BIBL ÖAW
Sitzungsberichte
kaiserlichen Akademie
Wissenschaften.
Philosophisch-historische C lasse.
Dritter Band.
Wien, 1849.
Aus der kaiserlich-kSniglichen Hof- und Staats-Druckerei.
In Commission bei W. ItraumüUer, Buchhändler des U. k. Hofes und
der k. Akademie der Wissenschaften.
Sitzungsberichte
der
Philosophisch-historischen Classe
der kaiserlichen
Akademie der Wissenschaften.
Dritter Band.
Jahrgang 1849. — Heft 6—10.
Juni—December.
Wien, 1849.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
ln Commission bei W. BraumüIIer, Buchhändler des k. k. Hofes und
der k. Akademie der Wissenschaften.
** 0 n 1 9 f)
•3 l > y 1 4 £
Sitzungsberichte
kaiserlichen Akademie
Wi§§en§chaften.
Philosophisch- historische Classe.
Jahrgang 1849.
Zweite A 1» 11» e i 1 u n g 1 .
Die Monate Juni — December.
Wien, 1849.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
fnlial 1
V
Seite
Sitzung' vom 6. Juni 1849.
Goldenthal, Bericht über Dr. Letteris Ausgabe von Rabbi Joseph
Ha-Kohen’s Geschichte der Judenverfolgungen 3
Hammer - Purgstall, „Uebcrsicht der Geschichte der arabischen Literatur”
(Fortsetzung) 4
Sitzung* vom 13. Juni 1849.
Karajan, über das Concil von Lyon im Jahre 1245 6
Chmel, Bericht über Heider’s Thiersymbolik
— Nr. VIII. seiner „kleineren historischen Mittheilungen” 12
Sitzung* vom 20. Juni 1849.
Hammer - Purgstall, Uebersicht der arabischen Literatur. (Schluss.) • . 48
Karajan, über das Concil von Lyon 1245 (Fortsetzung) 49
Bergmann, Bericht über Sava’s „Bemerkungen über Waffen, Rüstung und
Kleidung im Mittelalter”
Sitzung* vom 4. Juli 18^9.
Hammer - Purgstali, Bericht über Reinaud’s französische Uebersctzung von
Abulfeda v s Göographie . . . .. > . 59
Karajan , über das Concil von Lyon 1245 (Fortsetzung) * ♦ 75
Seidl, Vorwort , zu seinem. Abhandlung: „Das altitalische Schwergeld des
k k. Münz - und Antiken - Cabinettes in Wien” ......... 76
Sitzung* vom 11. Juli 1849.
Karajan, über das Concil von Lyon 1245. (Fortsetzung) 80
Seidl, Vorwort zu seinem für das Archiv bestimmten Aufsatz: „Beiträge zu
einer Chronik der archäologischen Funde in der österr. Monarchie” . .
Bergmann, über die vorgelegten Kärtchen der sette und tredici Comuni und
Bemerkungen über Friaul, besonders über das Kloster Mosach ...
Sitzung* vom 18. Juli 1849.
Hammer - Purgstall, Bericht über Reinaud’s französische Uebcrsetzung von
Abulfeda’s Geographie (Schluss) .85
Karajan, über das Concil von Lyon 1245 (Schluss) 109
Kollar, über die etruskische Inschrift von Perusia HO
Wolf, über eine Sammlung spanischer Romanzen in fliegenden Blättern auf
der Universitäts - Bibliothek zu Prag Hl
Pfizmaier, Bericht über die von Herrn C. Freiherrn von Hügel dem k. k. Münz-
und Antiken - Cabinette zu Wien geschenkten chinesischen Münzen
6
50
81
83
und Medaillen 112
Sitzung* vom 3. October 1849.
Chmel, Mittheilung eines Schreibens des Prof. Jäger über historische Arbeiten
für Tirol H5
Goldenthal, Bericht über Stern’s Ausgabe von Parhon’s hebräischem Lexicon 120
Sitzung* vom 10. October 1849.
Hammer - Purgstall, Bericht über die in den letzten 4 Jahren zu Constanti-
nopel erschienenen Werke * 126
Chmel, Mittheilung eines Schreibens des Prof. Schüller über den gegenwär
tigen Zustand der historischen Studien in Siebenbürgen 137
Seite
Sitzung 1 vom 17. October 1849.
Fest, Schreiben an die Akademie bei Ueberreichung von Bolzano’s Werken 156
Ameth, Mittheilung eines Aufsatzes von J. Stülz: ,,Die Jugend und Wander-
jalire des Grafen J. Cb. Khevenhiller nach seinen eigenen Aufzeichnungen” 162
Zimmermann, Vortrag über den wissenschaftlichen Charakter und die philo
sophische Bedeutung Bernh. Bolzano’s 163
Sitzung 1 vom 31. October 1849.
Hammer - Purgstall, Fortsetzung obigen Berichtes 174
Ameth, Schluss des Aufsatzes von J. Stülz über Khevenhiller 182
Chmcl, Bericht über die Leistungen des hist. Vereins zu Bamberg .... 183
Sitzung* vom 7. November 1849.
Scyffarth, Ersuchschreiben 217
Ameth, Bericht über D e 1 g a d o’s Memoria hist. crit. sobre el gran disco
de Theodosio 220
v. Karajan Bericht über J. K. Schuller’s Siebenbürgisch-Sächsische Ety
mologien und Analogien 227
Suttner, „Welche philosophische Disciplinen sollen auf unsern Gymnasien ge
lehrt werden?” 237
Sitzung* vom 14. November 1849.
Freih. v. Hammer - Purgstall, Verzeichniss der im J. 1847 zu Constantinopel
erschienenen Druckwerke (Fortsetzung) 251
A. Pichler, „Mittelalterliche Dramen aus Tirol” 261
Sitzung* vom 28. November 1849.
F. G, v. Hahn, Bericht über die Auffindung eines uralten albanesischen
Alphabetes 262
Freih. v. Hammer - Purgstall, Verzeichniss der in den J. 1847 und 1848 zu Con
stantinopel erschienenen Druckwerke (Fortsetzung) 266
Ameth, Bericht über die in Candia durch die kaiserl. Akademie zu erwerben
den alten Münzen und geschnittenen Steine 275
v. Karajan, Antrag, die Mittheilung eines handschriftl. Nekrologs aus dem
Archiv des Klosters von St. Peter in Salzburg betreffend ....... 280
Chmcly Bericht über „Quellen und Forschungen zur vaterländischen Geschichte,
Literatur und Kunst” 283
Sitzung* vom 5. December 1849. #
Freih. v. Hammer - Purgstall, Schluss seines Berichtes über die Erzeugnisse
der Presse Constantinopels 301
Pfizmaier, Beitrag zur Kenntniss der ältesten japanischen Poesie 315
Chmcl, Nr. IX seiner kleinern historischen Mittheilungen 329
.Ameth, Bericht über die von dem Herrn Rossi aus Cagliari eingesandten
Münzen . 366
Sitzung* vom 12. December 1849.
Freih. v. Hammer - Purgstall, Bericht über Charriere’s Negotiations de la
France dans le Levant . 368
ißollcr , über die Bildung abgeleiteter Wurzeln im Sanskrit 378
/Pfizmaier, über die älteste japanische Poesie (Schluss) 386
.Chmcl, Bericht über den historischen Verein für Innerösterreich und über Pa-
lacky’s Archiv cesky 407
Inhalt,
Seite
Sitzung: vom 6. Juni 1849.
Goldenthal3 Bericht über Dr. Letteris Ausgabe von Rabbi Joseph
Ha-Koben's Geschichte der Judenverfolgungen 3
Hammer - Purgstall, ,,Uebersicht der Geschichte der arabischen Literatur”
(Fortsetzung) 4
Sitzung* vom 13. Juni 1849.
Karajan 3 über das Concil von Lyon im Jahre 1245 6
Chmcl3 Bericht über Heider’s Thiersymbolik 6
— Nr. VIII. seiner „kleineren historischen Mittheilungen” 12
Sitzung* vom 20. Juni 1849.
Hammer - Purgstall, Uebersiclit der arabischen Literatur. (Schluss.) • . 48
Karajan, über das Concil von Lyon 1245 (Fortsetzung) 49
Bergmann, Bericht über Sava’s ,,Bemerkungen über Waffen, Rüstung und
Kleidung im Mittelalter” 50
Sitzung* vom 4. Juli 1849.
Hammer - Purgstall, Bericht über Reinaud’s französische Uebersetzung von
Abulfeda’s Geographie 59
Karajan , über das Concil von Lyon 1245 (Fortsetzung) 75
Seidl, Vorwort zu seiner Abhandlung: „Das altitalische Schwergeld des
k k. Münz - und Antiken - Cabinettes in Wien” . . . . 76
Sitzung* vom 11. Juli 1849.
Karajan, über das Concil von Lyon 1245. (Fortsetzung) ........ SO
Seidl, Vorwort zu seinem für das Archiv bestimmten Aufsatz: „Beiträge zu
einer Chronik der archäologischen Funde in der österr. Monarchie” . ♦ 81
Bergmann, über die vorgelegten Kärtchen der sette und tredici Comuni und
Bemerkungen über Friaul, besonders über das Kloster Mosacli ... 83
Sitzung* vom 18. Juli 1849.
Hammer - Purgstall, Bericht über Reinaud’s französische Uebersetzung von
Abulfeda’s Geographie (Schluss) «85
Karajan, über das Concil von Lyon 1245 (Schluss) 109
Kollar, über die etruskische Inschrift von Perusia 110
Wolf, über eine Sammlung spanischer Romanzen in fliegenden Blättern auf
der Universitäts - Bibliothek zu Prag 111
Pfizmaier, Bericht über die von Herrn C. Freiherrn von Hügel dem k. k. Münz-
und Antiken - Cabinette zu Wien geschenkten chinesischen Münzen
und Medaillen 112
Sitzung* vom 3. Octoher 1849.
Chmel, Mittheilung eines Schreibens des Prof. Jäger über historische Arbeiten
für Tirol 115
Goldenthal, Bericht über Stern’s Ausgabe von Parhon’s hebräischem Lexicon 120
Sitzung: vom 10. October 1849.
Hammer - Purgstall, Bericht über die in den letzten 4 Jahren zu Constanti-
nopel erschienenen Werke * 126
Chmel, Mittheilung eines Schreibens des Prof. Schüller über den gegenwär
tigen Zustand der historischen Studien in Siebenbürgen 137
Seite
Sitzung' vom 17. October 1849.
Fest, Schreiben an die Akademie bei Ueberreichung von Bolzano’s Werken 156
Arneth, Mittheilung eines Aufsatzes von J. Stütz: ,,Dic Jugend und Wander
jahre des Grafen J. Cb. Khevenhiller nach seinen eigenen Aufzeichnungen” 162
Zimmermann, Vortrag über den wissenschaftlichen Charakter und die philo
sophische Bedeutung Bernh. Bolzano’s . 163
Sitzung 1 vom 31. October 1849.
Hammer - Purgstall, Fortsetzung obigen Berichtes 174
Arnet\\, Schluss des Aufsatzes von J. Stülz über Khevenhiller 182
Chmel, Bericht über die Leistungen des bist. Vereins zu Bamberg .... 183
Sitzung’ vom 7. November 1849.
Seyffarth, Ersuchschreiben . . 217
Arneth, Bericht über Delgado’s Memoria hist. crit. sobre el gran disco
de Theodosio 220
v. Karajan Bericht über J. K. Schuller’s Siebenbürgisch - Sächsische Ety
mologien und Analogien . . . . . 227
Suttner, „Welche philosophische Disciplinen sollen auf unsern Gymnasien ge
lehrt werden?” 237
Sitzung* vom 14. November 1849.
Freih. v. Hammer - Purg stall, Verzeichniss der im J. 1847 zu Constantinopel
erschienenen Druckwerke (Fortsetzung) 251
A. Pichler, „Mittelalterliche Dramen aus Tirol” 261
Sitzung* vom 28. November 1849.
F. G. v. Hahn, Bericht über die Auffindung eines uralten albanesischen
Alphabetes 262
Freih. v. Hammer - Purg stall, Verzeichniss der in den J. 1847 und 1848 zu Con
stantinopel erschienenen Druckwerke (Fortsetzung) .......... 266
Arneth, Bericht über die in Candia durch die kaiserl. Akademie zu erwerben
den alten Münzen und geschnittenen Steine . 275
v. Karajan, Antrag, die Mittheilung eines handschriftl. Nekrologs aus dem
Archiv des Klosters von St. Peter in Salzburg betreffend ....... 280
Chmel, Bericht über „Quellen u nd Forschungen zur vaterländischen Geschichte,
Literatur und Kunst” 283
Sitzung* vom 5. December 1849.
Freih. v. Hammer - Purg stall, Schluss seines Berichtes über die Erzeugnisse
der Presse Constantinopels 301
Pfizmaier, Beitrag zur Kenntniss der ältesten japanischen Poesie 315
Chmel, Nr. IX seiner kleinern historischen Mittheilungen .......... 329
Arneth , Bericht über die von dem Herrn Rossi aus Cagliari eingesandten
Münzen 366
Sitzung* vom 12. December 1849.
Freih. v. Hammer - Purg stall, Bericht über Charriere’s Negotiations de la
France dans le Levant 368
Boiler , über die Bildung abgeleiteter Wurzeln im Sanskrit 378
Pfizmaierüber die älteste japanische Poesie (Schluss) 386
Chmel, Bericht über den historischen Verein für Innerösterreich und über Pa-
lacky’s Archiv cesky 407
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Jahrgang 1849. VI. Heft. (Juni.)
3
Sitzungsberichte
der
philosophisch-historischen C1 asse.
Sitzung vom 6. Juni 1849.
Nachdem die Classe sich mit den durch die inzwischen eingelang
ten Eingaben und durch die Beschlüsse der letzten Gesammt Sitzung
nöthig gewordenen Verfügungen beschäftiget, liest der Secretär
den Bericht des correspondirenden Mitgliedes Dr. Goldenthal,
als ernannten Berichterstatters über das Gesuch des Dr. Letteris,
die k. Akademie wolle ihn bei der Herausgabe der noch ungedruck
ten „Geschichte der Judenverfolgungen” von Rabbi Joseph Ha
li oben unterstützen. Der Berichterstatter bemerkt zwar, dass
Rabbi Joseph Ha-Kohen weder als Stylist noch als Historiker einen
besonders hohen Bang einnehme; das von ihm bekannte Scfer Di-
bre Ha-Samim ist eigentlich mehr eine Compilation, deren Unvoll
ständigkeit, wie Professor Luzzato in dem Vorwort zu dem in
Bede stehenden Werke bemerkt, der Verfasser selbst eingesehen
hatte; dass ferner Handschriften dieser Geschichte eben nicht sel
ten seien, besonders in Italien, da Professor Luzzato die vorlie
gende Abschrift nach drei in Padua vorfindlichen Handschriften
machen liess; dass endlich Herr Professor Luzzato eigentlich
schon alles zur Herausgabe vorbereitet, und selbst den unter seiner
Aufsicht redigirtert Text mit einem Vorwort und Anmerkungen
versehen habe, so dass Herrn Dr. Letteris dabei nur mehr das Ver
dienst der Drucklegung und Besorgung bleibe; wenn er daher auch
nicht antragen könne, dass die kaiserliche Akademie, dieses Werk-
chen ganz auf ihre Kosten und unter ihrer Aegide erscheinen lasse,
1 *
4
so habe es doch so viel Interesse, wie eben die darauf verwandte
Sorge des berühmten Professors Luzzato schon beweise, die ihm
eben durch diesen Gelehrten zu Theil gewordene Ausstattung mit
Vorwort und Anmerkungen seien so berücksichtigungswerth, dass
das Vorhaben des Herrn Dr. Letteris jedenfalls ein verdienstliches
und einer Unterstützung der Akademie würdiges sei, und hei dem
geringen Umfange des Werkes ohnehin keine bedeutende Auslage
verursachen werde.
In Folge dieses Berichtes beschloss die Classe, sich bei der
Gesammt-Akademie zu verwenden, dass Herrn Dr. Letteris dazu
ein Unterstützungsbeitrag von 50 fl. C. M. bewilliget werde.
Der Präsident Freiherr Hammer-Purgstall setzt die
Lesung seiner Uebersicht der Geschichte der arabischen Literatur
fort.
Das tausendste Jahr der Hidschret war in den Ländern des
Islams durch den Volksaberglauben ein eben so gefürchtetes, als
das tausendste Jahr der christlichen Zeitrechnung. Der Glaube an
das Ende der Welt brachte eine allgemeine Abspannung von Thä-
tigkeit und Unternehmungsgeist hervor. Es war leicht, mehreren
Dynastien ihren Untergang zu prophezeien, weil ihre Herrschaft
augenscheinlich dem Ende zusank; das sichtbare Sinken derselben
veranlasste Prophezeiungen, die leicht in Erfüllung gingen, aber
schon 23 Jahre vor dem verflossenen ersten Jahrtausend der Hid
schret wurden die Mauren gänzlich aus Spanien vertrieben. Der
poetische Hilferuf des letzten Herrschers von Granada verscholl
eben so erfolglos, als die poetische Wehklage, welche der letzte
Herrscher der Mameluken am iVil an die grosse Pyramide ge
schrieben haben soll. Die arabische Literatur von Andalus lag in
den Büchersälen des Escurial vergraben, bis der grösste Theil der
selben durch Feuer verzehrt und der Rest erst durch Casiri und
Gayangos den Orientalisten nur in der Ferne gezeigt war. In dem
osmanischen Reiche, zur Zeit seines höchsten Flores unter Su-
leiman dem Gesetzgeber, standen mehrere grosse Mufti’s auf, welche
arabisch schrieben. Kemalpaschasade, auf dessen Todesjahr die chro
nologischen Tafeln Hadschi Chalfa’s das schöne Chronogramm
setzten: Die Wissenschaften sind fortgewandert alle; der Mufti
Ebn Sund, die Seele der Gesetzgebung Suleiman’s; Ibrahim von
5
Haleb, dessen Multeka, d. i. der Zusammenfluss zweier Meere, durch
Mouradja d’Ohsson übersetzt, in Europa die Fackel moslimischer
Gesetzgebung aufgesteckt hat; und Birgel i, der Canisius der Tür
ken, diess sind die vier Säulen des Zeltes arabischer Literatur, in
dem sich verödenden Felde derselben aufgeschlagen. Mit der Blüthe
des osmanischen Reiches entwickelte sich auch die byzantinisch-
arabische Baukunst, welche eine andere als die maurisch-arabische,
als die persisch-arabische, als die indisch-arabische; an den Ufern
des Bosphorus und des Ganges erhoben sich gleichzeitig Moscheen,
Meisterwerke dieser beiden Style arabischer Baukunst, grossartige
Denkmale derselben, welche noch heute die Bewunderung der Rei
senden sind. Die Gleichheit der Namen mehrerer Gelehrten in Ma-
rocco, Spanien, Arabien und Persien zeigt, wie nothwendig die
Aufmerksamkeit der Geschichtschreiber arabischer Literatur, um
sie nicht mit einander zu vermengen. Hadschi Chalfa ist der
Schlussstein arabischer Bibliographie wie Rmon-Nedim ihr Grund
stein. Als Geograph , Bibliograph, Chronolog hat er das grösste
Verdienst; aber seine encyclopädisehen Artikel hat er alle der gros
sen Encyclopädie Taschköprisade’s entlehnt. Inmitten von Krie
gen und Entbehrungen ward dennoch das Feld der Gelehrsamkeit
und namentlich der arabischen angebaut. Dank der (reiflichen Ein
richtung des wissenschaftlichen Lehrkörpers der Ulema; bei alle
dem war das Arabische in der asiatischen und europäischen Türkei
nur die gelehrte Sprache, wie die lateinische in Europa. Natur
wüchsige Blüthen aber trieb sie noch in Syrien und Aegypten. Bei
der Menge arabischer Meisterwerke, welche nur dem Namen nach
bekannt und vermuthlich für immer verloren sind, während so viele
unbedeutende erhalten worden, drängt sich der Gedanke auf, ob
denn nicht auch bei dem Schicksale der Bücher eine besondere
Fügung und Vergeltung walten, welche die Fortdauer derselben
nicht nach dem scientilischen und intellectuellen Werthe ihres In
haltes, sondern nachdem ethischen des Geistes, in dem sie verfasst
worden sind, bemessen, so dass denen, welche aus reiner Liebe zur
Wissenschaft geschrieben wurden, eine grössere Dauer verbürgt
ist, als denen, deren Verfasser die Feder aus Ruhm oder Geldgier
geführt haben ? —
6
Sitzung vom 13. Juni 1849.
Herr v. Karajan beginnt die Lesung seiner für die Denk
schriften bestimmten Abhandlung: .,Zur Geschichte des ersten
Concils von Lyon im J. 1245 ': jener wichtigen Kirchenversamm-
lung, auf welcher der deutsche Kaiser Friedrich II., aus dem Hause
der Hohenstaufen, das eben damals im vollsten Glanze seiner Macht
stand, durch den Papst Innocenz IV. ahgeselzt, und dadurch der
Wendepunct in den Geschicken dieses deutschen Kaiserhauses her-
beigeführt wurde. Er zeigt. wie dem römischen Stuhl die Einbe-
rufung eines allgemeinen Concils nothwendig als das letzte Mittel
erscheinen musste, um den gewaltigen Gegner zu besiegen, wie
Innocenz alle Kraft anwenden musste, diesen von seinen Vorgän
gern überkommenen Plan um jeden Preis durchzusetzen. Er schil
dert in dieser ersten Abtheilung die gefährliche Reise des todtkran-
ken Innocenz im Spätherbste 1244 über die Alpen Savoyen’s und
sein endliches Anlangen zu Lyon, und entwickelt die Gründe,
warum der Papst gerade diese Stadl zur Abhaltung der Kirchen
versammlung wählte.
Herr Regierungsrath Chniel macht folgende Mittheilung:
Der Herr Assistent bei der Bibliothek der Akademie der bil
denden Künste, Doctor Gustav Hehler, hat mich ersucht, die vor
liegende archäologische Abhandlung: „Ueher Thier-Symbolik und
das Symbol des Löwen in der christlichen Kunst.” (Wien, Verlag
von Carl Gerold. 1849. 8. 42 S.) der philosophisch-historischen
Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu über
reichen als ein Zeichen seiner Hochachtung.
o
Ich ergreife diese Gelegenheit, ein paar Worte sowohl über
dieses nette Büchlein als überhaupt über das Bedürfniss einer Ge
schichte der Kunst in Oesterreich und ihrer Denkmale hinzuzu
fügen.
Herr Dr. Heid er bereitete eine kunsthistorische Arbeit über
„die romanische Kirche zu Schöngrabern und ihre Seulplerwecke”
vor, einen Theil derselben sollte die gegenwärtige Abhandlung bil
den. — Doch die Bewegung der Gegenwart hat den Sinn für
Vergangenheit (leider sage ich, weil gerade desshalb wenig
7
Aussicht für die Zukunft) verdrängt, und die Herausgabe musste
der grösseren Kosten wegen (für treue Abbildungen) verschoben
werden. Um aber eine „Probe der Behandlung eines für die mit
telalterliche Kunst und Archäologie im holten Grade merkwür
digen, vaterländischen Bauwerkes” zu gehen, hat Herr Dr. Beider
diesen wissenschaftlichen Excurs vorläufig herausgegeben.
Schade, wenn die Ungunst der Zeit das ganze Unternehmen
nicht ins Leben treten liessc: die Kirche zu Schöngrabern ist eine
der interessantesten, und ihre genaue architectonische Beschrei
bung und Würdigung müsste in mehrfacher Beziehung unser Wis
sen über die Schicksale der Kunst in Oesterreich fördern.
Ich habe Herrn Br. Beider aufgefordert, eine kürzere Be
schreibung, der ein paar Abbildungen in kleinerem Masstabe bei
gefügt werden könnten, für unser „Archiv” zu verfassen, denn dass
die Denkmale der Kunst auch zur „Geschichte” unseres Vater
landes gehören, nicht bloss Urkunden, wird wohl niemand be
zweifeln.
Ich muss aber gestehen, es tliul mir leid, nicht gleich etwas
Grösseres und für Geschichte der Baukunst Erspriessliches durch
Herrn Dr. Hehler geleistet zu wissen, denn kleinere Abbildungen
sind eben nur geeignet, einen oberflächlichen Begriff zu geben. -—•
Ich würde also den unmassgeblichen Vorschlag machen, das
Erscheinen dieses kunsthistorischen Werkes über Schöngrabern
zu ermöglichen, wobei, wie ich Grund habe zu hollen, sich Herr
Professor Bösner auch betheiligen wird. Ich schlage also vor,
300 fl. zur Herausgabe der Kirche zu Schöngrabern zu widmen. —
Ich halte dafür, dass von unserer Seite für die Veröffentlichung
unserer so interessanten mittelalterlichen Denkmale mit Recht ge
sorgt werden könne. — Vaterländisches verdient den Vorzug. —
Ich bitte, über diesen meinen Vorschlag sich auszusprechen.
Was nun die Abhandlung selbst betrifft, die ich Ihnen ver
ehrte Herren vorlege, so habe wenigstens ich dieselbe mit grossem
Interesse gelesen und ich zweifle nicht, dass sie allgemein an
sprechend gefunden werde. — Herr Dr. Beider hat schöne Stu
dien gemacht und kennt die Literatur seines Gegenstandes, beson
ders die ausländische.
Ich kann nicht unterlassen, ihn jedoch aufmerksam zu machen,
dass auch die vaterländische Literatur zu berücksichtigen sei,
8
besonders wenn es sich uin Erklärung eines vaterländischen Denk
males handelt, wozu allerdings diese episodische Abhandlung we
sentlich fördert.
Herr Dr. Heuler scheint nicht unseres Mitgliedes v. Kara jan
„Deutsche Sprach-Denkmale des zwölften Jahrhunderts” (mit
XXXII Bild ern, Wien, Braumüller und Seidel 1846) zu kennen,
sonst würde er ohne Zweifel von dem darin enthaltenen „Physio-
logus” treffenden Gebrauch gemacht haben. — Namentlich Seile
74 ist ein schlagender Beleg zu No. I seiner Abhandlung (S.
13 — 18) „Der Löwe als Symbol Christi.” Ich will die Stelle
hier miltheilen :
..Ditzze buocli wil uns chunt tuon . unde zellen aroz-
O
„zen wistuom . uon lieren unde uon uogelen . allerste
„uon dem Lewen . wie sin nature unde sin leben .
„an im sint gelegen . Do der guote Jacob . sine sune
5. „gesegenot . unde si gewillte . uon der gutes bilite . do
„sprach er uil hewen . weif des Lewen . bistu Juda
„reelle . nu wer sol erwechen . uon dinem geslaehle
„einen man . ane got . nieman. Von dem Lewen zel-
„lent div buocli rehte . wie er habe drier nature slahte .
10. „Daz erst ist so er indem gebirge get . ode indem tie-
„ffin walde stet; . so in die iaegere danne iagent . ob
„im zeder nasen der stanch chumet . so uertiliget
„er daz spor mit dem zagele . daz man in iht ualie
„an dem geiaide . Sam tet unsir herre . Christ der
15. „heilige . der der Lewe geheizzen ist . uon dem cliun-
„ne dauidis . do er uon sines uater erbarmede . her
„chom in erde . do bedahtte er gereite . der uinstern
„spor mit silier gotheite . ich meine do er chom in
„den buosem der magede . do geheilt er mennischlich
20. „chunne . Do wardc er mennisch also wir mit uleisce .
„er bovwet in uns mit dem heiligen geiste . da uon ist
„er chunich allir chunige . herschaft aller tugende .
„So der Lewe slaeffet . siniv ovgen er haltit offen .
„daz schulen wir suochen . geschrieben an den buochen .
25. „Ich slief genote . min herzze [B. 2. j (Bild 2.)
„wachote . uon div bezeichent er .
(S. 75.) „den heiligen christ got her . wände er in dem uleische
9
„entstiel' . div gotheit in anrief . do erwachot er aber .
„zeder zeswe sines uater.also geschriben ist . stände ovf
„min ere du bist . (Jot den enslafrot niht . wände
5. .,er israhel bebuolet unde sihet . So ist div dritte natu-
.,re sin . swenne div Lewin . daz weif totiz erwirfet.
„darzu sich div muotir rilltet. si huotet sin dri tage . unz
„daz der uater chumet darc . so blaeset er undir daz ant-
„luzze der iungen . lebentich werdent si an den stun-
10. „den . Sam tet der almaehtige got sinem sun . des drit
ten tages erchuchet er in uruo . uon dem tode ovz dem
„grabe . Jacoben hört ir vor sagen . so der Lewe unde
„des Lewen weif rawot . wer sol in wechen an
„got . . ”
Ueberhaupt können Freunde der mittelalterlichen Kunst und
ihrer Geschichte nicht der genauen Kenntniss der mittelalter-
liclien Literatur und insbesondere der Poesie entbehren.
Möchte doch das Studium derselben erleichtert werden durch
Vorlesungen über alt- und mittelhochdeutsche Sprache. — Die
Hede war davon schon öfter.
Mich hat übrigens Herrn Heider’s Büchlein vielfach angeregt,
und ich wünschte nichts sehnlicher, als dass unsere mittelalterli
chen Kunstschätze, deren es trotz aller Verwüstungen, Verschlep
pungen und Verwitterungen noch recht viele gibt, mehr beachtet
und durch Abbildungen und genaue Beschreibungen veröffentlicht
würden; es ist doch äusserst traurig, dass Oesterreich, an derlei
Denkmälern vielleicht reicher als viele andere Länder, für die Ab
bildungen und Veröffentlichung derselben noch sehr wenig gethan
hat 1 ). Mehrere Unternehmungen der Art wurden begonnen,
*) Ich mache hei dieser Gelegenheit Herrn Heider aufmerksam auf die sym-
bolischen Thiergestalten, welche auf dem Vespermantel zu Goss
(Siehe Muchar’s Geschichte des Herzogthums Steyermark, Bd. III. S.
146)*) dargestellt sind, aus dem elften Jahrhunderte, welchen ich nebst
*) Herr Professor Muchar sagt daselbst : „Von kunstgemässen Arbeiten und Beschäf-
„ligungen des weiblichen Geschlechts in Stickereien und Webereien geben uns die in
»»der Pfarrsakristei des ehemaligen Nonnenklosters zu Göss aufbewahrten prie-
„slerlichen Kirchenkleider und die noch erhaltene Infel des salzburgischen Erzbi-
„schofs Gebhard aus dem Anbeginne und dem Ende des elften Jahrhunderts spre
chende Belege, wenn gleich daran kein Kunstwerth gepriesen werden kann. Geb-
10
geriethen aber aus Mangel an Theil- und Abnahme wieder ins
Stocken.
Ich mache in dieser Beziehung auf zwei Werke aufmerksam.
Das eine sind die von den beiden Architecten Leopold Ernst und
Leopold Oeseber (der letztere leider schon durch den Tod entris
sen) herausgegebenen „Baudenkmale des Mittelalters im Erzherzog
thum Oesterreich,” nach der Natur aufgenommen und auf eigene
Koslen herausgegeben von den Architecten L. Ernst und Leopold
Oescher. Vier Hefte in grösstem Folio. Jedes Heft zu 6 oder 7
Blättern. (26 Blätter Abbildungen.) Wien 1846 und 1847.
Dazu kurze Erklärungen 1 ). Das Unternehmen war auf der
einen Seite doch zu wenig gründlich durchgeführt, auf der andern
dem Me ss ge wände in einer möglichst treuen Abbildung (von der Hand
Herrn Wedel’s) hier vorlege. *)
Zugleich erlaube ich mir noch einige andere Abbildungen hier vorzu
weisen, welche beweisen, dass es uns nicht an interessanten Denkmälern
aus allen Jahrhunderten des Mittelalters fehlt.
Votivtafel auf einem Seitenaltare in der Kirche des ehemaligen Cister-
sienser Klosters Neuberg (1505).
Friedensbecher zu Wiener-Neustadt, u. s w.
A ) Die jedoch wenig befriedigen. — Wir erwähnen bei dieser Gelegenheit
jener Aufsätze mit Abbildungen, welche in den Schmidl’schen Blättern für
Literatur, Geschichte u. s. w. über verschiedene Denkmäler erschienen sind
und von Herrn Dr. Adolph Schmidl später abgesondert herausgegeben wurden
unter dem Titel:
,,Kunst und Altertlnim in Oesterreich.” Erstes Heft (in vier verschie
denen Ausgaben). Folio. Wien 1846, bei Sommer. Es enthält vier Abbil
dungen :
,,hard's kleine unansehnliche Infel zeigt heilige Gestalten auf Goldstoff mit der Na-
,,del eingearbeitet, und sein Krummstab aus Holz und Elfenbein die Schnitzkunst
,,in ihrer Kindheit. Merkwürdiger, wiewohl nicht mehr so gut ex’halten , ist der be-
,,reits über 800 Jahre alte Priesterornat, Messkleid, Vespermantel sainmt Leviten-
„rocken zu Göss, voll ezechielischer und apokalyptischer Thiergestalten, aus bunter
„Seide gestickt, und sowohl von dem ehemaligen Glauben an Mysterien der Religion,
„als auch von der Beschäftigung adeliger Matronen und Jungfrauen Zeugniss gebend
„durch folgende eingenähte, noch lesbare Inschriften: Rogo te ecce mortalis pro
„te datur hostia talis 7 In crucc sum pro te , cessa peccare rogo tc. — Majestas
„amor et divina potestas nos locat in coelis — Coeli Matrona Chunegundis
„suscipe dona. — Casula cum cappa placeat tibi coelica m(appa). Chunegundis
„Abbatissa hoc opus est operata. — Chuneginne goziret hat mit der Siden wat
„deu.” —
*) Werden später mitgetheilt.
11
wieder zu grossartig ausgestaltet, so dass gleich von vornherein
der Abnehmer nur wenige sein konnten.
Die ersten drei Hefte liefern zum Theil schon mehrfach abge-
hildete Denkmale (das Stift Klosterneuburg), das vierte Heft die
heilige drei Königs-Capelle in Tulln, über welche Herr Ileid er
ebenfalls ein kleines Schriftehen veröffentlichte.
Das andere Unternehmen wurde im Jahre 1847 begonnen von
dem Pesther Buchhändler Nicolaus Szerelmey unter dem Titel:
.,Magyar hajdan es jelen. Ungarns Vergangenheit und Gegenwart
„in getreuen Abbildungen mit erklärendem Texte. Tn Verbindung
„mit G. von Döbrentey, J. Haeufler, M. Horvath, E. Henszlmann,
„J. Luczenbacher, F. Toldy, F. Ilazucha und andern vaterländi
schen Gelehrten und Kunst-Freunden herausgegeben in unga-
..rischer und deutscher Sprache von Nicolaus Szerelmey.” In kl.
Folio. In ungarischer Sprache erschienen sechs Hefte, in deutscher
Sprache nur fünf. Das Unternehmen, freilich mehr für die Gegen
wart als für die Vergangenheit sorgend, gerieth aus Mangel an Un
terstützung jedoch auch bald ins Stocken.
Allerdings müsste ein wissenschaftliches Unternehmen, eine
Geschichte der Kunst in Oesterreich, auf ganz andern Wege vor
bereitet werden; nach meiner Ueberzeugung werden wir erst dann
eine befriedigende Geschichte derselben erhalten, wenn sich die
1. Grabmal Kaisers Friedrich lll. im St. Stephansdome zu Wien, nach der
Natur gezeichnet und radirt von J. Bücher, beschrieben von Joseph
Feil.
2. Das Bischofhaus zu Kuttenberg in Böhmen, nach der Natur gezeichnet
von Jos. Hell ich in Prag, mit Elektrotinte auf Kupfer übertragen in
F. Theyer’s galvanoplastischer Anstalt in Wien, beschrieben von Eras
mus W o c e 1 in Prag.
3. Die Aegidiuskirche zu Bartfeld in Ungarn, beschrieben von Dr. E m er ich
Henszlmann in Pesth. Ein Flügelaltar in derselben, nach der Natur
gezeichnet und radirt von J. Bücher.
4. Der Tabernakel in der Kirche zu Kaschau in Ungarn, nach der Natur ge
zeichnet und radirt von Fuchst h aller in Pesth, beschrieben von Dr.
Emerich Henszlmann.
Wir heben besonders die Beschreibung des Grabmales Kaiser Fried
richs III. von Feil hervor, das ist eine brave Arbeit; wollte Gott, Feil
könnte sich der Specialgeschichte Wiens ganz widmen.
Ein zweites Heft war angekündigt, ist aber leider nicht erschienen.
12
verschiedenen dazu nöthigen Kräfte vereinigen. — Die Ge
schichtsforschung muss sich mit künstlerischen Talenten
in Verbindung setzen, die Arbeiten müssen gemeinschaftlich un
ternommen werden. Leider haben wir nicht einmal noch einen
tüchtigen Nachweiser, der mit kritischer Genauigkeit namhaft
machte, was noch existirt und in welchem Zustande.
»So dankenswerthe Notizen in Tschischka’s „Kunst und Alter
thum in Oesterreich” auch zu finden sind, so ist ihm, wie be
greiflich, sehr Vieles unbekannt geblieben, auch wohl Manches,
was schon bekannt war, entgangen; zum Beispiele der so inter
essante Stiftsbecher in Kremsmünster aus dem achten Jahrhun
derte ('!). — Hätten wir vor der Hand nur die genaue Angabe der
in den deutschen Kronländern noch existirenden Denkmale. — Auch
nur eines einzigen Kunstzweiges.
Ich fordere »Sie, verehrte Herren, auf, diesem Gegenstände alle
Aufmerksamkeit zu schenken. — Möchten wir doch jüngere Kräfte,
die für Geschichte der Kunst sich mit Erfolg interessiren, uns
zueignen.”
Die C'lasse nahm einstimmig den Vorschlag des Herrn
ö o
Chmel an, dem Dr. Heid er die Herausgabe seines Werkes über
die Alterthümer von Schöngrabern durch einen Unterstützungsbei
trag von 300 fl. C. M. zu ermöglichen, und beschloss, sich in die
sem Sinne bei der Gesammt-Akademie zu verwenden.
Herr Regierungsrath Chmel legt dann vor No. VIII. der
„kleineren historischen Mittheilungen.”
Urkunden und Actenstiicke zur Geschichte k. Albrechts II. (V. als
Herzog). Aus den Jahren 1413 — 1439.
Ich (heile hier fünfzehn Stücke mit als Nachträge zur Ge
schichte K. Albrechts II. von Fr. Kurz (Wien 1835, 2 Rde. Kupf-
fer und Singer) und zum fünften Bande Liclinowsky’s. — Der
letztere führt vier derselben ganz oberflächlich in den Regesten an,
eines dieser vier Stücke ist falsch aufgefasst, bei zwei andern sind
die Daten abweichend. — Alle vier verdienen die vollständige
Mittheilung. —•
13
Alan wird aus diesen Nachträgen sehen, dass die Forschung
nicht bloss nicht abgeschlossen ist, sondern in vieler Beziehung
erst anfangen muss. — Wir wollen eine kurze Uebersicht dieser
Actenstücke geben. —
No. 1 und 2 betreffen die Geschichte der Wiener Universität,
für die sich Herzog Albrecht gar sehr interessirte und die auf ihn
grossen Einfluss hatte. ■—•
No. 1 erwartet seinen Commentar von einem historisch gründ
lich gebildeten Juristen. Während der Vormundschaftsführung Her
zog Leopolds IV. (Dicken oder Stolzen) über Herzog Albrecht V.
hatte der Vormund dem Kloster Waldhausen (in ob der Enns)
Leubmanstorf unter Greitschenstein gegeben; Herzog Albrecht
wollte nach Erreichung seiner Mündigkeit diese Schenkung nicht
anerkennen. — Er liess sich zu diesem Behufe von der Wiener-
Universität ein Gutachten gehen, welches in doppelter Fassung
(lateinisch und deutsch) in einer Handschrift des geheimen Ilaus-
archives erhalten ist. — Aus dem Jahre 1413 (?)
No. 2 enthält eine Entscheidung Herzog Albrechts (21. De-
cember 1414) über einen Streit, der sich in der Facultät der sie
ben freien Künste erhoben hatte bei Gelegenheit einer Wahl, durch
die sich die eingebornen Oesterreicher zurückgesetzt glaubten,
weil sie auf einen Schwaben gefallen war. Bei dieser Gelegen
heit müssen wir schon wieder den dringenden Wunsch aussprechen,
es möge an eine Geschichte der Wiener Universität gedacht wer
den; wohl muss die Forschung vorausgehen, an die will man
nicht; freilich ist sie sehr mühsam, man will ernten ohne zu graben
und zu ackern.
No. 3 und 4 betreffen die Verhältnisse des Münz Wesens,
ein Gegenstand, der zu den schwierigsten gehört wegen der unauf
hörlichen Veränderungen. — No. 3 ist jedoch rein juridischer
Natur.
No. 5 betrifft die Verhältnisse der Herzoge Ernst und Al
brecht , die zur Ausgleichung ihrer Streitigkeiten leider die eige
nen Unterthanen zu Schiedsrichtern machten — hinc illae lacrimae.
No. 6 beleuchtet einen Artikel des in Wien üblichen Erb
rechtes, der abgeändert wird, um nicht die Güter der Bürger
nach und nach in fremde Hände kommen zu lassen.
14
No. 7 und 8 betrifft die auswärtigen Verhältnisse und zwar
zunächst die Verbindung mit dem Herzoge Philipp von Burgund,
der lebhaften Antbeil insbesondere an dem hussitischen Kriege
nahm.
No. 9 ist ein Nachtrag zum dritten Bande von Aschbachs Ge
schichte K. Siegmunds, in welchem die hussitischen Kriege be
handelt werden.
No. 10 ist ein Schreiben an Herzog Albrecht vom 29. Juli 1429
über die traurigen Zustände des heiligen Landes.
No. 11. Eine Instruction Herzog Friedrichs des altern (in Ti
rol) für einen Abgesandten an Herzog Albrecht, und beleuchtet die
Pläne des ersteren.
No. 12 gehört zur Sittengeschichte Wiens; es sind Ar
tikel, welche die von dem Basler Concilium abgeordneten Visita
toren mit dein Wiener Stadtrathe verabredeten zur Herhaltung
einer bessern Polizei. 1436.
No. 13. Ein Promemoria, welches die österreichischen Städte
auf dem Landtage (September 1437) dem Herzoge überreichten
und die von demselben erlheilte Antwort.
No. 14 und 15 gehören zur österreichischen Reehlsge-
s c h i e h t e.
1) Dcclaratio Dooterum Wiennensium super donatione et Incorporatione
prediefa.
(Nämlich Leubmanstorf unter Greutschenstein, welches H. Leopold von Oester
reich als Vormund H. Albrcchts (V.) dem Kloster Waldhausen gegeben hatte,
welche Schenkung aber H. Albrecht nicht anerkannte , als er volljährig gewor
den war.)
Tutor sine decreto Res pupilli alienare non potest ff. de rebus
eorum qui sub tutela vel cura sunt in Rubro et in nigro s. C. de
pred. vel vrbani non al. uel obligan. pertotum, et non solum do
natio ymo venditio transactio et permutatio prohibila cst, ut in I.
non cst, et Item non solum prohibita est alienatio rerum immobi-
lium sed etiam mobilium, ut auri argenti gemmarum vestium et om-
nium mobilium preciosorum, ut in Ti. Icxque C. de admi. tu. Supe
rior autem est proximus ord. ut in L. Icxque ibi, sed per inquisi-
tionem Judicis quod autem nomine bonorum sine rerum nedum
veniant mobilia et immobilia sed etiam incorporalia p. de vel. ecc.
tv al H. consultissimo Li" o-o in possessiones scu uua (?) Ex qui-
15
bus patet quod de uir. communi non sufficit consensus etiam om-
nium bonorum, nisi auctoritas superioris interveniat sic. in al. rei
ecclesiastice non sufficit consensus clericorum nisi auctoritas su
perioris interueniat ut in cle si. vna de rebus ecclesiasticis non ali.
n. q. ij sine exceptione. Ex quo infort. solummodo — ad secundum
scilicet quod si tutor aliquid fecerit consensu sibi condeputatorum
quod bec non tenent, quod etiam non cz de. iur. etiam si de eorum
consensu tantum fecerit sine auctoritate superioris. Nam priuata
dispositio priuatorum uis commune non ledit. Pc testa requisisti ft.
del. I. nemo, et liec de iure communi. Sed quod de consuetudine
speciali almania non recipit usum legum, ut notatur in e. super spe
de priuilegiis, quid sit de consuetudine loci ignoramus cum fuit
facti et in facto consistant de constitutfione ?) c. j. 1°. vj°. Item
supposito quod consuetudo habeat quod alicnatio rei papillaris va-
leat, sine decreto superioris, adhuc non valet, quod sit contra talein
consuetudinem, que vim legis habet xj. d. in liiis de consue. cum
diltus. ff. de le. si — demptatione. Item si preter consueludinis so-
lempnilatcm adicitur alia. solempnitas, similiter et illam tutor ser-
uare tenetur, si in talem modum consensit, quod forma mandati
exacta diligentia est seruanda. ff. man. diligenter. de rescp. cum dilc.
de pactis 1. et ij et ultimum ft', de paetis. — Item si interveniret
auctoritas superioris et aliquis surreptionis interveniret renouan-
dum est quod factum est, ut in dje/ta I. lex(|tie C. de adm. tu. et C.
de prediis vel rebus im. non al. et si preses. —
Ms. N. 73. toi. 31. N. 17.
Declaratio vulgaris super eodem.
Ob ain gerliab des waisen gut emphrombden mag mit der
gunst vnd willen die Im zu der Gerhabschaft zugeschickt sein.
Ein gerhab mag nicht empfrombden des waisen gut an der
neehsten obristen gewalt, vnd ist dem gerhab verpoten nicht alain
gab, sunder verkauften mitberichtung vbergeben vnd Wechsel. Auch
ist nicht alain verpoten dem gerhab empfrombdung der erbgüt er,
sunder auch varunder guter als gelt silber Edlsgestain, gwant vnd
aller kostperr varunder hab. Der obrist ist der liechst, obrist ge
waltig Richter. Auch vnder dem namen gut ist inbeslozzen erbgut
vnd varund gut vnd auch vnleiblicbe Recht. Aus dem ist wissent
lich nach gemainem Rechten, daz in der empfrombdung ist nicht
genug, aller lanndesherren verhengnusz nur alain es kom darzu des
16
obristen gewalt. Aus dem ist geantwurtt zu dem anndern, ob ein
gerhab empfrombdet mit gunst vnd willen, der die Im zugeschickt
sind, daz das nicht kraft hat von gemainem rechten an gewalt des
obristen, wenn besunder Ordnung besunder leut, laidigt nicht ein
gemains Recht, das ist antwurt von gemainem Rechten. Vnd wenn
dewtsche lannd von besondrer gewonhait lialden sich nicht kaiser
licher Rechten, was darumb des lannds gewonhait sey, das wizz
wir nicht wenn das leit an der tat. Auch ob das wer daz gewonhait
wer das empfrombdung der waisen gut kraft hiet, an des obristen
gewalt, doch hat chain kraft was empfrombdung wider solhe ge
wonhait beschehe wan sollt gewonhait hat rechts kraft. Auch ob
an der gwonhait zir oder zir wurd zugesaczt, die sol auch ain
gerhab behalten, ob er die gerhabschaft in der masz aufnymbt. Auch
ob zu der empfrombdung des obristen gewalt kem, mit versvveigen
der warhait oder meldung valscher sacli, so ist widerzerulfen was
also emphrombdt ist.
Ms. N. 73. 1'. 31. N. 18. Geh. Hausarchiv.
2) Ain Ordnung der Artisten innemens in meins herren Gollegy ze VVienn.
Wir Albrecht etc. Bekennen vnd tun kund offenleich mit dem
brief. Als die erbern gelerten vnser sunder lieben n die maister in
den sybenkünsten vnsers Collegy der schul hie ze Wienn ainstails,
vnd die maister vnd Studenten derselben vnser schul, geborn von
vnserm land zu Oesterreich des andern, mit einander stössig vnd
misshelig sind gewesen, von einer wal wegen, so die vorgenanten
maister vnsers Collegy an maister Jacoben von Villingen getan
habent, dieselb wal die obgenanten maister vnd Studenten vnsers
lands ze Oesterreich widersprochen vnd der Sachen an vns gedingt
habent vnd vns fürlegten, wie sich dieselb wal nach den gesetzten
als vnser vodern herezogen zu Oesterreich etc. löblcieher gedecht-
nuss mit Iren brieuen bieten aufgesatzt, nicht rechtleich noch or-
denleich vergangen hiet, sunder das maister Beter von Pyrchen-
wartt geboren aus vnserm land ze Oesterreich nach dem vnd der
bey vnsrer schul vast gearbaitt hiet, vnd wol verdient wer, pil-
leicher denn der vorgenant maister Jacob solterwelet sein worden,
der sach sy baiderseitt an vns gangen sind, stet zu halten, was wir
darumb sprechen, vnd wan wir aigenleich betrachtet haben, daz
von solhen zwayung vnd misshellung die egenant. vnser schul, die
weilent der hochgeboren fiirst vnser lieber herr vnd Ene herezog
1?
Albrecht seliger gcdechtnuss zu lob dem almechtigen Go(; vnd
durch kreftung vnd vestigung kristenleichs gelaubens wolbedecht-
leich gestifft vnd erhebt hat, abnemen vnd bekrenkht wurde, haben
wir zu vnderkomen solich künftig zwytracht vnd scheden die dar
aus geen möchten wolbedechtleich noch vnsrer ret vnd gelerten
lewt rat die obgemeldt sacli zwischen in entsch.iiden, vnd darumb
auzgesprochen als hernach geschriben stet.
Des ersten, daz die vorgenant zwayung vnd misshelung gencz-
leich ab vnd berichtt sein sulln. Also daz dhain tail zu dem andern
dbainen vnwillen noch veintschaft von der Sachen wegen nicht tra
gen noch haben sol weder vil noch wenig in dhain weis an geuer,
wan wer das vnder in vberfiire, der sol seinn stand vnd wirdikait
die er bey vnserr schul hie hat, genczleich verloren haben vnd
wellen darczu schaffen in darvmb swerleich ze pessern. Darnach
sprechen wir daz die vorgenant wal als die maister vnsers collegij
getan habent bey iren kreften sol beleihen vnd sol maister Jacob
den sy gewelet habent sich des Stands des lesens vnd der gemecli
in vnserm collegy halten, als im zugebttrt, vnd als ander maister
vor im sieh derin gehalten habent, doch daz er enczicleich orden-
leich vnd nuczleich in der schul desselben vnsers Collegij arbeitt
vnd lese, damit die schuler von solher seiner Arbait vnd lesen ge-
pessert vnd nicht gesawint werden. Vnd wan wir aigenleich vnder-
weist sein, daz der obgenant maister Peter von Pirhenwart bei vn
srer schul menigere piiher gelesen vnd vil guter schuler gemacht
hab, sprechen wir wenn sich hinfür am ersten gepiiret, daz ain
stant der syben künsten in dem vorberürten vnserm collegi ledig wirdt,
daz man in denn, ob er den auf'nemen wil nach solhem seinem wol
verdienen für ainn anndern darzu vordem vnd welen sol, doch also,
wenn er darzu gewelet werde, daz er sich mit seinem leben erber-
leich halte, vnd mit lesen vnd in ander weg mit den schillern ar-
baitt, als im das zugepiirt, vnd als er das vnczher getan hat an ge-
verde. Item so sprechen wir, ist daz derselb maister Peter der vor
genanten stant, ob es ze schulden kumbt, aufnymet, wenn sich denn
darnach gepuret, daz aber ain stant der Artisten in dem vorgenan
ten collegy am ersten ledig wirdt, so sullen die zwen lerer der hei
ligen Schrift vnd die maister der syben künst desselben vnsers col
legy aber ainen maister der syben kunst von vnserm land Oester
reich oder ob der Enns ob man ainen gehaben mug, der fiigleich
Silzb. d. Philosoph, hist. CI. Jahrg. 1849. VI. Heft. 2
18
vnd muc7, sey für ander lewt dar zu welen. Wie aber, daz der vor
genannt maister Peter den egcmeldten staut nicht aufneme, so sul-
len die egenanten maister der heiligen schrift vnd der sybenkunst
zwen ander maister der sybenkunst von vnserm land ze Oester
reich vnd oh der Enns, oh man die gehaben mag, die nucz vnd füg-
leicli sein, zu zwain sienten der syben künstelt vnsers obgenanten
collegy wenn die am nächsten ze ainczing oder mit einander ledig
werden für ander lewt welen vngeuerleich. Item als weilent der
hochgeboren fürst vnser lieber vetter herezog Wilhalm seliger ge-
declitnuss aufgeseezt hat, daz vnder den zwelif artisten die die n.
maister vnsers vorgenanten collegy habent zu welen, sechs nur von
vnsrer vettern vnd vnsern landen, ob man die gehaben mag gewelet.
vnd aufgenomen stillen werden , vnd sechs von andern oder dersel
ben vnserr vettern oder vnsern landen. Seczen und mainen wir, daz
es dabey beleihe, doch in solher mass, daz nu furbazzer derselben
sechs maister drey von vnserm land ze Oestereich vnd ob der
Enns, vnd drey von vnserr vettern landen, ob man die gehaben
mag, die nucz vnd fiigleich sein, wele vnd aufneme, vnd daz die
Ordnung derselben wal also gehalten werde, wenn man die zweit
maister von unserm land ze Oesterreich, oder ob der Enns aufge-
nomen vnd gewelet hat, als vor geschriebn stet, daz denn darnach
wenn es ze schulden kumbt gewelet vnd aufgenomen werde ain
maister von vnsrer vettern landen, darnach aber ainer von vnserm
land ze Oesterreich, oder ob der Enns, vnd darnach allweg ainer
von vnserr vettern landen, vnd ainer von vnserm land ze Oester
reich vnd ob der Enns, ob man die gehaben mag, vncz daz die zal
der sechs maister von vnsrer vettern landen vnd vnserm land ze
Oesterreich in dem collegy genczleich erfüllt werde, vnd wie offt
darnach endrung in demselben collegy vnder den maistern der sy
benkunst gesehech, wie sich das fügte, dadurch notdurft ist, ander
maister zu welen, daz die wal denn allweg gehalten vnd getan wer
den, als hievor geschriben steet. Sunderleich ist vuser mainung
daz zu denselben sechs stellten vnd auch zu den andern Stenten der
sybenkünsten vnsers obgenimnten collegy nyemant durch gunst,
freuntschaft, kuntschaft noch lieb gewelet, noch von andern enden
her geuordert werde, nur allaiu es sey wissentleich vnd offen, daz
derselb maister, den man darczu welen wil, nucz vnd fügleich dar-
czu sey. vnd daz er das hie bey vnsrer schul, mit lesen vnd mit
19
andrer arbait, die darzu gehöret bewert hab vnguerleich. Item so
offen wir, daz diser vnser auzspruch vnd aufsacz von der egenan-
ten vval wegen beleihen vnd gehalten sol werden, vncz an vnser
oder vnserr erben widerraffen. Mit vrkunt dicz briefs. Datum Wienn
in die S. Tome apostoli anno etc. cccc qnarto decimo.
Dipl. (Alberti) N. 24. Oester, fol. 116. 1416. 26. August.
3) Miinssgerichtt vnd Statgerichtt.
Hernach ist vermerkht wie die misshelung die gewesen ist
zwischen dem n. miinnssmaister vnd dem stat richter hie ze Wienn
von des miinssgerichts vnd statgerichts wegen vor vnser herezog
Albrechten herezogen ze Oesterreich etc. vnd vor vnsern reten
entschaiden sind.
Des ersten als der mönssmaister furgibt daz über all hausge-
nossen vnd goldsinid vmb all Sachen nyemant ze riehtten hab denn
er. Mainen wir daz der munssmaister vber all bausgenossen vnd
ir gut wer zu in zu sprechen hat vmb was Sachen das sey zu rich
ten hab. Ausgenomen, t'ridpreeber, todsleg, wunden, dyeb, rau
her, prenner, morder, oder ander solich vbelteter oder vbelteterinn,
die des halss vervallen sind, darüber sol der stat Richter der den
pan von vns bat, richten, als recht ist. Vnd als von alter ist her-
komen. Ob sich aber solich vbellat, als vor berurt sind, von der
munss wegen vergiengn was darinn den hantlel der munss berurt,
das sol der munssmaister richten, was aber den leib, oder wunden
des leibs antrifft, darüber soll der stat richter riebtten, als vorge-
schriben ist.
Item, als die hausgenossen mainent, daz man nach solher
brief begreiffung, so sy von vnsern vordem seligen habent, nye
mant in iren hewsern vnd sunderlich in der slachstuben vaben vnd
anvallen sulle. Mainen wir, daz man nyemant in derselben hausge
nossen hewsern, noch in der slachstuben vmb all erber sach anval
len vahen, oder bekümmern sulle.
Item so mainen wir, daz vnser munssmaister ainen velscher
der münss, golds oder Silbers, wa er den ankumt gwalt hab anzu-
vallen vnd zu vahen vnd die hausgenossen niederczeseczen das recht
vber den valsch, den der velscher getriben hat ze sprechen. Vnd
darnach sol er denselben velscher dem stat richter antwurtten
daz er gepusst werd nach ervindung der hausgenossen. als das vor-
2 *
tnaln ist herkomen. Vnd was auch derselb Velschcr guts hat, das
den Valsch berurt oder daran er den valsch getriken hat, das sol
dem Munssmaister geuallen. Was er aber anders guts hat, das den
valsch nicht berürt das sol vns vervallen sein. Doch daz dem Rich
ter von dem gut, das den valsch berürt sein Recht geualle, damit
der Vbelteter gerichtt vnd vberwunden werde, als vormalen ist her
komen. Item die Fronboton vnd Schergen sol die Stat vmb Iren
Sold auzrichtten als vormalen ist herkomen. Wann wir aus vnsrer
vordem seligen alten Raytpühern wol vnderweist sein daz Sy das
billeich tunt.
Auch sol dem Stat Richter der Ruh vnd Krenczol geuallen,
als von alter ist herkomen. Die czedel ist gehen ze Wienn an Sun-
tag Quasimodogeniti anno domini m°cccc<> quiuto decimo.
Diplomatar. No. 24. (Oestr.) fol. 111. No. 305.
4) „Von der Neuen miinns wegen in Oesterreich.”
Wir Albrecht etc. Bekennen vnd tun kund offenleich mit dem
brief. Wan wir aigenleich betracht vnd angesehen haben, die gros
sen vnd manigueltigen gebrechen vnd scheden, die wir selber an
vnsern Ambten vnd Nuczen, vnd darnach vnser Land vnd Lewt ett-
leich czeit her genomen haben, von frömder vnd ringer munss we
gen die in vnserm land gengig gewesen ist. Darumb das zc vnder-
steen vnd ze vnderkomen, haben wir durch gemains nucz vnd fru-
meus willen vnserselbs vnd vnsers lauds, vnd lewt nach vnsrer Iant-
herren vnd Ret rat, vnserm münssmaister, vnserm Anwalt vnd vn
sern Hausgenossen ernstleich empfohlen vnd mit In geschafft, vns
miinnswerch ze wurichen vnd ze arbaitten nach der tewrung des
Silbers. Das habent Sy auch getan, ze gegenwart vnsers obristen
kamrer in Oesterreich, IV. vnsers munssmaisters, vnd vnsers Anwalts
an der stat da sy er ze Recht tun sullen, vnd da man es ze recht
sol aufseczen vnd prennen, nach irer alten hantuest sag. Darnach
haben wir mit denselben vnserm N. obristen kamrer, N.dem münss
maister, vnd N. dem Anwalt geschafft vnd schaffen auch wissentleich
mit dem brief, daz Si derselben phenuing sullen nemen czwayr
Markh swer, vnd sullen die enczway tailen, vnd sol yeder markh ain
körn gebrannt, vnd darczu gelcg-t werden, vnd dieselben czway tail
sullen vnd wellen wir yetwedenn tail mit vnserm Insigel besigeln.
Ol
Ä I
Derselben zwayr tail ainen sol dann vnser obrister kamrer inne-
men, den sol im denn vnser anwalt besigeln mit seim insigel zu
vnserm insigel. Vnd den andern tail sol vnser anwalt inneinen, vnd
sol im den vnser obrister kamrer besigeln zusambt vnserm insigel.
Des haben wir dadurch getan. Ob yemant gegen vnsrer miinss,
oder gegen vnsern hausgenossen, ainem oder menigern reden, vnd
sy gen vns entsagen wolt, es ging an aufczal, oder prant, das sul-
len sy verantwurtten gen den obgenanten czwain markhen, vnd den
körn, der vnser obrister kamrer aine, vnd vnser anwalt die ander
innhabent, vnd sol auch das geschehen an der stat da er ze Recht
geschehen sol, vnd sol ander nyemant das recht darumb sprechen
dann vnser hausgenossn, als von alter herkomen ist. Auch haben
wir nach vnsers rats, vnd vnsers öbristen kamrer rat aufgesaczt
vnd geordnet, vnd seczen auch wissentleich mit kraft dicz gegen-
wurttigen briefs, daz nu fürbazzer meniclileich der newn phenning
die wir yecz geschafft haben ze machen, zwen für der alten drey,
vnd der alten drey für der newn czwen nemen vnd geben vnd da
mit handeln sol in allen Sachen vnd hendeln nichts darinn ausgc-
schaiden. Vnd die ordnung sol gehalten werden, von hinnen vncz
auf die nechst kumftigen weichnachten, vnd von dannen vber drew
jar nach einander vnguerleich. Item wir seczen vnd mainen, was
Silbers her in vnser stat gen Wienn bracht «erd, was des vber
vier markht sey, daz das nyemant dann vnsern gesworenn hausge
nossen verkaufft sull werden, vnd auch nyndert werd abgewegen
denn von vnserm geswornem czymenter in vnsrer czymentt, dem
man das zu bringen sol abzewegen wieuil des sey, damit es darnach
zu vnsrer münss gebraucht vnd genuczet werde. Auch seczen vnd
mainen wir, welher hawsgenoss sein, vnd der rechten vnd frey-
haiten die ander vnser hawsgenossen von alter herbracht vnd ge
habt habent gemessen well daz der vnser münsswerich mitsambt
den andern hausgenossen enczicleich arbaitt vnd treib nach seim ver-
mugen, damit wir vnd das land daran nicht gesawmet vnd presthaft
werden. Darczn so sullen dieselben unser hawsgenossen welich
vnser münsswerich also arbaitent vnd treibent, bey allen iren gna
den freihaiten vnd rechten beleihen vnd die halten, als sy die bey
vnsern vorvordern seliger gedechtnuss habent herbracht vnd gehal
ten, vnd als die brief innhaltent die sy von denselben vnsern vor
dem vnd vns darüber habent angever. Vnd des ze vrkund etc. Ge-
22
beu ze Wiennanmitichen vor santAugustinstag anno etc.cccc“ sexto
decimo. D. 0. in consilio.
Diplomatar. N. 24. (austr.) l'ol. 123. X. 346. S. Richnowsky V. Regg.
Nro. 1645.
5) leb Olt von Meissaw obrister marsehalb vnd obrisler
sehenkeh in Oestereich, bekenn als in der nechsten berichtung die
zwischen den hochgeboren fürsten herezog Ernsten erezherezogen
vnd herezog Albrechten herezogen ze Oesterreich zc Steyr ze
lvernden vnd ze Krain grauen ze Tvrol eie. meinen gnedigen lieben
berren ist begriffen. daz vmh solleich aufhaltung so iren baiden
dienern kaufleutten vnd vndertanen an irer hab vnd gütern ist be-
schelien vnd widergangen ir yegleicher seiner ret zwen oder drey
mit vollm gewalt gen Dreskirehen auf sand Bertelmeustag vergan
gen schicken solten daz die solleich Sachen da verhorn vnd iren
vleizz tun. damit die furderleichen geslicht vnd ze gutem end pracht
wurden, vnd ob dieselben ir ret darinn nicht vberain werden moch
ten, in ainem oder menigern stukeheu. daz dieselben mein herren
dann an mich begern vnd bitten solten, daz ich mich auf den obge
nannten sand Bertelmestag auch daselbshin gen Dreskirehen fugen
solt vnd solleich Sachen mitsambt in verhorn, vnd ob sich die in
einem oder menigern stukehen nicht verayneten, daz ich dann vmb
dieselben sfukch als ein obman auzsprech vnd mir des iren vollen
gewalt gegeben, was ich darumb sprich, daz si das stet halten wel
len vngeuerleich, vnd auch daran ir geuallen tu, als das der brief
so mir dieselben mein genedig herren darumb gegeben haben aigen-
leich innhalt. Haben sich bey demselben tag ze Dreskirehen mei
ner baider herren ret die darczu geschafft wurden nicht verainen
mugen, vnd mir baider tail klagzedel vnd vordrung zedeln als ei
nem obman vberzegeben. Ervindet sich in denselben zedeln, daz
auf baiden tailn vil aufhaltung, so ain tail dem anderm getan hat
vnd auch daz sich yeds tails ettleich des andern tail erib vnd gut
vnd auch nucz in seines herren landen hat vnderezogen vnd daz
auch auf baiden tailn meniger uil verlorn vnd auch dagegen merk-
leich wider aufgehalten vnd ingenomen haben ettleicher mer inge-
nomen dann verloren, ettleicher mer verlorn denn ingenomen, ett
leicher verloren, vnd dawider nichts emphangen. Davon sprich ich
als ein obman das all solich aufhaltung vnd scheden, die in meiner
baider herren nechsten berichtigung an mich geschoben sein vnd
sich auf baiden tailn von derselben irer zwayung wegen vnder den
Sachen haben verlauffen, zwischen meins gnedigen herreu herezog
Ernsts seiner diener kaufleutt vnd vndertanen eins tails vnd mei
nes gnedigen herren herezog Albrechten auch seiner diener kauf-
leutt vnd vndertanen des andern genczleich ab vnd lautier hin sein
sollen angeverd vnd daz weder derselb mein herr herezog Ernst,
sein diener kaufleutt noch vndertan hincz dem yeczbenanten mei
nem gnedigen herren herezog Albrechten seinen dienern kaufleut-
len vnd vndertanen darumb dhainen vnwillen Zuspruch vordrung
noch veintschaft nymer haben noch gewinnen sullen uil noch wenig
vnd zu geleicher weis mein gnediger herr herezog Albrccht sein
diener kaufleutt noch vndertanen hincz meinem gnedigen herren
herezog Ernsten seinen dienern kaufleuten vnd vndertanen auch
nicht hinwider als vor crzelt ist, sunder dieselben mein baid her
ren mugen nach irn gnaden yegleicher die seinen in seinen landen
für sich vordem, sy haben ingenomen oder verloren vnd weegen
damit die, die vil haben ingenomen, den die dann vil verloren haben,
in irer Verlust ze statten körnen vnd also die, die dann vil verloren
haben von den die dann vil innhaben entail irer sclieden ergeezt
werden, vnd sullen auch auf baiden tailn all gefangen, die in solher
zwayung sein gefangen worden, als vor berurt ist, mitsambt iren
porgen sy haben abgedingt oder nicht aller gelubde vnd auch gelts,
das noch nicht geben wer genczleich vnd allerding ledig vnd los
sein angeuerd. Ich sprich auch daz Lienharten dem Stubier lant-
schreiber in Steyr, alle sein hewser si sein ze Wienn ze Newnburg
oder andern enden ze Oesterreich gelegen, vnd was varunder hab
noch vngeverleichen darinn ist mit sambt den pawngerten anuer-
cziehen sullen ingeantwurtt werden, vnd sich aller weingerten, die
er im Iand ze Oesterreich hat gehebt, vnd der er entwert worden
ist, yecz nach dem lesen wider vnderwinden. Ich sprich auch ob
sich der meins herren herezog Ernsts diener kaufleut vnd vnder
tan in solicher irer zwayung in seinen landen icht erb oder grünt
vnderezogen hietten die meins herren herezog Albrechten dienern
kauffleutten vnd vndertanen zugehorten oder sich meins herrn her-
czog Albrechten diener kaufleutt vnd vndertanen in seinen landen
icht erb vnd grünt vnderezogen bieten die meins herren herezog
Ernsts dienern kaufleuten vnd vndertanen zugehorten, daz die auf
baiden tailn wider einander vngeuerleichen sullen ledig gelassen
24
werden. Auch sprich ich von solher vordrung wegen so Leutolt
Stikkelperger, Hymkch von Ottaw, VII Volkel, Hanns Hebenstreit
und Vll Harnaschmaister von ettleicher hof hewser grünt vnd guter
wegen hincz meinem gnedigen herren herezog Albrechten mainen
ze haben, hiett sich derselb mein herr solher höf hewser grünt vnd
guter von der egenanten zwayung wegen so er mit seinen vettern
auch meinen gnedigen herren geliebt hat vnderwunden, so sol er in
der schaffen abzetreten vnd wider in ze •ntwurtten. Ob sich aber
derselb mein gnediger herr herezog Albrecht derselben grünt als
ein erb vnd von erbschafft wegen vnderwunden hiet, so ist er in
der nicht pflichtig abczetreten, vnd bieten dann die egenanten da
gegen mit recht icht ze sprechen, das mugen si tun vor im, vnd
auch derselb mein herr in das recht gnedicleichen widerfarn las
sen. Item Kunrat Wöchner vnd Paul Giesser mugen ze Wienn ir
wesen vnd Warnung wol haben, also ob das der burger daselbs will
vnd in selber fugleich ist. Item von des Grünen Jacoben des maler
wegen sprich ich seind der meinem herren herezog Albrechten als
der sein zwir geswarn hat vnd darüber an seinem willen von im
gefarn, daz im dann derselb mein herr was im genomen ist nichts
phlichtig ist widerzegeben. Es wer dann, daz er sich wider gen
Wienn hewsleichen seczen vnd ziehen wolt, vnd ob im dann der
selb mein herr herezog Albrecht ichts widerschaffn oder widerfa-
ren lassen wil das stet hincz seinen gnaden. Mit vrkund des
Spruchs versigelt mit meinem anhangundem insigel geben ze Horn
nach Kristi gepurd virczehenhundert jar darnach in dem syben-
czehendem jar, des samstags vor sand Michaelstag.
S. Lichmnvsky. V. Regesten. No. 1737. unterm 26. Sept. 1417. Ans dem
Original. (?)
Dipl. (Oestr.) No. 24. fol. I. N. 1.
6) Wir Albrecht von gots gnaden herezog ze Oesterreich etc.
bekennen vnd tun kund offenleich mit dem brief. Als in vnsrer stat
ze Wienn langezeit her ze recht gehalten vnd gesprochen ist
wenn ein man zu einer frawn erbgüter bracht hat, die ledikleich
sind sein gewesen, von wem die an in körnen sind, vnd darumb er
vnd sein erben in brieten vnd gruntpüchern sind gestanden, was er
derselben guter vnuerschafft, vnuerkumert vnd vnuermacht hinder
im lassen hat, daz die alle seinr hausfrawn ob die nach im in leben
beliben ist zu leibgeding gesprochen sein sy hab haimstewr vnd
25
morgengab gehabt oder nicht viul ob der man kinder hinder im
lassen Iiah oder nicht, zu geleicher weis oh ein fraw zu irem mann
erbgüter bracht hat die ledikleich ir sind gewesen von wem die an
sy körnen sind, vnd darvrnb sy vnd ir erben in briefeu vnd grunt-
püchern sind gestanden, was sy derselben guter, vnuerschafft, vn-
uerkumert vnd vnuermacht hinder ir lassen hat, daz die alle irm
mann, ob er sy vberlebt hat, gesprochen sein zu leibgeding, er hab
von desselben seins weibs wegen liaimstewr vnd morgengab inn-
gehabt oder nicht sy hab kinder hinder ir lassen oder nicht. Vnd
wan wir kundleich vnderweiset sein, daz dasselb recht, vnd die
gewonhait, der egenanten vnsrer stat nicht gemainen nucz, sunder
abnemen bracht hat, vnd das damit der burger kinder daselbs irs
veterleichen vnd müterleichen erbs offt enterbt sind worden vnd
solh ir erb, das in rechtleich hiet zugepuret, wider vnsers landes-
rccht zu fromder lewt hannden körnen ist, das zu vnderkomen, vnd
durch aufnemens vnd gemains nucz willen vnsrer vorgenanten stat
haben wir die egenant gewonhait abgenomen, vnd nemen auch die
ab wissentleich mit kraft des briefs für vns vnser erben vnd nach-
komen, vnd mainen vnd wellen, das all Sachen von erbschaft wegen,
die man oder weil) hinder in lassent, wenn sich die in vnsrer ege
nanten stat begehen!, so vor gemeldt ist, nicht mit den vorgenan-
ten rechten vnd gewonhaiten, sunder nach solhen gewonhaiten vnd
rechten, als anderswo in vnserm land vmb erbgüter, die in Briefen
vnd gruntpiiehern geschriben steend, recht vnd gewonhait ist, ge
richtet vnd entschaidn sollen werden angever. Ob sich aber darüber
solhe Recht als sich dann vorher vergangen habent, hinfür mer in
derselben vnsrer stat begeben vnd vergiengen, die sollen kraftlos
vnd .ab sein. Vnd des zu vrkunt geben wir den brief versigelten mit
vnserm fürstleichen grossem angehangem insigel. Der geben ist ze
Wienn an montag nach sand Veyts tag. Anno quadringentesimo vi-
cesimo.
Diplomatar. (Lehenbuch H. Albrechts V.) No. 61. Austr. loc. 106. fol. 1.
7) Gedenkcht ze werben an vnsern lieben oheim den herezogen zu
Burgundi.
Des ersten sagt im vnser freuntschaft vnd dinste.
Darnach. Als er yecz sein ret zu vnserm gnedigen herren
dem römischen etc. kunig vnd vns gesandt vnd sieh got dem
26
almechtigen /,e lob vnd dem heiligen kristengelauben zu sterkung
dem yeczgenanten vnserm gnedigen hcrren dem kunig zu ereil vnd
vns zu freuntschaft willigen erboten hat, auf die keczer zu Beheim
ze ziehen, daz wir das gern gehört haben, vnd des zumal vast er-
frewet sein, vnd bittet in darauf so ir fleissiklichest mugt daz er
in den Sachen nicht ablasse, sunder den für sich nachgee vnd die
volbringe, als er furgenomen hat, wan wir guet hofnung haben vnd
an zweiuel sein, der kristenhait werde vil trosts vnd guts daraus
geen, als ir im das wol werdet erczelen, vnd auch wie wir vnsern
hofmaister mitsambt seinen retcn im zugevallen yczund zu dem
egenanten vnserm gnedigen herren dem kunig haben geuertigt.
Denn als dieselben sein ret an vns bewert habent ain erkant-
nuss der wagenpurg so die Hussen furent zu haben, darauf antwurt
im das gemelde damit er dester aigenlicher erkennen rnuge wie
dieselben wagenpurg gcschikckct sein.
Vmb den von Frevburg etc.
Darnach so ir zu vnserm vettern herezog Fridreichen körnet
so saget im auch vnser freuntschaft vnd dinste vnd gebt im denn
die Sachen von der heirat wegen von Cleve zu erkennen nach allen
gelegenheiten so ew wissentlich ist, vnd ob im die Sachen zu synne
wurden so geuellt vns wol, daz er das vnserm oheim von Burgundi
verkünde, vnd sagt im darauf wie wir ew yecz verrer zu dem yeez-
genanten vnserm oheim dem von Burgundi in vnserer botschaft
schikchen.
Auch sagt frawnMargrethen herezogin zu Holland vnser freunt
schaft vnd guten willen.
Gleichzeitige Copie. Papier. Geh. Hausarchiv.
8) Das sind die begebung vnd fragung, die vnsers lieben vet
tern N. des von Burgundi ret an vns herezog Albrechten herczo-
gen zu Osterrich vnd marggraven zu Merhern etc. nach iunhaltung
ains memorial vnd emphelchnuss von desselben vnsers vettern wegen
an vns geworben habend, darum!) daz die materi vnd sach dester ee
zu ende vnd austrag kome, ob die also einn furgang gewingen, des
si getrawn vnd mainen es beschech ob got wil. Da engegen wir auf
yeden artikel vnser anttwurt tun als hernach geschriben stet.
„Von erst bitten vnd begeren si von des egenanten vnsers
„vettern von Burgundi wegen an vns, das wir ordnen vnd schik-
„che'n graf Rudolfen von Sulcz vnsern hofmaister mit in zu vnserm
27
„genedigen herren N dein römischen etc. kunig, vnd daz wir in
..hellen gegen seinen gnaden in semlicher potschaft vnd sach, so si
„an sein gnad ze werben haben, von des obgenanten vnsers vettern
.,wegen, die die obgenanten materi berurent.”
Darauf ist vnser antwurt, daz wir willig sein den obgenan
ten vnsern holinaister mitsambt desselben vnsers vettern von
Uurgundi reten zu vnserm genedigen herren dem römischen
kunig ze sennden.
„Item wo vnd an weihen enden vnser vetter vud wir zusamen
„körnen sullen doch so bitten vnd begeren si das daz geschech zu
„Nürnberg oder zu Regenspurg.”
Darauf ist vnser anttwurtl . daz vns am füglichisten dunk
eltet, daz der yeczgenant vnser vetter vnd wir in vnserm
lannde zu Osterrich vnd sunderlichen in vnsrer stat zu Wienn,
zusamen körnen, wan vns das durch vil gelegenhait willen wi
der die feind zumal füglich dunkchet. Es wer denn daz vnser
gnediger herr N. der römisch kunig sich selber zu solhen
Sachen lügen wolt, wa vnd an weihen enden im dazz denn am
füglichisten wurde, das bestund bei seinen gnaden.
„Item ze wissen was gewalt die verdampten keczer nuigen
„gehoben, wieuil sy recht per volkch vermögen, wie vil edel vnder
„in sein, wievil sy volkch zu rossen mugen gehoben, vnd wievil
„schuczen, vnd wenn si all bei einander sein, wievil ir sein, vnd
„was fursichtikchait, vnd vortail sy des kriegs für sich nemen, es
„sei vor den geslössern, die si belegen, oder sonst wenn sie ziehen
„auf dem weg.”
Ist vnser antwurtt, daz die veinde uw menigermal in vnser
lannde geczogen sind ye mit mer volkchs vnd ettwenn mit
mynner. Aber daz man ain lautter wissen derselben veinde
mug gehaben, des mag nicht gesein. Doch ir meiste samnung
vnd volkch, daz si in vnserm lannde zu ainem mal gehabt ha
ben, des ist bei vierczigk tausent mannen ze rossen vnd ze
fuessen gewesen, wenn si sich derselben zeit zu gueter mass
heten besammet.
„Item ob ain gewalt also kerne, der mit in rechten wollt ob
„si beliben oder aber ob si in ire geslosser wichen vnd Was in di-
„sem artickel fürzunemen sey vnd ob das also beschech.”
Ist vnser antwurtt. Sehen oder merkchen die veinde irn
28
vortail, so warten viul harren sy des streits an sich. Versteen
si aber des nicht, so waichen si aber mit vortail wider ah,
wenn si allzeit irn vortail mit der wagenpurg, vnd in vil an
dern wegen habent, doch wie sich die Sachen von der veinde
wegen schikchen wurden, darnach must man sich gegen in
auch richten.
„Item ze wissen was edels geraysigs vnd gewappents volkchs
„vnd auch schuczen der obgenant vnser vetter hie vinde, als wir
„zueinander rukchen werden in das lannde gen Beheim durch meni-
„ger ennde willen.”
Darauf ist vnser anttwurtt, daz wir vnserm vettern zu di-
sem mal nicht Jautter verschreiben mugen was wir solhs ge-
raisigs volkchs, vnd auch anders volkchs yecz vermugen. Wer
aber daz sich der zug also begeben wurde als wir des hoffen.
So mainen wir vns mit vnsern Ianntleuten darauf zu besam
men, vnd mit volkch da engegen ze schikcken nach dem pessten
vnd wir vermugen.
„Item was Zurichtung der veind wagenpurg sey, die si alltag
„nuczen vnd das man ein form irer wagenpurg hiet vnd gesehen
„mochte. Vnd wie sie sich damit halten vnd behelfen, es sei an irm
„geliger oder auf dem weg als si ziehen oder fürbas rukchen, vnd
„was geczeug werch oder sinnes wider si oder die egenante w<a-
„genpurg man ervinden möchtte, vnd wieuil si grosser oder klai—
„ner puchsen haben, vnd auch andern geczeug, so zu dem krieg
„gehöret als si geslosser sturment, und wann man ir geslosser
„stürmet, wie si sich dawider wern.”
Schikchen wir hiemit demselben vnserm vettern von Bur-
gundi derselben wagenpurg schikchung ain gemalte form, denn
wie sich dieselben veind in irm geliger an irm ziehen vnd
auch sunst halten mit derselben irr wagenpurg, des mag man
nicht lautter geschreiben, wenn si sichnicht albeg in ainer
weis damit schikchen, sunder nachdem, vnd man in begegent
also halten si sich auch herwider mit puchsen vnd anderer
irr wer.
„Item ze wissen was gellt vnd parscliaft auf die gelerten vnd
„prcläten gelegt sey, vnd auf die gemain in deutschen lannden, vnd
„auch auf die juden, es sey an zehent oder anslagung, vnd wa das
„Iig vnd wer gewaltig darüber sey vnd was sin darauf wer wenn
29
„man in dem zug wer. Vnd wie man ainen fund vinden möchtte,
„damit man des gelts geniessen möclite vnsenn vettern vnd vns ze
„hillff.”
Ist vnser anttwurrt, daz wir nicht ain aigenschaft noch ain
wissen haben was derselb anslag bringe oder was des gevallen
sey wann das noch hei den kurfürsten stet.
„Item wie man sich halten sol vmb kost an demselben zug,
„die weil man das lannde gewunne, vnd in dem lannde wer, vnd oh
„kost in demselben lannde sei, vnd hei den lannden vnd nachge-
„pawrn, vnd wie man von Niirnhergk oder von Regenspurg hinein
„zug gen Beheim, vnd was pass da sei, vnd ob es pirg oder eben,
„oder holcz vnd wasser da sey.”
Ist vnser anttwurtt, das vnser vetter vnd die seinen kost
genug vinden vnd haben werden.
„Item ob gross puchscn in den steten Nürnberg vnd Regens-
„purg, oder in den steten dabei sein. Vnd was ander zeug vnd ob
„man das lilie, vnd wie man das von in bringen möchtte. Vnd ob
„die fürsten oder herren darum!) gesessen, auch icht haben, ob si
„das auch leihen wolten, vnd wie man das von in brechtte, vnd ob
„sy gut puchsenmaister gehoben mögen, die da wol schiessen kun-
^len, gross vnd klain puchsen ze machen vnd ze giessen, wenn
„man des bedörfft, vnd oh gut werchmaister in disen lannden sein
„werch ze machen, vnd ander geczeug, gross stain, vnd leicht in
„ze werden in die geslosser vnd auch fewr pfeil vnd fewr in die
„wagenpurg ze werffen, das sy verprunnen.”
Ist vnser antwurtt, das vnsers egenanten vetter ret vnser
grosse puchsen hi wir der hie ze Wienn haben wol gesehen,
vnd beschawet habent an andern zeug vnd puchsen klain vnd
grossen, die wir allenthalben bei vnsern marchgeslossen vnd
in Merhern haben, denn der klainen hanntpuchsen, der sind in
vnsenn lannde zumal vil. Ausgenomen puluer, Salpeter, swebel
vnd puchsenmaister, die mag er mit im bringen ob er wil.
„Item wenn es geschech, daz man in der veindt lannde kerne,
„vnd ob man das lannd nicht gar gewunne, ob man doch möcht
„beleihen zu winterczeiten vor wasser vnd ob man kost die zeit in
„dem lannde funde. Oder aber ob man widerumb zuge zu der
„frewndt stet vnd geslossern vncz das der wintter fürkeme.”
30
Darauf ist vnser anttvvurtt, da* man wintterzeiten im lannde
zu Beheim wasserhalben wol geligen mag vnd beleihen. Man
mag auch kost darinnen zu gueter mass genug vinden.
„Item ob zwischen Nürnberg oder Begenspurg vnd Prag auf
„dem weg kain kristen stet oder geslosser in dem lannde zu Behem
„oder dabei sein vnd wie si sein vnd ob man wisse ob si vnsern
„vettern vnd sein volkch also inlassen wollen, vnd in kost geben
„für sich vnd ire pferd vmb ir gelt."
Ist vnser antwurtt, das weniger kristen stet vnd geslosser
daselbs vmb vnd anderswo an das lannde zu Behem stosset.
Aber wir kunnen nicht versteen daz der zug vnserm vettern
vnd auch vns daselbs hin gen Behem füglich sey ze ziehen,
von der weld wegen. So sind auch die kraiss daselbs eben von
den vcindten vasst verwuegstet. Also daz ze besorgen ist,
man mug nicht narung wol vnd kost haben. Darumb dunkchet
vns geraten sein, dass es im vnd auch vns am aller fugleich-
sten sey, durch vnser lannde wider dieselben veinde zu zie
hen. Wann in da weder kost, perg, tal, holcz noch wasser
nicht irret. So mag er auch wintter vnd summerzeiten in vn
sern geslossern gegen den veinden wol geligen vnd beleihen,
vnd die allzeit davon wol beraichen.
„Item ze wissen wie uil gross vnd clain puchsen vnser gene-
„diger herr von Österreich hab, vnd wie er die verttigen vnd in-
„bringen well mit dem zeug, vnd was ander notturftig zeug er hab
„zum krieg, es sei von puchsenpulver, vnd vvievil er des gehoben
„muge, vnd wie man geh ainen centen salniter vnd svebel vnd wa
„man das am aller paswalisten ynd nehentisten vinden muge.”
Ist vnser antwurrt, das wir vormalen vnserm vettern zu
guter mass von der puchsen wegen geantwurtt haben, denn
von salniter vnd swebels wegen lassen wir sein freuntschaft
wissen, das man ainen centen salniters vmb xiiij (13’A) gul-
dein vnd ainen centen swebels vmb viiij (8*4) guidein gibet.
„Item wie woluail man funde ze Regenspurg, ze Nürnberg
„oder in disem lannde eysen stahel plev glokchenspeis oder
„mettal.”
Desselben zeugs vindet man hie in vnserm lannde genug.
„Item ob man gut herrt holcz hab in der gegeilt zu Beheni
„hanntwerch gross vnd klain. vnd ander rustung, manttel, terschen
31
„Baicess ze machen spiesstaugen, schefft zu englischen pogen,
„spiesseysen vnd laitter ze machen.”
Ist vnser anttwurtt, daz wir schuczen vnd ärmst ain gut
tail in vnserm lannde haben, denn vverchleut, die eybein po
gen, vnd englisch geschos machen kunnen der haben wir nicht
hie, die mag vnser vetter mit im bringen, die im solh wer
machen.
„Item ob man maister nnig gehaben, die graben kunnen wider
„der erd in ain geslos wenn das not geseliech. Vnd greben ze
„machen zu notturft. vnd ob man maister gehaben mug die da poll-
„werch kunnen machen.”
Ist vnser antwurtt daz vnser vetter graber vnd polwerch-
maistcr mit im bringen mag, wann vns des notturft dunkchct
sein. Wiewol wir der auch ain gut tail haben, die zu solhen
Sachen kunnen vnd wissen.
„Item ob man auch vinden mug allerlai hakchen krampen
„gaisfuess vnd fuesseisen.”
Ist vnser antwurtt, daz man hie leut genug vindet, die das
alles machen kunnen vnd darczu zeug, daraus man das ge
machen mug.
„Item von der inünss wegen.”
Ist vnser antwurtt, daz das zu vnsers genedigen herren des
kunigs willen stet.
„Item daz man bestell vnd gedenkch vmb kost, damit man
„allerlei kost, daz zu speiss gehöret gehaben mug, vnd daz man
„das in ainem geleichen kauf!’gehaben mug vnd fürkome, daz man
„das nicht tewr anslach von des zugs wegen, und daz die kauff-
„leutt das in ainem geleichen lassen beleihen vnd das dieselben
„kauffleut, dieweil vnser vetter vnd wir darinne sein, es sei an irm
„geliger oder am czug, stet speis vnd alle kost frey fürn in allem
„kauffe als oben stet, vnd daz man die dabei schirme.”
Ist vnser antwurtt. Daz man speis genug vindet als wir das
vorgemeldet haben, vnd wenn vnser vetter also kumbt, so
wellen wir im vnd den seinen geleichen vnd rechtvailn kauf
schaffen.
„Item darumb daz man verstee, daz vnsers herren von Bur»
„gundi gnad darauf genaigt, vnd willig sei solhen zug ze tun auf
..sein kost. So mainet er doch all sein parschaft, so er hat vnd im
32
„werden sullen in seinem lande vnd sunst es sey von stewr von
„gab oder legung nichts ausgenommen, dar ze legen, verzeren, vnd
„verreiten in demselben zug, die keczer ze vertreiben, vnserm
„herren dem kunig zu eren, vnd seinem obgenannten vettern von
„Osterrich zu freuntscliafft vnd als dauor gemeldet ist, daz man
„wiss wa das gelt des anslags in deutschen lannden hinkomen ist.
„Da mainet er so man ze veld ligen werde, vnd die Sachen der keczer
„noch nicht ende hiet vnd verlengert wurde, daz soll) aufgehebtgelt
„den obgenanten fürsten pillich zu hülfe keine, denn nyemand an-
„derm. Vnd daz auch vnser heiliger vater mit der miltikchait der
„kirchen mit demselben vnd anderm pilleich zu stat vnd zu stewr
„tet den obgenanten fürsten, darum!) auch der von Burgundi sein
„ret vnd potschaft zu vnserm heiligen vater geschikcht hat.”
Darauf ist vnser antwurtt wenn vnser vetter vnd wir zu
einander kommen so wellen wir vns aus den vnd andern Sa
chen wol vnderreden, wie die für sich ze nemen sein.
Von Aussen: „Her Hawgen Werbung von herezog Albrechten, vnd
„des von Burgundi aisch von der zugs wegen (wider
„die keczer) vnnderricht 1420.
Gleichzeitige Relation* (Orig*) Papier. Geh. llausarchiv.
(Ordnung des reichs liertzugs contra käezer.)
Das ist eine wegrewffung wie man sich halten schol in den
heren als hernach geschrieben stet:
Zum ersten all dy in dye her kuinenn dy schullen vor peych-
tig werden vnd gots leychnam enphahen vnd sich gotleych halten.
Item der pischolff von Maynncz von Choln vnd der pischolff
von Trir, der pfalczgraue pey Beyn schullen ein here vnd ain wa-
genpurg haben vnd iren streyt pesteilen.
Item dy herezogen von Saeh(s)enn der lantgraff von Düring
vnd der lansgraff Hessenn schullen auch ein her haben vnd ain
wagnpurg vnd iren streyt pesteilen.
Item der maregraff von Pranpurg pyscholff von Wurczpurg
pyschollf von Pabnberg vnd dy herezogen von Payern der von
Wirtenburg dy grafen vnd ritterschaft von Swaben vnd was aws
dem Lande zu Frankchen kumbt schullen auch ein here haben vnd
ein wagenpurg vnd iren streyt pestellen.
33
Item der pischolff von Maydburg der pischolff von Hyldesz-
haym der pischolff von Halberstatt dy herezogen von Prawsberg vnd
der jung markgraff von Prawnburg von der Marke wegen schallen
ein here haben vnd ein wagenpurg vnd iren streyt pesteilen.
Item dy reyshstet dy schallen ein here haben vnd ein wagn-
purg vnd iren streyt pestellen vnd sich mit irem volck zu einem
fürsten zu weihen sy wellen slalien.
Item die slesigen fürsten vnd heren dez lannts zu Lewsycz
vnd dy sechs stet vnd der hoffmayster von Prewssen schullen ein
here vnd wagenpurg haben vnd iren streyt pestellen.
Item all herezogen von Osterreych schullen ein here haben
vnd ein wagnpurg vnd irnn streyt pestellen.
Vnd wann dy fürsten herren und stett zusammen kumenn
mit iren heren in das lant zu Behem so schullen sy donn iren streyt
vnd wagnpurg haben auflf das peste wie sy dez aynig werdent.
Item was ein yegleycher fürst herre oder stett fusgen Wap
pen pringt dy schullen gleych halb puschenn halb armbrust haben
mit pheylen pleye und puluer vnd was darczu gehörtt.
Auch schol man vber zehen fusgen einem hawptman seczenn
vnd vber hundert einenn vnd vber tawsent einen liawptmann seczen
vnd ausrichter.
Wer aber ob yemant so vbel tete wer der wer von demstreytt
fliehen wolt oder aus dem landt czu Behem rite gieng oder fure an
seines hawptman willen vnd wissen der ader dye vnd ire weyber
vnd ire kinder schullen ewichleychen vertriben sein vnd all ir gut
vnd hab verloren haben.
Auch schullen dy herrenn vnd fürsten einen freyenn marckt.
pestellen in dem here also das geböndleych ist vnd wer darwider
tete der schol seinen leyb verloren haben.
Item ein yegleicher wagen denn mann in das here pringt der
schol starkh vnd gut sein vnd schol ein eysene chetten haben funff-
zehen schuch lang vnd ein yegleicher wagenchnccht einen Hegel haben.
Auch so schol chaynn fürst oder herre oder stett vor chayner
statt oder bürg ligen dy zu notig sey mit sturm lenger wenn ein
nacht es ensey denn mit wissen aller fürsten herren vnd stett.
Auch so schol man pestellen wann dy here zusammen kumen
das ein here einen tag vor cziechen schol vnd das ander nach als
das dann redleych ist vnd als man des ainyg wirdet-
Sitzb. d. philosoph, histor, CI. Jahrg, 1849. VI. Heft. o
34
Audi sdiol ein jegleycher herre sein renn panyr pesteilen
welcher von der panyr hire rite oder fure an des hawptmans vrlab
dem oder den scliol man sein pherdt nemenn vnd schol dye wewtten
vnd da schol nyemant vmb redenn auft’ das das man dester gehor
samer sey vnd pey dem panyr peleyb.
Item so schol nymant in den herenn Spillen wer das tet dem
schol man ein hantt abslachen.
Item so schol nymant chain gemayn frawen in dem here ha
ben wer das tat den schol man verprennen.
Item wer ein meszer gewinnet vnd einen wundet dem schol
man ein hant abslahen ist auch ein ferch wundt oder totyg darnach
so schol man richten als recht ist.
Auch so scholl man in den heren nicht pusawmen sunder wenn
man pusawmt so schol ein ygleicher peravt sein vnd an dystat ku-
men da er hin gescliyeht ist.
Item wer da still oder yemant das sein nyniet es sey in dem
here vor dem here woe das geschiecht es war harnnasch oder
phert oder welcberlay das wäre den schol man hallen vnd in schol
chain genad helfenn.
Auch schol ein yegleyclier herr fürste oder stete in iren
heren ir pesunderleych schoptfen darczu haben vnd pesteilen ob er
chaynerlay chlag für sew cham dy dar vber taylenn vnd fundenn
schullenn was recht sey und iren straffer da pey haben ob des nöt
geschach darvber zu richten.
Wer aber auch ob ymantt in dem here wer mit dem andern
zwaytrachtig war welicherlay das wer der schol das do dem andern
nicht aws ruckenn noch gedenkchenn in chainenn argenn sunder er
schol das güttleychen halten vnd hestenn lassenn yegleicher in sei
ner hehawsung.
Auch so schol inan pestellenn ob ein aufflawtl’ in dem here
wurde das sich nyemant darczu Wappen scholl vnd auch nymant
darczu laulfenn sunder dy dy do darczu geschikcht werden, also
yegleyclier herre furst oder stete ezwen darczu schikchen schulln
als man ains wirdet dy da czwisschen chumenn vnd dy aufflauff zu
stören vnd vngefuge pebaren.
Auch so schol ein yegleyclier herr fuer oder funnff wolgelart
phaffenn in seinem her haben dy dem volck predigen vnd lerenn
wie man sich halten schol vnd vmb des heyligen christenleychen
35
gelauben willen streytten schallen so man dy aller pest ausprin-
gen mag.
Auch schol sich chayn herr vnder dem here chainerlay sach
vnderwinnten ausczurichten ein czunemen oder czu tun an des
obristen hawptman wissen vnd willen etc.
M«fa>
Item der von Sachsenn ij C. der lantgraff von Düring j C.
Item der von Prannburg ij C. Item der Osterreych iij C. Item her-
czog Albrecht herczogcn Ernst kinder ij C. Item hcrtzpischolff von
Salczpurg j'xx. episcopus Passaw vnd dy andern zu seinen lewtten
gehören xxx. Item hcrczog Ludwig von Martony j'xx. Item herezog
Ernst hercz'og Wilhalm j'xx herezog Heinreych j'xx herezog Hanns
1. herezog Ott mit des pfalczgraun landt czu Payern xxv Wircz-
purg episcopus Ixxx Baben, xl. Item augustinenses xx. Item Eyste-
ten xxx Ratispona... Fraysingxx Maincz ij'Choln ij 1 ', Trir ij*'. Sach
sen phalczgralT ij'. Meydwurg j c . Premen episcopus j c . Constant
Ott xxvj Basel v Burnicz Fridreych v. Munster Heinr. 1. Ossen-
burck x Hildesbaim xx. Strasspurg xx Mundenn xv. Lubek v. Bran-
purg xv. Missen x Newnburgk xx Morspirg xx Spcyr xxx. Camyn
xv. Plus quam dccem episcopi. Item der tewtsch her mayster
alayne 1. Ebehardus 1. magister Johannes Ordens x. Cametawer von
Choblens xx etc.
Gleich*. Aufzeichnung. Geh Hausarchiv.
10) Ulustrissimo ac serenissimo principi domino domino duci
Austrie domino meo strenuissimo.
Illustrissimo et serenissimo domino christiano duci Austrie
domino meo benignissimo, salutem in Christo filio dei. Si mea
luimilitas dignam emittere non potest serenissime vestre domina-
tioni orationem. tuam ipsam exoro serenitatem, ut pro necessitate
proque pietate Christiane fidei, quam semper pura mente coluisti,
intentus esse velis. Audies quidem nostras vel potius christiano-
rum calamitates, que omne cor ferientes ad lacrimas deberent con-
citare. Agitur enim de opprobrio illato terre sancte a perfidis ne-
phandissimisque judeis quam felices christiani reges et principes
effuso tanto sanguine a prauitate barbarorum precio maximo postea
redemerunt, ubi sepulchrum domini saluatoris Jesu et cetera sa-
cra loca montis Syon que sub mea ceterorumque fratrum custodia
3 *
36
hactenus illesa incontaminataque fuerunt, que quidem 11011 sine
magnis laboribus et doloribus nostris non sine magnis impensis
postremoqne cum periculo vite nostre finaliter integra seruataque
fuerunt. Sed utinam liiis rebus posset sufl’icere nostra vita, quia
banc semel dedicatam domino Jesu Christo pro libertate terre
sancte libenter traderemus , sed eo necessitas nos conduxit, ut co-
gamur infelices vivere, et a sanctissimo summo pontifice ceteris-
que principibus christianorum presidia mendicare. Sunt circiter
anni quinque gloriosissime princeps, quod pauci christiani trans
mare venerunt ad visitandum sepulchrum domini propter certam
inhibitionem, que ex curia apostolica dicebatur emanasse, ita quod
conuentus fratrum minorum sacri montis Syon, qui solent ex solis
elemosinis viuere, in maximam inopiam est redactus nec habere po-
teramus pecunias, e quibus fieri oportet largiciones sarracenis, ut
quiete viuere possemus sed nec habebamus alimenta victui neces-
saria, liarum rerum conscii versutissimiquc judei, quos flagrantis-
sima dudumcura sollicitat, ut e couentu nostro habeant certam ca-
pellam, que dicitur capella Dauid, ubi constat eis esse corpora
Dauid et Salomonis, cuius deuotionem secundum suos ritus ipsi
judei maximam esse putant, tantum operati sunt, quod per medium
cuiusdam sarraceni, cancellarii Jerusalem, qui dicitur Mocha, ohti-
nuerunt a soldano Babilonie, quod dicta capella Dauid a cetero con-
uentu nostro secluderetur. Interuenerunt ab ipsis judeis maxime
pecuniarum largitiones, quibus cunctos presides sarracenorum cor-
rumperunt interueneruntque odia antiqua in christianos, ut talis
locus omni thesauro pretiosior e manibus christianorum ex mea-
que custodia raperetur. Nam supra ipsa capella Dauid est capella
aduentus Spiritus sancti super apostolos et cenaculum domini Jesu
Christi, habet enim ipse Moclia penes Jerusalem capellam quan-
dam sancti Samuelis dedicatam ritui Judeorum, ad quam Judei pro-
ficiscentes faciunt tantas eorum elemosinas, quod ipse Mocha sin-
gulis annis habet magnam pecuniam, qui putans non minorem se
pecuniam consecuturum, si dictam capellam Dauid obtinuisset, ad-
ductis per falsostestes rationibus quod dicta capella esse consucuit
Meschita siue ecclesia sarracenorum ipsam capellam Dauid impe-
trauit et obtinuit a soldano pelleetus auaricia ad preces judeorum
ita quod cum horribili furore ipsi judei sua intentione potiti
proch dolor frangi fecerunt muros quos beata Constantini mater
37
Helena imperatrix fecit fabricari, quanlo ineffabili dolore quanto
luctu Inas violentias pateremur, non est nobis sermo sufficiens
explicare tue gloriose excellentie, nee lamen cessabamus diuina
officia in nostrum morem cantare et celebrare, sed ad paucos usque
dies sub edicto pene mille ducatorum et qnod quilibet nostrum
secaretur in duas partes oportuit per quinque menses abstinere a
celebrationibus et cantu diuinorum officiorum, et licet cessarent
pro consuetudine ad sacram terram pergere occidentales christiani,
usque ad id tempus sacra loca per Indos et Armenos et alios orien
tales christianos visitata fuerunt, sed ubi interdicta nobis oft'ieia
diuina viderunt et dictam capellam coutaminari judaico ritu in
odium et vilipendium nostrum et ipsi orientales christiani a visita-
cione sacre terre montisSyon ceperunt abslinere, singulisque diebus
verebamur versutiam judeorum ita impugnare auaros sarracenos
quod ex reliquo terre sancte et sepulchro domini spoli.aremur,
preponendam esse judicaui tantis opprobriis mortem. Perrexi ad
soldanum et vrgente necessitate propter magnas impensas alienare
oportuit vasa argentea calices et cruces et vsure ponere p<aramenta
que ecclesie nostre per reges et principes christianos largita
fuerunt, ut dictam cappellam recuperaremus et a cetera sequente
ruina nos tutos faceremus, miscuimus largitionibus minas allegant es
soldano, quod hoc erat concitare tot.ain manum et vim christiano-
rum contra eos, adhibitis etiam testimoniis, quod in ipsa capella
Dauid erant christianorum sepulture super quibus non licebat fieri
moschita sarracenorum, ita quod consilio magni judicis legis sarra-
cenorum et Seyn magni interpretis soldani, capella Dauid nobis
fuit restituta, quas ob res quod labores et vite pericula subierimus
testem habemus ipsum omnium scientem dominum Jesum Christum.
Nauigaui ad partes occidentales, fui Rome coram heatissimo papa
Martino, qui passagium peregrinorum secundum modum consuetum
precibus meis aperuit et instituit, quod vndecunque a locis mariti-
mis christianorum inhibentur transitus judeorum ad partes orien-
tis et alia sicud constat ex tenore multarum bullarum quas ad cunc-
tos principatus maritimos christianorum habeo dirigendas, et cog-
nita predictorum veritate prouidit ampliorem licentiam christianis
ituris ad visitationem terre sancte; verum gloriosissime princeps
quia nobilia et preciosa paramenta posuimus ad vsuras triginta pro
centenario que nisi pecunias colligamus ad breue tempus ammitten-
38
tur. Tota enim summa capitalis ascendit duorum milium ducatorum
et vsura singulis annis quingentorum ducatorum numerum, quod
iustum esset, nt judei vel de bonis judeorum omnia et ultra solue-
rentur. Quia etiam ecclesia Betlehem ubi fuit natiuitas domini Jesu
Christi tanto sumptu tamque mirabili structura edificala per bea-
tam Helenam minatur ruinam, cogit nos necessitas respectusque
honoris christiani, ut a tna clementissima dominatione, qui ad ho
norem cultumque diuinum semper benignissimus extitisti, presidium
postxilemus. Libenter atque hilari animo personaliter ad presentiam
vestre dominationis venissem. sed quia impedimento senectutis et
certe infirmitatis atque multorum agendorum non possum, commi-
simus itaque venerabili Johanni Beel Bragensi (?) nostro procura-
tori generali vnacum fratre Theoderico de confratribus meis pre-
sentium latoribus, ut coram tua inclita dominatione debeant com-
parere, quem ex corde duxi supplieandum, quatenus dignetur tua
ipsa clementia predictis pro tanta necessilate piis suffragiis subve-
nire patentesque sibi Johanni literas concedere, quibus tarn sanc-
tum opus per tuam ipsam benignissimam elementiam faveatur.Man-
dari etiam faciendo judeis ubilibet sub tua jurisdiccione, quod taliter
scribant judeis ad partes orientis, quod ipsi imposterum a similibus
nouitatibus ab(stineant) sub illa iniunctione pene magna et efficacique
prudentissime dominationi vestre videbitur convenire. TestorDeum
et sacrosanctum sepulchrum domini, quod vltra candorem glorie
temporalis rem optimam l'acis ad meritum glorie sempiterne et ipsa
loca sacra nostrasque partes ad dominum tuis beneficiis obligabis,
nam si multas pecunias multas cogitationes pro temporali bonore
magnilice iinpcndisti et quid erit inter strennua opera tua nume-
rari posse, quod tarn sacro loco opitulatus es, ne labatur aut conta-
minetur prauitate judeorum et sarracenorum. Valeat vestra sere-
nissima dominatio per tempora longiora Amen. Datum Rome die
xxix julii anno domini etc. 1429 subsigillo sacratissimimontisSyon
duximus presentia roborandum.
Humilis orator et seruus serenitatis vestre frater Johannes
Belleco, guardianus indignus sacratissimi montis Syon et
Jerusalem, regens ac presidens totius terre sancte.
Orig. Papier. Geh. Hausarchiv.
39
11) Lieber getrewr hofmaister gedenkh mit vnserni vettern
herezog Albrechten ze reden.
Von erst, als wir yecz vnser erber botschaft bey vnserni gne-
digen herren dem römischen etc. kunig zu Nurenberg haben gehabt,
also hab vns derselb vnser herr der kunig bey derselben vnsrer
botschaft vnder andern Sachen empoten, daz wir vns mit im, dem
von Salczburg, dem von Passaw, von Freysing vnd andern preleten
in seinen vnd vnsern lannden vnd gepieten, dem von Gorcz, von
Cili vnd andern den namhaftisten herren, rittern, knechten, steten
vnd vndertanen aines tags an ain gelegne stat furdcrlich solten
veruahen, das es im auch also wolle verpotscheften vnd zuschrei
ben, vnd auf demselben tag wie dann all miteinander ainer lannt-
wer wider die keczer in Behaim ze machen solten ainig werden
als dann yecz ain lanntwer zu Nurenberg an dieselb grenicz geord
net wer, auch wie er all kurfursten vnd ander fürsten vnd herren
gaistlich vnd weltlich mitsambt den steten auf den nachstkunftigen
Sand Kathrein gen Nurenberg zu im gevordert hab vnd begert
daz wir auf denselben sand Kathreintag auch dahin körnen oder
aber vnser treffenlicb botschaft mit ganczem gwalt sennden, so
well er dann mitsambt den kurfursten andern fürsten herren vnd
steten furliannde nemon vnd ainig werden, wie die gmainen zug
auf das künftig jar wider die keczer sein ze tun vnd an weihen
ennden die sullen besebehen vnd daz im auch also von im vnd vns
zuerkennen werde gegeben, ob wir mitsambt den obgemelten bi-
schofen preleten graven herren und aller vnserr macht ein sunder
veld wider die benanten keczer wellen haben, vnd ob wir die Vn-
garn bei vns in vnserni veld welle haben die well er vns auch zu
schaffen, vnd also sein wir nach des benannten vnsers herren des
kunigs emphelhen willig vns zu seiner lieb dem von Salczburg vnd
den andern zu solhen tegen an gelegen stet ze fugen oder aber
vnser ret mit vollem gwalt ze sennden.
Darnach gib seiner lieb zv erkennen wie wir als wir verno-
men daz das herezogtumb Brabant ledig wer worden, den egenan-
ten vnsern herren den kunig durch vnser obgemelte botschaft ha
ben lassen bitten dasselb furstenlumb im vns vnd vnsern jungen
vettern ze leihen, darauf hat er vnsern reten geanwurtt in hab
herezog Ott auch darum!) gepeten vnd er well das zu seinen ban
den bringen vnd vorhin nyemand versprechen wann im sey bot-
40
Schaft kotneu daz die lanntlewt ye mainen er sulle das nyemand
geben vnd selber behalten. aber wenn er es zu seinen hannden hab
bracht so well er sich dann darin frewntlich bedenkchen vnd gne-
diklich lassen vinden, wil er sich nu mitsainbt vns darinn arbait-
ten vnd vns vnd vnser jung vettern von im nicht seczen so wellen
wir desgleichen auch tun damit das obgenannt lannd zu vnsern
hannden körnen.
Auch ist uns angelangt, wie yecz zu Nurenberg die stat l’as-
saw vnd die gegent der abbtey daselbs zu der hilf vnd lanntwer
gen Baiern sein geordnet worden die vor mit sollten Sachen gen
Österreich haben gedienet. Darauf dewcht vns geraten sein, daz
sein lieb mit vnserm herren dem kunig austrüg, daz dieselbe stat
mit irer hilf vnd ferdrung gen Österreich wurde geordnet als dann
von alter ist herkomen vnd daz solhs hinfur nicht in ain gwon-
heit kem.
Item von der brief wegen vmb den Heiligenperg daz vns die-
selb herauf gesanndt werden.
Item daz du auch bestellest vnd mit vnsern ambtlewten dort-
niden zu der Newnstatt ordnest daz vns wein vnd futer kauft werde.
Item als vns dann der abbt von Admund aber hat geschrie
ben , wie die vnsers vettern herezog Albrechten ambtlewt im vber
sollt schreiben so er dem pbleger zu Steir in deiner gegenwurti-
kait hab geschaft’en ze tun , daz sollt arbait vnd ingriff in der lau-
saiclt sojten angesteen vuez in ain beschaw albeg das all ir arbeit
vnd gestielt auf seinen grünten daselbs treiben vnd sich daran nicht
kern. Also rede mit seiner lieb daz er noch für sich welle schaffen,
daz die seinen von solltet’ arbait vnd ingriffen vnd die Sachen in
guten angesteen lassen vncz in ain beschaw nach der verainung so
weilnt vnser lieber Bruder herezog Ernst vnd er miteinander da-
rumb haben getan.
Von Aussen: „Gedenkchzedeln gen Nürnberg bei dem von
„Brawnswig und Lern Jorgen, vnd zu herezog Albrechten bei dem
hofmeister.” (Mit anderer Schrift) „an den kaiser zu bringen.”
Widerkerung der abgedrungnen vordem lannd, Zug wider die Be-
heimischen ketzer Hailignberg. 1430.
(H. Friedrich dem altern von Oesterreich.)
Gleich*. Aufzeichnung (Concepl). Geh. Hausarchiv.
41
12) Hie sind vermerkt die artikel, so die visitirer aus Engelland, von
dem concilj ze Basel gesannt, mit dem rat petliclien beredt haben in
der vasten 1436.
Von ersten da» die gassen der stat vleissigklich belnitt solten
werden, das wer eine grosse ere vnd nutz der stat, vnd wern des
auch schuldig ze warten, das des nachts nyemand heschedigt noch
gelaidigt wurde, vnd wo man solch hut hiet, da wessten sich die
leut dester paser furzesehen vnd ze behüten, als dann ze Basel vnd
in ettlichen steten gewonhait ist, wann das dem richter nicht ein
ere ist, das vil am galgen hangen, hiet man wol gehut, so kernen
ir so vil nicht daran, desgleichen wenn ainem artzt vil kranckhen
sterben, so ist das versehenlich, er hab gar wenig sein fleis zu
in getan.
Item zu vnderkomen mansleg, das sollt leüt, die mansleg tun
mit freuelleicher haut, das die swerlicher soltn gepasst werden,
denn pisher ist beschehen, wan solh mansleg in andern landen
wurden gepusst. mit dem strikch, item das auch die gross hochuart
werd vnderkomen, als in auswendigen klaidern, giirteln, Vater
unser, ringen, köstlichen ffirrir der rokch vnd der mentl, vnd auch
der newen snil des gewants, das ettlich t'rawen gar vnweibplichs
gesnitens gwant tragen in der lenng vnd mit prumen vnd andern
vnnütze kostleichait vnd leichtuertikait vnd die ledigen knechtt,
mit irn seidem vnd samadem joppen ermeln medrein, hüten vnd
silbergurtein etc.
Item das vederman seinen willen hat in den leithewsern, das
das auch wurde fürgesehen, das die ofl’ene leithewser ordenleicher
würden gehalten, vnd das auch die gemain i’rawen nicht in der ge-
main vnder die andern mannen in die leithewser gehen solten, Sün
dern sy solten allain sein, wan daraus oft gross vbel get.
Item das all veirteg wurden ordenlich gehalden vnd gefeirt,
nach gepot gotes vnd der christcnleichen kirchen, vnd wer die
freuelleichen zuprech, das die swerleich darvmb wurden gestrafft,
wan got die veirteg vast ze feirn gepoten hat, doch wenn redlich
sach wer, das das geschech mit vrlaub des bischofs oder des
pfarrer.
Item von der vasten, das air, milich vnd kes nicht als offen-
lich wurden getragen an die pletz, sunder das zu not an ainer be-
sundern haimleichen stat solh ding wirde vail gehalden, das sich
42
die Ieüt daran dester mynner ergerren, vnd nicht leichuertig wer
den, sollie verpotne speis in der vasten zu essen, vnd desgleichen
an dem freytag.
Item das die briester gehalden wurden bey irn freihaitn vnd
sunder die hie gotzgab haben, in einfürn vnd schenkchen irer wein
vnd mit vertigung der guter, die zu solhen gotzgaben werden geben
oder geschafft zu irer erberer narung.
Item das der rat sich nicht vnderziech geistleicher sacli als
von geschelften heirat, vnd der geleichen, die zu geistlichen rech
ten gehören ze richten.
Item das die begrebnuss in der kirchen zu sand Steffan, nicht
so gemain noch vail sey ze knuffen, sunder der prelat, der stiff-
ter, die briester vnd die diener der kirchen solten da frey sein zu
begraben, darinn si aber werden geirrt, vnd wer auch pilleich das
namhaft person, die ainer gemain vor wern, mochten daselhs be-
grebnus erwellen.
Item das die burger schulmaister recht liauben tragn, vnd
nicht sogar lankg vnd laysthen (‘!)
Item das man der ertzt haws solt freyen vnd kain steur davon
n einen.
Item das sy lürsehen, das hinfür die ertzt zu den krankhen
beruft, ee das sy ertzney geben das si sehen, das die krankhen
ee pcichtig wurden.
Item von der purger collegi zu sand vSteffan das der purk-
rechtdinst darauf werde abgelöst.
Item das dieselben vnd ander maister mit gotzgaben der bur
ger lehenschaft werden lur ander leut damit begnadt vnd für
gesehen.
Gleich*. Aufzeichnung. Papier. Geh. Hausarchiv.
13) Die artikel sind vnserm gnedigen herrn dem hertzogen
von allen steten niderhalb vnd oberhalb der Enns, vnd von dem
rat hie fürbracht worden, als die gantz lantschaft ist besamet vnd
geuodert worden zu vnser frauentag nativitatis 1437. (8. Sept.)
Durchleuchtiger hochgeborner fürst vnd gnediger lieber herr,
auf die artikl die ewr fürstlich gnad ytz der landschaft hat erzeln
vnd fürbringen lassen, habe ewr bürger hie ze Wienn vnd aus an
dern ewern steten oberhalb vnd niderhalb der Enns vns mit einan
der daraus vnderredt als hienach geschribcn stet. Von ersten von
43
ewr gnaden siezen wegen ze Brunn; gnediger herr; verstet ewr
genad, das das siezen ze Brunn ewrn fürstlichen gnaden landten
vnd leuten nutz sey, so haben wir darinn auch ain geuallen.
Auch haben wir vns vnderredt ob sich ewr fürstlich gnad gen
Merhern setzen wurde, das dann ewr gnad gedenkch ewr land hie
zu besetzen mit sollien amtleuten, das ain yeder imvoner des
landts vor denselben ewrn ambtleüten sein gerechtigkait in ewrm
abwesen gesuchen muge, vnd nicht rechtlos werd gelassen.
Item von des lanndes wegen zu behütten haben wir vns vnder-
redt, das allen prelaten, herrn, rittern vnd knechten vnd auch vns
von den steten vnd allermeniklich nach seinem stand vnd vermü-
gen ain Ordnung gemacht werde, damit kainer werd übei’griffen
vnd wann dann die veint in das lannd ziehen wolten, das man in
dann mit derselben Ordnung dosier pas mug widersteen.
Item als die von Pairn aufgesalzt habent, das die irn vmb
wein gen Österreich nicht varen sullen, ist beredt, das alle die,
die in derselben puntnus sein, vnd weinwachs, es sey paw, zehent,
perkrecht oder weindinst in ewrn lannd haben, sy sein geistlich
oder weltlich, das man sy dieselbe ir wein nicht auslürn sol las
sen, vnd so! auch nyemand dieselbe ir wein von in kauften noch
nennen, vnd in ewrn lannd ligen vnd beleihen, so lang vntz die sacli
anders werd ausgetragen.
Item von des getraids wegen ist beredt, das man kainen das
getraid aus dem lannd sol füren lassen, derwart an das kain tew-
rung des getraids dauon auferstee, wann vormaln menigere tewre
jar gewesen sein, dauon die land schall merklcichen schaden geno-
nien hat.
Item von der münss wegen ist beredt, das ewr münss beleihen
sol, als sy vetz gangk hat.
Aber ewr hurger ob der Enns gebeut ewrn gnaden zu erken
nen, das sy all ir hanndel treiben müssen nur mit der pairischen
münss vnd darumb setzen sy das von der münss wegen irs tails
zu ewrn gnaden, wan sy an der pairischen münss, als es yetz stet
nichts gehandeln mügen.
Item von der von Passaw wegen gehen wir ewrn gnaden zu
erkennen, wann vor Zeiten die ewrn gen Passau mit kaufmanschaft
körnen vnd geuaren sein, so haben sy irn kaufschatz für Passaw
wol gefüren mugcn, oder denselben kaufschatz zu Passaw einge-
44
legt vnd den verkauft gessten vnd bürgern an alle irrung, das hat
sich alweg von alter her also gehalden, aber als pey sechs oder
acht jaren haben! die von Passaw den ewrn gewert, das kainer hat
türren für uaren, noch mit gessten da hanndeln, bitten wir ewr
gnad, ir wellet mit den vun Passaw bereden lassen, das sy vns mit
vnserr kaufmanSchaft noch füruaren vnd da hanndeln lassen, als
das uormaln gewesen, vnd von alter herkomen ist.
Auch gnediger herr biten wir ewr fürstlich gnad mit allem
fleiss, ewr gnad welle ansehen vnser aller merkleich darlegen vnd
ausraisen, das wir mit ewern gnaden pisher getan haben, die tew-
rung vnd das vergange veljar der wein vnd des getraids, vnd die
scheden, so meniger vnder vns von den güssen des wassers geno-
men hat, das gar ze lankch wer ewren gnaden ze schreiben vnd
vns in den Sachen gnediklich halden vnd bedenken, das wir hinfür
ewrn gnaden dester pas ze dinst gesitzen mügen, das wellen wir
vmb ewr fürstlich gnad alzeit willikleich verdienn.
Antwurt vnsers gnedigen herrn des lierczegen.
Lieben herrn, als ich ew am nächsten ertzelet hab, das ich
von merkleichs darlegens Soldnern, kostung vnd zerung wegen,
so ich durch rettung willen land vnd lent vntz her wider die veind
langzeit getan hab, solchs soldens vnd darlegens ditzmals nicht
vermocht!, also das ich dadurch den Soldnern irn sold bey den
march geslossen abgesagt hatt, vnd begeret an ew die wider be
kriegen wurden, als das zu besorgen ist, das ir mir wider si hilft
vnd fürdrung tun wollet, damit ich in dester pas widersteen vnd
das land geretten rnöchtt, darauf mir von ew den prelaten ist
geantwurt worden, wie ir ew versehet vnd guten trost habet,
das die sach von der veind wegen noch zu ahn guten ennd mochtt
kommen, ob das aber nicht gescheht, so hoffet ir, das mir sust
von dem concili wurd hilff getan, ob aber das auch nichtt geschehe,
das ich denn ew herrn ritter vnd knechtt vnd auch die stet vordem
wolt, so wert ir willig ze körnen, vnd ew dann mit den andern
aber ze vnderreden vnd mir ein antwurt ze tun etc. Su habet ir herrn
ritter vnd knecht geantwurt, wie ir vns, so des not geschehe,
nach ewrm vermügen in dem lannd mit leib vnd gut helflfen wellet,
denn ir vnser bürger habet vns geantwurtt, das allen prelaten,
herren, rittern und knechten vnd ew von den stetten vnd menik-
45
lieh yedem nach sein statten vnd vermügen ain Ordnung gemacht
werd, damit kainer werden Übergriffen vnd wann denn die veind
in das land ziehen wolten, das man in denn mit derselben Ordnung
dester pas müg widersteen.
Aus den antwurten aller kan noch mag ich nicht versteen, ob
die veind künfticleich mit macht in das land körnen wurden, das
man in mocht widersteen, wan ir selber wol mugt merkchen, ee
wenn ich ew sulch der veind Zukunft in das lannd verkünden mocht,
vnd nachdem vnd ich zu disemmal der soldner nicht vermag, das
in der zeit die veind im lande ee ir zu einander kernet, grossen
schaden tun wurden, vnd zu geslössern k men mochten das ich
doch vntz her mit gots liilff mit den Söldnern , die ich gehabt hab
vnd ewr hilff vnderkomen hab, wan es sich menigermal begeben
hat, zu welchem geslose im land sich die veind keret vnd gelenkcht
habent, das in allweg vnser soldner fürkomen sind damit solch
fürsieg vnd ander beschedigung gewert sind worden, also das
lautter zu versten ist ye soleich angriff der veind mit nichte als
leicht mügen vnderkommen werden, als mit ainer hilff ains gelts,
darumb man, wan es not geschieht, eylund vnd schier mag volkch
bestellen vnd aufbringen, damit die geslosser vnd das land vor den
veinden mügen beschützt, gesterkt vnd gerett werden, darumb so
man vnd bitt ich ew all mit sunderm vleiss vnd ernst, das ir für ew
nemet vnd bedenket solch obgemelt vrsach vnd auch das ew die
sach yedem nach seim stand als vast berürt als mich, also das
yetweder tail vnder ew überain werd ainer genanten sum gelds,
damit ob es ze schulden kom, ich vnd ir eylund mugen volk geha-
ben, wan was ich von leib vnd von gut auch darzu gehelffen vnd
getun mag, darin wil ich mich nicht sparn, als ich auch das vntz
her willichleich vnd gern hab getan, ir sullet auch nicht gedenken,
das ich solch gut, was des geuellen wirt, ze andern meinen not-
durfften well oder main zeprauchen, sunder ich main das es sol
vnuerukehts beyeinander beleihen vnd das von prelaten, herrn, rit—
fern knechttn vnd steten ettleich dartzu werden geben, die solch
gelt in nemen, vnd zu solchen notdürfften halten, also wenn es not
geschehe, das man denn darumb an vercziehen Volk bestell, vnd
das damit das lannd gerett und fürgesehen werd, wann ich hoff,
wan sein die veind gewar werden, das wir im lannd wider si also
geschikt vnd fürgesehen sein, das wir dester pessern frid vnd ge-
46
mach vor in haben werden, wer aber, das solch gelt wider die
veind kunfticleich nicht angelegt wurd, so sol es dennoch zu des
lannds notdurfften gehalten werden, damit ob es not geschehe, das
man des landes nutz vnd frumen damit betrachten mag.
Item von anderr stukch wegen ewr begerung, darumb wellen
wir ew so ir vns geantwurt habet, denn auch förderlich ain ant-
wurt tun.
Gleichzeit. Aufzeichnung. Papier. Geh. Hausarchiv.
Antwurt der stet.
Durchleuchtiger hochgeborner furst vnd gnediger lieber herr,
auf ewr begern vns in geschrift zugesant, ist vnser antwurt, wenn
den prelaten, herrn, rittern vnd knechten yedem nach seinen
staten vnd vermögen ain Ordnung gemacht werde in gelt, was vns
dann nach gleichem anslag auch nach vnsern staten vnd vermögen
aufgelegt wirdet, des sein wir also willig, wer aber, das die pre
laten, herrn, ritter vnd knechtt soleichs anslahens vertragen wur
den, bitten wir ewr fürstlich gnad, ir wellet vns des auch vertra
gen, vnd für sew nicht beswern, vnd setzen das alles zu ewrn
fürstlichen gnaden, vnd bitten ewr gnad, ir wellet vnser merkleich
darlegen vnd raisen, so wir mit ewr fürstlichen gnadn getan haben
ansehen vnd vns in solchen anslegen gnedikleich bedenken vnd hal-
den, das wellen wir vmb ewr fürstlich gnad alczeil willikleich
verdienn.
14) Wir Albrecht von gotes gnaden römischer kunig zu allen
Zeiten merer des reichs, zeHungern, ze Bebeni, Dnlmacien, Croacien
etc. kunig vnd herezog ze Österreich etc. Embieten vnsern getreun
N. dem richter dem rate vnd den bürgern ze Scheibs, den der brief
geczaigt wirdet. Vnser gnad vnd alles gut. Vns ist. förbracht, wie
dem gotzhaus zu Gemnvgk vnd auch ew merkleich kostung vnd
darlegen vnezher gangen sein auf schidleich vnd gerichtmessig leut
so die in dem lantgericht daselbs von den waldpoten vnd frevn sein
vberwunden vnd gerichtt werden vnd darumb das furbazzer solich
gewonhayt vnd merkhleich zerung abgenomen vnd sollen sched-
leichen Ieutten in dem egenanten lantgerichtt desterpas vndfleissich-
leicher nachgestellet werde, ist vnser maynung vnd emphelhen ew
gar ernstleich. Wenn der gegenwörttig lanntrichter ze Gemnykh
oder wer in künftigen Zeiten lantrichter daselbs wirdet, ew für-
47
bazzer zu besiczen, das gericht vher solich scbedlich leut vorder,
daz ir im denn darinn gehorsam vnd beistenttig seit vnd solich
gerichte zu besiczen vnd zu volfüren helffet, damit mit solhen
gerichtmessigen leutten gehanndelt vnd hinczin gericht werde in
der weis und maynung, alz man denn hie ze Wienn vnd andern in
vnsern stetten vnd geeichten phligt ze tun vnd ew der in dhain
weis nicht widerseczet oder es wer swerleich wider vns. Geben an
mittichen nach sand Tyburcientag anno domini etc. tricesimo nono,
vnsrer reich im andern jar, vnder vnserm insigil das wir in vnserm
furstentumb Österreich geprauchen.
Commissio domini regis
facta per magistrum hubarum.
(Angeführt bei Lichnowsky Bd. VI. Nachtrag zu den Regesten. Nr. 4229. b.
,,K. Albrecht befiehlt dem Magistrate und der Bürgerschaft zu Scheibs , dem
,,Landrichter von Gamming bei den Rechten über schädliche Leute, so oft er
„es befiehlt, gewärtig zu seyn.”
Nach dieser Fassung sollte man glauben, es handle sich bloss darum,
dass die Scheibser dem Gamminger Landrichter beistehen , die schädlichen
Leute zu gewältigen. Es ist aber eine neue Form des Gerichtes, die einge
führt wurde.)
Orig. Perg. 1 Siegel. Geh. H. Archiv,
15) Wir Albrecht von gotes gnaden römischer kunig zu allen
Zeiten merer des reichs, zeVngern, zeBehem, Dalmacien, Croa-
cien etc. kunig, herezog ze Österreich etc. Bekennen für vns vnd
vnser erben, herren vnd landsfürsten in Österreich vnd tun kund
offentleich mit dem brief allen den er fürkumbt, wan vns ettwieofft
hat angelangt wie von altenzeiten her in dem pharrhof zu Egern-
burg freyung gewesen sey vnd doch vnser ambtleut daselbs meni-
germal dawider geredt haben, daz wir nu bedacht vnd für vns ge
nommen haben solch zwileuff vnd vngemach die daraus entsteen
mochten vnd haben dadurch von römischer künigkleicher macht vnd
als herr vnd landsfürst in Österreich von newn dingen gefurste
freyung in denselben pharrhof gegeben vnd geben auch wissent
lich in kraft des briefs. Also von welherlay vntat oder Sachen
am meusch in denselben pharrhof kome ausgenoinen dieprey mord
prant notnuft vnd strasrauben, vnd freyung an den pharrer oder
seinen anwalt daselbs mit ainem phenning begere vnd gewinne,
der sol die nächsten achttag darnach nachstkomend in demselben
pharrhof als weyt der mit seinen hausmarhen vmbuangcn ist, vor
48
allermenicleich freyung haben, als gefürster freyung recht ist, vnd
wenn sich dieselben achttag geendet haben, so sol er derselben
freyung nicht mer geniessen, es sey dann, daz er drey griet für die
pfarrhoftür gee, vnd dann dieselb freyung wider gewinn, als davor
beriirt ist, vnd das mag er getun alsofft im des dürft geschiecht
vngeuerleich. Davon gepieten wir von römischer kunigkleicher macht
vnd als herrvnd landsfürst in Oesterreich vnsern phlegern, ambtleuten
vnd bürgern zu Egemburg gegenwürtigen vnd künftigen vnd wellen
ernstleich bey vnsern hulden, daz si wider dise vnser gnad vnd
freyung nicht tun, noch yemants ze tun gestatten in dhainerlay weis,
wan wer dawider tet vnd gefreueln torste, der sol in vnser swere
vngnad geuallen vnd darczu zu peen in vnser kamer ze Oesterreich
veruallen sein zwainczig markh lautters goldes, dem pharrer zu
Egemburg vnd dem gelaidigten tail, an dem solh freuel beschech,
auch zwainczig markh lautters goldes, an alle gnad vngeuerleich.
Vnd des ze vrkunt haben wir vnser insigel, das wir in vnserin für-
stentume Oesterreich geprauchen, haissen henkhen an disen brief.
Der geben ist ze Prespurg an eritag nach des heiligen krewtzstag
invencionis. Nach Kristi gepurde vierczehenhundert jar, darnach
im newn vnd dreissigisten jar, vnserer reiche im andern jar.
Commissio propria domini regis.
Angeführt bei Lichnowsky Bd. VI. Nachträge zu den Regesten. No. 4281. h.
(Unterm 3. Mai.)
Orig. Perg. 1 Siegel. Geh. H. Archiv.
Sitzung vom 20. Iuni 1849.
Der Herr Präsident Freiherr Hammer - Purgstall be-
schliesst die Lesung seiner Uebersicht der Geschichte der arabi
schen Literatur.
Am Schlüsse des letzten Zeitraumes arabischer Literaturge
schichte stehen noch ein Paar Geschichtschreiber und ein Paar
gelehrte Mufti und der letzte grosse Gross-Vesir des osmanischen
Reiches, der Verfasser des arabischen Werkes welches den Titel :
„das Schiff der Wissenschaft” führt. Von dem Zustande ara
bischer Literatur in Persien im verflossenen Jahrhunderte wüsste man
gar nichts ohne die von Belfour herausgegebene Selbstbiographie des
gelehrten Schech Mohammed el Hass in. Man sieht daraus, dass
49
in Persien keine andern Grundwerke arabischer Studien gang und
gäbe als in der Türkei. Einen merkwürdigen Abschnitt bildet die
Einführung der Buchdruckerei zu Constantinopel vor 120 Jahren,
nur bezeichnet sie nicht den Aufschwung sondern den Rückschritt
arabischer Literatur, besonders seit ihrer Einführung in Aegypten,
wo fast mehr Uebersetzungen europäischer Werke als ursprüng
lich arabische erscheinen. Kein treffenderes Bild für die stätige
Beständiguug des Ostens und die leicht bewegliche Veränderlich
keit des Westens als die unbewegliche chinesische Presse und die
bewegliche Europa’s; im äussersten Osten Alles stereotyp, im
äussersten Westen Alles mobil. Ein neuer Flor arabischer Litera
tur, welchen die Einwirkung europäischen Elementes hervorbringen
könnte, würde ein von dem vergangenen verflossener Jahrhunderte
ganz verschiedener sein. Die arabische Literatur begann vor zwölf-
hundert Jahren mit Mohammed und sank mit dem Verfalle des Islams
ihrem Untergänge zu. Mit der Verbreitung europäischer Werke mit
telst arabischer Uebersetzungen in Syrien und Aegypten beginnt für
diese Länder auch die Periode einer neuen westarabischen Literatur,
welche eine andere sein wird, als die der verflossenen zwölfhundert
Jahre, welche in dieser Uebersiclit überblickt worden ist. —
Herr v. Karajan las die Fortsetzung seiner Abhandlung
über das Concil von Lyon 1245. Bei dem Puncte angelangt, wo
die Einberufungen zu demselben ergingen, zeigte er wie mangel
haft unsere Kenntniss in Bezug auf die wirklich Vorgeladenen ge
nannt werden müsse, eben so dürftig wie die von der Gesammt-
zahl der wirklich Erschienenen. Diese sei nämlich nirgends über
liefert, nur die Zahl der Erzbischöfe und Bischöfe finde sich in drei
Quellen, aber in höchst unvereinbarem Abstande. Die eine Quelle
spricht nämlich von 140, die zweite von 250, die dritte gar von
362. Er versuchte dennoch ein Verzeichniss der wirklich Erchie-
nenen nach den Läudern zusammen zu stellen, welches aber nur
zu sehr entnehmen Hess, wie unvollkommen unsere Kenntniss auch
in dieser Richtung genannt werden müsse. Diess gab Veranlassung
die Verlässlichkeit unserer Quellen nach verschiedenen Seiten zu
prüfen. So widmete er eine Neben Untersuchung der Frage, ob Kö
nig Ludwig IX. von Frankreich wirklich auf dem Concile war, wie
Sitzb. d. Philosoph, histor. CI. Jahrg. 1849. VI. Heit.
4
50
eine Quelle mit manchen Einzelheiten angibt. Eine zweite längere
Untersuchung ward der Beantwortung der Frage gewidmet, ob den
Zeitgenossen das Concil überhaupt als ein allgemeines erschien
oder nicht? Wobei sich herausstellte, dass genau die Hälfte der
Quellen es als ein solches betrachtete, die Hälfte nicht.
Beim Beginne des Conciles wies Karajan auf die Ungenauigkeit
der Quellen auch in anderer Beziehung hin. So lasse sich eine
klare Sichtung der Verhandlungen nach den Tagen der Sitzungen
aus ihnen mit Sicherheit gar nicht gewinnen. Er wies bei dieser
Gelegenheit auf eine höchst wichtige vorberathende Sitzung hin,
von der nur ein paar Quellen sprechen und in höchst ungenauen
Andeutungen. Kurz er zeigte aller Orten auf wie unsicherem Boden
unsere ganze Kenntniss dieses so wichtigen Conciles beruhe und
wie dennoch schon so oft über die Vorgänge auf demselben, so wie
über die beiden Hauptpersonen der Katastrophe preisende und ver
dammende Ui'theile gefällt worden seien, beides nach seiner An
sicht auf sehr unsicherem Grunde.
Herr k. Rath Bergmann erstattet Bericht über Herrn Carl
von Sava’s „Bemerkungen über Waffen, Rüstung und Kleidung
im Mittelalter mit Rücksicht auf die österreichischen Fürstensiegel
(Wien, 1848 in 4to).”
Herr von Sava, der seine Müsse der Sphragistik und
hauptsächlich der vaterländischen widmet, entwickelt in dem
mässigen Umfange seiner Schrift von fünfthalb Bogen eine Fülle
von Kenntnissen, scharfer Beobachtung und ein durch Studium und
Uebung erworbenes Geschick das Rechte zu sehen, zu finden, das
Zerstreute zu vergleichen und zusammenzufassen, und dem nach
strenger Prüfung gewonnenen Ergebnisse eine entsprechende, klare
und edle Form ohne leeres und geziertes Gefloskel zu geben.
Der Herr Verfasser wirft in dieser Abhandlung sein Augen
merk nicht so sehr auf den historischen und künstlerischen als viel
mehr, wenn ich mich so ausdrücken darf, auf den ritterlichen
Theil der Siegel der österreichischen Landesfürsten vom Mark
grafen Ernst dem Tapferen (f 1075) bis auf Kaiser Friedrich III.
(IV.) am Ende des XV. Jahrhundertes, wie sie nicht nur zu Pferd
(Reitersiegel) und zu Fuss, sondern auch thronend mit den Abzei-
51
chen ihrer Würde erscheinen. Text und Abbildungen auf zwei li-
thographirten Tafeln, deren erste die Helme, die zweite die
Schilde enthält, erklären sich gegenseitig und stellen die Verän
derungen, die im Laufe der Zeit erfolgten, auf’s Einfachste und
Klarste, somit aufs Belehrendste dar.
