SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
«iioufiaaiA» flsci
.waTiAHOs/iasaiw iihq aiMaoAn a
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
mm naTmiasmiaw
NEUNZEHNTER BAND.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BF.I W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1856.
SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
NEUNZEHNTER BAND.
Jahrgang 1856. Heft I und II.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI W. BRAUMÜLLER, BUCHHÄNDLER DES K. K. HOFES UND DER
K. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
1856.
300122
INHALT
Seite
Sitzung vom 2. Jänner 1856.
Firnhaber, Die Mission des Freiherrn von Sassinet, österreichischen
Agenten in Rom, im Jahre 1701 3
Sitzung vom 9. Jänner 1856.
Miklosich, Über die Sprache der Bulgaren in Siebenbürgen 30
Sitzung vom 16. Jänner 1856.
Bergmann, Pflege der Numismatik in Österreich im XVIII. Jahrhundert
mit besonderem Hinblick auf das k. k. Münz- und Medaillen-Cabinet 31
Sitzung vom 30. Jänner 1856.
Boiler, Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums 109
Weitenweber, Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens 120
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften 157
Sitzung vom
163
13. Februajy+gBir
Chmel, Über den zweiten Bericht an S. E. den Ilqrrn Minister des Innern,
über die Literatur im Österreichischen Kaise^taate im Jahre 1854 .
Sitzung vom 20. Februar 1856. jj
Scherzer, Über die handschriftlichen Werke desjPädre Francisco Ximenez
in der Universitäts-Bibliothek zu Gunterhala 16G
Stögmann, Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich 187
Boiler, Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums (Fort
setzung) 261
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften 319
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN,
PHIL OSO PHIS CH-HISTORISCHE CLASSE.
XIX. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1856. — JÄNNER.
l
SITZUNG VOM 2. JÄNNER 1856.
Gelesen:
Die Mission des Freiherrn von Sassinet, österreichischem
Agenten in Rom, im Jahre 1701.
Von dem c. M., Herrn Friedrich Firnhaber.
Die k. Bibliothek in Paris besitzt unter ihren Handschriften ein
Actenstück welches eine wichtige Ergänzung zur Geschichte der
österreichischen Politik in Italien am Anfänge des 18. Jahrhunderts
bildet, jenem Zeiträume welcher als Beginn des spanischen Succes-
sionskrieges einen der folgenreichsten Abschnitte der Geschichte des
Hauses Habsburg und der Gestaltung des österreichischen Staates bildet.
Das berührte Actenstück ist angeführt in: Ant. Marsand, i manoscritti
della regia biblioteca parigina. Parigi 1833, 2 vol. in 4°, und zwar
im 1. Bande pag. 390, Nr. 10090. 3. und• führt den Titel: „Istru-
zione secreta dell’ imperatore Leopoldo al consigliere aulico di Sassi
net.“ Freiherr von Sassinet oder Chassinet, der mit dieser Mission an
den päpstlichen Hof betraut war, wurde .später nach dem Fehlschlagen
des Aufstandes in Neapel zu Gunsten des Erzherzogs Karl, nach
maligen Kaisers Karl VI., in welchem Aufstande er sich an die Spitze
gestellt hatte, im Jahre 1701 von den Franzosen gefangen, nach
Frankreich abgeführt und in der Bastille festgesetzt. Mit ihm kamen
so auch wahrscheinlich seine Papiere nach Paris. Über das Ende
dieses Mannes herrscht mythisches Dunkel. Bei meinen Studien über
die Geschichte der pragmatischen Sanction fiel mir auch die Notiz
1*
Friedrich Firnhaber.
über dieses wichtige Actenstück in die Hände, und ich war so glück
lich, mir eine ziemlich genaue Copie desselben verschaffen zu können.
Ich theile sie in den folgenden Zeilen in ihrem ganzen Umfange mit
und erlaube mir nur, einige auf den Gegenstand der Unterhandlung
Sassinet’s bezügliche Andeutungen für die geneigten Leser voran
zuschicken.
Am 1. November 1700 war die spanische Linie des Hauses
Habsburg mit König Karl II. zu Ende gegangen. Das natürliche Erb
recht der österreichischen Linie war durch das durch französischen
Einfluss geschaffene Testament des Verewigten, kraft dessen der
Herzog von Anjou, Enkel Ludwigs XIV., zum Erben der spanischen
Monarchie eingesetzt wurde, aufs Bitterste verletzt. Diese Rechts
verletzung war so in die Augen fallend, dass König Ludwig XIV. selbst
anfangs wenigstens sich überrascht stellte, und erst nach einiger Zeit
die Annahme für seinen Enkel erklärte.
Kaiser Leopold I., der natürliche Erbe Spaniens, der weder dem
ersten noch dem zweiten Theilungsprojecte über die spanische Monar
chie seine Zustimmung gegeben hatte, leider zum Unglück für den
Besitz seines Hauses, sondern unbedingt an seinem guten Rechte des
ungeschmälerten Besitzes der ganzen spanischen Monarchie fest
hielt, verwarf natürlich auch das Testament feierlich. Unterhandlungen
zeigten sich als unzureichend, sie waren auch bei den ausgesproche
nen Verhältnissen unmöglich; es blieb keine andere Entscheidung
als das Schwert, und diesen Weg zu betreten scheute sich Kaiser
Leopold keinen Augenblick. Die Rüstungen Österreichs begannen
unverzüglich, und wieder, wie seit Jahrhunderten, war Italien der
erste Tummelplatz der Waffen der beiden feindlichen Mächte Habs
burg und Bourbon.
Die zwei wichtigen und reichen Appertinenzen der spanischen
Monarchie, Mailand, dann das Königreich beider Sicilien (für Österreich
um so wichtiger, als sie seinem Staatencomplex die nächsten, seiner
Entwickelung die gelegensten waren), bildeten den ersten Gegenstand
des Kampfes. Wir werden in diesen Zeilen auch nur diese Phase des
Successionskrieges ins Auge fassen, da wir zur Erläuterung unseres
erwähnten Actenstückes nur die Kämpfe um Mailand und Sicilien
näher zu beleuchten haben.
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
Mailand, Neapel und Sicilien, Rom, Sardinien, Venedig sind die
Hauptpuncte des Gemäldes.
Die ersten beiden zu erringen, die Hilfe und Zustimmung oder
wenigstens die Neutralität der anderen, der mächtigsten Staaten der
italienischen Halbinsel zu erlangen, war das Ziel der militärischen
und diplomatischen Operationen.
Mailand zu besetzen, war die erste Sorge des Kaisers. Der
spanische Generalgouverneur in Mailand, Prinz Lothringen Vaude-
mont wurde aufgefordert, kaiserliche Truppen in Mailand aufzuneh
men, —- er weigerte sich der friedlichen Aufforderung und erklärte
sich sogleich für den Herzog von Anjou, Philipp V. von Spanien, —
trotz der dem Kaiser günstigen Stimmung des Volkes und des Militärs
in Mailand. Schon der erste Punct der Forderungen Österreichs
musste also erkämpft werden, und noch im Jahre 1700 wurde dies
falls der Beschluss gefasst, eine Armee von 19.000 Mann zu Fuss
und 10.000 Pferden unter Prinz Eugen von Savoyen über venetiani-
sches Gebiet durch Trient und Roveredo in Italien einrücken zu
lassen. Mailand musste in den Besitz Österreichs kommen, es war
die erste Bedingung, die Brücke zur Erwerbung des Königreichs
beider Sicilien. In Mailand Herr zu sein, und die Zustimmung des
Papstes, als dazwischen liegender italienischer Grossmacht und anei’-
kannten Lehensherrn von Neapel, zu gewinnen, waren nothwendige
Bedingungen des weitern günstigen Erfolges. Für das erste, den
militärischen Theil, sollte der grosse Eugen, für das zweite, diploma
tische Unterhandlungen sorgen.
Auf dem römischen Stuhlesass ClemensXI. Albani, geboren 1649,
gewählt am 23., gekrönt am 30. November 1700 unmittelbar nach dem
Tode des Königs von Spanien, hatte er unter allen Einflüssen dieser
ganz Europa erschütternden Begebenheit seinen Thron bestiegen.
Jung an Jahren für seine hohe Würde, neu als Fürst eines mäch
tigen Staates, war es natürlich, dass jede Partei alle Mittel anwendete,
ihn für ihre Sache zu gewinnen. Eben die Neuheit seiner Stellung be
wog ihn aber, sich fürs Erste nicht auszusprechen, und die Neutralität
für wtinschenswerth zu halten, die jedoch bald einem geheimen Hin-
neigen und endlich einer ausgesprochenen Sympathie für Frankreich
Platz machte.
Für Österreich schien wenigstens im Anfänge die Persönlich
keit des neuen Papstes eine Garantie zu sein, dass seine Rechte in
6
Friedrich Firnhaber.
Italien gewahrt werden würden. Clemens XI. gehörte keiner ent
schiedenen Partei an, war sogar als Cardinal unter den Österreich
angenehmen Candidaten, und unter Einfluss der österreichisch
gesinnten Cardinäle Grimani, Medici, Lamberg und Cautelmi gewählt.
Er selbst spricht dies in seinem ersten Schreiben an den Kaiser
aus, man konnte ihn sonach als einen Mann betrachten, dessen Wahl,
wenn auch nicht gewünscht, doch wenigstens durch die von Öster
reich erzwungene Ausschliessung anderer missliebiger Candidaten
erfolgt war.
Am 28. December 1700 erliess der Kaiser ein Schreiben an den
neuen Papst, worin er dessen Notificationsschreiben über seinen
Regierungsantritt beantwortet. Es ist erwähnenswerth, und spricht
noch immer für die günstige Sachlage, dass der Kaiser in diesem
Schreiben, von der gewöhnlichen Form strenger Curialschreiben
abgehend, sich mehr in vertrauten Ausdrücken bewegt, und am
Schlüsse beifügt: considerare la mia attentione per meritarmi la bene-
dictione et assistenza della medesima, mentre non hebbi mai maggi-
ore obbligatione di animo, che di continuare la pace e la tranquillitä
del christianismo sperando pero dalla sua
equanimitä, che come giusto pote non sia per disapprovare che io
procuri di mantenere le giuste ragioni e dritti dell 1 imperio e della
mia casa, come ne corre un preciso obbligo, ma piuttosto per por-
germi il suo paterno aiuto e per dare benigno orecchio a quanto da
mia parte sopra questo ed altri particolari li verra esposto dal conte
di Lambergh mio ambasiatore.
Der österreichische Gesandte in Rom, Graf Lamberg, hatte also
bereits seine Instructionen, um bei dem neuen Oberhaupte der Christen
heit Österreichs Rechte zu wahren, und denselben für dieses zu
gewinnen.
Graf Lamberg war ebenfalls neu in seiner Würde. Nach der
Abberufung des Grafen Martiniz, der den Gesandtschaftsposten bis zum
Jahre 1700 versehen, aber plötzlich, wie es scheint, in Ungnade
gefallen war, übernahm Graf Lamberg mit Anfang des Jahres 1700
seine Stelle. Wir kennen die Motive der Abberufung des Grafen
Martiniz nicht, müssen uns aber ebenfalls wie die österreichisch
gesinnte Partei in Rom wundern, dass der kaiserliche Hof einen
solchen Schritt in so bewegter Zeit gethan und einen des Platzes und
der Verhältnisse so kundigen Mann wie Graf Martiniz bei den im
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
7
Anfänge des Jahres 1700 zu erwartenden wichtigen Zeitereignissen,
durch einen neuen, und eben darum weniger unterrichteten Botschafter
ersetzt habe. Man sprach in Rom offen seine Unzufriedenheit darüber
aus, und äusserte sich dahin, dass der kaiserliche Hof damit nur dem
französischen Interesse in die Hände arbeite, da der Einfluss der
Gesandten der Grossmächte hei der Wahl eines neuen Papstes,
welche bei dem Alter und der Kränklichkeit Innocenz XII. zu vermu-
then war, von unermesslichem Einflüsse sei. Die Stimmung gegen
Lamberg war eine allgemein ungünstige, ja in der ersten Zeit legte
man ihm sogar zu grossen Eifer für die Förderung der Angelegen
heiten seiner Familie durch Betreibung der Wahl seines Verwandten
des Grafen Philipp Lamberg, Bischofs von Passau, zum Cardinal bei.
Zur Charakterisirung des Mannes fügen wir noch Folgendes hei: Leo
pold Graf Lamberg, von der Ottenstein'schen oder Lamberg-Sprin-
zenstein'schen Linie, Sohn des Grafen Johann Franz und der Freiinn
Marie Constanze von Questenberg war am 13. Mai 1654 geboren,
Erbland-Stallmeister in Krain und in der windischen Mark, Ritter des
goldenen Vliesses, kais. wirklicher geheimer Rath, Kämmerer und seit
1690 kais. Minister auf dem Reichstage zu Regensburg, im Jahre
1703—1705 Botschafter in Rom, starb in Wien am 28. Juni 1706.
Er war vermählt mit Katharina Eleonora Gräfinn von Sprinzenstein,
durch seine Gemahlinn kam das reiche Sprinzenstein’sche Majorat an
sein Haus: die Herrschaften und Städte Waidhofen, Drosendorf,
Weichhartschlag, Theya, Thumritz, Pyrrha u. s. w. Er war bekannt
durch seine bis zur Verschwendung geartete Pracht. So erschien er
auch in Rom (s. Theatrum Europaeum). Er hatte 21 Personen von
gutem Adel in seinem Gefolge, hei seinem Einzuge in Rom sollen an
den Galawägen alle Beschläge, die Reifen der Räder, sogar die
Hufeisen der Pferde von gegossenem und geschlagenem Silber, statt
Eisen, gewesen sein, jede Galalivree der zahlreichen Dienerschaft,
über tausend Gulden gekostet haben. Der ganz von gediegenem Sil
ber verfertigte Hausaltar den er hei dieser Gesandtschaft mit sich
führte, das ganze Leiden Christi darstellend, ist (nach Wisgrill,
Schauplatz) noch in der Schlosskirche zu Kranichberg zu sehen. Sein
erstes Auftreten und seine Stellung gegen den früheren Botschafter
Grafen Martiniz war, allen Andeutungen nach, ein feindliches, so zwar,
dass letzterer der nach Lamberg’s Ankunft in Rom daselbst verblieb,
darauf bestand, der kaiserliche Hof möge durch ein eigenes Schreiben
8
Friedrich F i r n h a b e r.
anerkennen, dass er seinen Posten tüchtig und zur Zufriedenheit
verwaltet habe, welchem Ansuchen endlich auch, nachdem Graf Lam-
berg durch manche Umstände gezwungen, sich mit ihm verständigt
zu haben scheint, willfahrt wurde. Nach dieser Abschweifung über
den Vertreter der Politik Österreichs in Rom kommen wir auf unsern
Gegenstand zurück.
Zur rechtlichen Darlegung der Ansprüche Österreichs erliess
Kaiser Leopold unterm 29. Jänner 1701 ein zweites Schreiben an den
päpstlichen Hof, ein rein diplomatisches Actenstück, worin er die
Rechte des Hauses Habsburg auf die ganze spanische Monarchie aus
einandersetzte , gegen die Belehnung des Herzogs von Anjou mit
Neapel protestirte, und selbst um die Belehnung ansuchte. In dieser
Form hielt sich also der Kaiser streng auf dem Wege des Rechtes,
indem er die Rechte des römischen Stuhles auf Neapel anerkannte
und von diesem letztem die Entscheidung verlangte.
Dieser Schritt hatte den gewünschten Erfolg nicht. Der h. Vater
entschuldigte sich mit dem Bestreben die Neutralität aufrecht erhal
ten zu wollen, bot sich aber zugleich zum Friedensvermittler mit
Frankreich an. Kaiser Leopold nahm diesen Antrag an, und erwiederte
durch seinen Gesandten und den apostolischen Nuntius, er unterwerfe
sich gerne der Vermittlung des h. Vaters zur Herstellung einer Aus
gleichung, und werde bis dahin keine Truppen nach Italien schicken,
unter der Bedingung jedoch , dass die Franzosen und Spanier sich
gleichfalls jedes aggressiven Schrittes enthielten. Die schon eingerück
ten Truppen sollten Befehl zum Rückmarsch erhalten, der Papst soll
Neapel und Sicilien als päpstliches Lehen, dann Mailand und Belgien
als Lehen des h. römischen Reiches einstweilen übernehmen und bis
zur Entscheidung sequestriren.
So rechtsliebend und billig diese Vorschläge waren, fanden sie
doch (und dies war vorauszusehen) von französischer Seite Wider
spruch. Ludwig XIV. der in ihnen, obgleich sie sich nur auf die
Nebenländer Spaniens bezogen, doch schon ein Nachgeben in der
Hauptsache erblickte, da in Spanien selbst Philipp von Anjou bereits
als König anerkannt war, auch der damalige General-Gouverneur
der Niederlande, der Kurfürst von Baiern, sich Philipp V. anschloss
und Anfangs Februar 1701 bereits französische Truppen die belgischen
Festungen besetzten, ein Gleiches der Gouverneur von Mailand, der
Herzog von Lothringen-Vaudemont (wie bereits erwähnt), dann der
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
9
Vicekönig von Neapel in Aussicht stellten — alle Aussichten für Frank
reich also günstig waren — Ludwig XIV. verwarf jede Vermittlung,
höchstens sollte Italien ganz neutral bleiben, — der Kampf sollte in
Spanien ausgekämpft werden, dem Sieger dann auch die italienischen
Besitzungen zufallen; — eine Idee, durch deren Annahme der gege
benen Sachlage nach Kaiser Leopold sich selbst von jeder Parcelle
der spanischen Erbschaft ausgeschlossen hätte.
Dass man auch kaiserlicherseits wenig von der Vermittlung des
Papstes erwartete, und nur aus Achtung für ihn seinen Antrag annahm,
ist daraus ersichtlich, dass Cardinal Lamberg welcher in Venedig
wegen eines Bündnisses unterhandelte, sich dahin äussei'te: Die
Vermittlung des Papstes scheine ihm wenig erspriesslich, wegen
dessen politischer Schwäche. Sollte es aber dahin kommen, dass
die streitigen Provinzen sequestrirt würden, so sei die erste und
vornehmste Bedingung, dass sich die Franzosen aus dem Mailän
dischen zürückzögen.
Keiner von allen diesen Vorschlägen kam zur Ausführung. Es
blieb also Österreich zur Wahrung seines Rechtes nur der Weg der
Gewalt, den man zu betreten bereits angefangen. Ludwig XIV. suchte
den Papst und die übrigen italienischen Fürsten zu einem Bündnisse
zu vereinigen und den Kaiser ganz von Italien auszuschliessen, was
ihm aber zum Glücke Österreichs nicht gelang. Obwohl man aus dem
Gratulationsschreiben des Papstes an den Herzog von Anjou zur Erlan
gung der spanischen Krone entnehmen kann, wie sehr er sich schon
auf die französische Seite neigte, und wie wenig von ihm für Öster
reich zu hoffen war, obwohl dies eine Factum strenge genommen
schon hinreichend gewesen wäre, ihn selbst als Feind Österreichs zu
erkennen, so lähmte er die Schritte der letztem Macht doch immer
dadurch, dass er sich äusserlich strenge neutral erklärte und so
behandelt sein wollte. Er anerkannte Philipp V. als König, weigerte
sich aber als neutrale italienische Macht, ihm die Investitur über Nea
pel zu verleihen, oder auch nur Hoffnung dazu zu machen, obgleich
er ihm durch die Anerkennung den grössten moralischen Vorschub zur
Erreichung seiner Zwecke auch in Italien gab. Er zeigte seine Par
teilichkeit für ihn so offen, dass er die goldene Rose welche alljährlich
vom Papste geweiht und jenem Fürsten verehrt wird, welchem er im
Augenblicke die grösste Zuneigung bezeugen will, dem neuen Könige
von Spanien bestimmte. Freilich unterblieb die wirkliche Ausführung
10
Friedrich Firnhaber.
dieses Gnadenactes, allein nur auf die energischen Vorstellungen des
österreichischen Botschafters.
Trotz dieser ausgesprochenen Zeichen von Sympathie für Frank
reich liess sich Clemens doch, wie gesagt, durchaus nicht herhei,
bezüglich Neapels eine Entscheidung zu tliun. Franzosen und Spanier
versuchten alle Mittel und Wege, ihn zu erweichen, ihn zu einem
Bündnisse zu bewegen oder die Belehnung zu erlangen, und so zu
erreichen, dass er der bereits ausgesprochenen Anerkennung Philipp's
hinsichtlich der in Besitz genommenen Theile den Schlussstein rück
sichtlich Italiens einfüge, „der König von Spanien wolle sich per
sönlich nach Rom begeben, um dort die Lehen zu empfangen, und
auf solche Art aufs Feierlichste die Oberherrlichkeit des Papstes
anerkennen, er wolle eine Provinz Neapels an den Kirchenstaat
abtreten, in kirchlichen Angelegenheiten dem Papste besondere
Rechte einräumen, ja persönliche Vortheile für die Familie Albani
wurden in Aussicht gestellt und versprochen,“ wie Polidori, der
Biograph Clemens XI., in seinem Werke erzählt.
Alle diese Bemühungen wirkten nichts auf den Papst, eben so
wenig als alle Anträge des Grafen Lamberg von Seite des Kaisers
für seinen Sohn, den Erzherzog Karl. Die Demonstration des gedach
ten österreichischen Gesandten, an seinem Palaste in Rom neben dem
kaiserlichen Wappen das k. spanische befestigen zu lassen, machte
keinen Eindruck, man liess ihn gewähren und machte von päpstlicher
Seite keinen Einspruch dagegen.
Während dieser fortdauernden, Schachzügen gleichen Verhand
lungen und Unterhandlungen beider Theile setzte der Kaiser seine
Rüstungen fort, die Truppen rückten endlich in Italien ein. Wir
wollen hier durchaus in keine Details der militärischen Vorgänge uns
einlassen, der Feldzug in Italien im Jahre 1701 ist vielfach beschrie
ben und dargestellt von den verschiedenen Biographen Leopold’s I.,
Joseph’s I. und Karl's VI., so wie in anderen Werken, am ausführ
lichsten in dem neuen Werke von Pelet in der grossen Samm
lung: Collection de documents inedits sur l’histoire de France etc.
I. serie: Memoires militaires relatifs ä Ia succession d’Espagne sous
Louis XIV. etc. Paris imp. roy. 1835, tom I, p. 189 ff.
Neben den militärischen Fortschritten und dem politischen
Treiben in Rom wurde nicht minder in den übrigen Theilen Italiens
gearbeitet. Venedig, die alte, doch noch immer mächtige Republik
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
ll
war der Zielpunct der Bestrebungen des Grafen und Cardinais Johann
Philipp von Lamberg, um sie für Österreich zu gewinnen, und sich ihren
Beistand zu sichern. Ihm entgegen arbeitete von französischer Seite der
Cardinal Cesar d'Estrees; — beide unterhandelten geheim mit dem dazu
von der Republik ausersehenen Mitgliede des grossen Rathes, Bene-
detto Capello, beide ohne Erfolg; denn auch Venedig wollte durch
aus für neutral gelten und kein Bündniss eingeben. Der einzige
Gewinn für Österreich war der, dass die Republik sich dem Durch
zuge der österreichischen Truppen der ihr Gebiet berühren musste,
nicht hindernd in den Weg zu stellen versprach, sondern nur jede
Verletzung ihres Gebietes und ihrer Unterthanen hintangehalten
wissen wollte.
Der Herzog von Mantua, Ferdinand Gonzaga, erklärte sich gleich
falls neutral, liess sich jedoch schon in Venedig mit d’Estrees in
geheime Unterhandlungen ein. Um ihn als Lehensmann des deutschen
Reiches in Treue zu erhalten, sollten der Papst und Venedig seine
Staaten mit neutralen Truppen besetzen. Bevor jedoch dieser Be
schluss zur Ausführung kam, batte Herzog Ferdinand, durch franzö
sisches Gold gewonnen, seine Hauptstadt den Franzosen nach dem
Vorspiele einer scheinbaren Belagerung übergeben. General Tesse
setzte sich in den Besitz von Mantua, der Kaiser erklärte den Herzog
in die Reichsacht. Der Herzog von Parma blieb bei der erklärten
Neutralität, Modena erklärte sich für den Kaiser.
Der Herzog von Sardinien, nachdem er längere Zeit sich mit
Ausflüchten hingezogen hatte, sprach sich offen für Frankreich aus,
und wurde durch die Aussicht auf die Verbindung seiner zweiten
Tochter M. Luisa mit Philipp von Anjou noch fester an dasselbe
gebunden, als er es bereits durch die Heirath seiner ältesten Tochter
mit der ältern Linie der Bourbons war.
So standen die Verhältnisse in Italien im Frühjahre 1701. Die
meisten italienischen Fürsten halb oder ganz für Frankreich, und
von diesem wieder gegen Österreich unterstützt. Österreich hatte
nur Aussicht auf sein Waffenglück. Ausserdem fand es Unterstützung
in den Sympathien der Bevölkerung und hegte noch immer die Hoff
nung, den Papst hinsichtlich Neapels zu einem günstigen Ausspruche
zu bewegen.
Nachdem Kaiser Leopold, wie schon erwähnt, gegen das Testa
ment KaiTs II. protestirt und diese Protestationen nicht nur an die
12
Friedrich F i r n h a b e r.
Höfe, sondern auch im Volke verbreitet hatte, erliess er Aufrufe an die
Unterthanen von Mailand, Neapel, Sardinien und Sicilien. Er erinnerte
sie an ihre Pflichten gegen Kaiser und Reich, er rief ihnen die vielen
von Österreich erwiesenen Wohlthaten ins Gedächtniss zurück,
und versprach ihnen Aufrechthaltung aller Privilegien und Freiheiten.
Um in diesem Sinne weiter auf das Volk zu wirken, schickte er den
Grafen Castelharco, einen Verwandten des Marchese Visconti, von
den Mailändern geliebt und einflussreich, nach Mailand. Doch weder
dieser noch sein Freund Marchese Pagani, ein gleich treuer Anhän
ger Kaiser Leopold's, vermochten trotz der Stimmung des Volkes für
Österreich gegen den aufmerksamen Vaudemont eine günstigere
Stellung zu erreichen. Ohne Resultat kehrte Castelharco nach Wien
zurück.
Stärker und kräftiger war des Kaisers Anhang in Neapel. Die
kaiserlich gesinnte Partei bereitete eine Umwälzung vor, die zur
Vertreibung der Franzosen führen sollte. Sie wollten Neapel als
freien Staat erklären, mit dem Rechte sich einen neuen Regenten zu
wählen. Der neu zu wählende sollte der Erzherzog Karl, Sohn
Kaiser Leopold’s, sein. Offen wurde diese Ansicht ausgebreitet, um An
hänger zu gewinnen, so dass sich seihst eine literarische Controverse
entspann, bezüglich der Rechte des päpstlichen Stuhles auf Neapel
und deren Verletzung durch eine solche Theorie. Flugschriften und
Abhandlungen erschienen, ohne wie natürlich eine oder die andere
Partei zu überzeugen, gleichsam als ein Vorspiel, um die Plane des
mit der französischen Herrschaft unzufriedenen Adels zu verdecken,
die Meinungen zu sondiren, zu prüfen und Zeit zu gewinnen. Mar
chese Cesar delVasto e di Pescara, ein treuer Anhänger Österreichs
war es, den man zur Anknüpfung der Verhandlungen mit dem kaiser
lichen Hofe ausersah, und ihn im Namen des neapolitanischen Adels
an Kaiser Leopold sendete, um ihn aufzufordern, die Zuneigung der
Revölkerung zu benützen und die Bewegung zu unterstützen. Zweck
war, wie gesagt, Vertreibung der Franzosen aus Neapel, Erwählung
des Prinzen Karl zum Vicekönig, Bedingungen: Sitz seiner Residenz
im Lande, Aufrechthallung der Rechte und Privilegien u. s. w. Der
Kaiser wies den Antrag nicht zurück, liess sich aber offen nicht
weiter in die Sache ein, als dass er zwei Militärs, den Giovanni
Caraffa Conte di Policastro und Carlo Sangro Marchese di Santo
Luzito nach Rom sendete, um von da aus die Verbindung mit dem
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
13
neapolitanischen Adel zu unterhalten. Es scheint, dass der öster
reichische Botschafter Graf Lamberg wenig, der treu ergebene Car
dinal Grimani mehr in das Geheinmiss eingeweiht waren. In inniger
Verbindung mit den zwei genannten Olficieren standen die Brüder
Marchese Girolamo und Giuseppe Capece in Rom; — ein lebhafter
Verkehr zwischen Rom, Neapel und Wien war die nächste Folge
dieses Schrittes. Unbegreiflicher Weise flössten diese Vorgänge
dem Gouverneur von Neapel, dem Herzoge von Medina Celi, nicht
den geringsten Argwohn ein, wenigstens im Anfänge der Bewegung
ergriff er keine Gegenmassregeln, während dessen der Papst, höchst
wahrscheinlich besser unterrichtet oder vorsichtiger, so strenge war,
dass er, wie Botta erzählt, den Priester Rivarola von Genua und
den Kleriker Volpini wegen ihrer Reden und satyrischen Schriften
hinrichten liess.
In dieser Zeit tritt eine neue wichtige Persönlichkeit auf den
Schauplatz. Botta sagt in seiner Geschichte von Italien, p. 202:
„Capece (welcher zur Betreibung der Angelegenheiten von Rom
nach Wien geschickt worden war) bekam von da aus zum Begleiter
den Baron Sassinet, einen gebornen Burgunder, in österreichischen
Diensten, welcher zur Förderung des Unternehmens dienen sollte.“
Diese Angabe so wie die Nachrichten über die Wirksamkeit des
genannten Agenten sind nicht richtig. Aus der ganzen Sachlage
einerseits, so wie aus der geheimen Instruction Sassinet's scheint
Folgendes hervorzugehen. Kaiser Leopold dem alles daran gelegen
sein musste, den Papst zu gewinnen, ihn wenigstens in Bezug auf
die zu erwartenden Vorgänge in Neapel nicht feindlich gegen sich zu
haben, hatte den Entschluss gefasst, dieserwegen einen eigenen
geheimen Unterhändler nach Rom zu schicken, der den Papst für
Österreich stimmen und zugleich in Verbindung mit Neapel stehen
sollte. Seinen officiellen Vertreter, den Grafen Lamberg, benutzte er
nicht dazu, um im Falle des Misslingens der Unternehmung ihn nicht
zu compromittiren, vielleicht auch, weil er des Terrains nicht so
kundig war und auch bisher beim Papste kein definitives Resultat
erziel! hatte. Dieser Agent, eben wegen seiner Geschicklichkeit und
seiner Erfahrung in italienischen Angelegenheiten dazu erkoren, war
der erwähnte Baron Sassinet dessen geheime Instruction, wie im
Anfänge erwähnt, in der königlichen Bibliothek in Paris sich befin
det. Dieses Actenstück hat eine um so grössere Bedeutung, als in
14
Friedrich F i r n h a b e r.
demselben Hindeutungen auf dieVorgänge inNeapel sich befinden, die
Ideen des Kaisers ganz beleuchtet werden, und der Empfänger der
selben— ebenSassinet — nachdem er keinen Erfolg bei dem h. Vater
erwirkt hatte, später bei dem wirklich erfolgten Aufstande in Neapel
eine hervorragende Rolle spielte, und dort ein tragisches Ende nahm.
Wir wissen wenig über die Persönlichkeit des Mannes der eine
so wichtige und zugleich so gefahrvolle Mission übernahm. Franz
Freiherr von Sassinet „consigliere della nostra eamera aulica“,
wie ihn die Instruction nennt, von Geburt ein Burgunder (Botta 202)
nach Targe histoire II, p. 60, in der Franche Comte geboren, frü
her Secretär des k. Botschafters in Rom, des Fürsten Anton Florian
von Lichtenstein. Dies ist alles, was bis zum Zeitpuncte seines
gegenwärtigen Auftretens bekannt ist ‘). Die kaiserlichen Minister,
die Grafen Harraeh und Mansfeld und Fürst Lichtenstein, sein frü
herer Chef, wählten ihn als besonders tauglich zu diesem Unterneh
men (Targe I. c.).
Der Inhalt seiner Instruction geht im Allgemeinen dahin, den
Papst zu bewegen, aus seiner Neutralität herauszutreten, und ihn zu
einem Bündnisse mit Österreich zu vermögen, die Nachtheile ausein
anderzusetzen, die sein Hinneigen zu den Franzosen für Rom und
ganz Italien mit sich bringen, und die Investitur mit Neapel als päpst
lichem Lehen, oder wenigstens seine Zustimmung, wenn
i) Ein Manuscript der k. Bibliothek in Paris 737, Suppl., woraus Gay Negociations
etc. p. 30 einiges mittheilt, sagt über Sassinet: Cet agent, d’une naissance assez
obscure du comte de Bourgogne , fut conduit des le berceau par ses parents en
Allemagne, qui s’y refugierent pour s’y mettre a couvert des poursuites de la
justice. II passa sa jeunesse partie dans le pays et partie de Flandre, ou il eut le
bonheur d’ avoir de V emploi et de s’ en etre acquitte d’une maniere a faire
esperer beaucoup de lui dans la suite. II devint apres secretaire d’ ambassade et
servit a Rome en cette qualite sous le prince de Lichtenstein. Ce fut par ces
differents degres qu 1 il acquit la connaissance des interets des princes, des moeurs
et des usages des cours de P Europe, et principalement de la fine politique de
celles d’Italie.
Gay fügt hier bei: Une fortune relativement aussi brillant pour un personnage
aussi obscur n’ avait au fond rien etonnant quand on songe que son oncle, le
celebre baron de Isola avait commence par etre cuisinier. Dieser Baron Francois
dell’ Isola, dessen Neffe Sassinet sein soll, ist derselbe welcher in österreichi
schen Diensten schon unter Ferdinand III. verwendet, sich bis zum Gesandten in
Spanien aufschwang, und gleich geschickt als Diplomat wie als politischer
Schriftsteller, endlich das Baronat erlangte, und nur durch seinen frühzeitigen
Tod (1674 zu Wien) an noch höherem Steigen verhindert wurde.
Die Mission des Freiherrn von Sassinet. 15
Österreich sich in den factischen Besitz gesetzt
haben würde, zu erlangen.
Der letztere Beisatz deutet auf die beabsichtigte Bewegung in
Neapel. Man wünschte, wenn diese gelänge, des Papstes sicher zu
sein, dass er die Sache als fait accompli ansehe.
Baron Sassinet, als früherer Secretär der österreichischen
Gesandtschaft in Rom, muss als solcher bedeutende Fähigkeit bewiesen
haben, weil die Instruction ausdrücklich sagte, man wähle ihn zu
dieser Mission, um den Grafen Lamberg der keine so erprobte Er
fahrung an dem dortigen Hof besitze , zu unterstützen, ohne jedoch
auszuscldiessen, dass er selbstständig auf seineZwecke hinarbeite.—
Oder wollte man ihn dadurch nur aufmuntern?— vielleicht den Grafen
Lamberg absichtlich in Unwissenheit seiner Verhandlungen mit dem
h. Vater lassen? „accio assistiate al dito ambasiatore, informandolo
nelle congionture dello stile e modo di trattare di quella corte, della
quäle vi supponiamo informatissimo per la lunga prattica, che avete
della medesima“ (sagt die Instruction im Eingänge).
Die Artikel 1, 2, 3 enthalten allgemeine Andeutungen; die Arti
kel 4, 8, 6 und 7 berühren ausführlich das Verhältniss zum Papste;
8, 9, 10 und 11 die Verbindungen mit Neapel.
Die Artikel 1 und 2 werden nach den bisher gegebenen Andeu
tungen klar werden, sie berühren Sassinet’s Stellung zu Graf Lam
berg und Cardinal Grimani. Er soll dem Grafen den öffentlichen
Zweck seiner Mission, die Erlangung der Belehnung kundgeben, und
denselben nach und nach aufklären über das was ihm (Lamberg)
für den Fall einer ausserordentlichen Mission bereits aufgetragen ist.
Lamberg hatte also schon seine Instructionen, wir werden aber doch
nicht irren, wenn wir, gestützt auf die Fassung dieses ersten Artikels,
unsere oben ausgesprochene Meinung wiederholen, dass man Grafen
Lamberg über die eigentliche Bestimmung Sassinet's in Unkenntniss
liess. Die zwar durch nichts erwiesene Angabe von Targe 1. c., dass
Baron Sassinet allein es war, dem das Ministerium die ganze Sache
anvertraute, ihm die geheimsten Instructionen mitgab und ihm die
Geldmittel anvertraute, um die neapolitanische Verschwörung zu
unterstützen, ihn in Allem an den Cardinal Grimani weisend, scheint
wenigstens bezüglich des Grafen Lamberg der Wahrheit nahezukom
men, wenn auch der Österreich feindliche Schriftsteller in Sassi
net nur den Agenten der neapolitanischen Revolution darstellt. Dem
16
Friedrich Firnhaber.
Verhältnisse zu gedachten Cardinale ist Artikel 2 der Instruction
gewidmet. Auch ihn soll Sassinet nach und nach einweihen, seine
Rathschläge sollen strenge befolgt werden, doch so, dass Graf Lam-
berg sich dessen nicht versehe und das gute Einvernehmen mit Gri-
mani nicht gestört werde; ja Sassinet soll weder im Hause des Einen
noch des Andern wohnen, um jede Eifersucht zu vermeiden.
Ai’tikel 4 verbreitet sich weitläufig über Sassinet’s Hauptaufgabe
welche bisher ganz unbekannt war, das Project,. den Papst zu einer
Allianz mit Österreich zu vermögen. Schon oft in vergangenen Zeiten
seien solche Verbindungen dieser beiden Mächte gegen dieFranzosen
da gewesen, freilich sei es jetzt um so schwieriger, da dieFranzosen in
Italien so mächtig seien, aber eben dies müsse für den päpstlichen
Stuhl ein noch wichtigeres Motiv sein, gegen sie zu wirken. Es wird
hingewiesen auf den zunehmenden Übermuth der Franzosen, vor dem
selbst der päpstliche Stuhl nicht sicher sei. Sassinet soll den Papst
intimidiren durch die Aussicht auf ein Bündniss des Kaisers mit Eng
land und den Generalstaaten, ihn aber doch wieder beruhigen, dass
wenn dies stattfinden sollte, der Kaiser jeden Schaden von Italien
fern halten wolle.
Artikel 5 ist ganz der für Österreich so wichtigen Frage über
die Zugestehung der Investitur mit Neapel gewidmet. Es werden die
Gründe auseinandergesetzt, welche Österreich für sich in Anspruch
nimmt und sich auf die erste Investitursbuile Clemens IV. bezogen.
Sassinet könne diesfalls dem heiligen Vater die vortheilhaftesten An
träge machen, mit ausdrücklicher Hindeutung, dass es nicht leere
Versprechungen sein würden, wie man es von Frankreich gewohnt
ist, das weder einen Frieden noch ein Bündniss, noch irgend eine
andere Convention halte, wie ja selbst im gegenwärtigen Anlasse z.
B. der Herzog von Anjou, sein Vater und Grossvater das angebliche
Testament Karl’s II. angenommen haben; doch komme auch von dieser
Erklärung und über diese Verfügung nichts zur Ausführung, ja es
werde ihr entgegen gehandelt, trotz der natürlichen und rechtlichen
Verpflichtung welche man sich doch durch die Annahme auflegte.
Der Vorwand, sagt Artikel 6, den Frankreich zur Beschönigung
seiner Absichten vorbringt, ist der, glauben zu machen, dass der Her
zog von Anjou als König von Spanien unabhängig und ohne irgend
eine Verbindung mit Frankreich sein werde, dieses und seine Streit
macht werden nur als Hilfsmacht bezeichnet, während doch klar
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
17
sei, dass der König von Frankreich auch Herr in Spanien sein wolle
und werde, einen Minister in Madrid haben werde, der seinen Neffen
überwache, die Stellen mit Franzosen besetzen werde, wie man jetzt
schon durch die Verleihung des obersten Marine-Commando von Spa
nien an den Grafen d’Estrees gesehen habe. Alle Minister hätten
diesem einen zu gehorchen, er müsse alle Ausfertigungen gutheissen,
man könne also auch ein Bündniss mit der Türkei früher erwarten,
als man denke. Der Zweck sei also klar für den Augenblick, die Zu
kunft mache eine totale Vereinigung in der Succession der Kronen
von Spanien und Frankreich weder unmöglich noch unwahrscheinlich.
Artikel VII. Da es sich ereignen könnte, dass ein Aufstand in
Neapel oder Sicilien zu Gunsten des Erzherzogs Karl stattfinde,
oder dass der Kaiser sich bewogen finden könnte, eine Dirigirung
seiner Streitmacht gegen Neapel zu veranlassen, so sei der Papst für
diesen Fall zu bewegen, dass er erstens den Durchzug durch Fer
rara und Bologna gestatte, damit die Truppen Neapel erreichen
könnten, zweitens aber sei dahin zu wirken, dass er nicht schon frü
her gegen ein derlei Ereigniss (per tal operatione) missgestimmt
würde, und es als einen Eingriff in seine lehensherrlichen Rechte
ansehe. Die Instruction verbreitet sich hier weitläufig über die Schritte
die man schon gethan, um den Papst zu vermögen, die Regierung
von Neapel und Sicilien als Lehensherr bis zur Austragung des Strei
tes an sich zu nehmen, was aber leider nicht geschehen sei, sondern
im Gegentheile hätte man sie im unrechtlichen Besitze des einen
Bewerbers gelassen, welcher nun die Einkünfte gegen den Kaiser
und sein Recht verwende. Jetzt sei der Moment da, wo die dortigen
Unterthanen, der Gerechtigkeit während der langen Herrschaft Öster
reichs und des sanften und guten Regiments sich erinnernd, des letz
tem Hilfe ansprächen, diese könne ihnen der Kaiser nicht versagen,
ohne ihre Liebe zu verscherzen, und sich für immer unmöglich zu
machen, oder Ursache eines noch schlimmem Ausganges zu sein.
Liesse sich der Papst von all’ diesen so starken Gründen nicht
bewegen, so sei als letztes Auskunftsmittel Folgendes vorzuschlagen:
Wenn Erzherzog Karl zum Könige Neapels vom Volke proclamirt
wird, so soll ihm der ruhige Besitz im Namen des heiligen Stuh
les garantirt werden.
Artikel VIII erwähnt die Verbreitung einer Flugschrift in Rom,
Neapel, Mailand u. s. w.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hfl.
2
18
Friedrich Firnhaber.
Artikel IX berührt die beabsichtigte Erhebung des neapolitani
schen Adels. Sassinet wird an D. Carlo di Sangro gewiesen, welcher
sich in Rom seit April aufhält um die Verbindungen mit den Neapo
litanern zu unterhalten. Mit Sangro ist D. Giuseppe Capece Bruder
des Marchese von Soffrano, alle Drei gut gesinnte vollkommen verläss
liche Leute. Von ihnen wird Sassinet über den gegenwärtigen Stand-
punct des Unternehmens in Kenntniss gesetzt werden, so wie durch
Mittheilung dessen was der Kaiser an Graf Lamberg schreiben wird.
Er soll sich alles dies gegenwärtig halten, und allen Eifer und Auf
merksamkeit anwenden, um die Neapolitaner einig und im Zutrauen
auf die kaiserliche Gnade zu erhalten.
Artikel X und XI enthalten kurze Aufträge, mit den Fürsten von
Belvedere und dem Agenten des Erzbischofs von Neapel zu verkehren
und auf seiner Hinreise mit dem Prinzen Eugen von Savoyen über die
allfällig nöthigen militärischen Massregeln sich zu besprechen.
So viel über den Inhalt dieser so wichtigen, mit dem Datum
30. Juni 1701 versehenen Schrift.
Da uns weitere Quellen über die wirklich erfolgten Unterhand
lungen Sassinet’s am päpstlichen Hofe mangeln, so können wir nur aus
den Begebenheiten Schlüsse über den Erfolg derselben ziehen.
Unmittelbar vor oder nach dem Zusammentreffen Sassinet’s mit
dem Prinzen Eugen erfolgte im Juli der Einmarsch der kaiserlichen
Truppen in Ferrara, in der Absicht, wenn Sassinet beim Papste
erfolgreich wirke, der erwarteten Erhebung in Neapel zu Hilfe
zu eilen. Doch der päpstliche Hof erhob darüber die bittersten
Beschwerden die sich darin concentrirten, Prinz Eugen habe zwar
um die Erlaubniss zum Durchzuge gebeten, sei aber, ohne die Ant
wort abzuwarten, fortmarschirt. Der Papst zeigte sich so entrüstet,
dass er Truppen zusammenziehen liess, um die Österreicher mit
Gewalt zurückzudrängen. Prinz Eugen wollte nicht das Äusserste
wagen; — in Hoffnung auf die Wirksamkeit Sassinet’s zog er sich
freiwillig zurück.
