Anmerkungen zu Heinrich’s Gedicht vom gemeinen Leben. 293 gewöhnlicher Bedeutung vorkommende Wörter mehrere Belegstellen anführte, so möge dies als ein Beitrag zum mittelhochdeutschen Wörterbuche betrachtet werden, der in vielen Fällen um so er wünschter sein dürfte, als die Quellen, aus denen sie entnommen sind, selten vollkommen erschöpft sind. Desshalb habe ich zur leichtern Benützung auch am Ende ein alphabetisches Verzeichniss der erklärten Wörter beigegeben. Durch dieses Alles glaube ich dem Ziele bedeutend näher ge rückt zu sein, dieses ausgezeichnete Gedicht auf seine ursprüngliche Gestalt zurückzuführen, und dessen richtiges Verständniss möglich zu machen. Dieses aber besonders zu fördern, gehört meiner An sicht nach zu den Hauptaufgaben eines Herausgebers solcher alten Denkmäler, denn davon hängt vor Allem deren gehörige Benützung und Würdigung ab. Dass dieser Hauptaufgabe bisher überall die gebührende Rechnung getragen worden sei, glaube ich bezweifeln zu müssen. — So viele Mühe und Gelehrsamkeit auch darauf verwendet wird, um der Geschichte und den Quellen und Verwandtschaften unserer alten Dichtungen nachzuspüren oder die Gesetze des Reimes und Versbaues festzustellen, so wenig geschieht in der Regel und vorzüglich in der neuern Zeit für die Erläuterung des Textes selbst. Die Herausgeber welche hierzu vor Allen berufen und ver pflichtet wären, glauben leider nur zu oft sich und der Wissenschaft etwas zu vergehen , wenn sie in dieser Beziehung das was ihnen seihst oft erst nach vielen Studien klar und geläufig geworden ist, auch Andern mittheilen sollen. Sie scheinen von jedem Leser den selben Umfang der Kenntnisse, den sie besitzen, und dieselben For schungen über den besonderen Gegenstand, die sie gemacht haben, vorauszusetzen und zu fordern. Da aber sehr Wenige in der Lage sind dieser Anforderung zu entsprechen, so bleibt die grosse Mehr zahl der Strebenden, die sich meistentheils nur mit einem theilweisen oder Scheinverständniss begnügen muss, von dem reinen und vollen Genüsse des veröffentlichten Denkmals ausgeschlossen. Kann man sich da noch wundern, Avenn selbst die ausgezeichnetsten altdeut schen Dichtungen nicht so geAvürdiget werden, Avie sie es verdienen, oder wenn deren Übersetzer, denen man Aveder Unkenntniss der Sprache noch auch Mangel an Eifer und Gewandtheit die Sache recht zu machen vonverfen kann , oft solche Fehler begehen, dass man den Sinn der Originalstellen kaum wieder erkennt?