In der Einleitung sind ganz richtig die Waffen A. in Schutz
waffen, Helm, Schild und Panzer, und Ti. in Angriffs Waffen,
als Lanze, Schwert und Dolch eingetheilt, dann werden deren Ver
ziel* ungen behandelt, nämlich Helmzimier, Decken, Waffenröcke,
Gürtel, Fahnen, ferner die Würdeabzeichen, als Kronen und
Scepter, endlich die Pferderüstung etc.
I. Zuerst erscheint auf den ältesten vorhandenen Siegeln der
babenbergischen Regenten in Oesterreich als Hauptbedeckung
ein niedriger, konisch geformter offener Helm (eine Sturm
haube), der oben spitz auslief, nur den Oberkopf sicherte, und das
Gesicht freiliess, so dass das Hinterhaupt, der Nacken und der
Hals durch die hinaufgezogene Kapuze des Panzerhemdes geschützt
wurde. Das älteste bekannte Siegel der Art ist vom Markgrafen
Leopold IV. oder Heiligen vom J. 1115 (Tab. I. «.) Diese Form
bildete sich unter seinem Sohne Heinrich Jasomirgott nach dem
Siegel I. b. vom J. 1155 immer mehr aus.
Um dem Gesichte wenigstens theilweisen Schutz zu gewähren,
brachte man vorne eine senkrecht herablaufende Spange, eine Na
senspange (I. d. vom J. 1182) an. Bald erscheinen auch cylin-
derförmige, oben abgerundete und mit einem Riegel versehene
Sturmhauben (nach I. c.) und man verzierte auch deren untern
Rand mit einem Reif, einer Einfassung von anderem Metalle,
wahrscheinlich von Messing. Die Sturmhauben erhielten auch Ge
sichtsplatten und diese führten zu den Helmen, welche das
ganze Haupt umschlossen. So erscheint nach Taf. I. f. Her
zog Leopold VI. im J. 1217 mit einem geschI oss enen Helme,
der oben gerade abgeschnitten, vorne mit einer, gegen das Kinn
hinab eingeschweiften Kante versehen und am Hinterkopfe ge
rundet ist.
Die Betrachtung dieses oben abgeschnittenen Helmes vom J.
1217 und die Vergleichung mit den oben zugespitzten Sturmhau
ben unter Lit. a, b und d von den Jahren 1115 und 1155 führen
auf den Gedanken, ob diese helmförmigen Hauben, — da sie ihrer
4*
52
Form wegen schwerer aus Metall, besonders aus Eisen zu ver
fertigen waren — nicht etwa aus Thier feilen oder Leder ge
wesen sein dürften. War nicht die Nasenspange (sub r?.) von Me
tall und auf den Helm von Leder gesetzt? Vielleicht geben gleich
zeitige Dichter wie auch Miniaturen uns hierüber Auskunft, da we
nige derlei Denkmäler aus Eisen aus jener Zeit, auf uns gekommen
sind. (Vgl. die Tarnkappe und die Tarnhüt im Nibelungenliede).
Auch die alten Griechen hatten nach Homer ihre Helme aus Thier
fellen, Leder, und zwar aus (See?) Hundsfellen, was der Name
y.wsn (nämlich ooptk) bestätigt, so dass man mit diesem Worte un-
eingedenk seiner Abstammung die Kopfbedeckung des Kriegers,
die Sturmhaube, bezeichnete. So hiess der Helm aus Rindsleder
y.mi-r) raupsir/. 1 ) II. X. 258, aus Wiesel oder Otterfell zuvevj zrt-
dsrj oder rvridir), das. 235 und 45S, und v. 459, aus Wolfsfell
Xuzer,. Wenn es auch in der Odyssee XXIV. 231 aiysiri y.vvhj
heisst, so war diese cctyt's doch nach 11. XV. 308 vom Erzkünstler
Hephästos gemacht und hat ihren Namen eher von ait, Sturm, als
von at£, Ziege, erhalten. Homer kannte jedoch auch den ganz
ehernen (nicht eisernen) Helm zuvi^v näyycäy.ov. II. XVIII. 378,
auch den mit eherner Wange, ya.)MTtäpr<ov 11. XII. 183; Odyss.
XXIV. 523, und den erzbeschlagenen y.vvsr,v -yaAy.'npsa II. III.
316. Zur Bezeichnung eines Helmes von Metall, besonders von
Erz (Bronce), galt zopu? oder xpavog, rd süyaXzov, ypuasorunoy
bei Euripides, welches zpavog aus zpdg, y.pävov ursprünglich Haupt
bedeckung bedeutet. Auch bei den Griechen war von Erz der
Helmrand, qs.’pa.vo süyx\xog, wie wir aus II. VII. 12. lernen:
„Hektor aber durchschoss dem E'ioneus unter der Sturmhaub'
ehernem Rande den Hals mit dem Speer, und lös’te die Glieder.”
Nennt selbst der Römer auch seinen Hehn galea, wahrschein
lich aus dem griechischen yodir), Wiesel, Marder.
Der geschlossene Helm Taf. I. /'. hat — um zu demselben zu
rückzukommen — auf beiden Seiten einen langen, horizontalen
Ausschnitt, einen Sehschnitt, in der Richtung der Augen nicht
nur zum Sehen, sondern auch zum Einathmen der Luft. Nun ge
winnt der Helm, indem die vordere Helmwand allmählich sich ganz
gerade herab bildet, die Form einer Tonne, eines Fasses, daher
*) Etwa wie ein goldenes Huteisen, statt goldener Hufbeschlag.
53
sein Name Fass- oder Kübelhelm, wie schon im J. 1249 der
Gemahl der Getrud von Medling, der Markgraf Hermann von Ba
den, dann auch Ottokar von Böhmen in seinem Doppelsiegel vor
seiner Krönung zum Könige im J. 1261 ihn trugen. Die Figur g
vom J. 1269 zeigt einen Fasshelm, in dessen Helmwand unter
halb des Sehschnittes noch zwei Reihen viereckiger Löcher
eingeschlagen sind, uin durch dieses Gitter oder Helmfenster
mehr Luft und minder Wärme zu haben. Auch Homer kennt, um
die Parallele fortzusetzen, in der Biade V. 182 und XL 352 einen
Helm mit hohlen Augen oder Löchern zum Sehen und Ein
strömen der Luft, aüAcötks, welches Wort Hesychius durch xoikotp-
3aXiJ.og erklärt.
Auf dem Helme prangen in horizontaler Lage Adlerflügel
als Zimier (ital. cimiere von cima), und am Hinterhaupte die
Helmdecke, welche später als reichgestickte und verbrämte flie
gende Decken unter dem Zimier vom Hinterhaupte bis auf den
Rücken niederwallten und sich in oft sinn- und geschmacklos prun
kender Ueberladung in arabeskenartig verschlungenen Helmdecken
der neueren Heraldik verkünstelten.
Auch die vaterländische Poesie, so die Ulrich’s von Liech
tenstein (richtiger als Lichtenstein S. 8 und 9) Ottokar’s von
Horneck, Enenkel’s, lässt der Herr Verfasser nicht unbeachtet und
weiss das hieher Gehörige als Beleg an der rechten Stelle zu be
nützen.
Eine abermals veränderte Helmform zeig! K. Ottokar’s Sigill
vom J. 1273 auf Tat'. I. //., die sich bis zum XV. Jahrhunderte beim
>S c h 1 achth elm e erhalten bat. Auf dem Siegel des Herzogs Wilhelm
des Freundlichen im J. 1404 kommt der Stechhelm in Ge
brauch, der bis zu Herzog Friedrich’s V. Erwählung zum deut
schen Könige im J. 1440 als herrschend erscheint.
Jener Helm mit beweglichem Visir, welcher Kinn-, Hals- und
Nackenschutz durch eine geschickte Gliederung verband undftottr-
guinot hiess, und den wir in der österreichischen Sphragistik nur
auf dem Siegel des Erzherzogs Albert VI. im J. 1459 (Taf. I. n)
sehen, weiset durch seinen Namen auf sein Vaterland hin. Der
Erzherzog, der häufig in den Vorlanden weilte, hat ihn wohl aus
Burgund her erborgt. Dass später denselben K. Maximilian I. in
den Reitersiegeln für die Niederlande führte, ist erklärlich.
54
Als Helmzierde der habsburgischen Fürsten ragt schon auf
den Reitersiegeln Albert’s I. als Herzogs von Oesterreich und Steier,
und seines Neffen, Johann’s Parricida (vergl. S. 34. Nro. 32 b. und
34), der Pfauenfederbusch empor, welchem ich denselben
Pfauenschmuck mit der fliegenden Helmdecke auf einem Bractea-
ten des Herzogs Rudolf IV. (von 1358 — 1365) hier in Abbildung
beifüge.
In Bezug auf die Helmkronen lernen wir, dass sie nicht al
lein die Landesfürsten, sondern auch mächtige Dynasten, wie die
alten, im J. 1260 mit den Gebrüdern Otto und Konrad erloschenen
Grafen von Pleyen (Pleygen) und Hardeck führten.
II. Die zweite Platte ist dem für den alten Krieger und Ritter
so wichtigen Schild gewidmet, dem in Hinsicht auf Heraldik
eigentlich die erste Stelle gebührte. Die älteste Form des österrei
chischen Schildes, wie sie Taf. II. ci. b. c. von den Jahren 1155
und 1188 vorzeigt, ist ein längliches, oben abgerundetes oder Ku
geldreieck, dessen Seitentheile sich nach unten hin verjüngen
und in eine Spitze auslaufen. Dessen Länge reichte von der Achsel
bis zur Hälfte des Schienbeins *). Mit diesen wechseln bald kür
zere, herzförmige Schilde, schon in den Jahren 1170, 1196,
dann 1213 und 1217, bis unter Friedrich dem Streitbaren der
Schild und zwar der von ihm angenommene Bin den Schild (1236)
als geradliniges Dreieck erscheint. Die »Schilde auf den spätem Sie
geln von den J. 1274, 1361 und 1431 werden allmählich kleiner
und gewinnen mehr Ebenmass. Im XV. Jahrhunderte (1438) finden
wir die Tartsche.
Die Farben und Malereien auf den Schilden führten avanz na-
türlich auf die Wappen. Den Adler sehen wir, da die Vorstel
lungen auf die älteren österreichischen Siegeln unkenntlich gewor
den sind, mit unbestreitbarer Gewissheit zuerst im J. 1170 bei
Heinrich Jasomirgott auf einer Urkunde im hiesigen Schottenkloster,
welchen auch sein Sohn und Nachfolger Leopold VI. (j- 1195) und
dessen beide Söhne Friedrich der Katholische (f 15. April 1198)
und dessen Bruder Leopold VII. (j- 1230) im Schilde hatten. Die
ser bediente sich zuerst eines Doppelsiegels und setzte auf
*) Homer nennt in der ll. XV. 646 den langen Schild (ccffiri's) iroö-vjvsx^j,
bis zum Pu s s hinabreichend, auch II. 389 und XI. 32ä[iyt(3po'rvj,
den Mann rings deckend.
55
der Rückseite den Panther wegen der Steiermark, die sein Vater
nach des Herzogs Ottokar VI. Hintritte (8. Mai 1192) übernom
men hatte. Leopold’s VII. Sohn, Friedrich II. oder Streitbare,
nimmt den Bindenschild — mit weisser Binde auf rothem Felde —
an, der seit dem nicht nur das Wappen des Erzherzogtlmms Oes
terreich unter der Enns geblieben sondern auch das Wappen des
österreichischen Kaiserstaates geworden ist. Das Warum ist nicht
historisch erwiesen und nur nach der Sage durch den Missbrauch
des Sigills durch die Brüder Heinrich und Hadamar von Khuenring
veranlasst.
III. Eben so klar und verständlich ist der Artikel über des
Ritters so wichtige Schutzwaffe, die Rüstung, erst Brüne, spä
ter Harnisch genannt, mit ihrem Halsberge, welche des Lei
bes Obertheil, und mit ihren Beinbergen, welche die Füsse
deckten und schützten.
Leider vermissen wir die Beigabe einer Tafel.
Man lernt die allmähliche Ausbildung vom einfachen Ringhemde
bis zum Panzerhemde, das erst aus geschmiedeten, dann nach der
Erfindung des Drahtziehens (um 1360) aus gezogenen Eisenringen
zu einer beweglichen und schwer durchdringlichen Hülle geflochten
wurde 1 ). Später fügte inan an den Schienbeinen über dem Panzer
werke, dann auch an den Unterarmen Bleche an, bis nach und
nach der ganze Ritter in Eisen gehüllt war. So entstanden
die Plattenharnische, welche durch zwei Jahrhunderte, von
1400 -— 1600, in ihrer Vollkommenheit waren.
Kürzer aber in stets gleicher Klarheit sind besprochen als
Beigaben theils gegen das Eindringen der Ringe in’s Fleisch und
gegen Quetschungen, theils zum Schutze des Körpers : der Lend-
ner, ein mit Werg und Wolle gefülltes und gut abgenähetes
Wamms; zur Deckung des Hinterhauptes und der Seitentheile des
Gesichtes die Kapuze; ferner die Handschuhe, und um die
Beine zu decken die Hosen mit Schuppen oder einem Ringge
flechte und zwar in der älteren Zeit so, dass nur der eine Fuss
mit dem Ringharnisch bekleidet war, weil den andern der fussab-
*) Vgl. der Sarwürche, d. i. der Sar (althochd. saro, Harnisch, Pan
zer-Wirker; Sarring, Panzerring; Sarrock, Sarwat, s. Nibel.
Klage v. 2789 und 3807; Sarbalg, das lederne Behältniss für den Pan
zer, s. VVigalois v. 6112.
56
reichende Schild deckle. Niehl übersehen sind die prachtvollen
und kostbaren Waffenröcke, weite Tuniken ohne Aermel,
welche um die Mitte gegürtet waren: nicht die Spornen, schon
unter Leopold dem Heiligen im J. 1136, und mit Rädern unter
seinem Sohne Heinrich in den Jahren 1155 und 1170.
B. IV. Unter den Angriffswaffen damaliger Zeit gebührt
der Lanze und dem Schwert die erste Stelle. An jener war
schon unter dem Markgrafen Ernst dem Tapfern die Fahne — das
Banner, Paunier (von pannus wie drcipeau von drap) befestiget,
auf welcher Friedrich der Katholische zuerst ein Wappen und
zwar den Adler im Jahre 1196 führt. Mit dem Schwerte sind
unsere Landesfürsten auf ihren Rfeitersiegeln gewöhnlich umgürtet,
während auf niederländischen und den meisten deutschen Siegeln
das gezogene Schwert in der Hand des Reiters zu sehen ist, wie
Johann Parricida allein unter den österreichischen Fürsten er
scheint. Der Dolch war, besonders in früherer Zeit an einer von
der Brust herabwallenden Kette befestigt. Der Gürtel, an dem
das Schwert hing, ist auf den altern Siegeln zum Theile durch den
Schild, zum Theile durch den Waffenrock verdeckt.
V. Von Wftrdezeichen sind sieben xylographische Abbil
dungen in den Text eingedruckt, von denen der alte Herzogshut
unter Rudolf IV. und K. Friedrich, dann die deutschen Kronen von
den Kaisern Karl IV., Sigmund und Albert II., wie auch die mitra
bicornis K. Friedrieh's und dessen grosses Österreichisches Siegel
um 1459 neunenswerth sind. Diesen folgen Scepter, den zu füh
ren die österreichischen Herzoge gleich den Königen durch das
Privilegium Fridericianum vom J. 1156 berechtiget waren. Daran
reihen sich Talar, Pallium auf den Majestätssiegeln der Kö
nige und Kaiser, und der Mantel über der Rüstung der Fuss-
siegel Rudolfs IV. und K. Friedrieh’s.
VI. Endlich wendet der scharfsehende Verfasser sein Augen
merk auf des Ritters Gefährten, das Pferd, und führt uns mit ge
nauen Belegen dessen ganzen Aufputz, Zäumung, Sattel, Steig
bügel (1136) und Schahraken mit ihren eingestickten Wappen
schilden vor. Die Anzahl der Wappen auf den Pferdedecken auf
den österreichischen Siegeln übersteigt die Zahl drei nicht, ausge
nommen bei Albrecht VI., der die Decke seines Pferdes mit zwölf
Wappenschilden in zwei Reihen schmückte. Diesem Vorgänge folgte
57
dessen Vetter Erzherzog Sigmund von Tirol auf seinen Haller-
Thalcrn von 14S4 und 1480, wovon jene vierzehn, diese sechzehn
Wappen führen. Diese beiden Thaler sind um so interessanter, da
sie den Erzherzog zu Pferde in voller Rüstung darstellen.
Unter Kaiser Friedrich III. erreichte die St ämp eis chn e i-
dekunst in Hinsicht auf Siegel ihren Höhepunct, und verfiel
mit seinem Tode (j- 1493); die Kunst nahm eine andere Richtung
und wandte sich den Medaillen zu. Unter K. Maximilian verlie
ren sich die figuralischen Darstellungen und die kunstge
schichtliche Redeutung und der archäologische Werth hören auf.
Da von nun an auf den Siegeln Wappen, wenn auch einzelne sehr
schöne dargestellt werden, so gehören sie im Allgemeinen mehr
der Heraldik höchstens noch der Genealogie an.
Den Schluss macht ein dankwerthes „Verzeichniss der bisher
bekannten (67) Figurensiegel der österreichischen Fürsten bis ein
schlüssig K. Friedrich IV. (III.),” mit Angabe der Orte, xvo diese
Siegel zu finden, und wo sie abgebildet sind. Erwünscht, besonders
für den mit der vaterländischen Geschichte minder vertrauten
Freund der Siegelkunde, wäre noch die wenig Raum erfordernde
Angab e der Lebenszeit, etwa des Sterb ej ahres dieser Fürsten
gewesen.
In Bezug auf das bekannte, S. 3S. Nro. 67. g. erwähnte Mo
nogramm des Kaisers Friedrich III., nämlich : A. E. I. 0. V., von
dem schon Köhler in seinen historischen Münzbelustigungen 1731.
Bd. III. S. 170 ff. *) allein vierzig lateinische Deutungen angibt,
ist keine die wahre, sie sind sämmtlich mehr oder minder geist
reiche Spielereien; die ursprüngliche, durch ein gleichzeitiges
Denkmal beglaubigte Erklärung lautet: * ßfjtttlrt * chtß * iiiflc *
Olltnift * o inert. Es sind nämlich auf einem krystallenen Hofbecher
dieses Kaisers in der k. k. Ambraser-Sammlung neben etlichen
Wappen auch fünf Genien angebracht, deren jeder einen der fünf
Vocale trägt; darüber kann man aufs deutlichste auf einem Ban
deleite obige fünf Worte lesen. Primisser hat in seiner trefflichen
Beschreibung der genannten Sammlung S. 223 Nro. 3. jene Worte
übersehen.
*) Vgl. auch Kaltenbäck’s Austria 1842. S. 10G — 109, dann 1849.
S. XXV.
Sitzl). d. philosoph. hist. CI. Jahrg. 1S49. VI. Heft. 5
58
Als Versehen bei der Correctur sind zu berichtigen: S. 15.
Z. 18. Mäuslein statt Meuseln; S. 27. Z. 30 die Jahreszahl 1202
statt 1162, und S. 28. Z. 16 heisse es 1320 statt 1330, da Herzog
Leopold I. im J. 1326 gestorben ist. —
Möge der Herr Verfasser uns bald mit einer Sphragistik
der österreichischen Fürsten erfreuen.
Ueber Antrag des Herrn Palacky beschloss die Classe die
v Acta conciliorum saeculi XV.” herauszugeben, und zwar zu
nächst jene des Basler Concils. Die Acten der Concilien gehören
zu den wichtigsten historischen Quellen, die sich aber meist nur
in grossen und seltenen Sammlungen, zudem häufig unvollständig
oder gar verstümmelt vorfinden. Jene aus dem 15. Jahrhunderte
enthalten die ersten Bemühungen nicht blos kirchliche sondern auch
staatliche Reformen in grösserem Masstabe einzuführen und sind
daher für die analogen Bestrebungen der Gegenwart, für die jetzige
Richtung des Weltgeistes, für das practische Leben selbst von
hoher Bedeutung.
Ueber Antrag des Herrn Regierungsrathes Chmel beschloss
die Classe archivalische Reisen zu veranstalten zur Herausgabe einer
grossartigen Sammlung von Quellenschriften (Acten, Briefen etc.)
für das wichtigste Jahrhundert der Geschichte des Hauses Habsburg
1476 —1576, von der burgundischen Heirath Maximilian’s I.
bis zum Tode des populärsten der Habsburger, Maximilian’s II.
In diesem Zeitabschnitte erhielt das Haus Habsbui'g seine welt
historische Stellung, und dessen gründliche Erforschung wird die
ganze Geschichte Europa’s in jener Zeit in ein neues Licht stellen,
ja dieselbe ist gleichfalls durch seine Analogien mit der Gegenwart
für diese von praetischer Bedeutung. — Die erwähnte Quellensamm
lung selbst wird eine Abtheilung der Fontes rer um austriacaruni
bilden, deren Herausgabe bereits begonnen hat. Beide Classen-
Beschlüsse wurden von der Gesammt-Akademie bestätiget.
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Jahrgang 1849. VII. Heft;. (Juli.)
59
Sitzungsberichte
der
philosophisch -historischen Classe.
Sitzung vom 4- Juli 1849.
Der Präsident Freiherr Hammer - Pur gstall liest
die erste Hälfte seines Berichtes „ü her Herrn R e i n a u d ’s
französische Uebersetzung von Abulfeda’s Geo-
gr aphie.”
Abulfeda oder richtiger Ehulfida, d. i. der Vater der
Sühne ‘), einer der grössten Geschichtschreiber und Geogra
phen der Araber, ist in der letzten Eigenschaft in Europa schon
seit zwei Jahrhunderten bekannt, seitdem nämlich der englische
Orientalist Greavcs (den die Deutschen als Gravius kennen)
im Jahre 1650 zuerst die geographischen Tafeln Chuarefm’s
und Maw e r ain-Nc hr’s, d. i. Trasoxanas zu London bekannt
gemacht, und als Geschichtschreiber seit siebzig Jahren, seit
dem nämlich Adler die Uebersetzung Reiske’s mit dem arabi
schen Texte der Jahrbücher Abulfeda’s im Jahre 1789 zu Ko
penhagen herausgegeben. In die Fussstapfen von Grcaves traten
als Herausgeber einzelner Theile der Geographie Abulfeda’s
Köhler, welcher im Jahre 1766 die syrischen Tafeln Abul
feda’s mit Rciske’s Bemerkungen herausgab, Michaelis, der
Verfasser einer lateinischen Uebersetzung von Abulfeda’s Be-
*) Der Vocal von 1 .Xs ist nicht F a t h, sondern Kcsr. und das E 1 i f
e- ^
von y 1 hat ein H ernte und kein Medii. 1
6 *
60
Schreibung Aegyptens (zu Göttingen im Jahre 1770), Rin k,
Herausgeber des arabischen Textes vonAusziigen aus den Leyd-
ner Handschriften Abulfeda’s (zu Leipzig im Jahre 1781), Dc-
metrios Alexandrides, der Herausgeber der Beschreibung
Chuarefm’s und Mawerain-Nelir’s Arabiens und Aegyptens, ara
bisch und griechisch (zu Wien im Jahre 1807), und Wüsten
feld im Jahre 1835, mit Auszügen aus Jakut, Ihn Schohbe,
Ihn Challikian, Ebu Sekerija und lbn - ol-Esir.
Nach Greaves, Reiske, Rink, Köhler, Alexandrides und Wü
stenfeld, welchen das Verdienst theilweiser Herausgeber und
Uebersetzer des Textes zuerkannt werden muss, erwarben sich
weit Grösseres um die orientalische Geographie und Philologie
zwei ausgezeichnete Orientalisten, Herr Reinaud und Baron
Mac Guckin de Slane, durch die Herausgabe des ganzen
arabischen Textes der Geographie Abulfeda’s, welche vor neun
Jahren zu Paris im Jahre 1840 ans Licht trat ‘). DieMüheder
französischen Uebersetzung hat Herr Reinaud allein indem hier
zu besprechenden Werke 2 ) auf sich genommen. Dasselbe be
steht aus zwei Theilen, wovon der erste, nämlich die allgemeine
Einleitung in die Geographie der Morgenländer (ein Quartband
von 464 Seiten) vollständig, von der Uebersetzung aber nur
die erste Hälfte, ein Quartband von 327 Seiten erschienen ist.
Mit Vorbehalt des Berichtes über den Inhalt der Geographie
und die Uebersetzung bei Erscheinung der zweiten Hälfte der
selben beschränkt sich dieser Bericht bloss auf den Band der
allgemeinen Einleitung in die Geographie der Morgenländer, welche
an und für sich ein höchst wichtiges und nützliches Werk. Diese
Einleitung zerfällt in vier Abschnitte, deren erster auf 38 Sei
ten eine Lebensbeschreibung Abulfeda’s enthält; die nächsten
132 vSeiten handeln von den arabischen und persischen Geogra
phen, Vorgängern Abulfeda’s; zweimal so lang ist der dritte
Abschnitt, welcher auf 260 Seiten die geographische Lehre
*) Geographie d’Abouifeda, texle arabe, publie d’apres ies manuscrits de
Paris et de Leyde aux frais de ia societe asiatique. Paris 1840.
“) Geographie d’Aboulfeda, traduite de PArabe en Francais et accompagnee
de notes et d’eciaircisseinents , par M. Reinaud etc. Tom. I. introduction
generale a la geographie des Orientaux. Tom. II. premiere partie, con-
tenarit ia premiere moitie de la traduction du texte Arabe. Paris 1848.
61
der Araber insbesonders, und der Morgenländer überhaupt aus-
einandersctzt; die letzten dreizehn Seiten endlich, d. i. der
vierte Abschnitt, gehen über den hei der Uebersetzung befolg
ten Plan Rechenschaft. Was das Lehen Abulfeda’s betrifft, so
ist dasselbe schon der Herausgabe des arabischen Textes
aus dem biographischen Wörterbuche Ebulmehasin Jusuf
Tagrib e r d i’s, welches den Titel Menhel ess-ssafi *),
d. i. der reinen Tränke führt, dem Texte vorgedruckt erschie
nen. In dem vorliegenden Werke wird dasselbe durch die An
gaben, welche Ahu'feda in seiner Geschichte von sich selbst
erzählt, ergänzt.
Es wäre zu wünschen, Herr Reinaud hätte den Daten der
Jahre auch die des Monatstages, welchen Abulfeda als ein ge
wissenhafter Geschichtschreiber überall anzugeben nicht erman
gelt, beigesetzt; so lernen wir z. B. wohl aus der vorliegenden
Lebensbeschreibung, dass Abulfeda im Jahre 672 (1273) gebo
ren, aber es fehlt sein Geburtstag, nämlich der erste Dsche-
mafiul-ewwel, welcher dem dreizehnten November entspricht;
auch sind nicht alle Daten, welche Abulfeda’s Geschichte zu
seiner Lebensbeschreibung darbeut, berücksichtigt, z. B. dass
er am drei und zwanzigsten Ssafer 703 (6. October 1203) dem
damaligen Statthalter II a m a’s - S e i fe d d i n Kipdschak
mit Geschenken bis Anlar entgegenging; dass er am fünften
Dschemafiul-ewwel desselben Jahres (15. December 1203) seine
Tante Munis et verlor, deren Mutter Ghafijet, die Stifterin
der nach ihrem Namen benannten Moschee zu Hama; dass er
am zehnten Ssafer 704 (12. September 1204) von der Wall
fahrt Mekka’s wieder nach Hama zurückgekehrt u. s. w.
Unter den Ahnen Abulfeda’s hätte vorzüglich sein Urgross-
vater e 1 - M e 1 i k , e 1 - M a n f s u r , Mohammed B. Ta-
kijeddin, Omer, der zweite Herrscher von Hama, erwäh
net werden sollen, welcher nicht nur an dem Grabdome seines
Vaters eine hohe Schule stiftete, sondern, selbst Dichter und
Geschichtschreiber, zwei historische Werke: das Misraar,
d. i. die Rennbahn, und Thabakat, d. i. die Classen der
Dichter, hinterliess, und im Jahre 617 (1220) gestorben; von
1 ) ^
62
ihm erbte ilie Liebe zur Wissenschaft auf den Urenkel Abulfeda
fort; zwei hundert Rechtsgelehrte und Grammatiker, welche den
Turban trugen, waren die Zierde seines Hofes; er baute die
Brücke über den Orontes und verschönerte Hama mit Gebäuden 1 ).
Der zweite Abschnitt enthält die Uebersicht aller arabi
schen Geographen, Vorgänger Abulfeda’s, meistens, aber doch
nicht durchaus in chronologischer Ordnung. Da in dieser Ueber
sicht nicht nur die Verfasser astronomischer Tafeln, sondern
auch die Verfasser homöonymischer Wörterbücher aufgenommen
worden sind, wiewohl jene eigentlich den Astronomen, diese
zunächst den Philologen angehören, so wäre es zweckmässiger
gewesen, alle in die Geographie einschlagenden Werke nach
Kategorien ihres Inhaltes zu ordnen, nämlich 1. astronomische
Tafeln Takwirn a ), 2. Länderbeschreibungen (Mesalik-wel-
Memalik oder Kitab-ol-boldan) 3 ), 3. Tafeln von Län
gen (Kitab - ol-ath wal) 4 ), 4. Homöonyme (elmutelif
w e 1 - m o c h t e 1 i f) 5 ), 5. Werke über Naturwunder (Adschaib-
ol-machluk at) “), 6. Reisebeschreibungen (R i h 1 e t) 7 ),
7. Topographien (Chaththat) s ). Herr Reinaud hat zwar auch
die Werke über die Wunder (das älteste Ahmed’s von Thus
ausgenommen) berücksichtiget, aber weder von vielen Reise
beschreibungen, welche in Hadschi Chalfa unter dem Titel Rih-
I e t aufgeführt sind, noch von den Topographien einzelner Städte
Kenntniss genommen.
Die meisten Werke geographischen Inhalts (zwei hundert
drei und dreissig an der Zahl) sind in dem dritten Bande der
*) Ahulfedae annales IV. pag. 28S.
3)
3 ) Jd ^ ö I All VJ US"
ä ) «—äi—iLl j 1
7 ) a!c-j
8 ) la!a->.
63
Hertha in der Uebersicht der (Juellen arabischer, persischer
und türkischer Geographie mit ihren Titeln meistens in chro
nologischer Ordnung der Sterbejahre ihrer Verfasser von mir
schon im Jahre 1825 angezeigt worden. Herrn Reinaud war
diese Arbeit unbekannt, so wie eine spätere Herrn Professor
Wüstenfeld’s über denselben Gegenstand, von dem Herr Reinaud
nur die Wüstenfeld’s Tafeln Abulfeda’s angehängte Kunde von
36 von Abulfeda genannten und benützten Schriftstellern kennt;
er hätte aus dem Aufsätze in der Hertha seine Arbeit um Vie
les vervollständigen können.
Der Anfang des geographischen Studiums bei den Arabern
datirt von dem Beginne der Dynastie der Be ni- Ab bas, d. i.
von der zweiten Hälfte des achten Jahrhunderts der christlichen
Zeitrechnung, des zweiten der Hidschret; ein indischer Astro
nom, der im Jahre 772 der christlichen Zeitrechnung unter der
Regierung des Chalifcn el-Manfsur nach Bagdad kam, über
setzte auf den Befehl des Chalifen aus demSanscrit eine astro
nomische Abhandlung, welche den Titel: Siddhanta, d. i. ab
solute Wahrheit, führte, den die Araber sofort in den Namen
Sind h in d verstümmelten. Unter dem siebenten Chalifen el-
Mamun, unter welchem das Studium philosophischer und mathe
matischer Wissenschaften den höchsten Gipfel in der Geschichte
arabischer Litteratnr erreichte, bildete die Uebersetzung der
Mryicrj des Ptolemäos und seiner geographischen Abhandlung
sanunt der des Marinos aus Tyros die Grundlage des geo
graphischen Studiums der Araber.
Da Herr Reinaud die Astronomen, Verfasser von Tafeln, den
Geographen vorausschickt (ohne jedoch ihr Sterbejahr anzuge
ben), so werden auch diese hier zuerst gemustert; als den er
sten nennt Herr Reinaud den Chuarefmier, welcher die
Lehre der indischen Astronomen mit denen der griechischen ver
einbarend, eine neue Ausgabe der Tafeln S i n d h i n d besorgte.
Jahja mit dem Vornamen Ebu Manfsur, gestorben im Jahre
217 (832), ein Freigelassener Mamun’s, verfasste die Tafeln,
welche den Titel: el-kiäs el-momtenah 1 ), d. i. die gc-
64
prüfte Analogie, führen. Habeseh B. Abdallah aus Mervv,
der im Jahre 200 (815) lebte, hinterliess dreierlei astronomische
Tafeln; erstens eine neue Ausgabe des Sindhind; zweitens
den geprüften Kanon; drittens die persischen unter dem Titel
des Schahs. Nach diesen drei Astronomen, Verfassern astrono
mischer Tafeln, werden die drei Söhne des Musa aufgeführt,
deren einer ein ausgezeichneter Geometer, der zweite ein Me
chaniker, der dritte ein Musiker ; sie wurden vom Chalifen zur
Messung zweier Grade der Erde in der Ebene von Sindschar
verwendet. Hierauf werden die in Europa als Alfraganius ‘) und
Albategnius 2 ) bekannten beiden grossen Astronomen, deren ei
gentliche Namen el-Ferghani und el - Bettani oder
Bittani, erwähnt. Von el-Ferghani wird das Sterbejahr
215 (830), das von el-Bettani aber nicht angegeben, er
starb im Jahre 317 (929) auf seiner Rückkehr von Bagdad zu
Kassrol-Hadhr (das alte Chatra); eben so wenig wird
erwähnt, dass derselbe der Verfasser einer doppelten Ausgabe 3 )
astronomischer Tafeln. Nebst diesen zwei grossen Astronomen
werden noch zwei andere dem Europäer nicht weniger als jene
beiden bekannten, nämlich Ebu Jusuf Jakuh aus dem Stamme
Kinde, und Ebu Maaseher aufgeführt, jener als Alken-
dius, dieser als Albumazares bekannt; von dem letzten
wird gesagt, dass er im Jahre 190 geboren, achtzig Jahre alt,
d. i. im Jahre 270 gestorben, bei Kasiri um zwei Jahre später 4 ).
Ebu-Maaseher ist wie Habesch, der Verfasser dreier astro
nomischer Tafeln, nämlich der grossen, der kleinen und der
unter dem Namen S i ds c h o 1 - h e fa rat bekannten.
Nach diesen berühmten Astronomen und ihren astronomi
schen Tafeln erwähnt Herr Reinaud des Buches der Beschrei
bungen Nadhr B. Schemil’s oder Schomeil’s und des Bu
ches der Länder und ihrer Wunder vom Philologen üschahif;
das Werk des ersten scheint vielmehr philologischen als geo-
') Muhamedis Alfragani Arabis Chronologica et Astronomien Elementa. Fran-
col'urti 1590.
J ) Mahometis Albatenii de scientia steltai'um über. Cum aliquot additionibus
Joannis Regiomontani 1643 und früher schon zu Nürnberg im Jahre 1537.
*) Casirius I. 344.
4 ) Ebenda S. 351.
65
graphischen Inhalts zu sein; wenn dasselbe aber hieliergehört,
so gehören noch mit weit grösserem liechte die Bücher der
Berge, Thälcr und Wüsten, die Bücher der Wasser und Trän
ken und die Bücher der Wohnsitze hielier 1 ).
*) I. Die Bücher der Namen, der Berge, Thäler und Wüsten.
1. Chalef«) von Bassra, gestorben im Jahre 180 (794) sammelte
der erste die Namen der Berge, und die Stellen der Gedichte, in wel
chen dieselben Vorkommen; 2. Ebu - seid B. Hasan B. Abdallah
es-seirafi&) verfasste ein Buch der Namen, der Berge und Wohn
sitze Tihame’s, das sich auf ein früheres Werk Afsbagh’s stützt;
3. Ho sein B. Mohammed B. Dscliaafer B. Mohammed B.
el-Hosein c) berühmt als Chalii, schrieb ein Buch der Berge und
Sandwüsten; 4. AafifB. el-FadhlB. Fadhalet B. Michrak
B. Ab d e rr ah man d) aus dem Stamme Hodeil, berühmt als Ibn
Esch äs, Verfasser eines Werkes der Mundart der Beni Hodeil, be
schrieb die Berge und Thäler derselben in einem von J a k u t angeführ
ten Werke. Denselben Titel führt eines von 5. Sch einer B. Hamde-
w e i h «) aus Herat, dessen Sterbejahr S o j u t h i in den Classen der
Grammatiker eben so wenig, als das von Chalii und Ibn Eschäs
angibt; 6. Saadan Ibn ol-Mobarek Ebu Os man/) hinterliess
ein Buch der Erden (S o j u t h i in den Classen der Grammatiker in der
Handschrift der Hofbibliothek Nr. 1083).
II. Bücher der Wasser und Tränken. aUI
1. Ebu leid Saad B. Aus e 1 - C h a fr e d s c h i, gestorben 214
(829), schrieb der Erste ein Buch der Wasser, eben so Saadan B.
Mobarek, der oben erwähnte Verfasser des Buches der Erden; 2. ein
Buch der Wasser und 3. ein Buch der Tränken.
111. Bücher der Wohnsitze. jfuT
1. Schon Afsinaai, gestorben 215 (830), hatte ein Buch der Dör
fer hinterlassen ; 2. Hosein B. Ahmed B. J a k u b aus Ham ad an,
«)
6 ) i ^ ^ ö‘ t o' y ^
c ) 1 ASs* y y y
ri ) ^ Cj‘ O !/* o‘ ^ ^ y j'jF'
') o; yy
f) O U& y | U| y I oIa*-«
66
Ausser den sechs Astronomen, Verfassern von Tafeln (1. der
Uebersetzer der Siddhanta unter Manssur, 2. Eb u
Jahja B, Manssur, 3. Chuarefini, 4. Habesch,
der unter dem Namen Ibn ol-Haik bekannte Grammatiker, gestorben
334 (945), hinterliess ausser einem länderbescbreibenden Werke, welches
den von den arabischen Geographen viel beliebten Titel: Buch der
Strassen und Reiche führt, noch zwei geographische Werke, das
eine: Die Wunder Jemens und Mesopotamiens, das zweite: Das Buch der
Namen der Oerter; 3. Abdallah B. Abdol AafifEbuMusa
edh-dharir, der Grammatiker, gestorben 487 (1094), ist der Ver-
“'.sser eines Werkes, dessen Titel: Das in den Namen der Bän
der mit Punkten Versehene, welches der Vorläufer des gros
sen geographischen Wörterbuchs Jakut’s (Moaadschem-ol-Bohlan). Diess
ist dasselbe *), welches Herr Beinaud ausführlich unter dem Namen e 1
B e k r i’s bespricht (CIII), eines späteren aber, nämlich des Buches der
Namen, der Oerter und Wohnsitze, der Berge und Wasser von Nafsr
B. Abdallah B. Ismail cl Pefari el Iskenderani, welcher
im Jahre 560 (1164) lebte, nicht erwähnt; eben so mangelhaft ist die
Angabe von den Büchern der Wettergestirne cl-Enwa, von denen Herr
Reinaud nur zweier, nämlich des von Sabit (Casirius Tom. 1. pag. 388
und 391), dann des im Jahre 961 unserer Zeitrechnung vom christlichen
Bischof Harib B. Seid verfassten, und dem Chalifen Hakem darge
brachten (pag. XC und CBXXXVI) erwähnt; es sind uns aber von solchen
Büchern der Wettergestirne, deren gleichzeitiger Aufgang und Untergang
"m Osten und Westen den Arabern als Vorzeichen von schlechtem oder
guten Wetter, von Feuchte oder Trockenheit galt, nicht weniger als fünf
und zwanzig Werke bekannt: 1. Kasim Ben Maan; 3. Sedusi, ge
storben 195 (810; 3. Nadhr B. Schemil, berühmt als Ibnes-
sikit, gestorben 204 (819); 4. Der berühmte Grammatiker und Bexi-
cograph Kothrobi, d. i. der Poltergeist, gestorben 206 (831); 5. A s s-
maai, gestorben 215 (830); 6. Ebu feid, gestorben 215 (830);
7. Ibnol Aarabi, gestorben 231 (845); 8. Mohammed B. Habib,
gestorben 196 (900); 9. Ibn Koteibe, gestorben 276 (889); 10.das
vollständigste Buch der Wettergeslirne, welches zugleich die Kenntniss
der Winde und Wolken behandelt, ist das Ebu Hanife Ahmed B.
Daud Deineweri’s, gestorben 281 (894). Ebu Hanife schöpfte
aus den Werken Ibn Aar ab i’s Ibn Kenaset’s; 11. Das Buch der
Wettergestirne sammt dem Commentare desselben von Abdes-selam;
12. Mobcrrid, gestorben 285 (898); 13. Schciban Sabit B.
Korra verfasste das von Herrn Reinaud in der Note pag. XC1. erwähnte
Buch der Regengestirne für den Chalifen M o t e d h a d , der im Jahre
289 (903) gestorben; 14. Das Sinau’s, des Sohnes Sablts, von el-
1) ln Sojuthi's Classen der Grammatiken Nr. 1353 heisst der Verfasser: Abdal
lah B. Abdolaasis Ebi Mossaab el-Andalusi.
67
5. LSettani und <>. Eb u Mjascher), wird von Herrn Rei-
naud in der Folge noch ein halbes Dutzend derselben (Aalem,
Zarkalis, Kuschjar, Ihn Junis, Nafsireddin von
Tims und Ulug heg) aufgeführt. Mit gleichem Rechte als die
ses Dutzend von Verfassern astronomischer Tafeln hätte aber
auch noch ein anderes derselben aufgeführt werden können, deren
Namen, so wie der des ältesten arabischen Astronomen, Ver
fertigers astronomischer Instrumente und Uebersetzers des in
dischen Werkes Siddhanta mit Stillschweigen übergangen wird ’).
Biruni erwähnte (eben ila); 15. Ebu Ishak e f-f e d s c h a d s c h , ge
storben 310 (912); 10. Das Buch der Hegengestirne vom kleinen Ach-
i'cscli, gestorben 315 (927); 17. Ihn Ismid es-sakifi, gestorben
319 (931); 18. von Ihn Doreid, gestorben 321 (923); 19. DasBuch
der Hegengestirne vom Richter el-Wekii; 20. von Ebul-H eisern
errafi (Ebu Ghalib Ahmer B. Seliin); 21. von Ihn Aamar; 22. von
ed-Deheni; 23. von M e f i d i; 24. von Ebu K a i d B. Omer e 1-
B a s s r i (Hadschi Cbalfa) ; 25. von Ibnol-Wescha. Hier sind fünf
und zwanzig Bücher der Regengestirne, das ist dreimal so viel, als sich
bei Hadschi Chalfa unter dem Titel: Kit ab o 1 e n w a <*) befinden und
um zwei Fünftel mehr als im Filirist, wo nur fünfzehn derselben zu
sammengestellt sind.
*) Da es die Astronomen interessiren dürfte,ihre arabischen C'ollegen, Ver
fasser von astronomischen Tafeln, mit ihrem Namen und in der Zeit
ordnung , in der sie gelebt, kennen zu lernen , so sind dieselben nach
den beiden reichstromendsten Quellen altarabischer Literaturgeschichte
nach dem Filirist und der Geschichte der Philosophen Ihn ol Koftlii’s
hier zusammcngestellct worden. 1. El Fefari, der erste Verfertiger
eines Astvolabs, Uebersetzer des indischen Werkes Siddhanta unter
Manfsur 1. u. d, Jahr 150 des Herrn; 2. Jahja (Ebu Manfsur), der
Verfasser der unter dem Namen Kiasol momtenali, d. i. geprüf
ten Analogie bekannten Tafeln; 3. ei Chuarefmi, der Verl'asserder
für den Chalifen Mamun eine nach arabischer Methode eingerichtete neue
Ausgabe der Siddhanta besorgte; 4. Habe sch, der Verfasser dreier
astronomischer Tafeln, deren Namen oben gegeben worden, von denen
eine die dritte Ausgabe des S i n d h i n d ; 5. ei B e 11 a n i (Albategnius),
der Verfasser doppelter astronomischer Tafeln , 6. Ebu Maascher
(Albumazares), der Verfasser von drei oben erwähnten Tafeln; 7. Sin dB.
Ali, der Jude, der Verfasser der bis zur Zeit Ibn ol Kofti’s von arabischen
Astronomen gebrauchten Tafeln (Casirius I. S. 440 , nach Ibn ol Kofti),
<6. Abbas B. Said el D schel'heri, der College des vorhergehen
den , welcher mit demselben an der vom Chalifen Mamun zu Bagdad er-
68
Unter den Werken der beiden von Herrn Reinaud unter den
Geographen genannten grossen Philosophen el Kindi und el
Farabi finden sich auch keine eigenen geographischen Werke,
bauten Sternwarte Sehe masije Beobachtungen anstellte und sehr
geschätzte Tafeln hinterliess (Casirius I. pag. 403)$ 9. Ibn ol Bafiar,
ein Schüler desHabesch, Verfasser von astronomischen Tafeln (Casirius I.
S. 432) ; 10. e 1 Hasan e 1 M i f s b a h , Herausgeber von Tafeln nach
der Methode von Sindhind (Casirius I. pag. 413); 11. Abdallah B.
Amadschur, ein Abkömmling der Pharaonen, Verfasser von fünf
astronomischen Tafeln (C haiiss, Bedii, el mojaanes, el meiner-
ret «) und einer neuen Ausgabe (der vierten) der Tafeln Sindhind
(Fihrist und auch Casirius I. 404 mit verderbten abweichenden Namen);
12. Mohammed B. el Adern i, der Verfasser der grossen Tafeln, an
deren Vollendung ihn sein Tod unterbrach, und welche einer seiner Schü
ler im Jahre der Hidschret 308 (920) unter dem Titel des Perlenkno-
tens herausgab (Casirius I. 430); 13. A li Ibn ol A lern, d. i. der
Sohn des Wissendsten, war der Astronom des grossen Fürsten der Beni
Buje A dh d h a d d e d e w 1 e t, Verfasser astronomischer Tafeln, welche
bis zur Zeit Ibn ol KoftPs im Gebrauche waren, gestorben im Jahre der
Hidschret 375 (985) im Casirius (1.412); 14. Ebul Kasim Ahmed B.
Abdallah Ibness-fsofar, der Lehrer MedschrithPs, verfasste
ein Compendium über die indischen Tafeln Sindhind (die fünfte Aus
gabe) (Ibn Ebu Ossaibije); eines halben Dutzends von Verfassern
dieser Tafeln erwähnt Ihn ol Kofti unter dem Artikel des Inders Kenke
(bei Casirius 1. 426, irrig Katka); 15. Ibrahim B. Jahja B. Ser-
kial, im Mittelalter unter dem Namen Al -zar kal bekannt, trat zu Toledo
im Jahre der Hidschret 468 (1075) auf, und erwarb sich grossen lluhm
durch seine Tafeln. Herr Reinaud erwähnt desselben (Cli), aber keines
wegs seines Schülers 16. Ibn o l Ds ehern ad , des Andalusiers, wel
cher nach den Beobachtungen seines Lehrers drei verschiedene astrono
mische Tafeln herausgab, deren eine el - kewr aaled-dewr, d. i.
die Natur im Umkreise, die zweite el-amed a a 1 e 1 e b e d , d. i. das
Ziel des Ewigen, betitelt war, die dritle ein Auszug aus den beiden, den
Namen el moktebis, d. i. der Feuerfangende, führte (Casirius I. 393);
17. die Tafeln des Astronomen Kuschjar, so wie 18. die unter dem
Namen der h a k i m i t i s c h e n berühmten von Caussin in den „notices
et extraits de manuscrits” bekannt gemachten Tafeln des grossen Astro
nomen 19. Ibn Junis werden von Herrn Reinaud erwähnt. Die oben
erwähnte Ausgabe der Tafel el-Bettani’s von Regiomontanus enthält
auf dem Titelkupfer die Angabe : ex bibliotheca Vaticana transcriptus. Als
ich im Jahre 1825 die Bibliotheken Italiens bereiste, ersuchte mich der
Berliner Astronom Ideler um die Nachforschung des Originals auf derVa-
“)
69
wiewohl el-Kindi die geographische Abhandlung des Ptole-
mäus übersetzt zu haben scheint; unter die ersten geographi
schen Arbeiten der Araber gehört die vom Kaufmann Sulei-
man im Jahre 237 (851) niedergeschriebene Beschreibungsei
ner Reisen nach Indien und China, wovon Herr Reinaud im
Journal asiatique Bruchstücke gegeben; er hebt auch die gros
sen Verdienste hervor, welche sich der grosse Geschichtschrei
ber und Reisende Mesudi durch die im Anfänge des vierten
Jahrhunderts der Ilitschret, des zehnten der christlichen Zeitrech
nung, ausgebreiteten Reisen, welche sich über Transoxanien,
Armenien, die Küsten des kaspischen Meeres, Spanien, das
griechische Reich und bis in die indischen und chinesischen
Meere erstreckten, um die Geographie erworben, er starb im
Jahre 345 (956) in Aegypten.
Die eigentlichen Länderbeschreibungen der Araber führen
den Titel: Bücher der Strassen und der Reiche; als
das erste derselben führt Herr Reinaud das A h m ed’s von
Serachs auf; das Fihrist sagt aber ausdrücklich, das ei’ste
aller Werke im Islam, welche den Titel: Kitab ol mesalik
wel memalik geführt, sei das Dschaafer B. A h m e d’s
ticana; meine Nachforschungen waren vergebens, aber statt der Tafel
el-Bittani’s fand ich ein herrliches Exemplar (189 Blätter im gröss
ten Folioformat) der bis dorthin ganz unbekannten sindscherischen Tafeln,
welche für Sultan Sind sc her, den Sohn Mel e k s c hah’s, gestorben
im Jahre 552 (1157), von seinem Astronomen 20. Ebu Manssur Ab-
derrahman e 1 - C hi j s m i herausgegeben worden , und wovon ich in
meinen bibliographischen Briefen über die orientalischen Handschriften der
Bibliotheken Italiens im XLVII. Bande der ßibliotheca italiana (Nr. CXLVI
der Handschriften der Vaticana) zuerst Kunde gegeben; 21. der Tafeln
des berühmten Astronomen Nafsireddin von Thus , welche unter dem
Namen der Ilchanischen bekannt sind, erwähnt Herr Reinaud (S. 1S9),
so wie der von Greaves im Jahre 1650 herausgegebenen 22. U 1 u gb e g’s;
die sind aber auch die letzten der von ihm aufgenommenen zwölf astro
nomischen Tafeln ; er nimmt keine Kenntniss von den späteren astronomischen
Arbeiten der türkischen Astronomen 23. Alikuschdschi und 24. Mi-
remtschelebi, wovon jener für Mohammed II. seine beiden Werke:
Fethije und Mohammed ij e verfasste, dieser für ßajesid II. einen
Commentar zum Fethije und zu den astronomischen Tafeln UI u g h-
b egh’s schrieb (Geschichte des osmanischen Reiches II. 240, 372
und 591).
70
von Mervv gewesen , welcher im Jahre 274 (887) starb. Gleich
zeitig mit demselben lebten die Länderbeschreiber el Belafori,
der Verfasser zweier Bücher der Länder (des kleinen und gros
sen) , gestorben 279 (892) und der oben genannte Ahmed von
Serachs, gestorben 286 (899); dieser ist also der dritte, und
nicht der erste Verfasser eines Buches der Länderbeschreibung
und zwischen ihn und Ihn Chordadbe, welchen Herr Reinaud
unmittelbar auf Belafori folgen lässt, ist der grosse Botaniker
und Naturforscher Ahmed B. Da ad es-Deineweri einzu
reihen , welcher im Jahre 296 (900) gestorben ‘), und dessen
schon oben als des Verfassers eines Buches der Wettergestirne
Erwähnung geschehen. Unmittelbar auf Ihn Chordadbe folgt
bei Herrn Reinaud Kodainet oder Kidamet, gestorben 367
(948), von dessen Buch der Steuern Baron Mac Guckin von
Slane einen Tlieil auf der Bibliothek K o pr i 1 i pascha’s ent
deckt hat. Aber vor denselben gehören in die ersten dreissig
Jahre des vierten Jahrhunderts der Hidschret Ebu Ishak Ibra
him B. Aluned, gestorben 312 (924), Verfasser des Buches
der Districte und Gesichtskreise in den Kunden der Länder
(Fihrist), dann Ebu Ishak B. Aun, der im Jahre320(911)
lebte, Verfasser eines Buches der Districte und eines, welches
den Titel der Kunden der Länder führt (Fihrist), Eb u Nedsch m
el Hilali, Verfasser eiues Buches der Districte und Kunden
der Länder; Ebu Mohammed B. Ahmed, gestorben 334
(945), Verfasser eines Buches der Strassen und Länder, und
Ebu feid Ahmed B. Sehl el Balchi, Verfasser des
Buches der Erdgürtel, welches die beiden späteren Geographen
Ham d all ah M e st u fi undMokaddesi benützten. Hex-r Rei
naud spricht die Meinung aus, dass den aus der Tausend und
Einen Nacht bekannten fabelhaften Reisen Sindebad’s, wel
cher ein Zeitgenosse Harun Reschid’s gewesen sein soll,
eine wirkliche Reisebeschreibung zum Grunde liege; so dürfte
wohl auch der Reisende Ebu feid aus Siraf, welchen Me-
sudi so oft als den Gewährsmann wunderbarer Erzählungen
nennt, dem Ebu feid aus Serudsch, dem Erzähler der
Makamat Hariri’s zum Vorbilde gedient haben. In diese
*) Nach der Angabe des Fihrist im Jahre 370 (883).
TI
Ze't ist auch die grosse Topographie Spaniens, seiner Städte
und Häfen zu setzen, deren Verfasser Rafi mit dem ältesten
Geschichtschreiber Bagdad’s wetteiferte Rali nennt densel
ben G a 1 i b B. Mohammed B. Abdol -Wehhab, berühmt
unter dem Namen Ebu Abdes sellam 2 ). Nach dem Rei
senden Ahmed B. Fofslan, welcher im Jahre 309 (921)
als Gesandter an den König der Bulgaren ging, und dessen Be
schreibung der Barbarei der alten Russen aus Frähn’s 3 ) Werk
bekannt, und nach Ebu Dolef B. el Mohelhil, der um das
Jahr 331 (943) lebte, und dessen Reisebericht Kurd von
Schlözer 4 ) herausgegeben, beschäftigt sich Herr Reinaud aus
führlicher mit den drei grossen Ileisebeschreibern Isstachri,
der um das Jahr 340 (951) lebte, mit dem Wesir Ebu Ab
dallah B. Ahmed el Dscheihani, gestorben im Jahre
345 (956) und Ihn Haukal, der noch im Jahre 366 (976)
lebte, und deren Werke von Orientalisten so oft mit einander
vermengt worden; die groteske Weltkarte nach den geographi
schen Begriffen Isstachri’s und Ihn Haukal’s ist beigefügt.
An dem Hofe Adhadhcddewlet’s , des grossen Fürsten der
Beni Buje lebte Abderrahman efs-fsofi, der Verfasser
eines Werkes der himmlischen Figuren und um dieselbe
Zeit der Verfasser des Buches der Längen und Breiten, wel
cher von A b u 1 f e d a e 1 F a r i s genannt wird, was, wie Herr
Reinaud vermuthet, als el Fers gelesen werden dürfte, und
dann sich zunächst auf die den Persern bekannten Längen und
Breiten bezöge. Hasan el Moliellibi, der um das Jahr 370
(980) in Aegypten lebte, ist der Verfasser des Buches der
Strassen zur E r k 1 ä r u n g der Be g r ä n z u n g de r
*) Gayangos History of Spain I. 173; Herr Gayangos liat sich nicht die Mühe
gegeben, diesem Rafi näher nachzuforschen, wiewohl Casirius (II.
330) demselben einen langen Artikel geweiht, um ihn von seinem pseu
donymen Namensgenossen zu unterscheiden ; eben da kömmt ein geogra
phisches Werk I b n II a m a m e’s vor , der bisher als Geograph gänzlich
unbekannt.
a ) Conde’s Geschichte der Herrschaft der Mauren. Cap. 88.
! ) Ibn Fofslan’s und anderer Araber Berichte über die Russen älterer Zeit.
Petersburg 1823.
! )Abu Dolef Misari’s Ben Mohalhal de itinere asiatico commenta-
rium recensuit Kurd de Schloez er. Berolini 1845.
72
Reiche. Verdienterweise wird Ebu Ri hau el-Biruni, ge
storben 430 (1039), der Verfasser des mesudischen Ka
nons in einer Beschreibung- Indiens ausführlicher be
handelt ; er war für Mahmud, den Eroberer Indiens, was Ari
stoteles für Alexander, nur mit dem Unterschiede, dass jener
die Feldzüge wirklich mitgemacht, und was er beschrieben, mit
eigenen Augen gesehen; gleichzeitig mit ßiruni lebte el-
Mokaddesi, der Verfasser eines Werkes, welches den Titel:
Die schönste der Eintheilungen in der Kenntnis»
der Erdgürtel führt, und dessen das Dsehihannuma unter
seinen Qnellen erwähnt.
In der Mitte des fünften Jahrhunderts der Hitschret, des eilf-
ten der christlichen Zeitrechnung, zu dessen Ende die Kreuz
züge begannen, reisete einer der berühmtesten Aerzte Aegyp
tens, der Christ Ihn Bat h ran, ein halbes Jahrhundert vor
der Eroberung Antiochiens von Bagdad dahin und richtete über
seine Reise ein Sendschreiben an einen Gelehrten seiner Zeit
genossen.
Wiewohl sich dieses Sendschreiben unter dem lebensbe
schreibenden Artikel Ibn Bathraus in der Geschichte der
Weltweisen des ägyptischen Wesirs Ibnol Kofti, d. i. des
Sohnes des Kopten, befindet, und diese durch die von Casirius
daraus gemachten Auszüge bekannt genug, so ist dieses Send
schreiben reisebeschreibenden Inhaltes bisher doch noch gänz
lich unbekannt und es verdient um so mehr hier in Uebersetzung
mitgethcilt zu werden, als selbst die Quellen der Geschichte
der Kreuzzüge über den Zustand Antiochiens unmittelbar vor
der Eroberung durch die Kreuzfahrer keinen Aufschluss geben,
und weder die Byzantiner, noch die christlichen Wallfahrer
des eilften Jahrhunderts hierüber Etwas berichten. Nach den
Begrüssungsformeln beginnt es , wie folgt:
Ich begann zu Bagdad die Scheiche zu besuchen und zu
bewundern, und mich durch ihre Prose und Verse zu ermun
tern, dann brach ich in Gottes Namen im Ramadhan des Jah
res 440 (März 1049) auf und begann meiner Reise Lauf. Ich
stieg durch den Fluss Isa nach Enbar auf, kam am 19. im
Nachtlager zu R a h b e t an ; dies ist eine schöne Stadt, die
mancherlei Früchte hat, nur von Trauben neunzehn Arten zum
%
•73
Ausklauben, sie hält das Mittel zwischen Hai eh und En bar,
zwischen M o f s u 1 und Sindscha r. Zwischen Ralibet und
Kafsr-rofsafa sind vier Tagreisen und vier von Kafsr-rofsafet
nach Haleb. Diese Stadt ist mit weissen Steinen ummauert, mit
sechs Thoren, an der höchsten Mauer des Schlosses steht die
Moschee und zwei Kirchen, die eine ober der Stätte errichtet,
wo Abraham zu schlachten pflegte, und im unteren Schlosse die
Höhle, wo er seine Schafe molk, so milde ging er um, dass
man nicht wusste, ob er dieselben gemolken oder nicht, „Ha
leb em la,” daher der Stadt der Namen Haleb blieb. In der
unteren Stadt ist eine grosse Freitagsmoschee, sechs Märkte,
ein kleines Spital. Die Rechtsgelehrten geben dort Entscheidun
gen nach der Lehre der Imamije. Das Wasser ist Cisternen-
wasser, wiewohl am Tliore der Fluss K u w a i k vorbeifliesst,
der im Winter überströmt, aber im Sommer wenig Wasser hat.
In der Mitte der Stadt ist das Haus Aluwet’s, der Freundin
des Dichters Rohtori. Haleb erzeugt nur wenig an Früchten,
Gemüse und Wein, wovon sie das Meiste von den Griechen be
zieht. Zu Haleb ist keine öde Stätte zu sehen. Von Haleb be
gaben wir uns nach Antiochien, das nur eine Tag- und Nacht
reise von Haleb entfernt ist; wir stiegen dort in einem griechi-
sclienDorfe ab. Dort ist eine fliessende fischreiche Quelle (Daphne),
die Mühlen treibt; dort sind ausgelassene Weiber und Wein-
sclienken ; vier liii dien und eine Freitagsmoschee. Zwischen
Haleb und Antiochien ist kein ödes Feld , sondern alles Saat
land mit Korn und Gerste bepflanzt, mit Oliven und Gärten.
Antiochien ist eine grosse »Stadt, mit Mauern umfangen, die drei
hundert sechzig Bollwerke zählen, sic ist von vier tausend Mann
bewacht, die von Constantinopel gesendet werden und die für
den Schutz der Stadt verantwortlich, und die Stadt bildet einen
halben Kreis, deren Durchmesser sich an den Berg lehnt; die
Mauer steigt dann den Berg bis zum Gipfel hinauf, und vollen
det so den Kreis. Das Schloss auf dem Gipfel des Berges scheint
von unten der Entfernung wegen nur klein; der Berg wehrt von
dem Schlosse die Sonne ab, so dass es nur in der zweiten
Stunde davon beschienen wird. Die Umfangsmauer hat jenseits
des Berges noch fünf Tliore, in der Mitte ist das Schloss des
Cassianus, des Landesvogtes, dessen Sohn der Apostel Petrus
Stab. d. philos. hist. CI. Jahrg, 1849. VII. Heft. 7
*74
zum Leben weckte. Diess ist ein Gebäude von hundert Schrit
ten lang und achtzig breit, mit einer Kirche auf Säulen gestützt;
rund um den Tempel läuft eine Halle, wo die Richter zu Ge
richt sitzen, die Grammatiker Sprache lehren; an einem Thore
dieser Kirche ist eine Uhr, welche bei Tag und Nacht zehn
Stunden zählt, ein Wunder der Welt; das Gebäude ist fünf
Stockwerke hoch, im obersten auf der Torasse sind Bäder und
Gärten, dann schöne Kösclike und Springbrunnen. Die Pracht
der Kirchen ist eine ausserordentliche; sie sind mit Gold, Sil
ber, farbigem Glase, musifischem Pflaster verziert; das Spital
steht unter der unmittelbaren Aufsicht des Patriarchen; in der
Stadt sind Bäder, wie sie nirgend anderswo anzutreffen, zu al
ler Gemächlichkeit des Genusses eingerichtet; sie werden mit
Myrtlien geheizt und das Wasser lliesst. Ausser der Stadt ist
der Fluss, welcher e 1 - M a k 1 u b, d. i. der umgekehrte, heisst,
in der Grösse wie der Fluss Isa bei Bagdad, in der Richtung
von Süden gegen Norden. Vor der Stadt ist das Kloster Simon’s,
das halb so gross als das Chalifeuschloss zu Bagdad , dessen
Einkünfte, sagt man, viermal hundert tausend Dinare betragen
sollen. Von hier steigt man auf den Berg L o k am *), der über
säet mit Klöstern, springenden und strömenden Wassern , Ca
pellen und Zellen, Brunnen und Springbrunnen, wo beständiger
Glockenklang und Singsang, so dass der Mensch meint für ge
wiss, er sei im Paradies. In Antiochien ist der Richter der Scheich
Ebu Nadhras cl-Athar, der Richter der Richter, der tief ge
lehrt in der Ueberlieferung und anderen Wissenschaften. Von
Antiochien kam ich nach Laodicea, einer griechischen Stadt, in
der ein Spielplatz (Theater) und ein Rennplatz (Hippodrom);
eben dort ein alter Götzentempel, der aber heute in eine Kirche
verwandelt ist. In der ersten Zeit des Islams war hier eine Mo
schee hart am Ufer gelegen, es war ein Richter der Moslimen
bestellt, und diese verrichteten ihre fünf Gebete in einer Moschee.
Der Gebrauch der Griechen ist, dass sie , so oft sie den Ge
betausruf hören, die Glocken läuten. Einer der sonderbarsten
Gebräuche dieses Landes ist, dass der Polizeivogt die Huren
*) Supplementa tabulae cx prolegomenis Geographiae Abuli'cdae edita; als An
hang zu den von Köhler herausgegebenen Tafeln Abulfeda’s, pag. 159»
163 , 164.
75
und strollenden Weibsbilder zusammenfängt und sie dann die
Nacht dem Meistbietenden überlässt; diese nehmen sie dann in
den besonderen Häusern, die Fonduk (Fondaco) heissen, und
welche grosse Gasthäuser zur Bewirthung der Fremden sind;
jede von ihnen erhält einen Ring, der dem Vogt zum Beweise
wider sie dient; die ohne mit einem solchen Ring begabt zu sein
Iüderlich ist, muss dafür dem Vogte Sühngeld geben. Die Be
wohner der Zellen hingegen sind ordentliche fromme Leute, ia
deren Gesprächen den Trefflichen die Zeit zu kurz wird, so
klar sind ihre Begriffe, so rein ist ihr Vortrag.
Dieses wichtige Schreiben des christlichen Philosophen Ihn
Bathran von Bagdad enthält ausser dem letzten Belege zur da
maligen griechischen Polizei zu Antiochien noch köstliche Auf
klärung über die alte Pracht vor der Zerstörung Antiochiens
durch die Kreuzfahrer. Der Quell Daphne strömte so reich
wie zur Zeit der Römer und war ein Schauplatz morgenländi
schen Sinnengenusses; das Schloss des Cassianus schliesst
sich an die Geschichte des Apostelfürsten an, der Berg Luk-
j a n wetteiferte damals an Klöstern und Pallästen mit dem Li
banon ; zu L a o d i c c a befand sich Theater und Hippodrom in
vollem Glanze; endlich ist hier der Widerwille der Moslimen
wider die Glocken sehr einfach erklärt, und es ist natürlich,
dass sie dieselben nicht duldeten, weil das Geläute derselben
den Gebetausruf übertönte.
Herr von Karajan setzt die Lesung seiner Abhandlung
über das Concil von Lyon im J. 1245 fort. Er schilderte die erste
öffentliche Sitzung desselben nach den Quellen mit allen Reden und
Gegenreden. Besonders wurden die Beschuldigungen des Pap
stes gegen Friedrich hervorgehoben und die geschickten Ent
gegnungen des kaiserlichen Gesandten Taddeo da Suessa. —
Herr von Karajan wies nach, dass schon die Zeitgenossen den
ganzen Handel zwischen Papst und Kaiser für einen sehr ver
wickelten hielten, dessen gerechte Würdigung eine umfangreiche
weit zurückgehende Untersuchung fordere. Er versuchte ferner
nach der ersten Sitzung die Verhandlungen der zweiten auf eben
solche Weise darzustellen, namentlich eine von den Quellen ver
nachlässigte Sonderung der beiden Sitzungen zu bewcrkstellen.
7 *
76
Auch hier war Veranlassung, auf die Schwankungen der Ueber-
lieferung wiederholt hinzuweisen und zu zeigen, wie ihr Zu
sammenhang lückenhaft und lose genannt werden müsse. Den
Schluss der zweiten Sitzung bildete die persönliche Vorladung
d's Kaisers, wozu namentlich auf Verwendung der Gesandten
Frankreichs und Englands ein Aufschub der Verhandlungen von
fast zwei Wochen bewilligt wurde. Dass Friedrich aber trotz
dem nicht erscheinen werde, wusste man bereits und so drängte
Alles zu entscheidenden Schritten, deren baldiges Eintreten am
Schlüsse der zweiten Sitzung mit Sicherheit vorherzusehen war.
Das correspondirende Mitglied He. Custos J. G. Seidl liest
folgendes Vorwort zu seiner für die Denkschriften bestimmten
Abhandlung: „Das alt-italische Schwergeld des k. k.
M ii n z - und Antiken-Cabi nettes i n W i e n” (Geord
net und beschrieben von ihm.}:
Die kaiserliche Akademie der Wissenschaften hält in ihrer
philos ophisch - historisch e n Classe ein besonderes Au
genmerk auf jene Bestrebungen gerichtet, deren Zweck es ist,
die kostbaren wissenschaftlichen Sammlungen der Monarchie und
namentlich der Residenz durch Beschreibung und Erklärung der
in denselben aufbewahrten Gegenstände für die Wissenschaft
fruchtbringend und auf diese Weise gleichsam zu einem Gemein-
gute für die gesammte Gelehrtenwelt zu machen. Welch hohen
Rang unter diesen Sammlungen das k. k. Münz- und Antiken-
Cabinet einnimmt, ist bekannt. Die kaiserliche Akademie liefert
durch die auf ihre Kosten der Oellcntlichkeit übergebene Be
schreibung der Camcen des k. k. Münz- und Antikcn-Cabinettes,
an die nach und nach die Herausgabe aller übrigen Bcstand-
theile dieses kaiserlichen Institutes sich anrcü en soll, den spre
chendsten Beweis, welche Wichtigkeit sie den Monumenten bei
legt, die in demselben durch die Munilicenz der österreichischen
Fürsten kommenden Generationen zur Bewunderung und Beleh
rung aufgespeichert wurden. Nun ist aber der Umkreis, inner
halb dessen die einzelnen Zweige einer solchen archäologischen
Sammlung wie Radien auslaufcn , so gross, dass, wenngleich
eine Gesammtbeschreibung derselben schon im Zuge ist, doch
immer noch einzelne Segmente zur vorbereitenden Bearbeitung
77
Stoff genug' darbieten. Ein Segment dieser Art, das, nacli dem
angelegten Plane, in der allgemeinen Beschreibung des k. k.
Münz- und Antiken-Cabinettes wohl nicht so bald an die lteihe
kommen dürfte, habe vor der Hand ich zum Gegenstände einer
kleinen Monographie gemacht, die ich hiermit der kaiserlichen
Akademie zur gefälligen Prüfung und , im Palle sie der Veröf
fentlichung würdig befunden werden sollte, zum Drucke in den
Denkschriften der kaiserlichen Akademie vorzulegen mir erlaube.
Dieses Segment aus der grossen Umfangslinie der Monu-
mente , die das k. k. Münz- und Antiken - Cabinet umschliesst,
besteht in dem sogenannten Aes grave oder alt-italischen
Schwergelde der kaiserlichen Sammlung.
Ohne Zweifel gehört das alt-italische Schwergeld unter die
merkwürdigsten Gegenstände der antiken Numismatik, weshalb
dasselbe den Forschungsgeist der Gelehrten auch jederzeit viel
fach angeregt und beschäftigt hat. So sehr mau jedoch über die
ursprüngliche Bedeutung und Geltung dieser sonderbaren, das
Gepräge hohen Alterthums unverkennbar in sich tragenden Münz
stücke längst schon im Reinen zu sein glaubt, so wenig war
man es bisher noch in Hinsicht auf die örtliche Zutheilung und
auf das wechselseitige Verhältniss derselben, wofür Provenienz
und Analogie fast die einzigen schwachen Auhaltspuncte darzu
bieten schienen. Die beiden römischen Gelehrten Giuseppe
Marchi und Pietro Tessieri, die Verfasser der Monogra
phie : „LWes grave tlei Museo Kircheria.no” (Roma 1839),
waren die ersten, die in das bisherige Chaos von Muthmas-
sungen und Voraussetzungen eine Art von System brachten
und eine grössere Anzahl von derartigen Denkmählern sammel
ten , ordneten, beschrieben und erläuterten. Obwohl das M u-
seum K i rc heria n u m, das sie vor Augen hatten, nicht mehr
als 220 eigentliche Varietäten von Schwergeld enthält. so war
diese Anzahl doch genügend, um den Gesichtspunct anzudeuten,
unter dem man die hierher gehörigen Münzpartien anderer Cabi-
nette aufzufassen und auszubeuten habe. Die Kritik dieses je
denfalls höchst interessanten und schätzbaren Werkes gab meh
reren ausgezeichneten Gelehrten, wie Cavedoni, Lepsius,
Grotefend u. a. Anlass, ihre zum Theil übereinstimmenden,
zum Theil abweichenden Meinungen zu verlautbaren und durch
78
ihre scharfsinnigen Erörterungen wenigstens so viel Licht auf diese
dunkle Materie zu werfen, dass ein haltbarerer Eintheilungs-
grund sichtbar wurde, nach welchem das Vorhandene, wie das
Neuhinzukommende mit einiger Bestimmtheit sich in Gruppen
sondern und schärfer ins Auge fassen lässt. Dieser Eintheilungs-
grund ist der geographische, der hier, was hei Münzen als
Gegenständen des Masses und Gewichtes von besonderer Bedeu
tung ist, zugleich mit dem metrologischen zusammenfällt.
Schon ein Blick auf die Karte von Italien lässt uns ahnen,
dass die mächtige Scheidewand des Apennin us, der wie eine
Gräte durch die langgestreckte Halbinsel hinläuft, auf die Ent
wickelung der beiden, dies- und jenseits gegen das Meer zu sich
abdachenden Küstenstriche nicht ohne Einfluss gebliehen sein
konnte. Und wirklich war in Italien das cisapenninische
Element vom transapenninischen strenge geschieden, und
Manches klang und galt im tyrrhenischen Küstenlande anders
als im a d r i a ti s c h e n. Diese Verschiedenheit, über deren
Quelle Niemand im Zweifel sein kann, der auf die Bevölke
rungsgeschichte Italiens vor der Alles nivellirenden Römer
herrschaft einen Blick wirft, hat gewiss auch auf das Münzwesen
sich erstreckt. Wenigstens wird der geographische Ein-
thcilungsgrund seit dem Erscheinen des Werkes von Marchi
und Tessieri allgemein angenommen und auch die in neuester
Zeit, als Beantwortung einer von der Pontificia Accaclemia
Romana di Archeologia aufgestellten Preisfrage, erschienene
gekrönte Preisschrift: „La Moneta primitiva e i monumenti
dell' Italia antica (Roma 18-13) von A c h i 11 e G e n n ar e 11 i”
hält, obwohl in Einzelnem von der Meinung der beiden römi
schen Gelehrten sich entfernend , den obigen Eintheilungs-
grund fest.
Sonach sondert man nun allgemein das alt-italischc
Schwergeld in Schwergeld des cisapenninischen
(tyrrhenische n) und des transapen ninischeu
(adriatischen) Italiens, welche Unterscheidung zugleich
zur metrologischen dadurch wird, dass, überwiegenden
Beweisgründen gemäss, im cisapenninischen Italien
das Libra! - System, im transapenninischen das
U n c i a 1 -System gegolten haben mochte.
79
Da dieser doppelt bedeutsame Eintheilungsgrund erst in
neuerer Zeit geltend gemacht, und er auf das im k. k. Münz-
und Antiken-Cabinette befindliche Schwergeld bis jetzt noch nicht
angewendet wurde, so erachtete ich es für eine nicht ganz unver
dienstliche Mühe, die interessanten 248 Stücke alt - itali
schen Schwergeldes, die das k. k. Münz- und Antiken-
Cabinet besitzt, nach dem eben erwähnten Principe zu ordnen,
in Rücksicht auf Typus und Gewicht zu vergleichen, zu be
schreiben und diese Beschreibung mitVermeidung unfruchtbarer
Conjecturen lediglich als Beitrag zur Vermehrung des wissen
schaftlichen Stoffes zu veröffentlichen, weil nur aus der verglei
chenden Zusammenstellung möglich zahlreicher Denkmäler einer
Classe mit der Zeit ein sicheres Resultat sich gewinnen lässt.
Meine Monographie zerfällt daher in zwei Haupt - Ab
theilungen; jede Haupt-Abtheilung ist untergetlieilt nach
den P r o v i n z e n , jede Provinz nach den einzelnen Präge
orte n. An der Spitze jeder Haupt-Abtheilung, so wie
vor jeder Provinz und jedem Prägeorte steht eine ge
drängte geographisch - historische Einleitung, an die
eine kurze Erwähnung des Namhaftesten sich anschliesst, was
über die dahin gehörigen Münzen bisher gesagt worden ist.
Dann folgt die genaue Beschreibung der jedem einzelnen
Prägeorte mit Gewissheit oder muthmasslich zuge
wiesenen Münzen des k. k. Münz- und Antiken-Ca-
binettes, mit Rücksichtnahme auf die minutiösesten Differen
zen und mit genauer Angabe der Grösse und der Schwere nach
dem österreichischen Civil - oder Apothekergewichte.
Am Schlüsse ist noch eine übersichtliche Z u s a m m e n-
stellung der Gewichte mit Beifügung der aus dem Ge
wichte der einzelnen Tlieile des Asses ermittelten Berech
nung der Schwere des ganzen Asses, ferner, zum Behufe
leichterer Bestimmung eine alphabetisch geordnete Uebersicht
der Typen, sowohl nach den Vorder- als nach den Rückseiten
der Münzen beigefügt.
Indem ich nun diese Arbeit der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften zur Aufnahme in die Denkschriften überreiche,
gestatte ich mir nur die Bemerkung, dass vielleicht die Beigabe
von getreuen Abbildungen der selteneren, so wie auch der
80
Zweifel haften, einer weiteren Discussion vorbehaltenen Stücke
der Abhandlung ein erhöhtes Interesse verleihen dürfte, was
ich übrigens so, wie das ganze Schriftchen selbst, vertrauens
voll dem Ermessen der Akademie anheimstelle.
Nach Prüfung der Abhandlung hat die Classe ihre Auf
nahme in die Denkschriften beschlossen.
Sitzung vom 11. Juli 1849.
Herr v. Karajan setzte die Lesung seiner Abhandlung
über das Concil von Lyon im J. 1245 fort. Er schilderte die
Verhandlungen der dritten öffentlichen oder Schlusssitzung,
zeigte das Schwanken der Quellen über den Tag derselben,
ermittelte diesen aus der Zusammenstellung der glaubwürdig
sten Angaben und fügte zuletzt Einiges bei über das Schick
sal der in dieser Sitzung durch den Papst veranlassten Trans-
sumpte aller auf das Verhältnis? der Kirche zum Staate, der
früheren Päpste zu den weltlichen Machthabern bezüglichen
Staatsgeschäften. Am Ende seiner Untersuchung über die bis
herigen Quellen gab er Nachricht über eine von ihm entdeckte
neue, welche unter der Form einer Parabel, in der alle han
delnden Persönlichkeiten durch verschiedene Vögel vertreten
werden j die anziehendsten und lehrreichsten Aufschlüsse über
manches, was in allen anderen Quellen fehlt, und zwar vom
freimüthigsten gibellinischen Standpunkte aus, enthält. Er
begann hierauf eine Umsetzung der parabolischen Ausdrücke,
Anspielungen und Verhüllungen dieser Quelle in die ihnen ent
sprechenden wirklichen Objecte, indem er, gestützt auf unsere
bisherige von ihm eben zusammengestellte Kenntniss von diesem
Coneile, seine Auslegungen überall zu'begründen suchte, was
aber bei mehreren Stellen schwer zu bewältigende Schwierig
keiten darbot, da eben die bisherigen Quellen so mangelhaft
zu nennen seien, und über die hier gegebenen Verhältnisse fast
nichts enthalten. Diess allein schon, wie begreiflich, erhöhe den
Werth der neuen Quelle bedeutend, mehr noch der Umstand,
dass sie einen Gibellinen zum Verfasser hat, während fast
alle bisherigen Quellen der Gegenparthei Zufällen.
81
Das correspondirende Mitglied Hr. Custos J. G. Seidl las
folgendes Vorwort zu seinem für das „Archiv” der Aka
demie bestimmten Aufsatz: „Beiträge zu einer Chronik
der archäologischen Funde in der österreichischen
Monarchie”:
Die vaterländische Geschichte ist ein Gebäude, das eines
starken, tiefgreifenden Unterbaues bedarf. Der verehrte Begrün
der des von Seite der kaiserlichen Akademie genehmigten und
in’s Leben gerufenen Archiv’s für Kunde österreichi
scher Geschichtsquellen, sagt in seinem Vorworte zum
I. Hefte selbst: „dass die Geschichte stets mit Geographie und
Topographie zu verbinden sei, um die allmähliche Gestaltung
des Landes und Volkes nachzuweisen, dass also die Geschichte
unseres Vaterlandes nicht erst mit dem 13. Jahrhunderte be
ginne, sondern dass auch die früheren Zeiten, ja mehr als ein
Jahrtausend, nicht ignorirt werden können, dass Archäologie
und Linguistik die beiden Leitsterne in dieser allerdings dunklen
Nacht und deren Verbindung mit der vaterländischen Geschichte
die würdige Aufgabe eines, in der Akademie wurzelnden histo-
risch-archäolo«ischen Vereines seien.”
O
Noch ehe es eine kaiserliche Akademie der Wissenschaf
ten in Oesterreich gab, die den Freund der Archäologie er
muntern und unterstützen konnte, fühlte ich schon durch meine
amtliche Stellung im k. k. Münz- und Antiken - Cabinette mich
angeregt, so viel es in meiner beschränkten L.age mir möglich
war, das Meinige dazu beizutragen , dass zum Behuf einer Ge
schichte der österreichischen Länder unter der Römerherrschaft,
als feste Basis für die der nachfolgenden Jahrhunderte, ein
Codex In s c r i p t i o n u m und eine archäologische
Karte zu Stande kämen, ein unabweisliches Bedürfniss, auf
das auch Herr Regierungsrath Arneth in der Sitzung vom 15.
December 1S47 mit eindringlichen Worten hingewiesen hat. In
dieser Absicht habe ich alles hierauf Bezügliche, was seit mei
nem Eintritt in das k. k. Museum mir unterkam, sorgfältig auf
gezeichnet und zur Zeit, wo alle in der Monarchie gemachten
Funde dem k. k. Cabinette noch von rechtswegen angezeigt wer
den sollten, somit, wenn nicht alle, doch mindestens die mei
sten, ihm wirklich angezeigt wurden, eine übersichtliche Chro-
82
nik derselben angelegt, und diese in dem am meisten dafür
geeigneten öffentlichen Organe, nämlich in den „österreichi
schen Blättern” abtheilungsvveise niedergelegt. Allein seit
dem Beginne meiner Mittheilungen im Jahre 1846 hat sich viel
geändert. Vorerst hat das neue Fundgesetz vom 31. März 1846,
das die Finder der Verpflichtung einer amtlichen Anzeige von
jedem Funde enthob, dem k. k. Cabinette es um Vieles er
schwert, sich von Ausgrabungen und anderen für Numismatik
und Epigraphik wichtigen Entdeckungen in Kenntniss zu setzen;
eine wiederholte freundschaftliche Bitte an die Redactionen der
Provinz - Zeitungen, wenigstens von jenen Numern ihrer Blät
ter, in denen solcher Funde und Vorkommnisse Erwähnung ge
schieht, im Interesse der Wissenschaft dem k. k. Cabinette ein
Exemplar zukommen lassen zu wollen, blieb, als von einem
einzelnen Privaten ausgehend, völlig unberücksichtiget; die Fin
der selbst begnügen sich, ihre wissenschaftliche und patriotische
Rührigkeit dadurch zu bcthätigen, dass sie die Anzeige von
Funden oder diese selbst den Sammlungen und Museen der
Provinz zumitteln, der sie angehören, und diese setzen mitun
ter einen eigenen Stolz darein, das glückliche Geheimniss so
lange als möglich für sich zu bewahren. Noch störender als
alle diese negativen Hindernisse wirkte in dieser Beziehung der
positive Vandalismus der neuesten Zeit, die wohl geeignet ist,
Trümmer und Ruinen für die Antiken-Cabinette künftiger Jahr
hunderte zu liefern, aber nicht die denkwürdigen Ueberreste
der Vergangenheit zu Tage zu fördern und zu erhalten.
Trotz all dieser Schwierigkeiten wollte ich meinen Gedan
ken doch nicht aufgeben, da er mich wie eine Brücke bedünkte,
die am Ende vielleicht doch in eine Epoche hinüberführt, wo
der Wissenschaft wieder ihr altes Recht eingeräumt, und wo
dann eine Lücke in dem unmittelbar vorausgegangenen Zeit
abschnitte um so schmerzlicher empfunden werden dürfte. Ich
wage es daher, die Früchte meines Sammelfleisses der kaiserl.
Akademie vorzulegen, deren erhabene Bestimmung, in den Ta
gen überhandnehmender Verwilderung den Einigungspunct für alle
wissenschaftlichen Bestrebungen im Vaterlande zu bilden, immer
deutlicher sich herausstellt. Ich habe in den Blättern, die ich hier
mit überreiche, die im Laufe eines Jahres mir bekannt gewordenen
83
Funde und Resultate archäologischer Nachforschungen, insoferne
sie auf die österreichische Monarchie Bezug haben, zusammen
gestellt, nach den einzelnen Provinzen sie geordnet, und hin
und wieder mit erläuternden Bemerkungen versehen. Es ist nur
Materiale, was ich biete, aber immerhin historisches Materiale,
und somit am besten für das Archiv geeignet, in das ich es
aufgenommen wünschte. Möchte es der kaiserl. Akademie ge
fallen, die obenberührte Aufforderung, die ich in bester Absicht,
aber fruchtlos ergehen liess, auf geeignetem Wege nachdrück-,
lieber zu veranlassen , um über den Zuwachs an so wichtigem
Baumateriale zu den Fundamenten der vaterländischen Ge
schichte in fortwährender Evidenz zu bleiben.
Herr k. Rath Bergmann hielt folgenden Vortrag:
Auf meiner Reise durch das lombardisch-venetianisclie Kö
nigreich im Spätsommer des Jahres 1847 besuchte ich die her
kömmlich aber fälschlich sogenannten Cimbern in den Sette
Comuni im Gebirge über Vicenza und legte die Ergebnisse
der dort gemachten Beobachtungen und Aufzeichnungen, wie
auch meine historischen Untersuchungen über die mit diesen
stammverwandte Bevölkerung der Tredici Comuni im vero-
nesischen Gebirge, ferner über die deutschen Sporaden zu
Sazzada und Sauris, und das von slawischen Abkömm
lingen bewohnte Resia-Thal in Friaul im CXX. und CXXI.
Bande der Wiener Jahrbücher der Literatur nieder. Man ver
misste hiezu entsprechende Kärtchen mit der Angabe jeder
dieser VII und XIII Gemeinden.
Diese Kärtchen, die ich der Classc vorzulegen die Ehre
habe, sind nach meiner Angabe auf Grundlage der trefflichen
Karte des k. k. General - Quartiermeisterstabes von Herrn
Steinhäuser, Registranten beim k. k. Ministerium des
Unterrichtes, gezeichnet, und dürften unserem Zwecke genügen.
Den Kärtchen ist ein topographischer Abriss der VII und XIII
Comuni beigegeben.
Hieran knüpfteBergmann seine Bemerkungen über Friaul
und über die Herzoge des benachbarten Kärnten’s besonders
nach dessen Trennung von Baiern im Jahre 995 bis auf die
Herzoge aus dem Hause Eppenstein, und las einen Aufsatz
84
über das Kloster Mosaeli, slawisch Mo s uitz (jetzt Moggio di
sopra), welches Ulrich, Sohn Marquard’s (-j- 1077) von Eppen-
stein, Herzogs von Kärnten, durch K. Heinrich IV. seinen Ver
wandten Abt zu St. Gallen und seit 1086 Patriarch von
Aquileja, auf Anordnung und auf dem Eigen des Grafen Caze-
lin (j- um 1099) erbaute, am 26. August 1119 durch Andreas
Bischof von Cittanova in Istrien zu Ehren des h. Gallus ein
weihen liess und höchst wahrscheinlich mit S. Gallischen
Benedictinern bevölkerte. Dasselbe wurde unter dem Abte
Gislerius vom Papste Lucius HI. (f 1185) dem heiligen Stuhle
unmittelbar unterworfen, aber um 1409 aufgehoben und in eine
Commendatar-Abtei für den hohen italienischen Clerus, so für
die Erzbischöfe und Cardinäle Molina, Priuli, Caraffa, Carl von
Borromeo, Mauroceno, Grimani, Delfiuo umgewandelt, bis um
1760 auch diese aufgehoben und dafür ein Erzpriester gesetzt
wurde.
Diesem ehemaligen Beuedictinerkloster unterstand in geist
lichen und weltlichen Dingen das Resia-Thal, dessen erste
Anbauer, slawische Hirten und Holzarbeiter, über den Flit
scherboden aus dem Görzischen und aus Krain herübergekom
men sein mochten. (Kärtchen E.)
Die Alpengemeinde Sappada mit ihren Weilern deut
schen Klanges im Quellengebiete der Piave (Kärtchen C), ist
angeblich eine Ansiedelung aus dem tirolischen Thale Villgra
ten, nordöstlich über Sillian; südlich davon liegt Sauris,
dessen deutsches Element im Erlöschen ist.
Tim au oder Taman, südlich unter dem Kreuzberge an
der Grenze von Kärnten, ist in späterer Zeit durch Bergleute
aus Kärnten entstanden, welche ein venetianischer Nobile , ein
Herr von Savorgnani, dahin gezogen hatte (Kärtchen li).
Diese Kärtchen nebst den dazu gehörigen Beschreibungen,
wie auch die Abhandlung über das alte Benedictinerkloster
RI os ach oder Rlosnitz sind in dem von der kaiserlichen
Akademie herausgegebenen Archiv Heft V enthalten.
85
Sitzung vom 18- Juli 1849-
Schluss des B e r i c li t e s des F r e i h e r r n Hammer-
Purgstall üb er Re inaud’s f r anzös is ehe Ueb ers et-
zung von Abulfeda’s Geographie.
Mohammed B. Mahmud, B. Ahmed von Thus, des
sen Herr Reinaud keine Erwähnung thut, und der um das Jahr
555 der Hidschret (1160) lebte, ist der erste Verfasser eines
„Wunder der Geschöpfe” betitelten, die Erde und ihre Bewoh
ner beschreibenden Werkes 5 wahrscheinlich aber gab es deren
schon frühere, denn das Fihrist, die älteste Quelle arabischer
Literaturgeschichte, enthält schon unter dem Titel der „Werke
über die M e er es wu n d e r” vier Werke dieser Art mit den
Namen ihrer Verfasser *). Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt,
dass im Fihrist das Buch des Weisen Sen dabad in zwei Aus
gaben, einer grossen und kleinen, keineswegs unter den Reise
beschreibungen, sondern unter den Mährchenwerken aufgeführt,
und der wahrscheinliche Ursprung desselben nach Indien ge
wiesen wird 2 ).
Ebu Ohe ida Halt B. Abdul Afif, gestorben 487
(1094), berühmt unter dem Namen cl Bekri, ist der Ver
fasser einer geographischen Beschreibung Spaniens und Afrikas,
die sich auf der königlichen Bibliothek von Paris befindet und
wovon Quatremere im XII. Bande der Nolices et extraits aus
führliche Kunde gegeben. An das geographische Wörterbuch el
ßekri’s schliessen sich die schon oben in der Note unter den
Büchern der Wohnsitze erwähnten beiden Werke Scmach-
scheri’s, gestorben 538 (1143) und Nassr cl Fcfari’s,
gestorben im Jahre 560 (1164) an; hier macht Herr Reinaud
einen Abstecher über verschiedene Wörterbücher, wovon die
ersten den Titel En sah 3 ), d. i. Stamm-, Orts- oder Eigen
schaftsnamen führen, die zweiten Motelif wel Mochtelif 4 ),
*) im XC. Bande der Jahrbücher der Literatur.
3 ) Ebenda S. 50.
3 )
4 ) «-äiZsLl J I_*)b1
86
d. i. das Uebereinstimmende und Verschiedene, heis
sen: die ersten gehören eigentlich in das Gebiet der Genealogie,
die zweiten zwar zunächst in das der Philologie, aber doch auch
in das der Geographie.
Wir lassen die genealogischen Werke hier ganz bei Seite,
wollen uns aber um so ausführlicher mit den homonymischen
und homöonymischen beschäftigen, als Herr Reinaud der ersten
gar nicht erwähnt oder sie mit den zweiten vermengt, und als
die sorgfältige Unterscheidung, welche die arabische Literatur
zwischen Synonymen, Homonymen und Homöonymen
oder besser Homophonen und Homöophonen macht, noch
nirgends gehörig aufgestellt, noch weniger aber die Literatur
derselben gegeben worden. Wir lassen die Synonyme (F o r uk 1 )
eben so wie die Genealogien hier bei Seite liegen, und be
merken nur, dass die im Arabischen so zahlreichen Namen des
Pferdes, des Löwen, des Schwertes, des Kamels und der Palme,
dem Araber nicht einmal für Synonyme gelten, weil sie iden
tischer Bedeutung sind, sondern nur jene, deren Bedeutung
zwar eine verwandte, aber nicht dieselbe ist; diesen Begriff
spricht schon der arabische Namen derselben aus, F o r u k, d. i.
Verschiedenheiten. Wir haben es hier bloss mit den Homony
men oder besser Homophonen, d. i. solchen Namen, deren
Aussprache ganz dieselbe ist, und mit den Homöo nymen
oder besser Homöophonen, d. i. solchen Namen zu thun,
deren Verschiedenheit in der Aussprache nur eine sehr geringe
ist, so, dass sic leicht mit einander verwechselt werden kön
nen; eine solche Genauigkeit der Unterscheidung und solchen
Rcichthum der Lexicographie hat keine andere Sprache aufzu
weisen als die arabische. Wörter, welche im Schalle ganz gleich
lautend, in der Bedeutung Nichts miteinander gemein haben,
heissen auf arabisch el motel'fik wel inofterik s ), d. i.
die Ueb er einstimmenden und Getrennten, die im
Schalle aber nur ähnlichen heissen el mutelif wel mochte-
87
lif, d. i. die Verwandten und Verschiedenen. Herr
Reinaud erwähnt nur der letzten (CIX), um so nothwendiger
ist es, das Object und die Literatur von beiden genau zu tren
nen und zu unterscheiden *).
’) Die Homonyme oder Homophone umschreibt der Araber auch mit den Wör
tern: Was dem Wort nach übereinstimmend, dem Sinne nach Verschieden *).
Den Reigen dieser Werke eröffnet 1. der Dichter Omeiscl, gestorben
204 (819), ihm folgte 2. Ibrahim B. Jahja ei Jefidi, gestorben
225 (839) , er begann sein Werk, welches aus vier grossen Bänden be
steht, als Jüngling mit siebzehn Jahren und arbeitete bis in sein sieb
zigstes. Die S c i d i j e, denen er angehörte, sind auf ihn besonders als
Dichter, Grammatiker und Homoplioniker stolz 2 ). 3. Mohammed Ihn
Habib von Bagdad, gestorben 245 (859); 4. el - Moberrid, der
grosse Grammatiker und Philologe, gestorben 285 (898); 5. Abdel-
fobeidi, gestorben 298 (910) 3 ); 6. el Ähwel, d. i. der Schielende,
Ebul Abhäs Ahmed B. Mohammed B. Hasan ed -Dinar;
7. Ebul Kasiin Jahja B. Ali el-Hadhremi Ibneth - thahän,
d. i. der Sohn des Müllers, gestorben 416 (1025), der ägyptische Ge
schichtsschreiber, der Fortsetzer der Geschichte des Astronomen Ibn
J u n i’s (nicht Jusuf, wie in Flügel’s Hadschi Chall'a, II. pag. 148),
Ibn Challikän im Ibn Juni’s (Mac Guckin de Slane pag. 389) lässt hier
über keinen Zweifel übrig; 8. Ebul Mol'aff er Mohammed e I-
Abiwerdi, gestorben 507 (1113), lieferte die Homophone der arabi
schen Genealogien; 9. Ebu Bekr Mohammed B. Musa Ibn Ha-
sim, gestorben 584 (11Ö8), lieferte eine geographische Homonymik,
hierin ein Vorgänger des Muschterik Jakut’s. Dieses Werk, in dessen
Titel schon das Mot eff ik und Mofterik liegt (Ibn Challikän, M. G.
S. p. 685) , wird von Herrn Reinaud (CIX) mit den Homöophonen ver
mengt, während es unter die Homophone gehört. 10. Ebu Seädet
Hebet-ollah.
Die Bücher der Homöoiiyme oder HoinSoplione.
Das Verdienst, die Homöonymik oder Homöophonik von der Homonymik
oder Homophonik zuerst getrennt und zwischen beiden genau unterschie
den zu haben, scheint dem grossen Philologen Äfsmäi zu gebühren,
indem vor ihm kein Werk unter dem Namen c 1 M u t e 1 i f wel m o c h-
telif bekannt; unmittelbar nach ihm erscheint mit einem solchen 2. Ibra
him B. Jahja, gestorben 225 (839); 3. Mohammed B. Hasan
ess-ssauli, der Dichter, gestorben 298 (910); 4. Ebul Kasim B.
Bischr, gestorben 371 (981), gab die homöophonen Namen der Dich-
*) 5 Lä* | J aUaI JJaJ 1 U
3 ) Sojuti in den (.'lassen der Grammatiker.
3) Fihrist,
88
Nach diesem Abstecher fährt die Einleitung Herrn Hei
na u d 1 s wieder in der Aufzählung der grossen Geographen und
Reiseheschreiber fort. Der Spanier Ebu Hamid Mohammed
von Granada, gestorben im Jahre 565 (1170), reisete dreimal
an die Mündung des Oxus und hinterliess zwei geographische
Werke, das erste: Der sich über die Wunder des We
stens Verwundernde, das zweite, wovon mehrere Exem
plare auf der Bibliothek zu Paris: Geschenk, geweiht
verständigen Leuten und Ausbund von Seltenhei
ten. Der glänzendste der arabischen Geographen des XII. Jahr
hunderts der christlichen Zeitrechnung ist Idrisi, von dem
hier um so weniger zu sagen Notli tliut, als die Uebersctzung sei
nes Werkes in zwei Quartbänden als fünfter und sechster Theil
der Denkschriften der geographischen Gesellschaft von Paris
erschienen und im XCVII1. Bande der Jahrbücher ausführlich
besprochen worden ist; die im Facsimilc beigegebene Karte
desselben hat doch schon ein wenig mehr geographisches An
sehen als die Isstachri’s. Ebubckr Mohammed Ihn ol-
Arebi el Moäfir i, gestorben im Jahre 493(1099), beschrieb
ter; 5. Ebu Ahmed Hasan IJ. Abdallah el-Äskeri; 0. der
grosse Rechtsgelehrte Uarkothui, gestorben 385 (995), ist der Ver
fasser eines solchen Werkes über die Männer der Ueberliel'erung, dessen
Ihn Chaliikän in dem Artikel desselben, aber keineswegs als des ältesten
Sammlers von Homöophonen erwähnt; 7. Ebu Mohammed Abd ol
G li a n i Ben Seid B. Ali cl Esdi, der Hafis, gestorben im Jahre
409 (1018), ist der Verfasser eines Mutei if wel Muchtelif, als
eines Seitenstiickes zu seinem Werke Moschtebibon-nisbet, d. i.
das Aehnliche in der Abstammung; 8. der Geschichtschreiber Bagdads,
el-Chathib, d. i. der Kanzelredner, gestorben 463 (1070), vermehrte
dasselbe mit Zusätzen, unter dem Titel: cl Mutenif; 9. der Emir Ebu
Kassr, berühmt als Ihn Makule, gestorben im Jahre 475 (1082),
verfasste aus den Werken der beiden letzten ein drittes, unter dem Titel:
cl-lkmal, d. i. die Vollendung; 10. als Fortsetzer desselben trat
Ibn Notta, gestorben 629 (1231) auf, (Ihn Chaliikän M. G. S. Seite
462 und 732); der beiden folgenden Werke, die Herr Reinaud nach Dar-
kothni und seinen Fortsetzern auffiihit, erwähnt Abull'cda unter seinen
Quellen, nämlich: 1. die Aufhebung des Zweifels über ungewisse Ab
stammungen , 2. das Bueh der Trennung oder Unterscheidung, ihr Ver
fasser ist Ismail el-Maussali, d. i. der Mossuler, starb im Jahre
055 (1257).
■
89
seine Reisen im Orient *); Ebu Ali Ben ef-feijad, der Ahn
herr des berühmten Reisenden Leo Africanus hinterliess ein
cosmographisches Werk, geschrieben im Jahre 588 (1192) a ).
Zehn Jahre hernach starb Ebul-Kasim Mohammed B.
Ahmed es-semawi el-Iraki, der Verfasser eines Buches
der sieben Erdgürtel; ein anderer Spanier, der drei Mal nach
dem Orient reisete (das dritte Mal im Jahre 1217), ist Mo
hammed Ihn Dschobeir aus Jativa, dessen Reisebeschrei
bung den Titel der ki Dänischen Wanderung trägt;
ein vierter Spanier aus Valencia , Ebu Mo h a m m e d e 1-
Abderi, beschrieb seine im Jahre 688 (1289) unternommene
Reise nach dem Morgenlande, welche auf der Bibliothek des
Escurial’s"). Mehrere spanische Dichter hinterliessen poetische
Beschreibungen der Hauptstädte Spaniens; der Dichter Ebul-
Hasan Hasim el-Aufsari beschrieb in einem Gedichte von
tausend Distichen (das deshalb Elfi je genannt ward) mehrere
Städte Spaniens 4 ), Dort findet sich auch die Reisebeschreibung
Ibn Reschid Abdallah e n Nuscheri’ss) aus Granada,
der sich zwischen 685 (1286) und 700 (1300) in Aegypten
aufhielt. Mit Ihn Reschid von Granada ist nicht zu vermen
gen Ibn Roschd von Ceuta, der im Jahre 721 (1321) zu
Fez starb und dessen Reisebeschreibungeu ebenfalls in der Bib
liothek des Escurial’s. Ali B. Ebubekr von Mofsul, gestor
ben zu Haleb im Jahre 611 (1215) , ist vorzugsweise unter
dem Namen es-saih, d. i. der Reisende, bekannt, Verfasser
eines Werkes, welches den Titel der „Anweisungen zu
Wallfahrten” führt, und eines Werkes der „Wunder.”
Der grösste Geograph des dreizehnten Jahrhunderts ist Jakut,
gestorben 627 (1229), der Verfasser des grossen geographi
schen Wörterbuches, und so vieler anderer geographischerWerke,
wovon bisher nur die Homonymik bekannt; er nennt oft ein
Werk des Ptolemäos Kitab ol-melhamet, was Herr Rei-
naud mit livre du combat, Silv. de Sa^y mit pronostic, der
*) Ibn Chall. M. G. S. 686.
2 ) Daselbst. II. B. S. 4.
3 ) Ebenda. II. B. S. 165.
*) Cassirius I. 113. Nr. 380.
5 ) II. B. S. 151. Nr. 1675.
SiUb. d. philos. bist. Ci. Jahrg. 1849, VII. Heft.
8
90
Jude Peritsol mit Ritterroman übersetzt (bei Hyde, Syntagma
dissertationum, t. I., p. XViI). Den Titel • M elliain et oder
Molhimet führen bei deu Türken mehrere Kalendergedichte,
deren eines im I. Bande der Geschichte der osmanischen Dicht
kunst (S. 73 — 88) im Auszuge gegeben worden ist. Melhamet
(im Plural Melahim) 1 ) bedeutet aber auch jede ausseror
dentliche Revolution in der Natur; über den wahren Verfasser
des Merafsid (die Warten), eines Auszuges aus dem gros
sen Werke Jakut’s, schwebt noch Ungewissheit. Das Werk el-
Merakoschi’s, d. i. des Maroccaners, welcher im Jahre 621
(1224) schrieb, hat jüngst Herr Dozy nach einer Handschrift
der Leydner Bibliothek herausgegeben. Einer von Ahulfeda am
meisten benützten Schriftsteller ist Ibn Said von Granada,
gestorben 673 (1274), der sein Werk aus den sechs und dreis-
sig Bibliotheken Bagdad’s zusammentrug; die Bibliothek von Pa
ris besitzt die von Ahulfeda benützte Handschrift, die Bibliothek
von Oxford sein Werk über die Ausdehnung der Erde nach der
Länge und Breite. Das Werk Sekeria B. Mohammed e 1-
Kafwini’s, gestorben 682 (1283), ist vielfach durch Aus
züge bekannt. Zeitgenossen AbnK’eda’s waren Sehern seddin
Ebu Abdallah e d - D ein e s c h ki, d. i. der von Damaskus,
gestorben 727 (1327), Verfasser des Werkes des Ausbunds
der Zeit in den Wundern zu Land und zur See, der
zweite der berühmte historische Encyclopädiker Nuweiri, ge
storben 732 (1332); in seine Fussstapfen trat mit einem ähn
lichen Werke, aber von weit grösserer Ausdehnung, Schihab-
eddin von Damaskus, berühmt als el-Omeri, dessen en-
cyclopädische Länderbeschreibung sieben und zwanzig Bände
stark, von denen einige einzelne auf der Bibliothek von Paris,
gestorben i. J. der Hidschret 749 (1348). Ibn ol Wer di, gestor
ben 749 (1349), hinterlicss das Werk Chiridct ol-Adschäib,
d. i. die Perle der Wunder; der persische Geschichtschrei
ber Hamd-Allah el-Mestufi das geographische Werk
Nudlet ol-kolub, d. i. die Ergötzung der Herzen, ge
storben 750 (1349). Der bekannteste aller morgenländischen
Reisenden ist bisher wohl Ibn Bathutha, gestorben 779
91
(1377). Die Gesandtsehaftsreisen aus der persischen Geschichte
A b d e r - refak’s haben Galland, Chambers, Langles und
Quatremere bekannt gemacht. Mohammed B. Ah m e d B.
Aijas, gestorben 922 (1516), ist der Verfasser des Blumen
dufts in den Wundern der Länder, es wurde im Jahre
922 (1516) geschrieben.
Von der Literatur arabischer Reisebeschreibungen und geo
graphischer Werke geht Herr Reinaud zu den türkischen über,
von denen im XVI. Jahrhundert Sidi Ali Tschelebi im Jahre
962 (1554) zu Ahmed-Abad in Guzarat das Mohith, d. i.
das Weltmeer schrieb, wovon ich ira V., VI., VII. und
VIII. Bande der Zeitschrift der asiatischen Gesellschaft von Ben
galen Auszüge gegeben; sein Zeitgenosse war der Schiffseapi-
tän Piri Reis, der Verfasser des Bahrije, d. i. eines See
atlasses, welcher sich mit dem vorerwähnten Werke auf der
kaiserlichen Hofbibliothek befindet und wovon im V. Bande der
Hertha ausführliche Kunde gegeben worden. Nach diesen beiden
erwähnt Herr Reinaud von türkischen Reisebeschreibern nur
Suleima n’s, des Verfassers von ein paar Werken über die
Schiffahrt in den indischen Meeren, nach den Auszügen aus dem
Mohith, nach der obgedaehten englischen Zeitschrift, und von
geographischen Werken des zu Konstantinopel gedruckten, hin
länglich durch Auszüge bekannten Werkes Dschihannuma.
Dass der grosse türkische Reisende E w 1 i a E f c n d i, welcher
in der Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts durch vierzig Jahre
in Asien, Afrika und Europa reisete, mit Stillschweigen über
gangen worden, ist um so auffallender, als schon vor drei und
dreissig Jahren in dem II. Theile des Werkes über osmanische
Staatsverfassung und Staatsverwaltung auf 34 Seiten von dem
Inhalte der vier Theile, welche die Beschreibung der vom Jahre
1631—1656 unternommenen Reisen enthalten, ausführlicher Be
richt erstattet worden ist, als zweitens seiner Reisen selbst in
der Geschichte des osmanisclien Reiches mehrmal erwähnt wird ‘),
und als drittens der erste Band der Uebersetzung seiner Reisen
') I. B. XXXI. unter den Quellen, dann Ewlia als Augenzeuge und han
delnde Person V. 313 — 422 — 425 426 — 428 — 468 — 479 —
VI. 149.
8 *
92
bereits vor ilrei Jahren aus iter Presse der asiatischen Ge
sellschaft zu London hervorgegangen ist»). Weiters sind die im
Dschihannuma S. 7—14 enthaltenen Quellen türkischer und ara
bischer Geographie nicht benützet worden, aus welchen die Liste
der Länderbeschreibungen Mesalik wel Memalik hätte
ergänzt werden können; dort finden sich die Mesalik wel
Memalik S s a a i d Ben Ali D s c h o r d s c h a n i’s, Ahmed
Oser i’s, A b d er r ah i m M e s c h h e d i’s und Ahmed’s l bn
Sehl von Balch; ausser diesen im Dschihannuma aufgeführten
Werken arabischer Geographie, welche den Titel Mesalik
wel Memalik führen, und von Herrn Reinaud nicht beachtet
worden sind, fehlen bei ihm noch ein halbes Dutzend anderer,
als das: Mes ali k ol - eb s s a r fi memalikil emssar’),
d. i. die Strassen der Ansichten in den Reichen der Länder,
von E b i Abba s Ahmed e 1 - 0 m e r i von Damaskus, berühmt
als Fadhlollah im Jahre 749 d. H. (1348); T ohfe ted-de lir
f i a d s c h a ibil b e rr 3 ) wel b a h r , d. i. das Geschenk
der Zeit in den Wundern des Landes und der See, von Moh
ammed B, EbiThalib aus Damaskus, gestorben im Jahre
800 d. H. (1397); Mesali k oI-bold au , d. i, die Stras
sen der Länder, von Ebi H a d s c h ds chads c h Jusuf e 1-
kermani, gestorben 839 d, H. (1435); Adschaibol-
boldau, d. i. die Wunder der Länder von Nifameddiu
Abdol-Ali el-Bordschendi, gestorben 889 d. H.
(1484); ausser den vier Mesalik wel Memalik, welche
das Dschihannuma enthält, ist bei dem Ahmed’s Ihn Sehl von
Balch besonders die Angabe merkwürdig, dass dasselbe unter
der Regierung Mo ha m me d’s III. auf Veranlassung des allmäch
tigen Kiflaraga, Ghafneferaga, ins Türkische übersetzt und dem
Sultan dargebracht worden 4 ); ein herrliches Exemplar dieses
Werkes befindet sich aus dem Nachlasse Marsigli’s, d. i. der
L ) Narrative uf travels through Europe, Asia and Al'rica, >n the seventeenth
Century, by Evliya Efendi,
•) j Lao 'i \ jAl '■? Js j Uaj “i 1 ijAS L»
3 ) I <—') A-S? Äisi
*') Dschihannuma S. IS und 14.
93
alten türkischen Bibliothek von Ofen auf der des Instituts von
Bologna 1 ) nebst zwei Exemplaren des Balirije und einem
vom Reisenden Null Efendi unter dem Titel: Denif kitabi 3 ),
d. i. das Buch des Meeres, des für Mohammed III. verfer
tigten Seeatlas 5 auch liess Suleiman, der Gesetzgeber, einen
europäischen Atlas ins Türkische übersetzen, welchem der Ueber-
setzer eine Beschreibung von Ungern und Deutschland beifügte;
derselbe befindet sich auf der königlichen Bibliothek zu Dresden
Nr. 58, und Auszüge sind davon in Nr. 5 d. J. 1822 des Ar
chivs für Geographie, Historie , Staats- und Kriegskunst gege
ben worden. Hieher gehört auch das für Suleiman den Gros
sen verfasste 11 a m o 1 - i b a d bi a 1 ami 1 bi 1 ad , d. i. die
Anzeige der Diener in den Zeichen der Länder in 99 Haupt
stücken, welches sich auf der kaiserlichen Hofbibliothek befin
det, und dessen Inhalt unter den Quellen der osmanischen Ge
schichte (IX. B. S. 251) näher angegeben ist. Weiters wird in
den Quellen des Dschihannuma erwähnt, dass im Jahre d. H.
1005 (1596) von M o h a m m e d Ben 0 m e r, bekannt unter dem
Namen A s e h i k der Liebende, das geographische Werk
Menafir - ol - üwälim '), d. i. die Ansichten de r
Welten, aus verschiedenen Werken zusammengetragen, und
demselben das was er selbst in llumili und Anatoli erlebt und
beobachtet, beigefügt worden. Ebenda das + ) M i n h a d s c h-
ol-fachir fi ilmil bahr ef-fachir, d. i. der rühm
liche P f a d i m hoch w o g e n d e n Meere von Sulei
man B. Ahmed aus Mehre, ein Seeatlas der östlichen Meere,
und Omdet ol-Mehret 5 ), d. i. die Säule von Mehret
*) 367) La traduzione tui'ca della geogralia d’I b n Schl Mesalikol-
inemalek, cioe le strade dei paesi, tradotte in turco de Scerif Efendi
ad uso del grau eunuco Chaznafar e dedicata a Murad III, codice
di beltissimo carattere.
a ) 368) Denis Kitabi, cioe il libro del mare Atlante, di cento ca’te
marittime , radunate da Nuh Efendi, viaggiatore sotto il regno di Moh
ammed III. Im LVI. Bande der Biblioteca Italiana.
3 )
5 ) iuAl
94
über die Schiffahrt der östlichen Meere vom selben Verfasser;
endlich Ra u d h e 1 - in o ä th är fi - a ch b a r - i 1 -aktliar *),
d. i. der wohldurchdüftete Garten in den Kunden
der Länder vom Scheich Ebu Abdallah Mohammed
B. Abdennur II imjeri.
Wir haben oben nach Herrn Reinaud der beiden Geographen
von Damaskus, Zeitgenossen Abulfeda’s, nämlich Schemsed-
din’s und Schihabedd in’s erwähnt; ein dritter aber, nämlich
Ebubekr B. B ehr am e d-D e m e s chk i, d. i. von Damaskus,
ist in der geographischen Literaturgeschichte um so merkwürdiger,
als der Herausgeber des Dschihannuma, der ungrische Renegat
Ibrahim aus dem Werke Derneschki’s, welches den Titel
Dsehografia kebir, d. i. die grosse Geographie, trug, die Lücke,
welche Hadschi Chalfa’s Dschihannuma über Kurdistan
und Trapezunt Hess , ausgefüllt hat 2 ). Ausser diesen wichtigen
Werken, deren das Dschihannuma und sein Herausgeber erwäh
nen, fehlen in Herrn Reinaud’s Uebersicht ein paar Dutzend Reise
beschreibungen, welche in der im III. Bande der Hertha gege
benen Uebersicht der Quellen arabischer, persischer und türki
scher Geographie aufgeführt worden sind 3 ).
3 ) D s chih a n n u in a S. 422, wo dieses Supplement beginnt, und wieder
432, wo es endet.
3 ) Ausser den von Herrn Keinaud erwähnten Reisebescbreibungen Abder-re-
l'ak’s nach Indien und Abdol- ker ira’s nach Mekka, welche beide
Langles herausgegehen : l.Raudhatoi wir d ijet fi rihletil-rumijet,
d. i. Rosengarten der griechischen Wanderung. Tohfetol-
fikar fi-garaibil emssar we Adschaibol-esfar fi-rihlet
Ebi Abdallah Mohammed Ibn Bathutha, d. i. die Gabe der Den
kenden in den Seltenheiten der Länder, ist der Titel der Iteisebeschrei-
bung des i. J. 757 d. H. (1356) gestorbenen grossen Reisenden Ibn
Bathutha; von Ebul -Abbas Ahmed B. Mohammed, berühmt
unter dem Namen Schi h ab el -Hol'sk et i, d. i. der von Hossakeif,
gest. i. J. 864 d. H. (1459). 2. Kithfef-fehr fir-rihletil-
d s c h a m i a t beinil-berr wel-bahr wen-nelr, d. i. B 1 ü-
thentrauben der Wanderung, aufgelesen zwischen
Land, Meer und Fluss; 3. Fewaidor rihlet, d. i. der
Nutzen der Wanderung von Ibnefs-s falah-Osman B. A fa
der rahm an von Schehrfor, gest. 643 d. II.; 4. Fewaidor-
95
Der auf die Geschichte der Literatur folgende Abschnitt,
welcher die geographischen Lehren der Araber enthält, ist bei
weitem der wichtigste und belehrendste Theil der Einleitung;
r i h 1 e t, d. i. der Nutzen der Wanderung von I b n B. Mo
hammed B. Omer A 1 k a li r i (vielleicht nur eine Hodegetik) ; 5. E r-
rihletol-fajumijet, d. i. die Wanderung nach Fajum
von Sajuthi, gest. i. J. d. H. 911 (1505); 6. E r - r i h 1 e t o 1 - Di
rn i j a t i j e t, d. i. die Wanderung nach Damiatte, von dem
selben; 7. Er-rililetol-Mekkijet, d. i. die Wanderung
nach Mekk ; a, von demselben ; 8. Er-rililet kawaimii-erdh, d. i.
die Wanderung der Säulen der (senkrechten?) Erde; 9. We-
s iletef-l'afer l’i f adli i le t is - s e fer, d. i. die Veranlassung
des Sieges in der Vortrefflichkeit der Reisen; 10.
Nachletol-alijet fir-rihlet el-äsijet, d. i. die hohe
Palme in der (asiatischen ?) Wanderung; 11. Rihlet-esch-
Scheich Ibrahim B. esc li- Scheich Abderrabman e 1-
Chiari el-Mifsri el-Medeni, d. i. die Wanderung des Scheichs
Ibrahim, des Sohnes des Scheichs Abdcr-rahman cl-chiari’s,
der zu Kairo wohnte und zu Medina geboren war; cs beschreibt
die Reise von Medina nach Damask und Konstantinopel, und
von dort zurück nach Damask, Jerusalem und Kairo, in der
orientalischen Sammlung auf der Bibliothek zu Gotha; 12. Rihlet min
D i m e s c h k esch-scham i 1 a K u d s , d. i. die Wanderung von
Damask nach Jerusalem des Scheichs Abdol-Ghani von Nablus,
ebenda. 13. Rihlet Ebul baka B. Isa aus Marokko, eben da; 14.
Rihlet Mohammed Ihn Abdallah el-Hoseini aus Medina, eben
da; 15. Rihlet Ahmed I b n o 1 Melidi e 1 G h a s a 1 aus Fes, eben
da; 16. Rihlet Latifis, d. i. die Wanderung Lathifi’s, eben da;
17. Gesandtschaftsbericht des i. J. 1665 nach Wien gesendeten Botschaf
ters Mohammedpascha (in der Reichsgeschichte Raschid’s, über
setzt in Hormayr’s Archiv 1822, Nr. 48 und 49) ; 18. Reisebericht des
Grossbotschafters Ibrahim pascha nach dem Passarowitzer Frieden
1719 (eben da Nr. 51 und 52); 19. Gesandtschaftsbeschreibung d. i. J.
1748 nach Wien gesandten türkischen Botschafters Chaththi Efendi
(übersetzt iin Archiv v. J. 1823, Nr. 27 und folgenden) ; 20. Gesandt
schaftsbeschreibung K e s m i Ahmed Elen d i’s über seine beiden Ge
sandtschaften , die nach Wien i. J. 1757 und die nach Berlin i. J. 1763,
herausgegeben von Nicolai i. J. 1809 ; 21. der Bericht des unter der
Regentschaft nach Frankreich geschickten Gesandten Mohammed Efendi,
wovon eine arabische Uebersetzung auf der Bibliothek zu Gotha besteht,
und eine französische zu Paris gedruckt worden ; 22. die Reisebeschrei
bung des Gesandten nach Persien Durri Efendi, gedruckt zu Paris i. J.
1810; 23. S e f a r e t n a m e, d. i. das Reisebuch, nämlich die Beschrei
bung der Gesandtschaftsreise des nach dem Frieden von Sistow nach
96
zuerst wird die kosmische Siebenzahl des Korans, nämlich der
sieben Erden und der sieben Meere auf die sieben Erdab
theilungen des Bundehesch, und die sieben Dvvipa der Inder
zurückgeführt, dann über die Wettergestirne (e 1 - e n wa) Kunde
gegeben, deren Kenntniss mit der Genealogie und Traumausle
gungskunde von Schehristani als eine der drei Hauptwis
senschaften der alten Araber aufgeführt wird.
Die in der europäischen Astronomie eingebürgerten Wörter
Zenitli und Nadir sind das arabische Semt’) (nicht Simt)
und Nafir. Die arabische Windrose 3 ) wird nach den Benen
nungen der zwei und dreissig Winde erklärt und abgebildet;
der Anspruch der Araber als Erfinder des Gebrauches der Mag
netnadel zur Leitung der Schilfe untersucht; das älteste ara
bische Zeugniss über den Gebrauch der Magnetnadel findet sich
in einer arabischen Abhandlung über die kostbaren Steine, de
ren Verfasser i. J. d. H. 681 (1282) zu Kairo schrieb, aber
in einem u. J. 121 d. christlichen Zeitrechnung verfassten clr-
nesischen Wörterbuche wird von einem Steine, der die Magnet
nadel richtet, gesprochen , welcher kein anderer als der Mag
net sein kann ; die Chinesen kannten sogar schon Anfangs des
zwölften Jahrhunderts unserer Zeitrechnung die Abweichung
der Magnetnadel, für deren Entdecker in Europa Colombo ge
halten ward. Der grosse Orientalist Prinseps, die grossen
Reisenden Niebuhr und Abbadie in Arabien und im inneren
Afrika und der Geschichtschreiber Barros stimmen darin über
ein, dass der Compass der östlichen Meere auf den Aufgang
und Untergang gewisser Sterne gegründet ist.
Wien gesandten Ububekr Ratib Efendi, erwähnt in dem zu Konstan
tinopel gedruckten eklogischen Werke el-Mostatliref; 24. Meni-
sikol Hadsch, d. i. die Wallfahrtspflichten, nämlich die geographische
Beschreibung der vom Derwisch Mohammed Edib B. Mohammed
i. J. 1193 (1779) unternommenen Wallfahrtsreise, die i. J. 1232 (1816)
in der Druckerei von Scutari gedruckt und im II. Bande der Denkwür
digkeiten der französischen geographischen Gesellschaft im Auszuge über
setzt erschienen.
») JXcJI
•>>3'
9T
Die arabischen Geographen haben von den Griechen die
Gintheilnng der Erdkugel in fünf Zonen entlehnt, sie hatten eine
ziemlich genaue Kenntniss vom mittelländischen und rothen Meere,
das sie beschilften, aber von dem die ganze Erde umkreisenden
Meere (el Mohith) glaubten sie, dass dasselbe im Norden
mit Finsternissen bedeckt sei, am Aequator aus dickem schlam
migen Wasser bestehe. Die Chinesen und Inder nehmen vier
grosse Städte an, die sie in gleichen Entfernungen in die vier
Ecken des bitteren Meeres stellen ; die Inder hielten ihr Land
für den Mittelpunct der Erde, so wie die Griechen vormals den
Olympos oder Delphi. — Wir schallen hier die Bemerkung ein,
dass die Griechen den Berg Olympos oder Delphi den Nabel
der Erde nannten, dass Sorret, d. i. der Nabel, der Name
der grossen Bergkette ist, welche Arabien theilt, und dass sich
dieser arabische Name für Bergkette in dem spanischen Sierra
bis heute erhalten hat. — Die Insel Lanka, welche in der in
dischen Geographie eine so grosse Rolle spielt, scheint vom
Geographen el-Biruni nicht für Seilan (Ceylon), sondern
für eine mehr oder weniger gegen Südwesten gelegene Insel
gehalten worden zu sein; im Sanscrit heisst Seilan: Sinhala-
dwipa, d. i. Löwenreich. Die fabelhaften Ucberliefcrungen der
Inder finden sich zum Theile hei den Persern wieder; das
D sehe mg erd des Bundchesch entspricht dem indischen J a-
makota, d. i. Jama’s Schloss 1 ). Das Schahname Firdewsi’s
und das Bundeheseh stimmen mit den Angaben el-Biruni’s
zusammen. Nach diesem setzten Jakub B. Tharik und Mo
hammed ei Fefari, welche Beide zur Zeit Manfsur’s die
indischen Lehren unter den Arabern verbreiteten , eine Stadt
Bar ah, welche augenscheinlich das Sendwort Wara, welches
im Bundeliesch vor Dschemo;erd gesetzt wird; das Kangdif
des Schahname, das Dschemgerd des Bundehesch, das Ja-
makot der Inder findet sich hei Abulfeda wieder, er nennt
Kangdif die Kuppel der Erde, welche dieselbe mit der Kup-
*) Das indische Kota ist das persische Kede, das deutsche Gaden, das
so lange hier bei Hof im Zehrgadenamt fortlebte, bis das gutdeutsche
Wort durch einen Niederländer in das undeutsche Victualienmaga-
zin verwälscht ward; das Mlinzamt hingegen hat das gutdeutsche Gold
scheidegaden beibehalten.
pel Aarin, durch welche die indischen Geographen ihren Meri
dian zogen. Ein eiförmiges Rund (nach einer der drei Handschrif
ten, in welcher Hr. R. diese Abbildung gefunden), enthält die
sieben Namen und die Anordnung der sieben Kisch wer, nach
den Begriffen der altpersischen Geographie, nämlich Iran in
der Mitte, nördlich Turkistan und Rum, südlich Indien
und Arabien, westlich Afrika, östlich China. Der Titel
des Herrn der sieben Erdgürtel, welchen sich morgen
ländische Herrscher anmassten, findet sich auch beim Teo-
phylactus Simocatta, welcher im Jahre 598 erzählt, dass
der Chakan der Türken sich Herr der sieben Racen und der
sieben Erdgürtel nannte. Die Araber nahmen ihre Eintheilung
der grossen Erdkreise des Meridians und Aequators in Grade,
Minuten und Secunden von den Arabern, aber was den ersten
Meridian betrifft, so hielten sich Einige an den des Ptolemäos,
Andere zogen denselben durch die ewigen Inseln Chalidat
(welche die glücklichen Inseln llomer’s), von denen es aber nicht
klar, ob sie die canarischen oder die vom grünen Vorgebirge.
In der Idee Ihn Said’s sind die glücklichen Inseln die ca
narischen und die ewigen wahrscheinlich die des grünen Vor
gebirges. Ptolemäos und mit ihm die meisten arabischen Geo
graphen setzten den ersten Meridian in den äussersten Osten,
Andere , wie Abulfeda , in den äussersten Westen ; die Inder,
welche ihr Land für den Mittelpunct der Erde hielten , zogen
denselben durch die Insel Lanka durch 0ds chei n, die Haupt
stadt M a 1 v a’s, und Hessen denselben am Berge M e r u enden,
was aber keine gerade Linie. El- Bi r uni setzt nach indischen
Begriffen den Mittelpunct der Erde, durch welchen der erste
Meridian geht, in die Insel Aarin, welche auch das speculum
astronomicum Alberts des Grossen als civitas Arim, kennt. Die
arabischen Geographen, bald gewahrend, dass Indien nicht der
Mittelpunct der Erde, versetzten die Kuppel der Erde von Lanka
als Insel Aar in westlich ins indische Meer. Gerhard von Cre-
mona glaubt in seiner Theorici planetarmn, dass der Meridian
von Ario von Hermes Ptolemäus Albategnius (el-Bettani)
und Albumazares (Ebu Maas eher) gebraucht und angewen
det worden sei. Die alphonsinischen Tafeln, welche in Spanien
in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts verfasst wurden,
99
weiche» in einigen Puncten von den zu Ende des eilften Jahr-
hundertes verfassten Arzachels (es-serkials) ah. Durch das
opuft majus Roger ßacon’s irregefiihrt glaubte Colombo, als
er sich nach Westen einschiffle, in China oder Indien zu lan
den, auch noch einige Jahre nach ihm dauerte in Europa der
Wahn von der Erdkuppel Aarin fort. An diese ausführliche Ab
handlung über den Meridian der Araber knüpft Hr. R. einige
Bemerkungen über ihre Ideen vom Ende der Erde im Osten
und Westen : im Westen endete sie bei den ewigen Inseln, im
Osten an den Inseln Syla, das ist Japan ; die Perser setzten
an das äusserste Ende des Ostens und Westens die beiden Städte
Dschabulka und Dschabulsa.
Nun untersucht Hr. R. die Mittel und Instrumente, de
ren sich die Araber zur Bestimmung der Längen und Breiten
bedienten; die von Hipparchos eingefiihrtc trigonometrische
Methode ward von den arabischen Astronomen el-ßittani und
Ehul-Wefa verbessert; cl-ßittani berichtigte der erste
die astronomischen Tafeln, indem er mit grösserer Genauigkeit
die Schiefe der Ekliptik, das Fortschreiten der Tag- und Nacht
gleichen und die Exccntricität der Sonncnelipse bestimmte. Die
Mangelhaftigkeit der Seekarten der Araber, welche den grossen
Vorsprung der indischen Halbinsel gar nicht kannten, wird aus
der Art ihrer indischen Schiffahrt, zu der sie sich nur der
Passatwinde bedienten, erklärt. Gelegenheitlieh sei hier bemerkt,
dass der französische und englische Name der Passatwinde
monsso » und m onsoon Nichts als der verderbte arabische Na
me mewsim, welcher insgemein die Jahreszeit bedeutet. Hip
parchos war der Erfinder der stereographischen Projection der
Karten. Die Araber kannten das Werk des Hipparchos, das sich
nur in der arabischen Uebcrsetzung erhalten hat, aber keine
einzige mit Graden versehene arabische Karte ist auf uns ge
kommen ; im zehnten Jahrhundert unserer Zeitrechnung wurde
zu Tuster im alten Susiana eine grosse Karte auf blauem Sei-
denzeug verfertigt. Es sei hier bemerkt, dass das Seitenstück
zu jener grossen persischen Karte die grosse türkische auf weis-
sem Seidenzeug (eine Klafter hoch und eine Klafter und sieb
zehn Zoll breit), welche sich im hiesigen Hofkriegs-Archive be
findet, und wovon im Anhänge des achten Bandes der Geschichte
100
des osmanischen Reiches umständliche Kunde gegeben worden.
Dieses Denkmal türkischer Geographie wird von Hern. R.
eben so wenig erwähnt, als die von Hadschi Ahmed aus Tunis
i. J. d.H. 967 (1559) auf vier Tafeln in Holz geschnittene grosse
Karte, deren Tafeln sich auf der Marcusbibliothek befinden, und
wovon ebenfalls im erwähnten Anhänge des VIII. Bandes der
osmanischen Geschichte zuerst öffentliche Kenntniss gegeben
worden. Nun folgen in der Einleitung Hrn. R’s. die geogra
phischen Maasse der Araber, er untersucht den für die arabi
sche Geographie wichtigen Punct der Messung zweier Grade
des Erdumfanges auf Befehl des Chalifen Mamun und bestäti
get die Richtigkeit derselben; nur begingen die arabischen Erd
messer , welche auf der einen Seite Rakka und Palmyra, auf
der andern Seite Kufa und Bagdad unter denselben Meridian
stellten, denselben Fehler, in den Eratosthenes verfallen, wel
cher Syene und Alexandrien unter denselben Meridian gestellt.
Die weit gegen Osten ausgedehnten Eroberungen der Araber
setzten sie in den Stand, die unrichtigen Begriffe und Angaben
der Griechen über Indien und China zu berichtigen. Die Ver
schiedenheit der Längenangabe merkwürdiger Städte zwischen
Ptolemäos und den arabischen Geographen wird zum Vortheile
der letzten hervorgehoben. El-Bittani, Mesudi, el-Biruni
und Abul feda theilten die irrige Ansicht Strabo’s und des Era
tosthenes über die zu kurze Ausdehnung Afrikas gegen Süden;
nach der Angabe der astronomischen Tafeln des Bettani (AI-
bategnivs) und nach der Mesudi’s sind zwei Karten und eine
arabische Windrose beigefügt und erläutert. Die beweisenden
Stellen Mesudi’s über seine Begriffe vom schwarzen und kas-
pischen Meere, vom Oxus und dem See Aral, von dem finsteren
(atlantischen) Meere und den Quellen des Nils, die Angaben
el-Biruni’s über das Land Sofala und die Inseln Wakwak
werden geprüft, und dann die geographischen Theorien Isstach-
ri’s, welche dieselben wie die Ihn Haukals untersucht. Dieser
weicht in Betreff der Gestaltung Afrikas gänzlich von Mesudi
ab und erklärt sich für das System des Ptolemäos , worin ihm
auch Idrisi gefolgt; dieser so wie seine beiden eben genannten
Vorgänger glaubte, dass die Erde gauz vom Meere umgeben
sei; dieses Meer erhielt den Namen el-Mohith, d. i. das Um-
101
fassende. In der Art wie Idrisi die Inseln des östlichen Meeres
vertheilet, herrscht die grösste Verwirrung. Der Berg Komr
im südlichen Afrika, welcher durch eine falsche Leseart der
Orientalisten so lange als Dschebel-ol-kam r, d. i. als Mond
gebirge gegolten, hat seinen Namen von einem Volke, welches
nach der Angabe der arabischen Geographen zuerst mit den
Chinesen wohnte, und hernach von denselben sich trennend,
die benachbarten Inseln bevölkert haben soll. Die Insel Komr
erhebt sich östlich von der Stadt Se j una gegenüber des geohr-
feigten Berges (Dschebcl e 1 - in o la t h t h a in) *) , wel
cher aber nicht mit dem Dschebcl el-inokaththam, 2 )
d. i. des gebissenen Berges bei Kairo zu verwechseln ist.
In der Nähe des Gebirges Komr in der Mitte Afrikas erhebt
sich mitten unter den Negern auch der Berg der Reue 3 }, an
dessen Fuss die Stadt Daghuta am Ufer des Canals der Komr.
Mit dem Vorbehalt auf die ethnographischen Verbindungen, wozu
diese Stellungen die Anhaltspuncte geben, zurückzukommen,
beschäftigt sich nun der Rest der Einleitung ausschliesslich mit
Indien, Tibet, der Tartarey, China und dem malaischen Gebiete
(la Mulaisic). Indien, das Land der Fabeln und Wunder ent
behrt aller Geschichte; der Name Alexanders des Grossen, des
sen Geschichtschreiber die Kunde von den Brahmaneu und Gym
nosophisten überliefert haben , kömmt auch nicht ein einziges-
mal in den Sanscritschriften der Budhisten und Brahmaneu vor.
Die Liebhaberei der Brahmanen für das Uebersiuuliche und ihre
Abneigung sich mit wirklichen Dingen und Thatsachen zu be
schäftigen, verhinderte sie auch an der Beschreibung ihres eige
nen Landes; die Himmel, die Meere, die Erden versiebenfa-
ctieud, bevölkerten sie dieselben mit Menschen und Thieren, Aus
geburten ihrer Phantasie ; nur den Reiseberichten budhistischer
Missionäre verdanken wir die Kunde budhistischer Tempel und
Grabmale in der Tartarei. Hr. Reiuaud hat die Angaben der bei
den budhistischen Reiseberichte , deren einer aus dem fünften,
»' fr
3 ) Ax>l jü) 1
Aufm.
102
der andere aus dein siebenten Jahrhunderte unserer Zeitrech
nung, in einem besonderen in der Akademie der Inschriften vor-
gelesenen Memoire zur Aufklärung und Beleuchtung bisher dunk
ler Stellen arabischer Geographen benützt, wovon auch einige
Auszüge in dieser Einleitung. Hr. Reinaud wollte durch dieses
Memoire einige Züge zu dem Gemälde einer der seltsamsten
Sittigungen , die jemals bestanden haben, beitragen ; die älteste
Religion der Inder, der Budhismus herrscht noch heute auf
Ceylon im birmanischen Reiche, in der Tartarei und bis Japan
hinein; den Indern danken wir das sogenannte arabische Zah
lensystem , das Schachspiel und uralte politische Thierfabeln,
aber nicht, wie Hr. Reinaud sagt, den ersten Namen der Tau
send und einen Nacht, der nicht aus Indien stammt, son
dern wie die älteste arabische Literaturgeschichte (das Fihrist)
meldet, einer persischen Königin angehört. Nun umreisset Hr.
Reinaud das Gemälde des Budhismus und Brahmanismus, das der
indischen Kosmogonie und Mythologie in kurzen Zügen , und
überblickt die arabischen Eroberungen von Koteibe und Mo
hammed unter der Regierung Welid’s angelängen bis zu den
Feldzügen Sultan Mahmud’s ; sein letzter Feldzug (i. J. 1025)
endete mit der Zerstörung des Götzentempels von Sumcnat,
dessen von ihm nach Gliafna entführte Thore erst in unse
ren Tagen durch den englischen Statthalter Indiens ihrer ur
sprünglichen Bestimmung wiedergegeben worden sind.
Es werden nun einige wichtige I'unclc indischer Geogra
phie und Geschichte aufgeklärt, welche bisher trotz der von
Klaproth, Remusat, Wilson, Lassen, angestellten Erörterungen
dunkel geblieben; so wird das Volk, welches die arabischen
und persischen Geographen Taghafghaf *) nennen, in den
Gl) u fen oder Gliofen, und das von ihnen bewohnte Land
Kusch an in dem Kaotschang der Chinesen nachgewiesen.
Die Angabe Mesudi’s , dass die Einwohner Tibets von den T o-
baa, d. i. von den Königen der Hiinjeren abstammen, wird
aus dem Namen, welchen die Chinesen dem Lande beilegen,
*) Durch eine unrichtige Handschrift verleitet, hat Degugne’s in seiner
Geschichte der Hunnen (Hl. 37, 39 , 130) den Namen Taghasghas
in Bagargsr verstümmelt.
