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Dr. S i c k e l
wird der Wortvorrath der zwei ersten Coramentare im Allgemeinen
für die Wiedergabe von dem Inhalte nach leichteren Schriftstücken
hinreichen. Erst im dritten finden sich in grösserer Anzahl Ausdrücke,
welche in der Regel nur in Schriftstücken mannigfaltigeren, mehr
eingehenden, wohl auch gelehrteren Inhalts in Anwendung kommen,
wie wenn Gruter 126 die verschiedenen Waffen, Gr. 127 seq. die
Körpertheile, Gr. 133 Götternamen, Gr. 136 Orts- und Völkernamen
u.s.w. aufgeführt werden. Sind schon in diesem dritten Theile die Zeit
wörter selten, so noch mehr in dem vierten, der fast ausschliesslich
Begriffswörter von meist geringer Anwendbarkeit enthält. Im fünften
endlich herrschen Wörter und Namen vor, welche erst durch die
christliche Theologie in die Literatur eingedrungen waren, aber sich
nicht füglich in die früheren Abschnitte einschalten liessen, wie es
bei anderen Wörtern dieser Gattung geschah. Denn der Inhalt eines
Commentars war keineswegs abgeschlossen, sondern, wo entspre
chend den vagen Regeln *), nach denen überhaupt die Aufeinander
folge der Wörter bestimmt wurde, neue Ausdrücke in die Reihe der
alten eingeschoben werden konnten, geschah es je nach dem Bedürf-
niss. So sind offenbar die der christlichen Welt angehörigen Begriffe
episcopus, archiepiscopus, praesul u. s. w. bis justißcat und legiti
mus (Gruter 91) erst nachträglich in den commentarius II. einge
schaltet, welcher, wie schon früher (cf. Ko pp §. 44) aus dem
Umstand, dass die Reihe der Kaisernamen in demselben mit Antouinus
Pius endigt, geschlossen ist, um die Mitte des zweiten Jahrhun
derts zusammengestellt sein mag. Dass sich in dem commentarius /,
auch in der Gestalt wie er heute im Cod. Grut. und im Cod. Gotw.
vorliegt, noch kein einziges der christlichen Literatur ungehöriges
Wort befindet, spricht ganz entschieden für ein noch höheres Alter
desselben. Wahrscheinlich würde sich annähernd die Entstehuhgs-
zeit jedes einzelnen Theiles des Gesammtlexikdns bestimmen lassen,
*) Was Kopp §. 70 zunächst von der Anordnung im Cod. Grut. sagt: ordo auctoribus
piacuit nullus, neque literaruin, neque systeinatis cujusquam, nisi fortasse illurn
spectes ordinem , quo prirnitiva derivatis anleponuntur — kann ich nicht unter
schreiben. Die Anordnung ist zwar nichl systematisch in unserem Sinne, aber sie
erfolgt doch nach gewissen Regeln. Raid sehliessen sich die Wörter nach wirklicher
oder vermeintlicher Etymologie an einander an, bald nach dem Gleichklang der
ersten Sylbe oder Sylben , bald nach der Ähnlichkeit der Noten, bald nach den
Beziehungen der Begriffe. Es ist selten, dass jede Art von Zusammenhang zwischen
den unter einem Schlagwort vereinigten Ausdrücken fehlt. Dagegen stehen die
Schlagwörter selbst zumeist in keiner Beziehung zu einander.