Ende Juli treffen wir den Baron Sassinet in Rom. Graf Lamberg
stellte ihn dem Papste als Geschäftsträger des Erzherzogs Karl vor,
entschuldigte sich zugleich über den Einmarsch der österreichischen
Truppen, und soll sogar, wie Buder erzählt, um Erlaubniss zur
Beziehung der Winterquartiere im römischen Gebiete und ein Dar
lehen von 800,000 Thaler angesucht haben, zwei höchst unwahr-
Die Mission des Freiherrn von Sassinet. 19
scheinliche Forderungen welche auch beide vom h. Vater abgeschla
gen wurden.
Von da an beginnt nun die Wirksamkeit Sassinet’s: dass er nichts
erreichte, beweisen die Folgen, ja dass sein Geschäft so weit fehl
schlug, dass er nicht einmal den Papst günstig stimmen konnte, zeigt,
dass letzterer gerade in dieser Zeit fünf spanische Bisthiimer auf
Nomination des Herzogs von Anjou präconisirte. Prinz Eugen wartete
vergeblich auf die Erlaubniss zum Vorrücken.
Mittlerweile hatten die Bewegungen in Neapel ihren ungestörten
Fortgang. Die Häupter des neapolitanischen Adels bewaffneten ihre
Unterthanen, warben Truppen an, selbst auf römischem Gebiete, such
ten ihren Anhang unter der grossen Masse zu verstärken, gegen Ende
des Monats September sollte der Moment des Losbrechens sein.
Neben den hervorragendsten Gliedern der Adelspartei, dem Herzog
Grimaldi, Caratfa, Sangro, Capece u. s. w. war Cardinal Grimani ein
thätiges Werkzeug des Unternehmens. Verbindungen im ganzen
Königreiche, in Sicilien und in Rom waren eingeleitet, Aussicht auf
günstigen Erfolg vorhanden, wenn Sassinet nur Einiges in Rom errei
chen konnte. Er erreichte nichts, und begab sich nach dem Fehl
schlagen seiner Mission nach Neapel. Hier soll er mit Capece in der
Vorstadt de la vita bei einem Schneider gewohnt haben. Je näher
der beabsichtigte Zeitpunct rückte, desto weniger konnten natürlich
die Vorbereitungen verborgen bleiben. Auch der so arglose Gouver
neur von Neapel wurde endlich aufmerksam, er erhielt deutliche
Anzeigen über die bevorstehenden Ereignisse, und ergriff seine Mass-
regeln. Er konnte dies um so leichter, als der päpstliche Hof auf
seiner Seite und von Aussen nichts zu fürchten war. Die Unterneh
mung war also, nach dem Misslingen der Unterhandlungen Sassinet’s
in Rom, misslungen, bevor sie zum Anfang kam, da selbst für den
Fall eines günstigen Erfolges für Österreich im ersten Augenblicke,
Österreichs Hilfe zu ferne war, um das günstige Resultat zu unter
stützen und aufrecht zu erhalten. Die ganze grosse politische Bewe
gung, durch die Wahl des Volkes dem Erzherzoge Karl den Thron
von Neapel zu sichern, sank durch die Macht der Umstände und
schlechte Massregeln zu einem bedeutungslosen Strassenkrawall
herab. Alles misslang endlich, als der Ausbruch aus Furcht vor den
Gegenmassregeln des Gouverneurs beschleunigt wurde. Er erfolgte
am 22. September zwecklos und resultatlos und erreichte in zwei
2 *
20
Friedrich F i r n h a b e r.
Tagen sein unblutiges Ende. Eine detaillirte Darstellung der Vor
gänge dieser Tage liegt ausser dem Bereiche dieser Zeilen, wir wol
len die Ereignisse nur so weit verfolgen, insofern sie den Baron Sas-
sinet betreffen.
Die Macht der Franzosen war durch den Besitz und die günstige
Stimmung der Nachbarstaaten schon so erstarkt, die Gegenmassregeln
gegen die Neapolitaner dadurch so erleichtert, dass die Neigung der
Bevölkerung für Österreich weder Gelegenheit, noch bei der wenigen
Aussicht auf günstigen Erfolg hinlängliche Kraft hatte, sich geltend
zu machen.
Überraschenderweise treffen wir jedoch an der Spitze des Auf
standes den Baron Sassinet persönlich. Mehrere gleichzeitige Berichte,
welche Charles Gay in seinen Negociations mittheilt, geben an, dass die
Verschwörung hauptsächlich sein Werk war, dass er die Verbindungen
im ganzen Königreiche unterhielt, ja endlich beim Ausbruche sich
selbst an die Spitze gestellt habe. Die Strassen durchreitend, hinter
sich eine grosse Menschenmenge, proclamirte er die Wahl des Erz
herzogs Karl zum Vicekönig von Neapel. Er hoffte noch Alles von der
Sympathie der Bevölkerung, und trug desshalb das Bild des Erz
herzogs im Triumphe vor sich her. Doch vergebens. Die Volksbewe
gung wurde unterdrückt, Sassinet und Sangro gefangen genommen,
und allen weiteren Bemühungen auf das Volk zu wirken dadurch die
Spitze abgebrochen, dass die Sieger keine Strenge zeigten, sondern
allgemeine Amnestie kundmachten. Schon am 23. wurde dieselbe für
die Bewohner der Stadt kundgemacht, am 25. erschien die zweite
für das ganze Königreich. Ausgenommen davon waren nur der prin
cipe di Marchia, der duca di Telese Grimaldi, duca de la Castelluccia
Spinelli, Matizia Carafifa, Tiberio Caralfa, Giuseppe Capece, und jene
welche bei dem Ausbruche in die Hände der französischen Truppen
gefallen waren. In der Reihe dieser Letzteren waren Sangro und
Sassinet. Sangro wurde am 11. October enthauptet, Sassinet an Bord
einer Galeere gebracht und nach Frankreich geführt, wo er in der
Bastille festgesetzt wurde. Von da an erlischt jede Spur über seine
spätere Lebenszeit.
Seine wahnsinnige Idee, sich seihst zum Mittelpunct eines Auf
standes zu machen, und sich bei dem Ausbruche an die Spitze zu
stellen, lässt sich, abgesehen von der ganz anders projectirten Bewe
gung die auf rechtlicher Basis beruhte, und bei der offenbaren
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
21
Unmöglichkeit einen Erfolg zu erzielen, nur damit erklären, dass er
nach dem Fehlschlagen seiner Mission in Rom, durch die Ausführung
eines kühnen Streiches in Neapel auf eigene Faust sein Glück zu
gründen hoffte. Gelang der Streich, so musste ihm der Kaiser dank
bar sein, wenn auch seine Handlungen in Neapel mehr das Gepräge
der Unternehmung eines kühnen Abenteurers als eines kaiserlichen
Abgesandten trugen.
Benützte Quellen.
Carlo Botta, Storia d’Italia continuata da quella del Guicciardini
sino al 1789. tomo VII. Parigi, Baudry 1832. Enthält den
ganzen Verlauf der Vorgänge in Italien, ist aber ganz in
italienisch-französischem Geiste geschrieben.
Targe, histoire de l’avenement de la maison de Bourbon au tröne
d’Espagne, Paris, Saillant 1772, 2 vol. 8°.
Limiers, histoire deSuede sous le regne de Charles XII. Amsterdam,
Jansons 1721, 6 vol.
Theatrum Europaeum ad ann. 1700 et 1701. Enthält manche
brauchbare Details.
Pelet Memoires militaires relatifs ä la succession d’Espagne. Paris
1833. In der Collection des doeuments inedits etc.
Gay, Charles Negociations relatives ä l’etablissement de la maison
de Bourbon sur le trone des deux Siciles. Paris, Allouard et
Kaeppelin 1833, 1 vol. 8°. Ein gutes mit Original-Quellen ver
sehenes Buch, aber ganz in Österreich feindlichem Sinne.
Polidori, de vita et rebus gestis Clementis Undecimi pontif. max.
lib. sex. Urbini MDCCXXVII. Fantauzzi fol. 1 vol.
Clementis XI. pont. max. Opera omnia in quibus continentur I. Eius
orationes consistoriales. II. Homiliae. III. Epistolae et brevia selec-
tiora. IV. Bullarium secundum exempla romana fideliter repetita.
Accedit vita Clementis a praesule quodam romano perscripta.
Francfurti, Weidmann 1729 fol.
B u d e r, Leben und Thaten -des klugen und berühmten Papstes
Clementis des Eillften. Aus guten Nachrichten mit einer grossen
Anzahl von dessen Bullen, Breven und Reden auch andern actis
publicis beschrieben etc. in 3 Theilen. Frankfurt, Hartung 1720,
3 vol. 8°.
22 Friedrich Firnhaber.
Braun, Leben Seiner Majestät Caroli III., Königs in Spanien und
der Indien etc. worinnen zugleich mit enthalten, was der spani
schen Successionssache und des daraus entstandenen Krieges
halber . . . vorgefallen, etc. etc. Leipzig Grossen’s Erben und
Braun 1708. 3 vol. 8°. Enthält die meisten auf Rom und Neapel
bezüglichen Staatsschriften.
Herchenhahn, Geschichte der Regierung Kaiser Joseph’s des Ersten
u. s. w. Leipzig 1786. Crusius 2 vol. 8°.
Zschackwitz, Leben Josephi I. Leipzig 1712, 8°.
„ „ Caroli VI. Frankfurt 1723, 8°.
Rinck, Leben Joseph’s. Cöln 1712. 2 vol. 8° und alle übrigen Bio
graphen Karl’s VI. und Joseph’s I.
Beilagen.
Instruzione secreta dell’ imperatore Leopoldo al
consigliere aulico di Sciassinet.
(Mss. de la bibliotheque royale de Paris n. 10090. 5. pag. 390.)
Leopoldo per la gracia di Dio imperatore de Romani instruzzione
secreta per il nostro e fidel diletto Francesco di Sciassinet consigliere
della nostra camera aulica.
II fine della nostra missione si restringe ad assistere nella corte
di Roma, ove senza carattere dovete accudire al nostro ministro
ambasciatore conte di Lambergh, del quäle se bene habbiamo tutta la
sodisfattione, che tocca in quanto alla sua fede e zelo verso il nostro
seruitio, non havendo egli tuttavia sperimentata notitia di quella corte,
che tanto abbonda di raggiri et artificij, habbiamo stimato conueniente
alli nostri imperiali interessi di mandarvi colä sotto altro pretesto,
che dovrete publicare tacendo sempre il vero motivo della mossa,
accio assistiate al ditto ambasciatore, informandolo nelle congiunture
dello stile e modo di trattare di quella corte, della quäle vi supponiamo
informatissimo per la lunga prattiea che havete della medesima, sugge-
riservandosi di mutare o variare in tutto, o in parte il suo contenuto
secondo le contingenze de casi, di ehe vi daremo di tempo in tempo
gli ordini necessarij.
I. In esser giunto dourete subito portarui dal sud° ambasciatore,
esponendogli il motivo publico della vostra missione, consegnandoli
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
23
la nostra imperial carta, e poi in altra congiuntura ä poco a poco ui
andarete spiegando seco in cio, che coli’ occasione della vostra uenuta
gl’ habbiamo ordinato, die come prattico di quella corte, doue per
tanti anni ci hauete seruito, assisterete a quanto uorrä imporui detto
ambasciatore toccante il nostro seruitio obedendo i suoi ordini, et
eseguendo le sue commissioni.
II. Lo stesso dourete pratticare col Cardinale Grimani eonse-
gnandogli pure la nostra carta, ma tirando sempre le uostre linee tutte
al punto di mantenere la buona corrispondenza dell’ ambasciatore col
Cardinale, il quäle come Italiano accorto e prattico delle corti puö
illuminare l’ambasciatore, onde senza che questi s’accorga, che noi
desideriamo una stretta dipendenza da i consigli di detto Cardinale la
sostenga con tutta suauita euitando ogni diffidenza, che potesse appren-
dere 1’ ambasciatore se mai sapesse detto nostro desiderio.
III. Per scanzare ogni gelosia dourete astenerui d’habitare in casa
d’ uno o dell' altro nel tempo della uostra permanenza in quella citta.
IV. Lo stato presente delle cose del mondo rende pendenti in
Roma alcuni affari di somma importanza al nostro. imperial seruitio. Il
punto e d’ attraere dalla nostra parte il Papa in alcuna alleanza per
le graui emergenze d’Italia e benche ciö non sarebbe nouita per
essersi altre uolte ueduta tal unione de Papi con la nostra augustissima
casa per cacciar i Prancesi, ora che questi si sono resi pofenti e formi-
dabili alla corte di Roma rende piü difficultosa, che in altri tempi
l’unione, che si desidera, benche dourebbe esser questo stesso motiuo
piü efficace a persuaderla, mentre se la detta corte si e opposta al
disegno de’ Francesi di por piede in Italia quando erano mono potenti
con maggior uigore dourebbe procurarlo, quando son piü forti, ed in
particolare dopo l’esperienza di questi Ultimi anni che si e fatta si
orgogliosa quella corona, che ha preteso distruggere I'autorita della
Santa sede, e render il papa come un suo capellano. Ad ogni modo il
timor della uiolenza delle sue forze fa molto languide le operationi di
quella corte, e l’esempio della repubblica di Venezia, che tuttauia si
rendo al nostro ministro quanto vi parra necessario per la vostra
condotta del gravissimo negotio dell’ acquisto de legni di Napoli, e
di Sicilia, che e l’oggetto principale della nostra cesarea intentione
in haver risoluto d’ inviare la vostra persona sola, percio vi si
danno le seguenti instruzzioni, secondo le quali dovrete regolarvi,
mantiene in neutralita attrahe anche 1‘animo del Pape a seguirla in
24
Friedrich Firnhaber.
questo punto. Pure se mai l’insolenza francese nella strauaganza delle
operationi e delle domande irritasse la corte di Roma non deue trascu-
rarsi tale o simile oceasione per replicare a tempo le istanze per la
lega desiderata. Intanto si deue ponderare con lei non hauer noi sin’
ora conchiusa lega con gl’Inglesi eOlandesi e benche e probabilepossa
seguire procureremo in tal caso, in quanto si poträ tenerli lontano dalle
soste d’ Italia, ma quando uedremo che il Papa, il quäle dourebbe darci
el primo e piü potente aiuto non ci assiste, sarä preciso proeurarlo da
clii l’offerisce, e puo eseguirlo con molto nostro uantaggio, e ci dis-
piaeerebbe all’ora, se mai i nemici della santa sede ponessero alcun
piede in Italia; ma 1’ urgente necessitä et il motiuo della natural difesa,
si come ci giustifica auanti Dio et il mondo cosi rifonderä il male delle
conseguenze sopra chi potendo ajutarci con uantaggio della Santa
chiesa, s’astiene di farlo. Tutto ciö deue discorrersi fuori de termini
di alcun impegno e solo in quelli di ponderatione accio a nulla noi
restiamo obligati, ed insieme serua di stimolo al Papa per la risoluzi-
one che si desidera.
V. L’ altro punto principale e quello dell’ inuestitura domandata
dal regno di Napoli che sta tuttauia pendente delle decisione del Papa
et dal parere della congregazione destinata. Questo conuiene senza
intermissione sollicitarlo, non solo per hauerne la determinazione che
speriamo favorevole, ma ancho perche nel caso di differirsi la delibe-
ratione, siccome sino al uedersi 1’ esito delle cose, che sono in Italia,
le 'nostre istanze continuamente portate daranno giustificatione alle
resolutioni future. Le nostre ragioni sono cosi ehiare come si uede
ne’ scritti mandati a Roma e le piü forti sono appoggiate su la bolla
della prima inuestitura, che diede Papa Clemente IV. su le quali si
sono fondate le altre seguenti, onde si deue procurare un esatta pon
deratione di esse aiutandoci coi loro eonfessori, parenti ed amici e
promettendo al Papa le Offerte piü uantaggiose per la santa sede,
dicendoli che questa non saranno come quelle o fatte e da farsi dalla
Francia, quali comprenderanno gran cose, perche si sa, che non ui e
intentione d’ osseruarle, non essendosi ancora ueduto, che quella corona
doppo il presente regnante habbia eseguito cio, che ha promesso ne in
capitulationi di pace, ne di lega, ne in qualsiuoglia conuentione; anzi
nella soggetta materia di che si tratta, hauendo il duca d’ Angio con i
suoi padre et avo accettato il supposto testamento del defonto re Carlo II.
si osserua son scandalo universale, che niuna delle parti di quella
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
25
pretesa dispositione sin’ora si eseguisce, anzi ad essa si eontrauiene,
ogni giorno scordati dell’ obligatione naturale, e civile alla quäle coli’
accettatione si sono sottoposti. II contenuto delle Offerte, che faremo,
si sta maturando con piena ritlessione, ma non si presenterä se prima
non siamo sicuri dell’ intentione pontifieia di concedere 1’ investitura.
VI. E perche il pretesto di che si vale la Francia per colorire i
suoi fini, si riduce a far credere, che il Duca d’Angiö sarä il re di
Spagna indipendente, e con l’antica separatione dagli interessi della
Francia le di cui armi sono chiamate auxiliarie a quelle di Spagna
quantunque da tutti si conosca esser questa una delle solite arti per
ingannare, si vede con euidente dimostratione essere il fine di ren-
dersi cosi arbitro il re della monarchia di Spagna, come e di quella
di Francia, lo stare assistente a Madrid un suo ministro per regolatore
di suo nipote, i posti ehe si prouedono ne Francesi, anche de piü
gelosi per gli Spagnuoli come e stato 1' ultimo di tenente generale
dell’ armi maritime di Spagna conferito al conte d’Estrees. Gl’ordini
dati a tutti li ministri di obedire incessamente a quelli del primo e fra
essi ue ne sono aicuni dati al ambasciatore di sottoscrivere tutte le
leggi, che inuiasse a firmar detto re senz’ altra participatione, onde
potressimo ueder fermata aleuna lega col Turco, quando meno si pensa.
Queste e tante altre dimostrationi fan chiaro et incontrastahile il
fine, che si pretende nel tempo presente, Iasciando al futuro ciö che
possa succedere dail’ incorporatione totale in termine di successione
della corona di Spagna con quella di Francia.
VII. Potrebbe intanto accader alcun accidente di seditione in
Napoli, o Sicilia, o di acelamatione del nostro dilettissimo figlio l’arci-
duca Carlo per re di quei regni, o pure per precedenti ragioneuoli
motiui ci risoluessimo di ordinäre qualche distaccamento delle nostre
truppe che sono in Italia per incaminarle a Napoli, il che si renderebbe
preciso dall’ auenimento delle due primi casi; allora dourebbe trattarsi
col Papa, non solo per il passo di Ferrara e Bologna a fine di poter
per quella uia entrar in regno per le parti di Abruzzo, ma a fine
ancora che antecedentamente per le suggestioni de nostri nemici non
s'irritasse per tal operatione, che li medesimi farebbero apparire, per
poco rispettosa e pregiudiciale al deeoro della santa sede nel tempo
della pendenza della domandata inuestitura, all’ora per farli apparir
questa, quäl ella e, e liberarla da somiglianti calunnie, sarebbe neces-
sario di ponderar al Papa, come doppo la morte del Re Carlo II.
26
Friedrich Firnhaber.
publicatosi il supposto testamento alla notitia di questo, e di esser
asceso alla dignitä pontificia soggetto da noi tanto stimato per la
di cui esaltaeione habbiamo cooperato con tutti i mezzi possibili
immediatamente alla prima insinuatione che ci fece Sua Santita del
desiderio della pace, ei meteressimo intieramente alla di lui delibe-
ratione riponendo tutti i nostri imperiali interessi nelle sue paterne
mani, e ci rassegniassimo riell’ istesso tempo, che in conformitä
degli esempi pratticati in simili casi da altri sommi pontefici si con-
tentasse di auocar a se il gouerno de suoi regni di Napoli e Sicilia,
come per giustizia deue fare il signore diretto de feudi ad ogni giudi-
tio de priuati pendente la decisione della controuersia de beni,
che si litigano, it che non solo sarebbe stato secondo iltenor di tutte
le leggi ma ancora mezzo efficace per ottener quella pace e concor-
dia tanto dal Papa desiderata. Non solo ciö non si e potuto ottenere,
ma di piü all’ istesso tempo quei legni sono stati occupati dall’ ingiusto
possesso del Duca d’Angiö, et i tributi di quei popoli si applicano
contro le nostre armi et all’oppositioni delle nostre chiare ragioni,
adesso che la materia e in stato, nel quäle quei del Regno di Napoli
informati della guistitia e ben affetti alla nostra augustissima casa, il
di cui dominio per 200 anni e stato loro tanto soaue e grato, si solle-
eitano ad assisterli colle nostri armi, non potiamo piü dilatar l’ese-
cutione, perche uedendosi altrimenti destituiti dal nostro aiuto, si
darebbero alla disperatione, prorompendo in atti fieri, et altre uolte
pratticati da quella natione, e quando ben si astenessero da simili
attentati, perderebbero affatto l’amore del nostro dominio, a cui sono
sottoposti, rendendo con un tal effetto quasi impossibile in altro tempo
l’impresa, si che siamo per ogni uerso obligati ad assistergli pronta-
mente. Che se poi a uista di ragioni si forti il Papa non ci dasse il
possesso, che si domanda con espressa o tacita concessione all’ora
per ultimo mezzo termine si li potrebbe proporre il seguente, cioe:
Quando rimanga acclamato il sudetto arciduca nostro figlio per re di
quei regno, il pacifico possesso dello stesso si dichiarerä con scrit-
tura e cautela sufficiente, di tenersi da questo dominio in nome della
Santa Sede, che ne ha il diretto, a fine colla total sentenza di dare
l’inuestitura senza perö pregiudicio di tutte le nostre imperiali
ragioni, considerando noi ehe simil offerta non puo pregiudicarci.
Primo, perche seguita l’acclamatione di quei populi rimane dal
medesimo atto de popoli l’acclamato arciduca Carlo eletto per legittimo
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
27
re di quel Regno senza dipendenza dal preditto testamento del
re di Spagna, ne dall’ inuestitura del padron diretto, ma solo dalla
uolontä di quelli sudditi ne quali pone la legge primaria delle genti
tal facoltä. Secondo, perche stimiamo, che non hauremo neeessita
proporre tale speditione, mentre quando le cose si riducono a tale
stato, non tardarebbe il papa ä dar l’investitura a nostro beneficio ma
se uolesse mantenersi nella pratticata sospensione non ostante i riferiti
espedienti e ragioni, che si propongono, ui saranno dei mezzi che
Iddio ci ha dato, quali restaranno sempre piü giustificati dalla prece-
denza di tali Offerte.
VIII. Conuerra che portiate con uoi Ia seconda parte ultimamente
scritta dal Tellier (?) lorenese a fauore delle nostre ragioni, condu-
cendo il maggior numero che si poträ dei ditti libri cosi in Francese,
come in Italiano, accio si uadano spargendo in Roma, rimettendone
a Napoli, Sicilia e Milano la maggior quantitä possibile essendo un’
opera assai ben compilata.
IX. Rimane adesso il discorrersi d’ un altro punto di non minor
importanza che pur deuesi maneggiare in Roma. Si ritroua cola
D. Carlo di Sangro inuiatoui sin dal mese di Aprile, per mantener et
auanzar la buona dispositione degl’ animi de Napolitani, che sono a
noi ben affetti, e a D. Carlo di Sangro aggiunto un caualiere chiamato
D. Giuseppe Capece fratello del Marchese di Soffrano, e di tutti due
questi due ultimi habbiamo intiera sodisfattione, come pur del primo.
Lo stato oue ci ritrouiamo sin’ ora per i passi dati lo sentirete dai
medesimi, e uene rendera totalmente informato la copia, che ui si
dara di quanto in tal proposito scriveremo al nostro ambasciatore, che
non replichiamo. Tenete dunque presente il suo contenuto e secondo
esso ui dourete regolare. V’ incarichiamo perö in questo di star con
tutta uigilanza, perche niuno dei detti soggetti s’ ingelosisca dell’ altro,
mantonendoli tutti concordi e sicuri della nostra gratia, e lo stesso
dourete pratticare cogl’altri loro dipendenti, se mai hauesse occasione
di trattarli, ricordandoui, che la nazione Napolitana e delicatissima
in simili puntigli, onde ci uuole tutta 1’ accortezza in tenerli lontani
da ogni sospetto, in che potessero incorrere nell’ attribuirsi da noi la
buona direttione degl’ affari e la felicitä del successo (se Dio la per-
metterä) piu ad uno, che all’ altro.
X. Starete con gran riguardo nel trattar col principe di Relvedere,
che e in Roma in liabito di prete perche ci e assai sospetta la sua
28
Friedrich Firnhaber.
fede, et anche coli’ agente del Cardinale Cautelmi Arciuescouo di
Napoli, la di cui casa ha dato segni troppo euidenti, e manifesti della
sua inclinatione uerso la Francia.
XI. Doppo la precedenza de sudetti auertimenti u' incarichiamo,
che nell'andar ä Roma ui abhocchiate col principe Eugenio di Sauoia
comandante Generale del nostro esercito, il quäle informarete dello
stato in che sono le cose quando stimi tempo et opportunita di pratti-
car il distaceamento di alcune delle nostre truppe per incaminarle in
quel regno per la uia d’ Abruzzo, che numero gli parerä a proposito
di porter staccare e la forma di poterla eseguire, di che ci renderete
informati prima di partire da lui, accio possiamo pontualmente preue-
nir il modo per tal impresa et accordarlo coli’ istessi signori Napoli-
tani, che sono in Roma, e suoi adherenti , ed intanto ui assicuriamo
della nostra beneuolenza e gratia.
Vienna 30 Giugno 1701.
Leopoldus. (Loco sigilli.)
(Lettera di S. S. Clemente XI. al imperatore Leopoldo I.)
Clemens Papa XI.
Charissime in Christo fili noster, salutem et apostolicam benedic-
tionem. Sapendo noi quanto graui sollicitudini porti seco il supremo
pontificato non habbiamo lasciato opera intentata per distorre il sacro
collegio de’ cärdinali dal pensare alla nostra ellettione supplicando
nell’ istesso tempo con calde e profuse lacrime il signore a liberarci
da un si graue peso; ma havendo la diuina prouidenza per i suoi
imperscrutabili giudizj non solo indurato gli animi degli elettori, ren-
dendoli sordi alle nostre preghiere, ma di piü anche mosso il generoso
euore di S. M. a desiderare che una dignitä tanto superiore alle
nostre forze uenisse appoggiata alla nostra debolezza siccome hanno
con sovrabbondanti finezze mostrato li Cardinal! di Lamberghi Medici e
Grimani assieme col conte di Lamberghi suo ambasciatore non lascia-
mo di raccomandarci al sommo datore de lumi, perche rischiarando la
nostra mente ci dia uigore di potere adequatamente sodisfare alle
nostre parti e nel dimostrare alla M. V. il nostro piü sineero, e uiuo
riconoscimento bramiamo con tutto ardore, che alla felicita del nostro
Apostolato conspirino si consigli di pace e di zelo per la santa
religione negli animi de imperatori cattolici, o poi che ben conosciamo,
per le tante proue che V. M. ha sempre dati alla sua insigne pietä quäl
Die Mission des Freiherrn von Sassinet.
29
premura ella liabbia per il bene e quiete della christianita tutta, e quäl
interesse giustamente prenda non meno per li uantaggi e propagazi-
one della fede ortodossa (di cui e dignissimo defensore) cbe per il
mantenimento de dritti ecclesiastici pregbiamo il cielo, cbe costodisea
lungamente Ia M. V. che da noi uiene stimata come un ualidissimo
mezzo ad esaltare la diuina gloria nei presenti tempi e confidiamo
liabbia a godere del modo con cui indrizzeremo tutte le nostre questi-
oni a promuoverla. A questi sensi siamo persuasi che V. M. verra
facilmente indotta dal proprio zelo, e dalle dimostrationi efficaei, che
saremo pronti a manifestarli di una paterna tenerissima affezione, onde
bramosi di dargliene proue nella occasioni che ci si presenteranno
benediciamo per fine con particolarissima cordialitä la M. V. con
tutta la sua augustissima casa. Datum Romae apud S. Petrum die
nostrae consecrationis 30.Novembris 1700. Suscepti a nobis aposto-
Iatus officii anno primo.
(Risposta dell’ imperatore Leopoldo I. alla lettera
di S. S. ClementeXI.)
Beatissimo padre.
La gloria di maggiore di V. S. nella sua felicissima esaltatione
al pontificato deriua nel concetto universale dalle istesse sue sublimi
ed apostoliche uirtu, le quali non solo incitarono un ardente desiderio
di cooperarci per quanto poteuo, ma in tutto il sacro collegio, tanta
ostinatione e concorde uolonta di prouedere, non ostante le pie reni-
tenze di V. B. la chiesa di Dio di cosi buon pastore tanto necessario
nelle occörenti emergenze. Io ringratio la diuina prouienza di questo
fortunato suceesso, da cui me ne deriua una somma consolatione ed
insieme la Santita V. delle sue paterne affettuose espressioni fattemi con
la lettera di proprio pugno dell’ ultimo scorso, dalla quäle concepisco,
eertissima fiducia che sia per conseruar sempre in particolare riguardo
la mia figliale osseruanza et obbedienza uerso la sede apostolica eon-
siderare la mia attentione per meritarmi la benedictione et assistenza
della medesima mentre non hebbi mai maggiore obbligatione di animo,
che di continuare la pace e la tranquillita del Cristianismo come farö
ancora per secondare le sante intentioni di V. Beatitudine sperando
pero dalla sua equanimita cbe come giusto pote non sia per disap-
prouare che io proeuri di mantenere le giuste ragioni e dritti dell
imperioe della mia casa, come ne correun preciso obbligo, ma piutosto
30
Franz Miklosich. Über die Sprache der Bulgaren.
per porgermi il suo paterno aiuto, e per dare benigno or.echio a
quanto da mia parte sopra questo ed altri partieolari li uerra esposto
dal conte di Lambergh mio ambassiatore e mentre prego la diuina
bonta che come ci e stata propizia in benefiearci con un suo tanto
degno vicario cosi la sia in conseruareelo sano, et incolume chiedo per
me et i miei figli e nipoti dalla S. V. continuate beneditioni e resto
Vienna 28. Dicembre 1700.
ubedientissimo figlio
Leopoldo.
SITZUNG VOM 9. JÄNNER 1856.
Das wirkliche Mitglied, Herr Professor Franz Miklosich,
legte eine Abhandlung über die Sprache der Bulgaren in Siebenbür
gen vor. Dieselbe umfasst: 1) eine Einleitung, in welcher die leider
dürftigen Notizen über die bulgarische Ansiedelung von Cserged bei
Blasendorf zusammengestellt werden; 2) den Text eines für die
Csergeder Bulgaren bestimmten Katechismus welchen der Verfasser
der Güte des als Sprachforscher auch in weiteren Kreisen bekannten
Blasendorfer Domherrn Timotheus Cipariu verdankt. Die Bulgaren
von Cserged welche, ungeachtet sie vor einigen Decennienihre Sprache
mit der ihrer Nachbarn, der Romanen, vertauscht haben , von diesen
auch jetzt noch Scliiai (Slawen) genannt werden, bekennen sich zum
Protestantismus und der Katechismus war wahrscheinlich für einen
Deutschen bestimmt, dessen geistlicher Beruf ihm einige Kenntnisse
der bulgarischen Sprache nothwendig machte; 3) Verzeichniss und
Erklärung der in dem Text des Katechismus vorkommenden Wörter,
von denen ein nicht unbedeutender Theil aus dem Romanischen und
mittelbar aus dem Magyarischen entlehnt ist; 4) Bemerkungen zur
Grammatik des Denkmals welches für die Linguistik dadurch ein
Interesse hat, dass es die einzige Quelle ist, aus welcher einige
Kenntniss der Sprache der Bulgaren in Siebenbürgen geschöpft wer
den kann und dadurch, dass die Sprache desselben geeignet ist, über
einen Punct der altslovenischen Lautlehre, nämlich die Nasalität
zweier Vocale, Licht zu verbreiten.
Joseph Berginann. Pflege der Numismatik in Österreich.
31
SITZUNG VOM 16. JÄNNER 1856.
Gelesen:
Pflege der Numismatik in Österreich im XVIII. Jahrhundert
mit besonderem Hinblick auf das k. k. Münz- und Medaillen-
Cabinet.
Mit erläuternden Anmerkungen
von dem w. M., Herrn Joseph Bergmann.
„Si quid novisti rectius istis,
Candidus imperti; si non, his utere mecum.“
Ho rat.
Erste Abtheilung.
Von Heraus bis cauf Eckhel (1709—1774).
Meine Untersuchungen über K. Karl’sVI. Medaillen- und Antiqui-
täten-Inspector Karl Gustav Hermus und das lebhafte Interesse
das ich als Beamter des k. k. Münz- und Antiken-Cabinetes an ihm
nehme, führten mich auf den Gedanken, den weitern Gang der Fort
bildung und des Wachstbums dieses grossartigen Institutes das ganze
XVIII. Jahrhundert hindurch bis zu Eckhel’s Hintritte (f 1798) zu ver
folgen und nicht allein die an demselben thätig wirkenden Männer,
sondern auch jene welche das Feld der Numismatik in Österreich
ruhmvoll bebauten, nachzuweisen und vorzuführen, wie auch beson
ders jene Zeit von fast vier Jahrzehnten (von 1730—1767), während
welcher dasselbe dadurch, dass es keine eigene selbstständige Ver
waltung hatte, in Dunkel gehüllt ist, in etwas aufzuhellen. Mühsam
war das Unternehmen, desshalb aber um so einladender, weil aus
diesem so eben erwähnten langen Zeiträume der unselbststän
digen Verwaltung dem dermaligen k. k. Münz- und Antiken-Cabinete
32
Joseph Bergmann.
alle Acten fehlen. Diese amtlichen Quellen in demselben beginnen
erst mit dem Jahre 1774 wieder zu fliessen und fliessen bis zum
Anfänge des neuen Jahrhunderts sehr spärlich, zumal der beschei
dene Eckhel seine einfachen Geschäfte einfach führte und aller Viel
schreiberei abhold war, sie betreffen zum grössten Theile Rechnungen
und Dienstsachen. Ich war demnach zur Erreichung meines festge
steckten Zieles genöthigt, das vielfach zerstreute Material tlieils in
den Vorreden numismatischer Werke jener Zeit, theils in alten Hof-
Schematismen, theils im ehemaligen k. k. Hofkammer-Archive, theils
bei Privaten aufzusuchen, zu sammeln und zu verarbeiten.
Ich lege die gewonnenen Resultate in biogr aphisch-histo-
rischer Form und möglichst in chronologischer Folge
zur Erinnerung an den grössten Numismatiker Eckhel, dessen
Geburtstag (13. Jänner) die numismatische Gesellschaft in Berlin
alljährlich feiert, hier nieder mit dem freundlichen Ersuchen, kundi
gere Männer des Faches mögen weiteres Material zu einer umfassen
den Geschichte der alten und neuen Numismatik in Österreich und
des k. k. Münz- und Antiken-Cabinets sammeln, wozu diese Zeilen als
geringer Beitrag dienen sollen.
Zwölf Männer werde ich in dieser 1. Abtheilung dem geneigten
Leser vorführen, von denen neun Priester und zwar fünf aus dem
gelehrten Orden der Gesellschaft Jesu waren, die übrigen drei dem
Laienstande und dem Auslande, Frankreich und Schweden, ihrer
Geburt nach angehörten.
I. Karl Gustav Heraus. — Ich beginne mit dem Auftreten dieses
Schweden der in unserm Österreich in der Numismatik die Bahn
öffnete, und fasse mich über ihn kurz, indem ich bei Ver
öffentlichung seiner (Korrespondenz mit Leibniz und Anderen, wie
auch in dessen Historia metallica seu numismatica Austriaca in den
Sitzungsberichten (der philosophisch - historischen Classe 18S4,
Bd. XIII, S.40—Gl und 339—625, dannBd. XVI.S. 132—168) sein
Leben zu beleuchten versucht und ihm in meinen Medaillen auf
berühmte und ausgezeichnete Männer des österreichischen Kaiser
staates im II. Bande Nr. XCI einen eigenen Artikel gewidmet habe.
Unter K. Joseph’s I. Regierung schien hier ein schöner Morgen
für Münz- und Alterthumskunde anzubrechen. Er berief zu diesem
Ende den gelehrten, in seinem Fache eines ausgebreiteten Rufes sich
erfreuenden Herrnus im J. 1709 vom fürstlich Schwarzburgischen
Pflege der Numismatik in Österreich.
33
Hofe nach Wien. Nach zwei Jahren am 17. April 1711 starb dieser
Herrscher an den Blattern in seinem 33. Lebensjahre. Herseus trat
nun in die Dienste seines Bruders und Nachfolgers K. Karl’s VI., der
schon als Prinz sich viel mit Münzen beschäftigte und auf seinem
Zuge nach und in Spanien (in ipsa expeditione Iberica) zu edler
Unterhaltung sogar ein kleines Münz-Cabinet, das spanische
genannt, mit sich führte. Unser kaiserlicher Medaillen- und Antiqui-
täten-Inspector hatte die Aufgabe aus den Medaillen und Münzen
welche theils in der Schatzkammer, ferner da und dort in eisernen
Kästchen und Trüheln, hölzernen Schachteln, sammtenen Beuteln,
Leinwandsäckchen unbeachtet und ungewiirdigt verborgen lagen,
theils von Sr. kaiserlichen und katholischen Majestät selbst verwahrt
wurden, ein grosses einheitliches Cabinet und zwar ein
antikes und modernes zu schaffen. Zu weiterer Bereicherung
desselben reiste Heraus im Spätsommer 1713 nach Ambras in Tirol
und brachte von da über 1200 auserlesene Stücke. Vielgeschäftig
wurden von ihm Münzen und Medaillen nicht nur in Wien angekauft
und eingetauscht, sondern kamen auch aus dem Auslande, aus Augs
burg, der Schweiz und Italien, besonders durch die kaiserlichen
Gesandten Marquis Hercules Joseph Ludwig de Prie 1 ) und durch
dessen Nachfolger Johann Wenzel Grafen von Gallas (s. Anm. II)
aus Bom, dann aus Ferrara, Sicilien u. s. w. grosse Sendungen, vor
züglich von alten italienischen Medaillen, woher der Beichthum an
derlei Stücken im k. k. Cabinet sich erklärt. Bei einer jährlichen
Dotation von 4000 Gulden und bei der umsichtsvollen Thätigkeit die
Herasus auf seinem Felde entwickelte, wuchs das kaiserliche Institut
in wenigen Jahren (von 1713-—1720) schnell zu einer schönen
Blüthe heran, bald aber gerieth der frische Trieb, wie es scheint,
durch die Schuld des mit der Pflege betrauten unsteten Gärtners in
Stockung, indem er vom Bergwerks-Dämon von seiner geraden und
sichern Bahnin Wien auf einen gefährlichen Ab weg in die rauhe Veitsch
im obersteierischen Gebirge sich verlocken liess, der sein Vermögen
verschlang und seine Lebenskraft brach. Sein letztes, mir bekanntes
Schreiben ist aus Veitsch vom 30. September 1723 und er scheint
bald, bis jetzt unbekannt wo, von dieser Erde geschieden zu sein.
1 ) Kürzere Notizen und Citate setze ich hier unten ; längere Anmerkungen s. am
Ende, so die über Prie sub I.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. ßd. I. Hft.
3
34
Joseph Bergmann.
Über seine numismatischen, epigraphischen und poetischen Lei
stungen s. meine vorerwähnten Mittheilungen in den Sitzungsberich
ten der kais. Akademie und Nr. XCI meines Medaillenwerkes. Seine
Arbeiten geben ihm das schönste Zeugniss über vielseitige Kennt
nisse, gründliche Gelehrsamkeit und regen Fleiss; seine Entwürfe
zu den Medaillen K. Karl’s VI. zeigen Geschmack und sinnreiche
Einfachheit gegenüber denen aus der Zeit der Kaiser Leopold I.
und Joseph I.
Heraus der sich eines grossen Vertrauens und Ansehens am
kaiserlichen Hofe zu erfreuen hatte, später aber in Allerhöchstdes-
sen Ungnade gefallen war, übergab zu wiederholten Malen dem
Schatzmeister Heinrich Uwens (f 1730) in einem Buche Abzeich
nungen und Abdrücke von goldenen und silbernen Münzen zur Con-
trole statt des Inventariums im J. 1721, dann am 21. und 24. Mai 1722
auch Cameen und andere Gegenstände die ihm anvertraut waren.
Sollte nicht einiges Misstrauen von Seite des Hofes gegen den Con-
servator diese Übergabe hervorgerufen haben ?
II. Nach Heraus ward, wie Schlager 1 ) meldet, im J. 1727
der Abbate Johann Baptist Banaglia als Medaillen- und Antiquitäten
inspector mit der Besoldung von 1500 Gulden, die auch sein Vor
gänger bezogen hatte, angestellt, und im k. k. Staats- und Standes
kalender auf das J. 1729 lesen wir im angehängten Hof-Schematis
mus bei dem k. k. Oberstkämmerer-Stabe, S. XX : „Antiquitäten- und
Medaiilen-Inspector Hr. Johann Baptist Panagia“. Derselbe wird in
Herrgott’s Numotheca I. Praefat. §. XV. im J. 1729 Panama aus
Calabrien, als der letzte Inspector des Cabinets K. Karl’s VI.
genannt, das damals 10,794 moderne Münzen und Medaillen zählte 2 ).
Banaglia, Panagia oder Panacia sind unstreitig Namen derselben
einen Person, was auch der gleiche Taufname bestätigt, die beiden
letztem scheinen zeitüblich griechisirt zu sein. Er starb am 20. März
1730 in Wien 3 ). Im vorerwähnten Staats- und Standeskalender aufs
A ) Schlager’s Materialien zur österr. Kunstgeschichte, in dein von der histor. Com
mission der kais. Akad. herausgegebenen Archive, Bd. V, 696 und 710.
2 ) U 11 i m u s, cui numophylacii cura commissa fuit, Johannes Baptista PANACIA
erat, natione Ca lab er.
3 ) Im wienerischen Diarium vom J. 1730, Nr. 23 heisst es in der Sterbeliste: Der
Wohl-Ehrw. in Gott Geistlicher Herr Johann Baptist Bannagia , kaiserl. Anti
quitäten- und Medaiilen-Inspector, in dem Hillebrandischen Haus am Kohl-Mark (sic),
alt 38 Jahr.
Pflege der Numismatik in Österreich.
35
J. 1731 heisst es im Anhänge S. XX: „Antiquitäten- und Medaillen-
Inspector-Vacat“. Somit war in diesem Jahre diese Stelle noch
erledigt und unbesetzt. Eben so lautet es in dem für 1739. So fehlt in
den folgenden gleichen Kalendern für die Jahre 1748, 1752, 1763
und 1765, in denen der jeweilige Schatzmeister, Galerie-Inspector und
Andere bei dem k. k. Oberstkämmerer-Stabe, dem sie alle unterstan
den und ihre Nachfolger noch unterstehen, namentlich aufgeführt
sind , die Rubrik „Antiquitäten- und Medaillen-Inspector“ gänzlich
und taucht erst im J. 1767 *) neben den anderen k. k. Instituten
S. 441 als: „Miinz- und Medaillen-Cabinet-Director — Hr. Valentin
Jameray Duval“ neu auf, wie wir unten zeigen werden.
Bevor wir in Bezug auf die Per so ne n die bei dem k. k.Miinz-
und Medaillenschatze später angestellt, oder auf dem Felde der
Numismatik mit lohnendem Erfolge thätig waren, weiter gehen,
müssen wir des betrügerischen Ankaufs einer ganzen Sammlung in
Rom erwähnen, der nach Heraus’ Verwaltung gemacht wurde. Der
Kaiser, voll unablässigen Eifers sein ausgezeichnetes Cabinet zu
vermehren, liess von den Carfhäusern in Rom das reiche Münzcabi-
net das ihr verstorbener Procuratore generale, Pater de Roche
fort, mit grösster Mühe gesammelt und zu dessen Herausgabe
Kupferplatten angefertigt hatte, im vollen Vertrauen auf das einge
schickte Verzeichniss um eine grosse Summe Geldes ankaufen und ord
nete A nt on Daniel Bert ol i (S. 37) zur Überbringung nach Wien
dahin ab. Leider war er so unbehutsam, daselbst sich überreden
zu lassen die Kupferplatten zum Abdrucke einiger Exemplare ohne
Vorwissen seiner Vorgesetzten zu erlauben. Hiezu druckte man den
Titel: „Numismata aerea maximi moduli primique duodecim Augusti
ex auro, dudum Romae in Coenobio Carthusiae nunc Viennae Austriae
in gaza Caesarea“ ohne Angabe des Ortes und des Jahres, in Folio
(Anm. III). Als die Sammlung nach Wien gekommen war, untersuchte
der gelehrte Pius Nicolaus Garelli, des Kaisers Leibarzt undHof-
bibliotheks-Präfeet, mit dem kaiserlichen Antiquario (wohl Panagia)
nicht allein die Münzen , Unter denen sie über 200 falsche, wobei
viele Medaillons waren, fanden, sondern auch die zu Rom abgedruck-
ten Kupferplatten, die so voll grosser Fehler besonders in den
Umschriften waren, dass man diese fehlerhaften so viel möglich zu
*) Leider konnte ich nirgends den- Hof-Schematismus von 1760 auffinden.
