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SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
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AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
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SIEBENUNDDREISSIGSTER BAND.
«—
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKKRE1.
IN COMMISSION BEI ICARI, GEROLD’S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1861.
SITZUNGSBERICHTE
DEK
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHENCLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
SIEBENUNDDREISSIGSTER BAND.
Jahrgang 1861 — Heft I bis IV.
(Utit 2 Cufflti.)
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION liläl KARL GEROLD'S SOHN, BOCHHÄNDLHH DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1861.
300 1 2 2
INHALT.
86
Sitzung vom 10. April 1861-
Müller Alois, Astarte. Ein Beitrag- zur Mythologie des orientalischen
Alterthums. (Mit 1 Tafel.) 3
Sitzung vom 17. April 1861.
Pfizmaier, Bericht über einige von Herrn Dr. Karl Ritter von Scherzer
eingesandte chinesische und japanische Münzen. (Mit 23 Abbil
dungen.) 45
Sitzung vom 24. April 1861.
Feifalik> Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII .. .
Sitzung vom 8. Mai 1861.
v. Karajan, Bericht über die Thätigkeit der historischen Commission der
kais. Akademie der Wissenschaften während des akademischen
Verwaltungs - Jahres 1839 auf 1860 vorgetragen in der Com
missions-Sitzung vom 8. Mai 1861 und darnach in der Classen-
Sitzung desselben Tages durch den Berichterstatter derselben
Dr. Th.G. v. Karajan, d. Z. Vice-Präsidenten
Bericht über die Thätigkeit der Commission zur Herausgabe der
Acta Conciliorum Saeculi XV. während des akademischen Ver
waltungs-Jahres 1859 auf 1860
Über Cristobal de Castillejo’s Todesjahr 100
Sitzung vom 15. Mai 1861.
Pfizmaier, Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen .
Verzeichniss der eingeganggnen Druckschriften. (April.)
» „ „ » (Mai.)
Sitzung vom 5. Juni 1861.
Kenner, Über einen semuncialen Quadrans von Larinum
Sitzung vom 12. Juni 1861.
l_Schrötter, Die chemischen Bestandtheile der Bronzen in den Gräbern von
Haistatt und ihre Beziehung zu deren Ursprung
AS
Wolf,
93
99
103
153
157
161
174
VI
Sitzung; vom 19. Juni 1861.
| Höfler, Carmen historieum odculti autoris saee. XIII. Aufgefunden in
einer Handschrift der Prager Universitäts-Bibliothek
Pfeiffer, Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache in mittelhoch
deutscher Zeit
Ernennungen
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
Sitzung vom 3. Juli 1861.
Höfler, Historische Untersuchungen
Sitzung; vom 10. Juli 1861.
( Pfizmaier, Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki
Sitzung; vom 17. Juli 1861.
Zingerle, Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift
Pfizmaier, Sse-ma-ki-tschü, der Wahrsager von Tschang-ngan. . . .
Feifalik, Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII. Anhang.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften
Seite
183
263
283
285
287
304
331
408
420
425
■
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHIL OSO PH ISO II-HISTORISCHE CLASSE.
XXXVII. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1861. — APRIL.
i
SITZUNG VOM 10. APRIL 1861.
Vor gelegt:
Ast art e.
Ein Beitrag zur Mythologie des orientalischen Alterthuras.
Von Dr. Alois Müller.
Nach den eben so scharfsinnigen als gründlichen Untersuchungen
Movers’ über die Götterlehre Vorderasiens und namentlich Phöni-
ziens dürfte es fast als verlorene Mühe erscheinen, phönizische oder
überhaupt syrische Theologie zu dem Zwecke, vielleicht wesentlich
Neues zu bieten, einem näheren Studium zu unterziehen. In der That
ein schwieriges Unternehmen, wenn man die Masse des Materiales,
das diesem um das phönizische Alterthum so verdienten Gelehrten zu
Gebote stand, und noch mehr die Tiefe der Gelehrsamkeit und
Schärfe der Kritik erwägt, mit der er das Religionsgebäude der
Phönizier und andere mit demselben verwandte Culte der alten Welt
behandelte 1 ). Um so mehr noch dürfte es aber befremden, dass ich
gerade die Astarte zum Gegenstände einer näheren Untersuchung
gemacht habe. Sollte denn eint' Gottheit, die in der Götzengeschichte
des A. T. Kanons so oft genannt ist, noch nicht so weit aufgehellt
sein, dass es sich überhaupt lohnte, sie zum Objecte einer eingehen
deren Kritik zu machen? Dies wird den Unbefangenen, der nicht im
Vorhinein von Autoritätsglauben eingenommen ist, vorliegende Un
tersuchung lehren. Und habe ich durch sie nur irgend etwas zu rich
tigem Verständniss und gehöriger Würdigung semitischer Cultur und
dadurch zur Bekämpfung der leider noch so häufigen Vorurtheile
*) Zur richtigen Würdigung dieses für die Wissenschaft leider zu früh entrissenen
Gelehrten s. das eben so humane als billige Urtheil E w a I d’s in seinen Jahrbüchern
der B. W. (9. Jahrb. 1857—1858, S. 124 ff.) gegen das zweideutige Lob Danko’s
1 *
4
Alois Müller
gegen die Bildung des Orients beigetragen, so ist dies mein bester
Lolin. Gerne nehme ich dann die scheelen Blicke solcher bin, die
etwa glauben, ich wolle mir durch Widerspruch gegen Ansichten von
Autoritäten auf eine leichte Weise Lorbeeren verdienen.
Soll das Wesen der Astarte, dieser in der syrischen Theologie so
wichtigen Gottheit, genau erfasst werden, so ist vor allem die Bedeu
tung ihres Namens zu erforschen. Wesen und Name einer Gottheit
hängen nothwendig innig zusammen. Die Erklärung des Namens ist
also erstes Erforderniss. Dies um so mehr, als meiner Überzeugung
nach derselbe bisher von allen Exegeten des A. T. sowohl als auch den
Lexicographen des hebräischen Spruchidioms seiner Bedeutung nach
gänzlich verkannt worden ist. — Zum Zwecke unserer Untersuchung
führen wir die Stellen des A. T. Kanons, in denen der Name der
Astarte vorkommt, in ihrem Zusammenhänge, so weit er uns nothwen
dig scheint, auf. Es sind folgende. Beg. 1 11 5: »UiX HübtV
o’rticBeg. 1 11 33: n-intw^ nnntsw »juw h£>n jv»
pis \-6n> Beg. 2 23 13: -]ba nabtv rua * • * mann nxi
d»jt2£ |>pt£> mnw 1 ?, Sam. 1 31 10: nnnttty ma i»^a nx ia»tt>»i.
,Jud. 10 6: nnntyyn nxi n^ynn nt* naim> Sam. 1 7 3: nx n»Dn
nnnuwi onnina nmn »r6x, Sam. 17 4: o»^i>an nx ^xie» »ja n»D»i
mntt>»n nxi, Sam. 1 12 10: nnntt>y,n nxi D’Wan nx nawi, Jud.
2 13: rvnntyy^l bvzb nait»1- Dies die Stellen des Kanons, welche
von der Astarte sprechen. Hieher zu setzen ist auch der nach dieser
Gottheit benannte Ort in Gen. 14 5: D’Jlp mntWb identisch mit dem
in Deut. 1 4 vorkoirimenden nintyp (Jos. 9 10, 12 4, 13 12 und 31),
ursprünglich wohl nnntSW n»a genannt, wie die verkürzte Form
mntnpa *) Jos. 21 27 durch Vergleichung mit der Parallelstelle
Chr. 1 6 S6 ganz deutlich zeigt. In dieser Stadt wurde einmal die
gehörnte 2 ) Astarte durch einen ganz besonderen Cult ausgezeichnet,
in der Tübinger theolog. Quartalschrift 1857, S. 422 1F. Eben auf der Movers
von letzterem zum Vorwurf gemachten „eben so befangenen (?) als schriftwidrigen
Kritik“ beruht ja wohl zumeist der wohlbegründete Ruf jenes Gelehrten.
1 ) Über s. Ges. thes. pag. 175 a, Fürst Handw., Berthe au die Bücher der
Chronik S. 71. Als Ausartung im Talmud und anderen verderbten Idiomen ist diese
Apoeope des fl nichts seltenes. Fürst Lelirg. S. 71.
2 ) Die Glosse in Talm. B. Snccah 3 a: '»tnU D'in Uffi ! D’Jlp nVW©Jf
nw nmu nan px Dnnn nau "pnai onu»a (4. Bd.d. wiener Ausg. von
807) wird wohl der anderen Erklärung, welche den Namen der Stadt aufdie
gehörnte Astarte bezieht, als der weit einfacheren, mit der Symbolik dieser
Gottheit innig zusammenhängenden, weichen müssen, wenn gleich auch die Glosse
Astarte.
5
der sieh höchst wahrscheinlich auch durch Aufstellung mehrerer
Astartensymbole (nnntrjti vergl. oben nnntSW n’3 > was die LXX
gerade nicht aus der Luft gegriffen ist. Vgl. Buxt. lex. col. 1683, dag. Tuch Commenf.
•zur Gen. S. 311. Ebenso Jacob Bon fr er S. J. im Peilt. Moysis illustr. Antverp. 1623,
pag. 190 a: ... Ab hoc iam idolo censeo etiam ipsam civitatem, in qua hoc idolum
colebatur, appellatam Astarothcarnaim, quasi Junonis vel Dianae bicornis
ur hem. — Über sie heisst es bei Hieron. in Euseb. rrspt twv T07rixwv ovop.cczoyv
twv sv zy Ssici ^jpd'fy (Hieron. opp. post monach.ord. S. Bened. e congreg. S. Mauri
rec. stud. Domin. Vallarsii. Veronae. 1734.) vol. III. in col. 128: Airapco.^ Kapvastv,
^cöpa ‘yt'yavrwv vnkp zvjv 2o5o(.utiv, oug xarsxoibcv Xo5aXXa7op.op. xat elaiv £tg
£Tt vöv dvo xcnpiat im zyg Bazavctiotg zyg xat Baro/oöag (Hier, blos: sunt ho-
dieque duo castella in Batanaea hoc vocabulo) aXX^Xcov 5t£öT5>(7at cvjp.stotg 3 p.£-
ra£ö 5 A5apwv xat ’AßtXvjg jro'Xewg, in col. 136: ’AffrapcbS, Tto\ig apxai'a roö
sv ^ xarcbxouv ot ^t^/avrsg* vj 7670Vs ^uXv?g MavatJuv?, Trapaxetrat 5s sv
Baravat'a. — 5 A5paa, TröXtg rvjg ’Apaj3tag, wg a7rd Gy[isio)'j s£. vj 5s ’A5paa
rv?g Bo'ffTpvjg (Steph. Byz. Bo'trrpa. rco'Xtg 5 Apa/?tag’) diiGZyxe Gyp.doig xs'.
xstrat 5s xat, avojzspo) ’AcrzapchS Kapvastp.. Dazu ßonfrer: Astaroth Carnaim et
Astarolh civitatem Og regis, cuius non semel fit in scriptura mentio, non diversas
sed easdem esse urbes omni 110 censeo in Batanaea regione: idque ipsum
indicat quod Astarolh-Carnaim esset habitatio Raphaim seu gigantum ex Baphe oriun-
dorum, idemque de Og rege Basan, qui regnavit in Astaroth, asseratur. Jos. 12 4,13 12.
Onomast. urbiurn et locorum sacrae scripturae opera Jacohi ßonfrerii pag. 28 bei den
Geogr. sacrae scriptores tres. Amst. 1711. vol. II., in col. 181: Kapvastp. Ssrapd)^
(iure Bonfrerius rescribit ’Aarapw^), Kapvastp. s’art vOv xdip.y p.e«fiGzy zyg
\Apa/9tag, yjrtg s’artv y Baravat'a Xs7opjvy iizixsiva. zov ’Iop5avou. sv^a wg
ix TrapadÖGscx)g zov ’lwß rov otxov imdzixvvovGiv. sgzi 5s xat a'XXvj s’v opt'otg
AtXtag Kapvata Xs7op.svvj xwpivj. Man vergl. ferner col. 176: Bsso^apa (LXX.
Boaopa, Vulg. Bosra) ©uXvjg Mavacffv?, Asutratg a-pojptG’p.svvj sv r-J Baa , avtrt5t.
Vergl. dazu Bonfr. — Das Makk. 1 5 43 vorkommende Kapvatv gehört ofrenhar
hieher. Rosenmüller Bibi. Geogr. 11/1 278: Die Stelle des alten Astharoth nimmt
wahrscheinlich jetzt Mezaraib ein, ein Dorf mit einem Castell an der Pilgerstrasse von
Damask nach Mekkah. Über Mezaraib s. Burckhardt 1 385. Nach dem von 0. v.
Richter zu Mezaraib bemerkten (bei Rosenmüller), dass es am Rande einer steinigen
Schlucht liege, mag es mit der oben angeführten Glosse zum B. Talmud und auch mit
der Identificirung der Orte so ziemlich seine Richtigkeit haben. — Bss^apa ist
wohl zu unterscheiden von Gen. 36 33, durch Boaoppa, Bosra wiedergegeben.
S. Fürst Ildw. und dag. Gesen. thes. pag. 231 «, ferner Bu rck h. 1 364 und
Rosenm. II/1 278 in der Note und 11/2 23. Beniamin von Tudela pag. Jiy der
Lond. Ausg. von 1840 berichtet von einem Bosra am Tigris: iT2>Ön "J^rFÖ
im by nn^vrr ♦ Mit dem aus Gen. 36 33 angeführten Bosra wirft
Euseb. bei Hieron. col. 169 das in Deut. 4 43 vorkommende (*D“P23 11Ü DR
liy'öil f^IfcO) zusammen: Boaojp, sv zy ipyp.(p Trspav zov 5 Iop5avou,
zrjg (pv\yg C Povßlv aird avaroXwv c lspt)(o>, no\ig [spoczixy xat iojv ®v‘'jaftzv-
rvjptwv. (Vergl. Jos. 20 8.) aörvj iGzl Boazpa y vöv p.vjrpÖ7roXtg rv?g ’Apaßtag.
eart 5£ xat aXXvj vöv Boawp rcoXtg roö 'lluaoö sv opsGL zyg ’l5oup.atag, yg
6
Alois M ii Iler
treffend durch ’Acraprstov wiedergeben) in einem ihr geheiligten
Tempel offenbarte. Dieser Ort war aber ganz vorzüglich ihrem
Dienste 1 ) geweiht gewesen. — Mit diesen Stellen haben wir, wenn
wir noch das Gentile in Chr. 1 11 44 hinzufügen, die Concor-
danz über die Göttinn Astarte, so weit sie im A. T. Kanon vorkommt,
erschöpft; denn die Deuterouomialstelle 7 13 "pNü niJiWl (28
4—18 — 51) rechne ich aus gewichtigen weiter unten zu erörtern
den Gründen nicht hieher und deute sie gegen die einstimmige Auf
fassung aller alten sowohl als neuen Erklärer des A. T. Kanons.
Meiner Überzeugung nach ist diese Stelle entschieden anderer Art
und allein im Stande die Etymologie des bisher noch nicht befriedi
gend erklärten Namens der Göttinn und folglich auch ihren Grund
typus aufzuhellen. Von ihr muss man ausgehen, wenn es sich um die
Erforschung der Etymologie des Namens handelt. Ob ich bei meiner
Untersuchung den richtigen Weg eingeschlagen habe, wird das Re
sultat derselben lehren. — Vergleichen wir über diese Stelle die
ältesten Übersetzungen, so linden wir in allen dieselbe Auffassung.
Ich lasse sie nach der Polyglotte von Brianus Walton folgen. Vulg.
gregibns ovium tuarum 3 ). LXX. xai rä iroipma toöv jzpoßdrwv aov.
Onk. -pp 'TUM- Samarit. iädt[iv diewvl:. Syr. f’H, 0 - Aral).
Diese Wiedergebung der Deuteronoinialstelle beruht, wenn nicht
überhaupt auf blossem Parallelismus, auf der Auffassung der Astarte
als einer Venus. Vergl. Ges. thes. pag. J083 a. Dem Hieronymus
(Philo?) jedoch scheint, wenigstens nach seinem Wörterbuche und
der Übersetzung der Stelle Deut. 28 4, eine Synonymisirung mit dem
Sam. 1 24 4 vorkommenden jxan nuru vindicirt werden zu müssen.
Diese Übersetzung der beigezogenen Stelle in den angeführten
Bibelversionen ist übrigens leicht erklärlich und braucht uns, selbst
wenn sie, wie sich zeigen wird, entschieden falsch ist, durchaus nicht
Wunder zu nehmen. In ihr ist das Wort mnttW, wie ich darthun
werde, in einer singulären, von der sonst im A. T. Kanon üblichen
ganz verschiedenen Bedeutung gebraucht und als solches also ci.na.ti
\sy6psvov. Dann darf es uns durchaus nicht befremden, dass es
(iEjjivvjrai f Haaiag Ae'/oju ■ zig oözOg ö jriS, ’Eöwp. ipuH'/iy-ct tp.a-
rtwv auroö ix Boacbp. S. dazu Bonfr.
*) Man vergl. pJl .los. 15 41, NS .los. 19 5, T)J)B fl *3 Deut. 4 46,
n>3 Jos. 15 io.
2 ) Deut. 28 4 übersetzt die Vulgata : caulae ovium tuarum,
Astarte.
7
seiner Bedeutung nach selbst sonst sprachkundigen Übersetzern des
hebräischen Kanons wie dem damaligen Hebraismus überhaupt nicht
mehr recht klar, also leicht begreiflich mit dem sonst vorkommenden
IWHMU nur in übertragener Bedeutung, identisch war. Erwägt inan
die Übersetzung der LXX von Sam. 17 3: nspisXsre Seoi/g dXXo-
rpioug ix p.ioov titxOiv xcd rd äA’jv/ 1 ), Sam. 17 4: xcä mpisiXov oi
mol 'lapariX ras BccxAi//. xal rd aXorj ’Aozap&S, Sam. 1 12 10:
xcd i^ovAdiGaixcv rotg BaaAip. xal rofff ciXosuiv, die eine Jdentificirung
der Astarte und Aschera, die doch nach den neuesten Untersuchun
gen nichts weniger als zu identificiren sind 2 ) und besonders klar ge
schieden werden in lieg. 2 23 6: Hin’ n’ia rnt£>Nn ON K2T1 und
Beg. 2 23 13: mn»?) na^tt> rm mann nxi
D’ja’5t ppt£L 3 ) deutlich verrathen, so ist auch die Auffassung unserer
Deuteronomiaistelle gerechtfertigt, um so mehr wenn man Jud. 2
13: nnnw^i byzb mjm mm ntt nrim mit Jud. 3 7: j-in inntmi
mi n^ynn m rajm amn 1 ?« mrp vergleicht. Halten wir
jedoch gegen Jud. 2 13, Jud. 10 G, Sam. 17 3, Sam. 1 7 4,
Sam. 1 12 10 die Stellen Jud. 6 23 — 20 — 28 — 30, so sieht man,
dass wohl nur Jud. 3 7 auf richtiger historischer Basis ruht, die
anderen eben angeführten Stellen hingegen nur in einer Jdentificirung
der beiden ganz verschiedenen Gottheiten ihre Erklärung finden 4 ).
Das Sonderbarste an der Sache ist f reilieh der Umstand, dass schon
dem Verfasser oder besser Compilator der Bücher Bichter und Sa
muel (wohl Samuel selbst?!!!) in ihrer gegenwärtigen Gestalt der
Unterschied der beiden Götzen nicht mehr klar, im Gegentheile
*) Wodurch die so geläufige aber ganz ungerechtfertigte Übersetzung der LXX d\(jos
für iriEJK veranlasst ward, wird aus dein weiter unten folgenden klar werden.
~) Nur eine eben so befangene als schriftwidrige Kritik kann behaupten, wie Danko
es in der oben citirten Reeension thut: Aschera ein in einer Säule verehrtes Idol,
der Movers zuerst eine selbstständige von der Astarte verschiedene Existenz im
asiatischen Olymp vindieirte, die aber der neueste Erklärer des Buches der
„Richter“, wie es uns scheint, mit Recht streitig macht.
3 ) Aus dem unmittelbar folgenden DK fHD'l IVDXön DN geht hervor,
dass neben den Standbildern dieser Gottheiten auch Ascherasyrnbole als avp.ß(j)p.oi
aufgestellt waren. Vergl. Movers 1 5t»3.
4 ) Überhaupt aber spricht schon die Verbindung mit dafür, dass kaum eine
andere Gottheit als die ncipedpos des Aschera-Baal gemeint sei, da der andere
Baal gewöhnlich als vorkommt. Unmöglich aber ist hier schon desswegen
Moloch (Baal) gemeint, da der jahvistische Compilator diesen Cult sonst so viel
als möglich mit dem Mantel der Vergessenheit zu bedecken sucht,
8
Alois Mülle r
dieselben ihm ganz identisch waren. Überhaupt war ja der Cult der
Astarte erst durch Salomo bei den Hebräern wieder in Flor gekom
men und dass das Volk, wenn wir von der ältesten Zeit absehen,
vor ilun diesem Götzen so eifrig gedient hätte wie der Aschera, kön
nen wir aus dem Kanon nicht nachweisen. Von Stellen etwa wie Jud.
6 25 — 26 — 2S — 30 früher gar keine Spur. ^*3t2>ani hd l*? KC
□IT! Wir sehen hieraus, wie es um die Autorschaft der eben ange
zogenen kanonischen Bücher stellt. Wann mag wohl der Redacteur
derselben gelebt haben, da ihm bereits Astarte und Aschera als iden
tisch galten? Vor Ezra werden wir ihn kaum ansetzen dürfen. Un
möglich können die Bücher in der uns überlieferten Gestalt von
einem Manne herrühren, der noch während des Bestandes des jüdi
schen Staates gelebt hatte, da diesem eine solche Confundirung der
beiden Götzen, die doch noch in den letzten Zeiten des jüdischen
Reiches eine so bedeutende Rolle gespielt halten, kaum zugetraut
werden kann. Zur richtigen Beurtheilung des Verhältnisses jedoch
diene die treffende Ansicht Spinoza’s *) über diesen Autor in seinem
theolog.-polit. Tractate: Horum praecipuum est quod Hezras (eum pro
scriptore praedictorum librorum— Pentat., Jos., Jud., Rut, Sam., Reg.
— habebo, donec aliquis alium certiorem ostendat) narrationibus in
hisce libris contentis ultimam manum non imposuit, nec a 1 iud
f e c i t, quam h i s t o r i a s ex d i v e r s i s scriptoribus c o 11 i g e r e
et quandoque non nisi simpliciter describere, atque eas
non dum examinatas neque ordinatas post er is reliquit.
Im 9. Cap. zu Anfang. — Nach dem Vorgänge des Kanons und der
LXX wurden die beiden so verschiedenen Götterwesen auch von frü
heren und späteren Coinmentatoren und Lexicographen gänzlich iden-
tificirt. Am sonderbarsten aber ist Hieronymus’ (Philo’s) Ansicht über
das Wort, das ihm an verschiedenen Stellen eine verschiedene Bedeu
tung hat. So heisst es bei ihm de nominibus hebraicis (vol. III.) col. 5:
De Genesi. Astaroth, ovilia, vel faciunt exploralores, col. 33: De
Deuteron. Astaroth, caulae, praesepia, ovilia vel atria 2 ), col. 38:
1 ) Die paar Seiten seines Traetates, welche die kanonischen Schrillen des A. T.
behandeln, sind weit mehr werth als alle auf Orthodoxie basirenden Einleitungen
in’s A. T. D^D
2 ) Vergl. III col. 33: Aseroth, atria sive vestibula: si tarnen per Heth et Sade literam
scrihatur. Si vero per Aleph et Sin heatiludines sonat. Schwebte nicht jenes und zu
gleich auch das Sam. 1 24 4 vorkommende JVnTä dem llieronym. (Philo?) vor?
Astarte.
9
De libro Jesu. * Asturthen (LXX. 24 33), facturam superfluain, id
est, Koirjaiv izep'-rTriv (nny nttty?), col. 38: De libro Jesu. Astaroth,
faetura, id est, noi-naiq exploratorum (nn col. 47: De libro
Judieum. Astarotb, ovilia, vel faetura, id est, TtoivGig exploratorum.
Man vergl. noch das lexieon graecum nominum hebraicorum (III
col. 615 und GI6): Interpretatio latina. Astarte, Venus, vel etiam
Astarotb. Cod. Vat. ’Arndprii dcppoohr), fj xcd dmapcbS. Hieron.
Astarten, facturam supertluam, Astarotb, faetura exploratorum 1 )-
Geben wir nunmehr zu unserer Deuteronomialstelle zurück. In
ihr kann das Wort nillW unmöglich , weder von der Aschera noch
t) Ich gebe diese Stellen als Beitrag- zur Kritik für die hebräischen Kenntnisse des Hie
ronymus (Philo ?), der gewiss nicht das Glossarium einer lateinischen Bearbeitung
gewürdigt hätte, wenn es nicht nach seinem Geschmacke gewesen wäre. Hierbei
bin ich weit entfernt des grossen Kirchenlehrers Verdienste herabzusetzen. Ein sol
ches Gebahren übrigens müssten schon seine Schriften beschämen. Lassen wir diese
selbst reden. S. Hier, apolog. adv. libros BulFini missa ad Pammachium et Marcellam
üb. 1. (11. col 476): . . . mihi non licebit disputare de verbis et in eommentariorum
opere Latinos docere, quod ab Heb raeis didici? Nisi enim et prolixum esset et
redoleret gloriolam iain nunc tibi ostenderem quid utilitatis habeat magistrorum limina
terere et artem ab artificibus discere: et videres quanta silva sit apud Hebraeos ambi-
guorum nominum atque verborum. Quae res diversae interpretationi materiam prae-
buit: . . . ut tandem desinas amicum tuum in eo reprehendere, quod ne per somnium
quidem aliquando didicisti. Ep. CVIII. ad Eustoch. (I. col. 714): Hebraeam 1 in—
guam, quam ego ab adolescentia multo lab o re ac sudore ex parte
didici, et in fatigabi I i meditatione non desero, ne ipse ab ea deserar
Ep. LXXXIV. ad Pammac. et Ocean. (I. col. 519 und 520): Dum essem
iuvenis, miro discendi ferebar ardore, nec iuxta quorundam praesum-
tionem ipse me docui . . . Jam canis spargebatur caput et magistrum potius quam
discipulnm decebat . . . Veni rursum Jerosolymam et Belhleem. Quo labore, quo
p r e t i o ßaraninam noetnrnum h a b u i praeceptorem! Timebat enim
Judaeos et mihi alteruin exbibebat Nicodemum . . . Obiiciat mihi quispiam cur
hominem Judaeum habuerim praeceptorem? . . . Contra Ruf. lib I.
(II. col|469) fAudio praeterea te quaedam de epistola mea philosophice carpere et
hominem rugosae frontis adductique supercilii, Plautino in me sale ludere, eo quod
Barrabam ludaeum dixerim praeceptorem me um. Nec mirum si pro
Bar-Anina, ubi est aliqua vocabulorum similitudo, scripseris Barrabam .
Nicht unnütz mögen diese Stellen hier stehen. Ich gab sie in der Absicht „contraire
inyidiae et calumniosas dissolvere criminationes, ne illi sibi videantur, popularia dum
verba depromunt, magnum aliquid dicere“ (Arnob. adv. nat. 1 1). Leider herrschen
solche Pöbelansichten so ziemlich über die ganze Literatur jener Koryphäen der
ersten christlichen Jahrhunderte vor. Freilich wohl. Wir begreifen jene Männer
kaum mehr. Wie Riesen einer ganz anderen Welt ragen sie zu uns herüber.
Bene vertat! Welche Schätze geistigen Wissens sind in ihren Schriften niedergelegt!
Was für ein Geist musste Hieronymus sein, wenn er von sich sagen konnte: Cum et
Orientis atque Occideutis synodicis consultationibus respouderem! Ep. CXXIII. ad
Ageruchiam (I. col. 901).
10
Alois Müller
von der Astarte, in übertragener Bedeutung gebraucht sein. Wie kann
man von einem Gesetzgeber, der so sehr gegen den Götzeneult
eifert und ihn auf jegliche Weise auszurotten gebeut, wie kann man
von einem so zelotischen Gesetzgeber, falls man ihn nicht der
grössten Inconsequenz zeihen will, voraussetzen, dass er nun selbst
auf einmal einen Ausdruck in den Mund nimmt, der gar zu sehr mit
dem von ihm so arg verfolgten Culte in Verbindung steht, und zwar
ganz und gar ohne Noth. Man wende mir ja nicht ein , hier sei
das Wort desswegen vom Gesetzgeber gebraucht, weil es zu sehr
im Munde des Volkes üblich gewesen, oder gar weil man keinen
anderen Ausdruck dafür batte. Der erstere Einwand fällt zusammen
wenn man bedenkt wie gesucht die Übertragung schon an und für
sich ist. Der andere bedarf gar keiner Widerlegung. Dies das
negative Resultat bezüglich unserer Deuteronomialstelle.— Trach
ten wir nun nach einem positiven. Wir finden in Gen. 30 41—42
folgende merkwürdige Stelle: apy» öt£>i nntPpön Jttttn DIV bZ2 rpm
jNjfn spujmi tm^paa b’b.tu 'Mb m^pan nx
apy^ D’ltStpm ]2bb B’BBVn rpm D’tP’. Aus dieser Stelle ergibt sich
zunächst eine doppelte Gattung von nämlich D'BBltn und
D>1B>pfl. Hören wir über diese wichtige Stelle die alten Exegeten.
Folgende ist Augustinus’Ansicht. Bis quippe pariebant in anno.
Contigerat autem ut primo anno, quo inter se pacti sunt et ad eas
pascendas placito huius mereedis accessit, quod semel parerent
in fine anni, quia cum accessisset iam semel pepererant.
Rursusque sexto anno, id est ultimo, cum semel peperissent,
exorta necessitate profectionis prius recederet quam iterum
parerent: ac per hoc cum primus annus atque Ultimos duos ovium
partus sub illo baberent, hoc est singulos, medii vero quatuor
anni binos, fiunt omnes decem .... Pecudum autem illius regionis
foecunditas sicut Italarum tanta fertur, ut bis in anno paria nt.
Aug. quaest. super genes, lib. I. (IV col. 105 der Basler Ausg. Frob.
von 1569). Ebenso Hieronymus. Si quando oves et caprae
primo tempore ascendebantur, quia melior vernus est
foetus, ante ipsas ponebat virgas, ut varia soboles nasceretur.
Quaecunque autem oves et caprae sero quaerebant
marem, ante earum oculos non ponebat, ut unius coloris pecora
nascerentur Ne cui autem in sex annis decem pariendi vices
incredibiles videantur lege Virgilium in quo dicitur: bis gravidae
Astarte.
11
pecudes *). Natura autem Ifalicarum ovium et Mesopotamiae una
esse traditur. Hier, quaest. hehr, in genes. (III eol. 354). Ebenso
Tuch S. 453. Die LXX zwar scheint von einer solchen Auflassung
der Stelle keine Spur zu haben, indem sie einfach übersetzt:
41. s^svezo oi iv rtö xccipS) u> ivsxiatsttiv zä. jrpößaza iv yaazpi
Xajxßdvovza bSy/xev Taxojß zag -pdßdovg • 42.fjvixa. o’ av etsxs td
Tcpößaza, oOx izcSsi • iyivezo di zä p.iv äo-rip.x zoO Adßccv, zd di
i Tz t an ja « zov 'locx<hß. Vgl. Boeh. Hieroz. P. pr. lib. II. cap. XLVI.
Deutlich die Vulgata: 41. Igitur quando prinio tempore ascen-
debantur oves, ponebat Jacob virgas in canalibus aquarum ante
oculos arietum et ovium, ut in earutn contemplalione conciperent;
42. quando vero serotina admissura erat et conceptus
extrenius, non ponebat eas. Factaque sunt ea, quae erant sero
tina Laban; et quae primi temporis, Jacob 2 ). Ebenso Targ.
Orik.: upy’^j N’i’331 p^ N’ty’p^ jlfil • Über die anderen Über
setzungen s. Boeh. Hieroz. P. pr. lib. II. cap. XLVI. Dem entspre
chend auch jüdische Erklärer. Aben Ezra: ^31 p’j ’O’D 'm“ltyiporr
ntyy nn ratyn ’o’u nn 'jtwrrr p)’ö»,“di t D'ttnai o’prri i’n rtn^n rayN
Dtyoj loa nm no j’Nty 'D'Qitflrn :nif?pan ramp^ tyrara N^ty opy’
fpynn Dm- Raschi: Nipoi ny i*? ptt nrronn loinro 'nntöipan
in’ nntypnan jm« patt ntypn ’m D’itypi ^Din’riN ay non amoi
Dy ran omai .mty’p^a löinro ran’N ptyf? '^wnui :pn’y nno^>
paan piyn moayno noi^o jiido no’ay |ity^> niBayam ni^nan
D’IOtn '» 'y an’nn^ nilNno p’Nl. Anders jedoch Boeh. Hieroz.
P. pr. lib. II. cap. XLVI. Allerdings sind die aus Plinius und Colu-
mella angezogenen Stellen nicht wenig in’s Gewicht fallend. Ent
schieden falsch aber ist die herbeigezogene Benennung des Lammes
in den semitischen Sprachen, gleich als liiesse es „zö ivöv“,
„rd öitwpivöv £t5ov“ xccz 1 i^oyjnv, da diese Herleitung auf ganz irriger
Etymologie beruht. Diese Bezeichnung geht vielmehr von der Auffas-
1) Georg. 2 150. Dazu Forbiger. Hic oves.et arbores biferae. Oves eniin auctumn o
et vere admittuntur, et ae state et hie me pariunt. Vide Coltim. 7 2 et alios.
2 ) Ganz gegen diese Auffassung ist Rosen raü Iler in seiner Bibi. Naturgeschieh. 2
81, indem er sagt: Jakob nahm auch diesen Vortheil in Obacht, dass er seine Stäbe
nur im Herbst in die Tränkrinnen legte, nicht aber im Frühjahr. Darüber weiter
unten. — Übrigens widerspricht sich Rosen mii 11er eine Seite früher geradezu,
indem es hier heisst: also legte Jakob, wenn im Frühjahr die Schafe in der Brunst
waren und bei den Tränkrinnen zusammen kamen, in diese halbgeschälte Storax-
Mandel- und Ahorn-Stäbe, so dass zwischen der Rinde das Weisse hervorblickte.
12
Alois Müller
sung des Lammes als eines „abpflückenden“ aus — von der Wurzel
spn. Mit Rücksicht auf jene Gründe und weil im hebräischen Texte
eine Auffassung, welche ein doppeltes Werfen der Schafe annimmt,
nicht klar ausgesprochen ist, sieht Bochart von dieser Deutung
ganz ab und erklärt die Stelle nur mit Rücksicht auf das Horazische:
„Fortes creantur fortibus et bouis 1 )“ starke und schwache Mutter
schafe in der Heerde annehmend, ihm folgt auch Knobel in seiner
Genesis wenn er sagt: Zugleich bewirkt er, dass er lauter starkes
Jungvieh bekommt. Denn nur in der Zeit, wo das starke Vieh sich
begattet, stellt er die Stäbe auf, nicht auch jxün P]Wn:2 beim
Schwachmachen des Viehes, d. h. wenn dieses schwaches Jungvieh
erzeugte, indem es selbst schwach war. Wie es scheint zerfiel
Laban’s Vieh in Abtheilungen stärkerer und schwächerer Thiere.
S. 222. Fast wäre man geneigt dieser Erklärung beizupflichten,
wenn man erwägt, dass man bezüglich des doppelten Werfens eben
nur auf jene alten Nachrichten beschränkt ist. Ich wenigstens musste
mich trotz meines Bemühens nur mit diesen begnügen, recht bedau
ernd, dass keiner der neueren Naturforscher es der Mühe werth
fand diesen Punct aufzuhellen 2 ). S. Oken Naturgeschichte VIi/2
1339 und Voigt Zoologie 1 412. Der Talmud scheint davon eben
so wenig zu wissen, da Lewysoliu wenigstens in seiner Zoologie
des Talmuds nichts darüber erwähnt. — Jene Erklärung Bochart’s
jedoch leidet an eben derselben Schwierigkeit um derenwillen theil-
weise jene der früher angezogenen Commentatoren aufgegeben
ward. Eben so wenig finde ich in den Worten des Erzählers auch
nur die leiseste Andeutung, dass das Kleinvieh mit Rücksicht auf
stärkeres und schwächeres abgetheilt gewesen sei. Ist es dann noch
möglich den andern Einwand, dass das Schaf am besten zur
Winterszeit geboren werde 3 ), zu beseitigen, so haben wir
*) Carm. 4 4 29.
2 ) Nur hei BulFon fand ich folgende freilich nur ganz allgemeine Notiz. „In warmen
oder heissen Himmelsstrichen“ heilst es dort, „können die Schafe auch wohl zweimal
in einem Jahre lammen ; in Frankreich aber und noch kälteren Ländern ist es schon
an eiuemmui genug.“ ßuff. Naturg. der vierfüssigen Thiere. 1 299.
3 ) Plin. II. N. 8 47: Multi hibernos agnos praeferunt vernis, quoninm magis intersit,
ante solstitium quam ante bnnnam firmos esse solumque hoc animal utiliter
b r u m a nasc i. Colmn. de re rustica 7 3 : s o In s q u e (agnus) ex o m n i h u s
a n i in a I i b ii s bruma commode n a s c i t u r. Man vgl. auch folgende Glosse des
Astarte.
13
durchaus keine Ursache in der betreffenden Stelle jene Annahme eines
doppelten Werfens der Mutterschafe 1 ) , die auf so gewichtige Zeugen
sich stützt, umzustossen. Versuchen wir nur diese Angabe der alten
Exegeten zu rectificiren. Gehen wir auf den Text der hebräischen Ur
kunde zurück und lassen gemäss jenen Erkiärern das zweimalige
Werfen des Kleinviehes 3 ) gelten, so können wir annehmen,
dass die zweimalige Begattung der Zeit nach wahrscheinlich gemäss
der dieser alten Urkunde entsprechenden Berechnung des Jahres hin
gestellt ist. Nehmen wir nun für jene Zeit den Monat Tisri als Jah
resanfang an (Carpzovius app. crit. pag. 358) 3 ) und berücksich
tigen auch den Ausdruck nnt£>pan, der das nunmehr durch die
Sommerweide stark gewordene Weh bezeichnet, so fällt die erste
Begattung desselben wohl in den Herbst, das erste Wer
fen also in den Winter 4 ). Wir haben daher nunmehr durchaus
keinen Grund jene von so gewichtigen Zeugen bestätigte Erscheinung
hier zu bezweifeln und halten demnach an der durch dieses zweimalige
Werfen bedingten Unterscheidung des Kleinviehes in DWti’p und D’Otay
fest. Dass auf die D’ltPp grosser Werth gelegt wurde, unterliegt
Hesychius : ’'Eptyoj, o pixpog ca£, 6 iv rw eapi yatvo'psvos, vj-yoyv 6 Kpcinpos •
Xi'p.apoj di, 6 sv zw )(ap.Ä>vt.
*) Dasselbe gilt wohl von den Ziegen.
2 ) Vgl. auch folgende Stelle im Pantsehatantra Buch 5, Erzähl. 9 (hei Kosegarten p. 252) :
rTcTET I HrT :
sfurä I
3 ) Vergl. Saal schütz M. R. S. 398.
4 ) Gewöhnlich lässt man die Thiere (Schafe) erst mit 2—3 Jahren zur Begattung zu.
Die Zeit dazu ist der Herbst zwischen September-Anfang und October-Ende. Sie
tragen 21 Wochen, so dass sie etwa Anfangs März werfen. Die Schafe können sich
mit den Ziegen kreuzen, weil beide Species sowohl eine gleiche Tragzeit als auch
gleiche Begattungsweise des Bespringens haben. S. Oken und Voigt 1. c. ferner
Lewysohn. S. 125. Auch die Ziegen bocken im Herbst und haben, wie bemerkt,
gleiche Tragzeit mit den Schafen. Zur Begattung lässt man sie wenigstens 18 Monate
bis 2 Jahre alt werden. Übrigens dauert die Hitze der Schafe vom Anfang des Novem
ber bis zu Ende des April und sie können sogar zu allen Zeiten empfan
gen, wenn man sowohl in ihnen als in dem Widder durch erhitzende Nahrung, als
gesalzenes Wasser und Leinkuchen, lebhafte Begierden erreget. Eben so können
die Ziegen in allen Jahreszeiten sich paaren und vermehren, da sie
stets bereit sind, wenn sie nur ein wenig in Gesellschaft eines Bockes sich befinden,
denselben anzunehmen. 1 in Herbste pflegen sie aber am sichersten
trächtig zu werden. Besonders wichtig für das im Winter geworfene Kleinvieh
ist der Umstand, dass es, sobald es zu weiden beginnt, gleich zartes aufkeimendes Gras
an trifft. S. Oken, Voigt und Buffon.
14
Alois Müller
keinem Bedenken. Auf das Erzielen einer recht reichlichen Winter
geburt des Kleinviehes mochte man es besonders abgesehen haben *).
So zweifle ich nun durchaus nicht dass auch in jener Deutero-
nomialstelle „-[JNü mntWl“ eine Anspielung auf diese Wintergeburt
liegt und erkläre das Wort mntPJt als gleichbedeutend mit
dem in jener Stelle der Genesis vorkommenden D’ltyp.
Für dieEtymologie nehme ich an die Wurzel nPp, welche ich mit
menbringe. Über den Zusammenhang zwischen p und y s. Fürst
Lehrgeb. S. 33. Man bemerke unter anderen: D’p , — pp; NppN
- NJpN; pDJ — : pap — ynp; pap — par. Nach dem eben aus
einandergesetzten vindicire ich nun dem Verbum npi? die Bedeutung
„fest sein, stark sein“. Vgl. Meier Wurzelwörterb. S. 416. Diese Be
deutung hat es auch hei der. 5 28: (ripp Uöp. Von diesem Verbum
nun leite ich das Adjectivum “inPP fern. mnPP, durch Anhängung der
Bildungssylbe V gebildet, wie aus naa, irütt aus riJü 2 )
(„Röhre, Giessröhre am Leuchter“, nach den verwandten Verben von
dem „Sichsenken, Herablassen“ des Öles in die Lampe benannt), da
das Einschieben eines Buchstaben wie Fürst vom n annimmt (Handw.
1. Bd., S. 623) gegen alle Spraehgesetze ist. Anders jedoch in seinem
hebräisch-ehaldäischen Schulwörterbuche unter den Wörtern inaa
und inJ5t • Überhaupt sind überall, wo Formen mit einem scheinbar
eingeschobenen Buchstaben anderen ohne denselben gegenüber
stehen, die ersteren als die volleren zu betrachten. So ist z. B. ntsn,
arab. idai», aram. Nt3Jn von ia!=>- £3Jn abzuleiten und bedeutet „die
gewürzhafte, duftende“ = Weizen, und dürfte wohl gar nicht mit
sanskr. iffcfTf, neupers. (wie Fürst annimmt) Zusammen
hängen. — Das Wort n’tn verglichen mit arab. dürfte aus
1 ) Vielleicht bediente inan sich hiezu auch schon damals eigener Kunstgriffe. Merk
würdig ist folgendes Verfahren, aus dem Talmud bekannt: Die Begattung des Schafes
kann gehindert werden , wenn der Schwanz des Mutterschafes nach unten fest
gebunden wird , und kann andererseits befördert werden , wenn man den Schwanz
nach oben bindet, so dass in einem Falle die Vagina bedeckt, im anderen Falle ent-
hlösst wird. (Sabbat 54 a). Bei Lewysohn S. 120.
2 ) ^ aus Ez. 32 27 „nackt“ =j worauf sich F ürst beruft, muss wegfallen, da
die Masora als gibt. Und hat auch an anderen Stellen die Bedeutung
„nackt“, so ist sicherlich das syrische nicht durch Einschiebung jenes Buchstaben
aus inp entstanden.
Astarte.
iS
Tun entstanden sein und im arab.J^L. „foetuit“ seine Erklärung finden.
Ebenso ist w nach dem arab.Jcc auf ein älteres fjy zurückzuführen
(das n im arab. ist nicht durch Auflösung des doppelten f entstanden,
wie Fürst lex. II 128 lehrt) und nach dem arabischen als „der
stossende“ zu erklären. Man vgl. jedoch über jene Wörter auch
Meier’s Wurzelw. Nach diesem also erkläre ich unsere Deutero-
nomialstelle mit Rücksicht auf die Wintergeburt und übersetze:
„die starken ») deines Kleinviehes.“ Dieser Ausdruck mochte
wohl wie D'ltyp special zur Bezeichnung der Wintergeburt üblich
gewesen sein. Dass er uns sonst an keiner andern Stelle des Kanons
begegnet, beweist nichts gegen unsereAnnahme. Eben sowenig kann
der Umstand viel in die Wagschale fallen, dass das Wort späteren
Übersetzern der Bibel nicht mehr recht klar gewesen sein sollte.
Nehmen wir an, dass es ein eben vorzüglich nur unter Hirten übli
cher terminus technicus war, so brauchen wir uns über das Nicht
verstehen dieses Ausdruckes von so vielen anderen vielleicht sonst
sprachkundigen Lesern des Kanons, namentlich in späterer Zeit,
durchaus nicht zu wundern. — Diese ist nach meiner Ansicht die
einzig wahrscheinliche Auffassung und Deutung jener Deuteronomial-
stelle, während die andere, welche von dem Begriffe der Astarte als
einer Göttinn der Fruchtbarkeit ausgebt, sie also mit der doch ganz
verschiedenen Aschera confundirt, unbedingt zu verwerfen ist. Das
zwar hat diese mehr als abgeschmackte und unwissenschaftliche Auf
fassung für sich, dass sie auf die Autorität so mancher Autoritäten
gestützt ist, während die meinige isolirt dasteht. Doch in Wörter
büchern der neuen hebräischen Sprachwissenschaft könnte man mit
Recht und Fug eine nüchternere Kritik erwarten als bei Gesenius,
wenn es heisst: jK2i nnrityy q. d. Veneres pecoris. Nicht anders
Fürst in seiner Concordanz unter mnttftt: Translate fructus Astartae
(Veneres), soboles gregis (Anwacbs), propter vim Veneris procrea-
tricem (unde eius nomen tfrn^lö, MöXtvra apud Herodotum,
apud Epiphanium). Und in seinem Schulw. unter eben demselben
Worte: Bildl.: die weiblichen Schafe unter der Heerde, welche
Frucht und Anwacbs der Heerde geben, in sofern der Göttinn Astoret
(Astarte, eine phöniz. Göttinn, die man durch wollüstige Gebräuche
') Diese sah man wohl auch als den eigentlichen Nachwuchs des Kleinviehes an.
16
Alois Mülle r
verehrte!!!) gleich. Nicht besser in seinem Handwörterbuche unter
dem Worte JTtfi!»», wenn gleich hier jene Deuteronoinialstelle eine
andere, jedoch eben so unwissenschaftliche, Erklärung findet. — Aben
Ezra zu dieser Stelle: nBDD HM ttnBül Dm» lan 'nnnt»»l
n\n pi 'nnt£>»i jitttm nt»i ipin 'm»n anp nab d»d testim
TD’t» h n»i n*t»»m noistn f??an bvi nnnt»»i ano»
n»nn n»i -jnan:D pi v^ia in j’Nt» np» -p nm k 1 ? »d "[jdi na
jman pin i>nt» 'na bat obwn anaäa nrr£> »n» ’^in pa bin n>"D
Raschi: im» Q"a n’^nn) 'vatt '»a nrua rinnt»»
m»i oiain Di^pjiKi pnn jit» 1 ? o"* '»mm) amp rinnt»» laa jttitn
p’^»a na nn’t»»ats> mint»» aat» tripa na 1 ? na« irnmi * -p»
(1"B p^in) *). So viel über die Deuteronomialstelle.
Gehen wir nunmehr zur Etymologie des Wortes nmt»», sofern
es die Gottheit selbst bezeichnet, über. Hier wollen wir jedoch
vorerst Movers’ Ansicht einer kritischen Untersuchung unterziehen.
Über den Namen der Astarte äussert sich Movers folgendermassen :
Aus der Bedeutung des Namens selbst lässt sich für den Begriff der
Göttinn mit Gewissheit nichts ermitteln. Nur scheint gewiss, dass er
seiner Herkunft nach nicht zum semitischen Sprachstamme
gehört, denn für mnt»» findet sich im Hebräischen, Syrischen und
Arabischen keine radix; das syrische welches man
vergleicht, ist ohne Zweifel aus dem Persischen, wo Ajllu Stern be
deutet, was wieder mit star, stella, Stern, äoTr,p ursprünglich ein
und dasselbe Wort ist. Da nun die oberasiatische Herkunft
der Astarte kaum zweifelhaft und ihre siderische Be
deutung gewiss ist 2 ), so bleibt man wohl am rathsam-
<) Die betreffende Stelle blutet: upT p1DJ)> IJtm pm> '1 '»K
[i’^yi nt* mniynty ijn» nnnvtjn i»nn »sa Nun n iat<- — t>er Curiositat
wegen führe ich hier auch eine Stelle aus Roth an als ganz ebenbürtig neben solcher
talmudischer Wortspielerei: Eben so war N.etpe, die Khea der Griechen, bei den Phö-
nikern eine hochverehrte Göttinn unter dem Namen der Astarte, Astaroth. Dieser
Name ist, wie schon nachgewiesen wurde, ein ägyptischer (!) Beiname der Netpe, den
sie als Vorsteherin der Erzeugung, des Wachsthumes führt; denn er bedeutet: Meh-
rerinn des Wachsthumes: Asch — theroth. Die Phöniker haben also, wie man sieht,
den ägyptischen Namen der Göttinn beibehalten. Röth, Gesell, unserer abendl.
Philos. 1 262.
2 ) Ebenso Levy in seinen Phon. Stud. 2 36: „Und da nun nicht zu bezweifeln ist, dass
diese Göttinn (Astarte) überhaupt assyrischen Ursprunges ist . . u
Astarte.
17
sten bei dieser Herleitung, wobei dann aber ungewiss ist,
welches Gestirn man darunter verstehen soll. Mov. 1 606. Diese
ganze Mo vers'sche Ansicht fusst auf der von ihm mit einem Aufwande
grosser Gründlichkeit und Gelehrsamkeit durchgeführten Parallele
zwischen Astarte als riJfl und der assyrisch-persischen Tanais. Mov.
1 609 und besonders 616—631. Man vergl. darüber auch Ges. mon.
pag. 115 ss. Aber durch die gediegene Abhandlung Win dis ch-
mann’s „Die persische Anahita oder Ana'itis. Ein Beitrag zur Mythen
geschichte des Orients“ (Abhandlungg. der philos. philolog. Classe
der königl. baier. Akademie der Wissenschaften, VIII. 1868, S. 87 ff.)
ist diese Ansicht gründlich widerlegt. Treffend charakterisirt Win-
dischmann diesen Passus der Movers’schen Untersuchung mit
den Worten: „Die von Norris gebilligte und von Movers weiter
ausgeführte Identification der phönizisehen Thanith, die allerdings
eine Artemis gewesen sein mag, mit Anahita hat gar keinen vorwie
genden Grund, und es ist durch dieselbe und die weitere der Nanäa
mit Ana'itis die ganze Klarheit, in welcher sich uns die Nachrichten
über diese Göttinn entwickelt haben, verdunkelt, eine Vermischung
der verschiedenartigsten mythologischen Gestalten versucht und eine
Willkür-der Etymologie wieder eingeführt, welche nach den neueren
Forschungen nicht mehr herrschen sollte. S. 126. Von besonderem
Gewichte bei dieser von Movers durehgeführten Parallele zwischen
der Astarte und der assyrisch-persischen Tanais ist die von Movers
eben so wie von Gesenius für diese angenommene Form Tavafri?
für ’Averfug. S. die betreffenden Stellen bei Ges. mon. pag. 116 und
Mov. 1 626. Dagegen die betreffende Abhandlung von Windisch-
mann und besonders S. 103: Ana'itis (so lautet der Name
unzweifelhaft) von den Alten vorwiegend Artemis und zwar die
persische Artemis genannt. . . Im zarathustrischen Culte im Zendavesta
kommt sie vor als „ardvi püraAnahita“,was Windischmann S. 112
durch „die aufwallende, starke Reine“ erklärt. Wir wissen nun was
wir von jener von Movers durchgeführten Parallele zu halten ha
ben. Diese beruht aber vorzüglich auf der Zusammenstellung des
Namens rijri mit dem corrumpirten Tavorfug. Dieses verbunden mit
der Schwierigkeit der Erklärung des Namens mntyp aus dem Semi
tischen mochte nun leicht Movers zu der Ansicht verleiten, Astarte
sei zweifelohne oberasiatischer Herkunft und folglich auch ihre side-
rische Bedeutung gewiss. S. 607. Vergl. 381, 382, 403,416. Aber
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. I. Hft. ‘i
18
Alois Müller
aueli nur mit Rücksicht auf den ob e rasiatis eben Ursprung dieser
Gottheit schiebt ihr Movers eine si d er i s ch e Bedeutung unter,
wenn man S. S64 folgendes vergleicht: Man geht hiervon der uner
weislichen und gewiss falschen Ansicht aus, dass das altkanaanitische
und überhaupt vorderasiatische Götter wesen nach seinem
Ursprünge und nach seinem Grundcharakter astro
logischer Art war. Welche Irrthümer liegen in jener Namen
zusammenstellung! Ihretwegen wird bei der Astarte der nicht minder
altkanaanitische (syrische) Ursprung, als er der Aschera zukommt,
hinweggeleugnel! Eine Auffassung, die schon jeder historischen
Basis entbehrt! — Es ist überhaupt ein gänzliches Verkennen des
doch so prägnant ausgesprochenen syrischen Götterwesens und
eine schlechte Auffassung des eben durch solche Extreme typisch-
semitischen Charakters (für dessen Prototyp ich David hinstellen
möchte, falls die Worte wahr sind, die der „fromme“ König am
Todtenbette sprach: D13 irD’t£> riN nimm Reg. 12 9; wie
heilig musste ihm sein Schwur „bei Ihvh“ sein, da er ihn sogar am
Todtenbette nicht vergessen kann — und wie schön passen dieseWorte
zu den guten Lehren, mit denen er die Scheiderede an seinen Sohn
eröffnet!), wenn man die Astarte von der Aschera trennt. Im Gegen-
theile, dem Ursprünge nach kann die eine Gottheit kaum ohne die
andere gedacht werden. — Nach dem so deutlich ausgesprochenen
Typus des Ascheracultes können wir denselben, seiner Urbedeutung
nach, nur als von tellurischen Anschauungen ausgehend erklären.
Die Natur in ihrer Fülle und Pracht, die Vegetation in ihrer Üppig
keit musste ganz natürlich den Blick des so sehr auf sie angewie
senen und mit ihr verkehrenden Syreres, so wie jedes Naturmenschen
überhaupt, zunächst fesseln. Sie erzeugte in ihm die Idee einer Kraft,
einer Gottheit, welche dieses alles entstehen lässt, dieses alles in so
reichlichem Masse hervorbringt. Die Natur, wie sie den naiven Natur
menschen umgab und fesselte, erweckte in ihm den Gedanken einer
tw'ryövo? Ssä, einer (T^irr entstehen lassen). Wie der
Mensch aber bei dieser Anschauung überhaupt in einer gewissen
Einfalt sich befand, konnte er sich kaum auch von der Idee eines
befruchtenden Principes frei erhalten. Fruchtbares Weib ohne
befruchtenden Mann ist nicht leicht denkbar. So also stellte er
die Sonne, in so ferne sie mit ihrer Wärme wohlthätig auf die
Erde einwirkt, als befruchtendes Princip neben die £cünyovog Ssä
Astarte.
19
liin 1 ). Jer. 2 27: fit* pN^I rmN \>vb DnaN 2 )- Also hatte
der Naturmensch Mann und Weib neben einander; von menschlicher
Anschauung des Verhältnisses konnte er sich dabei eben so wenig
trennen als er sich das fruchtbare .weibliche Princip nicht ohne
befruchtendes männliches dachte, daher nach menschlicher Auffas
sung eine mt£>N „die in Liebe Verbundene, die Ehegenossinn, das
Weib“ (Meier 417) und „Eheherr“. Man vergl. für diese Auf
fassung namentlich Num. 25 3 : npa b'J^b last’!- was ich mit
Rücksicht auf Epist. Jer. 42: cd di yuvoüxsg irepcSepsvai Gyaivia iv
rxlg adrig iyxaSriVTxt erkläre. Vorwiegend im Vordergründe aber
war hei der so aufgefassten Combination von Aschera und Baal wohl
die Idee des weiblichen Principes, der tcooyövag Scd — leicht erklär
lich aus der eben auseinandergesetzten Genesis der Verbindung. Aus
dem so gefassten Wesen der Aschera erklärt sich auch' leicht die
Verehrung des Phallus als ihres Symboles, ihr Cu 11u s
unter üppigen grünen Bäumen, ihre besondere Vor
liebe für den Ziegenbock (Gen. 38 17; 38 14 — 21 —22, Jer.
3 2), bekannt wegen seiner sprichwörtlichen Geilheit (Movers 1
680; anders jedoch Boch. Hieroz. P. pr. lib. II. cap. L1L), und beson
ders die Hingabe der Jungfrauschaft oder Keuschheit
überhaupt als eines der Gö11iiin besonders angenehmen
Opfers. Her. 1 199: '0 di dri xhy_iGTOg rcöv vopwv iGzi zolaiBcc-
ß'Aajviotai ode. dri kxgxv ^vvaXxx ^ 1 X w P ! ' r ' v tpöv ’A<ppo-
d’.Tr/g äizx^ iv zri %oy p.i%Srjvcu dvdp't fetvw • noWxi di y.ai oöx d£csO-
psvcu dvap-loysaSa'. ry<n äXXyoi ofa nlriizut dmpypovlavaco., inrt £su-
yiatv iv xxjxdpyGi sKxgxgxi npdg zö ipäv iGzdGi, Ssparcr/in di G<pt
QKiGSi sTtiTau naXkrj. cd di nlsvveg izaisvGi aids. iv zspAve'i ’A'ppa-
1 ) Auf dieser Anschauung beruht wohl das Bild der Ephesischen Diana , welches
kaum etwas anderes war als ein Symbol der jährlich von der Sonne befruchteten
Erde. Diese Diana wäre demnach eine Aschera-Astarte. Vergl. Stickel „De
Ephesiis litteris liuguae Semitarum vindicandis“.
2 ) Die einfachste Form religiöser Anschauung. Doch ist diese Verehrung der Sonne ganz
verschieden von der typisch si de rischen o b e r a s i a ti s c h e n Religionsform
und dieser Cultus kaum als streng siderischer zu betrachten wie jener. In Reg. 2 23
linden wir den oberasiatischen Cultus von dem einheimischen syrische n ge-
schieden, v. 4: a'Bitm saa bsb') missi’i bysb, v. s: byzb D'napan
D>ai£>n NUa bsbl nifnah ni'^1 Vergl'. V. lt und 12, besonders aber
zeph. 1 5: D’aian nujn by Dnnnüan nxi- vergl. Mov. i mo und 184.
Aschera war also die g e b ä re n de, Baal die zeugende Naturkraft; sie waren
die Träger alles physischen Lehens. '
2 *
20
A 1 o i s IVI ii 11 e r
dcxr,g y.ocxsocxoci axicpavov jx-pi xrjat y.scpd.'kr,ai i'/fjuac/.i Bujpcyyog noXkoci
yvvocTxeg • ... . ivSa s7xsdv i£rjrai yvvri, oü jxpöxspov djxccX\daa:sxac
ig xd oUitx, rj zig oi feivwv dpyupcov ip.ßoc\tjJV ig xd yavvocxoc P-'-X^V
slgcij xoü ipov. ip.ßcc'Xövxcc di dsl sinscv zoaivde, „imy.oc\so) xoi rrjv äsöv
Mvlixxa 4 “ MuKizzct di xalsouai xrjv ’Afpodcxriv ’Aaavpcoc
oaccc p.iv vvv sidsög zs ijxocp.tj.svca siai y.cd psydSsog, zayd dxxdXkda-
aovxat, oaca di dpopcpoc ccjxeojv siai, ypävov nollöv 7xpoap.svovac ov
dvvdp.svca röv vöfxov ixjxXrjaac • . . . Epist. Jerem. 42: cd di yuvccTxsg
jxspiSsp.svoci axoivccc iv xa.Xg ödoXg iyxdSr/Vxca, SvpuSiaoci xd nixopor
43: ä'xocv di xtg ocöxcjjv EcpsXxvaSsTaa 6tx6 xcvog xü>v jxocpcc7xopsvopsvu)v
xotp.rj3"fj, xyjv n~kriaiov ovscdc^sc, oxc oöx rifyujzca cdaxxsp xoä ccjzft ovzs
xd ayoiviov cajzfig dcsppdyr). Just. 18 5: Mos erat Cypriis virgines
ante nuptias statutis diebus dotalem pecuniam quaesituras in quae-
stum ad litus maris mittere, pro reliqua pudicitia libamenta Veneri
soluturas. Valer. Max. 2 6 IS: Siccae enim fanum est Veneris, in
quod se matronae conferebant, atque inde procedentes ad quaestum,
dotis corporis iniuria contrahebant, honesta nimirum tarn inhonesto
vinculo coniugia iuncturae. Über die Bedeutung des Namens s. Ges.
mon. pag. 426 und Movers 1 596. Unzweifelhaft auf den Ascheracult
zu beziehen sind folgende Stellen des Kanons: Reg. 2 23 7: "im
mm^> mna nty mntt nnwn, Reg. 1 13 32: moan ’na bs bvi
jnatp nita im, Reg. 2 23 19: jnaty ma im man >na bs m du
Reg 2 1730: nua maD 1 ) an im ^aa ’miu Ez. 16 16: -pttaa >npm
O.T^y »arm nlN^Ö m»a "f? »Wffl Aber nicht blos die üppige Na
tur zog die Aufmerksamkeit des Natursohnes auf sich, sondern auch
die von der Sonnenglutb verbrannten Anger der Trift und die von ihr
versengten Bäume (Joel 1 19), wenn der Himmel wie Erz über dem
Haupte hing (Deut. 28 23). Auch hiefür musste der Mensch in sei
ner Einfalt veranlassende Kräfte, Gottheiten haben, welche sich
ihm so feindlich offenbaren. Je grösser nun der Contrast in der ihn
umgebenden Natur, um so furchtbarer mussten ihm die diesen Zustand
hervorrufenden Kräfte, diese Gottheiten erscheinen. Als ein furchtbares,
gewaltiges, starkes Wesen stellte er sich die weibliche vor, wieder von
tellurischer Anschauung ausgehend, »^na "p/irtn im pttm" Deut.
28 23. Sie war ihm also eine rnnm eine „Starke“, die er nun ganz
consequent wieder einem männlichen Wesen, einem f?ya, zur Seite
1) S. Movers 1 S96.
Astarte.
21
stellte, der seinem Grundtypus nach der Astarte entsprechend gefasst
werden muss. Jetzt tritt freilich Baal — die fressende Sonnengluth
— in den Vordergrund 4 ). — So also standen nun Aschera-Baal
und Astarte-Baal einander gegenüber. In letzterer Auffassung
hiess Baal vorzüglich j»n ^i>3. Mellt. 3 (Ges. mon. pag. 108, tab. 8)
jön bvzb — Carth. 1 (Ges. mon. pag. 175, tah. 14) njn^>
]»n byzb J7N 1 ? — Carth. 2 (Ges. mon. pag. 174, tab. 15)
jan (J) bysb^ run^ nan (^) — Carth. 3 (Ges. mon.
pag. 168, tab. 16) jan bvib )1N^ — Carth. 4
(Ges. mon. pag. 175, tab. 17) Jan I3y] — Carth. 5 (Ges. mon.
pag. 177, tab. 17) jan J7N 1 ? — Numid. 1
(pag. 197, tab. 21) jan [7^ — Numid. 2 (pag. 202, tab. 22)
jaa jnx^ — Numid. 3 (pag. 205, tab. 23) jan byi )7N'^ —
Numid. 4 (pag. 207, tab. 23) jiK jaa byib- Als solcher war er
Sonnengott ■/.uz' efo^rjv, was besonders klar wird durch die in-
scriptio Numidica prima bei Ges. mon. pag. 197, tab. 21. Also nicht
die Sonne mit" ihrem wohlthätigen Einflüsse, mit ihrer lieblich
erwärmenden, die Natur in's Leben rufenden Kraft, nicht diese
imponirte dem Naturmenschen, sondern die Sonne mit ihrer ver
derblichen Einwirkung, mit ihrer alle Vegetation vernichtenden
Gluth, wenn ihr Feuer die Anger der Trift frass, ihre Flamme die
Bäume des Feldes versengte, ihre Gluth die Luft in ein Feuermeer
verwandelte. In dieser Eigenschaft erfasste sie ganz besonders das
Gemüth des Naturmenschen, jetzt in ihrer Furchtbarkeit stand sie ihm
besonders imponirend gegenüber. Nach diesen Wirkungen lernte er
die Sonne vorzüglich kennen, diese Eindrücke bemächtigten sich
seiner ganz besonders, ohne jene furchtbaren Äusserungen
J ) In der ursprünglichen Auffassung konnten diese beiden Seiten der beiden Natur
kräfte auch wohl in je einer göttlichen Person gedacht werden. Wir sehen eine
solche Anschauung noch erhalten in den typisch-hebräischen Mythengestalten
S i m s o n und Delila — Sonnengott und Mondgöttinn (Erde). Ersterer ist Aschera
ßaal (er ist in hohem Grade der Geschlechtslust ergeben, er der Jhvh geweihte
Nasir sucht sich Frauen und Dirnen unter seinen und seines Volkes Feinden) und
Moloch zugleich (darauf beruht die Sage von den Füchsen, welche Simson fängt
und mit Fackeln , die er an ihre Schwänze bindet, in die Felder der Philister
schickt, wo sie alles verbrennen). Dem entsprechend ist auch Delila zu fassen.
Wann die Personification jeder der beiden Seiten der Naturkräfte in einem be
sonderen Gotte erfolgte lässt sich nicht bestimmen. VeVgl. die treffliche Abhand
lung Steinthars: „Die Sage von Simson“ in der Zeitschrift für Völkerpsychologie.
2, ßd, 2. lieft, 1801.
22
Alois Müller
konnte ei' sich die Sonne kaum denken. So also erschien ihm der Son
nengott y.ar i^oyrjv gerade so wie die mntJW eis ein furchtbares,
gewaltiges, starkes Wesen. Nicht anders konnte er sich diesen Gott
denken, der ihm war ein „fressend Feuer.“ „Nid
Mos. 5 4 24 („xat ydp 6 Sidg ri[xüv nüp y.uravaliaw'j“ im Hebräer
briefe 12 29). Hieraus erklärt es sich auch, dass Baal in dieser Auf
fassung ganz besonders das auszeichnende Epithet „Chamman“
führte.- In soferne kamen ihm auch die „Chammanim“ — „Sonnen
säulen“, in Gestalt einer aufsteigenden Flamme , die Wärme der
Sonne symholisirend — y.ar' i^oyrjv zu, obwohl auch Baal als
ndpsöpog der As eher a Chammanim als Symbole halte.
Unrichtig ist wohl Movers' Auffassung (1 412), wenn er meint dass
durch die Chammanim nicht die Sonne überhaupt, sondern nur das
Sonnenfeuer in seiner stärksten Kraft symbolisirt wurde. Ich meiner
seits glaube dass diese Symbole, konische Figuren, eine aufstei
gende Flamme — die Sonnenwärme überhaupt — im Allgemeinen
nicht aber eine prasselnde Feuerflamme darstellten und eben so
gut dem Baal als ndpeopos der Aschera wie dem Baal
als napuftpog der Ast arte 2 ) zu kamen. In beiden erkannte
4 ) Nur eine philologische Grille ist was Paul Bötticher in seinen „Rudimenta mytholo-
giae semitieae“ pag. 8 gegen diese Bezeichnung des Baal vorbringt. „ Jöh fervidus,
si solarem voluissent ffiQn audire debebat, ut taceam rTQPI solein non designare
nisi apud poetas.“ Wer mit sterilem Geiste an die Erklärung der mythologischen
Anschauungen orientalischen Alterthums sich macht, haar aller Phantasie, die mir
doch zur Erfassung dieses Gegenstandes mehr als nothwendig scheint, dafür aber nur
das scharfe linguistische Richtscheit in die Hand nimmt, der bleibe lieber ferne. Nur
so konnte aber auch diese aus allen möglichen Brocken zusammengenwiirfelte uner
quickliche Mosaikarbeit wie die Bötticher’sche zu Staude kommen. Das sollen dann
rudimenta sein! Vergl. Movers 1 346. Bezüglich der Bedeutung der Chamma
nim als Sonnensäuleii, dem Baal Chamman als Sonnengott geweiht, ist
besonders wichtig die inscript. Palm. Oxon. bei Ges. thes. 491: ... . n*V
na 13 i3^>ö >33 i*3fi vavb mpi nsCjO K3i N3i tuon tj>
2 ) Bei den Hebräern wurde der letztere — als Nationalhauptgott bis zur Erhebung des
Ihvhthumes zur Staatsreligion unter Josias als *7^0 (Baal) verehrt — wohl nur unter
dem Bilde eines Stieres dargestellt. Reg. 1 12 27—28—29. Man sieht augenfällig
die jahvistische Färbung des Factums, welches nun an der grössten UnWahrschein
lichkeit leidet. Jedenfalls musste in Jerusalem derselbe Gott sein, der dem Volke
nunmehr in Dan und Bethel geboten wurde. Unmöglich hätte es sich sonst so ruhig
mit demselben begnügt.‘Oder wer ist zufrieden wenn man ihm einen Stein für Brod
bietet? Vgl. Exod. 32 4. Seit der Erbauung des Nationaltempels in Jerusalem hatte
h|er die Nationalhauplgollheit ihren fast ausschliesslichen Sitz. Hier im National-
Astarle.
23
man ja die Einwirkung der Sonne auf die Erde, wenngleich in
dem einen die wohlthätige Wärme, in dem anderen die ver
derbliche Gluth. Beide konnte man also gleichwohl durch das
selbe Symbol — einen conus als Bild einer aufsteigenden Flamme
Ges. thes. pag. 491 — darslellen. Nur in soferne aber dem Baal
als Kapeopog der Astarte wegen seiner Personilication des Sonnen
feuers in der stärksten Kraft das Symbol der aufsteigenden
Flamme xar’ gebührt, heisst er auch ganz vorzüglich
jarr. Dies meine Ansicht. Auch hin ich durchaus nicht der Mei
nung dass der im Kanon entweder neben der Aschera oder allein,
namentlich seit Aliab, genannte Baal stets der tyrische gewesen sei
wie Movers 1 180 meint. Movers pag. 178 irrt gewaltig, wenn er
glaubt durch Samuel sei der altkanaanitische (syrische) Baalsdienst
— der des Aschera-Baal und des Astarte-Baal (Moloch), was strenge
festzuhalten ist — (Sam. 1 7 4) so ausgerottet worden, dass er aus
Israel dem grösseren wie dem kleineren Reiche ganz verdrängt war.
Lesen wir doch in Reg. 1 14 23 unter der Regierung desRehabeam in
Juda: nrmi nron hmj b: bv anttwi nrnai maa an 1 ? nan aj m'i
pVI by . Wann aber kam Aliab zur Regierung? (!) Es ist also eine
mehr als gewagte Behauptung „es lasse sich mit Gewissheit
schliessen, dass der sarnaritische und judäische Baal mit dem gan
zen Gülte, wie er seit Aliab im A. T. beschrieben wird, nur eine
Copie des lyrischen war.“ Mov. 1 179. Betrachten wir nur die min
dere Seite jenes Baalsdienstes. Es lässt sich überhaupt kaum denken
dass der den syrischen Stämmen so specißsch eigene Cult des Baal
als Kckpsdpog der Aschera *) durch Samuel so recht mit Stumpf und
Stiel ausgerottet worden sei. Dagegen spricht, wenn nichts anderes,
schon der Paragraph des Gesetzes (Deut. 16 22): if? cnpn
rma . Welche Modification des Baal zu verstehen sei, ist klar aus
dem vorhergehenden: by ~jb ftjfn 3 ). Man könnte mir
heiligthum stand ihr Bild. Ez. 8 3. Im Thale Hinnom war ihre Opferstätte, wo fast
ausschliesslich die ihr gebührenden Opfer dargebracht wurden. — De'r früheren Auf
fassung des Nationalgottes arbeitet später entgegen Lev. 19 4. Saalsch. 374 ff.
l) (D'-ntfKrO ist für das durch die Ignoranz des Compilators in den Text
gekommene nilTOyn unzweifelhaft zu lesen.
9 ) bl mttM ^b ytDD „Nicht sollst du aufpflanzen dir als Aschera jegliches Holz.“
ytOJ in derselben Bedeutung wie Eccl. 12 11, Dan. 11 43, Gen. 12 8 (wohl mit
Rücksicht auf das Einsenken der Zeltpflöcke in die Erde). Daraus geht zunächst her
vor, dass die Ascherasymbole aus Holz jeglicher Art waren, so wie die Baalssymbole
24
Alois Müller
freilich einwenden, unter der erwähnten rma sei eben die des
typischen Baal zu verstehen. Doch welche Voraussetzung der Cult
gewöhnlich aus Stein. Daher Jer. 2 27: ijmi” 3R (3R^1 33R ’3R f>yb D’70R-
Der Sprachgebrauch wie Reg. 2 17 16: HVUW Reg. 2 21 3: ,
Reg. 1 16 33: nK zeigt, (lass das Ascherasymbol kein Natur
sondern ein Kunstproduct gewesen sein muss. Es war also aus Holz durch Menschen
hand gemacht. Vergl. Jes 17 8. Daher Reg. 2 21 7: rntytfn Dass dieses
Symbol der Aschera ein Baum in natura gewesen, davon finde ich im ganzen Kanon
gar keine Spur. Die eben angezogene Deuteronomialstelle, die für diese Ansicht zu
sprechen scheint und die wohl hauptsächlich Veranlassung bot zu
der geläufigen Übersetzung durch a.\ (7 0 g (von denLXX)und lucus
(in der Vulg.) — Vulg. Reg. 2 23 6: Et efferri fecit lucum de domo
domini!!! — welcher Schlendrian leider noch bis auf unsere Zeit fortwuchert
(Mov. Phon. 1. Bd., S. 374), ist ganz anders zu erklären. In ihr ist das Ver
bum ptDJ durchaus nicht in der Bedeutung „pflanzen“ sondern „einsenken, ein
rammen“ gebraucht. Da die Ascherasymbole mitunter von ziemlich bedeutender
Grösse sein mochten (Jud. 6 26), so mussten sie wohl, um fest zu stehen, falls sie
nicht blos aufgestellt wurden, ziemlich tief eingerammt werden. Daher auch der
Ausdruck Micha 3 13: “J’VVW Dass man sich unter dem Ascherasymbole
kaum je einen Baum in natura zu denken habe geht schon daraus hervor, dass diese
Symbole vorzüglich gerne aufgepflanzt wurden [jjn yy bs nnn Reg. 2 17 10.
Wozu dann noch das Ascherasymbol als Baum neben diesem yy? Jes. 37 3:
[JJH yy bj nnn D'önjn „die da entbrannt sind (vor Brunst) in den Tere-
binthen unter jedem grünem Baume“. (Unrichtig Mov. Bd. 1, S. 379: Die entbrannt
sind in die Terebinthen unter jedem grünen Baum.) Nach Knobel Jes. S. 413 gemäss
der bekannten Gepflogenheit des Alterthums die Altäre und Götzenbilder unter Bäu
men, in Hainen oder Baumgärten zu errichten.. Insbesondere aber zeichnet sich da
durch der Aschera-Baal-Cultus aus. Dieses charakterisirt ihn ganz vorzüglich. Gen.
13 18, Gen. 2133, Jos. 24 26, Jes. 129, Jes. 63 3, Jes. 66 17. Vergl. über
haupt Knobel Jes. 1 29. Ferner: Jer. 2 20: yy b$ nnm iirDJ njDJ bs by O
rut 3pa dr pjn, Jer. 3 0: pjn pp by nnn $>ri ,737 7,7 by by r*3 33^3
DP? ’Jt31> Jer. 17 2: 313313 31p21 by [ip7 pp by D3’7\PR1 D313310 D3>J3 7313 i
Ei. 6 i;i: 3^k by nnm [ip7 pp by 3331 0*733 *7M7 byy 307 3p3i by Pr
333p. Mos. 4 13: 333^7 |1^>R 333 17Bp’ 31P313 ^P1 1331’ D'733 ’1PR7 by
3^11 310 *3 3^R7, Deut. 12 2: pp by 3337 31P213 by1 D*n73 D'733 by
(JP7, Reg. 2 16 4: pp7 pp ^>3 3331 37P3J3 ^P1 31033 7t3p’l 33l'l . Diese
Stellen widerlegen unzweifelhaft die Annahme, dass das Symbol der Aschera je
ein Baum gewesen sei. — Man merke auch die gebräuchliche Ausdrucksweise: Deut.
12 3: 1DK3 (107133 D3’70>R1 D331t0 DR D3731P1. Jud. 6 26: 3$>1P 3’^P31
3733 71PR 371PR3 ’ÜP3> Reg. 1 13 13: 3311^00 3R RDM 373’1 371PR^ 31ti>DÖ
1173p ^313 F|71P»1- Ebenso in der Pnrallelslelle Ohr. 2 13 16. Reg. 2 23 6:
^312 33R rpttt’l |173p ^32 ^R D^1P17’^ pi30 313’ 3’30 37®R3 3R NS’1
7DP^ p3’1 (177p . Reg. 2 23 13: 371PR P|7!P1, Reg. 2 18 4 : 3R 7’D3 R13
371PR3 3R 3731 33Ü0 3R 731P7 31033. Exod. 34 13: [1731P3 D33Ü0 3R1
(13733 V71PR 3R1 , Deut. 7 5: [ip310 D3*7»R1 1731P3 0331101 , Chr. 2 14 2:
0’71PR3 3R P72’l 073S03 3R 72031. Chr. 2 31 1: 7P33’1 3131103 173127»!
DnWNiT Bezüglich des Verbums jnj) vergl. Jes. 9 9 : *)}nj D'Dptf? • Chr. 2 34
4: D»7®R31 P32 D3’^P0 3^P0^ 71PR D’20331 0’^p33 313210 3R l’JD^ lüDJ’l
Astarte.
25
des mit dem hebräischen Lehen seit jeher so eng verknüpften Asohera-
Baal sei durch Samuel so gänzlich ausgerottet worden, dass er seit
p-rm "cct maDom a^-Dam, dir. 2 347: onstttn nsi mnatan ns pmn
p» ^aa yta a>jann ^ai pint> rna D’^'Dcm. Ezech. o 4: i-ntyji
nauan- Die O'jan stehen hier offenbar für das sonst übliche majtB- ,,es - 17 8:
D'aanm nnetttni, Jes. 27 9: nnam d>7e>k iaip’ 0 iese Chammanim sind Sym
bole des Aschera-Baal, so wie die Ascherim der Aschera. — Die andere von M overs
Bd. I, S. 574 hieher bezogene Stelle aus Jud. beruht ebenfalls auf falscher Auffassung
und fällt somit bei richtiger Erklärung in nichts zusammen. Es ist eine ganz irrige An
nahme M 0 v er s’ dass in V. 25: niDD "HP# mttMn nK*) die in Vers 11 und 19
vorkommende n{># gemeint sein müsse. Ich versiehe unter der V. 25 vorkommen
den rnttW wie sonst ein Ascherasymbol, welches sich wie gewöhnlich in Verbin
dung mit Baal, ihrem Kctpedpog, hier eingerammt befand. In der unmittelbarsten
Nähe die oben angeführte Aus dem Materiale des zerstörten Altares erbaut
nun Gedeon einen Altar dem Ihvh; das Holz der gefällten Aschera benützt er zur
Darbringung des Brandopfers. Was das Wort (schlecht dieVulg.: in sum-
mitate petrae huius, super quam ante sacrificium posuisti) betrifft, verstehe ich
darunter das ganze Material des Altares überhaupt. Vergl. Ges. thes. pag. 1070,
Fürst Handw., Bertheau Buch der Richter und Rut S. 115. Dieser war wohl
eine eine vielleicht zwischen Pflöcken aulgehäufte Erdmasse von grösserem
Umfange, zwischen welcher namentlich an den Wänden zum Zusammenhalten der
Masse Holz eingeschichtet wurde. Oben befanden sich wahrscheinlich entweder
Steine oder Ziegel als Altarplatte. Jes. 65 3 : by DHtOpöV Diese hamoth
konnten auch recht wohl zum Einrammen der Ascherasymbole dienen. Auf das
nach meiner Ansicht zur hamah gehörige Holz weist unzweifelhaft Reg. 2 ‘43 15:
naan Dtt Dies gegen Movers betreff der beiden angezogenen Stellen für
die Vindicirung der Bedeutung „Baum“ für Bei dieser Gelegenheit thue ich
auch Saalschutz ab, der derselben Ansicht ist, wenn er sagt: Aber dass dies
Wort einen Hain, überhaupt Bäume, bedeuten müsse, geht wohl ziemlich deutlich
hervor aus 5 Mos. 16 21: „Du sollst dir nicht pflanzen eine Aschera, irgend einen
Baum neben dem Altäre des Ewigen, deines Gottes“. M. R. S. 300, Not. 379. Zu
bemerken bleibt noch eine Schwierigkeit der Movers’schen Annahme dass an
jenen zwei Stellen für rntPtf die Bedeutung „Baum“ zu vindiciren sei. Dies ist die
UnWahrscheinlichkeit, dass der Paragraph des Gesetzbuches, der dem Aschera-
culte gewidmet ist, seinem Wortlaute nach dem selteneren Usus der Aufstellung
der Äscheren angepasst wäre. So handelt kaum ein vernünftiger Gesetzgeber. —
Die Bedeutung der Ascherim betreffend zweifle ich nicht, dass sie eine phallische
war. Vergl. Mov. 1. Bd., S. 571. Unrichtig ist was U n r u h in seiner vor kurzem
erschienenen Schrift: „Der Zug der Israeliten aus Ägypten nach Chanaan“ S. 93
darüber sagt. Es waren dies also Phallusgestalten als Symbole der Göttinn. Eine
Anspielung darauf liegt in Hieronymus’ Übersetzung des schwierigen Wortes
(Boch. Chan. lib. I. cap. XVIII. leitet davon phallus her!!! Über Phallus
vergl. Pott Etym. Forsch. 2 ‘439 , der es von der Sanskritwurzel phull „auf
brechen von Knospen, schwellen“ ableitet und mit (peWog „der schwellende Kork“,
cpr^Xr,^ „schwellende aber unreife Feige“, 6(pdWeiv „anschwellen, strotzen machen“
zusammenstellt. Daher wäre cpaWog „der Schwellende“) Reg. 1 15 13 durch
„simulacrum turpissimum“, während eben dort auch von sucris Priapi die Rede ist-
26
Alois Müller
dieser Zeit zu existiren aufhörte (Mov. 1 178), an dessen Stelle
aber sei der wohl kaum ohne Opposition erst spät eingeführte aus-
In der Parallelstelle Chr. 2 13 16: simulacrum Priapi. Unzweifelhaft bezieht sich
auf diesen Phalluscult der Asehera Ez. 16 17—18. Einen Phallus gaben die der
Aschera zu Ehren sich preisgebenden weiblichen Individuen dem Schiinder. Arnob.
adv. nat. 5 19: Nec non et Cypriae Veneris abstrusa illa initia praeterimus, quorum
conditor indicatur Cinyras rex fuisse, in quibus sumentes ea certas stipes inferunt ut
meretrici et referun t p h a I 1 o s propitii numinis signa donatos. Vgl. Mov. 1. Bd.,
S. 680. Dieses Symbol war übrigens dem Charakter der Göttinn als einer ^(po^ovog
Sea (Julian, orat. V. pag. 337 der Pariser Ausg. von 1630 — Photius Damasc. vit.
Isid. 332 b, 23; vergl. Mov. I. Bd., S. 383) ganz entsprechend. — So betrachtet
mag dem Unbefangenen dieser Cult in seiner ursprünglichen Bedeutung bei wei
tem anders erscheinen als er gewöhnlich beurtheilt wird. Er ist in der naivsten
Anschauung der Natur begründet; mit Naivetät will er auch jetzt aufgefasst
werden, wenn wir nicht das heidnische Alterthum wegen der grössten mora
lischen Verkommenheit verdammen wollen. S. S te i n th a 1 „die Sage von Simson“.
S. 130. Mit der Phantasie unseres über- und verbildeten Zeitalters müssen wir
jedenfalls ferne bleiben, um nicht von diesem Alterthum ausrufen zu müssen „ovcd de
oi’ ov spX STat ?a ffxavöaXa.“ — Wie wenig übrigens das Heidenthum bei diesem
für uns freilich sehr obscönen Culte der moralischen Verkommenheit zu zeihen ist,
mögen folgende Stellen zeigen. Suidas: ’Appycpopia. ävaia. ei p.h dta. zov
a'Xya, ’Appvj^opta* inetdyj ra appvjra sv xiazcug ecpepov r?j Oc& cd 7rap3e'vot*
et de dtot zov e, e EpGc r popi<x. * ryj *yap "Epay inotinevov z-?j Kexponog Srvyazpi.
Kai ’Appvj^opots, xal ’Appytpopoi, ai ra appvjra <pipovaca p.vazyjpLa. ’Appvj-
cpopot xod notv ccyet g pvausc;. Vgl. Mov. 1. Bd., S. 396. Tert. adv. Val. cap. I.,
wo von den Eleusinien die Rede ist: Ceterum tota in adytis divinitas, tota suspiria
epoptarum, totum signaculum linguae, simulacrum membrivirilis re v e 1 a t ur.
Doch vgl. dazu Oehler. Clem. Alex, cohort. ad gent. pag. 16 (der Oxf. A. v. 1713J :
aXwp.c'vvj *yap v§ Avjw xara £/)ZY)glv zijg tfvycczpog zijg Köpyg, nepi zyjv ’EXsu-
(7fva . . . a7roxap.vsi , xal wpiotzt inr/.a3i^ei Xvnovp.evyj . . . xal di) . . .
£svi'<ra<7a vj Bavßo) r^v Av?w, ope^et xuxe&va oiözijj • zijg de avatvop.svvjf Xaßetv,
xal ntstv ovx iSeXovatj?* itevSvjpYjg *)dtp v?v * neptotX^ijg v? Botvßd) <yevop.svvj, oig
vnepopotSetcrot drjSev, atv oto z iXXez ott zotcttdotot, xal intdetxvv et zvj
3 edp. vj d i zep nezcu zvj dtp et vj Avjw* xal p.6Xtg nozi de^ezat zd nozov,
v)gSeiga rw 3eap.art. Dies von der sonst so matronenhaften Demeter. Plin.
H. N. 28 39: . . . quamquam illos religione muta tutatur et fascinus, imperatorum
quoque , non solum infantium custos, qui deus int er sacra Rom an a a Ve
sta I i b u s colitur et currus triumphantium sub his pendens defendit medicus
invidiae. . . Aug. de civ. dei 7 21: Cui membro inhonesto (pudend. viril.)
matremfamilias honestissimam palam coronam necesse erat im-
ponere. Ist es ja sogar bei den Römern üblich gewesen, um symbolisch am Hoch
zeitstage der Ehe Glück und Segen zu verbürgen^ dass sich die Braut auf den
kolossalen Phallus des Heerdes setzen musste. Hart. Rel. d. Röm. 2 Bd.,
S. 239. Dazu gehörte wol eine nüchternere Phantasie als die krankhaft aufgeregte
unseres überbildeten Zeitalters, das hinter mädchenhafter Prüderie leider die grösste
Lascivilät birgt. — Zum Schlüsse noch die meiner Meinung nach nicht überflüssig
Astarte.
27
ländische Cult des tyrischen Baal i) — eine Combination des Aschera-
Baal und Astarte-Baal — stereotyp geworden, obgleich Jehu dem
selben kaum eine minder blutige Verfolgung bereitete») als Samuel
jenem Baal (?)! Die Ascheraaber Hess Jehu trotzdem bestehen. Reg. 2
10 26 und 27. Reg. 2 13 6 heisst es ausdrücklich: map mttwn DJ1
)Viatt>3, ein Beweis von der grossen Popularität des Aschera-Baal-
Cultes 3 ). Vielmehr bestanden der Cult des Baal als ndpsSpoe der
Aschera und der des tyrischen Baal neben einander. Deut. 22 5 : üb
“pn^N mrr rainn \3 nm nbav ts>^» hon bv ua 'bi mv
fitMt bs. (Vgl. Movers 1 453 ff. und Spencerus de legg. Hebr.
pag. 598 der ed. 3. Nicht richtig erfasst hei Saalsehuetz M. R. S. 276.)
Dies mochte namentlich seit dem sauberen Götzendiener Aha!) trotz
der blutigen Reaction unter Jehu der Fall sein. Hatten ja doch die
D’ttnp des tyrischen Baal zu Josias’ Zeiten eigene nTia im Gotteshause,
wo sie sich gleich den dem Aschera-Baal-Cult geweihten rnttrjD
' hingeworfene Frage: Aus welcher Zeit mag wohl das Gesetz in Deut. 16 21 datiren?
Welchen Flor des Aschera Cultes mochte es wohl hinter sich haben, wenn man ihm
überhaupt einen eigenen Paragraph des Gesetzes widmet? In keinem der Prophe
ten, wo gegen diesen-Cult geeifert wird, nur die leiseste Hinweisung auf diesen
Paragraphen des Gesetzbuches . D1T TlD
t) Auf den späteren phönizischen Münzen ist, er bereits in moderner (griechischer)
Weise aufgefasst— als Heracles— zu finden. Die „clava Herculis“ ein nothwendiges
Attribut. Man vgl. die Münztypen a 6 (M), b G 1 /^ Ol) ? c 7 (M). Sämmtliehe Münz
typen sind nach den im hiesigen k.k. Münz- und Antiken-Cahinete befindlichen Origi
nalen vom Herrn Schindler, k. k. Münz- und Antiken-Cabinets-Zeichner und
Kupferstecher, mit der ihm eigen gewesenen-künstlerischen Tüchtigkeit gezeichnet.
Wesentliche Hilfe hei dem Studium der oft kaum mit der Loupe wahrzunehmenden
Miinztypen leistete mir der vom Herrn Regierungsrathc Director Dr. Arneth ver
fasste handschriftliche Katalog (s. meine Abhandlung: Vier sidonische Münzen S. 4),
für dessen Benützung ich dem Herrn Regierungsrathe nicht genug danken kann. Bei
dieser Gelegenheit kann ich nicht umhin, auch dem Herrn Dr. Friedrich Kenner,
Amanuensis des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets, welches Institutes Benützung mir
vom Herrn Regierungsrathc Arneth mit der grössten Liberalität gestattet wurde,
für seine freundliche Unterstützung in meinen Arbeiten den wärmsten Dank auszu
sprechen. Auf Münztype a ist die „clava“ mit dem eigenthiimlichen Zusatze gewiss
ein Compendium für TYP, wie es sich sonst noch öfter findet und kaum anders
zu erklären ist. Ein ähnliches Compendium findet sich auf einigen Münzen für
MHTPOIIOA. Münztyp. b. „Hercules nudus stans dextra supra aram sacrificat, s.
clavam et exuvias leonis, in area duo lapides (ambrosiae petrae).“ Nach dem
handschriftlichen Kataloge.
*) Heg-. 2 10 28: $>jnn fl« NVT iai»n.
3 ) Die ganze Symbolik des DIDDil lässt trotz seiner jahvistischen Färbung den
ursprünglichen Charakter desselben als eines ßaal-Aschera-Festes nicht verkennen.
28
Alois Müller
prostituirten. Dem Wesen des Gottes entsprechend, dem der a>ip
diente, vereinigteer den doppelten Charakter desselben in sich — ver
schnitten und dabei eine männliche Hure. Vgl. Mov. 1 672 ff.
Das waren Gesellen, von denen man so recht sagen konnte „viri mulie-
bria pati“. Auf das Schandgewerbe dieser Manneshuren *) bezieht sich
der Paragraph des Gesetzes in Deut. 23 19: JV3 3^3 1’na N'3n N 1 ?
11J b^b 111’ a ). Vgl. ferner Mos. 3 18 22: 33131 13t INI
1tJ>N '33t3a, Mos. 3 20 13: nt£>N >33t3a 13t IN 3313’ -113N I3’N1
n.TJty im> i3ini, Mos. 6 23 18: baw ’J3a a>ip nn* n^i,
(Saalschutz S8S), Mos. 5 23 2: 13013 ni13t ,131 mto N3’ N 1 ?
111’ f?1p3 (Saalsch. 381). — So haben wir durchaus keinen Grund
unter den bei Jesaias neben den D’113N vorkommenden cpjart andere
Standsäulen als des Baal als ndp^pog der Aschera zu verstehen.
Dass meine Annahme richtig ist, wird besonders klar aus Reg. 2
23 4, wo es heisst: büzb D’lt3iM D’f?31, während von den
ausländischen Götzen mit dem entgegengesetzten Charakter erst
später die Rede ist 3 ). Unter diesen ist der tyrische Baal wohl nicht
genannt; er scheint also hier ohne eigene Cultusstätte nur durch den
ihm gebührenden Ritus verehrt worden zu sein. Iin Tempel aber
stand er eben so wenig als die anderen v. 13 erwähnten Götzen.
Was den Cult des tvrischen Baal betrifft, so mochte er wohl schon
vor Ahab’s Zeiten, der ihn so zu sagen zur Staatsreligion
erheben wollte, irn Lande Vorkommen, freilich aber nicht in dem
Flore wie in späterer Zeit. Reg. 1 14 24: pN3 i’l unp DUl. Auf
den Cult jenes dem Aschera-Baal entgegengesetzten Baal bezieht
sich Lev. 18 21, 20 2*).
jan bpi, „Sonnengott“ xar' l^oypnv, hiess auch so wie die
Astarte als seine näpsdpog D’at31 13^>a 5 ). Jer. 7 18: D’Op^a D’J31
*) Sie waren ihrem schändlichen Geweihe, zu Ehren der Gottheit, der sie dienten,
gerade so geweiht wie die JVULHp , sind also von gewöhnlichen Schandbnben gerade
so zu unterscheiden wie die von gewöhnlichen Huren. Vgl. Hos. 4 14.
2 ) S. Saalschutz M. R. S. 332.
s ) So wenigstens scheint der Compilator die Darstellung gehen zu wollen. Doch unzwei
felhaft stand im Tempel auch ein Symbol desjenigen Gottes, dem jene Stätte irn Thale
llinnom gewidmet war. Davon schweigt unser Berichterstatter gänzlich — aus einem,
wie sich aus dem Verlaufe meiner Untersuchung ergeben wird, sehr gewichtigen
Grunde.
4 ) Vgl. Saalsch. M. R. S. 306.
5 ) Tertull. apolog. c. 24: Unicuique etiam provinciae et civitati suus deus est, ut Sy-
riae Astartes . . . utAfricae Coelestis, ut Maurilaniae reguli sui. Dazu siehe
Astarte.
29
robnb nuu nwvb pm D’twm &an na D’iraa nnam d'üp
D’ütyn. Vgl. Jer. 44 17—18—19—25. Als “j^a hiess jener ferner
E>ÖI2> (Mov. 1 174), D’aa> bi>2 (Mov. I. e., Zeile 18 der grossen
sidonischen Inschrift: bvS'awn'inwyb „der Astarte des himmlischen
Baal“ — vgl. Levy Phöniz. Stud. 1 33), pyo (Mov. 1. c.). Dem
Wesen der Astarte, als napsdpog des Moloch, entsprechend deute ich
auch ihren auf phönizischen Inschriften verkommenden anderen
Namen ron 1 ) als „die Strahlende, Glänzende“, in soferne man als
ihr Symbol den Mond 3 ) ansah, von der Wurzel nJn = nJ2>. Vgl.
die Note in der Ausg. v. Oeliler 1 213. c. 23: Ista ipsa Virgo Caelestis pluvia-
rum pollicitatrix. Vergl. Ges. mon. tah. 22 23 23 und Mov. 1 448—449. Herodian.
3 6 4: (pYjGc&g di, <xnapiaxe<j$ca aurdv 6)g 7rävra iv dnXoig xal no\ep.i7i9j 3e£>,
TYjg Oupavca? rd a*yaXp.a p.sr£7rfy.tparo, aeßoww auro vKeprpv&g Kapx*J _
doviow re xal rwv xara vy)v AißuYjv a.väpdmow . . . Aißveg piv ouv aürYjv
Oupavtav xaXoOffi. $omxes de ’AarpoäpyYjv <$vop.a£ou<Ji, <7£Xyjvvjv £tvat
Sekovreg. Zeile 16 der grossen sidonischen Inschrift: D‘nKJÖ8tPfnfltt?p „die
mächtige himmlische Astarte“. Levy 1 26.
*) Als solche ist sie wohl der dai'jxedv Kapyrydoyion. Polyb. 7 9 2: svavrtov da[-
pLovogKap^vjöovtwv xal e HpaxXe'ou* xal ’loXaou. Serv. in Virg. georg. 1498:
. . . patrii dii sunt, qui praesunt singulis civitatibus: ut Minerva Athenis, Juno
Carthagini. Tert. apolog. c. 25: Vellet Juno Punicam urbem posthabita Samo
dilectam ab Aeneadarum gente deleri? Virg. Aen. 1 12 IT.: Urbs antiqua fuit . . .
Carthago . . Quam Juno fertur terris magis omnibus unam Posthabita
coluisse Samo. Hör. carm. 2 l 25: Juno et deorum quisquis amicior Afris.
Aug. quaest. super Jud. lib. VII. (col. 303 des 4. Bandes der Basl. Ausg.): Et
servierunt Baal et Astartibus. Solet dici Baal nomen esse apud gentes illaruin
partium Jovis, Ast arte autem Junonis, quod lingua Punica putatur osten-
dere . . . . Juno autem sine dubitatione ab illis Astarte vocatur.
' 3 ) Movers im Artikel Phönizien (Ersch und Grober III. Sect., 24. Th., S. 398):
Ferner wurde Astarte als Mondgöttinn verehrt, womit die doppelte Seite ihres Cha
rakters als gute und böse Göttinn wieder im Zusammenhänge steht. Als Mondgöttinn
hatte sie ganz so wie der Sonnengott in der Mythe und auch im Culte ihren
Wagen. Während er auf Rossen fuhr, leitete sie eiii Gespann von Rindern. In
Carthago gedenkt Virgil ihres Wagens und auf Münzen von Sidon ist derselbe
häufig abgebildet. S. Münztype d 6 (M). Virg Aen. 1 16 und 17: .... . Hic illius
arma, Hic currus fuit; . . . Unrichtig Forbiger zu der Stelle: Poetica tarnen
potius quam vera descriptione usus esse videtur poela. Nam Carthaginienses non
currui sed leoni insidentem expressisse memorantur -coelestem suam deam. Vergl.
auch Mov. 1. Bd., S. 375 ff. — Polyb. 7 9 2: svavrtov 3£wv rwv <7uarpaT£U0-
[J.ivwv, xai'HXtou xal S eXvjv vj g xal T^c. Plut. de facie in orbe lunae 26 17:
TWV T£ ^atVOp.£VWV «$£WV £<pvj XpYjVCU xat [AOt TTOCpeXsXsVSTO TifMOCV diocpe-
pdvrwg r>7v ffsXv?vvjv,ojg ro0 ßiou xtiptwrar/jv oüuav** sx°P £vy 3 y - — Als
Mondgöttinn entspricht der Astarte das Symbol der Biene a u f M ü n z e n v o n
Aradus. S. Miinztype e 3 i / 2 (M). Ist in 3 Exemplaren vorhanden. Porphyr, de antro
nymph. (p. 119 derRöm. Ausg. von 1630): <7£X^vvjv re ouaav yeviaewg npoura-
30
Alois Müller
Meier S. 333. S. Jedoch Ges. mon. pag. 117. Niehls desto weniger
aber sind die der Astarle zukommenden Hörner keineswegs auf
ihre Bedeutung als Mondgöttinn zu beziehen, sondern vielmehr aus
dem Wesen derselben als mnw „die Starke“ zu erklären 1 ). Dem
entsprechend hei Philo Byblius (Fragm. hist, graec. v. Müller 3. Bd.,
S. 569): H di ’Aryrdprri ■ rjj t’ota xsyaAv} ßaaiXeixg
Kapäori[j.ov zetptxXijv raOpov. Vgl. Mov. 1 377. Nach meiner
Erklärung des Namens ist auch die andere Bezeichnung der Astarte
als Elissa nty „starke Göttinn“ nicht mehr auffallend. Mov. 1 616,
dagegen Ges. mon. 406. Man vgl. auch ntlt DN (Mov. 624) und nry ma
(Mov. 30) 2 ). Dem entsprechend auch das ihr zukoinmende Prä-
dicat rD"l in den phönizischen Inschriften. Philo Byblius 1. c.:
’A^raorrj di r, [xtyl.'jTri. Wichtig für ihren Charakter ist die Bezeich
nung derselben als „virginale numen“ bei Aug. de civ. Dei 2 26 2.
„KocpSivog ’AerdpTrj“ bei Philo Bybl. 568. Aus ihrem Grundtypus
wird auch das Wesen ihres näpedpog Baal klar.
Nach der von mir dargelegten Etymologie des Namens der
Güttinn, die auch vollkommen zu ihrem Wesen passt, zerfallen
die anderen Erklärungen desselben so ziemlich in nichts. Sie ent
behren alle der wissenschaftlichen Kritik. Dass Movers’ Annahme,
Astarte sei eine ober asiatische Gottheit, eine verfehlte ist,
habe ich bereits dargethan. Hiemit fällt auch die Herleitung ihres
Namens von dem persischen ajtko. Aber noch ein anderer nicht
minder gewichtiger Grund spricht gegen diese Etymologie. Eine
Identificirung des Wortes jrmtyy mit dem neupersischen
„Stern“ ist insofern unstatthaft, als einestheiis die ältere Form des
ri&a jjlsXi ff uav ixocXovv. Über die Bedeutung' der auf denselben Münzen vorkom
menden Hirsche s. Movers das Opferwesen der Carthag-er S. bi tf. Derselbe Typus
auf einer Münze von Ephesus (mus. caes.) bei Eckh. vol. II. pag-, 512. Auf den
Münzen von Aradus weiss ihn Eckhel nicht zu erklären. „Idem utrinque typus est
obvius in moneta Ephesi. Cur exstet etiam in numis Aradi, mihi incompertum“.
Vol. III. pag. 393. Über die Münzen von Aradus s. auch Ges. mon. phoen. pag. 274.
*) Sam. 1 2 1, 1 2 10, Jer. 48 25, Thr. 2 3, Thr. 2 17, Ps. 75 11. Daher war
auch ihr und dem Baal (Moloch) der Stier heilig wegen seiner ungebändigten
Kraft. Mov. 374 IT. Wichtig ist eine auf der kaiserlichen Bibliothek in Paris
befindliche Gemme (bei Levy Phon. Stud. 2 36) mit der Legende „dem
mächtigen Baal“ über den Hörnern zweier gegen einander gekehrten Stierköpfe.
2 ) Dem entsprechend eine Gemme bei Levy Phon. Stud. 2 35 mit der Legende:
Hipp „der Gewaltigen, Mächtigen“. Das Symbol dieser Gemme ist aus dem Wesen
der „Uzah“ als Mondgöttinn zu deuten.
Astarte.
31
letzteren im Pehlewi *pxflD (stärak) lautet, anderestheils das j>
nrcht zu erklären ist. Ein anderes Bewandtnis« hat es mit dem
Worte -inDX = Send <jtäre „Stern“, mit Vorgesetztem x wie dies in
vielen fremden Wörtern, die mit zwei Consonanten anlauten, im
Hebräischen, Aramäischen und Arabischen stattfindet. Fürst Lehrg.
S. 54. Das y kann man aber dann desswegen nicht als zum Stamme
gehörig fassen und etwa auf das armen. //y/////y , griech. ccarf/p, das
die Form am treuesten bewahrt hat, verweisen, weil in den süd-
eränischen Sprachen sich dieses a in dieser Wortsippe nirgends
nacliweisen lässt. Noch weniger Beachtung findet Meier Wurzelwört.
S. 417. Seine Erklärung des Namens fällt schon aus dem Grunde in
nichts zusammen, weil sie wie bei Gesenius und Fürst auf gänzliche
Identificirung mit Aschera beruht. „Demnach bedeutet Astarte, wie
die weichere Form mtitX die in Liebe Verbundene, die Ehe
gen ossinn, das Weib, womit sie als Göttinn der Liebe und
Fruchtbarkeit deutlich bezeichnet ist.“ Solche Unwissenschaft-
lichkeit und Kritiklosigkeit sollte man doch, besonders nach den so
gediegenen Forschungen Movers 1 , kaum erwarten! Hätte Herr Meier
die Movers’sche Untersuchung über Astarte nur einigermassen gewür
digt, konnte er kaum auf solche Irrwege gerathen. Bötticher (De
Lagarde) leitet in seinen rudim. mytholog. sem. pag. 10 mnttW vom
arabischen „dissecuit“ ab und nimmt den Vorsatz eines y wie
im arabischen ac — “llDlt an. Letztere Erklärung ist sicher nicht
richtig, indem vielmehr das arabische statt jyLa.0 (daraus
durch Assimilation des « an ,_j hebr. llD5i) mit Übergang des
in ^ (s. Fürst Lehrg. S. 38) steht. Überdies ist die Annahme
müssiger Vorsetzbuehstaben (ausser x) eine sehr prekäre und
mit der wissenschaftlichen Anschauung der Sprache nicht zu ver
einigen. — Etymologien wie folgende sind leicht erklärlich. Suidas:
’AGrdpT-q. v nap' "EAAvjaiv ’Afpodirri lsyop.ivq, ix roö aGrpov
tyjv iniüv’jp.iccv nenorqxÖGiv. ocörrjg ydp slvai riv i'jiGpöpov puSoko-
^ovgiv. ’AcrrapTrj. Seig Siotnvtcnv . . . Hexapia Orig. (Montfaue. tom. I.
pag. 281): Notae et variae lectiones ad cap. VII. üb. I. regum.
’AxöAag rd rfjg 'AoräpTYjg txydkp.a.TCi, yvjfftv. ’AarocprYjv di xakoOGi.
tyjv ’ AppodiTqv, ix roü d g t i p o g nocpovopd^ovTsg. . . . aörvjg ydp
ehat tö dGTpov rov iu>G<f>6pov p.'j3o\oyoOGt. Vgl. Pbilonis Byblii
fragm. von Müller 3. Bd., S. 569: nspivoGTOVGx di tyjv ctV.oupivYjv
32
Alois Mülle r
söpsv äeporieTY\ acripc/., ov '/.cd avsAo/jivv? iv Tupw ty} ayla vyjaa)
äwiipov7c. S. Miinztype f 3 (M). Dieser Typus aufMünzen vom Sidou
und Tyrus. — Michael Glycas 344 20: xcä ’Auraprvjv p.sv adröv stvat
räv 'Ewa<pöpov ixuSoloyoCm, tvjv x«i ’Aypodtrvjv. Procop. Gaz.
sophista: Et Iucos Astarotli. Aquila Astarthae statuas reddit. Sic
autem Venerem a sidere denominant. Luciferum enim ipsius esse
fabulantur. (S. 512 der Zürcher Ausg. v. 1555 Procop. Gaz. com-
ment. in Octat. Übersetzung des griech. Orig.). Gleichfalls mit
Venus identificirt ist Astarte bei Cic. de nat. deor. 3 23 : . . .
quarta Syria Cyproque concepta, quae Astarte vocatur, quam
Adonidi nupsisse proditum est. Phil. Bybl. I. c.: Tv;v oi ’Aar xprrjv
3>oi'v!Z£c rnv ’A<p poÖLTriv slvcci liyovtn. B. Theodoret. quaest. in III.
regum: ’Epwr. V. ' Aazäp tyj di ianv v$ Kap' "EAÄvj<nv ’Aypodtrv;
KpoGayopsvopivri.
In ihrer Entstehung sind jene beiden syrischen Culte als coor-
dinirt zu fassen. Dass der Baal-Astarte Cult im Vordergründe stand,
ist aus dem Wesen desselben leicht erklärlich. So war er bei den
Phöniziern vorwiegend. Bei den Moabitern und Ammonitern wohl
ebenso. Reg. 1117, Jer. 48 46. Bei den Hebräern war dieser Baal bis
in Jeremias’ Zeiten Nationalhauptgott, längere Zeit jedoch ohne seine
weibliche napsdpog. Erst durch Salomo kam, wahrscheinlich seinen
phönizisehen Kebsweibern zu Liebe, auch der Dienst der Astarte
und zwar wohl nach phönizischem t) Ritus wieder hinzu, wohl
nur eine Wiederaufnahme ihres in ältester Zeit geübten Cultes a ). —
Die religiöse Anschauung der Hebräer bis zum gänzlichen Sturze des
alten volkstümlichen Cultus, besonders durch Jesajas und Jeremias,
jedenfalls die bedeutendsten Namen einer ganzen Reformpartei, zeigt
*) D'.m VT$>N nnep Reg. 1 11 S. D>.m stellt hier im weiten Sinne für „Phö-
nizier“ überhaupt. Vergl. V. 1. S. auch meine Schrift: „Vier sidonische Münzen“
S. 11 ft“. (Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kais. Akademie der Wissen
schaften XXXV. Bd., S. 33). Dem entsprechend Achilles Tatius 1 1: ’Evraö^a
(nach Sidon) vjxwv ix noXkov )(ei//.güvo£, «rworpa rs eduov sv aurw zy v&v
Ooivixwr xaXoöo'iv aurr,v ’Affraprvjv oi SttJcoviot.
2 ) Eine Stelle in Jos. 10 12 ff. weist auf ihren Cult neben ihrem 7t6t.pzdpos Baal
■/.» .losna’s Zeiten hin. »JB nöKn flN IThT nn DV3 niivi» JWirP HT ttt
rrn waian am : papa m*i an pjnja taaiy \snia’ 'vyb iön’i
a’aian »sna tBBty.a napn a®*n iqd by naina sm va>« >u ap> iy iay
B’aa BV3 pX ttv Seihst die jaiivistische Färbung konnte den Ursprung-
liehen Sinn der Stelle schlecht bergen. Vergl. Ghillany 724.
Astarte.
33
der Kanon trotz seiner jahvistischen Färbung zu deutlich. Namentlich
war es Jeremias, der den gänzlichen Sturz der alten volkstümlichen
Staatsreligion bewirkte und auf deren Trümmern eine von den rohen
Schlacken radical geläuterte, reine, ideale Auffassung des National
gottes — nunmehr Ihvh <) — baute. Seine informatorische Thätigkeit
war eine tief durchgreifende. Ihm hat das Judenthum ganz vorzüglich
seinen Ihvh und die Basis seines Gesetzbuches zu danken. Er ist der
Moses, den das Judenthum als seinen Gesetzgeber ehrt. Doch ob
Jeremias oder Moses — das Judenthum verliert nicht an Werth.
Sein reiner Monotheismus, eine Errungenschaft schweren geistigen
Kampfes gegen das dem Volke angeerbte semitische Heidenthum,
sichert ihm unsterbliches Verdienst. Vgl. die oben citirte Abhand
lung von Steinthal S. 154.
Für die frühere hebräische Auffassung des Nationalgottes mögen
folgende Stellen dienen: Gen. 22“). Daneben setze ich folgende Stelle
aus den Fragm. des Philo von Byblus (bei Mueller im 3. ßd. S. 570):
Euseb. Pr. Ev. IV, 16, p. 156, D.: ’Ex di tov rcpdozov avyypäppazog
zyjg <I>tAc»Jvos «botvixu'./jf iazopiag napaS-gaopac raOrcc „ V ESog zoXg
nakaiolg iv raXg [xeyälcag avp.fopa.Xg zü>v xtvouvwv ccvri zrjg nävzutv
fSopag ro ■hyaxrip.i'jov zütv zixvoiv rovg xpoczoOvzag vj no\sw r, sSvovg
dg afayrjv imdidovou li/zpov zoig zifj-utpoXg daipoor xazsafäzzovTO di
oi didöpsvoi pvazutZg. Kpövog roivov, ov oi <t>oivixeg r HA npoaayo-
pvjovai, ßaaiktvwv zf,g yjhpag, xai vazepov p.szd rr,v tov ßiov tsXsvtyjv
dg tov zovKpovov dazipa xccSiepu>Ssig, i£ imyotpiag vvp.frig ’ Avußpiz
Isyopivrig viov p.ov oy svrj, ov diä zovzo ’kovd ixa),ovv, tov
p-ovoyzvovg ovzoig izi xai vvv xaAovpivov Ttapä zoXg <Poivi£i, xtvdvvwv ix
nolipov psytazoiv xazedr/fÖTOw z'nv yöopav, ßaaihxo) xoap.r,aag ayr,-
P-kti tov viov ßcop.6v ze xazaaxevaacepsvog xcctsSvoe.“ Exod. 32 26 ff.,
Levit. 10 1 ff., Num. 14 37, Num. 25 1 ff., Jos. 8 23:
1 ) Das Resultat der tiefen Speculation einer seit langer Zeit bestehenden Reform
partei. Diese entwickelte sich wahrscheinlich aus der von Samuel (Sam. 1 19
24) geleiteten Prophetenschule , freilich durch einen ziemlich langen Gährungs-
process. Wem diese Prophetenschule ursprünglich gewidmet war, sehen wir aus
SamuePs Vorgang gegen Agag.
2 ) D13R = Dl byi (Ges. mon. pag. 4S3), wohl kaum etwas anderes als ,
pn3C* — 'b pMX' (Geil. 21 6) — rdv de evvs'Xxop.evov v~6 zov nupog doxscv
*ysXav. (Photius lexic. unter 2a|5&ovio£ «ysXcos). Tertull. apolog. 8: Infans tibi
neeessarius adhuc teuer, qui nesciat mortem, qui suh cullro tuo rideat. Die
Namensänderung des Jahvisten hätte sonst kaum einen Grund.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. I. Hft.
3
34
Alois Müller
j>tyim ba in« ianp*i *n ityan. 29: na? ny pyn bv ni?n *yn “[Sa nxi
pyn ja m^aj nx imnin mm' ms tyatyn xiaai anyn. Jos. lü
22 ff., Jud. 11 29 ff., Sam. 1 13, Sam. 2 6 1 ff., Sam. 2
12 31 '), Sam. 2 21. Vgl. hiefür Ghillany's die Menschenopfer der
alten Hebräer. S. 637 ff. Auch die Bundeslade ist nach ihren
Manifestationen ganz deutlich molochistischerNatur. Vgl. Sam. 1 3.-—
Von Wichtigkeit für die spätere Auffassung Ihvh’s sind folgende
Stellen. Exod. 24 17: n^O« ty«a Hin’ ins nxnai, Deut. 4 24:
«in nf?ax ty« -pn^x mn* '3. Deut 9 3: -pn 1 ?« mn* *a ai*n nymi
n^ax ty« 7’jd 1 ? nay.n «in, Sam. 2 22 9: i»oa ty«i iaxa jtyy nbv
uaa nm a^m f?axn, Ps. 50 3: ma 1 ? ty« tynm btu wnbtt xa*
‘yaxn, Jes. 30 27: nxtya naai idx nya pnnaa xa mn» aty mn
n^ax tyxa nity^i ayr tx^a l’naty, Jes. 33 14: ty« nu* *a
a^iy *npia uf? nu* *a n^aix, Jer. 5 14: m^x mm na« na p*7
ntn ayni ty«*? -poa *nan jm *un ntn nann nx Danan jy* m«as
an^axi n*ay, Jer. 23 29: mm bxj tyxa *nan na xi^n, Ep. ad
Hehr. 12 29: xai yxp 6 Seds -öiJ.'Siv KÜp xxravaXiaxov. Gen. 15 17:
j*a nay ntyx ty« maVi jtyy nun mm mn nsa^yi nxa tyatyn *n*i
n^xn a*nnn, Gen. 19 24: tyxi nnoj nnay ^*yi anD bv maan nimi
a’aty.n ja mn» nxa, Exod. 3 2: -jina ty« na^a l*^« mn* -jx^a xn*i
^>ax um« morn tyxa nya man mm xn*i mDn, Exod. 14 24: mn
pyi ty« maya antra mna ^« mn* fjpty*i npan nnaty«a, Exod.
32 10: *u^> 7m« ntyyxi a^axi ana *ax nn*i >b nnun nnyi,
Levit. 9 24: nxi nbvn n« natan bv f?a«m mm ue^a ty« «sm
D’a^nn, Num. 11 1: ^axm mn* ty« aa nyam tox nn*i mn* yoty*i
mnan mtpa, Reg. 1 18 38: n«i n'nyn n« ^axm mn* ty« ^am
nayn n«i auaxn n«i a*syn, Reg. 2 1 10: nty i?« nan*i in*!?« my»i
■ptyan n«i -jnx ^a«m a*atyn ja ty« nnn nx n*n^>« ty*« axi a*tyann
i»tyan n«i in« ^axm a*aty.n ja ty« nnm, Chr. 2 7 1: na^ty ni^aai
n« x^a mm maai a*natm n^yn ^axm a*atyna .nnn* ty«m bbonnb
man. Nach Ghillany S. 278 ff'.— Als sprechender Zeuge für jene
alte Auffassung des Nationalgottes hat sich die Beschneidung 3 ) erhal
ten. Exod. 22 28: *f? ;nn -jua maa. Exod. 4 22: mm na« na
‘nxnty* *naa na. Vgl. dazu Jer. 48 46: tyiaa ay na« a«ia *i«.
*) Verdächtig: ist das Kethibh , noch verdächtiger die gänzliche Weglassung der
Stelle beim Chronisten. Vgl. Chr. i 20 3.
Von Bedeutung ist, dass dieser Gebrauch auf Abraham zj]rückgeführt wird.
Astarte.
3S
Jer. 49 1 ff. Jenem Nationalgotte war also das ganze Volk und beson
ders die männliche Erstgeburt heilig. Mov. 1 363. Ihm gehörte jedes
Männliche als Eigenthum an. Die Person musste also erst losgelöst wer
den durch ein stellvertretendes Opfer um ein Recht zur Existenz zu
erlangen. Als Lösemittel hiefür galt die Beschueidung. Exod. 4 24 ff.:
nN nuni matt np'm : wart tttpa’i mm inswon -[“m *rm
matt m uaa pp*i t 'b nnR o*m jnn *a iaNm wm nja
n^ia^ D*m jnn. S. für die richtige Deutung dieser eorrupten Stelle
Meier’s Wurzelw, S. 402. Auffallend stimmt zu dem eben ange
führten ytifil“ (ein Bestreichen zwischen den Füssen mit
der blutigen Vorhaut) der Ritus in der Paschafeier Exod. 12 22:
Fpptpan btt nmnm *)D3 nm mn ait« jvm nnnp^
iv lno nnaa t£t*K mn ab nn«i s)D3 ntt>N mn ja nmon *nt»
Tpa. Und welchen Zweck hat das Blut 1 ) an der Oberscliwelle und an
den Pfosten ? v. 23: bv mn DR nxn onaa nx mn* “nm
N3 1 ? n’mttan ;n* ab) nnon bv mn* hddi nntan *na* bv\ eiipatan
na*na. Überhaupt trägt diese ganze Feier trotz der ten
denziösen jahvistischen Färbung noch zu deutlich den Stempel jenes
altnationalen Cujtus an sich 2 ). Klar ist die Bedeutung des stellver
tretenden Lammes, klar die ausdrückliche Bestimmung: btt
ttm 'bv dn *a n»aa bwzn nj i:aa Cf Exod. 12 9, klar die
Ausschliessung aller Unbeschnittenen von der Theilnahme an dem
Feste: „ia ^ON* ^oi.“ Exod. 12 48. Charakteristisch
ist auch das Verbot des Genusses von „nitana“, dagegen die
Vorschrift des Verzehrens von „niüa“ nach Exod. 12 20, ent
sprechend dem Wesen der Gottheit, der jene Festfeier galt. Luc.
12 1: IIpoasy^ara iexvro'ig dnd tyjS &p.r/g rtöv «Faptaaicov, r?rig
ia riv ött öxpiaig. Cor. 15 7: exxccS-äpoiTe rr)V nalcudv £vp.r,v, . . 8:
wctt£ lopra£wp.£V jj.'o iv C0p.y naXxiä p.r)§i iv £u[xyi xctxtag xai
novripiag, dXX iv d^üp.oig dXixpivdag xai aknSüug. Bedeutungsvoll
ist ferner die Symbolik der Hörner am Altäre. Exod. 27 2: n*t£Wl
l’DJD ymtt bv l'ruip • Das Bild jenes Nalionalgoltes war ohne Zweifel
*) Eine in das Gebiet der Märchen gehörige gehässige Beschuldigung möchte freilich
gerne wegen dieses alten Cultus dem heutigen Judenthum die Nothwendigkeit von
Mensehenblut oder besser Christenblut (!!!) zum Osterfeste andichten!
2 ) Wahrscheinlich bezieht sich Reg. 1 12 32 auf die alte Feier dieses Festes vor der
Änderung seines Typus. Seit Josias etwa datirt wohl das Neujahr mit Nisan. Siehe
auch Reg. 2 23 9.
3 *
36
Alois Müller
ein Stierbild. Exod. 32 4: ^jy mtyy’l tSinA IHN "itf»l DT»» np»l
nnaa pxa p^yn nyx “pn^x n^x nax»» roDB. Vgl- Reg.
1 12 28. Reg. 2 10 16 spricht Jehu : mn» 1 ? »nXJpl ntn 1 ) und
doch heisst es von ihm v. 29: nX X»C3nn Ityx £33J p Dyon» »Xtin pn
pn imi ^x mo ntyx onm »frny nm-mxa «irr» id x*? ^xnty»-
Folgende Stellen noch mögen hier einen Platz finden. Reg. 2
3 27: rann bv nbv in^>y»i rnnn -j^a» im nmn m nx np»i, Reg. 2
17 17: tyxa ommn nxi ornja nx my»i, Reg. 2 23 10: xaai
tyxn inn nxi m nx ty»x mayn^ ojn »ja »ja ntyx norm nx
-[btb, Jer. 7 31: an»ja nx r^vb mn ja x»ja na»« nenn maa uai
tyxa ommia nxi, der. 19 5: an»ja nx pty'? *?yan maa nx uai
^ya*? m^y tyxa, Jer. 32 33: njn ja x»ja ntyx !?yan maa nx ua»i
7^»a^ amnua nxi on»ja nx n»ayn^, Ez. 16 20: nxi -j»ja nx »npm
■jnurna ayan ^>iax^ nn^ D»natm 'b »m6» ntyx -[^u 3 , Micha 6 7:
»tyej nxan »jaa »no »ytyo »maa jnxn, Chr. 2 28 3: mapn xim
tyxa i»ja nx nya»i DJn ja x»ja. Vergl. Ges. mon. pag. 44S ff. —
Ferner: Curtius 4 IS: Sacrum quoque, quod equidem diis minime
cordi esse crediderim, multis saeculis intermissum repetendi
auctores quidam erant, ut ingenuus puer Saturno immola-
retur: quod sacrilegium verius, quam sacrum Carthaginienses, a
conditoribus traditum, usque ad excidium urbis suae fecisse dicuntur.
Sil. Ital. 4 821 und 822: Vos quoque, di patrii, quorumdelubra
piantur Caedibus, atque coli gaudent formidine matrum
Plut. de superstit. (S. 203 des 1. Bandes der mor. der Pariser Aus
gabe von Dübner): Tt 5s Kap'/rioov!.oig odx iluairilsi Kpiriav
laßoüoiv rt Alayöpav vop.oSsrijv an' äpyfig, p.rirs nvä .Ssiäv pfire
5aip.6vwv vopA^siv, rj roiavra Sösiv, oia rcn Kpövw I-Suov; o5y_ ütansp
’ Ep.TrsäoxA-ös ipr,ai rätv rä ta Svovriov xa.Sanr6p.svog,
Mopfrtv 5' ällä^avra narr/p pilov uiov äsipag,
Gtpä^si, insv%6p.svog psya vymog •
all' siSörsg xai yivu>axovrsg aüroi rä avr&v rsxva xa-
Scspsuov oi 5 s är sxv oi n apa rcöv n svnruiv d)vo 6 psvoi
natoia xar saipa^ov, xaSansp äpvag fj vsoaaoiig ■ napsiorrtxsi
5 s -fj pvjrvjp är f)xr o g xai aG r sv axr o g ■ si 5 s arsvä^sisv fi
5axp(/Gsiev, s5st rrjg rip.-/jg orepsaSai, rö 5s nai5iov
*) Sein Feuereifer galt wohl nur der Vernichtung des Hauses Ahab und des durch
dasselbe eingeffihrten fremdländischen Baalsdienstes.
Astarle.
37
oddiv Yj t t o v iSvezo' xpözov di xuzenip-nluzo nuvzu npö zov dyul-
puzog inavXovvrwv xai Tup7ravi£övra>v, bvbxu zov py; yevsoSai rr;v
ßÖY]oiv rtöv Sprjviov ilguxovozov. Diodor. 13 86: ’lpcÄxaj di Seiapüjv zu
nIr,3-n dsioidaipovovvzu npüizov piv iTta.iioa.zo xad-utpüv za. pvYjpeta,
pezu di zuvzu ixizsvE zovg Ssovg xazä zö nuzpiov s3og, rä> piv
Kpövco trat da opayidaug^ tü di rioaEtdcnvt nlfiSog ispsiwv
xazunovzioug. Diod. 20 14: f/v di rtap' avzolg dvdpiug Kpcvov yal-
xovg, ixzszuxöjg zag yslpag dnziag iyxzx'kip.ivug ini zriv yfiv, üozz
zöv inizsSivza z ü)v rt ui d a> v ätz oxvIiEoSai xui n in z s t v
Big zi yaopu ix'kfjpeg nvpög. Procop. de bell. Pers. 2 28: xai
’AXup.ovvoupog (princeps Suracenormri) piv ivu züv ’ApiSu nuidorv
innovg vipovza i£ imdpop.rjg iAcov zyi 'Appodizy (?) sd^ös eSv ob.
(Des zweiten Theiles des corpus scriptorum liistoriae IJyz. in der
Bonner Ausg. [Procop.] vol. I. S. 282). Euseb. praep. evang. üb. IV.
cap. XV. (pag. 1S4 der Pariser Ausgabe vonVigerus von 1628): Kai
zig nuz'np zöv p.ovoyevfj nuidu, xui pviryjp rrjv dy unrtz y)v
Suyazipa n poaiSvov ti) daip.ovr . . . . zvpoig dv ovv
nüouv iigzzut,o)v 'EAAvvvixrjv zb x.ui Bapßupov iozopiuv, öno)g oi piv
vioiig, oi ob 3-uyuzipag, oi xui aipug uvzovg rwv daipovwv
xa-Stipouv Svoiaig. iyw di xui roörwv rov xui npozspov nupi-
orvjpi pupzvpu iv zoig avzolg, iv oig zr,v rwv dAöyaiv Spsppdzojv
Svoiav, cbg dvooiuv xai ddtxwrarrjv unr/yöpsvoB, raöra pdoxovza
Ttpbg pripa. Cap. XVI: Kat ort raöra ovy dnlüg, dXhä nkir,povg ovor,g
zrjg iozopiug Xiyop.Bv, uvzdpxri xui zuüzu napuozfjoui. iSvszo ydp
xai iv 'Pödw pyjvi p b z u y s i rv t w v i, sxzy iazapivov äy-
Spunog zö) Kpövw. o drj ininolv xpuzrjaav sSog pszeß^^rj •
£va yäp rwv irei .3-avärw dr l p.ooia xuzaxpi3ivzo>v, piypi rwv Kpovicov
ovvBlyov • ivozuorjg di z-ng iopzfig, npouyxyövzzg zöv 2vSpo>nov i£w
TtvXöiv, uvzixpv zov ’Apiozoßovkng Boovg, oivov TtozioavzBg saipazzov-
. . . iSvovzo di zy "Hpa, xai idoxip.uCovzo x.uSuTtzp oi tr/zoiipEvo'.
xxSapoi pooyot xai avoppuyit,b\).EVoi. iSvovzo di zfig Yipipag zpslg •
äv^-' ojv XYjpivovg ixiAsutJiv d ”Ap.o)Oig zovg ioovg IniziSEoSui ....
<I>otvtx£S di iv raTg p £ y a A a t g ov pp o p ulg rj rzoXi p oj v , r t
Xoip.öiv, fj ad xpcdv, idvov rtöv ytArarwv rtvä ln ityri p i-
tlovzsg Kpövw . . . "larpos di iv rp auvaywyp rwv Kpyjrtxäiv
Svoiüv pr/Oi zovg Kovp-rjzag zö Ttu^aiöv rü Kpovto Svbiv
nuldug . . . <I>tXapyog di xoivtög nuvzag zoiig "E/Qvjva^
?rp i v ini noXsp.ioug i£iivai, dv 5 p o>n oxz ov £tv iozopsl.
