioscuren, auf andere den Jupiter im
Viergespann, der in der Linken das Scepter hält, aufprägen, als
von ihm insbesonders verehrte Wesen. Es weiset daher nicht
blos der Familienname, sondern auch der Cultus des Jupiters auf den
Zusammenhang des Steines in Karansebes mit den Antestiern in Rom.
Der Votivstein ist als Zeichen der Dankbarkeit für die Rettung des
Die meisten Funde in Cilli. Sitzungsberichte d* k. A. d. Wissenschaften I8b0. Note,
ßd. XXXII. S. 571 u. f.
Archäologische Analekten. 347
Antestius und der Seinigen noch heute in der Stützmauer des Fahr
weges zum Hercules-Bad, einem der wirksamsten, eingesetzt.
Karansebes 4.
" LXBfRO PATRI j
PR05ALVTE MARC j
, TVR RA NI DIL-ET*'
FLAELIACNICES S
: mtvrran |
PATROCLVS-EX j
.. 0VOTO6 1
Libero Patri | Pro Salute Marci \ TurraniDilectiEt | Flaviae •
Acliae Nices | Marcus \ Turranus \ Patroclus Ex \ Voto.
Dem Vater Bacchus setzt diesem als Gelübde für die Genesung
des Marcus Turranus Dilectus unter Flavia Aelia Nice Marcus Tur
ranus Patroclus.
Inschrift in fünf Hexametern zu Karansebes.
Die Übersetzung der auf der nächsten Seite folgenden Inschrift
verdanke ich der Gefälligkeit des Herrn J. G. Seidl.
Diese Stiitte gefiel es zu weih’n langwieriger Mühsal,
Diese Rast, wo die müden Glieder vermöchte zu betten
Ulpius einst, nach durchmessener Zeit vieljähriger Dienstpflicht.
Selbst besorgt’ er die Inschrift sich; Selbstwähler des Grabes,
Hat er die Herberg’ hier für Leib und Loos sich bereitet.
Der erste der meines Wissens diese Inschrift abschrieb, war
Graf Joseph Ariosti 1723, welcher die römischen Inschriften, die an
den Seitenwänden längs des Einganges und der Treppe zur kaiser
lichen Hofbibliothek eingemauert sind, nach Wien brachte, von den
verloren gegangenen Abschriften lieferte. Es sind jedoch mehrere
Fehler in seinen Abschriften; so ist die erste und die letzte Zeile
ganz unrichtig gelesen. Dann machte sie mit Current-Buchstaben
Caryophilus *) (Garofalo) bekannt, der sagt, sie sei unlängst im
Temesvärer Banate gefunden worden, er las sie ganz richtig bis auf
den letzten Buchstaben der vorletzten Zeile. Nach Ariosti’s aber in
der letzten verbesserten Zeile veröffentlicht sie Maffei 2 ).
Laut einem der MSC Ariosti's im k. k. Münz- und Antiken-
cabinete beiliegenden fliegenden Blatte hat der als Generalmajor im
1 ) De Thermis Herculanis. Viudob. 1037, p. 140. 141.
2 ) Museum Veronense. fol. 1749. p. CCL1.
348
PVBLI'AE LI * VLPIVS VE T 4 EX DEC
PTA N OS EDEM'LONGO'P L A CVI TS AC R ARE LABOR!
HA N C REQVIEM-FESSOS TANDEA40V\(°!\DERET ARTVX
VLPIVS’EM ERIT1 StO N GA E VIAYVN ERIS AN NIS
1PSE5 V O' C V R. A Al • TIT V L O D E DI TT P S E -SEP V L CRI
sl T ER H OSPiTlVMM E MB R1S' FATO QVE 'RA R AV t T
> Jahre 1809 gestorbene Sturm 1 ) am 8. Mai 1749 die Inschrift, die erste Zeile mit Lapidar-Buclistaben, die übrigen
Zeilen in Currentschrift ganz richtig gelesen.
Dann gab Baron von Hohenhausen 2 ) eine ganz merkwürdige Zeichnung, mit anfangs unrichtiger, später
guter Leseart dieser Inschrift, und obschon Griselini*) diese vor Augen haben konnte und sagt, dass sie sehr gut
erhalten sei, so las er sie abermals in der 1., 4. und 6. Zeile unrichtig. Ihm ist übrigens auch die Nachricht
’) Der Name und das Sterbejahr ist auf das Blatt von Fidelis Wächter geschrieben*dieser war seit 6. April 1810 als Custos angestellt und starb als
solcher am 13. September 1834. Er war ein kenntnisreicher, seinem Dienste eifrig- ergebener .Mann, der sich vorzüglich mit orientalischen Münzen
und Inschriften beschäftigte.
2 ) Die Alterthümer Dacieus. Wien 1775. 94—100.
Geschichte des Temesvarer Banats. Wien 1780. 1. S. 281, 282.
Archäologische Analekten.
349
zu verdanken, dass sie beim alten Tlmrm auf dem Berge Mica gefun
den sein soll, den die Sage, natürlich ungegründet, den Ovid's Thurm
nennt. Denn obschon Ovid's Aufenthalt in dieser Gegend unmöglich
war, da sie die Römer erst ein Jahrhundert später eroberten und sein
Verbannungsort Tomi (Kostendsehe) 4 ) war, so hat man doch Karan-
sehes von Cara mihi sedes ab/.uleiten versucht, da Ovid a ) doch deut
lich sagt: Tarn mihi cara Tomis: putria qua sede fugatis. Orelli 3 )
hat diese Inschrift aus Maffei, folglich fehlerhaft mitgetheill.
Bei dieser, wenn schon in der Hauptsache ähnlichen, doch in so
manchem Puncte verschiedenen Leseart und bei dem entschiedenen
Werthe der Inschrift, über deren Echtheit sogar Zweifel erhoben
wurden, erhielt ich auf meine Bitte sowohl Zeichnungen als Abklat
schungen (Durchdrücke) dieses so werthvollen Monumentes. Sonst
sind in Karansebes noch an römischen Denkmalen vorhanden: zwei
Grabsteine an der Stützmauer des Fahrweges zum Hercules-Bad;
eine mit fünf Brustbildern: Vater und Mutter und drei Kinder, an
dem zweiten ein einzelnes Brustbild; beide aber schlecht erhalten.
Mehadin (Banat).
I PROSALVmVNAE
I CmiLLAEOVODA
5 LONGAiNFI&MITA
i TErYTRTVT E > AQ VA }
RVM'tiVMlNIS>5V I
REVOCAVERVNT
T<B v A v EIVS ^V'-S v L-'M
— «4
Die nachfolgenden In
schriften sind schon von
Griselini „ Geschichte
des Temesvarer Banates
„publicirt, und zwar die
erste I, 275, Nr. XVII;
die zweite I, 275, Nr.
XVI; die dritte I, 276,
Nr. XVIII. Doch glaubte
ich die nach den Papier
abdrücken angefertigten
Facsimiles mittheilen zu
müssen, weil ihre Le
sung von Griselini häu
fig unrichtig ist wie aus
einem Vergleiche her-
A ) Sitzungsberichte «1er k. A. d. W. 1832. Bd. IX. 880.
2 ) Inscriptionum latinarum R. collectio II. p 343. nr. 4827.
3 ) Trist. IV. XIV. 60.
350
v. A r n e t h
Vorgehen dürfte, und weil die Wichtigkeit der Inschriften die Herstel
lung der Richtigkeit des Textes erheischt.
V 19" ,
! HERCVUSANCI
ITOSIMONIVSj
« 1VLIANVS V C i
| PRAESEA DA I
! CI AR VM i
DlSTNVMINiBI
AQVARVM
! VLP.S'EGVNDIN V
1 MARJV.WALENS !
s . P OMPüiNTvAH AEM V S k
i JVLCARVWÜMLEN S *
LE GAT I ‘ROM AM 'A D i
COttSVEATWW.’S'EV'E i
RIANICV'MS'SMWCOLV ]
ÄIESrREVJäRSFEKVQTO 1
t 13" ,
Zu Titel (Militärgrenze) befindlich.
Die sehr verstümmelte Statue eines Geistlichen mit dem Kelche
in der rechten Hand und in der linken ein Buch in rothem Marmor, viel
leicht aus der ehemals dort bestandenen Propstei de Sancta Sapientia.
Zwei unleserliche (dermassen ist die Schrift verwischt) Meilen
steine.
Eine Löwinn ohne Kopf aus weissem Sandstein.
Ein Basrelief. Die Wölfinn den Romuius und Remus säugend.
Ein christlicher Sarkophag mit Inschrift.
Archäologische Analekten.
351
Das hohe Mililär-Commando zu Temesvar schickte im Jahre 185S
die Abklatschung der Inschrift eines christlichen Sarkophags, der
im Kruticz-Gasthaus aufbewahrt ist. Er ist zu schwer und zu schad
haft, um ihn ganz oder auch nur die Inschrift hieher bringen zu können.
Sie ist folgende:
Memorios | Quintus Mcecilius Donati (Filius) pausavit |
unnos. sedecim filio pientissimo fecit | Aretliusa | mater.
Dass dieses eine christliche Inschrift, geht aus mehreren Gründen
hervor: 1. M. M. memoricß, welches dem heidnischen D. M. diis
manibus substituirt wurde, 2. aus dem Worte pausavit, welches nur
in christlichen Inschriften vorkommt, wie bei Maffei 1 ), Orelli 3 )
u. s. w. 3. Das Wort Aretliusa s ) erinnert an die berühmte Quelle
in Syrakus, kommt aber als Frauenname sowohl im christlichen als
auch im heidnischen Alterthume äusserst selten vor; dass das
Christenthum in diesen Gegenden schon frühzeitig Eingang fand,
zeigt dieser verhältnissmässig schön ausgestattete Sarkophag, so
wie dass man sich ötfentlich dazu bekannte.
Abklatschinschrift, mitgetheilt von dem k. k. Hofkriegsrath.
Inschrift auf Gallienus gefunden zwischen Mehadia und Plugova
1837, befindet sich zuKaransebes im Hause des Regiments-Com-
mandanten unter der Einfahrt.
Imperatori Caesari Publio Licinio \ Gallieno Pio Felici
Augusto | Pontifici Maximo Tribuniciae Potestati Consul Secun-
1 ) Maffei, Gallice antiquitates p. »5 bene pausanti in pacc.
2 ) Orel I i inscript. 44(>0.
3) Grut. 814. 2.
352
t. Arneth
21 '* '
1MP-CAE‘P LICI
GALLIEN O PFAVG
PON^MAXT R PO
! CONSI1 PROCORS
» COH-1II-DELMÄRM-;
müRIAPE GAL IE
NAPRAO R.-GR-PF
DEVO TANVM'Nl
iMAISSTATIQAEIVS -
ui" —
dum Proeonaul j Cohors iertia Delmatarum | Valeriana Gälte \ na
Praetoria Civium Romanorum Pia Fidelis \ Devota Numini \ Maje-
statique Ejus.
Das zweite Consulat des Gallienus entspricht dem Jahre 255
n. Chr. Geb. 1 ), in welchem Jahre Ga 11 i en us statt seines Vaters
Val erian us, der im Oriente beschäftigt war, seinem Sohne den Krieg
in Europa gegen Franken, Alemannen und andere allenthalben in Be
wegung gekommene Völkerschaften übertrug. Den Stein widmete die
dritte Cohorte der Dalmater, die von Valerian den Ehrennamen
Valeriana, von Gallienus den Galliena erhielt. Sie gehörte zur Bewa
chung des Prätoriums und halte das römische Bürgerrecht erlangt.
Es ist in dieser Zeit die Zusammenhäufung der Beinamen einer
Cohorte nicht sehr auffallend, da auf mehreren Inschriftsteinen
Legionen und Cohorten viele Beinamen führen; die dritte Cohorte
der Dalmater ist bisher nicht vorgekommen, indess mehrmals der
I., III., IV. und V. Cohorte auf Inschriften Erwähnung geschieht.
Orelli 1554 führt eine freilich von ihm in Betreff ihrer Echtheit
für zweifelhaft gehaltene Inschrift an, welche L. luventius, der
Veteran der VI. Prätorischen Valerianischen Gallienischen Cohorte,
dem hochgeehrtesten unbesiegbaren Hercules von Tyrus gewidmet
hat.
Eckhel. VII. 390.
Archäologische Analekten.
353
Das C. R. ist so deutlich, dass es sich nicht leicht mit dem frühe
ren zusammenreihen lässt, dass man etwa Veteranomm lesen könnte,
wozu auch ungeachtet aller zu versuchenden Verschränkungen der
Buchstaben die allerdings hier wie z. B. im Worte DELMATARVM
Vorkommen, kein Raum wäre. Es hat jedoch das C. R. (Civium
RumanorumJ zu lesen, auch seine Schwierigkeiten, da Caracalla
dem ganzen römischen Reiche das Bürgerrecht verlieh.
Iuedirter Inschriftstein (Votivstein) in den Ruinen eines ehe
maligen Prätoriums zwischen Mehadia und Plugova 1837 ausge
graben 3 Fuss 3 Zoll hoch, 2 Fuss 2 Zoll breit.
ILMRCÄeS-DIV'
HADR’FILDIV
| PA'FEP-DIVFN-R i
iPROPEKFAE i
■‘HADRANTO *
A'G'PIOPO !
MAXTRIB
1 yxm |
i m’i'
IMP • CA ES • DIV | I
1IADR. FIL. DIV | TRA
IA • NEP DIVI | NER | VAE
PRONEP. T. AE | LIVS
HADR. ANTO | N1N
NG • PIO. PO 1 NT
MAX. TRIB. | POT
XXIII.
Stein zum Weihwasser in der katholischen Kirche zu St.
Michael des Liccaner Grenzregimentsbezirkes. 1 Fuss 3 Zoll hoch
1 Fuss 7Va Zoll breit.
D- M.
AN1VS- RVNNVS
SIBI ■ ET ■ GRAIVL(?)
VXORISVAE • ET AEL
SCORPIONI. FILIO
0 AN • XXI • VIVVS. P
354
v. A i' n e t h
In der Hütte des Waldaufsehers Niegovan zu Pochital. 1 Fuss
4 Zoll hoch, 1 Fuss 3 Zoll breit.
D • M •
ERENNIA
RVFINA • P
SVIVEAN1XX
1 Fuss 5 Zoll hoch, 1 Fuss li/ a Zoll breit.
D' M-
AR. QVINTO
AN ■ XXXVI
PLOTTIA
MARITO
Mitrowitz (Militärgrenze). Inschriftsteine.
Kk"
I INHANC ARGAMPQSITA EST
jAVRELIAMACRINA QVAE .
jVIXIT AN NOS XXX VII i
i AVMLIV5 IV^TINIANV^ f
F1LIVS E1VS QVIV1XIT ANNVM!
VNVM ETMENSES QVINQVE I
AVG COHi
OJVPVoLCRl
AFToNNaNA
O'RMGeNTE
PÄDALEfoo
TRBEX-VET
— w
I
I
I
Archäologische Analekten.
3S5
ID „ SA T
I TER RATE I
sNETCORPV-SNO I
I MEN L A.P ITATQVE ' a
lANJywAMAERQV |
1 AMMER VSSER 1
. vS _ a )
i
i
«
Auf dem Paradeplatze sind drei 6 Fass lange, 3^/2 Fass
tiefe Sarkophage sammt Deckel.
Das im Regimentsgarten und die im Eingänge zum Oberst
quartier aufgestellten Monumente mit dem Löwen, der sich auf eine
Beute stürzt, beziehen sich gewiss auf den Mithradienst, worauf auch
der menschliche mit einer persischen Miilze bedeckte Kopf hindeutet.
Ein Sarkophag im Oberstenhofe zu Mitrowitz.
IO/VVE
CH l*PRO
WVTEDD
A//VIOVI0
FHER.Q/UO
VV CC NN
3
*) Befindet sich in der Einfahrt des Regiments-Cominandanten-Quartiers in Mitrowitz.
2 ) Denkstein im Regimentsgarten in Mitrowitz. Siiulenfonn.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. III. Hft.
24
356
v. A r n e t h
Drei einfach verzierte Grabsteine im Generalsquartier zu
Mitrowitz.
Zwei schöne Capitäle korinthischer Ordnung im Regiments
garten zu Mitrowitz.
Der Altar, welchen Helv. Pertinax dem Jupiter und Mars setzte,
kommt auf den Zeichnungen vom Jahre 1830, nicht aber auf denen
vom Jahre 1855 vor.
Slatina.
Diis Manibus (Publio AELIO) ARIORTO IIIlVIRo ANnuli Municipii
(DINIERnium HicCaeso) ALATRONIBVS (VlXit ANos LV1I) DIGNA
CONjugi (PIENTISSIMO) ET Publius (AELIVS) FILius ET Publius
(AELIVS VALErius V) DARVS Natione Boius? ßessus? ex Voto?
Posuerunt.
Den Manen.
Dem Publius Aelius (Ariortus) dem Viermann auf ein Jahr des
Municipiums (Dinierna) der hier getödtet wurde (von Räubern). Er
lebte 86 Jahre, Digna hat dem Gatten (dem frömmsten und Publius
Aelius der Sohn und Publius) Aelius Valerius und Udarus ein Bejer?
oder Besser haben aus Gelübde? oder gern? diesen Stein gesetzt.
1. Der Viermann. Die Quatuorviri waren zur Verwaltung der
Gerechtigkeit, manche auf ein Jahr in dem Municipium, welches ich
hier von Dinierna annehme, welches eine Variante vonTsiena, Dierna
und Carna ist. Tsierna erscheint auf einer Inschrift aus dem Jahre
157 zur Zeit des Consulats des Barhatus und Rigulus bei Caryophilus
— De Thermis Herculaneis p. 25 — Aispva (Dierna) auf Karten des
Ptolemäus, Peuting. Tierva Gerna bei Ulpiau *). De Censibus Lib. I.
§. 8 und 9. In Dacia quoque Cernensium Colonia. A. Katancsich
Orbis antiquus I. 373. Der Vorzug einer Inschrift kann die Leseart
Dinierna statt Dierna rechtfertigen, so dass künftig Aivupva statt
Atepva zu setzen sein wird.
4. H ist meines Erachtens nur zu lesen HIC hier.
5. C. oder möglicherweise O beide ähnliche Worte entweder
des Caeso oder Occiso, welches hier nur der Sinn der einen
oder andern Sigel sein kann, denn sie ist durch das folgende
ALATRONIBVS bestimmt.
l ) Corpus juris civilis: ed. (iothdfredus f, p.,.l000.
Archäologische Analekten.
337
Die Lalrones kommen meines Wissens nur auf zwei Inschriften
vor, auf einer zu Salona in Dalmatien, die auch Henzen bekannt ist,
. 18’’
M
PAELIO
ARIORTO
MA/IRANM
DINIERjHC
ALAT&QNIB
VIXAN1VII
DIGMACON
PIENTIASIMO
EPMELfiBEPP
AEPVAL/FILCW
DAKVS * M^'ß^ P
* 18" •
auf einer andern Henzen unbekannten trefflich hierher passenden
bei Mehadia um das Jahr 1737 gefundenen folgenden Inschrift
heisst es i):
*) Caryophilus. De Thermis Herculanis, Vindobonne 1737. 4°. p. 32.
U*
388 v.irnelh
I) • M •
1VL L FIL SERGIA
BASSO DECEMVIR
DROBETAE i) QVAES
TOR INTERFECTOA
LATRONIB. VIXAN
XXXX. IVL. LVLIANVS
ET BASSVS PATRI
PIISSIMO
ET IVL VALERIANVS
FRATER MORTEM
EIVS EXSECVTVS
F • C •
Da das Dierna und Drophegis des Ptolemäus (IX. Europa) ziem
lich nahe liegen und da beide Männer, denen zu Ehren diese Grab
malen gesetzt wurden, von Räubern umgekommen sind, so gehen
diese beiden Inschriften einen merkwürdigen Beweis der Richtigkeit
der Angaben des Suetonius 2 ). Der sagt: Augustus grassatores
dispositis peropportuna loca stationibus inhibuit. Ganz ähnlich
äussert sich auch Strabo“).
TICAESAKEAVGF
AVGVSTOLVIPERAT ORE
PONTM AXTRPOTXXXV
LEGlinSCYTIEGVMACED
TICAESAREAVG T
AVGVSTOIAPERATORE
PONTAVAXTRPOTXXXV
LEGHIISCYTLEGVAIACE D
1 ) Drobeta, wenn der Ort auf der Inschrift richtig gelesen ist, gibt ihn als den richtigen
Beleg der Leseart der Notitia Imperieef. Katancsich I. 398. 379.
3 ) 32.
2) IV. p. 141.
Archäologische Analekten.
359
Schiissburg (Siebenbürgen).
Die nachfolgende Inschrift, deren Herkunft verschieden ange
geben wird, befindet sich in Karansöbes, Griselini bat sie (Geschichte
QM A R-CIOT V RI
FRONTONIPVBLiCIO |
I SEVEROPRAEFPRAET |
* IMP'CAESAELIITRAIAN I!
| H AD RI AN IAVGVST1PP i
COLONVI1-TRA1AN-AVG |
DAaCASARMlZEGETV-Sl'
des Temesvärer Banates I. 282, Nr. XXII) mitgetheilt. Ich gebe
dennoch das nach einem schönen Papierabdruck gezeichnete Facsi-
mile, welches geeignet sein dürfte, die Lesung dieses interessanten
Monumentes sicher zu stellen.
Inschrift bei Poletin oder am Wasserfall Koslacz. 5 Fuss 11 Zoll
breit, 3 Fuss 11 Zoll hoch. Buchstaben der drei ersten Zeilen
Sy 4 Zoll hoch, der vierten Sy 4 Zoll.
Eine gleichlautende Inschrift befindet sich in Entfernung von
1% Stunden stromabwärts am Wasserfall Islacz und bezeichnet
somit die Länge der Strecke, auf welche sich der berühmte Bau der
Felsenstrasse unter Tiberius, von dem weiter unten die Rede sein
wird, ausdehnte; sie ist 5 Fuss 3 Zoll breit; 2 Fuss 9 Zoll hoch.
3 3 / 4 Zoll Höhe der Buchstaben.
Über die Bauten, auf welche diese Inschriften Bezug nehmen,
so wie die Örtlichkeit derselben schreibt Herr Betriebsdirector
der Donau-Dampfschifffahrtsgesellschaft Cassian:
„Von Poletin abwärts kommen noch mehrere kleine Partien
vor, wo die Überreste der aus den Felsen ausgehöhlten Strassen
sichtbar sind, bis man zu dem circa lyi Stunden weiter stromab
wärts liegenden Wasserslurz Islacz kommt. Hier existirt ein sehr
bedeutender, grossartiger und langer Felsenweg, der aus einem
360
v. A r n e t h
festen braunrothen Quaizporphyrfelsen ausgehauen, wirklich unsäg
liche Mühen gemacht haben muss. Zur besseren Verständigung liegt
eine kleine Skizze bei, ich bemerke, dass der Boden von C nach B
ungefähr 6 Fuss breit und die Höhe von C nach A beinahe 9 Fuss
hoch ist. Die Aushöhlung dieser Felsen scheint indessen für die
Zwecke der römischen Heere nicht hinreichend gewesen zu sein,
denn sie machten diesen Weg noch breiter, indem sie Querbalken
von B nach C legten, die dann noch weit über die Felsen, allenfalls
bis D reichten. Zum besseren Halt dieser Querbalken sind förmliche
Querrinnen in den Felsenweg gemeisselt, die noch wohl erhalten und
sichtbar sind. Diese Querbalken scheinen die Römer mit Brettern
belegt zu haben, um auf diese Weise ihre Strasse breiter zu machen.
Um die Querbalken gehörig zu befestigen, endigten die Querrinnen
mit einem viereckigen Loch (U) in dem Felsen , in welches der
Querbalken mit dem einen Ende hineingesteckt wurde und so einen
Archäologische Analekten.
361
hinreichenden Halt bekam. Nach den Dimensionen dieser Löcher
waren die Querbalken (wenigstens an dem einen Ende) 8 — 9 Zoll
im Durchmesser stark, während sich diese Querbalken alle 8 Fuss
auf der Strasse wiederholten.
Diese Abtheilung der römischen
Strassen ist eine der hervorra
gendsten durch ihre Länge und
Grossartigkeit f ). Auch hier kurz
nach Überwindung der Passage
verewigten die Römer'ihre Arbeit
durch eine Inschrift. Es ist die
selbe, welche ich seiner Zeit auf
zufinden, und da sie bisher noch
gänzlich unbekannt, auch abzu
klatschen das Vergnügen hatte
(vergl. die zweite der oben rnit-
getheilten Inschriften). Von die
sem Puncte aus gestattet nur die
Formation der Gebirge wieder
eine Passage längs des Flusses
bis zum s / t Stunden weiter ab
wärts gelegenen Felsenvorsprung
Greben, wo ebenfalls die Reste
einer römischen Felsenstrasse
sichtbar sind. Leider besteht
dieser Felsen aus einem röthli-
chen Kalkstein, der leicht verwittert und die alljährlich sich
wiederholenden Bergabrutschungen haben schon den grössten Theil
der Strasse verschüttet. Die Strassen und Felsenbauten vor Gradistie
bis hier an den Felsenvorsprung Greden sind, wie die Inschriften
bethätigen, unter Kaiser Tiberius 33 n, Chr. Geb. angelegt“.
') Davon verschieden ist die Bauweise der unter Trajan "angelegten Felsenstrassen der
Donau, von welcher die vorstehende Figur einen Begriff geben dürfte. Die Strasse
ist schmäler und die zur Verbreitung des Weges dienenden Balken laufen nicht über
die Strasse, sondern sind in viereckige Löcher an der Aussenseile der Böschungs-
mauer eingefügt gewesen.
362
v. A rnet h
Alle bisherigen Copien dieser Inschrift, von Marsigli i), Grise
lini 2 ), Neigebauer 3 ) und Aschbach 4 ) gehen die tribunicia potestas
XXX an, während auf den Papierahdrücken deutlich XXXV zu lesen
ist, es fällt daher der Strassenbau nicht in’s Jahr 28, sondern 33 auf
34 nach Christus.
Von der legio V macedonica kannte man bisher nur die specielle
Geschichte bis zum Jahre 28 n. Chr., in welchem sie sich unter dem
Legaten Cethegus Labeo hei der Theilnahme an der frisischen
Expedition des L. Apronius besonders auszeichnete. Erst mit dem
Jahre 70 n. Chr. Geb. in dem Kriege zwischen Galba und Vitellius
tritt sie wieder und zwar abermals in Nieder-Germanien auf den
Schauplatz der Geschichte. Aus unserer Inschrift erhellt nun, dass
sie bald nach der frisischen Expedition in die Donauländer versetzt
worden sei, woher sie dann um das Jahr 70 wieder nach Nieder-
Germanien zurückkam; wenn auch hier der Raum fehlt, weiter in
die Geschichte derselben einzudringen, so ist dieses Ergehniss doch
mindestens ein Wink, in welcher Richtung und wo die weiteren
Schicksale dieser tapferen Heerschaar erforscht werden können.
Eben so war man bisher der Ansicht, dass die leg. IV. Scythica
bis auf Nero’s Zeit in Asien gelegen habe, während sie nach unserer
Inschrift schon unter Tiberius an der Donau diente.
Nachtrag zu den Inschriften von Mehadia, Seite 349.
Im Schinckelbach zu Mehadia befindet sich nachfolgender
Inschriftstein, welchen Griselini (II 274 XV) abweichend publicirt
hat und die ich desshalb nach einem Papierahdruck hier nachtrage:
Dieser Stein bietet ein grosses Interesse durch seinen Fund
ort sowohl für die Geschichte dieser Cohorte als für jene der
XI Legis Claudia. In der Nähe von Mehadia (im Umfange des alten
Dacia hei Zsuppa unweit Karansebes wurde 1831 ein Militärdiplom 5 )
1 ) Danubius Pannonico Mysieus (1726), II, tab. 53.
2 ) Griselini, Temesvsuer Banat. S. 287.
3 ) Neigebauer, Dacien S. 7.
4 ) Uber Trajau’s steinerne Donaubrücke, Mittbeilungen der k. k. Central-Com inission
f. E. u. E. d. Baudenkmale, ßd. III, S. 200.
5 ) J. v. Arnetb, Archäol. Analekten Sitzb. der k. Akad. d. W. XI, 308.
Archäologische Analeklen.
363
aufgefunden, ausgestellt im Jahre 157 i) v. K. Antonius Pius, in
welchem die Cohorte der Ubier genannt wird. Dieselbe lag also
, 15 "
HERCVLI IN
VICTOLPOM 5
= EIVSCELER'=
PRAEF COH
TVBIORVM
i 15 " ,
um 150 n. Chr. in Dacia. In einer Inschrift aus der Gegend von
Venafro -) erscheint ein praef coli, ubior. moes. inf., wohin sie
vermuthlich aus Dacia gezogen worden ist. In einer andern Inschrift s )
aus derselben Gegend wird ein M. Vergilius prim, pilus leg. XI
zugleich praef. coli. Vbiorum peditum et equitum genannt. Da nun
auch im Itinerarium Antoniui Durostorum in den unteren Mösien,
nicht weit von jenem Theile Daciens, in welchem Mehadia und
Karansebes liegen, als Standort der XI leg io Claudia genannt wird,
so scheint die Beziehung zwischen dieser Legion und der Cohorte
der Ubier in jener Inschrift keine rein zufällige zu sein, beide
scheinen schon damals dort zu einer Armee gehört zu haben; da ferner
die Cohorte schon unter Antonius Pius in Dacien lag, so lag wahr
scheinlich auch die XI. Legion dort. Diese kämpfte rühmlich in Germa
nien zur Zeit des Kaisers Domitian 4); es ist daher sehr wahrscheinlich,
dass sie schon von Trajan zu seinen dacischen Zügen in die unteren
') Henze (Orelli III), 6858*.
2 ) Mommsen. .1. K. N. 4097.
3 ) A. a. 0. 4636.
*) Pauly II. E. N. 891
364 v. A r n e t h , Archäologische Analekten.
Donaugegenden gezogen worden sei, wogegen Borghesi') glaubt,
dass sie unter Commodus noch in Germanien gestanden habe.
Neu ist die Bezeichnung der Cohors übiorum als prima, wie es
bisher inschriftlich nicht vorkommt; sie rechtfertigt vollkommen
die Ergänzung, welche Haagen für das Zsuppaer Militärdiplom
vorschlägt 3 ). (Coli. I. übiorum.)
*) Sülle iscriz. 10m. del Reno del prof. Steiner p. 30 f.
3 ) A. ». 0. (Orelli III). 6838*.
Arnetk. Arckäologiscke Analekten.
Taf.I
Aus d. k. k. Hof u. Sta,8ut^sdruckcrci.
Sifaungfeb. der- k.AkaxL dAV. pkilos. kis tor. CI. X L.Bd. 186 2.
Arnetli. Ar cliäo logische Anal eitlen.
Taf.I.
Au« d. k.k. IIoP u.S.Ga&Xsdruokcrci
Sitzung'«}): der- k.Akad. d philos. liistor. CI. XL.Bd. 186 %.
M u 8 s a f i a, liuiidschrii'tliclie Studien.
365
SITZUNG VOM 15. OCTOBER 1862.
Vor gelegt:
Ha n d sehr i ft liehe St u d i e n.
Von Adolf Mussafia,
*- ü. Professor der romanischen Philologie an der Wiener Universität.
I. Emendationcn und Zusätze zur altfranzösischen metrischen Über'
Setzung des Psalters ed. Francisque Michel, Oxford 1860.
Im Anhänge zur altfranzösischen Prosaübersetzung des Psal
ters, welche Francisque Michel im Jahre 1860 zu Oxford heraus
gab, liess er eine andere metrische Übersetzung abdrucken. Nur
eine Handschrift — der kais. Bibliothek zu Paris suppl. fr$. S415 —
konnte er dabei benützen, und zwar eine, wie er selbst sagt, sehr
mangelhafte (innumeris mendis scatet). Über eine andere in letz
terer Zeit zum Verkaufe angebotene Handschrift, welche ebenfalls
das versificirte Psalter enthalten soll, konnte Michel keinen wei
teren Aufschluss erlangen, so dass man füglich im Zweifel sein
kann, ob sie überhaupt in irgend einer Beziehung zu dem veröffent
lichten Texte stehe. Wohl aber findet sich letzterer in einer Hand
schrift der k. k. Wiener Hofbibliothek -— 2665 (Hohendorf VIII) —
über deren Existenz erst Paul Meyer in einem Aufsatze über
Mich el’s Buch (Bibi, de l’ecole des chartes, 5. Serie, Vol. 2, p. 544)
öffentliche Kunde brachte. Darf man also auch dem emsigen Her
ausgeber keinen Vorwurf über mangelhafte Berücksichtigung des
vorhandenen Materials machen, so muss man dennoch bedauern,
dass ihm ein sehr nützliches Mittel, den Mängeln seiner Handschrift
abzuhelfen, unbekannt geblieben sei. Die Benützung dieses Mittels
soll nun die Aufgabe folgender Seiten sein. Ich will zuerst über die
Beschaffenheit der zwei Handschriften etwas Näheres berichten.
366
M u s s a f i a
Über das Äussere der Pariser (P) kann ich auf Michel’s Be
schreibung verweisen, und erwähne nur, dass sie nicht von einer
Hand herrührt, und von dem Herausgeber dem XIII. Jahrhunderte
zugeschrieben wird. Die Sprache trägt das Gepräge der hurgundi-
schen Mundart. Ai vertritt sehr häufig a. In betonter Syibe: airme
mai sai aire malaides lais tabernaicles und besonders in der Ver
balflexion. So geht die 2. und 3. Sing, des Perfects auf -ais -ai;
habes habet werden durch ais ait dargestellt, und folglich findet
sieh auch im Futurum saverais aurait. In unbetonter Syibe: aimour
gaiberait claimour aibiterait ejfaicerait raicontent bairait u. s. w.
— Ei für e: so im Suffixe -as -atis: bonteis vaniteis ; in der
2. Piuralis: oieix entendeiz; im Part, engendreit— 0 widerstrebt
häufig den Verdunkelungen zu ou eu: por entor vos j corre sore.
—7 Die anlautende Syibe zeigt Vorliebe für a: tarquais garandon
barbis allevei amondei abaudi, wo die Wiener Hschr. esleve esmonde
esbaudi bietet u. s. w. Endlich bemerkt man au für a, was jedoch
nur vor der Verbindung bl stattzufinden scheint. Die Orthographie
ist sehr verwahrlost; an statt «« findet sich sehr häufig: vans san-
tier entan mansonge defant (: torment) santance (: Science) ; zwi
schen c und s wird kaum ein Unterschied gemacht : cerf (— serf)
auci pancer fancetei pacience ces (-- ses) c’est (= s’estj; dou-
sor se ü= ce) sous (= ceux) sire (= cire). Die 3. Person im
Sing, erscheint bald mit t, bald ohne dasselbe; dafür findet sich
das t ganz irrthümlich auch in der zweiten (VII, 8 ait = as), und in
der ersten (XVII, 28 seruit = serai). Das s der 2. Plur. fehlt manch
mal im Futurum, findet sieh dagegen in der dritten (XX, 12 serais -----
sera) und in der Gestalt von x in der ersten (XVI, 18 seraix —
serai).
Die Unterscheidung zwischen Subject und Object ist manchmal
ziemlich streng beobachtet, manchmal aber gänzlich vernachlässigt,
wie denn auch die früher angemerkten dialektischen Züge an einigen
Stellen mehr, an anderen weniger deutlich hervortreten; eine
Erscheinung, welche durch den Umstand, dass sich mehr als ein
Schreiber an dieser Handschrift beiheiligte, hinlänglich erklärt wird.
Vergleicht man den Inhalt mit dem Originale, so sieht man,
dass sehr häufig grössere oder kleinere Abschnitte fehlen: eben so
entbehrt mancher Vers des mit ihm reimenden. Die ersten Lücken
konnten dem Übersetzer zugeschrieben werden; von den letzteren
Handschriftliche Studien.
367
dagegen lag die Vermuthung nahe, dass sie von dem Schreiber
herrührten; daher wurden diese allein von dem Herausgeber ange
deutet.
Die Wiener Handschrift (V) besteht aus 208 Pergamentblät
tern in kleinem Formate, zu 18 Zeilen auf jede Seite. Die grosse
schöne Schrift dürfte dem Ende des XIII. oder dem Anfänge des
XIY. Jahrhundertes angehören. Vor den einzelnen Psalmen, aber
erst vom zehnten angefangen, findet sich der erste Absatz im
Lateinischen ausgeschrieben. Der Anfangsbuchstabe jedes Absatzes
ist roth oder blau gemalt; der Anfangsbuchstabe jedes Psalmes
(im Lateinischen oder, wenn dieses fehlt, im Französischen) ist sehr
gross, roth mit blauen Verzierungen. Hie und da findet man Gold-
Initialen, roth und blau verziert. Die meisten Lagen sind mit
Custoden versehen. Vergleicht man diese äusserlichen Merkmale mit
denen von P, so bemerkt man unter denselben eine ziemlich grosse
Übereinstimmung. Noch ist zu bemerken, dass an eine Stelle eine
Versetzung vorkommt, die auf eine in Verwirrung gerathene Vor
lage hindeutet, und dass hie und da eine weit spätere Hand schwie
rigere Wörter unterstrich und am Rande Erklärungen oder Emenda-
tionen hinzufügte.
Was die Sprache betrifft, so geben die beständige Vertretung
von g ss durch ch und von ch durch k, der Artikel le für dasFemini-
num, die Verbalendung -issiez für -assiez, die Perfecte mit aus
i consonantiitem c (in der Hs. eigentlich cli: teiich sench vauch)
u. s. w. die picardische Mundart zu erkennen. Die Orthographie ist
sehr sorgfältig und die Declinationsregcl mit geringen Ausnahmen
genau beobachtet. Im Inhalte stimmt V bis auf die bemerkten dia
lektischen Verschiedenheiten mit P vollkommen überein; nur selten
findet man Varianten, und selbst die sind blos auf einzelne Aus
drücke beschränkt. Die Lücken von P werden jedoch alle von V
ausgefüllt, während andererseits mehre Verse in V fehlen, welche
in P zu lesen sind; ein Umstand, der uns ganz deutlich zeigt, dass
keine dieser Handschriften in einem Abhängigkeits-Verhältnisse von
der anderen steht, dass vielmehr beide unmittelbar oder mittelbar
einer gemeinschaftlichen Vorlage entnommen sein müssen.—Die Mund
art des letzteren mit Gewissheit zu bestimmen, ist nicht leicht; das
grosse Schwanken bei P kann als ein nicht consequent durchgeführter
Versuch betrachtet werden, entweder die Vorlage in’s Burgundische
368
M u s s a f i a
zu übertragen oder die burgundisclie Färbung der letzteren abzu
wischen. Auch konnte ich aus einer ziemlich aufmerksamen Prü
fung der Reimverhältnisse keine andere als negative Argumente für
diese Bestimmung finden *).
Die Regelmässigkeit derDeclinationsregel bei V scheint ursprüng
lich zu sein; wenigstens werden sehr viele Reime, welche in P blos
das Ohr begnügen (denn das Ende -s war zur Zeit der Abfassung
unserer Übersetzung gewiss schon seit lange nicht mehr hörbar)
durch Anwendung der Regel, wie sie bei V erscheint, auch für das
Auge richtiger. Von den sehr zahlreichen Beispielen will ich nur
ein Paar geben. XII, S reimt in P lies (Subj. Plur.) mit trebuchies
(Obj.Sing.), XXVI, 8 ainemis (Subj. Plur.) mit enhais (Obj. Sing.).
Da nun das s im Obj. Sing, als durchaus unzulässig gestrichen wer
den muss, so würde dadurch der Reim an Reinheit verlieren; V hat
aber nach der Regel He (lacti), anemi (inimici). Desgleichen
XVIII, 1 de ces mains grans: li fiermament, V firmamens; XXX, 23
grant (Subj. Sing.): amans (Obj. Plur.), V grans. Eine entschie
dene Verletzung der Regel findet sich jedoch XLI, 15: Car il me
dient chascun jour Ou est Dieu.v le tien sanveour statt sauverre
oder sauverres, wie i er Nominativ lauten sollte.
Ich schreite nun zu meiner eigentlichen Aufgabe, jene Stellen
des gedruckten Textes namhaft zu machen, welche sich durch Hilfe
von V verbessern lassen. Die wenigen und, wie oben erwähnt, ganz
unbedeutenden Varianten bleiben unberücksichtigt. Zu Conjecturen
bot sich mir selten Gelegenheit dar; und die vorgebrachten will ich
mit allem Rückhalte ausgesprochen haben. Zur Beurtheilung meiner
Bemerkungen ist zu erwähnen, dass der Herr Herausgeber seine
Handschrift unverändert abdrucken Hess; er unterschied jedoch zwi
schen u und v. i und j, trennte Proclitica und Enclitica, führte die
Interpunction an, und betonte das e, wo es galt das Metrum anschau-
*) Wenn z. B. VF, 3 He Deus combien je sofferrais mit las (= lassus) reimt, so könnte
man glauben, dass da die erste Person nur ai zulässt, der Reim nur dadurch zu
erlangen sei, dass man das zweite Wort auf burgundische Weise, also lais, liest.
Indessen ist das der ersten Person nicht zukommende s geeignet, einige Beden
ken zu erregen, und in der That Finden wir in V statt je das Pronomen le, und
das Verbum in der zweiten Person: sofferras; eine Lesart, welche mit dem Ori
ginale— tu Deus vsqucquo? („wirst du es leiden“, nicht „werde ich“) — weit
besser stimmt.
Handschriftliche Studien.
369
lieh zu machen 1 ). Emendationen wurden nicht aufgenommen; nur
hie und da, aber bei Weitem nicht in allen Fällen, ein Buchstabe
oder ein Wort zur Herstellung des Metrums ergänzt. Zu unterschei
den zwischen den Mängeln, welche von der Handschrift oder von
dem Herausgeber, oder vielleicht selbst von dem Setzer herrühren,
war weder leicht noch wichtig; grösseren praktischen Vortheil bot
die Beibehaltung der Reihenfolge der einzelnen Psalmen.
Die Zahl der ergänzten Verse beträgt nicht weniger als 130.
1, 4. Por foille ne decorrai miez (: viez). Zu lesen lor. V Et
fuelle. . . .mie (:vie Obj. Sing.).
6. Iiorse ne resorderait mie. Lies Por se (= ce). V pour
ce; ideo.
II, 4. Des loiens. . . .derompons. V Les.
III, 1. Cilz qui moi ont cntr ! oblie. Lat. qui tribulant; V
contralie. Die zunächst sich darbietende Lesung wäre ent r oblie
in einem Worte statt entroublc; nur glaube ich nicht, dass diese
Form als viersylbig gelten kann. Vielleicht ist zu lesen cntriboule.
2. Plusors vont ä marme disant
Qu’i nait en son Deu sauvement.
Qui für qu'il 3 ) anzunehmen geht hier nicht an, da arme nicht
als Masculinum vorkommt. Es wird daher que zu lesen sein. . Nait
trenne man in nait 3 ). Dieser Abschnitt fehlt in V.
V, 3. A matin devant toi serai,
Et apertemant le verrai;
Car tu es Die.v qui ne nait mie
Ta volentei en felonnie.
Auch V hat le; es ist aber wahrscheinlich te zu lesen. Im
dritten Verse hat V naist und eine Randbemerkung schlägt mest,
richtiger mets, vor.
10. Por (I. lor) gorioric. V li gorions für lat. guttur. In der
wörtlich übereinstimmenden Stelle XIII, 5 hat der Druck li gouttrons,
*) Bei (len Versen, die ich aus V anfiihrte, glaubte ich (1er Gleichheit wegen die
selbe Methode befolgen zu müssen.
2 ) Dieses kleine Versehen kommt auch sonst häufig vor; /.. B. XVII, 23 por ceu qu'i
me vout statt qu'il; CV, 12 qui n’en remest statt qu'il n'en rem.
3 ) Ehen so V, 9.
370
Muss a f i a
V li goitrons. — Dem vierten Vers: Jnge-les, Diex, en foulour
(:trickeor) fehlt eine Sylbe. Man lese mit V en lor folour
(: trccheourj.
13. Entor se glorifieront. — En toi.
VI, 2. Canfer suix. Zu trennen in Cauf. V K’enfers sui.
3. Statt save (in der Hs. wohl saue) hat V sane; sana. me.
7. De forsen en ui lorble nies ieus. Das en, welches das
Metrum stört, ist zu tilgen.
VII, 1. Sire Diex, la moie esperance,
Ajostc en moi des enfence.
Dies ist wenig verständlich. Weit besser V a cst6 en vos des
m'enfance. Das Komma am Ende des ersten Verses wäre demnach
zu tilgen.
18. Sui dolor en son chief covrait. V hat, aber mit einer
Sylbe zu viel, toarnera; convertetur. In P ist vielleicht courait für
courrait = courra zu lesen. — Im zweiten Verse Sa felonnie il
descendrait wird mit V richtiger i desc. zu lesen sein.
VIII, 7. Toutes ait (= ais asj mises desous eez (— ses) piez.
Der Vers zählt neun Sylben. Man schreibe mit V sous.
IX, 5. Sallir feis les anemis. V Faillir.
10. Por cen (1. eeii) aicnt en lui esperance
Qui le cognossent en fiance. Besser V et fiance.
Auch wird man vielleicht der Lesart gens qui quiercnt die von
V eens q. q. vorziehen.
Zwischen 11 und 12 fehlt:
Car il requierent et a aus vient
Pour le sanc dont il li souvient,
N’oublie pas les povres gens
Les vois et les apelemens.
ßiaus sire, aies de moi pite
Et si voies m’umilite.
Qui m’as essauchie de la mort
Pour ce que ta Ioenge port
Et die ton los et ton non
Es portes des filles Syon.
Sire, mes cuers s’esjoira
En ton sauveour qui venra,
Et les gens si sont enfiehie
En las qu’il ont apareillie.
Handschriftliche Studien.
371
En las qu’il repunrent et firent
Tout preraiers de lor pies chairent.
Diex ert conneus de la gent
Que il a fait droit jugement.
K’es oevres de ses mains est pris etc.
Es ist demnach im letzten Verse das unverständliche quoin-
ques ’) eures des Druckes zu blossem qu'es zu bessern und das
unpassende Komma nach pris zu tilgen.
14. Que Dieux n’en iert ja oblious
De povre käme etc. Besser zusammen neu.
17. Diex, porcoi cs-tu aleis si loing?
Die überzählige Sylbe verschwindet, wenn man mit V das Pro
nomen tu streicht.
30. Nach dem ersten Verse folgen in V:
f Et si soit ta mains essauchie
Et ne metes pas en oubji
Les vois des povres et le cri.
Pour quant li fei et deputaire
Dieu escarnist et dist eontraire
Car en son euer ades disoit
Que jamais Dieu ne requerroit.
Tu vois le povre en son labour
Et toute esgardes sa dolour
Pour ee te voi d’aus entremettre
K’entre tes mains les voes tous mettre.
Li povres est ä toi laissies,
Li orfes est de toi aidies.
Brise les bras des pecheours,
Des malignes, des trecheours;
Li pechies de lui quis sera
Ne jamais ne le trouvera.
Diex regne ades et regnera,
La gent de sa terre morra.
Diex a oi le desirrier
Des povres etc.
32. En monz ä l’ombre desraniez
Et au povre son droit jugiez.
*) Ich vermuthe, dass die Buchstaben quoin nichts anders als das Anfangswort des
12. lateinischen Absatzes quoni[amJ sind, welches in P immer beigefiigt ist (sin-
gulos versiculos, quorum latine primum quodque verbum tantummodo refertur,
Vorrede S. XX).
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. III. IIft. 25
372
M u s s a f i a
Der erste Vers gibt gar keinen Sinn. V hat: Tu mos (aus lat.
mooes? oder etwa mes?) a l’umbre (was eine Randbemerkung rich
tig mit umble bessert) desraisnier (:jugier); judicare pupillo et
humili. Es möge noch liier dieConjectur envoie oder envoies für das
en monz von P Platz finden.
X, 1. Eh Diex (V Dien) me fi et vos conmnt;
Dites a m arme en reponant. V reprouvant.
Das Semicolon nach dem ersten Verse ist zu streichen, dafür
nach dem zweiten Verse ein Fragezeichen zu setzen. Der Herausg.
scheint nämlich comant als Präsens von Commander aufgefasst zu
haben; es bedeutet aber hier quomodo.
7. Sor pecheor ploverait. Es sind nur sieben Sylben. V les
pecheors.
XI, li. serai verouz piteus. Zu trennen in ver (statt vers, wie
sonst häufig in dieser Hs.) und ouz oder vielmehr auz aus.
V vers aus. .
7. Maparolle, Diex, est veraie
Com est li urgent (V argens) etc.
Lies mit V la parole Dien est etc.; eloquia domini eloquia
casta.
XII, 4. mes anemis ne me dient Qsignorie) — die.
XIII, 6. In emeure ist gewiss eher ein Versehen als eine
Nebenform von amere zu erblicken.
XIV, 5. Et II se vuelt glorißer,
Qui Deus (Den) dotent. V iceus.
XVII, 29. Avec li nocens ignocens. V l'innocent.
31. umain als Übersetzung des lat. humilis liesse sich viel
leicht rechtfertigen; V hat indessen umel.
32. tu m’oiais enluminei — moi ais (= as).
33. tamplement — tamptement.
40. m’a mandai — mamandai (= amenda)-, correxit me.
ö4. as gens le loerai — te.
XVIII, 3. Ne sont parolles, ne suut sermons. Das zweite sollt
ist des Versmasses wegen zu streichen.
4. En toute terre en est issue,
La lör parole est entandue. Besser mit V et. Das Komma
fiele dann weg.
Handschriftliche Studien. 373
Zwischen dem zweiten und dritten Verse von 6 ist einzu
schalten :
Li sires amont montera
De lui nus ne se reponra.
Droite justice de lui ist,
Dont li cors d’omme s’esjoist,
Et clers est ses commandemens
Les iex fait faire der veans,
Et mult est sainte etc.
XIX, 4. sovaigne: devigne. V souviegne: deviegne.
7. Trestoute tu perfection. V petition; petitiones.
Dem dritten Verse Or cognox-je veritei geht eine Sylbe ah;
man ergänze mit V en verite.
XX, 1. lies et... . reciiaicies. V rehaitie's.
2. Et son voloir ne l’ais gabei. V De s. v.
3. En beneisson. V 0 beneisson.
4. Bemäntle .... et tu li donais (= donas). Besser V de-
manda.
XXI, 6. ii gas. Besser vielleicht V et gas. Dann fiele das
Komma weg.
8. Vegne delivrer qui l’aime. Um dem Versmasse aufzu
helfen ergänzte der Herausg. eil qui. V hat Viegne le deliv.
12. Veel nioid environnez clii6. V environ chercliie.
13. Sor mol l’orgnel ovrirent tuit. V lor goule; aperuerunt
super me os säum.
14. Et mes os sont appairillitss (sont ist vom Herausg. ergänzt
worden). V ai esparpillies; dispersa sunt.
16. 6”an poudre de mort. Wird wohl an (= en) zu lesen sein.
23. des vif malfez. Der Reim mit umilite zeigt, dass das *
unzulässig ist und folglich der Singular eintreten muss. V du vif
maufd.
29. Lor cuers tous en viveront. Eine Sylbe fehlt. V tous jors.
XXII, 1. La oh il ait bone pasture,
Eil aloie pour norriture. V in a aloe; educavit me.
Cfr. CXII, 7 doinst aloement.
XXIV, 13. erient. Druckfehler für crient. »
20. de lor haine cngremid V agrignie.
XXVI, 16. Mes pere et ma mere mont güerpi;
Mai Dieus /me] avait amont pris.
25 *
374
M u s s a f i a
Der erste Vers ist, selbst wenn man pere als einsylbig auf
fasst, noch immer um eine Sylbe zu lang. Auch passt das Imper-
fectum avait nicht gut. V bietet:
Mes peres et ma mere m’ont
Guerpi, mais Diex m’a pris a mont.
18. livrei. Besser mit V feve.
XXVII, 1. Ne taire pas, Dieu, de moi. V ne te taire mit
richtigem Versmasse.
6. Ces evres. Besser mit V tes. —- Ne lor evres; V cn h ev.
XXVIII, 6. Es fehlen die zwei Verse:
A ses amis amis sera
Com li fis que l’unieorne a.
7. Les cuers. V cers; cervos.
XXIX, Zwischen 1 und 2 fehlt:
Sire Diex, je t’ai apele
Et deproie tu m’as sane.
6. Et je di, cant ricliesces estoie. V riches.
10. En man sanc queil profit serait
Se nies corruption nait.
Der Verderbtheit des zweiten Verses hilft V nur zum Theile ab.
Se mes cors corruption na. Das n von na muss als ein Nachklang
des Schuss-?» von corruption angesehen werden, und es ist folg
lich nur a zu lesen. Se mes cors corruption a; quae utilitas in
sanguine meo, dum descendo in corruptionem?
XXX, 4. de ta mort me norrirais. Wohl de Camor. V de
tamour.
14. desoz. Lies desor; V deseiir; super inimicos meos.
XXXI, 3. anullirent. V avillirent.
Im drilten Verse fehlt eine Sylbe. Man schreibe encore statt
encor. ■— Eben so ist der vierte Vers um eine Sylbe zu kurz; bei V
lautet er aber se cascun jour ne trespassasse.
7. Um die fehlende Sylbe im ersten Verse zu ersetzen, lese
man statt ceu mit V iceu.
. 11. Ne soies si com li jumens
Qui nait nulz d’es entendement.
Syntax und Reim sind im Vortheile, wenn man mit V qui na
md des entendemens lies*
Handschriftliche Studien.
375
XXXII, 7. La terre doit couter nostre signour. Vielleicht nur
Druckfehler für douter; timeat Dominum omnis terra. — Der
ungenaue Reim converse: esmeu lautet bei V richtig converse:
tresmue.
10. Et doit-on oi'r ces pensemens. Es sind neun Sylben. Es
ist aber zu lesen d'oir cn oir; ein im Psalter ungemein häufig vor
kommender Ausdruck; cogitationes cordis ejus in generationem et
generationem.
16. Chevaus est ä sente boisans. Ist sentd (= saute) zu be
tonen ; fallax equus ad salutem.
XXXIII, 16. Li vult Deu sor les maulvais sont,
Qui de terre clamavcrnnt. V tuit periront; ut
perdat de terra menioriam corum.
18. Es tribles de euer pris sera. —pres; juxta.
XXXIV, 6. Soient com poiulre de vent.
So P. Um das richtige Versmuss herzustellen, schreibt der Her-
ausg. come. Es ist aber mit V zu lesen com poudre devant vent; tan-
quam pulvis ante fadem venti. — Im vierten Vers statt constraigne,
welches nur eine irrige Wiederholung des letzten Wortes der vor
angehenden Zeile zu sein .scheint, bietet V repregne.
9. Dem dritten Verse fehlt eine Sylbe. Man setze mit V im
Anfänge die Conjunction et. — Statt lou fait im vierten Verse liest
V l’a trait.
19. gabemens von V scheint dem galemens des Druckes vor
zuziehen. — Der vierte Vers ist um eine Sylbe zu kurz und unver
ständlich. Man lese aber statt Sor moi fircnt de lor denz mit V fre-
mirent.
24. Si que mi oeil ii Deu le vir ent. — andeu; V andoi.
32. Demi: ä ma langue pancera,
Ta justice cn ton nom dira.
Nur die erste Person kann einen Sinn geben; da nun a für
liabeo nicht Vorkommen kann, so ist ohne Weiteres mit V penserai:
dirai zu lesen. Nach Deux gehörte demnach ein Komma. Endlich sei
bemerkt, dass statt ii ma l. V en ma l. hat.
XXXV, 1. Die Lücke des zweiten Verses ist mit den Worten
ne fäclie pechie zu füllen.
3. Statt moult (rparfont) hat V mont.
376
M u 8 s a f i n
XXXVI, 2. Et comme chous clechccherrout — d’erbe cherront;
quemadmodum olera herbarum decident. V hat commepau derbe.
23. tuit eil qui les maulz diront. V maudiront.
24. l'oire von V entspricht dem lat. gressus besser als l'ovre
des Druckes.
XXXVII, 2. Statt des übrigens ganz zulässigen ars hat V dars.
9. Diex, mes gemites ne fest celez. V mit richtigem Masse
gemirs.
IS ist, wie auch im Originale, nur eine Wiederholung von 14.
Ich stelle beide hieher :
14. Mais je, comme sours, n es oioie
Ne ma boaclie ne lor ouvroie.
15. Je suis fais com cilz qui voioit
Ne qui ne lui ne respondoit.
Die Verbesserungen n'oioit, nelui bieten sich von selbst.
18. qu' apareilliez sui ä toz vient. V tourment; in flagella
paratus sinn. —• Et ma dolours met en present — niest; dolor
meas in conspectu meo.
21. Da die Form jeu sonst in der Hs. nicht vorkommt, würde
ich statt jeu sivoie lieber j’ensivoie lesen.
23. Ma salus es ä moi: fatent? Die idiomatische Wieder
holung ma ... ä moi scheint an dieser Stelle unpassend. Es wird
daher besser sein, statt c ein t, wie es sich wirklich in V findet,
zu schreiben und den Vers so zu lesen: Ma salus es; ä moi t’aten.
XXXVIII, 4. Et mon penser li feus ardra. — En m. p.
8. Ma soustenance est comme viant
Devant le tien esgardement. — niant nient; tanquam
nihilum ante te.
14. (iui ans devins, ne pnrlqi pas — Muiaus; obmutui.
Vgl. 3 Muiaus fui, si mumiliai.
15. Les chastoies - tu forment. Eine Sylbe fehlt. Das Verbum
lautet aber nicht chaster, sondern chastier, daher mit V chastioies
zu lesen.
XXXIX, 6. Beneoiis est qui a fiance,
Ou nom de Dien alt esperance.
Ist auch ait wie gewöhnlich nichts anderes als a, so hat doch
die Wiederholung des Verbums etwas Gezwungenes an sich. Man
Handschriftliche' Studien. 377
wird vorziehen, das Komma zu streichen und statt alt mit V et zu
lesen.
12. J’ anunsai ta justice. Liest man mit V la toe, so erhält
man das richtige Versmass.
XL, 13. Einsi sai-je que tu mas chier,
Que etc.
Deutlicher V En che „darin erkenne ich deine Liebe, dass etc.“
XLI, 3. Parus me für ent et nuit et jour
Mi Auel, mes larmes et mi plor.
Lies pains ; fuerunt mihi lacrymae meae panes.
7. je en cor regehirai. In einem Worte encor; adhuc con-
fitebor. Vgl. XLII, 6.
13. Der fehlende Vers lautet nach V:
Pour coi vois ti'istres et pensis.
XLII, 3. An der Stelle von vertu hat V verte; veritatem. —
Tont mene ist ohne Weiteres in m’ont mene zu bessern.
XLIII, 4. Der fehlende Vers lautet bei V:
La terre ne porent avoir.
11. en nos vertus justcras gibt keinen Sinn. Man sieht aber
gleich, dass die drei Striche, welche ni bedeuten sollen, als iu
gedeutet wurden. Es soll heissen nisteras; non egredieris.
17. courir. Wohl covrir, nach dem einmal angenommenen
Grundsätze consonantisches u mit v zu schreiben.
XLIV, 6. Des Versmasses wegen lese man statt veritei,
vertei.
13. aenamera. Vielleicht nur Druckfehler für en aamera.
XLV, 1. Deus est nostre rcsvemcns. Das letzte Wort ist un
deutlich und dem Verse fehlt eine Sylbe. Es ist aber refujemens,
ein im Psalter häufig vorkommendes Wort, zu lesen. Lat. refugium.
6. Li pueple so nt contourble. V tuit cont.
XLVII, S. Anvcr (lui) sont tuit commeu. Das eingeklammerte
Wort ist vom Herausgeber, um die nüthige Sylbenzahl zu erhalten,
eingeschoben worden. V hat aber au veir, was dem Sinne besser
entspricht und jede Ergänzung unnöthig macht.
6- En vent d’eve liesse sich vertheidigen; den Vorzug ver
dient aber die Lesart von V desve; in spiritu vehementi.
378
M u s s a f i a
XLVIII, 8. entour vivra. Zu bessern nach V encor; vivet
adhac.
9. Der vierte Vers ist neunsylliig. Das erste et ist zu streichen.
XLIX, 1. li a la terre appelei. Li als Nomin. des Personal-
pron. ist unzulässig; man lese si.
8. Statt bucs hat V bues.
=1
IS. Mens Deus. Wohl mais.
22. Statt joie hat V voie; iter.
L, 7. son savoir. Ist nach V und dem Sinne in ton savoir zu
bessern.
17. Se sacrefise demandasses,
Et tu einst me delitasses,
Je le t’eusse ja donnei.
Man sieht gleich, dass te delitasses zu lesen ist. Auch hat V
statt einsi wohl besser en che. Vgl. die Bemerkung zu XL, 13.
18. De bon euer qui le quiert. Nur sechs Sylben. Cuer ist
offenbar aus dem vierten Verse unrichtig wiederholt worden. V bat
esperit; Spiritus.
LI, 2. Ta langue ....
Sicomme la novacle aguti,
Fait a tricherie esmolue.
Esmolue als Epitheton von tricherie gebt wohl nicht an; daher
ist es besser mit V fit (fut) zu lesen. Das Komma nach ague fällt
dann weg und a als Präposition erhält den Accent.
S. tes eslis — des eslis.
LII, 9. Israel soillißc scra. Dieses Particip ist verdächtig. Ver
gleicht man die wörtlich übereinstimmende Stelle XIII, 11, so findet
man s’esleecerait. V hat mit einem geringeren Versehen leslechera.
LIV, 11. cours gibt an der Stelle keinen befriedigenden Sinn.
V hat weit besser tors.
iS. Puet-celle-estre ne respondisse
De lui, que je ne le ve'isse.
So auch V, nur statt celle wohl besser cel. Das ne ist offen
bar unrichtig und muss in me verändert werden. Auch wäre es
besser, statt respondisse (aus lat. reponere, nicht aus respondere)
repondisse zu schreiben. Die lateinische Stelle lautet abscondissem
me forsitan ab eo.
Handschriftliche Studien.
379
17. Qui o moi.ij .mangiers prenoies. So auch V. Eine Rand
bemerkung schlägt die treffliche Emendation dous; qui simul me-
cum dulces capiebas cibos.
23. estoie und habitoie müssen zu estoient habitoient ver
ändert, werden.
26. conchieront. Zu theileu in concliier, r für t verschrieben
oder verlesen, also concliiet ont; contaminaverunt.
LV, 3. De haut jour paar aurai. Sieben Sylben. Lies averai.
5. en toy sont mi movement.... et mi loement. V vooment,
eine Ableitung aus Votum mit gleicher Bedeutung. Vgl. 12 von et
loenge.
LYII. Die Interpuuction von 4 und S stört ganz den Sinn. Der
Schlusspunct nach merveilles soll getilgt werden, da das folgende
celui nur ein von merveilles abhängiger asyndetischer Genitiv sein
kann. Das Komma nach tuer ist in einen Schlusspunct zu verändern.
6. fondra. V fraindra. LXVII, 23 steht im Drucke fandra
und in V wieder fraindra.
LVI1I, 3. En moi sont trenckie li fort. Da trencliie hier nur
zweisylbig sein kann (der Herausg. hätte demnach auch das e accen-
Liiren müssen), so fehlt dem Verse das richtige Mass. V bietet
trebuchie, das auch dem Sinne weit besser entspricht; irruerunt
in me fort es.
12. Deux m’a monstre mes anemis. V sor anemis; eine buch
stäbliche Übersetzung des lat. ostendet super inimicos meos. — Ina
vierten Vers ne me tent en oubli ma loy ist metent in einem Worte
zu schreiben.
13. esparailles (:toelle). V hat das auch sonst häufig vorkom
mende esparpeille (: toeille); dispergc. Vgl. die Bemerkung zu
XXI, 14.
LIX, 6. mesurai. Das Verbum muss im Futurum stehen; daher
mesurrai.
11. tu qui ä nous deboutas. V ja; qui repulisti nos.
LXI, 2. ne morra mie. — morrai.
Zwischen 3 und 4 fehlen :
Mais nequedent il porpensoient
Comment m’onour rebouteroient
En soif comi et il disoient
Bien de lor bouce et mal pensoient
380
M u s s a f i a
Ne por quant, m'ame, sois soumise
A Dieu, dont j’ai soufrance prise.
Mes sauverres, nies Diex, ma vie
Ne m'en fuirai, qu’il est m’aie.
En Diex (1. Dieu) nies salus et ma gloire
Et m’esperance et ma vietoire.
Tous ii pueples, en Dieu crees
Devant lui vos cuers espandes
Car ä tous jours vous aidera
Ja nul de vous ne guerpira.
LXIJ, 4. est essaucie. V ert. Auch im Lateinischen findet sich das
Futurum.
S. mes mains laverai. V leverai; levabo manus meas.
10. Li rois en lui joie aura. V richtiger en Dieu.
LXIV, 9. Et ta richesce. V Et de ta r.
11. ä degouter. V a son deg.
LXV, 8. Toute gent, Deu, beneissiez. Deu ist Accusativ, nicht
Vocativ; das zweite Komma ist daher zu tilgen.
9. pousas: laissas. Die zweite Person ist unzulässig.
V richtig posa: laissa.
12. Et en lroitour noas mena. Eine Sylhe fehlt. V refroitoir.
LXV1I, S. puls et fin — pius.
12. pracheans — V preechans.
21. met ä voie. Lies joie. V hat met ioie mit Weglassung der
nothwendigen Präposition.
2S. tes piez sunt. V soit;«aucli im Lat. steht der Conjunctiv:
nt intingatur.
LXVIII, 11. Estrangcs suis fais ä mon frere
Et pelerins et filz ma mere. — as.
42. Ja main tenront. In einem Worte: maintenront.
LXIX, 4. Statt der Wiederholung des ersten Verses von 3
bietet V:
Honte aient et soient torne.
LXX, 10. Ns me giete qiuint mors serai,
Ne me guerpir quan desfendrai.
V defaurrai; cum defecevit virtus mea.
LXXI, 9. Cil d'Ethyope Vaoreront.
Sinay terre Uckeront. — Si liay ; inirnici ejus ter-
ram lingent.
Handschriftliche Studien.
381
10. Nicht ofjerande, sondern des Versmasses wegen mit V
offrande.
14. Nicht celi, sondern des Versmasses wegen mit V cel.
LXXII, 10. Et li parfait jour vient et vein
Seront trouve en aus, et plain. V vil und en.
11. ... . com le saura Deux ?
Est donc Science amont en Dem? V ciex (: Diex).
19. Dentres quil für ent eslitie. V esleve ; allevarentur.
21. Aussi com some dessevant. fl wurde ss gelesen (d'esle-
vunt); velut somnum surgentis.
LXXIII, 6. Sicom en la porte soloient,
Et sor les gratis jours les metoient.
V tours; in exitu super summum.
15. Fontaines et raissiaus. V ruissiaus; fontes et torrentes.
20. Qui oscur sont ceste vie. Sieben Sylben. V en ceste vie.
LXXV, 9. La terre enferjai et trembla. V en fremi.
LXXVI, 13. Que est de euer entiers. V Qui vers toi est de
euer ent.
16. Li fons des aigues. — sons; sonitus aquarum.
LXXVII, 28. Et autre dou ciel tresporta. Eigentlich austre.
Transtulit Austrum de coelo.
S2. Dem lat. immissiones entspricht im Drucke envausiom,
bei V envaissons.
Zwischen 71 und 72 fehlen die Verse:
La lignie eslut de Juda
Et mont Syon que il ama
Com d’unieorne edefia
Son saintefice qu’il fonda.
74. Deux qui de euer ne sont nuisant. V Ceus.
LXXVI1I, S. Gabement et devision — derision.
8. Car Jacob meismes menerent. V manjerent; comederunt
Jacob.
12. dcslacicz les ploremens. Wohl in zwei Wörter des laciez
(oder etwa d’enlaciez?); gemitus compeditorum. Man könnte auch
nach CI, 21 des loies vermuthen.
LXXIX, 11. Et li ceclre qui inontö haut son. Es sind neun
Sylben. Man lese mont; nach V mult.
382
M u s 8 a f i a
13 en lor vendenges sont
Tuit eil qui par la voie vont. — font; vindemiant eam
omnes, qui praetergrediuntur viam.
LXXXIII. Zwischen 4 und S fehlt:
Beneoit sont li habitant
En ta sainte maison vaillant
Cil qui en Iui habiteront
A tous jours mais te loeront.
LXXXIY, 3. Die Form tricheride (: assouagide) scheint mir
unhaltbar; ich würde mit V an beiden Wörtern das zweite e strei
chen: tricherie: assouagie.
5. d’oir et oir — en.
7. la voie. Besser ta.
LXXXV, 2. Ton serf qu aura fiance meint (: sainf) —• an ta.
V hat in der That li en ta fianche maint.
9. Andres deus n’est que tu seus. Es fehlt eine Sylbe. V tu
tous seus.
14. Auch dem Verse Et piteus et voir disans fehlt eine Sylbe.
V hat aber pitoieus.
16. Der fehlende Vers lautet hei V:
Et essauehas et confortas.
LXXXVI, 1. Li fondement et la citeit. V de la c.
2. Glorious sunt dit en toi gibt weder einen Sinn noch einen
Vers. V hat glorieus dit sont dit en toi.
LXXXVII, 7. Sor rnoi confort en commans as. V ton forsen
commenchas; super me confirmatus est furor tuus.
9. Statt des unpassenden vendi bat V langai.
10. A toi mes meins vssuai. V eslevai: expandi manus meas.
12 und 13 müssen ihre Stellen abwechseln; denn auf was
würde sich das les von 13 beziehen? Dem lat. medici entspricht
im Drucke jaliant, bei V jaant.
LXXXVIII, 7. Car qui est es clels si gratis. Nur sieben Sylben.
V mies; in nubibus.
8. tes sains — ses, denn es ist in diesem Abschnitte überall die
Rede von Gott in der dritten Person.
11. Et bras — El; V ou; in brachio virtutis tuae.
18. roi d’Israel acru sons. V u cui.
Handschriftliche Studien.
383
22. A lui rien ne prefcrerait,
Ne anemis ne li nuirciit. V pourfitera.
Welches ist das Subject dieses Verbums? Ich vermuthe im
zweiten Verse Li anemis statt ne. Die lateinische Stelle lautet
voller: Nihil pro feiet inimicus ineo et filiusiniquitatis nonapponet
nocere ei.
42. Son siege en terre construisis. Sagt gerade das Gegentheil
von collisisti. V hat contrainsis.
LXXXIX, 2. ad wie. V adonc. — noues. V voes.
3. Die Construction Ne fai ä ti sers humilies ist undeutlich.
V hat: Ne fai com sors (lies c’om soit) humilies, was dem Origi
nale besser entspricht. Die Prosa-Übersetzung bietet: ne desturner
Imme en humilited.
4. millier c/’iaus — de ans.
5. Lor ans qu’en garde en nuit sont. So auch V, welches
nur font statt sont liest. Ich würde für letzteres Wort die Lesart
der Pariser Handschrift beibehalten und nur, statt qu’en, com lesen.
10. - Nostre an pausent cum arignie. V passent.
11. En sa puissent a octante ans. V en ses (lies les) puis-
sans; in potentatibus octoginta anni.
14. De ta mein fai sicom noissancc. V si counoissanche;
Prosa-Übersetzung: la tue destre issi cuneude fai.
15. cumhien ascens? V as (ans. Das Richtige wird wohl
sein atens.
XC, I. demora. Mit zwei rr zu schreiben, da das Verbum im
Futurum stehen muss.
2. A Deu dirait (= diraf): Neus mes sauveres. — T’es.
14. libre. V delivre mit richtigem Versmasse.
XCI, 8. Li autismes iert tous jours ton non. Li ist wohl nichts
als das grosse II von liautismes, welches sich in den Handschriften
sehr leicht als li lesen lässt.
XCII, 1. Statt Deus de vertu hat V chaius de vertu, was dem
Originale praecinxit se besser entspricht.
XCIII, 1. Avoirc mon delivrement. Was soll das Wort bedeu
ten? V hat aueure, was auevre als Iinperatif von auevrer oder
besser a uevrd gelesen werden kann. Lat. egit.
384
M u s s a f i a
15. iueuidö euer et net. Die sieben Striche, welche als incui
gelesen wurden, stellen mun dar: also munde euer et net.
XCYIII, 1. Cil qui les ydolles croient. Die fehlende Sylbe
könnte durch die Lesart oroient erhalten werden. V hat aoroient.
Nicht zu leugnen ist es jedoch, dass an dieser Stelle das Iinperfec-
tum weit weniger passend als das Präsens ist. — Im dritten Verse
statt li terre soit menee wird wohl meue zu lesen sein. Lat. mo-
veatur; moude in der Prosa-Übersetzung.
2. Deux el mont de Syon grans. Lies mit V Deux est el m.
5. Aores-le haut et les pie's. Statt haut hat V hanc. Der Vers
dürfte richtig lauten Aores le baue de ses pie's; adorate scabelhim
pcduni ejus.
9. Biaus sire Deux, trfes-courtois
Et moult propices lor estois.
Obwohl sich die hervorgehobenen Wörter ganz gut vertheidigen
lassen, will ich nur bemerken, dassV tu escoutoies (:estoiesj bietet,
eine Lesart, welche dem lateinischen exaudiebas eos weit näher
steht. Nur hat die Auslassung des Accusativs etwas Hartes an sich.
10. Nostre Sire bien essaucies,
Et en son saint mont le prisies.
V mit genauerer Beobachtung der Casusregel segneur. Vgl. 5:
Deu nostre Signor essaucies. Auch wird man das bei V vorkom
mende Wort dien dem vor essaucie's nicht gut passenden bien vor
ziehen.
C, 3. En maison. V En ina m.
4. Ja (V iej hay ceus qui n’orroient
La loy, et qui maulz i fasoient.
Unter den vielen Zeitwörtern der Vergangenheit passt das Con-
ditionale auf keinen Fall. V hat varioient la loy, was als Über
setzung des lateinischen facientes praevaricationes gelten soll.
6. Celui qui son voisin grevoit,
En repost mes cuers les sivoit.
Das Komma gehört nicht nach grevoit, sondern nach repost.
10. Que en la terre veoie. Dem Verse fehlt das richtige Mass.
V que je en l. t.
CI, 14. 11 tens. Wohl nur Druckfehler für li t.
16. li roi tu gloire avernnt. V ameront.
Handschriftliche Studien.
383
21. les gemites... des esloies. Ist esloids für compediti richtig
oder ist vielmehr de ses loids zu lesen? Vgl. die Bemerkung zu
LXXVIII, 12.
29. Cum covertur les mueras,
Cliucs seront, et tu seras;
Uns mesmes enfuiront,
Li tien an ja ne defaudront.
Statt chues lies mit Y mue, und en fineront statt enfuiront.
Im dritten Verse ist dann vor dem Zeitwort das von Metrik und
Syntax geforderte il (das übrigens auch in V fehlt) einzuschalten
und die Interpunction zu berichtigen. Dadurch erhalten wir
Mue seront, et tu seras
Uns mesmes; il en fineront,
Li tien an etc.
Sicut opertorium mutabis eos et mutabuntur; tu autem idem
ipse es et anni tui non deficient.
CII, 11. Car selonc ce que li ciels est haus
De la terre, cui il uest. . .
Man sieht gleich, dass haus zum zweiten Verse gehört und
folglich est mit ifest (vestitj richtig reimt.
CIII, 2. Tu as oestu confession,
Et graut biauteis est anviron
Covers et de clere lumiere.
Die verworrene Syntax wird richtig, wenn man mit V En gr. b.
tont a viron Couvers es de cl. lum.
9. Li mont montent et les vale'es
Sunt en lui, que fundas, aldes. — liu.
10. Le terme quas aigues pousas,
En lui oposbes les as ;
A nuljour ne trespasseront. — liu o (= ouj posees.
Man setze auch ein Komma an die Stelle des Semicolons,
welches jetzt das Object von seinem Verbum trennt.
17. Le pein les cuers confermes faces. V de pain.
18. Et li passerel venrunt. Eine Sylbe fehlt. V i venr.
21. Tenebres entrcuicis gibt keinen Vers. V en terre m.
23. Li solaus lieve ensamblement,
Et en lor lit aloue sunt. V ensamble vont (: sont).
386
M u s s n f i a
Nach lieve setze man ein Komma. Ortus est sol et congregati
sunt; et in cubilibus suis collocabuntur.
26. Iceste mers si est moult gratis,
Sans conte lii serpans rampans. V ia, das heisst i a.
28. escliartis. V escharnis; adiltudendum. — Im vierten Verse
statt en tout viande ist mit V en tans zu lesen; des escam in tempore.
29. Nicht dones, sondern dones, da hier überall die Rede in
der 2. Pers. Sing, stattfindet.
30. Es fehlt der zweite Vers:
De tout en lout les tourbleras.
CIV, S. Recorde's des mervelles. Besser nach V ses.
12. Quant denumbr6 petit estoient. — de numbre.
30. mouclies et eines entra
En lor contrde, qu es menn. V menja.
31. Statt gennes hat V grelles.
36. Nuns outre aus malades nestoient. V entr’aws.
44. Qui gardent tu log et requierrunt,
Et tes justifiemens quierrunt.
Mit dem Conjunctive gardent stimmen die Formen von V
requierent : quierent besser überein.
CV, 8. Dens escharnirent et gaberent,
Qui en la rouge mer monterent. — Ceus.
10. en .i. desert les mena. Der Herausg. stellte den Vers
durch Voranstellung der Conjunction Et her; V hat amena.
17. cliuflerent. V hat crucefierent, was jedoch dem Verse eine
ungebührliche Länge gibt.
18. Abiron ovri. V covri.
19. lifeu, qui les felon bnilla. V brula.
21. Lor gloire ont en semble (V semblanf) inuee
De veel qui le foin inanjufcc.
Manjude für manducat scheint mir eine unmögliche Form; sie
würde überdies den Vers um eine Sylbe zu lang machen. Ich lese
daher, statt müde aus mutare, mdue aus movere (V hat aus Verse
hen meii), womit manjue ganz richtig reimt.
Zwischen 30 und 31 fehlt:
Et ä l’aigue de contredit
Escharnirent Dieu de lor lit
Pour aus fu greves Moyses
Que il esmouvoienf ades
Handschriftliche Studien.
387
Et par ses levres devisa
Et la gens s’en esparpilla
Melle furent entre les gens
Si ont apris Iors ovremens
Lors pointüres ont aore
En escandele lor est tourne.
Et si ont lor enfans baillies
Au diable et sacrefiies
La terre est en lor sane tuee
Et en lor oevre violee
Qu’en lor males invenlions
Ont faites fornications.
32. Et as meiiis des gent les livra,
Lor nnemis lor mostra. V maistria; dominati sunt.
Zwischen 34 und 35 fehlt:
II vit quant il -orent tourment
Si escouta lor priement.
37. des maisons nous assemble. — V tiations; congrega nos
de nationibus.
CVI, 1. Car il est de grant bonteiz. V il est plains de g. b.
Zwischen 4 und 5 ist einzuschalten:
Tant i orent et fain et soi
Que lor ame failli en soi
Quant il orent tribulement
Si fisrent a Dieu eriement
Et Dame Diex les escouta
De lor besoing les delivra
En droit cbemin les a mene
Qu’il alassent ä la eite
A Dieu ses pities regehissent
Ses merveilles as hommes issent.
Car Tarne vaine saoula
Et de bien aemplie Ta
Cheus qui en tenebres seoient
Et [en] l’ombre de mort estoient
De eheus qui estoient lachie
De poverte en fers liie
Les paroles Dieu enaigrirent
Et le conseil Dieu escharnirent
Et li euers est bumilies
En grans travaus et abaissies
Tuit sont malades et tuit nu
Et qui a aus aidast ne fu.
SiUI), d. phil.-liist. CI. XL. Bd. III. Hft.
2ß
388
Muss» f i n
23. El siege des mens. — vieux; V viex; in cathedra sc-
niorum.
CVII, 3. te leverai. V wohl richtiger te loerai.
CYHI, 2. en par «Ion als Übersetzung des lat. gratis. Wohl in
einem Worte pardon. Vgl. Roquefort a. v.; Paris, Ch. d Ant. II,
200; Gachet, Gloss. u. s. w.
3. detrouoient für lat. detrahebant wird kaum richtig sein.
V detraioient.
6. empechies ist in en pechies (in peccatum) zu trennen.
11. Nuls hom ne soit ä lui aidant,
Quil aintera de ses enfant. V ait mcrci; misereatur.
Ich vermuthe auch mds statt qu'il.
13. Iniqnites de ses parans. Der schwer zu vermissende
Artikel findet sich in V: L'iniq.
19. Li uevre des deputaire. Dem Verse fehlt eine Sylbe. V
hat c’est li oevre; ein Zusatz, welcher auch der Syntax zu Statten
kommt.
CX, 2. Moult sunt graut los uevres De,
Exquisence en sa volenteit.
Dem ersten Verse fehlt eine Sylbe. V de De. Statt exquisence
hat V exquises.
3. La soie uevre, sicum li sons,
Est gründe et confessions.
Doch in einem Worte lisons.
CXI, S. de son saint proposement
N’aurajamais rcnvieinent. V remuement; non commovebitur.
8. A l’enfant, ä la povre geilt,
De son avoir departement. V II a fait a I. p. g.
9. de ses dens cnfcrmira. — en fermira (— fremira).
CXII, 8. fuis. — fius. Eben so CXV, 6.
CXII1, 12. D'arg ent, de l’or les ydels sunt. Besser mit V
d’arg. et d'o»\
22. Ceus qui doutent, et beneis. V a ben.; bencdixit omnibus
qui timent. Das Komma ist also zu tilgen.
24. De Diex estes beneieit
Qui le cielz et la terre a fait.
Handschriftliche Studien.
389
In jeder Beziehung richtiger lauten diese zwei Verse hei V:
De Dieu estes beneis ja,
Qui le ciel et Je terre fait a.
CXMI, 4. (lout ist ein Druckfehler für dont.
CXYI1I, 9. Li bachelers qui se desvoie
En quoi AemmAe-t-il sa vuie?
En gardant bien et netement
Tes dis et ton comandement. V amande.
19 .je sui terre continans. Lies coutivans; V cultivam; ine (da
in terra. Vgl. CXIX, 3: coutivemens — incolalus.
24. Ti tesmoing sont mi pensement,
Et Ii suit justifiement. V ti samt.
Zwischen 28 und 29 fehlt:
J’eslu voie de verite
Tes jugemens n’ai oublie.
32. bou Druckfehler für bon.
Zwischen 39 und 40 fehlt:
Et aus reprochans respondrai
Que (1. qu’cn) tes paroles me fiai.
40. Et n’cs pas de moi Ja verite. V Ne toi pas; ne auferas.
Audi lese man des Versmasses wegen mit V verte.
43. Devant toi. Lies roi; V roys; in conspectu regum.
47. Et iceste me conforta
En Jiumiliteit et forma. Besser mit V ferma.
80. Faite me tint. V Fante; defectio.
81. Oa len tes pelerins estoie. V des pel.
60. Mais je en tont le euer irai,
Tes comandemens cercherai. V que j'ai.
67. De euer ont cum lait amassei;
Mais j’ai-tbVL ta loi penseit.
Lies Le und en. Vgl. in Bezug auf letzteres Wort 74: car en
ta loi moult penseit ai.
78. M’arme en ton sauveour failli,
Et en ta parolle defailli.
Der zweite Vers zählt um eine Sylbe zu viel. V esperi; in verbtim
tu um super speravi.
82. conteront. V conterent; narraverunt.
88. Der fehlende Vers lautet bei V:
Car toutes riens a servir t’ont.
2ti*
390
M u ss a fi a
Zwischen 94 und 98 fehlt:
Sor mes anemis me leis
En ton saint inandement apris,
Car a tous jours est et sera
Et mes cuers en li pensera.
104. Les miens vioas fai ä moi plaisant. — toi.
106. Li felon ont 16s a moi mis. Ohne Accent les = lais las;
laqaeos.
HO. Mes receveres es et amandaucc. Dieser Vers ist von
ungebührlicher Länge. Man streiche das et und lese mit V m aidance;
adjutor.
116. Fiche ma char de ta tremour,
Garde ta justice ou paour. V Car de; a judiciis enim
tnis timui. Statt ou, welches auch V bietet, ist wohl ai zu lesen.
124. A tes mandemens m'adresse
Si hat voie feienesse.
Dem ersten Verse fehlt eine Sylbe und das Verbum im Präsens
passt zu den anderen im Imperfect oder Perfect nicht. V liest aber:
A tes mandemens m adreclioie
Si liai felounesse voie.
128. Si aies de moi pite. Lies mit V Et si aies etc.
184. gardoie ist ohne Weiteres in gardoient zu verändern.
•156. Ti premiers dit de verte sont,
Du jugement toujours seront. V Ti.
168. T'on dit ma langue anuncera,
(iui tes mandemens droiture a. V weit besser qu'en.
CX1X, 8. Las moi que mes coutivemens
Proloigna! si fu mandans.
Um die fehlende Sylbe zu ersetzen, lese man im zweiten Verse
ct si fu. Statt mandans hat dann V das gewiss vorzuziehende manent
(richtiger manens). Der Schluss dieses Abschnittes fehlt auch in V.
CXX, 1. Mes ious es mons en haut levai,
Font grant envic retenrai.
V aie rechevrai; veniet auxilium.
4. Estes-vous que jii dormira
Cil qui Israel gardera. V que ne dorm.; non dormitahit.
CXXI. Zwischen 2 und 3 fehlt:
Qui com eites est establie
De cui est en Dien sa partie.
Hand schriftliche Studien. 391
CXXIII. Die vom Heraus», aiigedeutete Lücke zwischen 6 und
7 wird durch V wie folgend ausgefüllt:
Et lor las est frais et tribles,
Dame-Diex nous a delivres.
CXX1V, 4 Deux, ta könne fai
As bons etc. Doch wohl honte.
3. Es fehlt der vierte Vers:'
Et joie auront tout li fael.
CXXV, 1. Quand Den de Syon converti
Et cheitis sivous esjoi.
Lies nach V Les cheitis, si nous esjoi; in conoertendo Domi
nus captivitutem Sion, facti sumus sicut consolati.
3. dirent. Besser mit V diront; dicent.
CXXV1I, 3. Ta femme en ta maison sera,
Fant come vigne habunderait. — fern fruit.
CXXVIII, 3. Qu eins soit seche que trenchies soit. — soi Pro
nomen. V hat irrthümlich qui eins trenche.
CXXXV, 5. Lune et estoille enpooirdc nuit (:mist) gibt keinen
Vers. V bietet por nuit /ist.
9. Qui par le desert.mena. Nur sieben Sylhen. V parmi.
CXXXVI, 1. Es fehlt der zweite Vers:
De Babilone et plorons.
3. Car cilz qui cliaitis nous menerent,
Et la chanson nous demanderent. V De l. c.
4. Les lois de Sion nous roverent. Besser mit V los.
8. Adam (: Jerusalem). V Edem; lat. Edom.
9. Descroissiez forment
En terre desi qu’au fondement.
V Entre d., eine Lesart, die sowohl dem Versmasse als dem
Sinne zu Statten kommt.
CXXXVH, 2. ä ton seint pucple aorerai. V temple; templum.
CXXXVII, 13. Et nulz (ni aura) cns pouze. Die einge-
klammerten Wörter fehlen im Drucke.
19. appacement. Jedenfalls appancement.
20. Ceus qui te heient, Deu, ne heioie ?
Sor tes anemis te dissoie?
So auch V, welches jedoch im ersten Verse mit richtigem
Masse die Negationspartikel ne weglässt. Der Satz wäre demnach
392
M u s s n f i u
nicht fragend, sondern bejahend. Die offenbar verderbten Worte
te dissoie (V disoie) könnten mit Hilfe der Prosa-Übersetzung,
welche defiseie bietet, berichtigt werden. Die lateinische Stelle
lautet: Nonne qui oderunt te, Domine, oder am, et super inimicos
tuos tabescebam?
CXXXIX, 13. Aupovre sera jugemens. — fern; faciet Judicium.
CXLI, 4. En la voie oü mi pie aloient,
Li orguillous lii reponoient. — las; laqueum.
CXL1I, i. entent ma convitoison. — V conjuroison; obsecra-
tionem.
CXLIII, 2. Mes detes ot nies sauvemens für susceptor meus et
liberator meus ist gewiss unrichtig. V bat mes rcccs et m. s.
3. Ma deffence en lui n’a for mis- Man lese mit V ma foi, und
setze nach deffence ein Komma oder ein Semicolon. Lat. protector
meus, et in ipso speravi.
4. Diene, est liom ä cui te culdas?
Et fix d’oume que te cuidas?
Im ersten Verse liest V est (richtiger qu’est) hom a cui tu
(besser te) moustras. Im zweiten statt des unstatthaften te hat V
tu; noch besser schiene mir le. Quid est liomo quia innotuisti ei?
aut filium hominis, quia reputas eum?
14. Les lor filles sunt ordinees,
Cum temples cn toi aornees. V entor; circumornatae.
16. lor buef. . ..
Qui sunt et bon ä mengie.
Es fehlt nach sunt das Wort cras.
CXLV, 1. je dirai
Los a son celz loerai. V a son non, sei locrai.
2. N’aies Cn princes esperance,
En fius d’onme ou est sauvance. V n'est.
6. Enlumine hei V scheint richtiger als enlumiere im
Drucke. Vgl. Canticum Zachariae, 12: enluminer.
CXLVI, 1. La es tuit Deu pour sa bontez;
Liesce joie baus soit ades.
Richtiger nach V ä De (:honte); Deo sit jucunda laudatio.
CXLVII, 2. beneisait : confortait. Das erste Wort böte uns
in der Tliat etwas Seltenes: ein Imperfectum auf -ait im dreizehnten
Handschriftliche Studien. 303
Jahrhunderte. Man trenne aber beneis ait (— a), womit conf'ortait
(— confortn) in beiden Mundarten übereinstimmt.
3. De grain forment te saüla. V cras; adipe frumenti.
7. Im ersten Verse lese man remetrai statt remtrai und im
dritten soufflera statt souffiern.
8. Sa justice ä Israel le reconte gibt einen Vers von unge
bührlicher Länge. Man lese mit V a Isr. conte.
CXLVIII. Zwischen 2 und 3 fehlt:
Loes, li solaus et la lune,
Loes Dieu, estoile chascune.
5. A tous siecles establis Ies a. Um eine Sylbe zu viel. V IV«.
8. Statt cendre lies cedre.
12. Car lois son pneple essaucera. — lors.
13. tes seins. Lies ses; sanctis ejus. Cfr. son pueple; ä
lui vient.
CXLIX, 1. Nucu chanson — nneve.
9. Anciablement ■— anciabl.
Te ileum laudamus.
4. Et cherubin et seraphin
Grient a toi en vous sens fiu. V eu vois.
22. Der fehlende Vers lautet bei V:
A tes mains et ses lieve et hauche.
Zwischen 24 und 25 fehlt:
Biaus sire Dicx, aies pite
De nous que tu as rachate.
B enedicite.
6. Beneois, este et froideor. Das Participium geht nicht an.
Man könnte beneis im Singular vermuthen; da sich aber sonst immer
der Plural findet, so ist es wohl besser, mit V beneissiez (hier drei-
sylbig) zu lesen.
8. eile est roi. V il. Ist doch von Gott die Rede.
15. Israel (Dieu) beneissies. Dieu fehlt im Drucke.
18. Beneis Deu, Ananies et Azaria ist kein Vers und es fehlt
der entsprechende Reim. BeiV:
Beneis Dieu, Ananias
Misael et Azarias.
l ) Nach Michel hätte ich eigentliche'^ s'es schreiben müssen; ich betrachte aber
üiese Trennung eben so unberechtigt, wie sie z. B. in d’cs (de Ulis) wäre.
394
M u s s a f i a
Canticuin Zachariae.
2. Et saht nous u adresie
En David et en sa liiaisnie;
Die Form des leizten Wortes ist durchaus unzulässig. Man
streiche den Accent und lese adresie (eines der so häufig Vorkom
men den Participia auf ie = iee) und maisnie.
3. Ensi cum il nous ai promis
Par la bouche de ses amis;
4. Salut de seins prophetes qui sunt
Des le commencement del mont.
Der erste Vers von 4 zählt neun Sylben, und das Ganze ist nicht
recht verständlich. V liest aber Et des sains etc. 0
12. Pour esdrecier nostre csement. V alement; ad dirigendos
pedes nostros (Luc. I, 79); cfr. XXXIX, 3: mes alemens a adreciez.
Die Hs. hat wahrscheinlich element. Man könnte vielleicht auch
eremeni aus er rer lesen.
C a n t i c u m S i m e o n i s 3 ),
3. Dont a fais apeleiuent
Devant la face u toates ge/it.
Dem ersten Verse fehlt eine Sylbe. V appareillenient; quod
parasti ante faciem omnium popidorum (Luc. II, 31).
Sancti Athanasii Credo.
3, 8-6. en porroit issir
Uns tems de mescreance. Weit besser V rains.
4, 4. espri (: mcntirj. V espir.
11, 3-4. Deus on ne doit nomer,
Trois signour napeler.
V Mais. Das Komma nach nomer ist demnach zu tilgen: „man
soll jedoch nicht drei Herren nennen“.
1 ) Auch hier dürfte das Wort salut nichts als die Anfangsbuchstaben des, übrigens in
beiden Handschriften fehlenden, lateinischen Abschnittes (Luc. 1, 71) salutein ex
inimicis nostris.
2 ) Canticum Mariae und oratio dominica felilen in V.
Handschriftliche Studien. 395
14, 5. j flz est non iij. Sind nur fünf Sylben. V et non iij.
16, 2. Vraie Trinite. Ebenfalls nur fünf Sylben. V veraie.
17, 1. qui niro et requiert. V voet.
20, 5-6. uns Den est solement,
Et non Diu pur raisons. — dui; V doi.
21,4. moller. Wohl melier mcslcr.
23, 5. glorions — glorious.
396
Di*. P f i z n» a i e r
SITZUNG VOM 22. OCTOBER 1862.
Herr v. Karajan legt als Präsident der historischen Com
mission die nachstehenden derselben eingesandten Arbeiten vor:
a) Die Grafen von Ortenbarg in Kärnten, vom Professor
Dr. Karlmann Tangl; 1. Abtheilung, von 1058 — 1156.
b) Die Fortsetzung der Regesten zur Geschichte Kärntens,
vom Jahre 1226 — 1269, von dem verstorbenen wirk). Mitgliede
Freiherrn v. Ankershofen.
Vorgelegt:
Tsckin-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
Von dem w. M. Dr. August Pfizmaicr,
Zwischen dem Mittellande und dem in dessen Norden wohnen
den Volke der Hiung-nu’s bestanden, wie die Geschichte lehrt, schon
seit den ältesten Zeiten vielfache Beziehungen, wozu sich später noch
ein gewisses Verhältniss der Freundschaft zu dem im Westen des
Hiung-nu-Landes liegenden, von einem den Hiung-nu’s in Sitten und
Lebensweise ähnlichen Volksstamme bewohnten Lande U-sün gesellte.
Während jedoch selbst die alle Frcmdländer des Südens und
Nordens auf weiten Strecken zurückwerfende Macht von Thsin im
Westen niemals über Lin-thao (das heutigeTln-tao in Kan-sü) hinaus
vorgedrungen war, kamen zu den Zeiten des Allhalters Hiao-wu von
Han sechsunddreissig Königsländer des Westens, deren Zahl spä
ter durch Theilungen sich auf fünfundfünfzig vermehrte, mit dem
Mittellande in Berührung. Diese Länderverbindung, welche mit dem
gemeinschaftlichen Namen „die westlichen Marken“ belegt ward,
befand sich im Westen des Landes der Hiung-nu’s und im Süden des
Landes U-sün.
Tschiii-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
397
Nach der ganzen Länge des genannten Gebietes liefen zwei
hohe Gebirgsketten, die eine (Nan-san oder Kuen-Iiin) im Süden,
die andere (Pe-san oder Thien-san) im Norden. Zwischen beiden
lag eine von einer Anzahl Flüsse bewässerte Hochebene. Der Durch
messer dieser Länder betrug von Westen nach Osten sechstausend
Weglängen (Li), von Norden nach Süden eintausend Weglängen.
Dieselben stiessen im Osten an die im Westen der Landschaft Tüu-
hoang befindlichen Durchwege F! iE Y5 ' men u,ld H |H? Ya, ‘g-
kuan, im Westen bildete das Gebirge Thsung-ling (Belut Tagli)
ihre Markscheide. Das südliche Gebirge (Kuen-Iiin) erstreckt sich
bis Kiu-sching (dem heutigen Lari-tscheu in Kan-sü), wo es mit dem
„südlichen Gebirge“ des Mittellandes zusammenhängt.
Die Flüsse des Landes haben einen zweifachen Ursprung, in
dem einige auf dem Gebirge Thsung-ling, andere in dem Lande
jjjjJ —j“ Yü-tien (dem heutigen Kirnten) entspringen. Das genannte
Yü-tien liegt am Fusse des südlichen Gebirges und die daselbst ent
springenden Flüsse nehmen ihren Lauf nach Norden, worauf sie sich
mit den auf dem Thsung-ling entspringenden Flüssen zu einem ein
zigen Flusse vereinigen, der, seinen Lauf nach Osten nehmend, sich
zuletzt in das „Meer“ ^ \j^ Pu-tschang ergiesst.
Das „Meer“ Pu-tschang (heutzutage der See Loop) wird sonst
auch „der Salzsumpf“ genannt. Dasselbe ist von den Durchwegen
Yö-men und Yang-kuan dreihundert Weglängen entfernt und misst
in der Länge und Breite ebenfalls dreihundert Weglängen. Das Was
ser des Pu-tschang steht still und erfährt weder im Winter eine
Zunahme, noch im Sommer eineAbnahme. Zur Zeit von Han glaubte
man allgemein, dass das Wasser des Pu-tschang unter der Erde ab-
fliesse und nächst dem Berge Tsi-sclü 1 ) als der gelbe
Fluss des Mittellandes wieder zum Vorschein komme.
Bei dem Austritte aus den Durchwegen Yo-men und Yang-kuan
standen zwei sogenannte Wege offen, auf welchen man die westli
chen Marken in ihrer ganzen Länge durchziehen konnte. Der Län
derstreifen, der bei dem Lande äs HR Schen-schen anfing, an den
Nordabhängen des südlichen Gebirges und längs dem Hauptflusse sich
hinzog und im Westen bei dem Lande jja Scha-lsch’he endete,
l ) Der Berg; TsT-scln, wörtlich „die gehäuften Felsen,“ befindet sich an der Stelle, wo
der gelbe Fluss das eiste Mal in das Milteliaud tritt.
398
Dr. P f i z m :i i e r
liiess der südliche Weg. Wenn man hierauf im Westen des südli
chen Weges das Gebirge Thsung-Iing überstieg, gelangte man nach
dem grossen Yue-tschi und nach Ngan-si.
Der Länderstreifen, der von dem Königssitze des vorderen
Tsch’he-sse anfing, an dem nördlichen Gebirge und längs dem Haupt
flusse sich hinzog und im Westen bei dem Lande jj)j( Su-Ii
endete, liiess der nördliche Weg. Wenn man hierauf im Westen des
nördlichen Weges das Gebirge Thsung-Iing überstieg, gelangte man
nach dem grossen Wan, nach Khang-khiü, Yen-tsai und
° 0 |Ejl *ti»7
Yen-schi.
Bemerkt wird noch, dass sämmtliche Flüsse im Westen des
Landes Yü-tien ihren Lauf nach Westen nehmen und sich in das
Westmeer (den caspischen See) ergiessen.
Die Bewohner des Landes der westlichen Marken hatten im
Allgemeinen feste Wohnsitze, sie besassen Städte und trieben Acker
bau, im Gegensätze zu den Iliung-nu's und den Bewohnern von
U-sün, welche ein Wanderleben führten.
Unter der Lenkung des Allhalters Hiao-wu waren sämmtliche
Länder des oben genannten südlichen Weges unter die Botmässig-
keit des Hauses Han gebracht worden und hatten seihst gegen die
jenseits des Thsung-Iing gelegenen Königsländer einige Male An
griffe stattgefunden, während die Unterwerfung des nördlichen, den
Einfallen der Iliung-nu's ausgesetzten Weges durch längere Zeit
unvollständig blieb. Erst der zu den Zeiten des Allhalters Siuen
lebende Heerführer Tsching-ke bewirkte (GO vor uns. Zeitr.) den
Anschluss des bisher ununterworfenen Theiles des nördlichen Weges,
worauf zur Beaufsichtigung sämmtlicher Länder der westlichen
Marken ein Gesandter, dem man den neugeschaffenen Namen Tu-
hoe, d. i. der allgemeine Erhalter, beilegte, ausgeschickt wurde.
Dieser Gesandte hatte seinen beständigen Wohnsitz in J|| Lui-
sching, einer in dem Stachel der westlichen Marken gelegenen festen
Stadt. Die Länder jenseits des Thsurig-ling gehörten jedoch, da sie
von Han unabhängig waren, nicht zu den, dem „allgemeinen Erhal
ter“ zugewiesenen Gebieten.
Unter den Männern, deren Thätigkeit Han die Ausbreitung sei
ner Macht in jenen fernen Gegenden verdankt, machte sich Tschin-
tharig, ein dem „allgemeinen Erhalter“ zugesellter niederer Heer
führer, durch seine raschen und wunderbaren Erfolge vorzüglich
Tschin-thang;, Fiirst-Zerlriimmerer von ITu.
399
bemerkbar. Als unter Umständen, welche im Verlaufe dieser Ab
handlung angegeben werden, der einzige damals unabhängige König
der Hiung-nu's die bereits geschwundene Macht seines Hauses wieder
herzustellen suchte und in dem Lande Khang-khiü, das er in Besitz
genommen, sich zu neuen gefährlichen Unternehmungen rüstete, sam
melte Tschin-thang, ohne dazu beauftragt worden zu sein, ein verhält-
nissmässig sehr wenig zahlreiches Heer, mit welchem er nach einem
Zuge von mehreren tausend Weglängen das Gebirge Thsung-ling
übersetzte, den Hiung-nu-König in dem fernen Khang-khiü (Sog diana)
an den Ufern des Tu-lai (Oxus) aufsuclite und die feste Hauptstadt
des Landes, bei deren Vertheidigung dieser König das Leben verlor,
erstürmte. Tschin-thang batte somit nach Gegenden, über welche
die Obergewalt des heutigen Mittellandes sich nicht erstreckt, die
Waffen von Han getragen, eine That, deren unmittelbare Folge die
Auflösung der Hiung-nu-Waltung und der Anschluss von Khang-khiü.
Die vorliegende Abhandlung bringt nebst den Einzelheiten des
erwähnten Feldzuges noch die Erzählung der ferneren, meist widri
gen Schicksale des an der Spitze des kühnen Unternehmens gestan
denen Heerführers. Es fehlte nämlich nicht viel, so wäre Tschin-
thang für eine That, durch welche er das Mittelland von seinem ge
fährlichsten Feinde befreite, anstatt Belohnung zu erhalten, gestraft
worden, weil er bei der Eröffnung des Feldzuges eine höchste Aus
fertigung, durch welche ihm dieses Unternehmen befohlen worden
wäre, vorgeschützt hatte. Er erhielt später eine verhältnissmässig
geringfügige Belohnung, ward jedoch in der Folge wegen anderer
Verbrechen, die man ihm zur Last legte, zu wiederholten Malen
verurtheilt und in jedem einzelnen Falle erst nach den beredten
Vorstellungen einsichtsvoller Männer von dem Himmelssohne unvoll
ständig begnadigt.
Erst nach dem Tode Tschin-thang’s Hess Wang-mang den Ver
diensten dieses Mannes Gerechtigkeit widerfahren, indem er den
bereits Verstorbenen, mit Rücksicht darauf, dass derselbe durch die
Erstürmung der Hauptstadt von Khang-khiü die Macht der Hiung-
nu’s, deren Land allgemein mit dem Namen Hu belegt wurde, ver
nichtet hatte, nachträglich zum Lehensfiirsteu von Po-hu, d. i.
dem das Land Hu zertrümmernden Lehensfürsten, gleichsam „Fürst-
Zertrümmerer von Hu“ ernannte und in das somit neu geschaffene
Fürstenlhum dessen hinterlassenen Sohn Tschin-fung einsetzte.
400
Dr. Pfismaier
Tschin-thangfiihrteden Jünglingsnamen Tse-
kung und sfammte aus pp- Hia-khieu*) in San-yang. In seiner
frühen Jugend liebte er die Bücher, die er bald vollkommen verstand
und sich dabei Fertigkeit im Zusammenfiigen von Wörtern erwarb.
Da er arm M ar, befasste er sich rückhaltslos mit Betteln und Borgen,
so dass man in den Gassen seines Heimatsortes nichts Rühmliches
von ihm zu erzählen wusste.
Er reiste endlich nach Tschang-ngan, wo er sich um ein Amt
bewarb. Er erhielt bei einer der hohen Obrigkeiten die Steile eines
Gehilfen bei der Darreichung der als Ehrengabe bestimmten Spei
sen. Nach einigen Jahren traf es sich, dass cjj| Tsch'hang-po,
Fürst von Fu-ping 2 ), mit ihm in Verbindung trat. Dieser
Fürst hatte eine hohe Meinung von den Fähigkeiten Tschin-thang’s.
Als im zweiten Jahre des Zeitraumes Thsu-yuen (47 vor uns.
Zeitr.) der Allhalter Yuen eine Verkündung an die Lehensfürsten mit
der Aufforderung ergehen liess, Männer mit ganz vorzüglichen Gaben
zur Beförderung vorzuschlagen, wurde Tschin-thang durch den Fürsten
von Fu-pi.ng zu diesem Behufe namhaft gemacht. Während Tschin-
thang auf eine Anstellung wartete, starb sein Vater, und der Sohn
unterlass es, in aller Eile aufzubrechen, um der Trauer um den Ver
storbenen beiwohnen zu können. Der Vorsteher der kleinen Ange
stellten meldete sofort an dem Hofe: Thang hat keinen gehörigen
Wandel. Po hat ihn erwählt und vorgeschlagen, er hat daher nicht
auf die Tauglichkeit Rücksicht genommen.
Thang-po ward somit schuldig erkannt, und zur Strafe wurden
von seinem Lehen zweihundert Thüren des Volkes losgetrennt. Seihst
nach seinem Tode erhielt dieser Fürst den Namen Lehensfürst
Mieu, d. i. der im Irrthum Befangene, wodurch man andeuten
wollte, dass er irriger Weise Menschen zur Beförderung vorge
schlagen habe.
Auch Tschin-thang ward in das Gefängniss zur Untersuchung ab
geführt und erhielt sein Uriheil, über dessen Beschaffenheit jedoch
in der Geschichte nichts angegeben wird. Später ward er indessen
wieder empfohlen und zum Leibwächter ernannt. Er bewarb sich
*) Das heutige Thse-yang-, Kreis Yen-tscheu in Schau-lang.
2 ) Derselbe war der Urenkel des berühmten Richters TsclUhang-lhang.
Tschin- thang, Fiirst-Zertriimmerer von Hu.
401
jetzt mehrmals um die Stelle eines Gesandten für die auswärtigen
Länder. Nacli längerer Zeit endlich ward er zu einem anderen
Amte versetzt und zu einem zugetlieilten Hiao-wei (niederen Heer
führer !) für die westlichen Marken ernannt, worauf er zugleich mit
dem die Stelle eines leitenden Gesandten für diese Marken beklei
denden 'gp 'j^J' Kan-yen-scheu nach den fremdländischen
Gebieten auszog.
Schon früher, noch zu den Zeiten des Allhalters Siuen, war das
Land der Hiung-nu’s, wo fünf Sehen-yü"s (Könige) um den Besitz
der höchsten Würde stritten, die Beute grosser Zerrüttung geworden.
Unter diesen streitenden Königen hatten Pf Hu -han-ye
Schen-yü und ^|] Tsche-tschi Schen-yü jeder seinen Sohn
an den Hof von Han zur Aufwartung geschickt, und Han hatte beide
aufgenommen. Später betrat Hu-han-ye Schen-yü in Selbstheit das
Gebiet des Himmelssohnes, nannte sich einen Diener von Han und
erschien an dem Hofe.
Tsche-tschi war der Meinung, dass Hu-han-ye, vollständig
geschlagen und ohnmächtig, sich Han ergeben habe, daher nicht im
Stande sei, in sein Land zurückzukehren. Er wandte sich sofort nach
Westen und zog das zur Rechten gelegene Land an sich.
Als Han eine Kriegsmacht aussandte und durch sie Hu-han-ye
Schen-yü einführen liess, wandte sich Tsche-tschi bei dieser Gele
genheit ohne Verzug wieder nach Westen und zertrümmerte die drei
Länder |J Hu-klii, Kien-hoen und 4>T Ting-'
ling, in welchen er, nachdem er sie zu einem Ganzen vereinigt, eine
Hauptstadt bezog. Unwillig darüber, dass Han den König Hu-han-ye
aufgenommen und beschützt, ihm selbst (Tsche-tschi) aber keine
Hilfe geleistet, quälte und beschimpfte er auf alle Weise ^jZj|
Kiang-nai-schi und die übrigen zu ihm gekommenen Gesandten
von Han.
Im vierten Jahre des Zeitraumes Thsu-yuen (45 vor uns. Zeitr.)
schickte Tsche-tschi seinerseits einen Gesandten mit Geschenken
an den Hof von Han, bei welcher Gelegenheit er seinen daselbst
aufwartenden Sohn zurückbegehrte und den Wunsch ausdrückte, dass
sein Land zu den Anschlüssen des Inneren von Han gezählt werde.
1 ) Derüig-entliehe Sinn des Namens Hiao-wei soll „Reruliiger des Vordachs“ sein, da
das Vordach der Orl ist, von welchem dieser Heerführer seine Befehle crtheilte.
402
Lh\ Pfizmaie r
Han kam im Rathe überein, "=L Ko-ke, den Vorsteher der
Pferde für die Leibwache, abzusenden und durch ihn den Sohn des
Hiung-nu-Königs begleiten zu lassen. Der oberste vermerkende
Grosse Kung-yü und der Hofgelebrte pE Khuang-
heng waren der Meinung, es sei im Geiste des Werkes „Frühling
und Herbst“, dass, wenn man den Fremdländern des Ostens und
Westens etwas bewillige, diese sich nicht mit dem Einzigen begnü
gen J ). Jetzt habe sich Tsche-tschi Schen-yü noch nicht auf
richtig der Umgestaltung zugewendet, der Ort, wo er sich
befindet, sei überaus fern, es sei daher angemessen, den Gesandten
zu beauftragen, dass er den Sohn des Schen-yü bis an die Versper
rungen der Marken begleite und hierauf zurückkehre.
Dagegen machte Ke-ko eine Eingabe, worin er dem Himmels
sohne Folgendes vorstellte: Das Mittelland gegenüber den Fremdlän
dern des Ostens und des Westens hat des Neigens der Halfter, der
Unzerreisslichkeit Beziehung. Jetzt hat man bereits ernährt und
unversehrt erhalten jenen Sohn durch zehn Jahre, die Wohlthat und
die Mildthätigkeit dessen sind überaus gross. Wenn man, ihn leer
ausgehen lassend, sich losreisst und ihn nicht begleitet, wenn man in
der Nähe bei den Versperrungen zurückkehrt, so würde man zeigen,
dass man ihn zurückwirft, verstösst und ihn nicht mit Liebe ernährt.
Man würde bewirken, dass bei ihm kein Wille vorhanden, sich zuzu
wenden und zu folgen. Man würde verwerfen die vorhergegangene
Gnade und begründen den nachfolgenden Hass. Dass dies keine vor-
theilhafte Berathung, lässt sich ersehen. Vordem hatte Kiang-nai-
schi keine entsprechende, treffende Zählung. Sein Verstand und sein
Muth wurden gemeinsam zu nichte, und er erlitt Schimpf und
Schande. Er ward sofort im Voraus der Gegenstand meines Kummers.
Ich bin so glücklich, dass ich festsetzen kann die Abschnitte des
mächtigen Han, unterstützen die Verkündung der erleuchteten höch
sten Weisheit, verbreiten und andeuten die übergrosse Gnaffe, es
ist nicht wahrscheinlich, dass jener es wagen wird, Unthaten zu
begehen. Wenn er in dem Busentrüge das Herz der Vögel und wilden
Thiere, wenn er Ruchlosigkeiten üben sollte gegen mich, so würde
Man möge ihre Forderungen zurechtschneiden und beschränken, da sie nicht-alles, was
sie begehren, ausdrücklich sagen.
Tschin-thang, Fiirst-Zertrümmerer von Ilu.
403
der Sehen-yü für die Dauer verwickelt sein in eine grosse Schuld,
er würde gewiss entweichen, in der Perne seinen Aufenthalt neh
men und es nicht wagen, sich zu nähern den Markungen. Dass man
verfallen lasse einen einzigen Gesandten, um Ruhe zu geben den
hundert Geschlechtern, ist die Berathung des Landes, der Wunsch
des Dieners. Ich wünsche, ihn zu begleiten bis zu seiner Vorhalle.
Der Himmelssohn zeigte die oben stehende Eingabe den an
seinem Hofe versammelten Würdenträgern. Unter diesen machte
Kung-yii nochmals dagegen Einwendungen, indem er meinte, dass,
wenn Kö-ke die beabsichtigte Reise antrete, dies gewiss für das
Land Ursache der Reue sein und ernste Ereignisse herbeiführen
würde, wesshalb man ihm dies nicht erlauben dürfe. mm
Fung-fung-schi, der Heerführer der Rechten, war jedoch der Mei
nung, das man Kö-ke als Gesandten schicken könne, worauf der
Himmelssohn seine Zustimmung gab.
Nachdem man jetzt an dem Ziele der Reise angekommen, ge
riet!] Tsche-tschi Schen-yü in Zorn und liess zuletzt Kö-ke sammt
den übrigen Mitgliedern der Gesandtschaft tödten. Hierdurch hatte
er zugleich von seiner Auflehnung gegen Han offen Kunde gegeben.
Als er ausserdem erfuhr, dass Hu-han-ye seine Macht verstärkt habe,
floh er eilends nach dem noch weiter im Westen gelegenen, von
Tschang-ngan zwölftausend fünfhundert Weglängen entfernten Lande
M Khang-khiü 1 ). Der König von Khang-khiü vermählte eine
seiner Töchter an Tschö-tschi und dieser gab ebenfalls eine seiner
Töchter dem Könige von Khang-khiü zur Gemahlinn. Das Land Khang-
khiü hielt den Ankömmling überaus in Ehren, und dieser gedachte
das Ansehen, in welchem er daselbst stand, dazu zu benützen, um
sämmtliche Länder jener Gegenden einzuschüchtern.
Tsche-tschi verwendete öfters die Streitkräfte von Khang-
khiü, mit denen er das benachbarte Land J=| U-sün 3 ) angriff
*) Das Land Khang-khiü ist Sogdiana. In der hier angegebenen Entfernung hefandsich
der Winteraufenthalt des Königs von Khang-khiü. Der Ort, wo dieser König den
Sommer zuzubringen pflegte, war von Tschang-ngan neuntausend einhundertund-
vier Weglängen entfernt.
2 ) Dieses mächtige Land lag in Südosten von Khang-khiü und das hier sogleich genannte
Tsch'ln-kö-sching „die Feste des rothen Thaies“ war von Tschang-
ngan achttausend neunhundert Weglängen entfernt.
Sitz!), d. phil -hist. CI. XL. Bd. III. Ilft.
27
404
Dr. P fi t in aie r
und in dasselbe tiefe Einfalle machte, indem er bis zu der „Feste
des rothen Thaies“, dem Wohnsitze des Königs von U-sün, vordrang,
dabei Menschen des Volkes tödtete und auf seinen Streifzügen die
Heerden forttrieb. Die Macht von U-sün getraute sieh nicht, die
Räuber zu verfolgen, so dass die an den Westmarken von Han gele
genen Länder verödeten und eine Strecke von nahe tausend Weg
längen unbewohnt blieb.
Tsche-tschi Schen-yü hatte schon durch die Macht eines gros
sen Landes seinem Namen Achtung verschafft und war ein Mann
von Einfluss geworden. Jetzt that er sich noch auf seine Siege zu
Gute und liess in seinem Stolze die dem Könige von Khang-khiü
schuldigen Rücksichten ausser Acht. Er tödtete im Zorne die Toch
ter des Königs von Khang-khiü nebst anderen Weibern und noch
mehreren hundert Menschen des Volkes, von denen er einige mit ab
gehauenen Gliedmassen in den Fluss t|?g Tu-lai werfen liess.
Ausserdem wurden auf seinen Befehl Leute des Volkes ausgehoben
und bei der Aufführung von Stadtmauern verwendet. An diesen Bauten
arbeiteten täglich fünfhundert Menschen, was erst nach zwei Jahren
ein Ende nahm. Ferner liess er durch seine Gesandten die Länder
(ifj Ho-su *) und das grosse Wan 2 ) autfordern, die jähr
lich als Abgabe dienenden Geschenke an ihn einzusenden. Keines
dieser Länder hatte den Muth, die Gabe zu verweigern.
Endlich schickte Han drei verschiedene Gesandte nach Khang-
khiü mit dem Aufträge, die Leichname Ko-ke’s und der übrigen
Mitglieder der früheren Gesandtschaft zu begehren. Tsche-tschi
quälte und beschimpfte auch diese zuletzt abgeschickten Gesandten
und weigerte sich, die höchste Verkündung anzunehmen. Bei dieser
Gelegenheit übersandte er durch den die Stelle eines pfe Tu-hoe,
„allgemeinen Erhalters“ 3 ) bekleidenden Würdenträger dem Him-
*)
3 )
Das Land Hö-su, welches sonst auch
Yen-tsai genannt wird, lag etwa
tausend Weglängen nördlich von Khang-khiü.
Der Wohnsitz des Königs des grossen Wan war von Tschang-ngan zwölftausend
zweihundert fünfzig Weglängen entfernt.
Zur Zeit des Allhalters Siuen meldeten sechsunddreissig'Länder des Westens ihren
Anschluss an das Innere von Ilan. Der Himmelssohn beslimmle zu deren Überwachung
einen Gesandten, dem der Name „allgemeiner Erhalter“ beigelegt ward. Zur Zeit der
hier erzählten Ereignisse bekleidete Kan-ven-scheu die Stelle eines solchen Gesandten •
Tsehin-thang, Fiirst-Zertriimmerer von Hu.
405
melssolirie ein Schreiben, worin er sagte: Ich befinde mich in Noth
und Bedrängniss. Es ist mein Wunsch, mich anzuschliessen, zu
empfangen die Rathschläge von den mächtigen Han und zu schicken
meinen Sohn, damit er eintrete und aufwarte. — Diese Worte mit
denen er Han verspottete, werden als ein Beispiel von dem Stolz und
Übermuth Tsehe-tschi Schen-yü’s angeführt.
Im dritten Jahre des Zeitraumes Kien-schao (36 vor uns. Zeitr.)
unternahmen Tschin-tliang und Kan-yen-scheu ihren Zug nach denLän-
dern der westlichen Fremden. Tschin-thang war ein Mann von aus
nehmendem Muthe und grosser Überlegung, der, reich an Entwürfen,
Freude an der Verrichtung wunderbarer Thaten hatte. Wenn ihn
sein Weg zu einer Feste, einer Stadt, einem Berge oder fliessenden
Gewässer führte, bestieg er gewöhnlich eine Anhöhe und über
blickte die Gegend.
Nachdem er die Leitung der auswärtigen Länder übernommen,
hielt er mit Kan-yen-scheu Rath und theilte diesem seine Gedanken
in folgender Auseinandersetzung mit: Die Fremdländer des Ostens
und Nordens sind voll Scheu und Unterwürfigkeit. In grosser Aus-
säung ist dies bei ihnen die Angeborenheit des Himmels. Die-Län
der der westlichen Marken gehören ursprünglich den Hiung-nu’s.
Jetzt hat Tsche-tschi Schen-yü einen furchtbaren Namen, in weiter
Entfernung wird von ihm gehört. Er sucht heim mit Einfällen und
beleidigt U-sün und das grosse Wan. Er befasst sich beständig für
Khang-khiü mit Anschlägen, er will jene zur Unterwerfung bringen.
Wenn er gewinnt diese zwei Länder, wenn er im Norden losschlägt
gegen I-lie ‘). im Westen wegnimmt Ngan-si 2 ), im Süden zurück
schlägt die Thorflügel von Yue-tschi 3 ) und San-li-U-yi 4 ), so sind
! ) Das Land
/^l| Wie ia
ag im Norden des Thien-san.
