Beiträge zur juristischen Literargeschichte des Mittelalters. 19 6. Folgende Thatsaehen sind geeignet, auf einen dritten Car dinal unsere Aufmerksamkeit zu lenken. Der als päpstlicher Legat in den Streitigkeiten Roms mit Heinrich II. von England berühmt gewor dene Cardinal Gratian, derselbe den Albericus trium fontium mit dem Verfasser des Decrets verwechselt J ), hat mit Stephanus Tornacensis gemeinschaftlich die Rechtssehule von Bologna besucht a ). Dies in Verbindung mit dem ebenfalls gewissen Um stande, dass er Magister gewesen 3 ), berechtigt uns zu der Annahme, dass er in Bologna auch das Recht gelehrt habe. Im Jahre 1168 war er schon S. R. E. subdiaconus et notarius und kommt als solcher bis zum Jahre 1177 häufig in päpstlichen Schrei ben vor 4 ). Im Jahre 1178 ist er Cardinal geworden 5 ). Natürlich kann einstweilen nur von einer blossen Möglich keit die Rede sein. Liesse sich aber wirklich der Nachweis führen, dass der Cardinal Gratian und unser Cardinalis eine und dieselbe *) Chronic, an. 1158 (hei Leihnil. Access, temp. T. II, p. 328). Man vergl. Phillips, a. a. 0. S. 144. 2 ) „Venerabili Domino ... Gratiano Cardinali ... Stephanus . . . Reliquiae cogitationis meae diem festum aguntmihi, quoties recolo me fuisse sociiim ves- trum inauditorio Bulgari.“ (Stepli. T o rn a c. Epist. ed. Du Molinet. 1682 ep. XXXVIII.) Dieser Brief scheint Sarti ganz entgangen zu sein; denn er spricht ohne einen bestimmten Grund die Meinung aus, dass Jacobus und Albericus de Porta Ravennate Lehrer des Stephanus im römischen Recht gewesen seien, den Bulgarus aber, für den hier der Beweis vorliegt, nennt er nicht. AuIFallender ist noch, dass er diese Vermuthung auf Veranlassung eines Schreibens an den Ileraklius, Erzbischof von Cäsarea, ausspricht, in dem Stephanus ebenfalls den Bulgarus seinen Lehrer nennt, (ep. LXIII. edit. laud.) Cf. Sarti, P. I. p. 291. 2 ) „Thomae Cantuar. arcliiepiscopo magister Vivianus . . . . nec tantum deferatis magistro Gratiano“ etc. (D. Tliom Cantuar. Epist. ed. Lupus, p. 488.— Bei Baron, an. 1169. XX.) Vivianus war Mitlegat des Gratianus bei König Heinrich II. im Jahre 1169. 4 ) Bei Brequigny, Table chronologique etc. ist die erste Unterschrift von ihm in dieser Eigenschaft vom 27. April 1168 (T. III. p. 394.), die letzte vom 26. Januar 1177 (1. c. p. 525). 5 ) Oldoino, Vitae Pontif. et Cardinal. T. I. col 1096. — Giles, S. Thom. Cantuar. Opera, 1845, T. IV. p. 342 bemerkt: „Notabit Iector Gratianum inter cardiuales positum esse. Quod inde factum est, quod Gratiani nomini in quibusdam manu- scriptis cardinalis litülus adhaeret. At Gratianus, ut puto, nunquam cardinalis fuit. Sed hunc crrorem, si error sit, levem quidem et levissiini momenti, Iector facile condonabit.“ Dieser Irrthum ist in der That nur ein vermeintlicher. Nach Jaffe, Regesta R. P. p. 678, kommt dia conus Cardinal. SS. Cosmae et Damiani Gra tianus seit 1. October 1178 als Zeuge in päpstlichen Bullen vor. Man vergl. auch die Aufschrift des Briefes von S tep h a n us To rn a cen s i s an ihn oben Note 2.