38
Alois Müller
. . . . Kcd nahv fr,aiv, 'k'f' ou p.iypt vGv ovx iv 'Apxudia. fiivm
toi? Avxodotg, oöd' iv Kxpyr/Sövi rö> Kpoviü xotvrj ndvzsg dvSp(j)7ro-
SvToOaiv, itXkd xara. nspioSov, rris voü vopu'pou ydpiv /avv7|7.v3J, ip.<pOhov
dsl co.p.u pccivovai npog roü? ßwjjioü?. — Hierher gehört auch der Ritus
im Dienste des tyrischen Baal, wie er beschrieben wird in Reg. 1
18 28; -|dd> -ii> D'nmni nmna DtaotyaD man'i ^>ru lKip'i
Dit’^y DT. Dem entsprechend auch die Selbstverstümmelung im
Dienste der syrischen Göttinn, über welche folgende Stelle aus
Apuleius (metam. lib. VIII. cap. 26 ss.) eine interessante Schil
derung gibt: Erat quidam iuvenis satis corpulentus, choraula doctis-
simus, collatitia stipe de mensa paratus, qui foris quidem cir-
cumgestantibus deam cornu canens adambulabat, domi vero pro-
miscui operis partiarios agebat concubitus. Hic me simul domi con-
spexit libenter, appositis largiter cibariis gaudens alloquitur: Venisti
tandem rniserrimi laboris vicarius. Sed diu vivas et dominis placeas
et meis defectis iam lateribus consulas. Haec audiens iam meas
futuras novas cogitabam aerumnas. — Die sequenti variis colo-
ribus indusiati et deformiter quisque formati, facie coenoso pig-
mento delita et oculis obunctis graphice prodeunt, mitellis et cro-
cotis et carbasinis et borribycinis iniecti. Quidam tunicas albas in
modiim lanciolarum quoquo versum fluente purpura depictas cingulo
subligati, pedes luteis induti calceis, deamque serico contectam
amiculo mihi gerendam imponunt, hrachiisque suis humero tenus
renudatis attollentes immanes gladios ac secures, evantes exsiliunt,
incifante tibiae cantu lymphaticuin tripudium. Nee paucis pererratis
casulis ad quandam villam possessoris beati perveniunt, et ah in-
gressu primo statim absonis ululatibus constrepentes fariatice pervo-
lant; diuque capite demisso, cervices lubricis intorquentes motibus,
crinesque pendulos in circulum rotantes et nonnumquam morsibus
suos incursantes musculos, ad postremum ancipiti ferro quod
gerebant, sua quisque brachia dissecant. Inter haec unus ex
illis bacchatur eflusius, ac de imis praecordiis anhelitus crebros refe-
rens, velnt nuniinis divino spiritu repletus, simulabat sauciam vecor-
diam, prorsus quasi deum praesentia soleant hominfcs non sui fieri
meliores, sed debiles effici vel aegroti. — Specta deuique quäle coe-
lesti providentia meritum reportaverit. Infit vaticinatione clamosa con-
fictrt mendacio semetipsum incessere atque criminari, quasi contra fas
sanctae religionis designasset aliquid, et insuper iustas poenas noxii
Astarte.
39
facinoris ipse de suis manibus exposcere. Arrepto deuique flagro,
quod semiviris illis proprium gestameu est, contortis teuis lanosi
velleris prolixe fimbriatum et multiiugis talis ovium tesseratum, iudi-
dem sese multinodis commulcat iclibus, mire contra plagarum
dolores praesuinptione inunitus. Cerneres prosectu gladiorum
ictuque flagrorum, so 1 um spurcitie sanguinis effeminati
madescere... Sed ubi tandem fatigati vel certe suo Ianiatu
satiati pausam carnificinae dedere, stipes aereas, immo vero et
argenteas, multis certatim offerentibus, sinu recepere patulo, nee non
ct vini cadum et lactem et easeos et farris et siliginis aliquid, et non-
nullis hordeum deae gerulo donantibus , avidis animis corradentes
omnia, et in sacculos liuic quaestui de industria praeparatos farcientes
dorso meo congerunt... — Ad istum modum palantes omnem illam
depraedabantur regiouem. Sed in quodam castello copia Iaetati lar-
gioris quaesticuli, gaudiales inslruunt dapes. A quodam colono fictae
vaticinationis mendacio piuguissimum deposcuut arietem, qui Deam
Syriarn esurientem suo satiaret sacrificio; probeque disposita coenula
balneas obeunt, ac dehine lauti quendam fortissimum rusticanum, indu
stria laterum alque imis ventris bene praeparatum, comitem coenae
secum adducunt, paucisque admodum praegustatis oiusculis ante
i p sam mensa in spurcissima i11 a propu dia ad i11icitac
libidinis extrema flagitia in fand is uriginibus efferantur,
passim que circumfusi nudatum supinatumque iuvenem
exsecrandis uriginibus flagitabant.
Wir haben aus phönizischen Monumenten die Bezeichnung der
Aslarte als nm kennen gelernt. Als solche ist sie die Europa der
classiscben Mythe. Europa erkläre ich als nm ~ n *)• Über die Ver
stümmelung solcher Fremdwörter durch Griechenmund s. meine
Abhandlung: „Vier sidonische Münzen“ S. 4, Note 2. Den semi
tischen Ursprung des Namens wird man nach Pott’s Vorgang kaum
leugnen können. „Den Namen Europa knüpft man an die lyrische
Edpcb?rrj; dies hat seinen guten Sinn, insoferne derselbe wirklich
eigentlich semitischen Ursprunges und nur später he 1-
lenisirt worden ist.“ Etymolog. Forschungen S. 190. —Die
Herleitung von mit ist leicht erklärlich und ganz nahe liegende
Europa — Kadmus, mit — mp. Pott’s Etymolog. Forschungen
x ) Vergl. Gesen. mon. pag. 346, dagegen Levy phön. Studien 1. Heft, S. 17, Note.
40
Alois Mülle r.
S. 272. Dagegen Movers 1 316. Nicht unerwähnt bleiben darf liier
Bochart’s Etymologie. Phaleg lib. IV. eap. XXXIII.: Sic videntur
Phoenicibus debere nomina Asia afque Europa, de qua fatetur Hero-
dotus in Melpomene 1 ), neque sciri unde hoc nomen sumpserit
neque quis ipsi iinposuerit. Neque nesciebat a Poenis Europam
dici XDN Tin Ur-appa, quasi terram 'keuxonpoawTtov, quia Europaei
Africanos candore f'aciei rnultum superarit. Unde et Europa dicta
est Cadmi soror, quasi alba facie virgo. Das letztere mit Rück
sicht. auf das Scholion zu Theocr. Idyl. 2 12: Trjv 'Exdrpv ^oviav
‘fciai Stsbv Kai vsprspuiv npvravtv, y.ai Xooppcov "Hpav p.i-
X^sZaav M ■ysvvtjtrai TzapSsvov • övop.a 5s adrp “AyysAw.
raOrpv 5s ij.szä rrjv ysvvYiGiv vko raig vup.tpatg dod-rjvat napä rov
Aibg rpstpsG^ai. av^avSslGav 5s x^sipai rd rijg "Hpag jj-vpov, tu ro
Ti pöatünov aÜT-ög alSov vjv xpiöp-svov, xtxi 5 ovvai E5 pur:-q
rp <J>oiviKog B'uyarpi. Vgl. Roch. Chan. lib. 1. cap. XV. Movers
zwar spricht sich gegen die semitische Etymologie des Namens aus.
„So ist nun auch die kretische Europa eine Unterweltsgöttinn und
zwar ist sie wie der Name schon andeutet die finstere, in die
dunklen Räume der unterirdischen Welt entrückte
(Mond-) Götti nn.“ Phon. 11/2. Bd., S. 84. Ebenso Preller in seiner
Mythologie. Man vgl. Hesychius’ Glosse: stipunov, mtorsivöv, nXarb.
Edpdmp n X^P 01 oiivsMg p axorsivr).
Nach Preller (Gr. Mythol. 2. Bd., S. 79) wurde Europa daher
auch als eine in der teumessischen Höhle Verborgene und Versteckte
verehrt. Ihr unter anderem so naher Zusammenhang mit den beiden
Unterweltsgöttern Minos und Rhadamanthys (Apollod. 3 1 1 : p 5s
[Europa], sxsi awsuvaaS-lvrog aörfi Aiog, iyivvriasMivwa, Sap/rpciov«,
Padäp.avSvv.') spricht scheinbar wohl ziemlich für die Ansicht Mo
vers’, welcher glaubt, dass, „da Gottheiten von rein griechischem
Charakter den Namen Europa führen und zwar die Demeter in Lebadia
und die Hera in Dodona, letztere nach ihrem Charakter als "Hpa
'Jkotsivyj , dies nur beweiset, dass der phönizische Name der Göttinn
mit einer entsprechenden Bezeichnung aus der griechischen
') Her 4 4ä: >5 di 6r, Eüp«7rp oute ei nspippvvoj ian qiv&xrxsrat rrpöff ovSa-
[xö)v zvSpomoiv, outs 6xo'5ev zö ouvop.ee eXaj3s zouzo, ouzs o ff zig oi 77V 0
3ip.zvog (poeivezou, et p.i) oenö zvjg Tupivjg <py)ffop.ev EupoiTrvjc Xaj3etv zo ouvo-
(xa zyjv K ßP re P 0V üz >?v ao« ävo)vvp.oc oxjmp cd ezepea.
f
Astarte. 41
Mythologie vertauscht worden ist.“ Mov. II/2. Bd., S. 84. E. M.
ed. Gaisf.: 'EAAßTIA ‘): 'H Evpöbn/j zönaXaiöv iy.aksXzo • 77 Sn oi
•boivuzg z 77 v napSsvov ikkoziav y.akovaiv 77 napd zö iksXv •
ön vnö zavpov idlo), xazd töv pvSov.
Gegen diese Movers’sche Auflassung der Europa als einer
„finsteren“ Götti nn spricht jedoch vor allem die Fe i er d er H el loti e n
in Korinth. Ich gebe hier das ganze zugehörige Scholiou zu Pindar
Olymp. I F' 86 : ‘EXXoozia §' tnzdng. tvjv npoar/yopiav zavzr,v ia’/yi-
xivai tpaai zrjv ’ASriväv an6 zov £v MapaStAvt zkovg, £v3a idpvzai.
§. "Akloog. Tipavdpov Suyazipeg KopivSia, 'EAA w r ig, Eüpuntövvj,
Xpuoy), Kwrurcö. uko\jar,c rijg nölsotvjv viav rrjv Xpvorjv 77 ‘EAAwrig
dpna.na.ac/. darikäzv dg töv vaöv rfig ’A.S>jväs, evSa nspiy.azdkrjnzog
ysvopsvY] ipprpsv iavzrjv zig tö nOp. xaSapaia ovv äyzzai rr, ,3-eü), artva
oi pszd ’Akrizov inixpaz-kaavzsg AcoptsXg 'EAAcöua iy.akeaav. §.”AAAw?.
'EAAaina d' inzayig. iopzrj rfig ’ AA-cjVäg iv KopivAta, £v fj y.ai 6 d y w v
zzkzXzat 6 y.akovpzv og k apn ex 0 0 0 p opino g, tv to ez p zy_ov
vea.viai kapn dd ag y.pazovv reg. avzri di 77 navr,yvpig dtpiSr,
xazd piv uvag, ineidri töv innov zov BsAAsps^övrou ■uniza^zv 77 Szög
töv II-kyaaov xai nzpizSrixzv avzä) zd '/_akivd, xai oüzotg st'Asv avzov
Yj dtä roöro, znzidri AooptzXg avv zoXg Epaxkzidaig zmAzpzvoi IIeAo-
novvYjCSLOig KopivSav y_zipo)aapzvoi zaOzr,v zy ytkoyi avvztpkzyov • rcöv
zoivvv yvvaixüv £v zy nopSvjOzc (pzvyovaeüv zivsg ££ avz<X>v dpa Evov-
zuovy y.ai 'EAAwrtät sig zöv zf,g ’ASr/väg ziaekSovoai vecöv ovzoo
diafzv^aaAai zöv xivdvvov npoazdöxr/Gav. dig di yaSovzo Ao/ptzXg,
xazd roöroJV rö nvp znzpipav. ai piv ovv dkkat zpvyov, 77 di Evp'J-
') ln der Etymologie des Wortes stimme ich Movers hei, der es (Bd. 11/2, S. 80)
durch „meine Göttinn“ von bti Gott erklärt; nctpAevog ist wohl Astarte
als das „nmnen virginale“. Gesen. weiss das Wort nicht zu erklären. Vergl. mon.
pag. 389. Hochart (Chan. lib. I. cap. XV.) bringt es zusammen mit dem hebr.
bbn mit Bezug auf Psalm 78 03: l^lfl üb 1*n{>in31 17^3« 7*7103. „Ilaque
ah m^n h a 1 I o th vel helloth Hellotia dici potuere a Cretensihus Asterii et Euro-
pae festa epithalamia, quae renovahantur quotannis. Potuit et ex eadem causa Hel
lotis dici ipsa Europa et Gortyna urbs pene in umbilico Cretae, in quam conve-
nire mos erat festuin illud celebraturos. Denique r EXXwry}£ OTc^avo^ dicta
fuerit ob hoc ipsum Europae corona nuptialis“. Atlien. 13 22 678: XeXeuxo? 0£
s’v rat? *j\o)(7G<xis iWuzLda xotkeTaSai töv ix pupptvvj? n'kexop.evov
ffrs^avov, ovra r^v 7rsptp.srp&v eixoen, 7rop.7rsostv rs s’v vy twv f E)v-
Xwrtcov ioprfi. ftxai d' s’v aorw ra r^? Eupwjrvj? ö<jra xop.t^str^ai, v)v ixa-
Xoyv f EXXwrtc?a. oZ^eeSai de xcd iv Koptv^w rot f EXXwrta.
42
Alois .Müller
ticjjvy) xai y) ’EAAamg ädeltpai rv^y^avovaat ixsrä naioiov av^xan-
fkiyS-ooav. "kotixov §i oup.niodvzog ov npdzgpov zd vöor/p.a navcaoSai
e'fO rj 3i6g, npiv sqiksoJGCi'jSoc. zGjv napSivoov zag 'pv^äg xai *E!Uw-
riSog ’ASoväg tepdv idpvaaaSai xai navdyvpiv'EkkdJzta xakovpJvov •
...•§. "Akkoog. £v KopivSp) zd 'Ekkoizia äyszat rp'EMoma ’ASrivcf.
zvyßv §£ ccjz-nv zavzr,g rfig npoayyopiag IvopivScoi p.£v Xiyovoiv
ikovoav xcd jak'.v oj^aoav nap’ avzoig röv IIriyaaov oi d£ and zov
ikovg zov nepi röv Napaddäiva, iv <p idpvzai, oi di and rr,g 'EA^w-
zidog napSsvov. Vgl. E. M. ’EAAGTIE: ’A3r ; vä ovzoj xakovp.£vr t
iztpäzo iv Ivoptv-Sqj • xai io pro 'EAAÜTIA. Ei'pyjrat de 'EAAwrig r,
3s.dg, Sri Bskkspotpdvzog röv nr t yaoov innov ikdjv xaS' vnoSrfx.riv xa\
avp.p.a'/iav zijg ’ASriväg iy^akivtaat, xai and zov ikslv röv innov,
'EAAwriav npoo-oydpvjoiv adzöv, xai ispov avz-p tdpvaazo• xai rä
'EAAÜTIA iopty). "H and roö npdg MapaSwva skovg, iv £> idpvzat.
Hivdapog inivixiu) Sevopüvzog. Tzetzes ad Lycophr. Alex. 6fi8:
<l>otvcxo di, o 'Aä-ovä iv KopivSop zijiäzai. Der nach dem eben ange
führten Scbolion in den Hellotien vorkommende „dyojv kapnadodpo-
pixög, iv dp szpsyov vsaviai kap.na.dag xpazovvzeg“, dieses Symbol in
der Festfeier, spricht entschieden gegen die Auffassung der Europa
als einer „Unterweltsgöttinn“, einer „finsteren, in die dunklen Räume
der unterirdischen Welt entrückten (Mond-) Göttinn“, sondern weiset
vielmehr hin auf eine Vorstellung derselben als Lichtgottheit,
insofern als ihr Symbol der strahlende Mond galt. Unmöglich konnte
die Gottheit, der jenes Fest galt, ursprünglich ein numen evpumdv,
oxoziivdv sein*). Das einzige, was ich zugeben möchte, ist, dass der
seinem Ursprünge nach streng semitische Name den
Griechen, da in seiner Bedeutung unklar, mit dem griechischen etipco-
ndg — axozuvdg identisch galt und daher so manches in der Mythe
mit Rücksicht auf diese Deutung zu erklären ist. — Der kretische
Stiergott, welcher die Europa raubt, ist dem semitischen Moloch
*) Nicht unwichtig für diese Ansicht ist auch Apoilod. 3 12: Mivwg 5s, Kprjrrjv
xaroixwv, eypocrpe vo/ioug. xai ^Yj^ccg Ilaaupavjv r-^v f HX io 0 xai Hep-
oyidog . . . und weiter v$ dk (Pasiphae) 'Aare p tov iyivvytre tov
xAyj^svra Mtvwraupov. Minos ist ppiö »der Herr des Himmels“. Mov. 1.
Bd., S. 32. In seiner ursp rünglichen Bedeutung ist M i n o s eine Lieh t-
gottheit und höchst wahrscheinlich als TC&psdpog der Europa zu fassen. Moloch —
Astarte. In der späteren, griechisch gestalteten Mythe, welche Europa als „die
Dunkle“ deutete, ward Minos zu ihrem Sohne und Unterweltsgott dem Wesen seiner
Mutter entsprechend.
Astarle.
43
verwandt. Movers Bd. 11/2, S. 84. Überhaupt ist der Kern des
Europa - Mythus weiter nichts als die Verbreitung des
Astarte-Baal-Cult.es nach Westen. Der classischen Mythe
ist jener Entführer der Europa Zeus. Arnob. adv. nat. S 22: Quid
tantuin, quaeso, de vobis Juppiter iste quictinque est meruit, quod
genus est nullum probri, infame adulterium nullum, quod in eins non
caput velut in aliquam congeratis vilem luteamque personam? Matri-
monii prodidit ius Leda: Juppiter esse dicitur auctor culpae. Virgini-
tatem Danae custodire nequivit: furtum esse narratur Jovis. Ad mu-
lieris nomen properavit Europa: expugnator pudicitiae idem esse
iactatur. Alcmena, Electra, Latona, Laodamia, inille aiiae virgines ac
inille matres cumque illis Catamitus puer pudoris spoliatus est hone-
state: eadem ubique est Juppiter fabula, neque ullum
turpitudinis genus est, in quo eius non nomen consocia-
tis libidinibus conseratis, ut videatur miserabilis prorsus nul-
lain non esse causam ob aliam uatus, nisi ut esset criminum sedes,
maledictorum materia , locus quidam expositus, in quem spurcitiae se
* omnes e scenarum colluvionibus derivarent. Quem tarnen si dicerelis
cum extraneis habuisse commercium feminis, impia res q iidem, sed
tolerabilis esset maledictionis iniuria. Etiamnc in matrem, etiamne in
filiam efferati pectoris appetitionibus adhinnivit, neque illum sanctitas
aut reverentia genetricis, horror etiam pignoris ex se sati ab imagine
potuit tarn foedae cogitationis abducere? 23. Veilem itaque videre
patrem illum deorum Jovem, aeternam rerum atque hominurn pote-
statem, bubulis esse cohonestatum cornibus, hirsutas agitantem aures,
contractis in ungulas gressibus rumigantem pallentis herbas, et ex
parte postica caudam, sulfragines, talos molli fimo perlitum atque
intestina proluvie delibutnm. etc. Vergl. auch den Index der Oeh-
ler’schen Ausg. unter Jupp. — Sehr malerisch ist die Beschreibung
des Baubes der Europa bei Achilles Tatius (nach einem Bilde) 1 1 :
’Ev ty) y?i Asipwv xai J'opö? napSivuiv. ’Ev rvj SxXazzr) rxOpog ins-
vyj^sto, xat zeig vtöroij xaAv? napSsvog EKExdSrizo, ini KpvjTrjv [rä>
raOpto] nleovox . . . Tavpog iv [xio-p zy SxXdzzy iyiypxnzo roig
» xüpaaiv Eno'/o(jp.Evog, (hg öpovg avxßxivovzog zov xOparo?, £V,Ssv
xap.nr0p.svov rov ßoog xvpzoözai zö ay.iXog. 'H nxpSsvog p.sociig sns-
ndc3rjT0 zeig vhzoig roö ßoog, ov nEpißd§r)v, xWd xarä n^svpdv, ini
os£tä aupßäaa rei> nöds, zvj \«tä roö xspws s^opsvrj, uanep -gvioyog
’/^xlivov. xai yäp 6 ßovg iniizpxnzo zaiizy päiUov npög zo zfig '/ei-
44
Alois Müller, Astarte.
pdg ikxov rjvioxovp.evog. Xtrüiv ap.ipi xd axipva xrjg xapSivov p.i%ptg
aidovg, xovvxevSsv ixexakvxxsv -/kalva rä xdxoi xov aoip.axog. kevxdg
6 y^troiv. rj ykalva xoptpvpä. xd di oöip.a did xfjg ioSrjzog vxstpaivexo^
ßa^üg 6p.<pakdg, yaoxrtp xzxap.£vr). laxapa axzvrj. rä oxipvov zig d£ii
xxxaßaTvov iivpvvezo. p.a'Coi xüv axipvoiv ■dpip.a xpoxvxxovxzg. rj avv-
ayovoa ddivrj zoiig p.atovg xai r6v y.xöiva i’xkzcsv, xai iyivexo xov
oiop.axog xaxoxzpov 6 ytrwv. Al ysipsg äp.tpoi diexexavxo, rj p.iv skI
xipag, rj di ixi ovpav. r/pxrjxo di dp.tpOlv ixaxipoiSev vxip xrjv xetpakriv
r, xakvxxpa xvxkop xtov vtlizoiv ip.xsxezaop.ivr) • 6 di xökxog xov xixkov
xavxoSzv txixa.ro xvpxovp.zvog• xai rjv outog dvzp.og xov l^oiypatpov. r,
di dlxr,v ixsxdSrjxo :ü xaiipui nksovorig vrjdg, oioxzp laxioi xöi ninltp
ypoip.ivy). 'End di xdv ßoDv oipyovvxo dzkpivzg, i'nai^ov ”Epoixeg.
eixzg «v aüxiZv iyysypdtpSai xai xd xivrj[xaza. ”Epoig zlkxz xov ßovv,
"Epoig, pxxpdv xatdlov r l xkdixzi xo xxepöv. r/pzr/zo fapixpav, ixpaxzt
xd xvp • ixioxpaxxo di dig irxi xdv Ai.a xai vxzpsidia, tdoxsp adxov
xaxayzkü>v, öxi di’ avxdv yiyove ßovg. Mail vergl. damit folgende
Stelle aus Luc. de dea Syr. 4: evi di xai äkko Ipov iv (boivUy p-iya,
xd Siduivcoi iyovoiv, tilg p.iv avxoi kiyovoiv, ’Aoxdpxrjg ioxiv ’Aoxap-
x rj v d' iy di doxi oi 2zkrjvair,v ep.p.evar . . . tlig di p.oi xig xöi v
Ipioiv dx'fjyizxo, Evpöixijg toxi xrigKddp.ov ddektpefig. xaiixrjv d' iovoav
’Ayhvopog xoü ßaoikrjoig Svyaxipa, ixetd-n xe atpavr^g iyeydveev, oi
<&oivixsg xöi vrjüi ixip,r]oavxo xai kdyov Ipov ix' avxrj ekz^av, dxi iovoav
xaXrjv Zzvg ixdSzz xai xd sidog zig zaüpov dp.znpdp.evog tfpxaoe, xai
p.iv ig Kpfjzr/V tpipoiv dxixzxo, xade p.iv xai xöiv akkoiv tpoivixoiv rjxovov,
xai xd vdp.iop.a : x Gi ’Sidoivioi %piovxai, xriv Ed p dixr/v
i<pzCop.ivrjv i'xei xöi x avp oi rü Alt -1 ) xdv di vtjdv ovx dp-oko-
yiovcnv Evpt^xr^g zp.p.evai.
t) S. Miinztype Ic G (M) der „göltlichen Sidon“ angehörig. Über die Münztypen <j 8 (M),
h 2 (M), i 6 (M) s. Movers II/2 93. g: Dido stans s. sceptrum d. scipionem , ante
eain porta urbis cui insidet ligura operi faciendo intenta, pro pedibus hinc figura
altera terram ligone aperire videtur, inde murex. h: Astarte navi insistens d. acro-
stolium, s. hastam crucigeram (Tyrus). i: Mulier seminuda navi velut progressura
et profuga insistens dextra extenta. (Nach dem handschriftl. Kataloge.)
Müller. Astarte. Ein Beitrag 1 zur Mythologie des orientalischen Alterthnnis .
hzs l.k.lc.Hof-TC. ot&atsdruckerei.
Sitzungsl). (Lk-AkaiLd.W pliilos. liistor. Cl.XXXVLBd.1861.
■
Di*. Pfizmaier, Über einige chinesische und japanische Münzen.
SITZUNG VOM 17. APRIL 1861.
Gelesen:
Bericht über einige von Herrn Dr. Karl Ritter v. Scherzet•
eingesandte chinesische und japanische Münzen.
Von dem w. M. Dr. P fix m ui er.
(Mit 20 Abbildungen.)
Im December v. J. erhielt ich von Herrn Dr. Ritter von Scher-
zer in Triest eine Anzahl alter chinesischer Kupfermünzen, welche,
wie der gelehrte Herr Übersender mir mittheilte, auf Java in der
Residenzschaft Djocjocarta, „wo sich viele alte Ruinenstätten befin
den,“ ausgegraben wurden. Zugleich äusserte der verehrte Herr
Einsender den Wunsch, dass ich das Alter dieser Münzen bestimmen,
die auf denselben befindlichen Aufschriften entziffern und hierauf
sämmtliche Stücke, mit Ausnahme der Duplicate, an das k. k.Münz-
und Antiken-Cabinet übergeben möge.
Später (im Mai d. J.) übersandte noch Herr Dr. Ritter von
Scherz er der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften drei
neuere japanische und vier chinesische Münzen, welche ihm aus
Batavia zugekommen und mit deren Untersuchung die kaiserliche
Akademie mich ebenfalls beauftragte.
Indem ich durch den gegenwärtigen Bericht mich dieses mir
gewordenen Auftrages entledige, stelle ich dasjenige, was sich aus
einer Untersuchung der früher mir unmittelbar übersandten, ihres
Alters willen besonders merkwürdigen Prägestücke ergeben hat,
voraus.
A. Bericht über die in der Residenzschaft Djocjocarta auf Java aus
gegrabenen alten chinesischen Mnzcn.
Die mir übermittelte Sendung bestand aus fünf und dreissig
Stücken, welche im Ganzen achtzehn verschiedenen Münzen ent-
46 ' Dr. Pfizmaier
sprachen. Unter diesen befanden sich acht einzige und zehn solche,
von welchen Doppelmuster vorhanden waren. Nachdem ich von den
letztgedachten die am besten erhaltenen für das k. k. Münz- und
Antiken-Cabinet ausgeschieden, verblieben somit noch siebzehn
Doppelmuster.
Ich reihe diese Prägestücke, welche, mit einer einzigen Aus
nahme, dem Herrscherhause Sung angehören, in der folgenden Auf
zählung nach ihrem Alter und mit einigen durch die Schriftgattung
bedingten Unterabtheilungen.
1.
Prägestück des Herrscherhauses Thang aus dem Zeiträume
713—741 n. Chr. Die Zeichen in Li-Schrift. Zu stellen und in
gewöhnlicher Schrift zu lesen Khai-yuen-thung-
pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Khai-yuen“. Der hier genannte
Zeitraum reicht von dem Jahre Kuei-tscheu bis Sin-I (713—741
n. Chr.) und umfasst die ersten neun und zwanzig Lenkungsjahre
des Gesammtherrschers ^ Yuen-tsung von dem Hause Thang.
Waren zwei Musterstücke.
2.
Prägestück des zur Zeit des Hauses Sung bestehenden tatari
schen Herrscherlandes -^J- =1^3 Ki-tan aus dem Zeiträume 983
bis 1031 n. Chr. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger Handschrift).
Zu stellen und in gewöhnlicher Schrift zu lesen ^
Sching-tsung-yuen-pao, „Ursprüngliches Gut Sching-tsung’s.“ Das
gewöhnliche Thung-pao „Gut des Verkehrs“ ist hier, wie bei noch
mehreren anderen Prägestücken, durch Yuen-pao „ursprüngliches
Gut“ ersetzt worden. Das Herrscherland Ki-tan, welches neben den
Ländern des Hauses Sung im Nordosten China’s bestand, hiess in
dem hier angegebenen Zeiträume „das grosse Ki-tan“, später -Jjjg
Liao, und dessen Herrscher legten sich gleich jenen des Hauses
Sung den Namen „Gesammtherrscher“ bei. Sching-tsung, der ur
sprünglich [jj^- Lung-tschü geheissen, schuf, gleich den übrigen
Herrschern seines Hauses, eine besondere von derjenigen des Hauses
Sung unabhängige Zeitrechnung zu Grunde legend, während seiner
Bericht über einige chinesische und japanische Münzen.
47
P
neun und vierzigjährigen Lenkung (von 983—1031 n. Chr.) dreimal
neue Namen von Zeiträumen, von denen jedoch, dem Gebrauche
zuwider, keiner auf diesem Prägestiicke vermerkt und statt dessen
nur des Herrschers Ehrenname Sching-tsung gesetzt wird, ein Vor
gang, der eine Eigentümlichkeit dieses tatarischen Herrscherlandes
gewesen sein mag. Sung hatte durch die gedachte Reihe von Jahren
eilfmal neue Namen von Zeiträumen geschaffen. Da sonst auf keinem
Prägestiicke das Jahr des sechzigtheiligen Zeitkreises vermerkt
wird, hier aber selbst die Angabe des Zeitraumes fehlt, so lässt sich
über das Alter dieses Stückes nur so viel bestimmen, dass dasselbe in
dem oben genannten Zeiträume der Lenkung des Gesammtherrschers
Sching-tsung von dem grossen Kf-tan (von 983 —1031 n. Chr.)
geprägt wurde. War ein einziges Musterstück.
3.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
von 1004—1007 n. Chr. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger
Handschrift). Zu stellen und in gewöhnlicher Schrift zu lesen
Jp- King-te-yuen-pao, „Ursprüngliches Gut des Zeit
raumes -King-te“. Prägestück jjJ Tschin-tsung’s, dritten Ge
sammtherrschers des Hauses Sung. Derselbe schuf während seiner
fünf und zwanzigjährigen Lenkung fünf Namen von Zeiträumen, von
welchen der hier vorkommende King-te der zweite und, von den
Jahren Kia-schin bis Ting-wi (1004—1007 n. Chr.) reichend,' vier
Jahre umfasst. War ein einziges Musterstück.
4.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1017 —1021 n. Chr. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger
Handschrift). Zu stellen und in gewöhnlicher Weise zu lesen
Ifill Thien-hi-thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeit
raumes Thien-hi“. Prägestück des oben genannten Gesammtherr
schers Tschin-tsung. Der hier vorkommende Zeitraum Thien-hi, der
vierte derjenigen, deren Namen dieser Herrscher geschaffen , reicht
von den Jahren Ting-ki bis Siri-yeu (1017 — 1021 v. Chr.) und
umfasst im Ganzen fünf Jahre. War ein einziges Musterstück.
48
Dr. P f i z m a i e r
s.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1023—1031 n. dir. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger
Handschrift). Zu stellen und in gewöhnlicher Schrift zu lesen
* Thien - sching - yuen-pao, „Verkehrsmittel des
Zeitraumes Thien-sching“. Prägestück 'jZH Jin-tsung's, vierten
Gesammtherrschers des Hauses Sung. Derselbe schuf während
seiner ein und vierzigjährigen Lenkung neun Namen von Zeiträu
men, von welchen der hier vorkommende Thien-sching der erste und,
von den Jahren Kuei-kiai bis Sin-wi (1023 —1031 n. Chr.) reichend,
neun Jahre umfasst. War ein einziges Musterstück.
6.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1049—1053 n. Chr. Die Zeichen in Tschuen-Schrift. Zu stellen
und in gewöhnlicher Schrift zu lesen ^ jpfj' Hoang-yeu-
thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Hoang-yen“. Das Zeichen
Yeu hat in Tschuen-Schrift die Grundzüge Yeu. Präge
stück des oben genannten Gesammtherrschers Jin-tsung. Der hier
vorkommende Zeitraum Hoang-yeu, der siebente derjenigen, deren
Namen dieser Herrscher geschaffen, reicht von den Jahren Ki-tscheu
bis Kuei-ki (1049 : —1033 n. Chr.) und umfasst im Ganzen fünf
Jahre. Waren drei Musterstiicke.
7.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1030— 1003 n. Chr. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger
Handschrift). Zu stellen und in gewöhnlicher Schrift zu lesen
Ä Itfifc 1 Kia - yeu-thung-pao (Verkehrsmittel des Zeitrau
mes Kia-yeu). Prägestück des oben zweimal genannten Gesammt
herrschers Jin-tsung. Der hier vorkommende Zeitraum Kia-yeu, der
neunte und letzte derjenigen, deren Namen dieser Herrscher ge
schaffen, reicht von dem Jahre Ping-schin (1036 n. Chr.) bis
Kuei-mao (1063 n. Chr.) und umfasst im Ganzen acht Jahre.
Waren zwei Musterstücke.
Bericht über einige chinesische und japanische Münzen.
49
8.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1068 —1077 n. Chr. Die Zeichen in Hang-schu (flüchtiger
Handschrift). Zu stellen und in gewöhnlicher Schrift zu lesen
^flf EE. Hi-ning-yuen-pao, „Ursprüngliches Gut des Zeit
raumes Hi-ning.“ Prägestück jjjtjj Schin-tsung’s, sechsten Ge-
sammtherrschers des Hauses Sung. Derselbe schuf während seiner
achtzehnjährigen Lenkung zwei Namen von Zeiträumen, von wel
chen der hier vorkommende Hi-ning der erste und, von den Jahren
Meu-schin (1068 n. Chr.) bis Ting-ki (1077 n. Chr,) reichend,
zehn Jahre umfasst. Waren zwei Musterstücke.
9.
Prägestück aus demselben Zeiträume wie das obige. Die Zeichen
in Tschuen-Schrift. Wie das obige zu stellen und zu lesen. Waren
sechs Musterstücke.
10.
1 Prägestück aus demselben Zeiträume wie die zwei obigen. Die
Zeichen in Tschuen-Schrift mit etwas veränderten Zügen. Gleich
den zwei obigen zu stellen und zu lesen. War ein einziges Muster
stück.
11.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1078—1086 n. Chr. Die Zeichen in Tschuen-Schrift. Zu stellen
und in gewöhnlicher Schrift zu lesen =||p Yuen-fung-
thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Yuen-fung“. Prägestück
des obengenannten Gesammtherrschers Schin-tsung. Der hier vor
kommende Zeitraum Yuen-fung, der zweite und letzte derjenigen,
deren Namen dieser Herrscher geschaffen, reicht von dem Jahre
Meu-wu (1078 n. Chr.) bis Yi-tscheu (108S n. Chr.) und umfasst
im Ganzen acht Jahre. Waren zwei Musterstücke.
12.
Prägestück aus demselben Zeiträume wie das obige. Die Zeichen
in Tsao-Schrift. Wie das obige zu stellen und zu lesen. Waren drei
Musterstücke.
Sitz.b. d. Phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. I. Hft.
4
so
Dr. P f i z in a i e r
13.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1086—1093 n. Chr. Die Zeichen in Tsao-Schrift. Zu stellen und
in gewöhnlicher Schrift zu lesen MjfcTE Yuen-yeu-thung-
pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Yuen-yeu. Prägestüek irfr
Schi-tsung’s, siebenten Gesammtherrschers des Hauses Sung. Der
selbe sehuf während seiner fünfzehnjährigen Lenkung drei Namen
von Zeiträumen, von welchen der hier vorkommende Yuen-yeu der
erste und, von dem Jahre Ping-yin (1086 n. Chr.) bis Kuei-yeu
(1093 n. Chr.) reichend, acht Jahre umfasst. Waren drei Muster
stücke.
14.
Prägestück aus demselben Zeiträume wie das obige. Die Zei
chen in Tschuen-Schrift. Wie das obige zu stellen und zu lesen.
Waren zwei Musterstücke.
13.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1094—1097 n. Chr. Die Zeichen in Tschuen-Schrift. Zu stellen
und in gewöhnlicher Schrift zu lesen Schao-
sching-yuen-pao, „Ursprüngliches Gut des Zeitraumes Sehao-
sching“. Prägestück des oben genannten Gesammtherrschers Sclii-
tsung. Der hier vorkommende Zeitraum Schao-sching, der zweite
dei^enigen, deren Namen dieser Herrscher geschaffen, reicht von
den Jahren Kiä-meu (1094 n. Chr.) bis Ting-tscheu'(1097 n. Chr.)
und umfasst vier Jahre. Waren zwei Musterstücke.
16.
Prägestück aus demselben Zeiträume wie das obige. Die Zei
chen in Tsao-Schrift. Wie das obige zu stellen und zu lesen. War
ein einziges Musterstück.
17.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1111—1117 n. Chr. Die Zeichen in Li-Schrift. Zu stellen und in
gewöhnlicher Schrift zu lesen Tsching-ho-thung-
pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Tsching-ho.“ Prägestück
Bericht über einige chinesische und japanische Münzen.
Sl
Hoei-tsung’s, achten Gesammtherrschers des Hauses Sung.
Derselbe schuf während seiner fünf und zwanzigjährigen Lenkung
sechs Namen von Zeiträumen, von welchen der hier vorkoimnende
Tsching-ho der vierte und, von dem Jahre Sin-mao (1111 n. Chr.)
bis Ting-yeu (1117 n. Chr.) reichend, sieben Jahre umfasst. War
ein einziges Musterstück.
18.
Prägestück des Herrscherhauses Sung aus dem Zeiträume
1119—1125 n. Chr. Die Zeichen in Li-Schrift. Zu stellen und in
gewöhnlicher Schrift zu lesen -V|? M ffl ül Siuen-ho-thung-
pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Siuen-ho“. Prägestück des
oben genannten Gesammtherrschers Hoei-tsung. Der hier vorkom
mende Zeitraum Siuen-ho, der sechste und letzte derjenigen, deren
Namen dieser Herrscher geschaffen, reicht von den Jahren Ki-kiai
(1119 n. Chr.) bis Yi-ki (1125 n. Chr.) und umfasst sieben Jahre.
War ein einziges Musterstück.
Was den Geldwerth dieser Stücke betrifft, so sind es freilich
solche], welche mit dem Namen Tsien belegt werden und im
Gewichte ungefähr einem Lotli Kupfer entsprechen.
B. Bericht über die eingesandten vier chinesischen und drei japa
nischen Münzen.
Unter den eingesandten chinesischen Münzen, welche im Gan
zen nichts besonders Merkwürdiges darbieten, befinden sich drei
echt chinesische und eine fremdländische, wahrscheinlich anamitischen
Ursprungs.
Das älteste Stück stammt aus dem Zeiträume 'J-^ j|§J Schün-
tschi, welcher sämmtliche Lenkungsjahre des ersten Gesammtherr
schers des Ta-lhsing- (Mandschu-) Hauses (von 1G44 ■—- 1661 nach
Chr.) umfasst. Die Aufschrift ist zu lesen 5^* ][)) j|||) Schün-
tschi-thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Schün-tschi“. Zu
► bemerken ist hier, dass die Gesammtherrscher des Mandschuhauses
für sämmtliche Jahre ihrer gewöhnlich sehr langen Lenkung nur den
Namen eines einzigen Zeitraumes schufen, was die Ursache ist, dass
4"
Dr. P f i l m a i e r
52
bei uns der Name des Zeitraumes für denjenigen des Gesammtherr-
schers gehalten wird. Aber auch in China bedient man sich keines
andern als des ersteren, da der Name des Ahnenheiligthums der
Geschichte angehört, der eigentliche Name des Gesammtherrschers
aber, ohnedies wenig bekannt, nicht genannt werden darf. Der hier
erwähnte Gründer des Mandschu-Herrscherhauses führt in dem
Ahnenheiligthum den Namen ^rfp H JTlä ife Schi-tsu-
tschang-hoang-ti, „der Ahnherr des Zeitalters, der schimmernde
Gesammtherrscher“.
Das zweite Prägestück trägt die Aufschrift ßEI,
Khang-hi-thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Khang-hi“. Der
hier genannte Zeitraum Khang-hi umfasst die einundsechzigLenkungs-
jahre des zweiten Gesammtherrschers des Mandschuhauses (von
1662 — 1722 n. Chr.).
t
Das dritte Prägestück zeigt die Aufschrift ^||?
Kien-lung-thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Kien-lung“.
Der hier genannte Zeitraum Kien-lung umfasst die einundfünfzig
Lenkungsjahre des vierten Gesammtherrschers des Mandschuhauses
(von 1735 — 1795 nach Chr.).
Diese drei Prägestücke sind ebenfalls solche, welche mit dem
Namen Tsien belegt werden und deren Werth ungefähr einem Loth
Kupfer entspricht. Das zu denselben verwendete Erz hat übrigens
viele Ähnlichkeit mit unserem Messing.
Das vierte Prägestück, bedeutend leichter als die obigen und
aus einem dem Zinne ähnlichen Erz verfertigt, trägt die Aufschrift
Ming-ming-thung-pao, „Verkehrsmittel des Zeit-
»jfi
'PP
raumes Ming-ming“. Da der hier genannte Zeitraum Ming-ming in
der chinesischen Geschichte nicht vorkommt, so ist dieses Prägestück
als ein fremdländisches, wahrscheinlich anamitisches, zu betrachten,
was auch dadurch bestätigt wird, dass, wie ich mich erinnere, das
k. k. Münz- und Antiken- Cabinet mehrere ähnliche Stücke mit der
Aufschrift Ming-ming aufbewahrt. Welchen Jahren unserer Zeitrech
nung der fremdländische Zeitraum Ming-ming entspricht, bin ich
nicht im Stande anzugeben.
Unter den japanischen Geldstücken befindet sich vorerst ein
kupfernes von beträchtlicher Grösse und beinahe eirunder Gestalt.
Bericht über einige chinesische und japanische Münzen.
»
53
Die Inschrift auf der einen hier abgebildeten Seite (siehe Fig. 19)
ist zu lesen Ten-fö-tsü-fö, „Verkehrsmittel des Zeitraumes Ten-fö“.
Was den hier genannten Zeitraum /0jk Ten-fö betrifft, so kann
ich von ihm nichts anderes sagen, als dass er ein ganz neuer, möglicher
Weise selbst noch die Gegenwart umfassender ist. Die japanischen
Gesammtherrscher (d. i. die Mikado’s zu Miyako, nicht die Siö-gun’s
„Feldherren“ zu Ye-do) verändern nämlich, wie dies ehemals in
China geschehen, noch jetzt von Zeit zu Zeit den Namen ihrer Len
kung, wodurch Zeiträume von verschiedener (dem jüngst Vorgekom
menen zufolge von einjähriger bis vierzehnjähriger) Dauer entstehen.
Der letzte aus der Geschichte bekannte Zeitraum ist )J^r Bun-sei.
Derselbe begann im Jahre 1818 n. Chr. und währte, wie aus den in
einigen Büchern enthaltenen Zeitangaben erhellt, noch im Jahre 1822
n. Chr. Die einzelnen unserer Zeitrechnung entsprechenden Jahre
lassen sich übrigens nur dann bestimmen, wenn entweder das Reihen-
jahr des Zeitraumes oder das Jahr des sechzigtheiligen Kreises zu
gleich angegeben ist. Nach dem letztgenannten Zeiträume ist mir
nur noch ein einzigesmal der Name eines neuen Zeitraumes, nämlich
7k
Ka-yö vorgekommen.
Da demselben zugleich
it-bö als das Jahr des sechzigtheiligen Kreises beigesetzt war, so
folgt hieraus, dass nach diesem Zeiträume in dem Jahre 1855 n. Chr.,
dem die vermerkte Zahl des sechzigtheiligen Kreises entspricht,
gerechnet wurde. Ob der Zeitraum Ten-fö älter oder jünger als Ka-yö,
kann, da die Angabe des Jahres auf dem Prägestücke vermisst wird,
nicht bestimmt werden.
Die andere Seite des Prägestückes (siehe Fig. 20) zeigt an dem
unteren Rande einen mir ganz unbekannten Schriftzug, der keiner
der sonst üblichen Sehriflgatlungen angehört und in Japan eigens
für Prägungen gewisser Geldstücke erfunden zu sein scheint. Mir
dünkt es am wahrscheinlichsten, dass derselbe das Zeichen
rin, welches in Japan mit der hier angegebenen eigenthümlichen
Aussprache, für Zählungen von Gewichtstheilen gebraucht wird. In
diesem Falle wäre die Inschrift zu lesen Tö-fiaku-rin
»Werth hundert Rin“. Ein Rin „Casch“ ist so viel als zehn <=g> Mo
„Mokki oder Federschweren“. Zehn Mo bilden einen 2^- Bun „Can-
54
Dr. P f i z m a i e r
darin“, zehn Bun einen Zen „Mas“. Das vorliegende Stück ent
spräche somit einem Zen „Mas“, wobei zu bemerken, dass dasselbe
dann von Gewicht bedeutend schwerer sein würde, als das gleich
namige chinesische Tsien.
Das zweite Stück besteht aus einer dünnen Silberplatte von
ungefähr dreiviertel Zoll Länge und trägt auf einer Seite in kleinen
Zeichen die Aufschrift:
Diese Zeichen können, je nach der Aussprache des Yomi oder
des Koye, entweder Sirokane-no i-dokoro-ni tsune-ni koko-wa oder
Gin-za-ziö-ze gelesen werden und geben den Sinn: „An dem Sitze
des Silbers beständig dieses“. Über diesen Zeichen findet sich, kaum
sichtbar und vertieft aufgedrückt, das Zeichen ^ dziö (auch sa-
dame ausgesprochen), dessen Sinn „berichtigt“ oder „bestimmt“.
Die andere Seite trägt die Aufschrift:
m
Issiü-gin, nach einer veränderten Aussprache Sirokane-no issiü
„ein Siu Silber“. Ein Siu beträgt zwei Mas fünf Candarin und
mag dem Werthe von ungefähr zehn Kreuzern C. M. entsprechen.
Das Stück scheint eines derjenigen zu sein, welche von den Japanern
mit dem Namen Ita-gane „Bretsilber“ belegt werden.
Das dritte japanische Stück ist ein Klumpen Silber etwa von
der Grösse eines Taubeneies, jedoch so flach, dass es beinahe das Aus
sehen einer kleinen Scheibe oder eines stark abgewaschenen rund
lichen Kieselsteines hat. Auf der einen erhabenen Seite findet sich ein
undeutliches Zeichen, das aber kaum ein Schriftzeichen ist, höchstens
mit einem in einen kleinen Ring eingeschlossenen i 1 Sen „tausend“
Ähnlichkeit hat, auf der andern zumTheile vertieften Seite finden sich
Pfizin.ara*. Bericht uuer ehiige "von U-'•Ncheraer eiu.gesaud.te cliiii.u:.jap.Münzeit.
zo
2 t.
fr* »irCTj
mm
Sit&uns.sb (I .k.iVkacL.d AV nhrlos. liistor.v \a\ D.du .l.H.elt.1861
Bericht über einige chinesische und japanische Münzen.
55
auf der Spitze einer Erhabenheit Sparen einer Schrift, indem daselbst
das Zeichen Fd beinahe vollständig abgedrückt ist. Das letztere
Zeichen erinnert an den Namen des früher (S. 53) erwähnten Zeit
raumes Ten-fo. Dieses Stück ist kein eigentliches Prägestück
(Münze), sondern gezeichnetes Silber und gehört zu der Abtheilung
derjenigen Werthstücke, welche von den Japanern Ko-dama „kleine
Kugeln“ genannt werden und deren Werth ungefähr vierzig Kreuzer
C. M. beträgt.
56 J. Feifalik, Studien zur Geschichte der altböhm. Literatur. VH.
SITZUNG VOM 24. APRIL 1861.
Vor gelegt:
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur.
Von Julias Feifalik.
VII.
iber die Bruchstücke einer altceckischen Kaiserchronik und über die
Benützung der Legenda aurea in der altcechischcn Dichtung.
Es haben sich zwei Bruchstücke eines alteechischen Gedichtes
aus dem dreizehnten Jahrhunderte erhalten, welche unter dem Namen
der 'Legende von den zwölf Aposteln’ bekannt sind und
unter die ältesten übrig gebliebenen Denkmäler der alteechischen
Literatur gehören. Das erste Bruchstück (ich bezeichne es mit Ä)
ward von Fortunat Dur ich auf der k. k. Hofbibliothek zu Wien
entdeckt und ist nach einer, wie Dobrovsky versichert, sehr ge
nauen Abschrift des Entdeckers in J. Dobrovsky’s Geschichte der
böhmischen Sprache und Literatur, Prag 1818, S. 103 — 108 mit
philologischen Bemerkungen dieses letzteren, dann mit vereinfachter
Orthographie in W. Hanka’s Starobylä Sklädanie 3, 251—255 und
im Vyborz literatury ceske 1, 1143, 17 — 1146, 30 abgedruckt.
Das Bruchstück enthält 76 durch Lücken unterbrochene f ) Verse,
je 19 auf jeder der vier Spalten des Pergamentblattes, welches
'gewiss’ der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts angehört haben
1 ) Es muss das Pergamentblättchen nämlich oben oder unten ziemlich bedeutend
beschnitten gewesen sein.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
57
soll; Dobrovsky’s Abdruck muss jetzt das seither bekanntlich
verschollene Original ersetzen. Das zweite Fragment, gleichfalls ein
Pergamentblatt in Klein-Folio oder länglichem Quart aus dem Ende
desselben Jahrhunderts, welches ichl? nennen will, hat P. J. Safari'k
im Casopis ceskeho museum 1847, I, S. 295 — 303 mit lehrreichen
Anmerkungen zuerst veröffentlicht, wornach es auch in Fr. Miklo-
sich Chrestomathia palaeoslovenica, Editio 2, Vindobon ae 1861
S. 90 — 96 und in neuerer Schreibung im Vyb. 2, 1, 1—6, 21
mitgetheilt ist. B umfasst 136 zusammenhängende Verszeilen, immer
39 auf jeder Columne; die Orthographie stimmt in auffallendster
Weise mit der in A vorkommenden, und auch der Inhalt so wie die
Gemeinsamkeit der Quelle, auf welche ich sogleich näher zurück
kommen werde, lassen an der Zusammengehörigkeit beider Bruch
stücke A und B nicht zweifeln.
Die bisher übliche Bezeichnung als Legende von den zwölf
Aposteln ist aller Wahrscheinlichkeit nach unrichtig und dadurch
entstanden, dass in den erhaltenen Resten des Gedichtes allerdings
zum grössten Theiie von den verschiedenen Todesarten der Zwölf
boten mit kurzen Bemerkungen über ihr Wirken und ihre Wande
rungen berichtet wird; es geschieht dies aber in so kurz gefasster
Weise und so beiläufig nur, dass in den wenig umfangreichen
Bruchstücken, welche wir besitzen, doch schon vier Apostelleben
vollständig und zwei andere der Hauptsache nach abgethan sind, und
die ganze Dichtung somit im besten Falle noch einmal so viel, also
im Ganzen etwa nur 350 —400 Verse hätte umfassen können. Um
so auffallender dieser zusammengedrängten Kürze gegenüber ist der
Umstand, dass gleich im Eingänge von A eine so beträchtliche
Anzahl von Verszeilen, ja der bei weitem grösste Tlieil dieses
Bruchstückes selbst, dem Leben des römischen Kaisers Nero
gewidmet ist, und zwar wird das Leben dieses Kaisers nicht, wie
dies in Legenden gewöhnlich der Fall ist, in Verbindung mit
der Martergeschiehte Petri gebracht, welche erst in dem Fragmente
B, Vybor 2, 6, 7—21 behandelt ist, sondern ganz selbst
ständig ausgeführt, und man kann sich daher diese so unverhält-
nissmässig weit ausgesponnene Erzählung schlechterdings nicht im
Zusammenhänge mit der einschränkenden Weise des übrigen
Gedichtes denken, wenn dessen Hauptgegenstand das Leben der
Apostel gewesen wäre.
58
Julius Feifalik
Das Bruchstück A beginnt nämlich damit, dass der Dichter
erklärt, er müsse nun, obwohl ungerne, auch von der Bosheit des
schlimmen Kaisers Nero sprechen; er erzählt von dessen Mutter
morde, den jener vollbringt, um zu sehen, wie er im Leibe seiner
Mutter Platz gefunden hätte; dann von dem Einfalle des Kaisers,
schwanger werden zu wollen, wie er desshalb die Ärzte bedroht
und wie diese ihn heimlich eine Kröte verschlucken lassen, wie
Nero dann von der Kröte entbunden wird und über deren scheuss-
Iiches Aussehen entsetzt fragt, ob er wohl auch bei seiner Geburt
einen ähnlichen Anblick gewährt habe, und wie er weiter die Kröte
pflegen lässt; endlich nach einer Lücke, wo ohne Zweifel von den
ferneren Gräuelthaten des Kaisers und von seinem Tode berichtet
ward, wird, erzählt, wie die Römer in dem Palaste die verborgene
Kröte entdecken, wornach jener Palast den Namen Lateran erhält,
was dem Dichter Gelegenheit gibt, eine ähnliche Etymologie des
Namens Seneca mitzutheilen. Daran schliesst sich nach einer dies
mal unerklärlichen Lücke die nicht vollständige Erzählung von dem
Apostel Jaeobus dem Älteren. Das Bruchstück B enthält die Lebens
beschreibungen der Aposlel Johannes, Mathias, Marcus, Philippus
und Petrus, die des Letzteren wieder nur unvollständig und alle,
wie schon bemerkt ward, mehr oder minder kurz im Vergleiche zu
der sorgfältig ausgeführten, durch Wechselreden dramatisch beleb
ten Geschichte vom Kaiser Nero.
Man wird sich dieses scheinbare Missverhältniss leicht erklären,
wenn man annimmt, dass der Vorwurf des Gedichtes, dessen Über
reste uns beschäftigen, nicht das Leben der Apostel, sondern das
der römischen Kaiser war, dass wir es mit anderen Worten hier mit
den Bruchstücken einer altcechischen Kaiserchronik zu thun haben;
eine Vermuthung, welcher der scharfsinnige W. Nebesky (Casopis
cesk. mus. 1847, I, S. 20. 22) schon sehr nahe war zu einer Zeit,
als nur erst das Fragment A bekannt war. Bestätigt wird diese
Annahme durch den erwähnten Eingang vonÄ, welcher voraussetzen
lässt, dass andere Kaiserleben vorausgegangen sind, so wie durch
die oben erläuterten Verhältnisse. Zu der Einschaltung der kurzen
Nachrichten von den Aposteln gerade bei der Geschichte Nero's mag
den Dichter wohl der Umstand veranlasst haben, dass er eben hier
von der ersten Christenverfolgung und von der Marter des h. Petrus
zu berichten hatte.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
59
Die Quelle, aus welcher unser Dichter schöpfte und sein Werk
fast mosaikartig zusammen setzte, lässt sich gerade bei diesem
Gedichte mit ausserordentlicher Sicherheit bestimmen. Sie ist näm
lich keine andere als die goldene Legende des Jacobus a
Voragine, jenes Buch, welches in allen abendländischen Litera
turen so befruchtend wirkte, und aus welchem auch eine Reihe alt-
cechischer Dichtungen floss.
Ich beginne den Nachweis mit der Geschichte Nero’s, welche
in dem cechischen Gedichte lautet (Vyb. 1, 1143, 17—1146, 9):
neniz vernych srdec zizni:
pronez mi nelze uteci,
i musiu ac nerad rieci
o toho ci'safe zlobe,
jemuz ne steklo po kobe.
neb coz v svete liute zveri,
tej se ta zlob neprimieri,
juz jest on jmel, z’neliutoval,
eilte vzvedeti, kak se vzehoval,
kdyz lezal materi v briuse;
az jako reci neslusie,
ze ju kazal rozrezati,
a chte na to sam hledati
.... zapovedne loze,
o nemz az feci neiriöze,
kdyz kto vezme nesmysl taky,
jenzto ani mezi ptaky,
ani je pri blüpem zveriu
byva, ac säm sobe vefiu ;
vece' ale tdy chciu torau,
by nepraviece nikomu,
tak ac chc’te by zivi byli,
by mi lekafstva dobyli,
jimz bych mobl diete jmieti;
neb chciu vzdy tu strast vzvedeti,
juzto ina jest mati jmela
na porode, gdyz me jmela
i chciu projfti tu cestu.
Na to, coz jezde po mestu,
slysal sein zenu placüce,
dietetein usilujüce;
tohoz se nikakz nezbaviu,
hyeh nezvedel, co vem praviu:
60
Julius F e i f a 1ik
■
ktere zena jmd usile
pri nepokoju te chvi'le.'
Lekari dosti mluvivse
proti tomu, vsakz nezbyvse
musichu j’mu näpoj ddti,
V tom mieste oni lekari,
tu zdbu jakz v se byl vchvdtil,
dachu j’mu, by ju vyvrdtil.
Inhedz onu zdbu vzdulü,
az zlo reci, zle oplulü,
vida, velini se uziese,
fka 'möj tak mi zly necese!
tolik sem byl liudem hrozen
tdy gdyzto jsem byl porozen?’
Tehdy mistri se sezrevse,
dachu j’ rau ree, jak umevse,
rkuc 'rusils tiem jeho krdsu,
z’ si nedozdal sveho easu.’
V tomz i v jinera blddiv slepe
zly kral, kaza diete v sklepe
lekarom tajne zazdiece
cstne cbovati a krmiece.
Co rku pak o jinej zlobe?
muze za zenu vzem sobe,
Diesen Versen nun entspricht in der goldenen Legende folgende
Stelle der Legende vom h. Petrus 2 ), in welcher ich dasjenige was
in die Lücken des cechischen Textes fällt, durch eckige Klammern
einschliesse (Jacobi a Voragine Legenda Aurea vulgo historia Lom-
bardica dicta. Ad optimorum librorum fidem recensuitDr.Th. Graesse.
Dresdae et Lipsiae 1846, pag. 376—377): Rursus autem Nero
nefarin mentis vesania ductus, ut in eadem hystoria apocrypha
reperitur, matrem occidi et scindi inssit, ut videret, qualiter in
eins utero fovebatur, [pliysici vero eum de matris perditione ar-
guentes dicebant: iura negant et fas prohibet, ut filius matrem
necet, quae ipsum cum dolore peperit et cum tanto labore et solli-
citudine enutrivit.] Quibus Nero: faciatis me puero impraegnari
et postea purere, ut, quantus dolor matri meae fuerit, possim
2 ) Eine altböhmische Prosaiibersetzung des Lebens des h. Petrus nach der Legenda
aurea ist aus dem Passional abgedruckt im Vyb. 203, 18—282, 2.
Studien zur Geschichte der althöhmischen Literatur VII.
61
scire. Hane insuper voluntatem pariendi conceperat eo, quod per
urbem transiens quandam mulierem parientem vociferantem audi-
verat. Dicunt ei: nun est possibile quod naturae contrarium est,
nee est faede quod rationi non est consentaneum. Di.vit ergo iis
Nero: nisi me feceritis impraegnari et purere, omnes vos faciam
crudeli morte interire. Tune illi eum impotionuntes [ranam sibi
occulte ad bibendum dederunt, et eam artificio suo in eius ventre
excrescere fecerunt et subito venter eius naturae contraria non
sustinens intumuit, ita nt Nero se puero gravidum aestimaret, fa-
ciebantque sibi servare diaetam, qualem nutriendae ranae noce-
rant convenire dicentes, quod propter conceptum talia eum obser-
vare opporteret. Tandem nimio dolore vexatus medicis ait: acce-
lerate tempuspartus, quia languore pariendi vix anhelitum habeo
respirandi.] Tuncipsum ad vomitum impotionaverunt et ranam visu
terribilem, humoribus infectam et sanguine edidit cruentatam,re-
spiciensque Nero partum suum ipse abhorruit et mirabatur adeo
monstruosum, dixerunt autem, quod tarn difformem fetum pro-
tulerit ex eo, quod tempus partus noluerit exspectare. Et ait;
fuine talis de matris egressus latibulis? Et illi: etiam. Praeeepit
ergo, ut fetus suus aleretur et testudini lapidum servandus in-
cluderetur. Hiernach erzählt die Legende allerhand andere unliebens-
wiirdige Gräuelthaten und den Tod Nero’s, wie denn gleiches auch
in dem böhmischen Gedichte nach obigen Schlussworten gestanden
haben muss; nach des Kaisers Tode finden die Römer das einge
schlossene Unthier (p. 377) : Redeuntes Romani ranam in testudine
latitantem invenerunt et ipsam extra civitatem proiieientes com-
busserunt, unde et pars illa civitatis, ut aliqui dicunt, ubi latuera
rana Lateranensis (additur: a latente rana) nomen accepit; dafür hat
das böhmische Gedicht nachstehende Zeilen (Vyb. 1, 1146,11 —16) :
nedavse ji jinak steci
käzachu i s mm uzeci;
pronez to miesto z Latrana
slove i dnes: Latens rana,
i slove tüze pri'cinü
'Tajna zäba’ po latinu;
und auch die zwei unmittelbar folgenden Verse(Vyb. 1,1146:) 18,71:
Take ze i mistr Seneka
vyklädä se: säm se seka,
62
Julius Feifalik
sind der Legenda aurea (p. 376) entlehnt: .... et sic quo-
(lam prnesagio Seneca nomen habnit quasi se necans, quin quo-
dammodo licet coactus manu propria se necavit.
Nicht minder führen sämmtliche Apostellehen auf die goldene
Legende als auf ihre Quelle zurück. Die Verse womit die Geschichte
des h. Jacobus des Älteren eingeleitet wird (Vyb. 1, 1146, 20—30):
vlicsl svaty Jakub slove
einem trojie cti liotove,
juz jemu pismo vydäva;
podle techtu Irl cti prava
jlmz jinych jest vect mnohem:
prve, z’ drieve pozvän bohem
mezi vsemi ucenm'ky,
pronezto slove veliky;
druhe z’ mu böh byl domovit,
i byl tiem vsdy vieee movit,
z ti j’bo vsdy s sobd pozyval,
sind Übersetzung folgender Stelle (p. 422): Dicitur Jacobus
maior, sicut alter minor. Primo ratione vocationis, quonium primo
vocatus est a Christo. Secundo ratione familiaritatis, quoniam
maiorem familiäritatem videtur Christus habuisse cum illo quam
cum isto, sicut patet, quia ipsum ad secreta sua admittebat [sicut
fuit ad puellae resuscitationem et ad gloriosam transfigurationem.
Tertio ratione passionis, quia primus inter caeteros apostolos
passus est.J
Mit dem Leben des Evangelisten Johannes beginnt, wie gesagt,
das Bruchstück B und die Eingangszeilen (Vyb. 2, 1, 1—8) :
(swaty Jan)
potom pak, pfised do Asje,
jat byl pfeliutym pohanem
ciesafem Domicianem.
Tet j’ho eilte muciti, vsadi
v olej vriict v plnej kadi.
Gdyz osta bez vsie bolesti,
bcz pfiehany j’mu vylezti,
linden sich in der Legenda aurea S. 56 wieder: Johannes apo-
stolus et evangelista dilectus a domino et virgo electus post pen-
thecosten divisis apostolis in Asiam estprofectus, ubi ecclesias
midtas fundavit. Domitianus igitur imperator eins intelligens
famam accersitum eum in dolium ferventis olei ante portam
&
a
\
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
63
latinam mitti iussit, ille antem inde exiit illaesus, sicut a corrup-
tione carnis exstilernt illaesus. Der Rest des jenem Apostel gewid
meten Abschnittes (Yyb. 2, 1, 9 — 3, 4) hinwieder:
Ten byv ziv devet let ke stu,
hohem dany zivot z(nesl) tu,
gdez jedne chvile n’oehabil
pise, az j’ho böh povabil,
rka 'vez z’ budes vzat v nedeliu
v to bydlo, v nemz se nedeliu
od tve bralfie i od tebe,
chte te jmieti podle sebe
v tej rozkosi obecanej,
tobe i vsem sboznym danej.’
V tomz pak, uslysav hlas bozi.
na modlitve se polozi,
k smrti hotor jsa dospele.
By den te svate nedele,
gdyz juz s svymi ucenniky,
rozmluviv jich stav vseliky,
posledniii radu je dare,
rozkäza podle oltare
svemu rovu döl vytieti,
pocein sam svatü msiu pieti.
Dokoncav pak tu msiu o vsem,
vsie sve mluvy slove po vsem,
gdyzto juze v ten döl stupi,
takäj j’ho svetlost ostüpi,
jakoze pri blsketu takem
nelze by tarn hnüli zrakem
po vsem kostelu v Efeze;
takz mnieee, by tu byl leze.
Gdyz pak ona svetlost minu,
liud se oj j’ho rove svinu:
nali nenie eo zahi-esti,
kromez v rove by nalezti
mannu na dne po vsem rove,
jakzto koli gdyzto v nove
piesek z studne, gdyzto byva,
ze se s vodu smiesiv vzplyva,
entspricht folgender Stelle in dem Werke des Jacobus a Voragine
(p. 61 sq.): Cum igitur esset nonaginta octo annorum et a pas-
sione domini, secundum Ysidorum, anno sexagesimo septimo, ap-
paruit ei dominus cum discipulis suis dicens: veni dilecte mi ad
64
Julius Feifalik
me, quia tempus est, ut in mensa mea cum. tuis fratribus epuleris.
Surgens antem Johannes coepit ire. Cui dominus: dominica die ad
me venies. Veniente igitur dominica universus populus convenit in
ecclesiam, quae fuit ipsias nomine fabricata. Qui a primo pullo-
rum cantu praedicavit iisdem, hortans eos, ut in fide essent stabi
les et in mandatis dei ferventes essent. Post lioc foveam quadratam
iuxta altare fecit fieri et terram extra ecclesiam iactari descen-
densque in foveam expansis ad deum manibus dixit: invitatus ad
convivium tuum, domine Jesu Christo, ecce venio gratias agens,
quia dignatus es me ad tuas epulas invitare, sciens, quod ex toto
corde meo desideravi te. Cumque orationem finiisset, tanta lux
super eum emicuit, quod nullus eum respicere potuit. Recedente
autem lumine manna foveu plena invenitur, quod in loco illo usque
hodie generatur, ita ut in fundo foveae instar minutae arenue
scaturire videatur sicut in fontibus fieri consuevit.
Das Leben des heil. Mathias beginnt mit der Bemerkung, dass
dieser Apostel an Judas’ Stelle erwählt worden sei (Vyb. 2, 3, 5. 6) :
Mathias aposto] svaty,
losem (v) Judy miesto vzaly,
genau so, wie das lateinische Original (p. 183): Mathias apostolus
m locum Judue substitutus est. Die Legenda aurea nimmt aber hie
von Anlass, die ganze Judaslegende einzuschalten, während sich der
böhmische Dichter, seinem Verfahren im übrigen Theile des Ge
dichtes gemäss, mit einigen kurzen Andeutungen begnügt (Vyb. 2, 3,
1 —32) : Judy, rku, jenz na svu skodu
zradil boha, svü liospodu.
Ten, jenz, gdyz visal v osidle
pfevelike nevery die
nemoha droböv sdrzeti,
musil se v poly rozdrieti,
aby zlych ust cest v tom sehoval,
jimiz byl boha celoval,
by tech as tak neposkvrnil;
nebo byl i to provinil,
by j'ho duse nesla tady,
jadyz slovem zle prorady
v celoväniu dal znamenie
hfiesnej dusi na ztraeenie:
pro nezto sve droby prolil,
ze, v nichz sve zrade povolil,
tej eins zrade, juzto skutil,
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
65
s angely vüecken svet smutil:
protoz pfi nich se nesmestil,
ale k nimzto se pricestil,
pfi techz skoncal j est v tom bydle,
gdezto zli duchove bydle.
V tohoz miesto apostola
Mathias jest dosahl stola,
na nemz po velikem trude
sede, liudske viny süde;
man sieht also, dass der Dichter hier sich mehr in allgemeinen Be
trachtungen ergeht und ein kurzes Resume der Geschichte des Judas
gibt, wie sie in den Evangelien erzählt wird, dabei aber von Legen
denhaftem ganz absieht. Hingegen sind die Verse, welche darnach
folgen (Vyb. 2, 3, 33—34, 17):
Ten Mathias mnohe zdraviv,
mnohe liudi hfiechöv zbaviv,
posadil je v boziem Ione;
brat se pak do Maeedonie,
gdez j’mu pitie däno bylo,
jimzto mnoho liudi zbylo,
napivse se, sveho zraku
pro nestovicmi povlaku:
toz j’mu take dano piti,
chtiecej j’ho jim oslepiti:
vsakz je pil, netbaje o nem,
i dal opet vsem zrak onem.
Potom tri dni j’ho hledavse,
tu, gdez pfi nieh byval za vse,
nalezti j’ho nemohüee,
az pak sam dal se jim v ruce:
tuz inhed byl ot nich svazan
a v zelaf vsaditi kazän.
Tehdy ty, jiz naii nastali,
tu, gdez pred zeldfem stdli,
zeme, üsta svd rozdfevsi,
pochytla je, vse pozfevsi,
abermals aus der goldenen Legende entlehnt (p. 188): In qnadam
vero alia legenda legitur, qnod, dum Mathias in Macedoniam ad-
venisset et fidem Christi praedicaret, quandam potionem toxicatum,
quae visu cunctos privabat, sibi dedenmt, quam in Christi nomine
bibit et nullam laesionem incurrit, et cum illa potione plus quam
ccl excaecassent, ille singulis manum imponens omnes illuminavit.
Dyabolus autem in similitudinem infantis iis apparens suasit, ut
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVIt. Bd. I. Hft. S
66
Julius Feifalik
Mathiam occiderent, qui eorum cultum evacuaret, et cum ipse in
medio eorum consisteret, tribus tarnen diebus eum quaerentes mi
nime inoenerunt. Tertia antem die se iis manifestans dixit: ego
sum; quem manibus post tergum ligatis et fune collo imposito cru-
deliter afflixerunt et sic in carcere recluserunt. übi daemones
apparentes dentibus in eum fremebant, sed appropinquare non
poterant, dominus autem cum multo lumine ad eum veniens ipsum
de terra levavit et vincula solvens et dulciter confortans ostium
aperuit. Qui egressus verbum domini praedicavit, dum autem qui-
dam obstinati persisterent, dixit iis: denuncio vobis, quod vivi in
infernum descendetis, moxque terra se aperuit et cunctos illos
deglutinacit, reliqui vero ad dominum sunt conversi.
Nicht anders ist das Verhältniss bei dem Leben des heil. Mar
cus, welches sich nun anschliesst. Dem ersten Theile desselben
(Vyb. 2, 4, 18—5, 1):
Svaty Marek casa sveho,
trpel mnoho protivneho,
bydle u Penthanapoli.
Potom prisloj j’mu tu k völi,
z’ chtel do Alexandrie jili.
A gdyz sej j’mu tu da bj'ti,
svü krviü mnoho dus pokdpi,
ze sebravsi se biskupi
toho liuteho pohanstva,
minuvse moe sveho panstva,
vlaceli jeho po mestu,
vsady krviü kvopiece cestu,
a’n obac, coj j’mu toho die
dal dusiu, bohu se modle.
Potom pak, chtevse j’ho szeci,
mohli vekem prec uteci
pro strach velike hnmoty.
pro bufiu hrozne blyskoty,
jiez se byli tako iekli,
jakzkazdy, jamz mohl, utekli;
tuz j’ho pohrebli krestene ;
ntspri eilt genau folgender Absatz in dem Werke des Jacobus a
Voragine (p. 266 sq.): et ipse Pentapolim perrexit et cum ibi
dem duobus annis stetisset, Herum Alexandriam rediit, qui et iuxta
mare in rupibus ecclesiam construxerat in loco, qui dicitur Buc-
culi, et fideles ibi multiplicatos invenit. Pontifices autem templo-
Studien zur Geschichte der althöhmisehen Literatur Vir.
67
rum eum comprehendere conabantur; cum autem in solemnitate
paschali beutus Marcus missam celebraret, convenerunt illuc
omnes et fune in collo eius tnisso ipsum per civitatem trahebant
dicentes; trahamus bubalum ad loca bucculi. Carnes autem eius
in terram [hiebunt et sanguine lapides rigabantur. Posthac in
carcere recluditur et ibidem ab angelo confortatur, sed et ipse
dominus Jesus Christus eum visitavit eumque confortavit dicens:
pax tibi, Marce evangeiista meus, noli timere, quia ego tecum
sum, ut eruam te. Mane ergo facto funem iterum collo eius immit-
tunt et huc illucque raptim eum pertraliunt exclamantes: trahite
bubalum ad loca bucculi. Ipse autem dum tralieretur, gratias
agebat dicens: in manus tuas commendo spiritum meum, et hoc
dicens spiritum exhalavit sub Nerone, qui coepit circa annum
domini Ivij. Cum autem pagani eum vellent comburere, subito aer
turbatur, grando exoritur, tonitrua intonant, fulguraque coruscant
ita ut quilibet evadere niteretur, et sanctum corpus intactum reli-
querunt. Christiani vero corpus eius rapuerunt et in ecclesiä cum
omni reverentia sepelierunt. Weit freier behandelt ist der zweite
Theil (Vyb. 2, S, 1 —14).
Potom paky Beriatcene,
telo jeho odtad vzemse
a s vclikd cstiü pfijemse,
doBenatekje prenesli ;
pro nez sü viece prohlesli
jeho kostola drahotd,
a najviece svätost pro tu,
jicz se jim mnoho dostava,
ze, kloz z nich na mori plava,
ac jest gde v kterem necasu,
vzdada prosbu sveho hlasu,
v kterejz koli praci bude,
te jebo pomociu zbude;
wofür das lateinische Original (p. 267) hat: Anno ab incarna-
tione domini cccclxviij tempore Leonis imperatoris Veneti corpus
sancti Marci de Alexandria Venetias transtulerunt, ubi ecclesiä in
lionore sancti Marci mira pulchritudine fabricata est; es schliesst
sich daran im Lateinischen die ausführliche Geschichte von derEnt-
führung des heiligen Leichnams aus Alexandrien durch die Vene
diger, so wie die Erzählung mehrerer Wunder, von welchen das
erste allerdings von Errettung aus Gefahr zur See handelt.
5”
68
Julius Feifalik
Die hiernach folgende sehr kurze Lebensbeschreibung des
Apostels Philippus lautet in dem cechischen Gedichte (Vyb. 2, 5,
IS—6, 6):
Svaty Filip sesteho dne
pfed svü smrtiüj chvi.lc hodne,
csezav sbor zäkovstva sveho,
zvo bylo z biskupstva jeho
v Jerapolim toho mesta,
rekl 'delcie, to jest fec zresta,
i mne boh jesce jest posciedil
sest dm, bych väs stav zpofiedil!
protoz prosiu by v tom stali,
v nemz byste se bohu vzdali;
jazf se ot vas k nemu bliziu.’
Rek to, by rozpat na knziu
v tohoj jmeni, o nemz kazal,
i pronz svöj zivot posäzal.
Von dieser ganzen Erzählung hat die Legenda aurea, in wel
cher das Leben des Apostels Philippus auf S. 292 — 293 steht,
nichts, man wollte denn Gewicht auf die Worte demum in Hiera-
poli, Phrygiae provinciae nrbe , crucifixus lapidatusque obiit
legen wollen. Es muss aber in den verschiedenen Handschriften jenes
Werkes verschiedenartige abweichende Fassungen der Philippus
legende gegeben haben. Wenigstens findet sich in der unter dem
Namen des Passionais bekannten altcechischen Legendensammlung,
welche, wie man weiss, nichts als eine Prosaübersetzung der Legenda
aurea ist 3 ), und zwar in der Ausgabe zu Prag 149S auf Blatt E6 eine
Lebensbeschreibung jenes Apostels, welche von dem bei Graesse
3 ) Diese cechisc he Übersetzung; ist bekanntlich öfter in Handschriften vorhanden, deren
eine zum Theile in’s 13. Jahrhundert gehören soll, während andere aus dem 14. und
lö. Jahrhunderte stammen. Vgl. Jungmann , Ilist. lit. c., 2 vyd., S. 40 b , Nr. II, 145.
Zu Ende des 15. Jahrhunderts erschien sie auch zweimal gedruckt (vgl. Cas. cesk. mus.
1852, III, 111) und der jüngere Druck, Prag 1495 (vgl. über ihn Dobrovsky, Böhm,
und mähr. Literatur auf d. J. 1779, S. 141) ist mir in dem Exemplare der k. k. Hof
bibliothek zu Wien zugänglich. Diese Drucke scheinen nach guten Handschriften
veranstaltet und weichen im Texte nur ganz unbedeutend von den Manuscripten ab,
wie denn auch zwischen den Handschriften selbst auffallende Übereinstimmung
besteht (vgl. Cas. cesk. mus. 1851, 1, 142). Übrigens kommen einzelne Legenden aus
dieser Sammlung auch selbständig in Handschriften vor; so gehört z. B. die
Legende von der h. Elisabeth, welche ich in den Schriften der histo
risch-statistischen Section zu Brünn , ßd. 12, S. 58—59 abdrucken liess, dem Pas-
sional an und steht in der Ausgabe von 1495 auf Blatt M 9.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
69
gedruckten Texte abweicht und in welcher sich nachstehende zu dem
cechischen Gedichte stimmende Stelle findet: . . . do loho mesta
gessto Gerapolis slowe w tee wtasti gizto diegi Äzia przissel. A tu
mnoho kaczierzuow nalezl, s pomocy swate°ducha przemohl y prze-
hadal. Potom swaty pliilip sedm dni przed swym skoncenfm biskupy
a kniezie k sobie prziwotaw knim rzekt: Tiechto sedm dni daJ mi gt
hospodin, abych s wami pomluwit, a was napomena vwiere potwrdil,
a to° casu biesse swaty pliilip bez trzy dewadesat let wstarzy. Potom
pohanee geho gemsse na krzyzi rozpali, A tu pnie y vmrzcl.
Den Schluss endlich des Bruchstückes B macht das Leben des
Apostelfürsten Petrus (Vyb. 2, 6, 7—21):
Svaty Petr po mnoze skutciech
i po nejednakych smutciech,
v nichzlo vzdy by] upiakaje,
na tu chviliu vzpominaje,
v nejzto se byl odfekl boha,
sotne sobü vlästi moha
mdlobd i postem velikym,
i svym näbozenstvem vselikym,
jestoj jmel bozie die läsky
jakz po jeho h'ciu vrasky
plakanim byly tak svadly
i tak suchotü opadly,
jakoz po vsem jeho h'ciu
i plakanim i pak tscicid
byla vse plet jeho zprahla,
Auch hiefür finden wir das Vorbild wieder in der goldenen Legende
(j). 369 sq.) : Fertur quoque, quia in sinn semper sudarium por
tabat, quo crebro fluentes lacrymus tergebat, quia, quando dulcis
allocutionis dci memor erat,prue nimia amoris dulcedine lacrymas
continere non poterat. Quando etiam culpam negationis ad memo-
riam reducebat, ubertim lacrymas emittebat; unde adeo in consue-
tudine liabuit flere, ut eius facies totu adusta lacrymis videretur,
sicut dicit Clemens.
)£s schien mir interessant, vorstehenden in’s Einzelne gehen
den Nachweis der Quelle unseres Gedichtes zu gehen und zu zeigen,
wie sich fast Satz für Satz, Bild für Bild, man könnte beinahe sagen,
Wort für Wort in dem lateinischen Originale wiederfinden, und diese
Ausführlichkeit däuchte mich hier, wo es sich um nur geringfügige
70
Julius Feifalik
Bruchstücke handelt, wohl erlaubt. Mau sieht daraus, wie sehr
abhängig im Ganzen genommen der Dichter von seiner Quelle war,
wenn er sich auch nicht ganz seines Rechtes begab, den Stoff,
welcher ihm vorlag, hie und da freier zu verarbeiten, selbstständiger
zu gestalten und wohl auch durch Zusätze zu erweitern. In noch
höherem Grade käme ihm dieser Vorzug zu Statten, wenn sich dar-
thun Hesse, dass die Zusammenfügung der einzelnen oben nachge
wiesenen Stellen der Legenda aurea zu einem Ganzen sein Werk
sei; es scheint aber in dieser Beziehung die Vermuthung nicht unge
rechtfertigt, dass der unbekannte cechische Dichter diese Zusammen
fügung bereits vorfand und dass er demnach nicht unmittelbar aus
der Legendensammlung des Jacobus a Voragine, sondern aus einer
nach dieser gearbeiteten lateinischen Kaiserchronik schöpfte, welche
ich freilich nicht nachzuweisen vermag. Dass aber seine Vorlage
sicher eine lateinische war, und dass er nicht etwa irgend eine
deutsche Welt- oder Kaiserchronik 4 ) benutzte, ergibt sich, ausser
den inneren Abweichungen von den bekannten deutschen Werken
dieser Art, mit Bestimmtheit aus lateinischen Flexionen, welche sich
in dem böhmischen Gedichte erhalten haben, wie v Jerapolim
Vyb. 2, S, 19, wobei ich die Latens rann Vyb. 1, 1146, 14 nicht
mitzählen will. Welches der Umfang des ganzen Gedichtes war und
was es umfasste, womit es begann und wie weit es die Kaiser
geschichte führte, darüber darf ich bei dem geringen Masse des
erhaltenen nicht einmal eine Vermuthung, so bedingungsweise und
vorsichtig sie auch in jedem Falle auszusprechen wäre, wagen: es
könnte darüber einigen Aufschluss nur die Auffindung neuer umfang
reicherer Fragmente geben.
Es hat jener genaue und eingehende Nachweis der Quelle, aus
welchem hervorgeht, dass unserem Gedichte mittelbar oder unmit
telbar die Legenda aurea, und zwar weil die verschiedensten und
4 ) Ich habe wohl nicht erst nöthig zu sagen, dass sich die Geschichte des Nero sowohl
in der Kaiserchronik, als in Rudolfs Weltchronik findet, in jener Vers 4124—4174
nach Massmann's Ausgabe, Bd. I, S. 323—327. Auch sonst kommt diese sagenhafte
Erzählung oft vor. Übrigens sehe man über Lata rana (Latens rana) Massmann’s
Kaiserchronik Bd. 3, S. 683—691, über S enecn’s To d ebd. 3, 691—694. Dass das
cechische Gedicht nicht aus deutscher Quelle geflossen sein kann, zeigt schon die
abweichende Etymologie von Lateran: Latens rana 'tajna za ha’ im Böhmischen
nach der Legenda aurea, Lata rana 'ein breitiu knote’ in den altdeutschen Texten.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
71
nicht minder als sieben Legenden daraus benutzt sind, dieselbe
bereits in ihrer Zusammensetzung und nicht etwa in den einzelnen
Erzählungen, aus welchen sie etwa entstanden sein möchte, zu Grunde
liegt, noch in einer andern Rücksicht Bedeutung. Denn es wird sich
nun mit einiger Sicherheit wenigstens nach rückwärts zu eine Grenze
für die Abfassungszeit des altcechischen Gedichtes festsetzen, und
zu hoch gegriffene Schätzungen wie jene, wornach das Bruchstück A
in die Mitte des 13. Jahrhunderts gehören soll, werden sich berich
tigen lassen. Da nämlich die Legenda aurea seihst erst in der zwei
ten Hälfte des 13. Jahrhunderts verfasst oder gesammelt ist 5 ), wird
man die Fragmente des Gedichtes , von welchem wir sprechen, nicht
früher als im besten Falle etwa gegen den Schluss dieses Jahrhun-
v v
derts versetzen dürfen, eine Ansicht, welche auch Sa faf l'k (Cas. cesk.
mus. 1846, 1, 309 f.) zu theilen scheint. Was die von Safarlk eben
da ausgesprochene Vermuthung anbetrifft, dass unsere Bruchstücke mit
jenen der Gedichte von Pilatus, Judasund von der Aussendung des hei
ligen Geistes einem Cyklus vnd einer Dichterschule angehören, so
ist diese vielleicht nicht ganz stichhältig; mir wenigstens scheinen die
ersteren Fragmente Product der geistlichen Dichtung und näher
verwandt mit den Bruchstücken des Marien- und des Alexiuslebens
so wie der älteren Recension der Passion (Vyb. 1, 1149 f.), wäh
rend ich die Pilatus- und Judaslegende für die mehr höfisch-ritter
liche Richtung der altcechischen Literatur in Anspruch zu nehmen
geneigt bin.
Ungefähr in dieselbe Zeit als die eben behandelten Fragmente
werden jene einer gereimten altcechischen Legende vom heiligen
Alexius dieses in der Dichtung bei allen Völkern so beliebten und
so vielfach mit den verschiedensten Abweichungen und zu den ver-
5 ) Jacobus a Voragine ward nämlich um das Jahr 1230 zu Voraggio im Genuesischen
geboren, trat 1244 in den Predigerorden, ward 1267 Provincial in der Lombardei,
was er bis 1285 blieb, dann Ordensdefinitor, endlich Erzbischof von Genua, als
welcher er 1298 starb. G. Tiraboschi, Storia della letteratura italiana 4, 235 sq.
J. G. Th. Graesse Lehrb. einer allg. Literärgeschicbte, 3, 445 f. Biographie uni
verselle 49, 523—525. Migne, Dictionnaire des legendes du Christianisme, Paris,
1855, col. 777—783. Hie Legenda aurea selbst ist nach 1270 verfasst, weil ihr
Urheber die Heiligenleben des Vincentius von Braganza benutzt. Vgl. Pom Pitra,
Etudes sur la Collection des Actes des Saints par les RH. PP. Jesuit es Bollan-
distes, Paris 1850, p. CV suivv.; Migne I. I. col. 783.
i
72
Julius Feifalik
schiedensten Zeiten behandelten Stoffes 6 ) fallen, welche sich auf
zwei beschnittenen Pergamentblättern des 14. Jahrhunderts aus
Bocek’s Nachlasse im mährisch-ständischenLandesarchive zu Brünn
erhalten haben; sie sind von W. Nebesky im Cas. cesk. mus. 1851,
Heft I, S. 138 —146, leider nach einer ziemlich unzuverlässigen
Abschrift herausgegeben und ich lasse sie desshalb im Anhänge zu
vorliegender Abhandlung in verbesserter Gestalt folgen. Auch diese
cechische Dichtung, welcher man Geschick in der Behandlung nicht
absprechen kann, scheint nach der goldenen Legende verfasst worden
zu sein, wo die lateinische Bearbeitung 7 ) auf S. 403 —■ 406 steht.
Man vergleiche z.B. folgende Zeilen des Gedichtes (Nebesky a. a.0.
S. 143, Bruchstück II, 2—17 im Anhänge):
cten vsiem obecne.
Cstnych slov napsdn byl statecne.
Eufemian, otec jeho,
uslysav list, plakal z neho,
vystüpil byl z sveho smysla,
padl na zemiu viee bez ci'sla;
rozdfel rucho byl v ty easy,
trhal sve sedive vlasy,
bradu poee svü trbati,
a svoj zivot snazne dräti:
pade na tom svatem tele,
kricie
6 J Über die Bearbeitungen der Alexiuslegende bei verschiedenen Völkern vergleiche
man: Sanct Alexius Leben in acht gereimten mittelhochdeutschen Behandlungen.
Nebst geschichtlicher Einleitung so wie deutschen, griechischen und lateinischen
Anhängen. Herausgegeben von II. F. Massmann, Quedlinburg und Leipzig, 1843,
S. 38—42; Migne a. a. 0. S. 27—29. 1219. Über eine mittelenglische gereimte
Alexiuslegende sind Th. Wright’s Ileliquiae antiquae 2, 64 f. zu sehen ; ein fran
zösisches Miracle de sainct Alexis führt A. Jubinal, Mysteres inedits T. 1, p.
XXVIII, Note, eine italienische Rappresentazione di S. Alexo (Firenze, 1317) Co-
lomb de ßatines, Bibliografia deile antiche rappresentazioni italiane sacre e pro
fane stampate nei secoli XV e XVI, Firenze, 1832, p. 47 an. Eben so gab es im
17. Jahrhunderte polnische und russische Dramen von diesem Heiligen. Ein rus
sisches Lied vom heil. Alexius hat P. Kirejevskij (PyccKHh HapO.ipiM;) irhcHH,
MocKBa 1848, S. 23—31), zwei andere V. Varencov (CiiopHHKT. pyccKHXt
jtyxoBHbixi, cthxob-b. CocTaB.iciiiibiM B. Bapenuom.iM'L, CPB. 1860)
mitgetheilt.
7 ) Eine böhmische Prosaübersetzung aus dem Passional hat Nebesky a. a. 0. S. 139
bis 142 herausgegeben ; mit dieser stimmt der Text im Prager Drucke des Pas
sionais von 149S, Fol. Gl — G 2 genau überein.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
73
mit den Worten der Legenda aurea (p. 405): At Euphemianus hoc
audiens nimio dolore contarbatus obstupuit et factus exanimis
resolutusque viribus in terram decidit. Cum vero aliquantulum
ad se rediisset, vestimenta sua scidit, coepitque canos capitis sui
evellere, barbam trällere atque sernet ipsum discerpere ac super
filii sui Corpus exclamabat; oder die Verse (Nebesky a. a. 0.
S. 144, Bruchstück VII im Anhänge):
jiz mü zalost tezku vidie,
a divte se velmi tomu,
sedmnädete let v mein domu
moj syn mily jest pfebyval,
i almuzny me pozival,
a ja sem jho viec neznala,
an byl moj syn, me csti clivala;
znamenajte viec me tuhy,
tepiechu jej jeho sluhy
v mile lice, v siju jeho,
pliujiüc mild tvär na jeho.
Hofe, höre toho pycio,
kto oeima da studnieiu,
mit den Worten des Jacobus (p. 406): plorate mecum omnes, qui
adestis, quia per xvij annos eum in domo mea habui et non cognovi,
quia unicus filius mens esset, servi etiameumconviciabantur etalapis
percutiebant. Heu me, quis dabit oculis meis fontem lacrymarum;
oder man vergleiche endlich, um sich von der Entlehnung zu über
zeugen, die nachstehende charakteristische SteIle(Nebesky a. a. 0.
S. 143, Bruchstück IV, 2—17 in meinem Abdrucke):
Matka jeho v smutnej tvafi.
jako Ivice siet prorazi,
ty noviny uslysevsi;
sedra rüeho sve pfisedsi,
strze s sebe sve zavitie,
co na hlave jme pfikrytie.
V nebe svoji ruce vzdvize:
'boze, posli mne smrt blize!’
Biese pfielis mnoho Juda,
kazdy svate telo vida :
davechu se tarn pfielisne,
(posldchajte feci pilne),
matka k telu nemözese,
74
Julius Feifalik
mit der entsprechenden Stelle der lateinischen Legende (p. 403) ;
Mater vero eins hoc audiens, quasi leaena rumpens rete, scissis
vestimentis mens coma dissoluta ad coelum oculos levabat, et cum
prae nimia multitudinc sanctum corpus adire non posset, clamavit
dicens, wo sogar das Bild von der Löwinn, welche das Netz zerreisst,
gewahrt ist. Doch darf ich hier noch einen Umstand nicht verschwei
gen, der es möglich macht, dass der cechische Dichter vielleicht
unmittelbar aus jener Quelle schöpfte, welche aucli Jacobus a Vora-
gine vorlag, aus der kirchlichen Legende, meine ich, vom h. Alexius,
welche in den Acta sanctorum, Julius, Tom. IV, p. 251 — 233 ab
gedruckt ist 8 ). Gleich der Anfang unserer Bruchstücke lautet näm
lich (Nebesky a. a. 0. S. 142 f., Bruchstück I im Anhänge):
K tomu miestu, kde leziesp.
Stojiec pred lozem kazdy diese:
'kak jsme koli tuto hriesm,
vsak ciesafstviem via du ein ray cstm;
tento papez vseinohüci,
daj jemu list ten zadüci,
abyehom my to vzvedeli,
co v nem psäno v srdeiu jmeli.’
Nhed pristupi papez k nemu,
i vzie z ruky listek jemu,
i da pisafovi svemu
rimskehokostela ;
hier hat die Legende der Acta sanctorum (p. 253) : Tune impera-
tores et pontifex cum Euphemiano perrexerunt ad locum ubi
iacebat, steteruntque ante grabatum et dixerunt: Quamvis pec-
catores simus, gubernacula tarnen regni gerimas; iste autem ponti
fex pater universalis est; danobis chartam, ut sciamus quae in ea
scripta sunt. Et accedens pontifex accepil chartam de manu eins et
dedit cliartulario sanctae romanae ecclesiae; diese letzteren Worte,
welche, wie man sieht, in dem cechischen Gedichte übersetzt sind
(cliartulario sanctae romanae ecclesiae = pisafovi svemu ffmskeho
kostela) fehlen aber in der Fassung des Jacobus, wie sie Graesse
gibt. Es is sonach wohl denkbar, dass dem altceehischen Bearbeiter
wirklich jene kirchliche Legende oder aber das Werk des Jacobus
in einer Fassung vorlag, worin die Alexiuslegende jener älteren Re-
cension derselben näher stand, als wir sie jetzt besitzen. Wie sehr
8 ) Dies nimmt Nebesky a. a. 0. S. 145 f. an.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
75
die Legenda aurea aber in den Handschriften oft, und zwar in nicht
gleicligiltigen Puncten, ab weicht, weiss jeder der Manuscripte
derselben zu vergleichen Gelegenheit batte; und dass solche
abweichende Recensionen gerade in Böhmen verbreitet gewesen sein
müssen, haben wir oben bei der Erzählung vom Apostel Philippus
gesehen und werden wir noch bei der Legende von der h. Dorothea
und von den zehntausend Märterern zu beobachten Gelegenheit
haben 9 ). Dergleichen Abweichungen beschränken sich aber nicht blos
auf die Texte, sie betretfen auch den Gehalt an Legenden überhaupt.
Bei dem Streben des Mittelalters nämlich nach cyklischer Vervoll
ständigung irgend eines Sagenkreises lässt es sich erklären, dass
man dem Werke des Jacobus von Varaggio späterhin Heiligenleben,
welche er darin nicht aufgenommen hatte, hinzufügle und dass man
namentlich in den verschiedenen Gegenden die Lebensbeschreibungen
der hier besonders verehrten Landeslieiligen anschloss. Auf diese
Art ward denn die Legenda aurea in den Handschriften und später
auch in den Drucken allmählich durch eine nicht unbeträchtliche
Anzahl von Stücken erweitert, welche ursprünglich des Jacobus
Werk nicht sind, ln den Kreis nun dieser späteren Zusätze zur gol
denen Legende gehören jene zwei altcechischen Dichtungen, welche
ich im Nachfolgenden zu besprechen habe.
Zunächst steht uns hier als die vermutblich ältere jene Legende
von der heiligen Dorothea, welche Herr Joseph Jifecek erst
v
jüngsthin (im Cas. cesk. mus. 1859, S. 21 — 27) aus der Hand
schrift XLI. E. 21 der Lemberger Universitätsbibliothek 10 ) veröffent
licht bat. Die lateinische Lebensbeschreibung, zu den Zusätzen zur
Legenda aurea gehörig, steht in Graesse’s Ausgabe S. 910—912 14 );
sie konnte aber nur mittelbare Quelle des cechischen Gedichtes sein
und zwischen beide muss irgend eine Übersetzung oder Bearbeitung
des lateinischen Textes treten. Denn gleich zu Anfänge und nach
einem kurzen Gebete zu Gott und zur heil. Jungfrau um Unter-
9 ) Bei beiden nämlich weist die cechische Prosaühertragrfhg im Pnssional darauf hin,
dass der Übersetzer einen andern lateinischen Text benützte als den uns in Graesse’s
Ausgabe vorliegenden.
10 J Die Handschrift ist in Klein-Octav von verschiedenen Händen des 15. Jahrhunderts
geschrieben ; sie hat 9G Blätter und ist am Ende verstümmelt.
J1 ) Eine andere lateinische Legende sieh in den Acta Sanctorum, Februarius, Vol. I.
p. 771—777; der Präfect heisst hier Sapricius.
7(5
Julius Feifalik
Stützung seines Vorhabens erklärt sich der Dichter für einen
ungelehrten Mann und bittet um Nachsicht für das, was er vor
zubringen habe:
Ac ne ovsem dobfe poviem,
proto z e pi'smu nerozumiem,
mne za zle neraete mieti
to coz ja chei povedieti.
Zugleich wird uns aber zweifelhaft, dass unser cechischer
Dichter eine böhmische Übertragung der Dorotheenlegende benützt
haben sollte. Die Fassung derselben, welche im Passional (Prag, 1495,
C. 6 — 7) steht, ist bedeutend kürzer als die lateinische und ent
hält nicht einmal die Namen der Eltern und der Schwestern der Hei
ligen, welche doch in dem Gedichte Vorkommen. Es wird somit nicht
ganz unwahrscheinlich, dass dem Verfasser desselben irgend eine
deutsche Behandlung der Sage, irgend eine deutsche Dorotheen
dichtung Vorgelegen habe. Sehen wir uns aber unter den deutschen
Bearbeitungen dieser Legende 1!2 ) um, so scheint die angeblich nie
derrheinische 13 J, welche 0. Schade mitgetheilt hat, in den Einlei
tungszeilen 21 ff.:
Hier vair die heidenschaft
hndde geweilt unde crafl
in deme rcemschen riche:
sie heden alle geliche
die valsehe afgode aen
beide vrouwen inde man,
riche arm groiz ind deine:
si dienden den duvelin alle gemeine;
allerdings an eine entsprechende Stelle des böhmischen Gedichtes
(Cas. cesk. mus. 1859, S. 23 a ):
,2 ) Bruchstücke einer wohl noch dem dreizenhnten Jahrhunderte ungehörigen deut-
sehen gereimten Dorotheenlegende hat J. Di ein er in den Sitzungsberichten der
kais. Akad. d. Wissenschaften, phi 1.- hist. Classe, Bd. 11, S. 43—71 und 796—809
nhdrucken lassen; eine andere steht in den geistlichen Gedichten des XIV. und
XV. Jahrhunderts vom Niederrhein, herausgegeben von Oskar Schade, Hannover,
1854, S. i—29; von einer dritten Bearbeitung in einer Klosterneuburger Hand
schrift wird sogleich näher die Rede sein. Vgl. auch Alld. Wälder 3, 157.
,3 ) Das Original des Cölner Druckes, aus welchem Schade schöpfte, wird wohl ober
deutsch gewesen sein, wie bei anderen von ihm mitgetheilten Legenden; so bei
der Margaretenpassie (S c h a d e S. 71—99), deren ursprüngliche oberdeutsche Fas
sung in einer Klosterneuburger Handschrift steht: die Anfangszeilen derselben hat
Di einer a. a. 0. Bd. 11, S. 45 bekannt gemacht.
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII. 77
Tehda biese viery mdlo
v ten cas, kdyzto se to dalo,
biese tehdy pohansky lid,
bydlese s nim ovsem zly blud:
präzdnym se modlim modlese,
v nichz odplaty nejmejiese,
einigermassen zu gemalinen. Der Vater heisst Z. S3 Theodorus, die
Mutter aber Z. SS Theodora wie im böhmischen Gedichte. Im weiteren
Verfolge und bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch, dass die
Ähnlichkeit zwischen beiden Dichtungen eben nur auf der Gleichheit
ihrer letzten ursprünglichen Quelle beruht, und dass die altcechische
Dorotheenpassion dem lateinischen Texte in manchen Zügen noch
weit näher steht, als die sogenannte niederrheinische.
Dagegen scheint eine andere deutsche Dorotheenlegende, in
der Handschrift 1079 zu Klosterneuburg (4°. IS. Jahrh. 98 Blätter)
enthalten, allerdings die Grundlage unseres Gedichtes abgegeben zu
haben. Leider sind von derselben blos die Anfangs- und Einleitungs
zeilen durch Diemer l4 ) bekannt geworden, aber schon diese sind für
unsere Zwecke höchst wichtig und ich setze sie desshalb hieher.
Got vater, got äne ende,
got äne alle missewende,
beslozzen hat dm grdziu kraft
liimel und erden und alle geschaft.
got vater, sun, heiliger geist,
aller wärheit ein volleist,
gewalteger got und ein name,
hilf [mir] daz ich niht ze spote werde.
Mariä, muoter, reiniu meit,
gebert in der drivaltekeit,
blüejende rose in der omoe,
gewahsen uz dem liimel touwe,
waz an dem nöten hymel oben (?),
hilf [mir] daz ich dich müeze loben
von dem silitigen gote erhaben;
daz ich mit des heilegen geistes gaben
also werde geleret,
daz gotes lop werde gemeret.
ich habe gedäht ze dihten
und in tiutsche ze rihten
u ) A. a. 0. Bd. 11, S. ol f.
78
Julius F e i f a 1 i k
von Dorothea der reinen meit,
ir leben si mir unverseit,
wie dm si si gewesen.
diu hat ez wol derlesen
hie üf erden den besten teil,
der manegem Sünder bringet heil,
beidiu Stil und überlut.
si ist geliehen gotes trüt.
aller tugende ein blüejender stam;
si hat ir leben lobesam
nach gotes willen volbräht
des wirt (ir) ewiclich gedähl
üf erden in der Christenheit,
in dem himel si auch kröne treit.
nu mac ich daz büechelvn
nilit nach der wirde sin
Volbringen [und nächgetihlenj nach rniner gir:
ich bite iuch des vertraget mir
und helfet mir loben gemeine
Mariam die vil reine
und ir liebez kindelin klär,
Jesum Christ den si gebar,
daz er uns gehülfec si,
und mach uns aller sorgen vri;
und auch solt ez alle stille wesen,
ob ir wellet heeren lesen
von der marter und den ereil
Dorotheum der vil meeren.
Man nehme hierzu die Eingangsverse des Sechischen Ge
dichtes (S. 22):
Boze moeny s svatü Min,
s tu nebeskü svetlu zarf,
racta pri mem smyslu byli,
bych inohl dobfe promluviti
o svate dievcc dobreho
z tak maleho smysla meho,
z mej velmi malej pameti,
jakz bych se molil nestydeti.
Duell svaty, rac pritom byti,
abych mohl to vypraviti,
o tej dievee velmi svatej,
vsech hnechöv pomocnici mej.
Ae ne ovsem dobre poviem,
proto ze pi'smu nerozumiem,
a
Studien zur Geschichte der althöh mischen Literatur VII.
79
mne za zle neraete mieti
to eoz ja chci povedieti.
Die Gleichartigkeit des Gedankenganges in der Einleitung
beider Gedichte sclieint mir hier unleugbar und beweiskräftig genug,
Avenn die Fassung im Böhmischen auch vielfach kürzer und weniger
umständlich ist; finden Avir ja doch selbst die Entschuldigung des
Verfassers seiner Unfähigkeit Avegen dort Avie hier. Solche Über
einstimmungen in den mehr zufälligen und willkürlichen Zusätzen
des Dichters sind aber bei Aveitem wichtiger und bedeutsamer als
Gleichheit in den erzählten Begebenheiten, welche sich ja am Ende
auch auf die Gemeinschaftlichkeit der benutzten Quelle zurück führen
Iiesse. Mir scheint demnach die bezeichnete deutsche Legende von
der h. Dorothea die Vorlage für unseren cechischen Dichter abge
geben zu haben; nicht dagegen sprechen können die Namen der
Schwestern der Heldinn, welche in dem böhmischen Reimstücke
(a. a. 0. S. 23") in der lateinischen oder vielmehr griechischen
Accusativform Kfistejn und Kalistejn Vorkommen; das gleiche
findet sich, aus dem lateinischen Texte übernommen, in den deutschen
Bearbeitungen 15 ) und könnte von da aus in’s Cechische übergegangen
sein. Dennoch muss ich mir eine endgiltige Entscheidung der Ur
sprungsfrage für die Zeit Vorbehalten, avo mir das deutsche Gedicht
ausführlicher und vollständiger vorliegen Avird ,0 ).
Um den, meiner eben dargelegten Ansicht nach, bedingten und
mittelbaren Zusammenhang mit dem lateinischen Texte zu charak-
terisiren, mögen einige Stellen genügen. In dem böhmischen
Gedichte heisst es (a. a. 0. S. 23 1 ’ — 24 a ):
Slysevsi to svatä device,
smütivsie se pade nice;
neb toho sveta nenavidiese.
Stojeci bez strachu diese:
'mäm jednoho ehote sveho,
Jesa Krista nebeskeho.'
Kdyz to knieze od m slyse
z toho ji silne hnevem biese,
15 ) In den von Diera er veröffentlichten Fragmenten heissen die Schwestern, ßiatt 7,
Z. 25 f. K a 1 is t a m und C h r is t a m , a. a. 0. Bd. 11, S. 63; in S e h a d e's Legende
S. t7, Z. 59. 60: Christen und C a 1 ist en.
16 ) In der Klosterneuburger Legende sterben die Eltern vor Dorothea, D iem e r a. a. 0.
Bd. 11, S. 46; eben so werden sie in der böhmischen als verstorben voraus gesetzt
und es geschieht ihrer nicht weiter Erwähnung.
80
Julius Feifalik
käza ji inhed v kote] vsaditi,
ve vrüciem oleji vafiti:
ale buoh s tu dievkü biese,
proto ji nie neskodiese.
Bez bolesti z kotla jdiese,
jakzto balsan kofenie ktviese.
Uzre pohanstyo divy tuke :
'to darmo nenie nikake.’
Jesee na tom mieste stojic,
tu ree mezi sebu mluvic:
'tejto dievky buoh jest moeny,
svym vernym sluhäm pomoeny.’
Inhed se k bohu obrätichu,
Jesu Kristu cest cinicliu.
Uzre Fabricius knieze,
by cäry cinila mniese,
käza ji v zalär vsaditi;
neda jej jiesti ani piti.
Die entsprechende Stelle in der lateinischen Legende lautet
(Graesse, p. 910 sq.) : Audiens hoc dulcis Dorothea quasi lutum
terrae despiciens terrenas divitias et intrepida se Christo despon-
satam fatebatur. Quod audiens Fabricius furore succensus mox
eam in dolium plenum ferventis olei mitti iussit, ipsaque adiutorio
Christi illaesa manens ac si balsamo ungeretur. Multi autem
paganorum videntes hoc miraculum intra se ad Christum conver-
tuntur, Fabricius vero credens hoc magicis artibus fieri, ipsam
in carcerem reclusit novem diebus absque ciborum alimentis.
Dorothea, ehe sie durch das Schwert zu Tode gebracht wird, betet
zu Gott für ihre Verehrer (a. a. 0. S. 26):
Kdyz prijde na to miesto, kdez ji sfato byti,
pokleksi poce se bohu modliti
a tak mluvieci prositi:
'Hospodine, mily boze,
svatä Marie svötlä ruoze,
rac za ine k synu orodovati,
by me räeil ty dary däti,
za nez jd budu prositi,
by me racil uslyseti.
Prvä prosba vsecka za ne,
jezto pamatuji me jme,
i me muky zpominaji.
at toho nebesky ücastek maji;
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
81
z nuzi jim rac pomahati
a vsem svd milost dati.
Rad je ostrieei hanby svetskej,
zato prosi milosti tvej,
rac je chudoby ostrieei,
(prosiese boha tak mluvieei),
iod hriecha smrtedlnebo.
Popi“ej jim priebytka sveho,
a na posledi zivotov jich
kostelnieho prdva neodlucuj od nich,
aby zpoved, tve svate telo prijali
a tvej se milosti dostali.
Jesee tebe prosim, mily Jesu Kriste,
vsecky ty ctne pani jiste,
jczto ku porozenie budu me jmezpomienati,
rac jim jich bolest ohlehdovati.’
Jesce tu prosbu mluviese,
z nebes hlas slyseti biese,
ze sam buoh k nie tak mluviese:
'Pojdi ke mne, ma vybrand,
pojdi ke mne, moje blahoslavend,
pojdi ke mne, choti md mila,
pojdi ke mne, do meho bydla,
pojdi ke mne, mild holubice,
pojdi ke mne, md vzvolenice,
pojdi ke mne i k mej matce,
pojdi ke mne jiz na kratce.
Budes se mnd pfebyvati
i na veky kralovati.
A to vsechno coz’s zddala,
to jsi na me vse obdrzala.
Jesce ona poce prositi:
'Boze, rac to uciniti,
rac mi ty dary prizehnati,
ktoz me muky budu pamatovati.’ 17 )
Hieftir hat der lateinische Text (p. 911): Cum autem venit ad
lociim decollutionis, rogavit dominum pro Omnibus, qui ad hono-
17 ) Vgl. über solche Verheissungen für die Leser oder Hörer von Legenden die Anmer
kung zu Z. 2539 ff. in meiner Ausgabe von Wernher’s Marienleben. Auch in cechi-
schen Legenden finden sich solche Versprechungen öfter : so in der Legende von den
zehn tausend Rittern Vyb. 2, 12, 25 — 16, 31, und am Ende der einen altcechischen
Marienklage (Starob. Skla'd. 3, 81) hat der Abschreiber hinzu gefügt: Tuto se jest
skonal plac svate Marie matky bozie, jejz jest cinila u veliky patek pod kn'zem stojieci
a ktoz jej bude na kazdy patek s nabozenstvim cisti nebo posluchati, vsechno obdrzf u
boha skrze kralovnu nebeskü na vsech miestech, po vse easy a najviecena smrti svej.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. I. Hft. 6
82
Julius F e i f a1ik
rem sni nominis sitae rnemoriam passionis peragerent, ut in Omni
bus salvarenlur tribulationibus et praecipue a verecundia, pauper-
tate et a falso crimine liberarentur et in fine vitae contritionem
et remissionem omnium peccatorum obtiner ent, midieres vero pari-
entes nomen eins invocantes celerem sentiant in doloribus profec-
tum. Et ecce, vox de coelo audita est 'veni, electa men; omnia
qinte petiisti impetrastid Der bekehrte Theophilus ruft (a. a. 0.
S. 27) :
Theofilus jal se velmi volati,
bezev do mesta, poeav pohanom kazati,
nahle^obräte se k bohu :
'Ja povedieti mobu,
tej jest dievky buoh mocny,
vsem svym sluham pomucny.
Znamenajte divu hrozneho,
io, h ru dn a mesiece studeneho
v ty mrazy zeme zainrzla i voda
a zadne drievie nedäva ploda, '
v ty easy na dreve lista nevideti,
ale komuz däti bude ta device ebtieti.’
In der lateinischen Legende lautet diese Stelle (p. 911): Tune
Theophilus prorupit in voces laudando et glorificando Chri
stum deum Dorotheae, (jui mense febrüario, dum magna frigora
terram cogebant, nec aliquod virgidtum frondibus vestitur, rosas
et poma quibus vult mittere polens est: cuius nomen sit benedictum.
Auch diese Vergleichungen scheinen die Ansicht zu bestätigen,
dass unser Gedicht nur mittelbar auf die lateinische Legende zu
rück zu führen sei: es finden sich mehrfache und manchmal, wie in
dem Gebete der Dorothea, ziemlich umfangreiche Erweiterungen,
welche man unserem Dichter kaum zuschreiben wird; denn seine
Fähigkeiten waren, wenn er auch anspruchslos und einfach zu erzäh
len weiss, ziemlich untergeordneter Natur, selbst sein Vers und sein
Reim sind, was man nicht durchgehends auf die Schuld des Abschrei
bers wird setzen dürfen, ziemlich roh. Und auch Abweichungen in
der Erzählung sind nachzuweisen, wovon ich nur die bedeutendste
anführen will: in der lateinischen Legende kommt der Knabe mit den
himmlischen Rosen und Äpfeln zu Dorotheen, wie sie eben da kniet
und den tödtliehen Hieb von Henkers Hand erwartet, und diese schickt
den Boten zu Theophilus; in dem cechischen Gedichte ist Dorothea
bereits enthauptet und bittet im Himmel Gott, ihr Versprechen an
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII. 83
Theophilus zu lösen, worauf der Engel in Knabengestalt zur Erde
niedergesandt wird.
Ausser dieser Legende von der heil. Dorothea in Reimpaaren
besitzt die altcechische Literatur bekanntlich noch ein Lied auf die
selbe Heilige, welches aus 12 elfzeiligen Strophen 18 ) besteht und nach
zwei verschiedenen ziemlich abweichenden Handschriften einmal in
Hanka’s Starob. Sklad. 3,122—128, dann im Cas. cesk. mus. 1848,
II, 261 —266 und im Vyb. z. lit. ceske 2, 17—22 [abgedruckt ist.
Es ist dieses Lied keineswegs Übersetzung einer der bekannten
lateinischen Hymnen von dieser Heiligen 19 ), sondern behandelt viel
mehr legendenartig erzählend den ganzen Lebenslauf der Märtyrinn
in lyrischen Strophen und scheint ganz selbststäudigund unmittelbarer
als das eben besprochene Gedicht gleichfalls aus jener lateinischen
Zusatzlegende zur Legenda aurea entsprungen. Ich setze einen Theil
der 10. und die 11. Strophe hieher (Vyb. 2, 21, 14 — 22, 10):
Kdyz pod mec htav.y nachyli,
zjevit se tu chvfli,
delätko kaderave,
nachem odene,
Nesa vkosiku ovoce,
tri jablka a tri röze,
linora mesieee.
Jehozto snazne poprosi,
rküc: 'Nes to Teofilovi,
k nemuzto bez meskdnie
zdej to poselstvie.’
Kdyz diete do sieni kroci,
vniez Teofilus psal listyj
nosa v kostku ovoce,
tak knemu vece:
'Tot Dorota, sestra mä,
ovocef jest poslala,
jestot jest slibila.’
>») Vgl. meine Untersuchungen filier altböhmisclie Vers-und Reimkunst I, S. 7 (Sitzungs
berichte der k. Ak. der Wiss., pbil. - hist, CI. Itd. 29, S. 319).
1®) Die lateinischen Hymnen auf die heil. Dorothea findet man in Daniel’s Tlies. hymnolog.
1, 279. 320. 2, 230. !>, 243 und in Mone's lateinischen Hymnen des Mittelalters 3,
273—28t, Nr. 893—898. Ein Hymnus von vier sapphischen Strophen steht in den
Opuscula Simonis Fagelli, Lipsiae J330, F 7 h — F 8a; filier den Böhmen S. Fagellus
vgl. Balbini Roh. docta ed. R. Ungar. 2, 143 sq. und Kalina von Jätherstein, Nachrich
ten filier böhmische Schriftsteller, Heft III (Abhandl. der k. bühm. Ges. der Wiss.
1827, IV. Folge, Rd. 1), S. 13—28.
6*
84
Julius Feifalik
In der lateinischen Legende liest man (p. 911): Dorothea vero
inclinata ad ictum spiculatoris apparuit puer purpura indu-
tus discalceatus crispo capite, in cuius veste stellae fuerunt.ferens
in manu orarium id est sportulam cum tribus rosis et totmalis, cui
Dorothea ’obsecro te, domine, mihi feras eas Theopliilo scribae.’ Es
genügt diese Stelle um den engen Anschluss des cechischen Liedes
an den lateinischen Text zu zeigen, von welchem es in nichts abweicht.
Überhaupt gehört die Geschichte von der h. Dorothea zu den
beliehtesten Gegenständen der cechischen Dichtung nicht nur älterer
sondern auch neuerer Zeit und insbesonders auch der eigentlichen Volks
dichtung; nicht nur besitzen wir Volkslieder auf diese Heilige 30 ),
sondern sie ist auch Heldinn eines jener Schauspiele, welche von dem
slawischen Volke in Böhmen und Äjähren bis heute aufgeführt werden,
worüber ich Näheres in der Einleitung zu meinem Buche „Über
slawische Volksschauspiele in Mfhren“ beibringe, wo ich S. 81 ff.
auch mehrere Dorotheenspiele aus Mähren mitgetheilt habe.
Gleichfalls einer Zusatzlegende zu dem Werke des Jacobus
nachgeahmt ist endlich die altcechische gereimte Legende von den
zehntausend Bittern, welche in vier Handschriften 31 ) bekannt
und zunächst im Cas. cesk. mus. 1840, S. 289—301, dann aber im
Vyb. 2, 5—18 abgedruckt ist. Vergleicht man dieses Gedicht mit
dem lateinischen allerdings sehr kurz gefassten Texte in der Legenda
aurea S. 858, so siebt man, dass derselbe in der That, wenn auch in
etwas erweiterter Gestalt, die Grundlage dazu abgeben müsse 33 ). Die
ziemlich magere Handlung der lateinischen Legende wird sehr weit
läufig und manchmal in fast ermüdender Breite ausgesponnen, wie in
dem endlosen Gebete (Vyb. 2,12,25—16,31), wofür in dem Originale
2°) F. Susil, Moravske narodni pi'sne. S. 7 ft*.
21 ) Sie steht zuerst in der Handschrift des Passionais von 1393, jetzt im böhmischen
Museum, dann in der Handschrift’XLVII. E. 7 der Prager Universitäts-Bibliothek, so
wie in einem Codex der Bibliothek des Klosters Kremsmiinster ; ein viertes Mal findet
sie sich, aber mit vielfach abweichendem Texte, in der oben angeführten Handschrift
XU. E. 21 der Lemberger Universitäts-Bibliothek. Zuerst gedruckt ist diese Legende
in der ersten Ausgabe des Passionais (um 1473). Vgl. Jungmann, Hist. lit. c., 2 vyd.,
S. 29", Nr. II, 33.
22) Ein anderer weit ausführlicherer Text ist in den Acta Sanctorum, Junius, Tom. IV, p.
182 — 188 abgedruckt und mit diesem in naher Beziehung steht die prosaische
Legende im Passional. Prag, 1493, Fol. M 18—>1 20.
Beiträge zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
85
blos steht: Domine deus, memento nostri in hoc patibulo crucis
et suscipe petitionem nostram et ea, quae a te exposcimus, nobis.
concedere digneris, nt quicumque memoriam nostri corde et ore
cum ieiunio et devotione celebraverint, mereantur a te assequi
fructuosam mercedem, tribue7ido iis sanitcitem corporum, medica-
men animae, et in domibus eorum intus et foris bonorum omnium
ubertatemconcede. Et si in proelio fuerint,non iis nocerepraevcde-
ant inimici visibiles et invisibiles te expugnante, sed sicut placet
tibi, armis tuis eos protege diesque unius diei nostri passionis unum
poenitentiarum annum compleat observantibus se devoto corde.
Et hoc, dominator domine, a teposcimus, dissipe omnem occupati-
otiem et omnem immundum spiritum omnemqueinfirmitatem eorum
expelle, quia gloriosum et laudabile est nomen tuum per omnia
saecula saeculorum. Doch ist nicht zu leugnen, dass gerade diese
Zusätze und Erweiterungen des Dichters manchen interessanten Zug
für die Sitten- und Bildungsgeschichte seiner Zeit darbieten, wie
z. B. jene Stelle in dem Gebete, welche ein willkommenes Streiflicht
auf die Entwickelung der bildenden Kunst in Böhmen gegen Ende des
14. Jahrhunderts wirft (Vyb. 2, 15, 11—20):
Jesu Christe, zivy chlebe,
jesce iny pvosi'my tebe:
buddli nase mucenie
v svem domu jmieti na stene
masti neb ernidlem psäno,
nebo z drevavyrezano,
neb snad z kamene vyryto,
neb na knihäch v skiini skryto :
rac byti strdz toho domu
vzdy od ohne i od hromu.
Überhaupt muss man dem Dichter zugeben, dass er bei aller Breite
anmuthig genug und nicht ohne Bewegung zu erzählen weiss 3 ^].
Noch bleiben zwei altcechische Gedichte übrig, deren Ursprung
man versucht sein könnte auf die Legenda aurea zurück zu führen,
bei welchen heiden sich aber das Gegentheil heraus stellen wird.
2S ) Manchmal erinnern einzelne Verse an Stellen in anderen Legenden, z. B. Vyb. 2, 12, 7
an Vers 636 der Passion, Starob. sklad. 3, 39; Vyb. 2, 17,4. 3 an folgende Verse der
Dorotheenlegende (Cas. c. rnus. 1839, S. 26‘) :
A to vsechno, coz’ s zadala
to jsi na ine vse obdrzala ;
es kann dies aber ganz zufällig sein.
86
Julius F e i f a 1 i k
Es ist nämlich oben gelegentlich erwähnt worden, dass in die
goldene Legende (p. 184 — 183) auch die Geschichte des Judas
mit eingeflochten ist. Derselbe Gegenstand wird gleichfalls in einem
mittellateinischen Gedichte behandelt 24 ), welches mit der Erzählung
bei Jacobus a Voragine so viel Übereinstimmung bietet, dass man als
Quelle dessetben wohl mit Edelestand du Meril 35 ) die goldene
Legende wird annehmen müssen: eben daher geflossen scheint die
deutsche Bearbeitung im Passional 36 ). Nun besitzen wir auch einalt-
cechisches Gedicht von Judas 27 ), freilich wieder nur bruchstückweise,
und Anspielungen auf die Schicksale des verrätherischen Apostels
begegnen wir mehrmals in anderen Dichtungen 38 ). Das Bruchstück,
abgedruckt imCas. cesk. mus. 1829, III, 38—63 und dann im Vybor
24 ) Mone, Anzeiger 1838, Sp. 332—537; Edelestand du Meril, Poesies populaires latines
du moyen Age, Paris 1847, p. 315 — 340; ein anderes lateinisches Gedicht führt
Leyser, Historia poetarum et poeinatum medii aevi, Halis Magdeb. 1721, p. 2125 an.
25 ) A. a. 0. p. 326.
26 ) Das alte Passional, herausgegeben von K. A. Hahn, Frankfurt a. M. 1845, S. 312
bis 318.
27 ) Über dieses und das nachfolgende Gedicht steht eine interessante Abhandlung von W.
Nebesky im Cas. cesk. mus. 1847, I, 11—22.
28 ) Auf die kurze Nachricht von dem Geschicke des Judas in den Fragmenten der Kaiser-
ckronik, Vyb. 2,3, 7 — 28, habe ich oben aufmerksam gemacht. Eben so habe ich in
diesen Studien, Heft IV, S. 15 f. (Sitzungsber. der k. Akad. der Wiss. phil.-hist.
Classe, Bd. 33, S. 231 f.) auf eine Judas betreffende Stelle der Anseimuslegende
hingewiesen, dabei aber in der Vermuthung geirrt, dass der böhmische Dichter des
Anselmus unser altcechisches Judasgedicht kannte; die Verse 400—422 des Anselmus
sind vielmehr aus Matth. 27,4—7 entlehnt: 4 Dicens: Peccavi, tradens sanguinem
iustum. At illi dixerunt: Quid ad nos ? tu videris. 5 Et proiectis argenteis in templo
recessil: et abiens laquco se suspendit. 6 Principcs autem sacerdotum, acccptis
argenteis dixerunt: Non licet eos mittere in carbonam: quia pretium sanguinis est
7 Consilio autem inito, emerunt ex illis agrurn figuli, in sepulturam peregrinorum. —
Eine dritte Anspielung auf die Geschichte des Judas findet sich in der gereimten
Auslegung des Decalogs und zwar bei Erklärung des vierten Gebotes, wo es heisst
(Vyb. 2, 237, 19—22):
Treti mr/.ie vsemu liudu,
ti budu bydliti s Jüdü:
to jsüjezto tepü otce,
neotpusceji ni matce;
es bezieht sich dies auf den in der Legende erzählten Vatermord des Judas (vgl. Vyb.
1, 172, 35) und zugleich auf die Qualen, welche Judas nach seinem Tode zu erdulden
hat, und welche im dritten Theile des lateinischen Judasgedichtes, vielleicht alich in
dem verlorenen Schlüsse der altcechischen gereimten Legende erzählt sind; auch in
der Legende vom h. Brandanus ist ihnen ein eigenes Capitel gewidmet: La legende
latine de S. Brandaines avec uue traduction inedite en prose et en poesie romanes
publiee par A. Jubinal, Paris 1836, p. 42—46.
Beiträge zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
87
1, 169—174, beginnt mit der Flucht des Judas nach Jerusalem,
nachdem er den Königssohn von Scharioth erschlagen, erzählt dann
wie er zu Pilatus kommt und mit diesem enge Freundschaft eingeht,
auf dessen Aufforderung in seines Vaters Garten Äpfel stiehlt, den
widerstrebenden Eigentümer tödtet, hierauf seine Mutter zum Weihe
erhält und es sehliesst mit der Scene wo Judas seine Gemaldinn und
Mutter nach der Ursache ihrer unbesieglichen Trauer befragt und
diese im Begriffe steht ihm den Grund ihres Kummers zu enthüllen.
So sehr auch, wie inan sieht, das Bruchstück im Ganzen mit der
allgemeinen Überlieferung stimmt, so liegt demselben doch keine
der oben angeführten Bearbeitungen der Sage zu Grunde, wie sich
schon, von zahlreichen Erweiterungen abgesehen, aus den vielen
und bedeutenden Abweichungen im Allgemeinen sowohl als in charak
teristischen Details zeigt 29 ). So ist gleich der ganze Eingang des
Fragmentes eine dem cechischen Dichter angehörige Erweiterung;
Pilatus mit Judas und einer grossen Begleitung lustwandeln und jener
erblickt dabei die reizenden Früchte in Ruben’s Garten, während er
sie in den übrigen Überlieferungen vom Söller seines Palastes aus
gewahrt; Judas durchsticht seinen Vater Rüben mit dem Schwerte statt
ihn mit einem Steine zu erschlagen; er hört Cyboreen öfter im
Schlafe stöhnen und als sie dies eines Nachts wieder thut, befragt
sie Judas, während sonst die Scene bei Tage Yorgeht, und manches
andere Ähnliche. Der Dichter geht sehr ausführlich zu Werke und
behandelt seinen Stoff in ganz höfischer Weise, und ich möchte dess-
halb seine Arbeit für Nachahmung irgend eines noch unbekannten
deutschen Gedichtes ansehen, mit welchem er freilich ziemlich
selbstständig verfährt. Er zeigt sich als geschickter gebildeter Mann,
sein Vers und sein Reim sind rein und kunstmässig; besonders liebt
er es den Gang der Handlung durch eingestreute Bemerkungen
moralisirend zu unterbrechen. Von warmer patriotischer Gesinnung
zeugt die Stelle gleich im Eingänge, wo bei Erzählung der Ermor
dung des Königssohnes durch Judas eine gefühlte Klage über den
gewaltsamen Tod des letzten Premysliden in Böhmen, Wenzel's des
3., zu Olmülz (4. August 1306) angefügt wird, Vyb. 1, 169,
16 ff.:
29 ) Wenn Nebesky a. a. 0. das lateinische Gedicht für die unmittelbare Quelle der
cechischen Legende ansieht, so ist dies eben ein Irrthum.
88
Julius Feifalik
Znamenajmy pritom zvlasti,
j e z se stalo v Cechach nynie,
kdez privuznych krätov nenie,
pocndc ot Px'emysla krdle,
kak ho syn, kak vnuk na male
se jsu zbyli na siem svete.
Posledni byl jesce diete,
pocen se scedr i udaten,
a jsa svym liudem postaten,
vsakz nemohl tobo uziti,
musil u mladych dnech sm'ti;
kakz koli byl vsera povolil,
vsakz nevinne svd krev prolil.
Vse pro te, proradne pleme,
pusty sü nejedny zeme.
Zrado, vede z’nie nemines,
vsakz saraa potom oplynes;
woraus sich, wie schon vor mir bemerkt worden ist, die Abfassungs
zeit des Gedichtes ergibt.
Vielfach verwandt mit dem eben erläuterten Fragmente der
Judaslegende sind die Bruchstücke eines altcechischen Gedichtes
von Pilatus auf einem verstümmelten Pergamentblatte des 14. Jahr
hunderts, welche im Cas. cesk. mus. 1829, III, 63—66 und im
Vyb. 1,175—178 mitgetheilt sind. Diese Fragmente, durch kleinere
Lücken unterbrochen, heben mit einer Etymologie des Namens Mainz
in mittelalterlichem Style an, erzählen dann die Waidfahrt des Königs
Atus, weiter wie er an den Sternen sieht, dass ein Kind, von ihm in
dieser Nacht gezeugt, in aller Welt berühmt werden soll, wie er dann
mit Pila einen Sohn gewinnt, der nach Verlauf der natürlichen Zeit
geboren wird, wie ein Bote dies dem Könige meldet und ihn fragt,
welchen Namen der Knabe erhalten soll, während mit den ersten
Zeilen von Atus 1 Antwort das Blatt abbricht. Wie die Judaslegende
findet sich auch die Erzählung von der Geburt und von dem ferneren
Geschicke des Pilatus in der Legenda aurea (p. 231 sqq.). Eben so
wenig als die altcechische Judaslegende aber ist das böhmische Gedicht
von Pilatus unmittelbar nach desjacobus a Voragine Werke verfasst.
Der Dichter benutzte diesmal vielmehr offenbar das mittellateinische
Gedicht, welches dem Leben des Landpflegers gewidmet ist 30 ),
30 ) Mone, Anz. 4, 471. 6, 407. 7, S26 — S32; Edelestand du Meril a. a. 0. p. 340 bis
366; Leyser a. a. 0. p. 2123. Das Bruchstück der altern deutschen Pilatuslegende
Beiträge zur Geschichte der altböhm. Literatur VII.
89
das er in freier selbstständiger Weise bearbeitet 81 ). Auch der
cechische Verfasser der Pilatuslegende zeichnet sich durch Befähi
gung, leichten und gefälligen Versbau, so wie durch die auch hier
durchbrechende Vorliebe für didactische Betrachtung (vgl. Vyb.