103
nämlich Thu-po erklärt. Der chinesische Name der Türken,
nämlich Ho ei-hu ist nur als chinesische verderbte Aussprache
von Ui g hur, welche bekanntlich eins mit den Ghufen, d. i.
mit den östlichen Türken. Die geschichtliche Ueberlieferung,
dass die Schrift der Uighuren sich von den Syrern herschreibe,
wird mit der Angabe des Fihrist über die Manichäer in Verbin
dung gesetzt, welche Tempel in Tibet hatten, und sich mit
persischer und syrischer Literatur befreundeten. Hr. R. über
setzt eine Stelle des Fihrist über die Manichäer 1 ). Boghra
der Chan der östlichen Türken, der bei Ihn Chaldun i. J. 920
n. Chr. erscheint und bei ihm Schihabeddin Harun heisst,
findet sich bei Deguign es *) als Schi h abeddewlet Haru n
gest. i. J. 384 (994), als Herrscher der lloei-ke. Hr. R.
bemerkt, dass Frähn die Ho ei-hu mit den Ho ei-ho ei ver
mengt habe, und dass die Könige von Kasch g har und Cho-
ten ganz verschieden von den Königen Ho ei-hu in Kao-
tschau g oder Kusch an. Der steinerne Thurm, dessen Pto-
lemäos im Laude der Serer erwähnt, ist in der Stadt Tasch
kent, dessen erste Hälfte Stein heisst und dessen zweite Hälfte
noch im englischen Keilt fortlebt, wiedergefunden, so wie die
Salmiakminen Mesudi’s im Ilo-schan, d. i. dem Feuerberge
der Chinesen. Die drei von Mesudi angegebenen Strassen, wel
che nach China führen, werden nachgewiesen und sind verschie
den von der grossen Strasse , welche heute von Peking nach
Russland führt. Mit der Reisebeschreibung des Gesandten N a k-
kasch, d. i. der Maler, welchen Schab roch i. J. 1420 an
den Kaiser von China sandte, hat, sicli zwar schon Hr. Quatre-
mere beschäftigt, ohne jedoch die für den europäischen Leser
nöthigen Erläuterungen zu geben, welche hier nachgetragen
werden. Nun folgt die Beschreibung der indischen Meere nach den
Angaben der Reisenden Ebu Seid und S ule im an; der letzte
gibt die Anzahl der inaldiwischen Inseln auf neunzehn hundert
1 1 Del' ganze höchst wichtige Abschnitt im Fihrist über die Manichäer und
ihre Religion ist im XC. Bande der Jahrbücher der Literatur bei Gele
genheit der Anzeige des Werkes von Colditz über die Entstehung des
manichäischen Religionssystems und Ritter’s Stupas übersetzt ersehnen
und füllt dort sechzehn Seiten (10—10),
3 ) 1. Band, S. 333.
104
an , Ptoleinäos hatte deren dreizehn hundert acht und siebzig
gezählt. Aus den Erzählungen Suleiman’s, Ehu Seid’s und Me-
sudi’s erhellet, dass am Ende des neunten Jahrhunderts und
im Beginn des zehnten der christlichen Zeitrechnung ein grosses
von Java (Dschawa) ausgehendes Reich bestand, dessen Mittel-
punct die Inseln Java, und Sumatra waren; eine dieser Inseln,
wahrscheinlich Java wurde S a b e d s c h genannt. Das fabelhafte
Thier Sin ad *), das schon aus der Gebärmutter den Kopf her
vorstreckt um zu weiden, ist nach Hrn. R. der Känguru. Marco
Polo’s Gainpu ist das heutige C an ton und sein Quinsai
das Al ch ans a der Araber, Clianfu aber, welches Renaudot
und Deguignes für Cantou hielten höher oben an der Mündung
des K i a n g. Ebu leid erzählt die Reise , welche ein Araber
Namens Weshab i. .1. 872 u. Chr. nach China machte. Herr
R. steht für die Wahrhaftigkeit dieses Reiseberichtes ein, welche
von Einigen bezweifelt wird; i. J. 721 h. Chr. leitete der budliis-
tisclie Priester Y-hang in China trigonometrische Landesver
messung. Die i. J. 1625 zu Sieganfu aus der Erde aufge
grabene Steinschrift, mit deren Erklärung drei geistliche Ge
lehrte (P. Kircher , Renaudot und I*. Visdelou) sich beschäf
tiget haben, bezieht sich auf die Fortschritte des Christenthums
in China i. J. 7S1 u. Chr. Golius spricht nach dem Zeugnisse
eines arabischen Schriftstellers Abul-Faradsch (richtiger
ausgesprochen Ebul Feredsch) von der Reise eines christli
chen Mönches nach China. Hr. Reinaud hat diese Stelle in der
ältesten arabischen Literaturgeschichte, im Fihrist, wiedergefun
den, dessen Verfasser Ebul Feredsch Mohammed B. Is-
hak~). Ein nach den Erzählungen der arabischen Reisenden
Ebu Seid und S ul ei man entworfenes Gemälde Chinas im
*) Nach dem zu Konstautinupel vor zwei Jahren im Druck erschienenen
grossen Werke el - Mo s t athre f, ein Foliant von 1453 Seiten, wird
der Name Sin ad von Einigen Sifad gelesen; S. 1071.
3 ) La Bibliotheque nationale a recemment acquis wie copie da deuxieme
volume du Ketab-ulfilirist, faite sur mi exemplaire d' wie des bibliothe-
ques de Cunstanlinople; pay. CDU; dieser Band, welcher auch zu Con-
stantinopel für die kaiserliche Hofbibliothek abgeschrieben ward, ist nicht
der zweite , sondern der erste des ganzen Werkes, indem er die Einlei
tung und Eintheilong desselben enthält.
105
IX. und X. Jahrhundert unserer Zeitrechnung würde einen ho
hen Grad von Sittigung und Staatsweisheit kundgehen, arabische
und persische Kaufleute waren dort günstig aufgenommen, die
Politik gründete sich auf die Moral und die höchsten Staats
beamten waren die grössten Gelehrten des Reiches; der Acker
bau und die Künste wurden mit Sorgfalt gepflegt. Hr. Reinaud
behandelt nun vorzugsweise einige Puncte der arabischen und
persischen Schiffahrt nach Indien und China; er weiset die sie
ben Meere nach, welche wahrscheinlich unter denen gemeint sind,
deren Namen der Reisende Suleiman und das Adschaib
Kafwini’s, jedoch mit einiger Abweichung von einander, ange
ben. Ramny, welches Suleiman unmittelbar nach Ceylon nennt,
stellt entweder die ganze Insel Sumatra oder einen Theil der
selben vor, die Inseln Lcndschebalus scheinen die nikoba-
rischen zu sein, der gelehrte Geographe Freiherr von Walcke-
naer verlegt das Land Kal ah, dessen Suleiman erwähnt, in
den der Insel Sumatra gegenüber gelegenen Theil der Halbinsel
Malacca. Hr. Reinaud hat in der Vorrede seiner Uebersetzung
der indischen Reiseberichte Kalali die grosse Stappelstadt des
indischen Handels für das Vorgebirg Pointe-de Galle gehalten.
Hr. Reinaud lässt die Möglichkeit zu, dass Kalali auf der
Halbinsel Malacca zu suchen sei , macht aber darauf aufmerk
sam , dass Kosmas, der Iudienschiffer, den grossen Stappelplatz
des Handels eben so wie Rhu feid, nach Ceylon verlege ; ein
anderer für die Meinung Hrn. Reinaud’s streitender Grund , den
er nicht geltend macht, ist die Homöophonie von Kalali und
Galla, den letzten Namen erwähnt der französische Reisende
Francois Pyrard schon im Anfänge des siebzehnten Jahrhunderts.
Den Namen der grossen chinesischen Handelsstadt Ts eu-th o u n g
haben die Araber in Seitun verstümmelt, und der Hafen Syn-
kilan ist vermuthlich der Hafen von C an ton. Die arabischen
Geographen halten die Malaien für einen Rest des grossen Volkes
Komr, welches aus der Tartarei nach China einwanderte , von
dort vertrieben nach den Inseln auswanderte. Die Insel Java
blieb der Mittelpunct des grossen malaischen Reiches bis zum
Untergange desselben i. J. 1475; die Ruinen seiner Hauptstadt
Madschapahit bestehen noch an der Ostseitc der Insel. Als
der Islam nach Indien vordraug, fand derselbe günstige Auf-
Sitzb. cl. philosopb. bist. CI. Jahrff. 1849. VII, Heft. 9
106
nähme bei der malaischen Race, während die von Dschawa den
selben widerstrebte; die malaisclie Sprache nahm eine Menge
arabischer Wörter, die von Dschawa nur wenige auf. Im J. 1283
n. Chr. erschien zu Kairo ein Bothschafter des Götzendieners,
des Königs von Ceylon; i. J. 1292 sandte Kublai eine seiner
Enkelinnen , um sic dem Könige von Persien, seinem Urenkel
zu vermählen. Auf der Flotte von vierzehn viermastigen Schif
fen befand sich auch der grosse europäische Reisende Marco
Polo, dessen würdiges Seitenstück ist der grosse morgenländi
sche Reisende Ibn Bathuta, welcher vor einem halben Jahr
tausend (in den Jahren von 1343—1349) in den östlichen Mee
ren nach Indien und China reisete. Hr. Reinaud verfolgt die Route
desselben und bemerkt, dass die Insel Sumatra, welche er Java
(Dschawa) nennt, auch bei Marco Polo Kleinjava heisst; die
Herrscher Kalikut’s hiessen Samiri, woraus die Europäer Sa-
morin gemacht. Hr. Reinaud beschliesst, seine Mittheilungen ans
morgeuländischen Reisebeschreibungen und Schiffahrten in den
östlichen Meeren mit Auszügen aus dem Werke des Schiffsca-
pitäns »Seid Ali, von dem er schon früher (CLXVI) unter dem
Namen von Sidi Ali gesprochen, und dessen zwei Werke der
Länderspiegel 1 ) und das Allumfassende 3 ) erwähnt hat, jenes
durch deutsche und französische Uebersetzung grösstentheils be
kannt, ist ein schöngeistiges Werk, in welchem nur das per
sönliche Schicksal des Verfassers die Hauptrolle spielt, und aus
welchem für indische Länderbeschreibung und Schiffahrt wenig
zu lernen; desto wichtiger ist das zweite , welches rein nauti
schen und geographischen Inhalts; dasselbe befindet sich auf
der kaiserlichen Hofbibliothek 3 ) und (die Bibliotheken Konstan
tinopels ausgenommen), auf keiner anderen europäischen. Aus
züge davon sind in der asiatischen Zeitschrift von Bengalen in
viermaligen Lieferungen bekannt gemacht worden 4 ). Hr, Reinaud
V\y>
3 ) JxJlI
8 ) In dem Cataloge meiner Handschriften Nr. 184.
*) HI. Band, S. 545, die Eintheilung und das achte Hauptstück, V. B. S. 441
das neunte Hauptstück, VI. B. 805 das zehnte Hauptstück, VII. B, S. 707
das erste Hauptstück.
107
gibt diese Auszüge und ergänzt dieselben mit schätzbaren Be
merkungen, so z. B., dass die vom Mobith gegebene Einthei-
lung der indischen Inseln in die ober dem Winde und unter
dem Winde sich auch beim portugisisclien Geschichtschreiber
Barros wiederfindet. Hr. Reinaud, welcher ebenso wenig ein Hy
drograph als der Berichterstatter , Uebersetzer jener Auszüge
in der Zeitschrift der bengalischen asiatischen Gesellschaft, ein
Astronom ist, hat sich an Hrn. Alfred Maury gewendet, der ihm
mit erklärender Note aushalf.
Dieser bestätigt die Angabe des englischen Uebersetzers,
dass die Inseln Falsubilen des Mohith keine anderen, als die
neun, unter dem Namen Poulo-Sambelan bekannten Inseln
der malaischen Küste 1 ). In dem Anzeigeblatt des LXVII. Bandes
der Jahrbücher (S. 54) hätte Hr. Reinaud die vollständige Inhalts
anzeige des Mohith und am Schlüsse derselben die Bemerkung
über die Wichtigkeit dieses Werkes und den vom damaligen Be
sitzer der Handschrift gemachten Antrag dieselbe ganz für Hrn.
Director Littrow wortgetreu zu übersetzen, finden können ; da
dem Besitzer der Handschrift diese astronomische Hilfe nicht
ward, blieb ihm nichts übrig um auf die Wichtigkeit dieses
Werkes Geographen und Hydrographen aufmerksam zu machen,
als einige Hauptstücke desselben ins Englische zu übersetzen
und die uöthigen Erläuterungen der encyklopädischeu Gelehr
samkeit des damaligen Herausgebers des bengalischen Asiatic
Journal, des der orientalischen Literatur zu früh entrissenen un
ermüdlichen Hrn. James Prinsep zu überlassen. M. Maury
ist gänzlich im Irrthume, wenn er sagt: Le traducteur anglais
de la Version allemande a eclairci len principales difficultes.
Meine Uebersetzung war nicht deutsch, sondern englisch von
mir verfasst, wie die Uebersetzung der Alphabete Ihn Wali
sch i es, wie die der Reisen Ewlia’s, wie die Aufsätze in der
Zeitschrift der asiatischen Gesellschaft in England , und in den
Denkwürdigkeiten der königlichen Gesellschaft für Literatur.
Daher ist die Stelle der Note: Je eite la traduction anglaise
faite nur !a Version allemande (cnxLui) nicht richtig
l ) Les iles Falusanbilen, rlans lesifiielles M. de Hammer reconnait aeee rai
son les Puulo - Sambelan po(j, CDXXXVIL
9 *
108
indem die ursprüngliche Uebersetzung keine deutsche, sondern
die in der Zeitschrift erschienene englische war.
Der vierte Abschnitt der Einleitung handelt von der Geo
graphie Abulfeda’s und dem dabei befolgten Plane. Abulfeda voll
endete sein Werk im Monate Schaaban d. J. 721 d. H. (Sep
tember 1321.) Vor demselben steht ein Dutzend hier von Hrn.
Reinaud ins Französische übersetzten Distichen zum Lobpreis des
Werkes. Abulfeda kannte aus Selbstansicht nur Syrien, Aegyp
ten und das ober Mecca und Medina gelegene nördliche Ara
bien ; für die Beschreibung der von ihm nicht besuchten Länder
benützte er die Werke Isstachri’s, Ibn Haukal’s, Idrisi’s,
den Kanon Biruni’s, dessen erster Theil in der Bodleianischen
Bibliothek von Oxford, die Abhandlung Ibn Said’s, wovon ein
Exemplar auf der Bibliothek zu Paris, das Länder beschreibende
Werk el-Aafifi’s, das Buch der Längen vom ungenannten Ver
fasser, die unter Männin gemachte Uebersetzung der Geographie
des Ptolemäos und das Lobab Ibnol-Esir’s. Alle diese Werke,
die zwei letzten ausgenommen, konnte Hr. Reinaud zur Vervoll
kommnung seiner Uebersetzung benützen. Die Zuflucht zu den
selben war um so uöthiger, als Abulfeda ohne die von ihm ge
machten Auszüge zu verschmelzen und durch sein über diesel
ben gefälltes Urtheil zu vereinbaren, dieselben oft nur neben
einander hingeschrieben, wozu noch die aus dem Arabischen
entspringende Ungewissheit kömmt, ob das Zeitwort in der ge
genwärtigen oder vergangenen Zeit übersetzt werden müsse.
Abulfeda setzt nach verschiedenen Quellen verschiedene Breiten
grade an, ohne über den richtigen zu entscheiden; seine astro
nomischen Kenntnisse scheinen ihn nicht befähiget zu haben,
selbst Beobachtungen am Himmel anzustellen. Aus den verschie
denen vorhandenen Handschriften erhellet, dass dieselben mehr
mal (sei es vom Verfasser, sei es von späteren Herausgebern)
verbessert und anders geordnet worden. In dem Autograph der
Leydner Bibliothek sind die Oerter durcheinandergeworfen , in
den späteren Ausgaben sind sie in der Folge von Westen nach
Osten geordnet. Hr. Reinaud verfertigte die itzt zu Tage geför
derte Uebersetzung schon i. J. 1835, als er mit Hrn. von Slane
den arabischen Text herausgab, und die itzt erschienene erste
Hälfte der Uebersetzung war schon i. J, 1842 gedruckt: nicht
109
ganz so wie sie ursprünglich gemacht ward, indem Hr. Reinaud
jede schwierige Stelle mit Hrn. von Slane kritisch erörterte
und der gelehrte Geograph Hr. von Avezac, jeden Bogen sowohl
der Einleitung, als auch der Uebersetzung durchsah. Hr. Reinaud
bemerkt in Betreff der Veränderung, welche fremde Namen in
dem Munde von Morgenländern erleiden, dass wenn der Anfangs
buchstabe ein doppelter Mitlauter, demselben ein Elif vorge
setzt werde, dessen Vocal aber immer der des ersten Vocals
des Wortes; so wird Clima in Iklim, Afrika in Ifrikije, Plato
in Eflathun 1 ) verwandelt. Alcähireh heisst nicht Ja victorieuse,
sondern die Rächende oder Zwingende, wie eUKahhar das
Eigenschaftswort Gottes der Rächende und nicht der »Siegreiche
heisst.
Die Wichtigkeit des Werkes und die geographische Gelehr
samkeit der Einleitung , so wie der Name seines Uebersetzers
des grossen Orientalisten Hrn. Reinaud’s, rechtfertigen die Länge
dieser Anzeige, welcher die der Uebersetzung bei Erscheinung
ihrer zweiten Hälfte folgen wird.
Herr von Karajan las den Schluss seiner Abhandlung über
das Concil zu Lyon vom Jahre 1245. Erbeendete die Erklärung
und Vergleichung der von ihm als Beilage zu seiner Abhandlung
zum ersten Male veröffentlichten Parabel eines unbekannten Ver
fassers über dieses Concil, zeigte, dass diese neue Quelle nur
zwischen dem 22. Mai 12'*6 und dem 13. December 1250 ent
standen sein könne, somit ganz nahe an die Zeit des Concils
selbst rücke. Er entnahm die Beweise für diesen Satz aus dem
Inhalte der Parabel selbst und endigte seine Abhandlung mit den
erforderlichen Nachweisungen über die Ueberlieferung dieser
neuen Quelle und den sonstigen Inhalt derselben Handschrift,
aus welcher er in einer zweiten Beilage eine längere Abhand
lung eines Zeitgenossen über die zweite Hälfte des dreizehnten
Jahrhunderts mittheilte.
4 ) Eflathun nicht Aflathun, denu sonst müsste dieses Wort im Ferhenge
Schuuri in dem Abschnitte des gedehnten Elif (el-Elif-el-memdadet)
und nicht in dem Abschnitte des Elif el-meftuhat stehen, es steht
aber unter dem letzten (I. B. Bl. 131 v,).
110
Herr Professor Kollar las als geladener Gas! einen Auf
satz: „Ueber die etruskische Literatur überhaupt und insbeson
dere über die längste zu Perusia im Jahre 1822 auf einem gros
sen Travertinstein entdeckte Inschrift”, deren Entdeckung C. Ott.
Müller zu den glücklichsten Ereignissen unserer
Zeit rechnet, und welche sich aus der altslawischen Sprache
am natürlichsten übersetzen lässt. Nachdem er auf die geschicht
liche Bedeutung und Wichtigkeit des etruskischen Volkes auf
merksam gemacht, indem demselben gegen 70 Erfindungen und
Einrichtungen in der Religion, im Staate, im Kriege, im Han
del, in der Schiffahrt, in der Landwirtschaft, im häuslichen
Leben, in der Kunst, von den Classikern zugeschrieben wer
den , von denen viele in Europa sich bis zum heutigen Tage
erhielten: ging er zu den Inschriften und literarischen Frag
menten dieses Volkes über, als zu den wichtigsten Ueberresten
eines grossen verschwundenen Lebens. Oie Inschriften sind noch
immer die sprechenden Zeugen der ausgestorbenen Völker. Diese
Inschriften blieben aber bis jetzt der gelehrten Welt wie dunkle
Sphynx-Sprüche. Ursache davon war nicht die Sache und Sprache
selbst, sondern der falsche Weg, den die Uebersetzer (Ver-
miglidi, Campanari u. s. w.) eiugeschlagen haben. Man suchte
das in der Ferne (in der aramäischen, hebräischen, griechischen
Sprache), was man natürlicher in der Nähe, in der unmittel
baren Nachbarschaft (Illyrien , Dalmatien, Slavonien) hätte su
chen sollen. Plinius (Hist. 3, 11), Festus (14, 211), Servius
ad Aen. (1, 242) leiten ausdrücklich viele altitalische Stämme
aus Illyrien ab. Dalimil, der altböhmische Chronist, sagt: Slawo-
Serben hätten sich in den ältesten Zeiten bis nach llom ver
breitet. Unter allen bis jetzt entdeckten etruskischen Sprach-
überresten ist aber die sogenannte Perusinische Inschrift die
merkwürdigste, schon darum, weil sie die längste ist, und nicht
blos dürre Namen von Personen, wie die Sepulchral - Inschrif
ten, sondern ganze sinnvolle Redesätze enthält. Er zeigte ein
Facsimile des Steines und des mit etruskischen Buchstaben dar
auf eingegrabenen Textes, las den Text in der Ursprache vor,
legte eine Auseinandersetzung der Inschrift nach dem Inhalte und
ihre Gliederung nach den Sätzen und 12 Punkten, die sie ent
hält, vor, fügte eine slawische, lateinische und deutsche Ueber-
111
Setzung bei, endlich auch grammatische Analyse der einzelnen
Wörter und Erklärung der Sachen. Der Inhalt der Inschrift ist
eine Verordnung des etruskischen Landtages über die Errichtung
eines grossen Grabmonumentes für Aules Velthinas, den Gründer
der Stadt Perusia, und die dabei abzuhaltende Sonnenstier-Feier
(Taurilia). Es ergab sich daraus eine völlige Uebereinstimmung
nicht blos in der Sprache, den etymologischen Wurzeln, den For
men, Declinationen und Conjugationeu, sondern auch in der My
thologie, den hier erwähnten Namen der Götter, der Feste und
anderer Volkssitten der Etrusker und der Slawen.
Der Secretär Wolf legt seine für die „Denkschriften” be
stimmte Abhandlung vor: „Ueber eine Sammlung spanischer Ro
manzen in fließenden DIättern auf der Universitäts-Bibliothek zu
Prag.” Er weist die Wichtigkeit dieses Fundes nach , sowohl
wegen des bibliographischen Interesses dieser ungemein seltenen
Erstlingsdrucke der Romanzen (aus der Mitte und zweiten Hälfte
des 16. Jahrhunderts), als wegen ihrer literarhistorischen Be
deutung für die Geschichte der spanischen Poesie überhaupt und
der Volkspoesie insbesondere. Durch eine genaue bibliographi
sche Beschreibung zeigt er nämlich, dass diese Sammlung eine
der reichsten und merkwürdigsten sei, und durch ihre literar
historische Würdigung, wie nicht nur durch eine solche Masse
von alten Einzeldrucken der Vorrath der bekannten Romanzen
erst eine urkundliche Bestätigung des Alters und der Volks-
thümlichkeit erhalte, sondern auch durch die Anzahl unbe
kannt gewordener, d. h. der in keiner der bekannten
Sammlungen (Romaneeros) wieder abgedruckten, die sich hier
vorfindeu, namhaft bereichert werde. Diese letzteren, unter
die vier Hauptrubriken: I. Historische Romanzen;
II. Ritterro m a n z c n ; III. Epische Liebesromanzen
(sagenhaft oder volksmässig); und IV. Lyrische Kunst
romanzen, geordnet, den gegenwärtigen Anforderungen der
philologischen und historischen Kritik gemäss herauszugeben,
ist zwar die Hauptaufgabe seiner vorliegenden Abhandlung; durch
die beigegebenen Einleitungen, Excurse und Anmerkungen aber
bildet sie zugleich eine Ergänzung seines Aufsatzes : „Uebcr die
Romanze» - Poesie der Spanier" (in den Wiener Jahrb. der
Lit. Bd. CXIV und CXVII), indem nun Vieles, was dort aus
Mangel an Belegen nur als Conjectur gegeben werden konnte,
nun durch diesen wichtigen Fund zur documentirten Gewissheit
erhoben wurde.
Herr Dr. P fizmaier erstattete: „Bericht über die von
Herrn Carl Freiherrn von Hügel dem k. k. Münz- und An
tiken-Cabinette zu Wien geschenkten chinesischen Münzen und
Medaillen.”
Diese Münzen, welche , da man in China bekanntlich nur
des ungeprägten Goldes und Silbers als Tauschmittel sich be
dient, sämmtlich von weissem Kupfer sind, gehören grössten-
theils sehr frühen Zeiträumen an, einige der ältesten nämlich
einer ganz unbestimmten, jedenfalls aber noch vor der christli
chen Zeitrechnung zu setzenden Periode, von den übrigen die
älteren der Dynastie Han (vom J. 204 v. Chr. bis A. D. 9.) die
jüngsten der Dynastie Ming (A. D. 1368 bis 1644).
Unter den ältesten sind besonders merkwürdig die J] tao,
Münzen in der Gestalt von Schwertern, welche, der Sage nach,
zuerst der uralte Kaiser Hoang-ti aus dem Kupfer des Gebirges
Scheu-schan giessen liess, ferner die pu (von dem gleich
namigen Worte „fliessende Quelle,” Gegenstände, welche wie
fliessende Quellen sich verbreiten) Münzen von unregelmässiger
Gestalt, beinahe einem Beil oder der Spitze einer Hellebarde
ähnlich, welche unter der Dynastie der früheren Han gewöhn
lich waren.
Da jede Nummer der hier besprochenen Münzen und Me
daillen bereits mit einer kurzen schriftlichen Erklärung von
einer mir unbekannten Hand*) versehen ist, so erübrigt mir nur
folgendes Wenige zur Vervollständigung oder Berichtigung hin
zuzufügen.
Auf Nr. 1, welches nicht erklärt wurde, befindet sich die
Abbildung einer Art Wage , an deren einen Seite ein Gewicht,
an der andern in gleicher Höhe mit diesem das Zeichen ~^T i,
i\-j* 3
‘) Von Herrn Baron Hügel selbst, wie ich seitdem erfahren.
113
„Wunsch” in einem Ringe. Auf der Rückseite stehen die Worte
* 0 „täglich zehntausendmal so viel.”
Die kreisförmigen Inschriften, welche immer aus vier Zei
chen bestehen, müssen zuerst vertikal, dann horizontal gelesen
werden. Weil diese Regel bei den Nummern 16, 18, 61 nicht
beobachtet wurde, wurden dieselben unrichtig erklärt. Sie heis
sen richtig, und zwar Nr. 16 itp 7, ß^ Jjp „die Schild
kröte und der Storch besitzen das lange Leben.” Nr. 18
=|= PpJ ]|$ „die hundert Götter zürnen und erretten.” Nr. 31
ÄEf 7t 7^ „Hia-yuen’s bestimmtes Gut.”
Eine nicht numerirte Münze ohne Datum trägt folgende
Inschrift mit ganz alten Characteren,
welche in der Erklärung als „unbekannte Schrift” bezeichnet
werden. Dieselben enthalten aber das nämliche wie die Inschrift
von Nr. 16, d. i. in heutiger Schrift „die
Schildkröte und der Storch besitzen das lange Leben.”
Eine grosse Anzahl Inschriften ist in der alten Tschuen-
oder sogenannten Siegelschrift verfasst, und wurde wegen der
Schwierigkeit dieser Schriftgattung nicht erklärt, während zwei
114
andere mit der Bemerkung: „Schrift den Chinesen unverständ
lich,” als unerklärbar bezeichnet werden. Was die Tschuen
betrifft, so hätte ich das Meiste wohl lesen können, da mir aber
zwei oder drei in denselben vorkomniende Zeichen bisher unbe
kannt geblieben sind, so hielt ich es, im Interesse der Voll
ständigkeit, jetzt noch nicht für gut, die Erklärung derselben
mitzutheilen.
Verzeiehviiss
der gegenwärtigen
Mitglieder der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften-
(September 1849.)
Im Inlande.
Wirkliche Mitglieder.
Pliilosophiscii-liistorisclie Classe.
Arnetli, Joseph (au Wien),
Auer, Alois (zu Wien),
Berg - mann, Joseph (zu Wien),
Chmel, Joseph (zu Wien),
Cittadella-Vigodarzere, Andrea Conte (zuVenedig),
Diemer, Joseph (zu Wien),
Exner, Franz (zu Wien),
Grillparzer, Franz (zu Wien) ,
Ham mer-P u rgs talI, Joseph Freiherr (zu Wien),
Hügel, Carl Freiherr (zu Wien),
Jäger, Albert (zu Innsbruck),
Kar'ajan, Theodor Georg v. (zu Wien),
Kemeny, Joseph Graf (zu Gerend in Siebenbürgen),
Kudler, Joseph (zu Wien),
Labus, Johann (zu Mailand),
Litta, Pompeo Conte (zu Mailand),
Münch-Bellinghausen, Eligius Freiherr v. (zu Wien),
P a 1 a c k y , Franz (zu Prag) ,
P fi z m a i e r, August (zu Wien),
Schafarik, Paul (zu Prag),
IM T II ii .ÜÜL
Springer, Johann (zu Wien),
Stülz, Jodok (zu St. Florian),
Teleky v. Szek, Joseph Graf (zu Clausenburg),
Weber, Beda (zu Meran) ,
Wolf, Ferdinand (zu Wien), d. Z. Secretär der Classe.
(Fünf Stellen sind unbesetzt.)
Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe.
Baumgartner, Andreas (zu Wien), d. Z. Vice-Präsident der
Akademie, und Präsidenten-Stellvertreter,
B o r d o n i, Anton (zu Pavia) ,
Boue, Ami (zu Wien) ,
Brücke, Ernst (zu Wien),
Burg, Adam (zu Wien),
C a r 1 i n i , Franz (zu Mailand) ,
Die sing, Carl Moriz (zu Wien),
Doppler, Christian (zu Wien) ,
Ettingshausen, Andreas v. (zu Wien), d. Z. Secretär
der Classe und General-Secretär der Akademie ,
Fenzl, Eduard (zu Wien),
Fitzinger, Leopold (zu Wien),
Haidinger, Wilhelm (zu Wien),
Heckei, Jacob (zu Wien),
Hyrtl, Joseph (zu Wien),
Kollar, Vincenz (zu Wien),
Koller, Marian (zu Wien),
Kreil, Carl (zu Prag),
Partsch, Paul (zu Wien),
Petzval, Joseph (zu Wien),
Prechtl, Johann (zu Wien),
Redtenbacher, Joseph (zu Wien),
Reuss, August Emanuel (zu Bilin),
Rochleder, Friedrich (zu Prag),
Rokitansky, Carl (zu Wien) ,
Santini, Johann (zu Padua),
Schrötter, Anton (zu Wien),
Skoda, Joseph (zu Wien),
Stampfer, Simon (zu Wien),
Unger, Franz (zu Gratz),
Zippe, Franz (zu Prag).
Ehrenmitglieder.
Erzherzog Franz Carl,
Erzherzog Ludwig,
Graf I n z a g h i, Carl,
Graf Kolowrat-Liebsteinsky, Anton,
Freiherr K übeck v. Kübau, Carl Friedrich,
Fürst Metternich, Clemens,
Graf Münch-Belling hausen, Joachim Eduard ,
Freiherr P i 11 e r s d o r f, Franz.
Correspondirende Mitglieder.
Philosophisch-historische Classe.
Ankershofen, Gottlieb Freiherr (zu Klagenfurt),
Bauernfeld, Eduard Edler v. (zu Wien),
Birk, Ernst (zu Wien),
Blumb erger, Friedrieh (zu Göttvveig) ,
Boiler, Anton (zu Wien),
B o n i t z, Hermann (zu Wien),
C i c o g n a , Emanuel (zu Venedig),
C zornig, Carl (zu Wien),
Filz, Michael (zu Michelbeuern),
Fräst, Johann v. (zu Zistersdorf),
Gar, Thomas (zu Padua),
Golde nthal, Jacob (zu Wien),
Hanka, Wenzel (zu Prag),
Hye, Anton (zu Wien) ,
Jäszay, Paul v. (zu Pesth),
Keibliuger, Ignaz (zu Matzelsdorf),
Kiesewetter, Raphael Edler von (zu Wien),
M i k 1 o s i c h , Franz (zu Wien) ,
Prokesch von Osten, Anton Freiherr (zu Berlin),
ßemele, Johann Nepomuk (zu Wien),
Schlager, Johann Evang. (zu Wien),
Schüller, Johann Carl (zu Hermannstadt),
Seidl, Johann Gabriel (zu Wien),
T o 1 d y, Franz (zu Pesth),
Wartinger, Joseph (zu Gratz),
Wolny, Gregor (zu Raigern).
(Vier Stellen sind unbesetzt.)
Matheinatiscli-niitiirwissenschaftliche Classe.
Balling, Carl (zu Prag),
Barrande, Joachim (zu Prag),
Belli, Joseph (zu Pavia),
C o r il a , August Joseph (zu Prag) ,
Frey er, Heinrich (zu Laibach),
Fritsch, Carl (zu Prag),
Fuchs, Wilhelm (zu Ofen),
G i n 11, Wilhelm (zu Wien),
Hauer, Franz Ritter v., jun. (zu Wien),
Hauslab, Franz Edler v. (zu Wien),
H e s s 1 e r , Ferdinand (zu Wien),
H ruschauer, Franz (zu Gratz),
Kn er, Rudolph (zu Lemberg),
K u n z e k , August (zu Wien),
L i 11 r o w , Carl Ludwig Edler v. (zu Wien) ,
Löwe, Alexander (zu Wien) ,
Motli, Franz (zu Linz),
Pauizza, Bartholomäus Ritter v. (zu Pavia),
P e t r i n a , Franz (zu Prag) ,
P r e s 1, Carl ßorziwog (zu Prag),
R edte n bacher, Ludwig (zu Wien),
R e i c h e n b a c h, Carl (zu Wien) ,
R e iss e k , Siegfried (zu Wien) ,
Russe g ge r, Joseph (zu Wieliczka) ,
S al o m o n , Joseph (zu Wien),
Schott, Heinrich (zu Schönbrunn),
We d 1, Carl (zu Wien),
Weisse, Maximilian (zu Krakau),
W e r t h e i m , Theodor (zu Wien) ,
W e r t h c i m , Wilhelm (zu Paris).
Im Auslande.
Ehrenmitglieder.
Philosophisch-historische Classe.
Grimm, Jacob (zu Berlin),
G u i z o t, Franz Wilhelm (zu London),
Mai, Angelo (zu Rom),
Pertz, Georg Heinrich (zu Berlin),
Rau, Heinrich (zu Heidelberg),
Reinaud, Joseph Toussaint (zu Paris),
Ritter, Carl (zu Berlin),
Wilson, Horaz H. (zu Oxford).
Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe.
ß r o vv n , Robert (zu London) ,
Buch, Leopold v. (zu Berlin),
Faraday, Michael (zu London),
Gauss, Carl Friedrich (zu Göttingen),
Herschel, Sir John (zu London),
Humboldt, Friedrich Heinrich Alexander Freiherr (zu Berlin),
Liebig, Justus Freiherr (zu Giessen),
Müller, Johann (zu Berlin).
Correspondirende Mitglieder.
I’hilosopliisch-histoi'ische Classe.
S a i n z de ßaranda, Don P e d r o (zu Madrid),
Bland, Athauiel (zu London),
Böhmer, Johann Friedrich (zu Frankfurt am Main),
B r a n d i s , Christian August (zu Bonn),
Burnouf, Eugene (zu Paris),
C i b r a r i o , Giovanni Nobile (zu Turin),
Creuzer, Friedrich (zu Heidelberg),
Dahlmann, Friedrich Christoph (zu Bonn),
■BfriBlB# laüMK u. ■ «_3=ü#t '
Diez, Friedrich (zu Bonn),
Fallm erayer, Jacob Philipp (zu München),
Flügel, Gustav Lebrecht (zu St. Afra in Meissen),
Gachard, Ludwig Prosper (zu Brüssel),
Gerhard, Eduard (zu Berlin),
Gervinus, Georg Gottfried (zu Heidelberg),
Gfrörer (zu Freiburg im Breisgau),
Haupt, Moriz (zu Leipzig),
Kerckhofe, Vicomte Joseph (zu Brüssel),
Kopp, Eutychius (zu Luzern),
Maelen, van der (zu Brüssel),
Michel, Francisque (zu Bordeaux),
M o h 1, Julius v. (zu Paris) ,
Ritter, Heinrich (zu Göttingen),
Schmeller, Andreas (zu München),
Stalin, Christoph Friedrich (zu Stuttgart),
S t e n z e 1, Gustav Adolph Harald (zu Breslau) ,
Thiersch, Friedrich Wilhelm (zu München) ,
U h 1 a n d , Ludwig (zu Tübingen),
W i 1 k i n s o n , J. G. (zu London),
Wuk-Stephanovich-Karadschitsch (zu Wien).
(Eine Stelle ist unbesetzt.)
Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe.
Agassiz, Louis (zu Neuburg),
Bisch off, Theodor Ludwig Wilhelm (zu Giessen),
B u n s e n , R. (zu Marburg) ,
Dove, Heinrich (zu Berlin),
Dumas, Jean Bapt. (zu Paris),
Edwards, Henri-Milne (zu Paris),
Ehrenberg, Christian Gottfried (zu Berlin),
Elie de Beaumont, Leance (zu Paris),
E n c k e , Johann Franz (zu Berlin) ,
Fuchs, Johann Nepomuk (zu München),
Fuss, Paul Heinrich (zu St. Petersburg),
G m e 1 i n, Leopold (zu Heidelberg),
Grün ert, Johann August (zu Greifswald),
.1 a c o b i, Carl Gustav Jacob (zu Berlin} ,
Mae dl er, D. J. 11. (zu Dorpat),
Martius, Carl Friedrich Philipp v. (zu München),
Melloni, Macedonio (zu Neapel),
Meyer, Hermann v. (zu Frankfurt am Main),
Mitscherlich, Eilard (zu Berlin),
Mohl, Hugo (zu Tübingen),
Owen, Richard Esq. (zu London),
Pogg endor ff, Johann Christian (zu Berlin),
P u r k i n j e, Johann (zu Breslau),
Quetelet, A. (zu Brüssel),
Rose, Heinrich (zu Berlin),
Schleiden, J. J. (zu Jena),
Stein heil, C. A. (zu München),
T s c h u d i, Jacob v. (zu Wien) ,
Weber, Ernst (zu Leipzig) ,
Web er, Wilhelm (zu Leipzig),
Wühler, Friedrich (zu Güttingen).
Veränderungen seil der Gründung der kaiserlichen Akademie.
Mit Tode a b g e g a n g c n ;
Im Inlautlc.
Philosophisch-historische ('lasse.
Wirkliche Mitglieder.
F e u ch te r s le b en, Ernst Freiherr von (zu Wien),
Muchar, Albert von (zu Grat»),
Pyrkcr, Franz. Ladislaus von Felsö-Eör (zu Erlau),
'Venrieh, Georg (zu Wien).
Correspondirehdes Mitglied.
Spann, Anton Hitler von (zo Linz).
Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe.
Wirkliche Mitglieder.
Bai bi, Adrian Edler von (zu Venedig),
Presl, Job. Swatopluk (zu Prag),
Rusconi, Maurus (zu Mailand).
Sitzb. d. pbilos. histor, FL Jabrg. 1S4U. VI!. Heit.
10
Im Anslande.
Philosophisch-historische Classe.
Ehrenmitglied.
Hermann, Joh. Gottfried (zu Leipzig).
Correspondirende Mitglieder.
Letronne, Anton Johann (zu Paris),
Orelli, Joh. Caspar von (zu Zürich).
Mathematisch-naturwissenschaftliche Classe.
Ehrenmitglied.
Berzelius, Johann Jac. Freiherr von (zu Stockholm).
Ausgetreten:
Endlicher, Stephan (zu Wien), ) wirkliche Mitglieder der pbilos. hist.
Dessewl'fy, Emil Graf (zu Pesth),) Classe.
Verzeichntes
der
eingegangenen Druckschriften.
Acaddmie d’Arclieologie de Belgique. Bulletin et Annales.
Vol. VI. livr. 2. 3. Anvers 1849; 8°.
Bogaerts, Felix, Histoire du Culte des Saints en Belgique.
Anvers 1848; 8°.
Boucher de Perthes, Petites Solutions de grands inots, fai-
sant suite au petit glossaire administrativ Abbeville 1848; 8 U .
Charriere, E., Negotiations de la France dans le Levant.
Pai’is 1848; 4°.
Delgado Antonio, Don, Memoria histdrico - critica sobre el
gran disco de Theodosio encontrado en Almendralejo.
Madrid 1849 ; 8°.
Gesellschaft, k. sächsische, Berichte über die Verhandlun
gen. Bd. I. II. Heft 1—6. Leipzig 1846—48; 8°.
— Berichte über die Verhandlungen der philol. histor. Classc.
Heft 1. 2. Leipzig 1849; 8 U .
Kerckhove, Vicomte Joseph de, Notice sur l’origine des
Armoiries. Anvers 1849; 8°.
M o h 1, Jules, Rapport annuel fait ä la societe asiatique. Paris
1847; 8°.
Ne u gart, P. Trudpertus, Historia monasterii Ord. S. Bene-
dicti ad S. Paulum. Clagenfurti 1848; 8°.
Reiffenberg, Friedr. Bar., Monuments pour servir ä l’histoire
des provinces de Namur, de Heinaut et de Luxemburg.
T. V. VII. VIII. Bruxelles 1848; 4°.
Sitzungsberichte
der
kaiserlichen Akademie
der
W i§§en§chaften.
Philosophisch- historische Classe»
Jahrgang 1849.
Achtes Ilefto — October.
n -
Wien, 1849.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
/!
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classc.
Jahrgang 1849. VIII. Heft. (October.)
Sitzungsberichte
der
philosophisch-historische» Classe.
Sitzung vom 3. October 1849.
Der Secretär referirt über die während der Ferienmo
nate eingegangenen Stücke und die Classe beschäftiget sich, die
dadureh nöthig gewordenen Beschlüsse zu fassen.
Herr Regierungsrath Chmel macht hei Gelegenheit eines
Gutachtens über einen der Classe vorgelegten Plan zu einer
historischen Zeitschrift für Tirol aus einem Privatschreiheu
Herrn Professors A. Jäger weitere Mittheilungen über die Bedürf
nisse Tirols, um eine sichere Grundlage zur Geschichte dieses
Landes zu erhalten, dessen historische Quellen noch nicht gesam
melt sind, wie es der Fall bei den meisten Bestandteilen unsers
grossen Kaiserstaates ist.
Professor A. Jäger machte insbesondere auf eine Hand
schrift des vielverdicnten Anton Bosch mann aufmerksam,
welche den Titel führt: „Inscriptiones et alia diversi generis
„Romana per omnem Tirolim Monumenta: maximam partem ad-
„huc extantia, ac potissimum inedita” 1756; und in der Biblio
thek des Ferdinandeums zu Innsbruck aufbewahrt wird.
Roschmann hat hier in einem Folianten von mässigem Um
fange alle römischen, rhätisehen und etruskischen Funde, die
zu seiner Zeit in Tirol existirten, mit der ihm eigenen
Genauigkeit beschrieben und abgebildet. Viele dieser Monu
mente sind seither aus dem Lande verschwunden, existiren nur
mehr im Buche Roschmann’s. Dasselbe verdient an die Spitze
der Quellenwerke zur Geschichte Tirols gesetzt zu werden.
10 *
116
Auf Chmcl’s Antrag beschloss die Classe, Herrn Professor
A. Jäger zu ermächtigen, die schon früher von der k. Akademie
verwilligten zweihundert Gulden Conventionsmünze zur Druck
vorbereitung des Roschmann’schen Manuscriptes so wie zur Er
gänzung desselben (durch Angabe der seitdem ans Licht getre
tenen Denkmale) zu verwenden. — Das Werk soll als ein abge-
sondeter Bestandteil der von der historischen Commission her
auszugebenden „Fontes” erscheinen. —
Auch zur Herausgabe des Codex Wangianus, bekanntlich
einer Hauptquelle für die älteste Tridentiner- und Landesge
schichte (Tirols) machte Professor Jäger in seinem Privatschrei
ben Hoffnung, zu welcher der talentvolle Rudolf Rink allerdings
der berufenste Herausgeber wäre.
Indem Regierungsrath Chmel auf diese und ähnliche Be
weise von vermehrter Theiluahme und in Aussicht gestellte
Leistungen hindeutete. ersuchte er die Classe, der historischen
Commission zu den in einer der ersten Sitzungen (am 1. Decem-
ber 1847) bewilligten jährlichen 100 Bogen weitere 50 Bogen
zu erwirken, da insbesondere die Ilabsburgica (von 1476—1576)
eine grössere Bogenzahl in Anspruch nehmen werden. — Die
Classe nimmt den Vorschlag Chmel’s einstimmig an und will
denselben in der Gesammt-Sitzung befürworten.
Die Inhaltsangabe des früher erwähnten Roschmann’schen
Manuscriptes theilt Chmel als Beilage hier mit:
Beschreibung
des Roschmann’schen Manuscriptes, welches den Titel führt:
Inscriptiones et alia diversi generis Romana per omnem Tirolim Monu
mental maximam partem atlliuo extantia, ac potissimuni inedita. Collegit
et illustravit Antonius Roschmann. I. C. etc. MDCCLVI.
#
P r a e f a t i o.
Sie enthält auf 10 Folioblättern eine höchst interessante
Geschichte der Schicksale, welche die römischen und wohl
auch vorrömischen Monumente im Laufe der Jahrhunderte hei
uns in Tirol erfuhren. Roschmann unternahm mehrere Reisen
durch ganz Tirol, besah die übriggehliehenen Reste des unter-
117
gegangenen Altci’Uiuius, nahm Abbildungen davon, beschrieb sie
mit ängstlicher Genauigkeit, sammelte allenthalben Nachrichten,
die seinem Zwecke dienten, und hinterlegte die Resultate seiner
Forschung in einem Foliobande von ungefähr 300 Blättern, über
dessen Werth schon „die Annalen der Literatur und Kunst
in den österreichischen Staaten (Intelligenzblatt, März 1S04
S. 74)” folgendes Urtheil fällten: „Von keiner römischen Gränz-
colonie, die dacische ausgenommen, übrigen uns zur Aufklä
rung der Vorzeit so viele und so gut erhaltene Denkmäler, als
von den beiden Rhätien, insbesondere im heutigen Tirol. Der
verewigte llosc hin ann hat hierüber unter dem Titel: Monu-
menta und bella Romanorum in Rhätia, 2 sehr scliätzenswür-
dige, mit mühsam gezeichneten Abbildungen versehene Manu-
seripte hinterlasscn, die eine Unterstützung zur Her
ausgabe wohl verdienten, dasienicht minder wieh-
tige Aufschlüsse, als Gruber undMaffei gewähren.”
Roschmann ordnete das Materiale nach der geographischen
Eintheilung des Landes, und beginnt mit:
I. Tractus Roboretaui Monumcnta Romana. 1. Avii (Avio
in den 4 Vicariaten). Die liiehergehörigen Monumente und deren
Beschreibung; füllen 16 Folioblätter. 2. Rovoreti. 2 Blätter.
II. Tractus Ripensis et Arcensis. Riva und Arco mit
deren Umgebungen gehören zu den reichsten Fundorten römi
scher Alterthümer; Roschmann hinterlegte die Ausbeute seiner
Erhebungen in 28 Folioblättern.
III. Ti •actus Vullis Judicariae exterioris et interioris.
Auf 21 Blättern biethet Roschmann die Denkmäler der römischen
Ansiedelungen zuCimcgo, Lomaso, Poja, Stcnico und Doblino.
IV. Tridentum cum ejus Vicinia. Mit Recht verweilt
Roschmann bei Trient länger als bei irgend einem andern Orte.
Die älteren Gebäude der »Stadt Trient stehen nicht bloss an der
Stelle altrömischer Gebäude, sondern sind aus deren Bruch
stücken aufgeführt, wie diess z. B. von der Kirche S. Apol-
linare buchstäblich gilt. Roschmann füllt daher 31 Folioblätter
mit seinen Abbildungen von Trientner Monumenten und In
schriften.
V. Tractus Vallis Euganeae vulgo Valsuganum. Auf
eilf Blättern erblicken wir die in natürlicher Grösse abgebilde-
118
ten Funde von kunstreich gearbeiteten Fibeln, Messern, Schlüs
seln, eines rastenden Pugils aus Bronce, und der Statue eines
Paris aus gleichem Medalle, nebst mehreren Inschriften.
VI. Anauniae Vallis vulgo ISons- und Sulzberg. 22 Blätter
zeigen uns die zu Verrö und Romeno ansgegrabenen Denksteine,
und die im Schlosse Bragher aufbewahrten zahlreichen Monu
mente, unter denen sich die Einen Fuss hohe Statue des mit
beflügelter Eile seine Botschaft verkündenden Mercurs von Bronce
auszeichnet. „Nuntius hie Deorum clegantissimus totus cst, ju-
venili vigore decorus, aptaque corporis totius, et singularum
partium symetria emendatissimus etc.” — Inventum hoc signum
fuit in valle Solis, et translatum ad illustr. Firmianorum Comitum
familiam in Deutschmetz, ah hac adL. L. Baronum de Rossi asser-
vaturque adhuc Oeniponte, altum pedem unum, et pollices 3, quo-
ruin etiam bencficio factum, ut ad Prototypon hoc fusum fuerit
Extypon pro Bibliotheca nostra publica, quod et feliciter per-
fectum est, ita quidem ut nostrum extypon hoc, sicut ipsum
Prototypon pedi sinistro possit, tota secure insistere, alter enim
pes dexter adhuc in aere volat, quasi primum e Coelo venisset
etc. (Rosclimann) Das Ferdinandeum besitzt eine solche Statue,
ungewiss oh das Original, oder das nachgegossene Ebenbild.
VII. Endidenum et Tractus Neumarktensis. S Blätter
enthalten die Abbildungen kunstvoller Statuen der Venus, des
Mercurius, und einer broneenen Tafel, die den Rahmen zu einem
Bacchusbildc liefert; fast alle Gegenstände wurden zu Aur ge
funden, in der Nähe des Castells Föder (castellum Foederis).
VIII. Pons Drus&i et Tractus Bidsanensis, macht uns
in 13 Blättern bekannt mit den zu Botzen, zu Campill, zu
Marötsch, Bluinau, und im Schlosse Schwanburg bei Nals vor
handenen oder gefundenen römischen Gebäuden, Meilensteinen,
und Inschriften.
IX. Die Abhandlung über: Teriolis et Tractus Mera-
nensis cum valle Venusta, liefert die sehr gelungenen Zeich
nungen von römischen Gräbern und deren Inhalte, gläserner
Urnen und anderer Glasgefässe, Lampen aus terra sigillata, edel
geformter Krüge aus blauem Glase, dann marmorner Monumen-
talsteine und des Römerthurms zu Mals, der leider in neuester
Zeit zumNeubau der Pfarrkirche grösstentheils abgebrochen wurde.
119
X. Sabiona et Tractus ad Isareum stellt sich wie
der als einer der reichern Fundorte römischer Antiquitä
ten dar.
XI. Loncium et Vicinia Lonciensis (Lienz im Pusterthal)
erklärte schon Professor von Muchar, ein geborner Lienzner, für
eine der bedeutendsten römischen Mansiouen in Tirol. Die aus
gedehnten Reste römischer Gebäude, die in Lienz mit dem
merkwürdigen Namen der „Zwergenstadt” bezeichnet werden,
sind nichts anderes als die labyrintförmigen Unterbauten römi
scher Bäder, wie vor Kurzem auch in Innsbruck die Heitzungs-
gänge eines solchen Bades, wahrscheinlich vom alten Veldidena
her, zum Vorschein kamen. Roschmann zeigt uns auf 24 Blät
tern die Grundrisse der römischen Bauten bei Lienz, welche
seither leider mit 5 Fuss tiefem Schotter ausgebrochener Wild
bäche verschüttet wurden, daher Roschmanns Zeichnungen von
unersetzlichem Werthe sind. Auch die Abbildungen marmorner
Gräber und anderer Antiken, welche im Schloss Brugg bei
Lienz aufbewahrt waren, liefert er in dieser Abhandlung, von
denen ich nur einen Umriss mittheile, mit dessen Entwurf ich
Nachsicht zu tragen bitte.
XII. Aguntum et Vicinia Inticensis. Unter den Meilen
steinen und Inschriften welche das Andenken an das alte Agun
tum bewahren hebt Roschmann mit Recht die Statue eines
zu Aufkirchen gefundenen Gladiators von Bronce hervor, welche
später nach Wien kam, und wie viele andere tirol. Funde ein
dortiges Cabinet ziert.
XIII. Littamum nunc Vicinia ad S. Laurentium. St. Lo
renzen dürfte bei einer nähern Untersuchung, wie spätere Funde
zu glauben berechtigen, sich als einen der dankbarsten Fund
orte erweisen. Was Roschmann auf 4 Blättern abgebildet hat,
deutet auf dasselbe.
XIV. Sebatum hodie Schabs zeigt eine alte Römerstrasse,
die nur noch in Roschmanns Abbildung existirt.
XU. Vipitenum et Tractus Sterzinganus , behandelt vor
allem die den Mithrasdienst darstellende, 4 Fuss hohe und 4 l /s
breite Tafel, welche zu Mauls gefunden mit den daselbst im
Zollhause eingemauerten Römersteinen, so wie die zu Sterzing
an der Pfarrkirche vorhandenen Monumente auf die Wichtigkeit
120
dieser Stätten der alten Brennonen liinweisen. Rosclimann wid
met den Iiieb ergeh origen Denkmälern eilf Blätter.
XVI. Matreium et Vicinia nsque ad montem Brennerum,
beweisen sich in Roschmanns Werk als dieselben ergiebigen
Fundgruben, wie sie sich bei dem Strassenbaue in neuester
Zeit bewiesen, und den Grafen Benedict von Giovanelli bewo
gen haben, noch mit sterbender Hand den Schleier zu lüften,
der ihre historische Bedeutung verhüllte.
XVII. Scarbia hodie Scharnitz beurkundet sich in Rosch
manns Zeichnungen als dieselbe wichtige Strassenlinie über die
Gebirge, welche sie heutzutage ist. Mehrere Meilensteine fan
den sich in dieser Gegend.
XV11I. Masciacum et vicinia int er Schwazium ct Ra-
tenbergam. Römische Thürme, wie bei Botzen. Inschriften,
Gräber etc.
X1X.Veldidena et Tractus Oenipontanus. l.Milliaria Augu-
staca. 2. Septimius Severus. 3. Severi et Caracallae und ver
schiedene andere auf 19 Blättern.
Aeherne Dolche, Messer, Götterbilder, Reiterstatuen, Fi
beln, Vasen, Schalen etc. etc.
Das ist ein summarischer Ueberblick des Inhaltes der Roscli-
mannn’scben römischen Monumcnten-Sammlung. Würde man sie
ergänzen durch Abbildungen und Beschreibung der wichtigsten
seit Roschmanns Zeit gemachten Funde, das Buch dürfte zu den
reichsten Quellen für die Geschichte Rhätiens unter den Römern
gezählt werden.
Möge die kais. Akademie der Wissenschaften sich bewogen
finden, die Herausgabe dieses Werkes zu unterstützen!”
Das corrcspondirende Mitglied Herr Professor Dr. Golden
thal, stattet Bericht ab über Ster n’s Ausgabe von Parchon’s
hebräischem Lexicon.
Das von dem Herausgeber, Herrn S. G. Stern, der kai
serlichen Akademie überreichte /VUriD oder hebräische
Wörterbuch des R. Salomo Parehon, füllt in der vor uns noch
in Bruchstücken liegenden Geschichte der älteren Sp. •achfor-
schung eine nicht unbedeutende Lücke aus.
121
Bereits vor fünf untl vierzig Jahren machte der um die
jüdische Bibliographie höchst verdienstliche Professor Bernard
dc-Rossi in Parma zuerst darauf aufmerksam, indem er aus
zweien Codicibus seiner an Handschriften reichen Bibliothek
ein kleines interessantes Büchelchen herausgab, enthaltend aus
gewählte Wort-Erklärungen, nach der alphabetischen Ordnung
genannten Wörterbuches, unter dem Titel: „Lexicon hebraicum
selectuin ex antiquo et inedito R. Parchonis lexico.”
Wenn daher auch Gesenius in seinem, dem in Rede ste
llenden Buch vorgedruckten Briefe an den Herausgeber meint,
(le-Rossi hätte nur das Unbedeutendste herausgewählt, so
will das nur sagen, dass das Buch in seiner Ganzheit ungemein
mehr Bedeutendes enthält, als diese kleine Probe. De-R.ossi
wollte, bei seiner schönen Kenntniss jüdischer Schriftsteller
und Schriftwerke, nur einen fast ganz aus dem Gedächtnisse
gekommenen und doch so wichtigen hebräischen Lexicographeu
und Grammatiker wieder in Erinnerung bringen , wieder auffri
schen und der Literatur wiedergeben, und diesen Zweck hat
er vollkommen erreicht. Die literarische Welt wurde darauf
aufmerksam, und die vollständige Drucklegung ist durch gegen
wärtige Ausgabe erfolgt.
Rabbi Salomo Parchon stammt aus jener Periode jüdischer
Literatur, welche wir die Glanzperiode derselben nennen, näm
lich der arabisch-spanischen, und wenn auch minder glücklich,
ist er doch einer der bedeutenderen Fortpflanzer ihres Ruhmes.
Gebürtig aus Calatayud (arab. OylÄslS) in Aragonien, und
blühend gegen die Mitte des zwölften Jahrhunderts, wo er einen
R. Jehuda ha-Levi, den heiligbegeisterten Barden, und einen
R. Abraham Ihn Esra zu Lehrern hatte, ging er zuletzt nach
Italien, um die aus dem frischen Born des arabischen Hcimath-
landes geschöpfte Wissenschaft dort zu verbreiten und bekannt
zu machen.
In Salerno (Neapolit.), wo er dieses sein Wörterbuch im
Jahre der Welt 4921 (1 IG 1 der gewöhnlichen Zeitrechnung)
vollendete, hatte er, wie er vorwortlieh berichtet, blos das
Werk des Menachem ben Scruck vorgefunden, während von den
unschätzbaren Arbeiten der ersten Begründer jüdischer Sprach-
122
Wissenschaft, so des 11. Jeliuda Chajug und II. Jona ben Gan-
nach, weil sie in arabischer Sprache abgefasst waren, er bei
Keinem die geringste Kunde vernahm. Diess veranlasstc den R.
Parchon die arabisch geschriebenen Werke seiner Vorgänger
ins Hebräische zum allgemeinen Gebrauche zu übersetzen, beson
ders legte er das Jyo^ 1 > des R. Jona seinem Buche zu
Grunde. Er übersetzte aber nicht bloss, sondern sammelte die
hie und da zerstreueten Materialien, sichtete sie mit kritischem
Fleiss und ordnete sic in der Form eines Wurzel-Wörterbuches.
Hiezu gab er auch viele eigene Erklärungen verschiedener Stel
len in der heiligen Schrift, wie auch manche der Geonim und
anderer Gelehrten, so dass das Werk, obgleich dem Grundzug
nach Compilation, doch eine eigenthümliche selbständige Arbeit
darstellt. Er hat durch seine besondere Auffassung des Vorge
fundenen Stoffes, durch seine kritische Beleuchtung der obwal
tenden Schwierigkeiten und durch den Versuch dieselben nach
seiner Art zu lösen, gleichsam eine eigentümlich beurteilte
Geschichte der älteren Sprachforschung gegeben, wie auch nicht
minder eine erspriessliche Fortentwickelung derselben an Form
sowohl wie an Inhalt.
Die Geschichte der Entstehung seines Buches erzählt Par
chon selbst so offenherzig, so genau und gewissenhaft gibt er
alle seine benutzten Quellen an, dass er in allen seinen Aussa
gen daher als Autorität gelten darf, und den Character in
der Literatur repräsentirt. Dass er aber so ganz in Vergessen
heit geraten war, ist nicht seine Schuld, sondern R. David
Kimchi mit seinen umfassenden und populären Arbeiten verdun
kelte so manchen tüchtigen Kempen seiner Vorgänger, eben so
wie den R. Salomo Parchon. Durch Vergleichung mit Kimchi
kann erst Parchon recht Aufschluss geben über die so fertig bei
Kimchi hingestellten Resultate, und einen geschichtlich zusam
menhängenden Ueberhlick gewähren über die Vor- wie Nach-
entwickelung der hebräisch grammatischen Studien seines
Zeitalters.
Dem Inhalte des Buches gemäss ist auch die Edition vom
Herausgeber, Herrn Stern, besorgt worden. Mit Sachkenntnis
und Einsicht stellte er, soviel die eine Handschrift zuliess,
123
einen guten Text her, begleitete ihn mit manchen erklärenden,
kritischen und literarischen Noten, suchte mühsam die fast un
zählbar in diesem Buche angeführten Beispiele in der heiligen
Schrift auf, und schickte eine kurze, aber inhaltsgediegene Ein
leitung voran.
In den Noten machte er auch manchmal auf die eigenthüm-
lichen technisch-grammatischen Ausdrücke des Parchon aufmerk
sam, so z. B. S. 3 auf pp13H Anhängsel, für Partikel. welches
alle Grammatiker mit Ü7D benennen, nach dem Vorgänge des
arabischen Eben so das 0’3D3 D'JD für die zweite Per
son, statt des gewöhnlich gebrauchten 11313. Uns scheint jedoch,
dass hier schon die oecidentalische Terminologie auf Parchon
Einfluss gehabt, so dass pp13H wahrscheinlich dem Adver-
bium nachgebildet sei.
Bei dem Mangel noch einer zweiten Handschrift, that der
Herausgeber sein Möglichstes, und verglich seinen Text mit
dem kleinen Auszug De-Rossi’s, wo er ihn gelegentlich bei
einem recht hübschen Schnitzer antrifft. Unter dem Artikel 103, er
klärt nämlich Parchon: Wb pE^il D11N 13 fV '»0
de-Rossi übersetzt: „d. h. ein IIolz, mit welchem die Ed omi
te r färben, und das in der gewöhnlichen Sprache Brasil ge
nannt wird.” Das muss aber übersetzt werden : „d. h. ein Holz,
mit welchem man roth färbt”. De-Rossi las also das K von
D11K fehlerhaft mit dem E-Voeal Edom (Edomiter), statt mit
A Ado in , roth.
Seine Einleitung theilt der Herausgeber in mehrere Ru
briken. In der Rubrik A will er aus der Schreibeweise 110*713 '1
{11110 p i?11M R- Salomo, der bekannt ist Ben Parchon, schlos
sen, dass Parchon aus einer berühmten Familie herstamme.
Wir haben nur dagegen zu bemerken, dass das J?1T11 bekannt,
eine wörtliche Uebersetzung des arabischen ist, und
liier so viel wie benannt gilt, j„j de» - benannt ist
Seid; pni0 {3 'jJITil der benannt ist Ben Parchon. In dem
mehrere Individuen gleiches Namens umfassenden Staat kennt
man nämlich Keinen bei seinem Vor-, als vielmehr durch sei
nen Zu- oder Familiennamen, daher J711M nur das jetz ge
bräuchliche il313Dil der zubenannt ist, vertritt.
124
Unter D erklärt der Herausgeber richtig' das
ltSÜKU Aristoteles Grammato, als Beinamen für Gelehrter,
Philosoph, wie das Grammaticus wirklich in diesem Sinne später
Mehrern beigelegt wurde.
Handschriften dieses Wörterbuches linden sich nach der
Angabe des Herrn Stern, nur ungefähr sieben auf öffentlichen
Bibliotheken, von denen zwei bei De-Rossi, und ein Exemplar
auf der k. k. Hofbibliothek in Wien. Dieses letztere lag der
gegenwärtigen Edition zu Grunde, welches, wie der Hei’ausgeber
selbst in seinem Schreiben an die kaiserliche Akademie erwähnt,
wegen seiner Abwesenheit vom Druckortc aus Versehen vom
Titelblatte wegblieb. Da aber zugleich aus demselben Grunde
mehrere Druckfehler sich auch in den Text eingeschlichen,
und eine zweite Auflage bei dem kleinen Leserkreise nicht so
bald zu erwarten steht, so möchte es nicht ungerathen sein,
wenn der Herr Herausgeber ein Druckfehler-Verzeicliniss sammt
einem neuen Titelblatte, worauf bemerkt stünde, dass das Werk
aus der k. k. Hofbibliothek bearbeitet und veröffentlicht worden,
anfertigen und den Besitzern desselben zuschicken wollte. Es
ist mehr als blosse Neugierde zu wissen, aus welcher Biblio
thek es herstamme, es ist der etwaigen Vergleichung wegen
mit einem auf einer andern Bibliothek sich befindenden Exemplar.
Jeder Besitzer des Wörterbuches wird es mit Dank entgegen
nehmen.
Bei dieser Gelegenheit haben wir auch De-Rossi zu bei’ich-
tigen, welcher in seinem Dizionario storico s. a. Parchon meint,
seine zwei Codices wären die schätzbarsten, da sie noch
zwei ganz ungekannte Werkchen unsei’s Autors enthalten, über
die hebräische Syntax und über die Servilbuchstaben. Wir kön
nen also mit Bestimmtheit sagen, dass das Exemplar der k. k.
Hofbibliothek in Wien ebenfalls diese zwei Wei'kchen enthält,
und liegen sie uns, durch die fleissige Bemühung unsers verdienst
lichen Herausgebers, als Vorläufer zum eigentlichen Wörtei'buch
gedruckt vor, unter dem Titel: “piyn /VQnü *10DÖ pVTpTl p^n.
Um die Ausgabe noch mehr zu schmücken, schickte der
Herausgeber einen Bi’ief des Herrn Rabbiner Rapopoi’t voran,
welcher den geschichtlichen Verlauf der hebräisch-grammatischen
Studien jener Zeit übersichtlich bespricht.
125
Man hat Herrn Stern den Vorwurf gemacht, er hätte nicht
oft genug den Parchon mit den anderen Lexicograplien und Exe-
geten verglichen. Es ist nicht zu leugnen, dass ausser der Be
quemlichkeit für den Leser, der Herausgeber selber dabei inte
ressante Studien zu machen Gelegenheit gehabt hätte. Aber wir
müssen gerecht sein, und wenn wir keine Entschuldigung für
ihn aufsuchen wollen, so sollten wir doch seine selbst vorge
brachte Entschuldigung annehmen, wo er Seite XVII. sagt, dass
ihm die Bearbeitung des Textes wie das Aufsuchen der Bibel
stellen Zeit und Mühe genug geraubt habe. Jedenfalls sehen
wir, dass er seiner Aufgabe in ihrem ganzen Umfange sich be
wusst war, und war ihm die Arbeit zu gross, so that er doch
sein Möglichstes. Herr Stern hat mit dem Lexicon des Parchon
der gelehrten Welt ein Geschenk gemacht, für das wir ihm
nur Dank schuldig sind.
Möge doch Herr Stern in seinem Eifer für die Wissenschaft
nicht erkalten, und auch bald das Wörterbuch des Me n ac h e m
ben Seruck, das sich hier ebenfalls auf der k. k. Hofbiblio
thek im Manuscript befindet, zum Drucke bearbeiten. Ein be
sonderes Schicksal waltet über dem Menacliem ben Seruck. Be
reits vor mehreren Jahren, hiess es, soll der um die hebräische
Literatur äusserst verdienstliche R. Jehuda Jeitteles ihn copirt
haben aus der k. k. Hofbibliothek; er schied, und man sah nichts.
Dann beabsichtigte man in Berlin die Drucklegung desselben,
es kam wieder nicht zu Stande. Vielleicht ist es nun Herrn
Stern beschieden dieses Räthsel zu lösen, um so eher, als er
es, wie ich nachträglich bemerke, s. r. uns selbst versprochen
hat, mit den Worten: “plJM,1? lüttTO TIN 1 ? WiflK im
Wolle Herr Stern sein Wort halten, die vollste Anerkennung
ist ihm gewiss.
126
Sitzung vom 10. October 1849.
Freiherr Hammer- Pur g st all las folgenden Bericht
über die in den letzten vier Jahren 1845,46,47 und
48 zu Constantinopel gedruckten und lithogra-
pliirten Werke.
Die erste Nachricht von den unter der Regierung Sultan
Ahmed III. und dann unter der Regierung seines Nachfolgers
Mahmud binnen vierzehn Jahren (v. J. 1728—1742) zu Constan-
tinopel gedrückten Bücher erschien zuerst im XLIX. Bande der
Philosophical Transactions und im Journal des Savans des
J. 1742, nach welchen Schulz in seiner Uebersetzuug von De la
Croix’s Geschichte des osmauischeu Reichs in einer Note ‘) die
ersten vierzehn angeführt hat; diese Liste berichtigte und ver
mehrte um zwei Jenisch im Prodromus zum neuen Meninski 3 ).
Ausführlichere Nachricht über den Inhalt dieser sechzehn Werke
mit dem Zusatze von dreien gab To der in i im dritten Bande
seiner i. J. 1787 erschienenen L e 11 e r a tu r a T ur cli e sc a 3 ).
Dreissig Jahre verflossen ehe die Fortsetzung dieser Liste als
Anhang des Kataloges der orientalischen Handschriften der Hof
bibliothek in den Fundgruben des Orients 4) und zwei Jahre
später besonders abgedruckt erschien 5). Durch diese Liste ward
die Zahl der zu Constantinopel gedruckten Werke, von denen
bis dahin nur neunzehn bekannt waren um ein halbes Hundert
vermehrt und diese Liste wurde mit den Fehlern, die sich darin
eingeschlichen hatten, in Bianchi’s Notice nachgedruckt. Eine
neue um dreissig Nummern vermehrte Liste erschien im sieben
ten Bande der Geschichte des osmanischen Reichs °). Die Fort
setzung dieser Liste wurde um vier und vierzig Nummern ver
mehrt in dem IV. Bande der Geschichte der osmanischen Dicht
kunst gegeben 7 ) und diese dann im XCVI. Bande der Jahrbü-
*) III. B. S. 174 —176.
s ) Pag. LXXXVII.
®) III. B. S. 16—331.
4 ) VI. B. S. 261 und 441.
5 ) Codices Arabicos, Persicos, Turcicos bibiiothecae C. R. Palatinae Vin-
dobonensis, recensuit Josephus Hammer. Vindobonae 1820.
6 ) V1I. B. S. 583—595.
7 ) IV. B. S. 598— 603.
127
eher der Literatur (um drei und zwanzig Nummern vermehrt)
von 143—163 fortgesetzt *). Nach diesem in den Fundgruben
des Orients, in den Geschichten des osmanischen Reichs und
der osmanischen Dichtkunst und in den Jahrbüchern der Lite
ratur nach Massgabe der erscheinenden Werke fortgesetztem
Verzeichnisse wurde dasselbe im ersten Bande der vierten Reihe
des Journal Asiatique wieder aufgenommen und in den Jahren
1843 3 ), 1844 3 ) und 1846 «) bis zur Zahl 243, d. i. bis zu
Ende des Jahres der Hidschret 1260 (1844) fortgesetzt. An
diese in dem Zeiträume eines Vierteljahrhunderts von mir ver
öffentlichten sieben Listen der Druckwerke Constantinopels
schliesst sich nun der folgende Bericht über die dort in den
Jahren d. H. 1261 bis Ende 1264 erschienenen Druckwerke an,
welche in ihren Nummern fortlaufen und nach denen dann (wie
diess in den dem Journal Asiatique einverleibten Berichten beob
achtet worden), auch der lithograpliirten Werke Erwähnung ge
schieht, ohne dass diese eine besondere Zahl erhalten. Unter
der fortlaufenden der Druckwerke hingegen werden auch solche
angehängt, welche früher nicht ordentlich eingesendet worden
und die also nicht, in der chronologischen Reihe der Druckjahre
aufgeführt werden konnten. Da es zu Constantinopel noch kei
nen ordentlichen Katalog, der von den dortigen Pressen gelie
ferten Druckwerke gibt, da nur manchmal einige gedruckte •
oder lithographirte in den beiden Zeitungen, in der Staatszei
tung (Takwini hawadis) und in der Volkszeitung (Dsche-
ridei ha wadis) angekündet werden, so bedarf cs vieler eifri
ger Nachforschung, damit keines der aus den zwei Pressen
Constantinopels nämlich der Staatsdruckerei zu Skutari und der
Presse der Militärschule zu Dolmahaghdsche in Druck
oder Steindruck hervorgehenden Werke übersehen werde.
Uebersicht der im Jahre 1261 (1845) erschienenen Werke.
Der kaiserlichen Gesandtschaft liegt die Sorge ob alle in
Druck und Steindruck zu Constantinopel erscheinenden Werke
*) XCVI. B. S. 104—107.
3 ) Quatrieme Serie Tom. I. 247—26(i.
s ) Tom. III. pag. 211—224.
4 ) Tom VIII. pag. 253.
128
für die kaiserliche Hofbibliothek und fiir die orientalische Aka
demie einzusenden; ihr alle neuen Erscheinungen der Literatur
zu verschaffen, ist dermalen Freiherr Ottokar von Sclilechta
beauftragt, welcher ausserdem, dass er als Uebersetzer und Her
ausgeber von Dschara i’s F r ü lilingsga r t e n bereits als Orien
talist vorteilhaft bekannt ist, auch das Seinige zur Ver
vollständigung der biographischen Nachrichten von den Verfas
sern dieser Druckwerke beigetragen, und deshalb bei der näch
sten Wahl der kaiserlichen Akademie zum correspondirenden
Mitgliede vorzüglich empfohlen zu werden verdient. Vor der
Uebersicht der i. J. 1261 erschienenen Druckwerke sind noch
die beiden folgenden i. J. 1259 und 1260 erschienenen nachzuholen:
(244) Haschijeji dsehedide ala AliKuschi 1 ) d. i.
neue Randglosse zum Ali Kuschi, gedruckt in der Mitte des
Monats itebirs-Sani 1259, d.i. Ende Mai 1843, 134 Seiten, Octav;
dieses Buch enthält drei verschiedene Werke, die ganz in der
entgegengesetzten Ordnung gereihet sind, in welcher dieselben
ein europäischer Herausgeber reihen würde, denn dieser würde
zuerst die Abhandlung, die zum Grunde liegt, dann den Com-
mentar derselben und endlich die dazu gehörigen Randglossen
geben, umgekehrt gehen hier die Randglossen voraus, deren
Verfasser der Seid Ilafif, diese Randglossen füllen 107
Seiten; hierauf folgt der Commentar Ali Kuschi’s von Seite
108 — 131, und endlich die Abhandlung Aadhadeddi’s über
die Wissenschaft der Wortstellung, oder besser der Wortlage,
indem es sich nicht um die Stellung der Wörter im Satze,
sondern um ihren inneren Werth als Stammwörter oder abge
leitete, als Nennwort, Zeitwort, Fürwort oder Vorwort handelt;
die ganze Abhandlung füllt nur Ein Blatt, das letzte des ganzen
Werkes.
(245) Moghni eth-Thalab a ), d.i. der Beguügende
d er S tu di r en d en, gedruckt in den ersten Tagen des Monats
Redschcb 1260, d. i. im August 1844, ein Commentar zur Abhand
lung Esi re dd i n c 1-E b h er i’s, welche Isagodschi heisst,
das ist nichts als das verderbte Eto’aywyyj des Porphyrius. Der Ver
fasser des Commentars ist Ma h mu d Ihn Hasan aus Magnesia.
’) -) i liUal!
129
(246) En vv?.ru 1-aaschikin *), d. i. die Lichter der Lie
benden, gedruckt im Monat Ssafer d. J. 1261 (Februar 1845).
Klein-Quart. 462 Seiten.
Eines der ältesten Werke der osmanischen Literatur, indem
das Original desselben schon unter Murad I. i. J. 853 (1449)
in neun tausend hundert und neun arabischen Distichen unter
dem Namen M ag h a r ib e’f-f e m a n , d. i. die Seltenheiten der
Zeit von Scheich Mohammed Den Kalib insgemein Ja Fid
schi Ogli, d. i. des Schreibers Sohn, vollendet ward; sein
Bruder Ahmed ßidschan übersetzte es in türkische Prosa,
unter dem Titel der Lichter der Liebenden; es enthält
einen Umriss der Glaubenslehren des Islams in fünf grossen
Abtheilungen, wovon die erste die Schöpfung, die zweite die
Anreden Gottes an seine Propheten, die dritte die Unterredun
gen Gottes mit den Engeln, die vierte die Verkündigungen
Gottes vom jüngsten Tage und die fünfte die Offenbarungen von
den Freuden des Himmels und den Peinen der Hölle enthält;
die Ueberschriften der einzelnen Abschnitte dieser fünf Haupt
stücke sind am besten geeignet, den Inhalt des ganzen Werkes
kund zu geben.
Erstes Hauptstück. Von der Anordnung der Geschöpfe.
1. Einblasung des Lebensgeistes in Adam, 2. die Heue
Adam’s, 3. der durch Adam im Namen seiner Nachkommenschaft
mit Gott abgeschlossene Vertrag, 4. Reue Adam’s, 5. Sen
dung Selh’s, 6. Sendung Enoch’s (Idris), 7. Sendung Nohe’s,
S. Sendung Hud’s, 9. Sendung Ssalih’s, 10. Sendung Abraham’s,
11. Erbauung der Kaaba, 12. Tod Abraham’s, 13. Sendung
Ismail’s, 14. Sendung Isak’s, 15. Sendung Jakobs und Jusuf’s,
16. Tod Jakobs und Jusuf’s, 17. Sendung Job’s, IS. Sendung
Sehoaab s (Jethro’s), 19. Sendung des Moses, 20. Sendung'des
Sitib. d. Philosoph, histor. CI. Jahrg. 1849. VIII. Heft. 11
•) CrHü 1 UM j\ji\
Zweites Hauptstück. Von den Anreden Gottes an seine Propheten.
130
Moses und seines Bruders Harun, d. i. Aaron, 21. Ueberliefe
rung von der Herabsendung - des Pentateuch’s, 22. von den dem
Moses geoffenbarten Worten Gottes, 23. von dem Inhalte der
Bücher des Pentatcucli’s, 24. Sendung Josue’s, 25. Sendung
Hesekiels, 26. Ermahnungen Gottes an seine Diener, 27. Sen
dung des Elias, 28. Sendung Davids, 29. Flehen Davids zu Gott,
30. Offenbarung Gottes an David, 31. Davids Sehnsucht, 32. Da
vids Tod, 33. Sendung Salomons, 34. Erzählung von Balkis
(der Königin von Saba), 35. Sendung des Jonas, 36. Sendung
des Zacharias und Johannes, 37. Tod des Zacharias , 38. Tod
des Johannes, 39. Sendung des Herrn Jesus, 40. Eigenschaften
des Evangeliums, 41. über die Himmelfahrt des Herrn Jesus,
42. von der Rangordnung der Propheten, 43. Sendung Moham
meds, 44. von der Sendung des Korans, 45. Ueberlieferung
der nächtlichen Himmelfahrt Mohammeds, 46. von der Anschau
ung Gottes, 47. von den Geheimnissen der Offenbarung, 48.
Himmlische Worte, 49. von der göttlichen Ueberlieferung, 50.
Auswanderung (Hidschrel) des Propheten von Mekka nach Me
dina, 51. Ansiedelung des Propheten zu Medina, 52. Frohn-
kämpfe des Propheten, 53. Eroberung Mekkas, 54. Erzählung
des Vertrages von Hon ein, 55. Tod des Propheten, 56. von
den Trefflichkeiten der Gefährten des Propheten und Fathima’s
Tod, 57. Tod Ebubekr’s, 58. Tod Omer’s, 59. Tod Ali’s, 60.
Tod Hasan’s und Hosein’s.
Drittes Hauptstiick. Von den Worten, welche Gott den Kugeln geoffenbart.
1. Von Gabriel, 2. von den beiden Engeln, Aufzeichnern
der guten und der bösen Handlungen des Menschen, 3. von
verschiedenen Streitfragen, 4. von den Todesengeln, 5. von
dem Standorte der Geister.
Viertes Hauptstiick. Von den Anreden Gottes am jüngsten Tage.
1. Von den verschiedenen Glaubensmeinungen (der Irrleh
rer), 2. von den practischen Geboten, 3. und 4. ohne Ueber-
schrift, 5. vom Freilag, 6. ohne Ueberschrift, 7. von den Mo
scheen, 8. vom Almosen, 9. vom Fasten, 10. von der Nacht
Kadr (in welcher der Koran vom Himmel gesendet ward), 11. von
der Wallfahrt nach Mekka, 12. ohne Ueberschrift, 13. vom
131
Frohnkampfe, 14. ohne Ueberschrift, 15. eben so, 16. vom
Koran, 17. von der lauten Erwähnung Gottes, IS- von der Ge
duld, 19. von den Almosen, 20. von den Stationen der zu Gott
Wallenden, 21. von der Vortrefflichkeit der Wissenschaft, 22. von
den Gelehrten, 23. von dem Gebote des Guten und dem Ver
bote des Bösen, 24. von der Armuth, 25. von der Welt, mit
einem Steindrucke der Erdkugel und ihrer Eintheilung in sieben
Himmelsstriche, 26. vom Grabe und von den Todten, 27. vom
Gebete, 28. von der Bitte um Verzeihung, 29. von der Reue,
30. von der Gottesfurcht, 31. von den Bedingungen des jüngsten
Tages, 32. von den Zeichen desselben, 33. von der Erschei
nung des Antichrists (Dedschal), 34. von der Erscheinung des
Herrn Jesus, 35. von der Erscheinung des Erdenthiers, 36. vom
Aufgehen der Sonne im Westen, 37. von der Verschliessung
des Thores der Reue, 38. von der Verfinsterung der Sonne,
39. von dem Posaunenstoss des Gerichtes, 40. ohne Ueberschrift,
41. von der Versammlung zum jüngsten Gerichte, 42. von der
Verwandlung der Erde und Himmel, 43. von den Standorten
(der Seligen und der Verdammten), 44. von dem grossen Geheul
und Wehklagen, 45. von der Fahne des Lobpreises, wovon auf
der 187. Seite ein Steinabdruck mit der doppelten Inschrift,
auf der einen Seite: Es ist kein Gott als Gott, und Mo
hammed ist sein Prophet, und auf der anderen: Lob sei
Gott, dem Herrn der Welten, 46. ohne Ueberschrift (von
der Erscheinung der Welt beim jüngsten Gerichte in der Gestalt
eines Weibes), 47. von der Rechenschaft, 48. von der Für
sprache (des Propheten), 48. von der Kaaba, 49. abermals
von der Fürsprache, 50. abermals von der Rechenschaft, 51. von
denen, die ins Paradies eingellen, ohne dass ihnen Rechenschaft
abgefordert wird, 52. von der heiligen Schrift (dem Koran),
53. von der Wage der guten und bösen Werke, 54. von den
Feindschaften und richterlichen Entscheidungen , 55. von ande
ren seltsamen Dingen des Tages der Auferstehung, 56. von
der Anrede Gottes an seine Engel am Tage des Gerichtes, 57. von
der Hölle und ihren Abgründen, 58. von den Seligen (Bewoh
nern des Paradieses), 59. von den Verdammten (Bewohnern der
Hölle), 60. von der Scheidungsbrücke (die fein wie ein Haar
und scharf wie ein Schwert).
tt *
132
Fünftes Hauptstiick. Von den Worten Gottes über die höchste Station.
1. Von dem Eintritte ins Paradies, 2. ohne Ueberschrift,
von dem Hüter des Paradieses (Ridhwan), 3. von den Bewoh
nern der Vorhölle (Aar a f, das lateinische limbus), 4. von der
Anschauung Gottes, 5. von den vier Stationen der vier ersten
rechtmässigen Chalifen, (5. von dem Zustande der mit schweren
und mit lässlichen Sünden Behafteten, 7. von der Verurtheilung
zum Feuer, S. von den Dschinnen, 9. von der Schlachtung des
Todes, 10. von dem Baume des Paradieses (Thuha, woher der
Name der Tu ja), 11. von den Huris, 12. von den Kindern des
Paradieses, 13. von den Knaben des Paradieses, 14. von den
Flüssen des Paradieses, 15. von den Abstufungen der Bewohner
des Paradieses, 10. von den Märtyrern, 17. von dem Wohlleben
der Bewohner des Paradieses, 18. von den Graden der Bewohner
des Paradieses, 19. Schluss des Buches.
Dieses ursprünglich in arabischen Versen verfasste Werk
des Schreiberssohnes von Kallipolis ist das Seitenstück zu sei
nem gereimten türkischen, welches unter dem Titel M oha in in c-
dije, auf der Hofbibliothek in zwei Exemplaren (243 und 244)
und wovon eine Probe in der Geschichte der schönen Rede
künste der Osmanen £ ). Als eine Probe von dem besprochenen
Werke ziehen wir hier aus dem 21. und 22. Abschnitte die dort
von den Gelehrten angeführten Stellen des Korans und der
Ueberlieferung aus. Mohammed sagte : I) i e G e 1 e h rtc n sind
die Erben der Propheten — weiter: Wer da sagt
ich bin ein Gelehrter, der ist ein Unwissender —
der Koransvers: Gehorchet Gott und dem Propheten
und denen unter euch, denen der B e f e h I zu S t eh t ")
wird vom Imam Rafi so ausgelegt, dass unter jenen, denen
der Befehl zu stellt, die Gelehrten zu verstehen seien; der
Prophet belehrte den Ihn Abbas, dass die Ulema im Paradiese
hundert Stufen über den Emiren stellen, und dass jede dieser
Stufe fünfhundert Jahre Weges lang. Wenn ein Gelehrter, sagte
der Prophet, in ein Dorf kömmt, so lässt Gott der Herr den
*) ln Eichhorn’s Geschichte der Literatur III. B, S. tot)?.
2 ) Seite 311).
3 ) IV. Sure 57. Vers.
133
Bewohnern des Dorfes vierzig Tage von den Strafen ihrer Sün
den nach; weiter: Gott der Herr gewährt mit der Wissenschaft
drei Dinge: Süssigkeit, Ansehen und Liehe. Dem Gelehrten,
der sicli zur Welt hinneigt, nimmt Gott die Siissigkeit, wenn
er sündigt verliert er sein Ansehen, und wenn er nach Gütern
der Menschen geizt ihre Liebe. Weiter: Dem, der neben einem
Gelehrten sitzt, schenkt Gott im Paradiese tausend Städte, in
deren jeder sich ihm siebzig Thore öffnen und deren jede zehn
mal so gross als diese Welt. Weit wichtiger und glaubwür
diger als diese Ueberlieferungen, welche keineswegs durch An
führung ihrer Gewährsmänner verbürgt werden, sind die beiden
nicht vom Verfasser, aber sonst häufig angeführten beiden Ko
ransstellen, die eine: Es fürchten Gott den Herrn von
seinen Dienern den Gelehrten 1 ); dieser Koranstext ist
auf Kanzeln in den Moscheen häufig zu lesen.
Der andere :~) S i n d d e n n d i ej e n i g e n g I e i c h, welche
wissen und niehtwissen, lasst euch diess gesagt
sein, i h r V e r s t ii n d i g e n!
(247) Seherin anlaka 3 ), d. i. der Commentar des Aala
hnt, gedruckt in der Hälfte des Monates Rebbies-sani, Hälfte Juni
1845, Gross-Octav, 120 S., ist der Commentar über eine Ab
handlung von den Metaphern, deren Verfasser Mahmud von An
tiochien; der Commentator es-Seid Hafif lebte unter der
Regierung Sultan Mahmud’s.
(248) El-Medschalis el-Elmaai 4 ), d. i. die Sitzungen
oder Versammlungen el-Elmaai’s, d. i. des Glänzendsten, ge
druckt Ende Dschemafiul achir’s, d. i. Ende Juni 1845 in drei
besonders paginirten Abtheilungen, die erste von 90, die zweite
von 75, die dritte von 42 Seiten. Wer dieser Elinaai sei, lehrt
der Schluss eines der folgenden Werke (276), nämlich kein
anderer als der grosse Gelehrte Sialkuti, von welchem schon
'• 1235 (1820) dogmatische Glossen erschienen sind. Dieses
’) XXXV. Sure, 28. Vers.
~) XXXIX. Sure, 117. Vers.
3 ) AS ÜS
jUi
134
ganz unförmliche Buch, dessen Titel nur am Ende erwähnt
wird, besteht aus drei Commentaren dreier Suren, nämlich:
der Sure er-Itahman, d. i. Allerharmende, welche die fünf
und fünfzigste, der Sure Dliaha, d. i. der helle Tag, welche
die drei und neunzigste, und der Sure Hemfe, welche die
hundert vierte. Jeder dieser drei Commentare beginnt mit neuer
Seitenzahl; der erste hat 96, der zweite 76, der dritte 42 Sei
ten; ausserdem sind mit diesen drei Commentaren noch zwei
kleine Abhandlungen in einem Bande vereinigt, welche aber
hier als besondere Werke besondere Zahlen erhalten, nämlich
(249) Risalet et-Teawwuf‘), d. i. die Abhandlung der
Zuflucht zu Gott, gedruckt am 12. Rebiul-ewwel d. J. 1261,
d. i. am 7. Mai 1845, 18 Seiten in Octav. Teawwuf heisst
die Zuflucht wider den Satan, welche durch die Formel eusn
min esch-Scheithan er-redschim, d. i. ich flüchte mich
wider den zu steinigenden Satan, gegeben ist; diese Formel als
Koransgebot gründet sich auf den 98. Vers der XVI. Sure:
Wenn du den Koran liesest, so flüchte dich zu Gott
vor dem zu steinigenden Satan. Diese Formel geht der
von ßismillah er-Rahman er-Rahim, d. i. im Namen
Gottes des Allbarmherzigen des All er barmen den,
womit alle Suren des Korans beginnen, voraus. Eine ähnliche
Abhandlung ist bereits Ende d. J. 1259 (1843) erschienen, welche
in dem früheren Verzeichnisse unter Nr. 217 aufgeführt ist.
(250) Jene 56 Seiten stark, ist von dieser Risalet el-
Bi s milet 2 ), d. i. Abhandlung der Formel im Namen Gottes, gänz
lich verschieden , diese ist nur 28 Seiten stark, und vennuth-
1 ich vom seihen Verfasser, wie die vorhergehende des Teawwuf,
welcher sich zu Ende derselben Mustafa Ben Chalil es-
sagbrewi, d. i. von Zagora in Rumili nennt.
(251) Munschiati 3 ) Nuuman Mahirbegh, d. i. die
Briefmuster Nuuman Mahirbegs, gedruckt Ende Schaaban’s
1 ) jsä 1 Äl
=) ilc-; ÄLüj
3 )
135
(1. J. 1261, d. i. Ende Augusts 1845, Octav, 150 Seiten; sie enthält
in allem hundert drei und dreissig Stücke, der Verfasser lebte
in der jüngsten Zeit; ein Werk von weit grösserem Belange
als die vorhergehenden ist das folgende:
(252) Newhatol Uschak ‘), d. i. die Klage der Lieben
den, gedruckt Ende Schaaban’s 1261, d. i. Ende Augusts 1845 —
95 Seiten, Octav, ist die gereimte Threnodie eines Liebenden
um seinen verstorbenen Geliebten von Mohammed Ben Reri
sche b i. J. 1057 (1647) verfasst; das Merkwürdigste daran
ist die Seite 61 , welche in allen Exemplaren absichtlich mit
einer durchschlagenden braunen Farbe verderbt ist, um die
Trauer des Liebenden über den Tod des Geliebten auf das Ein
dringlichste dem Leser begreiflich zu machen.
(253) Tharikati Mohammendije scherhi Redscheb
Efendi “), d. i. derCommentar des mohammedanischen Pfades von
Redscheb Efendi, zwei Bände in Gross-Octav, mit fortlaufender
Seitenzahl, zusammen 1060 S., gedruckt zu Ende Silkide’s d. J.
1261, d. i. November 1845; die beiden berühmtesten dogmatischen
Werke der Osmanen für den ersten Unterricht in der Glaubens
lehre sind das Risalet Birgewi, d. i. die Abhandlung Bir-
gili’s und dessen Mohammedanischer Pfad, die erste ist
schon i. J. 1218 (1803) zu Constantinopel gedruckt erschienen 3 )
und seitdem neu aufgelegt und lithographirt worden; eine Ueber-
setzung des zweiten dieser Werke erschien i. J. 1256 (1840) 4 )
und das arabische Original i. J. 1260 (543) 5 ). Das vorliegende
Werk Redscheb Efendi’s ist ein ausführlicher türkischer Com-
mentar, dessen Hadschi Clialfa unter dem Titel dieses Werkes b )
als eines der nützlichsten erwähnt, derselbe ward i. J. d. II.
1087 (1676) vollendet. Der Verfasser, ein geborner Kurde, war
*) 1 y
") Siehe Nr. 43 im Verzeichnisse der Druckwerke im siebenten Bande der
osmanischen Geschichte S. 588.
4 ) In der Liste der Druckwerke Nr. 168, im Journal asiatique quatrieme
Serie Tom. I. pag. 2 47.
5 ) In der Liste der Wex-ke Nr. 239, ebenda Tom. VIII. S. 278.
6 ) Bei Flügel Nr. 7966.
136
seiner Zeit Pagenlehrer zu Conslanlinopel und ward seiner
Streitigkeiten willen mit den Ulemas nach Brusa verbannt, wo
er begraben liegt.
(254) M e w all i 1 > c 1 - 1 e d u n i e l'i 1 m e n a b i 1 - M o b a m m e-
dije 1 ), (!. i. die inneren (mystischen) Gaben zu den Geschenken
Mohammod’s, vom Scheich Ahmed Ben Chatib el-Kastcl-
lani, welcher i. J. d. 11. 1)23 (1517) gestorben. Der Verfasser
zweier der berühmtesten Werke über die Lebensgeschichte der
Propheten, deren eines das vorliegende, das andere den Titel:
el Enwar fi chassaissil Mochtar, d. i. die Lichter in den
Eigenschaften des Auserwählten führt. Das Werk, ein Foliant
von 767 Seitei-, ist in der Mitte des Monats Silkide d. J. 1261,
d. i. im November d. J. 1845 gedruckt; eine ungemein reich
haltige und bisher nichts weniger als erschöpfte Quelle zur Le
bensgeschichte des Propheten.
(255) D i wani Seid Mohammed Nesib und M unsch ia ti
Nesib 2 ), d. i. die Gedichte- und Brief-Sammlung Mohammed
Nesib’s, beide zusammen ein bescheidenes Bändchen von 68 Sei
ten, wovon die Gedichte die ersten 52, und ein Dutzend von
Vorträgen die übrigen 14 Seiten füllen. Gleich Eingangs wird
auf der ersten Seite in einigen Zeilen eine kurze Kunde über
die Persönlichkeit und die Lebenszeit des Verfassers gegeben.
Er war ein Sohn Su lei man Aga’s, der unter der Regierung
Sultan Mustafa’s III. es bis zum K a p u d s c hi b asehi gebracht,
und dem der Verfasser des Diwans i. J. 1153 (1740) geboren
ward; nachdem er seine Jugend in lüderlichem Leben verbrau-
set, kam er eines Tages zu Mohammed Chairi Efendi, welcher
damals die Stelle eines Unterstaatssecretärs als B egl i k d sch i
bekleidete. Dieser gab ihm ein eben aus Persien eingelangtes
Staatsschreiben zu übersetzen, mit dessen Uebcrsetzung der
Grosswefir so zufrieden, dass er ihn sogleich mit einer Com
mission nach Jerusalem sandte, welche ihm dreissig bis vierzig
Beutel Geldes, d. i. zwanzig bis dreissig tausend Piaster eintrug,
welche nach dem damaligen Geldfusse fast eben so viele Thaler
137
galten. Er kaufte sieh ein Landhaus zu Kandilli am Bosporus,
wo er den Sommer, den Winter aber in der Stadt zubrachte
und oft gelehrte Männer um sich versammelte, mit denen er
sich in gelehrten Streit einliess. Im Jahre 1202 (1787), als
der Krieg mit Oesterreich und Russland begann, ward er be
stimmt die Stelle des Cabinelssecrelärs des Gro'sswefirs zu
versehen und starb i. J. 1204 (1789); sein Diwan enthält dreis-
sig Ghaselen und eine grosse Menge von Chrouogramcn, als
auf die Geburt der Prinzen Mohammed und Mustafa i. J. 1180
(1760), auf die Thronbesteigung Sultan Abdal Ilamid’s 1187
(1773), auf die Eroberung von Mehadia 1202 (1788), auf die
Vollendung des Palastes Mohammed Ifetbeigs 1198 (1783),
auf die Grossvvefirschaft Mustafapascha’s 1177 (1763), auf die
Grosswclirschaft el-Hadsch Jegen Mohammedpascha’s 1182
(17S1), auf den Tod Jahjabeigs, des Sohnes Melek Moham-
medpascha’s 1195 (1781); dann arabische Verse als Parallel-
steilen zu den bekannten grosser arabischer Dichter, wie Ebu
Nu w a s, Re s e h a r R e n R o r d zwei Distichen , die er in
seinem neunzehnten Jahre auf die erhaltene Erlaubniss sich den
Bart wachsen zu lassen, verfasste, dann ein Dutzend von vier
zeiligen Strophen und ein halbes hundert einzelner Distichen.
Herr Regierungsralh Chmel las das nachstehende an ihn
gerichtete Schreiben des correspondirenden Mitgliedes Herrn
Professors Dr. Schüller, aus Hermannstadt (gegenwärtig in
Wien):
Ueber den gegenwärtigen Zustand der histori
schen Studien in S i e b c n b U r gen.
Sie waren so gütig, hochverehrtester Herr Regierungsrath,
von mir einen Bericht über den gegenwärtigen Zustand der
historischen Studien in meinem Vaterlande Siebenbürgen zu ver
langen. Ob ich jemals im Stande gewesen sein würde, dem ehren
den Vertrauen , welches Sie in mich gesetzt, ganz zu entspre
chen, muss ich sehr bezweifeln; dass ich gegenwärtig nur Un
vollkommenes liefern kann, ist gewiss. Fern von meiner Bibliothek
muss ich mich auf allgemeine Umrisse beschränken, und auf
eine genaue Anführung aller literarischen Erscheinungen, auf
138
welche mich meine Darstellung führen dürfte, verzichten. Was
mich gleichwohl ermuthig't, die Feder zur Beantwortung- der mir
vorgeleg-ten Fragen zu ergreifen, das ist die Ueberzeugung,
dass auch ohne diese bibliographischen Details sich ein Bild
werde entwerfen lassen, welches bescheidenen Erwartungen
genügen und die Aufmerksamkeit der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften auf ein Land lenken kann, wo sich für ihre
anregende und unterstützende Thätigkeit ein sehr weites und
dankbares Feld eröffnet.
Erlauben Sie mir, meine Aufgabe in der Art zu lösen,
dass ich zuerst eine Uebersicht dessen gebe, was auf dem
historischen Gebiete in Siebenbürgen noch geschehen soll; daun
die wissenschaftlichen Kräfte durchmustere, welche vorhanden
sind, um das Werk zu vollenden. Bemerkungen, Besorgnisse
und Wünsche aller Art werden sich auf die ungezwungenste
Weise daran schliessen.
Wer die geschichtliche Literatur Siebenbürgens auch nur
oberflächlich kennt, dem drängt sich zunächst die Bemerkung
auf, dass eine pragmatische Geschichte des Landes zur Zeit
noch fehle. Gehen wir die Reihenfolge der Lese- und Hand
bücher der Geschichte Siebenbürgens vom Anfänge bis in die
neuesten Zeiten durch, — kein einziges entspricht den Anfor
derungen , welche in unserer Zeit an historische Kritik und
historische Kunst mit Recht gemacht werden, und jeder Ver
fasser derselben würde, wenn er gefragt werden sollte oder
könnte, wohl selber gestehen, dass er die Ehre der Meister
schaft nicht anspreche.
Gesetzt aber auch, dass heute einer der tüchtigsten Köpfe
eine pragmatische Geschichte Siebenbürgens schreiben wollte,
so könnte er es nicht. Der Grund zu dem grossen Baue ist nur
an wenigen einzelnen Stellen gelegt, die Vorarbeiten sind noch
nicht geschlossen.
Natürlich denke ich dabei an eine Sammlung der Scriptores
rerum Transsilvanicarum und an einen Codex diplomaticus
Transsilvaniae.
An handschriftlichen Geschichtsquellen hat Siebenbürgen
keinen Mangel. Schon was Jeremias Haner und Johann Seivert
jn ihren bekannten literarhistorischen Werken davon aufgeführt
139
haben, ist eine bedeutende Masse, lind zumal seit dem Anfänge
des 16. Jahrhunderts die Anzahl gleichzeitiger Chroniken, Tage
bücher u. s. w. sehr beträchtlich. Dem rastlosen Forscher-
fleisse des Grafen Joseph Kemeny ist es gelungen, in der neue
sten Zeit noch manches unbekannte zu entdecken, und bei dem
gleichen Eifer von Joseph Trausch lässt sich erwarten, dass
die Zusätze zu der von ihm angekündigten zweiten Aullage von
Johann Seivert’s Nachrichten von siebenbärgischen Gelehrten und
ihren Schriften in dieser Hinsicht noch manches neue enthalten
werden. Was der Geschichtschreiber aber schmerzlich vermisst,
das ist eine Ausgabe aller derjenigen siebenbärgischen Geschichts
quellen , welche die Feuerprobe strenger Kritik bestehen. Für
diesen Zweck ist bisher noch sehr wenig geleistet. Der gelehrte
Abt und Director der Normalschule in Hermannstadt legte in
der neuern Zeit zuerst Hand an das Werk, indem er zwei Werke:
Schesaei ruinae pannonicac, ein historisches Gedicht, und Simi-
giani historiae theilweise herausgab. Die Wahl der herausge
gebenen Schriftsteller war wohl eine verfehlte: aber die An
merkungen und Excurse zu beiden sind vortrefflich und der
Ausdruck jenes echt kritischen Geistes, welcher alle Arbeiten
Eders charakterisirt. Was die schnelle Auflösung der histori
schen Gesellschaft, auf deren Kosten die siebenbürgischen Ge-
schichtsquellen herausgegeben werden sollten, unterbrach, das
ist in den letzten Jahren fortgesetzt worden. Joseph Benigni
v. Mildenberg, — in der Nacht vom 11. März 1849 in Hermann
stadt als Opfer fanatischer Rebellenwuth gefallen — hat die
von Eder begonnene Ausgabe Simigian’s fortgesetzt; Graf
Kemeny unter dem Titel: deutsche Fundgruben zur Geschichte
Siebenbürgens zwei Bände deutscher, und ausserdem eine Samm
lung magyarischer Geschichtsquellen herausgegeben ; eine der
wichtigsten siebenbürgischen Chroniken, das Chronicon Fuchsio-
Lupino-Oltardianum ist von Joseph Trausch bearbeitet und auf
Kosten des Vereins für siebenbürgische Landeskunde gedruckt
worden. An allen diesen Arbeiten hätte die Kritik manches aus-
zustellen, und bei der sehr wünschenswerthen Ausgabe einer
vollständigen Sammlung der Scriptores rerum Transsilvanica-
rum könnte wohl keines als Muster für die Anlage des Werkes
empfohlen werden.
140
Was von den Quellenschriften der siebenbürgischen Ge
schieh le gesagt worden ist, das gilt auch von den Urkunden.
Eine grosse Menge derselben ist während der Mongoleneinfälle
in Siebenbürgen im 13. Jahrhundert vernichtet worden, und eine
diplomatische Geschichte des Landes wird daher bis zu Anfänge
des 14. Jahrhunderts immer Lücken enthalten, welche sich nicht
mehr ausfüllen lassen. Bei allen dein aber, dass auch in der
spätem Zeit durch Türkenverheerungen, durch den Bauernauf
stand unter Hora und 184S und 1849 durch den von den Ma
gyaren und Walachen mit vandalischer Barbarei geführten Bür
gerkrieg viel zerstört worden ist, sind doch in dem Lande selbst
in den sehr reichen Archiven zu Karlsburg, Klausenburg und
llerinaiinsladt. in den Archiven anderer, besonders sächsischer
Städte und Dörfer, in den Archiven adeliger Familien, ausser
Landes aber in dein (nigrischen Hofkainmerarchive und anderen
noch viele Tausende von Urkunden vorhanden.
Von allen diesen Urkundenschätzen ist bisher verhältniss-
mässig sehr wenig gedruckt worden. Jahrhunderte lang hat man
die Pergamente in Siebenbürgen fast ausschliesslich nur als
llechtsbelegc benützt, und — Dank den ungrischen Rechts-
instilutioncn und den habsüchtigen Ilcchtschicanen gefürchteter
magyarischer Rabulistik — so geheim als möglich gehalten; län
ger als anderwärts hat aber auch in Siebenbürgen die Geschichte
sich um Urkunden weniger bekümmert, als uni leichtgläubige
Chronisten, und daher, wie z. B. über die Herkunft der Sach
sen, oft allen Diplomen zum Trotz die absurdesten Dinge be
hauptet. Seit Eder und Schlözer, mit welchen eine neue Epoche
der siebenbürgischen Geschichtschreibung beginnt, und deren
Schriften selbst viele vollständig oder auszugsweise abgedruckte
Urkunden enthalten, sind zumal in den siebenbürgischen Zeit
schriften schätzbare Beiträge zu einem Codex diplomalicus ver
öffentlicht worden. An die Herausgabe eines vollständigen sie
benbürgischen Urkuudenbuches dachte in neuester Zeit der Ver
ein für siebenbürgische Landeskunde. Unter der umsichtsvollen
Leitung seines würdigen Vorstandes, des Geheimrathes und
siebenbürgischen Oberlandescommissärs, Joseph Bedeus von Schar
berg, waren bereits sehr viele Urkunden aus den reichhaltigen
Sammlungen des Grafen Joseph Kemeny und des Pfarrers A. C.
141
von T.ilmatsch Marti« Rescliner abgeschrieben, die Copirung
vieler Archive eingeleitet, die Anlage des Werkes von dem
Vereinsausscbus.se besprochen, und die Voranstalten zur Her
ausgabe des ersten Bandes gemacht worden, als der I!ürgcr-
krieg die Thätigkeit des Vereines unterbrach. Die Roheit eines
Volkes, welches bezeichnend genug seinen Ursprung von den
Hunnen herleitet, und die Barbarei gereizter Walachen haben
vieles im Lande zerstört — gehe Gott, dass Kemeny’s Besorg
nisse um das Schicksal seiner Sammlungen ungegründet seien;
ihre Vernichtung würde die Herausgabe eines Codex diploinati-
cus für lange Zeit unmöglich machen.
Ich habe bisher ausschliesslich die im Lande seihst vor
handenen Geschichtsquellen und Urkunden im Auge gehabt. Wenn
aber die Rede davon ist, was geschehen müsse, bevor eine
pragmatische Geschichte von Siebenbürgen erscheinen kann, so
darf die Durchforschung ausländischer Archive durchaus nicht
unerwähnt bleiben. Es genügt hier aus der Zahl jener Staaten,
mit welchen Siebenbürgen während der Periode eigener Wahl-
türsten in Wechselwirkung gestanden, neben der Türkei aus
schliesslich Oesterreich zu nennen. Von dem Augenblicke an,
wo das Haus Habsburg tlieils mit den Wallen, theils auf diplo
matischen Wegen sein gutes Recht auf das Land geltend zu
machen suchte, bis zu dem Tage, an welchem es durch Ver
trag an Oesterreich kam, ist ohne die sorgfältigste Benützung
der österreichischen Staatsarchive eine pragmatische Geschichte
des Landes unmöglich. In diesen, und sonst nirgends sind die
Fäden der Begebenheiten, deren Schauplatz dasselbe gewesen.
Das haben allen denen, welche vielleicht an dieser nahe liegen
den Wahrheit gezweifelt, die von dem für die Wissenschaft zu
frühe verstorbenen Gevay herausgegebenen Aelenstücke zur
Geschichte der Verhandlungen Oesterreichs mit der Pforte, und
die Doeumente, welche Bucholz in seiner Geschichte Ferdi-
uaud's I., Hammer-Purgstall in seiner Geschichte des osma-
nischen Reiches aus jenen Archiven veröffentlicht, zur Ge
nüge bewiesen, es sind dadurch namentlich die früheren hi
storischen Arbeiten über die Periode von der Mohatseher
Schlacht bis zum Tode Ferdinand’s I. fast ganz unbrauchbar
geworden.
142
Sie scheu, hochgeehrtester Herr, wie vieles und wie müh
sames noch zu geschehen hat, ehe ein Thukydides oder Tacitus
Siebenbürgens das Material vorfindet, aus welchem er den Bau
einer pragmatischen Geschichte aufführen kann. So wie die Sa
chen jetzt stellen, möchte ich ihn einem Reisenden vergleichen,
welcher auf seiner Wanderung sich heute in wohl bevölkerten
und ileissig angebauten Gegenden befindet, morgen dagegen in
öde und unwirthbare Steppen gerätli, wo phantastische Luft
spiegelungen ihn täuschen, und kein Wegweiser erscheint. Tn
der Tliat findet er über einzelne Abschnitte der siebenbürgischen
Geschichte werthvolle und erschöpfende Vorarbeiten; allein wie
ausgedehnt sind noch die Strecken, wo er neben dem Sichten
und Ordnen noch das mühsame Geschäft des Sammlers überneh
men, und, wenn mir diese Vergleichung erlaubt ist, Kärrner
und Baumeister sein muss.
Sind einmal diese nothwendigen Vorarbeiten vollendet, dann
wird auch die Specialgeschichte der einzelnen Volksstämme Sie
benbürgens, ihrer Rechtsinstitutionen, und überhaupt der ge-
sammten Entwickelung ihres nationalen Lebens möglich; — sie
liegt in Documenten der Vorzeit, welche die Sammlung der
siebenbürgischen Geschichtsquellen und Urkunden nicht aus-
schliessen darf.
So wie die Geschichte Siebenbürgens ein Gebäude ist, in
welchem gegenwärtig nur einzelne Zimmer wohnlich eingerichtet
sind, so ist auch auf dem Gebiete der historischen Hilfswissen
schaften in meinem Vaterlande noch sehr viel zu leisten übrig.
Erlauben Sie , dass ich mich auf die hauptsächlichsten Momente
beschränke.
Ich beginne mit der Geographie und Statistik. Die geogra
phischen und statistischen Arbeiten von Marienburg und Benigni
sind bekannt; in der neuesten Zeit hat der Pfarrer A. C. von
Wolkendorf bei Schässburg, Binder eine für Schüler berechnete
Geographie von Siebenbürgen herausgegeben, und der Regi
mentsauditor von Prinz Eugen von Savoyen Dragoner Dr. Söllner
eine sehr ausführliche Statistik Siebenbürgens ausgearbeitet,
deren kaum begonnener Druck durch die Ereignisse der letzten
Zeit unterbrochen worden ist. Beide Arbeiten sind verdienstlich,
und namentlich sind dem Dr. Söllner Quellen zugänglich gewe-
143
sen, deren Benützung' vielen andern versagt war. Bei alle dem
aber bleibt eine Statistik von Siebenbürgen, auf deren Angaben
der Leser bauen darf, noch ein frommer Wunsch. Die Unord
nung in der Verwaltung der ungrischen Comitate und der Sek-
Ier Stühle, und die Abneigung gegen alle Regel und Aufsicht
tragen die Schuld davon, dass für den grössten Theil Sieben
bürgens die statistischen Zahlen entweder ganz fehlen oder un
richtig sind, oft sogar absichtlich auf Täuschung der Behörden
berechnet waren. So ist es begreiflich, wie Siegfrid Becher
in seinen werthvollen Arbeiten über die Bewegung der Bevöl
kerung in der österreichischen Monarchie, in den amtlichen
Quellen, deren Benützung ihm gestattet war, über Siebenbürgen
manche Angaben fand, die dem Eingebornen ein ungläubiges
Lächeln entlocken, und dass er erklären musste, es könne in
Bezug auf dieses Land meist nur von approximativen Daten die
Rede sein.
Die alte Geographie und Archäologie Siebenbürgens lässt
noch sehr vieles zu wünschen übrig. iVoch sind z. B. um nur
einiges hervorzuheben, nicht alle Widersprüche über die Rich
tung der beiden Römerstrassen, welche nach der Peutingerischen
Tafel in Siebenbürgen waren, und über die Zahl und den Standort
der römischen Colonien im Lande befriedigend gelöst. Mannert’s und
Uckert’s Ortsbestimmungen verrathon den Mangel eigner topo
graphischer Anschauung; aber selbst gegen einzelne Angaben des
mit den topographischen Verhältnissen seines Vaterlandes sehr
vertrauten Pfarrers Ackncr in dem Archiv für siebenbürgische
Landeskunde lässt sich mancher gegründete Zweifel erheben.
Wie viele werthvolle Denkmäler des Alterthums in Sie
benbürgen noch unter der Erde ruhen mögen, und in welchen
Gegenden des Landes planmässige Ausgrabungen wünschens-
werth seien, ist hier nicht der Ort zu untersuchen; gewiss
bleibt es aber, dass die siebenbürgische Archäologie noch sehr
viel zu wünschen lässt. Vor allem andern rechne ich dazu eine
kritische Entwickelung der Grundsätze, nach denen das Zeital
ter jedes archäologischen Fundes zu bestimmen ist. Sind diese
einmal festgestellt, und ist von der Masse derjenigen Alterthü-
mer, welche in der Regel ohne genaue Prüfung für römische
gelten, alles ausgesebieden worden, was höchst wahrscheinlich
144
den Dakern, den Gothen, Slawen, vielleicht auch den herodotischen
Agathyrsen gehört; dann kann auch die Archäologie Siebenbür
gens systematisch und in einer Weise bearbeitet werden, welche
einen Blick in die Culturzustände verschwundener Zeiten und
Völker thun lässt. Vorarbeiten zu einem solchen Systeme sind
in den verschiedenen siebenbürgischen Zeitschriften, besonders
von Ackner und dem Karlsburger Garnisonscaplan Thalsnn,
dessen Erklärungen übrigens mit der grössten Behutsamkeit zu
benützen, oft als abenteuerlich und lächerlich zu verwerfen
sind, geliefert worden. Eine genaue Beschreibung und Abbil
dung eines schönen römischen Mosaikbodens — leider längst
schon zerstört und verschleppt — hat Bedeus in einer eignen
Abhandlung, eine Untersuchung über die in dein Bruekenthalischen
Museum zu Hermannstadt aufbewahrlen Mithrasdenkmäler der
russische Hofrath Koppen, und eine sehr gelehrte Untersuchung
über die in den Goldgruben bei Verespatak gefundenen tabulae
ceratae Massmann geliefert. Eine ausführliche siebenbürgi-
sche Archäologie erwarten wir von dem k. prcussischen gehei
men Justizrathe Neigebauer unter dem Titel: Dacien in topo
graphischer Zusammenstellung der in Siebenbürgen vorgefunde-
den classischen Allerthümer; die Handschrift des ganz ausgear
beiteten Werkes, welche der Verfasser dem Buchdrucker Gött
in Kronstadt übergeben hatte, ist glücklicherweise gerettet
worden. Es ist sehr zu wünschen, dass dadurch die altem
Arbeiten von Seivert und Hohenhausen ergänzt worden seien.
Ob der Verfasser auch die alten im Lande gefundenen Münzen
in den Kreis seiner Untersuchungen gezogen, ist mir unbe
kannt; jedenfalls bedarf die alte Numismatik Siebenbürgens einer
Revision in ähnlicher Weise, wie sie Ackner in dein Archive
des Vereins für siebenbürgische Landeskunde durch eine mög
lich vollständige und kritische Beschreibung der bisher im
Lande gefundenen römischen Kaisermünzen gegeben hat.
Ich komme nun auf ein Gebiet, auf welchem der Fleiss
des denkenden Forschers die reichste und dankbarste Ausbeute
hoffen darf; — es ist das bisher fast ganz vernachlässigte Gebiet
der siebenbürgischen Ethnologie und Ethnographie.
Unterlassen wir die Untersuchungen über den Ursprung
des magyarischen Volksstammes den Belehrten Ungerus, in
145
welchem die Mehrzahl desselben wohnt; — von den Untersu
chungen über die Abkunft der Sekler können wir die sieben-
biirgische Geschichtsforschung nicht loszählen. Joseph Benko’s
bekannte Behauptung, dass der Seklcrstamm hunnischer Abkunft
sei, und seit dem Abzüge der Hunnen aus Europa im 5. Jahr
hundert nach Christi Geburt in den östlichen Grenzgebirgen
Siebenbürgens wohne, ist in der neuesten Zeit von Kemeny
wieder aufgenommen und vertheidigt worden. Jener baute auf
sehr zweifelhafte Urkunden, dieser glaubt die Belege dafür in
einigen Stellen von Geographen des frühesten Mittelalters zu
finden. Wie immer, — noch sind die Acten nicht reif zum Spruche,
und der Process muss neu revidirt werden. Es lässt sich füg
lich behaupten, dass der Weg, auf welchem man bisher zum
Ziele zu gelangen hoffte, ein durchaus verfehlter gewesen.
Apokryphe Urkunden entscheiden über den Ursprung von Natio
nen eben so wenig, als dunkle Aussagen ferne von Siebenbür
gen lebender Geographen. Man wird daher, was bisher versäumt
worden ist, in die tiefsten und dunkelsten Schachten des Sekler
Volksthumes einfahreu müssen, um das zu finden, dessen Spuren
und Nachklänge in Volkssprache, Volkssitte, Volkssage u. s. w.
dem geübten Auge nach Jahrhunderten noch erkennbar bleiben.
An der spätem Einwanderung der Deutschen, welche in
Siebenbürgen seit Jahrhunderten unter dem Namen Sachsen eine
ständische Nation gebildet haben, zu zweifeln , fällt gegenwär
tig keinem Vernünftigen bei; die abenteuerlichen Hypothesen
von Töppelt, Tröster u. a. m., welche sie gerne zu Aboriginen
gemacht hätten, sind längst vergessen. Bei alle dem sind aber
die wissenschaftlichen Untersuchungen über die Sachsen kaum
über den Punct hinaus, wo die Urkunden und geschriebenen
Geschichtsquellen aufhören, und wo daher, wie schon bei den
Seklern bemerkt worden ist, die Volkssprache, Volkssage und
Volkssitte durchforscht Werden muss, um historische Probleme
zu lösen und die wahre Heimath der einzelnen Gruppen der
deutschen Colonisten in Siebenbürgen, welche noch immer nicht
bekannt ist, mit Wahrscheinlichkeit zu bestimmen. In wieweit
das von meinem Vater begonnene und von mir fortgesetzte und
der Vollendung nahe Idiotikon der siebenbürgischen sächsischen
Muudart dieses Problem der Entscheidung näher bringe, mögen
Sitzb. d. philosoph. hist. CI. Jabrg. 1849, VIII. Heil. 12
146
Kenner dereinst entscheiden; jedenfalls wäre damit nur ein Thcil
der ethnographischen Studien über die Deutschen in Siebenbür
gen geschlossen.
In weit höherem Grade gilt das gesagte von den Walachen
oder Romanen. Zwei historische Momente sind es vorzüglich,
welche noch der Aufhellung bedürfen, ihre Ansiedelung in Sie
benbürgen und ihre Abkunft. In Bezug auf die erstere wird noch
immer von einzelnen Gelehrten im diametralen Gegensätze zu
der Behauptung, dass sie zu den ursprünglichen Bewohnern des
Landes gehören, die Ansicht vertheidigt, dass sic erst nach
dem Einzuge der Magyaren allmälig aus den Donauländern in
Siebenbürgen eingewandert seien. So unwahrscheinlich nun auch
diese Ansicht ist, so muss doch die Frage um so mehr gründ
lich erörtert werden, als bisher die Einmischung politischer
Folgerungen und Rechtsansprüche auf beiden Seiten die rein
objective Auflassung des Gegenstandes mehrfach getrübt hat.
Ist von dem Ursprünge der Walachen die Rede , so begeg
nen wir einem Gewirre von gelehrten Meinungen und Hypothe
sen. Sie wissen es, dass dieses sehr interessante Volk bald
von den Römern, bald von den Slawen, bald von den Dakern
hergeleitet wird. Erlauben Sie gütigst, dass ich in kurzen Um
rissen den gegenwärtigen Stand der Untersuchung schildere,
wäre es auch nur um zu zeigen, wie weit die historische For
schung auf diesem Gebiete noch von einem allgemein befriedi
genden Resultate entfernt ist, und wie sehr sie oft den Weg
verfehlt hat, um das erstrebte Ziel zu erreichen.
Die Verfechter des römischen Ursprunges der Walachen
theilen sich in zwei Parteien, — die starr und blind orthodoxe,
und die liberale, möchte ich sagen. Die Anhänger der ersten
mögen sich von dem unverfälschten Römerthume des walaehischcn
Volkes auch nicht ein Jota abstreiten lassen, und erklären da
her die walachisehe Sprache für die ursprüngliche römische
Volkssprache, während die lateinische Literatursprache erst
spätem Ursprunges sei. Mit der lächerlichen Sophistik philolo
gischer Ignoranz ist diese Ansicht in dem zu Ofen 1825 erschie
nenen walachisch - lateinisch - deutschen Wörterbuche vertheidigt
worden. Eine gründliche Reeensiou dieses Werkes lieferte Ko-
pitar in den Wiener Jahrbüchern der Literatur; eine lateinische
147
Epicrisis desselben versuchte ich einige Jahre später; allein
Murgu und andere Verfechter dieser Hypothese gefallen sich in
ihrem Römerdünkel so sehr, dass sie jeder wissenschaftlichen
Beweisführung unzugänglich sind.
Weit mehr Beachtung verdient die Classc der rationellen
Vertheidiger des römischen Ursprunges der Walaehen. Männer
wie Diez, Fuchs u. a. m. haben eine gewichtige Stimme; allein
der Ideengang, durch welchen sie die walachisclie und alle an
dern romanischen Sprachen aus der römischen Volkssprache
ableiten, ist zu bekannt, als dass es notliwendig wäre, ihn zu
bezeichnen.
Die Zahl derer, welche den Walachen und ihrer Sprache
slawischen Ursprung geben, ist in der Abnahme, und die An
hänger derselben müssen wohl ganz verstummen, nachdem aus
gezeichnete Slawisten wie Kopitar, Schaffarik und Grigorovich
ihr nicht geneigt sind.
Die Hypothese dakischer Abkunft der Walachen kann theils
auf historische Gründe, theils auf den walachischen Sprachbau
gestützt werden, und ist in dem ersten Hefte meiner Umrisse
und kritischen Studien zur Geschichte Siebenbürgens als die
einfachste und ungezwungenste bezeichnet worden.
Rechnen Sie, vereintester Herr, zu allen diesen Divergen
zen noch, dass Schaffarik in seinen slawischen Alterthümern einen
zweifachen, nach Alter und Ursprung verschiedenen Volksstamm
der Walachen unterscheidet, dass Jacob Grimm in seiner Ge
schichte der deutschen Sprache die Geten, welche nach den
darüber vorhandenen Daten ein Zweig der Daken gewesen, da
her bei den Untersuchungen über das walachische Volksthum
in keinem Falle übersehen werden dürfen ; erwägen Sie ferner,
dass die Mehrzahl dieser Hypothesen, wie sehr sie auch von
einander abweichen, sich auf die walachische Sprache beruft
und die Beweise ihrer Richtigkeit aus ihrem Wörtervorrathe
hernimmt, und entscheiden Sie dann gefälligst selbst, ob ich
nicht Recht habe, wenn ich behaupte, dass sich hier ein weites
Feld der Forschung eröffne. Und — erlauben Sie, dass ich hinzu
setze, ein sehr dankbares. Die Zergliederung der schönen wa-
lachisehen Sprache, ohne welche das historische Problem der
Abkunft des Volkes nicht gelöst werden kann, die Vergleichung
ta 0
148
derselben mit der eben so rütliselhaften albanesisclien, welche
dabei nicht umgangen werden darf, das Studium der walachischen
Volksbräuche, Volkssagen u. s. w. sind dabei nothwendig; wie
interessant aber diese Studien seien, beweist schon die von Al
bert und Arthur Schott herausgegebene Sammlung walachischer
Märchen.
Wie viel ist, wenn wir auch nur bei diesem flüchtigen Ueber-
blicke dessen, was der Freund historischer Studien in Sieben
bürgen noch vermisst, stehen bleiben, auf einem Boden noch zu
thun, in dessen sorgfältigem Anhau andere Länder Europa’s und
viele Provinzen des österreichischen Kaiserstaates dem östlichen
Grenzlande desselben weit voraugesehritten sind.
Die wissenschaftlichen Kräfte, welche diese Masse von Ar
beit bewältigen sollen, dürfen wir vor der Hand nur unter den
Deutschen im Lande suchen. Nehmen wir den Grafen Kemeny
aus, welcher sich selbst über die Vorwürfe seiner Nation hin
wegsetzte , und in einer Periode schon sehr weit vorgeschrit
tener Aufregung der Magyaren gegen das ihren Tendenzen un
fügsame Deutschthum aus Interesse an der Wissenschaft sich
dem Vereine für siebenbürgische Landeskunde nicht nur ange
schlossen, sondern denselben auch mit seltener Liberalität un
terstützt hat, so haben unter den Magyaren die nationalen und
revolutionären Bestrebungen längst schon alle andern Interessen
so sehr in den Schatten gestellt, dass von einer reinen Wür
digung und von einem verständigen Treiben historischer Studien
gegenwärtig keine Rede sein kann. Die wenigen Walachen, welche
sich bisher mit historischen Forschungen beschäftiget haben,
gingen, wie dieses selbst Laureani’s Schriften beweisen, mit
vorgefassten Meinungen an das Werk. Wie Rotteck einst die
Begebenheiten so lange hin und her renkte, bis sie in den Rahmen
seiner Anschauungsweise und seiner Tendenzen hinein passten,
so machten sie aus politischen Absichten eine Geschichte ihrer
Nation, indem sie alles hervorsuchteu, was römische Abkunft
und ursprüngliches Dasein in Siebenbürgen beweisen konnte, und
in ein blendendes Lieht stellten, alles entgegengesetzte aber ent
weder verschwiegen oder verdrehten.
Viel Arbeit, und wenig Arbeiter! werden Sie mit mir sagen;
ein Blick in die Verhältnisse der Nation, welcher ich selber
149
angehöre, wird Sie überzeugen, dass auch unter den Deutschen
bisher der Kreis derjenigen, welche auf historischem Gebiete
thiitig waren, nur ein sehr kleiner sein konnte.
Einen eigentlichen Gelehrtenstand haben wir nicht, und
können ihn aus begreiflichen Gründen nicht haben; nähren doch
auch anderwärts die streng wissenschaftlichen, historischen
Schriften ihren Mann so wenig, dass dieser Zweig der Literatur
ohne eine Unterstützung von aussen nothwendig verkümmert. An
einer solchen grossartigen Unterstützung hat es im Sachsen
lande immer gefehlt. Die Regierung des Landes war meist in
den Händen von offenen oder geheimen Feinden der Deutschen;
einen Adel, dessen reiche Glieder sich den Ruhm Mäcen’s er
werben könnten, bat die Nation nicht; was der hochverdiente
Gouverneur von Siebenbürgen, Samuel Freiherr von Bruckenthal
für die Wissenschaft im Sachsenlande gethan, das steht einzig
und unerreicht da; warum aber die sächsische Nation selbst
sich gegen die historischen Studien gleichgültig, um nicht zu
sagen ängstlich benehmen musste, wird sich bald zeigen.
So sind denn die historischen Studien unter den Deutschen
in Siebenbürgen eine Sache des Dilettantismus, und bilden eine
Nebenbeschäftigung der Gymnasiallehrer, der Geistlichen und
der Beamten. Ich will es zugeben, dass von diesen Ständen für
siebenbürgisehe Geschichte vielleicht mehr hätte geleistet werden
können, als geschehen ist; allein icli fürchte auch von denken
den Lesern nicht den Vorwurf, parteiisch pro domo mea ge
schrieben zu haben, wenn icli sie gegen den ihnen oft unüber
legter Weise gemachten Vorwurf der Trägheit und der Gleich
gültigkeit gegen das, was jeden gebildeten Patrioten interessiren
soll, in Schutz nehme.
Was konnte von dem Beamtenstande in einer Zeit erwartet
werden, wo die ganze Verwaltung nur darauf berechnet zu sein
schien, die Papierfabrication zu vermehren, und die gesammte
Thätigkeit des Beamten zwischen geisttödtender Schreiberei
und drückenden Nahrungssorgen getheilt war, oder was konnte ein
Gymnasiallehrer leislen, welcher bei einer Besoldung, die ihm
das buchstäbliche tägliche Brot nicht verschaffte, sich durch
Privatlectionen aller Art abmüden musste! Und wenn er nun
endlich die pädagogische Leidensbahn durchgemacht und eine
150
Pfarre erhalten hatte, die ihn nährte und in den Stand setzte,
seine am Gymnasium gemachten Schulden zu bezahlen, — dann
war es in der Regel zu spät, historische Studien in der Art
und Ausdehnung zu machen, wie sie vom Schriftsteller gefor
dert werden.
Gesetzt aber auch, es widmeten sich Einzelne unter diesen
ungünstigen Verhältnissen den geschichtlichen Studien — und
ich kann Sie versichern, dass es niemals an ileissigen Forschern
gefehlt hat — so betrat er eine Bahn, auf welcher sich Schwie
rigkeit auf Schwierigkeit thürmte. Um in der Geschichte als
Schriftsteller auftreten zu können, musste er, wofern ihm nicht
zufällig eine schon fertige Bibliothek zugänglich war, vor allen
Dingen sich einen gelehrten Apparat von gedruckten Werken
und von Urkunden zusammenkaufen und zusammenschreiben.
Ueber dem Sammeln verstrich die Zeit, erlahmten die Kräfte;
kam es aber endlich zum .Schreiben, so schwebte über ihm das
drohende Schwert des Damokles. — Sie errathen aus dem frü
her Gesagten, wie ich das meine.
Und so haben wir denn in dem Sachsenlande auf dem
weiten Felde siebenbürgischer Geschichtsforschung viel Begon
nenes, in der Anlage Begriffenes; denn fast jeder muss den
mühsamen Weg des Zusammentragens von neuem beginnen,
keiner kann ihn vollenden.
Es war vorzüglich dieser traurige Zustand der historischen
Studien, welcher einen Kreis deutscher Geschichtsfreunde be
stimmte, einen Verein für siebenbürgische Landeskunde zu grün
den. Mit Welimuth hatte jeder von ihnen es längst bemerkt,
wie der Stein des Sisyphus, den er mühsam auf den Berg ge
wälzt, wieder zurückrolle;— der Gedanke lag nahe, die iso-
lirten wissenschaftlichen Kräfte zu vereinigen, und die Arbeit
zu organisiren.
Der unmittelbare Zweck dieses Vereins ist durch seinen
Namen hinlänglich bezeichnet. Er will allen denen, welche sich
mit siebenbürgischen Studien beschäftigen, Gelegenheit zu ge
genseitigem Austausch der Ideen und zu einem geregelten und
harmonischen Zusammenwirken geben; er will aber auch aus
kleinen Beiträgen der Mitglieder ein Vermögen bilden, aus wel
chem die Vaterlandskunde gefördert, aufstrebende Talente unter-
151
stutzt, nothwendige Forschungen veranstaltet, gelungene Arbei
ten belohnt werden können.
Kaum ausgesprochen fand die Idee desselben die beifäl
ligste Aufnahme. Die Zahl der Mitglieder wuchs mit jedem
Jahre, und er kann gegenwärtig als der Exponent des wissen
schaftlichen Lebens unter den Deutschen in Siebenbürgen be
trachtet werden. Ich sage unter den Deutschen, denn mit Aus
nahme sehr weniger Mitglieder aus andern Nationen ist er ein
deutscher Verein, und es haben daher auch dielJeberschwenglichen
unter den Magyaren es nicht versäumt, in ihrer beliebten Weise
das, was eine Folge der Zeitverhältnisse und ihrer Verachtung
des deutschen Wesens war, dem Vereine selbst als das Er-
gebniss einer von ihm verfolgten exclusiven Richtung in die
Schuhe zu schieben.
Es wäre sehr unbillig, an den Verein für siebenbiirgische
Landeskunde den Masstab grossartiger wissenschaftlicher Asso
ciationen und Institute legen zu wollen. Die Organisirung des
selben, die Verständigung derer, welche ihm mit irrigen An
sichten und unerreichbaren Erwartungen beigelreten waren, er
forderten Zeit, die schwere Beweglichkeit zahlreicher Versamm
lungen und die Langwierigkeit parlamentarischer Debatten sind
die Ursache davon gewesen, dass der Verein in den ersten Jahren
kaum bemerkbare Schritte machte. Die Bildung von Factionen
für die einzelnen Hauptfächer der Vaterlandskunde, beschlossen
und ausgeführt 1846 in der Vereinsversammlung von Mühlbach,
und die klare Auflassung von dem eigentlichen Zwecke der
jährlichen, von Ort zu Ort wandernden Generalversammlungen,
und von dem natürlichen Wirkungskreise derselben sind die
erfreulichen Resultate von Verhandlungen, welche dem Vereine
eine Zukunft versprechen, und seine geregelte Thätigkeit fördern.
Das eigentliche wissenschaftliche Organ des Vereins ist das
in zwanglosen Heften erscheinende Archiv des Vereins für sie-
benbürgische Landeskunde, eine Fortsetzung des vor Jahren
von mir gegründeten Archivs für die Kenntniss von Siebenbür
gens Vorzeit und Gegenwart.
Neben dem Vereinsarchive, und ganz unabhängig von dem
selben, erschien in Kronstadt das Magazin für Geschichte, Li
teratur und alle Denk- und Merkwürdigkeiten Siebenbürgens,
152
dessen nähere Charakteristik den weitern Bemerkungen über das
Vereinsarchiv vorangeschickt werden muss. Die vorherrschende
Richtung dieser Zeitschrift war historisch, und sie kann unbe
denklich als das Journal betrachtet werden, in welchem der Leser
viele interessante Aufschlüsse über die wissenschaftlichen Schätze
und Forschungen des Grafen Kemeny erhält. Sie werden theils
in eigenen Abhandlungen Kemeny’s, theils in Aufsätzen gegeben,
wozu der Herausgeber des Magazins, Anton Kurz — ein talent
voller und kenntnissrcicher Mann von gewandter Feder, dabei
aber nach seiner ganzen Erscheinung in Siebenbürgen ein Räthsel,
mit dessen Lösung man sich so lange abmühte, bis er in den
letzten Tagen als Bem’s Cabinets - Secretär längst gehegten
Argwohn bestätigte, und alle Sympathien, welche er für das
Deutschthum und für Oesterreich geheuchelt, zur Lüge machte, —
den Stoff in Kemeny’s Bibliothek und Archiven gesammelt, die
Form selbst geschaffen.
Von dem Augenblicke, wo Kemeny dem Vereine für sie-
benbürgisehe Landeskunde beigetreten war, erschien das Neben
einanderbestehen von zwei Zeitschriften gleicher Bestimmung
als eine Unzukömmlichkeit, und es ist die Verschmelzung der
selben in eine einzige von dem Vereinsausschusse bereits vor
bereitet worden.
In der Beurtheilung der in den Kreis historischer Forschung
gehörigen Aufsätze des Vereinsarchivs bitte ich Sie recht sehr,
die oben geschilderten Schwierigkeiten historischer Studien in
Siebenbürgen zu berücksichtigen. Die beiden tüchtigsten Kenner
der siebenbürgischen Geschichte unter den Deutschen des Landes,
Geheimrath ßedeus und Ministerialrat!» Rosenfeld , sind durch
den Staatsdienst so ganz in Anspruch genommen, dass ihnen die
Müsse fehlt, die Ergebnisse ihrer gründlichen Forschungen und
reichhaltigen Sammlungen in eigenen Werken und Abhandlungen
zu veröffentlichen, ein Verlust, über welchen der Freund der
Wissenschaft sich nur damit tröstet, dass ihnen ihr Wirkungs
kreis Gelegenheit gibt, von dem Schatze ihrer geschichtlichen
Erfahrung in der Beralliung und Regelung der Verhältnisse ihres
Vaterlandes und ihrer Nation segensreichen Gebrauch zu ma
chen. In der Reihe der Mitarbeiter des Vereinsarchives hat
durch einige historische Abhandlungen Teutsch, Conrector am
153
Gymnasium A. C. in Schässburg, seine Tüchtigkeit zu kriti
scher Geschichtschreibung in einer Weise bewährt, welche sehr
wünschen lässt, dass ihm Gelegenheit werde, seine ganze Zeit
historischen Studien und Arbeiten zu widmen. Er hat namentlich
aus der während seines Aufenthaltes in Karlsburg sehr fleissii*'
benützten Handschriftensammlung der bischöflich Batthynnischen
Bibliothek höchst interessante Aufschlüsse über die ersten Re
gierungsjahre Karl Roberts u. s. w. zu Tage gefördert, und so
zugleich auf die gutentheils noch wenig bekannten Schätze jener
Büchersammlung aufmerksam gemacht. Neben ihm sind zumal
Rcschner, Gräser und Marienburg vielversprechende Mitarbei
ter ; Ackner’s grosse Verdienste auf dem Gebiete der sieben-
bürgischen Archäologie sind bereits allgemein anerkannt.