3*
36
Joseph Bergmann.
unterdrücken sich bemühte, wesshalb Abdrücke dieses Werkes zu
den grössten Seltenheiten gehören. Garelli schrieb darüber am
30. April 1729 einen Brief an Abbe Bignon, Bibliothekar K. Lud-
wig's XV., der im Journal des S^avans. Tom. LXXX1X. Sept. 1729,
pag. 132 gedruckt und später von Erasmus Froelich im zweiten Theile
des Cimelium Vindobonense in lateinischer Sprache wieder heraus
gegeben wurde. Froelich und Eckhel säuberten später mit schärferer
Kritik noch mehr diesen Augiasstall.
Ausser diesem römischen Cabinete kaufte der Kaiser noch die
ansehnliche Sammlung antiker Münzen vom Grafen K a rl Joseph
von Paar (IV) und liess sie mit seinem kaiserlichen Schatze in einem
der neuerbauten Hofbibliothek nahen Gemache vereinen, und ver
diente mit vollstem Rechte die Huldigung, die Heraus auf einer Me
daille mit der Inschrift: OB SERVATAM PRISCI NOSTRIQ.ue TEM-
PORIS MEMORIAM HERCVLI MVSARVM (s. dessen Jnscriptiones
edit. 1721, pag. 47) seinem Gebieter dargebracht hat.
Die Vorgänge die des frühem Lieblings Heraus Ungnade her
beiführten, und der allzu theuere Ankauf der Münzsammlung in Rom
mochten nicht wenig beitragen, den Kaiser seinem Münzcabinet immer
mehr und mehr abgeneigt zu machen, so dass er, wie ich oben
erwähnte, nach ßanaglia’s oder Panagia’s Tode die erledigte Stelle
eines Antiquitäten- und Medaillen-Inspectors gar nicht mehr besetzte.
Der Zeitgenosse Johann Basil Küch elb eck er erwähnt in:
Allerneueste Nachricht vom Römisch-Kais. Hofe etc. Hannover 1732.
auf S. 92S vom kaiserlichen Münz- und Medaillen-Cabinet:
„dass es unstreitig eines von den stärksten ist, so man zu dieser Zeit
in Europa findet. Allein wir müssen bekennen, dass wir dazu vor
diessmal nicht vermögend, aus Ursache, weil dieses unvergleichliche
Cabinet, so auf der Burg in denen Käyserlichen Zimmern
stehet, vor jetzo niemand gezeiget wird. Unterdessen können
wir von hörensagen so viel berichten, dass in solchen nicht nur viele
antique Müntzen, e. g. Nummi Graeci, Ebraici, Romani etc. anzu-
treffen, sondern dass von solchen auch die Suite und die Ordnung
meistentheils vollkommen zu sehen. Es sind e. g. die Numi Consu-
lares; die Käyser sowohl in Gold als Silber und Kupfer etc. nach
der Reihe allda zu finden, und überdies wird nicht leicht ein rarer
Numinus existiren, welchen man allhier nicht haben sollte. Von
modernen Münzen und Medaillen findet man ebenfalls daselbst
Pflege der Numismatik in Österreich.
37
einen starken Vorrath, und der über solches bestellte Kaiser!. Anti
quitäten- und Medaillen-Inspector, Herr Johann Baptist Pana-
gia (der schon 1730 gestorben, was Herr Küchelbecker, Syndicus
zu St. Annaberg in Sachsen, nicht wusste) erhält solches in der
schönsten Ordnung, welcher dem Publico die grösste Gefälligkeit
erweisen könnte, wenn er mit allergnädigster Käyserl. Erlaubniss eine
Beschreibung davon ans Licht geben wollte.“
Nach demselben Küchelbecker hatte auch die k. k. H of hi
hi iothek damals noch eine Münzsammlung, indem es S. 712,
§. 5 heisst: Nebst denen vielen und unvergleichlichen Büchern, wie
auch denen raresten Manuscriptis, sind auch allhier noch sehr
viel rare und curiose Sachen zu sehen. Denn man verwahret allhier,
nebst vielen Antiquitäten und Curiositäten, auch einen ziemlich
starken Vorrath von alten und raren Münzen sowohl von Gold
und Silber als auch von Ertz und andern Metallen, welche in einer
schönen Ordnung rangiret zu sehen und in einer guten Suite zu fin
den sind.
Oh der Hofbibliotheks-PräfectGarelli(fl739) oder der Schatz
meister Nicolaus Hilling, oder wer sonst nach Panagia’s Tode die
Oberaufsicht oder Verwaltung vom J. 1730 an führte, vermag ich
nicht anzugeben.
Nun wollen wir die auf Heraus (I) folgenden schriftstelle-
risehen Pfleger der Münzkunde in Wien, die noch der
Regierungszeit K. Karl’s VI. (f 1740) und dem gelehrten Orden
der Gesellschaft Jesu angehören, dem Leser vorführen, nämlich:
Granelli, Edschlager und Grueber.
Wir kennen am kaiserlichen Hofe zu jener Zeit ausser vielen
hohen italienischen Cavalieren und Geschäftsmännern mehrere ausge
zeichnete Gelehrte aus diesem Lande, von denen die hervorragend
sten sind: Johann Baptist Garelli aus Bologna, schon K. Leo-
pold’s wie auch K. Karl’s VI. Leibarzt (-j- 1732) und dessen grossem,
gereisten und gelehrten Sohn Pius Nicolaus, kais. Protomedicus
und Hofbibliotheks-Präfecten (f 21. Juli 1739), dessen einziger
schwächlicher und kränkelnder Sohn Johann Baptist Hannibal
in seinem Testamente vom 22. October 1740 seine ererbte kostbare
(die Gareilisch e, nachher im Theresianum aufgestellte) Biblio
thek dem Vaterlande vermachte und am IS. September 1741 im
22. Lebensjahre starb; ferner Anton Daniel Bertoli aus Udine,
38
Joseph Bergmann.
Designatore di Camera K. Karl’s VI., nach des Florentiners Fabricio
von Cerrini Tode (f 1. Dec. 1730) Galerie-Inspector und Zeichen
lehrer der Erzherzoginn, nachherigen KaiserinnMaria Theresia, 1744;
der Neapolitaner Dr. Alexander Rice a r di, Fiscal bei dem Con-
sejo de Espaiia, des jüngern Garelli Mitpräfect der kaiserlichen
Hofbibliothek (f 1726), durch den Panagia aus Calahrien in kais.
Dienste gekommen sein mag; der Venetianer Apostolo Zeno,
gleichfalls auch Numismatiker, der seine reiche, 10.778 Stücke grie
chische und römische Münzen zählende Sammlung durch Froelich’s
Vermittelung am 28. September 1747 dem Stifte St. Florian um
20.000 Gulden verkaufte, endlich der Hofmathematicus und Astronom
Johann Jacob Marinoni aus Udine, dann Oberingenieur der
k. k.Ingenieur-Akademie (f 11. Jänner 1755) nebst Anderen. — Die
sen ist anzureihen:
III. Earl Granelli, am 21. Februar 1671 zu Mailand geboren,
kam mit 16 Jahren in den Orden der Jesuiten nach Österreich,
beschäftigte sich mit der Geschichte und Topographie der österrei
chisch-deutschen Erblande und schriebseine anonyme: Germania
A u s t r i a c a seu Topographia omnium Germaniae provinc-iarum Augustae
domui hereditario jure subjectarum studio et labore cujusdam Socie-
tatis Jesu sacerdotis etc. Viennae 1701, in fol. mit acht Landkarten
der einzelnen Landschaften. Dieser Band erschien im J. 1752 in
Quarto abermal, aber ohne diese Karten und zum dritten Male mit
vielen Verbesserungen und Zusätzen bei Gelegenheit der feierlichen
Disputation des Freiherrn Moriz von Brabeck, Zöglings des k. k.
Theresianums, in sehr schöner Ausgabe bei Trattnern im J. 1759 in
4 l ° ohne Karten. Granelli war Doctor der heiligen Schrift und lehrte
an der hiesigen Universität Philosophie und Theologie, ferner war er
der verwitweten Kaiserinn Amalia Beichtvater, dann in der Mathema
tik, Geschichte und M ün z ku n d e Fr o e 1 ic h's Lehre r. Er sammelte
mit grosser Sorgfalt antike, besonders griechische Münzen, die er wie
auch seinen mit Anmerkungen versehenen handschriftlichen Katalog sei
ner wohlgeordneten Sammlung sammt einer gewählten numismatischen
Handbibliothek dem Jesuiten-Collegium in Wien hinterliess. Späterkam
die Sammlung ins neugegründete Theresianum und ward nach Auf
hebung des Ordens (1773) dem k. k. Münz-Cabinet einverleibt. Er
starb im Collegium zu Wien am 3. März 1739. Die Angabe die
ich irgendwo las, dass P. Granelli noch auf dem Sterbebette des
Pflege der Numismatik in Österreich.
39
stärkenden Trostes sich erfreute seine mühevolle Schöpfung in den
Händen Eckhel’s zu sehen, ist eine leere Phrase, da dieser damals
ein zweijähriges Kind war. In der Collectio Scriptorum Societatis
Jesu. Tom. I. Scriptores Provinciae Austriacae. Viennae 1733,
S. 103 sind seine Werke genannt; über Numismatik hat er nichts
geschrieben.
IV. Christian Edschlager (auch Etsch lager nicht aber
Ekschlager), im Jahre 1699 zu Wien geboren, trat 1717 in den
Orden der Gesellschaft Jesu, verlegte ausser seinen Berufsstudien sich
mit vollem Eifer auf Sprachen, besonders die griechische und hebräi
sche, und war fast aller europäischen Sprachen kundig. In den Neben
stunden beschäftigte ihn ■— vielleicht auf des gereiften Mitbruders
GranelliAnregung—-vorzüglich die Münzkunde. Seine poetische Ader
führte den Jüngling auf die Bahn welche Ceva, Giannettasius, Rapinus,
Vaniere etc. auf ihrem Gebiete betreten haben, die Numismatik in
einem Lehrgedieilte zu besingen. Im Jahre 1724 erschien das
selbe in Gratz unter dem Titel: Synopsis Rei Nummariae Veterum:
Mein Exemplar in 12 m “, dem leider der Titel wie auch die Angabe der
Seitenzahlen fehlen, enthält auf 32 von mir gezählten Seiten 1432
Hexameter in XXI Abschnitten mit nachstehenden Aufschriften:
I. Nummaria. II. Gazophylacium. III. Nomina Nummorum. IV. Aetas
Nummorum. V. Origo nummorum et metalli varietas. VI. Aurum.
VII. Argentum. VIII. Aes. IX. Divisio Nummorum. X. Magnitudo Num
morum. XI. Nummi maximi. XII. Pars adversa Nummorum, et series.
XIII. Pars aversa Nummorum. XIV. Ordo Nummorum. XV. Voces et
literae.XVI. Delectus Nummorum. XVII. Color Nummorum. XVIII. Men-
dae Nummorum. XIX. Minora ornamenta Nummorum. XX. Fraudes, et
Nummi falsi (der längste Artikel von 320 Versen). XXI. Paraenesis.
Zum Schlüsse folgt: Synopsis Rei Nummariae explicandis versibus
necessaria, die LX. Monita oder Erläuterungen mit 43 Abbildungen
auf vier Kupfertafeln enthält. Dieses Gedicht erfreute sich einer so
günstigen Aufnahme, dass kurz nach dessen Erscheinen ein reicher
und gelehrter Engländer den Verfasser brieflich bat, eine umfassen
dere Lehre über diesen Stoff auf seine Kosten herauszugeben. Da die
erste Auflage bald eine grosse Seltenheit geworden war, liess der
Jesuit Karl Kl ein dieses Gedicht in: Analecta poetica provinciae
Austriae Societatis Jesu, etc., und zwar in Analectorum Epicorum
parte I. Viennae 1733, in 8™, pag. 444—300 und die Monita von
40
Joseph Bergmann.
S. 501—540 mit den vorerwähnten Abbildungen auf vier Tafeln
abermals abdrucken.
Vom Seeleneifer getrieben widmete P. Ed Schlager sieb dem
apostolischen Amte der Mission durch vier Jahre in und um Konstan
tinopel und auf den griechischen Inseln, sammelte sorgfältig grie
chische Münzen die er zeitweise seinem Ordensbruder P. Granelli
zusandte, nicht minder alte Inschriften für seinen Freund Erasmus
Froelich, dem er auch die Inschrift auf dem pannonisch-norischen,
nun im k. k. Münz- und Antiken-Cabinete verwahrten Bronce-Gewichte,
das bei Ruschtschuk in der Donau von Fischern gefunden wurde, über
machte. Maffei theilte im J. 1734 diese Inschrift jedoch mit fehler
haften Umrissen mit. S. Prof. Daniel Schimko's verdienstliche Ab
handlung: Uber ein pannonisch-norisches Gewicht in den Sitzungs
berichten der kais. Akademie der Wissenschaften, Bd. XI. Abtheil. 2,
S. 606—631, besonders 621.
Pater Ed Schlager lebte nach seiner Rückkehr aus dem Orient
zu Stadt Steyer, erfüllte bei grassirender Krankheit treu die Pflichten
des Priesters und starb daselbst am 2. März 1742.
V. Leopold Grncbcr zu Rohrbach in Österreich am 12. Novem
ber 1696 geboren, trat früh in den Jesuiten-Orden, lehrte im Colle
gium zu Wien Poesie und Rhetorik, ward Doctor der Gottesgelehrt-
heit, versah verschiedene Ämter im Orden inner- und ausserhalb
Wiens, war nach dem Staats- und Standeskalender für 1748 Supe
rior zu Traunkirchen und starb zu Gratz 1773. Ausser einigen reli
giösen und moralischen Schriften schrieb er: Numi Augustorum
Caroli VI. et Elisabethae Christinae. Viennae Austriae cusi breviter
descripti et explanati. Viennae Schwendiman. 1726, 8’°. Cf. Col-
lectioScriptorum Societ. Jesu, Tom. I. p. 111. Leider war ich bisher
nicht so glücklich diese Schrift Grueber’s irgendwo aufzufinden und
deren Inhalt einzusehen, ob und wie sehr er Heraus’ Publicationen
benützt hat.
Noch eines vaterländischen Gelehrten auf dem Gebiete der
Numismatik müssen wir gedenken, bevor wir zu den beiden Vorder
österreichern Marquard Herrgott und Rüsten Heer übergehen.
Dieser ist
VI. Ckrysostomus llantlialer, am 14. Jänner 1690 zu Marenbach
bei Ried im damals baierischen Innviertel geboren, erhielt in der
h. Taufe den Namen Johann. Er studirte unter sehr drückenden
Pflege der Numismatik in Österreich.
41
Verhältnissen zuSalzburg, graduirte daselbst aus der Philosophie und
wollte ins dortige Stift St. Peter eintreten. Ahgewiesen wandte er
sich zur Rechtswissenschaft und musste, wie einst der grosse Erasmus
von Rotterdam, theils als Corrector in einer Buchdruckerei, theils
durch Correpetitionen aus der Mathematik und Physik und als Gelegen-
heitsdichtei* seinen Lebensunterhalt mühsam erwerben. Nun gingHan-
thaler nach Wien um nach vollendeten Rechtsstudien sich der Theo
logie zu widmen. Durch einen Herrn von Metzburg dem 1716
gewählten Abte Chrysostomus Wieser zu Lilienfeld empfoh
len, trat er in dieses Gotteshaus ein, legte nach seinem Noviziat am
IS. August 1717 seine Gelübde ab, nahm seines würdigen Abtes
Namen Chrysostomus an, und las am 2. April 1718 die erste Messe.
Seine priesterlichen Eigenschaften und wissenschaftlichen Kenntnisse
machten ihn bald zu verschiedenen Klosterämtern verwendbar. Er
war durch vierzehn Jahre Novizenmeister, da er ein vorzügliches
Talent zur Heranbildung hoffnungsvoller Jünglinge für die Wissen
schaften und für die Seelsorge besass, und als Bibliothekar ordnete
er den Bücherschatz und verfasste einen Katalog, darauf bekleidete
er die Stelle eines Subpriors und Administrators am Annaberg und
widmete sich nach der Rückkehr in sein Kloster ganz den Wissen
schaften, besonders dem Studium der ältern österreichischen
Geschichte, wozu ihm sein genannter Abt (f 1747) vollkommene
Müsse gewährte und das Archiv reichliche Quellen bot. Die Münz
sammlung des Stiftes, welche seine numismatischen Werke veran-
lasste, ging hei dessen Aufhebung (25. März 1789) unter. Abbe
Neumann hat das Verdienst die Kupferplatten von Hanthaler’s
Fortsetzung seiner „ Fasti Campililienses“ die mit dem Küchen-
geräthe und Kupfergeschirre auf den Trödelmarkt gerathen waren,
durch deren Ankauf um 72 Gulden vom Untergang gerettet zu
haben. Sie kamen durch des Freiherrn v. Hormayr Vermittelung
an den Abt Ladislaus zurück, wodurch die weitere Ausgabe veran
lasst wurde.
Bekannt sind seine Fasti Campililienses. Linz 1730—1745
in 4 l ° und dessen Nachlass, den der vormalige Aht, nachherige Er-
lauer Erzbischof Ladislaus v. Pyrker in Wien 1818 in zwei Folio-
Bänden herausgegeben hat. Ausser Anderem schrieb er ein Verzeich
niss bisher bekannter Alt- und Neuer, Merckwiirdiger Wienerischer
Schau-, Denk- und Lauf-Müntzen. Linz 1745 in 4 t0 . Die achte
■7
42 Joseph Bergmann.
Abtheilung enthält nach Heraus „Müntzen unter Kayser Karl dem
Sechsten und Glorreichen“, S. 56, und die Medaillen nach demselben
Vorgänger; die neunte und letzte die Münzen, vornämlich Denkmünzen
aus den ersten Regierungsjahren der Kaiserinn M. Theresia bis zur
Vermählung ihrer Schwester der Erzherzoginn M. Anna mit ihrem
Schwager dem Herzog Karl von Lothringen, am 7. Jänner 1744.
Schon am 16. December desselben Jahres starb sie als Statthal-
terinn der Niederlande zu Brüssel in Folge einer todtgebornen Prin-
cessinn. Ein anderer von ihm handschriftlich hinterlassener Theil
enthält die Münzen, Bilder und Sigille der hochadeligen Personen,
Fürsten, Grafen und Freiherren; ferner ein dritter die Münzen, Bilder
und Sigille der adeligen und ritterlichen Personen, der Gelehrten,
Städte und Märkte. Nach seinem Tode (f 2. September 1754)
erschienen dessen: Exercitationes faciles de numis veterumpro Tyro-
nibus. Tom. II, Vindobonae et Pragae. 1756 in 4 l ° cum figg. Diese
Übungen sind in die Form von Dialogen eingekleidet. Seine volumi
nösen, gedruckten und ungedruckten Werke, wie auch die Notizen
über sein Lehen s. in der kirchlichen Topographie Österreichs. Wien
1825, Bd. VI, den Ambros Becziczka, nachheriger Abt von Lilien
feld, verfasste, S. 216 und 306; dann in Barons von Hormayr Archiv,
1816, S. 637.
Die dem Erzhause Österreich stets treu ergebenen V o r 1 a n d e
waren die Mutter vieler ausgezeichneter Männer in Kirche, Staat und
Wissenschaft. Unter den zahlreichen Reichsstiftern und Klöstern
derselben ragte im vorigen Jahrhundert in der Pflege der Wissen
schaft dieBenedictiner-AbteiSt. Blasien auf dem Schwarzwalde vor
Allen hervor. Deren Abt Franz II. erwarb 1747 den Titel eines Für
sten des h. römischen Reichs für sich und seine Nachfolger. Dieses
Gotteshaus besass ein wohl geordnetes Archiv, eine reiche Biblio
thek besonders im historischen Fache, die im Brande 1768 grössten-
theils verbrannte. Mit ihr war ein ansehnliches Münz-Cabinet ver
eint, das bei jenem Brande einen starken Vorrath von Bracteaten
verlor, und eine eigene Druckerei, deren Ertrag für die Bereicherung
der Bibliothek verwendet wurde. In diesem Musensitze lebten und
wirkten Martin Gerbert, Aemilian Ussermann, Franz Kreutter, Ambro
sius Eichhorn, Trudpert Neugart, Berthold Rottier etc., wie auch
unserebeidenNumismatikerMarquard Herrgott und Rüsten
Heer.
Pflege der Numismatik in Österreich.
43
VII. Franz Jacob Herrgott, am 9. October 1694 zu Preiburg
in Breisgau geboren, erhielt seine Erziehung im Stifte St. Blasien,
ward daselbst 1715 Profess mit dem Namen Marquard, und
am 17. December 1718 Priester. Sein Abt schickte den hoffnungs
vollen jungen Mann zu weiterer Ausbildung nach Paris zu den
gelehrten Benedictinern zu St. Germain, denen die Wissenschaft die
weltbekannten classischen Werke verdankt. Er brachte die Überzeu
gung von der Nothwendigkeit gründlicher Quellenforschung, den
Trieb ausdauernder freimüthiger Forschung und Gewandtheit im
Umgänge mit Menschen aus Frankreich mit sich zurück. Abt Franz II.
ernannte ihn zu seinem Hofcaplan, später zum Bibliothekarund Gross
kellner. Bei allen seinen Geschäften widmete er seine Müsse, umfas
sende Sammlungen zu einem ausführlichen Werke über vaterländische
Kirchengeschichte anzulegen. Nun wurde er nach Wien geschickt,
wo er als Deputirter der breisgauischen Stände von 1728 bis 1748
durch volle zwanzig Jahre deren Angelegenheiten am kaiserlichen
Hofe vertrat. Hier an den reichen Quellen fasste er den Gedanken
seiner habsburgischen Stammsgeschichte. Bekannt sind die Genea-
Iogia Augustae Domus Austriacae und die Monumenta, von denen noch
der erste Band während seines Aufenthaltes in Wien erschien. Zwei
Sommer hindurch besuchte er das k. k. Münz- undMedaillen-Cabinet
und sammelte mit aller Mühe und bedeutenden Unkosten, wo er nur
konnte, österreichische Münzen, im Laufe von zwölf Jahren über eilf-
hundert Stücke. Er verkehrte hier mit dem gelehrten Freiherrn Buol,
der eine auserlesene Münzsammlung und eine in der Numismatik
erfahrene Frau hatte (V.), dessgleichen mit dem Freiherrn von Stein
aus Schwaben, einem grossen Münzenfreunde, ferner mit de France,
Erasmus Froelich, den er „Eruditionis laudeflorentissimus“ nennt.
Sicherlich kannte er noch Panaciaoder Banagia, den er den
letzten Medaillen-Inspector K. Karl’sVI. nennt. Herrgott’s Numotheca
ist ein Werk, zu dem die meisten Studien hier in Wien gemacht
wurden. Als er mit dem Titel eines kaiserlichen Rathes und Histo
riographen in sein Stift zurückgekehrt war, erhielt er die Prop
stei Krotzingen, die ihm Müsse genug gönnte seine Arbeiten
fortzusetzen. In den Jahren 1752 und 1753 gab er mit seinem Mit
bruder P. Rüsten Heer heraus: Numotheca Principum Austriae
ex gazis Aulae Caesareae potissimum instructa et aliunde aucta etc.
Vol. II. Friburgi. — Seine Münzen zeichnete und ätzte in Kupfer
44
Joseph Bergmann.
grösstentheils Peter Mayer aus St. Blasien, den er über zwölf
Jahre in seinem Solde hatte. Im Jahre 1760 erschien der letzte
Band dieser kostbaren Monumenta. Zwei Jahre später an seinem
Geburtstage den 9. October 1762 starb er auf seinem Tusculum
Krotziugen, wo er ruht *)•
VIII. Weniger bekannt ist das stillere Leben von Rüsten Heer.
Er war im Canton Aargau zu Klingnau, wo St. Blasien eine Propstei
besass, am 19. April 1715 geboren, legte am 15. November 1733
Profess im Stifte ab, ward erst Bibliothekar und Vorstand des
dortigen Münz-Cabinets, als welcher er wesentlichen Antheil
an Herrgott’s vorerwähnter Numotheca nahm. Wir finden ihn jedoch
auch ausserhalb des Stiftes in der Seelsorge und in der Administration.
Nach Herrn Professors Fi ekler in Mannheim dankenswerthen Mit
theilungen war er in Krotzingen im October 1755, dann im März
bis November 1762, ferner im September 1763 zu Nöggersweil
auf dem Schwarzwald, wo er sich im October 1765 noch befand:
endlich zuB ondorf.—Nach Herrgott’s Hintritt wünschte und glaubte
Heer die Monumenta Domus Austriacae in Krotzingen ruhig vollenden
zu dürfen; zu seinem Leidwesen aber erhielt er von St. Blasien aus
die Weisung am 19. November 1762 dorthin zurückzukehren 2 ).
Man bestimmte ihn sofort zum Pfarrer in Nöggersweil, wo er am
1. December 1762 aufzog. Die Fortsetzung der Monumenta gab er
aber nicht auf, obwohl ihn diese Ortsveränderung sehr derangirt
hatte. Er arbeitete im März 1764 an der Vollendung der Tapho-
graphia Principum Austriae und hoffte sie bis zum Sommer
1765 unter die Presse geben zu können, was auch der Fall war;
denn im October d. J. war der Druck zu St. Blasien im vollen Gange.
Gerbert vollendete und gab sie 1772 heraus. Er sagt in der Prae-
fatio pag. XXXI: Sed iam ante decem annos immortuus labori
*) Ygi. Prof. Fickler’s in Mannheim inhaltreichen Aufsatz: Zwei habsburgische Denk
mäler und zwei habsburgische Geschichtsschreiber P. Herrgott und P. Kopp in
den österr. Blättern für Literatur und Kunst. Wien 9. Oct. (N. 41) 1854, S. 267.
2 ) Am 18. Nov. schrieb er an Lamey, Bibliothekar zu Strassburg: „Hic literis apud
nos honor, tantum praefertur utile honesto, so redet man in Freiburg, so redet
man hier und aller Orten.“ Mit diesem wie mit Schöpflin stand er in gelehr
tem und vertrautem Briefwechsel, wie er denn unter Anderem an erstem schrieb:
„Intellexi, quam anxius tarn Tu, quam summe venerandus patronus Tuus, immo et
mens, dominus Schöpflinus, meA de valetudine fueritis. — E Crozinga die
XXII. Martii 1762,
Pflege der Numismatik in Österreich.
45
(P. Marquardus), P. RUSTENO HEER, quo vivus socio usus fuerat in
amplissimo hoc monumentorum Austriacorum opere, reliquit elu-
cubrandum opus. In quo dum esset ilie, et iam haec Tapographia
sub prelo sudaret San-Rlasiano — ecce anno 1768 repentino incen-
dio apparatus omnis periit: ipseque P. HEER sequenti anno fatis
cessit, sicque ambo prius sepulcro sunt illati, quam opus hoc in lucem
prodierit etc. Als nach Herrgott’s Tode Heer zum Rathe und Histo
riographen Sr. k. k. Majestät ernannt worden war, bot in Folge
dessen der Fürstabt ihm einen Ehrenposten an, den er wegen Trans
portirung der Ribliothek, Handschriften etc. bis zur Vollendung des
Druckes sich verbat. Dieser Posten war wahrscheinlich die Admini
strators-Stelle zu Rondorf, in der wir P. Heer nun fortan finden.
Das Diarium Monasterii S. Petri des Abt Philipp meldet beim
1. Februar 1769: Invisunt me D. Hiller, synd. equestr. Ordin., Dom.
de Camuzi et de Zwerger, et Pat. Rüstenus Heer Sanblasianus
supremus curator Rondorfensis. Und beim ersten April desselben
Jahres: Hodie Rondorfii obiit A.R. P. Rüstenus Heer, monachus
San-Rlasianus, qui prosequi et complere debuisset opus P. Marquardi
p. m. „Monumenta Austriaca“ inscriptum, sed forte necdum
finivit. Aet. ann. 54. R. I. P.
Von ihm ist auch die Schrift: Anonymus Murensis (Abbas Fri-
dolinus Ko pp) denudatus et ad locum suum restitutus s. Acta fun-
dationis monasterii Murensis denuo examinata. Friburgi 1756, fol.
Während Hanthaler und die beiden St. Rlasianer, dann der
Jesuit Froelich als Private im Laufe des IV. und V. (1730—1750)
Jahrzehents mit Geschichte und Numismatik sich beschäftigten,
geschah zu dieser Zeit in letzterm Fache von Seite des Hofes durch
Publication nichts. Kaiser Karl VI. liess die nach Panagia’s Tode
erledigte Stelle eines Antiquitäten- und Medaillen-Inspectors, wie die
Hof-Schematismen dieser Jahre zeigen, bis zu seines Lebens Ende
(20. October 1740) unbesetzt. Seine grosse Tochter hatte bei dem
stürmevollen Antritte ihrer segensreichen Regierung für wichtigere
Dinge zu sorgen. Erst als die wilden Wogen des österreichischen
Erbfolgekrieges und der beiden schlesischen Kriege auf ein Jahr
zehent zur Ruhe sich gelegt hatten, konnte sie auf die Künste des
Friedens Redacht nehmen. Ihr Geist belebte die Monarchie mit neuer
Kraft. Sie ordnete die Finanzen, das Heer und die wichtigeren
Zweige der Administration, hierin war Maria Theresia gross. Die
46
Joseph Bergmann.
Zeit forderte neue Schöpfungen, und diese forderten tüchtige Männer
welche die weise Regentinn, wie der Erfolg zeigt, fand und glücklich
wählte. Sie gründete auf der Stätte, — der Favorite — in der ihr
Vater die Augen geschlossen, im Jahre 1746 die adelige Ritter-Aka
demie, das nach ihr genannte Theresianum, baute 1750 das
prächtige Universitätsgebäude und besetzte die Hochschule mit aus
gezeichneten Lehrern aus dem In- und Auslande, Gerhard van Swie-
ten erhob das medicinische Studium zu europäischem Rufe, im Jahre
1752 stiftete sie als wahre Mater castrorum die berühmte Militär-
Akademie zu Wiener-Neustadt und die Ingenieur-Akademie in Wien,
1753 die orientalische Akademie, die einzige ihrer Art in Europa,
die Mutter ausgezeichneter Geschäftsmänner für den Orient und
Pflegerinn orientalischer Gelehrsamkeit, sie schuf das geheime Haus-,
Hof- und Staatsarchiv; ferner errichtete sie eine Graveur- und
Bossirschule zur Förderung der Münzprägung, eine Zeichner- und
Kupferstecher-Akademie unter dem Protectorate des Fürsten von
Kaunitz. So geschah auch Vieles in den Provinzen.
Nun gebot es die Zeit, auch für die k. k. Hof-Institute zu
sorgen. An die Stelle des 1739 verstorbenen Hofbibliotheks-Prä-
fecten Garelli trat 1745 der Kaiserinn erster Leibarzt van Swieten,
das verwaiste Münz- und Medaillen-Cabinet bedurfte vorzüglich
erneuter Aufmerksamkeit und Pflege, die ihm bald im vollsten Masse
zu Theil werden sollte.
Maria Theresia’s Gemahl, Franz Stephan, letztregierender
Herzog von Lothringen, ward kraft des Wiener Friedens vom 3. Octo-
her 1735 nach dem Ableben Johann Gasto’s von Medicis (-{■ 9. Juli
1737) Grossherzog von Toscana, und am 13. September 1745 in
Frankfurt zum römisch-deutschen Kaiser erwählt und den 4. October
als Franz I. mit Karl’s des Grossen Krone gekrönt. Kaiser Franz I.
hafte bekanntlich eine grosse Vorliebe für Physik, Chemie und
Botanik, und stand seiner kais. Gemahlinn bei Vervollkommnung
und Einführung so mancher herrlichen Schöpfung rathend und mit
schaffend zur Seite. Er ist der Schöpfer des grossartigen Naturalien-
Cahinets. Er kaufte im J. 1748 die in ganz Europa berühmte Mine
ralien-Sammlung des Chevalier Jean deBaillou, der vordem in des
Grossherzogs Johann Gasto Diensten gestanden ist. Baillou kam nach
Wien und ward der erste Director des Hof-Naturaliencabinetes Kaiser
Franzens I. mit der Erblichkeit auf seine männlichen Nachkommen. Er
Pflege der Numismatik in Österreich
47
starb am 24. November 1758, ihm folgte sein Sohn Johann Balthasar
seit 1766 Freiherr von Baillou, und nach dessen am 23. Februar 1802
erfolgtem Tode entsagte sein Sohn Joseph Johann diesem erblichen
Amte (s. Anin. VI).
Nicht mindere Liebe hatte der Kaiser zur Numismatik, legte
mit kaiserlichen Mitteln in möglichster Reichhaltigkeit das moderne
Münz- und Medaillen-Cabin et an, berief im nämlichen Jahre
1748 seinen Bibliothekar Duval aus Florenz und betraute ihn mit
der Obsorge über diese seine Sammlung, dem später nach dem
Hof-Schematismus von 1769 Johann Verot als Custos (Garde du
Cabinet) und Karl Schreiber als Adjunct untergeordnet waren.
Der Kaiser unterliess jedoch keine Gelegenheit, auch das Cabinet
der alten Münzen und geschnittenen Steine zu bereichern.
Wir kommen nun zur fast vierzigjährigen Epoche(1748 —1786)
der französischen und auch französisch schreibenden
Beamten am kaiserlichen mod ernen Münz- und Medaiilen-Cabinete,
wie auch die aus dieser Zeit herrührenden Acquisitions-Journale,
Kataloge und Münzzettel in dieser Partie zeigen.
Zum geschichtlichen Abrisse der literarischen Pflege der
Numismatik, sowohl der antiken als der modernen, in unserm Öster
reich zurückkehrend, wollen wir den oben erwähnten Männern jene
vier anreihen, welche vom J. 1748 bis 1775 werkthätigen Antheil
an derselben nahmen, nämlich de France, die theoretisch und
praktisch gebildeten Numismatiker Duval, dann Froelich und
Khell, die beiden Vorläufer Eckhel's.
IX. Joseph de France, um das Jahr 1691 angeblich zu Besanfon
geboren, kam als junger Handelsmann nach Wien. Es gelang ihm in
Hofdienste einzutreten und sich in denselben emporzuheben. Zum
ersten Male begegnet er uns im J. 1736 in einer ansehnlichen Stel
lung. Als nämlich Joseph von Salazar, kaiserlicher Hofkammer-
Rath, Hof-Schatz- und Kammerzahlmeister der verwitweten Kaiserinn
Wilhelmine Ainalia wegen seines hohen Alters mit Ende des genann
ten Jahres in Ruhe treten sollte, wurde laut Decretes vom 13. Deeem-
ber an dessen Stelle Joseph Angelo de France, bisher gewe
sener Vice- künftighin als wirklicher Hof-Schatz- und Kam
merzahlmeister der erwähnten Kaiserinn ernannt und hatte mit
dem Anfänge des neuen Jahres 1737 seinen Dienst anzutreten. Am
4. Mai 1740 verlieh K. Karl VI. ihm auf sein Anlangen in gnädigster
48
Joseph Bergmann.
Erwägung seiner rühmlichen Eigenschaften und seiner Ihrer Majestät
der verwitweten Kaiserinn geleisteten treuen und erspriesslichen
Dienste, besonders aber in Consideration des von besagter Kaiserinn
eingelegten Vorworts den Titel eines schlesischen Kainmer-
rathes, den auch der kaiserliche Schatzmeister Heinrich Uwens
(f 28. Februar 1730) geführt hatte. De France hatte sich in das
Vertrauen des allerhöchsten Hofes gesetzt und besass, wenn ihm
auch höhere Studien abgehen mochten, Geschick und Geschmack,
die k. k. Schatzkammer einzurichten. Nach den Acten im
Archive der k. k. Hofkammer (des dermaligen Finanzministeriums),
dem diese Angaben entnommen sind, ward 1748 von der Kaiserinn
Maria Theresia ihm für die bis dahin geleistete und weiter zu lei
stende Besorgung der Schatzkammer und Galerie freigestellt, einen
hiezu nöthigen Charakter selbst zu verlangen und in Vorschlag zu
bringen. Er bat um den Charakter eines General-Directors
der k. k. Schatzkammern und Galerien und zugleich, weil
dieses als ein neues Officium keinen Rang oder Vorzug gebe, um den
Titel eines wirklichen Hofkammer-Rathes. Am 2. August 1748,
also in dem Jahre, in dem Chevalier de Baillou und Duval nach Wien
berufen wurden, ernannte die Kaiserinn allergnädigst unsern de
France zum G eneral - D irector der k. k. Schatzkammern
und Galerien in allen ihren Erblanden, mit dem Titel eines Hof
kammer-Rathes und dem Beisatze, dass der ihm conferirte Cha
rakter in seinen bereits aufhabenden (sic) k. polnischen und chur
sächsischen Diensten ihm nicht hinderlich sein und er auch von
Niemandemals von dem zeitlichen Oberstkämmerer (damals
Johann Joseph Graf von Khevenhüller) einige Dependenz haben
solle. — Als der Grosssultan Mahmud I. den Chaddi Mustafa Effendi
im Sommer 1748 nach Wien sandte, um dem K. Franz 1. seine
Glückwünsche zu dessen Kaiserkrönung darzubringen, gedachte die
Kaiserinn auch ihrerseits dem Sultan durch den kaiserlichen Resi
denten und nachherigen ersten bleibenden Internuntius zu Konstan
tinopel, Heinrich Freiherrn von Penkler, ein Geschenk im Werthe
von 20.000 Gulden überreichen zu lassen. Diese Summe liess sie
dem de France „gewesten Kays. Amalisehen Kammer-Zahlmaister,“
zur Beischaffung dieser Präsente bei der Hofkammer gegen Quittung
und Verrechnung am 22. und 29. August anweisen. Sie beschloss
auch dem Chaddi Effendi spätestens am 20. September die Abschieds-
Pflege der Numismatik in Österreich.
49
Audienz und Geschenke zu ertheilen, um durch dessen baldige Ab
reise das Ararium von den vielen Unkosten zu entledigen. Der mit
Quittungen belegten Rechnung de France’s, die unter dem 2. Juni
1749 ganz richtig befunden wurde, liegt auch das specificirte Ver
zeichniss dieser Geschenke bei, worunter eine reparirte mathema
tische Uhr aus seiner Sammlung zu 108 fl. 15 kr. erwähnt ist. (Vgl.
über diese türkische Gesandtschaft Baron v. Hammers Geschichte
des osmanischen Reiches. Pesth 1836, Bd. IV, 437 ff.)
Am 3. Februar 1749 erstand er in einer Versteigerung das
Haus Nr. 1073 in der Kärntnerstrasse und erwirkte zur taxfreien
Besitzfähigkeit desselben den Titel eines wirklichen Hofkammer-
Rathes (VII). Er war ein reicher Mann von feingebildetem Geschmack
und thätigem Sammlerfleisse, was uns sein Museum lehrt; welchen
Grad von literarischen Kenntnissen oder von Gelehrsamkeit aber er
besass, vermögen wir nicht zu bestimmen, da er nirgends als Schrift
steller erscheint. Sicherlich war er ein tüchtiger praktischer Ge
schäftsmann, welcher die Oberaufsicht über das k. k. Münz-
Cabinet *) hatte und die Obsorge der Herausgabe des k. k. Cime-
liums übernahm, zumal Duval seinem ganzen Wesen nach die erfor
derliche Geschäftsgewandtheit nach Aussen nicht haben mochte.
De France starb in einem Alter von siebenzig Jahren vor seiner
Gemahlinn, geh. Smitmer, kinderlos an der Brustwassersucht am 25.
(nicht 28.) Februar 1761 nach dem Grabmonument zu St. Stephan,
wo er ruht.
Er hinterliess eine überaus reiche Sammlung von antiken
Münzen, Gemmen, bronzenen Statuetten, Gefässen und verschiedenen
Anticaglien, von der ein Katalog unter dem Titel: „Musei Frunciani
descriptio, Lipsiae 1781“ gedruckt wurde. Die Herausgabe des
I. Theiles, der die Münzen und Gemmen enthält, besorgte der
gelehrte Friedrich Wolfgang Reizius, die Beschreibung der Mün
zen ist aber unsers Eckhcl's Arbeit, die des II. Theiles Georg Hein
rich Martini's. Die Münzen kaufte das Hunter’sche Museum in
England, die Cameen die russische Kaiserinn Katharina II., die Siegel,
Statuetten, Werkzeuge, Anticaglien das k. k. Antiken-Cabinet in Wien
im J. 1808, so auch das oben Seite 40 erwähnte antike Bronze-
U S. das neu erofl'nete Münz-Cabinet von Dr. Johann Friedrich Joachim. Nürnberg
1761, 4., Vorwort S. 8.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hft.
4
so
Joseph Bergmann.
Gewicht das Herr Professor Schimko für ein pannonisch-norisches
erklärt hat.
Wir kommen nun zu einem sehr merkwürdigen Manne der aus
einer armen Hütte der Champagne hervorging und nach schwer ver
lebter Jugend spät sich zum tüchtigen Gelehrten ausbildete, als
Bibliothekar zu Florenz und später als Vorstand des k. k. Münz-
Cabinetes in Wien die vollste Gunst des Kaisers Franz I. genoss und
an dessen glänzendem Hofe hei seiner Natureinfachheit verblieb, zu
— Duval. Der hier mitgetheilte Abriss seines interessanten Lebens,
der besonders seine Stellung am genannten k. k. Institute im Auge
hält, ist seiner ausführlichen Biographie von F. A. v. Koch, die
zumTheileauf dessen eigenen Aufzeichnungen beruht, seinen Briefen
und den alten HofKammerarchivs-Acten entnommen.
X. Valentin Jamcrai Dnval, Sohn eines kinderreichen und armen
Taglöhners, im Dörfchen Artonay in der Champagne geboren, hütete
nach dessen frühem Tode die Truthühner eines Bauers und lernte
etwas lesen, musste aber, weil er aus knabenhaftem Muthwillen
einen Truthahn mit einem rotlien Tuchlappen todt gehetzt hatte,
diesen Dienst verlassen. Dienstlos und aus seinem Geburtsorte
gestossen und dazu noch von den Blattern befallen, irrte er im Jahre
1709 auf offenem Felde umher und fand hei einem armen Schäfer
Aufnahme und nur die sorgsame Pflege eines benachbarten Pfarrers
mit Hilfe seiner guten Natur retteten ihn vom sichern Untergange.
Weiter diente er durch 2 Jahre einem andern Schäfer zu Clezantaine,
und ein Zufall führte den vierzehnjährigen Knaben der dieses Lebens
müde war, zur Einsiedelei la Bochette am Fusse der Vogesen. Er half
dem Bruder Palemon in seinen Arbeiten und lernte etwas schreiben
und rechnen. Er strebte demselben im beschaulichen Leben ähnlich
zu werden. Besonders entflammte einige religiöse Lectüre in dem
sechzehnjährigen Einsiedler eine heilige Begeisterung. Doch bald
bändigte er seine stürmische Phantasie und gewöhnte seinen Geist
nach und nach zu angestrengterem Denken und gewann Geschmack
am Lesen. Von da kam der junge Klausner im J. 1713 zu vier
unwissenden Eremiten in St. Anna bei Luneville, hütete ihre sechs
Kühe und bildete sich durch das Lesen einiger Bücher. Mit unglaub
lichem Muthe bekriegte er die Vögel und das Wild des Waldes und
verschaffte sich durch deren Erlös eine kleine Bibliothek, schritt
rastlos in seiner Selbstbildung fort und erzwang sich von den
Pflege der Numismatik in Österreich.
