4 F r ie d r i c h M nassen. Beiträge zur Geschichte der juristischen Literatur des Mittel alters , insbesondere der Decretisten - Literatur des zwölften Jahrhunderts. Von Hin. Dr. Friedrich Maassen, a. o. Professor des römischen Rechts in Innsbruck. Einleitung. Savigny hat durch seine Geschichte des römischen Rechts im Mittelalter in eine der anziehendsten und folgenreichsten Epochen welche die Rechtsgeschichte aufweist, indieHeimath unserer heutigen civilistischen Jurisprudenz, uns wieder eingeführt. Es ist auffallend, dass trotz der unendlich bedeutenden durch dieses Werk gegebenen Anregung ein mit dem unmittelbaren und nächsten Gegenstände seiner Darstellung in vielfacher Reziehung verwandter Zweig der Literargeschichte verhältnismässig so wenig Bearbeitung gefunden hat. Der Zusammenhang der beiden Glossatorenschulen ist kein blos äusserer. Wie das Entstehen der Schule der Legisten in Bologna den Anstoss gegeben hat zur Bildung der Schule der Decretisten, so haben die beiden Schulen fortwährend in der innigsten Beziehung und Wechselwirkung gestanden. Die Schüler waren stets dieselben; später häufig auch die Lehrer; aber auch bevor dies der Fall war, wurden doch die Lehrfächer beider Schulen bereits als Tlieile einer und derselben Wissenschaft betrachtet. Das eben ist das Werk Bologna’s. Nicht blos die äussere Methode der Behandlung war die gleiche, sondern, wie auf der einen Seite die Lehrer des cano- nischen Rechts die juristischen Grundbegriffe und Denkformen dem römischen Recht entlehnten und für die Wissenschaft des canoni- schen Rechts fruchtbar zu machen suchten, so konnten anderseits die Legisten den auf dem Grunde der Kirche erwachsenen neuen materiellen Rechtsanschauungen, dem Geist der aequitas des canoni- sclien Rechts, wie er genannt wurde, sich nicht entziehen. Dass über manche Fragen ein Meinungsstreit nicht ausblieb, beweist nur um so mehr den lebendigen Verkehr, in dem beide Schulen mit ein ander standen.