In welcher Art und Weise der Verein für siebenbiirgische
Landeskunde ausserdem bisher für siebenbiirgische Geschichte
und deren Hilfswissenschaften thätig gewesen, ist aus den ge
druckten Protokollen über die Verhandlungen des Vereinsaus
schusses und der Generalversammlungen zu ersehen. Die Vor
arbeiten zur Herausgabe eines Codex diplomaticus Transsilva-
niae sind, wie ich bereits bemerkt habe, ziemlich weit vorge
rückt; sie sind zugleich eine Schule, in welcher neben dem
Candidaten der Theologie A. C. Schwarz, der das Geschäft des
Copirens lind Ordnens der Urkunden mit verständigem Eifer
leitet, noch mancher junge Deutsche, der dabei mithilft, ausser
dem Danke der Geschichtsfreunde sich auch die Befähigung zur
Geschichtsforschung erwerben wird. Weniger glücklich ist der
Verein bisher mit historischen Preisaufgaben gewesen. Während
auf dem Gebiete der Naturwissenschaften Ackner’s Handbuche
der Mineralogie von Siebenbürgen der ausgesetzte Preis zuer-
kannt werden konnte, sind die historischen Preisaufgaben bis
her meist ungelöst geblieben, und fast scheint es, als habe
man bei der Aufstellung einiger von denselben übersehen, dass
nicht alles wünschenswerte auch sofort ausführbar ist, und die
Vorbedingungen ihrer Lösung fehlen.
Ich schliesse, hochverehrtester Herr Regierungsrath; allein
in dem Augenblicke , wo ich meine Feder mit der Bitte um Nach
sicht für diese Skizze niederlegen will, überfällt mich eine
Wehmuth, welche dem Auge Thränen entlockt. Was mich trau-
154
rig macht, ist nicht der Gedanke daran, wie viel auf dem Ge
biete der siebenbiirgischen Geschichte noch zu geschehen habe,
nein ! es ist die Vorstellung, dass seit länger als einem Jahre
alles wissenschaftliche Leben in meinem armen Vaterlande ge
lähmt und erstarrt ist. Glauben sie mir es, ein reges Leben
begann auf allen Feldern siebenbiirgischer Geschichtsforschung
unter den Deutschen im Lande sich zu entwickeln. Immer all
gemeiner wurde die Lust des »Sammelns und Forschens; ver
wandte Geister schaarten sicli in kleinern Vereinen zur Thei-
lung und Organisirung der wissenschaftlichen Arbeit zusammen,
der grosse Wanderverein fiir siebenbiirgische Landeskunde war
sieh seiner Aufgabe klar bewusst und thätig dafür, und zwischen
ihm und vielen wissenschaftlichen Vereinen des deutschen Aus
landes war eine Wechselwirkung durch Schriftenaustausch ein
geleitet worden, welcher wohlthätige Folgen versprach.
Wird auf den eisigen Winter, wodurch ein barbarischer
Bürgerkrieg alle diese Keime und Bliilhen geknickt hat, ein
Frühling folgen, welcher das Erstarrte neu belebt und verjüngt?
oder werden die historischen Studien in Siebenbürgen auf den
niedern Standpunct zurück sinken, auf welchem sie vor Eder und
Schlözer gestanden?
Unentschieden schwanke ich zwischen Hoffnung und Furcht.
Die österreichische Verfassung vom 4. März hat die Gleichbe
rechtigung der Nationen und Religionen ausgesprochen und die
Feudallasten aufgehoben; — wie überall, so ist auch in Sieben
bürgen die Geschichte dadurch emancipirt worden. Geheim ge
haltene Geschichlsquellen werden sich öffnen, hemmende Rück
sichten früherer Zeit verschwinden; die historische Wahrheit
wird unumflort leuchten. Mit der erwachten geistigen Freiheit
wird das wissenschaftliche Leben sich steigern ; — wie könnte
die wohlthätige Rückwirkung dieser Steigerung auf die histori
schen Studien ausbleiben! Mit der Gleichberechtigung aller Na
tionen in Siebenbürgen wird endlich auch der Zustand der lei
denschaftlichen Ueberreizung, an welchen sie gegenwärtig alle
kranken, aufhören; was bisher sich feindlich gegenüber gestan
den, wird sich friedlich und freundlich begegnen, und die
Männer der Wissenschaft aller Volksslämmc werden sich die
Hand zu gemeinsamer Forschung reichen.
155
So wird, so muss es in einer geregelten Entwicklung des
constitutionellen Lebens in meinem Vaterlande kommen. Was
mich gleichwohl bekümmert, das ist die Besorgniss einer lan
gen Unterbrechung des begonnenen Baues. Ich denke dabei
vorzüglich an den Verein für siebenbiirgisclie Landeskunde. Unter
dem Drucke der grossen Armut!) , welche der Bürgerkrieg in
dem Sachsenlande erzeugt hat, wird vielleicht, das Interesse
daran erkalten, die Zahl seiner Mitglieder abnehmen, die ohne
hin sparsam fliessende Quelle seines Vermögens versiegen.
Wird dann .aber der kostspielige Druck eines Codex diplo-
maticus Transsilvaniae noch möglich sein? wird der Verein
jemals an eine kritische Ausgabe der Scriptores rcrum Trans-
silvanicarum denken, wird er jemals — eine Idee, die mich
seit Jahren beschäftigt — ein historisches Seminar gründen
können? Und doch sind diess unerlässliche Bedingungen einer
gedeihlichen Entwicklung der historischen Studien in Sieben
bürgen.
Verzeihen Sie es, hochgeehrtester Herr Regierungsrath,
wenn ich nach dieser unverhohlenen Darlegung meiner Befürch
tungen auf dasjenige zurückkomme, was ich schon in den ersten
Zeilen dieses Schreibens anzudeuten wagte. Ich beziehe den
sinnschweren Wahlspruch unseres jugendlichen Monarchen : „Unitis
viribus” nicht bloss auf das politische, sondern auch auf das
wissenschaftliche Leben des österreichischen Kaiserstaates,
und denke mir daher die kaiserliche Akademie der Wissen
schaften so gerne als eine Centralsonne, welche demselben in
allen Provinzen der Monarchie Licht und Wärme zusendet.
Entscheiden Sie selber, ob die siebenbiirgisclie Geschichtsfor
schung der Beachtung derselben würdig sei; — mir hat es immer
geschienen, als ob sie, abgesehen von dem allgemeinen Werthe
jedes wissenschaftlichen Strebens, nicht nur von dem Augen
blicke an, wo mein Vaterland ein organischer Theil der Monar
chie geworden, eine österreichische Bedeutung habe, sondern
auch die Vorhalle bilde, durch welche der Weg zu der immer
noch dunkeln alten Geschichte des östlichen Europa’s führt.
Ist diese Auffassung derselben so glücklich, von Ihnen als rich
tig befunden zu werden, so bitte ich, hochverehrter Herr Re
gierungsrath, den Verein für siebenbürgische Landeskunde der
156
unterstützenden Berücksichtigung der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften empfehlen zu wollen.
Genehmigen Sie etc. etc.
In Folge dieses Schreibens fasste die Classe einstimmig
den Beschluss, bei der Gesainint-Akademie den Antrag zu
stellen, dem siebenbürgischen Verein für Landeskunde
zur Fortführung seiner begonnenen historischen Arbeiten, nament
lich zur Vorbereitung eines Codex diplomaticus Transsilvaniae,
einen Unterstützungsbeitrag von 200 fl. C. M. zu bewilligen.
Sitzung vom 17. October 1849.
Herr Professor Dr. M. J. Fesl, der älteste Schüler des
verewigten Denkers Professor B. Bolzano und bis in die letz
ten Lebenslage mit dessen Vertrauen beehrt, übergibt der Aka
demie ein vollständiges Exemplar von dessen Schriften, beste
hend in 32 Werken in 25 Bänden 1 ), begleitet von folgendem
Schreiben:
Hochgeehrte kaiserliche Akademie der Wissenschaften!
Indem sich der Untengenannte vorauszusetzen erlaubt,
dass die erste Akademie des Kaiserreiches, welcher Dr.
Bernhard Bolzano’s frühes Ilinscheiden im vorigen Jahre
die Gelegenheit entriss, ihn selbst in ihrer Mitte zu sehen,
desto theilnehmender die Werke begriissen werde , welche uns
dieser ausgezeichnete vaterländische Gelehrte hinterlassen hat:
gibt er sich die Ehre, eine verlässlich-vollständige Samm
lung von allen bisher im Druck, wiewohl meist — ausserhalb
der Grenzen Oesterreichs erschienenen Schriften des Verewig
ten als Eigenthum der Akademie zu übergeben.
Hier kann es nicht der Ort sein, über die volle Bedeutung
des Hingeschiedenen oder auch nur über den Werth seiner lite
rarischen Hinterlassenschaft ein Urtheil abzugeben. Nur darauf
sei es gestattet in diesen Zeilen hinzudeuten, dass es sich von
den Hervorbringungen eines Mannes handelt, der dem sich
verjüngenden Oesterreich nicht bloss als Landsmann,
sondern in viel tieferem Sinne durch die Eigenthümlichkeit sei
nes schöpferischen Geistes angehört, deren Beziehungen zu der
*) S. am Ende dieses Heftes das Verzeichniss derselben.
157
we J tg - esc Ii i c li11ic li c n Bedeutsamkeit dieser Monarchie je
länger je sichtlicher werden möchten. — Wenn cs nämlich gewiss
ist, dass ein Staat, der wie der unsere aus mehreren kräftigst
aufstrebenden und ihrer Besonderheit sich bewussten Nationali
täten besteht, sich nur durch das Einheitliche und allge
mein Men s ch h c i tlich c, nur durch dasjenige, was g eme i n-
sam jeder Menschenbrust ehrwürdig oder unabweislich ist, zu
einem grossen Ganzen fortschreitend inniger zu verbinden
vermag: so muss Bern. Bolzano, dessen Grösse gerade in der
objectiven Feststellung der Begriffe, in der durchgreifenden
Bewältigung jedes hlos subjcctiven oder psychologi
schen Standpunctes liegt, für die heilsamste Entwicklung unse
rer Zustände mit jedem Tage an Wichtigkeit gewinnen, oder
wenigstens keinem Oesterreicher, dem es um die wahre Herr
lichkeit seiner Heimat zu thun ist, gleichgültig und ohne ange
legentliche Würdigung bleiben.
Wie er in seiner kurzen L ehe n sh es c h re i hu n g (1836)
selbst gesteht, so zogen ihn die Begriffs wissen sc haften
— Philosophie und Mathematik — und in diesen beiden wieder
derjenige Tlieil, den man den rein speeulativen nennt, seit
seiner ersten Jugend vor allem an, und sie blieben auch iu der
Tliat der eigentliche Mitteipunct seines gesammten Daseins und
Wirkens. Ob er die Aufgabe, die ihm als Philosophen Vorge
legen, in ihrem vollen Umfang und VVerthe aufgefasst: darüber mag
sich Jeder aus der vor kurzem hier in Wien gedruckten Ahband-
lung: „Was i s t P h i 1 o so p h i e”, mit ihm ins Reine setzen. Was
er auf diesem Gebiete Neues oder Vollkommueres geleistet zu
haben glaubte, darüber berichtet er selbst in seiner „U e b er
sieht der Wissenschaftslehre und Religionswis
senschaft'’ (1841) ebenso aufrichtig als bescheiden, gleichwie
er mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig lässt, und
veranlasst durch die Ungunst seiner Zeit in den Streitschriften:
«Bolzano und seine Gegner” (1839), gegen Theiner
(1827), Krug (1837), Hermes (1840) und A. die Unter
schiede auseinandersetzt, die zwischen seinen Ansichten und
den seiner gelehrten Zeitgenossen sich finden, während er überall
die Gründe auf das sorgfältigste angibt, die ihn hindern,
mit ihnen übereinzust'mmen, so unverkennbar gern er jeden
158
Einklang mit «len Meinungen Anderer aufsuelit, und eben nur
in einem solchen eines der verlässigsten Kennzeichen der
gefundenen Wahrheit sucht.
Den eigentlichen Schlüssel zu allen Entdeckungen Bolzano’s
bietet aber seine „W is s e u s c ha f t s 1 e h r e” (1837), die
nicht nur auf das unwiderleglichste darthut, dass die Wissen
schaft der Logik vor ihm keineswegs, wie man sich schmei
chelte , eine abgeschlossene , vielmehr eine bloss abgefertigte
war, sondern dass gerade in diesem Irrthum zum nicht gerin
gen Theil der Grund lag, wcssbalb auch die übrigen philosophi
schen Disciplineu bisher nur in unbefriedigenden, sich häufig
schroff widersprechenden Bearbeitungen aufzutreten vermochten.
Wie eine philosophisch gehaltene Belehrung sich ausnehme, wenn
die Grundsätze, die er in seiner Logik aufgestellt, gewissen
haft zur Anwendung kommen , davon hat er uns in seiner
schon 1834 gedruckten „Religionswissenschaft”, in sei
ner „Athanasia” (1838), in seinen mathematischen
Schriften (1804—1843), selbst in zwei „ästhetischen Ab
handlungen” (1843 und 1849) gleichsam einzelne Beispiele gelie
fert. Auch seine grösstenteils noch ungedruckteu E r b a u u n gs-
reden (1839—1840), sind voll Begriffsentwicklungen. Wer
diese Schriften genauer betrachtet, der wird an dem Grade der
Ueberzeugung, mit welcher ihm hier die Wahrheit der darge
stellten Lehren zu Gemüthe tritt, nicht allein iune werden,
welchen Werth Bolzano’s logische Ansichten für jeden philoso
phischen Unterricht haben, sondern er wird, je weiter er liest.,
an dem Steigen der eigenen Kraft, an seinem eigenen Fort
schritt in deutlicher Einsicht und gründlichem Urteil erprüfen
können, ob die Anwendung solcher wissenschaftlichen Methode
auf jedem andern Gebiete der menschlichen Erkenntniss geeig
net sei, die Kunst des richtigen Denkens bis zu stauuenswer-
ther Fertigkeit zu erhöhen , und Wahres von Falschem oder
Scheinbarem mit Sicherbeit und Leichtigkeit zu unterscheiden.
Bei Unbefangenen wenigstens scheint es uns ganz unmög
lich , dass sic nur einige Seiten in diesen Werken kennen ler
nen , ohne mit einiger Genugtuung die Unterschiede zu fühlen,
welche B o 1 z a n o’s Behandlungsart von der in unserer Zeit belieb
ten auseinander halten, Seine Sprechweise ist eine so ge-
159
meinverständ liehe, dass sie Jemand, der nur überhaupt
deutsch versteht, kaum irgend wie missverstehen kann; sie ist
sonacli genau so, wie sie auch bei jedem Andern beschaffen
sein musste, der sich das Ansehen gibt, das Latein aus dem
Unterrichte — der Gemeinfasslichkeit wegen — verban
nen, und die Schätze des Wissens nicht einer Kaste, sondern
dem Volke öffnen zu wollen. Die Grundsätze und Behauptun
gen, die er vorträgt, sind von einer Art, dass man ihnen bei-
zupflichtcn versucht ist, noch ehe man seine Beweise dafür ver
nommen; und diese Beweise selbst sind so, dass ihr Erfinder
jeden im tiefsten Winkel des Lesers auftauchenden Zweifel zu
ahnen scheint, um mit ihm auf das vollkommenste in das Klare
zu kommeu.
Müssen diese und ähnliche Eigenschaften jeden Leser für
den Verfasser gewinnen; so wird der eigentliche wissenschaft
liche Kenner mit Ueberraschung gewahr, wie hinter dieser
anspruchlosen , umgangsmässigen Redeweise die alten Probleme
der Forschung ganz unvermerkt ihre langersehnte Antwort fin
den. Anfangs traut er seinem eigenen Urtlieile nicht und kommt
wohl gar, weil die fremden tiefsinnigen Terminologien fehlen
und alles so deutsch und splitternackt zutage liegt, auf die Ver-
muthung, es seien diess dieselben Fragen nicht, die von Anbe
ginn die philosophische Welt bewegen; er hält sonach jeden
Ausspruch, der sich ihm aufdringt, zurück und will lieber die
Stimme Anderer erwarten, die scharfsichtiger als er die selt
same Fata-Morgana zerstreuen und unwidersprechlich nachwei-
sen werden , wie diess alles doch am Ende wieder Nichts sei
und der alte Knoten noch immer unberührt zur Qual künftiger
Jahrhunderte übrig bleibt. Indess — die andern Stimmen lassen
noch bis zur Stunde auf sieh warten. Die Scharf- und Tiefsin
nigen schweigen sammt und sonders, entweder weil sie die Schrif
ten noch gar nicht kennen, oder weil ihnen stets wahrscheinlicher
wird, dass sich wenig von Belang dagegen sagen lässt.
Zu dieser Ansicht linden sie nämlich in der That mehr
als eine Veranlassung. Einmal schon können sie nicht leugnen,
dass sie gar manches was sie bei dem einen Philosophen wahr
gefuudcu, mit den Meinungen eines andern nicht zu reimen ver
mochten, während sie alles was ihnen wo immerher als Wahres
160
bekannt geworden, bei Bolzano einträchtig' beisammen finden.
Ein Zweites ist, dass so mancher philosophischen Behauptung
vor jeder neuen Entdeckung in den E r f ahr n ngs wis s e nsch af-
ten bangen muss, während die Lehrsätze Bolzano’s in jeder
neuen Thatsache der Geschichte oder Naturkunde, wofern sich
diese nur selbst bewährt, immer nur eine neue Stütze und neue
Bestätigung erhalten. Nicht anders in der Ethik, in Rechts-, Staats
und Schönheitslehre. Ueberall gab es Räthsel, welche die Theo
rie nicht zu lösen wusste, Antinomien zwischen Wissenschaft
und dem gesunden Menschenverstände; bei Bolzano braucht die
erstere in keinem einzigen Fall böse, unrecht oder unschön zu
finden, was der letztere als gut, recht oder schön erkennt. Es
wird diess Niemanden unwahrscheinlich sein, wer bedenkt dass es
unser Denker, der endlich einmal über des obersten Sittenge
setzes wahren Inhalt, den er in der Förderung des grösst-
möglichen Wohlseins alles Geschaffenen sucht, kei
nen weitern Zweifel aufkommen lässt, indem er diesen Satz,
der wenigstens dunkel in jedem Wunsche, in jedem Wollen
zum Dasein kommt, nicht bloss zum deutlichsten Bewusstsein
erhoben, sondern auch nachgewiesen hat, dass jedes andere
Gebot, so Andere an dessen Stelle gesetzt, entweder ohne wirk-
lichen Inhalt oder geradezu falsch, oder wofern wahr doch schon
völlig oder zum Theil in dem seinigen enthalten sei. Kein Wunder,
dass ein so allgemeiner Satz, dem keine freie Handlung zu ent
gehen vermag, bei Bolzano auch einem R e chts b eg r i ff ver-
stattet, der, so wenig er in unsern Tagen Anerkennung findet,
dennoch derselbe ist, den von jeher jeder rechtliche Mensch,
jeder bewunderte Staatsmann und Richter, nicht selten in gera
dem Widerspruch mit der Theorie, der sie folgten, in ihren
Anordnungen und Rechtssprüchen festgehalten. Selbst in der Re
ligionslehre zeigt sich die Paradoxie, dass unser Weiser einen
Offenbar uugsbegr i f f erforschte, welchen auch derjenige
nicht zu verwerfen braucht oder vermag, der an Strauss’s oder
Feuerbach’s Schule glaubt, ohne doch die Bedeutung des Wor
tes „Offenbarung” zu dem viel allgemeinem Sinn eines blossen
„Bekanntwerdens” verflachen zu müssen.
Woher nun diess alles? Wie ist alles diess möglich?
Diess wird begreiflicher finden, wer nicht an dem Vorurtheil
161
leidet, es könne aus Galiläa nichts Gutes kommen, wer sich die
Mühe nimmt, Schriften, die bisher kein Aufsehen gemacht, darum
nicht für geringer zu halten. Vor allem gibt die „Wissenschafts
lehre” Aufschlüsse hierüber, die auch klar genug nachzuweisen
sucht, dass jedes Philosophien schon darum nicht gelingen
konnte, weil gleich der erste Satz, von dem man ausgehen
zu müssen glaubte, kein solcher war, wie ein streng wissen
schaftlicher Vortrag ihn verlangen muss. In dem allerdings löb
lichen speculativen Streben nach einem solchen verwechselte
man zuletzt zwei himmelweit verschiedene Dinge: Sätze und
Thatsachen, W a h r h e i t und Wirklichkeit, S p e c u 1 a-
tion und Erfahrung; identificirte beides und übersah es
völlig, dass ohne ein Drittes, ohne Wahrheiten an sich
oder objectivc Wahrheit weder irgend ein Wirkliches —
Gedanken, noch auch die wirklichen Gedanken selbst irgend
einen — Stoff haben können. Diess ist nun der merkwürdige
Satz, von welchem Bolzano ausgeht, und er ist neu und eigen-
thümlich genug, um zu erklären, wie dem Erfinder desselben
dadurch möglich geworden, noch soviel anderes Neue und Un
erwartete zu entdecken. Dass diesem Satz keine der Eigen
schaften fehlt, die man von einer Behauptung zu fordern berech
tigt ist, welche an die Spitze eines philosophischen Vortrags
treten will, darüber kann die „Fuudamentallehre” (Logik
I- S. 69) den gehörigen Nachweis geben; und dass ihn Bolzano
in seiner ganzen Fruchtbarkeit für die Wissenschaft erkannt
und mit der umsichtigsten Folgerichtigkeit zu benützen verstan
den, wird Keinem entgehen, der sich den cigenthümlichcn Ein
druck erklären will, den Bolzano’s BcgrifTserklärungen machen,
oder wer den Grund finden will, warum seine Beweisführungen
mit so tief wurzelnder Zuversicht im Gcmüthe haften. — —
Doch genug; der Schatten des Verklärten winkt mir zu
schweigen; wollte er doch, als er unter uns noch wandelte,
nicht Loh und Ehre sondern nur Prüfung und Wahrheit.
Daher nur noch wenige Worte, die den Schreiber dieser Zei
len betreflen. Wenn dieser, der auf keinem Gebiete sich den
Gelehrten zuzählcu darf, die Frage sich vorlegt, wie er dazu
komme, mit vorliegender Gabe aufzutreten: so weiss er selbst
•uchts anderes zu sagen, als dass er zu ßolzano’s ältesten Schii-
Sitil», d. philos. histor. CI. Jahrg. 18i9. VIII, Heft- 13
162
lern gehöre, dass ihn. der lleimath entrissen, Bolzano bis ans
Ende mit seinen Briefen geehrt, ihm gestattet hat, ein Tlieil-
nehnier und Förderer seiner Studien zu sein, dass er ihn zum
Miterben seines Nachlasses ersehen und somit ermuthigt und
berechtigt hat, dem Verklärten durch die Veranstaltung einer
G e samm tausg ab e, die auch bisher Ungedrucktes enthalten
soll, ein Denkmal zu setzen, das sich der Verewigte um ihn,
um alle seine Schüler und Leser, um Wissenschaft, Staat und
Kirche, um die ganze Menschheit, die seine einzige glühende
Leidenschaft war, durch treueste Erfüllung jeder leisesten Pflicht
für alle Zukunft verdient hat.
Die Classe drückt dem anwesenden Geschenkgeber ihren
besten Dank für diese werthvolle Gabe aus.
Herr Regierungs rath A r n e t h las einen Th eil eines Aufsatzes
des Herrn Jodok Stiilz: „Die Jugend und Wanderjahre des
Grafen Franz Christoph von K h ev enhil 1 er nach seinen eige
nen Aufzeichnungen. — ”
Franz Chris t o p h Kh c v e nh i 11 e r zu Aichelberg, Frei
herr auf Landskron und Wernberg, wurde zu Villach am 21.
Februar 15SS geboren, kam 1595 nach Gratz, ging mit seinem
Schwager, Grafen von Stubenberg 1603 zu Zriny’s Begräbniss
nach Tschakathurn. Im 16. Jahre trat er 1604 mit seinem Hof
meister Christoph Widergut eine Reise zu seiner Ausbil
dung nach Wälscliland über Pontafel, Trcviso, Venedig an, wo
er 1605 durch den kaiserlichen Gesandten Grafen von Croy
dem Dogen und dem Rathe vorgestellt wurde, nach einem Ein
Jahr langen Aufenthalte zu Venedig und Padua, reiste Khevenhiller
nach Florenz. Während seiner 15monatlichen Anwesenheit da
selbst , die er zu seiner wissenschaftlichen wie körperlichen
Ausbildung benützte, geschah Mehreres, das eine ausserordentliche
Bewegung in Florenz hervorrief; wie der Tod des Papstes Cle
mens VIII., die Wahl Alexanders von Medici, dessen Tod und die
Vermählung des Erbprinzen Cosmo mit der Erzherzogin Magdalena,
Tochter Carls von der Steiermark. Am 4. Sept. 1606 verliess
Khevenhiller Florenz und betrat den 17. Rom. Mit mehreren
vom deutschen Adel besah er Rom und Neapel, kam am 26.
163
October nach Mailand, ging nach Genua, entwarf hei jedem
merkwürdigen Orte eine Geschichte desselben und seiner Se
henswürdigkeiten und langte am 30. März 1607 wieder in Kla
gen iurt an. Im Jahre 1607 erbte sein Vater die Familiengüter
in Ober-Oesterreich. Khevenhiller ging dahin, dann nach Wien,
unternahm eine Reise nach Frankreich und langte im December
in Paris an, durchreiste im Jahre 1608 das nördliche Frank
reich, schiffte nach England über, ging nach Holland, küsste
den berühmtesten Feldherren der damaligen Zeit, dem Marquis
von Spinola und Moritz von Nassau die Hand. Nach abermali
gem dreimonatlichen Aufenthalte in Paris durchreiste Kheven
hiller das südliche Frankreich und weilte am längsten in Lyon,
wo er das Zurückberufungsschreibon seines Vaters erhielt.
Er kehrte über Genf, Schaffhausen, Ulm zurück. Diese Jahre
1608 und 1609 waren für Oesterreich betrübt wegen des Be
nehmens des Erzherzogs Mathias gegen seinen Bruder, Kaiser
Rudolf II.; Khevenhiller lernte im Jahre 1610 den Erzherzog
Ferdinand kennen. Am S. November ermahnte ihn sein Vater
alle Denkwürdigkeiten aufzuschreiben. Durch Befolgung dieser
väterlichen Ermahnung erwarb sich Khevenhiller unendliche Ver
dienste. Khevenhiller begleitete den König Mathias nach Prag,
Schlesien und nach Wien, wo am 4. December 1611 durch
Cardinal Dietrichstein die Vermählung des Königs Mathias Statt
fand. Nach dem im Jahre 1612 erfolgten Tode Kaiser Rudolfs
war Khevenhiller im Gefolge Königs Mathias auf der Reise nach
Prag und nach kurzem Urlaube ging er dem Kaiser bis Nicols
burg entgegen. 1613 vermählte sich Khevenhiller und verlor sei
nen Vater; er begleitete den Kaiser nach Pressburg und Regens
burg, 1614 auf den Landtag nach ßudweis und war geistig mit
Kiesel und Marcus Sitticus, und körperlich mit manchem Ringelren-
nen beschäftigt. 1615 war Khevenhiller auf dem Landtage zu Prag.
Herr Dr. Robert Zimmer mann liest als Gast nachste
henden Vortrag:
U e b e r den wissenschaftlichen C h a r a k t e r u n d
die philosophische Bedentung Bernhard Bolz ano’s.
„Es kann kein Schriftsteller, welcher mit schüchternem
MutSte sich zum ersten Male vor die Augen des Publicnms wagt,
13 *
164
so ängstlich um das Qu!en-dira-t-on hei seinem Werke besorgt
sein, als Schreiber dieses bei seiner Vorrede. Er ist weder
Professor der Logik , noch der Philosophie überhaupt, dennoch
hat man das Vertrauen zu ihm gefasst, das vorliegende, in jedem
Sinne neue und an Geist wie an Gehalt gleich reiche Werk in
die literarische Welt einzuführen. Man hat geglaubt, er werde
ein offenes Ohr für die Wahrheit haben, die es vorträgt, und
die eben nichts Weiteres voraussetzt, als die Fähigkeit des rei
nen Vernehmens und Auffassens.”
Mit diesen Worten, durch welche der verstorbene vortreff
liche Heinroth seine schöne Vorrede zu der Wissenschaftslehre
des verewigten Denkers einleitete, dessen Namen unser Vortrag
trägt, glaubt auch der Vortragende sich rechtfertigen zu müs
sen , wenn er es unternimmt, die Uebergabe der Bolzano’schen
Wei'ke an die kaiserliche Akademie der Wissenschaften mit eini
gen Worten über den Character und die Bedeutung dieses Man
nes zu begleiten. Auch er ist weder Professor der Philosophie,
noch sonst verwegen genug, sich in die Reihe derjenigen drän
gen zu wollen, die hier zunächst ein Urtheil abzugeben beru
fen sind. Er folgt allein dem Zuge seines Herzens und der aus
offener, aufrichtiger Wahrheitsliebe hervorgegangenen Verehrung,
mit der sowohl langjähriger persönlicher Umgang mit dem Ver
ewigten , als unbefangenes, parteiloses Studium seiner der ge
lehrten Welt seit Jahren schon vorliegenden Schriften ihn er
füllt haben, indem er sich gestattet, den Mitgliedern der ersten
wissenschaftlichen Anstalt der Monarchie das Bild eines Mannes
zu entwerfen, der seit einer langen Reihe von Jahren die Zierde
und der Stolz der bis zum Jahre 1S4S einzigen Gesellschaft
der Wissenschaften auf österreichischem Boden gewesen ist.
Bolzano gehörte zu den seltenen Männern, bei welchen der
äussere Mensch ein vollkommener Abdruck des Innern und von
deren wissenschaftlicher Bedeutung der persönliche Character
fast durchaus nicht zu trennen ist. Seine Wissenschaft, wie
sein Leben, stand unter der Herrschaft eines gemeinsamen ober
sten Grundsatzes , den er selbst nicht kürzer und schlagender
zu bezeichnen wusste, als: Glücklich zu sein und glücklich zu
machen, das sei der Menschen Bestimmung! Beförderung des
allgemeinen Wohles, die grösstmögliohe Summe des Besten, sei
165
es im Leben, sei es in der Wissenschaft, war der Inhalt, des
sen fortdauernde Entwicklung; seine gelehrte Beschäftigung so
wohl, als sein persönliches Lehen sich zur unausgesetzten Auf
gabe machten. Sich seihst über die Stellung prüfend, welche
seine eigenthümliche Befähigung ihm in den wissenschaftlichen
Bestrebungen seiner Zeit zuweise, und durch deren Ausbeutung
er den grössten ihm möglichen Nutzen zu stiften hollen könne,
erklärte er sich dahin, diese beruhe auf der besonderen Fähig
keit, seine eigenen Begriffe, sie mögen was immer für Gegen
stände betreffen, sich zu verdeutlichen und zu einer Stufe
von Klarheit zu erheben, welche Anderen bisher wenigstens
nicht im gleichen Grade zu erreichen gelungen sei. Auf das In
nigste überzeugt, dass nicht der kleinste Thcil der Verirrun
gen, welche unsere Zeit wie auf wissenschaftlichem, auf fast
allen andern Lebensgebieten oft mit bitteren Folgen zu büssen
habe, nur aus dem Verbreitetsein unklarer, irriger oder gar
schädlicher Begriffe über die wichtigsten religiösen, politischen,
sittlichen, und in letzter Instanz logischen Gegenstände mit trau
riger Nothwendigkeit sich ergebe, richtete er sein ganzes Augen
merk dahin, unklaren und falschen Begriffen einerseits zu steuern,
andererseits richtige und deutliche an ihre Stelle zu setzen.
Das Eine wurde Aufgabe seines öffentlichen und Lehrer-, das
Andere Zweck seines schriftstellerischen Wirkens. Undeutliche
Begriffe, pflegte er zu sagen, sind der Quell, aus welchem aller
Irrthum flicsst; denn so verhärtet ist kein Mensch, dass er die
Wahrheit nicht erkenne, oder der erkannten widerstreben wollte,
aber selten ist derjenige, der sie zu erkennen weiss. Mit die
ser Ueberzeugung betrat er den Lehrstuhl und die Kanzel, um
eine Schule von Männern zu hinterlassen, die seitdem theils
gleichfalls auf Kathedern, theils in andern öffentlichen Aemtern
nicht aufgehört haben, sich durch eine seltene Verständigkeit
und Ordnung ihres Vortrages oder ihrer Amtsführung auszuzeich
nen, welche sie Alle übereingekommen sind, diesem Einflüsse
ihres Lehrers zu verdanken. Mit derselben Ueberzeugung nahm
er endlich, als ungünstige, oder sollen wir im Hinblick auf die
zahlreichen Werke, zu deren Abfassung ihm dadurch Müsse
ward, lieber sagen, günstige Umstände ihn ins Privatleben zu
rück riefen, die Feder zur Iland, um an der Durchführung
166
dieser Begriffs Verdeutlichung' in einzelnen wissenschaftlichen Fit*
ehern zu arbeiten. Wo wir ihm immer begegnen mögen, als
Philosophen, als Mathematiker, als Theologen, als Juristen, und
am Abende seines Lebens sogar als politischem Oekonomen, über
all linden wir diess, ihn und diejenigen, welche sich seine Schü
ler und Freunde nennen, cliaracterisirende Streben wieder, in
steter Verbindung jedoch mit dem obersten Grundsätze, nur
dasjenige sei werth, vom Geiste ergriffen und behandelt zu
werden, was irgendwie zur Vermehrung der allgemeinen Glück
seligkeit der Menschen nicht nur, sondern des Alls der empfin
denden Wesen überhaupt etwas beizutragen vermag.
Fassen wir ihn zunächst als Philosophen ins Auge, so leuch
tet dieses Streben gleich anfangs aus der Erklärung hervor,
die er selbst von dieser Wissenschaft gab. In der kleinen, erst
nach seinem Tode erschienenen Schrift: „Was ist Philosophie ?”
nennt er sie: „Die Wissenschaft von dem objectiven Zusammen
hänge aller derjenigen Wahrheiten, in deren letzte Gründe ein-
zudringen wir uns zu einer Aufgabe machen, um dadurch wei
ser und besser zu werden.” Indem er einerseits die sittliche
Wichtigkeit ihrer Lehren zur unerlässlichen Bedingung macht,
um sie von unfruchtbarer, ja schädlicher Speculalion zu unter
scheiden , fügt er auf der andern die ausdrückliche Forderung
hinzu, in den objectiven Zusammenhang der Wahrheiten
selbst, und in ihre letzten Gründe nach Möglichkeit einzudrin
gen. Die moderne Philosophie im Gegentheil hat sich daran
gewöhnt, die Wahrheit selbst nur als ein Product, sei es
des subjectiven, wie der Criticismus, oder des objectiven
Denkens, wie die Dialectik aufzufassen, um wie die Letz
tere demgemäss die Begriffe selbst als etwas Lebendes und sieb
Bewegendes anzusehen, das in stetigem Abflüsse dialeclischcr
Entwicklung begriffen auf verschiedenen Standpuncten verschie
dene Grade von Wahrheit besitzen kann, und es nicht wider
sinnig gefunden, den Begriff ganz ebenso die Sache selbst sein
und in der Entwicklung des Ersteren die Letztere selbst ent
stehen zu lassen. Die Dialectik weist es als blosse „abstracto
Verständigkeit” zurück, zwischen Begriff und dessen Gegenstand,
zwischen Denken und Sein, und den verschiedenen Eigenschaf
ten, welche dem Einen und dem Andern zukommen , zu unter-
167
scheitle«, mul findet die Wahrheit dort, wo die „abstracto Ver
ständigkeit” bisher das stärkste Criterium der Falschheit fand,
in. Widerspruch. Bolzano hat es immer als eine Ehre angese
hen, zu diesem Slandpuncte sogenannter „Vernünftigkeit” sich
nicht erhoben zu haben, und sich über die Verlästerung, die
desswegen gegen ihn laut ward, mit dem Umstande getröstet,
dass er in solcher Verfehmung Männer, wie Kant und II er
bt r t, zu Schicksalsgenossen gehabt. Sein Streben ging viel-
nuhr dahin , die Wahrheit von jedem psychologischen Einflüsse
des Denkens (des absoluten sowohl als des subjecliven) gerci-
iii'get, schlechthin an sich selbst, zum Stoffe philosophi
scher Bearbeitung zu erheben, den objectiven Zusammenhang,
den ihre Sätze ihrer innern Natur nach, nicht erst durch Ver
mittlung eines sie auffassenden Denkens unter einander haben,
zu erforschen, und so ein System, das nicht mehr ein Stück
werk partieller Erkenntniss, sondern der Abdruck der Wahr
heit au sich sein sollte, so weit sie in allem bisherigen Erken
nen enthalten ist, nach Möglichkeit anzubahnen. Daher die Auf
merksamkeit und fast völlige Umstallung, welche er der Logik,
einer seit Aristoteles bis auf Hegel fast unberührt gelegenen
Wissenschaft widmete, als dem eigentlichen Organon, mittels
dessen Wissenschaft und wissenschaftliche Systeme allein zu
Stande kommen können. Daher ferner die sorgfältige Zerglie
derung jedes einzelnen Begriffes bis auf seine letzten und ent
ferntesten Bestandtheile, die genaue Trennung jener Sätze,
welche Erfahrungs-, und jener, welche Vernunftwahrheiten ent
halten, die scharfe Scheidung zwischen Begriffen und Anschauun
gen in unserem Vorstellungskreise, die strenge Forderung, nur
das allein als echt wissenschaftliche Erkenntniss gelten zu lassen,
wo wir nicht allein das Wie, sondern auch das Warum,
oder, wo ein solches nicht vorhanden ist, den Umstand, dass
es nicht vorhanden ist, mit Sicherheit anzugeben wissen. Ucber-
all ist es die Methode, auf welche er vorzügliches Gewicht
legt, überzeugt, dass dort, wo man den richtigen Weg eingc-
schlagen habe, die richtigen Resultate nicht ausbleiben kön
nen. Diese Methode aber ist nichts anderes als die Verdeut
lichung unserer Vorstellungen, unserer Urtheile, unserer
Schlüsse. Aller Irrthum, sagt er, entspringt nur daraus, dass
168
wir entweder Vorstellungen, welche keine Gegenstände haben.
Gegenständlichkeit, oder Urtheilen und Sclilussfoeinen , welche
blosse Wahrscheinlichkeit haben, Gewissheit beilegen. Vor die
sem letzteren uns zu bewahren, kannte er kein wirksameres
Mittel , als genaue Einsicht und Kenntniss der Bestandtheilc
der Vorstellungen, so wie der Natur dieser Urtheile und Schhss-
forinen selbst.
In eigener sorgfältiger Anwendung dieses seines Hauptgrund-
Satzes überträgt er nun jene Einsicht und Deutlichkeit auf die Be
griffe der einzelnen Disciplinen, denen er seine Aufmerksamkeit
zugewandt. Mag er die Kennzeichen der vollkommensten Religion
und einer wahren göttlichen Offenbarung untersuchen, oder die
ersten Grundbegriffe der Mathematik zu seinem Gegenstände wäh
len, immer sind es zunächst die Bestandtheile der einzelnen Begriffe
selbst, welche er aufsucht, zerlegt, und mit einem ans Unglaub
liche grenzenden Scharfsinn meist aus dem dunkeln Taet des
gemeinen Sprachgebrauches zuin klaren wissenschaftlichen Be
wusstsein bringt. Die Resultate, welche er daraus schöpft, so
überraschend sie nicht selten sind, ergeben sich in der Regel
so einfach und ungekünstelt, dass gerade dieser Umstand es
nicht selten gewesen sein mag, der Denjenigen zur vornehmen
Geringschätzung verlockte , welcher dort, wo gelehrte Dinge
verhandelt werden, nur gehäufte Schwierigkeit und doctrinäres
Dunkel zu treffen gewohnt ist. Nur durch jenes erfolgreiche
Streben nach Verdeutlichung seiner Begriffe ist es ihm gelun
gen , an einem der schwierigsten Puncte der christlich-positiven
Theologie, in der Theorie der Wunder den Einwürfen eines
David Strauss, Baur u. a. einen Wall entgegen zu setzen, in
den auch die gelehrtesten historischen Zweifel und glänzend
sten philologischen Entdeckungen nicht Bresche zu schiesseu
vermochten, in dessen Fundamente näher einzugehen uns jedoch
hier zu weit von unserem eigentlichen Thema abführen würde.
Nur so viel sei gesagt: Durch die Erklärung, welche Bolzano’s
„Religionswissenschaft” von dem Begriffe des Wunders gibt,
entgeht die katholische Theologie allen Einwürfen, welche von
Seite der Naturwissenschaft in Betreff der Frage gemacht wer-
den, ob die Wunder selbst natürliche oder übernatürliche,
inner- oder ausserhalb der Naturgesetze erfolgte Begebenheiten
J 69
sein müssten. Dieser seit Jahrhunderten mit solcher Elefligkeil
discutirte Umstand ist sodann kein Gegenstand der Frage mehr,
die vielmehr einzig darauf hinausgeht, oh sich von der Bege
benheit, die wir ein Wunder nennen , ein anderer Grund den
ken lasse oder gedacht worden sei , als dass sie zur Bestäti
gung irgend einer sittlich zuträglichen Lehre als göttlicher
Offenbarung dienen sollte. Wie entscheidend aber die Wunder
theorie für die Kennzeichen der vollkommensten Religion sein
müsse, die ausser ihr nur noch das Criterium der sittlichen
Zuträglichkeit besitzt, ist bei dem nun Jahrhunderte währen
den Streite zwischen den Confessionen des Christenthums und
innerhalb dieser selbst zwischen den Rationalisten und Supra-
uaturalisten, deren Extreme hier gleichmässig vermieden werden,
bekannt genug.
Nicht weniger folgenreich zeigt jenes Streben nach Be-
grifl’sverdeutlichung sich in demjenigen Gebiete, das die Evidenz
seiner Begriffe bisher als seinen Stolz und sein aussehliesscn-
des Eigenthum betrachtet hat, in der Mathematik. Es sei un
möglich, pflegte Bolzano zu sagen, dass ein schlechter Ma
thematiker ein guter Philosoph sein könne, viel eher gab er das
Gegentheil zu, wenn der „gute Mathematiker” nichts anderes
als einen gewandten Rechner und Bearbeiter des mathematischen
Calculs bedeuten solle. Abweichend davon war Bolzano über
zeugt, die Mathematik selbst verdiene den Namen der stren
gen Wissenschaft, den sie so gerne sich beilegt, so lange noch
nicht in dem von ihr in Anspruch genommenen Maasse, als
sie es unterlässt, die wesentlichen Lücken, welche sich in ih
ren ersten Anfängen und Begriffsbestimmungen finden, ihrer
Bestimmung gemäss auszufüllen , und so ihrem weiteren Bau
ein sicheres Fundament zu verschaffen. Die einfachsten Erklä
rungen mathematischer Begriffe, die in den meisten mathe
matischen Lehrbüchern auf den ersten Seiten mehr abgefer
tigt als geordnet und durchgedacht zu werden pflegen, machten
sein hauptsächliches Studium aus. Die Begriffe der Grösse, der
Zahl, des Raumes, der Aehnlichkeit, mit deren Hilfe er eine
durchaus neue noch unwiderlegte Parallcleutheorie bereits in
seinem IG. Jahre fand, und im 24. veröffentlichte, der Beweis
des binomischen Lehrsatzes, die Probleme der Rectification,
170
Uomplanation und Cubirung, die Untersuchung über Haltung,
Richtung und Krümmung der Linien waren es , welche ihn last
sein ganzes Leben hindurch neben philosophischen und theolo
gischen Untersuchungen beschäftigten, und über welche ausser
den bei seinem Leben herausgegebenen einzelnen Abhandlungen
sein handschriftlicher Nachlass, welcher der Herausgabe wartet,
ausführliche und beinahe das ganze Gebiet der Mathematik in
gänzlich neuer Darstellung umfassende Arbeiten enthält. Seine
Methode , gestützt auf die richtige Unterscheidung zwischen
Anschauungen und reinen Begriffen Hessen ihn den schon von
dem grossen Leibnitz gehegten Gedanken einer Geometrie
ohne Figuren durch blosse begriffliche Auseinandersetzung fas
sen und theilweise zur Ausführung bringen, welche Raumwissen
schaft direct entgegen der Ueberzeuguug aller dem Ansehen
Euclid’s und Kant’s huldigenden Denker nirgends aus der An
schauung des Raumes oder räumlicher Figuren abgeleitet werden
sollte. Leider haben wir dabei den Verlust eines umfangreichen
Manuscriptes, welches unter dem Titel „Anlieuclid” eine schritt-
und satzweise Widerlegung des berühmten und scheinbar unan
greifbaren Vaters der Geometrie enthielt, zu beklagen. Dieser
Verlust ist um so schmerzlicher, als die schlagende Widerle
gung der bisher für allein seligmachend gehaltenen Methode in
der Geometrie zugleich den nachdrücklichsten Beweis für die
Vorzüglichkeit der neuen, welche sich ausschliesslich in Begrif
fen statt in Anschauungen und Figuren bewegt, würde geliefert
haben. Wie sehr die letztere von der bisher gewöhnlichen ab-
weiche, dafür mag der einzige Umstand zum Beweise dienen,
dass der wichtige Begriff der Aehnlichkeit räumlicher Figuren,
der nach der Euelidischen Vortragsweise erst weit hinter der
Parallelenlehre entwickelt zu werden pflegt, unter den ersten
Begriffen der Raumlehre erscheint, und die Theorie der Paral
lelen selbst, sowie die Lehre von den congruenten Figuren erst
auf denselben gebaut werden. Nach zehnmaligem Misslingen hat
Legendre in der X. Auflage seiner Geometrie endlich denselben
Weg zum Beweise des 11. Axioms zu gelangen eingeschlagen,
aber auch dieser Versuch musste scheitern , da er den Begriff
der Aehnlichkeit sich nicht zu derjenigen Präcision erhoben
hatte, und nicht erheben konnte, da ihm die liiefür entscheiden-
171
den Erklärungen Bolzano 1 !; von dem, was Anschauung und was
reiner Begriff sei, fehlten. — Es ist keine Anmassung, wenn
wir zu behaupten wagen, dass die Bolzano’sche Bestimmung
des Begriffs der Aehnlichkcit allein , verbunden mit der eben
so wichtigen des Begriffs vom Raume, die fast in allen moder
nen Geometrieen fehlt, schon hinreiche, der gesammten wissen
schaftlichen Raumlehre eine andere Gestalt und diejenige Form
zu geben, in welcher sie auf den Rang einer objectiven, durch
und in sich zusammenhängenden reinen Begriflfswissenschaft allein
Anspruch machen darf.
Von der Mathematik zur Aeslhetik scheint ein grosser
Sprung, und doch hat sich dasselbe Princip, dessen Anwendung
so wesentlich auf philosophischem, theologischem und mathema
tischem Gebiet thätig war, auch auf dem ästhetischen in Bol-
zano’s Hand als fruchtbar erwiesen, liier, wo es seit lange
für eine Art Canon gilt, dass ästhetische Begriffe sollen wohl
gefühlt aber nicht deßnirt werden können, wo man eben desshalb
sogar Anstand genommen hat und noch nimmt, die Schönheits
und Kunstlehre den philosophischen und nicht vielmehr den
empirischen Wissenschaften einzuverleiben , hat die scharfe Sonde
Bolzano’s einen Grad streno-wissenschaftlicher Behandlung in der
Bearbeitung und Zergliederung ihrer Begriffe zu erreichen ge
wusst, wie er bisher noch unbekannt, ja nicht selten geradezu
verpönt war. ln seiner Abhandlung vom Begriffe des Schönen,
dem vieldeutigsten und scheinbar unbestimmtesten der ganzen
Begriffswelt, liefert Bolzano eine vollkommen strenge Zergliede
rung desselben, und zugleich ein Muster, wie seiner Ansicht
nach bei Behandlung eines jeden wissenschaftlichen Begriffes,
um ihn zur völligen Deutlichkeit zu bringen, vorgegangen wer
den müsse. Diese Abhandlung, in den späteren Jahren seines
Lebens verfasst, ist das schönste Zeugniss, wie sich der bei
nahe unausgesetzt auf den Gebieten der abstractesten Wissen
schaft einheimische Forscher ein reges und warmes Interesse
für das Schöne und eine Erkcnntniss desselben bewahrt habe’
wie sie vielleicht selbst ausübenden Bildnern in weit minde
rem Grade gegönnt ist. Unwillkiihriieh dringt sich bei die
sem Anblicke der Klarheit, zu welcher ästhetische Begriffe
gebracht werden können , die Betrachtung auf, welch’ höhere
m
Stufe auch die Kunst uuil Künstler selbst; zu erreichen fähig*
sein müssten, falls ihnen statt des in den meisten Fällen nur
dunklen, richtigen Gefühles, oder statt der häufig sie nur ver
wirrenden, falschen und nebelhaften Theorien so deutliche und
bestimmte Begriffe und Regeln zugänglich gemacht werden
könnten.
Der Raum gebietet uns, hier kurz zu sein, wo wir noch so
Vieles hinzuzufügen hätten , um die Erfolge auch nur in der kür
zesten Weise zu schildern, welche Bolzano’s emsiges Stre
ben nach Verdeutlichung* seiner und fremder Begriffe auf die
sem und anderen Gebieten, insbesondere demjenigen der Moral
und des gesellschaftlichen Zustandes gehabt hat. Treu seinem
obersten Grundsätze der Beförderung der grösstmöglichen Summe
des allgemeinen Wohles, behandelte Bolzano gerade diesen
Theil seiner öffentlichen und schriftstellerischen Wirksamkeit,
da er am nächsten mit practischen Lebensfragen zusammenhiug,
mit der grössten Vorliebe und Aufmerksamkeit. Seine zahlrei
chen Erbauungsreden , von denen nur der kleinste Theil bisher
im Druck erschienen ist, sind eben so viele beredte Zergliede
rungen der wichtigsten sittlichen und gesellschaftlichen Begriffe,
die er, wie Keiner, zur tief-innerlichsten Klarheit und Durchsich
tigkeit zu erheben wusste. Seine Reden über die so vielfach
missverstandene und doch so unentbehrliche Aufklärung , über
das Glück, über die Wohithätigkeit, übertreffen an Schärfe der
Bestimmung dieser durch Missbrauch oder Missverständniss so
oft i verdächtig gewordenen Begriffe Alles, was von Sittenleh
rern alter und neuer Zeit über diesen Gegenstand gesagt oder
geschrieben worden ist. Es ist das Eigenthiimliehe seiner Be
handlungsweise, dass sich am Schlüsse dem Hörer oder Leser
ein Gefühl aufdringt, als habe er das Alles schon längst ge
wusst , ohne es sich selbst deutlich sagen zu können. Es ist
Alles so plan, so schlicht, so klar, so einfach, es bedarf in der
That, wie Hcinroth sagt, nur eines offenen Obres für die
Wahrheit, der Fälligkeit des reinen Vernehmens und Auffassens,
um in Bolzano’s Schriften, auf welchem Felde es immer sei,
Verständlichkeit, Belehrung, und wo man mit der deutlichen,
ungeschminkten Wahrheit sieh begnügt, echte Befriedigung zu
linden, Wahrheit und nichts als Wahrheit, aber deutlich er-
n;?
kannte, nicht eine solche, die sieli in Schwulst und Redens
arten verhüllt, und wo ihr die Begriffe fehlen, sich hinter Bilder
flüchtet, sondern nackte, durchsichtige, objective Wahrheit ist
cs, was uns überall als Ziel und Inhalt Bolzäno’scher Schritt
und Rede entgegentritt, und auch dort sich einmal Boden er
kämpfen muss, wo es bisher an dem offenen Ohre für dieselbe
gefehlt hat. Die letzte Epoche des wissenschaftlichen Lebens in
Deutschland war ein Vorspiel seines jetzigen politischen. Was
nicht stolz und anmassend mit dem grossen Worte auftrat, das
Schätze zu heben und Berge zu versetzen versprach, das wurde
nur zu oft von den streitenden Anhängern der Parteien hei Seite
geschoben und gesetzt; Derjenige, der nichts als ein schlichtes,
unbefangenes Streben nach Wahrheit und Deutlichkeit mitbrachte,
wohl gar als ein gefährlicher Gegner betrachtet, der die zweifel
hafte Dämmerung, in welche sich ein grosser Theil unserer Philoso
phie verbarg und ihr Wesen trieb, nur zu bald in ihr Nichts aufzulö
sen vermöchte. Hohlheit galt nicht selten für Tiefe, Abenteuerlich
keit für Originalität, Keckheit für Selbstvertrauen, und demgemäss
Bescheidenheit für Schwäche, Einfachheit für Leere, Deutlich
keit für Oberflächlichkeit und freudige Anerkennung dessen, was
frühere Denker geleistet und gethan, für längst überwundenes
Zurückbleiben hinter der rasch ins Absolute fortsprengenden
Zeit. Auch für diese Epoche ist das Ende angebrochen. Auf den
halb philosophischen, halb poetischen Rausch ist eine Ernüch
terung gefolgt, die endlich die Gemüther geneigt machen wird,
einzusehen, dass das Heil der Zukunft so lange nicht gesichert
ist, als sich die Menschheit über ihre wichtigsten Angelegenhei
ten in zahllosen theils absichtlichen, theils absichtslosen Irrthü-
meru herumtreibt. Wer diese überwunden haben wird, was das
Werk keines Einzelnen sein, aber doch durch Einzelne ange
bahnt werden kann, der wird als der Retter der Menschheit ge
priesen werden. Die wissenschaftlichen Anstalten, insbesondere
die Akademien, sind die Rüstkammern, in welchen die geisti
gen Waffen der Menschheit geschmiedet, geschliffen und aufbe
wahrt werden. Möge auch die unsere, auf welche die Augen
von 36 Millionen Menschen mit froher Erwartung sehen, den
nicht geringen Beitrag, den ihr die Werke ihres Landsmannes
Bolzano in ihrer wichtigsten Aufgabe, richtige Begriffe unter
174
jenen Millionen zu verbreiten, nach unserer innigsten Ueberzeu-
gung zu leisten vermögen, nicht zu niedrig anschlagen, und dem
Verewigten in ihrem Gedächtnisse denjenigen Platz anweisen,
der Jedem gebührt, der, wie er, durch ein mehr als sechzig
jähriges, der Wissenschaft und dem Wohle der Menschheit wie
kein anderes gewidmetes Lehen ein Wohlthäter nicht nur sei
ner nächsten Landsleute, sondern der gegenwärtigen und zu
künftigen Menschheit geworden ist.
Sitzung vom 31. October 1849.
Freiherrn Hammer-Pnrgstall’s Fortsetzung des
Berichtes über die in den letzten vier Jahren
1845, 46, 47 und 48 zu Consta ntinnpel gedruckten
und litho gr ap hirte n Werke.
In diesem Jahre erschienen auch lithographirt unter der
Aufsicht Saaid Efendi’s das Risalei Birgcwi *) , d. i. die
dogmatische Abhandlung Birgeli’s, der türkische Katechis
mus 96 Seiten in Oetav und ein Sinirname ") (Sehnenbuch),
nur 12 Oclavseiten stark; es handelt von den guten oder
schlimmen Vorbedeutungen, welche aus den Nervenzuckungcn
der verschiedenen Glieder abzunehmen sind. Diese Art wahrzu
sagen bildet als Orgasmoiuaulik einen besonderen Zweig der
arabischen Prognostik und heisst auf arabisch iI m ol-1chli
la dscli, d. i. die Wissenschaft der Gliederzuckungen 3 ), jede
Seite ist in sechs Columnen eingelheilt, deren erste (von der
rechten Hand zur linken) den Namen des zuckenden Gliedes
enthält, die fünf anderen aber die Auslegung dieser zuckenden
Bewegung von fünf der grössten Gelehrten dieser Kunst, näm-
*) “all-y
~) Durch einen fehler der Lithographie, indem die obere Hälfte des Ssag-
hirnun im Steindruck ausgeblieben, steht auf der letzten Seite A* li
statt Xo ti^Sw
• 1 ) Encyc lopädische Uebersicht der Wissenschaften des Orients. S. 174.
lieh A1 e x a n d e r (Appolonias) , Daniel, S o li e i 1, S c I-
man dem Perser, welcher der Barbier Mohammcd’s war und
Dschafer Ssadik dem sechsten Imam, von welchem sich alle
mystischen und kabbalistischen Wissenschaften der Araber her
schreiben. Wiewohl das Ganze nur aus sieben Blättern besteht,
so ist dasselbe doch des an diese Gliederzuckungen gehefteten
Aberglaubens willen merkwürdiger, als so viele andere zu Con-
stantinopel lithographirte Kleinigkeiten oder Unfläthereien. Die
Zahl der Glieder, deren Zuckungen hier fünffach ausgelegt
werden, sind in Allem 149, auf jeder Seite (die erste und letzte
ausgenommen), vierzehn; auf der ersten sieben, nämlich 1. wenn
der ganze Kopf zuckt, 2. wenn der Hinterkopf zuckt, 3. wenn
der Vordertheil des Schädels zuckt, 4. wenn das Mittel des
Kopfes zuckt, 5. wenn die rechte Seite des Kopfes zuckt,
6. wenn die linke Seite des Kopfes zuckt, 7. wenn die Stirne
zuckt, u. s. w.
Im Jahre 1262 d. II., welches am 30. Dcccmber 1845 be
gann , erschienen:
(256) Kawaaidi farsije ‘), d. i. die persischen He
geln, eine kleine türkische Grammatik des Persischen, gedruckt
Ende des Monats Dscheniasiul-ewwel des Jahres 1262, d. i. Ende
Mai 1846, Klcin-Octav, 74 Seiten; die ersten 49 Seiten ent
halten die Regeln , die letzten 33 die Abwandlung des persi
schen Zeitwortes, welches auf eine sehr unzweckmässige Weise
in die Form der arabischen Abwandlungstafeln (el-Emsilct el-
mochtelifet) gezwängt ist.
(257) . Tcfsiri Jes li Ham am i 3 ), d. i. der Commen-
tar der Sure Jes, d. i. der XXXVI. von Hamamisade, ge
druckt in der Mitte Schäban’s d. J. 1262, d. i. im August 1846.
49 Seiten, Klein-Quart, arabisch.
(258) . S cli er hui A m al i 1 i Ali el-Kari 3 ), d. i. Com-
mentar der Kassidet Amali, gedruckt im Redscheb d. J. 1262,
*)
) ^ jy^su
:1 ) cSjUM
176
(Julius 1848) Octav, 56 Seiten; die Kassidct Arnali enthält
in 70 Distichen die Dogmen des Islams, der Verfasser dersel
ben ist der Scheich Ebul Hasan S i ra d sc he dd in Ali Den
OsiiHin el-Ausi, der arabische Commentator Ali Ben Sul-
1; a n 1 I) n M o h a m m cd e 1 - K a r i, d. i. der Leser des Korans,
gestorben 1016 (1607).
(259) . iVl a n f u m e f u r u b i e m s a 1 1 J, d. i. gereimte
Sprichwörter, gedruckt im Redscheb 1262, d. i. im Julius 1846,
Octav, 25 Seiten, eine kleine aber sehr schätzbare Sammlung
türkischer Sprichwörter des türkischen Dichters Hiffi. Die
Geschichte der osmanischen Dichtkunst kennt zwei Dichter die
ses Namens , welche beide im sechzehnten Jahrhundert lebten,
und deren einer Professor unter dem Namen Ssari Memi,
d. i. des gelben Memi bekannt, der andere ein gemeiner
Soldat war “), wahrscheinlich ist der erste der Verfasser der
Sprichwörter.
(260) . Sch er hi ebjatil kjafijet wc Dschami ü ),
d. i. die Erläuterung der Verse des Kjafijet, d. i. der be
rühmten Syntax I b n II a d s c h i b's und des über dieselbe vom
grossen Dichter Dschami verfassten berühmten Commcntars
gedruckt Ende Schewwals 1262, d. i. Ende Octobcrs 1846,
Klein-Oclav, 57 Seiten, es sind in Allem 67 Distichen; der
Verfasser des Commentars ist Ali Ben Osman von A k-
scher; an diese kleine Schrift ist unmittelbar ein türkisches
Gedicht von 53 Distichen unter dein besonderen Titel M o r-
s c hi d eth-Tholab 4 ), d. i. der Leiter der Studircnden mit
besonderer Zählung von sechs Seiten angcliängt, welches für
die Littcraturgeschichte und die Kcnntniss des türkischen Un
terrichtswesens schätzbar, weil es die Ouellenwcrke von allen
Wissenschaften, welche auf osmanischen Medreseen gelehret
werden , angibt; diese Wissenschaften sind : 1. die Lesekunde
•»
4 ) \
177
des Korans nach D sc liefe ri und Sch at hi bi, 2. die Gram
matik nach den bekannten Compendien des Makfsud, Ifi,
Mirah und der Schafije, 3. die Syntax nach der Kjafijet
dem Commentare Dschami’s und Ossameddin’s, 4. die
Rhethorik nach dem Mochtassar und Mothawwel, 5. die Lo
gik nach der Eisagoge des Porphyrius, nach den Werken Pena-
ri’s, Kara Daud’s, D s c hör d sch ani’s Aam a d e dd in’s und
dem Tehfih Tefta fan i’s; 6. die Polemik nach dem AdabiMir,
SchachHusein und den Randglossen Mesud’s; 7. die Philoso
phie nach Kafim i r, Lari, nach dem Hikmetol-Ai n undSeid
Mirfa Dschan, 8. die Astronomie nach dem D s c haghmini,
9. die Geometrie nach dem Tesisul-Efchkjal und Kafi-
fade; 10. die Wissenschaft der Ephemeriden nach Ulugh Beg
und Mi r e m T s c h e 1 e b i 11. die Arithmetik Behaeddi n’s,
Ramadlian’s, Ihn Dscheli’s und Ab de r rahim’s ; 12. die
Wissenschaft der Erbtheilungen nachSedschawendi, N e d s ch-
m e d d i n und Seid (Dschordschani) ; 13. die mystische Zah-
lenkuude (Ilmi WikfJ nach M o s s u 1 i; 14. die Räthselkunde
nach Mir Hasein; 15. die Prosodie nach Chafredsclii
und A n d a 1 u s i; 16. die Grundlehre der Rechtsgelehrsamkeit
nach dem Minar, Ihn Me 1 i k , R e h a b i, nach dem T e 1-
w i h, T e w d h i h , Hasan Tsclielebi, Ihn K e in a 1, und
dem Commentare des Mo nt eh a; 17. die Grundlehren der
Ueberlieferung nach dem Commentare des Nochbet und der
Elfije Ibness - fsalali’s ; 18. die Auslegungskunde des
Korans nach dem Bur hau und Ittikan; 19. die Rechtsge
lehrsamkeit, nach dem Multeka und dem Dürrer; 20. die
Ueberlieferung nach Bochari, Ihn Melik, dem Massabih,
nach Beidhawi und dem Keschaf; 21. die Dogmatik nach
Dschelale dd i n und dem Commentare Selkuti’s; 22. die
persische Philologie aus Sc hallidi, Hafif und dem Mantliik
eth-thair des Scheich Aatlithar; auf die Wissenschaft des
Inneren d. i. die Mystik lässt sich der Verfasser, der sich
Nedscliati nennt, und diese Belehrung im Schewwal 1262
schrieb, nicht ein; er meint diess genüge zur allgemeinen Bil
dung und räth dem Schüler nur um Gottes willen zu studieren,
und nicht um Mufti oder Muderris zu werden, oder um durch
die Wissenschaft den Feind zu besiegen.
Sitib. d. Philosoph, histor. CI. Jahrg. 1849. VIII. Heft. 14
It8
(261) . Feraidul fewaid fi bejanil aakaid 1 ), d. i.
die Zahlperlen der Vortheile io der Erklärung der Glaubensar
tikel von Ahmed Mohammed Emin, gedruckt Anfangs Sil-
kide 1262, Anfangs November 1846, Klein-Octav, 319 Seiten;
ist eine zweite Ausgabe des im Jahre 1219 (1804) zu Constan-
tinopel gedruckten dogmatischen Werkes, welches der Sultanin
Chadidsche, Schwester Sultan Selims III. gewidmet ist 3 ).
Statt des obigen Titels, der auf dem Titelblatte der ersten
Ausgabe zu lesen, steht auf der zweiten Ement scher hi, d. i.
Commentar des Ich glaube, auch fehlt in dieser zweiten Aus
gabe die Zueignung an die Sultanin, welche sich auf der ersten
Seite der ersten Ausgabe findet.
(262) . Tohfe scherhi m u nt a ch ab L ebib s ), d. i. der
auserwählte Commentar des Tohfe von Lebib, gedruckt in
der Mitte des Monats Silkide 1262 (Hälfte Novembers 1846),
Gross-Octav, S. 301, das kleine persisch türkische Glossar
Wehbi’s ist allbekannt; ein sehr guter Commentar desselben
von Ahmed Hajati Efendi erschien zu Constantinopel im
Jahr 1237 (1822 »); der Verfasser des vorliegenden Lebib
Efendi hielt wie er in der Vorrede sagt, diesen neuen Com
mentar keineswegs für überflüssig zum Nutzen der Anfänger,
indem er die für dieselben nöthigen Erklärungen aus dem per
sischen Wörterbuche Burhani Kathi beibringt. Bei deri fol
genden in diesem Jahre erschienenen Druckwerken, ist das Mo
nat des Druckes nicht angegeben.
(263) . Sejahatnamei Humajun 5 ), d. i. kaiserliches Rei
sebuch, 32 Seiten in Klein-Quart, ist der vom Reichshistorio
graphen Esaad Efendi verfasste Bericht über die in diesem Jahre
von Abdul Medsehid bis an die Ufer der Donau unternom
menen Reise; mit zwei Chattischerif, eines bei der Abreise, das
*) J.J Uai 1 O L Jn 1iyil 1 \
'■) In dem im VII. Bande der osmanischen Geschichte gegebenen Verzeich
nisse S. 589 Nr. 45.
3 ) L" 0
4 ) Eben da Nr- 67.
5 ) Oji Ln
179
andere bei der Rückkunft erlassen und einem von Esaad Efendi
auf diese Reise verfassten Gedichte.
(264) . Taalimati umumije ’), d. i. allgemeine Belehrun
gen, gedruckt am 7. Silkide 1262, d. i. 27. October 1846, Klein-
Quart 17 Seiten; eine politische, sehr merkwürdige Belehrung
für alle Beamten des osmanischen Reichs über ihre allgemeinen
und besonderen Pflichten in den folgenden Abschnitten: 1. von
den allgemeinen Eigenschaften die jedem Beamten der hohen
Pforte nothwendig, 2. von der Bestimmung und dem Benehmen
der Beamten der Verwaltung, 3. von den Pflichten der Finanz-
beamteu, 4. von denen der Justizbeamteu, 5. von der Bestim
mung der Mitglieder der höchsten Rathscollegien, 6. von dem
Dienste und dem Verfahren der Vorsteher der Gerichtsbarkei
ten, 7. Resultat dieser Ermahnungen.
(265) . Gharaibol ilal wel isclitikak alel bina 3 ),
d. i. Seltsamkeiten der Unregelmässigkeiten und der Wortfor
schung in dem grammatikalischen Tractate Bi na; gedruckt
i- J. 1262 (1846), ohne Angabe des Monats, Octav, 32 Sei-
teu. Der Verfasser el-Hadsh Ibrahim Ben Mohammed
el-Jelwadschi, welcher im obigen Jahre als Muderris an
der Moschee Schehfadegan (der Prinzen Söhne Suleiman’s des
Gesetzgebers) stand, sagt in der Einleitung, dass, als er an
der Moschee Sultan Mohammed’s (II.) das Bi na vortrug, er
von einigen Gelehrten um die Erläuterung der in dem Bi na
befindlichen Anomalien und Abstammung der Wörter angegan
gen, dieselbe den Schülern zum Besten türkisch verfasst habe;
dieses Werkehen zerfällt in zwei Theile, deren erster bis Seite
22 das Bi na, die andere von Seite 24—32 die Abwandlungs
tafeln des E m s i I e erläutert.
(266) . Tefaulname 3 ), d. i. das Buch des Loostechens
aus den Buchstaben, gedruckt 1262 (1846) uur 7 Octavseiten,
es ist bekannt, dass die Morgenländer nach der Weise der
1 ) o IfJkÄj
2 ) üi j* jiütf
s )
14 *
180
Sortes Virgilianae mit einer Nadel in den Koran, oder in den
Diwan eines Dichters stechen, und je nachdem die aufgestochene
Stelle eine günstige oder ungünstige, Etwas unternehmen, oder
unterlassen, aber bisher ganz unbekannt ist die in diesem Te-
faulname auf der ersten Seite gegebene Anleitung, das Fal
aus dem Koran zu stechen, indem liier nicht der aufgestochene
Vers, sondern bloss der aufgestochene Buchstabe gilt; nach
dieser Anleitung muss der das Pal Stechende zuerst die gesetz
liche Waschung verrichten, dann zweitens die Fatiha, d. i.
die erste Sure des Korans, die Sure Ichlass, (Sag. Gott ist
Einer; Er ist von Ewigkeit; Er hat nicht gezeugt; Er ward
nicht gezeugt; Ihm gleich ist keiner); hierauf drittens die An
wünschung zu Gunsten des Propheten (Gott sei dem Mohammed
und seiner Familie gnädig, wie Er dem Abraham und seiner
Familie gnädig gewesen), und endlich viertens das Gebet: Es
ist keine Macht und es ist keine Kraft, als bei Gott dem Aller
höchsten, dem Allergrössten! — hersagen, hierauf wird am
ersten Tage des neuen Mondes der Koran mit halbgeschlossenen
Augen aufgestochen, oder bloss geölfnet; der erste Buchstabe
der siebenten Zeile der Seite zur rechten Hand wird angemerkt,
dann wird sieben Blätter weiter gezählt; und wieder der erste
Buchstabe des nächten Blattes gemerkt, diese zwei Buchstaben
werden dann in dem Tefauiname, das nach den Buchstaben
eingetheilt ist, aufgesucht, und der Vers desselben als Aus
spruch des Looses auf den vorliegenden Fall angewendet.
Ausser diesen i. J. 1262 (1846) gedruckten Werken sind
im selben Jahre noch die folgenden lithographirt erschienen:
Das arabische Gebetbuch Hifbol aafam, d.i. die grösste Rü
stung, dessen Verfasser Ali Ben Sultan Mohammed von
IIerat es i. J. 1010 d. H. zu Mekka geschrieben; ein Meister
stück der schönsten heutigen türkischen Calligrapliie im Neschi,
ohne Seitenzahl 120 Blätter, worauf wir zurückkommen werden.
Der Commentar zum Risalet Birgevvi’s von Ssa-
dreddin 1 ) aus Konia, verfasst i. J. 970 (1562), von schöner
Hand lithographirt, aber ohne Seitenzahl und nach Art eini-
181
ger morgenländischen Diwane so geschrieben, dass der Text
von dem Ende der ersten Seite an den Rand derselben, und
von dem Ende des Randes auf die zweite Seite hinüberläuft,
111 Blätter feinen schönen Papieres; dieses ist nun der zweite
zu Constantinopel über das Risalet Birgewi’s erschienene
Commentar, der erste i. J. 1255 (1839), ein Quartant von 279
Seiten ist der Kafifade’s, d. i. des Richters Sohns von Con- •
stantinopel, dessen eigentlicher Name Ahmed Ben Moham
med Emin 1 ).
Risaletul hisab 2 ) d. i. arithmetische Abhandlung, d. i.
eine türkische Uebersetzung des französischen Werkes Vernier’s,
Klein-Octav, 192 Seiten, aus der Lithographie der kaiserlichen
Schule Aadlije, d. i. der von Sultan Mahmud (dessen Bei
name el-Aadli, d. i. der Gerechte), gestifteten; die Anstalt
des Steindruckes heisst hier auf dem Titelblatte: lithografia
destgjahi, d. i. Fabrik der Lithographie auf der letzten Seite
aber des folgenden Werkes mit rein türkischen Wörtern: Stein
fabrik der kaiserlichen Druckerei.
Farsi tekellüm risalesi 3 ), d. i. Abhandlung persi
schen Gespräches, sind persische und türkische Dialoge zum
Besten der Anfänger im Persischen, 49 Seiten, im Quartfor
mate von Gross-Octav, der Verfasser ist auf der letzten Seite
als Fathin Efendi genannt, dem nächsten Herausgeber einer
persischen Grammatik für Europäer empfehlen sich diese Ge
spräche zur nützlichen Aufnahme.
T a c hm i s - ul - B o r d e t 4 ), d. i. die Bocdet Bussiri’s,
das berühmte Lobgedicht auf Mohammed, fünfzeilig glossirt,
von Makssud Resa, 44 Seiten, Klein-Quart. In der Einlei
tung, welche die ersten eilf Seiten füllt, theilt der Verfasser
die Bordet in zehn Abschnitte ein, welche dann auch an dem
Rande des glossirten Gedichtes bemerkt sind und sagt, dass
*) In der Liste der Denkwerke Nr. 167 im Journal asiatique quatrieme Serie
tom I. pag. 247, wo über die Angabe des Druckjahres und Seiten fehlt,
2 ) Älluj
188
ihn vorzüglich die fünfzeilige Glossirung dieses Gedichtes vom
grossen mystischen Seich Mohammed el-Missri, welcher
sich zu Lemnos aufhielt, und dann die siebenzeilige Moham
med en Nahifi’s bewogen habe sich an dieser fünfzeiligen
türkischen zu versuchen; es gehen nämlich jedem arabischen
Verse des Originals vier türkische voraus, zu denen dann der
fünfte als Schluss zur fünfzeiligen Strophe passt.
Diwandschei Suleiman Fehim sani '), d. i. die
Gedichtsammlung des zweiten Fehim“), ohne Seitenzahl 26
Blätter; aus dem kurzen Vorbericht lernen wir, dass der.Ver
fasser die Lebensgeschichte persischer Dichter von Dewlet
Schah übersetzt, den Diwan des persischen Dichters Ssaib
commentirt habe, dass er i. J. 1262 als einer der Codschagan
des kaiserlichen Diwans gestorben sei.
Herr Regierungsrath Arnetb beschliesst die Lesung von
Jod. Stülz’s Aufsatz über: „Kh e v cnh il 1 er’s Jugend- und
Wanderjahre, nach dessen eigenen Aufzeichnungen.'’
Der Kaiser Matthias beruft 1616 den Grafen Khevenhiller
zur Krönung der Kaiserin als Königin von Böhmen nach Prag',
wo ihn Klesl zur Reise nach Spanien aufforderte; dann betrieb
dieser ihn besonders 1617, und K. begab sich am 16. Februar
auf die Reise. Der Graf K. wurde in Augsburg von den Fug
gern, in Burgau vom Markgrafen, in Düsseldorf vom Statthal
ter , und in Antwex'pen und Brüssel feierlich empfangen. Am 29.
März verliess er Brüssel und kam über Paris am 23. April in
Madrid an. — K. sah bald ein, dass es nothwendig sei in Madrid
einen beständigen Gesandten zu haben, und schickte hierüber
sein merkwürdiges Gutachten ein, welches jedoch Klesl nicht
gut aufnahm. Auf 89 Folioseiten behandelte K. den Uskoken-
krieg, der durch den Frieden zu Madrid 1617 beendigt wurde.
Im Jahre 1618 und 1619 klagte K. wie sehr ihn die Hofkam
mer beschädige, da sie ihm ein Guthaben vom 1. Februar 1617 —
30. April 1619 von 105,131 fl. 43 kr. nicht auszahle, er
*) Fehim der erste ist in der Geschichte der osmanischen Dichtkunst
B. III. S. 378.
183
desshalb genöthigt sei alles wegzugeben, seinen Posten zum
Schaden für den Dienst des Kaisers zu verlassen und nach
Deutschland zurückzukehren. Die Nachricht von der Kaiserkrö-
nüüg Ferdinand’sII. erfüllte ihn mit Freude. Den 30. Juli hat Graf
Khevenhiller die „Khevenhiller Histori” angefangen in deutscher,
lateinischer und spanischer Sprache zu schreiben, wie in diesem
eigeien Buche zu sehen. 1620 wurden K.’s Güter z. B. Kogel
von einem nahen Verwandten Karl v. Jörger in Besitz genom
men, Biul als der Pfleger Vorstellungen machte antwortete Jörger:
„man finge hier nichts nach Pfleger, Grafen ja selbst dem Kai
ser, das sei ein Stände Befehl.” 1621 machte K, einen Post
ritt aus Spanien nach Wien um seine Geschäfte zu ordnen;
der Kaiser empfing ihn sehr gnädig und fragte ihn unter andern :
Was mit den confiscirten Gütern zu thun sei ? K.’s Gutachten
bestand darin „dass sie nicht als Eigenthum sondern
nur allein zum Nutzgenusse auf Lebensdauer hin
zugeben seien”. Am 27. December 1621 hatte K. Abschieds
audienz beim Kaiser, der ihn sehr gnädig behandelte. K. ging
über Linz, München, wo ihm Herzog Maximilian von Baiern
eine sehr lehrreiche Denkschrift für Spanien mitgab, und langte
den 1. März in Madrid an. K. sandte immer einen Jahresbericht
über die wichtigsten Ereignisse am spanischen Hofe; der von
1622 enthält eine Characteristik zweier Minister, des Don Bal-
tasar Zuiiiga und des Grafen von Olivarez. Mit 1623 hören
diese Aufzeichnungen auf. —
Die Classe beschliesst, diesen Aufsatz in dem „Archiv der
historischen Commission” abdrucken zu lassen.
Herr Regierungsrath Chmel liest einen Bericht über die
Beistungen des historischen Vereins zu Bamberg, insbeson
dere über die:
„Quellensammlung für fränkische Geschichte, herausgegeben
„von dem historischen Vereine zu Bamberg.” Baireuth,
1849. 2. Hefte. 8.
Unter allen deutschen Ländern hat Baiern seine vater
ländische Geschichte seit beinahe 100 Jahren am sorgfältigsten
gepflegt. Die Münchner Akademie der Wissenschaften, vor 90
184
Jahren gestiftet (28. März 1759) hat dieselbe auf die kräftigste
Weise gefördert. Die Monumenta boica haben zu einer Zeit,
wo alle übrigen Landschaften die Geschichte ihres Vaterlandes
wenig beachteten, reichen Stoff an Urkunden und urkundlichem
Apparat geliefert. Die Regesta boica haben einen beträcht
lichen Theil des Münchner Staats-Archives dem Forscher nam
haft gemacht, und die Abhandlungen der Akademie die schönsten
Vorarbeiten mitgetheilt. In Baiern entstanden zuerst historisch-
archäologische Vereine, welche es sich zur Aufgabe machten,
zu sammeln und aufzubewahren, was aus der Vorzeit erübrigte.
Ihr Wirken wurde meist durch periodische Schriften einem grös
seren Kreise fruchtbar gemacht. —
Unter diesen historischenVereinenistder zu Bamberg keiner
der letzten, wenigstens sind seine Sammlungen sehr reich in
einzelnen Zweigen, auch seine Publicatio n e n sind verdienstlich.
Da über sein Wirken bereits 12 Berichte ausgegeben wor
den sind , wollen wir einen Blick auf dieselben werfen , da die
Geschichte des ehemaligen Hochstiftes Bamberg jedenfalls für
die österreichischen, namentlich die kärnthnerischen Geschichtsfor
scher von grossem Interesse sein muss. — Das Bisthum Bam
berg hatte in Kärnthen bedeutende Besitzungen, unter denen
W o 1 f s b e r g und Villach die bekanntesten. Auch seine
Bergwerke waren ergiebig '). —
Der erste Bericht erschien 1834. Er enthält ausser der
Geschichte der Entstehung des Vereins (Stifter der k. Archivar
Oester reicher) und der Verfassung und Verwaltung des
selben , die bisherigen Leistungen und in kurzer Zeit zusam
men gebrachten Sammlungen, auch die Angabe mehrerer einge
sendeten literarischen Arbeiten und unternommener Ausgrabun
gen; das Gedäclitniss der verstorbenen Mitglieder Schellenber
ger und Rupprecht wird passend verewigt.
*) Früher hatte Bamberg auch in Oesterreich ob der Enns , im Traunkreise
und Hausruckkreise , auch im Lande unter der Enns, nicht unbedeutendes
Besitzthum*). Vergl. zum Beispiele: Fontes rerum austr. II. Abth. Bd. I.
S. 201. (von 1278). Wie nothwendig wäre es, darüber genaue Forschung
anzustellen , die neueren Topographen melden davon gar nichts. —
*) Siehe das interessante Recht der Bambcrget Ministerialen hei Fürth. S. 509
und 510.
185
Der zweite Bericht erschien 1838. 92 S. Octav.
Unter den Acquisitionen erscheint S. 51. Handschrift „1629.
Juli a7 / 8 . Protocoll der Ritterschaft zu Hollfeld aufgenommen:
Hertzog zu Fridlandt besteht darauf, dass statt lVa Compag
nien die 6 Ritterorte 3000 R. Thaler für Alles und Alles monat
lich nach Schweinfurt liefern sollen u. s. w.” (Nr. 80).
„1759. Extract und Ausweis der Gebühren für das Hoch-
„stift Bamberg von den Ausständen der Unterthanen bey den
„gewesten Herrschaften in Kärnthen 14,771 fl. 27% kr. (Nr. 88).
„Kaiser Karl’s VI. Urkunde über die Standeserhöhung der
„II. von Aufseess zu Reichsfreiherrn von wegen der besondern Ver
dienste der Familienglieder um das Reich, vorz. d. bamb. Bisch.
„Frid. (1421 —1432) und eines Kreisobersten, ertlieilt dem Carl
„Sigmund zu Bamberg und Würzburg, Domdechant und Jubil.
„sein. Bruder Alex., und deren Vetter Carl Fridrich mit 2 Brü-
„dern Dietr. Henrich, Carl Henrich, und deren Vetter Henrich
„Christoph, nebst erneuertem auf Pergament mit Farben fein
„gemalten Wappen. Wien 24. Nov. 1714. (Copie, Orig, im
„Freyenfelser Archive) (Nr. 94).
Auch manches unter den Porträten, Kupferstichen und Münzen.
Mit dem zweiten Berichte ward zugleich ausgegeben: Ja
kob Ayrer’s bamberger Reim-Chronik, vom Jahre 900—1599,
zum ersten Male herausgegeben, und mit Anmerkungen verse
hen von Joseph Heller. Gedruckt auf Kosten des histori
schen Vereines zu Bamberg. 1838. 103 S. Im Vorbericht lite
rarische Nachweisung über Ayrer. — Grossen Werth hat diese
Reimchronik nicht, jedenfalls sind die Noten besser als der
Text. —
Der dritte Bericht erschien 1840. 124 S. Octav. Wir be
merken unter den Acquisitionen (Handschriften) (118): Rede des
österreichischen Commissärs an das Domkapitel (zu Bamberg) bei
der Wahl des Fürstbischofs Franz Conrad von Stadion, im J. 1753.
Sehr viele Münzen. Den Verzeichnissen folgt: Inventar und
kurzer Bericht über sämmtliche Alterthums - Gegenstände aus
den heidnischen Grabhügeln in 15 Orten der Pfarreien Ebens
feld, Klenkheim, Uetzing, Kirchschletten, Wodendorf, Arnstein,
Issling, Marktgraiz. Geöffnet auf eigene Kosten in den Jahren
1836—1839 vom Pfarrprovisor L. Hermann. S, 61—83
186
(372 Stücke). Herr Hermann hat eine bedeutende Alterthümer-
Sammlung, die er mit vieler Sorgfalt geordnet hat.
Diesem Aufsatze schliessen sich an die Geschichten von vier
Pfarreien, Büchenbach (vom Pfarrer Goldvvitzer S. 86),
Pettstatt (vom Pfarrer Rascher S. 103), Ebensfeld (vom
Pfarrprovisor Hermann S. 106) und Kleukheim (von dem
selben S. 111—115). Dann „Geschichtliche Nachrichten über den
„Filialort Oberbrnnn, der Pilialort Prächting und die Fi
lialkirche Han, über die St. Valentinus-Capelle bei Unterlei
ber bach, zur Pfarrei Ebensfeld gehörig, aus Pfarr-Acten,
„Monumenten und Sagen gesammelt von L. Hermann, Pfarr-
„provisor zu Issling” (116—124). — Schätzenswerthe Beiträge
zu einer tüchtigen Topographie Baierns.
Der vierte Bericht ward im Jahre 1841 äusgegeben. XL. u.
192 S. S. 8°. Nach der Geschichte des Vereins und der An
gabe des Zuwachses, der den Sammlungen zu Theil wurde (seit
der dritten Berichterstattung wurden erworben: 135 Druck
schriften, 11 Urkunden, Handschriften, Abschriften, 75 Münzen,
37 Kupferstiche, Steindrücke, Holzschnitte, Zeichnungen, Ge
mälde, Karten und Pläne, 9 antiquarische Gegenstände ver
schiedener Art), folgt ein höchst verdienstliches und werthvol
les „Verzeichniss von bambergischen topographisch-historischen
„Abbildungen in Holzschnitt, Kupferstich, Lithographie etc.
„mit historisch-artistisch-literarischen Notizen, von Joseph H el-
„1 e r. Gedruckt auf Kosten des historischen Vereines zu Bam
berg. 192 S.” — Zuerst führt Heller 88 Landkarten von
Franken an, unter diesen hebe ich hervor als für Oesterreich
von besonderem Interesse Nr. 75. Die sogenannte grosse preus-
sische Kriegskarte von Franken. Sie besteht aus 8 Regalbo
gen , und hat auf dem ersten folgenden Titel: „Ausführliche,
„in Form eines Diarii abgefasste Relation der von Sr. k. Ho-
„heit dem Prinzen Heinrich gegen die feindlich österreichische
„und mit derselben combinirte Reichsarmee im Monat Mai 1759
„ausgeführten glücklichen Expedition in Francken.” Anf dem drit
ten Blatte ist: Maj. und Ing. Petri, als Verfasser angegeben.
Unter den Specialkarten ist bemerkenswert!» Nr. 119: „Nova et
„accurata Carinthie Ducatus Tabula geographica, in Superiorem
„et Inferiorem divisa cum insertis partibus Archiepiscopatui
„Salisburgensi propriis nec non Dynastiis aliquot, quae tempore
,.S. Henrici imperatoris circa A. 1007 Episcopatui Bambergensi
„titulo accesserunt, in lncem edita a Jo. Bapt. Homanno etc.
Ldk. F. Auf dieser schönen Karte sind die bambergischen Orte
sehr genau angegeben. Sie befindet sich in Homanns Special-
Atlas von Deutschland. 1735. Nr. 6. — Unter den Abbildun
gen Nr. 413. Abbildung des Grabdenkmals des Gaugrafen Adal
bert von Babenberg (hingerichtet zu Theres am 27. Febr.
905), welches sich ehemals in dem Kloster Theres befand, und
auf Verwenden des Vereins für Herstellung der Altenburg um
1826 unter der Thorhalle dieser Burg angebracht wurde. Es
ist 1724 von dem vvürzburg. Bildhauer Wagner gefertigt, und
stellt den Grafen geharnischt dar. Dieses Costiim aber ist so
unrichtig, wie die 4 Ahnenwapen und die Inschrift. Oetter gibt
in seiner Wapenbelustigung 1762. St. 4. S. 75 eine treue Ab
bildung hievon in Kupferstich, in 4°. Oben steht, aus Siegeln
und andern Monumenten erläutert: Z. Die Schrift auf der Tafel
heisst: ANNO DOMINI 908 | OBIIT NOBILIS ADELBERTVS DE
BABEN- | BERG QVI HIC 1ACET INCINERATVS MONASTE | RII
HVIVS FVNDATOR OPVM QVONDAM DA | TOR CVIVS ANIMA RE-
QVIESCAT CVM SAN- | CTIS. AMEN. | RESTAVRATVM MDCCXXIV.
„Dass Adelheid in der Nähe seines Schlosses Theres ent
hauptet wurde, unterliegt wohl keinem Zweifel; unrichtig ist aber,
dass er das Kloster daselbst stiftete, wie es in der Inschrift
des Monumentes heisst; denn der zweite bambergische Bischof
Suidger, nachmals Papst Clemens II., gründete es, wie dessen
Bulle vom Jahre 1047 beweist. Die Geistlichen Hessen bald her
nach ein Denkmal für Adelheid fertigen, welches aber im Bauern
kriege 1525 zerstört wurde. Mahlmeister, der letzte Prälat
zu Theres, theilte mir hievon eine alte Zeichnung in Folio mit,
welche ich durch den Maler Rupprecht copiren liess. Es zeigt den
Ritter geharnischt auf einem Löwen stehend, in der Rechten die
Fahne in der Linken den Schild mit dem Adler haltend, in den
Ecken die 4 fingirten Ahnenwapen; oben die Schrifttafel: Anno
Domini IXCVIII obiit u. s. w. Auch die Nummern 414—418 be
ziehen zieh auf Abbildungen dieses oder ähnlicher Monumente.
Nr. 597 Oelgemälde in der Pfarrkirche zu Hallern-
dorf, im ehemaligen bambergischen Amte Bechhofen, stellt
188
tlas im 30j;ihrigen Kriege bei Hallerndorf vorgefallene Gefecht
(IS — 28. Mai 1632) vor. — (Vergl. Chemnitz I. 46. §. 22,
Abelin II. 567, Murr Beitr. z. Gesell, des 30jährigen Kriegs,
S. 53, Haas I. 192.). Bamberg. Truppen mit Kroaten gegen
Schweden und Brandenburger. —
Nr. 772. 0. Plan der kaiserlichen königlichen combinirten
Reichs-Executions-Armee , unter Commando Sr. fürstl. Durch
laucht Herzog Friedrich von Zweybriick , wie solche im Monat
May Ao. 1759 bey Nürnberg gestanden. U. Heres WeigeliiSe-
nioris excud. Johann David Tyroif fec. Kupferst. Quer-Fol.
Von ganz besonderm Interesse für uns ist die Rubrik : An
sichten von Städten, Orten, Klöstern und Burgen
mit ihren Merkwürdigkeiten, welche zum Bis-
thume Bamberg gehörten, aber schon vor der Sä-
cularisation von ihm getrennt wurden. S. 127—149«
(Nr. 837—987). Von S. 139—149 (Nr. 960—985). Kärnthen
und Oesterreich.
S. 139. „Als Heinrich der Hinkende , Herzog von Bayern
„und Kärnthen , am 6. Juni 1002 zum deutschen Kaiser aus-
berufen wurde, übergab er dem Bruder seiner Gemahlin, Ilein-
„rich IV. Grafen von Luxemburg die Herzogthümer Baiern und
„Kärnthen ; von letzterem behielt er sich aber zwei Grafschaf
ten vor: a) in Oberkärnthen von der Ebene Villach’s bis in
„die Schluchten der karnischen Kalkfelsen, durch welche sich
„die Fella windet, um sich mit dem Tagliamento zu ver
einigen; b) in Unterkärnthen von dem westlichen Abhange der
„Choralpen durch die Fluren und Triften, an der Lavant, bis in
„die Klemme nach Reichenfels; beide bildeten eine fast zusam
menhängende Provinz, die zu Seebach und Rennstein am lin-
„ken Ufer der Drau anfing, und in der Länge von 12 Stunden
„bis Pontafel in einer südwestlichen Richtung spitzig auslief.”
Schon 1007 schenkte er dieselben seinem neu errichteten Bis-
thume Bamberg. Später bestanden diese bambergischen Güter
in: Burg Villach mit der Stadt und dem Bleiberge, Her
ma unsperg, Fö de raun an der Gail bis an den Krain-
berg, Kanal mit dem Blei- und Galmeibergwerke in Raibl,
Strassfried und Kienburg, Feldkirchen mit dem Burg
frieden, der Abtei Arnoldstein und St. Katharina, im
189
Ganzen mit 27,832 (?) Bewohnern. Sie gehörten unter die schön
sten Besitzungen des Bisthums Bamberg im Auslande, indem
der Boden sehr fruchtbar ist, und der Bergbau höchst ergiebig
war, insbesondere die Bleiberge zu Raibl, welche von 1553 au
fast jährlich 5700 Zentner lieferten. Vom Jahre 1555 bis 1600
wurde sogar auch Silber und Gold gewonnen. Den Wohlstand
der Bewohner vermehrte noch die alte Handelsstrasse von Ve
nedig durch Villach. Nach der Verordnung des Fürstbischofs
Werntho 1328 führte die Regierung und Verwaltung von Kärn-
then (bambergisclien Antheils) der Statthalter oder Vicedom.
Er batte einige Räthe zur Seite, und entschied als oberste Be
hörde über die gewöhnlichen Angelegenheiten. Nur über Gegen
stände von vorzüglicher Wichtigkeit wurde die Entscheidung
von Bamberg eingeholt. Oesterreich geizte schon lange nach
dem Besitze des bambergisclien Kärnthen , und bot Alles auf,
die Rechte des Bisthums zu schmälern ; fast gezwungen wurde
dasselbe, dass es 1674 unter der Regierung des Fürstbischofs
Peter Philipp von Dernbach die Landeshoheit an Oesterreich
für eine jährliche Abgabe von 40.000 fl. abtrat. Endlich wurde
unter der Regierung des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seins
heim 1759 dasselbe an Oesterreich käuflich für den geringen
Preis von 1,000,000 fl. als ewig unzahlbares Capital von 40000 fl.
Zins überlassen. Oesterreich gewann diese Summe in wenigen
Jahren allein aus den Bleibergwerken.
Heller führt in der Note S. 140 auch die ihm bekannt ge
wordenen Vicedome (von 1244—1759) an.
Die Abbildungen, welche Heller aufzählt, sind aus Valva-
sor oder Merian, eine bei Primisser.
Aus den bambergisclien Besitzungen in Oesterreich führt
Heller nur Attersee (eigentlich Schörffling und Kammer am
Attersee), Kirchdorf aus Merian und Mattighofen aus
Wenning an.
S. 149—152. (Nr. 988-—1013). „Ansichten von Klö
stern , welche von bamberger Bischöfen ausser
halb des Bisthums gestiftet worden sin d.”
Darunter Arnoldstein, Gricken in Kärnthen.
S. 152—155. „Ansichten von Gebäuden, welche
bambe rger Künstler ausserhalb des Bis-
190
thums a u f g e führt habe n." Der ausgezeichnete Ar-
chiteet. J o h a n n Leonhard Dinzenhofe r, wel
cher die Stelle eines fürstlich bamberg'ischen Baumeisters von
1697 bis 1727 bekleidete, war w ahrsch ein lieh zu Prag-
geboren.
S. 164 — 166. Fürstlicher Personen - Einzug,
Ehrenbezeigungen bei deren Anwesenheit, und
Leichen - C onducte. Darunter Nr. 1176. „Oben: Eigentli
cher Abriss und Contrafactur der Procession und Begleitung der
„Leich und todten Cörpers Weiland etc. Kriegsobersten Jacob
„Bauer von Eiseneckh etc. Bambergischen und Würzburgischen
„Rath etc. Unten: Trommelschläger, sambt etlichen Befehlshabern
„etc. H h. Ihr F. G. Leibkutschen, und eine grosse Anzahl Volks.
„Durch Georg Wechter inventirt und gradirt zu Bamberg den
„29. July Anno 1621. Querfolio. — Johann Jacob Bauer von
„Eiseneck war Oberst über die fränkischen Ligatruppen, und trug
„vorzüglich dazu bei, dass die Schlacht auf dem Weissenberge bei
„Prag am 8. November 1620 gewonnen wurde. In dem Treffen bei
„Weidhausen zwischen den Truppen Tilly und Mansfeld am 18.
„Juli 1621 wurde Bauer von Eiseneck durch eine Kugel getödtet-
„Sein Leichnam wurde über Bamberg, woselbst obiger Zug statt-
„gefunden, nach Würzburg gebracht und im Kreuzgange des Do-
„mes beigesetzt; sein Bruder liess ihm durch den Bildhauer Mi-
„cliael Kern ein schönes Denkmal setzen.”
S. 166— 173. „Darstellungen, welche sich auf
Kriegs- und Friedensereignisse beziehen.” Nr. 1190.
0. Eigentliche Delineation der kays. und böhmischen Schlachtord
nung auf dem Weisenberg bei Prag. Anno 1620. Kupferstich gr.
Folio. Im Theatrum Europ. 1 Theil. (Die fränkischen Liga-Trupf
pen 8000 M.) Eben so Nr. 1191, 1192; „Berennung Bambergs
„und Vertreibung der Schweden unter Feldmarschall Horn (29.
„Februar 1632), Tillys schlauer Marsch durch einen Wald,
„Ueberrumplung und Niederlage der schwedischen Avantgarde un-
„ter dem Obersten Bilau. Der tillysche Oberst Fahrenbach ersteigt
„die feindlichen lletranchements.” — Dieses grosse schöne Oelge-
mälde befindet sich auf der Tillysburg bei Enns. — Nr. 1194. 0.
„Aigentliche abbildung dess Fried- und Freuden-Mahls, welches der
„durchleuchtigste Hochgeborne Fürst und Herr, Herr Carol Gustav
19!
„Pfaltzgrav bey Rliein etc. nach abhandlung der Praeliminar Trac-
„taten, in etc. Nürnberg auff dem Rathhaus Saal den 25. September,
„anno 1649 gehalten; und seind die dabei sich befundene — Gast
„in folgender Ordnung gesessen, alss 1. wegen Rom. Kais. Maj.
„des Herrn Duca d’Almasi etc. — 13- Bamberg: Herr Johann
„Christoph Götzendörffer etc. etc. Wolffgaug Kilian sculpsit.
„Nürnberg bei Jeremia Dümlern. Besteht aus 2 Platten ; sehr gross,
„Querfolio. — Dieses Bild malte Joachim von Sandrart im Auf
träge des schwedischen Feldmarschalls Wrangel, und erhielt dafür
„2000 rheinische Gulden und eine 200 Dukaten schwere goldene
„Kette; derselbe schenkte es dem Rathe zu Nürnberg, wo es sich
„noch befindet.”
S. 176. „Abbildungen von Grabdenkmälern für
Bamberger, welche sich ausserhalb des ehemaligen
Bisthums befinden.” — Zu Spital am Pyhrn in Ober
österreich, bekanntlich eine bischöflich - bambergische Stiftung,
jetzt leider fast schon Ruine. Zwei Bischöfe (Fridrich der dritte,
von Aufsess, stirbt 25. Februar 1440 und Johann Georg Fuchs von
Dornheim, st. am 29. März 1633) daselbst begraben. — Der Frei
herr Hans von Aufsess zu Unteraufsess hat in seiner Sammlung
eine alte Zeichnung nach dem Grabdenkmale des Bischofs Friedrich
zu Spital; es stellt denselben stehend dar mit der Infel auf dem
Haupte, in der rechten Hand den Bischofsstab, in der linken ein
Buch haltend; rechts oben ist das bamberger, unten sein Familien
wappen; aussen in der Vierung herum steht: Anno dni. m. cccc.
Quadragesimo fer. tert. apost. Mathye. obijt Reverendus in xpo pa
ter dns. Fride. De Aufsesz. quonda. Bambergensis eclesi Epus. hic
Sepultus. cui’ anima requiescat in pace.
Zu Wien. Grabmal des Bischofs Fridrich Nausea beiOgesser
(Stephanskirche). Vgl. Sitzungsberichte der k. Akademie, Heft V
(1849) S. 36—38.
Zu Würzburg: Nr. 1283. Unten: Joh. Jac. Bauer von
Eiseneck, fürstbischöfl. Würzburg. Kriegs-Oberst. J. G. Bergold
gez. Lithogr. 8. Im Archiv des histor. Vereins für den Untermain
kreis, Wzb. 1833. Ist nur die Statue dieses berühmten liguisti-
schen Generals, welche sich in einer Nische an seinem Grabdenk
male in dem Kreuzgange zu Würzburg, gefertigt von M. Kern, be
findet. Dasselbe hatte folgende Inschrift auf einer Erztafel, welche
192
aber entwendet wurde: „Memoriae ac piis manibus Jacobi Baur
„ab Eiseneck, infracti animi herois, qui Bamberg, et Wirtzburg.
„Episcopatuum principis auspiciis sub vSerenissimo Bojorum duce
„Maximiliano franconicam legionem pro Deo et Cesare, contra
„imperii perduelles gloriose duxit ac tandem post diversa in Hun-
„garia, Belgio, ipsaque Bohemia obtenta tropliaea, dum Erne-
„stum Mansfeldium pravo ingenio, illaudata effugia quaeritantem,
„invicto animo prope Weidhausen, vallo Eijcere aggreditur, glande
„ex insidiis ictus, publico luctu, generosum Deo creatori suo
„reddidit Spiritum XVII Cal. Sextilis, anno MDCXXI aetatis suae
„XL. Christianus S. Caes. Maj. itemque Bamb. et Wurtzb. prin-
„cipum Consiliarius, frater gei’manus moestissimus p. anno
„MDCXXIII.”
Ueber die bambergischen Münzen und Medaillen hat
Heller eine eigene Schrift herausgegeben: Die bambergischen
Münzen, chronologisch geordnet und beschrieben. Bamberg 1839.
S. 187. Wapen. "‘Nr. 1312. Oben : des hochlöblichen
„kaiserlichen Stifts Bamberg vier churfürstliche Oberenpter, auch
„Churfürsten Fürsten, Prelaten, Graffen, Hern und Adlicher Lehen-
„leutli Wappen etc. Unten: Gedruckt durch Anthonium Horitz
„zu Bamberg Anno 1603. Auf dieser aus mehreren Blättern zu
sammengesetzten grossen Tafel befinden sich 325 Wappen in
„Holzschnitt; sie ist von der grössten Seltenheit; bis jetzt
„wurde mir nur das einzige Exemplar im hiesigen (bambergi
schen) Archive bekannt. Der Verfasser dieser Arbeit war der
„Lehenprobst, fürstl. Kanzlei-Secretär Daniel Buttel.”
S. 188. Stammtafeln. S. 189. Fac-similes. S. 192.
„Abbildunge n, welche B a m b e r g e r n d e d i c i rt
wurden.”
Wir können nicht unterlassen, den sehnlichsten Wunsch
hier wiederholt auszusprechen, dass sich ein unterrichteter
Sammler und Forscher finden möge, der zum Beispiele über
Wien und seine Denkwürdigkeiten ein ähnliches Verzeichniss
zusammenstellte. Welch ein Schatz wäre dafür zusammenzubrin
gen. Ohne Zweifel das zehnfache dieses bambergischen. Welcher
Gewinn für die vaterländische Kunst- und Literaturgeschichte!
Der fünfte Bericht erschien 1842. VI. 39 S. und zu
gleich ward beigegeben: Die heidnischen Grabhügel Oberfran-
193
kens in den Landgerichts-Bezirken Lieh teil fei s, Schesslitz
und Weissin ain, geöffnet und beschrieben von Lukas Her
mann. Mit 14 Steindrucktafeln (1S2 Abbildungen). Die Zu
sammenstellung sehr zweckmässig und succinct. jedoch die
Lithographien grässlich. — 171 S. 8.
Der sechste Bericht ward 1848 ausgegeben. 112 S. 8.
Unter den Beilagen ist hervorzuheben: HL Beitrag zur Urge
schichte Bambergs vom k. Bibliothekar Jäck. S. 49 — 64
(Notizen von 803—1006). IV. Berichtigung einer Behauptung
des Archivsbeamten Georg Ludwig Lehn es: „Dass das Ge
schlecht derer von Baueneck längst erloschen sei,” durch den
Abkömmling derselben G. Iv. W. Müller von Kaueneck.
S. 65—67. *V. Beilage: „Einige Nachrichten über die fürstbi-
schöfl. Hofbuchdrucker zu Bamberg.” S. 68—86. Von J.
Heller. Uebcr eine grosse literarische Seltenheit, ein Bamber-
ger Druck o. .1. „Der paurn lob” (beschrieben und vollständig
abgedruckt). S. 87—92. VI. Beilage: Beiträge zur Geschichte
des gesammten Medizinalwesens im ehemaligen Fürstenthumc
Bamberg. Von J. Heller. S. 94—99. Mit 5 historischen Bei
lagen. Interessant.
Der siebente Bericht, vom .1. 1844, enthält XLV und 319 S.
nebst 2 Tafeln Münzen und 1 Tafel Schriften-Abbildungen. Die
Beilagen enthalten: 1. Fortsetzung- der „Beiträge zur Urge
schichte Bambergs aus Urkunden und gleichzeitigen guten Chro
nisten vom VIII. bis zum XVI. Jahrhundert, verfasst vom k.
Bibliothekar Jäck.” S. 1—44. Vom .1. 751 — 1102. II. *„Die
Münzkunde Bambergs im Mittelalter, vom Particulier Philipp
Meyer, Doctor der Rechte. (Mit 2 Tafeln von Abbildungen der
bezeichnten Münzen.)” S. 45—59. III. Antwort des Dr. Adal
bert Friede. Marcus zu Bamberg vom 29. September 1789,
als Leibarztes an den Bischof Franz Ludwig von Ertlial zu Würz-
b'U'g", in welcher er die Bewohner Bamberg’s entschuldigt, bei
der Wahl des Domherrn Joh. Phil. Ant. Fr. v. Schaumberg zum
Domdechante einen grossen Aufzug, und während des Trinkens
von 8 Fuder Wein zu oft Vivat gerufen zu haben. Der Ge
wählte war nämlich nicht nur aus einer Bamberger Familie, son
dern hatte sich auch während seines ganzen Lebens auf vielfache
M eise beliebt gemacht; daher die Eifersucht Bischof Franz
Sitzb, d. philos. bistor. CI. Jahrg. 1849. VIII. Heft.
15
194
Ludwigs kam. S. 60—66.— Nun folgt: Vollständiger Aus
zug aus den vorzüglichstenCalendarien des e h e mali
ge n F ü r s t e n t li u m s 13 a.m b e r g von C a s p a r A n t o n S c h w e i t^
zer, Curatus. S. 67—319. Mit einer Tafel: (Schriftmuster aus
den vorzüglichen Calendarien des Bisthums Bamberg vom XII.
—XVI. Jahrhundert).
A. Calendarien des Domstiftes (5) B. Calendarium des
Klosters Mich eis borg. C. Calendarium des Stiftes St. Ste
phan. D. Calendarium des Stiftes St. Gangolph. (3.) E. Ca
lendarium des Stiftes St. Jacob. F. Calendarium des Stiftes
Banz. G. Calendarium des Klosters Langheim. H. Calenda
rium der Karmeliten. I. Calendarium des Klosters Neun
kirchen am Brand. K. Calendarium des ChorherrnstiftesSt.
Martin zu Forchheim. (Calendarium des Franciskaner-Klo-
sters fehlte, so wie von mehreren anderen (H, I, K) nur Bruch
stücke oder Auszüge benützt werden konnten). Eine eben so
mühsame als verdienstliche Arbeit, welche die Geschichte der
geistlichen Comunitäten durch die vorkommenden Notizen und
Stiftungen (Jahrtäge, Schenkungen u. s. w.) nicht wenig beleuch
tet. Natürlich gewinnt auch die Geschichte der Adelsgeschlechter.
Es hat hier ein mit der Seelsorge beschäftigter Weltgeist
licher einen Beitrag geliefert, wie er sonst von unbeschäf
tigten Kloster geistlichen zu erwarten wäre. — Und in
Gegenden, wo Klöster noch existiren, sind solche Beiträge
doch sehr selten.
Der achte Bericht erschien 1845, LVI. 96 und 131 S. 8.
Wir bemerken mit Vergnügen die Zunahme der historischen
Arbeiten, welche dem Vereine eingesendet wurden. Auch die
Sammlungen erhielten bedeutenden Zuwachs (215 Druckschriften,
84 Urkunden, Hand- und Abschriften, 25 Kupferstiche, Stein
drücke, 170 Münzen und Medaillen, 5 antiquarische Gegenstände).
S. XLIU. Interessante Nachricht von einer Handschrift des aus
dem Nachlasse des bekannten Historikers Dr. Hart mann
S c h e d e I, in der k. Central-Bibliothek zu München (Papier
codex) : „Liber antiquitatum cum Epitaphiis, Epigrammatibus,
ac plerisque aliis oblectatione et laude dignis. 1504” in fol.
Schedel stellte in diesem Manuscripte alle auf seinen Reisen in
Italien, der Lombardei, in Deutschland, den Niederlanden ge-
195
sammelten Inschriften an Denkmälern, Grabmälern, Lob- und
Zeitgedichte auf merkwürdige Personen, besonders auf fränki
sche, zusammen, und schmückte es mit verschiedenen Zeich
nungen und fünf höchst seltenen Kupferstichen von Barbari aus.
Darunter Bl. 177—11)2 Nachrichten über Padua, Bl. 194—202
über Venedig Bl. 203 über Conegliano , BI. 204 über Treviso,
Bl. 212—219 über Mailand. Heller sagt: „Ueberhaupt verdiente
„dieses Manuscript von einem kenntnissreichen Alterthumskun-
„digen (Archäologen) genau aufgenommen zu werden; er würde
„bestimmt viel merkwürdiges Neues darin finden.” — S. XLIX.
„(VII. I.) Bambergische Geistliche in dem Nekrologium des
hi Id es he i mi sc h en Domstiftes. Mitgetheilt von E. F.Mooycr
in Minden. S. LII. (II). Auszüge aus einem Nekrologium des
bambergischen St. Jakobstiftes. — Die Beilagen dieses achten
Berichtes enthalten: I. Fortsetzung der Auszüge aus Urkunden
und gleichzeitigen Chronisten zur Geschichte Bambergs, ver
fasst von H. J. Jäck, k. Bibliothekar zu Bamberg. Im J. 1009—
1139. S. 1 — 52.
II. * „Verzcichniss von bambergischen Porträts in Holz
schnitt, Kupferstich, Lithographie etc., mit historisch-arti
stisch-literarischen Notizen von Joseph Heller. S. 53—90.
A. Bischöfe und Fürstbischöfe, als Landes-Regen-
ten des ehemaligen Fürstenthums Bamberg. S. 53 — 91. (153
Nummern.) B. Bildnisse derjenigen Personen, welche in den
zum Bisthume Bamberg gehörigen Besitzungen, zu welchen
auch ein Theil von Kärnthen gezählt wird, geboren worden,
gestorben sind, oder längere Zeit verweilten oder auch Lehen-
güter besessen. Sie sind nach den Familien - Namen alpha
betisch geordnet; nur Glieder regierender Häuser oder geist
liche Regenten sind nach den Taufnamen eingereiht. S. 92—96.
(154—160.) Schliesst sich an das dem vierten Berichte beige
gebene Verzeichniss an.”
III. * „Das öffentliche Leben der Landgemeinden des ehe
maligen Fürstenthums Bamberg, oder: Innere Geschichte des
Dorfes Gaustatt. Ein Beitrag zur deutschen Rechts- und Sit
tengeschichte. Von Dr. Adam Mart inet, k. Professor. S. 1
bis 131. Voraus geht die documentirte Chronik des Dorfes Gau
statt von 1136—1802. Eine sehr ansprechende Arbeit. Im Vor-
15 *
196
wortc sagt Herr Martinct: „Was den Verfasser veranlasst hat,
die innere Geschichte des Dorfes Gaustatt” zu schreiben , ist
theils die Neuheit des Gegenstandes selbst, indem ausser den
nothdürftigen und höchst mangelhaften Nachrichten von Pf eufer
und Schubert h, gar nichts über das innere Leben einer
deutschen Gemeinde im ehemaligen Fürstenthume Bamberg vor
handen ist; theils das Verlangen, die deutschen Sitten- und
Rechtszustände der Vorzeit bis in die unendlich vielen Einzeln-
beiten einer Gemeinde hinab zu verfolgen und zu sehen, wie
sich auch der innere Haushalt jedes grössten deutschen Lehen
staates in den erscheinenden Unbedeutenheiten einer deutschen
Gemeinde innerhalb des Lehensverbandes ganz getreu abspie
gelt ; theils endlich sehr würdige und fähige Curatgeistliche
unserer Erzdiözese dadurch zu ermuntern , ähnliche Sammlun
gen und Ausarbeitungen zu unternehmen, wie Herr Curatus
Schweizer in der Herausgabe der Nekrologien und wie un
längst Herr geistlicher Rath Dr. Haas in seiner „Geschichte
der Pfarrei St. Martin” solche in vielen Beziehungen an Neu
heit und Reichhaltigkeit der Thatsachen ausgezeichnete Sammlun
gen und Geschichten geliefert haben. Denn nur auf diesem
Wege von so dokumentirten Spezialgeschichten
und Monographien der Dörfer und Städte und ihrer
Stiftungen kann erst eine gründliche und voll
ständige Universalgeschichte des ehemaligen
Fürstenthums Bamberg entstehen. — Unter den 10
Beilagen ist von besonderem Interesse Nro. 1. „Dorffs- und
Gemein-Ordnung zu Gaustatt, anno 1583” S. 105—110. Vom
Abte Veit von St. Michaelsberg. — Möchten ähnliche Arbeiten
auch bei uns geliefert werden.
Der neunte Bericht erschien 184G. XXXII. und 244
S. 8... (so wie der achte von Herrn Thiem, Conservator. ..)
Fortwährend steigende Theilnahme. — Die Beilagen enthalten :
I. # Fortsetzung des Verzeichnisses von bambergischen Porträts
in Holzschnitt, Kupferstich, Lithographie etc. mit historisch
artistisch - literarischen Notizen von Joseph Heller. S. 1
bis 96 (Nro. 160 — 594). (Nro. 363 und 364).
Georg Gel mann, geb. zu Rust in Ungern 1605, hielt
sich lange Zeit zu Nürnberg als Wundarzt auf, da er sich
197
aber zu den Weigelianischen Grundsätzen bekannte, drang die
Geistlichkeit darauf, dass er die Stadt verlassen musste. Erbegab
sich nach Bamberg, wo er von dem gelehrten Fürstbischöfe Mel
chior Otto Voit von Salzburg nicht nur sehr gut aufgenommen,
sondern ihm auch die Stelle eines Oculisten, Schnittarzt, Chi-
rurgus und Wundarzt, wie er sich selbst ausdrückt, für das
ganze Fürstenthum verliehen, und vollkommene Gewissensfreiheit
gewährt wurde. Er war sehr beliebt, hatte eine starke Praxis,
und starb zu Bamberg 1672.
Nro. 394. Unter: Hanns Grässl, dess Raths zu Villach,
in Kärnthen, Anno 1517. Im halben Leibe. 4. — Grässl
Jakob. Waldau in seiner Geschichte der Protestanten 1784.
Th. 2. S. 561 und v. Hormayr in s. Archiv 1827. S. 268) sa
gen, dass er ein wohlhabender Kaufmann zu Villach gewesen,
und da er, als Protestant, wieder zum Katholizismus zurück
kehren sollte, vorgezogen habe, nach Nürnberg auszuwandern,
wo er wohl aufgenommen, zum Mitglied des grossen Rathes
und zum Beisitzer des Bancogerichts gewählt worden sei. Er
starb daselbst am 21. August 1671. Hier scheint jedoch eine
Verwechslung mit seinem Vater, oder einem andern, älteren
Grässl zum Grunde zu liegen. Denn schon 1600 fassten die
bambergische Regierung und der Erzherzog Ferdinand den Plan,
die Reformation in Kärnthen zu unterdrücken , und das Luther
thum dort zu verbannen. Der Abt zu Arnoldstein, Emerich
Molitor, ein geborncr Ebermannstädter, war hierin sehr eifrig;
die meisten Auswanderungen fanden von 1600 bis 1610 statt,
und Jakob kam demnach wahrscheinlich mit seinem Vater schon
als Kind nach Nürnberg. Nro. 395. Unten: Jakob Grässl, ward
geboren zu Villach in Kärnthen, Anno 1601, den 14. Juni.
Starb zu Nürnberg Anno 1671, den 21. Augustj. El. Gedeler
pinxit. Jakob Sandrart sculpsit. Im halben Leibe, gr. 4. Nro. 396.
Copie nach dem Vorigen, mit derselben Unterschrift, ohne Na
men des Malers; rechts steht: I. A. Boner sc. gr. 4. —
Grässl Rochus, ebenfalls Protestant und Auswanderer.
Nro. 397. Unten: Rochus Grässl, dess Raths und Kirchenherr
zu Villach, in Kärnthen, ward geboren Anno 1551, und starb
zu Nürnberg Anno 1624. Im halben Leibe 4. It. Nro. 398.
Wilhelm Grässl. — Nro. 532. R. Lorentz Kress, Fürstlich
198
Bamberg. Herrschaften in Oesterreich. Steyr und Kärnthen
Vitzdomb (bis 1461) des grossen Raths Genannter und Spital
meister zu Nürnberg. Starb 141)2. Im halben Leibe. 4.
Nro. 561—-582 betreffen den Erzherzog Leopold Wilhelm
von Oesterreich (f 1662), der am 5. Oec. 1623 eine Brühende
im Domcapitel zu Bamberg erhalten hatte. Besonders Nro. 567.
11. EMINENTm AC SERENm PRINCEPS ET UN. DN. LEOPOLD.
WILHELM. ARCHIDVX AVSTRIAE HVX UVRGVNDIAE ET MAGNI
MAGISTRAT. IN PRVSSIA ADMIN-tor TEVTONIC1 ORD1NIS PER
GERMANIA ET 1TAL1Ä. EPI. ARGENT. IIALBERSTAD. PASSAVI.
OLOMVC. et NISSENSIS. S. C. M. GENERALIS1M. Unten: Mauor-
tem...tuum est. Theodoras Casparus a Purstenbergh Canonicus
Capitularis Moguntiae et Spirae, Colonellus, ad viuum pinxit et
fecit 1656. Brustbild. 4. „Schönes, und vielleicht das seltenste
Blatt in diesem Verzeichniss.” Siehe auch zehnten Bericht S. 69.
II. Beilage. „Oie heidnischen Grabhügel des Lautergrundes im
k. Landg. Lichtenfels von Oberfranken, geöffnet und beschrie
ben von Lucas Hermann, Pfarrer zu Frauendorf etc. etc.”
Mit einer (schönen) Steindrucktafel. (S. 97 bis 126.) Resultat
(S. 126). „Bevor man also nicht triftigere Gründe für den sla-
vischen Ursprung der Gräber vorbringt, bin ich geneigt die
von mir geöffneten für germanische, und zwar für Grab
stätten der Hermunduren zu halten. Salvo mcliori.” —
III. Beilage. Grundzüge zur Geschichte der zum Erzbisthume
Bamberg gehörigen Pfarrei Rodheini, im k. Landgerichte
Uffenheim und im Dekanat Iphofen , verlässt vom Pfarrer J. B.
Barnickel daselbst. (S. 127—244).— Manches Interessante,
unerquicklich ist die Schilderung der Gemeinde und ihres Be
nehmens gegen ihre Pfarrherren. — Eben so unerfreulich ist die
dem Berichte vorgedruckte Antwort Jäcks auf eine Kritik , die
Prof. Itudhart in dem Münchner gelehrten Anzeigen 1846 Nro. 27
bis 52 mittheilte.
Der zehnte Bericht (vom Jahre 1847) ebenfalls von
Thi ein (I —XXII), beurkundet fortgesetzte Thätigkeit und
rege Theiinahme. Die I. Beilage enthält: Schluss des Verzeich
nisses von bambergischen Portraits in Holzschnitt, Kupferstich,
Lithographie etc., mit historisch-artistisch-literarischen Notizen
von Joseph Heller. S. 1—72 (Nr. 595—896). Von 630—6S1.
199
Paracelsus. „Philippus Aureolus Theophrastus P. Bombast
„von Hohenheim, ein zu seiner Zeit sehr berühmter praktischer
„Arzt und Erfinder der medicinischen Chemie, wurde nach
„Einigen im Dorfe Gaiss des Cantons Appenzell, nach Andern
„zu Maria Einsidel im Canton Schwytz am 10. i\oveml)er 1493
„gehören. Schon 1502 zog er mit seinem Vater Wilhelm Bombast
„nach dem bambergischen Städtchen Villach in Kärnthen, wo dieser
„bis zu seinem 1534 erfolgten Tode Stadtphysikus war. Paracel-
„sus genoss hier hei seinem Vater den ersten Unterricht; 1510
„und 1529 durchreiste er Pranken, 1537 hielt er sich zu Villach,
,,1538 zu Wolfsberg und zu St. Veit in Kärnthen auf, wo er
„bedeutende Curen machte, namentlich an Peter Sehold Trey-
„ling zu Wolfsberg. Endlich besuchte er 1541 Salzburg, und
„starb daselbst am 24. September nämlichen Jahres.” Vorzüg
liches Interesse hat Nr. 731. Oben: ALTERIVS NON SIT QVI
SWS ESSE TOTEST. Unten: EFFIGIES AVREOEI THEOPIIRASTI
AB HOHENHEIM SV A3 /ETATIS 47 OMNE DONVM PERFECTVM
A DEO INPERFECTVM A DIABOLO. 15AH40. (Aug. Hirschvogel).
„Im halben Leibe kl. 4. Bartsch führt dieses selten radirte Blatt
„in seinem Peintre graveur IX. p. 81. unter den unbekannten
„Meistern auf. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass cs von
„Augustin Hirschvogel ist; denn ich (Heller) besitze einen alten
„Abdruck mit lateinischer geschriebener Inschrift, welche heisst:
„In diesem Jahr nach Christi Geburt 1545 habe ich Martin
„Baysius aus Hassfurt noch als Jüngling den Theophrastus Pa
racelsus gesehen, und ihn mit Freuden sowohl von andern
„Gegenständen, als von der Arzney-Wissenschaft vertraut und
„mit vieler Würde sprechen hören, und zwar zu Laibach, der
„Hauptstadt Krains, wohin er sich zwei Mahl aus Kärnthen zu
„hochgestellten und edlen Männern, die er wieder gesund machte,
„begeben hat, wo auch dieses sein Bildniss von Au
gustin Hirschvogel nach demLcben gefertigt und
„abgedruckt wurde.” Nr. 692—704. Melchior P f i n z i n g
„Staatsmann, Poet, Mitverfasser und Vollender des Theuerdank,
„geboren zu Nürnberg am 25. November 1481, gestorben am
„24. November 1535 als Dechant zu St. Viktor in Mainz.” —
Nr. 717—723. Pozzo Andreas, nannte sich auch Puteus,
einer der vorzüglichsten Meister in der architectonischcn Per-
200
spectiv-Malerei, geboren zu Trient am 30. November 1642.
wurde 1665 Laienbruder im Jesniten-Orden, bildete sich zum
Künstler vorzüglich unter Luigi Scaramuza zu Mailand, schmückte
mehre Jesuitenkirchen aus, und war mehrmals auch in Bamberg.
Nach seinem Plane soll die Jesuitenkirche daselbst gebaut
worden sein; wenigstens malte er das ehemalige Hochaltar
blatt in Oel, und nach seiner Zeichnung malte Marcolini in
Fresco die schöne Kuppel. Er starb zu Wien am 31. Au
gust 1709, und gab ein sehr gediegenes Werk über die Per
spective heraus. — Nr. 728. Redwitz, Martin von, zu Wil-
denroth, Dannendorf, Ober-Redwitz und Laiendorf, trat 1474
in kaiserliche Dienste, stritt 1475 gegen den Herzog von Bur
gund bei Bens, turnirte 1481 zu Heidelberg, und 1486 zu
Bamberg, wo er 1505 starb. — Sein steineres Grabdenkmal
auf der Altenburg bei Bamberg. Nr. 772—774. M. Ignaz
Schmidt, Geschichtsschreiber der Deutschen, geboren am 30.
Jänner 1736 zu Arnstein, gestorben zu Wien als k. k. Hofrath
und Director des geheimen Haus-, Hof- und Staats-Archives
am 1. November 1794.
II. Beilage. Das Copialbueh des S t. lvathariua-Spitals zu
Bamberg in vollständigen Auszügen der Urkunden von 1265
—1502 mitgetheilt von C. A. Schweitzer. S. 73—-110. —
Eine sehr verdienstliehe Arbeit. — Darunter von K. Karl IV.
23. März 1359. — Fol. 34. b. — von K. Ludwig dem Baier,
von 1342 (iuserirt). Im Ganzen sind 247 Urkunden extrahirt. —
Die übrigen Copialbücher der bambergischen Stifte sollen folgen.—
„Für das 14. und 15. Jahrhundert gibt dieses Copialbueh
„die wichtigsten Beiträge, um die Schultheissen und Schöpfen
„des Stadtgerichtes, die Patricier und Adels-Familien, das Ge-
„richtsverfahren, die örtlichen Verhältnisse der Stadt kennen
„zu lernen.” HL Beilage. S. 181 — 190. Miseellen. A. Das erste
Vorkommen von Zu- und Geschlechtsnamen schöffenbarer Leute
zu Bamberg. Von Professor Dr. A. Martinet. B. „Ueber den
Familien-Namen und den Geburtsort des Friedrich Grau, ge
nannt Nausea (Bischof von Wien st. 1552). — Von J. Heller. ‘)
*) Der eilfte Bericht, der im Jahre 1848 erschien, ist mir nicht zugekommen,
obgleich ich den zwölften, so wie die früheren durch die Güte des Ver
eins, dessen auswärtiges Mitglied zu seyn ich seit 10 Jahren die Ehre
201
Aus den zwölften, 1841) erschienenen Berichte sieht man,
dass nicht bloss, wie in (len frühem Jahren, die Sammlungen
sich vermehrten, sondern das Wirken des Vereines seihst einen
erneuerten Aufschwung genommen. — Die Herausgabe fränki
scher Geschichtsquellen ward beschlossen.
Der Nekrolog des Dr. Friedrich von Brenner, Dom-
(lechants zu Bamberg, Vorstands des historischen Vereins (geb.
zu Bamberg den 10. Jänner 1784, gestorben den 20. Au
gust 1848) von Thiem ist mit Wärme geschrieben. Brenner
war ein ausgezeichneter Professor der Dogmatik und ein edler
Mensch. — —
Man sieht aus der Angabe des Inhalts dieser zwölf Berichte,
dass der historische Verein zu Bamberg seinem Zwecke ent
sprechend gewirkt, die Theilnahme steigerte sich und der Sinn
für vaterländische Geschichte wurde immer lebendiger. Das beweist
insbesonders die in Gemeinschaft mit dem Vereine zu Bayreuth
besorgte Herausgabe des ..Archivs für Geschichte und Alter-
thnmskunde” u. s. w., 4 Bände, dessen Leistungen ein ander Mal
näher gewürdigt werden sollen. —
Eine dankenswerthe Leistung ist auch die Herausgabe
des Gedichtes: Der Renner. Ein Gedicht aus dem XIII. Jahr
hunderte, verfasst durch Hugo von Triinbcrg. Bamberg 1833 —
1834. 3 Hefte in 4 t0 - 24,050 Verse.
Ohne Zweifel sind die Herren Jäek, Heller, Oester
reicher u. A. für die Stiftung, Erweiterung und Wirksamkeit
des historischen Vereines zu Bamberg ungemein thätig gewe
sen. Ihr Verdienst ist ein bleibendes, ihr Andenken für alle
Zeiten gesegnet.
Durch Herrn Dr. Constantin Höfler, der bekanntlich
in Folge leidiger Ereignisse des Jahres 1848 von der Hoch
schule zu München, wo er als beliebter Lehrer der Geschichte
wirkte, als Archivar nach Bamberg versetzt wurde, erhielt der
historische Verein daselbst allerdings unläugbaren Aufschwung;
er wurde bald Vorstand desselben und unternahm die Heraus
gabe einer „Quellensammlung für fränkische Geschichte,” deren
habe, erhalten habe. Auch die k. k. Hofbibliothek hat ihn nicht, so wenig
als College Bergmann. Ich behalte mir also die Besprechung des Inhalts
l'ür später vor. —
302
erste zwei Lieferungen ein allgemeines Interesse haben, so (lass
eine gründlichere Besprechung und Würdigung derselben nicht
bloss gerechtfertigt, sondern seihst erforderlich seyn dürfte.
Mit dem zwölften Berichte über das Wirken des histori
schen Vereines ward zugleich das erste Heft dieser neuen
,,Quellensammlung für fränkische Geschichte” (Bayreuth, 1849.
8. 150 SS. K. Bucbner’sche Buchhandlung) ausgegeben, dem
auch wenigstens im Buchhändler-Wege alsbald das zweite nach
folgte.
Das erste Heft enthält: „des Ritters Ludwig von
„Eyb Denkwürdigkeiten b r and e nb urgi s ch e r (hohen-
„zollerischcr) Fürsten.” „Mit einem aus Archivalien des ehe-
„ligen brandenburgischen geheimen Haus- und Staatsarchives ver
fassten historischen Commentare herausgegeben von Dr.Con-
„stantin 11 ö fl er.”
„Ritter Ludwig von Eyb, „aus dem alten und berühmten
„fränkischen Geschlechte der Herren von Ywe”, trat früh in
„die Dienste der ersten Churfürsten von Brandenburg aus dem
„hohenzollerischen Hause (Friedrich -j- 1440), und gehörte
„schon unter diesem, wie unter seinen Söhnen und Enkeln zu
„den einflussreichsten Räthcn. Nach dem Tode des Churfürsten
„Friedrichs I. kam Ritter Ludwig in die Dienste des Mark
grafen Albrecht Achilles, Friedrichs dritten Sohnes (geh. 1414,
„gest. 1488) und wurde von diesem als er die Markgräfin Mar
garetha von Baden heirathete, 1445 zu deren Hofmeister er-
„nannt.” — „Stets bedacht, das hohenzollerische Haus aus den
„gehäuften politischen Verwicklungen herauszuziehen, im Felde
„wie zu Hause den Vorlheil seines Herrn zu mehren, entwarf
„er die administrativen und finanziellen Pläne, um durch wohl-
„berechnete Oeconomie, durch Güterkauf und Tausch, durch
„Erwerb neuer Rechte, wie durch möglichste Ausbeutung der
„erworbenen, der Begierde des Markgrafen (Albrecht), seine
„Hausmacht zu erweitern, die vortheilhafteste Richtung zu geben.
„Das Talent, welches er besass, neue Gelegeheiten, Nutzen zu
„ziehen, sich zu schaffen, wie das Geschick, diese auszubeuten,
„kam ihm hiebei vortrefflich zu statten, und da die Kriege des
„Markgrafen Albrecht theils eine neue Schuldenlast herbeiführ-
,,ten, theils eine stete Vorsorge zur Aufbringung der nüthigen
203
„Gelder erheischten, so fanden die Talente des Ritter Ludwig
„und seines kleinen Vetters, des klug berechnenden Martin von
„Eyb, stets einen grossen und offenen Spielraum.” Ludwigs Sinn,
obgleich er ein grosser Verehrer der Heldenthaten seines Herrn
gewesen, war durch und durch practisch. — „Er verfehlt me,
„zwischen den g 1 ä n z ende n T h a t c n und dem vollen
„Gewinne die liilanz zu ziehen und sehr prosaisch nach-
„zurechnen, wie viel jede Heldenthat gekostet, wie viel sie ein
getragen und wie der erlittene Ausfall wieder gedeckt werden
„könne. Und dieses, so wie die Kenntniss der geheimen Pläne
„des brandenburgiseben Hauses geben seinen Aufzeichnungen
„eine Lebhaftigkeit und eine Bedeutung wie wenig andern Schrif
ten des Mittelalters. Er hat sein Büchlein zum politischen Hand-
„buche des fürstlichen Hauses zu machen gewusst, und wie bei
„der bekannten Denkschrift desselben Hauses v. .1. 1822 darf
„man auch bei ihm nur das, was geschehen soll, und was dann
„wirklich geschehen ist, Zusammenhalten, um die tiefe Berech
nung zu beurtheilen, deren er fähig war. So werlhvoll es auch
„daher sein mag, dass er die Eroberung der Mark Brandenburg,
„und so viele andere Ereignisse von Wichtigkeit als Zeitgenosse
„erzählt, Manches als Augenzeuge berichtet, so besteht sein
„Hauptwerth doch vorzüglich in dem Eingehen in die Politik
„und Interessen eines Fürstenhauses, welches diese bis auf die
„neueste Zeit mit gleicher Consequenz verfolgte, in der Dar
stellung des fürstlichen Hof- und Staatshaushaltes, in dem Um
stande , dass er als brandenburgischer Minister, Diplomat und
„Finanzier erzählt und Rathschläge gibt.”
In der Zeit des Markgrafen Albrecht wurde die r e i u-
welt liehe Richtung die vorherrschende, nachdem schon frü
her vorzüglich durch den Streit der Concilien mit den Päpsten
die Sache des Clerus, welche seit Papst Gregor VII. im Vor
dergründe stand, wie begreiflich, die furchtbarste Niederlage
erlitten hatte. Die Kirche hat sich durch den inneren Zwiespalt,
der noch heute nicht versöhnt ist, selbst ausser Wirksamkeit
gesetzt.
„Kein Wunder, wenn der Staatsmann, der dem Markgra
fen beistand, auch sein Gewicht in die Wagschale für die auf
strebende, Richtung zu legen, in der fürstlichen Familie, die mit
204
„dem neuen Principe gross gewachsen war, „nur den Rosen
strauch und die guet Plumen” gewahrt, die zwischen den
„Disteln und Dürnern emporspriessen, womit unverholen die
„umliegenden Dynastien und Länder bezeichnet waren.”
Naeli dem Tode des Markgrafen (und Churfiirsten) Albrecht
Achilles (11. März I4S0) blieb Ritter Ludwig auch unter den
Rathen seines Nachfolgers, er starb 1502.
Seinen hochwichtigen „Denkwürdigkeiten,” welche nur 19
Octavblätter füllen, geht auf 109 Seiten ein sehr werthvoller Com-
mentar Höfler's voraus, der von tüchtigen Studien der deutschen
Geschichte im dreizehnten, vierzehnten und fünfzehnten Jahr
hunderte Zeugniss gibt, jedoch keines Auszuges fähig ist, indem
der geistreichen Andeutungen und Gruppirungen zu viele sind,
obschon man so manche Einwendungen machen könnte. — Die
Auszüge aus dem Plassenburger Archiv, welche Höfler in diesem
Commenlare mittheilt, sind ganz geeignet, vor der Sorgfalt
und Umsicht der hohenzoller’schcn Beamten allen Respect zu
erhalten.
Eine Stelle jedoch müssen wir hervorheben, welche beweist,
wie Höfler’s Commcntar auch die Gegenwart berücksichtigt und
— beleuchtet.
Es heisst (S. 55): „Wir sahen, welche Grundsätze das
„Haus llohenzollerii gross gemacht, mit welcher Klugheit, mit
„welcher Umsicht, mit welcher Mässigung sie sich benommen.
„Allein die Denkwürdigkeiten erheischen auch noch nachzuwei-
„sen, wie dasselbe in der darin berührten Zeit diese Grund
sätze seiner ursprünglichen Grösse erweiterte, allmälig ver
hinderte, theilweise aufgab. Letzteres führt aber von selbst zu
„weiterer Entwicklung eines Gegenstandes , den wir bisher nur
„angedeutet, des Verhältnisses der Häuser Wittelsbach und Ho-
„henzollern zu einander, besonders in jener Periode, welche für
„mehr als drei Jahrhunderte den Grund zu dauernder Feind
schaft wie andererseits zu tiefgreifenden Verbrüderungen legte.
„Es ist dieses aber um mehr als einer Ursache willen von grosser
„Wichtigkeit. Denn einmal ist die jetzige Spaltung von Nord-
„und Süddeutschland gerade durch die im Laufe des XV. Jahr
hunderts auseinandergehende Politik der beiden oberdeutschen
„Fürstenhäuser wesentlich gefördert worden, so dass die Wahl
205
„des Habsburgers Albrucht II., K. Sigmunds Eidam und Erben
„von dessen ösUiclien Ländern, als der Zeitpunet /.u betrachten
..ist, von wo an die politische Scheidung der Wittclsbacher und
„Hohenzollern, Baierns und Brandenburgs, immer schärfer hervor-
„tritt. Die Stellung Baierns zwischen den Markgrafen von Bran
denburg, welche die nördlichen Länder des letzten Luxembur
gers erbten, und den Habsburgern, die jetzt Magyaren und
„Slaven statt der aufgegebenen Romanen in den Kreis des deut
schen und habsburgischen Kaiserreiches zu ziehen suchten,
„wurde jetzt nothwendig eine ganz andere als früher, und da
„die Hohenzollern und Habsburger in nächster Zeit sich selbst
„gegen Baiern verbündeten, so erfolgte, trotz der grossartigen
„Anstrengungen des Hauses Wittelsbach in der Mitte des XV.
„Jahrhunderts durch Clmrfürst Friedrich von der Pfalz und II.
„Ludwig von Baiern - Landshut, für dasselbe eine Art von Un-
„mögliehkeit, sich den traurigen Nachwirkungen der Missgriffe
„ganz zu entwinden , welche die Söhne und Enkel Ludwig des
„Baiern begangen hatten. Diese Verwicklungen näher zu beleuch
ten ist also schon wegen der daraus hervorgegangenen neuen
..Gestaltung Deutschlands von allgemeinem Interesse. Dazu kömmt
„noch, dass man sich nach dem Vorgänge des geistreichen, aber
„nicht so wahrheitstreuen Verfassers der Anemonen die baieri-
„sche Geschichte als im fortlaufenden Gegensätze zu der öster
reichischen begriffen, aufzufassen gewöhnte und in Folge dess
„der das Nationalgefühl eben so unnatürlich aufreizende als ver
hetzende Grundsatz aufgestellt wurde, die baierisehe Geschichte
„bestehe aus einem beständigen Preisgeben günstiger Gelegen
heiten , aus einer fortwährenden Negation dessen, was Natur
„und Geschichte von Volk und Dynastie forderten. Anders aber
„wird sich nothwendig die Sachlage gestalten, wenn statt des
„einseitigen, blos anti-österreichischen Standpunctes ein mehr
„allseitiger und den wirklichen Verhältnissen der Dinge ange
sessener gewählt wird, und diesen wird man nur erlangen,
„wenn nicht die geistreiche Leidenschaft eines von Parteizwecken
„geleiteten Autors , sondern die möglichste Umsicht nach allen
„Seiten hin zu Rathe gezogen wird. Sehen wir daher, ehe wir
„zuletzt noch die theil weise Abweichung von den ursprünglichen
„Grundsätzen der Mässigung und der Hingebung an die Sache
206
„des Kaisers und Reiches bemerket!, wie aus den nachfolgenden
„Differenzen der Häuser Wittelsbach und Hohenzollern der kleine
„Samen grosser Bewegungen heranreifte.” —
Die nachfolgenden Betrachtungen, auf positiven Daten aus
dem hohenzollernschen Archive basirt, sind wesentlich fördernd
eine gründlichere Ansicht der deutschen Geschichte anzubahnen.