1, 177, 17 IT.) aus und es ist wohl möglich, dass die höhmische Be
arbeitung der Sage sowohl von Pilatus als von Judas einem und
demselben Dichter angehören; in die gleiche Zeit fallen beide wohl
sicherlich.
Manche andere Legende, manches andere Gedicht, entweder
uns verloren oder nur bisher unbekannt und ungedruckt, wird noch
auf das oft genannte Werk des Jacobus von Varaggio zurückzu-
führen sein, selbst in späteren Zeiten: und für diese spätere Periode
ist besonders der Einfluss, welchen die Prosaübersetzung der gol
denen Legenda, das sogenannte Passional, geübt hat, nicht geringe
anzuschlagen. Doch kommen wir hiemit in Zeiten der cechischen
Literatur hinab, welche ausserhalb des Kreises liegen, in welchen
sich diese Studien zunächst zu bewegen haben.
steht in H. F. Massmann’s Deutschen Gedichten des 12. Jahrhunderts 1, 145 ff. und
der Eingang in Wackernagel’s Lesebuehe 1, 277 ff.; die jüngere in Hahn’s Ausgabe
des Passionais S. 81 ff.
31) Die betreffenden Verse Urbs fuit insignis, veteres quam constituere bis composi
tum nomen Pilatus ei tribuatur finden sich bei Edelestand du Meril a. a. 0.
S. 344—345.
SITZUNGSBERICHTE
DEM
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-II IS TORISCHE C LASSE.
XXXVII. BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1861.
MAI.
93
SITZUNG VOM 8. MAI 1861.
Gcleseus
Bericht über die T/iäligkeit der historischen Commission der
kais. Akademie der Wissenschaften während des akademischen
Verwaltungs-Jahres 1869 auf 1860 vorgetragen in der Com
missions-Sitzung vom 8. Mai 1861 und darnach in der Clas-
sensitzung desselben Tages durch, den Berichterstatter dersel
ben Dr. Th. G. v. Karajan, d. Z. Vicepräsidenten.
Meine Herren!
Vier gewichtige Gründe sind es, die das Ergebniss der dies
jährigen Leistungen Ihrer historischen Commission, was den Umfang
derselben betrifft, nothwendig minder glänzend können erscheinen
lassen, als das früherer Jahre. Diese Gründe sind folgende:
Erstens sind die beiden Bände der Fontes, welche ohne Schuld
der Commission im Vorjahre erst sehr spät in Angriff kamen, worüber
diese sich schon in ihrem letzten Berichte ausgesprochen hat, wider
alles Erwarten durch die Ungunst der Verhältnisse überhaupt, wie
durch zufällige äussere Hindernisse viel später vollendet worden,
als von vorne herein anzunehmen war. Der zweite der Bände konnte
sogar erst im Oetober des vorigen Jahres ausgegeben werden. Dann
» zweitens war es den Allerhöchst angeordneten Ersparungen
gegenüber und bei dem Umstande, dass ein sicheres Ausmass für
neue Unternehmungen füglich wohl erst nach dem Schlüsse der Ver
handlungen der eingesetzten Druck-Ersparungs-Commission zu treffen
I
94
Karaja n
war, wohl nicht räthlich mehr als einen Band der Fontes für dieses
Jahr in Angriff zu nehmen. Aber auch dieser Band konnte nur äus-
serst langsam vorwärts schreiten, weil seine Correctur eine schwie
rige war und die Herbeischaffung der Original-Handschrift gebot,
was einen längeren Briefwechsel und die Nachsuchung der Bewilli
gung in Siebenbürgen erheischte.
Drittens erforderte die von Ihrer Commission reiflich erwogene,
höchst notlnvendige Umgestaltung der Moriumenta habsburgica in
Bezug auf Inhalt und Herbeischaffung des Stoffes längere auch jetzt
noch nicht vollendete Vorbereitungen. Endlich
viertens ward durch Beschluss dieser Classe vom 30. November
1839 die weitere Veröffentlichung von besonderen Bänden des No
tizenblattes gänzlich eingestellt.
Diese Gründe nun mussten begreiflicher Weise die Thätigkeit
Ihrer Commission auf das beschränken, was von den bisher üblichen
Veröffentlichungen zu liefern ihr allein möglich war, nämlich auf
zwei Bände des Archives und einen der Fontes.
Die ersteren beiden, der vierundzwanzigste und fünfundzwanzig
ste der Reihe, sind im Umfange von sechsundfünfzig Bogen zusammen
im Laufe des Jahres ausgegeben worden, der spät begonnene Band
der Fontes, in der ersten Abtheilung derselben nämlich der Scrip-
toren der dritte, ist dermal bis zum dreizehnten Bogen vorgeschritten
und dürfte bis zum Beginne des Herbstes vollendet werden.
Die durch die Classe zur Verfügung gestellten Geldmittel zur
Honorirung der Arbeiten der historischen Commission für den Lauf
des Jahres 1839 auf 1860 werden daher begreiflicher Weise für
diese Bände vollkommen genügen.
Es erübrigt daher nur noch von ihrem Inhalte zu sprechen,
was in der gewohnten Durchordnung nach Ländern geschehen soll.
Österreich unter der Enns.
Für die Rechtsgeschichte dieses Stammlandes der Mon
archie ist im Archive, Band XXV, auf den Seiten 1 — 136 eine
beachtenswerfhe Arbeit geliefert mit dem Titel: „Niederösterreichische
Banntaidinge und zünftige Satzungen. Gesammelt und mitgetheilt
von J. Zahn“. Beigegeben ist eine Übersicht aller bis jetzt durch
Chmel, J. Grimm, Hormayr, Kaltenbäck, Karajan, Meiller und andere
Bericht über die Thätigkeit der hist. Commission der kais. Ak. d. W. etc. 95
Forscher veröffentlichten Banntaidinge und ähnlicher Satzungen für
die vier Kreise Österreichs unter der Enns. Durch die hier zum ersten
Male mitgetheilten Stücke wird idieGesammtzahl aller bis jetzt bekannt
gewordenen Gewohnheitsrechte dieses Kronlandes auf dreihundert
achtundzwanzig erhoben. Eine glänzende Widerlegung der noch
durch J. Grimm beklagten Armuth der deutsch-österreichischen
Länder an sogenannten Weisthümern. Die dem Aufsatze folgenden
Beilagen, einundzwanzig an der Zahl, bringen übrigens eben so viele
derartige Satzungen, die bisher nicht bekannt waren.
Österreich ob der Enns.
Die Adelsgeschichte des Landes erhält eine namhafte
Bereicherung durch die emsige Arbeit: „Beiträge zur Genealogie
der Dynasten von Tannberg von Ferdinand Wirmsberger £c .
Die Geschichte dieses Geschlechtes, das im oberen Mühlkreise
des Landes, wie im benachbarten Baiern reich begütert war, ist mit
der Geschichte beider Länder innig verwebt und wird durch die
erwähnte Arbeit urkundlich von 1120 an aus meist ungedruckten
Quellen nachgewiesen. Die Zahl der gelieferten ausführlichen Re
gesten beläuft sich auf mehr als sechshundert Nummern, die bis zum
Jahre 1G83 herabreichen. Genealogische Tafeln erleichtern die
Übersicht der Gesehlechtsfolge, eine Tafel von Siegelabbildungen
gibt über das Wappen der Familie Nachweis.
Die Arbeit steht im XXIV. Bande des Archives auf den Seiten
33 — 223.
Wie für dieses Kronland — ist auch für
Kärnten
nur ein Beitrag zur Adelsgeschichte des Landes für diesmal
aufzuführen, nämlich die Fortsetzung der durch Karlmann Tangl im
Archive, Band XIX auf den Seiten 49 — 115 begonnenen genealo
gischen Arbeit: „Die Grafen von Heunburg“. Während die eben
erwähnte erste Abtheilung die Geschichte dieses Geschlechtes,
in den Jahren 1103 — 1249 behandelte, reicht die jetzt ge
lieferte zweite Abtbeilung von 1249 bis zum Jahre 1322, somit bis
zum Ausgange des mächtigen Geschlechtes. Sie steht im Archive
Band XXV auf den Seiten 157 — 312.
96
Karajan
Friauls
allgemeine Landesgeschichte, und zwar namentlich die Kennt-
niss des urkundlichen Stoffes derselben hat Förderung erhalten durch
die Fortsetzung der Regesten dieses Landes von Seite des P. Giu
seppe Bianchi. Diesmal wurden aus den Jahren 1276 — 1290 in
grösseren Auszügen 186 Urkunden der verschiedensten Landesarchive
zur Übersicht gebracht. Diese Fortsetzung findet sich unter dem
Titel: „Documenta historiae forojuliensis saeculiXIII ab anno 1200—
1300 summatim regesta“ im Archive Band XXIV auf den Seiten
425 — 480.
Ungern.
Auf die Geschichte des Regentenhauses zu Anfang des
sechzehnten Jahrhunderts beziehen sich die durch das mittlerweile
verstorbene corresp. Mitglied der Akademie Firnhaber gelieferten :
„Urkunden zur Geschichte des Anrechtes des Hauses Habsburg auf
Ungern". Es sind zwar im Ganzen nur zehn Stücke aus den Originalen
des britischen Museums, aber von grosser Bedeutung, weil sie sämmt-
licli das Erbrecht Ferdinand’s I. auf die ungrisclie Krone betreffen und
geheime diplomatische Verhandlungen enthalten zwischen Johannes
Zapolya und dem polnischem Kanzler Christoph Sidlowiecki, zwischen
Ferdinand I. und dem König von England Heinrich VIII., desselben
mit Cardinal Wolsey u. s. w. Sie sind sämmtlieh aus den Jahren
1526 und 1527 und stehen im Archive Band XXIV auf den Seiten
5 — 32.
Siebenbürgen.
Zur allgemeinen Landesgeschichte und zwar jener des
siebenzehnten Jahrhunderts ist zwar nur Ein Beitrag einzureihen,
aber ein gewichtiger.
Eine der reichsten und anziehendsten Quellen voll anschaulicher
Schilderungen und Charakterzeichnungen, Spottliedern, Stichreden
und dergleichen bildet nämlich die im dritten Bande der ersten Ab
theilung der Fontes durch den Verein für siebenbürgische Landes
kunde der Akademie zur Herausgabe überlassene siebenbürgische
Chronik des Stadtschreibers von Schässburg, Georg Kraus, die
Bericht'über die Thätigkeit deivjhist. Commission der kais. Ak. d. W. etc. 97
Jahre 1608 — 1659 umfassend. Sie fällt gerade in eine Zeit,
welche sowohl für Siebenbürgen als für Ungern, ja den ganzen
Osten Europa’s höchst wichtig war durch die hartnäckigen Kämpfe
mit den Türken.
Der Chronik ist zudem eine einleitende Abhandlung von Karl
Fabritius beigegeben, welche sich mit den Schässburger Chronisten
im Allgemeinen beschäftigt und reiches Detail zu Tage fördert.
Der Band dürfte gegen vierzig Bogen füllen. Bis jetzt sind
zwölf gedruckt.
Monarchie.
Die älteste Geschichte mehrerer Kronländer des Kaiser
reiches und zwar grösstentheils jene der Römerzeit erhält mannig
fache Bereicherung durch die Fortsetzung der seit Jahren vom
wirklichen Mitgliede J. G. Seidl gelieferten: „Beiträge zur Chronik
der archäologischen Funde in der österreichischen Monarchie“. Die
selbe, welche im Archive Band XXIV die Seiten 225 — 423 füllt,
umfasst diesmal die Jahre 1856 — 1858 und hat Dr. Friedrich
Kenner zum Verfasser. Die hier besprochenen Inschriften, Münzen,
Waffen, Geräthe aller Art u. dg), sind zum Theile in Abbildungen
beigegeben. Von den Kronländern des Kaiserstaates sind diesmal
dreizehn mehr oder minder zahlreich vertreten.
Zur Kriegsgeschichte und namentlich jene des dreissig-
jährigen Krieges und seiner Feldherren lieferte einen wichtigen Bei
trag P. Beda Dudik in dem umfangreichen Aufsatze: „Des kaiserl.
Obristen Mohr von. Waldt Hocliverraths-Process, Ein Beitrag zur
Waldstein-Katastrophe. Nach den Originalien“ und zwar im Archive
Band XXV auf den Seiten 313 — 406.
Die hier gegebenen Nachweisungen sind unmittelbar den
Original-Acten des Central-Arcbives des Deutschen Ordens zu Wien
entnommen. Diese befanden sich früher im Deutschordens-Archive
zu Mergentheim.
Schliesslich ist hier noch als des Nachbarlandes
Baiern
Adelsgeschichte mitbetreffend die oben erwähnte Arbeit
„F. Wirmsberger’s Beiträge zur Genealogie der Dynasten von Tann-
Sit7.li. d. phil.-hist. Ci. XXXVII. lid. II. Hft. 7
98
Karajan
ff
berg re einzureihen, abgedruckt im Archive Band XXIV, Seite 33
bis 223.
Es sind also im Ganzen für die Geschichte von sechs Kronländern
je ein Beitrag, zwei für jene der Gesammt-Monarchie, endlich für
die eines deutschen Nachbarlandes ein Beitrag geliefert worden. Die
Commission hofft daher den im Eingänge ihres Berichtes geschilderten
Verhältnissen gegenüber geleistet zu haben, was billigerweise für
den Lauf dieses Jahres von ihr verlangt werden konnte.
Bericht über die Thiitigkeit der Concilien-Commission der kais. Ak. d. W. etc. 99
Bericht über die Thätigkeit der Commission zur Herausgabe
der Acta Conciliorum Saeculi XV. während des akademischen
Verwaltungs-Jahres 18 S 9 auf 1860.
Meine Herren!
Die Vorarbeiten für den zweiten und dritten Band der Monu-
menta conciliorum saeculi XV, welche das umfangreiche Werk des
Johannes de Segovia enthalten werden, schritten im Laufe dieses
Jahres gegen Erwartung langsam vorwärts. Mangel an geeigneten
Arbeitskräften machte sich auch diesmal wieder empfindlich fühlbar.
Der, wie im zweiten Berichte erwähnt wurde, aufgefundene
zweite Copist trat schon nach wenigen Wochen von der Arbeit zurück.
Bei der dadurch neuerdings eingetretenen Verzögerung schien es
räthlich, den Beginn des Druckes so lange zu verschieben, bis das
Manuscript für den zweiten Band der Monumenta vollständig vörliege,
wozu in Kurzem gegründete Hoffnung vorhanden ist.
Dass unter diesen Umständen die bewilligten Geldmittel nicht
erschöpft wurden, ist begreiflich.
100
F e r (1 i u a u il W o I f
Über Cristobul de Custillejo s Todesjahr.
Von dem w. M. Ferdinand Wolf.
Durch meine in Bd. II, S. 300—301 der Sitzungsberichte
dieser Classe versuchte urkundliche Nachweisung des Todesjahres
des berühmten spanischen Dichters und Secretärs Kaiser Ferdi
nand^ I. Cristöbal de Castillejo’s ist zwar die frühere, trotz
ihrer grossen Unwahrscheinlichkeit, von Allen dem Henriquez nach-
geschriehene Angabe, dass er bis zum Jahre 1S96 gelebt habe, lur
immer beseitigt und meine Berichtigung von den Spaniern selbst <)
angenommen worden. Meinen Hauptbeweis bildete nämlich die In
schrift seines Grabsteines in der Neukloster-Kirche zu Wiener-Neu
stadt, wonach er am 12. Juni 1550 zu Wien gestorben ist. Da mir
aber mein Freund, Herr v. Gevay, in dessen bewährte Genauigkeit
ich das vollste Vertrauen setzen durfte, mitgetheilt hatte, dass in
Urkunden des Haus-, Hof- und Staats-Archivs vom 28. Juli 1551 und
vom 22. October 1553 noch der Name Castillejo’s als kaiserlichen
Secretärs unterschrieben erscheine, so glaubte ich, um das Datum
der Grabschrift mit diesen Angaben in Übereinstimmung zu bringen,
zu der allerdings etwas künstlichen und gezwungenen Erklärung
meine Zuflucht nehmen zu müssen, dass die auf das Datum der
Grabschrift: MDL unmittelbar folgenden zwei ersten Buchstaben von
VIENNAE, nämlich V und I zugleich als Zahlzeichen gegolten haben
könnten, und daher MDLVI (1556) zu lesen wäre, wodurch der
Widerspruch gehoben würde, in welchem die in jenen Urkunden
vorkommenden späteren Daten sonst mit dem der Grabschrift
(1550) stünden.
Nun aber bat mir mein verehrter Freund und College Herr
Custos Birk die Abschrift einer Urkunde aus dem k. k. Finanz-
l ) S. Historia de la literatura espanola, por M. Ticknor, trnducida al Castellano, eon
ndiciones y notas criticas, por D. Pascual de Gayangos, y I) Enrique de
Vedia. Madrid, 1851. 8°. Tomo II, p. 499.
Über Cristdbal de Castillejo’s Todesjahr.
101
Ministerial-Archive giitigst initgetheilt, die jede künstliche Interpre
tation der Grabschrift ausschliesst und keinen Zweifel mehr zulässt,
dass das dort in gewöhnlicher Weise ausgedrückte Datum MDL
(1SS0) die richtige Angabe von Castillejo's Todesjahr
enthalte, so zwar, dass Herr v. Gevay's Angaben nur dadurch
erklärlich würden, wenn man den auf jenen von ihm eingesehenen
Urkunden vorkommenden Namen: Castillejo auf Cristöbafs Vetter
und Erben, den in der vorliegenden Urkunde genannten „Jhan
(,Iuan) Castilegio“ beziehen könnte.
Zugleich beweist diese interessante Urkunde, die ich nach
stehend mittheile, dass Cristöbafs so oft wiederholte Bitten, seine
„guten Dienste“, wie ihm mehrfach versprochen worden war, zu
belohnen, doch endlich, aber leider zu spät erhört wurden; denn
von den ihm vermöge dieser Urkunde in jährlichen Raten von
200 Gulden bewilligten 2000 Gulden hat er selbst nur mehr das
erste Ratum bezogen!
Die Urkunde lautet:
Wir Ferdinand etc. Bekhennen für vnss, vnser Erben vnd Nach-
khomen, offenlich mit disem brief, Als vnss yezo vnser getreuer lie
ber, Cristoph von Castilegio, vnser Rat vnd Secretari, neben erzel-
lung seiner getreuen, aufrichtigen, vnd nüczlichen dienst, die Er
vnss nun vil vnd lannge Jar, an vnserm Khunigclichen Hof, mit
embsigem vleiss gethan, vmb vnser genedige hilff vnd gnad, damit
Er sich in Jetzigem seinem erlanngten Alter, vmb sovil mer vnd
statlicher erhalten mug, vnderthänigclichen angeruetfen vnd gebe
ten hat,
Wir Ime auch darauf, in Bedacht solcher seiner volbrachten
angenämen dienst, deren wir vnss wol erlndern, vnd daran ain Sün
ders, genädigs vnd guets wolgefallen haben, fürnemlichen auch, vmb
diser vrsach willen, das wir Ime hieuor, mer als ain Gnadenverschrei
bung gegeben, die aber in khain würkhlichait khoinen, oder in
volziehung gebraclit mugen werden, wie Er vnss dann dieselben
widerumben in Originalien zu vnserer Hof Camer antwurtten lassen,
mit allen gnaden zu erscheinen genaigt sein, Das wir demnach
gedachtem vnnserm Rat vnd Secretari Cristophen von Castilegio,
zwai Tausend gülden Reinisch in munez zu funffczehen Patzen oder
Sechczig khreiczern gerechnet, in Parem gellt zu schenckhen, vnd
bezallen zulassen gnedigclichen bewilligt, auch zuegesagt vnd
1 02 Ferdinand Wolf, Über Cristobal de Castiiiejo’s Todesjahr.
versprachen haben, zuesagen vnd versprechen auch hiemit wissentlich
in crafft dicz brieffs, Also, Das Ime Caslilegio, durch gegenwärtigen
vnd khunfftigen vnsern Hofzalmaister, alle Jar, von dato anzurechnen
zwaihundert gülden, vorbestimbter werung, so lang vnd vil, bis soliche
zwai Tausent gülden durch dise Verordnung der järlichen zwai
hundert gülden, gar völligclich, vnd (an) ahgang entricht vnd bezalt
sein, zuestellen vnd vergnuegen lassen sollen vnd wellen, Und im
fall, das gedachter von Castilegio, mitlerzeit vnd ehe dise zwai
Tausent gülden, gar abgericht vnd bezalt, Todes vergeen, vnd also
soliehen vnbezalten Resst, auf seine Erben, oder wem Er denselben,
durch Testament oder geschafft, vergunnen, fallen würde, So ver
sprechen wir darauf weiter, angezaigten Resst, souil desselben, nach
seinen Todt, an soliehen zwai Tausent gülden aussteet, gemelten
seinen Erben, oder wem Er sein verlassung verschaffen wirdet, ain
weg als den andern, vnd Inmassen als ob Er selbst lebte, Richtigclich
bezallen zulassen, Innhallt vnd vermug, vnsers sundern offen beuelchs,
desswegen an gedachten gegenwurtigen vnnd khunfftigen vnsern Hof
zalmaister, hieneben gefertigt ausganngen, Gnedigclich vnd vngefär-
lich, Mit vrkhundt dicz brieffs.
Geben zu Wienn, den ersten tag Januarij, Anno etc. im XLYIIII 10 .
(Durchstrichen und am Rande beigeschrieben :)
An disen 2000 gld. sein weilendt Cristoffen Castilegio in seinem
leben 200 vnd di vbrigen 1800 gülden seinem Vetter Jhan Castilegio
aus dem Hofzalmaister amht par beezalt, dagegen dise Verschrei
bung als erledigt herauss genumen, vnd cassiert worden zuAugspurg
am 28. Decb. 15S0.
(K. k. Finanz - Ministerial-Archiv.)
Dr. Pfizniaier, Die Mensehenabtheilung 1 der wandernden Sehimgew.altig’en. 103
SITZUNG VOM 15. MAI 1861.
Vorgclegt:
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
Von dem w. M. Dr. August Pfizmaier.
Während es zu allen Zeilen Männer gegeben, welche unter
gewissen Verhältnissen sich der Waffen zum Schutze ihrer Freunde
und Genossen bedienten, bildete sich erst unter der Herrschaft des
Hauses Han eine besondere Abtheilung von Menschen, welche,
ähnlich den irrenden Rittern unseres Welttheils, die Beschützung
ihrer Mitmenschen durch Waffengewalt sich zur Lebensaufgabe
machten und mit dem Namen Yeu-hia „die wandernden
Schirmgewalligen“ belegt wurden.
Dass eine solche Menschenabtheilung sich bilden konnte, wird
aus dem Zustande des Verfalles, in welchem damals in Folge der
immerwährenden Kämpfe sämmtliche herrscherländischen Einrich
tungen sich befanden, herzuleiten versucht. Als die höchste Gewalt
keinen Schutz mehr gewährte, begannen zuerst Fürstensöhne und
Kriegsführer sich vorüberziehend zu Schutzherren aufzuwerfen.
Noch später bei zunehmendem Verfalle wurden einzelne kühne
Männer des Volkes, unter ihnen selbst Räuber und Mörder, die
Schützer der Bedrängten.
Die wandernden Schirmgewaltigen verschmähten es gewöhnlich,
in Dienste des Herrscherlandes zu treten, sie waren in Allgemeinheit
arm, schlossen mit den Menschen Freundschaft, hielten Wort,
machten aber, indess sie ihren Schulz zu Theil werden Hessen,
zwischen der gerechten und ungerechten Sache keinen Unterschied.
Da sie, ohne Amt und öffentlichen Einfluss, fast nur durch blutige
Gewaltthat oder Einschüchterung ihre Vorsätze durchführen konnten,
104
Dr. P f i /• m si i e r
kiimen sie bei ihrem Auftreten häufig mit den Gerichten in Berüh
rung und erlitten auch nicht selten , da sie sich in Wirklichkeit
schwerer Verbrechen schuldig machten, die Todesstrafe.
Die genannte Menschenabtheilung wurde übrigens, nachdem
sie längere Zeit bestanden, nicht ganz günstig beurtheilt, wie
folgende in den Büchern der früheren Han enthaltene Auseinander
setzung zeigt:
ln der alten Zeit gründete der Himmelssohn die Herrscherländer.
Die belehnten Fürsten errichteten die Häuser. Von den erlauchten
Räthen und grossen Würdenträgern bis herab zu den gemeinen
Menschen hatte ein Jeder Abstufungen und Unterschiede. Aus
diesem Grunde unterwarf sich und diente das Volk den Höheren,
aber die Niederen hatten kein ungebührliches Begehren.
Khung-tse sagt: Wenn in der Welt der Weg des Gesetzes
vorhanden, befindet sich die Lenkung nicht in den Händen der
grossen Würdenträger 1 ). — Die hundert Obrigkeiten waren die
Vorsteher, befolgten die Gesetze, richteten sich nach den Erlässen
und übten, was die Pflicht ihres Amtes. Die versäumten die Pflicht,
wurden hingerichtet. Die sich Eingriffe erlaubten in die Ämter der
Obrigkeiten, wurden gestraft. Weil es sich so verhielt, waren Höhere
und Niedere gegen einander willfährig und sämmtliche Angelegen
heiten waren wohlbestellt.
Nachdem das innere Haus der Tscheu bereits unscheinbar
geworden, hatten Gebräuche, Klangspiel, Eroberungen und Angriffe
ihren Ausgang von den Fürsten der Lehen. Nach den Fürsten Hoan
und Wen 2 ) besassen die grossen Würdenträger in dem Zeitalter die
höchste Gewalt, zugesellfe Diener bemächtigten sich des Befehles.
Allmählich führte der Verfall zu den Zeiten, wo die kämpfenden Herr
scherländer sich vereinigten in Anschlüssen, drehten die Wagebalken,
durch Gewalt begründeten die Lenkung, stritten um die Macht.
Desswegen waren unter den Fürstensöhnen der gereihten
Herrscherländer in Wei Sin-Iing, in Tschao Ping-yuen, in Tsi Meng-
tsehang, in Tsu Tschün-schin*). Sie alle entlehnten die Stärke von
Die höchste Gewalt geht nicht auf’die Niederen über.
2 ) Die Fürsten Hoan von Tsi und Wen von Tsin.
s ) Die vier berühmten Fürstensöhne Wu-ki, Landesherr von Sin-Iing-, Sching, Landes
herr von Ping-yuen, Tien-wen, Landesherr von Meng-tschang und Hoang-hö, Lan
desherr von Tschiin-schin, sind in der Abhandlung: „Zur Geschichte des Entsatzes
von Han-tan“ vorgekommen.
Die Menschenabtheilung- der wandernden Schirmgewaltigen.
105
Königen und Fürsten und wetteiferten aufzutreten als wandernde
Schirmgewaltige. Das Krähen des Hahnes, der Diebstahl durch
Hunde, nichts war, das nicht geehrt wurde nach den Gebräuchen für
die Gäste 1 ). Aber der Landesgehilfe von Tschao, der erlauchte
Diener Yü, setzte zurück das Herrscherland, stiess von sich den
Gebieter, um Vorkehrungen zu treffen bei der Gefahr des erschöpften
Wei-tsi, der mit ihm verbunden 2 ). Wu-ki von Sin-ling stahl das
Abschnittsrohr, erlog den höchsten Befehl, mordete den Feldherrn,
nahm ausschliesslich in Besitz das Heer, um zu Hilfe zu eilen bei
Ping-yuen’s Bedrängniss 3 ). Sie alle gewannen an Wichtigkeit bei
den Fürsten der Lande, machten berühmt ihren Namen in der Welt.
Diejenigen, die sich fassten bei den Handwurzeln und lustwandelnd
redeten, stellten die vier Gewaltigen 4 ) an die Spitze des Lobes.
Hierauf ward die Berathung, der gemäss inan den Rücken kehrt der
öffentlichen Sache und stirbt für die Genossen, in’s Werk gesetzt,
und die Gerechtigkeit, der gemäss man beobachtet sein Amt und
gehorcht den Höheren, zu nichte gemacht.
Als Han sich erhob, waren die Netze der Verbote weit, und
man hatte es noch nicht auf gebührende Weise geändert. Desswegen
hatte Tschin-hi 5 ), der Landesgehilfe von Tai, in seinem Gefolge
Wagen eintausend, aber U-pi 6 ) und Hoai-nan 7 ) riefen herbei Gäste
tausend an der Zahl. Unter den äusseren Verwandtschaften wett-
1 ) Der Landesherr von Meng-tschang entkam aus Thsin mit Hilfe eines Menschen, der
das Krähen des Hahnes nachahmen konnte, und setzte sich durch einen Menschen, der,
als Mund verkleidet, Diebstähle auszuführen verstand, in den Besilz eines Kleides von
weissem Fuchsfell.
2 ) Wei-tsi, Fürstensohn von Wei, ward durch Fan-hoei am Leben bedroht und fand,
wie in der Abhandlung: „Das Leben des Redners Fan-hoei“ erzählt worden, Schutz
bei dem erlauchten Diener von Yü.
3 ) Wu-ki, Fürstensohn von Wei, ward, wie in einer besonderen Abhandlung erzählt
worden, durch den Landesherrn von Ping-yuen aufgefordert, dem Herrscherlande
Tschao Hilfe zu bringen und setzte sich, um dies bewerkstelligen zu können, durch
Gewalt und List in den Besitz eines Heeres.
‘>»0 Sse-hao „die vier Gewaltigen“ heissen Wu-ki, Fürstensohn von Wei,
und die drei übrigen oben genannten Landesherren.
5 ) Tschin-hi ist in der Abhandlung: „Die Nachkommen der Könige von Wei, Tsi und
Man“ der Gegenstand eines besonderen Abschnittes.
6 ) D. i. Pi, König von U.
7 ) Li, König von Hoai-nan, ein Sohn des Gesammtherrschers Kao.
106
Dr. P f i z m a i e r
eiferten die grossen Diener Wei-khi *), Wu-ngau 2 ) und deren
Anhänger, sich herum zu treiben in der Hauptstadt des Himmels
sohnes. Die in Baumwolle gekleideten wandernden Schirmgewaltigen
Khie-meng, Ko-kiai 3 ) und deren Genossen sprengten einher in den
Durchwegen und Gängen. Die höchste Gewalt ward geübt in den
Landstrichen und Marken, die Stärke brach Fürsten und Lehens
fürsten. Das gesammte Volk verherrlichte die Spur ihres Namens
und blickte zu ihnen empor mit Bewunderung. Verfielen sie auch in
Strafe nach dem Gesetze, sie erwarben sich selbst durch die Hin
richtung einen Namen, gleichwie Ki-lu 4 ) und Khieu-mö 5 ) starben,
ohne sich zu betrüben.
Desswegen sagt Tseng-tse: Wenn die Höheren verfehlen ihren
Weg, ist das Volk längst schon zerstreut. — Wenn kein erleuch
teter König sich befindet in der Höhe, der ihm zeigt das Gute und
das Böse, der ihm darlegt die Gebräuche und die Gesetze, woher
sollte das Volk dann kennen die Verbote und zurückkehren zu der
Rechtlichkeit?
Nach dem strengen Gesetze der alten Zeit waren die fünf
Oberherren die Verbrecher der drei Könige, aber die Fürsten der
sechs Herrscherländer waren die Verbrecher der fünf Oberherren.
1 j Tü-ying, Fürst von
Wei-khi, ein Neffe der Geinahlinn des Gesammtherr-
2 )
schers Hiao-wen
i7\
Tien-fen, Fürst von
S Ä
Wu-ngan, ein Bruder der Gemahlinn des
Gesammtherrschers Hiao-king.
3 ) Von Khie-meng und Ko-kiai wird im Verlaufe dieser Abhandlung ausführlich
gehandelt.
4 )
jj^ Ki-lu, der
sonst immer Tse-lu genannt wird, ist ein durch seinen Muth
berühmter Jünger Confucius’. Als Khuai-I den Fürsten Tsch’hü von Wei vertrieb,
begab sich Ki-lu nach Wei und liess sich zu Gewalttaten gegen Khuai-f, der unter
dessen Landesherr geworden, hinreissen. Er ward von zwei Männern mit Hellebarden
angegriffen, wobei das Band seiner Mütze in dem Handgemenge zerschnitten ward.
Ki-lu rief: Der Weise stirbt, aber seine Mülze wird nicht abgelegt. — Während er
das Band der Mütze zusammenknüpfte, ward er von den zwei Kriegsmännern getödtet.
mit
Khieu-mö war ein Grosser des Herrscherlandes Sung. Als der erlauchte
Landesdiener Wan den Fürsten Min von Sung (682 vor Chr.) getödtet hatte, eilte
Khieu-mö herbei und schrie, in der Hand ein Schwert haltend, den Mörder zornig an.
Wan, der von ungewöhnlicher Leibesstärke gewesen, führte mit dem Arme einen
solchen Stoss gegen Khieu-mö, dass dessen Haupt zerschmettert ward und die Zähne
sich in dem T horflügel vertieften.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
107
Jene vier Gewaltigen waren ebenfalls die Verbrecher der sechs
Herrscherländer. Was lässt sich erst sagen von Menschen wie
Kö-kiai, die mit der Winzigkeit eines gewöhnlichen Mannes sich
anmassten die Machtvollkommenheit, zu bringen vom Leben zum
Tode? Einem solchen Verbrechen entspricht nicht einmal die
Hinrichtung.
Betrachtet man sie jedoch, wie sie erneuten die Vortrefflichkeit,
sich entschlugen der Sparsamkeit, emporrichteten die Erschöpfung,
umwandelten die Bedrängniss, wie sie in ihrer Bescheidenheit und
Zurückgezogenheit nicht prahlten, so waren sie auch alle überaus
wunderbare Gestalten. Schade, dass sie nicht betraten die Wege des
Gesetzes und der Tugend! Wenn sie überlassen wurden dem Ende
der Strömung, wenn getödtet ward ihr Leib, wenn sie verlustig
wurden der Stätten der Ahnen, so war hieran Schuld nicht ihr
Mangel an Glück.
In den Zeiten, die folgten aufWei-khi, Wti-ngan und Hoai-nan,
knirschte der Himmelssolm mit den Zähnen', die Männer der
Geschlechter Wei *) und Ho 2 ) brachten eine Besserung zu Wege
in dem Masshalten. Gleichwohl waren die gewaltigen und hervor
ragenden Männer der Landschaften und Herrscherländer aller Orten
vorhanden. In der Hauptstadt des Himmelssohnes blickten Nahe und
Verwandte, Mütze au Mütze, Wagendecke an Wagendecke, auf ein
ander von ferne. Auch war in Gemässlieit der Wege der alten und
neuen Zeit an keinem etwas werth der Erwähnung. Bios zur Zeit
des Gesammtherrschers Tsching waren in den auswärtigen Häusern,
bei den Königsgeschlechtern die Gäste eine überaus grosse Menge,
und Leu-hoe 3 ) ging ihnen voran. Zur Zeit Wang-mang’s war unter
sämmtlichen Fürsten Tschin-tsün 4 ) der muthigste, unter den
Schirmgewaltigen der Durchwege und Gassen war Yuen-sche 5 ) der
Stiel des Löffels 6 ).
l ) Der Feldherr
Der Feldherr
W tf wei - tsing -
ü
Hö-khiii-ping
8 ) Über Leu-hoe werden weiter unten Nachrichten gegeben,
4 ) Die Nachrichten über Tschin-tsün finden sich im Verlaufe dieser Abhandlung,
5 ) Die Nachrichten über Yuen-sche finden sich im Verlaufe dieser Abhandlung.
6 ) D. i. Stamm und Wurzel, gleichsam die Seele.
108
Di*. Pfizraaier
So weit das Buch der früheren Han. Günstiger werden die
wandernden Schirmgewaltigen in dein Sse-ki beurtheilt. Dieses
Werk enthält folgende Auseinandersetzung:
Han-tsesagt: Die Gelehrten bringen durch den Schmuck
der Zeichen Verwirrung in die Gesetze, aber die Schirmgewaltigen
bandeln vermöge ihres kriegerischen Muthes zuwider den Verboten.
Beides wird getadelt, aber unter den lernenden Männern werden
viele gerühmt in dem Zeitalter. Sie gelangten dahin, dass sie durch
ihre Kunst in Besitz nahmen die Stellen von grossen Hausdienern,
Landesgehilfen, erlauchten Dienern und grossen Würdenträgern,
dass sie stützten und wie mit Flügeln deckten die Gebieter ihres
Zeitalters. Ihre Verdienste und ihr Name wurden veröffentlicht in
dem Frühling und Herbst, und hierüber lässt sich gewiss nichts
sagen.
Was jedoch Männer betrifft wie Ki-thse 3 ) und Yuen-hien 3 ),
so waren sie Menschen der Durchw'ege und Gassen. Sie lasen Bücher,
1 ) Han-tse ist Han-fei, ein Rechtsgelehrter aus der Zeit, welche der
Alleinherrschaft des Hauses Thsin vorherging.
7k ¥ Ki-thse. Dieser Mann verschmähte es, in die Dienste eines der herr
schenden Häuser seinerzeit zu treten, und Khung-tse rühmte ihn desshalb, indem
er sprach: In der Welt gibt es keinen Wandel und Viele werden Diener der
Häuser, leisten Dienste in den Hauptstädten. Nur Ki-thse hat noch niemals Dienste
geleistet.
Yuen-hien, ebenfalls ein Jünger Confucius’, führte den Jünglingsnamen
Tse-sse und ist mit dem Verfasser des Werkes Tschung-yung, der
ebenfalls den Jünglingsnamen Tse-sse führte und ein Enkel Confucius’ gewesen,
nicht zu verwechseln. Tse-sse richtete einst an Khung-tse eine Frage bezüglich
dessen, was eine Schande sei. Khung-tse antwortete: Wenn in einem Herrscher
lande der Weg des Gesetzes besteht, mag man Nutzen ziehen. Wenn in einem
Herrscherlande kein Weg des Gesetzes besteht, Nutzen ziehen, ist eine Schande.
— Tse-sse fragte ein anderes Mal: Überwindung, Prahlerei, Gehässigkeit, Begehren
sich nicht zu Schulden kommen lassen, kann man dies für Menschlichkeit halten?
— Khung-tse antwortete: Man kann dies für schwer halten. Dass es aber Mensch
lichkeit, davon weiss ich nichts. — Nach Khung-tse s Tode verliess Yuen-hien
seinen bisherigen Wohnsitz und lebte zwischen wilden Pflanzen und Sümpfen ver
borgen. Als Tse-kung, ein anderer Jünger Confucius’, in Wei Landesgehilfe ward,
liess er einen Wagen mit vier Pferden bespannen und begab sich, indem er sich
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
109
trugen in dem Busen die Tugend des alleinigen Handelns als Weise.
Ihre Gerechtigkeit stimmte vorläufig nicht überein mit dem Zeitalter,
in welchem sie lebten. Das Zeitalter, in welchem sie lebten, auch
verlachte sie. Desswegen hatten Ki-thse und Yuen-hien durch ihr
ganzes Leben ein leeres inneres Haus, von Beifuss umwuchert die
Thüre, hänfene Kleider, mit grober Nahrung waren sie nicht gesättigt.
Dass sie gestorben, sind bereits vierhundert Jahre, aber die Jünger
behalten sie im Gedächtniss unablässig.
Jetzt hält der Wandel der wandernden Schirmgewaltigen sich
zwar nicht in den Geleisen der strengen Gerechtigkeit, aber ihre
Worte verdienen Glauben, ihre Handlungen sind Wirklichkeit, ihre
Zusagen sind Wahrheit. Ohne zu schonen sich selbst, eilen sie hin,
wo in Gefahr oder Bedrängniss die Männer des Landes. Sie haben
bereits Fortbestand gegeben dem zu Grunde gehenden, der Tod
verwandelt sich in das Leben, sie aber sind nicht stolz auf ihre
Vorzüge, sie schämen sich, zu prahlen mit ihrer Tugend. Sie haben
nämlich auch etwas, das verdient, gerühmt zu werden. Zudem sind
Eile und Weile etwas, das die Menschen zu jeder Zeit haben.
Der Fürst, der grosse Verzeichnen *) sagt: Yii-schün 2 ) war
hart bedrängt in dem Brunnen und in der Scheune 3 ). I-yün trug auf
durch Wicken und Unkraut Bahn brach, zu der ärmlichen Behausung Yuen-hien’s,
wo er seinen Besuch anmeldete. Yuen-hien empfing Tse-kung in abgenützten Kleidern
und das Haupt mit einer schlechten Mütze bedeckt. Der Landesgehilfe von Wei
schämte sich seines alten Bekannten und fragte ihn: Bist du, o Vorgesetzter,
etwa gekränkt? — Yuen-hien erwiederte: Ich habe folgendes gehört: Wer keine
Güter besitzt, den nennt man arm. Wer den Weg des Gesetzes erlernt hat, aber
es nicht fähig ist, ihn zu wandeln', den nennt man gekränkt. Was mich Hien
betrifft, so bin ich arm, aber nicht gekränkt. — Tse-kung erröthete und ent
fernte sich voll Missbehagen. Er schämte sich durch sein ganzes Lehen, dass er
sich im Reden verfehlt hatte.
*) Unter Thai-sse-kung d. i. dem Fürsten, dem grossen Verzeichner, wird der Vater
des Gesehichtverfassers Sse-ma-tsien verstanden.
2 ) D. i. der Gesammtherrscher Schün von dem Geschleehte Yü.
3 ) Wie in den Überlieferungen erzählt wird, ward dem Gesammtherrscher Schün,
bevor er zur Lenkung gelangt war, von dessen Vater und Bruder nach dem Leben
getrachtet. Sie hiessen Schün einen Brunnen graben und verschütteten diesen, als
Schün sich in der Tiefe befand , mit Erde. Schün hatte dies vorhergesehen und
einen verborgenen Raum mit einem Seitenausgang angebracht, durch dessen Be
nützung er sich rettete. Ein anderes Mal legten sie, während Schün sich in dem
oberen Theile der von ihm erbauten Scheune befand, in dem unteren Theile der
selben Feuer an. Schün rettete sich, indem er zwei Sonnenschirme vor seinen Leib
hielt und sich von der Höhe der Scheune herabliess.
110
Di*. P f i z m a i e r
dem Rücken einen Oreifuss und ein Hackbrett 1 ). Fu-schue lebte
verborgen zwischen den steilen Anhöhen von Fu 3 ). Liii-schang war
erschöpft in Ke-tsin s ). I-ngu 4 ) trug Handfesseln und Fussringe.
Pe-li 5 ) fütterte die Rinder. Tschung-ni fürchtete Khuang und hatte
die Farbe der Kräuter in Tschin und Tsai 6 ). Alle diese Männer
waren, wie lernende Männer es nennen, den Weg des Gesetzes ein
haltende, menschliche Menschen, und sie hatten gleichwohl solches
Missgeschick. Um wie viel mehr ist dies der Fall bei Menschen, die,
im Besitze mittelmässiger Gaben, setzen durch die letzte Strömung
eines in Verwirrung gerathenen Zeitalters? Die Unbilden, die sie
erfahren, wie Hessen sie sich aufzählen mit Worten?
*) I-yün, L'andesgehilfe zur Zeit des Herrscherhauses Yin, wusste, wie in der Über
lieferung erzählt wird, durch kein anderes Mittel die Aufmerksamkeit des Königs
Thang auf sich zu ziehen, als dass er sich unter die Diener mengte und auf dem
Bücken einen dreifüssigen Kessel und ein Hackbrett trug.
befand sich unter den Menschen, welche zum Baue des
durch das Wasser zerstörten
ein König des Herrscherhauses Yin, hatte geträumt, dass ihm ein höchst weiser
Mann, Namens Schue zu Theil geworden. Er suchte diesen nach der Gestalt,
welche ihm im Traume erschienen, und fand endlich Fu-schue, den er zum Landes
gehilfen ernannte und ihm von den steilen Anhöhen von Fu, wo er ihn gefunden,
den Geschlechtsnamen Fu verlieh.
8 ) Liu-schang war der erste Fürst des Herrscherlandes Tsi. Derselbe angelte an den
Ufern des Flusses Wei, als König Wen, der nach jenen Gegenden gekommen war,
ihn bemerkte und ihn in seine Dienste nahm. Das Gebiet, wo sich Liü-schang
genannt und lag in der Nähe des
Ostmeeres.
4 ) l-ngu, mit Setzung des Geschlechtsnamens auch Kuan-I-ngu genannt, ist Khuan-
tschung, Landesgehilfe von Tsi.
5 ) Pe-li ist Pe-li-hi, Landesgehilfe von Thsin, der in der Abhandlung: „Der Landes
herr von Schang“ vorgekommen.
Khuang hatte durch Yang-hu, der sich durch seinen Angriff auf
Die Stadt
die drei mächtigsten Häuser von Lu bemerkbar gemacht und hierauf aus dem
Lande geflohen war, mehrfache Bedrückungen erfahren. Als Confucius auf seiner
Reise von Wei nach Tschin die Stadt Khuang berührte, ward er von den Be
wohnern festgenommen, indem man ihn für Yang-hu hielt, mit dessen Gestalt die
seinige Ähnlichkeit hatte. Als Confucius sich nach Tsu begeben wollte, ward er
zwischen Tschin und Tsai durch Söldlinge dieser Herrscherländer eingeschlossen
und war, da man ihm keine Lebensmittel zukommen liess, in Gefahr, Hungers zu
sterben , bis eine durch König Tschao von Tsu ausgesandte Kriegsmacht ihn befreite.
Die Farbe der Kräuter ist die Farbe des Hungers, das Aussehen der Menschen,
welche von Kräutern zu leben gezwungen sind.
b
Die Menschenabtheil ung der wandernden Schirmgewaltigen.
lll
Die Menschen der Landstädte haben ein Sprichwort, welches
lautet: Wie soll man erkennen Menschlichkeit und Gerechtigkeit?
Wer bereits losgeht auf seinen Nutzen, befindet sich im Besitze der
Tugend. — Desswegen hatte Pe-I Abscheu vor Tscheu und starb
den Tod des Hungers auf dem Berge Scheu-yang, aber Wen und
Wu erlitten um seinetwillen keine Einbusse als Könige. Tschi und
Khiao *) legten offen an den Tag den Nutzen, und die Genossen
rühmten ihre Gerechtigkeit unaufhörlich. Hieraus lässt sich ersehen:
Wer stiehlt ein krummes Schwert, wird hingerichtet. Wer stiehlt ein
Herrscherland, wird zum Fürsten erhoben. Unter dem Thore der
Fürsten haben Menschlichkeit und Gerechtigkeit den Fortbestand,
dies ist kein leeres Wort.
Jetzt umfassen unter denjenigen, die festhalten an dem Lernen,
einige die Gerechtigkeit eine Spanne, eines Fasses und bleiben lange
verwaist in dem Zeitalter. Wie sollten sie gleich niedrigen Erörte
rungen, gleich Gewohnheiten der Menschenabtheilungen untersinken
oder schwimmen und sich erwerben Ehre und Namen? Aber die
Genossen der baumwollenen Kleider begründen Nehmen und Geben,
Ubereinstimmen und Zusagen, in einem Umfange von tausend Weg
längen rühmt man ihre Gerechtigkeit, sie sterben und nehmen nicht
Bücksicht auf das Zeitalter. Hierdurch hatten sie auch etwas, das
ihnen Ruf verschaffte für die Dauer, nicht blos vorläufig auf eine
Zeit. Wenn daher der Mann des Landes in Bedrängniss, und er
kommt dazu, hinzugeben sein Leben, wie sollte er nicht sein, wie
die Menschen es nennen, einer, der sich befindet unter den weisen
und gewaltigen Männern ?
Wollte man in Wahrheit bewirken, dass die Schirmgewaltigen
der Krümmen der Bezirke gegenüber Ki-thse und Yuen-hien Ver
gleiche anstellen hinsichtlich der überwiegenden Macht, messen die
Stärke, geltend machen die Verdienste in dem gegenwärtigen Zeit
alter, so würde dies von denen, die leben in den nämlichen Tagen,
nicht einmal erörtert werden. Beschränkt man sich darauf, dass ihre
Verdienste ersichtlich, ihre Worte Glauben verdienen, wie könnte
da auch die Gerechtigkeit der schirmgewaltigen Gäste gering ange
schlagen werden?
’) jj^j Tseht und JÄ
Khiao waren zwei berüchtigte Räuber des Alterthums.
112
Di*. P f i z in aier
Aus alter Zeit ward von Sehirmgewaltigen in baumwollenen
Kleidern nirgends etwas gehört. In den nahen Geschlechtsaltern
machten sich Yen-Iing 1 ), Meng-tschang, Tschün-schin, Ping-yuen,
Sin-ling und deren Genossen zu Nutzen die Verwandtschaft und die
Verbindung mit königlichen Herrschern, sie entlehnten die Reieh-
thiimer von länderbesitzenden erlauchten Dienern und Landesge
hilfen, sie beriefen zu sich in grossem Massstabe die weisen Männer
der Welt, sie machten berühmt ihre Namen unter den Fürsten der
Lehen: man kann von ihnen nicht sagen, dass sie keine weisen
Männer. Es ist, wie wenn man ruft in der Richtung des Windes, die
Stimme verbreitet sich darum nicht schneller, nur ihre Stärke wird
gestaut.
Dass selbst die Schirmgewaltigen der Durchwege und Gassen
einrichten ihren Wandel, Schliff gehen ihrem Namen, dass ihr Ruf
sich verbreitet über die Welt, Niemand ist, der nicht rühmt ihre
Weisheit, so ist dies nur schwer. Gleichwohl haben die Gelehrten
sämmtlich sie zurückgestossen und nicht aufgenommen in ihre Bücher.
In den Zeiten, die vorhergegangen Thsin, sind die Schirmgewaltigen,
die gemeine Männer waren, untergegangen, wurden vernichtet und
sind nicht zu sehen. Es thut mir dies sehr leid.
So viel ich gehört, gab es, seit Han sich erhoben, Tschü-kia,
Tien-tschung 3 ), Wang-kung 3 ), Khie-meng, Kö-kiai und deren
Genossen. Obgleich sie lange ferngehalten wurden von den
geschmückten Aufsätzen des Zeitalters, in welchem sie lebten, haben
nichtsdestoweniger ihre gesonderte Gerechtigkeit, ihre Unbescholten-
1 ) Ki-tse von Yen-Iing- heisst der durch seinen Verstand wie durch seinen Edelmuth
berühmte Königssohn Ki-tschä von U, der in der Geschichte des Herrscherlandes
U vorgekommen und hier wohl nur gemeint sein kann. In einer Anmerkung zu
Sse-ki wird jedoch bemerkt, dass es auch in der Landschaft Tai einen Unterkreis
Namens Yen-Iing gegeben habe und zugleich folgende Stelle Han-tse's, der eines
Seng „Lernenden“ von Yen-Iing erwähnt, angeführt: Tschao-siang-tse berief
Yen-ling-seng zu sieh, hiess ihn einen Wagen besteigen und früher sich nach
Tsin-yang begeben. — Zu Siang-tse’s Zeiten, wird in der Anmerkung hinzugesetzt,
hatte Tschao bereits Tai sich einverleibt, und es konnte daher Yen-Iing ein Ehren
name gewesen sein. Es lässt sich indessen nicht bestimmen, ob dieser Mann hier
gemeint sei oder nicht.
2 ) Tien-tschung wird im Verlaufe dieser Abhandlung erwähnt.
4M
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
113
heit und Lauterkeit, ihre Zurückgezogenheit und Bescheidenheit
etwas, das würdig des Lobes. Ihr Name ward nicht vergebens
erworben, die Männer der Lande haben sich nicht vergebens ihnen
angeschlossen.
Was endlich Freunde und Genossen betrifft, die huldigen der
Stärke, die vorbereiten die Hinterlegung von Gütern, die ihre Dienste
widmen der Armuth als Gewaltige und Grausame, die durch Über
griffe schrecken die Verwaisten und Schwachen, die in Begehren
und in Willkür sich gefallen, so haben die wandernden Schirm
gewaltigen auch Abscheu vor ihnen. Ich bedauere, dass die Gewohn
heit des Zeitalters nicht untersucht dessen Bedeutung, sondern ohne
Unterschied heisst Tschü-kia,"Kb-kiai und Andere mit den Grausamen
und Gewaltigen gezählt werden zu einer und derselben Gattung von
Menschen und auf gleiche Weise sie verlacht.
So weit die Betrachtungen des Sse-ki. Die Beihe der zur Zeit
des Herrscherhauses Han lebenden Schirmgewaltigen beginnt mit
Tschü-kia und endet in dem Sse-ki mit Ivo-kiai, in den Büchern der
früheren Han mit Yuen-sche. In dem Nachstehenden wird alles, was
über die wandernden Schirmgewaltigen aus dem gedachten Zeiträume
vorliegt, milgetheilt und dort, wo die Geschichte nur Namen enthält,
auch diese wieder gegeben.
Tschü-kin und dessen Zeitgenossen.
Tschü-kia war in dem früheren llerrscherlande Lu
gehören und lebte zur Zeit des Gesammtherrschers Kao-tsu.
Während die Eingeborenen von Lu sich gewöhnlich mit der Lehre
Khung-tse’s beschäftigten, machte Tschü-kia seinen Namen durch
das Handwerk eines Schirmgewalligen berühmt. Die Zahl der vor
züglichen Männer, welche er verbarg und denen er das Leben rettete,
belief sich allein schon auf hundert, die Übrigen jedoch, welche zur
gewöhnlichen Menschenabtheilung gehörten und ebenfalls von ihm
beschützt wurden, konnten gar nicht gezählt werden. Dabei prahlte
er durchaus nicht mit seiner Befähigung, er (hat vielmehr sein
Möglichstes, um die von ihm erwiesenen Woldthaten in Vergessenheit
gerathen zu machen, aus welchem Grunde auch alle diejenigen,
welche einmal von ihm eine Wohlthat empfangen, sich fürchteten
ihn zu besuchen. Da er für die den Menschen geleistete Hilfe keine
Silzb. 0.. pliil.-hist. CI. XXXVII. Dil. II. Hft.
114
Dr. P f i z m a i e r
Belohnung annahm und das Geschlecht, von welchem er stammte,
arm und unangesehen war, hatte das von ihm ererbte Haus durchaus
keinen Überfluss an Gütern. Die Kleidung Tschü-kia’s hatte keinen
Farbenschmuck, seine Speise bestand in einem einzigen Gerichte
und vor seinen Wagen spannte er eine kleine Kuh. Seine ausschliess
liche Beschäftigung war, Anderen in ihren Bedrängnissen zu Hilfe
zu eilen, und er war hierin thätiger, als dort, wo es sieh um seine
eigene Sicherheit handelte.
Unter anderem hatte er den Feldherrn 7{|i $Ki -pu der
Gefahr, in welcher dessen Leben schwebte, auf verborgene Weise
enlrissen. Ki-pu gelangte hierauf zu grossem Ansehen und erhielt
eine hohe Stellung im Länderbestande, aber Tschü-kia liess sich bei
demjenigen, der ihm alles zu verdanken hatte, in seinem ganzen
Leben niemals sehen.
Auf welche Weise Tschü-kia dem Feldherrn Ki-pu Schutz
gewährte, wird an einer Stelle des Sse-ki folgendermassen erzählt:
Ki-pu bekleidete im Dienste Hiang-yü’s eine Anführerstelle und hatte
dem Könige von Han öfters Verlegenheiten bereitet. Als nach dem
Tode Hiang-yü’s der König von Han zum Gesammtherrscher erhoben
worden, setzte er eine Belohnung von tausend Pfund auf die Einbrin
gung Ki-pu’s und verkündete zugleich, dass derjenige, der diesen
Anführer bei sich beherbergen oder verstecken sollte, sich eines
Verbrechens schuldig machen würde, welches die Hinrichtung der
drei Verwandtschaften nach sich zog. Ki-pu befand sich indessen in
|H|j Pö-yang, wo er sich in dem Hause eines Mannes von dem
Geschlechte /ip] Tscheu 1 ) versteckt hielt. Unter diesen Verhält
nissen sprach dev Mann von dem Geschlechte Tscheu zu seinem
Gaste: Han setzt eine Belohnung auf deine Einbringung, o Feldherr,
und verfolgt mit Hast deine Spur. Es wird auch gelangen zu meinem
Hause. Wenn du, o Feldherr, im Stande bist, mir Gehör zu schenken,
so wage ich es, dir einen Vorschlag zu machen. Bist du es nicht im
Stande, so ist es mein Wunsch, mir früher den Hals abzuschneiden.
l) Derselbe wird blos
ft m
Tschao - schi „das Geschlecht Tscheu“ genannt.
Es gab damals mehrere berühmte Männer von dem Geschlechte Tscheu, es scheint
jedoch nicht, dass derjenige, der hier Tscheu-schi genannt wird, ein sonst in
der Geschichte vorkommender Mann gewesen.
Die IVtenschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
115
Ki-pu war hiermit einverstanden. Der Mann des Geschlechtes
Tscheu legte hierauf seinem Gaste einen Halsring um, hüllte ihn
in ein grobes hänfenes Kleid und setzte ihn auf einen gemeinen, mit
breiten Radfelgen versehenen Wagen. Indem er etliche zehn junge
Knechte seines Hauses mit sich nahm, reiste er nach Lu, wo er sich
in die Behausung Tscbü-kia’s begab und diesem seinen Gast zum
Kauf anbot. Tschü-kia errieth, dass derjenige, der ihm zum Kauf
angehoten wurde, Ki-pu sei. Er kaufte ihn und Hess ihn auf den
.Feldern wohnen, indem er seinen Söhnen auftrug: In Sachen des
Feldbaues gehorchet diesem Knechte; ihr müsst ihn an euerer Mahl
zeit theilnehmen lassen.
Alsbald bestieg Tschü-kia einen mit einem einzigen Pferde
bespannten Wagen und begab sich nach Lo-yang, dem damaligen
Wohnsitze des Himmelssohnes. Daselbst besuchte er den Fürsten
von Teng, belehnten Fürsten von Ju-ying. Dieser behielt ihn hei sich
und bewirthete ihn durch mehrere Tage. Endlich fragte Tschü-kia
bei einer schicklichen Gelegenheit den Fürsten von Teng: Welches
grosse Verbrechen hat Ki-pu begangen, dass der Hohe ihn aufsucht
mit solcher Hast?
Der Fürst von Teng antwortete: Ki-pu hat mehrmals im
Dienste Hiang-yii’s Verlegenheit bereitet dem Hohen. Der Hohe ist
darüber ungehalten, desswegen will er ihn gewiss in seine Gewalt
bekommen.
Tschü-kia fragte wieder: Als was für einen Menschen betrachtest
du, o Herr, Ki-pu?
Der Fürst von Teng antwortete: Als einen Weisen.
Tschü-kia fuhr fort: Von den Dienern wird ein Jeder im Dienste
seines Gebieters verwendet. Ki-pu ward im Dienste Hiang-tsi's ver
wendet zu einem Amte: kann man wohl die Diener des Geschlechtes
Hiang sämmtlich hinrichten lassen? Jetzt hat der Hohe erst unlängst
gewonnen die Welt, und er sucht allein seines besonderen Hasses
willen einen Menschen: warum gibt er zu erkennen, dass die Welt
nicht weit? Ferner hat man es hier zu thun mit Ki-pu’s Weisheit,
auf die Han fahndet mit solcher Hast. Wenn dieser nicht im Norden
flieht nach Hu, so braucht er im Süden nur zu fliehen nach Yue.
Widerwillen empfinden gegen die thatkräfligen Männer und sie in
Tausch geben den feindlichen Herrscherländern, in Folge eines
solchen Vorgehens hat U-tse-siü gegeisselt das Grab des Königs
8'
116
Dr. P f i z in a i e r
Ping von King *)• Warum hältst du nicht, o Herr, bei Gelegenheit für
den Hohen einen Vortrag?
Der Fürst von Teng erkannte in Tschü-kia einen grossen
Schirmgewaltigen und vermuthete, dass Ki-pu in dessen Behausung
verborgen sei. Er versprach seine Mitwirkung und benützte eine
günstige Gelegenheit, um das, was Tschü-kia angedeutet, dem
Gesammtherrscher vorzutragen, worauf Ki-pu begnadigt und im
Dienste von Han angestellt ward. In Folge dieses Ereignisses gelangte
Tschü-kia zu grosser Berühmtheit, in den östlich von dem Durch
wege Han-ko gelegenen Ländern blickten Alle verlangend nach ihm
und hegehrten seine Freundschaft.
Um dieselbe Zeit war auch in Tsu ein Mann Namens
Tien-tschung als Schirmgewaltiger berühmt. Derselbe hatte eine
Vorliebe für die Fechtkunst und diente Tschü-kia, wie seinem Vater,
wobei er jedoch der Meinung war, dass seine Thaten denjenigen
seines Vorbildes nicht gleich kommen.
Khie-meng und dessen Zeitgenossen.
Nach Tien-tschung's Tode lebte in Lö-yang ein Mann, Namens
|£|j Khie-meng. Während die Bewohner von Tscheu — in
diesem alten Herrscherlande lag Lö-yang — sich sonst den Handel
zu ihrem Lebensberufe wählten, machte sich Khie-meng als Ver
trauensmann und Schirmgewaltiger einen Namen in den Ländern der
Lehensfürsten.
Als U und Tsu sich gegen Han empörten, begab sich Tscheu-
ya-fu, Fürst von Tiao, zum „grossen Beruhigen“ des Heeres ernannt,
mit gewechselten Wagen nach Ho-nän, um den Oberbefehl im Osten
zu übernehmen. Er traf Khie-meng in Lö-yang, was ihm als eine
glückliche Vorbedeutung galt, und worüber er seine Freude mit
folgenden Worten bezeigte: U und Tsu haben begonnen ein grosses
Unternehmen, aber nicht aufgesucht Khie-meng. Ich erkenne hieraus,
dass sie nicht im Stande sind, etwas auszurichfen. Die Welt ist in
l) U-tse-siü war aus Tsu geflohen und kehrte mit einem feindlichen Heere in dessen
Hauptstadt zurück. Derselbe geisselte eigentlich den Leichnam des Königs Ping
von Tsu, wie in der Geschichte des Herrscherlandes U erzählt worden.
Die Mensehenabtheilung der wandernden Sehirräge wattigen. 117
Bewegung; wenn die grossen Feldherrn ihn gewinnen, so ist dies so
viel, als ob sie gewännen ein feindliches Herrscherland.
* Khie-meng hatte in seinem Auftreten grosse Ähnlichkeit mit
Tschü-kia. Er war ausserdem ein Freund des Breterspieles und vieler
anderer unter jungen Leuten üblichen Spiele. Ungeachtet seiner
bescheidenen Verhältnisse erschienen, als seine Mutter starb,
Menschen aus den entferntesten Gegenden hei dem Leichenbegäng
nisse, und man zählte im Ganzen tausend Wagen, welche den Zug
begleiteten. Khie-meng selbst war so arm, dass, als er starb, in
seinem Hause nicht einmal um zehn Pfund Werthgegenstände gefun
den wurden.
Auf gleiche Weise war auch HP Wang-meng, ein Einge-
borner von Fei-li<), in dem Lande zwischen dem grossen
Strome und dem Flusse Hoai berühmt geworden.
Um dieselbe Zeit waren jim Hien-schi (d. i. ein Mann
von dem Geschlechte Hien) aus Thsi-nan und ^jEj Tscheu-fu 2 )
I aus Tschin ebenfalls als Gewaltige berühmt. Als der Gesammtherr-
scher King diese Vorgänge erfuhr, schickte er einen Abgesandten
an Ort und Stelle und liess die zwei Genannten, so wie alle übrigen
ihres Gleichen hinrichten. Später tauchten jedoch wieder zahlreiche
Schirmgewaltige auf, namentlich mehrere Männer des Geschlechtes
Pe in Tai, -fij; Han -wu-pi in Liang, nm Sie-hoang
iu HI Yang-thi»), ||t i|| Han-ju in ^ Sehen*).
Kö-kiai und dessen Zeitgenossen.
Der nächste Schirmgewaltige, der sich eines ungewöhnlichen
Rufes erfreute, war |[[] Kö-kiai. Derselbe war in f|P Tschi,
einem Gebiete des Landes Ho-nei, geboren und führte den Jünglings-
I So hiess ein Unterkreis der damaligen Landschaft yjj^ I*ei.
2 ) Das Sse-ki setzt Jppj" Tscheu-yung.
3 ) Ein alter Unterkreis der Landschaft Ying-fschuen.
4 ) Der heutige Unterkreis Sehen in Schen-tscheu, Landschaft Ho-nan.
j 18
Dr. P f i z m a i e r
namen 'Jjj Ung-pe. Von mütterlicher Seite war er ein Enkel des
vortrefflichen Menschenbeobachters *) Hiü-fu. Sein Vater,
der ebenfalls Vertrauensmann und Schirmgewaltiger gewesen, war
dieser Beschäftigung wegen zur Zeit des Gesammtherrschers Hiao-
wen hingerichtet worden.
Ko-kiai war ein Mann von kurzer und kleiner Gestalt, aber
entschlossen und kühn. Er trank keinen Wein. In seiner Jugend zeigte
er eine tückische, boshafte Gemüthsart, und sehr viele Menschen,
welche sein Missfallen erregt hatten, wurden von ihm getödtet.
Dabei schützte er seine Freunde und rächte sich an seinen Feinden.
Nebstdem verbarg er Leute, welche sich durch die Flucht den
Befehlen enlzoge.n hatten, übte Verrath, bedrohte Andere mit den
Waffen und machte räuberische Überfälle, indem er Wände durch
bohrte. Wenn ihm bei diesen Beschäftigungen Zeit zur Ruhe übrig
blieb, goss er Geldstücke und öffnete Gräber. Die Zahl der von ihm
verübten Unthaten liess sich gar nicht bestimmen. Er ward übrigens
immer vom Glück begünstigt. So oft er sich in Verlegenheit befand,
gelang es ihm entweder zu entkommen, oder er ward freigesprochen.
In reiferen Jahren veränderte sich allmählich seine Gemüthsart.
Er ward sparsam und vergalt den Hass durch Wohlthaten. Indem er
Anderen sehr viel Gutes erwies, erwartete er von ihnen wenig.
Hingegen hatte er immer grössere Freude an der Beschäftigung eines
Schirmgewaltigen. Wenn er einem Menschen das Leben gerettet,
bildete er sich auf eine solche verdienstliche Handlung nichts ein.
Die in der Tiefe seines Herzens verborgene Bosheit leuchtete indessen
aus seinen Blicken wie früher. Die Jugend bewunderte seine Thaten,
an welchen besonders auffiel, dass er auch unaufgefordert Andere an
ihren Feinden rächte, ohne dies die Betheiligten wissen zu lassen.
Von seiner Grossmuth werden folgende Züge erzählt. Der
Sohn seiner älteren Schwester, der sich auf die Stärke Kö-kiai’s
verliess, trank einst in Gesellschaft eines Menschen , den er ein
grösseres Mass leeren hiess, als derselbe vertragen konnte und das
er ihm mit Gewalt eingoss. Dies beleidigte den Gesellschafter derart,
dass er sein Schwert zog, den Sohn der älteren Schwester Ko-kiai’s
!) Ein Menschenheobachter sagte aus der äusseren Gestalt eines Menschen dessen
Schicksale vorher.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen. 119
erstach und hierauf flüchtig- ward. Die Schwester Kö-kiai’s gerieth
über dieses Ereigniss in Zorn, und sie machte ihrem Bruder Vorwürfe,
I indem sie sprach: Bei der Gerechtigkeit Ung-pe’s 1 ) tödtet ein
Mensch meinen Sohn, jedoch der Mörder wird nicht gefunden. —
Sie warf hierauf den Leichnam des Getödteten auf den Heerweg und
Hess ihn, um Kö-kiai zu beschämen, unbegraben liegen.
Kö-kiai entsandte Leute, welche den Aufenthaltsort des Mörders
auskundschafteten, worauf dieser in seiner Verlegenheit sich selbst
bei Kö-kiai stellte und den wahren Hergang der Sache erzählte.
Kö-kiai entgegnete: Du, o Herr, hast ihn getödtet. Es ist gewiss,
dass mein Kind Unrecht hatte. — Hiermit sprach er den Mörder von
dem Verbrechen frei und wälzte die Schuld auf den Sohn seiner
älteren Schwester. Zugleich liess er den Leichnam von dem Wege
aufheben und ihn begraben. Auf die Kunde von diesem Ereignisse
rühmten Alle die Gerechtigkeit Kö-kiai’s, der dadurch noch mehr
Anhänger gewann.
Wenn Kö-kiai ausging oder nach Hause zurückkehrte, gingen
ihm alle Menschen zum Zeichen ihrer Ehrfurcht aus dem Wege. Nur
l ein einziger Mann machte einmal hiervon eine Ausnahme, indem er
mit ausgestreckten Füssen sitzen blieb und den berühmten Schirm
gewaltigen anblickte. Kö-kiai liess um den Namen dieses Mannes
fragen, und einer seiner Gäste erbot sich, den Unehrerbietigen zu
tödten. Kö-kiai sprach jedoch: Wenn ich unter den Dächern der
Stadt, wo ich wohne, dermassen nicht geehrt werde, so ist es dess-
wegen, weil meine Tugend nicht geübt wird. Was hätte Jener für
eine Schuld?
Er begab sich hierauf im Geheimen zu dem die Würde eines
t !t Yö-sse bekleidenden Angestellten und bat ihn in Betreff
jenes Mannes, indem er sprach: An diesem Menschen ist mir vieles
gelegen. Wenn an ihn die Reihe zur Dienstleistung 3 ) kommt, möge
man ihn überheben. — So oft also an diesen Mann die Reihe für die
Dienstleistungen bei den öffentlichen Arbeiten kam, ward er über
gangen, und die Angestellten der Gerichte begehrten ihn nicht. Dies
ereignete sich zu seinem Erstaunen mehrmals. Als er endlich der
*) Ung-pe ist, wie oben angegeben worden, der Jiinglingsname Kö-kiai’s.
2 ) Über diese Dienstleistungen ist in einer Anmerkung zu der Abhandlung: ,.Der Abfall
des Königs Pi von U“ das Nöthige gesagt worden.
I
120
Dr. Pfizmaier
Ursache nachforschte, erfuhr er, dass er durch die Verwendung
Kö-kiai’s von der Dienstleistung befreit worden. Der Mann, der mit
ausgestreckten Füssen sitzen geblieben war, begab sich jetzt zu
Kö-kiai und bat mit entblössten Schultern um Entschuldigung wegen
seines Fehlers. Als dies die Jugend hörte, war sie von noch grösserer
Bewunderung für die Thaten Ko-kiai’s erfüllt.
Unter den Bewohnern von Lö-yang waren mehrere zu einander
Feinde. In der Stadt und in der Mitte der streitenden Theile lebten
etwa zehn weise und gewaltige Männer. Dieselben machten mehrmals
Versuche, die entzweiten Gemüther zu versöhnen, fanden aber nie
mals Gehör. Endlich begab sich einer von ihnen als Gast zu Kö-kiai,
diesen um Vermittlung angehend. Kö-kiai besuchte in der Nacht die
feindlichen Häuser, wo man jedoch nur mit Widerstreben seinen
Worten Gehör schenkte. Kö-kiai .sprach zu den feindlichen Theilen
folgendes: Ich habe erfahren, dass unter den Herren von Lö-yang,
die sich hier befinden, viele kein Gehör gegeben. Jetzt habt ihr zum
Glücke mir Gehör gegeben: was hätte ich hier noch zu thun? Ich
werde mich ansässig machen in einem andern Kreise und Menschen
retten. Die Weisen und Grossen in der Stadt haben die Vollmacht.—
Er machte sich sofort noch in der Nacht auf den Weg, ohne Jeman
den zu sagen, wohin er sich begebe. Beim Fortgehen äusserte er
blos: Ihr habt vorläufig nicht nöthig, auf mich zu warten. Wenn ihr
auf mich warten solltet, so habe ich heim Fortgehen Auftrag gegeben
den Gewaltigen von Lö-yang, die in euerer Mitte leben. — Hierauf
schenkten ihm endlich die streitenden Theile vollkommen Gehör.
Kö-kiai war, wie schon angegeben worden, von Gestalt klein,
ausserdem gegen Andere ehrerbietig und bei seinen Ausgaben spar
sam. So oft er sein Haus verlassen, hatte er sich noch niemals eines
Reitthieres bedient. Eben so wenig getraute er sich, einen Wagen zu
besteigen, w 7 enn er sich in den Vorhof des in seinem Kreise befind
lichen Gerichtssaales begab. Er bereiste die benachbarten Land
schaften und Herrscherländer. Wenn daselbst Jemand ihn um etwas
ersuchte und die Sache sich erledigen liess, so that er dies sofort.
Liess sich die Sache aber nicht erledigen, so stellte er wenigstens
Jedermann zufrieden. Eist nachdem er alles gewissenhaft erfüllt,
getraute er sich, Speise und Trank zu sich zu nehmen. Alle angese
henen Einwohner schätzten ihn daher besonders hoch und wett
eiferten, sich von ihm verwenden zu lassen. Um Mitternacht fuhren
Die Menscliennblheilurig der wandernden Sehirmgewaltigen,
121
gewöhnlich junge Leute der Stadt, ferner gewaltige und hervor
ragende Männer der nahe liegenden-Kreise in zehn oder noch mehr
Wagen zu dem Thore seines Hauses und baten um Aufnahme. Dies
waren nämlich Leute, welche sich durch die Flucht den Befehlen
ihrer Vorgesetzten entzogen hatten und jetzt, von der Jugend der
Stadt begleitet, bei Ko-kiai erschienen, der sie in seinem Hause als
Gäste beherbergte.
Als Han die Übersiedlung der in den Landschaften und Herr
scherländern befindlichen hervorragenden Angestellten der Gerichte
und Männer des Volkes nach Meu-ling 1 ) verfügte, ward
auch Ko-kiai von dieser Massnahme getroffen. Derselbe war jedoch
so arm, dass sein Vermögen für die Kosten der Übersiedlung nicht
hinreichte. Die Angestellten der Gerichte fürchteten sich und
getrauten sich nicht, ihn von der Übersiedlung auszuschliessen. Der
Feldherr des Geschlechtes Wei a ) verwendete sich für Ko-kiai bei
dem Himmelssohne, indem er sprach: Das Haus Kö-kiai's ist arm; es
besitzt nicht, was erforderlich zur Übersiedlung. — Der Himmelssohn
entgegnete jedoch: Die Macht Kiai’s, der gehüllt in baumwollene
Kleider, reicht soweit, dass er dich, o Feldherr, schickt als Gesandten
und dass du für ihn redest. Auf diese Weise ist sein Haus nicht arm.
Schliesslich übersiedelte Ko-kiai mit seinem Hause, bei welcher
Gelegenheit mehr als tausendmal zehntausend Menschen 3 ) ihre
Wohnungen verliessen und ihm das Geleite gaben. Der Sohn
Yaug-ki-tsclni's, eines Mannes > der gleich Kö-kiai
aus EjHJ Tschi stammte, war der Obrigkeit des Kreises zugetheilt
und Leiter der Übersiedlung. Dieser suchte Ko-kiai von der ihn
Das heutige Hing-ping, Kreis Si-ngan in Schen-si. Die in Rede stehende Verfügung
fällt in das erste Jahr des Zeitraumes ^ai-sehi (96 vor Chr.), wo sie
in dem Buche der früheren Han einfach erwähnt und nur in einer Anmerkung als
Ursache angegeben ward, dass der Gesammtherrscher Hiao-wu aus Meu-ling
gestammt habe.
Ausserdem wird noch
Yün-yong, wo der Gesammt
herrscher Iliao-wu einst gewohnt, als ein zweiter Ort genannt, nach welchem die
erwähnte Auswanderung stattfand.
2 ) Der in der Einleitung vorgekommene Feldherr Wei-tsing.
3 ) Diese unwahrscheinlich klingende Zahl findet sich in beiden von dein Verfasser
benützten Quellen.
122
Pr. P f i z m a i e r.
begleitenden Menschenmenge zu trennen, worauf ein Bruderssohn
Ko-kiai’s das Haupt Yang-tschuen’s <) abschlug.
Als Ko-kiai in das Land innerhalb des Engweges eintrat, wett
eiferten alle weisen und hervorragenden Männer jener Gegenden,
sowohl diejenigen, welche ihn kannten, als welche ihn nicht kannten,
sobald sein Ruf zu ihnen drang, mit ihm Freundschaft zu schliessen.
Hierauf ward auch Yang-ki-tschü durch einen Eingebornen der Stadt
Lo-yang getödtet 3 ). Eben so verlor ein dem Hause Yang-ki-tschü’s
angehörender Mann, dessen Eigenschaft als diejenige eines^A^
Schang-schu-jin (Mensch des obersten Buches) vermerkt wird, unter
der Warte des Thores 3 ) sein Leben durch Mördershand.
Als der Himmelssohn diese Vorgänge erfuhr, überwies er die
Sache den Gerichten und gab Befehl Ko-kiai festzunehmen. Dieser
begab sich auf die Flucht, nachdem er seine Mutter in
Hia-yang 4 ) untergebracht. Er selbst nahm seinen Weg nach Lin-
tsin s), wo er bei einem Manne Namens |=-t| Thsie-sehao-
ung einkehrte. Dal er diesem Manne gänzlich unbekannt war, so
ersuchte er ihn unter einem Vorwände, ihm den Austritt durch den
Engweg, der die Markscheide der westlichen und nördlichen Länder,
zu ermöglichen. Nachdem Ko-kiai mit Hilfe Thsie-schao-ung’s über
die Markscheide gekommen, setzte er seine Reise in nördlicher
Richtung fort und gelangte zuletzt nach Thai-yuen. Überall, wo er
*) So das Buch der früheren Han, wo bei diesem Namen wohl nur der Sohn
Yang-ki-tschü’s gemeint sein kann. In dem Sse-ki wird nicht angegeben, dass
Yang-ki-tschü’s Sohn die Menschenmenge fern halten wollte, und derjenige, dem
das Haupt abgeschlagen wurde, wird daselbst Yang-yuen „der Zuge-
theilte von dem Geschlechte Yang“ genannt. Das Sse-ki setzt noch hinzu, dass
die Geschlechter Kö und Yang in Folge dieses Ereignisses zu einander Feinde
geworden.
2 ) So das Buch der früheren Han. In dem Sse-ki stellt sich als Sinn heraus, dass
Yang-ki-tschü durch Kö-kiai selbst getödtet worden.
8 ) Dies bezieht sich wahrscheinlich auf die Thorwarte eines Amts- oder öffentlichen
Gebäudes. Auch hier ergibt sich in dem Sse-ki der Sinn, dass Kö-kiai der Mörder
gewesen.
4 ) Das heutige Han-tsching, Kreis Si-ngan in Schcu-si.
5 ) Der heutige gleichnamige Unterkreis in Pu-tscheu, Landschaft Schan-si.
«
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen. 123
auf seiner Reise hinkam, nannte er unbedenklich den Wohnort der
jenigen, bei denen er früher eingekehrt. Die Angestellten der Ge
richte verfolgten diese Spuren, welche zuletzt zu Thsie-scbao-ung
führten. Dieser Mann tödtete sich selbst, um keine Aussagen machen
zu dürfen.
Erst nach längerer Zeit ward man Kö-kiai’s habhaft, worauf
alles, was er verbrochen und gethan, von den Gerichten untersucht
ward. Dabei stellte es sich heraus, dass sämmtliche Mordthaten,
welche Kö-kiai begangen, derart seien, dass er von jeder Schuld
freigesprochen werden müsse. Eine einzige von ihm nicht verübte
That war jedoch sein Verderben. Ein junger Gelehrter, der in Tschi,
dem Geburtsorte Ko-kiai’s lebte, machte einst einem Abgesandten
seine Aufwartung. Einer der auf den Sitzen befindlichen Gäste hielt
eine Lobrede auf Ko-kiai, worin er ihn einen Weisen nannte.
Hierauf enviederte der junge Gelehrte: Ko-kiai befasst sich aus
schliesslich mit Verrath und handelt zuwider den allgemein gütigen
Gesetzen: wie kann man ihn einen Weisen nennen? — Als der
Gast dies hörte, tödtete er den jungen Gelehrten und schnitt ihm die
Zunge ab.
Über diesen Vorfall ward Ko-kiai von den Angestellten der
Gerichte vernommen, konnte aber nur aussagen, dass er, was auch
wirklich der Fall war, den Ermordeten nicht kenne. Ausserdem
wusste zuletzt auch Niemand, wer der Ermordete gewesen. Die An
gestellten der Gerichte meldeten daher dem Himmelssohne, dass Ko-
kiai keines Verbrechens schuldig befunden worden.
Kung-sün-hung, ein Grosser des Herrscherlandes und gesammt-
herrscherischer Vermerker, fällte jedoch folgendes Urtheil: Kiai in
baumwollenen Kleidern übt das Handwerk eines Vertrauensmannes
und Schirmgewaltigen. Er bringt zur Geltung seine Allmacht und
tödtet durch einen Blick die Menschen. Wenn Kiai sie auch nicht
kennt, so ist dies doch ein grösseres Verbrechen, als wenn Kiai sie
kennte und sie tödtete. Man hat zu thun mit grosser Widersetzlich
keit und Verruchtheit. — In Folge dieses Ausspruches ward Ko-
kiai-ung-pe sammt seinen Verwandten hingerichtet.
Gleich nach Ko-kiai’s Tode gab es eine überaus grosse Menge
Schirmgewaltiger. Diese Männer waren jedoch, wie angegeben wird,
übermüthig und trotzig, so dass keiner von ihnen der Erwähnung
124
Dr. Pfizmaier
würdig befunden ward. Dessenungeachtet werden die Namen einiger
Schirmgewaltigen genannt, welche in dem Lande innerhalb des
Engweges, dem eigentlichen Gebiete des Himmelssohnes, lebten und
welche, im Gegensätze zu ihren Genossen, Ehrerbietung und Zu
vorkommenheit gegen edle und weise Männer an den Tag legten.
Dieselben waren T# Puan-tschung-tse in Tschang-ngan,
Hi 3l ^ Tschao-wang-stin in J| jj^Kuai-li, ^ ^*|§j Kao-
kung-tse in Tschang-ling, 'jtjl Kö-ung-tschung
in Si-ho, ^ ^ Lu-kung-ju in Thai-yuen, ^
I-tschang-king in Lin-hoai und ffl Tien-kiün-ju in
Tung-yang. Endlich wurden noch andere Männer der damaligen
Zeit wie ^)j[< Tschao-schi auf dem nördlichen Wege *), die
Mitglieder des Geschlechtes Tu auf dem westlichen Wege,
Khieu-king auf dem südlichen Wege, T M ft,
Tho-yii-kung-tse auf dem östlichen Wege, =jpj Tschao-tiao in
Nan-yang, für Schirmgewaltige gehalten, jeder einzelne von ihnen
war aber, wie der Verfasser der Geschichte sagt, nichts anderes als
der Räuber TschT, der seinen Wohnsitz unter dem Volke aufge
schlagen. Sie verdienen, wie ferner gesagt wird, keine besondere
Besprechung und Tschü-kia, der in früherer Zeit gelebt, hätte sich
ihrer geschämt.
Von Ko-kiai sagt Thai-sse-kung: Ich sah Ko-kiai. Sein Äusseres
war nicht zu vergleichen mit demjenigen eines Menschen von mittel-
massigen Eigenschaften. Von seinen Worten konnte man keines zum
Nutzen anwenden. Gleichwohl erfüllte in der Welt Weise und Ent
artete, solche, die ihn kannten und die ihn nicht kannten, mit Bewun
derung sein Ruf. Alle, die sprachen von den Schirmgewaltigen,
führten ihn an und brachten zu Berühmtheit seinen Namen. Ein
Sprichwort sagt: Wenn das Äussere eines Menschen Ruhm und
*) D. i. die Gegend nördlich von der Hauptstadt des Himmelssohnes. Auf gleiche
Weise bezieht sich auch das zunächst folgende auf die Umgebung dieser Haupt
stadt.
Die Menschenabtheilung' der wandernden Schirmgewaltigen. 125
Name, wie könnte es dann in Verfall gerathen? — Wie ist dies hier
zu bedauern!
Khiii-tscliang und dessen Zeitgenossen.
JjV ^ Khiü-tschang führte den Jünglingsnamen -J-
Tse-hia und stammte aus Tschang-ngan. In dieser Stadt besass jede
Gasse und jeder Durchweg einen Schirmgewaltigen. Khiü-tschang
lebte in der Gegend des westlichen Theiles der Stadtmauern an
einem Orte, der Lieu-schi, der Verkaufsplatz der Weiden
bäume, genannt ward. Man gab ihm daher den Namen Khiü-tse-hia
von dem Westen der Stadtmauern.
Khiü-tschang begleitete einst an der Stelle eines unter dem
Thore lebenden Hausgenossen des Aufsehers der Hauptstadt des
Himmelssohnes diesen hohen Würdenträger bei dessen Untersu
chungsgängen und betrat mit ihm den Vorhof des höchstoberherr
lichen Wohnsitzes. Die im Innern aufwartenden Lehensfürsten und
gesammtherrscherischen Gemahlinnen wollten um die Wette vor Khiü-
tschang Verbeugungen machen, während mit dem Aufseher der
Hauptstadt des Himmelssohnes Niemand sprach. Khiü-tschang ging
furchtsam auf und ab, und in der Folge liess sich der Aufseher der
Hauptstadt des Himmelssohnes nicht mehr von ihm begleiten.
Khiü-tschangstand auch auf gutem Fusse mit dem als Schmeichler
bekannten Halbmann MS ~Q Sclu-hien, der damals die Stelle eines
7n%7\ H
Tschung-schu-ling (Vorstehers der mittleren Bücher)
bekleidete und bei dem Himmelssohne alles vermochte. Der Einfluss
und die Macht Scln-hien's gingen dabei auch auf ihn über und eine
Menge Wagen drängte sich beständig vor seinem Thore. Im Anfänge
der Lenkung des Gesammtherrschers Tsching (32 vor Chr.) ward
Sclu-hien der Anmassung der Gewalt und des Missbrauches der
Macht schuldig befunden, seines Amtes entsetzt und zur Übersied
lung nach der Landschaft, aus der er stammte, verurtheilt. Dieser
Mann hatte während seiner Amtsthätigkeit, wie angegeben wird,
zehntausendmal zehntausend werthvolle Gegenstände zum Geschenk
erhalten. Als er abreisen sollte, musste er hundertmal zehntausend
Betten, Matten, Gefässe und andere Geräthschaften zurücklassen,
und er wollte alle diese Gegenstände Khiü-tschang zum Geschenk
126
Dr. P f i z m a i e r.
machen. Dieser nahm dieselben nicht an, worauf ihn einer der Gäste
Sclu-hien’s um die Ursache dieser Weigerung fragte. Khiü-tschang
antwortete seufzend: Ich in baumwollenen Kleidern fand Mitleid bei
dem Gebieter von dem Geschlechte Schi. Das Haus des Gebieters
von dem Geschlechte Schi wird zertrümmert, und ich war nicht im
Stande, es dahin zu bringen, dass es Sicherheit erhalte. Was aber
die Annahme seiner kostbaren Gegenstände betrifft, so waren diese
das Unglück des Geschlechtes Schi: sollte das Geschlecht Khiü sie
im Gegentheil für sein Glück halten?— Dieser Ansicht willen zeigten
sich sämmtliche Einwohner gegen ihn unterwürfig und rühmten ihn.
In dem Zeiträume Ho-ping (28 — 24 vor Chr.) ward
3E Wang-tsün Aufseher der Hauptstadt des Himmelssohnes.
Eine der ersten Handlungen dieses hohen Würdenträgers war die
Verfolgung der Schirmgewaltigen, bei welchem Anlasse Khiü-tschang
ergriffen und getödtet ward. Dasselbe Schicksal traf den Pfeilmacher
IEIW Tschang-hoei *)> ferner die Weinverfertiger und Verkaufs
platzbesucher j|^j Tschao-kiün-tu und -p ^ Ku-
tse-kuang a ). Diese drei Männer waren ebenfalls berühmte Schirm
gewaltige von Tschang-ngan, dieselben übten jedoch Rache an
ihren Feinden und beherbergten in ihren Häusern Meuchelmörder.
leu-hoe.
Leu-hoe führte den Jünglingsnamen jj* Kiün-
khing und war auf dem Gebiete des alten Tsi geboren, wo sein Vater
dem Berufe eines Arztes oblag. Leu-hoe erlernte in seiner Jugend
die Kunst seines Vaters und ward ein Arzt in Tschang-ngan, wo er
bei den angesehensten Geschlechtern und Häusern Zutritt hatte. Er
*) In den Nachrichten über Wang-tsün heisst derselbe
7TT
Tschang-kin.
3 ) In den Nachrichten über Wang-tsün findet sich statt Tschao-kiün-tu der Name
Tschao-fang und statt Ku-kuang-tse der Name *jgj* Ku-wan,
welchem letzteren auch die Benennung „von dem östlichen Verkaufsplatze“ vor
gesetzt wird. In einer Anmerkung zu den Nachrichten über Khiü-tschang wird
der Sinn gedeutet, als ob beide hier genannte Männer auf dem Verkaufsplatze
des Weines gewohnt hätten.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
127
wusste das Buch der Ärzte, die unter dem Namen Pen-tsao bekannte
Heilmittellehre und die Heilkunst, Werke, die aus mehreren hundert
tausend Wörtern bestanden, auswendig. Die altern und angesehenen
Männer liebten und schätzten ihn alle ohne Ausnahme. Sie riethen
ihm einstimmig, sich einen andern Beruf zu wählen, indem sie zu
ihm sagten: Bei deinen Fähigkeiten, o Kiün-khing, warum lernst du
nicht den Dienst der Herrscher? — In Folge dieses Rathes entsagte
Leu-hoe der Kunst seines Vaters und verlegte sich auf das Lernen
der richtschnurmässigen Bücher und der Überlieferungen der Ge
schichte. Er erhielt hierauf in der Hauptstadt des Himmelssohnes
das Amt eines Angestellten der Gerichte. Nach einigen Jahren befand
er sich im Besitze eines sehr berühmten Namens und erntete die
grössten Lobsprüche.
Um diese Zeit stand das Geschlecht Wang im vollen Glanze
seines Ansehens und eine Menge Gäste erfüllten die Thore der von
seinen Mitgliedern bewohnten Häuser. Dabei wetteiferten die fünf
fürstlichen Brüder *)> welche diesem Geschlechte angehörten, sich
einen Namen zu erwerben und jeder Einzelne aus der Zahl ihrer
Gäste wendete einem dieser Brüder seine Aufmerksamkeit zu, ohne
das Haus der Übrigen zu besuchen. Bios Leu-hoe ging bei sämmt-
liclien Brüdern aus und ein und erwarb sich gleichmässig deren
Wohlgefallen. Er verband sich ferner die vorzüglichen Männer und
die Grossen des Herrscherlandes, von denen ein jeder sich auf seine
Seite neigte. Den älteren und angesehenen Gästen, mit denen er
verkehrte, wurde in noch grösserem Masse die Freundschaft und
Achtung jener fünf Lehensfürsten zu Theil. Aus diesem Grunde
unterwarfen sich auch alle seinem Urtheil.
Leu-hoe war ein Mann von kleiner Gestalt, aber von scharfem
Verstände. Was er sprach und erörterte, war immer des von ihm
erworbenen Rufes würdig und Alle, die ihn hörten, waren von der
Macht seiner Rede gefesselt. Er und der durch seine Weisheit
berühmte Kö-yung waren die ersten Gäste der fünf Lehens-
i) Dieselben wurden die fünf Leliensfiirsten genannt und stammten von dem jüngeren
Bruder der Gemahlinn des Gesammtherrschers Yuen. Von diesem Geschlechte
stammte auch Fürst Wang-mang , der spätere widerrechtliche Besitzer des Herr
schersitzes der Han.
128
Dr. P f i z m a i e i*
fürsten. In Tschang-ngan nannte man sie beide: Kö-tse-yün J ) Rohr
büschel 2 ) und Bret, Leu-kiiin-khing Lippen und Zunge. Man wollte
dadurch die Verwendung, welche der eine fand, und das Vertrauen,
welches man in den andern setzte, andeuten.
Als Leu-hoe’s Mutter starb, erschienen zwei- bis dreitausend
Wagen mit Menschen, welche den Leichenzug begleiteten. In den
Gassen und Durchwegen sang man daher von ihm:
Die fünf Fürsten bestellen die Trauer,
Für Leu-kiün-khing.
Nach längerer Zeit beförderte ihn J Wang-tan, Fürst
von Ping-O, zu der Stelle eines Jp Jj Fang-tsching. Ein
solcher war zugleich ein Grosser, der Vorstellungen zu machen hatte
und als Gesandter die Landschaften und Herrscherländer bereiste.
Leu-hoe besorgte auch die Betheilungen, welche auf Geheiss der
Obrigkeiten an die Armen der verschiedenen Gegenden vorgenom
men wurden. Indem er eine grosse Menge Seidenstoffe mit sich
nahm, reiste er nach seiner Heimat Tsi und richtete an den höchsten
Ort ein Schreiben, worin er um die Bewilligung nachsuchte, den
Gräbern seiner Vorfahren huldigen zu dürfen. Er versammelte hieraut
die alten Bekannten aus seinen Verwandtschaften und beschenkte
einen jeden, je nach dem Verhältniss der näheren oder entfernteren
Verwandtschaft, mit Seidenbündeln. Auf diese Weise verausgabte
er täglich an hundert Pfund Wertlies. Als er hierauf von seiner Ge
sandtschaftsreise zurückkehrte und an dem Hofe über den Gegen
stand Bericht erstattete, ward seine Absicht gelobt. Später ward er
zum Statthalter von * ^ Thien-schui 3 ) erkoren, dieser Stelle
jedoch nach einigen Jahren enthoben.
*) *■==!=« Tse-yün war Kö-yung’s Jünglingsname.
2 ) In den alten Zeiten bediente man sich eines Büschels von Rohr oder Holz , um
schwarz zu färben oder Buchstaben zu malen, welche letzteren jedoch noch
öfter mit einem Messer in Bretter oder Abschnitte von Rohr geritzt wurden.
Erst der Feldherr Mung-tien, der Erbauer der langen Mauer, soll Reissbüschel
erfunden haben, welche in der Mitte aus Hirschhaar, an den Aussenseiten aus
Ziegenhaar bestanden und weiche alsbald bei den Obrigkeiten von Thsin in
Gebrauch kamen.
Das heutige Kung-tsehang in Kan-sfi.
129
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
Das Haus Leu-hoe's befand sicli in der Hauptstadt Tschang-
ngan. Um diese Zeit war jtLj Wang-schang, Fürst von
Sching-tu, der grosse Vorsteher der Pferde und Feldherr aus der
Leibwache. Dieser Mann war von dem Hofe weggebiieben und
wollte Leu-hoe, nachdem derselbe der Statthalterstelle enthoben
worden, seine Aufwartung machen. Dagegen machte ein bei diesem
Fürsten als Tschü-po (Aufseher über die Eintragungs
bücher der Unterkreise) angestellter Mann Vorstellungen, indem er
sprach: Du, o Feldherr, bekleidest eine äusserst ehrenvolle Stelle.
Es geziemt sich nicht, dass du eintrittst in die Durchwege und
Gassen.
Wang-schang beachtete diese Worte nicht, sondern begab sich
sogleich zu dem Hause Leu-hoe’s. Dieses Haus war schmal und klein.
Die den Fürsten begleitenden Angestellten blieben lange Zeit unter
ihren Wagen stehen und wechselten zulelzt den Ort. Zugleich drohte
ein Regen, und der Tschü-po sprach in dieser Lage zu den dem
*0* Si-tsao (Gerichtsbeamten des Westens) zugetheilten Leu
ten: Ich mochte ihm keine eindringlichen Vorstellungen machen.
Dafür stehen wir jetzt im Regen in den Durchwegen und Gassen. —
Diese Worte wurden Wang-schang hinterbracht, der, darüber un
willig, seinem Tschü-po ein anderes Amt zuwies und ihn von sich
entfernte. DemJTschü-pö als solchen ward lebenslängliche Absetzung
zu Theil und der Weg zu Beförderungen blieb ihm verschlossen.
Später ward Leu-hoe wieder zum Statthalter von y
Kuang-han *) erwählt. In dem Zeiträume Yi
Yuen - schi
(1 — 5 nach Chr.) bemächtigte sich Wang-mang als Fürst von
fp ‘-itjQ Ngan-han der ausschliesslichen Lenkung der Herrscher-
htnde. Yii, der älteste Sohn Wang-mang’s, verschwor sich mit
jSj Liü-kuan, dem älteren Bruder seiner Gemahlinn, gegen den
Inhaber der Gewalt. Beide bestrichen das Thor der Behausung Wang-
.mang’s mit Blut, wobei sie die Absicht hatten, diesem Gewalthaber
Furcht einzutlössen und ihn zur Niederlegung der Lenkung zu
O Uns heutige Thung-tscbuen in Sse-tschuen.
Sit/.h. d. phil.-hisl. CI. XXXVII. Bd. II. Hit.
9
130
Dr. P f i z in a i e r
wegen. Sie würden jedoch entdeckt und Waug-mang in seinerWulh
tödtete den Sohn Yii, während Liü-kuan die Flucht ergriff.
Der Vater Liü-kuan’s war mit Leu-hoe oberflächlich bekannt.
Als jetzt Liü-kuan auf seiner Flucht in Kuang-han eintraf, begab er
sich zu Leu-hoe, dem er jedoch bei seiner Erzählung des Vorgefalle
nen nicht die Wahrheit sagte. Nach einigen Tagen gelangte eine,
den Namen des Verbrechers enthaltende, dieFestnehmung Liü-kuan's
anbefehlende höchste Verkündung nach Han-kuang. Dem zufolge
liess Leu-hoe auch Liü-kuan ergreifen.
Waug-mang war hierüber sehr erfreut. Er liess an Leu-hoe die
Aufforderung ergehen, an dem Sitze der Lenkung einzutreten und
ernannte ihn zum ft Thsien -hoei- kuang (vordersten
schimmernden Lichte) ')• Zugleich ward Leu-hoe als Fürst von
^f|P fil Si-hiang belehnt und den neun Erlauchten des Herrscher-
landes eingereiht.
ln dem durch Wang-mang geschaffenen Zeiträume Khiü-tsche
(6 — 7 nach Chr.) setzten sich die grossen Räuber von jj§
Khuai-li: |j|| Tschao-peng, ^|T Ho-hung nebst anderen
mit ihren Banden in Bewegung und drangen allmählich in die Marken
des dem Thsien-hoei-kuang zugewiesenen Gebietes. Leu-hoe ward
aus Anlass dieses Ereignisses als Verbrecher angeklagt, jedoch los
gesprochen und zum gemeinen Menschen herabgesetzt.
Als Leu-hoe sich noch im Besitze seiner Würde befand, waren
sein Gehalt, seine Einkünfte, ferner alles, was er zum Geschenk
erhielt, schnell wieder verausgabt worden. Zur Zeit als er sich zu
rückgezogen hatte und in den Gassen und Durchwegen lebte, waren
die oben genannten fünf Fürsten bereits gestorben, er selbst hatte im
Alter seine Kraft verloren und die Zahl seiner Gäste nahm immer
mehr ab. Als Wang-mang (8 nach Chr.) widerrechtlicher Weise sich
des Sitzes desHimmelssohnes bemächtigte, erinnerte sich dieser Ge
walthaber der Dienste, welche ihm Leu-hoe einst geleistet. Er berief
*) Wang-mang theilte die aus der Hauptstadt der Han, aus dem linken und rechten’
Kreise Fu-fung bestehende Landschaft jjjjljjj " San-fu (d. i. die drei Stützen
den), indem er die mit den Ämtern gleichnamigen Kreise eines „vordersten schim
mernden Lichtes“ und eines „nachfolgenden beistehenden Ehrenhaften“ schuf.
I
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
131
ihn *u sich und schenkte ihm ein Lehen mit dem neu geschaffenen
Namen „die zugetheilte Feste der alten Gasse des Geschlechtes Leu.“
Auf gleiche Weise erhielt Yi, der Sühn Wang-schang's,
Fürsten von Sehing-tu, die Stelle eines „grossen Vorstehers der*
Räume“ und ward ein Mann von Ansehen und Einfluss. Sämmtliche
alte Bekannte Wang-schang's huldigten ihm in Ehrfurcht, blos Leu-
hoe benahm sich gegen ihn ungezwungen wie ehemals. Aber auch
Wang-yi verehrte Leu-hoe wie einen Vater und wagte es nicht, es
hierin an etwas fehlen zu lassen. Wenn er um diese Zeit Gäste ein
geladen hatte, sass er unter dem Weinfass, drückte die eigene Nie
drigkeit mit Worten aus und verabreichte Leu-hoe wie ein Sohn
die Geschenke auf dessen langes Leben. Während hundert Gäste,
auf gesonderten Matten sitzend, das Antlitz zu Boden neigten, sass
Leu-hoe allein aufrecht und kehrte das Antlitz nach Osten. Er nannte
Wang-yi bei dessen Jünglingsnamen und sprach zu ihm: Wie steht
es, o Kung-tse 4 ) mit deinem vornehmen Stande?
Leu-hoe hatte einen alten Bekannten, der Liü-kung,
(der Herr von dem Geschlechte Liii) genannt wird. Dieser Mann war
kinderlos und war mit seiner Gattinn, welche ~jßj^ jBj Liü-yü (die
Mutter von dem Geschlechte Liii) genannt wird, in dem Hause Leu-
hoe's eingezogen. Leu-hoe speiste mit Liü-kung,des ersteren Gattinn
mit Liü-yü. Als Leu-hoe sein Amt verlor und auf sein Haus be
schränkt blieb, wurden die Gattinn und die Kinder Leu-hoe’s ihres
Gastes etwas überdrüssig. Als Leu-hoe dies erfuhr, weinte er, gab
seiner Gattinn und seinen Kindern einen Verweis und sprach: Liü-
kung hat als ein früherer Bekannter und hilflos in seinem Alter sich
mir anvertraut. Es ist billig, ihm zu reichen, was ihm gebührt. —
Dem gemäss verpflegte er Liü-kung durch das ganze Leben. Als Leu-
hoe starb, erhielt dessen Sohn die Nachfolge in dem Amte des Vaters.
Tsckin - tsiin.
Tschin-tsün, dessen Jünglingsname ^ Meng-
kung, stammte aus Tu-Iing 2 ). Dessen Grossvater, der
1 ) |- Kung-tse war der Jünglingsname Wang-yl’s.
2 ) In der Gegend des heutigen Hien-ning, Kreis Si-ngan in Schen-si.
9*
132
Dr. P f i i m a i e r
bei ihm Vaterstelle vertrat, hiess mit Namen Sui, mit dem
.liinglingsnamen Ij* Tscharig-tse. Sui war mit dem Gesammt
herrscher Siuen, als dieser noch in Dunkelheit lebte, gut bekannt
und pflegte mit ihm das Bretter- und Königsspiel zu spielen. Dabei
verlor er öfters und zahlte dem Gesammtherrscher das Spielgeld.
Als der Gesammtherrscher Siuen zur Lenkung gelangte, verwendete
er seinen alten Bekannten Sui im Dienste des Herrscherlandes. Sui
ward allmählich immer weiter befördert und erhielt zuletzt die Stelle
eines Statthalters von Thai-yuen.
Der Gesammtherrscher übermittelte bei dieser Gelegenheit Sui
einen mit einer Abdrucksmarke verschlossenen Buchstabensatz,
worin es hiess: Ich erlasse eine höchste Verkündung und ernenne
dich zum Statthalter von Thai-yuen. Dein Amt ist ehrenvoll, deine
Einkünfte sind bedeutend, so dass man dadurch zurückerstatten kann
das Spielgeld bei dem Bretterspiele. — Kiün-ning, die
Gattinn Tschin-sui’s, war zu jener Zeit, an welche die gesammt-
herrscherische Verkündung erinnerte, in der Gesellschaft der beiden
Spieler anwesend. Sie wusste, dass ihr Gatte an den Gesammt
herrscher das Spielgeld bezahlt habe und durch sie wurden die alten
Beziehungen der Freundschaft, in welchen der letztere gestanden,
bekannt.
Sui entschuldigte sich hierauf bei dem Gesammtherrscher wegen
des Vergangenen und antwortete: Die Sache ereignete sich im
ersten Jahre des Zeitraumes Yuen-ping *). Der Erlass, durch den
Verzeihung verkündet wird, ist vor den Augen. Er erscheint gross-
müthig in einem solchen Masse.
Zur Zeit des Gesammtherrschers Hiao-yuen (48 vor Chr.) ward
Sui an den Hof der Han berufen und zum Aufseher der Hauptstadt
des Himmelssohnes ernannt 2 ). Er brachte es bis zu der Würde eines
„Beruhigers des Vorhofes“ (obersten Richters) 3 ).
*) Der Zeitraum Yuen-ping entspricht dem letzten Jahre der Lenkung* des Gesammt
herrschers Hiao-tschao (74 vor Chr.).
2 ) Dies ist in der Vermerkung der Würdenträger des Hauses Han enthalten. Tschin-
sui’s Ernennung zum Aufseher der Hauptstadt des Himmelssohnes erfolgte im
ersten Jahre des Zeitraumes Tschu-yueu (48 vor Chr.). Nach einem Jahre ward
er zu einer andern Stelle befördert
3) Dies ist ebenfalls in der Vermerkurig der Würdenträger des Hauses Han enthalten.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen. 133
Was Tschin-tsün selbst betrifft, so war er in früher Jugend
eine Waise. Er bekleidete zugleich mit Tschang-sung und
Pe-sung das Amt eines Vermerkers der Hauptstadt des
Himmelssohnes. Tschang-sung befasste sich mit umfangreichem
Lernen und erwarb sich gründliche Kenntnisse, wo er sich an Ent
haltsamkeit und Sparsamkeit gewöhnte. Tschin-tsün hingegen liess
seinen Leidenschaften den Zügel schiessen und hielt an keiner Sache
mit Beharrlichkeit fest. Ungeachtet der Verschiedenheit ihrer Hand
lungsweise waren beide Männer zu einander vertraute Freunde.
Gegen das Ende der Lenkung des Gesammtherrschers Ngai hatten
es beide dahin gebracht, dass ihre Namen bekannt wurden, und
unter den später emporgekommenen Männern waren sie die vor
züglichsten.
Tschin-tsün und Tschang-sung traten in Dienste in das Ver
sammlungshaus der Fürsten des Himmelssohnes i). Die Zugetheilten
und die Verinerker dieses Versammlungshauses, welche den Übrigen
vorangingen, hatten sämmtlich elende Wagen, kleine Pferde und
waren mit keinen reinlichen Kleidern angethan. Bios Tschin-tsün
tri^b die Pracht der Handwagen, Pferde und Kleider auf das Äus-
serste, und vor dem Thore seines Hauses drängten sich Wagen und
Reiter. Dabei verliess er täglich das Haus und kam betrunken
zurück.
Bei einer solchen Lebensweise versäumte er häufig die Ange
legenheiten des mit dem Namen Tsao belegten Verhörsrichter
amtes, bei welchem er diente. Der Si-tsao (Verhörsrichter des
Westens) bestrafte ihn einem alten Gebrauche gemäss durch eine
Zurechtweisung. Der Aufwärter bei dem Verhörsrichteramte begab
sich jetzt ohne Umstände in die Gerichtsstube und sprach zu Tschin-
tsün: Der Erlauchte von Tschin wird heute um dieser oder jener Sache
Tschin-sui ward im zweiten Jahre des Zeitraumes Tschu-yuen (47 vor Chr,) zu
dieser Stelle ernannt und starb zwei Jahre später.
*) Dies ist der wahrscheinliche Sinn des sonst nicht vorgekommenen
Kung-fu. Die drei Fürsten des Himmelssohnes waren in den letzten Zeiten des
Hauses Han der grosse Vorsteher der Schaaren , der grosse Vorsteher der Räume
und der grosse Vorsteher der Pferde.
134
Dr. P f i z m a i e r
willen (er nannte hierbei den Gegenstand) zurechtgewiesen. —
Tschin-tsün erwiederte hierauf: Wenn es ein volles Hundert ist,
dann lass es mich hören. — Das alte Herkommen verlangte näm
lich, dass, nachdem hundert Zurechtweisungen erfolgt waren, das
volle Hundert höheren Orts gemeldet werde. Der Si-tsao machte
endlich Tschin-tsün bekannt, dass die genannte Zahl der Zurecht
weisungen erreicht sei, und hat, dieses höheren Orts melden zu
dürfen.
^ Ma-kung, der grosse Vorsteher der Schaaren *), an
den die Sache gelangte, war ein vorzüglicher Gelehrter. Er behan
delte die weisen Diener des Länderbestandes mit Zuvorkommenheit
und hatte überdies eine hohe Meinung von Tschin-tsün. Er sprach
zu dem Si-tsao: Dieser Mann ist ein Länderbestandsdiener von
grosshaftem Ausmasse: was lässt sich hier thun ? — Er gab ihm
einen Verweis in einem kleinen Buchstabensatze. Hierauf beförderte
er Tschin-tsün zu der Stelle eines „Verwaltungsfähigen“ in dem zu
der Landschaft San-fu gehörigen Unterkreise fJ)J Khie, ferner zu
einem aushelfenden Befehlshaber in dem zu dem Kreise des rechten
Fu-fung gehörenden Unterkreise
Zeit fanden zwischen ihm und dem Fu-fung Meinungsverschieden
heiten Statt, er gab daher seine Stelle auf und entfernte sich.
Damals erhoben sich wieder Tschao-peng, Ho - hung und
Andere, die früher genannten grossen Räuber von Khuai-li. Tschin-
tsün, der indessen Hiao-yo (eine Art Unterbefehlshaber)
geworden, griff Tschao-peng und Ho-hung mit Erfolg an und erhielt
seiner Verdienste willen das Lehen eines Fürsten von ||| Kia-
wei. Er lebte jetzt in Tschang-ngan, von allen belehnten Fürsten,
von den dem Gebieter nahestehenden Herrscherlandsdienern und
den angesehenen mütterlichen Verwandtschaften des Himmelssohnes
hochgeschätzt und geehrt. Wenn die Angestellten, deren Amt dem-
') Der Inhaber dieses Amtes war damals einer der drei Fürsten des Himmelssohnes.
Ma-kung erhielt dasselbe in dem zweiten Jahre des Zeitraumes Yuen-scheu (im
J. der Geb. Chr.).
Die Menschenaktheilung' der wandernden Schirmgewaltigen. 135
jenigen eines f fAi Mö-scheu (Vertheidigers der Rinderhirten) *),
entsprach, ferner die in den Landschaften und Herrscherländern
wohnhaften vorzüglichen Männer nach der Hauptstadt kamen, ver
säumte es keiner, indem sie sich gegenseitig einführten, an dem
Thore Tschin-tsün's zu erscheinen.
Tschin-tsün liebte den Wein. So oft er ein Trinkgelage ver
anstaltete und die Halle von Gästen angefüllt war, verschloss er ohne
Umstände das Thor des Hauses, nahm hierauf von den Wagen der
Gäste die eisernen Achsenenden weg und warf sie in den Brunnen.
So sehr dann auch ein Gast Eile haben mochte, war es ihm unmög
lich, sich zu entfernen.
Einst ereignete es sich, dass ein das Amt eines
Pu-thse-ste (stechenden Vermerkers der Abtheilung) 3 ) bekleidender
Angestellter eine Meldung an dem Hofe zu machen hatte und sich
früher in das Haus Tschin-tsün’s begab. Dieser hielt eben ein Trink
gelage, und der Thse-sse war, da Tschin-tsün hier wieder seiner
oben erzählten Gewohnheit gemäss verfuhr, in grosser Verlegenheit.
Er wartete indessen, bis Tschin-tsün stark betrunken war, begab
sich hierauf unangemeldet zu dessen Mutter, vor der er sich zu
Boden warf und ihr vorstellte, dass er dem Schang-schu einen Bericht
zu erstatten habe und dass jetzt die hierzu bestimmte Zeit gekommen
sei. Die Mutter Tschin-tsün’s hiess den Thse-sse ihr folgen. Sie
öffnete, da das Thor des Hauses verschlossen war, eine kleine Thüre
der Rückseite des Hauses und entliess ihn.
Tschin-tsün war gewöhnlich betrunken, pflegte aber dessen
ungeachtet seine Geschäfte nicht zu vernachlässigen. Er hatte
ein langes Gesicht, grosse Nase, und sein ganzes Aussehen hatte
etwas überaus Merkwürdiges. Er war im Allgemeinen in den Über
lieferungen und in der Geschichte bewandert, brachte dabei auch
Aufsätze und Reden zu Stande. Er besass eine grosse angeborne
Geschicklichkeit im Buchstabenmalen. Wenn er Jemanden ein schuh-
*) Dieses ansehnliche Amt bekleideten unter andern die Söhne Lu-wen-schii’s, wie in
der Abhandlung' „Worte des Tadels in dem Reiche der Han“ erwähnt worden.
2 ) Dieses Amt war von dem Gesammtherrscher Hiao-wu geschaffen worden. Der
Inhaber desselben nahm die höchsten Verkündungen in Empfang und bereiste als
Aufseher die Landschaften.
136
Di*. P f i z in a i e r
langes mit Buchstaben bemaltes Brett einhändigte, nahmen es die
Vorgesetzten zu sich und bewahrten es wie einen Gegenstand, der
ihnen Ehre bringt. Wenn ihn Jemand um etwas bat oder etwas von
ihm verlangte, getraute er sich nicht, sich diesem Begehren zu
widersetzen. Wohin er sich begab, kamen ganze Schaaren auf seinen
Wink herbei und bezeigten ihm ihre Verehrung, wobei jeder sich
nur angelegen sein liess, nicht der Letzte zu sein.
Zu jenen Zeiten gab es einen mit Land belehnten Fürsten, der
denselben Geschlechts- und Jünglingsnamen führte wieTschin-tsün *)•
So oft dieser Mann an dem Thore eines Hauses erschien und unter
dem Namen Tschin-meng-kung seinen Besuch anmeldete, geriethen
alle ohne Ausnahme, die in der Gesellschaft sassen, in zitternde Auf
regung. Als hierauf der Besucher eintrat, war es nicht der Erwar
tete. Man nannte daher zum Unterschiede diesen Mann
Tschin-khing-tso, „den die Gesellschaft Erschreckenden von dem
Geschlechte Tschin“.
Wang-mang hielt eigentlich Tschin-tsün für einen Mann von
ungewöhnlicher Begabung und ertheilte, als er mit der höchsten
Würde bekleidet war, diesem Schirmgewaltigen bei verschiedenen
Gelegenheiten Lobsprüche. Aus diesem Grunde ward auch Tschin-
tsün wieder hervorgezogen und zum Statthalter der Landschaft
Ho-nan ernannt. Als er sein Amt bereits angetreten, entsandte er
die ihn begleitenden Vermerker nach Westen mit dem Aufträge,
zehn im Malen von Buchstaben geschickte Angestellte der Gerichte
in seine Nähe zu berufen. Diese Angestellten befassten sich mit den
in den eigenen Angelegenheiten entsandten Aufsätzen des Statthal
ters, worin dieser von seinen in der Hauptstadt des Himmelssohnes
weilenden Freunden Abschied nahm. Tschin-tsün lehnte sich an
eine Bank und sagte den die Buchstaben malenden Angestellten die
Worte leise vor, wobei auch die Amtsgeschäfte gleichzeitig ihre
Erledigung fanden. Auf diese Weise liess er mehrere hundert mit
Abdrucksmarken verschlossene Sendungsaufsätze malen, mit welchen
alle seine Freunde, sowohl die näher als die ferner stehenden,
bedacht wurden.
l ) Der Jiinglingsname Tschin-tsiiii’s war, wie oben angegeben worden, Meng-kung.
Dessen Geschlechtsname ist Tschin.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
137
Die Ernennung Tschin-tsün's zum Statthalter verursachte übri
gens in der Landschaft Ho-nan grosse Bestürzung, und dieser
Schirmgewaltige ward schon nach einigen Monaten seines Amtes
enthoben, ein Ereigniss, über dessen Ursachen folgende Aufhellun
gen gegeben werden.
Zur Zeit als Tschin-tsün Statthalter von Ho-nan war, beklei
dete auch dessen jüngerer Bruder Khi die Stelle eines jjijtj
Tseheu-mo „Aufsehers der Landstriche *)“ in ^|J King. Beide
Brüder begaben sich zu einem reichen Manne aus Tschang-ngan von
dem Geschlechte J-f Tso, einem mütterlichen Verwandten des frü
heren Königs von Hoai-yang. Sie assen und tranken daselbst und
Hessen Klangspiel aufführen. Als Tschin-thsung, der die
Stelle eines y|[ |jJ Sse-tsch’hi „Vorstehers der Rechtlichkeit“
bekleidete, dies später erfuhr, machte er an dem Hofe folgende,
eine Beschuldigung gegen Tschin-tsün enthaltende Meldung: Tsün
und dessen Bruder waren so glücklich, dass sie theilhaftig wurden
der Gnade, übersprangen die Rangstufen, überschritten die Würden.
Das Ehrenamt Tsün’s ist dasjenige eines Lehensfürsten der Reihe,
er ward bestellt zum Statthalter einer Landschaft. Kiff ist der Auf
seher eines Landstriches, er empfängt den Befehl als Gesandter 2 ).
Beiden ist die Erhebung der Rechtlichkeit, die Untersuchung des
Unrechts, die Verbreitung und Ausdehnung der Verwandlungen der
Höchstweisen die Pflicht ihres Amtes. Ist ihre Handlungsweise dabei
nicht richtig, mögen sie selbst wachen über ihren Anfang.
Tsün hatte entfernt sein Gespann, hatte sich in einem verdeck
ten Wagen begeben in die Durehwege und Gassen 3 ). Er ging hin-
*) Der üesammtherrscher Hiao-tsching hatte die früher vorgekommene Stelle eines
Pu-thse-sse „stechenden Vermerkers der Abtheilung" abgeschafft und dafür das
Amt eines „Aufsehers der Landstriche“ geschaffen.
2 ) Ein Sse-tsch’hi hatte, so wie früher ein Pu-thse-sse, die Landschaften als Ge
sandter zu bereisen.
3 ) Dieses und das folgende könnte auch dem erzählenden Theile der Nachrichten
über Tschin-tsün angehören. Der Verfasser glaubt jedoch, dass dasselbe in dem
hier jedenfalls nicht wortgetreu wieder gegebenen Berichte Tschin-thsung’s ent
halten gewesen.
138
Dr. P f i z m a i e r
r
über zu der Witwe Tso-O-kiün <), gab zum Besten Wein, jubelte und
sang. Tsün erhob sich und tanzte, sprang über die Balken und
stürzte kopfüber auf seinen Sitz. Am Abend blieb er zurück und
übernachtete daselbst. Er vertrat die Stelle einer aufwartenden
Magd und war behilflich in dem Schlafgemache. Tsün wusste, dass
bei dem Trinken des Weines und bei dem Essen der Feier es gibt
ein Masshalten, dass nach den Gebräuchen man nicht eintritt bei
dem Thore einer Witwe. Er aber versenkte sieh in Wein, be
schmutzte sich mit Fleischgerichten, brachte Verwirrung in die
Sonderung von Männern und Weibern. Er verachtete und verun
glimpfte sein Amt und seine hohe Würde. Er entehrte und ver
unreinigte das breite Band seiner Abdrucksmarke. Die Abscheulich
keit dessen ist unerträglich.
Die hohen Landesdiener, welche diesen Bericht hörten, stellten
ohne Ausnahme die Bitte, dass Tschin-tsün seines Amtes entsetzt
werde. Nach seiner Absetzung begab sich Tschin - tsün wieder
nach Tschang-ngan, wo er eine immer grössere Zahl von Gästen
um sich versammelte und so wie früher Trinkgelage und Gastmahle
veranstaltete. Nach längerer Zeit ward er wieder
(Beruhiger der Hauptstadt) in den Landschaften Khieu-kiang und
Ho-nei, wobei er im Ganzen dreimal einen Gehalt von zweitausend
Scheffeln bezog.
Unterdessen hatte es auch Tschang-sung, der Freund Tschin-
tsün’s, zu der Würde eines Statthalters von Tan-yang gebracht und
war mit dein Lehen eines Fürsten von ^ Schö-te betheilt
worden. Später ward auch er seines Amtes entsetzt und beide
Freunde kehrten, mit dem Range von Lehensfürsten bekleidet, zu
gleicher Zeit nach Tschang-ngan zurück. Tschang-sung lebte hier
in Armuth, keine Gäste besuchten sein Haus, und nur von Zeit zu
Zeit gesellten sich zu ihm thätige Männer, welche sich darauf be
schränkten, mit ihm gemeinschaftlich zweifelhafte Dinge zu berich
tigen, ihn über verschiedene Angelegenheiten zu befragen und sich
in Erörterungen über allgemeines Gesetz und massgebende Bücher
') Die
Tso - 0 - kiiin
von dem oben genannten Ge-
*
schlechte Tso.
'-V*a
r
Die Memschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen. 139
einzulassen. Tschin-tsün hingegen schrie und lärmte Tag und Nacht,
Wagen und Reiter erfüllten das Thor seines Hauses, und Wein und
® Fleisch ward ohne Unterbrechung aufgetragen.
Schon früher hatte der vorzüglich durch seine Leistungen auf
dem Gebiete der Dichtkunst bekannte Yang-hiung, der
„Leibwächter des gelben Thores,“ einen Aufsatz: „Stachelworte
auf den Wein“ verfasst, wodurch er den Gesammtherrscher Tsching
aufstacheln und ermahnen wollte. In diesem Aufsatze ward behaup
tet, dass die Weintrinker unmöglich der Richtschnur gemäss leben
können. Die bevorzugten Männer antworteten jetzt dem Verfasser,
indem sie ihn mit einer leblosen Sache verglichen und zu ihm sagten :
Du bist gleichsam ein irdener Schöpfeimer. Getrachtet man, wo der
irdene Schöpfeimer weilt: er weilt an des Brunnens Brauen. Sein
Wohnsitz ist erhaben und er blickt hinab in die Tiefe. Wenn er sich
bewegt, ist er immer nahe der Gefahr. Heller und trüber Wein
kommen nicht in seinen Mund. Er birgt Wasser in seinem ganzen
Schosse. Er kann nicht erreichen die Umgebung zur Rechten und
Linken, er wird gezogen an dem Ziehseile. Wenn er eines Morgens
hängen bleibt und stösst an des Brunnens Ziegel wand, so wird sein
Leib geschleudert zu den gelben Quellen *), und Fleisch und Knochen
werden zu Kotli. Auf diese Weise wird mit ihm verfahren. Er ist
nicht zu vergleichen mit einem Schlauche. Der Schlauch windet sich
und dreht sich, sein Bauch gleicht einem grossen Kessel. Den gan
zen Tag wird er gefüllt mit Wein, die Menschen entlehnen ihn wie
der und verkaufen den Wein. Beständig ist er ein Geräthe des
Herrscherlandes, er vertraut sich den angehängten Wagen 2). Er
hat Zutritt in beiden Herrschergebäuden 3 ), in den fest gebauten
fürstlichen Häusern. Bespricht man es von dieser Seite, von was
sollte der Wein übertroffen werden?
Tschin-tsün hatte an diesen Worten grosse Freude, und er
pflegte zu Tschang-sung zu sagen: Ich und du, wir verhalten uns
zu einander auf ähnliche Weise. Du, vor dem ich stehe unter den
1 ) Die gelben Quellen sind die Unterwelt.
2 ) Die dem Reisewagen des Himmelssohnes angehängten Wagen führen beständig
Wein und Lebensmittel , daher befinden sich auf ihnen auch Schläuche.
3 ) Hierunter werden die Wohngebäude des Gesammtherrschers und der Gesammt-
herrscherinn verstanden.
r
140
Dr. Pfizmaier
Füssen, liesest massgebende Bücher, miihst ab deinen Leib und
zwängst dich in Bande. Du getraust dich nicht, abzuweichen und
fehlzutreten. Ich hingegen bin ungebundenen Sinnes, nach meinem
Gutdünken schwimme ich oder sinke unter inmitten der Gewohn
heiten. Mein Amt und meine Würden, meine Verdienste und mein
Name haben keine Beeinträchtigung erfahren gegen die deinen, aber
dass ich auf abweichende Weise allein mich freue, ist dies, wenn
man es betrachtet, etwa nicht mehr?
Tschang-sung erwiederte hierauf: Jeder Mensch hat von Ange-
borenheit eine Länge oder Kürze, nach der er zugeschnitten. Wenn
du wolltest handeln als mein Ich, so würdest du dies auch nicht ver
mögen. Wenn ich aber dich nachahmte, so erführe ich dabei auch
das Fehlschlagen. Bei alledem ist mir es gleichthun, leicht anzu
stellen, jedoch dich nachahmen, ist schwey zu beginnen. Ich befinde
mich auf dem gewöhnlichen Wege.
Nach der Niederlage Wang-mang’s lebten beide Freunde als
Gäste in Tsch’hi-yang *), wo Tschang-sung durch die
Streitkräfte der Mörder, d. i. die zügellosen Banden der Aufständi
schen getödtet wurde.
Als der Herrscher des Zeitraumes ^ Keng-schi 2 ), der
vor der endlichen Befestigung des Hauses der späteren Han eine
Zeitlang Gesammtherrscher gewesen, (24 nach Chr.) in Tschang-
ngan eintraf, ward Tschin-tsün von den grossen Würdenträgern
zum grossen Vorsteher der Pferde und Anführer eines Heeres er
wählt und gemeinschaftlich mit 0lj Lieu-li, Fürsten von
1d2> Uff Kuei-te, a ^ s Gesandter zu dem Hiung-nu's geschickt. Der
■m Schen-yü 3 ), d. i. König der Hiung-nu’s, wollte Tschin-
tsün einschüchtern und ihn verstummen machen. Dieser machte eine
*) Das heutige Kan-tscheu, Kreis Si-ngan in Schen-si.
2 ) Im ersten Jahre dieses Zeitraumes (23 n. Chr.) ward Lieu-yuen, ein "Verwandter
des Hauses Han, zum Gesammtherrscher erhoben.
w a
3 ) Das Wort fcld Tan soll in dieser Verbindung „Sehen“ ausgesprochen werden.
Die Aussprache Tan-yü, deren sich der Verfasser früher bediente, wird hiermit
berichtigt.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
141
Auseinandersetzung von Nutzen und Schaden und sprach zu dem
Herrscher von Recht und Unrecht. Der Schen-yü hielt Tschin-tsün
für einen sehr ungewöhnlichen Mann und liess ihn unbehelligt heim
kehren.
Als der Herrscher des Zeitraumes Keng-schi (28 n. Chr.) den
Waffen Lieu-sieu’s, Gründers des Hauses der späteren Han, erlag,
verweilte Tschin-tsün auf dem Gebiete t * So-fang !), wo
er von den zügellosen Banden geschlagen und, während er sich im
Zustande der Trunkenheit befand, getödtet wurde.
Yuen-scke und dessen Zeitgenossen.
Yuen-sche führte den Jünglingsnamen Jt- J^T
Khiü-sien. Dessen Grossvater war zur Zeit des Gesammtherrschers
Hiao-wu als ein gewaltiger und begabter Mann zur Übersiedelung
von ||fi Yang-tlff 2 ) nach Meu-ling gezwungen worden 3 ).
Der Vater Yuen-sche’s bekleidete zur Zeit des Gesammtherrschers
Hiao-ngai die Würde eines Statthalters von Nan-yang.
Damals herrschte in sämmtlichen Ländern Reichthum. Wenn
in den grossen Landschaften solche Angestellte, deren Gehalt zwei
tausend Scheffel betrug, in ihrem Amte starben, wurden zur Be
streitung der Kosten ihres Begräbnisses Abgaben gesammelt, wo
durch jedesmal ein Betrag von mehr als tausendmal zehntausend 4 )
eingebracht wurde. Die Gattinn und die Kinder des Verstorbenen
empfingen sämmtliche eingegangene Beträge und legten dadurch
den Grund zu ihrem ferneren Fortkommen. Auch geschah es da
mals selten, dass Jemand drei Jahre um einen Verstorbenen trauerte.
Als der Vater Yuen-sche’s starb, verzichtete dieser sein Sohn auf
die von der Landschaft Nan-yang zur Bestreitung der Kosten des
1 ) Das heutige Ning-hia in Kan-sü, damals an den Marken des Landes der Hiung-
nu’s gelegen.
2 ) Das heutige Yü-tscheu, Kreis Khai-fung in Ho-nan.
3 ) Diese Übersiedelung der begabten Männer ist in den Nachrichten über Kö-kiai
erwähnt worden.
4 ) Der Name des Werthgegenstandes wird nicht angegeben, es scheinen jedoch
Kupferstucke von einem Loth gewesen zu sein. Scheffel können schon aus dem
Grunde nicht gemeint sein, weil dann die eingegangenen Beträge den Gehalt des
Verstorbenen um das Fünftausendfache überstiegen haben würden.
142
Dr. P f i /, m a i e r
Leichenbegängnisses eingegangenen Beträge und gab dieselben
zurück. Er beging hierauf die Trauer, indem er drei Jahre eine zur
Seite des Grabes erbaute Hätte bewohnte. Dieser Handlungsweise
verdankte er es, dass sein Name in der Hauptstadt des Himmels
sohnes berühmt ward.
Nach Beendigung der Trauer entbot ihn der damalige Fu-fung
zu sich und ernannte ihn zum „beratenden“ Ö Tsao (Verhörs
richter). Alles bewunderte Yuen-sche und sammelte sich um ihn
(so lautet wörtlich der Ausdruck), wie die Speichen des Rades sich
sammeln um die Nabe. ft £ Sse-tan, der grosse Vorsteher der
Schaaren, beförderte ihn hierauf, indem er dessen Befähigung,
Einrichtungen durchzusetzen, anerkannte, zum Befehlshaber von
p « Kö-keu <)• Yuen-sche war um diese Zeit zwanzig Jahre
alt. Als die Bewohner von Kö-keu seinen Namen hörten, fügten sie
sich, ehe der Befehlshaber noch ein Wort sprach, den Einrichtungen.
