291 dass in der gesammten Welt bloss das Individuum sammt sei ner Persönlichkeit wirkt und überhaupt allein zum Vorschein kommen kann , wenn man auch genau weiss , dass das Allge meine nie etwas Reales, Seiendes, sondern nichts als etwas Gedachtes ist, so muss man doch nach dem angegebenen Dog ma eiusehen, dass Jeder, der seine Handlungen dialektisch prüft, sich immer rechtfertigen könne, er möge nur einsehen, dass Recht und Unrecht dasselbe und nicht dasselbe sind, dass Recht nothwendig in Unrecht umschlage , dass überall nur die Bewegung der Geist sei; in diesem Gedanken ruht seine Ent- sündigung, die Befreiung von aller Schuld der grössten Misse- that. Was werden die Religionslehrer zu dieser Darstellung der nothwendig werdenden Folgerungen sagen? Ist mit einer solchen Lehre Sittlichkeit, Recht und Religion gefördert? Aller Spinozismus , daher auch der Hegelianismus wird nun und nim mer eine reine Sittenlehre zu liefern im Stande sein, und trotz der reichen Literatur ist die Ethik bei den Hegelianern bei nahe unberücksichtigt. Dies hat den im Systeme offenbar lie genden Grund gerade darin, dass man meint, alle sittlichen Ansichten, Grundsätze, Maximen, die Pflicht, Recht, Verdienst und Schuld seien nur verschwindende Momente in dem Entwick lungsgänge des Geistes, über welche er dann, wenn er höhere Stufen erreicht, ohnedies heraus ist; die Reden von einem bleibenden Unterschied des Rechtes und Unrechtes, des Guten und Bösen, bezeugen den Standpunkt der Weltansicht des ge wöhnlichen Verstandes «in der Unvollkommenheit seiner Entwick lung. Eben dies ist einer der schwächsten Punkte des Systems; denn das tägliche Leben fordert beständig bei der wirklichen Beurtheilung der Thaten der Einzelnen und der geschichtlichen Begebenheiten die werthbestimmenden Begriffe des Rechtes und Unrechtes, des Löblichen und Schändlichen und eine Wissen schaft von dem, was unwandelbar gut oder böse ist bei allem sonstigen irdischen Wechsel im Kleinen und Grossen. Ein Sy stem , das uns nicht sagen kann, was gut und böse ist, ver dient nicht den Namen einer absoluten Wissenschaft. Sitzb. d. pbilosoph. Ir. tor. CI. Jahi’g. 1849.111. Heft. 21