51
Eremiten sogar täglich zwei Freistunden zum Studiren. Die ehrliche
Zurückgabe eines gefundenen Petschafts an seinen Eigenthümer, den
inLuneville wohnenden Engländer Förster, brachte ihm zwei Louisd’or
und später manchen Thaler, wenn der Natursohn ihn in der Stadt
besuchte. Der gebildete Mann nahm Einfluss auf die Wahl seiner
Bücher und Landkarten. So brachte der Junge 400 Bände des ver
schiedensten Inhalts zusammen, indem er sich jeden andern noch
so kleinen Genuss versagte.
Als Duval am 13. Mai 1717 unter einem Baume, um sich seine
kleine Herde, in seinen Forschungen vertieft und von Landkarten um
geben sass, fand ihn der Graf von Vid a mpiere, Hofmeister der
jungen Herzoge von Lothringen, Leopold Clemens’ (f 1723) undFranz
Stephan’s, des nachmaligen Kaisers, die zufällig in dieser Gegend
jagten. Von dem Wissen des gelehrten Sonderlings, seinem gesunden
Verstände und seiner Geistesgegenwart aufs Angenehmste überrascht,
entschlossen sich der Graf und Baron von Pfütschner, der Herzoge
zweiter Erzieher der um Duval's Heranbildung und später um dessen
Hauswesen in Wien das grösste Verdienst hatte, demselben im
Jesuiten-Collegium zu Pont-ä-Mousson einen geregelten Unterricht
angedeihen zu lassen. Zwei und zwanzigjährig schied er von den
Eremiten nach vierjährigem Aufenthalte mit Thränen, kam an den
Hof des Herzogs Leopold (f 1729) nach Luneville und von da auf
dessen Kosten ins genannte Collegium, wo er sich besonders der
Geschichte, Geographie und den Alterthümern rastlos widmete und
in anderthalb Jahren Riesenfortschritte machte. Zu Ende des folgen
den Jahres 1718 nahm ihn der Herzog mit nach Paris, wo eine
neue wundervolle Welt vor seinen erstaunten Augen auftauchte, und
kehrte über Belgien und Holland mit seinem hohen Gönner zu Ende
des Jahres 1719 nach Luneville zurück. Im Jahre 1729 ernannte ihn
trotz seines Sträubens der Herzog zu seinem Bibliothekar und
zum Professor der Geschichte an der Akademie zu Luneville,
wo er bis zum März 1737 lehrte.
Als Lothringen 1735 für Toscana an den polnischen Exkönig
Stanislaus Leszinski und eventuell an Frankreich abgetreten wurde,
ging Duval mit der ihm anvertrauten Bibliothek im J. 1737 nach
Florenz und kam von da am letzten December 1743 zum ersten
Mal nach Wien, um seinem Grossherzoge Franz I. seine Aufwar
tung zu machen. Während seines hiesigen Aufenthaltes erhielt er
4*
52
Joseph Bergmann.
am allerhöchsten Hofe den Auftrag sowohl die antiken als modernen
Münzen auf Tafeln zu bringen. Aus diesem ersieht man, dass der
Münzsammlung wieder einige Aufmerksamkeit zugewendet und
Franz I. zu dieser Zeit zur Anlegung eines eigenen Cabinetes
von modernen Münzen angeregt wurde, das bei seinen kaiserlichen
Mitteln in etlichen Jahren zu seltenem Reichthum heranwuchs. Duval
erbat sich, dass von den XXVI Kupferplatten die von Heraus’ The
saurus numismatum recentiorum Caroli VI. etc. damals vorhanden
waren, einige Abzüge gemacht wurden, wie uns Marquard Herrgott
in der Vorrede §. XVIII seiner Numotheca berichtet. Im folgen
den Paragraphe wird die Ordnung dieser Heraeus'sclien Platten
angegeben. Die andern XXXVII Platten waren, wahrscheinlich als
Heraus in des Kaisers Ungnade gefallen, in die Hände des provi
sorischen Hofmarschalls Franz Jakob Anton Grafen von Brandis und
nach dessen Tode (1746) in einer Kiste durch dessen Tochter
M. Juditha zu den Augustinern geratheri. De France im J. 1756
im Gespräche mit der Gräfinn zufällig auf diese geheimnissvolle Kiste
geführt, untersuchte sie und erkannte die so lang vermissten Kupfer
platten des unglücklichen Heraus. (S. meine Mittheilung in den
Sitzungsberichten der kais. Akademie. Bd. XIII, 548—551.) —
Nach fast neunmonatlichem Aufenthalte verliess Duval am 23. Sep
tember 1744 Wien und kam am 15. October wieder zu seiner Biblio
thek an den Arno zurück, machte — wahrscheinlich auf höhere Ver
anlassung zu weiterer archäologischer Ausbildung -— Reisen nach Rom
und Neapel. In Rom weckte die Betrachtung der Trümmer des Welt
reiches seine frühere Liebe zur Geschichte und zu den Alterthü-
mern von Neuem, und Numismatik, worin er schon in Lothringen
Unterricht ertheilt hatte, wurde nun eine seiner Lieblingsbeschäf
tigungen, die in ihm die Lust erregte eine Sammlung alter Mün
zen anzulegen.
Als K. Franz I. eine Sammlung von den verschiedensten in allen
Erdtheilen gangbaren Geldsorten, wie auch von Medaillen, kurz ein
modernes Münz-Cabinet anlegte, berief er seinen Liebling
Duval im J. 1748 bleibend nach Wien, um ihm die Aufsicht nicht
allein über sein neues, sondern auch (wie aus Allem erhellet) über
das alte, von K. Karl VI. und seinen Ahnen herstammende Münz-
Cabinet , das wir nach diesem Kaiser der in der ersten Hälfte
seiner Regierung so viel für dasselbe gethan hat, füglich das
Pfleg-e der Numismatik in Österreich.
53
Karolinische (Numophylacium Carolino-Austriacum) nennen können,
anzuvertrauen, zumal in den Hof-Schematismen dieser Zeit nirgends
ein eigener Aufseher oder Beamter für das Münz- oder Antiquitäten-
Cabinet erwähnt wird, das doch unter der Aufsicht und Überwa
chung eines Fachmannes stehen musste. Duval wohnte in der kaiser
lichen Burg und für seine wenigen Bedürfnisse wurde von seinem
alten Gönner und Freunde, Sr. Excellenz dem geheimen Ratlie Baron
von Pfiits ebner, bei dem er speiste, aufs Beste gesorgt. Mehrmals
in der Woche kam er zum Kaiser, um mit demselben gemeinschaftlich
die Münzen auszuscheiden und die Gefache zu ordnen (Anm. VIII).
Hier wollen wir noch bemerken, dass Duval, als er 1751 des zehnjäh
rigen Erzherzogs, nachherigen Kaisers Joseph II. Unterlehrer
(sous-precepteur) werden sollte, diesen so ehrenvollen Antrag mit
seltener Bescheidenheit ablehnte, indem er wegen des Verlustes
seiner Schneidezähne den Mangel seiner Organe und die Undeut
lichkeit seiner Aussprache vorschützte und sagte, dass die zu einem
guten Erzieher erforderlichen Eigenschaften ihm fehlen. Nichtsdesto
weniger verblieb er im ungetrübten Besitze des Wohlwollens Ihrer
kaiserlichen Majestäten.
Duval der im Mai 1748 nach Wien gekommen war, arbei
tete seinem Charakter gemäss unablässig in der ihm anvertrauten
Münzsammlung, und zwar, wie es scheint, sowohl in der alten
Karolinischen als auch in der neuen, die K. Franz I. angelegt hat.
Zeugen dessen sind die Publicationen, an denen er einen Hauptantheil
hatte, wie wir nachher hören werden. Zeugen dessen sind drei Folio
bände eines beschreibenden Verzeichnisses von Münzen persischer
Könige der Arsaciden, die im Jänner 1752 dann im Mai 1756 vom
Kaiser gekauft wurden. Sie sind von Missionären, einem Carmeliter
und Dominicaner, in jenen Ländern gesammelt worden. Dessgleichen
von den Münzen ihrer Nachfolger, der Chalifen, der Dynastie der
Fatimiden, Almoraviden, der Herren von ßassora, der türkischen
Kaiser, des Grossmoguls, der Könige von Armenien, der neupersi
schen Könige, der Bucharei, China, Japan, Indien, Goa, Madras, Ma
labar, Pondichery, Thibet etc. , endlich von Münzen der europäi
schen Colonien in Amerika, als englisch-amerikanischen, spanisch
amerikanischen, französisch-amerikanischen, portugiesisch-amerikani
schen mit Abbildungen in Kupfer, die eingeklebt sind. Diese anhal
tenden Arbeiten aber hatten seine Gesundheit zerstört, die eine
54
Joseph Bergmann.
Herstellung erheischte. Er trat zu diesem Ende am 24. April 1752 eine
Reise nach Frankreich an und verkehrte in Paris vorzüglich mit Abbe
Langlet du Fresnoy, du Fresne d'Aubigny, Abbe Barthelemy, Herrn de
Boze, Duclos, Frau v. Grafigny etc., deren Umgang ihn am meisten
ansprach. Diese Reise heiterte ihn sehr auf, wie seine Briefe an
Fräulein von Guttenberg zeigen. Auf dem Rückwege besuchte er
seinen Geburtsort Artonay, wo er die seiterliche Hütte kaufte und an
deren Stelle ein steinernes Haus bauen liess, das er der Gemeinde
mit der Bestimmung als Wohnung für den Ortsschullehrer schenkte;
ferner liess er 1759 die ärmliche Wohnung des Klausners, bei dem
er etwas schreiben und rechnen gelernt hatte, in erneuerter Gestalt
von Grund aus hersteilen. Nach Wien zurückgekehrt begann er seine
alte Lebensweise, indem er seine Zeit den Büchern und Münzen wid
mete und in einem kleinen Kreise theurer Freunde sich bewegte.
Besonders hohe Verehrung zollte er dem vorerwähnten Fräulein
Josepha von Guttenberg, (IX) das im Staats- und Standes-
Kalender für 1748, S. 388, Kammerdienerinn der Kaiserinn Maria
Theresia genannt wird, und mit dem er, wenn es im Gefolge ihrer
Majestät von Wien abwesend war, in fleissigem Briefwechsel stand;
ferner führte er mit dem russischen Hoffräulein Anastasie Soko-
loff, das er 1762 bei dessen Durchreise durch Wien in einer Loge
des Hoftheaters kennen gelernt hatte, eine lebhafte Correspondenz.
Durch dasselbe übersandte ihm die Kaiserinn Katharina II. wieder
holt Zeichen ihrer besondern Werthschätzung, so eine Kette mit
einer anhängenden Medaille in Gold, eine Suite russischer Silber
medaillen, seltene Bücher und kostbare Pelze. Briefe beider Fräu
lein sind unter den CXXXV Briefen etc. in den in St. Petersburg
1784 in zwei Theilen gedruckten Oeuvres de Valentin Jamerai Duval
enthalten.
Auf Befehl Ihrer Majestät der Kaiserinn machte der 71jährige
Duval mit dem Abbe Johann Marcy (X) vom 21. Juni bis 13. Juli
1766 eine Reise durch Steiermark, Kärnten und das Pusterthal nach
Innsbruck, wo der Statthalter beide mit aller Aufmerksamkeit
empfing und in der Burg einlogirte. Tiefste Wehmuth ergriff den
dankbaren Natursohn hier, wo sein kaiserlicher Gönner am
18. August 1765 das Lehen ausgehaucht hatte. Dieser Besuch
setzte den dortigen alten Burgpfleger v. Kiepach (XI) in grosse,
drollige Unruhe, der den andern Tag sie nach dem Schlosse Ambras
Pflege der Numismatik in Österreich.
Sä
führte, wo sie die Rüstungs-, Kunst- und Wunderkammern besichtigten
und dann speisten. Nachdem sie die folgenden Tage die Franciscaner-
Hofkirche mit dem Cenotaph des K. Maximilian I. und den meister
haften Arbeiten Alexander's Collin, die Universität (XII) und ihren
grossen Saal mit den zwei grossen Globen und den gezeichneten Blät
tern der Landkarte Tirols von dem schlichten genialen Landmanne
Peter Anich gesehen und bewundert, dann auch die Salinen zu Hall
und die Abtei Wüten in Begleitung des Statthalters besucht hatten,
fuhren sie am 9. Juli von Hall auf dem Inn der Donau zu gegen Linz
und Wien, wie uns Duval’s Beschreibung dieser Reise an Fräulein von
Guttenberg im Briefe CXXVI berichtet.
Dies war die letzte grössere Reise Duval's. Hochgeachtet und
geehrt vom kaiserlichen Hofe blieb er ein einfacher Sohn der Natur,
still, bescheiden und arbeitsam bis zu seinem Tode am 3. November
1775. Im Sterbehuch der k. k. Hofburgpfarre steht eingeschrieben:
„Duval Valentin Jamerai, Bibliothekar und Antiquar Sr. königl.
Hoheit des Grossherzogs in Florenz und Ober-Director der k. k. Me-
daillen-Cabinete starb am 3. November 1775 im 81. Jahre seines
Alters, und wurde in der Hofgruft begraben. Hat die h. Sterbsa-
cramente empfangen.“ Er war ein Freund ungeschminkter Wahrheit
und überaus wohlthätig. Dieser ausserordentliche Mann der seine
Bedürfnisse stets auf das Nothwendigste beschränkte, hatte ein Herz
voll des Mitleids mit dem Weh des Nächsten. Er half wo er konnte.
In seinem Testamente vermachte er ein Capital von 12.250 Gulden
zu dem Ende, dass die hievon entfallenden Interessen nach dem Tode
der Legatarien dreien armen Mädchen zu einer Aussteuer vertheilt
werden. Das Präsentationsrecht hiezu haben die niederösterreichi
schen Landrechte. S. Anton v. Geusau’s Geschichte der Stiftungen,
Erziehungs- und Unterrichts-Anstalten in Wien. Wien 1803, S. 482.
Have anima candidissima!
XI. Erasmus Froelich. Aus der Mitte des Ordens der den Hof-
Antiquar Heraus wegen der gewandten, classischen Latinität in
seinen Inschriften mit Scheelsucht angesehen haben soll, bildete
zur Zeit, als der Unglückliche ins Grab stieg, im Stillen ein Mann
sich aus, der auf dem Felde der Numismatik sehr viel hoffen liess
und die Hoffnungen in vollem Maasse erfüllte — Erasmus Froe
lich. Am 2. October 1700 zu Gratz geboren, trat mit 16 Jahren
in den Orden der Gesellschaft Jesu und ragte bald durch Talent
56
Joseph Bergmann.
und Fleiss unter den jüngeren Mitgliedern desselben in Österreich
hervor, lehrte nach zurüekgelegten philosophischen Studien anfangs
an dem Gymnasium zu Klagenfurt, ward dann an die Wiener Uni
versität berufen um die Mathematik zu lehren, die er öffentlich und
privatim mit Meisterschaft vortrug. Hier weckte sein Mitbruder
Eds chlager (S.39) zuerst den schlummernden Funken für Numis
matik, der später zur Leuchte werden sollte. Froelieh widmete
seine Müsse diesem Studium. Er stand mit diesem gelehrten, poly
glotten Freunde, mochte dieser zu Galata oder irgendwo in den
österreichischen Landen weilen, bis zu dessen allzufrühem Hinschei
den (1742) in ununterbrochenem Briefwechsel der, wie sein Bio
graph Khell sagt, (damals) noch vorhanden und fast auf jeder Seite
von Münzen und Inschriften voll ist. Froelieh fand nach dessen Tode
ein Verzeichniss von mehr als siebzig Inschriften , die überschick
ten Münzen kamen mit der Granellischen Sammlung ins Theresianum.
Im fast täglichen Umgänge mit P. Granelli wurde diese Lust und
Liebe gesteigert und seine Fortschritte in der Numismatik so erfolg
reich, dass er seinen gelehrten Lehrer schon bei dessen Lebzeiten
weit übertraf, ihm aber stets den schuldigsten Dank zollte. Er bildete
in diesem seinemLieblingsfache, wie in der Geschichte, ohne welche
die Numismatik todt ist, allmählich sich zu jener Reife aus, die ihm
eine ausgezeichnete Stelle unter den Numismatikern und Geschichts
forschern seiner Zeit in Österreich anweist. Sein literarischer Erst
ling zur Feier einer akademischen Promotion im J. 1733 geschrieben
führt den Titel: Utilitas Rei Numariae veteris compendio proposita.
Accedit Appendicula ad numos Coloniarum per CI. Vaillantium editos.
E Cimelio Vindobonensi cujusdam e Societate Jesu (seil. Caroli Gra
nelli i). Excudi curavit Johannes Adamus Schmidius, Bibliopola
Noribergensis, in 8 T0 , nebst einer Kupfertafel mit 27 Münzen.
Als die Kaiserinn Maria Theresia auf der Stelle der alten k. k.
Favorite, dem gewöhnlichen Sommerpalaste des allerhöchsten
Hofes, in dem ihr Vater am 20. October 1740 gestorben war, im
J. 1746 die nach ihr genannte Ritterakademie gebaut hatte J ), über
gab sie derselben 1748 die Garellische Bibliothek und setzte ihr den
gelehrten Froelieh als Bibliothekar vor, dem daselbst seit 1746
*) Bei der Ausgrabung- des Grundes soll man alte Münzen vom K. Alexander Severus
mit der Aufschrift „SPES PVBLICA“ gefunden haben.
Pflege der Numismatik in Österreich.
57
zugleich das Lehramt der Geschichte, der Alterthümer, Diplomatik,
Wappenkunde und der griechischen Sprache anvertraut war. Er
überbrachte aus dem Professhause (bei St. Anna) des Ordens die
Granellisehe Münzsammlung dahin, welche die Jesuiten
diesem adeligen Collegium als völliges Eigenthum überlassen
hatten.
Als die Kaiserinn den Katalog ihres wahrhaft kaiserlichen
Cabinetes antiker Münzen (Cimelii Carolino-Austriaci) ans Licht
stellen lassen wollte, wurden unter de France’s Oberleitung Duval
und Froelich, dann als Duval im J. 1752 nach Frankreich reiste,
auch Kliell zur Ausfertigung desselben verwendet und sie lösten
vereint diese schöne Aufgabe zu vollster Zufriedenheit beider Majestä
ten. Froelich hatte vermöge seiner historischen Kenntnisse sicher
lich nicht den unbedeutendsten Antheil an diesem sie Alle ehrenden
Werke. Öfters besuchte sie der Kaiser bei ihrer Arbeit und wusste
durch seine theilnehmende Gegenwart ihre Bemühungen zu lohnen.
Auch Hess er, wenn er von der Last der Staatsgeschäfte ausruhend
mit der Durchsicht schwieriger und theuer gekaufter mittelalter
licher Münzen sich beschäftigte, manchmal unsern Froelich rufen,
besonders als er im Jahre 1752 eine grosse Anzahl parthischer
Münzen (S. 53) erhalten hatte, und fand an seinem angenehmen und
lehrreichen Vortrage über dieselben Vergnügen. Nicht minder ehrte
die Kaiserinn den Pater Froelich und nannte ihn einen grossen
Mann. Sie liess alle Tripletten ihres Münz-Cahinetes, die in fünf
geräumigen Kisten verwahrt lagen und beinahe volle und reiche
Serien jeglicher Grösse sowohl in Silber als Bronze bildeten, ihm
einhändigen. Segensreich wirkte er auf Kopf und Herz des jungen
Adels im Theresianum und ermunterte ihn durch Lehre und Bei
spiel zum Fleisse. Er ward im In- und Auslande hoch geehrt und
in seinem Fache durch vielen Briefwechsel zu Bathe gezogen.
An zehn Jahre litt er an Steinschmerzen, so dass am 7. October
1756 eine gefährliche Operation in Gegenwart van Swieten’s vor
genommen werden musste. Er genas, widmete mit neuem Muthe sich
seinem Amte, um den 7. Juli 1758 an einem hitzigen Seitenstech
fieber zu sterben.
Froelich’s numismatische, historische (die dunkle Partien
österreichischer und innerösterreichischer Geschichte des Mittel
altersbehandeln) und mathematische Arbeiten, fünf und zwanzig an
58
Joseph Bergmann.
der Zahl, sind durch kritischen Scharfblick, Klarheit und redlichen
Wahrheitssinn ausgezeichnet.
Sein Ordensbruder Khell, zugleich sein Schüler in der Numis
matik und Nachfolger an der Garellischen Bibliothek, gab: Erasmi
Froelich e S. I. de Familia Vaballathi numis inlustrata opusculum
postumum. Vindobonae 1762 in 4 t0 heraus und setzte in dem voran
geschickten „Elogium P. Erasmi Froelich“ von S. 7—27 sei
nem Lehrer ein Denkmal der Dankbarkeit, dem obige biographische
Notizen hauptsächlich entnommen sind 4 ).
XII. Joseph Khell von Khellburg. — Nach den Reichsadels-
Acten erhalten am 14. Februar 1585 die Gebrüder Michael, Melchior
und Wolfgang Khell einen Wappenbrief; ferner am 7. März 1657
Johann Georg und Georg Khell den Adelsfstand mit dem Prädicate
Khellburg, und Wappenbesserung durch jenes des ausgestor
benen Geschlechtes der Übelbacher. Im Innern der Pfarrkirche zu
Gmunden copirte ich im J. 1850 die Grabschrift: Job. Wilh. Khell
v. Khellbürg, gewester Registrator, Salz- und Einnehmer-Ambts
Gegenhandler zu Gmunden, f 16. März 1712 im 66. Jahre. Zwei
Wappen. — Darunter die seiner Ehefrau: Maria Helena, geh. Helm
bergerin von Weiterstorf, -{■ 12. Juni 1725, alt 75 Jahre.
Nach Mittheilungen aus dem Taufbuche zu Linz wurde dem
Herrn Wolfgang Wilhelm Keel (sic) von KelInburg und seiner
Hausfrau Anna Regina am 15. August 1714 der Sohn Joseph Xaver
Wilhelm daselbst geboren. Im J. 1729 trat er in den Orden der
Jesuiten, lehrte durch vier Jahre in den unteren Schulen zu Klagen-
furt, machte zu Wien die philosophischen und theologischen Studien.
Er lehrte erstlich in seiner Vaterstadt, dann in der Theresianischen
Ritterakademie Philosophie und war einer der ersten in unserem Lande,
der sich von Aristoteles zuCartesius wandte, darauf durch sechs Jahre
an der Universität die griechische und hebräische Sprache, erklärte
drei Jahre die heilige Schrift und ward Doctor der Theologie und
kehrte wieder ins Theresianum zurück. Hier übernahm er nach
Froelich’s Tode (1758) die Aufsicht über die Bibliothek, lehrte
zugleich durch zwei Jahre Geschichte und dann bis an seines
*) Lebensgeschichte weiland Herrn Erasmus Froelich etc., übersetzt von Samuel
Wilhelm 0 etter im neueröffneten Münz-Cabinete. Nürnberg 1773, Bd. IV. Anhang
Nr. 201—220.
Pflege der Numismatik in Österreich.
59
Lebens Ende Numismatik und Alterthumskunde, auch finden wir ihn
daselbst als Professor der Experimental-Physik. Mit Froelich’s Stelle
erbte er auch dessen Briefwechsel und vermehrte ihn mit ausgezeich
neten Gelehrten seines Faches in Deutschland, Frankreich, Italien
und Spanien, machte gern Reisen, so nach Venedig zum Marchese
Savorgnani, nach Schwetzingen, wo er den Kurfürsten Karl Theodor
von der Pfalz besuchte. Auch machte er kleine Reisen durch die
inländischen Stifter und suchte allenthalben Geschmack und Liebe für
die Münzkunde zu wecken und rege zu machen. Er war Mitarbeiter
an dem Kataloge der antiken Münzen, besonders als Duval im J. 1752
nach Frankreich reiste. Er starb an wiederholten Schlaganfällen am
4. November 1772, wahrscheinlich in der Nacht auf den 5., indem
das Wienerische Diarium von 1772 Nr. 91 berichtet: „Am 5.Novem
ber starb der wohlerwürdige P. Joseph Kheil S. J. im Theresia
num auf der Wieden, alt 58 Jahre.“ Das Verzeichniss seiner
numismatischen, theologischen und physicalischen Arbeiten s. in der
österreichischen National-Encyklopädie. Wien 1837, Bd. VI, 509 und
einen Theil derselben in Michael Denis’ Merkwürdigkeiten der k. k.
Garellischen Bibliothek. Bd. I, dann S. 20 ff. Dieser charakterisirt ihn
daselbst S. 15: „Kliell gab Froelichen sowohl an Gründlichkeit als
Ausdehnung der Kenntnisse wenig nach; er begriff aber und arbei
tete langsamer. Sein Umgang war etwas steif und trocken; doch
besass er dabei das redlichste deutsche Herz das aller Verstellung
ganz unfähig war.“ Sein Nachfolger an der Garellischen Bibliothek
war Michael Denis, und seine vorzüglichsten Schüler Joseph
Eckhel und der hoffnungsvolle Graf Alois Cristiani, Zögling der
k. k. Theresianischen Ritter-Akademie.
Nachdem wir die gelehrten Numismatiker Duval, Froelich
und Khell näher kennen gelernt haben, wollen wir zu den k. k.
Münzschätzen zurückkehren. Es gab damals drei Münzsamm
lungen des kaiserlichen Hofes, A. die im k. k. Schlosse Ambras
(NumophylaciumAmbrasianum s. Ambrasiense) ; B. das alte öster
reichische, von K. Ferdinand I. herstammende und von K. Karl VI.
beträchtlich vermehrte Haus-Cabinet (Numophylacium Carolino-
Austriacum); C. das moderne Münz- und Medaillen-Cabinet
K. Franzens I. (Numophylacium Imperatoris Francisci I).
A. Die durch Erzherzog Ferdinand von Tirol (reg. von
1564 — 1595) gestiftete k. k. Ambraser Sammlung hatte einen
60
Joseph Berg-mann.
grossen Reichthum an alten Münzen. Doctor Eduard Freiherr von
Sacken gibt in seiner ausführlichen und quellensichern Beschrei
bung der genannten Sammlung, Wien 1855, Bd. I, 41 auf Grund
lage des alten Inventariums vom J. 1596 im XV. Kasten der damali
gen Kunstkammer, in dem die Münzsammlung verschlossen war, an:
1400 Silbermünzen, 660 mittelalterliche, 440 antike Goldmünzen;
ferner die Kästchen mit geschnittenen Steinen über 1800 Stücke
nebst allerlei Kleinodien und Seltenheiten. Dies sind wohl nur die
im XV. Kasten eingelegten, inventirten Stücke, ausserdem gab es
sicherlich noch eine ungleich bedeutendere Anzahl derselben, wenn
auch von geringerem Werthe. Von Medaillen ist hier gar keine
Rede, der Verfasser des Inventariums verstand, wie aus Allem ersicht
lich ist, unter Münzen auch die Medaillen.
Dieses bestätigt uns auch Heraus’ Journal (im k. k. Münz-Cabi-
nete) S. 113, das eine specilicirte Angabe von schönen Medaillen
aus dem kunstreichen XVI. Jahrhundert nachweist, die aus Ambras
an das k. k. Mtinz-Cabinet in Wien gekommen und wovon mehrere in
meinem Medaillenwerke, wie von Margaretha von Firmian, Gemablinn
Kaspars I. von Freundsberg, und von ihrem Schwager Balthasar von
Freundsberg, Taf. VII, Nr. 26 und 28 abgebildet sind. Wir nennen
noch beispielsweise: Christoph Adler, Hieronymus Apfelbeck von 1532,
Michael Berger von 1523, Wenzel Beyer, Anna Brandstetterin, Arnold
von Bruck, Isabella von Chiallant, Asmus Gebhart, Margaretha Gwand-
schneiderin, Georg Herman, Georg Loxan, Wolfgang Graf von Mont-
fort-Rothenfels, den Typographen Johann Petrejus, Matthias Praun,
Franz von Sickingen etc. etc.; ferner die Gräfinnen Margaretha,
Ursula und Amalia von Solms und viele Andere. So viel wir wissen
wurde während der Zeit (1623—1665), als die jüngere erzherzog
liche Linie in Tirol regierte, die Münzsammlung in Ambras, mit
etwaiger Ausnahme der von den Landesfürsten zu Hall geprägten
Stücke, nicht vermehrt.
Der französische Arzt und Tourist Karl Patin der zugleich
Numismatiker war und in den Jahren 1669 und 1672 Ambras
besuchte, fällt über das Schloss, dessen Schätze und besonders auch
über die dortige Münzsammlung ein sehr günstiges Urtheil, und
sagt: „ Es gibt dort eine Reihe antiker Goldmünzen von Julius Caesar
bis auf Kaiser Heraklius (-j- 641); sie ist sowohl an Zahl als an
Schönheit die vollkommenste, die ich gesehen habe. Es befindet sich
Pflege der Numismatik in Österreich.
61
daselbst eine andere Suite von Consular- und Kaisermünzen, und
eine unzählige Menge von Silbermünzen, doch die bronzenen sind bei
weitem die allerkostbarsten. Wenn Seine Majestät der Kaiser diese
unvergleichlichen Stücke mit seiner Sammlung in Wien vereinigte,
würden sein und das königliche Cabinet zu Paris die ersten sein.“ —
Leider missbrauchte Patin das allzu grosseVertrauen des allzu nach
sichtigen Aufsehers und liess genügsame Merkmale seines Besuches
sowohl in Ambras als in anderen Sammlungen zurück, die anderwärts
ihre Abnehmer fanden *).
Der kaiserliche Münzen- und Antiquitäten-Inspector Hermus,
war im Spätsommer und Herbste 1713 in Ambras 3 ) und brachte von
da ins Wiener Cabinet 88 goldene Medaillen, an silbernen Doublet-
ten und einigen anderen 911 Stücke , an Erz 224, zusammen 1233
Stücke. Zugleich verzeichnete er in möglichster Eile Münzen der
Sammlung während seiner Anwesenheit. Es verwahrt nämlich die
mehrgenannte Sammlung noch einen handschriftlichen Katalog Nr.
275. B. des Supplement-Inventariums mit den Worten: „In hoc Cata-
logo (quem intra triduum fuisse absolutum norunt praesentes)
errorum ubi forte occurrunt, veniam sperat memoria omni morä et
librorum apparatu destituta.“ Leider ohne Datum und Unterschrift in
Folio. Es sind darin, wie bei solcher Eilfertigkeit begreiflich ganz
kurz aber in sehr schöner Handschrift verzeichnet die Goldmünzen
der römischen Kaiser, dann die Consular- oder Familienmünzen in
Silber, die Kaisermünzen in Silber, endlich die Münzen in Klein- und
Grossbronze, zusammen 3355 Stücke.
Vom Reisenden Johann Georg Keyssler, der am 8. Juni
1729 in Ambras war, lernen wir aus dessen „Neueste Reise durch
Deutschland, Böhmen etc.“ Hannover 1751, Bd. I, 30 die damalige
innere Einrichtung der Münzsammlung kennen, indem er sagt:
„Im VI. Schranke der Kunstkammer zeigen sich verschiedene
Schreibtische, so mit alten Münzen angefüllt sind. Ferner S. 31:
Sechs grosse in schwarzen Sammtgebundene und mit Silber beschlagene
*) Quatre Relations historiques, par Charles Patin, Medecin de Päris. A Basle.
M. DCC. LXXIII. p. 91. Das Nähere über diesen Touristen hat mein hochverehrter
Herr Collega Johann Gabriel Seidl mit erläuternden Anmerkungen in der Austria
für das J. 1848, S. 107—131 mitgetheilt.
2 ) S. mein e Anmerkung zu Heraus’ zweitem Briefe ddo. Innsbruck 2. October 1713 an
Leibniz in Wien, in den Sitzungsberichten der kais. Akademie d. Wiss. Bd. XVI, S. 14G.
62
Joseph Bergmann.
Folianten enthalten eine treffliche Sammlung von Münzen der alten
römischen Kaiser, wie sie in der Zeitordnung auf einander folgen.
Die Blätter dieser Bücher sind von dünnem Holze, worinnen die
Münzen reihenweise also eingefasset sind, dass man beide Seiten
durch das blosse Umwenden des Blattes bequemlich betrachten kann.
Der gelehrte Heraeu s hat dieses Werk in Ordnung gebracht, ein
Mann von vielen Wissenschaften, der aber zuletzt in Ungnade gekom
men, weil man seine Treue in Ansehung der ihm anvertrauten Mün
zen in Zweifel gezogen. Nächst diesen ist ein Vorrath von alten
goldenen Münzen, dreizehn Pfund schwer, vorhanden, worunter
auch ein Otto *), nach dessen kupfernem numrao aber man allhier ver
geblich fraget. Es würde ein eigener Mann erfordert werden, wenn
dieser einzige Schrank, in welchem noch sechs und dreissig tau
send (! ?) silberne alte Münzen liegen, in Ordnung gebracht werden
sollte, ohne zu gedenken der vielen tausend kupfernen Stücke, so in
etlichen Kisten unordentlich unter einander liegen. Aus besagtem
Schranke zeigt man auch eine goldene Medaille, die der Baron Pfen
nigen, churpfälzischerOberjägermeister, in Gegenwart des Kaisers (!)
aus Blei in Gold verwandelt hat (XIII).“
Dann weiter: „Noch ist hier zu sehen ein Originalsilber
ling 2 ) aus der Zahl derjenigen welche Judas zum Lohne seiner
Verrätherei empfangen. Man zeigt dergleichen zween auch zu Hall,
zwo Stunden von Innsbruck, und andere an andern Orten.“
Der Band 268 des Supplement-Inventariums der k. k. Ambraser
Sammlung enthält im Anhänge eine kurze Anzeige des Inhaltes von
XX Kästen, mit der Notiz an der Stirne : „Geschr.(ieben) nach
1750. (Doch vor des ältern Primisser’s Eintreten in den Dienst zu
Ambras.) Der Inhalt in Bezug auf den VI. Kasten stimmt mit Keyss-
ler’s Angabe überein und lautet S. 6 in kürzerer Fassung: „VI. oder
Münzkasten: Drei sehr kostbare Kästlein oder Cabinets: Das erste
von Ebenholz mit kleinen messing-vergoldeten Bildnissen geziert:
*) Über die falschen Bronzemünzen vom römischen Kaiser Otho, s. Eckhel Doc-
trina numorum veterum. Vol. VI, 302 seq. — Kaiser Ferdinand III., sein Bruder der
edle Erzherzog 1 Leopold Wilhelm und die Königinn Christina von Schweden such
ten solche zu erlangen. Der Streit über die Echtheit dieser Münzen veranlasste
den genannten Erzherzog durch Heinrich Thomas Chifflet eine Abhandlung „de
Othonibus aereis“ verfassen zu lassen.
2 ) Das k. k. Münz-Cabinet verwahrt drei echte Sikel oder Silberlinge.
Pflege der Numismatik in Österreich.
63
darinnen sind in verschiedenen Lädlein bei 1123 goldene Medail
len, wiegen zusammen beiläufig 23 Mark, unter denen auch einige
neuere merkwürdige Münzstücke, als Rosenobles, sogenannte goldene
Salvadors, vier Sickel oder jüdische Silberling, das Goldstück von dem
pfälzischen Oberjägermeister Karl Freiherr Pfenniger anno 1716 zu
Innsbruck mittelst öffentlich unternommener alchymischer Operation
aus Blei verfertiget etc. etc.“ Ferner S. 7 und 8 : „Der dritte
grössere Schrank-Kasten mit vielen Säulen von Marmel gleich
einem Gebäu gezieret, soll den berühmten Tempel Dianae zu Epheso
verstellen und durch Erzherzog Ferdinand von einem Grafen von
Montfort um eine Herrschaft, die hei 24.000 (sic) jährlicher Ein
künften getragen, wie man vorgibt, erkauft worden sein. Er hat
ISO kleine Schublädlein und darinnen eine grosse Zahl Cameen
oder eingeschnittener Steine etc.etc. etc.; dann der Ring des ersten
gothischen Königs mit der Aufschrift „Alaricus rex“, welcher dermals
im k. k. Münz- und Antiken-Cabinete verwahrt wird. „Endlich steht
da ein niederer viereckiger Kasten gleich einem Tisch, voll mit
alten Medaillen, von denen darin und anderswo zusammen hei
36.000 Stück sein sollen.“
Dieser Graf ist kein anderer als Ulrich der letzte von Mont-
fort-Tettnang und Rothenfels, der österreichischer Landes
hauptmann für Vorderösterreich war und am 16. April 1S74 starb.
Die Medaille auf diesen münzberechtigten Reichsgrafen habe ich in
meinem Medaillenwerk, Bd. II, Taf. XIX, Nr. 92 mit einem Abrisse
seines Lebens mitgetheilt. Nach v. Vanotti’s Geschichte der Grafen
von Montfort, S. 156 hatte derselbe ein Münz-, Kunst- und Rari-
täten-Cahinet, in jenem, wenn man die verschiedenen Partien
zusammenzählt, an seehsthalbtausend antike Münzen, dann über 2000
silberne Blechpfennige, d. i. Bracteaten. Auch besass er 22 Hefen
(Geschirre), so in der Erde gefunden worden (XIV). Von den Erben
— er hinterliess von seiner S. 60 genannten Ursula, gebornen Gräfinn
von Solms-Lich, nur zwei Töchter, deren jüngere Barbara mit Anton
von Fugger von Kirchberg, des Erzherzogs Kämmerer, vermählt
war — kaufte dieser eine Sammlung geschnittener Steine, nach dem
ältesten Inventarium an 2000 Stücke, jedoch ohne Beschreibung der
Vorstellungen, um einen sehr bedeutenden Preis 1 ). Die zwei ehernen
*) Vgl. Prim iss er, S. 247; Baron v. Sacken, II. 165; meine Medaillen, 11.151.
64
Joseph Bergmann.
Bruchstücke eines römischen Edictes de lege agraria, welche nun das
k. k. Antiken-Cahinet verwahrt, dürften — wie ich aus einer münd
lichen Mittheilung des gelehrten Herrn Professors Theodor Mommsen
schliesse — von einem Grafen von Montfort, nämlich von daher in
des Erzherzogs Sammlung gekommen sein *)•
Der Erzherzog der für alles Schöne empfänglichen Sinn hatte,
sorgte für gute und schöne Münze. Reichlichen Bergsegen gaben die
Silbergruben des Landes während der ersten Hälfte seiner Regie
rung, später waren sie minder ergiebig. Häufig findet man noch des
sen Thaler von gutem Schrott und Korn, 83 verschiedene Stücke
verwahrt das k. k. Münz-Cabinet und nur drei Guldenstücke die sehr
selten sind. Er schickte im J. 1584 zwölf Münzer mit allem Zugehör
von Hall, wohin Erzherzog Sigmund die Münzstätte von Meran im
J. 1450 übertragen hatte, seinem Vetter K. Philipp II., um in Sego-
via die spanische Münze zu reformiren. Das tirolische Münz- und
Bergwesen hatte damals noch europäischen Ruf.
Die k. k. Ambraser-Sammlung verwahrt sub 272 des Supple
ment-Inventars ein von des ältern Primisser’s Hand gut geschriebenes
Verzeichniss ohne Jahreszahl doch nach 1779, indem derselbe
Eckhel’s in diesem Jahre erschienenen Catalogus musei caesarei
Yindobonensis numorum veterum citirt, mit dem Titel: „Catalogus
nummorum veterum , quae in Museo C a e s a r e o A m b r a s i e n s i
asservantur;“ ferner sub N. 275: „Catalogus numorum in Numophy-
acio Ambrasiensi adservatorum, continens 1) numos familiarum;
2) numos Imperatorum et Caesarum aureos; 3) numos Imperatorum
argenteos; 4) numos aureos et argenteos supra numerum adservatos.“
Eckhel, der im Jahre 1784 auf allerhöchsten Befehl nach Ambras
geschickt wurde, brachte von da die geschnittenen Steine nebst dem
Reste der dort verwahrten Münzen.
B. Wir glauben keinen Tadel zu verdienen, wenn wir einen
kurzen historischen Abriss über das allmähliche Entstehen des
alten österreichischen Ilaus-Cabinetes (Numophylacium
Carolino-Austriacum) voranschicken. — Ohne Zweifel nahm Kaiser
Maximilian I. wie an Allem, so auch an der Mü uz e lebhaften thätigen
Antheil. Schon als Prinz ging er, wie der Weisskunig CapitelXXXV,
*) Diese Bruchstücke sind in Johann Pr imiss er: Kurze Nachricht von dem k. k.
Raritäten-Cabinet zu Ambras etc. Innsbruck, 1777 im Anhänge abgebildet.
Pflege der Numismatik in Österreich.
65
S. 81 meldet, „gar oft in seins vaters Müntz vnd erkundiget sich
gar wol alles grunts. Er was in der Muntz gar kunstreich, dann Er
betrachtet selbs die Nutzbarkeit, die Ihme daraus kumen möcht, vnd
in seiner Regirung hat dieser kunig die allerpest Muntz von
Silber vnd gold schlagen lassen über alle ander kunig, vnd kain
kunig hat Ime geleichen mugen mit seiner Muntz, das ist allain
kummen aus seiner kunst vnd erfarung. Derselb Jung kunig hat
auch in seinen kunigreichen alle pöse und frembde Muntz abgethan
vnd vertilgt, vnd an vil Ennden Newe guete Muntz aufrichten vnd
schlagen lassen etc. Vnd insonderhait hat Er grosse Muntz schla
gen lassen, Nemlichen aus gold dermassn guldin, dass etlich zwen,
etlich fünf, etlich zehen, etlich funfzehen, etlich zwantzig guldin,
vnd aus dem Silber solich pfening, das etlich ein ort ains Guldin,
etlich ainen halben guldin, etlich einen guldin, etlich vier guldin
gewegen haben, was kuniglich vnd erlich gemuet hat dieser kunig in
allen seinen Sachen gehabt, das sich dann auch in seiner hochen
und gueten Muntz ersehinen vnd geoffenbart hat.“ Wohl bekannt
und von den Sammlern sehr gesucht sind dieses Fürsten grössere
und kleinere Münzen die er in Gold und Silber schlagen liess.
Sollte derselbe, von dem wir auch so schöne Medaillen besitzen,
nicht auch Münzen und Medaillen anderer Fürsten und Reichsstände
von ausgezeichneter Arbeit, von denen einige als Erstlinge (incuna-
bula) der Medaillenkunst die damals in Italien und Deutschland mit
der Plastik und Holzschneidekunst aufzuleben begann, noch in seine
Regierungszeit fallen, gesammelt und aufbewahrt haben, die dann
auf seine Enkel und Erben übergingen? Leider haben sich hierüber
keine näheren Notizen erhalten. Wahrscheinlich dürfte der gelehrte
Cuspinian der des Kaisers Commentator rerum antiquarum genannt
wird, gleich Willibald Pirkheimern in Nürnberg sich mit der alten
Numismatik beschäftigt haben.
Der Wiener Hof besass schon unter K. Ferdinand I. eine für jene
Zeit, in der man derlei Denkmäler mit Liebe zu sammeln anfing, nicht
unbedeutende Sammlung alter Münzen, indem dieser Fürst sie zuerst
seinem Kammerdiener und Burggrafen (Cubiculario suo et Castellano
Viennensi) Leopold Heipcrger und später seinem gelehrten Leibarzte
und Bibliothekar, dem bekannten Doetor WolfgangLazins') anvertraute.
*) Lazius’ Porträt von Hanns Sebald Lautensack und dessen G ed en ks te in bei
St. Peter in Wien, wie auch neue Beiträge über denselben vom k. k. Conservator
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hft. 5
66
Joseph Bergmann.
Dieses folgere ich daraus, dass jener nach Dr. Dudik’s jüngst erschie
nener Anzeige eines Katalogs der Münzen K. Ferdinand’s I. *) die
Sammlung Seiner königlichen Majestät ordnete oder ordnen liess
(Anmerkung XV), dieser, nämlich Lazius, herkömmlich Numophylacii
Imperatorii conditor genannt wird. Bekanntlich wurde, abgesehen
von der ungrisclien und böhmischen Königskrone, Ferdinand I. am
5. Jänner 1531 zu Cöln zum römischen Könige gewählt, dann am
11. zu Aachen gekrönt, und folgte seinem Bruder Karl V. der am
3. August 1556 der Kaiserwürde entsagt hatte, in derselben. Er
nannte sich Electus Bomanorum Imperator am 14. Mai 1558 zum
ersten Mal auf Münzen und zwar auf einem Thaler. S. Madai’s Thaler-
Cabinet Nr. 2408 und v. Schulthess-Reehberg Bd. I, Nr. 127. —
Der Antheil der jedem an der Überwachung oder am Ordnen der
Sammlung (zu gleicher Zeit oder nach einander?) gebührt, wird sich
nicht mehr ermitteln lassen; wir dürfen jedoch ohne Fehlgriff den
grossem Letzterem zuweisen. Jener mochte als Schatzmeister die
strenge Verwahrung gehabt, dieser als Gelehrter die Bestimmung
und Beschreibung oder die Oberaufsicht über die Arbeiten, wenn sie
ja von jemand Anderem und nicht von ihm allein verrichtet wurden,
übernommen oder geleitet haben. Wenn auch eine grosse Masse
ungesonderter und ungeordneter Münzen vorhanden war, so fällt
doch die Riesenzahl von 700,000 Stücken (bei v. Khautz, S. 170)
als die lächerlichste Übertreibung auf ein geringes Maass zusammen.