Vordem war der Oheim Yuen-sche's von einem Manne des
Geschlechtes Thsin aus Meu-ling getödtet worden. Nachdem
Yuen-sche ein halbes Jahr in Ko-keu gelebt, nahm er bei einem vor
gekommenen Fehler die Schuld auf sich und gab sein Amt auf. Im
Grunde wollte er jedoch den Tod seines Oheims rächen. Einer der
gewaltigen und vorzüglichen Männer von Kö-keu tödtete indessen
Yuen-sche zu Liebe den Mann des Geschlechtes Thsin und entzog
sich der Strafe durch die Flucht. Nach einem Jahre ward ihm für
seine That Verzeihung zu Theil, worauf er aus seiner Heimath aus-
wanderte. Die gewaltigen Männer der Landschaften und Herrscher
länder, so wie diejenigen, welche sich in Tschang-ngan und in den
fünf Ling 2 ) durch Muth hervorthaten, wendeten sich zu ihm
und bewunderten ihn.
Yuen-sche begab sich sofort an die Seite dieses Mannes und
widmete mit ihm gemeinschaftlich seine Dienste der Menschheit.
Alle Arten von Menschen, Weise und Nichtweise, drängten sich jetzt
1 ) Eine alte Stadt in dem Kreise des rechten Fung-thsiang.
2 ) Die fünf Ling (Anhöhen) heissen die um Tschang-ngan gelegenen fünf Kreise:
Tschang-Iing, Ngan-ling, Yang-ling, Meu-ling, Ping-Iing.
Die Menschenabtheilung' der wandernden Schirmgewaltigen. 143
an dem Thore Yuen-sche's, und an dem Orte, wo er aufhielt, waren
alle Durchwege und Gassen von Gästen erfüllt.
Jemand tadelte ihn wegen dieses Beginnens und sprach zu ihm:
Du bist ursprünglich ein Angestellter der Gerichte, aus dem Ge-
schlechte eines Mannes, dessen Gehalt zweitausend Scheffel. Du
hast geknüpft das Haar, eingerichtet den Wandel, hast dir durch das
Begehen der Trauer, dadurch, dass du verschmähtest die Güter, ver
zichtetest gemäss den Gebräuchen, erworben einen Namen. Du hast
dich auf rechtmässige Weise gerächt an dem Feinde, überwunden
den Widersacher. Du hast noch immer nicht ausser Acht gelassen
Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Warum lässest du dir sofort
freien Lauf und machst dich zum Genossen eines verächtlichen
Schirmgewaltigen?
Yuen-sche erwiederte hierauf: Siehst du denn allein nicht die
Witwe des Menschen des Hauses? Anfänglich, als sie sich in Schran
ken hielt und über sich wachte, bewunderte sie in Gedanken Pe-I
von Sung ‘) und das älternliebende Weib von Tschin 3 ). Sie war
so unglücklich, dass sie einmal von einem Räuber entehrt ward.
Sofort beging sie Ausschweifungen und Fehltritte. Sie wusste, dass
Tochter des Fürsten Siuen von Lu, war an den Fürsten
Kung von Sung vermählt. Nach dem Tode ihres Gemäls lebte sie als Witwe. Zur
Zeit des Fürsten King brach in dem Gebäude, welches sie bewohnte, zur Nacht
zeit Feuer aus. Die sie umgebenden Leute sprachen zu ihr: Mögest du, o Fiirstinn,
ein wenig dem Feuer aus dem Wege gehen. — Pe-I aber antwortete: Für ein
Weib erfordert es die Schicklichkeit: Wenn Schutz und Wache nicht vorhanden,
so steigt sie in der Nacht nicht hinab die Halle. — In Folge dessen ward sie
von dem Feuer erreicht und fand den Tod.
2 ) Das älternliebende Weib des Geschlechtes Tschin lebte zur Zeit des Herr
scherhauses Han. Ihr Gatte, im Begriffe zu verreisen, gab ihr folgenden Auftrag:
Ich bin so glücklich, eine alte Mutter zu besitzen. Wenn ich nicht mehr zurück
kehre, mögest du gut pflegen meine Mutter. — Das Weib gab ihre Zusage, und
ihr Gatte starb hierauf wirklich. Sie pflegte die Mutter ihres Mannes mit aller
Sorgfalt, als ihre Altern sie von Neuem vermählen wollten. Das älternliebende
Weib fasste den Entschluss, sich das Leben zu nehmen, worauf ihre Altern von
dem Vorhaben, sie zu vermählen, abstanden und es ihr dadurch ermöglichten, sich
mit der Pflege der Mutter ihres Mannes zu befassen. Der Statthalter von Hoai-
yang meldete diesen Zug von Älternliebe in der Vorhalle des Hofes, wo man der
Handlungsweise des Weibes volle Anerkennung- zu Theil werden liess. Sie erhielt
ein Geschenk von vierzig Pfund Goldes als Belohnung und führte durch ihr
ganzes Leben den Namen: das älternliebende Weib.
144
Dr. P f i z m a i e r
dies gegen die Gebräuche, gleichwohl konnte sie nicht mehr zurück
kehren. Bei mir hat es ungefähr dasselbe Bewandtniss.
Yuen-sche war jetzt der Meinung, dass er durch seine frühere
Verzichtleistung auf die von der Landschaft Nan-yang zur Bestrei
tung der Kosten des Leichenbegängnisses eingegangenen Beträge,
indem er sich selbst zwar einen Namen erworben, aber Schuld war,
dass die Grabstätte seinesVaters mit Sparsamkeit und in beschränk
tem Umfange errichtet worden, keine Älterriliebe bekundet habe.
Er errichtete daher einen Grabhügel und ein daran stossendes
Gebäude in grossem Massstabe, mit einem das Ganze umgebenden
Söller und doppeltem Thore.
Zur Zeit des Gesammtherrschers Hiao-wu war ein Aufseher des
Hofgebietes von dem Geschlechte ^ Tsao in Meu-ling begraben
worden. Das Volk nannte den Weg zu dessen Grabe „den Grabweg
des Hofgebietes“. Yuen-sche bewunderte diese Stätte und beschloss,
einen ähnlichen Bau herzustellen. Er kaufte ein Stück Land, eröff-
nete einen Weg zu dem Grabe seines Vaters und errichtete eine
Denksäule mit der Aufmalung: „Grabweg von Nan-yang“. Die Leute
mochten sich jedoch hiernach nicht richten und nannten diesen
Weg: „Grabweg des Geschlechtes Yuen“.
Yuen-sche war bemüht, es in seinem Aufwande den reichsten
Männern gleichzuthun; er konnte jedoch für sich selbst die Kleider,
so wie Wagen und Pferde kaum herbeischalfen, während daheim
seine Gattinn und seine Kinder sich in Nofh befanden. Sein einziges
Geschäft war, Arme und Unglückliche zu unterstützen, ihnen Wohl-
thaten zu erweisen und seinen Mitmenschen bei ihrer Bedrängriiss
zu Hilfe zu eilen.
Als ein Beispiel, wie thätig er sich zeigte, wo es galt, Anderen
in ihrer Bedrängniss zu helfen, wird Folgendes erzählt. Jemand
hatte einst Wein zum Besten gegeben und auch Yuen-sche zu der
Feier eingeladen. Als Yuen-sche in das Thor der Gasse, welche der
Wirth bewohnte, eingetreten war, brachte ihm ein Gast die Nach
richt, dass seine Mutter, welche von Yuen-sche gekannt ward,
schwer krank und zurückgezogen in einem Hause dieser Gasse dar
niederliege. Yuen-sche begab sich sofort dahin, um seine Aufwartung
zu machen und klopfte an das Thor, wo ihm aus dem Innern des
Hauses schon das Wehklagen um die Verstorbene entgegenschallte.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
145
Er trat ein, bezeugte sein Beileid und erkundigte sich nach den zur
Trauer erforderlichen Gegenständen. In dem Hause war nichts zur
Herbeischaffung derselben vorhanden. Yuen-sche sagte: Reiniget
nur, feget, besorget das Bad und wartet, bis ich zurückkehre.
Er ging hierauf zu dem Manne, bei dem er eingeladen worden,
wandte sich gegen die Gäste und sprach seufzend: Ein Verwandter
der Menschen liegt auf der Erde und wird nicht aufgehoben: mit
welchem Herzen könnte ich mich hierher wenden? Ich wünsche,
dass man wegnehme den Wein und die Speise.
Die Gäste fragten im Wetteifer, was erforderlich sei. Yuen-sche
setzte sich auf den Rand der Matte '), schnitt sich ein Reissbrett
zurecht und machte einen Überschlag. Er vermerkte die Kleider,
die Hüllen, den Sarg, das Holz und vergass zuletzt auch nicht auf
die Lebensmittel. Er wies jedem Gaste einen zu besorgenden Gegen
stand zu. Sämmtlicbe Gäste liefen auf den Verkaufsraum, machten
die Einkäufe und waren mit dem sinkenden Tage wieder versammelt.
Yuen-sche untersuchte und besichtigte alles in Selbstheit und sprach
hierauf zu dem Wirthe: Ich wünsche, das Geschenk zu empfangen.
— Als jetzt die Gäste bewirthet wurden, war Yuen-sche der Einzige,
der nicht zur Genüge ass und trank. Er liess den Sarg und die
übrigen Gegenstände auf einen Wagen laden und begab sich, von
den Gästen begleitet, in das Trauerhaus. Daselbst besorgte er die
Einsargung, die Bewillkommnung und Aufmunterung der Gäste, so
wie das ganze Leichenbegängniss.
Später gab es Leute, welche Yuen-sche übel nachredeten, in
dem sie von ihm sagten: Er ist der Vordermann der Verräther. Die
Söhne des Trauerhauses sind solche, die im Augenblick Menschen
erstechen auf ein Wort. — Die Gäste Tschin-sche’s handelten häufig
den Gesetzen zuwider, und die von ihnen begangenenFehler und Ver
brechen wurden mehrmals an höchster Stelle hinterbracht. Wang-
mangliess dieseMenschen auch zu verschiedenen Malen aufgreifen und
binden, wobei er die Absicht batte, sie mit dem Tode zu bestrafen,
aber eben so oft begnadigte er sie wieder und entliess sie ohne Anstand
ihrer Haft. Diese Vorgänge erfüllten Yuen-sche mit Furcht, und er
bewarb sieb, um von seinen Gästen loszukommen, um die Stelle eines
*) Wer seine Betrübnlss an den Tag legen will, sitzt, den Gebräuchen gemäss, auf
dem Rande der Matte.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. II. Hft.
iü
146
Di*. P f i z m n i e r
zugetheilten Vermerkers bei dem Versammlungsorte eines Erlauch
ten des Herrseherlandes. Zur Zeit der Trauer um die grosse Königinn
Wen-mu, d. i. die grosse Königinn 7t Yuen, die Muhme
Wang-mang’s (13 n. Cr.), bewahrte er die Stelle eines Hiao-yö
(Unterbefehlshabers) von ± 'fli Eo-tu und war bereits bis zu
der Würde eines Tschung-lang *) gestiegen, als er seines
der Würde eines
Amtes entsetzt ward.
Nach seiner Absetzung gedachte Yuen-sehe den Grabhügel
seines Vaters zu besteigen, war aber nicht Willens, mit seinen Gästen
zusammen zu treffen. Er verabredete im Geheimen blos mit einigen
alten Bekannten die Zeit der Zusammenkunft und eilte in einem
einzigen Wagen nach Meu-Iing. Daselbst erreichte er in der Dunkel
heit des Abends seine Gasse und begab sich in sein Wohnhaus, wo
er sich verborgen hielt und Niemanden bei sich empfing. Indessen
schickte er einen leibeigenen Knecht auf den Verkaufsraum, um
Fleisch einzukaufen. Der Knecht, der sich auf den Muth seines Ge
bieters vieles zu Gute that, fing mit dem Fleischer Streit an, ver
letzte diesen durch einen Schlag und entzog sich hierauf der Strafe
durch die Flucht.
Um diese Zeit war ein Mann Namens Yün-kung der
bewahrende Befehlshaber 2 ) von Meu-Iing. Derselbe hatte erst un
längst Einsicht in die Geschäfte genommen und Yuen-sche hatte sich
ihm noch nicht vorgestellt. Als er jetzt diesen Vorfall erfuhr, ward
er von grosser Entrüstung erfüllt. Da er wusste, dass Yuen-sche
ein berühmter Gewaltiger sei, wollte er dem Volke seine Strenge
zeigen und entsandte zwei Angestellte der Gerichte mit dem Auf
träge, dem Ankömmlinge Schrecken einzuflössen und ihn zu bewa
chen. Als der leibeigene Knecht bis Mittag nicht zum Vorschein kam,
entschlossen sich diese Leute, Yuen-sche bei der Gelegenheit zu
tödten und sich dann zu entfernen.
Yuen-sche befand sieb in Bedrängniss und wusste sich nicht
zu helfen, als die von ihm bestellten Freunde, mit welchen er den
it Von Lang-tschung verschieden. Die neugeschaffene Würde eines Tschung- lang
bestand gleichzeitig mit derjenigen eines Lang-tschung.
2 ) Er bewahrte die Befehlshaberstelle, d. i. er war nicht der wirkliche Befehlshaber.
J)ie Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewalligen.
147
Grabhügel seines Vaters besteigen wollte, auf zehn Wagen eintrafen.
Diese Männer, durchaus Gewaltige, verwendeten sich bei Yün-kung,
der jedoch ihren Vorstellungen kein Gehör gab. Die Gewaltigen
machten hierauf dem bewahrenden Befehlshaber folgenden Vorschlag:
Der leibeigene Knecht Yuen - khiii - sien’s 4 ) hat zuwider gehandelt
dem Gesetze und wird nicht aufgefunden. Man heisse Yuen-khiii-
sien mit entblösster Schulter, nachdem er sich selbst gebunden mit
Stricken, mit einem Pfeile durchbohrt das Ohr, sich begehen zu dem
Thore des Vorhofes und sich entschuldigen wegen seines Verbre
chens: für dein Ansehen, o Herr, wäre dies auch hinreichend. —•
Yün-kung ging auf diesen Vorschlag ein. Yuen-sche that, was man
von ihm verlangte, er entschuldigte sich auf die angegebene Weise,
worauf man ihn seine frühere Kleidung wieder tragen liess und ihn
fortschickte.
In früherer Zeit stand Yuen-sche zu 1fi A ;|l|] K hi-ta-pe,
einem reichen Manne aus ||jp ^-jj Sin-fung a ), in einem Verhält
nisse der Freundschaft. 'Jjff JE. Wang-yeu-kung, der leib
liche jüngere Bruder Ta-pe’s hatte indessen auf Yuen-sche einen
Hass geworfen. Dieser Wang-yeu-kung war zur Zeit des erzählten
Vorfalls ein Zugesellter unter dem Thore des Kreisamtes von Meu-
ling. Derselbe ertheilte dem bewahrenden Befehlshaber Yün-kung
bei dieser Gelegenheit folgenden Rath: Du, o Herr, hast als bewah
render Befehlshaber beschimpft Yuen-sche in einem solchen Masse.
Wenn eines Morgens der wirkliche Befehlshaber ankommt, wirst du,
o Herr, in einem einzigen Wagen heimkehren und werden ein Ange
stellter derGerichte in dem Amthause des Oberkreises. Die Meuchel
mörder Yuen-sche's sind zahlreich wie Wolken, sie alle tödten die
Menschen, ohne zu kennen den Namen des Wirthes 3 ): es ist dies
etwas Entsetzliches. Yuen-sche hat hergestellt den Grabhügel und
das Wohngebäude mit Verschwendung und dabei überschritten die
Bestimmungen. Seine Schuld und seine Übelthat liegen am Tage,
die Gebieter und die Höheren haben davon Kunde. Jetzt ist für
dich, o Herr, der beste Entwurf der, dass du niederreissen und zer-
i) Khiü-sien war, wie früher angegeben worden, der Jiinglingsname \uen-sche’s.
3 ) Das heutige Lin-thung, Kreis Si-ngan in Schen-si.
3) Das ist desjenigen, zu dem die Meuchelmörder gesendet werden.
10*
148
Dr. P f i z m a i e r
stören lassest Yuen-sche’s Grabhügel und Wohngebäude, dass du
bei dem Zweige der Verwaltung berichtest über die alte Übelthat.
Du, o Herr, wirst dann gewiss werden der wirkliche Befehlshaber,
und wenn es sich so verhält, wird Yuen-sche es auch nicht wagen
zu grollen.
Yün-kung befolgte diesen Rath, er liess den Grabhügel Yuen-
sche's sammt dem Wohngebäude der Erde gleich machen und ward
hierauf von Wang-mang, wie er es erwartet, zum wirklichen Befehls
haber ernannt. Yuen-sche fasste dieses Vorgehens wegen einen
Groll gegen Wang-yeu-kung. Er kehrte wieder zu seinen Gästen
zurück und entsandte seinen ältesten Sohn Thsu mit einem
Geleite von zwanzig Wagen, indem er ihm den Auftrag gab, das
Haus Wang-yeu-kung’s mit Waffengewalt zu bedrohen.
Die Mutter Yuen-kung’s war zugleich die Mutter Khi-ta-pe’s, der
zu Yuen-sche in einem Verhältnis der Freundschaft stand. Die auf
den Wagen angekommenen Gäste besuchten diese Frau, verbeugten
sich vor ihr und sprachen zu ihr um die Reihe: Wir wollen die
Herrinn von Khi nicht erschrecken. -— Hierauf tödteten sie Wang-
yeu-kung sammt dessen Vater, schlugen beiden die Häupter ab und
entfernten sich wieder.
Yuen-sche hatte in seiner Sinnesart viele Ähnlichkeit mit dem
früher vorgekommenen Schirmgewaltigen Ko-kiai. Äusserlich voll
warmer Theilnahme, menschenfreundlich, bescheiden und nachgiebig,
war er im Innern voll Bosheit und Tücke. Gleich Ko-kiai pflegte er
Andere durch einen Wink zu tödten, und viele Menschen starben
durch ihn, indem sie auf diese Weise einzeln in den Staub gestreckt
wurden.
Als gegen das Ende der Herrschaft Wang-mang’s die Streit
kräfte der östlichen Gegenden aufstanden, ward Yuen-sche häufig
von den Söhnen und jüngeren Brüdern aus dem Geschlechte Wang
als ein Mann hervorgesucht, der im Stande Kriegsführer zu gewinnen
und bei seinem Todesmuthe sehr verwendbar war. In Rücksicht
dessen forderte ihn Wang-mang zu sich, stellte ihn wegen seiner
Verbrechen und Übelthaten zur Rede, liess ihm jedoch Verzeihung
und Gnade zu Theil werden. Zugleich beförderte er ihn zu der
Stelle eines die westlichen Fremden niederhaltenden T A
Ta-yün (grossen Aufsehers) und Statthalters von Thien-schui.
Die Menschenabtheilung der wandernden Schirmgewaltigen.
149
Kurze Zeit, nachdem Yuen-sche sein neues Amt angetreten, fiel
die Hauptstadt Tschang-ngan. In den Landschaften und Kreisen
griffen sämmtliche Männer, welche sich die Namen von Würden bei
gelegt hatten, zu den Waffen, überfielen und tödteten die Würden
träger, deren Gehalt zweitausend Scheffel betrug, so wie die ältesten
Angestellten der Gerichte und setzten sich mit Han in’s Einvernehmen.
Sämmtliche Männer, welche sich die Namen von Würden heigelegt
hatten, kannten indessen Yuen-sche vom Rufe, und dieselben wett
eiferten, sich zu erkundigen, wo der „Yiin“ (Aufseher) von dem Ge-
schlechte Yuen sich befinde. Sie begrüssten ihn und machten ihm
ihre Aufwartung. Damals war es auch sämmtlichen im Dienste Wang-
mang’s stehenden, das Amt eines Tscheu-mö (Hüters der Landstriche)
bekleidenden Männern und Gesandten, welche sich auf Yuen-sche
verliessen und sich ihm anschlossen, gelungen, ihr Leben zu retten.
Dieselben gaben ihm jetzt abwechselnd das Geleite und führten ihn
nach der Hauptstadt Tschang-ngan.
Schin-thu-khien, der in Diensten des neuen
Gesammtherrschers des Zeitraumes Keng-schi stehende Feldherr
„der westlichen Schirmwand “, liess Yuen-sche zu sich bitten und
hatte mit ihm eine Zusammenkunft, bei der er diesen sehr hoch
schätzen lernte. Yün-kung, der frühere Befehlshaber von Meu-ling,
der einst den Grabhügel Yuen-sche's sammt dem Wohngebäude ab
tragen liess, bekleidete um diese Zeit bei dem Feldherrn Schin-thu-
khien die Stelle eines Tschü-pu (Vorstehers der Rechnungsbücher
des Unterkreises). Yuen-sche hegte im Grunde gegen diesen Mann
keinen Groll.
Als jetzt Yuen-sche aus der Behausung Schin-thu-khien's her
austrat, trat ihm Yün-kung absichtlich in den Weg, verbeugte sich
und sprach zu ihm: Wir haben bereits ein anderes Geschlechts
alter ()• Es ist billig, dass wir nicht mehr einander grollen. — Yuen-
sche erwiederte hierauf: Warum hast du, o Gebieter, mich einst be
handelt wie das Fleisch der Fische?
Der Zorn Yuen-sche’s war aus diesem Anlässe neu entbrannt.
Er liess den Tschii-po durch einen seiner Gäste erstechen und war
*) Das neue üeschlechtsalter der späteren Han.
150
Dr. Pfizraaier
Willens, sich jeder weiteren Verantwortung durch die Flucht zu
entziehen.
Schin -thu-khien war im Grunde seiner Seele entrüstet und
hielt diese That für schmählich. Er äusserte sich jedoch verstellter
Weise: Ich wollte mit Yuen-khiü-sien gemeinschaftlich niederhalten
die drei Stützen *). Wie sollte ich ihn gegen einen einzigen Ange
stellten der Gerichte in Tausch geben?
Die Gäste Yuen-sche’s hinterbrachten diese Worte ihrem Ge
bieter und riethen ihm, sich selbst mit Stricken zu binden und sich
in dem Gefängnisse wegen seiner That zu entschuldigen. Schin-thu-
kliien war mit diesem Vorschläge zufrieden, und die Gäste gesellten
sich zu Yuen-sche auf mehreren zehn Wagen als Begleiter. Als man
zu dem Gefängnisse kam, entsandte Scliin-thu-khien eine bewaffnete
Macht, welche Yuen-sche auf dem Wege aufsuchte, ihn ergriff und
in einen Wagen setzte. Die begleitenden Wagen der Gäste wurden
zerstreut, die Krieger, enteilend, enthaupteten sofort Yuen-sche und
bängten dessen Haupt auf den Verkaufsraum von Tschang-ngan.
Seit den Zeiten der Gesammtherrscher Ngai und Ping lebten,
auf die einzelnen Landschaften und Herrscherländer beschränkt, an
verschiedenen Orten Gewaltige und Hervorragende, von denen jedoch
keiner der Erwähnung in der Geschichte werth gehalten ward.
Unter denjenigen, deren Name in den Landstrichen und Landschaf
ten berühmt geworden, besassen ^7]-^ Tu-kiün-ngao aus
Pa - |in g 2 )> Hf Äjj flp Han-yeu-ju aus Tsch’hi-yang,
3t Uf Sä ' kiün "P in aus v! I§ Ma-ling 8 ) und ^ cfl
Thsao-tschung-scho aus Si-ho die Eigenschaft der Bescheidenheit
und Anspruchslosigkeit.
Wang-mang liess in dem Zeiträume Khiü-tsche (6 — 7 n. Chr.)
die Gewaltigen und Schirmgewaltigen hinrichten. Unter anderen
verfolgte er auch den eben genannten Thsao-tschung-scho, indem
er einen den Namen enthaltenden Befehl zur Aufgreifung desselben
aussandte. Es war jedoch nicht möglich, des Gesuchten habhaft zu
werden.
1 ) Die San-fu (drei höchsten Fürsten des Himmelssohnes).
2 ) Ein Theil des heutigen Hien-ning, Kreis Si-ngan in Schen-si.
s ) Ein Unlerkreis der späteren Landschaft der „nördlichen Erde.“
Die Menschenabtheilung- der wandernden Schirmgewaltigen.
151
Dieser Schirmgewaltige stand auf ziemlich gutem Fusse mit
Sün-khien, dem Feldherrn „der starken Armbrust.“ Wang-
mang hatte Sün-khien im Verdacht, dass er Thsao-tschung-scho bei
sich verborgen halte, und er befragte darüber im gewöhnlichen Ge
spräche seinen Feldherrn.
Sün-khien gab zur Antwort: Ich stehe in dem Rufe, zu ihm ein
Freund zu sein. Wenn man mich hinrichten lässt, so wird dies hin
reichen, den Ausforschungen den Weg zu versehliessen. — Wang-
mang war von Gemüthsart grausam und nicht fähig, von Anderen
etwas zu ertragen, da er aber auf den Feldherrn Schin-thu-khien
grossen Werth legte, so fragte er nicht weiter. Auch des Schirm
gewaltigen konnte man zuletzt nicht habhaft werden.
Schao-yeu, der Sohn Thsao-
Endlich
tschung-scho's, in dem Zeitalter der späteren Han als Schirmgewal
tiger berühmt.
I
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
153
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(APRIL 1861.)
Akademie der Wissenschaften, königl. preuss., zu Berlin, Monats
bericht. December 1860. Berlin, 1861; 8°.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. VIII. Jahrgang,
Nr. 3. Nürnberg, 1861; 4°.
Association, British—,for the advancement ofScience, Reports of
the I.—VIII. Meetings. 1835—1839. & of the XI. —XXIX.
Meetings. 1841—1859. London, 1835 —1860; 8°.
Austria, XIII. Jahrgang, XII—XVI. Heft. Wien, 1861; 8».
Berlin, Universität, Die Gründung der Königl. Friedrich-Wilhelms-
Universität zu Berlin. Von Rud. Köpke. Berlin, 1860; 4°.—
Prolog zur ersten 50jährigen Jubelfeier der K. Friedrich-Wil
helms-Universität zu Berlin, gedichtet von F. A. Maercker,
vorgetragen bei Gelegenheit der Festvorstellung im Königl.
Schauspielhause am 14. October 1860; 4°. — Sacra Univer-
sitatis litterariae Friderica Guilelmae ante L annos institutae
die XV. mensis Octobris mini MDCCCLS celebranda indicunt
Rector et Senatus. Berolini; 4°.
Bern, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften für das
Jahr 1860. Bern, Neuchatel & Wien, 1860; 4° & 8°.
Bevölkerung und Viehstand des lomb.-venet. Königreiches. Nach
1 dem durch den Züricher Friedensvertrag veränderten Gebiets
umfange zusammengestellt auf Grundlage der Zählung vom
31. October 1857. Herausgegeben vom k. k. Staats-Ministerium
Wien, 1861; Folio.
154
Verzeichniss der eingeg-angenen Druckschriften.
Boletin bibliogräfico Espauol, Ano II, Nr. 5*& 6. Madrid, 1861; 8°.
Bonn, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 1860. Bonn, Leipzig & Thorn, 1860; 4° & 8°.
Gesellschaft, allgemeine gesehichtforschende, der Schweiz,
Anzeiger für schweizerische Geschichte und Alterthumskunde.
VI. Jahrgang, Nr. 3 & 4. Bern, 1860; 8°. — Schweizerge
schichtliche Forschungen über Wilhelm Teil von Dr. B. H id b er.
Bern; 8°.
— Deutsche morgenländisehe, Zeitschrift. XV. Band, 1. Heft.
Leipzig, 1860 ; 8°. — Abhandlungen für die Kunde des Morgen
landes. II. Band, Nr. 2. Leipzig, 1860; 8°.
Heuglin’s, Th. v., Expedition nach Inner-Afrika zur Aufhellung der
Schicksale Dr. Eduard Vogel’s und zur Vollendung seines
Forschungswerkes. Gotha, 1860; 8°.
Index to Muir’s Sanskrit Texts, parts first and second. Compiled
by G. B. London, 1861; 8°.
Instituto, I. R., Veneto di scienze, lettere ed arti, Atti. Serie 3 a .
tomo 6°, disp. 4 a . Venezia, 1860 —61; 8°.
Jena, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften für das Halb
jahr 1860 —1861. Dresden, Jena, Leipzig, 1860 & 1861;
4» & 8°. .
Löwen, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 18S9 — 1860. Löwen, 18S9 & 1860; 12° & 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt, Jahr
gang 1861, Heft III, nebst Ergänzungsheft Nr. 4. Gotha, 1861 ;
4».
— der k. k. Central - Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale, VI. Jahrgang, Nr. 4. Wien, 1861; 4°.
Mohr, Conradin von, Archiv für die Geschichte der Republik Grau
bünden. 32. Heft. Chur, 1860 ; 8°.
Society, Asiatic, of Bengal, Journal of the, — Nr. CCLXXVIII,
Nr. 3. 1860. Calcutta, 1860; 8».
— Royal, Proceedings of the, — Vol. X, Nr. 41 & 42. London,
1860; 8«.
— Royal Geographical, The Journal of the, — Vol. XXX. London,
1860; 8°.
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde, Zeitschrift.
Vitt. Supplement. Kassel, 1861; 8°. — Periodische Blätter der
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 155
Geschichts- und Alterthumsvereine zu Kassel, Darmstadt und
Wiesbaden, Nr. 15 & 16. Kassel, 1861; 8°.
Verein, historischer von Unterfranken und Aschaffenburg, Archiv.
XV. Band, 2. & 3, Heft. Würzburg, 1861; 8».
— für Geschichte und Alterthum- Schlesiens, Scriptores rerum
Silesiacarum. Band I & II. Breslau, 1835 & 1839; 4°.
Wien, Universität, Übersicht der akademischen Behörden für das
Studien-Jahr 1860 und 1861. Wien, 1861; 4». — Öffentliche
Vorlesungen an der k. k. Universität zu Wien im Sommer-
Semester 1861. Wien, 1861; 4°.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
157
VERZEICHNIS . '
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(MAI 1861.)
Akademie der Wissenschaften,königl.bayer., zu München,Sitzungs
berichte, 1860. 4.&6. Heft. München, 1860; 8°.
— der Wissenschaften, kpnigl. preuss. zu Berlin, Monatsbericht.
Januar 1861. Mit 1 Tafel. Berlin, 1861; 8°. — Register für die
Monatsberichte vom Jahre 1836 —- 1868. Berlin, 1860; 8°. —
Übersicht der Witterung itn nördlichen Deutschland nach den
Beobachtungen des meteorologischen Institutes zu Berlin. Jahr
gang 1869 & 1860. 4°. — Das Klima des preuss. Staates und
des angrenzenden Norddeutschlands. Von H. W. Dove. (Zeit
schrift des königl. preuss. statistischen Bureaus Nr. 6. März
1861.) 4».
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. VIII. Jahrgang,
Nr. 4. Nürnberg, 1861; 4°.
Austria, XIII. Jahrgang, XVII. —XIX. Heft. Wien, 1861; 8».
Berlin, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus dem
Jahre 1860/61. Berlin, 1860 & 1861; 4».
Boletin bibliogräfico Espanol, Ano II, Nr. 7 & 8. Madrid, 1861; 8°.
Freiburg i. Br., Universität, Akademische Gelegenheitsschriften
aus dem Jahre 1860/61. Berlin, Freiburg, München & Stuttgart,
1860 & 1861; 4« & 8«.
Heidelberg, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften für
das Jahr 1860/61. Carlsruhe, Frankfurt a/M. & Heidelberg.
1846, 1860 & 1861. 8», 4« & Fol.
158 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Institute* di corrispondenza archeologica, Annali. Vol.‘XXXII. —
Bullettino, per l’anno 1860. Roma, 1860; 8°. — Monumenti
inediti. Vol. VI. Tav. 37—48. Pol.
Istituto, R., Lombardo di scienze, iettere ed arti, Atti. Vol. II,
Fase. VII. VIII & IX. Milano, 1861; 4».
-— I. R., Veneto di scienze,, Iettere ed arti, Atti. Tomo VI° serie
3°, disp. 5“. Venezia, 1860/61; 8°.
Mittheilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt, Jahrgang
1861, Heft. IV. Gotha, 1861; 4».
— der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale, VI. Jahrgang, Nr. 5. Wien, 1861; 4°.
Pamätky. Casopis musea kralovstvf ceskeho pro dejepis hlavne
cesky. Dil IV, oddelenl 2, sesit. 1. V Praze, 1861; 4°.
Petition adressee au Senat sur l’affaire de M. Libri avec une note
ä l’appui. Paris, 1861; 8°.
Revue orientale et americaine, 3° annee, Nr. 26. Paris, 1860; 8°.
v
Iiocznik Ces. ki61. towarzystwa Naukowego kralowskiego, poszet
trzeci, Tom I—III. (Ogölnego zbioru XXIV—XXVI.) W Krako-
wie, 1858 & 1859; 8».
Statistik der Stadt Wien. Herausgegeben von dem Präsidium des
Gemeinderathes und Magistrates der k. k. Reichshaupt- und
Residenzstadt. Probeheft. Wien, 1857; 8°.
Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie. Zusammenge
stellt von der Direction der administrativen Statistik. Neue
Folge. II. Band, 2., 3., 4., 5., 7. & 9. Heft. Wien, 1859 &
1860. — III. Band, 1., 2. & 6. Heft. Wien, 1861; Fol.
Verein für Hamburgische Geschichte, Hamburgische Chroniken.
3. Heft. Hamburg, 1861; 8°.
Zacher, Julius, Älexandri Magni Her ad Paradisum, e codd.
Mss. lutiiiis primas edidit. Regimonti, Pr. 1859; 8°.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH- HISTORISCHE C L A S 8 K.
XXXVII. BAND. III. HEFT.
JAHRGANG 1861.
JUNI.
SITZUNG VOM 5. JUNI 1861.
Gelesen:
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
Von Dr. Friedrich Kenner.
Die in der vorstehenden Figur 1 abgebildete Münze des k. k.
Münz-Cabinetes zeigt auf der Vorderseite einen bärtigen Hercules-
kopf, die Keule auf der Schulter, von rechts gesehen, innerhalb
eines Lorbeer- und Perlenkranzes; auf der Rückseite erscheint ein
springender Centaur, in beiden erhobenen Händen Äste haltend, von
links gesehen gleichfalls innerhalb eines Perlenkranzes, darunter
die deutliche Aufschrift OPPI iE 3%, 3-S2 Grammes.
Peilerin gab diese Münze heraus, ohne sie zu bestimmen 0;
Eek hei las die Aufschrift „’Oppi“ und theilte die Münze vorl äufig
der Stadt Horreum in Epirus zu, indem ihn der Centaurentypus,
deren Mythe in Thessalien einheimisch ist, in die Nachbarschaft
dieses Landes führte 2 ). Später aber erfuhr er, dass derlei Münzen
häufiger in Gross-Griechenland gefunden würden, und gab eine neue
Bestimmung mit den Worten auf: „Si huc pertinent, quam in hac
(magna Graecia) habemus urbem ab OPPI (oppi) incipientem?" s ).
Bei der Untersuchung über die vorliegende Münze kann ihr von
Eck hei verbürgtes Vorkommen in Funden von Gross-Griechenland
füglich zum Ausgangspuncte dienen; wir haben also die Stadt, der
*) Recutiil III. 109.
2 ) Num. aneedoti p. 100, (ab. VII, 5.
s ) Doctrina II, 16o.
11*
162
Dr. Friedrich Kenner
sie angehört, in Unter - Italien zu suchen. —■ Ferner lehrt die
genauere Betrachtung der Aufschrift, dass die mittleren Buchstaben
nicht als „pp“, sondern als „7zn:“ oder „pp“ zu lesen seien. Nach
den paläographischen Tafeln von Zell 1 ) und Mommsen 3 ) kommt
nie und nirgends ein „p“ in Lapidarschrift mit offener Schleife vor; da
gegen erscheint sowohl das „p“ als das „tt“ in älteren Münzaufschriften
ganz so, wie die beiden mittleren Buchstaben in der Aufschrift un
serer Münze; diese ist somit jedenfalls tur„Oppi“ zu lesen; die Frage
ist nunmehr, ob sie als griechische oder lateinische zu nehmen sei.
Griechische Namen auf oitkc kommen nicht vor; überhaupt ist
diese Wortbildung der griechischen Sprache fremd 3 ). Dagegen er
scheint das Wort OPPIVS zumal als Personenname in dem Gebiet der
oskischen Sprache einheimisch 4 ); desshalb wird die Aufschrift unserer
Münze für lateinisch zu nehmen sein. Sodann ist die Verdoppelung der
Consonauten ein wichtiges Merkmal für die Zeitbestimmung, indem sie
in der lateinischen Sprache ziemlich spät auflritt. Das Wiener Sena-
tus consultum de Bacehanalibus vom J. 186 v. Chr. kennt sie nicht.
Die Familienmünzen, in denen sie zuerst erscheint, gehen nicht über
das Jahr 134 v. Chr. hinauf 5 ), also muss unsere Münze einer Stadt
in Unter-Italien angehört haben, welche sich wenigstens in officiellen
Dingen der lateinischen Sprache bediente und welche noch nach
134 v. Chr. Kupfermünze schlug.
Da ähnlich anlautende Stadtnamen in den Schriftstellern und
Reisebüchern des Alterthums nicht überliefert sind, so ist vorerst zu
1 ) Rom. Epigraphik II, Taf. 1.
2 ) Unterital. Dialekte Taf. 1. Dieser Unterschied tritt besonders deutlich hervor in den
rückläufigen Aufschriften der Münzen von Arpi AT^A, in der beide Buchstaben
neben einander sieben.
3 ) Der einzige Dichtername 'Ox-ta'JÖz rührt aus dein Ende des 2. Jahrhunderts n. Chr.
her, und ist gewiss nicht ursprünglich griechisch; die Verdoppelung von „tt“ findet
nur in einzelnen Worten (Ftt7rä7n:os) Statt; sonst kommt sie nur in der epischen
Sprache vor (o'/t-cus, ö-jvoToq, ötttiöüsv für onux;, ö-oloq, ÖTvtösv); vgl. Kühner
gr. Gramm. I. S. 51 ff.
4 ) Besonders zu Auximum, Osann, syll. inscr. antiq. graec. et lat. p. 553; Gruter p. G8, 3.
Der Name Oppianicus findet sich auch in jener Gegend, vorzugsweise in Larinum ;
Cicero pro. Cluent. nennt den Statius Albius Oppianicus einen römischen Ritter,
angesehen im Municipium Larinum cap. 39, cf. Mommsen. J. R. IN. 5222, Pauly B.
E., V. 951. VI. 1395.
5 ) Mo m msen, Gesell, des röm. Münzw. S. 470; z. ß. Metellus erscheint 134—124 v. Chr.
Memmius, Nalla und Philippus 114—104, Ilerennius 109, AUius 104, Cassius 104—
100, Flnccus 94, Mall — 89, Rullus84.
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
163
untersuchen, ob es heutigen Tages in Unter-Italien ähnlich benannte
Orte gebe, von denen sich voraussetzen lässt, dass sie im Alterthume
eben so geheissen hätten, und ob diesen die vorliegende Münze zu-
getheilt werden könne. Eine Stadt Opi 1 ) liegt im südwestlichen
Winkel der Provinz Abruzzo ulteriore II des Königreiches Neapel,
nicht weit von dem alten Aesernia. An ihre Stelle versetzt Forbig er 2 )
eine römische Stadt Op pia, für welche er sich auf Livius bezieht;
an der angezogenen Stelle ist aber nicht von einer Stadt, sondern
von einer Frau dieses Namens die Rede 3 ). Mithin fällt dieser Ort
weg. — Ferner existiren zwei Orte mit Namen Oppido, der eine
in der Basilicata (Lucania), der andere in Calabria ulteriore II
(ßruttium) 4 ). Jener wird von den neuen Geographen fast einstimmig
auf das alle Opinum zurückgeführt 5 ). Lombardi 6 ) bat aber nach
gewiesen, dass dabei in dem Text des Itinerarium Anton., welcher zu
Grunde liegt, eine Fälschung oder eine Abänderung unterlaufen sei,
indem Opinum für Ad Pinum oder für einen auf der Strecke Venusia-
Potentia in der Richtung gegen Ad Pinum gelegenen Ort zu nehmen
sei, der Venusia um 3 m. p. näher war als Ad Pinum. Das alte
Opinum des Itinerarium muss an der Heeresstrasse gelegen ge
wesen sein, welche in einem weiten Bogen um den östlichen Haupt
nicken 7 ) der Apenninen herumgehend von Venusia erst östlich nach
Ad Pinum (Spinazzoln), von da an den Fluss Bradanus führte,
diesen etwa hei Pisandes (Tab. Peuting) in der Nähe des heutigen
M. Peloso übersetzte und erst von diesem Puncte westlich nach Po-
tentia lief. Dagegen liegt das heutige Oppido an der kleinen G eb i r gs-
*) G a s p n r i, Erdbeschrb. VI. 77.
2 ) Ilandb. d. alt. Geogr. III. (»74.
3 ) Die Stelle ist in Livius XXVI. 34. In einem Senatsbeschlusse über die* Einnahme von
Cnpua heisst es: Ex hoc plebiseito senatus consullum Oppiae Cluviaeque primum bona
et libertatem restituit. In dem vorhergehenden Capitel sagt M. Atilius Regulus bei dei*
Untersuchung, wer sich in Capua während des hannibalischen Krieges um die Repu
blik verdient gemacht habe, „d u as m u 1 i er e s compertum est, V e s ti am 0 p p i a in
Atellanam Capuae habitantem et Fauculäm Cluviain etc.“ Eben so setzte schon R e i-
ehard im orb. antiq. c. thesauro topogrnpb. Norimberg. 1824 eine Stadt Oppia an
die Stelle des heutigen Opi mit Berufung auf dieselbe Stelle in Livius. Männert
folgt dieser Annahme nicht.
4 ) Gasparia, a. 0. VI. 808 und 828.
5 ) Cf. It.ilia medii aevi, dissertatio topograpbica in den Scriptores Ital. X, 298, 313.
Reichard a. a. 0. — Itinerarium Ant. (Wesseling.) p. 104. — Forbiger III. 76o ff.
6 ) Memorie dell’ Istituto di corrispondenza archeol. p. 218.
7 ) M annert, IX, 1H0.
164
Dr. Friedrich Kenner
strasse 1 ), welche den genannten östlichen Hauptrücken des Apen
nin geradezu übersteigt und Venusia über den Lago di Noce hin mit
Pofentia direct verbindet. Wenn dieser Ort schon im Alterthume
bestanden hat, so muss er sehr unbedeutend gewesen sein, indem
er ziemlicli abgelegen war; auch die heutigen Funde haben ausser
Münzen, Gefassen und der bantinischen Gesetztafel, die auf das
benachbarte municipium Bantia Bezug hat, nichts von einiger Erheb
lichkeit zu Tage gefördert, Ruinen finden sich nicht. Daher ist auch
nicht anzunehmen, dass der Ort, der im Alterthume an der Stelle
des heutigen Oppido stand, selbst wenn er nach Lombardi's An
nahme den Namen Oppidum führte, Kupfermünzen in jener Zeit
geschlagen habe. Auch wäre zu erwarten, dass der Name in diesem
Falle auf der Münze mindestens mit „OPPID“, aber nicht wie auf
unserer Münze mit OPPI bezeichnet worden sein würde, wozu aller
dings noch Platz vorhanden wäre. — Das andere Oppido (in Bruttium)
heisst auf der grossen Karte des Königreiches Neapel von Rizzi Za-
noni Oppido nuovo, hei Gaufredus Mala terrae 2 ) Oppidum castrum.
Von Funden oder Ruinen, die sich dort befänden, geschieht in den
neueren geographischen Werken keine Erwähnung 3 ). Doch dürfte der
Gegensatz der Namen darauf hinweisen, dass die Ruinen einer älteren
Stadt die Grundlagen eines mittelalterlichen Castelles gebildet haben,
und um dieses eine Neustadt entstanden sei, wie es auch anderweitig
vorkommt. Wenn aber auch im Alterthume eine Stadt mit ähnlichem
Namen (Oppidum, Kutsclieit versetzt auch dahin ein Opinum 4 ) ge
standen hat, so ist zu bedenken, dass in dieser südlichen rein grie
chischen Gegend Italiens ein Ort mit lateinischem Namen erst sehr
spät konnte gegründet worden sein (das Oppidum in Afrika entstand
erst unter K. Claudius 5 ); auch sind in jener Gegend autonome Münzen
mit lateinischer Aufschrift gewiss nicht geprägt worden. Endlich
trifft auch hier der Fall ein, welcher bei dem anderen Oppidum (in
Lucanien) erwähnt wurde, dass die Abkürzung in der Münzaufschrift
wohl eher „OPPID“ als „OPPI“ gelautet hätte. -— Diese Städte lassen
also trotz ihrer ähnlich klingenden heutigen Namen keinen mit „OPPI“
») Lombardi, I. c. S. 222, 226.
2 ) I. 32; cf. Script. Ital. X, 313.
3 ) Romanelli’s Topographie habe ich nicht einsehen können.
4 ) Tab. geogr. Ital. vet.
5 ) Forbiger II. p. 878.
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
165
anlaatenden Namen für das Alterthum voraussetzen. Kein Geograph,
kein Reisebuch, kein Classiker 1 ) erwähnt einen ähnlichen, obwohl
man dies von einem Orte, der Kupfermünze noch nach 134 v. Chr.
schlug und in Italien lag, das nach allen Seiten hin mit Strassen durch
zogen war, sicher erwarten könnte. Man wird aus diesen Umständen
den Schluss ziehen können, dass in Italien kein Ort dieses
Namens bestanden habe; da aber durch Funde constatirt ist, dass
die Stadt, welcher die vorliegende Münze angehört, in Unter-Italien
gelegen habe, und da der Name der Aufschrift nur als Personenname
begegnet, so bleibt uns nichts übrig, als diese auf den Namen
eines Münzbeamten statt auf den einer Stadt zu beziehen.
Einen weiteren Anhaltspunct gewährt der Typus. Wo auf antiken
Münzen Centauren erscheinen, da darf man erwarten, dass die be
treffende Stadt in oder an einem Gebirge lag 2 ), wie ja die
ganze Centaurensage in dem gebirgigen Arkadien und in Thessalien
einheimisch war, von wo aus sie durfch alle Welt sich verbreitete 3 ).
—Ferner findet sich ganz dieselbe Verbindung des Uerculeskopfes
und des Centauren auf einer der schon bekannten Münzen von Lari
num 4 ) (vgl. Fig. 2) der auf den Ausläufern der nördlichen Abruzzen
über der apulischen Ebene gelegenen Bergstadt. So zufällig auch
meistens solche Ähnlichkeiten in der Münzpräge sind, so treffen hier
doch mehrere Merkmale ein, welche die Zugehörigkeit unserer
Münze in die Serien von Larinum wahrscheinlich machen. Erstlich
findet sich in der ganzen Präge des gesammten Italien die Verbin
dung von Herculeskopf und Centauren nur allein in dieser Stadt.
Ferner ist die oben angeführte Münze von Larinum ein Quadrans
*) Nur in Varro Rerum humanar. I. 8. n. Festus Septimontium p. 348, (Müller) kommt
der Name Oppius als Ortsname eines der sieben Iliigel vor, aber auch in diesem Falle
nicht ursprünglich, sondern abgeleitet vom Personennamen Oppita Oppius Tusculanus.
z ) Z. ß. Lethe Macedoniae am Dysoron, Amphipolis Maced. an den Ausläufern des ßer-
tiskosgebirges , Orestae Maced. am Fusse des Gebirges ßoion, und an den Quellen
des Haliakmon, Resaina am mons Massitis in Mesopotamia , Pergamus am Rande einer
Hochebene u. s. w. vgl. Mionnet Suppl. IX. tab. general p. 233 und Kiepert Alias von
Hellas.
3 ) Gerhard, Gr. Mytli. II. §. 6ÜG 4 .
4 ) Friedländer, Osk. Münzen, S. 42, Taf. 6. Unsere Abbildung (Fig. 2) rührt von einem
Exemplare des k. k. Cabinetes her. —Cavedoni Fr. Carelli mim. Ital. vet. ec. p. 14. tab.
LX. — Mommsen, Gesch. d. röm. Mzw. 349. Auffallend ist, dass weder Cavedoni in dem
aufgeführten Sammelwerke noch Minervini (Saggio di osservazione numisrnatiche,
Napoli, 1836) dieser vorliegenden Münze Erwähnung macht.
166
Dr. Friedrich Kenner
des uneialen Fasses. Das Gewicht unserer Münze ist 3-8 Grammes;
im semuncialen Fusse hat das genannte Nominale ein Gewicht von
35 Grammes normal, mithin ist die vorliegende Münze ein um 0-3
Grammes übermünzter Quadrans des semuncialen Fusses. Die Über-
münzung kommt bei Scheidemünzen nicht in Betracht. Die Ähnlich
keit der Verbindung des Hereuleskopfes mit dem Centauren bei der
bekannten Münze vonLarinum und unserer beruht also nicht auf Zufäl
ligkeit, sondern stimmt mit dem Gewichte überein und erklärt sich aus
dem Bestreben für dieselben Nominale durch alle Abänderungen im
Münzfusse hindurch dieselben Typen heizubehalten i). Also passt auch
nach ihrem Gewichte die vorliegende Münze in die Serie von Lari-
num, welche sie um ein Stück des semuncialen Fusses vermehrt, der
bisher in dieser Stadt noch nicht vertreten ist 2 ), obwohl Larinum
in demselben fortgeprägt hat 3 ). — Diese Eintheilung wird auch
unterstützt durch den .Styl der Arbeit. Der Kopf des Hercules so wie
der Centaur sind gegen die dm- älteren Quadranten des uneialen
Fusses merklich abgeändert; der Erstere hat kein Löwenfell über
den Kopf gezogen, sondern diesen frei. Diese Abänderung erklärt
sich wohl daraus, dass der Stempelschneider einer eben damals
(nach 134 vor Chr.) in Rom aufgekommenen Mode 4 ) folgte und
den Kopf der Vorderseite mit einem Lorbeerkranz umgab. Dadurch
wurde das Feld für den Kopf enger und mithin musste der letztere
kleiner gemacht werden. Um Raum zu ersparen liess er das Löwen
fell hinweg, welches über die Haare und den Nacken weit hätte
hinaus ragen müssen. Auf der Rückseite ist die Richtung des Cen-
1 ) Der Herculeskopf wurde in der Regel auf die Vorderseite der Quadranten gesetzt,
so ausser Larinum in Rom, Copiae, Valentin, Orra etc.
2 ) Mommsen theilt am eben angeführten Orte den einen der von Cavedoni 1. c. Nr. 6
beschriebenen Trienten wegen der geringeren Grösse und des geringeren Ge
wichtes von 61 Grammes statt der normalen 93 dem semuncialen Fusse zu.
Nach der Abbildung besteht aber die geringere Grösse des einen Trienten nicht
in einer Verschiedenheit der Grösse seines Stempels von jener des Stempels
des anderen, sondern nur in einer Verkleinerung des Randes, wesshalb auf ihm
auch das Werthzeichen abgeht; dagegen ist die Grösse der Figuren auf beiden
Trienten gleich, woraus hervorgeht, dass beide Stempel gleich gewesen sein und
die beiden Trienten ursprünglich dasselbe Gewicht und dieselbe Grösse gehabt
haben müssen. Es sind mithin beide Münzen dem uneialen Fusse zuzurechnen.
8 ) Mommsen, a. a. 0. S. 330.
4 ) Ein Lorbeerkranz findet sich auf den Denaren der Acilia 134 v. Chr., Cacilia 134—124,
Gellia 104, Aurelia 91—84, Fontein und Lucilia 84 ; diese Mode entspricht also in
der Zeit vollkommen der Verdoppelung der Consonanten.
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
167
tauren und die Haltung der Arme abgeändert. Die Bildung des Kopfes,
dann besonders die Behandlung der Füsse und der Brust erinnert sehr
an die Präge der späteren Familienmünzen, die in der Zeit mit der
vorliegenden Münze Zusammentreffen (134 — 89 v. Chr.)')■ Es ist
also offenbar, dass der Stempelschneider unter römischem Einflüsse
stand; ein solcher ist für jene Zeit hauptsächlich in Apulien nach
zuweisen, das frühe römischem Einflüsse, zumal in officiellen Dingen,
sehr unterworfen war, und schon auf den Münzen des uncialen
Fusses die oskische Sprache mit der lateinischen vertauscht hatte.
Es verweisen also die inneren Merkmale der vorliegenden Münze,
Gewicht Typus und Styl der Arbeit auf die Stadt Larinum; da ferner
nach unserer Darlegung die Aufschrift keinen Orts- sondern einen
Personennamen enthält, so ist die Münze für einen semuncialen
Quadrans von Larinum zu halten, markirt mit dem Namen der dama
ligen Münzobrigkeit, mag nun der Name „Oppius“ oder „Oppiani-
cus“ gelesen werden; — gegen letztere Lesart spricht die Abkür
zung, die in diesem Falle wenigstens OPPIAN hätte lauten müssen. —
Es steht dieser Voraussetzung nichts entgegen, indem sich erwarten
lässt, dass jede münzende Stadt einer ihrer Behörden diese Func
tion zugewiesen haben werde; eben so leicht ist es denkbar, dass
aus der weit verzweigten Familie der Oppier, die ausserdem oski-
sehen Ursprunges war, ein Glied in Larinum ansässig gewesen sei.
Die Bedenken gegen diese Zutheilung beziehen sich vielmehr
darauf, dass der Ortsname und das Werthzeichen nicht auf der Münze
angegeben sind, während Larinum diese Herkömmlichkeit doch auf
seinen älteren Münzen beobachtete, und dass dafür der Münzbeamte
genannt wird, was früher nicht der Fall war, und auf italischen
Münzen ausser Bom in dieser Art nicht vorkommt. Doch lassen sich
aus den allgemeinen Verhältnissen der damaligen Münzpräge und aus
jenen von Larinum insbesondere Umstände geltend machen, welche
diese Erscheinungen erklären.
Larinum prägte, so weit seine Münzen bisher bekannt sind , auf
den Anderthalb- und den Unzenfuss; da im Jahre 204 v. Chr.
von Rom aus ein Gesetz erlassen wurde 2 ), dem zufolge die Land-
Vgl. z.B. den Pegasus der Famil. Titia, noch mehr d i e ähnlichen Centauren
auf dem Denar von M. Aurelius Cota, Mommsen a. a. 0. S. 532, nach 190 v. Chr.
dessen Anordnung und Arbeit mit der auf unserer Münze übereinstimmt.
2 ) Mommsen a. a. 0. S. 321, 338, 383.
168
Dr. Friedrich Kenner
städte weiterhin nur mehr auf den semuneialen Fuss prägen durften;
da mithin die unciale Präge für die Landstädte in jenem Jahre aufge
hoben wurde, so fallen die bisher bekannten Münzen von Larinum vor I
jene Zeit. Nun ist, wie schon oben gesagt wurde, zu schliessen, dass
diese Stadt auch nach dem Jahre 204v. dir. also im semuneialenFusse
fortgeprägt habe; es fragt sich daher weiter, mit welchen Nominalen
und unter welchen Verhältnissen diese Fortprägung geschah. Zufolge
der Consonantenverdoppelung und der Einfassung der Vorderseite mit
einem Lorbeerkranze reicht unsere Münze nicht über das Jahr 134
vor Chr. hinauf. In jener Zeit waren aber die beiden wichtigsten
Folgen des eben erwähnten Gesetzes vom Jahre 204 schon hervor
getreten. Die eine derselben besteht in der gänzlichen Verdrängung
des griechischen Obolensystemes aus dem Verkehr. Bei der Aus
gleichung derselben mit dem römischen Unzensystem, welches ihm in
Unter-Italien mit der offieiellen Geltung des Denars als alleiniger
Silbermünze begegnete, wurde die Unze für den Obolos gegeben.
Die Unze hatte aber in Folge der Herabsetzungen des Fusses so sehr
an Gewicht verloren, dass sie zuletzt (im semuneialen Fuss) nur
mehr 116 Grammes normal wog; dagegen wurde der griechische
Obolos constant auf 3—6 Grammes ausgebracht; er konnte also ohne
bedeutenden Nachtheil gegen die Unze nicht mehr weggegehen
werden; daher verschwand er aus dem Verkehre und wurde einge
schmolzen. Mit ihm hört aber auch die Quincunxpräge auf, welche
in jenen Landstädten geübt wurde , die das Griechische und das
römische System in ihren Münzen ausgleichend verbanden 1 ). Im
semuneialen Fuss von Larinum wird also der Quineunx nicht weiter
begegnen. — In der Ausprägung der anderen Nominale im letzt
genannten Fusse scheinen die Landstädte je nach Bedürfniss, viel
leicht auch unter gewissen Beschränkungen des Münzrechtes von
Rom aus, vorgegangen zu sein. Alle Nominale finden sich nur von den
jungen und als latinische Colonien hochbegünstigten Städten Copiae
und Valentin; beide haben allein den As. Die anderen Städte die im
semuneialen Fuss noch weiter prägten, wie Petelia,Brundisium Paestum,
Uzentum etc. haben alle denQuadrans, manche daneben noch
ein und das andere Nominale 2 ). Dass der Quadrans überall ausgeprägt *
*) Mommsen a. a. 0. S. 203.
2 ) Von Uzentum existirt nur der Semis; die Semisses von Venusia gehören einem leich
teren Fusse an.
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
169
wurde, ist einerseits natürlich; denn im semuncialen Fuss konnten
die geringsten Nominale Sextans und Uncia (von 2 - 3 und 1‘16 Gram
mes) nicht mehr deutlich geschieden werden, indem eine geringe
bei der damaligen Technik fast unvermeidliche Über- oder Unter-
münzung das Nominale veränderten und die geringe Grösse der Münze
unpraktisch für den Verkehr war. Dasselbe Verhältniss hat zwischen
Triens und Quadrans Statt, deren normale Gewichte von etwa 4-6
und 3-5 Grammes zu wenig von einander verschieden sind, als dass
sie genau hätten dargestellt werden können. So hat auch Rom, als
es späterhin auf den semuncialen Fuss prägte,' nur die deutlich von
einander durch das Gewicht zu unterscheidenden Nominale, näm
lich den As zu 14, Semis zu 7, Quadrans zu3‘S Grammes ausgebracht <);
•—-andererseits beweist die allgemeine Anwendung des Quadrans,dass
er sich den durchschnittlichen Preisen im Kleinverkehre am meisten
näherte, also das praktischere und desshalb auch beliebtere Nominale
war, sowie er unter den verschiedenen kleineren Nominalen ziemlich
genau die Milte einhält. Nach diesen Umständen kann vorausgesetzt
werden, dass auch Larinum im semuncialen Fuss wenigstens den
Quadrans geprägt habe.
Die andere Folge jenes Gesetzes vom J. 204 ist der Vorzug,
den das römische Kupfer durch dasselbe vor dem landstädtischen
erhielt. Während letzteres auf den semuncialen Fuss ausgebracht
werden musste, prägte Rom sein Kupfer auf den uncialen Fuss fort,
also um die Hälfte schwerer. Das römische Kupfer gewann dadurch
die Oberhand in dem Kleinverkehr auch ausserhalb der Stadt, da es
Staatsgeld war; daher wird angenommen werden können, dass das
selbe auch in den Landstädten circnlirte und diese, zumal mit der
höheren Nominalen versah. Dass neben dem römischen Kupfer auch
jenes einiger Landstädte, so z. B. von Copiae Brundisium Valentia, ein
wenn auch nicht so grosses, doch über die nächste Nachbarschaft
reichendes Umlaufgebiet gehabt habe, das beweist schon der Um
stand, dass von diesen Städten mehr und mannigfaltigeres Kupfer
*) Dasselbe ist bei dem Kupfergelde der österreichischen Währung' der hall; zufällig
nähern sich die Gewichte seiner Nominale jenen des semuncialen Fusses. Das neuerlich
ausgeprägte Vierkreuzerstück von 12 4 Gr. dem semuncialen As von 14, der Neu-
kreuzer von 3 6 Gr. dem Quadrans von 3-5 und der halbe Neukreuzer von 1-6 Gr-
der Unze von 11 Gr.; dabei ist zu bemerken, dass der Neukreuzer bei weitem am
häufigsten ausgebracht wird, weil er das brauchbarste Nominale ist.
170
Dr. Friedrich Kenner
geschlagen wurde, als von den übrigen. Welchen Einfluss diese
landstädtische Präge auf den Verkehr von Larinum ausgeübt habe,
erhellt aus den Verhältnissen seines Handels. t
Larinum lag an den Ausläufern der nördlichen Abruzzen, im
Süden des Frentanergebiets und gehörte unter Augustus zur zweiten
Region (Apulien) !). Das Gebiet, welches die Stadt beherrschte, war
ziemlich gross und wird von Jul. Caesar selbstständig neben jenem
der Frentaner genannt 2 ), die Stadt selbst war nach den Ruinen bei dem
heutigen Larino ziemlich ausgedehnt 3 ), doch hatte sie keine strategi
sche Bedeutung, indem sie an keiner Heeresstrasse lag 4 ); auch für
den Handel war ihre Abgelegenheit ungünstig, zumal da nördlich und
südlich von ihr die zwei bedeutendsten Handelsorte am adriatischen
Meere Ancona und Brundisium gelegen waren. Dafür war sie, wie
ganz Apulien, reich an Heerden, und wie noch heutzutage im Mit—
telpunet der apulischen Ebene die Stadt Foggia jährlich einen grossen
Viehmarkt hält 3 ), an dem sich das heutige Larino betheiligt, so wird
es wohl auch im Alterthum seine Viehherden nach Arpi (in der Nähe
des heutigen Foggia) in die Ebene hinabgetrieben haben, nach dessen
Verfalle Cänusium die wichtigste Handelsstadt für Apulien wurde. Der
Zug seines Verkehres ging also nach Süden und brachte es mit den
Städten Brundisium, Valentin, Cänusium u. s. w. in Verbindung. Daher
wird ausser römischem Golde auch das Kupfer von Valentia und
Brundisium in Larinum circulirt haben, so wie schon in früheren
Zeiten Apulien naturgemäss von tarentinischem und dyrrhachischem
Silber überschwemmt war, ohne eigenes Geld oder viel davon zu
schlagen. Die Folge davon war wohl die, dass Larinum die Präge der
Scheidemünze auf das nächste Bedürfniss beschränkte und nur das
für den localen Kleinverkehr nothwendigste und tauglichste Nominale,
den Quadrans schlug, indem für grössere Preise ausser dem römi
schen Gelde der As und Semis der benachbarten latinischen Colonien
Brundisium und Valentia ausreichte. Eine solche Beschränkung ist
keineswegs ein Zeichen der Armuth, sondern als Resultat localer
Kutscheit, tab. geogr. Ilal. vet.
2 ) Bell. clv. I, 23. ft
s ) Smith’s Dictionary of Greek and Roman geography. London 1837, III 1237.
4 ) Smith a. a. 0. Von den Heeres/.ügen in den Kriegsjahren 217 und 207, welche ihre
Richtung durch das Gebiet der Stadt nahmen, wurde sie selbst nicht berührt.
*) Gaspari VI, 783. 787.
Über einen semuncialen Quadrans von Lnrinum.
171
Verhältnisse unter Umständen das einer weisen Ökonomie. — Wenn
aber Larinum nur das eine Nominale, den Quadrans, schlug, so
brauchte der Werth desselben nicht näher bezeichnet zu werden, das
Werthzeichen war daher überflüssig geworden.
Schwieriger noch ist der Umstand zu erklären, dass der Stadt
name fehlt und dafür jener der Obrigkeit erscheint. Da Larinum
wie auch die anderen Städte Apuliens sich frühzeitig dem Beispiele
Roms anschloss, zumal in otfieiellen Dingen, so dürfen wir eine
Befolgung desselben auch in der Münzpräge annehmen, besonders
in der Zeit des uncialen und semuncialen Fusses, auf welchen Rom
einen bestimmenden Einfluss durch seine Gesetze nahm i).
In Rom beginnen nun die Münzmeisternamen bald nach 217 v.
Chr.; in der ersten Zeit (217 bis ungefähr 1S4) erscheinen sie
abgekürzt oder in Monogrammen versteckt, von 1114 weg vollaus
geschrieben neben dem Stadtnamen, endlich von 104 an allein,
indem der Stadtname (auf den silbernen Münzen) verschwindet 2 ).
In der Nachbarschaft von Larinum setzte Brundisium nach dem Bei
spiele Roms monogrammatisirte und abgekürzte Münzmeisternamen
auf sein semunciales Kupfer 3 ). Valentin hingegen, das vom J. 189
weg prägte, bediente sieb der Beizeiehen 4 ). Es liegt nahe anzuneh
men, dass, wie Brundisium so auch Larinum dem Beispiele Roms
gefolgt sei, indem es den Münzmeisternamen abgekürzt auf die Münze
setzte. — Der Mangel des Stadtnamens Hesse sich dann auf eine
zweifache Weise erklären: entweder wurde er nicht auf die Münze
gesetzt, weil sie nur für den localen Kleinverkehr geschlagen, ein
sehr beschränktes Umlaufgebiet hatte, in welchem der schon vom
uncialen Fusse her gewohnte Typus und ausserdem der Name des
Münzmeisters bekannt waren; oder er wurde in Nachahmung der
Mode von Rom weggelassen, wo ungefähr vom J. 104 an der Stadt
name von der Münze verschwindet und jener des Münzmeisters allein
erscheint 5 ). Nach dem ersteren Falle würde die Altersgrenze, welche
*) Mommsen a. a. 0. 318 ff.
2 ) A. a. 0. 4ö5.
3) Cavedoni a. a. O. pl. XX, z. B. L CORN, RVS, MBIT, ARR, dann in Monogrammen
PE, MA, MET QMAC u. s. w.
4 ) Cavedoni a. a. 0. pl. CLXXXVII.
5 ) Es war dies in Rom wohl nur auf den Silbermünzen der Fall (Mommsen a. a. 0.
S. 453, 455); da aber Larinum kein Silber prägte, so kann von einer Nachahmung
römischer Mode selbstverständlich nur auf Kupfermünzen die Rede sein. Auch
172
Dr. Friedrich Kenner
schon im Anfänge dieser Untersuchung nachgewiesen wurde, nämlich
das J. 134 v. Chr. in Geltung bleiben; im zweiten müsste das Alter
noch mehr herabgerückt werden, indem die Münze dann nur zwischen
den Jahren 104 und 89 geprägt worden sein konnte, in welchem
letzteren Jahre alle landstädtische Präge ein Ende hatte.
In beiden Fällen ist ein Umstand bemerkenswert!), dass nämlich
Larinum vom J. 204, in welchem der unciale Fuss in den Landstädten
aufgehoben wurde, bis 134 oder 104 nicht prägte, obwohl es das
Recht dazu gehabt hätte. Diese Erscheinung ist bezeichnend für die
Münzverhältnisse von Larinum, wie sie oben dargelegt wurden, indem
daraus hervorgeht, dass es durch eine Zeit von wenigstens 70,
vielleicht von 100 Jahren das Bedürfniss einer eigenen Münze nicht
in dem Grade hatte, wie früher. Also muss in der Nachbarschaft
nach dem J. 204 mehr geprägt worden sein als vor diesem Jahre.
In der That geschah es nach 204, dass Brundisium reichlicher zu
prägen anlirig, indem seine Münzen aus dem semuncialen Fusse jene
aus der früheren Zeit an Zahl übertreffen. Auch Valentia begann
seine ausgedehnte Präge erst nach dem J. 189 v. Chr. i). Es ist
darnach anzunehmen, dass Larinum, das in Folge seines Viehbandeis
mit den südlich gelegenen Städten in häufige Verbindung kommen
musste, auch mit den Münzen dieser Slädte überschwemmt wurde,
sobald sie zu prägen angefangen hatten, und dass es desshalb die
Präge eigener Münze eingestellt habe. — Eine weitere Erscheinung
an der vorliegenden Münze ist ihre Seltenheit 3 ); es wird demnach
die Emission dieser Quadranten sehr geringe gewesen und darum
auch nur als eine vorübergehende Massregel zu lassen sein.
Der Grund davon muss in localen Verhältnissen gesucht werden,
welche darzulegen bei den wenigen Nachrichten, die über Larinum
erhalten sind , kaum möglich ist. Am ersten wäre daran zu denken,
dass dieselbe Ursache, welche Larinum zum Aufgeben seiner Münz
präge bewog, in das Gegentheil werde umgeschlagen und die Stadt
veranlasst haben, die altberechtigte Präge wenigstens theilweise,
d. h. für ein bestimmtes Nominale wieder aufzunehmen. Diese Ursache
beweist der Stempelschnitt der vorliegenden larinatischen Kupfermünze, das man
bei Anfertigung derselben sich mehr nach dem Muster römischer Denare als römi
scher Kupfermünze hielt, vielleicht wegen der ähnlichen Grösse.
*) Mommsen a. a. 0. 317.
2 ) Mionnet I, p. 54 und Suppl. III, p. 370 schätzt sie auf R 4.
Über einen semuncialen Quadrans von Larinum.
173
liegt ziemlich offen vor. Brundisium und Valentia schlugen bei weitem
mehr die grösseren Nominale als die kleineren, jene mit Rücksicht
auf den weiteren Verkehr, letztere nur für das Bedürfniss des eigenen
Verkehres, also in viel geringerer Menge 1 ). Während die grösseren
Nominale dem einheimischen und fremdstädtischen Verkehre genügten,
wurde die Zahl kleinerer nur für den einheimischen Markt berechnet und
diese kamen daher nicht insogrossenMengen, als die grösseren, in die
Nachbarschaft. Dieser Umstand muss mit den Jahren noch empfind
licher geworden sein, als eine grosse Zahl der ohnehin spärlichen
Quadranten durch Abnützung unbrauchbar geworden war. Dadurch
wurde Larinum veranlasst dieQuadranten-Präge wieder aufzunehmen.
Dies muss übrigens in einer ziemlich späten Zeit geschehen sein, in
dem sich die Arbeit an der vorliegenden Münze von jener der übrigen
landstädtischen Münzen semuncialen Fusses unterscheidet und jünger
erscheint. Vielleicht geschah die Emission dieser Quadranten nach
den letzten Emissionen von Scheidemünze, welche jene Städte vor
der gänzlichen Aufhebung ihres Münzrechtes bewerkstelligt hatten,
und war wohl die letzte von Larinum selbst.
Dies sind jene Verhältnisse und Umstände, welche sich zur
Erklärung der aussergewöhnlichen Ausstattung der in Frage stehenden
Münze geltend machen lassen. Es bleibt immer misslich, für abnorme
Erscheinungen Ausnahmen zu statuiren; doch dürfte das Zusammen
treffen so vielfacher Kriterien in dem vorliegenden Falle nicht durch
weg zufällig sein; auch sind die Verhältnisse der Kupferpräge in den
Landstädten, zumal in derZeit vor ihrer gänzlichen Beendigung, mehr
von localen Umständen abhängig als von allgemeinen, wie es z. ß.die
Präge von Silbermünze oder von den höheren Nominalen der Scheide
münze ist. Solche locale Besonderheiten lassen sich, wie gezeigt
wurde, für Larinum voraussetzen: aus ihnen dürfte auch eine aus
nahmsweise Prägung hervorgegangen sein.
\) Cavedoni, Fr. Carellii num. Ital. vet. p. 62. Dort werden aufgeführt von Brundisium:
27 Semisses 4 Trientes 9 Quadrantes 10 Sextantes 9 (Jnciae ;
von Valentia a. a. 0. p. 106
6 Asses 15 „ 5 „ 6 „ 6 „ — ;
da die Sammlung Carelli’s sehr reichhaltig ist, so werden diese Zahlen einen
annähernd richtigen Massstab abgeben können für die Quantitäten, in denen beide
Städte ihre verschiedenen Nominale ausbrachten.
f
174
A. Schrott er
SITZUNG VOM 12. JUNI 1861.
Gelesen:
Die chemischen Bestemdtheile der Bronzen in den Gräbern
von Haistatt und, ihre Beziehung zu deren Ursprung.
Von Prof. A. Schrotter.
So reich auch Österreich an Fundstätten archäologischer
Gegenstände ist, so dürften doch wenige darunter das Interesse der ^
Gelehrten und Laien im höheren Grade erregen als die merkwür
digen aus einer so frühen Zeit stammenden Gräber am Salzberge
bei Haistatt. Die darin gefundenen Gegenstände so wie die Gräber
selbst wurden in den Sitzungsberichten unserer Akademie und
anderwärts schon mehrfach besprochen, daher ich auf nähere
Angaben über dieselben, die ohnedies den Fachmännern überlassen
bleiben müssen, nicht eingehe. Ich kann aber nicht umhin, des um
dieKenntniss dieser Alterthiimer so hochverdienten k. k. Bergmeisters
Herrn R am sau er hier zu gedenken, dessen unermüdlicher und
uneigennütziger Thätigkeit wir die Aufdeckung dieser Gräber und
alles was wir über ihren reichen Inhalt wissen, verdanken.
Nach den letzten Mittheilungen die ich von Herrn Ramsauer
erhalten habe, wurden durch ihn im Verlaufe von 13 Jahren, von
1846 bis Ende 18o9, nicht weniger als 770 Gräber geöffnet; im
Jahre 1860 kamen noch 60 dazu, so dass gegenwärtig der Inhalt
von 830 dieser Gräber bekannt ist. Derselbe bildet im kaiserlichen
Münz- und Antiken - Cabinet eine höchst merkwürdige Sammlung, *
und es ist nur zu bedauern, dass sie wegen Mangel an Raum nicht
in einem Locale vereinigt werden konnte, daher der Totaleindruck
verloren geht.
Die chemischen Bestandtheile der Bronzen etc.
175
Der Übersicht wegen sei hier nur noch angeführt, dass in 430
Gräbern die mehr oder minder gut erhaltenen Skelete, in 400
Gräbern hingegen blos die Reste der ganz oder theilweise verbrannten
Leichen gefunden wurden. Die den Leichen beigegebenen Gegen
stände waren in folgender Weise vertheilt:
In den Gräbern In den Gräbern
mit Skeleten mit Leichenbränden
Schmuckgegenstände aus Gold ... 6 . . . 56
„ „ Bronze . , 1197 . . . 1573
Waffen und andere Gegenstände
aus Bronze . . 92 . . . 315
Waffen und andere Gegenstände
aus Eisen . . 160 .. . 353
Schmuckgegenstände aus Bern
stein und Glas . . 166 . . . 129
Thongefässe 240 . . . 792
Gegenstände aus Stein 41 . . . 67
Diese Zahlen zeigen, dass die Gräber mit Leichenbränden weit
reicher an werthvollen Gegenständen sind als die mit Skeleten.
Hiemit in Übereinstimmung ist auch die Thatsache, dass sich in
den Gräbern mit Skeleten noch niemals getriebene Gefässe aus
Bronze vorgefunden haben, während solche in den Gräbern mit
Leiclienbränden ziemlich häufig Vorkommen.
Die Ansicht, dass die Gräber mit Leichenbränden den reicheren
Bewohnern jener Gegend angehörten, dürfte also doch für diese
specielle Localität nicht ganz unbegründet sein, obwohl sich Herr
Prof. Weinhold gegen dieselbe ausspricht und „nur innere freilich
dunkle Bestimmungsgründe“ für den Gebrauch, dass die Todten
theils verbrannt wurden Ihcils nicht, zulässt *)■ Vielleicht steht
hiemit auch der jedenfalls beachtenswerthe Umstand in Verbindung,
dass sich in reicheren Gräbern mit Leichenbränden Waß'en und an
dere Gegenstände von Eisen in grösserer Anzahl finden als in den
weniger reich ausgestatteten Gräbern mit Skeleten. Das Eisen scheint
zu jener Zeit und in jener Gegend kostspieliger gewesen zu sein als
die Bronze, was auch aus später anzugebenden Gründen begreiflich
wird. Vielleicht war es also die vornehmere, die Krieger in sich
1 ) „Die heidnische Todtenbestatlung in Deutschland“ von Dp. K. Weinhold; in den
Sitzb. der philos.-histor. CI. d. kais. Akad. d. Wissensch. ßd. XXIX u. XXX. 1859.
Sitzli. d. phil.-liist. CI. XXXVII. ßd. III. Hft. 12
l
176 A, S ehr ö tt e r.
schliessende Classe der Bevölkerung, bei welcher die Leichenbrände
üblich waren, während hei dem die Gewerbe betreibenden Theil der
selben dieses Verfahren nicht im Gebrauche war.
Bei einer erschöpfenden Bearbeilung des so überaus reichen
und mannigfaltigen Inhaltes dieser Gräber von einem Fachmanne,
wozu die genau geführten Tagebücher und zahlreichen Zeichnungen,
die Herr Bamsauer auf eigene Kosten anfertigen lässt, ein
schätzbares Material bieten, würden sich noch manche Beziehungen
herausstellen, die zu weiteren Aufklärungen des Ursprunges jener
Leichenfelder führen dürften.
Die folgende Mittheilung soll hiezu einen kleinen Beitrag liefern,
da es heut zu Tage möglich ist, über den Ursprung antiker Gegen
stände, zumal solcher die aus Bronze oder aus Metall-Legirungen
überhaupt bestehen, durch Berücksichtigung ihrer chemischen Be-
standtheile ein Urtheil zu fällen, selbst wenn die Form oder eine
andere entscheidende Bezeichnung die Mittel dazu nicht bietet. Die
Chemie hat sich bereits das Recht erworben bei archäologischen
Fragen dieser Art gehört zu werden, und die gründliche Erforschung
der materiellen Beschaffenheit des Stoffes der antiken Gegenstände
gehört mit zu den Erfordernissen der heutigen wissenschaftlichen
Archäologie.
Der Umstand, dass ich durch mehrere Jahre die Ferialzeit an
dem romantisch gelegenen Halstätter See verlebte und oft Zeuge
der Ausgrabungen war, die Herr Ramsauer mit so viel Umsicht
leitet, erregte zuerst mein Interesse für diesen Gegenstand; dann
waren es aber die „archäologischen Parallelen“ von Wocel 1 ). die
mich veranlassten vorläufig die Bronze von Halsfatt näher zu unter
suchen.
Bei der merkwürdigen Übereinstimmung, die zwischen den Resul
taten stattfindet, zu denen Wocel und fast gleichzeitig mit ihm Ber
lin 3 ) auf verschiedenen Wegen und ganz unabhängig von einander
gelangten, bedürfen dieselben wohl kaum mehr einer Bestätigung durch
neue Analysen, wenigstens nicht in der Hauptsache; allein es gibt
dennoch mehrere Puncle, die erst dann aufgeklärt werden können,
■
Sitzb. der kais. Akademie der Wissenschaften, philos.-histor. CI. XI. Bd. S. 716,
1854 und XVI. Bd. S. 169, 1855.
2 ) Annaler for nordisk Oldkyndighed og- Historie. 1852.
Die chemischen Bestandteile der Bronzen etc.
177
wenn die Zusammensetzung der Bronzen von möglichst vielen Fund
stätten und zwar nicht nur ihrer Hauptmasse nach, sondern auch mit
Rücksicht auf alle ihre Bestand theile und auf die Nebenumstände unter
denen sie Vorkommen, bekannt sein wird. Die vorliegende Unter
suchung dürfte eben hiezu einen Beleg bilden.
Hinsichtlich des Ursprunges der Bronzen von Haistatt stimmen
die Historiker und Archäologen der Ansicht bei, welche Gaisber-
ger in seiner Schrift über diese Gräber zuerst ausgesprochen und
begründet hat *), nämlich dass dieselben keltischen Ursprunges seien
und somit von den Tauriskern und zwar von dem Stamme der Ha-
launer, die bekanntlich jene Gegenden bewohnten, herrühren, dass
sie also der vorchristlichen Periode angehören. Auch wird wohl nie
mand, der die Sammlungen keltischer Alterthümer mit einiger Auf
merksamkeit betrachtet hat, an dem gleichen Ursprünge der Bronzen
von Haistatt zweifeln. Unbedingt muss man aber der Ansicht
Weinhold’s (I. c.) beistimmen, dass, so bewunderungswürdig
die handwerksmässige Fertigkeit hei Bearbeitung dieser Bronze ist,
doch hinsichtlich der edleren Formen, welche an einigen Gegen
ständen Vorkommen, der Einfluss der Alpenvölker von Italien nament
lich der Etrurier sich hier geltend macht.
Nach der von Wocel 2 ) und Berlin aufgestellten Ansicht müs
sen also diese Antiken keltischen Ursprunges, die ihrem Alter nach
der reinen Bronzeperiode angehören, ihrer Hauptmasse nach aus
Kupfer und Zinn und zwar in dem beiläufigen Verhältnisse von
95 — 85 Kupfer und 5 — 15 Procent Zinn bestehen.
Die in meinem Laboratorium von dem Polytechniker, Herrn
Binko, ausgeführten Analysen von Stücken Bronze aus verschiede
nen Gräbern gaben hinsichtlich ihres Gehaltes an Kupfer und Zinn
olgende^Resultate:
1 2 3 4 5 6
Kupfer 89-92 90-04 9132 91-57 91-73 92-39
Zinn 9-02 . 8-94 0-18 6-77 6-91 6-53
l ) Die Gräber bei Halstatt im österreichischen Salzkammergute. Mit 9 lithographirten
Tafeln. Linz 1848.
S) Wocel bezieht sich im ersten Theile seiner Arbeit auf Analysen von grössten-
theils in Böhmen gefundenen Bronzen, die im Laboratorium der Prager Universität
zuerst unter Professur Re d t e n ba c h er, dann unter Professor Roehleder
ausgeführt wurden.
12
ns
A. Schrötter
Die beiden Bestimmungsmethoden des Alters von Bronzegegen
ständen, die directe archäologisch-historische lind die indirecte che
mische, führen also auch im vorliegenden Falle genau zu demselben
Resultate. Hiedurch gewinnt aber die chemische Bestimmung des
Alters in jenen Fällen an Sicherheit, wo die Form nicht mehr zu
erkennen ist, hingegen der Stoff allein noch Anhaltspuncte für solche
Schlüsse bieten kann.
Die Gräber von Haistatt reichen also wohl in das 3. — 4. Jahr
hundert vor unserer Zeitrechnung zurück. Weinhold (Bd. XXX,
S. 180) versetzt sie in eine etwas spätere Periode, nämlich in die Zeit
der ersten römischen Kaiser.
Dass Gegenstände von Eisen in den Gräbern von Haistatt Vor
kommen, dürfte kaum als Beweis für eine spätere Periode ihrer Ent
stehung dienen können, da diese Gegenstände darin nur in verhält-
nissmässig geringer Menge gefunden werden und sich hauptsächlich
in den Gräbern mit Leichenbränden, also in den reicher ausgestatteten
finden, wie dies aus der obigen Tabelle, die noch eine ausführlichere
Erörterung zuliesse, ersichtlich ist.
Werfen wir nun aber noch einen Blick auf die Metalle, welche
in den Bronzen von Haistatt neben Kupfer und Zinn in geringer
Menge Vorkommen, und vergleichen wir dieselben mit denen von
Bronzen anderer Fundstätten.
Wir finden unter diesen Metallen Blei und Zink, deren Auftreten
in geringer Menge nur zufällig ist, wo sie aber in grösserer Menge
neben Kupfer und Zinn erscheinen, auf eine spätere Periode und
zwar auf den Beginn unserer Zeitrechnung hindeuten.
In vielen Bronzen findet sich noch in kleinen Mengen Eisen,
Arsen und Schwefel, welche Stoffe die Kupfererze so häufig beglei
ten, dass ihr Vorkommen in den Bronzen keine anderweitige Deutung
zulässt. Ganz dasselbe gilt auch vom Silber wenn es sich nicht um
Münzen handelt, und auch hei diesen wenn seine Menge nicht min
destens 1 Procent erreicht.
Nickel wurde ebenfalls in vielen Bronzen zumal in denen kelti
schen Ursprunges gefunden. Berlin fand unter 215 nordischen
Bronzen 1 ) in 13 Nickel, dessen Menge in einem Paalstabe von Bre-
gensved in Själland bis auf l'll Procent stieg, der aber nur
Annaler lor nordisk Oldkyndighed og Historie. Jahrg. 1852.
Die chemischen ßestaiultheile der Bronzen etc.
179
1-73 Zinn und 96-73 Procent Kupfer enthielt, was wohl sehr bestimmt
daraufhindeutet, dass das Nickel durch das Kupfer in die Bronze kam.
Fresenius hat in einer Bronzekette aus Gresse in Frank
reich 0-31 Nickel gefunden; diese Bronze enthielt 92-0 Kupfer und
6-7 Procent Zinn, ausserdem noch geringe Mengen von Eisen und Blei.
J. A. Phillips hat aber und zwar schon früher als Berlin, nicht
blos Nickel sondern auch Kobalt *) in antiken Legirungen nachge
wiesen. Er fand beide in römischen Münzen aus einer sehr frühen Zeit,
nämlich aus dem 3. Jahrhundert v. Chi-. In diesen Münzen überwiegt
aber merkwürdiger Weise die Menge des Kobalts stets die des
Nickels. In den Münzen von Alexander d. G. (333 v. Ch.) erscheint
keines der beiden Metalle. In einer ägyptischen Münze Ptolemäus
des IX. (70 v. Ch.) waren nur Spuren von Kobalt enthalten, und
in den späteren römischen Münzen bis 273 n. Ch. fanden sich
weder Nickel noch Kobalt.
Bei den Waffen keltischen Ursprunges, die Phillips untersuchte,
fand er nur in einer, die aus Irland stammt, Spuren von Nickel und
0 34 Kobalt, im Übrigen enthielt diese Waffe 83-61 Kupfer, 10-79
Zinn, 3-20 Blei und 0-38 Procent Eisen.
Es ist nun allerdings schwer, vielleicht sogar unmöglich, eine
Beziehung zwischen dem Vorkommen dieser Metalle in jenen Bronzen
mit ihrem historischen Ursprünge aufzufinden; man vermag sich aber
bei so wenig verbreiteten Metallen wie Nickel und Kobalt es sind, die
noch überdies gewöhnlich zusammen Vorkommen, des Gedankens nicht
zu erwehren, dass durch ihr Erscheinen in den Bronzen sich wenig
stens der Ort näher bestimmen lässt, von welchem das Material zu ihrer
Bereitung bezogen wurde, was dann möglicherweise wieder zu
weiteren Aufklärungen führen kann. Für die Bronze von Haistatt
dürfte eine solche Bestimmung aus ihrer Zusammensetzung möglich
sein. Der starke Drath Nr. 1 (s. o.) enthält nämlich:
Kupfer
Zinn .
Silber
Nickel
Kobalt
Eisen
89-920
9-020
0-144
0-747
0-049
0-063
*) Im Auszüge in (len Annalen der Chem, und Pharm, ßd. 81, S. 207, 1832.
180
A. Sclirötter
Arsen 0-130
Blei Spuren
Schwefel 0-007
Von zwei anderen Stücken enthielt das eine (Nr. 3) 0 662,
das andere (Nr. 4) 0-640 Procent Nickel und Kobalt zusammenge-
nommen.
Es muss nun freilich für jetzt unentschieden bleiben, ob nicht
ausser den angegebenen, noch andere Bronzen Nickel und Kobalt
enthalten, obwohl man sie nicht angibt, da es sein könnte, dass
die Aufmerksamkeit der Analytiker nur auf die in grösserer Menge
darin vorkommenden Metalle gerichtet war, oder dass denselben
nicht immer eine genügende Menge Material für die Analyse zu
Gebote gestanden hat; diese Frage wird wohl später eine Erledi
gung finden. Für jetzt kann es sich nur darum handeln, zu sehen,
ob für die Bronze von Haistatt der Gehalt an Nickel und Kobalt eine
Deutung zulässt, und ob nicht vielleicht hierin ein Fingerzeig über
den Verkehr liegt, welcher in jener dunklen Vorzeit aus der diese
Bronzen stammen, zwischen den die Alpen bewohnenden Volks
stämmen stattfand.
Zunächst drängt sich die Frage auf: woher mögen die Be
wohner des Hoehthales am Salzberge von Haistatt das Material zu
ihrer Bronze bezogen haben? Die Antwort kann, wenigstens hin
sichtlich des Kupfers, kaum zweifelhaft sein, wenn man sich erin
nert, dass die schon im grauen Alterthume wegen ihres Bergbaues
auf Kupfer und Silber berühmte ehemalige Bergstadt Schladming
dem Salzberge von Haistatt so nahe liegt. Dem Hochgebirge folgend,
über den Krippenstein erreicht man Schladming in acht Stunden, den
Thälern nach in zwölf Stunden. Auch wird in Schladming jetzt noch
Kupfer und Silber gewonnen und die dort vorkommenden Erze
waren wohl zu allen Zeiten wie noch jetzt reich an Nickel und
Kobalt. In der Tliat enthält alles in den Gerstorf'schen Werken
zu Schladming gegenwärtig in nicht unbeträchtlicher Menge erzeugte
Nickel nach den von Herrn Weselsky ausgeführten Analysen
6 — 7-5 Procent Kobalt <)• Ehen so waren ohne Zweifel die Erze
von Schladming zu allen Zeiten arsenhaltig, wie es auch die Bronze
von Haistatt ist.
f) Sil/.b. der k. Akad. der Wissens, maf-hem.-nuturw. Classe. Bd. 41. S. 841.
Die chemischen Hestandtheile der Bronzen etc.
181
Professor Simony spricht in seiner „Beschreibung der Alter-
thiimer von Hallstatt“ ‘) von einer „platinfarbigen Composition“, die
nur von einem leicht abstreifbaren grünlichen Überzüge bedeckt,
sonst aber nicht corrodirt war, und aus der kleinere Schmuckgegen-
stände verfertigt wurden, die sich jedoch nur selten in den Gräbern
von Haistatt finden. Ich selbst habe diese Composition niemals
gesehen, es wäre aber möglich, dass es eine an Nickel und dann wahr
scheinlich auch an Kobalt reichere Legirung wäre, was dann aller
dings die hier ausgespro bene Ansicht über den zu jener Zeit gepflo
genen Verkehr bedeutend unterstützen würde. Es könnte jedoch
diese Legirung auch die sogenannte weisse Bronze sein, welche aus
68 Theilen Kupfer und 32 Theilen Zinn besteht. Jedenfalls wird es
sich der Mühe lohnen nach derselben in den Sammlungen von.Linz
und Wien, wo sie sich sicher findet, zu suchen und sie dann genauer
zu prüfen.
Überhaupt ist zu bedauern, dass noch so wenige Analysen von
Bronzegegenständen, die sich doch häufig in unseren Alpenländern
finden, vorhanden sind.
Professor Gottlieb hat zwar im Jahre 18S3, veranlasst durch
den damaligen Archivar am Joanneum in Gräz, Herrn Pratobevera,
zwei Bronzen von den so interessanten „Judenburger Antiken“
analysirt 2 ), aber von dem grossartigen Funde, der im Jahre 1840
zu Muttendorf zwischen Stainz und Dobel in der Nähe von Gräz
gemacht wurde, wo sich eine ganze Gusswerkstätte für Bronze fand,
ist nichts zur Analyse gelangt 3 ).
Die Bronze der „Judenburger Antiken“ enthält nach Gottlieb,
der zwei verschiedene Stücke untersuchte:
Kupfer 87 - 34 9 DOS
Zinn 8-19 8-27
Blei 4-47 0 61
Eisen und Nickel . . . Spuren
Eisen 6'07
1) Beilage zum IV. Bd. (lei- Silzb. der philos-histor. Classe der kais. Akad. 1850,
S. 338.
2 ) Mitlheitungen des historischen Vereines für Steiermark. 4. Heft, S. 54, 1833.
3 ) Pratobevera, I. c. S. ö5.
182 A. Schrott er, Die chemischen Bestandteile der Bronzen etc.
Diese Bronzen sind nach Pratobevera und Dr. Robitsch *)
jedenfalls keltischen Ursprunges und stammen aus einer Periode vor
Christi Gehurt. Der Zinngehalt stimmt ebenfalls für diese Ansicht
und auch hier verdient der wenn auch geringe Gehalt an Nickel
Beachtung.
Leider gehen die Urkunden die Schladming betreffen, nicht
über das 13. Jahrhundert hinaus, da wahrscheinlich bei der furcht
baren Katastrophe, welche über diese einst so blühende Bergstadt im
16. Jahrhundert hereinbrach, von der Hand der erbitterten Sieger
alles zerstört wurde, was über die früheren Culturverhältnisse jener
Gegenden hätte Aufschluss geben können.
Wenn aber auch in den Archiven keine solchen Aufzeichnungen
mehr vorhanden sind, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass in
der Umgegend von Schladming im Schosse der Erde Überreste der
gewerblichen Thätigkeit der alten Bewohner jener Gegend verborgen
liegen, die bei umsichtig geleiteten Nachforschungen aufgefunden
werden könnten, und dann zu weiteren Aufklärungen der Beziehungen
führen würden, in welchen jene Bergvölker in einer uns so fern
liegenden Zeitperiode standen.
Unsere Alterthumsvereine würden ohne Zweifel durch Anregung
und Unterstützung von Untersuchungen in dieser Richtung eine ihrer
würdige Aufgabe sich stellen, die kaum ohne Resultat bleiben dürfte.
*) Mittheilungen des historischen Vereines für Steiermark. 3. Heft, 1852.
C. H ö f 1 e r, Carmen historicum o c cu I ti autoris.
1/63
Carmen historicum occulti autoris saec. XIII.
(Aufgefunden in einer Handschrift der Prager Universitäts - Bibliothek.)
Von C. Hö flcr.
Titel, Alter, Verfasser und innerer Werth des nachfolgenden
grossen Gedichtes in leoninischen Hexametern entziehen sich mehr
dem Auge des Forschers, als dass sie aus bestimmten Angaben
erhellen. Das lateinische Epos oder Lehrgedicht — für das Eine wie
für das Andere sind Anhaltspuncte vorhanden — erklärt sich auch
nicht aus dem Zusammenhänge mit denjenigen Schriften, welche in
denselben Codex eingebunden sind. Denn letztere Aufzeichnungendes
XV. Jahrhunderts stehen mit ihm nur in der zufälligsten aller Ver
bindungen, in derjenigen, welche der Buchbinder zu schaffen für
gut fand. Das Gedicht ist auf starkes Lumpenpapier, auf sehr regel
mässig gezogene Linien, wohl noch im XIV. Jahrhundert geschrieben.
Der Codex gehörte einst zu der reichen Sammlung von Handschriften
welche die Herren von Rosenberg zu Wittingau anlegten, und die,
seit sie an die Universitätsbibliothek nach Prag kamen, einer genauen
Beschreibung harren J ). Die ersten Angaben, welche das Gedicht
enthält, schienen eher auf das XV. als auf das XIV. Jahrhundert hin
zuweisen. Namentlich musste die Erwähnung P. Martin’s an Mar
tin V. Colonna 1417 —1431 erinnern, dessen Wahl zu Constanz das
grosse Schisma von 1378 beendete. Bald überzeugte ich mich
jedoch, dass die Erwähnung des Fluchtversuches des Königs von
Sardinien, wo von Bologna die Rede ist, nur auf K. Enzio, den Sohn
Friedrich’s II., welcher 1249 in die Gefangenschaft der Bolognesen
*) Die k. k. Hofbibliothek besitzt unter der Bezeichnung- Suppl. Nr. 1735 zwei Blät
ter einer Papierhandschrift des vierzehnten Jahrhunderts in Quarto, welche die
Zeilen 211 — 349 des vorliegenden Gedichtes enthalten, v. Karajan.
184
C. II ö fl e r
kam und nach Conradin’s Hinrichtung den unglücklichen Fluchtver
such machte, 1269, der ihm zum staulisehen Thron verhelfen sollte,
sich beziehen kann‘). Der Tod Ottokar’s II. von Böhmen 1278, als
einer noch frischen Begebenheit erwähnt; die Bestrebungen des
Ungerkönigs Ladislaus (des Cumanen) sich von seiner rechtmäs
sigen Gattinn scheiden zu lassen (um 1280) Hessen sehr bald
bemerken, dass jener P. Martin nicht dieses Namens der Fünfte,
sondern der Vierte sei, welcher von 1281 —1288 regierte und
welchem Dante im purgatorio XXIV ein so eigenes Denkmal setzte:
e purga per digiuno
l’anguilla de Bolsena in la vernaccia.
Wer mochte glauben, dass nicht sowohl diese Verse einen
Commentar finden würden, als vielmehr dass der, P. Martin IV. in den
Mund gelegte Wunsch, ganz Deutschland in einen Fischteich
verwandelt zu sehen (distinctio carm. III) durch Dante einen Com
mentar erhalte; denn die divina comedia ist später abgefasst als das
vor uns liegende lateinische Gedicht, das dem Papste noch bei dessen
Lebzeiten als:
submersor Theutonicorum
eine satirische Grabschrift setzt?
Fehlte zur vollen wissenschaftlichen Überzeugung, dass man es
hier mit einem historischen Gedichte aus den ersten zehn Jahren
der Begierung Rudo 1 f’s von Habsburg zu thun habe, noch ein
voller Beweis, so gaben ihn die Randglossen, welche erst den
Schlüssel zu Persönlichkeiten und Thatsachen des Textes gewähren,
ohne welchen diese unverständlich blieben. Da wird der in dem Texte
als Canonicusvon Samland erwähnte Heinrich (v. 242) als gegenwär
tiger Erzbischof von Magdeburg angeführt. Da dieser 2 ) im J. 1307
starb, wird die Abfassung der Randglossen, welche unstreitig später
sind als das Gedicht selbst, als äussersterTermin in das Jahr 1306/7
verlegt. Hingegen fehlen mir für die äusserst wichtige Thatsache,
dass eine lombardische Gesandtschaft sich, offenbar nach dem
Untergange der Hohenstaufen in Italien, nach Thüringen begab, um
*) Raumer Hohenstaufen. Zweite Auflage. Bd. IV. S. 588.
*) Heinrich Graf von Anhall-Aschersleben. Dainberger Fiirstenbuch S. 1G8.
Carmen historicum o ccu I ti autoris.
185
den „Sohn des Landgrafen“, also entweder den Landgrafen Albrecht
den Entarteten, oder einen von dessen Söhnen, d. h. einen Enkel
Friedrich’s II. von seiner Tochter, der unglücklichen Landgräfinn
Margaretha (gest. 1270. Weg eie, Annales Reinhardsbrunnenses,
S. 240) sich zum Könige der Lombarden zu erholen, weitere
Anhaltspuncte. Die Sache selbst wird aber v. S30 mit so vielen
Einzelheiten erzählt —die lombardische Gesandtschaft wohnte unter
Anderem im Hause des Helden unseres Gedichtes, des grossen
Juristen Heinrich Grafen v. Kirchberg — dass ungeachtet des
Stillschweigens der Annales Reinhardsbrunnenses und anderer
Quellen sie als unzweifelhaft erscheint.
Hingegen dürften andere Angaben sich chronologisch bestimmen
lassen und selbst wieder auf Feststellung des Jahres, in welchem das
Gedicht des „verborgenen“ Verfassers vollendet wurde, massgebend
zurückwirken. Da wird v. 1687 gesagt, Fürst Titzmann habe vor
ungefähr drei Jahren:
puto quod sit tercius annus
einen Angriff auf Erfurt unternommen, sei aber von den Erfurter
Webern zurückgeschlagen worden. Dieser Krieg dürfte sich ent
weder auf die Unruhen beziehen, welche dem Landfrieden von 1279
vorhergingen *), oder auf den Krieg des Landgrafen Albrecht mit
seinem Sohne Dietrich, wie ihn das Chronicon Sampetrinum
bezeichnet 2 ); denn dieser ist doch wohl unter dem Namen Titz
mann zu verstehen und nicht Landgraf Dietrich 3 ), der Bruder
Albert’s des Entarteten. In diesen Kämpfen der Landgrafen standen
die Erfurter auf Seiten Landgraf Albrecht's, 1281. Die weitere
Erwähnung der Aussöhnung der Erfurter mit dem Erzbischöfe von
Mainz, führt auf 1282 Die Angabe von Unruhen in Magdeburg bei
Facta est etiam pacis tranquillitas per Albertum lantgravium Thuringiae, den
Vater des Fürsten Titzmann. Annales Reinh. ad. a. 1.
2 ) Ad 1281. Vor gl. auch Annales Reinh. Ad. 1282.
3 ) Geschlechtstafel im Anhänge der Anna). Reinhardt. Dass Johann XVI. (Zeitgenosse
Otto’s III.) im dreizehnten Jahrhundert lebe (Annal. Reinh. S. 249), Friedrich der
Lahme der Sohn Friedrich’s mit der gebissenen Wange 1215 starb (Geschlechts
tafel bei Wegeie. Annal. Reinh. S. 311), sind gewiss nur Druckfehler.
4 ) Chr. Sampetr. Ad 1282. Das Interdict, welches Erzb. Wernher über Erfurt ver
hängt hatte, und von welchem in dem Gedichte die Rede ist, fand nach der Chr.
Erfordens. civitatis bei Menken II. S. 563 im Jahre 1279 Statt.
186
C. Hofier
Gelegenheit der Wahl Erzbischof Bernliard's die vor drei Jahren und
4 Monaten stattgefunden hätten, führt endlich, da die Wahl Bern
hardt 1279 erfolgte, mit Sicherheit auf 1282/3, als der Zeit der
Abfassung des halb epischen, halb didactischen Gedichtes.
Dieses einmal festgesetzt, steht mit den übrigen Angaben in
keinem Widerspruche. Wenn in dem Gedichte Witegis, Bischof von
Merseburg erwähnt wird, so wissen wir, dass derselbe um diese Zeit
lebte f). Kunigunde von Eisenberg, des Landgrafen Albrecht Kebs-
weib wird als lebend gedacht. Sie starb erst 1299 nach denEinen 2 ),
1286 nach den Andern 3 ); Landgraf Albrecht 1314. Dass P. Martin,
welcher 1285 starb, als lebend erwähnt wird, ist oben mitgetheilt
worden. Kurz, das Gedicht erweist sich nach den sichersten Merk
malen als um 1282/3 verfasst, gehört somit zu den Quellen des
Rudolphini sehen Zeitalters, der Restaurationsepoche des
deutschen Königthums.
Worin besteht aber nun sein geschichtlicher Werth und wer
ist sein Verfasser?
Was den letzteren betrifft, so mangelt jeder Anhaltspunct, ihn
ausfindig zu machen. Er sagt selbst, er wolle unbekannt bleiben
und die derbe Art wie er sich über Personen und Zustände auslässt,
machen begreiflich, dass er mit Ausnahme seiner Gönner, von
welchen er Unterstützung hoffte, nicht wünschte bekannt zu werden.
Es fehlt im Gedichte nicht an Daten über ihn. Wir wissen, dass er
sich in Padua an den Grafen Heinrich von Kirchberg 4 ), den grossen
Juristen angeschlossen hatte v. 195. Seine Hoffnung, durch diesen
Dechant von Samland zu werden, ging jedoch nicht in Erfüllung.
Gerade das Mittel, durch welches er dieses Ziel seiner Wünsche zu
erreichen hoffte, unmässiges Lob seines Gönners, schlug fehl, v. 255.
Er erwähnt ferner, dass er viermal in Rom gewesen v. 1385. In
der Zeit, als er sein Gedicht verfertigte, war er in Erfurt, wenn auch
nicht politisch eingebürgert und zeigte sich mit dem Volksleben, den
Zuständen des Clerus, der Schule und der Stadt auf das Genaueste
*) Pauli Langii ehr. Naumburg. Ad 1286.
2 ) Mouum. Landgraf. Thuringiae et marchion. Misniae S. 842.
3 ) Wegele, Geschlechtstafel.
4 ) Nicht das haierische Kirchberg, von welchem ein Zweig der Grafen Fugger den
Namen führte, sondern das Thüringische. Siehe Chr. Sampetr. Ad 1268.
Carmen historicum o c c u 11 i autoris.
187
bekannt. Seine Schilderungen von Personen und Zuständen sind alle
aus dem Leben gegriffen. Er weiss von der Erfurter Kaffata, von
dem Kneipenleben zu berichten, entwirft sehr lebhafte Schilderungen
der Drangsale, welche die Klöster durch die Einlagerungen der
Weltlichen zu bestehen haben und entwickelt namentlich in der
Darstellung von Culturzuständen ein entschiedenes Talent.
Ob der Dichter auch Verfasser der für das Verständniss des
Gedichtes unentbehrlichen Noten sei, ist zwar sehr wahrscheinlich,
lässt sich jedoch nicht beweisen. Stammen sie nicht unmittelbar von
ihm, so konnte doch nur er dem Verfasser der Noten jene Aufschlüsse
gegeben haben, welche sie dem Leser gewähren.
Ihnen zufolge hat das Gedicht fünf Abtheilungen, welche mit
dem juristischen Ausdrucke der Distinctionen bezeichnet werden.
Die erste Distinction v. 1 — S07 ist desshalb von so grossem
Interesse, weil sie das Leben eines leuchtenden Sternes unter den
deutschen Juristen im Zeitalter der Abfassung des Sachsen- und
Schwabenspiegels enthält. Dem deutschen Juristen im engeren
Sinne des Wortes, einem Eyke von Repgow gegenüber, tritt ein in
Paris, Rom, Padua, Rologna gebildeter Decretalistauf die Schaubühne,
Ma gis te r H e in rieh Graf von Kirchberg. Die juristische Welt
erhält mit einem Male einen Einblick in das Leben eines ihrer Mit
glieder, wie wir durch dasselbe mit der Kunde einer Schule vertraut
werden, welche nur noch zum Range eines allgemeinen Studiums
(studium generale) erhoben werden durfte, bereits aber mehr als
blosse Keime einer Universität in sich schloss. — Wer der Papst war,
welcher hei Gelegenheit des Aufenthaltes Magister Heinrich’s in
Rom erwähnt wird, kann nicht mit Restimmtheit gesagt werden, da
von 12S4—1268 Alexander IV., Urban IV. und ClemensIV. nach ein
ander regierten, Heinrich’s Aufenthalt in Rom aberwohl kaumvorl254,
noch nach 1268 stattgefunden haben dürfte. Er erhielt damals eine
Präbende in Naumburg, hätte auch wohl bei längerem Verweilen
eine höhere Würde erlangt, wurde auch Licentiat im eanonischen
Rechte und disputirte in Padua über ein juristisches Thema, welches
als besonders schwierig erachtet wurde, v. 200. Ungeachtet des
erworbenen Ansehens konnte er nicht verhindern, dass bei seiner
Abreise aus Padua nicht die bösen Zungen aussprengten, der angeb
liche Büchersack auf seinem Pferde enthalte nur Heu, nicht Bücher,
v. 212. Zum Propste von Sambia, Samland erhoben, beginnt für
188
C. Ilöfler
den Grafen von Kirchberg ein neues Leben, welches aber bald dem
eines Sachwalters erster Grösse Platz macht, als welcher er nun in
den Streitigkeiten der Erfurter mit dem Mainzer Erzbischöfe erscheint.
Die zweite Distinction, v. 508 —945, zeigt den grossen
Juristen, der sich durch Einführung des schriftlichen Ver
fahrens hei seinen Processen auszeichnet, auf dem Höhenpuncte
seines Glanzes. Er befindet sich eben so sehr Kabalen als gross
artigen Verhältnissen gegenüber. Der Bischof von Naumburg will
ihn zur Residenz in seiner Pfründe zwingen; er erwiedert: sie trage
keinen Wein. Die Landgrafen von Thüringen werden in die Erzäh
lung eingeflochten. Der Markgraf von Meissen, der Heinrich’s Gegner
geworden, wird als Dichter eines Marienliedes vorgeführt, v. 542.
Der Theilung v. J. 1265 zufolge, müsste dieses Heinrich der
Erlauchte, gestorben 1288, gewesen sein 1 )- Der Vertrag von 1271,
demzufolge Friedrich mit der gebissenen Wange Meissen bekommen
haben soll, erscheint, so wie er in den Reinhardsbrunner Annalen
steht, mehr als verdächtig, bezieht sich auch nur auf den Antheil
Albert’s des Entarteten, welcher 1265 Thüringen erhalten hatte. Da
aber Heinrich seit 1265 immer mehr in der Geschichte zurücktritt,
möchte man auf Landgraf Albrecht rathen und unter der proles die
die Lombarden zum Könige verlangten, etwa dessen Sohn Heinrich,
geb. 1256 verstehen. Wahrscheinlicher ist aber doch, dass Heinrich
der Erlauchte als dass sein unartiger Sohn Dichter des Marienliedes
war, woraus dann folgen würde, dass Landgraf Albrecht von den
Lombarden begehrt ward. Letzterer ist es auch wohl, dem Magister
Heinrich den Rath gab, seinen rothen Bart abzulegen, v. 674, und
der in dem Gedichte selbst als fyrannus erscheint. Unter den Clienten
Heinrich’s tritt auch der Abt von Fulda auf, welcher mit seinen trink
lustigen Mönchen streitet, bald eine Reihe anderer Persönlichkeiten,
die den grossen Wirkungskreis bezeichnen, welchen sich Heinrich
von Erfurt aus eröffnet hatte. Aber auch der Neid darf nicht fehle
und der böse Leumund übernimmt es , ein arges Spottgedicht auf
den grossen Juristen zu verfassen und an den Wänden aufzu
schreiben, v. 922:
flic est Heinricus decreti doctor iniquus
Saccus avariciae qui, simia philosophiae,
Aerriuius est pacis.
1 )Annal. Reinh. S. 237. .Mögen Kundigere die Sache näher untersuchen.
Carmen historicum o ccu 11 i autoris.
189
Dafür meint der Verfasser, solle man den Lästerer gehörig mit
Ruthenstreichen züchtigen und von der Schule fortschicken. Ob aber
nicht er selbst jener Swelemund *) war? Warum veröffentlicht er
das Pasquill, doch nicht aus Schonung für Magister Heinrich?
Der dritte Theil des Gedichtes, v. 946—1457, wendet sich
von Magister Heinrich weg und den eigentümlichen Zuständen der
Abtei Pforta zu. Wir befinden uns mit einem Male in einer ganz
anderen Region. Das Klosferleben mit seinen Eigentümlichkeiten,
mit den Festen der Knaben, mit den Einlagerungen des Adels, den
jagenden und zechenden Fürsten, den Plackereien des Hofgesindes,
den Stallknechtmanieren Albrecht des Entarteten, zeigt sich hier in
seiner wahren Gestalt. Die Schilderung dieser Zustände bietet einen
vortrefflichen Einblick in jene Tage. Der Dichter selbst ergreift
diesen Anlass, um seinem Herzen Luft zu machen und gegen das
Treiben verweltlichter Bischöfe anzueifern, die entsetzlicher Dinge
bezüchtigt werden. Dann wendet er sich den Predigern zu und
weist sie an, nicht immer von den Heiligen zu predigen, sondern
unbarmherzig, rücksichtslos die Fehler der einzelnen Stände zu
rügen, die Höchsten so wenig als die Niedrigsten zu schonen. Am
schlimmsten ergeht es hiebei dem Landgrafen Albrecht, welchem
wegen seines schändlichen Renehmens gegen die Tochter Fried-
rich’s II. die härteste Strafpredigt zu Theil wird.
Die vierte Distinction bildet ein Gedieht für sich, dessen
Inhalt die Stadt Erfurt ist. An das Leben eines deutschen Juristen
und das religiöser Gemeinden schliesst sich somit das des
deutschen Bürgerthums an. Von v. 1458—2049 reicht die Schil
derung der Erfurter Zustände, namentlich der hohen Schule daselbst,
welche bereits 1000 Studenten zählte, der Klöster und Gewerbe,
der Bade- und Wirthshäuser. Die Erzählung ist nicht blos sehl-
lebhaft, anschaulich und derb, sondern erschwingt sich auch an
mehreren Stellen zu einer gewissen epischen Komik, wie in der
sehr ausführlich beschriebenen Schlägerei, auf deren Höhepunkte
plötzlich der Wirth erscheint und den Streitenden Ruhe gebietet,
v. 1934:
hospicii rector robustus vir velut Hecto r ,
’) Suelumendus in den Noten.
190
C. II ö f I 0 r
worauf Friede entsteht und Johannes-Wein getrunken wird. Mir ist
aus so früher Zeit keine so weitläufige Schilderung eines deutschen
Gemeinwesens bekannt als diese, welche abgesehen von den drei
vorangegangenen Distinctionen allein schon dem carmen occulti
autoris einen nahmhaften historischen Werth verleiht. Dass unter der
daselbst erwähnten Kaflfata ein KafFehaus zu verstehen sei, wage ich
nicht zu behaupten *). Der Golappa, welcher zuletzt aus der Stadt
vertrieben wurde, dürfte mit dem Volrodus de Gota, dessen die
Erfurter Antiquitäten erwähnen, und zwar als eines socialen Unruhe
stifters, der zwischen Reich und Arm Unfrieden säete, identisch sein.
Seine Vertreibung erfolgte im Jahre 1283, also in derselben Zeit,
in welcher das Gedicht seine jetzige Gestalt erlangt haben mag.
Der fünfte und letzte Theil (distinctio) von v. 2049 — 2424,
beschäftigt sich vorzüglich mit Gebhard, Canonicus von Mainz,
Naumburg, Meissen und Erfurt, einem der vielbepfründeten Geist
lichen jener Tage, enthält daneben einzelne historische Angaben,
in aber an und für sich matter als die vorausgegangenen, dem sach
lichen Inhalte nach dürftiger; der Stoff ist ausgegangen und es
entsteht allmählich eine blosse Reimerei. Das Gedicht geht zuletzt
in eine Art von Dedication an den Abt von Oldesleyben über, der dem
Dichter die hilfreiche Hand geboten hat, v. 2218. Er stellt endlich
an diesen die bestimmte Bitte um ein Geschenk (da munus vati,
v. 2336), behält sich den Namen eines verborgenen vor, und trägt
schliesslich dem Dichter Bernhard — vielleicht Verfasser der
Noten — auf, für das Gedicht Sorge zu tragen.
Hätte er es in seiner Muttersprache abgefasst, es würde seinem
positiven Inhalte nach eine ganz hervorragende Stelle einnehmen.
So wie es vor uns liegt, verhüllt der lateinischeAusdruck, der Reim,
welcher den Gesetzen der Prosodie nur zu oft spottet, den Sinn
mehr, als dass er ihn klar darstellte. Nichts desto weniger ist das
Gedicht ein bedeutendes Lebenszeichen für die Wissenschaft des
XIII. Jahrhunderts, den Einfluss lateinischer Sprache, der von Italien
nach Deutschland vordringenden Jurisprudenz. Es erinnert an den
\) Gewiss nicht. Man sehe hei Scherz-Oherlin unter KAFF die Steile aus Gudenus,
Cod. Dipl. 4, 398, „so wollen sie eynander stat unter der kaffaten derselben Kir
chen darczu geben und das gerichtshuse dahin lassen buwen“, und bei Frisch, lat.
deutsch. Wörterbuch ebenfalls unter Kaff die Stelle: Dasz unser Gerichts-Musz
unter die Kaffaten der Kirchen in einem Schwiegebogen gelegt. K.
Carmen liistoricum o c c u 1 ti autoris.
191
Einfluss, welchen gleichzeitig in Prag Henricus Itulus erlangte, an
die Versuche, unter Wenzel II. eine Universität zu begründen und
es darf uns nicht wundern, wenn nach so frühen und bedeutenden
Anfängen Erfurt wenige Jahrzehente nach Gründung der kaiserlichen
Universität zu Prag, seine Schule zur Universität ausdehnt und die
Würde eines Erfurter Doctors ihren verlockenden Glanz weithin
schimmern lässt 1 ). Es ist endlich ein Zeugniss des Wiederer
wachens der Studien nach drangsalvoller Periode, dem Untergange
des alten Kaiserthums, in Mitten blutiger Fehden, und mag als
geistige That in schwerer Zeit nach Form und Inhalt die gebüh
rende Würdigung erlangen.
1 ) Ego eogitare coepi, si jam doctor esses et tunicas varias et foderatas gestares
doctorque vocaveris cunctis dicentibus: domine doctor! botium mane, bona dies.
M. Job. Buschii lib. reformationis. c. 1.
i.
(1. a.) Carminis auditor lectorve quod edere nitor
Vnius ob merita persone, quam bona vita
Claraque doctrina titulat culpe sine spina
Noli mirari deus ista potest operari
Sim quod yperbolieus liomo forte putabit iniquus
Vel quod ob invidiam mea scripta ferant yroniam
Aut est fortasse qui me putat äntifrasasse
Aedepol in cura, niietii non erit vlla figura
Sed rem sicut erit, mea musa revolvere querit
10 Cedant licta retro, sunt vera placencia metro
Phebe pater vatum, made fac mihi queso palatum
Ex elieone sacrum michi da gustare lavacrum
Ut nova metra terens nunquam mea lingua sitherens
Sed leporis more currat condita lepore
Versibus assiste phebum te nomino Christe
Tu sol justicie, tu fons es philozofie
Quo sine fit tetrum vel prorsus inutile metrum
Immo nichil penitus, te produce desero littus
S. Yperbole esl figura excusans veritatis exeessum yronia esl figura inducens deri-
sionem, antifrasis figura signans contrarium cuius quod dicilur.
8. Ilic jurat quod non velit figuramine loqui.
12. Elicon est fons aput quem tnorabanlur inuse de quo olini biberunt poete.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. ßd. III. Hft. 13
192
C. Höfler
Cläre vir Henrice qui de clara genitrice
20 Et patre preclaro generatus es omine raro
Te mons ecelesie dat allumpnum philozofie
Reddo deo grates qui te tuosque penates
Eloquii flore beat ut sis aureus ore
A me lauderis quia laudem iure mereris
A primo statu de te loquor absque reatu
Qualiter ad studia te traxerit ipsa Sophia
Quatuor aut quinque puer annos queso relinque
(i. b.) Ut tuus inde pater respondeat et tua mater
Matris et adjutrix muliercula que tibi nutrix
30 Illnd habere tarnen tempus non estimo famen
Ad libros tractus vix umquam verbere taetus
Que semel audisti quasi cordetenus tenuisti
Partes donati quod adulto stat grave nati
Scisdeclinarequod nusquam devias a re (vis dubitare)
Et reputas planas seripturas ovidianas
Post hoc nam s.cisti vis ambo Volumina prisci
Que semel audita legis ut decies repetita
Et doctrinalem libruin scis ut juvenalem
Quam ferius vafer nosti tyrencius afer
40 Non est ohscurus oracius aut tibi durus
Perseus et plantus (sie) satis es vir ad omnia tantus
Virgiliiscriptasuntineordibustibiseripta(vel sunt in eordis tibi cripta)
Textum Lueani transis ut maximiani
. lnde Tytum repeti plaeet alumni dogma boeeii s. de consolaeione
Dans menti dubie solacia philozophie
Totum eum parte quod ab bac scis pullulat arte
Nec tenet lmnc mundus cui sis ae arte secundus
Deque gerundivis cum sit dubitacio cui vis
Triptoma sint quare nec et illud deviat a re
SO Casibus in binis eum sit data forma suppinis
Utrum sint verba vel nomina mente superba
Pro nihylo ducis que lex sit eis data tu scis
Hoc quoque preter te vix est qui norit aperte
19. Hic incipit nulor tractatum de magistro Henri co de Kyrchperg.
31. Dicit quomodo rnag'ister henricus fuit posilus ad literas.
39. Vafer idem quod sapiens Afer dictus ab Allrica
4S. Hic ponit questionem de gerundivis et supinis que dilicilis est et dixit M. II.
quod. nullus sciret sotvere nisi ipse.
Carmen historicum o ccul t i autoris.
193
Xe quoque metrorum (licat fecundia quorum
Arte capis laudes qui nullo compare gaudes
A te quesivit quidam qui eudere scivit
(2. a.) Carmina, eur fieret quod versus quinque teneret
Sex vel quinque pedes cur quinta rebellica sedes
Esset spondeo data sextaque sola trocheo
60 Cur velit expresse quinto pede daclillus esse
Hec tu solvisti breviter quia singula scisti.
Post hec ad loyeam versus quid agas ego dicam
Florida paris ius que eunctis dat studij jus
Mox ut te visit tibi prestans singula risit
Neetar aristotilis quod gustat vix homo vilis
Funditus hausisti plus potans plusque sitisti
Questio si qua datur que dura gravisque probafur
Est tibi facta levis, tu solvis enigmata quevis
Tempore sicque brevi puerilis et immemor evi
70 Es factus bis ter ex parte legendo magister
0 quot sudores inlinitique labores
Multis venerunt quibus ista negata fuerunt
Sed cum vidisti prudens quod in artibus isti
Pbilozofi sensu qui florent sunt sine censu
Et quod in abstractis sudantes rebus abactis
Nudus eos vere facit intellectus egere
Et nudos esse cum contingente necesse
Mens facit amentes ralio rationis egentes
Forma dat informes repetat quantumlibet ermes (Hermes)
80 Nam positis plane rebus sectantur inane
Cedenfes rebus et inherentes speciebus
Quorum si mille nanciscitur iste vel ille
Ad fora portasse portans vix venderet asse
Cur tantum quinque sint universa relinque
Quod dubitent plures solus tantummodo eures
(2. b.) Utrum vel rebus subsistant vel speciebus
Corpore vel mente scio quod non ista latent te
Cumque tibi soli sint cognita prodere noli
Hocque tibi scisse salis est placet abstinuisse
90 Cum non sil loyca sicut reor eris amiea.
54. Hic commendat magistrum H. quod sit konus versificator.
62. Hic commendat M. H. quod fuit konus loyeus.
86. Ilic ponit questionem de quinque universalibus utrum subsistant rebus rationa-
bilibus vel in solo intellectu.
13
194
C. H ö fl e r
Hoc datur hie scisti Rome quod in urbe fuistl
Vir satis emerifus et magna laude potitus
Nam te papa videns incepit querere ridens
Si quisquam sciret qua gente vir iste veniret
Qui tarn prudenter incederet atque decenter
Tune ait Hermannus quem signatus erucepannus
Vestit et ad postes pape stat ut terreat hostes
Iste plaeens juvenis pater annis jam duodenis
Persislit in studio suffultus munere dyo
100 Hue adit ut sensi de villa p arisi ens i
Est bonus artista sacra curia que facit ista
Venit scrutari sacrosque viros venerari
Te contemplari quia seit bene philozophari
Est homo Thevtonicus divine legis amieus
Moribus estque Katho perfecto dogmate plato
Tulius est ore nitet ut menelaus amore
Preclarus genere nec ut arbitror indiget ere
Sterlingis plena sua turget Credo crumena
Ergo vocare stude tibi iuro per oscula Jude
110 Hüne faciam talem nec habet germania qualem
Cur non dixisti quando talem fore scisti
Non bene fecisti quod nobis bec taeuisti
Mittitur ut venias pape quod et assecla tias
Invitatus ades saereque patent tibi gades
(3. a.) Appropians posti graderis quasi filia costi
Et cadis ante pedes pape sicut ganimedes
Diis placuisse datur quando super astra levatur
Sic raperis sursuni modo ceptum perfice cursum
Die quid habere velis Inflatis utere velis
120 Ac tua Vota dabit nec quiequam papa negabit
Tune vultu tristi petis et pro nomine cristi
Sublevitatus tibi detur ut ordo sacratus
Sed pater admirans in te sua lumina gyrans
Sie ait o tili juvenis cum Corde senili
Non libi sensus ebes bene scis quid poseere debes
91. Hic dicit quod M. H. venit. Romani.
97. Ilic frater hermannus narravit dmnino pape quis esset.
109. Hie pape jubet vocare magistrum Henricum.
116. In theodolo legitur de ganimede ydcos (sic) lepores puer exagitat.
120. Hic papa atoqnitur M. H. quod petat quidquid velit habere et fiat.
C,armen historicum o cc ul t i autoris.
195
Juste fecisti quod primum sacra petisti
Exauditus eris quia non bona terrea queris
Sed que de celis exspectat quisque fidelis
Si prelaturam si magnam preposituram
i30 Sive deeanatum ve! saltem pontificatum
Vel si prebendam calhedralem quamvis habendam
Quod petis accipias tibi per tres juro marias
Que eutn lamentis siinul ad tumulum morientis
Cristi venerunt et aroinata eara tulerunt
Sublevitatus sit honor tibi tu michi gratus
Nunc et semper eris majoraque dona mereris
Quid stas quidve facis? accede fer oscula pacis
Summe crucis signum quod te facit ordine dignum
Inde recedis ita quid honoris habet tua vita
140 Cui data sunt gratis insignia tot probitatis
Ordine cum tali dat in ecclesia kathedrali
Neumburg prebendam tibi post breve pastor habendam
Sed cum sensisti quod quidam pectore tristi
(3. b.) Hoc perceperunt et canonici doluerunt
Dicis non curo per centuin numina juro
Nuncquam gustare placet in studio michi stare
Donec dote pia me ditet piiilozophia
Qui me non eurant papeque resistere jurant
Forsan eos Rome contingit currere pro me
150 Verum dixisti verusque proplieta fuisti
Venturum scisti quod erat quia Credo quod isti
Neuwenburgenses et verius Herbipolenses
Per maris et terrejam vellent te loca ferre
Ut dignarere penes illos jure docere
Cautius egisti quia discere plus voluisti
Si tu marisisses et abinde cito minus isses
Jam gereres omen quod habet de carmine nomen
Aut jam legatus vel eris patriarcha creatus
Aut invitatus ad honorem pontilicatus
160 Inde recessisti quia scire magis voluisti
Scire volens leges quas nosti condere reges
Leges et jura petis ergo bononica rura
132. Ilic jurat papa per tres marias.
133. Hic papa ordiunt M. II. in subdyaconum.
142. Dicit quod papa concessit M. H. prebendam in ecclesia neumburgensi.
156. Dicit si M. II. diucius mansisset rome utique fuisset ad altiora promotus.
196 C. H ö f I e r
Inter collegas ibi cum velud advena degas
Codex digestum magnum faciunt tibi festum
Et decretales summe deus aspice quales
Imino decretum cor et os faciunt tibi letmn
Et juris plena distinctio tercia denn
Dat tibi dulce forum de nervis testiculorum
Si qua vel ol>scura legis aut contrario jura
170 G am fr e di certe tibi summa revelat aperte
Tempore currente plus scis de eolere decente
Inter doctores datur ergo licencia quo res
(4. a.) Hec velit ignoro tarnen ultra scire laboro
Inde deo teste non elam sed ut manifeste
Sponte recessisti quod ibi fuerat didicisti
Quid facis alleeto que non sinis ordino recto
Quod stet mens hominis scio quod tibi swadetherinis
Ut livor detur quo quisque malum mcditetur
Cur hominum mentes Stimulans ratione carentes
180 Ut quis ita credat quod ab urbe vir iste recedat
Derogat ut laudi magis tibi dicitur audi
Cum quosdam laycos quos esse putabat amicos
Aspieit irasoi facit ut tu paule damasci
Tu fugis in sporta fuit ista pervia porta
Hoc quoque fecisset rex Sardinum si potuisset
Et quis non fugeretur ea que fugienda videtur
Hunc bene pugnasse qui solvat Credo fuga se
Hoc sapiens dixit bene qui latuit bene vixit.
Padua te viso tanquam foret in paradiso
100 Missus Iiomo gaudet et se confere (sic) quis and et
Hic solito more magno cumulatus honore
Instruis atque doces doininos in lege feroces
Vincis versutos in jure facis quasi mutos
Hic ut ego credo socium tarnen tibi me do
Et sum rimatus quid ibidem sis operatus
168. Hic M. lh coniinue aliegavit et habetur in canone Xill. di. uervi testiculorum
perplexi sunt levi.
172. Hicit quod M. Henricus fuit licenciatus in jure cauonico.
176. Tres sunt furie iuternales quarum prima vocabatur aliecto et illa seiet hominem
stimuiare ad male cogitandum.
186. Rex Sardinum fuit tune bononie et libenter fugisset.
194. Hic auctor factus fuit socius Magistri Henriei Padue.
Carmen historieum occulti autoris.
197
Audivi certc quod quedam questio aperte
Proponebatur que f'orsan adhunc agitatur
Inter doetores qui sunt et erunt pociores
Citius liune fundum quadratum sive rotundum
200 Dudum possedit nee cum querimonia ledit
Et hoc ullius salvum putat esse sibi sus
(4. b.) Queris an buic det jus prescriptio temporis bujus
Sie quod euin seyus vel stiebus avunculus eins
Non possit petere vel ab hoe fundo removere.
Quamlibet in partem declinans sentiet artem
Hane ita perplexam tantoque ligamine nexani
Hec ut perfecta sunt omnia tanta senecta
Te iubet ire domum quia flagras ut cynamonum
Virtus doetrine deerevit Stares ibi ne
210 Ergo recessisti quidquam nee abinde tulisti
Quod non deberes vel de quo crimen haberes
Horrida tbesiphone modo frena per os sibi pone
Et fatuos dentes constringc prophana loquentes
Qui diversorum summam dixere librorum
Feno repletam cum vix explcre dietam
Portans passet equus nullus reor est ita cecus
Qui reputet fenum fore juris corpus amenum
0 sine dulcore quantum fert fellis in ore
Tantum doctorem qui dicit preter honorem
220 Inde recessisse qui mailet nil didicisse
Morte malavc mori quam detraxisset honori
Urbs Erfordensis quam nullus terreat ensis
Surgit et applaudit quia te venisse subaudit
Hie estiuales symul et vestes hyemales
Expensasque bonas et quo tua scripta reponas
Hospicium celehre quod funditus est sine lehre
Dat tibi commune per singula tempora lune
199. Ista queslio est tota alegabilis et reputatiir difticilis.
208. Ilic dicit qnoil M. H. venit domum de Studio.
212. Ilic facit mentionem secunde fui ie que vocatur Tesyfoue et solet iiomines stimu-
lare ad male loquendum.