2) £3 -/tt- Ngan-sT, ein grosses Land, welches mehrere tausend Weglängen im
* VJiiN /S
Umfange hatte und dessen Hauptstadt sich von Tschang-ngan in einer Entfernung
von eintausend sechshundert Weglängen befand. Dessen Bewohner bedienten sieh
des geprägten Silbergeldes und einer Schrift mit querlaufenden Zeilen.
3 ) Die Hauptstadt des Landes ^ ;i Yue-tschi war von Tschang-ngan eintausend
sechshundert Weglängen entfernt.
4 ) Dieses als volkreich geschilderte Land wird sonst immer
U-yT-san-li genannt. Der Wohnsitz seines Königs war von Tschang-ngan zwölftau
send zweihundert Weglängen entfernt.
ui tft
406
Dr. P f i z in a i e r
in einigen Jahren die Länder der Stadtmauern und Vorwerke *) in
Gefahr.
Auch ist dieser Mensch rasch und inuthig, er liebt Kampf und
Angriff. Wenn er mehrmals siegt und Länder lange Zeit unter seiner
Obhut hat, so wird er gewiss für die westlichen Marken ein Gegenstand
der Sorge. Befindet sich derWohnsitzTsche-tschiSchen-yü’s auch in
überaus grosser Entfernung, die Fremdländer haben nicht die Ver-
theidigung eherner Mauern mit starken Armbrüsten. Wenn wir aus
rücken lassen die Angestellten und Kriegsmänner der Felder der
zusammengezogenen Schaaren 2 ), voransprengen und folgen heissen
die gesammte Waffenmacht von U-sün, gerade mit dem Finger zei
gen auf den Fuss seiner Stadtmauern, mag jener dann fliehen, so
hat er keinen Ort, wohin er sich könnte begeben, mag er sich ver-
theidigen, so ist dies für ihn nicht hinreichend, sich zu schützen.
Die Kriegsthaten von tausend Jahren können an einem einzigen Mor
gen verrichtet werden.
Kan-yen-scheu war ebenfalls der Meinung Tsehin-thang's und
wollte, dass man den Entwurf dem Himmelssolme vorlege und um
die Erlaubniss zur Ausführung bitte. Tschin-thang hielt dies nicht
für zweckmässig und sagte: Die Länder und Häuser gehen mit den
Fürsten und Erlauchten zu Rathe. Grosse Entwürfe werden von ge
wöhnlichen Menschen nicht durchhlickt. Der Sache wird gewiss
nicht Folge gegeben werden.
Kan-yen-scheu hegte gegen ein solches unerlaubtes Vorgehen
Bedenken und ging hierauf nicht ein. Als er hierauf in eine längere
Krankheit verfiel, erdichtete Tsching-thang für sich allein die Aus
fertigung eines höchsten Befehles und liess die Streitkräfte sämmt-
licher Länder der „Stadtmauern und Vorwerke“, ferner die in den
drei Landen von Tsclfhe-sse “) weilenden Hiao-wei (nie
deren Heerführer) der Reihe Meu und ^ Khi 4 ), endlich die
1) „Länder der Stadtmauern und Vorwerke“ heissen die westlichen Marken, weil
deren Bewohner, im Gegensätze zu den Hiung-nu’s, sich nicht ausschliesslich von
Viehzucht nährten und auch kein Wanderleben führten.
2 ) Die Felder, auf denen die Krieger,Ackerbau trieben.
3 ) Die drei Länder von Tsch’he-sse waren von Tschang-ngan beinahe neuntausend
Weglängen entfernt.
4 ) »Meu ist das fünfte, Khi das sechste der zu dem Zählungskreise verwendeten Wör
ter, welche die „zehn Stengel“ genannt werden. Unter diesen Wörtern gehen,
wie angegeben wird, alle übrigen auf ein Viereck, nur das fünfte und sechste
Tschin-thang, Fürst-Zertriimmerer von Hu. 40?
Angestellten und Kriegsmänner der „zusammengezogenen Scliaaren“
ausrücken.
Als Kan-yen-scheu dies erfuhr, erhob er sich erschrocken von
seinem Lager und wollte diese Verfügungen rückgängig machen.
Aber Tschin-Ihang legte zornig die Hand an das Schwert und schrie
seinen Gefährten mit den Worten an: Die grosse Heeresmenge hat
sich bereits versammelt: will ein Knabe aufhalten eine Heeres
menge? — Kan-yan-scheu leistete sofort Folge.
Man wies hierauf den Streitkräften ihre Stellungen an und
führte die Reihen vorwärts, wobei Tschin-thang, um den Ruf seiner
Macht zu begründen, drei neue Refehlshaber: einen Hiao des „aus
gebreiteten Ansehens“, einen Hiao des „weissen Tigers“ und einen
Hiao der „vereinten Reiter“ einsetzte. Nachdem die gesammte Macht
von Han und Hu sicli vereinigt hatte, betrug deren Stärke vierzig
tausend Streiter.
Kan-yen-scheu und Tschin-thang richteten jetzt an den Him
melssohn ein Schreiben, worin sie sich einer Schuld ziehen und
meldeten, dass sie die Ausfertigung des höchsten Refehles erlogen
hätten. Zugleich legten sie auch die von ihnen entworfenen Umrisse
des Feldzuges dar.
Man liess hierauf noch an demselben Tage das Heer vorrücken
und ernannte, indem man dasselbe theilte, noch sechs verschiedene
Hiao zu Anführern. Drei Hiao, welche auf dem südlichen Wege 1 )
zogen, überschritten das Gebirge Thsung-Iing und näherten sich
auf schmalen Fusssteigen dem grossen Wan. Die drei anderen Hiao
und der Tu-hoe zogen unter der Anführung Tschin-thang's von dem
Lande Wen-so 2 ) aus, drangen, indem sie den nördlichen
Wega) erwählten, in Tsch’ln-ko, den Wohnsitz des Königs von
U-sün, überschritten, indem sie U-siin hinter sich Hessen, die Marken
müssen zurecht gestellt werden. Die zwei genannten Heerführer, welche für die
Länder der westlichen Marken bestimmt sind, haben ebenfalls keinen beständigen
Wohnsitz, wesshalb sie ihre Namen von dem fünften lind sechsten Worte der zehn
Stengel erhielten. Nach Anderen befinden sich die Wörter Meu und Khi in der
Mitte, wo sie die vier Seiten niederhalten und überragen. Die zwei eingesetzten
Iliao-wei haben ihren Wohnsitz ebenfalls in der Mitte des Landes der westlichen
Marken, von wo sie sämmtliche Länder beruhigen.
*) Der südliche Weg ist das Land im Süden des Thien-san.
2 ) Das Land Wen-sö war von Tschang-ngan achttausend dreihundert fünfzig Weglän
gen entfernt.
3 ) Der nördliche Weg ist das Land im Norden des Thien-san.
408
Dr. P f i z m a mm*
des Landes Khang-khiü und standen westlich von einem Orte,
Namens '/[jl j^jTien-tsch’hi*)•
Während die Streitkräfte so weit vorgedrungen waren, unter
nahm jjgj ;j^ Pao-tien, der zugesellte König von Khang-khiii,
mit einigen tausend Reitern einen Raubzug nach den im Osten der
Feste von Tsch’lü-ko gelegenen Gegenden, tödtete oder entführte
ungefähr tausend dem Lande des grossen tjppj Hoen-mi*) an-
gehörige Menschen, trieb zahlreiche Heerden fort und erschien
hierauf im Rücken des Heeres von Han, wo er die nachziehenden
Lastwagen in ziemlich bedeutender Menge wegnahm und plünderte.
Tschin-thang überliess es den Kriegern von Hu, den König
anzugreifen. Diese Hilfsmacht tödtete dem Könige vierhundert sechzig
Leute und nahm ihm vierhundert siebenzig Menschen des Volkes,
welche auf diesem Streifzuge weggeführt worden waren, wieder ab.
Tschin-thang liess die von ihm befreiten Menschen dem grossen
Hoen-mi wieder zukommen, die ebenfalls erbeuteten Pferde, Rinder
und Schafe behielt er jedoch und sorgte dadurch für den Lebens
unterhalt seines Heeres. Bei dieser Gelegenheit ward auch ein bei
dem Könige Pao-tien angesehener Mann, Namens j^Ll-nu-
tö, durch die Krieger von Han gefangen genommen.
Nachdem Tschin-thang die östliche Mark von Khang-khiü über
schritten, erliess er einen Befehl, worin er seinem Heere das Plündern
verbot. Er bewirkte hierauf, dass ein in dem Lande angesehener
Mann, Namens §ji Thu-me, heimlich herbeigerufen wurde. Er
empfing diesen bei sich, verkündete ihm, dass er (Tschin-thang) mit
Macht ausgerüstet sei, dabei das Vertrauen des Gebieters besitze und
entliess ihn wieder, nachdem er in seiner Gesellschaft getrunken
und mit ihm einen feierlichen Vertrag geschlossen.
Unterdessen führte Tschin-thang seine Reihen immer vor
wärts. Als er von der Feste des Schen-yii etwa noch sechzig
1 ) Dieser Name soll, wie Khang-hi auffallender Weise angibt, Ki-tsch’hi ausgespro
chen werden.
2 ) lloen-mi wurden die Könige von U-sün genannt. Zur Zeit der hier erzählten Bege
benheiten gab es einen grossen und einen kleinen Hoen-mi, deren jeder ein beson
deres Gebiet besass. Noch früher wurden die Worte Hoen-mi durch
Iloen-mö ausgedrückt.
Tsehin-lhnng, Fürst-Zertriimmerer von Hu.
409
Weglängen entfernt war, machte er Halt und verschanzte sich.
Hier nahm er wieder zwei in Khang-khiii angesehene Männer,
gefangen und bediente sich derselben als Wegweiser. Der hier
genannte Pei-si-tse war der jüngere Bruder der Mutter des früher
erwähnten Thu-nie. Alle diese Männer hassten den Schen-yü, und
Tschin-thang verschaffte sich durch sie Kenntniss von der Denkungs
art Tsche-tsclii’s.
Am folgenden Tage führte Tschin-thang seine Reihen wieder
vorwärts. Als er von der Feste noch dreissig Weglängen entfernt
war, machte er wieder Halt und verschanzte sich. Der Schen-yü
schickte jetzt einen Gesandten und liess fragen, was die Ursache
dieses Anrückens der Streitkräfte von Han. Man antwortete ihm:
Der Schen-yü hat emporgereicht ein Schreiben, worin er sagt: Ich
befinde mich in Not'h und Bedrängniss. Es ist mein Wunsch, mich
anzuschliessen, zu empfangen die Rathschläge von dem mächtigen
Han, in Selbstheit einzutreten und zu erscheinen an dem Hofe.—
Der Himmelssohn empfand Mitleid und bedauerte den Schen-yü, der
verlassen hat das grosse Königsland und gebeugten Sinnes sich be
findet in Khang-khiü. Desswegen hiess er den Tu-hoe befehligen ein
Kriegsheer, liier ankommen und abholen denScheu-yü sammt dessen
Gattinn und Kindern. Wir fürchteten, dass dieUingebung zur Rechten
und Linken in Schrecken gerathen werde, desswegen wagten wir
es noch nicht, einzutreffen unter den Stadtmauern.
Die Gesandten kamen und entfernten sich mehrmals mit Ant
worten, bis endlich Kan-yen-scheu und Tschin-thang den Schen-yü
mit folgenden Worten zur Rede stellen liessen: Wir kommen um des
Schen-yü willen aus weiter Ferne und sind hier eingetroffen. Jetzt
ist kein namhafter König 1 ), kein grosser Mann, der besucht den
Heerführer und in Empfang nimmt den Gegenstand. Warum hat der
Schen-yü vergessen die grosse Berathung, ausser Acht gelassen die
Gebräuche, die gelten zwischen Gast und Wirth? Die Wege, auf
denen die Streitkräfte daherkommen, sind weitgedehnt, Menschen
und Thiere sind erschöpft auf das Äusserste, die Lebensmittel
werden wahrscheinlich zu Ende gehen. Es ist zu fürchten, dass
wir auf keine Weise heimkehren können. Wir wünschen, dass der
*) Ein namhafter König ist so viel als einer der angesehensten Könige des Landes.
410
l)r. P f i z m a i e r
Schen-yü mit den grossen Dienern untersuche das Rohrbrett der
Rathschläge.
Am folgenden Tage rückte das Heer von Han bis zu der Feste
Tsche-tschi's und an die Ufer des Flusses Tu-lai. Als es von den
Stadtmauern nur noch drei Weglängen entfernt war, machte
es Halt und verschanzte sich, indem es seine Schlachtreihen aus
breitete. Die Krieger von Han gewahrten jetzt aus der Ferne, dass
auf der Höhe der Mauern, welche die Feste des Schen-yü bildeten,
fünffarbige glänzende Fahnen aufgesteckt waren. Mehrere hundert
in Panzer gekleidete Männer hatten die Stadtmauern bestiegen.
Ferner hatte der Feind hundert Reiter ausgeschickt, welche an dem
Fusse der Stadtmauern auf und ah sprengten, während hundertKrieger
zu Fusse das Thor einschlossen und eine Schlachtreihe in Gestalt
unter einander gemengter Fischschuppen bildeten. Hierdurch wollte
der Feind zu verstehen geben, dass er in der Kriegführung geübt sei.
Die Leute auf den Mauern winkten abwechselnd dem Heere von
Han und riefen, dass man zum Kampfe herbeikommen möge. Zu
gleicher Zeit sprengten hundert feindliche Reiter gegen die Ver
schanzungen von Han. Die Leute in den Verschanzungen spannten
die Armbrüste und zeigten, während sie diese, mit Pfeilen belegt, in
den Händen hielten, mit den Fingern auf die Nahenden, worauf diese
Reiterschaar rasch zurückwich.
Aus dem Lager von Han entsandte man jetzt eine ziemliche
Menge Anführer und Kriegsmänner, welche nach den vor dem Thore
der Feste befindlichen Reitern und Fussgängern mit Pfeilen schossen.
Dies hatte zur Folge, das sämmtliche Reiter und Fussgänger den
Rückzug in die Feste antraten.
Kan-yen-scheu und Tschin-thang gaben jetzt dem Heere den
Refehl, unter Trommelschlag und in dichten Reihen an den Fuss der
Stadtmauern zu rücken. Die Feste ward sofort von allen vier Seiten
eingeschlossen. Man fand dort alles in Vertheidigungsstand gesetzt,
rings um die Mauern war ein Wassergraben gezogen und die Thore
und Zugänge waren verrammelt. Die Vertheidiger hatten ihre Schilde
vorangestellt, während sich die Hellebarden und Armbrüste hinter
ihrem Rücken befanden.
Die Krieger von Han schossen vorerst mit Pfeilen nach den
Leuten, welche die in der Feste erbauten Thürme besetzt hielten.
Diese Leute stiegen von den Thürmen herab und entflohen.
Tsehin-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
41 1
Die Festungswerke der Stadt des Schen-yü bestanden aus einem
Erdwall, der seinerseits wieder von einem doppelten hölzernen Wall
umgeben war. Von diesem hölzernen Walle schossen die Leute des
Schen-yü mit Pfeilen, wobei eine ziemlich grosse Anzahl Belagerer
getödtetund verwundet wurde. Die Belagerer legten Brennholz umher
und verbrannten den hölzernen Wall. In der folgenden Nacht versuch
ten es mehrere hundert Reiter, das Freie zu gewinnen, sie stiessen
jedoch auf die Bogenschützen von Han und fielen unter deren Pfeilen.
Der Schen-yü hatte ursprünglich, als er die Ankunft der Streit
kräfte von Han erfuhr, die Absicht, sich zu entfernen. Da er aber den
König von Khang-khiü im Verdacht hatte, dass er ihm übel wolle
und mit Han einverstanden sei, da er überdies erfahren, dass die
Kriegsmacht von U-siin und der übrigen Länder der Westmarken im
Bunde mit Han ausgerückt, glaubte er keinen Ort zu haben, an den er sich
mit Sicherheit begeben könne. Tsche-tschi halte bereits seine Feste
verlassen, als er wieder zurückkehrte und sprach: Man muss sieh mit
Ausdauer vertheidigen. Die Streitkräfte von Han kommen aus weiter
Ferne, sie sind nicht im Stande, lange Zeit Angriffe zu machen.
Der Schen-yü stand jetzt, mit dem Panzer angelhan, auf einem
Thurme, ihm zur Seite die Yen-tschi (Königinn) und die übrigen
Gemahlinnen, mehrere zehn an der Zahl, die sämmtlich mit Bogen
bewaffnet waren und gegen die Belagerer Pfeile entsendeten. Der
Schen-yü ward von einem Pfeile der Belagerer in die Nase getroffen
und auch die Gemahlinnen fanden zum grossen Theile den Tod.
Der Schen-yü stieg hierauf von dem Thurme und schwang sich auf
ein Pferd, indem er den Kampf bald fortsetzte, bald wieder sich
in das Innere seines Wohngebäudes begab.
Nach Mitternacht wurden die in dem Graben der hölzernen
Umwallung befindlichen Leute zurückgeworfen und zogen sich in
den von einem Erdwall umgebenen Theil der Feste zurück. Daselbst
bestiegen sie die Mauern und riefen mit lauter Stimme. In diesem
Augenblicke [heilte sich die unterdessen herbeigekommene aus zehn
tausend Reitern bestehende Kriegsmacht von Khang-khiü und stellte sich
an zehn verschiedenen Orten auf, indem sie aus der Ferne um die Feste
einen Kreis bildete und sich zugleich mit den Belagerten in’s Einver-
ständniss setzte. Demgemäss stürzten sich in derselben Nacht die
Belagerten mehrmals auf dieVerschanzungen von Han, wobei sie je
doch keine Vortheile davontrugen und alsbald zurückgeworfen wurden.
412
Dr. P f i i in a i e r
Bei Tagesanbruch loderte von allen vier Seiten der Feste Feuer
empor. Die Anführer und Kriegsmänner von Han riefen in ihrer
Freude mit lauter Stimme und eilten dem Feinde entgegen, während
von dem Klang der Glocken und Trommeln die Erde erzitterte. Das
Reiterheer von Khang-khiü ward sofort geworfen und räumte das
Feld.
Die Krieger von Han schoben hierauf von allen vier Seiten die
Schilde vor und drangen zu gleicher Zeit in die von Erdwällen umge
bene Feste. Der Schen-yü in Begleitung von etwa hundert Männern
und Weibern flüchtete in das Innere seines Wohngebäudes. Die
Krieger von Han steckten das Wohngebäude in Brand, worauf die
Anführer und Kriegsmänner im Wetteifer eindrangen und der
Schen-yü, mit Wunden bedeckt, sein Leben verhauchte.
Ein Mann, Namens jgj] ft Tu-hiün, der in dem Heere die
Stelle eines „wartenden vorläufigen Gehilfen“ *) bekleidete, trennte
das Haupt des Schen-yü von dem Rumpfe, eine That, welche in
späterer Zeit auf ausnehmende Weise belohnt ward. Bei dieser
Gelegenheit wurden auch zwei Abschnittsröhre der Gesandten von
Han und die von Kö-ke und dessen Gefährten mitgebrachten Seiden
stoffe und Bücher vorgefunden. Alle erbeuteten Gegenstände wurden
denjenigen, welche sie erbeutet hatten, überlassen.
Die Sieger schlugen im Ganzen ein tausend fünf hundert acht
zehn gefallenen Feinden, unter welchen sich nebst dein Schen-yü die
Yen-tschi (Königinn), der zur Nachfolge bestimmte Sohn des Schen-
yü und mehrere „namhafte Könige“ befanden, die Häupter ab. Leben
dig gefangen wurden einhundert fünfundvierzig, gefangen gaben
sich über tausend Feinde, welche unter die fünfzehn Könige der in
diesem Feldzuge mit Han verbündeten Länder der „Stadtmauern
und Vorwerke“ vertheilt wurden.
Kan-yen-scheu und Tschin-thang richteten nach ihrem Siege
an den Himmelssohn das folgende, eine Darlegung des Gesche
henen enthaltende Schreiben:
Wir haben gehört: die grosse Gerechtigkeit der Welt soll ge
meinsam sein und bilden ein Ganzes. Ehemals gab es die Geschlechter
1 ) Derselbe wird sonst nur Kia-sching „der vorläufige Gehilfe“ und
Heu-sching „der wartende Gehilfe“ genannt.
Tschiu—tliang', Fürst-Zertrümmerer von Hu.
413
Thang und Yü <), jetzt gibt es das mäclitige Han. Unter den
Hiung-nu’s hatte sich Hu-han-ye Schen-yü bereits genannt das
Gehägo des Nordens. Bios Tsche-tschi Schen-yii hatte sich aufge
lehnt, widersetzt und noch nicht bekannt seine Verbrechen. Weilend
im Westen des grosse Hia, hielt er dafür, dass das mächtige Han nicht
im Stande, ihn zum Diener zu machen. Tsche-tschi Sehen-yü war quä
lerisch und verderbend in seinem Verfahren gegen das Volk, von
grosser Schlechtigkeit in seinem Verkehr mit dem Himmel.
Der Diener Yen-scheu und der Diener Tschang stellten sich an
die Spitze der Streitmacht der Gerechtigkeit und verhängten die
Strafe des Himmels. Wir verliessen uns auf den göttlichen Geist
dessen, vor dem wir stehen unter den Stufen. Die Stoffe der Fin
sterniss und des Lichtes entsprachen in Gemeinschaft, die Luft des
Himmels war lauter und hell. Wir stürzten in den Abgrund Schlacht
reihen, überwältigten den Feind, enthaupteten Tsche-tschi und
Andere, von den namhaften Königen abwärts. Es ist angemessen, auf
zuhängen die Häupter in der Gasse der verdorrten Bäume 3 ) zwi
schen den Einkehrhäusern der Fremdländer 3 ), um zu zeigen den
Ländern in einem Umfange von zehntausend Weglängen deutlich,
dass, wer etwas verbricht gegen das mächtige Han, befände er sich
auch in der Ferne, gewiss hingerichtet wird.
Diese Eingabe wurde den Inhabern der Vorsteherämter zur
Begutachtung überwiesen. Der damalige Landesgehilfe jär
Khuang-heng und der oberste vermerkende Grosse ^j[£
Po-yen-scheu äusserten als ihre Meinung, dass, wenn man die Häup
ter Tsche-tschi's und der namhaften Könige von einem Lande zum
anderen schickte,* alle Fremdländer ohne Ausnahme dies erfahren
würden. Man befände sich jetzt im Frühling, einer Jahreszeit, in der
man nach den Vorschriften für die Monate die ausgetrockneten
Knochen verdecken und das faule Fleisch vergraben müsse, und es
zieme sich daher, das Aufhängen der Häupter zu unterlassen.
D. i. die Allhalter Yao und Schün, von denen der erstere von dem Geschlechte Thang,
der letztere von dem Geschlechte Yü.
2 ) In Tschang-ngan war eine Gasse Namens
dorrten Bäume“.
3 ) Die für die fremdländischen Gäste bestimmten Einkehrhiiuser befanden sich zu
Tschang-ngan in der hier erwähnten Gasse der verdorrten Bäume.
ft
n ^fj Kao-kiai „die Gasse der ver-
414
Dr. I* f i z in a i e r
Dagegen wurde jedoch von jS pjtp Hiü-kia, dem Heerführer
der Wagen und Reiter, so wie von jfxj ^ Wang-schang, dem
Heerführer der Rechten, geltend gemacht, dass bei der in dem Werke
„Frühling und Herbst“ erwähnten Zusammenkunft von
Kiä-ko der Gaukler Schi den Landesfürsten verlacht habe
und dafür auf Befehl Khung-tse’s hingerichtet worden sei 1 ). Es sei
damals mitten im Sommer gewesen, und das Haupt und die Fiisse
des Hingerichteten wären bei verschiedenen Thoren hinausgeschafft
worden. Es sei daher angemessen, die Häupter durch zehn Tage
aufgehängt zu lassen und nach Verlauf dieser Zeit sie zur Erde zu
bestatten.
In einer hierauf erfolgten höchsten Verkündung ward diese
Sache an die Heerführer zur Berathung überwiesen. Die Heerführer
hiessen die zuletzt vorgebrachte Meinung gut, worauf die Häupter
durch zehn Tage öffentlich zur Schau gestellt wurden.
In früheren Tagen hatte der die Stelle eines Tschung-schu-ling
„mittleren Buchführers“ bekleidende, als Schmeichler und Günstling
bekannte Halbmann Scln-hjen gewünscht, seine ältere Schwester
mit Kan-yen-scheu zu vermählen, worauf dieser nicht eingegangen
war. Zugleich fanden es der Landesgehilfe und der oberste Vermer-
ker abscheulich , dass Kan-yen-scheu die Ausfertigung des höchsten
Befehles erlogen, wesswegen die genannten drei Männer auch gegen
Tschin-lhang nicht gut gesinnt waren. Ausserdem zeigte Tschin-
thang eine ünverholene Begierde nach den erbeuteten Schätzen
und liess sich, nachdem das Heer die Versperrungen überschritten,
viele Ungesetzlichkeiten zu Schulden kommen. Der Vorsteher der
kleinen Gerichtsbeamten, der von dem Range derHiao-wei, schickte
daher auf den Wegen, welche das heimziehende Kriegsheer benützte,
schriftliche Befehle umher, denen gemäss die Angestellten des
*) Ting, Fürst von Lu, hatte in dem zehnten Jahre seiner Lenkung (öOO vor uns. Zeitr.) eine
Zusammenkunft mit dem Fürsten von Tsi in Kiä-kö, wobei Khung-tse das Amteines
Landesgehilfen versah. Der Fürst von Tsi liess das Klangspiel des fürstlichen Wohn
gebäudes aufführen, während Gaukler und Zwerge vor den Anwesenden Possen trie
ben. Khung-tse begab sieh sofort zu den Stufen, stieg empor und sprach : Wenn ein
gewöhnlicher Mensch beschimpft den Landesfürsten, so ist dies ein Verbrechen, auf
welches die Hinrichtung gesetzt ist. — Demnach liess er einen der Gaukler enthaup
ten und dessen Haupt und Füsse an verschiedenen Orten niederlegen. Der Fürst von
Tsi jedoch ward von Furcht befallen und zeigte sich beschämt.
Tseliln—tliang, Kiirst-Zertriimmerer von Hu. 415
Heeres und die Kriegsmänner gebunden und von den Richtern ver
hört wurden.
Tschin-thang iiberschickte auf die Kunde von dieser Verfü
gung dem Himmelssoline eine Auseinandersetzung, worin er sagte:
Ich habe mit den Angestellten und Kriegsmännern in Gemeinschaft
gestraft Tsche-tschi Schen-yü. Wir waren so glücklich, ihn zu
ergreifen und zu vernichten, aus einer Entfernung von zehntausend
Weglängen kehrt die Heeresmenge heim. Es ziemt sich, dass ein
Gesandter ihr entgegenzieht und sie bewillkommnet auf den Wegen.
Jetzt thut der Vorsteher den kleinen Angestellten davon das Gegen-
theil, lässt sie aufgreifen, binden und von den Richtern verhören.
Hierdurch rächt er Tsche-tschi an seinen Feinden.
Auf diese Zuschrift liess der Himmelssohn die Angestellten und
Kriegsmänner unverzüglich in Freiheit setzen und gab Befehl, dass man
von Seite der Kreise auf den Wegen Wein und Speise bereit halten
und die Heimkehrenden auf ihrem Durchzuge bewirthen möge.
Als das Kriegsheer eingetroffen, berieth man über die Verdienste,
welche sich dasselbe erworben, und über die den Anführern zu orthei
lenden Belohnungen. Scln-hien und Khuang-heng äusserten dabei
als ihre Meinung, dass Kan-yen-scheu und’Tschin-thang, welche
eigenmächtig ein Kriegsheer ausgehoben und die Ausfertigung des
höchsten Befehles erlogen hätten, schon von Glück sagen können,
dass sie nicht hingeriehtet werden. Wenn man ihnen jetzt wieder
Lehensstufen undLand verleiben wollte, so würden diejenigen, welche
in späterer Zeit Gesandtenstellen erhielten, sich um die Wette mit
gefährlichen Dingen befassen wollen und es als ein Glück anstreben,
dass mit den Fremdländern Streitigkeiten erhoben würden. Man
würde dadurch Unglück über das Land bringen und man dürfe dazu
nicht nach und nach den Weg bahnen.
Der Allhalter Yuen jedoch freute sich innerlich über die Thaten
Kan-yen-scheu’s und Tschin-thang's und setzte den Rathschlägen
Khuang-heng’s und Sclu-hien’s Bedenken entgegen. Da man sich
in dem Rathe durch längere Zeit zu keinem Beschlösse einigte,
übersandte |pj ,|?l] Lieu-hiang, der ehemalige „Zurechtsteller des
Stammhauses“, dem Himmelssohne die folgende Auseinandersetzung :
Tsche-tschi Schen-yü hat in Gefängnisse gesetzt und getödtet
Gesandte, Angestellte und Kriegsmänner gegen hundert an der Zahl.
Die Sache hat urplötzlich an Verbreitung gewonnen in den auswär-
416
Di\ Pfiznuier
tigen Ländern, Wunden geschlagen der Macht, vernichtet den Rin
fluss. Die sämmtlichen Diener empfanden darüber Schmerz. Du, vor
dem ich stehe unter den Stufen, hattest den glühenden Wunsch,
jenen zu strafen, in deinen Gedanken haltest du noch niemals darauf
vergessen.
Der allgemeine Erhalter der westlichen Marken Yen-scheu und
der zugetheilte Beruhigen des Vordaches Thang haben in Empfang
genommen die höchstweise Andeutung, sich verlassen auf den gött
lichen Geist, um sich versammelt die Gebieter der hundert Fremd
länder, zusammengefasst die Streitkräfte der Stadtmauern und Vor
werke. Sie sind ausgezogen zu hundertfachem Tod, eingetreten in
die zerrissenen Marken. Sofort brachten sie zum Sturze Khang-khiü,
verwüsteten eine feste Stadt mit fünffachen Mauern 1 ), rissen aus
dem Boden die Fahnen der Hi-heu*), trennten vom Rumpfe Tsche-
tschi’s Haupt, erhöhten ihre Banner jenseits einer Strecke von zehn
tausend Weglängen. Sie verbreiteten die Macht bis zu den Ländern
im Westen des Berges Kuen 3 ), sie tilgten Kü-ke’s Schande, be
gründeten die glänzenden, offenkundigen Verdienste. Die zehntausend
Fremdländer werfen sich- zu Boden zaghaft, unter ihnen ist keiner»
der nicht von Furcht erfüllt ist und zittert.
Als Hu-han-ye Schen-yü sah, dass Sche-tschi bereits gestraft
worden, freute er sich und fürchtete sich zugleich. Er wandte sich
gegen den Wind, jagte entgegen der Gerechtigkeit, senkte zu Boden
das Haupt und kam herbei als Gast. Es ist sein Wunsch, zu bewa
chen das Gehäge des Nordens, durch die fortgesetzten Geschlechts
alter sich zu nennen einen Diener. Sie haben begründet die Ver
dienste von tausend Jahren, hergestellt die Ruhe von zehntausend
Geschlechtsaltern, unter den glänzenden Thaten sämmtlicher Diener
ist keine, die grösser.
Einst verhängten Fang-scho 4 ) und Ke-fu, die grossen Würden
träger von Tscheu, im Namen des Königs Siuen Strafe über die Ilien-
*) Nach dem Berichte über den Feldzug war die Hauptstadt von Khang-khiü nur von
einem dreifachen Walle, einem von Erde und zwei hölzernen, umgehen.
■>a
HT-heu ist eine allgemeine Benennung der grossen Würdenträger der
westlichen Fremdländer.
3 ) Das Gebirge Kuen-lün.
4 )
Fang-scho, ein Erlauchter des Königs Siuen von Tscheu, ward zum
Heerführer indem Kriege gegen die Mien-yiin’s ernannt, während Ke-fu einen Er
oberungszug gegen die südlichen Fremdliinder von King unternahm.
tx^
Tschin-lhang, Fürst-Zertriimmerer von Hu. 417
yiin's 1 ), und die hundert Fremdländer zeigten sich folgsam. Das
Gedicht, welches sich hierauf bezieht, sagt:
In Mengen, vollauf wird es rege,
Wie Donner und wie Donnerschläge.
Berühmt in Wahrheit Fang-scho!
Er hat bekriegt der Hien-yün’s Land,
Das Volk von King hat sich ihm zugewandt 2 ).
In den Verwandlungen heisst es: Er hat an sich Gutes, zerbricht
Häupter. Er erlangt, was nicht von derselben Art 8 ). — Hiermit wird
gesagt: Es ist etwas Vortreffliches. Man lässt hinrichten die Men
schen, welche die Häupter des Bösen, und sämmtliche Ungehorsame
kommen und schliessen sich an.
Aber die Art und Weise, wie Yen-scheu und Thang die Strafe
verhängt und zum Zittern gebracht, selbst das Zerbrechen der Häup
ter in den Verwandlungen, der Donner und die Donnerschläge in
dem Gedichte vermögen nicht, dies zu erreichen.
Indem man beurtheilt grosse Verdiensfe, trägt man nicht Rech
nung den kleinen Fehlern. Indem man zur Geltung bringt grosse
Vorzüge, beachtet man nicht die unbedeutenden Flecken.
In der Kriegskunst des Vorstehers der Pferde wird gesagt:
Bei den Belohnungen für das Heer lässt man nicht verstreichen den
Monat. — Man wollte, dass das Volk schleunigst bekomme den
Nutzen, sobald es Gutes gethan. Indem man nämlich mit Eile vor
geht bei kriegerischen Verdiensten, verwendet man doppelt die
Menschen.
Als Ke-fu heimkehren sollte, beschenkte ihn Tsclieu in grossem
Masse. Das Gedicht, das sich hierauf bezieht, sagt:
Ke-fu sich der Begegnung 4 ) freut !
Er hat empfangen manche Kostbarkeit
Und ist zurückgekehrt von Hao 5 );
Wir sind gewandelt ewig lange Zeit.
So wurden in den alten Zeiten die Hiung-nu’s genannt.
2 ) Sobald die südlichen Fremdländer von Ring die Kunde von den Eroherungsziigen
Fang-scho’s im Norden erhalten, fürchten sie seine Macht und bieten ebenfalls ihre
Unterwerfung an.
3 ) Der König, der auf Eroberung auszieht, der den Feind besiegt und Häupter abschlägt,
gewinnt viele Andere, welche nicht von dem Ueschlechte der Besiegten sind. Dess-
wegen wird eine solche That fiir gut gehalten.
4 ) Der feierliche Empfang, der ihm von dem Könige bei der Rückkehr bereitet wird.
V Ap
5 ) Das Gebiet Hao befand sieli in grosser Entfernung nördlich von dein Lande der
Tscheu. Dasselbe ist von der gleichnamigen Stadt Hao, welche in der Gegend des
418
Dr. P f i z m a i e r
Hao, das entlegen tausend Weglängen, galt schon für fern. Um
wie viel mehr ist es das Land jenseits einer Strecke von zehntausend
Weglängen! Es ist kaum möglich, es nur zu erreicheu. Yen-scheu und
Thang hatten noch nicht erlangt die Belohnung des Empfangs der
Kostbarkeit, sie wurden im Gegentheil gebracht um das Verdienst,
aufs Spiel gesetzt zu haben das Lehen, halten lange Zeit die Über
führung angesichts der Messer und Rohrbüschel *). Dies sind nicht
die Mittel, wodurch man ermuntert die Verdienstvollen und anfeuert
die Männer der Waffen.
Einst hatte Hoan, Fürst von Tsi, vorerst das Verdienst, geehrt
zu haben Tscheu 2 ). Später machte er sich schuldig des Verbrechens,
vernichtet zu haben Hiang 3 ). Die Weisheitsfreunde überdeckten mit
den Verdiensten die Fehler und vermieden es um seinetwillen, einen
Namen zu nennen bei der That, die er verübt 4 ).
Der Anführer der Hälfte des Heeres Li-khuang-li liess zurück
eine Heeresmenge von fünfmal zehntausend Menschen, vergeudete
an Kriegskosten hunderttausendmal zehntausend Stücke, liess vor
übergehen unter Anstrengungen vier Jahre und erlangte mit genauer
Noth dreissig hurtige Pferde 5 ). Hat er auch abgeschlagen das Haupt
späteren Tschang-ngan lag und einst von König Wu von Tscheu zum Wohnsitz
erkoren wurde, verschieden.
*) Die Gerichtsbeamten suchten sife eines Verbrechens zu überführen. In der damaligen
Zeit bediente man sich sowohPtder Messer als auch der Rohrbüschel zum Schreiben.
2 ) Im vierten Jahre des Fürsten Hi von Lu (656 vor uns. Zeitr.) forderte Fürst Hoan von
dem Könige von Tsu das gepackte Schilfrohr, welches der dem Himmelssohne schul
dige Zoll.
3 ) Im siebenzehnten Jahre des Fürsten Hi von Lu (643 vor uns. Zeitr.) vernichtete Hoan,
4 ) Der Frühling und Herbst vermerkt dieses Ereigniss mit den Worten: „Sommer. Man
vernichtet Hiang“. — Hierzu bemerkt Kung-yang in seiner Auslegung: Tsi hat es
vernichtet. Dass man Tsi nicht nennt, ist desswegen, weil inan um des Fürsten Hoan
willen den Namen vermeidet. Hoan hatte gewöhnlich das Verdienst, fortgesetzt zu
haben das Zerrissene, neues Dasein gegeben zu haben dem zu Grunde Gegangenen.
Die Weisheitsfreunde vermieden daher um seinetwillen den Namen.
5 ) Der Allhalter Hiao-wu hatte einen Gesandten in das grosse Wan zu dem Zwecke ge
schickt, gegen reiche Geschenke die Verabfolgung einer Anzahl von den berühmten
Pferden dieses Landes zu erwirken. Der König des grossen Wan tödtete den Gesandten
und raubte die mitgebrachten Geschenke 1 , worauf Han in verschiedenen Zeiträu
men eine Heeresmacht von hunderttausend Streitern unter den Befehlen des Heerfüh
rers Li-khuang-li aussandte. Dieser Heerführer eroberte endlich (98 vor uns. Zeitr.)
die feindliche Hauptstadt und überschickte dem Ilimmelssohne eine Anzahl ausge
wählter Pferde.
Tschin-thang, Fiirst-Zertrümmerer von IIu.
419
Wu-ku's ')» Königs von Wan, es war dies noch immer nicht hinrei
chend, zu ersetzen, was man vergeudet. Die eigenen Verbrechen
des Heerführers, seine Übelthaten waren überaus viele. Hiao-wu
hielt dafür, dass hei Eroberungen in einer Entfernung von zehntau
send Weglängen man nicht einträgt die Fehler. Sofort belehnte er
zwei Lehensfürsten, ernannte drei Erlauchte, beförderte zu Ange
stellten mit einem Gehalte von zweitausend Scheffeln im Ganzen
hundert Menschen.
Jetzt ist das Land Khang-khiü mächtiger als das grosse Wan.
Der Name Tsche-tsehi’s fiel schwerer in’s Gewicht als derjenige des
Königs von Wan. Das Verbrechen der Tödtung der Gesandten ist
etwas Ärgeres, als das Zurückbehalten der Pferde. Aber Yen-scheu
und Thang belästigten nicht die Kriegsmänner von Han, sie veraus
gabten kein Nössel von den Vorräthen des Heeres. Im Vergleiche mit
dem Anführer der Hälfte des Heeres sind ihre Verdienste und Tugen
den hundertfach grösser.
Auch folgte Tschang-hoei dem den raschen Angriff begehrenden
U-siin 2 ). Tsching-ke zog entgegen dem von selbst herbeikommenden
Ji-tsch’lm s ). Für beide wurde noch immer zerrissen Land, und sie
erhielten eine Lehensstufe.
Spricht man daher von Ansehen der Macht, Kriegserfahrenheit,
Anstrengungen und Mühe, so sind diese grösser als bei Fang-schö
und Ke-fu. Stellt man in Pieihen die Verdienste, überdeckt die
Fehler, so kann man freisinniger zu Werke gehen, als bei Hoan von
Tsi und hei dem Anführer der Hälfte des Heeres. Macht man sich
vertraut mit den Verdiensten des Unternehmens, so findet man, dass
sie von höherer Bedeutung als diejenigen Ngan-yuen's 4 ) und
Wu-ku wird an anderen Stellen der Geschichte König- -
r ) Koni;,- Jgjjj
Wu-kua genannt, was, wie Sse-ku angibt, in der Ähnlichkeit der Laute Ku und
Kua seinen Grund hat, da man es mit der Feststellung- fremdländischer Wörter
nicht sehr genau nehme. Wu-ku, der König des grossen Wan, ward übrigens beider
Annäherung des Heeres von Han durch seine eigenen Leute gelödtet, welche
hierauf die Hauptsladt an Li-khuang-Ii übergaben.
—t—
2 ) Der Heerführer ^
Tschang-hoei gelangte zu seinen Siegen dadurch, dass
er sich dem Lande (J-stin, welches von Han Hilfe begehrte und einen Angriff gegen
.die Hiung-nu’s richten wollte, anschloss.
3 ) Der Heerführer Tsching-khe zog dem Könige von Q Ji-tsch’hiL
der seine Unterwerfung ankündigte, entgegen und eroberte mehrere Länder der
westlichen Marken. ^ Jb *-£-
4 J Tsching-ke war Lehensfürst von Ngan-yuen.
Sitzt), d. pliit.-hist. CI. XL. Bd. il. Hft.
28
420
Dr. Pfizmaier
Tschang-lo’s *). Aber die grossen Verdienste sind noch nicht be
kannt gemacht worden, die kleinen Gebrechen sind mehrmals
dargelegt worden. Ich vermesse mich, darüber Schmerz zu
empfinden.
Es ziemt sieb, bei Zeiten los zu machen das Schwebende 2 ),
verkehren zu lassen bei den Eintrageplatten 3 ). Man nehme weg die
Fehler und unterlasse es, sie zu richten. Man ehre und begünstige
sie durch Lehenstufen und Würden, um aufzumuntern die Verdienst
vollen.
Der Himmelssohn erliess hierauf die folgende höchste Verkün
dung: Tsche-tschi, der Schen-yü der Hinng-nu's, wandte sich weg
und fiel ab von den Gebräuchen und der Gerechtigkeit. Er behielt
zurück und tödtete die Gesandten, die Angestellten und Kriegsmänner
von Han. Er handelte äusserst zuwider dem Wege und der Einthei-
lung. Wie halte ich, der Himmelssohn, dies vergessen sollen? Dass
ioh aber nachsichtig war und nicht die Eroberung befahl, es geschah,
weil ich Bedenken trug, in Bewegung zu setzen die Menge des
Heeres, anzustrengen die Heerführer und Vordersten der Menge. Aus
diesem Grunde ertrug ich es im Stillen und hatte mich noch nicht
ausgesprochen.
Jetzt haben Yen-scheu und Thang ersehen das Nützliche und
Angemessene, sieb zu Nutzen gemacht die'Zeitumstände, verknüpft
die Länder der Stadtmauern und Vorwerke, eigenmächtig ausgeho
ben ein Kriegsheer, erlogen die Ausfertigung des höchsten Befehles
und unternommen gegen jenen den Zug der Eroberung. Sie ver-
liessen sich auf Himmel und Erde, auf die Geister des Stammhauses
und des Heiligthumes der Ahnen, sie verhängten die Strafe über
Tsche-tschi Schen-yii, schlugen ab und erlangten sein Haupt, fer
ner die Häupter der Yen-tschi, der angesehenen Männer, der nam
haften Könige und Anderer von ihm abwärts tausend an der Zahl.
1) Tschang-hoei war Lehensfürst von
2 ) Man möge die über den Häuptern der beiden Männer schwebende Anklage fallen
lassen.
3 ) Zur Zeit des Allhalters Yuen waren an den Thoren des höchsten Wohngebäudes zwei
Fuss holte Rohrplatten befestigt, auf welchen die Namen und sonstigen Eigenschaften
der zum Verkehre im Inneren zugelassenen Männer enthalten waren. Nur diejenigen,
deren Namen auf diesen Platten eingetragen waren, durften in dem Gebäude aus und
‘eingehen. Der Sinn ist: man möge den beiden Männern nicht länger den Zutritt an
dem Hofe verwehren.
Tschang-Io.
Tschin-lhang, Fürst-Zertrümmerer von IIu.
421
Haben sie sich auch hinweggesetzt über die Gerechtigkeit, verstos-
sen gegen die Gesetze, im Inneren haben sie nicht einen einzigen
Mann belästigt wegen des Dienstes, nicht eröffnet den Verschluss der
Versammlungshäuser und Rüsthäuser. Durch des Feindes Mundvor-
räthe haben sie gedeckt die Bedürfnisse des Heeres. Sie begründe
ten die Verdienste jenseits einer Strecke von zehntausend Weglän
gen, der Schrecken der Macht brachte zum Zittern die hundert
Fremdländer, ihr Name ward berühmt innerhalb der vier Meere, sie
entfernten von dem Lande das Verderben. Auf den Feldern der An
griffswaffen und Lederpanzer gelangte man zu Erholung, an den
seitwärts liegenden Marken erhielt man die Ruhe.
Dass sie gleichwohl noch immer nicht entkommen der Sorge
wegen Tod und Untergang, dass auf ihre Verbrechen gesetzt die
Empfangnahme des warnenden Gesetzes, ich, der Himmelssohn,
bedauere dies sehr. Ich verzeihe Yen-scheu und Thang ihre Verbre
chen, und man möge sie nicht richten.
Eine höchste Verkündung befahl jetzt den Fürsten und Erlauch
ten, wegen des den beiden Männern zu verleihenden Lehens zu
Rathe zu gehen. Sämmtliche Berathende waren der Meinung, dass
hier nach den Gesetzen des Heeres, in welchen für den Fall der
Gefangennehmuug und Enthauptung das Schen-yü Bestimmungen
enthalten seien, vorgegangen werden solle.
Dagegen wendeten Khuang-heng und Schi-hien ein, dass
Tsehe-fschi eigentlich ein Flüchtling gew'esen, der sein Land ver
loren und sich in dem entlegensten Theile der Marken einen Ehren
namen angemasst habe, folglich nicht als der wirkliche Schen-yü zu
betrachten sei. Der Allhalter Yuen wollte hierauf den früher bei
Tsching-ke, Fürsten von Ngan-yuen, beobachteten Vorgang zur
Richtschnur nehmen und ein Lehen von tausend Thüren des Volkes
bewilligen. Aber auch gegen diese Verfügung erhoben Khuang-heng
und Schi-hien Einsprache. Endlich ward Kan-yen-scheu zum Lehens-
I-sching ernannt, währendTschin-thangmit dem
Range eines Lehensfürsten innerhalb des Durchweges bekleidet wurde.
Als Stadt der Einkünfte erhielt ein jeder dreihundert Thüren des Vol
kes und ausserdem ein Geschenk von hundert Gewichten Goldes.
Der Ilimmelssohn meldete jetzt seinen Sieg dem Gotte des
Himmels, sowie in dem Heiligthume der Ahnen und verkünde'te in
der Welt allgemeine Verzeihung für begangene Verbrechen. Zudem
28*
422
Dr. P f i •/. m a i e r
ernannte er Kan-yen-scheu noch zum Hiao-wei von Tschang-schui,
d. i. von dein Lande Hu, ferner Tschin-thang zum Hiao-wei des
„Geräusches der Pfeilschüsse“. Kan-yen-scheu ward in der Folge ver
setzt, anfänglich zu einem Hiao-wei des „Festungsthores,“ hierauf zu
einem „das Kriegsheer bewahrenden“ Beruhiger der Hauptstadt er
nannt und starb zuletzt (23 vor uns. Zeitr.) im Besitze seines Amtes.
Die Belehnung Kan-yen-scheu’s und Tschin-thang’s fand im
ersten Jahre des Zeitraumes King-ning (33 vor uns. Zeitr.) Statt, in
welchem Jahre der Allhalter Hiao-yuen starb. Gleich nach der Ein
setzung des neuen Allhalters Hiao-sching machte der Landesgehilfe
Khuang-heng wieder eine gegen Tschin-thang gerichtete Eingabe,
worin er sagte: Tliang wurde als ein Angestellter der zweitausend
Scheffel betraut mit dem Amte eines Gesandten. Er bemächtigte
sich ausschliesslich des höchsten Befehles in der Mitte der Fremd
länder. Nicht rechtlich in Selbstheit, ging er mit dem Beispiel voran
den Untergebenen und raubte die Kostbarkeiten von Khang-khiü,
die er zusammengerafft. Er warnte die abhängigen Leute des Amtes,
indem er sprach: Bei Sachen der entlegenen Marken wird nicht
untersucht und verglichen. — Hat er auch Verzeihung erhalten für
die Vergangenheit, es ist nicht angemessen, dass er verbleibe in
seiner Würde.
In Folge dieser Eingabe ward Tschin-thang in Anklagestand
versetzt, jedoch freigesprochen. Später richtete Tschin-thang an
den Himmelssohn ein Schreiben, worin er behauptete, dass der
damals an dem Hofe von Han aufwartende Sohn des Königs von
Khang-khiü nicht der Sohn dieses Königs sei. Bei der hierüber
eingeleitelen Untersuchung stellte sich jedoch heraus, dass der an
dem Hofe von Han Aufwartende wirklich der Sohn des Königs, worauf
Tschin-thang den Gerichten übergeben und in ein Gefängniss
gesetzt wurde. Sein Todesurtheil war bereits gefällt, als der die
Stelle eines grossen Würdenträgers „der grossen Mitte“ beklei
dende Ko-yung dem Himmelssohne die folgende, eine Verlhei-
digung Tschin-thang’s enthaltende Auseinandersetzung übersandte:
Ich habe gehört: Tsu besass Tse-yo-Te-tschin. Fürst Wen sass
seinetwillen auf dem Rande der Matte 1 ). Tsehao besass Lien-pho
Te-tschin, war ein Grosser des
Landes Tsu. Im achtundzwanzigsten Jalire des Fürsten Hi von Lu (632 vor uns. Zeitr.)
jy -J* Tse-yö,
dessen Kindesname
Tschin-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
423
und Ma-fo 1 ). Thsin wagte es nicht, spähen zu lassen seine Krieger
nach Tsing'-hing In der nahen Zeit besass Han Tsche-tu und
Wei-schang 3 ). Die Hiung-nu’s wagten es nicht, im Süden sich zu
wenden nach Scha-mü. Bespricht man es von dieser Seite, so kön
nen die im Kampfe überwältigenden Heerführer, die Nägel und Zähne
des Landes, nicht anders als hochgeschätzt werden. Wenn der
weise Gebieter hört den Klang der Trommeln und Reitertrommeln,
so denkt er an die Diener, welche Heerführer und Vorderste der
Menge 4 ).
Ich vermass mich, zu sehen, dass Tschin-thang, Lehensfürst
innerhalb des Durchweges, in früherer Zeit als Gesandter zuge-
tlieilt worden dem allgemeinen Erhalter der westlichen Marken. Er
war empört über Tsclie-tschi’s ruchlosen Wandel, er bedauerte,
dass die Strafe der Könige hier nicht verhängt worden. Er machte
befehligte Tse-yö ein Kriegsheer und wagte gegen Wen, Fürsten von Tsin, die
Schlacht von Tsching-pö, in der das Ileer von Tsu vollständig geschlagen wurde.
Die Krieger von Tsin zehrten drei Tage von dem erbeuteten Getreide des Fein
des. Trotz dieses Sieges hatte Fürst Wen ein bekümmertes Aussehen und sagte :
Te-tschin ist noch am Leben. Mein Kummer hat noch kein Ende. — Erst nach
dem Tse-yö auf Befehl «les Königs von Tsu hingerichtet worden, konnte man
bemerken, dass Fürst Wen sich freue. Nach den Gebräuchen sitzt derjenige, der
Kummer hat, auf dem Bande der Matte, wodurch er seine gedrückte Stimmung
bekundet.
Lien-- pho war ein Heerführer von Tschao. Ma-fö ist Tschao-sche, Landesfürst
von Ma-fö, ebenfalls ein Heerführer von Tschao. Beide sind in der Abhandlung
über die Heerführer des genannten Landes vorgekommen.
2 ) Die Ausgänge des von steilen Bergen eingeschlossenen Durchweges von Tsing-
hing bildeten die westliche Mark des Landes Tschao.
3 J Über Tji Tsche - tu wurde nach längerem Suchen nur die in dem Ver
zeichnisse der Würdenträger von Han enthaltene Angabe gefunden, dass er im sieben
ten Jahre des Allhalters lliao-king (1B0 vor uns. Zeitr.) als Statthalter von Thsi-
nan zum Tschung-wei „Beruhiger der Mitte“ ernannt und nach drei Jahren abge-
Wei-schang ist dem Verfasser bisher noch
setzt worden. Der Name
in keiner Stelle der Geschichte vorgekommen. Bei der bedeutenden Anzahl
berühmter Heerführer, welche sich in den Kriegen gegen die Hiung-nu’s hervor-
thateil, ist nicht leicht einzusehen, wie zwei ganz unbekannte Namen hier als
Beispiele vorangestellt werden konnten.
4 ) Aus dem Buche der Gebräuche, wo es heisst: Der Klang der Trommeln und
Reitertroinmoln verursacht Lärmen und versetzt sofort in Aufregung. Versetzt er
in Aufregung, so bringt er vorwärts die Ileercsmenge. Wenn der weise Gebieter
hört den Klang der Trommeln und Reitertrommeln, so denkt er an die Diener,
weiche Heerführer und Vorderste der Menge.
i
424
Dr. Pfizmaier
Entwürfe und erwog in der Aufwallung des Zornes, der Muth seiner
Gerechtigkeit brach ungestüm hervor.
Plötzlich brachte er auf die Beine ein Kriegsheer, schied im
Laufe, setzte quer durch U-sün, versammelte die Schaaren ferne an
dem Tu-lai. Er verwüstete eine Feste mit dreifachen Mauern, trennte
von dem Rumpfe Tsche-tschi's Haupt. Er vergalt ein Entlaufen vor
der Strafe, das stattgefunden durch zehn Jahre, tilgte die lang
wierige Schande der Angestellten in den seitwärts liegenden Marken.
Er machte zittern vor dem Schrecken der Waffen die hundert Fremd
länder, sein Kriegsmuth drang bis zu dem westlichen Meer 1 ). Seit
der Entstehung von Han ist dergleichen hei Heerführern, welche
erobert und angegriffen haben Länder ausserhalb der Weltgegen
den, noch nicht vorgekommen.
Jetzt ist Thang in Anklagestand versetzt worden, weil er
gesprochen, was sich nicht so verhielt, in dem dunklen Gefängnisse
ist er lange gebunden, nach einer geraumen Zeit erfolgt keine Ent
scheidung. Die nach dem warnenden Gesetz greifenden Angestellten
der Gerichte wollen ihn überführen eines grossen Verbrechens.
Einst war Pe-khi Heerführer von Thsin. Im Süden nahm er
weg die Hauptstadt Ying, im Norden stürzte er in Gruben Tschao-
ko’s Schaaren. Eines winzigen Fehlers willen ward er beschenkt
mit dem Tode in Tu-yeu. Das Volk von Thsin bedauerte ihn, Nie
mand war, dem nicht herabfielen die Thränen.
Jetzt hat Thang in Selhstheit erfasst die Axt, ist, wie eine Matte
zusammengerollt wird 2 ), gewatet durch Blut jenseits einer Strecke
von zehntausend Weglängen. Man legte dar die Verdienste in dem
Ahnenheiligthume des Stammhauses, man meldete das Ereigniss dem
Gotte des Himmels. Unter den in Panzer gekleideten Kriegsmännern
ist keiner, der nicht bewundert die Gerechtigkeit. Dass er eine
Sache besprach, rechnete man ihm zum Verbrechen: es ist hier
keine in die Augen fallende Übelthat.
Das Buch der Tscheu sagt: Indem man vermerkt die Verdienste
der Menschen, vergisst man die Fehler der Menschen. Hierdurch ist
man geeignet zum Gebieter des Landes 3 ).
*) Das west'iche Meer ist der kaspische See.
2 ) D. i. mit grosser Geschwindigkeit.
Wie Sse-ku angibt, ist diese Stelle aus einem neben dein Buche der Scliang vor
handen gewesenen unechten Buche.
Tschin-thang, Kiirst-Zertrümmerer von Hu,
425
Den Hunden und Pferden, welche ihre Kraft angestrengt haben
für die Menschen, werden noch immer zur Vergeltung ertheilt die
Vorhänge und die Decken!). Wie verhält es sich erst bei denjeni
gen, welche die verdienstvollen Diener des Landes?
Ich vermesse mich, zu fürchten, dass du, vor dem ich stehe
unter den Stufen, überhörst den Klang der Trommeln und Reiter
trommeln, nicht untersuchst den Sinn des Buches der Tscheu und
vergissest auf die Ertheilung der Vorhänge und der Decken. Indess
du wie einen gewöhnlichen Diener behandelst Thang und zuletzt
folgst dem Rathe der Angestellten der Gerichte, bewirkst du, dass
die hundert Geschlechter in Gedanken beschäftigt und erfüllt sind
von dem Unwillen des Volkes von Thsin. Dies ist nicht das Mittel,
aufzumuntern die bei schweren Ereignissen sterbenden Diener.
Nachdem diese Auseinandersetzung an dem Hofe vorgelegt
worden, befahl der Himmelssohn die Freilassung Tschin-thang’s.
Diesem ward jedoch die Lehensstufe entrissen, so dass er fortan zu
den „Fünfmännern der Kriegsmänner“ gehörte.
Als nach einigen Jahren (29 vor uns. Zeitr.) J^Tuau-
hoei-thsung, der „allgemeine Erhalter“ der westlichen Marken, durch
eine Kriegsmacht des Landes U-sün eingeschlossen wurde, über
sandte er dem Himmelssohne durch einen Stellreiter ein Schreiben,
worin er um die Ermächtigung bat, die Streitkräfte der Länder der
„Stadtmauern und Vorwerke“, so wie des Kreises Tün-lioang zu
seiner Rettung ausrücken lassen zu dürfen. Über diesen Gegenstand
beriethen der Landesgehilfe jtrj ^ Wang-schang, der oberste
Heerführer Jj^ J Wang-fung und deren sämmtliche Amtsgenossen
durch mehrere Tage, ohne zu einem Beschlüsse zu kommen.
Endlich machte Wang-fung auf Tschin-thang aufmerksam,
indem er sagte: Thang ist reich an Entwürfen und Anschlägen, er
ist vertraut mit den Angelegenheiten der auswärtigen Länder, und
man kann ihn befragen. — In Folge dessen ward Tsching-thang zu
dem Himmelssohne beschieden und von diesem in einer inneren
Abtheilung des Wohnsitzes empfangen.
Noch zur Zeit seines Angriffes auf Tsche-tschi war Tschin-
thang durch die Einwirkung der Kälte erkrankt, so dass er seitdem
’) In dem Buche der Gebräuche werden die folgenden Worte Khung-tse’s angeführt:
Einen zerrissenen Vorhang werfe man nicht weg. Man begrabe damit die Pferde :
Eine zerrissene Decke werfe man nicht weg. Man begrabe damit die Hunde.
426
Dr. Pfizma i e r
seine beiden Arme weder biegen noch strecken konnte. Als er jetzt
bei dem Himmelssohne eintreten sollte, ward in einer höchsten Ver
kündung bestimmt, dass er keine Verbeugung zu machen habe.
Der Himmelssohn zeigte ihm den Bericht Tuan-hoei-thsung’s.
Tschin-thang entschuldigte sich dabei mit den Worten: Die Heerführer,
der Landesgehilfe und die neun Erlauchten besitzen sämmtlich die
Gabe der Weisheit, eine durchdringende Helle des Verstandes. Ich,
der kleine Diener, leide an der Krankheit des Alters, ich bin nicht
befähigt genug, um Rath zu ertheilen in grossen Angelegenheiten.
Der Himmelssohn bemerkte: Land und Haus befinden sich in
dringender Gefahr. Mögest du, o Gebieter, dich nicht weigern.
Tschin-thang erwiederte: Ich halte dafür, dass mau hier gewiss
keinen Grund hat, besorgt zu sein.
Auf die Frage des Himmelssohnes, wie dies zu verstehen sei,
antwortete Tschin-thang: Dass fünf Krieger von Hu erst gewachsen
sind einem einzigen Krieger von Han, woher kommt dies? Es ist,
weil die Klingen jener Krieger roh und stumpf, die Bogen und Arm
brüste nicht brauchbar. Jetzt habe ich gehört, dass man ein wenig
sich angeeignet hat die Kunstfertigkeit von Han, aber noch immer
sind deren,drei erst gewachsen einem einzigen. Zudem heisst es in
den Gesetzen der Kriegskunst: Wenn der Wirth doppelt so stark,
die Gästedie Hälfte, dann erst sind sie zu einander Gegner. —
Jetzt sind die Menschen, die eingeschlossen habeu Hoei-thsung,
insgesammt nicht hinreichend, um zu überwinden Hoei-thsung.
Mögest du, vor dem ich stehe unter den Stufen, nur desshalb
ohne Sorge sein.
Auch wandelt das leichte Kriegsvolk in einem Tage fünfzig
Weglängen, das schwere Kriegsvolk wandelt dreissig Weglängen.
Jetzt will Hoei-thsung ausrücken lassen die Streitkräfte der Länder
der Stadtmauern und Vorwerke, so wie des Kreises Tün-hoang.
Nach einer geraumen Zeit werden sie ankommen. Dies wäre, was
man nennt eine Streitmacht der Rache, sie wäre nicht zu gebrauchen
zur Rettung in Bedrängniss.
Der Himmelssohn fragte wieder: Was ist bei der Sache zu
tliun? Lässt sich als gewiss annehmen, dass der Feind abziehen
wird? Um welche Zeit wird er nach deiner Berechnung abziehen?
*) Gäste heissen die aus einem fremden Gebiete ankommenden Leute, namentlich
auch die auswärtigen Räuber.
Tschin-thang, Fürst-Zertrümmerer von IIu.
427
Tscliin-lhang wusste, dass die Ki'iegsschaaren vou U-stin nur,
wie es in der Geschichte heisst, gleich Dachsteinen locker zusam
mengefügt und zu fortgesetzten Angriffen nicht verwendbar seien.
Nach den Erfahrungen, welche er bei früheren Vorgängen gemacht
hatte, war er überzeugt, dass der Feind sich nicht länger als
einige Tage im Felde halten werde, und er antwortete: In diesem
Augenblicke ist er bereits abgezogen. — Indem er hierauf die Finger
krümmte und die Tage berechnete, fügte er hinzu: Ehe noch fünf
Tage vergangen, wird man eine glückliche Nachricht erhalten.
Vier Tage nach dieser Unterredung traf von Seite des Heeres
ein Schreiben ein, worin berichtet wurde, dass der Feind abge
zogen sei.
Um diese Zeit machte der oberste Heerführer Wang-fung in
Betreff Tschiu-thang's eine Eingabe, worin er die Meinung aus
sprach, dass derselbe zu den Geschäften gezogen und als Leib
wächter des Inneren verwendet werden solle. Die Angelegenheiten
des Versammlungshauses der Zelte, d. i. des Hauptviertels des Hee
res, seien vollständig durch Tschin-thang entschieden worden, und
dieser besitze helle Einsicht in die Gesetze und Erlässe, verstehe es
vortrefflich, aus den Ereignissen Nutzen zu ziehen und habe Worte
vorgebrachf, nach denen man sich häufig gerichtet habe. Dabei habe
er jedoch gewöhnlich von den Leuten Erz und Geldstücke empfan
gen, habe mit Abdrucksmarken verschlossene Eingaben an den Hof
verfertigt 1 ), und dieses sei zuletzt sein Verderben gewesen. Über
den Erfolg dieser Eingabe Wang-fung’s wird in der Geschiehte
nichts gesagt.
Tschin-thang war ursprünglich ein Freund zu dem „bauführen
den grossen Handwerker“ 'cp Kiai-wan-nien, einem be
deutenden Angestellten von zweitausend Scheffeln, der mit der
Leitung der öffentlichen Bauwerke betraut war. Seit den Zeiten des
Allhalters Yuen fanden nach ^jlj Wei-ling, d. i. der „Erdhöhe
des Flusses Wei“, keine Übersiedlungen des Volkes mehr Statt, und
ward die daselbst gegründete Stadt auch nicht weiter gebaut. Erst
der. Allhalter Selling baute die ursprüngliche Erdbälle weiter. Nach
einigen Jahren jedoch hatte er Freude an dem Einkehrhause
l ) Welche Eingaben Tschin-lhang’s hier gemeint sind, wird weder an dieser nucli an
einer andern Stelle der Geschiehte ersichtlich gemacht.
s
428 Dr. P f i a m a i er
jjj^j Khio - ting nächst Pa-ling, d. i. der „Erdhöhe
des Flusses Pa“, und er liess daher die genannte Erdhöhe im Süden
umbauen.
Kiai-wan-nien berieth sich in dieser Sache mit Tschin-thang,
wobei er als seine Meinung äusserte, dass zur Zeit des Allhalters
Wu ein Künstler, Namens
aufgeführten Bauten öfters dem Wunsche des Himmelssohnes ent
sprochen habe. Der dabei werkthätige „bauführende grosse Hand
werker“ und der die Stelle eines mittleren Gehilfen des grossen
Vorstehers des Ackerbaues bekleidende ^ fSg? ]Keng-scheu-
tschang, der die Erdhöhe Tu-ling erbaut, hätten die Rang
stufe von Lehensfürsten innerhalb des Durchweges erhalten. Der
„bauführende grosse Handwerker“ ^ Sching-ma-
yen-nien *) wurde seiner Bemühungen willen zu einem Angestellten
von zweitausend Scheffeln ernannt. Da jetzt die ursprüngliche Erd
höhe aufgeführt und die daselbst gegründete Stadt aufgebaut werde,
sei man in der Lage, sich grosse Verdienste zu erwerben. Er (Kiai-
wan-nien) müsse eine bedeutende Belohnung erhalten, und auch
Tse-kung's s), d. i. Tschin-thang’s Gattinn befände sich in Tschang-
ngan, seine Kinder wären in Tschang-ngan geboren und aufgewach
sen, hätten daher keine Freude an den östlichen Gegenden. Unter
solchen Verhältnissen möge man um die Übersiedlung nachsuchen,
wobei man erwarten könne, mit Feldern und Häusern beschenkt zu
werden, ein Ergebniss, das für beide Freunde günstig wäre.
Tschin-thang beherzigte diese Worte und übersandte sofort
dem Himmelssohne einen verschlossenen Bericht, worin er sagte:
Die ursprüngliche Erdhöhe ist Land der Hauptstadt des Himmels
sohnes. Sie ist überaus fruchtbar und schön, und man kann daselbst
gründen einen Kreis. Dass das Volk nicht zur Übersiedlung bewogen
wurde nach den Erdhöhen, sind bereits dreissig Jahre. Die reichen
Menschen im Osten des Durchweges sind eine im Zunehmen begrif-
feneMenge, sie messen häufig ab die trefflichen Felder und verwen
den zu Dienstleistungen das arme Volk. Man kann sie übersiedeln
heissen zu der ursprünglichen Erdhöhe und dadurch kräftigen
die Hauptstadt des Himmelssohnes, zum Schwinden bringen und
1 ) Sching-ma ist der Geschlechtsname, Yen-nien der Kindesname.
2 ) Tse-kung ist Tschin-thang’s Jünglingsname.
fiP Yang-kuang durch die von ihm
a
Tscliin-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
429
schwächen die Fürsten der Lehen. Zudem würde man noch bewirken,
dass die Häuser von dem Mittelstände abwärts ausgleichen können
Armulh und Reichthum. Ich Thang habe den Wunsch , mit dem
Hause der Gattinn und der Kinder Tlieil zu nehmen an der Übersied
lung nach der ursprünglichen Erdhöhe und der Welt voranzugehen
mit dem Beispiel.
Der Himmelssohn befolgte den ihm von Tscliin-thang gegebe
nen Rath und begann wirklich an der genannten Stelle den Bau
einer Stadt, Namens ^ Tschang-ling, wohin später eine
gewisse Menge Volkes aus den inneren Landschaften und Fürsten
ländern zur Übersiedlung bewogen wurde. Kiai-wan-nien war der
Meinung, dass der Bau binnen drei Jahren zu Stande kommen könne.
Als aber nach Verlauf dieser Zeit das Ganze nicht vollendet war,
erinnerten die Würdenträger von Han in ihren Vorträgen häufig an
das Unzweckmässige eines solchen Unternehmens. Die Sache wurde
den Inhabern der Vorsteherämter zur Berathung überwiesen. Diese
Männer erstatteten hierauf den folgenden Bericht:
Tschang-ling ist aus der Niedrigkeit zur Höhe gestiegen. Man
häufte die Erde und bildete einen Berg. Bemisstman die wohnlichen
Gemächer, so befinden sie sich noch immer auf flachem Boden. Die
Mitte der gastenden Erde J ) wird nicht beschützt, der Geist der
Abgeschiedenheit und Dunkelheit ist seicht, nach aussen ist keine
Festigkeit. Kriegsknechte, Fussgänger, Handwerker und Taglöhner
gegen zehntausend Mal zehntausend an der Zahl sind daselbst ange
langt. Wenn sie Fett sieden, erhebt sich in der Nacht das Feuer.
Man nimmt die Erde von den Bergen des Ostens, sie wird bald mit
dem Getreide gleichstehen im Werthe. Man baute und traf Einrich
tungen durch mehrere Jahre, die Welt ward auf allen Seiten dadurch
angestrengt. Länder und Häuser sind ohne Hilfsmittel und verküm
mert, die Aufbewahrungsorte und Vorrathshäuser sind erschöpft und
leer. Nach unten hat man, selbst bis auf die gemeine Menge, sich
bitter darüber beklagt.
Die alten Erdhöhen haben durch die Angeborenheit des Him
mels ihre Stütze in wirklicher Erde. Die Stärke des Verweilens
bilden ansehnliche Hochflächen, zur Seite ist man nahe den Vorfah
ren und den verstorbenen Vätern. In früherer Zeit hatte man auch
*) Uic gaatende Erde ist die aus anderen Gegenden lierbeigefiihrte Erde.
430
Dr. Pfizmaie r
schon durch zehn Jahre das Fadenende der Verdienste. Es ist ange
messen, dass man zurückkehre zu den alten Erdhöhen und nicht
mehr iibersiedeln heisse das Volk.
Der Himmelssohn befahl hierauf in einerhöchsten Verkündung die
Auflassung von Tschang-Iing. Der Landesgehilfe und der oberste Ver-
merker baten zudem noch, dass man die Häuser, welche die Ansiedler
in der Stadt von Tschang-Iing erbaut hatten, niederreissen lasse.
Ehe noch die Entscheidung über die letztgenannte Eingabe
herabgelangt war, wurde Tschin-thang von Leuten gefragt: Die
Häuser der Ansiedlung werden nicht niedergerissen. Wird man nicht
nochmals Menschen zur Übersiedlung aussenden? — Tschin-thang
gab zur Antwort: Die Obrigkeiten des Kreises richten sich einst
weilen nach den Worten sämmtlicher Diener; man wird aber die
Menschen nochmals zur Übersiedlung aussenden.
Um diese .Zeit war jtgj Wang-schang, Fürst von MjjX
Sching-tu, der erst kürzlich (15 vor uns. Zeitr.), zum grossen Vor
steher der Pferde und Heerführer der Leibwachen ernannt worden,
die Stütze der Lenkung. Als dieser Mann, der im Grunde kein Freund
Tschin-thang’s, von den oben erwähnten Worten in Kenntniss
gesetzt wurde, machte er eine Anzeige, worin er Tschin-thang der
Irreführung der Menge beschuldigte. Tschin-thang ward in ein
Gefängniss gesetzt und dem gerichtlichen Verfahren unterworfen,
wobei man auch wegen seiner früheren Vergehen eine Untersuchung
einleitete. Die Zahl der ihm zur Last gelegten Vergehen war im
Ganzen keine geringe.
Schon in früherer Zeit hatte Tschin-thang für Wang-mang,
der damals die Stelle eines „Beruhigers der Hauptstadt für die
Reiter“ bekleidete, bei dem Himmelssohne ein Schreiben einge
reicht, worin er sagte, dass Wang-mang’s Vater frühzeitig gestor
ben und daher zufällig nicht belehnt worden sei. 0Ming-
kiün 1 ). die Mutter Wang-mang’s, habe in Gemeinschaft mit Ande
ren die Gemahlinn des früheren Himmelssohnes gepflegt und sich
dabei die meiste Mühe gegeben. Es sei daher billig, ihren Sohn zu
belehnen. Wang-mang erhielt hierauf auch das Lehen eines Fürsten
von Sin-tu. Später wurde ^ /fjj Keu-tsan, ein leiblicher jüngerer
i) Die Mutter Wang-mang’s führt in der Geschichte sonst den Namen / | t Khiii. Das
hier geselzte Ming-kiün ist, wie Sse-ku angibt, der Mädchenname.
Tsehin-Ihnng, Fürst-Zertriimmerer von IIu.
431
Bruder der Gemahlinn des Ilimmelssohnes, zu einem mit dem Namen
Schui-heng belegten „Beruhiger der Hauptstadt" ernannt. Nach
rd dessen Sohn -illi Khi ein „in dem Inne-
dem Tode Keu-tsan’s war
ren Aufwartender“. Die Witwe Keu-tsan's wollte für ihren Sohn
Khi um ein Lehen ansuchen. Tschin-tliang erhielt von ihr fünfzig
Gewichte Goldes, wogegen er einwilligte, für ihren Sohn auf ähn
liche Weise, wie es in dem vorher erwähnten Falle geschehen, um ein
Lehen nachzusuchen.
Statthalter von Hung-nung, war
in Anklagestand versetzt worden, weil er einen Betrag von mehr als
hundertmal zehntausend Geldstücken heimlich zurückgelegt hatte,
was ihm als Schlauheit und Ungesetzlichkeit gedeutet wurde. In
einer höchsten Verkündung ward den Angestellten der Gerichte
befohlen, sich an Ort und Stelle zu begehen und den Angeschuldig
ten zu verhören. Tsch'hang-khuang fürchtete, gefänglich eingezogen
zu werden und liess Tschin-thang durch ausgesandte Leute die
Sache vortragen. Tschin-thang bestritt in seinen Eingaben die Schuld
Tsch’hang-khuang’s und brachte es dahin, dass die Entscheidung
über die Monate des Winters ] ) hinaus verzögert ward. Zuletzt
ward es Tsch’hang-khuang gestattet, sich gegen Erlag von zwei-
hundertmal zehntausend Geldstücken zu entschuldigen.
Für die genannten und ähnliche Vergehen, welche man Tschin-
thang zur Last legte, hatte er schon in früherer Zeit Verzeihung
erhalten.
Später zeigte sich in der Landschaft Tung-lai während des
Winters ein schwarzer Lindwurm 2 ). Die Leute fragten Tschin-
thang wegen der Bedeutung dieses Ereignisses. Derselbe antwortete
*) Die alten Könige straften im Winter, wahrend sie im Sommer Belohnungen zu
Theil werden Hessen. »
2 ) Eine eigentliche Vermerkung dieses Ereignisses wurde von dem Verfasser an keiner
anderen Stelle der Geschichte, seihst nicht in den sehr weitläufigen Nachrichten
über die fünf Grundstoffe aufgefunden. Bios in der Geschichte des Allhalters
Sching wird dasselbe als etwas Bekanntes erwähnt. Daselbst heisst es, dass im
zweiten Jahre des Zeitraumes Yung-schi (lö vor uns. Zeitr.) in einer Nacht „Sterne
gleich einem Regen zur Erde gefallen“ und im Neumonde eine Sonnenfinsterniss
eingetreten sei. Der Himmelssohn erliess hierauf eine Verkündung, welche mit
folgenden Worten beginnt: Es ist nämlich ein Lindwurm erschienen in Tung-lai,
die Sonne ward verfinstert, der Himmel zeigt Veränderungen und Seltsamkeiten,
um an den Tag zu logen meine, des Himmelssohnes, Fehler. Mir, dem Himmels-
sohne, ist darob überaus bang.
432
Dr. Pfizmaier
ihnen: Das bläuliche Thor öffnet sich, inan wandelt unerkannt
umher, geht mehrmals hinaus. Der Eintritt und Austritt geschieht
nicht zu bestimmten Zeiten, desswegen ist der Lindwurm zur Unzeit
hervorgekommen *)•
Was die Worte Tschin-thang's betrifft, dass man nochmals
Ansiedler nach Tschang-ling schicken werde, so waren es nur etwa
zehn Menschen, welche sie einander wiedererzählt hatten.
Der Landesgehilfe und der oberste Vermerker sagten jetzt in
ihrem Berichte: Thang hat irre geführt die Menge, dies ist nicht
rechtlich. Er hat auf’s Gerathewohl herausgesagt Lügen und zuge
rechnet seltsame Erscheinungen dem Himmelssohne. Es ist nicht
geziemend, von solchen Dingen zu sprechen, es ist grosse Unehr
erbietigkeit.
Der oberste Richter |pp Tseng-scheu hielt hierüber eine
Berathung, deren Ergebniss war, dass die Bezeichnung „nicht
rechtlich“ in diesem Falle nicht genau dem Gesetze entspreche. Je
nachdem dasjenige, was man verbrochen, gefährlicher Art oder
etwas Geringfügiges ist, werde es zum Verbrechen gerechnet. Die
Niedriggestellten unter den Würdenträgern und die Gehilfen,
welche man beigezogen, hätten das Richtige verfehlt und desshalb
wäre es dem Beruhiger des Vorhofes überlassen worden, nochmals
über die Schwere der Schuld zu entscheiden.
Der oberste Richter fuhr in seiner Meldung fort: Was ohne
Zusammenhang, wird früher an höchster Stelle zu Obren gebracht.
Dass man genau bemisst die Strafe, es geschieht desshalb, weil man
Werth legt auf das Leben des Menschen. Der erleuchtete Gebieter
hatte sich erbarmt der hundert Geschlechter. Er sandte herab eine
höchste Ausfertigung, in der erbefahl, aufzulassen Tschang-ling
und nicht zur Übersiedlung zu bestimmen die Angestellten und das
Volk. Der Erlass war bereits verbreitet, als Thang ungegründeter
Weise und seinen Gedanken gemäss zu den Leuten sagte, dass man
wieder aussenden werde die Ansiedler. Entstand auch etwas
Schrecken und Aufregung, diejenigen, die auswanderten und sich
auf den Weg machten, waren wenige, die hundert Geschlechter
erfuhren desshalb keine Veränderungen. Dies lässt sich nicht nennen:
•*) Zu diesen Worten wird von den Auslegern nichts bemerkt. Es geht jedoch aus dem
sogleich erwähnten Berichte der Würdenträger hervor, dass Tschin-thang den
Mimmelssohn, der öfters unerkannt seinen Wohnort verliess, beschuldigen wollte.
Tschin-thang, Fürst-Zertrümmerer von Hu.
433
irreführen die Menge. Thang sagte heraus Lügen, stellte eitler Weise
hin Dinge, die sich nicht so verhielten, es war nicht geziemend,
von solchen Dingen zu reden. Dies ist grosse Unehrerbietigkeit.
Die hierauf erfolgte höchste Ausfertigung lautete: Der Beruhi
get’ des Vorhofes Tseng-scheu hat das Richtige gesagt. Thang hat
sich in früherer Zeit erworben das Verdienst, gestraft zu haben
Tsche-tschi Schen-yü. Ich entlasse Thang, so dass er gehört zu
den gemeinen Menschen und übersiedelt nach den seitwärts liegen
den Gegenden.
Ein Zusatz zu dieser Ausfertigung lautete: Der ehemalige bau
führende grosse Handwerker Wan-nien ist schmeichlerisch, ver
derbt und nicht redlich. Er bediente sich auf’s Geradewohl des
Truges und der Lüge, vervielfältigte die Abgaben und Sammlungen,
quälte die dienstleistenden Männer, begann feindselige und grausame
Werke. Die Krieger und Fussgänger, die einer Schuld geziehen
wurden und starben, folgten ohne Unterbrechung auf einander. Das
Gift zog umher zu der gesammten Menge, was innerhalb der Meere,
blickte unwillig vor sich hin. Ist ihm auch zu Statten gekommen der
Befehl der Verzeihung, es ziemt sich nicht, dass er wohne in der
Hauptstadt des Mittellandes.
Diesem Befehle zufolge wurden Tschin-thang und Kiai-wan-
nien zur Auswanderung nach der im Nordwesten unter den Fremd
ländern gegründeten Landschaft Tün-hoang gezwungen.
Erst nach längerer Zeit sandte der Statthalter von Tün-hoang
an den Hof einen Bericht, worin er sagte: Thang hat vordem in
Selbstheit gestraft Tche-tschi Schen-yü, der Schrecken seiner
Macht hat sich verbreitet durch die auswärtigen Länder. Es ist nicht
angemessen, dass er nahe komme den Versperrungen der seitwärts
liegenden Gegenden. — In einer höchsten Verkündung ward hier
auf befohlen, dass Tschin-thang nach dem Kreise -j£r Ngan-
ting r) übersiedeln solle.
Um diese Zeit übersandte der berathende Leibwächter SW
Keng-yo dem Hofe ein Schreiben, worin er von Vortheilen und
Angemessenheiten sprach. Bei dieser Gelegenheit bestritt er auch
die Schuld Tschin-thang’s, dessen ungerechte Verurtheilung er mit
folgenden Worten nachzuweisen suchte:
*) Ngan-ting ist das heutige Ping-liang in Kan-sü.
434
Dr. P f i z m a i e r
Yen-scheu und Thang verbreiteten für das höchstweise Ilan
den in der Tiefe mit Haken erfassenden , das Ferne herbeibringen
den Schrecken der Macht 1 ). Sie tilgten des Landes und Hauses durch
eine Reihe von Jahren dauernde Schmach. Sie straften der entlegen
sten Marken nicht an der Leine gezogene Landesfürsten. Sie banden
eines zehntausend Weglängen entfernten Landes schwer zu lenkende
Gefangene. Wie könnte sich etwas hiermit vergleichen lassen? Der
frühere Allhalter erkannte ihre Vortrefflichkeit, sofort sandte er
herab eine höchste Verkündung, worin er allgemein bekannt machte
ihre Verdienste. Er veränderte das Jahr, liess hernieder die Zeit
rechnung und führte es auf die Nachwelt ohne Aufhören 2 ). Diesem
entsprechend brachte die südliche Landschaft als Geschenk einen
weissen Tiger 2 ), auf die seitwärts liegenden Gegenden liess sich
das Glück hernieder, nicht ermuntert zu werden zu Vorkehrungen.
Als der frühere Allhalter krank darniederlag, liess er sich noch
immer herab mit den Gedanken und vergass nicht. Er hiess mehr
mals den obersten Buchführer zur Rede stellen und befragen den
Landesgehilfen. Er zog schleunigst hervor die Verdienste jener
Männer. Bios der Landesgehilfe Khuang-heng hielt sie fern und
gewährte ihnen nicht. Man belehnte Yen-sclieu und Thang mit eini
gen hundert Thiiren des Volkes. Dies ist es, wodurch die verdienst
vollen Diener und die kämpfenden Kriegsmänner verlustig werden
ihrer Hoffnungen.
Der erhabene Allhalter Hiao-sching nahm in Empfang das Fuss-
gestell der festen Gründung des Berufes, machte sich zu Nutzen den
Schrecken der Eroberung und des Angriffs. Waffen und Leder
panzer geriethen nicht in Bewegung, Länder und Häuser hatten
keine Anliegen, aber die grossen Diener waren tückisch und verderbt,
Verleumder und Schmeichler befanden sich an dem Hofe, sie hatten
1 ) „Das in der Tiefe befindliche mit Haken erfassen, das Ferne herbeibringen“ sind Worte
aus dem Buche der Verwandlungen.
2 ) Der Allhalter Yuen nannte das Jahr, in welchem er Kan-yen-scheu und Tschin-thnng
belehnte, das erste des Zeitraumes rrn* King-ning. Der hier erwähnte Name
King-ning bedeutet nach Einigen „Beruhigung der Marken“, nach Anderen „die end
liche Beruhigung“. Es wird jedoch bemerkt, dass der Name des Zeitraumes nicht aus
Anlass der Tödtung Tsche-tschi Schen-yii’s verändert werden konnte, weil in dein
genannten Jahre (33 vor uns. Zeitr.) nur die auf dieses Ereigniss bezüglichen
Schriften an dem Ilofe eingereicht wurden.
s ) Über die Darbringung eines solchen Geschenkes hat der Verfasser an keinem ande
ren Orte der Geschichte etwas aufgefunden.
Tschin-thang, Für»t-Zertrümmerer von Hu.
435
nicht ernstlich bedacht die Schwierigkeiten des Stammes und der
Spitze, um vorzubeugen der Warnung vor den noch nicht gesche
henen Dingen. Sie wollten ausschliesslich in Besitz nehmen die
Macht des Gebieters, hielten fern und betrachteten mit Eifersucht
die Verdienstvollen. Sie bewirkten, dass Tliang gleich einem Erd-
kloss 4 ) überführt ward der Schuld, geschleppt in das Gefängniss
und nicht fähig war, sich zu rechtfertigen. Zuletzt ward er, ohne
dass er etwas verbrochen, in seinem Alter hinausgeworfen nach Tün-
hoang. Gerade auf den Wegen des Verkehrs in den westlichen Mar
ken heisst man die einen furchtbaren Namen besitzenden, bahnbre
chenden Diener drehen die Ferse und sie selbst wieder für die
durch sie geschickten Gefangenen Tsche-tschi's werden ein Gegen
stand des Spottes. Es ist dies in Wahrheit zu bedauern!
Bis zu dem gegenwärtigen Augenblick hat es unter denjeni
gen, die eine Gesandtschaft übernahmen für die auswärtigen Gebiete
und die Fremdländer, noch keiner versäumt, vor Augen zu halten
Tsche-tschi’s Strafe, um zu verbreiten die Machtfülle des Landes
von Han. Herbeiziehen die Verdienste der Menschen, um bange zu
machen dem Feind, hinauswerfen den Leib der Menschen, um
zufrieden zu stellen die Verleumder, wie wäre dies nicht
schmerzlich ?
Auch vergisst man bei der Sicherheit nicht auf die Gefahr, bei
der Fülle muss man denken an die Abnahme. Jetzt gibt es in Land
und Haus otfenbar nicht die durch die beschränkende Sparsamkeit
fortlaufender Jahre Reichthümer sattsam bietenden Bergungen des
Allhalters Wen. Es gibt auch nicht die empfehlenden, einführen
den 3 ), die Häupter der Vordersten 3 ) auf Bäume hängenden, die
Feinde fangenden Diener des Allhalters Wu. Es gibt nur einen ein
zigen Tschin-thang!
Gesetzt, er hätte gelebt in einem verschiedenen Zeitalter und
nicht erlebt die Zeiten dessen, vor dem ich stehe unter den Stufen,
so wäre noch immer Hoffnung, dass Land und Haus nachträglich
verbuchen seine Verdienste, zur Höhe thürmen und mit einer
*) D. i. in vereinzelter Stellung 1 gleich einem Erdkloss.
3 ) Zur Zeit des Allhalters Iliao-wu ward den grossen Würdenträgern der Auftrag-, vor
zügliche Männer zu empfehlen und an dem Hofe einzuführen.
3 ) Die Vordersten sind feindliche Anführer gleich Tsche-tschi. Deren Häupter wurden
abgeschlagen und auf Bäume gehängt.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. III. Ilft.
29
436
Dp. P f i z in a i e r
Gedenkplatte versehen sein Grab, um zu ermuntern die später
Emporsteigenden. Thang ist so glücklich, dass er lebt in dem höchst
weisen Zeitalter, seine Verdienste bestehen noch nicht lange, jedoch
wider Erwarten gibt man Gehör verderbten Dienern, geisselt und
treibt ihn zu den fernsten der Klippen, heisst ihn entfliehen, sich
lossagen und gleich einer Ratte sterben ohne einen Ort des Ver
bleibens.
Unter den eine weite Ferne überblickenden Männern ist keiner,
der dies nicht berechnet und erwägt. Alle halten dafür, dass die
Verdienste Thang’s durch eine fortlaufende Reihe von Geschlechts
altern nicht können erreicht werden, aber dass die Fehler Thang’s
solche, wie die Angeborenheit des Menschen sie bedingt. Thang
ist noch immer so geartet. Wollte man ihm auch wieder zertrüm
mern und zerreissen Rippen und Knochen, an der Sonne bleichen
lassen sein Gerippe und ihn gleichsam wieder verfertigen mitsammt
den Lippen und der Zunge, er würde von missgünstigen und eifer
süchtigen Dienern nur gebunden werden und gefangen. Dies ist es,
wesshalb nach meiner Meinung Land und Haus auffallender Weise
das Aussehen des Kummers haben.
Nachdem dieser Aufsatz eingereicht worden, gab der Himmels^
sohn denBefehl zur ZurückberufungTschin-thang's, und dieser starb
zuletzt in Tschang-ngan.
Einige Jahre später (J. 1 uns. Zeitr.) belegte sich Wang-mang
mit dem Namen Ngan-han-kung, d. i. der das Haus Han beruhigende
Fürst, und bemächtigte sich der Lenkung. Dieser Gewalthaber war
der Dienste, welche ihm Tschin-thang einst erwiesen, dankbar ein
gedenk. Zugleich wollte er auch seiner Muhme, der während der
Minderjährigkeit des Allhalters Ping an der Spitze der Lenkung
stehenden Gemahlinn von dem Gescldechte Wang schmeicheln, indem
er deren Gemahl, den früheren Allhalter Yuen, wegen der durch die
Bestrafung Tsche-tschi’s erworbenen Verdienste ehrte und ihm bei
diesem Anlasse in dem Ahnenheiligthume den Namen Kao-thsung,
d. i. der hohe Stammhalter, beilegte. Er zog ferner in Betracht,
dass die Verdienste, welche sich Tschin-thang und Kan-yen-scheu
in früherer Zeit erworben, sehr gross, die Belohnung jedoch eine
geringfügige gewesen, während der „wartende Gehilfe“ Tu-hiün
gar keine Belohnung erhalten habe. Er vermehrte daher das Lehen
fürstenthum I-sching, welches auf Tsien, den Enkel Kan-yen-
Tschiu-lhang, Fiirst-Zerlrüinmerer von Hu.
437
scheu’s, übergegangen, um eintausend sechshundert Thüren des
Volkes, so dass dasselbe jetzt zweitausend Thüren des Volkes in sich
fasste. Tschin-thang erhielt nachträglich den nach dem Tode zu füh
renden Namen Lehensfürst -|JJ_ Tschuang von ^ Po-hu. Die
Bedeutung der letztgenannten Verbindung ist: „das Land Hu zertrüm
mernd". yg= Fung, der Sohn Tschin-thang's, wurde in das neue
Lehenfürstenthum Po-hu, welches eintausend vierhundert Thüren
des Volkes in sich begriff, eingesetzt.
Tu-hiün, der das Haupt Tsche-tschi Sehen-yü’s abgeschlagen
hatte, wurde zum Lehensfürsten von Tao-thi, d. i. dem die
nördlichen Fremdländer strafenden Lehensfürsten, wobei ihm ein
tausend Thüren des Volkes zugewiesen wurden, ernannt.
Verzeichnis der eingegangenen Druckschriften.
439
VERZEICHNIS
DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(OCTOBER 1862.)
Aüademia, Real, de la historia zu Madrid. Noticias de los Arqui-
teetos y Arquitectura de Espaua desde su restauracion por el
Excmo. Senor D. Eugenio Llaguno y Amirola ilustradas y
acrecentadas cou notas, adiciones y documentos por D. Juan
Agustiu Cean-Berrnudez. Tom. I—IV.Madrid, 1829; 8°. —
Diceionario histörico de los mas ilustres Profesores de las
Bellas - Artes en Espaua. Compuesto por D. Juan Agustin
Cean-Bermudez. Tom. I—VI. Madrid, 1800; 12».
Akademie der Wissenschaften, König). Bayer., zu München.
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Juni, Juli und August 1862. Berlin; 8°. — Preisfrage der philo
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Wissenschaften für das Jahr 1863; 8°.
Alterthumsvere in in Lüneburg. Mittheilungen. 5. Lieferung.
(Die Alterthümer der Stadt Lüneburg und des Klosters Lüne.)
Lüneburg, 1862; 4°. — Der Ursprung und der älteste Zustand
der Stadt Lüneburg. Ein Versuch von Willi. Friedr. Volger.
Lüneburg, 1861; 8°.
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Nr. S—7. Nürnberg, 1862; 4».
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Boletin bibliogräfico Espanol. AiTio III, Nr. 13—18. Madrid, 1862;
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Cicogna, Emm. Ant., Delle inserizioni veneziane. Fascicolo 2S. 4°,
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l'annee 1860. Avec un Atlas. St. Petersburg, 1861; 4» & Folio.
Darstellung des Theissregulirungs - Unternehmens, mit einer
Übersichtskarte des Theiss-Flusses in 4 Blättern. Auszug aus
einem Berichte des Ministerialrathes Ritter von Pasetti an
Se. Excellenz den Herrn Minister Ritter von Lasser. Wien,
1S62; 4° & Folio.
Diez, Friedrich, Etymologisches Wörterbuch der romanischen
Sprachen. Zweite verbesserte und vermehrte Auflage I. und
II. Theil. Bonn, 1861 und 1862; 8°.
Ellero, Pietro, Giornale per 1’abolizione della pena di Morte,
IV. Bologna, 1862; 8°.
Ferdinandeum flir Tirol und Vorarlberg. Zeitschrift. Dritte Folge,
X. Heft. Innsbruck, 1861; 8°. — 29. Bericht des Verwaltungs-
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Tydschrift voor Indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel VII.
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Serie Deel II.) Aflevering 1.; Deel IX. (III. Serie Deel III.)
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1—6. Batavia, 1861; 8». —
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3. und 4. Heft. Mit 1 Kupfertafel. Leipzig, 1862; 8°. —- Abhand
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Leipzig, 1862; 8. — Weher, Albr., Indische Studien. V. Band,
2. und 3. Heft. Berlin, 1862; 8.
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der Natur- und Landeskunde. Schriften, XIV. Band. (Mährische
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1859—60—61. Paris & Amiens, 1861; 8°.
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de la 3 mo Serie. Annee 1860. Paris, Londres, New York,
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l st Series, Vol. III. Warrington, 1790; 8°; 2 a Series.
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Wien, Universität. Verzeichniss der Vorlesungen im Winter-
Semester 1862/63. Wien, 1862; 4°.
Würz bürg, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus
den Jahren 1860—1862; 8° & 4°.
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
i * '
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XL. Mm. IV. HEFT.
JAHRGANG 1862. — NOVEMBER.
30
pr. Ficker. Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
447
SITZUNG VOM 5. NOVEMBER 1862.
Vor gelegt:
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
Von dem c. M. J. Picker.
Es wurde neuerdings mehrfach darauf hingewiesen, wie über
aus bedeutend die Stellung war, welche die Dienstmannen des
Reiches im Laufe des zwölften Jahrhunderts zu erringen wussten;
und unter ihnen waren es dann insbesondere die Träger der ober
sten Hofämter, welche den weitgreifendsten Einfluss auf die allge
meinen Angelegenheiten des Reiches gewannen. Das Ehrenvolle der
persönlichen Dienstleistung beim Kaiser, der reiche Besitz, zu
dessen Begründung und Erweiterung ihre Stellung so manche Ge
legenheit hot, Hessen mehr und mehr den Mangel freier Geburt
übersehen, während es eben wieder dieser Mangel, diese persön
liche Unfreiheit war, welche sie ungleich enger als den Untertha-
nen, als den Lehensmann an die Person des Herrschers band, welche
bei dem, was sie für Kaiser .und Reich leisteten, mehr als das bei
irgend einem andern Stande der Fall war, nicht blos das Bewusst
sein der Pflichterfüllung, sondern auch der Förderung der eigenen
Interessen begründen musste. Zuverlässigeren Händen konnte der
Kaiser seine Angelegenheiten, so weit Laien denselben überhaupt
gewachsen waren, nicht anvertrauen. Die Dienstleistungen, zu wel
chen ihr Amt sie zunächst verpflichtete, boten den leichtesten Weg,
das Vertrauen des Herrschers zu gewinnen, vermittelten den Über
gang zu einer immer bedeutender hervortretenden Stellung; aber
sie sind für diese, zumal in den späteren Zeiten unserer Periode,
30”
448
Di*. Ficker
nicht mehr das .vorzugsweise Massgebende. Das Gewicht der Reichs
beamten liegt nicht mehr darin, dass ihnen diese oder jene Verrich
tung am kaiserlichen Hoflager obliegt; sie sind am Hofe vorzugs
weise als ständige Räthe des Herrschers; wir finden sie als Vor
münder und Erzieher unmündiger Könige, als Führer kaiserlicher
Heere, als Gesandte beauftragt mit der Vermittlung der wichtigsten
Staatsgeschäfte; sie verwalteten in Deutschland den Besitz des
Reiches und des Kaiserhauses, werden als Boten oder Statthalter
des Reiches nach Italien gesandt; es ist fast kein wichtiges Ereig
niss dieser Zeit, hei welchem nicht der Name des einen oder des
andern von ihnen genannt würde.
Dieser Einflussnahme der Reichshofbeamten auf die allgemeinen
Reichsangelegenheiten näher nachzugehen, ist nicht der Zweck der
vorliegenden Arbeit. Es wäre das eine Aufgabe, deren gesonderte
Behandlung sich kaum empfehlen dürfte, deren Lösung entspre
chender den allgemeinen Bearbeitungen der Geschichte unserer
Kaiser und unseres Reiches in der bezüglichen Periode Vorbehalten
bleibt. Immerhin wird aber das, was hier zusammengestellt wurde,
auch die Lösung dieser Aufgabe mannigfach erleichtern können.
Eben so wenig lag es zunächst in meiner Absicht, die Bedeu
tung der Reichshofämter an und für sich, die mit ihnen verbundenen
Rechte und Pflichten näher zu erörtern. Denn abgesehen davon,
dass für die hervorragende Stellung der Ilofbeamten ihre eigent
lichen Amtsverrichtungen kaum das vorzugsweise Massgebende zu
sein scheinen, würde auch in dieser Richtung eine gesonderte Be
handlung der Hofämter des Reiches nicht angemessen erscheinen
können. Denn gerade für das Reich, wie das auch bei anderen
Gegenständen unserer Verfassungsgeschichte so häufig der Fall ist,
fehlt es uns durchaus an zureichenden Quellen; kein Reichsdienst
recht, keine Einzelverfügung über Rechte und Pflichten der Reichs
hofbeamten liegt uns vor; Urkunden und Geschichtschreiber geben
kaum hie und da eine dürftige Andeutung. Festen Böden würde
hier die Untersuchung unzweifelhaft nur durch eine weitere Fassung
der Aufgabe gewinnen können, durch eine Untersuchung der Stel
lung auch der fürstlichen Hofbeamten, für welche wir vielfach aus
reichendere Quellen besitzen, auf deren Grundlage sich dann er
örtern Hesse, in wie weit wir daraus auf die Reichshofämter zurück-
schliessen dürfen. Und wenn in dieser Richtung Manches zu thun
Die Reichshofbeamten der statifischen Periode.
449
übrig bleibt, so wird man doch auch nicht sagen können, dass die
neuere Forschung hier eine Lücke zeigt; es mag genügen, an die
Erörterungen von Fürth zu erinnern.
Eine Lücke der Forschung aber, welche mir bei anderweitigen
Untersuchungen fühlbar wurde und die nachfolgende Zusammen
stellung veranlasste, war unzweifelhaft darin zu sehen, dass uns die
Heihenfolge der Reichshofbeamten nur ganz ungenügend bekannt
war. An und für sich möchte eine Aufzählung der in den einzelnen
Ämtern vorkommenden Personen, eine genauere Feststellung der
zeit ihrer Amtsführung ziemlich entbehrlich scheinen. Aber es han
delt sich dabei zugleich um die Gewinnung der Grundlage, von der
aus allein einige Fragen von grösserer Bedeutung ihre Erledigung
finden können; so insbesondere die Fragen, ob es nur je einen
obersten Reichshofbeamten gab, oder ob die einzelnen Ämter mehr
fach besetzt waren; ob die Ämter, wie später unzweifelhaft der Fall
war, in Weise der Reichslehen vererbten oder aber anderweitig
besetzt wurden.
Für die gesammte Reihe sind wir noch jetzt auf Zusammen
stellungen aus dem vorigen Jahrhunderte hingewiesen, welche dem
Bedürfnisse in keiner Weise genügen können; nur ein geringer
Theil des jetzt vorliegenden Materials ist dort “benützt, Zeugnisse
sehr verschiedenen Werthes mit einander vermengt, Reichshof
beamte und in den Kaiserurkunden vorkommende fürstliche Hofbe
amte nicht unterschieden.
Nur für einen kürzeren Abschnitt liegt uns eine neuere Arbeit
vor. Huillard-Breholles hat in der Einleitung zu seiner urkundlichen
Geschichte K. Friedrich's II. aus den Urkunden des Kaisers und
seiner Söhne die Namen der Hofbeamten und die Jahre, in welchen
die einzelnen Vorkommen, ausgehoben. Er glaubt daraus ein Doppel
tes schliessen zu dürfen; einmal, dass es mehrere Reichshofbeamte
gab, welche gleichzeitig ein und dasselbe Amt versahen; dann dass
die Hofämter sich wie Lehen in den einzelnen Familien vererbten.
Dürfen wir nun dieses Ergehniss als gesichert und genügend
betrachten? Zunächst wird nicht zu verschweigen sein, dass die
Grundlage, auf der es gewonnen wurde, sich nicht überall bewährt.
Auch abgesehen von aller kritischen Sichtung ergibt eine vollstän
dige Durchsicht des von Huillard selbst gesammelten Urkunden
schatzes noch manche Ergänzung und Berichtigung, während anderer-
450
Dr. Wickel“
seits nach genauerer Prüfung manche der von ihm aufgeführten
Personen als nicht zu den Reichshofbeamten oder nicht in diese Zeit
gehörig zu streichen sind. Und weiter hat Huillard alle Anhalts-
puncte ausser Acht gelassen, welche zum Theil sehr deutlich darauf
hinweisen, dass, wenn auch gleichzeitig mehrere Personen in dem
selben Amte genannt werden, doch nicht alle als gleichstehend
betrachtet werden können.
Nun würde freilich auch eine nach diesen Gesichtspuncten be
richtigte Reihe der Reichshofbeamten K. Friedrich’s II. noch immer
für jene Ergebnisse Huillard’s sprechen können, Ergebnisse, welche
doch an und für sich den grössten Bedenken Raum geben. Wenn
die Ämter wirklich in den einzelnen Familien vererbten, ist es dann
nicht doppelt unerklärlich, dass verschiedene Familien ein und das
selbe Amt bekleideten? Und wie ist wieder damit zu reimen, dass
es später unzweifelhaft nur vier, in einzelnen Familien vererbliche
Hofämter gab?
Sollte hier grössere Sicherheit gewonnen werden, so war es
vor Allem nothwendig, die Untersuchung über einen grösseren Zeit
raum auszudehnen; es musste das schon die Erwägung nahe legen,
dass das bereits mehrfach betonte Eintreten der schwäbischen Hof
beamten in den Dienst des Reiches unte K. Philipp leicht eine Ver
schiebung dieser Verhältnisse hätte herbeiführen können. Ich
begnügte mich daher nicht mit einer nochmaligen genaueren Zu
sammenstellung der Erwähnungen von Hofbeamten in den von
Huillard (H.) gesammelten Urkunden; es wurden auch die Kaiser
urkunden der früheren Zeit zugezogen und zwar vom Beginne des
zwölften Jahrhunderts ab. Weiter zurückzugreifen würde für die
nächsten Zwecke ohne Werth gewesen sein. Denn an die Aufstel
lung einer einigermassen zusammenhängenden Reihe der Hofbeamten
ist nur da zu denken, wo dieselben häufiger in den Zeugenreihen
der Kaiserurkunden erscheinen; das aber ist erst unter den stati
schen Herrschern der Fall; noch unter K. Heinrich V. und K. Lothar
sind die Erwähnungen, wie wir sehen werden, ganz vereinzelt; für
die früheren Jahrhunderte würden sich mit grosser Mühe doch nur
wenige zusammenhanglose Namen ergeben, welche ich, auch so
weit sie mir bekannt wurden, nicht berücksichtigte, weil ich es vor
zog, von einem bestimmten Zeitpuncte ab die urkundliche Grundlage
mit wenigstens gleichmässiger Vollständigkeit auszubeuten. Und
Die Reiehshofbeamten der staufischen Periode.
451
schien hier die Dürftigkeit der Zeugnisse es nahe zu legen, nicht
über den Beginn des zwölften Jahrhunderts zurückzugreifen, so
mochte auch in anderer Richtung diese Grenze vollkommen genügen.
Die Darstellung selbst wird nämlich ergeben, dass zur Erklärung
wenigstens der späteren Verhältnisse ein weiteres Zurüekgreifen,
auch wenn die Quellen es gestatteten, allem Anscheine nach kaum
etwas beitragen würde, dass insbesondere Vorrechte einzelner
Familien auf die Ämter, von einer Ausnahme vielleicht abgesehen,
sich frühestens unter K. Konrad III. begründet haben können.
Boten die Kaiserurkunden seit dem Beginne des zwölften Jahr
hunderts die Ilauptgrundlage für die folgende Zusammenstellung,
so wurden dieselben dafür in solcher Ausdehnung benützt, dass nach
ungefährer Schätzung nur etwa der zwanzigste Thei! der veröffent
lichten unberücksichtigt blieb. Damit dürfte immerhin eine ziemlich
sichere Grundlage für die Forschung gewonnen sein; es ist möglich,
dass die mir unbekannt gebliebenen Urkunden nur noch unwesent
liche Ergänzungen bieten würden; andererseits ist freilich nicht zu
vergessen, dass zumal bei der Unsicherheit über die Familien,
welchen einzelne der früheren Hofbearnten angehören, hier oft auch
ein einzelnes urkundliches Vorkommen wegen Angabe eines Ge-
schlechtsnamens oder einer verwandtschaftlichen Beziehung den
wichtigsten Haltpunct gewähren kann. Um eine Prüfung und Ergän
zung meiner Angaben zu erleichtern, glaubte ich jedes mir bekannt
gewordene urkundliche Vorkommen erwähnen zu sollen; doch schien
dazu, so weit die Urkunden in Böhmer's älterem Regestenwerke (B.)
und in dessen Regesten K. Philipp’s (Pb.) und K. Otto’s (0.) ver
zeichnet sind, die Anführung der Regestennummer zu genügen. Die
Geschichtschreiber dieser Zeit werden noch einige Ergänzungen
bieten; aber für die nächsten Zwecke schienen sie mir doch zu
wenig Haltpuncte zu bieten, als dass eine umfassendere Durchsicht
derselben einen die Mühe lohnenden Erfolg in Aussicht stellen
konnte; ich habe nur von einzelnen mir ohnehin bekannten Stellen
Gebrauch gemacht.
Kann ich nun hier eine auf Urkunden gestützte Reihenfolge der
Hofbeamten in solcher Vollständigkeit bieten, wie sie bisher auch
nur annähernd nicht vorhanden war,-so schien es mir kaum thunlieh,
darüber hinaus auch nur mit Rücksicht auf die zunächst hervorge
hobenen Gesiehtspuncte die Forschung so weit durchzuführen, als
452
Dr. F i c k e r
das die vorhandenen Hilfsmittel überhaupt gestatten. Manche hier
einschlagende Aufgaben, wie der Nachweis der in den Kaiserurkun
den vorkommenden fürstlichen Hofbeamten, der Nachweis der Her
kunft, der verwandtschaftlichen Beziehungen einzelner Personen,
der Identität mancher unter verschiedenen Namen vorkommenden
Personen und Geschlechter, und ähnliche gehen so in’s Einzelnste,
sind mit solchen Schwierigkeiten verknüpft, dass es selbst dem mit
allen Einzelnheiten der betreffenden Provinzialgeschichte vertrauten
Forscher kaum gelingen wird, zu zweifellosen Resultaten zu gelan
gen; es wird genügen, auf die trefflichste hier einschlagende Arbeit
zu verweisen, auf die Erörterungen Stälin’s über einzelne Amts
geschlechter. Um so nöthiger war es, in dieser Richtung gewisse
Schranken einzuhalten bei einer Arbeit, welche sich mit Geschlech
tern aus den verschiedensten Theilen des Reiches zu beschäftigen
hat. Andererseits wäre es auch verfehlt gewesen, sich durch die
Furcht vor Missgriffen von jeder weitergehenden bezüglichen Erör
terung abhalten zu lassen. Denn die gleichzeitige, wenn auch weniger
genaue Beachtung eines Institutes für einen grösseren Zeitraum und
für den ganzen Umfang des Reiches gibt doch auch wieder Halt-
puncle für das Einzelnste, welche sich der auf ein einzelnes Ge
schlecht oder einen engeren örtlichen Kreis beschränkten Forschung
entziehen. Und wollte ich überhaupt auf die Frage der Besetzung
und Vererbung der Ämter eingehen, so war es nicht zu vermeiden,
über manche Einzelfragen wenigstens eine vorläufige Ansicht auszu
sprechen. Was ich in dieser Richtung auf einige nächstliegende
Hilfsmittel gestützt erörterte, wird allerdings der Berichtigung und
Ergänzung durch die Einzelforschung gar sehr bedürfen; aber es
mag vorläufig hinreichen für den Versuch einer von der Richtigkeit
des Einzelnen weniger abhängenden Beantwortung der hervorge
hobenen allgemeineren Fragen.
Uber die Anordnung des Stoffes konnten sich Bedenken erhe
ben. Nächstliegende Rücksichten wiesen allerdings auf eine geson
derte Behandlung der einzelnen Ämter hin. Diese Anordnung hat
aber den Missstand, dass das für alle Gemeinsame nicht zum Aus
drucke gelangt; es ergibt sich leicht, dass die Regierungswechsel
für die Beurtheilung der allgemeineren Verhältnisse wichtige Ab
schnitte bilden, dass für viele Fragen vorzugsweise die Momente
der Gleichzeitigkeit in’s Gewicht fallen, während zugleich mancher,
Die Reichshofbeamten der stauiischen Periode.
453
bei der Beachtung nur eines Amtes kaum zu erklärende Umstand,
erst bei dem Vergleiche mit verwandten Erscheinungen in einem
anderen Amte seine Lösung findet. Aber eine durchgreifende Anord
nung nach Regierungen, wie ich sie versuchte, schien doch grössere
Missstände mit sich zu bringen und überdies die angedeuteten nicht
einmal genügend zu beseitigen. Es schien daher am zweckmässig-
sten, nur innerhalb der einzelnen Ämter die Regierungen aus ein
ander zu halten, dann aber in einem Schlussabschnitte die allgemeinen
Bemerkungen und Ergebnisse unter Rückbeziehung auf die Einzeln
erörterungen zusammenzustellen. Auf die erst hier im Zusammen
hänge zu besprechenden Fragen musste natürlich schon bei der
Einzelnerörterung vielfach Rücksicht genommen werden; ergibt sich
insbesondere überall ein gleichzeitiges Vorkommen mehrerer Perso
nen in demselben Amte, während doch auch wieder der oberfläch
lichsten Betrachtung sich eine Reihe Umstände darbieten, welche
darauf schliessen lassen, dass es nur je einen obersten Reichsbeamten
geben sollte, so war insbesondere alles hervorzuheben, was auf
Vorrang oder Unterordnung gleichzeitig vorkommender Beamten
hindeutet, es waren wenigstens versuchsweise sogleich Hauptbeamte
und Nebenbeamte aus einander zu halten. Darauf stützt sich auch die
gewählte Folge der Ämter, welche mit dem Marschallamte beginnt,
dem Kämmereramte schliesst, da bei jenem die Momente der Ver
erbung und einheitlichen Besetzung am meisten, bei diesem am
wenigsten hervortreten.
Di*. F i c k e r
454
I. Reichsmarschiille.
1. Unter K. Heinrich V. wird 1116 ein Marschall Konrad
genannt (B. 2059); einen Marschall K. Lothar’s weiss ich nicht
nachzuweisen.
2. Als Marschall K. Konrad’s III. erscheint ausschliesslich
Heinrich v. Pappenheim; gewöhnlich nur als Marschall Hein
rich bezeichnet (1138 — SO: Mon. Patr. Lib. jur. Gen. 1, 57. Jaffe
Conr. 214. 217. B. 2203. 32. 40. 84) finden wir ihn 1145 auch
mit dem Geschlechtsnamen (B. 2249).
3. Bei K. Friedrich I. wird 1154 Heinrich v. Pappen
heim ohne Amtsbezeichnung erwähnt (B. 2334), 1156 als Marschall
(Mon. Boica 29, 324); da hier von einer verheiratheten Tochter
desselben die Rede ist, so wird er noch derselbe mit dem Marschall
K. Konrad's und von diesem unmittelbar auf K. Friedrich iibergegan-
gen sein, da in dessen ersten Jahren kein anderer Marschall genannt
wird. Die folgenden zahlreichen Erwähnungen eines Marsehall Hein
rich bis zum Jahre 1183 (Notizenbl. 1, 145. 150. B. 2459. 60. 62.
72. 80. 83. 90. 97. 525. 29. 45. 53. 62. 75. 646. 48. Muratori
ant. It. 6, 245. Mon. Germ. 4, 165) beziehen sich höchst wahr
scheinlich sämmtlich auf einen Pappenheim, da in den Jahren 1165,
67, 70, 80, 82, 83 der Marschall Heinrich ausdrücklich mit diesem
Geschlechtsnamen genannt wird (B.2501. 24. 38. 624. 26. 50. 51.
56. Mieris 1, 108. Verci Marca 1, 25) und 1164, 80 Heinrich von
Pappenheim ohne Amtsnamen (Lepsius Naumburg 255. B. 2620).
Allerdings findet sich in einer angeblich 1175 zu Rülzheim
ausgestellten Kaiserurkunde auch ein Marschall Heinrich v. Ger
mersheim erwähnt (Acta Palat. 2, 75), welchem möglicherweise
auch einige der Erwähnungen ohne Geschleehtsnamen zwischen
1170 und 1180 angehören könnten, da in dieser Zeit der Name
Pappenheim nicht nachzuweisen ist. Da aber jener Name in der
Reihe der Marschälle nicht wiederkehrt, so ist es kaum wahrschein
lich, dass er als Reichsmar.schall fungirt hat.
Dass wir die von 1138 — 1183 fast ein halbes Jahrhundert
umfassenden Erwähnungen eines Marschall Heinrich v. Pappenheim
auf nur eine Person zu beziehen haben, ist kaum wahrscheinlich; es
Die Reiehshoffieamten der staufischen Periode.
4S5
dürfte sich um Vater und Sohn handeln; doch fehlen mir Anhalts-
puncte für bestimmtere Entscheidung.
4. Nachfolger des noch 1183 Mai 30, und in einer undatirten
jedenfalls nach 1183 Not. ausgestellten Urkunde (Verci Marca 1,
25), zuletzt nachweisbaren Heinrich von Pappenheim ist Heinrich
v. Lautern, welcher sogleich bei der nächstfolgenden Erwäh
nung eines Marschall 1184 März 15 (Österr. Archiv 8, 328) und
weiter bis 1185 Nov. 28 durchweg mit dem Geschlechtsnamen de
Lutra (corrumpirt Lume, Luria, Lut) erscheint (Huillard 5, 193.
Biancolini chiese di Verona 5 a, 106. B. 2668. 69. 70. 78. 84. 96.
Verci Marca 1, 32); nur als Marschall Heinrich 1185 (B. 2681)
und noch 1186 März 5 (Notizenbl. 2, 370).
Ihm folgt 1188 und 1189 Eckbert v. Lautern. In Ur
kunden ausgestellt 1188 Sept. 1 und Nov. 22 (Niedersächs. U. B. 2,
27. Notizenbl. 2, 211) führt er nur den Amtsnamen, dazwischen
Sept. 29 nur den Geschlechtsnatnen de Lutere (B. 2710); die Iden
tität ist zweifellos, da er nochmals 1189 Febr. 15 als E. marsch, de
Lutra vorkoinml (B. 2713).
5. Als untergeordnete Marschälle für die Zeit K. Friedrich’s
dürften zu betrachten sein: Bertold 1168, wohl derselbe mit dem
1161 Bertolt - genannten Marschall (1J. 2451. Lacomblet 1, 297).
Wolfram v. Hagenau findet sich nur als Marschall bezeichnet
1169 zu Gelnhausen, 1179 zu Hagenau, dann 1187 ebenda alsMar-
schall von Hagenau (B. 2533. 2613. MoneZeitschr. 11, 14). W erner
v. Strassburg (marescalcus de Argentina oder Argentinensis), wohl
zunächst Marschall des Bischofs von Strassburg, in dessen Urkunden
er 1154. 83. 88. erscheint (Schöpflin A. D. 1, 243. Würdtwein N.
S. 10, 134. 149), muss doch auch mehrfach zur Dienstleistung am
königlichen Hofe verwandt sein. Wir finden ihn beim Kaiser zu
Strassburg 1181, zu Hagenau 1187 neben dem Marschall Wolfram,
1189 zu Ansbach und Hagenau (Schöpflin A. 1). 1, 275. Mone
Zeitschr. 11, 14. B. 2713. 14); dann noch bei K. Heinrich. Mar
schall Rudolf v. Altenburg wir 1 nur einmal 1172 zu Altenburg
in einer, wie sie vorliegt, gewiss verfälschten Urkunde genannt,
welche ihre Personennamen aber doch einer echten Vorlage ent
nommen haben dürfte (Schultes Direct. 2, 230).
6. Andere vereinzelte Erwähnungen werden lediglich auf
bischöfliche Marschälle zu beziehen sein. Wilhelm, 1157 zu Trier
456
Dr. K i c k e r
(B. 2366), kommt in dieser Zeit häufig als Trierer Stiftsmarscliull vor
(vergl. Beyer U. B. 1,789). Hartwig, 1180 zu Regensburg neben
Heinrich v. Pappenheim genannt (B. 2626), dürfte Marschall von
Regensburg sein, wenigstens findet sich 1174 ein Hartwig unter den
Officialen des Bischofs (Ried C. D. 1, 246). Ebendort ein Konrad,
vielleicht derselbe mit dem Marschall Konrad v. Waltenhofen
in Kaiserurkunde 1182 zu Regensburg (B. 2682), da auch der Orts
name auf Regensburg weist (Ried C. D. 1, 278). Das würde zur
Annahme einer Mehrzahl bischöflicher Marschälle führen, wie sie
auch wirklich z. B. in Mainz im zwölften Jahrhundert durchwegs
vorkommt. Anselm, 1182 in Urkunde zu Mainz für Speier ausge
stellt (B. 2646), dürfte Marschall von Speier sein, wohin viele der
Zeugen gehören; es lebt wohl damals ein Justingen dieses Namens,
auf den man die Anführung bezog (vergl. Stalin 2, 898); aber es
ist durchaus unwahrscheinlich, dass die Justingen als freie Herren
vereinzelt als Marschälle verkommen sollten (vergl. V §. 4). Der
Marschall G erun g, neben dem gleichfalls sonst in diesen Ämtern
beim Kaiser nicht erscheinenden Kämmerer Heinrich, Truchsess
Konstantin, Schenk Dietrich, 1186 zu Gelnhausen in Urkunde für
Bremen vorkommend (Lappenberg UB. 1, 241), ist mit den anderen
um so sicherer als bremischer Stiftsbeamter zu betrachten, als wir
denselben Namen, wenn auch ohne Amtsbezeichnung, 1181 in Ur
kunde für Bremen unter den ausdrücklich als Bremer Ministerialen
bezeiclineten Personen begegnen (B. 2641).
7. Als Marschall K. Heinrich VI. erscheint zuerst 1188 Oct.
28 Heinrich v. Kal ent in (Lacomblet 1, 348); er wird dann
in den königlichen Urkunden der nächsten Zeit nur noch einmal
1189 Febr. 8 und zwar ohne Amtsnamen genannt (Lacombl. 1,362).
Dagegen wird nun der Marschall Heinrich Testa genannt;
1186 Sept. 1 — 1187 Nov. 9 in Italien (B. 2723. 31. Ughelli 1,
332. Rena e Camici 4 d, 100. Huillard 8, 383), 1189 Mai 7 zu Basel
(B. 2736); 1191 Febr. 11 bis Juni in Italien (B. 2749. 80. 82. 83.
87. 88. 62. 63. 68. Dümge Reg. 149. Mon. Patr. Lib. jur. Gen. 1,
374). Dann verschwindet der Name und seit 1191 Decemb. 8 zu
Mailand (B. 2774) wird als Marschall wieder Heinrich v. Kalentin
genannt.