Allerdings müssen auch noch andere Fürstenhäuser berücksichtigt
werden, denn der Richtungen und Tendenzen sind gar viele.
Selbst die Geschichte des Hauses Habsburg und der einzelnen
Glieder dieses Hauses ist vielfacher Bereicherung und Berichtigung
fähig und bedürftig. —
Um einige Beispiele der Eyb’schen Schreibweise zu geben,
heben wir heraus (S. 113):
„Bey den Zeiten ist das Reich waissloss gestanden on aine
„konig, da hat ainer von Zoller angezaigt ain grafen von Hab-
„spurg Rudoiff genannt, der sey dem Reich tuglich aufzune-
„men zu einem römischen konig, das ist also geschehen, durch
„das anzaigen und arbait des von Zollers. Der konig Rudollf als
„ein erwelter nit unpillieh dem von Zoller auss seiner guthait
„versprochen hat, So was Im reich von Fürstenthumbn ledig
„ward, woll er in damit vor andern begaben, demnach ist das
„Fürstenthumb Oesterreich ledig geworden, das hat der von Zoller
„angefordert, ist ihm geantwurt von konig Rudollfen, Er bekenn
„der verspruchnus, Aber nachdem er mit vill Kindern versehen
„sey, und wen er also sturb, so wurden seine Kinder wider
„grafen zu Habspurg genannt, deshalb er seinen Kindern billig
„des ersten Verseilung thu, und dem von Zoller darnach auch thun
„woll. Darauffist in kurz das Fürstenthumb des Burggrafl’cnthumbs
„zu Nürnberg ledig worden, und dem von Zollern gelihen.” *)
S. 116. (Von den Burggrafen Friedrich I., Churfürsten von
Brandenburg.) „Darnach als Burggraf Fridrich vorgenant vill
„Schulden halte, vor grosser Costung die Im gein den von
„Rotenburg uff den krieg gangen was, Namen sein Rete in guter
„Maynung für, ein Ordnung zu machen, wie die schuld bezalt
1 ) Dass dieses irrig und das ßurggrafenthuin durch Heirath eines Grafen von
Zollern mit der Erbtochter des letzten Grafen von Ratz, Burggrafen von
Nürnberg, an das Haus Hohenzollern kam, haben in neuester Zeit die
„hohenzollerischen Forschungen” bekräftigt.
207
„und wurd darnull gestellt, das irem hem» eiu klaiu liotgesind
„zugeordnet wurde, und solt mit der hofhaltung zu kolmberg sein,
„das ward also beslossen und gehandelt.”
„Indem kam der from Ritter Herr Ernfried von Se-
„ckendorff herauffvon konig Sigmundten von Hungern,
„der vernam solch ordnung zu missfallen und sagt, es wer un-
„ausstreglich mit dem erkargn die schuld zu bezalen. Es war
„dess ain Junger Fürst gerads und starksleibs auch mit guter
„Vernunft versehen, Man solt in hinausthan, Es wurd da nichts
„mer auss Im dann ein Hasenjäger, das Glöck war Im nit
„versagt, da was die frag von Reten, wohin doch; gab Herr
„Ernfried die antwurt, Er wess kain stand yezo im Reich, denn
„bey konig Sigmundten von Hungern, der wer ein Liebhaber der
„Fürsten, Ime zu dienen, Er vvcre auch der Dinst notturftig,
„dann er mit etlichen seiner Laudtleuten zu Hungern in kriegen
„stund, mit kurz ward Herr Ernfried abgefertigt, solchs bei dem
„konig zu bandln, darein er sich gutwillig gab und bei dem ko-
„nig sovil handlet, das Burggraf Fridrichen ein so Id und dinst-
„geld versprochen, uud also darauf zum konig gerüst und
„geschickt ward, das sich der gemelt Burggraf Fridrich bei dem
„konig und seinen gewalthabern also hielt, das im bevolhen wurd,
„handlung des kriegs , darin er handlet, gegen der von wider-
„ wertigen , damit er ain auss kommen het und sein sold
„für sich bracht ob den 80,000 hungerischen Guldiu, das Im Ver-
„schreibung geben wurden, die zu haben uff ain lendlein
„oder gegent genant die schilt.” — Später ward durch
Friedrichs Freunde unterhandelt bei K. Siegmund: „Er solt Burg-
„graf Fridrichen mit der Ma r kt lieg e b e n, als ein halb
„verlornes land, dagegen sollt er im d i e V e r s c h r e i-
„bung die er het uff dem lendlein Schutt 11111b die
„80,000 h u n g e r i s c h g u 1 d i n wider übe r gebe n u. s. w.”
Wie so vieles andere in der Geschichte Ungcrns ist auch die
Dienstleistung des Burggrafen (und Churfiirsten) Friedrich in
Ungern bisher gänzlich unbeachtet geblieben, und natürlich auch
die für selbe erhaltene Entschädigung. — Die Finanzgeschichte,
wozu die Inscriptionen (Obligationen, Verpfändungen) auch ge
hören, wird wohl noch lange unausgearbeitet bleiben, wenn die so
mühsamen Vorarbeiten nicht gesammelt werden, und für das Sam-
208
mein zerstreuter (an lind für sich wohl nicht bedeutender, im Zu
sammenhänge jedoch ohne Zweifel rcsultatreicher) Notizen hat
man keinen Sinn. — Spuren des oben Angeführten hat man aller
dings, so z. B. hei Riedel, Codez diplom. Brandenburgensis II.
Hauptth. Bd. III. (Berlin 1846) p. 173 (Nr. MCCXC), wo König
Siegmund dem Hochmeister des deutschen Ordens, Ulrich von
Jungingen, bestätigt, dass er den Erenfred von Secken
dorf, Hofmeister des Burggrafen Friedrich von Nürnberg an Sei
ner Statt 40,000 Gulden (739 Mark Goldes) ausgezahlt habe. —
Seite 178 (Nr. MCCXCV), König Siegmund bestellt bei dem ver
wirrten Zustande der Mark Brandenburg den Burggrafen Fried
rich von Nürnberg zum Verweser und obersten Hauptmann dersel
ben und verschreibt ihm darauf, als Beitrag, zu den Kosten, die
Mark wieder in Ordnung zu bringen, 100,000 ungrische Gulden,
am 8. Juli 1411. Es heisst in der Urkunde: „Und dorumb haben
„wir mit wohlbedachtem mntcund gutem rate eygentlichen betrach
tet und für uns genommen solche ganze und lutere liebe und true,
„die der hochgeborn Fridrich, Burggrave zu Nürnberg, unser
„lieber Oheim, fürste und rate zu uns hat und ouch merkliche und
„mannigveltige Diuste und Werke, die Er uns vor unser ruf-
„fung zu dem heiligen Rom. Ryeli in desse Iben Rychs
„und oucli andern unsern Sachen getrulich und tleisziglich
„getan hat und teglichen tut.” Weiterhin heisst es in derselben
Urkunde: „haben wir im dorczu ezu bilde und zu stewr und ouch
„von solcher nuzlicher getruwer dinst wegen, die er uns, als vor
„geschriben steht, manuigveldiclich getrulich und köstlichen ge
tan hat. . .”(100,000 rothe ungrische Gulden verschrieben). S.
184 (Nr. MCCXCVHI.) verlobt König Siegmund des Burggrafen
Friedrichs Sohn Johann mit Barbara, Tochter Herzog Rudolfs von
Sachsen, und verschreibt beiden 50,000 Gulden Heirathsgut auf
die Mark Brandenburg. —
Vielleicht taucht später noch eine urkundliche Spur von
der oben erwähnten Inscription von 80.000 Gulden auf die Insel
Schütt auf.
S. 123 heisst es: „Darnach nam für hertzog Albrecht von
„Oesterreich ein Zug gen Schweitz, auch zu Rettung Reinfelden
„und Rapolszburg, das er mein Herrn Marggraven Albrechten be-
„schraib Im ein Dinst zu thon, an die end, dass sich mein herr wil-
209
„Iigt und mit einem gereisigen Zeug kam und den Steten mit der
„Speisung liillf thet, die Schweizer abtrieb das mein herrn die
„Rayss ob 6000 Guldin gestundt des Im von Herzog Albrechten
„solt widerlegt werden. Ist aber nit geschehen.”
S. 124 und 125. Zur Geschichte der ritterlichen Uebungen
und der (lockern) Sitten. Eyb sagt selbst (S. 125): „Derselb
„mein gnediger herr (Markgraf Albrecht) hat auch oft
„im Narrenschiff der Bulschaft nachgefaren.”
S. 135: „Darnach auss erforderung des Römischen Kaisers
„zug mein HeiT Marggraf Albrecht hinab gein Oesterreich und
„wurd Kaiser Fridriclis Haubtmann und Hofmeister des
„Kriegs wider den Baimkireher und Graffenecker, und zug
„zu Feld für Baimgarten daselbst sein gnad durch sein Maul und
„halls geschossen wurd, und sich wieder herauff fügt von Oester-
„reich mit gnedigem Abschied und wenig bars gelts, dann das
„der Kaiser mein herrn den Buchawrsee geliehen hat, daraus
„im krieg und vil unrats entstanden ist.” — Ueber diese Dienst
leistung des Markgrafen Albrecht gegen Baumkirelier und Grafen
ecker enthält das sogenannte kaiserliche Buch II. S. 91 höchst
interessante Aufschlüsse, wovon später die Rede sein wird.
Ebendaselbst der Krieg des Markgrafen mit Baiern. — Kurz
und einseitig. —
S. 141: „Darnach über etliche Zeit in der aufl'rur des hertzog
„Karll von Burgund gein dem Reich hat, bracht mein herr der kai
serlichen Majestät auff ir begeru ob sechs hundert pferde gerei-
„sigs zeugs und bei drey tausend wepner gerüst in eine Wagenburg
»auff sein selbs costeu (natürlich, im Reichsdienste) und zug
»mit der kaiserlichen Majestät zum Ersten für Lintz (am Rhein,
»das Fragezeichen ist überflüssig) und noch ein Stetlein dabei
„Reinmayrn genannt die man gevvan und darnach für News,
»wie es da gehandelt ward ist vill leuten kundig.”
Sehr interessant ist S. 143 die Stelle: „Item darnach (nach
»dem Tode des Markgrafen und Churfürsten Albi’echt, 1486 am
»11. März zu Frankfurt am Main) gingen mein guedig herr Marg-
»graff Fridrich und MarggraffSignuindt ein mit dem Regiment ins
»väterlichen Erbs, des sie belehnt wurden, in kurzen Tagen stun-
»den sie mit der Dienstparkeit dem Kaiser in die Fustapfen irs
»herrn und Vaters Erstlich mit einem mergklichen Reisigen zeug
Sitzb, d. philos. histor. CI. Jahrg. 1840. VIII. Heft. 16
y>'^5 'x -
210
„für Gemündt und darnach uff mannigfaltig kaiserlich teg, die si
„besuchten mit schwerer costung, darnach lies sich mein herr be-
„taidigen zu ein haubtman uff das Lechfeld wider Bairn und
„darnach aber mit einem grossen merklichen Reisigen zeug by
„achthundert Pferden gein Schweiz und sich da mit schwerer
„costung bis zu endung des Kriegs enthielt dann Ine und die Sei-
„nen solch nachreisen und ziehen wie vorgemelt ist, ob hund ert
„tausent guldin gestanden hat. Denn ist noch zu gedenken,
„wie mein gnediger herr Marggraf Fridrich der schweren costung
„und diess widrumb von dem römischen König begabt und ver-
„gnugt werd das hat der Römisch Kaiser in manicherlei weg wol
„zu tlion, nachdem er mit vill Fürstenthumbn, Grafschaften, herr-
„schaften im Reich und seinen Erblanden begabt ist, bei im zu er
gangen ein Versprechnus, ob was Fürstenthumb, Graf
schaft oder Herrschaft ein Reich und seine erblan-
„den uff den Fellen stunden, des man erfarung muss
„bahn, Im die anzuzeign, des mein herr fürter da-
„rauff eins anfalls warten were.”
„Item dem Haus Oesterreich ist haimgestorben die Graf-
„schafft Gartz (Görz), das mein herr Marggraf Casimir desto
„fleissiger dient und durch gut Freundt und Gesellen der König
„dahin betaydingt wurd und Ine damit begnadet, also das er die
„Grafschaft vom Haus Oesterreich zu leben neme, als ein Burg
graf zu Nürnberg, dagegen sollte dem König widerumb ge-
„geben werden die österreichischen Lehen zu Oester
deich. Ist wissentlich das Kaiser Fridrich mein gnädiger herr
„zwölfftausent Gulden dafür geben vvolt, darain Marggraf
„Fridrich in der Mark nit willign wollt, sonder den grossen
„Dinst, den der Burggraff sein Forfar dem Erweltin konig ei-
„nen herzog zu Bairn Ludwig genant der darnach zu Kaiser er-
„welt war, wider ein Herzogen zu Oesterreich thon hat, damit in
„gedechtnus zubehalten, solch auch die altenDiustparkeit die seinen
„Forfaren im Hauss zu Bairn geschehen ist bedenkt auch der
„Römisch billich und sich betaidigen lass wie vorstet.” — (•)
Diese Stelle muss Eyb gegen Ende seines Lebens geschrie
ben haben, oder betheiligten sich Mehrere bei diesen Denkwür
digkeiten? — Die Grafschaft Görz fiel an Oesterreich nach dem
Tode des letzten Grafen Leonhard (12. April 1500 f). Mark-
211
graf Casimir war damals ein dreizehnjähriger Knabe, und seit
1497 (also mit 10 Jahren) Dompropst zu Würzburg. — Der Schluss
dieser Stelle ist übrigens historisch unrichtig.
Dass Eyb mit Projecten und Vorschlägen zur Vergrösserung
des Hauses, dem er diente, sehr fruchtbar gewesen, beweisen
S. 144 bis 150 (Schluss). So interessant diese Andeutungen und
Rathschläge eines eifrigen Fürstendieners auch sind, so gibt
der ebenfalls von Herrn Dr. Ilöfler herausgegebene zweite Band :
„Das kaiserlicheBuch desMarkgrafenAlbrechtAchil-
les. Vorkurfürstliche Periode 1449 — 1470. Mit einem
Commentare,” Bayreuth 1850 (XX und 219 S. 8.) ungleich wich
tigere Aufschlüsse und Beiträge zur lebendigeren Darstellung der
Geschichte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Herr Dr. von Minutoli wird (mit einer grösseren Einleitung)
den andern Theil kaiserlichen Buches, die kurfürstliche Pe
riode enthaltend, in dieser Quellen-Sammlung herausgeben.
Das „kaiserliche Buch” ist eine „ziemlich willkührlich ver
anstaltete” Sammlung der diplomatischen Correspondenzen des
Markgrafen später (seit 1470) Churfürsten Albrecht Achilles von
Brandenburg, in welche namentlich die Reichssachen und die Ver
handlungen aus den letzten 25 Jahren dieses, auf die deutsche
Politik so einflussreichen Fürsten aufgenommen wurden, und
dereu dritter Band auch noch den Antheil in sich schliesst, wel
chen Albrechts Söhne an den Reichstagsverhandlungen nach dem
Tode ihres Vaters nahmen. Die Hunderte von kleinen Papier
streifen, Quartblättern, halben und ganzen Bogen, auf welche
M. Albrecht seine vielfach durchstrichenen, mit Anmerkungen,
Zusätzen, Nachschriften und Beilagen versehene Concepte schrieb,
die Briefe, die er dictirte, die Instruktionen an seine Gesandten
und Unterhändler, sowie ihre Berichte und die Briefe der mit
ihm correspondirenden Fürsten, welche das markgräfliche Archiv
zu Onolzbach oder auf der Plassenburg sorgfältig bewahrte,
wurden früh in ein Ganzes zusammengestellt, mit besonderer
Berücksichtigung dessen, was zum fernem Gebrauche vorzüglich
auf Reichstagen dienen konnte, abgeschrieben, und im XV. und
XVI. Jahrhunderte fleissig benutzt. — Später, besonders seit
der Vereinigung des Plassenburger Archives mit dem Bamber-
gischen, war diese hochwichtige Sammlung vergessen worden.
16 •
212
Vorzüglich ist die Benützung des „Kayserlichen Buches in
Copia” (Band I, II, III, fol.) zu empfehlen, da diese Abschrift
am wichtigsten ist.
Als Band IV. ist ein Theil des V. Bandes, mit dem die „Ansba-
„cher Reichstagsacten” beginnen, anzusehen, welcher mit der Hand
des XV. Jahrh. die Aufschrift „Kaiserliches Buch 1466” trägt.
In der Einleitung (III — XX) spricht Herr Hofier von den
Versuchen und Vorschlägen im fünfzehnten Jahrhunderte, die
deutsche Nation politisch zu reformiren und zu einigen, die alle
vergeblich waren. „(XVIII.) Es blieben die Beutschen die
„freieste Nation, aber auch die ungeordnetste, der nur noch
„Polen gleichkam, wo der Herrscher gerade so viel galt, als
„ihn seine Unterthanen gelten lassen wollten. In allen Staaten
„hatte sich am Ende des Mittelalters die königliche Gewalt bei-
„nahe zur absoluten erhoben, in Deutschland nur die ständi
sche; der Kaiser wurde, wie der König von Polen, der Spiel-
„ball aller Parteien, die sich gegen ihn conföderirten, oder
„durch ihn die Herrschaft erlangen wollten, und unter deren
„Streit ein Stück des Reiches nach dem andern dem Reichs-
Feinde preisgegeben wurde. Die töd(liehe Krankheit, von wel
cher Nicolaus von Cusa gesprochen, dass sie Deutschland be
fallen habe, und das Reich mit Auflösung bedrohe (Nicol. Cusan.
„de concord. cath.,111. c. 32) gestaltete sich zum allgemeinen
„Siechthum, die nicht vollendete Reform zur Revolution, die
„unter den vereinigten Bemühungen der Herren des XVI. Jahr
hunderts Kirche und Staat zugleich erfasste, mit einer allge-
„meinen Conflagration alles Bestehende zu vernichten schien.”
„Irre ich mich daher nicht, so werden die Documente, welche
„das kaiserliche Buch anscheinend lose und mehrfach wie ausser
„allem Zusammenhänge enthält, den Leser, der sie zu würdigen
„weiss, für die inhaltreiche Uebergangszeit der deutschen Ge
schichte, aus der noch kirchlich Einen zu der kirchlich gespal
tenen Zeit, aus der Periode der politischen Reformation
„in die religiöse, aus der R e f o r m in die R e v o 1 u t i o n, mannig-
„faltige, aucli wohl überraschende Aufschlüsse geben, ohne welche
„eine richtige Würdigung der unter Max I. versuchten politischen
„Reform eben so wenig statt linden dürfte, als ohne diese klar
„werden kann, wie unter Carl V. die von Mönchen und Bauern,
213
„Bürgern und Rittern, Pürsten und Gelehrten getragene Bewegung
„zur Revolution umschlug, welcher der Kaiser fruchtlos mit der
„Schneide des Schwertes zu begegnen suchte. Aber auch ein wich
tigeres Factum wird dem Besonneneren nicht entgehen, dass, was
„das Deutsche Reich im XV. Jahrhundert und seit demselben nicht
„zu lösen vermochte, im XIX. die Aufgabe eines Volkes wurde,
„welches seit 400 Jahren im politischen Zwiespalt begriffen, seit
1,300 auch in seiner religiösen Seite durchwühlt und zerrissen,
„in Staaten und Confessionen getheilt ist und nun in dem Kreisläufe
„seiner Entwiklung da wieder ankam, von wo es vor 400 Jahren
„mit den bezeichnenden Worten des Aeneas Sylvius ausgegangen
?,war: Discordamus omnes vulneramus nos ipsos, intus caedimus
„exterius flagellamur. Ultio peccatorum est. Res malae sunt, spes
„vero multo pejor.”
Diess die Ansicht eines gewiss geistvollen und gelehrten
Historikers, dem nicht wenige beistimmen.
Es gibt ohne Zweifel aber noch andere Ansichten, die sich
auf geschichtliche Erfahrung gründen. —Reform ist allerdings
seit 400 Jahren das Losungswort, über das sich das deutsche
Volk abquält. — Das Gefühl der Missstände datirt sich von
ungleich längerer Zeit. — Wir finden das Vergebliche der deut-
s cli en Bestrebungen nach politischer Einigung und daraus ent
springender Kraft in neuer Eigenschaft des deutschen Volkes,
welche Viele als grosse Tugend geltend machen, es will näm
lich zwei Herren dienen, was schon lange lange, sprüchwörtlich
als unmöglich erklärt worden ist. — Christus sagt: Mein Reich
ist nicht von dieser Welt.
Die missverstandene Lehre von den zwei Schwertern (Ge
walten), ist in der Mitte des dreizehnten Jahrhundert’s durch
den Sieg des Papstthums am deutschen Volke practisch ge
worden, die römisch-deutsche Kirche mit ihren Gütern
und Verbindungen hinderte die Consolidirung einer bedeutenden
Macht, damit ihr selbe nicht gefährlich werde. Wir sind weit ent
fernt, das Grossartige und vielfach Erhebende der hierarchischen
Tendenzen gänzlich zu verkennen oder zu läugnen, aber eine Re
generation des deutschen Volkes wurde nicht etwa durch den reli
giösen Zwiespalt im sechzehnten Jahrhunderte verhindert,
sie ist seit dem Ausgange der Hohenstaufen unmöglich gewesen.
Wir halten die Aufgabe für eine unlösbare, etwas Ver
gangenes zurückzuführen, wohl aber kann und soll das Ver
gangene zur Belehrung dienen.
Der Text des zweiten Bandes besteht aus 112 einzelnen
Stücken, die sich jedoch in mehrere Gruppen einreihen lassen,
wie der Herausgeber sehr zweckmässig gethan hat.
1 — 9 (S. 1 — 44) betreffen a) Reichssachen und zwar:
1. Anschlag zu Frankfurt (Nürnberg), zum Widerstand gegen
die Böhmen (Ilussiten), XIII. (sollte heissen XIV.) XXXI. 1431.
Der in dieser Heeres-Ordnung (S. 4) erwähnte Herzog
Friedrich von Oesterreich, den Herr Ilöfler in der Note für den
nachmaligen Kaiser erklärt, ist Herzog Friedrich der ältere,
Vormund des nachmaligen Kaisers.
2. Matrikel von 1431 (S. 4—10).
Zwischen 1 und 2 ist eingeschaltet. Die (gleichzeitige)
deutsche Uebersetzung eines „türkischen” Schreibens an König
Siegmund über persische und arabische Verhältnisse, das auf
nähere diplomatische Verbindung deutet und nicht ohne Interesse
obgleich wegen Verunstaltung der Namen schwer verständlich
ist, „Korolock der Tatar” (auch „ethmar andes Karolockes”)
dürfte wohl Kara-Juluk oder Kara-Osmann aus der Dynastie
Bajender oder des weissen Hammels seyn. Vergl. Hammer
Gesch. des osm. Reiches I. 226.
3. Noch zum Nürnberger Reichstage 1431 gehörend:
Rathschläge der Churfürsten und Reichsfürsten rücksichtlich des
Kriegs gegen die Hussiten. (S. 10—13.)
4. Anschlag wider die Schweizer. (1446.) (S. 13 —IS.)
Vergl. Chmel, Regesten K. Friedrichs IV. I. S. 203. Nr. 2037.
5. Zur Geschichte des Reichstags zu Regensburg 1454,
um einen Zug gegen die Türken zu Stande zu bringen. Vor
trag der churfürstlichen Räthe an die kaiserlichen u. s. w.
(S. 18-30.)
6. Anschlag zu Frankfurt (1454), zum Widerstand
gegen die Türken. (S. 30—34.)
7. Fr an kfu rt er Rathschlag, Geld aufzutreibeu zum Tür
kenzug. (1454.) (S. 34—37.)
8. Erstreckung des vierjährigen Friedens, zu Augsburg
beschlossen und publicirt am Samstag vor dem Sonntag Vocera
215
jucuuditatus anno 1474 (14. nicht 7. Mai). Bei Müller und
Goldast. (S. 37—38.)
9. „Anschlag ohne weitere Ang-abe” (wahrscheinlich zum
Türkenzug 1454?). S. (38—44.)
b) „Die böhmischen Wirren.” Nr. 10 —11 S. 44—49.
10. „Vorschlag, den Churfürsten Friedrich von Brandenburg
„zum König von Böhmen zu erheben.” S. D. (1440? — wahr
scheinlich 1457.) S. 44—46.
# 11. „Die Antwort und Verabredung meines Herrn Mark
grafen (Alhrecht Achilles) auf die ihm gemachten Anträge (in
„Bezug auf das Königthum Böhmen). Geschehen und geben zu
„Swabach am Mitbochen nach Crucis inventionis anno Domini
„etc. quadragesimo tercio. 8. Mai 1443.” — Ein sehr interes
santes Actenstück, aus welchem hervorgeht, dass es im Laufe
des Jahres 1443 die mit der Vormundschaftsführung K. Fried
richs IV. unzufriedenen Böhmen Unterhandlungen mit dem
Markgrafen Alhrecht von Brandenburg (in Franken) anknüpften,
die nichts weniger beabsichtigten als förmliche Ausschliessung
des natürlichen Thronerben. Vergl. Chmel, Geschichte K. Fried
richs IV. Th. II. S. 228. —
* c) Rath schlag (Plan) Doctor Martin Maier’s,
den König von Böhmen (Georg Podiebrad) zum
römischen König zu machen. 1460. Nr. 12 — 22.
S. 50 — 78. Vergleiche mit diesen wichtigen Actenstücken Höfler’s
Aufsatz in den Münchner gelehrten Anzeigen 1849. St. 4 u. s. w.
„Urkundliche Nachrichten über K. Georg Podiebrad’s von Böh-
„men Versuch, die deutsche Reichskrone an sich zureissen.” —
Martin Maier war früher Kanzler des Churfürsten von Mainz, spä
ter Protonotar K. Georgs. — Aeneas Sylvius war bekanntlich
mit ihm in Correspondenz als Cardinal. —
Von diesen urkundlichen Beweisen, dass die Gegner Kaiser
Friedrich’^ IV., namentlich Friedrich von der Pfalz, ihn zu be
seitigen, ernstlich bedacht waren, muss dessen Geschichtschrei
ber gewissenhaften Gebrauch machen, daher wir uns der nähe
ren Auseinandersetzung hier enthalten. —
d) Instruction für einen Abgeordneten der Markgrafen Fried
rich und Alhrecht von Brandenburg au Kaiser Friedrich IV.
(Herrn Wenzlaw.) Lätare 1461. Nr. 23. S. 78 — 80, und
216
Nr. 24. S. 80—85 ist das Anbringen selbst dieses Abgeordne
ten und zwar für den Markgrafen Albrecht. —
In dem ersteren Stücke ist hervorzubeben die Stelle (S. 80) :
„Item von Marggrave Friedrichs wegen das lanndt zu Hol
stein antreftend das ledig worden ist von dem Herzogen von
„Sleszwick, des sich der konig von Denmarkt undermannt hat
„und nicht bekennt zu lehn vom Reich das unnser gne-
„digster Herr der keyser das Marggrave Fridrichen zu leyhen
„geruh, so wolle er versuchen und fleisz haben oh er das ein-
„bringen möge.” — Ueberhaupt sind beide Stücke, iusbesonders
Nr. 24, von grossem Interesse, sie versetzen ganz in jene an
diplomatischen Winkelzügen nicht minder reiche Zeit. —
Nr. 25. Werbung an den König von Böhmen, nebst eini
gen Briefen der Markgrafen von Brandenburg. — (Nr. 27—34.)
S. 85—96. Aus den Jahren 1461 —1463. Diese Fürsten, welche
allerdings in einer schwierigen Stellung waren, suchten sich
mit König Georg möglichst zu verständigen, ohne den Kaiser
ganz zu verlassen. — So auch mit Herzog Ludwig von Baiern.
9 Nr. 35. Zettel Otten von Sparneck und Caspar Junckher
zum Hof (von Gregor Heimburg) übergeben, den König von
Böhmen betreffend. Actum Hof 2. August 1463. S. 96—100.
Sehr charakteristisch.
e) „Die Reform des Reiches belangend.” Actenstücke
und Briefe aus den Jahren 1463 bis 1469. Nr. 36—94.
f) „Wendung der Angelegenheiten in Böhmen.” —
Briefe, meist von und an Gregor Heimburg, aus den Jah
ren 1468—1470.
Aus dem Angeführten geht hervor, dass die unter c—f grup-
pirten Actenstücke und Briefe ganz vorzüglich die Verhältnisse
Deutschlands und insbesondere die Stellung Georg Podiebrad’s
beleuchten. —
Herr Archivar Höfler hat sich durch Mittheilung dieser
Actenstücke und Briefe um die Aufhellung der diplomatischen
Geschichte der Jahre 1440—1470 ohne Zweifel grosses Ver
dienst erworben ; möchte er fortfahren, die reichen Schätze die
ses wichtigen Archives zum Besten der vaterländischen Ge
schichte auszubeuten. Ebre auch dem historischen Vereine zu
Bamberg und seinem erfolgreichen Streben.
I
Verzeichnis s
der
eingegangenen Druckschriften.
Academie Belgique: Annuaire. 1849. Bruxelles 1849; 12»
— — Bulletin T. 15. p. 2.
T. 16. p. 1. Bruxelles 1849; 8«
— — Memoires T. 23. Bruxelles 1849; 4°
Slnfergljofett, ©ottlieb greif), »ott, £anbbudj bet ©efdjicfyte beg
|>eräogtf)umg Äärntfien big jur ^Bereinigung mit ben öjterrei=
djifdjen gürftentfmmern. 33b. I. Äiagenfurt 1850; 8°
Annales de l’observatoire R. de Bruxelles. T. 7. Bruxelles 1849; 4°
Annalen der k. k. Sternwarte in Wien. Neue Folge. Bd. II.
Wien 1849; 4°
Atti Istriani editi a cura della direzione del Museo di Antichitä
Tergestine. Vol. 1. 2. Tergeste 1843; 8°
ßdo gni ftepulsione centrale, opposta al sistema del sole centrale.
Vienna 1849; 4°
Bolzano, Bernhard, sämmtliche Werke:
Leb ensb es ehr ei bung des Dr. B. Bolzano mit einigen seiner
ungedruckten Aufsätze und dem Bildnisse des Verfassers;
eingeleitet und erläutert von dem Herausgeber. Sulzbach,
Seidel. 1836. 1 Bd.
Was ist Philosophie? von B. Bolzano. Aus dessen hand
schriftlichem Nachlasse. Wien, Braumüller 1849.
Dr. B. Bol zano’s Wissenschaftslehre. Versuch einer ausführli
chen und grösstentheils neuen Darstellung der Logik, mit
steter Rücksicht auf deren bisherige Bearbeiter. Herausge
geben von mehreren seiner Freunde. Mit einer Vorrede des
Dr. J. Ch. A. Heinroth. Sulzbach 1837. 4 Bde.
Lehrbuch der Religionswissenschaft, ein Abdruck der Vorlesun
gen eines ehemaligen Religionslehrers an einer katholischen
SiUb. d. philos. hist. CI. Ja' rg. 1849. VIII, Heft.
a
II
Universität, von einigen seiner Schüler gesammelt und her
ausgegeben. Sulzbach 1834. 4 Bde.
Bolzano’s Wissenschaftslehre und Religionswissenschaft in einer
beurtheilenden Uebersicht. Eine Schrift für Alle, die dessen
wichtigste Ansichten kennen zu lernen wünschen. Sulzbach
1841.
Dr. B. Bolzano’s Athanasia oder Gründe für die Unstei’blich-
keit der Seele. Ein Buch für jeden Gebildeten, der hierüber
zur Beruhigung gelangen will. Zweite verbesserte Ausgabe
mit einem kritischen Anhänge vermehrt von einem Freunde
des Verfassers. Sulzbach 1838. Erste Auflage daselbst
1827. 2 Bde.
Religionsbekenntnisse zweier Vernunftfreunde, nämlich
eines protestantischen und eines katholischen Theologen
(Röhr und Bolzano). Mit Vorrede und Beurtheilung vom
Herausgeber. Sulzbach 1835. (Ist nicht von Bolzano.)
Sendschreiben an Se. Hochw. Hm. Dr. Joh. Fried. Röhr,
betreffend die aus seiner kritischen Prediger - Bibliothek
(1835) hier abgedruckte Kritik des Buches: Religions
bekenntnisse zweier Vernunftfreunde u. s. w. Sulzbach
1837.
Krug und Bolzano oder Schreiben an den Herrn Prof. Krug in
Leipzig und Prüfung seines gegen Prof. Bolzano’s Lehr
buch der Religionswissenschaft gerichteten Antidoton. Her
ausgegeben von den „Aufgeforderten.” (Das „Schreiben”
von einem andern Verfasser.) Sulzb. 1837.
Dr. Bolzano und seine Gegner. Ein Beitrag zur neuesten Li
teraturgeschichte. Sulzbach 1839.
Schreiben eines kathol. Geistlichen an den Verfasser des Bu
ches : „Die kathol. Kirche Schlesiens.” (Aug. Theiner.)
Sulzbach 1827.
Ansichten eines freisinnigen kathol. Theologen über das Ver-
hältniss zwischen Kirche und Staat; entwickelt in einer
Kritik des Herrn A. Gengier über denselben Gegenstand
im 3. Hefte der Tübinger theologischen Quartalschrift 1832.
Sulzbach 1834.
Prüfung der Philosophie des seligen Prof. G. Hermes von einem
Freunde der Ansichten Bolzano’s. Sulzb. 1840
III
Ueber die Perfectibilität des Katholicismus. Streit
schriften zweier katholischen Theologen; zugleich ein Bei
trag zur Aufhellung einiger wichtigen Begriffe aus Bolza-
no’s Religionswissenschaft. Leipzig, L. Voss. 1845.
Dr. B. Bolzano’s Erbauungsreden an die akademische Jugend.
Zweite verbesserte vermehrte Ausgabe. Erster Theil. Mit
Vorrede und Anmerkungen des Herausgebers. Sulzbach
1839. Erste Ausgabe, Prag 1813. 2 Bde.
— Erbauungsreden an die akademische Jugend, herausgegeben
von einigen seiner Freunde, beantwortet von Dr. F. Pri-
horsky. Prag, Hess 1849. 1 Bd.
Ueber das Verhältniss der beiden Volksstämme in
Böhmen. Drei Vorträge, im Jahre 1816 an der Hoch
schule zu Prag gehalten von Dr. B. Bolzano. Wien 1849.
Ueber die Wohlthätigkeit. Dem Wohle der leidenden
Menschheit gewidmet von einem Menschenfreunde. (Nach
drei im Jahre 1812 in Prag gehaltenen Vorträgen.)
Prag 1847.
Vorschläge zur Behebung des unter einem beträchtlichen
Theile der Bewohner Prags dermal um sich greifenden
Nothstandes. Von dem Verfasser des Büchleins : Ueber die
Wohlthätigkeit. Prag 1847.
Schreiben eines katholischen Geistlichen (nicht Bolzano) an
den Verfasser (Dr. Tzschirner in Leipzig) der „zwei Briefe
durch die jüngst erschienene Schrift: die reine katholische
Lehre, veranlasst.” Sulzbach 1828. 1 Bd.
Einzelnes: Todesanzeige des B. Bolzano. Prag 19. Decem-
ber 1848 und Wien 29. Decemb. 1848. — Pro
fessor B. Bolzano. Von Dr. M. J. Fesl, aus
der Wiener Zeitung vom 13. Febr. 1849. —
Bolzano. Aus „Bohemia” 1849, Nr. 40 und
41, von Prihorsky. — Bolzano’s Verhältniss
zur Poesie. Eine Reliquie von Robert Zimmer
mann. — Zur Biographie B. Bolzano’s von K W.
Hansgirg. Aus „Bohemia” 1849, Nr. 135. —
Aus der literarischen Welt. „Was ist
Philosophie,” von Joh. Langer, aus „Oesterrei-
chischem Courier 1849.1. August.” — B o lzan o's
*
IV
Porträts (von Thadd. Mayer und Hollpein) aus
„Bohemia” 1849, Nr. 155. — Inhaltsanzeige
der Wissenschaftslehre. — Inhaltsanzeige
der Religionswissenschaft. (In einem Bande.)
Betrachtungen über einige Gegenstände der Elementargeo
metrie. Prag 1804.
Beiträge zu einer begründeten Darstellung der Mathematik. 1
Lieferung. Prag 1810.
Der binomische Lehrsatz und als Folgerung aus ihm der
polynomische und die Reihen, die zur Berechnung der Lo
garithmen und Exponentialgrössen dienen, genauer als bis
her erwiesen. Prag 1816.
Rein analytischer Beweis des Lehrsatzes: dass zwischen
je zwei Werthen, die ein entgegengesetztes Resultat ge
währen, wenigstens eine reele Wurzel der Gleichung liege.
Prag 1817.
Die drei Probleme der Re ctifi cat ion, der Complana-
tion und der Cubirung, ohne Betrachtung des unendlich
Kleinen , ohne die Annahme des Archimedes und ohne ir
gend eine nicht streng erweisliche Voraussetzung gelöst;
zugleich als Probe einer gänzlichen Umstaltung der Raum
wissenschaft allen Mathematikern zur Prüfung vorgelegt.
Leipzig, P. G. Kummer. 1817.
B. Bolz an o’s Porträt, gern, von Hollpein 1839, lithograpliirt von
Kriehuber 1849.
Abhandlungen zur Aesthetik:
1. Ueber den Begriff des Schönen. Prag 1843.
2. Ueber die Eintheilung der schönen Künste. Prag 1846.
B. Bolzano’s Porträt von Thaddäus Mayer. 1846.
Versuch einer objectiven Begründung der Lehre von der Zu
sammensetzung der Kräfte. Prag 1842.
— einer objectiven Begründung der Lehre von den drei Di
mensionen des Raumes. Prag 1843.
Dr. Vincenz Julius Edler von Krombholz nach seinem
Leben und Wirken. Mit Porträt. Prag 1845.
Leben Franz Joseph Ritter von Gerstner, Dr. der Philosophie;
Ritter des kaiserl. österreichischen Leopoldordens, k. k.
Gubernialrathes, cmerit. k. k. Prof, der höheren Mathema-
V
tik, Mechanik und Hydraulik, k. k. Dir. der physik. mathem.
Lehrfächer an der philosophischen, dann der ständ. tech
nischen Lehranstalt, k. k. Wasserbau-Directors, Mitgliedes
mehrerer gelehrten Gesellschaften. Prag 1837. (In 1 Bd.)
Charisi, die ersten Makamen aus dem Taehkemoni oder Divan
des; herausg. von Dr. S. J. Kaempf. Berlin 1845; 8°
Czizek, Johann, geognostisclie Karte der Umgebungen Wiens.
— Erläuterungen zur geognostischen Karte der Umgebungen
Wiens. Wien 1849; 8°
© u b i t, Seba, ©efdjidjte beS Senebictiner*@tifte§ Stauern im 9)?arf*
grajpum 5Si%en. Sb. I. Srünn 1849; 8°
Eenens, Memoire sur la Fertilisation des landes de la campine et
des dunes. Bruxelles 1849; 8°
Sovgatfdj, Subro. greifyerr »on, bie fdjipare ©onau t»on Ulm bis in
ba§ fd)tt>arje SJleer. SEBien 1849; 8°
Gerhard, Eduard, zwei Minerven. Berlin 1848; 4°
— über Agathodämon und Bona Dea. Berlin 1849; 4°
©efdjicfytSfreunb, ber, Sföittfyetlungen beä fytfiorifdjm SereinS ber
fünf Orte Sucent, Uri, Sdjwtys, Untermaßen unb ßug. Sie*
ferung 1—6. ©inftebeln 1843; 8°
Giaxich, Paolo, Vita di Girolamo Muzio Giustinopolitano. Trieste
1847; 8°
Harris, A. C., Fragments of an oration against Demosthenes re-
spectingthe money of Harpalus. London 1848; 4°
L’Istria. (Appendice dell’ Osservatore Triestino.) Ann. 1 — 4.
Trieste 1845—49; 4°
Äämpf, @amuet Sfaaf, gotteSbienftüdjeS ©efangbudj, Sb. I. $rag
1849; 8°
— Siebe, gehalten bei ber am Saffaf} 5 Sefi im iSraelitifdjen Sem*
pel }u $rag ftattgefunbenen $eter toegen ber politifdjen ©leid^=
ftettung ber iSraetitifdjen jOefierteic^er mit üjren cfyriftlidjen
<Staatggenoffen. Epag 1849; 8°
— Jtritifdje atbijanblungen (im Siteraturblatte be$ Orientes).
Kandier, P., Relazione storica del Duomo di Trieste. Trieste
1843; 8°
— Discorso in onore del Dr.Dom.de Rossetti. Trieste 1844; 8°
I—1111111111IIIIIIIII
VI
Kandier, P., Cenni al forestiero che visita Pola. Triestel845; 8°
— Cenni al forestiero che visita Parenzo. Trieste 1845; 8°
— Pel fausto ingresso di Mons. Dr. Bart. Legat, Vescovo d.
Trieste 1847; 4°
— Documenti per servire alla conoscenza delle condizioni le-
gali del municipio ed emporio di Trieste. Trieste 1848; 4°
— Pasti sacri eprofanidi Trieste e dell’ Istria. Trieste 1849 ; 12°
— Geografia antica. Trieste 1849; 8°
o p p, 3. 6., ©efdjicfyte ber etbgcnöfftfdjen SJunbe. 33udj 4. Seipjig
1849; 8°
Kraus, Ant. Jos. Em. R. von, eine seinen Kindern und Freunden
zun» Andenken überlieferte Auto-Biographie. Wien 1849 ; 8°
Lihri, G., Reponse au rapport de M. Boacly, publie dans le moni-
teur universel du 19. Mars 1848. Londres 1848; S°
Memo ires de la Societe d’Archeologie et de Numismatique de
St. Petersbourg. Vol. I. Vol. II. p. 1. 2. St. Petersbourg
1847; 8°
Memorial de Ingenieros N. 5. Madrid 1849; 8°
Michaelis, Dr., über das Wetter, seine Ursachen und die Art,
dasselbe mit Nutzen zu beobachten. (Archiv d. Pharmacie.
86. Bd. 3. Hft.)
Perl, Jakob, Megale Temirin. —®ie entbedten ®ef)etmniffe. äBien
1819. 4°
P. F. v., £fhtcf<(fe auf bte politifdje 33ettsegung in £)efterreicf) in ben
Sauren 184S unb 1849. Sßien 1849; 8°
Pluskal, F. S., Biographie der berühmten jetzt lebenden Pflan
zenforscherin Oesterreichs Frau Jos. Kablik. Brünn 1849; 8°
— neue Methode die Pflanzen zu trocknen. Brünn 1849; 12°
Quellen und Forschungen zur vaterländischen Geschichte, Lite
ratur und Kunst. Wien 1849; 4°
duetlenfammlung für franfifdje ©efcfjidjte. 33b. 1. 2. ©apreutfy
1850; 8°
Quetelet, A., Rapport sur l’etat et les travaux de I’observatoire
R. pendant l’annee 1847. Bruxelles 1847; 8°
Rapicio, Andrea, l’Istria. Poema latina. (Ed. Kandier.) Pavia
1826; 8°
Roth, Rudolph, Jäska’s Nirukta sammt den Nigliantavas. Gotting.
1848; 8°
VII
Schrott er, Ant., die Chemie nach ihrem gegenwärtigen Zustande.
Bd. II. Bogen 11—34. Wien 1849; 8°
Seyffarth, M. Gust., Beiträge zur Prüfung der Hieroglyphen-
Systeme. Leipzig 1846; 8°
— Archäologische Abhandlungen. Leipzig 1849; 8°
Stucchi, Adone, l’Aria atmosferica. Milano 1846; 8°
UnitterfttatSfdjrtften, Sübinger. Tübingen 1848; 4°
Verein, naturwissenschaftlicher in Halle: Auszug aus den Sit
zungs-Protokollen. Jahrg. I. Halle 1849; 4°
SB e 6 er, SBeba, bte @tabt SBojeit unb t^re Umgebungen. S3o$enl849; 8°
Weisse, Max. Tafeln zur Reduction der bei verschiedenen Wär
megraden beobachteten Barometerstände. Wien 1S27; 8°
— Correctiones temporis ex altitudinibus corrispond. Craco-
viae 1829; 4°
— Coordiuatae Mercurii, Veneris. Cracoviae 1829; 4°
— Tafeln zur Berechnung der Höhen-Unterschiede aus beob
achteten Barometer-undThermometerständen. Wien 1831; 4°
— Resultate der an der Krakauer Sternwarte gemachten me-
teor. und astronomischen Beobachtungen. Krakau 1839; 4°
— Observationes magni Cometae anni 1843 et istius anni
1840. Cracoviae 1845; 8°
— Obraz obserwacyj meteorologicznych w observat. Kra-
kowkiem w. roku 1842. Krakowie 1845; 8°
— Relatio de eclipsi solis 7 Julii 1842. Cracoviae 1845; 8°
— Positiones mediae stellarum fix. in zonis Regiom. a Besselio
inter — 15 et + 15° declinat. observatarum ad annum
1825 reductae ct in catalog. ordin. Petrop. 1846; 4o
— Latitudo geographica Cracoviae; 8°
Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft. Bd.
III. 1. 2. 3. Leipzig 1849; 8°
Zigno, Achille di, sul terreno cretaceo dell’ Italia settentrionale.
Padova 1846; 4»
— Atti verbali della sezione di Geologia e Mineralogia della 8.
Riunione degli scienziati italiani. Padova 1849; 4°
Sitzungsberichte
kaiserlichen Akademie
Wissenschaften.
Philosophisch - historische Classc.
Jahrgang 1 1849.
Meimtes Heft. — Movember.
—
Wien, 1049.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classc«
Jahrgang 1849. IX. Heft. (November.)
17
217
Sitzungsberichte
der
p li i 1 o s o pii i s c h - h i s t o r i s c h e n C1 a s s e.
Sitzung vom 7. November 1849.
Das nachstehende Ersuchschreihen ist der k. Akademie der
Wissenschaften von Herrn Professor Dr. Seyffarth aus Leipzig
zugekommen mit der brieflich hinzugefügten Bitte: im Falle die
Akademie nicht für genehm halten sollte, über die ihr darin
vorgelcgten Fragepuncte ein Gutachten abzugeben, doch das
Schreiben in ihren Sitzungsberichten ahdrucken lassen zu wollen.
Letzteren Wunsch erfüllt die Akademie hiermit.
„An die k. Akademie der Wissenschaften zu Wien.
Wenn literarisches Eigenthum nicht Weniger heilig ist, als
materielles, und wenn Jedermann das Recht und die Obliegenheit
hat, das literarische Eigenthum eines Volkes oder'einesPrivatman
nes zu schützen, wenn dazu besonders wissenschaftliche Corpo-
rationen den Beruf und die Macht haben; so wird nachstehende
gehorsamste Bitte gewiss nicht ohne Entschuldigung bleiben.
Dr. Young in London hat im Jahre 1S19 (.Supplement to
the Encyclopaed. Brit. Vol. IV. P. 1.) die Entdeckung der phone
tischen Hieroglyphen und die ersten wichtigen Entzifferungen
von Hieroglyphengruppen bekannt gemacht, wodurch der Grund
für alle künftigen Grammatiken und Wörterbücher zur Literatur
der alten Aegypter gelegt wurde.
Erst seit 1821 hat Champollion I. j. das grosse Verdienst
sich erworben, die phonetische und lexikalische Bedeutung einer
weit grossem Menge von Hieroglyphen und Hieroglyphengruppen
zu bestimmen. Nichtsdestoweniger schreibt Hr. Prof. Lepsius in
Berlin (Ueber Vorbedingungen zur Entstehung einer Chronologie
17 *
218
hei den Acgyptcrn, Berlin 1S48. S. 240) die Entdeckung der
phonetischen Hieroglyphen blos C h am p o 11 i o n zu, ohne Y oungs
Verdienste im ganzen Buche mit einem Worte zu erwähnen.
Obgleich schon Zoeg-a (De Obelisc. Rom. 1797. S. 593)
dargethan hatte, dass der Obelisk, dessen Inschriften Her-
mapion ins Griechische übersetzt, jetzt auf Piazza del popolo
in Rom stehe; so konnte doch Champollion bis zu seinem
Tode 1832 mit seinem Systeme keine Uebereinstiinmung jenes
Ilieroglyphentextes mit Ilermapions Uebersetzung nachweisen;
daher derselbe überall versicherte, dass Ilermapions Obelisk
in Rom noch „vergraben' 1 liegen müsse.
Im Jahre 1842 (Ungarellii Interpretatio Obeliscorum,
Urbis; Rom.) haben sogar Champo 1 lion's Schüler, Rosellini
und Ungarelli eine vollständige Uebersetzung des genannten
Obelisken, Champollions Grammaire und Dictionnaire gemäss,
bekannt gemacht; diese enthält aber einen ganz anderen Sinn,
als II e r m a p i o n s Uebersetzung; daher Ungarelli wiederholt
versichert, dass „Ilermapion einen andern Obelisken als den
genannten übersetzt haben müsse”. Erst 1844 (Repertorium
der deutschen und ausländischen Literatur; 2. Jahrgang 32. Heft
9. August) hat der Unterzeichnete nachgewiesen, dass Herma-
pions griechische Uebersetzung den Obelisk auf Piazza del
popolo betreffe, dass dagegen eine richtige Uebersetzung jenes
Ilieroglyphentextes nach Champollions Systeme, dessen
Grammaire und Dictionnaire, unmöglich sei. Dagegen schreibt
Herr Professor Lepsius diese Entdeckung Champo 1 lio n zu,
indem er sagt (Ueber die Vorbedingungen zur Entstehung einer
Chronologie bei den Aegvptern S. 185, Nr. 2) : „es ist schon
längst und gewiss richtig von Champollion erkannt worden,
dass wir im Flaminischen Obelisk auf Piazza del popolo in Rom
das Gegenstück von dem durch Hermapion übersetzten besitzen.
Champollion 1. j. hat in allen seinen Schriften über
ägyptische Literatur den Grundsatz festgehalten; dass die
Aegypter phonetisch durch eine Hieroglyphe einen Buchstaben,
nicht aber deren mehre zugleich, eine Sylbe ausgedrückt haben;
z. B. in Precis 1. edit. p. 381. 2. edit. p. 447; Grammaire p. 27.);
Herr Professor Lepsius selbst hat diesen Satz für richtig
erklärt (Annali del Istit. Rom. 1837. p. 44 u. p. 16), und richtig
219
bis zum Jahre 1S46 keiner Hieroglyphe eine syllabarische Be
deutung beigelegt. Dagegen hatte der Unterzeichnete schon
1825 bei Vergleichung verschiedener Abschriften desselben Textes
die syllabarische Bedeutung der Hieroglyphen erkannt (Itudi-
raenta Hieroglyphices, Lips. 1S25. p. 36); er hatte namentlich
seit 1844 wiederholt dargethan, „dass grundsätzlich jede Hiero
glyphe die Consonanten ausdrückt, welche der Name der Hiero
glyphe enthält.” (Repertorium der deutschen und ausländischen
Literatur 1844, B. III, S. 309, vom 3. August; Verhandlungen
der ersten Versammlung deutscher und ausländischer Oriental.
1845, S. 66; Jahresbericht der deutschen morgenländischen
Gesellschaft 1S46, S. 98; Jenaisclie Literaturzeitung 1S47,
S. 817, vom 28. August); hatte auch bereits im September 1846
der Orientalisten-Versammlung zu Jena sein lithographirtes
syllabarisches Hieroglyphenalphabet vorgelegt (Jahresbericht der
deutsch-morgenländischen Gesellschaft für das Jahr 1846, S. 6)
und Exemplare davon an mehrere Gelehrte übersendet. Jetzt hat
die Entdeckung der syllabarischen Hieroglyphen, welche der wahre
Schlüssel zur gesummten Literatur der alten Aegypter ist und
bleiben wird, Herr Professor Lcpsius in der genannten Schrift,
ohne seinen und Champo Ilions Irrthum mit einem Worte zu
berichtigen, für sein Eigenthum stillschweigend ausgegeben.
Bereits im Jahre 1833 hat der Unterzeichnete (Astronomia
aegypt. Lips. 1833. p. 211—333) den Schlüssel zu den bis
dahin gänzlich unerklärbaren astronomischen Inschriften der
Aegypter bekannt gemacht, indem nachgewiesen wurde, dass
die 7 Cabiren der Aegypter den 7 Planeten der Alten, die
12 grossen Götter den 12 Zeichen des Thierkreises entsprechen.
Dieselbe Erklärung der astronomischen Inschriften Aegyptens
hat Herr Professor Lepsius in Berlin in seinen angeführten
Schriften angewendet, hat aber diese für die Geschichte der
Astronomie, die Zeitrechnung und Mythologie so wichtige Ent
deckung stillschweigend für sein Eigenthum ausgegeben.
Die weiteren Belege für die vorstehend ausgesprochenen
Anklagen finden sich in den beifolgenden beiden Schriften ’).
«Beiträge zur Prüfung der Hieroglyphen Systeme.” Von BI. G. Scyffarth,
Leipzig 1S46, 8° und „Archäologische Abhandlungen.” Von G. S ey fl'ar t b,
Leipzig 1849, 8°.
220
In der festesten Ueberzeugung, dass die k. Akademie der
Wissenschaften zu Wien unter allen Umständen bereit sei,
das literarische Eigenthum jedes Volkes und jedes Gelehrten in
Schutz zu nehmen, wendet sich der Unterzeichnete an dieselbe
mit dem Wunsche, über folgende vier Puncte ein öffentliches
Gutachten auszusprechen :
1. Gehört das Verdienst, die phonetischen Hieroglyphen
entdeckt und die ersten Hieroglyphengruppen richtig eutzißert
zu haben, dem verst. Dr Young in England, oder C h am
pol 1 i o n d. J. ?
2. Hat Champollion oder der Unterzeichnete zuerst
gefunden, dass II ermapion den jetzt auf Piazza del popolo
in Rom stehenden Obelisken ins Griechische übersetzt habe ?
3. Ist dem Herrn Professor L e p s i u s in Berlin die Auf
findung der syllabarischen Bedeutung der Hieroglyphen und des
eigentlichen Schlüssels zur gesammten Hieroglyphen-Literatur,
oder dem Unterzeichneten zuzuschreiben ?
4. Hat Herr Professor Lepsius, oder der Unterzeich
nete den Schlüssel zu den astronomischen Inschriften der alten
Aegypter entdeckt ?
Möge die ergebene Bitte, zur Erhaltung der guten, das
literarische Eigenthum jedes Volkes und jedes Gelehrten achten
den Sitte in der Gelehrtenwelt etwas beizutragen, eine geneigte
Zustimmung finden.
Leipzig, den 13. Juli 1849.
Dr. Gust. Seyjfäftli,
Prof. d. Archiiol.
Herr Regierungsrath Arneth liest unter Vorlegung der
beigefügten Zeichnungen einen Bericht über nachstehende der
Akademie aus Spanien eingesandte Abhandlung:
Memoria histörico - critica sobre el gran disco de Tlieo-
dosio cncontrado en Almendralejo, leida a la real Academia
de la Historia per su Anticuario Don Antonio Delgado en la
junta ordinäria de 9 de Sctiembre de 1848.
Es gibt Sittenzüge, welche in der Sitten-, es gibt Monu
mente, welche in der Monumentenlehre auffallende Epoche ma
chen. Unter letztere rechne ich das in oben angezeigter Schrift
22 1
erklärte Werk, dessen Auslegung mit der Wichtigkeit seines
Gegenstandes gleichen Schritt hält.
Das in obiger Schrift besprochene Silber-Relief wurde in
der Nähe von Badajoz in Spanien am 25. August 1847 von Juan
Aguilar aus der Erde gegraben; es ist eine einen Schuh
zwei Zoll im Durchmesser betragende zirkelrunde Masse, auf
der folgende Schrift und Figuren erhoben gearbeitet sind:
DN TIIEODOSIVS PERPET AVG OB DIEM FELICISSIMVM X.
Theodosius sitzt innerhalb eines von vier Säulen getragenen
Porticus in der erhöhten gewölbten Mitte ; das mit einem Dia
deme geschmückte Haupt mit einem Nimbus umgeben ; über das
reich gestickte Unterkleid ist eine Chlamis bis auf den rechten
Arm, der ein Buch hält, geworfen, welche auf der rechten
Achsel durch eine mit Perlen geschmückte Fibula zusammenge
halten ist. Der rechte Fuss des Kaisers ist, durch ein beson
ders schön gesticktes Tuch — suppedaneum-gremiaie — bedeckt,
die Fiisse, welche mit Perlenstickerei versehene Schuhe beklei
den, setzt er auf einen gestickten Schemel.
Auf beiden Seiten des Theodosius sitzen ebenfalls inner
halb des Porticus, auf ähnliche Art geschmückt, die beiden
Söhne des Theodosius ; der rechts sitzende hält in der rechten
Hand einen Scepter, in der linken eine Weltkugel; der links
sitzende erhebt, gegen seine Brust gewendet, zwei Finger zum
Segnen empor, in der linken Hand eine Weltkugel. Dem Theo
dosius nähert sich eine dritte Gestalt, im Begriffe, das Buch,
welches Theodosius hält, in’s Gremiale aufzunehmen. Rechts und
links am äussersten Ende des Porticus stehen je zwei Solda
ten, die in den rechten Händen Lanzen, in den linken grosse
ovale Schilde halten. Im Frontispice des Tempels fliegt rechts
und links ein Genius mit Früchten auf den Imperator zu.
Unten im Segmente liegt unter Weitzenhalmen die Erde,
das mit Aehren gekrönte Haupt auf die rechte Hand gestützt,
das untere Ende des Füllhorns mit der linken Hand haltend;
aufwärts gegen den Imperator fliegen drei Genien, mit Früch
ten und Blumen in den Händen.
Der Verfasser legt zuerst die Inschrift aus, in welcher alles
bis auf den Schluss klar,ist, er liest dieselbe folgcndermasseu:
/&GF\ 3hSBwmSI
222
Dominus noster Theodosius perpetuus Avgustus, ob diem feli-
cissimum quindecennalem fvel quindecennaliumj, und glaubt zu
ergänzen: hoc monumentum fieri jussit (vel) donavit, vielleicht
richtiger: dicat, dedicat? — denn die Formel: ob diem feli-
cissimum ist ja genau wie das Augusteische: ob civis servatos
auf den Münzen, worauf steht: CL. V., d. h. clypeus votivus.
(Beil, a.) Ich stehe daher nicht an, solche Werke immer clypeus
votivus zu nennen.
Nach dieser Annahme glaubt der gelehrte Verfasser die
Widmung des fraglichen Monumentes auf den 19. Jänner 393
n. Chr. G. festsetzen zu können, da Theodosius von Gratianus
am 19. Jänner 379 zum Mitregenten angenommen wurde, also auf
das fünfzehnte Jahr nach diesem Ereignisse; im Jahre 393 nahm
Theodosius seinen jüngeren Sohn Ilonorius zum Mitregenten
an, nachdem er den älteren schon 383 als solchen angenom
men hatte.
Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass die drei Gestalten
auf dem Basrelief den Theodosius zwischen seinen Söhnen Arca-
dius und Ilonorius vorstellen.
Aus der merkwürdigen Zusammenstellung der Daten wird
ersichtlich, wie viel die Römer auf die Wiederholung gewisser
Zeiträume hielten:
Theodosius, den 19. Jänner 379 zum Mitregenten angenom
men, feierte das erste Lustruin am 19. Jänner 383, und nahm
den Arcadius zum Mitregenten den 16. Jänner 383 ; dieser feierte
das zwanzigste Jahr 402 am gleichen Tage, und nahm den
11. Jänner 402 seinen Sohn Theodosius den Jüngeren zum Mit—
regenteu an. — Die beiden Münzen mit der Bezeichnung der
Voten geben auch hierüber unwidersprechlichen Beweis.
Die vier Soldaten auf unserem Monumente sind von der
Leibwache der Kaiser, sie sind besonders auch durch die Tor- ^
ques ausgezeichnet, ihr unbedeckter Kopf, die Tracht ihrer
Haare macht wahrscheinlich, dass sie Gothen waren.
Die Handlung des Ganzen stellt die Ernennung einer Ma-
gisratsperson , eines Gouverneurs einer Provinz — etwa Spa
niens ? — vor, dem Theodosius das Gesetzbuch übergibt: Is
est mandatorum Uber, quem Princeps magistratibus darc
consueverat, und dieses fand unter Theodosius statt im Ilebdo-
223
mon — einem Tempel, den Theodosius in einer der Vorstädte
Consfantinopel’s erbaute *).
Die fünf Genien, von denen zwei von oben, drei von un
ten auf den Imperator zufliegen, erklärt Delgado als die Sym
bole der fünf Jahre des Lustrum’s, wie vier Genien im Allge
meinen die vier Jahreszeiten bedeuten.
Die Benennung des Monumentes anlangend, glaubt Herr
Delgado bei der von der Form hergenommenen: Discus,
Scheibe— ; bleiben zu sollen, führt jedoch viele unwiderlegliche
Beweise von der Unrichtigkeit derselben an.
Meines Erachtens sind Monumente von der Art Clypei
votivi — Weihgeschenke mit Vorstellungen. — Solche Clypei
sind seit den ältesten Zeiten üblich gewesen, und haben in ver
schiedenem Materiale bestanden 3 ); schon Plinius 3 ) sagt: Scu-
tis, qualibus apud Trojatn pugnatum est, continebantur
imagives, linde et nomen habuere clipcorum; Livius 4 ) :
Praedam ingentem partarn; in eu fuisse elypeum argenleum
pondo centum triginta octo cum imagine Barcini Hasdruba-
lis •— -— monumentumque victoriae ejus de Poenis, usque ad
incensum capitolium fuisse in templo clipeum, Marcium appel-
latum, cum imagine Hasdrubalis. — Aemilius Lepidus
et Aemilius Paulus multos pecuarios damnarunt; ex ca
pecunia clipea inaurata in fastigio Jovis aedis posuerunt.
Tacitus 5 ) führt unter den Ehrenbezeugungen, welche Tibe-
rius dem todten Germanicus erweisen liess, an: elypeus auro
et magnitudine insignis. So wurde dem Caligula ein aureus
elypeus beschlossen °). Der Senat 7 ) liess des Domitian: elypeos
et imagines detrahi.
Das Bildniss des Scipio Africanus war auf dem Capitol,
und so oft eine Leiche des Cornelischen Geschlechtes gehalten
Procopius (Lib. I de aedificiis Justiniani in prima orat.). Wo aber Heb-
doinon eine Vorstadt ist, sv itpaaqsitfi y.c/J.wj.ivy ißiHö/J-O), vcrgl. auch
Hammer: Constantinopcl u. d. Bosp. II. 14. 15.
2 ) Eckhel. VI. 121.
3 ) H. N. XXXV. 3. 4,,
4 ) XXV. 39. XXXV. 10. f
5 ) Ann. II, 83. *
°) Suetonius Caligula. XVI.
7 ) Suetonius XXIII.
wurde, wurde dieses geholt, so dass dem Africanus das Capi
tol wie ein Atrium diente. Des Censors Cato Bildniss war auf
der Curia 1 ). Horatius 8 ) besingt solche Weihgeschenke:
. . . Me tabula sacer
Votiva paries indicat uvida
Suspendisse potenti
Vestimenta maris Deo.
Ebenso geht aus Horatius, Virgilius 3 ), Juvenalis 4 ), Tibul-
lus s) das, vielleicht der menschlichen Natur eingeborne, Votiv-
Wesen deutlich hervor.
Wie Cato’s Bildniss in der Curia, so war auch jenes des
Claudius Gothicus nach Trebellius Pollio 6 ) da aufgestellt: Illi
clppeus aureus vel ut grammatici loquuntur, clypeum aureum,
senatus totius judicio in roniana curia collocatum est, ut
ctiam nunc videtur. Expressa tliorace vultus ejus imago.
Aehnliches war schon bei Trajan der Fall, wie Plinius
d. J. an Trajan schreibt: Omnes et imaginem tuam Deorum
simuiacra venerati sunt. Schon Pilatus hatte im Tempel in
Jerusalem die Portraite des Tiberius aufgestellt, und Pbilo der
Jude sagt ausdrücklich, dass sie Schilde waren, worauf die
Portraite vorgestellt waren '). Auch die christlichen Kaiser folg
ten ähnlichen Gebräuchen, wie Thcodosius selbst festsetzt 8 ):
Si quando nostrae statuae, vel imaginus eriguntur: sive die-
bus (ut adsolentj festis sive communihus, adsit Judex sine
cidorationis anibitioso fastidio.
Die Bildnisse der Kaiser trugen die Legionen häufig wie
die Adler als Feldzeichen : Totius legionis insigne sunt ima-
gines Imperalorum, quas tanquam divina et praesentia signa
singuli venerantur *>). So beschreibt auch Eusebius 10 ) das
Feldzeichen Constantin des Grossen: Auf einer hohen, brei-
Valer. Maxim. VIII. 15.
2 ) Carm. I. 5.
3 ) Aen. XII. 760.
4 ) Sat. XII. 17.
5 ) Eleg. I. 3. 28.
c ) De divo Claudio.
7 ) Joseph Flav. II. de hello Judaico. c, 3. u. 8.
8 ) Codex Just.
”) Modestus de vocabulis rei mitit.
in ) De vila Constantini I. 25.
225
ten, vergoldeten Stange ist eine goldene, mit Perlen geschmückte
Krone, in deren Mitte das Monogramm Christi; unmittelbar darun
ter liess Constantin sein und seiner Söhne Bildniss anbrin
gen. Es ist sehr wahrscheinlich, meint auch Eckhel *), dass
diese Bildnisse häufig auf Schilde angebracht gewesen seien.
Aus dem Ganzen erhellt, sagt der gelehrte Delgado 2):
Die alten Römer haben die Bildnisse ihrer Kaiser auf Schilde
von Metall angebracht; sie zur Verehrung sowohl in Tempeln,
in Portiken als andern öffentlichen Gebäuden aufgestellt; die
Legionen haben sie als Gegenstand der Verehrung unter die
Feldzeichen aufgenommen.
Nun geht D e 1 g a d o auf die erhaltenen ähnlichen Werke
über, und führt zwei in Paris aufbewahrte an. — Es sind Ilru.
Delgado die bedeutendsten Arbeiten über das erste Werk un
bekannt geblieben, es sind diese Mi 11 in 3 ) und Letronnc 4 ). —
Ein drittes, das in Perugia 5 ) gefundene, ist Hrn. Delgado
gleichfalls unbekannt.
Es ist auch natürlich, dass ihm das im k. k. Münz- und
Antiken-Cabinette aufbewahrte vierte ähnliche Werk, was ich
im zweiten Bande der bald der Oeflentlichkeit zu übergebenden
Monumente bekannt machen werde, fremd blieb, da es bisher
nur K. Ottfr. M ü 11 er, der es von mir mitgetheilt erhielt, in den
Annnalen des Institutes der archäol. Correspondenz °) ver
öffentlichte, ohne dass dieser grosse Gelehrte dem Monu
mente den hohen Rang anwies, den es verdient, wie Sie
aus der Zeichnung, die ich Ihnen vorzulegen die Ehre habe,
ersehen werden. Unser Monument hat mit dem Spanischen durch
die unten liegende Gestalt die grösste Aeliuliehkeit. Sollte der
in Paris befindliche Schild durch seine Arbeit und das Hache
Relief Hrn. Mi llin vermocht haben, solches Discus zu benen
nen, so trägt die Arbeit unser.s Reliefs sicher dazu bei, ähnli
che Monumente in eine höhere Classe, in die der geheiligten,
zu stellen ; denn das Opfer des Agrippa an die Ceres hat ein
*) Observ. gen. c. XV.
•') 1. e.
3 ) Monumens inedits. I.
4 ) Revue arcluiol. 1S47. 514.
■’) Fontanini. Discus Argenteus votivus.
") Anriali etc. XI. 4. 79.
226
solches Relief, ja es ist dieses häufig unterarbeitet, beweist
sogar keine Spuren gewöhnlichen Gebrauches, dass schon hie
durch seine höhere Bestimmung fast bewiesen ist.
Ein fünftes, sehr merkwürdiges Monument dieser Art wurde
hei Genf in der Arve gefunden; dieses ist aus der Zeit Valen
tin ian’s. LARGITAS VALENTINIANI AVGVSTI ist die Inschrift.
Valentinian mit dem Nimbus umgeben, steht, in der einen Hand
die Weltkugel, worauf Victoria den Valentinian zu krönen im
Begriffe, zwischen sechs Schilde haltenden Soldaten 1 ).
Mit dem eben durch Hrn. Delgado der Oeffentlichkeit
übergebenen sind bis jetzt sechs Werke eines ähnlichen Mo-
numenten-Kreises bekannt. Ein siebentes soll in der Donau ge
funden und in Gratz eingeschmolzen worden sein, wie mir der
um die österreichische Geschichte so sehr verdiente Pfarrer
von St. Florian, Franz Kurz, öfters erzählte. Leider waren
unsere Fundgesetze den Monumenten früher eben so nachtheilig,
wie sie es gegenwärtig auch sind.
Herr Delgado hält aus Zeichen, die auf der Rückseite
angebracht sind, dafür, dass der Schild des Theodosiuszu Con-
stantinopel gearbeitet worden sei, und da er ein Product des
Gusses, dass ihrer mehrere verfertigt worden wären, und be-
schliesst, sich reassumirend, seine gelehrte Abhandlung fol-
gendermassen:
Der Discus war auf Befehl Theodosius des Grossen am
Tage seiner Ouindecennalien, d. i. am 19. Jänner 393 gemacht.
Mit diesem Tage ungefähr fiel zusammen die Ernennung
seines jüngeren Sohnes Honorius zum Augustus.
Um gleiche Zeit wurden Theodosius und seine Söhne Ar-
caditis und Honorius auch in Spanien als einzige gesetzmässige
Fürsten anerkannt.
Das Monument zeigt die Ernennung eines Magistrats. Es ist
ein Discus oder Schild , wie sie die Kaiser für die Magistrate
machen Hessen, um vor denselben ihreAngelegenheiten zu schlichten.
Solche Schilde wurden auf Säulen über einen Dreifuss
erhöht, oder auch auf einer Fahne den Magistratspersoneu
vorgetragen.
*) Montfaucon. A. E. Supplem. IV. 6i. fol. 3S.
227
Aus diesem Monumente zeigt sich klar der Zustand der
Kunst unter Theodosius und der Uebergang aus dem grie
chisch-lateinischen Style zum byzantinischen, sagt Herr Del-
gado, wozu ich mir nur noch hinzuzusetzen erlaube: Das
Monument in Spanien bildet einen lehrreichen Mittelpunct zwi
schen dem Opfer des Agrippa an die Ceres auf dem zu Aqui-
leia gefundenen, nun zu Wien aufbewahrten Schilde und den
Dedications-Bildern in den Manuscripten der Evangelien aus der
Zeit Carl’s des Kahlen zu Paris und zu München — so dass
in dem Schilde zu Wien das augusteische — in dem zu Madrid
das theodosianische — und in den Miniaturen zu Paris und
München das carolingische Zeitalter auf lehrreiche Weise dar
gestellt wird, wie aus den Beilagen 1, 2, 3 zu ersehen ist.
Bericht des Herrn von Karajan „über Johann Karl
Schuller’s Sieb enb ürgi s ch - S äc hsis ch e Etymolo
gien und Analogien.”
In der Classen-Sitzung vom 10. October I. J. wurde mir
aufgetragen, ein Gutachten abzugeben über die von unserm
correspondirenden Mitgliede Professor I. K. Schüller der Aka
demie vorgelegte Proben eines Wörterbuches der siebenbürgisch-
sächsisclien Mundart. Diesem Aufträge gewissenhaft zu ent
sprechen, ist meine Pflicht, fällt es mir auch schwer, dem so
verdienstlichen Verfasser nicht überall beistimmen zu können.
Doch dieser wird, wir erwarten es nicht anders von ihm, als
einem wahren Freunde freier Forschung und freien Wortes,
unsere Bemerkungen, sind sie nur nicht ungegründet, gerne
hinnehmen, wo wir Recht haben uns folgen, wo wir irrten
unsere Fehler zu vermeiden wissen.
Ueber die wissenschaftliche Bedeutung solcher Sammlungen
überhaupt liier zu sprechen halte ich für überflüssig, denn ich
dürfte über die Wichtigkeit derselben wohl bei Niemandem un
ter uns auf Widerspruch stossen; es kann sich also nur darum
handeln, ob eine Sammlung über die siebenbürgisch-sächsische
Mundart ein wissenschaftliches Bedürfniss sei oder nicht, und
da glaube ich am besten zu thun, wenn ich die kleine Literatur
dieses Faches, so weit sie mir bekannt geworden ist, auf
zähle, also die Thatsaclien selbst sprechen lasse.
22S
Der am die siebenbürgisch-sächsische Gelehrtcn-Gescliichte
so verdiente Seivert war es, welcher meines Wissens der
erste im Jahre 1781 im „Ungarischen Magazine, Pressburg bei
A. Löwe, und zwar im 3. Stücke des 1. Randes, S. 257 bis
282 eine kurze Abhandlung und dieser folgend auf 'löVs Blät
tern die ersten Proben der sieberibnrgisch-sachsischen Mund
art dem gelehrten Publikum bekannt machte. So kurz diese
Proben auch sind, so enthalten sie dennoch manches sehr merk
würdige Wort, sind auch die beigegebenen Erklärungen, und
namentlich die Etymologien, wie. so häufig in jener Zeit, in
der die wissenschaftliche Erforschung der deutschen Sprache noch
in ihrer Kindheit war, völlig missglückt zu nennen. Genug,
der Anstoss war gegeben und man hätte erwarten sollen, dass
er nicht ohne alle Folge bleiben würde. Dennoch scheint diess
der Fall gewesen zu sein, denn sechs volle Jahre. später noch
lässt sich derselbe Mitarbeiter *) im Magazine ßd. 4. Hft. 1.
S. 22 ff. über diesen deutschen Dialect so vernehmen, als
wäre das gelehrte Publikum nie noch früher auf diese Mund
art aufmerksam gemacht worden, indem er zugleich das hohe Lied
Salomons im Dialecte Hermannstadts veröffentlichte. Auch auf
diese Mittheilung trat lange Todtenstille ein, acht volle Jahre
finde ich keine Spur einer weiteren Veröffentlichung in dieser
Angelegenheit. Erst im Jahre 1795 erscheint in Siebenbürgen
selbst, nämlich in der zu Hermannstadt herausgegebenen Quarlal-
schrift, und zwar im 3. Quartale jenes Jahres in Nr. 1 und
im vierten in Nr. 4 ein längerer Aufsatz des Gymnasial-Lehrers I.
Binder mit der Ueberschrift „Ueber die Sprache der Sachsen
in Siebenbürgen.”
Binder hatte die Absicht, seiner Abhandlung über Vocalis-
mus und Consonantismus dieser Mundart ein Verzeichniss der
ihr eigenthümlichen Wörter folgen zu lassen, und wollte die
sem von Fall zu Fall Bemerkungen über Wortfügung und an
dere Eigenthümlichkeiten derselben, verglichen mit dem Alt—
und Neudeutschen und dessen Dialecten einreihen, als er aber
erfuhr, dass Seivert am angeführten Orte im ungarischen Ma
gazine nur einen Auszug seines viel vollständigeren Wörter-
) Vergleiche Binders unten erwähnten Aufsatz. S. 210.
229
buclies gegeben batte und dieses nun selbst von Freundes Hand
zur Benützung erhielt, fasste er den löblichen Entschluss, seine
eigenen Sammlungen jenen Sciverts einzureihen und Leide ver
eint der 0Öffentlichkeit als ein besonderes Werk zu übergeben.
Leider scheint Binder davon abgekommen zu sein, wenigstens
ist mir "das Erschienensein eines derartigen Wörterbuchs nicht
bekannt.
Nach Binders erwähnter Abhandlung verstrichen abermals
volle 21 Jahre, ohne dass weitere Arbeiten in diesem Fache
vor die Oeffentliclikeit traten.
Erst im Jahre 1816 wendete ein mit B—n Unterzeichneter
Nicht-Siebenbürger in Gr äter s Iduna und Hermode, S. 150 bis
152 die Aufmerksamkeit der Sprachforscher neuerdings auf die
sen Dialect, indem er seinem höchst dürftigen Aufsatze eine
Probe der Declination und des Vocalismus dieser Mundart bei
fügte, Er spricht übrigens bei dieser Gelegenheit von meh
reren in Siebenbürgen von Eingeborenen gesammelten Denkmä-
mälern dieser Mundart, die er vielleicht später veröffentlichen
werde. Aber auch dieses Versprechen, so wie das zwei Jahre
darnach durch Scliottky im Änzeigeblatte der Wiener Jahrbücher
1818, Band 4. S. 40 gegebene, nämlich die Leistungen über
die Sprache der Siebenbürger Sachsen nachzuweisen, blieb un
erfüllt.
So verstrichen abermals 22 Jahre, ohne dass für die Kennt-
niss dieser Mundart irgend etwas Bedeutendes geleistet wurde,
da begann unser Schüller im ersten Bande seines so verdienst
lichen Archives für die Kunde Siebenbürgens, Hermannstadt
1840. 8. S. 57 ff., in einer besonderen Abhandlung „Ueber das
Verhältnis der siebenbürgisch-säclisischen Mundart zur hoch
deutschen Sprache” neuerdings die Aufmerksamkeit des gelehr
ten Publikums auf diese Mundart zu lenken und versuchte ihre
Eigenthümliclikeiten auf Grundsätze und Regeln zurückzuführen.
Wie verdienstlich diese Arbeit auch genannt werden konnte,
so fehlte doch noch immer für den Nichteingebovnen die Mög
lichkeit, ihren Werth oder Unwerth an sich zu prüfen, so
lange nicht eine Reihe von Sprachdenkmälern selbst gedruckt
vorlag —- und Schüller, diesen Mangel gar wohl fühlend, er
griff noch im selben Jahre die sich bietende Gelegenheit, in-
230
dem er zur Unterstützung seiner durch den grossen Brand
der Stadt Bistritz in Siebenbürgen schwer heimgesuchten Lands
leute eine „Sammlung von Gedichten in sicbenbürgisch-säch-
sischer Mundart.” Hermannstadt bei F. A. Crcdner in 8. ver
öffentlichte, deren nicht unbedeutenden Erlös er jenem milden
Zwecke widmete.
In den Anmerkungen zu diesen aus den verschiedensten
Gegenden Siebenbürgens gesammelten Gedichten ist für den
ersten Bedarf des Lesers, so gut es die kurz zugemessene Zeit
zur Ausarbeitung dem Herausgeber gestattete, durch Wört
ern! Sacherklärungen gesorgt, der aufmerksame Leser aber wird
sich nur in den seltensten Fällen mit diesen Erklärungen ein
für allemal begnügen, seine Wissbegierde wird vielmehr durch
dieselben erst recht rege gemacht, er wird nach reicheren Be
legen für die dort eilig gegebenen Erklärungen lüstern werden,
er wird nach Verwandtschaft der einzelnen Worte, nach Be
gründung ihrer jetzigen Bedeutung fragen, kurz er wird sich
nach den Aufschlüssen sehnen, welche nur ein gründliches,
umfassendes Wörterbuch der ganzen Mundart gewähren kann.
Und das ist es, was uns nach den oben aufgezählten Ver
suchen und Anregungen bis zur Stunde noch immer fehlt, und
dessen Abgang vor mehr als einem halben Jahrhundert Seivert
und Binder, in unsern Tagen Schüller Vater und Sohn zu be
seitigen suchten, ein Wörterbuch., das alle Spielarten unserer
Muttersprache nachweist, wie sie sich seit sieben Jahrhunderten
in jenen fernen Gegenden, auf engem Raume zusammengedrängt,
erhalten haben, ein Wörterbuch, das uns manches alte
Wort wiedergewinnen soll, das längst entschwundene Zeiten
an jene entlegene Küste gespült haben, wo es einsam liegen
blieb, den mächtigen Strömungen der verwandten Sprachen
massen entnommen, und nun wie ein auferweckter Todter aus
fernen Jahrhunderten wieder eingeführt wird in den Kreis spä
ter Enkel, die den lange entfremdeten mit Mühe nur verstehen
lernen.
Nur wer viel unter dem Volke gelebt hat, wird aus die
sem Verkehre für seine mundartlichen Sammlungen reiche Aus
beute heimbringen, und Schüllers Vater sowohl wie er selbst
haben diesen Weg mit Erfolg, so scheint es, betreten, denn
231
Beide als Eingeborne an verschiedenen Orten im Lehrfache
thätig, hatten Gelegenheit und Lust, aus der Volkssprache in
ihre Sammlungen aufzunehmen, was sich ihnen in so reicher
Fülle allenthalben darbot. An Reichthum der Worte, das zeigt
schon die vorgelegte Probe, wird es also ihren Sammlungen
nicht fehlen, es fragt sich nur, ob nicht die Anordnung, Sich
tung und Prüfung des Stoßes, wie sie die Probe zu entneh
men gibt, im vollendeten Werke selbst vollkommener zu wün
schen wäre. Um diesen erhöhten Grad der Ausführung leichter
zu erreichen, erbittet sich nun der Verfasser den Beirath der
Akademie. Er soll ihm gerne und im Interesse der Sache werden.
Zwei Erfordernisse sind es vor Allem, welche bei der Aus
arbeitung der gegebenen Probe, nach unserem Dafürhalten, die
ausgedehnteste Berücksichtigung zu verdienen scheinen.
Erstens die Beigabe von Belegstellen zu jedem
einzelnen mundartlichen Worte und zwar in so reicher
Anzahl als möglich, damit aus ihnen allein schon jeder achtsame
Leser die Bedeutung der aufgestellten Worte mit Sicherheit
sich klar machen könne. Denn es genügt nicht mehr bloss
den Sinn derselben, so wie er dem Veranstalter der Samm
lung erschien, vor sich zu haben, es müssen die Quellen zur
Hand sein, aus denen die aufgestellte Bedeutung geschöpft wurde;
diese allein sind dem kritischen Forscher genügende Bürgen,
er liebt es nicht, sich mit einem wenn auch noch so verant
wortlichen Erklärer zu begnügen, er will überall selber Zu
sehen, selber prüfen können.
Was soll es auch helfen, wenn, statt durch solche Belege
ein Wort zu stützen, dieses in allen möglichen deutschen Dia
lekten aus nah und ferne vom Herausgeber mit Engelsgeduld
nachgewiesen wird? Soll man ihnen trauen, so müssten diese
Belege alle erst wieder selbst belegt werden. Welche Arbeit,
und doch nicht ausreichend, während es dagegen in den meisten
hällen genügt, daheim zu bleiben, aber da tüchtig aufzuräumen,
ungescheut ganze Reihen von Belegstellen aus Redensarten,
Sprichwörtern u. s. w. hinzupflanzen, die unerschütterlich und
unumstösslich mehr beweisen werden, als all das ängstliche
Suchen im fremden Hause, däs am Ende doch nur in den sel
tensten Fällen ganz zutreffende Parallelen zu Tage fördert.
Sit'ib. d. philos. histor. CI. Jalirg. 1849. IX. Heft. 18
232
Es werden ausserdem bei diesem beglaubigten Ver
fahren, so möcht 1 ich es nennen, als Lolin und ganz uner
wartet eine Menge feinerer Nebenbedeutungen der einzelnen
Worte zu Tage kommen, die nur durch die Umgebungen der
selben in Redensarten, Sprichwörtern u. s. w. klar werden
können. Ausserdem ergibt sich gewissermassen die Geschichte
einzelner Worte aus diesen reicheren Belegen wie von selbst,
reiht man die Beispiele, wo es angeht, chronologisch an einan
der und geht man damit so weit als möglich zurück, indem
man deutsche Urkunden, Briefe und ähnliche Denkmäler frü
herer Zeit, in welche manches Mundartliche ungescheut sich
eingeschlichen hat, ferner Ortsnamen, Namen von Bergen, Thä-
lern, Flüssen, Bächen etc. zu Rathe zieht.
Wie viel lehrreichere Ausbeute gewährt dann ein solches
Idiotikon vor einem, das nur kurzweg die Bedeutungen regi-
strirt und allenfalls aus der Fremde ein Paar Parallelstellen
einreiht.
Die etymologische Erklärung mundartlicher Worte bietet
zudem oft unübersteigliclie Schwierigkeiten dar, und mit blossen
Vermuthungen, das begreift sieh, ist der Wissenschaft wenig
gedient. Wir wollen diese gerne hingeben, wird nur auch selbst
dem unerklärten Worte überall eine Reihe von Belegstellen
angefügt, die, sind sie richtig gewählt, ihren Werth niemals
verlieren, während von zehn Etymologien in der Regel neun
späterer Forschung oder neuen Belegen ohne Rettung erliegen.
Belege also verlangen wir, und so viel als möglich Be
lege. So, um nur einige Beispiele gleich aus den ersten beiden
Buchstaben der Probe anzuführen, fehlen alle Belege aus Sieben
bürgen bei den Worten: aatsch, aaweln, aazef, abetzig,
ackes, aeder, aeddleng, aejersch, aeckelzweecher,
aemmes, ämmeränk, äseeligen, äzen, affbläckhen,
affbr ätschen, affig, aff hopp er eben , affzämmern,
albert, arkes, haaren, baatschu, ballegriess, har
ren u. s. w, Die Bedeutungen sind allerdings beigegeben, wer
vermag aber ohne Beleg ihre Richtigkeit oder Unrichtigkeit zu
ermessen ?
Was hilft es, um von Etymologien zu sprechen, wenn
z. B. bei abetzig, dessen Bedeutung „kraftlos, gewöhnlich
233
mit dem Ausdruck von Verachtung und Untauglichkeit,” sein
soll, als Wurzel ein altdeutsches Zeitwort batten aufireführt
wird, das als schwaches Verbum ich bäte höchst selten nur
erscheint und zwar in der Bedeutung von ich helfe, nütze, wohl
aber öfter im Mittel-Niederdeutschen ein starkes femininum
„diu bäte” so viel wie der Vortheil, der Nutzen, die Hilfe,
wenn gleich ganz unpassend ein holländisches b e z i g e n ==
brauchen herbeigeholt wird, das ganz gewiss nicht hieher
gehört ?
„A ej e r s c h m. = Stachelbeere, unreife Weinbeere, roma
nisch a g r os s o 1 i er”. Unser österreichisches agras ist ohne
Zweifel ein und dasselbe Wort, was aber die dort versuchte
Ableitung vom lateinischen acer, acris betrifft, so scheint Hin
gegen diese schon das von Schüller selbst erwähnte agrossolier,
das offenbar einem ganz anderen Stamme angehört, zu sprechen,
so wie auch das dort nicht berührte mittellateinische agresta,
welches eine Art Brühe aus Obst bezeichnet, Berücksichtigung
verdient hätte.
Die bei „aekelzweechern. wörtlich Eichelzweier = das
Eicheldaus in der deutschen Spielkarte, figürlich der Einfalts
pinsel” versuchte Deutung „wahrscheinlich von der ehemahligen
plumpen und dummen Figur jenes Kartenblattes” mag vielleicht
richtig sein, aber für den figürlichen Gebrauch des Wortes
könnte nur die Nachweisung in mehreren sicheren Beispielen
Aufschluss geben, sie fehlt aber wie schon erwähnt gänzlich.
Eben solche Nachweisung schiene uns für den figürlichen Gebrauch
des Adverbs ämmeränk von schaalein Geschwätze, vergeblicher
Arbeit gebraucht, unerlässlich, denn das altdeutsche umberinc,
auf das sich dort bezogen wird, kommt in diesem Sinne nir
gends vor. Die Ableitung scheint vvohl richtig, aber die Moda
lität des figürlichen Gebrauches war erst aus Beispielen zu
gewinnen.
Gewiss ganz verfehlt ist aber die Ableitung des männlichen
Substantives arkes für Bogen Papier, angeblich von dem latei-
sclien arcus = Bogen. Ich wenigstens kann mir nicht vorstellen,
wie der gemeine Mann dazukommen soll, um für eine Sache
die er bezeichnen will einen Namen zu haben, diesen aus einer
Sprache zu nehmen, die er nicht kennt und die zudem für diesen
18 *
234
Gegenstand ein ganz anderes Wort verwendet. Auch hier hätten
Belege ohne Zweifel der missglückten Ableitung und sicher
auch der Bedeutung auf die Beine geholfen. Dagegen scheint
die Verwandtschaft des Masculinums haaren mit dem alt
deutschen harn n. das Kind richtig, ganz verfehlt aber die
daneben gestellte Bedeutung „Ochsenbenennung” denn das starke
Neutrum barn hat mit dem Ochsen nichts gemein, höchstens
dass auch der Ochse ein gehornes Wesen ist. Barn bedeutet
nur im Allgemeinen das Kind in Beziehung auf Vater und Mutter.
Belege aus der siebenbürgisch-sächsischen Mundart selbst würden
erst herausgestellt haben, dass diese nicht barn kurzweg und
im Allgemeinen für Rind verwende, sondern dass das Wort
nur dann um ein Rind zu bezeichnen gebraucht werde, wenn
diese Verwendung durch Vorhergehendes gewissermassen vor
bereitet, ermöglicht ist. Jedenfalls Hessen auch hier erst Belege
mit Sicherheit entscheiden.
Die beiden sehr merkwürdigen Worte baatschu m. als
„Ehrenbenennung älterer Männer, dem hochdeutschen Meister,
Herr entsprechend,” das übrigens gewiss nichts mit dem her-
heigezogenen base zu tliun hat, und ballegriess für Urgross-
mutter hätten erwünschte Gelegenheit gebothen, durch Nach-
■weisung ihres Gebrauches in verschiedenen Belegstellen, Ein
sicht in manche volksthümlichen Verhältnisse zu gewähren. Bei
letzterem zusammengesetzten Worte namentlich würden durch
diese Nachweisungen ohne Zweifel Parallelen sich gefunden
haben, wenigstens zu dem ersten Tlieile desselben, welcher
schon im Althochdeutschen in einer anderen Zusammensetzung
erscheint, nämlich in dem Worte palomunto, das einen un-
getreuen Vormund bezeichnet und aus späterer Zeit zu dem im
Sachsenspiegel 1,41 gebrauchten Zeitworte einen balemiinden,
so viel als ihn für einen schlechten Vormund erklären. Ver
gleiche Grimms Reclitsalterthümer S. 46ß und die von Graff
im althochdeutschen Sprachschätze 3,92 ff zusammengestellten Be
lege. Ebenso jene bei Schmeller bair. Wörterbuch 1,167.
Gleiche Ausbeute müsste ein näheres Eingehen in Beleg
stellen bei dem Worte „äseeligen v. a. =, einen Geistlichen
feierlich in sein Amt einführen”, gewährt haben. Die Ableitung
vom althochdeutschen sala, salunga liegt auf der Hand, es
235
hätte aber nachgewiesen werden können und zwar durch reiche
Belege, dass eigentlich nicht das Einfuhren ins Amt, sondern
die Uebergabe desselben im Worte gemeint sei, denn das alt
hochdeutsche Substantiv sala, salunga bedeutet geradezu
traditio, Uebergabe. Das bloss angeführte „bairische” seilen
genügt nicht, denn sollten fremde Beispiele herbei, so mussten
sie aus mehreren Gegenden Ober-Deutschlands lliessen, denn das
Wort war ein allenthalben gebrauchtes. Lieber wären uns aber
reiche Belege aus Siebenbürgen selbst gewesen, die vielleicht
manches Eigenthümliche zu Tage gefördert hätten.
Die Herbeiziehung fremder Dialekte führt mich auf meinen
zweiten Hauptwunsch in Bezug auf die Ausarbeitung der vor
gelegten Probe, zu welchem ich jetzt übergehe.
Wenn bei dem Dialekte irgend eines Landes, so ist es
bei jenem Siebenbürgens unerlässlich, die Idiotismen nach
den Oertlichkeiten auseinander zu legen, weil
hier der Ort, wo ein bestimmtes Wort heimisch ist, zugleich
auch den Fingerzeig zu dessen Erklärung abgibt. Denn ich
brauche wohl kaum zu erwähnen , dass nicht leicht in einem
zweiten Lande die entgegengesetztesten Dialekte aus Nord und
Süd bunter durch einander laufen als in diesem Lande, das zu
verschiedenen Zeiten, von den verschiedensten Stämmen deutscher
Zunge durch Einwanderung bevölkert ward. Siebenbürgen ist
eine Musterkarte der verschiedensten Dialekte, die hier in
stiller Abgeschiedenheit, ferne von dem lebendigen und dadurch
umgestaltenden Verkehre mit grösseren Stammesmassen, in enger
Absperrung verknöcherten, kristallisirten und wie begreiflich
nur hie und da Eindrücke der sie umgebenden fremden Sprachen,
des Wallachischen, Ungrisclien u. s. w. annahmen. Es scheint
also durchaus unerlässlich, bei der Sammlung der einzelnen
Worte jedesmal hinzuzufügen, an welchem Orte die gegebenen
Belege gesammelt wurden. Es wird diess mit Zuhilfenahme der
anderweiten geschichtlichen Belege über die Entstehung der
einzelnen Orte häufig sichere Anhaltspuncte zur Erklärung der
Worte selbst bieten, jedenfalls von vorne herein durch Fest
stellung der Richtung der Einwanderung aus Nord oder Süd
zugleich auch die Richtung der Forschung nach Nord oder
Süd der deutschen Sprachen-Familie bestimmen. Wir bitten
236
daher den Verfasser angelegentlichst bei der Ausarbeitung seines
Werkes hierauf ganz besonders Bedacht zu nehmen.
Schon in der gegebenen kurzen Probe eines Idiotikons
zeigt sich die Sichtung der Dialekte Nord und Süds von wesent
lichem Nutzen. So gleich bei dem Worte „affzämmern v. a. =
aufessen, völlig verzehren”, das schwerlich viel mit zimmern =
verfertigen gemein hat, wie der Verfasser nachzuweisen ver
sucht, sondern wie ich glaube eher mit dem vom Verfasser
anderwärts eingereihten aff teimen v. a. = verschwenden.
Die Consonanten t und s vertreten aber hier ohne Zweifel
nieder- und oberdeutsche Dialecte und man sieht hier allein
schon wie der Ort an welchem das Wort gang und gäbe ist
den Fingerzeig zu dessen Erklärung durch Beurtheilung nach
nord- oder süddeutschem Consonantismus gegeben hätte, wie
nöthig es sei, den Belegstellen die Orte ihres Vorkommens
beizusetzen.
Ich könnte viel mehr Beispiele anführen, um meine bei
den Hauptwünsche noch gründlicher zu unterstützen, doch
scheinen mir auch die gegebenen vor der Hand zu genü
gen und ich schliesse meine Betrachtung, indem ich folgenden
Antrag stelle:
Die Classe wolle den verdienten Verfasser auffordern, seine
so viel versprechende Arbeit fort und fort durch erneute Samm
lung zu bereichern, dabei nach den oben begründeten Ansichten
die noch fehlenden Belegstellen unter Angabe ihres örtlichen
Vorkommens so reich als möglich seinem Werke einzufügen,
wogegen die Classe nach Vollendung desselben bei der Ge-
sammt-Akademie zu seinen Gunsten sich dahin verwenden
wolle, dass seine Arbeit nicht nur zum Drucke befördert, son
dern dem Verfasser für sein verdienstliches Unternehmen ein
anständiges Honorar bewilliget werde.
Wien den 7. November 1849.
l ) Zu spät, um davon noch Gebrauch machen zu können , entdecke ich in
Nr. 38 ff. des Serapeums, Jabrg. 1848, einen Aufsatz A. Kurz’s über
die ältesten Sprachdenkmale der Sachsen in Siebenbürgen, der mir in
den Bedrängnissen der letzten Zeit entgangen ist. Ich will ihn wenigstens
anführen , ändert er auch nichts wesentliches an dem was ich oben über
den Gegenstand der Frage bemerkte, und zwar als Nachtrag zu S. 230.
237
Herr Professor Suttner liest als Gast einen Aufsatz über
die Frage:
„Welche philosophische Disciplinen sollen auf
unseren Gymnasien gelehrt werden?”
Abgesehen von allen besonderen Verhältnissen der jetzigen
Zeit sieht wohl jeder unbefangen denkende Mensch das allgemeine
praktische Bediirfniss der Philosophie ein, wenn er nur die allge
meinsten und wichtigsten Verhältnisse des geselligen Lebens und de
ren unentbehrliche Anordnung ins Auge fasst. Ueberall wo es sich
darum handelt, dass die Menschen, die nun einmal Zusammen
leben auch ungeachtet der Verwicklungen, in welche die Gesell
schaft und der Einzelne im Gedränge der stets wechselnden
Umstände so oft geräth, ein wohlgeordnetes Leben führen, wird
sich das practische Bedürfniss nicht nur fühlbar, — es wird
sich auch, so lange der Menschengeist seinem Wesen treu be
steht und wirkt, geltend machen und in mannigfaltigen Versu
chen zur Einsicht in die richtige Anordnung des Lebens zu
gelangen, bethätigen. Denn einerseits setzen sich in jeder Mehr
heit zusammenlebender Menschen nach und nach verschiedene
Meinungskreise fest und kommen bald auf diese, bald auf jene
Art mit einander in Streit, der gesellige Mensch aber hat sich in
diesem Streite zu orientiren, und eben desshalb müssen jene
Puncte, um welche sich der Streit bewegt, genau gekannt und wohl
erwogen, diejenigen Begriffe, von welchen allein die Einstim
mung ausgehen kann, fest bestimmt und nach ihren Verhältnis
sen mit einander verbunden werden, um in gesetzmässigem
Fortschritte zu jener Erkenntniss der Dinge zu gelangen,
welche einzig und allein im Stande ist, Führerin auf der
rauhen Bahn des Lebens zu sein. Andererseits wird der Ein
zelne mit seinen Beschäftigungen ins Leben eingreifend, das
Abschätzen seiner Handlungen nach dem in die Augen fallenden,
meist schwankenden Nutzen oder Schaden bald nicht genügend
finden, sondern nach einem richtigen, untrüglichen Masslabe des
Werthes und Unwerlhes, wornach sein Wollen und Handeln sich
richte, emsig suchen und nebst der gewonnenen Erkenntniss der
Musterbegriffe des Wollens bei den mannigfaltigen Handlungen
die Mittel kennen zu lernen trachten, wodurch die löblichen Ge-
238
sinnungen mitten im Wechsel und Drange des Naturlaufs und
der gesellschaftlichen Zustände zweckmässig verwirklicht wer
den; all diess wird er anstreben, um die Reinheit der Seele
zu bewahren. In beiderlei Beziehung ist es nöthig, die hie und
da sich kund gebenden, häufig geistreichen einzelnen Gedanken,
so wie die entweder selbst angestellten oder vernommenen Be
trachtungen sammt den gewonnenen und reiflich erwogenen verschie
denen Ansichten über die einzelnen Lebeusverhältnisse nicht is o-
lirt zu lassen oder sie zerstreut zu gebrauchen, da sie dann
für die vielfachen Verwebungen des concreten Lebens wegen
der ihnen anhaftenden Unbestimmtheit und Unvollstäudigkeit
wirkungslos bleiben müssten, sondern es muss eine Verbin du ng
der einzelnen Ergebnisse der Forschungen über die verschie
denen Lebensverhältnisse zu einem System vorgenommen wer
den, welches dem Leben nur dann ein wahres Licht sein wird,
wenn es der vielgestaltigen Wirklichkeit angemessen ist. Hierzu
ist demnach nicht bloss die Kenntniss des Würdigen (Sittlichen),
sondern auch Kenntniss der Menschen, der Natur, der Welt,
kurz: es ist die durch blosses Denken gewonnene Erkenntniss
nöthig — Philosophie, — und zwar die sogenannte theoretische
Philosophie nicht minder als die practische. —
Der Ideenlehrer des griechischen Alterthums hat für all
das Gesagte viele Beweisstellen aufgezeichnet; ganz besonders
ist das VII. Buch über den Staat ein offenbarer Beleg liiefür;
namentlich p. 521, wo von der Philosophie als Führerin zum
wahrhaften Tag oder Licht gesprochen wird. Confer. Bep. VI.
485 und V. 475. Und wie schön stellt Platon in seinem Phaedon
p. 69 die Philosophie als wahre Reinigung der Seele dar! Ganz
consequent mit seinem System wollte Platon, der eine objective
Realität des Guten, als des Genügenden (Tr.avov) Vollständigen,
Vollendeten (teAeöv) annahm, (Rep. V. 476 e. VI. 505 ff. VII.
533 u. s. f.), wohl wissend, dass die zerstreuten Kenntnisse nicht
wohlthätig genug wirksam seien, ja oft nachtheilig werden, diese
zerstreuten Kenntnisse der Jugend zu einer Uebersicht der Ver
wandtschaft der Wissenschaften unter einander und mit der Natur
des Seienden zusammengeführt wissen; es sollten demnachdie übri
gen Wissenschaften mit der Philosophie, der Erforschung des Grun
des, der Natur des Seienden, in Verbindung gebracht werden.
239
(S. das VII.Buch über den Staat, worin die Frage erörtert wird,
was in der Jugend zu lernen sei. Mrra de rovrov r6v %p6vov —
oiaXex.rix.6g 6 Si p.rj, ffO).
Die Platonische Lehre sank wenigstens in dieser Beziehung
nicht in practische Vergessenheit. Denn man war bis auf die
neueste Zeit von der Nothwendigkeit des Unterrichts der Ju
gend in der Philosophie so sehr überzeugt, dass man minde
stens die Kenntniss einiger philosophischer Disciplinen als un
entbehrliche Vorbildung für das gebildete Leben überhaupt,
insbesondere aber für die höheren Facultäts-Wissenschaften
ansah und die Jünglinge geradezu durch öffentliche Anordnungen
verpflichtete, vor dem Eintritte in die gelehrtwissenschaftlichen
Fachschulen der Universitäten die philosophischen Hörsäle zu
besuchen, — Es ist aber eine leider allzuwahre Thatsache, dass
der Unterricht in der Philosophie an unseren Hochschulen in
der vormärzlichen Periode der österreichischen Monarchie im
Ganzen seinem Zwecke nicht entsprach, indem er Mängel aller
Art darstellte, Mängel an Bestimmtheit, Zusammenhang, Gründ
lichkeit, Vollständigkeit und—• Richtung auf den allem Unterricht
gesetzten Zweck der Menschenbildung. Die Methode des Unter
richtes war fehlerhaft; unter solchen Umständen konnte einer
seits weder der sich vielfach regenden geistigen Empfänglichkeit
der Studirenden, noch andererseits dem Staatsbedürfnisse, das
tüchtige Seelsorger, Beamte, Aerzte und (ganz vorzüglich)
gebildete Staatsbürger erheischt, genügend entsprochen
werden. — Schilderung der nächsten Folgen dieser Unterrichts
methode.— Da erhielt das Universitätsleben durch Se. Majestät
den Kaiser Ferdinand das hochwichtige Geschenk der Lehr- und
Lernfreiheit und die Hochschulen sehen nun einer durchgreifenden
zeit- und fachgemässen Reform entgegen, deren vielfache Schwie
rigkeiten von Sachkundigen um so weniger verkannt werden
können, als jede wissenschaftliche Bildung ihre nothwendigen
Voraussetzungen hat, die nicht übersprungen werden dürfen,
vielmehr genau beachtet werden müssen, wenn auf Grundlage
der einzelnen in der Gesellschaft vorhandenen Culturelcmente
sich ein richtiges Cultursystem erheben soll. — Jedenfalls setzt
aber die Reform der Hochschulen nach dem Principe der Lehr
end Lernfreiheit bei uns eine Reorganisirung der Gymnasial-
240
Studien voraus, die nebst der allgemeinen Menschenbildung die
Vorbildung für das Universitätsleben gründlich zu besorgen haben.
D i e s e V o r b i 1 d u n g kann aber n i c h t g e n ii g e n daus
fallen, wenn aller Unterricht in der Philosophie
auf Gymnasien aufgehob en wird. Denn wenn dieser Un
terricht auf den Gymnasien ganz verschwindet, so muss ent
weder der Besuch der philosophischen Facultät wenigstens
hinsichtlich gewisser rein-philosophischer Lehrgegenstände, als
jedem gelehrten Fachstudium unentbehrlich vorangehen, oder es
muss jede einzelne Facultät für eine ihr eigenthiimliche gelehrt
wissenschaftliche Vorschule sorgen. Was den ersten Fall betrifft,
so ist dann Lehr- und Lernfreiheit nach ihrem wesentlichen
Inhalte und in ihrem ganzen Umfange an den Hochschulen nicht
mehr aufrecht erhalten; wenigstens für die philosophische Fa
cultät im Ganzen ist sie dann verloren und hiermit das hohe
Vorrecht der Universitäten, die Wissenschaft um der Wissen
schaft selbst willen und desswegeu in Freiheit, ohne Studien
zwang zu betreiben, eingebüsst. Es entstehen aber auch noch
andere Bildungsmängel, wofür die Erfahrung leider genügende
Beweise liefert. — Im zweiten Falle entstehen aber 3 Philoso
phien, da das Bereich der Einen Philosophie gleich voraus in
3 Theile getheilt werden muss. Es ist aber offenbar, dass, weil
keine dieser Philosophien dann auf ihren eigenen Füssen fest
steht, Streitigkeiten der Theologen, Mediziner und Juristen
unter einander durch eine solche Philosopliia tripartita nicht
beigelegt werden können. Unläugbar ist es ferner, dass dann
auch noch andere Ucbelstände eintreten müssten; man denke
nur daran, welchen Schaden eine von der practischen Philo
sophie losgelöste selbstständige Behandlung einer Vorbereitungs-
Rechts-Philosophie hervorrief; man beantworte sich die Fragen,
ob die Theologie sich eine für ihre Wissenschaft genügende
Vorschule durch eine reine Isolirung der Religionslehre von
aller Philosophie jemals schaffen werde, ob es nicht eine un
fruchtbare und lächerliche Arbeit wäre, Logik, Psychologie,
practische Philosophie, die doch allgemeine Wissenschaften sind
und bleiben, principiell anders einem Theologen zu bie
ten , weil er Theolog ist, als einem Juristen oder Mediziner,
eben weil er Jurist oder Mediziner ist. Ein solches Untcrneh-
241
men beweist übrigens immer einen wahrhaft unphilosophischen
Geist, der da trennt, wo zu vereinigen, und vereinigt, wo zu
trennen ist. — Hierzu kommt endlich auch noch der Umstand,
dass selbst in dem Falle als Lehr- und Lernfreiheit an der
philosophischen Facultät auch vollständig durchgeführt werden
könnte, dennoch an den Gymnasien ein Vorbereitungsunterricht
in der Philosophie, für das Universitätsstudium der Philosophie
selbst angeordnet werden müsste, um diesem Studium wenigstens
so weit vorzuarbeiten, damit nicht das Interesse und die Auflas
sung des Studireuden gehemmt, die wissenschaftliche Behandlung
und Darstellung unmöglich gemacht werde. Von einem Unterrichte
in einigen philosophischen Disciplinen auf Gymnasien ist übrigens
durchaus nicht zu fürchten, dass die Wissenschaft hier entwür
digt oder zwecklos doppelt vorgetragen würde; vielmehr muss,
da die Hochschule jede Wissenschaft nach ihrer heutigen Ge
staltung auf dem erreichten Höhepunct der Erkeuntniss zu
behandeln übernimmt, der junge Mensch eben liiefür vorgebildet
werden. Er soll zum wenigsten die Gegenstände kennen, worüber
gedacht werden muss, um zur Erkenntuiss und Wissenschaft
überhaupt zu gelangen; nur dann, wenn er Begriffe bearbeiten,
wenn er denken gelernt hat, ist er befähigt, die frei gewählten
Studien gedeihlich zu betreiben,— und zu diesem Ende soll er
jene Puncte aufgefasst haben, um die es sich bei allem Philo-
sophiren handelt. Daher soll der Unterricht in der Philosophie
auf Gymnasien a) nie polemisch oder parteiisch, sondern
elementarisch sein; im ersten Falle wird er leicht geradezu
die weitere und tiefere Fortbildung, die nur einem Unbefangenen
gelingen kann, hindern; im letzten aber werden alle jene Hin
dernisse, wodurch die Hörer so oft beengt werden, bald weg
fallen; b) dem Zwecke des Gymnasiums angemessen sein.
Dieser Punct ist besonders wichtig und hieraus ergibt sich auch,
welche philosophischen Doctrinen als Lehrgegenstände auf Gym
nasien behandelt werden sollen.
Gymnasien sind bekanntlich wissenschaftliche Bildungsschulen
zur Verbreitung höherer Menschenbildung, bestimmt zur Erlan
gung derjenigen Kenntnisse und Fertigkeiten, die einem Jeden,
der auf höhere Bildung Anspruch macht, erforderlich sind. Ihr
Zweck ist der Hauptsache nach der aller Bildungsanstalten, all-
242
gemeine Menschenbildung; jedoch soll hier der Geist durch aus- •
führlichere und gründlichere Behandlung der Wissenschaften und
Künste vollständiger entwickelt werden; die Methode ist demnach
nothwendig entweder schon systematisch oder, wie in den untern
Classen, eine der systematischen sich annähernde Unterrichtsweise.
Dass diese Mittelschulen ihrem Wesen nach zugleich die Jugend
zum künftigen Berufe im AlIge meinen vorzubilden haben, wird
selbst von Jenen eingeräumt, welche die Gymnasien nur als
reine Gelehrten-Mittelschulen betrachten. Zu diesem künftigen
Berufe aber können die nach höherer Bildung trachtenden Jüng
linge auf classisch-philologischem oder realistischem Wege
gelangen. Daher der Unterschied der sogenannten humanistischen
(philologischen) und der Real-Gymnasien. Fassen wir nun die
ersteren, wegen des Mangels an eigentlichen Real - Gymnasien
bei uns, näher ins Auge! In diesen Schulen herrscht 1. das
Ideal vor; hier interessirt nicht ausschliesslich das irdische
Dasein als solches unmittelbar, sondern man sucht vielmehr jede
Erscheinung von einem geistigen Gesichtspuncte aus betrachtend,
und ihre grössere oder geringere Wichtigkeit anerkennend, nach
dem ursächlichen Zusammenhänge der Veränderungen, um das
Leben nach seiner Wesenheit zu würdigen und die Verhältnisse,
in denen man lebt, der idealen Aulfassung und wahren Erkennt-
niss gemäss mit entwickelter Fertigkeit zu ordnen. 2. Das clas-
sisch-pliilologische Studium ist hier der Hauptstamm, an dem die
übrigen Disciplinen sachgemäss, methodisch angereiht werden
müssen, und der auf keine Weise durch eine noch so nöthige Reform
beeinträchtigt oder aus seiner Stellung verdrängt werden darf,
wenn \liese Anstalten gedeihen sollen. 3. Gymnasien sind nicht
bloss Lehranstalten, sie sind auch Erziehungsanstalten; man
kann also auf ihnen nicht jede Zusammensetzung aus fremd
artigen Elementen vermeiden. Damit ist jedoch nicht gesagt,
dass an die Stelle der Zusammensetzung irgendwie eine Mischung
treten dürfe; diess wäre sowohl den Erziehungs- als Unterriclits-
principien vollständig zuwider. 4. Endlich sind die Gymnasien
einerseits als Bildungsanstalten für sich bestehende Ganze, an
dererseits schliesscn sich an sie die Hochschulen an, für welche
sie die Vorbereitung bieten sollen. — Jmmer aber steht das
Princip jener Bildung, die der Menschheitszweck fordert, dem
243
Gymnasium gesetzgebend gegenüber, und man erwartet von einen»
Gymnasium überhaupt jene Cultur, die man unter dem Namen:
Humanitätsbildung bezeichnend zusammenfasst. Dass aber eben
hiezu ein richtiges Denken, die Kenntniss des Seelenlebens mit
seinen mannigfaltigen höchst wichtigen Veränderungen, endlich
eine vollständige und gründliche Kenntniss dessen, was der
Mensch sein soll, gehöre, wird wohl nicht leicht Jemand in
Abrede stellen. Logik, Psychologie und praktische Philosophie
müssen desshalb elementarisch, jedoch wissenschaftlich (syste
matisch) schon am Gymnasium betrieben werden, wenn es
überhaupt human bilden will. Diese 3 philosophischen Disciplinen
müssen am Gymnasium geleln-t werden, soll a) dasselbe als
Vorbereitungsanstalt für die Hochschule seinem Zwecke nach-
kommen und für die Universität und deren Leben befähigte
Individuen liefern; b) die genannten Doctrinen müssen dem
Lectionscataloge der Gymnasien auch dann einverleibt werden,
wenn die Gymnasien, selbst nur als fiir sich bestehende, durch den
Mittelpunct ihres Unterrichtes, das classisch-pliilologische Studium,
sich characterisirende Organismen, ihrem hohen Ziele, — Vei’-
breitung echter Humanität— angemessen eingerichtet sein sollen.
Ad a. Der Theolog, bestimmt zum Volkserzieher als Seel
sorger, soll mit jener allgemeinen Menschenbildung versehen
sein, welche allein fähig ist, die vielfachen Gebrechen der In
dividuen und der Gesellschaft in sittlicher Beziehung zu ent
decken, zu heilen und deren Wiederkehr zu bannen. Hiefür
bedarf er einer tüchtigen pi-aktischcn Philosophie, Psychologie
und Logik, mehr als die positive Moral ohne praktische Philo
sophie zu dem Geschäfte der Besserung des Willenszustandes
der Menschen nicht ausreicht. — Anerkannt ist eben so sehr,
dass der Jurist dieser 3 Disciplinen für seine Studien bedarf.
Ganz besonders frage ich aber die Politiker, oder besser, jene
Studirenden, die sich den Staatswissenschaften zuwenden: Glau
ben die Ersteren wohl, der Staat sei ein willküidiches Gebäude,
ruhend auf einem Contrat social? — Nein, echte Politiker kennen
etwas Anderes als das wahre Fundament eines Staates. Nur
Derjenige wird eine wahre Staatslehre zu fassen vermögen,
der für eine richtige Psychologie voi’gesorgt hat. Es bestehen
nun einmal Beziehungen zwischen Psychologie und Staatswis-
244
senschaft; wer das Staatsleben verstehen will, muss sich diese
Puncte sicher gestellt haben. — Dass ein Arzt Logik und Psy
chologie für das medizinische Studium und die Anwendung dessel
ben mitzubringen habe, wird nicht leicht ernstlich geläugnet, aber
ich halte dafür, dass einem Mediziner eben so wenig eine rich
tige und wissenschaftliche Ansicht über die Bestimmungen des
absoluten Werthes und Unwerthes der menschlichen Handlungen
abgehen sollte, wenn er da, wo kein eigentlicher Organismus
sich offenbart, nach gutem Herzen oder in natürlichem Wohl
wollen die Gesellschaft in gewisse Formen fügen möchte, die
ja nur, da sie nichts an und für sich sind, willkürlich, wie
man oft meinte, abgeändert werden dürften, um die Mitmenschen,
die sich dadurch geistig und leiblich beengt und krank fühlen,
von diesem Übel zu befreien. — (Allgemeine Bemerkung für
Alle, mögen sie zum Gelehrtcnstande sich vorbereiten oder nicht,
hinsichtlich einer klaren Ansicht vom gesellschaftlichen Leben
und der Nothwendigkeit eines richtigen Maasstabes der ethischen
Beurtheilung.) —
Wenn sich nun auch leicht ergibt, dass Gymnasien, in
deren letzten Jahren keine Logik, keine Psychologie, keine
Ethik gegeben wird, allemal nicht gehörig vorbereitete Indivi
duen abliefern, und dass sie nicht das sind, was sie sein sol
len, so erheben dennoch besonders die philosophischen Facul-
täten ihre Stimme gegen den Unterricht in der Philosophie auf
Gymnasien. Denn sie behaupten, dass die rein-philosophischen
und mathematisch-physikalischen Lehrfächer der sogenannten
Lycealclassen unserer Obergymnasien eben so gut, ja auch bes
ser, von den Hochschulen gelehrt werden können. Wenn nun
diess auch zugegeben wird, so folgt daraus durchaus nicht, dass
sie aut Hochschulen eben so gut oder noch besser gelehrt
werden; vielmehr können die Universitäten keineswegs, wohl
aber die Gymnasial-Lycealclassen garantiren, dass der Unterricht
nicht nur besorgt, sondern auch wirklich benützt und das was
gelernt werden soll, auch wirklich gelernt wird. Desshalb
ist der vorbereitende Unterricht in den erwähnten Lehrzweigen
auf Gymnasien nothwendig und wird immer erspriesslich wirken,
wenn auch gegen denselben Mehrere als Meier sprechen. Wohl
vveiss ich, dass ich nicht der einzige bin, der in dieser Hinsicht
245
auf Gegner stösst; war ja doch J. F. Herbart einst in einer
ähnlichen Lage ! Wenn ich nun auch all das fordere, was Herbart
in Bezug auf den Unterricht in der Philosophie auf Gymnasien
ausdrücklich gefordert hat, so muss ich dennoch mit Rücksicht
auf den Zustand unserer Gymnasien und Hochschulen einer
seits und der Culturelemente für unsere Jugend in der Gegen
wart andererseits in etwas von Herbart abweichen oder viel
mehr seinen Forderungen noch etwas hinzufügen und Folgendes
aus dem Gesammtgebiete der Philosophie als zu einer allgemei
nen Humanitätsbildung auf unsern Gymuasien in den letzten
2 Classen, unerlässlich erklären:
Nebst einer kurzen philosophischen Propädeutik ein sorg
fältiges Studium der Logik;— ein kurze Uebersicht
über die Geschichte der Philosophie —Psychologie,
natürlich nicht metaphysisch-mathematisch, aber auch nicht eine
blosse Naturgeschichte des menschlichen Geistes, oder eine
blosse Seelenvermögentheorie; endlich— nach unserem ^Cul-
turzustaude mit besonderer Rücksicht auf das Eigenthümliche
der Gymnasien mit dem sie characterisirenden philologischen
Studium, wie in den frühem Puncten — praktische Philo
sophie; sie ist der Schlusstein der allgemein menschlichen
Bildung. — Diess wäre auch im Herzen die Ordnung, die in
der Behandlung der Materien eingehalten werden sollte, so dass
nicht der alten Übeln Gewohnheit zufolge wieder Psychologie
der Logik voranginge, wodurch weder einem wissenschaftlichen
Studium vorgearbeitet, noch der psychologische Mechanismus
beherrscht wird.
Im Allgemeinen tritt für den Unterricht in den eiugeführten
Wissenschaften auf Gymnasien als oberste Regel in ihrer vollen
Bedeutung, wie sie schon Platon bezeichnet, ein: Es hat der
Vortrag der Philosophie auf Gymnasien die Verkündung der
übrigen Studien durch immerwährende Rücksicht auf dieselben
ihre Verwandtschaft untereinander und mit der Natur des Seienden
herzustellen, damit die durch Grammatik, Mathematik, Ge
schichte, Geographie, Naturkunde einzeln durchgebildeten Vor
stellungskreise allmälich verschmolzen und das Ich durch con-
ceutrirte Kraft zur Festigkeit löblicher Entscliliessungen und
Handlungen zu bringen vermögen. — Welche Eigenschaften der
246
Oberlehrer (1er Philosophie auf Gymnasien seinem Unterrichte
bewahren solle, um die Einseitigkeit des philosophischen Unter
richtes zu vermeiden, ergibt sich aus der eben erwähnten
Regel. Unter den Rechtfertigungsgründen meiner Forde
rung vom Standpuncte des Gymnasiums als eines selbstständigen
Organismus, will ich hier bloss kurz folgende hervorheben:
Kein verständiger Sprach- und Stillehrer wird läugnen,
dass ein Gymnasialschüler der Logik entbehren könne, wenn
er seine Sprache , seinen Stil bilden will; man muss Logik für
sich betreiben, wenn man die Grammatik selbst frei anwenden
will. Diess ist der Grund der Einwebung der logischen Regeln
in die Stilistiker alter und neuer Zeit, unter denen eine kurz
gefasste Psychologie oft leider ohne Zusammenhang und Ordnung
desshalb eingereiht erscheint, weil man derselben unabweislich
bedarf. (Cicero, Quinctilian.— Luther, Melanchthon.— Herling —
Hionc.) Langjährige Erfahrung im Privat- und öffentlichen Unter
richte bestätiget, dass Leute ohne Logik und Psychologie für
alle Sprachwissenschaft, die nie als solche ein Gymnasialfach
werden kann, unbrauchbar sind. (Blick auf die deutsche Sprach
wissenschaft.) Wer den Geist einer Sprache erfassen, die Wort
bildung, das Wortgefüge, den Satzbau überhaupt begreifen will,
hat vor allem die logischen und psychologischen Gesetze zu
kennen. Wie wird man, frage ich, um nur Etwas herauszuheben,
die Bedeutung eines Casus, die Rection, die Verbindung meh
rerer Attributiven mit ihren Substantiven, wie den Uebergang
der Bedeutung einer Partikel aus der Natur eines Nebenwortes
in die eines Vor- oder Bindewortes, den Periodenbau, die Tropen
und Figuren am Gymnasium fest bestimmen, wenn man mit den
Gymnasialschülern keine Logik vornimmt, oder wenn man ohne
Psychologie, Sprache und Stil lehren will. Logik und Psycho
logie müssen schon vom Standpuncte des Sprachstudiums aus
betrachtet, am Obergymnasium behandelt werden, und zwar
zuerst Logik, dann Psychologie. Sie werden sich zu dieser
Behandlung auch wohl leicht geeignet darstellen; denn sie sind
mit dem philologischen Studium in einer nahen Verbindung, da
in Sprachen die Gedanken, deren Bestandtheile , die Verhältnisse
derselben, die Regungen der Gefühle, alle Grade der Strebun
gen vom leisesten Wunsche an bis zur heftigsten Leidenschaft
247
abgeprägt erscheinen. Philologie selbst ist die Wissenschaft von
der Offenbarung des menschlichen Geistes in der Sprache. — —
Freilich soll bei dem Vorantritte der Logik der Unterriebt so
beschaffen sein, dass die logischen Begriffe durch den Gedan
kenkreis des Schülers belebt in ihrer eigentkiimlichen allgemei
nen Bedeutung erkannt werden 5 die todte Logik muss ins Leben
eingeführt werden. Dadurch wird die Vereinigung der in ihrer
Zerstörtheit leicht wirkungslosen Gedankenkreise zu Stande
gebracht, die Gelenkigkeit und Kraft des Geistes gestärkt, und
was das Wichtigste ist, und in alle einzelnen Vorstellungskreise
nach den Principien der Logik eine Ordnung gebracht , welche
in die gewöhnliche geistige Beschäftigung und in das tägliche
Handeln übergeht. Diess ist der eigentlich bildende Einfluss
eines sorgfältigen Studiums der Logik, das wegen der bestimm
ten An-, Unter- und Ueberordnung der praktischen Grundsätze
selbst für sittliche Characterbildung sehr wichtig wird. —
Ebenso erscheint eine kurze Ucbersicht über die Geschichte
der Philosophie, die nichts anderes zu leisten hat, als die klarsten
Hauptgedanken der theoretischen und praktischen Philosophie,
die sich nach dem Zeugnisse der ältesten Geschichte durch die
aus der Natur der Dinge hervorgehende Spekulation ergeben
haben, darzulegen und ihre Fortbildung zu späterm Systeme so
darzustellen, dass die einzelnen Gedanken im Zusammenhänge
entwickelt werden, — ungeachtet aller erhobenen Einwendun
gen (Anführung und Beseitigung der wichtigsten unter den Ein-
würfen !) sowohl vom Standpuncte der allgemeinen Bildung über
haupt a) als vom philologischen Standpuncte des Gymnasiums;
1>) insbesondere eine nothwendige Kennlniss für jeden Gymnasial
schüler, der an die Universität abgehen will, a) Durch die Kennt-
niss der Ilauptpuncte der Geschichte der Philosophie gewinnt
jeder junge Mensch für sein Denken sehr viel. Denn sie sind
die eigentlichen Aus- und Durchgangspuncte des sieh immer
weiter'entwickelnden Nachdenkens, durch welches allein mög
licherweise der Mensch zum gültigen Wissen fortschreitet. Zu
gleich wird das Selbstdenken angeregt; philosophische Ansich
ten führen zur Speculation, diese aber zur Wissenschaft. Die
Denk- und Sinnesart muss aber dadurch selbst gefordert wer
den; denn durch eine auch nur übersichtliche Kenntniss der
SUzb. <1. philos. liistor. CI. Jahrs. 1849. IX. Heft.
19
248
zahlreichen Versuche, die wichtigsten Angelegenheiten des
menschlichen Geistes gründlich zu erforschen, wird der Geist
frei von Vorurtheilen, unbefangen, aber bescheiden, tolerant
ohne Indifferenz gegen die Wahrheit, verwahrt vor einem blin
den Nachbeten. —■ Die Einsicht, dass alle Denker sich in einem
gewissen Sinne über die Erfahrung erhoben, haben, und dennoch
wieder zu ihr zurückkehren müssen, gewährt allem Denken und
Handeln Mass und Ziel. Msrpov ccpt.gov. — Übrigens greift die
Geschichte der Philosophie so sehr in alle Wissenschaften und
deren Geschichte, besonders aber in die der Religion und Mensch
heit, dass man nur zu den sehr oberflächlich gebildeten Menschen
gerechnet werden muss, wenn man nicht einmal die Ilauptpuncte
der Geschichte der Philosophie kennt.
bj Von allen Sachkundigen wird anerkannt, dass am Ober
gymnasium wenigstens in den zwei letzten Jahren Cicero’s philo
sophische Schriften und die leichtern Dialogen Platons gelesen
werden sollen, nachdem man unter den genannten Werken eine
sorgfältige Auswahl getroffen hat. (Berücksichtigung dieser Aus
wahl, so dass das Studium der Philologie zur sittlichen
Char a cterbildung beitrage!) Offenbar bedarf der Lehrer
hierzu der historischen Keuntniss der Philosophie; sein Schüler
aber kann eben so wenig der Kenutniss der Hauptpuucte der
Geschichte der Philosophie entbehren, wenn er nicht unter der
Masse der bloss gelegentlich hingeworfenen Noten, die ihm oft
nicht einmal die Möglichkeit der Oricntirung bieten, erdrückt
werden, sondern Geist und Gemüth durch Cicero und Platon
zur hohem vernünftigen Welteinsicht erheben will. (Auseinan
dersetzung des Verhältnisses Cicero’s und Platons zur Ge
schichte der Philosophie.)
Endlich wurde von mir praktische Philosophie der Schluss
stein der allgemein-menschlichen Bildung genannt. Denn Huma
nität wird nur dann erworben, wenn man die Seelenthätigkeiten,
Energie und Geschmeidigkeit durch mannigfaltige Kenntnisse und
Geschicklichkeiten verschafft, zugleich aber auch das Wollen
mit jenen Eigenschaften versieht, welche ihm selbst Würde geben.
Ein starker, reicher, vielseitig und scharf gebildeter Gedanken
kreis gibt noch immer nicht das ausschliessliche Merkmal eines
allgemein-gebildeten wollenden Wesens; Bildung des Wollcns
249
muss zur Bildung des Denkens hinzutreten. Hierzu ist für Jeden
erforderlich, dass die Musterbegriffe des Wollens, welche beglei
tet sind vom Urtheile des absoluten Werthes oder Unwerthes,
die praktischen Ideen an ihrer ewigen Reinheit und in ihrem
unveränderlichen Glanze gekannt und die Weisungen jeder
einzelnen derselben eben so wie aller zusammengenonimen
begriffen seien, damit der Mensch ihrem Rufe folge, mora
lische Würde besitze und dieselbe sich und Andern gegenüber
bewähre und bewahre; kurz, es ist jene Kcnntniss nöthig, die
man Ethik oder praktische Philosophie nennt. — (Erwähnung
und Besprechung des seit einer geraumen Zeit durch eine ein
seitige und mangelhafte Behandlung der Jloralphilosophic ent
standenen schädlichen Vorurtheils über die Entbehrlichkeit
von Vorträgen über praktische Philosophie). — Gegen einen
wohl eingerichteten Unterricht in dieser Wissenschaft auf Gym
nasien lässt sich vom Gesichtspuncte der höhern Menschenbil
dung aus betrachtet eine Einsprache um so weniger erheben,
als man a) für diese Wissenschaft keiner ausserhalb des Gym
nasiums liegenden Disciplinen als Vorbereitungswissenschafteu
bedarf; b) Juristen, Aerzte, Theologen, überhaupt Jeder, da
nach zurückgelegtem Gymnasium zur Hochschule Übertritt, so
gleich nach freier Wahl praktische Philosophie hören kann, c)
und für diesen Unterricht nicht einmal jene Schwierigkeiten
vorhanden sind, die für den Unterricht in der Psychologie sich
doch sehr häufig ergaben. Soll das Gymnasium, diese ein abge
schlossenes Ganzes bildende Lehr- und Erziehungsanstalt, durch
seine Studien den Character sittlich, wahrhaft human bilden,
so kann es eines ihm angemessenen Unterrichtes in der prakti
schen Philosophie nicht entbehren. Der Mangel der Vorträge
über die praktischen Ideen kann durch den übrigen Gymnasial
unterricht nicht ersetzt werden, da trotz alles eifrigen Studiums
der Philologie, Geschichte, Mathematik und Naturkunde diese
Studien den Gcmüthern doch nie durchaus genügen und bei aller
geistigen Kraft der philologisch-historisch und mathematisch
physikalisch durchgearbeiteten Vorstellungsmassen dennoch eine
geistige Leere sichtbar wird, eine Sehnsucht nach Idealen,
welche den Jüngling leicht zur Beute der Phantasterei und
Schwärmerei, in religiöser oder politischer, überhaupt prakti-
19 *
250
scher Beziehung macht. — — Von der positiven, christlichen
Moral kann man nur dann eine radicale Heilung solcher drohen
den Gebrechen erwarten, wenn der Religiouslehrer seine Mo-
raltheologie auf rein-philosophische Grundlagen baut, den ihm
angewiesenen Sfandpunct verlässt, und zur gründlichen Forschung
nach den praktischen Ideen und deren scharfen Unterscheidung
schreitet. — Wird damit etwas gewonnen? — Ein starker Glau
ben kann objectiver Gründe nicht entbehren. Wohl wird die
Religion nie durch Moralphilosophie ersetzt werden können;
diese muss vielmehr durch jene ergänzt werden; man kann aber
die Eigenschaften Gottes ohne philosophische Erörterung der ethi
schen Grundbegriffe nicht einmal in Form einer Annäherung an
die Forderungen einer Wissenschaft klar bestimmen. (Kant.) —
Zwar hat Herbart, zu dessen Schule ich mich rechne, prakti
sche Philosophie als Lehrgegenstand für Gymnasien in einem ganz
kurzen Aufsatze vom Jahre 1821 nicht ausdrücklich angeführt.
Allein die Worte Herbart’s können durchaus nicht gegen meine aus
gesprochene Forderung angeführt werden. (Ausführliche Auseinan
dersetzung der eigenen Worte Herbart’s mit näherer Beleuchtung
des Culturzustandes unserer Gymnasien im Allgemeinen; Wider
legung der Einwendungen, die aus diesem Aufsatze gezogeu
werden wollen. — —) Vielmehr wollte er, dem selbst von sei
nen Gegnern das Verdienst in der Pädagogik Grosses geleistet
zu haben, zugestanden wird, er, der keine Erziehung ohne
Unterricht kannte und für den die Erziehung, deren eine und
ganze Aufgabe in den Begriff „Moralität” gefasst werden soll,
ein Gegenstand von so hoher und durchgreifender Bedeutung
war, die Gymnasialschüler nicht nur nicht ohne Ethik entlassen,
sondern wir finden das, wovon er während des Niederschrcibens
jener aus dem Jahre 1821 herrührenden — citirten, besproche
nen — Zeilen dachte, dass es geschehen werde, auch ohne dass
er es ausdrücklich fordern müsste, indem er einen wahren
Philologen voraussetzte (Nap^vjxoyopoi piv kolXoi, ftav.yoi ös ti
xccrpoi) deutlich genug 10 Jahre später in seiner Encyklopädie
aus praktischen Gesichtspuncten Cap. 12. S. 111 ausgesprochen,
wenn sich alles diess auch schon aus seinen pädagogischen Prin-
cipien und didactischen Grundsätzen, nach seiner Abtheilung der
sechs Hauptclasscn das Interesse in Bezug auf die Mannigfaltig-
251
kcit dessen, was im Unterricht gleichzeitig nebeneinander fort
laufen soll, von seihst ergeben hätte. Soll das höhere
Werk der Erziehung geordnet werden, so ist praktische Philo
sophie im letzten Gymnasialjahre vorzuuelmien und mit ihr sind
die genannten Wissenschaften und alle andern Gymnasialkennt
nisse in gehörige Verbindung zu bringen; nur so tritt eine der
wahren Humanität zuträgliche Concentration des vielseitigen
Unterrichts am Gymnasium; nur so eine dauerhafte segensreiche
Wirksamkeit desselben im Leben ein, während sonst der Unter
richt mehr oder weniger nutzlos bleiben muss, da er sich nicht
mit der genauen Untersuchung über den letzten Zweck in Vci 1 -
bindung gesetzt hat. Damit stimmt auch Platon vollkommen
überein. Itep. VII, 530, e. 531, c, d. f. f. — Mehrere Schlussbe-
merkungen.
Sitzung vom 14. November 1849.
Freiherr IIammer-Purgstall setzt das Verzeichniss
der i. J. 1263 (1847) erschienenen Druckwerke fort.
267. Terdschumei sclierhi dubeiti MollaDschami 1 i
Chodsclia Nische et *), d. i. Uebersetzung des Commentars der
Distichen Dschami’s vom Chodscha Nische et, gedruckt in
der Hälfte Moharrems 1263, d. i. Ende Decembers 1846, Octav,
57 Seiten. Die einzelnen Distichen Dschami’s, des grossen per
sischen Dichters, welche sich zu Ende seiner Küllijat, d. i.
sämmtlichen Werke, angehängt befinden, eineCenturie an der Zahl.
268. Kelami Kjamil 3 ), d. i. anfangs Jänner 1847, Octav,
167 Seiten; ein türkischer Roman, eine langweilige Erzählung,
wie deren schon mehrere lithographirt erschienen sind, dessen
Verfasser sich nicht nennt, und auch keine Neugierde densel
ben näher kennen zu lernen eintlösst.
269. Munschiati Iset Beg 3 ), d. i. die Schreiben Iset
Bcg’s, gedruckt zu Ende des Mondes Ssafer 1263 (anfangs Februar
° . .1 “•
2 ) J^ f :r
") —*jF' \-**%*Uo
25Z-
1847) Octav, 44 Seiten. Eine Sammlung von Glückwünschungs-
und Geschäftsschreiben eines türkischen Staatsmannes, welcher
zu Ende des vorigen und zu Beginn dieses Jahrhunderts lebte,
indem das erste an den Grosswesir Jusuf Pascha gerichtet
ist, 37 an der Zahl, das letzte ein Gliickwünschungsschreiben
über einen Sieg an den blutdürstigen Statthalter Dscliefar Pa
scha, d. i. der Fleischer, verdiente; ein Seitenstück zu den
Munschiat el-ITadsch Aakifs und Nauman Mahir-
beg’s *), welche in den Jahren 1259 (1843) und 1261 (1845)
zu Constantinopel erschienen sind, und ein Seitenstück zu denen
in Kairo gedruckten Munschiati Rifat Efendi’s, gedruckt
1254 (1838) und dem grossen Inscha Hairet Efendi’s des
Sccretärs Mohammed Ali Pasclia’s, welches ein Quartant
von 494 Seiten, aus der Druckerei von Bulak i. J. 1242 (1826)
hervorgegangen ist, auch sind dort zwei arabische Briefmuster
erschienen, das eine des Scheich Mcri, das andere ohne
Namen des Verfassers und ohne Jahr des Druckes, ein Octav-
band von 157 Seiten.