213. Quidam dixerunt de M. H. quod cum non hnberet libros, replevit saccum cum
feno loco librorum et posuit super cquum suuin.
222. Dicit quod M. H. venit Erphordiam et quod cives dederunt sibi vestes expensas
et hospicium.
198
C. B5(ler
Huc te venisse presul qui veste erucis se
Induit audivit et te non tardus adivit
230 (3. a.) Et propter jura sollenini pr e p osi t u r a
Te subliinavit suhlimatumque locavit
Ecclesia tali quam Sambia pro Kathedrali
Erexisse datur ubi papa sacer dominatur
Tune sicut scisti de jure vel ut potuisti
Nomine pro Christi prebendas distribuisti
Signo pulsato fratrum cetuque vocato
Primitus Am o Id u m qui laude mirat quasi sol dum
Resplendet clare te condecet et titulare
De Strass bürg dat ei locus omne progeniei
240 0 si complesset deus et quod episcopus esset
Hie facit utrumque dat personamque loeumque
Post boccanonicus Magdeburgensishenricus
Ordine successit et ob hoc quod se bene gessit
Olim circa te stipendia nunc capit a te
Et cor habens mundum titulum tenet ipse secundum
Haverstadensi si recte singula sensi
Summo preposito virtute salis redimito
Propter honestatem vel ob eius nobilitatein
Tercia prebenda data sit symonis sine menda
230 Hugo decanatum per te sibi rite loeatum
Sponte resignavit et in ecclesia monachavit
Augustini se modo quem virum cito qui se
Exibeat mitem noritque rescindere litem
Et quis jam melius valeret huius ad officii jus
Certe n o n a 1 i u s q u a m c a r m i n i s editorhujus
Huic impone manus et die huic: csto decanus
0 quam letatus et quam bene versificatus
Clericus est talis qui prelatus eathedralis
228. Quomodo Episcopus sambianensis contulit sibi preposituram ecclesie sambiensis.
234. Oie dicit quod M. H. pulsauit campanam in ecclesia S. Pauli et distribuit pre
bendas sambiensis ecclesie.
237. Primam prebendam dedit Magistro Arnoldo Strassburgeusi scolastico Neum
burgensi.
243. Secundain preposito Henrieo qui nunc est Archiepiscopus Magdeburgensis.
246. Terciam dedit preposito Ilalberstadensi.
230. Decanatum dedit cuidam Hugoni ipii recepit ordiues S. Augustini.
232. Auctor presens libenter fuisset decanus sambiensis ecclesie M. u. noiuit sibi dar
quia nimis se collaudavit.
Carmen historicum occu Iti aiitoris.
199
Redrlitur ecelesie sine eonsensu symonie
260 (5. b.) Ille potest lete modo carmina cudere de te
Forsan dieetur cur iste poeta fatetur
Se se tarn dignum tonet hee jaetancia signum
Reccius indignum se diceret aut male dignum
Est sine fulgore laus que proprio fluit ore
Nullus se laudet nam qui meritis ita gaudet
Quod sibi debetnr laus hie non ipse loquetur
Cumque suam recitet laudein vicinia decet
Et quasi cum pennis ibit sua fama perhennis
Nunc excusare compellor vel reeitare
270 Quali se meta laudaverit iste poeta
Nam si pensatur et recta mente notatur
Res qua se dignum probat est vilis quasi lignum
Frondibus abstraetum quasi prorsus inutile factum
Sub pede calcatur et pro nihilo reputatur
Tale quidem munus non curat rusticus unus
Vir satis indignus est tali munere dignus.
Otto prepositus in quovis jure peritus
Quondain sulzensis vix undecimus modo mensis
Piene transivit quod abhinc bonus iste vir ivit
280 Exhorrens rura dimissa prepositura
Officium siquidem eustodis adeptus ibidem
Et bene fecisti quod talem constituisti
Ut si vasorum custos simul atque librorum
Et thesaurorum penes ecelesiam positorum
Qui si marcarum sex milia quod puto rarum
Essent deposita tarn constans est sibi vita
Nunquam diriperet quantum festuca valeret
Iste potest de re eustodis nomen habere
(6. a.) Sed neque Gu nt he re de te possum recitere (reticere)
290 Cumque seolastriam teneas die cui pueri jam
Discurrunt lusum nec liunc (habent) ibi dogmatis usum
Cur ibi non cantas cur ecclesias ibi tantas
Accumulans fernere efim solam solus habere
Debeat ex jure puto quod non sit tibi eure
Dummodo tu comedas et semper vivere ci'edas
277. Custodiam dedit Ottoni de Sulcz ecelesie Sambiensis.
289. Dielt de domino Gunthero de snncto Vito cui dedit seolastriam.
293. Nota quod unam prebendam unus habere debet.
200
C. H ö f 1 e r
Pingwis es ut porcus si te sathane rapit orcus
Tceum bumhabit quod uti vesica sonabit
Cede viearie tibi quam demontemarie
Prepositura dedit nisi cesseris ipsa reeedit
300 Pone scolastriam suecessor fac tibi fiam
Ecelesias alias ut salvus desere fias
Filius H u g on i s non B e rto 1 di wi t egoni s
Unam prebendam cum fructu percipiendam
A te percepit modo quendam questio repit
Cur hee fecisti quod ei nullam tribuisti
Sed cito solvetur quia dicior ille yidetur
Da precor huic aliam preter sanctum zachariam
Patrem baptiste bonus est sine feile vir iste
Plures prebende sed adhuc sunt distribuende
310 Non ita preeipita faelum quoniam bona vita
Est inquirenda nee in hijs fortuna petenda
Sed quid in istorum morior agmine canonicorum
Sufficit et satis est nec in horum nomine vis est
Arguo fortunam que non mihi cöntulit unam
Ex hiis prebendis tarn pulchre percipiendis
Nam lex privata stat in ecclesia memorata
Si quid forte datur huic qui presens reputatur
(6. b.) Absens lucratur duplum ubicunque vagatur
Per mare per terras quocunquc vagaris et erras
320 Non reperire potes quod habetsacra Sambia dotes
Ad quodcunque forum res que non est aliorum
Venerit istorum censetur canonicorum
Tales prebende sunt jam vix inveniende.
Fudernt in cives horrenda maguncia dives
Trux interdictuin quod tanquam fulminis ictum
Vix poterant ferre tocius climata terre
His tu succurris juris fortissima turris
Appellans rite sic mota denique lite
302. De (lomino Rudolfo filio hugonis cui etiam dedit unam prebendam.
306. Questio quare eciam non dedit unam Bertoldo Wetegonis, solutio quin iste fnit
dicior illo.
314. Hie autor inveliitur (sie) contra fortunam.
316. Dicit quod taie est in ecclesia sambiensi quod qunntum presenti datur, abscnti
duplicatur.
321. Quidcunque portatur ad forum quod nullius est hoc canonicorum Sambiensium.
324. Hic incipit tractare causam civitatis Hrfordie.
Carmen historicum occulti autoris.
20!
Litera papalis pede non allata sed alis
330 Est apportata cujus series tibi grata
Partihus aecitis monstrans quam sis homo mitis
Mox ad cautelam quasi pro languenle medelam
Fretus iure petis absolvi vincula retis
Allcgas jura de grandi eanone plura
Plus puta quam mille sed quis fatuus foret ille
Qui non hoc faceret fieri quod jure videret
Quodque poposcisti quia jus f'uit obtinuisti
Nam fuit actorum revocafio facta priorum
Sicque maguncina cessavit pungere spina
340 Fratrum lectores magni simul atque minores ■
Quidam canonici qui juris sunt inimici
Et quidam monachi quos ebriat ydria bachi
Quidam plehani qui sensu non bene sani
Nolunt cantare sed in erroris jure stare
Dieunt erratum per te fuit hoc reprobatum
Nam confutatos nimis et nil fare probatos
Dum volunt flecli satis anatbemate plecti
De domibus cedunt et ab urbe potente recedunt
Arte si scirent puto quod cras mane redirent
Opida vicina perlustrant et bona vina
Dieunt se bibere sed bursa puto vacat ere
Dodueendo moram proponunt judice coram
Quod sint fraudati rebusque suis spoliati
Kt male traetali quod sunt et ab urbe fugati
Restituique volunt ciues admittere nolunt
Quin prius expurget quemuis anathema quod urget
Xunc quia vidisti quo res volvit timuisli
Ne iudex faceret quod teque tuosque pigeret
Appellans iterum cantare jubes quoque clerum
Dicens secure nee vobis a modo eure
Sint que mandantur si penas forte minantur
Ordinis atque loci resonent licet ore feroci
Non oberunt vobis quia jus sein profore nobis
«Tee mora de bulla per cum cui magna gugulia
Litera portatur quia grata tibi reputatur
(7. a.)
350
329. Ilic fuit seiltenti;i interdicti relaxata per M. H. per litteram apostolicam.
357. Hic magister henricus iterum appellantes aggravavit.
364. Hie dicit quod magister Wilhelmus habuit amplum capuciuin.
C. H ö f 1 e r
Inde vocas partes et te convertis ad artes
Legibus armare cum canone mitte volare
Quid scis hoe loquere quis sis hoc mitte videre
Surgis prudentis petis audiri pacientis
Allegas multum verbum nec estimo stultum
Audivit per te quisquam tacite vel aperte
Qui tarnen astabant clam licet improperabant
Quando portasti quod fabellam reeitasti
Tanquam pro vano de quodam gregoriano
Recte si sensi qui nuper in Erbipolensi
(7. b.) Lite triumphavit appellans quando saeravit
Primas electum quem credebat fore rectum
Dixisses mira servans quia raptus in ira
Nec permiserunt qui retro vel ante steterunt
380 Et puto dixisses quod post hoc penituisses.
Quid moror ad vota tua deservit tibi tota
Biblia cum jure de quodam fabula fure
Clam tarnen obicitur qui pro furti lue scitur
Adduetus morti sed defuit ecce cohorti
Restis colla terens populus ruit undique querens
Demon adest furi dat et argenti sibi puri
Accipe dum profert, fert restis quod miser ofert
Hüne allegabat ad propositumque plicabat
Ut furi restis mortem dedit est ita testis
390 Litera quam prebes quod tarnen perdere debes
Sie profert bella tibi redditur ista fabella
Inde domum repetens ne pes fieret tibi fetens
Fax de candela turba fabulante sequela
Fac preportetur ut wlgus opes speculetur.
Decisa causa non longo tempore pausa
Adjunetus turbis offer de civibus urbis
Die o mansueti eives sitis modo leti
Exui decreti cleri pars est data reti
Que nisi misissent pro presule succubuissent
400 Et non risisset quia condempnata fuisset
202
370
374. Hic allegat magister Henricus factum cujusdam Gregorii qui triumphavit in
causa Erfordiensi.
381. Hic ponit fabulam de quodam fure.
396. Hic dicit quod M. II. venit Erphordiam et dixit omnihus qualiter triumphasset
in lite.
Carmen historicum occulti autoris.
203
Nostris expensis sed et easuisticus ensis
Esset subtractus nisi quod nimia prece taetus
Parsi prostratis sed non tarnen hoc quasi gratis
Nam ploraverunt omnes quicunque fuerunt
(8. a.) Et juraverunt quod ob hoc operam dare querunt
Ut componatur ne questio plus meneatur (sic)
Quod si non factum fuerit velud est ibi taetum
Quinimo si parcam tune det dominus mihi marcam
Et det ut in villa data marca cadit in illa
410 Sieque quod absque mora presenti debuit hora
Lite retractari vel funditus evacuari
Jussi non fieri devitans scandala eleri
Post aliquot menses tune nos adbibebiinus enses
Canonis et legis et functi tune ope regis
Ad nostrum veile cessabunt queque procelle
Cunctaque tollentur que nune noeuisse videntur
Hijs ita finitis in paee bona volo silis
Qui putat hec vera pereat stimulante megera
Disce malum musa quia mors est male moribus usa
420 Stravit canonicum magne laudis Thidericum
De rosla dictum qui mortis sensit ut ictum
Solvens jus carnis moriens decessit in armis
Stante bona Sorte cleri quoque stante cohorte
Est deportatus et aput claustrum tumulatus
Montis Walpurge quam mors non amplius urge
Nam datus extat ei locus eterne requiei
Sed nee adhunemorsummorsestconversaretrosum
Stravit prepositum magna virtute politum
Nomine Gonucherum qui pressus mole dierum
430 Rite nowum texit opus ut constans ibi grex sit
Virginei cetus sine carnis labe quietus
Mundus ab invidia quem matcr virgo maria
Confovet et paseit nee in hijs per tune satanas seit
(8. b.) Deplango funus quia par sibi vix erit unus
Et bustum signo metrorum carmine digno
Mors quid feeisti quod tu talem rapuisti
Nee sibi parsisti de cujus funere tristi
418. Ista est tercia furia infernalis et solet homines stimulare ad male faciendum.
424. Dieit de Magistro Thiderico preposito nowi operis qui tune mortuus fuit.
43G. Hie invehitur contra mortem quod talem rapuit.
204
C. H ö f I er
Ancillis eristi grave lamentum tribuisti
Scisne quid egisti sine patre gregem statuisti
440 Quem turbavisti concede gregi deus isti
Cum patre consisti justis ubi spem posuisti
Me tarnen in mente movet et quod inorte preinente
Tarn cito tarn propere simul ambo viri eecidere
Has (sic) quoquerecolo quod nunquam tempore solo
Diseordavermit sed semper in bijs viguerunt
Par meus (mens) par animus neuter voluit fure primus
Morte dieque pari sed eis placuit tumulari
Et cur divideret mors quos sic vita teneret
Cordibus equales date planctus exequiales
4S0 Omnes astantes Christum de corde rogantes
Ut det eis vere se congaudendo videre
Dicitur a rege dolata maguneia lege
Talique si quis ex perversis et iniquis
Tactis dampnatur a presule sive ligatur
Talis in hac banno si toto manserit anno
Nee petit absolvi tune et querela revolvi
Regis ad examen solet ut ferat ipse juvamen
Pretextu legis hujus sententia regis
Talem proscribit et ad interitum miser ibit
460 Sic erdfrodenses per bis denos quia menses
Non sunt correcti sed plus per devia vecti
Regia majestas proscribit et alma potestas
(9. a.) Nunc dolor infestas nihil ampliut (cod.) ut puto restat
Quam concordare majoraque damna vetare
Quod modo facturus es sermo patet mihi durus
Sicut de Christo mundo dum vixit in isto
Quidam dicebant bonus et alii referebant
Non, sed seducit turbas et ad improba ducit
Sic homines qui te cognoscunt singula rite
470 Que facis acta vident alii falso quoque rident
Ergo ereatoris rogo sis memor Omnibus horis
Et liti pacem prefer linguamque procacem (loquaccm cod.)
Non sic infesta prope sunt pasealia festa
Cerne quod ecelesia cui presto sancta Maria
Stat sine divinis non pluribus absque ruinis
453. Hic dicit quomodo ecctesia maguntina sit privilegiata per Itegcm Romnnorum.
471. Hie hortatur eum quod cogitet quia festum pasce appropiuquat.
Carmen historicum occulti autoris.
205
Que nisi placata fuerit cum prole beata
Qui rides flebis et qui modo dives egebis
Qui modo formosus qui veste nites preciosus
Dogmata (sic) famosus et natura generosus
480 Post eris exosus fetens ut vermiculosus
Et velud ingratus qua stas eris urbe fugatus
Despectus multis parvis pueris et adultus
Surgere fac homines ut adesse sciant sibi fines
Surgere fac multos in mortis labe sepultos
Surgere fac stratos mortali peste gravatos
Surgere fac cunctos infausto vulnere punctos
Surgere fac plures inflictaque vulnera eures
Surgere fac populos quos esse vides quasi inulos
Surgere fac vere quos dernon credit liabere
490 Surgere fac aliquos quos demon credit iniquos
Surgere fac certe quibus est strages data per te
(9. b.) Et tu consurge precor et non amplius urge
Gratia queratur antistitis et moveatur
Parcere prostratis quod vix fieri puto gratis
Cives mittuntur qui te consorte fruuntur
Et perimet totum porrecta pecunia motuin
Hic dieunt aliqui qui nequain sunt et iniqui
Quod tu pontifici sub nomine dulcis amici
Ut fleres dives voluisti tradere cives
S00 Hoc non fecisti juro per vulnera cristi
Et quis in hoc mundo quem sic cecaret irundo
Stercore projecto cujus mens lumine recto
Non intelligeret et clara luce videret
Hoc forte mentitum vel ob invidiam repetitum
Mox impetrata venia sententia lata
Fit retractata sed cleri concio grata
Est inducenda prius et sub honore tenenda
II.
Cetera quis nosset vel eonscribere posset
Quomodo M i sn e n si s cuius nam militat ensis
SfO M archio contra te turbatur forsitan a te
493. Hic dicit quod quidam de civibus debeant mitti ad Archiepiscopum.
497. Quidam dixerunt de M. H. quod ipse voluit tradere cives in maguncia. De hoc
excusat eum autor.
3U9. in hau secunda distinctione dicit autor quod Episcopus Misnensis citavit M■ H. ad
residenciam et ipse excepit quod non posset facere quia illa terra non halteret vinum.
C. Hofier
Abstulit ecclesiam quam propter philozofiam
Contulerat pridem nec in hoc consensit eidem
Antistes wetego quem per mea scripta relego
Nec ferat hoc egre quia vadunt jura peregre
Pro tanto scelere quod mandavit residere
In vili rure tibi cujus peetore iure
Fiorent divino presertim cum sine divo (sic)
Vivere non noris maneas ut oportet in oris
In quibus est vinum putat ipse tibi cor ovinum
Ut nequeas scire quo res tua debeat ire
(10. a.) In uno sciat certe quod adhue hec questio per te
Non sit sopita sed donec erit tibi vita
Semper durabit scio quod te papa juvabit
Atque sui proeeres quorum tu factus es heres
Hii retractabunt de jure vel evaeuabunt
Omne quod est factum contingit forte coactum
Dampna resarcire vel flectere filius ire
De te cristiane quid dicere nescio plane
Stulte fecisti quod in ecclesiam voluisti
530 Justius intrare quem nosti jura creare
Ars decretiste faciet quod episcopus iste
Tuque simul secum senior quoque marchio tecum
Omnes errastis et eum per vim spoliastis
Ergo mandatur vobis quod restituatur
Bis est ante fores expensas atque labores
Non piget liunc facere quia jus quod te seit habere
Finita lite reddet sibi singula rite
Tune bene contentus esset presul violentus
Et si suffleeret quod apud cathedram remaneret
540 Nec puniretur ut predo iure meretur
Ammiror si quidem quod marchio cogitet idem
Vel quid pungat eum qui te tanquam manueheum
Sic execratur uec servicii memoratur
Quod sibi fecisti solers ubicunque fuisti
Nempe suum Kyrie factum sub honore marie
206
528. Dicit de quodam presbytero qui accepit ecclesiam M. H.
541. Hie miratur M. II. quare Episcopus velit eum deponere.
545. Dicit quod Marchio composuit unum Kyrie eleison et M. H. dicit quod hoc papa
con lirmasset.
Carmen historicutn occnlti autoris.
207
Romam portasti confirmariquc rogasti
Ut decantetur et Christus glorificetur
Quamvis non credat et ab ejus mente recedat
Hoc quod ob hoc soboles sua querituF etsua proies
SSO (10. b.) Per lombardorumpopulosutrex sit eorum
Accidit hoc certe per non aliqucm nisi per te
Quorum legatos cum nuper marchio gratos
Idem susciperet et nullum prorsus haberet
Qui consors morum foret aut interpres eorum
Hos tibi commisit dicens henrice tibi sit
Istorum cura mea castra vel oppida rura
Et fora cum vilis (sic)ostendas deprecor illis
Cum non ignores aput illos diseute quo res
Ista queat fine concludi queve ruine
S60 Sint attendende super istis sive canende (cavende)
Fac ut in expensis nil desit cum sapiens sis
Da quicquid poscant que sit mea gloria noscant
Quid tune fuisti tu qui probus ante fuisti
Ut probior fieres et rusticitate cares (careres)
Largus in exspensis das plurima fercula mensis
U n g ar i cum vinum das illis ante caminum
Et modo piscari facis aut cervos agitari
Et modo capreollos nunquam sinis hos fore solos
Ut barbas radant mandas ad balnea vadant
S70 Et modo virgineas ortaris adire coreas
Quando peregerunt lo mbar di que voluerunt
Expensas factas michi summa rite redactas
Solvcre disponis opus exercens racionis
Tune expers deeoris lombardica gens et honoris
Te defraudavit scribendo nimisque notavit
Quam foret expensumproprium tune denique censum
Illuc solvisti de solvendisque dedisti
Ore namque (idem quod nunquam donec ibidem
(11. a.) Totum solvisses exire locum voluisses
S80 Sed quia logisti multosque leges docuisti
550. Dicit de Lombardis qui venerunt pi’o filio Landgravii.
572. Dicit quod hic Magister II. plus notasset quam Lomhardi expendissent et hoc
oportebat eum solvere.
580. Hic dicit quomodo M. H. promisit hospiti quod nollet recedere ante solutionein
expeiisarum et postea recessit non solutus.
Sitzh. d. phil.-hist. Ol. XXXVII. Bd. III. Hit.
14
C. H ö fl e 1-
208
Quod male promissa sunt ipso iure remissa
Quodque mali pactum nullum constringit ad actum
lüde domum repetis ubi commoda multa quietis
Sunt ibi servata quia propria mollia strata
Lar propriusque valet peregrinaque mansio squalet
Creditor exisse te conspiciens et abisse
Contra promissa turbatur vesteque scissa
Presulisad synodumgraditur cleri pede quoquo duin
Tu quoque compares et tanta mente notares
S90 Verba querulantis tibi turpiter improperantis
Dogmata consurgens quia te dolor exeitat urgens
Nec sibi solvisses nee in urbe inorando stetisses
Tune sicut debes in corde liceneia prebes
Extendensque manum petis audiri quia vanum
Verba perorantur ubi nulla silentia dantur
Quare permittis scelus hoc episeope mitis
Taliter opponi contraria sunt racioni
Que preponuntur si receius inspiciuntur
Die rogo nonne tidem pater alme dedittibi pridem
600 Dum commisisti mediante juvamine eristi
Investituram mihi parocbie quoque. curam
Quod tibi parerem vel quod tua jussa tenerem
Hane immutare non expedit aut violare
Te nisi consulto sicut jam tempore multo
Me puto fecisse quid prodest plurima seisse
Si non perficerem que perficienda viderem.
Tu me jussisti quod starem pro grege eristi
(11. b.) Pervigil exorans ut nocte dieque laborans
Christo lucrarer animas et in hoc operarer
610 Sicut post mortem veilem reddi mihi sortem
Iste suo more nummorum captus amore
Estiinat esse parum si potes eeclesiarum
Callidus intraret velud et sathanasque vocaret
Me non presente rapiens miseras truce dente
Quas nece de tristi reparavit passio eristi
Hoc ul vitetur rogo quod sententia detur
Istud ut observem aut divicias coacervem
586. Hic creditor citavit M. II. cornm Episcopo.
S94. Hic allegavit M. H. quod pocius deberent in sua ecclesia quam in iliius thaberna.
Carmen hisloricum occulti autoris.
209
Isti dampnato qui me sub tecta vocato
Institit usuris nocturnis moreque furis
620 Cum muliere sua qui non fuit ut bona fua
Ut res äußeret rem que vix quinque valeret
Pro ter quinque dedit quodet omnes ut puto ledit
Depreeor audire nusquam me misit abire
Donee ei vovi quod contra jus fore novi
Et si complessem juri contrarius essem
Accio privata dicit lex cauonicata
Sit lenis aut dura non destruit edita jura
Sed quare facerem quod contra jura viderem
Nec valet abscondi tibi sit pater aline’spopondi
630 Hec servare volo promissa secundaque nolo
Prorsus habere fidem taceat rogo rusticus idem
Et non infestet super biis me plus ne molestet
Cum merito portet sua dampna gemens ut oportet
Ut mihi nunc credat frustratus speque reeedat
Qui non credebat mihi tune cum tempus habebat
Quod male quesivit male perdita sic male scivit
(12. a.) Me fore doctorem michi jure dedisset honorem
Que michi si dederit lorsan dabo quod modo querit
Tune clei'us dixit bene nobis hue quia fixit
640 Decretista pedem synodumque dedit tibi sedem
Coram pontifice qui te suscepit amice
Sed modo de bobus six denis bisque duobus
Nescio quid referunt, qui falsum dicere querunt
Quos Guenzelinus servus Simplex et ovinus
Olim mactavit tua quando coquina vacavit
Hoc modo pervertunt et in opprobrium tibi vertunt
Mirantes late super expense gravi täte
Ac si dicatur ultra vires operatur
Iste vir expendens plusquam sic summa rependens
650 Corde dolis pleno festum f'aeit ex alieno
Hi non advertunt sed operto lumine stertunt
Non attendentes quod tuque tuique parentes
620. Dne fuerunt ohstetrices in terra Egypti. Una sephora alia fua de quibus legitur
in genesi timuerunt obstetriees deum.
639. Clerus commendavit Magistrum Henricum quia bene allegavit.
642. Itic dicit de XXIV bobus quos M. II. jussit maetari.
632. Hie autor cominendat M. H. ex parle cognatorum suoruin.
14
C. H 5 f 1 e r
Expendendo satis titulum magne probitatis
Estis lucrati priina quoque sede locati
Inter magniflcos simul et probitatis amicos
Ut fateor verum fuit illis copia rerum
Non oppresserunt aliquem nee vi rapuerunt
Non deceperunt quemquam quia non eguerunt
Juste vixerunt satis ex proprio tenuerunt
Nullum leserunt sua largiri studuerunt
Horum tu mores imitatus propter honores
Expendis quod habes nee inest tibi sordida labes
De non solvendo vel quemquam drcipiendo
Sunt qui dixerunt que nunquam vera fuerunt
Quod tu non veiles pecuales reddere pelles
(12. b.) Sub preeio peeorum requiescat livor eoruin
Nee dicant falsa quia jam caro fit sine salsa
Et pelles per se fuerant in sal puta verse
Immo solvisti maetata magisque dedisti
670 Quam tu non deberes ut honestum nomen haberes
Ergo quisque sile detractor et amodo vile
Ne confundaris hac de re nolo loquaris
Et quis in boc anno vellet dixisse tyranno
Quod tu dixisti quando latus ejus adisti
Sub barba ruffa raro fore cor sine truffa
Parsisses jure precollenti geniture
Vel tibi parsisses presertim cum bene scisses
Quod primo flore intuit (nituit) tua barba rubore
Que modo canescit et truffas mens tua nescit
680 Displicet ut eredo facies tua nulla rubedo
Milicie testis commendatur rubra vestis
Et rosa laudatur quod ei rubor appropriatur
Et veneris more mulierum labra rubore
Si perfundunlur ad basia erebro petuntur
Si fuerat nigra vel pallida basia pigra
Illis accrescunt presertim quando seneseunt
Qui si laudatur in quo rubor esse probatur
Quare culpatur si barba rubens habeatur
210
672. Dicit autor quod M. II. Ivit ad Marchionem et dixit ei quod deponeret barbam
rufam quia esset signum magne infidelitatis.
681. Queritur quare rubedo vituperatur in pilis et tarnen in veste et in facie domi-
narum commendatur.
Carmen historicum occulti autoris.
211
Ut credo nude datur hec occasio iude
690 Qui peciit munus inter ter quatuor unus
Traderet ut cristum qui mundum condidit istum
Ut tradunt illi quod ei rubuere capilli
Inde putant aliqui quod adliuc tempore si qui
Tales sunt homines rubei quibus in cute crines
(13. a.) Barba rubens ve datur quod fraus exinde sequatur
Ne scelus illius vadat in discrimen alius
Fuldenses monachi sitientes pocula bachi
Plus potaverunt quam forsan indiguerunt
Romain currentes querulosa verba moventes
700 Contra prelatum quem sorde gravi maculatum
Acceptaverunt papalia scripta tulerunt
Inquisitori qui parcens forte labori
Venit inErforde supra Abbatis quasi sorde
Inquisiturus abbas jam jam ruiturus
Te vocat assistis monachis cum iure resistis
Inquisitorem removens per juris honorem
Tune te vestivit tua quod vicina scivit
Abbas fuldensis et terre Sarobiensis
Te comitem fecit felix facundia que seit
710 Tantum lucrari tibi quis poterit similari
Au emburgenses monachi cum fustibus enses
Nuper in abbatem movere per ebrietatem
Quem tu juvisti quanto melius potuisti
Auxilio juris sed nocturni vice furis
Hostiam fregerunt monachi calicemque tulerunt
Cum cruce saerata gemmis auroque parata
Et aliis rebus quas longis ante diebus
Qui fundaverunt claustrum pro dote dederunt
Iudice placato veniunt abbate vocato
720 Liteque discussa tua pars est cedere jussa
Abbas quid faceret dubius vel ibi remaneret
A te susceptus est non leve munus adeptus
In sambis eellam vadit fundere (sic) novellam
694. Hie solvitur qnestio.
694. Hic dicit de abbate fuldensi et suis monachis.
708. Hic quod abbas fuldensis fecit eum comitem in terra quadam.
711. Dicit de abbate hohenburgens i et suis monachis
719. Hic dicit de domino Erhnrdo custode.
2 i 2
C. Hofier
(13. b.) In striflfea vcste muliere vaga sibi teste
Ad te non tardus custos ut credo Gerliardus
Venit babens modicum quo te placavit amicuni
Hine tua per jura cesset bona prepositura
Conradus medicus tune obsequiosus amicus
Qui te eollegit tecumque fideliter egit
730 Dum recognosceret aliudque nihil dare posset
Dat tibi credo domum quam tu reputas quasi pomum
Pectore non tristi gratis sibi restituisti
Et puto frumentum solvens marcas bene centum
Est nec adhuc mensis quod presbiter Hildesinensis
Heinrich nomen babens quipene fuitquasi labens
Per te Wolmarus qui juris non bene guarus
Obtinuisse datur quod adhuc sua bursa iuvatur
Indice preciso Bertoldus te quoque viso
Sic canit ere dato digito cum dimidiato
740 Talis quippe letho sit lelix tempore toto
Qui digitum sectum reparavit tarn cito rectum
Inde patet pure quod sie tua pectora jure
Canonico florent posito quod mille laborent
Te consulantes simul et diversa rogantes
Pectus et os mundum docet unum quodque secundum
Quod sua bursa dedit sic ridens sepe reeedit
Te consultante qui tristis venerat ante
En penes Erbipolin locus est in quo fuit olim
Florida structura cum divite prepositura
7S0 Que velud apparet cum prepositura vacaret
Tutrix errorum dissensio canonicorum
Binos elegit set in hoc pueriliter egit
(14. a.) Partibus utrisque sibi congruit ut puto quisque
Provideat cicius de rethore qui sapit jus
Et vir queratur per quem lis cepta regatur
Hoc scio quod preter te nullum contegit (sic) ether
Qui meli(us) possit vel cui facundius os sit
728. Dicit de Magistro Gonrado de herbertleiben.
734. De plehano hildesinensi.
73C. Hie dicit de Wolmaro.
738. Hie dicit de quodam Bertoldo sacerdote qui ainputavei'at inedietaleni indicis et
dicit (dedit) Magister Henricus unum lotonem et dispensavit secum et celebravit.
748. De prepositura novi monasterii aput herhipolim.
Carmen historicum occulti autoris.
213
Nam tua vox pura non eructat nisi jura
Vincere tu ’nosti suceubere (sic) nescius hosti
760 Inde triumphasti quociens causas agitasti
Infirmam partem tu scis firmare per arteni
Aspice quanta fuerunt qui te velud estimo querunt
Ergo festina potabis ibi bona vina
Dedeeus esse putas causas agitare minutas
Non in uno decus erit ut sis Omnibus equs
- Noli tardare jam jam debes equitare
Veste nova tectus in equo celeri pede vectus
Suscipis lete festina diecula de te
Cunctis illuxit modicum de tempore fluxit
770 Terminus instabat quod pars adversa putabat
Auxiliante deo litis gaudere tropheo
Quid tune fecisti tu qui tantum studuisti
Protinus inisti fretus munimine cristi
Et consedisti velut expediens fore scisti
Post surrexisti tegimen capitis posuisti
Absque labore super humeros dicens quia nuper
Istius merita cause non sunt bene trita
Ncc discussa satis qui contra nos vice statis
Alterius partis vestris ostendite cartis
780 Quomodo processum vel quo sit sive recessuin
Nps ostendemus sicut de iure valemus
(14. b.) Immo per jura quod ab ista prepositura
Cedere debetis in qua nil juris habetis
Hoc ut viderunt alia qui parte steterunt
Nil responderunt quoniam nirnis obstupuerunt
Et quia profleere per jura parum valuere
Invenerc viam per quam currunt aliqui jam
Dixerunt namque quod partem litis utramque
759. Dicit autor quod M. II. seit bene causns tractare quia nescit succumbere sed
triumphare.
763. Hic dicit quod equus fuit missus M. H. et nove vestes et quod iete fuit sus-
ceptus.
779. Hic M. H. petivit sibi dare acta in seriptis et quomodo processum fuerit
in causa.
783. Dicit quomodo pars altera territa fuit ex adventu I\I. H. ita quod nullus potuit
sibi respondere.
782. Dicit quod aliqui dixerunt quod M. H. fecisset, collusionem cum parte altera et
vellet tradere partem quam fovebnt de hoc excusat eum autor.
214 C. H ö f 1 e r
Circumvenisses pactumque fidemquo dedisses
790 Ulam sic gerere vel iniquo more fovere
Doncc ab utrisque caperesquod habet dai'e quisque
Quamvis dicatur quod tale neplias peragatur
Urbe sacra Rome tarnen hie pro pignore dome
Quod vicium tale scelus aut hoc exequiale
Nunquam fecisti vel quod fieri voluisti
Immo volo scire quod malles uincta subire
Carceris obscuri vel vivens ignibus uri
Sed gens francorum consors et amica malorum
Credidit hoc esse verum fuit ergo necesse
800 Causam deserere potius quam probra timere
Sic quod recessisti confundat passio Christi
Omnes mordaces et ad impia verba procaces
Si modo vis plura lucrari per tua jura
Ante fores est res duo menses atque dies tres
i Vix transiverunt nova quod recitata fuerunt
Ungarie quod rex factus fore dicitur exlex
Atque fide cessit quod de muliere recessit
Legitime juncta festina desere cuncta
Ad regem propera pro re dico tibi vera
810 lllic tu poteris nancisci si bona queris
(15. a.) Semper adherere vel partis jura fovere
Illius errorem magnumque tenebis honorem
Pastor apostolicus non est reor ejus amicus
Propter peccatum detestandumque reatum
Hunc tu placabis vel forte reconciliabis
Intra thesaurum gemmas fert regis et aurum
Insuper argenti quantum portare ducenti
Possunt aut plures sine pondere tollere eures
Ad papam gradere qui visus (sic) protinus ere
820 Per te flectetur et per tua jura regetur
Facturus vere quidquid decernis habere
Si putat esse parum, rex fedus habere duarum
Tercia nubat ei que sit mire spcciei
794. Dicit quod rumor est de Itomn quod ibi tnlia finnt.
796. Ilic dicit quod M. II. deseruit causam propter illud vituperium.
803. Hic dicit quod M. H. fuit vocnlus per liegem llungarie qui dimiserat uxorem
suam et voluit mittcre ad papam pro dispensatione quod Iicituin esset ei aliam
ducere.
Carmen liistorieum o c c u 11 i autoris.
215
Nee sic peccatur scriptura teste juvatur
In pasce nocti legisse recolligit hoc te
Ut tradunt veteres quod adhuc septem mulieres
Uni jungentur cur ergo due prohibentur
Maxima cui dantur concessit minora probantur
Verba prophecie sunt ista per os ysaye
830 Hoc argumentum non solum sed bene centum
Biblia prebebit et per loea multa docebit
Nonne duos natos ex diversis generatos
In textu misse recitatur Abraam genuisse
Jacob nonne thorum patre eoncedente sororum
Promeruit servus cum ruptus erat sibi nervus
Et lia cui pridem rache] post nupsit eidem
Unde fide plene venere tribus duodene
Et domino gratus fuit Israel ipse vocatus
Dicit decretum quod quando loth fore letum
840 (IS. b.) Contigit ex vino suecümbere more canino
Passus erat natas per se fieri viciatas
Nee reputabatur nee adhuc malus inde probatur
Jupiter et Phebus priseis liabuere diebus
Cum regnaverunt mulieres quot voluerunt
In decretali quodam sed nescio quali
Perlegi namque quod cognoscebat utramque
Nonne boemorum rex qui per fata deorum
In hello ceeidit indulgere sibi vidit
Ut sterili spreta posset sibi nubere feta
850 Et alii multi nullo dyademate fulti
Si sic sanctorum si mos fuit iste deorum
Cur modo non esset papalis regula cesset
Et coeat populus ut equus coit aut quasi mulus
Sic perhennatur tibi nomen et amplifleatur
Sed precor auseulta postpone superflua multa
825. In vigilia pasce legitur: apprehendent septem mulieres virum unum.
827. Argumentum per Iocuin a majori.
832. In epistola in medio quadragesime legitur: scriptum est quomodo Abraam duos
filios habuit.
834. In genesi legitur Jacob duas balmisse sorores liam et Rachelem.
843. Iupiter et Phebus leguntur in Ovidio multas habuisse uxores.
848. Hie allegat Regem ßohemie qui impetravit a papa quod posset dimittere ste
rilem et ducere fertilem.
852. Argumentum per locum a majori.
216 C. H « f i e r.
Aspice quod cloto tibi parcens tempore tolo
Huc tulit usque colum te complectens quasi soltim
Quod Lachesis nevit tibi per tot tempora erevit
In longum filum quod habet contingere nylum
860 Ultra non poterit sed et actropos affere (sie) querit
Que servare fidem nulli seit post neque pridem
Sed furit ut latro nanciscens nomen ab atro
Ista tui fili tractus etate senil i
Rumpere festinat et ad altera te loca minat
Nec potes hoc testor in quantum vivere vescor
Mors est Ventura que non curat tua jura
Mors est Ventura a qua mihi maxima cura
Mors est Ventura prece nee precio fugitura
(16. a.) Mors est Ventura ne plus vivas recitura
870 Mors est Ventura nec wult tua tempora plura
Mors est Ventura transibunt ad altera rura
Mors est Ventura cujus conclusio dura
Mors est Ventura tibi pro meritisque datura
Mors est Ventura quod erit tibi prepositura
Mors est Ventura tibi grande malum peritura
Mors est Ventura postesque tuos subitura
Mors est Ventura mestisque vita futura
Mors est Ventura doctrina parum valitura
Mors est Ventura qua nunc stas urbs ruitura
880 Mors est Ventura neque tenet me Ventura
Mors est Ventura sine te non prorsus itura
Mors est Ventura fac queque deo placitura
Mors est Ventura quod ei debes monitura
Mors est Ventura nisi te facit irreditura
Mors est Ventura tua faux non plus subitura
Mors est Ventura tua Iingua procax tacitura
Mors est Ventura tibi treugas non habitura
Mors est Ventura finem mox exibitura
Mors est Ventura quod confringet tua erura
890 Mors est Ventura per quem tua vox peritura
856. Hic ortalur autor M. H. quod cogitet de morte futura et facit mentionem de Ibis
que satis pepercerunt sibi bujusmodi quod cloto satis diu teuuit sibi collum, se-
cundo dicit quod laebesis loogum tilum protraxit. Tercio dicit quod Antropos
wult rumpere filum et sic oporteat eum mori.
Carmen historicum occul ti autoris.
217
Mors est Ventura nec credo cui subitura
Mors est Ventura quam non curat vlla figura
Mors est Ventura fac ut sint pectora pura
Mors est Ventura non fae que sint nocitura
Mors est Ventura quod emantur fae tibi thura
Sed timor est forte quod eleri turba mcmor te
Appositam partem juris fovisse per artem
(16. b.) Scriptum componet quod te non rite Coronet
Ut tua sic fama pereat per inops epygramma
900 Illud non sic sit voio quod titulus tune hic sit
Hic jacet Henricus cui fuit os quasi ficus
Vel certe quasi mel Erfordia nunc cave gymel
Plorans letare duo fac contraria quare
Flora de inorte letare bona quia sorte
Stelliferum munus tibi dans sol oceidit unus
Qui si vixisset semper tuus vmbo fuisset
Ne fiat pejus precor hoc epigramma sit ejus
Ut melioretur volo cuique liecncia detur
Sed dieit stultus est vivens iste sepultus
910 Cur fit ei tale vino (sic) decus exequiale
Forte suam mortem putat alter homo sibi sortem
Absit et insanus hoc credat homoque prophanus
Consilium juris est ut rebus perituris
Obvia cautela detur morboque medela
Quis putat esse parum si noxia turba scolarum
Impetuosa satis titulum tante probitatis
Sic denigrarct ut talia metra pararet
Qualia jam finxit et inepto pollice pinxit
Undique per muros pueros non estimo puros
920 Corde vel ingenio quibus assentit sacra elyo
Ad detestandum facinus sic versifieandum :
Hic est Henricus deereti doctor iniquus
Saccus avaricie qui symea philosophie
897. Hic dieit quod M. H. debet liniere ne forte clerus revocet hoc totum ad memo-
riara et confundat eura in posterum.
901. Ad cavendum futurum nialum nuctor providit M. H. de epitafio et fecit hos versus.
902. Modo hie jam ponit ad documeutuin in quo wtt ostendere quid sit fugiendum
aut quid sit non fugienduro.
919. Ilic dieit quomodo scolares inceperint versitieare de M. H. et quidam nomine
Suelumendus composuit hos versus et fixit ad tiostium Magistri Henrici.
922. Versus Suelumendi.
218 C. Höfler
Emulus est pacis fons litis gens sine bracis
Juris perversor ani cum pollice tersor
Suppressor veri für latro peripsima cleri
(17. a.) Et pater erroris maledictus in Omnibus horis
Hoc interdico districte ne quis iniquo
Sensu vel fingat digitis vel talia pingat
930 Castor oborrerem si talia scripta viderem
Aut decalvarem si qualemcunque seolarem
Talia dictare constaret aut recitare
Ergo viri clari fas non date cuique scolari
Nec permittatis precor intuitu probitatis
Quod doctor magnus qui simplex est velud agnus
Sic inhonestetur quod ei carmen rüde detur
Ad mala sic hilarem pungat bona virga seolarem
Et feriens dorsum dicat sibi: vade retrorsum
Armat ad insultum neglecta coercia stultum
940 Et scelus indultum facit hunc excedere multum
0 detrectatores latronibus orridiores
Vobis conclusum reor vosque recedere lusum
Et juxta morem plus non minuatis honorem
Tanti doctoris cujus laus plena decoris
Fulget per mundum jam circumquaque rotundum
III.
De plebanorum musa die tirannide quorum
Pingit corda metus et ocelli non nisi fletus
Fundere deberent sua si malefacta viderent
Verba sacra fidei que clara luce diei
9S0 Pontifici vere se constringendo dedere
In sacra veste coram populo manifeste
Per libri tactum quod in ordinibus fuit actum
Hoc juramentum jusserunt tollere ventum
Si sic juraret judeus non violaret
Nec daret inventum pro marcis ut puto centum
I
928. Istud erroris ponitur hie in qualibet sig-nilicatione.
929. ttic autor prohihet ne talia scribnntnr de Magistro Itenrico et supplicat canoni-
cis ne talia permittant.
946. In ista tercia distinctione dicit autor de clericis qui servaverunt interdietum
et dicit quod oninia mala Hunt pro.pler eos, primo dicit quod sint perjuri, quia
in ordinibus juraverunt obedientiam suo episcopn.
Carmen historicum occulti autoris.
219
(17. b.) Culpa seeunda datur que per plures reprobatur
Pars toti si qua non convenit extat iniqua
Pars pejoratur que tota non sociatur
Commoda multa feret pars toti si qua coheret
960 Pars que non sociat toti se reproba fiat
Non aqua laudatur que fonte carere probatur
Nec fit opus rectum per membrum corpore sectum
Forsan instabis (sic) mihi quisquis et reputabit
Isti presbyteri ponas (penas) de jure mercri
Non debent aliquas nisi forte quod absit iniquas
Nonne coberserunt toti qui non siluerunt
Sed cantaverunt totique loco plaeuerunt
Digna flagella ferunt illi qui terga dederunt
Non bene concludis et verbis utere nudis
970 Quippe sacerdotum non det partem neque totum
Aut locus aut ei vis verum discernere si vis
Totum presbyteri reputatur adepcio cleri
Quod de majori cleri vel parte minori priori
Aut fugat aut cedit stulto se wlnere ledit
Quod nisi curetur fortasse per hoc morietur
Nec levis est cura labor est gravis et via dura
Nec multi medici sed solus aut audio dici
Hujus queratur cui nomen papa vocatur
Hunc vos presbyteri qui nuper ab agmine cleri
980 Sponte recessistis et in artum rete ruistis
Querere debetis et idem quidquid liabetis
Apportare viro sanare seit ordine miro
Nutu vel verbo morbo succurrit acerbo
Sed quia papa sacer est vir versutus et acer
(18. a.) Non leve flectetur nec gratis forte medetur
Swadeo portari sibi munora multa juvari
Si per eum wltis qui dat mcdicamina multis
Sepius audistis quod habetur versibus istis
Empta solet care multum medicina juvare
990 Si detur gratis nil confert vtilitatis
956. Secundo imponit eis quod temporis est pars que non congruit suo toto (sie. )
963. Diceret aliquis nonne isti toto coherserunt qui celebrando toto populo plaeuerunt.
970. Ad hoc respondet quod qui a majori parte vel de potiori recedit, a suo toto
recessisse videtur et tales incurrunt irregularitatem a quo (sie) non possunt ali-
solvi nisi a sede.
220
C. H ö f I e r
Papam Martinum quis habere putat cor ovinum
Exoptasse quidem stulta prece dieitur idem
Quod staret magnum, stat u l> i germania, s tag num
In pisces versos nos vellet in hoc fore mersos
Ergo reoptare debemus ei quid amare
Mortis eum spina nostra nocet absque ruina
Non sic optavit martinus qui reparavit
Vitam defunctis tribus et dat ad hoc bona eunctis
Gemma saccrdotum fuit ille piuin quia votuin
1000 Non dedignatur et ob hoc per nos veneratur
Iste magi simonis beres et ab urbe thuronis
Martini nomen sortitur non tarnen omen
Et quid scribetur super ipsum si morietur
Quod sibi debetur in promptu carmen habetur.
Hie jacet ante chorum submersor Tbeutonicorum
Pastor martinus extra qui totus ovinus
Et lupus introrsus cui nulla redempcio prorsus
Sed sit ad interna detrusus ab arce superna
Sed quia theutonieus homo non censetur amicus
1010 Pape dicatis quod ab ungaria veniatis
Et si curare vos non wlt vel forte juvare
Huc non vadatis sed in ungariam veniatis
Vos irritastis dominum quando celebrastis.
(18. b.) Contra mandatum propter utrumque reatum
Jam viget in terra dolus et fraus et mala guerra
Ex sathane flagris cultor rarescit in agris
Vinea non colitur et quilibet ad scelus itur
Villa parit cineres furit in patrem suus heres
Non frater fratri pareit nec fllia matri
1020 Vim patitur dyna furtum viget afque rapina
Est factus latro qui deservivit aratro
Wlt sagittare qui nuper suvevit arare
Est ablatum pecus omne quod antea datum
991. Hic autor invehitur contra Papam quia dictum fuit de ipso quod ipse optassct
quod theutouia esset piscina et omnes theutonici essent pisces.
1001. Dicit quod papa sit heres magi simonis quamvis habest nomen Martinus.
100Ü. Epitaphium sepulehri.
1009. Hic consulit islis sacerdotibus quod non dicant se esse Iheutonicos sed ungaros
quia papa non est amicus theutonicorum.
915. Hic enumerat mala que sunt in terra propter inobedienciam istorum sacerdotum.
10Ü0. Dyna fuit quedam virgo que fuit per viotentiam corrupta.
Carmen historicum o c c ul t i autoris.
221
Quod deus ante dedit raptoribus ammodo cedit
Nee sonat ille sonus quem seit cantare colonus
Quando sequens aratrum perspectatpignora matrum
Sed sonat ecce fuge cape vel rape, precute, luge
Jam neque mercator nee tectus veste viator
Ambulet per strata quia pax est inde fugata
1030 Ecciesie postes gladiis et fustibus hostes
Intrant armati nec parentes deitati
Quodque sacerdotum fuit hoc perit undique totum
Presbiter in rure qui plaeat numina thure
Qui seit ad altare domino missam celebrare
Principis ad nutum solvit cum plebe tributum
Sic licet huic testis rasum caput et saera vestis
Hec non curantur sed eo magis angariantur
Si quis raptorum res aufert presbiterorum
Vel quid furatur vel ei quod obest operatur
1040 Est quasi de rore celi gustaverit ore
Hoc non egit opus quamvis ydolatra canopus
Abbas portensis vix est aliquis puto mensis
(19. a.) Immo dies ulla nee eum juvat ampla gugulla
Quin dare cogatur hie imperat ille cogatur
Hie petit argentum per marcas sive talentum
Hie wlt frumentum rapit alter oves sibi centum
Hie sexagenam pannum petit ille lagenam
Non dependentem sed sex urnas capientem
Hie sua dampna queri venit alter probra fateri
1030 Iste petit lignum reputans se munere dignum
Iste petit fenum tantum probat alter amenum
Hie sufferat (sie) equum gerit alter vascula secum
Qui cupit implere pisces vult alter habere
Maldrum magnorum petit alter formadiorum
Vel piperis cortam vel poma repleneia sportam
Iste petit pannum dieens quod ad quemlibet annum
Hoc sibi debetur nisi detur pignus habetur
Alter habere pares wlt saecos et sotulares
1030. Dicit quod armati hotnines violenter intrant ecelesias et auferunt ibi que sunt
intus, et sacerdotes angariant.
1042. Hic narrantur mala que patitur claustrum in porta ut per iios intelligatur quid
paciantur alia monasteria.
222 C. H 5 fl er
Iste jubet cumis quot erant vel destruitur rus
1060 Et mensis vietum petit hoc dat fratribus ietum
Et male cum verbis barbatos tractat acerbis
Sic petit et poseit rapiendi mille modos seit
Impetuosa cohors inmitis et aspera Cur murs
Non rapishunc hominemper quem posses dare finem
Totius sceleris nimis boc deferre videris
Estne adhuc annus decies fuit ipse tir a nnus
Pernox in clauslro veniens aquilone vel austro
Tempore qui noctis cum militibus male doctis
Preter honestatem conversus ad improbitatem
1070 Turpe neplias egit flatum cum ventris abegit
More ribaldorum reddens se retro sonorum
(19. b) Abbatis stallum petet inventumque caballum
Accipit in cella deducens non sine sella
Mane reccdentes simul ipse suique clientes
Asportaverunt per vim quiequid rapuerunt
Non sic H enr icus Langravius etLodowicus
Olim fecerunt heredibus heu caruerunt
JMox venatores veniunt servique minores
Turbaque miilta canum quantum servi duo panum
1080 Aut Ircs portare possunt, neque bos saeiare
Hii sunl jejuni tune panis displicet uni
Arguit hic potum dicens subvertere totum
Se claustrum veile, ruit alter ad liostia celle
Et poseit vinum dicens quod stercus equinum
Non dat pro christo pro conventu minus isto
Cumque comederunt omnes simul atque biberunt
Cornua sufflare libet incipiunt vlulare
Magni cum parvis ac si lupus esset in arvis
Inde sagittator quidam non pacis amator
1090 Audax multorum patrator flagitiorum
Queritat abbatem quem princeps ob feri latem
Mandat ditare sic incipit illi minari
Dicens hec carta jam mittitur huc vice quarta
1067. Dicit quod plus quam decies fuit ipse langravius ibi per noctem infra dimidium
annum et tempore noctis fecit insolentia.
„ Hic dicit quod abbati accipit (arripit) unum equum in claustro.
1078. De venatoribus qui etiam veniunt cum canibus.
1089. Hic dicit de sagittariis qui etiam veniunt.
Carmen historicuin occulti autoris.
223
Ut mihi detur equus est abbas lutnine eecus
Nonne videt quod ego qui simpliciter quasi dego
Transiliens murum faciam quod erit sibi durum
Sum für, sum latro forsan capiens ab aratro
Centum vel plures et socii sunt mihi fures
Sunt et latrones qui ceu vespertiliones
1100 Nocte pererramus si dormit nos vigilamus
(20. a.) Et nisi donet equum tractabimus altera secum
Ecce super bigam midieres sive quadrigam
Adveniunt vecte precioso stemate tecte
Non abbatisse sed fortassis comitisse
Aut cxcellentes pro caro funere flentes
Cum populo multo sed corpore rite sepulto
Istis ante fores cum presbiteris seniores
Fertur quod comedunt ridentes inde recedunt
Qui ploraverunt jejuni quando fuerunt
1110 Nec recolunt plane quid agant cum corpore rane
Alter poscendi modus est super atque petendi
Non rcprehendendus sed amicicie refferendus
Ex usu veteri puerilis concio cleri
Ante diein Christi jubet unum de grege sisfi
Pontificem puerum curn quo per festa dierum
Ludere se fingit cujus caput imphula cingit
Iste suo more puerili cinctus honore
Limen ad abbatis exposcit opem pietatis
Ut det ci munus fari sic incipit unus;
1120 Serve Jesu Christi scis quod puer ipse fuisti
Et tune lusisti cum presule sicut et isti
Tune letabaris modo lege dei meditaris
Non irascaris quod adhuc puer esse probaris
Nec sit tibi durum puer es quod cor tibi purum
Tune puer etate puer est modo siinplieitate
Ergo dare pueris non parvula dona teneris
Forsan ova dare veiles sed quid saciare
Posset eos ovis plus prestas munere quovis
Si das argentum da marcam sive talentum
1130 (20. b.) Si nimis esse putas et eis dare tanta refutas
1102. Hic dicit de mulieribus que eciain veniunt cum suis funeribus.
1111. Hic dicit de scoluribus qui etiam veniunt cum suo episcopo poseeutes munera.
Sil/,1», d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. III. Hft. 15
224
C. Höfler
Fac quod sit levius tibi detur in arce poli jus
Da vinum si vis puerorum dat tibi quivis
Quinque pater et ave quod te deus eruat a ve
tnsuper hunc versum retinebit pectore mersum
Quem tibi quotidie puerum venerando marie
Dicet voce pia deus et sacra virgo inai'ia
Istius abbatis animam conjunge beatis
Hac prece vietus ita facit abbas queque petita
Proposito freta fit turba scolastica leta
1140 Laudant abbatem magnamque suam probitatem
Ad postesque foris decantant carmen honoris
Salve regina sequitur benedictio trina
Pontificis pueri gressuin placet inde moveri
Mores istorum simul et ludum puerorum
Non descripsissem nisi jussus forte fuissem
Talis elaustrorum mos est et ritus eorum
Que sunt istorum sub distrietu dominorum
Non est jam miles qui pugnat vcrbere viles
Fit scelus impune stringatur faux sua fune
1150 Ex culpa cujus vigor est discriminis hujus
Istius sceleris quisquis reus esse videris
Errorisque pater vellet deus ut tua mater
Portavit que te portasset gravida cete
Sanetiquid facitis qui res nostras ita seitis (sinitis)
Turpiter expendi jam jam foret hora loquendi
Dicite summe pater nos omnes et tua mater
Conquerimur dure de nostro presule l'ure
Iinmo latrone qui deterior pbaraone
(21. a.) Angarians clerum jacet in sinibus mulierum
1160 Hie fuit electus non propterea quia rectus
Ex meritis suorum sed quia eanonicorum
Donis nummorum pervertit corda suorum
Et teilet eeclesie regimen vitio symonie
Iinmo nee attendit quod spiritualia vendit
Nee solet absque dare clerum vel templa sacrare
Et neque baptisma confert gratis neque crisma
Sed per nutnisma fidei parat undique scisma
1148. Hic inalcdicit euin in cujus cul|ia tulia filmt.
1154. Hic invehitur autor contra sanctos qui permittunt quod episcopi diversa inala
faciuut.
Carmen hifforicum occulti autoris.
225
Devorat et potat natam cum conjuge dolat
Criste tua dote reputans quasi pro nihilo te
1170 Pro grege non orat qui vana laude laborat
Missam non cantat castrensia menia plantat
Militis arma gerit que sunt sua non tua querit
Armiger in castris non curat quid sit in astris
Nunquam reumat non discordes coadunat
Sed discordare facit et lites renovare
Non niulcet Hentern non consolatur egentem
Non vestit nudum sed amat cum tessera ludum
Que per eum datur elemosina nulla videtur
Attendensque parum minuit decus ecclesiarum
1180 Et si plura pelas falsas jubet esse monetas
Lucraturque satis de nummis falsificatis
Et si vis scire patitur tua claustra perire
Nec curat quales inonaclii sint aut moniales
Visitat et poscit ab eis quos esse reos seit
Munera vel nuinmos Non talis erat veterum mos
ln feria quarta quiequid mandat sua carta
Vel cuicumque datur feria quinta revocatur
(21. b.) Magne campane non clangunt a modo mane
Undique per villas quia fregit episcopus illas
1190 Ergo Jesu Christe dicas quod episcopus iste
Pro meritis vadat quod eum male passio radat
Alter succedat qui te dominum fore credat
Pluraque de laycis mala rex ulciseitur si scis
Sed quid scribetur super ipsum si morietur
Quod sibi debetur in promptu carmen habetur
Hic eampanarum raptoris Corpus avarum
Est subterratum cujus miserabile fatutum (sic)
Nullus hoino ploret nec pro requie precor, oret
Sint pro campanis sua viscera reddita ranis
1200 Quoque potest pejus ibi vadat Spiritus ejus
1168. Dicit quod quidam episcopi dotaat uxores suas cum patriinonio Chi isti.
1171. Et quidam edilicant castra.
1180. Dicit quod quidam falsifioant deuarios.
1183. Quidam visilant et non corrigunt et pro excessibus acoipinnt munera.
1188. Hic dicit quod quidam extorquent majorein campanam a qualibet ecclesia in sua
dioeesi.
1197. Ephitafium.
15*
226
C. H ii f I e r
Sic quod in eternum non egrediatur avernum
Fratres quid facitis qui rura domosque peritis
Cur non arguitis ea que fieri mala scitis
Est sermo vester semper de Judit et Ester
De mardochco de symone vel fariseo
Post de Zacheo vel natis ex Zebedeo
Aut ex alpheo de symone sive tadeo
Nunc de Tobia de Bersabee vel Uria
Et modo de David qui Goliam superavit
1210 Nunc de Zuzanna modo quo fleverit Anna
Quando deus celi dedit exortum Samueli
Nunc est area noe nieostrati modo Zoe
De Cayn vel Abel aliquando de Zorobahel
Et modo de dyna modo de saneta Katherina
Nunc de sampsone de rege modo salomone
Vel de nerone vel de dyro pharaone
(22. a.) De lyppa lya vel de peccante maria
Nunc de rachele modo de sancto micbaele
Et modo de yetro vel apostolico duce Petro
1220 Nunc de fistella Moysi balaan vel asella
De Jacob stella vel de pugnante puella
De cristo nato vel de stefano lapidato
De Christi pannis de virginitate Johannis
Et modo de pucris vel ameno tempore veris
De eristi cunis de regibus atque tribunis
Nunc ubi messias vel ubi sit enoch vel elias
De lepra naamen vel quis suspenderit aman
Nunc de candelis de celornm modo eelis
Rursus de palinis de davidicis modo psalmis
1230 Nunc de morte dei nunc de cute Bartholomei
Nunc de franciseo de baptista modo diseo
Et sicut seitis aliquando de ninivitis
Et modo de papa quod pluribus est quasi rapa
Nunc de pontifice modo de raab meretrice
Et modo de penis inferni sive cathenis
Vel de tormentis vel de libro sapientis
Ista satis constant presentia tempora monstrant
1201. Avernus est iilem quod infernus et componitur ab a quod est sine et ver veris.
i2.01». Hic invehitur contra predicatores et minores pro eo quod non corrigunt aliquos
per verba sua.
Carmen historicum o c cu 11 i autoris.
227
Sieut preterita quod plui'ibus est mala vita
Ergo boni fratres quos mundus habet quasi patres
1240 Hoc attendatis et quando vetus recilafis
Admiscite nowum vel sermo vix valet owum
Dico novum quod heri vel cras contingit haberi
Pape dicatis precor intuitu pietatis
Quod stat in ecelesia jam multiplex simonia
Et mala quam plura que sunt fidei nocitura
(22. b.) Que si durabunt eclipsim forte creabunt
Dieatis Regi non fac contraria legi
Cum sis augustus debes judex fore justus
Si faris injuste wlt precipitare deus te
12S0 Sieut per David regem Saul precipitavit
Dicite sie miserum cur rodis episcope clerum
Cujus tu pater es et quem tu jure foveres
Cur exempla hone non aeeipis in pharaone
Tu gregis es tutor tu pastor es iste secutor
Qui sic pecearet famamque bonam macularet
Deberet legere psalmos commissaque flere
Et jejunare non denarios numerare
Dicite prelatis cleri cur tarn male statis
Pro grege commisso quod ei locus est in abisso
1260 De vestris certe manibus queratur aperte
lllorum sanguis quos trux modo wlnerat angwis
Tune bene velletis totum tempxis quod habetis
Recte dixisse gregi in curaque stetisse
Dicatis monacho quod non veneri neque bacbo
Debet inherere nec quid proprium retinere
Et mala deflere crebroque legat miserere
Dicite converso non debes lumine verso
Pergirare forum quia sepe nephas oculorum
Provenit ex causa sint ergo lumina clausa
1270 Vel bene depressa si sis reus amodo cessa
1243. Hic dicit quomodo predicandum sit domino pape.
1247. Qualiter regibus.
1252. Quomodo prelatis cleri.
1258, Quomodo plebanis et rectoribus ecclesiarum.
1264. Quomodo monacbo.
1267. Qualiter converso.
22S
C. H ö f 1 0 r
Dicite sincere fuge clerice de muliere
L T t ealidam pieem sie exhorre meretricem
Qui missam dicis post amplexum meretricis
Ibis ad antra stigis quum Christum crucifigis
(23. a.) Dicite voce pari fugitiuo forte scolari
Profice scribe stude Sed non cum tessera lüde
Forsan adhuc flebis et toto corde dolebis
Qui modo lusisti ludensque parum didieisti.
Dicite Regine soror esto domi quia dyne
1280 Si clam sedisset, non vis illata fuisset
Sed nee adhuc fleret quod virginitate careret
Dicite de Roma quod ibi fidei sit aroma
Dicite de Roma quod ibi sint aurea poma
Hoc ego non credo quiajam qunter inderecedo
Et si vidissem duo vel tria mecum tulissem
Sed tarnen est verum quod pnpa potens ita rerum
Diviciis pollet quod si desistere noilet
Quolibet ex ere posset bene poma tenero
Quatuor aut quinque nam cito inusa relinque
1290 Dieior est ille quam si sint inillia mille
Sexagenarum nec credas hoc fore rarum
Ipse quod nulli dat et totus mundus ei dat
Auctori gwerre domino sic dicite terre
Tu cum sis princeps uoli butnbare deinceps
Nec colafis cedi debes nec histrio ledi
Nec. profer verba veluti lactator acerba
Ingrati sed erunt qui talia te docuerunt
Cur ex liiis lectuin prccioso stemmate tectuin
Spernens augustam mulierem laude venustam
1300 Pulchram fecundam sine quovis crimine mundam
Natam magnifici quondam divi Friderici
Et petis ancillam slupro quoque polluis illam
Doferri monlc Konegundis adultcra non te
(23. b.) Fallere deberet pueros licet ipsa teueres
Conceptos a te pariens sub virginitate
12.71. Qualiter clerico seolnri preshytero.
127;>. Qualiter studenti.
1280. Qualiter Reyii»e.
1280. Qualiter de lloma.
1204. Qualiter lnngrnvio.
Carmen historicum occulti autoris.
229
Umlc nee immerito scelus hoe factum tibi scito
Nu per ut audivi quod regis filia divi
Init te spreto saltum faeiens pede leto
Ad natale solum te dimittens quasi solum
1310 Ve! quasi despeetum non curans a modo lectum
Sive tuum fedus nee ad illius oseula fedus
Debes admitti seelus boc tibi posse remitti
Et vivas munde cum predicta Konegunde
Quam das nature juvcnem quo nescio jure
Taliter insignit pueros quod non tibi gignit
Sicut gignebat cum tanquam virgo latebat
Disee bonos mores imitare viros seniores
Non bodie iures quod cras infringere eures
Sint tibi melliti sermones et redimiti
1320 Non ineompositi sed honesto more politi
Et fae ut terra tua sit penitus sine gwerra
Pacem sectare vel non potes a modo stare
Tune eris il 1 us tris si non sis sorde palustris
Tune eris insignis si vertis terga malignis
Tune eris excellens fueris si noxia pellens
Tune eris eximius si res non tollis alius
Tune eris egregius si vis sine fraude sequi jus
Mce desistatis sed quo cepistis eatis
Et rogo dicatis ab eodem principe natis
1330 Quod patrisare caveant nee degenerare
More velit patris sed per vestigia matris
Vadant directe vivendo per ornnia recte
(24. a.) Ut sint veraces nee ventre nee ore voraces
Nee sint incesti, sed honesti sive modesti
Pacem seetantes demum numen amantes
Hoc ctenim numen dat ad imperiale cacumen
Scandcre paetatis jungens post fata beatis.
Dicatis comiti quod toto robore niti
Debeat ut jura (rura) sua pacem sint habitura
1340 Nobili b us que viris sub verbis dicite diris
1309. Hie dieit quid de recessu lilie Imperatoris a Langravio viro suo.
1318. Hic hortatur euni ad lionestatem.
1329. Quoniodo predicandam sit liliis Langravii.
1339. Qiialiter comiti.
230 C. Hofier
Quod cum peccatis jus perdant nobilitatis
Perquo mundanos moros servis sint deteriores
Dicite tu miles bene fac et corrige viles
Dicite sic illis qui dant incendia viilis
Quam sunt sanctarum lesores ecclesiarum
Qui non indigne tormentabuntur in igne
Dicite tu raptor qui pauperis es modo captor
Dico tibi vere quod per satanam capiere
Et per eum victus pacieris fortiter ictus
1380 Dicite tu latro qui tempore noctis in atro
Sive die claro fraterne cedis amaro
Sanguine pollueris tu morte mala inorieris
Sanguine potabit te de modo et igne cibabit
Dicatur furi quod debet in ignibus uri
Pro modicis rebus multis sine fine diebus
Dicite prefecto quod judicet ordine recto
Dicite preconi quod ad infernalia poni
Debet tormenta donec det mille talenta
Que si forte daret stix non minus hunc cruciaret
1360 Dicite tu civis auditu percipe si vis
Quamvis sis dives non semper et ut modo vives
(24. b.) Quando minus credis de mundi luce recedis
Nec poteris scire qua res tua debeat ire
Ut vetus ordo jubet: alii mulier tua nubet
Qui modo carorum tibi victricus est puerorum
Hec res absque mora quas longa condidit hora
Distrabet expendet agros et predia vendet
Dicite vendenli diversas res et cmenti
Quod male non iurent ncc quemquam fallere curent
1370 Et quod ab usuris caveant quoniam vice muris
1343. Quaiiter iiobilibus et baronilius.
1343. Quaiiter militi et iucendiariis villarum.
1347. Quomodo raptori.
1331. Quaiiter latroni.
1335. Quomodo furi.
1336. Quomodo perfecto et preconilm.s.
1337. Quaiiter civi et qui sunt in civitnte.
1364. Quaiiter mercatori.
1368. Quaiiter cauponi.
1370. Quaiiter rustico.
Carmen historicum oc cu 1 ti autoris. 231
Istud corrodit animam scelus et deus odit
Dieite cauponi quod faux stat aperta draconi
Per quam transibit et nunquam forte redibit
Dieite villane tu debes surgere inane
Et nigro pane contentus vivere sane
Servis diealur deus est. qui predominatur
Huie bene non servit qui contra jussa protervit
Sed quid dicelis mulieribus ecee videtis
Quod wlgus miserum nimis insanit mulierum
1380 Hiis rogo parcatis et eas blandis foveatis
Ne confringatis vas magne debilitatis
Nam genus est terre quod non wlt gramina ferre
Et plus seviret si rem vetitam sibi sciret
Ewa datur testis cujus turpissima pestis
Pullulat et fernere latet in quavis muliere
Excusare parum libet has et scelus earum
Cum natus vere sit quilibet ex muliere
Quis proprie matris defeetum dentibus acris (atris)
Amaverit prodi vel inepto carmine rodi
1390 Sexum tarn fragilem sensu vel corpore vilem
(2S. a.) Fortem fecisset dominus bene si voluisset
Dieite p 1 e b a n i s stultis simul atque prophanis
Qui cantaverunt cum majores tacuerunt
Quod peregrinentur ncc inhac magna urbe monentur (morentur)
Fiat de pace cum lingwa sermo procace
Pax est ad celos homines qui reddit anhelos
Pacis amatores sunt in celis ineliores
Paci divine deus addat nos sine fine
Pacem da Christe quam mundus non habet iste
1400 Pax quid fecisti quod terras deseruisti
Pace relegata non sunt bona cetera grata
Pluralem numerum semper sitit ars mulierum
Ex hoc offensi vehementer si bene sensi
Omnes grammatici vetuerunt nuptia dici
In solo numero placati postea vero
1372. Qualiter servo.
1379. Qualiter mulieribus.
1392. Qualiter plebanis qui celebraverunt in interdicto.
1396. De pace per omnes casus.
1403. Hie dat causam quarum (sic) nupeie earum carent singulari numero.
C. IJ »fl e r
Concessere tarnen mulieribus ad rclevamen
Totum plurale cum sit scelus hoc veniale
Regula grammatica quis dicet quod sit iniqua
Que dedit huc usque quod pax et vita salusque
Deberent numeri tantum solius haberi
Cum videat quisque quod et armis insidiisque
Credo nimisque (minisque) datus numerus sit multiplicatus
Nonne futurorum sunt hec docuinenta malorum
Ut de pace parum foret et plus insidiarum
Nonne minis trita presens fit undique vita
Nonne salus bominis perit armis alque rapinis
Yos qui grammaticam tractatis sicut amicam
Hoc rogo mutetis paci pluralia detis
Ut simus tuti detur plurale saluti
1420 (23. b.) Vitas dixeruntjam qui sacra scripta dederunt
Et declinetis ea que nocitura videtis
ln numero solo quod sint pluralia volo
Immo preoptarem si defectiva notarem
Sic quod non. essent vel quod breve tempus adessent
Nam si pax esset homini nil prorsus obesset
Et si secui'e possem requirere rure
Tune ego pro Roma dare non veilem duo poma
Quid mihi tune castra quid celum sive quid astra
Nam celo simile foret unumquodque cubile
1430 In quo gauderet homo nee de morte timeret
Eya ponatur quod pax firmata feratur
Undique per terras, quod nullus amodo gwerras
Quisquam formidet hec terra libens homini det
Optatus (optatos) fructus et nec clamor neque luctus
Aut dolus aut mala mors sit sed bona cuncta ferat sors
Vitaque fine carens undatque quod huc fuit Erens (sie)
Quis tune appeteret celum qui forte pateret
Credo quod multi sint in terris ita stulti
Propter dulee melos qui nollent scandere celos
1440 Isti deli rant et non nisi terrea spirant
Visio sola dei dulcisque sue faciei
Que semel audistis preponderant omnibus istis
232
1410
1409. Inveliilur autor contra grainmaticos qui dixerunt quod pax vita et salus non
haberent pluralem nuinerum et arma, insidie et mine carent singulari numero.
14‘i7. Itomam ponit pro qualibet civitate.
1441. Hic dicit quod omnia bona que exoptari possunt, nihil sunt in comparacione so
lius dei visionis.
Carmen historicum occulti autoris.
233
Hunc qui cogiloscet fortassis vivere posset
Ad cognosccndum [amen hunc et rite videndum
Ista requiruntur que post hec scripta leguntur
Primum recta fides quam tu pater ahne mihi des
Spes et verus amor oceultus ad ethera clamor
Et mens sincera cordis compunetio vera
(26. a.) Et peccatorum eonfessio fons oculorum
1450 Effundens lacrimas os promens leyson et ymas
Dextera non parca que det quidquid sit in areha
Et earo non lubrica, cor mundum, vita pudiea,
Ista solent horuinem post vite ducere finem
Ad regnum cristi cui über ab online tristi
Semper inherebit et eum sine fine videbit
Et nos tendamus illuc simul et veniamus
Hic pater hie natus utriusque det hoc quoque flatus.
IV.
Quid plus dicetur nisi quod de jure meretur
Urbs Erfordensis quod eam non terreat ensis
1460 Intus et exterius hoe plenum cedit ei jus
Inter magnifieas urbis et pacis aniicas
Ilic est claustrorum sifus optiinus et monachorum
Vita deo grata quia vivit labe fugata
Hic sunt prelati . diversa sede loeati
Recte viventes domino populoque placentes
Sunt ibi magnorum duo eetus canonicorum
Terlius est pregnans quem proveat ethere regnans
Digne laudari quia quidam sanguine clari
Quidam grammatici quidam probitatis amici
1470 Quidam stellarum eursus et tempus earum
Explorare sciunt et cur bona vel male fiunt
Quidam metrorum prefulgent dogmate quorum
Laus non est minima sed erit me judiee prima
Quidam cordarum tactu mulcent cor amarum
Quidam cantare noverunt gamma ut are
1469. In ista quarta distinctioae autor describit statuin civitatis Erfordie et primo
incipit a locis et personis ecclesiasticis.
1467. Dicit de canonicis.
1468. Hoc dupliciter iiitelligitur, aut de sacro fonte aut de ecclesia S. Martini.
234
C. Höfler
Quidam dictare quidam causas agitare
(26. b.) Aut mensurare vel per cifras numerare
Et decretistas speculabere quisquis ibi stas
Aut oratores quod mundus habet meliorcs
1480 Omnes devoti de quavis labe remoti
Quid moror istoruin quivis est canonicorum
Dignus episcopio nec in hoc mendax ego fio
Vir bonis atque nialis ibi dieitur officialis
Et judex cleri quem de libramine veri
Cum marcis mille non flecteret iste vel iüi
Instar habens ferri non wlt per devia ferri
Nec wlt mutari sed jus semper imitari
Non babuit talem locus hactcnus offieialem
Est ibi Kaffata prebens spectacula grata
1490 Est ibi magnorum cetus fratrumque minorum
Laude viri digni qui sancti flanuninis igni
Sunt inflammati christoque per omnia grati
Doctores fidei quibus est virtus Elizei
Duplex concessa nam mortis wlnere pressa
Corpora dant vite cupientes Christe sequi te
Nudum nudati morientem mortificati
Cecis dant visum lingwa reserant paradisum
Surdos audire faciunt claudos resilire
Dantque loqui mutis semen spergendo salutis
1800 Lepra conspersos sacre medicamine tersos
Ineolumes sistunt et argenti prava resistunt.
Quamvis istorum sollertia magna virorum
Current (sicj langwores et pellent quosque dolores
Urbibus et villis tarnen est specialiter illis
Donuin concessuin quod gyppi pondere pressum
(27. a.) Aut incurvatum facta cruce dant relevatum
Ex virtute dei gipposse congeriei
1484. Dicit de officinli.
1490. De Kaffata.
1491. De fratribus predicatoribus et minorihus quomodo dominus operatur quotidie
signa per eos.
1495. Mortui sunt qui in mortaji peccato mori pi-esumunt.
1498. Surdi sunt qui denn) vocantem audire contempnunt.
1500. Leprosi sunt qui variis criminihus sunt maculati.
1504. Claiuli sunt qui viam justieie non ambulant.
Carmen historicum o c c u 11 i autoris.
235
Massa cohortatur ita quod tumor anihilatur
1510 Sepius hoc signum solempni carmine dignum
Multi viderunt isto qui in orhe fuerunt
Mox cameloruiu turgentia dorsa eoi'um
Quos fecere tarnen per acus transire forainen
Omnes peccantes rcputantur febricitantes
Et locupletati gipposi sunt reputati
Sed si turgeret alicui nimiumque tumeret
Bursa viro posset hos sanctos dummodo nosset
Exhonorare quidem se se si vellet ibidem
Horum doctrina peecantibus est medicina
1520 Et reor hiis vere mundum non posse carere
Qui si non essent nec verba superflua cessent
Sic quod nesciret hominum genus omne periret
Quisquis es ergo scias hii sunt Enoch et Elias
Sunt antichristi tanquam plures quibus isti
Contradicentes obsistunt vera dicentes
Augustine tibi duo possunt hec loca seribi
Religiosorum fratrum vel canonicorum
Hos oblivisci non possum nam proficisci
Restat ad alterutrum sed nescio verius utrum
1530 ' Me foret hunc mea sors aut illuc sis procul o mors
Donec peccata mea purget vita beata
Me tarnen Henricus quidam specialis amicus
Sic trahit et traxit ut in hoc dubio mihi pax sit
Sint et ibi Scoti qui cum fuerint bene poti
Sanctum Brandanum proelamant esse decanum
(27. b.) ln grege sanctorum vel quod deus ipse deorum
Bradani frater sit et ejus Brigida mater
Sed vulgus miserum non credens hoc fore verum
Estimat insanos Scotos simul atque profanos
1540 Talia dicentes attcndant scire volentes
Ex evangelico textu probo quod tibi dico
Qui non delinquit sed si perfecerit inquit
Veile mei patris illum voco nomine fratris
1526. Hic autor dicit quod Benins Augustinus luibeat ibi duos conrentus et quod ipse
velit transire ad alterum iliorum.
1534. Dicit de Scotis.
1540. in Matheo iegitur, quicunque fecerit voluntatem patris inei ipse meus pater»
frater etc.
236
C. Hofier
[inmo mens frater est et soror et mea mater
Sic sancti quique qui regnant hie et ubique
Et possunt fratres Christi simul et fore matres
Si non ignores potes has dixisse sonores
Sic Brigidam matrem Brandanuin dicite patrem
Restat adhuc nova res. Ibi sunt puto m i 11 e s e o 1 a r e s
iSSO Ex liiis sunt aliqui truffatores et iniqui
Tessera ludentes in fraude doloque sludentes
Discere nolentes tantuminodo nomen habentes
Tales seducunt alios et ad improba ducunt
Et fiunt plures de eursu tempore fures
Quidam proficere bene possent si removere
Vellent torporem (sed) demumque ferne laborem
Nee studere possunt aliquando rüdes quasi bos sunt
Tales esse pares tactis ego credo seolares
Qui prandere volunt pisces sed prendere nolunt
1860 Quid faciet talis si forsan presbyterialis
Ordo negetur ei confusio fit faciei
Discat pulsare vel sacre serviat are
Sit campanista qui noluit esse sophista
Quidam sunt ylar.es ad queque legenda seolares
(28. a.) Hiis que dicuntur vigili mox aurc bibuntur
Nec cito labuntur memori sed corde teruntur
Hic sine pane sustentant Corpus inane
Surgentes mane non ducunt tempora vane
Hii de fonte bibunt et synkathegreumata (sic) seribunt
1570 Fontem quotidie sicientes philosofie
Nocte dieque pari non desistunt operari
Horum doctores posuissem jure priores
Ut pote majores nec in hoc sunt deteriores
Nam puto non esse servetur ut ordo neeesse
Hic Hunt tales quod ad ecclesias kathedrales
Prelati dantur et episcopio decorantur
Quidam prepositi videntes pectore miti
Quidam plebani quidam fortasse decani
1Ö49. De scolaribus quos distinguit in trin genera.
1552. Primo de hiis qui sunt lusores et non vadunt jjd scoias.
1555. Secundo dieit de illis qui vadunt ad scoias et nihil proficiunt.
1564. Tercio de illis qui Student die et nocte.
1574. De Magistris et bonis scolaribus.
Carmen historicum occulti autoris.
237
Quidam canonici quidam virtutis amici
1580 Quidam romipete quidam fortasse poete
Quidam magnorum scriptores sunt, dominorum
Quidam lectores magnosque secuntur honores
Sunt ibi sanctarum duo conventus dominarum
Tercius cst extra quem Christe tua rege dextra
Sunt ibi multarum rectores ecelesiarum
Ut puto bis deni virtutis aromate pleni
Exceptis paucis quos esse pares reor aucis
Sunt ibi begine quarum numerus sine fine
Quedam perverse quedam vivunt bene per se
1590 Ex hiis sunt quedam que nee turpem neque fedam
Rem cupiunt scire sed ad ecclesiam übet ire
Missas audire sincero corde redire
Missa completa sic vivunt menle quieta
(28. b.) Tanquam claustrales ctenim velut estimo taies
Plus commendantur quem que sub elave serrantur
Quamvis absque nota domino reddant sua vota
Proficiunt plusquam si starent jugiter usquam
Aite cantantes modicumque boni meditantes
Quamvis nempe die miseris sub honore marie
1000 Mundo corda data sit ab hiis elemosyna grata
Jejunant vigilant et lanea stamina filant
Et mala deplorant sic noete dieque laborant
Ocia vitantes et que bona sunt operantes
Cras hodie vel eri non eessant probra fateri
Fratribus et nudis verbis cum fletibus udis
Sompnia nocturna recitant vel facta diurna
Quamvis sit ramm tarnen accidit hoc quod earum
Quedam ducuntur extra se vel rapiuntur
Ut videant Christum vulgus j ub ilu m voeat istuin
1610 Sunt alie quedam de quarum moribus edam
Que quasi matrone sub falsa religione
Ocia sectantur et per loca queque vagantur
1584. De eonventibus sanctarum munialium.
1586. De plebanis tocius civitatis qui omncs sunt probi exceptis paucis.
1S89. De beginis quas distinguit in iluas partes et priino de bonis matronis.
1602. De elemosyna beginarum.
1608. De confessione beginarum.
1611 De jubilo beginarum.
Horrentes fusum discurrunt undique lusum
Nunc adeundo forum modo claustra petunt inonachorum
Et quinque (sic) torum malus est jocus ille sororum
Nunc currunt ylares ubi norunt esse scolares
Corpore formosos vel natura generosos
Hic declinare discunt et metra parare
Sed neque spondeum curant nec habere trocheum
1620 Tercius ancillis tantum pes coinpetit illis
Hic bene si recolo cudunt pede carmine solo
Istarum pueri ponuntur ad boslia cleri
(29. a.) Seu penes ecclesiam de stantibus hic aliqui jam
Nupor viderunt quod ibi tales jacuerunt
Dissimulare tarnen nolo nec reputare gravamen
Hic ut vitetur quod turpius esse videtur
Nain quedam matres nolentes prodere patres
Demone suadente scelus hoc nulloque vidente
Aut frangunt colla pueris natis vel in olla
1630 Fluctibus immergunt et sic ad tartara vergunt
Matres cum pueris quos tu pater ipse sequeris
0 si signaret matrein puer aut macularet
Sanguineo rore sic quod perfusa cruore
Contraheret signum puerili pro neee dignum
Quo fieret mundo notissima sicut irundo
Sunt et ibi medici duo de quibus audeo dici
Quis neque majores sunt usquam vel meliores
Hii duo sunt tantejprobitatis quod nihil ante .
Suadent egrotis donec sua termina vocis (crimina votis)
1640 Supplicibus purgent quia crimina forcius urgent
Et pro peccato jacel eger sepe grabato
Ut sie ccssante causa cristo mediante
Ccsset et effectus et cum fuerit leve pcctus
Crimine purgato mox tendunt ordine grato
Corporis ad curam febremque curant nocituram
Plus tarnen liiis laudis confert quod nescia fraudis
Yirtus ipsorum sitit mores aliorum
1614. Ilic prosequitur de inatronis beginis.
1624. De infantibus beginnrum.
1664. Hic facit mcnlionem irundinis que cum occiderct pullum suum contraxit macu-
lam rubeam sub gutture.
1668. De duobus medicis pocioribus.
Carmen historicum oc cul ti autoris.
239
Premia non poscunt quia quosque probos bene noseunt
Inde fit ut datur hiis plusquam si peteretur
1650 Sunt et adhuc inedici plures quos non ita dici
Audeo subtiles nee eos tarnen estimo viles
(29. b.) Hü duo primatum de jure tenent quia gratum
Immo peroptatum prestant eunctis lamulatum
Sunt ibi camp a ne quos sepius audio inane
Et puto quod feslum sit tune est funus honesfum
Si quis adit vel abit vel in urbis climate vadit
Si campanarum latet hunc sonus boc puto rarum
Est ibi prefec tu s justus judex homo reetus
Cujus preeones vigilant cum fure latrones
1600 Nee desunt equites qui composeunt ibi lites
Sed mercatores sunt militibus pociores
Nam qui mereantur bene mi 11 e viri memorantur
Est ibi multorum locus offieiumque fa b r oriira
Precipui quoruin sunt fa bri denariorum
Nam eum rex summus sit in isto tempore nummus
Nummi factorem quis rege negat pociorem
Post bos ex auro facit alter cornua tauro
Vel jubct argentum proferre monilia centum
Alter ab ere rudi wit tintinabula cudi
1670 Vel parat ex stagno quod stans lupus invidet agno
Sive monile cupri quod emit rea fernina stupid
Iste parat scutum gladium parat alter acutum
Alter cultellos magnos facit alque tenellos
Deformes ebetes scurram voret obscecro letlies
Qui de cainpanis de eultellisque profanis
Illusit metro posuitque repagula retro
Iste parat frena quibus est annexa catena
Claves atque seras et si calcaria queras
Ex bis tale forum faeiet tibi turba fabrorum
1080 Quod qui mercaris velud invenisse probatis
1652. De aliis medicis qui inulti sunt.
1656. De cainpanis.
1660. De prefecto et preeonitius.
1666. De militibus et de mercatorilms.
1668. De fabris et primo de monelariis.
1676. Versus cujusdnm scurre cultellus viiis est in Erfordia nimis Et hone cnmpane
clericus repitgulum ante.
Sitz.li. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. III. litt. |(j
240
C. II ö f I e r
(30. a.} Sunt ibi textores qui nolunt esse minores
Immo primatum per ineptum sepe boatum
Obtinuere prius si sic sit in vrbis alius
Menibus ignoro quod si numerare laboro
Exeedunt numerum fuit tina forte dierum
Ante fores urbis armatus non sine turbis
Prineeps Tizmannus puto quod sit tercius annus
Suecendere villas jussit volilare favillas
Undique per gyrum sed quis negat hoc fore mirum
1690 Quod tune armata textorum concio grata
Quosdam prostravit aiios et ab urbe fugavit
Carnificum fortem quis ibi negat esse cohortein
Qui pccorum mortem crebro faciunt sibi sortem
Bos peeus vei ovis vitulus eapra tempore quovis
Ut manducetur aput illos invenietur
Sunt ibi carpente quorum sunt arma duecnte
Vel paulo plures wlgo numerante secures
Alter opus rarum facit ad decus ecclesiarum
Alter multarum componit frustra rotavum
1700 Iste novam sedem parat, alter construit ödem
Iste camenatam facit ad bona commoda gratam
Alter privatam pro commodante locatam
In veteri gasa feeit alter lignea rasa
Alter carrucas ut in biis nova vascula dueas
Iste parat sportas olus in quibus aut pira portas
Iste parat cistas ut multas servet arislas
Alter balistas quas nudus homo fuge qui stas
Alter presepe quod equis erit utile sepe
Iste parat spondas ubi langwida membra reeondas
1710 (30. b.) Iste crocum tornat vel candelabra perornat
Hie eampanile pulchrum facit ille sedile
Alter subtile parat in sua tecta stabile
Iste parat blidam eomiti quod grave cuidam
Horum mercedem quicunque novam struis edem
Experire satis quod nil faciunt tibi gratis
Cerd onu m turbe sunt hac ut opinor in urbe
Non modiee laudis quia gens est nescia fraudis
1690. De textorihus qui semel fugfiverunt jurenoin Langl'nviuni.
1694. De earuificibus.
1697. De diversis carpentariis.
Carmen historicum oc c ul ti autoris.
241
Sunt procul a dignis precor hostis et ensis et ignis
Sunt ibi eartarum rasores wlgus avarum
1720 Quod non attendit sed per mendacia vendit
Jurans subtile quod sit super omnia vile
Cartam presentem non dixit esse fluentem
Inimo juravit per eum qui cuneta creavit
Que sie detluxit quod litera testis adhuc sit
Hiis nil do laudis quia plenos sencio fraudis
Si inihi confidis urbs non vacat a iapi ci dis
Qui quando murant nibil aut modicum quasi curant
Sed dant in muri medio sua coinmoda muri
Sunt ibi se ri p t o r e s quibus attribuuntur honores
1730 Sunt ibi qui pell es vel vellera qualia vieltes
Si precium desit vir dummodo non sine re sit
Si petis ostendunt et pro precio tibi vendunt
Pelles vel pannum solvendi ternpus etannum
Hie indulgetur sie mos communis habetur
Wlgus calci ficum me non reputabit amicum
Quod quasi finales sunt hie in codice tales
Isfa fuit causa quia gens rea criminis ansa
Crcbro defraudat homines et vilia laudat
(31. a.) Et quasi caprinum secularcm vendit ovinum
1740 Jurans ifcinum vendens quemque caninum
Sunt ibi sartores quorum manus adderc flores
Novit ut in veste pietura rotelur boneste
Sunt ibi pictores alii pro mille eolores
Qui divcrsarum processus materiarum
Condueti pingunt et menti gaudia fingunt
Egris et sanis qui competit est ibi panis
Et nigra cerevisia per quam nova philozofia
Quando gustalur in corde viri generatur
Quem langwens stomachus desiderat est ibi baehus
1750 Est et ibi medo quo me quociens bibo, ledo
1718. Oe eenlonibus.
1721. De pergamentariis quos nrg-uit pri
1725. Oe lapicidis ct muratoribua.
1729. De scriptoribus.
1730. De pel liliclbus.
1737. De sutoribus.
1744. De sartoribus.
1746. De pictoribus.
1749. De paue et cerevisia.
eo quod dederunt sibi fluens pergamenum.
10'
242
C. FI ö fler
Nam sua dulcedo febreni general mihi credo
Sunt ibi burgenses qui cultros ferre vel enses
Prorsus non eurant sed prius federa jurant
Wuper Wolradi presumpeio pessima eladi
Fecerat esse viam quem centum pene viri jam
Concomitabantur qui veile nocere probantur
Hunc velud insulsum cives et ab urbe repulsum
Mox ejecerunt coneorditer et statuerunt
Ad finem mundi non esse viam redeundi
1760 Huic presumptori qui derogat urbis botiori
Insuper ut manis (sie) sit pacis in urbe sua vis
Archibcrnlierus sic et suus assecla clerus
Hunc quasi latronem qui novit sedicionem
StnIto conflietu ferunt anathematis ictu
Et sic e.st clausa presumpeio tale quid ausa
Forsan adhuc querat aliquis qui nescius heret
Quis consul sit ibi nec est leve talia scribi
(31. b.) Res est dura salis nimis importans gravitatis
Nam non est unus ibi consul sive tribunus
1770 Immo sunt multi qui non pueri sed adulti
Consilio pollent et jus infringere nollent
Pro toto mundo credo quod in orbe rotundo
Non sint hiis similes quamvis ad agenda viriles
Justi perfecti quos non a tramite recti
Flectit amor rerum sed in una quaque dierum
Pro vigili cura pensant que sunt nocitura
Vel que prodesse possunt creduntque necesse
Emendare forum quia semina prima malorum
Ex hoc nascuntur quod veile suo pociuntur
1780 Panum pistores panes faciendo minorcs
Quam fuerint ante quia forte fame stimulanle
Wulgus in autores sceleris ruit et pociores
Aut interficiet aut cedes maxima flet.
Hoc cavet istorum prudencia magna virorum
Nam mittuntur ab hiis in qualibet ebdomade bis
1751. De medone et vino.
1755. De presumpcione Wolradi.
1765. Dicit quod Arcliiepiscopus fecit Wolradum excommunicare.
1770. De consulihus.
1785. Dicit quomodo consules mittunt bis in septimnna ad forum et dant duos panes
pro nno nummo quorum unus valet unuin.
Carmen liistoricum occulti autoris.
243
Expioratores qui si fortasse minorcs
Quam decct esse, vident turbantur denique strident
Clamantes turba wlgi que degit in urbe
Et dant tale forum populo quod quilibet horuni
1790 Unam nummatam de pane refert duplicatam
Et sie placalur wlgus quod non qoerulatur
Hoc quoque si fieret de.potu cuique plaoeret
Sed per eos regitur bec urbs quod non reperitur
Vel für nocturnus in ea vel lalro diurnus
Tales quippe viri non debent laude potiri
Moribus illustres si terras et inare lustres
(32. a.) Non reperire pares potes ymrno litus arares
Est ibi suspensor furuni cuin compede censor
Quem predecessit vir qui se non male gessit
1800 Officio tali sicut pater exequiali
Illius in busto signato carmine justo
Hie jacet Ilermannus qui mente namque tyrannus
Centum vel plures morti dedit in cruee fures
Corui cornices cum wlturibus meretrices
Pro suspensore plangant uno simul ore
Gaudeat ergo cobors latronum perfida quod mors
Hunc hominem stravit qui tot miseros jugulavit
lllo defunclo mox in primo quasi puncto
Alter suecessit cui dos pulcherrima cessit
1800 Nigra eamonata nycta (juxta) stubam situata
Latronum vestes gladius rota vincula restes
Et funes plures fugiant ego consulo fures
A foribus ville quia quod feeit prior iIle
Simplum vel duplurn faciet reor iste decuplum
Nonne Thedricus furtum (sic) vehemens inimicus
Sunt ibi caupones quos arbitror esse latrones
Nempe bonum vinum permiscent herbipolinum
Cum vino terre quod non possum leve ferre
Sunt ibi qui sellas veteres simul atque novellas
1820 Arte parare seiunt per eos clipei quoque fiunt
Sunt et ibi panni quo (pro) tempore quolibet anni
Ffrizkal scbarletum bronerum sive moretum
1797. De suspensore et suo predecessore.
180ö. De dote suspensoris.
1817. De cauponihus.
1821. De bis qui parant sellas et clipeos.
1822. De pannicidis.
244
C. II ö f i e r
Fulvi ve! rubei vel mixte materiei
Et slriphei virides quorum tu scemate rides
Et panni viles quos nee clericus neque miles
(32. b.) Querere dignantur inopes tarnen appreciantur
Est ibi fluxus aque que cursu mole suaque
Urbem fecundat et que sunt sordida mundat
Deque molendinis non est certus mihi finis
1830 Quot sint vel cujus vel que via fluminis hujus
Plures namque rote de fluminis impetu mote
Circuerunt eque currentes noete dieque
Et ccnsum earum solvit puto eursus earum
Est ibi pons unus ubi si petis advena munus
Exauditus eris vel qui venalia queris
Si vis adde fidem nihil est quod non sit ibidem
Hoc semel in ponte mihi prebuit oscula sponte
Insistrix una rcsplendens ut nova luna
Que procul accedens et me medicum fore eredens
1840 Egrum sc finxit egrorum moreque minxit
ln vas urine mihi quod sub spe medieine
Anxia porrexit et se velamine texit
Ne me conspieeret vel risum forte moveret
Vaseque porreeto me transfero tramite reeto
Solis ad intuituin dicens proeul esse maritum
Hec docet urina mea persuadet medieina
Hüne revocare cito vel spe sine prorsus ohito
Quid plus aceiderit ibi si quis singula querit
Prelatum queret cujus mihi veslis adheret.
1830 Ba 1 n e a pergrata tibi sunt hec (hac in) urbeparata
Quisquis es ut sordes tergas quibus in eilte sordes
Intra secure si sint tibi commoda eure
Susciperis lete formosa juvencula que te
(33. a.) Balneat intrahit et singula membra fricabit
Cum manibus blandis exceptis forte nephandis
Rasor barbarum dans obsequium tibi earum
Super maxillam sudoris non tibi slillam
Permittit cadere scelus hoc studet ipse cavere
1724. De aqua que fluit per totarn eivitatem.
1731. De ponte in quo sedent institoren.
1831. De baineo et balnealoribus.
1857. De rasore in baineo.
Carmen historicum occulti autoris.
245
Talia perpessum mox te post balnea fessum
1860 Excipiet lectus ut pauset debile pectus
Protinus accedet que te non femina ledet
Pulcra .deeensque satis sub signo virginitatis
r Ista capillorum seriem studiosa tuorum
Pectine componet quis ei non oseula donet
Si deleetatur nee ab bujus amore vetatur
Si petitur munus nuinmus tibi sufficit unus
Si piaeet obmitte per vim quia nemo capit te
Vel tollet vestem mailet incurrere pestem
Quam solum verbum proferre quod esset acerbum
1870 Inde recedenti si quis tibi tune sieienti
Potum libaret corpusque tuum reerearet
Illum laudares et sanctis associares
Aspicis interea quod vix est ulla platea
ln qua non eernas vel sex vel quinque tabernas
llos celer ingredere tibi nam sine quolibet ere
Ut potes gratis datur intuitu probitatis
Non ibi solus eris multo consorte frueris
Quoque magis biberis tanto magis eripieris
A rebus et curis presentibus atque futuris
1880 Tune venit anciila plebani nomine Hilla
De qua sua villa fert quod comedat satis illa
Clericus bane sequitur et miles ibi reperitur
Non sine mucrone aput illos te quoque pone
(33. b.) Huc veniunt cives venit hue cum paupere dives
Rusticus huc ivit qui non bibit ymino sitivit
Pene per ebdomadam nisi fontisaquam vice quadam
Iste novam sportam fert et sua femina tortam
De villa slana (Slaua) venit alter non sine clava
Huc veniunt multi gladiis et fustibus fulli
890 Huc veniunt plures ibi latrones ibi fures
Illie raptores diversi sunt ibi mores
Iste suam vocem se jactans esse ferocein
Cantibus exaltat alter celeri pede saltat
1861. De commoilo post balneum.
1876. De tabernis.
1881. De diversis ad tabernam confluentibus.
1890. De diversis inoribus potancium.
C. Hofier
Alter fabellam recitat quamque novellam
Hospifis ancillain rapit alter et opprimit illam
Hie bibit hie comedit hie intrat et ilie recedit
Hie non wlt bibere nisi emn propria muliere
Iste nuees mordet alinin sua culpa remordet
Pre mortisquc metu faciem rigat ubere fletu
0 Deus o Christo quare fit sobrius iste
Nam sine peceatis foret hoc genus ebrietatis
Hie wlt garrere (garrire) Romam sitit alter adire
Alter dormire eupit ebrius ille coire
Hie wlt pugnare sed neseit dieere quare
Alter ridendo magis et magis ore bibendo
Pectore joeundo stndet in careere rotundo
Alter honestate spreta bibit inmoderate
Iste facit vomitum tenet bune gens pessima ritum
Et bibit ut pi'idem pereat rogo rustieus idem
Alter taxillos rapit et hie arguit illos
Dicens o lüde ego quod sic ambulo nude
Hoc tu fecisli confundantur precor ist■
(34. a.) Qui te fecerunt vel quod fieres voluerunt
Tu faeis injuste taxillis sed pocius te
Posscs arguere quia si fortasse jacere
Illos mississes per eos non dampna tulisses
Ecce meas pelles si forsan ludere veiles
Posses lucrari vel veste tua spoliari
Non vi non marte sed sola tesseris arte
1920 Hoc placet utrisque ponit sua pignora quisque
Lusorum more donec non absque furore
Ambo cavillare cupiunt semper ambigua re
Proficiuntque parum per turpia Verba minarum
Spretis taxillis tractis utrobique capillis
Percuciunt dentes faciuntque cruore madentes
Inde petunt enses fuge clerice si sapiens es
Arma requiruntur nullo rectore fruuntur
Fit strepilus multus lit abhinc et abinde tumultus
Tune surgit miles et wlt compescere viles
1 930 Quem defendens se prostravit ruslicus ense
246
1900
1910
1911. I)icit quoinudo incipiiint ludere.
1923. llic dicit tjuoinodo incipiunt se simul depilure.
1927. llic arma petunt et clerieus fugit.
Carmen historicum occulti autoris.
247
Alter cultellum Iongum trahit ille seabellum
Ille rapit burim magnam rapit ille securim
Hie licet injuste socio dat verbera fuste
Alter perfecte furit assumpto sibi vecto
Alter cum cultro soeium transverberat ultro
Alter cum clava capiti fert oscula prava
Stans ex obliquo vir sidere natus iniquo
Extra conflictum lapidis succumbit in ictum
Alter non modicum furit et fortassis amicum
1940 Cuspide pertransit dubitans mulierve vir an sit
Abscisis digitis fert hic primordia litis
(34. b.) Alter se lusum (lesum) querulatur et in pcde cessum (cesum)
Alter obivisset nisi sub inensa latuisset
Forsan adlnic queres quid faciunt tune midieres
Istorum (Istarum) vere mos est ad talia flere
Et contristari maledicere vel Iacrimari
Currere clamare sparsisque comis ululare
Nam sonus istarum dat sepe viris cor ainarum
Et causam litis solet augmentare maritis
I960 Audivisse tarnen puto quod cum ferre juvamen
Vellet nupta viro digitos cum pollice diro
Bracis ingessit et membra virilia pressit
Alterius partis bec est via pessima mortis (martis)
Hospicii rector robustus vir velut hector
Accedens tandem stragein sic sedat eandem
Dicens quid facitis miseranda morte peritis
Oro quiescatis nee vos plus percutiatis
Nee rogo pugnetis quosdam cecidisse videtis
Nee scitis quare vos wultis mortifleare
1960 Hujus ad cdictum nullus plus pereutit ictum
Sed per clamorem poscunt Johannis amorem
Qui dum portatur velociter evacuatur
Et deplorantur hii qui cecidisse probantur
Cedeque perfecta quamvis redit ad sua tecla
Dicere nunc posset qui singula non bene nosset
Quare fecerunt isti quod sic abierunt
Et non solverunt an gratis forte biberunt
Digne solvissent vel pignora certa dedissent
Pro sumpto potu male sentis quisquis es o tu
1970 Num stat in hac urbe vulgari lex data turbe
19iti. De milite qui oeeiilit in taberna.
248
C. II ö fl e r
(35. a.) Quod nulli penitus fit quantumcunque peritus
Vel bene vestitus vario vel honore potitus
Pofus libatur nisi nummus pregrediatur
Hine versus tales quidam finxere sociales
Ule vir ore bibat cujus manus es mihi libat
Detur ei bibere cujus meruit manus ere
Si potare übet nummum tua dextera übet
Vinum non detur nisi cujus bursa meretur
Res inhonesta satis est pocula sumere gratis
1980 Nummi porrector bibat et sit fortis ut hector
Qui sine denario bibit, immutetur ut hyo
Cui (non) micat dextra vinum bibat ille vir extra
Solventem nummos potare jubet veteruin mos
Qui nummum pridem dicit audacter bibat idem
Qui non fecit idem dens non madefiat eidem
Ut bibat hoc quod emo fas esse putat sibi nemo
Regula certa datur ne nummis absque bihatur
Lex datur a summo quod nemo bibat sine nummo
Iste tabernarum modus est et ritus earum
1990 Istorum servi sunt multi suntque protervi
Ut puto quingenti communiter ire solent hii
Omnes armati cum fustibus et gladiati
Undique per vicos querendo suos inimicos
Quos habuisse forum consensum preter eorum
Cervisie credünt nec ab ullius ede recedunt
Donec is detur illud quod moris habetur
Hiis fuit ingratus quidam Golappa vocatus
Qui foribus clausis ipsorum restitit ausis
Istius ante fores magnos fccere labores
2000 (35. b.) Per lapidum jactus tandum fuit ipse coactus
Se dare captivum quam vix evadere vivum
Illi miserunt (sinerunt) quoniam nimis infremuerunt
Et quia sic gessit eonfusus ab urbe recessit.
Vorsan adhuc dices aye die ubi sunt m ere trices
Aut in quo vico veraciter hoc tibi dico
1976. Versus de potu.
1991. De servis qui serviunt in taberna.
1999. De quodarn qui vocabatur Goloppa.
2006. De meretricibus.
Carmen historicum occulti autoris.
249
Peetore quo gesto pauce sunt in manifesto
Quot sint occulte si seine vis homo stulte
Indagarc satis potes hoc sine dogmate valis
Quippe nefas tale tempus quadragesimale
2010 Ne loquer exposeit veneris quicunque jocos seit
Aut delectatur in talibus ille loquatur
Aut perscrutetur qui per me non prohibetur
Sunt ibi judei seelerate progeniei
Qui nostre fldei sub quavis luce diei
Mente namque pari non eessant insidiari
Quique per usuras operantur res nocituras
Sanctior urbs esset si gens inimica deesset
Inpiere pellem si plurima scribere veilem
Pellein quid dixi veniam peto quod male dixi
2020 Innno decem pelles quicunque scribere veiles
Posses implere scribendo quod plura docere
Sunt multo plura de quis non est mihi cura
Nee superest hora stilus ut notet ulteriora.
Victrices turbe per quas servatur in urbe
Pax Erfordensi requiem date deprecor ensi
Instantes paci rogo mente notare sagaei
Quäle malum terre confert occasio gwerre
Eece bonum vere probo quod sit in urbe mauere
(36. a.) Quando triumphator mortis nosterque crcator
2030 Vellet adire polos et discipulos quasi solos
Consolaretur dixisse tarnen perhibetur
Ore loquens blando scitis quod ad ethera scando
Ut quia speratis promissa patris capiatis
Vos autem lete si wltis in urbe sedete
Donec vti mirtus flagrans altissima virtus
Ignis in ardore vos coneremet absque dolore
Hec ubi finivit speculantibus Omnibus ivit
Nube tegente virum fuit hoc mirabile mirum
Quod solum saltuni faciendo volavit ad altum
2040 Et cum patre sedet ubi mors non annnodo ledit (ledet)
2009'. Per hoc patet quod iste über factus fuit in quadragesiina.
2013. De judeis.
2020. Hic excusat se autor quod omnia non possit conscribere.
2026. Commendacio ad cives.
2030. Probat quod bonum est in civitate morari.
2034. Istud sumptum ex evangelio Johannis: ecee ego mitto promissum patris in
vos, vos aufem sedete in civitate donec induamini virtute ex alto.
250
C. II 5 fl e r
Ex hiis colligitur et pro certe quasi scitur
Quod si seivisset ubi commodius statuisset
Wlgus apostolieum sibi non servum sed amicum
Non tarn sineere jussisset in urbe sedere
Inde teuere volo quod ab urbe recedere nolo
Pax sit aput cives una cum paupere dives
Imploret Christum quod cursum corrigat istum
Ut fiant treuge non pauper dieeret euge
Quisquis in hiis turbis vel inenibus istius urbis
2030 Turbabit paeem flaimnam paciatur edacern.
V.
Ad bona non tardus semper est adhuc Gebehardus
Ad nutum cujus stant scripta voluminis bujus
Nam sua iaus late ditfunditur ex probitate
Quod si vis gratus non esset homoque beatus
Non foret ad tales tres ecclesias cathedrales
Canonice tractus et prebcndas ibi nactus
Prima ma g u n t i n a metropolis est ubi vina
(36. b.) Debet adhuc bibere si tu vis Christe favere
Utque bibam secum dispensari rogo mecum
2060 Neuburgensis ei locus allerne requiei
Sedes prestatur ubi custos ipse voeatur
Nam bene non canit (cavit) de presule quando vocavit
Sed dicet forte quod sub discordc coorte
Noluit eligere breviter respondeo de re
Sortem sie fatur occidere plato minatur
Huic defendendi locus est et non fugiendi
Plus valet an sorti pügnando resistere morti
Vel sine lite mori pugna puto pro poliori
Clarior in bello mors quam l'oret absque duello
2070 At tempus vite vix stabit homo sine lite
Cum velit bic esse quod sit pugnare necesse
Ut pugnavisset melior via prima fuisset
2032. In ista quinta distinctione et ultima commendat autor magistrum Gebliardum
dicens quod ad nutum ipsius composuit hunc librum.
2060. Hie commendat eum quod sit canonicus Maguntinensis.
2068. Itic commendat quod sit custos Neuburgensis ecclesie.
2068. In libro Machabeorum scriptum est: accingimini et estote litii potentes quo-
niam melior est nohis mori in bello quam videre mala gentis bujus nostre et
sanctorum.
Carmen historicum oeculti autoris.
251
Forsan vixisset et honoris plus habuisset
Immo triumphasset hosles ine^i musa fugasset
Quod neseivissent qua mundi parte stetissent
Sie quoque gauderet aliquis qui nunc puto ineret
Sint pro teste rei data scripta libri macbabei
Cujus sint verba quod mors melior sit acerba
Quam mala conspicere gentis vel lite carere
2080 Tercius huic misna locus est ubi non bona tysna
Ut puto braxatur bona sed prebenda notatur
Quarta locum prestat Erfordia que modo restat
In caput et scitra nisi quod delur sibi mitra
Mitra quidam talis per quam laus pontificalis
Rite figuratur quid in boc fortuna moratur
Hoc puto fecisset petrus si grex meruisset
(37. a.) Demeruit quia grex datus est sibi pinguis agab rex
Regum postille declarant quis foret ille
Hoc locor absque dolo quod sie per agab ego nolo
2090 Presul signatus cum sit vir honoriflcatus
Et dominus magnus expers fraudis velut agnus
Vir juris gnarus Iargus mitis nec avarus
Simplex et justus multa virtute venustus
Qui scripturarum satis est via nota sacrarum
Natus de Ranis utinam sua funera ranis
Non subito cedant nec eum contraria ledant
Sed vivat lete per secula nescia niete
Alter agap pingwis est nequam predo bilingwis
Trux latro multarum ferus obrutor ecclesiarum
2100 Credo tarnen vere quod eum Martinus habere
Jam quasi decrevit et in hoc sua mens requievit
Ut sic apud Renum tune arescens quasi fenum
Flos Neuhurgensis boc si custode carens sis
Quamvis magnifici simul et probitatis amiei
Sunt tibi canonici tarnen hujus ut audio dici
Sicut odor nardi fragrat virtus Gebebardi
Quo discedente fortasse vel moriente
2083. Hic commendat eum quod sit canouicus Misnensis.
2088. Hic eommeudat eum quod sit cuuonicus Erfordensis.
209t. Auctor non wtt quod episcopus per agab designetur et commendat eum ex
parte progenitorum suorum et scientie.
2103. Martinum ponit pro eeclesia Maguntiua.
252
0. II ö f I e 1*
Vix valet in cleri gvege par illius habcri
0 si mentirer vel falsa loquens reperirer
2110 Ut probior fieret aliquis qui laude vigeret
Longe majori quid obest id hujus honori
Immo prodesset si nullus eo minor esset
Et tu Donate quid ages ego nescio qua te
Sustentare via possim hec cum jeremia
Sumes lamentum quia post annos tibi centum
(37. b.) Vix erit liic similis nature fabrica vilis
Non dabit equalem cur permittis tibi talem
Tolli personam cum tempus adhuc breve ponam
Quod Witego cedet tune te discordia ledet
2120 Nec wlt B er nhard u s ad episcopium fore tardus
Sed primus certe cunetis liquet istud aperte
Quod non est dignus licet albus sit quasi cignus
Atque coma canus debet tarnen esse profanes
Hac vice depelli cum sit tibi nomen aselli
Sirut testatur gens que lo mbar da vocatur
Bernhard us est asinus vel vir eui mos asininus
lode quis eligeret asinum quem forte videret
Propterea dico Bernbardo sicut amico
Quod se compescat et quod aspirare quiescat
2130 Ad kathedre eulmen quia metri nobile fulmen
Reprobat exosum reputans niinis hunc vitiosum
Sed sibi sufficiat aliquo quod in online fiat
Abbas pomposus cum sit tarnen ambiciosus
Et non Bernhardus sed erit presul Gebbehardus
JHagdeburgenses puto quamvis bis duo menses
Sint et tres anni quod vim sensere tjp-anni
Tune elegerunt jus pontilicisque dederunt
Cuidam Bernha rdo sed non tarnen ad bona tardo
Quem confirmare jus distulit atque sacrare
2140 Vel propter nomen vel propter nominis omen
2110. Hic dicit quod ecclesia Neunburgensis modicum valel. post recessuin Magistri
Gebhardi.
2116. Donatum ponit pro ecclesia Misnensi.
2122. Hic dicit quod episcopus Witego velit cedere et quod prepositus Bernhardus in-
ieudat ei succederc.
2127. Hie autor prohibet fieri propter multa mala que ponit in litera.
2t36. Dicit quod canonici Magdeburgenses elegerunt quendam Bernharduui quem Papa
noluit coulinnare propter nomen asiuinuin.
253
Carmen liistoricum occult-i autoris.
Huie tu Mauricii vis toto robore niti
Hüne ab liiis rapias et patronus ibi fias
Quid si venisset jam tecum fedus inysset
Nam tuus Heinrieus suus et specialis amicus
(38. a.) Nempe suis gestis perpenditur ex manifestis
Quod sit in oculto quia nee juveni nec aduito
Hostia elauduntur potuque ciboque fruuntur
Infirnii fragiles veniens cum paupere miles
Abbas prelatus miser advena vel spoliatus
2150 Sic qualiscunque patet liuic locus bospiciumque
Et comedunt ylares ibi quavis luce scolares
Aut duo vel terni pro regis amore superni
Christe tuo more de celi da si bi rore
Et quantum ferre velit ex pingwedine terre
Hinc etiam detur ut serviat et famuletur
Vivens letetur sed a tribubus veneretur
Sit dominus fratrum nihil unquam sentiat atrum
Sint incurvati sub eo matris generati
Et lnaledicatur mala si quis ei meditatur
2100 Finito verbo morbo stimuletur acerbo
E contra quidem si quis benedicit eidem
Celitus indulta sit ei benedictio multa
Vitet eum febris crescat sua fama celebris
Mors cito non veniat hic longewus rogo fiat
Post vite cursum ducatur ad ethera sursum
Si quis dicit amen sit ei eeleste juvamen
Qui non dicit amen det ei deus omne gravamen
Parcere si nosset mors illi parcere posset
Vel propter vatem vel inorum nobilitatem
2170 Sed quia communis est regibus atque tribunis
Forsan non parcet hic me vehemencius arcet
Sed quid scribetur super ipsum si morietur
Flagrans ut nardus jacet hic mitis Gewehardus
(38. b.) Clericus egregius cui det deus arce poli jus
Supplico canonieis tanquam dominis et ainicis
2142. Dicit quod si Magister Gebehardus venisset ad Archiepiscopum Magdeburgensem
fuisset receptus in canonicum.
2148. Hic commendiit M. tiebehardum ex virtule bospitalitatis quia in domo sua omnes
iudilterenter accipiantur.
21ül». Islam benediclioncm Ysac dedit Jacob filio suo.
254
C. II <i fl e r
Illius ecclesie de sancto monte marie
Sancti Severi tecumque volo revereri
Ut parcant vati si forte sue probitati
Quidquam detraetum credunt hoc estita factum
2180 Scit'deus et quare quod debet dissimulare
Nempe deo teste clain nunquam vel manifeste
Intendo favere quod eos de jure monere
Debeat et possit quamvis rüde corpus et os sit
Sum tarnen ipsorum servitor ubique locorum
Versus presentes si iligna laude carentes
Sint aut insulsi per vos sint queso repulsi
Aut cancellandi sit eis locus aut iacerandi
Aut oceultandi vel si placeat recitandi.
Si tarnen auctoris nomen vel de quibus horis
2190 Queritur aecedatnee euin responsio ledat
Dicitur occullus quia fecit homo quasi stultus
Quod non erravit quando tot metra paravit
Caucius egisset si psalterium repetisset
Qui det ei nomen aliunde sit illius omen
Cum mcrcatore qui Christum prodidit ore
Summa perstrinxi nihil aut modicum quia finxi
Si tarnen est fictum quiquam vel inutile dictum
Sit post hoc dictum nomen domini benedictum
Et mea musa vale claudens opus hoc aliquale
2200 Supplico bernhardo quamvis in tempore tardo
Scrvanti decimam quod versibus addere Iunam (limam)
Istis dignetur et si quid inesse videtur.
(39. a.) Vel inde vel stultum vel forte minus bene fultum
Fulceat et mutet supperaddat sive refutat (refutet)
Et caveat fati(vati)ne versus sint viciati
Et ne qua parte distant a carminis arte
Vir bene Bernharde cleri prelustre jubar te
Sacro fonte celestis gratia non te
2177. Hic supplicat autor canonicis sanete Marie et sancti Severi quod ignoscant ei
si in aliqito excesserit.
2186. Hic subjicit versus suos correctioui eorum.
219.1. Nie impouit nomen huic libro.
2196. Maledicatur illc qui aliud nomen dederit ei.
2200. Reinhardo.
2201. Hic subjicit versus suos correctioui domini reinhardi.
Carmen historicum occul ti autoris.
255
Ducere desistat donec super ethera sistat
22:10 Cum sis metrorum tu fons et origo bonorum
Versibus aspira subtili lumine gira
Quod tuus est fautor istius carminis autor
Et quid scribetur super ipsum si morietur
Pro quia pono si sed eum mors non ferat osij (sic)
Quod sibi debetur in promptu carmen habetur
Qui legis inpetra Bernhardus per tua metra
Ut fidei pbaretra succinctus vadat ad ethra
O 1 d e fl ey b ens is ab bas eum vir sapiens sis
Laudeque famosus et in ordine religiosus
2220 Accipe metrorum primordia digna novorum
Non est incertum quando fecerit ipsa desertum
Me tua Iarga manus et quod sim corpore sanus
Frigoris a peste tu porrecta mihi veste
Nuper fecisti salvet te gratia christi
Sicut salvasti me jocundumque parasti
Stella maria maris det quod cito non moriaris
Sed vivas lete non corporis absque quiete
Atque tuum cetum faciat deus atque quietum
Cum prccibus Claris matrem domini vencraris
2230 Si delectaris biis versibus aggrediaris
Stella maria maris que celis predominaris
(93. b.) Et que preclaris hic laudibus intitularis
Expers sola paris tu que per ave gravidaris
Et fecunda daris mater virgoque vocaris
Luce tui jubaris me deprecor intuearis
Subvenias hijlaris et pro me queso laquaris (loquaris)
Quod si dignaris frustra satan insidiaris
Si dedignaris vel quantumcunque moraris
0 Maria dampna paris et veile nocere probaris
2240 Nam brevibus giaris miserum stringis sed amaris
Hos ego cottidie versus in bonore marie
Dicere consuevi per tempora tocius evi
Spirituum fortem sic aggrediare cohortem
2209. De domiuo Bernhardo qui eciani fuit bonus versificator.
2219. Mic dicit de abhate Aidesleyhensi cui primo dedit copiam hujus lihri.
2292. Docet orare ad sanetam Mariain.
2241. Gyare dicunlur loca penarum unde luvenalis; aut aliquid brevius giaris in carcere
dignum.
2243. Doeet orare ad angelos.
Sitzb. d. phil.-hist. Ci. XXXVII. Bd. III. Hft.
17
256 c. H ö fl e r
Sunimi legati paranymfi queso beati
Ordine (er terno regi date vota superno
Et peccatorum maculas abolete meorum
Si plaeet inde petas patriarchas atque prophetas
Christi Baptista precor ante tliroriura domini sta
Cum sociis letis patriarchis atque profetis
22S0 Qui summi regis veteris sub tempore legis
Jussa peregistis in regno quod meruistis
Servorum memores estote fugando dolores
Utque preces mutem nobis conferte salutem
Hinc ad apostolicas sedes metra talia diees
Sanete dei Petre servator clavis in ethre
Duc nos ad Christi regnum cruee (]uod meruisti
Petri germane da nobis vivere sane
Cläre vir Andrea cruee qui moriens sub egra
Passus in urbe patras qui mirmidones ydolatras
2260 Verba doces fidei novis fer opem requiei
(40. a.) Ut conjugamur tibi qui te nunc veneramur
0 lumen darum quarumlibet ecelesiarum
Solem precellens nebulas splendore repellens
0 vere plenum micans o sydus anienum
Sidus apostolicum fulgore fugans inimicum
Sanete dei paule qui celi lumine (lumen) es et aule
Qui tenebras gentis illustras luce potentis
Eterni regis infundens dogmata legis
Qui situs in terra flagrans quasi thurris acerra
2270 Ad nutum Christi celi secreta petisti
Et providisti que nulli fanda dedisli
Illuc post cursum vite nos dirige sursum
In verum lumen quorum tu mentis acumen
Dirigis expresse quod Christum credimus esse
0 J acobi pueriles qui corde manuque viriles
Semper adhesistis domino nec pertimuistis
Ejus amore pati mortem nos sorde gravati
2247. Ad patriarchas et prophetas.
2258. Ad apostolos et priino ad S. Petrum.
2259. Ad S. Andream.
2263. De S. Paulo antiphona : o gloriosum lumen.
2268. Videlicet vas in quo ponitur thus.
2277. De duobus Jacohis.
Carmen historicuin occulti autoris.
257
Vestra mundari prece poscimus atque juvari
0 dileete deo qui natus ex zebedeo
2280 Cum jacobo fratre qui spreto cum vetere patre
Messiam sequeris spernes pectus mulieris
Ebrius effectus semper hujus nobile pectus
In terra positus rimaris in ordine ritus
Qui sunt in celis quos tarnen quisque fidelis
Est visurus ita cum perpes (perpetua) sit tibi vita
Sub specie fratris cristus curam tibi matris
In cruce commisit ut mater virgo tibi sit
Et sis illius tu filius ad fidei jus
Carcere reclusus flagis (sic) et verbere trusus
2290 (40. b.) Non animo tristi pateris pro nomine cristi
In vas ferventis olei vel ab igne furentis
Ut repr insanus te mersit domicianus
Sed signo cristi non lesus ab igne redisti
Te quoque mandante quos mors prostraverat ante
Mox surrexerunt gratesque deo retulerunt
Laude dei plenum cor habens bibit acre venenum
Nee penam sentis ope preditus omnipotentis
Nec verbum celat summus pater ymo revelat
Hoc reliquis tacitum tibi multotiens repetitum
2300 Tu summo patri vel commisse tibi matri
Ipsius et nato nos omnes conciliato
Da deus hiis annis per dulcia festa Johannis
Ne satane sampnis nos obruat ulla tirannis
Sit sancti tome deus intercessio pro me
Qui loca clavorum palpans cor discipulorum
Sic eonfirmavit quod nullus post dubitavit
De te P h i I i p p e quid dicam nescio quippe
Cum tu Walpurge non possis dicere surge
Cede meo festo quia te gero corde molesto
2310 Si reclamaret Jacobus et forte juvaret
In vestra selia vos opprimit ista puella
Mitis ut agnelia deus aspice qualia bella
Et prece Philippi fac ne nos sarcina gippi
2280. De. S. Johanne Evangelista.
3303. De S. Thoma.
3308. De sanctis Philippe et Jacobo dicit quod beata Walpurgis occuparel feslum corum.
17 *
258
C. Hofier
Incurvans dorsum compellat abire retrorsum
Pro me summe deus fundat sua vola Matheus
Iste sub humane speeiei tegmine plane.
Designat natum quem bos dat mortificatum
Et leo surgentem jovis ales summa petentem
(41. a.) Agnelli vellus tulit iste quod horrida teilus
2320 Hoc se vestiret unum quod deum fore seiret
Ethiopes fuseos fidei splendore eoruscos
Ad te fert iste tu propter eum pie christe
Culpas quasque veta virtuteque nos locupleta
Pili Cliriste dei prece Simoni s atque thadei
Tu nos dignare tecum per astra levare
Istorum laudes pater almc breves fore gaudes
Hos quia subplantas et terribilis puto cantas
De quo sic ora tibi cum notaverit hora
0 deus christe cui deditus est locus iste
2330 Et cui fundatus et cujus honore sacratus
Nobis concede quod quisquis in hac reus ede
Pro peccatorum venia fortasse suorum
Suspiret corde sit ab omni mox homo sorde
Per te mundatus et domo vivificatus
Bartholomee cutis tua det mihi dona salutis
Te presente loqui timet astaroth et quid ego qui
Astaroth horrerem si quantuncunque vidererem
Etrudis ut bos sum de te quid dicere possum
Sed miserere mei pie rex prece Bartholomei
2340 Plura loqui veilem sed quando recogito pellem
Abstractamqne viro maculatam sanguine diro
Mens mea terretur quod nil quasi scire videtur
Fac prece Mat hie nos fili Christe Marie
Post carnis mortem celi contingere sortcm
Hunc duodena coors numerat quod favet ei sors.
Nobis hec eadem det sors evadcre cladem
Bos in carruka domini sanctissime luca
2316. De sancto Matheo.
2325. De sanctis Simone et Juda.
2330. De dedicatione ecclesie.
2340. De S. Bartholomeo.
2344. De sancto Mathia.
Carmen historicum occulti autoris-
259
Ad celos duca nos a mundi sorde eaduca
(41. b.) Sanete dei Marce miseris die rerum pie parce
2350 Sed nee eos aree quin te speculantur in aree
Si tibi sit gratus grex martirio decoratus
Martirio fortem sie aggrediare cohortem
Serva dei Stefane gentis tormenta profane
Tu primum pateris et celica regna mereris
Cetus judaicus Christi preceps inimicus
Te condempnavit et ab urbe trahens lapidavit
Tune tu dixisti: non fac turbe deus isti
Hoe ad peccatum reputari sive reatum
Nam quid agat nescit stultoque furore tumeseit
2300 Si profecisti per regnum quando petisti
Quantum proficeres Christum si forte moveres
Vel pro pacificis vel pro servis et amicis
His precibus Saulus conversus qui modo Paulus
Tccum congaudet ubi nullus impetus audet
Vos perturbare quo nos post facta nominare (vocare)
Christus dignetur qui regnans cuncta tuetur
Urbis apex Rome tua sixte precamina pro me
Fundere digneris quia multum posse videris
Martirii flore papeque rearis lionore
2370 Martir L a u r e n t i Deeio mandante furenti
Supra earbones te diposuere latrones
Tu dispersisti thesauros quos habuisti
Nomine pro Christi cecisque videre dedisti
Fortis ut atldeta flamma cum cesare spreta
Mox Syxtum sequeris ubi perpete pace frueris
Ad regnum vite fac nos vir sanete sequi te
(42. a.) Tu qui sprovisti mundum princepsque fuisli
Pro Christoque mori non horrens sanete Georgi
Ut tcneas vitam per sanctos quosque petitam
2380 Nobis largire post te non segniter ire
2348. De sancto Lucca.
2330. De sancto Marco.
23S1. De Marti1‘ihus et priino de S. Stefano.
2361, Argumentum per locum a majori seii heatus Stefanos orando profecit pro ini —
inicis malto plus quam pro amicis.
2364. Sanctus Paulus fuil conversus ad preces Sancti Stephani.
2369. De S. Sixto.
2371. De S. Laurentio.
2379. De S. Goorgio.
260
C. Hofier
Christe tuus tiro vitus sub judiee diro
Vix pacienda viro toleravit robore miro
Quid facis o musa Vitum laudare recusa
Scisne quod ipse bonus dinoscitur esse patronus
Divitis Abbatis noli plus scribere gratis
Mos est cecorum elaudorum vel miserorum
Quando cantare vel fabellam recitare
Jam quasi ceperunt recitantes premia querunt
Et poscunt munus si tune datur obulus unus
2390 Vel nummus forte de circumstante cohorte
Ultra procedunt et plus acquirere credunt
Istorum more multo contracta laborc
Carmina suspende contempne pater reverende
Si sancto Viti vis ad preconia niti
Da munus vati quia forte tue probitati
Hic si cessaret Vitoque minus bene staret
Si munus dederis alios per inetra doceris
Forsan adorare sed scire prius volo quare
Hec tibi sufficiant tibi ne fastidia fiant
2400 Ante fores presto sum presto pervigil esto
Annos post centum si veneris est male ventum
Non dicas centum nulli coneedo momentum
Da deus ut sie sit requies mihi corporis hic sit
Spiritus illuc sit ubi pax sua menia fixit
Tu de Gytene qui carmina cudis ainene
Et facis atque bone superas modulos philomene
In festo eene debes celebrare serene
Quo corpus leve cristus turbe duodene
Prebuit hoc cape ne morieris inops et egene
2410 Plus auro plene valet hoe quam mille crumcne
(42. b.) Nam volo per nie ne fidei eedas alienc
Christum mente tene vel que fuerit sibi pene
Die pallate gene lacrimas oculi date plene
2384. De S. Vito.
2389. Dicit autor quod muss debeat laudare Beatura Vitum pro eo quod ipse sit patro
nus Abbatis Aldesleibensis et allegat eonsuetudinem ceeormn qui quando cantant.
petuut denarios et iterum cantant vel recitant fabulas.
2396. Hie ortatur abbatem quod aliquid det sibi si de beato Vito velit plus audire.
2403. Exclamatio musae contra aulorem quia iste autor in cena domini plura voluit con-
scribere et invenit hos versus in scrinio pectoris sui, unde posuit eos in fine
libri ac si inusa exetamaret contra eum.
Carmen liistoricuin o cculti autoris.