Beide Namen dürften dieselbe Person bezeichnen. Dagegen
scheint zu sprechen, dass H. v. Kalentin gerade das einzige Mal, wo
Die neichshofheamten der staulisnhen Periode.
457
er während der Amtsführung des Testa erscheint, nicht den Amts-
titel führt; doch kann das zufällig sein, da die Beispiele nicht selten
sind, dass oberste Reiehsbeamte ohne Amtstitel in den Urkunden Vor
kommen. Bedenklicher scheint, dass H. v. Kalentin den Kreuzzug des
Kaisers mitmachte; er wird als Eroberer der Burg Skribention 1189
Octoher erwähnt (Ansbert, ed. Dobr. 47. Expeditio Frid. ap. Canis.
lect. ant. ed. Basnage 3b, S10). Lässt nun auch das Vorkommen des
Testa beim Könige hier eine genügende Lücke, so wissen wir doch,
dass er 1190 vom Könige nach Italien und Apulien geschickt wurde
(Rieh, de S. Germano ap. Mur. 7, 971) und 1190 März 20 urkundet
er zu Borgo S. Geriesio als Henrigus Testa marischalcus domini regis
Henrigi et pro eodem legatus totius Tuscie (Lami Mon. 1, 343).
Entscheiden kann aber auch das nicht gegen die Identität, da mei
nes Wissens kein bestimmtes Zeugniss vorliegt, dass H. von Kalentin
dem Kaiser auch nach Asien folgte.
Für die Identität spricht: 1. dass H. v.Kalentin auf dem Kreuz
zuge, also während der Amtsführung des II. Testa, von den genann
ten Quellen als Marschallus imperatoris und Imperialis curiae mar-
schalcus bezeichnet wird; 2. dass ein Vorrecht der Pappenheim
(Kalentin) auf das Marseballamt sieb am Frühesten fest begründet
zu haben scheint; 3. dass die beiden Namen nie in ein und derselben
Urkunde Vorkommen; 4. dass es last unerklärlich wäre, wenn ein
so eifriger Anhänger K. Ileinrich’s, wie H. v. Kalentin, während einer
Zeit von sechs Jahren nur einmal in seinen Urkunden aufträte;
S. dass das erste Wiederauftreten des H. v. Kalentin zu Mailand
noch nach Italien fällt, aber an das Ende des Römerzuges; machte
er diesen überhaupt nicht mit, so wäre es ganz ungewöhnlich, dass
er dem heimkehrenden Kaiser so weit entgegen gezogen sein sollte.
Der Annahme, H. Testa habe die Stelle des H. v. Kalentin eingenom
men, sei etwa vor Neapel gestorben, und nun dieser wieder in seine
frühere Stellung eingetreten, dürften demnach die gewichtigsten
Bedenken entgegenstehen; nach Massgabe der mir bekannt gewor
denen Zeugnisse werden wir beide für ein und dieselbe Person halten
müssen.
Als Marschall v. Kalentin erscheint dann Heinrich heim Kaiser
1191 Dec. 8, 1192 Febr. 19 (B. 277,4. 77), 1192 Dec. 1 bis 1193
März 29 (B. 2791. 92. 94. 9Ö. Notizenbl. 2, 182), 1193 Juli 2 bis
1194 Jan. 28 (Gallia ehr. 1, 79. Mon. Boic. 31, 430. Ughelli I, 49Ö.
458
Dr. Ficker
Wirtemh. U. B. 2, 301); 1195 Jan. 2 bis 1196 Mai 20 (Margarin
2, 227. ß. 2832. 35. 41. 45. 49. 51. 59. 60. 61. 62. Notizenbl.
2, 371. Muratnri Ant. It. 1,393. Lappenberg' U. B. 1, 270. Wirtemb.
U.B. 2, 312. 317).
In Urkunde 1196 Juli 28 zu Turin heisst der Marschall Hein
rich v. Pappen heim (Bibi. Floriae. 3, 89), in einer zweiten nur
Heinrich (Huillard 2, 561), dann Aug. 9 zu Mailand (Mon. Patr. Ch.
1, 1031) Heinrich de Rabemint, was Corruption für Pappenheim
sein dürfte. Die auch sonst angenommene und begründete (vergl-
Abel K. Philipp 328) Identität des H. v. Pappenheim und H. v. Ka-
lentin wird keinem Zweifel unterliegen. Auf demselben Zuge heisst
denn auch 1196 Nov. 1 bis 1197 Aug. 3 der Marschall wieder H.
v. Kalentin (B. 2893. La Farina Studj. 4, 306. Lünig R. A. 22,
814); ebenso unter den folgenden Regierungen, während vereinzelt
um 1206 zweimal der Marschall H. v. Pappenheim vorkommt (Mon.
Germ. 4, 208. Wirtemb. U. B. 2, 355). Der Namenswechsel wird
wohl nur darauf hirideuten, dass wir in H. v. Kalentin nicht den bis
1183 bei K. Friedrich vorkommenden H. v. Pappenheim, sondern
einen Sohn desselben zu sehen haben; denn an und für sich Hesse
sich das Ausscheiden des Pappenheim aus der Hofhaltung des Kaisers
dadurch erklären, dass er der des jungen Königs zugewiesen wurde.
Die Annahme, dass Heinrich die Burg Kalden, einem jüngern Bruder
Rudolf die Burg Pappenheim zufiel und dadurch der Namenswechsel
veranlasst wurde (Abel K. Philipp 328), stützt sich darauf, dass in
Urkunde des Beichsmarschalles H. v. Kalentin 1214 als Zeugen, und
zwar dem Marschall Hildebrand nachgesetzt erscheinen: Heinricus
' et Rudolfus frater eins de Bapinheim; und dass um 1217 Rudolf
dem Kloster Kaisersheim eine Schenkung seines Bruders des quon-
dam Heinricus miles de Kalntin bestätigt. (Reg. Boica 2, 62. 86). In
diesem Heinrich haben wir keinesfalls den Reichsmarschall selbst,
sondern einen ritterlichen Dienstmann desselben zu sehen, zumal
1223 Rudolfus de Kalintin als Ministerial des Grafen von Lechs
gemünd erscheint (Reg. Boica 2, 136).
8. Wo sich Lücken in dem Vorkommen Heinrich’s beim Kaiser
finden, werden andere Marschälle genannt. Von diesen kommen
zwei so oft vor, dass ihnen anscheinend ein Vorrecht zustand, den
abwesenden Reichsmarschall zu ersetzen. S i f r i d v. Hagenau,
aus einer Marschallsfamilie, deren Mitglieder in der Regel nur zu
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
459
Hagenau selbst .beim Kaiser Vorkommen, ist bei diesem 1192 Juli
27 zu Gelnhausen, 1193 Apr. 28 zu Boppard, Mai 18 zu Wirzburg,
1194 Apr. zu Aachen, Mai 9 zu Trifels (B. 2784. 99. 801. 2. 22.
Lacomblet 1, 379. 4, 772. Quix Aachen 1, 39); dann 119G Juli 6
zu Bisanz (B. 2880), und nochmals in einer 1197 Aug. 3 in Sicilien
für Heinrich v. Kalentin ausgestellten Urkunde (Liinig R. A. 22,814),
der einzigen, in welcher neben diesem während der ganzen Regie
rungszeit K, Heinrich’s andere Marschälle als solche genannt werden;
auch ohne Amtsnamen kommen sie nicht neben ihm vor, während
wir doch hier sehen, dass Sifrid den ganzen italienischen Zug mit
machte, und daraus schliessen dürfen, dass in Anwesenheit des eigent
lichen Reichsbeamten die anderen zurücktreten; in der erwähnten
Urkunde ist die Aufführung einer besonders grossen Zahl von Reichs
beamten und Reichsdienstmannen überhaupt durch den Inhalt bedingt.
9. Um so auffallender ist das ganz abweichende Verhältniss
im Vorkommen der stellvertretenden Marschälle. Der Marschali
Eberhard v. Anebos findet sich nämlich neben dem gleichfalls
als Marschall Gezeichneten Sifrid 1193 Mai, dann 1194 Apr. 19 zu
Aachen, Mai 9 zu Trifels (B. 2801. 22. Lacombl. 4, 772); 1194
Apr. 18 zu Aachen in zwei Urkunden vor Sifrid, der hier den Amts
titel nicht führt (Lacombl. 1, 379. Quix 1, 39); ausserdem allein
ohne Amtstitel 1194 Febr., mit demselben im März und zuletzt Mai
26 zu Chiavenna (B. 2819. 20. Mon. Boic. 29, 481. Mon. Patr. Ch.'
2, 1161). Dieses auffallende Vorkommen dürfte auf einen von beiden
erhobenen und bei beiden berücksichtigten Anspruch hindeuten.
Eberhard, nach der Reichsburg Anebos bei Trifels genannt, kommt
später nicht mehr vor; die Familie soll unter Friedrich II. ausge
storben sein (Acta Palat. 7, 424); eine Elise von Anebos lebt noch
um 1250 (Remling U. B. 1, 246. 247). Unter den Hofbeamten
erscheint der Name nicht mehr. Neben Eberhard wird sein Bruder
Heinrich genannt (B. 2819. M. Patr. Ch. 2, 1161), nach 1204 als
Heinrich v. Anebos vorkommend (Römling U. B. 1, 141). Die Namen
Eberhard und Heinrich, wie das Amt, dürften auf Zusammenhang mit
der Familie der Marschälle von Lautern hinweisen.
10. Ausser jenen werden noch einige Marschälle bei K. Hein
rich erwähnt. Wolfram v. Hagenau, 1193 Apr. zu Speier (B.
2797), dürfte der 1192 als Sifrid’s Bruder Gezeichnete Wolfram
(B. 2784) sein, und der früher (vgl. §. 5) erwähnte Wolfram beider
400
I)r. F i c k e r
Vater. Ein Marsehall Hildebrand, 1194 Juni 3 zuPiacjenza(B. 2828),
wird wohl den Rechberg zugezählt (Stalin2,608); ich zweifle nicht,
dass es Hildebrand v. Schlegelthal (Schleithal? speierisch
vgl. Remling U. B. 1, 647. 2, 19. 87) ist, welcher nicht allein sonst
mehrfach heim Kaiser erscheint (Mon. Boic. 31, 480. 29, 481. La-
combl. 4, 772. B 2819. 67), sondern auch eben auf diesem Zuge
1194 Mai 26 zu Chiavenna (Mon. Patr. Ch. 2, 1161) und Juli 1 zu
Pisa (Notizenbl. 1, 180). Auffallen muss es, dass in der letzteren
Urkunde neben ihm ein anderer als Marschall genannt wird, Rem-
bahlo de Voburen. Wir finden diesen noch einmal 1197 Aug. 3
in der in Sicilien für den Reichsmarschall II. v. Kalentin ausgestell
ten Urkunde (Lünig R. A. 22, 814), wo es unter den Zeugen heisst:
Rombodo marescalcus. Henricus pincerna. Henricus, marescalcus
Huebor. Sigefr. marsc. de Ilugenone; später erscheint noch ein
Henricus de Vogburg. Weder die Namen Rembald und Voburen,
noch ähnlich klingende finde ich unter den Reichsdienstmannen dieser
Zeit. Die Markgrafen von Vohburg haben gleichnamige Ministerialen,
bei welchen früher der Name Reginbot nachzuweisen ist (Mon. Boic.
14, 408. 416); es wäre möglich, dass etwa durch K. Friedrich’s I.
erste Gemahlinn eine Linie an das Reich gekommen wäre. Eben so
wenig weiss ich den Marschall Heinrich Huebor näher nachzu
weisen; die Namen mögen stark corrumpirt sein; vielleicht ist es
derselbe Geschlechtsname; annähernd ähnlich klingend finde ich
sonst nur 1196 hinter Reichsministerialen einen Beringer v. Ilorem-
burg mit seinem Bruder Heinrich (B. 2867). Der schon erwähnte
(vgl. §. 8) Marschall Werner v. Strassburg erscheint bei K.
Heinrich 1188 zu Basel (B. 2720) und nur als Marschall Werner
bezeichnet 1196 zu Ehenheim (B. 2878). Der zu Basel neben ihm
genannte Thur in g erscheint sonst als Marschall des Bischofs von
Basel (Trouillat Mon. 1, 407).
11. Unter K. Philipp bleibt Heinrich v. Kal e n t i n Reichs
marschall; er muss sich dem Könige sogleich nach seiner Rückkehr
angeschlossen haben und erscheint in seinen Urkunden zuerst 1199
Juli 10, dann Sept. 29 (Pb.18.17), 1200 (24.26.27.31. 32b. 33),
1208 (83. 84. 86. 60. 61. 63. 66), 1206 (78. 80), 1207 (89. 108.
106. 108. 110). Er vermittelte 1206 eine Zusammenkunft der bei
den Gegenkönige (Ann. Colon, max. Mon. Germ. 17, 821) und wurde
später bekanntlich Rächer seines königlichen Herrn.
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
461
12. Mit Heinrich zusammen und ihm nachgestellt erscheint
zweimal 1199 und 1200 Marschall Ulrich v. Rechberg (Ph. 17.
27). Sein Amtstitel bezieht sich unzweifelhaft zunächst auf das Her
zogthum Schwaben, da er auch 1194 bei Herzog Konrad, 1197 bei
Herzog Philipp als Marschall erscheint (Mon. Boic. 6, 503. Wirtemb.
U. B. 2, 321). Sein Sohn Hildebrand v. Reehberg ist 1200 zu
Ulm (Ph. 34) und 1207 zu Augsburg neben Heinrich und diesem
nachgestellt (Ph. 110 vgl. Mone, Zeitschr. 11, 21) als Marschall
beim Könige. Schon dieses seltene Vorkommen erweist, dass bezüg
lich der Rechberg nicht, wie das bei anderen schwäbischen Hof
beamten der Fall war, versucht wurde, sie in die Stelle des Reichs
marschalls eiritreten zu lassen oder auch nur vorzugsweise zur
Dienstleistung heranzuziehen.
13. Von anderen bei K. Philipp genannten Marschällen finden
wir Sifrid v. Hagenau (vgl. §.8) 1205, 1206 zu Hagenau, 1207
zu Strassburg (Ph. 69. 86. 95.); er scheint also nur noch in der
Nähe seines Wohnortes zur Dienstleistung herangezogen worden zu
sein. Der 1205 neben Heinrich genannte Marschall Rudolf v. Ju
stingen (Ph. 56) ist zu beseitigen, da die Urkunde, insbesondere
in ihren Zeugen, unecht und auch sonst ein Rudolf dieses Namens
nicht nachzuweisen ist. Marschall Heinrich v. Nambach, 1199
zu Strassburg in Urkunde für Baiern hinter 11. v. Kalentin mit einem
gleichfalls nicht zu den Reichsbeamten gehörenden Truchsess Eckil-
bert genannt (Ph. 15), wird ein fürstlicher, wahrscheinlich baieri-
scher Hofbeamter sein; den wahrscheinlich corrumpirten Geschlechts
namen weiss ich sonst nicht nachzuweisen. Heinrich v. Lure,
1206 zu Wirzburg (Pb. 79) ist, Wirzburger Stiftsmarschall (vgl. Reg.
Boica 2, 41. 59. 99. 121. 133. 173). Marschall Heinrich v. Evers
berg und neben ihm Truchsess Günther v. Schlotheim, 1207 beim
Könige zu Nordhausen (Ph. 102), sind Beamte des Landgrafen von
Thüringen (vgl. Schultes Direct. 2, 669. 695).
14. Bei K. Otto finden wir bei Lebzeiten Philipp's keinenMar-
schall aus den Reichsministerialen. Der Kölner Stiftsmarschall Her
mann v. Alfter ist 1198 zu Aachen, 1201 zu Weissenburg beim
Könige (O. 4. 13); aber mit ihm auch der Erzbischof und andere
Kölner Dienstmannen, so dass er kaum in näherer Beziehung zum
Hofe des Königs stand. Zu den braunschweigischen Ministerialen
gehört der 1202, 1203 genannte Marschall Friedrich (O. 17. 22),
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. ßd. IV. Hft. 31
462
Dr. F i c k er
auch ohne Amtsnamen als Friedrich v. Volkmerode vorkom
mend (0. 10. 18); die Identität beider ergibt sich daraus, dass in
zwei gleichzeitig ausgestellten Urkunden (0. 17. 18) in den sonst
übereinstimmenden Zeugenreihen beide an derselben Stelle erschei
nen, auch noch 1215, 1216 ein Marschall Fr. v. Volkmerode erwähnt
wird (0. 184, 186), aber anscheinend nicht mehr in Dienstleistung
bei K. Otto stehend.
15. Seit K. Otfo’s allgemeiner Anerkennung finden wir den
Reichsmarschall Heinrich v. Kalentin, jetzt häufig Marescalcus
imperii oder imperialis aule genannt, fast ununterbrochen an sei
nem Hoflager; 1208 Nov. 20 bis 1209 Juni in Deutschland (0. 34
bis 36. 39. 40. 45. 46. 51. 60. 65. 66. 69); dann in Italien 1209
Aug. bis 1210 März (0. 71. 72. 74. 76. 80. 81. 84. 85. 87—90.
96—100. 102. 3. 6. 15. Notizenbl. 1, 178) und nach einer Unter
brechung 1210 Oct. bis 1211 Juni (0. 147 — 49). Nach des Kai
sers Rückkehr nach Deutschland ist er noch bei ihm 1212 Mai und
Sept. (0. 172. 177). Ohne Amtsnamen steht an der Spitze der
Ministerialen 1215 zu Nordhausen Heinrich Kalentin (0. 185); es
könnte der Reichsmarschall sein, welcher in dieser Zeit bei K. Fried
rich nicht vorkömmt, oder aber auch sein gleichnamiger Dienstmann
(vergl. §. 7).
16. Neben Heinrich wird bei K. Otto nur noch 1210 Aug. 21
in ungedruckter Urkunde ein Marschall Willelcin genannt (Böh-
mer Reg. S.XX), wohl identisch mit dem 1212 vorkommenden Mar
schall Witelin (0. 171), wahrscheinlich Marschall seines Bruders,
des Pfalzgrafen Heinrich, bei welchem wir als solchen 1204 einen
Willekin finden (Orig. Guelf. 3, 630). Nachdem sich Heinrich
zurückgezogen, finden wir noch 1216, 1217 einen Marschall Wil
helm (0. 186. 190), wohl zur braunschweigischen Dienstmann
schaft gehörend.
17. Bei K. Friedrich II. erscheint zuerst Anselm v. Justin
gen 1212 Oct. 5 als Curie nosfre marescalcus, im Dec. als Marschall
(Huillard. 1, 222. 233). Sein Geschlecht ist früher im Marschall
amte nicht nachzuweisen (vergl. §. 6. 13), wie es überhaupt kein
dienstmännisches war (vergl. V §. 4). Da er zum Könige als Bote
der deutschen Fürsten nach Sicilien gegangen war, so wird ihm die
ser zur Belohnung das Reichsmarschallamt übertragen haben; Hein
rich v. Kalentin war in dieser Zeit noch bei K. Otto.
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
463
Zuerst 1213 Jän. 2 erscheint nun aber Heinrich v. Kalen-
tin als Reichsmarschall beim Könige und dann häufig bis zumOcto-
ber (H. 1, 239—281). Neben ihm zweimal auch Anselm, aber ohne
Amtstitel (H. 1, 251. 276). Es ist kein Zweifel, dass er den alt
begründeten Ansprüchen Heinrich’s weichen musste. Dieser erscheint
nun zwar zunächst nicht mehr in der Umgebung des Königs; aber
auch der mehrfach genannte Anselm führt den Marschalltitel nicht
(H. 1, 287. 321—39. 363. 370).
Um so auffallender ist es, dass Anselm 1215 April 23 wieder
Marscalcus imperii heisst und yon da ab in Deutschland und Italien
bis 1222 Juli fast ununterbrochen beim Kaiser als Marschall
erscheint und zwar überaus häufig als Marescalcus imperii oder
imperialis aulae bezeichnet (H. 1, 373 — 876. 920. 927. 2, 13 —
264. 914). Eine bestimmtere Veranlassung wird kaum zu bezweifeln
sein. Am nächsten möchte die Annahme liegen, Heinrich v. Kalentin
sei damals geslorben; 1214 urkundet er noch als Imperialis aulae
mareschalcus (Reg. Roic. 2, 62). Dass er jedenfalls vor 1217
gestorben sei (vergl. Abel, K. Philipp 329), ergibt sich aus den
angeführten Relegen nicht (vergl. ■§. 7) und eine Entscheidung ist
um so schwerer, da auch sein Nachfolger Heinrich heisst. Möglich
wäre auch ein Zerfall Heinrich's mit dem Kaiser, da sein langes,
vielleicht auch durch hohes Alter zu erklärendes Nichterscheinen
am Hofe auffällt, wobei denn auch das Vorkommen eines Heinrich
Kalentin 1215 bei Otto zu beachten wäre (vergl. §. 15).
Ihre Ansprüche auf das Reichsmarschallamt scheinen aber die
Pappenheim Anselm gegenüber nie aufgegeben zu haben. Aber
während achtzehn Jahren erscheinen sie nur einmal am Hofe; und
da wenigstens scheint Anselm ihnen gewichen zu sein. Denn auffal
lender Weise führt gerade 1218 April in einer allerdings nicht ganz
unverdächtigen Urkunde neben einem Marscalcus noster de Pap
penheim Anselm den ganz ungewöhnlichen Titel Consiliarius curie
nostre (H. 1, 542); nochmals erscheint dann Heinrich v. Kalentin
im Juli als Marscalcus imperii beim Kaiser (H. 1, 552). Anselm ist
in diesen Monaten nicht nachzuweisen, heisst aber bei seinem Wieder
auftreten im September sogleich wieder Reichsmarschall (II. 1,559).
Das Wiederauftreten des Namens Pappenheim (vergl. §. 7) würde
bestimmter auf einen jüngern Heinrich schliessen lassen, fänden wir
im zweiten Falle nicht wieder den Namen Kalentin.
31
464
Di*. F i c k e r
Anselm, zuletzt 1222 Juli beim Kaiser in Italien, erscheint dann
1223 Mai bis 1224 Dec. mehrfach in Deutschland am Hofe K. Hein-
rich’s, gewöhnlich nur als Marschall von Justingen bezeichnet (H.2,
758. 80. 82. 86. 802. 816), auch ohne Airitstitel (H. 2, 777), nur
einmal als Imperialis aule senescalcus (I. mar.) bezeichnet (H. 2,
798). Dann verschwindet er eine Zeit lang aus den Urkunden des
Königs und Kaisers und muss das Marschallamt verloren haben.
Denn 1228 Febr. finden wir ihn beim K. Heinrich ohne Amtstitel
(H. 3, 367), dann im Juni zu Brindisi beim Kaiser ausdrücklich als
quondam marescalcus bezeichnet (H. 3, 68). Heisst er 1229 Mürz
in einer in der Mark Ancona ausgestellten Urkunde Reinald’s von
Spoleto Marschall, so ist das wohl nur ein Nachwirken der früheren
Stellung (H. 3, 113). In den Jahren 1230, 32, 34, 35 wird er
mehrfach in den Urkunden K. Heinrich's genannt, aber ohne Amts
titel (H. 3, 419. 34. 386. 87. 4, 722); nur da der König ihn 1234
Nov. als Unterhändler an die Lombarden schickte, heisst er noch
mals vereinzelt Imperialis aule marschalcus (H. 4, 695. 704).
Nach dem Sturze K. Heinrich’s finden wir ihn häufig am Hofe des
Herzogs von Österreich (vergl. Meiller, Bahenb. Reg. 333); den
Marschalltitel scheint er nie mehr geführt zu haben. Der 1236 beim
Kaiser erscheinende Anselm v. Justingen (H. 4, 818) dürfte der
Sohn sein, welchen wir nochmals 1242 zu Capua als Anselmus
junior de Justingen beim Kaiser finden (H. 6, 47. 49).
18. Seit Anselm das Amt verlor, werden die Ansprüche Hein
rich's v. Pappenheim auf dasselbe von keiner Seite mehr bean
standet sein; denn obwohl er noch durch mehrere Jahre nicht am
Hofe erschien, wurde doch kein anderer Reichsmarschall ernannt.
Zuerst 1231 Apr. 29, dann mehrfach bis zuletzt 1234 Aug. 30
kommt er in den Urkunden K. Heinrich’s vor (11. 3, 453. 4, 568.
90. 634. 68. 70. 79). In dem Streite zwischen König und Kaiser
muss er sich entschieden auf Seite des Letzteren gestellt haben;
denn schon 1235 Mai finden wir ihn bei dem heranziehenden Kaiser
zu Neumarkt in Steiermark (H. 4, 548), und er nahm Antheil an der
Bekämpfung der Anhänger des Königs (H. 4, 734). In den folgen
den Jahren 1236, 1237 erscheint er dann mehrfach beim Kaiser,
folgt ihm auch nach Italien, wo wir ihn zuletzt im August 1238 vor
Brescia bei ihm finden (H. 4, 818. 23. 63. 93. 99. 5, 16. 24. 72.
100. 2. 19. 50. 220).
Die Reichshofheamten (1er staufischen Periode.
465
19. Der Marschall des Herzogthums Schwahen, Hildebrand
v. Rechberg, tritt viel weniger hervor, als die anderen schwäbi
schen Hofbeamten. Wir finden ihn 1214, 15, 16 vereinzelt bei
K. Friedrich (II. 1, 314. 364. 492), dann einigemal 1223 (II. 2,
829. 46. 48) und zuletzt 1226 Apr. 9 (Stalin 2, 609) hei K. Hein
rich; der Titel eines Reichsmarschalls kommt hei den Rechberg
niemals vor. Seitdem erscheint weder ein Rechberg am Hofe, noch
führen die sonst vorkommenden Mitglieder des Geschlechts den
Marschalltitel (vergl. Slälin 2, 609); dass sie ihr Marschallamt ver
loren oder dasselbe in Vergessenheit geriet!), dürfte daraus zu ver-
muthen sein, dass 1263 Heinrich v. Pappenheim sich Imperialis
aulae ac ducatus Sueviae marischalcus nennt (Reg. Roic. 3, 211).
20. Den schon früher erwähnten Marschall Sifrid v. Hagenau
(§. 6. 13) finden wir 1214 15. 19. zu Hagenau (H. 1, 342. 392.
668), aber auch 1215 zu Aachen, 1217 zu Altenburg, 1219 zu
Eger (11. 1, 401. 525. 705) bei K. Friedrich. Neben ihm wird
1214 Friedrich Marschall genannt, während 1213 in Urkunde des
Abtes von Neuburg unter den Hagenauer Ortsbeamten nur Sifrid als
Marscball, Friedrich als sein Rruder bezeichnet ist (Schöpflin, Als.
dipl. 1, 331); vereinzelt finden sich noch 1228 die Marschälle
Friedrich und Engelhard v. Hagenau (H. 3, 371); auch in
Urkunde des Grafen v. Werd wird Friedrich noch später als Mar
schall v. Hagenau bezeichnet (Schöpflin Als. d. 1,4I I). Mit den
Marschällen von Hagenau dürfte Zusammenhängen der Marschall
Bertold v. Rasche oder Raisse, welcher nur 1230 und 1235 zu
Hagenau (H. 3, 432. 4, 722), vielleicht auch 1232 zu Cividale
(H. 4, 568) bei K. Heinrich erwähnt wird. Ohne Amtstitel findet
sich schon 1154 ein Bertold Rasche unter den Reichsministerialen
(B. 2334). Hermann Gnufting ist als Marschall bei K. Fried
rich 1215 zu Ulm, 1221 zu Tarent (H. 1, 387. 2, 162); Marschall
Hermann ohne Geschlechtsnamen 1216 (H. 1,448). Unter den Zeugen
einer Frankfurter Privaturkunde 1222 ist Herrn. Cauftinc imperialis
aulae marscalcus (Böhmer, Cod. dipl. 34). In den Weissenauer
Traditionen wird um 1246 Hermann Gnufting genannt, gleichzeilig
Hermann v. Raderach •(Stalin 2, 584. 446), beide wohl dieselbe
Person; denn 1232 wird Gnifting de Raderay erwähnt (II. 4, 590),
1255 Werner Ritter de Raderay dietus Cniftiner (Schweiz. Reg.
2 c, 11). Die Raderach scheinen ursprünglich welfische Dienst-
i
466
Dr. Ficker
mannen gewesen zu sein (Wirtemb. U. B. 2, 139). Identisch mit
Hermann Gnufting dürfte vielleicht auch Hermann v. Ummen-
dorf sein, welcher in Weissenauer Traditionen 1221 Marscalcus
domini regis Friderici, weiter regis submarscalcus heisst (Stalin
2, 659), beim Könige aber urkundlich unter diesem Namen nicht
vorkommt, während er früher gleichfalls bei wölfischen Dienstman
nen nachzuweisen ist (Mon. Boic. 22, 186). Dass Mitglieder dieser
Familien schon bei Herzog Welf Marschälle gewesen seien, ist nicht
zu erweisen; 1185 ist bei ihm ein Heinrich von Tungau, welcher
1187 Marschalcus domini Welfonis heisst (Wirtemb. U. B. 2, 237.
250). Heinrich deAeys wird nur einmal 1236 als imperialis aulae
marescallus und kaiserlicher Gesandter in England erwähnt (H. 4,
809). Da in dieser Zeit nur Heinrich v. Pappenheim diesen Titel führt
und häufig beim Kaiser erscheint, dürfte doch trotz des ganz abwei
chenden Namens vielleicht an ihn zu denken sein; die Reichsministeria
len de Aquis, von Aachen finden wir als Kämmerer, nie als Marschälle.
21. Die übrigen vereinzelt vorkommenden Marschälle sind als
bischöfliche Marschälle zu erweisen. Wichmann, 1215 zu Halle
(II. 1, 362), Marschall von Halberstadt (Schultes Direct. 2, 536.
551); Konrad v. Wisent, 1215 zu Nürnberg (II. 1, 432), wahr
scheinlich von Regensburg, da der Name unter der Stiftsmannschaft
erscheint (vgl. Ried Cod. dipl. Index); Heinrich v. Eure, 1224, 25
(H. 2, 815. 848), von Wirzburg (vergl. §. 13); Egenolf, 1236
zu Strassburg (H. 4, 818), von Strassburg (Scböpflin, A. D. 1, 383).
22. Beim Kaiser in Italien finden wir seit dem Abgänge
Anselm's v. Justingen 1222 ( — 1235 keinen deutschen Marschall,
dagegen 1225 März bis 1231 Juli mehrfach den Marschall Richard
Filangieri oder de Principatu (II. 2, 475. 639. 64. 700. 3, 120,
52. 285. 95), einigemal auch als imperialis aulae marescalcus
bezeichnet (H. 2, 552. 682- 3, 297); zunächst war er unzweifel
haft Marschall des Königreiches Sicilien. Dasselbe gilt von seinem
1232 vereinzelt Marschall genannten Bruder Jordan Filangieri
(II. 4, 312), und dem 1243 als Marscalcus regni erwähnten
Tebaldo Francesco (H. 6, 88), später ohne Amtsfitei vorkom
mend (H. 6, 197. 227. 229). Ein untergeordnetes sicilisches Amt
war das des Magister imperialis maristallae, aus welchem Peter
v. Calabrien zum Marschall des Königreiches erhoben wurde
(vgl. Huillard Intr. 152); 1248 führt er den Marschalltitel (H. 6,672).
Die Reichsliofbeamten der staufisclien Periode.
467
23. In den Urkunden K. Kunrad’s IV. wird nie ein Reiehs-
marsehall genannt; denn die 1246 vorkommenden Marschall Gott-
frid und Schenk Christian (H. 6, 882) sind Hofbeamte des Grafen
v. Jülich (Lacoinblet 2, 116. 117. 152). Es erklärt sich das daraus,
dass der Marschall Heinrich v. Pappenheim 1245 als Bündner
des Herzogs v. Meran gegen die Staufer und Baiern stand; seine
Gefangennahme durch die Baiern 1246 mag der nächste Grund
gewesen sein, dass er sich auch nicht den Gegenkönigen anschloss
(vergl. Ann. Scheftlar. M. G. 17, 342). Wir müssen vielmehr anneh
men, dass er diesen wenigstens später gegenüberstand. Treffen wir
bei K. Heinrich Raspe 1246 als Marschall Burchard v. Quer-
furt (Mon. Boica 30, 297), so mag dieser in Ermangelung eines
Reichsmarschalls fungiren. Bei K. Wilhelm aber finden wir 1249
als Marschall Anselm v. Justingen (Mon. Germ. 4, 365. Reg.
Wilh. n. 62), wohl der Jüngere dieses Namens (§. 16); dieses
Wiederauftreten der früheren Rivalen der Pappenheim muss doch
darauf hindeuten, dass diese auf der Gegenseite standen. Wir finden
denn auch bei Koni* ad in 1262 Heinrich v. Pappenheim als Mar-
schalcus imperialis aule (Mon. Boica 31, 591), wie sich nähere
Beziehungen zu demselben auch daraus ergeben, dass sich Heinrich
1263 Marischalcus imperialis aule ac ducatus Suevie nennt (Reg.
Boica 3, 211). Bei K. Richard wird kein Marschall erwähnt; der
Justingen mag gestorben sein. Das ausschliessliche Recht der Pap-
penheim auf das Reichsmarschallamt scheint denn auch von da ab
nie mehr in Frage gekommen zu sein.
II. Reichstruchsessc.
1. Bei den K. Heinrich IV., Heinrich V., Lothar finden
wir je einmal 1104, 1122, 1128 den Truchsess Volkmar genannt,
(M. B. 29, 327. B. 2072. 2103); ohne Amtstitel steht ein Volkmar
1101,1123 an der Spitze der Reichsministerialen (B. 1964, 2080).
Der Name kehrt bei späteren Truchsessfamilien nicht wieder, so
dass er uns keinen Schluss auf das Geschlecht erlaubt.
2. Auch unter K. Ko nr ad III. finden wir zunächst noch ein
mal 1141 den Truchsess Volkmar (Jaffe Konr. 214). Dann ist
Truchsess Arnold v. Rotenburg; ohne Amtstitel kommt er seit
1144 mehrfach beim Könige vor (B. 2233. 45. 62. Mon. Boic. 29,
468
Dr. F icke r
297. 302. 305); ohne Geschlechtsnamen 1144, 50 Truchsess
Arnold (B. 2223. 88); die Identität unterliegt keinem Zweifel, da
wir ihn zweimal 1145, 50 mit Geschlechtsnamen und Amtstitel fin
den (B. 2249. 84). Vereinzelt erscheint 1150 Febr. 8 zu Speier
(Jatfe Konr. 217), wo in demselben Monate auch Arnold als Truch
sess vorkommt, Truchsess Walter (v. Rotenburg) ohne
Geschlechtsnamen; da der Personenname bei den Rotenburgern
nachzuweisen ist, indem 1166 und 1172 in mehreren Urkunden
Arnold Vogt von Rotenburg mit seinen Söhnen Arnold, Walter und
Konrad erwähnt wird (Wirtemh. U. B. 2, 152. ß. 2550. 52), so
möchte ich ihn für einen Bruder Arnold’s halten.
3. Die genauere Bestimmung der Reihe der Truchsesse
K. Friedrich’s I. wird dadurch erschwert, dass als solcher sehr
häufig ein Walter genannt wird, aber nie mit Geschlechtsnamen.
Beziehen wir diese Erwähnungen auf Rotenburger und unterschei
den nach Massgahe einer Lücke von zehn Jahren einen älteren,
Wahrscheinlich Bruder Arnold’s, und einen jüngeren Walter, Sohn
Arnold’s (vergl. §. 2), so ergibt sich folgende Reihe:
Walter (v. Rotenburg) der Ältere, schon 1152 Mai genannt
(Wirtemb. U. B. 2, 61), so dass Arnold gleich seit dem Regierungs
antritte Friedrich’s das Amt nicht mehr versehen zu haben scheint.
Es wird das daraus zu erklären sein, dass die Rotenburger, wie die
Pappenheim und Weinsberg (V §. 3. IV §. 2), nach K. Konrad’s
Tode zunächst seinem Sohne Herzog Friedrich von Rotenburg als
Dienstmannen zufielen , was nicht ausschliesst, dass einzelne Mit
glieder dieser Geschlechter dem kaiserlichen Dienste Vorbehalten
blieben, wie das ja auch bei Heinrich v. Pappenheim der Fall gewe
sen sein muss. Erscheint Arnold mit seinen Söhnen 1166 als Zeuge
Herzog Friedrich’s (Wirtemb. U. B. 2, 152) und zwar als Vogt von
Rotenburg, so muss er herzoglicher Beamter gewesen sein. Walter
erscheint dann noch 1157. 58 als Truchsess (B. 2374. 91).
Rudolf v. Scharfenberg, als Truchsess Rudolf 1162
Aug. 18, dann 1163. 1165 (B. 2464. 501. Beyer U. B. 1, 245),
zuletzt 1165 Sept. 24 mit dem Geschlechtsnamen genannt (Chmel,
Reg. Rup. 187). Derselbe wird der 1154 erwähnte Truchsess
Rudolf sein, welcher unter den Zeugen unmittelbar auf Bertolf
r. Scharfenberg folgt (Wirtemb. U. B. 2, 74). Dieses Ineinander
greifen Rudolfs und Walter's dürfte etwa dadurch zu erklären sein,
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode. 469
dass Rudolf anfangs stellvertretender Truchsess war, dann nach
Walter’s Tode Reichstruchsess wurde.
Ulrich, 1166 Aug. 20 Dapifer curie, dann 1167 Febr. Apr.
als Truchsess genannt (B. 2519. 24. 26). Unter den in den Urkun
den dieser Zeit genannten Ministerialen finde ich nur 1170 einen
Ulrich v. Ilusen (B. 2638); doch dürfte das kaum genügen, danach
das Geschlecht Ulrich’s zu bestimmen.
4. Walter (v. Rotenburg) der Jüngere würde nach unserer
Annahme zuerst 1168 Juni 2S und Juli 10 (Lacomhlet 1,297.
B. 2529), dann 1171. 73. 74. 77. 78. 79 (B. 2545. 62. 70. 81.
602. 6. 8. 13), zuletzt 1183 Februar 4 (Mon. Germ. 4, 165)
genannt.
Die Annahme, Walter sei jener Sohn Arnolds v. Rotenburg
dieses Namens (§. 2), wird wohl dadurch gestützt, dass in eben
dieser Zeit auch die Brüder desselben in demselben Amte am Hofe
erscheinen; ein solches Wechseln der Brüder in der Amtsführung
finden wir auch sonst (V §. 13); bei der Annahme, Walter gehöre
einem andern Geschlechte an, wäre dieser Wechsel kaum zu erklä
ren. Ein Wiederauftreten der Rotenburger 1168 liegt auch desshalb
nahe, weil sie nach dem Tode Herzog Friedrich’s 1167 wieder
Reichsdienstmannen geworden waren (vergl. §. 3). Arnold
v. Rotenburg erscheint zuerst als Truchsess ohne Geschlechts
namen 1172 Apr. zu Wirzburg, 1174, zuletzt, und zwar als Truch
sess von Rotenburg bezeichnet, 1179 Jän. (B. 2551. 53. 69. 612).
Dass wir vorzugsweise Walter, nicht Arnold, in dieser Zeit als
Reichstruchsess zu betrachten haben, scheint doch die grössere
Zahl der Erwähnungen jenes zu ergeben; auflallen muss nur, dass
Arnold 1172 Apr. zu Würzburg Truchsess heisst, während sein
Bruder Walter auf demselben Tage anwesend war (B. 2550. 52).
Dass es der jüngere Arnold, nicht der frühere Truchsess K. Kon-
rad's war, ergibt sich wohl daraus, dass 1174 neben dem Truchsess
sein Bruder Konrad erwähnt wird. Dieser Konrad v. Rotenburg
tritt nun aber auch im Amte auf; zuerst 1175 zu Pavia ohne
Geschlechtsnamen (B. 2575), dann 1182 in Urkunde des Bischofs
von Wirzburg (Hansseimann 1, 371), weiter 1183 März und Mai
beim Kaiser (B. 2655. 56) als Truchsess von Rotenburg.
Finden wir von 1168 — 1183 nur die drei Rotenburger als,
Truchsesse genannt, während nun nicht blos Walter und Arnold,
welche gestorben sein dürften, sondern auch Konrad nicht mehr als
solche erscheinen, so wird das um so mehr dafür sprechen, dass es
sich in jener Zeit um eine Stellvertretung durch die Brüder handelte.
Konrad erscheint dann aber 1189 Febr. und Mai wieder als Truch
sess (B. 2713. M. B. 31, 435), obwohl sonst in dieser Zeit Hugo
von Sulz auftritt und im ersten Falle Konrad und Hugo zusammen
als Truchsesse genannt werden. Dieses Auftreten Konrad’s, wie es
sich ähnlich unter den folgenden Regierungen zeigt, dürfte darauf
schliessen lassen, dass er bereits einen Erbanspruch auf das Amt
erhob, welchen die Reichskanzlei durch Gewährung des Titels
anerkannte, während doch das Amt thatsächlich in anderen Hän
den war.
5. Heinrich v. Borneneburg findet sich als Dapifer de
Bomeniburre in einer Ende 1183 oder Anfang 1184 ausgestellten
Urkunde (Verci Marca 1, 25). Ohne Amtstitel ist ein Heinrich
v. Bomeneburg auch 1170 und um 1192 unter den Reichsministe
rialen nachzuweisen (Wenck Hess. L. G. 3, 77. Huillard 2, 770).
Auf denselben dürfte doch zu beziehen sein die Erwähnung eines
Henricus dapifer de Vourwurs in Urkunde 1184 Sept. 29 (Huillard
5, 193), in welcher die Zeugennamen mehrfach bis zur Unkennt
lichkeit entstellt sind. Nochmals wird Truchsess Heinrich 1185
Sept. 27, erwähnt (B. 2684).
Hugo v. Sulz wird 1186 Juni 22, 1188 Sept. 1, Nov. 22 nur
als Truchsess bezeichnet (B. 2695. Niedersächs. U. B. 2, 27.
Notizenbl. 2, 211), 1188 Sept. 29 nur mit dem Geschlechtsnamen
(B. 2710), während er 1189 Febr. 15 neben Konrad von Rotenburg
ausdrücklich Truchsess von Sulz heisst (B. 2713). Der Name kehrt
auch in späteren Kaiserurkunden einigemale wieder (Reg. Phil. n. 96.
Huillard 4, 761. 763), aber ohne einen Amtstitel.
6. Vereinzelt erscheint 1168 zu Würzburg neben Walter ein
Truchsess Engelhard (B. 2529), unzweifelhaft zu den Hofbeamten
des Bischofs von Wirzburg gehörend, da die neben ihm genannten
Schenk Iring und Kämmerer Herold als solche zu erweisen sind
(III §. 7. IV §. 13). Der 1186 vorkommende Constantin ist
Truchsess von Bremen (vgl. II §. 6).
7. Unter K. Heinrich VI. ist Reichstruchsess Mark ward v.
An weil er. Schon an Heinrich's königlicher Hofhaltung erscheint er
als Dapifer regis 1185 Sept., Oct. 25 (Quix Cod. Aq. 1, 26. Laeom-
Die Reichshofbeamle» der staufischen Periode.
471
blet 1, 348), ist 1187 Juli mit seinen Bruder Konrad bei K. Fried
rich (Mone Zeitschr. 11, 14), dann 1187 Sept. bis 1188 März beim
Könige (B. 2731. Rena e Camici 4 d, 100. Moriondi 1, 88. C. dipl.
Westf. 2, 193). Führt er in diesen Jahren keinen Geschlechts
namen, so ist doch die Identität mit dem später sehr häutig von Anwei
ler benannten Truchsess Markward nicht zu bezweifeln; auch den
erwähnten Bruder Konrad finden wir später v. Anweiler genannt
(B. 2741. 2823). Das Verschwinden Markward’s aus den Urkunden
der nächsten Zeit erklärt sich aus seiner Theilnahme am Kreuzzuge;
1189 Dec. schickte ihn der Kaiser als Gesandten nach Constantinopel
(Ansherti hist, ed Dobr. 66). Auch auf Heinrich’s Römerzuge wird
er als Zeuge nicht erwähnt, muss aber wenigstens zeitweise beim
Kaiser gewesen sein, da dieser ihn 1191 als Gesandten nach Pisa
schickt. (La Farina Studj 4, 194.) Urkundlich erscheint er dann
häufig in Deutschland 1192 März 5 bis 1193 Dec. 4. (B. 2779. 81.
89. 94. 99. 800. 4. 5. 8. 13. 14. Perard Recueil 318. NotizenhI. 2,
182. Wirtemb. U. B. 2, 289. 291. Huillard 2, 769); nach einer
Lücke 1194 Juni 3 zu Piacenza und weiter in den in Italien und
Sicilien ausgestellten Urkunden (B. 2825. 29. 32. Mon. Patr. L. jur.
Gen. 1, 410. NotizenhI. 1, 180. Margarin 2, 227). Zn Messina 1195
Febr. 5 finden sich unter den Zeugen Marcuovaldus siniscalcus,
dann Marfladus maior siniscalcus (B. 2835), eine mir unerklärliche
Zusammenstellung; das Maior würde sich doch nur auf den Reichs
truchsessen beziehen lassen, während auf eben diesen doch auch die
erste Erwähnung zu gehen scheint; sicilische Hofbeamte, an welche
etwa zu denken wäre, kommen sonst bei K. Heinrich nicht vor. In
diese Zeit fällt seine Freilassung und Erhebung zum Markgrafen von
Ancona und Herzog von Ravenna; 1195 April 10 heisst er zuerst
Marchio Ancone et iinperialis aule dapifer, April 27 nur Seneschalcus,
Mai 20 und in undatirter Urkunde Imperialis aule senescalcus marchio
Ancone, dux Ravenne (B. 2841. 45. NotizenhI. 2, 371. Tonini
Rimini 2, 600). In den in Deutschland 1195 Oet. 27 bis 1196
März 28 ausgestellten Urkunden, führt er den italienischen Titel
nicht (B. 2860. 68. 6J9. Wirtemb. U. B. 2, 312. Hodenberg Verd. G.
Q. 2, 60). Er wurde dann vom Kaiser nach Italien vorausgeschickt
(Ann. Colon. Mon. Germ 17, 804), findet sich aber schon gleich bei
dessen Eintritte 1196 Juli 28 zu Turin und weiter bis 1197 Sept. 12
beim Kaiser, anfangs mehrfach nur als Seneschall (Bibi. Floriac. 3,
472
I)r. F icker
89. Huillard 2, 561. Mon. Patr. Cli. 1, 1031. B. 2886), später
durclnvegs auch als Markgraf von Ancona und Herzog von Ravenna
bezeichnet (B. 2885. 96. 97. 98. La Farina Studj 4, 306. Lünig
R. A. 22, 814). Markward starb 1202; von seinen Nachkommen
erscheint keiner mehr als Truchsess am Hofe; sein Sohn Dietrich,
welcher sich 1208 nur filius Marcwardi dapiferi de Anewilre nennt
(Guden Sylloge 72), auch in Kaiserurkunden nicht als Truchsess
bezeichnet wird (Mone, Zeitschr. 11, 281. Huillard 2, 761), scheint
sich zuweilen auch den Amtstitel des Vaters beigelegt zu haben;
1204 soll er sich imperialis aulae dapifer genannt haben (Gebhardi
geneal. Gesch. 1, 602 mit irrigem Ci(at); 1211 bezeichnet ihn der
Pfalzgraf als Dapifer de Husen (Guden Syll. 81).
8. Ausser Markward wird Konrad v. Rotenburg (vgl. §.4)
beim Kaiser ohne Amtstitel genannt 1193. 94 (B. 2811. 22. 23. Diimge
Reg. 132), als Truchsess 1192 Juli, 1194 Jan., 1193 Aug. (B. 2782.
818. 33), in allen diesen Fällen nie mit Markward zusammen-^
treffend, so dass er zunächst als stellvertretender Truchsess betrach
tet werden könnte. Doch 1197 Aug. 3 in Sicilien erscheint er, und
zwar mit dem Amtstitel auch neben Markward (Lünig R. A. 22, 814);
der Titel wird doch zunächst auf Festhalten eines Erbanspruches zu
deuten sein. Truchsess Albert wird nur einmal 1191 Apr. in Italien
genannt (Dümge Reg. 149), also während der grösseren Lücke im
Vorkommen Markward’s; zur Bestimmung seines Geschlechtes fehlt
mir jeder Anhalt. Truchsess Walter, wie neben ihm der Schenk
Johann und Kämmerer Werner, 1193 zu Worms (Remling U. B. 1,
127), werden nach Massgabe des Inhalts der Urkunde und der geist
lichen Zeugen für Hofbeamte des Abtes von Prüm zu halten sein.
Beim Seneschall Bernard, 1196 Juli 28 zu Turin (Huillard 2, 561),
handelt es sich wohl nur um eine Verwechslung des Namens mit
Markward, da dieser an demselben Tage vorkommt.
9. Unter K. Philipp ist Reichstruchsess Heinrich v. Wald
burg. Die älteren Waldburg sind ursprünglich welfische Ministerialen
und mögen schon beim alten Herzog Welf, in dessen Urkunden sie
häufig erscheinen, das Amt des Truchsessen bekleidet haben; doch
werden in den Urkunden Welf’s die Amtstitel nicht angeführt. Nach
dem Über gange an die Staufer werden sie, wie die übrigen welfi-
schen Dienstmannen, zunächst den Ministerialen des Herzogthums
Schwaben zugezählt sein; sie erscheinen nun in den herzoglichen
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
473
Urkunden; als Truchsess zuerst Heinrich 1197. 98 bei Herzog
Philipp (vergl. Stalin 619. 620). Ihn als Reichstruchsessen beizu-
hehalten, wird Philipp nach seiner Erhebung um so weniger
Bedenken getragen haben, als der bisherige Inhaber des Amtes
Markward in Italien blieb. Wir finden Heinrich als Truchsess am
königlichen Hofe 1200 (Ph. 18. 20. 21. 31. 33. Wirtemb. U. B. 2,
336), 1202 (Ph. 71), 1204 (51), 1205 (54. 56. 60. 61. 66. 72),
1206 (78. 80), 1207 (92. 93. 97. 105. 6. 8. 10), 1208 (liö).
Auf ihn wird sich auch die Erwähnung eines Heinrich Truchsess
v. Wittingen um 1205 (Mon. Germ. 4, 208) beziehen. Schon dieses
häufige Vorkommen muss darauf hinweisen, dass wir ihn nicht
zunächst als schwäbischen , sondern als Reiehstruehsess zu
betrachten haben; 1207 heisst er überdies ausdrücklich Dapifer
imperii (Ph. 108).
ln Urkunden der ersten Jahre Philipps, 1198, 99 (Wirtemb.
U. B. 2, 327. Ph. 16), wird Friedrich v. Waldburg Truchsess
genannt, welchen wir, da Heinrich schon herzoglicher Truchsess
war und Friedrich neben ihm den Amtstitel nicht führt (Ph. 105. 6),
nur als Stellvertreter seines Bruders zu betrachten haben.
10. Die Stellung der Waldburg dürfte aber doch nicht unbe
stritten gebliehen sein. Konrad v. Rotenburg (vgl. §. 4. 8)
erscheint 1199 mehrfach als Truchsess beim Könige (Ph. 15. Reg.
Boic. 1, 381), einmal zugleich mit dem Truchsess Friedrich und
diesem vorgestellt (Ph. 16). Zuletzt ist er 1200 März ohne Amts
titel beim Könige (Ph. 25) und mag bald nachher gestorben sein.
Dass es sich hier nicht um ein blosses Fortführen des Titels handelte,
sondern um die Geltendmachung von Erbansprüchen, scheint sich
daraus zu ergehen, dass von nun an die Rotenburger nie mehr als
Truchsesse, dagegen seit 1202 als Küchenmeister erscheinen. Da
dieses Amt früher niemals vorkommt, da die Rotenburger es ganz
ausschliesslich bekleiden, so wird kaum zu bezweifeln sein, dass es
für die Familie neu errichtet wurde, um einen gegen Heinrich
von Waldburg erhobenen Erbanspruch zu beseitigen.
11. Vereinzelt kommt vor 1205 x\pril zu Nürnberg (Ph. 63)
ein nicht näher nachzuweisender Ulrich als Dapifer regis, obwohl
in anderen in jener Zeit zu Nürnberg ausgestellten Urkunden H. von
Waldburg als Truchsess erscheint (Ph. 61. 66); es dürfte vielleicht
ein zu persönlicher Dienstleistung bestimmter Unterbeamter sein.
474
Dr. Ficker
Von vereinzelt erscheinenden fürstlichen Truchsessen wurden bereits
Eekilbert 1199 und der thüringische Truchsess Günther von
Schlotheim 1207 erwähnt (I §. 13). Der 1201 Sept. zu Bamberg
genannte Truchsess Wichard v. Zebingen (Ph. 38) gehört zu
den Dienstmannen der Herzoge von Österreich und wird überaus oft
in den Urkunden derselben genannt (vgl. Meiller, Babenb. Reg. 342).
Herzoglicher Truchsess war aber nicht er, sondern der häufig neben
ihm vorkommende Wichard v. Seefeld (vgl. Meiller 318); wird auch
er als Truchsess aufgeführt (Mon. ßoic. Index 235), so gründet sich
das nur auf irrthümliche Zusammenziehung beider Namen im
Abdrucke einer herzoglichen Urkunde (Mon. Boic. 4, 151. vgl.
Meiller 106). Ob etwa auch hier ein ähnliches Versehen vorliegt,
oder Wichard v. Zebingen ausnahmsweise das Amt versah, mag
dahingestellt bleiben.
12. Bei K. Otto als Gegenkönig erscheint Konrad v. Wilre
1201. 2 ohne Amtstitel (0. 13. 18), 1202 als Dapifer regis (0. 17),
1204 in Urkunde des Pfalzgrafen als Dapifer (Or. Guelf. 4, 630).
Noch 1209 heisst er in Urkunde des Königs von England Senescallus
illustris regis Ottonis (Or. Guelf, 3, 457), kommt aber während der
allgemeinen Anerkennung Otto’s in dessen Umgebung nicht vor; erst
1212 Nov.’, dann 1216. 17 ist er wieder bei ihm, aber ohne Amts
titel (0. 179. 187. 189). Er gehört wohl nicht zur braunschweigi
schen Dienstmannschaft, sondern zu einer rheinischen, insbesondere
bei den Herzogen von Limburg vorkommenden Familie (vgl. Lacom-
blet 2, 648). Zu den braunschweigischen Ministerialen gehört der
mehrfach ohne Amtstitel (0. 17. 18. 25) beim Könige vorkommende
Ludolf v. Esbeck, welcher 1203 als Truchsess erscheint (0. 22).
13. Bedeutender tritt hervor Gunzelin v. Wo lfenbüttel
aus einer braunschweigischen Ministerialenfamilie. Schon 1200
erscheint ein Bucelin dapifer, dann 1204 Eckbert v. Wolfenbüttel
und sein Bruder Truchsess Gunzelin (0. 12. 26), derselbe in Urkunde
des Pfalzgrafen 1204 neben dem Truchsess Konrad und ihm naeh-
gestellt (Or. Guelf. 4, 630); dann 1207 nur als Gunzelin v. Wolfen
büttel (0. 30).
Er genoss das ganze Vertrauen K. Otto’s, da es von ihm heisst:
Gunzelinus domestice familie ipsius Ottonis unus et precipuus, officio
dapifer, cui idem Otto, ei cuius fidelitatem et servitutem iam pridem
fuerat expertus, non solum privata, sed et publica regni negocia com-
Die Reichshofheamten der staufischen Periode.
475
miserat (Chron. Sampetr. ad a. 1211). Es ist erklärlich, wenn Otto
wünschte, ihn als Reichsfruchsess beibehalten zu können. Scheint
er das für keinen andern seiner früheren Hofbeamten nach seiner
Anerkennung versucht zu haben, so mussten es hier die besonderen
Umstände begünstigen. Die Ansprüche der Rotenburger waren
abgefunden (§. 10). Der bisherige Reichstruchsess Heinrich v.
Waldburg kommt allerdings noch zweimal, 1209 Jänner und Juni
(0. 81. 66) als Truchsess vor; aber er mag schon bejahrt gewesen
sein und wird, obwohl sein Verschwinden aus den Urkunden sich
zunächst durch Nichttheilnahme am Römerzuge erklärt, bald nachher
gestorben sein; er hinterliess keine Söhne; sein Bruder Friedrich
starb kurz nach ihm ; Söhne desselben werden 1183 erwähnt, dürften
aber vor ihm gestorben sein, da Namen und Amt der Familie auf die
Tanne übergehen (vgl. Stälin 2, 612 n. 2, 10. 620). So mochte
auch von dieser Seite wenig in den Weg gelegt werden.
Schon gleichzeitig mit Heinrich erscheint Gunzeliri 1208, 9
häufig als Truchsess (0. 34. 36. 39. 40. 48. 60. 62); in ein und
derselben Urkunde kommen beide nicht vor. Seit dem Beginne des
Römerzuges wird nur noch Gunzelin als Truchsess genannt (0. 78.
81. 88. 87 — 90. 98. 97 — 100. 3. 6. 7. 38. 39. 64. 71); und
mag er früher etwa neben Heinrich zunächst nur als diensttlmender
Truchsess betrachtet sein, so heisst er nun seit 1209 Oct. 30 mehr
fach Dapifer imperii (0. 88. 98. 171) oder imperialis aule (98. 99.
100), erscheint überhaupt den anderen Reichsbeamten ganz gleich
gestellt. Es ist erklärlich, dass er seinem Herrn treu blieb, als die
anderen Reichshofbeamten sich zu Friedrich wandten; bis zum Tode
K. Otto's 1218 erscheint er als Truchsess des kaiserlichen Hofes in
dessen Urkunden (0. 184. 86. 88 — 90. 93. 94).
14. Da die Waldburg ausgestorben, die Rotenburg zurückge
treten waren, Gunzelin zum Gegner stand, so hatte K. Friedrich II.
für die Bestellung des Reichstruchsess freies Feld. Ernannt wurde
Werner v. Boland der Ältere. Für irgend welchen Erbanspruch
auf das Amt zeigt sich kein Anhalt; so überaus häufig die Boland
schon früher in den Kaiserurkunden erscheinen, führen sie doch nie
einen Amtstitel. Eine auf ungedruckter Urkunde beruhende Angabe,
wonach Werner schon 1207 Reichstruchsess gewesen wäre (Köllner
Kirchheim Boland 36), ist unzweifelhaft irrig. Werner hatte den
Römerzug K. Otto's nicht mitgemacht und erscheint nach dessen
476
Dr. Ficker
Rückkehr nicht in seinen Urkunden; er wird zu den ersten Anhän
gern K. Friedrich’s gehört haben. Bei diesem erscheint er zuerst
schon 1212 Oct. 5 zu Hagenau als Dapifer curie nostre (H. 1,
222); ohne grössere Zwischenräume finden wir ihn dann sehr
häufig in den folgenden Jahren beim Könige in Deutschland (II. 1,
239 — 808. 927) oft ausdrücklich als Dapifer irnperii oder imperia-
lis aule bezeichnet. Er begleitete Friedrich weiter auf dem Römer
zuge, wo er fast in allen Urkunden, zuletzt 1220 Dec. 6 zu Tibur
als Reichstruchsess genannt wird (H. 1, 830 -—- 876. 2, 13 — 77.
914). Da der Kaiser sich jetzt nach Neapel wandte, wird er ihn
nach Deutschland zurückgeschickt haben. Heisst es: Fridericus
vero rex pro consecratione imperatoria Romam ire volens, Henricum
filium suum — regem constituit in Alemannia; cujus tutelae deputatus
est Wernerus de Bolandia; — Wernero autem in brevi defuncto,
suscepit tutelam regii pueri Engilbertus Coloniensis arehiepiscopus
(Gesta Trevir. ed. Wyttenbach 1, 313), so muss der junge König
anfangs einen andern Erzieher gehabt haben, zunächst wohl den
Schenk Konrad v. Winterstetten, was die Unsicherheit der Angaben
über diesen Punct zum Theil erklärt (vgl. Böhmer Reg. LY). Für
seinen hervorragenden Antheil an der Reichsregierung nach seiner
Rückkehr spricht ein Brief Werner’s 1221 Mai 6 zu Mainz, worin er
gleichlautend mit den Erzbischöfen von Köln und Mainz erklärt,
dass ein Rechtsspruch des Königs in seiner Gegenwart und mit
seiner Einwilligung erfolgt sei (11. 2, 722). Nach später zu Erör
terndem wird das die letzte auf ihn zu beziehende urkundliche
Erwähnung sein, womit die angeführte Stelle, wonach er bald
gestorben ist, stimmt.
13. Neben Werner erscheint als Truchsess Eberhard v.
Tanne-Waldburg. Die Tanne sind wohl ein ursprünglich schwä
bisches, nicht welfisches Dienstmannengeschlecht; denn nur einmal
in undatirter Urkunde (Wirtemb. U. B. 2, 139) finde ich sie bei
Herzog Welf, während sie sonst eben so regelmässig in den Urkun
den der Herzoge von Schwaben auftreten, als die Waldburg in denen
Welf’s (vgl. Stälin 2, 617. 619). Sie sind zudem ursprünglich
Schenken, nicht Truchsesse. Einen Truchsess Eberhard v. Tanne
finden wir zuerst 1214 Oct. 23, dann, doch nicht sehr häufig, in den
folgenden Jahren bis zuletzt 1220 Juli 30 beim Könige (11. 1, 321.
87. 89. 474. 500. 920. 527. 59. 613. 21. 712. 22. 810). ln der
Die Refehsholbeamten der sUuilschen Periode.
477
selben Zeit finden wir aber auch 1219 Aug. 17 bis 1220 Juli einen
Truchsess Eberhard v. Waldburg genannt (11. 1, 666. 79. 81. 83.
724. 92. 813); vielleicht gehört dahin schon der 1218 Apr. 15 in nicht
ganz unverdächtiger Urkunde vorkommende Truchsess Konradv. Wald
burg (II. 1, 542), da ein Konrad dieses Namens sich sonst nicht findet.
Die Identität beider kann keinem Zweifel unterliegen. Nie in
ein und derselben Urkunde neben einander vorkommend, finden wir
sie dennoch in Urkunden, welche an demselben Orte und fast gleich
zeitig ausgestellt sind (H. 1, 712. 22. 24. 810. 13). Dürfte schon
das wesentlich genügen, so lässt die Angabe der Ursperger Chronik,
K. Friedrich habe die Reichskleinodien gelassen: sub potestate
Eberhardi de Tanne ministeriaiis et dapiferi sui in Waipurc,
keinen Zweifel.
Es scheint darnach die Burg und das Truchsessamt der Wald
burg an einen Eberhard v. Tanne, wohl denselben, welcher schon
1187 und 1205 ßruderssohn des Schenken Eberhard v. Tanne
genannt wird (Stalin 2, 617. 18), gekommen zu sein. Daraus
würde sich das Aufnehmen des Namens Waldburg genügend erklären,
auch ohne die Annahme, dass die älteren Waldburg desselben
Geschlechtes mit den Tanne, etwa Friedrich v. Waldburg Bruder
des Schenken und Vater des Truchsess Eberhard gewesen sei.
Dagegen spricht wohl, ausser der sich ergebenden Annahme einer
Verheirathung von Geschwisterkindern (vgl. Stalin 2, 612), die ver
schiedene Dienstherrschaft und das verschiedene Amt beider
Geschlechter; auch wäre dann kaum zu erklären, dass der jüngere
Eberhard sich anfangs von Tanne schreibt. In näherer verwandt
schaftlicher Beziehung dürfte dieser allerdings zu den Waldburg
gestanden haben, da er in ihre Rechte eintritt und Vormund der
unverheiratheten Tochter Heinrich's v. Waldburg war (Stalin 2,613);
am nächsten läge es, in ihm einen Schwiegersohn Friedrich’s
zu sehen; doch scheint seine erste Gemahlinn eine Edle von Schwä
bele gewesen zu sein; das Geschlecht der zweiten ist allerdings
nicht bekannt (vgl. Stalin 2, 612). Für die Einheit des Geschlechtes
Hesse sich etwa geltend machen, dass wir nicht allein bei Eberhard’s
Kindern, sondern auch schon bei seinen Brüdern die waldburgischen
Namen Friedrich und Heinrich finden.
War Heinrich v. Waldburg Reichstruchsess gewesen (§. 9), so
ist Eberhard zunächst nur Truchsess des Herzogthumes Schwaben.
Sitzb. (1. jihil.-hift. CI. XL. lid. IV. Hft. 32
478
Di*. Fick o v
Das Amt dürfte überhaupt, wohl nicht als unmittelbar vererbt, son
dern erst als von K. Friedrich verliehen zu betrachten sein, da es
sonst auffallen müsste, dass vor 1214 kein an das Amt der Waldburg
anknüpfender Truchsess erscheint. Dass Eberhard’s Amt sich nicht
auf <Ins Reich bezog, darauf deutet schon, dass er in dieser Zeit nie
Reichstruchsess heisst, auch wenn Andere npben ihm ausdrücklich
als Reichsbeamte bezeichnet 1 sind (II. 1, 474. 527. 559. (513), so
insbesondere auch Werner v. Roland in der einzigen Urkunde, wo
beide neben einander Vorkommen (H. 1,792); entscheidend ist, dass
Eberhard 1217 neben dem Marescalcus und Pincerna imperii aus
drücklich Dapifer Swevie heisst (II. 1, 920). Auch die Aufnahme
der schwäbischen Löwen in das Wappen dürfte darauf deuten (vgl.
Stalin 2, 616. Hone Zeitschr. II, 233).
16. Nachfolger des älteren Werner ist Werner v. Roland
der Jüngere. Doch muss es scheinen, als sei ihm das Reichsamt
mit Rücksicht darauf, dass die Waldburg eine Zeitlang Reichstruch
sesse waren, dem älteren Werner aber das Amt ohne Erbanspruch
verliehen war, von Eberhard von Waldburg bestritten worden.
Werner ist 1222 März und Mai bei K. Heinrich, 'führt aber in vier
Urkunden keinen Amtstitel (II. 2, 728. 31. 42. 46), nur in einer
heisst er Truchsess (H. 2, 744). und in einer jener steht Heinrich
Truchsess von Waldburg, wahrscheinlich Eberhard's Sohn, ihm vor
(H. 2, 746). Dieses Vorkommen wird auch genügend erweisen, dass
diese Erwähnungen sich nicht mehr auf den älteren Werner bezie
hen. Rei K. Heinrich finden wir 1222, 23 Werner nicht mehr, da
gegen häufig den immer als Truchsess bezeichneten Eberhard (H. 2,
736. 48—80). Auf Ansprüche Eberhard’s auf das Reichsamt dürfte
auch deuten, dass er um diese Zeit in eigener (Reg. Roica 2. 124),
dann 1225, 26, 27 auch in königlichen Urkunden (H. 2, 829, 85,
3, 335) zwar nicht Imperii, aber doch imperialis aule dapifer
heisst. Werner ist 1223 Jan., Febr. beim Kaiser zu Capua, aber wie
der auffallender Weise ohne Amtstitel (H. 2, 296. 98. 307), was
sich freilich auch aus Rücksicht auf den gleichfalls anwesenden Gun-
zelin v. Wolfenhiittel erklären Hesse.
Febr. 1224 ist Truchsess Eberhard beim Kaiser in Catania
(II. 2, 400. 1. 4); und gerade während dieser Abwesenheit im Jan.
finden wir Werner zuerst wieder als Truchsess bei K. Heinrich
(H. 2, 786. 87). Seit Juli ist Eberhard wieder heim Könige in
479
Die Reiehshofbeauileii der slaufischeu Periode.
Deutschland (H. 2, 799. 806. 8. 11); Nuv. 17 kommen zuerst Eber
hard und Werner neben einander als Truchsesse vor und zwar so,
dass Eberhard vorsieht. Eberhard muss später fast immer am Hofe
des Königs gewesen sein, da er in der grossen Mehrzahl seiner
Urkunden als Zeuge erscheint (H. 2, 8IS—910. 3, 311—47S. 4,
558—6S6), Viel seltener finden wir Werner, jetzt durchweg als
Truchsess bezeichnet, 1223, 27, 31—34 beim Könige (H. 2, 834.
60. 3. 311. 14. 22. 444. 47. 33. 66. 4. 368. 80. 603, 18. 34. 43),
Dafür, dass Werner als Reichstruchsess galt, Eberhard als schwäbi
scher eine untergeordnete Stellung einnahm, Hesse sich nur etwa
geltend machen, dass, wo beide in derselben Urkunde Vorkommen,
jetzt Werner immer vorsteht und Eberhard zuweilen erst nach anderen
Beamten auf ihn folgt (H. 2, 834. 3, 311. 14. 22. 433. 4, 380.
634. 43). Nicht zu viel Gewicht dürfte darauf zu legen sein, dass
Werner 1231 und nochmals 1234 neben dem nur als Truchsess be-
zeichneten Eberhard Dapifer imperialis aule heisst (H. 3, 466. 634);
denn vereinzelt, wie erwähnt, führtauchEberhard diesenTitel; esmuss
eher auffallen, dass Werner ihn so selten führt und sich nie, wie
sein Vater so oft, Dapifer imperii nennt; doch werden diese Be
zeichnungen jetzt überhaupt weniger gebraucht, als in der früheren
Zeit Friedrich's.
Eberhard erscheint zuletzt 1234 Mai 26 (H. 4, 636) beim
Könige und wird bald nachher gestorben sein, da er auch ander
weitig urkundlich nicht mehr nachzuweisen ist (vgl. Stälin 2, 627).
Seitdem erscheint kein Waldburg, sondern nur noch Werner 1234,
33 März bei K. Heinrich und 1236 beim Kaiser (4, 688. 723. 841.
63. 93), jetzt vorwiegend als Imperialis aule Dapifer bezeichnet.
17. Gleichzeitig mit Werner und Eberhard tritt auch noch
Gunzelin v. Wolfenbüttel (vgl. §. 13) als Truchsess auf. Es
ist möglich, dass ihm hei der Aussöhnung K. Friedrich’s mit dem
Welfen Heinrich 1219 besondere Zusicherungen gemacht wurden,
wie später in der Erhebungsurkunde von Braunschweig 1235 aus
drücklich Gleichstellung der welfischen mit den Reichsministerialen zu
gesichert wurde. Gunzelin ist 1222,23 beim Kaiserin Italien als Dapifer,
Dapifer noster oder imperialis aule (H. 2, 231, 73, 86, 88); in der
selben Urkunde mit Werner vorkommend heissen aber beide nur
Ministeriales imperii (H. 2, 298). Auch in Deutschland bei K. Hein
rich heisst.er 1224 und 1225 Dapifer imperialis aule, während im
32*
480
l)r. K icke r
ersten Falle der ihm nachstehende Eberhard nur Truchsess heisst
(H. 2, 799. 850); in einem andern Falle 1224, wo Gunzelin
ebenfalls vorsteht, heissen beide nur Truchsess; 1231 nur Gunzelin
Truchsess, obwohl Eberhard sonst ganz regelmässig den Amtstitel führt
(11. 2, 808. 3, 455). Am Auffallendsten ist das Vorkommen Gunzelin’s
und Werner’s 1231 Dec. bis 1232 Mai beim Kaiser zu Ravenna und
auf den folgenden Tagen. Allein vorkommend heisst Gunzelin Truch
sess (H. 4, 272. 73. 75. 314), führt nur einmal keinen Amtstitel
(357); in allen Fällen gemeinsamen Vorkommens führen beide den
Amtstitel nicht, wobei nur einmal Gunzelin (297), sonst Werner
vorsteht (288. 96. 323. 34. 39. 41. 59); dagegen führt auch Wer
ner in den Fällen vereinzelten Vorkommens wenigstens einmal den
Amtstitel (324), welcher ihm sonst allerdings fehlt (277. 80. 90.
91. 93. 308. 29. 36. 37). Das Alles ist doch kaum anders zu
erklären, als aus dem Umgehen der beiderseitigen Ansprüche auf den
Amtstitel; gab man ihn nicht Beiden, so scheint doch noch die An
sicht wirksam gewesen zu sein, dass nur einer von ihnen der eigent
liche Reichstruchsess sein könne. Später erscheint Gunzelin nur noch
einmal 1236 ohne Amtstitel beim Kaiser (H. 4, 868); doch schreibt
er sich in seinen eigenen Urkunden noch später Dei gratia impe-
rialis aule dapifer v. Wolfenbüttel oder auch v. Peine (Scheidt vom
Adel. 435. 36).
18. Von den vereinzelt vorkommenden Truchsessen dürfte der
sonst nicht nachzuweisende Konrad v. Waldburg sehr wahr
scheinlich identisch mit Eberhard sein. Als Conradus erscheint er
1218 in einer Urkunde auffallender Form, dann 1223, 24 (H. 1,
542. 2, 782. 401). Im letzteren Falle handelt es sich um das verein
zelte Vorkommen eines Truchsessen in drei kaiserlichen Urkunden
zu Catania 1224 Fehl - .; in zweien (H. 2, 400. 404) finden wir nur
Eberhard, in der dritten nur Konrad; beide genau an derselben
Stelle in den sonst ganz übereinstimmenden Zeugenreihen; handelte
es sich um zwei Personen, so wäre es fast unerklärlich, dass sie
nicht auch neben einander genannt wären. Erklärlicher noch ist eine
Verwechselung, wenn 1225, 27, 31, 33 der Personenname nur durch
die Sigle C gegeben ist (H. 2, 855. 3, 314. 453. 4, 612); und auch
hier finden wir 1227, 31 Eberhard in Urkunden, welche an dem
selben Orte fast gleichzeitig ausgestellt sind (H. 3, 311. 455), so
dass das Nichtzusammentreffen fast unerklärlich wäre. Truchsess
D : e lleichsljofbeatnlen der stanfi ;c1hmi Periode.
481
.
*
Heinrich v. Waldburg 1222, 28 (H. 2, 746. 3, 386), wird der
auch sonst bekannte (Stalin 2, 612) Sohn Eberhard’s sein, doch ist
die Urkunde von 1228 verdächtig; die Erwähnung eines Henricus
dapifer regis 1224 (H. 2, 802) dürfte aber eben so wohl auf einen
Unterbeamten zu deuten sein. Truchsess Friedrich v. Waldburg
wird nur einmal 1227 (H. 3, 359) genannt; er ist gleichfalls Sohn
Eberhard’s (Stälin 2, 612). Die Erwähnung des Truchsess Marquard
v. Anweiler 1223 (H. 2, 770) entfällt, da die Zeugenreihe der wahr
scheinlich unechten Urkunde unzweifelhaft zum Theil einer Urkunde
K. Heinrich’s des VI. entnommen ist.
19. Volker v. Salzberg 1225 zu Nordhausen (H. 2, 848) ist
Truchsess von Wirzburg (Reg. Boica 2, 59. 193); eben so 1227
(H. 3, 341) Albert v. Wirzburg, sonst v. Witolshausen genannt
(Reg. Boica 2, 173), welcher häufig als bischöflicher Truchsess
erscheint (R. Boica 2, 139 —177). Auch die Erwähnung des Truch
sess Heinrich, 1234 zu Wirzburg (H. 4, 699), bezieht sich auf
den bischöflichen Truchsess dieses Namens (R. Boica 2, 221), da
auch die neben ihm genannten Schenk Johann und Kämmerer Gotfrid
bischöfliche Beamte sind (R. Boica 2, 213. 221). Der in kaiserlichen
Urkunden 1237 zu Wien genannte Kad old v. Velsberg (H. 5,
27. 38. 40) ist Truchsess von Österreich (vgl. Meiller Babenb.
Reg. 318).
20. Beim Kaiser erscheinen, wie schon erwähnt, in Italien
vereinzelt Werner, Gunzelin und Eberhard als Truchsesse. Ständig
ist seit dem Abgänge des älteren Werner 1220 Dec. kein deutscher
Truchsess mehr an seinem Hofe. Von den am deutschen Hofe nicht
genannten findet sich 1226 vereinzelt ein Frater G. de Merern dapi
fer (11. 2, 700), wohl ein Ordensritter. Auch von sicilischen Truch
sessen ist Heinr ich v. Ri ve 11 o nur einmal 1232 als Zeuge nachzu
weisen (H. 4, 374); ausser ihm wird noch ein Jakob Capece als
Seneschall erwähnt (vgl. Huiilard Introd. 149).
21. Bei K. Konrad IV. kommt Werner v. Boland nie als
Truchsess vor, wird nur einmal 1242 als Fidelis noster erwähnt
(H.6,825) und stand später zu den Gegenkönigen. Der König scheint
dann sein Amt an seinen Bruder, den späteren Kämmerer Philipp
v. Falkenst ein verliehen zu haben, welcher 1246 als TruchseSts
erwähnt wird (H. 6, 878. 79) und noch 1253 den Titel Dapifer
imperialis aulae führt (Gilden. Cod. dipl. 2, 104). Schon früher
482
I)r. F i c k e r
1242 Juli führt Konrad v. Schmidelfeld auffallender Weise den
Titel Dapifer noster (H. 6, 841), während er in folgenden Urkun
den (H. 6, 849. 51. 52. 53. 58) keinen Titel führt. Sein Geschlecht,
welches w ohl nicht zu den freien Herren (Stalin 2, 537), sondern
nach seiner Stellung in den Urkunden (z. B. Wirtemb. U. B. 2, 169.
B. 2825. H. 3, 349. 65. 83. 95) zu den Reichsdienstmannen
gehörte, kommt sonst nie in einem Amte vor. Oh der König beabsich
tigte, ihn an Werners Stelle treten zu lassen, muss dahingestellt
bleihen; 1249 finden wir Konrad auf der Gegenseite bei K. Wilhelm
(Mon. Germ. 4, 365),
22. Von schwäbischen Truchsessen finden wir beim Könige
1240, 48 (H. 5, 1203. 4. 6, 884) den auch sonst seit 1239 (vgl.
Stalin 2, 627. 28) urkundlich oft vorkommenden Otto Bertold
v. Waldburg; neben ihm 1248 (H. 6, 884) die Truchsesse Hein
rich und Ulrich v. Warthu sen, aus einer Seitenlinie der Wald
burg (Stalin 2, 613). Auch hei Konrad in erscheinen 1260 Bert-
hold v. Waldburg, 1266 Walter v. Warthusen und Eber
hard v. Waldburg (Mon. Boica 30, 334. 47. 51), während sich
kein Reichstruchsess bei ihm findet.
23. Der Reichstruchsess Werner v. Boland ist seit 1249
(Mon. Germ. 4, 365) bei K. Wilhelm, dann er und weiter sein
gleichnamiger Sohn auch bei K. Richard nachzuweisen; ihr An
spruch auf das Reichsamt mochte von keiner Seile bestritten werden,
zumal seit Philipp von Falkenstein (§. 21) 1257 das Reichskämmerer
amt erhalten hatte. Das Amt blieb nun erblich dem Hause Boland;
noch 1363 nennt sich Philipp v. Boland Truchsess des heiligen
römischen Reiches (Köllner Kircliheim-Boland 76); er starb 1376,
sein Bruder Konrad, welcher den Amtstitel nicht mehr geführt zu
haben scheint, nach 1386 Damit erlosch das Geschlecht im Manns
stamme. Es scheint nicht, dass das Reichstruchsessenamt wieder gelie
henwurde, und es mag das damit Zusammenhängen, dass es in der golde
nen Bulle überhaupt nicht unter den vier Erbämtern des Reiches auf
geführt wird; beim Erlasse derselben mochten die in ihren Vermö
gensverhältnissen heruntergekommenen Boland nicht in der Lage
sein, ihre Ansprüche geltend zu machen; als Stellvertreter des Erz
truchsess erscheint vielmehr in der goldenen Bulle der Reichsküchen
meister, dessen Amt als Abzweigung des Truchsessamtes zu betrach
ten ist.
483
Die Ueic'liähofbeu'iilcn der stauliselien Periode
II. b. Rcichsküchcnmeister.
24. Aus dem Umstande, dass vur dem dreizehnten Jahrhun
derte nie ein Reichskiichenmeister erwähnt wird, dass Rotenliurger,
welche früher vorzugsweise als Truchsesse Vorkommen, seit 1200
nie mehr als solche erwähnt werden, während seit 1202 Küchen
meister v. Rotenburg erscheinen, schlossen wir schon früher (§. 10),
dass das Amt- von K. Philipp neu errichtet wurde, um die Roten-
burger für ihre Ansprüche abzufinden. Der König bestätigt 1202
Juli 23 (Ph. 71. vgl. Mone Zeitschr. 11, 18) eine Schenkung
Fidelis ac Familiaris nostri H. magistri coquine de Rotemhurc. Oh
Heinrich v. Rotenburg dem Mannesstamme der früheren Truch
sesse v. Rotenburg angehörte, von welchen der 1200 zuletzt vor
kommende Konrad heisst, dürfte zweifelhaft sein, da der Name
Heinrich bei ihnen nicht vorkommt; unbedenklich werden wir in ihm
den Rechtsnachfolger derselben zu sehen haben. Bei K. Philipp kommt
er nur noch 1207 als Küchenmeister vor (Ph. 105. 6); bei K. Otto
1209 zu Rotenburg und auf dem Römerzuge (O. 36. 98. 99); bei
K. Friedrich 11. 1213 (H. 1, 265. 73. 83), 18 (1, 332. 63), 19
(1, 697), 20 (1, 728. 30. 33. 36. 33. 37. 818), dann bei K. Hein
rich 1222 — 1223 (2, 742. 77. 94. 848- 68).
23. Schon bei Lebzeiten Heinrich’s heisst aueh Hartwig
v. Rotenburg Küchenmeister, zuerst 1217 (H. 1, 310); 1220, 23
heissen beide neben einander Magistri coquine (II. 1, 733. 37. 2,
868); Hartwig allein ist 1221 beim Kaiser (11. 2, 141. 62), dann
1223 — 1234 bei K. Heinrich (H. 2, 839. 3, 388. 97. 410. 4,
632). Hartwig wird 1219 ausdrücklich als Sohn einer Schwester
Heinrich’s bezeichnet (Reg. Boica 2, 93. 101); auch wird Heinrich
sein Oheim genannt (H. 3, 101). Er wird 1237 als verstorben
erwähnt und scheint ausser einer Tochter nur einen Sohn Helmerieh
hinterlassen zu haben , welcher in den deutschen Orden trat
(II. 3, 101).
26. Nachfolger im Amte ist L u p o 1 d v. Rotenburg-Norden
berg. Ein Schultheiss Lupoid v. Rotenburg wird 1219 und 1233 er
wähnt (Reg. Boica 2, 93. II. 4,399), dann 1221 ein Lupoid v. Rotenburg
neben Hartwig (11. 2, 141). Am wahrscheinlichsten dürfte er Bruder
Ilartvvig’s sein. Bei K. Konrad IV. erscheint er 1246 als Magister eo-
484
Dr. K i e k c r
quine de Rotenburg (II. 6, 874); 1249 heisst Lupoid regalis aule
magister coquine dirtus de Nortenberg (Reg. Boica 2,407); die Iden
tität wird nicht zu bezweifeln sein, da wir 12G9 wieder einen L. coqni-
narius de Rotinburch finden (Quellen und Erörterungen 5, 232). Die
v. Nordenburg, nach einer unweit Rotenburg belegenen Burg
benannt, werden dann in der goldenen Bulle als Erbküchenmeister und
Stellvertreter des Erztruchsess erwähnt; im fünfzehnten Jahrhunderte
folgen ihnen im Amte wohl durch Erbschaft die v. Seideneck,
welche bis 1562 als Erbküchenmeister nachzuweisen sind, doch mehr
fach auch als Reichstruchsesse bezeichnet werden, wie nicht befremden
kann, da ihnen ja zunächst die Verpflichtungen dieses Amtes oblagen
(vgl. Vitriar. illustr. 3, 804. 803. Ludewig Goldne Bulle 2, 778).
27. Später führen die v. Wald bürg den Titel eines Erb
truchsessen des Reiches. Ihr Titel ist aber wohl zunächst nur auf ihr
schwäbisches Hofamt zurückzuführen, wie ja auch von anderen
Familien diese Titel fortgeführt werden, so beispielsweise von den
Schenken v. Winterstelten. Es wird insbesondere nicht anzunehmen
sein, dass sie nach dem Aussterben der Boland (§. 24) das Reichs-
trucbsessamt erhielten, denn im fünfzehnten Jahrhunderte und noch
im Beginne des sechszehnten nennen sie sich einfach Truchsess
v. Waldburg und zwar auch in solchen Urkunden, wo neben ihnen die
Limburg oder Pappenheim ihr Amt als Erbamt oder Reichsaml aus
drücklich bezeichnen (Bürgermeister Cod. dipl. eq. 106. 109. 139.
137). Erst Georg v. Waldburg heisst seit 1528 des heiligen römi
schen Reiches Erbtruchsess, und eben so die späteren Waldburg; da
es keine Reichstruchsesse gab, sieb weiter leicht belegen liess, dass
die Waldburg früher kaiserliche Truchsesse gewesen waren, so wird
der Titel, auch wenn er, wie es scheint, ohne besondere Verleihung
angenommen wurde , keinen Widerspruch gefunden haben. Die
Verrichtungen des Amtes standen freilich dem Küchenmeister zu;
Georg erhielt aber schon 1528 vom Kurfürsten von der Pfalz die
• Zusicherung, ihn oder seine Nachkommen nach dem Aussterben der
v. Seideneck mit dem von Kurpfalz lehenrührigen Erbkücbenmeister-
amte zu beiebnen. Spätestens 1594 ging dann wirklich das Amt
durch kurpfälzische Belehnung an die Waldburg über; doch Hessen
dieselben den Titel fallen und nannten sich wie früher Erbtruch
sesse, so dass beide Ämter wohl fortan als ein Einziges betrachtet
wurden (vgl. Vitriar. illustr. 2, 756. 3, 806).
J>i<* Iteichsliol'l’cuinten der slauiiselifii Periode.
485
III. Reichsscliciikcn.
1. Während ich bei K. Heinrich V. keinen Schenken nach-
weisen kann, wird hei K. Lothar 1128 der Schenk Konrad
Bacho genannt (B. 2103). Einen Zusammenhang mit später auf
tretenden Sehenkenfamilien, in welchen der Name Konrad häufig
wiederkehrt, weiss ich nicht bestimmter zu begründen.
2. Unter K. Ko n r ad III. wird Konrad Pris (v. Schipf) 1145
ausdrücklich Schenk genannt (B. 2259). Nur als Konrad Pris ist er
1142. 44 beim Könige (B. 2215. 33), dann 1146 (2263), wo Walter
von Scliipf sein Bruder genannt wird, so dass schon er der später
vorzugsweise hervortretenden Schenkenfamilie angehört. Auf ihn
werden demnach aueh wohl die Erwähnungen 1138. 41. 44 zu
beziehen sein, wo der Schenk nur Konrad heisst (Mon. Patr. Lib.
jur. Gen. 1, 57. Jaffe Konr. 214. B. 2232).
Seit 1146 erscheint Konrad nicht mehr; in zwei 1150 auf
demselben Hoftage zu Speier ausgestellten Urkunden heisst der
Schenk Keiner (B. 2284. Jaffe Konr. 217), ein Name, den ich
unter den Reichsministerialen dieser Zeit nicht nachzuweisen weiss;
später kommt der Name Reinhard bei denen von Lautern vor.
3. Bei K. Friedrich I. ist zuerst Schenk Hildebrand,
1152. 56. 57 vorkommend (Wirtemb. U. ß. 2,61. B. 2356. 74); ohne
Amtsnamen findet sich 1157 ein Hildebrand v. Helmscellingen heim
Kaiser (B. 2369), möglicherweise dieselbe Person.
4. Ein genaueres Auseinanderhalten der späteren Schenken
K. Friedrich’s ist dadurch erschwert, dass alle denselben Namen
Konrad führen. Die ersten Erwähnungen scheinen einen Konrad
v. Ballenhusen zu treffen, da ein Conradus de Baiensen 1164 Jan.
zu Faenza (B. 2483) ausdrücklich Schenk genannt wird. Ohne
Amtstitel finden wir 1161 in Italien C. Comes de Balnehusen, C. de
Baiasse, 1162 C. de Baluhusen, Ballehusen (ß. 2442. 64. Notizenbl.
1,145. Affo Parma 2, 374). Der Grafentitel macht die Identität
bedenklich. Doch wurde dieser in Italien auch in Kaiserurkunden
mehrfach blossen freien Herren gegeben, so 1163 den Grumbaeh
und Leuchtenberg (B.2480). Einen Adalbert v. Ballenhausen finden
wir 1144 in Mainzer Urkunde unter den freien Herren (Guden C. D.
1,152.) ; Konrad v. Balanlnisen 1166 in Kaiserurkunde unter freien
Dr. Ficker
48 6
Herren oder Dienstmannen; dann 1170 wieder einen Grafen Adal
bert von Balnehusen und seinen Sohn Konrad (B. 2519. 43). Doch
gibt es aucli Mainzer Ministerialen dieses Namens, 1189 einen Otto
v. Ballenhusen (Ungedr.). Bei Annahme der Identität, für welche ins
besondere spricht, dass in dieser Zeit kein anderer Konrad ähnlichen
Namens erscheint, insofern 1164 C. de Gelluden nur Corrumpirung
desselben Namens sein dürfte, würde demnach wohl der Fall vor
liegen, dass ein freier Herr ein Dienstamt übernahm, wie sich ja
auch sonst nachweisen lässt (vgl. V §. 4). Handelt es sich um ein
anderes Geschlecht, so dürfte an das des späteren Schenken Konrad
v. Waldhusen zu denken sein. Auf dieselbe Person wären dann zu
beziehen die Erwähnungen eines Schenk Konrad 1163 zu Mainz
(Beyer U. B. 1, 245), 1163, 64 auf dem italienischen Zuge (Muratori
Antiq. It. 6, 245. B. 2490. 97).
5. Der nächste benannte Schenk Konrad ist Konrad Kol ho
(v. Scliipf), 1165, 68. (Mieris Charterb. 1, 108. Chmel Reg. Rup.
187. B. 2529). Zweimal werden hier neben ihm seine Brüder Lud
wig und Bernger genannt; sicher treffen ihn demnach wohl noch
die Erwähnungen 1172 zu Wirzburg (B. 2550. 51. 53), wo zwei
mal neben dem Schenken Konrad sein Bruder Ludwig erwähnt
wird; noch wird 1165. 66. 68. 70. 71 Schenk Konrad ohne nähere
Bezeichnung genannt (B. 2501. 19. 37. 44. 45. Lacomblet 1, 297).
Danach ist weiter nicht zu zweifeln, dass der in derselben Zeit
1165, dann 1167 in Italien erwähnte Schenk Ludwig(B. 2509.24. 25)
jener Bruder Konrad’s ist, welcher seine Stelle vertrat und auch
als Ludwig Kolbo vorkommt (B. 2506. 62).
Dass, wie früher Konrad Pris, so auch Konrad Kolbo dem
Geschleckte der Scliipf angehörte, dürfte nicht zu bezweifeln sein.
Schon das Amt legt das nahe; weiter der Umstand, dass die Reichs
schenken von Schipf, Klingenberg, und Limburg Kolben im Wappen
führen, woher jener zeitweise gebrauchte Name rühren mag. Wir
finden weiter die vier Personennamen Walter, Konrad, Ludwig und
Beringet' sowohl bei den Kolben, als bei den Scliipf, und zwar so,
dass nie ein Kolbo und ein Scliipf desselben Namens in ein und der
selben Urkunde Vorkommen, und manches die Annahme unterstützt,
es habe sich dieselbe Person bald Kolbo, bald Scliipf genannt.
Walter v. Scliipf, Bruder des Konrad Pris, ist beim Könige 1144. 46.
53. 54.56(B. 2233. 63. 334. 70.Wiriemb. l T . B. 2, 61); dazwischen
*
Die Iteiehshofbeainten der stnufische 11 Periode. 487
1147 Walter Kolbo (Mon. Boica, 29, 297). Ein Konrad Kolbo findet
sich 1152 mit seinem sonst nicht genannten Bruder Siegfried. (Wir-
temb. U. B. 2, 61); 1156. 64 Konrad v. Scliipf (B. 2356. Lepsius
Naumburg 255); dann wie erwähnt der Schenk Konrad Kolbo mit
seinen Brüdern Ludwig und Beringer; zuletzt führt Ludwig 1173
den Namen Kolbo (B. 2562). Während dieser Zeit, wo der Natne
Kolbo vorherrscht, verschwindet in an und für sich auffallender
Weise der Name Scliipf aus den Urkunden; nur 1172 April zu
Wirzburg erscheint Konrad v. Schipf, während in drei anderen auf
demselben Iloftuge ausgestellten Urkunden der Schenk Konrad,
zweimal mit seinem Bruder Ludwig, also identisch mit Konrad
Kolbo erscheint (B. 2550. 51. 52. 53). Alle vier Urkunden haben
ziemlich dieselben Zeugen; es ist kaum denkbar, dass hier nicht
Konrad v. Schipf identisch mit dem Schenken Konrad sein sollte,
zumal wir später den Schenken ausdrücklich so benannt finden. Ein
Ludwig und Beringer v. Schipf sind zwar in dieser Zeit nicht näch-
zuweisen; wohl aber finden wir seit 1210 die Brüder Walter,
Konrad und Beringer v. Schipf genannt, später auch einen Ludwig
v. Schipf. Alle diese Umstände dürften die Beziehung der Namen,
Kolbo und Schipf auf ein und dasselbe Geschlecht unzweifelhaft
machen.
Finden wir demnach 1182 in Wirzburger (Hansseimann Lan-
desli. 1, 371), 1183 März in Kaiserurkunde (B. 2655) den Schenk
ausdrücklich Konrad v. Schipf genannt, so werden wir darin
wohl noch jenen Konrad Kolbo sehen dürfen; es sei denn, was mir
nicht wahrscheinlich ist, dass es sich um einen gleichnamigen Sohn
oder doch ein jüngeres Familienglied handelte. Identisch ist dann
aber auch der um Ende 1183 genannte Schenk Konrad v. Klin
genberg (Klingenbure, Yerci Marca 1, 25), da wir auch in der
folgenden Generation die Namen Schipf und Klingenberg wechselnd
von derselben Person gebraucht finden.
Die Erwähnungen eines nicht genauer bezeichnten Schenken
Konrad 1173 (B. 2562), 74 (Mon. Boica 29, 421. B. 2572), 77
(B. 2581), 78 (B. 2608), 79 (2612), 80 (B. 2(524), 82 (B 2646.
48. Notizeribl. 1,150), 83 (Mon. Germ. 4, 165.176) würden demnach
jene genaueren Erwähnungen verbinden und Konrad v. Schipf von
1165 — 1183 in ununterbrochener Dienstleistung zeigen. Ein
Bedenken würde sich nur daraus ergeben, wenn 1178 in Italien ein
4 (SS
Di*. V i c k e r
/
Konrad de Maciis als Pincerna curie genannt wird (B. 2602) und
wir in diesem eine andere Person zu sehen hätten; ich bezweifle
aber in keiner Weise, dass uns nur eine Übersetzung des Wortes
Kolben, mittellateinisch Macia oder Maza, vorliegt, und demnach
vielmehr eine Bestätigung unserer Annahme.
6. Konrad von Schipf mag Ende 1183 oder Anfang 1184
gestorben sein; die folgenden Erwähnungen können sämmtlich
Konrad v. Waldhusen treffen. Er wird zuerst 1184 März
15 C. pinc. de Walhusen genannt (österr. Archiv 8, 328); 1185. 86
finden wir den Schenk nur Konrad genannt (B. 2684, 95); eben so
1188 Sept. 1 zu Allstedt (Niedersächs. U. B. 2, 27), dann aber Sept.
29 C. de Walthusen ohne Amtstitel (B. 2710), wo die Identität um
so weniger einem Zweifel, unterliegt, als die in der ersten Urkunde
genannten Marschall Ekbert und Truchsess Hugo in der zweiten
ebenfalls nur mit dem Geschlechtsnamen erscheinen. Nochmals finden
wir ihn 1189 Februar IS ausdrücklich als C. pinc. de Walthusen
erwähnt (B. 2713). Er wird dem Geschlechte angehören, aus
welchem 1181 auf derBurgStaufen Egerio und Adalbert v. Walthusen,
1193 zu Gmünd Albert, Konrad und Egeno v. Walthus beim Kaiser
erscheinen (B. 2635. 2809), welches demnach zur eigentlichen
staufischen Dienstmannschaft gehören und nach dem benachbarten
Waldhausen im Amte Welzheim benannt sein dürfte. Die erste Er
wähnung liesse an die thüringische Pfalz Walhausen denken; da wir
aber nach dieser eine Kämmererfamilie benannt finden, welcher der
1188 mit dem Schenken Konrad in derselben Urkunde vorkommende
Kämmerer Konrad angehören wird (vergl. IV ■§ 12), so dürfte diese
Beziehung für alle Erwähnungen, oder wenigstens für die erste sich
kaum rechtfertigen (vgl. auch §. 4).
7. Andere vereinzelt in K. Friedrich’s Urkunden vorkommende
Schenken sind bischöfliche Hofbeamte. Schenk Iring 1168 zu
Wirzburg (B. 2S29) des Bischofs von Wirzburg (Reg. Boica 1,273),
Otto 1174 zu Bamberg (Mon. Boica 29, 417 (des Bischofs von
Bamberg, Dietrich 1186 zu Gelnhausen (Lappenberg U.B. 1, 241)
des Erzbischofs vofi Bremen (vergl. I §. 6) , Dietrich 1187 zu
Speier (Wirtenberg. U.B. 2, 244) des Bischofs von Speier (Remling
U. B. 1, 98.102. 111. 115. Wirtenberg U. B. 2, 133. 141).
8. K. Heinrich VI. scheint bei Lebzeiten des Vaters in seiner
Hofhaltung keinen Schenk gehabt zu haben. Zuerst und nur einmal
Die Reichshofbeainten der stnuOsclien Periode.
489
1191 April 10 auf dem Römerzuge wird dann eiu Schenk Herdegen
v. Nürnberg erwähnt (Dümge Reg. 149), unzweifelhaft derselbe mit
dem 1174,83 genannten Herdegen v. Grindlach (ß. 2569.2653),
da sich auch Lupoid v. Grindlach 1156 vereinzelt von Nürnberg
nennt (Mon. Boica 29, 324), in dessen Nähe die Grindlach sassen.
Mitglieder des Geschlechtes finden wir oft am Hofe, aber sonst nie
mit einem Amtstitel.
9. Gegen Ende des Römerzuges 1191 November 3 zu Piacenza,
dann zu Mailand finden wir zuerst als Schenken Hei n rieh v. Lautern
(8. 2771. 73. 74); er erscheint überaus häufig in den Urkunden
des Kaisers 1192 Februar bis 1193 December in Deutschland
(B. 2777. 79. 81. 82. 86. 89. 94. 95. 97. 800. 4. 8. 13. 14. 16.
Huillard 5, 1103. 2,769. Wirtenberg U. B. 2, 291) ; nach grösserer
Lücke 1194 December bis 1195 Februar in Sicilien (B. 2829. 32.
35. Margarin 2, 227); nach abermaliger Lücke 1195 Oclober bis
1197 August fast ununterbrochen (B. 2861. 62. 67. 6S. 69. 76. 80.
81. 86. 90. 91. 96. 97. Hodenberg Verden. G. Q. 2, 60. Remling U.
B. 1, 133. Bibi. Floriac. 3, 89. Huillard 2, 561. La Farina Studj 4,
306. Liinig R. A. 22, 814). Dass er sich 1195, 97 Henricus Kolho
pincerna de Lutra nennt, woraus auf einen Zusammenhang mit dem
früheren Schenken Kolbo zu schliessen wäre (Ludewig G. Bulle
2,782), dürfte auf einem Irrthum beruhen. Auch ein näherer Zu
sammenhang der Kolben v. Wartemberg, von denen sich 1215
Werner dictus Kolbo de Wartemberg, 1219 Werner Kolbo und
seine Brüder Ulrich und Merbodo finden (Huillard 1, 383. 660), mit
den Kolben v. Schipf dürfte nach den ganz abweichenden Personen
namen kaum wahrscheinlich sein.
10. Von sonstigen vereinzelt erwähnten Schenken ist Johann
1195 wahrscheinlich Schenk des Abtes von Prüm (vgl. II §. 8).
Schenk Dietrich v. Apolda, 1195 zu Worms (B. 2866) ist
Schenk des Erzbischofs von Mainz, dessen Amt sich zunächst an Erfurt
geknüpft haben dürfte; von seinen Brüdern ist 1192 einer Vitzthum
zu Erfurt, ein anderer Kämmerer; auch später finden wir Mitglieder
des Geschlechtes in denselben Ämtern (Guden C. D. 1, 317. 522. 523.
Schuhes Direct. 375. 478).
11. Unter K. Philipp finden wir als Reichsschenken Walter
v. Schipf, wahrscheinlich Sohn des Schenken Konrad (vgl. §. 5),
zuerst 1200 März 15 (Ph. n. 24), dann 1201 (n. 28), 1203
Ol-. F icke r
490
(n. 54. 60. 66), und 1207 (n. 106. 6. 8) zuletzt Nov. 2, wo er aus
drücklich Pincerna imperii heisst.
12. Ist Walter seltener beim Könige, als andere Hofbeamte, so
kommt auch der schwäbische Schenk Eberhard v. Tanne nur
vereinzelt 1198 Äug. 16 (Wirtemb. U. B. 2, 327) und 1205 Juli 16
als Schenk, dann Juli 30 ohne Amtstitel vor (Pb. n. 68. 72). Waren
die Tanne schwäbische Ministerialen (vgl. II f. 15), so wird ihnen
schon früher das Schenkenamt des Herzogthums zugestanden haben;
mit dem Schenkentitel erscheint Eberhard 1197 bei Herzog Philipp
(Wirtemb. U. B. 2, 321). Lag es in der Absicht Philipp’«, ihn als
Reichsschenken beizubehalten, so hat er nicht den Ansprüchen des
Schenken des Vorgängers, sondern den Erbansprüchen der doch seit
1183 nicht mehr im Amte erscheinenden Schipf weichen müssen.
13. Bei K. Otto ist bis zu seiner allgemeinen Anerkennung
kein Schenk aufzuweisen. Von 1208 Nov. 20 bis 1212 Mai 21
erscheint Walter v. Schipf oft in seinen Urkunden (O. n. 34. 35.
40. 45. 72. 76. 81. 87. 88. 90. 95. 98. 99. 100. 45. 47. 48. 72.
Notizenbl. 1, 178); identisch mit ihm ist der vereinzelt 1209
genannte Schenk Wal ter v. Rötingen (n. 66), da Rötingen ein
Besitz der Familie war.
Im Jahre 1210, wo sich eineLiicke im Vorkommen Walter’s zeigt,
erscheint mehrfach als Schenk sein Bruder Konrad v. Schipf, der
seine Stelle vertreten hallen wird (0. n. 120. 26. 35. 38. 44); neben
Walter erscheinend führt weder er (n. 145) noch der dritte Bruder
Beringet' (n. 147) den Schenkentitel. Ausser den Schipf wird unter
K. Otto kein Schenk genannt.
11. Während K. Friedrich II. in den übrigen Ämtern den
Beamten K. Otto’s andere bei seinem ersten Eintritte in Deutschland
entgegenstellte, scheint das beim Schenk nicht der Fall gewesen zu
sein; vielleicht, dass er des Übertrittes Walter’s schon versichert war.
Doch finden wir auch Wa I ter v. S chip f nicht früher, als 1213Febr.
14 mit den anderen Reichsbeamten heim Könige zu Regensburg; von
da ab bis 1217 Fehl 1 . 17 ist er dann häufig beim Könige (II. 1, 242—
498. 930); dann noch einmal 1218 Jän.3 (H. 1, 530); er dürfte bald
nachher gestorben sein.
15. Konrud v. Schipf-KIingenberg fungirt als Konrad
v. Schipf auch jetzt 1213, 15 vereinzelt bei Lebzeiten des Bruders
und zwar als Pincerna imperii bezeichnet (H. 1, 281. 430); dass
Die Reichshofboamten der stauliscben Periode.
491
Walter der eigentliche Träger des Reichsamtes war, erweist sein
ungleich häufigeres Vorkommen und der Umstand, dass Konrad neben
ihm unter den Zeugen vorkommend keinen Amtstitel führt (H, 1, 438.
496). Nach dem Abtreten Walter’s finden wir 1218 Juli (II. 1, 552)
und später Konrad von Schipf als Reichsschenk. Dass er Bruder, nicht
etwa ein Sohn Walters ist, ergibt sich wohl daraus, dass 1220 mehr
fach neben ihm Beringer alsBruder genannt wird (H. 1, 728. 30. 33);
B eri n ge r v. Schipf führt 1219 vereinzelt auch selbst den Schen
kentitel.
Im Jahre 1219 wird der Reichsschenk Konrad v. Klingenberg
genannt (H. 1, 626, 697); 1220 wieder von Schipf (H. 1, 728. 30.
33. 78. 927). Auf dem Römerzuge wird 1220 Nov. nur ein einziges
Mal ein Reichsschenk Konrad genannt (H. 2, 64), was bei dem so
regelmässigen Vorkommen der anderen Hofbeamten sehr auffallen
müsste, wenn er den Zug mitgemacht hätte; doch ist die Urkunde
auch aus anderen Gründen für gefälscht zu halten. Erst 1222
erscheint Konrad V. Schipf wieder bei K. Heinrich (H. 2, 746. 48).
Fanden wir schon früher den Namen Klingenberg vereinzelt
von einem Schipf gebraucht (§. 5), so lässt das Vorkommen 1223,
24 nicht bezweifeln, dass die Namen Konrad v. Schipf und v. Klin
genberg nicht nur demselben Geschleckte, sondern auch derselben
Person angehören. Bei K. Heinrich erscheint 1223 Aug. 4, Sept.
30. 1224 Apr. 3, Nov. 12, 17. Dcc. 28 als Schenk Konrad v. Schipf
(II. 2, 767. 81. 94. 811. 13. 19); dagegen heisst der Schenk Kon
rad v. Klingenberg 1223 Sept. 21, Oct. 8, 1224 Jan. 8, Dec. 4
(II. 2, 777. 86. 815. Reg. ßoica 2, 135). Kommen die Namen
so wechselnd und in zeitlich so naheliegenden Urkunden vor, ohne
doch in irgend einer zusammenzutreffen, so können sie sich wohl nur
auf dieselbe Person beziehen.
Später heisst Konrad durchaus Schenk v. Klingenberg und ist
als solcher bei K. Heinrich 1225 (II. 2, 848), 27 (2, 905), 29
(3, 395), 30 (3, 405. 10. 32. 34), 31 (3, 444. 50. 55. 70). Dec.
1231 bis Mai 1232 ist er beim Kaiser zu Ravenna und auf den
folgenden Hoftagen (II. 4, 272. 73. 75. 90. 91. 324. 34. 39. 41).
Dann bei K. Heinrich in Deutschland 1232 (H. 4, 580. 560), 33
(4, 603. 14. 18. 19), zuletzt 1234 März 18 (II. 4, 645); weiter
noch 1235 Aug. heim Kaiser (II. 4, 761. 63). Da der Name jetzt ein
Jahrzehent lang aus den Urkunden verschwindet, und die späteren
i
492
Br. K i o k e r
Erwähnungen wohl einen gleichnamigen Sohn treffen, so dürfte er
bald nachher gestorben sein.
16. Neben Konrad erscheint in späteren Jahren der Schenk
Walter v. Schipf-Limburg; zuerst 1230 Apr. 9 bei «.Hein
rich als Schenk v. Limburg; ebenso 1232 Apr. bei Kaiser und König
zu Cividale (H. 3, 410. 4, 324. SOS); 1232 Aug. findet sich beim
Könige Schenk Walter v. Schipf (H. 4, SSO); dann Walter v. Lim
burg mehrfach im J. 1234 Mai 10 bis Aug. 18 (II. 4, 653. 1>6. 70.
74). In den Aufstand K. Heinrich’s verwickelt, erscheint er 1235 und
1237 nur noch beim Kaiser, um sich desshalb abzufinden (H. 4,
760. 5, 73).
Darauf, dass die Limburg, wie die Klingenberg dem Geschlechte
der Schipf angehören, demnach es sich hier nur um einen Walter
handelt, welcher sich noch vereinzelt von Schipf nennt, deutet der
hei den Schipf so häufige Personenname Walter, die Lage der
Burgen in derselben Gegend, die Gleichheit der Wappen (vgl. Stalin
2,600). Ein Siegel Konrad’s v. Klingenberg 1260 stimmt auch in der
Fünfzahl der Streitkolben mit dem ihm sehr ähnlichen des Schenken
Walter v. Limburg 1237 (Mittheilung des Fürsten F. K. zu Hohen
lohe-Waldenburg; vgl. dessen Monographie über das limburgische
Wappen, Taf. I, 1). Insbesondere würde sich aber sonst nicht
erklären, dass Walter v. Schipf nur in jenem einen Falle nachzu
weisen ist; es würde ferner gar nicht zu erklären sein, dass ein
Schenk aus einem dem Amte bisher fremden Geschlechte aufträte,
ohne dass das Amt erledigt wäre oder der Herrscher wechselte. Das
Aufgehen des alten Geschlechtsnamens durch die Klingenberg und
Limburg erklärt sich daraus, dass die Stammburg in den Händen
eines andern Mitgliedes des Geschlechtes, des Ludwig v. Schipf,
war (H. 4, 762 ; vgl. Zeitsch. f. Wirtemb. Franken 5, 50. 75).
Was die Stellung Walter’s zu Konrad betrifft, so werden wir
das gleichzeitige Führen des Amtstitels wohl nicht lediglich auf den
erst später bestimmt hervortretenden Brauch zurückführen dürfen,
wonach alle Familienmitglieder den Amtstitel führen; Ludwig v.
Schipf führt ihn nie. Walter wird ein Sohn jenes Walter v. Schipf
sein, welcher bis 1218 als Reichsschenk erscheint (§. 14). Beim Tode
des Vaters mag Walter noch unmündig gewesen sein, später dann
aber gegen den Oheim seinen Anspruch auf das Reichsschenkenamt
geltend gemacht haben, wenigstens durch Führen des Titels; denn
Die Reichshofbeamten der staurischen Periode.
493
dieser bezieht sich nicht etwa, wie wir früher fanden, auf Stellver
tretung des abwesenden Schenken (§. 13. IS), denn Konrad und
Walter kommen neben einander mit dem Amtstilel vor (H. 3, 410.
4, 324. S80); hat nur im letzten Falle Walter den Vorrang, so
erklärt sich das aus dem Alter des Oheims. Ein vorzugsweiser An
spruch Walters würde sich auch etwa daraus herleiten lassen, dass
er im Besitze der Schenkenhurg erscheint (H. 4, 760), welche doch
in näherer Beziehung zum Amte gestanden haben wird. Ausdrücklich
als Beichsschenk wird keiner von beiden in dieser Zeit bezeichnet.
Walter kommt übrigens erst nach dem Verschwinden Konrad's aus
den Urkunden K. Heinrich's häufiger hei diesem vor.
17. Aus der schwäbischen Schenkenfamiiie finden wir vereinzelt
1214 März 12 Schenk Eberhard v. Tanne und neben ihm ohne
Amtstitel Konrad v. Tanne genannt (H. 1, 295). Es dürfte noch der
selbe sein, welcher bei K. Philipp als Schenk vorkam (§. 12); der
später zu erwähnende Eberhard v. Tanne-Wiuterstetten, wohl
Sohn jenes älteren Schenken, erscheint auch später nur als Neben
schenk des älteren Bruders Konrad, und würde hier schwerlich
vorzugsweise als Schenk bezeichnet sein. Es wäre möglicherweise
aber auch an Eberhard v. Tanne-Waldburg (11 §. 15) zu denken,
welcher erst 1214 Oct. als Truchsess nachzuweisen ist; in diesem
Falle müsste ihm erst in der Zwischenzeit das Amt der Waldburg
übertragen sein. Wahrscheinlicher ist es gewiss, in jenem Schenken
ein Mitglied der später nach Winterstetten genannten Linie zu sehen.
Aber auffallen muss, dass 1216 urkundlich ein Schenk Bertold
v. Tanne erwähnt wird, während in demselben Jahre ein Bertold als
Bruder des Truchsess Eberhard v. Tanne erscheint (Stälin 2, 618).
Sind beide identisch,»so würde demnach auch die waldburgische
Linie in Beziehung zum Schenkenamte stehen, könnte möglicher
Weise auch schon jener Schenk K. Philipp’s derselbe mit Eberhard
v. Waldburg sein. Haben wir aber in Eberhard v. Waldburg, wie
doch unzweifelhaft sein dürfte, den 1187, 1205 neben seinem Vaters
bruder Eberhard genannten jüngern Eberhard zu sehen, so erhalten
wir sowohl für den älteren als für den jüngeren einen Bruder
Bertold, und es könnten jene Erwähnungen im Jahre 1216 zwei
verschiedene Bertold treffen, der Schenk Bertold könnte Bruder
des Schenken, Oheim des Truchsess Eberhard sein (vgl. Stälin 2,
617. 18). Trotz der vortrefflichen Vorarbeit, auf welche wir uns
Sitz.l). d. pliil.-Jiist.UI. XL. Bd. IV. Hft. 33
404
I) r. F i c k e r
liier stützen können, liloibt Manches in dem verwandtschaftlichen
Zusammenhänge unklar.
18. Konrad v. Tanne-Winterstetten findet sich als Kon-
rad v. Winterstetten 1214 — 1220 ohne Amtstitel oft heim Kaiser
(II. 1. 321. 87. 472. K00. S9. 613. 79. 81. 83. 722. 24. 920). Er
wird derselbe sein mit dem Konrad v. Tanne 1214, IS (H. 1, 29S.
389). Denn dass die Winterstetten ein Zweig der Tanne sind, ist
nicht zu bezweifeln; cs sprechen dafür Amt und Wappen; in zwei
an demselben Tage 1215 Juni 20 ausgestellten Urkunden (H. 1,
387. 89) finden wir in derselben Stellung unmittelbar neben dem
Truchsess Eberhard einmal Konrad v. Winterstetten, das anderemal
Konrad v. Tanne genannt; die Ursperger Chronik sagt: der Kaiser
habe seinen Sohn anvertraut Cunrado de Tanne pinccrnae et
ministeriali suo in Castro Winterstetten ; vereinzelt heissen noch
1223 Konrad und Eberhard Pineerne de Tanne und Fratres de
Tanne (H. 2, 777. 80), dann 122S Eberhard Pincerna de Thenne
(II. 2, S08), wo die Identität mit den gleichnamigen Schenken
v. Winterstetten keinem Zweifel unterliegen kann.
Konrad führt zuerst 1220 Juni 2 den Schenkentitel (II. 1,792),
was um so auffallender ist, da wir seit 1214, wenn wir von dem in
verdächtiger Zeugenreihe 1218 vorkommenden Schenk Eberhard
v. Winterstetten absehen (II. 1, 342. vgl. I §. 17, II •§. 18), keinen
schwäbischen Schenken heim Kaiser finden. Vielleicht, dass, wenn
vor ihm sein Vater Eberhard Schenk war, dieser bejahrt nicht mehr
am Hofe erschien ; doch würde nach ähnlichen Fällen zu schlossen
dann wohl auch Konrad den Titel geführt haben. Eber würde sich
der Umstand erklären, wenn das Amt früher bei der waldburgischen
Linie war und erst jetzt ausdrücklich auf die Winterstetten über
tragen wurde.
Konrad erscheint dann 1222 Apr. 24 bis 1234 Aug. 21 fast
ununterbrochen beim K. Heinrich (H. 2, 736 — 909. 3, 311—473-
4, 338—676) und begleitete ihn 1232 nach Italien, wo er Apr. Mai
auch in kaiserlichen Urkunden vorkommt (H. 4, 324. 34. 39. 41).
Neben ihm erscheint häutig seinBruderEberhard v.Tanner-
Winterstetten, zuerst, wenn wir von dem verdächtigen Vor
kommen 1218 absehen, 1220 Jänner 4, beide ohne Amtstitel
(11. 1. 722). Dann ist Eberhard 1223 beim Kaiser in Italien, im Jän.
als Schenk bezeichnet, im März ohne Amtstitel; nochmals ist er
Die Ueitilishofbeamten der slauflseheu Periode.
495
1225 Juli als Schenk von Thenne beim Kaiser (H. 2, 296. 339.
508). 1) ie Dienstleistung am kaiserlichen Hofe, wo in dieser Zeit
kein anderer Schenk vorkommt, mag Veranlassung geworden sein,
auch in Deutschland in königlichen Urkunden den Schenkentitel des
Bruders auf ihn auszudehnen. Wo 1223, 24, 25 beide neben ein
ander Vorkommen, heissen beide Schenken (II. 2, 777. 94. 830)
oder führen beide keinen Amtstitel (H. 2,780. 854), nur einmal
heisst es C. pincerna et E. fratres de Winterstetten (H. 2, 829).
Überaus häufig erscheinen dann beide neben einander als Schenken
v. Winterstetten 1226 März 31 bis 1227 Juli 17 (H. 2, 873—909.
3, 311 — 337). Aber während Konrad häufig allein beim Könige
erscheint, ist das bei Eberhard nicht der Fall; nur in einer Urkunde
1228 würde er auch bei K. Heinrich allein den Scheukentitel führen
(H. 3, 386); aber sie ist durchaus verdächtig und bei dem sonstigen
völligen Verschwinden Eberhard’s aus den Urkunden seit 1227 Juli
wohl anzunehmen, dass er kurz darauf gestorben ist. Als eigent
lichen Träger des Amtes werden wir doch Konrad zu betrachten
haben.
Dass sich das Schenkenamt der Winterstetten zunächst auf das
Herzogthum Schwaben bezog, ist um so weniger zu bezweifeln, als
Konrad sich im Siegel 1222 Pincerna in Suevia, und sein Nachfolger
Konrad v. Schmalneck-Winterstetten 1243 Pincerna ducatus Sueviae
nennt (Stalin 2, 630. 637). Vereinzelt heissen aber auch Konrad
und Eberhard 1226 imperialis aulae pincernae, Konrad 1229 pin
cerna regis und 1239 imp. aulae pincerna (H. 2, 885. 3, 397.
Stalin 2, 636). Insbesondere scheint man auch in der Zeugenstellung
den Vorrang des Reichssehenken von dem schwäbischen nicht
beachtet zu haben; Konrad findet sich zumal später fast eben so oft
vor (H. 3, 395. 450. 4, 334. 39. 41. 656. 761. 63) als hinter (2,
777. 81. 94. 848. 3, 405. 55. 4, 324. 653. 70. 74) den Schenken
Von Limburg und Klingenberg; einmal steht er zwischen bei
den (4, 580).
19. Auf K. Friedrich’s Römerzuge finden wir keinen Schenken
genannt; erst in Unteritalien 1221 März 3 bis Juni wird mehrfach
Schenk Friedrich v. Staufen genannt (H. 2, 139. 41. 49. 80.
88), den wir wohl als Stellvertreter des Reichsschenken zu betrachten
haben. Später erscheint beim Kaiser, ausser wo ein Reichsschenk
oder schwäbischer Schenk an seinem Hofe ist, kein Schenk mehr;
33*
l)r. Ficker
41) (5
auch ein sicilisclier Sclienk, wahrscheinlich corrumpirt Vimigne r-
lus genannt, ist nur einmal 1232 nachzuweisen (H. 4, 374. vgl.
Introd. ISO).
20. K. Heinrich erwähnt 1223 den verstorbenen Gerhard
v. Erp ach als seinen Ministerialen und Schenken in einer Urkunde
in welcher er den Jüngern Sohn und die ältere Tochter desselben
dem Pfalzgrafen, Herzoge von Baiern schenkt (II. 2, 763), wie denn
später die Erpacli als pfälzische Schenken erscheinen. Da sonst nie
ein Erpacli als kaiserlicher Schenk erwähnt wird , so kann seine
Stellung nur eine untergeordnete gewesen sein. Den 1234 vereinzelt
vorkommenden Schenk Johann (II. 4, 699) wiesen wir bereits als
Schenken des Bischofs von Wirzburg nach (II §. 19). Die Erwähnung
des Schenken Heinrich v. Laulern, angeblich 1223 (H. 2, 770),
gehört in die Zeit K. Meinrich’s VI. (vgl. II ■§. 18).
21. Bei K. Konrad IV. finden wir den Schenk Walter
v. Limburg 1239, 41 (H. 3, 186. 6, 824) und mit ihm zusammen
1245. 46 den Schenk Konrad v. Klingenberg (H. 6, 864.
63. 74). Auch bei Konradin erscheint 1266 Walter und 1267
Konrad v. Limburg (Mon. Boica 30, 352. 55. 64). Von schwä
bischen Schenken kommt Konrad v. Winterstetten 1239, 40,
dann zuletzt 1242 Mai beim Könige vor (H. 5, 1186. 96. 1200. 3. 4.