270. Hasan Pasc hafad e ala risaletiKelenbewi 3 ),
d. i. der Commentar Hasan Paschasade’s zur Abhandlung
Kelenbewi’s über die Art zu disputiren (Adabol bah’s), ge
druckt Ende Rebiul ewwel 1263 (Anfangs April 1847) , Octav,
109 Seiten; voraus geht der arabische Commentar bis zur
Seite 97, auf der hunderten Seite beginnt die commentirte Ab
handlung mit dem besonderen Titelblatte Risaletol Ad ab,
d. i. Abhandlung über die Manieren zu disputiren, von Kelen-
bewi. Chodscha Kelcnbewi kam anfangs der Regierung Sultan
Selim’s nach Constantinopel und bekleidete durch lange Zeit
*) Ein Brief des Freiherrn Ottokar von Schleclita belehrt «ns, dass
Nauman Mahirbeg einer vornehmen Familie aus Negroponte entstam
mend, dort i. J. 1203 (1788) geboren, eine Zeit lang in der Kanzlei des
Grossvesirs arbeitete, hierauf, von seinen Gönnern Rakif Pascha und dem
berühmten Pertew Pascha unterstützt, provisorischer Kiatib Efendi im De
partement des Aeussern, und zu Anfang der Regierung Sultan Abdul-
Medschid’s, als Nachfolger Scliekib Efendi’s, Ammeddschi und bald dar
nach Ewkaf Nasiri ward. Später dieses Amtes entsetzt, starb er im J.
d. H. 1262 (1845).
') J ö £ \j Uü ll
253
die Stelle eines Chodscha in der Moschee von Istenja, wo er
sich durch seine Predigten auszeichnete. Sultan Selim, welcher
ihm sehr g'ewogen war, bewirkte seine Beförderung zum Am-
deriss , als welcher er im Anfang von Sultan Mahmuds Regie
rung in dieser Hauptstadt starb. Seine Werke sollen äusserst
zahlreich sein und über die verschiedenartigsten Gegenstände
handeln. Unter andern soll er der lateinischen Sprache
vollkommen mächtig gewesen sein 1 ). Er ist in der Dru
ckergeschichte Constantinopels schon aus vier früheren Wer
ken , nämlich 1. aus seinen Randglossen zum Commentare
Dcwani’s über die Dogmatik Aa dhdhad eddi n’s, 2. aus
seinen dialektischen Anhängseln zum Mirol adab, 3. aus sei
nen rhetorischen Anhängseln zum Mir-el-t ehf ib, 4. aus
den Glossen zur Logik Burhan 2 ) bekannt, welche in den
Jahren 1233 (ISIS) und 1234 (1819) zu Constautinopel
in Druck erschienen sind 3 ). Der obige Commentar ist also das
fünfte und das folgende Werk das sechste der von diesem
Gelehrten zu Constautinopel gedruckten.
271. Nedschatul-Mosselli li Ahmed cscli Scliew-
ki 4 ), d. i. die Rettung des sein Gebet Verrichtenden von Ah
med Schewki, gedruckt in der Mitte des Mondes Rebiul
achir 1263 (Ende Aprils 1847), dieses Werk ist kein Gebet
buch, wie der Titel glauben machen möchte, sondern sowohl
dem Inhalt als dem Titel nach ein Seitenstück zu den beiden
liturgischen Werken, welche in den Jahren 1S24 undlS2S aus den
Pressen Constantinopels .hervorgegangen sind, nämlich erstens
zu dem Ghunietul-Mutemelli, d. i. die Genügsamkeit
des Wünschenden , dem Commentare Ibrahim’s von Ilaleb (des
Verfassers des durch Mouradjea d’Ohsson’s Werk bekannten M ul
te ka) zum M u n i j e t-u 1-Moss e 1 li, d. i. Wunsch des Be
tenden des Imam Kaschghari, zweitens ein Seitenstück zu dem
*) Mittheilung des Freiherrn Ottokar von Schlechta.
2 ) In dem Verzeichnisse der Druckwerke Constantinopels Nr. 58, Gt und 62
in dem VII. Bande der osmanischen Geschichte Seite 590 und 591.
3 ) Im zweiten Verzeichnisse des IV. Bandes der Geschichte der osmanischen
Dichtkunst S. G03. Nr. 135.
4 ) jUToU
254
Ilallijetun Nadschi, d. i. der Schmuck des Rettenden,
welches Randglossen zu dem vorhergehenden Werke enthält !);
diese beiden letzten Werke handeln vom Gebete überhaupt, das
hier besprochene aber von dem fünfmal des Tages vorgeschrie
benen , welches efs-fsalat heisst, und dessen Plural efs-
fsalawat nur von den Anwünschungen zu Ehren des Prophe
ten gebraucht wird. Die nicht durch das Gesetz vorgeschriebe
nen Gebete und Formeln derselben heissen Ewrad und Efk-
jar, und die berühmteste Sammlung derselben ist das Ilifbol
aafam wel Werd el-efcham s ) d. i. das Geschwader das
grösste und die Wasserader die beste des i. J. 1010 (1601)
zu Mekka verstorbenen Mohammed von Ilerat 3 ). Die in diesem
und anderen Gebetbüchern enthaltenen Gebetformeln und Stoss-
gebete (Ewrad und Efkjar 4 ), heissen Dua, im Plural
Edije und sind also ganz verschieden von dem fünfmal des
Tages vorgeschriebenen Gebete efs-fsalat, so wie dieses von
den Anwünschungen zu Ehren des Propheten Efs-fsa la wat.
Das oben erwähnte H i f b ol - Ar a fam ist in einer ungemein
zierlichen Ausgabe ohne Seitenzahl i. J. 1262 (1S46) zu Con-
stantinopel auf gelblichem schönen Papier lithographirt erschie
nen, der mittlere mit Linien eingefasste Text nur drei Zoll hoch
und anderthalb breit, wetteifert an Schönheit der Schrift mit
der schönsten Ncschischrift von Koranen ; am Rande läuft die
türkische Glosse nach der schon oben erwähnten Unart arabi
scher, persischer und türkischer Handschriften in kleinerer
Schrift fort; da dieser äussere ebenfalls mit Linien begrenzte
Rand ursprünglich nur für die Glossen bestimmt ist, so heissen
diese desshalb im Arabischen Hafchijet, d. i. Randverbrä
mung; dieser ursprünglichen Bestimmung getreu, ist der mit
Linien begrenzte Rand des lithographirten Hifb ol-Aafa m,
nicht mit der Fortsetzung des arabischen Textes, sondern mit
*) In dem Verzeichnisse der Constantinopolitaner Druckwerke Nr. 72 und 90
im VII. Bande der Geschichte des osmanischen Reichs , S. 593 und 595.
3 ) In Flügels Hadschi Chalfa Nr. 447.
255
türkischen Glossen ausgefüllt, welche daher im eigentlichsten
Sinne Randglossen sind. Das oben unter Nr. 271 erwähnte
Nedfchat ol-Moss clli ist in Makafsid, d. i. Absätze, oder
eigentlich Vorsätze, diese in Hauptstücke (Bab) und diese in
Abschnitte (Fafsl) untergetheilt, welche die ganze Casuistik
des Gebetes und der vor demselben vorgeschriebenen gesetzli
chen Reinigung erschöpfen; so z. B. hat der zweite Abschnitt
des ersten Hauptstückes des zweiten Absatzes, welcher von der
Sunna, d. i. dom vom Propheten bei der Waschung beobach
teten Gebrauche handelt, allein fünf und dreissig und der fol
gende dritte Abschnitt neun und sechzig Puncte; das Buch ent
behrt eines Inhaltsverzeichnisses , dessen sich doch mehrere in
der letzten Zeit zu Constantinopel gedruckte Werke erfreuen.
272. Risa 1 eto 1 imkjan lil-fadhil el Kelenbewi *),
d. i. die Abhandlung der Möglichkeit vom Trefflichen aus Ke-
lenbe, Ende Rebiul achir 1263 (anfangs Mai 1847) Klein-Quart,
91 Seiten, eine metaphysische Abhandlung über die Möglich
keit , arabisch.
Eines ordentlichen Inhalts-Verzeichnisses und zwar eines dop
pelten, zum ersten und zweiten Bande erfreut sich das folgende,
sehr beträchtliche und merkwürdige gedruckte Werk, dessen zwei
Bände in fortlaufender Seitenzahl einen grossen Folianten von
1453 Seiten bilden.
273. El-mos tatlir ef min küllin fennin mostaf-
ref 2 ), d. i. das Entzückende aus allen Kenntnissen Pflückende,
gedruckt Anfangs des Monats Rebiul-achir 1263 (Mitte Mai
1847), diess ist die von Esaad Efendi, dem Gelahrten, letz
ten Reichshistoriographen, Oberstlandrichter in Rumili und Di-
rector der kaiserlichen Buchdruckerei und Staatszeitung zu
Constantinopel verfasste türkische Übersetzung eines der be
rühmtesten, arabischen, eklogischen Werke, dessen Verfasser
einer der grössten Gelehrten Aegyptens Mohammed Ben Ah
med el Chathib, d. i. der Kanzelredner an Ruhm, mit
Chathib, dem Kanzelredner zu Bagdad, dem berühmten Ge-
*) J-o Ul! o\C, Ül ÄlL>
') ja Jfj I
256
schichtsschreibor dieser Stadt wetteifert, und der im ägyptischen
Dorfe Ebfchije im achten Jahrhundert *) der Hidschret lebte.
Wenn Esaad Efendi in seinem Leben Nichts als die Uebersetzung
dieses Werkes geleistet und nach seinem Tode kein anderes
Denkmal als seine Bibliothek, die er zum öffentlichen Gebrauche
gestiftet, hinterlassen hätte, so würde er sich schon durch das
eine, oder das andere dieser Denkmale in der osmanischen Lite
raturgeschichte für immer bleibenden Ruhm erworben haben;
bisher ist er in Europa bloss als Reichshistoriograph, Botschaf
ter in Persien, Director der Staatsdruckerei und der Staats
zeitung und durch zwei kleine Werke bekannt geworden, deren
eines die Geschichte der Janitscharenvertilgung, unter dem Titel:
Ussi fafer, d. i. die Grundlage des Sieges i. J. 1828 er
schienen 2 ), und das andere die oben unter Nr. 263 angezeigte
Beschreibung der Reise des Sultans an die Ufer der Donau; da
das vorliegende Werk eine ganze philologische Encyklopädie
eines der wichtigsten belehrendsten und unterhaltendsten, wel
che aus der Druckerei zu Constantinopel hervorgegangen, und
auch viele Verse der berühmtesten arabischen Dichter mit der
heigefügten türkischen Übersetzung enthält, so ist eine nähere
Anzeige seines Inhalts hier um so mehr an ihrer Stelle, als
Deutschland kein Sammelwerk, wie das französische: „Notices et
cxtrails de la Bibliotheque du Roi” besitzt, wovon seit dem
Jahre 1787 bis ins Jahr 1847, d. i. in sechzig Jahren sechzehn
Quartbände erschienen sind, die einen Schatz von Auszügen und
Notizen morgenländischer Handschriften enthalten. Da in dieser
Übersicht von Auszügen nicht die Rede sein kann, so spricht
um so mehr die nähere Kunde des Inhalts wichtiger Werke
einen Platz an.
Das ganze Werk besteht aus zwei Bänden in fortlaufender
Seitenzahl von 1453 Seiten Grossfolio, ist in vier und achtzig
llauptstiicke getheilt, wovon der erste Theil sechs und fünfzig,
der zweite die anderen acht und zwanzig enthält; wir geben
nun den Inhalt der einzelnen Hauptstücke und ihrer Abschnitte.
*) Sekif hu du di ulemasinden, d. i. einer Gelehrten, die ums achte
Jahrhundert lebten, auf der ersten Seite des zweiten Bandes.
2 ) In dem Verzeichnisse der Druckwerke im VII. Bande der osmanischen
Druckwerke S. 595. Nr. 88.
257
I. Hauptstück. Von den Grundfesten des Islams in fünf
Abschnitten; 1. Von dem aufrichtigen Glaubensbekenntnis Ich-
lass; diess ist, wie bekannt, der Titel der hundert zwölften
Sure, welche aus den vier kurzen Versen besteht: „Sag, Gott ist
Einer, Er ist von Ewigkeit, Er hat nicht gezeugt, Er ward nicht
gezeugt, Ihm gleich ist Keiner. 2. Abschnitt. Von dem fünfmal
des Tages zu verrichtenden Gebete und seinen Trefflichkeiten.
3. Von dem Almosen und seinen Trefflichkeiten. 4. Von der
Faste und ihrer Verdienstlichkeit. 5. Von der Wallfahrt nach
Mekka. II. H. Von der Vernunft, dem Scharfsinne und der
Dummheit. III. II. Vom Koran, seiner Trefflichkeit und dem
Verdienste, das Gott der Herr dem Leser desselben anrechnet.
IV. H. Von der Wissenschaft, der Bildung, von der Verdienst
lichkeit der Wissenschaft und des Lernenden. Wir glauben Recht
zu thun, vor dieser akademischen Versammlung einige in diesem
llauptstücke über Wissenschaft und Gelehrte enthaltenen Stellen
des Korans, der Ucberlieferung und von Dichtern anzuführen.
Die erste, der schon oben erwähnte Koranvers : „Es fürchten
„Gott den Herrn von seinen Dienern die Gelehrten,” dann die
Überlieferung des Propheten: „am Tage des jüngsten Gerich
tes wird die Tinte der Gelehrten und das Blut der Märtyrer
„von gleichem Werthe sein, keiner von Beiden setze sich dem
„Anderen vor. Das Streben nach Wissenschaft ist Gott dem
„Herrn lieber als hundert Frohnkämpfe. Keiner unternimmt
„der Wissenschaft willen eine Reise, dem der über das Para
dies gesetzte Engel nicht dasselbe verkündige ; wer nach sei-
„nem Tode Tintenzeug und Federn hinterlässt, geht ins Para
dies ein.”
Dieses Wort der Überlieferung ermuthigt nicht nur zu
wissenschaftlichen Reisen, sondern auch zu Büchervermächtnissen
zum öffentlichen Gebrauch. Weiter sagte der Prophet: „Der
„Gelehrte überragt den Andächtigen an Verdienst, wie in der
„Nacht des Vollmondes dieser alle anderen Gestirne.” Er sagte:
„Der Untergang meines Volks rührt von zwei Dingen her, von
„der Vernachlässigung der Wissenschaft und von dem Aufspei-
„ehern des Gutes.” Ein Mann fragte den Propheten, welches die
verdienstvollste der Handlungen, er antwortete: „Die Wissen
schaft Gottes und seiner Religion und die wiederholte Wieder-
258
„kelir zu beiden.” Der Mann sprach: 0 Gottes Gesandter, ich
fragte Dich um Handlung und Du antwortest mir mit der Wis
senschaft. Der Prophet entgegncte: „Die Wissenschaft nützt
„dir mit weniger Handlung, und mit vieler Handlung nützt dir
„nichts die Unwissenheit.” Der Imam Chalil sagte: „Den
„Glanz des Gelehrten verkündet Trommelschlag der Welt, den
„Glanz des Unwissenden versteckt seine Unwissenheit.” Der
selbe sagte: „Die Wissenschaften sind Schlösser und die Fra
gen die Schlüssel dazu.” Das Sprichwort sagt: Wer nicht lernt
in der Jugend, hat im Alter den Vortritt nicht, und der Pro
phet: „Wehe meinem Volke von den schlechten Gelehrten, die
„mit der Wissenschaft Handel treiben, aber ihr Handel wird
ihnen keinen Gewinn bringen bei Gott.” Von mehreren in die
sem Hauptstücke gegebenen Versen verschiedener Dichter mögen
die folgenden eines unbekannten Dichters genügen:
Sei wer du willst, nur hochgebildet sei,
Wenn auch Stammbäume nichts vom Adel melden,
Ein Ritter ist, wer tapfer und wer frei
Und nicht wer sagt: die Väter waren Helden !
mit mehreren eben so unterhaltenden als lehrreichen Anekdoten.
V. Hauptstück. Von Sitten und Sittensprüchen. Eine auser
wählte Sammlung derselben. VI. Hauptstück. Von den Spriich-
wörtern in vier Abschnitten; 1. Koranstexte und Stellen der
Überlieferung, welche sprüchwörtlich geworden und die so oft
in historischen und anderen Werken angeführt werden, derglei
chen sind aus dem Koran: „Ist denn der Morgen nicht nahe?
„Kennt denn Gott die Dankbaren nicht?—• Vielleicht, dass ihr
„Widerwillen wider ein Ding habt, woraus euch vieles Gutes
„entspringt. — Jede Seele wird verkosten den Tod. —Jede Seele
„wird finden ihren Erwerb. — Der Gesandte kann nur die Bot
schaft entrichten. — Oft ward eine grosse Schaar überwältigt
„von einer kleinen. — Ist die Vergeltung der Wohlthat wohl
„etwas anderes als Wohlthat? — Gott ist jeden Tag in seiner
„vollen Würde. — Wer Gutes und wer Böses thut, thut es sei-
„ner Seele. — Alles, was auf der Welt, ist eitel” — u. s. w. ein
halbes Hundert. 2. Stellen der Überlieferung, die zu Sprüch-
wörtern geworden, z. B. „die Handlungen werden beurthcilt nach
„ihren Absichten. — Die Absicht des Gläubigen ist besser als
259
„seine Handlung. —Die obere Hand ist besser als die untere.—
„Wer in der Fremde stirbt, stirbt als Märtyrer.— Die Hand Gottes
„ruht auf der Gemeine. — Die Schaam ist ein Theil des Glaubens.
„— Begehrt das Gute von schönen Gesichtern.— Die Einsamkeit
„ist besser als ein schlechter Gesellschafter. — Sucht die Ge
währung euerer Nothdürfte im Verborgenen, denn jeder Glück
liche ist beneidet.— Hilf deinem Bruder, sei er nun Dränger
„oder bedrängt. —Die geduldige Erwartung glücklichen Ausgangs
„ist Andacht. — Die Handlungen werden nach ihrem Ausgange
„bcurtheilt. — Wenig fehlt, dass die Armuth Unglauben.” — In
allem acht und zwanzig Ueberlieferungsstellen. 2. Sprüchwörter
der alten Araber eine Centurie, unter welchen manche , die un
ter den drei tausend drei hundert in Freytags dreibändigem
Werke über die Sprüchwörter Meidani’s fehlen. 3. Von den
Sprüchwörtern der neueren Araber (Muwellidun), ein halbes
Hundert. 4. Gereimte Sprüchwörter, sechzig, deren erstes des
grossen Dichters Lebid’s Distichon, welches Mohammed immer
im Munde führte:
Was ausser Gott dem Herrn, ist eitel Alles
Und gutes Ding ist sicher des Verfalles. —
Dieses Hauptstück allein gibt eine reiche Ausbeute für die
Gnomologie der Araber. VII. Hauptstück. Von der Beredsamkeit
und Wohlredcnheit, und den beredten Männern und Weibern
der Araber in drei Abschnitten; 1. von der künstlichen Bered
samkeit ; 2. von der natürlichen Wohlredcnheit; 3. von bered
ten Männern und Weibern. Die aufgezählten Wohlberedten, von
denen hier nähere Auskunft ertheilt wird, sind: Ihn Abbas,
Gliadban, Suweid, Hads chdscliads cli der tyrannische
Statthalter und einige ungenannte wohlberedte Araberinnen.
VIII. Ilauptstück. Von schlagenden und geistreichen Antworten.
IX. Hauptstück. Von Rednern und Dichtern, ihren Gebrechen
und literarischen Diebstählen, eine reiche Blumenlcse, meistens
•unbekannter Verse und Anekdoten. X. Hauptstück. Von dem Ver
trauen und der Ergebung in Gott. Von der Genügsamkeit und
dem Tadel. Von Geiz und Gier und langer Hoffnung. XI. Haupt
stück. Von dem Rathe und der Betrachtung des Endes der Din
ge. XU. Ilauptstück. Von schönen und guten Ermahnungen.
XIII. Hauptstück. Von der Trefflichkeit des Stillschweigens,
dem Schaden der Zuträgereien und Lobe der Einsamkeit, in
drei Abschnitten. XIV. H. Von dem den Königen und Sultanen
von Moslimen schuldigem Gehorsam , von den Pflichten jener
gegen ihre Unterthanen. XV. II. Von den für Gesellschafter von
Sultanen erforderlichen Eigenschaften und Warnung wider zu
häufige Gesellschaft mit Königen. XVI. H. Von den Eigenschaf
ten der Wefire. XVII. H. Von der nöthigen Zurückgezogenheit
der Könige und Sultane, den Eigenschaften ihrer Kämmerer, und
der Gefahr, so die Könige laufen, von ihren Statthaltern betro
gen zu werden. XVIII. II. Von den Richtern, der Bestechung,
der Annahme der Geschenke und den Gleissncrn, die sich für
Fromme und Enthaltsame ausgeben, in drei Abschnitten. XIX. II.
Von der Gerechtigkeit, Billigkeit und Wolilthätigkeit. XX. II. Von
der Schändlichkeit und den bösen Folgen der Grausamkeit und
Ungerechtigkeit. XXI. H. Von dem Benehmen der Sultane, von
dem der Steuereinnehmer und dem Verfahren gegen die Unter
thanen, in drei Abschnitten. XXII. II. Von der Nothdürftigen zu
leistenden Hilfe und der Erledigung der Nothdiirfte der Moslimen
mit den sich darauf beziehenden Koranstexten und Überliefe-
rungsstellcn. XXIII. H. Von den guten und bösen Eigenschaften.
XXIV. H. Von dem freundschaftlichen Umgänge, der Verbrüde
rung und den Besuchen. XXV. II. Von der Milde, Fürbitte und
Vermittlung, in zwei Abschnitten. XXVI. II. Von der Verschämt
heit , der Denmth, und dem Verdienste des Moslims , der sich
selbst erniedrigt, in zwei Abschnitten. XXVII. H. Von dem Tadel
des Stolzes und der Eingebildetheit. XXIX. II. Von dem Adel, der
Herrlichkeit und dem hohen Unternehmungsgeiste. XXX. II. Von
den Trefflichkeiten und Vollkommenheiten der Verwandten und
Gefährten des Propheten, der Heiligen und Frommen. XXXI. II.
Von dem Lobe frommer redlicher Männer und den Wundern der
Heiligen. XXXII. II. Von den Schändlichkeiten und Verbrechen,
welche von Bösen und Lasterhaften begangen werden. XXXIII. H.
Anekdoten und Erzählungen von Freigebigen und Grossnnithigen.
XXXIV. H. Von Geizigen. XXXV. H. Von der Gastfreundschaft
und Behandlung des Gastes. XXXVII. H. Von der Erfüllung des
Versprechens. XXXVIII. II. Von der Bewahrung des Geheimnis
ses. XXXIX. H. Von Unrecht, Verrätherci, Diebstahl, Feindschaft,
261
Hass und Neid. XL. II. Von dem Verdienste des Frohnkampfes und
der Tapferkeit, in zwei Abschnitten. XLI. H. Kunden von berühm
ten Helden, Tapfern und von Feigen und Furchtsamen. XLII. H.
Von Lob und Preis und Vergeltung der Wohlthaten, in zwei Ab
schnitten. XLIII. Von der Satyre. XLIV. H. Von der Wahrheit
und Lüge, in zwei Abschnitten. XLV. II. Von der den Aeltern
schuldigen Dankbarkeit, und den Pflichten gegen die Verwandten
und den .Stamm, in drei Abschnitten. XLVI. H. Von körperlichen
Eigenschaften, der Schönheit und Hässlichkeit, der Grösse oder
Kleinheit, der Jugend und dem Alter. XLVH. II. Von dem
Schmucke der Edelsteine, des Goldes, Silbers, von den Wohlge
rüchen und dergleichen. XLVHI. II. Von dem Färben des Bartes
und der Haare, Gesundheit und Rüstigkeit und Beispielen lange
lebender Leute, in vier Abschnitten. XLIX. II. Von den Namen,
Vornamen und Zunamen. L. H. Von dem Reisen, von dem Ab
schiede, dem Aufenthalte in der Fremde und von der Sehnsucht
nach dem Vaterlande. LI. II. Von denen, die sich ihres Reich-
thums und Wohlstands rühmen. LII. H. Von dem Lobe der Ar-
muth. L1II. II. Von der guten Aufnahme der Bitten und gross-
müthigen Gewährung derselben. LIV. II. Von den Geschenken
und Gaben. LV. H. Von den Handlungen des Erwerbs, den Hand
werken und Künsten , der Schwäche und Faulheit, und derglei
chen. LVI. H. Von den Veränderungen und der Ungunst der Zeit
und dem Ausharren in Widerwärtigkeiten, in drei Abschnitten:
1. von dem schnellen Wechsel der Dinge, 2. von der Geduld in
der Ertragung der Unfälle, 3. von den Trostgründen im Unglücke.
Hier endet auf der 757. Seite der erste Band.
Der Se.cretär liest den von Hrn. Dr. Ritter Adolph
Pichler aus Innsbruck eingesandten Auszug aus dessen Ab
handlung: „Mittelalterliche Dramen aus Tirol.”
Der Verfasser beschreibt die von dem Hrn. Prof. Albert
Jäger in dem Archiv von Sterzing aufgefundenen neun hand
schriftlichen Hefte mit mittelalterlichen Dramen, gesammelt und
geschrieben von „V'igili Rabcr, Maler von Sterzingen,” in
den Jahren 1515 —1529. Sie sind sämmtlich, mit Ausnahme
einer weltlichen Posse, geistliche Spiele von der Geburt und
den Jugendjahren, dem Leben und den Wundern Jesu, von der
262
-jrrrrBSTTi Am r,
Leidensgeschichte (eigentliche Passionsspiele und Marienklagen),
Ostcrspiele, von der Himmelfahrt Christi, und: „Ein Recht,
dass Christus stirbt.” — Siimmtlich in deutscher Sprache und zum
Theil in Sterzing und Botzen aufgeführt. Von denen , die Herrn
Pichler die merkwürdigsten schienen , gibt er Inhaltsanzeigen,
und bemerkt: „dass die meisten sowohl für die Geschichte der
deutschen Literatur im Allgemeinen, als auch für die Sittenge
schichte Tirols insbesondere manches Wichtige enthalten.”
Sitzung vom 28. November 1849.
Der Secretär legt unter anderm im Laufe der Woche ein-
gelangtcn Eingaben, welche zur Kenntniss genommen werden,
einen vom Ministerium des Handels mitgetheiltcn Bericht
vor, mit welchem der k. östr. Consul zu Cagliari in Sardinien der
Akademie eine Anzahl alter und neuer Münzen als Geschenk
übersendet.
Herr Arneth erhält den Auftrag, hierüber in einer der
nächsten Sitzungen Bericht zu erstatten.
Ferner von demselben Ministerium der unten folgende Be
richt des k. k. östr. Vice - Consuls in Janina Herrn Dr. F. G.
v. Hahn, worin derselbe die Auffindung eines uralten albane-
sischen Alphabets mittheilt.
„Im Laufe meiner Arbeiten über die albanesische Sprache
hörte ich von einem Alphabete derselben, welches an einigen
Orten für kirchliche Schriften im Gebrauche sei. Da Crispi in
einer Note zu seinem Aufsätze über die albanesische Sprache
dieses Alphabets als eines sehr alten gedenkt, so bemühte ich
mich auf jede Weise, in den Besitz desselben zu gelangen.
Vor Kurzem gelang mir diess ; ich erhielt nicht nur das Alpha
bet sondern auch ein in demselben geschriebenes Mannscript,
eine Uebersetzung griechischer Ilomilien, welches jedoch schwer
lich älter als 50 Jahre sein dürfte, weil der Mann, der es in
seiner Jugend abgeschrieben, noch lebt.
Der erste Anblick dieses Alphabets war für mich höchst
fremdartig, es schien mir von allen bekannten weit abzuliegen.
Eine nähere Untersuchung lieferte aber die interessantesten
263
Resultate. Das ganze Alphabet besteht aus 52 Zeichen, sie ste
hen in einer Ordnung, welche mit der uns geläufigen nichts
gemein hat, und wenn auch nur sehr entfernt, an die arabischen
erinnert.
Nach Ausscheidung von wenigstens 13 Doppelbuchstaben
ergeben sich 39 einfache Zeichen. Es sind mir gegenwärtig nur
die in Lanzi, Saggio di lingua etrusca und Franz Elementa epi-
graphices graecae abgedruckten phönizischen Alphabete und die
in S a c y’s arabischer Grammatik aufgenommenen orientalischen
zugänglich. Trotz dieser unvollständigen Hilfsmittel ergab die
Vergleichung des aufgefundenen Alphabetes mit denselben, dass
13 Consonanten dem phönizischen, 2 dem hebräischen, 2 dem
kufischen und 2 Doppelconsonanten dem phönizischen und einer
dem hebräischen Alphabete entnommen sei. Der Uebergang der
Zeichen aus den orientalischen Alphabeten in das Albanesische
scheint nach einem bestimmten Gesetze Statt zu finden, wel
ches , wenn es sich bewährte, auch auf die übrigen europäi
schen Alphabete anwendbar sein würde. Es finden sich ferner
unter den albanesischen Zeichen sechs, welche nur auf den ältesten
griechischen Monumenten Vorkommen, später aber verschwinden,
wie z. B. ( als ß auf dem bekannten a-6-c-FIäschen von Agyllo,
d als X und / als <j? auf den von Baron Prokesch im Jahre 1835
aufgefundenen theraeischen Inschriften, £ als s auf der Bun-<
destafel der Eier und Heräer.
Zwei andere alte Formen \ und T erscheinen nach dem
oben angeführten Gesetze und aus andern Gründen im Ver
gleiche zu den albanesischen, als jüngere Formen.
8, hier X, findet sich im hetruskischen als Q.
ö Q o. f. im oskischen Alphabete u. s. w.
Unter den 52 albanesischen Zeichen habe ich (mit Aus
nahme eines Doppelbuchstabens) kein einziges gefunden, welches
sich nicht aus den erwähnten Alphabeten erklären, aber auch
kein einziges, welches sich als aus dem griechischen Alphabete
herübergekommen annehmen Hesse, wohl aber wie gesagt das
Gegentheil. Diese Ergebnisse kamen mir so wunderbar vor, dass
ich mir alle Mühe gab, sie durch die Annahme zu erklären,
dass irgend ein gelehrter Albanese vor ein paar Jahrhunderten
diess Alphabet aus den Elementen der Orientalischen für seine
Sitzb. d. philosoph. histor. CI. Jahrg. 1849. IX. Heit. 20
264
Muttersprache componirt habe. Abgesehen von vielfachen techni
schen Zweifeln bleiben aber bei dieser Annahme die urgriechischen,
lietruskischen und oskischen Formen, von denen ein solcher keine
Kenntniss haben konnte, unbegreiflich. Eine zweite Vermuthung
wäre die, dass das altslavische Kirchen-Alphabet, welches mir
völlig unbekannt, dieselbe Aehnlichkeit mit dem Orientalischen
darbiete und das Albanesische aus demselben entnommen sei. Es
scheint mir aber schwer denkbar, dass das erstere Alphabet ausser
den pliönizischen Zeichen auch solche, und zwar grösstenTheils nur
solche aufweise, welche bereits zur classisclien Zeit Griechen
lands ausser Gebrauch waren und die Reinerhaltung der phöni-
zischen Formen in dem pliönizischen Alphabete trotz des dop
pelten Ueberganges wäre ein grösseres Phänomen als alle an
dere denkbare.
Im Falle sich aber auch diese zweite Annahme als unbe
gründet ergeben sollte, dann bliebe wohl kein anderer Ausweg
als das albanesische Alphabet in das graueste Alterthum hinauf
zurücken, und dessen wunderbare Versteinerung mit der eben
so wunderbaren Existenz von Stämmen einer Ursprache in Ver
bindung zu bringen, welche uns die albanesische Sprache reiner
und reicher erhalten hat als irgend eine andere europäische.
Eine erschöpfende Bearbeitung des vorliegenden Fundes
kann nicht in meiner Absicht liegen, weil sie sowohl meine
Kräfte, als die mir zu Gebote stehenden Hilfsmittel bei weitem
übersteigt. Indessen wünschte ich meinen Fund nicht eher aus
der Hand zu geben, als bis ich mir über die Stellung des al-
banesischen Alphabets zu dem pliönizischen und namentlich über
das oben erwähnte vermuthliche Gesetz seiner Entwicklung
klarer geworden, als mir diess jetzt möglich ist. Aber auch zur
Lösung dieser beschränkten Aufgabe bedarf ich verschiedener
Hilfsmittel, die ich mir zu verschaffen gegenwärtig ausser Stande
bin, und aus diesem Grunde beehre ich mich ganz ergebenst an
das hohe Präsidium der Akademie zu recuriren und demselben
meine betreffenden Wünsche vorzutragen. Es sind diess folgende:
1) Eine Abschrift des ältesten slavischen Kirchen-Alphabets.
2) Eine Abschrift des pliönizischen Alphabets nach dem
gegenwärtigen Stande der Wissenschaft, namentlich mit An
gabe seiner Veränderungen nach Epochen, wenn diese Trennung
265
bereits gelungen sein sollte und der bestimmten oder noch zwei
felhaften Laute, welche die Zeichen vertreten.
3) Eine eben solche Abschrift der verschiedenen italiotischen
Alphabete. Wenn die Erläuterung des phönizischen Alphabets
seit Gese nius keine wesentlichen Fortschritte gemacht und L ep-
sius’ Sammlung der oskischen Inschriften eine Zusammenstel
lung sämmtlieher altitalischen Alphabete enthalten sollte, so
wäre mir natürlich die gütige Zusendung beider Werke noch
wünschenswerter als einfache Abschriften der Alphabete, und
würde ich mich ausser der Haftung für etwaigen Schaden zu
deren Rückstellung binnen Monatsfrist nach deren Empfang
dankbarst verpflichten.
4) Eine möglichst treue Abschrift aller in Griechenland
und Italien aufgefundener Inschriften, welche bisher den Erklä-
rern widerstanden und für pelaskische gehalten werden. Leider
ist mir bis jetzt keine einzige derselben zugängig, die neueste
steht in dem 20. Jahrgang der Annalen des archäologischen
Instituts in Rom. Wenn sich meine Hoffnungen in dieser Hin
sicht bestätigen, so würde ich bei meinen Erklärungsversuchen
hier den Vortheil haben, die verschiedenen unter sich sehr ab
weichenden albanesischen Dialekte an Ort und Stelle in Bera-
thung ziehen zu können. Alle erwähnten Abschriften würden
wohl am einfachsten auf transparentes Papier durchgezeichnet,
wodurch auch deren Verschickung sehr erleichtert wäre.
5) Endlich beehre ich mich das hohe Präsidium ganz er
gebenst zu ersuchen, mir eines der verehrten Mitglieder der
Akademie bezeichnen zu wollen, welches sich geneigt finden las
sen würde, mir über vorkommende Fragen Belehrung zu ertheilen,
und erlaube mir an dasselbe sofort die Frage zu stellen : Ob,
wo und in welcher Weise, ausser bei dem oben erwähnten Crispi
des albanesischen Alphabets bereits Erwähnung geschehen sei?
Wie sich auch das Endergebniss der Untersuchungen über
dieses Alphabet stellen möge, so glaube ich schon jetzt von
der Wichtigkeit meines Fundes und dem Nutzen, welchen die
Wissenschaft aus demselben ziehen werde, schon jetzt über
zeugt sein zu dürfen. Ich wünsche daher denselben der Aka
demie so rasch als möglich vorlegen zu können und hoffe, dass
mir diess sehr bald nach Empfang der oben angedeuteten Hilfs-
20 «
fi &at i_-1 1 i
266
mittel möglich sein werde, weil die Hauptarbeit der Sonderung
und Vergleichung jedes einzelnen Buchstabens bereits vollendet
ist. Ich schmeichle mir aus diesem Grunde mit der Hoffnung,
dass das hohe Präsidium meinen ergebensten Bitten möglichst
rasch entsprechen wolle, und erlaube mir schliesslich das hie-
mit zu beauftragende, verehrte Mitglied ergebenst zu ersuchen,
mir die erbetenen Abschriften nicht in einer Sendung vereint
übersenden, sondern einzeln in dem Grade als sie von den Co-
pisten beendigt werden, pr. Adresse k. k. General-Consulat in
Corfu, unfrankirt auf die Briefpost geben zu lassen. Die Druck
werke würden mir pr. Adresse Herrn L. M. Prucker in Triest
sicher zukommen.”
Jannina, den 24. October 1849.
Dr. «7. G. v. Halm m. p.,
k. k. Vice-Consul in Jannina.
Die Classe beauftragt Herren Arnetli und Auer dem
Herrn v. Hahn die gewünschten Mittheilungen zu machen und
besehliesst, wenn diese vorbereitet sein werden, eine Commission
von mehreren Mitgliedern zu ernennen, zur Redaction der er
betenen Antwort und der ferneren Correspondenz mit Herrn
v. Hahn.
Ueber die Eingaben des correspondirenden Mitgliedes Herrn
Archivars Wartinger zu Gratz, womit dieser Urkunden-
Abschriften aus dem Johanneums - Archive anträgt, dann des
wirklichen Mitgliedes Herrn Stülz, mit welcher dieser einen
Aufsatz des königl. bairischen Legationsraths Herrn v. Koch-
Sternfeld; „Genealogische und topographische Forschungen,”
zur Aufnahme in das „Archiv der historischen Commission”
vorlegt, besehliesst die Classe Herrn Wartinger vorläufig um
ein Verzeichniss der Urkunden zu ersuchen, den Aufsatz Koch-
Sternfeld’s aber der historischen Commission zur Begutachtung
und Aufnahme in’s Archiv zuzuweisen.
Hierauf setzt Herr Alters - Präsident Freiherr Hammer-
Purgstall die Lesung seines Berichtes „über die in den
letzten vier Jahren 1845, 46, 47 und 48 zu Constan-
tinopel erschienenen Werke” in folgender Weise fort:
Der zweite Band des Mostathref beginnt durch ein Verse
hen mit Seite 754 statt mit 758, worauf dann 755, 756 und
i
267
zum zweiten Mal 757 folgt >). LVII. Hauptstück. Von den Korans
texten und Ueberlieferungsstellen, welche sich darauf beziehen,
dass Leichtes auf Schweres folgt, und Freud auf Leid. LVIII. II.
Von den Sclaven und Sclavinnen in zwei Abschnitten. L1X. H.
Kunden arabischer Vorzeit, von den Gebräuchen und Aberglau
ben der alten Araber; ein für die Geschichte alter, arabischer
Sitte höchst wichtiges Hauptstück, so wie das folgende LX.,
welches von ihrer Wahrsagerei, Spurenkunde, Physiognomik,
Loosstecherei, Deutung glücklichen oder unglücklichen Vogel
fluges und Traumauslegungskunde handelt. LXI. H. Von den Li
sten und Kunstgriffen zur Erreichung Vorgesetzten Zweckes.
LXII. H. Die Naturgeschichte der vorzüglichsten Thiere, welche
der türkische Uebcrsetzer Esad Efendi aus den drei Werken,
erstens: Hajatol haiwan 2 ), d. i. Leben der Thiere von
Mohammed ed-Demiri, welcher i. J. 827 (1423) als Rich
ter der Richter und Professor an der Medrese Moejidije
gestorben; zweitens: aus dem Behdschetol ins an fi ineh-
dschetil haiwan 3 ), d. i. Zierde des Menschen im Herzblut
der Thiere Ali el Kari’s des Koranslesers, welcher i. J. 1016
(1607) zu Mekka gestorben, und welches nur eine Abkürzung
des Werkes Demiris; und drittens: aus dem To hfe toi-ac hwan
fil-haram wel-halal min e 1- h a i w an ’), d. i. Geschenk
der Brüder über das was (zu essen) erlaubt oder nicht erlaubt
von den Thieren, welches Scheich Mohammed Efendi aus
Trapczunt mit Zusätzen vermehrt hat. Diese drei Werke behan
deln die Geschichte der Thiere nur aus dem philologischen Ge
sichtspunkte, oder bloss aus dem gesetzlichen, ob das Fleisch
derselben erlaubt oder verboten, wie das letzte ; dennoch ent
halten sie viel Neues und Wissenswertes, die Thiere sind
*) Unter den Druckfehlern sind manche sehr arge , so heisst z. H. S. 76
der alte arabische Dichter Ebu-Osa bloss durch die Versetzung des
Punctes Ebu Göret. t>J£ statt ajff
2 ) o I'oL>-
3 ) i> IA.s=r° ö Lj ^ I
4 ) Oj-ÄT^
268
nicht nach den Classen der Naturgeschichte, sondern in der
Ordnung des arabischen Alphabetes gereiht, es sind die folgen
den : der Löwe, das Kameel, der Erdwurm, der Hase, die ägyp
tische Eidechse (sxcyxs?), die Schlange, die Bergziege (Gemse ?),
der Falke, der Wallfisch, der Papagey, der Reiger, der Bor-
rak (das fabelhafte Thier mit dem Menschengesiehte , welches
Mohammed in seiner nächtlichen Himmelfahrt ritt, und welches
augenscheinlich dem Thiere, welches an Pallästen persischer
und assyrischer Könige ausgehauen zu sehen, dem Urbilde des
hebräischen Cherub nachgeahmt ist), das Lastpferd oder Saum
ross (Bersun), der Floh, die Stechmücke (Gelse), das Maul
thier, die Kuh, die Eule; der Bukir, scheint der Beschrei
bung nach eine Art von Möwe zu sein ') ; das Krokodill, der
Drache, der Fuchs; hier gibt Esad Efendi nach Demiri die be
kannte Fabel des kranken Löwen, den der Fuchs nicht besucht,
weil alle Fusstapfen in die Höhle führen, und keine heraus.
Esad Efendi bemerkt bei dieser Gelegenheit, dass schon Ebu
Naim Scho bi auf den ethischen Sinn solcher Thierapologe,
wie sie das Humajunname und Merfebanname enthalten,
aufmerksam gemacht, und er führt bei dieser Gelegenheit die
Beschreibung der Gesandtschaftsreise Ebubekr Ratib Efen-
d i’s 2 ) an , welcher nach dem Frieden von Sistow i. J. 1791
als ausserordentlicher Gesandter nach Wien kam, bei seiner
Rückkehr Reis Efendi, daun nach Rhodos verbannt, dort
erwürgt ward. Ratib führt in dieser Gesandtschaftsreise an, dass
die einsichtsvollsten Europäer den tiefen politischen Sinn aner
kennen , der in jenen Thierapologen asiatischer Weisen liege;
diese Bemerkung wird hier nicht wegen der alten Bekanntschaft
der Wiener mit diesem türkischen Gesandten, der auch der
orientalischen Akademie ein Gedicht zum Andenken hinterlassen,
und dem ich damals als Schüler der Physik die von Stelzham
mer gemachten elektrischen Experimente und nivelirenden Mes
sungen erklärte, sondern wegen der bibliographischen Notiz
*) Fehlt in Freytag;, der doch den Demiri benützt hat, in welchem der
Bukir das vier und achtzigste Thier. (S. Anzeigeblalt des LXVI. Bandes
der Jahrbücher der Literatur S. 37.)
2 ) S. 861 letzte Zeile.
269
zweier bisher ganz unbekannter Werke eingeschaltet, deren
eines die gewiss für Oesterreicher und insbesonders Wiener an
ziehende Gesandtschaftsbeschreibung Ehu BekrRatib’s und
das zweite das Mersebanname als ein Werk von Thierapo-
logen, welches Esad Efendi mit dem En war i Soheili und
dem Fewakihol Chulefa in eine Reihe stellt.
Wir setzen nun die Liste der Thiere weiter fort: die
grosse Schlange (Saaban *), das Ichneumon, die Heuschrecke,
der Kothkäfer, das Rebhuhn, der Weihe, der Sperber, die
Eidechse, der Esel; der türkische Uehersetzer bringt hier aus
dem Bechdschetol insan eine Legende vom Herrn Jesus
bei, den einer gefragt, ob er nicht im Nothfalle auch einen
Esel besteigen wolle, und dem er geantwortet: Mich beschäf
tigt nichts ausser Gott, bei dem ich geehrt, so, dass mir alles
andere gleichgiltig. Nun folgt: die Taube, die Schwalbe, die
Fledermaus, der Scarabeus, das Pferd, das Huhn; Dach, 3 ) ein
grosser Wasservogel, der zu Alexandrien häutig gefangen und
gegessen wird (beim Demiri Dedsch 3 ) ein kleiner Vogel, 4 ) der
Seidenwurm, der Hahn, die Fliege, der Wolf, der Vogel Roch
(der Lämmergeier) ; famur 5 ) eine Art kleiner Fisch, 6 ) welcher
die Schilfe begleitet, an den Gesprächen und Gesängen der
Schiffleute Vergnügen finden, und wenn ein grosser, dem Schiffe
Verderben drohender Fisch demselben naht, diesem in’s Ohr
springen und ihn tödten soll; dieser fabelhafte oder wenigstens
räthselhafte Fisch gibt dem Uebcrsetzer Reichshistoriographen
die folgenden Verse ein, deren Sinn und Reim bei den Haaren
herbeigezogen ist:
*)
2) e
0)
*)• Fehlt abermals in Freytag’s Wörterbuch.
5 ) Jy»b
6 ) Bei Freytag umgekehrt: piscis magnus naves comitans, Pomairi, was
Bemiri heissen soll.
270
0 du, der mit Geschäft betraut bist als Memur, *)
In jedem Ding befolg’ den wahren Grundsatz nur,
Den Guten Gutes thu’, dem Bösen lohn’ mit Schur,
Damit man liebe Dich wie Menschen der Samur.
Die Giraffe, deren metonymischer Beiname im arabischen
Omm Isa, d. i. Mutter Jesu heisst; S i 1 at 3 ) oder Solat,
die Wüstendämonen, eine Art grosser Affen; der Salamander,
der Hermelin, die Katze, die Motte, das Reh, der Habicht;
Schahrur 3 ), ein schwarzer Vogel, der grösser als ein Spatz
und schön singt; der Regenwurm, auf arabisch heisst er die
Fette der Erde; Ssawet, eine Art Spatz mit rothem
Kopf; das Schaf (fünfthalb Folioblätter), die Hyäne, der Frosch,
der schwarze Teichwurm (Daamuss 4 ) der Pfau, der Hirsch,
das Moscusreh, die Wüstenratte (Sariban 5 ), die mit unaus
stehlichem Gestanke furzt, so, dass alle Menschen davonlaufen
müssen, daher das arabische Sprichwort von unversöhnlicher
Feindschaft: Es hat zwischen sie der Sariban gefurzt 0 ); das
Kalb, der Scorpion, der Spatz, die Elster, der Storch, der
Blutegel; der Anka, der fabelhafte Vogel, welcher mit der grie
chischen, mythischen ”0p.a verwandt ist; die Spinne, der Rabe,
die Waldtaube, die Maus, das Pferd, der Pardel, der Elephant;
Kakum’), eine Art Hermelin; Kawend 8 ), ein Sturmvogel;
der Affe, der Igel, das Rhinozeros, der Kranich, der Widder,
der Specht, der Hund, sieben Folioblätter; die Biene, drei Folio
blätter; die Ameise, der Geier, der Strauss, der Panther, der
*) Memur oder Mamur heissen in Aegypten die Kreishauptleute, oder
Vorgesetzten der Districte.
*) 4
4 )
6 ) L)\j
6 ) S. 927. Pesa beinehum ef-fariban, das erste Wort ist augenschein
lich eines mit dem Französischen vesser.
T ) Fehlt bei Freytag.
*) ^
271
Widhopf; Werschau 1 ), auch eine Art von Waldtaube; Gog und
Magog, als eine Thierart; Jahmur, 2 ) d. i. der wilde Esel;
der Jer boa. Zu dieser Centurie von Thieren, deren Kunde den
obgcnannten drei Werken entnommen ist, gibt der türkische
Uebersetzer noch einen Anhang, welcher sowohl aus Demiri
als aus anderen Wörterbüchern Namen weniger bekannter
Thiere enthält; diese empfehlen sich also somelir der Aufmerk
samkeit europäischer Naturforscher, je dürftiger und magerer
die jedem derselben beigesetzten Notizen; sie sind wie die vor
hergehenden nach den Buchstaben des arabischen Alphabetes
geordnet, füllen nicht weniger als fünfzig Folioblätter und
verdienen eine besondere Anzeige. Dieser ganze naturgeschicht
liche Theil enthält auf 295 Seiten die Kunden von einem
Tausend von Thieren und empfiehlt sich zur näheren Kennt-
niss nicht nur den Philologen, sondern auch den Naturforschern.
LX1II. II. Von den Wundern der Geschöpfe. LXIV. II. Von den
Dschinnen und ihren Eigenschaften. LXV. II. Von den Meeren,
Flüssen und Brunnen, und den darin befindlichen Wundern, in
drei Abschnitten. LXVI. II. Von den Bergen, Sandwüsten und
grossen Gebäuden. LXVII. II. Von den Steinen und Juwelen und
ihren Eigenschaften. LXVIII. II. Von den Tönen, von dem Ge
sänge. LXIX. H. Von den berühmten Sängern und Tonkünstlern.
LXX. II. Von den berühmten Sängerinnen und Tonkünstlerinnen.
LXXI. H. Von der Liebe und von denen, die aus Liebe gestor
ben. LXXII. II. Von den besonderen Formen arabischer Dicht
kunst, nämlich den Mewal (Volksliedern), Sedfchel, D u-
beil, Distichen, K, ank,an, Homak und Kauma; den
Räthseln, dem Lobe der Namen und dem Lobe der Eigenschaf
ten, die Dubeit, d. i. die Distichen ausgenommen, sind die
Formen und Gesetze des Mewel, Sedfchel, Homak,
K,ank,an und Kauma, bisher nur aus einem Aufsatze im
Journal asiatique bekannt 3 ), und desto schätzbarer sind die
3 ) Notice sur dix formes de versification arabe dont une couple a peine
etait connuc jusqu’ä present des orientalistes europecns. Journal asiatique
III. Serie. Tome VIII. p. 162.
272
hier aus zahlreichen Dichtern gegebenen Beispiele; nach einer
Einleitung, welche von der Poesie überhaupt handelt und auf
sieben und zwanzig Folioblättern Beispiele von mehr als hun
dert Dichtern enthält, werden in sieben Abschnitten die beson
deren Formen arabischer Kunstpoesie abgehandelt, nämlich:
1. die Charaden (el ghaf *); 2. die Muvvwes chali 2 ) mit wech
selnden Reimen; 3. die Dubeit 3 ), d. i. Distichen; 4. die Sed-
schel*), deren Name ganz dem der Sonnete entspricht, in
dem Sedfchel ein Klinggedicht heisst; das arabische Wort
hat sich, wiewohl in einer anderen Bedeutung, im Spanischen
Zagala erhalten; 5. die M e w a 1 i a 5 }, Volkslieder; 6. K,an
we K, an 6 }, wahrscheinlich der Ursprung des französischen
Cancan; 7. die Kauma 7 ); der grösste Künstler in diesen
verschiedenen Kunststücken ist der Dichter Ssafieddin von
Hille, von welchem auch die meisten Beispiele gegeben werden.
LXXIII. H. Von den Eigenschaften des Menschen, den Ehen
und Ehescheidungen, in fünf Abschnitten: 1. von der Trefflich
keit der Ehe, 2. von den guten Eigenschaften der Weiber;
3. von den schlechten Eigenschaften der Weiber; 4. von der
List und dem Betrug der Weiber mit zwei besonderen Excur-
sen über die Beischläferinnen und aphrodisischen Reizmittel;
5. von der Ehescheidung mit mehreren hieher gehörigen Erzählun
gen. LXX1V. H. Von dem Verbote des Weines. LXXV. H. Von
Scherzen und Spässen, in so weit dieselben erlaubt oder ver
boten, in sieben Abschnitten: 1. von den Possenreissern und Lu
stigmachern; 2. von den Scherzen dummer und geistreicher
*) jUU
3 )
4 )
3 ) Ulj.
•) ols"
7 ) ty
273
Grammatiker; 3. von den Spässen der Schulmeister; 4. von denen,
die sich für Propheten ausgegeben; 5. von seltsamen Fragen und
Antworten; 6. von den Seltsamkeiten der Gebetausrufer ; 7. von
denen der Schiffleute 1 ). LXXVII. H. Von den Anwünschungen
und Gebeten , in zwei Abschnitten. LXXVIII. H. Von dem Lose
der Vorherbestimmung und dem Vertrauen in Gott. LXXIX. H.
Von der Heue und Bitte um Verzeihung der Sünden. LXXX. H.
Von den Krankheiten und ihren Heilmitteln. LXXXI. H. Von
dem Tode und dem Grabe. LXXXII. H. Von der Geduld und der
Verzweiflung, der Trauer und den Todtenklagen , in drei Ab
schnitten. LXXXIII. H. Von der Welt und ihren Umwälzungen,
und von der Trefflichkeit der Abgeschiedenheit von derselben.
LXXXIV. II. Von der Trefflichkeit der Anwünschungen zu Eh
ren des Propheten. Die Schlussrede des Uebersetzers erstattet
Bericht über das Schicksal der Uebersetzung, welche siebzehn
Jahre lang im Pulte des Verfassers verschlossen, als er im J.
1250 (1834) als Director der Staatszeitung an der Druckerei
angestellt ward , auf Befehl des Sultans herausgegeben werden
sollte; die Herausgabe verspätete sich durch die vielen Ge
schäfte des Verfassers, der auch Bothschafter in Persien, zu
letzt Oberstlandrichter in Rumili war, bis endlich der Druck in
den vier letzten Jahren seines Lebens begonnen und im letzten
derselben 1263 (1847) vollendet ward; ein schönes Denkmal
von ausgebroiteter Gelehrsamkeit und ausdauerndem Ueber-
setzungsfleiss.
274. Tedschwid 2 ), d. i. Anweisung zur schulgerechten
Lesung des Korans, gedruckt im Silkide 1463 (October 1847)
eilf Seiten Octav.
275. Telchifsi rcsail er-remat 3 ), d. i. Läuterung
der Abhandlungen der Bogenschützen , gedruckt im Silkide des
Jahres 1263 (November 1847) 372 Seiten, Octav, mit fünf
Kupfertafeln; der Verfasser dieses für die Kunde morgenländi-
*) Die beiden Abschnitte von den Gebetausrufern und Schiftleuten sind in
dein dein II. Bande Vorgesetzten Register übersehen worden.
3 )
274
scher Ballistik und Toxologie höchst schätzbaren Werkes ist
Mustafa K,ani der Kahwedfchibaschi, d. i. oberste KafTehkoch
SultanMahmud’s, ein Sohn Mohammed Aga’s, welcher der Pesch-
gir Agasi, d. i. der Tafeldecker Sultan Abdul Hamid’swar.
Die osmanischen Sultane waren von jeher grosse Liebhaber des
Schiessens mit Bogen und Pfeil und auf dem 0 k m ei d an, d. i.
dem Pfeilplatze zu Constantinop el, verkünden Marmorsäulen mit
goldenen Inschriften die besten ihrer Schüsse auf fast unglaubliche
Entfernungen, deren viele gewiss durch Schmeichelei vergrös-
sert worden sind. Dieses für Bogenschützen sehr anziehende
Werk enthält erstens vierzig Ueberlieferungen des Propheten
über das Verdienst des Bogenschiessens und handelt dann sehr
umständlich von Bogen und Pfeil, ihrer Zusammensetzung, den
Namen ihrer einzelnen Theile und dem Gebrauche derselben
und gibt auf den letzten fünfzig Seiten die Liste von drei hun
dert durch Zeugnisse oder Denkmale bewährten vortrefflichen
Schüssen, deren weitester der des Sultans eine Tragweite von
1199 Schritten hat; eine Entfernung, die eben so unwahr
scheinlich , als durch die Zahl, in der nur eine Einheit zur
Vollendung der runden Zahl von 2000 fehlt, sehr verdächtig ist;
die lithographirten Tafeln stellen die verschiedenen Theile des
Bogens uud seiner Zugehör dar.
276. Sialkuti alel Chiali, d. i. der Sialkutische *)
über Chiali, diese zwei Wörter des Titels würden ganz unver
ständlich sein, wenn nicht auf der letzten Seite des im Sil—
hidsche d. J. 1263 (November 1847) in 335 Seiten gr. Octav
gedruckten Schlüsse die nöthige Aufklärung gegeben wäre, dass
dieses die Randglossen des Glänzendsten, nämlich Abdol
Hekim Ibn S ch e m s e dd in’s, der unter den Gelehrten unter
dem Namen des Sialkutischen bekannt, seine Randglossen
nämlich zu den Anhängseln (Taalikat), welche dieser geschrie
ben zu den Randglossen Mola Chiali’s, über den Commen-
tar Seaadeddin Teftafani’s zu den Dogmen Nesefi’s,
diess ist eine zweite Ausgabe des i. J. 1235 (1820) erschie-
*) J
275
nenen Werkes *). Ausser diesen gedruckten Werken sind im
selben Jahre noch die vier folgenden lithographirten erschienen:
erstens das Salname, d. i. das Jahrbuch, die statistische
Uebersicht aller osmanischen Behörden, Gerichtsbarkeiten, Statt -
haltereien , Hofämter und Staatswürden, mit vorausgeschicktem
Kalender und angehängtem Verzeichnisse der europäischen Rei
che und ihrer Herrscher; zweitens Murfchid Mutehilin,
d. i. der Leiter der Verheiratheten, 79 Seiten, Octav; ein
Seitenstück zu dem Tohfetol arus, d. i. dem Geschenke
der Braut“) des Scheich Mohammed Ben Ahmed et-Tid-
fchani, welches i. J. 1848 zu Paris und Algier gleichzeitig
erschienen ist; drittens Subdet ilmi hal, d. i. der Ausbund
der Religionswissenschaft, zwölf nicht paginirte Blätter, auf
welchen alle Glaubensartikel und Dogmen, vollkommene und unvoll
kommene Pflichten des Islams tabellarisch zusammengefasst sind,
mit allen Vorgängen der Sunna in der Verrichtung der Reini
gung, des Gebetes, der Faste, der Wallfahrt; viertens Risa-
lei Dfchimnastik, lithographirt i. J. 1263 (1846), Klein-
Octav, 54 Seiten, eine Liebersetzung einer französischen gym
nastischen Abhandlung, deren Titel besser auf türkisch oder
persisch Kurifchname gelautet hätte, so dass für die Ein
schwärzung des französischen Dschimnastik keine Entschuldi
gung vorhanden ist. Kämpfer’s Reisebeschreibung gibt die Ab
bildung persischer Gymnasten.
Herr Regierungsrath Arneth liest hierauf seinen, ihm in
der Sitzung vom 31. October 1. J. aufgetragenen Bericht über
die in Candia durch die k. Akademie auf Kosten der kaiserlichen
Sammlung und für diese zu erwerbenden alten Münzen und ge
schnittenen Steine.
Mit dem grössten Danke, dass sich das k. k. Handels-Mi
nisterium bemühte, durch Circular-Schreiben die k. k. Consulate
1 ) Im Verzeichnisse der Druckwerke im VII. Bande der osmanischen Ge
schichte S. 592 Nr. 64.
2 ) Der französische Titel ist sowohl in der Aussprache To uh’afat el-Arous,
als in der Uebersetzung : LeCadeau des Epoux unrichtig, indem das
arabische Wort Tohfet und nicht Tu h afat lautet, und Arus die
Braut und nicht die Ge mahle heisst.
276
in Europa, Asien, Africa und America für die wissenschaftlichen
Institute Sr. Majestät und für die Zwecke der kaiserlichen
Akademie zu interessiren, habe ich die Ehre die diessfälligen
Anfragen des k. k. Herrn Vice-Consuls zu Canea auf der Insel
Candia folgendermassen zu beantworten:
Candia, Kreta der alten Welt, in den Wellen des mittel
ländischen Meeres wie ein Wall gelegen, um die Einbrüche
desselben von Griechenland abzuhalten, ist der Uebergangs-
punct zwischen Africa und Europa. Kreta ist berühmt als Wiege
Jupiter’s; in Kreta war das Labyrinth, dort der Minotaurus. In
Kreta entwickelte sich in der ältesten Zeit jene griechische
Kunst, welche, die Fesseln der ägyptischen verlassend, im eigent
lichen Griechenland im sechsten, fünften und vierten Jahrhun
derte vor Christo bald das Höchste erreichte. In Kreta müssen
manchmal die merkwürdigsten Alterthümer gefunden werden;
weil jedoch der Herr Vice-Consul sagt, dass selten etwas an
deres als Münzen und geschnittene Steine Vorkommen, so habe
ich mich vorerst darauf beschränkt, folgende dem k. k. Münz-
und Antiken-Cabinette fehlende Münzen zeichnen zu lassen um
ein anschauliches Bild zu erhalten und im Falle ihrer Echt
heit das Limito der Preise beizusetzen:
Aptera (Palaeo ‘) Castrica.)
1. Kopf des Apollo.
fy- ATTAPAIßN. Jugendlicher Held, in der Rechten eine
Lanze, in der Linken einen Schild. (Silber.)
2. ArTEPAIQN. Kopf der Ceres.
TTOAIOSTOS. Aeltlicher Held ganz geharnischt; die Rechte
erhoben, in der Linken einen Schild, im Felde ein Baum. (Silber.)
3. Kopf der Diana.
ArTAPA. Bogen. (Bronze.)
Arsiuoe (Laoto oder Camara).
4. Kopf der Venus.
AP2I. Held, mit der Rechten die Lanze, mit der Linken
den Schild haltend. (Bronze.)
Die neuen Namen sind nach: Pashley, Travels in Crete. London 1837.
2 Bände.
277
f-Axos.
5. Kopf des Apollo.
FAEION. Ein Dreifuss. (Silber und Bronze.)
C. Kopf Jupiters.
AE. Geflügelter Blitz.
7. Kopf Jupiters.
FAElfiN. Dreifuss und geflügelter Blitz. (6. 7. in Bronze,
bis jetzt nicht in Silber bekannt.)
Knossos (Claudia Longa, Macroteiclios).
8. Kopf der Proserpina.
KN0210N. Kopf eines Stiers innerhalb des Labyrinths.
(Silber.)
9. FOAIXOE. Kopf des Apollo.
KNßElßN. Labyrinth. (Silber.)
10. Kopf des Apollo.
KNßSI. Labyrinth. (Silber.)
11. Kopf der Ceres.
KNßSIßM. Labyrinth. (Silber.)
12. Der Minotaurus knieend.
Labyrinth, in dessen Feldern Sterne.
13. Minotaurus knieend.
Labyrinth. Verschieden vom früheren. (Silber.)
14. Kopf des Apollo.
KNßE. Labyrinth. (Bronze.)
15. Kopf des Apollo.
KNÜ22. Blitz und Sterne. (Bronze.)
Eleuthernae.
16. Jugendlich männlicher Kopf.
EAET. Apollo, vorwärts gewendet, stehend, in der Linken
den Bogen. (Silber.)
17. Apollo-Kopf innerhalb eines Lorbeer-Kranzes.
EAE. Apollo stehend. (Silber.)
Gortyna (Ilagius Dhcka).
18. Europa auf dem Platanus sitzend.
rOPTTNlON. Der Stier sich umsehend. (Silber.)
(Es gibt die mannigfaltigsten Verschiedenheiten dieser Vor
stellung, deren alle erwünscht sind.)
278
Hicrapytna.
19. Kopf Jupiters.
Palmbaum. (Bronze.)
Itanus.
20. Nereus. Meerungeheuer, in der liechten den Dreizack,
in der Linken eine Muschel.
ITA. Zwei sich aufrichtende Schlangen. (Silber.)
Lissos. (Kyrko.)
21. D ie zwei Hüte der Dioscuren.
AI2I. Köcher und Bogen. (Bronze.)
22. Sollte diese Münze wirklich in Kreta Vorkommen, so
wäre sie sehr erwünscht.
Pliacstus. (St. Joannes.)
23. EAIMT (<I>AI2TIßN). Europa sitzend, der sich Jupi
ter naht.
Hermes sitzend. (Silber.)
24. «PAISTION. Hercules die Hydra tödtend.
Jupiter innerhalb eines Kranzes. (Silber.)
25. <I>AI2T. Kopf der Hermes.
Kopf eines Stiers. (Silber.)
Praesus. (Prasus.)
26. Hercules, das rechte Knie auf die Erde gestemmt, vom
Bogen einen Pfeil abscliiessend.
Ein Adler innerhalb eines Vierecks. (Silber.)
27. Aehnliche Vorstellung mit der Schrift ITAI.
28. Kopf der Ceres.
TPAI2I0N. Kopf eines Ochsen. Rose. (Silber.)
29. Jupiter sitzend.
rPAISIQN. Jupiter schreitend. (Silber.)
Rhithymna.
30. Kopf der Pallas.
PI. Dreizack zwischen zwei Delphinen. (Silber.)
279
Sybritia. (Veni.)
31. Bacchus auf einem Panther reitend.
STBPITIßN. Hermes den rechten Fuss auf einen Felsen
stützend. (Silber.)
Tylissus.
32. Kopf des Genius der Stadt mit der Mauerkrone.
TTAESIOiV. Apollo stehend mit dem Bogen. (Silber.)
Indem ich die wünschenswerteren Münzen von Kreta,
welche dem k. k. Münz- und Antiken - Cabinette fehlen, hier
beschreibe, Abbildungen beigebe und das Limito ihrer Ankaufs
preise ansetze, kann und will ich damit nicht sagen, dass nicht
in Candia manche Münzen gefunden werden können, die an Wich
tigkeit diesen gleichkommen, ja sie selbst übertreffen..—
Griechische Silber- und Bronze - Münzen — goldene sind
bis jetzt von Kreta nicht bekannt — wären durchschnittlich die
griechischen silbernen um 5 11., die griechischen bronzenen um
1 11. an sich zu bringen.
Geschnittene Steine, wenn die darauf angebrachten Vor
stellungen nicht die grösste Rohheit der Arbeit verrathen oder
ganz unkenntlich sind, wären im Durchschnitte um 5 11. C. M.
das Stück nicht theuer. (Das auf die Art verausgabte Geld
würde nach Empfang der Gegenstände sogleich vom k. k. Miinz-
und Antiken-Cabinette ersetzt werden.)
Obschon ähnliche Bitten des k. k. Münz- und Antiken-Ca-
binettes im Jahre 1823 an den damaligen Chef der Handelsab-
theilung von der k. k. Hofkammer Herrn Baron von Stahl und
besonders im Jahre 1838 an den k. k. Haus-, Hof- und Staats
kanzler dem Herrn Fürsten von Metternich, welch letzterer sie
mit der preiswürdigsten Liberalität aufnahm und in diesem Sinne
zu wiederholten Malen Circulare crliess, zu kaum nennens-
werthen Resultaten führten, so ersuchet der Berichterstatter
dessenungeachtet die kaiserl. Akademie der Wissenschaften das
k. k. Handelsministerium zu bitten, im rühmlichen Vorhaben die
Sammlungen Sr. Majestät und somit die Wissenschaften zu för
dern, nicht zu ermüden, da durch energische Anstrengung schöne
Ergebnisse erzielt werden können.
Sitzb. d. philos. histor. Cl. Jahrg. 1849. IX. Heft.
21
SSO
Die Classe erklärt sich einverstanden und beauftragt Herrn
Am eth die Antwort an den Consul zu redigiren.
Das wirkliche Mitglied Herr v. Karajan stellt folgenden
motivirlcn Antrag:
Verehrte Classe!
Die edlen Gefühle der Dankbarkeit und Nächstenliebe wa
ren es, welche die Menschen für ihre Brüder beten lehrten.
Wie in der Zeit der Jugendfrische jedes edlere Gefühl reger
ist und auf irgend eine Weise sich zu äussern sucht, so war
cs auch im Jünglingsalter der Menschheit. In ihm entstand die
Sitle, mit seinem Nächsten gleichsam einen Seelenbund zu schlies-
sen, der die Verpflichtung auferlegte für den so Verbündeten zu
beten. Vom Kaiser bis herab zum Bettler wurden solche Ver
brüderungen geschlossen, der Höchste wie der Niedrigste schien
das Gehet seines Bruders seinem Seelenheil förderlich zu hal
ten. Dieser Ausdruck der Nächstenliebe ward sogar von gan
zen Körperschaften als Dank für empfangene Wohlthaten und
als freiwillige Verpflichtung übernommen, ja um diese Schuld
späten Nachkommen noch gegenwärtig zu halten, wurde sie mit
Sorgfalt in schriftlichen Aufzeichnungen bewahrt.
So entstanden schon in sehr früher Zeit in den ältesten
Klöstern Verzeichnisse derjenigen geistlichen und weltlichen
Personen, welche auf irgend eine Weise diesen Körperschaften
sich wohlthätig erwiesen und dadurch auf den Dank derselben
ein gegründetes Beeilt erworben hatten. Für diese schien cs
eine heilige Pflicht, bei verschiedenen Gelegenheiten als schwache
aber willig dargebrachte Gegengabe wenigstens zu beten, am
häufigsten und natürlichsten an den Jahrestagen des Todes der
selben.
Dieser frommen Sitte verdankt die älteste Geschichte
unseres Vaterlandes erwünschte Aufschlüsse, denn in den
meisten Klöstern haben sich solche Tollten- und Verbrüde
rungs-Bücher (necrologia & confraternitates) erhalten, und zwar
meistens aus sehr früher Zeit. Sie gewähren ganz sichere Anhalts-
punete für die Chronologie und sind dann am allcrwillkom-
281
nvensten, wenn sie dem Todestage des Wohlthäters zugleich
das Jahr desselben beisetzen , was aber nur in den seltneren
Fällen geschieht und, denkt man über den Zweck dieser Auf
zeichnungen nach, auch mit Recht, da ja nur die Wiederkehr
des Tages in jedem folgenden Jahre durch diese zu bewahren
die Absicht war, nicht aber das Jahr selbst, das an anderen Or
ten, nämlich in den Jahrbüchern des Klosters, für die Nachkom-
menden verzeichnet wurde.
Tn allen Zeiten aber wurden die Namen der noch lebenden
Wohlthäter der Reihe nach einfach aufgezeichnet, um an den
Tagen der kirchlichen Feier des Namenspatrons derselben ihre
Träger ins Gebet der Brüder einschliessen zu können.
Eine schöne Sitte gebot dabei ferner auch die nächsten
Blutsverwandten des Wohlthäters, besonders wenn er hohem
Stande angehörte, in das Gebet mit einzuschliessen, um so
gleichsam denen Liebes zu erweisen, die ihm die theuersten
waren, und diese Sitte ersetzt uns in solchen Verzeichnissen
den Abgang des Todestages und Jahres reichlich, da diese am
Ende an andern Orten, nämlich in den Jahrbüchern, zu finden
sind, während Frauen und Kinder als bei den dort erwähnten
Ereignissen minder betheiligt, fast immer leer ausgehen.
Es ist also einleuchtend, dass solche gleichzeitige Auf
schreibungen, enthalten sie auch nichts als trockene Nameu-
und Verwandtschafts-Reihen, für die Geschichte und ganz be
sonders für die Chronologie von grosser Wichtigkeit sind, na
mentlich für die älteste Zeit unserer Landesgesehichte, die
solcher Stützen nur zu sehr bedarf.
Ohne Zweifel das älteste aller ähnlichen Stücke für unsere
Gegenden liegt noch bis zur Stunde fast ungedruckt, wenig
stens zur wissenschaftlichen Benützung so viel wie völlig un
brauchbar , zum Glücke an einem sicheren Orte verwahrt, wo
cs den Unbilden eines Jahrtausends entgangen ist und soll jetzt,
wenn mir die verehrte Classe ihre Unterstützung nicht versagt,
zu wissenschaftlichem Gebrauche zurechtgelegt und kommenden
Jahrhunderten noch durch den Druck gerettet werden.
Das uralte Stift St. Beter in Salzburg besitzt nämlich in
seinem Archive (Handschrift MJ diesen seltenen Schatz. Die
Eintragungen in die ehrwürdige Handschrift begannen schon im
21 «
282
VIII., sage im achten Jahrhunderte, und wurden etwa durch vier bis
fünf Jahrhunderte ununterbrochen fortgesetzt. Unter den noch
lebenden Königen, für welche die Brüder beten sollten, er
scheinen unter anderen Carl der Grosse seihst, Frasträda,
dessen zweite Gemahlin, welche bekanntlich im Jahre 794 starb,
von ihren Kindern Pipin und Hrotruda, beide im Jahre 810,
vier Jahre vor dem Vater gestorben, und noch mehrere andere
Blutsverwandte; unter den Herzogen mit anderen als noch lebend
Thassilo II. von Baiern, der Stifter von Kr e m s mii ns t e r, der
bis 788 regierte, dessen Gemahlin Liutpirga, ihr beider Sohn
Teodo und so fort und fort in reicher Fülle.
Man braucht nur die Reihen der Könige, Bischöfe, Ächte,
sowohl lebender als todter zu betrachten, die der kurze Aus
zug in Beda Seeauer’s Chronik des Stiftes St. Peter zu
entnehmen gibt, um die Ueberzeugung zu gewinnen, dass mit
einem Auszuge hier gar nichts gethan ist, dass diese Quelle
von Anfang bis zu Ende ein Gemeingut aller Forscher werden
müsse, denn wer vermöchte von vorne herein verlässlich zu
bestimmen, was hier wichtig oder unwichtig zu nennen sei für
die Forschungen der verschiedensten Art, und zwar für eine
Zeit, in welcher die echten Quellen unserer Landesgeschichte
noch so spärlich fliessen?
Zudem scheint mit dem oben angedeuteten der reiche In
halt unserer Handschrift noch lange nicht erschöpft zu sein,
wenigstens finde ich in einem Briefe des berühmten M ei drei-
beck, welchen er im Jahre 1724 an den Abt von St. Peter
schrieb, eine Spur noch reicheren Inhalts dieses Codex. Meichel-
beck nämlich, welcher im Jahre 1723 die Handschrift vom Stifte
zu wissenschaftlicher Benützung nach Benedictbeuern zugesandt
erhalten hatte, erwähnt von ihrem Inhalte sprechend nicht bloss
die langen Namenreihen derselben, sondern auch die „gesta quo-
rundam nobilium, quae in ea reperiuntur.” Grund genug, um un
sere Wissbegierde nur noch mehr rege zu machen.
Es scheint mir also die genaueste, sorgfältigste Durchfor
schung dieser Handschrift im Interesse der Geschichte gar sehr
geboten, und ich richte an die Classe die Bitte, mir zu diesem
Behufe diese Handschrift von dem Stifte St. Peter auf einige
Zeit zu entlehnen.
283
Ich zweifle übrigens keinen Augenblick, dass der Abt
desselben, der jede wissenschaftliche Forschung gerne unter
stützt, die von der Classe an ihn zu richtende Bitte im Inter
esse der Sache bereitwillig gewähren werde; ich aber werde
nicht ermangeln seiner Zeit, wenn ich die erforderlichen Unter
suchungen über die Handschrift selbst, und nur da sind sie
bisher möglich, werde vollendet haben, der Classe einen Be
richt über die Art und Weise, wie die Veröffentlichung dieses
wichtigen und ehrwürdigen Denkmals unserer ältesten Geschichte
zu veranstalten wäre, auf das gewissenhafteste zu erstatten.
Die Classe beauftragt hierüber den Sekretär, dem Wunsche
des Herrn v. Karajan gemäss, an den Abt von St. Peter zu
schreiben.
Herr Regierungsrath Chmel erstattet den ihm in der Sit
zung vom 3. October aufgetrageneu Bericht über das Werk:
„Quellen und Forschungen zur vaterländischen Geschichte, Li
teratur und Kunst.”
Ich habe in der Sitzung am 5. Jänner 1848 bereits auf
das Werk aufmerksam gemacht, welches ich, nachdem es vollendet
vorliegt, näher besprechen soll. —
„Eine jüngere Generation, sagte ich, von vater
ländischen Gelehrten widme sich mit anerkennens-
„werthem Eifer der ernsten Forschung, die nicht
„ohne gute Früchte bleiben wird.” Wir haben die Frucht
tüchtigen und emsigen Strebens eines kleinen Kreises vor uns,
aus welchem seit jener Sitzung bereits ein wirkliches und
ein correspondirendes Mitglied der kaiserlichen Akademie
gewählt wurden.
Aus einem jovialen und freundschaftlichen Verkehre er
wuchs nach und nach ein so ernster und reger Eifer für
unsere vaterländische Geschichte und Literatur, dass dieser in
wirksame Thätigkeit und Förderung sich verkörperte und
ein literarisches Erzeugniss scliulf, welches, ich sage es offen,
einer mit reichen Mitteln ausgestatteten literarischen Gesell
schaft Ehre bringen würde. —
284
Wir sehen hier mehre junge Männer (11, der zwölfte,
Friedrich von Leber, starb während der Drucklegung),
nicht bloss für die Literatur mit Erfolg arbeiten, sondern
auch mit edler Uneigennützigkeit ihre Arbeiten auf eigene Kosten
veröffentlichen und zwar in einer sehr ansprechenden Form,
und man sollte noch an der Möglichkeit zweifeln, dass sich
hier in Wien ein Verein für Geschichte und Alterthumskunde
frei und selbstständig bilden könne ! ? —
Der Kern zu einem solchen ist ja schon da, mögen sich
nur Andere anschliessen und durch T h e i 1 n a h m e es dahin
bringen, dass bald wieder ein ähnlicher, reich ausgestatteter
Band von so bedeutenden, literarischen Aufsätzen erscheinen
könne. — Und nun zu dem wichtigen Inhalte des vorliegenden. —
Gleich die erste Leistung: Zehn Gedichte Michael
Beheims zur Geschichte Oesterreichs und Ungerns, mit Er
läuterungen von Th. G. von Karajan (65 SS.) ist eine
sehr bedeutende und die Kenntniss der Zustände und Ansichten
ungemein fördernde.
M. Beheim, so gering sein poetischer Werth ange
schlagen wird, ist eine reiche Fundgrube für Sitten- und
C u 11 u r - Geschichte und mit Vorsicht benützt ist er auch für
die politische Geschichte eine ergiebige Quelle. Karajan
hat in seiner den Gedichten vorausgehenden Einleitung mit
grossem Fleiss und nicht geringer Mühe einen Commentar ge
liefert, der das Verständniss derselben fördert, und den
historischen Gewinn daraus fixirt. — Vorzüglich ist Nr. V
und IX von Bedeutang. —
Nr. I. (110 Verse). „Dis ist non dem pom uon
0 s t e r e i c h.” Keine unpoetische Idee, Oesterreich der
Garten, der Baum ist die österreichische Fürsten-Dynastie; die
Ausführung ist aber coui'us und theilweise unrichtig. Michel
Beheim nennt alle österreichischen Fürsten seiner Zeit seine
Herren. Die Söhne Herzog Ernst’s :
,,Unser herr kaiser friderich
„der erst waz. des diene r p i n ich
„und sunst k a i n s andern n i t e.
„Der ander daz ist sicherlich
„der milt herczag albreht, der mich
„ach zu dienst g h a h l hat mite“ . . .
285
Die Söhne Friedrichs des altern:
,,Wolfgang iacob so hicss iler fru(n)t,
„der ander ist lierczag sigmu(n)t,
„u o n dem ich da: iebin ban c.”
Die Söhne K. Albrechts II.:
„Jörg und lasslaw da/, edel plut,
„sein kneht ich wai dez künges gut.” . .
»Sollte er wirklich von allen vier Fürsten (K. Ladislaus,
Herzog Albrecht, Herzog Sigmund und K. Friedrich) eine Unter
stützung nach und nach bezogen haben ? —
Das II. Gedicht: „Uon der hohen schul zu Wien.”
(310 Verse). Zum Lob der Universität, deren sorgfältige Pflege
dem Kaiser ans Herz gelegt wird. —
„O ! kaiser fridereiclie !
„Seit du des garten nun hast pfliht,
„so lass den poin verderben niht,
„seit er ein clainet reiche
„Ist über all dein schecze.’’ —
Michel Belicim setzt den damaligen Ansichten gemäss die
von der Universität dem Lande cntspricsscnden Vortheile aus
einander. Zum Beispiele (V. 104 u. ff.):
„Darzu so ist cs sunderleich
„ain grosse er in osterreich
„dem land und ach der state,
„Daz so von manchen enden
„der verren land vil erber hoch
„grassmehtig leut ir kind und ach
„ir l'rund zu schul senden.” —
M. Beheim legt mit Recht auf die gelehrte Wirksamkeit
der Universität hohen Werth, vergisst aber auch nicht, den
zeitlichen Nutzen zu erwähnen. (V. 217 u. ff.):
„Der funfl't nucz sunder wenken
„ist, daz die schul ist pessern Wien.
„wann ir gemessen dis und gien
„peken flaischbaker schenken
„Sneider schuhster und ander mer,
„ich glaub, daz dy schul iars verzer
„pei d r e i s i g t a u s e n t pfunden!” — —
Er nimmt auch die Partei der Studenten gegen Jene, welche
über die schlechte Disciplin derselben klagen. (V. 231 u. ff.):
286
„Gen in sol man niht argen wan
„und also grass Unwillen han,
„ob etwan ein studente,
„zwen oder drei, sein also tumb
„und etwacz unrehcz tun, darumb
„sein sy nit all geschente.
„Gott het ainen pösen geringen
„in der zwöiff poten zal,
„uil minder mag ain rektor al
„Studenten zihn und zwingen
„Der zwai oder dreitausent sein.” — —
Das dritte Gedicht heisst: „Uon den hem von Oeste-
reic h.” (70 Verse). Beklagt die Uneinigkeit der Brüder (K. Frid-
rich IV. und sein Bruder Herzog Albrecht), aus welcher so viel
Unheil entspringt. — Indess sie sich um Oesterreich zanken,
geht ihnen Ungern und Böhmen verloren. — Sie sollten nicht
den schlechten Rathen folgen.
„Ir mäht zertrennet wirt, daz man
„ir schir nit aht noch kennet.” —
Dieses kurze Lied zeigt, dass M. Beheim kein „so ver-
sehrtes Gemüth” hatte, wie er mit Unrecht von Gervinus
gehrandmarkt wurde. — Es ist offen und männlich. —
IV. „Von den von Wien,” ebenfalls 70 Verse. Lob der
Treuen, Schande den Widersachern des Landesfürsten.
Jetzt ist Alles verkehrt. (Vers 7 u. ff.):
„Vor Zeiten waz es rehte,
„wan etwaz in dem land auff stund,
„so sah man auff prellaten und
„herren riter und knehte.
„Was sy teten des nam man war,
„nun hat es sich verkeret gar.
„prellaten und Iandschafte
„Das sind nu worden dy von Wien u. s. w.
Deren Gesinnung ist übrigens sehr getheilt, es gibt noch
Wohlgesinnte.
„Sie sollen ez lan schreiben,
„daz ez in irer cronig sei,
„wann sy irm rehten herren pei
„waren ston und peleiben.
„Waz machcz aber daz sy woren stan ?
„mein hcrr herezog maximilion,
287
„unser fraiv kaisereine,
„Und dy li a f 1 e u t und guten mann.
„der darff ich euch nit nennen, wann
„man waiss wol wer sy seine,
„Dy des criegs waren walten,
„darzu d y weisen i n dem rat,
„darzu manch frummer in der stat,
„dy dy stat haben phalten.
„Wann ich hon vil unnüczer wart
„von manchem vnweisen gehört,
„an dem nihcz waz gelegen,
„Darumb so schaten sy nit ser,
„es waz noch mancher armer, der
„sein er so hah was wegen
„Und scheczen als ain reiche r.” —
Wien blieb sich gleich! —
V. „Von dem kung pladislau w y der mit den
türken strait.” (1444) 950 Verse. Eines der bedeutend
sten historischen Gedichte M. Beheim’s, von dem Herausgeber
trefflich erläutert. — Nach dem Berichte eines Augenzeugen.
„l)y lietlin ich getihtet hab
„alz mirs hans mägest füre gab
„der selb waz in dem streite.
„Wöl auff sehczehen iare
„er der türken geuangen waz.
„ich michel päham kund euch daz,
„alz mir ist affenpare.”
Dieser Hanns Mägest mag wohl ein Siebenbürger ge
wesen sein. — Seine Aussagen sind jedenfalls sehr zu berück
sichtigen.
VI. „Von hern issgraw ain streit den er in un
gern tet.” (210 Verse.) Schildert den Entsatz des in Ober-
Ungern im Neograder Comitat, nordwestlich von Fülek gelegenen
Schlosses L o s o n t z durch Johannes G i s k r a am 7. Sep
tember 1451.
M. Beheim sagt:
„Waz man uon riterschafft vnd ach
„Von hofweiz saget, daz ist dach
„nur alles ain getente (Getändel)
„gen ainem riter, der da hat
„getan vil riterliclier tat,
„des nam ist weit erkente.
288
„Welt ir in hären nennen?
„erst genant her ian istgraiv,
„geporen avsser peham daw,
„er lest sich ivol erkennen.
„Er ist rat vnd ach diener gleich
„vnsers hern kaiser Fridereich,
,.vnd ivaz ach dienestmane
„Plasslaw dez edlen kunges gut,
„er ist vor schänden ivol peliut.
„ain riter lobesaine
„Ist er in allen dingen,
„vil guter sach hat er volbraht.
„Von ainer hon ich mich pedaht
„etivaz dovon zu singen.” —
Von den Diensten des eben so treuen als t hat kräftigen
Johann Giskra habe ich im zweiten Bande der Geschichte
K. Friedrichs mehre Male sprechen müssen, z. B. S. 316,
Note 2. — Möchten doch über ihn und seine Thaten mehre
Quellen, als bisher der Fall gewesen, uns mitgetheilt werden,
vorstehendes Gedicht gehört allerdings dazu und ist ganz geeignet,
den Mann noch interessanter zu machen.
VIL „Von der niderlegung dy dy grauen van pa-
singen den Vngern teten,” 90 Verse. Ein Gelegenheits
gedicht zu Ehren des Grafen Siegnnmd von Szentgyörgy und
Bozyn. — Es schildert den ersten blutigen Zusammenstoss der
beiden Hauptparteien Ungerns, die eine Matthias Corvin, die
andere K. Friedrich als König erkennend. — Das Treffen war
am 7. April 1459, und fiel ganz zu Gunsten der Fridericiani-
schen Partei aus. —
VIII. „D i s z ist von meinem hern k u n g 1 a s s 1 a w vnd
von der beham trew vnd von der vnffer vntrew.” —
126 Verse. Michel Bcheim ist auf die Ungern übel zu sprechen,
besonders auf einen (ungenannten) Grafen, den er als Diener
K. Ladislaus besucht hatte.
„ich meint er wer gar milte,
„ich kam mit deinem (K. Ladislaus P.) schilte,
„wan ich mich sunder hass
„gar grosser gab vermass.
„ich meint es frumpt mir sere,
„daz ich dein diener ivere,
„er soll mein haben gunst.
289
„Mir aber uault die kunst
„wann ich ward angesehen
„mit spötiglichen schmehen,
„dein schilt waz im u n m e r
,,Er liess mich sunderber
„m it spot gen auss dem haus”. . .
Er, König - Ladislaus möge sich vor Ungern hüten,
„Dar umb du dir nit solt
„gen ungern lassen raten,
„uor iren ualschen taten
„solt du dich hüten hie
„Wie wol nun ist, flaz sie
„nit all sein ungetrew,
„so ist es doch nit new,
„da* sie haben da* Worte.
„wann sie an manchem orle
„untrew beweret hand.
„Uil lding in irem land
„band sie gcmachet helig.
„dein l'rummer vater selig, —
„got seiner sei nein war! —
„Wer er nit kumen dar,
„er müht noch hon da* leben.
„darumb uersich dich eben,
„wilt du ye ziehen hin.” . . .
Oie Böhmen hingegen erhalten von M. Be he im grosses
Lob, und wäre nicht die religiöse Meinungsverschiedenheit, könnte
Ladislaus die ganze Welt mit ihnen erobern, wie ein anderer
Alexander. — Aufruf an Podiebrad:
„Seit du bist gubernater,
„des reiches ein bestater
„und hast vil gut* getan
„an disem iungen man
„kiing lassla deinem liern,
„so stell noch mer nach ern.
„mach eintraht in dem lande,
„so wurt dein lob erkande
„in aller eristenheit.” —
IX. „Hie hon ich gomacht von dem türken kei-
scr inachamet, wie er constantinopel gewan und
die s i r v e y verwüst u n d wie grossen sc h a d e n er v o r
Griechischen weissenpurg naiii und von dem zug
290
den die cristen darnach v f f die türken t e t e n und
wie der edel für st graf Ulrich von Cily da ermor
det ward, daz werdend ir alles in disem lid
hörn, wann ich michel peham auch in derselben
reis gewesen p in.” — 1077 Verse. — Nach meiner Ueber-
zeugung das bedeutendste der hier mitgetheilten Stücke , da
M. Behe im theilweise als unmittelbarer Zeuge auftritt,
indess er in dem fünften Stücke nach den Aussagen eines Drit
ten, der nach 16 Jahren sich schwerlich genau an die Wahr
heit hielt, seinen Sang componirt hat.
X. „Das g e t i c h t sagt von türken und vom
adel.” — 87 Verse. — Wehklage über die Eroberung von Con-
stantinopel durch die Türken (1453) und Jammer über die Zwie
tracht der Christen, die daran Schuld hat. —
„Seit die cristlichen fürsten selber nun
„an ander laid und schaden tun,
,,und all nach solchen ringen ,
„wie ainr den andern mug vertringen,
,,so ist nicht wunder das uns got lasset mislinger»,
„und abgestet
„umb unser übel tet,
„wann cristen glaub auf stelczen get.
„den soltu , parmhercziger got,
„wieder czu creften pringen !
„tail uns dein hilff, das ist uns not!” —
Wir setzen den Hauptwerth der M. Beheim’schen Gedichte
in die Vergegenwärtigung der Ansichten, Urtheile, Gefühle und
Empfindungen, welche das damalige Volk hatte; sie versetzen
uns in die damalige Zeit und ihren Jammer auf eine Weise,
welche nicht unmittelbarer sein könnte. — Wer diese zehn Ge
dichte M. Beheim’s mit Aufmerksamkeit und Karajan’s Commen-
tar zur Seite studirt, lernt diese trübe Zeit des fünfzehnten
Jahrhunderts aufs genaueste kennen, jedenfalls besser als durch
einseitige Schilderungen moderner Historiker. Möge uns Karajan
bald wieder mit einer solchen Gabe erfreuen, ich möchte keines
der Beheim’schen Lieder missen !
Von der zweiten Nummer: VincenzoGuidoto’s Gesandt
schaft am Hofe K. Ludwigs von Ungern 1523—1525,
291
von Friedrich Firn ha her, habe ich bereits in den Sitzungs
berichten gesprochen, als ich im Namen des Herausgebers einen
Separat-Abdruck überreichte.
Sie ist ohne Zweifel für die Geschichte des höchst trau
rigen Zustandes von Ungern kurz vor der Mohaczer Schlacht
von grosser Wichtigkeit und als historische Quelle ersten
Ranges zu betrachten. Möge der Herausgeber, welcher nicht
bloss die Actenstücke der Gesandtschaft Guidoto’s aus Sanudo
mittheilte und vortrefflich beleuchtete, sondern auch andere ihm
zugänglich gewesene Stücke anreihte, als Briefe Erzherzog Fer-
dinand’s und Extracte aus Urkunden u. s. w. fortfahren, die
ungrische Geschichte von 1490 —1526 auf so zweckmässige
Art neu zu begründen, der lebhafteste Dank kann ihm von allen
denen, welchen es bloss um Wahrheit zu thun ist, nicht ent
gehen. — Es würde zu weit führen, sich in eine Analyse des
Interessanten und Neuen, das hier mitgetheilt wird, einzulas
sen. Nur einige Stellen erlaube ich mir herauszuheben ; zuerst
die verschiedenen Urtheile über Erzherzog Ferdinand von Oester
reich. So sagt der Gesandte Lorenzo Orio in seiner Relation
(nach dem von Sanudo mitgetheilten Sumario (p. 75): „il quäl
ferando e bello di statura il lauro cadente, homo dispositis—
simo di eta anni XXI et e governado da vno spagnol, chia-
mato Cabriel salamaneha, di eta di anni ... quäl e il
suo intimo secretario, et conseier et el chiamato maram (? die
Kloake? Spottname?), il quäl e homo de inzeguo e di gran
solicitudine, et era odiato da tutti li.grandi erano in la ditta
corte ; questo (ferando) e molto intento in far recuperar il da-
naro, per voler far una volta, corae el dice, una generosa im-
presa, et perche quelli signori sottoposti al suo stado, poteano
bater monede darzento, per privilegii auti, lui cabriel in nome
di larchiducha fe bändizar tutte dictc monede, e feua stampar
noue monede col nome di ditto ferando, dil che cauaua grande
utilita; et questo (Salamanca) si leuaua do höre auauti zorno,
deua audientia a chi volleua, e con ferando ha grandissima auto-
rita, questo, per quello si vede, vol ben mediocre a la Signo-
ria nostra. Et che questo ferando non am au a molto
soa moier, che sorella dil re di hongaria, aloposito di quello
feua suo eugnato, la quäl una volta a la setemana seli
292
i n k c n o c h i a u a d a u a n t i; il quäl cabriel salamancha cra
quello li metea seruitori in la sua corte e i'eua quello cl volcua;
il quäl fcramlo molto si delectaua di scientie, come o astrolo-
gia , philosophia, et cosmographia, et di queste scientie ne
hauea in la soa corte do per scientia, havia etiam lui molte
lengue, la borgognona, doue e nato, la spagnola, doue e stato
gran tempo, la francese, la alemanna, la latina et intendeua il
parlar italian, licet non sapesse parlar. Questo con tempo fara
grande intrada , et che al presente e amico di la Signoria no-
stra, poi fato lo acordo et carczo molto esso orator quando
lui li parlee , et non e ben satisfato di suo fradello limpera-
dor. Disse, la causa di la gran autorita a questo cabriel di sa
lamancha a presso questo ill'°° signor e processa perche quando
monsignor di chieuers, ehe morite, conseiaua esso imperador,
tenisse basso ditto suo fradello, questo a lencontro zerchaua
exaltarlo, et meter ben con la cesarea M l “ unde adesso detto
signor li vol render il merito..
Der Gesandtschafts -Secretär Franciscus Massarius
ist in seinem Urthcile über Erzherzog Ferdinand weit strenger
(p. 85): „Dil Smo. Ferdinando, le assai temuto, ma mal
„voluto et odiato non solum da li subditi soi, ma etiam da tuti
„li alemani, si per hauer facto decapitar dieci de li primi baroni
„de alemagna, come per la sua superbia e tyrannia, che la im-
„posto tante graueze, chi li popoli lo maledicono; per tutto ha
„imposto uno quarto de ducato per casa, per cadauna persona
„carantani 3, per cadaun famiglio carantani 2, per ogni mas-
„sara 2, per ogni hosto 4, per cadauno frate et prete 1 ; c
„inimicissimo di questo stado, et molto cupido di dominar
„e de farsi grando, voria sil potesse dominar cl cielo e la
„terra; e picolo di persona et non hello, tiene sempre la bocha
„aperta, non e molto liberale, vindicatiuo a li suoi inimici, cl
„perseguita martin luthero e li popoli se la pigliano per esso
„luthero, el quäle ha facto in una cita dicta Vcntinberg che
„tutti li preti bau preso moglie.”
„(tuest) alemani (setzt der Secretär hinzu), signori et
„popoli sono odiati et da hongari et da poloni et bohemi, li
„quclli poloni et bohemi sono amicissimi di questo illmo. stado,
„ma hongari sono inimici nostri, come quelli che odiano tute
293
„le nationc dcl mundo, ma li piu sauii e arnici e li piu grandi
„e potenti c de magior autorita di quel regno.” —•
Das Urtheil des scharfen Beobachters über die Ungern
ist von nicht geringem Interesse (S. 82): „Hongari in uni-
vcrsali sono la pcgior generation dil niondo, non ainano
ne existimano natione del mondo, ne pur si amano tra loro,
ogniuno attende al proprio commodo, et robano el publico, et
poco se curano de quello, hanno uno odio et simulta tra loro
occulta che non si potria credcre, e tarnen alternatim ogni ziorno
mangiano insieme, che parono fratelli5 niuna iustitia fano, non e
sigrande iniustitia, ne iniquitate, chetributando tre 0 quatro di loro,
non se obtenisse; non ce obedienlia alcuna, sono superbi et arrogante
et non sciano ne reger ne gubernar 11c volcno consiglio, dacui sa;
auantadori de le cose sue, assai ben prompti ad determinar,
ma ad exequir tardissimi, et poche cose se mandano ad execu-
tione saluo che il crapular et robar il publico, a queste cosse
sono diligcntissimi; li signori sono causa de ogni male,
et li nobili, quelli sono 43000 tieneno le raxon dil regno
pcrlio sempre sono discordanti, procedeno sempre cum arte de-
ceptioue et inganni, e bisogna esser ben cauti ad ncgotiar cum
llioro, et ut multa in unum colligam, hongari sono la fece del
mondo, e si non fusse tanta bonta et innocentia di quel re,
diuina iustitia non poria tardar tanto alla destrutione di questi
hungari.”
Je weniger die Leute ihm behagen, desto mehr lobt er das
Land und seine Fruchtbarkeit. Aus der Finalrelation des Guidoto
(S. 132—138, Nr. L1II) hebe ich heraus, was er über Zapolya
sagt (wohlgemerkt, im August 1525). Nach der Auflösung des
Hatvaner-Landtags (Anfangs Juli 1525) waren die Parteien,
Magnaten und Bischöfe einerseits und der niedere Adel
andererseits, in vollster Thätigkeit gegen einander, nicht zum
Besten des Reiches, nein, um sich ausschliessend der Ge
walt zu bemächtigen; es gab indessen Verräther in der ersten
Partei, welche heimlich die Pläne der andern aus Selbstsucht
und Ehrgeitz unterstützten. „Dissolta la llieta da ottua, la R.
„M. et tutti li signori del regno si ecclesiastici, comc seculari
„ritornorouo a buda. Et il terzo jorno da poi vene etiam il
„pallatino nouo I). Stephano Verbecio nobile dcl regno ma
non
294
„pero pro tale nobilita in predicamento di esser idoneo ad tale
„titulo de pallatino, quantunque sia doto sagace et astuto molto,
„per dar principio da mandar ad executione la deliberatione facta
„in la sopradicta dieta, et reducti tutti li signori in castello al
„loco solito, ne era eliam il pallatino deposto, quäle se pose ad
„seder al loco suo, et il pallatino nouo ellecto volendo procederlo
„deuenero in parole tra loro dicendo il pallatino vecchio alla R. M.
„et al consiglio, che non li essendo sta decbiarita la causa de la
„depositione sua da tale dignita, dimandaua di questo judicio non
„possendoli questo esser denegato per le constitutione del regno,
„nel quäl judicio, se sera dechiaritu causa sufficiente alla maesta
„sua de esser deposto, chel cederia, se veramente non, chel
„non douea esser cossi vergognosamente privato del honor et
„titulo suo. Il pallatino nouo rispondeua dicendo, quelli, che
„te hanno ellecto duo volte pallatino , te hanno etiam deposto,
a et me hanno ellecto, io non ho ad cercar altro ne assig-
„narte causa alcuna, per la quäle siano deuenuti ad quello ef-
„fecto, va ad loro et fa, che quelli te la dechiariscano; et il
„pallatino vecchio replieando, cliil judicio per lui rechiesto non
„li deuea , ne poteua esser denegato, et che quello voleua ad
„ogni modo per li ordini del regno, che cossi li concedeuano.
„Stauano in questa et simile altercatione, per modo, che et la
„Maesta Regia , et tutti li Segnori se leuorono dal loco doue
„erano reducti, et chi in uno, et chi in un altro loco del palla-
„cio andorono, lassando ambi essi pallatini in simile loro alterca-
„tione, cargandose l’uno 1’altro da diuerse injurie. Steteno forsa 5
„in 6 jorni in simile altercatione non volendo l’uno pallatino ceder
„al’altro, nel quäl tempo, il Rev. St'rigon. et alcuni altri de
„essi signori interpostosi, feceno quietar alquanto il pallatino
„deposto quäle se parti da buda lassando il novo pallatino, il quäle
„partito principiarono ad redur il consiglio, et per executione, da
„quanto era concluso in la Dieta, feceno li 8 nobeli, che habino
„ad interuenir ne li consegli regii, li quali quasi tutti sono
„amici deuoti et partisani del 111 o. Vayuoda da Tran-
„siluania nominato Juane daZapolya perpetuoconte
„da Sepusio, Vayuoda utsupra. Dapoi deuenero ad ellec-
„tione de uno Thesaurario, et elesseno uno nominato Juan ne
„Doci, familiär et seruo del prefato Vayuoda, quäle va dis-
295
„ponendolacosaal pr'oposito siio, per poter mandar
„ail cxccutione Io obiccto suo da farsi Re da Hunga-
„v i a, a 1 che a s p i r a cum t u 11 i I i s u i s p i r i t i, s e c u n d o
„mi ricordo hau er per mia iliu o tato mea sollt a
„revcrentia alla celsitudine veslra. Questo
„tale Vayuoda e persona, che se ha conciliato
„alle v o g 1 i e sue una grau parte de I a nobi 1 it a il e 1
„r e g n o, et maxime de 1 i p o u e r i, che s o n o per 1 a m a-
„j o r parte, per hauer 1 ui grande quantita de denar
„s i per e s s e r 1 i s t a 1 a s s a t a dal p a t r e suo, quäle f o
„Thesaurariodelregno alli bonitempi, et stete lon-
„gamente nel officio, nel quäle aquisto molto et
„mo 11 o p ecu 1 io, s i etiam per hauer aquistatopoi 1 ui
„et u n o suo f r a t e 11 o m e n o r non p o c a s u m m a, et v a
„acquistando continuamente quelle, suo fratello se
„nomina Zorzi pur conte pei’petuo de Sepusio, il primo e de
„eta de anni circa 34, il secundo de circa anni 28 . . . —
Aus den hier mitgetheilten Stellen sieht man, welches be
deutende Interesse diese Actenstücke haben, sie versetzen uns
auf die lebendigste Weise in die damalige Zeit und ihre Ver
hältnisse. — Um wie viel lehrreicher sind doch derlei Quellen,
als alle raisonnirende Darstellungen, welche allgemeine Ur-
thcilc ohne alle Begründung uns aufdringen wollen. —
Möchten doch die venctianischen Gesandtschafts-
Relationen vollständig gesammelt werden, wenigstens die auf
unser Vaterland und auf Deutschland bezüglichen. — Firnhaber
hat aber auch noch andere Quellen mitgethcilt, welche die es?-*
stören ergänzen und vielfach beleuchten, vorzüglich Briefe,
die überhaupt zu den ergiebigsten und willkommensten Zeug
nissen gehören, je weniger sic für Oeffentlichkeit bestimmt
waren.— Wie so ganz anders stellen sich die Verhältnisse her
aus, seitdem man auf diese früher fast gar nicht beachteten
Quellen vorzügliches Augenmerk richtet. — Würden derlei Ac
tenstücke, Instructionen, Relationen, Tagebücher, Briefe mit
regem Eifer und sachkundiger Umsicht gesammelt und veröffent
licht, würde unsere Geschichte, die wirklich noch in der Kind
heit liegt oder vielmehr gerade herausgesagt ein „Wechsel-
balg” ist, eine andere Gestalt bekommen; darum begrüsst Re-
Sitzl>. d. philos. histor. CI. Jalirg. 1849. IX. Heft. 22
296
fci'cnt mit Freude einen jungen wackeren Forscher, der noch
Bedeutendes zu leisten verspricht.
Firnhaber hat es nämlich unternommen, die gänzlich ver
unstaltete Geschichte Ungerns unter der Regierung der Könige
Wladislaus II. und Ludwig II., von 1490—1526 aus Original-
Doeumenten vorzüglich des Haus- und Staats-Archiv’s zu he-
leuchten. Im nächsten Hefte unsers „Archivs für Kunde öster
reichischer Geschichtsquellen” (Jahrgang 1S49, II. Band, Heft
III und IV) ist der nach dem Tode des Königs von Ungern
Matthias Corvinus von König Maximilian und seinem Vater Kaiser
Friedrich gegen König Wladislaus II. geführte Krieg und der am
7. November 1491 zu Pressburg abgeschlossene Friede, welcher
vom Reichstage zu Ofen bestätigt wurde, auf eine Weise
urkundlich erörtert, welche jedem unbefangenen Geschichts
freunde eine ganz andere Ansicht aufdringen muss, als bisher
gang und gäbe war. —
Von grossem Interesse sind auch die in Nr. 5 enthaltenen
„Beiträge zur Geschichte der Königin Elisabeth von Ungern und
„ihres Sohnes König Ladislaus 1440 —1457. Von Ernst Birk.
Seite 209—258, worüber sich Referent bereits (s. Sitzungs
berichte von 1848, 3. Heft. S. 83—86.) ausgesprochen hat, als
er von den Leistungen der IIofbibliotheks-Bcamten handelte. —
Einen lebhaften Wunsch kann er nicht unterdrücken. Möchte
doch die Zeit nach dem Tode K. Sigmunds bis zum Tod
Königs Ladislaus 1437 —• 1457 durch eine umständliche Ge
schichte aufs genaueste und unparteilichste geschildert werden,
sie ist ohne Zweifel im ganzen Mittelalter die wichtigste für
uns 0 ester r eich e r; in dieser Zeit wurden durch eine Reihe
von Unglücksfällen wie von Missgriffen die vereinigten Reiche
(Oesterreich, Ungern und Böhmen) nicht wie cs zu
wünschen gewesen sich näher gebracht, sondern die Son
derungsgelüste erhielten erst ihre volle Ausbildung und Be
gründung. —
Wir wüssten unter den jetzt lebenden jüngern Forschern
keinen geeigneteren für diese allerdings schwierige Aufgabe als
eben Herrn Birk. Könnte er sich ihr nur widmen! —
Wir müssen nun den neunten und letzten Beitrag näher ins
Auge fassen, er handelt von den „Schweden in Oester-
297
reich”. 1645—1646. Von Joseph Peil. Seite 351—522.
Dieser „Beitrag zur Geschichte des dreissigjährigen Krieges”
mit seinen XXXIX Beilagen ist ein glänzender Beweis erstens
von dem gewissenhaften und u nisicht ig e n Fl eis se des
Verfassers, zweitens von der Rei chhaltigkeit unserer
Archive, die noch ungeheuren bisher leider so wenig be
achteten und benützten Stoff aufgespeichert haben, und
drittens von der Bereitwilligkeit vieler Geschichtsfreunde
diesen Stoff benützen zu lassen. Wahrlich unsere Geschichte
könnte in kurzer Zeit eine andere Gestalt haben, wenn mehre
solche junge Männer wie Feil sich einzelne Abschnitte zur
genauen Bearbeitung erwählen würden. —
Feils Leistung macht dieses Werk unumgänglich nöthig
für alle deutschen Bibliotheken und deutsche Geschichtsforscher
und Geschichtsfreunde. —• Sie bietet auch eine Fülle von topo
graphischen und literarischen Notizen dar, wie sie nur ein un
unterbrochenes vieljähriges Studium der vaterländischen Ge
schichte zu Stande bringt. — Feil wäre wohl der Berufenste,
uns endlich einmal eine tüchtige Geschichte Wiens zu geben;
dass doch auch dieser junge Mann nur wenige Musscstundcn
diesem Lieblingsfache widmen kann! —
Ausser diesen vier historischen Beiträgen von Karajan,
Firnhaber, Birk und Feil von bedeutendem allgemeinerem
Interesse ist von nicht geringem localen Interesse das von
Franz Gold bann mitgetheilte „Gülten-Buch des Schotten
klosters in Wien vom Jahre 1314 —1327.” — Ilormayr
batte in seiner Geschichte Wiens (Jahrgang 1. Bd. 1. Ur
kundenbuch Nr. XX) etwa den zwanzigsten Theil dieser schätz
baren Quelle mitgetheilt. — Karajan hat den Gebrauch dersel
ben durch einen vollständigen Index wesentlich erleichtert. —•
Wir sehen aus dieser verdienstvollen Mittheilung, wie wenig
genau und umfassend bisher unsere Kenntniss von den Local-
Verhältnissen Wiens war und noch ist. Die Sache muss anders
angegriffen weiden, wenn etwas Tüchtiges herauskommen soll.
Vor allem sollten die Gewährbücher und Kaufbüch er des
Wiener Magistrats vollständig und diplomatisch treu im Aus
züge mitgetheilt werden. — Auch noch andere Gültenbücher
(der Dominikaner, Michaeler, St. Stephan u. s. w.) sind zu he-
22 *
298
nützen. — Sollte denn das herrliche Wien niemals auf würdige
Weise in seinen früheren Verhältnissen beleuchtet werden! —
Eine Topographie und Geschichte Wiens wäre Aufgabe eines
rührigen Vereins, der Einzelne ist ihr nicht gewachsen. —
Ausser diesen (5) bedeutenden Beiträgen zur Geschichte
enthält aber dieser Band „Quellen und Forschungen” auch (4)
sehr werthvolle Aufsätze über Kunstdenkmale des Mittel
alters.
1. Des Herrn Karl von Sava „Bemerkungen über Waffen,
„Rüstung und Kleidung im Mittelalter. Mit Rücksicht auf die
österreichischen Fiirstcnsiegel.” (Mit zwei Abbildungen. S. 313 —
350) wurden von unserem Collegen Bergmann umständlich
angezeigt und nach Verdienst gewürdigt. (S. Sitzungsberichte
Jahrgang 1849. VI. Heft. Juni. S. 50—58, im Auszuge). Sava
ist einer unserer ausgezeichnetsten Spliragistiker, möge er uns
bald mit einer Sphragistik der österreichischen Für
sten erfreuen. —
2. Eduard Freiherr v o n Sa cke n hat „die Kunstdenk-
malc des Mittelalters zu Maria-Laach und zu Eggenburg in Un
ter-Oesterreich” (Mit 1 Abbildung. S! 283—312) auf sehr an
sprechende von gründlichen Kenntnissen zeugende Weise geschil
dert. — Der Flügel-Altar zu Maria Laach ist unstreitig
einer der interessantesten iin Lande unter der Enns. Freiherr
von Sacken kennt ausser ihm noch 15 im Lande. — Referent
wurde durch die treffliche Schilderung Sacken’s veranlasst, einen
schon längst gehegten Wunsch zu realisiren, er schaute sich
das interessante Denkmal vor kurzem selbst an. —
Auch die Beschreibung der Kirche, der Kanzel, des Wall
fahrtsbildes am Marienaltare, des herrlichen marmornen Grab
mals des Freiherrn Hanns Georg (III.) von Kuefstcin ist sehr
lebendig. — Die St. Stephanskirche in Eggenburg veranlasste
den Verfasser zu Bemerkungen über germanische Architektur,
die eben so wissenschaftlichen Ernst beurkunden als die schöne
Gabe beweisen, Tiefgedachtes klar und nett auszusprechen. Auch
die Schilderung des sogenannten „gemalten Hauses” zu Eggenburg
aus dem 16. Jahrhunderte ist verdienstlich. — Möchte doch der
junge Herr Verfasser seine Studien, die schon jetzt sich so
erfreulich kund geben, auf andere Denkmale unsers Vaterlandes
299
ausdchnen. Sacken wäre im Stande, uns eine Kunstgeschichte
Oesterreichs (wenigstens des Erzherzogthums) zu liefern ! —
3. Adolph Ritter von Wolfskron hat einen Beitrag
zur Geschichte der Xylographie geliefert: „Bericht über drei
„Holzschnitte aus einer Handschrift des XV. Jahrhunderts der
„St. Jacobs-Bibliothek zu Brünn. Als Beitrag zur Geschichte
„der Holzschneidekunst.” — Mit drei Nachbildungen der Holz
schnitte. (S. 139—162.) Wolfskron hat durch die Herausgabe
der Bilder zur Hedwigslegende bewiesen, dass er sich unter
wahrlich wenig günstigen Verhältnissen die anerkennenswerthe-
sten literarischen Kenntnisse und artistische Fertigkeiten erwor
ben habe von seltener Art.
Dass doch Eifer, Hingebung und enthusiastische Vorliebe
gar so selten hinreichen, Jemand in die Stellung zu versetzen,
wo er am erspriesslichsten wirken könnte; Wolfskron würde in
einer literarischen Amtssphäre, zum Beispiele an einer Bi
bliothek oder einem Archive, an seinem Platze sein, aber das
Glück begünstigt ihn nicht, und er muss das ihm Liebste
entbehren. —
Im vorliegenden Beitrage beschreibt Wolfskron drei Holz
schnitte, welche auf den Deckel eines Missale Olomucense in
der Bibliothek der St. Jacobskirche in Brünn aufgeklcbt sind. —
Er thut diess mit so viel Genauigkeit und Sachkenntniss,
dass man nicht umhin kann, seiner Schlussfolge Beifall zu
geben, wenn er sagt (S. 161): „Die drei Holzschnitte, welche
„sich in dem Missale Olomucense Nr. 6 vom Jahre 1435 be
fanden und als integrirende Bestandtheile des gleichalten Einban-
„des zu betrachten sind, gehören zu den ältesten Denkmalen
„der Formschneidekunst und zwar ist jener mit der Dreifal
tigkeit der älteste unter den dreien, indem er dem Ende
„des XIV. oder höchstens dem Anfänge des XV. Jahrhunderts,
„zugleich aber auch der deutschen Kunstschule zugerechnet
„werden muss, während St. Wolfgang den Jahren 1400 —
„1425, und der böhmischen (gleichbedeutend mit der mährischen)
„Kunstschule angehören dürfte, und das dritte Blatt mit der
„gekrönten Himmelsmutter zwar uin’s Jahr 1435 (wohl in
„Mähren) allein nach oder durch einen italienischen Meister
„entstanden sein muss.”
300
Möge Wolfskron, wie er vorliatte, uns den vollständigen
Catalog jener St. Jacobsbibliotliek liefern, es wäre gewiss lehr
reich, eine mährische Kirchenbibliothek des 16. Jahrhunderts
vollständig kennen zu lernen. —
4. „Ueber die vier Ausgaben der geschichtlichen Vorstel
lungen der Ehrenpforte des Kaisers Maximilian I. von Albrecht
Dürer. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte des XVI. Jahrhun
derts von Heinrich Glax. S. 259—3S2.” — Eine höchst will
kommene Gabe für alle Geschichts- und Kunstfreunde. —
Diess der reiche, wahrlich überraschend reiche Inhalt des
ersten Bandes der „Quellen und Forschungen.” —
Achtung und Anerkennung solch’ erfolgreichem Streben.
Fahren diese meist noch jungen Männer auf dieser literarischen
Bahn zu wirken fort, so dürfte Oesterreich in nicht gar ferner
Zeit sich gegen die übrigen deutschen Länder nicht mehr im
Nachtheile glauben dürfen. —
Mögen diese Kräfte alle Förderung und Unterstützung fin
den. — Unserer Anerkennung dürfen sie versichert sein.
<8y8>
Ü
Hie Hüjiffigf fesiiiyj'
©ÄffAf QjSiA fiiTüS »
H JLtyj i © in y i ig fysryjEiivr
i GiKiyf* PkäIusä o
Vk
£lf I @ yis T ATI J ÄM9I .
lax im©sj lyJTn@E jULtiSr
JHajmg Tfuijgiü'TjE ©% J.
HA© ITEP EHiT AIU/JBITIHI B£ AA® © U 0 L f % ®ötl
C'yjM Ggü^) IT © 1, IRE Cff US o lljtt iASAT Pk©l?JUilS
fi^0Mj!f3 jAA&lg
1 HhZ |$© AU f^) E: S-fyj/AF $ ä T
ITlff Bl O.yiA, .JTCffpTRA 5ff l^|l ff ffi:f. AtJ|§
BAip.®- (L|A11I© iryJLiSSJ 1 ©JT ÄIMMATIE. KÄti
f i®A hgMA EfpltJ HAMT
iMffSli® StUG £0®IX ÜEJlPllE ^JIMT fTAflE,®
£®f^ATl,y XDTE MmLTA T
SAT 0%
Apteia
Ar sin o e
Aptera
Axos
Aptei a
Axo s
lißi.u.gedr. in der Jc.k.Hof-u.Sta.atsolnicbm unt.IXeftiuigv.JLJfajtirigei.
Uovcirib erlieft 18A9.
8
Cnossus
Cno s s ir s
11
Xifli.u.gedr. in. Xsr jc.k.Hnf-u.Staatsd'nicieia
fat.tNpo/ftrr// ///■)y/n/rj ///■>/
JTovemlierlie ft 1849.
■ /y /?.
14
17
Cnossus
16
E'leutherna
i/aJ. ///
19
Hierapytna
litli.u gedr. in der Jdc.Hof-u.Staatsdni&eiä unt.d,leltun|r.A.]faiüiigei
/ • li,/ft /////<?.>■ /^ü/or..(/tu
tun f fr Ar ctu-f 1 '"'
o\^emberlveft 1<S
Piat
sus
30.
Rhitymna.
Praesus
SyPritia
Praesus
Tylissus
lith.u.gedr. in 1er i.Jc.Eof-u.Staatsi3rut]reifi untii, älfiuig r.A.lfaitnjgäi.
St tea ruf# X> teX/ cXi /t/u /<‘J XiaXr. f/nMe.
nyn
Fovenilicr lieft 1849.
F
Verzeichnis^
der
eingegangenen Druckschriften.
Abhandlungen der k. Akademie der Wissenschaften zu Berlin.
Aus dem Jahre 1847. Berlin 1849; 4°
Annali di Fisica, dell 1 Abbate Zante des chi, Fase. 1. Pa-
dova 1849; 8°
Slrdjiö für bte ©efdjidjte bet Sflepublif ©raubbünbten. §etau§gege6en
ton £1). ». «Wot;r. 33b. I. £. 1. 2. (Sfjut 1S48; 8°
Bastüs, Vincente, Curso de declamacion 6 arte dramatico.
Barcelona 1848; 12°
Bergson, J. Das krampfhafte Asthma der Erwachsenen. Von
der k. Societät zu Göttingen gekrönte Preisschrift.
Nordhausen 1850; 8”
Bulletin de la Classe physico-matliematique de l’Academie
Imp. des Sciences de St. Petcrsbourg. T. I. VII. St. Pc-
tersbourg 1843—49; 4°
— des Sciences historico - pbilologique T. I — V. St. Pe-
tersbourg 1844—48 ; 4°
Cazwini, Zakarya Ben Muhammed Ben Mahmud, Kosmogra-
phie. Herausgegeben von Ferd. Wüstenfcld. Tom. I.
II. 2. Göttingen 1849; 8°
Denkwürdigkeiten der archäologisch-numismat. Gesellschaft
in St. Petersbourg. (^n rufjtf^et ©pradje.) II. 1—3.
St. Petersburg 1847; 8°
Eli es m er e, Eerlot, Guide to norlhcrn Archaeolot> - y. London
1848; 8°
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1849. IX. Heft. a
-';"X
Gara, Gaetano, Elenco degli uccelli che trovansi nell’ Isola
di Sardegna od Ornitologia Sarda. Torino 1842; 8°
Gesellschaft, k., für nordische Alterthumskunde. Jahresver
sammlung 1837—43. Copenhagen 1848; 8°
— kön. Sächsische. Berichte über die Verhandlungen der
philologisch-histor. Classe. 1849. H. 1 —3. Leipzig
1849; 8°
Heer, Oswald. Die Insectenfauna der Tertiärgebilde von Oeningen
und von Radoboi in Croatien. 2 Thle. in 1 Bde. Leipzig
1847; 4"
Jelinek, C. (und Hornstein C.) Kometen-Beobachtungen an der
k. k. Wiener Sternwarte, reducirt von — Wien 1849; 4°
Kandier, Pietro, Statuti municipali de comune di Trieste che
portano in fronte l’anno 1150. Trieste 1849; 4°
Kühne, B. W., Untersuchungen über die Geschichte und Alter-
tliümer der Stadt Chersonesus Taurica, (^n rufjtfdjer
Spraye.) St. Petersburg 1848; 8°
Kreil, Carl, magnetische und geographische Ortsbestimmun
gen im österreichischen Kaiserstaate. II. Jahrg. Prag.
1848; 4°
Seitfaben jitr Sftorbifdjm QlltertfiumSfunbe. §erauägegeben t>on ber f.
©efetlfcpaft für Sttorbii^e Slttertfiümer. (Sopenfyagen 1837; S"
Loosey, Carl, Sammlung der Gesetze für Erfindungs-
Privilegien der sämmtlichen Staaten Europa’s etc.,
Wien 1849; 8°
Memoires de l’Academie Imp. des Sciences de St. Petersbourg:
VI. Ser.Sciences mathematiques et physiques.T.V. Livr. 1.2.
„ „ „ „ naturelles T. VI. Livr. 1-3.5.6.
— presentes par divers Savants. T. VI. Livr. 1—3. St. Pe
tersbourg 184G—48; 4°
— de la Societe d’Archeologie et de Numismatique de
St. Petersbourg. Vol. I. II. III. Livr. 1. 2. St. Peters-
bourg, 1847—49.
M einoirs of thc Royal Astronomical vSociety. Vol. 17. London
1849; 4°
Monatsbericht der k. Prcuss. Akademie der Wissenschaften
zu Berlin 1848. 1849 Jänner — Juni. Berlin 1849; 8"
P au c leer, Carl von, das attische Palladion. Mitau 1849; 8°
Rafn, Charles Christ., Memoire sur la decouverte de l’Ameri-
que au dixiemc siede. 2. tirage. Copenhague. 1843; 8°
— Americas arctiske Landes gamle Geographie efter de
nordiske Oldskrifter. Kjöhenhavn, 1845 ; 8°
— Apercu de 1’ancienne geographie de regions arctiques
de l’Amerique. Copenhague 1847 ; 8°
Societe It. des Antiquaires du Nord.
— antiquarisk Tidsskrift. 1843—47. 1848. Livr. 1. 2.
— „ Memoires IS40—47. Copenhague 8°
Society R. astronomical: Monthly notices. Vol. VIII. London
1849 8°
Societe geologique de France, Bulletin T. V. VI. f. 1 — 34 ?
Paris 1847—48; 8"
— geologique de Memoires. T. III. p. 1. Paris 1848; 4°
Verzeichn iss der Abhandlungen der k. Akademie der Wis
senschaften zu Berlin, aus den Jahren 1822—46, nach
den Classen zusammengestellt. Berlin 1848; 8”
Zantedeschi, Abbate Francesco, Trattato di fisica elementare.
Vol. I. II. III. p. 1. 2. Venezia 1843—45 ; 8°
— Raccolta fisico-chimica italiana. 3 Vol. Venezia 1846; 8°
-30&-
1>
Sitzungsberichte
kaiserlichen Akademie
Wissenschaften.
Philosophisch - historische Classe.
Jahrgang 1849.
Xelmtes Heft. — Oecenibei*.
Wien, 1849.
Aus der kaiserlich-königlichen Hof- und Staats-Druckerei.
. ■' K '\ - ■
Sitzungsberichte
der
philosophisch - historischen Classe.
Jahrgang 1849. X. Heft. (December.)
Sitzungsberichte
der
philosophisch-historischen Classe.
Sitzung vom 5. December 1849.
Freiherr Hammer-Purgstall las den Schluss seines Berich
tes: „U e b e r die Erzeugnisse der Presse Kon
stantinopels in den letzten vier Jahre n.”
Die im J. 1264 (1848) erschienenen Werke.
Es sind deren (sowohl die gedruckten als litliographirten)
nicht mehr als ein Dutzend, in welches sie sich zu gleichen
Theilen thcilen, meistens nur Kleinigkeiten von wenigem Belang,
keines das den Folianten, welche früher, aus der Staats-Dru
ckerei Constantinopel’s hervorgegangen, weder an Format, noch
an Gehalt an die Seite gesetzt werden kann. Wenn auf diese
Weise die constantinopolitanische Typographie an der Zahl
und an der Wichtigkeit der von derselben gelieferten Werke
allen anderen Jahren des so eben verflossenen halben Jahrhun
derts bei weitem zurücksteht, so hat sie doch das Verdienst,
eine neue vortreffliche Taalikschrift geliefert zu haben , welche
die früheren zu Calcutta, London, Wien, Petersburg,
und selbst die früher zu Tehran und Constantinopel ge
schnittene Taalik an Deutlichkeit, Zierlichkeit, Rundung und
Schwung bei weitem übertrifft; der erste Versuch einer Taalik
schrift ward zu Constantinopel schon vor fünf und zwanzig Jah
ren gemacht, wo die türkische Uebersetzung des Fethije, d. i.
des sphärognostisclien Werkes des alten Astronomen Ali
Kufchdfchi, welcher sein Werk dem Eroberer Constantinopel’s
23 *
302
gewidmet hatte i. J. 1239 (1824) in Taalikschrift erschien 1 ).
Dieser erste Versuch fiel so unglücklich aus, dass sich die
Druckerei schämte diese Schrift zum Drucke eines zweiten Wer
kes zu verwenden. Weit besser gelang der vor 12 Jahren ge
machte Versuch aus, wo der Diwan und die Staatsschreiben
Raghib’s in besserem, aber doch der türkischen Typographie
so wenig genügenden und die Anforderungen des persischen
Schriftkenners so wenig befriedigenden Taalik erschien, dass
auch dieses Werk wie das frühere ein einziges blieb und kein
zweites anderes mit derselben Schrift gedruckt ward, bis endlich
im obigen Jahre der dritte Versuch auf eine so glänzende
Weise gelang, dass derselbe nur von der kaiserlichen Staats
druckerei, wie früher die constantinopolitanische Neschischrift an
Schönheit übertroffen werden dürfte ~).
ln dieser neuen Taalik erschien 277 des türkischen Dich
ters Chakani, welcher i. J. 101 5 (1(506) gestorben, gereimte
Personalbeschreibung des Propheten 3 ) Hallieji Chakani 4 )
55 S. Octav.
Diese Personalbeschreibung ist bloss eine türkische der be
kannten arabischen des Propheten, welche sich häufig in den
Haremen befindet, damit die schwangeren Frauen durch die wieder
holte Lesung derselben ihrer Phantasie lebhaft das Bild des Pro
pheten als Musterbild des zu gebährenden Knaben einprägen mögen.
Der arabische Text lautet: Der Gesandte Gottes, dem Gott
gnädig sein möge, war von weisser Gesichtsfarbe, von schwarzen
Augen, nach der Seite, wohin sich sein Blick wandte, wandte
sich auch sein Leib, wohl gebildet, das Weiss seiner Augen
*) In der Liste der constantinopolitanischen Drucke in der Geschichte des
osmanischen Reichs. VII. B. S. 593. Nr. 74.
2 ) Der Divan Nijafi’s (Nr. 228 im Journal asiat. IV. Serie, Tom. VIII.
pag. 261) angezeigt, zu Constantinopel i. J. 1260 (1844) ist zwar keine
typographische Seltenheit, aber wohl eine typographische Seltsamkeit, in
dem derselbe genau mit derselben Seitenzahl, im selben Format und in
einer bis zur Täuschung ähnlichen mageren Taalikschrift, welcher die
türkische sclaviscli nachgebildet worden, sechs Jahre früher aus der
Druckerei von Bulak hervorgegangen ist.
3 ) lilcä- “liulo-
4) Geschichte der osmanischen Dichtkunst. III. B. S. 139.
303
war mit Roth gemischt von langen Wimpern, getrennten Augen
braunen, die lang und dünn (wie der neue Mond), gebogener
langer Nase, mit voneinander abstehenden Zähnen, aus denen,
wenn er sprach, Licht hervorzugehen schien und die, wenn er
lachte, wie Blitz aus der Wolke hervorstrahlten , runden Ge
sichtes, weiter Stirne, langem Haare, dichtem Barte, dem schön
sten Halse, mit seinem Bauche lief in einem fort die Brust, die
weit; breitschultrig, dickbeinig, von grossen Händen und Füssen,
sich auf die beiden Seiten neigend, sein Leib glänzend und haar
los, bis auf eine Linie, welche von der Brust bis auf den Nabel
lief, von gedrungenem Körperbau, weder zu fett, noch zu mager,
vierschröttig, weder zu gross, noch zu klein, sondern das Mit
tel haltend, doch immer grösser scheinend als der mit ihm ging,
wer ihn kannte, liebte ihn.
278. Mewifai dürreton-nafsihin 1 ), d. i. die Ermahnung
der Perle der Rathenden, ein Quartant von 315 Seiten, gedruckt zu
Ende des Mondes Dfchemafiul achir, d. i. Ende Mai 1848, Das
dem Titelblatte Vorgesetzte Inlialtsverzeichniss führt den Titel:
Verzeichniss der Sitzungen (Medfchalis) des trefflichen Ein
siedlers Osman B eg Ben Hasan Ben Ahmed el-Chubewi.
Zuerst bemerken wir über das Wort Medfchalis Sitzungen,
dass dasselbe der Gegensatz des Wortes Makamat, d. i. Ste
llungen, oder Ständchen; Makamat ist der Namen der Meister
werke arabischer Rhetorik, von welchen das berühmteste die
Makamat Hariri’s, welche bereits durch eine dreifache Aus
gabe des arabischen Textes und durch die theilweise Ueber-
setzung vonSchultes, Peiper undRückert in Europa dem
Inhalte und der Form nach (welche gereimte Prose) bekannt
geworden sind. Die Franzosen übersetzen (weil ihre Sprache
kein entsprechendes Wort dafür hat) die Makamat Hariri
mit Sdances de Hariri, allein die Makamat, d. i. die Ste
llungen oder Ständchen, sind gerade das Gegentheil von den Sit
zungen, welche Medfchalis heissen, die Wurzel von jenem Worte
ist kame,d. i. er ist gestanden, von diesem Dfchelese, d. i.
er ist gesessen. Die Makamat, d. i. Ständchen, sind der Titel
304
rhetorischer und philologischer Kunstübungen, die Medfclialis
hingegen der Titel ethischer und homiletischer Werke. Das vor
liegende Werk ist das dritte dieser Art, welches aus der Dru
ckerei zu Constantinopel hervorgegangen, das erste i. J. 1260
(1844) erschienen sind die Medfchalis es-sinanije, worüber
in den früheren Verzeichnissen der constantinopolitanischen Druck
werke Bericht erstattet worden J ); das zweite im folgenden Jahre
1261 (1845) die Me dfclialisol-Elmaai, von welchen in diesem
Berichte unter Nr. 248 die Rede gewesen; das dritte das vor
liegende.
Der Form des Druckes nach, sind diese Medfchalis, d. i.
Sitzungen oder Versammlungen (denn Medfchlis heisst sowohl
das eine als das andere), ein weit vollkommneres Werk, als die
Medfchalis el-Elmaai’s; nicht nur läuft die Seitenzahl
vom Anfang bis ans Ende fort, und dieselben sind mit einem
Verzeichnisse versehen, sondern die commentirten Stellen der
Suren sind auch besonders mit Linien im Vierecke eingerahmt,
so, dass auf einer Seite der arabische Text mit dem Commen-
tare Beidhawi’s und gegenüber die türkische Uebersetzung
der Exegese des Tebjan steht; um die drei Seiten dieses klei
nen Viereckes (denn die vierte ist der innere Rand, gegen die
Naht des Buches) läuft dann des Verfassers arabischer Com-
mentar, welcher dann wieder mit Linien eingerahmt, die eigent
liche Druckseite des Buches bildet. Der Verfasser sagt in einem
kurzen, ebenfalls arabischen Vorberichte, dass, nachdem er in
die grosse Stadt Constantinopel gekommen, dort mit den Scheichen
und Ulema, diesen Fundgruben der Wissenschaft und Erben der
Propheten Umgang gepflogen, er von denselben auf die Mangel
haftigkeit ihrer homiletischen und paraiuetischen Werke (Me-
waiif) aufmerksam gemacht, diesem Mangel durch ein besser
geordnetes in dem vorliegenden abzuhelfen bemühet habe; er
vollendete sein Werk i. J. 1224 (1809); dasselbe enthält in
zwei und siebzig Sitzungen Texte aus den folgenden Suren:
Erste Sitzung, aus der Sure: die Kuh (die II.) über den Mo
nat Ramadhan und die Trefflichkeit desselben; 2. über die
Faste; 3. über den Text: Gott hat dem Adam, die Namen aller
J ) Im nouveau Journal aaiat. IV. Serie. Tom. VIII. pag. 366. Nr. 231.
305
Dinge gelehrt; 4. über den Text: Wenn dich meine Diener um
mich fragen, ich bin nahe; 5. über den Text: Als Abraham
sagte „Herr! zeige mir, wie ich mich vor dem Tode rette?”
6. über das Gleicliniss derer, welche von ihren Gütern auf
Gottes Wege spenden, ist das des Samenkorns, welches sieben
Aehren treibt, deren jedes sieben hundert Körner gibt; 7. über
den Text: Diejenigen, welche Wucher fressen; 8. über den
Text: Diejenigen, welche glauben und gute Werke thun, das
Gebet verrichten und Almosen geben, ihrer harret der Lohn
des Herrn und sie fürchten sich nicht; 9. aus der Sure: Die
Familie Amrans (die III.) über den Text: Gott bezeugt,
dass kein Gott als Er; 10. über den Text: Jene, welche Schänd
liches thun und sich selbst schaden; 11. über den Text: Eilet
die Verzeihung eueres Herrn anzuflehen; 12. aus der Sure:
die Weiber (die IV.), über den Text: Die Männer stehen den
Weibern vor; 13. über den Text: Dienet Gott und setzet ihm nicht
seines Gleichen; 14. über den Text: Wer Gott gehorcht und dem
Propheten ist unter denen, welchen Gott Gutes thut; 15. über den
Text: Wenn Euch einer griisst, erwiedert den Gruss auf die
schönste Weise; 16.aus der Sure: der g ed e ckt e Tisch (der V.)
Heute (am Tage der Eroberung Mekka’s) ist vollendet euere Reli
gion; 17. über den Text: 0 ihr, die ihr glaubt, der Wein, das
Würfelspiel, das Loos mit den Pfeilen, sind Handlungen des
Teufels; 18. über den Text: Lies ihnen die Kunde Adain’s und
seiner beiden Söhne (Abel und Kain) vor; 19. über den Text:
Als den Aposteln offenbart ward, dass sie an mich und meinen
Propheten glauben sollen; 20. aus der Sure: die Heer den
(die VI.) über den Text: Der Gutes thut, dem wird es zehn
mal vergolten; 21. aus der Sure: die Scheidewand (die VII.)
Rufet eueren Hemm an in Demuth und insgeheim; 22. aus der
Sure: die Deuten (die VIII.) über den Text: Die Gläubigen,
deren Herz, wenn sie Gottes erwähnen, sich erhebt; 23. über
den Text: 0 ihr, die ihr glaubt, verrathet nicht Gott und den
Propheten; 24. aus der Sure: die Reue (die IX.) über den
Text: Diejenigen, welche Gold und Silber aufspeichern, und es
nicht spenden auf Gottes Wegen; 25. über den Text: Die Zahl
der Monate bei Gott ist zwölf; 26. über den Text: Mancher
(Ungläubige) trägt Gott den Vertrag an, dass er ihn mit Gütern
306
überhäufe, wovon er dann Almosen geben wolle. 27. Aus der
Sure: Hud (die XI.) über den Text: Es ist kein Thier auf
der Erde, das Gott nicht nähret; 28. über den Text: Stützt
euch nicht auf die so Unrecht thun. 29. Aus der Sure Abra
ham (die XIV.) über den Text: Künde den Menschen den Tag,
wo ihrer die Strafe harret. 30. Aus der Sure el-Hidfclir
(die XV.) über den Text: Künde meinen Dienern, dass Ich der
Allverzeihende, der Allerbarmende. 31. Aus der Sure: Die
Bienen (die XVI.) über den Text: Gott befiehlt gerecht zu
seyn und wohl zu thun. 32. Aus der Sure: Die nächtliche
H immelfalirt (die XVII.) über den Text: Preis dem Herrn,
der seinen Diener in der Nacht durch die Himmel geführt.
33. Ueber den Text: Wir haben die Söhne Adams geehrt 1 ).
34. Ueber den Text: Und einen Theil der Nacht bring im
Gebete zu. 35. Aus der Sure : Die Grotte (die XVIII.) über
den Text: Harr’ aus in Geduld, gib ein Gleichniss von dem
Leben der Welt. 36. Aus der Sure Maria (die XIX.) über
den Text: und erwähn’ in der Schrift Enochs. 37. Ueber den
Text: Nach ihnen kamen Andere, welche das Gebet vernach
lässigten. 38. Ueber die Sure Tah (die XX.) über den Text:
Und wer sich abwendet von meiner Erwähnung. 39. Aus der
Sure: Die Propheten (die XXI.) über den Text: Wir haben
vor Dir keinen Menschen für ewig in die Welt gesetzt. 40. Aus
der Sure: Die Wallfahrt (die XXII.) über den Text: 0
Menschen, fürchtet euern Herrn! 41. Aus der Sure der Ent
scheidung (die XXV.) über den Text: Die Diener des All
milden, welche auf der Erde ruhig gehen. 42. Aus der Sure:
die Römer (die XXX.) über den Text: Das Verderben ist
erschienen zu Land und zur See. 43. Aus der Sure: Die Schaa-
ren (XXXIII.) über den Text: 0! die ihr an Gott glaubt, er
wähnt seiner oft. 44. Ueber den Text: Gott und seine Engel
wünschen dem Propheten Heil. 45. Ueber den Text: Wir haben
angetragen die Sicherheit den Himmeln, der Erde und den Ber
gen. 46. Aus der Sure: Der Ernährer 2 ) (die XXXV.) über
*) Hier und bei dem folgenden Abschnitt ist der Name der Sure statt el-isra,
d. i. die nächtliche Himmelfahrt als Beni Israil, d. i. die Israeliten
angegeben, so auch in Hottipger’s promptuarium pag. 115.
2 ) Insgewöhnlich die der Engeln.