261
In sene vel juvene dent signa dolencia vene
Stringant in plene risum meroris habene
Erigat in rene carnis lascivia seve (sene)
Summi verbigene earo mors tua nupsit arene
Plangite terrigene porle tolluntur aene
Sunt alienigene gentis data colla cathene
2420 Cantentur treve (trene) finis datur grata camene
Nullaque pars huic sit vel nix vel pix vel stix sit
Ipse vel altitonans tibi numina (mnnera) conferat ovans
Lausque patri nato sit laus quoque pneumificato
2424 Quo domini flumen regnat gens proferat Amen.
Index personarum et rernui.
A.
Abbas Fuldenensis. v. 70i, 708.
Naumburgensis. v. 721.
Oldeseeybensis. v. 2219.
Portensis. v. 1042.
Apostolicus pastor. v. 813. (Nicolaus III.)
Archibernherus. v. 1763.
Aristoteles, v. 65.
Arnoldus de Strassburg. v. 237.
Augustiniani Erford. v. 1526.
B.
Beginae. v. 1588.
Bernardus Magdeburgensis. v. 2127.
„ poeta. v. 2202, 2208.
Bernhardus asinus. v. 2126.
Bertoldus sacerdos. v. 738.
„ Witegonis. v. 302.
Boemorum rex Ottakarus II. v. 847.
Bononia. v. 162.
Brandanus. v. 1535.
Brigitta, v. 1537.
€.
Christianus presbyter. v. 528.
Conradus medicus. v. 728.
Consules Erfordenses. v. 1765.
D.
Donatus, v. 733, 2115.
Dyna. v. 33, 120.
E.
Erforda. v. 221, 396, 460, 744, 901, 2013.
F.
Francorum gens. v. 798.
Fridericus II. Imp. (divus). v. 1302.
Fua. v. 620.
Fuldenses monachi. v. 697.
G.
Gamifredus. v. 170.
Gebehardus canonicus. v. 2050, 2106.
„ Magdeb. v.2135.
Gerhardus custos. v. 725.
Germania, v. 997.
Golappa. v. 1996.
Gonnucherus. v. 429.
Gregorianus. v. 374.
Guenzelinus servus. v. 644.
Guntherus. v. 285.
H.
Halberstadt, v. 246. (Haverstad.)
Henricus presbyter. v. 735, 1532.
„ langravius. v. 1076.
„ cornes de Kyrehberg. v. 19, 551.
„ epitaphium, v. 901.
„ satira in. v. 922.
„ Magdeburg, v. 242, 1532, 2145.
C. H ö f I e r, Carmen historicum occulti autoris.
262
Herbipolis. v. 1S3, 375, 748.
„ vinum. v. 1817.
Hermannus frater. v. 96.
„ carnifex. v. 1801.
Hildeshemensis presbyter. v. 734, 748.
„ (Henricus). v. 735.
Hilla. v. 1979.
Hugo decanus. v. 250.
J.
Inquisitor, v. 702.
Judei. v. 2013.
K.
Kaffata. v. 1490.
Kunegundis. y. 1303, 1314.
L.
Lodovicus langravius. v. 1070.
Lombarda gens. v. 2126.
Lombardorum legati. v, 530, 571.
M.
Magdeburg, v. 242, 2136.
Moguntia. v. 324, 339, 453, 2060.
Maguntinus Archiepiscopus. v. 498.
Mariae mons. v. 298.
Martinus Papa IV. v. 991, 1005.
Martinus Turonensis. v. 997.
Mauricius. v. 2142.
Minores fratres. v. 340, 1491.
Misnia. v. 2081.
Misnensis presul. v. 510.
„ marchio. v. 511, 533, 542, 674,
1066—1294, 1927.
„ „ junior electus rex Lom
bardorum. v. 550, 1329.
Mons Konegundis. v. 1303.
„ Mariae, v. 298, 2177.
„ St. Severi. v. 2178.
„ Walpurgae. v. 425.
IV.
Naumburg Neuemburg (Neuburg), v. 143,
152, 2060.
„ monachi. v. 711.
o.
Oldeseeybensis, vide: Abbas.
Otto praepositus de Sulz (Salz?), v. 277.
P.
Padua, v. 190.
Papa. v. 93, 984.
Parisii. v. 63, 100.
Philosophus. v. 74.
Philosophia. v. 21.
Philos. problema. v. 84.
Portensis, vide: Abbas.
Praedicatores. v. 1200.
Puerorum festum et episcopus. v. 1111.
li.
Ranis, v. 2994.
Reinhardus, vide ßernhardus.
Roma. v. 91, 793, 1283.
Romanorum rex. v. 414, 452.
s.
Sambia, v. 232, 723.
Sardiniae rex. v. 186.
Sarobiensis terra, v. 718.
Scolares Erford. v. 1540.
Seoti. v. 1934.
Slava villa. v. 1987.
Sterlingi. v. 108.
Strassburg. v. 239.
Suelumendus. v. 921.
Sulcz. v. 277.
T.
Thedricus. v. 1814.
Theutonicorum submersor. v. 1005.
Thidericus de Rosla. v. 420.
Titius. v. 200.
Tizmannus. v. 1687.
ü.
Ungariae rex. (Ladislaus IV.). v. 806,
1010.
„ vinum. v. 566. (v. 1010).
Universalia. v. 84.
W.
Wilhelmus. v. 364.
Witego. v. 304, 2119.
Witego antistes Misnensis.v. 514. (Wetego.)
Wolmarus. v. 736.
NVoIradus. v. 1757.
Di*. F. Pfeiffer, Über Wesen und Bildung* der höfischen Sprache etc.. 263
Über Wesen imcl Bildung der höfischen Sprache in
mittelhochdeutscher Zeit.
Von dem w. M. Dr. Franz Pfeiffer.
Dass es in der sogenannten mittelhochdeutschen Zeit, d. h.
von den letzten Jahrzehnten des 12. his in’s 14. Jahrhundert, im
Gegensatz zum althochdeutschen Zeitraum, wo nur die Dialekte
herrschten, innerhalb des hochdeutschen Sprachgebietes eine gemein
same Schrift-und Dichtersprache gab, die, von der Sprache des Volkes
vielfach verschieden, zu dieser in ähnlichem Verhältnisse stand,
wie die neuhochdeutsche Schriftsprache zu den lebenden Mundarten,
gilt unter den deutschen Philologen für eine ausgemachte Sache.
Man hat diese Sprache, weil sie unter den höheren Ständen, an den
Höfen und in den Dichtungen herrschte, die dort Eingang und Geltung
fanden, zur Unterscheidung von den Volksmundarten die höfische,
die Hofsprache genannt.
Über diese Hofsprache ist schon viel geschrieben und verhan
delt worden, in Grammatiken, Litteraturgeschichten und anderwärts.
Gleichwohl hat uns bis zur Stunde niemand genau und mit klaren
Worten zu sagen vermocht, worin denn das eigentliche Wesen,
das Gemeinsame, Allgemeingiltige dieser Hofsprache bestand, und
was sie von den Mundarten, von der Sprache des niedern Volkes
unterscheidet. Vielleicht hielt man das für überflüssig und glaubte
sich mit hinreichender Deutlichkeit ausgedrückt zu haben, wenn
man die Grundlagen nachwies, aus denen die Hofsprache erwachsen
ist. Als die Hauptgrundlage wird dieschwäbisch-alamannischeMundart
allgemein angenommen: es ist die herrschende Ansicht, dass aus
dieser Mundart die höfische Sprache sich entwickelt und dass sie
unter den staufischen Kaisern, durch diese und durch die grossen
schwäbischen Dichter in den hochdeutschen Landen als Schrift- und
264
Dr. Franz Pfeiffer
Dichtersprache zu allgemeiner Geltung gelangt sei. Um zu zeigen,
welche Übereinstimmung in dieser Beziehung unter den Gelehrten
herrscht, will ich aus Vielen nur die Äusserungen von vieren, von
zwei Litterarhistorikern und zwei Grammatikern anführen.
Zuerst Koberstein, dessen Anschauung, wie mir scheint, auf
die späteren nicht ohne Einfluss geblieben ist. Derselbe äussert sich,
z. Th. unter Berufung auf J. Grimm’s Grammatik l 2 , 447 — 455.
931 ff. I 3 , 5. 201 ff., folgendermassen: „Unmittelbar nachHeinrich von
Veldeke zeigt sich die reinmittelhochdeutsche Sprache schon als
herrschend in den Werken der höfischen und kurz darauf auch in
denen der gebildeten Volkspoesie. Sie trägt vorzugsweise die beson
dere Farbe der schwäbischen oder alamannischen Mundart an
sich, deren allmählich hervortretendes Übergewicht über die anderen
hochdeutschen Unterdialekte bereits im ahd. Zeitraum bemerkt wurde,
und die noch mehr an Ansehen und Einfluss auf die Sprache
der Höfe und des Adels, zumal im südlichen Deutschland, gewinnen
musste, nachdem sie als die angeborne Mundart der Hohenstaufen
mit deren Thronbesteigung die Sprache des kaiserlichen Hofes
geworden war. Von den höheren und gebildeten Ständen gesprochen,
stellte sie sich als die feine Sprache des Hofes den roheren Volks
mundarten gegenüber und erhob sich, als sich die höfische Poesie im
Süden Deutschlands niederliess und hier ihre schönsten Blüthen trieb,
zunächst zur allgemeinen Dichtersprache, die dann aber auch, als
die Prosa nach höherer Bildung strebte und sich freier zu entwickeln
begann, für diese in Anwendung kam. Allerdings sind in ihr noch
dialektische Unterschiede wahrzunehmen, wodurch die Dichter,
bald ihre eigentlich schwäbische, bald ihre baierisch-österrei
chische, oder eine rheinische, fränkische oder thüringische Abkunft
verralhen. Allein sie begründen nicht mehr einen so bedeutenden
Abstand der Sprech- und Schreibweise nach Landschaften, wie dies
im ahd. Zeiträume der Fall war. Selbst niederdeutsche Dichter
eignen sich nun schon mitunter die hochdeutsche poetische Sprache
in dem Grade an, dass ihre Heimat kaum noch durch einzelne Aus
drücke oder Reime durchblickt, während andere freilich die angelernte
Mundart mit der angeborenen stärker färben“ (Grundriss 4. Aufl.
1845. S. 122 f.).
In ähnlicher Weise spricht sich über die Hofsprache W.
Wackernagel aus (Litteraturgeschichte S. 124 f.): „Das 13. Jahr-
Über Wesen und Bildung' der höfischen Sprache etc.
265
hundert kennt die- schärfere Ausprägung und Sonderung der Mund
arten und, damit verbunden, nachhaltende Alterthümlichkeit der
Formen nur noch in den zwei Gattungen der Litteratur, die vom
Hofleben weniger berührt oder gar von demselben ausgestosseri waren,
in der Prosa der Geistlichkeit und in der Volksdichtung. — Bei Hofe
und in dessen Liedern und Epopöien galt ein viel milderer und gemäs-
sigterer Ton, wie schon Heinrich von Veldeke ihn angeschlagen; es
galt daauchkeine einzelne Mundartmehr, am allerwenigsten abergerade
jene Mischmundart, deren V eldeke sich bedient hatte. Denn obwohl
es eine Zierlichkeit schien, im Gespräch des Hofes sogar zu vlcemen,
d. h. niederländische Worte und Wortformen zu gebrauchen, so ward
doch jetzt, wo wiederum ein südliches Land, wo Schwaben an die
Spitze der neuen Dichtkunst trat, auch dessen Mundart massgebend für
die Dichtkunst: aus ihrem Grunde, mit leichter Ausgleichung und Anbe
quemung der übrigen des obern Deutschlands, erwuchs eine Hof
sprache, um alsbald zu solcher Herrschaft über die gesammte
Litteratur der Höfe zu gelangen, dass auch Niederdeutsche sich ihr
unterzogen und dass es nur ganz im Anfang dieses Zeitabschnittes
noch vereinzelte Gedichte gab, in denen nach älterer Weise Hoch-
und Niederdeutsch sich mischten, wie Herbort’s Trojanerkrieg und
Athis und Prophilias. — Schwaben, Sachsen, so bezeichnete man im
Grossen und Ganzen den sprachlichen Unterschied, angemessen, da
jedenfalls in Schwaben der Grund der neuen Hofsprache lag: aber
auch Franken und Baiern und Thüringen hatten Theil an ihr und
trugen je von den Eigenheiten ihrer angeborenen Sondersprachen bald
mehr bald minder in sie über“.
Derselben Ansicht huldigen die beiden Gelehrten, die in neu
ester Zeit die hochdeutsche Sprache grammatisch behandelt haben:
Rumpelt und Schleicher. Der erstere sagt S. VI, VII seiner
„deutschen Grammatik“ (Berlin 1860. 1. Theil): „In den Denkmälern
des 12. bis Mitte des 13., höchstens bis Anfang des 14. Jahrhunderts
vereinfachen sich die früher zwischen dem Alamannischen, Schwä
bischen, Baierischen und Fränkischen bestandenen Unterschiede
bedeutend, und zwar zu Gunsten des S ch wä bi s ch e n, welche Mundart
offenbar durch den Glanz des regierenden Kaiserhauses weit über
die Grenzen des eigentlichen Schwabens hinaus die Sprache des
höfischen Adels und besonders die seiner Poesie wird und als solche
jetzt unter dem Namen „mittelhochdeutsch“ bekannt ist.
266
Dr. F ranz Pfeiffer
Und August Schl ei eh er (die Deutsche Sprache. Stuttg. 1860.
S. 103, 104): „Aber bald gelangte eine Mundart zu allgemeinerer
Geltung als Sprache der Litteratur und des höheren Umgangs, wie er
an den Höfen gepflogen ward: es bildete sich eine höfische Spra
che, die auch von denen gebraucht wurde, deren heimatliche Mund
art sie nicht war. — Diese Mundart ist die schwäbische. Sie,
die schwäbische höfische Mundart, ist das Mittelhochdeutsch im enge
ren Sinne, die Sprache der höchsten Erzeugnisse der reichen elassi-
schen Litteratur des 13. Jahrhunderts die Sprache, in welcher sowohl
die nunmehr neugeborene volksthiimliche Heldendichtung, als auch
die, fremden Vorbildern folgende höfische Epik, die Lyrik, kurz die
gesammte Dichtung jener fruchtbaren Periode niedergelegt ist.“
Wie man sieht, sind die hier aufgeführten, und es sind mit ihnen
alle Jene, die sich über diesen Gegenstand ausgelassen haben, darin
einig, 1. das es, mit mehr oder minder mundartlichen Abweichungen
und Besonderheiten, eine gemeinsame Schrift- und Dichtersprache
gab, oder um es mit Lachmann’s Worten auszudrücken, „dass die
Dichter des 13. Jahrhunderts bis auf wenig mundartliche Einzelheiten,
ein bestimmtes unwandelbares Hochdeutsch geredet haben“ (Auswahl
S. VIII), und dass 2. die Grundlage dieser allgemeinen höfischen
Sprache die schwäbische Mundart war. Nur Einer, und zwar Einer,
an dessen Urtheil vor Allen gelegen sein müsste, scheint hierüber
etwas anderer Ansicht zu sein, und dieser Eine ist, bedeutsam genug,
JakobG rimm. Mir ist wenigstens nicht erinnerlich, dass er, der über
haupt den Ausdruck „höfische Sprache“, womit die kritische Schule so
viel Missbrauch getrieben hat und noch treibt (s. Germania 6,239 IT.),
nur selten gebraucht, der schwäbischen Mundart dieses ihr so allge
mein beigelegte Übergewicht über die Dialekte der übrigen hoch
deutschen Stämme irgendwo zuerkannt hätte. Und doch hätte er,
von seinem Standpuncte aus, hiezu weit mehr Grund und Berechti
gung gehabt als jeder Andere; denn das Mittelhochdeutsch, wie es in
den Paradigmen, wie es in Laut- und Formenlehre seiner Grammatik
erscheint, ist im Grunde nichts anderes als das Schwäbisch-Alaman-
nische, ebenso wie seine Darstellung des Althochdeutschen, das
„Strengalthochdeutsche“, nicht auf dem Bairischen und Fränkischen,
sondern wesentlich auf dem Alamannischen des Isidor und der St.
Galler beruht. Hier wie dort wird das Schwäbisch-Alamannische,
gleichsam als Regel und Gesetz, in den Vordergrund gestellt und die
Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache etc.
267
übrigen hochdeutschen Dialekte nur nebenher, in den Anmerkungen,
behandelt. J. Grimm nimmt zwar ebenfalls „eine allgemeine Sprache
an, die im 12. und 13. Jahrhundert am Rhein und an der Donau, von Tirol
bis nach Hessengewaltef, deren sich alleDichter bedient und in der die
älteren Mundarten verschwommen und aufgelöst sind“ (Grammatik l 2 ,
XII. XIII); aber dass diese allgemeine, diese Hofsprache aus dem
Grunde der schwäbischen Mundart erwachsen sei, wird von ihm,
meines Wissens, nicht gesagt. Dies kann nicht blosser Zufall sein,
sondern man wird annehmen dürfen, es habe seinerseits eine be
stimmte Absicht dabei obgewaltet.
Ich bin nicht mit voller Sicherheit zu sagen im Stande, von wem
die gangbare Vorstellung von dem einstigen Übergewicht und der
Herrschaft der schwäbischen Mundart ausgegangen ist. Einigen An-
theil daran mag allerdings die ihr in der Grammatik wiederfahrene Aus
zeichnung haben; im Übrigen reicht, wenn ich nicht irre, ihr Ursprung
bis auf Bodmer zurück, der die Blülhezeit der höfischen Poesie „den
schwäbischen Zeitpunct“, und die Sprache, in der die hochdeutschen
Gedichte jener Zeit verfasst sind, „die schwäbische Mundart“ zu
nennen pflegte. So lange kann ein Irrthum sich von Geschlecht zu
Geschlecht fortpflanzen und so tief kann er sich einnisten! Ein Irr
thum, sageich, denn die Ansicht von der Hofsprache und ihrem
Erwachsen aus dein Schwäbischen ist eine durchaus irrige, mit der
Geschichte unserer Sprache und Litteratur im Widerspruch stehende.
Eine kurze Erörterung über das Verhältniss der drei hoch
deutschen Hauptmundarten zu einander wird uns zeigen, worin das
Wesen der Hofsprache nicht kann bestanden haben: sind wir erst
darüber im Reinen, so werden wir leichter erkennen, worauf es
wirklich beruht hat.
Betrachten wir das Schwäbisch-Alamannische und das Baierisch-
Österreichische, wie es in den höfischen Dichtungen der classischen
Zeit erscheint, in Bezug auf den Vocalismus 1 ), worin doch das eigen-
thümlichste Leben einer Sprache zu ruhen pflegt, so finden wir, dass
das Schwäbische die Lautveränderungen, die das Wesen der neuen
*) Auf diesen allein nehme ich, weil es mir zu meiner Beweisführung'völlig ausreichend
scheint, hier Bedacht; dem Kundigen brauche ich nicht zu sagen, dass auch im Con-
sonantismus zwischen diesen Mundarten gleichmächtige Verschiedenheiten nicht
nur bestehen, sondern überall in der höfischen Poesie zu Tage treten.
268
Dr. Franz Pfeiffer
Sprachbildung ausmachen, weit treuer, reiner und regelmässiger
innerhalb der hochdeutschen Lautgesetze vorgenommen hat als die
baierische Mundart, und dass es auch hier , wie schon im ahd. Zeit
raum, als die edelste und schönste von allen oberdeutschen Mundarten
sich bewährt.
Der Vocalismns des Baierisch-Österreichischen steht zwar dem
Alamannischen sehr nahe; doch erscheinen in den Dichtungen dieser
Zeit schon allerlei unorganische Abweichungen, Unregelmässigkeiten
im Um- und Ablaut, Brechungen, die dem Alamannischen fremd sind,
besonders aber schädliche Mischungen ursprünglich verschiedener
Diphthongen. So z. B. n für o in briutegam, haln, dort, worden
für brintegom, hobt, dort, worden; verworren für verworren u. s. w.
Ferner ou für ü und iu: ouf, toube, roum, koume, gebouiven, getrou-
wen in zahlreichen Reimen bei fast allen baierisch-österreichischen
Dichtern, bei Wolfram, Wernher, Reinbot, Heinrich vom
Thürlein etc. Auch ie für i in dier, mier, wicr, ier und u für uo
bricht häufig durch z. B. tun (= tuon): sun; stunt (= stuonf):
kunt u. s. w., letzteres nicht bios bei Wolfram, sondern auch in
den Nibelungen, derGudrun, Klage, im Biterolf, Tlnirlein u. s. w.
Von der Mitte des 13. Jahrhunderts an beginnen dann, zum Theil auf
Grundlage der eben genannten Besonderheiten, in dieser Mundart
jene Veränderungen (des i zu ei, des iu in eu, äu, des u, ou in aii),
die sie aus dem Kreise des Mittelhochdeutschen hinaus zum Neuhoch
deutschen überleiten.
Viel weiter als die alamannische und baierische Mundart unter
sich steht in der classischen Zeit und später von beiden das Mittel
deutsche ab, das ausser e (e) aus a («) keinen Umlaut und überdies
die Diphthongen uo, de, iu nicht kennt, die bei ihm mit u (?<)
zusammenfallen. Im Mitteldeutschen lautet also meere (fama, fabula;
inclytus) wie mere (magis, amplius), stuont (steti) und der conj.
stüende wie stunt, stunde (hora), Hut, Hute (populus, homines) wie
lut, lute (clarus, clare) u. s. w. Auch der Diphthong ie schwankt
vielfach und ist meist zu i geworden.
Alle die zahlreichen Dichtungen nun, die vom Ende des 12.
Jahrhunderts in Franken, Hessen, Thüringen entstanden sind, zeigen
in den Reimen, und, wenn sie sich in Handschriften erhalten haben,
die dort geschrieben sind, auch in der Orthographie, natürlich in
höherem oder geringerem Grade, je nachdem sie der niederdeutschen
Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache etc.
269
oder der oberdeutschen Sprachgrenze näher stehen, stets dieselben
eben angeführten Lauterscheinungen, und es ist kein Beispiel bekannt,
dass ein mitteldeutscher Dichter jemals zu Gunsten des schwäbischen
Vocalismus von der ihm angeborenen Mundart abgewichen wäre.
Wenn daher W. Wackernagel an der angeführten Stelle
behauptet, diese Mischmundart, wie er das Mitteldeutsche nennt, sei
nur ganz im Anfänge des Jahrhunderts gebraucht worden und hätte
später in der Litteratur keine Geltung mehr gehabt, und wenn er, zur
Begegnung von Einwürfen, hinzufügt, dass „spätere Werke, in denen
nicht die Hofsprache, sondern eine mitteldeutsche Mundart erscheine,
eben keine höfische sondern geistliche Dichtungen und ihre Verfasser
Geistliche seien“, so widerspricht diese Behauptung dem Augen
schein und die daraus gezogenen Folgerungen können vor den That-
sachen nicht bestehen.
Allerdings waren Heinrich von Krolewitz und der Verfasser des
Passionais und der Väter Buch, vielleicht auch Ebernant von Erfurt
(derDichter vonHeinrich und Kunegunde) und der Verfasser der heil.
Elisabeth Geistliche, und ebenso sind die Stoffe, die sie poetisch bear
beitet haben, erbauliche und legendenhafte. Aber der geistliche Stand
und der fromme Inhalt ihrer Werke macht sie noch keineswegs zu
unhöfischen Dichtern, und beides würde sie nicht abgehalten haben,
sich der Hofsprache zu bedienen, hätte diese in der vorausgesetzten
Weise und Ausdehnung jemals bestanden. Die Genannten waren
trotz des geistlichen Inhalts ihrer Dichtungen und trotz der mittel
deutschen Färbung ihrer Sprache so gut als einer ihrer weltlich dich
tenden ritterlichen Zeitgenossen höfische Dichter: dies erhellt aufs
Unzweifelhafteste daraus, dass sie im Versbau und Reim die Gesetze
der höfischen Kunst beobachteten. Diese allein, und nicht die Sprache,
ist der Prüfstein der Höfischheit.
Einen weitern Beweis dafür, dass der weltliche oder geistliche
Stand und Stoff bezüglich der Sprache keinen Unterschied begründen,
liefern uns die Lieder und Sprüche des Rumezlant, des Heinrich
Frauenlob aus Meissen und anderer mitteldeutscher Spruchdichter.
Obwohl Fahrende, und als solche mit dem schwäbischen oder auch
baierischen Dialekte leicht bekannt, lassen sie doch in ihren Gedichten
selbst durch das oberdeutsche Gewand, das ihnen alamannische
Schreiber umgehängt, vielfach ihre angeborene Mundart durchblicken.
Ja selbst die fürstlichen Dichter aus diesen Gegenden, denen man
270
Di*. Franz P f e i f f e r
doch vor andern Kenntniss und Beobachtung der Hofsprache Zutrauen
dürfte, können in den wenigen von ihnen erhaltenen Strophen die
Spuren des Mitteldeutschen eben so wenig verbergen. Herzog Hein
rich von Breslau (1270 — 1290) geselle (geschehe): ge MSH.
1,106.MarkgrafOtto von Brandenburg (1266—1308)m>c: se (sehen)
ebd. 12. Markgraf Heinrich von Meissen (1234—1288) pflege: ge
legen; tage: tragen ebd. 13 a . Herzog von Anhalt (1212—1267) ver-
smän: getan ebd. 15. So geringen Einfluss hatte das Schwäbische
auf die Sprache der mitteldeutschen Dichter hohen und niedern
Standes.
Umgekehrt liegen Beispiele vor, dass Dichter, die nicht geborne
Thüringer waren, manches von der dort üblichen Mundart annahmen.
So Wolfram, der, obwohl mit den Dichtungen Hart m a n n’s bekannt,
nicht das geringste von dessen Sprache, wohl aber vieles vom Thü
ringischen sich aneignete; so in noch auffallenderer Weise der ihm
gleichzeitige Albrecht von Halberstadf, der, wenn gleich ein Sachse
von Geburt, die Verwandlungen des Ovid nicht in sächsischer, aber
eben so wenig in schwäbischer, sondern in thüringischer Sprache
umdichtete (1210). Auf beide hat aber nicht etwa die Macht einer
Hofsprache durch die Litteratur , sondern lediglich die Macht der
Angewöhnung eingewirkt, indem beide längere Zeit in Thüringen in
der Nähe des Landgrafen Hermann, Wolfram wohl zu Eisenach,
Albrecht, wie er uns selbst erzählt, auf dem thüringischen
Schlosse Jechaburg sich aufhielten.
Wenn man nun erwägt, dass in den Wurzelvocalen, in denen
gerade das eigenste Leben, das Blut und der Pulsschlag einer
Sprache liegt, unter den schwäbisch-alamannischen und den baierisch-
österreichischen Dichtern, trotz der nahen Verwandtschaft beider
Mundarten, keineswegs volle Übereinstimmung, dass zwischen diesen
und der mitteldeutschen sogar eine tiefgreifende, überall zu Tage
tretende Verschiedenheit herrscht; und wenn man hiezu nimmt, dass
die Dichtungen aus den baierisch-österreichischen und den mittel
deutschen Landen die schwäbischen an Zahl und Umfang übertreffen
und an poetischem Gehalt ihnen nicht nachstehen (man denke ausser
den Nibelungen und der Gudrun an Wolfram und Walther), so ergibt
sich von seihst, dass von einem bestimmten unwandelbaren Hoch
deutsch in dem angenommenen Sinne und selbst mit den zugegebenen
Beschränkungen, oder gar von einem Übergewicht, einer Herrschaft
Über Wesen und Bildung 1 der höfischen Sprache etc.
271
des Schwäbischen nicht die Rede sein kann, und dass das Gemein
same, Allgemeingütige der Hofsprache, wenn anders eine solche
wirklich bestanden hat, nicht in einer Ausgleichung oder Anbeque
mung der Wurzellaute an irgend eine bestimmte Mundart, sondern
anderswo gesucht werden muss.
Eine solche Gemeinsamkeit in der Hof- und Dichtersprache war
in der That vorhanden; aber sie hatte mit den Wurzellauten nichts zu
tliun, sondern beschränkte sich lediglich auf die Flexions- und
Ab leitu ngssylben. Hier, in den Verbal-und Nominalflexionen, hat
von den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts in der Sprache
der Dichter, mochten diese nun dem ohern oder mittlern Deutschland
angehören, nahezu vollkommene Übereinstimmung geherrscht, und
auf dieser Übereinstimmung beruht ausschliesslich das Charakteristi
sche, das Gemeinsame der höfischen Sprache im Gegensätze zu den
Volksmundarten. In diesem Puncte zeigen sogar die Mundarten des
niederdeutschen Sprachgebietes, das Westphälische, Sächsische und
Niederrheinische keine wesentliche Verschiedenheit von der hoch
deutschen Hofsprache.
Ein Blick auf die historische Entwickelung unserer Sprache
wird das Naturgemässe, Nothwendige dieser Erseheinung erklären.
Jede Sprache ist im Laufe der Zeiten Veränderungen unterwor
fen, und diese erfolgen rascher oder langsamer, je nach den mehr
oder minder heftigen Umgestaltungen, denen das Leben und die
Bildung eines Volkes in politischer, socialer und Iitterarischer Bezie
hung ausgesetzt ist. Durch elf Jahrhunderte können wir unsere hoch
deutsche Sprache, fast ohne Unterbrechung, zurückverfolgen und
in jedem Jahrhundert zeigt sie eine vom vorhergehenden ver
schiedene Gestalt. Das „Strengalthochdeutsche“ der Grammatik ist
das älteste Hochdeutsch der St. Galler im 8. Jahrhundert. Schon im
9. beginnen die Lautveränderungen und von dieser Zeit an lässt sich
namentlich die Neigung, die alten volltönenden Flexionssylben mit
anderen, minder gewichtigen zu vertauschen, überall wahrnehmen.
Diese Neigung zur Abschwächung und Abschleifung der Endungen
griff in der Folge mehr und mehr um sich und endete nicht eher, als
bis die alten, mannigfaltigen, unterscheidenden Flexionsvocale a, o, u,
erst in i, zuletzt in das eine klang- und tonlose e abgestumpft waren.
Ich weiss recht gut, dass ich mit den letzten Sätzen Niemand
etwas Neues sage: diese Erscheinung und dass in ihr der wesent-
Silzb. (1. phil -bist. CI. XXXVII. Bd. III. Hft. 18
272
Dr. Franz P f e i l'fe r
liebste Unterschied zwischen alt- und mittelhochdeutscher Sprache
liegt, ist vielmehr eine allbekannte Sache; aber dass hierin das
Wesen der Hofsprache beruht, ist bisher nicht erkannt oder doch
nirgends klar und bestimmt ausgesprochen worden.
Dieser Hang zur Abschwächung war nicht in jeder der hoch
deutschen Mundarten gleich stark vorhanden. Weit früher als der
alamannische ward der fränkisch-baierische davon ergriffen. Ich er
innere hier nur an die erst kürzlich gemachte Entdeckung J. Grimm’s
und seinen in der Germania 3, 147 ff. gegebenen Nachweis, dass
schon hei Otfried, Tatian und in den übrigen fränkisch-baierischen
Denkmälern aus derselben Zeit der Plural der starken und schwachen
Praeterita im Indicativ auf ein gleichmässiges kurzes u, im Conjunctiv
auf kurzes i auslautet (also namun, scoltun; ndmin, scoltin),
während der alamannische Dialekt nicht blos in den gleichzeitigen
Denkmälern, sondern noch hei dem viel spätem, an der Grenze des
ahd. Zeitraums stehenden Notker, das lange i des schwachen Con-
junctivs festhielt (scoltin), und dem starken un ein schwaches, der
ursprünglichen, der gothischen Form -dedum analoges ton gegen
überstellte. Und wie hier so zeigt sich noch in vielen anderen
Dingen heim Alamannischen ein zäheres Festhalten am Alterthüm-
lichen als hei den übrigen deutschen Mundarten.
Hat sich nun bei diesen schon so früh, schon im 9. Jahrhundert,
ein minder feines Gefühl für ursprüngliches Tongewicht, ein Hang
zur Schwächung der vollen Flexionsvocale bemerkbar gemacht, so
würde man, selbst ohne Beweis, voraussetzen dürfen, dass die
gewaltigen Veränderungen, die sich von der Mitte des 11. Jahrhun
derts in der deutschen Sprache zu zeigen begannen, in dem baierischen
und dem mitteldeutschen Dialekte rascher und entschiedener von
Statten gingen. So ist es in der That und es kann streng bewiesen
werden.
Die Betrachtung der litterarischen Denkmäler zeigt uns, dass
sich die Sprache dieser Landstriche in der unglaublich kurzen Zeit
von etwa hundert Jahren vom Althochdeutschen zum fast vollständigen
Mittelhochdeutsch, oder, richtiger gesagt, zur sogenannten Hofsprache
ausgehildet hat. In jenem von Hoifmann von Fallersleben unter dem
Titel „Merigarto“ herausgegebenen Bruchstück einer Weltbeschrei
bung (Fundgruben 2, 1 —8), die im Anfänge des 11. Jahrhunderts
wahrscheinlich von einem Ostfranken gedichtet ist, waltet in den
Über Wesen und Bildung- der höfischen Sprache etc.
273
Flexionen noch der althochdeutsche Charakter vor. In den der Zeit
nach zunächst folgenden Dichtungen, die in Österreich, zum Theil
auch in Franken entstanden sind, in der Schöpfung, in den vier
Evangelien oder dem Anegenge (Diemer 104 ff. 317 ff.), im Anno
liede, im Gedicht vom jüngsten Tage (Wackernagel’s Lesebuch 1*,
154 ff.), die noch dem 11., in der Genesis, dem Melker Marien
liede ‘) und dem Leben Jesu der Frau Ava, die dem Anfang des
12. Jahrhunderts angehören, finden wir zwar noch zuweilen ver
einzelt volltönende Flexionen in den Reimen, z. B. man: muneclian:
betwingan: minnan: lidan: generian; gewan: gelt an; riuwan:
volle st (in; sun: gewartun: himilön; mennischun: ewangelium;
im Übrigen aber trägt die Sprache schon entschieden mittelhoch
deutsches, höfisches Gepräge. Von der Mitte, oder genauer, vom
zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts an verschwinden auch solche
Reime gänzlich, nicht nur bei den Gründern der neuen weltlichen
Dichtung, der Lyrik, dem Kiirnberger, Spervogel, Dietmar von Aist,
sondern auch bei Dichtern geistlichen Standes, z. B. dem, vermuthlich
aus Franken gebürtigen Verfasser der gleichzeitigen Kaiserchronik,
und alle Verbal- und Nominalflexionen zeigen von nun an fast aus
nahmslos das eine unveränderliche i oder e.
Selbst die Prosadenkmäler, die geistlichen Stücke und Predig
ten, wo doch sonst am liebsten und längsten Alterthümliches zu haften
pflegt, machen hievon keine Ausnahme. In der merkwürdigen, aus
dem oberbaierischen Kloster Benedictbeuren (bei Tölz) stammenden,
dort oder doch, wie eine Menge Ausdrücke lehren, jedenfalls in
Baiern, wohl noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts geschriebenen
Predigtsammlung, auf die ich vor Jahren zuerst aufmerksam gemacht
und die nun durch Kelle unter dem Titel „Speculum ecclesiae Alt
deutsch “ (M ü n ch e n 1858) herausgegeben ist, begegnen wir, abgesehen
von dem hier noch nicht eingedrungenen Umlaut, einer Sprache und
Schreibweise, die dem idealen Mittelhochdeutsch der Grammatik in
überraschender Weise nahe tritt. Und, wie schon bemerkt, ganz
dieselben Erscheinungen in Bezug auf die Flexionen finden wir bei
l) Dies älteste lyrische Gedicht, von dem wir genau wissen, dass cs um 1125
niedergeschrieben ist, bietet eigentlich nur eine einzige alte Flexion: mandalon,
was aber auf edile reimt; vngebrächöt, richsenöt kommt, weil viel später noch
im Gebrauch (s. S. 20), hier nicht in Betracht; gallun: turteltübun ist von
Wackernagel gegen das handschriftliche galten: lurteltüben gesetzt.
18*
274
Dr. Franz Pfeiffer
den niederrheinischen Dichtungen schon von der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts an, im Alexander, König Rüther u. A.
Zur Beschleunigung dieses Umbildungsprocesses auf den ge
nannten Sprachgebieten haben, ausser der in diesen Mundarten selbs.
liegenden und früh schon sichtbaren Hinneigung zur Verflüchtigung
der alten Flexionsvocale, allerdings auch äussere Umstände mitge
wirkt, darunter gewiss die Kreuzzüge und die damit verbundenen Um
wälzungen im geistigen und socialen Lehen unseres Volkes. Durch
die Kreuzzüge erhielt, wie man weiss, das Ritterwesen einen un
geheueren Aufschwung, eine unendliche Fülle von Bildung und neuen
Anschauungen ward zumal den höheren Ständen zugeführt. Rasch
erhob und entfaltete sich eine reiche Litteratur, deren Träger zwar
in ihrem Beginne noch wie in der althochdeutschen Zeit Geistliche
waren, die aber von diesen bald an die Ritterschaft überging und
unter deren Pflege in kürzester Zeit zu ungeahnter Blüthe entwickelt
wurde.
Dass diese äussere Bewegung, die dadurch bewirkte Umgestal
tung des geselligen und geistigen Lebens, die Theilnahme, die
nun zum ersten Male die Laien der Poesie zuwandten, auch auf die
Sprache von mächtigem Einfluss gewesen sein muss, lässt sich
erwarten. Denn es kann nicht fehlen, dass in gebildeter Gesell
schaft, inmitten eines regen geistigen Verkehrs eine Sprache zu
rascher leichter Rede mehr und mehr geschickt und ausgebil
det, aber gleichzeitig und eben dadurch auch abgeschliffen wird: sie
verliert an Alterthiimlichkeit, an sinnlicher Kraft und an Wohlklang,
aber sie gewinnt an Geschmeidigkeit und Beweglichkeit des Tones
wie des Ausdruckes.
Diesen Einwirkungen der Kreuzzüge auf die Litteratur waren die
Rheinlande, war Mitteldeutschland, Baiern und Österreich, durch
welche der Hauptstrom der Kreuzfahrer nach Ost und Südost sich zu
ergiessen pflegte, weit mehr ausgesetzt, als die obern alamannischen
Lande, dort fänden sie fruchtbaren bereiten Boden und dort müssen
die Anfänge, die Wurzeln der neuen Sprachbildung gesucht werden.
Als die Ausübung der Poesie zuerst in Österreich am Baben
berger Hofe noch vor der Mitte des 12. Jahrhunderts, später an den
Höfen der rheinischen und thüringischen Fürsten von der Ritterschaft
in die Hand genommen wurde, war in diesen Gegenden eine neue
Sprache längst vorbereitet; und als dann, neben dem früher und noch
Über Wesen und Bildung 1 der höfischen Sprache etc.
275
in der ersten Hälfte des Jahrhunderts ausschliesslich herrschenden
stumpfen Reim auch der klingende sich eindrängte und festsetzte,
und endlich, in den 80ger Jahren, charakteristisch genug vom Nieder
rhein und Mitteldeutschland her, durch Heinrich von Veldeken der
genaue Reim eingeführt wurde, da war die Bildung der Hof- und
Dichtersprache vollendet; denn die alten vollen Endungen, die frü
her zum stumpfen Reim nothdürftig hingereicht, hätten in unzähligen
Fällen für den genauen und den klingenden Reim, ohne der Dicht
kunst die lästigsten Fesseln anzulegen, gar nicht mehr verwendet
werden können.
Schon aus dem bisher Vorgebrachten erhellt, wie unbegründet
die gangbare Vorstellung ist, die höfische Sprache des 12. und 13.
Jahrhunderts habe sich aus dem Grunde der schwäbisch-alamanni-
schen Mundart herausgebildet. Mit weit mehr Fug und Recht kann
man sagen, dass von den hochdeutschen Stämmen der alamannische
der letzte war, der sich der neuen Sprachbildung angeschlossen und
sich derselben zu dichterischen Kunstschöpfungen bedient hat, frei
lich um es dann mit der ganzen Energie, die dieser edlen Mundart
eigen ist, durch Reinheit und Wohlklang der Laute so wie durch
Anmuth und schönes Ehenmass derForm allen anderen voraus zu thun.
Österreich, Franken und die Rheinlande besassen im 11. und 12.
Jahrhundert eine reiche ausgebildete Poesie. Von schwäbisch-alaman-
nischer Dichtung aus dieser Zeit wissen wir dagegen nichts, nicht
einmal aus Zeugnissen. Sogar von den poetischen Denkmälern aus
althochdeutscher Zeit gehören erweislich kaum ein paar dieser
Mundart an. Wenn man nun auch annehmen darf, die Poesie habe in
einem dichterisch so begabten Volksstamme nie ganz geruht, so ist
doch nicht zuerrathen, welcher Art diese Poesie war und namentlich
nicht wie die äussere Form, Sprache und Reim, beschaffen war.
Die frühesten Spuren alamannischer Dichtung begegnen uns in den
siebziger Jahren: ein Paar Lieder und das, in alter Gestalt nur
bruchstückweise erhaltene Gedicht „Isengrins Noth“ (Reinhart Fuchs)
von Heinrich dem Glicheseere, einem Elsässer. Es sind aber eben nur
Anfänge, die, an und für sich von minderer Erheblichkeit, auf
den Zustand der Sprache in jener Zeit keinen sichern Schluss
gestatten.
Erst ganz spät, im letzten Jahrzehent des Jahrhunderts, nachdem
die Bildung der höfischen Sprache und Kunst geraume Zeit vollzogen
276
Dr. Franz Pfeiffer
war (ich will hier nur im Vorbeigehen an Walther von der Vogel
weide erinnern, der schon vor 1190 zu dichten begann und dessen
gewiss in dieser frühesten Zeit, fern von a 1 lern E i n f 1 uss schwä
bischer Mundart entstandene Liebeslieder auch in Sprache und
Reim zu den schönsten, reinsten Blülhen höfischer Poesie gehören),
sehen wir Alamannen, Ulrich von Zatzighofen und Hartmann von
Aue und bald nach diesen Gottfried von Strassburg in den hoch
deutschen Dichterkreis eintreten. Allerdings nahmen die beiden letzt
genannten sofort einen hohen Rang in der neuen Poesie ein und
übten auf weite Kreise einen mächtigen Einfluss. Dies geschah aber
nicht durch ihre Mundart, sondern einzig durch den dichterischen
Gehalt ihrer Werke und die Meisterschaft ihrer Kunst. Dass sie auf
die Bildung der Hofsprache, die, wie gesagt, schon vor ihrem Auf
treten in der Litteratur eine vollendete Thatsache war, irgend be
stimmend eingewirkt haben, kann in keiner Weise dargethan werden.
Selbst in Bezug auf den Reim, den diese Dichter, darin unterstützt
durch den reinen regelmässigen Vocalismus der alemannischen
Mundart, zur höchsten Reinheit ausgebildet haben, erstreckte sich
ihr Einfluss und ihre Herrschaft nicht über die Grenzen des alaman-
nischen Sprachgebietes hinaus. Wir finden daher wohl den Rudolf
von Ems, Ulrich von Türheim, so wie den in früher Jugend nach
Basel gekommenen und dort nationalisirten Konrad von Würzburg in
ihren Fussstapfen gehend; aber gleichzeitig fuhren, wie die Reime
uns unwiderleglich beweisen, die baierisch-österreichischen, die
mitteldeutschen und rheinischen Dichter fort, ihrer angebornen
Mundart nachzuhängen: so wenig kam hierin dem Schwäbischen
irgend allgemeinere Geltung zu. Nur in Einem herrschte unter den
Dichtern aller deutschen Länder fast vollständige Übereinstimmung:
in den Flexionen, und auf eben dieser Gleichmässigkeit beruht, ich
wiederhole es, das Wesen der Hofsprache.
Dass die Alamannen hierin nicht die Bahnbrechenden, Trei
benden, sondern die Getriebenen, spät erst Nachfolgenden waren,
ergibt sich zwar, wie ich hoffe, schon aus den vorstehenden
Erörterungen, findet aber (und ich habe mir dies für zuletzt aufge
spart) in der Beschaffenheit der alamannischen Mundart noch einen
weitern schlagenden Beweis.
Dasselbe zähe Festhalten am Ursprünglichen, Alterthümlichen,
das dieser Mundart schon im althochdeutschen Zeiträume vor anderen
Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache etc.
277
eigen war, verblieb ihr auch in der mittelhochdeutschen Zeit bis
spät hinab in’s 14. und 13. Jahrhundert, und neben der Hofsprache,
wie sie in Schwaben, in der Schweiz und im Eisass vom Ende des
12. Jahrhunderts an in den Werken der Dichter, in den höfischen
Kreisen, zum Th eil auch unter der Bürgerschaft der Reichsstädte in
Übung und Gebrauch war, waltete in den niederen Schichten der
Bevölkerung, unter dem Volke, eine von jener vielfach verschie
dene Sprache voll altertliürnlicher Fülle und Kraft. Natürlich dürfen
wir diese Sprache nicht in Schriften suchen, die von höfischen
Dichtern, von höfisch gebildeten Schreibern für den Adel oder auch
für das wohlhabende Bürgerthum verfasst und geschrieben wurden;
wohl aber dürfen wir sie in Aufzeichnungen erwarten,die von Männern
herrühren, welche unmittelbar aus dem Volke hervorgegangen oder
doch demselben vermöge ihres Berufes nahe gestanden haben,
also zunächst in Predigten, Urkunden und VVeisthümern. Und in
der That gewähren Schriften dieser Art über die Beschaffenheit der
alamannischen Volksmundart in mittelhochdeutscher Zeit höchst
merkwürdige Aufschlüsse.
Es versteht sich, dass nicht alle Predigtsammlungen und nicht
alle Urkunden aus schwäbischen Landen hiefür gleich ausgiebig und
lehrreich sind. Kaiserurkunden z. B. oder Urkunden, die auf Burgen
für den hohen Adel oder in den Reichsstädten angefertigt wurden,
sind in der höfischen oder doch in einer ihr nahe tretenden Sprache
geschrieben, während andere, die in Dörfern oder kleineren Städ
ten für Klöster, Kirchen, Dorfgemeinden und den niederen Adel
ausgestellt und meist von eingeborenen Schreibern und Notaren ver
fasst sind, die wirkliche Volksmundart wieder geben. Urkunden
dieser Art, und sie sind in ungeahnter Fülle vorhanden, bilden für
mundartliche Forschung eine wahre Fundgrube.
Ähnlich verhält es sich mit den Predigtsammlungen. Auch diese
zeigen nur zum Theil, je nach dem hohem und tiefem Bildungsgrad
der Verfasser und Schreiber, mundartliche Färbung. Doch besitzen wir
mehrere merkwürdige Sprachdenkmäler dieser Art, z. B. einige von
W. Wackernagel in seinem Lesebuch l 4 , 317 — 324 abgedruckte
Bruchstücke, sodann die von F. K. Gr i es ha her (Stuttgart 1843, 46,
in zwei Abtheilungen) herausgegebenen Predigten aus dem 13. Jahr
hundert, die nicht verfehlt haben die Aufmerksamkeit der Sprach
forscher auf sich zu ziehen. Auffallender Weise haben diese nicht
278
Dr. Franz Pfeiffer
recht gewusst, was sie daraus machen sollen. Hätte sonst Wacker
nagel (die altdeutschen Handschriften der Basler Universitäts-Biblio
thek, S. 25) von der Sprache jener Bruchstücke redend, sie „in gram
matischer Beziehung eine rechte Wunderlichkeit“ nennen und auf
Grund des „bunten Gemisches von geläufigen Lauten und unerhörten,
anderswo durch Jahrhunderte getrennten Sprachformen“ den Vor
wurf „modernster Verarmung und Ausartung“ gegen die schweizeri
sche Mundart erheben können ? Aber auch Schmettern schienen von
den in Grieshabers Predigten vorkommenden Formen viele theils
auffallend, theils geradezu unerklärlich, indem er sie weder mit der
mittelhochdeutschen Hofsprache, noch mit den Lautgesetzen und der
Formenlehre der althochdeutschen Sprache in Einklang zu bringen
wusste. So tief steckte die Erforschung der alten Mundarten bis in
die neuere Zeit noch in den Kinderschuhen, dass selbst zwei so aus
gezeichnete Sprachforscher vor einer an sich so einfachen und natür
lichen Erscheinung wie vor einem Räthsel standen.
Sehr natürlich und nicht im geringsten verwunderlich ist in der
That diese Erscheinung. Den Einflüssen der Zeit und den Verände
rungen, welche diese in jeder einer Weiterbildung fähigen Sprache
hervorbringt, hat sich selbstverständlich auch die alamannisehe
Mundart nicht entziehen können; man vergleiche nur die Sprache
Notker’s mit jener des Kero! Aber diese Veränderungen geschahen
weit langsamer als in den übrigen Dialekten, in Übergängen und
Zwischenstufen, was zum Theil in der Natur dieser Mundart so wie
im Charakter dieses an alter Sitte und Gewohnheit zäher als andere
festhaltenden Volksstammes, zumTheil aber auch darin seinen Grund
finden mag, dass Oberschwaben und die Schweiz ein von den grossen
Heerstrassen, vom Weltverkehr abseits liegendes Gebirgsland bildeten
und überdies gerade in der Zeit, wo die Neubildung der Sprache vor
sich ging, von grösseren, reichen und tonangebenden Fürstenhöfen
so ziemlich entblösst waren.
Die weitverbreitete Ansicht nämlich, die dem staufischen Kaiser
hause einen bedeutenden Einfluss auf die Entwickelung der höfischen
Sprache und Poesie zuschreibt, ist wenig mehr als ein schöner
Wahn. In stetem aufreibendem Kampfe mit der Hierarchie und
unbotmässigen Vasallen, erfüllt von politischen Plänen und Gedanken,
mehr in Italien als in Deutschland zu Hause, und, wenn je in der
Heimat, stets mit dem Fuss im Stegereif, hatten die Staufer zur
Über Wesen und Bildung- der höfischen Sprache etc.
279
Pflege und Förderung der Poesie weder Stimmung noch Zeit, wenn
auch in ihnen innere Neigung und Lust dazu vorhanden war. Die
paar Lieder von Heinrich VI. und von Konradin wollen wenig bedeu
ten, und wenn auch ihr Name, selten genug, einmal in Verbindung
mit einem Dichter oder einer Dichtung erscheint, so lässt sich doch
darauf eine erhebliche di recte Einwirkung auf die Poesie nicht
begründen. Weitaus das Meiste und Beste, was Schwaben im
13. Jahrhundert in der Litteratur geleistet, ist erweislich ohne kaiser
liches Zuthun entstanden, und gegenüber von dem, was die Baben
berger und die thüringischen Landgrafen für die nihd. Dichtung
gethan, kann von einer Förderung der Poesie, also auch der Hof
sprache, durch die Staufer keine Rede sein.
Also die alamannische Mundart hat sich ebenfalls verändert, aber
nicht stürz- und sprungweise, sondern in leisen, allmählichen Über
gängen. Diese Sprache war im 12. und 13, Jahrhundert nicht mehr
die althochdeutsche, aber eben so wenig höfisches Mittelhochdeutsch,
sondern zwischen beiden in der Mitte stehend, in den Flexionen
jedoch mehr zu jenem als zu diesem sich neigend. Einige Beispiele
werden das Verhältnis und das Eigentümliche desselben klar
machen !).
Bezüglich der starken Conjugation und Declination unterscheidet
sich das Alamannische im Allgemeinen wenig vom Gemeinmittelhoch
deutschen, fast alle Flexionen sind hier zu i oder e abgeschwächt.
Anders hei den schwachen Formen: hier hat vielfach grosse Alter
tümlichkeit lange fortgedauert. Es begegnen nicht immer mehr die
alten regelmässigen Flexionen des Althochdeutschen, aber sie sind
durch andere gleichfalls tönende Vocale ersetzt.
Beim Verbum ist es besonders die zweite schwache Conjuga
tion, in der das Tongewicht des alten langen u nachwirkt; es ist aber
häufig nicht mehr 6 sondern zu u geworden. So finden sich in einer
noch ungedruckten Interlinearversion der Benedictiner-Regel, die
vermutlich im Kloster Zwifalten in Oberschwaben etwa auf der
Grenzscheide des 12.13. Jahrhunderts geschrieben ist, statt der abge-
1 ) Ich beschränke mich, da zu einer erschöpfenden Darstellung- hier nicht der Ort ist,
im Folgenden auf nur wenige Quellen und Beispiele. Wer mehr verlangt, nehme Schrei-
ber’s Urkundenbuch der Stadt Freiburg oder J. Grimm's Weisthümer (Bd. 1) zur
lland, in Letzterem besonders das Weitnauer Recht vom J. 1344 (S. 310—314), wo
inan auf engein Raum eine Fülle der merkwürdigsten Formen findet.
280
Dr. Franz Pfeiffer
schliffenen Formen auf -in, -en folgende Infinitive: betun, bihtun,
dienun, geliorsamun, gesegemui, iroollun„ minnun, muotwillun,
vazzun, wisun u. s. w.; bei Grieshaber 1, 84 f. dienun, lobun,
mindrun, opfrun, verstumm (-versteinun), und dem entsprechend
die part. praet. gebezzirut, gibannut, gioffinut, giordinut,gisundirut,
widerut; beiG ri esh ab er a. a.O. beröbut, erldsigut, geschadgut. In
anderen Quellen haftet noch, und das ist die fast einzige alterthümliche
Form, die sich auch in der baierisch-österreichischen Mundart etwas
länger, da und dort sogar in höfischen Dichtungen erhalten hat (vgl.
Grammatik l 2 , 967), das alte -du des Infinitivs und das -dt des part.
praet., z. B. in einer Freiburger Urkunde von 1265 (Schreiber
1,66) beredenon, dienen, vordron; Nicolaus von Strassburg (meine
Mystiker I. 261, 5) verdampndn, geischlon; -ot Freiburger Urk.
von 1266 lougendt, gemanot, vordrot, verivissot; Zwifalter Urkun
den 1292/93 geurkundet, gevestindt, und noch in einer Rotenburger
Urk. vom J. 1403 getädingot, ervollot.
Der Plural der schwachen Praet. aller drei Classen lautet tlieils
auf tun, wie bei Otfried, tlieils ton, wie bei Kero, Notker, oder auch
tan. Z. B. Benedictiner-Regel: wir, si geordgetun, hdrtun, loatun,
woltun; Grieshaber 1, 83—91: randun, versmdhatun, fuortun;
ZwifalterUckunden von 1292/93, wir hä tun, hdrtun, sautun. saztun.
Auf ton häufig bei Grieshaber: wincton, opferdton, volgeton; Frei
burger Urk. von 1266; si häton, brdhtön etc. Schwache Praet. auf
tan finde ich in der ältesten Handschrift der Werke Heinrich’s des
Seusen (Strassburg, Johanniter Bibliothek, Bd. 139) aus der Mitte
des 14. Jahrhunderts: si kertan, gerägetan, machet an, ruoftan,
getorstan, vorhtan, zcegtan, daneben freilich auch sagten, horten.
Der Conjunctiv praes. der zweiten schwachen Conjugation,
dessen Flexion im Strenghochdeutschen -de,-den, später, aber noch
in der althochdeutschen Zeit, zuweilen -ei ist, lautet in der ßenedie-
tiner-Regel im sing, durchwegs auf-cf, im plur. auf -ein, -egen,
-eigen: er alitei, betei, hangei, offrei, ruowei, volgei, im plur. si
dienein,gehörsamegen, ordeneigen, segeneigen etc.; bei G r i e s h a b e r
1, 84 f. -ie: er lonie, weinie, sonst gewöhnlich -ege: dienege, gra
bege, fiieregen, wachegest, wachegen etc. (vgl. Grammatik I -, 876).
Der Conjunctiv des praet. nicht blos aller drei schwachen,
sondern auch der starken Conjugation lautet wie im Althochdeutschen,
und darin noch alterthümlicher als seihst Nolker, der es auf die
^
Über Wesen und Bildung der höfischen Sprache etc. 281
schwachen praet. beschränkt, regelmässig in fast allen alamannischen
Quellen bis hinab in's 14. und 15. Jahrhundert -i, also wölti, sölti, tett,
’ miiesti, üebti, hörtt, aber auch giengi, hulfi, liezi, stüendi, wert,
wurdi u. s. w.
Wie hier irn Conjunctiv, so haftet das lange i in den zahlreichen
aus Adjectivis gebildeten Femininis; diu güenliclii, güett, gehörsamt.
heimlicht, täuscht, liebt, schcent, vinstri, wttt u. s. f. bis zum 14.
Jahrhundert in allen alamannischen Denkmälern.
Auch bei der Declination sind es fast ausschliesslich die schwa
chen Nomina, die in ihren Flexionen Alterthümliches bewahrt haben. In
den schon genannten Quellen, der Benedictiner-Regel, Grieshaber’s
Predigten, den Freiburger und Zwifalter Urkunden — um auch hier
mich auf diese wenigen zu beschränken — begegnet man folgenden
eigenthümlichen Flexionen.
1. Schwaches Masculinum. Der dat. und acc. pl. auf un: die, den
herrun, erbun, salmun, wasun; der gen. pl. auf 6 (statt des ahd.
önö): der eltrö (seniorum), der durftigö, der heiligö, der menscö
(hominum), der siechö, der wtssagö; ferner derlierrö, der erbo und
ndhkomendd (so noch in den Zwifalter Urkunden von 1292/93).
2. Schwaches Femininum. Sing. gen. dat. und acc. auf -un:
die, der genädun, forlitun, lezzun, maltun, maistrtnun, scerun
(tonsuram), sunnun, vastun, wochun, zungun; der maigerlnun (villi-
cse, diese Form noch in einer Zwifalter Urkunde von 1368). Eben so
die weiblichen Eigennamen; noch in der schon angeführten Roten-
burger Urkunde von 1403 finde ich für gen. dat. und acc. Annun,
Agatun, Magdalenun. — Plur. nom. häufig auf a: gäba, gazza,
kirclia, stla (latera), sträza, wdga, wunda; die obliquen Casus
auf -un.
3. Der dat. und acc. pl. der wenigen schwachen Neutra endet
auf -un: örun, ougun: der gen. auf 6: der otigö (oculorum).
Bei der Declination der schwachen Adjective ist die Flexion
des Masc. und Neutr. meist gleichlautend mit den höfischen Mund-
‘ arten z. B. den erberen herrun. Bei femininis dagegen endigt der
gen. dat. und acc. auf -un: die selbun eigenschuft, die innrun
venie, der altun e, der selbun sumenunge, die gesatztun -pfruonde,
nach der erstun ztt, nach der drittun lezzun, der halbun naht,
der hailigun drivaltt, zer ewigun ivtze u. s. w.
I
■
282 Dy. Franz Pfeiffer, Über Wesen und Bildung- der höfischen Sprache etc.
Von dieser Art und Gestalt war die schwäbisch-alamannische
Mundart nicht etwa blos im 12. Jahrhundert und zur Zeit wo die
höfische Poesie und Kunst in Schwaben und der Schweiz in höchster
Bliithe stand, sondern durch’s ganze 13. und 14., zum Theil noch bis
in’s 15. Jahrhundert; ja in entlegeneren Gebirgsthiilern der Schweiz,
z. B. im Wallis, wird noch zur heutigen Stunde eine Sprache gere
det, die an Alterthümliclikeit der Flexionen dem Althochdeutsch noch
näher steht als selbst die Mundart, wie sie in den eben besprochenen
Quellen während des Mittelalters erscheint. Dass eine Sprache von
solcher Beschaffenheit für die neue Dichtkunst, zum genauen und
namentlich zum klingenden Reime, nicht geeignet war, bedarf keines
Beweises. Aber eben so wenig kann auch, wenn das wahre Verhältnis
nicht auf anderm Wege so klar darzulegen wäre, der geringste
Zweifel darüber walten, dass auf solchem Grunde sich die neue
höfische Sprache nicht nur nicht gebildet hat, sondern sich unmöglich
gebildet haben kann, dass sie vielmehr in die alamannischen Lande
als etwas Fremdes gleichsam von aussen her eingedrungen ist.
Es wäre ein grosser Irrthum zu glauben, dass in Baiern, Öster
reich und Mitteldeutschland zwischen den Volksmundarten und der
Hofsprache ein ähnliches Verhältnis geherrscht habe. Unterschiede
werden allerdings bestanden haben, grössere vielleicht, als wir
nachweiseri können, aber gewiss keine so mächtige, tiefgreifende.
Wenn man die Sprachdenkmäler, die Predigten, Urkunden, Rechts
aufzeichnungen, oder was sonst von den 80ger Jahren des 12. bis zu
Ende des 14. Jahrhunderts erweislich in Baiein, Österreich, den
Rheinlanden und den mitteldeutschen Gegenden geschrieben ist, zur
Hand nimmt, so wird man zwar überall in der Orthographie und in
den Wurzellauten die charakteristischen Merkmale der betreffenden
Mundart, aber man wird nichts finden, was in Bezug auf die Flexion
sich von der höfischen Dichtersprache wesentlich unterschiede oder
gar an Alterthümliclikeit der alamannischen Mundart irgend gleich
käme.
Die Meinung, dass die schwäbische Mundart die Grundlage der
mittelhochdeutschen Hofsprache bilde und über die Grenzen ihres
Sprachgebietes hinaus allgemeinere Geltung gehabt habe, steht mit
der Entwickelungsgeschiehte unserer Sprache und Litteratur im
Widerspruch und muss, als eine irrige, hinfort aufgegeben werden.
Ernennungen.
283
Ernennungen.
Seine k. k. Apostolische Majestät haben mit Allerhöchster Ent-
schliessung vom 13. Juni d. J. die von der Akademie getroffenen
Wahlen des Lehrers an der Oberrealschule zu Prag Anton Gindely
und des ausserordentlichen Professors der österreichischen Geschichte
an der Wiener Universität Ottokar Lorenz zu correspondirenden
inländischen Mitgliedern, und des Professors der neueren Literatur
an der Universität zu Bonn Dr. Friedrich Diez zum ausländischen
Ehrenmitgliede der philosophisch-historischen Classe Allergnädigst
zu genehmigen geruht.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
285
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JUNI 1861.)
Academia regia disciplinarum Nederlandica, Prograrnma certa-
minis poetici in legato Hoeufftiano propositi a° 1861; 4°.
Akademie der Wissenschaften, königl. preuss. zu Berlin, Monats
bericht. Februar und Mürz 1861. Mit 1 Tafel. Berlin, 1861; 8°.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. N. F. VIII. Jahrgang,
Nr. S. Nürnberg, 1861; 4°.
Austria, XIII. Jahrgang, XX.—XXIV. Heft. Wien, 1861; 4°.
Bellaguet, Roget B ron de, Ethnogenie Gauloise ou Memoires criti-
ques sur Forigine et la parente des Cimmeriens, des Cimbres,
des Ombres, des Beiges, des Ligures et des anciens Celtes.—
Introduction. Preuves physiologiques. Types Gaulois et Celto—
Bretons. Paris, 1861; 8°.
Boletin bibliografico Espanol, Ano II, Nr. 9 & 10. Madrid, 1861; 8°.
Dell’Acqua, Luciano, Elenco dei Giornali et delle opere periodicbe
esistenti presso pubblici stabilimenti a Milano. Milano, 1861; 8°.
Gelehrten-Gesellschaft, k. k., zu Krakau, Statuta nee non
über promotionum philosophorum ordinis in universitate studi-
orum Jagellonica ab anno 1402 ad an. 1849. Edidit Josephus
Muczkowski. Cracoviae, 1849; 8°.
Hesse, L. F., Aus Handschriften thüringischer Chroniken. XVIII. 8°.—
A. Encyklopädie d. W. u. K. I. Section. LXXII. Pag. 73 —104.
Gr. 4».
Institut de France. Academie des Inscriptions et Belles-Lettres,
Memoires. Tome XX e , l re partie. Paris, 1861; 4°. — Memoires
presentes par divers savants. Premiere serie IV', l re partie.
1860; 4».
286 Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Istituto, R., r jomhardo di scienze, lettere ed arti, Atti. Vol. II.
Fase. X e XI. Milano, 1861; 4<>. — Memorie. Vol. VIII. (II della
serie II.) Fase. V. Milano, 1861; 4°'
Istituto, I. R., Veneto di scienze, lettere ed arti. Atti. Tomo VI e ,
serie 3 a disp. 6". Venezia, 1860 — 61; 8°.
Landtafeldes Markgrafenthumes Mähren, XIX, XX und XXI (letzte)
Lieferung. Brünn, 1861; Kl.-Folio.
Lenorrnant, Ch., Memoire sur les antiquites du Bosphore Cimme-
rien fugurees et decrites dans le grand ouvrage publie en 1854
sous les auspices du gouvernement Russe. (Extr. du tome 24, l r °,
p. des Mem. de l’Acad. des inscript. et helles-lettres.) Paris,
1861; 4».
Maatscliappij der Nederlandsche Letterkunde te Leiden, Hande-
lingen der jaarlijksebe algemeene Vergaderirig, gehouden den
21 e " Junij 1860; 8°.
Mayer, Eduard Edler von, Des Olmützer Bisehofes Stanislaus Paw-
Iowski’s Gesandtschaftsreisen nach Polen, aus Anlass der Königs
wahl nach dem Ableben Stephani. (1587 —1598.) (Mit Subven
tion der kais. Akademie der Wissenschaften.) Wien, 1861; 8°.
M i11heilungen aus J. Perthes’ geographischer Anstalt. Jahr
gang 1861, V. Heft. Gotha, 1861; 4°.
— der k. k. Central - Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale. VI. Jahrgang, Nr. 6. Wien, 1861; 4°.
Reise der österr. Fregatte Novara um die Erde in den Jahren 1857,
1858, 1859, unter den Befehlen des Commodore B. von Wül-
lerstorf-Urbair. I. Band. Wien, 1861; 8°.
Rohlin, Justin, Explication du Zodiaque de Denderah, des Pyrumi-
des et de la Genese. Caen, 1861; 8°.
Tafeln zur Statistik der österr. Monarchie, zusammengestellt von
der k. k. Direction der administrativen Statistik. Neue Folge.
III. Band, 8. Heft. Wien, 1861; Folio.
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH -HISTORISCHE C LASSE.
XXXVII. BAND. IV. HEFT.
JAHRGANG 1861. — JULI.
19
SITZUNG VOM 3. JULI 1861.
Gelesen;
H i s t o r i s che U n t e r s u c h u n g e n.
Von Dr. C. IIoller.
I.
Zuerst muss ich den Untergang eines für die deutsche Geschichte
unschätzbaren Manuscriptes berichten. Wie der prächtige Codex des
Prager Domcapitels, welcher unter Herzog Heinrich dem Löwen ver
fasst, dessen Vermählung mit Mathilde von England in herrlichen
Miniaturen darstell 1, aus Niedersachsen nach Prag kam, gelangte aus
dem Kloster Gandersheim, wo nach dem Tode der Sachsenfürstinn
Gerbirga, eine Tochter Otto’s II. und der Kaiserinn Theophanu Äbtis-
sinn wurde, ein prächtiger Pergamentcodex nach Prag. Er enthält
nebst begleitendem Texte Abbildungen der Vermählungsfeier
Kaiser Otto’s II. und der ebengenannten byzantinischen Kaisertoch
ter und war zweifelsohne ein Werk des X. Jahrhunderts und für die
jenigen Glieder des Kaiserhauses bestimmt, welche dem grossen
Ereignisse der Zeit persönlich nicht beiwohnen konnten. Erst 1770
war der Codex für SO fl. an den Rector des Jesuitencollegiums
P. Wissinger verkauft worden. Als aber die Säcularisation erfolgte,
kam derselbe in die Hände des Prager Buchbinders Isak, welcher ihn
in Stücke riss und das Ganze bis auf die Malerei zu Vorsatzperga
ment verwandte. „Der Weltpriester Partsch hat eine Menge dieser
„Blätter erobert; sie sind jetzt in der Hand des Naturgeschichtlehrers
„Dr. Mayer zu Prag, liegen aber voll Staub und sind unzugänglich
„für die ganze Welt.“ So lauten die gleichzeitigen Aufzeich
nungen eines Ungenannten, welcher leider nicht vollendete „Beiträge
19*
290
Dr. C. H ö f I e r
zur Geschichte lies höhmischen Vandalismus neuerer Zeit; die böh-
misch-mährische Literatur und Kunst gegen Ende des XYI1I. Jahr
hunderts“ verfasste. Er erwähnt unter Anderem auch einer grossen
Anzahl Cyrillischer und Glagö-I itischer Manuscripte, welche
sich in der Bibliothek Kaiser Rudolfs I. (II.) befanden und bei der Zer
streuung derselben spurlos verschwanden, wahrscheinlich mit vielen
Kostbarkeiten nach England kamen. Von diesen beklagenswertlien
Verlusten wende ich mich einigen historischen Auffindungen zu.
II.
Das Erste, was in dieser Beziehung betont zu werden verdient,
ist ein Pergamentcodex der Prager Universitätsbibliothek, bisher nur
bekannt als sermones cujusdam Episcopi Pragensis. Wäre er nur
eine Predigt-Sammlung, so könnte er für die Homiletik des Mittel
alters möglicher Weise einen Werth besitzen. Er erweist sich
jedoch an und für sich als ein kostbares Denkmal des kirchlichen
Alterthums Böhmens, da er einer Zeit angehört, in welcher der Pra
ger Bischof wohl für einen Fürsten, „princeps“, Böhmens, nicht aber
für den König Böhmens das Kirchengebet verrichtete. Denn obwohl
insbesondere bei Gelegenheit der Charfreitagsgebete sowohl der
Kaiser, als auch der König (ohne Beifügung von Namen) erwähnt
werden, so erkennt man doch bei einer auch nur oberflächlichen
Untersuchung ohne Mühe, dass damit der König von Böhmen nicht
gemeint sein kann. Bekanntlich fand ein dreimaliger Ansatz Statt, bis
das Königthum in Böhmen sich erhalten konnte.
Die böhmische Krone war bei ihrem ersten Aufkommen ein
Geschenk des deutschen Kaiser Heinrich’s IV. an Herzog Wratislaus,
indem jener mit Zustimmung der deutschen Reichsfürsten dem Her
zoge den goldenen Reif auf das Haupt drückte, ihn durch den Erz
bischof von Trier krönen Hess *), jedoch nicht einfach zum Könige Böh
mens erhob, sondern dem Herzoge auch Polen zuwies, welches schon
früher von deutscher Seite zum Königreiche erhoben worden war.
Dieses Königthum dauerte nur bis 1092 und erlosch nach Wratis
laus Tode von selbst, als die Vereinigung Böhmens und Polens im
kaiserlichen Interesse sich nicht durchführen liess. Von 1092 bis
*) Cosinus Prag, ad 1081».
Historische Untersuchungen.
291
11U8 war Böhmen nur ein Herzogthum. Als aber mit Hilfe des Böh
menherzogs Wladislaus Polen dem deutschen Reiche unterworfen
wurde, übergab Kaiser Friedrich dem böhmischen Herzoge 11S8
eine seiner eigenen, somit eine deutsche Königskrone und
erhob ihn damit zum Könige Böhmens l ). Wladislaus starb (nach dem
Polenzuge des J. 1172) ferne von Böhmen 18. Januar 1174 und es
blieb nun das Königthum erledigt bis zu Otakar Pfemysl’s Erhebung
1198. — Hiemit ergeben sich von selbst die Daten, auf welche ein
literarisches Denkmal bezogen werden kann, welches vom böhmi
schen Königthum nichts weiss. Noch muss erwähnt werden, dass
Herzog Bretislav 1092 nach einem grossen Land- und Kirchentage
alle Zauberer und Zeichen deute r aus Böhmen verwies, die
heiligen Haine umhieb und die Flussopfer, welche die Bauern,
damals noch halbe Heiden, in der Pfingstwoche darbrachten, aus
rottete. Die Stelle ist zu merkwürdig, als dass ich sie hier mit Still
schweigen übergehen dürfte:
Item et superstitiosas institutiones, quas villani adhuc sernipa-
gani in Pentecosten III sive IV feria observabant, victimas et dae-
monibus immolabant, item sepulturas quae fiebant in silvis et
in campis atque scenas, quas ex gentili ritu faciebant, in biviis et in
triviis quasi ob animarum pausationem, item et jocos profanos quos
super mortuos suos inanes cientes manus ac induti faciem larvis bac-
chando exercebant: bas abominationes et alias' sacrilegas adinven-
tiones dux — exterminavit 1092. Cosmas Prag. lib. III.
Ich bemerke vorläufig nur, dass die Handschrift obwohl vielfäl
tig interpolirt, der Übergangszeit vom XI. zum XII. Jahrhunderte
angehören dürfte und erlaube mir auf einige der wichtigsten Stellen
aufmerksam zu machen.
Obliviscentes tjomini sui creatoris alii solem et lunam et sidera
colebant. Alii flumina et ignes. Alii montes et arbores sicut et adhuc
paganimulti faciunt et plurimi et jam (adhuc) in hac terra
nostra adorant demonia et per nostra peccata tantuin nomen
christianum habentes pejores sunt quam pagani. f. 3.
f. 6. Nos fratres fuimus populus ge nt.ilis.
f. 20 a. Derelinquamus viam que deorsum descendit ad
infernum. Ilec via superbia. invidia. odium. homicidium. for-
*) Cosmae contin. 1158 (S. 351, 353).
292
Dr. C. II ö fl e r
nicacio furta. perjuria. detraceio multiplex, adulterium. injusta lucra.
sacrilegium et augurium. Quod est idolorum servitus f. 81 b. £
f. 31 b. Regi vestro et principibus sive dominis fideliter sef-
viatis. Auguriis non credätis.
f. 34. Orate pro principe vestro (nostro) et conjuge ejus et
pro omnibus fratribus ejus.
f. 45. Carmina diabolica que super mortuos nocturnis
horis vulgus faeere solet et cahinnos quos exercet — vetate.
f. 42. De fructibus suis non gustent, nisi prius aliquando
domino offerant. Decimas suas reddant. Suis principibus et suis domi
nis fideliter serviant. Sortes et caracteres pro nihilo ducant. t
f. 83 b. Dies festos in anno — noverit se unusquisque cum ho-
nore debito celebrare debere et ad ecclesias frequencius venire et
cum ibi veniret, oret deum simpliciter et joca et cantationes in
anes ibi nullo modo quis faciat incan tacione s et maleficia
omnis omni novitate *). — F. 84. Ilias vero feminas que venenum
congerunt sive partus suos necant vel que dicuntur grandinem exci-
tare posse, modis omnibus manifestate ut publice arguantur et ali
quando possint pervenire ad satisfactionem. Quemcunque vero pro
deo homines colunt fallente et seducente diabolo ad suam quippe
perniciem faciunt, quia non perpendunt quod ipsi quos colunt
nihil eis boni neque utilitatis prestare valent nee tollere.
f. 129 b. Omne malum in nos diabolus potissimum conatur in-
jicere in tantum ut multos et jam ehristianos (ad) auguria et incan-
tantiones. Multa (multos) et jam (ehristianos) quod coacte dicimus
fidem christianam negare persuadet. Et unde omnis seit
cristianos ad vitam renasci perpetuam per baptismurn quasdam
feminas iniquas seu et jam viros denegare suadet.
f. 138. Non sit fides nostra in eo ut aliquam creaturampro
deo colamus aut credamus. Non sit fides nostra in aliquo fantas-
m ate. — Non sit nobis religio humanorum operum cultus. Meliores
enim sunt artifices qui talia faciant quamvis nec eos pro deo colere
debemus ac nequaquam bestiam aliquam nec ad arbores nec ad
fon t e s s acri ficia u llomodo faeere. — Quam ob rem caveamus ^
ut non sit nobis religio cultus hominum mortuorum. — Non
sit nobis cultus demonum.
*) Wahrscheinlich sollte es heissen: omni posse vitet.
Historische Untersuchungen.
293
f. ISS b. Maleficia et in cantaciones a diabolo impositas
seu divinaciones et filaeteria cum omnibus viciis et vos ipsi
omnino fugite et aliis ea colentibus nolite communicare ante quam
corrigantur.
f. 208 a. Nolite usque ad ebrietatem bibere, nolite cantica
luxuriosa balando proferre quia non est justum ut in ore vestro ubi
ingressa est Christi eucharistia, proferantur verba diabolica. — Nullus
idola (adoret) vel que idolis immolantur gula suadente bibat
aut manduet. — Nullos carios autdivinos aut precantato-
res sacrilega voluptate de qualibet infirmitate adhibeat aut interrogare
non presumat. Nullus filaeteria aut ligaturas sibi aliquas adpen-
dat quia quicumque fecerit hoc malum, si non penitencia subvenerit
perdet baptismi sacramentum. — Quare per carios et divinos
et precant (at) ores et filaeteria diabolica occidit animam suam qui
per oracionem sacerdotum vel elemosynam aecclesiarum potest sanare
animam et carnem suam (f. 209 a).
Ich übergebe hier die weitläufigeren Stellen, die Anweisungen an
die Geistlichen auf die Laien einzuwirken, an die Laien, wie sie sich
zu verhalten haben, sowie das zuletzt folgende älteste Pöniten-
tiale der böhmischen Kirche, Denkmale, welche in der Geschichte
der Einführung des Christenthums in Böhmen nicht übergangen wer
den dürfen. Es genügt für’s Erste zu bemerken, dass der Codex mit
seinen llomilien, Predigten, Gebeten, Synodal- und bischöflichen
Anweisungen in einer Zeit geschrieben wurde, in welcher das Hei
de nt hum noch nicht völlig überwunden war. Noch mehr.
Es herrschte in Böhmen noch ein Zustand der Dinge, welcher den
bischöflichen Verfasser der merkwürdigen Schrift berechtigte, eine
Predigt des Apostels der Deutschen, die für Deutschland nur im
VIII. Jahrhunderte der christlichen Ära passte 3 ), aufzunehmen und
eben so ein kaiserliches Mandat über den christlichen Cultus,
F. 210, Audite fratres charissimi quomodo Imperator nobis man-
davit vobis nunciare de vestra christianitate. Letzteres weist uns aber
auf das Bestimmteste auf eine Zeit hin, in welcher die Oberhoheit
des deutschen Kaisers über Böhmen unbestritten war. Auch andere
Momente sind sehr bemerkenswert!]. Wenn in dem Codex, was häufig
*) Not. herbarios vel imprecarios (ariolos?).
2 ) Ammonicio sive predicacio S. ßonifacii Episcopi de abrenunciatione baptismatis
Audite fratres. F. 151.
294
Dr. C. II ö fl e r
der Fall ist, von dem Altarsacramente die Hede ist, so geschieht
es in Ausdrücken, die keinen Zweifel aufkommen lassen, dass das
selbe noch unter beiden Gestalten gereicht wurde, wesshalb auch
eine spätere Hand regelmässig bei derartigen Stellen einen Kelch an
den Rand hinzeichnete. Von Cyrill und Methud ist keine Rede, wohl
aber von den Patronen Wenzeslaus und Adalbert *). Das Fest des
heil. Emmeran von Regensburg wird durch eine Predigt gefeiert,
welche auseinandersetzt, unzählige Menschen seien durch diesen
Wundermann bekehrt worden, f. 122. Die Feste des Frankenapo
stels Remigius, des Bekehrers von Gallien Martinus, des in Sachsen
hochverehrten Mauricius werden nicht zu halten geboten, aber
auch nicht verboten. Das Vaterunser und das apostolische Symbolum
sollen sowohl Latein als barbarisch 3 ) gelehrt werden. Ich glaube
mich nicht zu irren, wenn ich behaupte, dass diese Dinge nur einem
sehr frühen Jahrhunderte zukommen können; ja wenn der Codex,
welcher derartiges enthält, mit den Zügen einer späteren Zeit ge
schrieben wäre, fände man sich berechtiget, ihn für die Copie eines
früheren Originales zu halten, was jedoch dieser Codex kaum ist.
Noch müssen diejenigen Stellen, in welchen von den einheimi
schen Fürsten die Rede ist, näher untersucht werden. Die erste Er
wähnung findet abgesehen von den oben angeführten Stellen bei
Gelegenheit des St. Adalbertusfestes Statt, wo es heisst: nam prima
virtus est hec, ut qui dei gracia principes sunt, et divites hujus seculi,
nil superbe agant. f. 31 b. Diese Stelle ist zu allgemein gehalten,
als dass sie etwas beweisen könnte. In der zweiten (gleichfalls 31 b)
stehen sich rex und principes sive domini gegenüber und auch diese
enthält nur im Allgemeinen das Gebot des Gehorsams gegen welt
liche Oberhäupter.
Die dritte Erwähnung findet wohl unter der Rubrik alia predi-
cacio Statt, bezieht sich jedoch zweifelsohne auf das Charfreitags-
gebet. Da heisst es nach dem Gebete für den Papst: et pro vita
atque incolumitate domini imperatoris, vel regis et pro epis-
copo nostro, jedoch ist die Stelle l’(vel) regis entweder radirt oder
ursprünglich auf der einen, aber auch nur auf der einen Seite f. 69 b
schadhaft. Erst nach dem ausführlichen Gebete pro episcopo kommt
S. Vitus, f. 141.
2 ) Tarn latine quam bnrbarice. f. 241 a.
Historische Untersuchungen.
295
auch (laset: pro principe nostrout omnemangustiam etc. etc. Jeden
falls wird der böhmische Landesfürst von dem Kaiser und
Könige — letzterer natürlich in der mittelalterlichen Bedeutung, der
zufolge erst die Kaiserkrönung zu Rom den gewählten deutschen
(römischen) König zum Kaiser erhob — regelmässig und genau
unterschieden und kann man hier nicht an einen böhmischen König
denken. Eine vierte Stelle f. 154 a, b ist mit der vorigen gleichlau
tend: propapa. pro vita atque incolumitate domini imperatoris
ve 1 regis et pro episcopo nostro. — Et pro principe nostro.
Der princeps nimmt regelmässig die vierte Stelle ein; unter princeps
kann aber nur der böhmische Landesfürst verstanden werden,
wie unter imperator vel rex überhaupt nur der damals regierende
deutsche König und künftige Kaiser. War doch erst 1041 u er
Bretislav I. die Tributp Tüchtigkeit Böhmens erneuert wor
den! 0 Endlich gehört hieher f. 34 a, die Aufforderung zu Gebeten
pro papa ut (Deus) cum salvum et incolumem eustodiat ad regen-
dum populum dei — pro omnibus episcopis et pro cunctis in
sacris ordinibus constitutis. —Orate et (pro) principe vestro et
conjuge ejus et pro oinnibus fratribus ejus et pro cuncto popnlo.
Hier wo von dem Kaiser kei n e Rede ist, ist auch des Königs nicht
gedacht! Die wichtige Erwähnung der Brüder des Fürsten
kann sich aber auf die Söhne Boleslaw's II., -j- 999, beziehen (Bole-
slaw III., f 1037, Jaromir, f 1038, Ulrich, f 1037), oder auf die
sechs Söhne Bfetislav's I., -( 1035 (Spitihnew II., -J- 1061, Wrati-
slaw II. den nachherigen König, f 1092, Dymut, Konrad I., -{• 1092,
Järomir-Gebhard, Bischof von Prag, 1089, Otto, -j- 1086). Weiter
und an die Söhne Wratislaw’s zu denken verbietet mir der ganze
Inhalt des Codex, so wie sein Äusseres; verbietet mir vor Allem was
früher nach Cosmas von der Ausrottung des böhmischen Ileidenthums
gesagt ist, das ja nach dem Codex selbst als nichts weniger denn
ausgerottet betrachtet werden kann.
Wer aber ist denn wohl als Verfasser des für Böhmens Über
gangszeit vom Heiderithume zum Christenthume so merkwürdigen
Codex anzunehmen? Dass derselbe ein Bischof und zwar Bischof von
Prag war, ist nach den zahlreichen Stellen, durch welche er sich
als solchen erweist, von allen denjenigen angenommen worden, die
Henricus terram ejus (Precizlai) tributariaril fecit. Lamberf. Palacky, böhm. Gesch.
f, S. 287 u. 96.
296
Dr. C. Ho fl er
in früheren Jahrhunderten den Codex in Händen hatten, schon im
Jahre 1475 durch denjenigen, welcher nach einem älteren Register
ein neues anlegte. Es ist dieses wohl derselbe, welcher auf dem
ersten Blatte bemerkte, er habe im Jahre 1472 den Codex von dem
Herrn Georg Pfarrer in Glatz erhalten. Baibin verfasste gleichfalls
eine eigenhändige Bemerkung über die bischöfliche Würde des Ver
fassers : Sed quis author sit, setzte er hinzu, determinate nulla diligen
tia assequi potui. Er bezeiclmete den Codex als über homiliarum; das
in zahllosen Fällen ungeschickte Verzeichniss der Handschriften der
Universitätsbibliothek, welches erst unter Dr. Hanus einer genauen
Aufzeichnung entgegensieht, bezeichnete ihn als sermones cujusdam
Bohemi Episcopi per totum, während doch der letztere Theil f. 241 a
durch eine freilich etwas unlesbare, leicht zu übersehende Über-
chrift als: Canon penitencialis bezeichnet wird und in der That auch
das älteste Pönitentiale der böhmischen Kirche ist. Ich erwähne bei
dieser Gelegenheit nur noch, dass sich der Codex nach einer Notiz
auf dem ersten Blatte einige Zeit in Opatowic befunden haben mag,
welches Kloster der erste böhmische König Wratislaus um 1086 ge
stiftet hat. De opatowiz heisst es oberhalb der ersten Zeile des ersten
Blattes. Es dürfte diese Notiz wenn auch nicht den ersten doch den
zweiten Eigenthiimer bezeichnen.
Die Frage wer der Verfasser war, .wird sich nun, nachdem im
Allgemeinen die Zeit vor Ende des XI. Jahrhunderts, d. h. die Blüthe-
zeit des fränkischen Kaiserthumes sich durch äusserliche und
innerliche Merkmale herausstellte, am besten dadurch ergeben, dass
man sich geschichtlich umsieht, auf welchen Bischof die zahl
reichen Ermahnungen den Armen das Brot zu brechen, sie zu Tische
zu ziehen, ihnen die Fiisse zu waschen, sich vor Trunkenheit und
jeder Ausschweifung zu bewahren, am besten passen, aus wessen
Munde sie am ehesten hervorgehen konnten? Alles dieses passt aber
auf die Schilderung, welche Cosmas von Prag von dem Bruder König
AVrafislaw's, dem Bischöfe Gebhard, dessen Ascese, seiner Sorge
für die Armen und Pilger, denen er selbst die Füsse wusch, seiner
Freigebigkeit und Strenge gegen sich, entwirft (lib. I ad 1090), mit
überraschender Genauigkeit *). Noch mehr; als Bruder böhrni-
l ) Quotquot ante ecclesiam invenit miseros — supplet eorum inopiam — Iavans pedes
12 peregrinorum — secum 40 egenos pavil — ad sedem suain Pragae consti-
tuit eottidie XL paiiperes pascendos.
Historische Untersuchungen.
297
scher Fürsten erklärt sich auch das von ihm eingeschaltete Gebet für
den princeps und dessen Brüder, wie andererseits sein Bestreben das
Bisthum Prag vom fürstlich-böhmischen Einflüsse unabhängig zu
machen (Cosmas II, p. 178), seine Anhänglichkeit an das deutsche
Kaiserthum (Erben Reg. p. 167) und was wir aus jenen Tagen von dem
Siege des lateinischen Ritus Uber den slavischen wissen (siehe meine
Einleitung zu den glagolitischen Fragmenten), hiemit in vollkom
menem Einklänge stehen. Ich nehme keinen Anstand den Bischof Geb
hard (Jaromir) Bretislaw's I. Sohn als Verfasser dieses kost
baren Denkmales christlich-heidnischer Vorzeit Böhmens zu be
zeichnen und dasselbe in die Zeit zwischen 10S6, dem Tode Hein-
rich’s III. und 1086, die erste Regierungsperiode Kaiser Heinrich’s IV.
(rex — imperator) zu setzen; noch näher bezeichnet zwischen 1068,
der Erhebung Jaromir’s zum Bischöfe durch Kaiser Heinrich IV., und
der Königskrönung Wratislaw’s I. im Jahre 1086. Über die bisher
noch nicht untersuchten böhmischen Interlinear-Versionen steht
mir kein Urtheil zu. Ihrer Natur nach gehören sie einer Culturperiode
des böhmischen Volkes an, welche derjenigen des deutschen ent
spricht, als dasselbe gelehrt wurde das Vater unser, den Glauben etc.
in der Muttersprache (barbarice) aufzusagen. Der weitere Schritt
in der Entwicklung, die freithätige Bildung einer Evarigelienharmonie
wie bei den Rheinfranken durch Otfried, eines christlichen Helden
gedichtes wie der Heliand, fehlt bekanntlich in der Entwicklung des
böhmischen Volkes und seiner Literatur. Nur die Keime dazu finden
sich in den Glossen, die dem XII./XIII. Jahrhunderte angehören dürften.
III.
Von dem Bischöfe Gebhard sei es gestattet sich zu Papst Inno—
eenz III. zu wenden, dessen Conterfei die beifolgende treue Durch
zeichnung darstellt. Sie ist der aurea gemma Wilhelmi in der fürst
lich Lobkowitz’schen Bibliothek entnommen und trägt die Umschrift:
f Tercius I(nnocentius) papa. Lux mundi dux via mappa.
-J- Visurus iesse florem jam desinit esse,
f Funere privatur R(aymundus) P(etrus) dominatur.
f Ha tarde refero. laicus grex cum grege clero:
Arma movet per quae morä donatur uterque.
Ob unter dem P. Petrus der Apostel, somit Rom und der
Papst selbst, oder nicht Peter von Aragonieii zu verstehen sei,
298
Di-. C. H 6 f 1 e r
welcher, ehe er durch Simon’s von Montfort Kricgsgewandtheit bei
Muret fiel, das Werk der Kreuzfahrer gegen die Albigenser zu ver
nichten schien , wage ich nicht zu entscheiden. Die letzten Verse,
wenn ich sie recht verstehe, scheinen sich auf den Kampf zwi
schen der Kirchengewalt (clerus) und den Layen im südlichen Frank
reich zu beziehen. Dass R. der Graf Raymund VI. von Toulouse
(f 1214) war, dürfte keinem Zweifel unterliegen.
IV.
Nach einer Notiz vom Jahre 1723 im ehemaligen markgräfli
chen Archive der Plassenburg, nun kön. bair. Archive zu Ramberg,
befanden sich in der Pfarrkirche zu Pöchlarn gemalte Glasfenster,
von welchen die briefliche Notiz Abbildungen gab, deren genaue,
durch einen Archivbeamten besorgte Durchzeichnungen beiliegen.
Sie sollen nach dem aus Pöchlarn stammenden Schreiben die Sophia,
Erbinn der Grafschaft Ragz und zweifelsohne auch überhaupt das Ge
schlecht darstellen, in welches sie heirathete, nämlich die Rurggrafen
vonN ürnberg (siehe von Meiller Regesten zur Geschichte derMark-
grafen und Herzoge Österreichs aus dem Hause Babenberg S. 197,
p. 38). Ich gebe die Notiz, wie ich sie vor Jahren gefunden habe.
Natürlich ist die Unterschrift Sophia, so wie sie unter der Zeichnung
steht, nicht als ursprünglich anzunehmen, sondern befand sich die
selbe wohl aut dem Zettel, welcher sich um die Frau im mittleren
Theile schlingt. Die Wappenschilder der Ritter dürften auf die
Zoller’schen Burggrafen hinweisen.
Später hörte ich, es seien in Folge einer Privatm ittheilung dieser
Notiz aus dem Bamberger Archive bereits in Pöchlarn selbst wei
tere Forschungen angestellt worden, die aber leider zu keinem
Resultate führten. Vielleicht gelingt es jedoch der k. Akademie die
Spur, welche zu den Ahnherren des königlichen Hauses der Hohen-
zollern führt, durch die Conservatoren näher verfolgen zu lassen und
ein glückliches Resultat zu gewinnen.
V.
Zu dieser Notiz über den Ursprung des Hauses oder doch seiner
ersten Macht füge ich ein bisher unbekanntes Schreiben des Burg-
Historische Untersuchungen.
299
grafen Friedrich von Nürnberg hei, das ich einem Formelbuche ent
nehme, welches besonders Briefe Kaiser Friedrich’s II., des Königs
Wilhelm von Holland und ihrer tli üringisc h e n Zeitgenossen enthält,
und einer genaueren Untersuchung als mir bisher möglich war, wür
dig ist. Der Brief lautet:
Fridericus Bvrchgravius de Nuremberch dilecto amico suo. Dico
dilecte tibi salutem et obsequii quidquid par est. Ex parte domini
nostri Lodovici incliti comitis Palatini Reni ducis Bavvarie atque
nostra probitati veslre duximus exorandum quatenus Cunradum dic
tum t. presentium exhibitorem qui propter quasdam inimicicias Bav-
variam introire non audet in vestram familiam acceptare velitis ipsum-
que taliter pertractantes ut vobis una cum domino nostro Palatino
comite perdilecto teneamur ad gratum (gratiarum) multimoduas
actiones (Cod. Univ. I. E. 35, f. 49 pergam. init. saec. XIV.).
Die Zeit, welcher dieser Brief angehören kann, richtet sich
darnach, ob unter dem Pfalzgrafen Ludwig, Herzog Ludwig, welcher
1231 bei Kelheim gemeuchelt wurde, oder dessen gleichnamiger
Enkel, II. Ludwig der Strenge, -j- 1294, zu verstehen sei, mit welchem
Burggraf Friedrich IV. der vielen Streitigkeiten wegen, die unter
den Wittelsbaehischen Brüdern obwalteten, in vielfache Berührung
trat. Das Eine wie das Andere ist möglich, und man muss es weiterer
Forschung überlassen, Näheres über jenen Konrad zu erfahren, wodurch
dann auch eine nähere Erklärung des Zusammenhanges ermöglicht
wird. Bei dem grossen Mangel an unmittelbaren brieflichen Urkun
den der Hohenzollern gehört jedoch dieser Brief zu den wesentlichen
Bereicherungen der Hohenzollern’schen Geschichte. — Ich bemerke
noch, dass die jüngste Urkunde des angeführten Codex das Jahr
1307 als Datum habe. — Ferner dürfte hieher auch die Notiz ge
hören, dass nach dem in mehrfacher Beziehung wichtigen Formel
buche des Dominicus aus Spanien, Kaiser Friedrich II. nach seiner
auf dem Concil in Lyon 1245 erfolgten Absetzung an König Wenzel I.
von Böhmen von Turin aus in ganz ähnlicher Weise schrieb, wie der
bei Petrus de Vineis I c. 3 abgedruckte Brief an den König von
Frankreich lautete, somit der Böhmenkönig im Hochsommer 1245
noch auf Seite des Kaisers stand, oder doch dieser sich das Ansehen
gab, ihn für seinen Freund zu halten. —
Da das nachfolgende Schreiben weder in Böhmer’s Wittelsba-
chischen Regesten noch in den Monum. Wittelsbach, angeführt wird,
300
Dr. C. Hofier
glaube ich es zum Schlüsse hier beifügen zu dürfen. (Cod. Univ. 111.
G. 3, f. 74, 78.)
Magno principi Otakaro Regi Bohemie Ludovicus dei gracia.
Palatinus comes Rheni dux Bavarie inter fiscum et ejus principes
judex per sententiam principum approbatus, legum et justicie tramites
revereri. Auctoritate presencium nobis per sentenciam principum
comitum et baronum in solempni curia gloriosissimi domini nostri
Rudolfi dei gracia regis Romanorum illustris aput Nuremberg solem-
pniter celebrata communiter attributa vobis precipiendo inandamus,
quatenus x cal. Februarii quem terminura magnitudini vestre de eo-
rundem principum consilio et sentencia sua pro peremptorio prefigi-
mus, coram nobis apud N (Würzburg) compareatis predicto Romano
rum regi illustri super injuriis et manifestis violenciis, quas idem rex
sibi et imperio a vobis illatas conqueritur, legitime responsurus.
Et sive veneritis sive non, nos nihilominus in eadem causa quatenus
juris ordo dictaverit et principum sententia decreverit, procedemus.
Datum N. in solepmni curia supradicta anno domini MCCLXXIIII.
Über die Sache selbst möge man Kopp’s Geschichte der eid
genössischen Bünde, Erster Band. König Rudolf, S. 95, nachsehen.
Ist das Schreiben, welches ganz in die Geschichte des Jahres 1274
passt, nach Form und Inhalt echt, so erklärt sicli auch, dass König
Otakar den Pfalzgrafen Ludwig als seinen besonderen Gegner erach
ten mochte. (Vergl. Kopp I, S. 104.)
VI.
Ich will diese Berichte nicht schliessen, ohne einer bedeutenden
historischen Controverse zu gedenken, die durch die letzten Ergebnisse
meiner Forschungen gelöst sein dürfte. Ich meine den Streit über
den Geleitsbrief des Johannes Huss und König Sigismund’s angebliche
Wortbrüchigkeit. Die Sache ist bekanntlich desshalb so verwickelt,
weil Huss selbst in seinen Briefen einmal erklärte, er reise ohne Geleits
brief des Papstes, dann ohne Geleitsbrief J ), er sei frei (libere) ge
kommen, was dann die eigenthümliche Übersetzung und Verbreitung
fand, er sei „darum desto lieber in das gemeine Concilium“ 2 )
*) Script, rer. husilrc. I, S* 131, 132, 124.
2 ) L. c. S. 274, 27G.
301
Historische Untersuchungen.
(gekommen). Er selbst hat das Letztere wiederholt vor dem Concil
behauptet und erst vor seiner Hinrichtung setzte er bei: veni libere
habens salvum conductum domini regis »). Der König aber strafte
den Magister vor dem Concil Lügen, weil derselbe gesagt hatte, Si
gismund habe ihm erst 15 Tage nach seiner Gefangenschaft den
Geleitsbrief ertheilt, während derselbe ihm ertheilt worden sei, ehe
er Prag verlassen habe 2 ). Sigismund erklärte dann die Bedeutung
und Tragweite des Geleitsbriefes selbst, indem er verhüten sollte,
dass Huss auf der freien Reise nach Constanz nicht gefangen oder
getödtet werde 3 ), da Huss vor den Nachstellungen der Deutschen
grosse Furcht hatte; endlich sollte ihm freies Gehör zu seiner Recht
fertigung ertheilt werden. Das Eine wie das Andere, setzte der König
hinzu, sei erfolgt.
Ich bin nun erst so glücklich gewesen, den Brief des königli
chen Notars Michael de P. aus Rotenburg 8. October 1414 an Huss
zu finden, welcher die Antwort auf die Bitte des Huss um einen Ge
leitsbrief enthält (quia salvum conductum ab ipso domino nostro rege
postulastis). Er, der Notar habe denn auch die Bitte dem Könige vor
getragen und letzterer sich entschlossen, zu grösserer Sicherheit
noch einen eigenen Boten desshalb abzusenden (proprium et notabi-
lem hominem et nuntium suum pro vobis e vestigio destinare). Cod.
Univ. XI, K. G.
Mit diesem bisher unbekannten Briefe dürfte die Vorfrage erle
digt sein, und es bleibt nur noch als charakteristische Seltsamkeit übrig,
sich das Schweigen des Huss über seine Bitte, deren Gewährung und
endlich jene positiven Behauptungen zu erklären, welchen Sigismund
vor dem Concil ein zermalmendes: non est verum, entgegensetzte.
Man darf jedoch nicht vergessen, dass Huss, welcher am 11. Oc
tober Prag verliess 4 ), den Brief vom 8. October daselbst möglicher
Weise nicht mehr erhalten konnte. Jedenfalls bleibt aber die Be
hauptung, Huss habe um einen Geleitsbrief gebeten, uner-
schütterf, während die andere, der König habe ihm denselben 13
Tage vor erfolgter Abreise einhändigen lassen — da der Geleitsbrief
*) L. c. S. 284.
2 ) I, S. 218.
3 ) I, S. 161.
4 ) Palacky, 1H, 1, S. 316. Das Datum 11. Sept. bei Helfert, Huss und Hieronymus.
S. 82 ist wohl ein Iapsus calami.
— Hl ■|IM I III I II l .M-jÄrSsiM
■raOH
302
Dr. C. Hofier
I
H
1|
das Datum vom 18. October trägt — darauf hinweist, dass Huss wohl
Prag früher verliess, als mit Sigismund verabredet worden war.
Am 20. März 1415 hatte sich Papst Johann XXIII. heimlich aus £
Constanz entfernt, am 29. Mai ward er abgesetzt, Huss aber kam
nun aus dem Gewahrsame des Papstes in das des Bischofs von Con
stanz; er blieb dem geistlichen Gerichte verfallen. Gerade in der
Zwischenzeit, zwischen der Flucht und der Absetzung des Papstes
und als das Concil in vollster Wirksamkeit war, die Christenheit von
einem so unwürdigen Manne wie Johann XXIII. war, zu befreien,
war Hieronymus von Prag nach Constanz gekommen (4. April) und
hatte in der ihm eigentlnimlichen Weise sich bereit erklärt, gegen
Ertheilung eines Geleitsbriefes Rede und Antwort zu stehen (7. April).
Die neueren Geschichtschreiber gaben über diese Angelegenheit sein-
schnell hinweg und berühren nur, Hieronymus habe sich, nachdem er
an dem Rathhaus und den Kirchenthüren seine Anschläge gemacht und
von den Herren von Chlum und Duba dringende Warnung erhalten,
schleunigst aus dem Staube gemacht. Er hatte in der Stadt, in wel
cher das Concil die Jurisdiction besass, diesem und dem Könige
Trotz geboten! Es wird ferner berichtet, dass, als der Bescheid des S
Concils am 17. April erfolgte <), ihm nur eine Versicherung ertheilt
wurde, welche ihn vor Gewalt aber nicht vor Recht schützen sollte,
und das Concil erklärte, es werde gegen ihn in gesetzlicher Form
einschreiten.
Das vor mir liegende Schreiben des Concils als Erwiederung
auf die Erklärung des M. Hieronymus ist jedoch vom 12. April datirt
und enthält bereits die Citation, innerhalb 24 Tagen zu seiner Recht
fertigung zu erscheinen. Diesem Bescheide des Concils vom 12. April
war aber eine Erklärung König Sigismund’s vom 8. dessel
ben Monates vorausgegangen, von welcher ich hei denjenigen
Gelehrten, die über diesen Gegenstand schrieben, keine Kunde finde.
Dieser zufolge entschloss sich Sigismund auf gewisse Anzeichen,
welche er aber nicht mittheilte (ex certis indiciis nou referendis),
hin, da die von ihm für Constanz ausgetheilten Geleitsbriefe von
ihren Empfängern zurückgehalten würden, mit Wissen und Zu
stimmung des Concils, alle Geleitsbriefe, welche er ertheilt
habe (omries et singulos salvosconductus quibuscunque cujuscunque
*) Palacky, S. 340.
fei
’S
y]
\ i-
)
303
Historische Untersuchungen.
condicionis gradus eminentie existant per nos datos et concessos)
zurückzunehmen, zu cassiren und zu annulliren. Dasselbe
erklärten die Deputaten der deutschen Nation, der Erzbischof Johann
von Riga und der Bischof Nicolaus von Merseburg. Da Sigismund die
Gründe, welche ihn zu diesem Schritte veranlassten, absichtlich ver
schwieg (ex certis causis animum nostrum moventibus), Muss selbst
in den im Monate Juni und Juli stattfindenden Verhören die vorher
mitgetheilten Aussagen über den Geleitsbrief machte, König Sigis
mund seinerseits auf der Thatsache der Erlheilung desselben be-
harrte, gewinnt die Angelegenheit ein neues Interesse. Man begreift,
wie die Meinung von dem Bruche des Geleitsbriefes entstand, wor
auf sie sieh in Wahrheit stützte, und vermag nun den Grad des
Rechtes oder Unrechtes zu bemessen, welchen ein nothwendiger-
weise rückwirkender Act in sich schloss, für den sich eben nur sagen
liess, dass er diejenigen betraf, welche von der Rechtswohlthat
des Geleitsbriefes selbst bis dahin keinen Gebrauch
hatten machen wollen.
Sitzb. cl. phil.-hist. CI. XXXVII. Bil. IV. Hft.
20
SITZUNG VOM 10. JULI 1861.
Vorgclegt:
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
Von dem w. M. Dr. August Pfizuinier.
Die ausgedehnte Landschaft Kuei-ki, welche dem heutigen
Tsche-kiang und Tlieilen von Kiang-nan und Fo-kien entsprach, war
zu den Zeiten des Herrscherhauses Han besonders dadurch wichtig,
dass sie die mit dem gemeinschaftlichen Namen Yue belegten, damals
noch ununterworfenen und schwer zugänglichen Länder des fernen
Südens zu Marken hatte. Während die Niederungen des Sees von
Po-yang den Einfällen der Südländer vorzüglich ausgesetzt waren,
führte der Weg, den ein zur Eroberung ausgesandtes Heer von Han
zurückzulegen hatte, über die Bergkette im Süden von Kuei-ki und
ward eine bei den Unternehmungen des Landheeres gewöhnlich mit
wirkende Flotte ebenfalls in den Häfen dieser Landschaft ausgerüstet.
Die Statthalter von Kuei-ki waren daher in früheren Zeiten nicht
allein die Hüter des ihnen anvertrauten Landes, sondern noch häu
figer die Eroberer der anliegenden fremdländischen Gebiete.
Seit dem Sturze des Herrscherhauses Thsin wurden die Länder
des Südens von den in verschiedenen Zeiträumen einander folgenden
Machthabern gänzlich aufgegeben und erst der Gesammtherrscher
Hiao-wu von Han begann (138 vor Chr.) wieder, sich mit deren
Eroberung zu befassen. Man unterschied damals „das östliche Meer“,
auch Tung-ngeu (das östliche Ngeu) genannt, das östliche Yue,
auch Min und Yue genannt, und das südliche Yue als selbstständige,
von eigenen Königen gelenkte Herrscherländer. Unter diesen waren
„das östliche Meer“ und das südliche Yue im Allgemeinen mit Han
Zwei Statthaller der Landschaft Kuei-ki.
305
*
verbündet, das östliche Yue aber lag mit demselben in Fehde. Han
erlangte zuletzt einen vollständigen Erfolg, indem es (110 vor Chr.)
die Unterwerfung des östlichen Yue entgegennahm und dessen Volk
nach dem zwischen dem grossen Strome und dem Hoai gelegenen
Lande versetzte, wodurch das östliche Yue eine menschenleere Ein
öde ward.
Der erste Antrieb zu den erwähnten Eroberungen kam von den
zwei Statthaltern Yen-tsu und Tsclni-mai-tschin, Männern, welche
weniger wegen ihrer Kenntnisse in Sachen des Länderbestandes, als
in Berücksichtigung ihrer für ihr Zeitalter seltenen wissenschaftlichen
Bildung aus ihrer bisherigen niedrigen Stellung hervorgezogen und
plötzlich zu hohen Stufen des Ansehens erhoben wurden. Die sehr
eigenthümlichen Umstände ihres Lebens, ihre Verbindungen mit den
Mächtigsten ihrer Zeit und ihr kluges Vorgehen, welches sie gleich
wohl nicht vor einem unglücklichen Ende bewahrte, sind Gegenstand
dieser Abhandlung, in welcher zugleieh über die Gestaltung der
Verhältnisse im Süden Nachrichten enthalten sind.
Yen-tsu.
fjffr Yen-tsu stammte aus dem Kreise U, dem Gebiete der
Hauptstadt des früheren gleichnamigen Herrscherlandes und war
somit ein Eingeborner der zu den Zeiten der Han bestehenden Land
schaft Kuei-ki. Derselbe war ein Sohn des ehemals berühmten
e p p j
Ai,-* Yen-ki, nach Andern jedoch war er nur der
Sohn aus einem mit diesem Gelehrten verwandten Hause.
Damals gab es ungefähr hundert Männer, welche, in den Land
schaften zu Ehrenstellen befördert, in der Eigenschaft von „Weisen
und Vortrefflichen“ die von dem Himmelssohne in Sachen der Len-
kupgsweisheit gestellten Umfragen beantworteten. Der Gesammt-
herrscher Hiao-wu fand an den Antworten Yen-tsu’s, der ebenfalls
zu diesen Männern gehörte, besonderes Wohlgefallen und zog ihn
den Übrigen vor, indem er anfänglich nur ihn zu einem „mittleren“
Grossen ‘) des Herrscherlandes ernannte. Später indessen wurden
Tschü-mai-tschin, 'äp -3p U-khieu-scheu-wang, Sse-ma-
1 ) Ein solcher Grosser hatte in der Mitte, d. i. im Innern des Herrschersitzes Dienste
zu leisten.
20 *
306
Dr. P f i l in a i e r
%
siang-ju, ((§ =£ Tschü-fu-yen, ^ ^ Siü-lo, jfjfc
Yen-ngan, Tung-fang-so, Mei-kao, Kiao-thsang, jlp| |jv^ ä
Tschung-kiün, Yen-thsung-ki und Andere für den
Hof von Han gewonnen, welche zugleich mit Yen-tsu die Umgebung
des Himmelssolmes bildeten.
Bei dem Lenkungsantritte des Gesammtberrschers Hiao-wu
äusserte sich in den Ländern der Han grosse Thätigkeit. Man befasste
sich mit der Eroberung der fremdländischen Gebiete, der Erweiterung
der Marken, derBildung neuer Landschaften, und Kriegsheere wurden
häufig ausgesandt. Da im Innern die Einrichtungen verändert wurden,
vermehrten sich auch die Geschäfte in der Vorhalle des Hofes.
Zugleich wurden den „Weisen und Vortrefflichen“ so wie den mit
Aufsätzen und Lernen sich beschäftigenden Männern mehrfache
Beförderungen zu Theil. Der berühmte 34 3S & Kung - sün-
hung, der sich aus einer sefyr niedrigen Stellung emporschwang und
es in einigen Jahren bis zu einem Sching-siang (Gehilfen des Herr
scherlandes) brachte, eröffnete im Osten neue Wege und zog weise
Männer an sich, mit denen er sich berieth. Jeden Frühling und
Herbst erstattete er darüber dem Hofe Bericht und sprach bei dieser
Gelegenheit von den Vortheilen und den Zwecken der Herrscher
länder und einzelner Häuser.
Der Gesammtherrscher ertheilte hierauf Yen-tsu und Anderen
die Weisung, sich mit den grossen Würdenträgern in gründliche
Erörterungen einzulassen. Dem zufolge gaben die in dem Innern
befindlichen Gäste des Himmelssohnes, zu denen auch Yen-tsu
gebürte, und die zu dem Äusserri gerechneten Grossen sich gegen
seitig Antwort in angemessenen Aufsätzen, wobei es sich öfters
ereignete, dass die Meinung der grossen Würdenträger widerlegt
wurde.
Die dem Himmelssohne zunächst stehenden und von ihm am
meisten begünstigten Männer waren Tung-fang-so, Mei-kao, Yen-
tsu, U-khieu-scheu-wang und Sse-ma-siang-ju. Unter diesen mel
dete sich Sse-ma-siang-ju gewöhnlich krank und zog sich von dem
Dienste zurück. Tung-fang-so und Mei-kao waren in ihren Berathun-
gen ungründlich, erfreuten sich jedoch des besonderen Schutzes
des Gesammtberrschers, der sie überaus gütig behandelte und sie
ernährte. Bios Yen-tsu und U-khieu-scheu-wang wurden thatsächüch
h
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki. 307
za Geschäften verwendet, wobei übrigens der erstere vor dein
letztem den Vortritt hatte.
Im dritten Jahre des Zeitraumes Khien-yuen (138 vor Chr.)
griff die fremdländische Macht Min und Yue zu den Waffen und
belagerte 1^3 Tung-ngeu *) die Hauptstadt des „östlichen
Meeres.“ Das letztgenannte Herrscherland begehrte Hilfe von Han.
Der Gesammtherrscher Hiao-wu, der damals erst zwanzig Jahre
zählte, wandte sich an den Thai-yo (grosser Beruhiger) tji^ |J]
Tien-fen um Rath. Tien-fen stellte Folgendes als seine Meinung
hin: Dass die Menschen von Yue sich gegenseitig überfallen und
angreifen, ist etwas Gewöhnliches. Sie sind zudem häufig wankel-
müthig, und es lohnt sich nicht der Mühe, dass man belästigt das
mittlere Herrscherland und hinzieht, um ihnen zu helfen. Seit den
Zeiten von Thsin hat man aufgegeben die nicht zugehörigen Länder.
Diese Meinung widerlegte Yen-tsu, indem er sich äusserte:
Es ist hauptsächlich zu besorgen, dass man durch die Kraft nicht
fähig, ihnen Hilfe zu bringen, durch die Tugend nicht fähig, sie zu
überdecken. Ist man dies in Wahrheit fähig, warum sollte man sie
aufgehen? Auch hat Thsin die gesammte Welt und selbst Hien-yang
zuletzt aufgegeben: wie wäre es blos Yue? Wenn jetzt ein kleines
Herrscherland in seiner Verlegenheit kommt und Hilfe begehrt, abe
der Himmelssohn es nicht emporrichtet, wie sollte es da noch etwas
zu melden haben? Wie sollte er ferner als Söhne betrachten können
die Menschen der zehntausend Herrscherländer?
Der Gesammtherrscher bemerkte hierauf: Mit dem grossen
Beruhiger kann man sich nicht genugsam berathen. Ich bin erst
unlängst gelangt zu meiner Würde, ich will nicht aussenden das
Abschnittsrohr des Tigers, ich werde aussenden die Streitkräfte in
den Landschaften und Herrscherländern.
Man entsandte hierauf Yen-tsu mit einem gewöhnlichen zur
Beglaubigung dienenden Abschnittsrohr, damit er die Streitkräfte
in der Landschaft Kuei-ki ausrücken lasse. In Kuei-ki beschränkte
man sich indessen auf die Yertlieidigung und wollte, weil kein
Abschnittsrohr des Tigers hergegeben worden, in Berufung auf das
Gesetz Widerstand leisten und die Kriegsmacht nicht aussenden.
Yen-tsu liess einen Vorsteher der Pferde enthaupten und verkündete
*) Das heutige Thai-tscheu in Tsche-kiang.
308
Dr. P f i l in a i e r
den Willen und die Weisung des Himmelssohnes. Hierauf stellte er
sich an die Spitze der Kriegsmacht und schiffte sich auf dem Meere
ein, um Tung-ngeu Hilfe zu bringen. Min und Yue warteten indessen
seine Ankunft nicht ah und traten noch früher mit ihren Kriegs
völkern den Rückzug an.
Nach drei Jahren griffen Min und Yue von Neuem zu den
Waffen und unternahmen einen Kriegszug gegen das südliche Yue.
Dieses Herrscherland, welches sich an das Versprechen des Himmels
sohnes hielt, getraute sich nicht, eigenmächtig den Kampf aufzuneh
men, sondern sandte früher ein die Sachlage darstellendes Schreiben
an den Hof von Han. Der Gesammtherrscher von Han lobte dieses
Verfahren. Er befahl die Ahsendung von bedeutenden Streitkräften
und stellte an die Spitze derselben zwei Feldherren, welche Min und
Yue zur Strafe ziehen sollten.
Bei diesem Anlasse richtete Ngan, König von Hoai-nan, an
den Himmelssohn das folgende sehr ausführliche Schreiben, in
welchem er sich missbilligend über die erwähnte Einmischung in
die Angelegenheiten der fremden Herrscherländer aussprach:
Du, vor dem ich stehe unter den Stufen, hast herniedergeblickt
auf die Welt, hast verbreitet die Tugend, angedeihen lassen die
Gnade, hast nachgesehen Strafen und Bussen, vermindert die Abgaben
und Einsammlungen, hast bemitleidet die Witwer und Witwen, dich
erbarmt der Verwaisten und Alleinstehenden, hast ernährt die Hoch
bejahrten und die Greise, unterstützt die Erschöpften und Herab
gekommenen. Deine vollkommene Tugend thürmt sich in der Höhe
gleich Bergen. Deine freundliche Mildthätigkeit träufelt in der Tiefe
herab gleich Regen. Die Nahen sind befreundet und schliessen sich
an. Die Fernen tragen in dem Busen die Dankbarkeit. Die Welt
befindet sich in dem Zustand der Ruhe, die Menschen sind froh ihres
Lebens, und sie selbst sehen weder Angriffswaffen noch Lederpanzer.
Jetzt habe ich gehört, dass es gibt einen Vorsteher, der aushebt die
Streitkräfte und sich anschickt zu strafen Yue. Ich, der Diener Ngan,
vermesse mich, für dich, vor dem ich stehe unter den Stufen, dies
für schwer zu halten.
Yue ist das Land, das sich befindet jenseits der Weltgegenden,
seine Menschen sind das Volk, das absehneidet das Haar und bemalt
den Leib. Es kann nicht nach den Gesetzen des Herrscherlandes,
das sich bedient der Mützen und Gürtel, in ein Gleiuhmass gebracht
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
309
werden. Seit der vollendeten Blüthe der drei Herrscherhäuser hatten
Hu und Yue nicht angenommen den richtigen ersten Tag des Monats.
Ohne Gewalt können sie nicht unterworfen werden. Man hielt sie für
Länder, die sich nicht bewohnen lassen, deren Menschen für Völker,
die sich nicht hüten lassen. Man hielt sie nicht für würdig, dass man
um ihretwillen belästige das mittlere Herrscherland.
Desswegen führte in den alten Zeiten dasjenige, was diesseits
des Gebietes des Himmelssohnes *), den Namen: das Unterworfene
der Felder a ). Was jenseits des Gebietes des Himmelssohnes, hiess
das Unterworfene der Wartenden 3 ). Die Wartenden und die Leib
wache 4 ) hiessen das Unterworfene der Gäste. Die südlichen und
östlichen Fremdländer hiessen das Unterworfene des Versprechens ä ).
Die westlichen und nördlichen Fremdländer hiessen das Unterwor
fene der Wüsteneien. Die Stärke des Nahen und des Fernen ist
verschieden.
Seit Han sich zuerst befestigt, sind zwei und siebenzig Jahre,
und dass die Menschen von U und Yue während dieser Zeit einander
angegriffen, geschah unzählige Male. Gleichwohl hat der Himmels
sohn noch niemals erhoben die Waffen und einen Einfall gemacht
in deren Lande.
Ich habe gehört: Yue besitzt weder Festen, noch Aussenwerke,
noch Städte, noch Häuserreihen. Seine Menschen wohnen an Bächen
und in Thälern, inmitten der Rohrfelder und Dickichte. Sie sind
geübt in Kämpfen zu Wasser, geschickt in der Handhabung der
Schiffe. Das Land ist tief und dunkel 6 ), und es gibt in ihm viele
Gewässer und steile Anhöhen. Die Menschen des mittleren Herr
scherlandes, welche nicht kennen jenes Volkes Stärke und durch
unwegsame Strecken dringen in dessen Land, sollten auch hundert
Feinde nicht gewachsen sein einem Einzigen unter ihnen, wenn sie
gewinnen das Land, so können aus ihm keine Landschaften und
*) Das Gebiet des Himmelssohnes hatte im Umfange tausend Weglängen (Li).
2 ) Auf diesem Gebiete bebaute man die königlichen Felder, welche die Gegenstände
des Darhietens für die Götter und Geister hervorbrachten.
3 ) Die Fürsten dieses Gebietes machten dem Himmelssohue ihre Aufwartung,
4 ) Jenseits des Unterworfenen der Wartenden befand sich das Unterworfene der
Leibwache. Die Fürsten beider Gebiete erschienen bei dem Himmelssohne als Gäste.
5 ) Die Fürsten dieses Gebietes bewog der Himmelssohn vermöge seiner Tugend nur
zu dem Versprechen, an seinem Hofe zu erscheinen.
6 ) Es ist reich an Gräsern und Bäumen.
310
Dr. Pf i z di a i e r
Kreise gebildet werden. Überfällt man es, so kann man es nicht
plötzlich erobern. Untersucht man auf dem Bilde der Erde dessen
Berge und Flüsse, so sind die Umschränkungen und Versperrungen
von einander entfernt nicht weiter als einen Zoll nach der Zählung,
aber die Zwischenräume allein betragen bald mehrere hundert, bald
tausend Weglängen. Die unwegsamen Strecken, die steilen Anhöhen,
die Wälder und Dickichte können nicht sämmtlich sichtbar gemacht
werden *)• Wenn man es betrachtet, scheinen die Wege bequem.
Wenn man in ihm wandelt, sind die Wege sehr schwierig.
Dass die Welt sich verlässt auf die Gunst des Heiligthumes der
Ahnen, dass, was innerhalb der vier Gegenden, vollkommen ruhig,
dass die Alten, die auf den Häuptern tragen das Weiss, nicht sehen
Angriffswalfen und Lederpanzer, dass es unter dem Volke Männern
und Weibern möglich ist, sich gegenseitig zu bewahren, Vätern und
Söhnen möglich, sich gegenseitig zu schützen, ward bewirkt durch
die Tugend dessen, vor dem ich stehe unter den Stufen. Die Men
schen von Yue sind dem Namen nach zwar Diener des Geheges,
aber die auferlegten Abgaben und der lautere Wein 2 ) werden nicht
geführt in das grosse Innere 3 ), kein einziger Krieger wird zur Ver
fügung gestellt dem hohen Gebieter. Wenn sie unter einander sich
angreifen, und der, vor dem ich stehe unter den Stufen, aussendet
die Kriegsmacht, um einem von ihnen zu helfen, so würde man im
Gegentheil das mittlere Herrscherland abmülien bei den südlichen und
östlichen Fremdländern.
Auch sind die Menschen von Yue unwissend und thöricht, leicht
und unbedeutend, sie halten nicht ihr Versprechen, sind wankel-
müthig, und dass sie nicht Gebrauch machen können von den Gesetzen
und Einrichtungen des Himmelssohnes, dies hat sich bewährt nicht
erst seit einem Tage. Wenn sie einmal nicht Folge leisten der hohen
Verkündung und man dafür greifen wollte zu den Waffen und sie
strafen, so fürchte ich, dass später Angriffswaffen und Lederpanzer
zu keiner Zeit Buhe erhalten werden. Die Zwischenzeit beträgt einige
Jahre, und wenn indessen die Ernte nicht zu Stande kommt, muss
ln dem Bilde des Landes.
2 ) Die in kostbaren Gegenständen bestehenden Abgaben und der für die Darbringung
in dem Ahnenheiligthum des Himmelssohnes nothvvendige Wein.
3 ) Das grosse Innere ist das Innere der Hauptstädte, wo die kostbaren Gegenstände
aufbewahrt werden.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
311
das Volk warten, bis es verkaufen kann die Gelasse für die
Gebräuche, als Pfand einsetzen die Söhne 1 )» um sich zu ver
schaffen Kleidung und Speise. Es verlässt sich auf die Wohlthaten
und Milde desjenigen, vor dem ich stehe unter den Stufen, der
es stützt und ihm Hilfe leistet, damit es nicht rollt in Wasser
gräben, in Erdhöhlen und daselbst stirbt. Wenn in vier Jahren die
Einte nicht zu Stande kommt, so erscheinen in dem fünften wieder
Heuschrecken und der Lebensunterhalt des Volkes ist noch nich
hergestellt.
Wenn man jetzt aussendet die Streitkräfte, fortzieht mehrere
tausend Weglängen, verbraucht Kleidungsstücke und Lebensmittel
und dringt in das Land von Yue, so muss man mit Sänften und Hand
wagen übersetzen die Gipfel der Berge. Man schleppt Schiffe und
begibt sich auf die Flüsse. Man wandelt mehrere hundert bis tau
send Weglängen und ist eingeschlossen von tiefen Wäldern, dichtem
Röhricht. Macht man den Weg zu Wasser, so stösst man strom
aufwärts und abwärts auf Steine. In den Wäldern gibt es viele giftige
Schlangen, reissende Thiere. In den Monaten des Sommers, zur Zeit
der Hitze folgen Erbrechen und Krankheiten plötzlicher Betäubung
einander auf dem Fusse. Ehe man noch Gebrauch gemacht hat von
den Waffen, zusammengetroffen ist mit den Schwertern, sind die
Todten und Beschädigten gewiss schon eine Menge.
In der vorhergegangenen Zeit hatte der König des südlichen Mee
res 3 ) sich empört. Der frühere Diener desjenigen, vor dem ich stehe
unter den Stufen 3 ), hiess den Feldherrn Kien-ki 4 ) befehligen die
Streitkräfte und ihn angreifen. Der König ergab sich mit seinem Heere,
1 ) In Hoai-nan pflegten die Armen ihre eigenen Kinder zu verpfänden, welche dann
in fremden Häusern Dienste von Leibeigenen verrichteten. Diejenigen, welche
man nach drei Jahren nicht nuslöste, wurden wirkliche Leibeigene. Nach Andern
hätte diese Stelle den Sinn, dass die. Söhne ihrer Armuth willen sich als soge
nannte „verpfändete Eidame“ in das Haus ihrer Schwiegerältern begaben.
2 ) Das Land des südlichen Meeres (Nan-hai) entspricht der Gegend des heutigen
Kreises Kuang-tscheu in Kuang-tung.
8) Unter dem frühem Diener des Gesammtherrschers wird Li, König von Hoai-nan,
verstanden.
4 ) Der Feldherr El Kien-ki, d. i. Ki von dem Geschleckte Kien. Der
1SJ
Geschlechtsname Kien wird an dieser Stelle irrigerweise durch die Abkürzung
Kien ausgedrückt.
312
Dr. P f i z m a i e r
und man liiess ihn wohnen in Schang-kani). Später empörte er sich
nochmals. Da kam Hitze des Himmels, vieler Regen. Die Krieger
der gedeckten Schiffe wohnten auf dem Wasser und rührten die
Ruder. Ehe man noch gekämpft, waren diejenigen, die gestorben an
Krankheiten, mehr als die Hälfte. Die Verwandten und die Greise
vergossen Thränen, die verwaisten Söhne klagten und schrien. Man
hatte zu Grunde gerichtete Häuser, zu nichte gewordene Beschäfti
gungen. Man holte ab die Leichname aus einer Entfernung von mehr
als tausend Weglängen, umhüllte die Gebeine und kehrte zurück.
Des Jammerns und der Betrübniss war durch mehrere Jahre kein
Ende, die Älteren und die Greise erzählen davon noch an dem heutigen
Tage. Man war noch nicht gedrungen in das Land, und das Unglück
hatte schon erreicht eine solche Höhe.
Ich habe gehört: Nach einem Feldzuge gibt es gewiss böse
Jahre. — Dies besagt: Unter dem Volke gefährdet ein jeder durch
den Hauch seiner Bekümmerniss und Mühsal die Eintracht der Grund
stoffe der Finsterniss und des Lichtes, setzt iu Erregung die Ungunst
des Himmels und der Erde, und der Hauch des urstofflichen Unglücks
wird dadurch hervorgebracht. Die Tugend dessen, vor dem ich stehe
unter den Stufen, gesellt sich zu dem Himmel und der Erde, dein
Licht nimmt zum Vorbild Sonne und Mond, deine Gnade erstreckt
sich auf die Vögel und wilden Thiere, deine Mildthätigkeit kommt
zu Gute den Kräutern und Bäumen. Wenn es einen Menschen gibt,
der Hunger und Kälte leidet, der nicht beschliesst seine Himmelsjahre
und stirbt, so bist du um dessenwillen schmerzlich erregt im Herzen.
Jetzt herrscht innerhalb der Weltgegenden nicht so viel Schrecken,
dass ein Hund desswegen bellte, wenn man aber bewirken wollte,
dass die Gepanzerten und die Krieger desjenigen, vor dem ich stehe
unter den Stufen, sterben und zu Grunde gehen, dass ihre Gebeine
bleichen in der Mitte der Wildniss, dass sie getränkt werden von
der Feuchtigkeit auf den Bergen und in den Thälern, so wird das
Volk der seitwärts liegenden Marken zeitlich schliessen und spät
öffnen 3 ). Vom Morgen lebt es nicht bis zum Abend 3 ). Ich, Ngan,
± Schang-kan entspricht der Gegend des heutigen Sin-kan, Kreis Lin-
kiang in Kiang-si.
2 ) Der Kriegsgefahr willen werden die Thore der befestigten Städte früh geschlossen
und spät geöffnet werden.
3 ) Das Volk wird den Untergang fürchten und sich nicht beschützen können.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
313
vermesse mich, für dich, vor dem ich stehe unter den Stufen, dies
für schwer zu halten.
Unter denen, die nicht bekannt mit der Beschaffenheit des
Bodens der südlichen Gegenden, sind viele hinsichtlich Yue der
Meinung, dass dessen Menschen eine Menge, dass dessen Kriegs
macht stark und dass es im Stande, Unheil anzurichten in den seit
wärts liegenden festen Städten. Zur Zeit als Hoai-nan noch ein
unversehrtes Herrseherland *), waren viele angestellt bei den Gerich
ten in den seitwärts liegenden Gegenden a ). Ich vermass mich zu
erfahren, dass Yue von dem mittleren Herrseherlande verschieden.
Es hat zur Marktscheide hohe Berge, wo die Fussspuren der Menschen
nicht mehr sichtbar, die Wagen nicht verkehren auf den Wegen;
hierdurch haben Himmel und Erde es abgeschlossen nach Innen und
Aussen.
Wenn dessen Menschen dringen wollen in das mittlere Herrscher
land, so müssen sie hernieder steigen die Berggipfel, hinabschiffen
die Wasser. Die Höhen der Berggipfel sind steil und abschüssig, an
den Stromschnellen der Wasser zerschmettern Steine die Schiffe.
Man kann nicht auf grosse Schiffe laden die Mundvorräthe und
abwärts schiffen.