Lazius, der Vorstand dieses Cabinetes, war auch Schriftsteller in
diesem Fache und gab in Wien 1558 Commentariorum veterum
Numismatum etc. specimen exile in 16 Bogen in Folio heraus. Er
musste, wie er klagt, aus Mangel an Künstlern in Wien seine Münzen,
Schaupfenninge seihst zeichnen, stechen oder in Holz schneiden.
Bald nach dessen Tode (f 1565) finden wir den Mantuaner
Jakob Strada von Rossberg 2 ), der auf seinen vielen Reisen eine
reichhaltige Sammlung von Münzen, Medaillen, Gemmen,
und anderen Antiquitäten angelegt hatte, bei K. Maximilian II. als
Albert Camesina s. in: Berichte des Alterthums-Vereins zu Wien, Bd. I, 1854,
S. 8 ff., und wir fügen bei, dass er von K. Ferdinand I. ddo. Prag am 9. Januar 1544
ein Privilegium de imprimendis libris erhielt.
*) Dr. Beda Dudik’s Iter Romanum, Wien 1855, Bd. 1, S. 224, s. Anm. XVI.
2 ) Über dieses Prädieat s. Anm. XVI.
Pflege der Numismatik in Österreich.
67
kaiserlichen Antiquarius, in welcher Dienstleistung ihn mit jähr
lichen einhundert Gulden K. Rudolf II. heliess. In Wien besass er
1585 ein Haus. Von seinen überaus netten Abzeichnungen von alten
griechischen und römischen Münzen verwahrt die k. k. Hof-Biblio
thek dreizehn Bände. Stets von seinen Fürsten ausgezeichnet, starb
er zu Prag am 6. September 1588. — Ihm folgte als Erbe sowohl der
antiquarischen Kenntnisse, als der gesammelten Schätze sein Sohn
Ottavio Strada von Rossberg, der sich K. Rudolfs Hofcavalier
(Nobilis aulicus) und Antiqua rius, wie auch Civis Romanus nennt
und in ähnlicher Kunstweise wie sein Vater arbeitete. Dessen gleich
namiger Sohn Ottavio der Jüngere gab nach seines Vaters Tode
(f vor 1615) dessen Werk: „De vitis Imperatorum et Caesarum Roma
norum a Julio Csesare primo Monarcho (sic) usque ad Dominum
Nostrum Imperatorem Matthiam unicum effigiebus et symbolis
etc. Francofurti ad Moenum 1615“, in Folio mit 531 Bildnissen heraus.
Ottavio I. hinterliess auch Handzeichnungen in Medaillenform von
Sinnbildern vornehmer Personen unter dem Titel: „Simbola Roma
norum Pontificum, Cardinalium, Magnorum Ducum, Ducum, Principum,
Marchionum, Archiepiscoporum, Episcoporum, Comitum totius Regni
Italiae et Germaniae, atque aliorum Illustrium omnium nationum Viro-
rum. Per Octavium de Strada Mantuanum, S. Caes. Mtis. Nobi-
lem Aulicum, Civem Romanum et Antiquarium.“ In Folio mit einem
alphabetischen Register in der k. k. Ambraser Sammlung Nr. 88.
Die beiden älteren Strada haben durch Bekanntmachung ihrer
mühsam und mit grossen Unkosten gesammelten Schätze, wenn die
selben auch ohne gehörige Unterscheidung, Ordnung und Erklärung
vom Standpuncte ihrer Zeit herausgegeben sind, um das Aufleben
der Numismatik und Alterthumskunde sich grosse Verdienste erwor
ben.
Während des dreissigjährigen Krieges welcher unser deutsches
Vaterland zerfleischte und erschöpfte, war keine Müsse, derlei Samm
lungen zu vermehren, und wir vermissen aus diesen wildhewegten Jahr
zehenten alle Kunde über den Stand der kaiserlichen Münzen- und
Antiquitäten-Sammlnng in Wien. Die feindlichen Schicksale welche
die Rudolfmischen Schätze und Sammlungen in Prag in jener Epoche
betroffen haben, sind bekannt. Um das Jahr 1655 berief K. Ferdi
nand III. den wegen seiner Kenntnisse in der antiken Numismatik
angerühmten Jesuiten Simon Wagnereck (XVII) nach Wien und
S*
68
Joseph Bergmann.
gab ihm den Auftrag, die antiken Münzen in eine gelehrte, wissen
schaftliche Ordnung (eruditum ordinem) zu bringen und zu be
schreiben *)•
Da wir so viel als nichts über die numismatisch-archäologi
schen wie auch über andere literarische Bestrebungen aus dieser Zeit
in Österreich, die wie eine unfruchtbare Steppe vor uns liegt, wissen,
so wollen wir, wenn auch Weniges in unserem Fache hier beibringen.
Einem Kataloge 2 ) in der k. k. Hofbibliothek entnehmen wir die Worte:
„Augustissimus Imperator Ferdinandus III. in animo habuit nummos
antiquos (quorum numerus iam anno 165S ultra quatuordecim
millia ascendebat) studio et opera Simonis Wagnerecci Suevi
Historici tarn hieroglyphice quam historice resolvere et explanare.
Quod opus coeptum et ad quintum usque tomum perductum fuit, sieuti
ego illud, favore dicti Wagnereeci, manibus evolvi 3 ). Attamen insi-
diatrix mors interveniens liuic glorioso coepto interstitium posuit.“
Wagnereck starb am 16. März 16S7 und ihm folgte nach siebenzehn
Tagen der Kaiser, indem er nach kurzer Krankheit am 2. April
verschied.
In demselben Kataloge S.254 lesen wir in der Beschreibung einer
Papier-Handsehrift: „Continentur eo Gadefridi Wendelini 4 )
Canonici Tornacensis et R. P. Simonis Wangnereck e Soeie-
tate Jesu interpretationes Lapidis Carchedonii litteris grsecis
longe plurimis exarati ex Thesauro rei Antiquariae Serenissimi Archi-
ducis Leopoldi Guglielmi Gubernatoris Belgii deprompti, at in aes
incisi A. MDCLX. Utrasque has interpretationes obtulit Wagnereck
Divo Ferdinando III. Rom. Imp. Calend. Jan. A. MDCLVI. Equidem
Wendelinus existimavit, esse gemmam Basilidianam seu Abraxeam.“
1 ) Petri Lambecii Commentarii de ßiblioth. Caes. Vindobon. Edit. altera. 1766.
Tom. I, 724.
2 ) Catalogus Manuscript. Codic. latin. histor. profan, a N. CXL1I—CCCXXI1. fol. 254 b
(ad codic. Nr. CCXLVII1).
3 ) Da Lambeck erst im J. 1663 in die Hofbibliothek eintrat, so sind diese Worte von der
Hand eines Mannes (vielleicht seines Vorgängers M a uch t er) geschrieben, der mit
Wagnereck in persönlichem Verkehre stand.
4 ) Gottfried Wendel in, 1580 im Lüttichischen geboren, war ein Rechtsgelehrter und
ausgezeichneter Mathematiker, von seinen Zeitgenossen der P t o 1 em ae us genannt,
lebte in Rom, dann zu Marseille, lehrte G a s s e n d i, ward dann Advocat zu Paris,
darauf Pfarrer an verschiedenen Orten in den Niederlanden und endlich Canonicus zu
Tournay.
Pflege der Numismatik in Österreich.
69
Anderer Meinung war Wagnereck, der Verfasser dieses Kataloges
aber stimmt jenem bei. In eben demselben sind mehrere Manuscripte
angezeigt, die man dem mehr erwähnten Jesuiten zuschreibt. Hievon
nach genauer Durchsicht ein anderes Mal.
Auf K. Ferdinand’s III. Befehl wurde — nach obiger Andeutung
von Wagnereck — ein System der alten Numismatik entworfen, nach
dem alle Münzen, griechische und römische gemischt, alphabetisch
geordnet werden sollten. Der Codex Mscpt. hist, profan. N. CCXLVIII
mit dem Titel: „Idea universalis de nummis veterum“, enthält die
Idea literae A auf 112 Folioblättern, worauf alle dem Verfasser
bekannten griechischen und römischen Münzen, deren Name mit A
anfängt, mit lateinischen Aufschriften ohne weitere Erklärung von
Nr. 1 ABDERA bis Nr. 507 AXYRITANI i ) siue Achyritani (! falsch)
mit einem Schiffe und einem Delphin auf der Kehrseite, nach einander
gereiht und sämmtliche Stücke mit der Feder und schwerfälliger
Hand roth gezeichnet sind.
K. Ferdinand’s III. Sohn und Nachfolger K. Leopold I., ein
gründlicher Kenner der lateinischen Sprache a ), war gleichfalls ein
grosser Freund von Münzen und Alterthümern und beschäftigte sich
häufig in seinen Erholungsstunden nach der Tafel mit derlei Denk
mälern. Das Münz-Cabinet zählte im J. 1663 in Gold 596, in Silber
9997, in Bronze 5347, zusammen 15,940 Stücke.
Nun trat im J. 1663 der gelehrte Hamburger Peter Lambeck,
welcher in Leyden, Paris, Toulouse, Rom etc. studirt und sich aus
gebildet hatte, als Präfect in die kaiserliche Hofbibliothek ein und
brachte auf allerhöchsten Befehl nach dem Tode des Erzherzogs
Sigmund Franz, mit dem am 25. Juni die jüngere tirolische Linie
erlosch, von Ambras sämmtliche Handschriften, 559 Stücke an
der Zahl, und 1489 gedruckte Bände nach Wien, wo sie der
kais. Bibliothek einverleibt wurden 3 ). — Der Codex histor. profan.
Nr. CCLXI enthält den Entwurf seiner Rechnung die er Sr. Majestät
4 ) Die mit AX- anfangenden Namen auf den Münzen sind nach denen von AX- gesetzt,
da der Schreiber hier der Ordnung des griechischen Alphabetes folgte.
2 ) Bekanntlich sind die lateinischen Inschriften auf einigen Denksäulen in Wien von
K. Leopold I. verfasst. Als man ihn bei der grossen Theuerung in einer Bittschrift
mit dem Chronostichon „ConCeDe paneM“ um Abhilfe bat, signirte er sie mit
„ConCe DaM“.
3 ) Lambecii Commentar. Biblioth. Caesar. Lib. II, pag. Bl.
70
Joseph Bergmann.
über die von ihm vom 2. bis 6. Mai 1668 nach dem alten Carnuntum
unternommene Reise (iter Carnuntinum) legt, auf der er bedacht war,
die kais. Antiquitäten-Sammlung zu vermehren, woraus erhellet, dass
diese wie die Münzen ihm unterstanden. Er kaufte einen alten gol
denen Ring um 15 fl., einen alten silbernen Ring, item 29 alte sil
berne Münzen, 90 gute alte kupferne, 105 geringere und fast unkenn
bare alte kupferne Münzen, zusammen 224 Stücke, und gab für alte
Steine mit Inschriften 30 Gulden; ferner machte er vom 17. bis
20. August desselben Jahres eine zweite Reise dahin, mit einem
Schreiber und dem Maler Thomas Georg Müller, welcher den
alten Triumphbogen und die umliegende Landschaft zeichnete. Dieser
bekam für seine Zeichnung und deren Ausarbeitung 8 Gulden. Lam-
beck kaufte 13 alte heidnische Numismata und gab den Bauern
die ihm Nachricht gebracht hatten, zur Belohnung und Ermun
terung Trinkgeld. Am 21. und 22. August liess er durch seinen
Schreiber Johannes eine alte römische Inscription von Petronell
abholen.
Auch bringt er in seine Rechnung ddo. 1. October 1668 „für
zwei alte Statuen zu Rom und Salzburg *), welche für des Antinoi
Bildnuss gehalten werden, beide zusammen auf einer kupfernen Tafel
in Folio, für das Kupfer an sich selbst, wie auch für dasselbe zu
schleifen, poliren und stechen 15 Gulden.“ — Diese kleinen Züge
geben uns einen Beleg für die erfolgreiche Thätigkeit des vielseitigen
Lambeck auch auf diesem Felde. Die Rechnung wurde Sr. Majestät
dem Kaiser gelegt, der solche Ausgaben aus seiner Privatschatulle
bezahlte, so wie auch, wie aus Allem erhellet, noch ein Jahrhundert
hinfort bis um 1767 ein eigener Status von Cabinets-Beamten orga-
nisirt wurde.
*) Dieser angebliche A n t i n o u s ist abgebildet mit der B i p e n n i s, die er damals in der
Linken hatte, in La mbe cii Comment. Lib. II, 379. Diese grosse Bronzestatue ward
1302 nach dem gelehrten Reisenden Stephan Venandus Pighius in seinem Hercules
Prodicius, Coloniae 1609, p. 146), der sie im September 1374 zu Salzburg, wohin
sie durch den Cardinal Matthäus Lang gekommen war, gesehen hatte, von einem
ackernden Bauern auf dem St. Helenaberg bei St. Veit in Kärnten, nach Andern auf den
Trümmern von Virunum gefunden. Sie wurde 1806 nach Wien gebracht und steht im
untern k. k. Belvedere. Herr Director A rneth hält diese Statue für einen Germa-
nicus (?). S. dessen Beschreibung der zum k.k. Münz- und Antiken-Cabinete gehöri
gen Statuen, Büsten, Reliefs etc. Wien 1836, S. 24, Nr. 133.
Pflege der Numismatik in Österreich.
71
Der französische Tourist Karl Patin (s. oben S. 60), der seine
Relationen über die beiden Besuche Wiens im August 1669 und im
J. 1673 niederschrieb, ertheilt das schönste Lob den kaiserlichen Samm
lungen, von denen er besonders der Bibliothek und dem Münz-Cabi-
ii et alle Aufmerksamkeit widmet. Auf Seite 12 erwähnt er der dort
verwahrten 2200 Silbermünzen von der römischen Kaiserinn Sabina
(f 138), alle mit der Rückseite „VENERI GENITR1CI“, sämmtlichecht
antik, von schönem Gepräge und guter Erhaltung. Diese mochten von
einem einzigen Funde herkommen, dann zum Theile im Laufe der Zeit
als Doubletten zum Tausche für fehlende Stücke verwendet worden
sein. Vorzüglich interessirten ihn Jakob Strada’s Zeichnungen die
er unvergleichlich und unterrichtend nennt. Er war über die Ehre,
Sr. kaiserlichen Majestät persönlich seine Ehrfurcht bezeugen zu
können, hoch erfreut und lobt Allerhöchstderen Herablassung und
Herzensgüte. Eines Tages hatte er das Glück Zeuge zu sein, wie
Seine Majestät selbst die Bildergallerie und das Cabinet der antiken
Münzen besuchte. Vierthalb Stunden hindurch sah er hier nach
S. 18 den römischen Kaiser im Verkehr mit seinen durchlauchtigsten
Ahnen und fügt hei, dass man dies anderwärts nicht sehen könnte.
Grosses Lob zollt er ferner der umfassenden Gelehrsamkeit und
seltenen Gefälligkeit des Bibliothekars Lambecius den er
während seines zweiten Aufenthaltes durch drei Monate fleissig
besuchte.
Im Jahre 1669 war, wie wir aus Patin’s erster Relation S. 7
ersehen, noch eine zweite Hofsammlung in Wien, nämlich die
des 1662 verstorbenen Erzherzogs Leopold Wilhelm. Dieser
kunstliebende Fürst hatte während seiner Statthalterschaft in den
spanischen Niederlanden (von 1647—1656) eine kostbare Gemälde-
Gallerie von 1500 (?) Stücken angelegt, die somit damals mit der des
Kaisers welcher jene von seinem edlen Oheim geerbt hatte, noch
nicht vereinigt war. Das nämliche Cabinet enthielt auch an 300 (?)
antike Statuen von Marmor und Bronze, wie auch eine Serie von
800 verschiedenartigen antiken Goldmünzen, ausgezeichnet
eben so sehr durch die Seltenheit und Merkwürdigkeit des Gepräges
als durch ihren innern Metallwerth; ausserdem eine gewaltige Masse
von griechischen, dann Consular- und Kaisermünzen, wie auch andere
in Gross- und Mittelbronze. Patin besass hiervon einen genauen
Katalog der durch seine Reichhaltigkeit überrascht.
72
Joseph Bergmann.
Im J. 1672 vermehrte K. Leopold I. sein Cabinet das gesondert
in der kaiserlichen Bibliothek stand, um 226 Stücke die aus Thomas
Lansius’ *) Münzsammlung herstammten.
Wir wollen in dieses Detail näher eingehen, indem es uns einen
genaueren Bericht über diesen Ankauf darbietet und zugleich einen
Einblick in die Behandlung der alten Numismatik in jener Zeit ge
währt.
Der vorher genannte Codex histor. profan. Nr. CCLXI in Folio
enthält die Original-Quittung von Seite der Helena Sophia Hartun
gin Wittib für die alten Münzen des Thomm Lansii, welche vor
diesem dem Hartungischen Glückshafen (also einer Lotterie) einver
leiht gewesen, über 1800 Gulden, die sie haar und in Einer Summe von
Sr. kaiserl. Majestät wirklichem Rathe, Historiographo und Hofbihlio-
thecario Peter Lambeck wohl empfangen hat. Wien den 12. Juli 1672.
Es waren, wie uns die Rückseite des Titelblattes anzeigt, „Numismata
aurea 24, N. argentea 1100 et aerea 1092, in Summa 2216,“ und
unter den bronzenen 24S unlesbare Stücke. Dann steht: Addenda
Thesauro Caesareo. Ex consularibus juxta seriem Ursini ä Patino
editam. Es waren, wie es scheint, lauter römische Münzen. Darauf
folgen fünf Blätter, auf deren jedem je vier Stücke in fünf Reihen, d. i.
20 Namen von Kaisermünzen, aus graugelblichem Papier münzförmig
in Guldengrösse geschnitten, beschrieben und eingeklebt sind, somit
100 Stücke, auf dem sechsten und letzten Blatte sind nur acht derlei
Zettelchen aufgeklebt, demnach im Ganzen 108 Stücke. Jedes Zet
telchen oder Blättchen ist durch einen Querstrich halbirt, oberhalb des
Striches liest man auf der ersten Münze in Uncialen: „AGRIPPA“,
unterhalb desselben in 3 Zeilen: „Neptunus cum delphino et tridente“;
auf der zweiten „ALEXANDER SEV.“erus, unten „Providentia Augusti
de annona typus“, die letzte Münze ist beschrieben: „VITELLIUS“,
unten: „Martis victoris typus“. Dann folgen von S. 38—40 Münzen
von kleinerem Modüle, 182 an der Zahl in gleicher alphabetischer
nicht chronologischer Ordnung, anfangend mit „L. AELIUS—Feli-
citatis stantis typus“ und schliessend mit „VOLUSIANUS — Con-
cordiae sedentis typus.“ Nach Kollar, welcher die zweite Ausgabe
*) Aus Thomas Laus ins, den ich anfänglich seinem Namen nach für einen Italiener
gehalten habe, ist ein Sohn Österreichs und Professor zu Tübingen
geworden. S. Anmerkung XVIII.
Pflege der Numismatik in Österreich.
73
von Lambecii Commentar besorgte; wurden laut Bd. I, 622 im J. 1752
auf Befehl der Kaiserinn Maria Theresia die selteneren und werth
volleren Stücke von den Ordnern des Cimelii Austriaci, nämlich von
Duval und Froelich, der kaiserlichen Münzsammlung einverleibt.
Unter den vornehmen Hofcavalieren nennt Patin in seiner ersten
Relation S. 26 besonders den Grafen (Paul Sixt II.) von Trautson,
welcher in seinem Cabinete allerlei Seltenheiten, Bücher, antike und
moderne Münzen, Gemälde, Agathe, Markasite, indische Rari
täten und dergleichen besitzt, und fügt nicht mit Unrecht bei, dass
sein Grossvater (Paul Sixt I., und wir setzen bei, auch sein Urgross-
vater Johann II.) ein Liebling K. Rudolf s II. gewesen sei, der dessen
Lust zum Sammeln geweckt haben mochte. — Bei anderer Gelegen
heit wollen wir die Münzsammlungen von Privaten in Wien
vom XVI. bis in die Mitte des XIX. Jahrhunderts zu beleuchten ver
suchen.
K. Leopold’s I. älterer Sohn und Nachfolger K. Joseph I. gedachte
diese zerstreuten Glieder in ein Ganzes, in einen Körper zu bringen,
zu welchem Zwecke er, wie ich oben S. 32 andeutete, im J. 1709
den gelehrten und praktischen Numismatiker Heraeus an seinen Hof
berief.
Über Heraeus der sechzehn Jahre lang seinem Amte in Wien
Vorstand, und seine wissenschaftlichen Leistungen verweisen wir auf
S. 32. Nach dessen Abtreten folgte um 1727 Panagia der aber
schon im dritten Monate 1730 starb und wegen Kürze der Zeit für
die Wissenschaft, so viel uns bekannt ist, nichts leistete. Diese lag
von Seite der alten österreichischen Haussammlung, mit Ausnahme
dessen was P. Herrgott zu seiner Numotheca benützte, bis zur Mitte
des Jahrhunderts gänzlich brach, um welche Zeit eine neue, frucht
bringende Thätigkeit in derselben begann.
Auf der Kaiserinn Maria Theresia Befehl wurde diese ihre
ererbte Münzsammlung welche in einem Gemache der k. k. Hof
bibliothek verwahrt wurde, unter den Auspicien Sr. Excellenz des
Herrn Oberstkämmerers Johann Joseph Grafen von Kh evenhüller
und unter des praktischen General - Schatzmeisters de France
Obsorge im Laufe von drei Jahren geordnet und classificirt. Mit der
Ausführung der mühsamen Arbeit waren gemeinsam betraut: Duval
und Froelich, dann ward an^Duval's Stelle, als er (nach S. 64) im
Jahre 1762 eine längere Reise nach Frankreich und Lothringen
74
Joseph Bergmann.
machte, zur Vollendung des Werkes der Jesuit Kliell, damals Pro
fessor der Philosophie und Experimentalphysik im Theresianum, bei
gezogen. Das Resultat der vereinten geistigen Kräfte dieser Männer
deren Lebens-Notizen wir vorausgeschickt haben, erschien unter
dem Titel: Nuinismata Cimclii Austriaci Vindobonensis, quorum rariora
iconismis, cetera Catalogis exhibita jussu Mariae Theresiae
Imperatricis et Reginae Augustae. Vindobonae typis et sumptibus
Thomae Trattnern 1755 in Fol. Der I. Theil enthält 25, der II. 112
Kupfertafeln. Das Motto aus Cl^idian. in I. consulat. Stiliconis
libr. II, 9—11 weiset auf den frühem ungeordneten Zustand dieses
Cabinets hin:
Prima chaos Clementia solvit,
Congeriem miserata rudern, vultuque sererio
Diseussis tenebris in lucem saecula fudit.
Die gleichfalls lateinische Widmung lautet auf beide Majestäten, den
Kaiser und die Kaiserinn, und ist allein mit „Josephus de
France“, der sich, wie es scheint, den Löwentheil zuzueignen
wusste, unterzeichnet. Dieses Blatt ist gezeichnet und gestochen von
dem bekannten Salomon Kleiner aus Augsburg.
Da Froelich kränkelte und schon im J. 1758 starb, Duval und
de France, so lange er lebte (j- 1761), mit der Herausgabe der
modernen Monnoies en or et en argent (1756, 1759 und 1769)
beschäftigt waren, lag das Feld der alten Numismatik durch zwanzig
Jahre bis zum Erscheinen vonEckhel’s erstem numismatischen Werke
im Jahre 1775 abermals unbebaut, mit Ausnahme dessen was P. Joseph
Khell bei Gelegenheit feierlicher Disputationen im Theresianum
veröffentlichte. Dessen Arbeiten sind in Michael Denis’ Merkwür
digkeiten der k. k. Garellischen Bibliothek, Wien 1780, Bd. I, von
S. 19—26 angezeigt. Nur müssen wir noch Khell’s zweier Briefe an
den Hofkriegsrath und Truchsess Johann Joseph Ritter von Hauern J )
„de duobus numis aeneis“ Numophylacii Haueriani, Vindobonae 1761,
in 4to, erwähnen, welche zwei Münzen, nämlich vom Kaiser Decius
und von der Mutter des Kaisers Vespasian, Flavia Vespasia Polla,
betreifen. Letztere Münze erklärte Khell für falsch (womit auch
*) Die Münzsammlung- wurde noch bei seinen Lebzeiten an einen Grafen von Erp ach
verkauft.
Pflege der Numismatik in Österreich. 75
Eckhel in seiner Doctrina numorum veterum V. 349 übereinslimmt)
und rief eine scharfe Schutzschrift (Dissertatio apologetica) für deren
Echtheit von einem H. Numophilus *) in 18 Bogen im J. 1766 hervor,
der eine noch schärfere Entgegnung und Widerlegung von Khell's
Seite folgte. Diese beiden Briefe Khell’s wurden im J. 1766 cum
praefatione apologetica bei Thomas von Trattnern wieder gedruckt.
Endlich gedenken wir noch eines jungen, viel versprechenden,
aber früh dahin geschiedenen Zöglings der k. k. Theresianischen
Ritter-Akademie, des italienischen Grafen Alois Cristiani, welcher
nach Eckhel der beste Schüler Khell’s genannt wird (XIX). Von ihm
können wir hier anführen: a) Thesauri Britannici Pars I. ex Italico
Nie. Fr. Haym 3 ). Interprete Aloysio Com. Cristiani, apud Schulz,
4to, mit 30 Kupfertafeln, bei Gelegenheit seiner eigenen Disputation
im J. 1762; der II. Theil mit 41 Tafeln wurde von Khell edirt.
b) Adpendicula ad Numismata Graeca Populorum et Urbium a Jac.
Gesnero tabulis aeneis repraesentata. Opera et studio Aloysii
Comitis Cristiani, apud Schulz, 4to. Unter Khell’s Anleitung
1762. Auch erschien von demselben unter Denis’ Anleitung ein
deutsches Gedicht: „Der Sommertag, in vier poetischen Betrach
tungen,“ bei Trattnern 1763, in 8vo. Allzufrüh verstarb dieser viel
versprechende Jüngling.
C. Neben der antiken Numismatik bedurfte auch die moderne
sorgfältiger Pflege. Ihr grosser Gönner und Förderer war Kaiser
Franz I., der sein neu angelegtes Cabinet mit den Münzen selbst
der entlegensten Welttheile zu bereichern suchte. Schon ein Jahr
nach dem Erscheinen des vorerwähnten Cimelium Vindobonense
folgte die erste Ausgabe der modernen Silber münzen unter
dem Titel: Monnoics en Argent, qui composent une des differentes
parties du Cabinet de S. M. L’EMPEREUR, depuis les plus grandes
pieces jusqu’au florin inclusivement. Vienne chez Jean Thomas
*) Dieser ist der Weltpriester Joseph Monsperger. S. Gelehrter Anzeiger, V. Stück
vom J. 1766, den dritten Mai, Nr. 36. — Dieser Streit über die Münze der Vespasia
Polla mag- sehr heftig- g-ewesen sein, da das Exemplar im kais. Cabinete, in dem die
Schriften pro und contra gesammelt sind, auf dem Schildchen die Aufschrift „Bellum
Pollanum“ trägt.
2 ) Franz Nikolaus Haym war in Italien geboren, in der Musik und Numismatik vorzüg
lich erfahren, hielt sich in England auf, gab 1719 und 1720 Tesoro Britannico in II Voll,
in 4to zu London heraus, wo er am 11. August 1729 starb.
76
Joseph Bergmann.
Trattner, MDCCLVI, Royalfolio, in 2 Bänden, wovon der erste 614,
der zweite 561 von Duval’s Hand geschriebene Seitenzahlen enthält.
Diese erste Ausgabe ist so voluminös geworden, weil grösstentheils
nur eine Seite und diese, wenn ich mich so klar ausdrücken darf,
nur halbbrüchig, d. h. nur in einer Spalte herab in der Regel bedruckt
ist, indem die andere zu Ergänzungen und Nachträgen leer gelassen
wurde. Diese Ausgabe scheint in wenigen Exemplaren ausgegeben
worden zu sein, daher sie ausserordentlich selten ist. Sie fehlt dem
Bücherschatze des k. k. Münzen-Cabinetes. Das erstgenannte Exemplar,
in das Duval eigenhändig seine Ergänzungen, Nachträge u. s. w. ein
trug, verwahrt die k. k. Hofbibliothek.
Drei Jahre später erschienen: Monnoies en Or, qui composent
une des differentes parties du Cabinet de S. M. L’ EMPEREUR, depuis
les plus grandes pieces jusqu’aux plus petites. Vienne, cliez Jean
Thomas Trattner, MDCCLIX, Royalfolio, 315 Seiten. Dazu kam:
Supplement au Catalogue des Monnoies en Or, qui composent une des
differentes parties du Cabinet IMPERIAL depuis les plus grandes
pieces jusqu'aux plus petites. A Vienne, chez Jean Thomas deTratt-
nern. MDCCLX1X. Royalfolio. 98 Seiten.
In demselben Jahre noch erschien die zweite Ausgabe des Kata-
loges der Silbermünzen: Catalogue des Monnoies en Argent, qui com
posent une des differentes parties du CABINET IMPERIAL depuis
les plus grandes pieces jusqu’ au Florin inclusivement. Nouvelle edi-
tion corrigee et considerablement augmentee. A Vienne, chez Jean
Thomas de Trattnern. MDCCLXIX. 561 Seiten. Endlich: Supple
ment au Catalogue des Monnoies en Argent etc. etc. A Vienne, chez
le meme. MDCCLXX. 27 Seiten.
Die Ausgaben von den Jahren 1756 und 1759 aus der Samm
lung Seiner Majestät des Kaisers wurden, wie uns schon die fran
zösischen Titel an der Stirne des Werkes lehren, von französisch
schreib enden Männern, hauptsächlich vonDuval und die späteren
Ausgaben wohl auch mit Beihilfe Verot’s, den Duval vielleicht bei
seiner Reise nach Frankreich für das k. k. Institut gewonnen haben
mag, unter Oberleitung de France’s der erst 1761 starb, noch bei
des Kaisers Lebzeiten veröffentlicht; bezeichnend ist daher der Aus
druck du Cabinet de S. M. l’Empereur. Als nach seinem Hin
scheiden (f 1765) sein modernes Cabinet mit dem antiken Haus-
Cabinet der Kaiserinn in einem Locale vereint worden war, schrieb
Pflege der Numismatik in Österreich.
77
der Herausgeber der Ausgaben von 1769 und 1770 ganz richtig
du Cabinet Imperial.
Dieses Werk ist um so seltener und kostbarer, da dasselbe nie
in den Buchhandel kam, sondern nur durch die Munificenz Ihrer
Majestäten als Geschenk verehrt wurde. Es zeigte welchen Antheil
das allerhöchste Kaiserpaar an diesen langjährigen und kostspieligen
Arbeiten genommen hat. Das Äussere dieser beiden Kataloge die
man als ein Ganzes oder auch als zwei verschiedene Werke betrach
ten kann, ist durch Schönheit der Lettern, Grösse des Formates,
Stärke des Papiers und Feinheit des Kupferstiches prachtvoll, kai
serlich ausgestattet. In bedeutend geringerem Werthe dagegen steht
der wissenschaftliche Theil. Dem oder den ungenannten Her
ausgeber oder Herausgebern gebührt nur das Verdienst der Classi
fication der Suiten, die nach der Natur der Sache in beiden Kata
logen dieselbe ist. Das Schema ist: aj Münzen der geistlichen
Fürsten nach ihren absteigenden Rangstufen , als der Päpste, Kur
fürsten (nur im Kataloge der Silbermünzen), Erzbischöfe, Bischöfe,
Äbte und Capitel wie auch der Ordens-Grossmeister in alphabetischer
Ordnung, natürlich in französischer Benennung; h) Münzen der
weltlichen Fürsten und Herren, nämlich der Kaiser, Könige, Kur-
und Reichsfürsten, Grafen, gleichfalls alphabetisch geordnet; c) Mün
zen der Republiken und Städte 1 ).
Eine sorgfältige und genaue Beschreibung die doch so nahe
lag, wird gänzlich vermisst. Konnte sie nicht wie im Cimelium Vindo-
bonense (S. 74) mit steter Hinweisung auf die hetretfende Abbildung
vorangeschickt werden? Es bedurfte allerdings zu diesem Zwecke
nicht des geschichtlichen Textes, wie ihn die beiden gelehrten
St. Blasianer in ihrer Numotheca Principum Austriae aus ihrem Füll—
horne schütteten. Die nackte Angabe des Namens des Münzherrn,
der Republik oder Stadt, des Geburts- oder Sterbejahres des Münz
herrn etc. genügt nicht. An Bild, Legende oder Inschrift wird gar
nicht gedacht, dessgleichen nicht an Gewicht und innern Werth und
Seltenheit, ob im Zweifel das Stück eine Münze oder Medaille, ein
einfacher oder doppelter, halber oder % Thaler sei, welches Detail
*) Vgl. über die Einrichtung des k. k. Cabinetes Prof. Joachim’s neueröffnetes
Münz-Cabinel. Nürnberg 1761. Thl. I, Vorrede S. 5—7. Benjamin Lengnich’s
Nachrichten zur Bücher- und Münzkunde. Danzig 1780. 8. Thl. I, 227—292.
78
Joseph Bergmann.
die Brauchbarkeit eines Werkes erhöht. Ferner fehlt jegliche Be
zeichnung mit Numern, um bei etwaigem Citate bestimmt auf ein
Stück hinweisen zu können. Vergebens sucht man ein Vorwort
oder eine Einleitung, vergebens irgend ein Register. Viel
leicht wurden die Stücke aus dem Grunde nicht numerirt, weil
jede Münze auf einer eigenen Kupferplatte abgebildet und ein
gedruckt ist, so dass man bei einer wiederholten Ausgabe die
Platten der neu hinzu gekommenen Stücke allenthalben an Ort und
Stelle bequem einschieben kann. In diesem Betracht wäre ja durch
Unterabtheilungen mit a, b, c zum Numer gesetzt leicht zu helfen
gewesen und man hätte zudem daraus leicht den neuen Zuwachs
ersehen. Das Material zu einem beschreibenden Texte findet man
in den von Duval’s Hand geschriebenen französischen Katalogen
des k. k. Münz-Cabinets, das zu einer neuen Ausgabe benützt werden
konnte. Die Kupfer platten zu den beiden Werken sind noch
im k. k. Institute verwahrt. Von einer neuen Ausgabe, der dritten
der Monnoies en Argent, die in Angriff genommen wurde, wollen
wir später reden.
Nach des Kaisers Hintritte verdoppelte M. Theresia ihre Sorg
falt für die von ihm hinterlassenen Sammlungen. Sie setzte den jedes
maligen Oberstkämmere r zum obersten Director aller kai
serlichen Sammlungen ein, welche Würde der seit 1763 in den
Reichsfürstenstand erhobene Johann Joseph von Khevenhüller
nur noch kurze Zeit bekleidete. Nach demselben stand denselben von
1766 bis 1770 Anton Altgraf von Salm-Reifferscheid vor.
Unter dessenOberdirectorate wurden die beiden verschiedenen
Münzsammlungen zu einem Ganzen in einem Locale vereinigt
und zugleich mit dem Naturalien- und dem damaligen mechanisch-
physicalischen Cabinete in die neuerbauten Säle am Augustiner
gange uberbracht, wo noch heut’ zu Tage das k. k. Münz- und
Antiken-, wie auch das Mineralien-Cabinet in bester Ordnung aufge
stellt sind. Vor dem Haupteingange liess dieKaiserinn ein marmornes
Portal mit aus Bronze verfertigten numismatischen , mathematischen,
astronomischen und physicalischen Emblemen auf beiden Seiten und
über der Thüre des verewigten Stifters Büste gleichfalls aus Bronze,
aufstellen mit der passenden Aufschrift:
Pflege der Numismatik in Österreich.
79
NATURAE. MIRANDA. ET. ARTIS.
QUAE. UNA. CUM.
OMNIUM. FERE. POPULORUM. MONETIS.
D. FRANCISCUS. ROM. IMP. P. F. AUG.
UBIQUE. TERRARUM. CONLEGIT.
IOSEPHUS. II. ET. M. THERESIA. AUGG.
PUBLICAE. UTILITATI. ET. MEMORIAE.
PARENTIS. OPT. ET. CONIUGIS. AMANTISS.
ADIECTO. VETERUM. NUM. AVITO. THESAURO.
HEIC.
SACRA. ESSE IUSSERUNT. MDCCLXV.
Dieses Portal ist neben dem Titelblatte der Monnoies en Argent
vom J. 1769, von Salomon Kleiner gestochen, mit der ganzen
Inschrift dargestellt; die Inschrift und die Embleme auf beiden
Seiten sind, als man den Gang wölben musste, weggenommen worden.
Nun wird auch der Status der Beamten dieser drei Hof
anstalten organisirt. In dem Staats- und Standes-Kalender für das
J. 1765 ist hievon noch keine Rede, weil dieser wohl schon im
J. 1764 gedruckt wurde. Der vom J. 1766 ist nirgends aufzulinden,
und in dem auf das folgende Jahr 1767 lesen wir auf Seite 440 :
„Naturalien-Cabinet-Director.
Hr. Ludwig de Baillou.“
Seite 441. „Münz- und Medaillen-Cahinet-Director.
Hr. Valentin Jameray Duval.
Schreiber allda. Hr. Johann Verot.“
„Des physikalischen Cabinets J ) -Director.
Hr. Johann Marcy, Domherr zu Leitmeriz und Canonicus
zu Soignies a ).“
Im Kalender für 1769, S. 452 ist Duval desselben Cabinets
Director, dann heisst es weiter: „Garde du Cabinet der Münz
und Medaillen: Hr. Johann Verot. Adjunct: Hr. Carl Schrei
ber.“ So lauten auch die Angaben von den Jahrgängen 1770
und 1771.
*) Der gleichzeitige Weiskern (-j- 30. Dec. 1768) nennt es in seiner Beschreibung
der k. k. Hauptstadt Wien etc. Wien 1770, Th. III, 67 das mechanisch-
physicalischeKuns t-C a b i n e t und auch den Abbe Johann Marcy etc. dessen
Vorstand.
2 ) Soignies ist ein Städtchen in der ehemaligen Grafschaft Hennegau, drei Meilen
von Mons, in welcher Gegend Marcy geboren sein mag.
80
Joseph Bergmann.
Im J. 1774 lesen wir folgenden Status auf S. 492. Oberstkäm-
merer: Heinrich Fürst von Auersperg etc. Oberstkämmereramts-
Secretär: Hr. Joseph Andreas Thoss. -— S. 494:
„Münz- und Medaillen-Cabinets-Directores.
Hr. Valentin Jameray Duval.
Hr. Ignatz (sic) Eckel.
Garde du Cabinet: Hr. Johann Verot.
Adjunct: Hr. Carl Schreiber.“
S. 47. „Ober-Münz- und Medaillen-Graveur.
Hr. Anton Wiedemann.
Im k. k. Hof-Schematismus für das J. 1776 nach Duval’s Tode
(f 3. November 1775) finden wir auf S. 349:
„Mü nz- und Medaillen-Cabinet.
Hr. Johann Verot, Director der modernen Münzen,
log. in der Burg.
Adjunct: Hr. Karl Schreiber, log. auf der Wieden.
Director der Antiquitäten — Münzen (sic).
Hr. Joseph Eckel, Weltpribster, log. in der Burg.“
Wir sind nun zur Periode gekommen, in der Eckhel als der
letzte der fünf numismatischen Jesuiten Österreichs und Schöpfer
des wissenschaftlichen Systems der antiken Numismatik ins k. k.
Münz-Cabinet eingetreten ist. Da mir noch mehrere bisher unbekannte
Details über seine Familie und sein Leben aus sicherer Quelle in
Aussicht gestellt sind, werde ich — wie ich hoffe bald — dieselben
zugleich mit dem Schlüsse dieser Abhandlung als zweite Abtheilung
den Freunden der vaterländischen Gelehrtengeschichte und der
Numismatik in diesen Blättern vorlegen.
Pflege der Numismatik in Österreich.
81
Anmerkungen.
I. S. 33. Turinctti Marchese de Pri6. — Das piemontesische Ge
schlecht der Marchesi de Prie ist von dem altadeligen französi
schen de Prie wohl zu unterscheiden. Hercules Joseph Ludwig
Turinetti, des h. römischen Reichs Marchese de Prie, und
Pancaglier, Graf von Pisein und Castiglione, war anfangs General-
Commissarius bei der kaiserlichen Armee in Italien, dann K. Joseph's I.
Botschafter am päpstlichen Hofe und führte nach dessen Tode den
Titel eines Agenten der Kaiserinn-Mutter Eleonora als Interims-Regen-
tinn der österreichischen Königreiche und Lande. Kaiser Karl VI.
ernannte ihn am 25. November 1711 zu Innsbruck zum geheimen Ratlie
und bestätigte ihn als Botschafter am päpstlichen Hofe, als welcher
er am 7. September 1712 die feierliche Audienz bei Sr. Heiligkeit
dem Papste Clemens XI. hatte. Im J. 1714 wurde er vom Grafen
Johann Wenzel von Gallas von diesem Posten abgelöst und kam als
kais. Vice-General-Gouverneur in die österreichischen Niederlande.
Er betheiligte sich bei der Errichtung der ostendischen Handels-
Compagnie die K. Karl VI. ddo. Wien am 19. Dec. 1722 sanctionirte,
und soll nach der europäischen Fama vom J. 1723, Thl.268, S. 328
und 336 die Summe von ISO.OOOGulden subscribirthaben. Ermachte
ein grosses Haus und ihm wurden, bevor er im Mai 1725 von Brüs
sel abreiste, eine Forderung von 112.000 Gulden und darüber noch
eine Summe von 40.000 Gulden zu den Reisekosten bezahlt. Sein
Nachfolger war Graf Daun bis die durchlauchtigste Gouvernante,
die Erzherzoginn Elisabeth, des Kaisers Schwester, ankam. Er hatte
Feinde und Neider deren Verleumdungen er zu Schanden machte.
Er war ferner nach den Reichsadels-Acten am 8. August 1716 Grand
von Spanien, kais. wirklicher geheimer Rath, Ritter des Ordens
dell’ Annonciada und starb am 13. Jänner 1726 in Wien im 72.
Jahre seines Alters, am selben Tage als General Graf von Bonneval
seines Arrestes auf dem Spielberg entlassen wurde. Sein Leichnam
wurde nach seiner Anordnung in aller Stille in der St. Michaels
Pfarrkirche beigesetzt. Wir wollen hier näher in dessen Familien-
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hfl. ß
82
Joseph Bergmann.
und Vermögensverhältnisse eingelien, da sein Haus in der Stadt Wien
später an de France käuflich gelangte. Nach dem magistratischen
Grundbuche kaufte der genannte Graf Tu r inetti Marchese dePrie,
kais. Commissarius und Plenipotentiarius in Italien etc., am 22. Sep
tember 1704 das ehemals sogenannte Hasenhaus in der Kärntner
strasse Nr. 1073 und ward am 20. März 1700 an die Gewähr
geschrieben. Den 12. April 1708 wurde er in den nieder
österreichischen Herrenstand aufgenommen und 1709 introducirt.
Ihn dessen Porträt in der europäischen Fama zum Th. 111 abgebil
det ist, beerbten laut des am 12. Februar 1726 publicirten Testa
ments seine beiden Söhne Johann Anton und Karl. Das Haus
kam an den ältern Sohn, musste aber seiner Schulden halben verstei
gert werden. Bei der dritten Licitation am 3. Februar 1749 erstand
dasselbe mit ausgelöschtem Lichte 1 ) um 36.000 Gulden de France.