7. 6. 832). Er muss bald nachher gestorben sein; denn sein Schwie
gersohn Konrad v. Schmalneck heisst schon 1243 Februar
Pincerna ducatus Suevie (Stälin 2, 637) und ist 1245 November
als Schenk beim Könige (II. 6, 864); später kommt er urkund
lich nicht mehr vor. Von seinen Söhnen ist Schenk Konrad
v. Winterstetten 1248 beim Könige; den altern finden wir als
Schenk Heinrich v. Schmalneck 1267 bei Konradin (Mon.Boica
30, 361), wie er auch sonst allein vorkommend den Geschlechts
namen des Vaters führt; bei Konradin 1266 mehrfach zusammen
vorkommend heissen beide Schenken v. Winterstetten (Mon. Boica
30, 347. 52. 33. 55); auch auf einen dritten Bruder Hermann
v. Winterstetten finden wir urkundlich den Schenkentitel ausge
dehnt (vgl. Stälin 2, 638).
22. Was die Gegenkönige betrifft, so wird zwar in einer von
K. Heinrich Raspe nach seiner Wahl 1246 ausgestellten Urkunde
Konrad v. Winterstetten als Zeuge genannt (Reg. Henr. n. 3),
aber ohne Amtstitel; und es ist kaum wahrscheinlich, dass er sich
Die Reichslinflieamten (Ilm* stau fischen Periode.
4D7
ihm angeschlossen habe. Bei K. Wilhelm finden wir dann seit 1249
(Mon. Germ. 4, 365) als Schenken den jungen Werner v. B o 1 a n d,
Sohn des Truchsessen; das Amt mag absichtlich jemandem über
tragen sein, welcher Erbansprüche auf ein anderes Amt hatte, um
nicht Ansprüche zu begründen, welche bei einer Unterwerfung des
Erbschenken schwerer wieder zu beseitigen waren. Nach urkund
licher Angabe war Walter v. Limburg auch 1255 wirklich beim
Könige zu Speier, ohne d.iss dort Verhandlungen, welche zunächst
Streitigkeiten bezüglich der Stadt Hall betrafen, sich aber auch auf
das Schenkenamt bezogen haben mögen, schon zu yollem Abschlüsse
gelangten (Ludewig Goldne Bulle 2, 795); auf dem Speierer Tage
selbst erscheint der junge Werner noch als Schenk (Reg. Wilh. n.
239) und der Schenk v. Limburg ist auch später weder bei
K. Wilhelm noch bei K. Bichard nachzuweisen. Da aber letzterer,
nachdem Werner im Truchsessamte gefolgt war, keinen andern
Schenken ernannt zu haben scheint, da weiter die Linie der Schenken
v. Klingenberg (vgl. Wenck Hess. L. G. 1, 302) keine Ansprüche
_auf das Amt erhoben zu haben scheint, so war das Feld für die
v. Limburg frei, welche später unbestritten als Reichserbschenken
erscheinen, bis nach dem Aussterben des Mannsstammes das Amt
1714 an die Grafen von Althann kam.
IV. Reichskiinimercr.
1. Bei K. Heinrich V. finden wir 1123 den Kämmerer Egeno
(B. 2080); bei K. Lothar 1134 den Cubicularius Ann o (B.2134);
auf dem zweiten Zuge nach Italien 1137 werden erwähnt derVestia-
rius Amfred und Mansionarius Bertulf (Petr. Diac. 1. 4, c. 109),
■letzterer wahrscheinlich derselbe mit dem Bertold, welcher kurz
nachher Camerlengus imperatoris heisst (B. 2176).
2. Als Kämmerer K. Konrad's III. erscheint 1138. 41. 44. 45
Tibert ohne Geschlechtsnamen (Mon. Patr. L. jur. Gen. 1, 57. Jafife
Konr. 214. B. 2232. 49. Mutte Memoire pour m. l'archeveque de
Cambrai 14). In zwei 1150 Febr. auf demselben Hoftage zu Speier
ausgestellten Urkunden finden wir in der einen den Kämmerer
Tibert v. Weinsberg (B. 2288), in der andern Tibert de Lin-
bah genannt (Jaffe Konr. 217), richtiger wohl Tibert v. Lindaeh,
wie der Name 1151 ohne Amtstitel in einer aus dem Originale abge-
I)r. F i o k c r
4 98
druckten Urkunde vorkommt (Mon. Boica 29, 302); 1 ISO Aug.
findet sich auch Tibert v. Weinsberg ohne Amtstitel (B. 2288). Da
der Name Lindach sich sonst unter den Reichsministerialen nicht
findet, die in bairischen Urkunden häufig verkommenden Lindach
wittelsbachische Ministerialen sind (Mon. Boica 8, 393. vgl. Index
413), so dürften bei der Gleichheit der Personennamen und jenem
Vorkommen in nächstliegenden Urkunden beide Tibert für identisch
zu halten sein; ein Lindach wird in dem reichsritlerschaftlichen
Canton an der Kocher erwähnt, nach dem sich die Weinsberg genannt
haben könnten. Auch die früheren Erwähnungen ohne Geschlechts
namen werden sich auf Tibert von Weinsberg beziehen; sehr häufig
kommt allerdings auch ein Tibert v. Spilenberg bei K. Konrad vor,
doch scheint er nicht allein zu den freien Herren zu gehören, sondern
wird mehrfach in derselben Urkunde neben dem Kämmerer Tibert
aufgduhrt (B. 2249. 80. Mutte Memoire 14).
Die Weinsberg verschwinden in der nächsten Zeit aus den
Kaiserurkunden, kommen erst 1182 (B. 2643) und dann häufiger
wieder vor, aber nie mit dem Amtstitel; der Grund wird darin zu
suchen sein, dass sie zunächst zur ostfränkischen Dienstmarinschaft
gehörend, nach K. Konrad’s Tode an Herzog Friedrich v. Rotenburg
kamen, unter dessen Ministerialen 1166 Engelhard v. Weinsberg
erscheint, aber nicht als Kämmerer, sondern als Schenk (Wirtemb.
U. B. 2, 132).
3. Neben Tibert erscheint 1143 in derselben Urkunde Käm
merer Wich na nd v. Sch o n enb erg, camerarius noster de Sco-
nemberg (Mutte Memoire 14). Es wäre wohl zunächst an Schonen
burg, Schönberg bei Obenvesel zu denken; die Burg wurde freilich
erst 1166 von Magdeburg für das Reich ertauscht (B. 2314. 19),
mochte aber immerhin schon früher thatsäehlich in den Händen des
Reiches sein.
4. Wieder erscheinen 1130 neben einander als Camerarii zusam
mengefasst Tibert und Konrad v. Walhusen (Jaffe Konr. 217);
in zweiter gleichzeitiger Urkunde, in welcher Tibert Kämmerer
heisst, heisst Konrad Camerarius noster a thesauris (B. 2284). Auf
ihn dürfte sich auch die Erwähnung eines Kämmerer Konrad 1132
beziehen (B. 2298), da wir schon liier sahen, dass Kämmerer und
Triskämmerer im Titel nicht immer scharf geschieden werden. Den
Namen führt Konrad unzweifelhaft von der sächsischen Pfalz Wal-
hie iteichshoflieaii.itei) der slanii.schen Periode.
499
husen; wir finden ihn beim Könige ohne Amtstitel 1134 zu" All
stedt, 1145 zu Merseburg (B. 2136. Schultes Direct. 2, 61); 1151
bestätigt der König zu Würzburg, aber unter Zuziehung nur säch
sischer Zeugen einen Tausch zwischen dem Burggrafen von Magde
burg und Konrad Ministerialis noster de Walchusen (B. 2294).
6. Unter K. Friedrich I. finden wir zumal in den früheren
Jahrzehnten mehrere Kämmerer wechselnd und neben einander, so
dass es kaum statthaft scheint, nur je einen von ihnen jeweilig als
eigentlichen Träger des Amtes zu betrachten. Wollen wir darauf nicht
überhaupt verzichten, so werden wir nach der Häufigkeit ihres Vor
kommens, welches auch keine grösseren Lücken zeigt, die von Sie
beneich vorzugsweise als Reichskämmerer zu betrachten haben.
Kämmerer Hartmann v. Siebeneich erscheint sogleich das
erste Mal 1133 Jän. 27 mit Amtstitel und Geschlechtsnamen, dann
1154 nur mit dem Geschlechtsnamen (B. 2319. 34). Nur als Käm
merer Hartmann finden wir ihn weiter 1157 (B. 2374), 62 (2459.
62.64), 64 (Verci Ezelini 3,39 unecht), 66 (B. 2514), 68 (Lacombl.
1, 297), 71 (B. 2545), 74 (2572), zuletzt 1177 zu Venedig (Baue
Hess. Urk. 1, 62). Auf dem italienischen Zuge 1167, 68, wo Hart
mann nach der Erzählung des Otto v. S. Blasien (Böhmer Fontes
3, 600. vgl. Godefr. Viterbiensis carmen de gestis Fr. 49) dem Kaiser
das Lehen gerettet höben soll, weiss ich ihn urkundlich nicht nach
zuweisen, sondern nur die Kämmerer Rüdiger und Rudolf v. Siebeneich
(B. 2524. 25). Ein Hartmann von Siebeneich, Sohn Manegold’s und
Bruder Manegold’s, findet sich in derselben Zeit häufig unter den
welfischen Ministerialen (Mon. Boica 3, 322. 10, 16. 20. 25. vgl.
Index, u. Wirtemb. U. B. 242. 328); sie scheinen sich .von Siin-
nacii an der Wertach genannt zu haben. Keinenfalls ist Hartmann
identisch mit dem Reichskämmerer; doch legt die Gleichheit der
Namen die Annahme näher, dass es sich um einen Zweig desselben
Geschlechtes gehandelt habe, welcher etwa durch K. Friedrich’s
welfische Mutter in staufische Dienste gekommen wäre. Doch findet
sich ein Siebeneich, abgesehen von dem im Etschlande, auch
zwischen Weinsberg und Öhringen, in Ostfranken, also in derGegend,
welcher die in dieser Zeit am bedeutendsten hervortretenden Reichs
ministerialen vorzugsweise angehören.
6. Neben Hartmann wird 1177 zu Venedig sein Bruder Rudolf
genannt (Baur. Hess. Urk. 1, 62); auf diesen Rudolf v. Sieben-
300
Dr. Kick r r
eich den Altern dürften sich die Erwähnungen eines Kämmerer
Rudolf 1165. 67 (ß. 2509. 25) beziehen, sicher auch wohl noch
1178 Jän. Juli zu S. Miniato und Arles (ß. 2602. 8); wir hätten in
ihm zunächst den Stellvertreter des Bruders zu sehen. Wir finden
dann weiter einen Kämmerer Rudolf 1182 (B. 2643); im April 1183
finden wir ihn unter den Reichsboten, welche zu Piacenza mit den
Lombarden verhandeln (Muratori antiq. It. 4, 291), wie er später die
Sühne Alessandria’s beschwor (Mon. Germ. 4, 181). Vom Constanzer
Tage 1183 Juni bis 1186 Juni 22 zu Varese finden wir ihn dann
so regelmässig beim Kaiser, wie keinen der anderen Hofbeamten
(B. 2657. 58. 59. 68 — 71. 78. 80. 82 — 88. 91. 94. 95. 96.
Huillard 5, 193. ßiancolini 5 a, 106. Verci Marca 1, 32. Notizenbl.
1, 178. 2, 370). Dann erscheint erst wieder 1189 in zwei Urkunden
Kämmerer Rudolf von Siebeneich (B. 2714. 15), neben welchem in
der zweiten sein Bruder llartmann genannt wird. Stellung und Fehlen
des Amtstitels verbieten hier an den älter«, ja ohnehin seit zwölf
Jahren aus den Urkunden verschwundenen Hartmann zu denken;
dagegen würde die Annahme, dass in Rudolf und Hartmann Söhne
des älteren Hartmann, Neffen des älteren Rudolf zu sehen seien,
durchaus dem Herkommen entsprechen, dem ältesten Sohne den Namen
des Grossvaters, dem zweiten den des Vaters zu geben. Sehr zweifel
haft muss es nun aber scheinen, oh und welche der früheren Erwäh
nungen sich auf diesen Rudolf v. Siebeneich den Jüngern
beziehen. Der Abschnitt dürfte in die Lücke zwischen 1178 und
1182, oder in die zwischen 1186 und 1189 fallen. Für ersteres
würde etwa sprechen, dass, wenn von einer strengen Erbfolge im
Amte auch nicht wohl die Rede sein kann, doch nach dem Abtreten
des Vaters der Übergang auf den Sohn näher liegt, als auf den Bru
der, und dass das Wiederauftreten Rudolfs unter der folgenden
Regierung in einer Weise erfolgt, welche auf längeren Besitz des
Amtes schliessen lassen dürfte.
7. Von den übrigen bei K. Friedrich I. erscheinenden Kämme
rern können wir nun manche als nur zeitweise in Abwesenheit der
Siebeneich dienstthuend betrachten; vier von ihnen kommen aber
nicht allein häufiger vor, sondern werden auch neben den Siebeneich
als Kämmerei’ bezeichnet, so dass sie in einer von der Abwesenheit
dieser unabhängigen Beziehung zum Amte gestanden haben müssen
und sich allen gegenüber nicht einmal ein Vorrang der Kämmerer
Die Reichshofbeamten der slaufisehen Periode.
501
von Siebeneich würde begründen lassen. Alle vier finden wir 1162
(B. 2459, vollständiger Mon. Patr. L. jur. Gen. 1, 210) neben Hart
mann als Kämmerer bezeichnet.
Bertold (v. S eh o n en b erg), auch Bertolf, kommt vor 1162
(B. 2459. 64), 63 (2472), 65 (Mieris Charterb. 1, 108), 68 (B.
2529). In allen diesen Fällen wird er ausdrücklich als Triscamerarius
bezeichnet, so dass er das nur vereinzelt vorkommende Amt des
Schatzkämmerers bekleidete und sein Vorkommen für die Frage
nach der Einheit des Kämmereramtes nicht in’s Gewicht fällt. Neben
Hartmann vorkommend, steht er ihm in einem Falle vor, in einem
andern nach (B. 2459. 64). Er führt nie einen Geschlechtsnamen;
einen Bertold v. Schonenburg finden wir ohne Amtstitel 1165, 70
unter den Reichsministerialen (B. 2508. 35); ihn für dieselbe Person
zu halten liegt um so näher, als wir dem Namen schon früher (§. 3)
im Kämmereramte begegneten.
8. Am'auffallendsten ist das Erscheinen des Kuno v. Minzen
berg als Kämmerer. Wir finden ihn als solchen ohne Geschlechts
namen 1162. 65 (B. 2459. Mieris 1, 108), mit demselben 1165. 68
(B. 2501. 29); ohne Amtstitel 1156. 66 (Mon. Boica 29, 324. B.
2512. 17). Auch später finden wir ihn 1170. 73. 74 (B. 2535. 61.66.
Mon. Boica 29, 421) beim Kaiser, dann seit 1180 (Notizbl. 2, 134)
bei K. Friedrich I., Heinrich VI. und Philipp so oft, wie kaum einen
andern Grossen, was sich daraus erklärt, dass er ständiges Mitglied
des kaiserlichen Rathes gewesen zu sein scheint (vgl. Gislebert.
Hanon. ed. Dnchasteler 127). Aber niemals führt er mehr den
Kämmerertitel, was um so mehr auffallen muss, als dann 1209 sein
Sohn Kuno unter Umständen als Kämmerer auftritt, welche die An
nahme nahe legen müssen, er habe einem im Amte befindlichen
Kämmerer gegenüber althergebrachte Ansprüche geltend gemacht,
dann auch das Geschlecht iin Besitze des Reichsamtes verbleibt. Als
stellvertretender Kämmerer kann Kuno um so weniger gefasst werden
als er nur neben andern Kämmerern den Titel führt; dabei steht
er 1162 den Kämmerern Hartmann, Rüdiger und Sigehod vor, so
gar durch den Vogl von Achen von ihnen getrennt (B. 2459), wie
1165 zwischen ihm und dem Kämmerer Rüdiger der Schenk und
Truchsess stehen (B. 2501); dem Triskämmerer steht er zweimal nach
(B. 2459. 2529) einmal vor (Mieris 1, 108). Alle diese Umstände
könnten die Annahme nahe legen, es habe dem Geschlechte schon in
502
Di’. K icke r
dieser Zeit ein Erbanspruch aufdas obersteKämmereramt zugestanden,
welcher nur hier und da im Titel hervortritt, während thatsächlich
ein anderer Kämmerer das Amt versah. Aber weder hei seinem
Vater, Konrad v. Hagen, welcher schon bei K. Lotliar und dann
überaus liäufig bei K. Konrad erscheint, noch bei Eberhard v. Hagen,
welcher sich bis in die fränkische Zeit zurück verfolgen lässt, finden
wir jemals den Amtstitel.
9. Den Kämmerer Rüdiger finden wir 1162 (B. 2469. 62),
64 (2490. 97), 65 (2501), 67 (2524. 25), 69 (2533). Wir
werden ihn etwa als einen zweiten dienstthuenden Kämmerer zu
betrachten haben, da er nicht blos Kuno, sondern auch Hartmann
nachsteht (B. 2459. 62), während 1167 er und der nachstehende
Rudolf, welchen wir in dieser Zeit nicht als ersten Kämmerer
betrachten dürfen, als Camerarii zusammengefasst werden (B. 2525).
Zur Bestimmung seines Geschlechtes fehlen mir bestimmtere Anhalts-
puncte; unter den Reichsministerialen finde ich den Personennamen
nur 1158. 74. 87 bei Rüdiger Vogt v. Hagenau (B. 2391. Würdt-
wein N. Subs. 10, 49. Mone Zeitschr. 11, 14).
10. Der Kämmerer Sigebod v. Groitsch erscheint zuerst
ohne Geschlechtsnamen zweimal 1162 in Italien neben Hartmann
und Rüdiger und beiden nachgestellt (B. 2459. 62); ohne Amtstitel
finden wir 1168 beim Bischöfe v. Naumburg, 1172 beim Kaiser zu
Altenburg Friedrich und Sigebod v. Groiz (Schultes Direct. 2, 199.
231); Kämmerer Sigebod 1177 zu Ravenna und Hartmann nach
gestellt zu Venedig (B. 2581. Baue Hess. Urk. 1,62); 1180 zu Geln
hausen Kämmerer Sibodo v. Groix (B. 2624); 1181 zu Altenburg Käm-
merer Sigbod mit seinen Brüdern v. Groits (B. 2637. 38). Dass es
sich um einen Reichministerialen handelt ist nicht zu bezweifeln, da
auch Friedrich 1171, 81 ausdrücklich als solcher bezeichnet wird
(Schultes Dir. 2, 217. 272); auffallen kann daher, dass sie sich
nach Groitsch bei Pegau nennen, welches damals dem Grafen Dedo
v. Rochlitz oder Groitsch gehörte. An Greiz, wmlches zu den Reichs
gütern im Pleisserlande gehört haben wird, ist doch wohl nicht zu
denken, da Friedrich seine Besitzungen vorzugsweise in der Gegend
von Pegau zu haben scheint (Schultes Dir. 2, 272).
11. Kommen die bisher besprochenen Kämmerer auch neben
einander vor, haben wir uns dieselben als gleichzeitig im Dienste zu
denken, so erscheinen andere nur vereinzelt und in Fällen, wo keiner
Die Ilriehshofbeamten der staufisehen Periode.
503
von jenen am Hofe ist. Anselm (v. Spei er) erscheint 1153 zn
Constanz beim Vertrage mit dem Papste als Anselmus camerarius et
ministerialis regni (B. 2322); da kein anderer Ministerial Zeuge ist,
so wird er derselbe sein, von dem es im Vertrage heisst, dass der
König uuum de inaioribus ministerialibus regni für sich denselben
beschwören liess. Dann wird 1156 zu Speier beim Kaiser Anselmus
camerarius Spirensis genannt (B. 2356). Da sich kein anderer
Kämmerer dieses Namens findet, sp wird doch auch die erste
Erwähnung auf den Anselm zu beziehen sein, welcher von 1148
bis 1166 oft als Kämmerer der Bischöfe von Speier erscheint und
gewöhnlich die Reihe der Ministeriales ecclesie Spirensis eröffnet
(Remling U. B. 1, 95. 98. 102. 111. 112. 115. Wirtemb. U. B. 2,
104. 108. 133. 141). Auffallen muss nur, dass er dort ausdrücklich
als Reichsministerial bezeichnet wird. In einer 1174 zu Seon in
Gegenwart des Kaisers ausgestellten Urkunde heisst Regilo aus
drücklich Camerarius imperatoris (Reg. Boica 1, 284); es wird
doch derselbe sein, welcher 1159 Kämmerer des Bischofs v. Regens
burg ist (Ried Cod. dipl. 1, 231) und wieder 1180 zu Regensburg
in Kaiserurkunde als Kämmerer vorkommt (B. 2626). Dudo von
Worms, 1180 zu Strassburg als camerarius Wormatiensis vorkom
mend (B. 2619), mag zunächst Kämmerer des Bischofs v. Worms
gewesen sein, dessen Namen ich in dieser Zeit nicht nachzuweisen
weiss. Doch nannten sich auch Reichsdienstmannen nach Worms, von
welchen Hugo Wormatiensis oder de Wormatia in Kaiserurkunden
mehrfach vorkommt (B. 2695. 2871. Wirtemb. U. B. 2, 301. 312)
und bei K. Heinrich VI. in hoher Gunst stand (Aegid. Aureae Vallis
ap. Chapeaville 2, 153). Derselbe dürfte Kämmerer Dudo in zwei
Kaiserurkunden 1182 zu Mainz sein (B. 2647. 48), da eine von
ihnen Worms betrifft und vorzugsweise Zeugen von daher nennt;
doch hiess auch der damalige Stiftskämmeier von Mainz Dudo
(Gilden. Cod. dipl. 1, 270. 292).
12. Andere stehen in keiner Beziehung zu den Reichskirchen.
Wilhelm v. Aachen heisst nur einmal 1175 zu Pavia Camerarius
et advocatus Aquensis (B. 2575), während er sonst in Kaiserurkunden
immer nur als Vogt v.Aachen bezeichnet wird (ß. 2459. 2532. Mutte
Memoire 24. Lacomblet 1, 328. 348); eine nähere Beziehung zum
Kämmereramte Hesse sich vielleicht auch darin finden, dass er 1162
die Reihe der neben einander genannten fünf Kämmerer unterbricht
504
Dr. F i c ker
(B. 2459, vgl. §. 8). Konrad (v. Walhusen) erscheint ohne Ge-,
schlechtsnamen als Kämmerer 1188 Sept. zu Allstedt und Nordhausen
(Niedersächs. U. B. 2, 27. B. 2710); der Umstand, dass wir schon
früher einen Kämmerer Konrad v. Walhusen fanden (§. 4), in Ver
bindung mit dem Ausstellungsorle dürften jenen Geschlechtsnamen
nahe legen. Kurz nachher 1188 zu Gernrode finden wir den
Kämmerer Dietrich v. Mühlhusen (B. 2711); Ausstellungsort
wie spätere Erwähnungen deuten bestimmt auf das dem Reiche
gehörende” sächsische Mühlhausen. Ein Kämmerer Marquard
v. Neuenburg (Niwinburch), welchen ich in Urkunden nicht
genannt finde, begleitete den Kaiser auf dem Kreuzzuge (Ansberti
bist. ed. Dobrowsky 66. 70).
13. Die übrigen vereinzelt in Urkunden K. Friedrich’s vor
kommenden Kämmerer scheinen fürstliche Hofbeamte ohne nähere
Beziehung zum kaiserlichen Hofe zu sein; Herold 1168, 72 zu
Wirzburg (B. 2529, 53) des Bischofs v. Wirzburg (Reg. Boica 1,
261. 63. 71 u. s. w.); Burehard und Atzo, 1180 zu Regensburg
neben dem schon erwähnten Regensburger Kämmerer Regilo genannt
(B. 2626), welche ich nicht bestimmter naehweisen kann; Otto,
1182 zu Augsburg (B. 2653), dürfte Kämmerer des dortigen
Bischofs sein; Heinrich 1186 zu Gelnhausen (Lappenberg U. B. 1,
241) ist Kämmerer v. Bremen (vgl. I §. 6); Dudo, 1187 zu
Speier (Wirtend). U. B. 2, 244) neben dem Speierer Schenken
Dietrich genannt, wird der Speierer Kämmerer dieses Namens
(Remling U. B. 1, 121. Wirtemb. U. B. 2, 253. 254) sein, nicht der
oben (§. 11) erwähnte Dudo von Worms.
14. Als Kämmerer K. Heinrich’s VI. erscheint schon bei Leb
zeiten des Vaters zuerst 1187 Nov. 9 (Iluillard 5, 353) Heinrich
v. Lautern, weiter 1189. 90 (Notizenbl. 2, 178. B. 2742); dann
oft auf dem Römerzuge 1191 Jan. 21 — Apr. 10 (B. 2748. 49. 50.
52. 53. 57. 58. Dümge Beg. 149). Es ist also ein Heinrich v. Lau
tern 1184 — 1186 Marschall K. Friedrich’s (1 §. 4), 1187 bis
1191 Kämmerer und Ende 1191 — 1197 Schenk (III §. 9) K. Hein-
rich’s. Dieses genaue Ineinandergreifen der Jahre, während zugleich
in keiner Urkunde zwei Heinrich v. Lautern neben einander Vor
kommen, wird keinen Zweifel lassen, dass es sich hier um ein und
dieselbe Person handelt. Heinrich, anfangs Marschall des Kaisers,
mochte ein treu erprobter Dienstmann sein, welchen der Kaiser in
Die Ileiehshofbeamlen der staufisclien Periode. 505
der Umgebung des Sohnes zu sehen wünschte; scheinen die Lautern
zunächst in das Marschallamt gehört zu haben (I §. 4. 9), so war
dieses bei K. Heinrich besetzt, während vor 1187 kein Kämmerer
bei ihm vorkommt.
Der weitere Übergang Heinrich’a zum Schenkenamte dürfte sich
nun etwa daraus erklären lassen, dass Rudolf v. Sieben eich, der
letzte Kämmerer des Kaisers, nach dessen Tode Ansprüche auf Fort
führung des Amtes erhob. Denn Jän. 1191 finden wir beim Könige
Rudolf als Kämmerer und hinter ihm Heinrich v. Lautern ohne Amts
titel (B. 2748). In einer andern Urkunde Febr. 12 finden wir dann
freilich beide als Kämmerer bezeichnet, doch auch hier Rudolf vor
stehend (B. 2730); Heinrich führt auch bis zum Apr den Titel
fort, während Rudolf in dieser Zeit dem Kaiser nicht gefolgt zu sein
Scheint, da er nicht in Kaiserurkunden, wohl aber als Reichsbote in
Oberitalien erscheint (Afio Parma 3, 301). Vom April bis November
wird keiner von beiden erwähnt; tritt dann Heinrich als Schenk
auf, so liegt doch die Annahme am nächsten, dass der Wechsel mit
Rücksicht auf Rudolf erfolgte.
IS. Seit 1191 scheint überhaupt kein eigentlicher Reichs
kämmerer mehr beim Kaiser fungirt zu haben. Denn während die
drei anderen Reichshofoeamten gerade in den Urkunden K. Heinrich’s
so regelmässig auftreten, finden wir nur noch selten einen Kämme
rer, und auch dann treffen die Erwähnungen durchweg verschiedene
Personen. Es wäre möglich, dass der Grund darin lag, dass Rudolf
v. Siebeneich Reichskämrnerer blieb. Aber ich weiss ihn seit 1191
weder beim Kaiser, noch sonst urkundlich nachzuweisen; und nehmen
wir etwa an, er sei in Italien beschäftigt gewesen, so sollten wir
doch erwarten, ihn wenigstens auf den italienischen Zügen beim
Kaiser zu finden. Andererseits würde bei der Annahme seines Todes
auffallen müssen, dass kein anderer Reichskämmerer ernannt wurde.
Gleichzeitig mit Heinrich und Rudolf wird 1190 zu Cremona ein
domnus Johannes Lilo de Asia missus et camerarius domini
Henrici imperatoris erwähnt (Muratori antiq. It 4, 481), welcher
in Kaiserurkunden nicht vorkommt. Später finden wir dann vereinzelt
1192 zu Gelnhausen Kämmerer Konrad v. Waldhusen mit
seinem Sohne Albert (B. 2784). Da wir beide Namen in der schwä
bischen Familie v. Waldhausen fanden, aus welcher 1184 — 1189
Konrad Schenk war (vgl.TU §. 6), so ist wohl eher an diese zu
Di*. V i c k er
506
denken, als an die sächsischen Kämmerer v. Walhusen (§. 4. 12);
Bedenken könnte freilich die Verschiedenheit des Amtes erregen.
Trushard v. Kestenburg wird nur einmal 1192 als Camerarius
Spirensis erwähnt (R. 2786); ohne Amstitel nennt er sich auch
sonst wohl Spirensis oder de Spira (Wirteinb. U. B. 2, 289. 317. 327.
Remling U. B. 1, 133) vereinzelt auch v. Trifels (B. 2868); 1194
ist er Reichsbote in Italien (Affo Parma 3, 302); da er als Trushard
v. Kestenburg überaus häufig in den Kaiserurkunden dieser Zeit
vorkommt (B. 2611.78.736.41.869. 78—81. Moriondi 1,88. Gail,
ehr. 1, 79. Mon. Patr. L. j. Gen. 1,410. Remling. U. ß. 1, 127), aber
sonst nie den Amtstitel führt, so war er sicher nicht ständiger
Reichskämmerer. Doch ist er auch nicht Kämmerer des Bischofs von
Speier, welcher 1187 Dudo, 1201 Albert heisst (Würlemh. U. B.
2,233. Remling U. B. 1,139). Trushard war unzweifelhaft Reiclis-
ininisterial, wie sein Bruder (Wirteinb. U. B. 2, 244) Burchard
v. Kestenburg ausdrücklich als solcher bezeichnet wird (Wirteinb.
U. B. 2, 73); aufifallen muss dann wieder, dass die Kestenburg,
nach der sie sich nennen, 1180 dem Bischöfe v. Speier gehört
(Remling U. B. 1,121). Kämmerer Konrad v. Staufen kommt
vor 1193 zu Speier (B. 2794), während er gleichfalls in anderen
nahe liegenden Urkunden (B. 2796. 2809) keinen Amtstitel führt.
Ein Kämmerer Heinrich (v. Groitsch) de Grusche erscheint
1193 zu Palermo (Margarin 2,227); es wird doch zunächst an die
Kämmerer v. Groitsch (§. 10) zu denken sein, obwohl ich den Namen
Heinrich sonst bei ihnen nicht nachzuweisen weiss; ein kaiserlicher
Kämmerer Heinrich findet sich 1197 in Urkunde des Bischofs von
Meissen, das Kloster Altenzell betreffend, genannt (Schultes Direct.
2,387), was jener Annahme durchaus entsprechen würde. Für den
selben dürfte dann wohl auch der 1196 zu Gelnhausen (B. 2869)
erwähnte Kämmerer Heinrich von Gron zu halten sein, da die Namen
auch sonst sehr verdorben sind. Der schon hei K. Friedrich (§. 12)
vorkommende Dietrich v. Mühlhausen wird ohne nähere Zeitan
gabe als Camerarius imperatoris und Verwandter des Abtes von Pegau
erwähnt (Chr. Montis Ser. ed. Eckstein 133). In Sicilieu 1197 Aug.
3 und Sept. 12 finden wir beim Kaiser den Kämmerer Eberhard
v. Aachen, Aquensis (LünigR. A. 22, 814. B. 2898). In der zweiten
Urkunde erscheint neben ihm Kämmerer Folkmar v. Boppard;
Reichsdienstmannen v. Boppard werden oft erwähnt, aber, so weit
Die Reiehshofheamten der staufischen Periode.
S07
ich sehe, sonst nie mit einem Amtstitel. In der ersten aber folgt auf
Eberhard Kämmerer Bolzwir v. Annstetten. Der Personenname
könnte aus Folkmar corrumpirt sein; aber der Geschlechtsname
scheint doch die Annahme einer Identität zu verbieten. Unter den
Reichsministerialen finde ich von ähnlichen Namen nur 1193 einen
Eberhard v. Amerstede (Wirtemb. U. B. 2, 289); sonst wäre etwa
an Amstetten im Ulmer Gebiete bei Geislingen zu denken. Ein 1193
erwähnter Kämmerer We rn e r (Remling U. B. 1, 127) dürfte Käm
merer des Abtes von Prüm sein (vgl. I §. 8).
16. Kämmerer K. Philipp's ist Heinrich v. Ravensburg,
zuerst 1202 Juli 23 (Pli. 71), dann 1203 (34. 68. 72), 1206 (82),
1207 (103. 6. 8) vorkommend. Die Ravensburg, häufig bei Herzog
Welf vorkommend, sind welfische Dienstmannen; einen Marschall
Hermann v. Ravensburg finden wir 1133 bei Heinrich dem Löwen
(Orig. Guelf. 3, 437). Heinrich wird schon herzoglicher Kämmerer
Philipp’s gewesen sein; seiner Beibehaltung als Reichskämmerer
mochte nichts im Wege stehen, da das Amt in den späteren Zeiten
K. Heinrich’s unbesetzt war.
17. Trushard v. Kestenburg beschwört als Camerarius
noster 1198 Juni den Vertrag des Königs mit Frankreich (Ph. 11) ;
als ständigen Kämmerer werden wir ihn aber hier so wenig be
trachten dürfen, als bei der frühem vereinzelten Erwähnung (§. 13);
in anderen Urkunden 1198, 99 (Wirtemb. U. B. 2, 327. Ph. 16)
führt er den Amtstitel nicht, und es mag Zufall sein, dass wir den
Kämmerer v. Ravensburg nicht vor 1202 beim Könige nachweisen
können. Den 1207 vereinzelt vorkommenden Kämmerer Bertold
v. Walpurgfeld weiss ich nicht näher nachzuweisen.
18. Bei K. Otto als Gegenkönig finden wir 1202 den Kämmerer
Simon v. Aachen (O. 17), welcher ohne Amtsfitei 1199, 1201, 2
als Simon Aquensis beim Könige vorkommt (0. 10.13. 18); gehört er
zu der Reichskämmererfamilie von Aachen, so würde er der einzige
Reichsdienstmann sein, welcher ein Amt bei Otto versieht. Kämme
rer Otto 1198 (O. 4) ist kölnischer Stiftskämmerer (Lacombl.
1, 388. 90. 91. 96). Soll 1200 ein Otto von Schonenberg Kämmerer
gewesen sein (Gebhardi erbl. Reichsst. 1, 619), so finde ich den
Namen zwar beim Könige, aber ohne Amtstitel (O. 13); früher fanden
wir allerdings Kämmerer dieses Namens (§. 3. 7).
508
Dr. F i c k e r
19. Nach Otto’s allgemeiner Anerkennung finden wir H ein rieh
v. Ravens bürg zuerst bei ihm 1209 Jan. 12 zu Augsburg (0. 40),
dann 1209 August bis 1210 Juni auf dem Römerzuge (0. 72. 81.84.87
bis90. 98 — 100. 114. 20.26.32. 34. 35. 38. 39. Notizenbl.l, 178).
Ohne Amtstitel ist er dann noch 1212 Sepl. 5 beim Kaiser zu Wirzburg
(0. 176. 77). Neben ihm fungirt nun aber auch Kuno v. Minzen
berg der Jüngere. In Urkunden K.Pbilipp’s begegnen wir dem Namen
oft (Ph. 16. 17.51. 54. 56. 61. 76. 80. 91. 95. 102); 1207 werden
Kuno und Kuno genannt(Ph. 87), dann Cuno junior de M. (Not zenbl.
2, 132. Pb. 93), so dass die späterenErwühnungen schon vorwiegend
den jflngern Kuno treffen werden; aber nie erscheint der Amtstitel.
Eben so fehlt er noch bei der ersten Erwähnung bei K. Otto 1209
Mai zu Braunschweig (O. 62). Zuerst auf dem Römerzuge 1209 Sept.
1 heisst Kuno Camerarius imperii und wird als Camerarius noster an
den Papst gesandt (O. 76. 75). Dieses Auftreten als Reiehskämmerer
muss um so mehr auflällen, als der Titel so lange nicht mehr in der
Familie erscheint (§. 8), es mit keinem Regierungswechsel zusam
menfällt und ein anderer Kämmerer schon lange im Amte ist. Iin
October, wo Kuno nicht am Hofe ist, nennt sich nun wohl nicht zu
fällig Heinrich zuerst Camerarius imperii (Notizenbl. 1, 178. 0. 84).
Aber beim ersten Zusammenkommen beider im December steht
Heinrich mehrfach ohne Amtstitel hinter dem Kämmerer Kuno (0.
98. 99. 100). Im Jahre 1210 führt Heinrich immerden Amtstitel; Kuno
allein vorkommend erscheint mit (0. 103) und ohne denselben
(128.1 37); steht ohne denselben Heinrich nach (126) und vor (135);
dann aber, und in diesen Fällen Kuno vorstehend, beide als Camerarii
(134) oder Camerarii imperialis aulae (132. 39) zusammengefasst.
Darnach scheint es doch, als hätten wir beide als gleichberechtigte
Reichskämmerer zu betrachten. Kuno kommt seit 1210 Juni in den
Urkunden nicht mehr vor, und scheint bald nachher gestorben zu sein;
die Urkunde, nach welcher er angeblich nach 1215 und zwar bei
K. Otto vorgekommen sein soll (Meibom. Ser. 3, 162), gehört nach
1209 (0. 62); andere für sein längeres Leben geltend gemachte
Belege (Wenck Hess. L. G. 1, 282) sind ohne Gewicht. Sein Bruder
Ulrich v. Minzenberg erscheint dann auch noch bei K. Otto
1212 Mai zu Nürnberg zuerst als Kämmerer (0. 171).
20. K. Friedrich II. scheint bei seinem ersten Eintritte in
Deutschland, wie einen Marschall und Truchsess, so auch einen
Die Reichshofbeamten der stäu'isehen Periode.
509
Kämmerer aus einer dem Amte bisher fremden Familie bestellt zu
haben; denn 1212 zu Basel wird in zwei Urkunden ein Albert
v. Tannhausen genannt und in einer als Kümmerer bezeichnet
(II. 1, 218. 20). Bestand die Absicht, ihm das Amt dauernd zu über
tragen, so ist er jedenfalls bald zurückgetreten, da er später überhaupt
nicht mehr vorkommt.
21. Mit den anderen Reichshofbeamten finden wir dann zuerst
1213 Febr. zu Regensburg Ulrich v. Mi nz e n b erg als Camerarius
imperii beim Könige (II. 1, 246. 51); dann 1214 Sept., 1215 Jan.,
1216 Jan. Apr. (H. 1, 314. 55. 56. 57. 438. 40. 50). Seltener vor
kommend, als andere Reichshofbeamte, scheint er beim Könige in
Ungnade gefallen zu sein; denn 1216 Oct. 26 schreibt der König,
dass er aus Gnade dem Ulrich v. Minzenberg die Grafschaft und alle
anderen Güter, welche einst sein Vater und Bruder besessen, zurück
gegeben habe (H. 1, 485). Das Amt wird nicht erwähnt, und der
Umstand, dass er bei den nächsten Erwähnungen 1216Dec., 1218Jän.
Juni den Amtstitel nicht führt (H. 1,490. 530. 51), liesse vielleicht
schliessen, dass ihm dieses vorenthaltensei; doch kommt er vereinzelt
auch schon 1215 Jän. 16 (H. 1, 356. 57. 438) ohne Amtstitel vor. Als
Camerarius imperii erscheint er dann aber wieder 1218 Sept., Ocf.,Dec.
1220 Mai (II. 1, 559. 70. 77. 782), und 1220 Apr. ohne Amtstilei
(H. 1, 927). Beim Kaiser ist er später nicht mehr nachzuweisen; auch
beim K. Heinrich ist er nur vereinzelt 1225, 27 (II. 2, 848. 3, 311)
und zwar ohne Ämtstitel nachzuweisen, dann 1234 Sept. 11 als
Camerarius imperialis aulae (H. 4, 68S). Er mag dem den Abfall
Vorbereitenden Sohne näher getreten sein, denn beim Kaiser
erscheint er auch während dessen nun folgender Anwesenheit in
Deutschland niemals. Das seltene Vorkommen am Hofe an und für
sich liesse sich daraus erklären, dass das Amt schon zu blossem Titel
geworden sein mochte, wie ja auch die Pappenheim nur noch seiten
am Hofe sind; aber das häufige Vorkommen ohne Amtstitel und zwar
durchweg in Urkunden, wo die anderen Beamten mit ihren Titeln
erscheinen, muss es doch nahe legen, dass man ihn am Hofe nicht
als Reichskämmerer betrachtete.
22. Gleichzeitig mit Ulrich erscheinen 1213 Oct. 19, dann
1214. 15. 18 einmal als Camerarii (II. 1, 342), sonst auffallend
regelmässig als Camerarii imperii bezeichnet (II. 1, 281. 373. 74.
430. 552) Hermann und Heinrich (v. Si eben eich?). Beide
Sitzb. d. pliil.-hist. CI. XL. Bd. IV. Ult. 34
510
Dr. F i c k e r
werden immer zusammen genannt, aber nie mit einem Gesclile ehts -
namen; auch ein Vergleich der unter den Zeugen mit jenen Personen
namen sonst verbundenen Geschlechtsnamen führt auf keine der
bekannten Kämmererfamilien; denn bei der so bestimmten Beziehung
auf das Pieich wird an später zu erwähnende untergeordnete Käm
merer des Namens (§, 29) nicht wohl zu denken sein; neben den
Minzenberg und Ravensburg ist das Führen jenes Titels kaum zu
erklären, wenn er sich nicht auf altbegründete Ansprüche des
Geschlechtes stützte. Und da könnten wohl nur die Siebeneich in
Frage kommen, welche seit 1191 im Amte nicht mehr nachweisbar
sind (§. 14). Doch wird auch diese Annahme sehr bedenklich da
durch, dass die Personennamen den früheren Kämmerern von Sieben
eich nicht entsprechen. Ein Heinrich v. Siebeneich wird 1220, 27
erwähnt (H. 1, 810. 2, 910), gegen Ende des Jahrhunderts ein
Hermann v. Siebeneich, Sohn des Konrad v. Haldenberg (Mon. Boica
(5, 542), welcher durch seine Mutter mit den frühem Siebeneich Zu
sammenhängen dürfte; aber auch diese Namen beziehen sich auf die
früher welfische Ministerialenfamilie, deren nächster Zusammenhang
mit den Kämmerern zweifelhaft erscheinen kann (vgl. §. 8).
23. War. Heinrich v. Ravensburg, welcher seit 1212 aus den
Urkunden verschwindet und bald nachher gestorben sein dürfte,
unzweifelhaft Reichskämmerer gewesen, so scheint nun auch sein
Bruder (Ph. 71. 72) Dieto v. Ravensburg Anspruch auf das
Reichsamt erhoben zu haben; gleich beim ersten Auftreten 1214
Febr. und nochmals 1216 Mai heisst er Camerarius imperii (H. 1,
287. 465). Aber es muss doch scheinen, dass man die Ravensburger
den eigentlichen Reichsbeamten nicht gleichstellte, sie nur noch als
schwäbische Kämmerer betrachtete; 1215—1217 erscheint Dieto
ohne Amtslitel (H. 1, 389. 500) oder nur als Kämmerer (H. 1, 494.
96. 525. 27) bezeichnet, und zwar auch in solchen Fällen, wo die
Reichsbeamten als solche ausdrücklich bezeichnet sind (II. 1, 455.
920); im letzteren Falle folgt er erst auf den ausdrücklich als Dapi-
fer Suevie bezeichneten Eberhard v. Tanne. Auch von den späteren
Ravensburgern heisst nur noch ein einzigesmal 1234 Heinrich Came
rarius imperialis aulae (11. 4, 679). Später erscheint Dieto beim
Kaiser nur noch 1219 ohne Amtstitel (H. 1, 697); dann 1223
März bis 1233 Juli häufig bei K. Heinrich (H. 2,754—910. 3,
949—400. 4, 886—619), aber niemals mit einem Amtstitel, ausser
Die Keiclishofbcnmlcn der staufisclien Periode. I) 1 1
einmal 1223 Sept., wo er und Friedrich v. Bienburg als Camerarii
zusammengofasst werden (H. 2, 777).
24. Ein Kämmerer Friedrich wird vereinzelt 121!) März
genannt (H. 1, 621), wohl derselbe, welcher als Kämmerer Fried
rich v. Bienburg von 1222 April bis 1223 Juli häufig bei
K. Heinrich erscheint (2, 736. 48. 77. 94. 808. 11. 13. 48); iden
tisch wird auch der 1223 Jän. unmittelbar auf Dieto folgende Tris-
kämmerer Friedrich sein. Der Name Bienburg tritt mit ihm zuerst
in den Kaiserurkunden auf, wie wir ihn auch vergeblich unter den
früheren welfischen und schwäbischen Ministerialen suchen. Da Fried
rich in dieser Zeit als einziger Hauptkämmerer beim Könige
erscheint, und nicht wohl anzunehmen ist, dass zumal bei Lebzeiten
Dieto’s das Amt an eine ihm bisher fremde Familie gekommen sein
sollte; da Dieto offenbar das Amt nicht mehr versehen hat und erst
1231 wieder ein Kämmerer v. Ravensburg erscheint, so wird schon
das die Annahme nahe legen, dass Friedrich demselben Geschlechte
angehört, worauf auch mehrfaches Vorkommen unmittelbar neben
Dieto deutet (11. 2, 777. 808. 29. 48). Unterstützt wird das durch
die Lage der ßienburg in den welfischen Stammlanden bei Blitzen
reute. Endlich entsprechen die Personennamen; 1244 und 1238
erscheint ein Kämmerer Heinrich von Bienburg (Stälin 2, 446.
639), welcher Sohn Friedrieh’s gewesen sein wird; nun fanden wir
früher Heinrich von Ravensburg, und wieder heissen Dieto’s Söhne
Heinrich und Friedrich. Es heisst weiter in den Weissenauer Tradi
tionen (Stälin 132), dass das Kloster nach K. Philipp's Ermordung
durch Heinrich v. Bienburg, einen Dienstmann desselben, ausgeplün
dert wurde; die einzige mir bekannte frühere Erwähnung des Namens.
Beziehen wir sie auf den Kämmerer Heinrich v. Ravensburg, so
würden wir Friedrich für seinen Sohn zu halten haben, was allen
anderen Umständen entspricht; insbesondere auch erklären würde,
dass Dieto dem inzwischen vielleicht erst wehrhaft gewordenen Neffen
das Amt ahtritt.
23. Friedrich, da er seit 1225 nie mehr in Urkunden vorkommt,
wird bald nachher gestorben sein; dass nun wieder die Ravensburger
Linie im Amte erscheint, dürfte sich daraus erklären, dass Heinrich
v. Bienburg, welcher sich später Kämmerer nennt (§. 24), aber nie
am Hofe vorkommt, noch unmündig war. Heinrich v. Ravens
burg ist ohne Amtstitel 1227 und 1229, wo er ausdrücklich Solm
34*
512
Dr. F icke r
Dieto's heisst, beim Könige (II. 3, 339. G3. 400); zuerst 1231 Nov.,
dann oft in den folgenden Jahren erscheint er als Kämmerer (H. 4,
558—722); da er noch 1235 März hei K. Heinrich ist, so wird er
in dessen Sturz verwickelt gewesen sein; er kommt auch nie heim
Kaiser bei dessen Aufenthalte in Deutschland vor. Heinrich und
Friedrich v. Ravensburg werden einmal 1232 als Camerarii
zusammengefasst (H. 4, 590); in anderen Fällen gleichzeitigen Vor
kommens wird nur Heinrich als Kämmerer, Friedrich einfach als
sein Bruder bezeichnet (H. 4, G07. 28. 54); das dürfte die Annahme
genügend ausschliessen, als sei etwa Friedrich identisch mit den
Kämmerer Friedrich v. Bienburg.
26. Konrad v. Werd findet sich 1215 mit seinem Bruder
Ulrich v. Werd (Deren) ohne Amtstitel beim Kaiser (H. 1, 370.
442. 34). Im Jahre 1219 werden Konrad v. Werd und Wilhelm v.
Aachen als Camerarii domini regis bezeichnet (H. 1, 626); 1220 in
Deutschland, dann häufig auf dem Römerzuge bis zuletzt 1223 März
ist Konrad beim Kaiser (H. 1, 728—853. 2, 70 — 296), oft ais
Kämmerer bezeichnet, oft aber auch dann ohne Amtstitel, wenn
andere Hofbeamte ihn führen. Werden 1220 Konrad von Werd und
Ulrich v. Leren als Aule nostre regle camerarii zusammengefasst
(H. 1, 770), so ist wohl Ulrich der sonst gleichfalls nach Werd
benannte Bruder Konrad’s. Für das Amt kommt zunächst Konrad in
Betracht, welcher viel häufiger erwähnt wird und 1220 Kämmerer
heisst, während Ulrich nur als sein Bruder aufgeführt wird (H. 1,
813); 1222, 23 werden dann mehrfach beide Brüder als Camerarii de
Werda bezeichnet (H. 2, 279. 93. 96). Bei K. Heinrich führt Kon
rad noch vereinzelt 1228 und wahrscheinlich 1230 den Kämmerer
titel (H. 3, 378. 426); 1232 werden neben den Kämmerern von
Ravensburg Diether v. Eger und Ulrich v. Liren als Rostiarii
bezeichnet (H. 4, 590); ausserdem finden sich nur noch vereinzelt
1228 beide, 1225 Ulrich, 1232 Konrad ohne Amtstitel (H. 3, 391.
2, 868. 4, 586). Sie waren wohl zunächst Localbeamte, von dem
damals dem Reiche gehörigen Donauwerth benannt, welche zeitweise
vom Kaiser, welchen insbesondere auf dem Römerzuge kein ReiChs-
kämmerer begleitete, zur Dienstleistung an den Hof genommen waren.
27. Seit 1215December erseheintinden UrkundenK. Friedrich’s
häufiger und ununterbrochener als irgend einer der andern Beamten
bis zum Jahre 1234 ein Kämmerer Richard (II. 1, 342—782. 2,
hie Rcichshofbeamfcen der staufischen Periode.
513
06—CS2. 3, 286—297. 4, 279-487). Gewöhnlich einfach als
Kämmerer bezeichnet, wird er von den deutschen Kämmerern während
des Aufenthaltes K. Friedrich’s in Deutschland wohl als Camerarius
familiaris (H. 1, 426. 30), Camerarius privatus (H. 1, 533. 600)
oder Camerarius regis (M. 1, 614) unterschieden. Er war Sicilianer,
da er 1225 ausdrücklich als Zeuge de regno Sicilie von den Zeugen
de imperio unterschieden wird (H. 2, 536); sein Amt wird sich daher,
wenn nicht ausschliesslich auf die Person des Kaisers, auf Sicilien
beziehen. Seit nach dem Abgänge Konrad’s v. Werd kein deutscher
Kämmerer ständig mehr beim Kaiser war, heisst Richard auch häufig,
zuerst 1224, Camerarius imperialis aule (2, 420. 552. 624. 3, 297.
4, 288. 96. 308. 18) auch imperialis aule privatus camerarius
(fl. 4, 415). Bei einem 1233 zu Messina vorkommenden L. imperialis
aule camerarius (H. 4, 431) dürfte es sich um eine Verwechslung
mit Richard handeln. Sein Nachfolger als sicilischer Kämmerer war
Johann der Mohr, Sohn einer muhamedanischcn Sclavinn (vgl. H.
Introd. 147).
28. Andere in den Urkunden K. Friedrich’s und K. Heinrich’s
vorkommende Kämmerer scheinen nie längere Zeit am Hofe Dienste
gethan zu haben; ihr Kämmerertite! scheint sich vielmehr auf ein an
einzelne Reichsbesitzungen geknüpftes Amt zu beziehen. Wilhelm
v. Aachen, de Aquisgrano, heisst 1215 Kämmerer und nochmals
werden 1219 Konrad v. Werd und er als Camerarii domini regis
zusammengefasst (H. 1, 408. 620); bei späterem Vorkommen heisst
er immer Vogt v. Aachen (H. 2, 296. 339. 3, 321. 444. 6, 223).
Sein Bruder (Lacomblet 2, 79) Heinrich v. Aachen, de Aquis-
grano, erscheint 1232 auf dem Tage zu Portenau als Kämmerer;
1244 ist er als Triscamerarius noster bezeichnet mit Vogt Wilhelm
als Bote der Stadt Aachen beim Kaiser zu Pisa (H. 4, 355. 6, 223).
Den Gerhard v. Aachen, de Aquis, nennt der Kaiser 1237 Tris-
camerarium, nuntium et fidolcm nostrum (H. 5,141); er ist wohl
derselbe mit dem 1232 zu Portenau unter den Kämmerern genannten
Gerhard (11. 4, 562); da es sich bei denen von Aachen doch immer
um dasselbe Amt gehandelt haben wird, so hat man offenbar in den
Urkunden zwischen Kämmerer und Schatzkämmerer keinen Schürfern
Unterschied gemacht.
29. Heinrich v. Gis e 1 i ngen ist ohne Amtstiiel heim Kaiser
1215 zu Nürnberg; dann bei K. Heinrich 1223 zu Altenburg als
514
Dr. Ficker
Camerarius nosler de Chiselinclien; 1228 zu Nürnberg heissen er
und Konrad y. Werd Camerarii (H. 1, 432. 2, 781. 3, 378). Von
ihm verschieden ist Heinrich Spisarius de Giselingen, 1232 zu
Wimpfen und Nürnberg vorkommend (H. 4, 386. 89); denn 1228
finden wir zu Hagenau neben einander Heinrich v. Giselingen,
Kämmerer Hermann und Spisarius Heinrich genannt (H. 3, 371); der
Spisarius war wohl ein niederer Hofbeamter, welcher eher in das
Amt des Truchsess, niederdeutsch auch Spisendrager genannt
(Westfäl. Zeitschr. 19, 317), als in das des Kämmerers gehörte;
ein Spisarius Konrad findet sich 1223 (H. 2, 734). Ohne nähere
Bezeichnung wird noch 1233, 34 zu Spiegelberg, Nürnberg und
Wirzburg Heinrich v. Giselingen erwähnt (H. 4, 611. 73. 97).
Vielleicht wird auch der obenerwähnte Kämmerer Hermann wegen
seines Vorkommens zwischen den beiden Heinrich der Familie zu
zuzählen sein; dann fänden wir allerdings in einer Familie die
Namen jener Reichskämmerer Hermann und Heinrich (§. 22), ohne
dass ich sie doch für identisch halten möchte. Es gab eine Regens
burger Ministerialenfamilie des Namens, von Gaissling zwischen
Regensburg und Straubing benannt, deren Personennamen aber
durchaus.andere sind (vgl. Ried Cod. dipl. Index. Monurn. Boica.
Index 316). Eher wird an das schwäbische Geislingen zu denken
sein; doch gehörte dieses dem Grafen v. Helfenstein (Stalin 2, 666),
während bedeutendere staufische oder Reichsbesitzungen dort nicht
bekannt sind, sich höchstens aus einem Aufenthalte des Kaisers im
Jahre 1237 (H. 5, 74) darauf schliessen liesse. Da wir 1232 auch
einen sonst nie vorkommenden königlichen Kämmerer Heinrich
v. Nürnberg finden (II. 4, 571) und die von Gisclingen so vor
wiegend zu Nürnberg beim Könige auftreten, so liegt die Annahme
nahe, beide seien identisch und das Kämmereramt der Giselingen
habe sich auf Nürnberg bezogen.
30. Kämmerer Erbo v. Lautern kommt nur einmal 1213 zu
Nürnberg vor (H. 1, 275); ob er zu der, wohl ursprünglich zum
Marschallamte gehörenden Familie Lautern gehört, mag dahinge
stellt bleiben; Mitglieder derselben, insbesondere Reinhard Schult-
heiss v. Lautern, dann Eberhard v. Lautern, zeitweise Statthalter
von Tuscien, sind auch in dieser Zeit noch mehrfach am Hofe; doch
fuhrt seit dem Abtreten Heinrich’s v.Lautern (III §.9 IV, §. 14) keines
mehr einen Amtstitel. G erun g v. Speie r, deSpirea, heisst bei seinem
Die Reichshofbeamlun der slaußsehen Periode.
815
einzigen Auftreten 1218 zu Hagenau Camerarius imperii (H. 1, 426);
dennoch dürfte daraus auf keine Gleichstellung mit den eigentlichen
Reichskämmerern zu scldiessen, der Ausdruck vielmehr nur zur
Unterscheidung von dem als Camerarius familiaris unmittelbar auf
ihn folgenden sicilischen Kämmerer Richard (§. 27) gebraucht sein.
Kämmerer Heinrich.v. Revinringen stellt 1219 zu Hagenau
(H. 1, 1668) zwischen den Ungenauer Ortsbeamten und dem
Sehultheiss v. Hochfeldon, während der Reichsmarschall und der
Kämmerer Richard weit voranstehen; es dürfte ein Ortsbeamter
sein, vielleicht von Reiningen bei Mühlhausen im Eisass benannt;
möglich, dass es in dem so oft von den Königen besuchten Hagenau
ständige Kämmerer gab. Zu Eger 1232 ist bei K. Heinrich Kämmerer
Dietrich v. Mühlhusen (H. 4, 874); es wird derselbe Kämmerer
Dietrichsein, welcher in einer undatirten, die Reichsministerialen
Swiker und Konrad v. Mühlbusen betreffenden Urkunde K. Heinrichs,
und einer 1221 zu Nordbausen datirten Verunechtung derselben
vorkommt (II. 2, 770. 71).
31. Als Triscamerarius (vgl. ■§. 28) wird 1233 zu Nürnberg
Albert v. Rabenstein genannt (II. 4, 601), welcher sonst nie in
den Urkunden des Kaisers und Königs vorkommt. Frühere Mitglieder
des Geschlechtes werden urkundlich ausdrücklich den freien Herren
zugezählt, so 1183 Berenger, 1189. 91 Albert (Wirtemb. U. B. 2,
78. 264. 272). Ein Triscamerarius Mer wähl wird 1232 zu Portenau
beim Kaiser erwähnt, gleichzeitig in anderer Urkunde Menvald,
Wipot, Otto und Gerhard als Camerarii (H. 4, 360. 362). Dürfte
Gerhard der vonAachen sein (§. 28), so weiss ich die anderen nicht
näher nachzuweisen. Ein Johann Lupus, nuncius ac imperialis
aule camerarius, wird 1221 in England erwähnt (II. 2, 783); da er
sonst nie vorkommt, dürfte er trotz jenes Titels nur ein Unter
beamter gewesen sein.
32. Ein Kämmerer Heinrich, 1218 zu Aachen in untergeord
neter Stellung neben anderen Zeugen aus Kammerich vorkommend
(H. 1, 408), wird Kämmerer des dortigen Bischofs sein. Gottfrid
1227 zu Mühlhausen, 1234 zu Wirzburg (H. 3, 341. 4, 690) neben
anderen Wirzburger Hofbeamten (II §. 19) vorkommend, ist Käm
merer des Bischofs von Wirzburg (Reg. Boica 2, 213. 221).
33. Bei K. Konrad IV. erscheint 1240 (H. 8, 1204) Kuno
v. Minzenberg, Sohn Ulrich’s erster Ehe, als Camerarius imperialis
516
Di*. F ick er
aule; ohne Amtstitel finden wir ihn 1237 beim Kaiser in Italien.
(H. 5, 150). Er wird nicht lange nachher unbeerbt verstorben sein a
und da wir seinen Bruder Ulrich auf der Gegenseite finden, so
scheint der König das Reichskämmereramt an Philipp v. Hohen
fels, Sohn Philipp’s v. Boland, des Bruders des ersten Truch
sessen Werner v. Boland verliehen zu haben, welcher 1246. 49.
50 als Camerarius imperialis aule erwähnt wird (H. 6, 865. 735.
Gebhardi erbl.’ Reichsst. 1, 651). Er wird sieb dann zur Gegenpartei
gewandt und hier den Erbansprüchen der Minzenberg weichend
seinen Amtstitel, welchen er später nicht mehr führt, abgelegt
haben. Wenn sein Sohn Johann v. Hohenfels um 1275 noch einmal
den Titel eines Reichskämmerers wiederaufgreift (Guden. Cod. dipl.
3, 1151), so wird dem keine weitere Bedeutung zuzulegen sein.
34. Aus der schwäbischen Kämmererfamilie kommt Heinrich
v. Ravensburg bei K. Konrad nur 1248 ohne Amtstitel vor (H. 6,
884), ebenso 1262 bei Fonradin, während in derselben nur
abschriftlich vorhandenen Urkunde unmittelbar auf den Reichs
marschall ein Kämmerer Heinrich v. Gienberch folgt (Mon. Boica
31, 591); dürfen wir darin, wie nahe liegt, Heinrich v. Bien
burg (vgl. §. 24) sehen, so mag dieser jetzt vorzugsweise als
Kämmerer betrachtet sein; 1266 wird aber auch Heinrich v. Ravens
burg mehrfach als Kämmerer bezeichnet (Mon. Boica 30, 351. 53.
55). Ein Burcliard v. Tobil, welcher 1244 in Urkunde des Abtes
von St. Gallen als Camerarius domini regis erwähnt wird (Neugart
Cod. dipl. 2, 179), wird ein Unterkämmerer gewesen sein; ohne
Amtstitel wird er 1258 unter Reichsministerialen genannt (Stalin 2,
659).
35. Auf der Gegenseite finden wir bei K. Wilhelm zuerst
1249 (Mon. Germ. 4, 365), dann mehrfach Ulrich v. Minzen
berg, Sohn des ältern Ulrich’s zweiter Ehe; mit ihm erlosch 1255
Aug. 11 (Reg. Wilh. n. 285) der Mannesstamm seines Geschlechtes.
K. Richard verlieh dann 1257 Mai 22 bei seiner Krönung das
Amt an Ulrich’s Schwager, Philipp v. Falkenstein, Bruder
Werner’s v. Boland und früher Truchsess K. Konrad’s; die Urkunde
selbst ist erhalten, in welcher es heisst: sibi et suis legittimis
lieredibus eidem in rebus feudalibus de jure et consuetudine imperii
successuris officium camere et omnia feuda, que socer eiusdein
Philippi, Ulricus de Minzenberg senior, et Ulrieus junior de jure ab
I)ie Reiclishufhenmten der slaufiselieu Periode.
517
irnperio tenuerunt, in feudum concedimus feudali titulo possidenda,
volentes, ut eo jure predictus Philippus officium et feuda predicta
teneat et possideat de nostra gratia liberali, quo predictus socer suus
et Ulricus junior de Miuzenberg tenuisse et habuisse noscuntur
(Hansseimann Landesli. t, 416). Dabei kann auffallen, dass Kuno's
v. Minzenberg (§. 33) gar nicht gedacht wird. Im Jahre 1262 ist hei
der Krönung K. Ottokar’s v. Böhmen zu Prag Werner v. Boland
als Imperialis aule Camerarius gegenwärtig (Guden. Cod. dipl. 1,
693); das Erscheinen des Truchsessen Werner-im Kämmereramte
würde kaum zu erklären sein; ist das Amt richtig angegeben, so
wäre eher an Werner v. Minzenberg, den Sohn Philipp’s zu denken,
welcher etwa den Vater vertreten hätte; doch scheint dieser sich
freilich sonst nie v. Boland zu nennen. Das Amt blieb nun unbestritten
den von Falk enstein-M inzenberg; im Jahre 1411, wo vom
Mannesstamme des Hauses Falkenstein nur noch der Erzbischof
Werner v. Trier lebte, wurde das Unterkammermeisteramt des
Reiches, welches von Brandenburg zu Lehen rühre, von K. Sigismund
als Markgrafen denen v. Weinsberg geliehen (Hansseimann Lan-
desh. 1, 479); anscheinend noch vor dem Aussterben der Weinsberg
kam es unter K. Maximilian I. an Georg v. Seinsheim, und als
dieser bald nachher unbeerbt starb, an die späteren Inhaber desselben,
die Grafen v. Ho Ire n z o 11 er n (vgl. Gebhardi erbl. Reichsst. 1,639.
Vitriar. illustr. 3, S31. Ludewig, Goldne Bulle 2, 764).
V. Allgemeine Bemerkungen und Ergebnisse.
1. Aus den bisherigen Erörterungen ergibt sich, dass es im
zwölften Jahrhunderte, entsprechend der Zahl der Erzämter und
der gewöhnlichen der fürstlichen Hofämter, nur eine Vierzahl
o b er st er H of ämt e r.am kaiserlichen Hofe gab, das des Marschall,
Truchsess, Schenken und Kämmerer. In den aus der Reichskanzlei
hervorgegangenen Schriftstücken sind die ständigen Bezeich
nungen Mareschalcus, Dapifer, Pincerna, Camerarius. Für letz
teren erscheinen noch unter K. Lothar die Ausdrücke schwankend
(IV •§•. 1); später findet sich nur vereinzelt der Ausdruck Camerlen-
gus (B. 2696). Nur statt des Titels Dapifer finden wir später
mehrfach den in Italien aufgenommenen Titel Senescalcus; zuerst
vereinzelt 1178 zu Turin (B. 2606), dann bei Markward v. An-
518
f
I)r. F icke r.
weiler 1187 zu Pavia (Rena e Camiei 4d, 100) und häufiger, aber
doch immer mit dem Ausdrucke Dapifer wechselnd, seit Ende 1194;
späterführen ihn dann zuweilen die Truchsesse Gunzelin v. Wolfen
büttel und Werner v. Boland. Das Amt des Schatzkämmerers,
Trisc am erarius, vereinzelt Camerarius a thesauris (ß. 2248)
wird sich kaum als besonderes Hauptamt von dem des Kämmerers
scheiden lassen; nur unter K. Friedrich I. wird eine Zeit lang ein
Schatzkämmerer immer als solcher bezeichnet (IV §. 7); ausserdem
wird dasAmt nur vereinzelt erwähnt und zwar mehrfach in der Weise,
dass dieselben Personen, welche Triskämmerer heissen, auch wieder
schlechtweg als Kämmerer bezeichnet werden (IV§. 4. 24. 27. 31).
Es gab auch kein entsprechendes Erzamt; von K. Rudolf 1276
und K. Karl 1330 wird der Titel eines Triscamerarius dem Erz
bischöfe von Emhrun verliehen (Hist, de Dauphine 2, 13. Guichenon
Bibi. Sebus. 232). Dagegen werden wir das Amt des Magister
coquinae, Reichsküchenmeister, welches 1202 zuerst vorkommt
(II §. 24) als ein neuerrichtetes fünftes oberstes Hofamt zu betrach
ten haben; kurz nachher finden wir es auch an fürstlichen Hofhal
tungen, so zu Wirzburg (Reg. Boica 2, 41. 49. 71 u. s. w.) und
Münster (Cod. dipl. Westf. 3 a, 80. 105. 129). Ein entsprechendes
fünftes Erzamt gab es nicht; und galt der Reichsküchenmeister
später als Stellvertreter des Erztruchsess, so entfiel dafür im Beginn
des fünfzehnten Jahrhunderts das Amt des Erbtruchsess, so dass die
Vierzahl der Ämter wieder hergestellt war (II §. 23. 26. 27).
Andere, nur vereinzelt in den Kaiserurkunden genannte Hofbeamte,
wie der Hostiarius, der Spisarius (IV §. 26. 29) sind untergeord
neten Ranges.
2. Eine feststehende Rangordnung der vier alten Ämter,
wie sich dieselbe aus der Stellung der tiofbeamten als Zeugen
ergeben müsste, ist nicht nachzuweisen; sie erscheinen in der ver
schiedenartigsten Aufeinanderfolge. Der Küchenmeister aber wird
durchweg den anderen Beamten nachgestellt; sein ursprünglich
niederer Rang scheint sich auch daraus zu ergeben, dass seinem
Titel die später (§. 8) zu besprechenden Beziehungen auf das
Kaiserreich fehlen.
3. Was den Geburtsstand des Reichshofbeamten
betrifft, so sind dieselben regelmässig unfreie Dienstmannen. Denn
überall, wo in den Urkunden die Ministerialen von den Edlen oder
Die Ileiehshofbeamten der slaufischen Periode.
319
Freien geschieden werden, finden wir sie jenen zugezählt. Auch fehlt
es nicht an bestimmten Einzelbelegen. K. Friedrich bekundet 1156,
dass der Wirzhurger Ministern! Bodo eine Tochter seines Mar
schalls Heinrich v. Pappenheim geheirathet habe: quia vero supra-
dicla filia Henrici mariscalci uxor eiusdem Bodonis nepoti nostro
duci Frederico de Stoupha pertinebat et eius ministerialis erat, et
sanctio legum hoc ratum habet et servat, ut conditionem matris
sequantur filii, so sei man ühereingebommen, dass die Hälfte der
Kinder der Wirzburger Kirche, die Hälfte dem Herzoge gehören
solle (Mon. Boica 29, 324). Vom Reichstruchsess Markward erzählt
die Ursperger Chronik zu 1195: Imperator Marquardum de Annin-
wilir dapiferum et ministerialem suum libertate donavit et ducatum
Ravenne cum Romania marchiam quoque Anconae sibi concessit. Bei
den mächtigsten Reichsdienstmannen - Geschlechtern , deren Besitz
den der meisten Edelherren weit überragte, scheint schon seit dem
zwölften Jahrhunderte die ganze äussere Stellung durch ihre
Unfreiheit nur wenig beeinträchtigt worden zu sein, worauf ins
besondere die Heirathen deuten. Von den Vorfahren der Minzenberg
war Eberhard v. Hagen mit der Erbtochter des Edelherrn von Arns
burg verheiralhet; Luitgard, Gemahlinn Konrad’s v. Hagen, wird
1151 Nobilis genannt (Guden Cod. dipl. 1, 199); ihr Sohn Kuno
v. Minzenberg scheint mit der einen, Werner v. Boland mit der
andern Erbtochter des letzten Grafen v. Nurings vermählt gewesen
zu sein (vgl. Wenck Hess. L. G. 1, 27G). Im dreizehnten Jahr
hunderte sind alle bekannten Verheirathungen im Hause der Truch
sesse von Boland mit Mitgliedern gräflicher oder doch freiherrlicher
Geschlechter eingegangen (vgl. Gebhardi erbl. Reiehsst. 1, 600).
Dennoch ist gerade eines der mächtigsten Geschlechter auch in dieser
Zeit noch als unfrei zu erweisen. Bestimmt 1236 der Pfalzgraf
v. Tübingen in der Ehebercdung zwischen seiner Tochter Adelheid
und Kuno v. Minzenberg, dass Adelheid in Ermangelung von Söhnen
mit den anderenTöchtern gleich erben soll, hoc excepto, quod mini-
steriales et homines meos non hereditabit, nisi eos, qui voluntarie
ad ipsam deereverint declinare (Kopp Lehenproben 1, 249), so
kann doch nur ein Standesverhältniss, welches die Ministerialen und
Vasallen geniedert haben würde, massgebend gewesen sein. Beson
ders bezeichnend ist dann aber der bekannte Vorgang, dass K.
Rudolf 1273 und 1287 die Adelheid v. Minzenberg, welche der
Di*. Ficker
520
Edle v. Hanau in der Meinung, dass sie edel und frei geboren sei,
geheirathet batte, mit ihren Kindern von der Dienstbarkeit befreit
und für frei erklärt (Lünig R. A. 11, 319. 321). Allerdings zeigt
sich hier auch in anderer Richtung, dass die Unfreiheit der Reichs
ministerialen schon nahezu in Vergessenheit gerathen war. Erinnert
sich Johann-v, Viktring (Böhmer Fontes 1, 337) zum Jahre 1298
noch, dass die Rechberg hone sed non libere nacionis seien, so
bezeichnet Johann v. Winterthur (ed. Wyss 132) zum Jahre 1338
die Truchsesse v. Waldburg ausdrücklich als nobiles domini potentes
libereque conditionis. Im vierzehnten Jahrhunderte finden wir die
angeseheneren reiehsdienstmäunischen Geschlechter durchwegs als
freie Herren betrachtet, sei es in Folge ausdrücklicher Freilassung,
sei es, dass ihr ursprünglicher Stand ganz in Vergessenheit gerieth.
4. Ist der unfreie Stand der Reichshofheamten als Regel nicht
zu bezweifeln, so scheinen doch ausnahmsweise auch freie Herren
Träger eines Hofamtes gewesen zu sein. Arnold v. Rotenburg
wird 1180 in Kaiserurkunde unter den von den Ministerialen aus
drücklich geschiedenen liberi homines aufgeführt (Mon. Boie. 29,
437); es wird der noch 1179 als Truchsess vorkommende, oder sein
Vater, der Vogt v. Rotenburg, sein (II §, 2, 4). Doch nöthigt das
nicht, die Rotenburger überhaupt als freie Herren zu betrachten; er
könnte freigelassen sein. Schenk Konrad v. Ballenhusen, falls er
richtig bestimmt wurde, und Triskämmerer Albert v. Ravenstein
gehörten freien Geschlechtern an (III ■§. 4, IV §. 31); aber wir
haben keine Gewähr, dass sie als Freie das Amt versahen, da sie ja,
wie das auch sonst vorkam, die Freiheit selbst aufgegeben oder durch
den Stand der Mutter verloren haben könnten. Einen bestimmten
Beleg gibt Markward v. Anweiler, welcher auch nach seiner Frei
lassung im Jahre 1193 (§. 3) Reicbstruchsess blieb (II §. 7). Weiter
gehörte der Reichsmarschall Anselm v. Justingen (I §. 17) zu den
freien Herren. Einer seiner Vorfahren heisst urkundlich über homo
(Wirtemb. U. B. 2, 3G3), er seihst 1212 in Aufzeichnungen von
S. Emmeran (Mon. Germ. 17, 374) vir magnus et ingenuus, in der
ITsperger Chronik homo ingenuus. Er könnte nun freilich mit Über
nahme des Amtes seine Freiheit aufgegeben haben; doch scheint
mehreres dagegen zu sprechen. So seine Stellung als Zeuge. Nicht
selten finden wir ihn hier anderen Hofbeamten, insbesondere Werner
v. Boland nachgestellt, wobei sein Amt massgebend gewesen sein
Diu Reichshofbenmtcu der slaufisehen Periode.
52!
wird. Finden wir ihn aber vor dem Herzoge v. Spoieto (H. 2, 99.
2G3), den Grafen von Helfenstein und Eberstein (H. 1, 830. 263),
den Edeliierren v. Büdingen, Neiffen und Hohenlohe (H. 1, 438.
565. 573. 666. 3, 434), so wird sieh das doch nur daraus erklären
lassen, dass er trotz des Amtes noch als freier Herr galt. Zu beachten
ist weiter, dass von den Hofbeamten der staufischen Zeit Anselm der
einzige sein dürfte, welcher sich 1216, 23 sogenannter Reitersiegei
bedient (Mittheilung des Fürsten F. K. zu Hohenlohe-Waldenburg),
während solche in der ersten Hälfte des Jahrhunderts von Ministe
rialen nicht nachweisbar sein dürften; 1267 finden sie sich auch bei
den Boland Falkeristein (Köllner Kirch. Boland. T. III. IV). Endlich
erscheint Anselm 1233 und später in Urkunden der Herzoge von Öster
reich nicht allein häufig freien Herren vorgestellt, sondern wird auch
mehrfach ausdrücklich als Vir nobilis bezeichnet (Meiller Babenberg.
Reg. 157. 160. 170. 175. 179). Wir werden darnach annehmen
müssen, dass Freiheit und Hofamt nicht durchaus unvereinbar warpn.
Verlangt aber der Schwabenspiegel (Ldr. L. 69) überhaupt, dass
seihst die fürstlichen Hofbeamten ursprünglich freien Familien ange
hören sollen, so dürfte sich das schwerlich erproben; es sei denn,
dass man die Stelle auf die urkundlich fast nie erwähnten, den
Reichserzämtern entsprechenden obersten Hofämter beziehen will,
welche allerdings auch in weltlichen Fürstenthümern in den Händen
von freien Herren gewesen zu sein scheinen; so ist in Baiern oberster
Truchsess der Pfalzgraf, Kämmerer der Hallgraf, Schenk der Graf
von Hirschberg, Marschall der Graf von Oldenburg.
5. Jedem Amte scheint ursprünglich nur je ein oberster
Hofbeamter vorgestanden zu haben; wir sind bei der Einzelunter
suchung von dieser Annahme ausgegangen und gelangten, wenn
nicht überall, doch meistentheils zu einem dem entsprechenden Er
gebnisse. Es scheint dem allerdings zu widersprechen, dass wir nicht
allein in derselben Zeit, sondern auch in derselben Urkunde mehrere
Personen mit demselben Amtstitel finden; und Huillard, welcher zu
letzt diesem Gegenstände seine Aufmerksamkeit zuwandte, glaubte
desshaib auf die Annahme, dass nur je eine Person das Reichsamt
versehen habe, verzichten z.u müssen. Ich denke, sie wird sich als
Regel festhalten lassen, obwohl aus näher zu erörternden Gründen
Ausnahmen vorkamen.
522
Dr. Ficker
Zunächst lässt schon das ungleich häufigere Vorkommen
einzelner Personen gegenüber allen anderen, welche in derselben
Zeit mit dem gleichen Amtstitel heim Kaiser erscheinen , darauf
schliessen, dass wir in jenen vorzugsweise die Träger des Amtes
zu sehen haben. So erscheint in den von mir verglichenen Kaiserur
kunden in der Zeit von 1138 — 1183 ein Heinrich v. Pappenheim
(I §. 2. 3) 41mal als Marschall, lOmal wird ein anderer Marschall
genannt und zwar treffen diese Erwähnungen acht verschiedene
Personen (I §. 3. 5. 6). Schenk Konrad v. Schipf findet sich 29mal
von 1165 — 1183; drei andere Personen werden in dieser Zeit
zusammen nur 5mal als Schenken erwähnt (III §. 5. 7). Heinrich
v. Lautern wird 1191 — 1197 als Schenk 44mal erwähnt; neben
ihm zwei andere Schenken nur je einmal (III §. 9. 10). Gestaltet sich
dieses Verhältniss nicht überall so auffallend, so bietet es doch
im zwölften Jahrhunderte fast durchweg schon einen genügenden
Haltpunct, um für bestimmte Zeiten einzelne Personen als Haupt
träger des Amtes zu bezeichnen. Am wenigsten ist das im Kämme
reramte der Fall. So wird 1153 — 1177 zwar am häufigsten, aber
doch nur 12mal, Hartmann v. Siebeneich genannt; daneben finden
wir aber, auch von dem Triskämmerer Bertold abgesehen, 22mal
auch einen andern Kämmerer erwähnt; und vertheilt sich das auf
sieben Personen, so treffen doch acht Erwähnungen 1162 — 1169
den einen Rüdiger, welcher in dieser Zeit häufiger vorkommt, als
Hartmann. Dagegen finden wir doch auch in diesem Amte 1183 bis
1186 Rudolf v. Siebeneich 26mal genannt, ohne dass irgend ein
anderer Kämmerer vorkäme (IV §. 5—13). Im dreizehnten Jahr
hunderte würde dieser Haltpunct freilich nicht ausreichen; unter
K. Friedrich II. finden wir Truchsesse v. Waldburg oder Schenken
v. Winterstetten, obwohl wir ihnen aus anderen Gründen das oberste
Reichsamt nicht zusprechen dürfen, häufiger genannt, als die eigent
lichen Reichsbeamten.
6. Demhäufigern Vorkommen scheint zugleich ein vorzugswei
se r Anspruch auf den Amtstitel und auf Nennung in den
Urkundenzu entsprechen. Sehen wir vom Kämmereramte ab und von
den Fällen, wo es sich erweislich um fürstliche Hofbeamte handelt
(V §. 10), so sind im zwölften Jahrhunderte die Fälle sehr selten,
wo in einer Urkunde derselbe Amtstitel mehreren Personen gegeben
wird; unter K. Friedrich 1. finden sich in derselben Urkunde neben
Die Heiclishofbeamten der staufischen Periode.
i>23
einander nur 1187 die Marschälle v. Hagenau und Strassburg (Mone
Zeitschr. 11, 14), dann 1189 die Marschälle v. Strassburg und Lau
tern, die Truchsesse von Rotenburg und Sulz (B. 2713). Wird nun
nur einer mit dem Amtstitel bezeichnet, so ist es immer der am
häufigsten vorkommende Beamte, wenn er überhaupt in der Urkunde
erwähnt wird. Umgekehrt finden wir dagegen, dass Personen,
welchen vereinzelt vorkommend der Amtstitel gegeben wird, ihn
nicht führen, wenn der Hauptbeamte zugegen ist; es lässt sich da
nach insbesondere entscheiden, welcher von mehreren gleichzeitig als
Beamte vorkommenden Brüdern als Hauptbeamter zu betrachten ist
(II §. 4. 9. III §. 6. 13. IS. IV §. 6. 2S); nur bei den Truchsessen
v. Rotenburg, falls wir ihre Stellung richtig bestimmt haben, zeigt
sich eine Ausnahme (II ■§. 4). Lässt sich dasselbe bezüglich anderer
Nebenbeamten nicht in gleicher Weise nachweisen, so liegt der
Grund darin, dass sie bei Anwesenheit des Hauptbeamten überhaupt
nur ausnahmsweise unter den Zeugen aufgeführt wurden, wir also
ihre gleichzeitige Anwesenheit nicht constatiren können. In den
ersten Jahrzehnten des zwölften Jahrhunderts werden nur ausnahms
weise Ministerialen als Zeugen aufgeführt; später geschieht das
wohl häufiger; aber die Zahl ist gewöhnlich gering, aus der Masse
wurden wohl nur die angesehensten herausgegriffen und unter diesen
besonders häufig die Haupthofbeamten. Da diese ohnehin den ange
sehensten Geschlechtern angehören, so ist es erklärlich, wenn
neben ihnen auch die Brüder genannt werden. Andere Nebenbeamte
scheint man, auch wenn sie in Abwesenheit des Hauptbeamten das
Amt versahen, vielfach nicht berücksichtigt zu haben ; und jedenfalls
dann nicht, wenn der Hauptbeamte am Hofe war. Seit 1191 können
wir bei K. Heinrich VI. einen obersten Kämmerer nicht nachwei
sen; gerade dieses Amt wird aber gewiss regelmässig durch Neben
kämmerer versehen sein; aber während die übrigen Ilofbeamten
sehr häufig erwähnt werden, kommen Kämmerer in den Urkunden
nur ganz vereinzelt vor (IV ■§. 13). Einen sicherem Massstab, als
die Annahme, dass jederzeit alle Ämter am Hofe wenigstens durch
einen Nebenbeamfen versehen wurden, dürften uns hier noch die
auf den Zügen in Italien ausgestellten Urkunden bieten. In Deutsch
land mag die Umgebung des Kaisers vielfach gewechselt haben; in
Italien spricht im Allgemeinen die Vermuthung dafür, dass Personen
wenn sie auch nur vereinzelt in den Urkunden auftreten, doch
S24
l)r. K i e k e r
während des ganzen Zuges im Gef(dge des Kaisers waren. Der
Truchsess Marquard ist 1189 — 1192, also insbesondere auf dem
Römerzuge, nicht heim Kaiser nachzuweisen; aber der Truchsess
Albert, welcher seine Stelle versehen mochte, wird nur ein einziges
Mal als letzter Zeuge genannt, während der Marschall Heinrich fast
nie unter den Zeugen fehlt (I §. 7, II §. 7. 8). Auf K. Heinrich’s
letztem Zuge 1196. 97 werden der Marschall v. Kalontin, Truchsess
v. Anweiler, Schenk v. Laulern oft unter den Zeugen erwähnt
(I §. 7, II §. 7, III §. 9). In einer für denMarschal! v.Kalenlin ausge
stellten und Reichsdienstgüter betreffenden Urkunde werden nun,
offenbar wegen des Inhaltes, ungewöhnlich viele Reichsnrinisterialen
aufgeführt und zwar ausser jenen Hauptbeamten noch drei Mar-
schälle, der Truchsess v. Rotenburg und zwei Kämmerer ;■ es
waren also eine Reihe von Nebenbeamten auf dem Zuge; aber keiner
erscheint sonst mit oder ohne Amtstitel als Zeuge, bis auf verein
zelte Erwähnungen des Marschalls v. Hagenau und Kämmerers von
Aachen (I §. 8, 10, II §. 8, IV §. IS). Auf K. Friedrich’s Römer
zuge waren bis 1220 Dec. von obersten Reichsbeamten der Mar
schall v. Justingen und Truchsess v. Boland, welche in 30 und 29
Urkunden als Zeugen erscheinen , dagegen der stellvertretende
Kämmerer Konrad v. Wefd (IV §. 26) in derselben Zeit nur in
vier; erst seit dem Abgänge des Truchsess und der Verringerung der
deutschen Umgebung des Kaisers kommt er häufiger vor und ausser
ihm ein Schenk Friedrich v. Staufen (III §. 19), welcher doch gewiss
auch schon früher das Amt versah, aber nie als Zeuge erscheint.
In der Zeit K. Friedrich’s II. verlieren allerdings diese Anhalts-
puncte insofern an Gewicht, als auch Brüder und andere Familien
glieder neben dem eigentlichen Beamten den Amtstitel führen
(II §.23, II §. 18.21, IV §.22.26), wie ja später die Amtstitel vielfach
ganz mit dem Geschlechtsnamen verbunden erscheinen; als ferner
insbesondere die schwäbischen Hofbeamten auch neben dem entspre
chenden Reichsbeamten durchweg ihre Amtstitel führen. Doch finden
sich auch in dieser Zeit noch einige auffallende Belege für die An
schauung, dass der Titel des Reichsamtes eigentlich nur einem zu
stehen könne, und zwar gerade in Fällen, wo das oberste Reichs
amt von mehreren beansprucht wurde; neben einem Pappenheim
führt Anselm v. Justingen den Marschallstitel nicht (I §. 17); den
des Truchsess ertheiIt die Reichskanzlei anstandslos sowohl Werner
Die Reichsliofbeainten der stuufisclien Periode.
525
v. Boland, wie Gunzelin v. Wolfenbültel, wo sie vereinzelt Vor
kommen; bei ihrem Zusammentreffen wird er in auffallendster
Weise keinem von beiden ertheilt (II §. 17).
7. Auf die Stellung in der Zeugenreihe haben wir
mehrfach hingewiesen, um zwischen Hauptbeamten und Neben
beamten zu unterscheiden. In der Regel wird der Vorrang jener auch
beachtet. So finden wir auf K. Friedrich’s II. Römerzuge den Schen
ken v. Staufen und den Kämmerer v. Werd (III §. 19, IV §. 26)
dem Reichsmarschall und Reichstruchsess immer nachstehen. Der
schwäbische Truchsess Eberhard v. Waldburg steht den Reiehs-
truchsessen v. Boland und Wolfenbiittel durchweg nach (II §. 16.
17). Aber es finden sich doch auch so manche Unregelmässigkeiten
in der Zeugenstellung, dass wenigstens bei Einzelfällen die darauf
gebauten Schlüsse sehr unsicher sind; und der Unterschied zwischen
Reichsbeamten und schwäbischen Beamten scheint schliesslich in
dieser Richtung kaum mehr beachtet worden zu sein (III §. 18).
8. Einen bestimmteren Anhaltspunct gibt die ausdrückliche
Beziehung des Amtstitels auf das Kaiserreich. Im zwölf
ten Jahrhunderte finden wir durchweg nur die einfachen Amtstitel.
hie und da mit Beziehung auf die Person des Kaisers Dapifer irnpe-
ratoris (Mon. Boica 29, 327. B. 2072. 2176. 2608) oder regis
(II §. 7) oder noster (B. 2249. 2738); vereinzelt auch Dapifer
curie (B. 2319. 2602). Zuerst wird Markward v. Anweiler 1194
Mai in einer vom Kaiser für ihn ausgestellten Urkunde Dapifer
imperii genannt (Dümge Reg. 132); seit seiner Freilassung und
Erhebung zum Markgrafen von Ancona (II §. 7) führt er dann selbst
mehrfach den Titel Dapifer imperialis aule; bei anderen Beamten
kommt ein entsprechender Titel noch nicht vor. Erst 1206 nennt
sich Heinrich v. Kalentin Imperialis aule marschalcus (Ph. n. 80);
1207 heisst es Dapifer und Pincerna imperii (Ph. n. 108); erst seit
K. Otto’s Römerzuge 1209 finden wir dann häufig dein Amtstitel das
Imperii oder Imperialis aule hinzugefügt. Ersteres kommt nur bis
1220 häutiger vor; vereinzelt gebraucht es noch 1236 der Mar
schall (H. 4, 899).
Was nun die Bedeutung dieser Ausdrücke betrifft, so bezeichnet
das Imperii unzweifelhaft nur die obersten Hofbeamten zum
Unterschiede von den anderen Beamten; wir*finden es durchweg
nur bei solchen, welche ein oberstes Reichsamt unbestritten inne
Sitzb. il. phil.-hist. 01. XL. Btl. IV. Hft.
3b
526
Dr. Ficker
hatten, oder doch einen von der Reichskanzlei berücksichtigten An
spruch auf ein solches erhoben; nämlich bei Heinrich v. Kalentin,
Anselm v. Justingen (I §. 15. 17), Heinrich v. Waldburg, Gunzelin
v. Wolfenbüttel, Werner v. Bol and (II §. 9. 13. 14), Walter und
Konrad v. Schipf (III §. 13. 14. 15), Heinrich v. Ravensburg, Kuno
und Ulrich v. Minzenberg, den Kämmerern Herrmann und Heinrich
(IV §. 19. 21. 22); selbst bei Dieto v. Ravensburg (IV §. 23)
werden wir einen Anspruch auf das Reichskämmereramt annehmen
dürfen. Als nicht auffallende Ausnahme wäre anzuführen, dass
Konrad v. Schipf schon bei Lebzeiten des Bruders Pincerna imperii
heisst (II §. 15); dann fanden wir einen einzigen Fall, wo der
Ausdruck Camerarius imperii einem Nebenbeamten offenbar nur zur
Unterscheidung von dem neben ihm genannten sicilischen Kämmerer
ertheilt wird (IV ■§. 30). Der Zusatz Imperialis aule hat ur
sprünglich unzweifelhaft ganz dieselbe Bedeutung; er findet sich
abwechselnd mit jenem von denselben Personen gebraucht, wie
sich für dieselben auch noch andere entsprechende Bezeichnungen
finden, so Dapifer noster, regalis aule, eurie nostre, imperialis,
imperatoris. Aber schon der Wortbedeutung nach stand nichts im
Wege, dass jeder am kaiserlichen Hofe dienstthuende Beamte so
benannt wurde, ohne dass er dadurch zugleich als oberster Reichs
beamter bezeichnet werden sollte. Und wenigstens vereinzelt führen
den Titel denn auch Beamte, welche wir nur als schwäbische
betrachten dürfen; so Eberhard v. Waldburg, bei welchem vielleicht
noch ein Anspruch auf das Reichsamt wirksam gewesen sein möchte
(II §. 16), die Schenken von Winterstetten (111 §. 18), Heinrich
v. Ravensburg (IV §. 23); häufiger noch, seit an des Kaisers Hofe
keine deutsche Beamte mehr sind, der sizilische Marschall und
Kämmerer (I §. 22, IV §. 27). Um so weniger wird der Titel in
anderen Fällen, wo er ganz vereinzelt auftritt (I §. 20, IV §. 31)
einen obersten Hofbeamten bezeichnen müssen. Von 1240 ab ist
mir aber kein Beispiel bekannt, dass sich andere, als oberste Hof
beamte, Imperalis aule nennen.
9. Umgekehrt bieten uns mehrfach eine Beziehung auf
das Kaiserreich ausschMessende Ausdrücke einen Halt-
punct. Jene Ausdrücke Imperii und Imperiplis aule werden ganz
unabhängig davon gebraucht, ob der König zum Kaiser gekrönt ist
oder nicht. Finden wir daher neben den Reichsbeamten Neben-
Die lleichshufbeamten der staufischen Periode.
527
beamte als Camerarii dominiregis oder aule nostre regie (IV §. 26),
so soll dadurch unzweifelhaft eine untergeordnete Stellung ange-
deulet werden; gleiches haben wir wohl in anderen Fällen anzu
nehmen, wo jemand Beamter des Königs heisst (II §. 11, IV §. 34),
wenn nicht etwa der Unterschied der Hofhaltung des römischen
Königs von der des Kaisers angedeutet werden soll (II §. 7), ein
Unterschied, welcher zur Zeit K. Friedrieh’s II. und seiner Söhne
nie mehr hervortritt. Ähnliche unterscheidende Bezeichnungen finden
wir bei dem sicilischen Kämmerer Bichard (IV §. 27). Die aus
drückliche Bezeichnung als Unterbeamter findet sich in Kaiser
urkunden nicht; anderweitig fanden wir einen Submarscalcus erwähnt
(I §. 20). Wichtiger ist es, dass einzelne Personen wenigstens ver
einzelt ausdrücklich als Beamte des Herzogthums Schwaben bezeich
net werden (II §. IS, III §. 18).
10. Lässt sich nach dem Gesagten nicht bezweifeln, dass wir
nicht alle in den Kaiserurkunden mit dem Amtstitel erscheinenden
Personen als gleichgestellt betrachten dürfen, nur einzelnen von
ihnen das eigentliche Reichsamt zukam, so fragt es sich, worauf der
Amtstitel derjenigen, welche wir bisher als Nebenbeam te bezeieh-
neten, beruht.
Eine Reihe von Erwähnungen anscheinender Reichshofbeamten,
welche vielfach auch in die bisherigen Verzeichnisse derselben auf
genommen sind, beseitigen sich einfach dadurch, dass sie fürst
liche Hofbeamte, insbesondere der geistlichen Fürsten, betreffen,
welche einfach mit ihrem Amtstitel unter den Zeugen der Kaiser
urkunden aufgeführt sind (I §. 6. 10. 13. 21. II §. 6. 8. 11. 19.
III §. 7. 10. 20. IV §. 13. 18. 32). Der Ausstellungsort, auch wohl
der Inhalt der Urkunde und die Heimat der anderen Zeugen, geben,
gewöhnlich genügenden Anhalt zu schliessen, welcher Dienstmann
schaft solche vereinzelt vorkommende Beamte angehören; und wo
genügendes Material zur Hand ist. lassen sich durchwegs gleich
namige Beamte bei den betreffenden Fürsten nachweisen. Nicht
immer scheinen diese nun aber lediglich als Begleiter oder im Auf
träge ihrer Herren am kaiserlichen Hoflager zu sein, sondern auch
in Dienstleistung beim Kaiser. So insbesondere der Strassburger
Marschall Werner, welcher häufig, an verschiedenen Orten und ohne
den Bischof am Hofe ist (I §. 3. 10); ein Regensburger Kämmerer
wird einmal ausdrücklich als Gamerarius imperatoris bezeichnet
35 *
528
Dr. Ficker
(IV §. 11). Daraus wäre etwa zu schliessen, dass zu den Ver
pflichtungen der Reichskirchen, wie sich ja manche ähnliche finden,
auch die gehört habe, dem Könige ihre Ministerialen zur Verfügung
zu stellen, wenn er der Dienste derselben bedurfte. Der Umstand
aber, dass der 1153 so bestimmt als Ministerialis regni bezeichnete
Kämmerer Anselm identisch mit dem Kümmerer des Bischofs von
Speier zu sein scheint (IV §.11), könnte auch die Frage nahe legen
ob nicht jemand zugleich Dienstmann des Reiches und einer Reichs
kirche sein konnte; auch bei den Boland scheint Manches für ein
gleichzeitiges Dienstverhältniss zum Reiche und zu Mainz zu sprechen,
wie es auffallen muss, dass die Reichsministerialen von Kestenburg
sich nach einer Burg des Bischofs von Speier nennen (IV §.15). Es
könnte sich ein solches Verhältniss, welches gewiss nur ausnahmsweise
anzunehmen sein würde, etwa daraus entwickelt haben, dass in oder
bei Bischofsstädten gelegenes Reichsgut bischöflichen Ministerialen
zur Verwaltung übertragen wäre, und dass man den Ausdruck Mini
sterialis regni nicht gerade ausschliesslich auf das durch Geburt,
sondern auch auf das durch Übertragung eines Amtes an Unfreie
eines andern Herrn begründete Dienstverhältniss zum Reiche bezogen
hätte.
11. Eine zweite Classe dieser Nebenbeamten werden wir als
Ortsbeamte bezeichnen können, deren mit dem Titel eines Käm
merer oder Marschall verbundenes Amt sich zunächst an eine
bestimmte Reichsbesitzung knüpfte, wie die Ämter der Burggrafen,
Vögte, Schultheissen, Pröpste und Meier des Reiches. In ähnlicher
Weise wird oft die Mehrzahl fürstlicher Hofbeamten zu erklären
sein; wir erwähnten mainzische Schenken und Kämmerer von Apolda,
deren Amt an Erfurt geknüpft war (III §. 10); in späterer Zeit
werden in manchen Gegenden die Ortsbeamten vorzugsweise als
Drosten bezeichnet.
Dahin werden wir vor Allem manche Kämmerer rechnen
dürfen; so die Kämmerer v. Aachen (IV §. 12. 15. 18. 28), Speier
(§. 11. 15.17. 30), Worms, wenn es sich dort nicht um bischöfliche
Kämmererhandelt (§. 11), Boppard (§. 15), Nürnberg. (§. 29),
Donauwörth (§. 26), Walhusen (§. 4, 12), Mühlhausen (§. 12. 15,
30), vielleicht auch die von Lautern (§. 30), Schonenburg (§. 3),
Staufen (§. 15). Bestimmter würde das hervortreten, wenn nicht
der Amtstitel in diesen Fällen gewöhnlich in derselben Weise mit
Die Ueichshofbeamten der staufischen Periode.
i> 29
dem Ortsnamen verbunden würde, wie sonst mit dem Geschlechts-
namen, beziehungsweise dem Namen der Besitzung, nach welchem
das Geschlecht oder die betreffende Linie sich nannte; wie bei einem
Camerarius de Siebeneieh Amtstitel und Geschlechtsnamen nicht in
näherer Beziehung stehen, so wird auch der Ausdruck Camerarius
de Walhusen eben sowohl einen Kämmerer, dessen Geschlecht sich
nach Walhusen nennt, bezeichnen können, als einen Kämmerer zu Wal
husen; und wo es sich um unbedeutendere Reichsorte handelt, wird
beides vielfach zusammengefallen sein. Wo es sich aber um grössere,
zur genaueren Bezeichnung des Geschlechtes weniger geeignete Orte
handelt, wird doch die letztere Deutung näher liegen; und vielfach
scheint sich das doch auch in der Bezeichnung auszusprechen; heisst
es Camerarius de Aquisgrano, de Aquis, de Spirea (§. 28. 30) , so
linden wir anderweitig die Ausdrücke Camerarius Aquensis, Spiren-
sis, Wormatiensis (§. 11. 12. IS. 18), wo die Bedeutung doch kaum
zweifelhaft sein kann. Zudem lässt sich für den Kämmerer Trushard
von Speier ein anderweitiger Geschlechtsnamen nachweisen, welchen
er gewöhnlich führt (§. IS); dasselbe würde der Fall sein, wenn
unsere Vermuthung richtig sein sollte, dass die Kämmerer von Gise
lingen Kämmerer zu Nürnberg waren. Es wäre demnach auch mög
lich, dass sich der Kämmerertitel eines Geschlechtes auf einen Ort
bezog, nach dem es sich nie benannte; so dürften vielleicht die von
Groitsch zunächst Kämmerer an einem der von den Kaisern häutiger
besuchten sächsischen Orte, etwa zu Altenburg gewesen sein (§. 10.
IS). Mächtigere Reichsdienstmannen scheinen auf diese Amtstitel
wenig Werth gelegt zu haben; Trushard von Kestenburg nennt sich
wohl mehrfach nach seinem Amtssitze Speier, aber trotz seines
häutigen Vorkommens führt er nur zweimal den Kämmerertitel
(§. IS. 17); der ältere Wilhelm von Aachen fügt dem Titel eines
Vogtes nur einmal den eines Kämmerer zu; beim jüngeren ist es
unbestimmt, ob er zur Zeit seines Vorkommens als Kämmerer schon
Vogt war (§. 12. 28. vgl. Quix Aachen 2, 98). Diese Kämmerer
dürften zunächst die Aufsicht über das an Orten, welche die Kaiser
öfter besuchten, befindliche bewegliche Gut des Reiches gehabt
haben; die von Walhusen und Aachen werden auch als Triskämmerer
bezeichnet (§. 4. 28).
In dieselbe Classe dürften auch einzelne Marschälle gehören,
insbesondere die von Hagenau (I §. S. 8. 10.13. 20); sie erscheinen
530
I)r. Ficker
längere Zeit hindurch immer mit dem Marschalltitel, sind aber vor
zugsweise nur zu Hagenau selbst beim Kaiser, und dürften ihren
Titel um so weniger wegen zeitweiliger Dienstleistung am Hofe
führen, als er ihnen auch in anderen Urkunden beigelegt wird. Im
kaiserlichen Privileg für Hagenau 1164 heisst es: Imperator villam
si intraverit, marscalcus ipsius absque civium detrimento de hospi-
ciis pacifice disponat (Schöpflin Als. dipl. 1, 237). Die Austheilung
der Quartiere war allerdings überhaupt Sache des zeitigen Reichs
marschalls, und die Stelle könnte sich auf diesen beziehen, wie wir
ähnliche Bestimmungen auch für Städte linden, von welchen uns Orts
beamte nicht bekannt sind, so 1188 für Goslar (Heinecc. Antiq.
183); aber es wäre doch auch sehr erklärlich, wenn an einem so
oft vom Kaiser besuchten Orte ein ständiger Beamter mit den be
züglichen Verrichtungen betraut gewesen wäre. Das würde dann
auch wohl für den nur einmal erwähnten Marschall von Altenburg zu
gelten haben (I §. 3); bei Germersheim (§. 3) steht im Wege,
dass dort keine Hoftage gehalten wurden; bei den Marscbällen von
Lautern (§. 4. 9) deutet nichts darauf, dass ihr Amt sich auf den
Ort bezog. Eher würde noch hierher zu ziehen sein der Marschall
von Strassburg (§. 3. 10), wenn wir diesen nicht lediglich als bischöf
lichen Dienstmann betrachten wollen (V §. 10). Die Titel des
Truchsess und Schenken scheinen von Ortsbeamten nicht geführt
worden zu sein.
12. Es sind hier weiter vorzugsweise zu erwähnen die Hof
beamten des Herzogthums Sch waben.Unter Kaiser Friedrichl.
treten diese nirgends hervor; die Mitglieder der späteren schwäbi
schen Amtsfamilien führen noch keinen Amtstitel (vgl. Stälin 2, 608.
617. 619). Ich glaube, dass man in dieser Zeit überhaupt noch nicht
von ständigen Hofbeamten des Herzogthurns Schwaben, sondern
nur von Hofbeamten des Herzogs wird sprechen können; die Stel
lung bezog sieh noch auf’s engste auf die Person des Dienstherrn;
gab es keine herzogliche Hofhaltung, so wird es auch keine herzog
liche Hofbeamte gegeben haben; und hatte der Herzog anderweitige
Besitzungen, so werden seine Hofbeamten nicht ausschliesslich
Schwaben gewesen sein. Herzog Friedrich IV. von Schwaben und
Rotenburg, 1132 achtjährig, wird wenigstens in späteren Jahren
eine eigene Hofhaltung gehabt haben; aber der einzige uns bekannte
seiner Beamten, der Schenk von Weinsberg (IV §. 2), ist ein Ost-
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
531
franke. Herzog Friedrich V., 1167 erst ein Jahr alt, wird anfangs
noch keinen Hof gehabt haben; aber auch die spätere Gestaltung
seines Hofes scheint noch nicht massgebend gewesen zu sein. Denn
von den späteren schwäbischen Hofbeamten gehörten nur die Rech
berg und Tanne zur schwäbischen, die Waldburg und Ravensburg
aber zur welfischen Dienstmannschaft; und nach dem urkundlichen
Vorkommen blieben diese bis zum Tode Herzog Welf's 1191 an
dessen Hofe. Erst nach 1191 unter den Herzogen Konrad und Philipp
können die Ämter von den, nun schon grossentheils auch mit dem
Amtstitel vorkommenden späteren Trägern derselben versehen sein.
Dass sich darunter aber zwei welfische Dienstmannen finden, wird
bestimmt dagegen sprechen müssen, dass bis dahin schon bestimmte
Familien ein Anrecht auf die Ämter des Herzogthums hatten, dass
solche überhaupt bestanden unabhängig von einer eigenen herzog
lichen Hofhaltung (vgl. I §. 12. II §. 9. IS. III §. 12. IV §. 16).
Eine solche fehlte nun wieder seit Philipp’s Erhebung 1198; und
selbst für diese Zeit möchte ich noch sehr bezweifeln, dass der
DegrilY besonderer Hofbeamten des Reiches und des Herzogthums
sich schon festgestellt hatte. Denn die Waldburg und Ravensburg
werden nun Reichsbeamte (II §. 9. 13. IV §. 16. 19), ohne dass
statt ihrer entsprechende Reamte des Herzogthums erschienen. Die
Rechberg und Tanne führen nun wohl ihren herzoglichen Amtstitel
fort, erscheinen vereinzelt mit demselben in den Urkunden K. Phi
lipp’s (1 §. 12. III •§. 12), nie in denen K. Otto’s; da uns aber noch
jede bestimmtere Beziehung des Titels auf Schwaben fehlt, so würde
man sie eben so wohl als königliche Nebenbeamte, denn als schwä
bische Reamte fassen können. Doch deutet schon das früher (§. 8)
besprochene Auftreten der Bezeichnung als Beamte des Kaiserreichs
darauf hin, dass sich eine Anschauung ausbildete, welche das Amt
nicht mehr in nächster Beziehung zur Person des Herrschers, son
dern zum Reiche stehend auffasste; dem entsprechend mochte nun
auch von besonderen Ämtern des Herzogthums die Rede sein. Ich
denke, dass sich das in den ersten Zeiten K. Friedrich’s II. fester
gestaltet hat, und dazu dienen mochte, mancherlei Ansprüche zu
befriedigen; ein Marschall von Rechberg findet sich zuerst wieder
1214 am Hofe (I §, 19); der seit 1214 erscheinende Truchsess von
Tanne-Waldburg dürfte das Amt mit Beziehung auf Schwaben neu
erhalten haben und bei ihm finden wir nun zuerst 1217 ausdrücklich
532
Dr. F icke r
die Bezeichnung Dapifer Sveviae (II §. 15); eben so macht das Auf
treten der Tanne-Winterstetten im J. 1220 den Eindruck, als sei
jetzt erst ein schwäbisches Schenkenamt ausdrücklich anerkannt
worden (III -§•. 18); und so mochten nun auch die Ansprüche der
Ravensburg, auch nach dem Tode des ersten Trägers das Reichs
amt fortzuführen, sich durch die Stellung schwäbischer Kämmerer
leichter erledigen lassen (IV §. 23. 24. 25). Ausdrückliche Bezie
hungen des Amtstitels auf Schwaben finden sich allerdings auch jetzt
nur selten (II §. 15. III §. 18).
13. Im zwölften Jahrhunderte scheinen auch die obersten Hof
beamten nicht blos den Titel geführt, sondern ihrem Amte, am Hofe in
der Regel persönlich vorgestanden zu haben; waren sie abwesend,
oder etwa ein Amt längere Zeit erledigt, was sich in jener Zeit nur in
einem Falle bestimmter nach weisen lässt (IV §. 15), so ergab sich
das Bedürfniss stellvertretender Hofbeamten. Zur Stellver
tretung werden vorzugsweise die nächsten Verwandten des
bezüglichen Hofbeamten berufen sein, da wir insbesondere so häufig
den Fall finden, dass Brüder des Hofbeamten in dessen Abwesenheit
den Amtstitel führen (II §. 2. 4. 9. III §. 5. 13. 15. 18. IV §. 6.
25. vgl. V §. 6). Dahin gehören aber auch die Ortsbeamten. Er
scheinen diese vorwiegend nur an ihrem Amtssitze oder in dessen
Nähe beim Kaiser, so scheinen sie doch auf Verlangen verpflichtet
gewesen zu sein, in dem betreffenden Amte am Hofe zu dienen. Ein
auffallendes Beispiel gibt der Marschall Sifrid v. Hagenau (I §. 8);
weiter die Kämmerer v. Groitsch und v. Werth (IV §. 10. 26);
auch während der Erledigung des Kämmereramtes unter K. Heinrich
VI. scheinen vorzugsweise Ortsbeamte den Dienst versehen zu haben
(IV §. 15). Auch von bischöflichen Hofbeamten mussten wir
wenigsten in einzelnen Fällen annehmen, dass sie zeitweise das Amt
beim Kaiser versahen (§. 10); häufiger mag das etwa nur der Fall
gewesen sein, wenn beim Aufenthalte des Kaisers in einer Bischofs
stadt der Reichsbeamte nicht anwesend war. Da weiter jedes Dienst
mannengeschlecht einem der Ämter zugewiesen war, jedes Mitglied
derselben zeitweise in demselben zu dienen batte, so wird es dem
Kaiser zugestanden haben, auch aus anderen Amtsfamilien
stellvertretende Hofbeamte zu bestellen; ein Beispiel geben die
Nebenmarschälle unter K. Heinrich VI. (I §. 9. 10). Wo uns fast
nichts zu Gebote steht, als die Zeugenreihen der Urkunden, wird es
Die Reichshofhenmlen der staußsclien Periode.
533
freilich kaum möglich sein, Regel und Herkommen in diesen Dingen
genauer zu bestimmen. Dass einzelne Dienstmannen ein bestimmteres
Anrecht auf die Stellvertretung geltend machten, scheint sich aus
dem auffallenden Nebeneinandervorkommen der Marschälle v. Hagenau
und v. Anebos in Abwesenheit Heinrich’s v. Kalentin zu ergeben
(I §. 8. 9); daraus würde es sich denn auch leichter erklären,
wenn solche zur Stellvertretung berufene Beamte vereinzelt auch
neben dem Hauptbeamten den Amtstitel führen (I §. 10. V §. 6).
Im dreizehnten Jahrhunderte läge es nahe, zunächst die
schwäbischen Hofbeamten als Stellvertreter der Reiehs-
beamten zu betrachten. Es mag sein, dass etwa K. Philipp diejenigen
seiner früheren herzoglichen Beamten, welche nicht zum Reichs
amte gelangten, vorzugsweise zur Stellvertretung heranzog (§. 12).
Aber es scheint sich die Anschauung verloren zu haben, dass immer
der oberste Beamte oder ein Stellvertreter desselben am Hofe sein
sollte. Schon gegen Ende des zwölften Jahrhunderts werden die Hof
beamten zu.den verschiedensten Reichsgeschäften verwendet; sind
die Ministerialen, welche im Rathe K. Friedrich’s I. besonders her
vortreten, Kuno v. Minzenberg und Werner v. Boland, nicht Hof
beamte, so werden wir schon seit K. Heinrich VI. die Hofbeamten
vorzugsweise nur als Räthe des Kaisers zu betrachten haben, wel
chen Titel und Einkünfte des Amtes zustanden, während sie sich
mit den besonderen Amtsverrichtungen immer weniger befassen
mochten. Damit wurde denn aber auch die Anwesenheit oberster
Hofbeamten am Hofe mehr und mehr zu blosser Form. In der ersten
Zeit K. Friedricli's II. scheint noch in der Regel jedes Amt am Hofe
vertreten gewesen zu sein, eben so auf seinem Römerzuge, auf dem
wir bis Ende 1220 den Truchsess v. Boland, bis 1221 den Schenk
v. Staufen, bis 1222 den Marschall v. Justingen, bis 1223 den Käm
merer v. Werth finden (II §. 14. III §. 19.1 §. 17. IV §. 26. V §. 6);
aber wie diese abtreten, wird das Amt am kaiserlichen Hofe nicht
mehr regelmässig versehen; wir finden beim Kaiser in Italien nur
noch im Falle ihrer zufälligen Anwesenheit in einigen Urkunden
deutsche Hofbeamte genannt (II §. 16. 17. III §. 13. 16. 18), wäh
rend auch die sicilischen sehr unregelmässig auftreten (I §. 22.
II §. 20. III §. 19. IV §. 27). Nicht anders ist das an den Hofhaltungen
seiner Söhne. Einzelne Beamte, wie den Truchsess v. Waldburg,
den Schenken v. Winterstetten, finden wir zeitweise in fast allen
534
I)r. Ficker
Urkunden, andere, wie den Truchsess v. Boland, Schenken v. Klin
genberg, Kämmerer v. ßienburg und Ravensburg, ziemlich häufig;
zwei, auch drei Schenken werden nicht selten in derselben Urkunde
genannt; dagegen ist ein Marschall v. Pappenheim von 1218 bis
1231 und wieder unter K. Konrad nie am Hofe, die Kämmerer
v. Minzenberg sehr selten; aber auch andere Marschälle werden nur
vereinzelt genannt, wenn sie zufällig am Hofe sind; so häufig andere
schwäbische Beamte auftreten, verschwinden die Marschälle v. Rech
berg seit 122S aus den königlichen Urkunden (I §. 12—23). Das
Amt ist offenbar zu blossem Titel geworden, ohne bezügliche Ver
richtungen, so dass auch eine regelmässige Stellvertretung über
flüssig war; nicht ihres Amtes wegen, sondern als königliche Räthe
sind manche von den Hofbeamten noch in der Regel am Hofe anwe
send; diejenigen, welche sich des Vertrauens desKönigs, beziehungs
weise des kaiserlichen Vaters nicht erfreuten oder dasselbe nicht
suchten, erscheinen nicht häufiger am Hofe’, als andere Grosse.
Unter K. Konrad können wir selbst solche Reichsbeamte, welche auf
seiner Seite standen, wie Philipp v.Falkenstein und Philippv.Hohen
fels (II §. 21. IV §. 33) als an seinem Rollager anwesend aus den
Urkunden nicht erweisen; dagegen werden die häufigerworkommen-
den Schenken v. Klingenberg, Limburg, Winterstetten und Schmaln
eck ausdrücklich als Consiliarii des Königs bezeichnet (H. 6, 832.
64. 6S). Seit dieser Entwickelung verlor natürlich der Gegensatz
zwischen den Reichsbeamten und den schwäbischen seine Bedeu
tung; das häufigere Vorkommen beimKönige kann desshalb in dieser
Zeit auch keinen Haltpunct mehr für die Entscheidung bieten, wel
chen wir als den eigentlichen Reichsbeamten zu betrachten haben
(vergl. §. fi).
14. Die Amtsverrichtungen der obersten Hofbeamten werden
nun auf Unterbeamte übergegangen sein; dass solche die Ämter
am Hofe beständig versahen, setzt noch die goldene Bulle voraus.
Für untergeordnete Verrichtungen werden sie jeder Zeit am Hofe
gewesen sein, Aber es ist nach früher Gesagtem (§. 6) kaum wahr
scheinlich, dass solche häufiger als Zeugen aufgeführt wurden; nur
einzelne Erwähnungen (§. 9) würden wir etwa hieher ziehen dürfen,
obwohl ich zugestehe, dass, wenn ich Ortsbeamte, stellvertretende
Beamte und Unterbeamte aus einander zu halten suche, es doch an
genügenden Haltpuncten für die Scheidung sehr gebricht. Wird
Die Reichshofbenmten der staufisclieu Periode.
535
Gerhard v.Erpach gelegentlich 1223 als Schenk des Königs erwähnt
(III §. 20), während er doch nie als Zeuge erscheint, so werden wir
einen Unterbeamten in ihm vermuthen dürfen. Daraus wird auch zu
erklären sein, dass in den Urkunden Konradin’s (Mon. Boie. 30,
334—70. 31, 591. 93) Hofbeamte aus Geschlechtern genannt wer
den, welche bis dahin weder in den Reichsämtern noch in den
schwäbischen genannt werden; einige sind Hofbeamte anderer Für
sten, der Truchsess von Donnersberg und Kämmerer v. Wellenburg
des Bischofs von Augsburg, der Schenk v. Erpaeh des Rheinpfalz
grafen; andere, wie die Marschälle v. Schildburg und Fliigling, der
Kämmerer v. Preising scheinen staufisehe Ministerialen und Unter
beamte des Herzogthums zu sein; als das Herzogthum längst erle
digt war, nennt sich noch 1280 Heinrich v. Kemnat Mareschalcus
ducisSuevie, 1299 Camerarius dueis Suevie und Ministerialis imperii
(Mon. Boic. 6, 631. 33, 280). Zur Entscheidung der Frage, ob die
Reichsbeamten selbst sich Unterbeamte bestellen durften, fehlt jeder
Haltpunct; bezüglich der fürstlichen Hofbeamteu erfolgte 1223 vordem
Reiche ein Rechtsspruch, dass dieselben nur mit Einwilligung des Fürsten
demselben einen Subolficiatus bestellen dürfen (Mon.Germ. 4, 250).
15. Werden neben den obersten Reichsbeamten in der ange
gebenen Weise fürstliche Hofbeamte, Reichsortsbeamte, stellvertre
tende Beamte, hie und da vielleicht auch Unterbeamte in den Urkun
den genannt, so erklärt das für das zwölfte Jahrhundert durchweg
genügend, wesshalb wir trotz der Mehrzahl gleichzeitig auftretender
Perhonen desselben Amtstitels eine einheitliche Besetzung der Ämter
annehmen dürfen. Nur für die Mehrzahl der Kämmerer, wie sie
unter K. Konrad III. und insbesondere in der früheren Zeit K. Fried
richs I. (IV §. 2—10) hervortritt, dürfte diese Erklärung kaum genü
gen. Sie werden zu hantig neben einander genannt, und die Ver
suche, für einen derselben einen durchgreifenden Vorrang, sei es
auf Grundlage der Zeugenstellung oder aber nach der Häufigkeit des
Vorkommens (V ■§. 5) zu begründen, stossen auf Schwierigkeiten;
und scheinen einzelne im Range andern nachzustehen (IV §. 9. 10),
so wird doch schon der Umstand, dass sie überhaupt häufig als Zeu
gen aufgeführt werden, es verbieten (V §. 6), sie als Unterboamte
eines niederen Ranges zu betrachten. Es scheint demnach, dass es
in früherer Zeit eine Mehrzahl von Reichskämmerern gab, welche
neben einander fungirten, wie auch nur in der früheren Zeit
536
Dr. Ficker
K. Friedrich's I. das Amt des Triskämmerer bestimmter hervortritt
(IV §. 7. V §. 1). Seit 1168 hört das häufigere Vorkommen mehre
rer Reichskämmerer neben einander auf, während der Regierung
K. Friedrich’s I. werden nur noch einmal 1177 Hartmann und Sig-
bod neben einander genannt .-(IV §. 10). Scheint nun auch später
hier die Annahme einheitlicher Besetzung des Amtes häufiger auf
Schwierigkeiten zu stossen, als in den anderen Ämtern (IV §. 19. 21,
22. 23), so ist es möglich, dass die früher übliche mehrfache
Besetzung darauf eingewirkt hat; anderes deutet aber doch darauf
bin, dass man auch hier später von der Anschauung einheitlicher
Besetzung des Reichsamtes ausging (IV §. 14. 19. 20. 23), wie es
ja auehschliesslich nur einen Erbkämmerer gab (IV §. 35). Die vor
kommenden Abweichungen lassen sich überdies aus entsprechenden
Gründen, wie bei den anderen Ämtern, erklären.
16. Im dreizehnten Jahrhunderte werden wir nämlich nicht
umhin können, anzunehmen, dass gleichzeitig mehrere Personen
ein und dasselbe oberste Reichsamt beanspruchten und die Reichs
kanzlei, wenn auch zögernd, mehrfach diese Ansprüche anerkannte.
Der Grund scheint mir darin zu liegen, dass jetzt für die Besetzung
der Ämter Grundsätze geltend gemacht wurden, welche dem
frühem Herkommen widersprachen, und ehe dieses beseitigt, jene
völlig durchgedrungen waren, der eine sich auf dieses, der andere
auf jenes stützte, ohne dass die Reichsgewalt sich zu einer endgil-
tigen Entscheidung entschlossen mochte.
Das ursprüngliche Herkommen dürfte unzweifelhaft willkür
liche Besetzung durch den König gewesen sein, und zwar so,
dass nicht allein alle Erbansprüche ausgeschlossen waren, sondern
der neugewählte König auch nicht gehalten war, die Beamten seines
Vorgängers im Amte zu belassen. Es würde das im Allgemeinen den
Grundsätzen entsprechen, welche noch später für amtsweise Verlei
hungen galten, wonach, wenn es sich nicht um noch enger begrenzte
Verleihungszeit handelte, jedenfalls beim Wechsel des Herrn alle
Ämter dem neuen Herrn zu willkürlicher Besetzung ledig waren.