Wenn die Menschen von Yue Veränderungen bewirken wollen,
so müssen sie früher zum Ausgangsorte wählen Yü-kan 3 ) an den
Marken. Sie sammeln die Mundvorräthe, fallen hierauf ein, schlagen
das Bauholz und zimmern die Schiffe. Die seitwärts liegenden festen
Städte beschränken sich auf die Vertheidigung und warten in Wahr
heit aufmerksam. Sobald die Menschen von Yue einfallen und schlagen
das Bauholz, raffen jene ohne Umstände zusammen, erfassen und
verbrennen die Vorräthe und Sammlungen. Gäbe es auch hundert
Yue, was könnten sie den seitwärts liegenden festen Städten wohl
anhaben?
Auch sind die Menschen von Yue fädengleich an Kraft, arm an
Gaben, sie vermögen nicht zu kämpfen auf trockenem Boden, Es
*) Ehe Iloai-nan noch in drei Herrscherländer getheilt war.
3 ) Viele Bewohner von Hoai-nan waren in den an den Marken von Yue liegenden
Gegenden angestellt und lernten daher das letztgenannte Land kennen.
war damals eine Stadt des Landes Yue und entspricht der
Hauptstadt des Unterkreises Po-yang in Jao-tscheu, Landschaft Kiang-si. Die Stadt,
welche heute den Namen Yü-kan führt, liegt südlich von Jao-tscheu.
314
Dr. P f i z in a i e r
sind ferner bei ihnen keine Wagen, Reiter, Bogen und Armbrüste
in Verwendung. Dass dessenungeachtet zu ihnen nicht gedrungen
werden kann, es ist, weil sie vertheidigen die unwegsamen Strecken
ihres Landes und weil die Menschen des mittleren Herrscherlandes
niehts ausrichten gegen ihre Wasser und ihren Boden.
Ich habe gehört: Die Gepanzerten und die Krieger von Yue
werden nicht herabgesetzt auf eine Zahl von weniger als mehreren
Hunderttausenden. Wenn die Zahl derjenigen, mit denen man dringt
in ihr Land, beträgt das Fünffache, ist dies erst hinreichend, und
diejenigen, welche ziehen die Wagen, reichen die Lebensmittel,
sind hierin nicht begriffen.
Die südlichen Gegenden sind heiss und feucht. Gegen die Zeit
des Sommers entstehen Gelbsüchten mit Feuerhitze. Unter der sen
genden Sonne wohnt man an Wassern, Otterschlangen vergiften das
Leben, Krankheiten und Seuchen kommen zum Vorschein. Ehe die
Krieger noch gefärbt haben die Schwerter, sind diejenigen, die
gestorben an Krankheiten, zwei bis drei Zehntheile. Sollte man auch
zu Gefangenen machen sämmtliehe Menschen des Landes von Yue,
es wäre dies kein Ersatz für das, was man verloren.
Ich habe gehört, dass man auf den Wegen erzählt: Der König
von Min und Yue, dessen jüngerer Bruder Kia J ) hat als ein Niederer
ihn getödtet. Wenn Kia gestraft wird und stirbt, so hat dessen Volk
Niemanden, dem es angehörte. Wenn du, vor dem ich stehe unter
den Stufen, es wolltest kommen lassen in das Innere, ihm einen
Wohnsitz anweisen in dem mittleren Herrscherlande und heissen
einen gewichtigen Diener es überwachen, so brauchst du -nur zu
üben Wohlthaten, herabzusenden Belohnungen und du winkst ihm,
damit es erscheine. Dadurch würdest du an der Hand führen die
Jungen, stützen die Alten und sie sich zuwenden heissen der Tugend
der höchsten Weisheit. Willst du, vor dem ich stehe unter den
Stufen, hiervon keinen Gebrauch machen, so mögest du fortsetzen
seine zerrissenen Geschlechtsalter, Fortbestand geben seinem zu
Grunde gehenden Herrscherlande, befestigen seine Könige und
1 ) ijj Kia ist, wie Sse-ku angibt, der Kinderuame des jüngeren Bruders des
Königs von Yue. Übrigens wird dieser jüngere Bruder des Königs von Yue sonst
genannt, und der hier gesetzte Name Kia ward an
keiner andern Stelle der Geschichte aufgefunden.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
315
Lehensfürsten und werden der Hüter von Yue. In diesem Falle würde
cs stellen Geissein, werden ein Diener des Geheges und die Ge
schlechtsalter hindurch reichen das Pflichtgenrässe der Abgaben.
Du, vor dem ich stehe unter den Stufen, hättest dann durch eine
Abdrucksmarke, die im Umfange hat einen Zoll, durch ein Band, das
lang zwei Klafter <)> niedergehalten und beruhigt, was ausserhalb
der Weltgegenden. Ohne ermüdet zu haben einen einzigen Krieger,
ohne abgenützt zu haben eine einzige Lanze, wären dein Ansehen
und deine Tugend gleichmässig zur Geltung gebracht worden.
Wenn du jetzt mit einer Kriegsmacht dringst in das Land, so
werden dessen Menschen gewiss zittern vor Furcht, weil der Inhaber
eines Vorsteheramtes Willens ist, sie zu metzeln und zu vernichten.
Sie werden gleich Feldhühnern und Hasen entfliehen, sich begeben
in die Gebirge und Wälder, auf die steilen Anhöhen und unweg
samen Strecken. Kehrt man ihnen den Rücken und entfernt sich
von ihnen, so sammeln sie sich von Neuem in Schaaren. Bleibt man
zurück und beobachtet sie durch die vorüberziehenden Herbste, die
verstreichenden Jahre, so werden Kriegführer und Streiter kampf
unfähig und müde, die Lebensmittel werden weniger und gehen zu
Ende. Die Männer können nicht ackern und säen, die Weiber können
nicht spinnen und weben. Die Jungen und Starken folgen dem
Heere, die Alten und Schwachen führen die Lebensmittel. Die daheim
bleiben, haben keine Nahrung, die des Weges ziehen, haben keine
Mundvorräthe. Das Volk verdriessen die Angelegenheiten der Waf
fen, diejenigen, die auswandern und entfliehen, sind gewiss eine
Menge. Wollte man ihnen nachfolgen und sie strafen, so kann man
nicht mit ihnen zu Ende kommen. Räuber und Mörder werden gewiss
auftreten.
Ich habe gehört, dass die Altern und Greise erzählen: Zur Zeit
von Thsin hatte man abgesandt den Beruhiger Thu-tsiün 2 ) zum
Angriff auf Yue. Man hiess ferner den Aufseher Lö 3 ) ziehen Wasser
gräben, für den Verkehr eröffnen die Wege. Die Menschen von Yue
flohen und traten in die entlegenen Gebirge, in die Dickichte der
i) Das Band, an welchem die Abdrucksmarke getragen wird.
a ) Thu-tsiün war der „Beruhiger“ (Befehlshaber) einer Hauptstadt.
3 ) Ein die Landschaften beaufsichtigender, gesammtherrscherischer Vermerker, dessen
Name jjj^ Lö.
316
Dr. P f i z m a i e r
Wälder. Es war nicht möglich, sie anzugreifen. Das Heer, welches
zurückblieb, sammelte sich und beobachtete ein leeres Land, es ver
brachte unnütz die Tage und verharrte dabei lange Zeit. Die Krieg
führer und Streiter wurden angestrengt und waren müde. Yue trat
hierauf hervor und griff sie an: die Kriegsmacht von Thsin erlitt eine
grosse Niederlage. Hierauf entsandte man Menschen, die verurtheilt
zum Dienste der Besatzung, um Vorkehrungen zu treffen. Um diese
Zeit waren das Äussere und das Innere voll Unruhe, die hundert
Geschlechter waren zerstreut und zu Boden gedrückt. Diejenigen,
die sich auf den Wegen befanden, kamen nicht wieder, diejenigen,
die auszogen, kehrten in Wirklichkeit zurück. Alle hatten sie keine
Sicherheit des Lebens, die Auswandernden und Fliehenden folgten
einander auf dem Fusse, ganze Schaaren wurden Bäuber und Mörder.
Hierauf erhob das Unglück im Osten der Berge zum ersten Male das
Haupt. Dies ist es, was Lao-tse J ) meint, indem er sagt: An dem
Orte, wo ein Heer verweilt, wachsen stachlichtes Rohr und Dornen.
Die Waffen sind eine unheilvolle Sache. Wenn ein einziges Land
in Bedrängniss, folgen alle vier Gegenden sofort nach. Ich fürchte,
dass die Veränderungen und Beziehungen, die entstehen, der Verrath
und das Unrecht, die auftauchen, hierdurch ihren Anfang nehmen.
In den Verwandlungen der Tscheu heisst es: Der hohe Ahnherr
richtet einen Angriff gegen das Land der Geister. Nach drei Jahren
hat er es überwunden. — Das Land der Geister sind die kleinen
südlichen und östlichen Fremdländer. Der hohe Ahnherr ist der
vollkommenste Himmelssohn der Yin. Der vollkommene Himmelssohn
richtet einen Angriff gegen die kleinen südlichen und östlichen
Fremdländer, und erst nach drei Jahren überwindet er sie. Dies
bedeutet: Den Gebrauch der Waffen kann man nicht anders als ernst
nehmen.
Ich habe gehört: Die Waffen des Himmelssohnes haben zu thun
mil Eroberungen, aber sie haben nichts zu thun mit Kämpfen. Dies
bedeutet: Niemand wagt es, sich mit ihm zu messen. Wenn man
bewirkt, dass die Menschen von Yue verachten den Tod und suchen
ihr Glück, indess sie sich widersetzen dem Gange, den mit dem
Antlitz nach vorwärts 2 ) wandelt der Leiter der Geschäfte, so mag
*) Dies sagt Lao-tse in dem Tao-king.
2 ) Ein solcher Gang wird sonst auch der Gang der Gänse genannt.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
317
es geschehen, dass Holzschläger und Wagenbesorger des Heeres
einmal nicht auf ihrer Hut sind und sich unterwerfen. Sollte
man auch erhalten das Haupt des Königs von Yue «), ich ver
messe mich noch immer, für das grosse Han mich dessen zu
schämen.
Du, vor dem ich stehe unter den Stufen, hast die vier Meere
zu deinen Marken, die neun Landstriche zu deinem Hause, die acht
Dickichte») zu deinem Thiergarten, den Strom und das Meer zu
deinem Teiche. Die Abtheilungen des geborenen Volkes sind sämmt-
lich Diener und Dienerinnen. Die Menge der Menschenschaaren ist
hinreichend, um zu bieten das Nothwendige für die tausend Obrig
keiten. Die Sammlungen der Abgaben von den Feldern sind hin
reichend, um herzustellen die Führung der Gespanne und Hand
wagen. Mit geübtem Geiste, mit göttlicher Erleuchtung hältst du
dich streng an die Wege der Höehstweisen, kehrst den Rücken den
schwarzweissen Wandschirmen 3 ), lehnst dich an eine mit Edel
steinen besetzte Bank. Das Antlitz gekehrt nach Süden, gibst du
Gehör, entscheidest und erlässest Befehle an die Welt. Innerhalb
der vier Meere ist nichts, das dir nicht Antwort gäbe gleich dem
Wiederhalle. Du, vor dem ich stehe unter den Stufen, sendest herab
Wohlthaten und Gnade, bald überdeckend, bald mildthätig wie Thau.
Wenn du bewirkst, dass das vielfältige Volk gesichert hat das Leben,
Freude hat an seinen Beschäftigungen, so wird die Wohithat dessen
bedecken zehntausend Geschlechtsalter, du wirst es fortsetzen auf
die Söhne und Enkel, es üben ohne Aufhören. Die Welt ist so sicher,
als wäre sie der Berg Thai-san, der von vier Seiten festgebunden. Das
Land der östlichen und nördlichen Fremden, wie sollte es verdienen,
dass man sich mit ihm befasst in der freien Zeit eines einzigen Tages
und dass es uns Mühe verursacht so viel, um schwitzen zu machen
ein Pferd?
1 ) Um diese Zeit schickte Yü-sehen wirklich das Haupt des getödteten Königs von
Yue nach Han.
2 ) Die acht Dickichte sind acht Jagdgebiete, von welchen acht verschiedene Länder,
nämlich Lu, Tsin, Thsin, Sung, Tsu, die Gegend zwischen U und Yue, Tsi und
Tsching je eines enthielten.
3 ) Die zum Gebrauche des Himmelssohnes bestimmten, mit schwarzen und weis-
sen Streifen bemalten Wandschirme wurden zwischen die Thüren und Luken
gestellt.
318
Dr. Pfi zmaier
In einem Gedichte heisst es:
Des Königs Weg, wenn er in Wahrheit voll,
So kommt das ganze Land von Siü 1 ).
Dies bedeutet: Der Weg der Könige ist sehr ausgedehnt und
die fernen Gegenden lieben ihn.
Ich habe Folgendes gehört: Der Ackermann arbeitet, und der
weise Herrscher wird ernährt. Der Unverständige spricht, und der
Verständige trifft seine Wahl. Ich Ngan war so glücklich, dass es
mir möglich ward, für den, vor dem ich stehe unter den Stufen, zu
bewahren das Gehäge, dass ich mit dem Leibe wurde Wall und
Decke, dass ich erhielt den Auftrag eines Dieners unter den Men
schen. Wenn die seitwärts liegenden Marken aufgeschreckt werden,
sich grämen, dass man stirbt und nicht zu Ende reden der Unver
ständigkeit Worte, ist nicht die Sache eines redlichen Dieners. Ich
Ngan vermesse mich, zu fürchten, dass die Feldherren und Ange
stellten der Gerichte mit einem Heere von zehnmal zehntausend
Menschen erhalten werden den Auftrag eines einzigen Abgesandten a ).
Dieses Schreiben des Königs von Hoai-nan ward um die Zeit
übergeben, als die Kriegsmacht von Han bereits ausgerückt war und
die südlichen Gebirge übersetzt hatte. Es ereignete sich indessen,
dass Yü-schen, der jüngere Bruder des Königs von Min und Yue,
seinen Gebieter tödtete und dem Himmelssohne seine Unterwerfung
ankündigle, worauf das Heer von Han die Feindseligkeiten einstellte.
Nachdem der Himmelssohn über die Ansichten des Königs Ngan
seine Freude bezeugt und die Feldherren und Krieger ihrer Ver
dienste willen belobt hatte, befahl er Yen-tsu, den Willen und die
Absichten des Gesammtherrschers in dem südlichen Yue zu verkün
den. Der König des südlichen Yue senkte, als er diese Weisungen
erhalten, das Haupt zu Boden und enviederte: Der Himmelssohn
beglückte mich dadurch, dass er aufbrechen Hess die Krieger und
strafte Min und Yue. Wenn ich auch stürbe, kann ich ihm durch
nichts vergelten. — Er schickte seinen zur Nachfolge bestimmten
1 ) Wenn das Gesetz des Königs die Welt erfüllt, so kommen die das Land Siü (die
Gegenden zwischen dem Meere und dem Flusse Hoai) bewohnenden Fremdländer,
um sich zu unterwerfen.
2 ) Han möge einen einzigen Abgesandten schicken und Yue besänftigen, dann würden
die Bewohner dieses Landes sich von selbst unterwerfen. Man brauche desswegen
kein Kriegsheer auszusenden.
Zwei Statthalter der Landschaft Knei-ki. 319
Sohn, der sich Yen-tsu anschloss und mit diesem an dem Hofe von
Han zur Aufwartung erschien.
Die Verkündung, worin der Himmelssohn dem Könige von Hoai-
nan Glück wünschte, lautete:
Der erhabene Gesammtherrscher fragte den König von Hoai-
nan. Dieser hiess Yo '), den mittleren Grossen der Lande, darreiehen
ein Schreiben, sprechen über die Angelegenheiten und mir es zu
Ohren bringen. Ich, der Himmelssohn, habe in Empfang genommen
des früheren Gesammtherrschers treffliche Tugend. Wenn der Mor
gen sich erhebt, wenn der Abend dunkelt, kann ich sie mit meinem
Lichte nicht beleuchten. Es ist eine ernste Sache, dass ich ohne
Tugend. Desswegen sind die drangvollen Jahre unglücklich, die
Übel und Wetterschäden sind eine Menge. Mir mit meinem winzigen
Selbst ward anvertraut die Waltung über die Könige und Lehens
fürsten. Im Innern habe ich ein hungerndes, frierendes Volk, im
Süden machen die Fremdländer auf einander Angriffe und bewirken,
dass die seitwärts liegenden Marken in ihrer Aufregung nicht zur
Ruhe kommen. Mir, dem Himmelssohn, ist darob sehr bange. Jetzt
hast du, o König, tief nachgedacht, ernst überlegt, hast in das Licht
gesetzt den grossen Frieden und berichtigt meine, des Himmels
sohnes, Irrthümer. Du hast es ausgesprochen, dass die drei Herr
scherhäuser in ihrer höchsten Vollendung rainten an den Himmel,
zusammentrafen mit der Erde. Wohin die Fussspuren der Menschen
nur reichten, war Alles gehorsam und unterworfen. Ich hörte dies
aus der Ferne und war äusserst beschämt. Ich wünsche dir, o König,
Glück zu deinen Gedanken, es gibt hei ihnen nichts, wodurch sie
erschöpft würden. Ich heisse Tsu, den mittleren Grossen der Lande,
verkünden meine, des Himmelssohnes, Meinung, die Meldung bringen
dir, o König, in der Angelegenheit von Yue.
Yen-tsu verkündete demnach dem Könige von Hoai-nan die
Absichten des Himmelssohnes mit folgenden Worten:
In der gegenwärtigen Zeit hast du, o grosser König, in der
Angelegenheit des Absendens, des Zusammenziehens der Streilkräfte
des Überwachens von Yue hinaufgereicht ein Schreiben. Derjenige,
vor dem ich stehe unter den Stufen, hat aus diesem Anlasse abge-
>) Ein Mann mit dem liier angeführten Namen Yö wurde von dem Verfasser
bisher an keiner andern Stelle der Geschichte aufgefunden.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. IV. Hft,
l
320
Dr. P f i z m a i e r
schickt mich Tsu, damit ich die Meldung bringe dem Könige in dieser
Angelegenheit. Du, o König, hast deinen Wohnsitz in der Ferne,
die Angelegenheit war dringend, erforderte Eile, ich kam nicht mit
dem Könige überein in deren Berathung. An dem Hofe war eine
mangelhafte Lenkung: ich hinterliess deinen Kummer, o König.
Derjenige, vor dem ich stehe unter den Stufen, nimmt sich dies
sehr zu Herzen.
Die Waffen sind allerdings Werkzeuge des Unheils, die ein
erleuchteter Gebieter nur ungern hinaussendet. Gleichwohl ist seit
den fünf Gesammtherrschern, den drei Königen, dass man gewehrt
hätte der Unterdrückung, ein Ende gemacht hätte der Empörung ohne
die Waffen, noch nicht gehört worden. Hän ist das Stammhaus der
Welt, es hält fest die lebentödtenden Handhaben, indem es ausfertigt
die Befehle für alles, was innerhalb der Meere. Was sich in Gefahr
befindet, erwartet Sicherheit. Was sich in Zerrüttung befindet, hofft
auf Herstellung.
Jetzt war der König von Min und Yue wölfisch, widersetzlich
und nicht menschlich. Er tödtete diejenigen, die seine Knochen und
sein Fleisch, er trennte die ihm Nahestehenden und die Verwandt
schaften. Unter dem, was er that, war sehr Vieles nicht gerecht. Zudem
hat er mehrmals erhoben die Waffen, ist eingefallen und hat Eingriffe
gemacht in die Länder der hundert Yue. Er hat sich einverleibt und
zusammengerafift die benachbarten Herrscherlande, indess er übte
drückende Gewalt, sich befasste mit geheimen Entwürfen, ungewöhn
lichen Anschlägen. Er machte einen Einfall und verbrannte die
gedeckten Schilfe von Thsin-yang ‘). Es wollte zu sich winken Kuei-
ki’s Land und dadurch treten in Keu-tsien’s 2 ) Fussstapfen.
In der gegenwärtigen Zeit wird in den seitwärts liegenden
Gegenden noch erzählt: Der König von Min stellt sich an die Spitze
der beiden Herrscherländer und schlägt los gegen das südliche Yue.
Derjenige, vor dem ich stehe unter den Stufen, zog in Erwägung
die Ruhe und die Gefahr der Zehntausende des Volkes, die Länge
der Zeit und die Entfernung. Er hiess Menschen die Verkündung
Thsin-yang- ist das heutige Kieu-kiang in Kiang-si. In dieser Gegend,
weiche der Strom Yang-tse durchzieht, lagen gedeckte Schifte von Han.
2 ) Der alte oherherrliche König von Yue, durch den das Herrscherland U vernichtet
wurde.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
321
bringen und jenem melden: In der Welt herrscht Sicherheit und
Ruhe. Ein jeder setzt fort das Geschlechtsalter, stellt zufrieden das
Volk. Es wird verboten und möge man es nicht wagen, Länder ein
zuverleiben. — Der Inhaber des Vorsteheramtes hatte jenen im
Verdacht, dass er mit dem Herzen des Tigers und des Wolfes gierig
sich halten werde an den Nutzen der hundert Länder von Yue.
Wenn er etwa, unwillig zu gehorchen, nicht in Empfang genommen
hätte die glänzende Verkündung des Himmelssohnes, so hätten die
Landschaften Kuei-ki und Yü-tschang gewiss gehabt eine lang- '
währende Sorge.
Auch verhängt der Himmelssohn Strafe, aber er macht keine
Angrilfe *)• Wie sollte er Wohl anstrengen die hundert Geschlechter,
Ungemach bereiten den Kriegführern und Streitern? Desswegen
entsandte er zwei Feldherren, damit sie zusammenziehen ihre Menge
an den Marken, Schrecken einflössen durch furchtbaren Kriegsmuth,
sich verbreiten machen den Wiederhall ihrer Stimme.
Die Menge ward zusammengezogen und war noch nicht ver
einigt a ), da führte der Himmel zurecht das Innere jener Menschen.
Der König von Yue verlor das Leben, sie schickten unverhofft einen
Gesandten. Man liess aufhören die Zusammenziehung, und sie sollte
nicht länger dauern, als bis zur Zeit des Ackerns. Der König des
südlichen Yue wünschte sich dabei viel Glück. Er ward überhäuft
mit Gnade und Wohlthaten, überdeckt von der vortrefflichen Tugend.
Es war sein Wunsch, eine Besserung zu bewirken in seinem Herzen,
zu ändern seinen Wandel, in Selbstheit sich anzuschliessen dem
Gesandten, um einzutreten und sich zu entschuldigen. Er hatte die
Krankheit der Hunde und Pferde 3 ) und war nicht im Stande zu
tragen das Hofkleid. Desswegen schickte er den zur Nachfolge
bestimmten Sohn Ying-tsi 4 ), damit er eintrete und aufwarte. Sobald
1 ) Die Kriegsmacht des Himmelssohnes zieht blos aus, um zu strafen, aber sie lässt
sich in keinen Kampf ein.
2 ) Die Krieger waren noch nicht alle versammelt.
3 ) Was für eine Krankheit hier gemeint ist, liess sich nicht ermitteln. Aus anderen
Stellen der Geschichte geht indessen hervor, dass der König des südlichen Yue
damals nicht wirklich krank gewesen, sondern nur eine Krankheit vorschützte.
4 ) Der damalige König des südlichen Yue hiess Hu. Dessen Sohn, der hier
genannte Ying-tsi, folgte zehn Jahre später seinem Vater in der
Herrschaft über das südliche Yue.
21
322
Dr. P f i z m a i e r
er von seiner Krankheit hergestellt sein wird, ist es sein Wunsch,
sieh niederzuwerfen vor der nördlichen Thorwarte, emporzublicken
zu dem grossen Vorhofe und zu vergelten die reichliche Wohlthat.
Als der König von Min im achten Monde des Jahres griff zu
den Waffen in Ye-nan waren seine Kriegsführer und Streiter
kampfunfähig und müde. Die Heeresmengen der drei Könige rich
teten in Gemeinschaft gegen ihn den Angriff. Sie benützten dessen
schwachen jüngeren Bruder Yü-schen, um auszuführen ihre An
schläge. Bis zu dem gegenwärtigen Augenblick ist das Herrscher
land leer, es schickt einen Abgesandten, reicht hinauf das Abschnitts
rohr und bittet um denjenigen, den es einsetzen könnte, es wagt es
nicht, selbst ihn einzusetzen und wartet dabei auf des Himmelssohnes
glänzende Verkündung. Auf diese Weise hat man sich ein einziges
Mal erhoben und ohne dass man abgebrochen hätte die Spitze einer
einzigen Waffe, ohne dass man benöthigt hätte den Tod eines einzigen
Streiters, hat der König von Min bekannt seine Verbrechen, ward das
südliche Yue bedeckt mit Wohlthalen, brachte die Hoheit der Macht
zum Zittern einen grausamen König, machte die Gerechtigkeit fort-
bestehen ein gefährdetes Herrscherland. Dies ist aus der gründlichen
Berathung, aus der weitgehenden Überlegung desjenigen, vor dem
ich stehe unter den Stufen, hervorgegangen. Desswegen hiess dieser
mich, den Diener Tsu, hierherkommen und verkünden dir, o König,
seine Meinung.
Hierauf erwiederte der König von Hoai-nan dankend: Selbst
Thang, der angriff Khie, König Wen, der angriff Thsung 2 ), sie thaten
in Wahrheit nicht mehr als dies. Ich, der Diener Ngan äusserte
unsinniger Weise alberne Gedanken, führte wahnsinnige Reden. Der
jenige, vor dem ich stehe unter den Stufen, brachte es nicht über sich,
mich zu strafen, er hiess durch einen Gesandten mich überwachen
und verkünden mir, dem Diener Ngan dasjenige, das ich nicht ge
hört. Ich kann die Beglückung dessen nicht hoch genug schätzen.
t) Die Gegend des Berges | yj y^ Ye-nan, der heut zu Tage Tung-ye genannt
wird und damals zu der Landschaft Kuei-ki gehörte.
2 ) Si-pe, dem man später den Namen König Wen von Tscheu beilegte, ward durch
Hu, Fürsten von Thsung, bei dem Könige Tsch’heu von Yin verleum
det. Nachdem Si-pe wieder in Freiheit gesetzt worden, erhielt er von dem Könige
Tsch'heu den Auftrag, das Herrscherland Thsung anzugreifen.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
323
Yeu-tsu verband sich hierauf mit dein Könige von Hoai-nan
und kehrte zurück. Sein Vorgehen erregte bei dem Gesammtherr-
scher grosses Wohlgefallen. Während einer Feierlichkeit an dem
Hofe, wo er seine Aufwartung machte, unterhielt er sich ungezwun
gen mit dem Himmelssohne, und dieser fragte ihn um die Verhält
nisse der Heimat, indem er wissen wollte, wie es Yen-tsu in früherer
Zeit ergangen. Yen-tsu antwortete: Ich war von Geburt arm, ich
lebte in dem Hause der Sehwiegerältern, was reiche Menschen für
schimpflich halten. — Von dem Gesammtherrscher befragt, was das
Ziel seiner Wünsche sei, antwortete er, dass er den Wunsch hege,
Statthalter der Landschaft Kuei-ki zu werden. Der Gesammtherr
scher ernannte ihn demgemäss zum Statthalter von Kuei-ki.
In seiner neuen Stellung als Statthalter liess Yen-tsu mehrere
Jahre nichts von sich hören. Der Himmelssohn übersandte ihm daher
das folgende Schreiben: Ich liess anfertigen die höchste Verkün
dung für den Statthalter von Kuei-ki. Du, o Herr, warst überdrüssig
der lichtempfangenden Hütten !), angestrengt durch die Geschäfte
des Aufwartens und des Folgens. Du liebtest deine heimische Erde,
tratest hinaus und wurdest ein Angestellter der Landschaft. -Die
Landschaft Kuei-ki trifft im Osten zusammen mit dem Meere. Im
Süden ist sie nahe sämmtlichen Ländern von Yue. Im Norden macht
sie zu ihrem Kissen den grossen Strom. Was dazwischen liegt, ist
ein weiter Raum: du hast lange Zeit nichts von dir hören lassen.
Mögest du bereit halten die Antworten aus dem Frühling und
Herbst 2 ), keineswegs aber aus Su-thsin's 3 ) Wagebalken.
Yen-tsu fürchtete sich und sandte an den Gesammtherrscher
ein Schreiben, in welchem er aus dem Frühling und Herbst die
Stelle: „Der Himmelskönig tritt hinaus und wohnt in Tsching“ 4 )
Von diesen zum Übernachten dienenden Hütten wird nichts Weiteres angegeben,
als dass sie sich ausserhalb der „Seitenthiiren der steinernen Wassergräben“
befanden.
2 ) Aus dem Werke „Frühling und Herbst“.
3 ) Über Su-thsin und dessen Reden von den Wagebalken sind in der Abhandlung:
„Das Rednergeschlecht Su“ ausführliche Nachrichten enthalten.
4 ) Der Himmelskönig, d. i. der Himmelssohn, ist der König Siang, Sohn des Königs
Hoei von Tscheu. Schö-tai, der jüngere Bruder des Königs, war der Liebling
seiner Mutter, der Gemahlinn des Königs Hoei, die dessen Erhebung zum Könige
bewirken wollte. König Siang ging dem drohenden Unheil aus dem Wege und
324
Dr. P f i z in a i e r
sammt deren Erläuterung: „Er war nicht im Stande zu dienen der
Mutter, desswegen riss er sieh von ihr los“ anführte. Er setzte noch
hinzu: Der Diener dient dem Gebieter, gleichwie der Sohn dient
dem Vater und der Mutter. Ich der Diener Tsu sollte mich nieder
werfen zn meiner Hinrichtung. Wenn der, vor dem ich stehe unter
den Stufen, es nicht über sich bringen sollte, mich hinrichten zu
lassen, so ist es mein Wunsch, überreichen zu dürfen die Rechnung
dreier Jahre auf einmal 4 ).
In einer höchsten Verkündung, welche hierauf erschien, ward
diesem Wunsche Yen-tsu’s, an dem Hofe erscheinen zu dürfen, will
fahren. Der frühere Statthalter blieb indessen an dem Hofe zurück
und gehörte fortan zu der Zahl derjenigen, welche dem Himmels
sohne fortwährend aufwarteten. Da er wunderbare Geistesgaben
besass, erhielt er öfter den Auftrag, schnell und ohne Vorbereitung
zierliche Aufsätze zu verfertigen, zu denen ihm der Stoff mitgetheilt
ward. Ausserdem verfertigte Yen-lsu bilderlose Gedichte und Lob
reden, welche mehrere zehn (d. i. zwanzig, dreissig oder noch mehr)
Bücher ausfüllten.
Später erschien Ngan, König von Hoai-nan, an dem Hofe von
Han und ehrte Yen-tsu durch Übersendung reicher Geschenke, indem
er zugleich mit ihm in abgesonderten Verkehr trat und sich mit ihm
in Erörterungen und Berathungen einliess. Als nach einiger Zeit
(122 vor Chr.) der König von Hoai-nan sich zum Abfall verschwor,
ward Yen-tsu in diese Sache als Mitschuldiger verwickelt. Der
Himmelssohn schlug dessen Schuld zwar gering an und wollte nicht,
dass Yen-tsu hingerichtet werde. Dagegen machte Tschang-
thang, der damals die Stelle des Beruhigers des Vorhofes (obersten
Richters) bekleidete, mit grossem Eifer als seine Meinung gelten,
dass Yen-tsu bei den vertrautesten Dienern des Himmelssohnes,
floh nach Tsching. Im vierundzwanzigsten Jahre des Fürsten Hi von Lu verzeich
net der Frühling und Herbst: „Oer Himmelskönig tritt hinaus und wohnt in
Tsching". Der Ausleger Kung-yang bemerkt hierzu: Der König befand sich nicht
auswärts. Die Ursache, wesshalh hier von ihm gesagt wird, dass er hinausgetre
ten, ist: Er vermochte nichts gegen seine Mutter.
*) Nach dem alten besetze war es Pflicht eines Statthalters, durch einen Abgesandten
die Jahresrechnung (worunter der Bericht über die Wirksamkeit verstanden wird)
überreichen zu lassen. Yen-tsu gibt hier zu verstehen, dass er selbst kommen
wolle, um den Gegenstand zu überreichen.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
323
welche die dem Besuche verschlossenen Theile des Herrschergebäu-
des bewohnten, ein- und ausgegangen, nach aussen aber mit den
Fürsten der Lehenländer in abgesondertem Verkehr gestanden sei.
Er behauptete, dass, wenn Yen-tsu bei so bewandten Umständen
nicht hingerichtet würde, das Übel später sich nicht gut machen
lasse. Die Folge dieser Vorstellungen war, dass Yen-tsu zuletzt
öffentlich hingerichtet wurde.
Tschü-mai-tschin.
schü-mai-tschin, dessen Jünglingsname -Jp-
Ung-tse, war auf dem Gebiete des Kreises U, der damals ein Theil
der Landschaft Kuei-ki, geboren. Von Geburt arm, las er gleich
wohl gerne Bücher und befasste sich nicht mit dem Erwerbe. Das
Einzige, womit er sieb sonst noch beschäftigte, war, dass er Brenn
holz und Beisig sammelte, welche Gegenstände er verkaufte und sich
dadurch seinen Lebensunterhalt verschaffte. Während er, ein Bündel
Brennholz auf der Schulter tragend, einherwandelte, sang er Stellen
aus Büchern. Seine Gattinn, welche auf dem Rücken und auf dem
Kopfe ebenfalls Brennholz trug und ihrem Manne folgte, hielt diesen
mehrmals ab und bat ihn, auf dem Wege nicht zu singen. Mai-tschin
sang jedoch immer eifriger, so dass seine Gattinn sich seiner schämte
und von ihm getrennt zu werden verlangte.
Mai-tschin antwortete lachend: Wenn ich fünfzig Jahre alt sein
werde, muss ich reich und vornehm sein, ich bin jetzt bereits über
vierzig. Du hast in bitteren Tagen lange Zeit auf mich gewartet.
Sobald ich reich und vornehm bin, werde ich deine Verdienste
belohnen.
Hierauf entgegnete das Weib ärgerlich: Menschen deines
Gleichen sterben zuletzt Hungers in einem Wassergraben: wie sollten
sie im Stande sein, reich und vornehm zu werden? — Da Mai-tschin
seine Gattinn nicht zurückhalten konnte, willigte er in die Trennung.
Von nun an wandelte Mai-tschin allein und sang auf dem Wege.
Auf dem Rücken Brennholz tragend, gelangte er einst zwischen die
Gräber des Ortes. Seine frühere Gattinn hatte mit ihrem neuen
Manne einen Grabhügel bestiegen. Als sie Mai-tschin erblickten und
zugleich bemerkten, dass er Kälte und Hunger leide, riefen sie ihn
zu sich und gaben ihm Speise und Trank.
326
Dr. P f i l m a i e r
Nach einigen Jahren gesellte sieh Tschü-mai-tschin als Dienst
mann zu dem obersten Angestellten der Rechnungen, bei dem er die
mit Kleidern und Lebensmitteln beladenen Packwagen führte. Er
kam mit seinem Gebieter nach Tschang-ngan. In dieser Stadt begab
er sich zu der Thorwarte des Herrsebergebäudes und überreichte,
was damals Jedermann zu tbun erlaubt war, ein für den Himmels
sohn bestimmtes Schreiben. Da auf sein Schreiben lange Zeit keine
Antwort erfolgte, wartete er bei den öffentlichen Wagen auf das
Eintreffen der höchsten Verkündung. Es gebrach ihm indessen an
Lebensmitteln, und die Dienstmänner des obersten Angestellten der
Rechnungen mussten ihm abwechselnd das Nöthige schenken.
Als sein Landsmann Yen-tsu, der übrigens in der Stadt U
geboren war, zu Ansehen gelangte und sich der höchsten Gunst
erfreute, ward Tschü-mai-tschin endlich hervorgesucht und zu dem
Himmelssohne beschieden. Bei seiner Vorstellung sprach er über die
Werke „Frühling und Herbst“ und „die Worte von Tsu“. Der
Gesammtherrscher fand an dem, was er hörte, grosses Wohlgefallen
und ernannte Tschü-mai-tschin zu einem mittleren Grossen des Herr
scherlandes, in welcher Eigenschaft dieser zugleich mit Yen-tsu im
Innern des Herrschergebäudes dem Himmelssohne aufwartete.
Um diese Zeit (127 vor Chr.) hatte der Feldherr Wei-tsing
das im Süden des oberen gelben Flusses liegende Land, welches
sich früher im Besitze der Hiung-nu's befand, erobert und daraus
die neue Landschaft So-fang 4 ) gebildet, zu deren Schutze man jetzt
eine lange Mauer aufführte. Gegen den Bau dieser Mauer machte
Kung-sün-hung Vorstellungen, indem er der Meinung war, dass man
dadurch die Kräfte des mittleren Herrscherlandes erschöpfen werde.
Der Gesammtherrscher ertheilte Tschü-mai-tschin den Auftrag,
Kung-sün-hung, der besonders die Nutzlosigkeit des neu erworbenen
Gebietes hervorhob, zuwiderlegen, was Tschü-mai-tschin mit solchem
Erfolge that, dass Kung-sün-hung nichts zu erwiedern vermochte.
Später ward Tschü-mai-tschin eines dienstlichen Vergehens
wegen in Anklagestand versetzt, aber freigesprochen. Erst nach län
gerer Zeit berief ihn der Gesammtherrscher wieder zu sich, indem er
ihn eine höchste Verkündung, welche in Bezug auf dessen Beförde
rung zu einem neuen Amt erlassen werden sollte, abwarten hiess.
l ) Der heutige Kreis Ning-hia in Kan-sü.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
327
Damals hatte sich das östliche Yue mehrmals wankelmüthig
gezeigt. Tsclni-mai-tschin gab in.dieser Angelegenheit Folgendes
als seine Meinung kund: Die alten Könige des östlichen Yue hatten
zu ihrem Wohnsitz und bewahrten den Tsiuen-san *)■ Wenn Ein
Mensch vertheidigte die steilen Anhöhen, war es tausend Menschen
nicht möglich hinauf zu kommen. Jetzt habe ich gehört, dass der
König des östlichen Yue übersiedelt ist und seinen Wohnsitz auf
geschlagen hat in Nan-hang 3 ). Er hat sich entfernt von dem Tsiuen-
san fünfhundert Weglängen und wohnt inmitten der grossen Sümpfe.
Wenn man jetzt ausrücken lässt die Kriegsmacht, sich einschifft auf
dem Meere und in gerader Richtung mit dem Finger zeigt nach dem
Tsiuen-san, hierauf ausbreitet die Schilfe, in Reihen stellt die Kriegs
männer und gleich einer Matte zusammenrollt Nan-hang, so kann
man das Land vernichten.
Der Gesammtherrscher ernannte sofort Tschü-mai-tschin zum
Statthalter der Landschaft Kuei-ki, zu der damals auch die nicht
unterworfenen ausgedehnten Gegenden des Südostens gerechnet
wurden. Der Gesammtherrscher richtete bei dieser Gelegenheit an
Mai-tschin folgende, einst von Hiang-yü gebrauchte Worte: Wer
reich und vornehm ist, kehrt nicht zurück in seine Heimat wie Einer,
der sich kleidet in buntes Stickwerk und in der Nacht wandelt 3 ).
Was will dich jetzt dabei bedünken? — Mai-tschin neigte das Haupt
zu Boden und bedankte sich. In dem höchsten Befehle, der hierauf
erlassen wurde, erhielt er die Weisung, dass er, sobald er in der
Landschaft angekommen sein würde, die gedeckten Schiffe in Stand
zu setzen, die Mundvorräthe und das für Kämpfe zu Wasser Erfor
derliche herbeizuschaffen habe. Er sollte dann so lange warten, bis
die Urkunde eines höchsten Befehles auch bei dem Heere eingetroffen
sein würde und, wenn dies geschehen, mit der bewaffneten Macht
zugleich vorwärts zu gehen.
1) Der |_|_| Tsiuen-san (Berg der Quellen) ist ein Berg des heutigen Kreises
• Tsiuen-tscheu in Fö-kien. Dieser Berg lieg t in der Nähe des Meeres, von welchem
er ungefähr zehn Li entfernt ist.
2 ) Über die Örtlichkeit von jlj^ Nan-hang hat der Verfasser bisher nichts
aufgefundeu.
3 ) D. i. er kehrt nicht rühmlos zurück und keineswegs so, dass ihn die Menschen
nicht sehen könnten.
328
Dr. P f i z m a i e r
Zur Zeit als Tschü-mai-tsehin von seiner Schuld freigesprochen
war und auf die höchste Verkündung, welche bezüglich seiner Ver
wendung erfolgen sollte, wartete, pflegte er sich als Gast zu dem
Angestellten zu hegeben, der das in der Hauptstadt des Himmels
sohnes befindliche, als Wohnung für die Statthalter der Landschaft
Kuei-ki bestimmte Gebäude beaufsichtigte. Von diesem Manne erhielt
er Unterstand und Nahrung. Nach seiner Ernennung zum Statthalter
kleidete sichTschü-mai-tschin in seine gewöhnlichen Kleider, verbarg
die Abdrucksplatte sammt dem dazu gehörenden breiten Bande, die
Abzeichen seiner neuen Würde, in dem Busen, begab sich zu Fuss
in das Gebäude der Landschaft, wo er seine Schritte dem daselbst
befindlichen Amte der obersten Rechnung zukehrte. Um diese Stunde
waren die Angestellten der Landschaft Kuei-ki eben damit beschäf
tigt, einander in Gesellschaft zuzutrinken, und sie schenkten daher
Mai-tschin keine Aufmerksamkeit. Dieser trat in das Innere, wo sich
der Aufseher des Wohngebäudes mit ihm zu Tische setzte. Als beide
sich mit Speisen gesättigt hatten, liess Mai-tschin das in seinem Busen
verborgene breite Band ein Weniges sehen. Der Aufseher des Wohn
gebäudes, hierüber erstaunt, trat vor seinen Gast, zog an dem Bande
und betrachtete die an demselben befestigte Abdrucksplatte: es war
das glänzende Abzeichen des Statthalters der Landschaft Kuei-ki.
Der Aufseher des Wohngebäudes trat erschrocken hinaus und
erzählte in dem Amte der obersten Rechnung, was er gesehen. Die
Zugetheilten und Angestellten dieses Amtes waren sämmtlich betrun
ken und riefen mit lauter Stimme: Das ist nur Lüge und Betrug! —
Der Aufseher des Wohngebäudes erwiederte hierauf: Überzeuget
euch, indem ihr hingehet und es ansehet. — Einige Angestellte,
welche Mai-tschin aus früherer Zeit kannten und diesen ziemlich
gering schätzten, traten ein, um sich zu überzeugen. Sie liefen schnell
wieder zurück und riefen: Es verhält sich wirklich so! — Alle
Anwesenden erschracken und meldeten es dem Gehilfen des Statt
halters i). Sie stellten sich sofort in Reihen und verbeugten sich
vor dem neuen Gebieter in der Mitte des Vorhofes, während Tschü-
mai-tschin selbst langsamen Schrittes zur Thür hinausging. Nach
J ) Für die Landschaften und Herrscherländer des Hauses Han bestand die Einrichtung,
dass der als Gehilfe dienende älteste Angestellte und der Angestellte der Rech
nungen den Vorsteher des Rechnungsamtes begleiteten. Der hier erwähnte Gehilfe
unterstützte den Statthalter und sprach mit ihm.
Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
329
einer Weile erschien ein Angestellter des Marstalls von Tschang-ngan
in einem mit vier Pferden bespannten Wagen, um Mai-tschin abzu-
holen. Dieser stieg alsbald ein und reiste mit unterlegten Pferden ab.
Als man in Kuei-ki von der bevorstehenden Ankunft des Statt
halters Kunde erhielt, entsandte man das Volk und liess die Wege
kehren, während die Angestellten der Unterkreise in mehr als hun
dert Wagen dem Ankommenden entgegen zogen und ihm das Geleite
gaben. Als Tschü-mai-tschin die Mark des Kreises U überschritt,
erblickte er seine frühere Gattinn, deren Mann die Wege in Stand
setzte. Er hielt seinen Wagen an, rief ihr und hiess sie sammt
ihrem Manne auf der Rückseite des Wagens einen Sitz einnehmen.
Er fuhr mit ihnen zu dem Gebäude des Statthalters, wo er ihnen
einen Wohnsitz in dem Garten anwies und ihnen den Unterhalt
verschaffte. Nach einem Monat erhängte sich das Weih. Mai-tschin
gab dem Manne Geld und hiess ihn für das Leichenbegängniss sorgen.
Er beschied ferner die Bekannten aus früherer Zeit zu sich, ass und
trank mit ihnen und belohnte überhaupt alle diejenigen, welche ihm
ehemals Gutes erwiesen hatten.
Nach einem Jahre erhielt Tschü-mai-tschin die Verkündung
des Himmelssohnes, worin ihm die Weisungen über sein weiteres
Vorgehen gegeben wurden. Er stellte sich an die Spitze der Streit
kräfte seiner Landschaft und unternahm gemeinschaftlich mit
|T^t Han-yue, dem Befehlshaber der Seemacht, und anderen
Anführern einen Kriegszug gegen das östliche Yue, dessen Macht
vollständig gebrochen ward. Dieser Verdienste willen ward Mai-
tschin an den Hof berufen, zu dem „den Gehalten vorstehenden“
Befehlshaber einer Hauptstadt ernannt und mit den neun Erlauchten
in eine Reihe gestellt. Nach einigen Jahren ward er, einer Über
tretung schuldig befunden, seines Amtes entsetzt, jedoch wieder
als ältester Vermerker hei dem Gehilfen des Herrscherlandes ange
stellt.
Um diese Zeit war der berühmte Richter Tschaug-thang ein
Grosser des Landes, der die hohe Stelle eines gesammtherrscherischen
Vermerkers bekleidete. Derselbe war in früheren Jahren, als Tschü-
mai-tschin zugleich mit Yen-tsu dem Himmelssohne im Innern des
Herrschersitzes aufwartete und beide als angesehene Männer zu
Geschäften verwendet wurden, noch ein kleiner Angestellter der
Gerichte, der dienstfertig bald vor Tschü-mai-tschin und dessen
330
Dr. P fi z m a i e r , Zwei Statthalter der Landschaft Kuei-ki.
Gleichen einherlief, bald ihnen nachfolgte. Später zum Beruhiget*
des Vorhofes (obersten Richter) erhoben, sprach Tschang-thang
das Urtheil in der Angelegenheit des Königs von Hoai-nan und stürzte
auch, wie früher erzählt worden, Yen-tsu in's Verderben. Aus diesem
Grunde warf Tschii-mai-tschin auf Tschang-thang einen Hass.
Als Mai-tschin zu einem ältesten Vermerket* herabgesetzt wor
den, verrichtete Tschang-thang im Aufträge des Himmelssohnes
öfters die dem Gehilfen des Herrscherlandes zukommenden Geschäfte,
wobei Mai-tschin ihm gegenüber sich in der Stellung eines Unter
gebenen befand. Der Beruhiget* des Vorhofes, der wohl wusste, dass
Mai-tschin eigentlich ein angesehener und vornehmer Mann war,
suchte diesen bei solchen Gelegenheiten zu beleidigen und zu
demüthigen. So oft Mai-tschin bei Tschang-thang erschien, sass
dieser auf einem Bette und liess es absichtlich an den üblichen
Höflichkeitsbezeigungen fehlen. Mai-tschin ward desshalb von unaus
löschlichem Hass erfüllt und beschäftigte sich fortwährend mit dem
Gedanken, wie er dem Beruhiget* des Vorhofes den Tod bringen
könne. Später verrieth Mai-tschin die Geheimnisse Tschang-thang’s,
was zur Folge hatte, dass dieser von dem Himmelssohne zur Rede
gestellt und in Untersuchung gezogen wurde. Tschang-thang tödtete
in seinem Unmuth sich selbst, zu gleicher Zeit ward aber auch
Tschü-mai-tschin auf Befehl des Himmelssohnes, der Tschang-thang’s
Rechtlichkeit erkannte, hingerichtet (113 vor Chr.). Mi di &
Tschü-san-fu, der Sohn Tschü-mai-tschin’s ward nach dem Tode
seines Vaters Gehilfe in der Lenkung des Landes Lö-ngan und brachte
es (70 vor Chr.) zu einem Fu-fung der Rechten, in welcher Eigen
schaft er jedoch noch in dem Jahre seiner Ernennung in Untersuchung
gezogen und ebenfalls hingerichtet wurde.
Unter den zahlreichen Werken, welche in einem eigenen
Abschnitte der Geschichte der früheren Han angeführt werden, finden
sich auch bilderlose Gedichte von Tschü-mai-tschin in drei Büchern.
Ebendaselbst werden auch die bilderlosen Gedichte von Yen-tsu,
welche fünfunddreissig Bücher umfassen, erwähnt.
Zingerle, Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift. 331
SITZUNG VOM 17. JULI 1861.
V o r gelegt:
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
Von Dr. Ignaz V. Zingcrle.
Unter den wenigen Handschriften, die dem Lande Tirol aus
seinen reichen Manuscriptensammlungen übergeblieben sind, nimmt
die Wiltener Meistersängerhandschrift einen bedeutenden Rang ein.
Nicht Pracht der Ausstattung, sondern Reichlhum und Mannigfal
tigkeit des Inhaltes, sowie der grossentheils ziemlich correcte Text,
sichern ihr einen bleibenden Werth. Ich glaube desshalb allen
Freunden älterer deutscher Literatur einen Gefallen zu erweisen,
wenn ich über diesen Codex einen genauen, mit Proben versehenen
Bericht gebe.
Es ist eine Papierhandschrift, Klein-Folio, mit 176 Blättern,
gewöhnlich 10 Blätter in einer Lage «). Die Schrift, rein und
regelmässig, gehört dem XV. Jahrhundert an. Mit Blatt 149 wird
sie grösser und gröber, zeigt aber dessen ungeachtet dieselbe Hand,
bis auf die zwei letzten Blätter, die von späterer Hand und mit
blässerer Tinte geschrieben sind. Die Lieder (Strophen) sind in
fortlaufenden Zeilen geschrieben, die Verse durch senkrechte
rothe Strichlein von einander getrennt. Jedes Lied beginnt mit
einer zinnoberrothen Initiale, von derselben Farbe sind die Über
schriften. Bei den Initialen ist der Buchstabe noch klein in oder
*) Einige Blätter sind verbunden, so dass der Leser von BI. 13 b auf i 5 a; von 15 b auf
14a; van Bl. 39b auf 48a; von Bl. 476 auf 50a; von BI. 49b auf 40a übergehen
muss.
332
Dr. Ignaz V. Zingerle
neben dieselben geschrieben. Da beide oft nicht zusaramenstimrnen <),
muss man schliesseu, dass die Initialen später von einem andern
Schreiber eingemalt worden.
Uber die Geschichte der Handschrift ist wenig bekannt. Das
inner dem Deckel angeklebte Wappen mit der Schrift: Christo-
phorus Baro a Wolckhenstain et Rodnegg, etc. M.DXCIIII“, berichtet
uns, dass der Codex am Ende des XVI. Jahrhunderts einem Baron
von Wolkenstein gehört habe.
Im Besitze der Wolkensteiner blieb der Codex, bis er als
Geschenk in die Hände des Herrn Prof. Kerer zu Innsbruck kam.
Den Inhalt bilden Gedichte von Herrn Erenpot vom Rhein, von
Frauenlob, Regenbogen, Heinrich v. Müglin, Albrecht Lesch, Harder,
Muskatblüt und mehreren Ungenannten. Die Nummern, welche Tann-
häuser, Wolfram v. Eschenbach und Conrad von Würzburg zuge
schrieben werden, sind mit Ausnahme einer Strophe unecht.
G r a m a t i c a.
Ein vrsprung aller künste hocher maister.
mit namen vnd «orten sich erhebt,
wer das weht
mit acht taylen, die des sind vollaister:
wie nana dem wort ist vnderthan,
in rechter Ordnung den sin nit lan,
vnd fueg in an ir ainung der personen.
ain nam hat vnderstent vnd im anhanget
ain wort, leydleich das ander tuet,
wol behüt
soll haben den sin, wer recht die acht einsprenget.
wie furnäm namen kurnbt zw staten
vnd wortigt Worte tailhaft baide sich vergatten,
mit fuegung waten!
für fueg der name für vronen.
wie yezlichs hat sein accidenz,
do nach als ist sein ens,
so das sy stent gefueget rechter schritte
nach rechtes sinnes stiffte
teutleich vernemleich auf ir fueg,
vnd auch der sacz dem leser mainung geit genug,
das mund voirecht des herczen sin.
M wer 1 Der Bl. 336. So { Wo Bl. 43a, 336 hört j lert Bl. 446. — ain 1 Jin Bl. 45a.
zve | Ave Bl. 58b. wie | Die Bl. 596, 626, 63a, 63 6. mir | Dir Bl. 65a. ir [ Dir
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
333
Die Handschrift beginnt mit einem Gedichte auf die sieben
Künste: Gramatica, Loyca, Rbetorica, Musiea, Arismetrica, Geo-
metria und Astronomia (Bl. 1«—2 6). Es ist eine hausbackene
Reimerei ohne den geringsten poetischen Werth. Ich gebe beispiels
halber das von der Gramatica Gesagte in genauer Abschrift:
auf such gewin,
Gramatica kan lonenn.
Das zweite Gedicht ist von Heinrich von Müglin und führt die
Aufschrift: „Maister Hain rieh vonn Mugelin in seinem
Hoffdonn sagt hie von maniger hant historien vnd cro-
niekn, die vonn andern tichternn verlassen sind vnd
die sich doch nach der geschrifft haltenn“. Jede der
IS Strophen enthält eine Erzählung oder eine Lehre. Die erste
berichtet, wie zu Rom ein Ochs die Verwüstung der Stadt vorher-
verkündigt habe; die zweite handelt von Balaams Eselinn; von Saturn
und Jupiter, von der Schlange Phython und Apollo, von Danae und
dem goldenen Regen, von der Geburt Alexander des Grossen u. A.,
erzählen die übrigen Absätze. Ich theile die Strophenanfänge dieses
Gedichtes, das meines Wissens noch nicht gedruckt ist, mit. Sie
lauten:
1. Marcus ze Roine schlueg Bl. 2 b
2. Do auf der eselin
3. Des schmech nicht armer tat
4. Saturnus der vernam Bl. 3 a
5. Darnach her Jupiter
6. Hörstw nun thummer man
7. Phiton ain schlänge was
8. Nach solichem layde kam
9. Phiton Saturnus schnee Bl. 3 b
10. tdea was genandt
11. Wer ist so gar betört
12. Dw weyser öden muet
13. Dones ain maget was BI. 4 a
14. Netanabas trugsinn
15. Nw wolt ich sein ain thier.
In demselben Tone und von demselben Dichter sind die „drei
liedvon den wirten“ (Bl. 46 5a). Der Wirt soll milde allen
Zehrenden Nahrung reichen wie der Aar, der bekannter Weise im
Bl. 92b. meinem | Deinem Bl. 92 b. her | Wer ßl. 116 b. bas | Was Bl. 117b, 120a.
Mainschwerer | Rainschwerer BI. 129 a.
334 Dr. Ignaz V. Zingei-le
Mittelalter als Sinnbild der Freigebigkeit galt J )- Per edle Wirth
soll dem Ölbaume gleichen, der mit seinen Früchten Menschen und
Vöglein speist. Den Wirth, der seine Speisen mit Zornesgalle ver
giftet, vergleicht der Dichter der Frucht des Holerbaumes, welche
zweierlei Sucht verursacht. Ein edler Wirth soll sich hüten, dem
giftigen Basilisken zu gleichen.
Die erste Strophe lautet:
Vns saitt der maister list,
wie das dem pidern wirte ist
froleich sein antlitz alle frist
vnd offenwar in aller zeit.
5 der cd(e)l wirt sein nar
liebleichen taHet, als der ar,
den gesten vnd der gernden schar a ),
des in kain schände Waffen schncydt.
dem edlen wirt ist als dem olybaume,
10 der menschen dient mit seiner fruchte gaume,
vnder seiner este säume
speyst vnd behauptt der voglein schar.
Ich übergehe vor der Hand andere Gedichte und führe zunächst
jene an, die auch Müglin’s Namen tragen. Zu diesen gehören:
„Newn lied von dem garten der kunst“ (Bl. 6« — 8 rt).
Die Strophenanfänge sind:
1. Ich vand ain hayden prait Bl. 6 a
2. Hin fürpas ich da drat Bl. 65
3. Mein muct ward mir zustort
4. Der gartner vernam
5. Der paum tregt rosen siben.
6. Also mecht noch geschehen Bl. 7a
7. Maniger sich maister nennet
8. Die vierd geometrey
9. Wer ist der gartner alt
Zahlreich sind in der Handschrift Gedichte von Müglin in
seinem langen Tone vertreten. Zuerst begegnen uns „drew lied tf
mit den Anfangszeilen:
1. Ich kam in ainen garten, der was wunigkleich Bl. 29 a
2. Ist yemant hie, der mir den gartten ausrichten kan Bl. 29 b
3. Der garten, den ich main, das ist die weide gancz.
1 ) In der HS. corrigirt vnd wer gerte zbar.
'*) Walter v. d. Vogelweide 12, 24 MS. II, pag. lOJJo. Germania V, 99,
Bericht über die Wiltener Meistersangerhandschrift. 335
Ihnen folgen „neun lied“ voll theologischer Gelehrsamkeit
mit den Anfängen:
1. Gott hat gewundert wunderlichen manigfalt Bl. 30a
2. Gott ist gewesen ye vnd hat kain ende nicht
3. Was das nit ain vil wunderlicher siildenfund Bl. 305
4. Da got einfaltig wont in seiner ewigkhait
5. Do was vor kunst, ee got der weide ye erdacht
6. Synn alle ding kan tickten vnde wegen gar Bl. 31m
7. Da synn nw flüssig ward aus gottes herczen grund
8. Da synn dry faltig got aus seinem herczen rann Bl. 315
9. Synn ist ain stul, darauff das mer vnd weide stat.
Unmittelbar schliesst sich das Gedicht „von den sihen
freyen Künsten“ an. Jeder Kunst ist eine Strophe gewidmet.
Die erste davon beginnt:
Die erste freye kunst ist gramatigkha genant, Bl. 32a
die machet puochstab vnnd silben vnns bekant.
Auch das folgende Gedicht, das gelegentlich die sehr bekannte
Erzählung von Aristoteles und der schönen Fillis 1 ) mittheilt, bezieht
sich auf die freien Künste. Es beginnt mit den Versen:
In Kriechenland Athenis in der haubtstat
den maister Aristotilem geritten hat
ain schöner weyb, dann Rachel vnd auch Lia Bl. 33 a
In dem Gedichte „von den Trewmen“ Bl. 34« fordert der
Dichter den Arzt auf, den Kranken nach seinen Träumen zu fragen
und daraus auf seinen Siechtag zu schliessen.
Es fängt mit der Zeile:
Dv arczt, bist dw der kunst verirret vnd verganst
an, und hat drei Strophen. Für Traumdeuterei ist das Gedicht ohne
Interesse.
Ein unerquickliches Machwerk sind die „drey lied von vnser
liehen frauen“ mit dem Anfänge:
Eyn spiegl klar in ainem miste funden wart Bl. 345
Von grösserem Werthe ist das Gedicht „von wunderlicher
abentlieur“, in dem eine schon im Wartburgkriege berührte
Erzählung vom Zauberer Virgilius behandelt wird (Bl. 35 a). Es ist
bereits in Pfeilfer’s Germania veröffentlicht a ).
*) Vgl. Gesammtabenfeuer I, 21 ff.
3) ß. V., pag. 368.
Sitzb. d. pliil.-hist. CI. XXXVII. ßd. IV. Hft.
n
336
Dr. Ig naz V. Zingerle
Im langen Tone sind auch die „drew licd von a in ein künig
seinem sun vnd auch von seiner frauen, was guecz sy
im teten nach seinem tod“ (Bl. 36«) verfasst. Der Dichter
warnt darin Männer, ihren Frauen und Kindern nicht allzuviel zu
vertrauen. Als Beispiele bringt er die Königinn Athalia, die das
Geschlecht ihres Mannes tödten hiess, damit ihr das Reich bliebe,
und den jungen König von Assyrien, der den schon bestatteten Vater
hervorziehen und von dreihundert Geiern zerreissen Hess.
Es beginnt:
0 weyser man, spar nicht das hayl der sele dein
auf weib, auf kind, wild du dort nicht gefangen sain.
Zum ersten nym ain zaichen bey den weyben.
Die dritte Strophe lautet:
Wicz und vcrnuft ist in der weide gar ain wind,
seyd yetlich man ist worden seines weybes kind,
der doch von alter wol ain hauben trüege.
Sag alter greys, wie bistw nw so gar verirret,
das man dich haysset kind vnd nicht ain weysen wirt?
der nam war deinen wirden pas gefüege,
so dw siezt an der weysen rat,
dem menlich nam in ern wirt erkennet.
zwar cs dungket mich zw spat,
wenn man den allten zw den Nusel (?) nennet.
lazz aber stet sein deinen will,
das dw mit beyb dein liilff tuest noch mit kinden;
die sele dein in nicht empfilch.
gros ist die trew, klain magstu ir empfinden. Bl. 37a
Auff weyb, auff kind solt dw nicht haben kainer hande spare,
seyt silber vnd golt nicht volget dir.
gelaube mir,
weyb vnde guet ains andern ist,
so dw leist auff der pare.
Unmittelbar darauf folgen: „drei lied von vnczeiten
Worten“, die zweifelsohne zu den besseren didactischen Gedichten
jener Zeit gehören. Die Anfangszeilen sind:
1. Vyl wort an nuez, die kunnen nymant wol gefrumen Bl. 37a
2. Ich gleich das wort der gallen vnnd dem honigsam
3. Wort ist gewalt, damit man wol zwinget den man. Bl. 37i.
Auf dieses schlichte Lehrgedicht folgt eines voll Gelehrsamkeit
von den Gestirnen und ihrem Laufe mit den Strophenanfängen:
1. Den hymel got geseczet hat in wares zil Bl. 37b
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
337
2. Von der natur hab ichs gefunden vnnd gelesen
3. Der wendigkh bymel hat nit weyl an kainer stat Bl. 38«.
Obwohl in der Aufschrift es nur heisst: „Drew lied in des
Mugles langen don“ und Heinrich somit als Verfasser desselben
nicht genannt ist, so glaube ich doch das Gedicht ihm zuschreiben
zu müssen. Verse und Sprache berechtigen zu dieser Annahme.
Ausdrücklich genannt ist Miiglin wieder als Verfasser der
„drew lieder straffer“ (Bl. 386). Dies trockene Riigegedicht,
das gegen den Geiz der Priester, die Raub- und Händelsucht der
Ritter und die Meineide der Bauern gerichtet ist, hat keinen andern
Werth, als dass es offenes Zeugniss gibt, dass jene von gewissen
Herren so vielgepriesene Zeit nicht in so hellem Tugendglanze
strahlte, wie sie träumen.
Die Anfangszeilen sind:
1. Mergkht, in der weide so kan cs nymmer wol gesfan Bl. 38 6
2. Nw mergket mer zwelff stugkh, die nicht zu loben sind Bl. 39«
3. Das vierde stugkh das haysset reichtumb an guet (vnd) er.
Darauf folgen „drew Ratlied“ mit den Anfangszeilen:
1. Ein wunder in der werlte fert durch alle land Bl. 39 5
2. Es lauft ain wunder in der weit mit grosser kraft Bl. 395.
Der Schluss des zweiten Liedes folgt Bl. 48«, sowie das dritte
mit dem Anfänge:
Ein creatur wont in der weit, ist zwier geborn.
Auf den folgenden Seiten (Bl. 486) begegnen uns die schon
von Wilhelm Müller mitgetheilten Fabeln:
Ein esel fand ain leonhaut *_) Bl. 486
Der herr het im erzogen 3 ) Bl. 49a
Ain gans die sprach s )
denen später (BI. 35a ff.) noch folgende sich anreihen:
Ain fuchs ain wolf ain esel 4 )
Ain gans ain sehaf ain kalb 5 )
Welich man durch abenteur 8 ) Bl. öS 6
Ain vppig kalb pot ainem leoen 7 )
*) Müglin’s Fabeln und Minnelieder. Herausg. von W. Müller, p. 11.
2 ) Ebendort, Gödeke's MA., pag. G77.
3 ) Müller, pag. 12.
4 ) Ebendort, pag. 13.
5 ) Ebendort, pag. 16.
6 ) Ebendort, p. 16.
7 ) PfeifTer’s Germania V, pag. 287.
22'
338
Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
Ain Haines kalb das ward 1 ) BI. 56a
Ain ese] sprach „ich wolte a )
Ein herr den frömhden hnnden 3 ) BI. 56 b
Ain hundt der sprach „mein herr 4 )
Ain alter leithund ainem kind 5 ) Bl. 57a
Darauf folgen „5 Lied von der Welt“, in denen die Treu
losigkeit und der Undank derselben dargestellt sind. Sie wird „der
sei ain valentynne“ genannt. Der bejahrte Dichter 6 ) gewinnt aber
im Aufblicke zu Gott und der Gottesmutter Hoffnung und Trost.
Das Gedicht beginnt mit den Worten:
Mir truebet ser mein hercz, leih, muet Bl. 57b
vnd auch der sin.
ich lig gefangen vnd gepunden, wo ich bin.
Die folgenden Gedichte sind der Gottesmutter gewidmet. Das
nächstfolgende besingt in drei Strophen Mariä Verkündigung und
hat den Anfang:
Zv Marien ward ain säldenreieher tag genum Bl. 58J
Das zweite (Bl. S9 6— 616) erzählt von der Geburt Christi
und beginnt mit den Worten:
Maria muoter, mayd vnd aller engel fraw,
Dw lilgenstand, dw rose in des hymels thaw.
In allen fünf Strophen findet sich nicht ein Korn von Poesie.
Würdig reihen sich diesem die „fünf lied schöne may-
nung“ (Bl. 61a—62a) an. Sie sind ein hohles, gespreiztes
Machwerk und beginnen mit dem Verse:
In gottes thron da hueb sich ain gespreche prayt.
Die Menschwerdung Christi wird im Ratlie Gottes beschlossen.
Der Engel Gabriel wird zu Maria gesendet, um die Botschaft zu
werben u. s. f. Ich setze beispielshalber eine Strophe her:
Da liess der hoehgelobte stender ainen sehwarm, Bl. 61 b
da er sich vber die cristehayte wolt erparm.
1 ) Germania V., pag. 288.
2 ) Müller, pag. 19,
8 ) Ebendort, pag. 13. MA., pag. G77.
4 ) Müller, pag. 14.
5 ) Ebendort.
6 ) ich pin mit sorgen vberladen
vnd volligkleichen wol mit sibenzigkh iaren. ßl. 37 b.
Bericht über die Wjltener Meistersängerhandschrift.
339
das ist vnns nach genaden wol ergangen.
vnd da der schwärm von hymel auf die erden toss,
in der vil rainen hoehgelobten schoss
liebleych ward er verslossen vnd schon vmbfangen.
gleich ainer weyssen tauben vein
kham er der zarten auf ir haubt geflogen.
er mischt sieh zw der schaydtel ain.
in irem tempel zart hat sy in erzogen.
an aine vierczig Wochen pargkh
er sich vnder ierem kheuschen lierczen.
da von ir guet wart also starckh,
sy khan wol wenden laid vnd grossen schmerczen. Bl. 62 a
sy ist vor got ain sönerin vber alle weit gemaine,
als man vns in der messe said,
die raine maid.
wer hie nach ieren hulden strebt,
des sorgen wirt gar klaine.
Ich gehe nun zu den Gedichten Müglin’s in seinem kurzen Tone
über.
Hier begegnen uns zunächst „drei liedvon dem grossen
sterben“ (Bl. 436) mit den Anfangszeilen:
1. Ber nun well wissen Bl. 43 b
2. Da nun Saturnus was
3. Do sprich ich sunder wan Bl. 44a
Ihnen folgen „drei lied von den riehtern“ (Bl. 44a).
In der ersten Strophe wird erzählt, wie König Amisius einen
ungerechten Richter schinden und mit dessen Haut den Richterstuhl
überziehen Hess. Die Sage ist aus den gesta Romanorum f ) bekannt.
Die zweite enthält folgende Erzählung:
Es schwuer ain Römer fruet
sein sun zw ainem richter guet.
der ward erfunden in falscher huet,
nicht als sein lieber vater sprach.
der richter nit enliess,
er machte durch das recht ain ris.
er ward gestossen an ainen spiss,
zw Rom man in da praten sach.
der hunger het die ratleut ser bezwungen.
da namen sy den richter also jungen,
herez, leber vnd die hingen
sy assen vnd stürben in kurczer trist.
') Cup. 29.
340
Dr. Ignaz V. Z i n g e r I e
Die dritte Strophe enthält die Anwendung.
Darauf folgen zwölf Lieder „von vnser lieben frawen“
(Bl. 44b), mit den Anfangszeilen:
1. Lob in gesanges lant Bl. 44 4
2. Got prach nature rigel
3. Hört, wie nature steur
4. Durch deiner keusche stamm Bl. 4ä a
b. Ain puech ward aussen vnd innen
6. Mayd deines hcrczcn wamm
7. Kind wisse sunder wan
8. Unns sagt nature ler Bi. 4b 5
9. Des strausses augehegkht
10. Der schlangen ist begeben
11. Kunst der nature will Bl. 46 a
12. Des pellicanus art.
Ihnen folgt das schon von Gervinus *) besprochene Lobgedicht
auf Maria unter dem Titel: „Hiehebentsich anXXIV lied in
maister hainriclis von müglein kurtzen don von vnser
lieben frawen" (Bl. 46a), Fortsetzung und Schluss finden sich
Bl. SOa ff.
Über sein Verhältniss zur goldenen Schmiede des Conrad von
Würzburg spricht Müglin sich in folgender Weise aus:
Her Salomon der spricht, Bl. 46 b
das neues sey auf erden nicht,
ain yedlich ding das sey bedicht
vnd fleust aus alter künste pach.
des dicht ich sonder wan,
recht als ain gwisser zymmerman,
der neues nicht erfinden chan,
aus altem dicht ein neues dach.
und:
Conrad von wirczpurg pas
palieret hat deines lobes glas,
der aller pluenden Sprüche was
ain former vnd ain haubet smid.
das ich gediclites twerch *
hainrich von mugelein, soliche werch BI. 47b
florirn mug, der kunste pergkh
ist mir zu hoch, ir steur, ich pitt.
des send genaden pot mir vngelerten,
*) Literaturgeschichte II, 129. Vgl. Wackernagel LG. I, 277. — Menzel d. D. I, 261.
Bericht, über die Willeuer Meistersängerhandschrift.
341
das ich zusammen klaube die verrerten
die Spruch, des hochgeerteft
gedichtes reyser mit vernuft.
Von Müglin selbst rührt wohl auch das Gedicht her, welches
die Aufschrift führt: „Hie heb ent an XV lied in maist. hain-
reiehsvon müglin kurtzen don vnd sind die ersten VII
lied von den freien künsten vnd die nächsten darnach
von andern“(Bl. 62« —64«). Sprache und Bilder stimmen genau
zu dem Gedichte „von dem grossen Sterben“ (Bl. 436), als dessen
Verfasser Heinrich von Müglin ausdrücklich genannt ist. Es beginnt
mit den Worten:
Gramatica die lert
Puechstaben, silben vnde wort.
Auch das Gedicht, das in den zwei ersten Strophen die Sage
von Daedalus und Ikarus enthält und in der dritten die Lehre gibt,
man solle den Mutli niedern und nur in der Tugend hoch fliegen
(BI. 64ab), rührt vermuthlich von Heinrich her, in dessen kurzem
Tone es verfasst ist. Ausser den Gedichten im langen und kurzen
Tone enthält die Handschrift Lieder von Müglin in grünem Ton und
im Traumton. Im ersteren sind die drei Lieder „von der Priester
schaft“ geschrieben, deren Anfangszeilen lauten:
1. Ain seliger wirdenhaft Bl. 43 a
2. Wo ist der pfafhait nam
3. 0 priester, ob du pist Bl. 435
Im Traumtone begegnet zuerst das 12 Strophen zählende
Gedicht „von vnser lieben frawen, haist der vberkront
ray en“ (Bl. 41«). Den letzteren Namen hat es von seinem Anfänge:
Ain vberkronten rayen
sing ich der frauen mein
gen disem suessen mayen,
das sy mir lesch die pein.
In dem gleichen Ton ist gedichtet „ain lob von vnser
lieben frawen vnd sand Anna“ (Bl. 49«) mit dem Anfänge:
Ain fruchtig purd sand Annen
stört Joachimes layd.
Der Schluss der dritten Strophe steht Bl. 40 «.
342
Dr. Ignaz V. Z in g e r l e
fr
18 I
jl!
Ein Gegenstück zum überkrönten Reihen bildet „der krönt
pawn von vnser lieben frawen“ ebenfalls in seinem „vber-
krönten don oder trawndon“ verfasst. Das acht Strophen zählende
Gedicht beginnt:
Schon vberkront mit synnen
sing ich der maget fron Bl. 516 ff.
Einige Strophen berühren die Weissagung der Sybilla von den
letzten Zeiten und dabei die Sage vom Kaiser, der seinen Schild an
den dürren Baum hängen wird, die, in Deutschland heutzutage noch
weit verbreitet *), meines Wissens zuerst in der Schrift: „de ortu
et fine romani imperii“ des Engelbert von Admont vorkommt. Ich
gebe die betreffenden Abschnitte:
Der spigel hat drey forme
schön aschen vnd sein pild
fryfettig gothait norme,
der syn der ist noch wild
manigen thummen thoren,
verloren
so ist er ewigklcich.
Sibilla die verjache
dem kunig Salomon,
die an dem steren Sache
hoch an des hymels pan,
die weit weit sich verkeren
an eren
in vngelaubens teich,
wie pehemland
gar schier zuhant
nach Cristes purde wurd entrant
vnd sich auf vngeiauben want.
des saezt sy got in schwere pant
von seinem genaden reich.
Die herren aus tcutschem lande Bl. 53
von adl hochgeporn
die pflegen ane schände
ir land gar unvertoren.
wann sich endent die tage
nach clage,
1 ) Vgl. darüber Grimm, Mythologie, pag. 908. — Menzel Odin, pag. 344. —(luitzmann,
pag. öO. — Schönwerl 111, 341.
\
i
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
343
so vverdent die land verloren,
wie Ungerland
für wäre
dar nach das nächste sey
auf vngelauben zware
ewig in jamer sclirey.
ain kunig aus Kriechcnlande
ze hande
der naigt sein sper in zoren
gewaltigkleich,
vnd alle reich,
das land stosst man aus wirden reich,
von pluete rot wirt das ertreich,
ewig gepflanzt in jamer weich
mit grimmer rache doren.
In Occidens so schone
ain kiinig wiert gepert,
des lands zw Babilone
der wurme kraft verhert.
dar vmb tregt er gar schone
die kröne
ain künig vbcr alle land.
der künig die land verrichtet
auf waren cristen nam.
so weren die est geschlichtet
schon auf des paumes stam.
mit solicher wunne fruete
gemute
in ymer lebens want,
wie das sich ner
gar sunder wer
ain wurm in wildes wages mer,
des craft die andren gar verzer,
nach vmbelauf der steine her
sein gift der erden sant.
Saturnus in der zeyte
sich von dem hymcl schelt
nach seines geystes seyte
sich aus der andren weit.
Her Jupiter in sasse
die massee
fuert neben auf den lauf,
davon die wurme sterb
in aller weite gar
344
Dr. Ignaz V. Zingel'le
all von des lavffes werben,
der steren vmbefar.
so wirt die zeit gehiczet, Bl. 83 &
durch gliczet
haiss von der sunnen strauff.
der tragkhen pfat ain ende hat.
durch alle lant man sicher gat.
so ist zuo streytten gar verspätt
der hayden gwalt nach weysein rat.
0 cristentum sich auff.
Das heylig grab ze were
den cristen wirt bekant
ze cylen vber mere
ain kaiser aus teutscheni landt.
der cristenhait zw ere
sein spere
naigt er auf Schildes want.
an ainem dürren paume
sein schildt gehangen wirdt
an dürres astes zäume;
der grünet vnde piert
der cristenhait ze lobe,
sein klobe
der hayden gwalt entrant.
her Jupiter
gar sunder wer
sich vmbeschwaift nach lauffes ger.
damit er pricht Saturnus sper
sogar nach aller maister 1er
in seines lauffes rant.
So hat der prech volcndet
in aller weide weyt.
gar alle sprach sich wendet,
auf ewreysch zungen leit.
so wirt die zeit verschriczet,
gepliczet,
das got gefelgklich ist.
nach Iauff des visches licze
auf erden lebt ain weyb,
aus haysser helle hicze
gepiert durch irn leib,
der anticrist zuo schänden
den landen
in Babilon genist.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
345
ir leyb alda zw stugkhen far,
vnd wer des Enticrist nymbt war,
wann er regnieret dreyssig jar,
der ist verloren ewig gar
in heysser helle rist.
Ich gehe nun zu den Gedichten über, die zwar nicht Müglin
zugeschrieben werden, aber in seinen Tönen verfasst sind. Im
langen Tone sind geschrieben: „Drew lied“ (Bl. 38a) mit dem
Anfänge:
Der mayde sun Ezechiel der weyse sprach,
auf kerubines flügel man in sitzen sah,
sein äugen weren gleich des feuer flamme —
ln dem selben Ton sind auch „d r ei Lied er“ (Bl. 48 a) gedich
tet, deren erstes mit den Zeilen beginnt:
Ir kayser, ir künig, ir fürsten, herrn nw betracht,
wie das got reichet, ermet, nidert vnd schwächt,
wann er wil, das niemant mag erwenden.
Der Dichter führt nun in gelehrter Weise mehrere Könige als
Beispiele plötzlich geschwundener Macht und Würde an und schliesst
mit der Strophe:
Ain kaiser haist ain kaiser, das er kiessen soll, Bl. 48 b
vnrechtes recht mit gewalt sol slahen hin zu tal.
ain purglich recht sol durch sein hercze fliessen.
durch strenge tat ain künig ain kuener ist genant,
durch lieb, durch traut, durch frid gesalbet wirt sein handt.
des lassen sich die künige nw verdricssen.
ain herezog haist ain herczieher,
daz auch das volgk soll ziehen nach im in raise.
des namen ist vil maniger lär,
der nw der leezt will sein in allen raysen.
ain fürst, ain forstant in der schar,
wo er soll sten gen seines veintes morden,
der sol nemen eben war,
wer nun behabt den rechten ritters Orden.
Aswerus was der höchsten ainer vnd künig Alexander,
die verschlant des totes nar.
ir fürsten gar
ir wissend, das purg vnde lanndt nach euch besiezt ain ander.
In demselben Ton ist das Gedicht: „iii lied von dreyerlay may-
nung“ geschrieben; das erste Lied beginnt:
346
Dr. Ignaz V. Zingerle
Mit gift ain kind erczogen ward in India
von ainer künigin in alexandi'ia Bl. 84a
und enthält eine aus den gesta Romanorum 1 ) bekannte Erzählung.
Die zweite Strophe vom heilkundigen Vogel Caladrius:
In Galadich dem lande wandt ain vogel suss Bl. 845
ist dem Boppe 2 ) entlehnt. Dasselbe gilt von der dritten Strophe:
Anthilophus ain thier genennet ist mit nam,
das mueleicli mensehen sinn kan zwingen vndc zams).
Zu diesem Tone zählt noch „ainewangelivondemreichen
manvnd von Lazaro“ (Bl. 102 aU) mit dem Anfänge:
Wan got zw seinen jüngeren sprach, als ich verstan,
in ewangeli von ainem reichen man etc.
Im Traumtone ist das Gedieht: „von vnser lieben frawen
vnd von got ain guette mainung“ verfasst. Die Anfangszeilen
der drei Lieder lauten :
Mich reuet, herr, mein schulde 40a
Das hab vns herr beschaffen
Da ward das spil gewunnen 40 5
Neben M öglin ist Frauenlob in der vorliegenden Handschrift
am meisten vertreten. Ich verzeichne die hieher gehörenden Gedichte
nach Tönen geordnet. In seinem langen Tone begegnen uns das be
kannte Gedicht: „Bruoder Berhtolt 4 ) (Bl. 120 a) und die Priameln 5 ) :
Wer wascht den ziegel, das er seine rötte la Bl. 1205
Wer mit der zal der schaff vorn wolffen hüeten wil,
Wer suesser rede alle zeyt gelauben wil BI. 121 a
Später folgen noch drei Lieder mit der Aufschrift: „Die nach
gesellriben drew lied hatFrawenlob getieht in seinem
langen Don vnd sind von dem rechten“. Die Strophenanfänge
lauten:
Das recht ist layder in der weit verschwunden gar Bl. 134a
Er wirt erkorn, das man in setzet in den rat
So wil sich ayner mit dem andern ziehen für
*) Cap. XI.
2 ) MS. II, 378 ö.
3 ) MS. II, 379 a.
4 ) Frauenlob's Leiche, herausgegeben v. Ettmüller, p. 43. MS. III, 336.
s ) Pfeiffer’s Germania. V. p. 44.
Bericht über die Wiltener Meistersiingerhandschrift.
347
Im Tone, welcher Würgendrozzel heisst, gibt unsere Hand
schrift nur das von Ettmiiller mitgetheilte Gedicht „die rechte Weis
heit 1 )“. doch mit dem Unterschiede, dass die dritte Strophe ganz ab
weicht. Sie beginnt:
Ein Iawtre peicht gerechte
hie für sein sund vnd schlechte,
da mit erwirbet er gotz hulde Bl. 130 a
Im „Koufdön“ sind vier Frauenlob angehörige Lieder 2 ) verfasst,
die Ettmiiller unter der Aufschrift „Biblisches“ 3 ) gibt. Die erste
Strophe fehlt in unserer Handschrift, denn es beginnt mit dem Verse:
„Wie dich das wunder vmbe jait“ (Bl. 100 a). Da unsere Handschrift
in Betreff der Zahl und Ordnung der Strophen von Ettmüller's und
Hagen’s Ausgabe abweicht, lasse ich die Strophenanfänge nach unserer
HS. hier folgen:
Ettm. und MS.
1. Wie dich das wunder vmbejait Bl. 100« .... 2
2. Do stuend der walt gar fewerfar „ . ■ . . 3
3. Moyses der fraget fürpas „ 5
4. Moyses, dir wirt von mir gesait Bl. 100b 4
5. Moyses der von dem perg her prach „ i ^
6. Die wunder sind also gestalt „ I
Die hei Ettmiiller und Hagen nur lückenhafte vierte Strophe lautet,
nach unserer Handschrift:
Moyses, dir wirt von mir gesait,
das menschen nymmer mer geschieht hintz auf der weide zil.
mein wint den wag in lüfften trait
vnd fürt in, wo ich wil.
S dar zw gib ich den pesen mein,
als man den lieben kinder tuet, den man da straffe gicht.
mein fern- gibt durch die wölken schein,
das alle weit an sicht
arczt, das flewsset von den flammen, als Iuft den wagen geit.
10 also tuon ich dir meinen prunnen auf ertreich bekannt,
wo luft dem fewr wider trait,
da hebt sich ain gerawsche. das ist der toner genannt.
' der wage sich dar vnder lät
durch landes luft.
*) Ettm. Frauenlob, S. 198, MS. III. 365a.
S) Sie sind im Gedichte, das die Aufschrift führt: „Hie hebe(n)t sich an VIII lied in
Wolframs v. Eschlbach im furstendon“, enthalten.
s ) Ettm. Frauenlob, S. 226 u. 227. MS. III, 348 b.
348
Dr. Ignaz V. Zingerle
15 da von zersclirät
manig herter stain schlecht in der erden gruft.
In der Zugweise werden zwei Gedichte Frauenlob in unserer
Handschrift zugetheilt. Das erstere hat die Aufschrift: „fünf lied von
dem tod“ (Bl. 122 b) und die Strophenanfänge:
1. Man sagt vns vil von grosser maysterschefte Bl. 1224
2. Der tod der sprach: wie ser dir ab mir grauset
3. Der tod der sprach: ich gleych dich zw ainem affen Bl. 123a
4. Der reych der sprach: her tod, solt ich mich rechen
5. Der tod der sprach: khiim es nach meinem willen BI. 1234
Das zweite „von vnser lieben frawen“ hat die Anfangszeilen:
1. Aus erenreicher pforten wart gesendet Bl. 1234
2. Dy maget sprach den khünig wil ich geweren,
3. Dy dritte potschafft, die was also stete Bl. 124a
4. Syn vnde säld ir art wil ich ewch nennen
5. War synne nicht, der säld war gar vergessen Bl. 1244
In seinem neuen Ton ist das Gedicht „von vnser lieben
frawen vnd haist vnser frawen kräntzel“ verfasst. Der
Anfang lautet:
Ich wil von hohen Sachen kosen
von ainer mynikleychen plüenden rosen,
dy sich in seraphin verschloss Bl. 1244
Ich möchte diese geschmacklosen Strophen Frauenlob nicht zu
schreiben.
Im Kupferton sind die „fünf Lied von vnser lieben frawen
ain tagweiss“ verfasst. Die Strophenanfänge lauten:
1. Freyt euch ir cristen werden Bl. 125 4
2. Der khunig des himels anger
3. S(t)ym wachter an der zynnen Bl. 126 a
4. Maria mueter schone
5. S(t)ym wachter schell dein hören Bl. 1264
Im zarten Ton begegnen uns folgende, dem Frauenlob zuge
schriebene Gedichte:
1. „Fünf lied aus dem puech apokalipsis“ mit dem
Anfänge:
Man fragt, wo got behauset war?
Die frag ist schwär Bl. 1264
Bericht über die Wiitener Meistersängerhandschrift. 349
2. „Drew lied von vnser lieben frawen Schydüng“
mit dem Anfänge:
Maria die vil keusch, die wert Bl. 1275
hintz got begert.
3. „Drew lied von vnser herren mart er“ mit dem Anfänge
Ich sarg nur auf mein hinefart,
Maria zart Bl. 128 a
4. „Drew straflied von den mainswerern“ (Bl. 129a)
mit dem Anfänge:
Es ist ain pöss gewanhait,
das auf den ayt
nun schweren jung vnd alt sogar an vndersehayt.
In seinem gekrönten Tone sind geschrieben ein Gedicht
„auf unsere liebe Frau“, und die Tavelram. Ersteres (Blatt
121 a) beginnt:
Maria, pluender gart,
wir warten der hilffe dein (V.
Das letztere hat den Anfang (Bl. 122 a):
Khunig Reymar
Kham dar ff.
Im Briefton ist das Gedicht „von frawen“ verfasst. Die Stro
phenanfänge sind:
1. Irdisches paradeyses wunn ist, weyb, dein nam Bl. 1415
2. Ich frag dich, weyb, ob dw doch selb erkennest dich
3. Ich glaub, das kainem mann nicht vbel mug geschehen Bl. 142a
Die bisher besprochenen Gedichte werden Frauenlob zuge
schrieben; ihnen folgen mehrere, die in seinen Tönen verfasst sind.
Ich führe dieselben hier auf:
In Frauenlob’s langem Tone sind geschrieben:
1. „Drew guete lied“ mit den Anfangszeilen:
1. Mein got, mein her vnd schepfer, nw las deinen zorn Bl. 132 5
2. Got der verlech kinig David, das er mit kraft
3. Was die propheten liabent gerett, das ist geschechen 133a
2. „Drei schöne lied, ain guete 1er“ mit den Anfängen:
1. Der Zungen Schlüssel ist der tugent ain vrspring Bl. 133a
2. Junckh edelman, wildw mit wierden werden alt Bl 1335
3. Seyd das der mund sol wissen vbel vnd guct
350
Dp. Ignaz V. Zin ge r I e
In Frauenlob’s Rittertone begegnen uns zwei Gedichte. Das
erstere hat die Strophenanfänge:
1. Ich sung ewch geren von ritterschafft Bl. 131 5
2. Die cristenheyt sy loben sol
3. Alein füert er den ersten streyt
4. Das khreutze prayt das was der schilt Bl. 132a
3. Den schilt er da zw rugken schwang
6. Sechstausent vnd sechshundert ser
7. Da nun der furst den streyt gewan Bl. 1325
Das zweite führt-die Aufschrift, „von der schepfung firma
in ent.“ Die Strophenanfänge sind:
1. Do got bey got gotleichen sass Bl. 1335
2. Der alle Ding so wol bedacht
3. Ist yemant weyss in maistersehafft
4. Wie hoch, wie tieff bis an den grund Bl. 136a
3. Das hat got alles wol gethan.
Im Rohrtone finden sich in der Handschrift zwei Gedichte. Der
Anfang des ersten, das drei Absätze hat, lautet:
Mit witzen twanckh
ain maister dreyssig rören oder mere,
das er also laut erhal
ir reicher schal
in also süessem done ff. Bl. 1305
Das zweite führt den Titel: „ain got lei che guette may-
nun g“ und beginnt:
Drey fürsten klar
die giengen mit ainander in ainen rate,
sy palen all vmb aynen man
wol also schon,
der lag in helle klamme etc. Bl. 131a
In den drei Strophen wird das Leiden Christi kurz dargestellt, der
junge Fürst (Christus) besiegt alle seine Feinde. —
In einem mir unbekannten Tone Frauenlob’s ist das Gedicht
„von Gesang“ geschrieben mit der Überschrift: „Hie nach steend
III lied in des Frawnlobs don haist in dem spitz von gesang“. Es
beginnt:
Wer tichten, singen, sprechen thuet,
dem gib ich das zw stewre:
matörg vnd schöne figure,
guet tewsch vnd die latcin,
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift. j j
vnd folget er der lere mein,
so mag er preys erberben wol Bl. 136a ff.
Den Übergang zu Regenbogen , der in Mainz mit Frauenlob
zusammengetroffen 1 ), und dessen höchster Ehrgeiz es war, diesem
gleichzukommen, bildet eine Tenzone 2 ) mit der Aufschrift: „Fra-
wenlob vnd Rege npogen 9 lied in der B rief fweis“. (Blatt
68 «) ff. Sie beginnt:
Durch meiner frawen willen so wilichs heben an.
Durch meiner frawen willen so zeuch ich auf den plan.
Durch meiner frawen willen, wer nymbt sich singens an?
Durch meiner frawen willen sey heut ain kriintzl aufgehangen!
Lat sehen, oh es yemand abgenemen tar!
Der wiert von mir bestan etc.
Die dritte Strophe spielt auf die Helden der Tafelrunde an, und
lautet (Bl. 68 6):
Nu hör ich wol, man wil gesanges mit mir pflegen.
Mercker! nu merck, gesanges hab ich mich verwegen.
Haid auf, da reitt ain freyer heit, ain jüngling, ain degen
Hat sein sper genaiget schon vnd reytt daher mit schalle.
Sey wir durch kurczweil her nu kummen,
So sullen wir kurczweilen, das mag vns vil wol frummen.
In schönen züchten aller krieg sey aufgenummen!
Dass halt mein schilt vnd wagt mein sper; lat sehen, wer hie valle!
Wil er mit gantzer kunst vnd maisterschaft beweisen,
So wil ich fröhlich ziehen zu im auf die wal.
Ist ers herr Gahein, so bin ichs her Partzifal.
Mercker, nu merckt, wer behabt hie den gral.
Watz wir singen kunst gcmain,
Dass sullen die merckher preysen. —
Frauenlob preist die Frauen, Regenbogen zieht ihnen die Män
ner vor und bebiilt das letzte Wort. Für die Ehre und Würde der
Männer tritt dieser auch in den „III lied in der briefweis ain
marines lob“ (Bl. 140 6) ein. Der Anfang lautet:
Ich hab in meinen synnen das, vnd ist auch war,
Das auf der erd nye war so lauter, noch so klar.
Das will ich mit der maysten menig zeugen zwar,
Das got der herr von anegeng nicht edlers hat beschaffen,
Dann die hochgelobten, werden, rainen mann.
A ) Gödeke, Grundriss. 72.
2 ) Vergl. Gervinus II, 35.
Siizb. d. phil.-hist. CI. XXXVU. Ud. IV. Hfl.
23
352
Di*. I g n «i /. V. Z i n g e r I e
Die seind ob allen frauen wo] aiu schwebender rann.
Das erste mannes pild auf erd, als icli verstan,
Das was Adam. Des jechen mir die layen vnd die pfaffen.
Nun zürnet nicht, ir zarten frauen raine!
Wann nun die mann gar tugentleichen mit euch leben,
Gar hoch enpor in ganczen freuden ob euch schweben.
Got hat den werden mannen hie den preys gegeben,
Als ich euch pas beschayden will. Bl. 141a
Nun mergkt, wie ich das maine.
ln demselben Tone ist auch das Regenbogen zugeschriebene
Gedicht von der heil. Veronica 1 ) verfasst, „wo er in dem Beha
gen des frommen Gerechtigkeitseifers das Gericht erzählt, das
rächend über Pilatus erging“ 3 ). Es führt die lange Aufschrift: „Hie
hernach hebt sich an ain längs sunder guets gedieht von dem lieyli-
gen antlicz vnd angesicht vnsers lieben herren Jhü Xpi von der
Feronica, vnd ist gesangs ain sunder hört in des Regenpogn brieff-
weis, vnd hat auch den regenpogn getieht got dem herren und seiner
heyligen martter zu lob vnd ze eren. man hört auch in dem getieht
vbel vnd manigerlay red vnd widerred, die sich zwischen pilato vnd
den juden ergangen haben, da ain Kayser von Rom durch grosser
prechlichait vnd siechlums wegen gen jerusalem sannt vnd het ge
hört von ainem maister, der hiess Jhesus, der all gesprechen der
siechtum kund werden, vnd wen er beruert mit seiner handt, der ward
davon gesunt. Vnd do desselben Kaysers grosse vnd ernstleiche pot-
schaft gen Jerusalem kam , da was der herr vnd meister Jhesus nu
gemartert worden. Da war des Kayser pot laidig vnd het die Juden
vnd pilatum gar hert. Da gab sich viel red vnd widerred, wie sich
vil sach geben vnd vergangen habend von der vancknuss huntz auf
die auffart vnsers herren Jhu Xpi. des ist in dem gesangk vil begrif
fen, als man daz hernach in den lieden hört. Der sind an der zal
LXV, wie die Feronica gen Rom kam vnd Jherusalem zerstört ward“.
(Bl. 73a—89 a.)
Vier Gedichte sind im grauen Tone verfasst. Das erste dersel
ben: „Ich Regenpogen ich was ain schmid“ 3 ) (Bl. 64 b) ist bekannt.
*) Gedruckt zu Nürnberg durch Wolfgang Iluber 1512. Einige Strophen daraus gibt
Mone’s Anzeiger IV, 46.
2 ) Gervinus II, 36.
3 ) MS. III, 346. Die erste Strophe auch hei Gervinus II, 36.
i
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift. 353
Ebenso ist das Gedieht „drew lied von der merfart“ *) (Bl. 66«)
schon veröffentlicht. Unser Text weicht aber bei beiden von dem
gedruckten bedeutend ab. Unbekannt sind die Gedichte mit den
Anfängen:
Mir ruet mein sin,
wie das ich gieng
im haimlichen trachten Bl. 68a
und
Ave nicht lies.
Da pandt die her
Drey khünigen ainen garten Bl. 68 4
In demselben Tone begegnen uns noch vier Gedichte, die aber
nicht dem Regenbogen zugeschrieben sind. Ich führe sie mit den
Anfangszeilen der Strophen auf:
I. „Vom Gleigsner“ Bl. 89 a\
t. Im Tempel auffgieng,
2. Der gleichsner sprach,
3. Der göttlich flamm Bl. 89 4
II. „Ain hymel rad“ Bl. 172 b:
1. Do got der herr,
2. Gar vnverczait Bl. 173 a
3. Drivaltigkait
III. „Von den XV. zaichen“ Bl. 173 «:
1. Was wirt geschehen
2. Wo] viertzig eilen Bl. 1734
3. Die leut darnach.
IV. „Von der vanckhnuss Cristi“ Bl. 173 b:
1. An allen hass Bl. 174 a
2. Da got erkandt
3. Sand Peter sprach
Zahlreich sind die Gedichte im „schlecht langen Don des Regen
bogen“ ohne Angabe des Verfassers. Das erste derselben (Bl. 66 b)
beginnt:
Ich wolt mein armuet gerne wenden,
vnd hiet ich nicht denn aines holtzes gnueg zu tragen etc.
i) MS. III, 349.
23®
354
Dr. Ignaz V. Zingerle
Das zweite führt den Titel: „III lied von dem hymel, der
hell vnd vom paradeis“ (Bl. 676). Der Anfang lautet:
Bie sich der hymel sey beschaffen,
Der luft, die erd vnd alles, das da zwischen ist,
Das wil ich eweh beschaiden schnell ff.
Das folgende mit der Aufschrift: „Von ainem Künig in
Franekreich, der nie gelac ht hat“(Bl. 71«) ist eine moralisi-
rende Erzählung nach den gestaRomanorum 1 ) bearbeitet, und beginnt:
Ein edler kunig was gesessen
In Frangkhenreich, da er vil hocher eren ptlag.
Er war gehayssen Egke(h)art ff. 2 )
Das vierte bandelt „von Moyses vnd von König Pharao“
(Bl. 72 6). Der Anfang lautet:
Gaist, vater, sun, ain got gehewr,
Der mit dem inenschen wunder vil begangen hat ff.
Von grösserer Bedeutung ist die 15 Strophen lange Erzählung
„von ainem Graven von Sophoy vnd seiner frawen“ (Blatt
1516 — 156«) mit dem Anfänge:
Vns sagt die geschrift, es war gesessen
Ain edler graf, der was gewaltig unde reich.
Er was vor schänden wol behuett,
Dort in Zoplioy, so haist dasz landt mit namen ff.
Ich führe die folgenden Gedichte dieses Tones kurz an:
VI. „Lob ge sang von fr a wen“ mit dem Anfänge:
Weib, dein durchlcuchtigklciches preysen,
Das ist oh allen preysen wol gcpreisel Bl. 1S6«
VII. „Drei lied“ m. d. A. Bl. 1566:
Wer kempfen well in ainem ringe,
Der leg sieh an vnd tret zu mir in diesen kraiss!
Mein heim, der ist mir wol pewart
Von ainer maid, die want in oberlande
Das zweite Lied ist seines Anfanges wegen merkwürdig. Er
lautet:
Was Frawenlob ye hat gesungen,
Ilainreich von Affterting vnd der von Eschelwach,
*) Uesta Rom. cap. 143. Vergl. Lassberg’s Liedersaal J, 337.
s ) Nun gedruckt in VVaekernagel’s LB. IV. Aull. I, 1237.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
355
Walther von der vogelvvaidt,
Den preyss hab ich gevvunnen vor in allen. —
VIII. „Funff Iied von vnser lieben frawen, dacz evvan-
gelium, datz da haisset libergeneracionis“ m. d. A.:
Gotz wesen stal in grossem wunder, Bl. 1S75
Dar an gepflanczet ist ewiger stilden stam ff.
IX. „Drei Iied autz dein pueehApocalipsisvonsand
J ohanns gesicht“ (BI. 159 a) mit dem Anfang:
Johannes sach hoch in dem trone
Den klaren got in seiner werden maiesfat ff.
X. „Drei lied von dem ewigen wortvonsandjohan-
n e s“ (Bl. 160 «):
Ain wort aus dreyen personen gienge
XI. „VII guetelied vnd haist datz trewppl“ (Bl. 161«).
Es beginnt :
Ain hoher wiert, der watz gesessen
In ainem palast reich, davon ich wunder sag.
Er pawt mit künsten ainen sal,
Den wolt er seinen liebsten frewnten schenken ff.
XII. „Funff lied aus dem puech Apokalipsi“ (Blatt
163«) m. d. A.:
Ain wort das was in anpegynnen,
Ee daz der hymcl vnd die erd gemachet ward etc.
XIII. „Drew lied von vrisers herren marter“ (Bl. 164«)
m. d. A.:
Judas, wildu mir geben zu kauffen
Den herren dein? so redt ain Jud autz freyem muet ff.
XIV. „Drew lied“ (Bl. 165«):
Johannes herr, dein lob ich spreche,
Als in dem puech Apokalipsi stet gesehriben.
XV. „Drei lied von dem holtz des heyligen Kreutz.“
(BI. 166«). Sie enthalten die bekannte Legende, die wir in der
legenda aurea 1 ), im Passioriale 3 ), bei Herinan v. Fritzlar 3 ) u. A. 4 )
finden.
*) Ed. fJraesse, S. 303.
2 ) Ed. Röpke, S. 266.
3 ) Deutsche Mystiker I, 127.
4 ) SentlingGr’s Reimchronik. Bi. 15a 3 ff. Bl. 122« 2 ff.
3Ö6
Dr. Ignaz V. Zingerle
Das Gedicht beginnt:
Do Adamen ward sein leben krancke,
da sandt er seinen sun hin in das paradeyss ff.
XVI. „13 schöner lied von vnser liehen frawen schy-
dung“, die auch zu der legenda aurea 1 ), dem Passionale 2 ) u. a. s )
stimmen. Der Anfang lautet:
Da got in seiner ewigkaite
Ab erden wolde nemen hie die muetter sein,
Ain engel der ward schier gesannt ff.
XVII. „Von vnser lieben frawen funff schöne lied“
(Blatt 1706) mit den Liederanfängen:
1. Magt, aller hymel kayserinne,
du gotes tochter, mueter vnd ewige praut.
2. Gelobet seistu hymel frawe, Bl. 171a
gelobet seistu mueter vnd auch raine maid
3. Maria, klare hymelrose,
Du edlez licht der warn mynn, gerechtigkait
4. Maria, rainer gotes tempel, Bl. 1715
da sieh der vater, sun, heyliger geist einswang
5. Maria raine gotes amme,
nu pitt für vns, pehuet vns vor der helle grundt
XVIII. „Drew lied von priesterschaft“ (Bl. 172a):
1. Es lebt noch maniger, der da schildte
die priesterschaft vnd der ir sterben geren sach
2. Nu merck ain armer sunder rechte,
wildu den sehenden, den got selbs gefreyet hat?
3. Datz duncket mich ain krancks enwichte, Bl. 1726
der wider priester gibt ainen valschen rat.
Der taet, als Judas, der die 1er
den juden gab, da sy got wolden krönen. —
Hier müssen die „fünf lied von der schepfung“ (Bl. 96)
erwähnt werden, zu denen von späterer Hand geschrieben ist: „in
Regenpogen“. Das Gedicht beginnt:
E anevieng hymel vnd erde,
vnd was wachset, waget, schwymmet oder schwebt,
es sey lebendig oder tod, die element vnd alle creatur ff.
Kd. G messe, S. 505.
s ) Kd. K. A. Hahn, S. 120.
3 ) Seutlinger. Bl. 271«.
Bericht über die Wilteuer Meistersängerhandschrift.
357
Ich gehe nun zu Muskatblut über, der durch vier Gedichte ver
treten ist. Zuerst begegnet das bekannte Lied „von vnser lieben
frawen 1 ) (Bl. 1466), das sich auch im Liederbuch der Clara Ilätz-
lerin 2 ) findet. Das zweite Gedicht mit der Überschrift: „von frawen
vnd junck frawen“ (Bl. 147 6) suchte ich bei v. Groote und im
genannten Liederbuche vergebens.
Es beginnt mit den Versen:
Mich fragt ain man
gar sonder wan,
ob pesser frucht
dann weybes zueht
wer hie auf diser erden?
Die Anfänge der folgenden Strophen lauten :
2. Wie möcht es sein,
das jungkhfrauen vein Bl. 147 b
3. Ein raines weyb
mit keuschem leyb Bl. 148a
4. Bas weyb vnd man,
die zwo person.
5. Mergkh jungkhfraw rain,
wie ich das main.
Die Gedichte: „funff lieder von weibern“ (Bl. I486 3 )
und „fünf gute straflied auf ainen yeden menschen“ 4 )
(Bl. 149«) sind schon veröffentlicht. Besser, als Muskatblut, sind zwei
andere bisher beinahe unbekannte Dichter des 15. Jahrhunderts ver
treten: die von Michel Beheim neben einander genannten Conrad
Harder und Albrecht Lesch 5 ). Von ersterem, der auch durch Ge
dichte in dem codex pal. 356, fol. 77—86, in der Münchener Hand
schrift 714 und in der wieder gefundenen Colmarer Handschrift
repräsentirt ist, enthält unsere Sammlung folgende Stücke:
1. „3 lied“ (Bl. 110 6) mit den Anfangszeilen:
1. Got vater sprach: lat ewren ammen ff.
2. Dy gothait sprach: auss edlem hertzen Bl. 111«
3. Nvn genüegt mich wol, sprach dy junckfrawe ff.
l ) Lieder Muskatblut’s von E. v. Groote. S. 30 u. 277.
a ) Ed. Haitaus. S. 103, Nr. 129.
3 ) Groote. S. 112 u. 310.
■*) Ebeud. S. 143.
"') Pfeiffer’s Germania 111, 309 11’.
358
Dr. Ignaz V. Zingerle
2. „Von vnser schydungVIl lied“ (Bl. 111«) mit den
Strophenanfängen:
1. Ich wil von hochen Sachen kosen
2. Schliest auff dy porten aller kröne Bl. 111 5
3. Die fürsten des geerbten reiches
4. Maria, ich zw straffen wäre
5. Fraw, nun pistw ain kuniginne
6. Maria, wurezen alles hailes Bl. 112«
7. 0 tochter, frey dich grosser früchte
3. „aber VII lied“ (Bl. 112«) mit dem Anfänge *):
Ich stuend ob aines grabes gründe,
ich sach hinein, mich rüert ain fauler I«fft.
Da lag ain toter maister in desselben grabes grufft ff.
4. „Der guidein Schilling in ainem besundern Don“
(Bl. 113«) mit den Strophenanfängen 3 ):
1. Ain schöne magt durchschonet Bl. 1135
2. Der marner auff dem chockhen
3. Ein wein, der wart geschenckhet
4. Reich pernder garten fruchtig Bl. 114«
5. Des kuniges sun der junge
6. Die höchste wart durchplickhet
7. Ey wie gar fugentleich
8. Der rosen reysen aus este Bl. 114 5
9. Der tegen vor dem holcze
10. Der selde schrein ward entschlossen
11. Dem kiinig entpfiel dy khrone
12. Die hoche zw der tieffe Bl. 115«
5. „aber III lied“ (Bl. US«) mit dem Anfänge 3 ):
Ich kam wol für ain stat wass klaine,
darinn do wonent frawcn vnde man ff.
6. „aber III lied“ (Bl. 1156). Das Gedicht beginnt:
Ich haw in meinem synnen funden
ainen trewen rat, den ich ewcli geben wil etc.
7. „III lied von vnser lieben frawen“ (BI.116«) mit dem
Anfänge:
') Colm. HS. Fol. 8485 — 8495, cod. lat, non. 13133 =Rebdorf 33, Fol. 1325—133«.
3 ) Colm. HS. Fol. 33 a.
3 1 Colm. HS. Fol. 846a. Heidelberger HS. 392, Fol. 15. Gedruckt in Mone's Anzeiger.
VII, 374.
Bericht über die Wiltener Mei.stersängerhandscliriff.
359
Ich lob dich, Maria mueter schone,
von dir so hört man singen und sagen.
ich lob dich, Maria, daz dw hast ain raines Khind getragen,
darumb dir Maria ward dy kröne ff.
8. Mit der Überschrift: „Hienack liebt sich an ain schön
parat III lied hat der Harder gemacht, haist Musi ca“-
(Bl. 14S« 1 )- Es beginnt:
Man höret aber reichen schall
von quart vnnd quinten one zal ff.
In desHander’s Ton sind „drei lied“ (BL 1196) gedichtet mit
dem Anfang:
Ich wayss mir zway genösslein klaine,
dy synt kurtz vnd da pey nicht ze lanckh.
sy synt geschickhet auf ain fart so gar an argen wanckh,
sy synt von wilder art gemayne,
sy lauffen nicht zw wenig noch zw vil etc.
Ich gehe zu Albrecht Lesch über. Sein bedeutendstes Gedicht
in der Handschrift ist „das gülden sehlos“ (Bl. 226—2Sa).
Es bestellt aus 13 Liedern, deren erstes lautet:
Ich wil von ainer maget fron
singen das beste, das ich kan
mit meiner Zungen helferin,
vnd kund ich ir gesmiden fein
bayde schlusl unde schlozz,
das ich das tausend tail nicht kan.
herr david sach sey wolgetan
in gotes ewigkhait so dar,
dy jungkfraw fein vnd wolgevar.
nymandt ist ir genos.
der aller ding ist ain ewig list,
der ye was vnd ymer ist, Bl. 23«
der junget sieh in jr.
aus höchstem trän schwang er sich her.
das was der weide freude mer,
helfleichen stuond sein gir.
wie redt der ern kunig zw dir,
vil edle magt, das sag dw mir.
sy sprach: durch gabriheles mund
ward mir alle frewde kund,
dy werlt machet ich gesund.
') Colm. HS. Fol. SK«.
360
Dr. I g- ii a z V. Z i n g e r 1 e
In der letzten Strophe nennt sich der Dichter seihst:
Das ist vnnser frauen guidein slozz,
als sy mirs in mein hercze gos.
lob sey dir, hymelreiche van!
das mich dein sin so wol besan.
breizz muos ich jechen dir,
ich lesch gehayssen Albrecht:
dw bist mein fraw vnd ich dein knecht ff.
Ihm folgen mehrere Gedichte „in der muhveis“. Das erste der
selben beginnt:
Ich such gnad, heyliger geyst: Bl. 25a ff.
mit deiner hilffe allermeist
verleich mir synne,
das ich gocz huld gewynne ff. 111 lied
Mehr Innigkeit zeigt das Gedicht (Bl. 256 und 26«) mit dem
Anfänge:
Wann ich bedengk mein krangkes leben,
so ist mir trauren eingegeben.
mit grossen sorgen
den abend vnd den morgen
pin ich betruebet etc.
In dem selben Tone ist das Gedicht „von der weit" (Bl. 1346
bis 1356) geschrieben. Er beklagt bitter, dass die Welt früh und
spät nur nach Geld trachte und Anderes nichthöher schätze. Einst galt
Manneswort mehr als Eid, jetzt müsse man alle Dinge verschreiben:
warhayt verschliessen in Wappens ring,
mit brieff beheben
vnd sygelen schon vergraben
auf ymmer wernde khrafft. Bl. 135 a
Dies Rügelied, das zu den bessern jener Zeit gehört, beginnt
mit den Zeilen:
Mein hertz gedacht in maniger 1er,
wie das dy weit vnd die fraw Er
sich wellen klaiden
juden, cristen, hayden
wol in frawen Eren pan.
Da chund ich nymer khummen zwe,
seyd das die weit spat vnde frue
vmb gelt wil trachten
vnd anders nicht wil achten
Bericht über die Wiitener Meistersängerhandschrift.
361
In demselben Tone sind „fünf lied“ verfasst, die vermuthlich
von demselben Dichter herrühren, wenn er auch nicht als deren
Verfasser genannt ist. Die Anfangszeilen derselben lauten:
1. Ich kan wol tiehten an allen spot Bl. 22 a
2. Ich kam dahin, sy empfiengen mich
3. Zw in sprach ich mit gueten siten Bl. 22b
4. Von freunten nam ich vrlaub schier
5. Ich bitt dich, vater, Jhesu Crist.
Ein Gedicht vom heil. Wolfgang, von Albreeht Lesch in seinem
Hofton geschrieben (Bl. 26 a) berichtet, dass der Dichter im be
kannten Wallfahrtsorte im Salzburgischen 1 ) Erhörung und Heilung
gefunden habe; denn es heisst darin:
Ir mergkt, das er 3 ) begangen ist Bl. 27«
in hertem staine rauch;
das was seinen fuessen ain waicher leim,
ain linder schnee gar lange.
wer noch dar kumbt vnd laist sein rist,
sein buess volend(e)t auch
vnd sucht das goczhaus sunder haim,
den hat genad vmbfangen.
Ir frawen vnd ir mannen,
ir nemend all bei dem Leschen war,
der gieng gesundt von dannen
vnd kam wol mer dann halber toter dar.
Vnd wer da noch genad suoeht an der willde,
er sey jungkh oder alte,
vnd bringt dar die seinen gab mit milde,
dem thuet er gnaden manigfalde.
Got gab im den gewalde
dem heyligen sand Wolfgang.
Das Gedicht beginnt: „Ich kam für aines fürsten haus“ (Bl. 26 a)
und erzählt auch kurz die bekannte Legende des Heiligen 3 ). Darauf
folgen drei Gedichte von demselben Verfasser „in seiner gesanck
weiss“. Das erstere derselben führt die Aufschrift „von der Zu
kunft“ (Bl. 17a) und beginnt:
Her Daniel geweyssagt, hat,
der sehreybet allen Juden vor.
t) S. Panzer Beiträge II, S. 431 n. 369.
3 ) St. Wolfgang.
3 ) Gebhart, heil. Sagen [>. 57. Panzer II, S. 570. Vernaleken Alpensagen S. 302.
362
Dr. Ignaz V. Zingerlc
mit warheit sat:
es kumbt ain hcylig der heiligen gar ff.
Das zweite „von der gepurt Christi“ (Bl. 27b) hat den
Anfang:
Ich solt dir singen alle jar
gen den weinachten ein neues lied
Maria dar ff.
Das dritte „auf die singer“ (Bl. 28«) ist ein gelehrtes
Gedicht mit dem Anfänge:
Dw sprichst: dw seyst ain maister hie,
wo bistw nun worden bewert?
ir mergket, wie
hast dw besessen
der meister stuel?
in welicher scliuel
bistw gewesen? ff. —
Bemerkenswerth ist, dass keines dieser Gedichte von A.Lesch in
der Colmarer Handschrift sich vorfindet, die doch mehrere von dem
selben Dichter i) enthält.
Ein höheres Alter als die bisher berührten Gedichte haben
zwei Spruchgedichte, die Herrn Ernpot vom Bein zugeschrieben sind.
Sie weisen durch Y r ers und Reim auf das 13. Jahrhundert zurück.
Das erste hat die Aufschrift: „fünf liepleieher lied von der
wei sshait vn d to rhait“ (Bl. 142 6) und beginnt mit der Strophe:
Er ist nicht weys, der weyshayt nit khan kennen, '
Des wil ich euch den weysen hie vnd auch den thorn nennen.
Er ist nit weyss, der nit cntwill nach gottes hulden ringen..
Er ist nit weyss, der schand vnd laster meret.
Er ist nit weyss, der sich alzeyt an alles reden keret.
Er ist nit weiss, der rechtes recht zu vnrecht mainet pringen.
Er ist auch nicht ain weyser man,
der auf sach nicht khan verstan
vnd lat sich nicht beschayden.
Er ist nit weyss, der mit thorn wille kriegen
vnd der seinen ewenkhristen thuet mit rechter falschayt triegen.
er ist nit weyss, der jm ain valschcn menschcn nicht lat layden.
Das zweite Spruchgedicht (Bl. 1436) beginnt:
) Colm. HS. Fol. 37. 831, 832, 842 und mehrere in seinen Tönen.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
363
Es sol ain freunt gen freunten nit vil pagen.
Es soll ain priester an der peycht nit tief nach sunden fragen.
Beide Gedichte sind in „vroun erendone“ des Reimnar von Zwe-
tei' 1 ) verfasst. In das 13. Jahrhundert gehört wohl auch das Gedicht
mit der Überschrift: „Hienaeh stent guetter lied von frawen
hat der Schonsbekel gemacht“ (Bl. 146 a), Der hier genannte
Dichter ist nach meiner Ansicht ein und derselbe mit Brun von
Sconebeck 3 ), der nach der Magdeburger Schöppen-Chronik zum
Jahre 1266 Constabel zu Magdeburg und ein gelehrter Mann war.
Er hat ausser dem hohen Liede viele gute Gedichte geschrieben, deren
eines das uns vorliegende zu sein scheint. Die Strophenanfänge
lauten :
1. Hilf herre got, ich lieb in vveybes guete an,
den will ich willigkleichen schengldien meinen gsangkh ff.
2. Man sagt vnns, wie die heyligen martrer band erlitten,
das bat volendet maniger mir in schneller vart ff.
3. Ain yeczlich weyser lob den rainen frauen sayt, Bl. 1466
seyt das wir all an irn prusten sein geczogen ff.
Liegt hei den meisten der bisher berührten Gedichte kein
triftiger Grund vor, sie den bezeichneten Verfassern abzusprechen,
so begegnen uns nun mehrere Lieder, die den berühmten Dichtern,
denen sie zugeschrieben sind, nicht angehören. Zunächst verweise
ich auf die Gedichte: „Gelückes war mir not“ (Bl. 101«) und: „Mein
höchster himelshnrt“ (Bl. 101 ö), die von unserer, so wie von der
Colmarer Handschrift, dem durch Sang und Sage gefeierten Tann
häuser zugetheilt sind. Ich habe beide in Pfeiflfer's Germania 3 ) ver
öffentlicht, woraus sie Graesse in seiner Schrift: „der Tannhäuser
und ewige Jude“ 4 ) hat abdrucken lassen.
<) Vergl. MS. II, 177. IV, 507.
2 ) Gervinus II, 124. Gödeke MA. S. 109. Gödeke, Grundriss S. 59.
S) ßd. V, S. 362.
4 ) Herr Ilofrath Dr. J. G. Th. Graesse sagt zwar: „So sind z. ß. heim Tannhäuser das
dänische Volkslied und die diesem Minnesänger in der Colmarer Liederhantlschrift zu
geschriebenen Lieder hinzugekommen“ (p. IV), woraus man zum Schlüsse berechtigt
wäre, er habe dieselbe nach der Colmarer Handschrift mitgetheilt. Allein jede, auch
nur oberflächliche Vergleichung seiner Schrift p. 70—73 mit dem von mir in der
Germania gegebenen Texte, zeigt, dass Dr. Graesse meine Arbeit, wie er selbst S. 28
bekennt, genau abgeschrieben hat, dass er sogar die Paginirung der Wiltener Hand
schrift Bl. 1016 und 102a setzte,, da doch im Colmarer Codex die besagten Gedichte
p. 785 stehen. Hätte Herr Hofrath den von ihm p. 23 genannten Aufsatz: „Die Sage vorn
364
Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
Hielier gehören auch die zwei erzählenden Gedichte, die dem
aus dem Wartburgkriege bekannten Klingsor zugeschrieben sind. Das
erste führt die Aufschrift: „Klingsor im swartzen Don XXV
lied vnd haist der helle Krieg“ (Bl. 92a—96a). Es beginnt:
Ber pracht vnns die Krone für,
die ward gemacht von sechzig tausent engel kür? ff.
Das zweite hat den Titel: „Clingsor im schwarczn Don
XIII lied von ainem pild zw Rom, das der eeprecherin die
vinger abpaizz“ (Bl. 96a—98a). Die darin behandelte Sage ist
bekannt 1 ), das Gedicht selbst hat Prof. Dr. Bartsch 3 ) veröffentlicht.
Auch Wolfram von Eschenbach, der tiefsinnigste Dichter des
deutschen Mittelalters, hat seinen berühmten Namen einigen werth
losen Reimereien leihen müssen. Dahin gehört „Josephen trawm
von Wolfram von Eschelbach im Fürstenton“. (Bl. 89a
bis 91a). Der Anfang lautet:
Ein Stern von Jacob erschain,
erschain dort her in Israhel
in also reicher glest.
Joseph der ward in ain trawm enain,
das ee sein vater west.
er wass ain jud nach seiner art
vnd seih zwelffter prueder der jungst vnter in ff.
Merkwürdiger ist das Gedicht mit der Aufschrift: „Wolfgang
von Eschlwach drey lied im furstendon (Bi. 98a — 996),
das ich vollständig mittheile:
Und hiet ich aller weide guet,
des sich die weit gemain betregt vnd darin leit vergraben,
was möeht ich leiden armuet
vnd khainen khumer haben!
vnd het ich goldes thausent hört, Bl. 98Ä
darzw der niblunge schätz, ist ain gepirge vollen,
was in der weit leit hie vnd dort,
Ritter Tannhäuser, dessen Leben und Lieder von Dr. Hyazinth Holland“ im Abendblatt der
neuen Münchner Zeitung 1859, Nr. 305, 308 und 310 gelesen, so würde er p. 1238a
erfahren haben, dass im Colm. Cod. noch zwei Gedichte: „wer soll myn’3 endes pfligen
wenn ich von hinnen muss“ und „man hat uns prophezyt“ dem Tannhäuser zuge
schrieben sind, und dass dort dass zweite Lied mit „Maria himelhorl“ beginnt.
*) Massmann, Kaiserchronik III, 449.
2 ) Pfeiffer’8 Germania IV, 237.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
365
was möeht ich khumcrs dollen!
vnd hiet von dem agetstain das aller klarist golt,
so ichs mit meinen khreft'ten von der sunnen möcht getragen,
darumb wiir mir die weide holt:
dannoch möcht ich nit lassenn, ich muest sewfften vnd klagen
vmb das laid, das dy weit ansichl.
es ist verloren
vnd tauget nicht,
wan mich der tod so jamerleich will morenn.
Vnd hiet ich siebenzig kunigreich,
das mir die wärenn vntterthann mit also grossenn eren,
wo fund man yndert mein geleich
vnd also grossen herren?
vnd hiet mer wen hundert lant,
darzuo vil ritter vnd khnecht, als ainem kunig wol zaem,
was soldes war mir dan bekhant
vnd wer in von mir naem:
so hiet ich wol ain himelreich auff diser erden prait,
vnd hiet wol mit manigen künig meines hertzes spil!
noch wiir mir trawren vnverseit,
wan ich gcdenckh, das mich der tod so fraisleich morden will;
mein herschafft hilfft nicht vmb ain schieben.
0 we der nodt!
wan wiertz geschehen,
das mich von diser weit hin nymbt der todt.
Wiir ich als absolone was,
dem puten schön(e) frawen iren gruess auf süesser minne strickh,
vnd leucht als ye khain spieglglass,
mir wurd manig frewntleich plickh.
vnd hiet ich hübschait ane zil,
das mir dy junckhfrawen vnd die frawen gemainigkleich wären hold
vnd geben mir vmb mein schöne vil
den iren reichen sold:
so hiet ich meines hertzen lust mit maniger frawen zart,
vnd wurd mir offt ain lieblich khus von rosenvarben mundt. Bl. 99 a
noch wiir mir trawren vnverspart,
wan ich gedenckh, das mich der tod so jiimerleich verbundt.
w r er ich ain man so wol gestalt
gar schön zw preyss,
es kumbt der gwalt:
der leib muess sein der argen wurme speiss.
In demselben Tone sind zwei andere Gedichte: „Drey lied in
des Wolfgang von Eschlwach furstendon“ (Bl. 916) und
366
Dr. Ignaz V. Zingeile
„VIII lied in Wolfram’s von Eschlbach im furstendon“
(Bl. 99«—1006) geschrieben. Das erste ist ein Loblied auf Wirth-
schaft und Hausehre, mit dem Anfänge:
Ich wil dir ratten gerndn mane:
dw danckh dem wiert zw allerzeit, dem liausser wonet pey.
den selben wil got nit verlan,
er tuet inn sargen frey.
die ee got selb gestifftet hat.
ich wil, ob allen orden es der höchste orden sey u. s. f.
Das zweite erzählt, wie Moses zu Berge stieg und eine Unter
redung mit Gott hatte. Bei seiner Rückkehr findet er sein Volk, wie
es das goldene Kalb umtanzt. Das Gedicht beginnt:
Moyscs an aincm perg auff gie,
als im got gepot, darauff so wolt er wunder sprechen etc.
Die darin vorkommenden Lieder: „wie dich das wunder vmbe
iait“ (Bl. 100), „do stuent der walt gar feuerfar“ (ibd.), „Moyses der
fragetfürpas“ (ibd.), „Moyses dir wirt vonmirgeseit“ (100 6)gehören,
wie schon bemerkt worden, Frauenloh *) an.
Auch Conrad von Würzburg ist als Verfasser mehrerer,
unrichtig ihm zugeschriebener Gedichte genannt. Das erste derselben
führt den Titel: „Maister Conrad von Wiertzpurg in seinem
abgespitzten Don vnd sind IX lied“ (Bl. 103« ff.) und behan
delt das Abenteuer mit dem goldenen Horn, das aus der Krone 3 ) und
einem Gedrehte Tannhäuser’s s ) bekannt ist. Ich habe es in Pfeiflfer’s
Germania 4 ) mitgetheilt.
Ihm folgen Gedichte im Hoftone desselben Dichters. Das erste
derselben mit der Aufschrift: „Conrad von Wiertzpurg im hof-
d o n III 1 i ed“ (Bl. 1046) beginnt:
Man sagt mir von gesellschafft, daran ich 5 ) mich nicht khere.
geselleschafft trayt wanck(e)l muet, da pey ist lützel ere ff'.—
Das zweite „aber Conrad von wiertzpurg in seinem
hofdon III lied“ (Bl. 105« ff.) preist den Gesang vordem Saiten-
') Ed. Kttmiiller, S. 226. MS. Hl, 384.
a ) Ed. Scholl. S. 918 — 2257.
“) MS. II, 86.
4 ) V, 162.
b J lu HS.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
367
spiele, das melir und mehr jenen verdrängt: Ich theile das Gedicht
vollständig mit:
Da (a)uss rörn noch auss saytten nymer gueter lob erklinget,
vor fürsten berren freyen grauen da man nicht ersinget,
dorische khunst die tringet
an schnöden höfen für gesanckh.
das thuen die frumen herren nicht, die lassent es hin schleiffen,
was sy mit ierer schwachen khunst thuent, streychen oder pfeiffen.
ich las mich des pegreiffen,
ir kliunst dy hat die schnöden ganckh.
Don vnd die wort die lohent got vnd sind zw himel werd,
da man der pfeiffen nicht pegort.
her tor, last ewer khallen.
niemant sol sich mit gunderfay lassen vberschallen.
gesangkh das get für saittenspil, als zuckher thuet für gallen,
vnd wer do von wolt fallen,
des wierdigkhait werdt gar vnlang.
Seyt pfeiffen, geigen mich von hohen fürsten wil verdringen,
vnd seyt das schafgederme khan auf holtz so süez erklingen,
vnd auch eins rosses schwingen
gibt auch der süessen done vil,
das hartz das sawmt in nicht daran, ob er cs khan beraiten, Bl. 10b b
von ainem pech pey ainem fewr muess ers zwsammen laiten,
das im zw seinen saiten
gepüret, wenn er streichen wil.
ain drusselpant von ainem schwein an hals er hengen sol,
das zimbt im vor den leyten wol.
maniger des erlachet.
all von der schwäre, dy es hat, sein ruck sieh nyder machet
recht als ein altes schewern tor, das also ser erkhrachet.
sein kunst die wiert geswachet.
noch get gesanckh für saitten spül.
Gesanckh ist über ander kunst getewret vnd geeret,
seyt das es sich von nichte wol doch fachet vnde meret;
vnd wer es gerne leret,
dem geid es freyd vnd guet vernunst.
ich in ain nicht, das er lembtig sy, der ane wort khün singen,
seyt das es sy payde mit ainander wachsen vnd entspringen
vnd auss dem herczen tringen
nach gottes 1er vnd seiner gunst.
sunst andere Kunst dorff Zeuges vil, darzw gerät e wol.
wo er es nun füeren sol,
er muess han vil geriste,
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. ßd. IV. Ilft.
24
368
Dr. Ignaz V. Zingerle
ob er es aber treiben wil nach der weit muet all friste,
so darff gesanckh nicht anders mer, wen zung vnd weyse liste,
darvmb gesanckh wol iste
zw preysen über andrcw khunst.
Die letzte Strophe, hier sehr entstellt, wird auch von der Pariser
Handschrift Conrad zugeschrieben, sie lautet nach Hagen MS. '):
Vür alle möge ist edel sank getiuret unt gelieret
dar ümbe, daz er sich von nihte breitet unde meret;
elliu kunst geleret
mak werden schone mit Vernunft,
wan daz nieman gelernen kan rede unt gedoene singen;
diu beide muezent von in selben wabscn und entspringen;
uz dem herzen klingen
muoz ir begin von Gotes gunst.
An der vuoge dürfen alle rates unt geziuges wol,
swer si triben rehte sol,
der muoz han das geriiste,
da mit er sie vol ende nach der liute muotgelüste;
son’ darf der sank nicht helfe, wan der zungen unt der brüste
sunder valsche aküste
get er da von vür alle kunst.
Dieselben Gedanken spricht auch Conrad in der Einleitung
seines Trojanischen Krieges aus:
tamburen, harpfen, gigen 3 )
bedürfen ouch geziuges wo!,
swaz künste man eht öugen sol,
die müezen lnin gelüste,
130 mit dem sie von der brüste
ze liehte künnen dringen,
wan sprechen unde singen:
diu zwei sint also tugent her,
daz si bedürfen nihtes mer
133 wan zungen unde sinnes u. s. f. 3 )
') II, p. 3346.
2 ) K<1. v. Keller, p. 2«.
3 ) Vergl. dazu auch den Spruch:
Ir edelen tumhen, wes lat ir iuch gerne toren triegen,
die mit ir valsche rilich gunt iu kunnen ahe erliegen?
.sinnelose giegen
haut in ir herze die verminst,
daz si den kiinsterichen steint ir rede und ir gedaene MS. H, 332.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
369
Das Gedicht mit dem Titel: „maister Conrad vonWiertz-
purg in seinem hofdon III lied“ (Bl. 1076) singt das Lob der
reinen steten Frauen. Ich setze den Anfang her:
Was in dem paradeise wai'd gepildet vnd gemachet,
über alle creatur ain weib, dy minikleich erlachet.
got der hat sy besachet
für war, als die gesclirift vergiebt,
wie daz das weib ist für den man so lobeleich gepreyset,
das es der man geerdet ist vnd weib geparadeyset etc.