So weit das Grundbuch. Nach dem Wissgrill’schen Manuseripte erbte
der ältere Sohn noch Fridau-Rabenstein in Steiermark und die Güter
in Krain (Pisein oder Pisino) und Hungarn, der jüngere Karl F e r d i-
nand jene in Piemont und Neapel. Nach Küchelbecker vom J. 1732,
S. 817 heisst es: Von den auf der W ieden befindlichen Palästen
sind folgende remarquable, nämlich des Fürsten von Lobkowitz Haus
und Garten, des Marquis de Prie, des Grafen Konrad von Star
hemberg etc. — Von der Witwe und den Söhnen de Prie’s erwähnt
uns noch die vorerwähnte Fama vom J. 1726, S. 230: Der Kaiser
setzte seiner Witwe nicht allein einen jährlichen Gehalt von 9000
Gulden aus, sondern befahl auch eine Rechnung derjenigen Summe
zu überreichen, welche ihr verstorbener Gemahl von der Zeit an, da
derselbe kaiserlicher Ambassadeur in Rom gewesen, bis an seinen
Tod vorgeschossen, damit ihr dieselben wieder ersetzt werden möch
ten. Ferner haben Seine Majestät dem ältesten Sohne des Marquis,
dem Herzog von Esquilache, das Fürstenthum welches sein Vater im
Königreiche Neapel besessen und jährlich 18.000 Gulden einbringen
soll, für ihn und seine Erben überlassen.
11. zu S. 33. — Johann Wenzel Graf von Kallas, des waf
fenberühmten General - Lieutenants Mathias Grafen von G. Enkel,
1 ) Die Zwischenzeit zwischen den verschiedenen Anboten und dem letzten Meistbote
und Zuschlägen an den Meistbieter wurde das Licht ausgelöscht und dann
wieder angezündet.
Pflege der Numismatik in Österreich.
83
ward kaiserlicher Gesandter am englischen Hofe, von wo er am
31. Jänner 1712 nach Wien zurückkam. Darauf war er der Erzher-
zoginn M. Elisabeth Obersthofmeister, dann nach de Prie Botschafter
am römischen Hofe, als welcher er den 13. Mai 1714 seine feierliche
Audienz hatte, endlich ward er Yicekönig und General-Capitän des
Königreichs Neapel, wo er am 4. Juli 1719 den prachtvollsten Ein
zug hielt, aber schon den 25. desselben Monats starb. Mit seinem
Sohne Philipp Joseph erlosch am 23. Mai 1757 dieses südtiro-
lische und in Böhmen heimisch gewordene Geschlecht. Er setzte auf
den Fall, wenn seine Gemahlinn Anna Franeisca, Gräfinn von Colonna-
Vels sich zum zweiten Male verehelichte, oder wenn sie stürbe (f 6. April
1759), den altern Sohn seines Schwagers Johann Christoph Frei
herrn von CI am als Universalerben ein. Die Kaiserinn Maria Theresia
bestätigte am 29. August 1768 (nicht 1778) dieses Testament und
erlaubte dieser Familie den Grafenstand mit dem Namen Clam-
Gallas anzunehmen.
III. zu S. 35. — Oben auf dem Titelblatte innerhalb zweier
grosser Lorberzweige lesen wir: Aureinummi XII Caesarum qui inter
eximiae raritatis numismata aliorum Impp. servantur Bomae in Museo
BR. PP. Cartusiaiiorum. Im Felde sind zwölf Münzen der ersten
römischen Kaiser in Kupfer gestochen, darunter stehen die Namen
dieser Kaiser und eine ganz dürftige Beschreibung von deren Münzen.
Unten in der Ecke : GaietanusPiccinus incidit. F ü e s s 1 i in sei
nem Künstler-Lexikon spricht ganz recht, wenn er diese Abbildungen
von Münzen ohne alle Angabe des Ortes und Jahres in diese oder kurz
vorhergegangene Zeit setzt, was Nagler Bd. XI, 270 in Frage stellt.
Das im k. k. Münz-Cabinete verwahrte schöne Exemplar enthält ausser
dem so eben erwähnten Titelblatte LXXXVIII Tafeln, auf deren
jeder in der Regel mit grosser Raumverschwendung nur zwei Münzen
oder Medaillons, manchmal auch nur Eine, nämlich Vorder- und
Rückseite ohne irgend ein beigefügtes Wort abgebildet sind.
IV. S. 36. —- Ob diese Sammlung bei des Grafen Lebzeiten oder
nach dessen Tode gekauft wurde, vermag ich nicht anzugeben.
Karl Joseph Reichsgraf von Paar, im J. 1654 geboren, war kais. wirk
licher geheimer Rath und Kämmerer, oberster Reichs-Hof- und der
kais. Erbkönigreiche und Lande General-Erbpostmeister und bat den
Kaisern Leopold und Joseph I. grosse Dienste geleistet. DemK. Karl VI.
ginger bei dessen Ankunft in Oberitalien entgegen, begleitete ihn
6 4
84
.1 o s e p h Bergmann.
zur Krönung (22. Dec. 1711) nach Frankfurt und ward dafür 1712
Ritter des goldenen Vliesses. Er starb am 12. Mai 1725 zu Wien.
Er hatte von seiner Gemahlinn Renata Gräfinn von Sternberg viele
Kinder. Sein Sohn Johann Adam war damals Reichshofrath.
V. S. 43. — Anton Franz Freiherr von Bnol, ein Sohn Johann
Georg’s Edlen, seit 18. November 1718 Reichsfreiherrn von Buol,
K. Joseph’s I. gewesenen Informators und nachherigen Hofrathes etc.,
ward bald nach seines Vaters Tode (fl727) wirklicher Hofrath und
geheimer Referendarius, dann 1761 Vice-Statthalter der niederöster
reichischen Regierung und Ritter des k. ungrischen St. Stephans-
Ordens. Er war ein sehr gelehrter Mann der eine auserlesene Biblio
thek von 12.000 Bänden und sehr seltene Manuscripte besass. Er
starb am 30. Mai 1767. Seine erste Gemahlinn war M. Eleonora von
Gleiffheim, die zweite war M. Anna Theresia Freiinn von
Kirchnern, Tochter Michael Achazens Freiherrn von Kirchnern,
vormaligen Reichshofrathes etc., die im J. 1777 starb.
VI. S. 47. Über die Familie von Baillou. — Diese altadelige bis
ins XIII. Jahrhundert hinaufreichende Familie von Baillou, die
tüchtige Männer in ihrem Stammbaume zählt, war auch in Frankreich
sesshaft. S ebastian de Baillou diente als Intendant der französischen
Armee unter dem Marscball Crenaud, trat hernach in die Dienste des
Prinzen von Lothringen-Vaudemont und vermählte sich 1683 mit
Margaretha de Gonet. Deren Sohn Jean de Baillou, im J. 1686
wahrscheinlich in Lothringen geboren, ward mit den Pagen des
genannten Prinzen erzogen und vorzüglich in der Mathematik und den
verwandten Wissenschaften, wie auch in der Reit- und Fechtkunst
unterrichtet und setzte seine Studien unter dem Obersten du Wiwier,
einem Verwandten der Familie, eifrig fort. Nach dessen Tode bildete
er rastlos in Paris sich weiter aus und ward in des Herzogs Fran
cesco von Parma Dienste berufen. Der Herzog ernannte ihn am
6. October 1725 zum General-Commissär der Artillerie und Ge
neral-Ingenieur. Nach Jenes Hinscheiden (f 26. Februar 1727)
bestätigte dessen Bruder und Nachfolger Herzog Antonio ihn in sei
nen Stellen und ernannte ihn den 25. September 1728 noch zum
General-Intendanten sämmtlicher herzoglicher Gebäude und Güter,
ferner am 22. November 1729 zum General-Oberintendanten aller
Bergwerke und Fabriken für Parma und Piacenza. Nach Antonio’s,
des Letzten aus dem Hause Farnese, Tode (f20. Jänner 1731) trat
Pflege der Numismatik in Österreich.
85
Chevalier de ßaillou in die Dienste Johann Gasto’s, des letzten
Mediceers, der ihn am 9. Juli 1735 zum Director der berühmten
mediceisehen Galerie, dann 1736 zum General-Director aller Festun
gen, Gebäude und Bergwerke in Toscana ernannte.
Nach Johann Gasto’s Tode (f 1737) bekleidete er unter dem
neuen Grossherzoge Franz Stephan dieselben Würden. Chevalier
de Baillou war ein ausgezeichneter Mathematiker und Physiker, und
hatte am Hofe zu Parma zur Erholung seines Fürsten und des hohem
Adels Vorlesungen über Experimental-Physik gehalten, war erfinderisch
in der Chemie, Optik und Mechanik, die k. französische Akademie
hatte ihn zu ihrem Mitgliede ernannt, auch war er Ritter des goldenen
Sporns und im J. 1735 Ritter des Constantinisehen Georg-Ordens
von Parma. Seine Mineralien-Sammlung galt als die erste in Europa,
über die das seltene Buch: Description abregee du fameux Cabinet
de Mr. le Chevalier de Baillou, pour servir ä l’histoire
naturelle des pierres precieuses, metaux, mineraux, et autres fossiles.
Par Joannon de S. Laurent. A Lucques, MDCCXLVI, in 4 t0 156
pag., worin nur ein Theil dieser grossen Sammlung enthalten ist.
Kaiser Franz kaufte diese Sammlung und machte 1748 den Chevalier
de Baillou zum ersten Director des neugegründeten Hof-
N aturalien-C abin ets und ernannte am 25. October 1753 ihn
zum Oberstlieutenant in der Artillerie. Er starb am 24.Novem
ber 1758, in der obern Breunerstrasse Nr. 1137. Mit seiner Gemah-
linn Marchesa Margarita Monti della Scrivia aus Piemont erzeugte
er ausser sieben Töchtern die zwei Söhne Joseph und Johann Lud
wig Balthasar. Joseph war im J. 1766 Artillerie-Oberst, Comman-
dant en Chef des Artillerie- und Ingenieur - Corps und General-
Director der militärischen Arehitectur und Fortification im Grossher
zogthum Toscana, und ist mit seiner Gemahlinn Petronilla de Ruyz,
mit der er sich am 8. September 1757 verehelichte, der Stifter der
toscanischen Linie der Freiherren von ßaillou.
Johann Ludwig Balthasar von Baillou, am 19. August 1731
zu Parma geboren, folgte seinem Vater in der Würde eines Directors
des k. k. Hof-Naturalien-Cabinets, wurde mit seinem Bruder Joseph
wegen der Verdienste ihres Vaters und in Anbetracht ihres uralten
Adels von K. Joseph II. am 9. April 1766 in den Reichsfrei
herrenstand erhoben. Am 2. December 1782 erhielt er das Incolat
in Böhmen, Mähren und Schlesien, kaufte am 4. Jänner 1799 die
86
.1 osepli Berg*man n.
Herrschaft Hustopetsch im Prerauer Kreise in Mähren, vermählte
sich am 14. Mai 1771 mit der Freiinn Anna von Ndfzern und starb
am 23. Februar 1802 in Wien auf der Freiung Nr. 143 im
71. Jahre.
Sein Sohn Joseph Johann Freiherr von Baillou, am
27. October 1773 in Wien geboren, war Edelknabe und fungirte als
solcher bei K. Franzens Krönung in Frankfurt 1792, ward erstOflicier
bei Savoyen-Dragoner, widmete sich dann der Ökonomie und entsagte
nach des Vaters Tode der in der Familie erblichen Würde eines
k. k. Hof-Naturalien-Cabinets-Directors. Im Jahre 1809
diente er als wirklicher Hauptmann beim zweiten Prerauer Landwehr -
Bataillon. Er erzeugte mit seiner Gemahlinn M. A ntonia Gräfinn
von S obeck (f 1829) 21 Kinder, von denen zehn am Leben blie
ben. Das Weitere über diese Familie s. im „Gothaischen Almanach
der deutschen Freiherren für das J. 1834“ als die einzig richtigen
Angaben, da die früheren nicht richtig sind.
Man möge uns diese Weitläufigkeit zu gut halten, indem wir
das Andenken an Jean de Baillou, einen zu seiner Zeit berühm
ten und um das Entstehen des k. k. Hof-Naturalien-Cabinets hochver
dienten Edelmann, dessen Namen aber unverdienter Weise bei
nahe verschollen ist, bei der jetzigen Generation wieder auffrischen
wollen, zumal uns ganz zuverlässliche Quellen, tlieils von Seite
eines Verwandten 1 ) dieses nun im Freiherrenstande blühenden
Geschlechtes, theils im Reichsadels-Archive zu Gebote standen.
Anmerkung. Zur nähern Kenntniss der damaligen Beamten
am k. k. Hof-Naturalien-Cabinete fügen wir hier an den Stand nach
dem Hof- und Staats-Schematismus vom J. 1789, S. 393. Director:
Hr. L ud wig Freiherr von B ail 1 ou. Adjunct: Hr. Abbe Andreas
Stitz (sic). Custos: Hr. Johann Baptist Megerle, nachher seit dem
30. November 1803 mit demPrädicat von Mühlfeld. Später wird Abbe
Stütz zweiter und nach des Baron von Baillou Ableben alleiniger
Director bis zu seinem Tode am 11. Februar 1806.
VII. S.49. De France’s Haus und Porträt.—Nachdem de France
laut Anmerkung I. das dem Marchese Johann Anton de Prie gehörige
*) Die ausführlichen Notizen über diese Familie verdanke ich dem k. k. Rittmeister
Karl Blöchlinger von Bannholz, der seit 26. October 1845 mit 1 sab eil a Freiinn
von Baillou vermählt ist.
Pflege der Numismatik in Österreich.
87
Haus in der Kärntnerstrasse Nr. 1073 um 36.000 Gulden in der Ver
steigerung erstanden hatte, wollte er sieh an die Gewähr schreiben
lassen. Da er aber als Titularrath nicht die Fähigkeit hatte ohne
Zahlung der auf ihn entfallenden Taxe von 608 Gulden zum Besitze
zugelassen zu werden, so erwirkte er den Rang eines wirklichen
k. k. Kammerrathes, als welcher er die zum Besitze eines bürgerli
chen Hauses erforderliche privilegirteEigenschaft hatte. Die Kaiserinn
M. Theresia ernannte auf seine Bitte ihn zum wirklichen Ilofkammer-
rathe laut der Verständigung vom 13. April 1749. Er wurde nun am
22. Mai an die Gewähr geschrieben und wird in den bezüglichen Acton-
stücken wirklicher k. k. Hofkammerrath, General-Director der
k. k. Schatzkammer und Galerien, wie auch k. polnischer und kur
sächsischer wirklicher Provinzialrath genannt. Am 17. Mai desselben
Jahres stellte er den von seiner Hand Unterzeichneten und mit seinem
Siegel besiegelten Revers aus, sein Haus nur einem Bürgerrechts
fähigen zu verkaufen. Nach seinem kinderlosen Tode kam am
27. Juni 1761 seine Witwe Francisca Smitmer, verwitwete de
Rotta an die Gewähr, dann seit 26. August 1760 deren Tochter
erster Ehe M. Anna, Witwe des Freiherrn Hermann Lorenz von
Cannegiesser, darauf den 15. September 1780 deren Tochter
Katharina, vermählte Freiinn von Hess, welche hochbetagt am
4. September 1848 starb. Der Sohn ihrer gleichnamigen Tochter
Katharina (f 1812) und des Freiherrn Hermann von Diller, k. k.
Hofrathes und Kanzlei-Directors des k. k. Hofmarschallamtes (f 30.
Nov. 1832), Hermann Freiherr von Diller wurde am 5. März 1850
an die Gewähr geschrieben.
Die Privatbibliothek Sr. k. k. apostolischen Majestät besitzt de
Franee’s Brustbild en face in Kleinfolio in geschabter Manier mit
der Umschrift: lOSEPIIO DE FRANCE MDCCLV, innerhalb einer
ovalen Umrahmung, an deren unterem Rande zu lesen: „Martin, de
Meytens pinxit Eff. (igiem)“, und „J. G. Haid sculpsit.“ Man erblickt
de France vor einem Schranke mitMünzen und Gemmen ; unter dem
selben dessen Wappen, nämlich sechs Querbalken die in Gold und
schwarz wechseln, so dass auf den drei goldenen je drei, zwei und
eine Lilie abnehmend prangen. Links (vom Bilde aus) gewahrt man
ägyptische Antiquitäten und drei antike Münzen, daneben den Rücken
eines Foliobandes mit der Aufschrift: „Cimelium — Cajs. Reg. —
Austriac. Vindobon.“, die sämmtlich auf einem Tische ruhen;
88
Joseph Bergmann.
darunter ist auf einem länglichen Vierecke gezeichnet der Grundriss
und die Eintheilung seiner Wohnung, vorne sein Museum mit den
Namen der Gemächer: Museum. Technoteca (sic). Triclinium. Con-
clave ex vasis murrhinis vulgo Porcelain, rückwärts seine Zimmer
sammt den Diensthoten-Zimmern und der Küche. Seitwärts rechts
unten: Sal. Kleiner delineavit Vindobonae, wahrscheinlich zeich
nete er die Nebensachen, da das Porträt selbst in der Schahmanier
ausgeführt ist. Ganz unten liest man in sechs Hexametern die Wid
mung:
„His numos forulis auro, argentoque vetustos
gemmarumque gregem cselatum condidit idem,
descriptas qui pone aedes, ne digna deessent
templa Deum signis, priscique cohortibus aevi;
Neve Vienna tibi soli serviret, in orbem
Austriacos hic suasit opes diffundere libro.
Devot: J. K. E. F.
Diese Chiffern bezeichnen wohl: Josephus Khell, Erasmus
Fro elich.
Anmerkung. Nach den Reichsadels-Acten wurde Chri
stoph de France aus Lissabon von K. Karl V., ddo. Brüssel am
31. August 1531 in den Adelstand erhoben. Sein Wappen war ein
Greif. — Raynutius de France erhielt von K. Rudolf II. ddo.
Prag am 12. Juni 1585 den Ritterstand nur für seine Person. Leider
ist in den betreffenden Acten kein Wappen zu linden. Derselbe war
k. spanischer Provinzialrath in Flandern und war mit Christoph
Assonleville Herrn von Haulteville, belgischem Staatsrathe und
Schatzmeister des Ordens des goldenen Vliesses, nach Prag gekom
men, wo im Namen des Grossmeisters K. Philipp’s II. der Erzherzog
Ferdinand von Tirol, schon seit 1559 Ritter des Ordens, dessen
Insignien seinen Neffen, dem K. Rudolf II. und Erzherzog Ernest,
ferner seinem Bruder dem Erzherzog Karl von Steiermark, dann
Wilhelmen von Rosenberg und Leonharden IV. Freiherrn von Har-
racli verlieh. S. meine Mittheilungen nach einer bildlichen Darstel
lung dieser Feierlichkeit in der k. k. Ambraser Sammlung in den
Wiener Jahrbüchern der Literatur 1830, Bd. LI, im Anzeigeblatte
S. 2—12.
VIII. zu S. 53. — Gemälde das K. Franz I. im Kreise
der gelehrten Directoren der vier wissenschaftlichen Hof-
Pflege der Numismatik in Österreich.
89
Institute darstellt. — Die Wand zwischen den beiden Fenstern des
letzten Zimmers des k. k. Mineralien-Cabinets ziert ein grosses Öl
gemälde von den Künstlern Mesmer und Kohl 1 )- Auf demselben sieht
man den Kais er, den erlauchten Gründer des kaiserlichen Naturalien-
wie auch des modernen Münz- und physicalischen Cabinets, in ganzer
Figur und in Lebensgrösse an einem Mosaiktische sitzend und eine
Smaragdstufe in der Hand haltend; Seiner Majestät gegenüber steht
in geistlichem Gewände Abbe Johann Marcy, Director des physica-
lisch-mathematischen Cabinets, zu dessen Füssen ein Globus ruht,
auf den Tisch zeigend; hinter des Kaisers Stuhle steht mit einem
aufgeschlagenen Buche Gerhard van Swieten, Präfect der kaiser
lichen Hofbibliothek; links neben ihm in blauer, rothausgeschlagener
Artillerie-Uniform, goldbetresster Weste und mit der Feldbinde
umgürtet, hält der Director des Naturalien-Cabinets Chevalier de
Baillou einen Flussspath in seinen Händen, endlich seitwärts des
Tisches durch den Saal dem Kaiser zuschreitend Duval, eine
Schublade mit Goldmünzen in beiden Händen haltend. Die beiden
Letzteren, weil sie tiefer im Hintergründe gruppirt werden mussten,
sind in etwas kleinerer Gestalt gehalten. — Das Porträt des Kaisers
gilt als das bestgelungene, wesshalb es für den Kaisersaal zu Frank
furt copirt wurde. Wenn dieses Gemälde hei Lebzeiten aller dieser
Männer verfertigt wurde, so fällt es in die Zeit von 1753 bis 1758,
indem in jenem Jahre de Baillou k.k. Oberstlieutenant in der Artillerie
wurde und in diesem Jahre starb und die Anderen länger lebten.
IX. S. 54. Fräulein Josepha von Gutteuberg. — Die von Gutten-
berg haben in Wirtemberg ein adeliges Gütchen zu Guttenberg
besessen und sich davon geschrieben, dasselbe aber in den früheren
Kriegsläuften verloren. Schon von K. Rudolf II. wurden sie am 26. Juni
1603 wegen ihrer dem h. römischen Reiche geleisteten Dienste
sowohl in des Reichs als seiner Erblande rittermässigen Adelsstand
erhoben. So erwarb sich Johann Lorenz Trunk — dies ist
der Familienname — als gewester Ältester des innern Ratlies und
*) Franz Mesmer oder Messmer, geboren zu Antholz im Pusterthale, war ein
Schüler Martin’s von Meytens und einer der besten Porträtmaler seiner Zeit. Er
war kais. Hofmaler, 1767 Mitglied der k. k. Akademie und starb 1774. Er malte
gewöhnlich nur die Köpfe, das andere Jakob Kohl, mit dem Mesmer zu diesem
Zwecke sich verbunden hatte.
90
Joseph Bergmann.
bischöflich Freisingischer Hofmeister <) hei der Belagerung Wiens im
J. 1683, in welcher derselbe gegen den Erbfeind die gefährlichsten
Posten vertheidiget und eine tödtliche Wunde empfangen hat, sich
vorzügliche Verdienste, ferner bewährte dessen Sohn Johann
Lorenz als Stadtgerichts-Beisitzer, dann Stadtraths-Verwandter
und Hof- und Soldaten-Quartiers-Commissär seine ausnehmende Ge
schicklichkeit. In Anbetracht dieser von Beiden geleisteten Dienste
erhielt dieser von K. Joseph I. am 16. Jänner 1708 die Bestäti
gung des Adelsstandes mit dem früher geführten Wappen und dem
Ehrenworte von Guttenberg. Später bekam er auch das Stadt
richteramt zur Belohnung von 1708—1712, derselbe war auch von
1712—1716 Bürgermeister von Wien. Wahrscheinlich dessen
Enkel, dem Josephv. Guttenberg, k. k. Hof-Commissionsrathe und
Depositenamts-Administrator, verlieh die Kaiserinn M. Theresia am
IS. Jänner 1773 den Ritters t an d für ihn und seine ehelichen
Nachkommen. Ob Fräulein Josepha von G. dessen Tante oder
Schwester war, vermag ich nicht zu bestimmen. Etliche Briefe
Duval's an dasselbe, die er auf seiner Reise nach Frankreich 1752
schrieb, dessgleichen die Antworten auf dieselben haben sich erhalten,
besonders ausführlich ist der Bericht über seine Reise nach Tirol im
J. 1766 in Oeuvres de Val. Jam. Duval. Tom. II, Lettre CXXVI, pag.
238—257. Interessanter ist der Briefwechsel mit dem russischen
Hoffräulein Sokoloff. Einige Mal unterschreibt er sich an dieses
„l’ancien berger d'Austrasie“, und spricht beide zu Anfänge der
Briefe gewöhnlich mit den Worten an: Aimable Bibi, wie er auch
gewöhnlich alle geistreichen Fräulein für die er Interesse hatte, nennt,
vielleicht weil Fräulein von Guttenberg Josepha — Pepi — hiess.
X. S.54. a) Der berühmte Mathematicus Herr Abbe Johann Marcy,
ein geborner Niederländer, war Domherr zu Leitmeritz und Soignies,
Präses und Director der Physik und Mathesis an der hiesigen Univer
sität, wie auch der jungenErzherzogeLehrerin diesen Fächern, dann
später Kanzler der Universität zu Löwen , wahrscheinlich um 1772,
*) Auf der Stelle des alten, vielwinkeligen Freisingerhofes, dessen Entstehen
durch Bischof Otto von Freisingen, einen Sohn des h. Markgrafen Leo
pold IV. von Österreich, auf 1140 angegeben wird, haute der Hofbuchdrucker
von Trattnern zwischen 1773—1778 den nach ihm genannten grossen T r n 11-
nerhof.
Pflege der Numismatik in Österreich.
91
da wir im k. k. Staats- und Standes-Sekematismus für 1773, S. 477
Joseph Nagel als Director des k. k. physicalischen Cabinets lesen,
der zugleich des Studii Physici et Mathematici Präses und Director
war. Wann Marcy gestorben, vermag ich nicht anzugeben. — Marcy
war, wie aus Allem erhellet, ein tüchtiger, hochgeachteter Mann. Laut
eines kaiserlichen Befehls vom 19. September 1762 war er zu Be
rathungen über Was ser b aut en beizuziehen, so kraft der Hand-
billete vom 10. October und 5. November 1762 bei derlei Bauten am
Bhein und bei Altbreisach; ferner zur Commission zur Nutzbar
machung der Wiener-Neu städter Heide 1 ); laut Befehls vom
23. Juni und 7. September 1763 hatten er und der Coinmerzienrath
S tegner hiezu den Plan zu entwerfen. Beide und der k. k. Oberst
lieutenant Br e quin erstatteten am 31. März 1764wegen einer Mappe
dieser Heide Bericht. Ein allerhöchstes Handbillet vom 13. März
1764 befiehlt, dass der mit der Regierungs-Commission zu Neustadt
gewesene Abbe Marcy wie ein Hofrath zu tractiren sei und mau
daher ihm die Liefergelder (Diäten) von dem Tage seines dortigen
Aufenthaltes an, wie dem Stegner aus der Cassa extraordinario zu
verabfolgen habe (nach dem k. k. Hofkammer- oder dermaligen
Finanzministeriums-Archive). Dessen Bildniss s. auf dem Gemälde
K. Franz I. mit den Vorständen der vier Hof-Institute, vgl. S. 89.
b) Abbe Mar ey’s Me da il le auf Duval. — Marcy liess im
J. 17SS zu Ehren seines Freundes nachstehend beschriebene Medaille
prägen welche dessen Büste von der rechten Seite darstellt, wie sie
ein der Loge, in der Duval sass, naher Zeichner mit kunstgeübter
Hand gezeichnet hat. Av. VALENT. DV. VAL. IMP. eratoris AVG. usti
ANTIQ. uarius B1BL. iothecae FLOR, entinae PRAEF. ectus. Dessen
kräftiges Brustbild von der rechten Seite, mit scharfem aber gut-
miithigem Ausdrucke im Gesichte mit Perrücke und leichtem Um-
4 ) Maria Theresia gründete auf ihre Kosten auf dieser Heide im J. 1763 ein neues
Pfarrdorf und besetzte es mit Tirolern, um den Versuch von Urbarmachung des
Steinfeldes zu unterstützen. Den Grundstein der neuen Pfarrkirche zum heiligen
Kreuz sollte am 29. September 1767 die Erzherzoginn M. Josepha, Braut Fer
dinand^ IV., Königs beider Sicilien, legen, welchen Tag auch die hierauf bezügliche
Medaille angibt. Da sie aber von den Blattern in Schönbrunn befallen wurde
(an denen sie am Namenstage ihrer Mutter den 16. October starb), legten ihre
Schwestern Maria Anna, die Nu m i s m a t ik e r i nn, und Maria Amalia denselben am
4. October.
92
Joseph Bergmann.
würfe. Rev. PAV1T ET ADMETI TAVROS FORMOSYS APOLLO,
nachTibull Buch II, Eieg. III, V. 11. In einer baumbewachsenen Land
schaft mit einer Einsiedelei steht hei einem Baume ein Hirt, seinen
Stab an die linke Schulter gelehnt, der einen Atlas (das Theatrum
Geographiae veteris von George Hornius) in den Händen vor sich
hält und zu dessen Füssen eine Landkarte und sein Hut liegt. Vor ihm
stehen zwei Herren, der Graf Vida mpiere und Baron von Pf iitsch-
ner, neben diesen ihre Zöglinge die beiden Prinzen von Lothringen,
L e o p o 1 d C1 e m e n s von zehn und F r a n z S t e p h a n von neunthalb
Jahren, rückwärts deren Gefolge und die Equipage im Hintergründe.
Grösse dieser Medaille, die das Andenken an das Auflinden des
erwachsenen Duval erhalten soll, 2 Zoll 5 Linien im Wiener Maasse;
Gewicht: Sy 4 Loth in Silber; Originalguss, geschnitten und abge
bildet in Prof. Joachim's neu eröffnetem Münz-Cabinete. Nürn
berg 1761, Bd. I, Taf. XXI, B. zu S. 215, gestochen von Johann
Sebastian Leitner, dann die Rückseite als Vignette in Oeuvres de
Valentin Jamerai Duval. Tom II. Sein Porträt en face ist auch dem
Titelblatte des I. Theiles vorgesetzt. Dass Marcy diese Medaille
verfertigen liess, bestätigt dasselbe Werk S. 23.
XI. S. 54. — Herr von Riepacli und das Porträt der Erz-
herzoginn Claudia Felicitas. — Die Kiepach oder Küepach sind
von gutem tirolischen Adel. Christoph von Küepach zu Ried,
Zimmerlehen und Haselburg erhält im J. 1348 die tii-olische Land
mannschaft, dann am 29. Juli 1532 den rittermässigen Adelsstand
nebst Wappenbesserung; dessgleichen am 1. Jänner 1562 auch für
seines Brudes Unterlassene Söhne und Töchter. -— Der kindische
alte Kiepach dessen Namen Duval stets Quihach schreibt, zeigte
unter schallendem Lachen den Herren ganz besonders das Porträt
der Kaiserinn Claudia Felicitas, einer berühmten Schönheit ihrer
Zeit. Sie ist die Tochter des Erzherzogs Ferdinand Karl von Tirol
(f 1662) und der Prinzessinn Anna von Medicis, die am 30. Mai
1652 zu Innsbruck geboren war. Der französische Arzt und Tou
rist Karl Patin (S. 60), der zu Weihnachten 1672 das zweite Mal in
Innsbruck war, sagt von derselben 1 ): J'y vis cette Archi-Duchesse
*) Quatre Relations liistoriques par Charles Patin, Medecin (le Paris. A Basle.
M. D. C. LXXIII, p. 303.
Pflege der Numismatik in Österreich.
93
qu’on pretendoit estre accordee avec S. A. R. d’Angleterre*): On ne
sgauroit s’imaginer plus de beautez, de graee et de majeste. La
Venus de Zeuxis qui avoit occupe le plus grand Peintre du monde
n'en avoit pas d’avantages: C’estoit pourtant Fabrege ou pour mieux
dire la copie de ce qu’il y avoit de beau chez les Grecques, qui
comme Vous sgavez, Monseigneur (Antoine Ulric, Duc de Brunsvic
et de Lunebourg), avoyent la reputation d’estre les plus helles
du monde. Ce que j’ay otiy dire de son esprit est encor au des-
sus de ce que j'ay vü, mais je ne me tiens pas assez fort pour Vous
en exprimer ce qu’il en faut penser. En escrivant cecy je viens
d’aprendre la mort de l’Imperatrice: Si ce n’estoit pas estre trop
liardy de vouloir marierrEmpereur, jelemarierois ä cette Princesse:
Tout est desia d’accord dans mon esprit; que sgait-on si cela n’arri-
vera pas reellement, ce ne seroit pas la premiere fois que F imagi-
nation auroit este secondee du succez: Imaginatio generat casum,
disent les Physiciens, et je prendrois grand plaisir que cela arrivast,
tant pour la consolation de FEmpereur, que pour le bien de l’Em-
pire.“ Des K. Leopold I. erste Gemablinn Margaretha Theresia, K. Phi-
lipp’s IV. von Spanien Tochter, war am 12. März 1673 ohne Hinter
lassung eines männlichen Erben gestorben und der Kaiser — damals
der einzige männliche Habsburger deutscher Linie — vermählte
am 15. October desselben Jahres sich mit seiner tirolischen Base
die aber nach der Geburt zweier noch vor ihr gestorbener Prin
zessinnen am 8.—9. April 1676 an der Auszehrung verschied und zu
Wien in der Dominicaner-Kirche ruht. Der verwitwete Kaiser schenkte
ihr Hochzeitskleid dessen Stickerei die höchste Kunst verrieth, und
die beiden mit Diamanten besetzten Trauringe der Kirche zu Maria
Hiezing bei Schönbrunn und schrieb mit eigener Hand in fünfzehn
Zeilen Worte der Widmung bei, deren letzte ein Chronostichon bilden
und lauten: IX Aprilis Anno qVo CLaVDIa IMperatrIX ple obllt.
Der Kaiser war ein ausgezeichneter Kenner des Latein und Meister
in derlei Arbeiten. Vgl. S. 69, Anm. 2. — Zwei Porträte dieser
schönen Prinzessinn verwahrt die k. k. Ambraser Sammlung unter
*) Diese königliche Hoheit von England war wohl der nachherige König Jakob II.,
der am iO. April 1671 von Anna Ilyde Witwer geworden war und sich dann am
23. November 1673 mit der fünfzehnjährigen Ilerzoginn M. Beatrix Eleonora von
Modena vermählte.
94
Joseph Bergmann.
Nr. 28 und 29. — In derselben Kirche zu Hiezing vermählte sich
K. Leopold’s jüngerer Sohn Karl (VI) am 23. April 1708 durch Pro-
curation mit der Herzoginn Elisahetha Christina von Braunschweig.
XII. S. 55. Duval’s und Abbe Marcy’s Besuch der Univer
sitäts-Bibliothek in Innsbruck und des Letztem T heilnah me
an der Herausgabe von Peter Anich's Karte von Tirol. —
Die Stelle über diesen Besuch in dieser Bibliothek im Briefe
Duval’s (Tom II. 249) an Fräulein von Guttenberg lautet: „Com-
ment, en admirant la vaste et superbe salle de l’Universite, et
les deux grands globes qui en font l’ornement, de meme
que 1’ ample carte manuscrite du Tyrol, et les divers
instruments qui ont servi ä la tracer, un venerable profes-
seur Jesuite nous apprit que les globes, la carte et les instru
ments etoient l'ouvrage d'un simple paysan ä chapeau verd et
pointu, d’un lionnne .sans ayeux, sans titre, sans etudes classiques,
et d’une physionomie des plus vulgaires, et comment, M. l’Abbe
Marcy, bon juge en fait de talents, etonne d’un tel phenomene,
ambitionna le portrait de cet homme extraordinaire, lequel en
eilet lui a ete envoye mais avec la triste nouvelle que le digne
objet du portrait n’existoit plus etc.“ — Dieser Natursohn war der
bekannte Peter Anich, zu Oberperfus unweit Innsbruck 1723
geboren, der wie Duval die Herde hütete und erst im 28. Lebens
jahre durch den Jesuiten Jgnaz von Weinhart *) Arithmetik, theo
retische und praktische Geometrie, Mechanik und Astronomie gründ
lich lernte und sich zum Schönschreiber, geschickten Zeichner, Map-
pirer und Mechaniker ausbildete. Bald verfiel er auf den Gedanken
einen Erd- und einen Himmels-Globus, wie auch verschiedene mathe
matische Instrumente zu verfertigen. Die Verfertigung der genannten
beiden Gl oben fällt in die Jahre 1756—1758. Er erhielt den
ehrenvollen Auftrag eine Karte von ganz Tirol zu entwerfen und zu
zeichnen, dem er aufs Fleissigste nachkam. Als der kaiserliche Hof
bei der feierlichen Vermählung des Grossherzogs Peter Leopold mit
der Infantinn M. Louise von Spanien im August 1765 zu Innsbruck
A ) Dieser gelehrte Jesuit welcher die beiden Reisenden durch den Bibliotheksaal
geleitete, war ein ausgezeichneter Lehrer in Physik, Mathematik und Mechanik, der
durch die uneigennützigste Heranbildung Anich’s, wie auch zum Theile Hueber’s alles
Lobes würdig ist. Er starb hochbetagt am 22. Mai 1787.
Pflege der Numismatik in Österreich.
95
war, sollten Anich’s meisterhafte Arbeiten demselben vorgelegt wer
den. Leider waltete ein eigener Unstern über der Arbeit, indem der
Stich von drei Blättern theils in Augsburg, theils in Wien von ver
schiedenen Künstlern somit ungleich ausgeführt war und daher die
Abdrücke gar nicht vorgelegt werden konnten. Seihst Anicli dessen
Werke damals als eine der vorzüglichsten Merkwürdigkeiten Inns-
bruck’s galten, konnte den Majestäten nicht vorgestellt werden, da er
in Folge eines sich bei den Vermessungen in der sumpfigen Gegend
zwischen Bozen und Leifers zugezogenen hitzigen Gallenfiebers
krank lag. Wenn er sich auch wieder etwas erholte und eine goldene
Ehrenmedaille sammt einem jährlichen Gnadengehalt von 200 Gulden
sein Gefühl hoben, so war doch seine Lebenskraft gebrochen. Er
starb unverehelicht wie Duval, sieben Wochen nachdem die beiden
Reisenden Tyrol verlassen hatten, am 1. September 1766 im 44. Jahre
seines Alters. Die grossmüthigeKaiserinn gab seiner Schwester einen
lebenslänglichen Gnadengehalt.
Als die grosse Karte Tirols durch Anich's Neffen und Schüler
Blasius Hu eher (f 1814) vollendet und rein gezeichnet war, wurde
sie in Wien von Johann Ernst Mansfeld 1 ) in Kupfer gestochen.
Die Aufsicht und Leitung hei deren Stiche übernahm Abbe Marcy, da
Freiherr von Sperges seiner vielen Geschäfte wegen sich derselben
nicht unterziehen konnte. Den bezüglichen Befehl vom 13. April
1768 fand ich im ehemaligen k. k. Hofkammer-Archiv. Marcy schloss
am 2S. Mai desselben Jahres mit Mansfeld den Contract der mit
1300 Gulden genehmigt wurde, und schaffte Holländer Papier zu
den Abdrücken herbei. Die Karte erschien 1774. Auf Marcy’s im
J. 1771 gemachten Vorschlag verfertigte Hueber noch eine Über
sichtskarte von den zwanzig grossen Blättern unter dem Titel „Atlas
Tirolensis. Diese Karten der beiden tirolischen Bauern gehörten
zu den besten ihrer Zeit in Europa. — Die Hebemaschine die der
Tischlermeister Jaufer in Innsbruck erfunden hatte, wurde nach
einem Actenstiicke in der k. k. Hofkammer zur Begutachtung zuge-
theilt dem Abbe Marcy, dem Architekten Pakassy und den Herren
Joseph Walcher, einem gelehrten Exjesuiten, und Joseph Nagel.
4 ) In Nagler's Künstler-Lexikon, in dem Bd. VIII, 254 Mansfeld’s Arbeiten genannt
sind, werden diese Landkarten nicht erwähnt. Dessen Sohn Johann Georg war
Kupferstecher am k. k. Münz- und Antiken-Cabinele und starb 1818.
96
Joseph Bergmann.
XIII. S. 62. Über Baron von Pfenuinger's alchymistische Medaille—
Kaiser Karl VI. war zu dieser Zeit nicht in Tirol, sondern im Novem
ber 1711 auf seiner Reise aus Spanien zu seiner Krönung in Frank
furt. — Beschreibung dieser Medaille welche das k. k. Münz- und
Antiken-Cabinet in Wien verwahrt.
Vorderseite: AUREA PROGENIES PLUMBO PROGNATA
PARENTE 1 ). Saturn auf Wolken thronend, auf deren einer
sein Zeichen h zu sehen ist, mit der Sense in der Rechten und
der Sanduhr in der Linken, dessen Haupt aber prangt als glänzende
Sonne, als — Gold.
Rückseite, in achtzehn Zeilen die Worte:
METAMORPHOSIS
CHYMICA
SATURNI IN SOLEM.
ID EST.
PLUlIßl IN AURUM.
SPECTATA OENIPONTI.
31 DECEMBRIS MDCCXVI.
PROCURANTE. SERENISSIMO
CAROLO PIIILIPPO
COMITE PALATINO RHENI
S. R: I: ARCIIIDAPIFERO ET ELECTORE
BAVARIAE. IVLIAE. CLIVIAE.
ET MONTIUM DUCE.
TYROLIS GUBERNATORE ETc ETc
ATQUE IN HAC MONETA
AD PERENNEM MEMORIAM
ARCI AMBROS ET
POSTERITATI DONATA.
Grösse: 2 Zoll 2 Linien im Wiener Maasse; Gewicht: lG 1 /^
Ducaten.
Karl Philipp, Pfalzgraf von der Neuburger Linie wurde nach
seines kinderlosen Bruders Johann Wilhelm’s Tode (-J- 8. Juni 1716)
Kurfürst von der Pfalz. — Professor Sehmieder setzt in seiner
Geschichte der Alchemie, Halle 1832, S. 40, diese Medaille und
den Vorgang der Transmutation des Bleies in Gold irrig in die Zeit
K. Ferdinand’s III. und weiset auf Keyssler’s Reisen hin.
*) Zur Vollendung des Distichons fügen wir bei: Hoc si quis credit, plumbeus inge-
nio est.
Pflege der Numismatik in Österreich.
97
XIV. S. 63. GräflichMontfortische Antiquitäten-Samm-
lung. — Herr Oberbibliothekar v. Stalin in Stuttgart antwortete
mir auf meine den antiquarischen Nachlass dieses Grafen betretfende
Anfrage Folgendes: „Graf Ulrich von Montfort war allerdings ein
grosser Antiquitäten- und Curiositäten-Liebhaber, sammelte auch sonst
Exotica und Artefacta. Die handschriftliche Chronik des Grafen von
Montfort ist von mir aus der Verlassenschaft des verstorbenen Hofratbs
von Gock für die königliche öffentliche Bibliothek gekauft worden.
Sie trägt jetzt die Numer: Mscr. histor. in fol. Nr. 318 und enthält
Bl. 269—275 inclusive: Verzeichnuss Weyland Ulrich Graffen
von Montfort seeligen verlassen Sachen von Antiquitäten und
anderen, so in die Kunstkammer gehörig“. Hieraus ergibt sich,
dass aus demselben von Vanotti nur einige Zeilen Excerpte
abdrucken Hess.
XV. S. 66. Katalog der Münzen des römischen Königs Ferdi
nand I. und über Leopold Hcipergcr. — Diesen schön geschriebenen
Katalog von 70 Blättern in Querfolio verwahrt die Bibliothek der
Exköniginn Christina von Schweden in Rom mit dem Titel: „Catalogus
numismatum antiquörum et modernorum in aula Imperatoria servato-
rum. Sign. N. 661.“ Leider ohne Jahreszahl. Er besteht aus drei
Theilen oder Abtheilungen, von denen der I. und II. die Münzsamm
lung und der III. ein Verzeichniss der Geburts- und Sterbetage der
fünfzehn Kinder K. Ferdinand I. enthält. Die Aufschrift des I.
Theiles lautet: Catalogus Romanorum Consulum ab urbe condita
omnium, quorum memoria apud authores reperitur, ordine litera-
rum digestus, quo facilius cum numismatum inscriptionibus con-
ferri possint. Eorum tarnen quia major pars ad posteros non per-
venit, additi sunt numeri tabulae et ordinis, sicut per forulos sin-
gulos digesta serenissima regia Maiestas Romanorum per
Cubicularium suum et Castell anum Viennensem Lcopolrium
üciperger 3 ) componi et ab interitu vindicari commisit. Da hier im
Contexte Ferdinand königliche Majestät genannt wird und oben
in den Worten der später und zuletzt geschriebenen Aufschrift
Die Namen, Geburtsorte und Tage dieser Kinder sind auch in K. Ferdinand’s I.
Gebetbuche (Nr. 123) in der k. k. Ambraser Sammlung eingeschrieben. S. meine
Mittheilung in Ridler's österr. Archiv. Wien 1831. S. 351 fl’.
a ) In Dudik's Iter Romanum 1. 224, unrichtig G es pe rg er gedruckt, wofür ich II ei-
p erg er setzte.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hft.
7
98
Joseph Bergmann.
vom kaiserlichen Hofe die Rede ist, so dürfte die Vollendung
dieses Kataloges um das J. 1556 fallen.
Nach dessen Eintheilung führt die I. Rubrik die Aufschrift: Annus
ab urbe condita, die II. nomina Consilium in alphabetischer Ord
nung, die III. Fo(rulus); die IV. enthält den Numerus der Münze.