Nur freilich, worauf wir zurückkommen, wenigstens im dreizehnten
Jahrhunderte mit Ausschluss gerade der vier obersten Hofämter,
welche sich vererbten.
Dass einfache Vererbung der Hofämter nicht das ursprüngliche
Herkommen sein kann, ergibt sich leicht aus dem Wechsel der
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode.
537
Geschlechter in ein und demselben Amte. Aber auch die Erledigung
der Ämter beim Regierungswechsel wird für frühere Zeiten nicht zu
bezweifeln sein. Wippo (Vita Chuonr. c. 4) erzählt zum Jahre 1024
nach der Krönung K. Konrad’s: Similiter in dispositione curiali, quem
rex maiorem domus statueret, quos cubiculariorum magistros, quos
inferiores et pincermas et reliquos officiarios ordinaret, diu non est
supersedendum, cum illud breviter dicere possim, quod nullius
autecessoris sui ministeria aptius et honorificentius provisa memini
vel legi. Wurden also damals die Hofämter beim Regierungsantritte
neu besetzt, so vergehen freilich über hundert Jahre, bis uns Hilfs
mittel zu genauerer Prüfung vorliegen, und es könntesich inzwischen
recht wohl ein anderes Herkommen festgestellt haben. Aber noch im
zwölften Jahrhundert führt eine Vergleichung der Reihen der Hof
beamten zu demselben Ergebnisse.
Beim Wechsel nicht allein der Herrscher, sondern auch der
Herrscherhäuser würde es besonders wichtig sein, die Hofbeamten
K. Heinrich’s V., Lothar's und Konrad’s III. genauer vergleichen zu
können. Aber das Material ist noch ganz ungenügend. Nur der
Truchsess Volkmar (11 •§. 1. 2), falls alle Erwähnungen dieselbe
Person treffen, würde allerdings vier Herrschern nach einander
gedient haben. Dagegen lässt sich nicht allein darauf hinweisen,
dass noch 1137 bei K. Lothar ein anderer Kämmerer erscheint, als
1138 bei K. Konrad (IV •§. 1. 2), sondern es wird auch ohne nähere
Kenntniss der Hofbeamten K. Lothar’s sich nachweisen lassen, dass
sie, von Volkmar abgesehen, nicht auf K. Konrad übergegangen
sein können. Denn die Hofbeamten des letztem, die Pappenheim,
Rotenburg, Schipfund Weinsberg gehörten nicht zur eigentlichen
Reichsdienstmannschaft, sondern zu den ostfränkischen Hausbe
sitzungen der Staufer, wie sich nicht allein aus der Lage ihrer
Wohnsitze, sondern auf’s Bestimmteste daraus ergibt, dass sie nach
desKönigsTode zunächst niehtDienstmannen K.Friedrich’sL, sondern
Herzogs Friedrich v. Roleuburg sind; wenn auch einzelne Personen
im Dienste des Reichs verblieben, so leidet das bezüglich der
Geschlechter selbst keinen Zweifel (V §. 3. II §. 3. IV §. 2). Aller
Wahrscheinlichkeit nach hat demnach K. Konrad seine herzoglichen
Hofbeamten als König beibehalten; und so lange es sieh bei den
Ämtern noch um den persönlichen Dienst am Hofe handelte, wird
der neuerhobene König in der Regel gewünscht haben, seine bis-
538
Dp. Ficker
herige erprobte Dienerschaft nicht völlig zu wechseln. Es ergibt
sich daraus zugleich, dass die Hofheamten nicht nothwendig aus der
eigentlichen Dienstmannsehaft des Reiches zu bestellen waren, wie
wir ja auch später Reichsbeamte aus der staufischen im engem Sinne
(III §. 6. 19. IV IS), der welfisch-schwäbischen (II §. 9. IV §. 16)
und derbraunschweigischen (II §. 13. 17) finden.
' Mit dem Regierungsantritte K. Friedrich's I. scheinen Truchsess,
Schenk und Kämmerer gewechselt zu haben; kein Amt bleibt während
der ganzen Regierung bei einem Geschlechte; wir finden Hofbeamte
aus den Geschlechtern der v. Lautern, Scharfenberg, Bomeneburg,
Sulz, Ballenhusen, Waldhusen, Siebeneich, welche unter K. Konrad
noch nicht auftreten, zum Theil später in der Reihe der Beamten
nie mehr Vorkommen. Für das Vorwiegen der persönlichen Beziehung
zum Herrscher spricht dann insbesondere, dass wir unter K.Heinrich
VI. als Reichsmarschall und Reichstruchsess nicht die letzten Beamten
seines Vaters finden, sondern diejenigen, welche das Amt schon bei
Lebzeiten des Vaters an seiner eigenen königlichen Hofhaltung
versehen hatten (I §. 4. 7. II §. 3. 7), obwohl das Geschlecht Mark-
ward’s v. Anweiler bis dahin in keinem Amte vorkommt; auch keiner
der Schenken des Vaters ist bei ihm nachzuweisen. Für sehr aus
gedehnte Befugniss des Herrschers bei der Besetzung muss auch
sprechen, dass wir in dieser Zeit ein und dieselbe Person, Heinrich
v. Lautern, nacheinander als Marschall, Kämmerer und Schenk
finden (I §. 4. IV §. 14. III §. 9), obwohl als Regel doch anzusehen
sein wird, dass der Beamte aus den in das Amt gehörigen Familien
zu nehmen war; weniger sichere Beispiele des Vorkommens von
Personen desselben Geschlechtes in verschiedenen Ämtern würden
nur noch die Walthusen (III §. 6. IV §. 13), Staufen (III §. 19. IV§. 13).
vielleicht die Tanne (II §. 13, III §. 17) geben, dann in späterer Zeit
dieBoland mit ihren Nebenlinien (II §. 21. 23. III §. 22. IV §. 33. 33).
Unter K. Philipp werden wir wieder das Gelangen der Wald
burg und Ravensburg zu den Reichsämtern (II §. 9. IV §. 16) aus dem
Besetzungsrecht des Königs erklären müssen. Dass bei K. Otto als
Gegenkönig keine der früheren Reichsbeamten erscheinen, isl erklär
lich, eben so, dass nach seiner Anerkennung die Beamten Philipp’s
im Amte verblieben. Aber wenigstens bald nachher gelangte durch
ihn ein braunschweigischer Dienslmann zum Reichstruchsessamte
(II §. 13). Für das fortdauernde Festhalten am Reset zungsrechte
Die Reichshofheamten der staufischen Periode.
539
des Königs spricht dann wohl am meisten, dass K. Friedrich II. beim
Regierungsantritte einen Marschall, Truchsess und Kämmerer aus
Familien ernannte, welche bisher den Ämtern ganz fremd waren;
trat der letztere zurück (IV §. 20), so hat der Marschall seine An
sprüche lange mit Erfolg geltend gemacht (I §. 17), während das
spätere Erbtruchsessamt der Boland auf jene Besetzung (II §. 14)
zurückgeht.
17. Dem freien Besetzungsrechte des Königs scheint nun zu
nächst ein Anspruch der Beamten des Vorgängers auf
Fortführung des Amtes entgegengetreten zu sein. Bleibt der Truch
sess K. Heinrich's V. beiLothar undKonrad, der Marschall K.Konrad’s
bei Friedrich I. im Amte, so folgt daraus natürlich noch nicht,
dass das nicht dem Wunsche des Königs gemäss gewesen sei.
Aber zuerst scheint das Vorkommen der Kämmerer von Siebeneich
und von Lautern (IV §. 14) bestimmt darauf hinzuweisen, dass
K. Heinrich VI. diesen als seinen frühem Kämmerer beizubehalten
wünschte, während der von Siebeneich auch nach dem Tode des
Kaisers nicht weichen wollte. K. Philipp hatte in dieser Richtung
ziemlich freie Hand, da der Truchsess und wohl auch der Schenk
seines Vorgängers nicht aus Italien heimkehrten, das Kämmereramt
aber erledigt war (II §. 7. III §. 9. IV §. IS); den Marschall behielt
er bei. Dass K. Otto nach seiner allgemeinen Anerkennung, wohl
nur den Umständen nachgebend, sämmtliche Beamte des Vorgän
gers beibehalten zu haben scheint, es ihm wohl nur besondere
Umstände ermöglichten, neben den Waldburg auch seinen Truchsess
Gunzelin im Amte zu belassen (II §. 13) mag der Anschauung eines
freien Besetzungsrechtes des Königs insbesondere Eintrag gethan
haben. Und so werden denn auch die neuen Ernennungen K. Fried
riche II. anscheinend sämmtlieh von den Beamten des Vorgängers
bestritten; weicht der Kämmerer, so finden wir nun gleichzeitig
einen Reichsmarsehall v. Pappenheim und .Justingen, einen Reichs
truchsessen v. Boland und v. Wolfenbüttel, während die Reichs
kanzlei zu zögern scheint, sich bestimmt für den einen oder andern
zu erklären (I §. 17. II §. 17). Gerade bei dem früher nicht einmal
den Reichsdienstmannen angehörigen Gunzelin zeigt sich auf's
bestimmteste,, dass seine Ansprüche sich auf keinerlei Erbrecht,
sondern lediglich auf die Stellung beim Vorgänger stützten.
540
Dr. Fi ckcr
18. Schliesslich wurde allerdings das königliche Besetzungs
recht völlig beseitigt durch die Erblichkeit der Hofämter,. Was die
Erblichkeit der Ilofämter im Allgemeinen betrifft, so liegt
uns allerdings schon für die frühere Zeit des zwölften Jahrhunderts
ein Fall vor, in welchem eine der Folge in Lehen entsprechende
Erblichkeit auf’s bestimmteste von vornherein zugestanden wird. Der
Erzbischof von Mainz bekundet nämlich 1127, dass der Probst
v. Aschaffenburg zwei seiner Censualen zu Ministerialen gemacht
habe, et ex eis alterum pincernam, alterum vero marscalcum ordi-
naverit; ita ut, si idem prenominati viri legitimas de farnilia eiusdem
ecclesie uxores duxerint et ex eis liberos proereaverint, qui inter
eos maiores masculini sexus fuerint, eadem duo predicta officia iure
liereditario ohtineant; et sic per singulas generationes inperpetuum
sibi in eandem conditionem succedant (Guden. Cod. dipl. 1,394).
Doch wird uns das schwerlich berechtigen dürfen, auch nur für die
kirchlichen Hofhaltungen die Erblichkeit als schon im zwölften
Jahrhundert unbedingt feststehend zu betrachten. Genauere Unter
suchungen werden allerdings sehr erschwert durch das seltene Vor
kommen der fürstlichen Hofbeamten, unsere Unbekanntschaft mit
ihrem Geschleckte und verwandtschaftlichen Zusammenhänge. Aus
einer sehr gründlichen Erörterung über die münsterisclien Hofämter
(von Perger. Westfäl. Zeitschr. 19, 299 11.) scheint sich doch erst
für das dreizehnte Jahrhundert strengere Erblichkeit zu ergehen;
noch 1204 scheint ein neugewählter Bischof mit Umgehung des
noch lebenden Truchsess seines Vorgängers einen solchen aus einem
anderen Geschlechte bestellt zu haben (a. a. 0. 313). Doch dürfte
an den meisten Reichskirchen wenigstens um den Beginn des Jahr
hunderts die Erblichkeit schon festgestanden haben; denn im Laufe
desselben wurde sie unzweifelhaft, schon als gemeinrechtlich aner
kannt. Heisst es 1219 im Rechtsspruche für Bremen, dass dem
neugewäll)tenBischofe alle Ämter ledig seien exceptis quatuor piunei-
palihus, so Hesse Sich das etwa nur auf Belassung der Beamten des
Vorgängers beziehen; ganz bestimmt wird aber 1223 in entspre
chendem Rechtsspruche für Korvei hinzugefügt: officiatorumque
filii seniores et legitimi patrum succedent ofßciis pleno iure; und
wieder heisst es in Sprüchen,für Uersfeld undßrixeu 1240: exceptis
quatuor principalibus, quae post se eonsequentiam sumroam trahunt
(Mon. Germ. 4, 234. 232. 333. 334. vgl. 360). Bei den Laien-
Die Reichshofbenmten der stanfischen Periode
S4i
sten scheint in dieser Zeit die Erblichkeit noch keineswegs durchwegs
festgestanden zu haben; bei den Herzogen von Österreich und Baiern
erscheinen wenigstens fast bei jedem Wechsel andere Geschlechts
namen (Meiller Babenb. Reg. 317. Mon. Boica Index 236. Quellen
und Erört. 5, 494). Dagegen setzt das wohl kurz nach 1211 auf
gezeichnete Hennegauer Dienstrecht nicht allein durchweg die
Erblichkeit der Ämter voraus, sondern wir finden das Schenkenamt
sogar in der Hand einer Erbtochter (Fürth Ministerialen 534),
während im Allgemeinen nach einem Rechtsspruche von 1230 kein
Weib Anspruch auf Folge in den vier Ämtern hatte (Mon. Germ.
4, 278).
19. Was die Erblichkeit der Reich sh ofämter insbeson
dere betrifft, so scheint sicli diese im Beginne des dreizehnten Jahr
hunderts festgestellt zu haben. Ein ausdrückliches Zeugniss gibt uns
allerdings erst jene Urkunde, durch welche an Philipp v. Falkenstein
und seine nach Lehnrecht berechtigten Erben das Kämmereramt und
die übrigen Reichslehen der Minzenberg geliehen werden (IV §-35).
Was das thatsächliche Verbleiben der Ämter bei einzelnen Familien
betrifft, so finden wir Marschälle v. Pappenheim schon ununter
brochen seit 1138, falls wir die sich möglicherweise zwischen
1183 und 1185 ergebende Unterbrechung (I §. 3. 7) nicht beach
ten, Schenken v. Schipf (Limburg) seit 1200 (III §. 11), Küchen
meister v. Rotenburg (Nordenberg) seit 1202 (II ■§. 24), Kämmerer
v. Minzenberg (Falkenstein) seit 1209 (IV §. 19), Truchsesse von
Boland seit 1212 (II §. 14). Ein letztes auff.dlendes Beispiel für
Nichterblichkeit gibt nach 1197 die Nichtberücksichtigung der Erben
Markwart's v. Antweiler, dessen Sohn uns bekannt ist (II §. 7), und
Heinrich's v. Lautern (III §. 9), welcher, wenn nicht Söhne, jeden
falls nähere Verwandte hinterliess. So auffallende Beispiele finden
sich seitdem nicht mehr. Denn mit Heinrich V. Waldburg scheint
1209 oder kurz nachher der Mannsstamm seinesHauses ausgestorben
zu sein (II §. 13). Heinrich v. Ravensburg hinterliess allerdings
Bruder und Sohn, und suchte sich jener anfangs im Reichsamte zu
behaupten, so scheinen doch später alle Ansprüche aufgegeben zu
sein; aber dabei wird doch auch in's Gewicht fallen müssen, dass
die Stellung Heinrich’s selbst zuletzt keine unbestrittene gewesen zu
sein scheint (IV §. 19. 23. 24). Den Ansprüchen jener erbberech
tigten Familien wurden wohl noch andere entgegengestellt; aber
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. IV. Hftj. 36
542
Dr. Ficker
doch ohne sehliesslichen Erfolg. Anselm v. Justingen konnte die
Pappenheim nicht mehr verdrängen (I 17). Zuletzt, wenn wir
von den durch die späteren Gegenkönige herbeigeführten Schwan-
kungen ahsehen, scheint das Erbrecht als massgebend für die Nach
folge in Frage gestellt, zu sein 1222 nach dem Tode Werner's 1.
v. Boland (II §. 16); aber nicht allein, dass seine Nachkommen sich
doch thatsächlich beim Amte behaupteten; es wird auch zu beach
ten sein, dass Werner überhaupt der erste seines Geschlechtes ge
wesen war, welcher das Amt bekleidete, was hei keiner der anderen
der jetzt als erbberechtigt erscheinenden Familien der Fall war.
20. Der verhältnissmässig rasche. Übergang von anscheinend
ganz willkürlicher Besetzung zu kaum bestrittener Erblichkeit, wie
wir ihn für den Beginn des dreizehnten Jahrhunderts nach dem bis
her Gesagten anzunehmen hätten, hat etwas Auffallendes; die
Schwäche des Königthums würde ihn allerdings von dieser Seite
her genügend begründen; aber wie wäre es zu erklären, dass
andereFamilien, aus welchen das Amt früher gleichfalls besetzt wurde»
diese Bevorzugung einzelner Geschlechter ohne Einspruch hinnahmen,
wenn eben nur die zufällige Besetzung in der Zeit des Überganges
dafür massgebend war? Und doch würden uns, von der besonderen
Stellung der Ravensburg abgesehen, nur etwa die Kämmerer Hermann
und Heinrich (IV §. 22), falls diese, was zudem sehr zweifelhaft
ist, zu den Siebeneich gehörten, ein Beispiel geben, dass eine
zweite der früheren Amtsfamilien Erbrechte geltend machte. Es
scheint nun aber auch, dass hier noch etwas anderes eingegriflfen
hat, nämlich ein hergebrachtes Vorrecht einzelner Ge
schlechter auf die einzelnen Ämter. Es muss von vorne herein auf
fallen, dass von den später erbberechtigten Familien die Pappenheim,
Rotenburg und Schipf gerade wieder diejenigen sind, welche wir
schon unter K. Konrad III. im Amte fanden, ein Kämmerer v. Minzen-
berg wenigstens schon in der früheren Zeit K. Friedrich’s I. auftritt
(IV •§. 8), die 1212 zuerst auftretenden Boland aber ein Amt ver
sehen, auf welches nach Abfindung der Rotenburg ein althergebrach
tes Vorrecht nicht mehr bestehen konnte. Sehen wir auf das Ein
zelne, so ist das ununterbrochene Vorkommen der Pappenheim
im Amte seit 1138 keineswegs in dieser Richtung das Auffallendste;
auf einem Vorrechte wird das nicht nothwendig beruhen müssen.
Statt der Rotenburg finden wir 1162 — 1167 (II §. 3), dann
Die Ileichshofbeainlen der stau fischen Periode.
543
wieder seit 1183 Truchsesse aus anderen Familien; aber Konrad, der
Bruder des letzten Truchsess v. Rotenburg behält trotzdem den Amts
titel bei (II §, 4. 8. 10), erscheint mit demselben mehrfach in Kaiser
urkunden, einigemal neben den anderen Truchsessen; und wollte
man das nicht auf ein Vorrecht der Familie, sondern darauf beziehen,
dass er früher als stellvei tretender Truchsess neben seinem Bruder
fungirt hat, so hätte solcher persönlicher Anspruch wenigstens mit
seinem Tode aufhören müssen. Aber gerade da scheint nun ein An
spruch des Geschlechtes, trotzdem, dass es so lange das Amt nicht
versehen, auf’s bestimmteste hervorzutreten durch die Errichtung
des Küchenmeisteramtes zu seinen Gunsten (II §. 10. 24). Die
Schipf finden wir als Schenken 1138 — 1146, 1165 — 1183,
dann seit 1200 (111 §. 2. 5. 11). Dieses Wiederauftreten ist auf
fallend. Das Streben K. Philipp’s ging unzweifelhaft dahin, seine
herzoglichen Hofbeamten beizubehalten, wie ihm das auch bei den
Waldburg und Ravensburg gelang, und bei dem Schenken v. Tanne
beabsichtigt sein mag (III §. 12); dieser aber hatte nun nicht dem
Schenken des Vorgängers, Heinrich v. Lautern, oder dessen Erben,
sondern einem Mitgliede eines Geschlechtes zu weichen, welches seit
geraumer Zeit das Amt nicht mehr bekleidet hatte. Und weiter wird
zu beachten sein, dass die Rotenburg und Schipf zwar nicht immer
im Amte sind, aber doch nach Zwischenräumen in demselben wieder
kehren, während aus anderen Geschlechtern überall nur einzelne
Personen als Truchsesse und Schenken nachzuweisen sind, nie zwei
aus demselben Geschleckte (II §. 3. 5. 7. III ■§. 3. 4. 6. 8. 9). An
ders stellt sich das bezüglich der Minzenberg. Im Kämmereramte
finden wir 1153 — 1191 drei v. Siebeneich (IV §. 5. 6. 14); in
diesen sollten wir demnach die bevorzugte Kämmererfamilie vermu-
then. Es wäre möglich, dass diese ausgestorben, möglich aber auch,
dass sie wirklich noch später Ansprüche erhob (IV §. 14. 22). Aber
nun ist es schon sehr auffallend, dass der ältere Kuno von Minzen
berg 1162 — 1168 den Kämmerertitel führt und dabei einen höhe
ren Rang einzunehmen scheint, als der von Siebeneich (IV §. 8).
Vierzig Jahre lang hören wir weiter von keinem Kämmerer v. Min
zenberg, während dann nicht bei einem Regierungswechsel, sondprn
während der Regierung Olto’s und einem Kämmerer gegenüber,
welcher schon lange Jahre anscheinend ohne allen Widerspruch das
Amt versehen hatte, der jüngere Kuno Anspruch auf das Amt erhebt
3ü*
544
Di*. Ficker
(IV §. 19) und sich dieses nun in seiner Familie vererbt, obwohl
sein Nachfolger Ulrich keineswegs in besonders naher Verbindung
zum Kaiserhause zu stehen scheint (IV §. 21); ohne die Annahme
eines alten Vorrechtes der Familie scheinen diese Umstände kaum
zu erklären. . ••. '
Wir wurden darnach etwa anzunehmen haben, dass es schon vor
dem Erblichwerden der Ämter in jedem Amte eine bevorrechtete,
gleichsam an der Spitze aller Amtsgeschlechter stehende Familie gab,
aus welcher herkömmlich auch der oberste Hofbeamte vorzugsweise
bestellt wurde; dieses Vorrecht wusste man dann später bis zu einem
ausschliesslichen Erbanspruche auszudehnen. Daraus mochte sich in
einem Falle, bei den Pappenheim schon früh eine wenigstens that-
sächliche Erbfolge entwickeln, während in einem andern, bei den
isbinil isi{98 TSuvijßniisL iSLiOi ^ a ii)u^n9Y£li # y xbnniöu liiA
Minzenberg, besondere Verhältnisse ein Versehen des Amtes durch
f ys JdJiJijiiEif Ja ijqq JfI9TflJßL /I91£|ini9 ']9(iß - IdlfoidW
ein Mitglied des Geschlechts längere Zeit hintanhalten mochten. Das
Vorhandensein einer bevorzugten Stellung wird sich kaum bezweifeln
lassen; zü näherer Bestimmung ihrer Wirksamkeit dürften uns aber
genügende Haltpuncte ganz abgehen. Bezüglich der Zeit der Aus
bildung dieses Vorrechts wird sich von den Pappenheim, Botenburg
fldjlfläifdssdoiäju iüß stbunasxiijH 91h injiß ’ä'iMudiiJ oib
und Schipf mit zierlicher Bestimmtheit sagen lassen, dass wir über
die Zeit der staufischen Könige nicht zurückgreifen dürfen, insoferne
sie früher überhaupt nicht zur Beichsdienstmannschaft gehört zu
haben scheinen (§. 16). Der Vorrang der Hagen-Minzenberg mag
weiter zurückreichen; fehlen uns auch frühere Zeugnisse für eine
nähere Beziehung zum Kämmereramte, so scheint wenigstens Eber
hard v. Hagen schon am Hofe K. Heinrich's IV. eine einflussreiche
Stellung eingenommen zu haben (vgl. Wenck Hess. L. G. I, 273);
die v. Hagen finden wir dann auch in Urkunden K. Heinrich’s V.
(B. 2072. 80), Lothar’s (B. 2110), und besonders häufig in denen
K.Konrad's III.; wir werden sie unzweifelhaft schon für die früheren
Zeiten des zwölften Jahrhunderts als das angesehenste Reichsdienst
mannengeschlecht bezeichnen dürfen.
21. Wurden die Ämter später als Reichslehen betrachtet, so
müssen für die Erb f 01 geö r d n Un g auch die Grundsätze des Reichs
lehenrechtes massgebend gewesen sein, wie das bei der Belehnung
Philipp's v. Falkenstein 1257 ausdrücklich gesagt wird (IV §. 35);
das Amt vererbte demnach nur von Vater auf Sohn. In früherer Zeit
scheint, auch wenn das Amt bei der Erledigung dem Geschlecbte
1
Die Reichshofbeawten der staüfischeii Periode. 545
verblieb, nicht gerade der Sohn, sondern häufig zunächst der Bruder
berücksichtigt worden zu sein, während sich dann aber doch eine
Annäherung an die Grundsätze der Erbfolge in Lehen darin zeigt,
dass wir nach dem Bruder den Sohn des Verstorbenen im Amte fin
den. So lange ein eigentliches Erbrecht sich noch nicht ausgebildet
hatte, mochte in dieser Richtung häufig der Umstand einwirken, dass
der Sohn zu jung war, um ihm ein einflussreiches Amt anzuvertrauen.
So folgt, wenn unsere Bestimmung des verwandtschaftlichen Zu
sammenhanges richtig ist, auf Arnold v. Rotenburg und Hartmann
v. Siebeneich zunächst ihr Bruder, dann ihr Sohn (II §. 2. 3. 4. IV
§. 5. 6). Im dreizehnten Jahrhunderte finden sich noch entsprechende
Fälle, und zwar so, dass der Bruder schon bei Lebzeiten dem in
zwischen etwa erwachsenen Sohne das Amt zu überlassen scheint.
Auf Heinrich v. Ravensburg folgt zunächst sein Bruder Dieto,
welcher aber nach einigen Jahren den Amtstitel zu Gunsten seines
Neffen aufgibt (IV §. 23. 24). In ähnlicher Weise folgt auf Walter
v. Schipf zunächst sein Bruder Konrad v. Klingenberg; neben diesem
tritt dann später auch der Neffe Walter v. Limburg als Schenk auf,
ohne dass freilich der Oheim den Titel aufgibt; aber der Umstand,
dass später die Limburg, nicht die Klingenberg als Reichsschenken
galten, beweist doch, dass man auch hier das Erbrecht des Sohnes
als massgebend betrachtete (III §. lö. 16. 22). So mag auch nach
Anerkennung eines ausschliesslichen Rechtes einzelner Geschlechter
eine Zeit lang eineEinflussnahme des Königs auf die Besetzung noch
in so weit slattgefundon haben, als es ihm zustehen mochte, inner
halb des Geschlechtes den Beamten nach Belieben zu wählen; aber
auch dieser letzte Rest seines Einflusses musste aufhören, als die
Anschauung durchdrang, dass die Ämter Reichslehen seien und sich
nach den Grundsätzen des Reichslehenrechtes vererben müssten.
22. Werden wir diese Anschauung schon für die spätem Zeiten
K. Friedrich's II. als massgebend annehmen dürfen, so wird eine
Beachtung der Einwirkung des Interregnum ergeben müssen,
in wie weit dieselbe bereits als allen Wechselfällen gegenüber fest
stehend betrachtet werden darf. Mochte nur ganz ausnahmsweise
einer der Gegenkönige sich stark genug fühlen, einem ihn nicht
anerkennenden Grossen seine Lehen absprechen zu lassen, so musste
das doch näher liegen bei Ämtern, deren nächste Beziehung zur
Person des Königs doch noch kaum ganz in Vergessenheit gerathen
I
546
Dr. V i c k e v
war. Und sowohl K. Konrad IV. als K. Wilhelm versuchten es auch
wirklich, statt der erbberechtigten Hofbeamten, von welchen sie nicht
anerkannt wurden, andere aufzustellen. Auch diese nicht ganz will
kürlich; für den Marschall K. Wilhelm’«, Anselm v. Justingen (I §. 23),
sprach die einstige Stellung seines Vaters; die übrigen, K. Wilhelm's
Schenk Werner v. Boland (III §. 22), dann K. Konrad’s Truchsess
Philipp v. Falkenstein (II §. 21) und sein Kämmerer Philipp v. Hohen
fels (IV §. 33) gehörten sämmtlich einer der mächtigsten berechtig
ten Familien an, so dass wenigstens vermieden wurde, Ansprüche
anderer Geschlechter zu begründen. Aber schliesslich hat in keinem
Amte dieses Aufstellen von Gegenbeamten die Ansprüche der Erb
berechtigten beseitigen können; schon unter K. Richard wird es als
anerkannt gelten dürfen, dass der Erbanspruch das allein massgebende
sei, die etwaige Fernhaltung von einem nicht allgemein anerkannten
Könige ihm keinen Eintrag thun könne. Denn obwohl der Erbmar
schall und Erbschenk nie bei K. Richard, wohl aber bei dem Staufer
Konradin nachweisbar sind, hat der König keine Gegenbeamte auf
gestellt (I §. 23. II §. 21. 22). Um so weniger konnte später noch
das alleinige Massgehen des Erbrechts in Frage kommen. Dafür war
nun auch die nähere Beziehung zur Person des Königs ganz ge
schwunden, wie schon das seltene Vorkommen der Erbbeamten am
Hofe erweist; nur hei einzelnen feierlichen Gelegenheiten war noch
von einem Versehen des Amtes die Rede ; es handelte sich wesent
lich nur noch um einen mit bestimmten Einkünften und Lehen ver
bundenen Titel. Die später zur täglichen Dienstleistung verwandten
Hofbeamten sind nie zu ähnlicher Bedeutung gelangt.
23. Übersicht der Reichshofbeamten und der häufiger
vorkommenden Nebenbeamten und Gegenbeainten:
I. Reiehsmarschälle: Konrad 1116. §. 1. — Heinrich v.
Pappenheim 1138—83. §. 2. 3. — Bertold 1161. 68. §. 5. —
Wolfram v. Hagenau 1169—87. §. 3. — Werner v. Strassburg
1181—9<L §. 3. 10. — Heinrich v. Lautern 1183—86. §. 4. —
Ekbert v. Lautern 1188. 89. §. 4. — Heinrich v. Kalentin (Testa,
Pappenheim) 1183—1218? §. 7. 11. 13. 17. — Sifrid v. llagenau
1192—1219. §. 8. 13. 20. — Eberhard v. Anebos 1193. 94. §. 9.
— Ulrich v. Rechberg 1199. 1200. §. 12. —Hildebrand v. Rechberg
1200— 26. §. 12. 19. — Anselm v. Justingen 1212. 13—24. 34.
■§. 17. — Heinrich v. Pappenheim 1218? u. s. w. §. 18. 23. —
Die Reielishofbeamten der staufisehen Periode. 47
Hermann Knufting 12 15—21. §. 21. — Anselm v. Justingen II
1249. §. 23.
II. aj Reichsti’uchsesse: Volkmar 1104—41. §. 1. 2. —
Arnold v. Rotenburg I. 1144—50. §. 2. — Walter (v. Rotenburg I)
1150—ÖS. §. 2. 3. — Rudolf y. Scharfenberg 1154. 62—65. §. 3.
— Ulrich 1166. 67. §. 3. — Walter (v. Rotenburg II) 1168—83.
§. 4. — Arnold v. Rotenburg II. 1172—79. §. 4. — Konrad
v. Rotenburg 1175 — 99. §. 4. 8. 10. —• Heinrich v. Bomeneburg
1184. 85. §. 5. — Hugo v. Sulz 1186—89. §. 5. — Markward
v. Anweiler 1185—97. §. 7. — Heinrich v. Waldburg 1200—9. §.9.
13. — Gunzelin v. Wolfenbüttel 1208—36. §. 13. 17. — Werner
v. Boland I 1212 — 21. §. 14. — Eberhard v. Tanne-Waldburg
1214—34. §. 15. 16. — Werner v. Boland II 1222-57. §. 16.
23. — Otto Bertold v. Waldburg 1239—60. §. 22. — Philipp
v. Falkenstein 1246.—53. §. 21. —Werner v. Boland III 1257
u. s. w. §. 23.
II. b) Reicliskiiehenmeister: Heinrich v. Rotenburg 1202
— 25. §.24. — Hartwig v. Rotenburg 1217—34. §. 25. — Lupoid
v. Rotenburg-Nordenberg 1246 u. s. w. §. 26.
III. Reichssche nken: Konrad Baeho 1128. §. 1. — Konrad
Pris (v. Scliipf) 1138—46. §. 2. — Reiner 1150. §. 2. — Hildebrand
1152—57. §. 3. — Konrad v. Ballenhusen 1163. 64. §.4. — Konrad
Kolbo (v. Scliipf, Klingenberg, deMaciis) 1165—83. §. 5. — Ludwig
Iiolbo 1165. 67. §. 5. — Konrad v. Waldhusen 1184 — 89. §. 6.—-
Herdegen v. Grindlach 1191. §. 8.—Heinrich v. Lautern 1191 — 97.
§. 9. — Eberhard v. Tanne 1198. 1205. 14. §. 12. 17. — Walter
v. Scliipf J200—18. §. 11. 13. 14. — Konrad v. Schipf-Klingenborg
1210—46. §. 13. 15. 21. — Konrad v. Tanne-Winterstetten
1220—42. §. 18. 22. — Eberhardv. Tanne-Winterstetten 1223—
27. §.18. — Friedrich v. Staufen 1221. §. 19.—Walter v. Scliipf-
Limburg 1230 u. s. w. §. 16. 21. — Konrad v. Schmalneck 1243.
45. §. 21. — Konrad v. Winterstetten 1248 u. s. w. §. 21. —
Werner v. Boland 1249—55. §. 22.
IV. R ei c ii s k ämmerer: Egeno 1123. §. 1.—Anno 1134. §. 1.
— Bertold 1137. §. 1. — Tibert v. Weinsberg (Lindach) 1138—
51. §. 2. — Wichnand v. Schonenberg 1145. §. 3. — Konrad,
Walhusen 1150. 52. §. 4. — Hartmann v. Siebeneich 1153—77.
§■ 5. -— Bertold (v. Schonenberg) 1162 — 68. §. 7. — Kuno
SB
548 .9hoiis‘J nsilosliijiiiirisf lielüiS^dloilsilaisfl »<Q
v. Minzenberg I 1162—68. §. 8.—Rüdiger 1162—69. §. 9. Sige-
bodv. Groitsch 1162—81. §. 10.— Rudolf v. Siebeneich 11165 —
80? §.6.— Rudolf v. Siebeneich U 1180?—91. f 6. 14. —Heinrich
v. Lautern 1187—91. §. 14. — Vakanz 1192-97. §. 15. — Hein
rich v. Ravensburg 1202—12. §. 16. 19. — Kuno v. Minzenberg II
1209. 10. §. 19. — Ulrich v. Minzenberg I 1212 — 34. §. 19. 21.
— Albert v. Tannhausen 1212. §. 20. — Hermann und Heinrich
(v. Siebeneich?) 1213 —18. §. 22. —Dieto v.Ravensburg 1214—
17. §. 23. — Friedrich v. Bienburg 1219—25. §. 24.^— Konrad
v. Werd 1219—30. §. 26. — Heinrich v.Ravensburg 1231 u. s. w.
Hohenfels §. 35.—Kuno v.MinzenbergIII1240. ■§. 33.—Philipp v.
1246—50. ■§. 33. — Ulrich v. Minzenberg II 1249 — 55. §. 35.
— Philipp v. Falkenstein 1157 u. s. w. §. 35.
24. V er zei chnis s d er er wä hüten Gesell lech tsnarn enV
von Aachen IV 12. 15. 15. 28. 31. V 11. — Aeys? I 20. Alfter I
14. — Altenburg I 5. V 11. — Althann III 22. - Amerstede IV
11>. — Anebos I 9. — Anestetten IV 15. —Anweiler (Husen) II 7. 18.
V 4. fe-Apolda III 10. — Bacho III 1. - Ballenhusen 1114. V 4. —
Bienburg (Ravensburg) IV 24. 25. 34. — Roland (Falkenstein,
Hohenfels) II 14. 16. 17. 21. 23. III 22. IV 33. 35. V 3. 8. 10. <
13. 16. 19. — Bomeneburg II 5. — Boppard IV 15. V 11. —
Capece II 20. — Donnersberg V 14. — Eger IV 26. — ErpaCli
III 20. V 14. —Esbeck II 12. -— Eversberg 1 13. — Falkenstein
(Boland, Minzenberg) II 21. IV 35. V 13. — Filangieri I 22. —
Flügling V 14. -—Gelluden (Ballenhusen?) III 4. •— Germersheim
I 3. V 11. — Gienberg (Bienburg?) IV 34. — Giselingen
(Nürnberg ?) IV 29. V 11. 3- Gnufting (Raderach) -1 20. —
Grindlach (Nürnberg) III 8. —Groitsch IV 10. 15’ V 11. — Gron
-%(agen ‘ (MinÄenb^r^r" 1^%;^ V •^. —
Hagenau I 5. 8. 9. 10. 13. 20. IV 9. V II. — Helmscellingen III
3. — Hohenfels (Boland) IV 33. V 13. - Iloheuzullern IV 35. —
Horenburg I 10. — Huebor? I 10. — Husen (Anweiler) II 3. 7. — j
Justirigen 16. 13. 17. 23. V 4. 8. — Kalentin (Pagpenheim, Testa)
I T. l‘K lfg.[R7v^V I # ff ^%eMm T V ls P^. 9 ^ il kWte-nbcn ; | {fepifen
Trifels) IV 15. 17. V 10. 11. — Klingenber’g (Scliipf) III 5. 15.
16. 21. 22. V 13. - Kolbo (Schipf) III 5. 9. — Lautern I 4. 9.
III 2. 9. 20. IV 14. 30. V 11. 16. — Leren (Werd) IV 26. —
Limburg (Schipf) III 16. 21. 22. V 13. — Lindach (Weinsberg)
1
Die Reichshofbeamten der staufischen Periode. 549
IV 2. — Lupus IV 31. — Lure I 13. 21. — de Maciis (Kolbo,
Schipf) III 5. — Merern II 20. —Minzenberg (Hagen, Falkenstein)
IV 8. 19. 21. 33. 35." y 3. 8. 13. 19. 20. — MühlhusenlV 12.
15. 30. 11. — Nambach 1 13. — Neuenburg IV 12. — Norden
berg (Rotenburg) II 26. — Nürnberg (Grindlach. - Giselingeri ?)
III 8. IV 29. V 11. —Pappenheim (Kalenlin, Tesla) I 2. 3. 7.
17. 18. 19. 20. 23. V 3. 16. 19. 20. -- Peine (Wolfenbüttel) II 17.
— Preising V 14. — de Principatu I 22. — Pris (Schipf) III 2.
— Querfurt I 23. — Rabemint (Pappenbeim?) I 7. — Rabenstein
IV 31. V 4. -— Raderach (Gnufting) I 20. -— Rasche I 20. —•
Ravensburg (Bienburg) IV 16. 19. 23. 24. 25. 34. V 8. 12. —
Rechberg 1 10. 12. 19. V 3. 12. — Revinringen IV 30. — Rivello
II 20. — Rötingen (Schipf) III 13. — Rotenburg (Nordenberg)
II 2. 3. 4. 8. 10. 24. 25. 26. V 4. 16. 19. 20. — Salzberg II 19.
— Scharfenberg II 3. — Schildberg V 14. — Schipf (Pris, Kolbo,
de Maciis, Klingenberg, Rötingen, Limburg) III 2. 5. 11. 13. 14.
15. 16. V 8. 16. 19. 20. -— Schlegelthal I 10. — Schlotheim II
11. — Schmalneck (Winterstetten) III 18. 21. V 13. — Schmidel-
feld II 21. — Schonenberg IV 3. 7. 18. V 11. — Seefeld II 11.
| ^»Seinsheim IV g$.</^-tSeIdeneck II 26. 27. — Siebeneich IV 5.
6. 14 15. 22. V 20. — Speier (Kestenburg) IV 11. 15. 30. V
10. 11, — Spilenberg IV J2.J-J- v Staufen III 19. IV 15. V 11. 16.
— Strassburg I 5. 10. V 11. — Sulz "II 5. — Tanne (Waldburg,
Winterstetten) II 15. III 12. 17. 18. V 12. 16. — Tannhausen IV
20. — Testa (Kalentin) 17. — Tobil IV 34. — Trifels (Kestenburg)
IV 15. — Tungau I 20. — Ummendorf I 20. — Velsberg II 19. —
Voburen (Vollbürg ?) I 10. — Volkmerode I 14. — Vourxvurs
(ßonjeneburg?) II 5. — Waldburg (Tanne, Warthusen) II 9. 10.
13. 15. 16. 18. 22. 27. III 17. V 3. 8. 12. — Waldhusen III 4. 6.
ffi «kn^IöfT Walhusen W 6. IV 4. 12. 15. VI*. Hjr./Wal-
purgf^ld IV 17. — Waltenhofen I 6. — Wartemberg 111 9. —
Warthusen (Waldburg) II 22. — Weinsberg (Lindach) IV 2. 35.
V ,16. — Wellenburg V 14. — Werd (Leren) IV 26, V 11. —
Wilre II 12. — Winterstetten (Tanne, Schmalneck) III 18. 21. 22.
V 12. 13. Wirzburg II 19. — Wisent 1 21. — Witolshausen
II 19. — Wittingen (Waldburg?) II 9. — Wolfenbüttel (Peine)
II 13,, 17.; V 8. 17. - Worms IV 11. V 11. ■— Zebingen II 11.
I
mä
550 Freili. v. Schlehta-Wssehrd, Walachin, Moldau, Bcssaraliien eie.
SITZUNG VOM 12. NOVEMBER 1802.
Vorgclegt:
Walachei, Moldau, Bessarubien, die Krim, Taman und Asow
(in der Mitte des vorigen Jahrhunderts).
Ein topographisch- ethnographischer Beitrag zur Kennlniss der
damaligen Türkei.
Aus dem Türkischen übertragen:
von dem c. M. Ottokar Freiherr v. Schleclita-Wsselird.
VORWORT.
Bekanntlich waren die Osmanen mehr Topophagen als Topo
graphen und fanden es erspriesslicher, Länder in Besitz zu nehmen
als sie zu beschreiben, ln Folge dieses Grundsatzes hat ihre Literatur
verhältnissmässig wenig geographische Leistungen aufzuweisen und
die bedeutendste derselben, Hadschi Chalfa’s, des türkischen „Ritter“,
„Dschihannüma“ beschränkt sich auf Asien und Theile der europäi
schen Türkei. Seine Schilderung dieser letzteren der Vergessenheit
entrissen zu haben ist das Verdienst Hammer-PurgstaH’s, dessen
Gedächtniss — was immer Pygmäen an dem stumm gewordenen
Giganten zu bekritteln finden mögen — jedem Orientalisten für alle
Zeiten theuer bleiben wird. Von einer ähnlichen Beschreibung der
übrigen Provinzen und Dependenzen des osmanischen Reiches aus
) Siehe Ruroili und ßosna. Wien 1812.
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
551
einheimischem Kiele hat, mit Ausnahme flüchtiger Andeutungen in
den „Reisen Ewlia Efendi’s“ 4 j, deren ausgebreitetere Bekanntschaft
gleichfalls dem Fleisse Hammer-PurgstaH’s zu verdanken, bisher
nichts verlautet. In diesem Umstande, nämlich in ihrer Eigen
schaft als theilweisen Erstlingen ihrer Art, liegt, der Übersetzer
glaubte es annehmen zu dürfen, eine Rechtfertigung der Veröffent
lichung nachstehenderNotizen. Selbe sind dem umfangreichen Werke 2 )
eines türkischen Reamten entnommen der sich längere Zeit in eini
gen der Gegenden aufhielt welche er schildert, und somit in den
meisten Fällen als Augenzeuge urtheilt. Die Zusammenstellung seiner
Arbeit fällt, da das Jahr 1155 (1742) als spätestes Datum darin ange
führt ist, aller Wahrscheinlichkeit nach in die erste Hälfte oder
in das zweite Drittel des vorigen Jahrhunderts, ßei der Übertra
gung wurde möglichste Treue angestrebt, daher auch Manches
belassen was westländischer Anschauungsweise zufolge weniger
passend erscheint.
Der Übersetzer.
’) Narration of travels in Europe, Asia and Africa etc. (London 1834.)
2 ) Selbes gilt als Unicum und befindet sich im Besitze meines gelehrten und gefälligen
Freundes S. E. des Reichsrathes Ssubhi ßey in Constantinopel. Es zählt drei Bande
die auf 327 Folioseiten die Beschreibung Egyptens, Westafrikn’s, der europäischen
Türkei, des christlichen Europa’s, Amerika’s und eingestreute Notizen über osmanisches
Hof-, Militär- und Marinewesen umfassen. Der hier übersetzte Theil ist dem dritten
Bande entnommen und wurde hiezu die Abschrift benützt welche, durch den Über
setzer an Ort und Stelle erworben, nunmehr der k. k. Ilofbibliotliek zu Wien ange
hört. (Siehe Orientalin, neuer Fund.)
552
Frcih. v. S c h 1 e c h t a - W « s e h rd
Eflak (die Walachei)
bildete ursprünglich mit der Moldau nur Ein Land; später wurden
beide getrennt und erscheinen nunmehr als zwei abgesonderte
Territorien welche von je einem Fürsten (Bey) mit dem Bange
eines Paschas von zwei Rossschweifen unter Oberhoheit der Pforte
verwaltet werden. Derselbe wird in Gegenwart des Sultans mit einem
Pelze und einem Janitscharenofficiers-Ilelme (Kuka) bekleidet und
durch zwei grossherrliche Trabanten (Ssolak) in seine Wohnung
zurückgeleitet. — Bei dieser Gelegenheit bezieht der Thorhüter der
mittleren Seraipforte (Orta Kapu) gewisse Ehrengeschenke und
Geldsporteln. Geht der Fürst auf seinen Posten ab, begleiten ihn
ebenfalls zwei Trabanten (Peik und Ssolak) und ein Kämmerer
(Kapidschi) des Grossherrn bis in seine ungläubige Residenz.
Die ursprünglichen Einwohner der Walachei waren Scythen
(Dschita), ein tatarischer Stamm. Kaiser Trajan (Trajano Krali) sie
delte 30.000 Individuen dort an welche Ackerbau trieben. Ein anderer
ws- nie .nounan Söul sie 89flDl9w
römischer Kaiser jedoch setzte Soldaten-Colonien an deren Stelle,
um sich gegen die Einfälle der Tataren eine Schutzwehr zu sichern.
Im Jahre 866 moh. Zeitr. (1461 —1462) wurde das Land von Sultan
Mehmed Chan (II) dem Vater des Sieges, in Besitz genommen.
„ oodoildop obnaü
Grenzen:
Im Osten die Moldau; im Norden Polen; im Westen Alt-Orsowa
am Eingänge des Temeswarer Banates und Siebenbürgen; im Süden
der Donaufluss.
onottifld-oedöiijb abtaiteftteW huu nohkö nov .siadabagami 9fu9
StädteundOrte:
Um mm OAB. I di«}«**«
Die Walachei zählt viele Städte und Flecken. Die vornehmste
unter den ersteren ist Bukarest (Bükresch) '), zwölf Stunden von
Giurgevo (Jergöji)*) an der Donau entfernt. .»wVietg
md nO i9*!9bnß ni3
> ’) JA»
v v* 4
I
Walachei, Moldau, Bessnrabien, die Krim, Taman und Asow.
553
Biikrcsch (Bukarest),
unter dem 51. Längen- und 44. '/ 2 Breitengrade in einer Ebene an
den Ufern eines Flusses welcher den walachischen Namen Dimbo-
vitza führt, ist eine wohlgebaute Stadt mit schönen und reichen
Kirchen und prächtigen Häusern die zum Theiie von Ungläubigen und
zum Theiie von Musulmanen bewohnt sind. Auch dient die Stadt zahl
reichen Kaufleuten zum Aufenthalte. Sie hat eine ausgedehnte Vor-
stadt, wohlgebaute Märkte und zwei Bäder. Im Centrum der Stadt
befindet sich auf einer Anhöhe ein Kloster das, einem Castelle gleich,
von Mauern umgeben ist und von welchem aus man ganz Bukarest
übersieht. Besonders gut gebaut und, wie gesagt, reich geschmückt
sind die Kirchen; sie fragen vergoldete Knäufe und Kreuze von
verschiedenen Formen an der Spitze die auf eine Meile weit sichtbar
sind. Über den Fluss führt eine feste Brücke. Die Umgegend ist
< -i . t
fruchtbares Land mit Gärten und Weingärten. Jeden Nachmittag
spielt die Militärmusik vor dem Fürsten. Sein erster Rathssecretär
(Diwan Efendi), sein erster Aga und der Vorstand der Posttataren
sind Mohammedaner, seine übrigen Hausofficiere Ungläubige. Kurz
vor Schlafenszeit wird mittelst eines trompetenartigen Instrumentes
welches sie Tuba nennen, ein Signal gegeben worauf Niemand mehr
sein Haus verlassen darf. Die Weinschenken der Stadt sind offen zu
gänglich. Knaben und Mädchen laden den ersten besten Ankömmling
ein, um sehr geringen Preis seine Lust zu befriedigen. Viele Araber
und Türken sind dort ihrem Glauben abtrünnig geworden und im
Lande geblieben.
Eine andere walachische Stadt heisst:
Tcragoscha') (Tergowist).
Sie liegt in einer Ebene nahe der siebenbürgischen Grenze, hat
eine ausgedehnte, von Gärten und Weingärten durchschnittene
Vorstadt und eine grosse Kirche. Nebenbei strömt ein grosser
Fluss. Die Häuser sind hübsch gebaut, auch gibt es dort Bäder und
Markthallen. Die Umgegend hat ausgebreitete Wein- und Gemüse
gärten. Ein Gebirge trennt die Stadt von Siebenbürgen.
Ein anderer Ort heisst:
') \jt
534
Frei!», v. S c 1» le c 1» ta - W s s eh rd
Rurkdscli ? ')
auf der Strasse nach der Moldau, eine Station (Merliele) von Buka
rest entfernt.
Buzc 2 ) (Buzeo)
am Flusse gleichen Namens gelegen. Die Entfernung von dort nach
Rustschuk beträgt 7 Meilen. Nahebei liegt der Flecken:
Rimne 3 ) (Rumnik).
L a n d e s b e s c h a f f e n h e i t.
Die Walachei ist ein sehr fruchtbares und sehr wohlcultivirtes
Land. Ihre Städte und Flecken nicht minder als die meisten ihrer
grösseren Klöster sind wie Festungen mit Ringmauern umgeben.
Saubere Marktplätze, ganz nach städtischer Weise hergerichtet, die
nen zur Verschönerung. Flüsse, Quellen und Gartenland sind häufig.
Fett, Honig, Rindvieh, Schöpse und Pferde sind in Unmasse vor
handen; Kühe und Schafe werden von den Viehhändlern (Dschelleb)
bis Venedig und Polen verführt. Die Pferde sind stutzigen Naturells,
doch zum schweren Tragen geeignet. Viehzüchter (Dschoban) gibt
es in grosser Menge und, fände kein Verkauf in’s Ausland Statt,
deren Producte würden hinreichen, den Bedarf von Coustantinopel
mehr als zu decken. In einigen Flecken werden regelmässige Messen
und Märkte abgehalten. So in Krajova (KralOwa) 4 ) und mehreren
')
£ S S Im Interesse der Feststellung- der gegenwärtigen Benennung so-
(£\S 0< u wohl dieses Ortes als der folgenden, mit einem Fragezeichen
versehenen, auf der österr. Generalstabskarte von mir nicht aufgefundenen Orte
habe ich mich an meinen hochverehrten Freund, den Herrn kais. Agenten und Gene-
ralconsul in Bukarest, Freiherrn von Eder, gewendet dessen mit dankeswerthester
Bereitwilligkeit angestellte Nachforschungen in dieser Beziehung jedoch nur insofern
Aufklärung boten, als selbe den Beweis herstellten, dass viele Örtlichkeiten in den
beiden Fürstentümern überhaupt heutzutage ganz andere Namen führen als jene
welche ihnen früher von den Türken beigelegt wurden. So mögen denn auch die
fraglichen türkischen Ortsnamen später durch andere rumänische ersetzt worden
und nunmehr in Vergessenheit gerathen sein.
2 ) 3 ) *) b'
Walachei, Moldau, Bessarabieu, die Krim, Taman und Asow. 1)1)1)
Orten an der Grenze von Siebenbürgen wo Kaufleute aus allen Rich
tungen zusammenströmen.
Minen.
Die Walachei bat mehrere Salzbergwerke die man Okna i)
nennt. Dort wird das Salz unterirdisch in grossen Stücken gebro
chen und zu Tage gefördert. Zum Betriebe werden auch Ver
brecher verwendet die dann auf Lebenszeit dort bleiben. Ferner
gibt es in der Walachei: Gold-, Silber-, Kupfer- und Bleibergwerke.
Eben so Erdpech-Quellen wo dieses Pech wie Wasser aus dem
Buden hervorfliesst. Mau füllt es in Schläuche und versendet es ausser
Land wo man es bei der Wageufabrication verwendet. Nahe bei
den Quellen halten sich Leute auf die auf Verlangen gegen ein
Trinkgeld von zwanzig bis dreissig Para die herausfliessende Masse
in Brand setzen welche dann mit grosser Heftigkeit auflodert, wäh
rend der Rauch in der Luft verschiedene Gestalten bildet, als da
Pferde, Kamele, Kioske u. s. w. was einen seltsamen Anblick gewährt.
Volkscharakter.
, Die Walachen sind von misstrauischer Gemüthsart und daher
zur Freundschaft durchaus nicht geeignet. Ihre Weiber sind aus
nehmend schön und werden hochgehalten, so dass die meisten
Geschäfte in deren Hand ruhen. Die Tracht ist der ungrjscheu
ähnlich, die Sprache ein Gemisch aus Slavonisch und Russisch 3 ).
Die Walachen sind kriegerisch und tapfer. Sie verstehen Bogen und
Pfeil, Flinte und Säbel zu handhaben. An ihren Fürsten (Woiwoden)
zahlen sie jährlich 100.000 Goldstücke. Das Kopfgeld welches sie
jährlich an die hohe Pforte abliefern, beträgt 100.000 Piaster.
Früher batte ausserdem jedes zehnte Haus jährlich je ein Rind an
den Fürsten abzustellen. Jetzt aber nimmt man ihnen monatlich je
ein Rind ab. Überdies zahlen unter dem Titel „Okarit“ je ein Rind
monatlich 20, je ein Schöps 10 Aspern Steuer. Rindvieh und
Hammel gibt es in der Walachei in so ausserordentlicher Menge,
dass man davon nach Russland, Polen, Ungern, Danzig, Böhmen,
') Lsjl
2 ) Die Unrichtigkeit dieser Angabe ist sattsam bekannt.
Freih. v. Sclilechta-Wssehrd
SS6
Schlesien, Österreich, Bosnien, ja bis Rom ausführt. Wachs,
Getreide, Fett und Salz jedoch gehen ausschliesslich nach Constanti-
nopel. Bei Eröffnung eines Feldzuges verfügt sich der Woiwode
persönlich an die Donau, um den Brückenschlag zu leiten. Er stellt
Pontons, Balken, Bauholz und Bretter bei. Statt eiserner Anker
bedient man sich viereckiger, an einander gereihter und mit
Steinen beschwerter Kisten welche mittelst 120—ISO Klafter
langer, aus Weinranken gedrehter und an die Pontons befestigter
Taue in die Donau versenkt werden und die Pontons in unbeweg
licher Stellung erhalten. Behufs des Transportes von Kriegsbedarf,
Munition und Gepäck der türkischen Heerführer liefern die Wa
lachen und Moldauer über sechstausend Fuhrwerke und Miethpferde.
Sie selbst führen im Kriege Säbel, Flinte, Lanze, Bogen und Pfeil.
Den Kopf bedecken sie mit einem Helme (Thuglugha). Die Mehr
zahl ist beritten, das Fussvolk trägt Schaufel und Spaten und zieht
dem Heere voran, um die Wege zu ebnen. Man nennt es Baldar.
Die Walachen eben so wie die Tataren schneiden ihren Pferden die
Nüstern auf, um ihnen das Athmen zu erleichtern. In früheren
Zeiten betrug das Contingent welches sie im Kriege stellten,
60.000 Mann Reiterei unter Anführung ihres Woiwoden. Sie sind
tapferund rasch in ihren Bewegungen. Der Woiwode wird, wie
bereits bemerkt, Seitens der hohen Pforte ernannt und vor seinem
Abgänge auf seinen Posten in Gegenwart des Sultans mit Pelz und
einem Janitscharen-Officiers-Helme bekleidet. Ein Tschausch der
dann den Dienst eines Fahnenträgers (Sandschakdar) versieht, zwei
Kämmerer (Kapitschi) und zwei grossherrliche Leihtrabanten (Peik
und Ssolak) begleiten ihn auf der Reise. In den Städten welche sie
passiren, schreiten die Kämmerer und Trabanten in feierlichem Zuge
voraus. Dasselbe Ceremoniel wiederholt sich bei dem Einzuge in
Bukarest. Dort wohnt dieses Ehrengefolge in eigens ihm angewie
senen Häusern, erhält Kleidung nebst Reisegeld und wird, nach
Empfang der hergebrachten Taxen, hochgeehrt nach Hause ent
lassen. Die Sporteln (Awa'id) welche der Woiwode zu entrichten hat,
betragen für den Grosswezir 100.000 Gulden (flori) und so weiter
nach diesem Verhältnisse für den Reis-Efendi und die übrigen Wür
denträger. Der Sultan erhält zum Bairam einen Zobelpelz, die Sul-
taninn-Mutter und der Harem Zobel-, Fuchs- und Hermelinpelze und
goldgewirkte Stoffe im Gesammlwerthe von mehr als 200 Beutel.
a
Walachei, Moldau, ßessarabien, die Krim, Tarnen und Asow. 557
Auch der Grosswezir und die übrigen Grosswürdenlräger erhal
ten bei Gelegenheit desselben Festes, ausser kostbaren Wolfs- und
Fuchspelzen nebst Tüchern und Stoffen, Geldbeträge und, je
nach der Jahreszeit, Naturallieferungen an Schmalz und Honig. An
den Fiscus zahlt die Walachei, wie bereits erwähnt, jährlich nur
100.000 Piaster. Da aber jeder neu ernannte Woiwode an Sporteln
1200 Beutel zu erlegen hat, übersteigt die jährliche Gesammtaus-
lage an solchen Gebühren den Betrag des an den Fiscus zu ent
richtenden Tributs um das Vierfache. Zur Zeit Sultan Soliman's war
die Walachei mit 48.000 und die Moldau mit 30.000 Häusern (im
Kataster) verzeichnet. Durch Bedrückungen der Woiwoden wurde
diese Zahl nach und nach vermindert. Zehn Bojaren welche im
Lande gewissermassen die Stelle von Prinzen (Kralzade) einnehmen,
sind die erblichen Besitzer des gesammten Grund und Bodens und
verfügen über das Volk beiläufig wie über Selaven. Jeder dieser
Bojaren treibt in dem ihm unterstehenden Bezirke die Steuern ein
und führt sie an die Cenfralcasse in Bukarest ab. Auch hat das
Land einen eigenen Finanzverwalter und Finanzsecretär welche
Rechnung führen über Einnahmen und Ausgaben. Der Woiwode ist
dort zu Lande eine Art von Grosskönig (Krali kebir). Jener der
Walachei steht im Range höher als der der Moldau. Der Erstere
hat den Rang eines Wezirs, der Letztere blos eines Beylerbeys.
Boghdan (die Moldau).
Dieses Land hiess ursprünglich Dacia ‘). Seine neuerliche
Benennung stammt von der dort gedeihenden Getreidesorte mit
schwärzlichem Fruchtkolben (kara boghdai), daher sein Namen:
Kara boghdan.
Grenzen, Volkscharakter, Städte und Orte.
Die Grenzen der Moldau sind: im Osten das schwarze Meer,
im Westen Siebenbürgen und die Walachei; im Süden theils die
*) des Originals scheint mir verschrieben für l>J
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. ßd. IV. Hft.
Freih. v. Schlechta-Wsselird
538
Walachei tlieils die Donau; iin Norden der Dniesfr (Turla). Die
Moldauer sind gewaltthätige und treulose Christen. Ihr Woiwode
wird eben so wie jener der Walachei von der Pforle ernannt. Seine
Residenz ist:
Jrtsch (Jassy).
Sie liegt nach Angabe des Atlas minor beiläufig unter dem
52. Längen- und dem 47. Breitengrade, hat Markthallen, ein Bad
und ein Schloss des Fürsten welches „Corte“ heisst. Auch finden sich
mehrere wohlgebaute Klöster daselbst; doch ist die Stadt im Ganzen
nicht so schmuck als Bukarest. Dagegen gibt es in der Moldau
manche andere sehr wohlerhaltene Städte und Flecken, als da:
Sudschaw f ) (Suczawa),
die alte Residenz, eine schöne Stadt.
Isniandsche 2 ) (Niamcz),
beiläufig zehn Meilen diesseits gelegen. Ferner
Kains ■") (Galaz),
an der Donau, hat gut gebaute Markthallen und einige prächtige
Klöster, jedoch kein Bad. Ein Serdar der Janitscharen hat dort seinen
Sitz und zwar ward derselbe auf Verlangen des dortigen Inspectors
der Fischerei und der Bojaren bestellt, um die zahlreichen Lazen
(Serben?) im Zaume zu halten die sich als Taglöhner dort ein
finden und häufig zu Raufhändeln Anlass gehen. Die Scala von Galaz
wird von Schiffen aus Constantinopel und Egypten besucht welche
Schlehdornholz (Kizldschik) laden das im letzteren Lande zu Klopf
stöcken (mathrak) verarbeitet wird. Nach Constantinopel verführen
sie Bauholz und Salz in Stücken. Auf der Strasse von Jassy nach
Chotin liegt am Ufer des Pruth:
') 2 ) 3 ) (jnach moderner Schreibart
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
SS9
Dschudschire ? *)
ein Getreide - Depot des osmanischen Fiscus. Dorthin werden
die in Rumelien und an den Donauufern aufgekauften Getreidevor-
räthe geschatft welche bestimmt sind, entweder hei Feldzügen gegen
Russland und Polen für die Armee, oder zur Verproviantirung der
Garnison von Cholin verwendet zu werden'. Das Getreide wird näm
lich bei Tomarova 2 ) (Reni), einem Dorfe am Ausflusse des Pruth in
die Donau, auf kleine Fahrzeuge und Flüsse geladen und zu Wasser
bis Dschudschire geschafft wosichaueh meistens ein eigener Proviaut-
Ihspector befindet der es in Empfang nimmt und im Depot unter
bringt. Die Entfernung von dort bis Chotin beträgt 42 Stunden. Von
Chotin selbst bis zum Pruth sind zwar (den kürzesten Weg an
genommen) nur sechs Stunden Weges, doch hindern an mehreren
Stellen gefallene Stämme die Schifffahrt, so zwar dass die Fahrzeuge
nicht so weit stromaufwärts fahren können. Der äusserste Punct bis
wohin selbe gelangen mögen, ist der Flecken Kanli köprii (Blut
brücke). Unweit von Dschudschire wurden vormals aus den Gruben von
Chan Tepe (Chans-Hügel) grosse Massen von Salniter gewonnen.
Nach Laz Mustapha Agha’s, des letzten Unternehmers, Tode meldete
sich jedoch kein neuer, so zwar, dass die Gruben durch einige Zeit
unbenützt blieben. Gegenwärtig aber soll, wie ich höre, dessen Sohn
sich wieder daran gemacht haben, sie auszubeuten und den Salniter
an das Münzamt zu Constantinopel und nach anderen Orten zu 40
Asper die Olcka ausverkaufen. Er hat nicht weniger als drei tausend
Untergebene die einzig und allein von ihm abhängen, dem Woiwoden
der Moldau keine Steuern zahlen und nach Salniter graben wo sie
nur immer mögen, müssten sie selbst zu diesem Zwecke den Grund
einer Kirche umwühlen. Die moldauischen Fürsten sind übrigens ge
schworene Feinde dieses fiscalischen Vorrechtes welches auflieben zu
machen sie nicht im Stande sind. Es konnte ihnen daher auch nur
im allerhöchsten Grade willkommen sein, als die Russen im Jahre 1132
(1739) Chotin einnahmen und auch Mustapha Aga starb, so zwar
dass der Betrieb der Salnitergruben, wie gesagt, eine Zeit lang
') *
-)
37 *
560
Freih. v. Schlechta-Wssehrd
unterblieb. Die Quantität des dort zu Tage geförderten Salniters ist
so bedeutend, dass sie die hohe Pforte jeden Bedarfes nach einer
anderweitigen Bezugsquelle überbebt und zudem ein Überfluss
erübrigt. Doch müsste, um die Sache gehörig auszubeuten, erstens
dem Unternehmer ein ausreichender Vorschuss an Geldmitteln
gewährt und zweitens auf die gegen den Betrieb überhaupt gerich
teten Einstreuungen der Woiwoden keine Bücksicht "genommen
werden, denn diese sind ohnedem wahre Feinde der osmanischen
fiegierung. Hat doch der Woiwode Michal als Entgelt für die
Schleifung von Chotin der Pforte 30.000, dem Mustapha Pascha,
Kiaja des früheren Festungscommandanten Jusuf Pascha, 150, dem
ehemaligen Defterdar der Stadt und gegenwärtigen Oberproviant
meister Mustapha Efendi 50 und dem Schreiber dieses der ich
damals Secretär war bei der Arsenalverwaltung und in der Finanz
kanzlei zu Chotin, 15 Beutel anbieten und das von ihm untersiegelte
Verzeichniss der angegebenen Bestechungssummen durch seinen
Agenten, Namens Jamaixji, dem Pfortenagenten des genannten
Defterdars zu Constantinopel, damaligem Archivsdirector in der
Besideriz, einhändigen lassen, wofür er auch noch am selben Tage
abgesetzt und der Pforten-Dragoman Ligor 2 ) an dessen Stelle zum
Fürsten der Moldau ernannt wurde. Dieser war aber ein noch weit
niederträchtigerer Ungläubiger als sein Vorgänger, indem er, kaum
in Chotin angekommen, es dahin brachte, dass die Festung den
anrückenden Bussen in die Hände fiel. Was aber verlor er dabei?
Hatte er doch zahlreiche Gönner in der Hauptstadt und begnügte
man sich doch damit nur seinen Bruder, den Pforten-Dolmetsch,
vor Alai Kösclik 8 ) hinzurichten, während er selbst sich noch heutzu
tage der besten Gesundheit erfreut.
Art und Weise den Salniter zu gewinnen.
Die Erde wird aufgegraben und über die Gruben ein langes
rinnenartig ausgehöhltes Brett gelegt worauf man die Fässer uad
Körbe stellt in welche die ausgeschaufelte Erde eingefüllt wird.
Auf diese giesst man dann heisses Wasser welches, unterhalb wieder
*) Michael Rakowitza.
2 ) Gregor Ghyka.
3 ) Ein Kiosk des Palastes von Topkapu in Constantinopel zwischen dem Serai-Thore
s ,ßabi hunnyun" und der heutigen Pforte des Grosswezirs.
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
S61
ablaufend, in Kessel geleitet wird wo man es umrührt und siedet,
worauf man Holzstäbe in die Kessel steckt an welche sich im Zeit
räume einer Nacht der Salniter in der Dicke eines Fingers ansetzt.
Um noch ausgiebigere Resultate zu erzielen, muss die Operation
mehrere Male wiederholt werden. Kein Land producirt besseren
Salniter als der hierortige. Das türkische Ärar bezieht ihn, wie er
wähnt, zum Preise von 40 Aspern die Okka. Soviel über Dschudschire,
um die Aufmerksamkeit für die Zukunft auf diesen wichtigen Punct
zu lenken.
Städte und Orte.
Gegen die moldauische Grenze zu, auf der Strasse nach Chotin
liegt, unweit der Station Stephaneschti*) ein Eichenwald welcher
den Namen „Polengehölz“ (Leb kurusi) führt. Dort fand nämlich vor
Zeiten zwischen Polen und Moldauern eine Schlacht Statt in welcher
die Letzteren siegten und den polnischen Anführer (Hetman)
gefangen nahmen. Man legte ihm ein Joch auf, spannte ihn vor den
Pflug und zwang ihn zu ackern. In die von ihm gezogenen Furchen
wurden dann Eicheln gesäet die seither zu mächtigen Stämmen auf
wuchsen. Daher die erwähnte Bezeichnung. Jenseits Stephaneschti
auf dem Territorium von Chotin am Ufer des Pruth liegt in einer
Ebene der Ort
Ak Mesdschid
mit einer von dem Gouverneur von Oczakow, Abdi Pascha, auf Für
bitte des tapfern Agha von Ak Mesdschid im Jahre 1130 (171S)
erbauten Moschee in welcher die Richtung der Gebetnische (Kibla)
durch den Schreiber dieses bestimmt wurde.
Jenseits dieses Ortes - und gleichfalls am Ufer des Pruth liegt
Kanli Köprü (Blutbrücke) wo die Lipkaner 2 ) ihren Sitz haben.
Es ist ein überaus wohlgebauter Flecken. Im Jahre 1137 m. Z.
(20. September 1724 — 8. September 1725) baute Kodscha
Mustafa Pascha dort eine Moschee. Von dort bis Chotin beträgt die
Entfernung sechs Stunden.
') iS*
Aaj IW AaJ
Freih. v. S c h 1 e c h t a - W s s e h r d
802
Chotin') (Choczim).
unter dem 80. Längen- und 48. Breitengrade auf dem moldaui
schen Ufer des Dniestr in einer Thalenge gelegen. Unterhalb der auf
einem Felsen gebauten alten Citadelle liegen in der Thalsenkung
neue Fortificationen sackförmig ausgebreitet. Innerhalb der genann
ten alten Citadelle befindet sich eine aus einer ehemaligen Kirche
umgewandelte Moschee, die Wohnung des Inspectors Uber das Fuhr
wesen (Dschebedschibaschi), jene des Grenzhüters (Dizdar), die
Kasernen der Artilleristen und die Häuser des Imam und des Gebet
ausrufers. Diese alte Festung ist mit viel Kunst und Geschick ange
legt. Die Erdgeschosse enthalten Magazine aus welchen gemauerte
Gallerien und Gänge in’s Freie führen. Zu den sehr hübschen Wohn
zimmern der Garnison steigt man, wie zu Minareten, auf Stiegen
empor. Dieselben sollen, wie die Sage geht, einst zu einem Mädchen-
Serai (Kiz Seraji) gehört haben. In der Mitte dieser alten Citadelle
ist ein dreihundert Klafter tiefer, in harten Fels gegrabener Brun
nen der vom Dniestr gespeist wird. Die Festung steht unter talis-
manischen Einflüssen, indem weder Scorpione noch Schlangen und
ähnliche schädliche Reptilien, noch auch Hühner und Tauben daselbst
am Leben bleiben. Letztere müssen daher von aussen zugeführt
werden. Innerhalb der Citadelle zurückbehalten, stehen sie nach ein
paar Tagen um. Eben so sterben Schlangen die zufälliger Weise auf
Heuwägen hereingebracht werden, alsogleich, sobald sie den Boden
berühren. Die Tbürme sind sehr hoch, nützen aber wenig, da sie von
umliegenden höheren Puneten so sehr dominirt werden, dass man sie
von der ausserhalb gelegenen Position wo das Residenzschloss des
Pascha steht, mit Handgranaten bestreichen kann.
Die ausserhalb des alten Castells neu aufgeführte Festung hat
vier Thore: das von Constantinopel, das von Temeswar, das Wasser
thor und das „heimliche“ Thor a ). In dieser äusseren Festung finden
sich zwei Bäder; zwei Moscheen und, nahe am Constantinopolitaner
Thore, zahlreiche Markthallen; ferner gegenüber der innern Cita
delle in der Thalenge ein Bad, die Pforte des Janitscharen-Agha’s,
unweit derselben die Moschee des Janitscharen-Agha’s (Aga dsclia
') 2 )
Walachei, Moldau, ßessarabien, die Krim, Tainun und Asovv.
503
missi) und die Kasernen der Janitscharen, endlich am Saume ‘) der
Thalenge das Pulvermagazin"! Höher, nahe beim Constantiuopolitaner
Thore, liegen : das Serai des Pascha und gegenüber das Haus seines
Rathssecretärs (Diwan Efendi). Diesem letzteren gegenüber befindet
sich das prächtige und reich bemalte öffentliche Bad des Defterdar
Kasim Efendi welches den Bädern in Stambul ähnelt; ihm gegenüber
eineFontaine und die Moschee der verstorbenen Sultaninn-Mutter, nahe
dabei das Tribunal (Mehkeme) und der Friedhof wo Abdi Pascha 2 )
begraben liegt. Auch ruhen mehrere Defterdare dort und Ober-
controlore (Mokabeledschi). Gegenüber dem Moscheenthor lag die
Wohnung des Verfassers wo er im Jahre 1136 (1723—24) seinen
Sohn verlor auf dessen Tod er ein Chronogramm anfertigte und selbst
auf dem Grabstein einschrieb. Auch schlummern mehrere fromme
Männer auf demselben Friedhofe. Abdi Pascha’s Ruhestätte war mit
einem schön gearbeiteten und reichverzierten Sarkophage aus Marmor
bedeckt. Der darauf angebrachte Wezirs-Turban (Kaiewi) war ver
goldet. Die russischen Ungläubigen jedoch, als sie die Festung in Be
sitz nahmen 3 ), rissen die Bleidachung und das Pflaster der Moschee
auf und zerschlugen aus Verachtung auch jenen Sarkophag Abdi Pa
scha’s. Innerhalb des ConstantinopolitauerThores, rechts, liegen Kaser
nen der Artillerie und des Fuhrwesens, die Wohnungen ihrer Agha’s
und das Serai des Defterdars; z^-Linken trifft inan eine geräumige
und schön gebaute Getreidevorrathskammer die weder im Innern Rume-
liens, noch in den Scalen (Eskele), noch auch in anderen Festungen
ihres Gleichen findet. Die Bretter aus welchen sie gebaut ist, wurden
auf Veranlassung des Verfassers, laut höheren Befehls, von dem Woi-
woden der Moldau geliefert, sind aus,auf den dortigen Bergen gefäll
tem Eichenholz, 24 Pik (Siraa) lang, zwei Spannen breit und eine
halbe Spanne dick. Anstossend an dasBad des Defterdars KasimEfendi
liegen eine hübsch gebaute Schule und ein Verkaufsgewölbe. Die
Vorstadt ist sehr weitläufig. Dort in der Nähe des Serai’s Kultschak
Pascha’s befindet sich die aus einer Kirche umgewandelte Moschee „Aja
Sofia“; in der Mitte des Marktes die Moschee des Defterdars Mustafa
Efendi, endlich, ausserhalb der Verschanzungen der Vorstadt in dem
1 ) *1 (fehlt bei Meniaslti).
2 ) Der später mehr erwähnte Seriasker der Moldau.
3 ) Am 31. August 1739.
564
Freih. y. Schlechta-Wssehrd
Viertel wo die Lipkaner wohnen, die Moschee Atak dschamissi.
Die Professoren, Imame, Prediger, Korhnleser, Küster und Gebet
ausrufer dieser letzgenannten Moscheen erhalten ihre Besoldungen
vom Ärar und zwar aus den Mauteinkünften von welchen sie der
Defterdar allmonatlich in Abzug bringt. Aus derselben Quelle werden
die Beleuchtungskosten dieserGotteshäuser bestritten. Ausserdem gibt
es noch viele kleine Moscheen die sich durch Spenden wohlthätiger
Private erhalten. Jene ersterenaber sind sogenannte grossherrliche Mo
scheen und das Freitagsgebet wird dort abgehalten. Bäder gibt es im
Ganzen neun. Auf den wohleingerichteten Märkten sind Zünfte aller Art
vertreten. Der Markt selbst ist zum grössten Theil überdacht. Als die
Bussen die Stadt nahmen, plünderten sie ihn und trieben ausserdem,
wie versichert wird, noch an Baargeld und Waaren 25.000 Beutel
zum Besten ihrer Regierungscassa ein. Einem einzigen Kaufmanne
Namens Simon wurden, seiner Aussage zufolge, allein baare
600 Beutel abgenommen. Die alte Citadelle von Chotin wurde zuerst
im Jahre 1030 (1621) von Sultan Osman (II.) in Besitz genommen, aber
ihrer Entfernung von der Hauptstadt halber, den Woiwoden der
Moldau überlassen. Unter Sultan Ahmed (III.) wollte der später im
Kampfe gebliebene Ali Pascha *) den Stanislaus zum König von
Polen erhoben wissen zu welchem Zwecke im Jahre 1125 (1713)
60.000 Mann türkische Truppen unter dem Seriasker Abdi Pascha
und dem Chan der Tataren Kaplan Gere'i gegen Dsehudschire vorrück
ten 3 ). Doch ward der Sache nicht weiter Folge gegeben, da seitens
der ungläubigen Österreicher schriftliche Einsprache erfolgte und man
die bestehenden Tractate nicht verletzen wollte. Damals wurde die
alte Citadelle von Chotin mit einem neuen Erdwalle umgehen den
man später durch einen aus Stein ersetzte. Da selbe aber verhält-
nissmässig tief liegt, kann sie feindlichem Feuer unmöglich Stand
halten. Die Chronogramme über dem Constantinopolitaner dem
Temeswarer und dem Wasser-Thore sind von Üschanbaz-Zade aus
Adrianopel, Gold auf Lasur, im Taalik-Zuge geschrieben. Jenes über
dem erstgenannten Thore ist von Schehid Ali Pascha 3 ) verfasst. Zur
Zeit der Beendigung der Festungsarbeiten war der Schreiber der
J ) Damad Ali, auch Schehid Ali, Günstling und Grosswezir Ahmed des Dritten, fiel vor
Peterwardein im Jahre 1716.
5 ) So, und nicht „Gerai“ oder „Girai“ hörte ich den Namen von Tataren aussprechen.
s ) Der oben genannte Grosswezir.
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
565
vorliegenden Zeilen Secretär im Departement des Munitionswesens
zu Chotin. Abdi Pascha der eben zum zweiten Male aus Egypten
zurückgekehrt und während seines Aufenthaltes zu Chotin zum Gou
verneur von Oczakow und Seriasker ernannt worden war, befahl, die
Gelegenheit durch ein Chronogramm zu feiern welches, zwölf Verse
laug, von mir verfasst, in Stein gegraben und vergoldet wurde. Ein
anderes verfasste ich und schrieb es auf Marmor für das Portale des
„heimlichen Thores“ wofür ich von der Garnison 200 Aspern an Lohn
nebst einem halben Beutel und einem schönen Gewände als Ehrenge
schenk erhielt. Aus der Verlassenschaft des unter S. Ahmed (I) hin-
gerichteten Nassuh Pascha 1 ) wurden dreihundert drei und dreissig
Stück werthvolle Bücher als Stiftgut (Wakf) nach Chotin zum
Gebrauche der dortigenLeser abgetreten und in einem derThürmeder
alten Citadelle oberhalb der Moschee in eigenen Kästen untergebracht.
Auch wurden ein Bibliothekar und Aufseher darüber bestellt. Ebenso
befunden sich in der Moschee des Janitscharen-Agha's unter Aufsicht
eines besonders hierzu ernannten Bibliothekars, 200 Bände welche
der Janitscharen-AghaEwliaHasan dorthin gestiftet hatte. Sämmtliehe
Bücher aber wurden von den Russen geraubt und nach Russland
gebracht wo sie theils in Verlust, theils in die Hände der Juden
geriethen welche einige davon dem dort gefangen gehaltenen Jahia
Pascha 2 ) brachten der sie um einen Spottpreis erstand. Andere
wurden durch die Lipkaner den Juden abgehandelt und dann in
Constantinopel und anderswo verkauft. Ein grosser Theil derselben
jedoch befindet sich noch heutzutage in Russland. Im Nordwesten
von Chotin, gegenüber dem Fort von Svaniec (auch Svancze) s ),
bei dem „Atak“ 4 ) genannten Orte, hat der Defterdar von Chotin,
Mustafa Aglia, einen Jahrmarkt gestiftet und zu diesem Zwecke
einen grossen Kiosk am Ufer des Dniestr, ein Zollhaus, Kaufläden
für die Handelsleute und Ställe für die Pferdehändler erbaut welche
letztere den grösseren Theil der Messbesucher ausmachen. Auch
sind dort fünfzig Weinhäuser wo polnische Musikanten und hübsche
Freudendirnen ihren Wohnsitz aufgeschlagen haben. Zwanzig
! ) Im Jahre 1614.
2 ) Siehe Hamme r - Purgstal Ps Geschichte des osm. Reiches. Bd. VII, S. 604.
3 )
4 ) Das Otaki oder Otoki der Karten.
566
Freih. v. Schlechta-Wssehrd
Janitscharen sorgen für Aufrechthaltung der Ordnung. Dieser Markt
findet siebenmal im Jahre Statt. Später, als die (türkische) Regie
rung davon Kunde erhielt, wendete sie die Zolleinkünfte desselben
als Fruchtgenuss einem Secretär des Diwans und anderen Würden
trägern zu. Gegenwärtig bilden dieMauth von Chotin und dasErträg-
niss des besagten Jahrmarktes eine Dotation (Cliass) des Gouver
neurs. Vor der russischen Eroberung war der Aufenthalt in Chotin
wohlfeil. So kosteten zwei Kilo Gerste einen Para, 1500 (?) Okka vom
besten Mehl einen Piaster, 25 Okka Butter einen Piaster. Von pol
nischem Tuche wurde der Pik zu 15 bis höchstens 40 Para verkauft.
Feinen Wolfspelz (Dschulkafa) erhielt man um 20 — 30 Piaster,
Fischotter um 2 Aspern das Fell, Hermelin um 8 Para, russischen
Fuchs um 40 — 50 Para. Leiztere Gattung führten die Kosacken in
Lasten umher. Ehen so Fuchspelz von den Halstheilen (Nafe). Petit-
gris-Pelzwerk (Sindschab) verkauften die polnischen Kaufleute zu
2 Piaster den Thulum Qund baten noch, dass man es abnehme, denn
jeder Winkel war voll damit. Thee, Bernstein, Ingwer, Gewürz
nelken undMuscatnüsse wurden in grosser Menge in Handel gebracht.
Zimmt, Gewürznelken und Muscatnüsse kosteten bei den Gewürz
händlern 4 Piaster die Okka. Goldgespinnst war von drei Sorten zu
haben, die beste Sorte zu 80, die zweite zu 45 — 50 Piaster, die dritte
Sorte noch wohlfeiler. Auf den Bezug von Thee, Schnüren und Bern
stein von dorther machte der Schreiber dieses die Pforte zuerst
aufmerksam. Namentlich fand der polnische gedruckte Ziz (Dschit)
von dort aus Eingang nach Constantinopel. Vom Ziz kostete der Pik
10 Para, vom besten 40 Aspern.
Das Klima von Chotin ist sehr gut, das Wasser klar; Quellen
sind häufig, eben so smaragdgrüne Berge und Eichenhaine. Früchte,
als da: Äpfel, Birnen und Pflaumen, gibt es in Menge und von aus
nehmender Güte. Eine Gattung schwarzer Pflaumen (Zwetschken?)'
ist so leicht verdaulich, dass man Morgens bei nüchternem Magen
getrost 500 Stück davon verzehren mag. Die Kenie springen von
selbst heraus. In den Niederungen gedeihen Erdbeeren und eine
andere Gattung von Beeren (Himbeeren) die im Polnischen „Malina“
genannt wird. Der Strauch auf dem sie wächst, gleicht dem Strauche
*) Thulum heisst das Einheitsinass dessen mau sich heim Verkaufe von
Pelzwerk bedient.
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
567
der Rose, ihr Blatt dem Blatte der Johannisbeere. Sie duftet süss
wie Moschus, wird nach Stambul gebracht und dort in eigenen
Töpfchen verkauft. Die im Übermasse vorhandene wilde Weichsel
erreicht die Grösse einer Nuss; dieselbe reift später als die Garten
weichsel. Auch die Stämmchen der wilden Rose (Jer güli) erreichen
die Dicke eines Fingers. Die nächste Umgegend Chotins wird durch
Zier- und Gemüsegärten verschönert. Kirschen und Weichsel, letz
tere noch besser als die Gattung der Kathirli Q genannten Weichsel
finden sich dort in Massen. Dank der guten Luft, fehlen Fieber und
derlei Krankheiten gänzlich. Eigenthümlich ist, dass das Getreide
nur ungedroschen aufgespeichert 3 ) bewahrt werden kann. Wollte
man es, wie dies in anderen Ländern der Fall, dreschen und so in
die Scheune bringen, würde es noch vor Monatsfrist in Gährung
geratlxen und faulen. Manche Garben liegen so (ungedroschen) seit
zehn Jahren. Der Viehstand der Bewohner war vormals so bedeu
tend, dass ein einziger Janitschar 40.000—50.000 Hammel besass.
Ein Hammel kostete nämlich nicht mehr als 8 — 10 Para. Dieselben
überwintern auf dem Schnee, eben so das Rindvieh welches keinen
Stall kennt. Zur Zeit der Lammung konnte man ein Lamm um
8 Para ankaufen und überdies dessen Fell um 20 Para an den
Kürschner ahsetzen, denn die dortigen Schafe gehören zur Gattung
der langschwänzigen (Kiwirdschik). So hatte man einen Lammsbraten
zur Speise und noch 12 Para Gewinn. Gegenüber dem Fort von
Akub s ) liegt Atak (Otok), ein hochgelegener reizender Platz der
seines Gleichen sucht, an dessen einem Abhange Quellen, ähnlich
den Paradiesesfluthen, aus der Erde hervorrauschen. Kemankesch
Ahmed Agha, Kiaja und Eidam Mustafa Pascha’s 4 ), Iiess ihn so her-
richten. Etwas rechts davon in einer Biegung liegt das Thal von
Kiredsch-chane (Kalkhaus, Kalkofen), gleichfalls ein äusserst lieb
licher Ort mit duftigem Eichenscbatten. Auch die Höhen umher sind
reich an lebendigem Wasser. Eine der dortigen Fontainen rührt vom
*) Lls (Maultliiei •-Weichsel).
2 ) Abi
3 ) v-^AC, (las Okopi der Karten.
4 ) Wahrscheinlich der schon früher erwähnte Defterdar von Chotin.
568
Freih. v. Schlechta-Wssehrd
Saghardschibaschi Kim oghlu Mehmed Aglia her. Das Chronogramm
auf dem Brunnensteine ist von mir verfasst, geschrieben und eingemeis-
selt. Ein Fluss, gebildet aus den rings umher entspringenden zahl
reichen Quellen, durchströmt das Thal. Waldige Höhen begrenzen es
von beiden Seiten. Einige der in den besagten Bergen entspringenden
Gewässer sind kräftig genug, für sich eine Mühle zu treiben. Auf den
Feldern wächst Iris coelestis wild. Auch gedeihen gelbe Rüben.
Lachende Flächen wechseln mit Gärten und eichenbewaldeten Anhöhen.
Die Äcker werden mit Getreide (der schwärzlichen Gattung Kara
boghdai) und mitMohn besät. Aus dem Mohnsamen bereitetman Mohnöl,
aus Getreidemehl eine Art von Pilaw, ähnlich dem Muse aus Gersten
graupen, und verzehrt dieses Gericht, indem man den Löffel womit man
es isst, in Mohnöl taucht. Der Mohn erreicht bisweilen die Grösse
eines Granatapfels. Die Kinder pflegen einen, zwei Köpfe davon in
die Schule mitzunehmen und den Samen als Leckerbissen zu ver
zehren. Ein anderes einheimisches Gericht welches man Perhu ’)
nennt, hat auch in Constanlinopel Anwerth gefunden. Was die Lip-
kaner betrifft, so sind 6000 davon seinerzeit aus Polen nach Chotin
eingewandert und haben dort unter ihren Bairak-Agha’s häufig Sol
datendienste genommen. Heutzutage aber sind die meisten der von
ihnen besetzten Agha-Stellen eingegangen. 18 Stunden von Chotin
auf moldauischem Territorium gegen Bender zu am Dniestr liegt.
Sowarika 3 ) (Soroka),
ein kleines, aber festes Castell auf einem hohen Berge. Kaplan
Pascha belagerte es, konnte es jedoch nicht nehmen, denn es ist
eine sehr steil gelegene und feste Burg. Nahe dabei:
Ladowa 8 )
wo Jahrmarkt gehalten wird.
Lewlsche 4 ) (Leowo),
auf dem Wege nach Akkerman mit einem Castell.
Ein Versuch der Vereinigung der russischen mit der römischen Kirche. 569
Eoniania 1 ) (Roman),
eine Stadt auf dem Wege nach Chotin. Unweit davon Baku
(Baken) 3 ). Nahe hei diesem Adschud (Adzsut).
©dobeschti 3 ),
zwischen Leowo und der Donau bis zu welcher noch eine Tag
reise.
Takusch 4 ) (Tekutsch),
eine Post vom Seretb entfernt. Eine Post von dort Birlat 5 ) und
Waslui 6 ).
Isnatin 7 ) (Snyatin),
12 Stunden von Chotin gegen die siebenbürgische Grenze, ein
beträchtlicher Ort mit einem bedeutenden Jahrmärkte der selbst in
ungünstigen Fällen 200 Beutel ab wirft. Zur Zeit, als die Festung
von Chotin gebaut wurde, floss der Ertrag dieses Jahrmarktes in die
Casse dieser Stadt deren Defterdar ausserdem noch auf mehrere
andere Jahrmärkte die Hand legte welche ihrerseits 80 Beutel ein
trugen. Später aber iiberliess die Pfortenregierung selbe an die
moldauischen Ungläubigen. In der Moldau werden im Ganzen an
17 Orten Jahrmärkte abgehalten deren Ertrag allein hinreicht, den
Tribut an die Pforte zu decken. Das Land zwischen Dniestr, Pruth,
Chotin, Bender und Ismail an der Donau ist in 16 Districte getheilt.
Wollte man es den Tataren von Bessarabien gegen Entrichtung des
gesetzlichen Zehents überlasseu, wäre man einerseits gegen einen
feindlichen Übergang über die Donau und nicht minder gegen die
bösen Anschläge der Moldauer selbst sichergestellt. Auch die
Sicherheit der Festungen könnte bei einem solchen Wechsel nur
gewinnen; eben so wenig würden die Einkünfte welche der osma-
nische Staatsschatz aus der Moldau bezieht, darunter leiden denn,
570
Freih. v. S c h 1 e c h t a - W s s e h r <1
wer immer das Land besitzen mag, er wird eben so viel zu leisten im
Stande sein und ausserdem noch für sich erübrigen. Zahlt doch die
Moldau an jährlichem Tribut (Miri) an die Pforte nicht mehr als
5S.000 Piaster und liefern doch die Jahrmärkte allein einen ungleich
höheren Ertrag. Die Gesamintbevölkerung der Moldau beläuft sich
auf 150.000 Rajah. Die von ihnen monatlich zu entrichlende Abgabe
heisst Okarit. Ferner liefern sie an die Pforte jährlich 500 Stück
Pferde und Falken. Mit Hinsicht auf die Kriegführung gleichen sie
den Walachen. Sie sind verrätherisch und gewaltthätig, aber auch
kriegstüchtig. Ihren Woiwoden beschützt eine GardevonSOO Reitern
und eben so viel Mann Fussvolk, denn das Landvolk ist, wie gesagt,
von gewalttätigem Naturell. Zehntausend (?) Mann Cavallerie sind
jederzeit in Bereitschaft. Sie haben ihre eigenen Lehen. Gegen
Siebenbürgen zu liegen Gold-, Silber- und Salzbergwerke welche
Okna heissen. Das Salz gewinnt man in grossen Stücken. Schafe,
Rindvieh und Pferde sind überaus zahlreich. Unter die Fruchtgat
tungen welche die Moldau erzeugt, zählt auch eine Gattung Äpfel
die Domaneschti *) genannt und geschenkweise nach Hof versendet
wird. Diese Art Äpfel ist gross und dem feinsten Zucker vergleich
bar. Die Woiwoden pflegen ihren Sühnen eine eigene Marke
(Stämpel) aufzudrücken, um sie für ihr späteres Alter als Beyzades
(Söhne von Beys) kenntlich zu machen. Einstens gehörte die Mol
dau zu Ungern, dann zu Polen; später wurde sie durch die Pforte
erobert.
Verzeichniss der Ortsentfernungen in der und durch die Walachei und
Moldau.
Von Akkerman am schwarzen Meere bis nach Leowo an der
Grenze der Moldau eine Station 3 ); dort wird der Pruth übersetzt;
von dort nach Jassy eine Station. Nächste Station: Suezava.
*) I). i. Herrenäpfel (von Dominus hergeleitet).
2 ) Wie viel Weges auf eine Station (menzil oder Merhele) gerechnet wird, ist nicht
angegeben.
Walachei, Moldau, Bessarnhien, die Krim, Taman und Asow.
371
Von Nicopoli nach Rustschuk oder dem gegenüber liegenden
Ginrgevo eine Station, von dort nach Bukarest 12 Stunden, von dort
nach Kokureschti (?) eine Station.
Von Silistria über die Donau nach Dsbhukenesch 0 (Kikinez?)
eine Station, von dort nach Baldu? 2 ) eine Station, von dort bis zum
Sereth eine Station, von dort nach Birlat ebenfalls eine, von dort
nach Wuslui idem, von dort nach Kotnar? Totnar 3 )? idem, von dort
nach Suczava eine Post.
Von Giurgevo nach Chotin: Erste Station: Budanesch (Bu-
deschti) 4 ); zweite Station Bukarest; dritte Station Korseheschti (?);
von dort nach Buze (Buszeo) zwei Meilen, von dort nach Rumnik
dritthalb Meilen, von dort nach Zebrudsch 5 ) (?) eben so viel, von
dort nach Fokschan (Foschan bazari) 6 ) eine Station. Dort ist die
Wassergrenze zwischen Moldau und Walachei welche letztere auch
hier Zoll behebt. Von dort nach Adschud vier, von dort nach Bakeu
ebenfalls vier Meilen, von dort nach Romania (Roman) idem,
von dort nach Sebus (?) 7 ) idem, von dort nach Suczawa sechs
Meilen, von da nach Sereth ebenfalls sechs Meilen, von da nach
Kozo (?) 8 ) eilf Meilen, von da über den Pruth nach Chotin fünf
Meilen.
Von Bender nach Chotin rechnet man 64, von Ismail 105 Stun
den, eben so viel von Chotin nach Kili (Kilia). Der Weg von Chotin
aus führt über Kanli köprü nach Ak Mesdschid, von dort durch den
Engpass „Jaman Jol“ nach Bender, Kili und Ismail.
*) 2) dü) b 3) J oder <>) ( _j~J 1 5 )
“) 7 ) oievjjy
1)72
Freih. v. Schlechta-Wssehrd
•? -all* 4
Budschak (Bessarabien).
Dieses von der Moldau getrennte Land hiess vormals Serab
und führt jetzt den Namen Budschak. Seine Länge beträgt 36, seine
Breite 16 Meilen. Seine Grenzen sind: östlich das schwarze Meer,
nördlich der Dniestr, südlich die Donau, westlich die Moldau. Es ist
eben und fruchtbar. Die Tataren welche es bewohnen, sind überaus
wohlhabend. Jeder derselben besitzt grosse Heerden von Hammeln,
Rindvieh, Pferden und Stuten die man Dschalgi J ) nennt, und
zweihöckerige Kameele. Letzteren legen sie Joche auf und verwen
den sie zum Ackern und zum Ziehen von Wagen. Korn, Gerste und
andere Getreidearien gedeihen im Überflüsse und werden auf solchen
Kameelfuhnverken nach den nahe gelegenen Plätzen Kili, Ismail,
Akkerman zum Verkaufe gebracht. Schafwolle gibt es in solcher
Menge, dass der Verfasser im Jahre 1134 (1721 — 1722) zu Kili
von einem dieser tatarischen Wagen 120 Okka um einen Piaster
erstehen konnte wonach die Okka auf nicht mehr als einen Asper zu
stehen kam. Gegenwärtig aber haben sie gelernt, dieselbe auch
nach Polen abzusetzen, so zwar, dass nunmehr die Okka auf zwei
Para zu stehen kommt. Überdies geht viel davon nach der mittler
weile neu entstandenen Tuchfabrik in Bukarest wo gutes Tuch pro-
ducirt wird. Dasselbe ist von blauer Farbe. Um es roth zu färben,
schickt man es nach Sistowa. Der Pik kostet 30 Para. Sogenanntes
albanesisches Getreide (Arnaud boghdai), eine Fruchtart mit klei
neren Ähren als das gewöhnliche Getreide, gedeiht in grosser Menge
und Güte. Milch, Jourt (gesäuerte und gestockte Milch) und Fett
werden nach Constantinopel gebracht. Armenier und Mohammedaner
aus Akkerman, Kili und Ismail, bekannt unter dem Namen Kirdsehi 3 )
(Feldhändler), bringen letztere Artikel von den Producenten selbst
an sich, indem sie selben Geld vorstrecken, und versorgen jene Orte
damit. Auch Kaufleute betreiben den Handel mit Fett. Sie mischen
dasselbe mit dem Schweiffett von Fettschwanzschafen, füllen es in
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
573
Krüge und Schläuche und führen es nach Constantinopel. Manche
besonders unternehmende Tataren bringen es auch persönlich in den
Handel, statt es dem Speculanten zu überlassen. Jourt der besten Sorte
wird in Bottichen zum Verkaufe gebracht und die Okka zu einem
Para abgesetzt. Das Land Budsehak bildet den Eingang zur grossen
Steppe von Heihat. 20 Posten Weges entlang findet man dort auch nicht
einen Stein von der Grösse eines Ringsiegelsteines, noch auch einen
Baum von der Länge eines Fingers. Die dortigen Bewohner heizen
daher im Winter ihre Öfen mit den Excrementerr von Rindvieh und
Schafen welche sie mit Stroh mengen, daraus Ziegel kneten und
diese trocken legen. Ein anderes Heizmaterial liefert das Schilfrohr
welches in den zahlreichen Sümpfen und stehenden Gewässern reich
lich vorkommt, im Winter, wenn diese gefrieren, von den Tataren
geschnitten und zum erwähnten Gebrauche wagenweise verkauft
wird. Packsättel gebraucht man hier zu Lande für die Kameele
nicht, da diese, wie gesagt, zweihöckerig sind. Dass diese Tataren
eben hier angesiedelt wurden, erklärt sich aus dem Wunsche, das
Land vor feindlichen Einfällen zu schützen. Sie stehen unter der
Gerichtsbarkeit eines vom Tataren-Cban in der Krim eingesetzten
Agha, welcher den Titel Jali Agha (Agha des Litorales) führt. Auch
sie haben ihre eigenen Prinzen (Sultane) und ihren Adel (Mirza's).
Sie zerfallen in verschiedene Horden von welchen jede ihre eigenen
Mirza’s hat die von der Horde erhalten werden. Wenn sie zu Felde
ziehen, marschiren sie in einzelnen Corps welche Kazan (Kessel)
genannt werden, unter Anführung ihrer Mirza’s. Die Vorbereitungen
zum Feldzuge beginnen damit, dass sie die Pferde eintreiben
(at baghlarlar) welche gewöhnlich frei in der Steppe weiden. Diese
werden dann 40 Tage lang mit Gerste gefüttert. Ihre Rathsver
sammlungen heissen Jenisch, d. h. die weiten. In denselben führen
nur die Alten das Wort. Einmischung von Jungen gilt für unan
ständig. Den Ulema und frommen Männern bezeugen sie hohe
Achtung. Jeder Bezirk hat seinen Kadhi der vom Chan eingesetzt
wird und nur im Falle von Richtersprüchen welche dem heiligen
Gesetze zuwiderlaufen, abgesetzt werden darf. Diese Kadhi’s sind
gerechte Richter. Sie nehmen nicht, wie die osmanischen zu thun
pflegen, Sporteln unter den verschiedensten Titeln, als da: Aadi
Resm, Ihzarie, Kudumie, Muhsirie, Tschokadarie u. s. w., sondern
begnügen sich nach gefällter richterlicher Entscheidung mit dem
Silzli. d. phil.-hist. CI. XL. lld. IV. Hft. 3g
574 Freih. v. S c.h I e c h t n - W s 8 e hr d
was man eben geben will, und wären es z. B. auch nur fünf Para für
eine eingetriebeue Forderung im Betrage von 1000 Piaster, ja sie
fragen diel) wohl gar, ob du die Kleinigkeit gerne gegeben hast.
Jeder Kadhi wird von der Horde erhalten der er angehört. Die
Zahl der ursprünglichen tatarischen Ansiedler betrug nicht mehr
als 10.000. Heutzutage jedoch stellen Bessarubien 30.000 und die
Noghaiensteppe (Ulu Noghai) 40.000 waffenfähige und kampftüch
tige Männer. Der Zahl nach ist diese Kriegsmacht nun allerdings
nicht bedeutend, da sie aber aus tapferen und sehr streitlustigen
Individuen besteht, wird sie gleichwohl von den Russen, Polen und
Ungern gefürchtet. Die Raubzüge nach Russland werden meistens
im Winter unternommen wo alle Wasser gefroren sind. Genommene
Städte und Ortschaften werden ohne Schonung niedergebrannt, ihre
Bewohner als Gefangene fortgeschleppt. Die Beute überhaupt nennen
sie Thojumluk. Sobald der Kriegsruf ertönt, sei es nun, dass auch
die Tataren der Krim mit aufgeboten werden oder nicht, bestimmen
sie eine Frist innerhalb welcher sie aus den verschiedenen Rich
tungen gleichzeitig aufbreehen. Wer immer zwei Pferde sein nennt,
folgt, oft hundert Meilen weit, und eilt an den Ort des gemeinschaft
lichen Stelldicheins. Dort halten sie eine allgemeine Versammlung
die sie Chosch-Jenisch nennen und rücken dann in getrennten Hau
fen, doch immer so, dass die einzelnen Abtheilungen sich nicht zu
weit von einander entfernen, vorwärts. In der Mitte marschirt der
oberste Anführer den sie Dib Alai betiteln, sei es nun der Chan der
Krim selbst oder einer ihrer Prinzen (Sultane). Ihr Proviant wel
chen sie mit dem Gesammtnamen Aghirlik, d. i. schweres Gepäck,
bezeichnen, besteht in Hirsemehl das dortlands Talkan genannt
wird. Spione gehen in allen Richtungen aus, um Kundschaft einzu
ziehen. So dringen sie über den Dniestr und über den Bug in das
Land-der Kosacken ein, geleitet von eigenen Wegweisern deren
Beschäftigung sich vom Vater auf den Sohn forterbt. Ein solcher
Wegweiser erhält seine geheime Parole und eine Peitsche in die
Hand mit welcher er dem Heere vorauszieht. In Feindesland einge-
troffen, streifen sie zwei Tage lang, rauben was sie nur immer fin
den und kehren wieder um. In den meisten Fällen verbarricadiren
die Ungläubigen die Engpässe mittelst Wagenburgen hinter welchen
sie Schützen aufstellen, um die Tataren zu hindern, Gefangene weg
zuführen. Solche Hindernisse nun pflegen die Tataren entweder mit
Walachei, Moldau, ßessarabien, die Krim, Taman und Asow. 575
stürmender Hand zu beseitigen, wenn dies überhaupt möglich; wo
nicht, hauen sie ihre sämmtlichen Gefangenen nieder und streifen in
einer andern Richtung. Sehen dann die Ungläubigen, dass sie auf
diese Art nicht zu widerstehen vermögen, machen sie die gesperrten
Wege wieder frei. Während des Auszuges in den Krieg herrscht
unter den Tataren die grösste Mannszucht. Kein Zahnstocher geräth
in Verlust; auf der Rückkehr hingegen rauben sie was ihnen nur
immer in die Hände geräth. Über die Gefangenen führen sie regel
mässige Verzeichnisse und vertheilen sie unter sich nach den be
stehenden Vorschriften. Niemand wird hierbei irgendwie beein
trächtigt. Flüsse übersetzen sie, indem sie langes Rohr zu Flössen
zusammenbinden, auf diese ihr Gepäck laden und sie an den Schweif
ihrer Pferde binden, worauf sie diese nackt besteigen und, die
Peitsche in der Hand, durch das Wasser schwimmen. Die Tataren
ziehen Winterfeldzüge vor, weil dann die Wasser mit Eis
bedeckt und die Feinde weniger leicht beweglich sind. Ihre
Tracht besteht in Pelz und Hosen aus Schaf- oder Wolfsfell.
Diese Tataren bekennen sich durchaus zum hanefitischen Ritus
und beten nach dessen Vorschrift. Mohammedanische Bewohner
der Donau-Ufer die sieh ihren Streifzügen anschliessen, werden
bei der Verkeilung der Beule mit den Tataren seihst gleich
gehalten. Die bemerkenswerthesten Städte und Orte in Bessarabien
sind folgende:
Ismail *),
gegenüber von Tultscha an der Donau, eine schöne Stadt. Wer aus
Rumelien in die Krim oder nach Russland reist, setzt von Tultscha
aus über die Donau und berührt nach der Insel (Ada) als ersten Punct
Ismail. Die Stadt hat hübsche Märkte, Bäder und Moscheen. Von
Seite der Centralverwaltung der frommen Stiftungen für die heiligen
Stätten residiren dort ein Verwalter (Muteweli) und ein Kadhi. Rei
sende finden dort Postpferde nach Bender, Oczakow und Akkerman.
Die nächste Station ist Tatar Bunar. Von dort aus gelangt man, dem
Laufe der Donau folgend, nach Kili.
38
Freih. v. S c li 1 c c' h l a - W s s c li r d
.H7(5
mov- raab tim. rfsie nun Janoemii nelßiü aib iumi
Kili ist eine starke Festung nebst einer wohlgebauten, mit einem
Graben umgebenen Stadt. Die innere Citadelle stösst an die Donau
welche einen Tlietl der dortigen Mauer einriss. Diese CitadeMe hat
ihren eigenen Ringgraben über welchen eine hölzerne Zugbrücke
führt. Sultan Bajezid YVeli welcher die Stadt eroberte, pflegte am
Thore der Citadelle auf einem Stuhle niederzusitzen und ermächtigte
die jeweiligen Festungscommandanten, das Gleiche zu thun. Dafür
drängen sich aber auch die Armen fort und fort auf jenem Platze. Die
äussere Festung bat vier Thore: Jali Kapussi, d. i. das Thor des
Litorales, gegen die Donau zu. Dort landen die meisten Flösse,
welche Holz bringen. Ferner Su Kapussi, d. i. das Wasserthor. Dort
hatten die Leute welche von Alt-Kili her täglich Milch und Jourt
ilöjißCTB I d opisnO ii9nioo*ii iiai9r°oaifi oie uiß'iov/ n9£BQ29u
bringen welche letztere Speise in Bottichen verkauft wird. Der
Bottich zu fünf Para gerechnet, reicht für den Wochenbedarf einer
Familie aus. Dort landen auch die Boote mit Früchten deren Ver
käufer Sergidschi genannt werden und dort in hölzernen Ständen
ihreWaare feilbieten. Von dort führt eine Brücke über den Festungs
graben nach der Vorstadt und in das alte Bad. Das dritte Thor
heisst „die grosse Pforte“ (BabiKebir) und öffnet sich gegen den
„Markt der Tataren“ (Tatar bazari)? zu. Dort befindet sich zwischen
Graben und Festungsmauer eine Grabstätte wo Hilfesuchende im Vor
übergehen einenPara opfern und, vorausgesetzt, dass sie von wahrhaft
festem Vertrauen beseelt sind, unfehlbar eine Stimme vernehmen die
ihre Fragen beantwortet. Die grosse Moschee wurde von Sultan Bajezid
erbaut. Eine andere kleine Moschee liegt auf dem Wege nach dem
Wasserthore am Rande des Ringgrabens der inneren Festung. Auch
diese hat ihre grosse Moschee und ein Bad gegenüber dem Thore.
In der Vorstadt befinden sich das sogenannte alte Bad und einige
reich gebaute grosse Moscheen. Auch sind dort mehr als 60 Herber
gen (Chane), hübsche Marktplätze und schmucke Kaffeehäuser. Nahe
am Zollhause liegt das Tribunal und der Fischmarkt. Die Fischerei
Walachei, Moldau, Bessarnbien, die Krim, Taman und Asow. 577
untersteht einem eigenen Intendanten (Batik Emini). Auch gibt es
Speisehäuser und ärariulische Bratkiichen (Kebabschi Dükiani) wo
man die Braten umsonst zubereitet, indem man sich mit dem vom
Spiesse abrinnenden Fette das man in Pfannen auffängt, als Ent
gelt begnügt. Je mehr man braten lässt, desto willkommener ist
man. Während der Sommermonate herrscht in Ismail ein sehr bedeu
tender Menschenandrang. Leute aller Nationen finden sich dort ein,
denn die Stadt ist ein so starker Handelsplatz, dass man versucht
wäre sie für einen Jahrmarkt zu halten. Auch ist in der schönen
Jahreszeit Alles wohlfeil. Dagegen hält es im Winter der hier über
aus streng ist und wo Niemand gern sein Haus verlässt, Schwer auf
den Markt zu gelangen welcher ausserhalb der Festung in der Vorstadt
liegt. Die Handelsartikel von Ismail sind: Schafwolle, Fett, rriäfi-
nirter Fisch, Caviar und Pferdehäute. Letztere werden in der Ger
berei gereinigt, dann auf dem Boden ausgebreitet und mit Senft
begossen worauf sie alsogleich trocknen. Oberhalb Ismail spaltet
sich die Donau in zwei Arme. Einer ergiesst sich durch die Sulina
(Sunne) in’s Meer; der zweite Arm fliesst bei Kili vorbei und mün
det, in fünf weitere Arme getheilt, gleichfalls in das schwarze Meer.
Zwischen diesen Armen liegen flache und reichlich bebaute Inseln
mit Meierhöfen von wo aus die Bevölkerung ihre meisten Schafe,
nnjJI ÖjJl'ijö äßvi ibßti QJiß gßp jjr DflU 19D fljßfl flädß'lS
Rinder und Pferde bezieht. Auch Milch und Jourt werden von dort
her zum Verkaufe gebracht. Die Bereitung von Butter und Käse ist
unbekannt. Hingegen ist das Jourt vortrefflich. , „ , , 'X
° i.e.un flau noütsTÜ
Akkirman (Akkerman),
yjj) 1X9fjjli£t) 1110'/ 9I£Tffli)8 7ßdilT9lflli billü flOUßXi'lfiV iÜöiäOll
unter dem 38. Längen- und 47. Breitengrade am schwarzen Meere
gelegen, ist eine sehr starke Festung und wurde im Jahre 889
(1484) durch Sultan Bajezid Weli gleichzeitig mit Kili erobert
Ursprünglich commandirte dort ein Pascha dritten Ranges (Liwa).
Der seichten Rhede wegen müssen die Fahrzeuge drei Meilen vor
der Festung vor Anker gehen. Die Festung hat sehr tiefe und breite
Gräben; Ungläubige die in selbe stürzen, kommen um; Musulmanen
dagegen bleiben in gleichem Falle unversehrt. Die Ursache hiervon
erklärt Scheich Saadi 2 ) aus Schiraz über den Gottes Barmherzigkeit
2 ) Der berühmte Dichter des „Rosengartens“ u. s. w.
578
Freih. v. S e h I e c h t a - W s s e h r <1
walten möge. Jener Festungsgraben wurde nämlich, wie er sagt,
während Saadi selbst in russischer Gefangenschaft schmachtete, von
60 gefangenen mohammedanischen Heiligen gegraben. Diese richteten
nach Beendigung ihrer Arbeit die Bitte an Gott, er wolle Musul-
mänen die hineinfielen, unbeschädigt, und nur Ungläubige beim Sturze
in denselben sich tödten lassen. Saadi selbst wurde bei dieser Gele
genheit von einem Kaufmanne um 10 Goldstücke aus der Sclaverei
losgekauft der ihm auch später seine Tochter zur Frau gab wel
cher er ein Heirathsgut von 40 Goldstücken auswarf. Es ist dieses
dieselbe Frau welcher, als sie nach einiger Zeit einmal ihrem
Manne seine Vergangenheit vorwarf, dieser antwortete: „Wohl hat
mich dein Vater um 10 Goldstücke aus den Händen der Russen
erlöst, jedoch nur, um mich um 40 Goldstücke in die deinen zu
liefern aus welchen keine Erlösung möglich“.
Die Umgegend von Akkerman hat gesundes Klima und rings
um wohlgepflegte Zier- und Gemüsegärten. Die umliegenden Dörfer
sind ganz so wie die tatarischen um Kili. Auch die Bevölkerung ist
tatarisch. Bei der ersten Belagerung durch die Osmanen waren
diese bereits nahe daran, die Unternehmung aufzugeben, als das
Abschiessen einer Kanone die drei Centner schwere Kugeln schoss,
die Belagerten zur Übergabe vermochte. Seiner Schwere wegen
konnte man dieses Geschütz beim Abmarsche nicht von der Stelle
bringen und liess es daher in der Nähe eines der Festungsthore
zurück. Noch heutzutage sitzt ein Krämer darin und benützt dessen
Mündung als Verkaufsbude. In der Nähe von Akkermann residirt der
vom Chan der Krim bestellte Gouverneur von Budschak (Jali Agha).
Die zwei Stationen zwischen Akkerman und Bender sind Janik Pa-
langa und Tatar bunari, Orte, beinahe wie kleine Städte. Auf dem
Wege nach Oczakow von Bender passirt man dieselben, ohne
genöthigt zu sein Akkerman zu berühren.
Bender J ),
eine starke und wohlerhaltene Festung unter dem 55. Längen- und
48. Breitengrade am Dniestr gelegen. Sie ist zugleich ein festes
Grenz-ßollwerk des Islams gegenüber Russland. Früher war selbe
SED
Walachei, .Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
579
minder bedeutend und residirte dort ein Bey mit nur Einem Ross
schweife welchen der Chan der Krim einsetzte. Im Jahre 1122
(1710) aber geschah es, dass der Schwedenkönig (Karl XII.) am
Bug von den Russen geschlagen und zur Flucht in die Steppe von
Oczakow genöthigt wurde. Der Gouverneur dieser Festung, Jussuf
Pascha welcher damals eben beordert worden war, die äusseren
Festungswerke von Bender zu restauriren, meldete den Vorfall an
den in Gott ruhenden Sultan Ahmed (III.) der befahl, den König
nach Bender zu bringen und ihn auf Kosten der Pforte zu erhalten.
Diesen Umstand benützten die Russen, um der Pforte den Krieg zu
erklären, wesshalb man auch Bender durch neue Befestigungen in
guten Stand setzte. Im Rebi ulewwel des folgenden Jahres
(April 1711) kamen auch die Russen wirklich mit ihrer ganzen
Heeresmacht, um Rumelien und wohl gar Constantinopel selbst zu
erobern. In der Nähe des Forts Soroka, zwischen Chotjn und
Bender, schlugen sie zwei Brücken über den Dniestr und wälzten
sich, selbst brausende Ströme, dem Pruth zu. Dort aber trat ihnen
einerseits der Schwedenkönig mit der Garnison von Bender und
andererseits der Chan der Tataren Dewletgcrei Chan und der
Grosswezir Baltadschi Mehmed mit der heiligen Fahne bei Dsclm-
dschire am Pruth entgegen. So von allen Seiten umringt, abge-
schnitteu von seinen Proviantquellen, und ausser Stande, den Pruth
zu erreichen, ward er bald dahin gebracht, Baumrinde statt des
Brotes zu verzehren und endlich seinen Minister, Namens Sehere-
met oghlu (Scheremetew), ein Linnentuch (statt des Strickes) um
den Hals, mit der Bitte, um Frieden in’s osmanische Lager zu sen
den welcher ihm gegen die Abtretung von Asow und die Schleifung
von Taganrok gewährt ward. Von dem 16 Stunden weit von Chotin
gelegenen Orte Ladova aus bis über den Dniestr an die Grenze
Polens, wurde er dann von einigen Weziren zurückgeleitet. Allein
was half es? Das Schwein bleibt nun einmal Schwein, sei ihm
der Schweif abgeschnitten worden oder nicht. So war auch
er (Peter der Grosse) ein räudiger Hund ohne Treue und Glauben
und schuldige Achtung für die Verträge. Denn nicht nur suchte er
die stipulirte Herausgabe Asow's durch allerlei Ränke zu verzögern,
sondern zuletzt wusste er sogar alle diesfälligen Schwierigkeiten
dadurch zu lösen, dass er— es war im Jahre 1148 (1735) —
Asow der Pforte wieder abnahm. Der Fluch Gottes über ihn! Seit
Freih. v. Sclilechta-Wsselird
Ö80
diesem Vorfälle mit dem Schweden blieb Bender eine wichtige
Grenzfestung in der folgerichtig ein Wezir commandiren musste.
Gegenwärtig hat sie eine doppelte Mauer und einen tiefen Graben.
Ihre Vorstadt ist von schmucken Zier- und Obstgärten unter
brochen. Der Dniestr liefert das Trinkwasser. Die Umgegend ist
schönes Land. Die Entfernung Benders von Kili beträgt 18, die von
Ismail 24 Stunden. Auch hübsche Bäder, Moscheen und Märkte sind
in Bon^ I( fy.^(j^(a^ go y Cs 8ibow)n9eefod9g OobinS asniom
Der Dniestr aber an welchem es liegt, entspringt in der
Nähe von Halicz, fliesst bei Akub (Okopi), Svaniec, Chotin, Soroka
und Bender vorbei und mündet gegenüber von Akkerman in’s
schwarze Meer. Er ist so breit als das Schatth (vereinigter Euphrat
«pd Tigris) und hat mehrere im Sommer gangbare Fürthen. Eine
derselben, zwischen Svaniec und Chotin, oberhalb des Dorfes
ßraha ») und von Chotin aus sichtbar, ist in der genannten Jahres
zeit so seicht, dass das Wasser nicht höher reicht als bis zum
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doie rmnisgis inebnoa t doia ■oinu aedioW aniod neblnb 9(3 .naadaüH
-■mV narfalaw bimg özi »> (Oczakow), Festung,® 9jl ' 9jo
19b aia nsißw elßmioV .nebisw gildaiilt hob nov i9dlßd rorfarrrd
liegt unter dem 88. Längen- und dem 48. Breitengrade, 3G Stun
den von Bender, am Flusse gleichen Namens (Dniepr) 3 ). Sie hat
keinen Hafen, doch können Schiffe ohne Gefahr vor ihr ankerm Das
Wasser des Dniepr entbehrt dort des Süssgeschmackes, indem die
Seefluth bis oberhalb der Festung in den Fluss hinaufdrängt.
Gegenüber von Oczakow liegt das Fort von Kilburun (Kinburn).
Daselbst residirt ein eigener Festungscommandant. Oczakow seihst
isf nicht im Stande, das Auslaufen von Baubschiffen (Schaika) der
Kosacken aus dem Dniepr zu verhindern, da dieser Fluss dort eine
Breite von 4 Meilen hat. Dagegen kann es einer russischen Flotte
die Ausfahrt wehren. Der erwähnten Unzulänglichkeit gegenüber
den Kosacken halber, wurden im Jahre 1090 (1679) in der Nähe
von Toghan hissari 4 ) zwei Befestigungen angelegt welche die
-oel .-.ms-S. I9h“Ü3 högioh liüOÜ iiatelhgdß btUßlaeilll
') 2 ) iSJ3 M (■£Jj' d. i. Wasser vu» Oczakow.
i ) L Sj Las» ölcjU
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
581
Kosackenboote abhielten, in's schwarze Meer zu gelangen. In Folge
der fortschreitenden Übergriffe der Ungläubigen jedoch mussten
jene beiden Forts später aufgegeben werden. Doch bestehen noch
zwei befestigte Puncte und ein schiffbarer Hafen (Liman) den man
„Hafen von Berezan“ ‘) nennt. Oberhalb Oczakow fliesst der Bug
welcher auch Ak su heisst. Er kommt aus Russland. In der Nähe
von Toghan hissari liegt ein Wald „Karendasehiiin Ormani“ (Wald
meines Bruders) geheissen, wo die Potkali- 2 ) Kosacken wohnen. Selbe
unterstanden in früheren Zeiten den Chanen der Krim und wurden von
der Einwohnerschaft von Oczakow, Akkerman, Bender und Kill allge
mein als Taglöhner verwendet. Man nannte sie desshalb „Ter oghlu“
(Sehweissbursehe). Auch verkaufte man sie bisweilen als Selaven an
Kaufleute aus Constantinopel und Egypten welches Verfahren seitens
des Kosacken-Hetmans häufige Klagen bei dem Chane der Krim und
den in jenen Gegenden befehlenden Seriaskern hervorrief. Doch
kehrte sich Niemand daran. Diese Kosacken sind Ungläubige kriege
rischen und tapfern Charakters, wohl 12.000 Mann an Zahl und führen
Büchsen. Sie dulden keine Weiber unter sich, sondern ergänzen sich
durch junge Leute aus Russland und Polen die irgend welcher Ver
brechen halber von dort flüchtig werden. Vormals waren sie der
hohen Pforte unterworfen und lieferten ihr zu Kriegszeiten ein
stets kampfbereites und windschnelles Contingent leichter Truppen.