307
den Text: Die, so die Schrift Gottes lesen. 47. Aus der Sure
Jes (die XXXVI.) über den Text: Scheidet euch am Tage
(des Gerichtes), ihr Schuldigen. 48. Aus der Sure: Die
Sch lacht reihen (die XXXVII.) über den Text: Es sprach
Abraham: Ich gehe zu meinem Herrn. 49. Aus der Sure:
Ssad (die XXXVIII.) über den Text: Erwähne meines Dieners
Job. 50. Aus der Sure: Die Haufen (die XXXIX.) über den
Text: Vorausgehen werden in die Holle die Ungläubigen haufen
weise; 51. Ueber den Text: Voraus gehen werden, die ihren
Herrn fürchten, ins Paradies. 52. Aus der Sure: Der Nach
sichtige (el-ghalir 1 ) (die XL.) über den Text: Die, so den
höchsten Himmel tragen. 53. Ans der Sure: Die entschiedenen
Dinge 2 ) (die XLI.) über den Text: Die, welche sagen,
unser Herr ist Gott. 54. Aus der Sure: Der Beratliung 3 )
(die XLII.) über den Text: Gott ist’s, der die Reue annimmt
von seinen Dienern. 55, Ueber den Text: Gott ist allgütig ge
gen seine Diener. 56. Aus der Sure: Des Zierrathes (die
XLIII.) über den Text: An jenem Tage (des Gerichts) werden
Einige Feinde sein der Anderen. 57. Aus der Sure: Des
Lichts (die XXIV.) über den Text: 0 ihr, die ihr glaubt,
folget nicht den Schritten des Satans. 58. Aus der Sure: Die
Spinne (die XXIX.) über den Text: 0 meine Diener, die ihr
glaubt, meine Erde ist weit. 59. Aus der Sure: Der Rauch
(die XLIV.) über den Vers : Die augenscheinliche Schrift. 60.
Aus der Sure: Die Kniebeugende (die XLV.) über den Text:
Du siehst, dass jedes Volk die Knie beugt. 61. Aus der Sure:
Die Sandhügel (die XLVI.) über den Text: Wir haben dem
Menschen anbefohlen, dass er seinen Aeltern Gutes thue. 62.
Aus der Sure: Die Cabin ette (XLIX.) über den Text: 0!
die ihr glaubet, hüthet euch vor vielem Wahn, denn mancher
Wahn ist Sünde. 63. Aus der Sure: Der Mond (die XIV.)
über den Text: Es nahet die Stunde, und gespalten ist der
Mond. 64. Aus der Sure: das jüngste Gericht (die LIX.)
über den Text: 0 ihr, die ihr an Gott glaubt, fürchtet Gott.
*) Der gewöhnliche Name dieser Sure ist el-Mumin, d. i. der Gläubige.
“) In Hottinger’s Verzeichniss heisst diese Sure die der Anbetung.
■) Bei Hottinger heisst sie Aasak.
308
65. Aus der Sure: Die Versammlung (die LX1I.) (zum
Gebete am Freitag) über den Text: 0 ihr, die ihr glaubt, wann
zum Gebete gerufen wird. 66. Aus der Sure : Der Verbot (die
LXVI.) über den Text: 0 ihr, die ihr glaubt, hüthet euch selbst
und euere Familie vor dem Feuer. 67. Ueber denText: 0 ihr, die
ihr glaubt, wendet euch zum Herrn mit aufrichtiger Reue. 68. Aus
der Sure: Der Kopfverhüllte (dieLXXIV.) über den Text: Jede
Seele ist durch ihren Erwerb Gott dem Herrn verbürgt. 69. Aus
der Sure: Die Auferstehung (die LXXV.) über den Text: An
jenem Tage wird den Menschen gekündet das Vorherige und das
Nachherige. 70. Aus der Sure: Der Höchste (die LXXXVII.)
über den Text: Glücklich, wer gereinigt. 71. Aus der Sure : Die
Morgenröthe (die LXXXIX.) über den Text: Bei der Morgen-
rötlie. 72. Aus der Sure: Die Vorherbestimmung (die
XCVII.) über den Text: Wir haben den Koran gesandt in der
Nacht Kadr. 73. Aus der Sure: el-kewser, d. i. der Quell
des Paradieses (die CVIII.) über denText: Wir haben dir den
Kewser gegeben. 74. Aus der Sure: Die Rettung (die CX1I.)
über den Text: Sag’ Gott ist Einer. Von den hundert vierzehn
Suren des Korans sind hier nur vierzig durchgenomracn, aus
einigen nur Ein Text, aus anderen mehre; die übergangenen
vier und siebzig Suren sind wohl hauptsächlich aus dem Grunde
nicht berücksichtiget worden, weil dieselben keinen Stoff von
Prgdigttexten enthalten, oder von Anderen ausgebeutet worden
sind, denn die ausgelassene Sure Lokman zum Beispiel enthält
einen Schatz von Ermahnungen in den von Lokman seinem Sohne
gegebenen Lehren. Mewaif heisst sowohl Ermahnungen als
Predigten, der Prediger heisst Waif, die Inschrift des Siegels
des Chalifen Omar war: kefa el maut bi waifin, d. i. der
Tod genügt als Prediger.
Die vorliegenden vierzig Sitzungen (Medfchalis) sind daher
eben so viele Predigten über die aus vierzig Suren gewählten
Koranstexte. Diese Homilien sind freilich keine Predigten im
Sinne der Beredsamkeit christlicher Kirchen und keine Meister
werke der Rhetorik, als welche in der Literatur der Araber,
Perser und Türken nur die am Freitage gehaltenen Kanzelreden
(Chothob) ausgearbeitet sind. Um einen Begriff der Art dieser
Homilien oder Moslimenlehren zu geben, wählen wir hier zur
309
Probe die vorletzte über die CVIII. Sure, welche, nur aus drei
Versen bestehend, die kürzeste aller Suren des Korans, denn
wiewohl auch die CIII. nur aus drei Versen besteht, so ist sie
doch um ein Drittel länger, indem sie aus achtzehn Wörtern,
die CVIII. aber nur aus eilf besteht; diese lautet:
Wir haben dir den Quell des Paradieses gegeben,
Du sollst dich betend und opfernd zum Herrn erheben,
Denn der dich Hassende wird söhnelos leben.
Wir übergehen hier die arabische Erläuterung aus der
Exegese Beidhawi’s und die türkische Uebersetzung des Teb-
jan und geben bloss die um die drei Seiten von beiden lau
fende Homilie:
Der Prophet, dem Gott gnädig sein wolle, hat gesagt:
Wer mir zu Ehren dem Propheten Gutes anwüuscht, dem sen
det Gott einen Engel mit zwei Flügeln, deren einer den Osten,
der andere den Westen umfasst und die Füsse desselben rei
chen bis unter die Erde; Gott sagt zu ihm: Wünsche meinem
Diener Gutes an, wie er meinem Propheten, und dieser Engel
wird ihm Gutes anwünschen bis an den Tag der Auferstehung.
(Aus dem fubdetul-waifin, d. i. dem Ausbund der Predi
ger 1 ). Das Ueberlieferungswerk Moslim’s enthält die folgende
Ueberlieferung von Anis: Der Prophet schlief einen leichten
Schlaf, als er daraus erwachte, hob er den Kopf und lächelte,
man fragte ihn, was macht dich lächeln, o Gottesgesandter?
er sagte, die Sure, die vor kurzem mir vom Himmel gesendet
worden, und recitirte dann die drei Verse der Sure Kewser.
Den Anlass ihrer Sendung erzählt Ebu Ssalih nach Ihn Abbas
auf folgende Weise: Aass Ben Wail Ben Hischam sah
den Propheten aus der Moschee gehen, als er eben hineinging;
sie trafen und sprachen sich unter dem Thore. In der Moschee
waren mehre der Beni Korcisch versammelt, sie fragten
ihn, mit wem sprachst du? er sagte: mit dem Ebter, d. i.
dem seines Sohnes Beraubten, so nannten die Koreisch den
Mohammed nach dem Tode seines Sohnes, denn die Araber
nannten vor dem Islam jeden, der kein männliches Kind hatte,
*) Das Subdetul-waifin ist eines der geschätztesten Prediger-Werke in
84 Hauptstücke getheill in Flügel’s Hadschi Chalfa Nr. 6840.
310
Ebter; als dem Propheten dieses Wort hiuterbracht ward
betrübte es sein Herz, und um ihn zu trösten gab ihm Gott
die folgende Betrachtung ein: „Hätte dein Sohn gelebt, so wäre
er entweder ein Prophet geworden oder nicht, wäre er keiner
geworden, so hättest du an ihm keine Freude gehabt, und wäre
er einer geworden, so wärest du nicht das Siegel der Pro
pheten. Mein Name ist mit deinem in dem Glaubensbekenntnisse
der Einheit verbunden, im Gebetausruf und in vielen anderen
Dingen, du bist der Inhaber des Kewser, wie wärest du ein
Ebter!” — (Aus dem Raudhetol Ulema, d. i. dem Garten
der Gelehrten 1 ). Der Gottgesandte, über den Heil sei, hatte
drei Söhne: der erste Kasim, der ihm vor der Zeit seines
Prophetenthums (d. i. vor seinem vierzigsten Jahre), schon
nach siebzehn Tagen starb; der zweite Ibrahim, der als
Säugling nach siebzig Tagen starb; der dritte Abdallah mit
dem Beinamen Thaijb, d. i. der Gute, und Thahir, d. i. der
Reine; er ward nach der Sendung des Prophetenthums zu
Mekka geboren und starb in seiner Kindheit. Einige meinen, dass
Thaijb oder Tahir ein anderer Sohn des Propheten gewesen sei;
der Prophet hatte vier Töchter: Fathime, Rakije, Seine!»
und Omm Kols um, welche ihm alle seine erste Gemahlin
Chadische gebar, so auch die Söhne bis auf Ibrahim, welche
ihm Maria, die koptische Sclavin geboren, sie starben alle vor
ihm bis auf Fathime, welche ihn sechs Monate überlebte, die
trefflichste seiner Töchter. (Aus dem Commentare Konewi’s
zum Risale Birgewi’s 2 ). Unter dem Worte Kewser verstehen
Einige einen Fluss, Andere ein Wasserbecken des Paradieses,
Andere einen Standort allda, Andere viele Trefflichkeiten, An
dere die Stätte der Seligen (Makam el- mahmud 1 ), Andere
glückliche Naturanlagen, Andere den Ruhm des Propheten,
Andere das was ihm geoffenbart ward, Andere das Propheten
thum, Andere seine Genossen die grossen, Andere die Ausle-
*) Vom Scheich Ebu Ali Hosein Ben Jahja el-Bochari ef-fen-
dofti el-mobteghi, bei Flügel Nr. 6659.
3 ) Oben unter den im Jahre 1262 (1846) lithographirten Werken aufgeführt»
3 ) Makami mahmud, der löbliche Aufenthalt, kömmt im 80. Verse der
XVII. Sure vor: Durchwache einen Theil der Nacht in der Lesung des
Korans, vielleicht sendet dir Gott eine löbliche Stätte.
311
gung des Korans, Andere die Bewährung der Gesetze, Andere
die Menge seines Volkes, Andere seine Wunderwerke, Andere
seine grosse Fürsprache am Tage des jüngsten Gerichtes (aus
Schihabeddin). Nun folgen noch zwei ganze Seiten über die
Exegese der vorhergehenden CVII. Sure, zwischen deren Ver
sen und denen der CVIII. ein Bezug und Gegensatz vorausge
setzt wird, an den Mohammed wohl nie gedacht hat. Die gege
bene Probe genügt, um zu zeigen, dass der treffliche Einsiedler
Os man el-Chubewi in diesen Homilien eigentlich nichts
aus Eigenem geliefert, sondern nur Auszüge aus bekannten
Werken der Homiletik und Ueberlieferung zusammengestellt hat.
279. Menakibi tschehar jari güsin 1 ), d. i. die Lob
sprüche der vier auserwählten Freunde, gedruckt anfangs
Schaaban’s des Jahres 1264 (anfangs Julius 1848) 550 Seiten
in Quart, ist die zweite Ausgabe der im Jahre 1258 (1842)
erschienenen Geschichte der vier ersten Chalifen mit vierthalb
hundert ihrer Ueberlieferungen 3 ). Diese zweite Ausgabe stimmt
Seite für Seite bis auf die letzte überein, welche das verschie
dene Druckjahr enthält.
280. Manfumei Fufuli 3 ), d. i. das Gereimte Fufuli’s,
gedruckt zu Constantinopel Ende Schewwals 1264 (Ende Sep
tember 1848), 141 Seiten Octav, ist das romantische Gedicht
Leila und Medsclinun des berühmten türkischen Dichters
Fufuli, d. i. des Uebermüthigen, der im Jahre 970 (1562)
gestorben; sein berühmtestes Gedicht ist das aus 438 doppel
gereimten Distichen bestehende Beng-u-bade, d. i. Opium
und Wein; Beng ist das ägyptische B endsch, dasNepenthe
Homers, dessen narcotische Wirkung die, so es gemessen, in
beseligende Träume versetzt. Auszüge aus den Werken dieses
grossen Dichters, der sich auch als Uebersetzer des Gartens
der Märtyrer Husein Kjafchefi’s einen Namen erwarb, geben
die berühmtesten türkischen Anthologien, nämlich die Lathifis,
*) L j L>
2 ) In der Liste der constantinopolitaner Drucke Nr. 203 im Journal asiat.
quatrieme Serie Tom. III. pag. 221.
3121
Rijafi’s, Ahdi’s, Aafchik's und Kinalifade’s; Auszüge
aus dem vorliegenden Leila und Medfchnun, nämlich des liebe
rasenden Medschnun Anreden an das Kameel, an die ausgelöschte
Kerze, an die Taube und an die Wolke sind im zweiten Bande
der Geschichte der osmanischen Dichtkunst gegeben worden,
wo die Auszüge aus den sämmtlichen Werken dieses grossen
Dichters nicht weniger als ein Dutzend Seiten füllen 1 ).
281. Taalimatul - kurr e 3 ), d. i. Unterweisung zum Ge
brauche der Himmelskugel, gedruckt in den ersten Tagen des Mo
nats Redscheb 1264 (1848) 35 S. Klein-Octav; auf der Rückseite
des ersten Blattes steht nicht nur der Titel, sondern auch der
Name des Verfassers, nämlich des zweiten Astronomen und Pro
fessors an der mathematischen Schule es-Seid Osman
Ssaib dem Sohne des Chodsclia Abder Rahim Efendi.
282. Nassiliatul Hukema 3 ), d. i. der Rath der Weisen,
gedruckt im Jahre 1264 (1848) ohne Angabe des Monats, 27 S.
Duodez; dieser Rath der Weisen ist eine Sammlung persischer
Lebensregeln zum ersten Unterrichte der Anfänger des Persi
schen, für welche auf den letzten neun Seiten noch ein beson
deres Glossar beigefügt ist; auf der Rückseite des ersten Blat
tes steht, dass diese persischen Sittensprüche für den Unter
richt kleiner Kinder eingerichtet seien; für solche, oder über
haupt Anfänger im Persischen ist auch die kleine nur zehn
Octavblätter (ohne Seitenzahl) starke lithograpliirte kleine
Schrift berechnet, welche im selben Jahre (1264) unter dem
Titel: Taalimul Farsi, d. i. persischer Unterricht erschie
nen ist, und welche nichts als ein kleines Glossar der zum
Sprechen nöthigsten Wörter; der kurze Vorbericht sagt, dass
mit Hülfe dieses Glossars die Knaben an der Normalschule
(Ruschdije) von D audpas cha is ke 1 e e si in drei bis vier Mo
naten mehr persisch gelernt hätten, als in andern Schulen bin
nen eines Jahres, und dass, um den Nutzen durch die Einfüh
rung dieser neuen Methode in den andern Normalschulen (Rusch-
*) Geschichte der osmanischen Dichtkunst II. B., S. 293—306.
a ) 1 oUIäj
3) \j£\
313
dije) allgemein zu machen, dasselbe lithograpliirt worden sei.
Ausser dieser lithographirten kleinen Schrift sind in diesem
Jahre noch die folgenden kleinen Werke von nicht viel grösse
rem Umfange zu Constantinopel lithograpliirt worden, nämlich der
Diwan der Dichterin Fithnet; dann Hifbol bahr scherhi 1 ),
d. i. der Commentar des Hifbul bahr, d. i. der Rüstung zu
Meer, eines berühmten Gebetes des Scheich Nureddin Ebul
Hasan Ali Ben Abdallah efch - Scliafili (gewöhnlich
Scliedeli ausgesprochen) dem Entdecker der Eigenschaften der
Kaflehbohne, welcher im Jahre 656 (1258) gestorben; dem
Titel dieses berühmten Gebetes, welches arabischen und türki
schen Seeleuten als Talisman dient, ist der Titel des oben er
wähnten zwei Jahre früher im schönsten Neschi lithographirten
Gebetbuches Hifbul aafam, d. i. die grösste Rüstung nach
gebildet 2 ); unter den von Hadschi Chalfa aufgeführten drei
Commentatoren des Hifbul bahr befindet sich nicht der des
Scheich Mohammed von Smyrna, welchen der ungenannte Her
ausgeber hier ins Türkische übersetzt hat. Dieser lithographirte
Commentar füllt 51 Seiten Klein-Octav, welchem rückwärts
der Text des Hifbul bahr selbst auf fünf paginirten Seiten
angehängt ist.
Risalet fi beiani ewfsafiOmmil-Kitabwelewhi
mahfuf we lcwhi maanewi 3 ), d. i. Abhandlung zur Erklä
rung der Eigenschaften der Mutter der Schrift, d. i. des Korans,
der wohlbewahrten Tafel, d. i. der Tafel des Schicksals und
der Tafel des inneren Sinnes des Korans, von Kamalpafcha-
fade. Dieser Titel ist aber nur der erste der drei kleinen
Traktätchen, welche dieses zu Ende des Jahres 1264 lithoarra-
phirte Werk auf 28 Seiten Octav enthält. Die Abhandlung K a-
malpafcli afade’s füllt die ersten 12 Seiten, die fünf folgenden
füllt die Abhandlung des Scheich Mohammed von Akkermann
Sy* ^^
2 ) In Flügels Hadfchi Chalfa ist das Hifbul aafam unter Nr. 4479, das
Hifbul bahr unter Nr. 4480 mit einer Erläuterung der grossen Tu
genden und Kräfte dieses Seetalismans aufgeführt.
314
über den theilweisen freien Willen, welches der grosse Zankapfel
zwischen den Rechtsgelehrten der beiden Ritus Hanefi und
Schafii, wovon jene der Lehre des Imam Ebu Mansur Ma-
teridi, diese der Lehre des Imam EbulHasan el-Efchaari
folgen. Die dritte Abhandlung, welche auf der neunzehnten Seite
beginnt, ist die des grossen Rechtsgelehrten und Mufti Ebus-
Suud zur Erklärung der Vorherbestimmung und des Schicksals.
Afshabol lcehef wer-rakim 1 ), die Genossen der Grotte
und von Ra kirn, d. i. die Geschichte der Siebenschläfer, welche
aus der von Rieh im dritten Bande der Fundgruben des
Orients gegebenen englischen Uebersetzung dieser halb christ
lichen, halb morgenländischen Sage bekannt genug, 30 Seiten
Octav.
Ein Medfchlis oder Mewifat, d. i. eine homiletische
Sitzung nach dem Muster der oben ausführlich besprochenen
Medfchalis ohne Namen des Verfassers in 32 Quartseiten kleiner
Neschi-Sclirift.
Kirk suals), d. i. die vierzig Fragen, von Mewlana
Fir aki 140 Seiten Octav, Anfangs Dschemasiul-ewwel 1440 (d. i.
Mai 1848), sind die vierzig von den Schriftgelehrten Mekka’s
dem Propheten vorgelegten schweren Fragen, um sich durch die
Beantwortung derselben zu überzeugen, ob er wirklich ein Gott
gesandter Prophet sei; diese vierzig Fragen sind: 1) über die
Schöpfung der Welt; 2) über die zuerst geschaffenen Dinge;
3) über die Himmel und Engel; 4) über den höchsten Himmel
(Arsch) und den höchsten Thron (Kursi); 5) über die Engel,
Träger des Thrones; 6) über den Hahn des höchsten Himmels;
7) über das heilige Haus der Kaaba, woraus und wozu dasselbe
erschaffen worden, und wo es ursprünglich gewesen; 8) über
das Paradies und dessen Eigenschaften; 9) über den Quell und
Baum des Paradieses (Kewser und Tuba); 10) von den sieben
Erden und ihren Geschöpfen; 11) von der Hölle und ihren Ab
gründen; 12) vom Todesengel; 13) von den beiden Folterengeln
des Grabes (Monkir und Nekir); 14) von der Gestalt Israfils
s ) J'r'
315
(des Gerichtsengels) ; 15) von der Wage des jüngsten Gerichtes,
16) von der Scheidungsbrücke (Siratb); 17) von den Prophe
ten und Gottesgesandten; 18) von der Herrlichkeit Salomon’s ;
19) von denen, die ohne Vater und ohne Mutter zur Welt
kamen (Adam, Eva, Ssalili’s Kameel, der vom Himmel dem Abra
ham zum Schlachtopfer gesandte Bock); 20) vom Stabe des
Moses; 21) vom Steine des Moses; 22) von dem Verderben des
Pharao; 23) von dem gedeckten Tische des Herrn Jesus i); 24)
von den erschlagenen und wieder zum Leben erweckten Pro
pheten; 25) von Irem, dem Garten Scheddad’s; 26) von Da
vid’s ; 27) von der Tochter Salomon’s; 28) von den Propheten,
die in den Himmel fuhren; 29) von den Propheten, die sowohl
im Himmel als auf Erden lebten; 30) vom Propheten Aafir
(Efdras) und seinem Sohne; 31) von denen, so imMutterschoosse
geredet; 32) von Dfcherdfchis (Georgius); 33) von Jonas
im Wallfisch; 34) vom Propheten S ulkifil; 35) von den Ge
nossen er-Rees, wovon im Koran die Rede; 36) von den Ge
nossen der Feuergruben, deren ebenfalls im Koran Erwähnung
geschieht; 37) von dem Ursprung der Meere (Reste der Sünd-
fluth); 38) von dem Schlosse der Himmel; 39) von dem Berge
Kaf; 40) von den letzten Dingen. Man sieht aus dieser In
haltsanzeige, dass die Antworten auf diese vierzig Fragen das
Meiste was die Araber von überirdischen und ausserordentlichen
Dingen wussten, enthält, und dass also eine Uebersetzung der
selben ein nicht uninteressanter Beitrag zur Religions- und
Mythengeschichte der Araber wäre.
Dr. Pfitzmaier las die erste Hälfte folgender Ab
handlung : „Beitrag zur Kenntnis« der ältesten
japanischen Poesi e.”
In so fern als ein Volk nicht leicht ohne Poesie sein kann,
und Poesie in ihrer Form nothwendig der Ausdruck des Gege
benen in der Sprache sein muss, ist es von Interesse, zu beob
achten, wie in Japan unabhängig von fremdländischem Einflüsse
die poetischen Formen sich ausgebildet haben, und an ihnen
eine merkwürdige Uebcreinstimmung mit denen einiger west
lichen Völker, namentlich den deutschen, zu entdecken.
*) Von 18 bis hieher hat das Register die Nummern verfehlt.
Sitzb. d. philosoph. histor. CI. Jalirg. 1849. X. Heft. 24
Das Japanische gehört zu den Sprachen, bei welchen ab
solute und relative Schwere der Wörter bei der Versbildung
nicht geschieden werden können. Es erübrigt daher bei ihm nur
die Rücksicht auf den Ton. Was diesen betrifft, so möge hier
die allgemeine Bemerkung genügen, dass die Japaner, mit äusserst
wenigen Ausnahmen, immer die vorletzte Sylbe des Wurzelwortes
betonen, und dass alle vor- oder nachgesetzten Theile — gleich
sam Aggregate, und wieder für sich Wurzelwörter bildend —
demselben Gesetze unterworfen werden.
Wenn man in dieser Hinsicht die japanischen Verse unter
sucht, so zeigen sich, übereinstimmend mit der ungebundenen
Rede , als Grundtypus und beinahe am häufigsten vorkommend,
abwechselnd betonte und unbetonte Sylben, z. B.
!) f f -a f s P ~ P f f y 7
tatuki-md-nagdri. töme-ki - ga siru-ni
Die Veränderungen bestehen hauptsächlich darin, dass nach
einer unbetonten Sylbe eine betonte oder unbetonte, häufig auch
eine zweifelhafte, die jedoch für betont zu gelten hat, einge
schaltet wird, z. B.
j t !) \ y ff
simc - korömo - too. wöki-tsü töri
Ausserdem beobachtet man noch sehr häufig eine Beschwe
rung des Verses, welche darin besteht, dass an die Stelle einer
tonlosen Sylbe eine betonte gesetzt wird, was sowohl im An
fänge als in der Mitte Statt finden kann, z. B.
3 ') Y j- '7 ^ ^ ^ p 7
fama - tsü tsi - dori- yö. nü - hd tdma - -no
Die Grundlage aller japanischen Versgattungen bildet das
sogenannte Lied von 31 Zeichen. Dasselbe besteht aus zwei
Abschnitten mit Unterabtheilungen in folgender. Ordnung :
Erster Abschnitt: fünf Zeichen, sieben Zeichen, fünfZeichen.
Zweiter Abschnitt: Sieben Zeichen, sieben Zeichen.
Die übrigen Gedichte bestehen ebenfalls aus kleineren Ab
schnitten von fünf und sieben Zeichen, aber in unregelmässiger
Folge. Noch andere, wohin nebst einigen älteren Erzeugnissen
eine gewisse Art von neuern Volksliedern gehört, enthalten
ausserdem noch solche Abschnitte von weniger als fünf und
317
mehr als sieben Sylben. Auffallend bleibt noch, dass in keinem
Gedichte die Spur eines absichtlichen Reimes zu entdecken ist,
während dem Charakter der reinen japanischen Sprache gemäss,
zufällige gleiche Auslaute am Ende der einzelnen Abschnitte
äusserst häufig Vorkommen.
Die ältesten noch vorhandenen japanischen Gedichte wer
den der vorhistorischen Zeit, der sogenannten Periode der Göt
tergeschlechter zugeschrieben. Obwohl ein solches Alter ziem
lich unwahrscheinlich ist, so glaube ich doch, dass die Mitthei
lung und Erklärung derselben wegen der vielen in ihnen vor
kommenden Archaismen schon vom philologischen Standpuncte
aus wünschenswert!» sein dürfte. Ich habe sie in zwei ver
schiedenen Werken aufgefunden: dem j ^ -=? j 3
't? jy y kami-yo-no maki-no asi-kabi, „gewundene
Schilfknospen der Göttergeschlechter” und dem ) 3 -p
|' O kami-yo-no masa-koto, „die richtigen Worte
über die Göttergeschlechter”. Ich vermuthe zwar, dass in an
dern ausschliesslich der allen Poesie gewidmeten Schriften, wie in
dem 3 -v -3 man-yo-zm „Sammlung der zehntausend
Blätter”, noch manche vielleicht werthvollere Stücke aus jener
angeblichen Periode enthalten sein dürften, da jedoch diese
Werke bei uns nicht vorhanden sind, so muss ich mich mit dem
mir Zugänglichen begnügen, um so mehr als ich in diesem Auf
sätze nur einen Beitrag zur Kenntniss dieser Poesie zu liefern
beabsichtige.
Von den beiden gemannten Werken gibt das erstere die
citirten Verse in der Schriftgattung Ma-ya-na, d. i. Sylben-
schrift mit unveränderten chinesischen Zeichen, die als die älteste
Form des Originals zu betrachten ist, das letztere aber in der
heut zu Tage üblichen Fira-ka-na, gemischt mit Wörterschrift.
Beide zeigen einige Varianten, das letztere überdiess, obgleich
in der Fassung bedeutend kürzer, noch eine Anzahl Mythen und
Verse, welche in dem ersteren nicht enthalten sind. Ich liefere
hier den Text der Verse in der Sylbenschrift Kata-ka-na, mit Er
klärung der Archaismen und unbekannten Wörter, so wie mit Angabe
der Umstände, unter welchen sie gedichtet worden sein sollen.
Das zuerst Gebotene ist die Entstehung des Liedes von
31 Zeichen, die folgendcrmassen erzählt wird: Als der Gott
24 *
i.—.... jKasfas»
318
Su-sa-no Wo die achtköpfige Schlange getödtct und Kusi-
nada-fime, die Tochter des Landesgottes befreit hatte, suchte
er in der heutigen Provinz Idzumo einen Ort, wo er einen Pallast
bauen könne. Als er zu einer gewissen Gegend gelangte, rief
er aus: | ^ u n zj -jf J aga kolcoro suga-sugasi,
„mein Geist ist klar,” von welchen Worten die Gegend den
Namen Suga erhielt. Als er hier den Pallast zu bauen anfing,
stiegen Wolken aus dem Boden. Der Gott sang bei diesem An
blick das folgende Lied:
7
)
-\
f
t
*
17 i y
^ 2 / *
f i * *
t a ^
■7 A '7
^ f
kW
Ya - kumo tatsu
Idzumo ya - ye- gaki
Tsuma - gomi - ni
Ya -ye-gaki tsukuru
Sono ya - ye - gaki - wo
Die acht Wolken steigen ,
Von Wolken achtfache Mauern
Zu der Gefährten Schutz
Bilden achtfache Mauern,
Diese achtfachen Mauern.
Dieses war, wie der Commentator sagt, das erste Lied von
31 Zeichen. Die Zahl acht ist im Japanischen eine Collectivzahl
und „acht Wolken” bedeutet hier nichts anderes als mehrere
Wolken.
t /f idzumo, ist die Zusammenziehung von £ 7 7
ülzu-kumo hervor treten de Wolken, von denen die Provinz
noch heute den Namen führt. /f idzu, das in der alten
Sprache öfters vorkommt, ist so viel als kW^' 7 idzuru.
319
Das nächste Lied von 31 Zeichen wird dem Gotte Fiko-
fo-no Nini-gi, dem dritten Regenten Japan’s zugeschrieben. Der
selbe hatte einen Verdacht auf seine Gemahlin Saku-ya-bime
geworfen, welche, nachdem sie sich durch eine Art Feuerprobe
gereinigt, aus Unwillen darüber ihn verlassen hatte. Der Gott
ergoss seinen Schmerz über die Trennung in folgende Verse:
: 7 *
'7 M *
2 *
3 '7
✓ *
3 3
Woki - tsu mo - wa
Fe - ni - wa yore - domo
Sa - ne - toko - mo
Atawanu - ka - mo-yo
Fama - tsu tsi- dori-yo.
Zu dem Hornblatt in dem Hafen
Seitwärts tret’ ich hin,
Doch eine Ruhestätte
Vergönnt mir nicht
Der Raubvogel an dem Ufer.
Das Hornblatt in dem Hafen ist nicht ein Hornblatt (eine
Wasserpflanze, ceratophyllum), das in dem Hafen wächst, son
dern eine gewisse Pflanze, die „Hornblatt in dem Hafen” genannt
wird. Eben so ist der Raubvogel an dem Ufer nicht irgend ein
Raubvogel, sondern ein gewisser Vogel dieses Namens.
!7 tsu, ist ein Posscsivpartikel mit der Bedeutung zu, an,
die auch in der neueren Sprache, aber ausser den Zahlwörtern
nur in Zusammensetzungen vorkommt.
"\ f e , bedeutet Seite, und ist jetzt nur noch als Dativ
partikel gebräuchlich, wo es ye ausgesprochen wird.
3 |> ^ f sa-ne-toko, Schlafstätte, ein veraltetes
Wort, zusammengesetzt aus dem gleichfalls veralteten ij- sa,
wirklich; ne, Wurzel von nuru, schlafen, und
«ssr^ mp " - ■' • ■
320
3 |' toko, Ort, statt a 3 |. tokoro. Das Kami-yo-no
niasa-koto schreibt 3 ^ ^ sa-ne-doko, und erklärt
-j |' toko, durch J^ - Bett, eine Bedeutung, die auch in der
heutigen Sprache noch üblich ist.
3 yo, ist eine alte Interjection, die jetzt nur noch bei
den Zeitwörtern, deren Wurzel auf die Yocale e und i auslautet,
zur Bildung des Imperativs gebraucht wird.
Die noch übrigen zwei Lieder dieser Classe heissen
M 9/7, age-uta, „die Ehrenlieder”. Der Gott Fiko-wo-
de-mi, der vierte Regent Japan’s, hatte Toyo-tama-bime, die
Tochter des Meergottes, den er in seinem Pallasle besucht, zur
Gemahlin erhalten. Zur Zeit ihrer Niederkunft wollte diese ihre
wahre Gestalt annehmen, und bat ihren Gemahl sich von ihr
entfernt zu halten. Dieser beobachtete sie heimlich, und sah wie
sie sich in ein acht Klafter langes Krokodil verwandelte. Als
er erschrocken floh, bemerkte ihn Toyo-tama-bime, und stürzte
sich, mit Zurücklassung ihres Sohnes, in das Meer, um in die
Wohnung ihres Vaters zurückzukehren. Fiko-fowo-de-mi dichtete
bei dieser Gelegenheit die Verse:
3
J
3
I'
£
*
4 7 f
*
7
f
f
jy
7
v
-3
Woki - tsu tori
Kamo - dzitku sima - ni
Waga i-ne-si
Imo - wa wasurazi
Yo - no lioto - goto - mo.
*
■7
t
Wo der Vogel in der Bucht
Die Aente nahe kommt, die Insel,
Zu ihr bin ich gezogen:
Die Schwester, sie vergess’ ich nicht,
Ob die Welt auch schon vergangen.
<
321
„Der Vogel in der Bucht die Aente” ist eine Umschreibung
für die Aente selbst. „Die Insel” heisst hier der Pallast des Meer
gottes, weil er im Meere gelegen ist, und „die Schwester”,
eigentlich jüngere Schwester ^ 4 imo, ist eine im Ja
panischen gebräuchliche Benennung für Gattin.
■jf ^ waga, ich, aus dem veralteten ^ wa, ich und
■p* ga, der Niedrigkeitspartikel.
•jX 4 i~ ne ~ s i> gehen, wandeln, ist nach dem Com-
mentar des Kami-yo-no maki-no asi-kabi zusammengesetzt
aus ^ der Wurzel von yiiru, weilen, bleiben, wo
durch gewissermassen das Imperfectum angezeigt wird, dann
aus 4 ne, einer alten Form von — 4 der Wurzel von
yv- JL. 4 inuru, gehen, und £/ si, der Wurzel des Hilfs
zeitwortes jv X. suru.
j X V wasarazi, nicht vergessen, zeigt eine
in der alten Sprache am Ende eines Satzes öfters vorkommende
Form des Negativs auf statt auf
Toyo - tama-bime, welche selbst nicht mehr zurückkehren
durfte, schickte aus der Wohnung ihres Vaters eine Amme in
der Person ihrer Schwester Tama- yori- bime, und zugleich
das folgende Lied:
Aka - dama - no
Fikari - wa ari - io
Fito - wa tye - do
Kimi - ga yosoi - si
Totoku ari - keri.
Dass der rothe Edelstein
Glanz besitzt,
Sagen die Menschen ,
Doch des Gebieters Schmuck
Steht höher noch in Ehren.
322
y"yf iye-do, obgleich man sagt, zeigt die ur
sprüngliche Form des Conjuuctivs auf ^ '(■" mit Weglassung
der Partikel -t. Heut zu Tage gebraucht man die Endung t y'
vorzugsweise in der Schriftsprache, V’ in der Sprache des ge
wöhnlichen Lebens. Es ist zu bemerken, dass dieser Versab-
schnitt eigentlich sechs Zeichen enthält anstatt fünf, eine Frei
heit, die auch in neueren Gedichten bisweilen beobachtet wird.
\' y p. tötolcu, geehrt, ehrwürdig, steht dialek
tisch statt |' ’7 tattoku. Die Laute afu werden nach dem
herrschenden Dialekt in der Aussprache zu ö zusammengezogen,
ein Gebrauch, der auch auf die Poesie übergegangen ist, indem,
wie in diesem Beispiele, zwei Zeichen für ein einziges oder
eine Sylbe gerechnet werden.
Nach dem Kami-yo-no masa-koto schickte Toyo-tama-
bime das Lied zuerst, und Fiko-fovvo-de-mi widmete ihr das
seinige als Antwort. Dasselbe Werk bringt das erstere Lied in
etwas veränderter Weise, wie folgt:
i 1 f * f
I' V f r *
<* x *
— \y i/ V
Woki - tsu tori
Kamo - doku sima - ni
Waga i-nc-si
Imo - um wasurczi
Yo-no koto - goto - ni.
9 y--e f kamo-doku, wo dieAente ankommt, ist
alter Dialekt, statt ^7 i kamo-dzuku. In diesem Dialekt
findet man häufig den Laut u durch o ersetzt, z. B. ^ ^ a
faro - baro - ni, ferne statt — ^ A faru - baru - ni. Eigent
lich sollte nach diesem Vorgänge kamo-dzoku gesprochen wer
den, da jedoch der Laut dzo im japanischen Syllabarium nicht
vorkommt, so setzte man statt dessen kamo-doku.
323
£/ ^ i-ne-si, wird in demselben Werke ferner erklärt
durch ^ i, handeln, die Wurzel eines defectiven Hilfszeit
wortes, und ^ ne, Wurzel von W^ JL nuru, schlafen, so
dass diesem zu Folge der Vers heissen würde:
Auf ihr liab’ ich geschlafen.
Das zweite Lied erscheint in ihm mit noch bedeutenderen
Varianten :
7
-3
)
£
7
f
i
f
3
7
t.
v'
1
t
~\
r
7
7 1
-3
9
7
9
>r
1 )
Aka - tama - wa
Wo saye - fikare - do
Sira- tama - no
Kimi - ga yosoi - si
Totoku ari - keri.
Der rotlie Edelstein
Glänzt überreich in Schnüren,
Doch des weissedelstein’gen
Gebieters Schmuck
Steht höher noch in Ehren.
-\ saye, offenbar von *ij- ausfüllen, ist eine
Partikel, welche den Zeitwörtern vorgesetzt, zur Verstärkung
derselben dient.
Die übrigen zu einer andern Classe gehörenden Gedichte
haben zwar hinsichtlich ihrer Form das Lied von 31 Zeichen
zur Grundlage, bestehen aber aus einer unbestimmten, zum
Theil weit bedeutenderen Zahl von Versen. Sie fangen gewöhn
lich in der Weise dieses Liedes an, werden aber nach den
ersten Abschnitten unregelmässig, wobei zwar die Wiederkehr
von fünf- und siebensylbigen Versen als Regel angenommen,
sehr häufig aber ausser Acht gelassen wird.
324
Ehe ich jedoch zur Erklärung- derselben schreite, muss ich
noch eine Bemerkung machen :
Die japanische Sprache hat, so wie die türkische, eine der
unsrigen ganz entgegengesetzte Wortfolge, und die Schriftsteller
zeigen eine Vorliebe für vielfach gegliederte und sehr oft schwer
zu überblickende Perioden. Während jedoch im Türkischen die
Prolixität nur in der Prosa zu finden ist, in Versen hingegen,
den zu Grunde gelegten fremden Mustern gemäss, die Sätze
einfach und nie über die Grenzen eines Distichons hinausgehen,
werden im Japanischen die gereihten Verse in dieser Hinsicht
oft ganz der Prosa nachgebildet. Hierdurch geschieht es bis
weilen, dass bei einer nach unserer gewöhnlichen Wortfolge
eingerichteten Uebertragung die Reihenfolge der deutschen Verse
im Verhältniss zu jener der japanischen durchaus geändert wer
den müsste. In diesem Falle würde jedoch, abgesehen von der
Unzukömmlichkcit eines solchen Verfahrens, die Kraft und die
Eigenthümlichkeit des Versflusses gänzlich verloren gehen, wo
hingegen bei der Beibehaltung der gedachten Ordnung auffallende
und beinahe unerlaubte Inversionen nicht zu vermeiden sind. Ich
trug kein Bedenken, wo solche Stellen vorkamen, das letztere
zu wählen, weil ich durch ein entgegengesetztes Verfahren die
selben nicht allein ihres Charakters, sondern auch ihres poeti
schen Schmuckes beraubt haben würde.
Besonders bemerkenswerth sind diejenigen Ausdrücke, welche
den zusammengesetzten Beiwörtern entsprechen. Dieselben unter
scheiden sich durch die am Ende der Zusammensetzung folgende
Partikel ) no, welches eigentlich die Genitivpartikel ist. Ich
hätte dieses durch Setzung des Genitivs nachahmen, und z. B.
Der zarten Pflanzen
Göttliche Gemahlin
Des Wachholderseiles
Wcisser Arm.
sagen können, da jedoch diese und ähnliche Ausdrücke höchst
doppelsinnig sind, so setzte ich, obgleich sie denselben Doppel
sinn auch im Japanischen haben, an deren Stelle lieber andere
für uns wenigstens grammatikalisch verständlichere wie
325
Zartpflanzige,
Göttliche Gemahlin
Der wachholderseil’ge
Weisse Arm.
Der Gott Ame - vvaka - fiko war während seines Aufenthaltes
auf der Erde durch einen vom Himmel geschleuderten Pfeil
getödtet worden. Während ihm seine Gemahlin und Kinder im
Himmel ein Trauerhaus errichteten, erschien Adzi - suki - taka-
llko-ne, ein Gott der Erde und Freund des Getödteten, um
den Trauerbesuch abzustatten. Dieser Gott, dessen Antlitz sehr
prachtvoll glänzte , sah dem Verstorbenen vollkommen ähnlich,
wesshalb die Familie glaubte, dass dieser wieder in’s Leben
gekommen sei. Der Gott darüber erzürnt, hieb das Trauerhaus
in Stücke, und kehrte zur Erde zurück. Die versammelten Göt
ter sahen wie seine glänzende Gestalt dem Futa-wo-futa-tani
den zwei Thälern der zwei Bergrücken sich näherte,
und sangen das folgende Lied. Nach Andern war es Sita-teru-
fime, die Schwester des Gottes, welche den Göttern durch das
Lied kundgab, dass ihr Bruder in dem Thale glänze,
Ame-naru- ya
Woio - tanabata - no
Una - gascru
Tama - no mi - sumaru - no
Ana - clama - faya
Mi - tani - futa watarasu
Adzi - suki - taka - fiko - ne.
326
Die im Himmel weilende
Junge Weberin,
Die um den Hals sie trägt,
Von den gereihten Steinen
Der hohlen Steine Glanz
Setzt über die zwei Thäler.
Adzi - suki - taka - fiko - ne !
Das Lied sagt hier, dass die Sterne, welche das Halsband
in dem Sternbilde der Weberin bilden, über die zwei Thäler
setzen, versteht aber darunter den Gott Adzi-suki-taka-fiko - ne,
der gleich diesen Sternen über den zwei Thälern glänzt, was am
Ende durch die Setzung seines Namens deutlich gemacht wird.
ame-naru, im Himmel befindlich, ist
die Zusammenziehung von kl" — / J ame-ni aru.
|' ^ woto, hat eigentlich die Bedeutung letztgeboren
mit dem Nebenbegriff von Schönheit.
i. mi, in dem Worte ^2 X ist eine Ehrenpartikel.
kl" "3 X sumaru, an einer Schnur gereiht sein,
ist dialektisch das Neutrum von yi^j"X suburu.
^ faya, der Glanz.
k. mi, in ^ 'J — hat die Bedeutung wirklich,
und dient zur Verstärkung des Ausdrucks.
tani-futa,
Version statt =. ^ .
die Thäler zwei, ist eine In-
X 7 p. V watarasu, ist grammatikalisch das Tran
sitiv: übersetzen lassen, hat aber eine intransitive Bedeu
tung. Durch das Transitivum werden, so wie in der neueren Sprache
durch das Passivum, die Zeitwörter in Ehrenzeitwörter ver
wandelt.
In dem Kami-yo-no masa - koto stehen diese Verse mit
einigen Abänderungen und etwas verschiedener Sylbeuabtheilung.
Der Name des Gottes heisst in ihm Adzi-siki-taka - fiko - ne,
und der seiner Schwester: Taka-firne.
327
^ P
1 *
)
Amc - narrt, - ya
Woto - tanabata - no
Una - gaseru
Tama - no mi - sumaru
Mi - sumaru - ni
Ana - dama - faya
Mi - tani - futa watarasu
Adzi - siki
Taka - fiko - ne - no
Kami-zo - ya.
Die im Himmel weilende
Junge Weberin,
Die um den Ilals sie trägt,
Die Steine wie gereiht,
In Reih’n gereiht,
Der hohlen Steine Glanz
Setzt über die zwei Thäler.
Adzi - siki -
Taka - fiko - ne
Der Gott.
7
f
t
1
P
7
P
V
P
7
X
7
Jt vw
-3 —
7
1 P
)
L
X
-5
VW
'7 %
f I'
f P
t f
VW
p
)
Die Götter oder nach Anderen die Schwester des fremden
Gottes sangen hierauf noch folgende Verse :
328
'f
V
M
7
t
3
3
')
3
y
•a
3
•f 7
7
1
■5
7
M
T 3
*
7
*
'f >f
V' V
T 3 ^
7
*
7?
7
f
iz.
I'
Ama-sakaru
Fina - tsu me - no
Iwatarasu seto
Isi- kawa kata - ftitsi
Kata - futsi - ni
Ami - fari watasi
Me - ro yosi - ni
Yosi - yori ko - ne
Isi-kawa kata-futsi.
t
f
7
y
)
7
-3
t
7>
Die im Himmel einsame
Schlichte Tochter ,
Wo sie übersetzt, die Furt
Ist des Felsenflusses Seitentiefe,
An der Seitentiefe
Das Netz spannend setzt sie über.
Die Augen näher,
Immer näher kommen.
Des Felsenflusses Seitentiefe.
„Die im Himmel einsame schlichte Tochter” oder eigent
lich „das schlichte Weib” ist ein unerklärter Ausdruck, der mir
sonst nirgends noch vorgekommen, der aber auch nur ein
Sternbild, vielleicht dasselbe wie das der Weberin, bedeuten
kann. Die „Seitentiefe” ist die neben einer Tiefe befindliche
seichte Stelle eines Flusses. „Die Augen” sind die Augen des
Netzes. Der Sinn ist: Die „schlichte Tochter” setzt über den
Fluss, und spannt das Netz aus, um Fische zu fangen. Während
sie dieses emporzieht, kommen die Augen desselben den Göttern
immer näher. Dieses bezieht sich wieder auf den Gott Adzi-
suki-taka-fiko-ne, der gleich dem genannten Sternbilde an dem
Flusse dieser Thäler glänzt.
329
yv*--jl *ij- s ciliar u, getrennt, abgeschieden sein.
,y j- fina-tsu von j- t fina, gemein, mit >7 tsu
der Possessivpartikel.
X y V 'i iwatarasu, übersetzen, so viel als
p. *1 wataru > m ‘ t ^ er Anfangspartikel /f i, und durch
das Transitiv in ein Ehrenzeitwort verwandelt.
tJ y me-ro, die Augen, obsolet statt ^ y me - ra.
— Ü' 3 yosi-ni, statt — ~\L 3 yose-ni, von dem alten
X 3 yosu, sich stützen, im Sinne von sich nähern.
)J 3 i/ 3 yosi-yori, zwei verschiedene Zeitwörter,
deren jedes sich stützen oder sich nähern bedeutet, statt
!)
kommen werden oder mögen, das
Concessivum von lciru, kommen, abgeleitet von 3
rn Sprache heisst ^p ^
3 yose - yori.
^: 3 lco- ne,
ko-nu. Das Concessivum der neuer
ki - tare.
Diese beiden Lieder werden heut zu Tage l) 7" ■)- t
fina-buri, die gemeinen oder schlichten Weisen ge
nannt, ein Name, den sie von der Unregelmässigkeit des Vers-
masses erhalten haben. Das letzte derselben wird in dem Kami-
yo-no masa-koto nicht angeführt.
Regierungsrath C h m e I las Nr. IX. seiner kleinen histo
rischen Mittheilungen, vier Briefe des Hanns Ungnad an Kaiser
Ferdinand I. und König Maximilian von Böhmen enthaltend.
Obgleich die Quellen zur Geschichte des Hauses Habsburg
in dem Jahrhundert seiner grössten Bedeutung (von 1476—1576)
eine eigene Abtheilung unserer „Fontes rerum austriacarum” bilden
sollen und in verschiedene Gruppen zerfallen, in denen das
bereits gedruckte Material (im Auszuge) mit dem noch bisher
unbekannten (theils vollständig, theils ebenfalls auszugsweise)
in gehöriger Verbindung mitgetheilt wird, so glaube ich doch,
Einzelnes, was insbesondere persönliche Verhältnisse
beleuchtet, auch abgesondert veröffentlichen zu dürfen, zumal
da am gehörigen Orte auch späterhin auf derlei Publicationen
hingedeutet werden kann und soll. —
330
Zu den wichtigsten Verhältnissen des Hauses gehören
ohne Zweifel seine Stellung zur Kirche, sowohl im Ganzen, als
insbesondere zu dem Clerus seiner Reiche. —
Man kann nicht sagen, dass dieselbe schon hinlänglich klar
gemacht worden, im Gegentheile, es herrscht darüber eine
grosse Verwirrung, ein Widerspruch der Ansichten. —
Indess die Einen das Haus Habsburg zum Bollwerk der
römisch-katholischen Kirche machen und dasselbe aus eben die
sem Grunde theilweise mit grosser Bitterkeit anfeinden, hört
man Andere über das G eg entli e il klagen und die Beschuldi
gung aussprechen, dass es die Freiheit der Kirche mehr als
billig beschränkt habe. — Beide Parteien führen Thatsachen
für sich an, theils wahre, theils entstellte. Hiess ja schon der
Stifter des Hauses, König Rudolf I., der P f a f f e nk ö n i g,
weil er der Kirche nicht nur allein nicht entgegenwirkte, sondern
sich sehr fügsam und nachgiebig bewies, und dafür auch vom
Clerus kräftigst unterstützt wurde. —
Auf der andern Seite ward aber unter Carl V. Rom,
der Sitz des Papstes, geplündert, und er selbst in der Engels
burg sieben Monate lang belagert. — Eiferer sprechen den
Vorwurf aus, dass das Haus Habsburg das Lutherlhum hätte
unterdrücken können, wenn es gewollt hätte. —
Wenn unsere Geschichte von jeher mit mehr Verstand und
Consequenz wäre bearbeitet worden, so hätten wir bereits schon
gesammelt, was uns noch immer fehlt, einen Codex diplomaticus,
eine Sammlung von Actenstückcn, ohne die alles Raisonniren
nichts hilft, nur leere Zungendrescherei ist. — Die Geschichte
beruht auf Zeugnissen und die wollen aufgesucht sein und ge
prüft. — Darum muss uns alles willkommen sein, was auf
eine schlagende Weise die Verhältnisse klar macht, vor allem
aber sind uns willkommen — Briefe, in denen sich der Charactcr
ausspricht. — Gutachten, Promemoria’s, Denkschriften, Selbst
bekenntnisse, kurz solche Actenstücke, die uns in die Begeben
heiten, ihre Ursachen und Veranlassungen selbst einführen, —
das ist’s, was uns Noth tliut ‘). —
1) ich muss bei dieser Gelegenheit aufmerksam machen, dass ich durch be
sondere Gunst des Schicksals in Stand gesetzt bin , höchst wichtige
Actenstücke zur Geschichte der kirchlichen Verhältnisse in Oesterreich
331
Ich theile hier einige jüngst aufgefundene Schreiben mit,
welche Hanns Ungnad, der bekannte Beförderer der Anstal
zum Drucke croatischer Bücher mit glagolitischen und cyrilli
schen Buchstaben, an Kaiser Ferdinand I. und seinen Sohn
Maximilian richtete, die auf seine eigenen Verhältnisse so wie
theilweise auf die Ansichten und Charactere der Fürsten be
deutendes Licht werfen.
Bekanntlich war Hanns Ungnad früher in kaiserlichen
Diensten, ein thätiger, vielfach verdienter Mann, zugleich aber
auch ein Freund der neuen evangelischen Lehre, wie so Viele
aus dem Herrenstande. Die Bittschrift der nieder-österreichischen
Länder an K. Ferdinand (Prag 8. December 1541), dass der
König in seinen Landen die Predigt des heiligen Evangelii nach
rechtem, christlichem Verstände, nebst dem Gebrauch des heiligen
Abendmahles nach Christi Einsetzung, ungehindert gestatten
möchte, ist auch von ihm unterzeichnet. Da er in seinem Vater
lande den freien Genuss des göttlichen Wortes und der Sacra-
mente nach seiner Ansicht entbehren musste, wanderte erl554(?)
nach Sachsen aus. Er lernte eine junge Gräfin von Bamberg
kennen. Diese ward durch feierliche Trauung auf dem gräflichen
Schlosse zu Bamberg den 1. Juli 1555 seine zweite Gemalin und
liebte ihren alten Eheherrn so zärtlich, dass sie seinen Tod vor
lauter Gram nur kurze Zeit überlebte.
Ungnad wählte, da er an eine Rückkehr in sein Vaterland
nicht denken konnte, Würtemberg zum bleibenden Aufenthalte und
der Herzog (Christoph) überliess ihm im Städtchen Urach den
Münchhof, das ehemalige Stift St. Amand zur Wohnung. Hier
nun wirkte Ungnad nach seinem Sinne und errichtete eine Dru
ckerei für slawische Bibeln. — Er starb auf einer Reise nach
Böhmen (um seine Schwester, eine verwittwete Gräfin von
Schlick zu besuchen und vielleicht mit K. Maximilian in Prag
zusammenzukommen) am 27. December 1564 1 ). Die hier mit-
unmittelbar nach dem Tode K. Josephs II. (1790) zu veröffentlichen; sie
sollen im ersten Hefte des Jahrganges 1850 unsers „Archivs” mitgetheilt
werden, und noch im Laufe dieses Monats erscheinen. Mögen sie in die
ser Zeit der Neugestaltung unserer Verhältnisse nicht unbeachtet bleiben
von denen , die auf diese Gestaltung Einfluss nehmen.
*) Vgl.: Slavischer Bücherdruck in Würtemberg im 16. Jahrhunderte. Ein
literarischer Bericht von Chr. Fried r. Schnürer, Prof, in Tübin-
Sit/.b, d. philos. histor. CI. Jahrg. 1849. X. Heft. 25
332
getheilten Schreiben werfen auf seine Verhältnisse bedeutendes
Licht.
1. Ein Schreiben desselben an König Ferdinand I. (bei
läufig 1550), womit er die ihm angetragene Stelle eines Feld
hauptmannes der fünf nieder-österreichischen Länder gegen die
Türken ablehnt.
* 2. Schreiben Hannsen Ungnad’s an König Maximilian (von
Böhmen) vom 3. Mai 1557, worin er demselben freimüthig die Ur
sachen auseinandersetzt, die ihn bewogen, seinVaterland zu meiden.
3. Schreiben desselben an Kaiser Ferdinand I., vom
22. August 1559, worin er denselben inständigst bittet, ihm die
ausständigen Besoldungsgelder zukommen zu lassen. Mit einer
Specification seiner Dienste und einem Schreiben an eine Tochter
K. Ferdinands.
4. Schreiben desselben an König Maximilian II., vom
22. October 1561 , worin er ihm seine Angelegenheiten em
pfiehlt und Nachricht gibt über den Fortgang seiner literari
schen Unternehmung der slawischen Bibelausgabe.
1.
Allerdurchleuclitigister Grosmechtigister König , Allergene-
digister Herr. Auff das mir Eur. Mt. etc. vor verschinen tagen gene-
digist furgehalten, wie Eur Ku. Mt. genedigist vorhabenns ge
west sein, mich das verschinen jar zu einem Oberisten veld-
haubtman furzunemben, vnnd mir dieselb genedigist zuuertrawen
unnd zubeuelchen, welches aber an mir mannglich erschinen weer.
Nicht minnder aber sey Eur Ku. Mt. nachmals genedigist ent
schlossen mir solliche veldhaubtmannschafft über dy funff nider-
osterreichische Lannde allergenedigist zuuertrawen unnd zube
uelchen, das ich mich sollichem nach gemelter veldhaubtmann-
schatft auff angeregte Eur mt. genedigist ansinen gehorsamist
beladen solle, wie dan sollichs Eur. Ku. Mt. mit merern gene
digist an mich begerdt unnd fux-gehalten haben, darüber ich
von Eur Ku. Mt. etc. nach meiner underthanigisten danngkhsa-
gung meiner unnderthanigisten notturfft nach umb ain bedacht
gen 1799. VIII. 128 S. in 8. — Kopitar, slavische Grammatik (krai-
nerische) p. 454—457. — Dobrowsky’s Slavin. Zweite Ausgabe (von
w. Hanka) Prag, 1834. S. 191 — 193.
333
gehorsamblich gebetten, der mir dann von Eur Ku. Mt. etc. aller-
genedigist zucgelassen worden. Damit ich aber Eur Mt. angc-
zaigten meinem underthanigen bedacht, auff das sich Eur mt.
genedigist darnach ze richten habe, eröffne, so zaig ich Eur
Ku. Mt. etc. darauff gchorsamist an, das ich mich erstlichen
gegen Eur Ku. Mt. als meinem allergenedigisten Herrn sollicher
hewisnen gnaden, mich also zu einem sollichen unnd hochen
ambt genedigist zu befurdern nachmals unnderthanigist bedanng-
klien thue, mit verleichung gütlicher gnaden, solches mein leben-
lanng umb Eur Ku. Mt. mit meinem armen vermugen Ieibs unnd
guets zuverdiennen.
Unnd zaig Eur Ku. Mt. darauff gehorsamist an, vveill Eur
Ku. Mt. etc. allergenedigist wissen, was Eur Mt. auch der
selben lannden unnd leitten an sollichem hochen ambt hoch unnd
trefflich gelegen, unnd so ich mich als disses ambts unerfarn unnd
auch sonnderlich desselben tliuen wesen unnd inhalt mir nicht
wissundt oder erinndert gleichwoll pisheer mer als ain Oberisten
ier thuen Ordnung unnd hanndlung auch di ierrung, so sych
durch mer Nation unnd annder zerrittlich wesen unnd sachcn
zuegetragen erlebt unnd zum thaill erinndert, pey dennen ich be
funden, .auch noch, wo nicht gar ernnstliche ennderung unnd
statte gewisse Ordnung furgenumen unnd volzogen, das sich ein
oberister mer unfalss dan guetter aussrichtung (sonnderlich gegen
disem geschwinden veindt) zuuersehen hat.
So tragen auch Eur Ku. Mt. genedigist wissen, dieweill
ich nun zum thaill vermerckht, das dy löblichen Eur Mt. funff
niderosterreichisch erblanudt für Kriegsvolckh als maist thails
martolossen unnd Hussarn halten möchten, das ich derselben
sprach unerfarn unnd gar nit khan, unnd dy marttolossen in wel-
lich zu regiern gar in khainem gebrauch durch weliches dann
ainem Öberisten ain hocher meungl, unnd dardurch pald etwas
versainbt werden mag, so sein auch sonnst in warheit genedi-
gister Kunig souil Sachen die zum Krieg gehörn unnd sollen
menngl erschein, als dann pei souill lannden unnd nacion pald
beschehen mag, und pisher villeicht möchten beschehen sein.
War nicht allain Eur Ku. Mt. unnd des lanndt nachtaill, sonn-
der ein Oberister gar nichts fruchtparss ausszerichten muglich, der-
halben zuuor sonnderlich mir auferloffen Sachen hoch zubedenngkhen
25 *
334
wo di all erzeldt Eur Ku. Mt. etc. darin bemuet wurden, derlialben
pey mir aufls höchst bedacht, das ich den nacbtl so Eur Ku. Mt.
lannden unnd leutten durch mich meiner unschigkhlichkhait halben
zuesteen möeht mit dem höchsten zuverhueten schuldig pin.
So tragen auch Eur Ku. Mt. gcnedigs wissen, welcher-
massen ich ain Zeit heer mit besclnvärer leibs sclnvachait be
laden gew r est, derlialben ich zu furkhumung aines meines merern
gewartunden Schadens unnd nachtls mit Eur Ku. Mt. genedi-
gister zuelassung in Italia zu dem beruembten Doctoresn, alda pei
inen hilff unnd ratt zu phiegen mich erheben muessen, bey den-
neu ich in rat befunden, wo ich mich der uberigen sorg unnd
menigfeltigen arbait nicht enndtladen oder bemuessigen , das es
mir nicht allain zu khurczung meines lebens ursacli geben sonn-
der zu einen eillunden Fall raichen wurde, wie ich dan sollichs
vor Eur Ku. Mt. unnderthanigist Bericht gethan. So haben auch Eur
Ku. Mt. genedigist zuerwegen wer sollich hoch ambt annimbt,
war es wo annderst ainer das so er seiner phlicht unnd gvvis-
sen nach vericlüen will für täglich und stündlich unnd gleich
schier all augenplickli sonnderlich gegen disem geschwinden
veindt arbait unnd nacligedenngkhens bedarff, das ich mich nun
erst hierüber aines muellichern unnd hochern ambts, nachdem
ich mich ainer ringern purden auss unvermuglichait wie ich vor
Eur Ku. Mt. etlich mall unnd ieczt mit khurcz obuermelt meines
leibs unnd guets zucnndladen angezaigt, verursacht worden bin
unndersteen, unnd darzue wo auss unglugkli auss obgemelten
Ursachen Eur Ku. Mt. derselben lannd unnd leutt nachtaill oder
schaden eruolgen solle, das wäre mir nicht allain hoch erschregkh-
lich sonnder in ew igzeit ain beschwarter, unnd piss in mein enndt
ein herczlicher lasst, mein und meiner khinder verderben sein wurde.
Zudem auch genedigister Kunig, bit ich Eur Ku. Mt. unnder
thanigist allergenedigist zu erwegen. Ob nun gleich von gemal
ten funff niderösterreicliisch Lannd ain hillf furgenumen unnd die
mit Martolosen unnd Husarn zu halten bewilligt wurde was
doch mit dennen ausszerichten oder auch schaden zuverhueten
woll muglich, dan on zweiffel so pald der Turgkh ain solliche
ordnung erindert, das sollich anzall volgkh sonnderlich Marto-
lossen zuhalten furgcnomen, das der Turgkh seine Wässhe top-
pelt unnd mer besterkhen unnd damit weder mit den Martolos-
335
sen dieweill khain merer nachtrugkh verhaunden, auch mit den
geringen pliärdten sich nichts annders als niderlag spot unnd
nachtails zuversehen unnd meines achtens mit solher khlainer
anzall, die auch nimer oder gar seilten pei einannder gehalten
mugen werden, nichtz fruchtparss ausszerichten wol muglich.
Weitter tragen auch Eur Ku. Mt. genedigs wissen wie
offt unnd villmallen ich Eur Ku. Mt. mein nottwenndig unnd
hochwichtig Ursachen, das ich mich auch der Lanndsshaubtman-
schaift in Steil* weitter uit beladen khan noch mag, gehorsamist
angezaigt, unnd sonnderlich jungist mich auff Eur Mt. genedigist
begern allain piss auff die jeczkliumendt erst Fasstwochen zu-
vervvaldten gehorsamist unnd nit weiter angenomen, darüber
mir von Eur Mt. genedigister beschaid wie dan Eur Mt. gene
digs wissen tragen eruolgt, auss welichen meinen Eur Mt. fur-
gewendn Ursache ye mein grosse unnd hoche notturfft eruordert,
mich ain zwai oder drew jar pei den meinigen anhaimbs zu ennthal-
ten unnd mich dergleichen ambten unnd schwären verantwurtung
zubemuessigen, dan nit wol muglich welcher dienner sollich amb-
ter recht unnd trewlich hanndlt, das er den Seinigen warten
khann, wie dan ich pisheer in Eur Mt. dieunsten nit allain das
meinig verzert, sonnder meiner armuet nicht warten unnd den
meinigen zuhilff khumen mugen, sonnder pistheer unverscliuld
umb alles das khumen, so mir got der alineclitig an leib und
guet genedigclich geben. Das mir auch weiter dermassen hannd-
lungeu furgevallen unnd in rechtfuerung khumen, unnd das sonu-
derlich mein hausfrau umb all ier ererbt hab unnd guetter so
sy mir zuegebracht und dauon ich mich pisheer in Eur Ku. Mt.
schwären dieunsten erhalten angesprochen unnd in recht gela
den und citiert worden ist, auch meinen aigen guettern als
perkhwerchen und anderer meiner armuet, und auch zum thaill
meines bruedern vilfeltigen unnd liochen notturfften, namb-
lich zur abledigung und nachkhumung unnsern Verschreibungen
unnd gemachten schulden, darin wir also in Eur Mt. gelrewen
diennsten gewachsen unnd auf unns mit verphendung unnserer
gueter genumen wider zu hilf khumen unnd uns aufs genauist
einzyehen unnd den Sachen warten muessen.
Allergenedigister König. Eur Ku. Mt. bit ich auch unnder-
thanigist mit gnadenn zuerwegen, nachdem mir auch got der
.336
almechtig ain haussfrawen geordnt unnd geben bat uund ich also
solch hoch ambt annemben soldt, das es nit allain mir sonnder
yecz gemelter meiner bausfrawen wie E. Ku. Mt. allergenedigist
zuerwegcn haben hochbeschwarlich sein wurde, das ich also
von yer abwesig sein, des dan wo ich annderst dem ambt trew-
lich warten, die maist zeit im jar beschehen mueste, welcbes
dann auch nit ain khlainc ursach ist, das ich also in diesem
fall gedachte mein hausfrau dieweill mir doch got der herr die-
selb wie gemelt zuegefuegt hat verlassen soll.
Derhalben unnd auss oberzelten meinen hochen unnd an-
sehlichen Ursachen nach bit ich Eur Ku. Mt. wellen also mein
unnderthänigiste unnd billiche enndtschuldigung allergenedigist
bewegen unnd mit gnaden annemen uund mich also solchen
hochen ambts auss vermelten meinen gegründten Ursachen ge-
nedigist zuerlassen unnd an mein pisheer gethonen unnderthäni-
gen diennsten allergenedigist zufriden sein, unnd sonudcrlich
genedigist bedenngkhen, das ich unnd schier der ganncz Namen
Ungnadt manns unnd weibs personnen Eur Ku. Mt. unnd der
selben hochloblichen Ku. Stamen Eur Mt. lanngheer gedicnnt,
unnd nochdem merern thaill diennen, zuuor das albeg Eur Ku.
Mt. hochlöblich voreitern mein unnderthanig eitern albeg trew-
lich nuczlich unnd erschiesslichen gediennt. Wie ich aber in
etlichen unnd vill unverschuldten Sachen in widerwärtigkhait
gestannden, das liab ich in gueter erfarnhayt unnd ist auch bei
villen offenwar, sollt ich nun in aincm sollichen ambt auss dem
unfelligen unnd irrigen wesen ain nachtl emphahen, gewiss ge-
nedigister khunig wurde es dahin raichen das mir sollichs mit
ainer lenngern unnd praitern elln als anndern gemessen, dardurch
ich E. Ku. Mt. zu ainem ungenedigisten khunig erlanngen, dar-
uor mich got der almechtig well behueten, das ich sollichs nit
verschulde, deshalben myr sollich hochwichtig Sachen zu bedcnn-
khen nicht gering ursach geben.
Allergcnedigister König, ich hab auch unnderthänigist be
dacht dieweill ich der weldt art zum thaill waiss, uund dieselb
in mer weg gespurt unnd erkhent, ob Eur ku. Mt. furkhämb,
ich wolt mich vor disem ungläubigen veindt besorgn unnd mich
darurab nit gebrauchen lassen, darfur bit ich Eur ku. Mt. unn
derthänigist Niemandt hierinnen khain glauben zugeben. Unnd
337
mag Eur ku. Mt. mein unnderthanig hercz unnd gemuct hier-
innen gehorsamblich anzaigen unnd eroflfen, wan ich secli, das
ain rechts ordenlichs wesen unnd durch ain geschikht liaubt
das Kriegswesen gehanndlt unnd die notturflft daraue etwas
verbanden, das ich mit der höchsten warhait bezeug und bei
meinem phlichten anzaigen mag, dieweill doch laider zesehen,
das dieser fünf lannd wesen in aller geuerlikhait unnd abfall
steen, nichts Hebers auff erden thät, dan unnder aincm ordenn-
lichen gueten Kriegswesen mit ainer anzall phärdten lag, unnd
ich aufs allermaist so möglich gegen dem veinndt gepraucht
wurde, dan in warhait genedigister khunig der veindt nicht so
graussamb als man den acht (wie woll der khains wegs zuuer-
achlen) unnd zweiffel Eur Mt. nicht, umb wen ich mich in sol
chen khlainen Sachen als dan gegen dem veindt wurde annemen,
wolt ob got will nichtz verwarlosen, unnd vill mer hoffnung
gegen dem veindt, was mit Abbruch wo ich nachtrugkh het auss-
zerichten, dan was zuuernachtln, hoff auch zu got dem almech-
tigen so Eur ku. Mt. ainsmals wider den Ungläubigen werden
anzichen unnd ich Eur Mt. zu ainem dienner geuellig Eur Mt.
werden mich als derselben getreweu dienner der sein leib unnd
leben nicht sparen wierdt, neben anndern erklimmen. Das hab
ich Eur ku. Mt. allain unnderthanigist anzaigenn wellen, dieweill
die weldt also geschwindt unnd genaigt, unglaich raitung zu
gedenkhen, das Eur ku. Mt. mein gehorsam gemuet unnd enndt-
schuldigung hierinnen grundtlich mit gnaden wissen emphahen.
Unnd bit Eur ku. Mt. wellen ob diser meiner gegrundten unnd
warliafftigen enndschuldigung khain ungnadt tragen, sonnder
mich auss oberzeltcn Ursachen des ambts genedigist erlassen,
unnd mich mit gnaden bedengkhen und beuolhen haben. Tue
mich Eur ku. Mt. etc. als meinem allergenedigisten Herrn unn-
derthanigist unnd gelioi’samist beuelchen.
E. Rö. Ku. Mt. etc.
unnderthanigister und gehorsamister
Hans Ungnadt.
Von Aussen :
Hannsn Ungnaden etc. unnderthanigen enndtscliuldigung. Dem
Herrn Vice Cannczler zuetzustellen in ansehung das sollichs
kain Cainersacli.
Gleichzeitige Abschrift. Haus- und Staats-Archiv.
338
2.
Durchleuchtigister Grosmechtiger Khonnig. Gnedigister
Herr. Eur khonigklich wuerde sein mein gehorsamb unnd un-
dterthcnnig diennst alzeyt bereyt. Ich bith E. K. wuerde in aller
gehorsamb unnd uudterthenigkheyt, die wellen dis mein schrei
ben mit khonigkhlichen cristlichen hertzen unnd mit gnaden
verneinen. Gnedigister khonnig. E. khö. wuerde die haben nu
gnedigist vernumen, in was lieben klireitz ich stee, daraus er
folgt, das ich mich aus meim vatterlannden, unnd aller meiner
Embter endtschlachen, das ich auch sollich mein höchsten unnd
gegrundten Ursachen der Röm. Khöu. Mt. etc. meinem aller-
genedigisten geliebten Herrn unnd Landtsfürsten unnd darin was
gestallt mich mein gwissen unnd phlicht gedrungen, diemuetigist
gehorsamblich unnd unndterthennigist schrifftlich angezeigt, unnd
wiewoll dieselben schrillten etwas lanng unnd fursorg trag,
das dieselben E. kh. W. etc. nicht gnuegsamb furkhumen, hab
ich es doch warlich nicht khonnen meiner höchsten notturfft
nach, dieweil ich diesen höchsten handl mennig'khlich grundt-
lich zu wissen machen, damit nicht jemandt die khön. Mt. oder
E. khö. W. etc. unnd auch niemandt anderen felschlich min
derst brichten möclit unnd das ander ursach weren, das ich mein
vatterlanndt unnd embter verlassen hett, anderst thuen möch
ten, die schrillten khurtzer stellen khinden, unnd bithe erst
lich mit höchster undterthainnigkheyt, die wellen dieselben
schrillten umb meiner undterthennigen lannggetliannen diennst
willen mit gnaden verneinen, weliche schrillten ally meine
sun unnd dinner bey hannden haben.
Unnd dieweill dieselbigen meine undterthennigen schrillten
all mein lieben gnedigen ewigen Gott, mein seil heyl mein
gwissen unnd phlicht berierdt, wiewoll ein guette zeitt beer
sunderlich in den jüngsten zwaien landtagen zu Gretz, wie ir
llö. khun. Mt. etc. daraull gewest, gar ernstliche ungnedige
unnd myr armen dienner aulls höchst enndtsetzliche furhalten,
von ir khö. Mt. etc. aigen hochen khonigkhlichen personn be-
schechen so hab ich doch wie hertzlich gern ichs getlian hätt,
hierin nicht gehorsamben, unnd von dem absteen khonnen, wie
es ir khön. Mt. etc. an mich armen dienner begerdt, hett es
aber zeitlichs alls guetter unnd all derselben hochsty beschwe-
339
rung antroffen, so wollt iclis auflfs iliemuettigist gehorsamb glaist
haben. Dieweill es aber die gebott des allmechtigen ewigen
Gottes, die falsch oder rain khirch, auch mein seligheyt antrof
fen und ich aus gegrundten ursacb reichlich gwis warhafftig
unnd ewig bestendig befunden, das ich aulf khainen anderen
weeg mich begeben mugen, alls wie ich bisher offendtlich mein
glaubens Sachen ir kliön. Mt. etc. beklienndt, und ettlich jar
heer mich öffentlich erkhlert, hab ich gleichwoll verhofft, die
Rom. kliön. Mt. etc. mein allergennedigister Herr wurden meiny
ausfierlichen gegrundten Ursachen mit gnaden erwegen haben,
so hab ich aber bisheer allerley beschwerliche ungnadt ver-
merkht unnd auflf meiny undterthennigen schreiben gar khein
andtwurth erlanngen mugen. Allain sovill hat dj khön. Mt. etc.
meinem dienner zu Praag gnedigist geandtwurth, meine schrifTten
wern nicht Sachen, darauflf andtwurt vonnotten, darneben steen
mir auss, ir khön. Mt. gnedigist bewilligt Prouision, die ach-
taussendt gülden genaden gellt, Wie dann E. khön. Wuerde
mit gennedigist aus Jer khö. Mt. etc. beuelch zuegeschriben
unnd mir aufferleget bey der khamer umb die Verweisung an
zuhalten des ich mit schwerem unkhosten sider derselben zeytt
aulf Augspurgkh, Issprukh, Wienn, Praag nachgeschikht unnd
angehallten, das ich auch wider khonigkhlieher Mt. etc. Brieff
unnd sigl auch in mer weeg von anderen auch gewalltig unnd
hochnachtaillig handlung, gwallt unnd unrecht in dem allem,
unnd in ander weeg mennigerley spott unnd schimpf lange zeyt
mit meim nachtaill unnd verderben leiden inuessen, darin weder
gncdigisten beschaidt auch khein hilflf weliches doch wildtfremb-
den folgen soll, nicht erlanngen mugen, auch in ander weeg wie
jeczt neillich im Niderlanndt in meiner wolfarth bey khay. Mt.
etc. unnd khön. Wuerde zu Engellandt höchlich verhindert.
Wievvoll ich khön. Mt. etc. mein allergenedigisten Herrn hierin
unnd in nichtz unndterthennigist khein ursach gemeltz nachtaill
zuemesscn will, allain mein widerwerttigen sunderlich den gott-
lossen Waalsspfaflfen unnd ieren juristischen reth unnd geliulffen,
die mich in Ir khön. Mt. etc. tragen, alls sollt ich so gar lut-
triscli sein, wie sis nennen, die leutli verlieren , unnd ich sey
eins anderen frembden glaubenns. Darin thuen sy mir vor gott
unnd der wellt unrecht, dann ich khön. Mt. etc. gar lauter
340
undterthennigist zuegeschriben, was glauben ich bin unnd darin
ob gott will verharren unnd sterben will, das wem meiny
schrifften gnuegsamb ausfieren, unnd je mer ich göttlichen Be-
uelch nachfrag, lieer unnd liss, je mer seindt meine furgenumen
weeg unnd angezeigten ursach Gott lob in Ewikheyt grecht
unnd unuberwunden , und dieweill ich dann nichtz ubertretten
unnd nichtz gehandellt, dann allain das so mir unnd allen meu-
schen unnser gnediger lieber ewiger Gott bei höchstem auffgelegt,
unnd ich unnd all khristen in der heylligen Tauff mit höchstem
verphlichtet, so hab ich ie über das offenbar grundtlich wissen,
so ich durch die gnade gottes cmphangen nicht anderst tliuen
khonnen, hab auch vor eim jar dem armen blindten Laytter dem
Bisclioff von Laybach, alls der sich unndtersteet, mit sein ge
sellen und juristischen Retten die khirclien Gottes zu regieren,
dem ich aus khristliclier und schuldiger phlicht, mein lieben
gott damit zu gehorsamben, unnd mein lieben Herrn unnd ge
liebten khonig zu uerhuettung noch hocheren zeittlichs unnd
ewigs verderben angezeigt, das er sein häuften unnd seine
rattgeb khein Gottes khirch sunder ier eigen menschliche aigen-
nutzige selbst erdachty khirch nicht rain oder ordenlich hallten,
sunder zerdrimert, zerstordt, verlassen haben, weliches lautter
offenwar, hab im auch main glauben bekhenndt unnd was mich
geursaclit, das ich aus den vatterlannden vcrrukht, wie auch
bisheer nicht allain seiny gesellen, die vorigen hoffbrediger unnd
Ellemossinarij, unnd annder die sich die khirclien zu regieren
undterstanden, wie sie Gott mit gehem tod unnd verzweilflung
unnd beschwörlichen abschaiden gestrafft, in auch aufs höchst
alls ein armer khrist der gern recht tett unnd umb Gotts wil
len gebetten, er soll seinem bischofflichen ambt nach mich wo
er gwis wist, unnd mich mit göttlicher sclirifft weisen khouet,
oder in mein schreiben mir etwas mit grundt vernain oder
widerlegen khondt, das er mir die bruederlich lieb mittaillen
wollte, dann wo ich gewissen das ich irtte , so well ich mich
gwis diemuettigen und öffentlich pues thuen unnd bekliennen,
was ich unrechtz gethan unnd mein straff gern offenbar annemen
unnd gedulden, dann wo ers aber nicht thuen wurde, so wer
ich in vor gott verkhlagen mit mereren vermelden, aber auff
dise stundt mir nichtz geschriben oder seinen gethrewen crist-
341
liehen rath mitgetaillt unnd verschlikht, allso die grossen haubt-
punkhten die ich im geschriben unnd bruederlicli unnd khrist-
lich vermant, allso mues es woll durch sie gregierdt haissen,
was sy gedenkhen unnd ordnen das soll und mues sein, es bleibe
göttlicher beuelch die heyllige schrillt wo sy well, dartzue das
sy ehrlich cristlich Personnen mit falsch verkhlagen unnd ver
sagen an leib unnd seil zu uerderben ieren lust haben, unnd
wiewoll ich weis, das er unnd sein hauffen mit warhayt nichtz
verlegen oder widersprechen khan, zu dem so weis ich gar ge-
grundt unnd gar gwiss wie ich geschriben, das ich auch nur
mit aller bescheidenheyt gethan das es di warhayt ist. Unnd so
war ich glaub und wais das Gott gerecht, unnd unns armen recht
gläubigen menschen aus gnaden durch Jesum Cristuin erlöst unnd
zu genaden angenummen, also gwis aus göttlicher schrifft zu
wissen, das dieselben waalsspfaffen ier khirchen unnd leer der
höchsten göttlichen Mt. etc. unnd der göttlichen khirchen die unns
Gottes solm Jesus Cristus selbs gelernndt gebredigt unnd aus
göttlichem wollgefallen sein heylig khirch geordent hatt, zuwider
lernen, unnd ier khirch mit gewallt geprauchen unnd ob man
göttlicher schrilTt unnd der offenbaren rainnen khirchen nicht
glauben geben wollte, so soll sy doch der teglichen straff unnd
vergangnen gesichten bedenkhen, des grechten zorn Gottes glauben
geben, wie die khonnigreich lanndt unnd leuth imertzue gmach
hingenumen durch die gaisl Gottes den Turkhen veriagt, zer-
stordt, die menschen inns Ellenndt gefuerdt, summa gar aus
getilgt worden, wo di abgotterey unnd falsche Gottes khirchen
sein geschweigen, von den dreyen monorhyen so umb solicher
ubertrettung so von der christlichen Gottes khirchen abgefallen
unnd ier selbs khirch erdacht unnd geprauchen, von der cristen-
heyt in der tirannen henndt geben worden. So man dann aus
göttlicher schrifft von allen heilligen profetten, von gottes sohn
unserem seligmacher selbs getrewlich unnd vctterlich vor sol-
lichen falschen Lerrerern gwarndt unnd unangesechen, das der
ewig guettig Gott das wäre licht so rain unnd gnedikhlich an
tag gegeben unnd souuill hocher cristlicher khonnig cliur unnd
fürsten und ander hoch unnd nider standtz mit ier gar vill christ
licher frumben unergerlichen warhafftigen liochgelerttcn unnd
bredigaren unnd unczellich unnd gwis unczellich taussendt men-
342
sehen, die er aus gnaden Gottes erkhenndt unnd angenumen,
unnd unczellich menschen, die es auch noch gerne annemen,
wo die nicht erschrokhlich verhindert, noch über alles imer
forth in allem deine fortgeseezt, das Gott verbotten, weliches
vor Gott ein solicher greyll ist, das nicht allain der gerecht
unnd göttlich zorn Sodoma unnd ander steet lanndt unnd leuth
sunder hernach die ganncz wellt verderbt, unnd ob sie ie die
armen waalsspfaffen unnd iero weltweissen juristischen reth unnd
gehilffen nicht anderst unnd je von den lieben gott verstossen
werden wellen, sollen sie dochbillich annder löblich hoch unnd
nider menschen, darfur des allmechtigen Gottes sun sein heyl-
liges blueth vergossen, verschannen, weliche sie verlieren, di
auch am herrlichen grichtztag sambt allen ellementen über sie
khlagen unnd schreyen werden, unnd mag E. khön. Wuerde mit
höchster warhayt anzaigen, nimb es auch bey meiner höchsten
gwissen, das mir nichts hohers hiecz auff mein herczen für
herczlaidt unnd bekhumernuss ist dann das ich grundtlich unnd
woll weis, das röm. khön. Mt. meinem allergennedigisten ge
liebten herrn durch sie die armen waalsspfalTen unnd ier reth
unnd gehilffen, so mit erschrökhen unnd falschen khirchen leer ier
khön. Mt. etc. unnd ier Mt. etc. gethrewen landen so höchst nach-
taillig unnd felscblich rathen unnd lernen, weliches gwis den zorn
gottes weytter erwegkhen unnd nicht allain khain bestendig
glukh wirdt zumerkhen sein, sundern verderben zeitlicher unnd
ewiger vvolffardt (der Lohn sein wirdt) des dann die göttlich
schrifft lautter zeugt, das sein gnedigister khonnig mein hercz-
liclien bevvegung unnd Ursachen, das ich deshalben undter den
waalsspfaffen unnd in ier khirch mein leben nicht schlicssen will,
sunder in der di die liechst Mt. Gottes aus ewiger allerweis-
sisten rath unnd wolgefallen geordennt, die dann in disen lann-
den, da ich bisheer hin unnd wider mich auff gehallten unnd die
augspurgerische confession bekhenndt unnd gehallten wirdt unnd
dieweill dann ie pillich, das khein khrist soll hierin beschwerdt
oder verhindert werden, wie auch di röm. khön. Mt. etc. mit den
stenden des Reichs am negsten reiclistag des 55 jars beschlos
sen, lautt beiligunder zweyer artikhl, hoff ich ie unndterthen-
nigist, dye khön. Mt. werden hierin weitter mein unguedigister
khonnig nit sein, unnd meine widerwerttigen mich weyter zu
343
Ungnaden nicht bewegen lassen, erbeutt mich aber des ganncz
undterthennigist, so baldt die recht georndte khircli, darin die
kliristlichen prediger mit rainer göttlicher leer unnd mit raichung
der hochwirdigen sacramendt wie es gott geordennt, verglichen,
wie es dann in diesem lannden liochloblichist gehallten unnd mit
nichty khain abgotterey oder falschen gottes diennst gelitten
wirdt, will ich von stundt, mit weil) unnd khindt mich erheben,
der röm. khön. Mt. für allen anderen lierrn threwlichist unnd
auffrichtig diennen, wie ich dann jeezt der khön. .Mt. bey mein
edlen dienneren gehorsamblichen geschriben, unnd danneben der
khön. Mt. etc. furschriften von beiden löblichen churfürsten Sachsen
unnd Brandenburg auch von 1er khön. Mt. erblannden Steyr,
Kherndten und Crain, undterthennigkhlich zuegeschikht unnd Icr
Mt. mein hoclisty noth unnd obligen auch gehorsamist angezeigt,
unnd diemuettigist unnd gehorsamyst gebetten, mit mir allten
dienner ein khleine geduldt zu tragen bis Gott die zeyt besser
schikht und mir dasjenig, so mir Jr khön. Mt. zuegesagt unnd
mir durch e. khön. Wuerde zuegeschriben gnedigist vollziech
mich auch mein lanng gethanen diennst mit gnaden bedenkhen,
wie E. khön. Wuerde aus beyligunder copey mit A unnd B
(fehlen leider) mit gnaden zuuernemen haben.
Nun wais ich woll, das ich von meinen widerwerttigen
auch anderen welltweissen bescliuldet wierde, auch schon ieres
gifftigen redenns bericht emphangen, alls sey ich toll unnd nicht
recht bey sinnen, wie dann ir brauch ist, wer Gottes khirch
nachfragt, dauon reth oder dauon list, der mues albeg toll
sein, ich hotf aber gar unzweifflich unnd undterthennigkhlich
solichen falschen geisteren wer ein khrist khein glauben oder
statt geben, dann dise Sachen lassen sich nit scherczen, oder
von ainiclierley ruem geitz braclits oder wennigisten forttl wegen
handlen, dann der herr aller herrn sichts unnd weis di Sachen
treffen, auch nur sein göttlichen willen unndbeuelch, an ist es
doch alles offenbar, von wen ich sonnderlich auch den armen
vermaindten khirchen regierer dem bischoff von Laybach unnd
sein gesellen gemeindt unnd geschriben ist, dann nu nicht hertz-
Iaidt traurenfs unnd wainnens zeyt, wer will gern, der dem
willen unnd beuelch unnsers lieben Gottes weis annderst, dann
den khlaren lieben Gottes beuelch nachfolgen unnd solich hoch-
344
schedlich zeittlich unnd ewig verderben nicht fliechen unnd soll
sich niemandtz unnd khein khrist hierin ergeren, oh sy mich schon
hassen unnd felschlich ausgehen, sunderlich wem sie auch ver
melden, alls sy mermalls nu getlian, alls das ich mich dunkhcn
lafs ob ich der pest sein well, ob nicht ander khristen auch in
erblanden wcren mit meren falschen ertichten vermelden, wie
ir arth ist, das alles mues ich dem lieben Gott heueichen. Ich
hoff aber zw jedem frumben khristen unnd ehrlichen piderman,
der meiny schrifften list, das meiny Ursachen khristlich, löblich
ehrlich unnd nottwendig sein unnd trutz den waalsspfaffen, das
sy mir mit warhayt was widersprechen migen, zu dem so steet
in göttlicher schrifft, ein jeder sey seins glauhens gwiss , das
wais ich nu, Gott sey in ewigkheyt lob gwifs unnd ubergnueg-
samb gwis, will auch mein lieben gnedigen Gott teglich diemuet-
tikhlich sambt dem gemeinen gebett liertzlich bitten, das er
mich aus gnaden umb seins lieben suns willen darin gnedikhlich
erhallt, darumb wirdt bey kheinem khristen noth sein, der ann-
derst göttlichen beuelch liertzlich unnd treulich nachfragt, sich
zu verwunderen warumb ich di waalfspfaffen mit ier leer unnd
khirchen fleuch, di ursach sein in göttlicher schrifft unntzellich,
aber wer den beuelch Gottes obhin für obren gern lest, der wirdt
di notturfft sein selbs dest weniger erwegen unnd bedenkhen.
Ich wais woll das vill trefflich frumber khristen hoch unnd nider-
standtz vill vill sein, ich glaub das aber noch nicht vill offenbaret
werden, das steet mir nicht zuuertedigen, aber ein jeder wirdt
miessen am herrlichen grichtztag andtwurth thuen. So stehet
lauttcr in göttlicher schrifft, wer ainmall am phlueg griffen,
der soll nimer zurukh sechen, item wer Cristum vor dem men-
schen bekhenndt, den will Cristus Gottes sohn auch vor seinem
himblischen vatter bekhennen, wer aber sein verlaugendt, des
will er sich schämen. <
Unnd dieweill di ganntz heyllig schrifft uberheuffig voll ist,
unnd von der gantzen wellt unüberwunden, was der mensch zu
der selikheyt zuthuen zuerkhennen unnd zubikhenen schuldig
unnd in Gott allain vor äugen zu haben, darin ernstlicher gött
licher beuelch, das eiD jeder khrist woll vor teglich behertzi-
gen soll Gottes beuelch bey verhiettung der ewigen verdambnufs
mit aller höchsten vleis nachzufolgen, das E. khön. W. ich mei-
345
ner notturfft nach zu eroffung meines gantzen gemueths, das
ich nicht wie mich meine widerwärtigen ausgiessen unnd mir
woll furkhomen, aines neuen unnd frembden glaubens, sonnder
allain der augspurgerischen Confeffion anhengig unndterthainnig
ist anzaigen nit furgehn khonen.
Unnd gnedigister khonnig unnd Herr, weill ich in obge-
mellten etc. meinen undterthenigisten zweyen schreiben die röm.
khön. Mt. gehorsamist bitten thue, damit Jr khön. Mt. die fur-
genoinen ungnad, die mir doch ganntz unuerdiennt erfolgt, von
mir gennedigist aufheb und mit allen khonnigkhlichen gnaden
fallen, mich auch die widerwerttigen, so mich bisheer felsch
lichen in ir Mt. etc. getragen, verrer nit bey Jer Mt. zu Ungnaden
bewegen, auch dasjenig, so Ir khön. Mt. mir allergennedigist
durch E. khön. wuerde bewilligt unnd zuegesagt alls sechs
hundert gülden jerlicher prouision unnd achttaussendt gülden
genaden gellt allergennedigist folgen lassen, unnd meine nu lanng
erzaigte getrewe diennst mit khonnigkhlichen gnaden bedenk-
hen, dieselben ergeczen.
Unnd weil ich in hochen last der schulden stekli, ett-
lich derselben schulden allergenedigist auff sich nemen unnd die
gemellt Prouision in Erwegung meines allters gnedigist mehren,
wo nicht merers doch toplieren wellen auf das ich auch zu dem
lieben guedigen gott hoff nicht lannge zeyt bey der gottlossen
wellt zu leben, so langt an E. K. W. alls mein gnedigisten
khonig unnd herrn mein undterthennig unnd gehorsamb bitten,
die wellen mich in disem allem bey Ir khön. Mt. etc. mit
gnedigister furderung beuolchen haben, damit ich allter und
on ruem zu melden getrewer dienner, der in solichen diennsten
sein leib unnd gueth zuegesetzt unnd angewendt, mich der Er-
geczlikhheyt (wie es woll annderen, die bey weittem nit so
lanng auch in kheinem gefehrlichem gedienet, reichlichen eruolgt)
undterthainigist ruemen unnd erfreien muge, ursach haben ieren
diennst dester getroster zuerzaigen unnd sich nitt, wo ich jeczo
in meinem allter verlassen werden sollt, des ich doch unndter-
thennigist nit hoff sich zu spieglen unnd abscheich zutragen
desto mer ursach haben.
Ich hab auch gnedigister khönnig meinem sun Ludwig ein
verzeichnuss meiner diennst, souuill ich deren diser zeyt in eill in
346
gedechtnuss gehabt, zuegestellt unnd beuolchen, E. K. YV. die—
selb gehorsamist furzubringen. Bitli E. K. W. gehorsamist, die
wellen mir so gnedig erscheinnen unnd soliche in Eill gestellten
verzeichnus, wiewoll sy nit formblich oder juristisch unnd aber
mit der warhayt gestellt gnedigist lessen oder in bedenkhung das
dieselb etwas lanng nur zu E. khön. Wuerde gelegenheyt je zeit-
ten ein artikhl derselben furlessen lassen, damit E. khön. YV. etc.
solieher meiner diennst von jugendt auff nur ettwas gnedigist
bericht emphachen, das will umb E. khön. YV. etc. meinen gne-
digisten klionig unnd herren ich in undterthennigister gehorsamb
verdiennen unnd wo ich auch der hechsternennten khön. Mt. etc.
auch E. khön. W. gehorsamist diennen mag, wie es auch an
derer orthen eben so woll alls in meinem vatterlanudt besche-
cben mag. Des bin ich auff obgemellt weeg ungesparth meines
leibs unnd vermugens noch meinem armen statten undterthen-
nigist willig. Mag auch E. khön. YV. etc. mit grundt anzaigen,
das ich Ir khön. Mt. etc. der zeyt ich ausser meinem vatter-
lanndt abwessenndt woll so nucz und nuczer gewessen, dann
ob ich im vatterlanndt beliben, das dann Ir khön. Mt. etc. zum
taill aus der supplicatiori, so ich der Khay. Mt. etc. uberandt-
worth, dauon ich Jer Khön. Mt. etc. copy zuegeschikht, welicher
abschrifft mein sun aine beyhendig, gnedigist vernemen, so habe
ichs an enden und ortten nit weniger gethan. YVas mir aber
für wunderparliche andtwurthen an mer ortten erfolgt, wollt
ich das Khön. Mt. etc. unnd E. Khön. YVuerde dieselben wissen
sollen. Schikh E. Khön. YVuerde hienneben zwo furschrill'ten von
baiden Curfursten Saxen unnd Brandenburg aus von dreyen
Landtschafften Steyr Kherndten unnd Crain. Bith nochmalls und-
terthonnigist, E. Khön. YVuerde wellen dieselben gnedigist ver
nemen unnd in obgemellten meinen hochen ehhall'ten mein gne-
digister Khonnig unnd herr sein unnd bleiben. Thue E. Khön. YV.
etc. mich unnderthenigist zu gnaden peuelchen unnd bith die
selb gehorsamist umb gnedige schrifftliche andtwurt, mich haben
darnach zu richten. Das will ich allzeyt gehorsamblich verdien
nen. Dattum Draessden den 3. May anno etc. 57 i,len -
(m. p.) Eur Khy. YVirde
gehorsamer und unterleniger
Hanns Ungnad etc. p. m. p.
347
Dem Durchleuchtigisten Grosmechtigcn Fürsten unnd Herrn
Hern Maximilliono, Kunigen zu Beheimb Ertzhertzogen zw Öster
reich Hertzogen zw Burgundy, in obern und nidern Schlessien etc.
Marggrauen zu Mehrern Grauen zu Tiroll etc. meinem Gnedigisten
Herrn etc.
Orig. Papier, k. k. Haas- und Staats-Archiv.
3.
Allerdurchleuchtigister grossmechtigister Kayser. Aller-
gnedigister Herr. Eur Kay. May. sein mein underthenigist ge
horsam diennst alzeit berait. Eur Khay. Mt. bitt ich in aller
underthenigkait, diss mein schreiben mit kayserlichen gnaden
zuuernemen. Allergenedigister Kaiser. Alls auf jungst mein
abermals underthenigist anpringen, mein gnediger Herr Hertzog
Albrecht von Bayrn von Eur Khay. May. mir zwen allergenedi-
giste beschaidt erlanngt, hab ich Eur Kay. May. über jetzt
gedachte baid E. Mt. etc. allergenedigist gegeben Beschaidt, ,
mein Bericht widerumb underthenigist in schrifft gestellt, und
wenig tag vor E. Khay. Mt. auffpruch auf Augspurg abgefertigt,
und dieselben mein gnedigsten Herrn Hertzog Albrecht von
Bayrn wider gehorsamlich zugesanndt, dieweil sich sein fürstlich
gnaden meiner obligenden Sachen genedigclich beladen, unnd
weiter gehorsamlich gepetten, dise von meintwegen aus gnaden
E. Khay. Mt. etc. underthenigist zuüberantworten. Darüber mir
sein fürstlich gnaden schreibt und anzaigt, dieweil sein f. g.
zuvor mit E. Kay. May. underthenigist embsig und mit vleiss
bemuet gewest, haben auch damaln mir zu gnaden ains und
annders fürgepracht und gehanndlt, darauf auch Beschaidt em-
pfanngen, wie sein f. g. mein sun mir anzuzaigen gnedigclich
berichtet, darüber seiner gnaden allerhandt gelcgenheit gueter
und erheblicher Ursachen halben bedenncklich sey, E. Mayt. etc.
hierüber noch ferner anzulangen.
Dieweil dann allergnedigister Kaiser der erlanngte Be-
scheidt dahin sich erstreckt, das er auf mein mehrmals under
thenigist fürpriugen von der Niderösterreichischen Regierung
und inn annder weg auf bericht gestellt, hab ich immerdar zue
Wienn meine Süne solicitiern und vermanen, auch zu Augspurg
meine Dienner warten lassen, aber der Bericht derselben Zeit
Sltzb. d. philos. histor, CI. Jahrg. 1849. X. Heft.
20
348
noch nicht khomen, auch E. Khay. Mt. etc. gleich im auffprucli mit
vilen hanndlungen beladen und meine baid underthenigiste Be
richt meiner höchsten notturfft nach etwas lang und ausfuerlich,
liab ich solliclie meine Bericht meinen baiden elltern Sünen
zugeschikht, inen auflgelegt, E. Khay. Mt. etc. meinem allergnedigi-
sten Herrn mit gelegenhait so es sein kan underthenigist zu
überantworten, hab auch meinen Bericht auf khein anndern
grundt oder bericht anstellen wollen, sonnder E. Khay. Mayt. etc.
wie die Sachen gestallt und bisher angestannden, underthenigist
souil ich khürtzen mügen, verfasset, dann ich immer wie auch
pillich uuderthenigclich sorg, das Eur Khay. Mt. etc. meiner lan
gen und vilfeltigen gehorsamen diennst, dieweil ich sonnst nie-
mauds hab der mich befördert, auch die vilfeltigen Verhinderung
die mir allain meiner getreuen diennst halben eruolgt nicht för-
komen. Ob nun dieselben etwas lanng und gleichwol allerlay
beschwerung darinn eingezogen, bitt ich E. Khay. Mt. etc. umb
aller meiner lanngen gethanen diennst willen mir zu gnaden
dieselben Bericht mit gnaden anzesehen, das ich es allain zu
meiner höchsten notturfft thue, das E. Mt. etc. doch der henndl
und so beschwerlicher Verhinderungen, dern ich auch nur den
wenigem thaill vermeldt und durch wen mein abfall erfolgt,
mit gnaden wider ettwas erinndert werden, mit höchster under-
thenigister bitt, ob die ettwas weitleuffig allergenedigist nicht
dahin zuuerstehen, das ich mir mehrers damit zuziechen, allain
das E. Khay. Mt. etc. allergenedigist erwegen, wie mir bisher
inn mein lanngen und vil ansehenlichen emptern darinn ich inn
allen gferlichcn leulfen mit allem meinem höchsten trevven ver
mögen gediennt, nachent inn die 38 jar, alles umb meiner
trevven diennst willen so hoch beschwerlich und verliinderlich
Sachen zugestanden, dardurch ich mit leib und guet inns ver
derben gerathen und trifft auch zum thaill mein ehr und leumb-
den an. Solt ich dann allergenedigister Kaiser obenhinfarn,
E. Khay. Mt. etc. haben mehr zu thun alls der höchste löblich
Potentat, der auch kheiner inn der ganntzen Welt zuuerglcichcn,
E. Khay. Mt. etc. geheimen Rüth wissen von mein lanngen viljärigen
diennsten nichts, derhalben ich mein Bericht so lang und ausfiier-
lich gstellt und got warlich noch vil melirer ursach und obligen
anzuzaigen gehabt. Wüllen nun den E. Khay. Mt. etc. lenng halben
349
hiebt abhörn, so hoff ich doch underthenigist und unzweifflich,
E. Khay. Mt. erlass es darumb, das E. Kliay. Mt. etc. meiner
lanngen underthenigen diennst halben allergnedigist schliessen
und mich mit gnaden allergnedigist hedennkhen.
Zum anndern. Was die drey anforderung anlangt. Aller-
gnedigister Kaiser, es khomb für bericht was da wöll, so
vvaiss iclis mit gueter warheit nicht annderst, thue derhalben
mit grundt mein grosse notturfft, E. Khay. Mt. allergenedmst
wissen mögen, was ursach halben die Sachen so lang angestann-
den, kombt E. Khay. Mt. aber ain annder bericht, E. Khay.
Mt. wollen mir den allergnedigist zusenden lassen, ich will E.
Khay. Mt. ob gott will, underthenigisten bericht tliuen, der die
warheit mitpringen soll. So waiss auch der almechtig gott, das
ich ann E. Khay. Mt. mit höchster beschwerdt etwas under
thenigist bitten oder anlangen wolt, das ich mit beschwerdter
gewissen empfalien solt. E. Khay. Mt. wolle inn disem artickel
allergenedigist erwegen und schliessen, wie die selbst aus irm
lvochloblichisten khaiserlichen gemuet allergnedigist und mit
gnaden zuthuen werden wissen.
Was die herrschafft Gotschee antrifft, ist es offenbar, das
ain namhafft stuckh und mir E. Mt. etc. nichts darfür than, alls
da ich inn Italia mit der rüstung zue E. Khay. Mt. gen Ins-
prugk kam, bath ich E. Mt. umb acht oder neun pauren zu
Rorbacli, da ich teiclit liingericht, die mich warlich vil tausent
gülden gsteen. Haben E. Khay. Mt. ann meinn underthenigen
Bericht allergenedigist bedencken oder beschwerdt, bin ich zu-
friden, E. Mt. lass mir die Cotschee erblich, wie sy dann
erblich mein gewest, will ich oder mein Kinder dem Pfanndt-
schaffter zu gelegner zeit sein pfanndtschilling die 13000 gül
den wider geben.
Gleich auch mit den Reichenburgern, ob E. Mt. auch da
rinn mit meim anzaigen allergenedigist beschwerdt weren, so will
ich underthenigist daruon absteen, und mein bitt und anforde
rung wider zuruckh stellen, und die Reychenburgischen Erben
mit recht fürnemen. Inn dem und allem gschecli auch E. khay.
Mt. genedigist wolgefallen.
Was im anndern Bericht underthenigclich vermeldet, sein
manigerlay beschwer, die mir zugcfiiegt, die ich darumb inn
30 *
350
mein underthenigen bericht so lang aussgefuert, das doch E.
khay. Mt. allergenedigist wider erinndert, wie ich doch inn allen
fällen verhindert, verderbt und inn mercklich schaden gefuert,
derhalben jhe meine Bericht auch gründtlich und nach der lenng
muessen gestellt werden, soll annderst E. khay. Mt. mit grundt
underthenigen bericht mit gnaden vernemen, werden meine sün
auch des Eisenperckhwerckhs und annder beschwer, die inn
vorigen prichten begriffen, fürpringen und ob jhe mein unglückh
hierinn weiter schreiten, das E. khay. Mt. mein lange schrifften
und verzaichnus meiner diennst und jetzigen Bericht auff die
zwen empfanngnen Beschaidt nicht abhören khünuen, doch aller
genedigist dise kleine heiligende verzaichnus, darinn nur mit
etlich wenig Worten mein diennst angezogen, die ich die lang
und vil jar mit höchstem vleisz on scheuch der beschwerlichen
leuff und wie hart ich durch meine widerwertigen umb meiner
trewen diennst willen bin verhindert worden, bstenndigclich und
ou allen aigen nutz oder wenigisten E. Mt. etc. nachtaill inn
khainen Sachen erzaigt oder gstatt allergenedigist und vätterlich
erwegen, höchst underthenigist pittendt, E. khay. Mt. wolle
mein lanng hertzlich willigen underthenigen diennst, mein er-
schöpflung und dieselben mit khiirtz angeregten artickel, welli-
che aber inn der verzaichnus und Berichten viel mer sein,
allergenedigist und vätterlich bedennckhen.
So bitt ich auch E. khay. Mt. underthenigist mir ein genedigi-
stenpass und versicher brieffm.it kaiserlichen gnaden zu geben, das
ich im Reich wo es mir glegen unverhindert umb mein gelt zu
zern menigclich on schaden und naclitail wonen müg, auch wann
ich in mein vatterlandt wolle zieclien von menigclich unbeschwerdt
an und abzieclien müg, und allergenedigist sollichen kaiserlichen
brieff mit gnaden beuelchen zustellen, damit menigclich abnemen
müg, daz E. khay. Mayt. mein alls alten gehorsamen un- ,
derthenigen trewen dienners allergenedigister khaiser sey und
die wenigen täg inn meiin allter unbeschwerdt nach meiner
gelegenheit wohnen müg. Ich hab auch baiden mein lieben eltistcn
sünen und gesnnndten diennern beuolehen, umb solchen allergene-
digisten pass und gnadcnbriff auch umb das allergenedigist schreiben
ann kliiinig Philips inn Hispania, neben anndern mein hoch ob-
glegen Sachen umb allergenedigiste erledigung und erhörlichen
351
beschaidt underthenigist zu bitten und gehorsamist zu solici-
tiern.
Dann von wegen der aussganngnen E. khay. Mt. beuelch
ann die drey lanndt Steyr, Kherndten und Crain, durch welche
ich inn merckhlichen spott komen darüber mein undertheniger
Bericht auff E. khay. Mt. etc. genedigisten Beschaidt ausfuer-
lich gstellt, daraus E. khay. Mt. mit grundt mögen abnemen,
inn was mercklichen unverdiennten spott ich unschuldig und
allain umb meiner getreuen E. khay. Mt. gelaisten diennst willen
khomb und das ich nicht Finantz und anders gstatlen wollen,
das macht auch den Bericht etwas lanng. Nun waiss der all—
mechtig gnedig gott, das E. khay. Mt. ich inn dem oder annderm
ganntz underthenigist gern verschonet, dieweil aber mein obli-
gen dermassen zusammen fallen, das mein obligen seel ehr
haab und guet antrifl’t, uund also meine widerwertigen mich so
lange zeit inn so lioche Verhinderung meiner wolfart und noch
dartzue inn ungnad und immer mehrerlay Verhinderung eingfuert,
acht ich jhe underthenigist, das ich durch kheiu andern weg mein
unschuldt für E. khay. Mt. fürzubringen, dann allain mit der
warheit underthenigist bericht zu tliun, habe auch inn sounder-
hait meinen sünen gescliriben, wie inn sonderhait neben anndern
meinen obligenden beschwerungeu des aussganngen Beuelchs
halben ann die drey Lanndt möchte zu rliue gestellt werden.
Unnd dieweil auch sonnst der hanndlung vil sein, hab ich es inn
warheit allergnedigister Kaiser nicht kürtzer begreiffen khünden,
unnd dieweil daun mein underthenigiste lannge gedult sich da
hin erstreckht, das ich ihe weiter nicht kan, sonnder meine Sachen
inn annder weg zuschickhen, dann mein schulden mir auffs
khünfftig jar den garaus machen werden, hab auch bisher auf
mein costen nun vier jar gezert, keinem Herrn verpflicht
gmaclit, dass ich ihe weiter nicht kan, sonnder E. kay. Mt. mit
disem meinem gehorsamen schreiben underthenigist zu pitten,
die wollen Ir ungnad allergenedigist gar fallen lassen, und mein
allergenedig'ister Kaiser und Herr sein und bleiben, meine un-
derthenigen auforderung und auch langen gethanen diennst mir
und mein kindern zu gnaden allergenedigist und vätterlich ansehen,
damit auch E. khay. Mt. etc. mit meiner underthenigen beschwerung
und solicitiern und manigerlay reden bey den Leuthen abgehollfen
352
und mein weiter nachtaill und spott auch mein und meiner kinder ver
derben allergnedigist verhuetten, mich meiner underthenigen anfor-
derung auch meiner langen diennst halben und anndern beschwe-
rung, so inn mein Berichten zum thaill vermeldet und meine elltern
sün fürpringen werden, allergenedigist erledigen unnd mich
allten underthenigen dienner allergnedigist mit gnaden bedenck-
hen, wie ich inn souilen hochen und anselienlichen emptern so
lang und uil jar inn allen gferlichen leuffen und maniclien Sachen
on allen aignen nutz oder finantz so treulichist und on rhum
underthenigist zu melden nützlich gediennt hab, nochmals under-
thenigist pittenndt, so E. Mt. meine underthenigen Bericht aller
genedigist abhören, allergnedigist zu erwegen, das allain mein
Bericht warlich aus kheiner andern ursach dann allain zu meiner
notturfft, und wie sich die Ursachen zuegetragen, auch wie ich inn
allen Sachen mit so gschwinden lienndlen inn meim gehorsamen
glaisten diennst unschuldigclich inn E. Khay. Mt. getragen bin, un
derthenigist gstellt und bescliriben ist. Ich wer underthenigist gar
gern gen Augspurg ankhomen und hett E. Khay. Mt. mehrers
das sich nicht schreiben last underthenigist bericht, so hab ich
es doch auff die menigen wahrnung wie inn meinem underthe
nigen bericht mehrers gehorsamlich vermeldt wirdt, underthe
nigist erlassen. Bitt schliesslich E. Mt. höchst underthenigist,
wie ein undertlicnigister dienner immer bitten soll, klian und
mag, E. Mt. wollen mein unschuldt underthcnigiste lannge ge-
dult schaden und nachtaill allergenedigist erwegen und die un-
gnad allergenedigist fallen lassen und mich vor verderben aller
genedigist verhueten, unnd inn mein underthenigisten prichten
und obuermelten bitt und underthenigisten anlanngen erhörli-
chen und vätterlichen bschaidt und auch die neben Supplication
mit gnaden erledigen und allergenedigist antwort geben, damit
ich mich meiner höchsten notturfft nach underthenigist zuerfre-
wen und auch wissen hab darnach zu richten. Das alles will
ich sampt mein lieben landen mit mein armen willigen diennsten
mit meim vermögen, was nicht verdiennt noch underthenigist
mit der hilff und gnade gottes verdiennen. Wo ich auch E.
Khay. Mt. der enden klnindte und möchte diennen, alls ich un-
derthenigclich hoff, wol beschehen möcht, das ich nicht allain
dcss uuderthenigiste freudt, sonuder E. Khay. Mt. alls cim ge-
353
rechten trewen dienner zugepiirt mit aller underthenigkait. nach
allem meinem vermügen underthenigist und gehorsamist zuthuen
erpietten tliue. Unnd will mich nochmals mit weih und kindt
E. Khay. Mt. als meim allergenedigisten Kaiser und herrn inn
* aller underthenigkait beuolchen haben. Datum Tübingen den
22. tag Augusti anno etc. 59ten.
(Von Aussen:)
Copey Schreibens ann die Rö. Khay. Mt. Herrn Hannsen
Ungnaden.
Gleich*. Abschrift, k. k. Haus- und Staats-Archiv.
3. a.
Der Löblichen Rom. Khay. May. etc. unsers allergenedigisten
Herrn undterthenigisten allten dienuers mein Herrn Hannsen
Ungnaden Verzaichnuss wie lanng ich E. khay. Mt. undterthe-
nigist unnd in was sachenn gediennt, wiewoll die allain mit
gar wenig wortten, aber in forigen mein Ungnaden schrillten
ausfierlich wen und wie beschechen vermeldelt, aber dieweill
ich undterthenigist sorge die lenge werde bey E. khay. Mt.
villfelltigen geschefften in löblicher khaiserlichenn Personn mein
undterthenigen bericht auff E. khay Mt. zwen genedigist gegeben
beschaidt abzuhoren beschwerlich sein, hab ich diss mein und-
terthenigistes schreiben, darin die khurcz meiner dienst gestellt,
allain darumb das E. khay. May. die ich undterthenigist mit
ier löblichen gucten hochfurtreiriich gedechtnuss undterthenigist
woll erkhenn etwas unterthenigist vermant werden, auff das
ich einsmalls E. kay. Mt. unterthennigist, wie auch mein hercz-
lichs winschen unnd pit zu gott ist, das ich E. khay Mt. mit
meiner höchsten notturfft zu bcmien umbgeeu unnd minderen
unnd E. May. biss in mein grueb diennen khunte. Bith höchst
undterthenigist die mit khaiserliclien unnd vetterliclien gnadenn
zuuernemen und bezeug es bey unnd mit höchster warhayt,
das ich umb khaines ruembs, allain meiner grossen notturfft,
dieweill ich niembz hab der meiny Sachen befidert undtertheni
gist wie auch inn meinem schreibenn gehorsamblich vermeldet
ist verpringen tliue, unnd pith undterthenigist auch E. khay.
Mt. villfelltigen allergenedigisten vertrestung auch schrifftlichen
mcnigen unnd gar vill allergenedigisten schreiben, darin E. khay.
354
May. meiner vill diennst allzeyt zu allen gnaden annemen unnd
mit gnaden wirkhlich erkhennen wellen allergenedigist beden-
khen uund mit gnaden erwegen.
Erstlich wie lang ich E. Mt. ee Eur Mt. die land eingeno-
men mit grosen khosten an E. Mt. etc. hoff alls undtertheni-
ger dienner mit ettlicli Pferdeiin im Niderlandt im versclmeider-
ambt gedient unnd hernach Eur kay. Mt. mit mein diensten so
allergenedigist unnd wollzufridenn mir alssdann das obrist fur-
schneiderambt, das vorhin ein Marggraff gehabt aus aigner
gnedigister bewegnuss geben, des ich auch noch vor gar we
nig jaren wie khaiser Kharl unnd Chur unnd fdrstenn mit E. Mt.
zu Regenspurg gessenn, undterthenigist verwallten, aber über
drewhundert Philipser gülden an meiner Besoldung nicht em
pfangen. Alssdann in die ansehenliche embter haubtmanschafft
unnd viczdumb Cilly mit gnaden furgenumen, aber mit ringer
besoldung nur 500 florin, die mein vorsidl in die funffczehen-
hundert und woll in die zweytaussendt gülden jerlich Besoldung
unnd nuczung gehabt, unnd ich mit den 500 gülden Schloss, Burg
und beide Embter versehen muessenn bestellen lassen, was die
ursach wirdt in voriger meiner schrifft anzaigt. Danneben in
musterungen in Crabathen unnd Windischlanndt gepraucht wor
den warhafft villmall an alle zerung unnd mit mein grossen
unkhostenn bescliechen.
Neben diesen Embteren haben mich E. kay. Mt. zu der
ansehenlichenn Haubtmanschafft Lanndt Steyr erfordertt unnd
mit vill wenniger Besoldung unnd aber vill mer mie arbayt unnd
unkhosten, darin mer alls 26 Jar in allen gferlichen unnd schwe
ren leuffenn, auch die khriegshendl durch commission in vill weeg
gehandlt unnd gepraucht, unnd alssdann gar offt zw der obri-
sten veldthaubtmanschafft der khunigreich unnd Landt erfodert,
unnd allzeyt erfolgt, wens wesenn am gferlichisten gestanden,
unnd die obristen undtergangen oder selbst wekhzogen, mit
grosser gferr in die jerrigen hendl eingetretten, doch gott lob
allzeyt nie khein nachtaill gelittenn, allzeyt on ruem vleissig
gsperig unnd in vill weeg nuczlich gehandlt unnd nie von khai-
nem wascha in meinen Embtern nie die Landt uberzogenn oder
ainig Schloss verlohren oder auch nie mein undtergeben volkh
geschlagen oder durch mich etwas verwarfest wer worden, aber
355
ich woll mer alls einmall dem feindt ettlich zetta gschlagen,
sonderlich vor der Newstatt den starkhen feindt erlegen lielffenn
unnd ursacher gwest, sunderlich damalls auch die stattliche Ex
pedition, da Churfürst von Brandenburg auch Herezog Moricz
do mir albeg die Sachen befolchenn biss alle Sache verricht zu
Eur kliay. Mt. genedigisten wollgfallen gehandlett in obgemell
ten artikhlen, auch in meiner schrifft stattliche ausfuerung wie
und wen begriffen.
So ist auch sonderlich in den höchst gferlichen leuffenn die
menigen Sekhten Widertauffer unnd Sacramentierer mir in Ein-
trettung meiner baider Embter Cilly und Steyr alle Thurn unnd
gfenkhnuss voll uberandtworth, unnd je mer einkhommen aber
die all zu warrer Rew unnd hekhantnuss die vorsteer mit
öffentlicher Puess mit hohsten vleiss gehandlt. Do es nun in
meinem ambt khein Pluetls Tropfenn vergossenn, auch nie khein
Seklit in allen meinen Embtern gstattet auch dieselben Embter
allso ruebig verlassenn, das ist offenbar unnd mit Landen und
Leutten zu beweisen, das ist aber allain aus der allmechtigen
gnade gottes pscheclien wie in den und obgeinelltenn artikhlen
in meiner verzaichnuss schrifft meiner diennst mit allein grundt
in vill mer nuczlich weeg aussgfiert.
So hab ich undtertheniger Ungnad in den langen jaren
all jar inn Landtagen unnd allen den Khunigreiclien und Lannd
Versamblungen, das ich mit gott unnd der wellt bezeug allzeyt
zw Eur Mt. genedigisten gfallen unnd nucz gediennt in sollichen
vill unnd jerlichen Landtagen unnd in vill zusamenkhunfften der
lanndt, auch in den souuill Reichstegen ich ein merkhlich zue-
gepuest, wie noch lanndt unnd leutli unnd vill ehrlich leutt
zeugen sein mugen, unnd auch von dem allem kharnier unnd
truchen voll allergenedigist schreiben unnd aller liandlung ab-
schrifft auch wie threulich es gehandlt auch Lanndt unnd Leuth
unnd die gesandten so dabey gwest zeugen migen.
Das ich auch mit so vleissiger liandlung Ier Mt. gepew
Stett und Schlosser in Steyr unnd Windischlandt gefudert unnd
on Ier Mt. sundern unkhosten geschechen hoff das sy in khein
Ier Mt. khonigreich unnd landt dermassen erfolgt das zaigt das
werch offenlich an sunderlich mit dem schonnen Schloss und
Burg Grccz auch der Statt befestigung auch in soliches Schloss
356
(welliches gar allt unnd hulczen gewest) das wild fewer einge
schlagen unnd mir unnd mein vorigen weih umb ettlich tausendt
gülden all unser armuett verprunnen aus der ursach das ich
(als das wetter in einer vierttel stundt dreymall auffeinander
hinein auch den anwaldt sein weih unnd die meisten khnecht
nider gschlagen) dem stokh, darin E. khay. May. schacz unnd
das schön eingeliiern in ein gwelb gelegen zuegeyllt, jederman
angesprochen, den schacz zuezulauffen das mein dieweill angan
gen, das es unerreltlich ist gewest unnd mit der hülff gottes
E. May. schacz all thruchen dauon pracht aber das mein ver
prunnen, von dem auch in mein pericht gar lautter und war-
hafftig angezeigt ist, unnd warlich mein vorig weih unnd ich
umb ettlich taussendt gülden schaden genomen.
Auch in denselbigen ambt Grecz jerlichen in die 3000
gülden warhafft offt mcr eingepuest, des ich mit Raittungen
unnd den auffriclitigen ehrlichen anweiden bezeugen khan, wie
mir mein jerliche zerung so ich im schloss unnd in der Purkh
haben miessen verreyt ist, das nu dise langen jar in die Ncun-
czig Taussendt gülden erlaufft, was ich in anderen Embteren
unnd Versamblungen unnd Reichstegen zuegepuest den in allem
undter allen gesandten das meist über mich gangen und meni-
gerley und mer unkhosten in mein Embteren getragen, des
wirdt grundtlich in den vorigen schrillten anzaigt, habe es
aber albeg mit freuden underthenigist gethan, das ich nur
E. Khay. May. Sachen gefudert habe.
So wissen Eur Khay. May. mit gnaden unnd auch aus-
fierlich in mein schrifften underthenigister pericht angezeigt,
das ich in allen meinen Embterenn unnd in Justitia Sachen
khain schankliung, Vinnancz oder wie es angezogen werden
khundt genomen, ja dermassen gott lob gehandlt, das mir nie
khein Urthl oder abschidt mugen geendert werden in den so
langen jaren, dabey ich selbst gewest unnd durch mich ge
handlt oder verabschidt ist worden, aber woll mit schwerer
mue wider schwere Parthey in einer ansechenlichen Sachen
vier meiner abschidt umbgestossen, aber Eur Mt. mein abschidt
wider zu khrefften gemacht unnd dieselb Parthey über ettlich
unnd 40000 gülden gestrafft, was noch danneben verschenkht
hierin ich auch underthenigist hoffnung trag, das E. Mt. mich
357
neben dem besten unnd höchsten E. Mt. dienner auch ein gc-
threwen glukhhafftigen dienner mugen erkhennen unnd bekhenn
für gott unnd E. Mt. das ich vvoll unnd grundtlich wais, das
E. Kay. May. noch ich der gewissen halben in all mein Emb-
terenn unbeschwerdt sein mugen.
So wissen Eur Khay. Mt. allergennedigist, das ich mit
den vier ungrischen Stetten unnd Schlosseren auch mit der
namhafften Statt unnd Schloss Cotschee welliche herrschafft
mit villen undterthann unnd stattlichen Einkhumen versehenn
und siben gemaurtten Teberen befestent, die mir umb 13000
gülden Pfandtschilling so meiner vorigen hausfraw aus den und-
terthennigen Ursachen irn vorelltern umb ir ansehenlichen thre-
wen diennst willen gewest unnd mir von ir lautt prieffliclier
urkhundt aigenn worden E. Mt. wider aus den undtertliennigen Ursa
chen in der andern schrifft anzogen mit mein unnd meiner khinder
naclitaill folgen lassen, die gewiss in die 50000 gülden wertt ist.
Auch in der ansehenlichen handlung mit den Reichen-
burgerischen anspraehen umb die gerhabschafft, die unnser
vatter mit nambhafften Schlesseren ambteren stukhenn unnd
guetter lautt beiligunder verzaichnuss vergerliabt unnd nie kliein
Raittung darumb than, wie willig ich in obgemelltem unnd allem
E. Khay. Mt. begeren vor anderen E. Khay. Mt. di'enncren all
mein tag herczlieh willig mit mein unnd meiner khinder hohen
nachtaill mich erzaigt, was ich sunst Eur Khay. Mt. für gellt
alls das gellt so ich auff den vier ungrischen Schlosseren
gehabt unnd sunst auffpringen migen alb eg nur umb funff ge
horsamblich erfolgen lassenn, unnd ich hab 8 nein und 10 unnd
ehe mer dauon zins geben. Sollich unnd dergleichen Stessl sein
auch ursach meins verderben dauon in meinem vorigen langen
pericht meiner diennst auch in jeczigen undterthenigen pericht
auff E. Mt. zwen gegeben genedigist pschaid nach lengs in
villen Sachen ausgefiertt, darauff ich mich gehorsamblich ref-
ferier. So hab ich E. Mt. inn der noth auff das mich in allen
Sachen meiny widerwerttigen verhindert, auch in di Haubt
lleckhen Warassdin unnd Cilly mein aigen gschicz sambt statt
licher munition erkhauft allda zuverhiettung E. Khay. May.
schaden, dieweil ich sunst khein fursehung erlangen migen,
solliches gellts ich souuill jar allzeyt umb ettlich hundert gul-
358
den jerlich endtgolltenn, das ist auch in meiner schrifft nach
lengs unnd glaubwürdig aussgfiertt. Ich pitli Eur Khay. Mt.
undtertliennigist, die wellen allergenedigist mich des endtrichten
lassenn unnd mein schaden hierin allergenedigist bedenkhen.
Ich hab je an allen ortten was ich thuen khunen das mein
undterthenigist an leib unnd guet dargestrekht, piss ich nimer
mugen. Ich chan allergenedigister Khaiser nicht weytter und-
terthenigkhlich melden, es wur papir unnd schrifft zulang und
schleuss undterthenigist.
Bith auch undterthenigist, Eur Khay. Mt. wellen mit gna
den bedcnkhenn wie ich der zeyt da Eur Khay. May. zw Lincz
mit E. Mt, loblichisten gemachl unnd khinden glegen unnd der
Wesche mit eim ansehenlichen höer ausserlessen Turkhen, so
er aus des Turkhischen Khaiser heer von ausskhlaubten Turkhen
auff Lincz zoch schon das halb hör über das wasser Enns
gewest, auch desselben tags schon angfangen und graubt unnd
prendt unnd sich gegen Lincz genechnett, darüber ich aber
warhafft über 800 pferdt, so zum schlachcn teiglich mit solli-
cher furbedechtikheyt fortt zw E. Mt. unnd gegen Feindt grukht
souuill geliandlt, das verbiet das das lanndt nit verprendt, fur-
nemblich unnd allerhohst, das Eur Khay. Mt. der prandt nicht
gar fürs tlior Lincz erfolgt, wie hartt ich auch gehebt das
man fortt geseczt hab, das wirdt zum thaill in vorigen meinen
pricht meiner diennst, unnd wie sich diser liandll zuegetragen
anzaigt unnd ausgfiertt, alss dann wie ich zu E. Mt. khomen
den Feindt im abzug verursacht unnd mein Reutter zu Ebers
berg gelassenn, bey E. Mt. mit gnedigen gfallen angesehen
warde.
Wie aber ich nur den tag bey Eur. May. warde, die post
von Khaczianer khame, der mich suechen und auffs hohst ermant
eillundt zu im mit mein pferden auff Grecz zukliumen, dann
der Turkhisch khaiser von Gins ab unnd auff Grecz in Steyer
zoch, mit was allergcnedigisten befelch mich E. Mt. wider auff
Grecz eillundt abferttiget unnd mit w r as genedigisten bewilli
gen dise mein erzaigte undterthenige threxve redlichen diennst
mich und mein khinder wollte crgeczen, und wirkhiich erzaigen
unnd mit gnaden ansprachen zu eyllen, das ich mit meiner per
sonn in Grecz khem, das thett ich tag unnd nacht, fandt den
359
Khaczianner mit ettlichen Reichs Reutteren unnd Wekhitsch
Pauli, die pracht ich wider aufF, entlechendt ettlich Taussendt
gülden lach selbs auch das das obgemellt kliriegsfolkh auffkham,
das man disen obgemellten feindt, dem ich beim wasser Enns
zurukhpracht virzuziechen. Das geschach mit der gnade gottes,
das Khaczianner und ich gleich zu Newkhirchen zu rechter
zeyt ankham des anderen morgenn an feindt khamen unnd auffs
haubt schluegen. Warlich nicht zwo stundt übrig gehabt, mit
was mie fleiss tag unnd nacht pitten ermannen, das ich die
Leuth undterwegen fortzichen machet, das ist schwer zw glau
ben alls der es gesehen unnd zaig bey mein höchsten gwissen
eerenn unnd pflichtenn an, das ich aus der gnade gottes in
baiden Sachen ursachcr bin, das dieselben Turkhen das Lanndt
ob der Ens nicht geraubt unnd in grundt verprendt unnd gar
auff Lincz den raub unnd prandt gecliart, da auch E. Mt. mit
khein khriegsfolkh das wenigist versehen unnd hinach auch
der feindt von der Neustatt geschlagen worden. Wellicher
auch denselben tag mer feindt mit seiner handt umbpracht auch
mer alls ein pferdt undter mir umbkhumen unnd verwundt ist
worden unnd sunst auch mer im ersten angriff und in nach-
seczen merers gethan, der wirdt mit der warhayt nit anzaigen
mugen. Diser erzaigten handlung will ich mit Lannden unnd
Leuthenn unnd mit menigen ehrlichen gralfen herrn Ritter unnd
vom Adl beweissen, ich stell es aber alls zw rukh, zeuch
mich des alles allain in Eur khay. Mt. nach Gott alls den warn
einigen trost darauff mein hercz unnd gemuet allzeyt aulf E. Mt.
genedigisten wortt und zuesagen verlassen, getraut, gehofft
unnd noch gar nicht zweiffle unnd bith Eur khay. Mt. allerge-
nedigist auch zuerwegen, mit so wenig Reutteren gegen ein sol-
lichen sighafften ausserlessnen kriegsfolkh zurukhen geschieht
nicht von ubrigs lust wegen aber threullich zu dienn macht
lustig. Sunderlich der zeyt da es E. Mt. selbs antraff, dann
allzeyt leib unnd leben, unnd alles verderben unnd mit gfer bey
der unthrewen unnd undankhparn wellt zuhandlen ist nit jeder
man speiss oder gelegenlieit. Ich liab auch woll verstanden,
ob .gwin oder gfer dabey zu finden, aber ich hab dis unnd an
dermall mein Leben verderben unud vermugen Eur Mt. threu-
lich unnd nuczlich zu dienn nie geschieben oder hochgeachtett
360
sunder mit freuden undterthenigkhlich gern dargeseczt. Sollt
ich nw allergencdigister khaiser uber das alles so nur mit we
nig worttcn hierin vermeldt (aber in mein vorigen undtertheni-
gen perichten nachlengs grundtlich aber auch nicht alles wie
ich gediennt angezeigt) der unglukhafftig knecht sein unnd
E. khay. Mt. souuill reicher ansechenlicher arm unnd ettlich gar
arm khnecht zu grossen herrn gmacht unnd der vill, was
miesten doch allergnedigister khaiser alle menschen gedenkhen
tichten unnd reden , sunderlich dieweill ich E. Mt. von anfang
Ir Mt. regierung in allen wichtigen widerwerttigen gferlichen
leuffen unnd hochen saclin da ander nicht hin woltenn gediennt,
auch gott lob nie khain schaden nur in all mein handlung nucz
gschaffen unnd vor schaden undterthenigkhlich gediennt unnd
noch ettlich dienn, noch darzue in unverdienter ungnad steen
unnd darzue inns verderben geratten. Allergenedigister khaiser
ich muess woll von den unnd anderen undterthenigist Vermei
dung thuen, dann ich hab niembcz der mein Sachen E. Mt. furtregt
unnd mein pestes redett, mein unschuldt ja auch meiner dienst
halben niemandts nichcz zum pesten, wie es woll vor gott unnd
der wellt pillich sein sollt furprecht. So wissen es auch
E. khay. Mt, jeczigen löblichen geheimen reth nicht, sunder die
weill nu so guetter vleiss furgewendt worden, das mau mich in
E. khay. Mt. ungnad pracht und die leuth geistlich unnd welt
lich dasselb merkhen, jederman zuchcczt, hoff ich je undter
thenigist E. khay. May. werde der unnd ander ursach halben
allergenedigist erwegen, das es mein liochy notturfft, E. khay.
Mt. allerundterthenigist furzubringen, darauss ich unzweifflich
hoff mein undterthenige geduldt unnd auch spoth mie unnd vleiss
die lanngen unnd vill jar in gsclnvinden handlen bey dem allem
noch aus der gnade gottes nie khein schadenn, das wenigist
durch mich erfolgt aber meine undterthenigen verzaichnuss
die werden ausfieren, wie threullich unnd nuczlich ich E. khay.
May. gedient hab gott sey in ewikheyt lob unnd danckh das
ich in den miellichen unnd beschwerlichen Embter unnd ge
schwinden leuffen unangeselienn aller Verhinderung meiner wi
derwerttigen so weyt gereicht hab.
Unnd bezeug mit dem lieben allmeclitigen gott, ein erkhen-
ner aller herezen, hette ich E. Mt. mit all mein khrefften zu
361
ierem allerhohsten genedigisten gfallenn unnd zu höchstem nucz
undterthenigist dreullicher diennen khinden, das ich es mit
lierczlichisten höchsten freuden gethann unnd noch, so ich auch
mer vermocht lanndt unnd leuth gehabt, das ich es on
hindtersichdenkhen auff Eur khay. Mt. genedige liocliloblich
khaiserlichen Personn aigen wortt, wie ich dann in villen unnd
allen sachenn auff E. khay. Mt, allergenedigisten wortt unnd
vertrestung in villerley sachenn genedigisten mindtlich unnd
schrifften gethann, mich allain darauflf verlassenn, wie ich mich
auch noch unzweifflich darauff verlassenn thue. Dieweill ich
dann E. khay. Mt. eltester untertheniger dienner bin unnd so
lang mit mein khindenn sunen tochteren schwesteren, die mich
auch in ieren diennsten vill taussendt gülden gestanden, und in
nen souuill vetterlich geholflfen, das ich weyter in oder mir nit
helflfen mag, das ich für menschlich unmuglich acht, das dise nam-
haflften unterthenigen diennst, der souuill unnd souuill jarenn mit al
len mein vermugen sollens vergebens gethan sein, unnd ob ich auch
undterthennigist hekhennen muess, das mir E. khay. Mt. etwo
zu zwaymall ein gellt verorndt, alls zu einer labung, dardürch
ich meines verderbenns nicht ee gwar gnumen, mit gnaden er
folgt ist, uund auch ehrliche besoldung in der obristen veldt-
haubtmanschafft gehabt, so ist doch aus sollicher gnaden unnd
besoldung darumb erfolgt, das ich meiner armen willigen diennst
unnd mein verderbenn, sollt damit vergleicht sein. Darüber
auch in mein undterthenigen pericht auff den allergenedigisten
beschaid so Eur khay. Mt. auff der Churfürsten furschriflft ge
ben, lautter unnd aussfuerlicher bericht auflf sollich empfangen
gnad unnd besoldung lautter undterthenigist vermeldt unnd ge
horsamblich abglaindt, thue mich aber in allem E. khay. Mt.
höchst undterthenigist befelchen. Bith E. khay. Mt. alls imer
ein undtertheniger dienner khan pitten soll unnd mag, E. Mt.
wellen sollich mein langen gethannen, on ruem stattlichen unnd
nuczliclien namhafften diennst, die auch sunst in ander weg
warhaflft vill mer und in allen gferlichen miellichen leuffenn mit
khaiserlichen gnaden veterlich erwegenn unnd bedenkhen, mich
und mein khindt vor spotli nachtaill unnd verderben verhiettenn,
das wirdt E. khay. Mt. warhaflft bey villen furstenn unnd meni-
gen ehrlichen man unnd auch khunfftigen diennern hochriemblich,
362
unnd ich will es mit dej>- hülff unnd gnad gottes mit meimi
khinderen gehorsamblich verdienn, unnd wollt der allmechtig
got, das ich Eur kliay. Mt. der enden dienuen khundt, der E.
kliay. Mt. zu hohstem nucz raiclien mechtenn, hett ich des mit
darstrekhung Leibs unnd khlains vermugen hochsty freudt. Tue
mich sambt weyb unnd khindt mit allergenedigisten ehrlierlichen
bschaid(mich haben undterthenigist darnach zu richten) diemuetikh-
lich befelchen. Dattum Tübingen den 22 Augusty anno etc. 1559 tM1 '
(Von Aussen). Mit khürtz verzaichenter Herrn Haunsen Ungna
den underthäniger gethoner Diennst.
Gleich*. Abschrift, k. k. Haus- und Staats-Archiv.
3. b.
Durchleuchtigist Hochgebornne Khunigin. Genedigist Fra-
wenn mein undterthennigist und gehorsamb diennst sein E.
Kö. Wuerdenn allzeytt bereyt. Genedigist Khunigin. E. Kö.
Wuerdenn pit ich unndterthennigist mein gehorsamb unnd undter
thenigist schreibenn mit khunigkhlichenn gnaden zu uernemcn.
Genedigist frawenn E. Kö. W. mechten zum thaill genedigist
vernomen habenn, was ursacli ich aus mein vatterlannden zogen
unnd nu vier jar in der frembdt umbzeuch. Das ist aber nach
der höchsten ursach auch die furnembist ursach ainy gewest,
das ich von mein widerwerttigenn felschlich in die hochloblich
kliay. Mt. etc. mein allergennedigisten Herrnn getragen worden
bin, unnd wie ich Ir Mt. ernstlichen furhaltenn unnd grossen
ungnad gemerkht, das ich aus vill beweglichen ursachenn, ob
es gleich mein zeittlich schadenn unnd nachtaill gewest, unnd
noch ist mich aller embter unnd Sachen zuendtschlachenn unnd
abesy zu machenn, biss der liebe gott die zeyt schikht, das
mein unschuldt an tag khum unnd furnemblich das kliay. Mt.
mein allergenedigister Herr der vill anlauifens meiner widcr-
wertigenn unnd des unverdiennten Verdachts Ir kliay. Mt. ver-
schonnet werden inecht, wie ich mich die tag meines lebenns
beflissen Jer Mt. vor ungnad unnd beschwcrung zuuerhietten.
Nu will ich mit dem allmechtigen gnedigen gott ein erkhenner
aller hertzenn auch mit menikhlich bezeugen, das die tag meins
lebenns nie khein verdiennten ungnad erschinnen oder mich
erinderen khundt, und mecht auch nie khain ainiger artikhl in
363
wew unml was gestallt ich unrecht ungepurlicli unnd unver-
andtwurthlich gehandellt furgehallten vverdenn. Es sey nu aber
wie es well thue ich doch alles dem lieben gnedigen gott be-
felchenn, unnd dieweill aber der durchleuchtig liochloblich furst
unnd hcrr lierczog Alhrccht von Bayrenn mein genediger herr
aus sunderen gnadenn alls von derselbigen alltenn diener wegen
bissheer meinthalbenn mit khay. Mt. threullichist und gnedikh-
lich gehandlt unnd an einen khlainen pericht steett, darann
warlich auch nichts sunders glegen ist. Dieweill ich aber ver-
numen, das E. Kö. Wuerdenn alls mein genedigist frawenn jeezt
in wenig tagenn zu derselben gliebten Herrn unnd Vatter gen
Munichen in Bayrn ankhumen sollen, hab ich nicht umbgeen
khunnen E. Kö. Wuerden alls mein genedigisten frawen gehor
samblich zu bittenn, die wollten neben dem obgemelltenn löb
lichen furstenn mein genedigen herrn von Bayrn mir zu gnaden
ein gnedigs furpeth thuenn, damit Ir khay. Mt. in meinen ob-
glegnen sachenn sunderlich meiner allten langen dienst halbenn
sich genedikhlich wolltenn mit gnaden erzaigenn, welliches E.