Im Ganzen sind hier etwa 99 Consularmünzen verzeichnet, die damals
in diesem Cabinete waren. Die zweite Abtheilung (fol. 45) hat die
Aufschrift: „Sequuntur nomina Romanorum Iinperatoruin“ cum brevi
elogio vitiorum aut virtutum quihus excelluerunt, simul cum adnota-
tione annorum imperii et obitus et ipso mortis genere. Quorum fere
omnium numismata apud serenissimam Romanorum majestatem super-
sunt, atque in scriniis ad hoc confectis disposita, atque in ordinem
per tabulas, seu folia lignea redacta sunt prout in dictis scriniis
clare apparet.“ Rei vielen sind auch die Gemahlinnen angegeben.
Die I. Rubrik ist bezeichnet: Forulus (Lade), dieII. Numerus, die III.
Stirps et nomen, die IV. Annus, dann Epitheton, ferner imperii tem-
pus, aetas und endlich obitus. Ris auf Karl den Grossen, den der
Verfasser nach Michael 1. von Konstantinopel setzt, sind die Numern
der Münzen angegeben, eine sehr reiche Sammlung. Fortgesetzt ist
die Reihe bis auf K. Karl V., zu dessen Lebzeiten der Katalog ange
legt wurde. Ungern vermissen wir eine Probe der fieschreibung von
der einen und andern Münze.
Leopold Heipergcr, Heyperger auch Heuberger entstammt
einem tirolischen Geschlechte aus Hall, von dem ein Zweig sich in
Wien niederliess. Er war erst des römischen Königs Ferdinand I.
Kammerdiener (cubicularius), später Hof-Zahl- und Schatzmeister
und Burggraf in Wien, und in letzteren Eigenschaften wohl ein natür
licher Verwahrer der Münzen seines Fürsten und Herrn. Er war
auch wie seine Ahnen in Tirol, ein vermöglicher Mann und besass
das Haus zum goldenen Hirschen am alten Fleischmarkt an der
Stelle, wo dermals des Herrn Vizepräsidenten von Karajan neuerbau
tes Haus Nr. 728 steht. Ausserdem hatte Heiperger einen Hofaus
stand an 1000 Gulden Gnadengeld, das nach einer Aufzeichnung im
k. k. Hofkammer-Archiv im Juli 1556 noch vor Ausgang desselben
Jahres zu zahlen war. Im December 1556 ward befohlen die Provi
sion von jährlichen 100 Gulden auf dreizehn Jahre nach seinem
Tode zu erstrecken; dann im August 1558 wird angeordnet, dass
man ihm in einem Jahre und in zwei Fristen 400 Thaler Gnadengeld
Pflege der Numismatik in Österreich.
99
reiche; darauf im November, dass man 200 Gulden Provision und
Gnadengeld dem Leopold Heiperger auf die Mauth in Linz anweise,
welche Überweisung von 100 Gulden Gnadengeld vom Hof-Zahlmei-
steramte auf die Mauth in Linz erfolgte. Im Jänner 1 £>60 heisst es,
man soll die ihm jetzo bewilligten 200 Gulden in zwei Fristen bezah
len. Dieses kleine Detail gibt einen Einblick in die Geldverhältnisse
jener geldarmen Zeit. Im März 1S60 wird verwilliget, durch drei
Jahre jedes Jahr ISO Gulden rheinisch, von seinem Abgang an
gerechnet, dessen Hausfrau und den Erben (nämlich dem Sohne
Karl und den verehelichten Töchtern Judith und Anna) reichen
zu lassen. Somit ist das bisher angenommene Sterbejahr 1SS7 in 1S60
zu verändern. Wolfgang Lazius der in dessen Nähe sein Haus, den
sogenannten Dr. Latzenhof, wo nun ein neues Haus gebaut wird,
bewohnte, sagt von Heiperger als Münzsammler: Lupoldus,
Ferdinando Caesari ä Cubiculis, ingentem ac admirandum vetustatis
thesaurum collegit, consulum Rom. Imperatorum ceterorumque vetu-
stiorum principum numismatis magno labore conquisitis et a nobis in
ordinem digestis“ V. Lazii Rerum Viennensium Commentarii.
Basileae 1S46, pag. 146. Wenn demnach Heiperger nicht seine eigene
Sammlung ordnen konnte, wie sollte er die seines Gebieters ordnen, er
war, wie gesagt, als Schatzmeister und Burggraf nur deren Verwahrer.
Eine Medaille auf ihn und seine Hausfrau Elisabet ha Fern
hergerinn von Egenberg verwahrt das k. k. Miinz-Cabinet, die in
meinen Medaillen Bd. I, Tab. IV, Nr. 18 abgebildet und S. 44 f.
erläutert ist. Eine andere auf ihn allein, auf welcher er ausdrücklich
der römisch-königlichen Majestät Kammerdiener genannt wird,
besitzt aus derSammlung des k. k. F. M.L.vonHayeck seit 1836 das
fürstlich Fürstenbergische Miinz-Cabinet zu Heiligenberg.
XVI. S. 66. — Jacob Strada, erhielt am 27. December 1S98 die
Adelsbestätigung und Wappenbesserung und sein Sohn Ottavioden
18. Mai 1598 die Bestätigung des seinem Vater vom K. Maximilian II.
verliehenen Adels und Wappens, wie auch die Besserung des letz
teren durch Vereinigung mit jenem seiner Mutter Ottilia, gebornen
von Rossberg aus Franken (nach den Reichsadels-Acten). —■
Nach Angabe der europ. Fama für 1712. S. 484 linden wir in
K. Karl’s VI. Hofstaate „Johann Peter Strada, Graf von Nedabilitz,
königl. Staathalter in Böhmen.“ Ob dieser ein Abkömmling der Strada
von Rossberg ist, vermag ich nicht zu bestimmen.
7 *
100
Joseph Bergmann.
XVII. S. 67. Simon Wagnercck, war nicht in Schwaben, sondern
zu München im J. 1605 geboren, durch neun Jahre Professor der
Beredtsamkeit und im Griechischen und Lateinischen wohl unterrich
tet. Auch befasste er sich mit dem Lesen und Erklären von Inschrift
steinen, Nach P. Sotwel beleuchtete er die römischen Münzen der
kurfürstlichen Sammlung, bevor er seinem Rufe nach Wien folgte.
Cf. Bibliotheque des Ecrivains de la Compagnie de Jesus, par Augu
stin et Alois de Bäcker. Liege 1855, Premiere serie, p. 782, wo
seine theologischen Werke angezeigt sind. — Über den derselben
baierischen Familie entsprossenen Adepten, den sogenannten Baron
von Wagnereck, der sich 1680 in Prag, dann in Ischl, Waizen-
kirchen, 1682 zu Brünn, dann 1683 zu Wien aufhielt und im selben
Jahre zu Enns starb, s. Dr. Schmieder’s Geschichte der Alchemie.
Halle 1832, S. 439 f. und 601.
XVIII. zu S.72. Thomas Lansius wurde am 16. Februar 1577 im
Markte Berg in Oberösterreich geboren. Sein Vater Leonhard beklei
dete die Richtersstelle daselbst und scheint überhaupt ein angesehe
ner Mann gewesen zu sein. Der junge Lansius erhielt seine erste
wissenschaftliche Bildung auf dem Gymnasium zu Linz, in welches
er im vierzehnten Jahre eintrat, und das er schon im sechzehnten
verliess, um die Universität zu beziehen. Er wählte, da er wie es
scheint von Haus aus der protestantischen Kirche angehörig war, eine
protestantische Universität suchte, Tübingen. Wann er nach Tübingen
gekommen, konnte ich nicht genau auffinden, da seine Gedächtniss-
redner das Jahr und den Tag nicht angeben und in der Matrikel der
Universität, die ich vom J. 1590 bis 1598 durchgesehen habe, sein
Name nicht vorkommt. Er studirte zunächst Philosophie und Philolo
gie und scheint sich, wie seine Leichenreden melden, durch Talent
und Eifer sehr ausgezeichnet zu haben. Im November 1596 schrieb
er eine Dissertation de rerum naturalium principiis, und vertheidigte
zum Behufe der Erlangung der Magisterwürde eine andere logischen
Inhalts „de praedicahilibus“ unter dem Präsidium des Professors Zieg-
ler „peculiari cum plausu.“ Er setzte seine philosophischen Studien
noch fort, verband aber damit das Studium der Rechtswissenschaft,
und im Jänner 1598 trug er seinen Namen in die Matrikel der juri
dischen Facultät ein. Kurz darauf begab er sich wegen des Todes
seines Vaters in die Heimat, kehrte aber nach drei Monaten nach
Tübingen zurück, ging hierauf einige Zeit nach Marburg, kam von
Pflege der Numismatik in Österreich.
101
dort auf die Messe nach Frankfurt am Main, wo er die Bekanntschaft
eines jungen reichen Österreichers Abraham Holzelmachte, der im
Begriffe war eine grössere Reise durch Europa zu machen. Er hot
sich ihm zum Führer und Begleiter an und brachte nun mehrere
Jahre auf Reisen durch Frankreich, die Niederlande, England, Ita
lien, Ungern und Deutschland zu. In Paris hielt er sich längere Zeit
auf. Nach seiner Rückkehr erschien er wieder in Tübingen, um dort
die Würde eines Doctors der Rechte zu erlangen und sich häuslich
niederzulassen. Er wurde am 3. December 1604 von Johann Harp-
precht zum Doctor der Rechte creirt und an demselben Tag mit
Susanna Schnep f, einer Tochter des Professors der Theologie
Theodor Schnepf, getraut. Bei der Universität scheint er zunächst
keine Wirksamkeit gehabt zu haben, wir finden wenigstens nicht,
dass er Vorlesungen gehalten hätte. Einige Jahre später am 13. Mai
1606 wurde er von dem Herzog Friedrich zum Professor der
Geschichte, Politik und Beredtsamkeit an dem Collegium illustre
(einer von der Universität unabhängigen Bildungsanstalt für den
Adel) ernannt. In dieser Stellung blieb er bis zu seinem Tode (am
22. December 1657) und war während dieser Zeit nicht nur der
Hauptlehrer, sondern auch der Leiter und Berather der Anstalt. Zu
gleich war er hei drei Herzogen herzoglicher Rath und zwar nicht
hlos mit Rang und Titel, sondern auch mit nicht unerheblichem Ein
fluss, besonders in Universitäts-Angelegenheiten. Wir finden ihn
öfters unter den vom Herzog bestellten Visitatoren der Universität.
Die Leichenpredigt rühmt ihn als einen grossen Patronen der Uni
versität.
Seine oben genannte erste Frau starb nach siebzehnjähriger
kinderloser Ehe, drei Jahre hernach heirathete er Anna Maria
Die Hölzl oder Holzel gehören ursprünglich dem tirolischen Adel an. Johann
Ritter erhält 1472 die Landmannschaft in Tirol. Ein späterer Johann erfreute
sich der Bewilligung sich künftig Hölzl von Sternstein zu nennen. Am
12. Jänner 1583 erhalten Johann, Christoph, Kaspar und Wolfgang,
wahrscheinlich Gebrüder oder Vetter, den Adelstand. Hanns Hölzl von Stern
stein war ein sehr thiitiger und umsichtiger Gewerke von Krumau, Ilatiborzitz
und Budweis und machte 1584 verschiedene Vorschläge bei dem Budweiser Berg
baue zu einigen Ersparnissen, zu Errichtung von Naturalmagazinen für die Bergleute,
wie es in Tirol und Salzburg gebräuchlich war. Er legte in Budweis eine Sammlung
der edelsten Erzstufen, d. i. eine M i n e r al i e n-S ammlung an, worüber er von der
Bergwerks-Commission belobt wurde. Da das reiche Geschlecht noch bis auf den
heutigen Tag fortblüht, dürfte L a ns i u s mit einem seiner Söhne Reisen gemacht haben.
102
Joseph Berg’mann.
Casper, eine Tochter des damaligen Bürgermeisters von Tübingen,
Rudolf Casper. Diese gebar ihm eine einzige Tochter welche im
Jahre 1G46 den berühmten Juristen Wolfgang Adam Lauterbach hei-
rathete, zehn Kinder bekam und den 16. September 1662 starb.
Über seine Personalien erschienen folgende Schriften :
1. Die Leichenpredigt auf Thomas Lansius von Joseph Demm-
Ier, Professor der Theologie zu Tübingen. Tübingen 1658.
2. Panegyricus memoriae ac honori Thom. Lansii dictus publice
a Christoph. Caldenbach.,Tubingae 1658.
■ 3. Thomae Lansii cineres seu oratio de vita ejus heatoque excessu.
Habita Tubingae in illustri collegio a Magno Hesentalero.
1658. — Diese Schrift enthält am meisten biographisches Ma
terial. Hesenthaler war auch Professor am Collegium illustre.
Diese Mittheilung verdanken wir durch des gefeierten Doctors
Uhland gütige Vermittelung dem Herrn Bibliothekar Klüpfei
der die Geschichte der Universität Tübingen 1849 herausgegeben
hat, und zollen beiden schuldigen Dank. Derselben wollen wir noch
folgende Notiz die sich auf Lansius als Gelehrten und als Numis
matiker bezieht, hier als an rechter Stelle anfügen.
Lansius erwarb sich bei seinen Zeitgenossen, besonders durch
seine Consultatio de principatu inter provincias Europae, die zu
Tübingen mehrmals und zuletzt im J. 1655 in 8™ gedruckt und
sogar auf königlichen Befehl ins Englische übersetzt wurde, einen
bedeutenden Namen und war vom Kaiser und denReiclisfürsten häufig
zu Rathe gezogen, ja er erhielt vom K. Ferdinand III. eine goldene
Medaille mit dessen Bildniss. Auch sammelte er eine grosse Anzahl
der ältesten Münzen und suchte diesen Schatz stets zu mehren.
Der genannte Kaiser berief ihn mit diesem Münzschatz an seinen
Hof, da er aber die Reise nicht unternehmen konnte, überschickte
er denselben nach Wien, leider starb der Kaiser nach gar kurzer
Krankheit am 2. April 1657. Noch am Schlüsse des nämlichen Jah
res folgte ihm Lansius ins Grab. S. Elogium Thomae Lansii auc-
tore B. Theophilo Spizelio Augustano in: J. G. Schelhornii
Amoenitates literariae. Francofurti et Lipsiae. Tom. VI. 587—594.
XIX. S. 75. Die alte Familie Beltrame Cristiani ist im Mailändi-
sehen heimisch, von der auch Einige nach Genua übei’siedelten.
Petrus Julius Beltrame ward an K. Heinrich VIII. von England im J.
1538 zur Zeit seines Abfalles vom katholischen Glauben abgeordnet.
Pflege der Numismatik in Österreich.
103
Don Beltrame Cristiani diente erst in der Justiz und war Oberrichter
in Parma, später verwaltete er im kaiserlichen und königlich sardini-
schen Namen das Herzogthum Modena und war Gubernator von
Parma. Die Kaiserinn M. Theresia erhob ihn am 31. Juli 1743 in den
Grafenstand nach dem Rechte der Erstgeburt seiner ehelichen männ
lichen Nachkommen für die Herzogthümer Parma und Piacenza (nach den
Reichsadels-Acten) ’). Später ernannte diesen vielfach verwendbaren
Mann die Kaiserinn zum Präsidenten des Finanzwesens ihrer Erbstaa
ten in Italien mit dem Titel eines Kanzlers, in welcher Stelle er am
10. Juli 1758 zu Mailand starb. Kurz vor seinem Hinscheiden erhielt
er von der Monarchinn ein eigenhändiges Schreiben, worin sie ihn
ersuchte, mit Hintansetzung aller Geschäfte nur für die Wieder
herstellung seiner Gesundheit zu sorgen und sich ihr und dem Staate
zu erhalten. „Seid — schloss sie ihr Schreiben — übrigens unbe
sorgt wegen Euerer Kinder. Sie sollen in jedem Falle eine Mutter an
mir finden, welche mehr für sie thun wird, als der zärtlichste Vater
wünschen kann.“
Der Graf hinterliess in Beziehung auf seine Stellung und
geführte gute Wirthschaft ein sehr mittelmässiges Vermögen; aber
die grosse Kaiserinn hielt reichlich ihre gnädige Zusage. Wir finden
zwei j unge Grafen Franz und Alois Cristiani, wohl dessen Söhne,
im k.k. Theresianum. Beide Jünglinge interessirten mich um so mehr,
da Graf Alois als Zwillingsgestirn Eckhel’s am numismatischen Hori
zonte aufzugehen schien (S. 59). Um Näheres über ihn zu erfahren,
wandte ich mich an Herrn Dr. Heinrich Demel,-Director der genann
ten k. k. Ritter-Akademie, der mir sagte, dass die Jesuiten hei Auf
hebung ihres Ordens alle Schriften und Kataloge mit sich genommen
haben. Der gelehrte Froelich veröffentlichte 1756 bei der feierlichen
Disputation der Grafen Johann Fekete und Franz Cristiani seine:
Diplomataria sacra Ducatus Styriae. II. Partes apud Trattnern 3 ).
Graf Alois wollte in Erinnerung an sein schönes Vaterland und sei
nen Vater 3 ) eine Beschreibung der Umgegend von Mailand mit
*) Bei der Drucklegung dieses Bogens fand ich einige nähere Notizen über den Gra
fen Cristiani in Kaltenbäck’s Österreich. Zeitschrift. Wien 1836, S. 104, auf
die ich verweise.
2 ) Denis’ Merkwürdigkeiten der Gareliischen Bibliothek. Wien 1780, Bd. 1, 19.
3 ) In der Vorrede zu seinem Thesaurus Britannicus sagt er : — quo me trahebat et patris
optimi, qui pro Augusta hac in provincia p lena cum potestate fuit, recordatio.
104
Joseph Bergmann.
historischen Anmerkungen herausgehen, stand aber, da diese Arbeit
bei seinen Studien zu umfangreich und zeitraubend war, hievon ab
und wandte sich zu numismatischen Lucubrationen.
Anhang.
Johann Baptist Priinisscr als Schüler D u v a l's, und des L e t z-
tern Zeugniss, wie auch über Alois Priinisscr.
Johann Baptist Primisser am 23. August 1739 zu Prad
in der Nähe des Orteies geboren, machte unter der Leitung sei
nes ältern Bruders Cässian 1 ) die Gymnasial- und philosophischen
Studien zu Innsbruck, ward Hofmeister im gräflich von Künigl’schen
Hause und trat 1765 von den juridischen Studien als Haus-
secretär in die Dienste des obersten böhmischen und österrei
chischen ersten Kanzlers Rudolf Grafen von Chotek, der
sich in Innsbruck befand, und reiste in jener Eigenschaft mit
ihm nach Wien. Als der damalige Schlosshauptmann von Ambras und
Burgpfleger zu Innsbruck, Herr v. Kiepach (S. 54), seines Alters
wegen seinem Dienste nicht mehr recht vorstehen konnte , erhielt
Primisser vom Gubernial-Präsidenten aus Innsbruck die Aufmunterung
sich um die erstere Stelle zu bewerben, indem man sie von
der Burgpflege trennen und einem wissenschaftlich gebildeten Manne
übergeben wolle. Diesem Winke gehorchte Primisser und erhielt
1768 die Anwartschaft auf dieselbe. Nun benützte er alle Zeit,
die ihm von seinem Secretärsdienste übrig blieb, zu der hiezu erfor
derlichen Ausbildung und besuchte das k. k. Münz- und Medaillen-
Cabinet das Duval’s Direction unterstand. Im November desselben
Jahres begleitete er des Kanzlers vielversprechenden Neffen, Johann
Rudolf Grafen Chotek, den nachherigen Finanz-, dann Staats- und
Conferenz-Minister (f 1824), auf dessen Reise über Innsbruck nach
Mailand, Florenz, Rom, Neapel etc. und kehrte durch Frankreich, mit
vielen und neuen Kenntnissen bereichert, im September 1770 nach
Wien zurück.
D Cassian war Capitular und Archivar zu Stams, ordnete die dortige Bibliothek und
wurde der Geschichtsschreiber seines Stiftes. Er starb allzufrüh am 19. December
1771. An ihn schrieb sein Bruder interessante Briefe, besonders über Roms Alterthü-
mer, Staatsverfassung , deren Mängel, Kunstsachen, etc., die leider nicht mehr
vollständig in Stams vorhanden sind.
Pflege der Numismatik in Österreich.
105
Als den edlen Kanzler im J. 1771 eine tödtliche Krankheit befiel,
empfahl er der Kaiserinn M. Theresia die huldvoll ihn persönlich
besuchte, alle Jene die er gern belohnt wissen wollte, ihrer Gnade,
und unter diesen besonders Primisser. Der Graf starb am 7. Juli
und bald betheilte sie Primissern mit einer jährlichen Pension. Da
der betagte Herr von Kiepach seinem Dienste im Schlosse Ambras
nicht mehr vorstehen konnte, erhielt Primisser im Jänner 1772
die wirkliche Anstellung, ging nach Innsbruck, übernahm die
Verwaltung des Schlosses Ambras und des dortigen Raritäten-
Cabinets und ordnete dasselbe, das im Laufe der Zeit in grosse
Unordnung gerathen war. Er gab „kurze Nachrichten von dem k. k.
Raritäten-Cabinete zu Ambras in Tirol. Innsbruck bei Wagner
1777 in 8 V0 “ heraus, ward 1783 auch Professor der griechischen
Sprache wie auch Bibliothekar zu Innsbruck, und kam im Septem
ber 1806 mit dem Cabinete nach Wien. Hier begann er nach den
Kriegsjahren die neue Aufstellung im untern k. k. Belvedere, und
ward beim Lesen der Bibel vom Schlagflusse gerührt am 8. Fe
bruar 1815. Seine begonnene Arbeit setzte fort und vollendete des
sen einziger trefflicher Sohn Alois, dem wir die mustergiltige
„Beschreibung der k. k. Ambraser Sammlung. Wien 1819“
nach ihrer damaligen Aufstellung verdanken. Im Jahre 1822 verehe
lichte er sich mit Fräulein Julie Mibes, Tochter des k. preussischen
Bergrathes Melchior M. aus Breslau (f 11. Oct. 1827 in Wien),
einer ausgezeichneten Malerinn, deren Leistungen man in Nagler's
Künstler-Lexikon, Bd. IX, 285 nachsehe. Bald begann er zu kränkeln
und starb am 25. Juni 1828 im 32. Jahre seines edlen und thätigen
Lebens an der Luftröhrenschwindsucht, der Letzte dieser tirolischen
Familie. Nach dessen Tode ging die kinderlose Witwe zugleich mit
ihrer Schwester am 1. November 1827 ins Kloster der Salesianerinnen
am Rennwege in Wien, legte am21. April 1829 das feierliche Gelübde
ab, und nahm den Namen Maria de Chantal an. Sie war eine erwünschte
Lehrerinn im Zeichnen und in mehreren anderen Fächern in dem
dortigen Fräulein-Institute, auch vom Jahre 1843—1849 Oberinn
und starb am Zehrfieber den 16. Jänner 1855 in einem Alter von
69 Jahren.
Als Numismatiker schrieb Primisser: „Das älteste öster
reichische und Wiener Münz wesen bis in die Zeiten Fer
dinand^ 1. mit zwei Münztafeln, gedruckt in des Freiherrn von
106
Joseph Bergmann.
Hormayr Geschichte von Wien. Bd. III, 209 ff., und Berichtigung eines
numismatischen Irrthums im Hesperus. Archiv 1821, S. 364. Umfang
reich sind seine handschriftlichen Kataloge im k. k. Münz- und Antiken-
Cabinete. Als der Director von Steinhüchel und der erste Custos,
der dermalige Director Arneth, im J. 1818 von Wien abwesend
waren, hielt Primisser inhaltreiche Vorlesungen über Numismatik
voll Klarheit und Präcision, die dem Schreiber dieser Zeilen, seinem
dankbaren Schüler, der damals sich nicht träumen liess, dass er
ihm zehn Jahre später im Amte folgen sollte, stets unvergesslich
bleiben!).
Nach dieser längern Einleitung mit näherem Detail über die
beiden Primisser wird der nachstehende Extractus Protocolli der böh
mischen und österreichischen Hofkanzlei de datis 25. und 26. Martii
1768 an die k. k. Hofkammer bezüglich der Primisser’schen
Anwartschaft auf die Schlosshauptmannschaft zu Ambras
und des Zeugnisses von Duval für Primisser im Zusammenhänge
völlig erklärt. Er lautet in etwas verbesserter Orthographie und Inter-
punction wörtlich wie folgt: Das Tirolische Gubernium erstattet
unterm 8. März seinen Bericht über zwei beigeschlosseneMemorialien:
lo. des Hof-Burg-Pflegers und Schlosshauptmanns zu
Amras Karl Maximilian v. Kiepach 3 ), ihm in beiden Officiis
seinen Sohn Karl Johann cum spe suceessionis zu adjungiren,
dann 2do des Johann Primisser um die A n wartscliaft auf
die Schlosshauptmannstelle zu Amras. Der Sohn des alten
von Kiepach habe die langjährigen Dienste seines Vaters für sich, sei
auch von einem guten Studio und sittsamer Aufführung, und dürfte
daher, besonders nachdem dessen Vater dieErlaubniss ertheilt worden,
einen seiner Söhne in Vorschlag zu bringen, allerdings einer Conside-
ration würdig sein, da jedoch andererseits der Johann Primisser sowohl
dem allgemeinen Rufe nach, als auch dem beigebrachten Zeugniss zu
Folge die zur Verwaltung eines so wichtigen Antiquitäten-, Münz- und
Naturalienschatzes, wie jener auf dem Schloss Amras ist, erforder
lichen Wissenschaften welche dem jungen von Kiepach ermangeln,
*) Über die fünf gelehrten Primisser s. meine Mittheilung in der österreichischen
National-Encyklopädie, Bd. IV, 292 f. und über Alois Primisser und dessen
wissenschaftliche Leistungen besonders in den Blättern für Literatur und Kunst zu
Kaltenbäck’s Österreich. Zeitschrift etc. Wien 1837, Nr. 99 und im Tiroler Boten 1839.
2 ) Die von Küepach oder Kiepach s. oben S. 92.
Pflege der Numismatik in Österreich.
107
in vorzüglichem Grade besitze, könnten beide Officia eines Hof-Burg-
Pflegers und eines Schlosshauptmanns zu Amras ganz füglich wiederum
getrennet werden. Das Gubernium erachtet, dass dem jungen von
Kiepach die Anwartschaft auf das Hof-Burg-Pflegeramt, dem Johann
Primisser aber jene auf die Schlosshauptmannschaft zu Amras ver
liehen werden könne. Übrigens habe vorhin ein Hof-Burg-Pileger an
Salario 709 fl. und ein Schlosshauptmann zu Amras 474 fl. genossen.
Es scheine aber des Letzteren Besoldung dem Decoro officii und
dessen Wichtigkeit allerdings nicht angemessen zu sein.
Die Amrasische Sammlung von Münzen, Antiquitäten, auch tlieils
Naturalien ist in ganz Europa bekannt und wird von allen Fremden
besucht, wie solches mehrere gedruckte Reisebeschreibungen nebst
dem Vorwurf enthalten, dass eine so wichtige Sammlung von Leuten
besorgt werde, welche nicht die geringste Kenntniss der schönen
Wissenschaften besitzen und sich durch ihre ungereimten mündlichen
Erklärungen lächerlich machen, dadurch aber dem Lande selbst
Schande und Vorwürfe der tiefsten Unwissenheit zuziehen, da doch
ein geschickter Vorsteher, besonders wenn solcher im Stande wäre,
den unter seiner Aufsicht habenden (sic) Schatz durch Schriften dem
Publico bekannt zu machen, zur Ausbreitung der Wissenschaften
nützliche Dienste leisten könnte. Allzubekannt ist, dass der jetzige
Schlosshauptmann von Kiepach kaum lateinisch lesen kann, viel weni
ger sich im Stande befindet, die gemeinste römische oder griechische
Münze nur zu benennen, und dass solcher durch seine fabelhaften
Erzählungen hei allen Fremden Lachen und zugleich Ärgerniss
erwecket , ). Dessen Sohn mag ein ganz guter Student sein und
*) Vor vielen Jahren erzählte mir ein alter Tiroler Edelmann, der in seiner Jugend
bei der Erzherzoginn Elisabeth, Schwester K. Joseph’s II., in Innsbruck Edel
knabe gewesen war, ganz drollige Dinge aus dieser v. KiepachischenZeit. Unter Ande
rem zeigte von Kiepach dem genannten Kaiser bei einem Besuche des Schlosses den
Strick des Judas als eine Haupteuriosität, den der Kaiser, um der Lächerlichkeit
ein Ende zu machen, sogleich von seinem Begleiter wegnehmen liess. Keyssler,
der zu Anfang Juni 1729 Ambras besah, sagt in „Neueste Reisen durch Deutschland,
Böhmen etc., Hannover 1751, Thl. I, 28: In Ambras ist in einer Schachtel ein Stück
des Stricks, woran Judas sich erhenkt haben soll. Dabei war ein Zeugniss von
Sebastian Schertel (dessen Rüstung die Sammlung dermals sub Nr. 84 ver
wahrt) , dass er denselben bei der Überrumpelung Roms unter Karl Herzog von
Bourbon 1527 in einer Kirche erbeutet habe. Er spricht von lächerlichen Foppereien
von Seite des ihn zeigenden Schlosshauptmanns. Vielleicht war Herr von Kiepach
schon damals daselbst angestellt. — So hat denn auch der Strick von Judas seine
Geschichte!
108
Joseph Bergmann. Pflege der Numismatik in Österreich.
seine Institutiones und Pandecten ganz fleissig gehört haben, allein
hiedurch wird man kein Antiquarius und Münzenkenner. Dahingegen
gibt Duval, Director des kais. kön. Medaillen-Cabinetes, dem Johann
Primisser das Zeugniss, dass er eine ausnehmende Fähigkeit zu dieser
Wissenschaft zeige, die hierzu nöthigen Sprachen besitze und die
Schriftsteller welche von Münzen und Alterthümern handeln, fleissig
lese, folglich alle Hoffnung von sich gebe, ein geschickter Vorsteher
einer dergleichen Sammlung zu werden.
Man wäre daher von Seite der böhmisch-österreichischen Hof
kanzlei mit dem Gubernio einverstanden, dass zwar dem jungen
v. Kiepaeh zur Consolation seines alten Vaters die Anwartschaft auf
die Hof-Burg-Pflegerstelle, jene auf den Schlosshauptmanns-Dienst
aber dem Johann Primisser verliehen werden könnte. Anbelangend
die Besoldung dieses Letzteren wird es sich seinerzeit zeigen, ob
derselbe nicht mit dem vormaligen Salario auslangen könne, besonders
da kein Beisender ist, welcher nicht für die mit Zeigung habende
(sic) Mühe einem jeweiligen Schlosshauptmanne eine kleine Ergetz-
lichkeit zurücklässt, solches auch gar gerne thut, wenn er durch
etliche Stunden eine angenehme und lehrreiche Unterhaltung genossen
hat. (Der schleppende Schluss lautet:)
Mit welcher diesseitigen Wohlmeinung demnach gegenwärtiger
Bericht an Eine löbliche kais. auch kais. königl. Hofkammer per
Extractum Protocolli zu begleiten und sich derselben Wohlmeinung
zu erbitten sein wird, damit demnächst der gemeinschaftliche aller-
unterthänigste Vortrag (an die Kaiserinn Maria Theresia) erstattet
werden könne. — Die Hofkammer ddo. 5. April war hiermit gänzlich
einverstanden und fügte hei, dass man, was das Salarium des zweiten
Postens betrifft, denselben zu seiner Zeit mit einer proportionirten
Besoldung zu versehen allergnädigst geneigt sein werde.
Boiler. Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
109
SITZUNG VOM 30. JÄNNER 1856.
Vorgelegt:
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
Von dem c. M., Hrn. Prof. Boiler.
Das Magyarische besitzt eine Anzahl mehr minder zweckmässiger
praktischer Grammatiken, hat aber, bis jetzt wenigstens, noch keine
wissenschaftliche Bearbeitung gefunden. Vorliegender Aufsatz macht
nicht darauf Anspruch, in dem behandelten Theile diese Lücke aus
zufüllen, sondern hat blos den Zweck, Materialien dafür zu liefern.
Die Wurzel.
Um das Wesen des Verbal-Ausdruckes richtig beurtheilen zu
können, ist eine klare Einsicht in den Bau der Sprache überhaupt
nothwendig. Diese kann, da die Formen unter denen der mensch
liche Geist seine Anschauungen und Begriffe, in gegenseitigem Ein-
verständniss zwischen Sprechenden und Hörenden, lautlich ausgeprägt
hat, in den einzelnen Sprachen gegeben sind, nur auf dem Wege der
Erfahrung und speciell der Zergliederung und Vergleichung der Zei
chen mit dem Bezeichneten sowohl als unter einander selbst, gewon
nen werden. Betrachtet man nun die Summe der in einer Sprache
vorhandenen Begriffszeichen, so zerfallen diese zunächst in zwei
Reihen, von denen die eine blos die räumliche Beziehung des Bezeich
neten zu dem wahrnehmenden Subjecte, ohne Rücksicht auf die sinn
fälligen Eigenschaften der Substanz, angibt, die andere hingegen die
Objecte gerade durch letztere bezeichnet. Die Begrilfszeichen der
zweiten Gattung ordnen sich in Gruppen die einzeln eben so einen
lautlichen Mittelpunct besitzen, wie ihr begrifflicher Inhalt auf eine
110
Boiler.
gemeinsame Anschauung zurückgeht. Die Wörter all-ok, äll-ö,
äll-äs, äll-adalom, äll-omäs, äll-omäny, äll-vany etc., sto,
sta-ns, sta-tio, sta-tus, sta-men, sta-tua etc. haben die Sylbe
All, sta gemein, wie die durch sie dargestellten Begriffe insgesammt
sich aus der Anschauung des „Erscheinens in aufrechter
Stellung“ entwickelt haben. All und sta sind die Stamm- oder
primitive Wurzel dieser Wörter und „in aufrechter Stellung
sich befinden“ das gemeinsame Merkmal der durch sie ausge
drückten Begriffe. Die Verschiedenheit dieser Begriffe unter sich
wird also durch die Endungen -ok, -ö, -äs, -odalom, -omäs, -omäny,
-väny, o, -ns, -tis, -tus, -men, -tua, und zwar jeder einzeln durch
die entsprechende Form der letzteren, bedingt. Da jene Begriffe die
Verhältnisse angeben, in denen die Erscheinung zu den in ihren
Bereich fallenden Objecten steht, diese Verhältnisse aber bei den ver
schiedenen Erscheinungen constant bleiben (y A:g = j4(gens); —
VB:g — A'; — YA:g' = /(nstrument), VB:g' = I etc.), so wer
den jene Endungen zu Exponenten der letzteren und folglich der
diesen entsprechenden Begriffe, so dass diese mit der Kenntniss der
Wurzel und ihres Exponenten gegeben und erklärt sind.
Man pflegt diese unmittelbar auf die Erscheinung
bezogenen Begriffs-Bildner, des letzteren Umstandes wegen
Wurzelsuffixe zu nennen, im Gegensätze zu den Spross -
bildnern welche Verhältnisse fertiger Begriffe zu anderen
bezeichnen.
Eine grosse Anzahl der einfachen Begriffe zeigt bei der Analyse
des entsprechenden lautlichen Ausdruckes zwar das dem Verhältniss
zukommende Wurzelsuffix, dieses tritt aber an die aus der Verglei
chung der zusammengehörigen Wörter abgezogene Wurzel nicht
unmittelbar, indem zwischen beide ein drittes Element sich einschob.
Untersucht man die Bedeutung der so gebildeten Wörter, so zeigt
sich, dass jenes Zwischenglied, ohne den Werth des Suffixes zu
berühren, die Bedeutung der Wurzel modificirt und näher bestimmt.
So bezeichnet „Setzer“ vermöge des Suffixes den Wirkenden,
aber nicht, der Bedeutung der Stammwurzel gemäss „der sitzt“,
sondern mit Angabe des Causalverhältnisses „der sitzen macht“.
Man kann diese Mittelglieder Wurzelexponenten nennen, die
so modificirten Wurzeln aber als secundäre bezeichnen und diese
Benennung auch da gebrauchen, wo die Stammwurzel selbstständig
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
lll
nicht mehr nachweisbar ist, sobald der Wurzelexponent gegen die
Primitivität spricht.
Eine dritte Reihe von Bildungen mittelst der Wurzelsuffixe end
lich fügt diese, meist unter Vermittlung eines besonderen Wurzel
exponenten, an eine bereits fertige Wortform. So ist regna-tor von
regna(-re) gebildet, welches selbst auf die Stammwurzel reg zurück
geht; remenyl stammt von remeny, einem Verbalnomen von der nicht
mehr nachweisbaren Stammwurzel (e)r. Diese Gattung Wurzeln
pflegt man nach ihrer Grundlage denominative zu nennen.
Demnach kann man sich den Hergang bei der Sprachbildung in
folgender Weise denken.
Indem der Geist den durch die unmittelbare sinnliche Anregung
hervorgerufenen Eindruck festzuhalten strebte, um sie dem Geiste
wieder vorzustellen, schuf er ein Lautbild das Erscheinendes und
Erscheinung, Substanz und Accidenz gleichmässig bezeichnete ■—
die Wurzel*). Da den verschiedenen Eindrücken verschiedene Laut
bilder entsprechen, wurden diese, auf die in den Kreis der Erschei
nung fallenden Objekte bezogen, zu Unterscheidungszeichen der letz
teren. Diese Unterscheidung wurde ergänzt durch die Beobachtung,
dass die Objecte zu der Erscheinung in bestimmten, stets wiederkeh
renden Verhältnissen als Wirkendes, Gewirktes, Werkzeug, Ort der
Wirkung etc. stehen, welche sich durch constante Exponenten bezeich
nen Hessen, die übrigens, wo die Beziehung entweder an sich oder in
Folge anderweitiger Bestimmung keinem Zweifel unterliegt, auch fort-
hlieben und dann ideell ergänzt werden. Durch beides nun — das
der besonderen Erscheinung entsprechende Lautbild und den dasVer-
hältniss der Substanz zu der Erscheinung anzeigenden Exponenten
— gewann die Sprache positive Erkennungszeichen (nomina,
von nosco) für die Objecte. An Inhalt gewannen diese Begriffs-
*) Obgleich die Grammatik welche analytisch verfahren muss, zum Begriffe der
Wurzel nur durch Abstraction gelangt und daher von ihrer Realität absieht, ja diese
zum Theil bestreitet, unterliegt es dennoch keinem Zweifel, dass dieselbe einst selbst
ständig im Gebrauch gewesen. Beleg dafür ist der Umstand, dass die Wurzel nicht
blos in den einsylbigen, so wie in den ural-altaischen Sprachen, sondern selbst im San
skrit, und gerade in dessen ältester Form, dem Vedendialekte häufig und in allen
den verschiedenen Bedeutungen, für welche besondere Suffixe
vorhanden sind, gebraucht wird. In der noch unentwickelten Bedeutung
liegt auch die Veranlassung zu dem unfruchtbaren Streite über die Priorität der Nomi
nal- oder Verbalwurzel.
112
Boiler.
Zeichen, indem die Erscheinung nach Causalität, nothwendi
ger oder zufälliger Verbindung mit ihren materiellen
Trägern, Entwickelung, Dauer, Wiederholung, Inten
sität, Richtung, Zahl und Wechselbeziehung der wir
kenden oder von der Wirkung getroffenen Objecte etc.
näher bestimmt wurde (secundäre Wurzel). Insbesondere aber kam
der Sprache zu diesem Zwecke der Umstand zu statten, dass jene
Begritfszeichen, obgleich nur aus der zumeist charakteristischen
Erscheinung entwickelt, dennoch die Ganzbegriffe der concreten
Objecte selbst vorstellen, folglich an die Stelle der Wurzel gesetzt,
auch alle an dem Concretum haftenden Merkmale repräsentiren und
in den neu zu bildenden Begriff übertragen (Denominativ-Wurzel).
Zwischen der Erscheinung und ihrem L a u t b i 1 d e
besteht kein nothwendiger Zusammenhang, wenigstens
lässt sich ein solcher überhaupt nur in sehr vereinzelten Fällen nach-
weisen. Auch spricht die thatsächliche Verschiedenheit der Wurzeln
in den verschiedenen Sprachstämmen, ungeachtet sich dieselben auf
ein und dieselbe Erscheinung beziehen, gegen denselben. Dies gilt
in noch höherem Grade von den Verhältnissexponenten. Diese unter
scheiden sich an Zahl, Materie (Pronominalstamm, Wurzel, Nomen) und
Gebrauch, ja seihst die Verhältnisse welche durch sie dargestellt
werden, variiren, sogar innerhalb derselben Sprache nach zeitlichen
Abständen, namentlich bestehen in der ältesten Periode Exponenten
allgemeinerer Geltung neben besonderen, welche nur ein einzelnes
der durch erstere vertretenen Verhältnisse darstellen.
Hieraus folgt 1. dass die Form der Sprache nicht durch die
äussere Erscheinung bedingt wird; 2. dass die Bildung derselben
eine allmähliche war, und dass 3. die allgemeinen Denkgesetze, wenn
auch bei der Begritfsbildung vorzugsweise thätig, doch die Verschie
denheit der Sprachen nicht ausreichend erklären. Für diese müssen
vielmehr die Klarheit der Anschauung, die Lebendigkeit der Form
gebenden Phantasie und die auf der Organisation des Sprachappa-
rates beruhende Vorliebe für bestimmte Laute einerseits, andererseits
der Standpunct, von welchem aus der Geist die Verhältnisse der
Objecte zu den Erscheinungen betrachtet *), so wie die Schärfe,
*) So besitzt das Tagalische eine Ausdrucksweise, in welcher das Verbum finitum als
Nomen loci und das Object als davon abhängiger Genitiv erscheint; in einer andern ist
ersteres durch ein Nomen instrumenti ersetzt. Vgl. Humboldt, über die Kawisprache.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
113
womit er die verschiedenen Verhältnisse scheidet — also solche
Momente welche in der Individualität des sprachbildenden Suhjectes,
d. i. Volksstammes, ihren Grund haben, in Anspruch genommen wer
den. Die Sprachforschung bestätigt daher auch ihrerseits den Schluss,
den die Naturgeschichte aus den morphologischen und physiologi
schen Verhältnissen auf Stammeseinheit gezogen: Völker, deren
Sprache für die Erscheinung gleiche Lautbilder
gebraucht, die Verhältnisse von demselben Stand-
puncte aus auffasst und zu deren Bezeichnung sich
derselben Exponenten bedient, waren zur Zeit der
Sprachbildung noch eins, und eine ihren Sprachen
gemeinsame Form ist erklärt, wenn es auch nur in
einer derselben gelingt, sie bis zu ihrem Ursprünge
zu verfolgen. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass der Lautinhalt
der Sprache einem fortwährenden Umwandlungs-Processe unter
gleichzeitiger Substanzminderung unterliegt, und zwar um so mehr,
je mehr die Sprache sich von ihrem Ausgangspuncte entfernt,
die Idee welche in den Formen Ausdruck fand, dem Bewusst
sein entschwand und letztere zu hlos conventionellen Begriffs-
zeichen herabsanken. Wer vermöchte die Bedeutung vom franz.
äme, pere, aoüt aus den Elementen zu entwickeln? Dennoch wird
Niemand zweifeln, dass sie wie ihre lateinischen Vorgänger anima,
pater, augustus erklärt werden müssen. Die Giltigkeit der für die
lateinischen Wörter gegebenen Erklärung auch für die französischen
hängt von der Überzeugung ah, dass diese aus jenen hervorgegangen.
Wie die Identität beider Formen, trotz des grossen lautlichen Abstan
des, hier keinem Zweifel unterliegt, da der Zusammenhang historisch
gesichert; so ist überhaupt die Lautverschiedenheit an sich, wenn
sie anders aus den in der Natur des Sprachorgans begründeten und
in ihren Ergebnissen historisch nachweisbaren Entwickelungsge
setzen der Laute erklärt werden kann, kein Hinderniss, äusserlich
fern liegende aber gleichbedeutende Begriffszeichen auf dieselbe
Quelle zurückzuführen.
Nach dieser Abschweifung auf das Gebiet der Sprachentwicke-
lungsgeschiehte kehren wir zum Magyarischen zurück.