Im Jahre 1135 (1722—1723) aber zur Zeit als Mengeli Gere'i Chan
der Krim war, führten sie neuerliche Beschwerde darüber, dass
bisher angeblich nicht weniger als 500.000 Kosacken aus den ver
schiedenen Städten und Seeplätzen in Bessarabien als Selaven aus
verkauft worden seien. Doch auch diesmal wurde ihnen kein Gehör.
Die hierüber unter ihnen entstandene Entrüstung benützten ihre
bisherigen Todfeinde, die Russen, um das Ansuchen an die Pforte
zu stellen, dass man sämmtliche Kosackenstämme ihrer Botmässigkeit
überlasse. Vergebens erhoben diese ihre flehende Stimme dawider.
Ihr Hilferuf verschallte ungehört, man Hess sich durch die Ungläu
bigen bethören und mehr als 12.000 streitbare Männer wurden an
Russland abgetreten. Doch steigerte dieser Zuwachs nur die Be-
’) o\jy 2)
582
Freili. v. Sohle c h t a - W 3 s e h r d
gierde der Moskowiter, sieh der Herrschaft über das schwarze Meer
zu bemächtigen. Bald darauf nahmen sie Asow weg. Im Jahre 1149
(1736) drangen sie gar in die Krim ein, indem sie Perecop (Ur)
erstürmten dessen Bevölkerung sie in die Gefangenschaft nach
Russland fortschleppten und erst nach geraumer Zeit wieder los
gaben. Als die (türkische) Regierung hievon Kunde erhielt, schickte
sie den Mehmed Pascha, Schwiegersohn Topal Osman Pascha’s, als
Seriasker an die Donau wo er mit 60.000 Mann Kerntruppen in
Kartal gegenüber von IsaktschaStellung nahm, ohne dass ihm jedoch
gestattet worden wäre, weiter vorzurücken. Unmittelbar darauf
erschien auch Silihdar Seijid Mehmed Pascha mit der heiligen Fahne
und setzte nach Isaktscha über, blieb aber eben so unbeweglich
stehen. Jahia Pascha, damaliger Festungscommandant von Oezakow,
Hess ihnen hilfefordernd melden, die Russen hatten bereits den Bug
überschritten und seien im vollen Anmarsche gegen die Stadt. Osman
aber, des Grosswezirs Kiaja, erklärte die Nachricht für leere Erfin
dung und schenkte der schriftlichen Meldung keine Berücksichti
gung. Inzwischen rückten die Ungläubigen wirklich vor Oezakow
und begannen die Belagerung. Das Auffliegen eines Pulvermagazins
erleichterte ihnen den Erfolg. Ein Theil der Festung wurde in
Trümmer geschossen; was stehen blieb, der Plünderung preisgegeben,
der Rest der Bevölkerung nackt und bloss in die Gefangenschaft
fortgetrieben. Oezakow erhielt russische Befehlshaber und eine
russische Flottille nahm dort ihre Station. Indessen standen, wie sich
der bei der heiligen Fahne befindliche Verfasser der gegenwärtigen
Schrift selbst zu überzeugen Gelegenheit batte, in Kartal, die Rei
terei ganz abgerechnet, nicht weniger als 200.000 Mann Jani-
tscharen. Wozu aber waren sie nutz, da sie nichts zur Rettung der
Stadt unternahmen. Um dieselbe Zeit wurde Mengeli Gere'i zum
Chan der Krim ernannt und von Rhodus uach Kartal geschickt,
um Oezakow zurück zu erobern. Zwei Wochen vor Herbstanfang
(S. Dimitri) rückte auch der neu ernannte Seriasker Gendsch Ali
von Bender aus vor Oezakow das nun durch die vereinigte Macht
(seine und die des Chans) belagert wurde, Aber bald trat der
Winter ein, der Chan ging über den Dniepr in die Krim ab und der
Rest der Truppen zerstreute sich mit Zurücklassung der Bagage.
Viele der Verwundeten gingen unter Eis und Schnee jämmerlich zu
Grunde. Auch die Hauptarmee kehrte nach Constantinopel zurück
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
583
worauf die Russen die Festungswerke von Oczalcow sprengten und
dem Boden gleich machten. Nach ihrem Abzüge aber baute sie die
Pforte abermals auf.
Oczakow bezieht sein Trinkwasser aus Brunnen die eine Stunde
weit von der Stadt entfernt sind, denn das Flusswasser in der Nähe
ist salzig. Dagegen ist die umliegende Ebene sehön und fruchtbar.
Auch ist das Klima gut. Das Flachland nährt überaus zahlreiche
Heerden von Rindern, Schafen und Pferden. In der benachbarten
Steppe gibt es wilde Schafe, wilde Pferde und auch wild lebende
Menschen. Vor dem russischen Einfalle war die Bevölkerung
sehr wohlhabend, so zwar dass Nothdürftige ganz fehlten. Doch
übernahm sie sich in vieler Beziehung, daher sie Gott durch
die Ankunft der Ungläubigen strafte. Um von Oczakow in die Krim
zu gelangen, setzt man auf Pontons nach Kilburun über. Von dort
dehnt sich eine 36 Stunden weite Steppe bis Perecop (Ur) welche
Haibat heisst und in welcher die Reisenden zwei oder drei Nächte
zubringen.
Ur <) (Perecop)
am Eingänge der Krim, unter dem 63. Längen- und 49. Breiten
grade gelegen, ist eine rechts vom schwarzen und links vom asowi-
schen Meere begrenzte Landenge von anderthalb Meilen Länge mit
einer berghohen Verschanzung und einem Graben von 7 Pik Tiefe
und 20 Pik Breite. Am Seegestade liegt ein aus Stein gebautes Fort
nebst einer Vorstadt. Das Trinkwasser wird aus Brunnen bezogen;
Zier- und Obstgärten fehlen. Das Ganze gleicht mehr einem Ei
lande, doch ist das Klima gesund und der Winter milde. Wegen
Holzmangels brennt man Viehmist. Auch Perecop wurde seinerzeit
von den Russen genommen und mittelst Minen gesprengt, doch hat
es die Regierung wieder aufbauen lassen. Es ist die Pforte und das
feste Bollwerk der Krim. Leider nur hat man dies nie genug
beherzigt, sonst hätte man eine der stärksten und vollendetsten
Festungen daraus gemacht.
384
Freih. v. S c h l e c h t a - W s s e h r d
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79b tsi rfeon ^gnjtrsJirorl douA .nsyßioB 000.08 Jedan nsilimc'l 0000
bim sxiBlqLhßl/I bno -mbHO Die Krim
-ihTßlenoD euß fwlBpßtißX nov nah slßiqatabnsH I9bn9;f«9h9d ela jlig
ist eine triangelförmige Insel von 700 Meilen im Umfange die im
Norden mit dem Festlande durch die anderthalb Meilen breite Erd
zunge von Perecop (Ur) zusammenhängt. Sie wird von Tataren
bewohnt. Ihre Hauptstadt, die Residenz der Chane, heisst Bagdsche
Serai. Sämmtliche Städte und Orte unterstehen der Botmässigkeit
des Chans mit Ausnahme von Kaffa und der Festung Jenikale wo
osmanische Pascha’s als Gouverneure sitzen.
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unter dem 65. Längen- und 47. Breitengrade gelegen,
wohlgebaute Stadt und starke Festung, 464 , / a Meilen (?) von Con-
stantinopel entfernt. Sie ist, so recht zu sagen, der Schmuck der gan
zen Insel. Früher im Besitze der Genueser, wurde sie unter Sultan Mo
hammed (II.) nebst Asow und Menkub durch Gedik Ahmed Pascha der
mit der Flotte dahin abgegangen, war, für die Pforte erobert und der
dort befindliche Mengeli Gerei, ein Nachkomme Hadschi Gerei’s,
gefangen genommen. Diesen schickte der Pascha nach Constan-
tinopel wo er vom Sultan Mohammed ein paar Tage lang eingesperrt
gehalten, dann aber frei gegeben und auf Vorstellung Mirza Begs (?)
welcher, unter Anerkennung der türkischen Herrschaft und mit Hin
weisung auf das Bedürfnis einer obersten Leitung, um Einsetzung
desselben als provisorischen Chan nachsuchte, mit Trommel
und Fahne belehnt und in Begleitung eines Corps osmanischer
Truppen nach der Krim zurückgesendet. Dort zog ihm Mirza Beg
entgegen und installirte ihn unter entsprechenden Feierlichkeiten
in Bagdsche Serai. In Kaffa wo, wie gesagt, ein türkischer Gouver
neur seinen Sitz hat, ist die tatarische Bevölkerung verhältnissmässig
gering, dagegen sind die Ungläubigen zahlreich. Letztere betreiben
die Auslösung der Sclaven und deren Abstellung nach Polen und
Russland. Kaffa hat 12 griechische und 32 armenische Kirchen. Zur
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
585
Zeit der Eroberung durch die Pforte betrug die Zahl der Einwohner
6000 Familien nebst 30.000 Sclaven. Auch heutzutage noch ist der
Ort wohlerhalten, hat schöne Mosche.enr Bäder und Marktplätze und
gilt als bedeutender Handelsplatz der von Kaufleuten aus Constanti-
nopel und Trapezunt stark besucht wird. Viele der dortigen Bäder
und Yerkaufsgewölbe sind Stiftsgut zu Gunsten der heiligen Städte
(Haremein). Auch ein Mufti, ein Kadhi und andere Ulema haben dort
,onßd3 'mb snobiaofl oib (fbstaiqusH 9nril Jndow9d
iiedgiaaßmloO -mb nsd9fai9}nu 9t'i0 bau 9ibsJ3 9doiI)maiß3 .isiaS
ow sIß3Ün9l Bagdsche Serai, nißuanA lim anßdO £9b
unter dem 64. Längen-und 48. Breitengrade gelegen, ist die Haupt
stadt der Krim und ein sehr wohl gebauter Ort mit gesundem Klima.
Ein Wasser durchströmt die Stadt die durch Zier- und Obstgärten
verschönert wird. Sie ist die Residenz des Chans. Im J. 1160(1737)
unter Kaplan Gerei wurde sie von den über Perecop mit bedeutenden
Truppenmassen eingedrungenen Russen gänzlich zerstört, wobei der
Palast des Chans, die Moschee u. s. w. in Feuer aufgingen. Auch
die benachbarten Ortschaften wurden bei dieser Gelegenheit ver
wüstet und die Bevölkerung in die Gefangenschaft fortgeschleppt.
Nach Abzug der Russen wurde der Palast wieder neu aufgebaut zu
welchem Zwecke seitens der Pforte von Constantinopel aus Bau
material, Architekten und Anstreicher geliefert wurden. Unweit
von Bagdsche Serai liegt auf einer Anhöhe das „Dschehud Kaie“
genannte Fort, ein starkes Castell, von Juden bewohnt.
fßU ^ SfiMIOkl *19019 83/nl 4 li|lisS. Bßli' lüß ^Uü2i9W
Ak Mcsdschid *) (Simferopol),
die Residenz des Kalga Sultan (Vicars des Chans) mit beiläufig
ISO ITäusern. Gegen Bagdsche Serai zu liegt ferner die Ortschaft
Elma Serai (Apfel-Palast) mit einer europäischen fränkischen Kirche
und beiläufig SO Häusern.
siaeßfneehüißtbmv anymJiövafl onpanßhit oib fei ,fßd sliS noniaa wsn
Gözlcwe 3 ) (Eupatoria),
ein ansehnlicher Ort an einem Engpässe mit einem guten Hafen. In
der Nähe davon liegt ein anderes Städtchen wo Salz gewonnen wird.
>) A-ssr* j! *)
586
Freih. v. Sich lechta-Wssehrd
Es hat einen Hafen der den Namen Oleila (das heutige Sebastopol)
führt.
Baliklawa *) (ßalaklawa)
hat einen sehr tiefen und gut gelegenen Hafen in dem Schiffe vor
Stürmen aus allen Richtungen geschützt liegen. Die Citadelle schliesst
beiläufig 150 Häuser ein. Der Weg von dort nach Kaffa ist steinig.
Kersch (Kertsch) a ),
unter dem 67. Längen- und 48. Breitengrade, im Norden von Kaffa
am asowischen Meere gelegen, ist ein verschanzter Platz (Pajanka).
'
Taman 3 )
gegenüber von Kertsch, in Asien, gegen das Land der Nogaien zu
auf einer kleinen aber wohlcultivirten Halbinsel gelegen, eine Stadt
und Citadelle, als guter Handelsplatz bekannt. In der Citadelle resi-
dirt ein Commandant (Muhafiz). Auch befindet sich Garnison dort.
Der Ort hat hübsche Moscheen, Bäder und Märkte. Einige der dor
tigen Verkaufsgewölbe sind Stiftgut der heiligen Stätten (Haremein
wakfi). Das Fett von Taman ist berühmt. Dort haben die Kaufleute
ihren Sitz die mit den Tscherkessen, Abasen und Ulu Noghai Handel
treiben. Gegenüber von Taman liegt das „Akindi burnu“ (Vorgebirge
der Strömung) genannte Vorgebirge und:
Jenl Kaie 4 ),
unter der Regierung Sultan Ahmed’s (III.) und dem Grosswezirat
Ali Pascha’s aus Tschorlu erbaut. Daselbst residirt ein Festungs-
commandant. Ebenfalls in der Krim, am Ufer des dort sich weit in’s
Land hinein erstreckenden asowischen Meeres liegt die kleine
Festung:
ij (jiüil) 2) j) oUl-> 4 ) AäIü oder £ -Xj Aä1$
Walachei, Moldau, Bessarnbien, die Krim, Taman und Asow.
587
Rcbat *) (Arabat).
Sie wurde erbaut um bei eintretendem Zurückstauen des Meeres den
Raubüberfällen der Kosacken wehren zu können. Zur Zeit des Ein
bruches der Russen in die Krim setzte ein Theil derselben durch
eine Furth in der Nähe von Rebat und schleppte aus den nahe
gelegenen krimischen Dörfern zahlreiche Gefangene fort.
Menknb 3 ) (Karassubazar)
in der Krim, auch Karassu genannt, ist ein fester Platz mit etwa
60 Häusern, zum Theile von Juden bewohnt. Die Umgegend ist stark
bewaldet.
Karaschka 3 ),
oberhalb von Taman auf dem äussersten Ende der Meerenge am
usowischen Meere gelegen, ist eine zerstörte Festung.
Kizil Thasch 4 ),
drei Stunden von Taman am Ufer des Kuban, eine kleine Festung
und Durchzugsstation. Sie wird als zu Taman gehörig betrachtet.
Vor der Citadelle befindet sich eine Drücke.
Dschane 5 ),
ein bedeutendes Dorf an einem grossen Flusse der in das asowische
Meer mündet, mit einer gegen den Fluss gerichteten Verschanzung.
Dort residirt der Ak Tschibuk Beg, ein dem Chan der Tataren unter
stehender tscherkessischer Häuptling der über die umherliegenden
dreihundert Tscherkessen-Dörfer das Regiment führt. Die Entfernung
von Dschane nach Kizil thasch beträgt 6 Posten (Menzil), die von dort
nach Asow zehn Tagreisen. Über den erwähnten Fluss setzt man auf
Flössen. Von dort aus bis Asow ist Wüste.
') u> 2) oder ^-0^9 3 ) 4 ) 5 ) Aj lo-
oder A; \j
588
Freil». v. S cli lech ta - W s s e h r <1
Chirssown ')»
zwei Posten von Asow gegen Circassien zu, ist eine wohlgebaute
Stadt. Timur, heisst es, belagerte sie, konnte sie aber nicht einneh
men. Da schloss er scheinbar Frieden und verlangte als Unterpfand
eine Sendung lebendiger Sperlinge. Die Einwohner der Stadt fingen
daher eine Anzahl dieser Vögel und tiberschickten sie ihm. Er aber
band den Sperlingen brennenden Schwefel unter die Achselhöhlen
und liess sie wieder los worauf sie, ihre alten Wohnstätten aufsuchend,
in die Stadt zurückflogen und seihe in Flammen aufgehen machten.
Tcinruk 2 ),
zwischen Taman und dem Kuban, ein aus Holz gebauter fester
Platz, meistens von Tscherkessen und Ahasen bewohnt. Musulmanen
halten sich nur wenige dort auf. Die Entfernung von dort an den
Kuban beträgt 3, jene nach Taman im Westen 2 Posten (Menzil).
Von Taman nach Asow führen überhaupt drei Wege: der eine über
Dschane; dieser ist die Heerstrasse und hat 16 Posten; der andere
über Temruk längs des Meerufers (4 Stationen), vorausgesetzt jedoch,
dass das Wasser gefroren ist; endlich jener über Alt-Dsehana s );
dieser hält die Mitte zwischen beiden, indem er 8 Stationen zählt.
Die Strecke von Taman an den Kuban führt theils durch Wald, theils
durch offenes Feld.
Der Kuban
kommt aus Circassien, fliesst von Osten nach Westen und erscheint
in der Nähe von Kizil tliasch in zwei Arme getheilt wovon der eine
sich in’s schwarze, der andere in’s asowische Meer ergiessf. Das
Land zwischen diesen beiden Armen gleicht einer hochliegenden Insel.
Dort liegt, wie ich glaube, die Festung Adschu 4 ) (Atschuew)
welche ganz neuerlich als Ersatz für Asow erbaut wurde. Sie wird
nach zwei Seiten von den gedachten beiden Armen des Kuban, auf
den beiden anderen Seiten vom Meere begrenzt. Aufderselben Strom
insel liegen auch Temruk, Taman selbst, Kizil thasch und Karaschka
die sämmtlich Dependenzen von Kaffa bilden.
*J •') lo. 4 ) ^=*-1 auch A-=>-l
Walachei, Moldau, Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
589
Azak *) (Asow)
welches, seiner Nachbarschaft zur Krim halber, gleichfalls hier seine
Erwähnung finden soll, unter dem 73. Längen- und 49.V 3 Breiten
grade am östlichen Ufer des Don, von Gebüsch umgeben, auf einer
flachen Anhöhe gelegen. Es besteht aus drei verschiedenen Citadel-
len wovon jede, ähnlich dem alten Serai in Constantinopel, ihr eigenes
Thor hat wodurch sie zugleich mit einander in Verbindung stehen.
Gegen die Landseite ist das Ganze durch einen Graben geschützt.
Alle drei Castelle zählen zusammen 9 Thürme. Die Mauern sind
einfache schwarze Erdwälle. Die einzelnen Castelle hiessen: Tasch
kale mit der Wohnung des Janitscharen-Agha’s und einer vom Sultan
Bajezid gebauten Moschee. Orta kale wo der Beg von Asow (Asak
Beeji) residirt, und Topralc kale. Asow war eine schöne und brauch
bare Festung; im Jahre 1149 (1730) jedoch wurde sie an die
Russen überlassen.
Tscherkes Kirimin a ) (Tscherkask),
eine Insel des Don, 7 Stunden von Asow mit einem aus Erde errich
teten Fort und einer russischen Garnison von 1000 Mann.
Der Don 3 ) (Ton),
ein bedeutender Fluss, fliesst von Norden nach Süden durch das
Land der Kosacken, an Asow vorbei in's asowische Meer. Längs des
selben haben die Kosacken 36 Verschanzungen. Von Tscherkes Kir-
man aus befahren sie ihn auf kleinen Booten (Schaike). Hinter dem
letztgenannten Orte, nämlich zwischen Tscherkes Kirman und Asow,
hei der Stelle die Besch Tepe (fünf Hügel) genannt wird, spaltet er
sich in zwei Arme wovon der grössere sich nach Norden wendet und
der obere Don (Ulu Ton) heisst. Dieser theilt sich ebenfalls in zwei
') jiL> I 2 ) öLjX, 3 ) Cj‘
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. IV. Hft.
39
Freih. v. S ch I ecli ta - YV sseh rd
590
Arme wovon der eine hart an Asow vorbei sich in’s Meer ergiesst
und daher den Namen Azak Suji (Fluss von Asow) annimmt. Der
mittlere Arm wird Kanlidseha genannt. Beide fallen durch eine und
dieselbe Mündung in’s Meer durch welche auch die russischen Boote
in die See gelangen, ln früherer Zeit konnte man diesen den Aus
gang in’s Meer wehren, indem man an der seichten Stelle des oberen
Don, dort wo sich der Fluss spaltet und den zweiten, Kanlidseha
genannten Arm bildet, auf Piloten ein Fort errichtet hatte das
jedoch später verlassen wurde, weil man der Garnison ihren Sold
vorenthielt. Später zerstörten es die Ungläubigen. Der genannte
Fluss von Asow geht, wie gesagt, hart an der gleichnamigen Festung
vorüber und fällt dreissig Meilen davon in’s Meer. An den Ufern ist
er seicht, daher man 18 Meilen weit von der Mündung aufwärts das
Fahrwasser durch eingelriebene Pfähle bezeichnete. Dort wo diese
aufhören, lichten die einfahrenden Schiffe ihre Waaren die dann
in Kähnen nach Asow gebracht werden. Auf dieser Wasserstrasse
gelangen Fahrzeuge längs des tscherkessischen Ufers bisweilen bis
nach Ak Kujular *). Bei Nordwind zieht sich das Meer in Folge der
Ebbe zurück, bei Südwind hingegen dringt es in Folge der starken
Flutli weit in den Fluss aufwärts, so dass dessen Wasser bis gegen
Asow zu salzig wird. Im Winter friert die ganze Strecke zu und
während zwei Monaten gehen Wagen und Karawanen darüber.
Sitten und Gebräuche der krimischen Tataren.
Diese Tataren sind von mittlerem Wüchse, breitrückig, haben
einen starken und kurzen Hals, grossen Kopf und kleine schwarze
Augen in welchen die Blutadern sichtbar hervortreten, stumpfe
Nase und schwarzes Haar. Gegen Kälte und Hitze sind sie äusserst
abgehärtet und baden ihre Kinder in Salzwasser, um sie gegen den
Frost zu stählen. Schon mit 12 Jahren beginnen diese sich im
Kriegshandwerke einzuüben. Die Tracht besteht aus einem doppel
ten kurzen Kleide aus Fuchspelz und einem aus dem Schweife des
selben Thieres angefertigten Kalpak, den sie Buk 2 ) nennen. Manche
J' D 4?!
Walachei, Moldau, ßessarabien, die Krim, Taman undAsow.
591
tragen auch Sehafsfelle, mit der rauhen Seite nach aussen gekehrt,
was ihnen, namentlich zu Pferde, ein fürchterliches Aussehen ver
leiht. Ihre Waffen sind ein Dutzend Pfeile sammt Bogen, Säbel und
Messer. In einem Sacke führen sie Riemen mit, um die Gefangenen
zu binden, nebst einem Feuerzeuge. Ihre Mirzen tragen eiserne
Helme und eben solche Handschuhe. Einzelne führen auch Lanzen,
angefertigt aus Baumästen mit einer Spiize aus Eisen. Diese
Tataren sind überaus leicht beweglich. Jeder von ihnen führt je
nach seinem Vermögen 4—5 Pferde mit sich. Ist deren eines müde
geritten, besteigt er ein anderes. Die Pferde selbst sind so dressirt,
dass, wenn eines derselben sich in Bewegung setzt, alle ihm folgen.
Eben so, bleibt eines, so bleiben alle übrigen stehen. Zudem sind sie
stark und lebhaft, obgleich äusserlich ganz unscheinbar. Dabei flie
gen sie, dass sie Niemand einholt. Das beliebteste Gericht der
Tataren ist Pferdefleisch. Auch ein gekochter Brei aus Mehl und
Pferdeblut ist als Speise sehr geschätzt. Während eines Streifzuges
pflegen sie ihr Fleisch so zu bereiten, dass sie es unter die Sattel
decke des Pferdes legen auf welchem sie reiten, und es verzehren,
sobald es so weit mürbe geworden, dass es zu bluten beginnt. Die
wohlhabenden Tataren trinken statt des Wassers Stutenmilch die sie
durchBeisatz einesFerments innerhalb zweiTagen sauer machen.Man
nennt dieses Getränk Kumis. Auch lieben sie Buze (eine GattungBier)
welches namentlich hei Hochzeiten und an Festtagen nicht fehlen darf.
Von Getreidearten finden sich in der Krim Korn und Gerste; auch
gedeiht dort Reis, und zwar alles dieses in Menge. Die krimischen
Tataren bekennen sieh beinahe durchwegs zum hanefitischen Ritus.
Ihren Ulema und frommen Männern bezeugen sie hohe Achtung.
Sie haben ihren eigenen, von dem osmanischen abgesonderten Prie
sterstand und eigene Lehranstalten (Medrese). Knaben werden häufig
von den Softa (angehenden Ulema) ihren Altern in der Absicht
gewaltsam weggenornmen, um sie zu unterrichten und sie zu Gesetz-
gelehrten heranzubilden. In solchen Fällen fällt es Niemanden bei,
die Herausgabe seines Sohnes zu verweigern. Neugeborene Kinder
werden ohne allen Unterschied hei einem Nährvater (Ataligh) unter
gebracht der bis zu ihrem siebenten oder achten Jahre für sie sorgt.
Die Weiber des Volkes gehen nicht verschleiert. Am Rairamsfeste
ist es den jungen Leuten gestattet, jedes beliebige Weib zu umarmen
und zu liebkosen, so viel ihnen beliebt. Diesen Gebrauch nennen sie
39*
592
Freih. v. Schlechta-Wssehrd
„kollaschmak“ Will Einer eine Jungfrau heirathen, erhält er das
Recht, ihr vorerst die Jungfrauschaft zu nehmen. Tritt aber in Folge
dessen keine Schwangerschaft ein, braucht er sie nicht zu heirathen.
Besonders geehrten Freunden werden die eigene Selavinn oder, wenn
keine solche im Hause vorhanden, die eigene jungfräuliche Tochter
oder auch das eigene Weib zum Genüsse überlassen. Schreibt die
Pforte einen Kriegszug aus, ist es Sitte, dass, wenn der Chan selbst
in's Feld zieht, ihn nicht weniger als 80.000 Mann Tataren begleiten.
Wird aber der Streifzug nur vom Kalgha, vom Nurredin oder auch
vom Sohne des Cban angeführt, beträgt das Contingent welches ihm
folgt, nur 40.000 Mann. Während des Lagerns wird auf Kessel
pauken musicirt. Den Lagerplatz verlassen sie nicht eher, als bis ihr
Anführer selbst aufbricht. Auch ihre Streifzüge werden zumeist im
Winter unternommen, da die gefrornen Gewässer den Marsch erleich
tern, und die ungläubigen Russen und Polen ihrerseits in dieser
Jahreszeit minder widerstandsfähig sind. Die Pferde der Tataren sind
nicht beschlagen. Während des Ausmarsches pflegen die Tataren nur
langsam vorzurücken, halten strenge Mannszucht und sogar das täg
liche fünfmalige Gebet. Bei der Heimkehr hingegen legen sie wohl
fünf Stationen in einer zurück und lassen Gebetruf (Ezan) und Gebet
beiSeite. Dann eilen sie, rasch wie die Wolken, die Flussniederungen
entlang, ohne je Feuer anzuzünden oder länger als eine Viertel
stunde Rast zu halten. Auf das erste Hornsignal brausen sie
wieder fort wie Giessbäche. Während der Plünderung oder bei
nächtlichen Überfällen versammeln sich ihre Mirzen auf einer be
stimmten Stelle wo die Beute zusammengetragen wird. Dort rasten
sie dann, vorausgesetzt dass keine Feindesgefahr droht, drei Tage
lang. Auf dem Heimmarsche ziehen sie in drei Abtheilungen. Die
erste Abtheilung führt die Beute mit; dieser folgen die beiden
anderen. Beim Verkaufe der Sclaven sind sie ohne alle Menschlich
keit und Barmherzigkeit, reissen Mutter von Tochter, Vater von
Sohn und verhandeln sie einzeln. Die Tataren haben ihre eigenen
Kadhi’s, der Chan hat seinen eigenen Kadhiasker a ). Zum Chane selbst
Olierstlieerrichter,
Walachei, Moldau. Bessarabien, die Krim, Taman und Asow.
593
hat Jedermann freien Zutritt und trägt ihm persönlich seine Be
schwerden vor. Ihre Mirzen und Obrigkeiten sind unabsetzbar, denn
ihre Würde ist erblich. Männliche Kinder des Chans werden nach
Circassien zur Erziehung gesendet von wo sie erst als Jünglinge in
das Vaterhaus zurückkehren. Die Söhne verstorbener oder abge
setzter Chane begeben sich unter den Schutz der Pforte, die ihnen
in Janboli und anderen Orten Wohnsitze anweist. Bei günstigem
Glücke werden sie häufig selbst Chane an ihres Vaters Stelle. Die
Töchter der Chane werden gleichfalls ausser dem Hause erzogen
und im entsprechenden Alter an Mirzen vermählt.
594
G. Biermann
SITZUNG VOM 19. NOVEMBER 1862.
Herr v. Karajan legt als Referent der historischen Commission
einen derselben eingesandten Aufsatz vor:
„Die Finanzlage Niederösterreichs im 16. Jahrhundert“.
Nacli handschriftlichen Quellen von Karl Oberl eitner.
Vor gelegt:
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Auschwitz.
Von fr, B i e r ui a n n.
Es gibt keinen Ländertheil in unserem grossen Vaterlande,
welcher, früher selbstständig oder in Lehensabhängigkeit von einem
grösseren Staate, nicht seinen Historiker gefunden hätte. Special
geschichten finden sich über jedes Kronland der österreichischen
Monarchie, ja es wurde dem Leben und Weben fast jeder nur etwas
bedeutenderen Stadt nachgespürt. Eine Ausnahme davon machen die
Herzogthümer Zator und Auschwitz, sie haben meines Wissens noch
nicht ihren Geschichtschreiber gefunden, kaum dass sie ein oder
das anderemal in den historischen Werken über Polen und Schlesien
erwähnt werden. Zacharias Stark, welcher 1580 ein „Kurtz
Verzeichnus von dem Stamlingk und Herkommen der Hertzoge zu
Teschen und Grossen Glogau“ verfasste, erwähnt nur selten die
genannten Fürstenthümer 1 ), und sein Nachtreter Eleasar Tili sch,
der im Jahre 1588 sein „Kurtz Verzeichnus, Bericht vnd Auszug
von dem S.tamüng vnd Ankunfft der Hertzoge zu Teschen“ veröffent
lichte 3 ), ist höchst karg mit Berichten über Auschwitz, ganz fehler-
V) Die Handschrift befindet sieb in einem Foliobande der Bibliothek des Appellations
gerichtes in Breslau, welcher IV, 469 signirt ist.
2 ) Das Werk hat später Sommersberg in seinen Silesiacariim rerum scriptores
Tom. I, 723 u. s. f. aufgenominell.
Zur Geschichte der Ilerzogthiimer Zalor und Auschwitz.
595
liaft aber ist seine genealogische Tafel. Das Programm des k. k.
katholischen Gymnasiums vom Jahre 1852 theilte eine „muthmass-
liehe genealogische Tabelle der Herzoge von Oswieciin und Zator“
mit, sie ist gleich den meisten der beigegebenen historischen An
merkungen unbrauchbar. Ohne alle Bedeutung endlich sind die
Mittheilungen Temple’s in denSchriften der historisch-statistischen
Section der k, k. mähr.-schlesischen Gesellschaft für Ackerbau u. s. f. 1 ).
— Ich habe im Notizenblatt der historisch-statistischen Section,
Jahrg. 1862, Nr. 5 und 6 „Beiträge zur Genealogie der Herzoge von
Auschwitz“ veröffentlicht, meine inzwischen ansehnlich vermehrte
Sammlung von Urkunden für die Geschichte der Fürstenthümer Zator
und Auschwitz liefert mir den Stoff zur vorliegenden Abhandlung.
Die älteste Bevölkerung des spätem Herzogthumes Auschwitz
(polnisch Oswiecim), von der eine Kunde auf uns gekommen, war
slavischen Stammes; cs wohnten hier die Weiss- oder Grosscbor-
vaten, in denen man die von den Griechen und Römern erwähnten
Karpianer oder Karper zu erkennen geneigl ist. Der Name der
Chorvaten ist slavischen Ursprungs, man will ihn von den Chrben,
den Karpathen ableiten, was von chrib oder chrb, d. h. Gipfel oder
Berg herstammen soll. Die Chorvaten, Bergbewohner, wären somit
die Bevölkerung der Karpathen a ). Der byzantinische Schriftsteller
ConstantinPorphyrogenela erwähnt ein Weiss- oder Grosschorvatien,
aus welchem zur Zeit des Kaisers Heraklius (610—641), die nach
dem Süden wandernden Chorvaten unter fünf Brüdern auszogen, von
denen einer Gborvat genannt wird, ähnlich den Archegeten der
hellenischen Colonisten, und der Sitte so vieler Völker gemäss, die
einen gleichnamigen Stammvater an die Spitze ihrer Sagengeschichte
stellen 3 ). Jenes Weisschorvatien erstreckte sich von Ostgalizien bis
‘) lid. XII, 527 u. s. r.
2 ) Safari'lt's slavisclie Alfcertlilimer (deutsch von Mosig von Ahrenfeld) I, 488.
Der ganze nördliche Bergabhang von der Sutschawa bis an die Weichselquellen
hiess vom fünften bis zum zehnten Jahrhunderte Chrby., und mit Veränderung der
Consonanten b in iv Chrwy, Charwaty. Mit der obigen Ableitung erklärt sich Koch
(Alterthiimer bei Nikolsburg, in denSchriften der historisch-statistischen Section VII,
102) nicht einverstanden, er meint: die Karpathen bekamen zweifellos ihren Namen
von dem eeltisehenVolksnamen der Karpier, Kaprcöi, daher Safarik’s Ableitung falsch ist,
3 ) Palacky (Geschichte von Böhmen I, 64) stellt die Hypothese auf, dass jene in
das byzantinische H ei eh ziehenden Chorvaten und Serben ihre bisherigen Wohn
sitze verlassen hätten, um sich der Macht Saino’s zu entziehen.
Ö96
G. B i e r m a n n
nach Krakau hin, die späteren Herzogthümer 'feschen und Auschwitz
waren Bestandteile desselben.
Die Cechen gründeten unter Samo, ihrem umsichtigen und kriegs-
tiichfigen Führer, im Kampfe gegen die Avaren den ersten slavischen
Staat, welcher in den Kriegen mit dem fränkischen König Dagobert
seine Feuerprobe bestand. Samo hatte seine Oberherrlichkeit auch
über Grosschorvatien, mithin auch über das Auscliwitz’sche ausge
dehnt. In der möglicher Weise den Chorvaten angehörigen Leschek-
sage hat sich vielleicht das Andenken an seine Herrschaft erhalten 1 ),
die jedoch unter seinen schwächeren Nachfolgern für Böhmen wieder
verloren ging.
Moimir, Rastislaw und Swatopluk, die Gründer des gross
mährischen Reiches, haben demselben auch das Gebiet von Au
schwitz und überhaupt ganz Chorvatien einverleibt, in welchem
Verhältniss es aber zu jenem stand, wird bei dem Mangel näherer
Angaben wohl nie zu ermitteln sein. In diesem Zeiträume wurde
hier der erste Same des Christenthums ausgestreut. Da der bischöf
liche Sprengel des Slavenapostels Methodius mit den Grenzen des
grossmährischen Staates zusammengefallen sein wird, und sicher
auch die zinspflichtigen Stämme seiner oberhirtliehen Leitung anver
traut gewesen sein werden, so wird gewiss auch Grosschorvatien
sammt dem Auschwitz’schen zu seinem ausgedehnten Sprengel
gehört haben. Wenn auch nicht von ihm selbst, so wurde doch
von einem oder dem andern der zahlreichen begeisterten Schüler
des Glaubensboten das Evangelium hier gepredigt, weiss ja eine,
freilich unsichere Sage, einen gewissen Ozlaw als solchen namhaft
zu machen, welcher für die Ausbreitung des Christenthums in Ober-
schlesien gewirkt haben soll 3 ).
Gutschmid : Kritik der polnischen Urgeschichte, im Archiv für die Kunde österr.
Geschichtsquellen, Bd. XVII; vergl. dagegen Röpell’s Geschichte Polens S. 70 u. f.
2 ) Friese: Kirchengeschichte des Königreiches Polen 1786. 1, 12. Dass der in jener
Zeit ausgestreute Same der christlichen Lehre tiefe Wurzeln in diesen Gegenden
geschlagen habe , bezeugt Adalbert’s Bemühung während seiner Anwesenheit in
Krakau den slavischen Ritus durch den lateinischen zu verdrängen, sodann weil
in den ßisthumssprengeln Breslau und Krakau noch gegen die Mitte des 13. Jahr
hunderts die Fastenzeit nach der Weise der griechischen Kirche eingerichtet war,
was aus den Klagen der Deutschen gegen ihre Bischöfe erhellt, welche sie
a septuagesima usque ad pascha vom Fleischessen abhalten wollten (Montbach:
Statuta synodalia dioecesaua s. ecclesiae Wrntislaviensis. Wratisl. 1853, pag. 317),
Zur Geschichte der Herzogthiimer Zator und Auschwitz.
597
Grossmähren erlog nach kurzem Bestände der Uneinigkeit der
Nachkommen Swatopluk’s, dem Streben der unterworfenen slavi-
schen Stämme nach Selbständigkeit, und den Angriffen der Deutschen
und Magyaren. Man wird über das Schicksal der Chorvaten, unmit
telbar nach dem Zusammensturz des grossmährischen Reiches, kaum
eine historisch beglaubte Nachricht je erhalten, vermuthlich standen
sie wieder wie früher unter ihren jetzt unabhängigen Häuptlingen.
Dies mag bis in die Zeit der Böhmenherzoge Boleslaus I. und II.
gewährt haben, unter deren Leitung sich die Cechen abermals zu
hohem Ansehen und grosser Macht erhoben. Zeugniss davon legt
der Stiftungsbi ief des ßisthums Prag ab *). Wenn auch nicht alle
jene Gebiete, welche diese Urkunde aufzählt, zu den Eroberungen
der Böhmen gerechnet werden könnten, so wird doch sicher Gross-
chorvatien dazu gehört haben, was die Thätigkeit des heiligen Adal-
bert's daselbst beweist. Dem frommen Boleslaus II. folgte sein ihm
unähnlicher Sohn Boleslaus III., Rothhaar genannt, ein Mensch von
unermesslicher Gottlosigkeit, der das Volk mit unsäglicher Tyrannei
behandelte 3 ). Mit ihm sank das Reich der Böhmen von seiner Höhe,
Grosschorvatien ging für dasselbe verloren. Das Gebiet von Krakau
wurde für immer, das spätere Herzogthum Auschwitz für einen
Zeitraum von achtzehn Decennien mit den Geschicken Polens ver
knüpft.
Mieczystaw’s von Polen grosser Sohn, Bolesfaw Chrobry, wel
cher 992 zur Regierung gelangt war, muss als der eigentliche
Stifter des polnischen Reiches angesehen werden. Unter seinen
vielen Kriegszügen ist für uns der gegen die Chorvaten unternom
mene von besonderem Interesse, sie wurden eine Beute des Polen
herzogs, das Krakauer Gebiet und Oberschlesien ein Bestandtheil
des plastischen Staates 3 ). Das eroberte Land verschmolz mit Polen
und endlich die Wasserweihe in der Vigilie der heil. Dreikönige (Stenzel’s
Geschichte Schlesiens S. 13).
*) Der Stiftungsbrief ist bekanntlich nur in einer Bestätigung Kaiser Heinrich’s IV.
vom 29. April 1086 bei Cosmas in Mon. Germ. IX, 91. erhalten, es ist mir
nicht unbekannt, dass er in manchen seiner Theile nicht über jeden Zweifel
erhaben ist; vgl. Palacky’s böhm. Geschichte I, 226. Dudik's mähr. Geschichte
1,313. Dudik's, Troppau's ehemalige Stellung zu Mähren, 230. Büdinger's österr.
Geschichte I, 314. Diimmler’s Piligriin von Passau 173.
2 ) Thietmar, Mon. Germ. III, 793. 797.
3 ) Cosmas, Mon. Germ. IX, 36. dux Poloniensis Meseo (immo Bulezlaus cognomine
Chrahrv) mox urbem Krakov abstulit dolo , omnibus quos ibi invenit
598
(]. Bier m n u n
zu einem Reiche, und die beiden Bruderstämme w uchsen dergestalt
zu einerNation zusammen, dass den späteren Chronisten die Kunde
von einer frühem Trennung fast ganz verloren ging. Kaiser
Otto III. errichtete im Widerspruch mit Magdeburgs Metropolitan
rechten im Jahre 1000 in Gnesen ein Erzbisthum, dem er die
gleichzeitig errichteten Bistliümer Kolberg, Breslau und Krakau
unterordnete; zu dem Sprengel des letzteren gehörten und gehören
bis in die neueste Zeit die Herzogthiimer Zator und Auschwitz. Die
vom Kaiser getroffene kirchliche Organisation war für Boleslaus von
doppelter Wichtigkeit, denn seine Eroberungen erlangten dadurch
die kaiserliche Bestätigung, und das von dem Herzog beherrschte
Land wurde in kirchlicher Beziehung von Deutschland getrennt; der
kirchlichen Selbständigkeit aber musste die politische auf dem Fusse
nachfolgen.
Meines Wissens wird Auschwitz, welches bis gegen das Ende
des XII. Jahrhunderts auf das Allerengste mit Polen verknüpft blieb,
auch nicht einmal bei irgend einem der Chronisten angeführt, auch
weiss ich mich nicht zu erinnern, dass es mir in dieser Periode in
irgend einer Urkunde begegnet wäre, und doch bestand ganz gewiss
bereits in diesem Zeiträume eine Ortschaft dieses Namens, und zwar
mit einem Castell, in welchem ein Castellan oder Burggraf sass, der
den Landesherrn in dem dazu gehörigen Districte, der Castellatur
oder der Castellanei vertrat, und in seinen Händen die militärische
richterliche und administrative Gewalt innerhalb seines Bezirkes
vereinigte, in deren Ausübung er von Unterbeamten unterstützt
wurde.
Im Jahre 1103 wurde den Söhnen des vertriebenen polnischen
Grossfürsten Wladislavv’s, Boleslaus, Mesko und Konrad von ihrem
Oheim Boleslaus IV. alles zum Breslauer Bisthumssprengel gehörige
Land abgetreten. Sie theilten sich in dasselbe. Mesko bekam Ratibor,
später auch Oppeln, er und seine drei nächsten Nachfolger, welche
ganz Oberschlesien beherrschten, nannten sich Herzoge von Oppelri.
Von Boleslaus IV. erhielt Mesko bei Gelegenheit der Taufe seines
Sohnes, das jetzt von Polen getrennte Beuthen und Auschwitz,
Boemiis exstinctis gladio. — Res gestae principum et reguin Poloniae per Vin-
centium (Kadluhkonem) saee. XII & XIII enarratae; Vars. 1824, I. 99. Himnos seu
Hiingviros, Cravalios & Mardos — suo maucipavit imperio.
Zur Geschichte der Herzogthümer Zator und Auschwitz. 599
dazu ohne Zweifel auch Zator, Siewierz und Pless, überhaupt was
von Schlesien zum Krakauer Bisthumssprengel gehörte 1 ).
Unangefochten blieben seitdem die Herzoge von Oppeln im
Besitz der Castelln tur Auschwitz, in ihrer Begleitung linden
sich zuweilen auch die Castellane von Auschwitz , wir begegnen
ihnen als Zeugen in den herzoglichen Urkunden, so unterfertigt am
1. August 1228 Wernherus Castellan von Auschwitz, einen Brief
Kasimir’s von Oppeln, und in einer Urkunde Herzog Wladislaw’s vom
21. October 1258 begegnen wir dem Burggrafen Laurentius 2 ). Ein
Castellan Jaroslaus von Auschwitz wird 1262 in einem Schreiben
desselben Herzogs erwähnt 8 ).
Es kann hier nicht mit Stillschweigen übergangen werden, dass
merkwürdiger Weise Wladislaus von Oppeln urkundlich zweimal als
Herzog von Auschwitz angeführt wird. Das erste Mal geschieht
es in einem zu Auschwitz am 22. Mai 1250 ausgestellten Brief,
kraft welchem Wladislaus Herzog von A u s c h w i t z in Anwe -
senheit seines leiblichen Bruders J anus ius, Herz og von Ratibo r,
für das Seelenheil seines Sohnes Wlodimir, Mönch des Benedic-
tinerklosters Tiniec, dem Abt Daniel und der Abtei das Dorf Lac-
zany oberhalb der Weichsel schenkt. Die Marken der Ortschaft, die
er abgrenzen habe lassen, werden angegeben, auch ein Zehntel
aller Einkünfte und freies Holz, so wie die Dörfer Wola, Radzieszow
und Zorzow werden den Benedictinern zugetheilt 4 ). Dass diese
Urkunde ein Falsificat und noch dazu ein sehr grobes sei, braucht
kaum bemerkt zu werden, die oberschlesische Geschichte dieser Zeit
weiss weder einen Herzog von Auschwitz, noch einen von Ratibor
namhaft zu machen. Es kann aber auch nicht an eine Verwechslung
mit dem später zu erwähnenden Wladislaus, dem ersten Herzog von
Auschwitz gedacht werden, denn dessen Zeitgenosse im Herzogthum
Ratibor war ja Herzog Lestko. Auch die übrigen in diesem Schrift
stücke angeführten Personennamen sind historisch unbeglaubigt, die
') Boguphal hei Sommersherg II, 4G. Slen/.el’s scliles, Geschichte S. 32. Erst 1821
wurde durch die Bulle de salute animarum Beutlien und Pless dem Breslauer
Bisthume einverleiht.
2 ) Codex diplomaticus Poloniae Tom. III, edid. Bartoszewicz p. 13. Codex diplom.
Silesiae, edid. Watteiihach II, 2.
Slenzel’s Heinrichau S. 58.
4 ) Sczygielski Tinecia p. 153.
SS
RU
600 G. Biermonn
Geschichte des Klosters Tiniec kennt in dieser Zeit keinen Abt
Daniel, und Wlodimir, der Sohn Wladislaw’s, ist mir in keiner der
vielen Urkunden dieses Fürsten noch begegnet, ja der Herzog von
Oppeln, weicher 1250 noch im jugendlichen Alter stand, konnte
unmöglich schon einen Sohn haben, der bereits damals das Kloster
gelübde abgelegt haben konnte.
Das zweite Schreiben ist von Boleslaus dem Schamhaften, Her
zog von Krakau und Sandomir, am 28. September 1278 ausgestellt.
In demselben erklärt er, dass er zwar alle an der Skawa liegenden
Ortschaften dem Herzog Wladislaus von Auschwitz als
ewiges Besitzthum übergeben habe, dass er jedoch davon die Dörfer
seiner Ritter insbesondere aber Trebol eximire 9> da sie als seine
treuen Diener dem Herzogthum Krakau auf keine Weise entfremdet
werden sollen, daher denn auch Wladislaus von Auschwitz weder
Dienste und Abgaben von ihnen fordern, noch sie vor sein Gericht
laden dürfe. Was der Herausgeber der Urkunde zur Rettung der
selben (in der Anmerkung 3) anführt, ist nicht stichhaltig, ich halte
auch sie wenigstens in der Form wie sie uns vorliegt, für unecht 3 ).
Für die Geschichte des Städtewesens im Auschwitzer Gebiete
ist der Wladislai’sche Brief von 1277 von Bedeutung, laut welchem
der Herzog von Oppeln den Kauf der Yogtei von Kenty bestätigt,
und den Käufern Arnold und seinen Brüdern Rüdiger und Peter von
60 Hufen, die sechste zinsfrei ertheilt, ihnen das Recht zum Bau von
Mühlen, zur Anlegung von Fleisch-, Brot- und Schuhbänken zu
spricht, und die Commune mit dem Lewenberger Rechte bewidmet 3 ).
Nach dem Tode Wladislaw's von Oppeln (-[- 13. November 1282)
theilten sich seine Söhne in das väterliche Erbe. Boleslaus erhielt
Oppeln, Kasimir, Beuthen und Kosel, Mesko und Przemislaus
bekamen Ratibor und die Casteilaturen Teschen und Auschwitz, den
Titel eines Herzogs von Oppeln neben den eines Herrn von Beuthen,
von Ratibor oder von Auschwitz führten sie noch mehrere Jahre
lang gemeinschaftlich. Mesko und Przemislaus, der älteste und
jüngste der Brüder haben ursprünglich gemeinsam geherrscht, ja
*) Trzebonia, Pfarrdorf im Wadowilzer Kreis bei Mvslenilz.
2) Cod. dipl. Polon. Tom I. edid. Muczkowski & Rzyczewski. Bestätigungen dieses
Briefes aus den Jahren 1356 und 1428 finden sich im 3. Bd. des Codex.
3 ) Cod. dipl. Polon. III, 114.
Zur Geschichte der Herzogthümer Zator und Auschwitz.
601
es stand möglicher Weise dieser eine Zeit lang unter der Vormund
schaft des ersteren >). Für die gemeinschaftliche Regierung spricht
unter andern die Stelle eines Briefes, welcher zu Gunsten der
Stadt Ratibor am 10. November 1290 von Przemislaus ausgestellt
wurde, sie lautet: Postmodum etiam tempore fratris nostri
Charissimi Illustrissimi Ducis M usconis simul et nostro 2 ).
Auch haben die Brüder anfänglich eine andere Theilung vor
gehabt als später beliebt worden ist, was aus den nachfolgenden
Urkunden ersichtlich wird.
Przemislaus, Herzog von Oppeln und Herr von Auschwitz,
gibt 1284 den Klosterbrüdern in Mogila für sechs Hufen urbaren
Landes in Spytkow'itz (bei Zator) sechzehn fränkische Hufen von
seinem' Walde mit deutschem Rechte 3 ).
Mesko, Herzog von Oppeln und Herr von Ratibor, bestätigt
zu Rybnik am 23. März 1287 die der Adalbertskirche in Nikolai
gemachten Schenkungen; Przemislaus von Oppeln und Herr von
Auschwitz hängt sein Siegel an den Brief 4 ).
Eine Urkunde von 1284 führt Przemislau' 1 s Siegel mit der
Umschrift: S. P(remislii Dei) GR(n Du)CIS. OPOLIEN. D. OSVEN-
C1M s).
In dem Schreiben vom 7. Mai 1286, kraft welchem das Brüder
paar die Stadt Ratibor zum Oberhof für alle in ihrem Lande mit
flämischem Rechte bewidmeten Ortschaften setzen, und die Form
eines Gerichtes in letzter Instanz anordnen, nennen sich Mesko und
Przemislaus, Herzoge von Oppeln und Herren von Ratibor 6 ).
Am 13. November 1288 befreien die beiden Herzoge von
Oppeln und Herren von Ratibor die Dörfer des Stiftes Czarnowanz,
Przemislaus wird in der für das Benedictinerkloster Orlau im Teschnischen vom
Herzog Wladislaus am 12. Juni 1268 ausgefertigten Urkunde (in Hormayr’s Archiv, -
Jahrg. 1820, Nr. 46; und in Heyne’s documentirter Geschichte des ßisthums,
Breslau S. 1039, Anm. 1) zum ersten Male urkundlich angeführt, er war mithin
1289 mindestens 24jährig.
2 ) Sommersberg I, 914. A. Heinrich in Wolny's histor. Taschenbuch, X. Jahrgang
1829, S. 217, schiebt diesen Worten die irrige Bedeutung unter, dass Przemis
laus hier seines verstorbenen Bruders gedenke.
3 ) Cod. diplom. Poloniae III, 135.
4 ) Im fürstlichen Archiv in Pless.
5 ) Vosberg hat es in seinen : Siegel des Mittelalters von Polen u. s. w. 1854,
S. 30 beschrieben und auf Taf. XIX abgebildet.
6 ) Tzschoppe und Stenzei: Urkundensammlung S. 403, Nr. 79.
602
(i. B i e r na n n 11
Krawarn, Radoschau und Knizenitz von allen herzoglichen Diensten
und Lasten; das eine der angehängten fürstlichen Siegel hat die
Umschrift: S. MESCONIS, DI. GRA. DVCIS. OPOLIEN. DNI. DE. RATIBOR.
das andere S. PMIZLII. DI. GRA. DVCIS. OPOLIEN. DNI. D. (Osv)
ENCIM. ‘)-
Herzog Mesko von Oppeln, Herr von Ratibor, schenkt laut
der am 31. October 1289 zu Ratibor ausgefertigten Urkunde,
mit Zustimmung seines Bruders dem Kloster Czarnowanz hunder
fränkische Hufen bei Novum castrum (in Oppeln) im Walde Uitalis-
soua porainba (Vitalienrott) 3 ).
Die mitgetheilten Urkunden liefern den Beweis, dass Auschwitz
dem jüngern, Ratibor dem älteren Bruder bestimmt war. Es muss
jedoch im Jahre 1289 eine Verabredung getroffen worden sein, auf
Grund welcher dem Herzog Mesko die Castellaturen
Teschen und Auschwitz zufielen, Przemislaus aber Ratibor
erhielt.
Jener stellt nämlich am 31. Jänner 1290 zu Teschen einen
Brief aus, in welchem er sich Herzog von Teschen und Herr
von Auschwitz nennt. Als solcher bestätigt er seinem Dienst
mann Bogusius die Freiheit für jene an der Olsa in der Nähe der
Stadt Teschen gelegenen zehn fränkischen Hufen, welche er von dem
herzoglich teschnisehen Münzer Frilto erlangt hatte, Mesko gibt
dem Bogusius (er ist gewiss der Localor des Dorfes Boguschowitz)
die Befugniss zum Mühlenbau, Fischfang und zur Jagd, befreit die
anzusiedelnden Bauern von allen Diensten und Lasten, und von der
Gerichtsbarkeit des Hofrichters und der Stadtvögte. Unter den
Zeugen wird auch Nikolaus genannt Lisignat, Castellan von Au
schwitz angeführt?).
Am 9. August 1290 ertheilt Przemislaus, Herzog von
Oppeln und Herr von Ratibor, die Erlaubniss zu einem Mühlen
bau 4 ).
1 ) Cod. diplom. Sil. I, 17.
2 ) Ebendas. S. 19.
3 ) Abschriftlich im Hausprotokoll des ßiirgerspilals in Teschen (im Stadtarchiv
aufbewahrt), gedr. in den Schriften der hist.-statist. Section XII. 164. Ein Ca
stellan Nikolaus von Auschwilz kommt in einer Urkunde vom 2. August 1297
vor; Codex dipl. et epistol. Mo rav ine V, 74.
4 ) Im köuigl. Provinzial-Archiv in Breslau.
Zur Geschichte der Herzogthiimer Zator mul Auschwif./..
G03
Die erstere Urkunde ist Dir die Geschichte Teschens vom hohen
Werthe, von dem Tag ihrer Ausstellung an ist das Bestehen eines
Herzogthums Teschen urkundlich gesichert, mit diesem neuen
Fürstenthume war Auschwitz bis zum Ableben Mesko’s verbunden.
Der erste Herzog Teschens bezeichnet sich in den wenigen auf
uns gekommenen Urkunden meist als Herr von Auschwitz, so in
dem den Bürgern der Stadt Bielitz am 3. Juni 1312 ausgestellten
Schreiben, auf Grund dessen er ihnen den Wald hei Nikelsdorf bis
Kamnitz gibt, welcher heute noch städtisches Eigenthum ist *).
An einem Brief Herzog Lestko’s von Ratibor vom 9. April 1313
befindet sich Mesko’s Siegel mit der Umschrift: (S. Mes) CON. DI.
GRA. DVC. (Tessin) ET. DNI. D. OSSUECI. *).
Derselbe Herzog ertheilte am 3. September 1291 der Stadt
Auschwitz das Recht, dass alle in der Castellatur vorkommenden zur
höheren Gerichtsbarkeit gehörigen Rechtsfälle von dem Stadtgerichte
durch Schöffen zu entscheiden seien, auch gab er ihr das Niederlags
recht für Blei und Salz, und das Zollgefäll auf den zwei Brücken 3 ).
Die Vogtei von Zator verkaufte er laut seinem zu Auschwitz am
10. November 1292 ausgefertigten Brief an seinen Caplan Arnold, und
stattete ihn mit den üblichen Freiheiten eines Locators aus 4 ).
Die Stadt Auschwitz hatte also bereits zu Ende des 13. Jahr
hunderts deutsches Recht, sie erhielt dasselbe wenn nicht früher, so
doch sicher vom Herzog Wladislaus von Oppeln; der gleich seinem
Bruder Mesko II. (-j- 1246) und seinem Vater Kasimir (f 13. Mai
1230) für die Anlegung von Dörfern und Städten nach deutschem
Rechte thätig war. Das der Stadt Auschwitz ertheilte Niederlagsrecht
für Blei und Salz lässt auf einen lebhafteren Transitohandel dieser
Artikel schliessen, und beweiset, dass die Stadt als Durchgangspunct
für den mährisch-polnischen Handel nicht unwichtig war. Auch Zator
und Kenty waren im 13. Jahrhundert mit deutschem Rechte bewidmete
Städte. Gleich wie in ganz Schlesien und im Herzogthume- Krakau,
') Als Transsumt ia einer Confirmationsurkunjde Herzog Friedrich Kasimir's vom
Jahre 1565 im Archiv der Stadt Bielitz; gedr. in den Schriften der hist.-statist.
Sect. XII, 166.
2 ) Cod. dipl. Sil. II, 123.
3 ) Schrift, d. hist.-statist. Sect. XII, 533. Am 14. November 1296 erlheilt König Wenzel
der Stadt Troppau das Niederlagsrecht auf Blei, Wein, Tuch, Salz und andere
Waaren; Cod. dipl. Poloniae III, ißi.
4 ) Sommersberg III, letztes Blatt.
604
G. Biermnnn
werden in dieser Zeit auch im Auschwitz’sclien zahlreiche deutsche
Colonisten von den Landesherrn gerufen, und mit den üblichen
Rechten und Freiheiten ausgestattet, sich in mitten der polnischen
Bevölkerung niedergelassen, und zur Hebung der Bodencultur, des
Handels und der Gewerbe wesentlich beigetragen haben (Kunzen-
dorf, später Lipnik genannt, wird gewiss schon im 13. Jahrhundert
zu deutschem Rechte ausgesetzt worden sein). Die schon angeführten
Namen des Castellans Werner, der Vögte Arnold und Rüdiger, des
Caplans Arnold deuten auf den deutschen Ursprung dieser Männer.
Das Herzogthum Teschen mit dem Auscliwitzer Gebiete gerieth
bereits unter Mesko in Abhängigkeit von der Krone Böhmen. In dem
am 17. Jänner 1291 zu Olmütz mit Wenzel von Böhmen abge
schlossenen Vertrag, machte sich der Herzog verbindlich, dem König
in der Erwerbung, Verfolgung und Vertheidigung seiner Rechte,
Länder und Besitzungen in allen Fällen und gegen Jedermann beizu
stehen, und von ihm aufgefordert in eigener Person mit allen seinen
Leuten, seiner ganzen Macht und seinem Vermögen bei jeder Gele
genheit ihm behilflich zu sein; auch verpflichtet er sich dem König
und seinen Leuten die Burgen und Festen seines Landes zu öffnen,
und ihm und den Seinigen freien Ein- und friedlichen Abzug aus
denselben zu gewähren 1 ). Obgleich diese Militärconvention, wenn
wir sie so bezeichnen dürfen, bei weitem verschieden ist von dem
von Kasimir von Beuthen am 10. Jänner 1289 ausgestellten Docu-
mente, laut welchem er sein Herzogthum dem Böhmenkönig förm
lich übergibt und als Lehen zurück erhält 3 ), so erscheinen doch
auch im erstem Vertrag die Pactirenden keineswegs auf gleichem
Fusse, ja es lässt sich aus den einzelnen Vertragsbestimmungen das
Verhältniss des Lehensmannes zu seinem obersten Lehensherrn
herauslesen. Sollte aber auch eine wirkliche Lehensoblation von
Seite Mesko’s um diese Zeit noch nicht stattgefunden haben, so war
sie doch für die Dauer bei der Ohnmacht der oberschlesischen
Fürsten und der geographischen Lage ihrer Länder inmitten ihrer
mächtigen, damals im Krieg verwickelten böhmischen und polnischen
Nachbarn unausweichlich, sie erfolgte im August 1292 zu Oppeln 3 ).
*) Archiv für Kunde österr. Gesch. Quellen XIV, 172, Nr. 1.
2 ) Somrnersberg I, 881.
3 ) Chron. Aulae Regiae, edid. G. Dobner in Monum. histor. Bohemiae V, 78.
Zur Geschichte der Herzoglhümer Zator und Auschwitz.
605
Die Heirat zwischen Wenzel III. von Böhmen und Viola, der Tochter
Mesko’s im Jahre 130ä, mag den Herren von Teschen und Auschwilz
noch enger an das Interesse des Königs geknüpft haben. Mit dem
Tode des letzten Przemisliden hörte jedoch die Abhängigkeit des
Teschner und Auschwitzer Gebietes von der Krone Böhmens für
eine kurze Zeit auf, denn die nächstfolgenden Könige fanden nicht
die nöthige Müsse, die Politik ihrer Vorfahren in Bezug auf Polen
wieder aufzunehmen, und Johann von Lützelburg, tief verflochten in
die dazumaligen Wirren des deutschen Reiches, und nicht selten
taktlos in der Behandlung seiner neuen Unterthanen, liess eine
Reihe von Jahren verstreichen, bis sich seine Aufmerksamkeit auf
die schlesischen und polnischen Angelegenheiten richtete. In der
Zwischenzeit gerieth die Lehensabhängigkeit Oberschlesiens in Ver
gessenheit und auch Auschwitz wurde unter seinem eigenen Fürsten
wieder selbstständig.
Urkundlich sicher gestellt ist es, dass Herzog Mesko zwei
Söhne Wladislaus und Kasimir besass 1 ). welche sich nach seinem
Hinscheiden in das väterliche Erbe theilten 3 ). Dieser bezeichnet
sich in seinen Briefen einfach als Herzog von Teschen, so in dem
Anm. 2 angeführten Schreiben, und in der zu Bielitz am 1. Mai
1316 ausgestellten Urkunde über zwei, dem Peter, Bürger der Stadt
Bielitz geschenkte Freihufen in dem Dorfe Bielitz (Alt-Bielitz) 3 ),
so auch in allen späteren von diesem Herzoge herrührenden
Schriftstücken.
Wladislaus erhielt aus der Hinterlassenschaft das Auschwitzer
Gebiet. Mir ist zwar noch kein einziger von diesem Herzog aus
gefertigter Brief in die Hände gekommen, erwähnt aber wird er in
zwei vom Papst Johann XXII. zu Avignon ausgestellten Schreiben.
f) Sie werden in der Urkunde vom 31. Jiinner 1290 (vgl. S. 602. Anm. 3) und in einem
Bestätigungsbriefe Herzog Bolko’s von Teschen vom 6. Februar 1417 erwähnt;
das Original des letzteren wird von der Dorfgemeinde fiolesehau aufhewahrt,
mitgetheilt ist er in den Schriften der hist.-statist. Seetion XII, 168.
a ) Das S. GU3, Anm. 2 angeführte Schreiben vom 9. April 1313 ist das letzte, welches
Mesko's gedenkt, bis zu der vom Herzog Kasimir von Teschen am 14. März aus
gestellten Urkunde über 4 1 2 Hufen Landes zur Viehweide für die Bürger der
Stadt Bielitz (Schriften der bist.-statist. Seetion XII, 167), mangelt jeder urkund-'
liehe Nachweis. Mesko muss in der Zwischenzeit gestorben sein.
3 ) Die vom Bielitzer Magistrat am 4. November 1617 vidimirte Copie befindet
sich im Prov.-Archiv in Breslau, bez. Bielitzer Herrschaft.
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XL. Bd. IV. Hfl.
40
600
G. Biermann
Das erstere vom 22.September 1321 ertlieilt dem HerzogWIadis-
laus und seiner Gemablinn Euphrosine, Herzoginn von Ausch
witz die Erlaubniss, sich einen tauglichen Priester zu ihrem Beicht
vater wählen zu dürfen J). Die andere Urkunde, vom IS. December
1321, ist an den KrakauerScholasticus Johann, dem SohneWIa-
dislaw’s, Herzogs von Auschwitz gerichtet, in derselben
erklärt der Papst, dass er die Pfründe eines Scholasticus der Kra
kauer Kirche, welche durch die Erhebung ßoleslaw’s zum Erzbischof
von Gran erledigt wurde, dem genannten Johann mit allen Rechten
und Zugehör ertheile. Derselbe habe sich, sobald er das dazu taug
liche Alter erreicht haben wird, der Priesterweihe zu unterziehen.
In ähnlichem Sinne schrieb der Papst noch an mehrere geistliche
Würdenträger 2 ).
Es lässt sich also nicht im geringsten zweifeln, dass Wladis-
laus, der Sohn Mesko's von Teschen, Fürst von Auschwitz war. Er
ist der erste Herzog dieses Landes, die frühereCastel-
latur Auschwitz wurde durch ihn ein eigenes Herzog-
thum. Dasselbe war aber auch während seiner Regierung ein voll
kommen selbstständiges Land, und der Herzog ein völlig unabhän
giger Herr. '
Allerdings änderte sich dieses bereits unter seinem Sohn und
Nachfolger Johann I.; es ist derselbe, welcher uns schon aus dem
letzterwähnten päpstlichen Schreiben bekannt ist. Als Herzog von
Auschwitz und Scholasticus von Krakau urkundet er zu Beuthen am
24. Februar 1327, dass er Fürst und Vasall König Johann’s von
Böhmen sei, und dass er von ihm das Herzogthum Auschwitz mit
allen Städten und Burgen und zwar die Städte Auschwitz und Zator,
Lant (? wohl Kenty), Zipsa (? wahrscheinlich Zywiec = Seipusch),
Wadowilz und Spytkewitz mit ihren Bewohnern und mit allen Dörfern,
Leuten, Vasallen und Rittern und allem Zugehör von dem König als
Lehen erhalten habe 3 ). An demselben Tage verbriefte der Böhmen-
*) Nobili viro, schreibt der Papst, Wlndislno duci, et dilecte in Christo filie nobili
mulieri EffVosine ducisse Oswecinensi.
2 ) Beide Urkunden in Theiner’s Velera Monumenta Poloniae et Lithunniae ect. Romae
1860, I, 170. 171. Nr. 2ö9 et 261. Im Eingänge des zweiten Schreibens bedient
sieb der Papst der Worte: Johanni nato dilecti filii Ladislai du eis
de Os wer i ein, Scolastico ecelesie Cracoviensis.
3 ) Sommersberg I, 807.
Zur Geschichte der Herzogthüiner Zator und Auschwitz.
607
könig dem Herzog Kasimir I. von Teschen sein und seiner Nach
kommenschaft Erbrecht auf das Herzogthum Auschwitz, im Falle
Herzog Johann I., der Brudersohn des Teschner Fürsten, oder seine
Nachkommen ohne eheliche Kinder sterben sollten f ). In dem Trent-
schiner Vertrag vom 24. August 1335 erklären die polnischen Abge
ordneten, dass ihr König Kasimir den König Johann von Böhmen
und seinen Sohn Karl, Markgrafen von Mähren, in dem Besitz und
der Herrschaft Schlesiens auf keine Weise nie und nimmer kränken
und belästigen wolle. Im November desselben Jahres trafen sodann
auf der ungrischen Königsburg Wischegrad die Könige von Böhmen,
Polen und Ungern zusammen, es wurden daselbst die Bedingungen
des früheren Vertrags bestätiget. In beiden erstem) wird Johann
von Auschwitz unter den schlesischen Lehensherzogen mit auf-
g ezählt 2 ).
Es wurde mithin Johann I. von Auschwitz, welcher ursprüng
lich für den geistlichen Stand bestimmt war, nach dem Tode WJadi-
slaw’s (er starb zwischen 1322 und 1326) aber die Begierung des
Herzogthums übernommen hatte, der Vasall Böhmens und das Her
zogtum Auschwitz ein zur böhmischen Krone gehöriges Lehen
fürstenthum; in diesem Verhältniss verblieb es bis in die Mitte des
15. Jahrhunderts.
Wir erinnern uns, dass Papst Johann XXII. im Jahre 1321 dem
Scholastieus Johann auftrug die Weihen zu empfangen, sobald er
die dazu tauglichen Jahre erreicht haben würde; er stand also noch
im jugendlichen Alter als er zurRegierung des Herzogthums gelangte.
Die Priesterweihe hat er gewiss nie empfangen, und das geistliche
Amt eines Scholastieus wird er bald niedergelegt haben s). Bereits
in der am 1. September 1333 zu Auschwitz ausgestellten Urkunde,
laut welcher er dem Zegota von Benkowitz einen an der Skawa
liegenden Wald zuerkennt, ist der Titel eines Scholastieus fallen
gelassen 4 ), er kommtauch nicht, weder in dem von den Abgeordneten
des Polenkönigs Kasimir in Trentschin zu Stande gekommenen Ver-
*) Sominersberg I, 804.
2 ) Ebendaselbst 1^ 774—,771». Cod. dipl. et epist. Moraviae VII, 50. G9.
3 ) Der Scolasticus war Domherr, er wird auch Praelatus Scolasticus genannt.
4 ) Inventarium omnium et singulorum privilegiorum etc. quaecunque in archivo regni
in arce Cracoviensi continenlur, per cominissarios confectum Ao. Dni. 1682.
Lutetiae Parisionun 1862, p. 228.
40*
608
G. Hier m n u n
trage, noch in irgend einem Briefe des Herzogs überhaupt vor.
Dieser scheint jedoch nicht alle mit der' erwähnten Pfründe ver
bunden gewesenen Einkünfte abgegeben, sondern etliche Zehnte und
Bischofsvierdunge, welche von dem Scholasticus aus dem Herzog-
thume Auschwitz bezogen wurden, zurückbehalten zu haben !). Dies
wird aus dem an den Breslauer Bischof gerichteten Schreiben Papst
Urban’s V. vom 27. August 1363 ersichtlich, kraft welchem er ihn
beauftragt den Rechtsstreit zwischen Arnold von Cancina, Scholasticus
von Krakau, und dem Herzog Johann vqu Auschwitz über etliche zur
Scholasterie gehörige Zehente zu entscheiden a ).
Noch lebte bei den Piasten Oberschlesiens die Erinnerung an
ihre Zusammengehörigkeit, und trotz der Zersplitterung Oberschle
siens in zahlreiche kleine Fürstentbümer wurden Land und Leute
noch immer als das Gesammteigenthum des Geschlechtes betrachtet.
Die plastischen Fürsten glaubten sich noch an das polnische Erb
recht halten zu können, dem zu Folge in Ermanglung von Söhnen
die Oheime, ja selbst die entfernteren Mitglieder des Geschlechtes,
mit Ausschluss der Töchter, sich in das hinterlassene Erbe theilten.
Als nun mit dem schon erwähnten Lestko von Batibor, die von
seinem Vater Przemislaus gestiftete plastische Linie der Ratiborer
Herzoge erloschen war, erhoben sämmtliche oberschlesische Fürsten,
darunter auch Johann von Auschwitz Ansprüche auf die Hinter
lassenschaft, auf welche jedoch der Przemislide Nikolaus von Trop-
pau, als Schwager des verstorbenen Lestko ein Hecht zu haben
vermeinte. Die Streitfrage wurde dem König Johann von Böhmen
zur Entscheidung vorgelegt, der sich die Gelegenheit nicht ent
gehen liess, seine oberlehensherrliche Gewalt zur Geltung zu bringen,
und sie den in den inneren Angelegenheiten ihres Landes fast voll
kommen souveränen schlesischen Fürsten fühlbar zu machen. In
einem zu Breslau am 14. Jänner 1337 ausgefertigten Schreiben
bezeugt der König, dass Wladislaus von Beuthen, Kasimir von
Teschen, Bolko von Falkenberg, Bolko von Oppeln, Albert von Streh-
litz und Johann von Auschwitz Ansprüche auf Ratibor erhoben
') Auch der Scholasticus des Domcapitels in Breslau war fast ausschliesslich auf
Getreide und Silberzinsen angewiesen, er bezog- ausserdem nur noch die ausge
setzten Präsenzgelder für seine kirchlichen Functionen.
Theiner, Vetera Monumenta I, 6117. Nr. 8H7.
Zur Geschichte der Herzogthiimer Zator und Auschwitz.
609
hätten. Aüf dem vom König ungeordneten Tag wurde die Frage
aufgeworfen, ob nach deutschem Lehens-, oder nach polnischem
Rechte die Sache zu entscheiden wäre, die Herzoge sprachen sich
für dieses aus, Nikolaus von Troppau, welcher gleich nach Leslko's
Tode vom König mit Ratibor belehnt worden war, wollte die Ange
legenheit nach dem Lehensrecht behandelt wissen, denn er fühlte es,
dass er sich nur auf dieses gestützt in dem neuen Besitze werde
behaupten können. Auch der König entschied sich dafür, nur ver
pflichtete er den Herzog von Troppau das zur Hinterlassenschaft
gehörige Kosel und Gleiwitz aufzulassen. Ein an demselben Tage
erlassenes königliches Schriftstück verspricht dem Herzog Nikolaus
ihn im Besitz Ratibors zu schützen, und sagt ihm zu, dass er darüber
nur nach deutschem Lehensrechte Rede und Antwort zu stehen
habe ‘).
Ein ähnlicher Fall trug sich achtzehn Jahre später zu, als mit
Wladislaus und seinem Sohne Bolko die herzogliche Kosel-Beuthen-
sclie Linie ausstarb. Wieder wurde die Verlassenschaft den weib
lichen Descendenten zugesprochen, mit welchen Konrad von Oels
und Przemislaus I. von Teschen ehelich verbunden waren. Diese
tlieilteil sich in das Erbe und die Ansprüche der Fürsten von
Oppeln, Falkenberg, Strehlitz und Johann I. von Auschwitz
wurden auf den vom Kaiser Karl IV. am 14. October 1355 zu Prag
abgehaltenen Tag zurückgewiesen 2 ).
Unser Herzog stellt am 20. December 1344 zu Auschwitz eine
Urkunde zu Gunsten der Benedictinerabtei Tiniec aus 3 ), und erkennt
am 3. October 1353 mit den übrigen Fürsten, welche auf die Kosel-
Beuthen'sche Erbschaft Ansprüche erhoben hatten, Karl IV. auf Grund
der Krone Böhmens als seinen Herrn an 4 ), im November 1358 ist er
im Gefolge des Kaisers in Breslau zu treffen 5 ).
*) Beide Urkunden sind in dem in Prag' befindlichen , für die oberschlesische
Geschichte höchst wichtigen Registrum S. Wenceslai zu finden , welches schon
von Peltzel in seinem Kaiser Karl IV. beniitzt wurde, er nennt es Copiarium
S. Wenceslai. Eine vom Herrn Dr. W. Wattenbach besorgte und von ihm sorg
fältig- mit dem Prager Codex verglichene Abschrift befindet sich im Breslauer
k. Prov.-Archiv, sie ist von mir beniitzt worden.
2 ) Sommersberg I, 837 und Registrum S. Wenceslai.
3 ) Sezygielski Tinecia, p. 65.
4 ) .1. Ohr. Liinig’s deutsches Reichs-Archiv. 1. Conti«. 1. Forts. S. 308.
5 ) Klose : Von Breslau. Docuinentirte Geschichte und Beschreibung II, 208.
610
G. ß i c r in n n n
Johann hatte sich der in seinem Fürstenthume liegenden, dem
Cistercienserstifte Räuden gehörigen Dörfer Ahtsdorf, Ludwigsdorf
und Petersdorf bemächtigt (die beiden letzteren Pietrzykowice und
Lodygowice auch Lodwigowice sind hei Seipusch), den in dieser
Angelegenheit vom Propst von Oppeln gegen den Herzog gefällten
Spruch bestätigte Papst Urban V. am 22. April 1364 i).
Urkundlich zum letzten Male erscheint Johann I. von Auschwitz,
welcher mit Hedwig, Tochter des Herzogs Ludwig von Brieg ver
mählt war 2 ), in dem von Przemislaus I. von Teschen 1370 aus
gefertigten Schreiben, betreffend die Theilung des Kosel-Beuthen-
schen Gebietes, er wird als Schiedsrichter mit angeführt s ).
Ihm folgte sein Sohn Johann II., welcher in einem päpstlichen
Schriftstück vom 6. August 1373 uns zum ersten Male begegnet. Aus
demselben und einem andern Schreiben vom 1. Juni 1375 geht her
vor, dass trotz des oben angeführten Briefes von 1365 (S. 608,
Anm. 2), die der Krakauer Scholasterie entfremdeten Zehnten von
Johann I. nicht zurückgestellt worden waren, denn Papst Gregor XI.
befiehlt dem Bischof von Krakau den Herzog von Auschwitz zur Be
zahlung der 5000 Mark Silbers und der 50 Goldgulden anzuhalten,
die sein Vater dem Arnold von Cancina, Scholasticus der Krakauer
Kirche, schuldet. In dem zweiten Schreiben beauftragt derselbePapst
die drei von ihm ernannten Vollstrecker, den Spruch zu vollziehen,
welcher zu Gunsten des Cardinais Jakob gegen den Herzog von
Auschwitz in Angelegenheit der zur Krakauer Scholasterie gehörigen
Zehnten gefällt worden war. Johann II. wird in dieser Urkunde
bezeichnet als Herzog von Auschwitz, Sohn und Erbe des ver
storbenen Johann, welcher jetzt das Fürstenthum besitzt 4 ).
Wahrscheinlich ist Johann I. schon mit oder kurz nach dem
Beginne des Jahres 1372 todt, dafür scheint mir ein kurzes Regest
aus dem letztgenannten Jahre zu sprechen, nach welchem Wenzel
von Böhmen das Herzogthum Auschwitz lehensrechtlich auf Przemko
*) Codex diplom. Silesiae II, 33.
2 ) Chron. princ. Polon. in Stenzel’s Scriptores rerum silesiae, I, 145. Anm. 3.
3 ) Sommersberg- III, 120.
4 ) Beide Briefe in Theiner’s Vet. Monuin. Pol. I , 692. 723. Die uns inleressirenden
Stellen lauten : idemqne Joh. dux, non satisfacto Arnoldo de premissis viain
fuerit universe carnis ingressus, dilecto filio — Johanne duce Oswantzinensi ejus
nato sibi universilati berede relielo — und Cum autem —Johannis lilius et heres,
qui Duca um Oswaueinensem teilet eet.
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Auschwitz.
611
von Teschen überträgt. Wie kam der jugendliclie König Wenzel
dazu mit dem Fürstenthum Auschwitz den Herzog Przemislaus zu
belehnen, da es ja nicht erledigt, sondern wie die päpstliche Urkunde
von 1373 bezeugt, Johann II. der Herr des Landes war, welches
auf Grund des Lehenhriel'es vom 24. Februar 1327 rechtmässig auf
ihn übergegangen ist? Ich bin der Meinung, dass der Weneeslai’sche
Brief von 1372 von den Commissären des Königs und der Republik
Polen, welche 1682 beauftragt wurden die im Reichsarchiv in Krakau
befindlichen Urkunden zu revidiren und aufzuzeichnen, flüchtig
gelesen und unrichtig aufgeführt worden ist. Przemko I. von
Teschen, welcher sich kurz vorher als Kaiser Karl’s Gesandter an
König Ludwig von Ungern keine geringen Verdienste um das luxem
burgische Haus erworben hatte 1 ), wurde durch das um diese Zeit
erfolgte Ableben seines Vetters Johann I. an die Ansprüche seines
eigenen Hauses auf das Fürstenthum Auschwitz erinnert, und diese
Anrechte liess sich Przemko, was durchaus nicht ungebräuchlich
war, bestätigen und erneuern, nicht aber dass König Wenzel, wie
unser Regest will, ihn mit dem Herzogthume belehnt halte.
Im Jahre 1397 schliessen mehrere schlesische Fürsten mit
Wladislaus von Polen eine dreijährige Einigung und geben das
Versprechen Räuber, Diebe und Überläufer nicht schützen, und die
jenigen, welche Polen zu beschädigen im Sinne haben, als ihre
Feinde behandeln zu wollen. Wenn aber einer von den Fürsten
Polen beschädigt, so hat derselbe vor dem Herzog von Teschen zu
erscheinen und seinem Ausspruch Folge zu leisten. Unter den Pac-
tirenden kommt auch ein Johann vor, es wird wohl niemand anderer
als unser Herzog von Auschwitz sein 2 ).
Vermählt war auch Johann II. mit einer Hedwig. Derselben
verschreibt er am 23, Februar 1396 die Sladt Zator, die Feste
Wotek, und die Ortschaften Spytkowitz, Przeciszow und Przewoz 2 ),
zwei Jahre später versprechen die Bürger von Zator derselben
Hedwig Gehorsam 4 ), und 1400 bestätiget König Wenzel diese Vor-
A ) Dobner: Monumenta historica Bohemiae II, 382. s. f.
2 ) Beide Regesten im Inventar. Cracov. p. 228 und 54.
3 ) Stenzel’s Script, rer. siles. I, 145, Anm. 3 und Invent. Cracov. p. 228.
4 ) Invent. Cracov. p. 228. In diesem Regest ist Hedwig sicher mit Unrecht als
H e r z o gi n n von Zator bezeichnet; ein Herzogthum dieses Namens war damals
612
G. Bier m a n n
Schreibung, welche der Herzoginn 1407 nach dem Tode ihres
Gemahls von eben demselben König confirmirt wird.
Im Jahre 1398 verträgt sich der Herzog von Auschwitz mit
Przemislaus von Teschen und seinen Söhnen Bolko und Przemko *),
und 1402 ist auch er auf jenem Fürstentag in Breslau, auf welchem
die schlesischen Herzoge und die Städte Breslau, Neumarkt und
Namslau urkundeten, bei König Wenzel „getreulich und feste stehen
und bleiben“ und den Landfrieden aufrecht erhalten zu wollen 3 ).
Johann II. starb um das Jahr 1406 ohne Leibeserben hinter
lassen zu haben, mit ihm erlosch nach einer neunzigjährigen
Regierung der drei ersten Herzoge von Auschwitz die von Wladislaus
gestiftete Nebenlinie der Piasten Teschens. Das erledigte Fürsten
thum ging auf die Kasimir’sche Linie über. Ein Regest aus dem
Jahre 1407 benachrichtigt uns, dass König Wenzel von Böhmen der
(Witwe) Hedwig und dem Herzog Przemislaus von Teschen den
Lehensbesitz des Herzogthums Auschwitz bestätigthabe, dass jedoch
der letztere schon das Jahr zuvor das Fürstenthum sein nannte,
kann aus einer von ihm 1406 herstammenden Urkunde gefolgert
werden, laut welcher er den Verkauf des dem Mike Plaschke gehöri
gen Dorfes Mückendorf, „Vnsers Tescbnisches Vnd auch
ausswenznisses gebietes vnd weicbbildt“ an Bruss um
140 Mark gut heisst“).
Mit unserer Angabe, dass Johann II. um 1406 das Zeitliche
gesegnet habe, stimmt die Erzählung des polnischen Chronisten
Dlugosch nicht überein, denn dieser lässt auf Anstiften des Herzogs
Johann von Ratibor Przemislaus den Jüngern, Herzog von
Auschwitz, Sohn Przemko’s von Teschen, am 1. Jänner 1400
durch Mörderhände fallen, es müsste demnach Johann bereits vor
dem letztangegebenen Datum gestorben sein 5 ).
noch nicht zu finden, in der Originalurkunde wird sie wahrscheinlich Herrin n
von Zator genannt worden sein,
*) Z. Stark und E. Tiiisch bei Sommersberg I, 731.
2 ) Sommersberg I, 1006.
3 ) Invent. Cracov. p. 228. Nicht das Herzogthum Auschwitz, sondern blos ihr Leib-
geding auf Zator und so fort wird der Herzoginn in diesem Schreiben bestätigt
worden sein.
4 ) In den von Georg Hans Lorenz zusammengetragenen Privilegienbüchern, 1663, 1,
fol. 211; die Codices im Prov.-Archiv.
ä ) Dlugosch, Lib. X, a. a. 1400.
Ich habe bereits in den „Beiträgen zur Genealogie der Herzoge
von Auschwitz“ die Unhaltbarkeit der ganzen Erzählung dargethan,
denn erstlich ist Johann II. noch 1402 als Landesherr von Auschwitz
urkundlich sicher gestellt, sodann lebte Przemko der Jüngere noch
im Jahre 1409, und endlich starb der ältere Przemislaus, trotz
Dlugosch’s Angabe 4 ), vor und nicht nach dem jüngeren, er konnte
mithin auch seinen Sohn nicht auf jene entsetzliche Weise an seinen
Mördern gerächt haben, wie der Geschichtschreiber Polens erzählt 2 ).
Przemislaus, Herzog von Teschen, erhielt auf Grund des könig
lichen Lehenbriefes von 1327 das Fürstenthum Auschwitz. Er hatte
zwei Söhne, Bolko und den schon erwähnten Przemko den Jüngern,
sie werden in dem Lehenseid der Stadt Glogau vom 25. Februar
1383 3 ) und in dem Briefe vom 21. October 1397 angeführt, laut
welchem Przemislaus und seine Söhne bekennen, dass der Palatin
von Krakau, Spietko von Mielsztyn, die Ortschaften Lublinietz,
Rosenberg und Gorzow um 1000 Mark verpfändet habe 4 ); ihrer
wird sodann 1398 bei Zach. Stark, und in dem schon angeführten
Landfrieden von 1402 (S. 612. Anm. 1 und 2) gedacht. — Der Vater
räumte den Söhnen in seinen letzten Lebensjahren einen Antlieil an
der Regierung seiner Länder ein 5 ), nach seinem wahrscheinlich
zwischen den Monaten März und September des Jahres 1407
erfolgten Tode fiel das Herzogthum Teschen Bolko dem älteren der
Brüder, Auschwitz aber dem jüngeren Przemko zu. Dass dieser
noch 1409 lebte, ist aus Z. Stark’s Anmerkungen ersichtlich, er wird
jedoch nicht lange darauf das Zeitliche gesegnet haben, da sich sein
Bruder Bolko seit 1412 in seinen Urkunden Herzog von Teschen
und Auschwitz nennt. Aus diesem Jahre führt Stenzei einen Brief
an, auf Grund dessen Herzog Boleslaus von Tesche n - Aus eh wi tz
*) Dlugosch, Lib. X, n. a. 1410.
2 ) Notizenbiatt der hist.-.statist. Section, .lahrg. 1862, S. 45.
3 ) Sommersberg I, 1074.
4) Cod. dipl. Poloniae HI, 369 und Invent. Cracov. |>. 64.
5 ) Dafür legen zwei Stellen bei Slark Zeugenschaft ab, nach der erstem von 1400
theilt er mit, dass die Söhne „noch bei Leben ihres Vaters in’s Regiment
getreten“, nach der andern von 1403 bestätiget Herzog Bolko, „des Sigmund
Luck’s Privilegia über seine Gütter“; derselbe gibt am 1. April 1404 seine Ein
willigung zu dem Verkaufe des halben Dorfes Centawa im Tostischen au Marcus
von Nepascze um 160 Mark Prager Groschen; Cod. dipl. Silesiae II. 93.
i
014
G. Bier in a n n
den Bürgern von Peiskretscham und Tost vollständiges Erbrecht bis
in das fünfte Glied ertheilt 1 ).
Am 17. März 1412 bekennt „Bolko bey gotes gnaden herezog
in Teschin vnd zu Awswinczen“, dass die Brüder Heinze,
Hermann und Niklas von Alischdorf an Nikel von Stachaw erblich
aufgegeben und verreicht haben ihren Theil an dem Gute „Wammil-
wicz in vnserm Strelnischen gebite vnd wicbilde“ gelegen 2 ).
Derselbe Bolko „hertzug Zu Teschin, Zu Ausswintzin
Vnd Herre Zu grosen Glogau“ conlirmirt am ersten Mittwoch nach
dem S. Margarethentag des Jahres 1413 den Bielitzern ihren Wald
bei Nikelsdorf, und 1414 Mittwochs nach Pfingsten bestätiget er
einen Brief dem Hantschko von Miecbowitz (im Beuthen’schen) s ).
Kasimir, der Sohn Przemislaw's von Auschwitz trat bald darauf
die väterliche Hinterlassenschaft an, was aus dem Theilungsvertrag
von 1414 ersichtlich wird, auf Grund dessen er das Land Ausch
witz, Tost und die halbe Stadt Gleiwitz behält 4 ). Damit war jedoch
Kasimir nicht zufrieden, denn am 21. November 1416 urkundet
Heinrich Herzog von Lüben, dass die Fürsten Bolko von Teschen
und „hercog kazemir zu Awswitzin vmb die Stat vnd Lande nem-
lich Strelen, Grossenglogaw vnd Gor“ sich geeinigt und freundlich
getheilt haben, so zwar, dass Bolko die Stadt Gross-Glogau mit dem
Land, der Mannschaft und allem Zugehör bekommen soll. Kasimir
„sal zu seyme theile haben halden vnd besitzen die Stat Strelen,
Dorczu sal Bulko dem herezog kazemir“ 3000 Mark böhmische
Groschen geben am nächsten Weihnachtsfeste zahlbar 5 ).
Es hat also Bolko nach dem Tode seines Bruders Przemislaus
auch im Herzogthume Auschwitz, jedoch nur als Vormund seines
*) Tzschoppe und Stenzei, Urkundensammlung S. 20ö, Anm. i.
2 ) Das Original mit anhängendem Siegel im Prov.-Archiv, E. A. 23.
3 ) Die erstere Urkunde im Archiv der Stadt Bielitz, die zweite (Original, das Siegel
fehlt) im Schlossarchiv zu Mieehowitz hei Beuthen.
4 ) Diese Theilung ist nicht nur durch Stark und Tilisch , sondern auch durch die
Anführung des betreuenden Briefes in einem Verzeichniss von Teschner Urkunden
sicher gestellt, welches zu der Zeit verfertiget wurde, als nach dem Aussterhen
der Piasten Teschens die in der herzoglichen Kanzlei in Teschen befindlichen
Documente in Kisten verpackt nach Breslau abgeführt wurden. Die Urkunden
selbst sind bis jetzt nicht aufgefunden, es ist möglich dass sie noch einmal in
Prag oder Wien zum Vorschein kommen werden, das Verzeichniss befindet sich
im Prov.-Archiv.
5 ) Aus den vom verstorbenen Justizrath Zickusch in Glogau herrührenden Hand
schriften im Prov.-Archiv.
Zur Geschichte der Herzogtliümer Zator und Auschwitz.
615
Neffen Kasimir regiert; als dieser mündig geworden war, übernahm
er das väterliche Erbe, zu welchem ausser Auschwitz auch noch
Tost, Peiskretscliam, Gleiwitz und Strehlen gehörte, der Oheim
aber lässt seit dieser Zeit den Titel eines Herzogs von Auschwitz
fallen. Es sind mir leider keine Urkunden Bolko’s aus den Jahren
1414 und 1415 bekannt. In dem Schenkungsbriefe dieses Herzogs
über das Dorf Iskritschin im Teschnischen an Michael von Fried
richsdorf vom 7. Jänner 1416 fehlt bereits der Titel Herzog von
Auschwitz i), ebenso in dem am 14. Februar desselben Jahres aus
gestellten Schreiben, laut welchem Hannos Czweibroth in Gegen
wart des Herzogs bekannte, „das her von wegen der vormunde-
schaft von Thomeschken Cunczen Neproth Son“ kein Recht zu dem
Gerichte in dem Dorfe „Woyslawicz, nohe bei Strelin gelegin“
habe 2 ). Auch in dem Hauptprivilegium der Stadt Teschen vom
28. Februar 1416 nennt sich Bolko blos „herezog In Slizen hie zai
Tesschin vnd zai Grosenglogaw“ 8 ), ebenso noch in zwei anderen
Kaufsbestätigungen vom 22. April und 4. October 1416 über das
Vorwerk Dielowiz und das Dorf Pogorsch im Teschnischen 4 ).
Als Herzog von Auschwitz tritt Kasimir auf in dem Kaufbrief
über zwei Theile der Vogtei von Zator an Elisabeth Pilezyna 5 ),
verschreibt er der Kirche der heil. Jungfrau Maria, welche auf dem
Ring in Krakau steht, 13 Mark jährlicher Zinsen auf Auschwitz 6 ).
Die Städte Tost und Peiskretscham urkunden am 29. April
1421, dass sie mit Bewilligung ihres Herrn, des Herzogs Kasimir
von Auschwitz, welcher dem Briefe sein Siegel angehängt habe, der
Stadt Oppeln 60 Mark Zinsen verkauft haben, und zwar auf Wieder
kauf um 600 Mark 7 ).
*) Lorenz, Privilegienbuch IG63, I, f. 253.
2 ) Prov.-Archiv. E. A. 24.
3 ) Das Original im Archiv der Stadt Teschen.
4 ) Lorenz, Privilegienbuch 1663, I, f. 234. II, f. 1.
5 ) Invent. Craeov. 228. Daselbst wird aus dem Jahre 1404 angeführt, dass Paulus
der Sohn des Vögten von Zator, mehrere Theile der Vogtei an Margaretha,
Witwe des Vögten Matthias von Zator um loO Mark verkauft habe. Die Vogtei
rechte waren mithin zwischen mehrere Personeil aufgetheill, was bekanntlich
auch anderwärts nicht selten der Fall war.
6 ) in circulo fori Cracoviensis situm. Invent. Craeov. 229.
7 ) Registrum S. Weueeslai.
616
G. Hie r m a n 11
Aus dem Jahre 1422 wird eine Schuldverschreibung dieses
Herzogs auf die Vogtei in Seipusch erwähnt, und von ihm der
lebenslängliche Genuss gewisser Güter dem Nikolaus Procki zuge
standen, 1433 endlich verkauft er etliche Güter der Dorothea Zel-
ziechowitz und ihrem Sohne Stanislaus 1 ).
Kasimir nahm seit 1419 eine sicher hervorragendere Stellung
am llofe König Siegmund’s von Deutschland, Ungern und Böhmen
ein, da er ein Jahresgehalt von 3000 ungrisehen Gulden bezogt);
seine Gemahlinn war Anna, die Tochter des Herzogs von Sagan, mit
der er drei Söhne, Wenzel, Przemko und Johann erzeugte, nach
Dlugosch starb Kasimir am 7. April 1433 3 ).
Einer Angabe im Inventarium Cracoviense zu Folge haben die
zwei älteren Söhne Kasimir’s schon im Jahre 1422 eine Urkunde
über die Auflassung von Kenty ausgestellt, sie hätten also lange vor
dem Tode ihres Vaters und noch dazu in den Jahren ihrer Kindheit
bereits fürstliche Rechte ausgeübt. Aus den wenigen Worten des
Regestes ist nicht viel zu machen, jedenfalls hat sich ein Irrthum
eingeschlichen, entweder ist das Jahr unrichtig, oder aber der Brief
wurde von Kasimir und seinen beiden Söhnen ausgefertigt, der
Name des ersteren wäre dann in dem Regest ausgefallen.
„Wenczlaw und seine Brüder zu Auschwitz“ treten vereint in
dem zu Breslau am 24. Februar 143S geschlossenen Landfrieden
auf 4 ).
Drei Jahre später starb Kaiser Siegmund; es fanden sich
welche, die die Erbansprüche Albrecht’s II. bei Seite setzend, an die
Erhebung Kasimir’s, eines polnischen Prinzen, auf den böhmischen
Königsthron dachten. Um sich den Weg nach Böhmen zu ebnen,
mussten die Jagellonen zuerst eine Verständigung mit den benach
barten schlesischen Fürsten anbahnen, Wladislaus von Polen
schloss daher 1438 mit den herzoglichen Brüdern von Auschwitz
eine Übereinkunft mit einjähriger Verbindlichkeit, in welcher sie
versprechen, im Falle einer oder zwei der Fürsten Schlesiens sich
') Alle drei Regesten im Invent. Craeov. 229.
~) Stark und Tilisch bei Sommersberg I, 732.
;i ) Lib. XI, a. a. 1433..
4 ) Sommersberg I. 1019.
Zur Geschichte der Herzogthiimer Zator und Auschwitz.
617
für Kasimir, den erwählten König Böhmens erklären würden, dass
sie ihm dann gleichfalls als solchem huldigen wollten *).
Die drei Söhne Kasimirs von Auschwitz zersplitterten durch
Theilung das väterliche Erbe; nach Dlugosch soll Wenzel Tost,
Przemislaus Zator, Johann endlich Auschwitz erhalten haben. Ob
der polnische Geschichtschreiber, ein Zeitgenosse der genannten
Fürsten, die Aufteilung der Kasimir’schen Hinterlassenschaft richtig
angibt, darüber werden die anzuführenden urkundlichen Belege
Aufschluss gehen, gewiss ist es aber, dass die Brüder den Titel
Herzog von Auschwitz gemeinsam führten, und dass in Folge der
Erbtheilung Zator, welches bisher mit Auschwitz verbunden war,
ein eigenes Herzogthum wurde.
Die Theilung ging 144h vor sich, sie wurde im Beisein des
Herzogs Nikolaus von Troppau und etlicher anderer Schiedsrichter
vorgenommen 2 ).Vor derselben hatten bald der eine, bald der andere
fürstliche Rechte in diesem oder jenem Territorium ausgeübt, das
später zum Besitz des Betreffenden nicht gehörte. So verpfändet
z. B. Wenzel, Herzog und Herr von Auschwitz, am 4. Juli 1438
dem Wernken von Wyssnicz seine Zinsen und Genüsse in den Dör
fern Niesdrowitz und Keltsch imTostischen. Przemko von Auschwitz
bestätigt am 26. März 1440 den von der Frau Anna Dröeskynne,
weiland Marczischen von Schreiberdorf Tochter, getroffenen Verkauf
ihres väterlichen und mütterlichen Erbtheiis auf dem Gut und Dorf
Sehreiberdorf im Tostischen Weichbilde an Johann Plotzken 3 ).
Derselbe Herzog verkauft am 19. Jänner 144S dem Stifte Räuden
sein oberstes Recht aufLudwigsdorf und Petersdorf „in unserm Zey-
wisschen (Seipusch) weigbilde gelegen“ 4 ), und Johann von Au
schwitz ertheilt am 28. September 1447 dem Brief, welchen seine
leiblichen Brüder Wenzel und Przemko dem Martin von Mnikow über.
76 Mark ausgestellt hatten, seine Bestätigung 5 ).
Was nun die Art der Theilung anbelangt, so ist es urkundlich
sicher gestellt, dass Przemko Tost, nicht aber, wie Dlugosch
*) Inventar. Cracov. p. SG. Einen ähnlichen Vertrag 1 schloss am 18. Octo'ber desselben
Jahres Wenzel Herzog’von Troppau und Ratibor; Sommersherg- I. 1010.
2 ) Invent. Cracov. 229.
3 ) Beide Urkunden im Registr. S. Wenceslai.
4 ) Cod. dipl. Silesiae II, öS.
3 ) Invent. Cracov. 229. Die hier bestätigte Urkunde Wenzers und IVzemko’s ist
sicher vor dem Theilungsvertrag des Jahres I44ö ausgestellt worden.
618
G. ß i e r m n n n
meldet, Zafor erhalten hat. Als Herzog von Tost wird er angeführt in
dem am 2. Juli 1453 mit Kasimir IV. von Polen geschlossenen zwei
jährigen Waffenstillstände 4 ), eben so in der noch zu erwähnenden
Urkunde seines Bruders Johann III. vom 22. Februar 1457. Als
Herzog von Auschwitz und Tost bekennt er am 2. Jänner desselben
Jahres, dass Swircze von Raschau denVicarien zu Oppeln vier Mark
Zins von Raschau schuldet 2 ), in gleicher Eigenschaft verkauft er
am 19. April 1459 sein Oberrecht auf Schön wähl im Gleiwitz'schen
an Peter Smolken 3 ), und quittirt dem König Kasimir über 120 Gul
den 4 ). Aus dem Jahre 1463 sind mehrere Briefe des Herzogs Prze-
mislaus von Auschwitz und Tost erhalten, so urkundet er am
25.Februar, dassHerzogNiklas vonOppeln ihm seineTochterMachna
gegeben und 3000 Mark Heiratsgut zugesagt habe, dafür verspricht
Przemko seiner Frau Tost als Leibgeding zu verschreiben. Dieser
Vertrag kommt am 12. März zum Vollzug, bei welcher Gelegenheit
Przemko gelobt, im Falle Maehna ohne Kinder sterben sollte, die
3000 Mark und die Kleinodien zurückzustellen. Drei Tage später
quittirt er die empfangene Summe, und am 11. October erklärt er,
dass Nikolaus von Oppeln ihm Ujest abgetreten habe für 2200 Gulden
an dem Gelde, welches er mit seiner Ehefrau Maehna erhalten
sollte 6 ). Am 16.Mai 1465 wohnte Przemislaus von Tost mit Wenzel
von Zator, Johann von Gleiwitz u. A. der Taufe einer polnischen
Prinzessinn bei 6 ), am 10. August 1469 tritt er mit anderen oberschle
sischen Fürsten einer Verschreibung und Vereinigung mit König
Matthias von Ungern bei 7 ), den 5. October 1472 fällt Bischof
*) Sommersberg II, Mant. Dipl. p. 89. Das Invent. Cracovien. führt S. 58 dieselbe
Urkunde mit folgenden Worten an: Premyslaus <1 u x Thoscensis inducias
biennales, sancit cum rege Casimiro, und S. 230. PremysI dux Oswieci-
mensis cum Casimiro rege Poloniae inducias facit. Es ist ein und dieselbe
Person und Urkunde.
2 ) Regislr. S. WenzesJai.
3 ) Codex diplom. Silesiae II, 63. Das herzogliche Siegel an diesem Briefe führt die
Umschrift: sigilum. dveis. primislni. avswiczien. Auch sein Bruder Hans von
Auschwitz hing seine Petschaft, deren Inschrift s. iohannis. dveis. de osswanc-
neho. lautet, an die Urkunde.
4 ) Invent. Craeov. p. 59.
5 ) Die Urkunden sind irn Regist. S. Wenceslai. Naeli einem eben daselbst be
findlichen Sohreiben vom 26. April 1472 war Maehna um diese Zeit bereits
gestorben.
ö ) Dlugosch XIII, a. a. 1465.
7 ) Sommersberg I, 1054.
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Ausclnvitz.
619
Rudolf von Breslau als Schiedsrichter zwischen Przemko von Tost
und Niklas von Oppeln den Spruch, dass das Schloss Labut zu dem
Lande des letzteren gehöre !)• und am 13- Mai bringt Herzog Prze-
mislaus von Tost und Auschwitz einen Ausgleich zwischen Przemko II.
von Teschen und dessen Neffen Kasimir von Teschen zu Stande,
kraft welchem sie alle ihre Streitigkeiten und Irrungen vollständig
und endlich vertragen und ausgleichen 2 ). Gegen das Ende des
Monats Juli 1477 endlich soll er mit Przemko II. von Teschen und
Victorin von Münsterberg einen Erbvertrag geschlossen haben 3 ).
Przemislaus war also Herr von Tost, Peiskretseham und Glei-
witz, später auch von Ujest. Er muss jedoch, sei es durch Verkauf,
sei es auf andere Weise, Gleiwitz und dann auch Ujest an seinem
Bruder Hans von Auschwitz abgetreten haben, denn dieser wird
schon 146S hei Gelegenheit der bereits erwähnten Taufe der polni
schen Prinzessinn Janussius Gleiwicensis genannt. In der S. 618,
Anm. 3 angeführten Urkunde von 1439 bezeichnet Przemko seinen
Bruder Hans als Herzog von Auschwitz, als aber Peter Smolka
von Blazeowitz, zu dessen Gunsten der Brief ausgestellt worden war,
denselben 28 Jahre später (24. Mai 1489) dem Abt Peter von Räuden
überreichte, und das Oberrecht im Dorfe Schönwald dem Kloster
restituirte, sagt er, dass jenes Schreiben von 14S9 Hans von
Auschwitz und Gleiwitz mitbesiegelt habe 4 ).
In einer Urkunde vom 14. Mai 1482, welche König Matthias
von Ungern in Pressburg ausfertigte, erklärt dieser, dass Herzog
Hans von'Auschwitz u n d U j e s t seine halbe Stadt Gleiwitz
sammt der Vogtei an den oberschlesischen Hauptmann Herrn Bielek
von Körnitz um 4000 ungrische Gulden verkauft habe. Aus dem-
‘) Registr. S. Wenceslai.
2 ) Z. Stark und Tiliseh. Im Invent. Cracov. wird Przemko zweimal (S. 231 & 59)
blos als Herzog von Auschwitz angeführt; 1458 nämlich bekennt er, dass der
König Polens für die von ihm und seinen Rittern geleisteten militärischen Dienste
ihm Genüge geleistet habe, und 1459 vermittelt er zwischen seinem Bruder
Johann von Auschwitz und dem König Kasimir (auch bei Sommersberg II,
Mant. Dipl. p. 89). Die Bezeichnung’ Herzog von Tost ist gewiss durch die Schuld
der Commissäre von 16S2 ausgefallen.
3 ) Sommersberg II. Mant. Dipl. p. 90. Da nach Dlugosch's Versicherung (lib. XIII.
a. a. 1477) Przemislaus II. von Teschen bereits am 11. März 1477 gestorben
ist, so kann das mitgelheilte Regest nicht mit Unrecht als verdächtig bezeich
net werden.
4 ) Cod. dipl. Silesiae II. 68.
020
(1. B i e r m a n n
selben Schriftstück wird auch ersichtlich, dass die andere Stadthälfte
vom König Matthias erkauft, und dem Oberhauptmanne Bielik über
geben worden ist *).
Przemko, Herzog von Auschwitz und Tost, vergleicht am
9. October 1483 seinen Bruder Hans von Auschwitz mit Kasimir II.
von Teschen, um jene 700 Gulden, welche er dem verstorbenen
Przemko II. von Teschen schuldig war; Hans soll 400 Gulden zahlen,
für den Rest soll seine Gemablinn Barbara vonTroppau und Ratibor
sich ihrer Ansprüche auf das Plessische begeben, und in einem Briefe
vom 2. November desselben Jahres erklärt Herzog Hans von
Auschwitz und Ujest, dass er 700 Gulden schuldig gewesen,
dass sein Bruder Przemko mit Kasimir von Teschen, als Vormund
der Tochter Przemislaw's von Teschen einen Vertrag aufgerichtet,
dass er (Hans) 400 Gulden gezahlt und mit seiner Frau auf das
Plessische verzichtet habe 3 ).
Es könnte vielleicht noch der vom Herzog Hans v o n
Auschwitz und Gleiwitz am 6. Februar 1478 zu Ujest ausge
stellte Brief angeführt werden, laut welchem er den Empfang der
Pfandgelder von Kreuzburg, in der Höhe von 1600 Gulden
quittirt 3 ).
Ich kehre zur Geschichte von Zator und Auschwitz unter der
Regierung der Brüder Wenzel und Johann III. zurück.
König Wenzel’s von Böhmen schwache Regierung und die
Schrecknisse des Husitenkrieges hatten eine dem gewerbfleissigen
Bürger und dem Landmanne verderbliche Fehdelust genährt und
gross gezogen. Die von Zeit zu Zeit geschlossenen und erneuerten
Landfrieden brachten den Schlesiern nicht die erwartete Ruhe, gab
es doch das ganze IS. Jahrhundert hindurch entweder nur schwache
oder nicht allgemein anerkannte Oberlehensherrn. Albrecht II., König
von Deutschland, Ungern und Böhmen war bereits 1439 gestorben;
zwar wurde das Erbrecht seines nachgeborenen Sohnes Ladislaus
von den Schlesiern nicht in Zweifel gezogen, obschon ihm die Böh
men erst am 28. October 14S9 die Krone auf das Haupt setzten,
während seiner langen Minderjährigkeit aber mangelte vollständig
*) Registr. S. Wenceslni.
2 ) Die letztangefiihrten drei Urkunden eben daselbst.
3 ) Prov.-Archiv, E. A. 4« f ».
Zur Geschichte der Herzoglhiimer Zator und Auschwitz.
621
irgend ein Centralpunet. Die vielen Fürsten Schlesiens bekriegten
sich gegenseitig, und die Herren und Ritter beschädigten den Bürger
und Bauer. Es fehlte auch nicht an beständigen Reibungen zwischen
der Grenzbevölkerung Schlesiens und Polens. Raubritter und aben
teuerndes Gesindel von manchen der schlesischen Grenzherzoge
entweder geduldet oder wohl gar unterstützt, machten die Strassen
unsicher. Auch die Fürsten von Auschwitz sahen solchen Wegelage
rungen ihres Adels ruhig zu, die Grenzfehden nahmen daher kein
Ende. So wurde durch die Räubereien eines gewissen Nikolaus
Körnitz Syestrzenyecz im Jahre 1434 ein arger Grenzkrieg herbei
geführt, um ihn beizulegen hielten am lS.October mehrere polnische
Herren und schlesische Fürsten einen Tag, auf welchem auch Herzog
Wenzel von Auschwitz anwesend war *). Wichtiger ist eine andere
Fehde, in welcher die Feste Zator von Derslaus von Rytwi an
genommen wurde. Zu schwach um sie behaupten zu können, übergab
er sie dem König Wladislaus von Polen, welcher sie am 24. October
1440 den Herzogen von Auschwitz unter der Bedingung zurück
stellte, dass sie das Schloss Berwald, einen der Hauptpuncte, von
wo aus räuberische Einfälle nach Polen gemacht worden waren, dem
Zupan Nikolaus Seraphin von Krakau käuflich abtreten mussten 2 ).
Dass dieser Vertrag vorzugsweise den Herzog Wenzel betraf,
geht aus einem Briefe des Jahres 1441 hervor, in welchem er als
Herzog von Auschwitz verspricht, dass er für die vom polnischen
König Wladislaus ihm zurüekgegebene Stadt Zator innerhalb vier
Wochen, nachdem er von dem König berufen worden, in Krakau
erscheinen, und ihm und der Krone Polen den Lehenseid leisten
würde. Und der Adel von Auschwitz verbürgt sich in einer
Urkunde desselben Jahres, an welcher sechsunddreissig Siegel
angehängt wurden, dass Herzog Wenzel den Lehenseid, der mit dem
König getroffenen Verabredung gemäss schwören werde 3 ).
Wie wir bis jetzt die Gelegenheit hatten wahrzunehmen,
kommt dem Herzog Wenzel, besonders in den äusseren Angelegen-
*) Dlug03eh üb. XI, a. a. 1434.
2 ) Invent Cracov. p. 229. Das Schloss Berwald ist später im Besitze der Brüder
VValtburth und Wodel, sie verkaufen es 1465 nebst dein Castell Seipusch und
allen dazu gehörigen Dörfern an den König, welcher beide Schlösser an Nikolaus
Komorowski abgetreten haben wird, denn dieser ist nach Dlugosch (XIII. a. a. 1477)
im Jahre 1477 iin Besitze derselben.
3 ) Inventar, p. 229.
Sitzb. d. phil. hist. CI. XL. Bd. VI. Hft.
41
622
G. B i e r m a n n
beiten des Fürstenthums Auschwitz, bis zur Theilung von 1445 eine
vor seinen beiden jüngeren Brüdern hervorragendere Stellung zu,
diese scheinen bis zu dem angegebenen Zeitpunct unter seiner Vor
mundschaft zu stehen. Auch führt er, gleich seinen Brüdern, einfach
den Titel eines Herzogs von Auschwitz. Erst nach der Theilung wird
er Herzog von Zator genannt. Dass gerade diesem Theilungs-
vertrage das Fürstenthum Zator seinen Ursprung verdanke, haben
wir bereits erwähnt, dies wird auch durch die letzterwähnte Ur
kunde bekräftigt, denn nicht der Adel von Zator, sondern der von
ganz Auschwitz, das heisst des noch ungetrennten Herzogthums, wie
es seit Wladislaw's Zeiten bis in die Mitte des 15. Jahrhunderts
bestand, verbürgt sich für den Herzog Wenzel.
In einem Regest aus dem Jahre 1448 wird eines Herzogs dieses
neuen Fürstenthums gedacht, der kein anderer als Wenzel sein
kann i). Als Herzog von Zator wird er angeführt in dem noch zu
erwähnenden, von seinem Bruder Johanne III. im Jahre 1457 aus
gestellten Verkaufsinstrumente; und in dem Briefe König Kasimir'sIV.
von Polen aus dem Jahre 1454 wird Wenzel Herzog von Auschwitz
und Zator genannt. Der königliche Aussteller dieser für die Ge
schichte Zators höchst wichtigen Urkunde erklärt, dass er auf den
Wunsch und das Verlangen Wenzel’s dessen Land mit dem König
reich Polen vereinige, es ihm einverleihe, den Herzog unter seinen
und seiner Krone Schutz nehme, und die von den böhmischen Königen
seinen Vorfahren ertheilten Briefe und Privilegien bestätige. Über
dies befreit Kasimir den Herzog von Zator, seine Person und seine
beweglichen und unbeweglichen Güter von allen Kriegscontributionen
und Diensten, auch sagt er ihm zu es nicht zu gestatten, dass sich
irgend wer, der in dem genannten Fürstenthume ein Gut besitzt,
der Unterthanenpflicht gegen den Herzog entziehen, oder dass irgend
Jemand, er sei vom Adel oder dem Bürgerstande angehörig, von
seinem gerichtlichen Ausspruche appelliren dürfe 3 ).
So wurde das Herzogthum Zator der böhmischen Krone ent
fremdet, und nachdem bereits in den Jahren 1440 und 1441
die ersten Schritte dazu gemacht worden waren, dem Königreiche
*) Invent. Crnc. p. 229.
2) Sommersberg I, 810.
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Auschwitz. 623
Polen unterworfen. Zator wurde ein Lehen der polnischen Krone
und sein Herzog ein Vasall derselben.
Ein gleiches Schicksal war auch dem Herzogthume Auschwitz
Vorbehalten, welches, wie schon bemerkt, dem Herzog Johann III.
zugefallen war. Wir haben seiner schon wiederholt gedacht, genannt
wird er zuerst in dem 1447 zu Krakau zwischen dem König von
Polen und mehreren Fürsten Oberschlesiens geschlossenen Ver
trage i)- Vier Jahre darauf soll er bereits seinem Herzogthume zu
Gunstendes Königs Kasimir entsagt haben 3 ); es mögen damals, wie
dies 1441 bei Zator der Fall war, die Vorbereitungen zur Unter
werfung des Herzogs unter polnische Herrschaft eingeleitet
worden sein.
Auch Johann von Auschwitz hatte unkluger Weise seinen
mächtigen Nachbar durch Einfälle in die angrenzenden polnischen
Landestheile gereizt, Krakauer Kaufleute niedergeworfen und aus
geplündert und sonstigen Unfug sich zu Schulden kommen lassen.
Er wurde hierauf in Auschwitz von dem Starosten Johann Szcze-
kocki und dem Kämmerer Johann Kuropatwa von Lublin belagert.
Das zu Krakau am 2S. Jänner 14S3 von dem Herzog ausgestellte
Schriftstück macht uns mit den harten Friedensbedingungen bekannt,
zu welchen er sich genöthigt sah. In diesem Briefe bekennt sich
nämlich Hans von Auschwitz für schuldig, und verspricht dem König
Kasimir das Schloss und sein ganzes Land zu übergeben, nach
erlangter Verzeihung will er Vasall und Unterthan des Königs und
der Krone Polen werden, und mit allen seinen Leuten an dem vom
König bestimmten Tag den Lehenseid leisten, auch verpflichtet er
sich zur Zahlung einer Summe von 1100 ungrischen Gulden, bis
zur Erlegung derselben bleibt das feste Auschwitz im Besitze des
Königs und der Krone. Das Jahr darauf leistet zu Krakau der Adel
des Herzogthums Auschwitz, nach vorhergegangener Übereinkunft
zwischen König Kasimir und Herzog Johann, und nachdem jener
das Fürstenthum um eine bestimmte Summe erkauft hatte, dem
*) In der Urkunde bei Somrnersberg I, 1011 werden die beiden angeführten Brüder
Przemko und Ilanussius „Teschnenses et Oswiecenses Duces“ genannt, offenbar
ist Teschnenses in Thoscenses umzuändern.
2 ) Das betreffende Regest vom Jahre 1451 im fnven. Cracov. p. 230 lautet: Janussius
dux Oswiecimensis Casimiro regi resignat ducatum Oswiecimensem.
41*
624
G. ßiermnnn
König und dem Lande Polen den Eid der Treue !)• Im Jahre 1455
begegnen wir einem Regest, laut welchem König Kasimir mit dem
Herzog Hans dahin übereinkommt, dass jener ihm für sein Fürsten
thum 4300 Mark Prager Groschen und 21 Gulden zu zahlen ver
spricht, und 1456 bekennt Nikolaus Marschall von Dubowitz, Haupt
mann von Auschwitz, dass er mit König Kasimir einen Vertrag über
das Schloss und das Land Auschwitz geschlossen habe, und ver
spricht alle Bedingungen desselben zu erfüllen 3 ).
Um diese Zeit hegte Herzog Hans die Hoffnung, durch eine
Überrumpelung der polnischen Besatzung in dem Schlosse Ausch
witz, während der Entf ernung des Königs in Lithauen, wieder in den
Besitz seiner Feste gelangen zu können. In seiner Erwartung
getäuscht, verkaufte er sein Land förmlich an die Krone Polen. In
dem am 22. Februar 1557 zu Gleiwitz ausgestellten Documente
erklärt Herzog Johann III. von Auschwitz, dass er nach voraus
gegangener Berathung seiner Barone und mit der Einwilligung
seiner Brüder, der Herzoge von Zator und von Tost, sein Land
und Herzogthum Auschwitz, das als väterliches Erbtheil ihm
zugefallen ist, dem König Kasimir IV. und der Krone Polen für
50.000 Mark Prager Groschen polnischer Zahl verkauft und den
Kaufschilling erhalten habe, er leistet nun Verzicht auf alles und
jedes Recht, das er und seine Vorfahren bisher in dem Herzogthume
besassen, und entbindet alle Barone, Edle, Schulzen, Bürger und
Kmeten, alle Geistliche und Laien ihrer Unterthanenpflicht und
ihres Vasalleneides. Ein kurz darauf ausgefertigtes Schreiben quit-
tirt den Empfang der oben angeführten Summe 3 ).
1 ) Am Christi Himmelfahrtstag des Jahres 1433 bekennt Herzog’ Hans, dass er vom
König; Kasimir 100 ungrische Gulden erhalten habe, welche Summe er dem auf
das Schloss und die Stadt Auschwitz haftenden Capitale hinzufiig-t; 1433 erklärt
der König-, dass er dem Herzog 200 Mark böhmische Groschen geliehen.
2 ) Derselbe Nikolaus von Dubowitz wird in einem Briefe Kasimir’s von Polen aus dem
Jabre 1468 als Castellan von Auschwitz bezeichnet, als solcher ist er mir noch
in Urkunden von 1471 und 1473 begegnet, 1469 nennt er sich Nikolaus Slop
de Dubowice. Sein Nachfolger in dem Amte eines Castellans von Auschwitz war
vielleicht Peter Myszkowski , welcher wenigstens 1483 als solcher bezeichnet
wird, und der 1490 starb. — Ich muss hier bemerken, dass die Teschner Urkunden
in der Zeit von 1440 — 1472 wiederholt einen Nikolaus genannt Marschalk von
Dubowce (Baumgarten) anführen , möglich dass er mit dem genannten Castellan
ein und derselben Familie angehört, wie denn überhaupt mancher aus dein Her
zogthume Auschwitz stammende Adelige sich im Teschnischen heimisch niederliess.
3 ) Sommersberg 1, 808 und 810, auch im Invent. Craeov.
Zur Geschichte der Herzogthiimer Zator und Auschwitz.