In demselben Tone sind „drei schöne göttliche Lied“
gedichtet, die nicht dem Conrad zugeschrieben sind (Bl. 109 a). Die
Anfangszeilen der Lieder lauten:
T. Ain maister maisterleichen sass ff. —
2. 0 herre was dw wunder mit dir selber hast geschickhet ff.
3. Almachtiger schepfer, den ich hoch ob allen künigen preyse. —
An das früher mitgetheilte Gedicht zum Lobe des Gesanges
schliesst sich dem Inhalte nach jenes an, welches den Titel führt:
„Conrad von Wiertzpurg in seiner morgenweis fünf
lied“ (Bl. 105—1066). Es ist eine Klage, dass der Maistergesang,
der bildend und lehrend eingewirkt, mehr und mehr verdrängt werde
und dass nur noch wenige Leute ihn hören und ehren. Ich theile die
zwei ersten Strophen mit:
Man spricht zw mir, ich solle aber singen,
so khan mir nicht gelingen
vor der lewt geprächt.
wann das hat für gedrungen,
was thauget dann gesungen?
wan yeder man der hat dy seinen weysse.
sy thuent alle sam so stille schweigen,
recht als die müll der geygen
thuet inn ierer acht,
durch got lat eweh gestillen,
vnd durch gesanges willen
habt ewer geprächt inn senften Worten leyse.
vor wo man ie gesanges pflag, da was gesangk in huet Bl. 106 a
nun hat yederman das seine prechlen
recht, als er wolte fechten
wol vmb sein aigen guet »
vor ainem landgeriehte.
nun ist er doch für nichte,
wer sein gepraecht maint für gesankh zu preyse.
24
370
Dr. Ignaz V. Zingerle
Vor do lewte pey ainander sassen,
arges sy vergassen.
do man hört gesangkh,
da was gesangkh geeret.
nun hat es sieh verlieret;
man höret geren vppikleichen singen
von metzen vnd von gedrautten dy mannen.
dieselben ich verpanne.
ich main die weide khranckh,
dy lebt in solchen Sachen,
das sy nur pfligt zw lachen,
wo sy nur hört der schänden scliacz enspringen.
maistergesanckh ist worden gar der turnen lewte spot,
die ir pegir auff schwache(i)t habent gesehicket.
des ist die weit verstricket
in maniger grossen not
vnd muess sein ser engelten.
man hört nicht mer den(n) schelten,
die gueten wort hört man nicht weit erklingen.
Ihm folgen drei Lieder mit der Aufschrift: „Mai st er Conrad
von Wiertzpurg in seiner morgenweis“ (Bl. 107a) zum
Preise der Gottesmutter. Der Anfang lautet:
Ir höret zw ain tugentleiches chosen
von ainer plüenden rosen;
ir lob ist weit genant.
gracia plena schone,
sy leucht durch alle throne,
des wil ich mit der hochgelobten schallen. (V.
Das letzte Conrad zugeschriebene Gedicht „in seiner morgen-
weiss dreiguete lied“ (Bl. 108a) beginnt:
Seyt got wil khum ain maister tugenlleiche!
seit ir in kunsten reiche,
als ich vcrnumen han,
weit ir mit süessen Worten
hie schiiessen auff die porfen,
dar in gesanges hört leit schon verporgen. ff.
Wir kommen nun zu einer Reihe von Gedichten, bei denen zwar
der Ton, aber nicht der Verfasser angegeben ist. Zunächst begegnen
uns mehrere, die in des Marner’s langem Ton geschrieben sind. Das
erste derselben: „drey lied in des Morners langen Don“
(Bl. 8 a) sagt, dass nicht nur Reiche, sondern auch Arme in den
Himmel kommen. Schatz stifte der Hölle Noth. Es beginnt:
Bericht über die Wüten er Meistersängerhandschrift.
371
Wer hundertjar auf erden zu rechten raben wil
vnd im sein dingkh gar eben stat,
es dungket manigen nit zevil,
er maindt zuo berschen hie vnd dort. —
Das folgende „drey lied in des Mörsers langen Don“
(Bl. 86) besingt die Ewigkeit und Unergründlichkeit Gottes. Der
Anfang lautet:
Ee hymel vnd erd vnd wagkh ye ward,
nw wo bet gewont ee got?
das frag ich hie in listes vard,
vnd main es gar an argen spot.
Das dritte führt die Aufschrift: „Drey lied von gesanck
vnd von gueten aigenschaften des gesangs in desMor-
ners langen Don“ (Bl. 14a) und beginnt:
Gesangkh ob aller khunst ain stern,
ain rosen ob allem pluet ff. —
Die dritte Strophe handelt von den sieben Künsten, mit denen
der Gesang durehflorirt ist.
Das vierte Gedicht in des Marner’s langem Ton ist: „drey lied
von geyttigkhait vnd andern sunden“ (Bl. 156 und 14a).
In nüchternster Weise werden die sieben Hauptsünden aufgezählt, und
Adam’s Ungehorsam, so wie Judas' Geiz als abschreckende Exempel
dargestellt. Der Anfang lautet:
Siben sund ich nennen wil,
die sind gar vngeheure,
sy sind des argen teufels spil
vnd brinnen in dem fegefeure.
Das fünfte „drey lied in des Morners langen Don“ (Blatt
16a) beginnt:
Johannes in der tawgen sach
hoch in dem hymel stan
bedegkht mit ainer wolgkhen dach
dazwischen ain maget wolgetan,
Das zweite Lied (Strophe) gibt Lehren einer Frau, die sich
selbst ehren will:
Welich fraw sich selb wil eren,
die meid der argen weihe stat u. s. f.
372
Dr. Ignaz V. Zingerle
Das dritte Lied, das zu den besseren der Handschrift gehört,
gebe icb vollständig:
Fraw Er will lassen schauen
den iren mynigklichen hört,
den ain raine tugendhaffte fraue hat
vnd den ain edler kunig ir nicht wol vergelten mag.
was bluemen in den auen
dringent durch ires angers ort,
dar zuo was Iiechter varhe auf der liayden stat:
das vberleueht ain raines weyb,
recht als die sunn den tag.
sy sind noch besser dann der luITt her aus des mayen plucl,
der über das birge kumbt herdringen. Bl. 166
die rainen trauen sind so guet,
das sy kain man auff erd nit wol volloben kan,
was vogelein in den schachen singen.
welich fraw get in trauen Eren pan,
die ist noch besser, dann das golt von Arahein.
das lob hör an weih, raine frucht, vnd hüett der eren dein.
Ein anderes Gedicht in diesem Tone „Drey 1 ied in des Mor-
ners langen Don“ (Bl. 17«) preist das Wort, das alles übertrifft
und der Musik weit vorzuziehen ist. Durch das Wort hat Gott alles
erschaffen. Es beginnt:
Got wird vnd ere hat gelait
an raines Wortes krafft.
Die Stelle, welche die Musik betrifft und an zwei dem Conrad
von Wiirzburg zugeschriebene Gedichte mahnt, lautet:
die wort die lernen schäm vnd weyshait die vernunst
vnd ain vil rechtes leben.
holez, sayten, ror, harcz, haut vnd har die mugen vns nicht lere geben.
die wort die lernen recht bechcnnen vbel vnde guet.
mit Worten thuct
der menseh behuet
die sele vor der helle gluet.
mit Worten wirt der zarte got hin gen dem sunder wolgemuet.
nye gottes willen ward bekanndt mit saytten, roren hie noch dort.
In des Marners Hofton sind verfasst: „nonczehen lied
von Sihi 11 a frag vnd an t bor t Salomo ns“ (Bl. 11 —13«). Das
Gedicht beginnt:
Ein chaiser sazz ze Rome,
er west nit, wer sein Schöpfer was
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
373
vnd wen er solt betten an für ainen got.
do das geseliach, zw der selben zeit, do lebt fraw Hildigunt.
seeht do erschain ain ströme,
das wist für war, als ich es las.
vnd vmb den ström so get ain ring gar sunder spot.
im ring tet got Sibillen grosse wunder kund,
darin so sach sy ainen degcn vnd die vil rainen mait ete.
Auch später (Blatt 12 a) wird Frau Hildigunt von Bingen
anstatt der sei. Hildegard *) genannt. Im Dialoge zwischen Salomon
und Sybilla spricht der Dichter sich über die Sitten seiner Zeit,
besonders über den Geiz und Ubermuth der Geistlichen 3 ) aus. Die
Geschichte Deutschlands, das Annahen des Antichrists und der
Untergang der Welt werden verkündet 3 ). Auf Deutschland zunächst
beziehen sich folgende Strophen:
Sibill sag mir gleiche,
wie ist es in der weilt gewar,
wann ain A das ander schlecht nu mit gewalt,
vnd ain F ain L bezwingt? bedeute mir das H.
„aller fürsten reiche
die schwechend sich von jar zw jar.
es wirt in guten jarn noch also gestalt,
das die leut vmb leibsnarung vor sorgen werden gra.
so kumbt ain A vnd schlecht zuo tod auch ain ander A,
so gremend dann die Wolfes zendc
in den landen hie vnd da,
so khumbt ain H, dem man vergibt in gottes pluet.
4 ) Vgl. über sie Mone's Anzeiger VII, pag. 613.
2) Z. B. Nw hilirtdem reiche niemandt, dar vmb so piert es ab,
beschorne fiirsten gar vnrechte
tragent die lnlfel, krumpen stab,
der zehend zw der kirchen gehört vnd zw dein stuf
der bähst der richtet auch vnschlechte,
er muol nie, da er der khaiser muol.
dem khaiser wirt der palgkh,
dem lmpst beleibt der ehern.
vnd also macht ain römisch reich eins chnisors noch empern. Hl. 11 «
und Sy sprach fürwar, sag ich dir hie,
die zwai fas bedeuten vnns der pfalfeu geyttigkhait Bl. 12«.
3 J Mehrere Strophen daraus sind veröffentlicht. MS. II, 243 b; III, 468 b. Sie werden
dort Marner zugetheilt, eine davon in Gödelte’s MA., 943. Über das Gedicht vgl.
Gervinus II, 128 — Güdeke .VIA. 240. Die von Mone (Schauspiele I, 303) verzeich-
neten Handschriften weichen von unserem Gedichte ganz ab.
374
Dr. Ignaz V. Zingerle
ach thumme werlt, wie stet es (lenne,
seyt got vil Wunders mit dir thuet!
ain F ain L die criegen mer dann siben iar,
doch das F der werlte all ir krump muz slichten *) zwar.“
Die frag will mich bezwingen,
nu sag mir durch den reichen Crisf,
lebt dann icht hoher fürsten, die do lande pflegen,
damit die weit versorget sey?
vnd des verschweig mir nicht.
„Fraw Hildigund von Pingen,
von der das puech geschriben ist,
alle meine wort hab ich darinn gewegei
dar jnn der fürsten namen stet.
als vnns das buech vergicht,
das erste A, das ich Euch nenn,
bedeutt den künig Albrecht.
das ander A auch wol mit rechte, bey Adolif sein
die lewt gar schlechte.
das H bedeut vns der prediger orden. Bl. 12 b
zway FF bedeutt den Friederieb, das edl geschleckte,
das L mach ich dir offenwar:
Ludwich von Bairn, nach dem nur ain khayser sey.
dar nach 3 ) die land gemachen mag vor vrleug nyemand frey.“
Die Herrschaft des Antichrist wird prophezeit und daran
sehliesst sich die Sage von der Wiederkunft des Kaisers Friedrich i.:
Sibilla, der wicze deine
wais ich nyndert kain dein geleich. .
wann das grosse wunder als ain ende hab
vnd kumerliche jar,
die dw mir hast genandt?
„sy es kumbt zu scheine
ain kayser, haisset Fridereich,
der wirt mit recht gewynnen noch das heylig grab.
der hengt seinen schilt an dürren bäum.
so grüenet er zehandt.
er ist alles laubes frey vnd ist an bluede zwar,
dar nach so grüenet er mit crefften vnd kumend seldcnreiche jar.
judischew diet, dein glaub mus ain ende han,
vnd aller pfaffen maisterschefte mag nit das sybent tail bestan.
so bitt wir got durch seinen höchsten namen drey,
das er vnns mache an der sele vor allen sorgen frey Amon.
*) fluchteit US.
z ) ' r &*- Ui'imai’a MItth., pag. 909. — Mone’s Schauspiele I, pag - . 311.
Bericht über die Wiltener Meistersiingerhandschrift.
375
In demselben Tone sind auch „drey lied, ain guete
mainu n g“ (Bl. 66) verfasst. Der Fall der ersten Menschen und die
Weissagung des Moses, dass ein Erlöser von einer Jungfrau
geboren werde, bilden den Inhalt dieses Gedichtes, das mit den
Zeilen beginnt:
Gott aller weit zu haile
vns zwier her aus dem hymel kam.
Im langen „Popendon“ ist eine langweilige Erklärung der
Messe (Bl. 19«— 22«) geschrieben, mit dem Anfänge:
Nembt war, ir vngelerten trauen vnd ir man,
was vns die mess bedeut vnd wie mans vahet an.
wan der briester zum allter kumbt gegangen,
er spricht von erst confiteor vnd beicht die schuld.
Ferner „drew lied auf singen“ (Bl. 136 6):
Ich bin gewandert durch die land, warvmb ist das ?
das ich die maister kunste lernet dester pas,
das ich sy prächt auf rechter synne Strassen.
Derb und kräftig ist das dritte Lied (Bl. 137 6):
Ai junger vogel, dir ist dein sehnabel viel zw waich.
das rede ich ane schimpf vnd ist nit mein gelaich,
dw solt dich deines klaubens gegen mir massen.
dw pist so frevel vnd so frech in deiner jugend,
mit singen vnd mit sprechen gar an alle tugend,
das soltw bey den weysen leuten lassen.
dw pist zuo frue vom nest geflogen,
das dir die schal noch klebt an deinem leybe.
dw pist in deiner kunst betrogen.
lig in dem nest, dar inn dw ienger hleybe,
vnd huyss dich tragen von dem weg
hin in ain vinster, das dw pas gemaussest,
das dw nit vallest ab dem steg,
vnd wart, das dw nach weysen kunsten laussest.
ich will dir ratten, junger man,
dw solt dich nit versclmellen,
wann dir geschech recht als dem bunt,
sagt dir mein mund,
der da auf seines herren mist nicht wayss, was er soll pellenn.
„Drew lietl des poppen don guete mainung“(BI. 1376)
preisen die Allmacht und Barmherzigkeit Gottes. Die Strophen
anfänge lauten:
376
Di\ Ignaz V. Zingerle
1. Ich kam nach ainein vvasser hin wol an ain lanndt,
da ich ainen stain wol pey den andern ligen vandt.
der was getailt gel gruen praun maniger hande.
2. Ains morgens frue durch abentheur wolt ich gan Bl. 138«
vber ain vil prayte hayd fürpas trueg mich mein wan
in ainen zarten wunigklichen garten.
3. Das beyspill das bezeug ich mit den heyligen wol, Bl. 138 b
kain sunder der ward nie so gross, noch werden sol.
Unter den Büssern wird hier auch der bekannte Theophylus *),
der Faust des Mittelalters, genanni:
Theoffelus gab sich dem teufel für aygen.
In demselben Tone sind auch „VII lied gutten maynung
von got dem allm echtigen“ (Bl. 1386) geschrieben. Der
Anfang lautet:
Maria, muter, hochgelobte, raine mayd,
was man von dir gesinget oder auch sayt,
dich kan nyemant vol loben auf diser erden.
Das dritte Lied beginnt:
Unns sagt Feronica das kunstenreyche puech,
wie nun versönet sey der jamerliche fluech.
Es ist hier wohl Regenbogen's früher genanntes Gedicht
gemeint.
In der Briefweise (des Regenbogen) ist des Poppen Segen
geschrieben, der zu wiederholten Malen gedruckt wurde a ) und in
Tirol noch im XVII. Jahrhundert verbreitet war 3 ). Ich gehe dies in
culturiiistorischer Beziehung nicht unbedeutende Stück vollständig:
Gescng mich heut der Got, der mich beschaffen hat,
geseng mich heut der engel mein vor valschem rat,
geseng mich heut Marey vor dem, das mir da schat, Bl. 70a
gesogen mich heut das heylig creucz vor sunden vnd vor schänden,
die vier die pflegen mein, wo ich der lande var.
zum fünften mal empfileh ich mich in der engel schar.
so clian mir nyemand geschaden klainist vmb ain har,
wo ich in der weide auf!'wasser oder auff lande.
dar zw empfileh ich mich der rainen maide,
*) Vgl. Gesummtabenteuer 111, 340. — Diintzer’s Faust, pag. 4.
2 ) Güdeke’s Gruudriss, pag. 233.
3 J Zwei Hexeuprocessc. Innsbruck 1838, pag. 27 und 48.
Bericht über die Wiilener Meistersiingerhandsciirift.
377
das sy sey mein seliilt *) vor ymerwerendcr not,
vnnd das mich got behuet vor ängstlichem tod, >
vnd das der armen sei mein werd vil guet rat,
wand sy von dem munde gat vnnd von dem leichnam schayde.
Geseng mich hewt das heylig kreucz vnd auch die krön,
darzw das pluet, das got aus seiner seytten ran.
geseng mich heut Maria goczmuter vnd sand Johan,
der vnder dem kreucz sein hend aufwand vnd klagt dem Schöpfer sere.
gesegen mich heut das man got an ain creucze pieng,
gesegn mich heut das pluet, das aus seiner seytten gieng.
geseng mich heut weyl vnde zeit, dy er da hieng,
vnd ain plinter Jude stach mit ainem schärften spere.
gesegn mich heut der wäre got bcsunder.
gesegn mich heut sein angst vnd auch sein grosse not,
geseng mich heut gocz marter vnnd sein pitter tod,
geseng mich heut sein heyligkleieh fünf wunden rot,
geseng mich heut aller priester guet in gottes handelunge.
Geseng mich heut ain vrsprung aller guten art, Bl. 706
geseng mich heut goczleich nam vnd sein engel zart,
geseng mich heut sein heyligliche hymelfart,
geseng mich heut das weytt, der tron vnd erdtreich hat vmbefangen,
geseng mich hewt das gemain gepet der waren gothait,
geseng mich hewt was man guetz singet oder sait,
geseng mich heut Maria vnd ir herzenlayd,
das ir anlag, da sy vnder das creutze kam gegangen.
geseng mich heutir parmherczigleiehez sechen,
das sy inn ainem kreucz das pluet von seinen äugen saeh,
vnd im der todt das leben für den sunder prach.
aufl' erden kaincr muoten nye so layd geschach.
durch die meinung lass vns, fraw, halt nymmer layd geschehen.
Ich pitt dich, hochgeporne muter, raine maydt,
wann das der Crist ward toter an den arm gelaydt,
vmh das winden durch den wandl dir verschnaydt,
das dir dein hercz vnd auch dein prust mit pluet war ser verrunnen.
ich man dich an das küssen, das dein zarter mund
tet disen wunten all, da was versert
deins herczen grundt,
da dir dein hayl, dein trost log an dem arm verwundt.
der dich der not ermanen kundt,
der hiet sich vor besunnen.
. hastw ermant Noe in der archen,
*) schadt. IIS.
378
Dr. Ignaz V. Z in geile
mach vnns heur frey vor dem Übeln tiefe!, altissimus,
durch deiner hochen namen drey. vater, Jhesus, Bl. 71 a
erparm dich über vns vnd über des Poppen sei des stargkhen.
Ich man dich, herre, wol an die höchst dryveltigkait,
vnd an dein todt vnd dein wäre menschhait,
vnd an die marter, die dw für den sunder laytt,
vnd durch den schachman, dem dw an dem creucz vergabt so here.
ich bitt ich dich, herre, wol durch die höchsten drey vrstendt dein,
dw lass das denn mein gebet gen dir verfengkhleich sein
durch all die heyligen, die mit dir pehauset sein,
durch deiner hochgelobten, werden, zarten muoten namen ere.
hat sich der stargkh Popp gen dir icht vergessen,
das solt dw im vergehen durch die rainen mayd.
er hat von dir so vil gesungen vnd gesait,
das es all der werlt so recht gar wol behait.
ich bitt für in, ich hab sein recht: sein kunst stet vngemessen.
In des Stollen Ankelweise begegnen uns zunächst fünf Sprüche
mit der Aufschrift: „Hie steend funff lied in des stolln
anckelweiss“ (Bl. 116 6). Ich theiie zwei derselben mit:
Her pfenning 3 ), was ir wunder thut! ir seyt ain tayl zw wert. Bl. 1166
mich muet, das ewr dy weide hie so geytigkieich begert.
*) verfeugkhleich. HS.
2 j Vgl. Vridanc 147, 17. MS. II, 188. — Renner V. 685. und Vintler’s Verse, die beinahe
wörtlich zu vorstehendem Liede stimmen :
nun secht den spot,
was doch der pfennyg Wunders tuet,
mein herr pfennyg, ir seit ze fruet.
mir ist laid, das man ewr gert
so geitticleichen, jr seit so wert,
das ir seit in hocher fürsten rat.
Ew müssen die weisen geben stat.
Ir cliauft chirchen vnd kaplan,
ir haht maniger frawen laid getan
an ir ere, hör ich sagen,
ir machet manigen grossen zagen.
ir nempt den dieb von galgen vnd von pannc (pawmcn IIS.)
vnd seit doch nicht als gros, als ain spanne.
wer stet vnd purg gebinnen wil, S. 295
der mus ie haben pfennig vil
der pfennig machet valsches geticht,
der pfennig wentet gut gericht,
der pfennig chaufTet allen rat,
er chaullet got, der vns geschallen hat 1F.
Innsbrucker IIS.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
379
ir gct vor an der weysen rat,
da nement ewr dy hoehen herren gawme.
ir stifftet khyrehen, klöster guet vnd manigen kappplan,
ir habt an eren schönen frawen vil zw layd gethan,
ir stift'tet mord, rawb vnde not,
ir löst den dieb von stockh vnd auch von pawme,
ir seyt für acht vnd für den pan
zw holt' geraytet für ain falsch gerichte.
der hoche purg ersteygen klian
mit falschem rat vnd schmaler trew, zw dem so habt ir pflichte.
man hat cwch lieb, darumb das recht so lästerleieh crgat.
got den verkauift ein klaines guet, der ewch vnd alle weld beschaffen hat.
Ich lag in meynes schlaffes trawm, ich sach gelückhes rad ’) Bl. 117a
dar zw so gieng ain praytte strass vnd ain vil michel pfad.
da sach ich ainen dare gan,
dem pot fraw süld ir hand vor disen allen.
da zw gieng ich ainen anderen weg, der daucht mich haymleich.
da ich gelückhes rad an sach, mein hertez ward freydenreich.
ich wolt dar auff getretten han,
mich schupfet ain velg, das ich muest nider vallen.
das peyspilt thue ich ewch bekhant,
das nymant mag gelückhes rad ersteygen,
wan nur im piet fraw süld ir haut.
oh sy des nicht enthuet, villeicht muess er hernider scygen.
das prueff ich bey mir selber wol: Bl. 117 5
do ich dar auffe trat,
ich hiet fraw Salden hulde nicht, des waren mir die spaichen vil zw glat.
Die drei folgenden Sprüche beginnen:
1. Wer sein guet mit eren hat, der mag es gerne han Bl. 116 ö
2. Mir vnd der affyn ist geleieh, wan dy zwey khind gepiert Bl. 117 a
3. Ich kham für ainen holen perg, ich ruefft vil laut hinein. Bl. 1175
Mit der Aufschrift: „Aber funff lied in des Stollen
anekel weiss“ (Bl. 1175) folgen fünf Sprüche mit den Anfangs
zeilen :
1. Was sol tugent zucht und er? was sol beschaydenha(i)t? Bl. 1175
2. Fraw Er die hat geprechen vil, ir klag ist manigfalt Bl. 118 a
3. Dreyerlay leut sind auf der erd, davon wil ich ewch sagen.
4. Solt ich dann wünschen aynen wünsch, so wer er manigen guet.
b. Gee hin vnd her, auss oderain, gee wider unde für. Bl. 1185
l ) Vgl. Haupt, Zeitsehr. VI, 134.
380
Dr. I g n a /. V. Z i ng e r I e
In demselben Tone sind auch verfasst: „aber III aben
teuerliche guelte lied“ (BI. 1186) mit dem Anfänge:
Ain hauss auf ainem perg erschein gehayssen augentrost,
sein perg gar sunder fraydenstain, sein pruekh der mynne rost.
Das ganze Gedicht ist eine matte Allegorie der Frauenminne,
in der Venus und ihr Sohn Cupido bedeutende Rollen spielen. In des
Zwingers braunem Tone sind „drei Lied“ auf die Gottesmutter
gedichtet. Ihre Anfänge lauten (Bl. 1096):
1. Johannes sagt vns wunder durch sein taugen:
er saeh ain maid schweben vor seinen äugen
gar gewaltigldieh hoch in des himels scheyben ff.
2. Der sunnen schein hat Mariam vmbbegeben.
Johannes sagt vns vil von jerem leben ff.
3. Jochymes tochter vnd ain kliind mit rechte
von Ysackh vnd von her Jacobs gesehlechte ff.
In demselben Tone sind: „fünf lied von vnser liehen
frawen“ (Bl. 110a) geschrieben. Den Hauptinhalt bildet die
Erzählung von den heil, drei Königen. Ich gebe beispielshalber das
erste Lied:
0 starker got, nun hiIff, das vns gelingen,
in meinem gesangk so wil ich von dir singen.
mich wundert, daz dw warst so wunderleiche,
samat, Scharlach hiestw wol gewunnen
dw warst ain kinig vber alle fürsten reiche.
dannoch wundert mich noch mer,
das dw warst geporn zw khalten Zeiten,
dy ketten zwang dich also ser,
das dw des sumers woltest nicht enpeiten.
Maria was in sargen,
als noch die frawen sind.
vor esel vnd vor rind
da lag der hart verpargen,
das wass Marey mit ierem lieben khind.
Die folgenden Lieder beginnen :
2. Ain maid auss Jesse hat gepert ain kinde,
das wart getragen für esel vnd für rinde,
es was Jesus der starcke wunderaere, ff.
3. Drey kunig Sachen ainen palast, der was reiche,
dar innen sass Herodes gewaltigkleiche
4. Herodes traumpt ain träum gar wunderleiche,
wie in das khind wird schaiden von dem reiche.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
381
5. Drey kunig wolten gottes macht anschawen,
steig vnde weg dy hetten sy gepawen.
In der Spiegehveise sind „drew lied von der truncken-
hait“ (Bl. 142«) gedichtet mit dem Anfänge:
Die trungkenhait die hat den sytt,
das ir die thorhait volget mit,
als ainem kind bey ainem halben jare.
Grösstentheils unbekannt dürfte das darin über St. Urban,, den
Patron des Weinbaues *) Gesagte sein :
Sand Urban, dem ward fürgegeben Ul. 142 b
drew ding an alles widerstreben,
daraus er aines für sieh nemen solde.
das erste was die trungkenhayt.
das ander wirt euch wol gesayt,
ob er den seinen vater totten wolde.
das dritte ist gar vnverschwigen,
als ich euch hie bedeute,
er solt bey seiner muter ligen.
der dreyer ward er kains verzigen,
das mergkhet eben, ir werden cristenleute.
die trungkhenhayt er an sich nam,
da mit er in die sunde kam.
er pschlief die muter, den vater gund er totten.
da im die trungkenhait verschwant
vnd er des weines nicht empfand,
er sprach: „der wein tet mich der Sachen notten.
Das dungkhet mich ain schwere pein,
ich bin gefallen in schulden/*
wer hie an sunde welle sein
der huet sich vor vbrigem wein.
mit trungkenhayt verteilst man gottes hulde.
In alten Legenden ist mir dieser Zug nie begegnet.
In des „vngelarten phluegweis“ begegnen uns drei
Lieder (Bl. 1746) mit den Anfängen:
1. Gesangk ist ain weise maisterschaft,
als ich euch hie beschaide ff.
2. Die musica ain anefanck
ist aller melodia IT.
t) Nork, Festkalender, pag. 3ß.’>. — Panzer II, 43.
382
Dr. Ignaz V. Z i n g e r I e
3. Sme) vnd die zyrckelmasse, Bl. 17Sa
kain leng darann verzucke ff.
Hier muss auch das Gedicht erwähnt werden, das die Aufschrift
führt: „Hie na eh stend schöner lied III ain parat von
vnser lieben frawen“ (BI. 144a). Das erste lautet:
Ain pam paratweys soll sein
mit rechter kunst gemessen ein.
der may der soll darjnnen stan,
der hat becziert den plan Bl. 144 b
mit maniger frueht gar vvunnigkleich.
habt dangkh, her May, ir machet vcin,
was wurgkhet kraft planetenschein,
was frueht vier dementen han,
das stet alles geczieret schan.
her May, euer wurgkhen das ist reich,
das jr da thuet der weit zw guet.
die vogelein fruet
in irem muet
die lobent got vnd sagend dangkh
dem, der so gewaltig ist.
nun wer kann, herr, voldangkhen dir?
dw hast es als gemachet zier
den menschen, visch, vogel vnde thier.
nun wie vergoss wir dein so schier!
nun waist dw end vnd anefangkh.
Die zwei folgenden Lieder beginnen:
2. Dw pist der als beschaffen hat,
ain jeczlich frueht, da sy hergat.
3. Chain schöner fraw ward nye geporn,
wan sy, die ich mir han erkhorn ff.
Das Gedicht gehört wahrscheinlich Harder an, von dem ein
schon früher erwähntes „schön parat haist musica“ unmittelbar
darauf folgt (Bl. 145a).
Wir kommen nun zu einer Reihe von Gedichten, bei denen
weder Verfasser noch Töne genannt sind.
Das erste derselben führt die Aufschrift: „Drey lied von
tugend vnd von ern des adels“ (Bl. 4a). Ich theile es voll
ständig mit:
Ir edl(e)n, secht wie stat
der tugend ra(i)s vnd eren plat
vertemphet vor der schänden schad.
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
383
des ist der er(e)n flucht verschärf
S wo das die luft nicht kan
ir susse strewen hin vnnd dan,
da sicht man sonder fruchte stan
oft maniges zweyg von tampfes art.
ain herr solt sich nit bergen noch beschliessen,
10 so meehte sich sein adel weyt ergiessen.
vnedl(e) fruchte spriessen
aus paumen, die verporgen stan.
Ir edl(e)n herren, sprecht,
Ob der von schuld icht sey ein knecht,
der hie freut der nature recht
vnd wil mit schneden aygen sein,
5 wenn er nymbt ir(e)n rat
vnd volget nicht der edl(e)n pfat.
welicher solichen sitten hat,
der vecht vil oft der schänden lein,
dem herren wachset oft von seinem gesinde
10 auf seines ad(e)ls stame lasters rinde,
wann er sich von dem winde
der fügend pirget sonder wan.
Welich herr bezeinct stat BI. 4J
mit weisem vnd getrewem rat
vnnd sich nicht an die argen lat,
der wirt von schänden seiden wund.
S wann er geflochtenn ist
mit arger hofe gallen list,
die raten im dann ainen mist
nach irer art zw aller stund,
ein wibel wolt, das auch chain ch(l)effer werr,
10 der leb. dw edler, mergkhe dise mere,
vnd dich gesindes lere,
des rat dein er vertempfen khan.
Das Gedicht ist somit in Miiglin’s Hofton verfasst und rührt
wohl, wie die folgenden Lieder desselben Tones, von ihm selbst her.
Es folgen „drey lied von zueht vnd warhait“ (Bl. 4 6) in
demselben Tone mit den Anfängen:
1. Dem edl(V)n wol anstat
Zueht, warhait vnd auch weyse tat.
2. Dw edler, la dein wort
warhaftig bayde hie vnd dordt.
Das dritte Lied lautet:
SiUb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. IV. Hft. 25
384
Dr. Ignaz V. Zin g e r le
Seeht, wie die lynde fruet
sich klaidt mit Iaub vnd reichem plued,
yedoch sy kaine fruchte thuet.
des hasset sy der agkerman.
ir schein dem samen schadt.
welich herr zw weyshait nichten hat,
ob der in golde stet vernat*),
was hilfel das sein vndertan?
sy hassend in, vnd von im affter kosen,
wenn er nicht heut sein stewr, den vveyse lassen
dw edler fugent rosen
strew vnd verpierg der schänden mist.
Im gleichen Tone ist das Gedicht: „vonn liegen der
reychenn“ (Bl. 5«) verfasst. Es hat die Liederanfänge:
\. Iler Salomon der spricht:
drew sind die mir gefallen nicht,
wo reicher hat zw liegen pflieht,
das doch erwendet wol sein guet,
vnd wo an sitten mist
der adel vnd ain spieg(e)l ist etc.
2. Der lug dich reycher schäm,
Der eren raub, des lasters am
3. Ein liecht sich selber tert
vnd schmerczt, wo es sein flamen leert,
also lug iren herren sert ff.
Das folgende Gedicht, das die Aufschrift: „Dreyliedvon
des lebe ns art“ (Bl. 5 6) hat, theilt über dieses königliche Thier
nachstehendes mit:
Der Ieo hat drey art
von milde der natur gelart 3 ).
sein welff er von des todes part
erwegkht vnd geust in leben ein
mit seiner styme luet.
sein äugen zw er nymmer tuet.
er schlaff, er wach, er leyt in huet.
sein lüstet auch die welfer sein.
seins fuesses pfat er tilget mit dem stercze,
das icht das spar, im sey kunftger schmercze.
du weyser, in dein hereze
drugkh vnd pflieht des leben art.
1 ) vernet. HS.
2 ) gelait. HS.
i
Bericht über die YVilteuer Meistersängerhandschrift.
385
Ein neuer Beleg für die Tugenden, die das Mittelalter dem
Löwen zugeschrieben hat, und die wir in Vr'idankes Bescheidenheit <)
und in anderen Gedichten 3 ) erwähnt finden.
Die zwei übrigen Lieder fordern den Leser auf, das Beispiel
des Löwen nachzuahmen und andere durch Milde aus dem Schlafe
des Kummers zu wecken. Die Anfänge sind:
2. Sleiiss auf der fügend sehrein
das milde sey die stymme dein ff.
3. Vernym dw edler frey:
wann nu vergangen tage drei 3 )
sind, wie grymlich der lewe schre etc.
Die darauf folgenden „drey lied von der minne vnd lieh“
(Bl. Sb) in demselben Tone haben die Anfänge:
1. Mich wundert, wie mich lat
ain weyb, die durch meins herczen plat
schlecht alle tag ain neues pfa ff.
2. Aus schweb!, peches feur,
aus harcz, pernstain vngeheur
3. Trost, hilff, mein hoffen, fraw, Bl. 6 a
wurd mir aus dein(e)s herzen aw
gegeben deiner mynne taw,
so hoff ich leschen soliclie bein ff.
Die „drey lied von der minne ton“ (Bl. 6«) warnen vor
dem bitteren Lohne schwacher Liebe. Als Beispiele bestrafter Liebe
werden Paris, Tarquinius, Salomon und Samson angeführt. Die Minne
gleicht den verführerischen Syrenen:
*) Ed. Grimm, I. Aufl., S. 136. II. Anfl. S. 87.
2 ) Vgl. GrimmYVridanc, I. S. LXXXIV. Auch Vintler kennt diesen Glauben, denn er
schreibt:
Die sterck geleich ich woi
dem leben, wann der sleffen sol,
so slafft er mit offen äugen, hör ich sagen.
vnd wann in die jager wollen jagen,
so wirt er sew für sich innen.
vnd dar vmb, das sy in nicht vinden,
so tuett er ain hübschen sitt,
wann er bedecket sein fuessdritt
mit seinem swantz, wann er get,
als das von im geschriben stet (Innsbr. HS. S. 149).
s ) freye. HS.
386
Dr. Ignaz V. Z in ge rle
Die mynn hat der sirenen art.
den marner dy so süesse zart,
das er entschlefft, vnd zugket dann
das schef in grundt. sust manigen man sy trengkhet,
dem sy mit stymme todes galten einsengket.
des schwacher mynn entwengket,
man vnde weyb, in eren schar.
Die Anfangszeilen dieser Lieder sind:
1. Durch mynn gen Kriechen kam
Paris, Helen die schon er nam ft'.
2. Tarquinius was genant
des kaisers son, zw Rome vand ff.
3. Her Salomon ward plos
von mynne wicze vnd verschlos etc.
Auch dies Gedieht ist wie die vorhergehenden in Müglin’s
llofton verfasst. Zum Schlüsse muss ich noch einige Gedichte
berühren, die eine spätere, nur mangelhafte Aufschrift haben. Dahin
gehört zunächst das Gedicht (Bl. 176) mit der Bezeichnung: „jin
1. Mo rer“ und dem Anfänge :
Ain maler maldt an ainer wandt
ain bild, als ich euch sag.
sinagoga ist es genandt Bl. 17 b ft'.
Es ist in der Pariser Handschrift dem Marner zugeschrieben *).
Der Text ist an mehreren Stellen sehr verderbt. Ich tlieile einen
Absatz vergleichshalber mit:
Johannes in lantern sach
ein ross in sonderbar.
aus irem schein ain licht emprach,
von zwölf stern gekrönet wart,
versigelt vnd versorget schon.
die rosen gaben liechten schein ff.
Mit der später eingetragenen Überschrift: „im 1. Morner“
sind drei Lieder (Bl. 186) bezeichnet, deren erstes mit den Versen
beginnt:
Ist yemand hie der singen will,
der heb sich auff die fart,
er lass mich hören sein geschell.
ich sing von rainen frauenn zart.
1) MS. II, 240 a — 247 a.
Bericht über die Wiltener Meistersüngeyhandschrift. 387
Das zweite, das durch Frische sich auszeichnet, gebe ich voll
ständig:
Ich ste dahie durch raine heyb
vnd will gesange(s) pflegen.
ist kainer hie, der mich vertreyb?
ich gib im ros, harnasch zw segen,
gesigt er als ain maister soll.
ich gib im schilt vnnd auch das sehwert.
gar mynnigkleich so ist ir leyb,
das mergkh dw thumer degen.
ob sy ir lugend gen dir scheyb,
wie mechstw dich dann jr verwegen.
ir Werder leyb ist tugendvo),
dar vmb sind sy wol lobes werd.
wann ich ansich ain frawen fein vnd auch ir mündlein rot,
so lass ich nicht, ich sing, vnd pracht es mich in not,
durch rainer frauen guet.
wann iehs ansich vnd han ich laid, >
so freyet sich alles mein gemuet.
durch irn willen pind ich auf vnd will ain kempfer wesen,
alhie zu genesen.
all singer von mir peyssen, ich hör es von den weysen lesen,
wie das khain edler frucbt nit sey bey got in seinem höchsten zesen.
ich traw der edlen maget wol,
mein heim bleyh mir vnverserdt.
Drei Lieder führen die spätere Aufschrift: „in eod. don“
(Bl. 29 a), sind aber nicht in der Gesangweise des Albrecht Lesch,
die das vorhergehende Gedicht hat, verfasst. Der Anfang des ersten
Liedes lautet:
Got sant sand gabrichele
hernider in die quelle
Marien der vil rainen magd.
der engel ir die potscbaft’t sait ff.
Ein ähnliches erzählendes Gedicht ist das mit der Aufschrift:
„In des F IC z d“ (Bl. ISO b) und dem Anfänge:
Herr Symeon der weyse
der fand in ainem pueche stan,
ez solt ain raine magt ain kind geperen ane man etc.
Es besteht aus vier Liedern.
Den Schluss der Handschrift bildet ein nachlässig geschriebenes
Gedicht von den sieben Gaben des heil. Geistes (Bl. 173 a) mit der
388
Dr. Ignaz V. Zingerle
Aufschrift, „in d er Sa nckwei s“. Diese ganz werthlose Reimerei
hat den Anfang:
Dye siben gab des heillung geistes ewen merck,
die einem yedem mensch dy Sele störck etc.
Hiemit ende ich meinen Bericht. Aus dem Mifgetheilten ergibt
sich, dass die Wiltcner Handschrift an Reichthum und Mannigfaltig
keit des Inhaltes ähnlichen Sammlungen von Meistersängerliedern
gewiss nicht nachstehe. Uber das Verhältniss unseres Manuscriptes
zum Colmarer Codex wird Prof. Dr. Bartsch bei Veröffentlichung
ausgewählter Gedichte aus dem letzteren Näheres mittheilen. Zum
Schlüsse gehe ich ein vollständiges Verzeichniss der Anfangszeilen
der Strophen nach dem Reime geordnet.
Die Anfangszeilen nach dem Reime geordnet.
a. Dy ander kunst die ist genennet loyca 32 a
Vil volkes die nun knyeten autf dem sande da 87a
Mit gift ain kind erzogen ward in lndia 54a
Auss lannden zoeh der kunig vod Assiria 3G4
Wer wascht den ziegel das er seine rötte la 1204
Vns sagen maister gra 62 a
ah. Adam das ich dir deinen freyen willen gab 140a
Man nam got von dem kreucz herab 128ö
Was craft Saturnus mag gehaben 28 4
ach. Der heylig geyst der leret gaeh 25 b
Die leut dar nach 1734
Das wunderzaichen an dem kaiser do geschach 87 4
Welt was dir wierden ee geschach 1344
Der meine synne mir gebrach 18a
Moyses der von dem perg her prach 1004
Der mayde sun Ezechiel der weyse sprach 38 a
Der gleichsner sprach 89 a
Ir hört wie Lueiper mm sprach 92 4
Sand Peter sprach 174 a
Johannes in der tawgen sach 16 a
Johannes in lautern saeh 18a
In der rosen die er sach 18a
Seinlicher thier ich nye gesach 18a
Moyses do von dem perg auf saeh 99a
0 mensch dw solt dich vntterweysen lassen dreyer Sache 104 4
Schon hicng es da in crenwaclie 1664
Bericht über die VViltener Meistersangerhandschrift.
389
d\v sagst von sehwern Sachen IS a
Was in dem paradeise ward gepildet vnd gomachet 107 5
Er ist nit weyss der got sein handtat schwächet 143 a
Bo hoeher adl sich an tagend schwächet 144a
acht. Der alle ding so wol bedacht 133 5
Herr künig des trawmes gedacht 90 b
Got selb im wierdschafft hat gedacht 91 b
Nun hört wes ir dy fraw gedacht 98 a
Bo was vor kunst ee got der weide ye erdacht 30b
Gar alles das got ye gemacht 24 b
Ir kayser ir kunig ir fürsten herrn nw betracht 48 a
ad. Ich lag in meynes schlaffes trawin ich sach gelückhes rad 117a
Trew vnde lieb die khamen payd auf ainen grad 61 b
Vol pist junckfraw aller gnaden 12S b
aß'. Sibill ob ich dich straffe 13 a
Der tod der sprach ich gleich dich zw ainem affen 123 a
Das hab vnns herr beschaffen 40 a
Bie sich der hymmel sey beschaffen 675
Sünder dw solt dich lassen straffen 116 a
aft. Ain seliger wirden haft 43 a
Ist yeinant weyss in maisterschaft 1335
Gesangk ist ain weise maisterschaft 1745
Ich sung ewch geren von ritterschaft 1315
Es lauft! ain wunder in der weit mit grosser kraft 39 5
Got der verlech künig David das er mit kraft 132 5
Welich man durch abenteur in frömden landen staft 335
ag. Dw pluender freudenhag 30 a
Joseph da in einem thuren lag 90 a
Dar nach wol an dem fünften tage 95
Eys vnde sehne aus wage 41 5
Es sol ain freunt gen freunten nit vil pagen 1435
Er gunde fürbass fragen 13 5
Die jungkfraw sprach davon hiet ich euch vil zu sagen 73 a
Dreyerlay leutt sind auf der erd davon wil ich ewch sagen 118 a
Nun hört ir Juden ich han Phylatum des gefragt 795
Er sälig ist betagt 64 a
ah. Got Hess sich in dem gartten vahen 162a
ai. Zw hand erschein ain adeleiches adelay 39 a
Ein wunder von der craft entwaich 9a
Ai junger vogel dir ist dein schnabel vil zw waich 13/ 5
390
Dr i g n a z V. Zi nge rl e
Der künig sprach mit layde 13 5
Ir mergkhet wer mich des beschayde 67 a
Wir müessen alle an den rayen. 1625
Ain vberkronten rayen 4) a
Die sunn begundt sich naigen 32a
Johannes goles Schreiber zaiget 1635
Gott aller weit zu haile 165
Got het am dritten tag vrtaile 170a
Maria wurczen alles hailes H2n
Der ewig flueeh hat sy begaylt 06a
Mergkh jungkfraw rain 148 a
Ain hauss auf ainem perg erschein 1185
Ein stern von Jacob erschain 90a
Antburt ward im alaine 131 a
Ich wayss mir zway genössleiu klaine 1195
Ich kam wol für ain stat wass klaine 113 a
Mich wundert digkh wie es got damit maine 144a
Aus gottes herezen raine 315
Dy helle gluet ob aller hitze wiget hais 385
Ee got der erden krays 47 5
Ich such gnad heyliger gayst 23 a
Ein vrsprung aller künste hocher maister 1 a
Mainschwerer wisse das der ayd 129a
Feronica erschrackh vnd kham in aribait 83 5
Es ist ain pöss gewonehait 129 a
Was sol tugent zucht vnd er was sol beschaydenhait 1175
Das spiiehe bild pezaiget vnns die falsche jüdischhait 18 a
Wie dich das wunder vmbe jait 100 a
Nw mergkhend die grossen kraft vnd auch die wirdigkait 21 5
Der hie empfacht die heyligkait 26 a
Drivaltigkait 173 a
Ich man dich herre wol an die höchst dryveltigkhait 71 a
Da got ainfaltig wont in seiner ewigkhait 305
Got wird vnd crc hat gelait 17 a
Ich pitt dich hoehgeporne muter raine maydt 705
Maria muter hochgelobte raine mavd 1385
Den val herwider wenden soll ain raine maydt 1395
Des wol dich mayd 147a
Dort zw Jherusalem da ward gekauft ein mayd 73 a
Dy ander gab des hcillung geist ist schan perait 1735
Ain gans ain schaf ain kalb in zorne was berait 33 a
In gottes thron da hueb sich ain gespreche prayt 61 a
Ich vand ain hayden prait 6a
Der kayser sprach zwar mir sind frömdc mer gesait 76a
Moyses dir wirt von mir gesait 100 5
Ain ycczlich weyser lob den rainen frauen sayt 146 5
Bericht über die Will euer Meistersängerhandschrift.
391
Gar vnverczait 173 a
Da got in seiner ewigkaite 167 a
Lob sey dir ymmer haytter 42 5
al. Phylatus sprach hört hayden Juden vberal 79 a
Der hymel tugend der köre schall 24a
Man höret aber reichen schal 143 a
Phylosian den furt inan auf des kaysers sal 78 5
Der wunderwergkh sind ane zal 26 5
Der edel furst kam wider palde 133a
Er ist nit weys der glubde nit wil behalden 143a
Got kam zum andern male 16 b
Ze Rome stund gemalet 11a
Hin schifften sy mit reichem schalle 134 a
Auf fuer die maid mit reichem schalle 168 a
Dar vmh so sold sich hueten payde jung vnd alt 38 a
Junckli edelman wildw mit wierden werden alt 133 b
Wer ist der gartner alt 7 a
Gott hat gewundert wunderlichen manigfalt 30a
Fraw er die hat geprechen vil ir klag ist manigfalt 118a
Die wunder sind also gestalt 100 b
Josepfh der gwan so grossen gwalt 91 a
Ain fuchs ain wolf ain esel giengen für den waldt 33a
am. Der lug diel) reycher schäm 3 a
Durch mynn gen kriechen kam 6a
Nach solichem layde kam 3 a
Dar vmh got auff die erden kam 13 b
Wie schier die mere für den selben kayser kam 76a
Die trungkenhait er an sieh nam 1425
Irdisches paradeyses wunn ist weyb dein nam 141 b
Weyb'süesser nam 1485
Saturnus der vernam 65
Der gartner vcrnam 3 a
So ist der pfafhait nam 43a
Anthilophus ain thier genennet ist mit nam 345
Dye sexte gab des heillung geist ist lobesam 176 a
Ich gleich das wort der gallen vnnd dem honigsam 37a
Ich man dich an die zwen vnd sibentzig namen 1015
Der götlich flamm 89 5
Dw pluender säldenstam 31 a
Durch deiner keusche stamm 45 a
Magd deines herczen wamm 45 a
Maria raine gotes amme 171 5
Got vater sprach lat ewren ammen 110 5
Cliern vnd schallen mit dem stamme 415
Aus edler erden thamme 52a
392 Dp. Ignaz V. Zingerle
an. Credo in vnum rächt der briester löblich an 20a'
Hilf herre got ich heb in weybes giiete an 146 a
Ein esel fand ain leonhaut er zoch sy an 486
Ain vppig kalb pot ainein leoen kempfen an 55 4
Durch meiner frawen willen so wil icbs lieben an 68a
Ist er ain got dw solst in lassen betten an 77a
Der kayser warff sein äugen auf er pligkht in an 854
War vmb solt ich schweygen dann 145 a
Phylosian trat in ain scbef vnnd für von dann 776
Der furst geseg die Juden nicht er schied von dan 85«
Vyrgilius gieng furpas auff den perg liindan 36a
Pilatus muest gefangen für den kayser gan 86 a
Ains morgens frue durch abenfheur wolt ich gan 138 a
Bie die planeten gan 63 a
Chain liecht die sterne han 50a
Wer sein guet mit eren hat der mag es gerne han 116 6
Ain maistersinger der sol han 136 6
Sy namen guet mit in als vil sy wolten han 35 6
Der hoche turn pauet der mues layter han 33 6
Was alle mayster han 46 a
Ist yemant hie der mir den gartten ausricliten kan 296
Herr Frawenlob ir sult von euren kriegen lan 69a
Bas weyb vnd man 148 a
Vernünftig weys vnd wiczig man 17 6
Was sol ain man 150 a
Mich fragt ain man 147 6
Wie möcht ain man 149 a
Ich wil bewaren daz die frawen pesser sind denn man 696
Hör reicher man 1496
Der selbe kayser was so gar ain frummer man 746
Ilörstw nun thummer man 3 a
Ich wil dir ratten gerader man 9 t 6
Ncmbt war ir vngelerten frauen vnd ir man 19 a
Wort ist gewalt damit man wol zwinget den man 376
Da synn dryfaltig got aus seinem herczen ran 31 6
Mergkht jn der weide so kan es nyinmer wolgestan 386
Wan got zw seinen jüngeren sprach als ich verstan 1026
Die frawe sprach das sey getan 98 a
Das hat got alles wol gethan 136 a
Kind wisse sunder wan 45 a
So sprich ich sunder wan 44a
Da nun der furst den streyt gewan 1326
Die herren aus teutschem lande 53 a
Auf fuer ein maget wandeis ane 1686
Den schilt er da zw rugken schwang 132«
Sibili ist es ergangen 13 a
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
393
Der khinig des himels anger 125 4
Da ward die keusche maget swanger 164«
Zw dem hören stuent ir gcdanckh 103 a
Phylosian ich will dir ymer sagen dangkh 764
Rosenkrantz hab ymmer danckh 95 4
die musica ain anefanek 1744
Astronomia lernt der planetn gangkh 33 a
Vnd Mars mit seinem hertten gangkh 28 b
Do er mit dem khrutze dranekh 102 a
Hör meinem gsangkh 64 b
Mit witzen twanekh 130ö
Mein muet mich zwangkh 63 a
Do Adamen ward sein leben kraneke 166 a
Ain fruchtig purd Sand Annen 49b
Dv arczt bist dw der kunst verirret vnd verganst 34 a
Da ich das bild entworfen fand 17b
Der künig von khriechen nams in die hant 103 Ä
Phylosian der nam Pilatum bey der handt 78 4
Mergk vnd frew dich dw menschen hant 28a
Da sprach ein tewfl so zw hant 944
Dar zarte got ir payder hercz gar wol erkhannt 139 4
Da got erkandt 174«
Ein wunder in der weilte fort durch alle land 394
Ich kam nach ainem Wasser hin wol an ain lanndt 1374
Loh in gesanges lant 444
Die erste freye kunst ist gramatigkha genant 32 a
Idea was genant 34
Tarquinius was genant 6«
Teulus was genant 64a
Die Herte (gab) des lieillung geist die ist genant 173 4
All unsere ding beschlycssent sich in schlaffes pandt 344
Got hat den .luden ainen maister dar gesanndt 734
Phylosian het vil der poten ausgesandt 83«
Die parmung die gerechtigkait da überwant 62a
Ain maler maldl; an ainer wandt 174
Got dir Maria ist erkhante 116«
Den garten den ich main das ist die weide gancz 29 4
Auch tet der sunden pflancz 47a
Wa sich nun sey in wunne ganeze 68 a
ar. Ain loss das was gegeben dar 904
Do stuend der walt gar fewrfar 100a
Ich han die hymel alle gar 234
Das recht ist Iayder in der weit verschwunden gar 134a
Synn alle ding kan tichten vnde wegen gar 31a
Gesangkh ist durch floriret gar 144
394
Dr. I jf n n z V. Z i n ge r I e
Ich solt dir singen alle iar 275
Was prueder Perchtolt hat geret vor manigem iar 120«
Sy sprachen jungkhfraw wer die red genczleichen dar 755
Drey fürsten klar 131 a
Die sibent gab des heillung geist ist also klar 177 5
0 jungkfraw klar 147a
khunig Reymar 122a
Dw prtinn vnd hayles mar 51a
Herodes fragen thet die kiinig lobepar 60 a
Ich hab in meinen synnen das vnd ist auch war 140 b
Man fragt wo got behauset war 1265
Philosophia zwar 63 a
Sibilln sag mir wäre 125
Marie kamen laidc wäre 1645
Maria ich zw straffen wäre 1115
Ich wais khain ding das grosser sey vnd auch der sei so schwäre 105a
Alchimia dw khunst verpargen. 1125
Da Hess der hochgelobte stender ainen schwärm 61 5
Sünder du solt dir lern erparmen 165 a
Der leo hat drei art 5 5
Geseng mich heut ain vrsprung aller guten art 705
Des pellicanus art 46 a
Ban nw die vart 66 a
Ich sarg nur auf mein hinefart 128 a
Da trat herfür der alte Annas auf der fart 805
Maria pluender gart 121 a
Ee hymel vnd erd vnd wagkh ye ward 8 5
Vnbegreitflieh sach nie griffig ward 1275
Der kaiser liess sich thaufien das er glawig wart 875
Ain alter leithund ainem kind gegeben ward 57a
Ein spiegl klar in ainem miste funden wart 345
Longin ain plinder ritter der gesehent wart 83 a
Maria zart 1215
ns. Vor langen zeyfen fuegt sich das 135a
Phylatus sprach her furst ich will euch sagen das 80 a
Ber nun well wissen das 435
Ich hin gewandert durch die land war vmb ist das 136 5
Die weit die sprach nun sag an war vmb thuestu das 58a
Der tugent ain volles fas 102 a
An allen hass 174a
Da trat herfür der Juden pischof Kayphas 80 a
Der edel waise Lucas vnd her Cleophas 82 5
Phylosian mein lieber freunt nun bis nit lass 77 a
Den dritten schilt ich Sathanas 94 a
Conrat von Wirczpurg pas. 47a
Bericht über die Wiitener Meistersäugerhandschrift.
395
Moyses der fraget fürpas 100«
Der selbig kayser Co so ras 8«
Kunigk Artaws zw tische sass 103«
Ein kayser vor gewaltigklich ze Home sass 74Ä
Do got bey got gotleiclien sass 135 S
Phiton ain sehlange was 3«
War ich als Absalone was 98 b
Czerus ain künig in Persia gewaltig was 48 a
Da Lucipfer verstossen was 15 b
Da nun die hei erpawen was 93 b
Der ewig got in wunder was 9a
Da nun Saternus was 43 b
Dones ain maget was 4«
Ir hört wie got erzürnet was 90 a
Bo synd nun pryester mer als prueder Perehtolt was 120«
Moyses da fürpass sprechen was 99b
Mein fraw die aller schonest was 104a
Smel vnd die zyrckclmasse 175 a
Geoinetria kunst der masse 112S
Schon vmb die stat so gar ain strasse 115 a
Phylosophya hat dich lassen 112 b
Vor do lewte pey ainander sassen 108 a
at. Wolt ir nw hören wie es vmb die rede gat 35«
Geseng mich heut der got der mich beschaffen hat 69b
Dw pist ders als beschaffen hat 144Ä
Gerechtigkeit die parmung vberwunden hat 35 a
Her Daniel geweyssagt hat 27 a
Mich wundert wie mich lat 5b
Sathan sprach lieber maister lat 93 a
In deines herczen plat 46b
Her wider kam das teuflisch gesinde drat 36a
Dye fünfte gab des heillung geist ist gotlich rat 176a
Er wirt erkorn das man in setzet in den rat 134a
Symon ain purger redt auss der gemain ain rat 81 b
In der epistl allem volgkli der briester ratt 19 b
Der kayser sprach nun wo ist mein getrewer rat 86 h
Rain Ananias schreybt mit rat 27 a
Hin furpas ich da trat 6 b
Das edel mensch der Lasarus herfüre trat 81 b
Ee das sy für geeichte trat 97 a
Syn ist ain stul darauff das mer vnd weide stat 31 b
Ir edln secht wie stat 4a
Dem edln wol anstat 4b
Der wendigkh hymel hat nit weyl an kainer stat 38 a
In Kriechenland Athenis in der haubtstat 33a
Welich herr bezeinet stat 4b
396
Dr. Ignaz V. Z i n g e r 1 e
Ich bitt dich herr zw lohe deiner trinitat 74«
Des schmech nicht armer tat 26
Svnst man in fand w Bethlehem in dynner wat 60«
au- Fraw er will lassen schauen 16a
Die allerschonst jungkhfraue 524
Judas wildu mir geben zu kauffen 164«
Der edel furst begundt sich rauffen 153 4
Die red ist ane laugen 114
Johannes sagt vnss wunder durch sein taugen 109 4
Ich wil bewaren daz frawen vil was den mannen taugent 69a
Ain ewigkronten paume 54 a
Ich kam für aines fürsten haus 26a
Der tod der sprach wie ser dir ab mir grauset 122 4
Maria muter mayd vnd aller enge] fraw 59 4
Trost hilff mein hoffen fraw 6a
Auf fuer die himelische frawe 1674
Nvn genüegt mich wol sprach dy jungckfrawe lila
Gelobet seistu hymelfrawe 171a
Maistergesangkb liess ich vor aneschawen 106a
Drey kiinig woltten gottes macht anschawen 110 4
az. Dy kunst geometria leret vnns die mazz 32 6
e. Es sas in Jenice 44a
Nun hört her fürste noch wellen wir ewch sagen mee 82 4
Phiton Saturnus sehnee 34
0 mayd dw pist der see 514
Do schueff ave 654
cb. Nun hör an pild vnd merckh mich eben 974
Das gradual vnd auch der versch nw mergket eben 20 a
Der sunne schein hat Mariam vmb begeben 1094
Der schlangen ist begeben 45 6
Sand Vrban dem ward furgegeben 1426
Der ayd ward vns durch recht gegeben 1296
Dar nach so ward ain l'ruintl (?) geben 135«
Zu bandt ward im vergebe» 151a
Er ist nit weys der trew vmb trew nit gebet 143 6
Wann ich bedengk mein krangkes leben 256
Gott vnd auch ich in freuden schwebt 246
ec. Der reych der sprach her tod solt ich mich rechen 123 a
Johannes herr dein lob ich spreche 165 a
Des morgens da man solte stechen 1556
Ir edlen hern sprecht 4 a
Der tegel soll drew egkhe 41 6
Des strausses äuge liegkht 45 6
Dar nach singt man commun vnd die collect 22 a
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
397
tf. Man sagt vns vil von grosser maysterscheffte 1224
eg. Wu hör ich wol man wil gesanges mit mir pflegen 68 4
eh. Also möcht noch gescliechen 7 a
Was wirt geschehen 173«
Ich glaub das kainem mann nicht vbel mug geschehen 142«
Der kaiser sprach das muess geschehen 97«
Was die propheten habent gerett das ist gescheehen 133«
Maria die begunde jehen 674
Herr Movses tet den Juden jehen 27 h
Jehannes hat noch mer gesehen 163ö
Der fiirste sprach ich sag ewcli red dy sind gar schlecht 81 b
Virgilius der gieng hin aufl' den perg gerecht 3S b
Sibilla ist es gerechte 124
Ein Iawtre peicht gerechte 130«
Nu merck ain armer sunder rechte 172«
Jochymes tochter vnd ain khind mit rechte 109 b
ei. Stadeckh vnd in turney 101«
Centurius ein ritter stuendt da nahent pey 8i «
Dy höchsten patriarchen drey 28«
Loh hand die edlen fürsten drey 24«
Die vierd geometrey 7«
Ich ste dahie durch raine beyb 18b
Nu wol dich weib 149«
Das hauss gleicht ainem raiuem weyb 119«
Priester von schuld dich reyten sollen siben weih 334
Ein raines weyb 148«
Wie recht geleich 66 4
Gar truebikleich 131«
Got hat die werden man erhöcht gar wirdigkleich 141«
Ich kam in ainen garten der was wunnigkleieh 29 a
Feronica dy nam das antlitz wunnikleich 88«
Gnadenfeur verleich 31«
Ey wie gar tugentleieh 114«
Vnd hiet ich sibenzig kunigreich 984
Den Luciper in himelreich 924
Die jungen herrn all geleiche 1544
Sibill sag mir gleiche 12«
Herodes traumpt ain träum gar wunderleiche 1104
Die frawe sprach gar tugenlleiche 155 4
Seyt gotwilkhum ain maister tugentleiehe 108 a
Der edel kunig in Frangkhenreiche 71 4
Der edel kunig aus Franekenreiche 155«
Do nu der edel graf so reiche 152«
398
Dr. Ignaz V. Zingerle
Drey kinig Sachen ain palast der was reiche 110«
Was so] ir grosses guet der reichen 113«
Die fürsten des geerbten reiches 1115
Meins tichtes span besehneyd 47 «
Ich lob dy maid vnd auch ir khind sy peyde 107«
Vil dinges ligt den frawen an das sy nicht sanfte leiden 107 5
Vns sagt die gloss der taugeneye 1625
Auf fuer die maget wandelsfreye 169«
Vernym dw edler freye SÄ.
Klang nach der kunst durch suesse simfoneyen 1 6
Yedoch will ich erfreyen 41 «
Da ist vater sun ain got gedreyet 1S8 a
Mit kunst man alle masse gar begfeiffet 2 «
Da lag ez ye piss auf die weile 166«
0 weyser man spar nicht das hayl der sele dein 36d
Ich kham für ainen holen perg ich ruefft vil laut hin ein 117 b
Johannes saeh in lichtem schein 1265
Der herr het im erzogen ain klaines huntelein 49«
Satlian sprach lieber maister mein 93 ab
0 mueter mein 146 5
Dw solt nit weinen das got hab gelitten pein 38 4
Sleuss auf der fügend schrein 5 b
War aller kunste Schrein Sla
Weyb ernschrein 1484
Virgilius die künste sein 96 a
Nu sullen wir kurtzweilen vnd sollen frölich sein 685
Ain pam parat weys soll sein 144«
Da nam er von der kirchen sein 26 5
Wie möcbt es sein 1475
Mein frydel was gerumet sein 235
Ain hundt der sprach mein herr vnd der will jagen schwein 564
Die Juden erschragkhen sere vor des kaisers swein 78 «
Sibilla der wicze deine 15a
Sibill der kunste meine 12«
Der sun der sprach herr vater meine 161 a
Auch Aristotiles der greysse 1125
Der kunig sprach ich preyse 115
Almachtiger schepfer den ich hoch ob allen kunigen preyse 109 a
Zwelf h bedeuten zwelf hone weyse 8«
Da sprach der edl künig weyse 72a
Herr Symeon der weyse 150 5
Salman in seiner tugent weyse 1585
Maistergesangkh den sol man pilleich preysen 119 4
Den jiigermaister wil ich preysen 119 5
Weib dein durchleuchtigkleichez preysen 156«
Zwischen irer prust da leit 18a
Bericht über die Wiltener MeistersÜngerhandsclirift.
399
Alein füert er den ersten streyt 131 6
Got vater sprach ei reicher das sey dir verseil 103«
Das triben sy vil manige zeit 93 b
Es nahent der zeyt 66 ns
Saturnus in der zeyte 33«
el. Got sant sand Gabrihele 29«
Aus vnnsers herczen schwell 47 b
Ist yemand hie der singen well 18 b
Wer kurczweilen well 7b
Magd höchste freuden zell 30«
Eyn maister hat drew eile 7 b
Ain maistersinger der sol han drew r vnd auch drew eile 1366
Wan nun geschaffen wurd die helle 676
Wol viertzig eilen 1736
Phylosian der fiirst vnd auch der werde held 776
Also halbiert sich ir gezelt 776
em. Maria rainer gotes tempel 1716
en. Vnd was das nicht ain reich vrstend 128«
Got anfang vnd auch ende 43 «
Moyses ich wil dich senden 17a
Ich wolt mein armuet gern wenden 66 6
So hat der prech volendet 33 6
Auss ernreieher pforten wart gesendet 1236
Sünder gedenckh 150«
Ain junger man gedenckhe 1296
Ein wein der wart geschenckhet 1136
Wist red der kunst war vnd vnwar erkhennen 1«
Er ist nicht weys der weyshait nit khan kennen 142 6
Syn vnd siild ir art wil ich ewch nennen 124«
Maniger sich maister nennet 7«
er. Das vierde stugkh das haysset reichtumb an guet (vnd) er 39«
Wirst dw geleczt durch frawen er 18 6
Nw pist die tafel her 506
Ich Frawenloh ich kam durch frawen willen her 68 6
Pilatus ze hant sprach ir edlen Römer her 81 «
Vnns sagt nature ler 45 6
Das ewangeli ist ain hoche weyse ler 20«
Mein hertz gedacht in maniger ler 1346
Der kayser fuer hin auf dem mer 96 6
Der fürste sprach Longin ich dangkh dir gueter mer 83«
Pfeyffer paucker pusawner 95«
Da sprach künig Luciper 94«, 95a6
Die Juden erschragkten vor der red vnmassen ser 796
sitzt), d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. IV. Hft. 26
400
Dr. Ig-naz V. Zingei’Ie
Das muet den teufl also ser 10«
Tiberius der kaiser was erzürnet, ser 88«
Sechstausent vnd sechshundert ser 132a
Dar nach her Jupiter 3 a
Retorica die verbt 62 5
Got warchte ein werch 66«
E ane vieng hymel vnd erde 9 5
Er liess gepieten das sy triitten von den pferden 845
Freyt euch ir cristen werden 123 5
Des hab got ymmer lob vnd ere 1605
Vrlaub so nam der engel here 167«
Man sagt mir von geselleschafft daran ich mich nicht khere 1045
Noch sind der reichen gab vil mere 137 5
Got kam vnd was erzürnet sere 10a
Das muet den teufl also sere 10 «
Das heylig grab ze were 33 5
Ir klarhait pran als ain luceren 128a
Welicli fraw sich selb wil eren 16 a
Amon gepar in hohen ereil 1385
Junger man ich wil dich leren 1135
Sand Michel sprach ich wil euch leren 170 a
Ir alten man ich wil ewch leren 116 a
Dy maget sprach den kliünig wil ich geweren 123 5
Khain woleken mag den prunne nicht verscren 1085
Die hohe kunst des virmamenten speren 2a
Das alle paum zcrprocheu weren 1435
Sand Berenhart spricht der lerer 405
Gesanckh ist vbcr ander kunst getcwret vnd geeret 1055
Er ist nit weys der alte Ieut vneret 143 a
Wer straffet mich durch erge 41a
Dye siben gab des heillung geistes ewen merck 175«
Wie weysleich sich gepern 63 a
Gesangkh ob aller khunst ain stern 14a
Aus Jacob prehender stern 50a
Do got der herr 1725
Gracias agimus haist dangkh sagen wir dem herren 205
Mayd des glibes gert 505
Nygramanzia lert 635
Gramatica die lert 62a
Nun hört was sy den rilter lert 97«
Ein liecht sich selber tert 5 «
Brief vnde sigl haben lang gewert 135 a
Maria die vil keusch die wert 1275
Her pfennig was ir wunder thut ir seyt ain tayl zw wert 116 5
Wie in der mayde hercz 636
Maistcrgesanckh erfrewt noch manig hertze 1066
Dye gothait sprach auss edlem hertzen lila
Bericht über die Wiltener Meistersängerhaudschrift.
401
es. Von der natur hab ichs gefunden vnd gelesen 374
So nw der briester hat da von gar aufgelesen 21 4
Ich Regenpogen ich wil der annder kempfer wesen 69 «
War synne nicht der sald war gar vergessen 1244
Uns sagt die geschrift ez war gesessen 1S1 4
Ein edler künig was gesessen 71 a
Ain hoher wiert der was gesessen 161a
Ich bin aufierem pfat gesessen 119 4
Der rosen reysen aus este 1144
Auf fuer die maget schon zu reste 1684
et. Ir höret wie der kinig tet 91 «
Dy dritte potschafft dy was also stete 124«
eu. Aus schwebl pechcs feur 54
Gaist vater sun ain got geheur 72 «
Wo kelte vngehewr 634
Hört wie nature steur 444
Nu mercket mich ir lieben leute 162a
Der edel fürste ward erfrewet 1524
Welch fraw ganczleich vnstatigkait auss irem herczen rewtet 108«
ez. Zart fraw ich setz 149«
ib. Was in der heyligen kristenhayt ye stet geschriben 141 «
Der paum tregt rosen siben 64
ic. Kirieleyson das spricht herre erbarme dich 19«
Ich frag dich weyb ob dw doch selb erkennest dich 141 4
Der künig von Hungern so frölich 104«
Bol her an mich 130 4
Ich kam dahin sy empficngen mich 22«
Sünder hör mich 1494
Der kinig von Spang sach vmbe sich 104«
Liepleich dw edliir sich 5«
Got ist gewesen ye vnd hat kain ende nicht 30«
Sünder dar vmb verczage nicht 25a
Pin ich entworffen nicht 47 a
Her Salomon der spricht 5«, 46 4
Ain maister maisterleichen sass mit werch ob seinem tichte 109 a
Datz duncket mich ain krancks enwichte 172 4
Sol ich ewch nun die stat aussrichten 1154
Ich sach ain thier in greyffes pligckhe 67«
O herre was dw wunder mit dir selber hast geschickhet 109 a
Die höchste wart durch plyckhet 114«
id. Er ist ain kunstereicher sclunid 234
Dar nach kam er hinwider 1504
26
402
Di'. I g n a /, V. Zi ng e il e
ie. Das man solt schinden die 444
Moyses an einem perg auff gie 99a
Dw sprichst dw seyst ain maister hie 28 4
Weyt vnd hrait hoch vnd tief 244
Die höche zw der tieffe 115 a
Für trawren ain grosser freydcnspiegel 124 4
Da sy nu für gerichte gieng 974
Im tempel auffgieng 89 a
Ir hört wie es darnach ergieng 964
Ain wort aus dreyen personen gienge 160 a
Von freunten nam ich vrlaub schier 224
0 sücsscr got der gnaden dein hab ich begier 74a
Ein vass darin man conficieret 125 a
Dem kaiser stuend hin haim sein gier 964
Nw wolt ich sein ain thier 4a
Auf fucr die maid im kor dem vierden 168a
Der kaufherrn waren viere 1534
Aller maist gwan kraft ir hiern 29 a
Auff spechen spruchwort vnd red florieren 1 a
Wie sich die zall gepiert 624
Mir vnd der affin ist geleicb, wan dy zwey kind gepiert 117 a
Wie sich lasur gepiert 63a
Got griess dich tugenthafter wiert 92a
Der ritter thet was sy in hiess 97 4
Ave nicht lies 65 4
Ain zuekherprunn nach hails geniesse 125a
Send das got aller menschen diet 84
if. Johannes der wolt han durch griffen 1594
ig. Got sprach nature rigel 444
Der in der flammen tigel 42 a
ßer wegkht mich auss dem schlaffe wann ich sanft will ligen 137a
il. Wer hundert iar auf erden zu rechten raben spil 8a
Sangkh vnd der sayten spil 624
So gar subtil 1464
Kunst der nature will 46 a
Wer siiesser rede allezeyt gelauben wil 121 a
Sibcn sund ich nennen wil 154
Wer mit der zal der schaff voren wolffen liüeton wil 1204
Sangkh ist der ziergklmass ain zil 144
Ain yegklich don der hat aus Musica sein zil 33 a
Den hymel got geseczet hat in wares zil 374
Der tod der sprach klnün es nach meinem willen 123 4
Das khreutze prayt das was der schilt 132 a
Es lebt noch maniger der da schildte 172 a
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift. 403
im. Zw lob der maget ymmer 32a
in. Der weise man sprach vnder in 964
Do auf der eselin 24
Netanabas trug sin 4 a
Das wunder wundert manigen sin 27 4
Der tag ward aufgelayt mit siben künsten sin 6t «
Mir riet mein sin 63 a
Mir truebet ser mein herez leib mut vnd auch der sin 374
Ich wil mir machen ain muter die ist vor mein kind 140 a
Da namen sy ain vrlaub von dem hofgesind 604
Nw mergket mer zwelff stugkh die nicht zu loben sind 39 a
Wicz vnd vernuft ist in der weide gar ain wind 364
Ain maid auss Jesse hat gepert ain kinde 110a
Ayn weyser arczt von schulden der soll alle ding 34«
Das hauss ersach ain jungeling il9a
Der zungen Schlüssel ist dertugent ain vrspring 133«
Wer kemphen well in ainem ringe 1364
0 starker got nun hilff das vns gelingen 110«
Dem grauen mocht nicht misselingen 1344
Seyt pfeiffen geigen mich vor hohen fürsten wil verdringen 103«
Man spricht zw mir ich solle aber singen 103 4
Die frag will mich bezwingen 12a
Da vss rörn noch auss saytten nymer gueter lob erklinget 108 «
Fraw nun pistu ain küniginne 111 4
Auf fuer die edel kayserinne 169«
Magt aller hymmel kayserinne 1704
Ain puech ward aussen vnd innen 43«
Ain wort das was in anpegynnen 163«
Do muest der edel furst entrynnen 132«
Ain maister hat herpracht mit synnen 139«
Schon vberkrönt mit synnen 31 4
Ain Wächter an der zynnen 126«
ir. Heyliger geist rat fürpas mir 23«
Der fürste sprach Feronica nun höre wol mir 83 4
Do sprach der heylig geyst zw mir 26«
Dar nach vil schir 131 «
is. An dem hören geschriben ist 1034
Ir mergkt das er begangen ist 27«
Des hoffet nicht mein list 46«
Vns sait der maister list 44
Geometria mist 624
O priester ob dw pist 434
Ich bitt dich vater Jhesu Crist 22 4
Nun hör an mensch dw cristen 130«
404 Dr. Ignaz V, Ziugerle
it. Die trungkenhait die hat den sylt 142«
Man sagt vnns wie die heyiigen martrer hand erlitten 146«
Zw in sprach ich mit gueten sitten 225
iz. Ain kauffer der gundt zu im sitzen 154 a
Der künig wil gericht besitzen 1655
o. Phylosian der dangkhet zwar den Juden do 78 a
Kunig Artaws der sprach also 1035
Joseph vnd Nicodemus sprachen paid also 82«
ob. Venedig ist ain guete stat die hört man loben 35a
oc. Sibill die hat gesprochen 11 «
Sy trueg in vnversprochen 29a
Der marner auff dem chockhen 113b
oe. Got gunt der schlangen sere droen 105
og. Sein geist der kam so hoch geflogen 163 a
Ich Regenpogen 645
ol. Die cristenhayt sy loben sol 131 5
Ain kaiser haist ain kaiser, das er kiessen soll 485
Dy vierde arismetrien man seczen sol 325
Da zwischen sicht man wol 21«
Das beyspild das bezeug ich mit den heyiigen wol 1385
Der sun der sprach wo sol man holen 161 5
Phylatus sprach ir Juden redt was ir wolt 80«
Moyses gieng hin als es got wolte 73«
Da kunig Pharo nicht lassen wolde 725
Der tegen vor dem holeze 1145
om. Ein khaiser sazz ze Rome 11a
on. Darnach beraitt der priester schon 205
Der heylig geyst lert vns noch schon 25 5
Ich wil von ainer maget fron 225
Dar nach seczt man im auf die krön 1285
Geseng mich hewt das heylig kreucz vnd auch die krön 70«
Got sandt mir aus der hymel tron 23 a
Mer pal herr Symeone 151 a
In Occidens so schone 53 a
Ich lob dich Maria mueter schone 116«
Maria mueter schone 126 a
Ein singer der sol han zweliff p das er sich nicht verhöne 1365
Dem kunig enfpfiel die khrone 1145
Schliest auff dy porten aller khrone 1115
Johannes sach hoch in dem trone 159«
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift. 403
Der engel donen 121 6
Ain schöne magt durchschönet 113 4
or. Ich han die hymel alle gar erworben 23 6
Weib durch dein wierd ist tagehoren 136 a
Adam der ward von frawenleib halt nie geporen 69 6
Der kunig aus oberlande sand zw der rosn hochgeborn 18a
Chain schöner fraw ward nye geporen 144 6
Ein creatur wont in der weit ist zwier geborn 48a
Stym Wächter schell dein hören 1266
Der künig sprach la hören 136
Es ist rerlorn 646
Da sprach ain tiefl weit ir hören 936
Mein got mein her vnd schepfer nu las deinen zoren 132 6
Der fürste raiss ab sein gewant im was so zoren 83 a
Dar innen hab dein rue bis an den liechten morgen 37 6
Der spiegl hat drey forme 326
Der auserwelte seidenhort 17a
Mein höchster himelhort 101 6
Ir habt alle wol vernomen vnd gehört 886
Der fürste sprach Pilatus hastw das gehört 82a
Des morgens kham vil folckes für des schelfes port 87 a
Mein muet ward mir zustort 66
Wer ist so gar hetort 3 6
Dw edler la dein wort 4 6
os. Her Salomon ward plos 6a
Er sprach Sathan nun sag mir plos 93a
Lazarus starb da kham ain schar der engel gross 102 6
Ain klaines kalb das ward zw ainem ochsen gros 36a
Maria klare hymelrose 171a
Ich wil von hochen Sachen kosen lila, 1244
Ir höret zw ain tugentleiches chosen 107 a
Der selde Schrein ward entschlossen 114 6
Der kaiscr ward gesund vnd kert von Süchten rost 876
Do ich den hayland vnd den trost 28 a *
Yedoch hab ich godingen vnd vil gueten trost 386
Unns ward gesandt zw tröste 496
ot. Ich Regenpogen man dich dw vil zarter got 886
Da sprach es her Astriot 94a
Khünig Reymot 122 a
Der kayser sprach ich klag euch allen dise not 766
Phylatus der erschragkh vnnd kam in grosse not 79 a
Wie man mit hitze not 63 6.
Gelückes war mir not 101 a.
Der fürste sprach her kayser ich hab gelitten not 83 6
Dr. Ignaz V. Z i n g e r I e
Ein herr den frömbden hunden gern gab sein prot 56 b
Vor schrigkhen ward dy rayn die keusche die herc rot 59 a
Ich kan wol tichten an allen spot 22 a
Ain esel sprach ich wolte das ich waere tot 36a
Der fürste sas in zoren sein varb begundt sich röten 805
Des holerpaumes frucht 3 «
0 tochter frey dich grosser fruchte 112 a
Reich perender garte früchtig 114«
Ach herre got das ich an dir nit recht thue 139 a
Unns sagt Feronica das kunstereyche pucch 139«
Der zartte got der vns beschließe 163 5
Die junckhfraw die was also khlueg 1035
Marcus ze Rome schlueg 25
Da sprach kinig Weltzcwueg 935
Ich azz des hymelreiches huen 23«
Sy sprach vil edler fürst ich tuen ewch sargen puess 84 a
0 craft dein wasser sueste 425
Seyd das der mund sol wissen übel vnd guet 1335
Vnd hiet ich aller weide guet 98 a
Ich bin die mechtig frawe guet 23«
Solt ich dann wünschen aynen wünsch so wer er manigen guet 118«
Feronica dy sprach da zw dem herren guet 84«
Hastw gefider guet 64 a
Wer stolnes guet 63 a
Sibill durch all dein guete 115
Der edel fürste kam ploss von guete 152 5
Philosian des kaisers ratman essen Iuet 865
Dw pist das milde pluet 50 5
Dw weyser öden muet 35
Kinig Lueiper het thumen muet 945
Mir sagt mein muet 1495
Secht wie die lynde fruet 45
Es schwuer ain Römer fruet 44 a
ft
Wer tichten singen sprechen thuet 136 a
Meinem schnöden hcrczen gib ich schuld 925
Zwar herr die Juden gaben Pilato ser die schult 85 5
Mich reuet herr mein schulde 40 a
Zve Marien ward ain saldenreicher tag genum 585
Vil wort an nutz die kunnen nymant wol gefrumen 37a
Ich stuend ob aines grabes gründe 112 a
Wer mit der lere wunde 405
Ich han in meinen synnen fanden 1155
Bericht über die Wiltener Meistersängerhandschrift.
407
Vnd hiet ain man all khrafft besunder 113 a
Gots wesen stat in grossem wunder 187 4
Johannes sach so vil der wunder 189 4
Sibilla mich zimbt gros wunder i2 4
Der pilder der vernunst 46 b
Des kuniges sun der junge 114a
Johannes aus seiner synn vrsprunge 1604
Die Juden vnd die hayden schon das hauss vmbrungen 844
Nw ist die messe zu gueter masse ausge sungen 21 b
Was Frawenlob ye hat gesungen 187«
So nun das gloria in exselsis wart gesungen 19 4
Durchleuchtiger kharfungkel 494
Der sinne Spiegel wunn 474
Auf fuer die maget als die sunne 1694
Wer ist des lebens sunne 424
Ich lob ain mayd dy schwebt in hoher wunnc 107«
Da ward das spil gewunnen 404
Die trite gab des heillung geist ist gotlich kunst 1784
Ain gans die sprach sy war ain maister aller kunst 49«
Was das nit ain vil wunderlicher Salden funt 304
Der kaiser sprach was sol der vngetrewe hunt 86«
Der dritten kunste steig die sind mir alle kunt 32«
Der heylig geist tet mir noch kundt 234
Got der thet prueder Perchtholden khunt 120«
Apokalipsis geit vrkhunt 127«
Die varbe drey in ainen punt 127«
Bie hoch wie tieff bis an den grund 136«
Da synn nw flüssig ward aus gottes herczen grund 31 a
tir. Ain creatur 147«
Gee hin vnd her auss oder ain gee wider vnde für 1184
Ber pracht vnns die kröne für 92 a
So wil sich ayner mit dem andern ziecben für 134«
Wie dw empfiengst die seidenreichen hochen purd 894
Ich main daz ye icht lieber wurde 1864
Craft kreucz vnd sein figure 42«
Der maister von nature 7 4
Got Schöpfer der nature 42«
Wol syben roren die den prunnen rücren 1084
Zal nach der kunst hebt sich mit zehen figurn 1 4
In stätem furm 1304
ns. Von Persius 122«
Das thet her Tetulus 64«
Sanctus sanctus sanctus dominus 21«
Das haus das ward gebaut alsus 26 4
In Galadicb dem lande wandt ain vogcl su^s 844
408
Dr. P f i z m a i e r
Sse - ma -ki-tschü, der Wahrsager von Tschaug - ngan.
Von dem w. M. Dr. Pfizinaier.
Das Geschichtswerk Sse-ki enthält in einem seiner letzten
Bücher eine an manchen Stellen ziemlich schwer verständliche
Abhandlung, welche die auffallenden Worte ti M % 0
Ji-tsche-lie-tschuen an der Stirne trägt. Aus den Aufhellungen, die
über die zwei ersten Wörter dieser Zeilen gefunden wurden, geht
hervor, dass in dem Alterthum derjenige, der bei dem Brennen der
Schildkrötenscbale und dem Ziehen des Wahrsagekrautes die Tage
abwartete, also ein Wahrsager , mit dem Namen £| Ji - tsche,
gleichsam „ein Tägiger“ oder „Tagmann“ belegt wurde. Zugleich
fand sich, dass dieser Ausdruck, der in dem Sse-ki nur einmal und
zwar an der Stirne der genannten Abhandlung vorkommt, ausser
dem noch von -p- Me-tse (dem mehrmals erwähnten Me-tbi)
gebraucht ward, wie folgende Anführung bekundet: Me-tse sagt:
Me-tse gelangte im Norden nach Tsi und begegnete einem Tägigen.
Der Tägige sprach: Der Himmelsherrscher tödtet an dem heutigen
Tage den schwarzen Lindwurm in den nördlichen Gegenden, doch
deine Farbe, o Frübgeborner, ist schwarz 1 ) 1 du kannst nicht nord
wärts ziehen. — Me-tse beachtete dies nicht. Er zog nordwärts
und gelangte zu dem Flusse Thse. Me-tse ging nicht weiter und
kehrte zurück. Der Tägige sprach: Ich sagte, dass du, o Früh-
geborner, nicht nordwärts ziehen könnest.
Der Gegenstand der Abhandlung ist die Zusammenkunft
Hi* * Sung-tschung’s, eines Grossen im Inneren des Herrscher-
. Q3 „
*) Das Wort Td,, Me, welches der Geschlechtsname Me-ThT’s,
bedeutet „Maler
schwärze“.
Sse- ma - ki - tschii, der Wahrsager von Tschang-ngan.
409
sitzes, und des Hofgelehrten Hj" Ku-I mit dem Wahrsager
^ ^ pj Sse-ma-ki-tschü, der seine Kunst auf der öst
lichen Verkaufsstätte der Hauptstadt Tschang-ngan ausübte. Ku-I
war ein sehr begabter geistreicher Gelehrter, der in dem frühen
Alter von drei und dreissig Jahren starb und besonders dadurch
bekannt ist, dass er ein von ihm verfasstes Gedicht, eine Klage um
den Dichter Khie-yuen, in den Fluss Me-lo, wo dieser Dichter sein
Leben beschlossen hatte, versenkte. Sse-ma-ki-tschü, der einen
sehr beweglichen, hellen Geist, ferner die Gabe der Rede in aus
nehmendem Masse besass, brachte den grossen Würdenträger Sung-
tschung und den berühmten Gelehrten Ku-I in die äusserste, bei
nahe einer geistigen Vernichtung gleichkommende Verwirrung, nicht
etwa durch seine Vorhersagungen, deren übrigens keine Erwähnung
geschieht, sondern durch die ungeahnte Überlegenheit seines Ver
standes, den überschwänglichen Fluss seiner Rede und die allgemeine
Wahrheit seiner Lebensanschauungen, welche von denen der beiden
Männer durchaus verschieden waren. In dem Nachstehenden wird
dieser Vorfall nach der angegebenen Quelle erzählt.
Sung-tschung und Ku-I hatten einst an einem und demselben
Tage den Hof verlassen , um sich Kopf und Fiisse zu waschen, d. h.
sie hatten Urlaub erhallen. Sie verbrachten die Zeit gemeinschaftlich,
indem sie sich in Erörterungen über gelehrte Gegenstände ein-
liessen. Sie sagten Stellen aus dem Buche der Verwandlungen her,
sprachen von den Wegen und den Beschäftigungen der früheren
Könige und der höchstweisen Männer, wobei sie umfassende Unter
suchungen über die Gemüthsart der Menschen anstellten. Unbefriedigt
sahen sie einander an und seufzten. Endlich sprach Ku-I: Ich habe
gehört: Wenn die höchstweisen Männer der alten Zeit sich nicht
aufliielten in der Vorhalle des Hofes, so befanden sie sich unter den
Wahrsagern und Ärzten. Jetzt habe ich bereits gesehen die drei
Fürsten, die neun Erlauchten, die vorzüglichen Männer an dem
Hofe, die Grossen der Laude, sie alle lernte ich kennen. Ich werde
es versuchen mit dem Brennen der Schildkrötenschale, mit den
Zahlen des Wahrsagebretes. Was ich treffe, werde ich ansehen und
es auswählen.
Beide Männer begaben sich jetzt in einer gemeinschaftlichen
Sänfte auf den Verkaufsraum von Tschang-ngan und gingen in die
410
Dr. P f i z in a i e r
Bude des Wahrsagers. Es hatte eben geregnet, und auf dem Wege
befanden sich wenige Menschen. Sse-ma-ki-tschü sass an einem
abgesonderten Orte, von zwei oder drei Jüngern, welche ihm auf
warteten, umgeben. Er sprach in diesem Augenblicke von den Wegen
des Himmels und der Erde, dem Kreisläufe der Sonne und des
Mondes, von den Urstoffen des Lichtesund der Finsterniss, den
Grundlagen von Glück und Unglück.
Die beiden Grossen verbeugten sich zweimal und überreichten
die mit ihrem Namen übermalten Platten. Sse-ma-ki-tschü betrach
tete seine Besucher wie solche, welche er kannte. Er empfing sie
mit gebührender Artigkeit und trug einem seiner Jünger auf, sie zu
einem Sitze zu führen. Nachdem sie den Sitz eingenommen, setzte
Sse-ma-ki-tschü wieder seine frühere Unterredung in Gang. Er
erörterte den Anfang und das Ende des Himmels und der Erde, die
Unterschiede in den Aufstellungen der Sonne, des Mondes und der
Sterne, er bestimmte die Umrisse von Menschlichkeit und Gerechtig
keit und reihte die Abschnitte für Glück und Unglück. Seine Rede
umfasste mehrere tausend Worte, von denen ein jedes ohne Ausnahme
passend und wohlgereiht war.
Sung-tschung und Ku-I wurden ängstlich und waren wie aus
einem Traume erwacht. Sie haschten nach den Bändern ihrer Mütze,
richteten den Brustlatz ihres Kleides und fühlten sich auf ihren
Sitzen unbehaglich. Endlich liehen sie ihrem Erstaunen Worte und
sprachen: Indem wir betrachten, o Frühgeborner, deine Gestalt,
indem wir hören, o Frühgeborner, deine Rede, vermessen wir kleine
Söhne uns, zu sagen, dass wir uns umgesehen haben in dem Zeitalter
und Ähnliches noch nicht gefunden haben. Warum aber ist deineWohn-
stälte die Gemeinheit? Warum sind deine Handlungen der Schmutz?
Sse-ma-ki-tschü hielt sich mit den Händen den Bauch, lachte
laut und antwortete: Ich sehe, dass ihr, eine Art Grosser der Lande,
inne habt die vollkommenen Wege. Warum aber sind eure Worte die
Niedrigkeit? Warum sind eure Reden die Rohheit? Dasjenige, was
ihr, o Gebieter, für weise haltet, was ist es? Derjenige, den ihr für
hoch haltet, wer ist er? Warum haltet ihr jetzt für gemein und
schmutzig einen Älteren?
Die beiden Grossen antworteten: Ein ehrenvolles Amt, bedeu
tende Einkünfte sind dasjenige, was das Zeitalter für boeh hält. Weis
heit und Begabung haben daselbst ihren Wohnsitz. Wenn aber das-
Sse- ma - ki-tschii, der Wahrsager von Tschang- ngan.
411
jenige, wo man sich aufhält, nicht der rechte Ort, so nennt man es
aus diesem Grunde Gemeinheit. Wenn dasjenige, was man spricht,
nicht geglaubt wird, was man thut, nicht überzeugt, was man nimmt,
uns nicht gebührt, so nennt man es aus diesem Grunde Schmutz.
Was das Brennen der Schildkrötenschale und das Ziehen des
Wahrsagekrautes betrifft, so ist dies ein Beruf, den die Gewohn
heit des Zeitalters gering schätzt. In dem Zeitalter sagen Alle: Die
Wahrsager haben viele Worte, sind grosssprecheriseh und ernst, um
zu gewinnen die Neigung der Menschen. Sie erhöhen eitler Weise
den Gehalt und das Los der Menschen, um zu schmeicheln dem
Ehrgeiz der Menschen. Sie sprechen vornämlich von Unglück und
Schaden, um zu verletzen die Herzen der Menschen. Sie sprechen
lügnerischer Weise von Göttern und Geistern, um verschwinden zu
machen die Güter der Menschen. Sie trachten übermässig nach
Ehrenbezeigungen und Dank, um besonderen Nutzen zu ziehen für
sich selbst. Dies ist etwas, das wir für schimpflich halten; dess-
wegen nennen wir es Gemeinheit und Schmutz.
Auf diese Vorwürfe erwiederte Sse-ma-ki-tschü folgendes:
Möget ihr, o Herren, einstweilen ruhig sitzen. Seht ihr, o Herren,
jenen von seinem Haupthaar bedeckten Jüngling? Wenn Sonne und
Mond ihm leuchten, so wandelt er. Leuchten sie nicht, so hält er
inne. Fragt man ihn aber um die inneren Krankheiten und Flecken
der Sonne und des Mondes, um Glück oder Unglück, so ist er nicht
im Stande dies in’s Reine zu bringen. Hieraus lässt sich ersehen:
diejenigen, die im Stande zu erkennen und zu unterscheiden den
Weisen von dem Entarteten, sind Wenige.
Was die Handlungen eines Weisen betrifft, so spricht er gerade
und macht auf richtiger Grundlage Vorstellungen. Macht er dreimal
Vorstellungen und wird nicht gehört, so zieht er sich zurück. Wenn
er einen Menschen loht, so erwartet er von ihm keine Belohnung.
Wenn er einen Menschen tadelt, so kümmert er sich nicht um dessen
Hass. Den Vortheil des Herrscherlandes und der Häuser, den Nutzen
der Menge lässt er sich angelegen sein. Wenn er daher einem Amte
nicht gewachsen, so verbleibt er nicht ihm. Wenn er seinen Gehalt
nicht verdient, so nimmt er ihn nicht an. Sieht er, dass ein Mensch
nicht rechtschaffen, wäre es auch ein Vornehmer, er achtet ihn nicht.
Sieht er, dass ein Mensch mit Schmutz bedeckt, wäre es auch ein
Geehrter, er zeigt sich gegen ihn nicht unterwürfig. Erhält er ein
4*
412 Dr. P f i z in a i er
Amt, so macht ihm dies keine Freude. Verliert er das Amt, so erweckt
dies nicht seinen Unmuth. Ist es nicht seine Schuld, so mag man
ihn selbst binden und beschimpfen, er schämt sich dessen nicht.
Diejenigen jedoch, die ihr, o Herren, die Weisen nennt, sind
durchaus Männer, derdn man sich nur kann schämen. Mit gemeiner
Schmeichelhaftigkeit treten sie vor, mit gekünstelter Zuvorkommen
heit sprechen sie. Sie führen einander durch Gewalt, sie leiten ein
ander durch den Nutzen. Weil sie Ehrenstellen suchen, loben sie.
Weil sie erhalten öffentliche Beiträge, übernehmen sie die Geschäfte.
Ihres abgesonderten Nutzens willen verdrehen sie das Gesetz des
Gebieters, hetzen das den Acker bauende Volk. Durch das Amt geben
sie sich ein Ansehen, aus dem Gesetz machen sie ein Kunstwerk.
Indem sie trachten nach Nutzen, gewaltthätig wie sie sind und
grausam, sind sie, wollte man sie mit etwas vergleichen, nicht ver
schieden von demjenigen, der in der Faust hält die blosse Klinge
und bedroht die Menschen.
Anfänglich, wenn sie sich versuchen in dem Amte, verdoppeln
sie ihre Kraft, bedienen sich der Täuschung und Lüge, überdecken
mit Schmuck eitles Verdienst, ergreifen gehaltlose Aufsätze, um zu
berücken den Gebieter und den Höheren. Werden sie verwendet und
befinden sich auf einer Höhe, so sind sie bei denjenigen, die sich
neben ihnen versuchen in dem Amte, nicht nachgiebig gegen die
Weisheit. Sie legen dar ihre Verdienste und zeigen ihre Lügen
haftigkeit. Sie vermehren das Wirkliche und machen das Nichts zu
Etwas, das Wenige zu überaus Vielem, indess sie suchen Vortheil
und Macht, eine ehrenvolle Stufe. Sie essen und trinken, jagen ein
her mit Pferden, befinden sich im Gefolge fürstlicher Gemahlinnen und
junger Sänger. Sie nehmen nicht Rücksicht auf die nahen Verwandten,
übertreten die Gesetze, bringen zu Schaden das Volk, bewirken dass
leer steht das Haus des öffentlichen Wohles. Hierdurch sind sie
solche, welche als Räuber auftreten, ohne in der Faust Speer und
Bogen zu halten. Es sind solche, die einen Überfall ausführen, ohne
Gebrauch von Senne und Klinge zu machen. Es sind solche, die
betrügen Vater und Mutter und noch nicht schuldig befunden wurden,
die tödten ihren Landesherrn und noch nicht gestraft wurden.
Wie kann man glauben, dass sie besitzen hohe Gaben der Weisheit?
Räuber und Mörder kommen hervor: jene sind nicht im Stande,
sie abzuhalten. Die Fremdlander des Ostens und des Nordens unter-
Sse-ma-ki-tschü, der Wahrsager von Tschang-ngan.
413
werfen sich nicht: jene sind nicht im Stande, sie zu lenken.
Verrath und Unrecht erheben das Haupt: jene sind nicht im Stande,
ihnen den Weg zu verschliessen. Die Obrigkeiten sind verdummt und
ungefügig: jene sind nicht im Stande, sie zu leiten. Die vier Jahres
zeiten sind nicht gleichmässig: jene sind nicht im Stande, sie zurecht
zu bringen. Das Getreide des Jahres gelangt nicht zur Reife: jene
sind nicht im Stande, es zu gewinnen. Wenn die Gabe die Weisheit
ist, nichts ausführen, ist keine Redlichkeit. Wenn die Gabe nicht die
Weisheit ist, antreten ein Amt, so dass der Nutzen der Würde
geerntet wird und man hinderlich ist dem Weisen an der Stelle, ist
Anmassung der Würde. Dass derjenige, der Menschen besitzt, vor
schreitet, derjenige der Güter besitzt, nach den Gebräuchen geehrt
wird, ist eine Lüge.
Seht ihr, o Söhne, denn allein nicht, wie Geier und Eulen in
Gemeinschaft mit den Vögeln der glücklichen Vorbedeutung flattern?
Die Luftblume und die Narde werden geworfen auf die weite Wild-
niss, der Beifuss und die Stabwurz bilden einen Wald. Gesetzt der
Freund der Weisheit zieht sich zurück und wird nicht öffentlich
bekannt, so ist bei euch, o sämmtliche Herren, dies der Fall. Üben,
aber nieht gründen, ist die Sitte des Weisheitsfreundes.
Jetzt muss der Wahrsager zum Vorbild nehmen Himmel und
Erde. Er nimmt zur Richtschnur die vier Zeiten, er handelt in Über
einstimmung mit Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Er theilt
das Rohrbret, bestimmt die Abrisse, dreht herum das richtige
Fussgestell. Dann erst bespricht er des Himmels und der Erde
Nutzen und Schaden, der Angelegenheiten Gelingen und Fehl
schlagen.
Ehemals, wenn die früheren Könige befestigten Länder und
Häuser, bestimmten sie früher durch die Schildkröte und das Rohr
bret Tage und Monde, dann erst wagten sie es, Zeiträume zu bilden.
Wenn sie berichtigt Stunden und Tage, dann erst traten sie in das
Haus. Ward ihnen ein Sohn geboren, so Hessen sie früher wahrsagen
wegen Glück oder Unglück, dann erst besassen sie ihn. Seit Fo-hi
erfand die acht Abrisse, König Wen von Tschen ableitete die drei
hundert vier und achtzig Verbindungen, ward der Welt ihre Ein
richtung gegeben. Keu-tsien, König von Yue, erlernte die acht
Abrisse des Königs Wen und zertrümmerte dadurch die feindlichen
Lande, beherrschte als Oberherr die Welt. Bespricht man es von
414
Dr. Pfizmaier.
dieser Seite, was könnte das Brennen der Schildkrötenschale
und das Ziehen des Wahrsagekrautes für eine Beeinträchtigung
erleiden ?
Bei dem Brennen der Schildkrötenschale und dem Ziehen des
Wahrsagekrautes kehrt und reinigt man ferner den Boden, bereitet
einen Sitz, richtet zurecht seine Mütze und seinen Gürtel, dann erst
spricht man von den Angelegenheiten. Hierdurch zeigt man die
Beobachtung der Gebräuche. Man spricht, und Götter und Geister
nehmen einigemal die Gabe an. Der redliche Diener dient seinem
Vorgesetzten. Der gute Sohn pflegt seine nahen Verwandten. Der
wohlwollende Vater erzieht seine Söhne. Hierdurch empfängt man
Wohlthaten, und man legt billiger Weise nieder einige zehnhundert
Geldstücke. Von den Kranken werden Einige hergestellt. Von den
Sterbenden bleiben Einige am Leben. Von den Sorgen werden
Einige befreit. Von den Angelegenheiten werden einige zu Stande
gebracht. Von den Töchtern, die man vermält, von den Weibern,
die man nimmt, nähren Einige lebendige Sprösslinge. Solche
Wohlthaten, wie wären sie bezahlt mit einigen zehnhundert Geld
stücken? Dies ist es, wovon Lao-tse sagt: Für die höchste Wohithat
erhält man keinen Dank; hierdurch wird man theilhaftig der Wohl-
that. — Jetzt ist bei dem Brennen der Schildkrötenschale und dem
Ziehen des Wahrsagekrautes der Nutzen gross, aber der Dank
dafür ist ein geringer. Was Lao-tse sagt, wie wäre es davon ver
schieden ?
Tschuang-tse sagt: Der Weisheitsfreund hat nach innen nicht
die Sorge wegen Hunger und Kälte, nach aussen kommt er nicht in
Kummer wegen Überfall und Raub. Er befindet sich in einer hohen
Stellung, und ist ehrerbietig. Er befindet sich in einer niedrigen
Stellung, und thut Niemandem etwas zu Leide. Dies sind die Wege
des Weisheitsfreundes. Jetzt übt der Wahrsager seine Beschäftigung
wie folgt: Er sammelt, ohne etwas davon herzugeben. Er bringt in Ver
wahrung, und bedarf nicht der Rüstkammern und Marställe. Er schafft
von einem Orte zum andern, und bedarf nicht der gedeckten Wagen.
Der Bündel, den er auf dem Rücken trägt, ist nicht schwer. Er bleibt
stehen und macht von ihm Gebrauch. Er hat nicht nöthig, ihn ganz
zu durchsuchen. Die Dinge, die er eine Zeit lang festhält und die er
nicht vollständig hervorgesucht, wandeln durch ein unendliches Zeit
alter. Wären es auch die Handlungen des Mannes von demGeschlechte
Sse - ma - ki - tschü , der Wahrsager von Tschang-ngan.
415
Tschuang 1 ), sie könnten diesem nichts hinzufügen. Warum sagtet
ihr, o Söhne, dass man nicht die Schildkrötenschale brennen dürfe?
Der Himmel ist nicht ausreichend im Westen und Norden: die
Sterne ziehen westwärts und nordwärts. Die Erde ist nicht aus
reichend im Osten und Süden: sie hat das Meer zu einem Teiche.
Wenn die Sonne in der Mitte des Himmels, zieht sie weiter. Wenn
der Mond voll ist, nimmt er ab. Die Wege der früheren Könige
sind bald vorhanden, bald werden sie entworfen. Wenn ihr, o Herren,
verlangt, dass die Worte eines Wahrsagers Glauben verdienen, ist
dies nicht auch eine Verirrung? Seht ihr, o Herren, jenen sprechen
den vorzüglichen Mann, jenen scharfsinnig redenden Menschen?
Einer, der überlegt die Dinge, der bestimmt die Entschlüsse, ist
gewiss dieser Mensch. Gleichwohl kann er nicht mit einem einzigen
Worte befriedigen den Sinn des Gebieters der Menschen. Desswegen
muss er in seinen Worten rühmen die früheren Könige, in seiner
Rede muss er sprechen von dem hohen Alterthum. Indem er überlegt
die Dinge, bestimmt die Entschlüsse, überdeckt er mit Schmuck die
Verdienste, die sich erworben die früheren Könige. Er sagt, was
diesen fehlschlug und was ihnen schadete, um mit Furcht und Freude
zu erfüllen das Geinüth des Gebieters der Menschen. Hierdurch
trachtet er zu erreichen, was er wünscht. Viele Worte, grossspre-
cherischen Ernst gibt es nirgends in grösserem Masse, als bei diesem
Verfahren. Dessenungeachtet, wenn er erstarken machen will das
Herrscherland , sich erwerben Verdienste, darlegen seine ganze
Redlichkeit dem höchsten Gebieter, so wird dies anders, als auf
diese Weise nicht begründet.
Jetzt führt der Wahrsager zurecht den Verirrten, belehrt den
Unverständigen. Der unverständige und verirrte Mensch, wie könnte
er durch ein einziges Wort alles erfahren? Bei den Worten wird er
nicht satt der Vielheit. Desswegen können die Pferde der zehn
tausend Weglängen mit Bären und Eseln nicht zugleich ein Vierge
spann bilden, und die Vögel der glücklichen Vorbedeutung sammeln
sich mit Schwalben und Sperlingen nicht in Schaaren, aber auch der
Weise steht mit dem Entarteten nicht in Einer Reihe. Desswegen
lebt der Weisheitsfreund in Niedrigkeit und Dunkelheit, um auszu
weichen der Menge. Er hat sich versteckt, um auszuweichen den Mit-
*) Der oben genannte Tschuang - Ise.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XXXVII. Bd. IV. Hft.
27
416
Dr. P f i z m a i e r
manschen. Er lässt nicht merken, dass er nachgeht der Tagend, um
von sich fern za halten den Schaden von Seite der Schaaren, um
in’s Licht zu stellen die Angeborenheit des Himmels. Er hilft den
Höheren, er ernährt die Niederen, er vervielfältigt den Nutzen
seiner Verdienste, er sucht nicht Ehrenstellen und Lob. Menschen
euerer Gattung, o Herren, sind solche, die den Mund nach oben kehren
gleich Fischen: was verstehen sie von den Wegen eines Älteren?
Bei dieser Rede vergassen Sung-tschung und Ku-I auf sich
selbst und waren ganz verloren, während sich ihr Antlitz vor Auf
regung entfärbte. Die Wehmuth verschloss ihnen den Mund, so dass
sie kein Wort hervorzubringen vermochten. Endlich richteten sie
ihre Kleider und standen auf. Nachdem sie sich zweimal verbeugt,
empfahlen sie sich und wandelten gedankenvoll dahin. Als sie aus
dem Thore des Verkaufsraumes heraustraten, waren sie kaum im
Stande, ihren Wagen zu besteigen. Sie legten sich gesenkten Hauptes
auf den Vordertheil des Wagens und konnten zuletzt nicht mehr
Athem holen.
Nach drei Tagen sah Sung-tschung seinen Freund Ku-I vor
dem Thore der Herrscherwohnung. Beide Männer gingen Hand in
Hand fort und sprachen mit einander ohne Zeugen. Die Worte,
welche sie seufzend zu einander sprachen, werden in Folgendem
zusammengefasst: Wenn der Weg hoch, um so grösser die Sicher
heit. Wenn das Ansehen hoch, um so grösser die Gefahr. Dass wir
uns befinden in hellglänzendem Ansehen und ausser Acht gelassen
haben uns selbst, ist auch schon seit Tagen. Wenn man die Schild
krötenschale brennt und nicht untersucht, so werden nicht entrissen
die reinen Körner 1 ). Wenn man für den Gebieter der Menschen
Rath fasst und nicht untersucht, so ist für uns selbst kein fester Halt.
Diese Dinge sind von einander weit entfernt, gleichsam wie der
Himmel als Mütze und die Erde als Schuh. Dies ist es, wovon
Lao-tse sagt: Das Namenlose ist der Anfang der zehntausend Dinge.
Himmel und Erde sind unermesslich, die Dinge sind weit verbreitet.
Einige haben die Sicherheit, Andere schweben in Gefahr. Niemand
versteht es, hier zu wohnen. — Ich und du, wie sollen wir hin
reichend sorgen für jenes 2 )? Bei jenem ist es der Fall: Je länge
') Die geschälten Körner, welche den Göttern als Gehe dargebracht werden.
2 ) Dafür, dass man die Sicherheit halte.
Sse - ma - ki - tschü , der Wahrsager von Tschang - ngan. 417
die Zeit, um so grösser die Sicherheit. Hätte man es selbst zu tliun
mit der Gerechtigkeit des Mannes des Geschlechtes Tseng *), sie ist
davon nicht verschieden.
Später ward Sung-tschung als Gesandter zu den Hiung-nu’s
geschickt, trat aber, noch ehe er in dem fremden Lande angekommen,
den Rückweg an und ward desswegen für schuldig erkannt. Ku-I
ward Lenkungsgehilfe des Königs Hoai von Liang. Dieser König
verlor sein Leben durch einen Sturz vom Pferde, worauf Ku-I sich
der Nahrung enthielt und vor Kummer starb. In dem Geschichtswerk
wird hier hinzugesetzt: Diese Männer beschäftigten sich mit den
Blüthen und zerschnitten die Wurzel.
Am Schlüsse dieser Darstellung werden noch folgende Betrach
tungen Tschü-sien-seng’s (d. i. des Fi'ühgebornen von dem Ge-
schlechte Tschü), eines zur Zeit des Hauses Han lebenden Hof
gelehrten, hinzugefügt. Derselbe sagt nämlich: ZurZeit, als ich
Leibwächter war, lustwandelte ich in Tschang-ngan und sah einen
mit Wahrsagen sich beschäftigenden Grossen der Lande. Ich beob
achtete ihn, wie er aufstand, wie er weilte, wandelte und einher
schritt. Er erhob sich von seinem Sitze und setzte sich in Bewegung,
um zu beschwören. Er richtete sein Kleid und seine Mütze und
wendete sich offen gegen die Menschen. Er hatte das Benehmen
eines Weisheitsfreundes, er zeigte, dass er von Angeborenheit gern
erläuterte. Es kamen Weiber, um sich wahrsagen zu lassen, und er
antwortete ihnen. Seine Gesichtszüge waren ernst und ehrfurcht
gebietend. Er hatte noch niemals gezeigt seine Zähne und gelacht.
Seit den Tagen des Alterthums vermieden die Weisen das Zeit
alter. Es gab deren, die ihren Wohnsitz aufschlugen in den Dickichten
und an den Sümpfen. Es gab deren, die wohnten unter dem Volke,
die verschlossen ihren Mund und nicht redeten. Es gab deren, die
verborgen lebten unter den Wahrsagern, um unversehrt zu erhalten
ihren Leib. Jener Sse-ma-ki-tschü war ein weiser Grosser von Tsu-
Er lustwandelte und lernte in Tschang-ngan. Er verstand das Buch
der Verwandlungen, er folgte des gelben Gesammtherrschers und
i) d. i. Tseng-tse, der Jünger Confucius’. Wie in der Ausgabe des Sse - ki
bemerkt wird, heisst es an dieser Stelle nach einer anderen Lesart: „Mann des
Geschlechtes Tschuang“, unter welcher Benennung der Weisheitsfreund Tsehuang-
tse verstanden wild.
27 *
418
Dr. P f i z m a i e r
Lao-tse’s Spuren. Er hatte vielseitige Erfahrung, einen in die Ferne
reichenden Blick. Ich zog in Betracht, wie er erwiederte die Reden
zweier Grossen des Landes, zweier vornehmen Männer. In seinen
4
Worten berief er sich auf die erleuchteten Könige der alten Zeit,
auf die höchstweisen Menschen. Er hatle sicher keine oberflächlichen
Kenntnisse, keine gering anzuschlagende Begabung.
Solche, die durch Wahrsagen ihren Namen berühmt machten
in einem Umkreise von tausend Weglängen, sind hier und dort
einzeln vorhanden. Die Überlieferung sagt: Der Reichthum ist das
Vornehmste. — Da dasjenige, was zunächst kommt, auch schon vor
nehm, so erlernt jeder Einzelne eine Kunst, erwirbt sich eine Fertig
keit und gründet sich ein Dasein. Iloang-tschi 1 ) war ein Mann.
Tschin-kiiin-fu war ein Weib. Sie machten sich durch die Beob
achtung der Pferde 3 ) einen Namen in der Welt. Tschang-tschung
von Tsi 4 ) und der Fürst von Khio-tsching 5 ) machten sich durch
ihre Geschicklichkeit im Anfällen und Erstechen, durch die Erlernung
des Gebrauches des Schwertes einen Namen in der Welt. Lieu-
tschang-ju 6 ) machte sich durch die Beobachtung der Schweine einen
Namen in Yung-yang. Das Geschlecht Tschü’) machte sich durch
die Beobachtung des Hornviehs einen Namen. Diejenigen, die im
Stande gewesen, durch ihre Kunst und Fähigkeiten sich einen
1 ) Über Hoang-tschT wurde von dem Verfasser nichts Näheres auf
gefunden.
Pl'
2 ) Auch über
werden.
Tschin - kitin - fu konnte nichts Näheres aufgefunden
3 ) Ehemals wahrsagte man auch aus der Gestalt der Thiere. Unter den zur Zeit
der früheren Han bekannten Büchern findet sich auch ein Werk über die Beob
achtung- der sechs Arten der Hausthiere zum Behufe der Wahrsagung.
4 ) j [jp Tschang-tschung ist pj^ Ke-fu, ein alter Feldherr der
Ts eben.
war ein Lehenl'ürstenthum der Han.
7 ) Das Geschlecht Tschü, dasselbe, dessen Namen auch der oben angeführte
Verfasser dieser Betrachtungen führt.
Sse-ma - ki - tsclui, der Wahrsager von Tschang-ngan.
419
Namen zu machen, sind überaus viele. Sie alle halten die Sitte
durchgreifender Menschen der hohen Geschlechtsalter: wie sollten
sie mit Worten zu nennen sein? Desswegen wird gesagt: Der Setz
ling, den man nicht setzt in seine Erde, wird nicht wachsen. Die
Handlung, die man lehrt wider eines Menschen Willen, wird nicht
verrichtet. Bei der häuslichen Belehrung müssen Söhne und Enkel
einsehen, in wie fern etwas gut ist. Da sie sich gerne hallen an die
Wege der Fristung des Lehens, so bringen sie es demgemäss zu
Stande. Desswegen wird gesagt: Man stellt ein Dach und ertheilt
den Befehl dem Sohne: dies ist hinreichend, um betrachten zu
können einen vorzüglichen iMann. Hat der Sohn einen Ort des
Aufenthaltes, so kann man ihn nennen einen weisen Menschen.
Tschü-sien-seng erzählt ferner: Zur Zeit als ich ein Leib
wächter war, wartete ich mit dem Wahrsager des Hofes auf die'
höchste Verkündung. Ein Leibwächter derselben Abtheilung sprach:
Zur Zeit des Gesammtherrschers Hiao-wu versammelte man die
Häuser der Wahrsager und fragte sie, ob man an einem gewissen
Tage ein Weib nehmen dürfe. Das Haus der fünf Grundstoffe sprach:
Man darf. — Das Haus des geduldigen Wagens 1 ) sprach: Man darf
nicht. — Das Haus der erhöhten Stufen sprach: Es ist kein Glück. —
Das Haus der dicht stehenden Sternbilder sprach: Es ist ein grosses
Unglück. — Das Haus der Zeitrechnung sprach : Es ist ein kleines
Unglück. — Das Haus der Himmelsmenschen sprach: Es ist ein
kleines Glück. — Das Haus des Unwesens sprach: Es ist ein grosses
Glück. — Da der Streit sich nicht entschied, ward die Thatsaehe zu
Ohren gebracht. Ein Erlass lautete: Wer den Tod vermeiden will,
hütet sich vor den fünf Grundstoffen. Wer herrscht als Gebieter über
die Menschen, nimmt von den fünf Grundstoffen.
ij „Der geduldige Wagen“ ist eine allgemeine Benennung des Himmels und der Erde.
Studien zur Geschichte der allböhmischen Literatur VII.
Von Julius Fcifalik.
ANHANG.
Bruchstücke der Alexiuslegende.
Die Bruchstücke der Alexiuslegende, welche ich hier in ver
bessertem Abdrucke folgen lasse, befinden sich aus Bocek's Nach
lasse im mährischen Landesarchiv zu Brünn, von wo ich sie durch die
Güte des Herrn Archivdirectors P. Ritters von Chlumecky benützen
konnte. Es sind zwei zusammenhängende Pergamentblätter in Quart,
die inneren einer Lage, und gehören der ersten Hälfte des 14. Jahr
hunderts an. Die Blätter, oben beschnitten, enthalten auf jeder Seite
zwei Spalten, auf deren jeder 17 Zeilen übrig geblieben sind. Die
Verse sind nicht abgesetzt, sondern durch Punkte am Ende jedes
Verses getrennt; die grossen Anfangsbuchstaben jeder Verszeile
sind senkrecht roth durchstrichen. Die Schrift ist gross und deutlich,
die Orthographie schliesst sich der in den älteren uns erhaltenen
altcechischen Denkmälern üblichen an.
Der nachstehende Abdruck selbst folgt dem Originale auf das
Genaueste und ich habe es aus guten Gründen auch unterlassen, die
Trennung der Verse durchzuführen.
1 (Blatt i, Vorderseite, Spalte 1.)
Ktomu
inieftu kde leziefe. S
togiecz przied lozem
kazdi diefe. Kak gfme
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII. 421
koli tuto hrziefny. W 5
fak cziefarzftwym w
ladnem my cfny. Ten
to papez wfemohuczy.
Day gemu lift ten za
duczy. Abychom my- 10
to wzuiedyeli. Cfo w-
nyem pfano wfrydczyu
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py papez knyemu. Yw
zye zruky lyftek gemu. IS
Ydal pyfarzoui fwe
mu. Rzymfkeho kofte
II (Bl. I, Vordere., Sp. 2.)
w
czten wfiem obecznye.
Cfnych flow napfan
byl ftatecznye. Eufe-
mian otecz ieho. Yfly S
faw lift plakal znye-
ho. Vyftupyl byl z-
fweho fmyfla. Padl
nazemyu uiez bez-
czyfla. Rozdrzyel 10
rueho byl wty czaffy.
Tryhal fwe fedywe
wlaffy. Bradu po-
czie fwu tryhaty. A
fwoy zyuot fnaznye 15
draty. Pade natom j
fwatem tyele. Krzy
czye
UI (Bl. 1, Rucks., Sp. 1.).
• • • ygyne. Ez tak
tyezczye leta mnoha.
Wzdyfyu placziu wzdi
mye tuha. Tyems za
mutyl ymu dufyu. 5
Zalotlaty tobie mufyu.
Ya gfem nyekdi gm
yel nadieyu. Bych
uflyfal twoy hlas die
yu. Neb odtebe pof 10
422
Julius Feifalik
fei gmiety. Kdc by
ty byl ehtye wzuie-
diety. Ayuz vyzyu
ftrazyu fweho. Na
lö nofydlech przie my
leho. Lezieez femnu
neinluuiecze. Cfo
IV (Bl. 1, Rucks., Sp. 2.)
ydcze wlozyu kfmye
chu. Matka geho wfmut
ney twarzi. Iako hvyczie
fiet prorazi. Ty nouiny
8 uflyfyewfy. Zedra ru
eho fwe pi'zyfedfy. Stry
ze ffebe fwe zauitye.
Cfo nahlauie gmie przi
krytie. Wnebe fwogy
10 ruczie wzdwyze. Boze
poffi mnye fmryt blyze.
Biefe przlelis mnoho
lyuda. Ifazdi swate tye
lo uida. Dauiechu fie
18 tarn przielifnye. Pof
luchayte rzieczy pilnye.
Matka ktyelu nemoziefe.
V (Bl. 2, Vordcrs., Sp. 1.)
me vtyefenye. Vzrzyufy
na mnye myeleho. Zadu
czieho gedyneho. At vzr
zyu mu uiez vlyechu. Y
8 me dufie wfiu profpiechu.
Gesto pryfi mich pozy
ual. Sluh bez prauie f
wych vzyual. Akdi przy
de kgeho tyelu. Ztralyla
10 fmyfl biefe zczyelu. Pa
de nanyem yzauola. Kto
mnye wfmutczie odola i )
Horze fynu ztwe milofti
Ocziu mu myda fwietlo
18 fti. Proczs ty nama to v
1 ) Nach wfmutczie steht über der Zeile von späterer Hand v iecz
Studien zur Geschichte der altböhmischen Literatur VII.
423
czynyl. Zadny fynu czyms
uy vynyl. Tyems mnye
VI (Bl. 2, Vorders., Sp. 2.)
(law otezie czafto y mie.
Dywiiye placzyut mno
ho wrzymye. Tyems
ny wfmyfle nayuiecz
fwazal. Nams l'ie ny S
kdie nepokazal. Twe
panofie wfakey dobie.
Czynyli l‘u krzvwdu to
bie. Wfaks to wfechno
trypiel mile. Myli fynu 10
me efty chwile. Pade
finutna kgeho tyelu.
Obgemfi gey fprawu
uiecu. Twarzyu biefe
tak nebefku. Wfyuch 1 5
nu podob gmiel angell'
ku. Polyubywfi gey
VII (Bl. 2, Riicks., Sp. I.)
Gyz um zaloft lyezku
uidie. Adywte Pie vel
mi toinu. Sedtnnacz
te let vinem domu. Moy
fyn myli geft prziebiual 5
Y almuzny me pozyual.
Aia fern gho uiez nez
nala. An byl moy fyn
me cfly cliuala. Zna
menayte uiecz me tu 10
hy. Tepieehu gey ge
ho fluhy. W myley lycz
czye wfygyu geho. P
lyugyucz mylu twarz
nageho. Horze horze iS
toho pyezyu. Kto oczy
ma da ftudnyczyu.
VIII (Bl. 2, Riicks., Sp. 2.)
noczy krzycziu zfwe
efty. Plaezyu dufie me
bolefty. Neuiefta tarn
biezye wffoliezie. Ohle
kfi fie wzle klakolczie. S
424
Julius Feifalik
Placzyuc toto klyudem
uecze. Me zalofti pyczte
brecze. Horze tot gfem
odluczena. Truchlu w
10 dowu pnefena. Ia yuz
neymam nykoheho.
Kde mnye wziety tak
myleho. Ivz myin fmy
flem uiecz neprozrzy u.
15 Nakoho ya okem wzez
rzyu. Vidiefe to mnoho
lyuda. Plakachu gych
Verzeichniss der ein gegangenen Druckschriften.
425
VERZEICHNIS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JULI 1861.)
Akademie der Wissenschaften, Königl. Bayer., zu München, Sitzungs
berichte. 1861. I. Heft 1. München, 1861; 8°. — Quellen und
Erörterungen zur Bayerischen und Deutschen Geschichte. Quel
len II. Band, 1. Abtheilung. München, 1857. — III. Band,
1. Abtheilung. 1857. V. Band. 1857. VII. Band. 1858; 8».
— der Wissenschaften, Königl. Preuss. zu Berlin, Monatsbericht.
, April, 1861. Berlin, 1861; 8«.
Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit, N. F. VIII. Jahrgang,
Nr. 6. Nürnberg, 1861; 4°.
Austria, XIII. Jahrgang, XXV. —XXVIII. Heft. Wien, 1861; 8».
Bacher, Simon, Jojachin. Trauerspiel in vier Aufzügen von Ludw.
Phi lippso n. In’s Ebräischemetrisch übertragen. Wien, 1860; 8°.
Behrnauer, Walter, Memoire sur les institutions de police chez
les Arabes, les Persans et les Turcs. (Extr. Nr. 5 de l’annee
1860 du journal asiatique.) Paris, 1861; 8°.
Biblioteca Trentina, o sia raccolta di doeumenti inediti o rari
relativi alla storia di Trento redatta da Tomaso Gar. Disp.
XVI.—XVIII. Municipii e Comunitä. Trento, 1861; 8 0-
Bibliotheque Universelle, Revue Suisse et etrangere, LXVI mo An-
nee. — Nouvelle periode, Tome XI°, Nr. 41. Geneve, 1861; 8°.
Boletin bibliogräfico Espanol, Ano II. Nr. 11 & 12. Madrid,
1861; 8».
Boss, Marcus, Jalde Schaaschuim. Eine Sammlung ebräischer Sinn-
^ gedichte. Wien, 1855; 8°.
Breslau, Universität, Sacra semisecularia Universitatis litterariae
Vratislaviensis III. mensis Augnsti anni MDCCCLXIpie cele-
branäa indicitRector et Senatus academicus. Vratislaviae; 4°.—
426
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
Vorläufiger Entwurf der Festordnung für die Jubelfeier der
Breslauer Universität. 1861; 4°.
Dorpat, Universität, Verhandlungen der gelehrten Gesellschaft
zu Dorpat. V. Band, 1. lieft. Dorpat, 1860; 8°. — C. Schir
ren, Verzeichniss livländischer Geschichts-Quellen in schwe
dischen Archiven und Bibliotheken. I. Band, 1. Heft. Dorpat,
1861; 4°.— Sitzungsberichte, 18. Jänner, 8. März und 5. April
1861; 8«.
EllerOj Pietro, Giornale per l'abolizione della pena di morte. I.
Milano, 1861; 8°.
Gesellschaft, Deutsche morgenländische, Zeitschrift. XV. Band,
2. Heft. Mit 3 Kupfertafeln. Leipzig, 1861; 8°. — Indische
Studien. Beiträge für die Kunde des indischen Alterthums.
Herausgegeben von Albrecht Weber. V. Band, 1. Heft. Berlin,
1861 ; 8°.
—- für südslavische Geschichte und Alterthümer, Bibliografia
hrvatska. Dio I.U Zagrebu, 1860; 8°. — Jzviestje i racuni druz-
tva za poviest i starine jugoslavenske u god. 1858 i 1859. U
Zagrebu, 1860; 8°.
Göttingen, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften für das
Jahr 1860. Augsburg & Göttingen. 1860; 4° & 8°.
Gymnasium, evangel., zu Schässburg, Programm zum Schlüsse des
Schuljahres 1860—61. Kronstadt, 1861; 8°.
Königsberg, Universität, Catalogus codicum manuscriptorum
bibliothecne regiae et universitatis Begimontanae. Fasciculus /,
Begimonti, 1861; 4°.
Mittheilungen aus dem Gebiete der Statistik, IX. Jahrgang,
2.& 3. Heft, mit je 1 Karte. Wien, 1861; gr. 8°.
— der k. k. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung
der Baudenkmale, VI. Jahrgang, Nr. 7. Wien, 1861 ; 4°.
— aus J. Perthes’ geographischer Anstalt, Jahrgang 1861,
VI. Heft. Gotha, 1861 ; 4«.
Muir, J., Original Sanskrit Tests on the Origen and History of the
People of India, their Religion and Institutions. Part III. London,
1861; 8°.
Riedel, Adolph Friedrich, Novus Codex diplomaticus Brandenbur-
gensis. I. Haupttheil, XX. Band. — III. Haupttheil, III. Band.
Berlin, 1861; 4°.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften. 427
Rostock, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften für
1860/61. Rostock, 1860 & 1861; 8», 4» & Folio.
Rubin, Salomo, Uriel Acosta. Trauerspiel in 6 Aufzügen von Karl
Gutzkow. Ins Ebräische übersetzt. Wien, 1856; 8°. — Sitten-
Spiegel. Enthält Weisheitssprüche etc. nebst moral-philoso
phischen Explicationen elc. Wien, 1854; 8°.
Society, Asiatic, of Bengal, Journal of the —, Nr. CCLXXIX.
Nr. 4. 1860. Caleutla, 1861; 8».
— Royal Geographical, of London, Proceedings. Vol. V. Nr. 1&2.
London, 1861; 8°.
Son klar, Karl Edler vonlnnstädten, Die Oetzthaler Gebirgsgruppe
mit besonderer Rücksicht auf Orographie und Gletscherkunde
nach eigenen Untersuchungen dargestellt. Mit einem Atlas. Gotha,
1861; 8° & Folio.
Stern, M. E„ Zur Alexander-Sage. Wien, 1861; 8°. — Koehbe
Jizchak. Eine Sammlung ebräischer Aufsätze, literarhistorischen,
philologischen, exegetischen und poetischen Inhalts, zur Förde
rung des ebräischen Sprachstudiums. Heft 11 —25. Wien,
1847—1860; 8».
Tübingen, Universität, Akademische Gelegenheitsschriften aus den
Jahren 1859—61. Stuttgart und Tübingen, 1859, 1860 &
1861. 8° & 4».
Verein, historischer, für Niederbayern, Verhandlungen. VII. Band,
1. & 2. Heft. Landshut, 1861; 8°.
— historischer, für Nassau, Urkundenbuch der Abtei Eberbach im
Rheingau. Von K. Rossel. I. Band, Heftl. Wiesbaden, 1860 &
1861; 8».
Verzeichniss derBücher, Landkarten etc., welche vom Januar bis
Juni 1861 neu erschienen oder neu aufgelegt worden sind. Wien
& Leipzig; 8°.
Winkler, Leopold, Belli Jehuda. Enthält Exegesen und erläuternde
Betrachtungen über mehrere dunkle Stellen der heiligen Schrift,
nebst einer Sammlung ebräischer Dichtungen. Wien, 1856; 8°.
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zu Seite 163, Anm. 1). Auch Leyser (Hist. poef. med. avi. llaiae,
1721, 8°. p. 2078) hat eine Handschrift dieses Gedichtes angezeigt
und eine Probe davon gegeben.
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