K. W. geliebten herr Brueder Khonnig Maximillian unnd Ercz-
herezog Ferdinanndt mein genedigist Herrn auch schrifftlich gar
genedigist gethan auch Erczherczog Kharll mein genedigister
Herr sich auch genedigist zu thuen erpottenn. Sollich E. König.
Wuerdenn genedigist befurderung will ich sambt mein khindenn
umb Eur Kön. W. geliebtenn herrn und vatter mein allergene-
digisten herrn unnd umb E. K. W. gehorsamblich verdienn.
Und thue E. Kö. W. mich alls der allte undterthenige gehor-
sainbe dienner auch mein weih unnd khindt undterthenigkhlich
zu gnaden befclchenn. Datum Tübingen den 22 Augusty anno
etc. 59 ten-
An eine Tochter K. Ferdinands I. (der im August 1559 einige
Tage in München verweilte). Vielleicht Prinzessin Anna, Ge
mahlin Herzog Albrechts von Bayern?
Gleichz. Abschrift. y k. k. Haus- und Staats-Archiv.
4.
Durehleuchtigister Grosmeclitiger Khunig. E. Kliun. Wirde
etc. seind mein underthenigist willig und gehorsamiste dienst
Sitzb. d. philos. histor. CI« Jahrg. 1849. X. Heft. 27
364
yeder zeit höchstes Vermögens lierait. Gnedigister Herr. E.
Khun. W. gnedigiste zway schreiben, darinn sich die auf mein
vorig underthenigistes anlangen aller gnaden und befurderung
inn meinen alten beschwerungen bei der Rö. Khay. Mt. etc.
meinem allergnedigisten herrn gnedigist erpieten, hab ich un-
derthenigist empfangen, auch ann derselben gnedigistem willen
gegen mir gehorsamist nie gezweiffelt, und thue mich dessel
ben gantz underthenigist bedanckhen, will das sambt meinen
khindern gehorsamist verdienen, zweiffl auch gar nit, da die
Sachen ann E. Khu. W. gestanden weren , wolt ich derselben
meiner beschwerungen vor lengst erledigt sein. Dieweil ich
aber gnedigister khunig vor der zeit glaubwirdig bericht, Ir.
Khay. Mt. etc. sich yetz zu Praag etwas schwach erzaigen
sollen, welchs ich mit underthenigstem hertzlichen laid ver-
nomen , und mir mein höchstes zeitlichs verderben daran steet,
so lanngt ann E. Khun. W. mein höchst underthenigist bit, die
wollen mir zu gnaden mich bey Irer Khay. Mt. etc. mit ainem
gnedigsten verman brieflin und furbit gnedigst befurdern, das
Ir Khay. Mt. mir ainen gewerlichen allergnedigisten beschaid
geben wollen. Da aber E. Khun. W. zu Irer Khay. Mt. etc.
persönlich khemen, sich meiner Sachen gnedigst annemen und
ainen allergnedigsten beschaid erlangen. Dann gnedigster Khu
nig solten Ir Khay. Mt. als die allain meiner langwirigen ge
treuen und nützlichen diensten auch meiner langen nachtailigen
und verderblichen gedult allergnedigstes wissen haben, one
allergnedigster erledigung meiner höchsten besclnverden aus
disem leben verschaiden (das zu dem gnedigen willen gottes
steet) und mich derselben zuuor nit allergnedigst ergetzen,
wurd mir das gnedigster Khunig höchst nachtailig und ver
derblich sein, auch meiner billichen und befuegten anforderun-
gen nit vergessen, noch daruon absteen kliunden, sonder E.
Khun. W. underthenigist darumben bitten, anlualten und bemuehen
miessen. Bit derhalben nochmals gantz underthenigist, E. Khu.
W. wollen als ain gerechter christlicher Khunig mein lange
höchst nachtailige gedult und pilliche gerechte anforderungen
gnedigst erwegen und mich bey der Röm. Khay. Mt. etc. meinem
allergnedigsten Herrn wie obgemelt gnedigst befurdern, damit
Ir Khay. Mt. etc. mich alten getreuen diener derselben aller-
365
gnedigst ersetzen, wie ich dann Irer Khay. Mt. etc. wie solche
allergnedigste ergetzlichait one derselben sondern schaden fueg-
lich und billich geschehen möchte, sclirifftlich und durch meine
liehe eitere Sun underthenigist anzeigen und erinnern lassen.
Das wollen ich und meine khinder umb Eur Khun. W. etc. nach
allem vermögen underthenigist zuverdienen die zeit unsers lebens
uns mit höchstem befleissen, underthenigist bittend, die wollen
Ir auch meinen Sun Ludwigen gnedigst beuolhen sein lassen.
So hab ich auch gnedigster Khunig die teutsche vorred
in den cirulischen chatechismum gehorsamlich empfangen, und
dieweil Eur Khun. W. Ir dise durchaus gnedigst gefallen las
sen, ist die also teutsch und cirulisch gedruckht worden, wie
E. Khun. W. liiebey aus dem gedruckhten Chatechismo den
E. Khun. W. Herr Primus Trüber underthenigist ubersendt
gnedigst zu sechen, und gewarten teglich noch ainer truckher
press aus Nürnberg, das man hie in meiner behaussung mit zwo
und zu Thubingcn mit ainer press alle drey sprachen und ge-
schrifftcn windisch glagolisch und cirulisch furderlich wirt
truckhen mögen, allain geen uns noch ab zwo oder drey der
chrabatischen sprachen verstendige personen, die sollen helffen
transferieren, abschreiben und corrigieren, damit das werckh ge
fordert wurd. Haben ann alle ort gescliriben, ob die zubekho-
men, das mans von stunndan heer schickhe. Will an meinem
muglichem vleiss zu dem lob und ehr gottes nichts erwinden
lassen. Welchs Eur Khu. W. ich aus schuldigem gehorsam,
auch underthenigist anzaigen sollen, unnd tliue E. Khu. W.
mich und meine liebe sun zu gnaden underthenigist beuelhen.
Datum Urach den 22. Octobris Anno etc. Glten
Eurer Khu. W. thue ich auch underthenigist anzaigen, das
wir mit disem polten dem Ambrosien Frölich bürgern inn
i Wien zway fiissel vol obgcmelter cirulischer Chatechisinorum
auch glagolischcr und cirulischer Tafelplätlen zuschickhen, die
er auszuthailen und under die leut wirt wissen zubringen,
damit aber dise wol und sicher liinunder khomen, hab ich dem
potten ain ollen mautzedl in meinem namen mitgeben mit dem
vermelden, das ich dise buechlcn E. Khu. W. underthenigist
zuschickhe, der underthenigisten hofl'nung, E. K. W. als gne-
digsten befurderer dises christlichen werckhs werden gnedigst
27 s
366
khain misfallen daran haben. E. Khu. W. etc. mich sambt er-
nantem hochen werckh und dessen gehilffen liiemit undcrtlieni-
gist beuelhend. Datum ut supra.
(m. p.) Eur Khuniglichn Wirde
gehorsamer und underteniger
Hanns ZJngnad etc.
per manum propriam.
Dem durchleuchtigisten Hochgebornen Fürsten und Herrn,
Herrn Maximilian Khunig inn Behaim und Ertzhertzogen zu
Österreich, meinem genedigsten Herrn (am 20. November
1561 erhalten.)
Orig. Papier, k. k. Haus - und Staats-Archiv.
Regierungsrath A r n e t h erstattet Bericht über die vom
Herrn R o s s i, k. k. Consul zu Cagliari in Sardinien der
kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zum Geschenke ge
machten durch das k. k. Handels-Ministerium am 4. November
d. J., Z. 963, mitgetheilten 19 Münzen, worunter 4 in Silber,
15 in Bronze. (S. Tafel I—V.)
Unter den eingesandten Münzen sind 14 Stück antik, 5
modern.
Die antiken sind folgende:
1. Panormus. Kopf der Ceres z. L.
fyr Pferdekopf z. R. JE.
2. Quadrans. Kopf des Hercules z. R. 3 Kügelchen.
ly Vordertheil eines Schiffes; 3 Kügelchen. JE.
3. Vespasianus. IMP. CAESAR VESPASIANVS AVG. Be-
lorberter Kopf des Vespasianus z. R.
iy PON. MAX. TR. P. COS. VI. Die Securitas sitzend. AB.
4. Domitianus. IMP. CAES. DOMIT. AVG. GERM. . . .
Belorberter Kopf des Domitianus z. R. 4
iy MONETA. AUGUSTI. S. C. Die Moneta stehend, in «
der rechten Hand die Wage.
5. IMP. CAES. DOMIT. GERM. COS. . . Belorberter
Kopf des Domitian z. R.
iy SALVTI AVGVSTI. Altar der Salus.
6. Marcus Aurelius Kopf des M. Aurelius z. R-
iy . . . . Stehende Figur. A3.
367
7. Cornelia Salonina Kopf der Salonina z. R.
^ FELICITAS PVBLICA. Die Felicitas stehend. iE.
8. Severus Alexander. IMP. ALEXANDER PIVS AVG.
Kopf des Severus Alexander z. R.
fy MARS VICTOR S. C. Mars schreitend z. R.
9. Gordianus III. . . . GORD. . . Kopf des Gordianus
III. z. R.
iy MARS. S. C. Mars schreitend z. R.
10 und 11. Maxentius — IMP. C. MAXENTIVS P. F. AVG.
Kopf des Maxentius z. R.
fy AETERNITAS AVG. N. Die Dioscuren. Beide etwas
durch die Buchstaben des Abschnittes verschieden. iE.
12. Thcodosius. — D. N. THEODOSIVS P. F. AVG.
Kopf des Theodosius z. R.
^ SALVS REIPVBLICAE. Victoria einen Gefangenen bei
den Haaren ziehend. A3.
13. Arcadius. — D. N. ARCADIVS P. F. AVG. Kopf des
Arcadius z. R.
fy SALVS REIPVBLICAE. Victoria einen Gefangenen
führend. A3.
14. Constantinus Pogonata. — D. N. CONSTANTIN.
Büste des Constantin von vorne.
iy Kreuz zwischen CT. und XX. A3.
Die modernen sind :
1. Genua. — IA. NV. A. Stadtthor.
fy CONRADI RE. Kreuz. Spanien.
2. CAROLVS II. R. SPARVM (sic.) Brustbild Carl’s II.
fy INIMICOS EI VS DESTRVAT. 1696. Blumenkreuz. AK.
3 OL. III. D. G. IIISP. REX. Brustbild (von König
Carl II.?)
fy BARCINO CIVIT. 1706? Kreuz.
4. . . ROLVS. II. D. G. R. Brustbild. 3—0.
I)r . . . RAM ET. . A. Blumenkreuz, in jedem Winkel ein
Mohrenkopf. (Sardinien) A3.
5. CAR . . . A . Brustbild Carl’s II.
ty ARM. ET. SAE (sic) A. 1666. Blumenkreuz. A3.
Aus diesen Münzen sind für das k. k. Münz-Cabinet brauch
bar 1 antike und alle 5 modernen.
368
Sitzung vom 12. December 1849.
Freiherr Hammer - Purgstall las den ihm von der
Classe aufgetrageuen Bericht über „Charriere’s Nego-
ciations de la France dans Ie Levant 1 ). Paris 1848.” ^
4° Tom. I.
Diess ist der erste Band einer höchst schätzbaren Quellen-
sammlung, deren Herausgabe auf Kosten der französischen Regie
rung veranstaltet wird, und von welcher der Verfasser am
Schlüsse der Einleitung mit Recht sagt, dass durch dieselbe
ein heute ganz in Vergessenheit geratliener französische,
Orient aus der Vergangenheit hervorgezogen wird. Schon durch
frühere Werke, nämlich: die Politik der Geschichte 3 ),
die Beschreibung der Horden und Steppen,
der Kirgif-Kaiffak, der Betrachtungen über die
Zukunft Europa’s, und als Herausgeber der Chronik du
Guesclin’s vorteilhaft bekannt, wandte Hr. Charriere seine
jüngsten Studien der französischen Politik im Morgenlande über
haupt und insbesonders der französischen Diplomatie in der
Levante zu. Die Einleitung geht bis auf die Gesandtschaft Ha
run Refcliid’s an Carl den Grossen zurück, und bemüht sich
den grossen Antheil, den die französische Politik seit dem sech
zehnten Jahrhunderte an den Schicksalen des Orients überhaupt,
und der Levante insbesondere nahm , als eine Fortsetzung der
grossen Rolle darzustellen, welche Frankreich als Aufregerin
und Leiterin der Kreuzzüge im Mittelalter spielte ; das Verdienst
der Kreuzzüge, wenn dasselbe anders vor dem Richterstuhle
philosophischer Kritik als ein Verdienst zum Besten des Men
schengeschlechtes sich bewähren kann, gebührt wohl weder
*) Negociations de la France dans le Levant ou correspondances, memoires
et actes diploraatiques des ambassadeurs, envoyes ou residente ä divers
titres ä Venise, Raguse, Rome, Malte et Jerusalem, en Turquie, Perse,
Georgie, Crimee, Syrie, Egypte etc., et dans les etats de Tunis, d’Alger
et de Maroc, publics pour la premiere fois par E. Charriere. Tome I.
Paris 1848. Grossquart, 664. S.
s ) La politique de l’histoire, par Ernest Charriere, auteur de la Chute de
1’Empire et des considerations sur 1’avenir de l’Europe, editeur de la
Chronique de Du Guesclin et de la description des hordes et steppes des
Kirghiz - Kaissaks. Paris 1841.
369
Peter dem Einsiedler, noch dem heiligen Bernhard, sondern dem
grossen Papste Gregor VII., welcher die Kreuzzüge zur Ero
berung des heiligen Grabes zuerst angeregt, und wenn der Ero
berer desselben, Gottfried von Bouillon, ein Franzose, und Lud
wig VII. und IX. und Philipp August und Balduin als Kaiser
von Constantinopel so hervorragende Standbilder im Völker-
labyrinthe der Kreuzzüge, so kann doch von den nichtfranzö
sischen grossen Heerführern, wie den Hohenstaufen, König
Richard, Dandolo und selbst den babenbergischen Markgrafen
von Oesterreich nicht behauptet werden, dass dieselben als
Werkzeuge in der Hand Frankreichs bloss der leitenden Politik
desselben gehorchten ; eben so wenig kann der unparteiische
Geschichtsforscher in der neueren Zeit, wo der osmanische
Koloss noch tiefer und schwerer in Europa hereinzuragen drohte,
die französische Politik und Diplomatie als die Leiterin und
Beschützerin christlicher Interressen anerkennen; wenn Frank
reichs Könige, auch manchmal ausnahmsweise vor und nach
der Zeit Franz I., Hilfstruppen nach Nikopolis sandten und nach
i Warna bestimmten, wenn französische Tapferkeit zu St. Gott
hard und auf Kreta für die kriegerische Ruhmskrone Ludwig’s
XIV. Reiser pflückte, so war die französische Politik gegenüber
der Türkei doch nichts weniger als eine christliche und euro
päische, und weder Franz I. noch Ludwig XIV. hoben die Hand
auf, urü die Eroberung Wien’s durch die Türken von der Chri
stenheit und Europa abzuwehren. Vergebens bemüht sich de
Verfasser, das Gelüste Franz 1. nach der Kaiserkrone in dem
Lichte des dadurch der Religion zu gewährenden Schutzes und
der Vertheidigung der Nationalitäten darzustellen, er kann damit
höchstens seine Landsleute überreden, wiewohl auch aus diesen
Männer von gewiegtem Urtheile sich keineswegs dazu verfiih-
„ ren lassen der Politik verflossener Jahrhunderte, den erst in
der jüngsten Zeit zu revolutionären Zwecken gebrauchten Hebel
der Nationalitäten unterzuschieben, wie dieses aus einem in der
Zeitschrift: L’assemblee nationale ’) im französischen Original
vom Marschall Marmont mit seinem Namen Unterzeichneten und
auch in deutschen Zeitschriften verbreiteten Aufsatze erhellet.
O Des Nationalstes (Article public dans le joumal l’assemblee nationale
Nr. du 3. Aöut 1849).
370
Der Verfasser datirt den Anfang der Diplomatie erst aus
dem sechzehnten Jahrhundert, aber abgesehen von den Friedens
schlüssen und Gesandtschaften der alten Geschichte ist die Wiege
der europäischen Diplomatie gewiss viel früher an die Höfe
von Byzanz und Rom zu setzen; dazu sind Griechen und Italie
ner auch grössere und feinere Diplomaten als die Franzosen;
indessen anerkennt der Verfasser, dass Venedig der neuen Wis
senschaft der Diplomatie seinen Geist aufgeprägt habe; er be
klagt, dass die venetianischen Archive als Quellen der diploma
tischen Geschichte des sechzehnten Jahrhunderts eben so man
gelhaft als die französischen, was jedoch nicht der Fall; die
in dem kaiserlichen Hausarchiv und im Archiv zu Venedig be
findliche Geschichte Marino Sanudo’s allein enthält zahlreiche
diplomatische Verhandlungen, und im Archive von Venedig lie
gen griechische Friedensverträge osmanischer Sultane, die in
die Zeit vor der Eroberung Constantinopel’s hinaufreichen.
Venedig und Oesterreich hatten nicht nur durch ihre unmittel
bare Nachbarschaft, sondern auch durch das Alter der ange
knüpften Verhältnisse bei weitem die Vorhand vor Frankreich, <
und wir können dem Verfasser unmöglich darin beipflichten, dass
die Thatsachen damals Frankreich dem Orient gegenüber in einer
Art von Lehensoberherrlichkeit *) und gegenüber der Türkei
als eine beständige Vermittlerin zwischen ihr und ihren Unter-
thanen darstellen. Dieses Mittleramt hat sich seit dem Frieden
von Kainardfchi wohl Russland in den beiden Fürstenthümern
der Donau beigelegt, und erst z'u Ende des verflossenen Jahr
hunderts ist Frankreich zwischen den Mamluken und dem Sul
tan, und in der jüngsten Zeit zwischen Mohammed Ali und der
Pforte, jedoch nicht allein, vermittelnd aufgetreten. Gewisser
als die obige Behauptung von der französischen Lehensoberherr
lichkeit über den Orient ist, dass durch die grossen Interessen <
Frankreichs an der Pforte der dortige diplomatische Posten
fast immer Männern von ausgezeichnetem Talente und grosser
Geschäftserfahrung verliehen ward; diess war aber auch der
Fall mit Venedig und Oesterreich; Busbecque und Veranzio
J ) Les faits noua la (France) montreront exercant une sorte de suxerainete
dans l’Orient.
371
stehen weder an Talent noch an Geschäftserfahrung den gleich
zeitigen französischen Ministern an der Pforte nach; Busbecque
hat vor denselben noch obendrein das Verdienst des Schrift
stellers, der classisch Latein schrieb, voraus; wenn Peter B e-
lon unter Franz I. den amtlichen Auftrag erhielt, die Sitten
und Ortserzeugnisse zu studieren, und diesem Aufträge durch
sein pflanzenbeschreibendes Werk entsprach, so hat Le wenklau
das Verdienst, der Vater der osmanischen Geschichte in Europa
zu sein. Der Verfasser berichtigt den in Frankreich noch gäng
und gäben Irrthum, dass der Glanz des höchsten Flores fran
zösischer Diplomatie in der Levante sich von der Regierung
Ludwigs XIV., und nicht von der früheren Franz I. herschreibe,
indem zur Zeit Ludwigs XIV. die französischen Gesandten oft
und schwer gedemüthiget wurden; dass Oesterreich als Nach
barstaat, und besonders seit es als Erbe der Republik Venedig
seine Gränzen gegen die Türkei erweitert hat, das grösste und
natürlichste Interesse an der Erhaltung des osmanischen Reichs
hat und nimmt, bedarf keiner Bemerkung und Rüge, wohl aber
^ die ausgesprochene Ansicht des Verfassers, dass diese Politik
Oesterreich’s aus dem geheimen Instincte der Analogie der Zu
stände Oesterreich’s mit denen der Türkei hervorgehe, indem
beide durch dieselben Ursachen des Verfalles angegriffen seien,
nämlich durch die Verschiedenheit der beherrschten Völker
von dem herrschenden. Diese Unterstellung des geheimen Iustinc-
tes Oesterreich’s für die Erhaltung des osmanischen Reichs hätte
sich der Verfasser im Interesse der Wahrheit ersparen können.
Zwischen der Einleitung und dem Werke selbst ist in kleinerer
Schrift eine bündige Uebersicht (precis) der Verbindungen
Frankreichs mit dem Orient vor Franz I. eingeschaltet; diess
ist die Uebersicht der Kreuzzüge: des ersten der Eroberung
t Jerusalem’s, des zweiten durch den Papst Eugen III. und
den heiligen Bernhard gepredigten, an dessen Spitze der König
von Frankreich Ludwig VII. und der römische Kaiser Konrad III.
des dritten durch die Belagerung von Ptolomais unter Richard
von England, Philipp August von Frankreich und Leopold dem
Babenberger; des vierten, des der Eroberung Constantinopel’s
durch die Venetianer und Franzosen, welcher die Mitte der
Geschichte der Kreuzzüge; Herr Charriere zählt denselben als
372
den fünften, indem ee aus dem vom Herzog von Sachsen wider
den Bruder Ssalaheddin’s erfochtenen Siege einen besonderen
Kreuzzug macht; des fünften, des ägyptischen durch die Bela
gerung Damiate’s und den Tod Malek Adel’s (Melik el-
Aadil’s), d. i. des gerechten Königs ausgezeichneten; des
sechsten nach Aegypten, der mit der Gefangenschaft des hei
ligen Ludwig, und des siebenten nach Tunis, der mit dem
Tode desselben endete; nach den Kreuzzügen werden die Ver
bindungen Frankreichs mit dem Orient durch zwei in den fran
zösischen Archiven vorhandene Originalschreiben beurkundet,
durch das mongolische des Herrschers in Persien Schah
Argun an Philipp den Schönen und durch das persische Ti-
murleng’s an Carl VI. Das Werk selbst, nämlich die Geschichte
der Unterhandlungen Frankreich’s in der Levante unter Franz I.,
beginnt auf der LJDten Seite des Buches mit neuer Seiten
zahl i. J. 1515, wo Franz I. den Thron bestieg. Herr Ch. sagt,
dass Leo X. erst nach seiner Zusammenkunft mit Franz I. zu
Bologua sich zur Idee eines allgemeinen Bündnisses der Chri
stenheit gegen die Türkei erhoben habe. Da an die Stelle
der Kreuzzüge zur Eroberung des heiligen Grabes die von den
Päpsten wider die Türken gepredigten traten, in welchen die
Franzosen, den von Nikopolis ausgenommen, gar keine Rolle,
und die Päpste die Hauptrolle spielten, so übergeht der Ver
fasser diese neuen Kreuzzüge wider die Türken, welche vor
dem zwischen Leo X. und Franz I. verabredeten Statt fanden
mit gänzlichem Stillschweigen *).
*) Diese sind: 1. der Kreuzzug unter Urban V., dessen Resultat i. J. 134.
Smyrna’s Fall; 2. der desselben Papstes wider Murad I.; 3. der Gregor’s
XI. i. J. 1396, wo die Schlacht von Nikopolis ; 4. der Eugen’s IV. i. J.
1444 , wo die Schlacht von Warna; 5. der Calixtus’ III. i. J. 1455, wo
der Entsatz von Belgrad; 6. der von Pius II. i. J. 1464 gepredigte; 7.
der von Sixtus IV. i. J. 1472, dessen Erfolg die Eroberung Smyrna’s und
Satalia’s; 8. der Innocens’ VIII. wider Bajesid II.; 9. der Alexanders IV.
i. J. 1501 wider denselben Sultan. Hier tritt erst als der zehnte wider
die Türken gepredigte Kreuzzug, der Leo’s X. i. J. 1520 ein , und vor
der heiligen Liga, welche durch die Schlacht von Lepanto das Signal
des Verfalles des osmanischen Reichs gab, hatten noch zwei andere Kreuz
züge Statt; 11. der Hadrian’s VI. i. .1. 1526 vor der Schlacht von
Mohaes und 12. der Paul’s III. i. J. 1539.
373
Die Geschichte der türkischen Unterhandlungen Franz I.
wird mit dem Briefwechsel zwischen ihm und Leo X. eröffnet,
worauf die auf die Belagerung von Rhodos sich beziehenden
Stücke und die zwischen Franz I. und Papst Hadrian VI. ge
wechselten Schreiben folgen.
Die ersten zehn Jahre seiner Regierung war Franz I.
also christlich, und nichts weniger als türkisch gesinnt, und
erst nach der Schlacht von Pavia wandte er sich durch einen
auf dem Wege ermordeten Gesandten an Suleiman; erst zehn
Jahre später beginnen in den französischen Geschichten die
Nachrichten von der ersten Verbindung Franz I. mit der Pforte,
und Herr Cb. erkennt in einer Note an, dass das über die
ersten Verbindungen Frankreichs mit der Pforte in der Ge
schichte schwebende Dunkel erst durch das Memoire des Ver
fassers der Geschichte des osmanischen Reichs, welcher aus
Marino Sanudo und aus den osmanischen Geschichtschreibern
schöpfte, aufgehellet worden ist 1 ).
Der zweite Sendling Franz I. an Suleiman war Frangipani,
ein Name, der in der Geschichte Oesterreichs den Herschern des
selben so oft feindlich erscheint, und das Rückbeglaubigungs
schreiben desselben vom Beginn des Monats Rebiulachir, d. i. Hälfte
Jänner 1527 (nicht 1526, wie die Uebersetzung lautet), ist die
älteste türkische Urkunde der französischen Archive; Suleiman
bestätigte den lang vor Franz I. zwischen den Mameluken
Aegyptens und Frankreich abgeschlossenen Handelsvertrag am
6. Moharrem 935, d. i. am 20. September 1528; hierauf folgen
die zwischen Villers l’Ile-Adam und dem Marechal de
Montmorency gewechselten Schreiben; dann die in die unga
rischen und polnischen Geschäfte v. J. 1524—1530 einschlagenden
Schreiben Sigismund’s des Königs von Polen, das des Papstes
*) „Heureusement ce travail a ete fait par l’auteur de la grande histoire de
„Vempire ottoman, M. de Hammer, qui a compose sur ces deux sour-
„ces un savant memoire insere en 1827 dans la Revue asiatique,
„et dont les indications vicnnent remplir ä propos la lacune que ces
„negotiations auraient presentee sans clles.” Hier ist der Irrthum zu be
richtigen, dass jenes Memoire keineswegs in der Revue asiatique,
sondern im X. Bande des Journal asiatique, welches eine von der
Revue asiatique ganz verschiedene Zeitschrift, erschienen ist.
374
Clemens’ VII. über die Schlacht von Mohacs, mehrere Schreiben
Zapolyas und Rincon’s. Als Quelle der ersten Verbindungen
Ungarns mit der Türkei kennt der Verfasser nur die [Ge
schichte des osmanischen Reichs und nicht die vortreffliche
Sammlung von Urkunden und Acten stücken zur Ge
schichte der Verhältnisse zwischen Oesterreich,
Ungarn und der Pforte im sechzehnten und sie
benzehnten Jahrhunderte, welche der uns zu früh entris
sene selige Gevay aus Archiven und Bibliotheken in drei
Quartbänden herausgegeben.
Neues und Wichtigeres als die zwei bisherigen Abtheilun
gen, welche die erste Hälfte des vorliegenden Bandes bilden,
enthält die dritte und vierte, welche die diplomatischen Ver
handlungen Frankreichs mit der Pforte v. J. 1534 bis i. J.
1547 umfassen, sie beginnen (S. 246) mit der Uebersicht der
Verhältnisse Frankreichs mit den Barbaresken und dem Feld
zuge Carl’s V. gegen Tunis, mit reichhaltigen Nachweisungen
in den Noten aus Granvella’s Staatsschriften.
Die dahin einschlagenden Schreiben der französischen
Botschafter zu Rom und Venedig, der erste zwischen Frank
reich und der Pforte abgeschlossene Vertrag italienisch und
französisch, welchen der Verfasser des Memoire über die
ersten Verhältnisse Frankreich’s mit der Türkei nur stück
weise kannte, und das Datum 1535 bezweifelte; dieser kritische
Zweifel wird durch die Note Herrn Ch’s. gehoben, welcher
mit Recht bemerkt, dass vor der Einführung des neuen Ka
lenders das Jahr in Frankreich zu Ostern anfin« - und also drei
O
Monate ins nächste hinüberlief; doch bleibt der vom Verfasser des
Memoire wider Flassan, Mouradjea d’Ohsson und andere
Geschichtschreiber geführte Beweis, das ausser dem obenerwähn
ten Vertrage kein anderes Bündniss zwischen Suleiman und
Franz I. geschlossen worden sei, unumgestosseu. Weitere Aus
züge aus den Botschaftsberichten von Rom und Venedig, das
Schiffstagebuch des französischen Admirals Baron de Saint-
Blancart und dessen Conferenz mit Ajaspascha und Bar
barossa; der bekannte Pfortendolmetsch Junisbeg heisst
liier Janus-Bey, grand drogomand, der Wesir Lutllpascha
Lutuf und Barbarossa Caradin statt Chaireddin, dann
375
weitere Auszüge aus den Boischaftsberichten von Rom und
Venedig; die zweite Sendung Rincon’s die Fortsetzung des Ta
gebuchs des Baron de Saint-BIancart, seine Reise nach Con-
stantinopel und Audienz bei Suleiman, welcher nach altem
Schlendrian französischer und anderer früherer Geschichtschrei
ber von Herrn Ch. immer Solimau II. genannt wird, wiewohl
die osmanische Geschichte nur Suleiman den Gesetzgeber als
Suleiman I. kennt und Suleiman II. kein anderer als der Bruder
und Nachfolger Mohamed’s IV. ist, welcher erst i. J. 1687 den
Thron bestieg.
Die vierte Abtheilung der zweiten Hälfte des Werkes
umfasst in fünf Hauptstücken die Geschichte der levantinischen
Verhältnisse v. J. 1540 bis 1547; sie beginnt mit dem venetia-
nischen Frieden und dem ungarischen Successionskriege, die
Belege sind die Berichte des Bischofs von Montpellier, wel
cher der Botschafter Franz I. zu Venedig und Rincon’s seines
Gesandten zu Constantinopel; es ist darin mehrmal von den
schon aus der Geschichte des osmanischen Reichs und Gevay’s
i Urkundensammlung bekannten Unterhändlern Ferdinand’s I., vom
Polen Laski und vom Dalmatiner Tranquillo Andronico, die
Rede. Lesern, die weniger mit der siebenbürgischen Geschichte
vertraut, würde es angenehm gewesen sein, die irrige Schreib
art ungarischer Namen des Textes, wie Maylac für Mai-
lat h, Ymbric für Imri oder Emerich, in einer Note zu
berichtigen; in einer solchen wird auf die wiederholten wissen
schaftlichen Belehrungen aufmerksam gemacht, welche den
französischen Gesandten an der Pforte zum Ankauf von Hand
schriften oder zur Begünstigung alterthümlicher Untersuchungen
zugingen. Zapolya wird le Roy Jehan genannt, Török der
Sohn des Valentin heist Thurek Valente, und Temesvär wird
( Thcmesfar geschrieben, so auch Poulongne statt Pologne. Das
Altfranzösische dieser Berichte hat übrigens besonderen Reiz
für Leser , welche dasselbe aus den Werken Montaigne’s und
Rabelais oder aus den früheren Froissard’s und Joinville’s
liebgewonnen haben; ein sehr anziehendes Actenstück als Ver
gleichung mit anderen damaligen, oder späteren Gesandtschafts
rechnungen sind die des Botschafters Rincon, der dieselben mit
seiner Unterschrift: „Nous Anthoine de Rincon, Chevalier, con-
376
seiller, chambellan et maistre d’hostel ordinaire du roy nostre
seigr., et nagueres son ambassadr. es pays de Levant” bestätigt.
Das zweite Hauptstück handelt von dem Zuge Carl’s V.
wider Algier und dem Bruche des zehnjährigen Waffenstill
standes mit den darauf und auf die Ermordung Rincon’s sich
beziehenden Auszügen aus den Botschaftsberichten von Ve
nedig. Diese Berichte erzählen die näheren Umstände der Er
mordung Cesare Fregoso’s und Rincon’s durch spanische
Soldaten in der Nähe von Mailand und den ungünstigen Eindruck,
welchen zu Venedig der verunglückte Feldzug Carl’s V. gegen
Algier hervorbrachte. Das dritte Hauptstück umfasst die beiden
Kriegsjahre 1543 und 1544, während denen der europäische
Krieg aufflammte und Franz I. sein Benehmen durch ein an den
Reichstag zu Nürnberg gerichtetes Schreiben zu rechtfertigen
suchte; über den Aufenthalt der türkischen Flotte, welche nun
als Verbündete der französischen im mittelländischen Meere
erschien, über ihren Aufenthalt im Hafen von Toulon geben
die Archive dieser Stadt nähere Auskunft, aus denen auch das
i. J. 1549 verfasste Inventar ihrer Privilegien beigebracht ist;
das vierte Hauptstück behandelt die französische Botschaft
Jean de Montluc’s, welcher gleichzeitig mit dem Unterhändler
Carl’s V. dem Holländer Veltwick den Frieden an der Pforte
vermitteln sollte. Die Noten enthalten weitläufige Auszüge aus
den zwei Bänden der Correspondenz Kaiser Carl’s V. Am 10.
November 1545 wurde zu Adrianopel ein Waffenstillstand für
achtzehn Monate unterzeichnet, während dessen Carl V, und
Ferdinand I. neue Botschafter zur Abschliessung des Friedens
schicken sollten. Es folgen zwei Generalberichte ^Montluc’s
über die Verrichtung seiner Botschaft.
Das fünfte und letzte Capitel des vorliegenden ersten Bandes
enthält die französische Botschaft Gabriel von Aramont’s,
über welche schon in der Geschichte des osmanischen Reichs
aus Veltwick’s Berichten Einiges zuerst kundgemacht worden 1 ).
Der Cardinal du Tournon, welcher damals die auswärtigen Ge-
4 ) M. de Hammer, d'apres Ies rapports de Veltwic qui se trouvent aus
archives de Vienne, a pu indiquer quelques-uns des objets que M. d’Aramont
avait eus a traiter avec la Porte. Note pag. 620.
377
schäfte in Frankreich leitete, wollte der Botschaft des Herrn
von Aramont den doppelten Glanz einer literarischen und einer
politischen Sendung verleihen.
Er gab dem Botschafter zwei Gelehrte Pierre Gilles
d’Alby und Pierre Belon du Maus bei, welche das in sie
gesetzte Vertrauen durch höchst schätzbare Werke gerechtfertigt,
dieser durch seine pflanzenbeschreibende Reise, jener durch die
Topographie Constantinopel’s und des Bosporus.
Junis Beg, der Pfortendolmetsch war, wie die folgenden
Pfortendolmetsche seine Nachfolger, eine Art Staatssecretär
weil die wichtigsten Staatsgeschäfte der christlichen Mächte
durch seine Hände gingen, desshalb versah Franz I. seinen
Botschafter den Herrn v. Aramont mit einem besonderen Be
glaubigungsschreiben, dessen Aufschrift: Au magnificque Seigneur
le sr. Janus-Bei, grand droguement du graut seigueur.
Dieses Beglaubigungsschreiben ist unter den Schreiben
dieser Art eben so merkwürdig, als der (so viel wir wissen)
hier (S. 162) zum erstenmal gedruckte Vertrag zwischen
i Franz dem I. und Johann Zäpolya, bestätigt zu Fontainebleau
i. J. 1528. Es wäre zu wünschen, dass es dem Verfasser ge
fallen hätte, alle die hier von ihm aus Archiven und Bibliothe
ken gesammelten Actenstücke mit Nummern zu versehen, um
den Reichthum derselben mit einem Blicke zu überschauen
und die Anführung derselben zu erleichtern. Es bedarf nicht
vieler Worte über das löbliche Bestreben des Verfassers wel
cher auf diese Weise aus den Acten selbst eine Geschichte
der diplomatischen Verhältnisse Frankreich’s mit der Pforte
schreibt, oder wenigstens alle Materialien dazu herbeischafft.
Ungeachtet des groseii Einflusses, welchen die französische Po
litik seit Franz I. und besonders seit dem Frieden von Belgrad
t auf die des osmanisehcn Reichs genommen und ausgeübt hat,
ist die Berührung beider Reiche bei weitem nicht so häufig
und wichtig, als in früheren Zeiten die Venedig’s und der
Türkei, in den neuesten die des osmanischen Reichs mit
Russland und seit dreihundert Jahren die mit Oesterreich; in
diesen dreihundert Jahren hat Frankreich gegen zwanzig, Oester
reich aber mehr als ein halbes Hundert von Verträgen aufzu
weisen, wie diess aus dem im IX. Bande der Geschichte des
378
osmanischen Reichs gegebenen Verzeichnisse der Capitulationcn,
Friedensschlüsse und anderer Tractate des osmanischen Reichs
von der Gründung desselben bis zum Frieden von Kainardsche
i. J. 1774 erhellet; es war natürlich, dass der an der Gesandt
schaft zu Constantinopel und dann in der Staatskanzlei ange-
stellte Verfasser der Geschichte des osmanischen Reichs seine
Aufmerksamkeit zuerst den Verhältnissen Oestreich’s mit der
Pforte zuwandte ; er schrieb daher aus den Archiven eine Ge
schichte der diplomatischen Verhältnisse Oestreich’s mit der
Pforte vom ersten Frieden mit Ferdinand als König von Un
garn (14. Julius 1533) bis zum Frieden von Sistow in vier
Bänden, deren beide erste den Text der Geschichte, die bei
den anderen den Text aller mit der Pforte abgeschlossenen
Verträge enthalten, er übergab diese Arbeit vor dreissig Jahren
dem damaligen Minister der auswärtigen Geschäfte Herrn Fürsten
von Metternich , in dessen Bibliothek, oder in dem Archive der
Staastkanzlei diese damals schon zum Nutzen der lnternunciatur
und der Consulate für den Druck bestimmte literarische Arbeit
sich vorfinden muss; — aber bisher nicht vorgefunden hat.
Dr. Anton Boiler las den Anfang einer Abhandlung: „Ueber
die Bildung abgeleiteter Wurzeln in Sanskrit.”
Die Einführung des Sanskrits in die Sprachforschung hat
in dieser Wissenschaft einen solchen Umschwung hervorgerufen,
dass sie mit Recht als Epoche machend an den Ausgangspunct
jener folgereichen Entdeckungen, welche sich auf diesem Gebiete
seit dem Beginne unseres Jahrhunderts ununterbrochen folgen,
gesetzt werden darf. Durch sie gewann die Sprachwissenschaft
ihre wahre, historische Grundlage und die Vergleichung ihren
Halt- und Einigungspunct, wodurch für eine Reihe der wichtig
sten Denkmähler des Alterthums der Schlüssel gefunden war;
zugleich gab sie, hei ihrer glücklichen Organisation, der begrün
deten Hoffnung Raum, dass es an ihr gelingen möge den Ent
wicklungsgang bis zu seinen Ursprüngen zu verfolgen, um im
Gegensätze zu allgemeinen Theorien, die Genesis der Sprache
historisch nachweisen zu können. Mit der Wurzel unmittelbar
in die Natur versenkt, in der reichgegliederten, und doch bei
379
der Durchsichtigkeit und den bestimmten Umrissen der Formen
klaren Wortbildung all’ die mannigfaltigen Verhältnisse der Aus-
senwelt abspiegelnd, durch Fülle und Präcision in der Flexion
dem Gedanken in seinen vcrwickeltsten Combinationen folgend,
musste sie das Ideal einer philosophischen Sprache werden, an
der sich die Denkgesetze verkörpert praktisch nachweisen Hessen.
Jetzt, nachdem ihre äusseren Vorzüge allseitig beleuchtet und
eingetragen, ihre oft sehr verwitterten Abbilder und Analogien
in den verwandten Sprachen aufgefunden und hergestellt sind
dürfte es an der Zeit sein, an die Lösung der letzten Aufgabe
zu gehen: in der Form, die sich ausprägende Idee zu erfassen,
und die Gesetze auszumitteln, nach welchen jene Gestaltung im
Lauto vor sich ging.
Eine solche Untersuchung lässt sich aber auf dem engen,
wenngleich historisch gesicherteren Boden einer einzelnen Spra
che oder selbst eines Sprachstammes nicht vollständig erschö
pfen; sie muss vielmehr hinaustreten in den erweiterten Gesichts
kreis einer allgemeinen Vergleichung, wobei die individuellen und
speciellen Züge der einzelnen Sprachen und Sprachzweige ver
schwinden, und nur die schärfer hervortretenden Umrisse bestimmt
gesonderter Richtungen in der Auffassungs- und Ausdrucksweise
erkennbar bleiben. Ja, sie kann einer solchen Controle gar nicht
entbehren, theils weil alle Sprachen, als Schöpfungen eines und
desselben Geistes, an gewisse Bedingungen gebunden sind, die
nicht unmittelbar aus den Denkgesetzen lliessen, sondern auf dem
praktischen Wege der Vergleichung erforscht werden müssen,
theils weil das richtige Verständniss und der Wertheiner gege
benen Form erst durch die Gegenüberstellung mit den mög
lichen bedingt wird.
Die Untersuchung auf diesem weiteren Gebiete hat mit den
Lautelementen, namentlich mit der Wurzel zu beginnen. Denn
ein nicht unbeträchtlicher Theil der auf dem Wege der Abstrac-
tion von den Grammatikern aufgestellten Wurzeln erweist sich
dem Laute und Gehalte nach als abgeleitet, d. h. sie stellen
nicht den unvermittelten Reflex einer Anschauung dar, der
wegen seiner Unmittelbarkeit jede weitere Erklärung ausschliesst,
sondern sie tragen ihren Erklärungsgrund in so fern in sich,
als sie die Elemente ausweisen, durch welche ihre Entwicklung
Sit7.b, d, philos. liistor. CI. Jalirg. 1849. X. Heft. 28
380
aus einer primitiven Wurzel ideell und materiell vermittelt wird.
Ueberdiess enthält jede Sprache und namentlich auch der Indoger
manische Sprachstamm eine Anzahl von Wortformen, für welche
sich in ihnen keine Wurzel mehr nachweisen lässt, wie sTR,
Knie, fsf, avis, vaOg. Nicht minder aber wird diese Ver
gleichung auch bei der Entwicklung der Verhältnisse nöthig,
welche in der Wortbildung und Flexion ihren Ausdruck finden.
Denn, obgleich einige derselben so einfach und nothwendig sind,
dass sie sich dem sprachbildenden Verstände überall aufdrängen
wie das Verhältniss des Wirkenden, des Gewirkten, des
Zweckes etc. und daher ihren Exponenten, d. i. den Wort
bildungsaffixen eine constante unzweideutige Geltung sichern, so
bedingt doch die beschränkte Anzahl dieser Exponenten, wozu
die indogermanischen Sprachen die Zeigestämme verwenden, bei
dem weiteren Eingehen in die verschiedenen Wechselbeziehun
gen der Objecte unter sich und zu dem reflectirenden Verstände,
ein unvermeidliches Ineinandergreifen derselben. Diese Vermi
schung muss auf die Ermittlung der ursprünglichen Anschauung
um so nachtheiliger wirken, als die ideelle Beziehung selbst sich
nach den Entwicklungsstufen der Sprache modificirt, wofür die
verschiedenen Arten des Verbalausdruckes einen sprechenden Be
weis liefern. Es ist einleuchtend, dass hier nur eine durch fort
währende Vergleichung mit den analogen Bildungen anderer
Stämme gesicherte Sonderung der nachweisbaren Entwicklungs
und Uebergangsstufen das nötliige Licht verbreiten kann, um das
Ursprüngliche und Wesentliche von dem Späteren und Zufälligen
zu scheiden.
Diese eigenthümlichen Verhältnisse der Untersuchung müs
sen daher auch den Ergebnissen vielfach den Character des
Schwankenden und Mangelhaften aufdrücken, selbst dann, wenn
sie unter glücklicheren Auspicien von Seite der Befähigung und
der zu Gebote stehenden Hülfsmittel als sie dem Verfasser
gegenwärtigen Versuches geworden, erzielt worden wären; den
noch glaubt er seine Ansichten und Erfahrungen dem öffentlichen
Urtheile vorlegen zu sollen, selbst auf die Gefahr hin, dass
sie als Irrthümer keinen andern Erfolg hätten als Berichtigung
hervorzurufen, und die Thätigkeit glücklicherer Forscher auf die-
381
ses neue Gebiet zu lenken, auf welchem Pott, Beinfei,
Scliwartze etc. zuerst Balm gebrochen.
Ich beginne mit (len abgeleiteten Wurzeln und verfahre
bei der Untersuchung so, dass ich zuerst die Bildung und die
Bedeutung darlege, dann das in der Sprache selbst lie
gende Material zu ihrem Verständnisse zusammenstelle und
endlich das Resultat an der Vergleichung mit den übrigen
Stämmen erprobe.
a) Passiv-Wurzel.
Die Vollständigkeit nöthigt mich zuerst eine Normalform zu
behandeln, welche theilweise in das Gebiet des Verbums fällt,
ich meine das in der europäischen Ausdrucksweise obgleich
nicht ganz richtig als Part. Perf. Pass, bezeichnete Verbal-Adjectiv
auf TT (ta). Es tritt nämlich an den primitiven oder secundären
Wurzelstamm das Affix rT, welches nach den Vocalen f" (t),
TTT (ü) und den Consonanten ^ (d), sT[Jj), T (r), meist durch
-T (na) vertreten wird, und in letzterem Falle das auslautende
(d) sich assimilirt. Die Wurzel selbst erscheint in der schwa
chen Form.
Diese Bildung bezeichnet einen Zustand, in welchen ein Object
durch eine in oder ausser ihm liegende Thätigkeit versetzt wurde,
und auch nach dem Aufhören jener Einwirkung verharrt. 3T3TTT
(ägata), gekommen, Ankömmling; (liina), verlassen, elend;
TFTfSTcT (likhita), geschrieben, Schläft. Häufig erscheint diese
Form in der Bedeutung eines Abstractums: 'Brl 3 ^ (gatam),
Gang; ^TTPT^ (matam), Meinung. In Verbindung mit dem Pos
sessiv-Affixe (vanl), vertritt sie das active Partie. Per-
fecti mit der Rection des Verbums : TT oiL|(H =
(tammantram vjäkliätavun—vyäcakhyau, er hat diesen
Mantra erklärt. Im Latein, Gothischen etc. tritt dieses Mittel
wort geradezu in die Conjugation ein.
Die Haltpuncte, welche die Sprache selbst zur Erklärung
bietet, sind: a) der Neutralausgang der Pronomina TT(t) und
die in den übrigen Sprachen gewöhnliche Abstractbildung mit
telst t, welches indess im Sanskrit in s erweicht ist; b) die
active Participial-Endung 3PTT (ant); c) der Pronominalstamm
TT (ta) als objectiver Gegensatz von TT (sa), dem Pronomen der
28 *
382
wirkenden Persönlichkeit. Dieses ^ in der Pronominal- und Ab-
stractbildung wurzelt aber in jener Periode der Sprache, in
welcher die sinnliche Anschauung' der Natur nur Wirkendes und
Receptives in den Erscheinungen und Kräften unterschied, und in
r! — einem primitiven Demonstrativstamme zur Bezeichnung der
Selbständigkeit eines Seienden im Gegensätze zu dem an ihm
sich Aeussernden — den Ausdruck des letzteren fand. Die Aus
bildung zu dem Stamme H (t+a) individualisirte das Object,
wie aus der Vergleichung mit Substantivformen: inort, moriuus
etc. erhellt, wobei der Stamm H (a) bereits seine specielle Be
ziehung zu dem Objecte geltend macht. Man müsste also ein
solches Participium in drei Bestandtheile zeidegen, deren erster
die besondere Art der Einwirkung ausdrückt, welche die Wurzel
bezeichnet, der zweite den Begriff der Passivität enthält und der
dritte auf das Individuum hinweist, welches jener Einwirkung
unterliegt. TsTcT (jita) — victus = vincere + pati + is qui.
Diese Auffassungsweise wird durch Vergleichung mit den
anderen Stämmen bestätigt.
Das Alt-Aegyptische bildet sein Participium mittelst u. t,
in welchem u als der Exponent der passiven Stellung des
Seienden gegen die Thätigkeit, analog jenem 31 erscheint.
4
A.
, ha. u. t, gesetzt, im Gegensätze zu dem Activ:
«
y auch, et, lebend. Diese ägyptische Form tritt in Verbin
dung mit den Personal - Affixen, um einen eigentlichen passiven
Verbalausdruck zu bilden: ^ ZUA* au. u. t. f, er ist
angebetet. In Verbindung mit den Personal-Affixen wird diese
Bildung Grundlage einer wirklichen, ausschliesslich passiven
Conjugation
au. ut. f sehe neter an neter hent. u,
angebetet — er wie ein Gott von den Propheten.
Diese schon von Champollion nachgewiesene Ausdrucks
weise lässt sich aus dem Todtenbuche noch vielfach belegen.
383
und man darf die Auffassung des Verhältnisses, auf der sie be
ruht, als eine geläufige voraussetzen. Ich liehe nur ein Beispiel
heraus
nen maa. ut. f rer cm te,
Nicht gesehen — er wandeln auf der Erde.
Diese verbale Anwendung verdient die Aufmerksamkeit des
Sprachforschers auch darum, weil sie die Entwicklung des Vcrbal-
ausdrucks aus dem nominalen thatsächlieh nachweist und gegen
jeden Einwand sicher stellt.
Das Neu-Aegyptische hat diese Form bewahrt, aber theil-
weise in den Elementen geschwächt, was um so leichter ein-
treten konnte, als sie den Begriff der Individualität durch das
vorausgeschickte Relativ bezeichnete, von dem Verbalgebrauche
aber gänzlich Umgang nahm: ETTAülHO'ö' T, GTTA1H0<?T B,
geehrt, von TA610 , ETCgOtfOpT verflucht, CgOtfOp.
Die semitische Form weist die neu-ägyptische Auf
fassung und ihre Elemente; an die Stelle des Relativs ist f ge
treten, das, seinem Ursprünge nach gleiche Geltung hat, während
das semitische Verbaladjectiv der Form Jy« 5 seinerseits über die
Natur des Acgyptischen Aufschluss gibt.
Sehr belehrend ist der magyarische Nominalausdruck des
passiven Verbalbegriffes, welcher t an den Stamm fügt: ir-l
geschrieben, von ir, er schreibt; szerctcit, geliebt, von szeret,
er liebt. Dasselbe t bildet aber zugleich ein (passives) Ab-
stractum (akarat, Wille, von alcar, er will) bezeichnet den Accu-
sativ (azember-t, den Menschen, az embereh-et, die Menschen)
und ist der wesentliche Exponent des causalen und passiven Ver
hältnisses (ir - at -ja, er lässt schreiben, ir-it-ik, wird ge
schrieben. Zugleich bildet die Nominalform die Grundlage der
activen Conjugation im Perfectum.
Unter den einsilbigen Sprachen drücken die Tibetanische und
Birmanische den Verbalbcgriff, obgleich sie ihn virtuell in der
Uection anerkennen, durch Nominalformen aus, wobei sie die
384
durch die Wurzel ausgedrückte Thätigkeit durch eine Art Demon
strativ oder Artikel ZJ ‘ pa oder £3 va Tib., ^30, sT und im spe-
ciellen Nominalgebrauche auch ccoo sau Bir.)an eine Individualität
fixiren. Der eigentlich passive Nominalausdruck wird derPerfect-
form der Wurzel entlehnt, wenn deren passive Bedeutung nicht
anderweitig festgestellt ist: mre i-p a , hat geredet;
geredet habend (loquutus) ; Rede; von mra, sprechen; —
aQ 3 vS° cmo oToot sKö khäe pjih sau zakäh, gesprochene Rede
Q \ ©
von 3q_ zliu, sagen 3 vS s khac pjih, Zeichen der längstvergan
genen Zeit).
Von den malayischen Sprachen bildet die eigentlich Malayi-
sche einen passiven Participial-Ausdruck mit Versetzung von
y: ^yy, terbünoh, getödtet von ^y tödten. Das Tagalische hat
einen dreifachen passiven Ausdruck, der zwar die Zeitbestim
mungen nach Art eines eigentlichen Zeitwortes zu sich nimmt,
wesentlich aber nominaler Natur ist und das objective, instru
mentale oder örtliche Verhältnis des (passiven) Subjects be
zeichnet. Die vergangene Zeit des örtlichen Ausdrucks wird auch
speciell als Nominalform gebraucht, b-in-üting-an ist: ver
schnitten worden, und: ein Verschnittener, von bäting, verschnei
den. Regelmässig bildet sie den eigentlichen Partiapial-Ausdruck
aus jeder Verbalform durch Vorsetzung des Artikels, einer Prä
position oder Ligatur. Die javanische und Kawi-Ausdrucksweise
schliesst sich zwar direct an den passiven Verbalbegriff, doch
ist die Form mit Vorgesetztem jcin, ka, die häufig noch mit
dem örtlichen Affixe (U¥1(K1|, han, verbunden erscheint, ungeach
tet der sie begleitenden Zeitpartikeln, richtiger nominal zu
fassen, wodurch der Ausdruck an sinnlicher Lebendigkeit ge
winnt. Man vergleiche folgende Stelle aus dem Whvoho :
a a_
innn • • assi(Ki(Ki(i^(in^Mi[|!Lfira
Q Q. Q. Q
(Wiel (Kinaanm(Kij| \ cum aa •• (Uiosmra
a.
Ofkjü (Lmny Hfflasüaarui(KTj|, nira datan kadulu denning samt
kalingngan hing ngbna, datan nawas nanging ivahu ka-
lingngallan; sie . . . werden nicht gesehen, weil alle in der
Wolke verhüllt, nicht deutlich dann sichtbar; (werden von der
385
Wolke bedeckt, und nicht gesehen), wo die Ausdrücke iKinacuio(KiJ|
kalingngan, ein verhüllter Gegenstand ((uinanji, haling, bedecken)
und (KinSfnnajui(Kl|, ein sichtbares Object (äaim(ian|, sehen) im
Vergleiche mit dem einfachen Verbum einen Grad von Anschau
lichkeit gewähren, den wir in dem Bewusstsein der ausgebildet
sten Sprachen längst vermissen, obgleich ihre Bildungen auf
derselben Anschauungsweise beruhen, und wenn gleich nicht
materiell dem Laute nach , aus denselben Elementen bestehen.
Auch die Form mit eingeschaltetem in erhält öfters durch dieses
angefügte an eine mehr sinnliche Beziehung, ib. Otis (inajUKraSf
. . ci a a
aaariJKKljj ooaiuojKjiKlciMU^ os^ceikoi , vaja gen tinnmgngallan
vavayangngan lcang ningngalli tumiba, die Zähne, wenn ge
sehen (Gegenstand des Gesehenwerdens), das Bild (dessen) der
anblickt, entsteht, wo in dem Ausdrucke (KiliKi'anali'in []
iiiKiaaruKKio,
3 <^4
tinning-
ngallan, der Gegenstand der Anschauung, die glänzende Spie
gelfläche der Zähne objectiv dargestellt ist.
Analog der nominalen Auflassungsweise des westlichen
Stammes bildeten auch die polynesischen Sprachen den pas
siven Ausdruck durch Abstractformen, mittelst der Affixe na,
nga, so wie durch Ina und seine Modificationen: tia, lia, ngia,
ria, ’a etc. unter welchen erstere mehr die örtliche, letztere die
objective Seite zu berühren scheinen, wesshalb auch letzterer
Ausdruck der geläufigere geworden ist: a hei ano leite-nga
(Rarotonga) und wird nicht mehr gefunden, von feite sehen, fin
den; ivakaahua-tia ke-tia verändert sich in eine andere Gestalt
ahua, Gestalt, wdkaahua gestalten, ke anderer; tae-a. noa-tia,
erstreckt bis hieher; tue sich nahen, kommen, noa jetzt. Ueber
den Werth des Affixes geben Substantive wie wakakanga,
Gericht, von wakaka richten; leotinga Ernte von leoti ernten,
abschneiden; moenga Lager, Bett von moe schlafen; vollstän
digen Aufschluss. Des Zusammenhanges wegen vergleiche man
wakaakona unterrichtet werden, von wakaako lehren, mit
waleamatauria geprüft, erforscht werden. Auch dürfte die
neutrale Bedeutung der Formen auf Ina mit dem Präfixe der
gleichfalls neutralen Formen hiamoe schlafen, liiakai essen, in
386
einem inneren Zusammenhänge stehen. Uebrigens wird die Form
auf liia als die speciell nominale in der Bedeutung eines
Participiums gebraucht und oft noch mit i verbunden. Te eva-
nelia a Joane, i iritihia ei parau Tahiti des E. J. in die
Sprache von Tahiti übertragen.
Dr. Pfitzmaier liest den Schluss seiner Abhandlung:
„Ueber die älteste japanische Poesie.”
Es erübrigen noch fünf Gedichte von etwas beträchtlicherem
Umfang, als die vorigen. Dieselben befinden sich an einer und
derselben Stelle des Kami-yo-no masa-koto, und sind besonders
denkwürdig durch die Sagen, welche sich an die Namen der
Personen knüpfen, denen sie zugeschrieben werden. Da diese
Sagen gänzlich unbekannt sind, und der Character des japanischen
Mythus sich in ihnen besonders deutlich abspiegelt, so glaube ich,
dass eine vorläufige Mitteilung derselben an diesem Orte nicht
unwillkommen seyn wird.
Der Gott Susa-no Wo, nachdem er sich in das Reich der
ewigen Wurzeln, d. i. in die Unterwelt zurückgezogen hatte,
hinterliess einen Sohn, dem folgende fünf verschiedene Namen
beigelegt wurden: Wowo-kuni-nusi (der Herr des grossen
Reiches), Wowo-na-mudzi, Asi-wara-siko-wo, Ya-tsi-foko-no kami
(der Gott der achttausend Lanzen), und Utsusi-kuni-tama-no kami
(der Gott der Edelsteine des sichtbaren Reiches). Derselbe hatte
achtzig göttliche Brüder 1 ), die aber alle ihrem Bruder das Reich
Idzumo überlassen mussten. Dieses geschah auf folgende Weise:
Die achtzig Götter hatten die Absicht, um Ya-kami-firne
aus Ina-ha zu freien. Als sic gemeinschaftlich nach Ina-ba zogen,
Hessen sie durch Wowo-na-mudzi den Reiscbündel tragen, und
machten ihn zu ihrem Begleiter. Als sie zu dem Vorgebirge
Ke-ta gelangten, lag daselbst ein nackter (d. i. seines Felles
beraubter) Hase. Die achtzig Götter sprachen zu dem Hasen:
Was du zu thun hast ist dieses: Bade dich in dieser Salzfluth,
*) Nach dem andern Werke, in dem auch die Namen des Gottes etwas
verschieden angegeben werden, waren es 180.
387
und lege dich, indess du dich von dem Winde anwehen lassest,
auf dem Rücken des hohen Berges. Als der Hase diesen Rath
befolgte und sich niederlegte, trocknete die Salzfluth ein, und
seine Haut wurde ganz von dem Hauche des Windes zerrissen.
Während er weinend da lag, kam ganz zuletzt nachziehend, der
Gott Wowo-na-mudzi. Als er den Hasen sah, fragte er: Warum
liegst du hier und weinst ? — Der Hase antwortete: Ich befand
mich auf der Insel Woki und wollte nach diesem Reich hinüber
setzen. So sehr ich es auch wünschte, fand ich doch kein Mittel
hinüberzukommen. Darum betrog ich die Krokodile des Meeres,
indem ich zu ihnen sprach: Ich möchte gerne untersuchen, ob
mein oder euer Geschlecht stärker an Zahl ist. Kommt daher,
so viele eures Geschlechtes sind, hier zusammen und legt euch
von dieser Insel bis zu dem Vorgebirge Ke-ta in Reihen hinüber.
Ich werde über euch hinwandeln, und bis jenseits euch im Laufe
zählen. Auf diese Weise werde ich erfahren, welches von unsern
Geschlechtern zahlreicher ist. Sie Hessen sich durch diese Worte
täuschen, und legten sieh in Reiben. Ich trat auf sie, und wandelte
zählend hinüber. Als ich an’s Land steigen wollte, sprach ich:
Ihr seid von mir betrogen worden. Kaum dass ich dieses gesagt,
erfasste mich das zuletztliegende Krokodil, und beraubte mich
meiner ganzen Kleidung. Während ich mich darüber härmte und
weinte, ertlieilten mir die vorausgegangenen achtzig Götter den
Rath, mich in der Salzfluth zu baden und in den Hauch des Windes
zu legen. Ich befolgte den Rath, und mein ganzer Leib wurde
mit Wunden bedeckt. Der Gott Wowo-na-mudzi sprach: Wenn
du jetzt gleich zu dieser Flussmündung gehst, deinen Leib mit
dem Wasser wäschest, dann die Blumen von dem Schilfe dieser
Flussmündung nimmst, sie umberstreust und auf ihnen dich wälzest,
so wird dein Leib so werden, wie er früher gewesen. —Der Hase
befolgte dieses, und sein Leib wurde wie er früher war 1 ). Hierauf
sprach der Hase zu dem Gotte: Diese achtzig Götter werden
Ya-kami-firne nicht erhalten. Wenn du auch den Reisebündel
trägst, so wird sie dir doch zu Theil werden. — Ya-kami-fime
gab den Göttern folgende Antwort: Ich kann euch nicht erhören.
Nur mit dem Gotte Wowo-na-mudzi werde ich mich verbinden.
*) Dieser Hase lieisst der weisse Hase von Ina - ba, jetzt der Hasengott.
I| II 'l| I— 1 I IN
388
Die achtzig Götter waren hierüber erzürnt, und entwarfen
einen Plan, wie sie Wowo-na-mudzi tödten könnten. Als sie zu
dem Fusse des Berges Te-ma, in dem Reiche Fawa-ki kamen,
sprachen sie zu ihm: Auf diesem Berge lebt ein rother Eber.
Wenn wir ihn heruntertreiben werden, so fange ihn auf. Thust
du dieses nicht, so wird er dich tödten. —- Hierauf machten
sie einen, einem Eber ähnlichen Felsen im Feuer glühend, und
wälzten ihn herab. Als jener den Eber aufzufangen wähnte,
wurde er von dem Felsen verbrannt und starb. Sein Grossvater
darüber betrübt und weinend, stieg in den Himmel und flehte bei
dem Gotte Kami-musubi (dem dritten Beherrscher des Himmels).
Dieser entsandte Kisa-gai-firne (das Herzmuschel - Fräulein)
und Umugi-firne (das Doppelfliigehnuschel -Fräulein) mit dem
Aufträge, ihn wieder lebendig zu machen. Kisa-gai-fime röstete
Herzmuscheln, Umugi-fime goss Wasser darüber und befeuchtete
sie mit Muttermilch, worauf ein sehr schöner Mann — es war
der Verstorbene — entstand und herumwandelte.
Als ihn die achtzig Götter sahen, ersannen sie eine neue
List. Sie gingen in das Gebirge, fällten einen alten Baum, und
verbargen darin einen Pfeil. Hierauf stellten sich auf den Baum,
und nachdem sie Wowo-na-mudzi bewogen batten hineinzugehen,
drückten sic den verborgenen Pfeil los und tödteten ihn. Sein
Grossvater weinte wieder und suchte ihn. Als er ihn endlich
gefunden, spaltete er den Baum, nahm ihn heraus und machte
ihn wieder lebendig. Hierauf sprach er zu ihm: Wenn du hier
bleibst, wirst du zuletzt von den achtzig Göttern vernichtet
werden. Somit schickte er ihn schleunigst in das Reich der
Bäume, den Wohnsitz des Gottes Wowo-ya-biko. Als ihn auch
hier die Götter suchten, und, ihn einholend, die Pfeile gegen
ihn abdrückten, schlüpfte er durch die Stämme der Bäume,
entkam ihnen und vcrliess das Land.
Der göttliche Grossvater sprach hierauf: Gehe in der Wurzeln
festes Werderreich (d. i. die Unterwelt) nach dem Wohnsitze des
Gottes Susa-no Wo. Dieser grosse Gott wird gewiss einen Plan
ersinnen. —Als Wowo-na-mudzi endlich zu dem Wohnsitze des
Gottes Susa-no Wo gekommen war, erblickte ihn Suseri-bime,
die Tochter desselben, und vermählte sich mit ihm. Hierauf
kehrte sie zu ihrem Vater zurück und sprach: Ein sehr schöner
389
Gott ist angekommen. Der Vater trat hinaus und sprach, nachdem
er ihn gesehen: Dieses ist ein Gott Namens Asi-wara-siko-wo. —
Sogleich rief er ihn zu sich, und wies ihm seine Schlangenkammer
zur Schlafstätte an. Su - seri - bime gab ihrem Gemahl eine
„Schlangenflosse” und sprach: Wenn die Schlange dich verzehren
will, so schüttle diese Flosse dreimal, und streichle sie damit.
Als er diesen Rath befolgte, besänftigte sich die Schlange. Er
schlief daher ruhig, und trat wieder heraus.
Die nächste Nacht wies ihm der Gott die Vielfuss- und
Bienenkammer zur Schlafstätte an. Su-seri-bime gab ihm wieder
eine Vielfuss- und Bienenflosse und belehrte ihn wie das erste
Mal. Er schlief daher ruhig, und trat wieder heraus.
Der Gott schoss jetzt einen Pfeil in die Mitte eines grossen
Feldes, und befahl Wowo-na-mudzi diesen Pfeil aufzuheben.
Als dieser hinausgegangen war, zündete der Gott um dieses Feld
ein grosses Feuer an. Während Wowo-na-mudzi keinen Ausweg
wusste, kam eine Maus und sprach: Inwendig sind Gruben,
auswendig sind Höhlen. Er ging zu diesen Stellen, und während
er sich daselbst verborgen hielt, brannte das Feuer zu Ende.
Die Maus fasste den Pfeil mit den Zähnen und iiberbrachte ihn.
Su-seri-bime zog Trauerkleider au, und weinte. Ihr Vater,
der grosse Gott glaubte, dass Wowo-na-mudzi schon das Leben
eingebüsst habe, und ging auf das Feld hinaus. Als dieser ihm
mit dem Pfeile entgegenkam, ging er in das Haus zurück, und
riet ihn in das grosse Gemach Ya-ta-ma (das Gemach der acht
Felder). Hier befahl er Wowo-na-mudzi, ihm auf dem Kopfe
Läuse zu suchen. Als dieser den Kopf erblickte, befanden sich
auf ihm eine Menge Vielftisse. Su-seri-bime gab ihrem Gemahl
Schlehenfrüchte und rothe Erde. Als dieser die Schlehenfrüchte
zerkäute, die rothe Erde in den Mund nahm und dann sie
ausspuckte, glaubte der grosse Gott, dass er die Vielfüsse
zerkäue und sie ausspucke. Er fasste daher eine Neigung zu
ihm, und schlief ein.
Wowo-na-mudzi fasste jetzt die Haare des Gottes, band
sie an die Balken des Zimmers, und verrammelte den Eingang
mit fünfhundert schweren Steinen. Er nahm dann seine Gemahlin
Su-seri-bime auf den Rücken, ergriff das dem Gotte gehörige
„belebende” Schwert, so wie den „belebenden” Bogen mit den
390
Pfeilen, ferner dessen „himmlische Befehlshaberlaute” und ent
floh. Indem er aber die Saiten dieser Laute berührte, wurde die
Erde erschüttert. Der schlafende grosse Gott, der dieses hörte,
erschrack und warf das Haus, in welchem er wohnte, nieder. Wäh
rend er jedoch seine an die Balken gebundenen Haare auflöste, war
Wowo-na-mudzi schon weit entflohen. Der grosse Gott verfolgte
ihn bis an die breite Treppe der Unterwelt, und als er ihn in
der Ferne erblickte, rief er ihm zu: Mit dem belebenden Schwert
und dem belebenden Bogen, samrnt den Pfeilen, welche du im
Besitze hast, wirf deine Brüder auf die Treppe, und treibe sie
zu der seichten Stelle des Flusses. Werde dann der Gott, der
der Herr ist des grossen Reiches, und der Gott der Edelsteine
des sichtbaren Reiches, mache meine Tochter Su-seri-fime zu
deiner ersten Gemahlin, und an dem Gebirgsfusse des Gebirges
Uka, an den unten befindlichen Felsenwurzeln der Pallastsäulen
grosse Herrschaft, an des hohen Himmels Felde des Eisbaumes
hohe Herrschaft begründend, schlage dort deinen Wohnsitz auf.
Wowo-na-nudzi entledigte sich mit Hilfe dieses Schwertes
und dieses Bogens der achtzig Götter, warf sie einzeln auf die
Unterweltstreppe, und trieb sie an die seichten Stellen des
Flusses. Hierauf legte er den Grund zu einem Reiche und nahm
Ya-kami-fime, mit der er früher versprochen war, zur zweiten
Gemahlin.
Zuletzt freite der Gott der achttausend Lanzen — so wurde
Wowo-na-mudzi jetzt genannt — noch um Nuna-kawa-firne aus
dem Reiche Kosi. Als er zu ihrem Hause gelangte, sang er
folgende Verse:
') Der Eisbaum -Ae. fi-gi, ist einer der Namen von Thuya orientalis.
391
nk 't 4 - n
4p-, rrJ ,ri n - 1 — £,
7t~ ^ V A\ >i
N C* ' ‘Sir 4p-, iK- IK
— -ft <-«'—
n -s A\ 'i ✓
^ % TN
rw ■=>' - j — -H— 4p» if-^
^ i ^ ^ -IK
r>~» ^ - 1 — -H— n ^ i!-»
m ^ jj 'I
K ^ ^ m i, ^
A\ Nh> ■‘f' TN 1+1
v t» — 4?» \ iK
TN K iS TN *
V - C* '1^- ~\
TN — "A -s
4v K V A>^ — TN
TK V- UN SS
s> V -c^' ¥ \ K
yi n ''r\ i]n iS
s> V -c\ - -P 1 ^
^ tk ^ v 11
t^\ H A 4~» "H -
rA, p, — -=-.
4t- V < — m 4
v
*N
•I A n — -=^
4p» -b A 4-s A\
\ hj
4- An 4v ^ —
n
— ■=■». HJ
-f 1 iVr
V'^A^pv.^-
r» a -p* *r\ ^ ^
n -—s
4p- AX^
— HJ
n > n
•=- 4?»
J
Ya tsi - foko - no
Kami - no mikoto - wa
Ya - sima - kuni
Tsuma - magi - kannte
Towo - towo - si
Ko - si - no kuni - ni
Sakasi -me -wo
Ari - to kikasi - te
Kuwasi - me -wo
Ari -to - kikosi - te
Sa - yobai - ni
Ari - kayowase
Tatsi - ga wo - mo
Imada tokazu - te
Wosu- fi-wo-mo
Imada tokane-ba
Woto-me - no
Nasu-ya ita - to - wo
Woso - burai
Waga tatasere - ha
Fiko - dzurai
Waga tatasere - ba
Awo - yama - ni
Nuye - wa naki
Sa - nu - tsu tori
Ki- gisi-wa toyomu
Niwa - tsu tori
Kake - wa naku
Vre - taku - mo
Naku-naru tori-ka
Kono tori - mo
Utsi - yame - kose - ne
Isitufu - ya
Ama - fase - dzukai
Koto - no
Katari - goto - mo
Kowo - ba.
Der achttausendlanzige
Göttliche Geehrte,
Der im Reiche der acht Inseln
Nicht die Gattin suchen kann,
Hat in der Perne
Dass in Kosi’s Reich
Eine weise Tochter
393
Es gibt, gehört,
Eine schmucke Tochter
Es gibt, gehört,
Um sie zu freien,
Er sich erhebet,
Um sie zu freien,
Kommt er herüber.
Des Schwertes Riemen
Eh’ er geloset,
Des Kleides Gürtel
Eh’ er gelüset,
Der jungen Tochter
Verschloss’ne Breterthür
Er berührt und klopft.
Wie ich mich hebe,
Ich sie geleite,
Wie ich mich hebe,
Auf dem grünen Berg
Die Nachtschwalbe singt,
Der Vogel auf dem Feld
Das Berghuhn regt sich,
Der Vogel in der Halle
Der Haushahn ruft.
Die voll Freude sind, und rufen
Sind diess die Vögel?
Diese Vögel auch
Machst du erkranken.
Voll Verlangen
Des Himmels jagender Gesandter,
Von den Dingen
Die er sagen möchte, sage
Ich dieses.
p* -3 magu, suchen.
7 3 f sa-yöbö, freien, mit der Partikel sa,
vv irklich.
£ X wosu-fi, im Original durch die Sylbenschrift
Ma-ga-na ausgedrückt, und ein sonst ganz unbekanntes Wort,
scheint zusammengesetzt aus x. niederdrücken und t statt
t t fhno, Band.
■Z j~ nasu, verschHessen, mit ^ ya. als Expletiv--
partikel.
394
7 7 7" 7 7 woso-burd, schütteln. 7 .=? woso,
statt ^ wosi.
7 7 y'' - J ^ fiko-dzurd, wegnehmen, mit sich
nehmen, 3 t /?/>■«, statt ^ t. /;/«.
'7 7 sa-nu-tsu, auf dem Felde befindlich, mit
der Partikel *ij- sa, wirklich. ^ na, Feld, statt ) no.
V ^ ki-gisi, ein Feldhuhn.
>rji kake, ein Hahn.
/u- y ^ yameru, erkranken machen.
/i" ^ 3 koseru, beschädigen.
7 p. 'i isitb, so viel als 7 p, iS S ^ <K
Nuna-kawa-fime hatte die Thürc noch nicht geöffnet, und
sang aus dem Innern ihrer Wohnung:
f 1 f 4
r i r
,) - ij
7
y
h
i
3
1
1
y
7
*
!)
•3
3
7
y
x
)
V 7 7 ji : Y
f v *
t
)
T
1
7
7>
v'
7
*
v'
£
7
£
•C?
t
7
3
7- 4
f
395
Ya - tsi - foko - no
Kami - no mikoto
Nuye - kusa - no
Me - ni - si are - ba
Wu(ja kokoro
Ura -su- no tori - %o
Ima - koso - wa
Tsi - dort - ni arame
Notsi-wa
Nadori - ni aramu - wo
Inotsi - wu
Na - sise - tamai - so
Isitafu - ya
Ama - fase - dzukai
Koto - no
Katari - goto - mo
Kowo-ba
Achttausendlanziger
Göttlicher Geehrter,
Als das gesenktpflanz’ge
Weib ich lebte ,
War mein Herz
Der Bucht- und Werdervogel,
Doch um die Zeit
Zum Raubvogel verwildert,
Wenn nach der Zeit
Es sich besänftigt,
Sein Leben dann
Wolle nicht tödten.
Voll Verlangen
Des Himmels jagender Gesandter,
Von den Dingen,
Die ich sagen möchte, sage
Ich dieses.
J? n: y. nuye-kusa, durch „die liegende Pflanze'’
erklärt, ist mir sonst nirgends vorgekommen. Wohl aber fand
ich ye-gusa, was den Namen einer schilfartigen
Pflanze ausdrückt. Es wäre demnach ^ ^ JL nuye-kusa,
so viel als re J- nu-ye-kusa, „das Ried des Feldes.”
Sitzb. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1849. X. lieft. 39
396
/i" ]\ j y aramuru, hart, rauh werden, abgeleitet
von y y arasi, hart, rauh.
yu- y' -j- nadoru, so viel als yi- ^ nadzuru, b e-
sanftigen. Die Wurzel von fl^ry ist y" y nade, wess-
lialb an dieser Stelle eigentlich — y" y nade - ni, statt
~ !) V' j~ nadcri-ni stehen sollte. Dieser scheinbare Verstoss
gegen die Regeln der Grammatik könnte dadurch erklärt werden,
dass man )J y nadori als die Zusammenziehung von y" y
)J Y nade-wori betrachtete, jedoch ist die Richtigkeit einer
solchen Ableitung sehr unwahrscheinlich, vielmehr beinahe gewiss,
dass von dem dialectischen Indieativ yt- "J-" y nadoru, die
Wurzel erst gebildet wurde, welche allerdings den Regeln der
Grammatik zufolge in diesem Palle nicht anders als lj -j~
nadori lauten kann.
h 7 y aramu steht statt > 7 J aran, dem Futurum
von yi^ 7 haben. Es ist zu bemerken, dass in der alten
Sprache nicht allein das Futurum durchgängig auf A gebildet,
sondern auch das ■> immer durch andere Laute, meistens A
ersetzt wird.
|' zi koto bedeutet nebst Sache, Angelegenheit auch
Wort oder Rede.
■3 ko ist das anzeigende Fürwort: dieser, ist aber nur
in einigen Endungen gebräuchlich, nämlich Nom. ZJ ko und
O ko-wa, Gen. ) 3 ko-no, Acc. ^ 3 ko - wo und
7 3 ko-wo-ha.
397
Nuna - kawa - firne sang ferner:
7 V
r *
t “f
7 v H
fl'
*
i
L t
t P
) *
h
t
7
7
7
)
* 7
f
f
3
t
* ;
n:
f
f
* * 7
j" ^ T 3 ^
7 -5
7 Ä
7 *
7 ,
h
J*
n
7
7*
* I
* ’
A
f t ^
ft
3
t
ZJ-
iS
7> ^ f 7 ^
i
;
i
! *
^ *■ r
f t
v'
•3
f
t
Z*
7
£ -
^ t
s
f
f
t
7
Awo - yama -ni
Fi-ga kakura- ba
Nu -ba - tama -no
Yo - um ide - namu
Asa - fi - no
Yemi - sakaye - kite
Taku - d%unu - no
Siroki tadamuki
Atva - yuki - no
Waka -yaru mune - wo
Sodataki
Tataki - ma - nagari
Ma - tama - de
Tama - de - sasi - maki
Momo - naga - ni
I-wa-nasamu-wo
Aya - ni
Na - koi - kikosi
Ya - tsi -foko-no
29 *
398
Kami-no mikoto
Koto - no
Katari - goto - mo
Kowo - ba
Arf dem grünen Berg
Wenn sich die Sonne birgt,
Wird die feldflügelstein’ge
Nacht einbrechen,
Die Morgensonne
Wenn lachend kommt,
Der wachholderseil’ge
Weisse Arm
Den schaumig schnee’gen
Zarten Busen
Heftig schlägt,
Indcss er schlägt,
Die reine Milchsteinhand
Mit der Milchsteinhand verschlingend,
Gestreckten Fusses
Wenn ich schlafen werde,
Ach, dann mich
Liebend hörst du nicht.
Voll Verlangen
Des Himmels jagender Gesandter,
Von den Dingen,
Die ich sagen möchte, sage
Ich dieses.
^P ^ nu-ba-tam,a, wörtlich: „der geflügelte Edel
stein des Feldes” ein unbekannter Stein von schwarzer oder
dunkler Farbe.
y 7 p talcu jetzt 7 y afutsi, ein Strauch von dem
Geschlechte der Fichten und Firnissbäume, der mit dem Wach
holderbaum Aehnlichkeit hat, und aus dessen Blättern die alten
Japaner Stricke verfertigten.
J* <7 tsunu statt j- 17 tsuna^ ein Seil. y p
taku-dzunu, „ein Seil von den Blättern des Wachholderbaumes”
mit dem hier der dünne, schlanke Arm verglichen wird.
399
^ waka-yaru, zart, statt ft ~ft ^ wakalci.
ßt" y sodataku, so viel als s p_ tatuku,
schlagen. Ebenso /u- '7 p" 7 sodatsuru, erziehen, von
/l- '7 £ tatsuru, aufrichten. Die Sylbe 7 ist von unge
wisser Bedeutung und Abstammung.
l) •ji" y- -3 ma-nagari, so viel als das gewöhnliche
y y? y- nagara, während, mit der Nebenbedeutung von
obgleich. -3 ma, hat den Sinn von wirklich, und l) ji y-
statt 7 ji' -ft ist mir auch schon unter den Ausdrücken der
gewöhnlichen Sprache vorgekommen.
■=? ma-tama- de, „eine Hand von der Farbe
eines weissen Edelsteins.” 'S ma, hat wieder den Sinn von
wirklich.
^ -3 i/^ sasi-maku, zusammenrolleu, Zusam
menlegen, mit Vorsetzung des Hilfszeitwortes jy ^ sasi,
mit dem Finger zeigen.
— jf y- naga -ni, der Länge nach, abgeleitet von
P y~ nagasi, lang.
X ft ft i-wu-nasu, schlafen, sich schlafen
legen, ganz obsoletes Wort, zusammengesetzt aus /f i, so
viel als ^ /f i-ne, Wurzel von /f inuru, schlafen,
j\ wa. dem bestimmten Artikel, und y y~ nasu, das hier
durch übernachten erklärt wird.
— "Y y aya-ni, so viel als ~J a V a > leider.
£7 ZJ Y t 3 y~ na-koi-kikosi, eine Form des mit
dem Imperativ identischen negativen Potentials mit dem Ausgang
auf die Wurzel und Weglassung der Sylbe 7 •
Den nächsten Tag vermählte sich Nuna - kawa-firne mit
dem Gotte. Dessen erste Gemahlin Su-seri-bime war sehr eifer
süchtig, wesshalb der Gott ihr erklärte, aus dem Reiche Idzumo
nach dem Reiche Yamato auswandern zu wollen. Er rüstete sich
zur Reise, legte die eine Hand auf den Sattel des Pferdes,
setzte einen Fuss in den Steigbügel und sang folgende Verse :
400
401
Nu -ba- tama - no
Kuroki mi - kesi - wo
Ma - tsubusa-ri
Tori - yosoi
Woki - tsu tori
Muna -miru toki
Fata - tagi - mo
Kore - wa fusawazu
Fe - tsu - nami
So - ni nugi - ute
Soni - dori - no
Awoki mi - kesi - wo
Ma - tsubusa - ni~
Tori - yosoi
IVoki - tsu - tori
Muna - miru toki
Fata- tagi - mo
Ko - mo fusawa:,u
Fe - tsu - nami
So - ni r ugi - ute
Yama - gata - ni
Magi - si
Aka -re - tsuki
Some - ki - ga siru - ni
S 'me - korono -wo
Ma - tsubusa - ni
Tiri -yosoi
IVoki - tsu - tori
Mu iu-miru toki
Fata - tagi - mo
Ko - si yorosi
ltoko -ya - no
laut - no mikoto
Mura - tori - no
Waga mure -ina - ba
Filic - tori - no
Waga ßke - ina -ba
Nukazi -to - toa
Na - toa iü -to - mo
Yama - to - no
Fito - moto susuki
Una - kabusi
Na - ga nakasamaku
Asa - ame - no
Sa - giri - ni
Tat amu -xo
402
Waka - kusa - no
Tsuma - no mikoto
Koto - no
Katari - goto - mo
Kowo - ha.
Ein feldflügelstein’ges
Schwarzes Kleid
Ganz bereitet
Bind’ ich fest.
Der Vogel in der Bucht
Auf den Busen blickend,
Die Flügel breitet:
„Dieses schickt sich nicht.”'
An dem seitwärts wogigen
Ufer es verwerfend,
Ein Eisvogel -
Grünes Kleid
Ganz bereitet
Bind’ ich fest.
Der Vogel in der Bucht
Auf den Busen blickend
Die Flügel breitet:
„Diess auch schickt sich nicht.”'
An dem seitwärts wogigen
Ufer es verwerfend,
In dem Bergbezirke
Die aufgesucht,
Mit Scharlachbeeren, die zerstossen,
Mit des Färbebaumes Safte
Gefärbt ein Kleid
Ganz bereitet
Bind’ ich fest.
Der Vogel in der Bucht
Auf den Busen blickend,
Die Flügel breitet :
„Dieses schickt sich” spricht.
Des Neffenhauses
Schwesterliche Göttin,
Mit den Vögelscharen
Wenn ich in Scharen ziehe,
Mit den gelockten Vögeln
Wenn ieh gelockt entziehe ,
„Ich will nicht weinen”
Ob du auch sagest,
In dem Bergland
403
Auf einem schmalen
Bergesrücken
Wirst du weinen, dann
In dem morgenregnigen
Dichten Nebel
Werd’ ich geh’n von hinnen.
Zartpflanzige
Göttliche Gemahlin,
Von den Dingen,
Die ich sagen möchte, sage
Ich dieses.
^ )\ fata, bedeutet eigentlich eine Fischflosse. Es wird
jedoch in diesem Buche das mit beinahe synonyme t
fire, auch für die den Flossen analogen Theile einiger andern
Thiere gebraucht. So liest man in der vorhergegangenen Er
zählung von „Flossen der Schlange, der Biene, des Vielfusses”.
Da „der Vogel in der Bucht” die wilde Aente bedeutet, und
dieses ein Wasservogel ist, so ist der Ausdruck „Flosse” hier
um so mehr an seinem Orte, und scheint die Flügel dieses
Vogels zu bezeichnen.
P tagu, ausbreiten.
— 7 so-ni statt — ^ iso-ni, an dem Ufer, indem
das /f wegen dem i, womit der vorhergehende Vers endet,
weggelassen wurde.
|) |' Tr t fike-tori, wörtlich ein „gezogener Vogel”
abgeleitet von >T t fike, der Wurzel von A- >r t. fikeru, g e-
zogen werden. Ich glaube nicht zu irren, indem ich „gelockter
Vogel” übersetze.
na, du, ist nur in folgenden Endungen gebräuchlich:
Nom. na-wa, Gen. -jf na-ga, Acc. ^ j- na-wo.
|' ^ ^ yama-to, ein Bergland, wobei to für
0 3 |' tokoro, Ort, gebraucht wird. Wohl zu unterscheiden
von |' -3 ^ yamäto, „hinter den Bergen” dem Namen der
Provinz, das eine Zusammenziehung von ^ ^ yama, Berg,
und |. y ato, Fusstapfen.
£/ y" yjj j- una-kabusi, eine Berghöhe von j-
una, Hals, und i/ -j" ft kabusi, Haupt.
Jh/ ^3' -j- nakasamaku, „weinen werden,” zeigt
eine Verlängerung des Futur ums von auf -3 , welche
404
bisweilen gebraucht wird, wenn eine Erwartung oder eine Vor
bereitung für das zu Geschehende ausgedrückt werden soll. Eine
ähnliche Verlängerung dient in der ursprünglichen Form zur
Anführung der Worte eines Andern z. B. S/ ^ mawo-
saku, 7 >r t /f i-i-keraku, er sagte, worauf dann
die angeführten Worte unmittelbar folgen.
|) V" sa-giri, so viel als l) ^ kiri, Nebel, mit
verstärkter Bedeutung.
Die Königin nahm hierauf einen grossen Becher, stellte
sich zu ihm und sang:
7 t n
v ’V *
=». ? r
t jf x
) v ^
~ h
f *
H
1 1
g ^
f*
%/ t
fi 7
7 f
f +
^ j
1
t
i/
f
1
f
7
7
iS
7
T
■7
7
3
1
f
4 i
r * t
f 7"
* f
jy
V
f
V'
h
9
7
7
)
f
7
a-
u
4
i
Ya - tsi - foko-no
Kami - no mikoto - ya
Aga woioo - kuni
Nusi koso-wa
Wo - ni imase - ba
Utsi - miru
Sima - no saki - zaki
Kaki - miru
Iso-no saki wotsi-zu
Waka - kusa - no
Tsuma motase - ramc
A - wa- mo -yo
Me-ni-si are-ba
Na - wo kite
Wo - wa - nasi
Na - wo kite
Tsuma - wa - nasi
Aya - kaki - no
Fuwa -ya - ga sita - ni
Musi - busuma
Niko-ya-ga sita-ni
Taku - busuma
Sayagu - ga sita - ni
Awa-yuki - no
Waka - yuru mune - wo
Taku - dzunu - no
Siroki tadamuki
Sodatalii
Tataki - ma - nagari
Ma - tama - de
Tama - de - sasi - maki
Momo - naga - ni
I - wosi - nase
Togo -mi- ki
Tate - matsurase.
Achttausendlanziger
Göttlicher Geehrter,
Als des grossen Reichs
Herr allein
Der Mann mir war,
Da vor mich blickend,
Der Inseln Vorberg’ alle
Wie ich erblickte,
406
Kein Ufervorherg fiel.
Als die zartpflanz’ge
Genossin ward genommen,
Und auch ich
Das Weih dir war,
Da an dir
War kein Mann,
Da an dir
War kein Genosse.
Unter des gestreiften Walls
Schwimmendem Dach,
Unter der Wärmdecke
Sanftem Dach,
Unter der Wachholderdecke
Der nachlässig losen
Den schaumig schnee’gen
Zarten Busen
Der wacliholderseil’ge
Weisse Arm
Heftig schlägt,
Indess er schlägt,
Die reine Milchsteinhand
Mit der Milchsteinhand verschlingend,
Gestreckten Fusses
Schlummr’ ich ein —
Den reichen Neclar
Biet* ich dar.
Als sie dieses gesungen, befestigte sie an den Becher ein
Band, hing ihn auf, und war für immer besänftigt.
7 a, ich, nur in den Endungen, in welchen das früher
vorgekommene -f- na, du, gebräuchlich ist.
J~ ^ ^ na-wo leite, wörtlich: dich setzend zu
sammengezogen, statt j ^ j f f na-wo woleite.
"Y ^ gebildet aus "J fuwa, schwim
mend, und der Partikel ^ ya.
^ i niko-ya, weich, sanft, wie das obige ge
bildet.
sayayu, in Unordnung sein.
X -jy f X i-wosi-nasu, schlafen, ein ganz ob
soletes Wort.
40*
Rcsricrunffsrath Chmel erstattet nachstehenden Bericht über
die Zeitschrift des historischen Vereins für Innerösterreich,
Heft 1, und über die bisher erschienenen 20 Hefte des von
Palacky in Prag herausgegebenen „Archiv cesky”, indem er
hierauf zwei Anträge an die Classe richtet, den ersten auf
Uebersetzung einiger wichtigen Urkunden dieses „Archivs”, den
zweiten auf die Verstärkung der historischen Commission durch
Beitritt des Herrn Schafafik und Palacky. Beide Anträge
wurden einstimmig genehmigt.
Zu den erfreulichsten Wirkungen der Errichtung einer Aka
demie in unserm vielgliedcrigen Vaterlande gehört ohne Zwei
fel die Möglichkeit, die Wissenschaften durch Herbeischaf
fung neuen Stoffes zu bereichern.
Was dem Einzelnen wo nicht unmöglich doch minde
stens schwer fällt, ist einem Institute, welches liberal dotirt
ist, das durch seine literarischen Verbindungen wie durch den
ihm zu Theil gewordenen Schutz und Schirm vielfache Kräfte
in Bewegung setzen kann, wo nicht leicht doch erreich
bar. Unsere Akademie hat sich gleich anfangs ihrer literari
schen Wirksamkeit unter verschiedenen ihr sich aufdrängenden
oder auch zugemutheten Aufgaben für rüstige Förderung einer
derselben bestimmt, welche ihr ganz besonders dringend er
schien, nämlich sorgfältige Pflege der vaterländischen
Geschichte in weitester Ausdehnung.
Zu diesem Behufe ernannte sie eine eigene permanente histo
rische Commission; beschloss sie, aufgefordert von derselben,
die Herausgabe „österreichischer Geschichtsquellen” in fünf ver
schiedenen Gruppen und eines „Archives für Kunde österreichi
scher Geschichtsquellen” und widmete einen nicht unbeträcht
lichen Theil ihrer Dotation der Ausführung dieser übernomme
nen Aufgabe, die auch durch einen Cyklus von fünf Preisauf
gaben gefördert werden sollte.
Das alles geschah schon vor der eigentlichen Eröffnung in
der feierlichen Sitzung am 2. Februar 1848.
Seitdem hat sich Ungeheueres ereignet, Oesterreich hat
sich neu gestaltet unter vielen blutigen Kämpfen; aber sichtbar
von der göttlichen Vorsehung beschützt!
408
Nach meiner innigsten Ucbcrzeugang ist unsere Auf
gabe zwar keine andere geworden, die kaiserliche Akademie
ward ja in dieser Absicht gestiftet, das geistige Band
zu werden zwischen den verschiedenen Nationalitäten ; aber die
Lösung derselben ist unendlich schwieriger als früher, freilich
aber auch um so herrlicher das Ziel.
Die Gleichberechtigung aller Nationalitäten so wie
die Freiheit der wissenschaftlichen Erörterung gibt unseren
Arbeiten sowohl ein weiteres Feld als auch grössere Bedeu
tung ; wohl aber auch eben desshalb grössere Verantwortlich
keit.
Wir sind nach meinem Erachten berufen zur geistigen
Vermittelung, wir haben die Verpflichtung, die einzel
nen Kronländer durch Pflege ihrer Geschichte sich geistig
näher zu bringen.
Viribus unitis ist nicht bloss ein Wahlspruch von der
grössten politischen Bedeutung für unser Vaterland, dieselbe
ist noch grösser für die uns zustehende Wirksamkeit; im
Reich der Geister ist das Zusammenwirken ein Act des
freien Willens, da gibt es keinen Zwang. Nur nach und nach
kann das erreicht werden, die Vorbereitung dazu ist übrigens
das Sich kennenlernen. Aus dem folgt somit grössere
Achtung, wechselseitiges und endliches Einverständniss,
Eintracht, Einigkeit.
Der Spruch : „Viribus unitis” ist der unmittelbare Gegen
satz eines anderen: „Divide et impera”. — Wer cs mit seinem
Vater lande wohl meint, wer die Humanität, die jeden
falls höher steht als die Nationalität, hoch achtet und für
den Fortschritt der Menschheit ein empfängliches Herz hat, der
wird gerne sein Scherflein beitragen zur Förderung dieses schö
nen Zieles.
Unter allen Wissenschaften ist die Geschichte von der
unmittelbarsten Wirkung, wenn sie Wahrheit lehrt und nicht
P arteigängerin ist; sonst erbittert sie mehr als sie
versöhnt oder belehrt.
Das ist denn unsere Aufgabe, im Interesse der reinsten
Wahrheit und nur in ihrem Dienste die Wissenschaft der
vaterländischen Geschichte zu pflegen.
409
Ihre Quellen, die unmittelbarsten Zeugnisse aufzusuchen,
zu sammeln, zu veröffentlichen, allgemein zugänglich
zu machen, das ist wohl die wesentlichste Förderung, denn dann
wird es leichter möglich, sich zu unterrichten, selbst zu prü
fen und zu urtheilen.
Ich erachte es demnach für eine Pflicht unserer Akademie
und jedes einzelnen Mitgliedes, von den Leistungen und Bestre
bungen sowohl der Einzelnen als der Corporationen, Institute,
Gesellschaften und Vereine Kenntniss zu nehmen und die ge
bührende Anerkennung zu gewähren. Im Gegentheil ist cs eine
Schande, von den Fortschritten unserer Mitbürger nichts
zu wissen. Unwissenheit straft sich selbst am meisten. — Er
lauben Sie, verehrte Herren, dass ich Ihnen einige Leistungen
vorführe und darauf einige Anträge begründe.
I.
„Schriften des historischen Vereins für Innerösterreich. In
„zwanglosen Heften. Erstes Heft. Herausgegeben von dem Cen-
„tralausscliusse des Vereins. Gratz 1S48. Gedruckt mit C. Tan-
„zer’schen Schriften. S°. IV. 217 Seiten, 1 Karte und 32 Tafeln.”
Enthält:
A. Beitrag aus Steiermark.
Wo stand das „Flavium Solvense” des C.Plinius?
Eine historisch-kritische Untersuchung als Beitrag zur Berichti
gung der alten Erdkunde.
Von Richard Knabl, Pfarrer, Mitglied des Centralaus
schusses der k. k. steiermärkischen Laiulwirthschafts-Gesell
schaft und des Garteubauvereines, Ausschussmitglied der steier
märkischen Provinzial-Direction des historischen Vereines, und
Mitglied des gcognostisch-montanistischen, dann des Industrie
land Gewerbs-Vereines in Innerösterreich, zu Gratz. — Mit einer
Kax-te (des Leibnitzer Feldes) und 258 Abbildungen in Stein
druck. („Artistische Beigaben zur vollständigen Sammlung der
römischen Alterlhümer des Leibnitzer Feldes”). S. 1 — 108.
Eine sehr verdienstvolle Abhandlung in 3 Abtheilungen.
Erste Abtheilung S. 1—25. Muthmasslicher und wirklicher
Standort des „Flavium Solvense.” — Auf dem Leibnitzer Felde
bei Seckau war eine römische Ansiedlung, welche man früher
410
für das von Claudius Ptolemäus bezeichnet^ Murocla hielt.
Herr Knabl beweist, dass diese Ansiedlung das Flavium Sol-
veuse des C. Plinius sei. In der zweiten Abtheilung, S. 26—
102 sind mit grossem Fleisse alle antiquarischen Funde des
Leibnitzer Bodens zusammengestellt: I. Münzen, II. Aeltere
Inschriftsteine, III. Neuere Inschriftsteine und Steinbilder, IV. An
tike Hausgerätlischaften. Die dritte Abtheilung, S. 103 —108
enthält: „Rückblick und Schlussfolgerung aus den angeführten
Funden an Münzen, Inschriftsteinen, plastischen Steinbildern und
Anticaglien auf die äusseren und inneren Verhältnisse des Fla
vium Solvense.” — Die Stadt kann nicht unbedeutend gewesen
sein. — Der Standort Muroela’s ist noch auszumitteln. —
B. Beiträge aus Kärnten.
I. „Ueber den historischen Anlass zur Sage von den Ver-
„lieerungszügen der Margaretha Maultasche in Kärnten.” Von
Gottlieb Freiherrn von Ankershofen. S. 111—131.
Der Herr Verfasser weist das Falsche der Behauptungen
Unrest’s und Mcgiser’s nach und deutet die Begebenheiten an,
welche Veranlassung gaben zur Sage; es wurden allerdings von
Tirol aus so wie von den Anhängern Johanns und Margarethens
in Kärnten Versuche gemacht, das Land zu behaupten. — Eine
tüchtige, gut belegte Arbeit. —
II. „Der Schule Leben und Wirken in Kärntens Mittelalter.”
S. 132—148. (Von Hermann'?).
Enthält unter vielem Fremdartigen mehrere interessante
Notizen auf Kärnten bezüglich. Auffallend sind Behauptungen
wie S. 133: „Lernte ja Karl der Grosse, dieser Wiederlier-
„steller des Schulwesens, im Abendlande erst als Kaiser schrei
ben, war jedoch einer der ersten Meister des deut
schen Minnesanges (!); unser Ulrich von Lichtenstein
„desselben ebenfalls nicht kundig.” S. 137: „Da Lese-und Gebet
bücher sämmtlich Latein waren, so lernten die Chorfrauen und Kost
bräuleins dieses wie man jetzt französisch lernt” (?).
Ebendaselbst: „Wer reich, vornehm, und dem des Wissens
„Kreis im eignen Vaterlande zu enge gezogen war, der suchte
„seine Ausbildung an der Hochschule zu Paris, der einzigen,
„welche es in der ersten Hälfte des Mittelalters gab.” —
(Etwas zu allgemein ausgedrückt.)
41t
III. Die Fürsten von Dictrichstein. Von Felix Anton Edlem
von Benedikt. — S. 149—188. (Vgl. Carinthia, Jahrg. 1835.
Nr. 1—10: „Die Burg und die Herren von Dietrichstein ge
nealogisch-historisch nach den neuesten verlässlichsten Quellen
„bearbeitet.” Von demselben Verfasser, der sich damals aber
auf jene Zweige beschränkte, welche zu den kärntnerischen
Familiengütern Hollenburg, Finkenstein und Landskron in näch
ster, unmittelbarer Beziehung standen.) — 1. Weichselstätt-
Rabenstein’sche Hauptlinie. Daraus bemerkenswerth:
* Ludwig von Dietrichstein, Freiherr auf Rabenstein,
Grünberg und Weichselstätten, geboren 1553, war der beiden
Erzherzoge Karls und Ferdinands Rath und Burggraf zu Kla-
genfurt. Im Jahre 1614 wurde er von den kärntnerischen
Ständen auf den grossen Landtag der ungrischen und böhmi
schen, dann der ober-, nieder- und innerösterreichischen Stände
nach Linz abgeordnet, musste aber selbst der Religion wegen
bald darauf alle seine Erb- und Ehrenämter niederlegen, wie
auch seine Güter verkaufen, und starb im folgenden Jahre 1615
als Landesverwiesener im Würtembergischen. Er überlebte seine
beiden Söhne und liinterliess 5 Töchter. II. (S. 158). Der
erloschene hollenburgische ältere nachhin österreichische Zweig.
Darunter * Bartl m ä (geh. zu Hollenburg am 7. April 1579).
Er vermählte sich im Jahre 1601 mit Elisabeth, der Tochter des
reichen Freiherrn Joel von Fränking, Erbfrau auf Roith, Rie-
dau und Innernsee, und machte sich iin Lande ob der Enns an
sässig; zehn Töchter und neun Söhne waren die Frucht dieser
gesegneten, doch nichts weniger als glücklichen Ehe. Im Jahre
1613 und den darauf folgenden war er Verordueter des obder-
ennsischen Herrenstandes, 1617 Ausschuss, und 1619 Präses
der dortigen Stände. Mit den Seinen stets und eifrig der cal-
vinischen Lehre zugethan, musste er seine Güter verkaufen; er
wanderte nach Nürnberg, und endete als Exulant zu Hanau,
wohin er sich später gezogen, sein unstetes, mühevolles Leben
am 8. März 1635. Ueble Wirthschaft veranlasste ihn, das alte
Familien-Eigen, die Frei-Herrschaft Finkenstein, im Jahre 1606
um 44,000 11. an die Brüder Anton und Ludwig della Grotta
zu verkaufen, die Herrschaft Hollenburg aber, die er einige
Jahre nach erreichter Volljährigkeit schon von seinen Brüdern
Sit7.b. d. philos. histor. CI. Jahrg. 1849. X. Heft. 30
412
ganz an sich gelöst hatte, verpachtete er im Jahre 1623 dein
Melchior Putz, Herrn auf Kirchheimek und Sagrig (dem rei
chen Gewerkherrn in der Goldzeche —) auf mehrere Jahre. —
Da er den Zeitpunct, der den Ausgewanderten zur Rückkehr
bestimmten Frist (?) ungenützt verstreichen liess, — so wurde
endlich die schöne Freiherrschaft Hollenburg, die Perle der
Dietrichsteinischen Besitzungen in Kärnten von kaiserlichen
Commissarien geschätzt und (wie bereits in der Carinthia
Nr. 8 des Jahrgangs 1835 erwähnt) an Sigmund Ludwig Gra
fen Dietrichstein und dessen Bruder Balthasar — Söhne des
k. k. Hofkriegsrathes und nachherigen Hofkriegsraths-Viceprä-
sidenten Erasmus Freiherrn von Dietrichstein (Bartlmä’s Vet
tern) — von der Hofkammer veräussert und von dieser neuen
gräflichen Linie am St. Georgentage 1633 auch in Besitz ge
nommen, wiewohl Bartlmä eine schriftliche doch fruchtlose Vor
stellung wegen Abberufung der Commissäre an Kaiser Ferdi
nand gelangen liess, indem er Hollenburg, während er selbst
Protestant bleiben, durch katholische Pfleger wollte verwalten
lassen. — III. (S. 164) Der jüngere nikolsburgische oder fürst
liche Zweig. In diesem die ausgezeichnetsten: *Adam Freiherr
von Dietrichstein (geb. am 7. October 1527), einer der
verdientesten österreichischen Staatsmänner, Freund K. Maxi
milians II., Lehrer K. Rudolphs II., der ihn 1587 in den Reichsgra
fenstand erhob. — Adam verdient eine umständliche Biographie,
die hier vorkommenden Angaben sind theilweise unrichtig. —
Er starb zu Prag am 15. Jänner 1590. — Dessen Sohn Franz
Graf von Dietrichstein (geb. zu Madrid am 22. August 1570)
der berühmteste seines Geschlechtes— 1600 Bischof
von Olmütz — Cardinal-Statthalter in Oesterreich — in Mäh
ren — Präsident des geheimen Staatsrathes. — Von K. Fer
dinand II. am 26. März 1620 für seine Person, und am 15. März
1624 auch der von ihm zu bestimmende Erbe (Anverwandte)
in den Reichsfürstenstand erhoben. Starb zu Brünn am 19. Sep
tember 1636. — Vgl. Adauktus Voigt, Leben Franz Für
sten und Cardinais von Dietrichstein. Mit Anmerkungen und
einem Anhänge von Fulgentius Schwab. Leipzig, bei
G. J. Göschen, 1792. 8. 142 SS. und eine genealogische Stamm
tafel des fürstlichen Hauses Dietrichstein zu IVikolsburg (die
413
aber erst von Pancratius von Dietrichstein beginnt f 1508). —
Doch diese Monographie so wie Herrn von Benedikt’s Nach
richten können nur den Wunsch recht lebhaft erregen, eine
vollständige Biographie des Mannes zu erhalten. Ueberhaupt
wäre eine Geschichte des Geschlechtes Dietrichstein mit urkund
lichen Belegen (zum Beispiele einer Auswahl der Briefe von
und an Adam, und Cardinal Franz) wahres Bedürfniss. —
Wenn nicht die einflussreichsten Grossen des Reiches und ihre
Wirksamkeit genügend in’s Licht gestellt und die Archive der
wichtigsten Familien geöffnet werden, wird unsere Geschichte
ewig lückenhaft bleiben! — Vielleicht wäre der jetztlebende
Herr Fürst, einer der gebildetsten und humansten, ja gross-
müthigsten unserer Grossen geneigt, eine solche Monographie
in’s Lehen zu rufen! —
C. Beiträge aus Krain.
I. Joseph Camillo Fr eiherr von Schmidbur g. Von
Costa, k. k. Oberamts-Director und Ausschussmitglied des
historischen Provinzial - Vereins für Krain. S. 191 — 207.
Schmidburg ist am 4. März 1779 zu Gratz geboren, erzogen
in Böhmen. Er ward ein ausgezeichneter Geschäftsmann und
schnell befördert, mit 40 Jahren schon Präsident des k. k.
Stadt- und Landrechtes in Klagenfurt und Landeshauptmann und
Präsident der Stände des Herzogthums Kärnten. 1822 Lan-
des-Gouverneur in Illyricn und k. k. wirklicher geheimer Rath.
— Als solcher ist Schmidburg sehr verdient um das Land,
durch Strassenbau, Trockenlegung der Moräste, Hebung der
Sparkasse, ^Gründung des vaterländischen Museums, Unterstüt
zung der philharmonischen Gesellschaft. Auch ein humaner
Mann, dessen frühzeitiger Rücktritt (1840), wegen schweren
Körperleidens sehr bedauert wurde. — Er starb zu Wien am
11. Octobcr 1846. —
II. Franz Hladnik. Eine biographische Skizze von Jo
seph Anton Labnigg. S. 208—217.
Franz de Paula Hladnik, geh. am 29. März 1773 in Idria
in Krain, war anfänglich zum Bergbau bestimmt, hatte jedoch
unüberwindliche Neigung zum Studiren. Er ward 1796 Priester,
wegen Kränklichkeit jedoch nicht zur Seelsorge verwendet, son
dern mit der Verpflichtung, die Schreibgeschäfte und Expedi-
30 ä
414
tionen des Studien-Congresses zu besorgen, Bibliotheksscriptor
am Lyceum zu Laibach, sein Gehalt jährlich 150 Gulden! —»
Bald aber ward er Lehrer der untern Normalclasse mit jähr
lichen 300 Gulden. 1800 Lehrer der krainischen Sprache. 1802
Normalschuldirector mit 500 fl. — 1807 Gymnasialpräfect er
hielt er eine Besoldung von 600 Gulden. Unter der französi
schen Herrschaft ward in Laibach eine Centralschule errichtet
und Hladnik 1810 Professor der Naturgeschichte und Lehrer
der Botanik mit 1500 Franken Gehalt. Er ward nach der Wie
dereinverleibung Illyriens (1814) als Gymnasialpräfect bestätigt,
1818 erhielt er die grosse goldene Ehrenmedaille mit Ohr und Band.
— Hladnik war ein ausgezeichneter Botaniker, und viele der
von ihm neuentdeckten Pflanzen erhielten seinen Namen, er hatte
eine ausgebreitete Correspondenz. — Er errichtete einen bota
nischen Garten, schenkte seine reichhaltige Sammlung, eine
wahre Flora Carniolica , dem Landes-Museum und leistete bei
der Errichtung des Museums grosse Dienste. — Leider ward
er blind und dadurch seinem Wirken ein Ziel gesetzt. Am
25. November 1844 starb er, allgemein betrauert. — Ein an
spruchloser, vielseitig gebildeter Gelehrter, ein wohlwollender
Jugendfreund. —
Man sieht aus dem angeführten Inhalte, dass der dreifache
historische Verein für Innerösterreich jedenfalls erspriess-
lich wirke, wenn auch grössere Unternehmungen, als Vorarbei
ten zu einer gründlichen Landesgeschichte, zum Beispiele
Sammlung und Drucklegung eines Codex diplomaticus, Heraus
gabe von Geschichtsquellen, wenigstens vor der Hand nicht zu
hoffen sein dürften. (Doch wirken die Vereine in Klagenfurt
und Laibach auch abgesondert und wir wollen über die Früchte
ihres Wirkens später berichten.)
2.
Dafür hat in Böhmen durch Unterstützung hochsinniger
und strebender Freunde der Geschichte ihres Vaterlandes einer
der ausgezeichnetsten Geschichtsforscher und Geschichtschreiber,
Franz Palacky, ein reiches Quellenwerk geliefert, von dem
vor Kurzem bereits das zwanzigste Heft oder der Schluss des
vierten Bandes erschienen ist.
415
Das „Archiv Cesky cili stare pisemne pamatky ceske i
morawske”, welches seit dem Jahre 1840 in Prag erscheint,
ist eine Fundgrube wichtiger und interessanter Actenstiicke und
Briefe, es ist bei uns fast ganz unbekannt und folglich auch
» unbenutzt. Erlauben Sie mir, den reichen Inhalt desselben zu
verzeichnen. —
I. Band.
A. Sendschreiben verschiedener Art.
I. Böhmische Briefe K. Sigmund’s von 1414 — 1437.
(Meistens aus dem Wittingauer Archive) Nr. 1—64.
II. Briefe des Wilhelm von Pernstein von 1520. (Aus dem
Raudnitzer Archive) Nr. 1—90.
III. Klingenberger Correspondenz 1458—1477. (Sämmtlich
aus Originalen des Worliker Archivs) Nr. 1 — 31.
IV. Correspondenz mit Baiern von 1440—1512. (Sämmt-
liche Nummern aus den Originalen des baierischen Reichsarchivs)
„ Nr. 1—27.
* V. Taborer Correspondenz von 1441—1447. (Sämmt-
liclie Nummern sind den Originalen und gleichzeitigen Abschrif
ten des Wittingauer Archivs entnommen) Nr. 1—44.
VI. Die Könige Georg und Matthias (Corvinus) in Mähren
im Jahre 1470. (Sämmtliche Nummern aus der Handschrift
Cancellaria regis Georgii in der fürstl. Lobkowic’schen Biblio
thek in Prag) Nr. 1—4.
IS. Allgemeine Landes- and Landtags-Acten; dann Königs- und Amts-
Urkunden.
I. König Wenzl und der Ilerrenverein von 1394—1401.
(Aus dem Wittingauer Archive und den Prager Privilegien-
Registern.) Nr. 1—11.
* II. Acten (Protokolle) der Gemeinde Prag von 1406—
1429. (Sämmtliche Nummern sind der gleichzeitigen ämtlichen
Handschrift: Liber Privilegiorum Veteris urbis Pragensis im
Archive der k. Hauptstadt Prag entnommen.) Nr. 1—36.
* III. Landtags-Sachen in Böhmen von 1440—1446. (Aus
verschiedenen Archiven.) Nr. 1—20.
416
C. Privaturkünden.
* I. Alte Aufzeichnungen der Familie Sternberg v. 1386—
1432. Nr. 1—20.
II. Dto. der Herzoge von Münsterberg in üels v. 1454—
1489. (Sämmtliche Nummern sind den Originalen im Archive
der Herzoge von Braunschweig in Oels (Schlesien), wo das
Familienarchiv der Vorfahren und Nachkommen K. Georgs von
Podebrad aufbewahrt wird, entnommen.) Nr. 1—13.
III. Bauern- (Unterthans-) Sachen betreffende Aufzeich
nungen von 1389—1499. Nr. 1—14.
IV. Auszüge aus den alten Hoftafeln des Königreiches
Böhmen von 1384—1456. Nr. 1—58.
D. Juridische und historische Auszüge.
I. Zeugenaussagen v. 1453—1456.
II. Urtheile des k. Hofgerichtes v. 1454—1465.
III. Reclitsbuch des alten Herrn v. Rosenberg.
E. Aus Urkunden geschöpfte Auszüge und Ueb er Schriften.
I. Register der Schuldverschreibungen v. 1453—1454.
II. Band.
A. Sendschreiben verschiedener Gattung.
** VII. Correspondenz des Herrn Ales Holicky v. Stern
berg von 1436—1451. (Aus dem Wittingauer Archiv.) Nr.
1-47.
VIII. Schreiben des Herrn Wilhelm v. Pernstein (vid. B. I.
A. II.) Nr. 91—143.
** IX. a. Correspondenz des Herrn Kaspar Schlick v. Ho-
lie, obersten Kanzlers des deutschen Reiches. (Aus dem Wittin
gauer Archiv.) Nr. 1 — 16.
** IX. b. Correspondenz des Herrn Prokop von Rabstein.
(Aus dem Wittingauer Archiv.) Nr. 1444—1448. Nr. 1—14.
X. Die Fehde des Heinrich von Duba auf Humpolec mit
Peter Malovec v. Pacow betreffende Schreiben. 1413. (Aus dem
Wittingauer Archiv.) Nr. 1—17.
B. Allgemeine Landes- und Landtags-Acten, und Königs- und Amts-
Urkunden.
* # IV. Böhmische Landtagssachen v. 1446—1452. (Vid.
Bd. I., B. I.—III.)
417
A. Verhandlungen auf dem St. Martins-Landtage 1446. Nr.l—4.
B. Aus den Acten des St. Stanislaus-Landtages 1447. Nr. 5.
C. Verhandlungen auf dem Neuhauser Landtage 1447. Nr. 6—12.
D. Verhandlungen auf dem ersten Prager Landtage 1448.
Nr. 13—14.
E. Aus den Acten des St. Georg-Landtages in Prag 1448. Nr. 15.
F. Verhandlungen in der Versammlung der Stände sub utra-
que in Kuttenberg 1448 (wo die Podebrader Partei einen
Verein geschlossen hat). Nr. 16—18.
G. Böhmische Gesandtschaft in Wien 1448. Nr. 19—22.
H. Oeffentliche Acten des Interregnums in Böhmen 1449.
Nr. 23—29.
I. Einige Acten des grossen Landtages in Iglau 1449 (auch
St. Jacob). Nr. 30—36.
K. Versammlung des Strakonitzer Vereins in Pilsen 1450, 15.
März. Nr. 37—38.
L. Der Landtag in Pilgram 1450, 20.—23. Apr. Nr. 39—40.
M. Versammlung auf Wildstein 1450, 9.—11. Juni. Nr. 41—45.
N. Acten des Pilgramer Landtages 1450, 13. Juli — 3. Aug.
Nr. 46—47.
O. Acten des grossen St. Katharina-Landtags in Prag 1450,
25. Nov. — 1451, 6. Jän. Nr. 48—50.
P. Gesandtschaft an K. Friedrich 1451. Nr. 51.
Q. Acten des Beneschauer Landtages 1451. Nr. 52—55.
It. Landtag in Prag auf St. Georg 1451. Nr. 56.
C. Privaturkunden.
V. Extracte aus der alten Landtafel von 1391 —1456.
Nr. 1—22.
VI. Aelteste Neuhauser Aufzeichnungen (Urkunden). (Aus
dem ffräf. Cernin’schen Archive in Neuhaus) 1384 —1404.
Nr. 1—10.
VII. Koseier Urkunden (Schlesien) 1480—1571. (Aus der
Sammlung des Ritters von Neuberg.) Nr. 1—11.
D. Auszüge rechtlichen und historischen Inhalts.
IV. Gerichtsordnung lateinisch und böhmisch.
V. Excerptc recht- und gerichtlichen Inhalts «us der alten
Landtafel des Königreiches Böhmen v. 1287—1437.
s
-
418
VI. Commentar des Herrn Andreas von Dube zur böhmi
schen Gerichtsordnung, nebst der Widmung an den K. Wenzl IV.
von Böhmen.
E. Auszüge und Uebersichten aus Erkunden geschöpft.
II. Register der königlichen und Landes-Scliuldverschrci-
bungen (Pfandschaften) v. 1454. (Fortsetzung.)
III. Dto. (Schluss.)
III. Band.
A. Sendschreiben verschiedener Gattung.
* XI. Gemischte Correspondenz des Herrn Ulrich v. Rosen
berg von 1420—1453. (Aus dem Wittingauer Archive.) Nr. 1—96.
* XII. Schreiben verschiedener Personen von 1396—1440.
Nr. 1—30.
(Darunter sind K. Wenzl IV., K. Sigmund, Heinrich v. Ro
senberg, der Erzbischof von Prag etc. etc.)
XIII. Correspondenz der Familie von Schwambcrg aus dem
XV. Jahrhunderte. (Aus dem Wittingauer Archive und einer
Handschrift des dortigen Archivars Brezau) 1400—1470. Nr.
1-45. '
B. Allgemeine Landes- und Landtags-Acten.
** V. Oeffentliche und Landtags-Acta in Böhmen und Mäh
ren von 1414—1428. (Aus mehreren Archiven.) Nr. 1—41.
VI. Oeffentliche und Landtags - Acta in Böhmen von
1432—1439. Nr. 1—35.
(Unterhandlungen mit dem Basler Concil.)
C. Privaturkunden.
VIII. Urkunden verschiedener Personen von 1398—1428.
(Erste Partie) Nr. 1—19.
D. Copien rechtlichen und historischen Inhalts.
VII. Maiestas Carolina, lateinisch und böhmisch.
VIII. Excerpte recht- und geschichtlichen Inhalts aus der
alten Landtafel des Königreiches Böhmen. (Zweite Partie bis
1466.)
E. Auszüge und Uebersichten aus Urkunden geschöpft.
IV. Auszüge aus verschiedenen Urkunden v. 1371—1471.
(Erste Partie.)
?
IV. Band.
A. Sendschreiben verschiedener Gattung.
«• xiV. Correspondenz der Familie v. Neuhaus 1441—1451.
(Aus dem Wittingauer Archive) Nr. 1—57.
XV. Streit des Racek Koeowsky mit den Bürgern von
Budweis von 1472—1484. (Aus dem Budweiser Stadtarchiv.)
Nr. 1—49.
XVI. Beispiele von Brandschatzungsschreiben aus dem XV.
Jahrhundert. Nr. 1—33. (Aus einem früher dem Kloster Cho-
teschau gehörigen Manuscript.)
* XVII. Correspondenz der Stadt Taus 1450—1509. (Aus
dem Stadtarchive daselbst) Nr. 1—9.
* XVIII. Correspondenz der Herren v. Kolowrat 1446—1450.
Nr. 1 — 18.
* XIX. Correspondenz und Urkunden der Herren v. Lob-
kowic 1433—1458. Nr. 1—23.
B. Allgemeine Landes- und Landtags-Aden, dann Königs- und Amts-
Urkunden.
VII. Acta zwischen König Georg und dem Herrenvereine
in Böhmen v. 1463—1468. Nr. 1—43.
* VIII. Urkunden der Gemeinde Prag von 1401—1430.
Nr. 1—42.
* IX. Oeffentliche und Landtagsacta im Königreiche Böhmen
v. Jahre 1453—1490. Nr. 1—33.
C. Privaturkunden.
IX. Einige Urkundendes Klosters Chotescliau v. 1272—1597.
Nr. 1—25.
X. Urkunden der Herrschaft Pardubitz von 1357—1536.
Nr. 1—53.
XI. Urkunden der Stadt Taus 1404—1526. Nr. 1-10.
XII. Urkunden der Stadt Horazdejowitz 1417—1503. Nr.
1—19.
XIII. Böhmische Urkunden in Ungern 1445 — 152x. Nr.
1—19.
D. Excerpte rechtlichen und historischen Inhalts.
IX. Urtheile des k. Kammergerichtes in Böhmen 1471 —1479.
Nr. 1—106.
420
X. Recht- und gerichtliche Excerpte aus der alten Landta
fel des Königreiches Böhmen. (3. Partie.)
Und dieses hochwichtige Quellenwerk ist uns leider unzu
gänglich, um seiner Sprache willen. Meine Herren, ich ge
stehe offenherzig, ich hin darüber in halber Verzweiflung, Wis
sen, dass wichtige und interessante Aufschlüsse und Andeutun
gen hier zu finden seien über die Lage der Dinge, die Charak
tere der handelnden und einflussreichen Personen, die Fäden, an
denen so viele Ereignisse sich entwickelten; — und doch alles
dieses nicht genügend erkennen und noch weniger es gründlich
benützen können, ist wirklich peinlich, Tantalus-Qualen für
einen gewissenhaften Geschichtsforscher! —
Ich habe schon mehrere Versuche gemacht, wenigstens von
einzelnen besonders interessanten Briefen und Actenstücken
authentische Uebersetzungen zu erhalten, auf die man sich
berufen könnte, als wären es Originale; vergeblich, entweder
waren die Kenntnisse nicht genügend, indem sich die heutige
Sprache (Ter Cechen gar sehr veränderte seit dem 15. Jahr
hunderte, oder doch wenigstens fehlte die Sicherheit und
Gewissheit, ob wirklich der wahre Sinn getroffen. — Ein
sehr tüchtiger junger Mann, der die cechische Sprache gut ver
steht, hat es nicht gewagt, die ihm zugemuthete Arbeit zu
übernehmen. — Wenigstens müsste nach seiner Erklärung seine
Arbeit von einem vollendeten Meister revidirtund corrigirt werden.
Was ist da zu thun? —
Zur Geschichte der so wichtigen Periode vom Tode K.
Sigmunds bis zum Tode Königs Ladislaus Posthumus (die 20
Jahre von 1437—1457) sind sowohl Landtagsacten als Briefe
aus diesem Archiv cesky unumgänglich zu benützen. —
Ich habe schon früher die Wichtigkeit gerade dieser Periode
hervorgehoben. Unter König Albrecht und seinem Sohne Kö
nig Ladislaus Posthumus waren Oesterreich, Ungern und Böh
men (mit Mähren und Schlesien) vereinigt. — Warum war diese
Vereinigung damals von keiner Dauer, warum scheiterten diese
unglücklichen Fürsten an der ihnen zu Theil gewordenen Auf
gabe, gingen beide frühzeitig zu Grunde, die bedauernswerthen
Opfer ihrer Stellung? —
421
Diese leidigen Verhältnisse müssen aufs genaueste er
forscht, aufs gründlichste erörtert werden. Man muss zu die
sem Beliufe auf die leidigen religiösen Wirren, auf die trauri
gen Folgen der Verbrennung des Cechen Hus, in dem die ganze
Nation aufs innerste getroffen war und in furchtbarem Fanatis
mus entbrannte, wohl Bedacht nehmen. *)
Der wahrheitsliebende Geschichtsforscher wird dem hohen
sittlichen Ernste des Mannes Gerechtigkeit widerfahren lassen,
ohne die Irrthümer und schauderhaften Folgen seiner religiösen
Ansichten zu verschweigen. — Die Kirche war auf eine Weise
entartet und ihre Diener zum grössten Theile so unwürdig,
dass ein Gegensatz von solcher Wuth und Erbitterung zwar
nicht zu billigen aber zu begreifen ist. — Jedenfalls war der
Feuertod, den er und sein Freund Hieronymus von Prag dulden
mussten, das Signal zu einem der gräulichsten und furchtbar
sten Kriege. — Der Hussitismus war unmenschlich, wehe aber,
dreifaches Wehe der furchtbaren Entartung und den Gräueln
im Hause des Herrn. — Wahrheit, nur Wahrheit. — Lernet von
euren Feinden. — 2 )
Die traurige Folge des Krieges war der wiithendste National
hass, an dem noch die Gegenwart leidet. — Die österreichischen
1) Ich mache hier aufmerksam auf ein vor Kurzem erschienenes Schriflchen:
Briefe des Johann Hus (geschrieben zu Konstanz 1414—1415). Nach
dem böhmischen Urtexte herausgegeben und mit Anmerkungen versehen
von Ferdinand B. Mikowec. Leipzig. T. 0. Weigel 1849. 8°.
52 SS. Die 9 Briefe sind von grossem Interesse. — Der böhmische
Urtext hat sich in einer Abschrift vom Jahre 1472 bei dem Leben des
Hus von Peter von Mladenowic, dem Notar des Herrn Johann von Chlum,
erhalten. — Es wäre sehr wünschenswertli, dass dieselbe gedruckt würde,
und die deutsche Uebersetzung von Sachkundigen Bestätigung erhielte
oder Berichtigung. — (Beispiele der Wichtigkeit dieser Briefe. —)
2 ) Ich kann nicht unterlassen, auf eine Stelle des Aeneas Sylvius wiederholt
zu deuten, der gewiss ein unparteiischer Zeuge ist. Er sagt (Coin-
mentar. in Dicta et Facta Alphonsi regis, libro II. 17.): „Pudeat Italiae
Sacerdotes, quos ne semel quidem novam legam constat legisse, apud
Thaboritas vix mulierculam invenies , que de novo testamento et “veteri
respondere nesciat.” — Das war der Mangel an Kenntnissen, dann erst
die Sitten. — Und eine solche Kirche hätte keine Reform bedurft, keine
gründliche! — Man wollte Engel' und erhielt nicht einmal —
Menschen. —
422
Fürsten waren die Opfer der Kirche, die mit Gewalt bekehren wollte.
Wehe, wenn man das Geistige mit Gewalt erzwingen will. Glau
ben und Liebe sind nur eine Frucht der Ueberzeugung und der
Freiheit. —
Verbrechen auf Verbrechen , wo Zwang herrscht und Ge- *
walt. — Das lehrt die Geschichte Böhmens seit dem unglück
lichen Jahre 1415, besonders bis zum Jahre 1458. —
Vor kurzer Zeit erhielt ich aus Privathänden ein sehr in
teressantes Actenstück, ein Schreiben des Ulrich von Neuhaus,
Anhängers der österreichischen Partei, an die Räthe Königs
Friedrich vom 15. März 1449 i), worin er offen den Gegner
seines Vatei’S (Georg Podiebrad) des Verbrechens beschuldigt,
dass ihm bekanntlich auch beim Tode des Jünglings Ladislaus
Schuld gegeben ward. — Ein neues Beispiel der Wichtigkeit
von Briefen, denn, wenn auch die darin ausgesprochenen Be
schuldigungen nichts weniger als bewiesen sind, beweisen sie
doch die Gesinnungen, die Stellung der Parteien. —
Um so wichtiger sind die im Archiv cesky abgedruckten
Briefe (z. B. im ersten Bande die Taborer Correspondenz, 1
im dritten die Rosenberger , im vierten die Neuhauser Corre
spondenz), und auch die Landtags-Acten sind gewissenhaft zu
berücksichtigen. —
Nach allem dem, was ich Ihnen, meine Herren, nun über
den reichen Inhalt dieser hochwichtigen Sammlung „Archiv
cesky” vorgetragen habe, werden Sie hoffentlich meine Bitte
nicht unbegründet achten, wenn ich die verehrte Classe hiemit
ersuche, im Interesse aller nicht cechischen Geschichtsforscher
den Herausgeber dieser werthvollen Quelle Herrn Palacky,
unser geschätztes Mitglied, förmlich aufzuforderu, er möge un
ter seiner Aufsicht und Beglaubigung eine authentische Ueber-
setzung der interessantesten und wichtigsten Briefe, Urkunden
und Actenstücke dieses von ihm herausgegebenen Archivs be
sorgenlassen, vorerst jener Stücke, welche in die Jahre 1414 —
1458 fallen. — Der Abdruck dieser Uebersetzung, welche zum all
gemeinen Besten der Geschichtsforscher aller Nationen (nicht
*) Siehe Beilage a., ich möchte glauben, dass das Original in cechischer
Sprache geschrieben sei; hier aber nur eine Uebersetzung vorliege. —
423
bloss der deutschen) in lateinischer Sprache zu machen
wäre, könnte entweder im Archive zur Kunde österreichischer
Geschichtsquellen veranstaltet werden, oder vielleicht besser
als abgesondertes Werk erscheinen, die Classe soll sich jeden
falls für die Drucklegung und Honorirung dieser werthvollen
Arbeit verwenden. Ich bitte über dieses Ansuchen abstimmen
zu lassen. —
Ich habe jedoch noch einen zweiten Antrag zu stellen und
thue dieses im Namen der historischen Commission, deren Mitglie
der über die Dringlichkeit desselben eben dieselbe Ansicht hegen. —
Die historische Commission wünscht in ihrer Mitte ein oder
zwei Mitglieder zu haben, welche in Slavicis ganz compe-
tente Richter und Kenner sind. Es gilt eine Lebensfrage für
unsere literarische Wirksamkeit. Die Commission sieht die Noth-
wendigkeit ein, von der unendlich regsamen und aufstrebenden
Literatur der verschiedenen slawischen Völkerschaften genaue
Kenntniss zu haben und zu ihrer Förderung kräftigst mitzu
wirken. —
Jetzt, wo der Verkehr so unendlich erleichtert ist, wo man
im Falle der Dringlichkeit durch den Telegraphen augenblicklich
über jegliche Frage Antwort erhalten kann, bietet der Aufent
halt an verschiedenen Orten keine gar zu grosse Schwierigkeit;
Wien und Prag sind sich nahe genug. Die verehrte Classe
möge also die beiden so ausgezeichneten slawischen Sprach-
und Geschichtsforscher Schaff arik und Palacky förmlich
auffordern, der historischen Commission unserer kaiserlichen
Akademie als Mitglieder beizutreten. Sie mögen erlauben,
dass sich die übrigen Mitglieder der historischen Commission
an sie wenden in allen literarischen Angelegenheiten, die Sla-
vica betreffen, und sie wollen auch alle Wege und Mittel Vor
schlägen und andeuten, wie die Geschichte der Slawen gefördert
werden könne. Kurz die historische Commission bittet um die
kräftigste Mitwirkung dieser Gelehrten, und die Classe möge
dieses Ansuchen nachdrücklich unterstützen. Ich bitte auch über
diesen Antrag abstimmen zu lassen.
Beilage a.
Erbern und weisen lieben lierren und frewndt. Mein dinst
aber grozlich betrübten und klaghoften empeut ich zeuor. Ich
424
lazz ewr Weisheit wissen wie ich offt potschafft in Schrift und
bey meinen poten des kunigs gnaden getan hab, hegerund und
bittund als meinen gnedigen herren, daz mir sein gnad mitsam
und hulflich geruhet sein als seinen diener wider den Girziken
der sich schreibet von Cunstat und seinen belfern, die da lia-
bent meinen lieben vater und ewrn getrewn diener und des haus
zu Oesterreich an alle schuld untrewlich und fälschlich gefan
gen und das hab ich sein gnaden gerawmer cmpietund verkün
det. Und nu lieben herren und frewndt, lazz ich ew wissen
daz ewr diener und mein lieber vater in derselben venkehnuss
laider im vergeben ward und gestorben ist, und das durch den
selben unordenlichen posen und crlozen mensclien den egenan-
ten Girziken, der da in ye hat schaczen wellen umb die cron
und kleynat des beliemischen künigreichs und eedann mein va
ter anders getan hiet wenn als im vertrawt warden ist, hat er
lieber sein leben in tod geben und lieben herren wissund nu
soliche falsche pose untrew, die meinem vater umb Unschuld
geschehen ist, traw ich ew das solichs meins vaters tods ew
leid sein wurdt, und derselben grossen ungerechtikait, die da *
der daigen behemischen cron von demselben posen falschen und
erlozen menschen Girziken geschehen ist und geschiecht, wie
er untrewlich und poslich ingefallen ist in die Pragstet und
dasselbist sich in die königlich ambt underwunden hat und die
anders verkert hat dann es von seliger gedechtnuss kaiser Sig
munden und kunig Albrecliten und herren, meinen gnedigen her
ren geseezt und geordent worden ist und ander ding daselbist
handlund und treibund, daz in nicht angepurdt, wenn er des
der pose und erloz mensch nicht wirdig ist. Auch frumer
lewt hab ungerechticlich und poslich mit gewalt nemund, und
die andern geben hat und gibt und vil ander ding zu schaden
der heiligen kristenheit und dem ganczen reich und des kunigs
gnaden und sunderlich zu grossen schaden und schaden dem
daigen ganczen kunigreich aufbracht hat, das da langsam auf
zuschreiben war, als ewr frewntschafft das alles nicht verpar-
gen ist, die alle nu obgemelten ding der vorgeschriben poz und
falsch und erloz Girzik getan hat vndtut wider die gancz gerechtikeit
vnd wider recht und freyhait des Behemlands und wider alle orden-
lichen berednussen, die mit des kunigs gnaden und mit dem hei-
425
ligen concilium geschehen sein, darinn ich des kunigs gnaden
genczlich getraw, daz mich sein gnad in kainerley weis geruch
nicht verlassen, als sein diener, darnmb lieben lierren und freundt
bit ich ewr frewntschafft, daz ir ew vor des kunigs gnaden
underreden wellet, daz sein grosmechtikait gedenkund auf mein
lieben vater und mein getrew dinst mir geruch hilf anverczie-
hen mit gelt und mit volkh zu tuen und darinn nicht geruch
vercziehen; wenn mir nu des grosse und erhofte notdurft ist,
daz ich mich wider solich pose und falsche untrew hüten be-
warn und wern mocht, damit ich mitsambt meinen frewndten und
belfern nicht underdrukeht werd, des kunigs gnaden und des
ganczen haws zu Österreich zu grossen schaden und das ich meclit
das verhalten was meinem vater vertrawt worden ist, begerund
ewr entliehe antwurt bey dem poten. Geben zum Newnhauss
des Sambstags vor Suntag Oculi in der vasten anno domini etc.
xlvnij 0 .
i
Ulreich vom Newnhaus.
Vci’zeicliniss
der
eingegangenen Druckschriften.
Academie d’Archäologie de ßelgique. Bulletin et Annales.
Vol. V. live. 4. Anvers 1849; 8°
Gesellschaft, k. sächsische der Wissenschaften. Berichte über
die Verhandlungen der mathematisch-phys. Classe. 1849,
Nr. 1.
Hansen, P. A., allgemeine Auflösung eines beliebigen Systems
von linearischen Gleichungen. Leipzig 1849; 8°
Siebtel), ßfyrijl., bie [Reformation be$ «ffialbbatteS. 2 3SoI. «Prag
1844; 8°
— bie «Altenburger IV. «Preisfrage, «präg 1844; 8°
— iOrgan für bie «Reformation be$ «ffialbbaueS. iprag 1846; S°
— (SröffnungSrebe als Socent ber gorjltoiffenfthaft. «Prag 1849; 8°
Memorial de los Ingenieros. Heft 6. Madrid 1849; 8°
Möbius, A. F., über die Grundformen der Linien der dritten
Ordnung. Leipzig 1849 ; 8°
Neumann, C. F., über die cyclocentrische Conchospirale und
über das Windungsgesetz von Planorbis corneus. Leipzig
1849; 8o
Patcllani, Luigi, Abozzo p. u. trattato d’Anatomia e Fisio-
logia veterinaria. Vol. 2. Milano 1847; 8°
Bussegger, Jos., Reisen in Europa, Asien und Africa etc.
Lief. 13—16 und Atlas, Lief. 6. Stuttgart 1849; 8°
Schott, Heinr., Meletemata botanica. Vindobona 1S32; fol.
— Rutaceae. Vindobona 1834; fol.
— Genera Filicum, fase. 1—4. Vindobona 1834; 4°
— Fasciculus plantarum Brasilien sium.
— Neue brasilianische Pflanzen.
vSeebeck, A., über die Querschwingungen gespannter und
nicht gespannter elastischer Stäbe. Leipzig 1849; 8°
-m
Sitz.1). d. philos. histor. CI. Jalirg. 1840. X. Heft.
a
HHr
*PTk • • VI ' t\SV!/^ 1
» n
r\ ' *y' n
'JH~ *1J
\ *■ ^
C&y*?
nävo A
Tml^W
J aL/K
i / / > IaA, J'lli . V*l fw^r***
s/x (A,
/VW
f'ygfjTSvrVNrV n " '^V—41
i^xäi .•~ytj
ytiiw
LYvJl i
>< yZt^VvYS? rV 8 ^ ' ffi . T»L’ r >^y '-/
v 1
^ ^ JHr: -S^f
yk %j| y
fef® ^'SnwS®
HPfe
* / k. _ ~
i' Tf , _A 1 A
^ ypwt
L -V& u