625
Aus den mitgetheilten Urkunden wird ersichtlich, wie Polen
die Misgriffe der Herzoge Wenzel und Johann benützend, sein auf
die Erwerbung der Fürstenthümer Zator und Auschwitz gerichtetes
Ziel vollkommen erreicht hatte. Es braucht kaum erwähnt zu werden,
dass die machtlosen Fürsten dieser kleinen Herzogtümer nicht im
Stande waren dem grossen Nachbarstaate auch nur den geringsten
Widerstand entgegen zu setzen, und da sich nun einmal Polen die
genannten Territorien zu seiner Beute ausersah, bandelten die Herren
derselben ihrem wohl verstandenen Interesse gemäss, wenn sie ihr
Besitztum um eine möglichst hohe Summe losschlugen, da an eine
ausgiebige auswärtige Hilfe, um ihre Länder sich zu erhalten, nicht
zu denken war. Die Herzoge von Teschen waren von jenen Kauf
verträgen am empfindlichsten berührt, war ja doch das Ausch
witz‘sehe, wenn man so sagen darf, gleichsam eine Secundogenitur
dieses fürstlichen Hauses, sie konnten aber natürlich nicht daran denken,
ihre Anwartschaft auf dasselbe dem polnischen Könige gegenüber zu
verteidigen *)• Das übrige Schlesien konnte es auch nicht zum
Kampf mit Polen wegen der dem Lande entfremdeten Herzogtümer
Zator und Auschwitz kommen lassen, war ja doch ganz Schlesien
zerfahren, die zahllosen kleinen Herzoge in beständige Fehden ver
wickelt, und das mächtige Breslau nicht lange darauf für einen Kampf
von ganz anderer Beschaffenheit begeistert. Auch muss hier erinnert
werden, dass die deutschen Nieder- und Mittelschlesier sich wenig
um die polnische Bevölkerung der beiden Fürstenthümer kümmer
ten und den Verlust derselben leicht verschmerzten, und endlich
darfauch nicht vergessen werden, dass die Besitzergreifung der
genannten schlesischen Länderstriche den Polen dadurch erleichtert
wurde, dass sie trotz einer fast dreihundertjährigen politischen Ver
bindung mit Schlesien kirchlich stets davon getrennt waren, indem
sie zum Bisthume Krakau gehörten.
Verwunderung könnte es aber vielleicht erregen, dass die Krone
Böhmen sich zwei ihrer Lehensherzogthümer ohne Widerstand ent
winden liess, ein Blick jedoch auf die damalige Lage Böhmens
wird dies genügend erklären. Seit Albrecht’s Tode bis zur Krönung
’) Allerdings lässt sich streiten, ob die in dem Briefe König Johannas von 1327
den Herzogen von Teschen zugesicherte Anwartschaft auf Auschwitz auch auf die
Nachkommenschaft ßolko’s von Teschen ausgedehnt werden könne.
ßZ6
G. B i e i' in a n n
seines Sohnes Ladislaus war das Land ohne König, und obschon
der kluge und umsichtige Georg Podiebrad als Statthalter die Ruhe
und Ordnung im Innern nach Kräften aufrecht erhielt, so blieb seine
Stellung doch nicht unangefochten, und er vermochte nicht den
schlesischen Angelegenheiten die nöthige Aufmerksamkeit zu schen
ken. In diese Zeit fallen aber gerade die ersten Unternehmungen
der Polen zur Erwerbung von Zator und Auschwitz. Ladislaus
Posthumus stand in zu gutem Einvernehmen mit seinem nördlichen
Nachbar und regierte viel zu kurz, um für die Rechte der Krone Böh
mens gegen seinen Schwager Kasimir IV. von Polen in die Schranken
zu treten !)• Dem König Georg von Podiebrad aber musste viel an
einem freundlichen Verhältniss mit Polen liegen, und wirklich wurde ein
solches auf den durch'die Vermittlung des Herzogs von Teschen am
6. Jänner 1460 zuBeuthen zustande gekommenen Tag angeknüpft. Im
Mai des darauf folgenden Jahres trafen dann die beiden Könige zuGlo-
gau zusammen, allwo unter andern auch bestimmt wurde, dass Zator
und Auschwitz mit allen Zugehörungen bei Polen zu verbleiben habe.
Als später Podiebrad’s vollständiger Bruch mit der römischen Curie
erfolgt war, und er in König Matthias von Ungern einen gefährlichen
Gegner gefunden hatte, musste Georg ängstlich jede Gelegenheit
meiden, welche ihn der Freundschaft Polens hätte verlustig machen
können. Aber auch Matthias, dem König von Ungern und Herrn von
Schlesien war es nicht gegönnt, den Ansprüchen dieser seiner Provinz
auf Zator und Auschwitz Geltung zu verschaffen, und die zwei nach
folgenden obersten Lehensherren Schlesiens, dem königlichen Hause
in Polen entsprossen, dachten nicht im entferntesten daran, die der
Krone Böhmens entfremdeten Herzogtümer zurück zu gewinnen; sie
blieben für immer von Schlesien getrennt.
Von Johann III. haben wir noch nachzutragen, dass er den
Titel eines Herzogs von Auschwitz auch nach dem Verkaufe seines
Seine Schwester Elisabeth war die Gemahlinn Kasimir’s. Auf ihrer Heise nach Krakau
berührte sie am 2. Februar 1454 die Stadt Teschen. Mit ihrem glänzenden aus
900 Herren und Reisigen bestehenden Gefolge , an dessen Spitze Heinrich von
Rosenberg, der junge Johann Hunyad und Siegmund Eizinger standen, langte sie
hier eine Stunde vor der Ankunft der 2000 berittenen Polen an , welche ihrer
jungen Königinn bis Teschen entgegen geschickt worden waren. Die zahlreichen
Gäste von dem Herzog Przcmko II. von Teschen ihrer Stellung angemessen
empfangen und gastlich bewirthet, setzten zwei Tage später ihre Heise fort.
Zur Geschichte der Herzogthümer Zalor und Auschwitz.
627
Fürstenthums fortführte und wahrscheinlich im Besitz der ererbten
Allodialgüter im Auschwitz’schen verblieb. Im Jahre 1461 legen die
Herzoge Przemko von Teschen und Konrad von Oels gewisse Diffe
renzen zwischen ihm und dem polnischen König bei, 1464 verlängert
er diesem zweimal bestimmte Zahlungstermine. Jener zu Olmütz
am 10. August 1469 getroffenen Übereinkunft der oberschlesischen
Fürsten mit Matthias von Ungern, kraft welcher sie versprachen dem
König „unterthan, getreu, gehorsam und gewehr zu sein“, trat auch
Hans von Auschwitz bei; das Vorkommen seines Namens in dieser
Urkunde würde natürlicher Weise unser Befremden erregen, wenn
wir nicht wüssten, dass er Herr von Gleiwitz war und als solcher
den oberschlesischen Fürsten beigezählt werden muss. Er soll 1498
gestorben sein und zwar, wie es scheint, ohne eine Nachkommen
schaft hinterlassen zu haben.
Während Herzog Hans sein Land durch Verkauf vollständig an
die Krone Polens abgetreten hatte, beschränkte sich Wenzel in Bezug
auf das Herzogthum Zator auf die blosse Anerkennung der polnischen
Oberherrlichkeit, er war ein Lehensherzog Polens geworden, wie er
früher Vasall Böhmens war. Obgleich ihm aber verbrieft wurde,
dass die von seinen Vorfahren überkommenen Rechte und Privilegien
aufrecht und die Pflichten seiner Unterthanen ihm gegenüber diesel
ben verbleiben sollten, so ist doch seine Stellung mit dem Wechsel
des Lehensherrn eine wesentlich ungünstigere geworden. Im An
schluss an einander haben sich die schlesischen Lehensherzoge auf
ihren Fürstentagen bis in das 17. Jahrhundert einen bedeutenden
Einfluss gewahrt, und wurden in den inneren Angelegenheiten ihrer
Territorien von der Krone nicht sonderlich beirrt; aus dieser Gemein
schaft als Lehensträger Polens gerissen, war der Herzog von Zator,
dessen Land noch dazu in fast unmittelbarer Nähe der polnischen
Königsresidenz lag, zur Rangstufe der polnischen Magnaten herab
gesunken. Überdies setzte sich der König die vollständige Einver
leibung des Herzogthumes in gleicher Weise wie es bei Auschwitz
erreicht worden war, zum Ziel, was ohne Schwierigkeit erreicht
wurde.
Herzog Wenzel von Zator, welcher mit Margarethen, der
Tochter Kopczowski’s genannt Swirczena, aus dem Hause Nowyna
vermählt war, und mit ihr drei Töchter und vier Söhne Kasimir,
Wenzel, Johann und Wladislaus erzeugt hatte, beschloss im
628
Ci. B i e r m a n n
Jahre 1465 seine irdische Laufbahn 1 ). Seine Söhne theilten sich in
das ererbte Herzogthum, sie schieden es 1477 in zwei Theile mit
der Bestimmung, dass Wenzel seinem Bruder Kasimir, und Wladis-
laus dem Johann nachzufolgen hätten, wenn sie ohne Kinder sterben
sollten. In zwei undatirten Briefen, welche vermuthlich gleichfalls
um das Jahr 1477 ausgestellt worden sind, versprechen die vier
Brüder mit Niemanden als mit dem König von Polen einen Vertrag
eingehen, und diese Bestimmung von nächsten Weihnachten bis zu
demselben Feste des folgenden Jahres halten zu wollen. Offenbar
hat König Kasimir den Verkauf des Herzogthums voraussehend,
denselben in seiner Übereinkunft mit den fürstlichen Brüdern im
Auge gehabt, er wollte sich durch den erwähnten Vertrag das Land
Zator für alle Fälle sichern 3 ).
Der vorausgesehene Fall trat 1494 ein, am 29. Juli dieses
Jahres stellt nämlich König Johann Albert von Polen einen Brief
aus, kraft welchem er erklärt, dass er vom Herzog Hans von Zator
und seiner Gemahlinn Barbara das Herzogthum Zator um 80.000
ungrische Goldgulden erkauft habe, mit der dem Herzog zuge-
sicherten Bedingung im lebenslänglichen Besitze des Fürstenthums
verbleiben zu dürfen, dieser leistet sammt seiner Gemablinn mit
einem körperlichen Eide Bürgschaft für die Übereinkunft 3 ). Der
selbe Johann bestätiget 1507 die königliche Urkunde, in welcher
die Bedingungen angegeben wurden, laut welchen er sieh und das
Herzogthum Zator dem König Johann Albert und der Krone Polen
nach Lehensrecht unterworfen hatte. Hans IV., Herzog von Auschwitz
und Zator ertheilt im Jahre 1515 einer Schuldverschreibung des
Georg Ziemia und seiner Ehefrau Katharina seine Bestätigung.
Dieser Brief; das letzte mir bekannte schriftliche Document eines
Herzogs von Auschwitz und Zator, widerlegt die Angabe, dass Herzog
Johann IV. im Jahre 1513 von einem polnischen Edelmann Lorenz
Rlieszko auf der Jagd erschlagen worden wäre 4 ). Z. Stark theilt
zum Jahre 1515 mit: „König Sigmund zu Polen bewilliget, weil das
') Dlugosch, lib. XI. a. a. 1433.
2 ) Das Hegest im Invent. Cracov. p. 232 lautet: Cqsiinirus, Venceslaus , Janussius
et Vladislaus duces Zatorienses promittunt Gasiiniro se ad decursum unius an ui
cum nullo alio de eo^em ducatu contractum inituros.
3 ) Sommersberg I, 811.
4 ) Invent. Cracov. p. 232.
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Auschwitz.
629
Herzogthum Zator nach Absterben Hertzog Janossen der Krön Polen
anheimbfallen sol, vermöge etlicher Pacta und Vergleichungen,
dass seinem Sohne Janossen nichts desto minder das haare Geld,
Silber-Geschirr und ander Fahrnus sol herausgegeben werden“.
Von seinen Brüdern sind mir nachstehende Urkunden vorgekom
men. Kasimir, der älteste der vier Söhne Wenzel’s von Zator, war mit
Machna von Ratibor vermählt, er verschreibt ihr am 25. April 1484
mit Zustimmung seines Bruders Wenzel, als Witthum die Ortschaften
Spytkowitz und Rachowitz, diese Verschreibung bestätiget am
14. September desselben Jahres König Kasimir von Polen. Auch in
dieser Confirmationsurkunde wird die Zustimmung Herzog Wenzel’s
erwähnt, sie war erforderlich und zwar auf Grund des Theilungs-
vertrages von 1477. Da nun in dem Briefe, welchen Herzog Kasimir
von Auschwitz und Zator und seine Gemahlinn Machna von Troppau
und Ratibor am 5. October 1487 ausstellen, ihr Land für den Fall,
dass sie ohne Nachkommen sterben würden, dem Herzog Hans von
Troppau und Ratibor vermachen, so muss Wenzel II. bereits früher
gestorben sein 1 ).
Herzog Kasimir scheint in dem letzterwähnten Schriftstücke
seine Befugnisse überschritten zu haben; diesem Erbvertrag ist
daher gewiss nie die Bestätigung des polnischen Oberlehensherrn zu
Theii geworden, und nicht der Herzog von Troppau und Ratibor,
sondern Hans IV. von Auschwitz und Zator ist der Erbe der Kasi-
mir-Wenzel’schen Hälfte von Zator geworden, was aus der Höhe der
Kaufsumme hervorgeht, um welche König Johann Albert das Herzog
thum im Jahre 1494 erstanden hatte.
Vom Herzog Wladislaus von Auschwitz (Zator) ist mir ein
einziges und zwar nicht unmittelbar von ihm ausgestelltes Schreiben
bekannt. König Siegmund von Polen bestätigt nämlich 1509 eine zu
Auschwitz am 25. Jänner (das Jahr wird nicht angegeben) von dem
genannten Wladislaus ausgestellte Urkunde^, laut welcher der Herzog
dem Nikolaus Pokrzywka eine Hufe (laneum) Ackers im Dorfe
Dwory zu kaufen gestattet, mit der Verpflichtung zur Zeit eines
feindlichen Einfalles Kriegsdienste zu leisten 8 ).
*) Die drei Schreiben von 1484 und 1487 im Registr. S. Wenceslai.
2 ) Invenl. Cracov. p. 233.
630
G. ß i e r m -a n n
Nach dem Erlöschen der Piasten von Zator fiel auch dieses
Fürstenthum vollständig an die Krone Polen, es wurde mit
Auschwitz der Woiwodschaft Krakau einverleibt; dennoch wurden
beide auch ferner noch als Herzogthümer bezeichnet und führten
im Wappen einen Adler, welcher eine von dem Krakauer Adler
verschiedene Farbe hatte. Der Landbotenberedung der Krakauer
Woiwodschaft in Proszow ging die Berathung der beiden Herzog
thümer in Zator voran, sie schickten bis 1736 einen, sodann
zwei Landboten nach Proszow sowohl als auch zum allgemeinen
Reichstag. Der Castellan von Auschwitz war zugleich Senator, hier
war auch ein Starost 1 ). Zator, Lipnik und Berwald waren gleichfalls
Slarosteien, ihre Starosten besassen jedoch keine Gerichtsbarkeit.
In Auschwitz war ein Burg-, in Zator ein Landesgericht. Die von
dem Reichstag bewilligten Steuern trieb ein dazu gewählter Ein
nehmer ein, nach einer von ihm entworfenen und vom Auschwitzer
Burggerichte genehmigten Steuertarifliste.
Das Städtewesen, welches im 13. Jahrhunderte unter deutschem
Einflüsse in ganz Schlesien und auch im Krakau’schen viel verspre
chende Blüthen angesetzt hatte, kam dort zur schönen Entfaltung,
wurde aber hier durch die Opposition des seit Wladislaus Lokietek’s
Zeiten sich geltend machenden national-polnischen Elementes zum
grossen Schaden des Landes geknickt. Auch im Auschwitz’schen
haben Wladislaus von Oppeln und sein Sohn Mesko durch Aussetzung
von Städten nach deutschem Rechte ein Bürgerthum zu gründen
versucht, welches jedoch unter den Herzogen von Auschwitz kaum
vegetirte, und unter polnischer Herrschaft sein Dasein nur kümmer
lich fristete. Die Entwickelung der Städteverfassung gerieth in
den beiden Herzogthümern gar bald in's Stocken, haben ja doch die
Städte Zator und Auschwitz es nicht einmal zur Beseitigung der
Vögte gebracht. In einem Briefe König Siegmund’s von ISIS wird
Johann Larisch (Larysz} als Besitzer der Vogtei von Auschwitz
angeführt. In Gegenwart des Starosten von Auschwitz verkaufen
1S17 der Vogt Johann, sodann Johann Tomicki und Johann Rudol-
towski die Vogtei von Zator um 700 Gulden und 100 ungrische
*) Im Jahre 1508 kommt in einer Urkunde Kasimir II. von Teschen ein Joh. Mysz-
kowski als Castellan von Auschwitz vor, das Amt eines Starosten führte 1491
und 1493 Peter von Kurosweki, in einer Urkunde von 153Z kommt auch ein
Unterstarost vor.
Zur Geschichte der Herzogtümer Zator und Auschwitz.
631
Gulden. Dieser Verkauf wird wohl nur eine Verpfändung gewesen
sein, denn Johann nennt sich noch im Jahre 1519 Vogt von Zator,
als solchen bezeichnet sich Johann Tomicki in den Jahren 1518,
1519 und 1525, eben so Johann Rudoltowski im Jahre 1521. Dieser
verschreibt sechs Gulden jährlicher Zinsen auf die Vogtei dem
Altaristen der Bruderschaft zum heiligen Geist in Zator, und 1525
urkundet er und Johann Tomicki, Vögte von Zator, dass sie dem
König Siegmund die Vogtei Zator um 1000 Goldgulden abgetreten,
und die Kaufsumme erhalten haben. Die Vogtei (eigentlich Scholtisei)
in Lipnik, in unmittelbarer Nähe Biala’s, welche Stadt erst später
entstand, verkaufte 1481 Paul Myszkowski an Johann Staszkowski,
von dem sie 1499 König Johann Albert um 400 ungrische Gulden
erhält.
Ich führe noch an, dass im Jahre 1540 der Archidiakon Georg
von Krakau und sein Bruder Johann von Przeczow das Städtchen
Wadowitz und alle ihre Güter im Herzogthume Zator gelegen,
dem König Siegmund übergeben *)•
*) Invent. Cracov. S. 232—234.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHIL OSO PHI SC II-II IS TO RISCHE CI, ASSE.
XL. HAND. V. HEFT.
JAHRGANG 1862. — DECEMBER.
SITZUNG VOM 3. DECEMBER 1862.
Vorgelegt:
Zendstudien.
I.
Von Dr. Friedrich Müller,
Docent der allgemeinen Sprachwissenschaft an der Wiener Universität.
In den nachfolgenden Aufsätzen will ich einzelne Puncte der
altpersischen Philologie, sowohl sachlicher als grammatischer und
kritischer Natur, welche mir noch nicht gehörig festgestellt zu sein
scheinen, zu beleuchten und einer endlichen Lösung näher zu führen
versuchen. Die betreffenden Fragen abgeschlossen zu haben, darauf
machen diese Zeilen keinen Anspruch; uns muss es vor allem andern
genügen — wie nun die Sachen stehen — dass sich Mehrere mit
diesen schwierigen Studien beschäftigen und ihr Scherflein zum
Ausbaue dieser Wissenschaft beitragen, d. h. dass sie das, was sie
gefunden, Anderen mittheilen und dem Urtheile Umsichtigerer und
Gelehrterer vertrauensvoll unterbreiten.
I. Über den Namen „Zarathustra“.
Der Name des grossen Propheten der Eränier, den wir gewöhn
lich nach der uns von den Griechen überlieferten Form Zcopoäarprjf
Zoroaster nennen, lautet in der Sprache, in welcher er selbst
geredet, Zarathustra Seine wahre etymologische
Bedeutung ist nichts weniger als über allen Zweifel gestellt.
Die heutigen Anhänger des Propheten erklären den Namen
nach der im neueren Idiom sich vorfindenden Form Zarduscht oder
F r. M ii Iler
636
Zartuscht (üUic>jj , ), armen, ^piu^ui^in, als „Goldstern“,
Führt man diese Erklärung auf das Altbaktrische zurück, so ergibt
sich dafür, da dem ersten Gliede „Gold“ , altb. entspricht,
während für das zweite Glied „Stern“ tuscht, duscht, der Name
des Sternes Tistar, supponirt werden muss, die Form
zairi tistrya, die von der wirklichen Form des Namens Zarathustra
himmelweit verschieden ist. Darnach ist also die von den heutigen
Parsen vertretene Etymologie als ganz ungenügend aufzugeben.
Eine auf die Form zaratliustra selbst basirte Etymologie gab
der Begründer der Zendstudien, E. Burnouf (Comm. sur le Ya§na,
XII). Derselbe theilt das Wort in zarath-ustra ab und erklärt es
„fulvos camelos habens“. Davon lässt sich nun das zweite Glied
sowohl in der Bedeutung „Kamel“ im altbaktrischen Sprachschätze
nachweisen (altind. ushtra, neup. _/-i), als auch passend Eigen
namen mit -»ej"" „Pferd“ im zweiten Gliede (z. B. -*»£>”-^<^-*0^I?,
mit demselben verglichen wer
den können. Was aber das erste Glied, zarath-, betrifft, so bemerkt
Haug mit Beeilt (Die Gäthäs des Zarath. II. 24S, Note), dass es
nicht „gelb“ heissen kann (denn dies lautet bekanntlich altbaktr.
neup. Jjj), sondern die Form eines Part, praesent. (altb.
zarat = altind. harat oder garaf) sein muss. Burnouf’s Deutung
ist also wegen Schwierigkeiten im ersten Gliede der Zusammen
setzung nicht zulässig.
Eine andere Deutung, die ■— irre ich nicht — Rud. Roth
angehört, ist die des Zarathustra als „Goldschmied“. Dagegen
lassen sich aber zweierlei Bedenken, sowohl lautlicher, als sach
licher Natur, erheben. Offenbar muss man, wenn man dieser Erklä
rung folgt, zara-thustra abtheilen und zara als „Gold“ erklären.
Diese Form lässt sich aber im Altbaktrischen nicht nachweisen;
denn die Form für „Gold“ lautet dort immer nur = altind.
hari *). Eben so setzt dann das zweite Glied thustra sowohl eine
starke Contraction als Weiterbildung im Suffixe der Form
(= thwarstar) voraus, die beide in diesen Bildungen im Altbaktri-
Altbaktrische Themen in a entsprechen zwar oft altindischen in i, z. ß.
„Knochen“ = asthi, „Weiser“ = kavi, -UfJyu= sahhi, „Regen“ =
vdri „Wasser“; ein zara gegenüber dem gesicherten zairi aus einigen schlechten
Lesearten aufzunehmen, scheint nicht rathsam.
Zendstudien. I.
037
sehen keine Analogie für sich haben. Was nun die sachlichen
Bedenken anlangt, so wiegen sie — glaube ich — noch schwerer.
Bekanntlich erwähnt das Avesta überall nur drei Stände: Priester
Krieger (^-«öw^W) und Ackerbauer und es
findet sich in den älteren Stücken keine Spur von Handwerkern,
noch weniger von Künstlern, die sich der Bearbeitung eines solchen
Luxusartikels wie Gold gewidmet hätten. Da nun Zarathustra diesen
Namen entweder von seiner eigenen oder seiner Väter Beschäftigung
erhalten haben konnte, so müssten wir in Widerspruch mit den
Schriften und den äusseren Nachrichten etwas voraussetzen, wozu
wir durch nichts als etwa die aufgestellte Etymologie bewogen
würden. Wir müssen nach diesem also auch die Etymologie Zara
thustra — Goldschmied fallen lassen.
Eine auf die Theilung zarath-ustra begründete Ableitung gibt
Haug in seinen Gäthäs, II, 246. Nachdem das erste Glied eine
dreifache Erklärung zulässt als „alternd“ (altind. garat), „Herz“
(altind. hrd), „lobsingend“ (altind. garat), wird der erstere Fall
als unpassend im vorhinein bei Seite geschoben. Das letzte Glied
„ustra“ wird aber nicht als „Kamel“, sondern als eine Zusammen
ziehung von uttara „trefflich“ erklärt. Darnach ist Zarathustra, je
nachdem man sich für die eine oder andere Fassung im ersten
Gliede entscheidet, entweder „der ein treffliches Herz hat“ oder —
was besser scheint — „der treffliche Lobsänger“-
Gegen beide Etymologien erheben sich sowohl lautliche als
sachliche Bedenken. Was erstere betrifft, so ist zaratli == zarad
und dieses = auffallend; denn einestheils lässt sich in jenen
Stellen, welche Haug citirt (Ya^na XXXX, 11; XXX, 1), in denen
zaraz- als erstes Glied in Compositis vorkommt, die Erklärung des
selben als altind. hrd bestreiten, da man mit demselben, wenn nicht
mit grösserem Rechte an haras (Benfey, Glossar zum Sämaveda,
S. 206) denken kann; anderestheils bleibt, selbst wenn die Paralle-
lisirung des zaraz- mit hrd auch zugegeben wird, th — d immerhin
bedenklich.
In eben derselben Weise ist ustra — uttara nicht ohne
Schwierigkeiten; denn auch die Ausstossung des« zugegeben, zu
der übrigens kein Grund vorliegt, da sie sich in dem Suffixe tara
nirgends findet, müsste nach anderen Analogien, wie =
hgd + ta, = dath + ta, auch uctra erwartet werden. Die
Silzh. d. phil.-hist. CI. XL. Kd. V. Hft. 42
638
Fr. Müller
Form gegenüber der fehlerhaften ist aber
einerseits als die richtige beglaubigt, andererseits können die neuen
Formen mit , ?_ nur die erstere, nicht die letztere voraussetzen.
Zu diesen lautlichen Schwierigkeiten kommt noch in Betreff
des Namens eine sachliche. Wenn Hang den-Namen als „treff
licher Lobsänger“ deutet und dabei bemerkt, dass das Singen von
Liedern in den Gäthä’s eine wichtige Rolle spielt und Zarathustra
selbst als-»Dichter erscheint, so schwebte ihm dabei jedenfalls die
Person des Propheten und Religionsstifters vor. Man müsste dann
annehmen, Zarathustra sei nicht der wirkliche, sondern nur der
Ehrenname des Stifters der parsischen Religion gewesen, zu
welcher Annahme uns aber die heiligen Bücher nicht den gering
sten Anlass bieten. Ist der Name aber kein blosser Ehrenname,
sondern wirklicher Name, der dem Propheten von seiner Kindheit
an zukam, so lässt sich eine solche Namengebung durch keine
Analogie wahrscheinlich machen; denn wenn wir die im Avesta und
anderwärts vorkommenden alten persischen Eigennamen dureh-
mustern, so finden wir keinen darunter, der in ähnlicher Weise,
nämlich auf so hohe geistige Vorzüge Bedacht nehmend, gebildet
worden wäre.
Die Deutung des Namens Zarathustra als „vortrefflichster
Liedersänger“ wurde später von Haug selbst (Essays on the
sacred language, writings and religion of the Parsees. Bombay 1862.
S. 2S2, Note) zurückgenommen und eine andere, wornach der Name
„der vortrefflichste Vorsteher“ bedeuten soll, an deren Stelle
gesetzt. In diesem Falle ist das erste Glied zaratli = altind. garat
„alt“, während das zweite Glied in derselben Bedeutung wie oben
bleibt. Gegen die Form erheben sich hier dieselben Schwierigkeiten
wie früher; von begrifflicher Seite hätten wir wieder dasselbe ein
zuwenden , wenn nicht Haug den Namen Zarathustra wirklich nur
als Prädicat, etwa wie „Hoherpriester“, fasste. Nach diesem wäre
der eigentliche Name des Stifters der parsischen Religion ganz unbe
kannt, wogegen einestheils die heiligen Schriften und die älteste
Tradition der Parsen, anderestheils die Geschichte anderer Religio
nen deutlich sprechen. Zudem müssten sich mehrere Zarathustras
naehweisen lassen, und weder die heiligen Bücher, noch die erä-
nische Sage könnten von Zarathustra so sprechen, wie sie es wirk
lich thun.
Zendsfudien. I.
639
Ich glaube, um den Namen richtig zu erklären, muss man ihn
einerseits in seine Elemente richtig zu zerlegen, andererseits durch
passende Parallelen begrifflich zu rechtfertigen versuchen. Betrach
ten wir nun den Namen, der ohne Zweifel zusammengesetzt ist (da
man im Gegentheile nur zarathus-tra abtheilen könnte, das sich
aber schwer erklären Hesse), so müssen wir ohne Frage Zarath
ustra theiien. Davon muss ustra wieder nur so gefasst werden, wie
es sonst vorkommt, nämlich in dem Sinne „Kamel“. Zarath aber
kann nichts anderes sein als ein Participium praes., wie schon Haug
richtig gesehen hat. Es handelt sich also nur um die richtige
Erklärung desselben. Am einfachsten wäre es wohl, an altind. har
„nehmen, erbeuten“ zu denken und das Wort dann, nach Analogie
von bharad-vdga, gamad-agni als „Kamele erbeutend“, vergl.
„erworbene Pferde habend“ zu deuten. Ich ziehe aber
vor, zarath als Participium praes. von har = ghar zu fassen, wovon
auch haras „Gluth“, dann auch „Zorn“ (haras krödhandma) her
kommt. Darnach ist also Zarathustra (vergl. „magere
Pferde habend“, -»a*>-“>ö5>^ö „zottige Pferde habend“) als „muthige
Kamele besitzend“ zu erklären. Diese einfache Erklärung wird auch
von der begrifflichen Seite her unterstützt, indem mit -"ö”" „Pferd“
im zweiten Gliede auftretende Namen wie bei den Griechen, so
auch bei den Persern äusserst häutig Vorkommen. Dass aber das
Kamel ein Hausthier bei den alten Persern war, gleich dem Pferde,
geht unter andern! aus Vend. XV, 68 ff. hervor; es galt als kost
barer denn das Pferd (vgl. Vend. XIV, HO —83).
Was nun das Epitheton „mutliig“ beim Kamele betrifft, dar
über vergleiche man die vortreffliche Schilderung desselben bei
Tarafah Muallaqah, Vers 11 ff.
II. Iber den Namen ,,Ahur6-mazdAo“.
Der Name des höchsten Gottes der zarathustrischen Religion,
des absolut guten Principes derselben, lautet bei uns gewöhnlich
Ormuzd (griech. ’Qpogdaov?^, in der neueren Form bei den
Parsen Ilormezd (_3^W), in der älteren Form aber und zwar
in den Keilinschriften Auramazdä, in den Zendbiichern meistens
Ahurö-mazdäo (t"^"G -VW*). Auf den ersteren Denkmälern
wird der Name meist als ein Wort gefasst, woraus dann die neuere
Namensform Ilormezd sich erklärt, während im Avesta beide Tlieile
640
F r. M üller
flectirt werden. Der Name besteht also ursprünglich aus zwei
Bestandteilen: almro und mazddo. Was bedeuten diese beiden
Namen? in welchem Verhältnisse stehen sie zu einander?
Lautlich ist Nominativ von identisch mit dem alt
indischen asura „lebendig“, von asu „Leben“ und dem Suffixe ra
= griech. pög. Akura heisst also „der lebendige“ oder auch cau-
sativ gefasst „der Lebenspendende“, wie auch das altindische asura
in den Veden von den Scholiasten als pränada erklärt wird 1 ).
Schwieriger als das erste Glied ist das zweite zu erklären.
Burnouf und Benfey versuchten mazddo = altind. medhds zu
deuten, für welche Parallele auch = altind. dein und —
altind. edhi zu sprechen scheinen. Ganz anders stellt sich aber die
Sache, wenn man genauer zusieht. Denn obschon ohige Parallelen
richtig sind, insofern als in ihnen altind. edh einem zd im Alt-
baktrischen entspricht, so ist diese Regel nur für den Fall von
Giltigkeit, als ein alter Dental vor dem dh sich nach weisen lässt.
Ob aber bei medh [etwa mat -j- dhd?\ ein alter Dental so ganz
sicher anzunehmen sei, bleibt immer sehr fraglich. Und gesetzt
auch, dass der lautliche Punct hier in Richtigkeit wäre, so ist die
Parallelisirung des mazddo mit altind. medhds — wie sich weiter
unten zeigen wird — schwer zu rechtfertigen.
Otfenbar ist die Bildung mazddo mit ^>ey und ähnlichen Bil
dungen zusammenzuhalten, in denen ddo einer Wurzel da angehört,
die im Altbaktrischen in den beiden Bedeutungen .„schaffen, setzen“
= altind. dlid und „erkennen“ = neup. Uruulj sich naehweisen
lässt. Trennt man letzteren Bestandtheil ab, so bleibt maz als erstes
Glied der Zusammensetzung übrig, das nach ethnischen Laut
gesetzen an dieser Stelle entweder aus maf oder mag entstanden
sein kann. Ersteres bedeutet „mit“ (vergl. griech. /xsrä), letzteres
„gross“ (vergl. griech. prjy.og). Es sind also hier mehrere Fälle
der Erklärung möglich, je nachdem man das erste und zweite Glied
in einer oder der andern Bedeutung fassen und bei der zweiten
Fassung des ersten Gliedes entweder Tatpurüsha oder Bahuvrihi
oder Karmadhäraya annehmen will. Diese Fälle sind: 1. mit -j-
schaffen, also = „Mitschöpfer“; 2. mit -f- erkennen, also =
*) Oder liegt dieser Erklärung- die falsche Zuriiekfülirurig- des Suffixes ra auf die
Wurzel rä = da zu Grunde?
Zendstudien. F.
641
„Miterkenner“, beide wie griecli. [xir-oyrog, ger-oixog; 3. Grosses
-|-schaffend; 4. Grosses-|-wissend; 5. grosse Schöpfung habend;
6. grosses Wissen habend; 7. grosser-j-Schöpfer; 8. grosser-f-
Weiser. Nur diese acht Formen sind möglich; denn Haug's
(Essays, S. 100 Note) vorgeschlagene Erklärung des mazcläo als
mat -j~ ddo „the creator of all“ entbehrt aller Wahrscheinlich
keit. Denn gesetzt auch, mat Hesse sich in derselben Verwendung
wie altind. sa nachweisen, so hiesse dann mat-clao nicht „dei 1
Schöpfer von Allem“, sondern „mit Schöpfung begabt“ oder „mit
[einem andern] dieselbe Schöpfung habend“. Es liegt aber auf der
Hand, dass weder die Bedeutungen „Mitschöpfer“ noch „Mit
erkenner“, welche beide grammatisch möglich sind, noch die bei
den grammatisch unmöglichen Deutungen „mit Schöpfung begabt“
oder „dieselbe Schöpfung habend“ zulässig sind. Wir sind also
auf die sechs übrig bleibenden Deutungen: „Grosses schaltend“,
„Grosses wissend“, „mit grosser Schöpfung begabt“, „mit grossem
Wissen begabt“, „grosser Schöpfer“, „grosser Weiser“ angewiesen.
Von diesen sind aber die beiden ersten, die in die Kategorie Tätpu-
rusha gehören, bei näherer Betrachtung desswegen auszuschliessen,
weil der Begriff „gross“ als Object des Schaffens oder Wissens auf
den absolut allmächtigen und all weisen Schöpfer bezogen, nicht
passend erscheint. Denn hier findet nur der Ausdruck „all“ oder
„ganz“ passende Anwendung. Was die zwei folgenden Erklärungen
(Bahuvrihi) anlangt, so ist nach dem, was wir weiter unten be
merken werden, nur die zweite, wornach mazdäo „mit grossem
Wissen begabt“, altind. mahägnänin, zulässig. Gleichen Grad der
Möglichkeit haben die beiden folgenden Deutungen (Kharmadhä-
rayas) „grosser Schöpfer“ und „grosser Weiser“. Bedenken wir
aber, dass der Begriff des Schaffens und Erhaltens schon in dem
Begriffe ahura zu Tage tritt und Ahura-mazda nach dem'in den
heiligen Büchern ausgeprägtem Begriffe als der heilige, dem un
heiligen, unreinen, verderbenden Geiste entgegengesetzte Geist
erscheint, so scheint uns nur die letztere Erklärung, nämlich
„grosserWeiser“ passend. Wir hätten sonach die acht grammatisch
möglichen Deutungen auf zwei, nämlich „mit grossem Wissen
begabt“ und „grosser Weiser“, zurückgeführt.
Jede dieser Deutungen hat etwas, was für sie spricht, und in
der Hauptsache laufen beide auf dasselbe hinaus. Nur ist erstere
642
F r. Müller
mehr adjectivischer, letztere mehr substantivischer Natur. Da nun,
wie wir weiter unten sehen werden, letztere Natur besser zu der
Geltung und Entwickelung dieses Begriffes passt, so entscheiden
wir uns für letztere Deutung und erklären mazdäo als mag-däo
„magnus sapiens“.
Nachdem wir also die beiden Ausdrücke ahurö und mazdäo
jeden für sich erklärt zu haben glauben, entsteht weiter die Frage,
in welchem Verhältnisse beide zu einander stehen, d. h. ist ahurö
Adjectiv zu mazdäo oder umgekehrt, oder stehen sie zu einander
im Verhältnisse der Apposition?
Bei dieser Frage erscheint es vor allem andern nothwendig,
diese beiden Benennungen in den ältesten uns aufbewahrten Stücken
der Zend-Literatur (den drei Gebeten Yathä - ahu - vairyö, Ashem
vöhu, Yenhe hatäm, die Gäthäs, Ya^na haptanhaiti etc.) zu ver
folgen und aus dem dort stattlindenden Gebrauche einen Schluss auf
selbe zu machen, ln dem Gebete Yathä-ahu-vairyö (Honover)
kommt der Name mazdäo nicht vor, sondern nur einmal der Name
ahura. In den fünf Gäthäs kommt der Name aliura üOrnal vor, der
Name mazdäo hingegen 112mal, die Verbindung ahurö-mazdäo
IKmal, mazdäo ahurö hingegen S7mal. Eben so steht in Ya$na
haptanhaiti ahurö 2mal, mazdäo 2mal, ahurö mazdäo 9mal, mazdäo
aliurö 1 Sinai.
Daraus lässt sich nun Folgendes ableiten:
1. Kommt der Ausdruck mazdäo öfter vor, als der Ausdruck ahurö.
2. Ist die Verbindung mazdäo ahurö häutiger als die Verbindung
ahurö mazdäo.
3. Stehen beide Theile zu einander nicht im Abhängigkeitsverhält
nisse, sondern im Verhältnisse der Coordination.
4. Ist der später in den Keilinschriften als eine Wortform geltende
und dem neueren Hormezd zu Grunde liegende Ausdruck ahurö
mazdäo nicht alt, sondern späteren Ursprungs.
Darnach bedeutet der Ausdruck ahurö mazdäo „der lebendig
machende, der grosse Weise“ oder „der lebendige, der grosse
Weise“, so ziemlich entsprechend der traditionellen Deutung der
Parsen : lilj
Was die Geschichte dieser beiden Ausdrücke betrifft, so scheint
Folgendes das Wahrscheinlichste. Ahura ist der Name des alten
indogermanischen Gottes, den das Volk schon vor der Trennung der
Zendstudien. I.
643
Eränier und Inder als den noch nicht näher bestimmten Allmächti
gen, den Schöpfer und Erhalter der Welt verehrte. Im Veda werden
mit dem Ausdrucke asura die Götter im Allgemeinen bezeichnet.
Als später jene sociale und religiöse Trennung eintrat, welche eine
tiefe Kluft zwischen eränischer und indischer Lebensanschauung
zog, bezeichneten die Inder, welche einem ihrem kriegerischen
Geiste entsprechenden Religionssysteme folgten, mit dem Namen
asura, den die inzwischen sesshaft gewordenen Eränier zur Be
zeichnung ihres alten Gottes beibehielten, die feindlichen, bösen,
von den neueren Göttern zu bekriegenden alten Götter, welche
ihren neuen, glänzenden (Suras identisch mit Devas) entgegen
gestellt und, nachdem die wahre Bedeutung ihrer Bezeichnung
abhanden gekommen war»), als die a-suras „Nieht-Suras“ auf
gefasst wurden. In gleicher Weise thaten dies die Eränier mit den
alten Devas, aus deren Mitte die neuen indischen an Rausch, Kriegs
und Beutelust sich erfreuenden Götter hervorgegangen waren.
Die Bezeichnung aliura für den alteränischen Haupt- und
Schutzgott mag lange Zeit ausschliesslich angewandt worden sein,
wahrscheinlich galt sie so bis zu Zarathustra’s Auftreten. Ihm ist vor
allem andern die neue vergeistigte Idee des Ahura als Mazdäo zuzu
schreiben, ähnlich dem Jlivh-Begriffe der Israeliten gegenüber dem
Elohim-Begriffe der Semiten. Diese That wurde jedenfalls in einer
Zeit vollzogen, in der Inder und Eränier bereits den alten Hass ver
gessen hatten und sich als völlig fremd und geschieden betrachteten.
Denn wäre dies nicht der Fall gewesen, so müsste es uns sehr
wundern, dem Namen des neuen, daher auch feindlichen Gottes
als einem solchen in den Büchern der Inder nicht zu begegnen.
Da wir ihm aber dort wirklich nirgends begegnen, so ist auch
Haug's Hypothese von Garadashti in Betreff Zarathustra’s, der
so innig mit Mazdäo zusammenhängt, als nicht erwiesen fallen
zu lassen.
Aus diesen Bemerkungen erklärt sieh derGebrauch des Namens
ahura und mazddo in den Gäthäs, von denen der letztere nach den
obigen Angaben doppelt so oft als der erstere vorkommt, indem es
hier besonders galt, den zarathustrischen Gott als den geistigen,
denkenden, reinen zu bezeichnen. Ebenso erklärt sich die alte Ver-
l ) Vgl. das, was wir oben über ahura = pränada bemerkt haben.
644
Fr. Müller, Zendstudien. 1
bindung mazdao ahurd, die mit der hebräischen voll
kommen übereinstimmt. Erst später trat, nachdem wahrscheinlich
die adjectivische Bedeutung des ahurd mehr und mehr sicli geltend
machte 1 ), nach Analogie von aiiro mainyu, gpento mainyu die Ver
bindung ahurd mazdao ein, welche dem nunmehr ausschliesslich
gebrauchten Namen des obersten Gottes der parsischen Religion zu
Grunde liegt. •
’) Vgl. Hang, Essays, S. 256.
Dr. Pfizmaier, Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
643
SITZUNG VOM 10. DECEMBER 1862.
Vorgelegts
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
Von dem w. M. Dr. August Pfizmaier.
Die auf verschiedenen Machtstufen stehenden, zu den Zeiten
der Tscheu den berühmten Fürstenländern des Alterthums Vorge
setzten Häuser sind in weisheitsfreundlichen und anderen Werken
sowohl der Vergangenheit als der Gegenwart so häufig Gegenstand
der Erwähnung, dass die Kenntniss ihrer Geschichte, welche der
Schlüssel zu vielen dunklen in Büchern vorkommenden Stellen, zu
den nothwendigsten Erfordernissen der mittelländischen Gelehr
samkeit gehört.
Da die auf jene Häuser bezüglichen, übrigens weniger durch
ihre Grösse als durch die ihnen gewordene Beachtung denkwürdigen
Ereignisse hei uns nur sehr unvollständig bekannt sind, so hat es der
Verfasser dieser Abhandlung unternommen, vorerst die Geschichte
des Hauses Thai-kung nach den in dem Sse-ki enthaltenen Angaben
in ihrem ganzen Zusammenhänge zu bearbeiten.
Das Haus Thai-kung ward in sehr frühen Zeiten (1122 vor
uns. Zeitr.) mit dem berühmten und mächtigen Lande Tsi belehnt,
welches dessen Fürsten bis zu dem dreiundzwanzigsten Jahre des
Königs Ngan von Tscheu (379 vor uns. Zeitr.) lenkten. Innerhalb
dieses Zeitraumes ist die Geschichte des Hauses Thai-kung diejenige
des Landes Tsi. Nach dem Erlöschen des genannten Hauses gelangte
Tsi in den Besitz des Hauses Tien -tschung, dessen Geschichte
hierauf ebenfalls mit derjenigen des Landes gleichbedeutend ist.
646
Dr. Pfi /<maie'r
Der erste Landesfürst von Tsi war l®l Liü - seliang
mit dem Beinamen Thai-kung-wang, eine Zusammen
setzung, deren eigentliche, unter näher erläuterte Bedeutung: „der
grosse Fürst hofft“. Derselbe stammte aus den Gegenden am Ufer
des Ostmeeres und war, wie in Liü-pü-wei's „Frühling und Herbst“
angegeben wird <), ein Kriegsmann der östlichen Fremdländer.
Der Ahnherr Liü-schang’s war bei dem Allhalter Yao ein Ange
stellter „der vier Berggipfel“, in welcher Eigenschaft er die Ange
legenheiten der Lehensfürsten zu besorgen hatte. Zugleich half er
dem nachherigen König Yü die Gewässer leiten und den Boden
ebnen, wobei er sich sehr grosse Verdienste erwarb.
In der Zwischenzeit der Lenkung der Häuser Yü und Ilia wurde
der hier genannte Mann mit dem Gebiete jSj Liü a ) belehnt, wäh
rend einige Mitglieder seines Hauses das Gebiet m Sellin als Lehen
erhielten.
Der Allen gemeinschaftliche Geschlechtsname war
Kiang-schi. Zu den Zeiten der Hia und Schang wurden
in Schin und Liü einigemale die Brüder der Lehensfürsten einge
setzt, und unter den Söhnen und Enkeln sanken einige zu Menschen
des Volkes herab. Liü-schang gehörte zu den Nachkommen der
letzteren. Sein ursprünglicher Geschlechtsname war Kiang-schi,
er heisst jedoch Liü-schang, weil für ihn ein neuer Geschlechtsname
von dem gleichnamigen Lehen Liü gebildet ward.
Liü-schang war zu der Zeit, als sein Name bekannt wurde,
arm, erschöpft und in Jahren vorgerückt. Er tischte einst mit der
Angel, als er mit Si-pe, Fürsten von Tscheu, zusammentraf. Si-pe,
nach seinem Tode „König Wen“ genannt, hatte, im Begriffe auf
die Jagd zu gehen, die Schildkrötenschale gebrannt, und dabei fol
gende Vorhersagung erhalten: Was du erjagen wirst, ist kein
Lindwurm und kein gehörnter Lindwurm, es ist kein Tiger und kein
Bär. Was du erjagen wirst, ist die Schutzwehr obergewaltiger
Könige. — Als Si-pe jetzt sich auf die Jagd begab, traf er wirklich
den oben genannten Thai-kung an dem nördlichen Ufer des Flusses
1 ) Diese Angabe ist in einer Anmerkung zu der Ausgabe des Sse-ki enthalten.
2 ) Dasselbe lag westlich von dem späteren Kreise Yueu in Nan-yang.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
647
yj-j Wei >)• Indem er sich mit ihm in ein Gespräch einliess, fand
er an ihm grosses Wohlgefallen und sagte zu ihm: Mein eigener
Vorgänger, der grosse Fürst sprach: Es wird geben einen höchst
weisen Menschen, der zu Theil wird Tscheu. Tschen wird dadurch
emporkommen. Bist du wirklich dieser Mensch? Mein grosser
Fürst hofft auf dich schon lange Zeit. — Von den Worten dieser
Anrede erhielt Liü-schang den Ehrennamen Thai-kung-wang, d. i.
der grosse Fürst hofft.
Si-pe nahm hierauf Liü-schang zu sich in den Wagen und
kehrte mit ihm nach Tscheu zurück, wo er ihn zu seinem Lehrer
ernannte.
Dies die gewöhnliche Erzählung. Nach Anderen war Thai-kung
ein Mann von vieler Erfahrung, der schon früher in Diensten des
Königs Tsch’heu von Yin gestanden. Wegen der Ruchlosigkeit
dieses Königs hätte er sich von dem Hofe entfernt und wäre als
wandernder Redner in den Ländern der Lehensfürsten umhergereist.
Es hätte keine Begegnung stattgefunden, und Liü-schang hätte sich
zuletzt aus eigenem Antriebe nach Westen gewandt und sich dem
Fürsten Si-pe von Tscheu unterworfen.
Eine andere Nachricht lautet: Liü-schang hatte einen blei
benden Wohnsitz und lebte in Verborgenheit an den Ufern des
Meeres. Als Si-pe von Tscheu auf Befehl des Königs Tsch’heu in
Yeu-li festgehalten wurde, Hessen > |E[ > -j^ San-I-seng und
[1^1 Hung-yao, zwei Freunde, d. i. Räthe des Königs Wen,
an Liü-schang, den sie bereits kannten, eine Einladung ergehen.
Liü-schang gab dieser Einladung Folge, indem er sagte: Ich habe
gehört, dass Si-pe weise, und auch vortrefflich sorgt für die
bejahrten Menschen. Warum sollte ich mich nicht zu ihm begeben?—
Liü-schang und die zwei genannten Männer machten jetzt dem
Könige Tsch’heu eine weise Tochter von dem Geschlechte =jE?
Yeu-sin nebst einer Anzahl seltener Gegenstände zum Geschenk,
indem sie Si-pe dadurch loszukaufen gedachten. Dieser Fürst ward
auch wirklich aus dem Gefängnisse entlassen und erhielt die Er-
laubniss in sein Land zurückzukehren.
r ) Dieser in der Geschichte oft genannte Fluss durchzieht die heutigen Landschaften
Kan-su und Schen-si von Westen nach Osten.
648
I)r. P f i zra a i e r
Obgleich die Angaben über die Dienste, welche Liü-sehang
dem Hause Tscheu geleistet, verschieden lauten, wird doch ein
stimmig berichtet, dass er der Lehrer der Könige Wen und Wu
gewesen.
Nachdem Si-pe ausYeu-li entkommen und in sein Land zurück
gekehrt war, ging er mit Liii-schang im Geheimen zu Rathe und
übte sich in Tugenden, um die Lenkung der Schang zu stürzen. Die
Gegenstände dieser Berathungen waren häufig das Übergewicht
der Waffen und ungewöhnliche Entwürfe. Wo man daher in den spä
teren Gesclilechtsaltern von den Waffen und dem geheimen Einflüsse
des Hauses Tscheu sprach, ward Thai-kung als der eigentliche
Schöpfer der Macht und Urheber des Entwurfes hingestellt. Die
Lenkung Si-pe's war übrigens wohl eingerichtet, so dass dieser
Fürst den Streit der Länder Yü und p^j Nui schlichtete und
die Dichter von ihm sagten, dass er den Befehl des Himmels zur
Obergewalt erhalten habe und ihn den König Wen nannten. Ausser
dem unternahm er Kriegszüge gegen die Länder Thsung und
-ml, ferner gegen die „Hunde-Fremdländer“ *) und
erbaute die umfangreiche Hauptstadt * [ J Fung a ). Dass damals zwei
Drittheile der Welt sich dem Hause Tscheu unterwarfen, wird dem
Umstande zugeschrieben, dass Thai-kung durch lange Zeit seinen
Rath ertheilte.
Als König Wen starb, folgte ihm dessen Sohn, der nachherige
König Wu. Im neunten Jahre seiner Lenkung entschloss sich dieser
Fürst, das Werk seines Vaters fortzusetzen und im Osten Erobe
rungen zu machen. Er hielt zu diesem ßeliufe eine Heerschau über
die Lehensfürsten, wobei er zugleich erfahren wollte, welche
Männer sich um ihn versammeln würden. Liü-schang, dem bei
diesem Anlasse der Ehrenname jp^ Sse-schang-fu, d. i.
Lehrer> Geschätzter und Vater, beigelegt ward, hielt als Führer des
Heeres von Tscheu in der linken Hand eine gelhe, d. i. mit Gold
verzierte Axt, in der Rechten einen weissen Kuhschweif als Fahne.
Er forderte die Lehensfürsten auf, indem er sprach: Ohne euch zu
I
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
049
besinnen, zieht zusammen eure Heeresmenge, leiht eure Schiffe und
Ruder. Wer zu spät eintrifft, wird enthauptet. — Demnach versam
melten sich zu einer ungewöhnlichen Zeit auf dem Gebiete B£j
Meng-tsin >) achthundert Lehensfürsten. Sämmtliche Anwesende
waren der Meinung, dass König Tsch’heu jetzt angegriffen
werden müsse, wogegen König Wu meinte, dass hierzu die Zeit
noch nicht gekommen sei. Er zog sein Heer zurück und verfertigte
gemeinschaftlich mit Thai-kung das „grosse Übereinkommen“ 2).
Zwei Jahre später tödtete Tsch’heu den Königssohn J-p
Pi-kan und liess Khi-tse in ein Gefängniss setzen. Als
König Wu jetzt den König Tsch’heu angreifen wollte und zu diesem
Zwecke die Schildkrötenschale brannte, erhielt er ein Ergehniss
von unglücklicher Vorbedeutung. Zu gleicher Zeit erhob sich
ein plötzlicher Sturm mit Regen. Sämmtliche Fürsten des Landes
waren von Rangigkeit erfüllt und Thai-kung war der Einzige, der
diese Stimmung nicht theilte, sondern die Zagenden zur Thätigkeit
zwang und auch den König Wu ermunterte. Der Feldzug fand hier
auf Statt.
Im eilften Jahre seiner Lenkung verkündete der König das
„Übereinkommen“ in der „Wildniss der Rinderhirten“ und machte
den Angriff auf Tscli’heu, den König der Schang. Das Heer dieses
Königs wurde geschlagen, Tsch'heu selbst floh nach seiner Haupt
stadt zurück und bestieg die „Erdstufe der Hirsche“, wo er sich den
Tod durch Feuer gab. Die ihn verfolgenden Sieger schlugen ihm
später das Haupt ab.
Als König Wu am folgenden Tage die Landesgötter einsetzte,
reichten die Fürsten vonTscheu das vermittelst einer Sehscheibe von
dem Monde gewonnene „glänzende Wasser“, Khang-schö von VVei
breitete die buntfarbige Matte, Liü-schang als „Lehrer, Geschätzter
und Vater“ führte das Thier die Darbringung, der Vermerken
Yi verlas, in den Händen ein Rohrbrett haltend, die Anrufung und
meldete den Göttern, dass man die Verbrechen des Königs Tsch'heu
gestraft habe.
Audi durch die Verbindung
Meng-tsin ausgedrückt. Das Gebiet ist das
heutige Meng oder Mung, Kreis Hoai-khing in Ho-nan.
2 ) So heisst ein dreifacher Aufruf, der in dem Huche der Tscheu enthalten ist.
650
Dr. P f i z m a i e r
König Wu verstreute hierauf die in der Erdstufe der Hirsche
aufgehäuften Geldstücke und liess das Getreide von Kliiü-
kiao herausschaffen, indem er damit die Armen und Schwachen ver
sorgte. Er versah ferner das Grab des Königssohnes Pi-kan mit
einem Hügel, befreite Khi-tse aus dem Gefängnisse, liess die neun
dreifüssigen Gefässe wegführen, begründete die Lenkung der
Tscheu und gab der Welt gleichsam einen neuen Anfang. Bei allen
diesen Verfügungen war Liii-schang durch lange Zeit dem Könige
berathend zur Seite gestanden.
Nachdem König Wu die Länder der Schang beruhigt und die
Waltüng über die Welt erlangt hatte, belehnte er Liü-schang, den
Lehrer, Geschätzten und Vater, vor allen übrigen Lehensfürsten mit
pp $=r> Ying-khieu, d. i. der Erdböhe des festen Lagers *). Das
hierzu gehörende Gebiet hiess das Land Tsi.
Thai-kung begab sich jetzt in das ihm zugewiesene im Osten
liegende Land, wobei er auf dem Wege öfters übernachtete und die
Reise langsam fortsetzte. Die den Gästen entgegenziehenden Leute
äusserten sich: Wir haben gehört: Die Zeit ist schwer zu gewinnen
und leicht zu verlieren. Die Gäste schlafen sehr ruhig: es sind wohl
solche, welche nicht in ihr Land gelangen. — Als Thai-kung dies
hörte, kleidete er sich in der Nacht an, machte sich auf den Weg
und erreichte sein Land noch vor Tagesanbruch. Daselbst war
indessen der Fürst von Lai zu einem Angriff herbeigekommen
und machte ihm den Besitz von Ying-khieu streitig. An den Marken
von Ying-khien lag nämlich Lai, ein von östlichen Fremdländern
bewohntes Land. Zu jener Zeit war man in Folge der durch den
König Tsch'heu hervorgebrachten Zerrüttung und bei dem Umstande,
dass die Macht von Tscheu erst gegründet worden, noch nicht
fähig, Streitkräfte in den fernen Gegenden zusammen zu ziehen. Im
Hinblick auf diese Verhältnisse wagte es daher der Fürst von Lai,
mit Thai-kung um den Besitz des Landes zu streiten.
A ) Diese Stadt hiess später Lin-thse, d. i. die auf den Fluss Thse lierabblickende. Fs
wird angeführt, dass ein Ort der an seiner Vorderseite und zur Linken von einem
Flusse umgeben ist, Ying „ein festes Lager“ genannt wird. Andere bemerken
indessen, dass der Fluss Vffl Thse im Süden des heutigen Ying-khieu oder Lin-
thse vorbeizieht und hierauf seinen Lauf naoh Osten nimmt.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
651
Sobald Thai-kung in seinem Lande angekommen war, richtete
er die Lenkung ein, machte die Sitten des Landes zur Grundlage
der Gebrauche, eröffnete ein Feld der Thätigkeit für die Hand
werker des Hauses Schang und erleichterte den Betrieb des Fisch
fanges und die Gewinnung des Salzes. InFolge dieser Einrichtungen
wendete sich vieles Volk nach Tsi, welches dadurch zu einem
grossen Fürstenlande anwuchs.
König Wu starb wenige Jahre nach Überwindung der Schang.
Während der Minderjährigkeit seines Nachfolgers, des Königs
Selling, erregten Kuan-scho und Tsai-schö, die Oheime des jungen
Königs, einen Aufruhr, und auch die an dem Flusse Hoai wohnenden
östlichen Fremdländer fielen von Tscheu ab. Der Fürst von Tscheu
liess Thai-kung durch Schao-kung und Khang-kung einen höchsten
Befehl zustellen, worin es hiess: Im Osten bis an das Meer. Im
Westen bis an den Fluss')• Im Süden bis Mo-fing®). Im Norden
bis Wu-ti®). Die fünf Gattungen yon Lehensfürsten, die Lehens
fürsten dritten Banges, die in den neun Landstrichen, du sollst sie
in Wirklichkeit strafen durch Kriegszüge 4 ). — In Folge dieser
Weisung befasste sich Tsi mit Strafangriffen und wurde ein grosses
Fürstenland. Seine Hauptstadt war das oben erwähnte Ying-khieu.
Thai-kung starb in einem Alter von ungefähr hundert Jahren
und hatte zum Nachfolger seinen Sohn jSj Liü-khT, genannt
Fürst T Ting. Fürst Ting hatte zum Nachfolger seinen Sohn,
den Fürsten -L Yi. Nach dem Tode des Fürsten Yi folgte dessen
Sohn ^ Thse-mu. genannt Fürst Khuei. Der Nachfolger
des Fürsten Khuei war dessen Sohn Pü-schin, genannt
Fürst Ngai.
1 ) Bis an den gelben Fluss.
2 ) Mö-Iingj jetzt nicht mehr zu bestimmen, lag im südlichen Theile der
heutigen Landschaft San-tung.
3 ) 4jE Wu-ti, jetzt nicht mehr zu bestimmen, lag im nördlichen Theile der
heutigen Landschaft San-tung und im südlichen Theile der heutigen Landschaft
Pe-tsclri-li. Bis zu den hier genannten Gegenden erstreckten sich die Marken des
Landes, mit welchem Thai-kung ursprünglich belehnt worden.
4 J Für den Fall, dass sie etwas verbrochen haben. Einen solchen Kriegszug unter
nahm der Höhere, namentlich der Himmelssohn, gegen den Niederen.
032
Dr. P f i t maic r
Der letztgenannte Fürst wurde von dem Fürsten von Ki 1 )
bei dem Himmelssohne, dem durch seine Übelthaten berüchtigten
Könige jjY I, verleumdet und auf Befehl dieses Königs gesotten.
Tscheu setzte an die Stelle des getödteten Fürsten Ngai dessen
jüngeren Bruder Tsing, genannt Fürst Hu. Dieser Fürst ver
legte seinen Wohnsitz nach der Stadt Po-ku 2 ).
Unterdessen stellte sich (Jj San, der gleichfalls zu den Zeiten
des Königs I von Tscheu lebende leibliche jüngste Bruder des
Fürsten Ngai, von Hass gegen den Fürsten Hu erfüllt, mit seinen
Genossen an die Spitze der Bewohner von Ying-khieu, drang in das
Gebiet von Pö-ku, überfiel und tödtete den Fürsten Hu und setzte
sich selbst an dessen Stelle. San heisst in der Geschichte Fürst
jßjfo Ilien. Dieser Fürst vertrieb gleich im ersten Jahre seiner
Lenkung sämmtliche Söhne des Fürsten Hu und zog wieder von
PÖ-ku weg, indem er das in unmittelbarer Nähe von Ying-khieu
gelegene j|| Lin-thse als Hauptstadt einrichtete.
Fürst Ilien starb nach einer neunjährigen Lenkung und hinter-
liess das Land seinem Sohne 'ä|i Scheu, genannt Fürst jj:^ Wu.
Im neunten Jahre des Fürsten Wu verliess König Li von Tscheu in
Folge eines Aufstandes das Land und floh nach Tsch’hi 3 ). Im
zehnten Jahre des Fürsten Wu (841 vor uns. Zeitr.) befand
sich das Haus der Tscheu in einem Zustande grosser Zerrüt
tung, und die Fürsten von Tscheu und £7 Seliao, die zwei
Landesgehilfen von Tscheu, führten unter, dem Namen
Hung-ho „die gemeinsame Verständigung“ die Lenkung 4 ). Im vier
undzwanzigsten Jahre des Fürsten Wu (827 vor uns. Zeitr.) war
in Tscheu, nachdem die Lenkung Kung-ho vierzehn Jahre gewährt,
König Siuen , der Sohn des Königs Li, eingesetzt worden.
Fürst Wu starb im sechzehnten Jahre seiner Lenkung
(82S vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn
1) Dieses Fürstenland entspricht dem heutigen I-schui, Kreis I-tscheu in San-tung.
2 ) Diese Stadt lag nördlich von Lin-thse in der Gegend des heutigen Pö-hing, Kreis
Tsing-tscheu in San-tung.
3 ) Damals ein Gebiet von Tsin, zu den Zeiten von Ilan ein Kreis der Landschaft IIo-
lung, der seinerseits das heutige Fen-si, Kreis Ping-yang in Schan-si.
4) Hier, mit dem ersten Jahre der Lenkung Kung-ho (841 vor uns. Zeitr.), beginnt die
Zeitrechnung des Sse-ki-
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
653
2j Wu-ki, genannt Fürst J^ Li. Dieser Fürst übte Grausam
keit und Bedrückung, was den vertriebenen Sohn des Fürsten Hu
veranlasste, nach Tsi zurück zu kehren, wo man ihn zum Fürsten
einzusetzen wünschte. Die Bewohner von Tsi verbanden sich mit
ihm gegen den Fürsten Li, der durch sie rasch angegriffen und
getödtet ward (816 vor uns. Zeitr.). Aber auch der Sohn des
Fürsten Hu war in dem Kampfe gefallen, worauf ^ Tsch’lff,
der Sohn des Fürsten Li, von den Bewohnern von Tsi zum Landes
fürsten erhoben ward. Dieser Fürst, in der Geschichte Fürst 7^
Wen genannt, Hess indessen siebenzig Menschen, welche seinen
Vater, den Fürsten. Li, getödtet hatten, hinrichten.
Fürst Wen starb im zwölften Jahre seiner Lenkung (804
vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn
Yue, genannt Fürst Sching. Dieser Fürst starb im ne u nten
Jahre seiner Lenkung (793 vor uns. Zeitr.) und hatte zum
Nachfolger seinen Sohn Ken, genannt Fürst Tschuang.
Im vierundzwanzigsten Jahre dieses Fürsten (771 vor uns. Zeitr.)
tödteten die „westlichen Hunde-Fremdländer“ <) den König Yeu
von Tscheu, in Folge dessen die Tscheu nach Osten übersie
delten und der Wohnsitz des Himmelssohnes nach der Stadt
Lö verlegt ward. In demselben Jahre wurden die Fürsten von Thsin
wegen der Dienste, welche das Land gegen die westlichen Fremd
länder geleistet, zum ersten Male als Lehensfürsten des Mittel
landes anerkannt. Im sechsundfünfzigsten Jahre des Fürsten Tschuang
(739 vor uns. Zeitr.) tödtete Tsin seinen Landesfiirsten, den Für
sten Tscliao.
Fürst Tschuang starb im vierundsechzigsten Jahre seiner
Lenkung (731 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen
Sohn jjj^ Lo-fu, genannt Fürst Hi. In das neunte
Jahr dieses Fürsten (722 vor uns. Zeitr.) fällt der Lenkungsantritt
des Fürsten Yin von Lu, womit das Geschichtswerk „Frühling
und Herbst“ beginnt. Im neunzehnten Jahre des Fürsten Hi (712
vor uns. Zeitr.) tödtete Hoan, Fürst von Lu, seinen älteren Bruder,
den Fürsten Yin und setzte sich als Landesfürst an dessen Stelle.
1 ) Dieser Fremdliinder ist oben in einer Anmerkung' g;edacht worden.
SiUl>. d. pliil.-hist.CI. XL. Bd. V. Hft. 43
654
Di*. P f i i. m a i e r
Im fünfundzwanzigsten Jahre des Fürsten Mi (70G vor uns.
Zeitr.) richteten die nördlichen Fremdländer einen Angriff gegen
Tsi. Tsching entsandte den zur Nachfolge bestimmten Fürsten
sohn t/j] Hoe mit einem Heere, damit er Tsi Hilfe bringe. Nach-
dem die Fremdländer geschlagen worden, wollte man in Tsi eine
Tochter des fürstlichen Hauses, die später bekannt gewordene Wen-
kiang, dem Fürstensohne Hoe zurGemahlinn geben. Hoe lehnte diese
Ehre ab und gab die denkwürdige Antwort: Jeder Mensch hat
Jemanden, der seines Gleichen ist. Tsching ist klein, Tsi ist gross,
es ist nicht meines Gleichen.
Im zweiunddreissigsten Jahre des Fürsten Hi (699 vor uns.
Zeitr.) starb *£¥?% 1 -tscbung-nien, der leibliche jüngere
Bruder des Fürsten Hi. Der Sohn I-tschung-nien’s war der Fürsten
enkel JlIE Wu-tschi, den der Fürst besonders liebte und dem
er dieselben Einkünfte. anweisen Hess, wie dem zur Nachfolge
bestimmten Sohne. Fürst Hi starb in dem dreiunddreissigsten Jahre
seiner Lenkung (698 vor uns. Zeitr.) und hinterliess das Land
seinem zur Nachfolge bestimmten Sohne ft TschU -ni, ge
nannt Fürst Siang. Fürst Siang hatte schon zur Zeit, als er
zum Nachfolger bestimmt war, mit Wu-tschi Streit gehabt. Als er
jetzt zum Fürsten erhoben ward, entzog er gleich im ersten Jahre
seiner Lenkung Wu-tschi die übermässigen Einkünfte, was diesen
mit grossem Unwillen erfüllte.
Im vierten Jahre des Fürsten Siang (694 vor uns. Zeitr.) kam
Hoan, Fürst von Lu, mit seiner Gemahlinn nach Tsi. Diese Fürstinn
von Lu war die oben genannte Wcn-kiang, die jüngere Schwester
des Fürsten Siang von Tsi, der schon früher mit ihr geheimen
Umgang gehabt hatte. Wen-kiang war noch zu den Zeiten des
Fürsten Hi, ihres Vaters, mit Hoan, Fürsten von Lu, vermählt wor
den. Nach der Ankunft des Fürsten Hoan in Tsi setzte Fürst Siang
seinen geheimen Umgang mit Wen-kiang fort. Als dies der Fürst
von Lu erfuhr, zürnte er seiner Gemahlinn, was diese wieder ihrem
Bruder, dem Fürsten von Tsi, meldete.
Fürst Siang veranstaltete jetzt eine Feierlichkeit, wobei er den
Fürsten Hoan betrunken machte und ihn durch einen mit ungewöhn
licher Leibesstärke begabten Kriegsmann, Namens ^ ^ Peng-
seng, in die Arme nehmen und auf den Wagen heben liess. Bei dieser
Die Geschichte des Hauses Thai-kungr.
655
Gelegenheit erdrückte Peng-seng den Fürsten von Lu, der, als man
ihn von dem Wagen herabnahm, eine Leiche war. Die Machthaber
von Lu stellten indessen den Fürsten von Tsi wegen dieser That
zur Rede, worauf Fürst Siang den Kriegsmann Peng-seng hinrichten
liess und sich in Lu entschuldigte.
Im achten Jahre des Fürsten Siang (690 vor uns. Zeitr.)
bekriegte Tsi das Fürstenland *), dessen Volk auswanderte
und die Hauptstadt des Landes aufgab.
Im zwölften Jahre seiner Lenkung (686 vor uns. Zeitr.) verlor
Fürst Siang sein Leben durch Mörderhand, ein Ereigniss, über
welches folgende Einzelnheiten angeführt werden. In früherer
Zeit hatte Fürst Siang die zwei grossen Würdenträger
Lien-tsching und jp Kuan-tschi-fu ausgeschickt, damit
sie die in das Gebiet |j- Kliuei -khieu 2 ) gelegte Besatzung
befehligen. Es war dabei bedungen, dass sie „zur Zeit der Klauen“,
d. i. im siebenten Monate des Jahres, ausziehen und zur Klauenzeit
des folgenden Jahres abgelöst werden sollten. Die beiden Männer
begaben sich zu der Besatzung, wo sie ein Jahr verbrachten. Als
endlich die Zeit der Klauen wiedergekehrt war, schickte der Fürst
Niemanden, der sie bei der Besatzung abgelöst hätte. Selbst als
mehrere Männer die Bitte stellten, jene Beiden ablösen zu dürfen,
verweigerte der Fürst hierzu die Erlaubniss. Die zwei Würden
träger wurden darüber unwillig und verabredeten sich, mit Hilfe des
Fürstenenkels Wu-tschi Aufruhr zu erregen.
Lien-tsching hatte eine Nichte, welche sich in dem fürstlichen
Wohngebäude befand, aber der Gunst des Gebieters nicht theil-
haftig ward. Er gab dieser den Auftrag, den Fürsten Siang aus
zuspähen, indem er ihr versprach, dass sie, wenn der Anschlag
gelänge, die fürstliche Gemahlinn Wu-tschin’s werden solle.
Unterdessen war der Winter und der zwölfte Monat des Jahres
gekommen. Fürst Siang zog zu seinem Vergnügen auf dem Gebiete
Ku-fen umher und beschäftigte sich zuletzt auf dem Gebiete
*) Dieses Fürstenland ist bereits früher erwähnt worden.
3 ) Es gab drei verschiedene Gebiete dieses Namens. Das hier gemeinte soll sich im
Westen des späteren Kreises Lin-thse befinden.
43*
650
Dr. P f i l in n i er
In Jrti Pei-khieu 1 ) mit Jagen.
Daselbst sali er ein Wildschwein,
welches ihm folgte und von welchem man glaubte, dass es der Geist
des hingerichteten Peng-seng gewesen. Der Fürst ward zornig und
schoss nach ihm einen Pfeil. Sofort stand das Wildschwein vor ihm
in menschlicher Gestalt und laut weinend. Vor Entsetzen stürzte
der Fürst aus dem Wagen und verletzte sich den Fuss, wobei er
zugleich einen Schuh verlor. Zu Hause angekommen, liess er dem
mit der Aufsicht über die Schuhe betrauten Manne, dessen Name
n Fe> d reihundert Streiche mit der ledernen Gerte geben. Fe
verliess hierauf das fürstliche Wohngebäude.
Während dieser Zeit hatten Wu-tschi, Lien-tsching, Kuau-
tschi-fu und deren Genossen bereits erfahren, dass der Fürst sich
auf der Jagd verletzt habe. Sie stellten sich sofort an die Spitze
einer ihnen ergebenen Menge und drangen in das fürstliche Wohn
gebäude. Daselbst trafen sie den mit der Aufsicht über die Schuhe
betrauten Fe, der zu ihnen sagte: Möget ihr es für den Augenblick
unterlassen, einzutreten und das Wohngebäude aufzuschrecken.
Wenn ihr das Wohngebäude aufschreckt, wird es euch nicht mehr
leicht sein, einzutreten. — Wu-tschi mass diesen Worten keinen
Glauben bei. Als ihm aber Fe seine von den Gertenschlägen her
rührenden Wunden zeigte, glaubte er ihm. Er wartete ausserhalb
des Gebäudes und hiess Fe früher eintreten. Sobald Fe früher ein
getreten war, versteckte er den Fürsten Siang zwischen einer Thüre.
Nach einer längeren Weile wurden Wu-tschi und dessen Genossen
misstrauisch, und sie drangen unverzüglich in das Gebäude. Unter
dessen kam Fe zurück und machte mit den Leuten des Wohn
gebäudes und den begünstigten Dienern des Fürsten einen plötz
lichen Angriff auf Wu-tschi und die übrigen Verschworenen. Der
Angriff misslang jedoch, und Alle, die sich an ihm betheiligt hatten,
verloren ihr Leben.
Wu-tschi drang hierauf in das Gebäude und suchte den Fürsten,
ohne ihn zu finden. Da erblickte einer seiner Leute einen mensch
lichen Fuss zwischen einer Thüre. Als man die Thüre öffnete und
nachsah, entdeckte man den Fürsten Siang, der auf der Stelle getödtet
*) Dieses Gebiet befand sich südlich von dem heuligeii.Pö-hiiig-, Kreis Thsiiig-tscheu
in Saii-tung.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung
657
ward. Nach dieser That bewerkstelligte Wu-tschi seine eigene Ein
setzung zum Landesfürsten von Tsi.
Im Frülilinge des folgenden Jahres (685 vor uns. Zeitr.)
zog Wu-tschi, der neue Landesfürst von Tsi, zu seinem Ver
gnügen auf dem Gebiete Yung-lin >) umher. Die Bewohner
dieses Gebietes waren schon früher von Hass gegen Wu-tschi
erfüllt. Als dieser jetzt seinen Vergnügungszug antrat, fielen die
Bewohner von Yung-lin über ihn her und tödteten ihn. Sie meldeten
hierauf Folgendes den grossen Würdenträgern von Tsi: Wu-tschi
hat getödtet den Fürsten Siang und sich selbst an dessen Stelle
gesetzt. Wir in unserer Sorgfalt verhängten über ihn die Strafe des
Todes. Nur die grossen Würdenträger mögen, indem sie eine neue
Einsetzung vornehmen, von den Fürstensöhnen einsetzen denjenigen,
der mit Recht soll eingesetzt werden. Nur dem höchsten Befehle
wird Folge geleistet.
In früherer Zeit, als Fürst Siang den Fürsten Hoah von Lu
betrunken machte und tödtete, mit dessen Gemaldinn geheimen Um
gang hatte, mehrmals ungerechter Weise Hinrichtungen verhängte,
mit Weibern Unzucht trieb und mehrmals die grossen Würdenträger
täuschte, fürchteten sämmtliche Brüder des Fürsten, dass ihnen ein
Unglück widerfahren werde. Der ihm im Alter zunächst stehende
jüngere Bruder Khieu floh daher nach Lu, da seine Mutter eine
Tochter des Fürsten von Lu gewesen. Ihm folgten als Zugesellfe
die Würdenträger -j[|l Kuan-tschung und ^3 Schao-hoe.
Der dem Letzteren zunächst stehende jüngere Bruder M'
Siao-pe floh nach Khiü, wohin ihm der Würdenträger
Pao-schö als Zugesellter folgte. Die Mutter Siao-pe's war
eine Tochter des Fürsten von Wei, welche von dem Fürsten Hi
besonders begünstigt worden war.
Siao-pe stand seit seiner frühesten Jugend in einem Verhält
nisse der Freundschaft zu dem grossen Würdenträger 'j'jjS jsj
Kao-hi. Als nach der Tödtung Wu-tschi’s durch die Bewohner
von Yung-lin man in Tsi berathschlagte, wen man zum Landesfürsten
einsetzen solle, riefen die Männer der Geschlechter j£=jKao und |j||]
J ) Dieses Gebiet befand sich in der Gegend des heutigen Ngan-khieu, Kreis Thsing-
tscheu in San-tung.
ÜSS
I)r. P f i z m a i e r
Kue i) früher im Geheimen den Fürstensohn Siao-pe aus dem Lande
Khiü herbei. Aber auch in -Lu entsandte man, sobald man daselbst
den Tod Wu-tschPs erfahren, eine Kriegsmacht, welche dem nach
Tsi zurückkehrenden Fürstensohne Khieu das Geleite gab. Zu
gleicher Zeit liess man durch Kuan-tschung eine andere Kriegs
macht befehligen, welche dazu bestimmt war, .dem von Khiü nach
Tsi daherziehenden Siao-pe den Weg zu verlegen. Bei dem hierauf
erfolgten Zusammenstosse schoss Kuan-tschung einen Pfeil nach
Siao-pe und traf dessen Panzergürtel. Der Getroffene stellte sich
todt, worauf Kuang-tsclning Leute entsandte, welche sich in eiligem
Laufe nach Lu begaben und daselbst den Tod des Fürstensohnes
Siao-pe meldeten. Die zur Begleitung des Fürstensohnes Khieu
bestimmte Kriegsmacht zog jetzt noch langsamer ihres Weges und
gelangte in sechs Tagen nach Tsi. Daselbst war Siao-pe bereits
eingetroffen und wurde von Kao-hi zum Fürsten von Tsi eingesetzt.
Siao-pe heisst in der Geschichte Fürst /j>0 Hoan.
Indem Fürst Hoan, in den Panzergürtel getroffen, sich todt
stellte, hatte er Kuan-tschung getäuscht. Er liess sich hierauf in
einen mit Zunder beladenen Wagen setzen und jagte in schnellem
Laufe davon, was ihm ebenfalls durch das im Inneren mit den Män
nern der Geschlechter Kao und Kue unterhaltene Einverständniss
möglich wurde. Auf diese Weise traf er zuerst in Tsi ein, wo er
sofort eingesetzt ward und eine Kriegsmacht zum Widerstande
gegen Lu aussandte.
Im Herbste desselben Jahres (68b vor uns. Zeitr.) erfolgte
zwischen Tsi und Lu auf dem Gebiete Kan-schi 2 ) ein
Kampf, dessen Ergebniss die Niederlage und Flucht der Kriegs
macht von Lu. Die Kriegsmacht von Tsi besetzte die Wege, auf
welchen die Kriegsmacht von Lu nach der Heimat zurückkehren
konnte. Unter diesen Umständen sandte die Lenkung von Tsi an
Lu das folgende Schreiben: Der Fürstensohn Khieu ist einer der
’) Die zwei durch den Himmelssohn eingesetzten Erlauchten des Landes Tsi. Der
Mann des Geschlechtes Kao ist der oben genannte Kao-hi. •
2 ) Ein Gebiet von Tsi in der Gegend des heutigen Lö-ngan, Kreis Thsing-tscheu in
San-tung. An der Markscheide von Lö-ngan befindet sich der Fluss j^j 1 . Schi, der
daseihst, in mehrere Arme getheilt, dahinfliesst. Hei eintretender Dürre versiegt
das Wasser in diesen Annen, wesshalb das Gebiet den Namen Kan-schi, wörtlich
„der versiegende Schi“ erhielt.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
659
Brüder, wir bringen es nicht über uns, ihn hinrichten zu lassen.
Wir bitten Lu, dass es ihn selbst tödte. Scbao-hoe und Kuan-tschung
sind Feinde. Wir bitten, dass wir sie in unsere Gewalt bekommen,
so dass wir an ihnen Rache nehmen können und ihr Fleisch einlegen.
Geschieht dieses nicht, so werden wir Lu belagern.
Die Machthaber von Lu waren dieser Drohung willen besorgt
und Messen unverzüglich den Fürstensohn Kliieu auf dem Gebiete
'Ij|| Sing-tü <) tödten. Schao-hoe tödtete sich selbst. Kuang-
tschung hingegen stellte an Lu die Bitte, dass man ihn in einem
Gefängnisse verwahre.
Indem Fürst Hoan gleich nach seiner Erhebung eine Kriegs
macht aussandte und Lu angriff, hatte er die Absicht, Kuan-tschung
zu tödten. Der frühere Zugesellte Pao-scho stellte jedoch dem Für
sten Folgendes vor: Ich war so glücklich, mich dir, o Gebieter,
anschliessen zu können. Du, o Gebieter, wurdest zuletzt erhoben zu
der Würde des Landesfürsten. Ich, der Diener habe nichts, was ich
dir, o Gebieter, hinzugeben könnte. Wenn du, o Gebieter, lenken
willst Tsi, so sind Kao-hi und Scbö-ya 2 ) dafür hinreichend. Willst
du aber walten als obergewaltiger König, so ist dir dies ohne
Kuan-I-ngu 3 ) nicht möglich. Das Land, in welchem I-ngu wohnt,
wird als Land von Wichtigkeit, und man darf die Gelegenheit nicht
versäumen.
Fürst Hoan befolgte diesen Rath. Er Hess Kuan-tschung ver
stellter Weise vorladen, als ob er an ihm Rache nehmen wolle, in
Wirklichkeit jedoch hatte er die Absicht, ihn im Dienste zu ver
wenden. Kuan-tschung batte dies erfahren, und er stellte daher
selbst die Bitte, dass er sich nach Tsi begeben dürfe. Pao-scho war
nach Lu gekommen, um ihn abzuholen und reiste, nachdem er ihn
in Empfang genommen, mit ihm ab. Sobald man das an den Marken
von Lu gelegene Gebiet jpj_ ijp Thang-feu erreicht hatte, löste
Pao-scho die Handfesseln und Fussringe, mit denen Kuan-tschung
belastet war. Er beschenkte ihn hierauf mit stattlichen Kleidern und
') Ein Gebiet von Lu.
■> X $Z Schö-ya, wörtlich der Oheim Ya. Das letztere ist der Kindesname Pao-
scho’s, der sonst Pao-schö-ya, wörtlich: „der Oheim Ya von dem Gesehlechle Pao“
genannt wird.
1). i. Kuan-tschung, dessen Kindesname
551
na
660
Dr. P f i z m a i e r
stellte ihn dem Pürsten Hoan vor, der diesen seinen Gefangenen
sehr ehrenvoll behandelte, ihn zu einem grossen Würdenträger
ernannte und mit der Lenkung des Landes betraute.
Nachdem Fürst Hoan an Kuan-tschung einen Helfer gewonnen,
verlegte er sich mit den Männern Pao-scho, ßl& Si-peng und
Kao-hi auf die Lenkung des Landes Tsi. Eine der ersten Einrich
tungen war das sogenannte Zusammenziehen der Streitkräfte von
fünf Häusern. Dabei bildeten fünf Häuser ein „Geleise“, zehn
„Geleise“ eine Gasse, vier Gassen eine „Zusammenhängung“, zehn
„Zusammenhängungen“ einen Gau, welchem letzteren ein Befehls
haber des Heeres Vorstand. Man bestimmte ausserdem das Ei’träg-
niss des Fischfanges und der Salzteiche in verschiedenen Ausmes
sungen zum Besten der Nothleidenden unter dem Volke, während
den weisen und befähigten Männern Gehalte verliehen wurden. In
Tsi war man allgemein mit diesen Einrichtungen zufrieden.
Im zweiten Jahre des Fürsten Hoan (684 vor uns. Zeitr.)
bekriegte und vernichtete Tsi das Land Tan, dessen Fürst
sich in das Land Khiii flüchtete. Fürst Hoan war nämlich zur Zeit
seiner Verbannung vorerst nach Tan gekommen, wo man ihn
schlecht behandelte. Diese Behandlung war die Ursache des gegen
wärtigen Strafzuges.
Im fünften Jahre des Fürsten Hoan (681 vor uns. Zeitr.)
richtete Tsi einen Angriff gegen Lu. Die Machthaber dieses
Landes stellten sich an die Spitze eines Kriegsheeres und wurden
geschlagen. Tschuang, Fürst von Lu, bot die Stadt Sui *), um
von Tsi den Frieden zu erhalten. Fürst Hoan bewilligte dies und
hatte mit dem Fürsten von Lu eine Zusammenkunft in ^|(pj Ko 2 ),
einer Stadt von Tsi, wo Friede und Bündniss zwischen den beiden
Ländern geschlossen wurde.
Als Lu den Vertrag beschwören sollte, bedrohte löf
Tsao-mö, Heerführer von Lu,, mit einem „löffelhäuptigen“ Schwerte
den Fürsten Hoan auf der Höhe der geheiligten Erdstufe, indem er
rief: Gib das geraubte Land von Lu zurück!-—■ Fürst Hoan will
fahrte diesem Wunsche, worauf Tsao-mö das „lötfelhäuptige“
0 Nach dem „Frühling- und Herbst“ vernichtete Tsi in diesem Jahre das Fürstenland Sui.
2 ) Diese Stadt ist das heutige Thsi-ho, Kreis Thsi-nan in San-lung.
Die Geschichte fies Hauses Thai-k'ung.
6ßl
Schwert zurückzog und, mit dem Angesicht nach Norden gekehrt,
sich zu dem für die Diener des Landes bestimmten Sitze begab.
Später reute den Fürsten Hoan sein Versprechen, und er wollte die
Zurückgabe des Landes an Lu verweigern und Tsao-mo tödten
lassen. Dagegen machte Kuan-tschung Vorstellungen, indem er
sprach: Jemanden, so lange er uns bedroht, willfahren, und hierauf,
der Treue den Rücken kehrend, ihn tödten, dies ist immer mehr nur
eine kleine Genugthuung. Aber die Treue zurücksetzen gegenüber
den Fürsten der Lehen und verlieren den Anhalt der Welt, dies
kann nicht geschehen. — Der Fürst gab jetzt das Land, welches
Tsao-mb in Folge dreier Niederlagen verloren hatte, an Lu zurück.
Als dies die Lehensfürsten erfuhren, hatten sie Zutrauen zu Tsi und
wünschten, sich ihm anzuschliessen.
Im siebenten Jahre des Fürsten Hoan (679 vor uns. Zeitr.)
hatten die Lehensfürsten eine Zusammenkunft mit dem Fürsten
Hoan auf dem Gebiete Kien ‘)> wodurch dieser Fürst seine
Ansprüche auf Obergewalt zum ersten Male thatsäehlich zur Gel
tung brachte.
Im vierzehnten Jahre des Fürsten Hoan (672 vor uns.
Zeitr.) kam ^^Hoan, der Sohn des Fürsten Li von Tschin, als
Flüchtling nach Tsi. Fürst Hoan von Tsi wollte diesen Fürstensohn,
der sonst auch unter seinem Jünglingsnamen King-tschung
bekannt ist, zum Erlauchten ernennen. Hoan schlug dies aus, worauf
ihn der Fürst zum ]E T Kung-tsching, d. i. Vorsteher sämmt-
licher Handwerker ernannte. Hoan ist der Ahnherr Tien-tsch’hang’s»
der in späteren Zeiten den Fürsten Kien tödtete und sich der Len
kung von Tsi bemächtigte.
Im dreiundzwanzigsten Jahre des Fürsten Hoan (663 vor
uns. Zeitr.) machten die westlichen Fremdländer der Berge *)
einen Angriff auf Yen. Dieses Fürstenland begehrte Hilfe von
Tsi, welche Fürst Hoan auch leistete. Er griff hierauf die west
lichen Fremdländer der Berge in ihrem eigenen Lande an, wobei er
bis ft» Ku-tscho 3 ) vordrang. Als er von diesem Feldzuge
heimkehrte, gab ihm Tschuang, Fürst von Yen, das Geleite und
’) Damals ein Gebiet von Wei.
2 ) Dieselben-werden auch die nördlichen Freindläudcr genannt.
3 ) Das heutige Luan-tseheu, Kreis Yung-ping in Pe-lscht-li.
662
l)r. I* fizmaier
überschritt bei dieser Gelegenheit die Marken von Tsi. Fürst Iloan
bemerkte: Wenn es nicht der Himmelssohn ist, so ziehen die
Lehensfürsten, die einander begleiten, nicht hinaus üher ihre
Marken. Ich kann nicht die Gebräuche ausser Acht lassen gegen
Yen. — Er trennte hierauf das Gebiet, zu welchem der Landesfürst
von Yen gelangt war, durch einen Wassergraben und trat es an
Yen ab. Zugleich wies er den Landesfürsten von Yen an, die Len
kung Schao-kung's, des ersten Landesfürsten von Yen, wieder
einzurichten und den Zoll für Tscheu, so wie es zu den Zeiten der
Könige Sching und Kharig Sitte gewesen, darzubringen. Als dies
die Lehensfürsten erfuhren, schlossen sie sich in Gesammtlieit
an Tsi.
Fürst Hoan hatte eine junge Schwester, Namens Ngai-
kiang, welche an Tschuang, Fürsten von Lu, vermählt war. Diese
Fürstinn trieb mit Khing-fu, Fürstensohn von Lu, Unzucht.
Kurze Zeit nach dem Ableben des Fürsten Tschuang (660 vor uns.
Zeitr.) tödtete Khing-fu den Sohn Ngai-kiang's, den minderjährigen
Fürsten Min von Lu, worauf Ngai-kiang dem Fürstensohne Khing-fu
die Nachfolge in Lu verschaffen wollte. Die Machthaber von Lu
bewirkten jedoch die Einsetzung des Fürsten Hi. Nach diesen Vor
gängen beschied Fürst Hoan (669 vor uns. Zeitr.) seine Schwester
Ngai-kiang nach Tsi und Hess sie daselbst tödten.
Im achtundzwanzigsten Jahre des Fürsten Hoan (668 vor uns.
Zeitr.) begehrte Wei, welches von den nördlichen Fremdländern
angegriffen wurde und zugleich an innerer Zerrüttung litt, Hilfe
von Tsi. Fürst Hoan stellte sich an die Spitze des Lehensfürsten,
vertrieb die Fremdländer und verfügte, nachdem er auf dem Gebiete
von Wei die feste Stadt Tsu-khieu erbaut, die Einsetzung
des Fürsten Wen von Wei.
Im folgenden Jahre (667 vor uns. Zeitr.) befand sich Fürst
Hoan mitseinerGemahlinn, Tsai-I, die eine Schwester des
Fürsten von Tsai, auf einem Boote. Diese Fürstentochter, welche mit
dem Wasser vertraut war, brachte muthwilliger Weise das Boot zum
Schaukeln. Der Fürst, der einen Unfall besorgte, verbot ihr dies, und
da sie dessen ungeachtet von ihrem Beginnen nicht abstand, verliess
der Fürst zürnend das Boot und schickte seine Gemahlinn Tsai-I nach
Tsai zurück, ohne jedoch die Verbindung zu trnnnen. Auch der
Oil* Geschichte des Hauses Thai-kung.
663
Fürst von Tsai zürnte und vermählte seine Schwester an einen
Andern. Als dies Fürst Hoan erfuhr, verdoppelte sich sein Zorn. Er
hob ein Kriegsheer aus und rüekte gegen Tsai in’s Feld. Im Frühling
des nächsten Jahres (6S6 vor uns. Zeitr.) bewerkstelligte er an der
Spitze der Lehensfürsten den Angriff auf Tsai, welches sich auflöste,
indem das Volk seinen Vorgesetzten entlief. Fürst Hoan machte
hierauf den Fürsten Mo von Tsai zum Gefangenen, liess ihn indessen
nach einiger Zeit, da sich die Lehensfürsten für ihn verwendeten,
wieder in sein Land zurückkehren.
Von Tsai wandte sich Fürst Hoan nach Tsu, welches er an der
Spitze der vereinigten Heere der Lehensfürsten angriff. Sching,
König von Tsu, hob ein Heer aus und liess die Männer von Tsi fragen,
aus welchem Grunde sie zu seinem Lande herübergekommen. Fürst
Hoan schickte durch Kuan-tschung die folgende Antwort: Einst haben
die Fürsten Schao und Khang verkündet den höchsten Befehl meinem
Vorfahr Thai-kung mit den Worten : Die fünf Gattungen von Lehens
fürsten, die Lehensfürsten dritten Ranges, die in den neun Land
strichen, du sollst sie in Wirklichkeit strafen durch Kriegszüge und
dadurch Zusammenhalten das Haus der Tscheu. — Man verlieh
meinem Vorfahr das zu betretende Gebiet. Im Osten erstreckte es
sich bis an das Meer, im Westen bis an den Fluss, im Süden bis Mo-
ling, im Norden bis Wu-ti. Der Zoll von Tsu, das gepackte Schilf
rohr, wird nicht eingebracht, bei der Darbringung des Königs ist es
nicht vorhanden J ). Ich komme daher, es zu fordern. König Tschao
befand sich auf einem Eroberungszuge im Süden und kehrte nicht
zurück. Ich komme daher, euch zu fragen 3 ).
Der König von Tsu antwortete: Dass der Zoll nicht eingebracht
wird, ist gegründet. Es ist dies meine, des unbedeutenden Menschen,
Schuld. Durfte ich es wagen, ihn nicht zu reichen? Dass König
Wie in dem Zolle Yii’s bestimmt ward, hatte Tsu dem Himmelssohne ah Zoll das
gepackte Schilfrohr, zu entrichten. Dasselbe diente zum Läutern des Weines, den
der Himmelssohn in «len Anbetungsorten der Götter darbrachte.
2 ) König Tschao von Tscheu, der eigentlich zum Zwecke der Jagd seiner Zeit im
Süden umherzog, setzte über den Fluss Han und hatte noch nicht das jenseitige
Ufer erreicht, als das Fahrzeug, auf dem er sich befand, zerschellte und er selbst
ertrank. Die Leute des Königs beeilten sich nicht, dieses Ereigniss zu melike« und
suchten es vielmehr zu verheimlichen. Da die Gründe dieser Verheimlichung unbe
kannt blieben, so fordert Fürst Hoan jetzt Rechenschaft von dem Lande Tsd>
664
Dr. P f i i. m a i e r
Tschao ausgezogen und nicht zurückgekehrt, darum befrage, o
Gebieter, die Ufer des Gewässers ').
Das Heer yon Tsi setzte seinen Zug fort und lagerte nach
einigen Tagen auf dem Gebiete Hing 2 ). Im Sommer hiess der
König von Tsu den Heerführer Jffj Khie-lioan sich an die Spitze
der gesummten Streitkräfte stellen und dem Vordringen von Tsi
Schranken setzen. Das Heer von Tsi zog sich hierauf eine Strecke
zurück und lagerte auf dem Gebiete ^ Schao-ling 3 ). Fürst
Hoan prahlte gegen Khie-lioan mit der Menge seines Heeres. Khie-
hoan antwortete: Wenn du, o Gebieter, dich richtest nach dem
Wege, so mag es sein. Richtest du dich nicht, so wird Tsu den Fang-
sching 4 ) machen zu seiner Feste , den Strom und den Han zu
seinem Wassergraben. Wie könntest du, o Gebieter, dann Vordringen?
—• Fürst Hoan schloss hierauf mit Khie-hoan einen Vertrag und
verliess das Land.
Auf dem Rückwege von Tsu berührte das Heer von Tsi das
Fürstenland Tschin. ^ ■jYuen-tao-thu von Tscliin, dem
der Durchzug des Heeres von Tsi zuwider war, betrog Tsi, indem
er es bewog, bei dem Auszuge den östlichen Weg, der von schlech
ter Reschaffenheit war, einzuschlagen. Tsi merkte den Betrug und
erschien im Herbste des Jahres wieder, um Tschin zur Strafe für
seine Unredlichkeit anzugreifen, bei welcher Gelegenheit es Yuen-
tao-thu gefangen nahm.
In das oben genannte Jahr fallen auch die Ränke an dem
Hofe von Tsin, in deren Folge Schin-seng, Fürstensohn von Tsin,
sich das Leben nahm.
Im fünfunddreissigsten Jahre des Fürsten Hoan (651 vor uns.
Zeitr.) hielt Tsi zur Zeit des Sommers eine Versammlung der
Lehensfürsten auf dem Gebiete Khuei-khieu 5 ). Siang,
*) Zu den Zeiten des Königs Tschao bildete der Fluss Han noch nicht die Markscheide
von Tsu, wesshalb dieses Land an dem Tode des Königs keine Schuld trägt.
2 ) Im Süden des späteren Schao-ling, welches in dem heutigen Kreise Ying-tscheu in
Ho-nan gelegen.
3 ) In dem heutigen Kreise Ying-tscheu in Ilo-nan.
4 ) Der Berg Fang-sching befand sich im Norden von Tsu, in der Gegend
des heutigen Yü-tscheu, Kreis Nan-yang in Ho-nan.
5 ) Das hier genannte Khuei-khieu, von dem früher vorgekommenen Gebiete dieses
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
ß65
König von Tscheu, ertheilte bei dieser Gelegenheit seinem Landes-
gehilfen 11 Khnng, der die Benennung eines Fürsten von Tscheu
führte, den Auftrag, den Fürsten Hoan mit dem Fleische der in dem
Ahnenheiligthume der Könige Wen und Wu von Tscheu statt
findenden Darbringung, ferner mit einem rothen Bogen, mit Pfeilen
und einem grossen bei dem Besuche der Lehensfürsten an dem
Hofe des Himmelssohnes Verwendeten Wagen zu beschenken. Ein
höchster Befehl lautete, dass Fürst Hoan bei diesem Anlasse sich
nicht zu verbeugen, d. i. öffentlich zu bedanken habe. Fürst Hoan
wollte sich hiermit einverstanden zeigen, aber Kuan-tschung bedeu
tete ihm, dass ein solches Vorgehen unstatthaft sei, worauf der
Fürst die Stufen der Halle, wo er sich befand, hinabstieg und, indem
er sich verbeugte, die Geschenke in Empfang nahm.
Im Herbste fand eine neue Versammlung der Lehensfürsten in
dem nämlichen Khuei-khieu Statt. Bei dieser Versammlung, zu
welcher Tscheu wieder den Landesgehilfen Khung absandte, zeigte
sich Fürst Hoan hochmüthiger als vorher, was die Ursache war, dass
nicht weniger als neun Fürstenländer sich von Tsi lossagten. Der
ebenfalls zu der Versammlung reisende Fürst von Tsin konnte wegen
Krankheit nicht zur rechten Zeit eintreffen. Auf dem Wege begeg
nete er dem Landesgehilfen Khung von Tscheu, der zu ihm sagte:
Der Fürst von Tsi ist bereits hochmüthig. Mögest du, o jüngerer
Bruder, die Hinreise und den Anschluss unterlassen.
Der hier erwähnte Fürst Hien von Tsin starb übrigens noch
in diesem Jahre, worauf Li-khe von Tsin die Fürstensöhne Hi-tsi
und Tschö-tse tödtete. Mo, Fürst von Thsin, führte seiner Gemahlinn
willen, welche eine Tochter des Fürsten Hien von Tsin, den Fiirsten-
sohn I-ngu nach Tsin zurück, und auch Hoan, Fürst von Tsi, liess
unter dem Vorwände, dass er hei den Wirren in Tsin strafend ein-
schreiten wolle, in dieses Land ein Kriegsheer einrücken, welches
bis ^ Kao-liangi) vordrang. Nachdem Si-peng auf Befehl
des Fürsten Hoan den Fürstensohn I-ngu, dessen Name in der
Geschichte Fürst Hoei, eingesetzt, kehrte das Heer zurück.
Namens verschieden, befand sich östlich vor der alten Feste Wai-hoang, welche
ihrerseits in Tschin-lieu, Kreis Khai-fun^ in Ho-nan gelegen.
Ein Gebiet von Tsin, südwestlich von der Hauptstadt des heutigen Kreises Ping-yang
in Schan-si gelegen.
l)r. Pfismnie r
660
Um diese Zeit war das Haus Tscheu ohnmächtig, und mächtig
waren nur die Fürstenländer Tsi, Tsu, Thsin und Tsin. Was Tsin
betrifft, so hatte dieses anfänglich an den Versammlungen Theil
genommen, seit dem Tode des Fürsten Hien jedoch litt das Land an
innerer Zerrüttung. Mo, Fürst von Thsin, hatte sich nach den fernen
Gegenden seines Landes zurückgezogen und nahm an den Ver
sammlungen und Verträgen des Mittellandes nicht Theil. Sching,
König von.Tsu, hatte unlängst die verschiedenen Stämme der süd
lichen Fremdländer unter seine Botmässigkeit gebracht und hatte
mit diesen neuen Erwerbungen zu thun. Auch die nördlichen Fremd
länder waren damit beschäftigt, sich selbst Einrichtungen zu geben.
Es erübrigte somit unter den genannten mächtigen Fürstenländern
nur noch Tsi, welches in dem Mittellande Versammlungen und Ver
träge zu Stande brachte. Zudem besass Fürst Hoan, die Gabe, seine
Wohlthaten allgemein zu verbreiten, wesshalb auch die Lehens
fürsten sich zn ihm als Gäste wandten und an seinen Versammlungen
Theil nahmen.
Fürst Hoan strebte daher nach Höherem und war gesonnen,
nach Gewohnheit der Himmelssöhne den Geistern der berühmten
Berge Gaben darzubringen. In Rücksicht hierauf rühmte er sich an
seinem Hofe mit folgenden Worten: Ich, der unbedeutende Mensch,
habe im Süden Angriffe gemacht und bin gelangt bis Schao-Iing,
Ich habe von Ferne erblickt den Berg Hiung*). Im Norden habe ich
den Angriff gemacht auf die westlichen Fremdländer der Berge, auf
Li-tschi a ) und Ku-tscho. Im Westen habe ich den Angriff gemacht
auf Ta-hia *), bin gewatet durch Lieu-scha 4 ), habe angebunden die
Pferde, angehängt den Wagen 5 ) und erstiegen den Thai-hang. Ich
4 ) Über die Lage des hier gemeinten , dem Süden angehörenden Berges [El Hiung
; * 4 \
konnte von dem Verfasser nichts aufgefunden werden. Ein anderer Berg gleichen
Namens, auch Hiung-ni „das Bärenohr" genannt, liegt im Westen des Flusses Lö in
Ho-nan und wurde auch damals sowohl Hiung-ni als Hiung genannt.
2 ) Von /K
Li-tschi wird vermuthet, dass es das spätere
x
4-
Ling-
tschi, welches seinerseits das heutige Tsien-ngan, Kreis Yung-ping in Pe-lschT-li.
3 ) Ta-hia ist die Gegend des heutigen Ho-tscheu, Kreis ThT-tao in Kan-sü.
4 ) Lieu-scha „der fliessende Sand“, eine allgemeine schon in dem Zolle
des Königs Yii vorkommende Benennung der äussersten Gegenden des Westens.
5 ) Wenn man einen Berg besteigen will, bindet man früher die Pferde an und hängt
den Wagen an einen Haken.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
ö67
gelangte bis zu dem Berge Pi-niund kehrte zurück. Unter den
Fürsten der Lehen ist keiner, der sieh widersetzt mir, dem unbe
deutenden Menschen. Dass ich, der unbedeutende Mensch, hielt eine
Versammlung der Kriegswagen, geschah dreimal. Dass ich hielt eine
Versammlung der gewöhnlichen Wagen, geschah sechsmal. Neunmal
vereinigte ich die Fürsten der Lehen und zwängte in eine einzige
Lade die Welt. Als einst die drei Zeitalter in Empfang nahmen des
Himmels Befehl, in wiefern war dies hiervon verschieden? Ich will
die Erde aufuäufen vor dem Thai-san, die Erde wegnehmen vor
dem Liang-fu 2 ).
Kuan-tschung machte gegen ein solches Beginnen nachdrück
liche Vorstellungen, fand jedoch kein Gehör. Endlich setzte er dem
Fürsten aus einander, dass man nach dem Beispiele des Alterthums
erst dann, wenn die kostbaren und wundervollen Gegenstände der
fernen Gegenden angelangt sein würden, den Bergen Gaben dar
bringen könne. Fürst Hoan stand hierauf von seinem Vorhaben ab.
Im achtunddreissigsten Jahre des Fürsten Hoan (648 vor uns.
Zeitr.)machte ^jb Tai, der jüngere Bruder des Königs Siang von
Tscheu, in Gemeinschaft mit den nördlichen Fremdländern einen
Angriff auf das Land des Himmelssohnes. Tsi entsandte Kuan-
tschung, der Tscheu von den Fremdländern befreite. Tscheu wollte
seinen Befreier nach den für einen ersten Erlauchten geltenden
Gebräuchen empfangen, aber Kuan-tschung äusserte mit zu Boden
gesenktem Haupte, dass er von Rang niedriger als ein erster
Erlauchter und desshalb die ihm zugedachte Ehre nicht annehmen
könne. Nachdem er sich dreimal geweigert, liess er sich endlich
wie einen letzten Erlauchten behandeln 8 ) und stellte sich dem
Himmelssohne vor.
*) Der Berg' Pi-ni liegt auf dem Gebiete des ehemaligen IV/ 7$
Thai-yang in Ilo-nan.
Zeiten liess der Himmelssohn auf seinen Rundreisen vor dem Thai-san die Erde auf-
er die Erde wegnehmen und daselbst Wein zur Darbringung für die Berge und
Flüsse ausgiessen.
3) Ein grosses Fürslenland wie Tsi hatte drei Erlauchte, von denen zwei durch den
Himmelssohn eingesetzt und desshalb die ersten Erlauchten genannt wurden. Den
dritten, welcher der letzte Erlauchte hjess, ernannte der Landesfiirst.
668
Dr. P f i z m aier
Im folgenden Jahre (647 vor uns. Zeitr.) erschien der Königs
sohn Tai, der die nördlichen Fremdländer herbeigerufen hatte, als
Flüchtling in Tsi. Dieses Fiirstenland entsandte Ü # Tschung-
sün, damit er bei dem Himmelssohne wegen dessen jüngeren Bruders
bitte und Entschuldigungen vorbringe, aber Siang, König von
Tscheu, beharrte in seinem Zorne und gab den Bitten des Abge
sandten kein Gehör.
Im einundvierzigsten Jahre des Fürsten Hoan (645 vor uns.
Zeitr.) nahm Mo, Fürst von Thsin, den Fürsten Hoei von Tsin in
der Schlacht von Han-yuen gefangen, liess ihn jedoch, nachdem er
mit ihm Friede geschlossen, nach Tsin zurückkehren.
In demselben Jahre starben Kuan-tschung und Si-peng. Wäh
rend der erstere erkrankt war, fragte ihn Fürst Hoan, wer unter
sämmtlichen Würdenträgern die Stelle eines Landesgehilfen ein
nehmen könne. Kuan-tschung antwortete: Den Diener kennt am
besten der Gebieter. — Fürst Hoan fragte: Was hältst du von Yi-
ya 1 )? — Kuan-tschung antwortete: Er tödtete seinen Sohn und
ging zu dem Gebieter. Es ist dies nicht das Gefühl eines Menschen:
man kann ihn nicht ernennen. — Der Fürst fragte wieder: Was
hältst du von Khai-fang 2 )? — Kuan-tschung antwortete: Er kehrte
den Bücken den nahen Verwandten und ging zu dem Gebieter. Es
ist dies nicht das Gefühl eines Menschen: es ist schwer, ihm zu
nahen. — Der Fürst fragte noch: Was hältst du von Schü-tiao 3 ) ? —
Kuan-tschung antwortete: Er vollzog an sich selbst die Strafe des
fürstlichen Wohngebäudes und ging zu dem Gebieter. Es ist dies
nicht das Gefühl eines Menschen: es ist schwer, ihn zum nahen Ver
wandten zu haben.
Als Kuan-tschung starb, war Fürst Hoan der Warnung dieses
seines Landesgehilfen uneingedenk und verwendete die drei genann
ten Männer, welche sich sofort alle Gewalt anmassten.
Im folgenden Jahre (644 vor uns. Zeitr.) machten die west
lichen Fremdländer wieder einen Angriff auf Tscheu, welches von
! ) YT-ya wird weiter unten wieder genannt.
2) ~ff
Khai-fang, Fürstensohn von Wci, gab die Stellung des Nachfolgers
in einem grossen Lande auf und diente als Unterthan dem Landesfürsten von Tsi.
3 ) Schü-tiao wird weiter unten wieder genannt.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung-.
009
Tsi Hilfe begehrte. Tsi befahl den Lehensfürsten, je eine Abtheilung
Krieger auszusenden und sie nach Tseheu als Besatzung zu legen.
Hoan, Fürst vonTsi, hatte drei fürstliche Gemahlinnen, nämlich
T. Wang-I, Siü-I und die früher vorgekommene
Tsai-I. Dieselben waren sämmtlich kinderlos. Dieser Fürst liebte
übrigens den Umgang mit Weibern und war in dem inneren Hause
freigebig mit seiner Gunst. Er hatte sechs Weiber, welche fürst
lichen Gemahlinnen gleichgeachtet wurden. Unter diesen war die
ältere f|j Wei-I die Mutter des Sohnes t/tL w u-kuei. Die
jüngere Wei-I war die Mutter des nachherigen Fürsten Hoei, dessen
Name JC Yuen. Tsching-I war die Mutter des nachheri
gen Fürsten Hiao, dessen Name Tschao. j|f Ngo-yingwar
die Mutter des nachherigen Fürsten Tschao, dessen Name y|j£ Fan.
war die Mutter des nachherigen Fürsten I, dessen
Name / /^ ptrj Scbang-jin. ff 5R Sung - hoa - tse war die
Mutter des Fürstensohnes Yung.
Fürst Hoan hatte es Kuan-tschung überlassen, den nachherigen
Fürsten Hiao dem Schutze des Fürsten Siang von Sung anzuver
trauen, indem er ihn zugleich zum Nachfolger bestimmte. Der oben
genannte ^ jpy Yi-ya, der aus dem Gebiete Yungstammte und
den Namen ÄjA Wu führte, stand bei den beiden Wei-I, den Ge
mahlinnen des Fürsten Hoan, in Gunst. Derselbe überreichte durch
den Halbmann KA Schü-tiao dem Fürsten Hoan sehr bedeu
tende Ehrengeschenke und erhielt gleichfalls dessen Gunst. Fürst
Hoan machte ihm das Zugeständnis,«, dass er Wu-luiei, den Sohn
der älteren Wei-I, zum Nachfolger bestimmte. Nach dem Tode
Kuan-tschung's bewarben sich sämmtliche fünf Fürstensöhne um die
Einsetzung zu Nachfolgern.
Fürst Hoan starb im dreiundvierzigsten Jahre seiner Lenkung
(643 vor uns. Zeitr.), wobei noch als Zeit der Winter, der zehnte
Monat des Jahres und zwölfte Tag des sechzigtheiligen Kreises ver
merkt wird. Yi-ya trat in das fürstliche Gebäude und tödtete in
Gemeinschaft mit Schü-tiao und mit Hilfe der Begünstigten des
Sitzb. d. phil -hist. Ci. XL. ßd. V. Hft. 44
670
Dr. P f i z m a i e r
inneren Hauses 1 ) sämmtliche Angestellte 3 ), worauf er den Fürsten
sohn Wu-kuei zum Landesfürsten ausrief. Der ursprünglich zum
Nachfolger bestimmte Sohn Tschao, der nachherige Fürst Hiao,
floh nach Sung.
Schon während der Krankheit des Fürsten Hoan hatten die
fünf Fürstensöhne Anhänger gesammelt und sich gegenseitig die
Nachfolge streitig gemacht. Sofort nach dem Tode des Fürsten
fielen sie kämpfend übereinander her, was zur Folge hatte, dass
das Innere des fürstlichen Gebäudes leer war und Niemand sich
getraute, den Verstorbenen einzusargen. Dieser blieb siebenund-
seelizig Tage aufgebahrt liegen, und die Fliegenmummen der Leiche
drangen aus der Thüre hervor. Erst im zwölften Monate des Jahres,
an einem Tage, der wieder der zwölfte des sechzigtheiligen Kreises,
ward der Fürstensohn Wu-kuei eingesetzt. Derselbe Hess den
Leichnam schnell einsargen und am achtzehnten Tage des sechzig
theiligen Kreises in der Nacht durch die Trauergäste abholen.
Fürst Hoan hatte ungefähr zehn Söhne, von denen fünf in ver
schiedenen Zeiträumen zu Fürsten Yon Tsi eingesetzt wurden. Unter
diesen fand Wu-kuei schon drei Monate nach seiner Erhebung den
Tod, und ihm ward daher der nach dem Ableben zu ertheilende
Name nicht beigelegt. Die übrigen waren nach der Abstufung des
Alters die nachherigen Fürsten Hiao, Tschao, I und Hoei.
Im dritten Monate des folgenden Jahres (642 vor uns. Zeitr.)
stellte sich Siang, Fürst von Sung, an die Spitze der Streitkräfte der
Lehensfürsten, indem er Tschao, dem zur Nachfolge bestimmten
Sohne von Tsi, das Geleite gab und Tsi angriff. Die Machthaber die
ses Landes geriethen in Furcht und tödteten ihren Landesfürsten
Wu-kuei.
Zur Zeit, als man in Tsi den zur Nachfolge bestimmten Sohn
Tschao zum Fürsten einsetzen wollte, wurde derselbe von den
Genossen der übrigen vier Fürstensöhne angegriffen und floh, wie
schon früher berichtet wurde, nach Sung, welches Land sofort den
*_) Die Begünstigten des inneren Hauses sind nach Einigen die sechs Weiber, welche
fürstlichen Gemahlinnen gleichgeachtet wurden , nach Anderen sind es im Allge
meinen die Bewohner des inneren Gebäudes, welche sich die Gewalt angemasst und
sich hei dem Fürsten in Gunst gesetzt hatten.
2 ) Nach Einigen sind unter diesen Angestellten sämmlliche grossen Würdenträger zu
verstehen.
i
Die Geschichte des Hauses Thai-kuug.
671
Kampf mit den Bewohnern von Tsi und den vier Fürstensöhnen auf
nahm. Im fünften Monate des Jahres schlug die Macht von Sung die
Heere dieser vier Fürstensöhne und bewirkte die Einsetzung des
Sohnes Tschao zum Fürsten von Tsi. Derselbe heisst in der Ge
schichte Hiao, Fürst von Tsi. Wie bereits angegeben worden,
batten Fürst Hoan und Kuan-tschung den zur Nachfolge bestimmten
Sohn dem Lande Sung anvertraut. Sung glaubte sich daher berechtigt,
eine Kriegsmacht ausrücken zu lassen, um die in Tsi begangenen
Unthaten zu strafen. Im achten Monate dieses Jahres endlich ward
der Leichnam des Fürsten Hoan von Tsi zur Erde bestattet.
Kurze Zeit nach der Erhebung des Fürsten Hiao (641 vor uns.
Zeitr.) hatten die Lehensfürsten wieder einen Vertrag mit Tsi be
schworen, wodurch sie zu erkennen geben sollten, dass sie die Wohl-
thaten des Fürsten Hoan nicht vergessen haben. An diesem Vertrage
hatte Siang, Fürst von Sung, der damals den Weg der Obergewalti
gen betreten wollte, nicht theilgenommen. Im sechsten Jahre des
Fürsten Hiao (637 vor uns. Zeitr.) machte Tsi einen Angriff auf
Sung aus dem Grunde, weil dieses Land von dem Bunde mit Tsi
sich ausgeschlossen hatte. Dieser Angriff geschah im Frühlinge. Im
Herbste desselben Jahres starb Siang, Fürst von Sung, an den Folgen
seiner in der Schlacht von Hung erhaltenen Wunde.
In das folgende Jahr (636 vor uns. Zeitr.) fällt die Einsetzung
des Fürsten Wen von Thsin.
Fürst Hiao starb im zehnten Jahre seiner Lenkung (633 vor
yns. Zeitr.). Fan, der jüngere Bruder des Fürsten Hiao, liess durch
Khai-fang, Fürstensohn von Wei, den Sohn des Fürsten Hiao tödten
und sich selbst einsetzen. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst
Tschao und war ein Sohn des Fürsten Hoan. Seine Mutter war
die früher genannte, einer fürstlichen Gemahlinn gleichgeachtete
Ngo-ying.
Im ersten Jahre des Fürsten Tschao (632 vor uns. Zeitr.)
schlug Wen, Fürst von Tsiu , das Heer von Tsu in Schirig-po und
hielt eine Versammlung der Lehensfürsten in Tsien-tu. Er erschien
hierauf an dem Hofe des Himmelssohnes von Tscheu und bewirkte,
dass Tsin als obergewaltiges Land anerkannt ward.
Im sechsten Jahre des Fürsten Tschao (627 vor uns. Zeitr.)
machten die nördlichen Fremdländer einen Einfall in Tsi. In demsel
ben Jahre starb Wen, Fürst von Tsin, und ward das Heer von Thsin
44*
072
Dr. P f i z m aier
in der Schlacht von Hiao vernichtet. In das zwölfte Jahr des Fürsten
Tsehao (G21 vor uns. Zeitr.) fällt der Tod des Fürsten Mo von
Thsin.
Fürst Tsehao von Tsi starb im fünften Monate des neunzehnten
Jahres seiner Lenkung (614 vor uns. Zeitr.), worauf sein Sohn
Sehe zum Landesfürsten von Tsi eingesetzt ward. Die Mutter
dieses Sohnes war hei dem Fürsten Tsehao nicht in Gunst gestanden,
und die Bewohner des Landes hegten gegen sie keine besondere
Ehrfurcht. Schang-jin, der jüngere Bruder des Fürsten Tsehao,
hatte schon nach dem Tode des Fürsten Hoan um die Nachfolge
gestritten, ohne jedoch seinen Zweck erreicht zu haben. Derselbe
unterhielt jetzt geheime Verbindungen mit einsichtsvollen Männern
und wendete sich mit Vorliebe dem Volke zu. Er ward daher bald
bei dem Volke beliebt. Als nach dem Tode des Fürsten Tsehao der
Fürstensohn Sehe, eine schwache Waise, eingesetzt wurde, verband
sich Schang-jin mit der grossen Menge. Im zehnten Monate des
Jahres tödtete er Sehe, den rechtmässigen Landesfürsten von Tsi,
auf dem Grabhügel des verstorbenen Fürsten und nahm von der
höchsten Würde Besitz. Schang-jin heisst in der Geschichte Fürst
Derselbe war ein Sohn des Fürsten Hoan, und seine Mutter
war die früher genannte, einer fürstlichen Gemahlinn gleichgeachtete
MI-I.
Fürst I gewann übrigens nicht die Herzen des Volkes. Zur Zeit
als er von Rang noch ein Fürstensohn war, befand er sich mit dem
Vater eines Mannes, dessen Name ^ Ping-jung, auf der Jagd?
wobei er mit ihm wegen der Beute stritt, aber nichts ausrichtete.
Als Schang-jin zum Landesfürsten erhoben ward, liess er dem Vater
Ping-jung's die Füsse abschneiden und verwendete dessen Sohn
Ping-jung zu einem Diener, der den fürstlichen Wagen zu lenken
hatte. Ausserdem gefiel dem Fürsten die Gattinn eines Mannes, dessen
Name K ff Yung-fschi. Er nahm dieses Weib in das fürstliche
Wohngebäude und verwendete deren GemahlYung-tschi zum Dritten
im Wagen *).
Nach den für das Fahren geltenden Bestimmungen sitzt der Geehrteste zur linken
Seite des Wagens, der Wagenführer in der Mitte. Ausserdem sitzt noch ein Mann,
welcher das Umwerfen des Wagens zu verhüten hat, zur rechten Seite des Wagens.
Dieser Mann heisst „der Dritte im Wagen“.
Die Geschichte des Hauses Thai>kung.
673
Im fünften Monate des vierten Jahres seiner Lenkung (609 vor
uns. Zeitr.) zog Fürst I zu seinem Vergnügen in der Gegend des
Teiches Sohin *) umher. Die beiden genannten Männer, welche
sich in der Gesellschaft des Fürsten befanden, badeten sich und
machten sich über einander lustig. Yung-tschi sagte zu seinem
Gefährten: Der Sohn eines Mannes, dem die Füsse abgeschnitten
worden!— Ping-jung sagte wieder zu dem Anderen : Ein Mann, dem
man das Weib entrissen! — Die beiden Männer nahmen einander
diese Worte übel und waren von einem solchen Unwillen erfüllt,
dass sie sich gegen das Leben des Fürsten verschworen. Als sie
hierauf mit dem Fürsten I in einem Geröhricht umherzogen, tödteten
sie ihn in dem Wagen, warfen den Leichnam in das Gerölnicht und
ergriffen die Flucht.
Fürst I hatte sich gleich nach seiner Erhebung gegen das Volk
übermüthig benommen und sich dasselbe nicht geneigt gemacht.
Nach seiner Ermordung setzte man daher in Tsi seinen Sohn zurück
und holte den Fürstensohn Yuen aus Wei ab. Yuen, der sofort zum
Fürsten erhoben ward, heisst in der Geschichte Fürst HÄ Hoei.
TSV
Derselbe war ein Sohn des Fürsten Hoan und seine Mutter eine
Tochter des Fürsten von Wei, welche die jüngere Wei-I genannt
wurde. Yuen hatte sich bisher, um den Wirren in Tsi auszuweichen,
in Wei aufgehalten.
Im zweiten Jahre des Fürsten Hoei (607 vor uns. Zeitr.) kamen
sogenannte „lange nördliche Fremdländer“ 3 ) ^ach Tsi. Der Königs
sohn Sching-fu, ein grosser Würdenträger von Tsi,
tödtete sie in raschem Angriff und begrub ihre Leichname vor dem
nördlichen Thore der Hauptstadt. In demselben Jahre veranlasste
Tschao-tseh'huen von Tsin die Tödtung seines Gebieters, des
Fürsten Ling.
Die Lage dieser Gegend ist ganz ungewiss. Es wird angegeben, dass das südliche
Thor der Hauptstadt von Tsi denNainen: ThorSchiu führte. Unter den Mauern dieser
Hauptstadt habe sieh jedoch kein Teich befunden, und es sei zweifelhaft, ob hier
ein Teich zu beiden Seiten des Thores Schin gemeint werde. In einer angeführten
Bemerkung zu einem bilderlosen Gedichte auf die Hauptstadt von Tsi heisst es: Der
Teich Schin liegt an den Ufern des Meeres und ist ein Sumpfland von Tsi.
2 ) Kö-Iiang macht die sagenhafte Angabe, dass der Leib eines „langen nördlichen
Fremdländers“ neun Morgen Landes bedeckt und dass, wenn das abgeschlagene
Haupt eines solchen Diesen auf einen Wagen geladen wird, die Augenbrauen auf dem
Vorderdache sichtbar sind.
674
Dr. P f i z m a i e r
Fürst Hoei starb im zehnten Jahre seiner Lenkung (599 vor
uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn ^JIE Wu-ye,
genannt Fürst J;Ü Khing. In diesem Jahre wird der in späterer Zeit
noch öfter vorkommende /jyj- Thsui-tschü zum ersten Male ge
nannt. Derselbe war damals schon ein Günstling des Fürsten Hoei.
Nach dem Tode dieses Fürsten besorgten die Geschlechter Kao und
Kuc, dass sie durch den genannten Mann bedrängt werden könnten,
und sie vertrieben ihn. Thsui-tschü floh hierauf nach Wei.
Im ersten Jahre des Fürsten Khing (598 vor uns. Zeitr.)
machte Tschuang, König von Tsu, einen gewaltigen Angriff auf das
Fürstenland Tschin. Im folgenden Jahre (597 vor uns. Zeitr.) be
lagerte König Tschuang wieder die Hauptstadt von Tsching, dessen
Fürst erst, nachdem er sich auf das Äusserste gedemüthigt, in seinem
Lande belassen wurde.
Im sechsten Jahre 1 ) des Fürsten Khing (593 vor uns Zeitr.)
schickte Tsin im Frühlinge den Heerführer j^f Khie-khe als
Gesandten nach Tsi. Der Fürst von Tsi versteckte ein Weib, einem
Berichte zufolge seine eigene Mutter, hinter einem Vorhang, damit
sie den Gesandten sehe. Als Khie-khe, der von Gestalt gekrümmt war,
die Stufen emporstieg, verlachte ihn jenes Weib. Khie-khe schwor
zu dem Gotte des gelben Flusses, indem er sprach: Wenn ich mich
nicht räche, so will ich nicht wieder den Fluss übersetzen. — Nach
seiner Heimkehr verlangte er, dass Tsi angegriffen werde, wozu
jedoch der Fürst von Tsi seine Zustimmung verweigerte. Als hierauf
eine Gesandtschaft von Tsi in Tsin eintraf, liess Khie-khe vier Mit
glieder der Gesandtschaft auf dem Gebiete Ho-nei festnehmen und
tödten. Im achten Jahre des Fürsten Khing (591 vor uns. Zeitr.)
unternahm Tsin einen Kriegszug gegen Tsi. Dieses Land stellte
den Fürstensohn Khiang als Geisel, worauf die Streitkräfte
von Tsin das Land Tsi räumten.
Im zehnten Jahre des Fürsten Khing (589 vor uns, Zeitr.)
richtete Tsi im Frühlinge einen Angriff gegen die Fürstenländer Lu
und Wei. Die grossen Würdenträger dieser Länder begaben sich
nach Tsin und baten um ein Heer, wobei sie sich der Vermittlung
A ) An allen übrigen Stellen der Geschichte wird das siebente Jahr angegeben.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
675
Khie-khe’s bedienten. Tsin entsandte Khie-khe, den es zum Anfüh
rer des mittleren Heeres ernannte, mit achthundert Wagen oder
einem Heere von sechzigtausend Streitern. Unter ihm standen
’)0^ J- Sse-si als Anführer des oberen und äjl Luan-schu
als Anführer des niederen Heeres. Diese Macht eilte den Ländern Lu
und Wei zu Hilfe und bekriegte Tsi.
Im sechsten Monate des Jahres, an dem neunten Tage des
sechzigtheiligen Kreises stiess man an dem Fusse des Berges
#f Ä Mi-khi auf die von dem Fürsten Kliing in Selbsth'eit be
fehligten Streitkräfte von Tsi. Am folgenden Tage, dem zehnten des
sechzigtheiligen Kreises, stellten sich beide Heere auf dem Gebiete
Ngan in Schlachtreihung. Fung-tsch’heu-fu, ein
grosser Würdenträger von Tsi, war der Wagengenosse des Fürsten
Kliing. Der Fürst sprach zu ihm in seinem Übermuthe: Wir sprengen
gegen sie und zertrümmern das Heer von Tsin. Hierauf versammeln
wir uns zur Mahlzeit.
Im Beginne des Kampfes befand sich Tsin im Nachtheil. Khie-khe
ward durch einen Pfeilschuss verwundet, und das Blut drang ihm bis
in die Schuhe. Er war daher gesonnen, den Rückzug anzutreten und
sich hinter den Verschanzungen zu vertheidigen. Sein Wagenführer
hielt ihn davon ab, indem er sprach: Ich ward gleich im Beginne des
Handgemenges zweimal verwundet und wage nicht, von Schmerzen
zu reden; denn ich fürchte die Kriegsmänner und Streiter. Ich
ersuche dich, es mit Geduld zu ertragen. — Tsin erneuerte jetzt den
Kampf und das Heer von Tsi erlitt eine vollständige Niederlage.
Während das Heer von Tsi in eiliger Flucht begriffen war,
besorgte Fung-tsch’heu-fu, dass Fürst Kliing von den Feinden ein
geholt werden könne. Er wechselte daher mit seinem Gebieter den
Sitz, indem er ihn die rechte Seite des Wagens einnehmen liiess.
Der Wagen verrannte sich zwischen den Bäumen und stand still. In
diesem Augenblicke erschien jijf^ Ejj|| Han-kiue, der kleine Heer
führer von Tsin. Er warf sich vor dem Wagen des Fürsten zu Boden
und entschuldigte sich weitläufig, dass er gezwungen sei, den
Landesfürsten von Tsi gefangen zu nehmen. Seine Worte, mit denen
er eigentlich den Fürsten zum Besten hielt, lauteten: Unser unbe
deutender Gebieter gab uns Dienern den Auftrag wegen der Bitte
von Lu und Wei. Er sprach. Ich heisse nicht das gesammte Heer
676
Di*. P f i z in ii i e r
einfallen in das Gebiet jenes Landesfürsten. Ich der niedere Diener
bin so unglücklich, zu gehören zu den Reihen der Streitwagen, ich
habe keinen Ort, wohin ich könnte entfliehen und wo ich mich könnte
bergen. Auch fürchte ich mich, zu entlaufen und auf die Seite zu
treten, so dass ich Schande brächte über die beiden Gebieter. Ich
bin beschämt als Kriegsmann der Streitwagen, ich wage es, zu
melden, dass ich nicht rührig. Ich nehme Besitz von dem Amte, indess
ich aushelfe bei dem Fehlenden.
Fung-tsch’heu-fu, der, weil er mit seinem Gebieter den Sitz
gewechselt hatte, für den Fürsten von Tsi gehalten wurde, ertheilfe
dem wirklichen Fürsten, den man für den Wagengenossen hielt, den
Auftrag, aus einer nahen Quelle Wasser zu schöpfen. Fürst Khing fand
hierdurch Gelegenheit zu entkommen. Als hierauf Fung-tsch'heu-fu,
dessen Betrug man bald entdeckte, zu dem feindlichen Heere als
Gefangener geführt wurde, wollte ihn Khie-khe tödten lassen. Fung-
tsch’heu-fu stellte jedoch vor: Wenn diejenigen, die an der Stelle
ihres Gebieters sterben, hingemetzelt werden, so werden die nach
folgenden Diener unter den Menschen ohne Redlichkeit sein gegen
ihren Gebieter. — In Folge dieser Äusserung liess ihn Khie-khe
los, und Fung-tsch’heu-fu entkam nach Tsi.
Tsin verfolgte das geschlagene Heer von Tsi und drang in das
feindliche Land bis §£= Ma-Iing. Der Fürst von Tsi erbot sich,
eine Anzahl der kostbarsten Gegenstände seines Landes zu über
lassen und um Entschuldigung zu bitten, wenn man ihm den Frieden
gewährte. Tsin ging auf diese Vorschläge nicht ein, sondern ver
langte, dass das Weib, welches den Heerführer Khie-khe verlacht
hatte und welches die Tochter des Landesfürsten ||jj Thung-
scho von Siao und die leibliche Mutter des Fürsten Khing von
Tsi, vor allem als Geissei gestellt werde. Ausserdem verlangte man,
dass in Tsi allen Feldern die Richtung von Westen nach Osten
gegeben werde. Indem man das letztere verlangte, wollte man
bewirken, dass ein in Tsi von Westen nach Osten vorrückendes
Heer an den in einer andern Richtung sich hinziehenden Wasser
gräben der Felder kein Hinderniss für seine Streitwagen finde.
Tsi antwortete im Wesentlichen: Die Tochter Thung-scho’s
ist die Mutter des Landesfürsten von Tsi, sie ist gleichsam auch die
Die Geschichte des Hauses Thai-kung’.
677
Mutter des Landesfiirsten von Tsin »). Wohin gedenkt ihr sie zu
setzen? Wenn ihr ferner gerechter Weise den Angriff macht, aber
mit der Grausamkeit nachkommt, darf dies wohl geschehen? —Tsin
gewährte hierauf den Frieden und verlangte nur, dass Tsi die
Gebietstheile, welche es den Ländern Lu und Wei entrissen,
zurückgebe.
Im eilffen Jahre des Fürsten Kliing (888 vor uns. Zeitr.)
wurden in Tsin zum ersten Male sechs Kriegsheere gebildet
und sechs Erlauchte ernannt, wodurch man sich ein Recht
des Himmelssohnes anmasste. Die Veranlassung dazu war der
Wunsch, die Heerführer für ihre in der Schlacht von Ngan erwor
benen Verdienste zu belohnen. Fürst Khing von Tsi erschien um
diese Zeit an dem Hofe von Tsin, wo er dem Fürsten King die einem
Könige gebührenden Ehren erweisen wollte. Fürst King von Tsin
getraute sich jedoch nicht, diese Ehrenbezeigungen anzunehmen,
worauf Fürst Khing wieder heimkehrte.
Nach seiner Rückkehr von Tsin gab Fürst Khing seine Thier
gärten frei, verminderte die Abgaben, unterstützte die Verwaisten,
erkundigte sich nach den Kranken und leerte seine Kornspeicher
zum Besten des nothleidenden Volkes. Unter dem Volke war daher
auch die Zufriedenheit vollkommen, und man benahm sich gegen die
Lehensfürsten mit grösster Zuvorkommenheit, so dass nach dem
Tode des Fürsten Khing die Anhänglichkeit gegen die Lehensfürsten
allgemein war und Niemand sich gegen dieselben etwas zu Schulden
kommen Iiess.
Fürst Khing starb im siebenzehnten Jahre seiner Lenkung
(882 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn
Hoan, genannt Fürst ||| Ling. Im neunten Jahre dieses Fürsten
(873 vor uns. Zeitr.) tödtete Luan-schu, Heerführer von Tsin,
seinen Gebieter, den Fürsten Li. Im nächstfolgenden Jahre (872
vor uns. Zeitr.) machte Tao, Fürst von Tsin, einen Angriff auf Tsi.
Dieses Land schickte den Fürstensohn Kuang als Geissei
nach Tsin.
Im neunzehnten Jahre des Fürsten Ling (863 vor uns.
Zeitr.) ward der Fürstensohn Kuang zum Nachfolger und
Kao-heu zu dessen Zugesellten bestimmt. Man hiess sowohl den zur
’) Weil die Lehenstiirsten einander ebenbürtig; sind.
678
Dr. P f i z m a i e i*
Nachfolge bestimmten Sohn Kuang als Kao-heu sich zu der Ver
sammlung der Lehensfürsten begeben, welche damals durch U auf
dem Gebiete Tsch’hung-li in Tsu veranstaltet ward.
Im siebenundzwanzigsten Jahre des Fürsten Ling (SSS vor
uns. Zeitr.) entsandte Tsin den Heerführer Tschung-hang-hien-
tse 1 ) zum Angriff auf Tsi. Fürst Ling sah die vollständige Nie
derlage seines Heeres und floh nach seiner Hauptstadt Lin-thse.
Ein grosser Würdenträger, Namens !pl Yen-ying wollte ihn
zurückhalten, fand jedoch kein Gehör. Yen-ying sprach hierauf zu
dem Fürsten die Worte: Du, o Gebieter, hast ebenfalls keinen
Muth. — Die Kriegsmacht von Tsin schritt sofort zur Belagerung
von Lin-thse, welches sich, da'die daselbst eingeschlossenen Streit
kräfte nicht auszurücken wagten, auf die Vertheidigung beschränkte.
Das Heer von Tsin zog endlich ab, nachdem es früher sämmtliche
Vorstädte in Asche gelegt hatte.
Fürst Ling halte zurGemahlinn eine Tochter aus dem Hause Lu.
Deren Sohn war der oben genannte Fürstensohn Kuang, den man
zur Nachfolge bestimmte. Ausserdem hatte der Fürst zwei Gernah-
1 und ^[5 Jung-I, und
unter welchen die letztere von niedriger Herkunft war. Tschung-I
erhielt einen Sohn, Namens Ya, den man der Obsorge Jung-I’s
übergab. Diese stellte die Bitte, dass der Sohn Ya zum Nachfolger
bestimmt werde, was ihr von dem Fürsten auch zugestanden ward.
Dagegen machte Tschung-I, die eigene Mutter des Sohnes Ya, Vor
stellungen, indem sie sprach: Dies darf nicht geschehen. Als Kuang
eingesetzt ward, stellte man ihn in die Reihe unter den Fürsten der
Lehen 2 }. Wenn man ihn jetzt ohne Grund ahsetzt, wirst du, o
Gebieter, es gewiss bereuen. — Der Fürst erwiederte kurz: Dies
kommt nur auf mich an. — Sofort versetzte er den zur Nachfolge
bestimmten Sohn Kuang an das äusserst östliche Ende der Halle und
befahl Kao-heu, bei dem Sohne Ya, den er zur Nachfolge bestimmte,
das Amt eines Zugeselllen zu versehen.
Als Fürst Ling hierauf erkrankte, zog der in Wei weilende
Thsui-tschü 3 ) dem frühem Nachfolger Kuang entgegen und hewerk-
*) Sonst auch Fnn-hien-tse genannt.
2 ) Bei der oben erwähnten Zusammenkunft von Tsch’hung-li.
3 ) Thsui-tschii wird in dem zehnten Jahre des Fürsten Hoei (599 vor uns. Zeitr.), also
fünfundvierzig Jahre vor den hier erzählten Ereignissen, zum ersten Male erwähnt.
linnen, deren Namen fdl Tschung-
Die Geschichte des Hauses Thai-kung. 679
stelligte dessen nochmalige Einsetzung zum Nachfolger. Dieser Sohn
liess Jung-I, die Gemahlinn des Fürsten Ling, tödten.
Fürst Ling starb im achtundzwanzigsten Jahre seiner Len
kung (SS4 vor uns. Zeitr.), im fünften Monate des Jahres und
an dem neunundzwanzigsten Tage des sechzigtheiligen Kreises. Der
Sohn Kuang, in der Geschichte Fürst fj-J- Tschuang genannt, nahm
sofort von der höchsten Würde Besitz und liess den Nachfolger Ya
auf der Erdhöhe von ' / pt Keu-teu festnehmen und tödten. Im
achten Monate desselben Jahres tödtete Thsui-tschü den Zugesellten
Kao-heu. Als Tsin von diesen Wirren in Tsi hörte, machte es sich
dieselben zu Nutzen und richtete einen Angriff gegen Tsi, wobei es
bis J0 |Sj Kao-thang •) vordrang.
Im dritten Jahre des Fürsten Tschuang (SSI vor uns.
Zeitr.) kam Zl'> $01 Luan-ying, ein grosser Würdenträger von
Tsin und Enkel des Heerführers Luan-schu, als Flüchtling nach
Tsi. Fürst Tschuang empfing ihn als Gast und mit grossen Ehren
bezeigungen. Yen-ying und T x ffl Tien-yen-tse riethen dem
Fürsten, diesen Mann nicht aufzunehmen, fanden jedoch kein Gehör.
Im folgenden Jahre (SSO vor uns. Zeitr.) begab sich
Luan-ying im Aufträge des Fürsten Tschuang nach seiner in Tsin
gelegenen Stadt Khio-wö. Daselbst unterhielt er mit Tsi ein
geheimes Einverständniss, während eine Kriegsmacht dieses Landes
ihm auf dem Fusse folgte, die Anhöhen des Berges Thai-hang
besetzte und in die Engwege von [3Ej ^ Meng-men drang. Unter
dessen wurde Luan-ying, nachdem sein Unternehmen anfänglich vom
Glücke begünstigt worden und er selbst in Kiang, die Hauptstadt
von Tsin, eingedrungen, in dem Kampfe mit den Anhängern des
Fürsten von Tsin geschlagen und verlor das Leben, worauf auch die
Kriegsmacht von Tsi den Weg nach der Heimat antrat und auf dem
Rückzuge, um sich wegen des Angriffes auf Lin-thse zu rächen, die
zu Tsin gehörende Stadt Tschao-ko wegnahm.
Ein Grosser von Tsi, dem von der in seinem Besitze befind
lichen Stadt Thang der Name „Fürst von Thang“ beigelegt
ward, hatte eine schöne Gattinn. Nach dem Tode des Fürsten von
*) Das Gebiet entspricht dem heutigen gleichnamigen Kao-thang, Kreis Thsi-nan in
680
Dr. P f i z m a i e r
Thang nahm Thsui-tschü dessen Witwe zum Weibe. Fürst Tschuang
hatte mit diesem Weibe geheimen Umgang. Er besuchte öfters ihr
Haus und machte den Leuten ein Geschenk mit Thsui-tschii's Mütze.
Die in dem Hause aufwartenden Diener stellten ihrem Gebieter das
Ungebührliche eines solchen Verhaltens vor. Thsui-tschü war darüber
erzürnt und gedachte schon zur Zeit des Angriffes auf Tsin mit
diesem Lande ein-geheimes Einverständniss zu dem Zwecke eines
Streifzuges nach Tsi zu unterhalten, fand jedoch Niemanden, der
sich mit Ausspähung befasst hätte.
Fürst Tschuang hatte einst 'g Ku-khiü, einen Diener des
■'l '
Inneren, mit Gerten schlagen lassen. Dieser Mann, der hierauf
wieder die Dienste eines Aufwartenden im Inneren versah, unterzog
sich aus Rache der Aufgabe, eine günstige Gelegenheit, wo der
Fürst durch Tsui-tschü überfallen werden könne, zu erspähen.
Im fünften Monate des sechsten Jahres des Fürsten Tschuang
(548 vor uns. Zeitr.) erschien der Lehensfürst von Khiii an
dem Hofe von Tsi, wo ihm Fürst Tschuang an dem eilften Tage
des sechzigtheiligen Kreises einen feierlichen Empfang bereitete.
Thsui-tschü, der sich krank melden liess, besorgte nicht die ihm bei
dieser Gelegenheit zukommenden Geschäfte.
Am zwölften Tage des sechzigtheiligen Kreises begab sieh der
Fürst in die Wohnung des vorgeblich Erkrankten, um sich nach
dessen Befinden zu erkundigen, und folgte der eben anwesenden
Gemahlinn Tlisui-tschü’s sofort auf dem Fusse nach. Das Weib trat in
den inneren Theil des Hauses, vorschloss gemeinschaftlich mit Thsui-
tschü die Thüre und kam nicht wieder zum Vorschein. Der Fürst
umfasste mit den Armen eine Säule und sang *).
Unterdessen verlegte Ku-khiü, der Diener des Inneren, dem
Fürsten den Weg, auf welchem dieser von dem fürstlichen Wohn
gebäude in das Haus gekommen war, und verschloss das Thor. Zu
gleicher Zeit griffen auch die Leute Thsui-tschü’s zu den Waffen und
erhoben sich von innen. Der Fürst stieg auf die Erdstufe und bat,
dass man ihn loslasse. Die Bitte wurde ihm abgeschlagen. Er bat um
l ) Nach Einigen hätte dev Fürst desswegen gesungen, weil er geglaubt habe, die
Gemahlinn Thsui-tschü’s wisse nicht, dass er sich vor der Thüre befinde , und er
hätte sich dadurch zu erkennen geben wollen. Nach Anderen hätte der Fürst gewusst,
dass er betrogen sei, und es sei in ihm der Gedanke aufgestiegen, dass er das Haus
nicht mehr werde verlassen können. Er habe daher aus Heue gesungep.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
681
eineu Vergleich, was ihm ebenfalls abgeschlagen wurde. Er bat
zuletzt um die Begünstigung, sieb in seinem Ahnenheiligthume tödten
zu dürfen. Aber auch dieses wurde ihm verweigert, und man sagte
zu ihm: Tschü, der Diener des Landesfürsten, ist krank, er ist nicht
im Stande, den Befehl zu hören. Wir sind hier nahe dem Wohnsitz
des Fürsten *), zugesellteDiener wetteifern, schnellen Schrittes vor
wärts zu gehen. Hinsichtlich des Verführers kennen wir nicht zweier
lei Befehle 2 ). — Der Fürst stieg jetzt über die Mauer, erhielt aber
in diesem Augenblicke einen Pfeilschuss in den Schenkel und stürzte
wieder zu Boden. Er ward sofort von den Leuten Thsui-tschti's
getödtet.
Auf die Kunde, dass der Fürst getödtet worden, kam Yen-ying
herbei. Nachdem zehn Menschen in ihrer Trauer um den Fürsten sich
das Leben genommen, fragte man Yen-ying, ob auch er ein Gleiches zu
thun gedenke. Yen-ying verneinte dies und sprach: Wenn der Landes
fürst für die Landesgötter stirbt, so stirbt man mit ihm. Wenn er
für die Landesgötter in die Verbannung geht, so geht man in die
Verbannung mit ihm. Wenn er aber seiner selbst willen stirbt, seiner
selbst willen in die Verbannung geht, wer dann, wenn es nicht seine
besonderen vertrautesten Diener, würde es wagen, sich dem zu
unterziehen? —Als endlich das Thor geöffnet ward, trat er ein, legte
den Leichnam des Fürsten auf seine Schenkel und klagte um den
Todten. Er machte hierauf, um seine Trauer kund zu geben, drei
Sprünge und verliess das Haus. Einige Leute wollten Thsui-tschü
bereden, Yen-ying ebenfalls tödten zu lassen. Jener zeigte sich hier
mit nicht einverstanden und sagte: Er ist die Hoffnung des Volkes.
Wenn wir ihn freilassen, gewinnen wir das Volk.
An dem vierzehnten Tage des sechzigtheiligen Kreises bewerk
stelligte Thsui-tschü die Einsetzung des Fürstensohnes Ö
Hiü-khieu, genannt Fürst -jäj- King. Derselbe war ein jüngerer Stief
bruder des Fürsten Tschuang und der Sohn einer Tochter des in
Das Wohngebäude Thsui-tsehü’s befand sich in der Nähe des fürstlichen Wohn
sitzes. Es könne daher sein, dass der Verführer unbegründeter Weise sich für den
Fürsten ausgebe.
2 ) Thsui-tschü habe befohlen, den Verführer zu strafen, ein anderer Befehl sei ihnen
nicht bekannt.
682
Dr. Pfizmaier
der Geschichte vorkommenden fö E3 ® Sch o-sün-siuen-
pe *), eines grossen Würdenträgers von Lu.
Fürst King ernannte nach seiner Erhebung Thsui-tschü zum
Thsui-tschii’s, zum Landesgehilfen der Linken. Die beiden Landes
gehilfen fürchteten den Ausbruch eines Aufstandes. Sie schlossen
daher mit den Bewohnern des Landes in dem Ahnenheiligthume des
Hauses Thai-kung einen Vertrag, worin es hiess: Wer nicht hält zu
Thsui-tschü und Khing-fung, möge sterben 2 ). — Als auch Yen-ying
den Vertrag beschwören sollte, blickte er zum Himmel und sprach:
Jch schwöre es: nur denjenigen, die redlich sind gegen den Landes
fürsten und Nutzen bringen den Landesgöttern, werde ich folgen. —
Er weigerte sich, den Eid auf die oben angegebene Weise zu leisten.
Khing-fung war willens, Yen-ying tödten zu lassen, aber Thsui-tschü
liess diesen Mann frei ausgehen, indem er von ihm sagte: Er ist
ein redlicher Diener.
Der oberste Vermerker von Tsi ritzte in seine Blätter die
Worte: „Thsui-tschü tödtet den Fürsten Tschuang“ — Thsui-tschü
liess diesen obersten Vermerker sofort hinrichten. Der jüngere Bruder
des Vermerkers ritzte diese Worte nochmals in seine Bücher und
ward ebenfalls hingerichtet. Als endlich der jüngste der Brüder die
nämlichen Worte einritzte, getraute sich Thsui-tschü nicht, auch
diesen hinrichten zu lassen und gab ihn frei.
Thsui-tschü besass ursprünglich zwei Söhne, deren Namen
Sching und tjj|j Khiang. Als die Mutter dieser Söhne starb, ver
mählte sich Thsui-tschü mit einer Tochter der „östlichen Vorstadt“
und erhält von dieser letzteren Gemahlinn einen Sohn, Namens
Ming. Die Tochter der „östlichen Vorstadt“ brachte es dahin, dass
sS 4ffF Wu-khieu, der Sohn ihres früheren Mannes, und ihr jiin-
Landesgehilferi in dem Hauslehen des
Geschlechtes Thsui ernannt wurden. Der Sohn Sching liess sich einst
etwas zu Schulden kommen. Die beiden Landesgehilfen in dem Haus
lehen sprachen in Eile Recht und bestimmten den Sohn Ming zum
1) Sonst auch Schö-sün-fciao-ju genannt.
2 ) Der Eidbrüchige möge von dem höchsten Allha lt(-r, d. i. dem Gölte des Himmels,
gestraft werden und sterben.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
683
Nachfolger in dem Lehen des Vaters. Der Sohn Sching bat Thsui-
tschü um die Stelle eines „Alten“, d. i. gleichsam Erlauchten in dem
Hauslehen. Thsui-tschü gewährte ihm die Bitte, die beiden Landes
gehilfen in dem Hauslehen gaben jedoch kein Gehör und sagten: Die
Stadt des Stammhauses Thsui 1 ) darf es nicht sein.
Die Söhne Sching und Khiang waren über diesen Ausspruch
erzürnt und meldeten die Sache dem Genossen ihres Vaters, dem
Landesgehilfen Khing-fung. Dieser Mann batte damals mit Thsui-
tschü ein Zerwürfniss und wünschte das Verderben dieses seines
Genossen. Die Söhne Sching und Khiang tödteten endlich den Sohn
Wu-khieu sowie Yen, den jüngeren Bruder der Tochter der östlichen
Vorstadt, in Thsui-tschü’s eigenem Hause, worauf sämmtliche Bewoh
ner des Hauses die Flucht ergriffen. Thsui-tschü zürnte über diese
That, fand aber das Haus leer. Er schickte einen besonderen Diener
des Inneren zu Khing-fung. Dieser Mann liess seinem Genossen sagen :
Ich bitte, jene an deiner Statt strafen zu dürfen. — Sofort entsandte
er den grossen Würdenträger Lu-pu-pi, einen Feind
Thsui-tschü’s, mit dem Aufträge, das Geschlecht Thsui mit bewaff
neter Hand zu überfallen. Die ausgesandten Leute tödteten die Söhne
Sching und Khiang und vertilgten das ganze Geschlecht Thsui. Die
früher erwähnte Gemahlinn Thsui-tschü's 2 ) tödtete sich selbst. Als
Thsui-tschü in sein Haus zurückkehrte, nahm er sich ebenfalls das
Leben (S47 vor uns. Zeitr.). Khing-fung ward hierauf der alleinige
Landesgehilfe und befand sich im ausschliesslichen Besitze der
Gewalt.
Khing-fung ward, nachdem er Thsui-tschü gelödtet, noch über-
müthiger als er zuvor gewesen. Zugleich ergab er sich dem Trünke
und liebte die Jagd. Da er sich um die Lenkung nicht mehr beküm
merte, überliess er es seinem Sohne ^ Khing-sche, alle
öffentlichen Geschäfte zu führen. Zwischen Vater und Sohn war es
indessen schon zu Zerwürfnissen gekommen, und Tien-wen-tse
machte seinen Verwandten f fl ffl Tien-hoan-tse darauf auf
merksam, dass der Ausbruch von Unruhen zu erwarten sei. Die
*) Die feste Stadt des Geschlechtes Thsui befand sich im Osten des heutigen Thsi-
yang, Kreis Thsi-nan in San-tung.
2 ) Dieselbe wird mit ihrem Namen -5?- Thang-kiang genannt.
684
I)r. P f i z ra n i e r
Geschlechter Tien, Pao, Kao und Luan schlossen demnach unter sich
einen Bund gegen das Geschlecht Khing.
Im zehnten Monate des dritten Jahres des Fürsten King (545
vor uns. Zeitr.) war Khing-fung auf die Jagd gezogen. Khing-sche
liess Gepanzerte ausrücken und das Wohngebäude Khing-fung's um
stellen. Die Leute der genannten vier Häuser griffen jetzt gemein
schaftlich die Gepanzerten Khing-sche’s an und versprengten sie.
Als Khing-fung hierauf von der Jagd heimkehrte, war ihm der Ein
tritt in die Hauptstadt nicht mehr möglich, und er floh daher nach
Lu. In Tsi stellte man Lu wegen der Aufnahme Khing-fung’s zur
Rede, und dieser floh zuletzt nach U, wo ihn König Yü-tsai mit dem
Gebiete Tschü-fang belehnte. Khing-fung versammelte um
sich alle Verwandten seines Hauses und schlug mit ihnen auf dem
genannten Gebiete seinen Wohnsitz auf, wo er sich im Besitze
grösserer Reiehthümer befand als vordem in Tsi.
In Tsi überführte man im Herbste desselben Jahres den Leich
nam des Fürsten Tschuang nach einer andern Grabstätte , während
man an dem Leichname Thsui-tschü’s öffentlich die Hinrichtung voll
zog. Die Machthaber des Landes gaben dadurch dem Volke ihre
Gesinnung kund.
Im neunten Jahre des Fürsten King (539 vor uns. Zeitr.) ging
Yen-ying als Gesandter nach Tsin, wo er mit Scho-hiang eine denk
würdige vertrauliche Unterredung hatte. Er sagte in derselben: Die
Lenkung von Tsi wird zuletzt zufallen dem Gesehlechte Tien. Das
Geschlecht Tien besitzt zwar keine grossen Tugenden, aber vermöge
seiner öffentlichen Machtstellung erweist es für sich allein Wohl-
thaten dem Volke. Das Volk ist ihm daher zugethan.
Im zehnten Jahre des Fürsten King (538 vor uns. Zeitr.) unter
nahm Ling, König von Tsu, unter dem Vorwände, ein Beispiel
öffentlicher Gerechtigkeit zu geben, einen Kriegszug nach Tschü-
fang in U, wo er Khing-fung zum Gefangenen machte und hin
richten liess.
Fürst King begab sich im Ganzen zwei Mal nach dem ihm be
freundeten Tsin. Das erste Mal, im zwölften Jahre seiner Lenkung
(536 vor uns. Zeitr.), besuchte er den Fürsten Ping, den er bat,
zu einem gemeinschaftlichen Angriff auf Yen die Hand zu bieten und
den vertriebenen Fürsten dieses Landes wieder einzuführen. Das
zweite Mal, im achtzehnten Jahre seiner Lenkung (530 vor uns
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
685
Zeitr.) besuchte er den neuen Fürsten Tschao. Nach Lu gelangte er
im sechs un dz warzigsten Jahre seiner Lenkung (522 vor uns. Zeitr.),
indem er an den Marken dieses Landes jagte und in dasselbe hierauf
hinüberzog. Bei dem Eintritte erkundigte er sich mit Yen-ying, der
ihn begleitete, nach den Gebräuchen von Lu.
Im einunddreissigsten Jahre des Fürsten King (517 vor uns.
Zeitr.) suchte Tschao, Fürst von Lu, dem durch das Geschlecht Ki
drohenden Unglück aus dem Wege gehend, eine Zufluchtstätte in
Tsi. In diesem Lande wollte man ihm ein Gebiet von tausend Auf
stellungen der Götter des Bodens 1 ) als Lehen überlassen. Der den
Fürsten von Lu begleitende Tse-kia bewog seinen Gebieter, dieses
Anerbieten auszuschlagen. Fürst Tschao verlangte hierauf, dass man
Lu angreife. Tsi willfahrte diesem Wunsche, indem es im folgenden
Jahre Yün*), eine Stadt von Lu, wegnahm und den Fürsten
Tschao daselbst wohnen liess.
Im zweiunddreissigsten Jahre des Fürsfeu King (516 vor uns.
Zeitr.) zeigte sich an dem Himmel ein Haarstern. Fürst King sass in
dem „Gemache der Cypressen“ und sagte kläglich: Eben hier! Wer
wird dieses hier besitzen? 3 ) •— Alle Würdenträger weinten, aber
Yen-ying lachte. Der Fürst zürnte dem Letzteren, und dieser sprach:
Ich lache, weil die sämmtlichen Diener allzusehr dir das Wort
reden. — Der Fürst sprach: der Haarstern kommt hervor im Nord
westen, er steht über Tsi und theilt das offene Land. Ich bin darüber
in Betrübniss.—Yen-ying enviederte: Da du, o Gebieter, durch
hohe Erdstufen, tiefe Teiche, durch Zölle und Einsammlungen nichts
erreichtest, so war zu fürchten, dass die Strafen nichts ausrichten
und dass dunkle Sterne zum Vorschein kommen. Was braucht dir
vor dem Haarstern zu bangen ? — Der Fürst fragte jetzt: Kann
man ihn beschwören oder nicht? — Yen-ying antwortete: Kann
man die Geister anrufen, damit sie erscheinen, so kann man sie auch
beschwören, damit sie sich entfernen. Die hundert Geschlechter
sind elend und grollen in Mengen von Zehntausenden, doch du, o
Gebieter, heissest einen einzigen Menschen ihn beschwören. Wie
4 ) Auf fünfundzwanzig' Häuser kommt eine Aufstellung- der Götter des Bodens. Der
Fürst von Lu hätte somit ein Lehen von fünfundzwanzigtausend Häusern erhalten.
2 ) Das heutige I-schui, Kreis Thsing-tscheu in San-tung.
3 ) Der Fürst will hiermit sagen, dass er, dessen Tugenden gering sind, nicht lange
mehr das Land Tsi besitzen könne.
Sit/.b. d. phil.-hist.CI. XL. Bd. V. Hft.
45
686
Dp. P f i l m a i e r
könntest du etwas ausrichten gegen die Reden der grossen
Mehrheit? l )
Um diese Zeit liess Fürst King mit Vorliehe grosse Gebäude
aufführen, er hielt sich eine Menge Hunde und Pferde, legte schwere
Abgaben auf und verschärfte die Strafen. Yen-ying benützte daher
die Gelegenheit der Erscheinung eines Haarsternes, um seinen
Gebieter zu ermahnen.
In das zweiundvierzigste Jahr des Fürsten King (506 vor
uns. Zeitr.) fällt der denkwürdige Kriegszug des Königs Ko-Iiü von
U nach Tsu, in welchem Kriegszuge dieser König das berühmte
Ying, die Hauptstadt von Tsu, eroberte.
Im siebenundvierzigsten Jahre des Fürsten King (501 vor
uns. Zeitr.) kam Yang-hu, ein Grosser von Lu, nachdem ihm sein
Angriff auf die drei vorzüglichsten Geschlechter dieses Landes miss
lungen, als Flüchtling nach Tsi. Er bat den Fürsten King, dass die
ser das Land Lu bekriege, wogegen jedoch t 3t m Pao-wen-
tse Vorstellungen machte. Yang-hu ward hierauf in ein Gefängniss
gesetzt, fand jedoch Mittel zu entkommen und floh nach Tsin.
Im achtundvierzigsten Jahre seiner Lenkung (500 vor uns.
Zeitr.) halte King, Fürst von Tsi, eine freundschaftliche Zusammen
kunft mit Ting, Fürsten von Lu,auf dem Gebiete Kiä-ko 3 ).
Khung-khieu (Confucius) bekleidete damals bei dem Fürsten von
Lu die Stelle eines Landesgehilfen, ^jj Li-tsu, ein Grosser
vonTsi,sagte zu seinem Gebieter: Khung-khieu kennt die Gebräuche,
aber er ist ein Feigling. Ich bitte, dass du heissest die Menschen
von Lai s ) das Klangspiel aufführen und bei dieser Gelegenheit fest
nehmen den Landesfiirsten von Lu. Auf diese Weise kannst du deine
Absicht erreichen. — Fürst King sah mit Verdruss, dass Khung-khieu
in Lu Landesgehilfe geworden, indem er fürchtete, dass dieses Land
durch den Besitz eines solchen Mannes zur Obergewalt gelangen
werde. Er befolgte daher den Rath Li-tsu's und liess im Augenblicke
der Zusammenkunft durch die Menschen von Lai das Klangspiel auf
führen. Khung-khieu, der den Anschlag merkte, ging längs den
*) Die grosse Mehrheit stösst Verwünschungen aus und ruft dadurch die Geister herbei.
2 ) Das heutige Lai-wu, Kreis Thai-ngan in San-tung. Das Gebiet gehörte noch zu Lu.
3 ) Die Menschen vor Lai sind die östlichen Fremdländer von Lai, deren Wallung durch
Tsi vernichtet worden.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
687
Stufen der Halle, stieg empor und liess die Menschen von Lai durch
den Inhaber des Vorsteheramtes festnehmen und enthaupten. Hierauf
stellte er den Fürsten King auf Grundlage der Gebräuche zur Rede.
Dieser Fürst schämte sich. Er gab das Gebiet, welches vordem Lu
entrissen worden, wieder heraus, entschuldigte sich und verliess,
indem er von seinem Vorhaben abstand, den Ort der Zusammenkunft.
In dasselbe Jahr, in welchem die oben erwähnte Zusammen
kunft stattfand, fällt der Tod des öfters genannten Yen-ying.
Im fünfundfünfzigsten Jahre des Fürsten King (493 vor uns.
Zeitr.) empörten sich die Geschlechter Fan und Tschung-hang in
Tsin gegen ihren Landesfürsten. Von Tsin angegriffen, wandten sich
diese Geschlechter in ihrer Bedrängniss an Tsi und baten dieses
Land um Getreide. [J] Tien-khe, das Haupt des mächtigen
Geschlechtes Tien in Tsi, gedachte schon damals, Aufruhr zu erregen
und warb zu diesem Zwecke Genossen unter den ungehorsamen
Würdenträgern. Er sagte daher zu dem Fürsten King: Fan und
Tschung-hang haben sich verdient gemacht um Tsi, man darf es
nicht unterlassen, ihnen zu Hilfe zu kommen. — Tsi hiess daher
Tien-khe jenen Geschlechtern Hilfe bringen und ihnen Getreide
Zufuhren. Wirkliche Hilfe durch Absendung einer bewaffneten Macht
leistete indessen nur das Fürstenland Tsching, dessen Kriegsheer
jedoch von Tsin geschlagen wurde.
Im Sommer des achtundfünfzigsten Jahres des Fürsten King
(490 vor uns. Zeitr.) starb der zur Nachfolge berechtigte Sohn
der fürstlichen Gemahlinn Yen -1. Fürst King hatte von
einer begünstigten Nebengemahlinn, welche Nui-I genannt
wurde, einen Sohn, Namens Thu. Dieser Sohn Thu war noch
jung, während dessen Mutter, von Geburt niedrig , keinen guten
Wandel führte. Sämmtliche Grossen des Landes fürchteten, dass
dieser Sohn der Nachfolger des Fürsten werden könne. Sie sprachen
daher zu ihrem Gebieter: Es ist zu wünschen, dass man unter den
Söhnen wähle den ältesten und weisesten und ihn bestimme zum
Nachfolger. •— Fürst King war damals schon alt, und es war ihm
zuwider, sich in eine Erörterung über die Nachfolge einzulassen.
Ausserdem hatte er eine Vorliebe für die Mutter Tliu’s und wünschte
diesem Sohne die Nachfolge zu verschaffen. Er schämte sich jedoch,
dies verlauten zu lassen. Daher sagte er zu den Grossen des Landes:
4S *
688
Di*. Pfi zmai er
Seid getrost! Warum sollte das Land besorgt sein, dass es keinen
Gebieter haben werde ?
Im Herbste des oben genannten Jahres erkrankte Fürst King
und gab den grossen Würdenträgern -jp- |||| Kue-hoei-tse <)
und -J- Jl77 pgpj Kao-tschao-tse 2 ) Befehl, seinen jüngsten Sohn
Thu zum Nachfolger zu bestimmen. Man vertrieb hierauf sämmtliche
Fürstensöhne und hiess sie in der an den Ufern des Ostmeeres gele
genen Stadt Lai 3 ) ihren Aufenthalt nehmen. Fürst King starb
noch in demselben Jahre und hatte zum Nachfolger seinen Sohn
Thu, der in der Geschichte nur ^ Yen-ju-tse, „der
Säugling von dem Geschlechte Yen“ genannt wird.
Es war jetzt im Winter und das Leichenbegängniss des ver
storbenen Fürsten hatte noch nicht stattgefunden, als sämmtliche
Fürstensöhne, fürchtend, dass über sie die Hinrichtung verhängt
werden könne, sich auf die Flucht begaben. Unter den von ver
schiedenen Müttern geborenen älteren Brüdern des Sohnes Thu
flohen der Fürstensohn J|j£j tilji Scheu-kiü-kien nach Wei,
der Fürstensohn Tsu-yang-seng») nach Lu. Die
Bewohner von Lai hatten mit diesen Söhnen Mitleid und gedachten
ihrer in einem kurzen Volksliede, welches lautet:
Fürst King ist gestorben,
Sie helfen nicht ihn begraben.
Die Sache der drei Heere,
Nicht Theil an dem Rathe sie haben.
Die Mengen! Die Mengen!
Wohin wird man sie drängen?
Tien-khe widmete tückischer Weise seine Dienste den Ge
schlechtern Kao und Kue, deren Mitglieder Kao-tschao-tse und Kue-
hoei-tse jetzt die Stellen von Landesgehilfen bekleideten. So oft
diese Männer sich an den Hof begaben, gesellte sich Tien-khe zu
ihnen als der Dritte im Wagen, und sagte im Gespräche zu
ihnen: Ihr habt einen Landesfürsten gefunden. Die Grossen des
*) Kue-hoei-tse heisst sonst auch |^[ Kue-hia.
2 ) Kao-tschao-tse heisst sonst auch Kao-tsch’hnng.
3 ) Das heutige Lai-tscheu in San-tung.
4 ) Diese beiden Namen haben die Bedeutung: Kiü-kien vor dem Geschlechte Scheu und
Yang-seng vor dem Geschlechte Tsu.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
689
Landes sind in Gefahr und wollen sich zu Aufruhr verschwören. —
Zu den Grossen des Landes sagte er wieder: Kao-tschao-tse ist zu
fürchten. So lange er noch nicht losgeschlagen hat, möge man ihm
zuvorkommen. — Die Grossen des Landes befolgten auch bald die
sen Rath.
Im sechsten Monate des ersten Jahres Yen-ju-tse’s (489 vor
uns. Zeitr.) drangen Tien-khe und l|^lPao-inö, zu denen sich
die Grossen des Landes gesellten, mit Bewaffneten in das fürstliche
Wohngebäude und überfielen Kao-tschao-tse. Dieser, der von dem
drohenden Überfall Kenntniss erhalten hatte, brachte im Vereine mit
Kue-hoei-tse dem Fürsten Hilfe. Das fürstliche Heer ward jedoch
geschlagen und von den Leuten Tien-khe’s verfolgt. Kue-hoei-tse
flüchtete sich nach Khiü. Die Leute Tien-khe’s kehrten hierauf
zurück und tödteten Kao-fschao-4se. |^J Yen-yii, ein Sohn
des öfters genannten Yen-ying, flüchtete sich nach Lu. Nebstdem
wird zu den Ereignissen des achten Monates des Jahres der Name
T=f Ping-I-thse von Tsi einfach angeführt i).
Nachdem Tien-khe die beiden Landesgehilfen geschlagen,
schickte er Leute nach Lu, welche den daselbst weilenden Fürsten
sohn Yang-seng zur Rückkehr aufforderten. Als Yang-seng in Tsi
ankam, liess er sich im Geheimen und gleich einem nahen Angehöri
gen in dem Hause Tien-khe’s nieder.
Im zehnten Monate des Jahres und an demfünfundzwanzigsten
Tage des sechzigtheiiigen Kreises liess Tien-khe den Grossen des
Landes die folgende Einladung zugehen: Die Mutter Tsch’hang’s a )
begeht die Darbringung der Fische und der Bohnen 3 )- Möget ihr
mich begleiten, indem ihr kommt und euch versammelt bei dem
Trinken. — Als die Versammlung stattfand, steckte Tien-khe den
Fürstensohn Yang-seng in einen Sack und stellte diesen mitten in
dem Raume, wo die Gäste ihre Sitze eingenommen hatten, nieder.
Hierauf öffnete er den Sack, liess Yang-seng hervorkommen und
*) In dem Sse-ki eine Lücke. In der Geschichte Tso-khieu-ming’s, wo der Geschlechts
name dieses Mannes durch Ping ausgedrückt wird, heisst es: Im achten Monate
begab sich Ping-I-thse von Tsi auf die Flucht nach Lu.
2 ) Tsch’hang ist Tien-tsch’hang, der Sohn Tien-khe’s.
s ) In Tsi war es Sitte, dass die Weiber in den Heiligthümern die Darbringung leiteten.
Durch den Ausdruck „Fische und Bohnen" wird bedeutet, dass die Gabe gering sei
und dass man eigentlich nichts besitze.
G90
Dr. Pfizmaier
rief: Seht hier den Landesfürsten von Tsi! — Die Grossen des Landes
warfen sich zu Boden und meldeten ihre Namen. Tien-khe war jetzt
im Begriffe, mit ihnen ein feierliches Übereinkommen zu treffen und
den Fürstensohn einzusetzen.
Unter den anwesenden Grossen war Pao-mo von dem
Weine stark angegriffen. Tien-khe benützte diesen Umstand, die
Grossen irre zu führen, indem er ihnen sagte: Ich habe mich mit
Pao-mo verabredet, Yang-seng einzusetzen. —. Pao-mo war über
diese Worte entrüstet und rief: Hast du denn vergessen den Befehl
des Fürsten King? — Sämmtliche Anwesende sahen einander an
und waren geneigt, ihren Entschluss zu bereuen. In diesem Augen-
blicke trat Yang-seng vor, neigte das Haupt zu Boden und rief:
Wenn es sein darf, so setzet mich ein. Darf es nicht sein, so lasset
es bleiben! — Pao-mo fürchtete ein Unglück. Er erhob sich und
sagte diesmal: Beide sind die Söhne des Fürsten King. Warum
sollte es nicht sein dürfen? — Die Grossen des Landes beschworen
hierauf den Vertrag und erhoben Yang-seng zum Fürsten von Tsi,
Derselbe heisst in der Geschichte Fürst /|\Ef3 Tao.
Sobald Fürst Tao seinen Wohnsitz betreten hatte, gab man
Befehl, den bisherigen Landesfürsten Yen-ju-tse nach der Stadt
Tai abzuführen. Allein Tien-khe tödtete ihn noch unter den Zelten
und vertrieb dessen Mutter Nui-tse 1 ). Dass der junge Landesfürst
so leicht bei Seite geschafft werden konnte, hatte' seinen Grund
darin, dass Nui-tse von niedriger Geburt und der Sohn Yen-ju-tse
unmündig war. Beide waren daher alles Einflusses bar, und die
Bewohner des Landes schätzten sie gering.
Als Yang-seng sich noch als Flüchtling in Lu befand, gab ihm
Ki-khang-tse, das Mitglied des mächtigen Geschlech
tes Ki in Lu, seine jüngere Schwester zur Gemalilinn. Dieselbe wird
unter dem Namen kP # KM angeführt. Nachdem Yang-seng zum
Fürsten von Tsi erhoben worden, schickte er Abgesandte nach Lu mit
dem Aufträge, seine daselbst zurückgelassene Gemalilinn Ki-I abzu
holen. Unterdessen hatte Ki-I mit j^j zß Ki-fang-heu , dem
Oheime Ki-khang-tse’s, geheimen Umgang gehabt und machte jetzt
') So wurde jetzt Nui-I genannt.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
691
aus ihrer Leidenschaft kein Hehl. Lu getraute sich daher nicht, die
GemahlinnYang-seng’s herauszugeben. Aus Anlass dieser Weigerung
richtete Tsi im ersten Jahre des Fürsten Tao (488 vor uns. Zeitr.)
einen Angriff gegen Lu und entriss diesem die Gebiete "pH Hoan
und ||pf| Tschen. Zuletzt gestattete Lu, dass man Ki-I abhole. Diese
•besass sofort die Gunst des Fürsten Tao, worauf Tsi die Gebiete,
welche es in dem Feldzuge erobert hatte, in Lu zurückgab.
Der oben vorgekommene Pao-mo, auch Pao-tse genannt, hatte
sich mit dem Fürsten Tao überworfen und stand zu diesem in keinem
freundlichen Verhältnisse. Als im vierten Jahre des Fürsten Tao (4So
vor uns. Zeitr.) die Länder U und Lu die südlichen Gegenden von
Tsi angriffen, tödtete Pao-tse den Fürsten Tao und lenkte seine
Schritte nach U. Fu-tschai, König von U, weinte aus Anlass dieses
Ereignisses drei Tage vor dem Thore seines Lagers und gedachte
hierauf, längs dem Meere hinzuziehen, auf dieser Seite in Tsi einzu
fallen und die That zu bestrafen. Er ward indessen durch die Macht
von Tsi geschlagen, worauf das Heer von U den Rückzug antrat. Zu
gleicher Zeit richtete noch Tschao-yang von Tsin einen Angriff gegen
Tsi, wobei er bis zu der Stadt jjp Lai ') vordrang und sich dann
ebenfalls zurückzog.
In Tsi ward indessen J*' n, ein Sohn des Fürsten Tao 8 ),
durch das gemeinsame Zusammenwirken der Grossen des Landes
eingesetzt. Derselbe heisst in der Geschichte Fürst jS|j Kien.
In früherer Zeit befand sich Fürst Kien mit seinem Vater, dem
Fürstensohne Yang-seng, in Lu und schenkte daselbst seine Gunst
einem Manne, Namens |[- Khien-tsch’hi, der häufiger noch
unter seinem Jünglingsnamen -J- Tse-ngo erwähnt wird. Nach
seiner Erhebung betraute Fürst Kien diesen Khien-tsch’hi mit den
Geschäften der Lenkung. Hierüber war ? B3 Tien-sching-
l f .
tse, der sonst auch unter dem Namen ^ [JJ Tien-tsch'hang bekannte
Sohn des früher vorgekommenen Tien-khe 3 ), auf das Ausserste
') Über die Lage dieser Stadt wurden keine Angaben vorgefunden.
2 ) In den zeitberechnenden Blättern des Sse-ki wird Jin der Sohn des Fürsten King
genannt.
3 ) Tien-khe war im vierten Jahre des Fürsten Tao (485 vor uns. Zeitr.) gestorben.
692
Dr. Pfiz m a i er
beschämt. Bei dem Erscheinen an dem Hofe gab Tien-sching-tse
auch äusserlich seine Unzufriedenheit dadurch zu erkennen, dass er
öfters nach rückwärts blickte, |({;|{ Yü-yang, ein Grosser von
Tsi, bemerkte dies und sagte zu dem Fürsten: Die Geschlechter Tien
und Khien können nicht neben einander gestellt werden. Mögest du,
o Gebieter, unter ihnen wählen. — Der Fürst beachtete jedoch
diesen Rath nicht und fuhr fort, beide genannte Männer zu ver-’
wenden.
Im vierten Jahre des Fürsten Kien (481 vor uns. Zeitr.), zur
Zeit des Frühlings, war Tse-ngo im Begriffe, sich in Geschäften an
den Hof zu begehen und kam eben dazu, als f}| Tien-nie, ein
sonst auch unter dem Namen -jp Tse-hang bekanntes Mitglied
des Hauses Tien, einen Menschen tödtete. Tse-ngo liess den Mörder
sogleich festnehmen und trat hierauf bei dem Fürsten ein. Die Mit
glieder des Geschlechtes Tsien waren um diese Zeit in Folge der
Bemühungen Tien-tsch’hang’s, der sich in dem Besitz des Landes Tsi
setzen wollte, vollkommen unter sich einträchtig. Man trug daher dem
Gefangenen auf, sich krank zu stellen und schickte den Wächtern des
Gefängnisses Wein. Nachdem jener die Wächter des Gefängnisses
trunken gemacht, tödtete er sie und fand hierauf Gelegenheit zu ent
fliehen. Als Tse-ngo sah, dass Tien-nie lebendig aus dem Gefängnisse
entkommen, beschwor er, der den Hass des Geschlechtes Tien fürch
tete, mit sämmtlichen Angehörigen dieses Geschlechtes einen Ver
trag der Freundschaft in dem Ahnenheiligthume des Hauses Tschin >)•
Schon früher hatte |JJ Tien-piao, ein Seitenverwandter
des Hauses Tien, den Wunsch geäussert, in die Dienste Tse-ngo's
zu treten. Dieser hatte Kung-sün, einen Grossen von
Tsi, beauftragt, mit Tien-piao zu unterhandeln. Da Tien-piao unter
dessen die Trauer um einen Verwandten zu begehen hatte, so gab
er die Sache auf. Einige Zeit später trat er dennoch in die Dienste
Tse-ngo's und erlangte die Gunst dieses seines Gebieters. Eines
Tages sagte Tse-ngo zu ihm: Ich möchte vertreiben das ganze Ge
schlecht Tien und dich als das Haupt einsetzen. Ist dieses möglich? —
Tien-piao antwortete: Ich gehöre zu den entfernten Verwandtschaften
Tschin ist, wie bereits früher angegeben worden, der ursprüngliche Name des
Geschlechtes Tien.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
693
des Geschlechtes Tien. Auch sind diejenigen, welche dir entgegen
stehen, höchstens einige Einzelne. Warum solltest du das ganze
Geschlecht vertreiben?
Tien-piao theilte sofort den Inhalt dieses Gespräches seinen
Verwandten mit. Tse-hang, d. i. Tien-nie, sagte zu Tien-tsch’hang:
Jener hat gewonnen den Landesfiirsten. Wenn du ihm nicht zuvor
kommst, so bringt er dich in’s Verderben. —^Tse-hang nahm jetzt
seinen Aufenthalt in dem fürstlichen Wohngebäude, um daselbst die
Gelegenheiten auszuspähen.
Im Sommer, im fünften Monate des Jahres und an dem neunten
Tage des sechzigtheiligen Kreises fuhr Tien-sching-tse, d. i. Tien-
tsclThang, mit seinen sämmtliclien Brüdern in vier Wagen, somit im
Ganzen acht Menschen bei dem fürstlichen Wohngebäude vor.
Tse-ngo, der eben hinter einem Vorhänge sass und in Angelegen
heiten der Lenkung Gehör gab, trat hinaus, um ihnen entgegen zu
gehen. Sobald Tien-sching-tse und dessen Brüder bemerkten, dass
Tse-ngo hinausgetreten, drangen sie ungestüm in das Gebäude und
verschlossen das Thor von innen, so dass Tse-ngo nicht mehr ein-
treten konnte. Ein Diener des Inneren stellte sich ihnen mit bewaff
neter Hand entgegen, ward jedoch durch Tse-hang, der als ein
Bewohner des Gebäudes die Gelegenheiten kannte, getödtet.
Fürst Kien befand sich zur Zeit dieses Überfalls auf der Erd
stufe der Sandelbäume, wo er in Gesellschaft eines.Weibes Wein
trank. Tien-sching-tse forderte den Fürsten auf, sich in die Ge
mächer zurückzuziehen. Der Fürst ergriff eine Hellebarde und
schickte sich an, seinen Gegner niederzustechen. Ein Grosser von
Tsi, Namens Jj|* ^ ^ Thai -sse-tse-yü ermuthigte ihn,
indem er sprach : Es ist nicht ohne Nutzen. Dies wird den Schaden
entfernen. — Tien-sching-tse ging dem Zorne des Fürsten aus dem
Wege und begab sich in das Rüsthaus, wo er eine zeitlang ver
weilte. Als er hörte, dass der Fürst noch immer zürne, wollte er
das Gebäude gänzlich verlassen. Er äusserte dabei kleinmüthig:
Was kann ich thun ohne einen Landesfürsten? — In diesem Augen
blicke zog Tse-hang das Schwert und rief: Der Wankelmuth ist der
Tod der Unternehmungen. Wer ist hier, der nicht von dem Stamm-
J ) Nebst dein Wagenführer sassen in einem Wagen zwei Menschen.
694
Dr, Pfizmaier
hause Tien? i) Dass ich dich tödte, schwöre ich dir bei dem Stamm
hause Tien! — Durch diese Drohung eingeschüchtert, gab Tien-
sching-tse den Gedanken an Flucht auf.
Unterdessen war Tse-ngo in Begleitung einer Schaar Bewaff
neter zurückgekehrt und stürmte sowohl gegen das mittlere Thor
als gegen das grosse Thor des fürstlichen Gebäudes. Da er von
keiner Seite etwas apsrichfete, verliess er die Hauptstadt, während
das Geschlecht Tien ihn verfolgte. Die Bewohner von
Fung-khieu, einer dem Geschlechte Tien gehörenden Stadt, nahmen
ihn fest und brachten ihrem Gebieter die Meldung. Tse-ngo ward
hierauf in dem Engwege Ko getödtet.
Tien-sching-tse war willens, auch Jr 7 Tse - fang von
fffi ^ Ta-lo, einen sonst unter dem Namen ^ ;pj] E^3 Tung-
kö-ku bekannten Grossen von Tsi und Amtsgenossen Tse-ngo’s,
tödten zu lassen, liess ihn jedoch auf die Fürbitte Tien-nie’s frei aus
gehen. Tse-fang nahm, sich auf den fürstlichen Befehl berufend,
einen auf dem Wege daherfahrenden Wagen in Besitz und hielt
seinen Auszug durch das Thor Yung. Tien-piao stellte ihm einen
andern Wagen zur Verfügung, aber Tse-fang nahm ihn nicht an
und sprach: Tien-nie legt für mich Fürbitte ein, Tien-piao gibt mir
einen Wagen. Ich hätte somit zu ihnen geheime Beziehungen. Wenn
ich gedient habe Tse-ngo und geheime Beziehungen hätte zu seinen
Feinden, wie könnte ich dann unter die Augen treten den Männern
von Lu und Wei? 2 )
An dem siebzehnten Tage des sechzigtheiligen Kreises liess
Tien-tsch'hang den Fürsten Kien in i)i|t| Siü - tscheu , einer
Stadt des Geschlechtes Tien, festnehmen. Der Fürst erinnerte sich
jetzt der Worte des ihm ergebenen Dieners Yü-yang und sagte:
Hätte ich den Rath Yii-yang’s befolgt, so wäre es nicht so weit mit
mir gekommen. ■— An dem einunddreissigsten Tage des sechzigthei
ligen Kreises tödtete Tien-tsch'hang den Fürsten Kien in der Stadt
Siü-tscheu.
1 ) I). i. die Mitglieder des Hauses sind eine grosse Menge.
2 ) Tse-fang war gesdhnen, sich über Lu nach Wei zu flüchten. In der Geschichte Tso-
khieu-ming’s wird gesagt: Tung-kö-ku floh nach Wei.
Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
095
des Fürsten Kien, zum Landesfüisten von Tsi. Derselbe heisst in
der Geschichte Fürst Ping. Sobald Fürst Ping in seine Würde
eingesetzt worden, stellte sich ihm Tien-tsch’hang als Landesgehilfe
zur Seite und führte ausschliesslich die Lenkung von Tsi. Zugleich
trennte er alles Land, welches östlich von
bis Lang-ye sich erstreckte, von Tsi los und bildete daraus Lehen
des Geschlechtes Tien. Die Besitzungen des Hauses Tien waren auf
diese Weise von Umfang bedeutender, als das Land des Fürsten von
Tsi. Seit den Zeiten des Fürsten Ping wird daher das Haus Thai-kung
nicht mehr als selbstständig betrachtet, und Tsi heisst das Besitzthum
des Geschlechtes Tien.
In das achte Jahr des Fürsten Ping (473 vor uns. Zeitr.) fällt
die Vernichtung des Königslandes Udurch Kieu-tsien, König von Yue.
Fürst Ping starb im fiinfundzwanzigsten Jahre seiner Lenkung
(456 vor uns. Zeitr.) und hatte zum Nachfolger seinen Sohn
Tsi, genannt Fürst / j=j* Siuen. Dieser Fürst starb im einundfünf
zigsten Jahre seiner Lenkung (403 vor uns. Zeitr.) und hatte zum
Nachfolger seinen Sohn "jÖf Tai, genannt Fürst Khang. Im
Jahre der Einsetzung dieses Fürsten empörte sich |Jj Tien-hoei,
ein Mitglied des Hauses Tien, auf dem Gebiete JJ- Lin - khieu.
ln das zweite Jahr des Fürsten Khang fällt die Erhebung der Häuser
Han, Wei und Tschao zu Fürstenländern der Reihe.
Im neunzehnten Jahre des Fürsten Khang (386 vor uns. Zeitr.)
erhob sich W EB Tien-ho, der Urenkel Tien-tsch’hang’s, zum
Lehensfürsten der Reihe und bestimmte den Fürsten Khang zur
Übersiedlung an die Ufer des Meeres, wo er ihm die Einkünfte einer
einzigen festen Stadt zum Unterhalte anwies.
Als Fürst Khang im sechsundzwanzigsten Jahre nach seiner
Einsetzung (379 vor uns. Zeitr.) starb, nahm das Geschlecht Tien
von dem gesammten Lande Tsi Besitz und die Darbringung in dem
’) Das hier gemeinte Ngan-ping lag östlich vor dein heutigen Thsing-Ischeu, in der
Gegend des heutigen Wei, Kreis Lan-tscheu in San-lung.
696 Dr. Pfizmaier, Die Geschichte des Hauses Thai-kung.
Ahnenheiligthume des Geschlechtes Liü hörte auf. In dem nämlichen
Jahre starb auch Fürst Hoan aus dem Hause Tien und hatte zum
Nachfolger seinen Sohn 7^ Q Yin-tsi. Derselbe heisst in der
Geschichte König Wei und war der mächtigste Fürst seiner
Zeit.
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v. Arneth, Archäologische Analekten.
697
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SITZUNG VOM 17. DECEMBER 1862.
Herr v. Karajan zeigt als Referent der historischen Com
mission an, dass derselben zur Herausgabe eingesandt und nach
vorhergegangener Prüfung von ihr zur Aufnahme in die Fontes
rerum austriacurnm bestimmt wurden: „Mittheilungen aus dem
Archive des Cistercienser-Stiftes Hohenfurth in Böhmen“, nebst dem
Urkundenbuche dieses Stiftes. Von Matthias Pangerl.
Gelesen:
Archäologische Analekten.
Von dem w. M. Joseph Ritter v. Arneth.
(Mit 1 Tafel.)
Das römische Grab im Echernthnle bei Uallstntt.
Mit Recht haben die Auffindungen eines grossen Leichenfeldes
über Hallstatt in der Nähe des Rudolfsthunnes oberhalb der Wohnung
des Bergmeisters des grossen Salzbergwerkes, ziemlich nahe vor
dem Eingänge in dasselbe, ein sehr grosses Aufsehen in der für
solche Dinge empfänglichen Welt nicht nur, sondern auch bei solchen
Menschen gemacht, denen die Gegenwart viel mehr am Herzen liegt
und die mit einer Art Geringschätzung auf die Vergangenheit und
ihre Zeugen herabsehen. Bei beiden erregte das Erhabene der
Gegend, ein ihr eigentümlicher zu ernsten Gedanken stimmender
Reiz, der schöne See, die von der übrigen Welt fast getrennte Ort
schaft, zu der nur von Ischl aus auf drei Arten ein Zugang möglich,
auf den Wellen, auf einem schmalen Pfade oder auf der Sohlen
leitung, die Neugierde. Diese wurde besonders durch den Umstand
erregt, dass 1086 Fuss über dem Spiegel des Sees ein Begräbnissort
ganz durch Zufall aufgedeckt wurde, aus dem nun schon 967
698
v. A r n e t h
theils bestattete, tlieils verbrannte Leichen auf Kosten des k. k. Münz-
nnd Antiken-Cabinetes an das Tageslicht gefördert wurden; aber
auch die Archäologen vom Fache haben an diesen Funden den
grössten Antheil genommen. Es ist in Europa und Amerika ein
Zweig der Archäologie in den jüngeren Zeiten zur Pflege gekommen,
der den älteren grossen Archäologen fast unbekannt war; denn
Winkelmann, Heyne, Wolf, Eckhel, Visconti bekümmerten sich
wenig um die Hiigel, welche die Steppen und Felder Russlands,
Skandinaviens, Polens, Böhmens, Mährens, Deutschlands, Englands
und viele Länder Amerika's' durchziehen und in ihren Eingeweiden
theils die Gerippe, theils die verbrannten Reste der alten Bewohner
dieser Gegenden, ohne Schrift, ohne Bild, mit kümmerlichen Zierra
then auf ihnen zugeschriebenen Bronzen und auf wahrscheinlich von
ihnen gearbeiteten Thongefässen bergen. Es lässt sich diesen Grä
bern und deren Ausschmückungsweisen und Umgebungen, die
zumal in Skandinavien, wo der weniger urbar gemachte Boden die
ursprüngliche Beschaffenheit entweder gar nicht oder nur gering
verändert hat, noch häufig die mannigfachsten Gestalten, von Schiffen
z. B. zum Zeichen, dass ein oder mehrere Seehelden dort bestattet
liegen, uns vorführen, ein grosses Interesse nicht absprechen. Sie
erregen die Einbildungskraft in einem um so höheren Grade, je
ungewisser deren Hervorbringer sind. Wenn man sich zu den
grossen Monumenten der Inder, der Ägypter, der Griechen, der
Römer und auch zu ihren Gräbern wendet, so tritt alles mit einem
der Sonne welche diese Gegenden bescheint, gleichen Lichte, vor
die Anschauung. Es sind Tempel, es sind Paläste über der Erde
und diesen ähnliche Wohnungen unter der Erde, in denen der
Mensch selbst nach seinem Tode heiter fort zu leben bestimmt ist.
Selbst die erst im vorigen Jahre in Rom entdeckten Grabstätten
sind Prachthallen vergleichbar und die Monumente, unter welchen
ihre Todten ruhen, sind ein lebendiger Unterricht in der Geschichte
durch Schrift und Bild. Auch in unseren Alpen, an unserer Donau
haben sich vielfache Überreste römischer Bildung erhalten und das,
so viel ich weiss, am jüngsten aufgedeckte, befindet sich in Hallstatt.
Es ist der Gegenstand folgender Zeilen diese merkwürdige That-
sache vorzulegen. Es kann hier nicht der Ort sein, all’ die Zeugen
von der Ansiedelung der Römer in unseren Gegenden abermals vor
zuführen, die Triumphbögen, die grösseren und kleineren Statuen,
Archäologische Analekten.
699
die Inschriffsteine, die Münzen, die Grabstätten. Werdas ungemein
liebliche Thal der Traun ihrem Ursprünge zu hinaufgebt, sieht in
Enns, Wels, Lambach, Gmunden, Ischl römische Inschriftsteine;
römische Münzen werden an diesen Orten überall gefunden, ferner auf
dem Wege von Ischl nach Hallstatt, in Goisern und Umgegend, wie
zu Hallstatt; daher werden durchFunde die römischen Ansiedelungen
und deren Festsetzung auch in diesem Thale bestätiget; am Schlüsse
des Thaies zu Hallstatt haben neueste Nachgrabungen ein Bruch
stück eines römischen Inschriftsteines und eines bestimmt römi
schen Grabmonumentes entdeckt. Am 4. October 1858 richtete der
k. k. Bergmeisfer Herr Bamsauer an die kaiserliche Akademie der
Wissenschaften das Ersuchen, ihm zu Nachgrabungen im Echernthale
bei Hallstatt einen Vorschuss von etwa 300—360 fl. C. M. zu bewilli
gen. Herr Bamsauer unterstützte diese Bitte mit folgenden Gründen:
Er hat im Jahre 1846 im Hochthale des Salzberges über Hall
statt eine grosse Begräbnisstätte entdeckt, welche die Aufmerksam
keit der Archäologen in hohem Grade auf sich gezogen hat, desshalb
erlaubt er sich der k. Akademie der Wissenschaften „eine Bitte vor
zulegen durch deren Genehmigung, wie sich mit Sicherheit voraus
sehen lässt, nicht nur wesentliche Aufklärungen über die Katastrophe
welche jener Gegend ihre gegenwärtige Gestalt gab, erlangt, sondern
auch wichtige Funde gemacht werden würden“. Herr Ramsauer
führt ferner an, dass in den 12 Jahren seiner Nachgrabungen 680
Gräber aufgedeckt wurden, und zwar in vierfacher Art: a) Gräber
mit Skeleten und zwar Grab erdieser Art in grösster Zahl; b) Leichen
brände; c) Leichenbrände, wo der halbe Körper verbrannt, die an
dere Hälfte beerdigt wurde und dj in demselben Grabe ein Skelet
und eine verbrannte Leiche“. Herr Ramsauer fährt fort, „dass von
allen Seiten Anfragen um Daten an ihn gelangen, welche Anhalts-
puncte zur Beantwortung der Frage geben könnten, wie diese merk
würdige Begräbnissstätte in die so bedeutende Höhe von 1086 Fuss
über Hallstatt gekommen sein könne“. Alle Umstände deuten aber
daraufhin, dass der Ort, zu welchem diese Begräbnissstätte gehörte,
nahezu in derselben Höhe wie dieselbe gelegen sein musste. Die
wichtigsten der dafür sprechenden Thatsachen sind nach Herrn
Ramsauer:
ct) „Dass die gegenwärtig bebauten Salzlager auf eine theil-
weise in einer früheren Epoche statfgehabte, gewaltsame Zerstörung
700
v. A r n e t h
hindeuten, indem sich wohlerhaltene Pflanzen, Stücke von gewehten
Stoffen zu Kleidungen, Thierfelle und Bruchstücke von Bronzegegen
ständen finden.
b) Finden sich auf der ganzen Strecke von Hallstatt bis zum
Rudolfsthurm Reste von Thongefässen und Knochen (wie auch
Asche), wie sie in den Gräbern Vorkommen.
c) Hat man beim Graben eines Brunnens im Echernthale am
Fusse des Salzberges, 6 — 12 Fuss Tiefe unter der Erdoberfläche,
ein canellirtes Säulenstück mit Gesimse von weissem Marmor, welcher
in hiesiger Gegend nicht vorkömmt, gefunden.
Diese Thatsache, so wie die Schichtungs- und überhaupt die
geologischen Verhältnisse der den Hallstätter See umgebenden
Gebirge sprechen dafür, dass durch einen grossartigen Einsturz der
bewohnte Ort, der in der Höhe der jetzigen Grabhügel gelegen
haben mag, gegenwärtig theils den Boden des Echernthales bildet,
theils an den Ort gelangt ist, über welchem sich jetzt der Hallstätter
See befindet. Weitere Nachgrabungen in der Nähe des Brunnens
würden daher höchst wahrscheinlich zu Funden führen, welche diese
Frage aufklären und von hohem Interesse für die Wissenschaft sein
müssten.“
Der General-Secretär der k. Akademie der Wissenschaften
leitete dieses auf diese Weise begründete Gesuch um die genannte
Unterstützung am 5. Novemder 1838 an die phil.-hist. Classe mit
dem Bemerken: „die mathematisch-naturwissenschaftliche Classe
der k. Akademie hat (in ihrer Sitzung am 4. November) sich bereit
erklärt, die Hälfte der von dem k. k. Bergmeister zum Behufe wei
terer Nachgrabungen im Echernthale erbetenen 330 fl. C. M. aus
ihren Mitteln zu bestreiten, wenn die phil.-hist. Classe sich geneigt
finden sollte, die andere Hälfte zu bewilligen. Die mathematisch
naturwissenschaftliche Classe glaubte diesen Weg einsehlagen zu
müssen, da sie der Ansicht ist, dass die Resultate dieser Nach
grabungen von gleichem Interesse für beide Classen sein dürften“.
Am 14. November 1838 Unterzeichneten die Akademiker, die
Herren E. Birk und J. Aschbach einen Commissionsbericht, in dem
sie sich äusserten: Die nunmehr von Herrn Ramsauer proponirten
Nachgrabungen bilden eine wichtige Ergänzung der mit so glänzendem
Erfolge früher veranstalteten Untersuchungen. Sie sollen nach
seinem Anträge diesmal auf der Sohle des Echernthales und zwar
Archäologische Analekten.
701
an einer Stelle begonnen werden, an der beim Graben eines Brun
nens bereits Bruchstücke künstlich behauenen Marmors zu Tage
gefördert wurden. Bei so bestimmten Anzeicheu und der seit Jahren
erprobten Umsicht und rastlosen Thätigkeit des Herrn Ramsauer
scheint alle Hoffnung auf ein grösseres Resultat vorhanden zu sein.
Die Kosten dieser Nachgrabungen, die in zwei Wintern beendigt
sein könnten, sind mit 300—350 fl. veranschlagt, ein Betrag der sehr
massig erscheint. Da überdies die mathematisch-naturwissenschaft
liche Classe die Bestreitung der Hälfte der Auslagen (mit 350 fl.
beziffert) übernommen hat, so stellt die Commission den Antrag, die
geehrte Classe wolle Herrn Ramsauer gleichfalls den Betrag von
175 fl. bewilligen und in diesem Falle ihn einladen, die zugesicherten
Berichte über die Ergebnisse dieses Unternehmens nebst den zur
Versendung geeigneten Fundstücken von Zeit zu Zeit einzusenden“.
In Folge dieses günstigen Berichtes der Commission erklärte
der Secretär der phil. - hist. Classe an den Generalsecretär, dass
diese sich in der Sitzung am 17. November bereit gezeigt habe, das
Unternehmengegen dem zu unterstützen, dass der Bittsteller Berichte
über den Fortgang seiner Arbeiten erstatte, die versendbareu Fund
gegenstände der Akademie zusende und ihr das Verfügungsrecht
über sämmtliche Funde einräume“. - ,
Die Gesammtakademie beschloss in ihrer Sitzung vom 25. No
vember das Ansuchen Herrn Ramsauer’s mit 350 fl. C. M. gegen dem
zu genehmigen „dass von dem Fortgänge der Arbeiten von Zeit zu
Zeit der Akademie Bericht erstattet, dass die einsendbaren Fund
stücke der Akademie vorgelegt und dass jener öffentlichen Anstalt,
welche die Akademie bestimmen wird, zuerst das Recht der entgelt
lichen Erwerbung zustehe“. Herr Ramsauer bestätigte am 16. De-.
cember den Empfang des bewilligten Betrages und seine Einstim
mung in die gestellten Bedingnisse.
Am 9. Jänner 1859 erstattete Herr Ramsauer Bericht über seine
im Deceinber gemachten Arbeiten im Echernthale und lieferte zur
Veranschaulichung derselben Zeichnungen. Laut dieser hat Herr
Ramsauer beim alten Brunnen des Jos. Höll in einer Tiefe von 3—4
Fuss vier alte Mörtelmauern entdeckt, welche Umfangsmauern von
5 Fuss im Quadrat und 1 Fuss Stärke hatten. „In dieser Mauer
fand man die unerwartete Erscheinung eines Grabes mit einem Lei
chenbrande, so wie diese am RudoJfsthurme Vorkommen, wie die
Sitüb. (1. phil.-hist. Ci. XL. Bd. V. Hft. 46
702
v. A r n e t li
Zeichnung zeigt: Die Umfangsmauern traf man 2 1 / a Fuss tief in der
Erde, deren Zwischenraum mit kleinen Steinen und Schotter bedeckt
war. Bei sorgfältiger Wegräumung derselben bis auf die Tiefe von
8 Fuss, wurde eine Kohlenlage von 2 Zoll Stärke gefunden. Bei
kleinweiser Wegnahme der Kohlen fand man zwischen den Kohlen
eine Menge kleiner Knochen und in der Mitte derselben folgende
Grabesbeigaben: 1. Ein Glasfläschchen, ringsum mit erhobenen
Kreisen. 2. Drei Stück knopfähnliche weisse Steinplättchen 1 ).
3. Vier Stück solche schwarze 3 ). 4. Sieben Stück röthlich braun.
8. Bruchstück einer Bronzenadel. 6. Kleines rothes Thongeschirr
und Bruchstück von ähnlichen. 7. Es wurde 4 Fuss tiefer im aufge
schwemmten Erdreiche, Sand und Lehm, eine römische Münze B )
gefunden, ferner wurde noch ein 7 Fuss 6 Zoll langer, 3 Fuss 6 Zoll
breiter und 2 Fuss 6 Zoll tiefer (Fig. «) und ein canellirt gearbei-
<• 31 ->
(Fig. «.)
teter Stein aus Marmor gefunden, den er für das Piedestal eines
Monumentes hält.
Im Berichte vom 7. Februar legt Herr Bamsauer vier Zeichnun
gen der aufgefundenen Gegenstände, d. h. das Grabmonument vor,
und entwirft die muthmassliche Aufstellung desselben.
Nach Herrn Ramsauer’s Zeichnung ist eine weibliche Büste
innerhalb eines Kranzes, sie scheint eine doppelte Torques um den
*) Sind nicht von Stein, sondern von Glas.
2 ) Wie eine ganz ähnliche in Vineovce in der Militärgrenze gefunden wurde.
3 ) Von Antonius Pius. Sie ist: ANTON.
Archäologische Analekton.
703
Hals zu haben, in der linken Hand eine Taube zu halten; dieser
Büste rechts liegt eine halb entkleidete weibliche Gestalt, links ist
ein Genius auf eine niedergesenkte Fackel gestützt, neben ihm
Köcher und Bogen.
Ausser diesem Bruchstücke eines Grabmals ist blos der Buch
stabe T einer Inschrift erhalten, alles sonst zertrümmert bis auf einen
Kopf, der aber auch sehr beschädigt ist, 9 Zoll 4 Linien gross.
LautBericht vom 10. April wurde bei den ferneren Nachgrabungen
nur Mauerwerk in einer Länge von 8 Klaftern gegen Westen hin auf
gedeckt und die Fortsetzung der Arbeiten auf günstigere Witterung
verschoben. Hierauf bat ich am IS. Mai Herrn Ramsauer um Bestim
mung des Gewichtes und der Transportabilität des Fundes. Am
1. Juni schickte er mir genaue Auskunft über meine Anfrage und
erklärte zugleich auf jeden Ablösungsbetrag Verzicht leisten zu
wollen. Ich wandte mich dann an die k. Akademie der Wissenschaften
mit der Bitte, dem k. k. Münz- und Antiken-Cabinet die Fundsachen
abzutreten. Am 30. Juni beschloss die Akademie in ihrer Gesammt-
sitzung den Fund dieser Hofanstalt zu überlassen.
Herr Ramsauer schickte endlich unterm 10. Mai 1860 die
Zeichnung des Terrains, wo die weiteren Ausgrabungen vorgenom
men wurden, ein. Da jedoch der Grundbesitzer sich weigerte, seine
Wiesen aufgraben zu lassen, so mussten unterirdische Grabungen
versucht werden, worauf das ganze hiezu verfügbare Geld verwen
det wurde. Das Resultat war leider kein günstiges, da man nur auf
Mauerwerk eines zerstörten Gebäudes und auf ein ummauertes Grab
stiess, in welchem ein Leichenbrand lag, wie oben beim Rudolfsthurm.
Zugleich wurde eine Bronzemünze gefunden.
Durch diese Nachgrabung ist der sicherste Beweis der An
siedlung der Römer am Hallstätter See hergestellt, von der schon seit
langer Zeit mehrere Anzeicheu bestanden, wie deren Sch ult es in
seinen Reisen zwischen 1804 und 1808 mehrfach anführte 1 ), als:
Herr Franz Steinkogler (geh. 173S) zeigte mir 1804 ein kleines Münz-
und Antiken-Cabinet, das er in und um Hallstatt zusammengebracht
hatte; am Hallstätter Salzberge mehrere Werkzeuge und Schmuck-
') J, A. Schuttes: Reisen durch Ober - Öste rreich in den Jahren 1794, lT'JS,
1802, 1803, 1804 und 1808. Tübingen 1809. Thl. 1, S. 797.
46 *
704
v. A r n e t li
Sachen, Fibeln, Messer, Ringe, eine Pikeihaube aus Bronze, zwei
Todtenköpfe, die man in einem zertrümmerten. Sarkophage fand,
ferner zeigte er eine Münze des Vitellius aus Silber, des Vespasian
aus Bronze, die erste am Salzbergthurme, die zweite am Salzberge
gefunden, ferner Severus Alexander, Antoninus Pius, Cominodus in
Hallstatt und am Hirschbrunnen, Claudius (Gothicus), Constantin,
Valerian in Hallstatt gefunden. Herr Steinkogler hatte auch römische
Münzen, welche in der Nähe von Hallstatt gefunden wurden, in der
Lahn: Helvius Pertinax iit Silber; in Goisern einen Domitian, einen
Gordian in Bronze; in Leistling 1 ) einen Gordian, einen Helvius
Pertinax in Silber, wo 800 alte Silbermünzen auf einmal gefunden
und geschmolzen wurden. Beim Bau des Hauses des Baron Hohen-
bruek wurde in der Nähe eine Bronzemünze des Philippus in Vimi-
nacium geprägt, am Steg von Hallstatt eine von Commodus aus
Bronze, am Salzberge, bei Eröffnung des Kaiser Franz - Joseph-
Stollen eine Münze des Nero aus Silber gefunden.
S. 146 führt Schuhes aus einer Chronik von Goisern an:
Anno 1760 ist in Goisern, in Leistling genannt, unweit Spühlstein,
uraltes heidnisches Geld von allerlei heidnischen Kaisern gefunden
worden, beiläufig 400 Stücke, gut von Silber.
Dem, der den von Herrn Siinony 2 ) so schön dargestellten Markt
Hallstatt verlässt und sich dem Salinenamte zuwendet,um zum Wasser
sturze des Waldbaches Strub zu gelangen, öffnet sich rechts das
prächtige Eehernthal. Dieses ist von drei Gebirgen eingeschlossen;
rechts von dem, der dem Wassersturze zuwandert, der fast ganz
steil abfallende Salzberg, links von dem ebenfalls so steil abfallen
den Hierlatz und vor sich den Zweig des Dachsteingebirges, welcher
das Thal am See schliesst und von dem der Waldbach Strub ab
stürzend mannigfache Wasserfälle bildet, die dem Wanderer einen
so höchst angenehmen Eindruck gewähren.
Selten sind kühne Pläne mit so grosser Ausdauer und solchem
Muthe ausgeführt worden, wie die des Julius Cäsar durch seinen
angenommenen Sohn Augustus. Seine beiden Feldherren Tiberius
und Drusus, ecsterer aus Gallien, der zweite aus Italien kommend,
vereinigten sich am Bodensee und drangen bis an den Lech vor, an
’) In der Nähe von Goisern.
2 ) Sitznngsb. der k. Akad. d. Wisseusch. IV. Bd., 3Ü8, 1850.
Archäologische Analekten.
705
welchem sie im Land der Vindelieier eine Stadt gründeten, die sie
dem Augnstus zu Ehren Augusta Vindelicorum nannten, zogen dann
an die Donau und an derselben herab bis in unsere Marken den über
Dalmatien bis Essegg, durch Augnstus zum Waffenplatz erhoben, von
Mösien herauf ziehenden Römern die Hände reichend. Dass sich die
Römer nicht blos an den grossen Heerstrassen, sondern auch in
den verborgenen Thälern und ßergsehluchten niederliessen, zeigen
die häufig aufgefundenen Reste aller Art Inschriften 1 ), Mosaiken 2 ),
Münzen 3 ) am Gmunduer, Atter — und Hallstätter See gefunden, und
bewahrheiten die Niederlassungen der Römer an den reizenden Seen
des schönen Oberösterreichs.
Bevor noch die Häuser in Lahn gebaut, war von dem Orte, auf
dem jetzt das Haus des Höll liegt, die Ansiebt frei auf den See, auf
den in diesen, wie ein Vorgebirg hineinschauenden und ihn ein
dämmenden Sarstein, und auf den um letzteren sich umbiegenden
Obersee und über ihn hervorragenden Koppen, von dem ein präch
tiger Weg nach Aussee führt.
So wurde mir auch erzählt, dass auf der Höhe von Pötschen
ebenfalls ein römischer Inschriftstein gefunden wurde. Es werden
später die Fundobjecte beschrieben werden; zu den wichtigsten
darunter gehören die Münzen des Domitian und des Antoninus Pius.
Wer den fürchterlichen Zustand Roms in den Zeiten des Domitian
von 81-—96 bedenkt, wird einen Ruhesitz so abgeschieden von der
von einem solchen Wütherich beherrschten Welt nur beneidenswerth
finden. Allerdings waren die Zeiten des Antoninus Pius von 138 bis
161 ruhiger und ruhmvoller. Er war der Schiedsrichter in den
Streitigkeiten der damaligen Völker, denn Inder, Baktrier, Hyrcaner
u. s. w. schickten zu ihm, um von ihm das Urtheil über ihre Zwie-
stigkeiten zu erfahren und sich darnach zu richten. Er, dieser so
fromme und so unterrichtete, den Künsten so sehr geneigte Mann
schien jedoch mehr rückwärts als vorwärts zu schauen, er setzte
Könige ein — rexArmeniis, rexQuadis datus — denn sonst hätte er
nicht die abgelebten Formen des alten Roms, z. B. den Glauben an
die vom Himmel gefallenen Schilde , den Cultus des Hercules und
J ) Gaisberger, Komische Inschriften. Linz, 185IL
a ) P ;i u s i n g e r, Mosuikhoden hei Weyereck am Attersee.
3 ) S e hu Ites.
706
v. A r n c t h
seiner Thaten u. s. w. wieder zu beleben gesucht, sondern er hätte
die Lehren des so grosse Zukunft versprechenden Christenthums
angenommen. Die Vorbereitung zur Annahme des Christenthums,
die Stoa gewann unter Antoninus Pius an Anhängern, er selbst
bekannte sich wahrscheinlich zur Stoa, was die Adoption des der
Stoa ergebenen Marc - Aurel bewies, dessen Buch „über sich
selbst“ nicht nur auf den Kaiser, sondern auf die ganze Lehre und
die Weltanschauung der damaligen Zeit das überraschendste Licht
wirft.
Die Donau und die von selber bespülten Länder gehörten über
vier Jahrhunderte zu den wichtigsten Grenzen des römischen Welt
reichs. Es ist hier nicht der Ort, diese Geschichte näher oder um
ständlicher aus einander zu setzen. Ich gehe demnach zur Beschrei
bung des Fundes:
Als Holl der Besitzer des Hauses im Echernthale einen Brunnen
graben wollte, fand er das canellirte Marmorstück (Fig. 1). Dieses
Stück gelangte an Herrn Prof. Simony 1 ), welcher es an Herrn Ram-
sauer abtrat. Auf dieses stützt Herr Ramsauer sein oben ange
führtes Gesuch an die k. Akademie der Wissenschaften. Bei den
0 Die Alterthümer vom Halstätier Salzberg von Simony. Sitzungsb. 1850, IV'
S. 338.
Archäologische Analeklen.
707
Nachgrabungen stiess er auf die oben angeführten Mauern; in a und
b des beiliegenden Planes II fand Herr Ramsauer die verbrannten
* Strub weg
(KS- 2-)
Gebeine eines Menschen mit der Münze des Antoninus Pius (Fig. 3).
ANTONIN VS AVG P1VS P: P- TR- P- COS III.
Antoninus Augustus Pius Pater Patriae Tribunitia Potestate
Consul tertium. Diese Münze stammt vom Jahre 143 nach Christo
708
v. A r n e t li
und da möglicherweise eine gleichzeitige Münze dem Verstorbenen
als Fährlohn für Charon mitgegeben wurde, so ist die Asche des
Verstorbenen vielleicht um das Jahr 143 beigesetzt worden, oder
wenn das Grabmonument zu diesem Grabe gehört, da der Kopfputz
an den der Julia Domna erinnert, zur Zeit des Septimius Severus.
Ausser obiger Münze wurde im gleichen Grabe noch gefunden ein
Stück geschmolzenes Glas (Fig. 4), ein sehr hübsches um den Hals
gereiftes Fläschchen (Fig. 5), aus sehr dünnem und darum sehr
(Fig. S.)
leichten Glase, welches durch den Einfluss der Oxydation etwas
gelblich geworden ist.
Ein sehr nettes römisches Gefässchen (Fig. 6) aus röthlichem
Thone terra sigillata, woraus fast alle römischen Gefässe gemacht sind,
die in den Donau-und den Rheinländern gefunden werden. Ausserdem
lagen noch einige Knöpfchen aus Glaspasta i) bei (Fig. 7). Der Haupt
fund bestand in einem giebelartigen Bruch
stücke eines Grabmonumentes, eines Bas
reliefs aus Marmor (Urkalk) 2 ). Dieser Stein
stammt laut Angabe des Herrn Vorstandes
-=r^8w>. Qt des k. k. Mineralien-Cabinetes Dr. Hörnes
( Fl £- *>•) (Fig- 7.) von St. Nikola 3 ) in der Sölkerscharte in
Steiermark her.
*) Wiener Zeitung- 1845, Nr. 56. Über die antike Paste vom Funde zu Vinkovce.
ä ) S. Tafel.
3 ) Von den Römern in Steiermark benützte Steinbrüche waren nach Dr. Kiiabl’s
Angabe:
A. In Obersteiermark: 1. zu St. Lambrecht, Maria Hof, Neumarkt und auf der
Seethalalpe, 2. auf der Seckaueralpe, 3. bei St. Dionisen nächst Bruck an
der Mur, 4. bei Pfannberg und Fronleiten.
Archäologische Analekten.
709
Das Materiale von Fig. 1 ist nach Herrn Professor Simony
ebenfalls Urkalk aus der Sölkerscharte *).
Die Mitte nimmt eine jugendliche, weibliche Büste ein, mit der
rechten Hand auf einen in der linken gehaltenen Vogel (Taube)
zeigend.
Dieses Brustbild innerhalb eines Kranzes zeigt das Bild der
Verstorbenen, wie dies sehr viele ähnliche Vorstellungen am un-
widerleglichsten darthun, wie das Grabmahl im Museo Lateranense 3 )
beweiset, die darauf befindliche Inschrift heisst:
GLADAEPRIMITIVAE | CONIVGI SANC-
TISSIMAE CVM | QVA VIXI ANNIS XXXIII
SINE | VLLA QV AERELLA | M.MANUVS.
EGLECTVS FECIT ET SIBI
Aus dieser merkwürdigen Inschrift geht hervor, dass M. Man-
lius Eglectus noch lebend dieses Monument seiner Frau und sich
errichtet hat. Von der Inschrift imEchernthale, die Aufklärung geben
könnte über den Namen und vielleicht über noch mehr, ist nur der
B. Auf der Grenze zwischen Ober- und Mittelsteiermark in Oswald und Stubler-
graben am Fusse der Kleinalpe, beim Wirthshause, genannt Neuhäusel
(s. Mitth. des hist. V. f. St., 6. Hft., S. 147).
C. ln Mittelsteiermark : bei Waitz, Anger, Pöllau, Vorau und Hartberg, endlich
zu Frauenberg, nächst dem Schlosse Seckau bei Leibnitz (jetzt verschüttet).
D. ln Untersteiermark: an der Ostseite des Bachergebirges bei St. Martin oder
bei Windischfeistritz, welches für die in Südsteiermark Vorgefundenen
Monumente das meiste Material geliefert haben mag. Ferner an der Südseite
des Bacher bei Skommer Hudina und Weitenstein, endlich an der Westseite
des Bacher bei St. Agyden.
2. Auf dem Vipotaberge und an einigen umliegenden Gebirgen hei Cilli, wo aber
grösstentheils nur Übergangsmarmor gebrochen ward.
3. Am linken Saveufer zwischen Steinbrück und Trifail, wo grauer Alpenkalk,
dolomit- und glimmerartiger Gneiss verwendet ward.
Von diesen Steinbriichen sind am meisten ausgebeutet worden: a) der Oswalds
graben, wo eine Steinmetzwerkstätte war; b) der Frauenberger ob Leibnitz
wegen des nahe gelegenen Municipium Flavia Solva; c) der ßaeherer Marmor
wegen bequemer Zufuhr nach Poetovio und d) der Steinbruch am Vipotaberge
bei Cilli, wegen des Municipium Celeja.
1 ) Sitzungsberichte der k. Akademie 1850, Bd. IX.
2 ) Monumenti del Museo Lateranense descritti ed illuslrati da Haf. Garrucci Roma.
1861, XXX.
710
v. Ar n e t h
Buchstabe T (Fig. 8) erhalten. Gesims und Form des Buchstaben
entsprechen der Zeit von Anto-
ninus Pius, bis inclusive Septimius
Severus, aus welcher Zeit die Büste
stammen dürfte, da der Kopfputz
der Büste innerhalb des Kranzes
sehr an den der Julia Domna der
Gemahlinn des Septimius Severus
erinnert*). Bechts dieser weib
lichen Büste liegt eine weibliche jugendliche Gestalt, von der nur die
Füsse mit einer leichten Draperie umhüllt sind und die den Kopf
auf den rechten Arm stützt. Sie ist als Nymphe der Berge durch
die Felsen, auf denen sie liegt, gekennzeichnet. Bekannt sind die
Personificationen der moralischen Eigenschaften und der Gegen
stände der Natur, wie der Flüsse, Quellen, Berge, ferner der Winde
etc., wie diese auf einem der schönsten Gemälde, die aus dem Alter-
thume uns erhalten sind, Vorkommen. Die Aphrodite als Meergöttinn
von einem Tritonen (See-Centauren) und einer Nereide gezogen, in
Pompeji im J. 1833 entdeckt. Die Abbildung, die Zahn 2 ) uns davon
gab, gehört zu den gelungensten Farbendrucken, und der antikisi—
rende Benvenuto Cellini hat die Idee der Winde auf seiner schönen
Saliera den Alten glücklich nachgebildet 5 ). Ähnlich mit der Vor
stellung der Nymphe des Berges sind auch auf manchen der schön
sten Werke der griechischen wie der römischen Kunst der Berg
Pelion, Cithaeron und andere dargestellt, und zwar der Cithaeron
auf einem griechischen Gefässe 4 ) auf der schönen Portland-Vase 5 ),
Pelion im britischen Museum, ferner in einem Gemälde der Villa
Pinciana 6 ) deutlicher und unverkennbarer als hier und auf dem
ausserordentlich schönen Bilde mit der Darstellung des Actaeon und
der Diana in den Wandgemälden zu Pompeji 7 ), ferner der Ida in
1 ) Reber. Ruinen Roms und der Campagna. Leipzig 1863, S. 129. forum Rom S. 124.
2) III. Bd., Taf. 4.
3 ) X. Bd. der Denkschriften d. k. Akad.
4 ) Millin monumens inedits 1. p. 47, Taf. V.
5 ) Villa Pinciana Stan/a VII, Nr. 17.
6 ) Millingen acient unedited monuments Bd. I, I. A. p. 28.
7 ) Zahn, Wandgemälde zu Pompeji etc. III. Bd. 50. Tafel.
<•=" -9^ ->
Archäologische Analekten.
711
der Darstellung auf einem Wandgemälde zu Pompeji 1 ); ferner ist die
Bemerkung gestattet, dass die griechische und römische Mythologie
in der Wahl der Personen sehr sinnreich war. Die grossen Flüsse,
die Donau (Danubius), Rhein (Rhenus), Nil(Nilus), Euphrat (Euphra-
tes) wurden immer männlich abgebildet, indess die kleineren Flüsse
und Quellen, von denen so viele Darstellungen übrig sind, immer
als weibliche Bildnisse Vorkommen. Ähnliche Auffassungsweise gilt
auch bei den Bergen grösserer Art, wie die oben angeführten und
bei den kleineren, wie unsere im Echernthale, daher die Berge des
selben blos durch eine Nymphe dargestellt werden.
Man sieht also hieraus, dass sich das Motiv der Darstellung auf
unserem Basrelief an die erhabensten Kunstwerke der römischen
und griechischen Welt anschliesst. Der Ausdruck dieser Figur ist
meines Bedünkens der der Trauer und des Schmerzes, den sie vor
dem Beschauer verbirgt, wie Agamemnon auf einem Gemälde in der
Casa di poeta tragico sich abwendet, sein Gesicht verhüllend, weil
seine Tochter der Artemis geopfert wird »).
Ähnlich, wenn schon nicht so kräftig ausgesprochen ist auch
Agamemnon auf der berühmten mediceischen Vase zu Florenz s ).
Diese beiden Darstellungen haben auf ihre, wenn schon ver
schiedene Weise, da die Gesetze der Bildhauerei, Malerei und der
Dichtkunst verschiedene sind, doch glücklich die Verse des Euripi-
des ausgelegt, der da sagt: ’Avs<yrlva£s x<f:p.7raAtv aTpi^ag xapa
Adxpvoc irporjyev. 6p.p.dTaiv nenlov npoSsig 4 ). Die Götter der heid
nischen Welt sind lebendig in die Schicksale der Menschen verfloch
ten. So auch die Genien und die Personificationen des Pelion, des
Cithaeron, des Ida geben ihre Theilnahme an den bei ihnen vorkom
menden Ereignissen durch den Ausdruck ihrer Bewegungen kund.
Es scheint mir daher nicht zu gewagtauch dieses hier bei der Nymphe
des Berges an dem Tode der Verblichenen anzunehmen.
Links ist der geflügelte Genius des Todes, die umgestürzte
Fackel mit beiden Händen haltend. Neben ihm ist Köcher und
Bogen. Wie häufig Eros auch als Todtengenius erscheint, zeigen die
*) Raoul Rochette, Peintures de Pompeji.
2) Zahn, a. a. 0. III, Taf. 42.
3 ) Reale Galleria Firenze, Serie IV. Vol. III. S. 254. Tav. 156 und 157.
4 ) Iphigenie in Aulis v. 1548 sqq.
712
v. A r n e t li
Werke an dem schon oben angeführten Sarge im Lateran 1 }, an
dessen beiden Enden Eros in gleicher Weise als Todtengenius steht,
weil zwei Verblichene angedeutet werden, ferner auch auf dem
Aschengefiiss bei Zoega und Gerhard 2 ).
Die Bedeutung, die der Eros als Todtengenius hat, zeigt sich
eben so unwiderleglich wie auf den vorhergehenden Monumenten,
auch auf dem trefflichen Gemälde, welches den Tod des Narcissus 3 )
darstellt. Auf diesem ist der Genius des Todes auf beiden Beinen
stehend, indess er auf den angezeigten Monumenten mit überschla
genen Beinen vorkömmt.
Bei den späteren Nachgrabungen wurden noch gefunden meh
rere Bruchstücke mit Canellirungen wie
das zuerst gefundene und der Kopf
einer älteren Frau in natürlicher Grösse
(Fig. 9). Der Kopfputz erinnert an die
Märciana, Schwester des Kaisers Trajan
ihrer Tochter Matidia, und den der Sabina,
Gemahlinn des Kaisers Hadrianus 4 ).
Da die Verbreitung der Moden, be
sonders der älteren Frauen aus der Haupt
stadt in die Provinz immer längere Zeit
C F «er- 9 ) brauchte, so würde es nicht gegen die
Annahme sprechen, dass das Monument aus der Zeit des Antoninus
Pius herrühre. Der letzte Fund war ein Grab mit Leichenbrand,
wie sie nach Ramsauer's Aussage oben auf dem Salzberge Vor
kommen, in welchem folgende Münze des Domitian gefunden wurde,
deren Vorderseite gut erhalten, deren Rückseite aber sehr abgenützt
ist. Die Beschreibung ist folgende:
IMP • CAES • DO MIT • A VG ■ GERM • COS • XV. CENS • PER ■ P • P (Imperator Cae
sar Domitianus Augustus Germanicus Consul decimum quintum Censor
perpetuus, pater patriae). Fig. 10. FORTVNAE AVGVSTI'SO nach
einem besser erhaltenen Exemplare des Cabinetes gezeichnet.
1 ) iMonumenti del Museo Lateranense da Raf. Garucci Roma 01.
’ i ) Archäologische Zeitung 1848, Nr, 22. Aschengefiiss des P. Scvcreanus und seines
Sohnes Blolo. Zoega, Rassirilievi 1. Bd.
3 ) Ternite, Wandgemälde von Pompeji F. XXV
4) Clarae, VI. Yol. P. 1057, 3291.
Archäologische Analekten.
713
Diese Münze rührt demnach vom Jahre 90 oder 91 ‘) her und
könnte entweder einem dieser Münze gleichzeitigen Grabe ange-
(Fig. 10.)
hört haben oder es ist auch möglich, dass einem viel später Begra
benen sie als Schiffslohn für Charon mitgegeben wurde.
Dass den Todten auch Münzen als Schifferlohn mitgegeben
wurden, erhellt auch aus einer Lampe, worauf Charon eine Münze
von einem über den Styx zu fahren im Begriffe stehenden erhält«),
ferner aus Lucian's Dialogen der Todten 8 ).
Da die Schönheit dieses Monumentes und die Überbringung
desselben aus ferner Gegend einen gewissen Grad von Wohlhaben
heit und Bildung derjenigen Personen voraussetzt, die es veranstal
tet haben, so könnte hier das römische Salmenamt gestanden haben,
zumal da der Weg vom Salzberg in’s Echernthal nachHrn. Simony’s
Meinung natürlicher und leichter als nach dem heutigen Hallstatt
und überall mit römischen Überresten bedeckt war.
Das Ganze zusammenfassend geht aus dem Funde im Eehern-
thale hei Hallstatt so viel hervor.
Wie die Alchimie der Chemie, wie die Astrologie der Astro
nomie viel Nutzen brachte, so gab auf eine ähnliche Weise die, wie
ich glaube, unrichtige geoguostische Idee, dass einst der Salzberg
und der Hierlatz in Verbindung waren, einer richtigeren geognosti-
‘) Arneth, Synopsis numorum romanorum.
3 ) Bai toli et Beilori, lucern. sepulcr. P. I. t. 12. Wieseler, Denkmäler der alten Kunst,
lid. II, Taf. 69.
3 ) Ausgabe von ßenedictus. Amsterdam, 1687, I, S. 308 (Charon et Menippus),
S. 336 (Conlemplantcs) und II, S. 302 (de luctu).
714
v. A r n e t h
sehen Ansicht Raum. Die hypothetische uralte vorhistorische Stadt,
zu der das Leichenfeld auf dem Salzberge so zu sagen der Friedhof
war und deren Trümmer das Echernthal begrub, wird blos zum
Reste eines römischen Hauses mit zwei Begräbnissplätzen und zwei
Grabmonumenten aus bestimmter römischer Zeit.
Die zufällige Ausgrabung eines marmornen canellirten Bruch
stückes gibt die Veranlassung die oben angeführte Hypothese zu
beleuchten, was aber nicht meine Sache ist und strenge genommen
auch nicht hielier gehört. Es gab aber die von der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften unterstützte und von Herrn Ram-
sauer mit gewohnter Genauigkeit geleitete Nachgrabung die Über
reste mehrer bestimmt römischer Gegenstände, die vermuthlich aus
der Zeit des Domitian (81 — 96) und Antoninus Pius (138 — 161)
herrühren. Dies sind jene zwei Gräber mit verbrannten Gebeinen,
nach Herrn Ramsauer ganz so wie die auf dem Salzberge vor-
kommenden Leichenbrände. In jedem derselben war eine römische
Münze. Ganz in ihrer Nähe waren Trümmer römischer Bildhauer
arbeiten, von denen das ziemlich gut erhaltene Relief das Vorzüg
lichste. Die Benennung der Verstorbenen, deren Asche wahrschein
lich da beigesetzt wurde, ist unmöglich, da von der Inschrift nichts
als der Buchstabe T erhalten wurde. Das auf dem giebelartigen
Monumente noch vorkommende Brustbild gehört einer jugendlichen
Person an, man könnte glauben einer Braut, die in der Blülhe ihrer
Jahre verschieden; denn sie hält mit der linken Hand die Taube der
Venus, auf die sie mit der rechten Hand zeigt. Um die Verstorbene
trauert selbst die Nymphe des Berges, welche durch die rechts von dem
Bildnisse auf Felsen liegende weibliche halbentkleidete Gestalt an
gedeutet wird. Links von dem Bildnisse der Verstorbenen hat Amor
Bogen und Pfeilköcher weggelegt und verwandelt sich durch die
umgestürzte Fackel in den Genius des Todes. So mannigfache Be
weise der Herrschaft der Römer nicht blos in der näheren Umgebung
von Hallstatt, wie in Ischl, in Salzburg, in Wels, in Linz, sondern
auch in der ganzen Monarchie bis an die Donau und nur in Ungern
und Siebenbürgen über dieselbe aufgefunden werden, so flösst das
im Echernthale neu entdeckte Monument ein nicht geringes Interesse
durch seine eigene Bedeutung sowohl als durch den Beweis der
einheitlichen Bestrebungen der römischen Kunst ein. Denn ähnliche
römische Monumente wie das vom Echernthale sind vorhanden in
Archäologische Analekten.
jls
Huesca in Aragonien, in Frankreich, Italien, Dalmatien, fast überall
in den einst so blühenden Ländern um das mittelländische Meer, das
im römischen Weltreiche wirklich nur einen See bildete. Jedoch
nimmt das Monument vom Echernthale durch seine sinnreiche Dar-
, Stellung einen ausgezeichneten Platz ein; es steht jetzt unter den
übrigen Stein-Monumenten des k. k. Münz- und Antiken-Cabinetes
im unteren Belvedere.
y ff
y t-
SitLiiHgsb.d.k. Aka-Ad.W. pltilos. hist. CI. XLJ^d. 1862.
Ans i.k.k.Hof.u. Staats druckerei.
Verzeichniss der eingegangenen Druck schrifteil
717
VERZEICHNIS»
DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(NOVEMBER 1862.)
Academy, The American, of Arts and Sciences. Memoirs. N. S.
Vol. VIII, Parti. Cambridge and Boston, 1861; 4°. — Pro-
eeedings. Vol. Y. 31—48. 8°.
Academie Imperiale des Sciences, Arts et Belles-Lettres de Dijon.
Memoires. 2° Serie, Tome IX e . Armee 1861. Dijon et Paris,
1862; 8«.
Accademia Pontificia de' Nuovi Lincei. Atti. Anno XIV. Tomo XIV.
Sess. 4“—7". Roma, 1861; Anno XV. Tomo XV. Sess. 1"—3“.
Roma, 1862; 4°.
Akademie der Wissenschaften, königl. bayer., zu München.
Sitzungsberichte. 1862, I. Heft 2 & 3. München; 8°.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. IX. Jahrgang,
Nr. 8 & 9. Nürnberg, 1S62; 4«.
Austria. XIV. Jahrgang, XLIII.—XLVI. Heft. Wien, 1862; 8».
Br an dis, Christ. Aug., Geschichte der Entwickelung der griechi
schen Philosophie und ihrer Nachwirkungen im römischen
Reiche. I. grössere Hälfte. Berlin, 1862; 8°.
Breslau, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 1861/62. 8° & 4».
Coussemaker, E. de, Notice sur l’abbaye de Ravensberg. (Extr.
des Annales du Comite Flamand de France, t. VI.) Lille, 1862;
8°. — Statistique archeologique du Departement du Nord.
(Extr. du Bulletin de la Commission Historique du Deport. du
Nord. t. VI.) Lille, 1862; 8».
Ellero, Pietro, Giornale per 1’abolizione della pena di morte.
V. Bologna, 1862; 8«.
Sit/J). d. pbif.-hist. CI. XL. Bd. V. Hft.
47
718 Verzeichniss
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien. Mittheilungen,
V. Jahrgang, 1861. Wien; gr. 8°.
— Schlesische, für vaterländische Cultur: 39. Jahresbericht.
Breslau, 1862; 8°. — Abhandlungen:Philos.-histor. Abtheilung.
1862, Heft 1 & 2; Abtheilung für Naturwiss. und Medicin.
1861, Heft 3; 1862, Heft 1. Breslau; 8».
— der Wissenschaften, Oberlausitzische: Neues Lausitzisches
Magazin. XXXIX. Band, 1. & 2. Hälfte; XL. Band, 1. Hälfte.
Görlitz, 1862; 8°.
Graham, J. D„ Annual Report on the harbor improvements of Lakes
Michigan and St. Clairfor 1855, 1857 & 1838. Washington; 8°,
nebst 19 Plänen und Karten, gr. Folio.
Hammelitz. II. Jahrgang, Nr. 47, 49, 50; III. Jahrgang, Nr. 1.
Odessa, 1862; 4».
Helsingfors, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften aus
den Jahren 1861 & 1862; 4° & 8°.
Ives, Jos. C„ Report upon the Colorado River of the West. Was
hington, 1861; 4°. (Presented by the Smithsonian Institution.)
Kandier, P., Documenti raccolti e puhblicati in occasione di collo-
cazione di busti enei sulla facciata del duomo di Trieste in
onore di Enea Silvio Piccolomini, di Andrea Rapicio e di Rinaldo
Searlichio. Trieste, 1862; 4». — Sr. Excellenz, Freiherrn
■ Friedr. von Burger zur wohlwollenden Erinnerung an Triest.
Triest, 1862; 4».
Kiel, Universität. Akademische Gelegenheitssehriften aus dem
Jahre 1861, Band VIII. Kiel, 1862; 4».
Lesehalle der deutschen Studenten zu Prag. 1848—1862. Prag,
1862; 8°.
Maak, Richard v., Reise nach dem Amur, unternommen 1855 auf
Veranlassung der sibirischen Abtheilung der k. russ. geogra
phischen Gesellschaft. Mit einem Atlas von 36 Tafeln. Peters
burg, 1859; 4° & Folio. — Reise nach dem Flussthale von
Ussur, unternommen auf Veranlassung der k. russ. geogra
phischen Gesellschaft, Band I & II. Petersburg, 1861; 4».
(Russisch.)
Message from the President of the United States to the two
Houses of Congress at the Commencement of the thirty-sixth
Congress. Vol. I—III. Washington, 1860; 8°.
der eingegangenen Druckschriften.
719
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmale. VII. Jahrgang, Nr. 11. Wien,
1862; 4«.
— aus dem Gebiete der Statistik. X. Jahrgang, 1. Heft. Wien,
1862; gr. 8«.
— aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. Jahrgang 1862,
X. Heft. Gotha; 4».
Pamätky. DH. V., sesit. 3. V Praze, 1862; 4».
Report, Thirteenth Annual-, of the Regents of the University of
the State of New York. Albany, 1860; 8°.
Rhees, William J. Manual of Public Libraries, Institution and Socie-
ties, in the United States and British Provinces of North
America. Philadelphia, 1859; 8°.
Romanin, S. Storia documentata di Venezia. Tomo X, Parte 3”.
Pubblicato per cura di Angelo Dalmedico. Venezia, 1862; 8°.
Smithsonian Institution. Annual Report for 1860; 8°; Results of
Meteorologieal Observations, under the Direction of the Smiths.
Instit. from 1854—1859. Vol. I. 4°; Catalogue of Publications
of the Smiths. Instit. corrected to June 1862. 8°; Smithsonian
Miscellaneous Colleetions. Vol. I-—IV. Washington, 1862;
8°. — Leconte John L. Classification of Coleoptera of North
America. Part I. Washington, 1861 — 1862; 8°. — Hagen
Hermann. Synopsis of North American Neuroptera. Washington,
1861; 8». — Morris, John G. Synopsis of North American,
Lepidoptera. Washington, 1862; 8°; Smithsonian Museum Mis-
cellanea. Washington, 1862; 8°.
— Institution, The—. (Extr. from the Amer. Journ. of Sciences
and Arts. Vol. XX.) 8°.
Society, American Philosophical: Transactions. Vol. XII. N. S.
Part I. Philadelphia, 1862; 4° — Proceedings. Vol. VIII,
Nr. 65 & 66. January — December, 1861; 8°.
— of Antiquaries of London: Archaeologia. Vol. XXXVIII, Part 2.
4°. — Proceedings. Second Series. Vol. I. Nr. 2—7. Dec.
1859 — Apiil 1861. London; 8°. — List. 1861, 1862. 8°.
— The Royal Dublin: Journal. Vol. III. Nr. 24 — 25. Dublin,
1862; 8°.
— The Royal, of London: Philosophical Transactions for the Year
1861. Vol. 151. Part 1—3. London, 1861 — 62; 4».
47*
720
Verzeichniss
Proceedings. Vol. XII. Nr. 49. London, 1862; 8°. — Morgan,
Aug. de. Contents of the Correspondence of Scientific Men of
the seventeenth Century, printed at the University Press,
Oxford, in 2 Volums Octavo, 1841. Oxford, 1862; 8°.
Societe, Provinciale des Arts et Sciences d’Utrecht, Programme
1862—63.
Sublii Bey, J. E„ Geschichte der Seleueiden und Arsaciden. (Tür
kisch.) 4°.
System der Anordnungen über Pflichten. I. Buch. Anordnungen
über die Recrutirung. Petersburg, 1862; 8°. (Russisch.)
Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens: Zeitschrift.
IV. Band, 2. Heft. Breslau, 1862; 8°. — Codex diplomaticus
Silesiae. V. Band. Breslau, 1862; 4°.
— historischer, für Niederbayern: Verhandlungen. VIII. Band,
1. & 2. Heft. Landshut, 1862; 8°.
— historischer, für Niedersachsen: Zeitschrift. Jahrgang 1861.
Hannover, 1862; 8°. — 2S. Nachricht. Hannover, 1862; 8°.
— für Nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung:
Denkmäler aus Nassau. III. Heft. Die Abtei Eberbach im Rhein
gau. Wiesbaden, 1862; 4«. — Urkundenbuch der Abtei Eber
bach im Rheingau. Von K. Rossel. I. Band, 3. Heft. Wies
baden, 1862; 8°. — Bücherverzeichniss. 1862.
W ard, A. F., Universal System of Semaphorie Color Signals. Phila
delphia, 1862; 8°.
W ol ny, P. Gregor, Kirchliche Topographie von Mähren. 1. Ahtliei-
urig, Olmützer Erzdiöcese. IV. Band. Brünn, 1862; 8°.
der eingegangenen Druckschriften.
72 t
VERZEICIIMSS
DER EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(DECEMBER 1862.)
Academia Real das Sciencias de Lisboa: Memorias. Classe de
Scieneias mathematieas, physicas e naturaes, Nova Serie,
Tomo II, Parte 1 & 2. Lisboa, 1857 & 1861; 4°. — Por-
tugaliae monumenta historica, Vol. I. (Leyes et consuetu-
(linesj. Fase. 2. 1858: Vol. I. (Scriptores) Fase. 2 3.
1860 1861. Folio. — Annaes das Sciencias e Lettras: Scien
cias matb. phys. e nat. Tomo I. Outubro de 1857 — Fevereiro
de 1858; Tomo II. Mar§o — Julho de 1858. — Annaes. Scien
cias moraes, politicas e Bellas Lettras. Tomo I. de Agosto
1857 — Fevereiro de 1858; Tomo II. Margo — Novembro de
1858. 8°.; Corpo diplomatico Portuguez. Por Luiz Augusto
Rebello da Silva. Tomo I. Lisboa, 1862; 4°.
Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg: Memoires. VII 0
Serie, Tome III, No. 12 et dernier; Tome IV. No. 1—9. 4°.—
Memoires (Collection in 8°), Tome I. 2. St. Petersbourg,
1862, (Russisch.) — Bulletin: Tome IV, No. 3—6. 4°.
Almanach der österreichischen Kriegsmarine für das Jahr 1863.
Herausgegeben von der hydrographischen Anstalt der k. k.
Marine. II. Jahrgang. Wien; 12°.
Arneth, Alfred Ritter v. Maria Theresia's erste Regierungsjahre.
I. Band. 1740—1741. Wien, 1863; S».
Atti dell" I. R. Ginnasio Liceale ai S. S. Gervasio e Protasio in
Venezia. Anno 1” (1862—63). Venezia, 1862; 8°.
Austria. XIV. Jahrgang, XLVII.—LX. Heft. Wien, 1862; 8».
722 Verzeichniss
Bavaria. Landes- und Volkskunde des Königreiches Bayern.
II. Band, I. Abtheilung. (Mit 2 Karten und einem Trachtenbilde
in Holzschnitt.) München, 1862; 8° & Fol.
Gesellschaft, Fürstlich Jablonowski’sche, zu Leipzig: Gekrönte
Preisschriften. IX. Victor Böhmert, Beiträge zur Geschichte
des Zunftwesens. Leipzig, 1862; 4°.
— der Wissenschaften, König]., zu Göttingen: Abhandlungen.
X. Band. Von den Jahren 1S61 und 1862. Göttingen, 1862; 4°.
— der Wissenschaften, Königl. Sächsische, zu Leipzig: Abhand
lungen. Philolog.-histor. Classe. IV. Band, Nr. 2 & 3. Leipzig,
1861 & 1862; 4°; Berichte über die Verhandlungen. 1861.
II., III. & IV. Heft. Leipzig, 1862; 8».
Hammel itz. III. Jahrgang, Nr. 2 & 3. Odessa, 1862; 4°.
La Roche. Text, Zeichen und Scholien des berühmten Codex
Venetus zur Ilias. Wiesbaden, 1862; 8°.
Marburg, Universität. Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 1861—1862. 8», 4» & Folio.
Martius, Karl Friedr. Phil. v. Über die Pflanzen-Namen in der
Tupi-Sprache. (Bulletin der k. bayer. Akad. der Wissen
schaften. 1858. No. I—6.) München, 1858; 4°. — Denk
rede auf Johann Salomo Christoph Schweigger. München,
1858; 4«.
Mittheilungen der k. k. Central-Commission zur Erforschung
und Erhaltung der Baudenkmale. VII. Jahrgang, Nr. 12.
Wien, 1862; 4°.
Pichler, Georg Abdon. Salzburgs Landesgeschichte. I. Abthei
lung. Allgemeine Geschichte. V. Heft. Salzburg, 1862; 8°.
Schlechta, Ottokar, Freiherr v. Das Buch vom Fechter von
Firdewsi. Aus dem Türkischen übertragen. Leipzig, 1862; 8°.—
Compte rendu d’une decouverle importante en fait de numis-
matique musulmane publie en langue turque par Son Exc.
Subhi Bey, traduit de l’original. Leipzig, 1862; 8°.
Societas, Regia, scientiarum Upsalensis: Nova acta. Series 3““'
Vol. IV. Fase. 1. 1862. Upsaliae; 4°.
Society, The Asiatic-, of Bengal: Journal. N. S. No. II. 1862.
Calcutta, 1862; 8°.
Society, The Royal —: Proceedings. Vol. XII. No. 50. London,
1862; 8».
der eingegangenen Druckschriften.
723
Society, Tlie Royal Geographical, of London: Proceedings. Vol. VI,
No. 5. London, 1862; 8».
Teutsch, G. D. Urknndenbuch der evangelisclien Landeskirche
A. B. in Siebenbürgen. I. Tbeil. Hermannstadt, 1862; 8°.
Verein, Siebenbürgischer Museum-: Kalender für das gemeine
Jahr 1863. Klausenburg, 1862; 8°.
Wein hold, Karl. Über deutsche Jahrtheilung. Rede zur Feier des
Geburtstages Sr. Majestät des Königs Frederik's VII. an der
Christian-Albrechts-Universität am 6. October 1862 gehalten,
Kiel, 1862; 4°.
Wolf, Ferdinand. Le Bresil litteraire. Histoire de la litterature
Bresilienne suivie d’un choix de morceaux tires des meilleurs
auteurs Brasiliens. Berlin, 1863; 8°.
w
SF
m