Die Grammatiker und Lexicographen welche sich bis zur Auf
stellung der Wurzel versteigen, nehmen diese als synonym mit dem
Verbalstamme und gehen bei der Analyse überhaupt nicht weiter als
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hft. 8
114
Boiler.
auf die einfachste vorliegende Form des letzteren zurück. In Folge
dieser Verwechslung vermengen sie die Stammwurzel mit ihren Ent
wickelungen, der secundären und Denominativwurzel überall, wo
ihnen erstere nicht unmittelbar vorliegt. Ihre Wurzeln tragen daher
ein sehr verschiedenartiges Gepräge. Am häufigsten sind sie ein-
sylbig und aus einem kurzen oder langen Vocale bestehend, dem ein
einfacher Consonant vortreten kann und regelmässig ein einfacher
oder Doppelconsonant folgt (nur die langen Vocale i, 6, 6, u, u
kommen im Auslaute der Wurzel vor); nicht selten aber wird auch
eine zweisylbige Wurzel aufgeführt. Von den einfachen Consonanten
kann jeder auf die Wurzel schliessen, die Gruppen enthalten entweder
eine Verdoppelung (gg, ll, rr), eine Liquida (l, n, r) oder einen
Zischlaut mit einem Dental oder Guttural, seltener mit einem Labial,
einem Zischlaute oder einer Liquida verbunden.
Schon mit den Mitteln welche die Sprache selbst bietet, lässt
sich ein grosser Theil der angeblichen Wurzeln weiter verfolgen;
so erweisen sich die Auslaute cl, t, g, l, r, z, ng als Wurzelexponen
ten, deren Geltung sich im Bewusstsein der Sprache noch erhalten
hat, -m-1, än-1, -eny-1 etc. sind Denominativbildungen, die Verdop
pelungen ll, rr etc. Assimulationen aus l-\-g (k), r-j-g.
Nimmt man aber noch die verwandten Sprachen zu Hilfe, so
gelingt die Analyse noch viel weiter bis zu einem überraschend
einfachen Stammlaute, der sich auf den ersten Blick als Erzeugniss
des unmittelbar sinnlichen Eindruckes kund gibt: Die (nicht weiter
zerlegbare) Elementarform der Wurzel enthält einen
kurzen Vocal, dem meist ein einfacher Consonant
vorausgeht und in der Regel ein Guttural, seltener
ein Labial (die Ursprünglichkeit der wenigen bis jetzt nicht zer
legbaren Wurzeln mit einem Zischlaut, einer Liquida oder einem
Dental am Ende mag vor der Hand dahingestellt bleiben) folgt. Dem
nach müssen 1. alle langen Vocale (und Diphthonge) einen besonderen
Erklärungsgrund erhalten, 2. die anlautenden Consonanten in vielen
Fällen verschwunden, 3. die auslautenden Gutturale und Labiale
entweder fortgefallen oder in andere Laute umgesetzt sein, und
4. alle übrigen im Auslaute der Wurzel befindlichen Consonanten
als Wurzelexponenten betrachtet werden.
Was nun den langen Vocal betrifft, der sich in einer Anzahl
magyarischer Wurzeln findet, so lehrt die Vergleichung, dass er regel
te
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
115
massig aus der Verschmelzung zweier zusammenstossenden einfachen
Vocale hervorgegangen. Dieses Zusammentreffen kann auf doppeltem
Wege herbeigeführt werden. Entweder fällt ein Consonant der zwei
Vocale trennt, heraus, so dass letztere nun an einander rücken, oder
ein dem Vocal vor- oder nachtretender Halbvocal (j, «), sei dieser
nun primitiv, Vorschlag, oder was erfahrungsmässig meist der Fall,
Vertreter eines Gutturals oder Dentals, geht in den Vocal über. Im
ersteren Falle können jede beliebigen zwei Vocale Zusammentreffen,
im zweiten ist der eine der beiden zusammentretenden Vocale stets i
oder u. In ersterem Falle behauptet der zweite Vocal das Vorrecht,
im zweiten der primitive.
Ich habe in folgender Zusammenstellung versucht, den Nach
weis für jeden einzelnen Fall zu liefern, der Kürze wegen beziehe
ich mich auf die in dem Aufsatze „zur magyarischen Etymologie“
behandelten Wörter.
Äg „Ast“.
Mongolisch f
(salaghan) 4 ), jakutisch cajta, ostja-
kisch jägal 2 ), syrj. jagart „Ast“, Suomi oksa etc.
Ägy „Bett“, entweder türkisch jli'l, (jataq) 3 ), syrj. volj,
voljpasj, wotjakisch vales, Suomi vuote, mordvinisch jätsamo (Ev.
Übers.), Mandzu ^ (na/an) etc. oder türkisch (diisäk, T a-
pete, Aufgebreitetes), ostjakisch xycaK, mongolisch ^ (debisger) 4 )
*
„Decke, Teppich, Lager, Matratze“ etc.
Ägy-ek „Lende“, Mandzu (faxi) 5 ) l’aine, commen-
cement de la cuisse, türkisch (ouilouq) 6 )hanche, jaku
tisch yjjiyii 7 ) „Schenkel“.
Agyu „Kanone “ für algyu.
*) Silzungsb. Band XVII, p. 60, s. v. szSlo. 2 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 83, a.
3 ) Sitzungsb. p. 316, 391, s. v. a'gy. 4 ) Schmidt, Lex. p. 273, c. 5 ) Amyot,
Dict. Tart. Mantsch. III, p. 138. 6 ) Kieffer et ß. I, p. 146, a. 7 ) Böhtlingk,
Lex. p. 45, h.
8 *
116
Boiler.
Äj-ul „ohnmächtig werden“, türkisch jiiy (buiial-
maq) 4 ) „etre suffoque, se pämer, tomber en syncope
jakutisch yrj 3 ) „in Ohnmacht fallen“.
Ä1 „falsch“, wotjakisch aldalo „betrügentürkisch Irljil
(aldatmaq) id., jakutisch a.iqac 3 ) „Irrthum “ etc. Suomi peija
„ täuschen, hintergehen“, peto-llinen „betrügerisch, be-
trüglich“, lappisch bsetto-las 4 ) „falsch“, wotjakisch pöjalo 5 )
„betrügen“, verführen“ (vgl. das Denominativ ä-m - l't
„täuschen, bethören, verblenden“), mongolisch
(mege) °) „Betrug, Heuchelei“, Mandzu J (ei-t-ereku) 7 )
\
*a>
„hypocrite, trompeur, qui ment“.
Aid „ s e g n e n “ — äld-oz „opfern“, wotjakisch wös 8 )
„Opfer“, wös’jato „beten; segnen“, Suomi palvele „ver
ehren, anbeten“ (vgl.das slavische Ba-firaaHB „statua“),türkisch
JrIL> (tapmaq) 9 ) „adorare, co 1 ere“, mongolisch(taki^o) 10 )
%>
„opfern, Ehre anthun, verehren“, tscheremissisch tsokl (Ev.
Übers.) „verehren, anbeten“, jakutisch ajigä J1 ) „segnen“,
Mandzu (algin) ls ) „bonne reputaton, louange, estime“,
syrjänisch osk(a) ,s ) „laudo“.
Äldozik „untergehen (von der Sonne)“, tscheremissisch
val(e) 14 ) descendo, demergor, vaz (vaaz) 14 ) labor, elabor,
vazalma (Ev. Übers.) „Untergang der Sonne“, mordvinisch
valg(a) (Ev. Übers.) herabsteigen, fallen von, (ci) valgomo
(Sonnen-) Untergang.
*) Kieffer et B.I. p. 244, b. 2 ) Böhtlingk, Lex. p. 41, b. 3 ) Sitzungsber.
Band XVII. p. 220, s. v. al. 4 ) S t oc k fl e th , Norsk-Lapp. Ordhog. p. 145, b. 5 ) Wie
demann, Wolj. Gramm, p. 394, a. 6 ) Schmidt, Lex. p. 214, h. 7 ) A m y o t, Dict.
Tart. Mantch. I, p. 123. 8 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 339, b. ®) Böhtlingk,
Lex. p. 91, b. 1«) Schmidt, Lex. p. 230, a. “) Sitzungsb. Band. XVII, p. 220, s.
v. ald. 1») Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 84. 13 ) Castren, Gramm. Syrj. p. ISO, b.
14 ) Castren, Gramm. Tscheremiss. p. 74, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
117
All „stehen“, tscheremissisch salg, mongolisch ^ (däok-
s°x°) 0 etc.
All „Kinn“, wotjakisch anglen, ostjakisch asjeH 2 ), jakutisch
cämä 3 ), mongolisch * (sana) 4 ) „Kinnlade“, comanisch sagac 3 ),
tatarisch (dzanaq) 3 ) = türkisch (jafiaq) 5 ) = _i)Ll
(ijjak) = (enek) „Backen“ = ostjakisch jan.iai; (i ) „Kiefer“,
finnmärkisch-lappisch oalo - dafte 7 ) , schwedisch-lappisch olol s ),
olohn = Suomi leukaluu „Kinnbein“.
All-at „Thier“, wotjakisch pudo 9 ), tscheremissisch vol-
jek i0 ), Mandzu £ (ulp) 41 ). Mongolisch J (ada-ghusun) 12 ) „ein
Thier, ein Wesen des Thierreichs“, £ (amin) 13 ) „Leben“.
Letztere Form zeigt, dass für die Wurzel nur a in Anspruch ge
nommen werden darf. Das weiche Suomi eläin zeigt gleiche Ent
wickelung.
Äl-om „Traum“, wotjakisch wöt 14 ), wötam „Traum“,
Mandzu £ (tolgin) 15 ).
Äl-tal „durch“ = wotjakisch polti i6 ) „durch“, mon
golisch | (toghol^o, doghol^o) 17 ) „durch etwas hindurch
gehen oder durchwandern; vollenden, bis ans Ende
gelangen “.
*) Schmidt, Lex. p. 17, c; Sitzungsb. p. 221, s. v. all. 2 ) Castren, Ostj.
Gramm, p. 97, a. 3 ) Böhtlingk, Lex. p. 158, b. 4 ) Schmidt, Lex. p. 352, a.
5 ) Böhtlingk, Gramm. §.177. 6 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 87, a. 7 ) Stockfleth
Norsk-Lappisk Ordhog, p. 342, b. 8 ) Gyarmathi, Affinit. linq. hung. p.'91. 9 ) Wie
demann, Wotj. Gramm, p. 324, b. 10 ) Castren, Gramm. Tscherem. p. 74, b.
41 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 269. * 2 ) Schmidt, Lex. p. 17, c. 13 ) Ebendas,
p. 9, c. 14 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 339, b. 15 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II,
p. 274. 16 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 324, a. 17 ) Schmidt, Lex. p. 249, c.
118
Boiler.
Älmel, amul = bämu) (bäval, bävaszkodik) „
jakiscli paj-mo 1 ) „sich wundern“, Mandzu
staunenwot-
j' (faidzuma) 3 )
„prodige“, tscheremissisch potikä 3 ) „prodigium“. S. unten.
Ängy „Brudersfrau“, wotjakisch kenak 4 ).
Ar „Preis“, türkisch (äghyr) 5 ) etc.
Ar „Pluth“, Mandzu 4 (furgin) «) „flux de mer,
-i *
maree ,
mongolisch i (ujer) 7 ) „das Steigen des Wassers, der hohe
%
Wasserstand, die Überschwemmung“.
Ar-many „Cabale“, türkisch (azmaq) 8 ) „s’egarer,
etreseduit“, mongolische (argha) 9 ) „List, Betrug“ =
Mandzu ^
„tenter quelq’un, le seduire; penser aux moyens de
seduire quelqu’un“.
Är-ny, ar-nyek „Schatten“, Suomi varjo, wotjakisch vuzer ia ),
syrjänisch vudzär 13 ).
Är-ok „Graben“, wotjakisch gudzo 14 ) „graben “, jakutisch
xac 15 ) „graben, hervorgrahen, aushöhlen“, türkisch j^lä
(qazmaq) 10 ) „creuser, fouiller.“
Är-t „schaden“, türkisch jjl (jazyq) 17 ) „dom-
mage, perte causee“, mongolisch 3 1 (/okira^o) 18 ) „schaden,
(argha) 10 ) „stratageme, artifice“, (jarkijame) 41 )
*) VVi ed em ann, Wotj. Gramm, p. 321, b. 2 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III,
p. 141. 3 ) Castren, Gramm. Tseher. p. 69, a. 4 ) Wiedemann, Wotj. Gramm,
p. 309, 1). 5 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 317, s. v. ar. 6 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III,
p. 208. 7 ) Schmidt, Lex. p. 76,b. 8) Kieffer et ß. I, p.27, b. 9 ) Schm id t, Lex.
p. IG, a. lü ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p.33. 41 ) Ebendas. II, p. 336. 12 ) Wiede
mann, Wotj. Gramm, p.340, a. 13 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 164, b. 14 ) VVi ed e-
mann, Wotj. Gramm, p. 303, b. l5 ) B ö h tl in gk, Lex. p. 84. 16 ) Kieffer et ß. II,
p. 418, b. 17 ) Ebendas, p. 1248, b. 18 ) Schmidt, Lex. p. 163, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
119
Schaden thun, verderben“, (xoorla^o) 1) „schaden,
1
Verderben bringen, schlimme Absichten haben“.
Äs „graben, aufwühlen“ s. ar-ok. Das mongolische
(ghau) 3 ) „Grube, Graben“ zeigt, dass r und s secundär sind.
Äs-it „gähnen“, syrjänisch odsala 3 ) „oscitor“, wotjaldsch
wusylo 4 ) „gähnen“, mongolisch ^ (ebsijekü) 5 ), id. türkisch
(es-nemek) 6 ) „bäiller“.
Ä-tok „Fluch“, Mandzu 4 (lirume) 7 ) faire des impre-
cations contre quelqu'un, lui souhaiter au mal, türkisch
(il-endz) 8 ) „malediction, imprecation“, welche die
weichen Formen zu dem harten mongolischen f x ar 'J a Z 0 9 )
„fluchen, schimpfen“, wotjaldsch kargalo, Suomi kiro, id. ver
halten. Tok ist Suffix wie inti-tok. Wahrscheinlich ist vor dem
selben r, wie in e-nek, ausgefallen und ätok demnach mit kär-omol
gleichen Ursprungs.
Äzik „nass werden“, lappisch gasta - det, Suomi kastu
„feucht, nass werden“, kasta „befeuchten, benetzen,
wässern“, türkisch (lach) 10 ) „humidite; humide, liu-
m ecte “.
Schmidt, Lex. p. 190, 1). 2 ) Ebendas, p. 190, b. 3 ) Castre'n, Gramm.
Syrj. p. ISO, a. 4 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 340, a. 5 ) Schmidt, Lex.
p. 25, a. 6 ) Kieffer et li. 1, p. 42, a. 7 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 179.
8 ) Kieffer et ß. I, p. 160, a. 9 ) Schmidt, Lex. p. 140, h. 10 ) Kieffer et B. II,
1250, a.
120
Dr. Wilhelm Weitenweber.
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
Von Hrn. Dr. Wilhelm Rudolph Weitenweber in Prag.
VORWORT.
Seit einer langem Reihe von Jahren habe ich mir unter Anderm
einen ganz kleinen Hilfszweig des historischen Wissens zur speciellen
Aufgabe meines Forschens gestellt — in der Überzeugung, dass
hieraus zur Aufhellung und theilweisen Förderung der betreffenden
Wissenszweige, wenigstens mittelbar, ein nicht unwesentlicher Vor
theil erwachsen könne; ich meine die Biographik der vaterlän
dischen Ärzte und Naturforscher. Bereits sind, als Ergebnisse dieser
meiner Studien, zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten
gerade ein Viertelhundert von solchen mehr oder weniger ausgeführten
Lebensskizzen veröffentlicht worden.
So schilderte ich bisher namentlich: 1. Johann Ritter De
Carro (in Glasers Ost und West. Prag 1841, Nr. 9, besonders
abgedruckt, Carlsbad 1843, in 8.; in Sachs’ medic. Unterhaltungs
magazin, Berlin 1843). — 2. Vincenz Julius Edler v. Kromb-
holz (in der Vierteljahrschrift für prakt. Heilkunde, Prag 1844,1. Bd.;
besonders abgedruckt, Prag 1845 •— Sachs’ medic. Unterhaltungs
magazin, Berlin 1845 — in der Zeitschrift Lotos 1852, Juni). —
з. Karl Wilhelm Kahlert (in der Prager med. Viertel]'. 1845,
VI. Bd.). —• 4. Johann Pöschmann (ebendaselbst). — 5. Joseph
Engel (in der med. Viertel). VII. Bd.). — 6. Joseph Müller und
Franz Kottnauer (ebendaselbst).— 7. Johann Theobald
Held (Jubelschrift u. s. w. Prag 1847, 34 Seiten in gr. 8. mit dessen
Porträt). — 8. Joseph C. Ed. Hoser (Rückblicke auf das Leben
и. s. w. Prag 1848, VIII und 83 Seiten. Auszugsweise in den Abhandl.
der königl. böhm. Gesellschaft der Wiss. Prag. 1850, V. Folge, 6.Bd.)
-— in der Prager med. Viertelj. 1849, XXI. Band — in Lotos, Jahrg.
1852, December). — 9. Isaak Jeitteles (Jubelfestschrift u. s. w.
Prag 1850, 27 Seiten in 8.).— 10. Joseph D iaubalik (Zur
Erinnerung an u. s. w. Prag 1851, 19 Seiten in 8.). — 11. Johann
Beiträge zur Literärgeschiclite Böhmens.
121
Christian Mikan (in der Prager med. Viertelj. 1845, VII. Band;
inLotos, Jahrg. 1852, März). — 12. Balthasar Preiss (in Lotos,
Jahrg.1852, August).— 13. Joseph Steinmann (ebendaselbst,
April).— 14. FranzWillielm Sieb er (ebendaselbst, Mai).— 15.
Kaspar Graf von S t er nb erg (ebendaselbst, September; böhmisch
in Purkynes und Krejci s Zeitschrift Ziva, Jahrg. 1853, Nr. 6, 7 und
9). — 16. Ignaz Friedrich Tausch (in Lotos, 1852, October
undNovember—in Flora oder botanische Zeitung, Regensburg 1852,
Nr.48).— 17. Jo han n Ema nu el P ohl (in Lotos, III. Jahrg. 1853,
Januar). — 18.Wenzel Benno Seidl (ebendas., September). —
19. Joseph August Corda (in den Abbandl. der k. böbm. Ges.
d. Wiss., V. Folge, 7. Band; — Denkschrift u. s. w. Prag 1852, 38
Seiten in gr. 4. •— in der Prager med. Viertelj. 1853, XL. Band —
in Lotos, IV. Jahrg. 1854, Januar ■— französisch in J. de Carro’s
Almanach deCarlsbad, Annee 1854, p. 157 —böhmisch in Ziva, 1853).
— 20. T haddä u s Ilänke (in Lotos, 1853 — böhm. in Ziva, 1853).
— 21. Johann Swatopl. Presl (in den Abbandl. der k. böhm.
Ges. der Wiss., V. Folge, 8. Band — Denkschrift u. s. w. 1854 —
böhmisch in Purkyne’s und Krejcfs Zeitschrift Ziva, 1853, Nr. 1). —
22. Karl Boriwoj Presl (Denkschrift u. s. w. ebendaselbst —
böhmisch in Ziva, 1853, Nr. 2 und 3).— 23. Franz Ambros Reuss
(in Lotos, IV. Jahrg. 1854, Juni).— 24. Anton Ritter v. Jungmann
(in der Prager med. Viertelj. 1854, XLIV. Band -— böhm. in Ziva,
1854, Nr. 12). — 25. Fr an z Adam P e tf ina (für die Abbandl. der
kön. böhm. Ges. der Wiss., V. Folge, 9. Band — böhmisch in Ziva,
1855, Nr. 10).
Freilich muss ich hier im Allgemeinen zugestehen, dass es sich
in den sämmtlichen so eben aufgezählten Mittheilungen über gelehrte
Zeitgenossen, dem Zwecke von Nekrologen gemäss, vielmehr um
bemerkenswerthe Personalnachrichten als um Thatsachen handelte;
glaube aber andererseits dennoch, dass diese Aufsätze als eben so
viele, wenn auch nur kleine Bausteine zu einem — wir wollen hoffen,
in nicht gar zu ferner Zukunft aufzuführenden — Gebäude einer Ge
lehrtengeschichte Österreichs, und insbesondere Böhmens, betrachtet
werden können.
In den vorliegenden Blättern beabsichtige ich in das XVII. Jahr
hundert zurückzugehen und will namentlich versuchen, zwei Zier
den der Prager Hochschule aus jener Zeit, die Professoren an der
122
Dr. Wilhelm Weiten weber.
medicinischen Facultät: Johann Marcus Marci und Johann
Wenzel Dobrzensky etwas ausführlicher zu schildern. Nebenbei
dürfte diese Abhandlung auch so manchen nicht uninteressanten Ein
blick in die damaligen akademischen Verhältnisse Prags gewähren;
möge sie demnach von dem betreffenden Leserkreise mit freundlicher
Nachsicht aufgenommen werden.
Prag, am 29. October 1833.
1. Johann larcns Marci von Cronland.
In einer der letzten Sitzungen der philosophischen Classe der
königl. böhmischen Gesellschaft der Wissenschaften in Prag hat Herr
Prof. Robert Zimmermann bei Gelegenheit der anziehenden
Schilderung eines in der fürstl. Fürstenberg’schen Bibliothek in Prag
aufbewahrten rechtsphilosophischen Manuscriptes (Libellus de hominis
convenientia) welches den Grafen Franz Joseph v. Hoditz zum
Verfasser hat, einen kurzen geschichtlichen Überblick der philoso
phischen Bestrebungen in Böhmen und Prag insbesondere gegeben.
Unter den gelehrten Böhmen, die in der ersten Hälfte des XVII. Jahr
hunderts neben den anderen Wissenszweigen auch das Studium der
Philosophie mit Eifer und Erfolg betrieben, führte der Vortragende
auch den, nach Göthe’s literar-historisch wohl nicht begründetem
Ausdrucke „in Deutschland sonst gar nicht genannten und bekannten“
Marcus Marci auf. Ich will, um letztem Ausdruck thatsächlich zu
berichtigen, hier nur einen B o h u s 1 a v B a 1 h i n, J. W. Dobrzensky,
Daniel Morhof, Adauct Voigt und Martin Pelzei nennen,
welche Schriftsteller schon lange vor Göthe's Zeiten in ihren vielver
breiteten Schriften mehrmals des Marci rühmliche Erwähnung thun.
Hat nun gleich erst in neuester Zeit der, mittlerweile leider ver
storbene geschätzte Gelehrte G uh rau er in Breslau (im XXI. Bande,
Heft 2 der Zeitschrift für Philosophie und philos. Kritik. Halle 1832)
eine gründlich würdigende Abhandlung über unsern Landsmann und
dessen philosophische Schriften veröffentlicht, so dürfte es, meines
Erachtens, auch in gegenwärtiger hochgeehrter Versammlung noch
immer am rechten Orte sein, über diesen als Philosoph, Physiker und
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
123
Arzt gleich beachtenswerthen Mann einige ausführlichere Mittei
lungen zu machea
Aus der vollständigen Aufzählung und theilweisen Auseinander
setzung seiner ebenso zahlreichen als mannigfaltigen Werke von
grösserem und geringerem Umfange wird es leicht ersichtlich werden,
dass Marcus Marci nicht nur in der besondern Literärgeschichte
Böhmens, sondern auch in der allgemeinen nicht einen der letzten
Plätze verdiene. Doch sei es mir vorher gestattet, nach den mir zu
Gebote gestandenen literarischen Quellen einen gedrängten Abriss
seines Lebens- und Bildungsganges, sowie seiner für Wissenschaft
und Vaterland höchst erspriesslichen Leistungen vorauszuschicken.
JohannesMarcus (oder vielleicht ursprünglich Marek ?) hatte in
einem ziemlich unbedeutenden Landstädtchen, dem an der GrenzeBöh-
mens gegen Mähren gelegenen Landskron, das Licht der Welt erblickt,
war daselbst am 13. Juni 1593 geboren, in welchem Jahre der ge
lehrte M. Marcus Bydzovinus a Florentino zum wiederholten
Male die Würde des Bector Magnificus an der Prager Carolinischen
Akademie bekleidete. Über seine ersten Jugendverhältnisse erfahren
wir nur, dass er von der zartesten Kindheit an schwächlich und
kränklich gewesen, namentlich mehrere Jahre hindurch an einem
hartnäckigen skrofulösen Augenübel leidend gewesen sei; daher war
es gekommen, dass der kleine Johannes bei seinen übrigens ausge
zeichneten Geistesgaben und seinem sehr regen Wissenstriebe gar
gern in die Schule des Ortes ging, dort aber mit, der Lichtscheu
wogen, grösstentheils geschlossenen oder verbundenen Augen sitzend,
weder zu lesen noch zu schreiben vermochte, sondern beinahe den
ganzen Unterricht blos auf dem Wege des Aufhorchens und Memorirens
gemessen konnte. Hierauf wurde der Knabe schon frühzeitig behufs
der humanistischen Studien von seinen Eltern auf das benachbarte Gym
nasium zu Neuhaus geschickt, dessen Einrichtung damals—wie dies
nach des gelehrten Bibliothekars Raphael Ungar’s Zeugniss bei
den meisten böhmischen Gymnasien in jener Zeitperiode ungeachtet
der bedauerlichen politischen und kirchlichen Wirren der Fall war —
auf einer früher nicht gekannten Stufe der Vollkommenheit stand.
Nachdem der talentvolle Jüngling überdies am Olmützer Gymnasium
sich ziemlich gediegene Kenntnisse in der damals so sehr in Schwung
gehenden Dialektik, wie nicht minder in der classischen Literatur der
Griechen und Römer angeeignet hatte, bezog er, vomFiirsten Zdenko
124
Dr. Wilhelm Weiten weher.
Adalbert Lobkowic auf edle Mäcenatenweise unterstützt, die
utraquistische Akademie zu Prag, um sich hier zur Zeit, als der be
rühmte kaiserl. Hofmatliematicus (= Astronom) Johann Kepler
die sogenannten Rudolfinischen Tafeln zu verbessern berufen war —
mit gleichem Eifer auf Physik zu verlegen.
Sodann wandte sich Marcus zu dem gleichzeitigen Studium
der — was man schon damals ganz richtig einsah — sich wechselseitig
voraussetzenden und ergänzenden Naturwissenschaften und Medicin.
Wie förderlich aber diese innige Verschmelzung und Durchdringung
der eben genannten Realfäelier mit der Philosophie (Pansophie jener
Zeit)seiner gelehrten Bildung sowohl, als der gründlichen praktischen
Befähigung gewesen, bewahrheitete sich unwiderleglich an Marci’s
weiterem individuellen Lebensgange; man verstand nämlich damals
unter dem Ausdrucke Philosophie die Gesammtheit der menschlichen
Erkenntniss.
Für einen Beweis seines angebornen Talents und ungewöhnlich
ausdauernden Fleisses kann es ferner gelten, dass M. M. während
seines Aufenthaltes in Prag als Student sich eine solide Kenntniss
der lateinischen und griechischen, sowie später der arabischen und
hebräischen Sprache, wie nicht minder unter den neueren Idiomen
nebst der deutschen und böhmischen auch noch der spanischen, fran
zösischen und italienischen Sprache eigen gemacht. Was die Natur
wissenschaften betrifft, hatte M. insbesondere die Botanik und Heil
mittellehre aus den trefflichen Schriften des damals höchst berühmten
P. A. Matt hi oli, die Anatomie aber wahrscheinlich von dem über
seine Zeiten hervorragenden Jessenius selbst gelernt. Binnen
wenigen Jahren hatte er nicht nur den philosophischen Magistergrad
erlangt, sondern wurde auch im Jahre 162S, also in seinem 30. Lebens
jahre zum Doctor der Medicin (s. unten seine Inauguraldissertation)
promovirt; es war dies zur selben Zeit, als der um das Schulwesen
hochverdiente Amos Comenius sich bei dem edlen böhmischen
Herrn Georg von Sadowa im Riesengebirge aufhielt.
Nur seinem alsbald anerkannten praktisch-ärztlichen Talent und
seiner ebenso vielseitigen und tiefen Gelehrsamkeit hatte es Marcus
zu verdanken, dass er einerseits im allgemeinen Rufe eines der gelehr
testen Physiker und Philosophen seines Vaterlandes stand, anderer
seits binnen Kurzem einer der gesuchtesten, weil glücklichsten Ärzte
Prags ward.
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
12S
Für Marci’s klare Naturauffassung, für seine geläuterte Einsicht
in das leider auch noch heute zum grossem Tlieile räthselhafte Wesen
der Krankheiten — natürlich abgesehen von der, in der ersten Hälfte
des XVII. Jahrhunderts herrschenden mystischen Einkleidung der Heil
kunst — gibt auch der Umstand einen factischen Beleg ab, dass man
allgemein in Prag seinem Verfahren um Krankenbette nachrühmte:
Dr. Marcus wisse vermöge fleissiger und genauester Beobachtung
des Wirkungsvermögens der natürlichen Körper auf den mensch
lichen Organismus seine Kranken ohne grosse Auslagen durch die
einfachsten, leicht zu bereitenden, ja meistentheils durch sogenannte
Hausmittel wiederherzustellen (Simplex veri sigillum). Auf gleiche
Weise schildert ihn sein jüngerer ärztlicher Zeitgenosse, Johann
We nzel Dobrz ensky (in dessen Gelegenheitsschrift: Lachryma
nondum arescens etc. Prag® 1684) : „Festinabat ille lente; etiam
dum properaret Cunctator, properans dum cunctaretur. Natur® do
minus, quia servus, minister non magister eruendam naturam, non
obruendam docuit, manuducendam non raptandam. In curandis morhis
felix maluit esse quam fortunatus, exspectando volens potius negligere
quam properando oecidere.“ — Wahrlich ein Zeugniss der bedeu
tungsvollsten Anerkennung, ein Triumph den selbst heutzutage, nach
mehr denn200Jahren des so sehr gerühmten, riesigen wissenschaft
lichen Fortschrittes, nur wenige Priester Äsculaps beanspruchen
dürfen; eine Anerkennung welche das Ansehen Marci’s in unseren
Augen um ein Bedeutendes zu heben im Stande ist. Es beweist
nämlich diese Thatsache, wie Marcus als wahrhaft philosophischer
Arzt, auf Grundlage einer gesunden Theorie und von richtigem Tacte
getragen, den mitunter naturwidrigen pharmakodynamischen und
therapeutisch-pathologischen Systemen seiner, ja selbst späterer
Zeiten mit dem herrlichsten Erfolge vorausgeeilt war. So sehr aber
auch Dr. Marcus sich mit den Geheimnissen der Natur bekannter
zu machen, die Finsterniss, mit welcher der Aberglaube und Vorur-
theile verschiedener Art zu seinen Zeiten die Naturwissenschaften
noch umhüllten, zu durchbrechen und eine neue Bahn einzuschlagen
suchte, die ihn seiner Meinung nach sicher zu der „Wahrheit“ führen
sollte, — so konnte er dennoch nicht vermeiden, dass er öfters auf
wunderliche Ansichten gerieth und das Schicksal aller Derer die
neue Systeme aufbauen wollen, erfuhr, d. i. zuweilen die abenteuer
lichsten Sätze aufzustellen und zu vertheidigen.
126
Dr. Wilhelm Weitenweber.
In Würdigung der oben angeführten ausgezeichneten Eigen
schaften geschah es auch, dass die gerade damals erledigt gewordene
Stelle einesPhysicus des Königreiches Böhmen dem Dr. Marcus ver
liehen wurde; auch dürfte derselbe nicht lange darnach -—■ wie die
Materialien zur Verfassung einer Geschichte der Prager medicinischen
Facultät ausweisen — beiläufig um das Jahr 1626, unter, den Univer
sitätsstudien keineswegs holden Umständen, zum Professor extra-
ordiriarius an der Carolinischen Akademie ernannt worden sein. Dieses
letztere Amt bekleidete Marcus, statut'enmässig sodann in die Reihe
der ordentlichen Professoren vorrückend, bei all seiner anhaltenden
Schwächlichkeit, hei der die Kräfte aufreibenden ausgebreiteten
Privatpraxis, durch beinahe volle vierzig Jahre.
In beiden Richtungen, als gelehrter Lehrer und erfahrener
Praktiker, hatte sich Marcus das ehrende Vertrauen der Regierung
hei Gelegenheit der im Verlaufe jener Jahre angestrebten Reform
versuche im höhern Studienwesen, sowie anderntheils von Seiten
der Prager Bevölkerungam Krankenbette, in seltenem Masse erworben
und selbes sich bis an sein spätes Lebensende unwandelbar erhalten.
Die mannigfachen Drangsale der damals schon so viele Jahre beinahe
unausgesetzt wüthenden Kriegsfurie, namentlich die in Prag während
der 14wöchentlichen harten Belagerung durch die Schweden herr
schende Pestseuche boten unserm Marcus eine leider nur zu reich
liche Gelegenheit, sein von edler Humanität erfülltes Wirken in das
hellste Licht zu stellen. Er leistete nämlich nicht nur in den eigens
errichteten Nothspitälern unermüdlich ärztliche Dienste 1 ), sondern
hatte auch von Facultäts- und Magistratswegen den Auftrag, die
öffentlichen Sanitäts-Massregeln anzuordnen und zu leiten. So war
*) Hier mag - auch eine Episode aus dem Leben unsers Marci ein Plätzchen finden. Als im
Jahre 1648 das schwedische Heer Prag belagerte, ereignete es sich, dass die Gemah-
linn des schwedischen Anführers v. Wittenberg in dem nahe gelegenen Königssaal
(Zbraslava) schwer erkrankte. Da der Ruf des berühmten Prager Arztes auch in das
feindliche Lager gedrungen war, erbat sich der genannte General kaiserlicherseits die
Erlaubniss, dass er die persönliche Hilfeleistung des Dr. Marci in Anspruch nehmen
könnte. Sie ward ihm gewährt und M. in dem eigenen vierspännigen Wagen des feind
lichen Feldherrn dabin abgeholt. Als nach abgethaner Visite der Arzt in dem schwedi
schen Wagen am jenseitigen Moldauufer wieder gegen Prag zurückfuhr, vermuthete
die Wyssehrader Besatzung, es befinde sich wohl der schwedische General in dem
Wagen, und schoss mit Kanonen auf letztem; wobei sogar ein Pferd der Bespannung
getödtet worden sein soll, Marcus aber glücklicher Weise mit dem blossen Sehre-
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
127
unter Anderem Marci wahrscheinlicher Weise der Verfasser des, mit
telst Decrets vom 4. December 1646 von der k. k. böhmischen Statt
halterei in böhmischer Sprache herausgegebenen, an die Stadthaupt
männer der drei Prager Städte gerichteten Pestreglements, sowie der
noch ausführlichem Instruction vom 19. Juli 1649.
Gleichzeitig hatte sich Marcus, trotz seiner mehrerwähnten
lebenslänglichen Kränklichkeit (in phthisin lapsus) rastlos der Pflege
der friedlichen Musen gewidmet. Er machte sich — wie wir später
sehen werden — als fruchtbarer Schriftsteller auf dem Gebiete der
Philosophie und der Physik auf eine rühmliche Weise bemerkbar
und hatte sogar unter Anderem auch in seinem Hause eine eigene
Sternwarte eingerichtet. Doch wollen wir schon hier einräumen, dass
Dr. Marcus ebenso, wie selbst der grosse Kepler, an der Krankheit
seiner Zeit gelitten habe, welche mehr dem Blendenden und
Mystischen, als dem Einfachen und Klaren, mehr dem Wunderbaren
als dem Wahren nachstrebte, wo man Poesie der Wissenschaften für
Philosophie hielt.
Unterm 27. März 1631 hatte Se. Majestät Ferdinand III. mit
telst eines Hofdecrets dem Professor Johann Marcus Marci „in
Anbetracht seiner langjährigen Dienstleistung als ältesten Professor
in facultate medica 600 Gulden jährliche Besoldung dergestalt be
willigt, dass ihm von Zeit der geschehenen Separation der Universität
bis zur anderweitigen allergnädigsten Resolution, und so lange er
hier rühmlich profitiren würde, solche 600 Gulden jährlich gereicht
und gegeben werden sollen.“ — Im Jahre 1653 suchte Marcus
neuerdings um eine Gehaltserhöhung und um den Titel eines „Pro-
fessoris supraordinarii“ an.
Das betreffende Majestätsgesueh lautet: Mächtigster und unbe
siegtester Kaiser! Huldvollster Herr, Herr! Es ist Sitte, diejenigen,
die an irgend einer Universität in vieljährigem Vortrage ergrauten,
nicht nur der Last des ordentlichen Vortrags zu entheben mit Bei
fügung des Titels eines Professoris supraordinarii, sondern auch als
Belohnung der geleisteten Dienste — auf dass sie die Beschwerden
des Alters minder fühlen und Andere durch solche Hoffnung zur Aus
dauer im Lehramte angereizt werden — ihre Besoldung zu erhöhen.
Da ich nun über 30 Jahre an dieser k. k. Prager Universität nicht
fruchtlos, wie ich hoffe, Professor bin, indem ich solche zu Mitpro
fessoren habe, die einst meine Schüler waren, von denen andere
128
Dr. Wilhelm W e i t e n e b e r.
sowohl in diesem Erb-Königreiehe Euer Majestät, als anderwärts mit
glücklichem Erfolge die Ileilkunst ausüben, anderer meiner Leistungen
zu geschweigen; so glaube ich nichts meinen Verdiensten Unzu-
kömmliches zu begehren, wenn ich, dieselbe Gnade mir huldreichst
erweisen zu wollen, bitte. Doch ist mir weder Müssiggang, noch
gänzliche Enthebung von den Vorträgen Vorsatz: sondern damit das
reiflicher von mir Durchdachte leichter ans Licht treten und die
Frucht meiner Studien auch an Andere gelangen könne; so möge es
mir nicht zum Nachtheil gereichen, wenn ich mich aus diesen Rück
sichten manchmal davon entferne, indem dieser Abgang leicht von
dem Extraordinario ersetzt werden kann. Auch bitte ich nicht dess-
halb um Erhöhung des Gehaltes, dass mir etwas Zuwachse, sonder^
damit, wenn Andern der Gehalt erhöht wird, der meinige nicht
geschmälert werde. Denn da die (Universitäts-) Einkünfte geringer
sind, als dass daraus Allen genügt werden kann, so muss nothwen-
diger Weise mir so viel abgehen, als einem Andern zuwächst. Ich
bitte also unterthänigst, damit Euer kais. Majestät mir den Titel eines
Professoris supraordinarii, mit der Zulage von wenigstens einem Drittel
meines Gehaltes nach der jetzigen Bemessung, huldvollst zu verleihen
geruhen. Da es aber billig ist, dass zwischen Jenen welche durch
30 Jahre, und Jene die durch 4 Jahre die Professur bekleiden, einiger
Unterschied stattfinde 1 ), so lebe ich der Hoffnung, dass dieses mein
unterthänigstes und billiges Ansuchen die huldreichste Entscheidung
erhalten werde. Eurer kais. Majestät unterthänigster und unterwer-
fenster
Prag, 25. Juni 1625.
Johann Marcus Marci.
Über vorstehendes Gesuch äusserte sich der Prager akademische
Senat in seinem a. h. Orts abverlangten gutachtlichen Berichte ddo.
6. Deeember dess. Jahres dahin: dass der Titel „Professor supraordina-
rius“, welcher zugleich exemptionem ah ordinariislectionihus mitbrin
gen will, hei hiesiger und andern Universitäten nicht allein fremd und
unbekannt sei, sondern auch den ordinariis Professoribus und anderen
1 ) Diese etwas spitzige Bemerkung’ bezieht sich auf den Umstand, dass gleichzeitig- auch
Professor Franchimont um die Erhöhung seines Gehaltes von 400 II. auf 600 fl.
jährlich eingeschritten ist. W.
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
129
interessirten Pupillen sehr nachtheilig fallen würde, indem des Supra-
ordinarii ordinariae lectiones durch einen Extraordinarius — welcher
aus der Ursache vielleicht eben ex communi wollte besoldet sein —
suppliret und versehen, und dergestalt den Ordinariis ihre Salaria
welche ohnedies anjetzo gering, auch bei diesen Friedenszeiten kaum
den dritten Theil einkommen, nothwendig geschmälert werden müssten.
Zudem erscheine keine andere Ursache, warum Herr Marci a lectio-
nibus ordinariis exempt sein wollte, als etwa seine profunda cogitata
et privatas Iucubrationes (welche aber die Professur gar nichts an-
gehen) in Tag zu geben. Nun lassen eben in anderen Universitäten
die Professoren gleich integra Volumina ausgehen, welche doch
derentwegen a lectionihus publicis keineswegs überhoben werden.
Nicht weniger ist fremd, dass man, indem man begehrt a legendo et
labore exemt zu sein, dennoch die Besoldung ad tertiam usque partem
(folglich, wie oben angeführt, von 600 Gulden, welche Marcus
schon als Senior und Professor primarius hat, auf 900 Gulden) ver
bessert haben will, was ohne merklichen Schaden und Nachtheil der
Andern nicht geschehen kann; sintemalen so viel ihme, Herrn Marco,
diesfalls accrescirte, den Andern nothwendig decresciren müsste; es
wäre denn, dass er extraordinaria und den Andern unpräjudicirliche
Media, solche seine Merita zu remuneriren, Ihrer Majestät vorschlagen
thäte.“
Leider hatte in den letzten 10 Jahren seines Lebens die Ge
brechlichkeit des Marci einen solchen Grad erreicht, dass sie ihn
zur Fortführung seines Lehramtes als Professor primarius praxeos
grossentheils unfähig machte. Dass eine vieljährige, doch unentgelt
liche Substitution durch den ausserordentlichen Professor Sebastian
Christ. Zeidler nöthig wurde, erhellt aus folgenden Actenstücken
welche ich hier als Charakterbild der damaligen akademischen Ver
hältnisse in extenso mittheilen will, wie selbe mir in meiner Stellung
als Facultäts-Historiograph zugänglich sind:
I. Wir Rector und Magistratus academicus Carolo-Ferdinandi-
scher Universität zu Prag; hiemit urkunden und bekennen, demnach
Uns, der löblichen Pragerischen Universität Rectori Magnifico,
Decanis, Senioribus et Professoribus der Edle und Hochgelehrte
Herr. Sebastianus Christianus Zeidler, Medicinae Doctor, zu
erkennen gehen, wasmassen Er schon 14 Jahr hei hiesiger Univer
sität die extraordinari Professor ohne sondere Recompens, mit Zu-
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. I. Hft. 9
130
Dr. Wilhelm Weitenweber.
Setzung des Seinigen versehen hätte, und diesem nach darüber eine
schriftliche Attestation begehrt. Als haben Wir solches sein bitt-
liches Begehren nicht verweigern können noch sollen, sondern zeugen
und attestiren nach Unserer selbsteigenen Wissenschaft hiemit, dass
denen, wie Eingangs gemeldet, in der Wahrheit also und nicht anders
seie und desswegen in allen vorfallenden Occasionen (wiewohl an-
jetzo nichts vaciret, sondern wann ins künftige sich einige Vacanz
der Professur ereignen sollte) Er in facultate medica bei hiesiger
Universität vor Allen andern promovirt zu werden, und dem löblichen
Gebrauch nach die Succession zu haben sich meritirt gemacht
habe. Urkund dessen haben Wir gegenwärtige Attestation unter der
Universität Insiegel ausfertigen lassen. So geschehen Prag am
28. Januarii 1665.
II. (Kaiserliches Schreiben an Ihre Excell. und Gnaden, die
königl. Herren Statthalter in Prag.) Liebe Getreue! Aus Eurem ge
horsamen Schreiben vom 11. Fehruarii jüngsthin haben Wir mit
mehreren gnädigst verstanden, was gestalt und aus welchen Ursachen
Uns Ihr den Sebastian Christ. Zeidler, Med. Doctorn, damit
Er in das Doctoris Marci ordinari Professurstelle succediren und
Ihme unterdessen, bis zur erfolgenden Vacanz der titulus ordinarii
Professoris gegeben werden möchte, intercedendo recommandiren
thut. Sintemalen wir dann um der angezogenen Verdienst und recom-
mandation willen gnädigst kein Bedenken tragen, dass Er Doctor
Zeidler in obbesagten Doctoris Marci Professur zu seiner Zeit
wirklich succediren möge. Jedoch weilen Wir ob malam consequen-
tiam Ihme hierauf eine Expectanz zu ertheilen Bedenken tragen: Als
werdet Ihr Ihme (wie hiemit unser gnädigster Befehl) dahin zu
bescheiden haben, dass Er sich bis zu erfolgender Vacanz gedulden
solle, Wir wollten alsdann darauf schon gnädigst bedacht sein, dass
Er hiezu vor Andern promovirt werde. Hieran vollzieht Ihr gehor-
samst Unsern gnädigsten Willen und Meinung. Geben Wien den
15. Aprilis anno 1665.
Leopold.
Joan. Hartwigius Comes de Nostiz
ris g.ae § Cancellarius.
III. Allerdurchlauchtigster, Allergnädigster Herr Herr! Euer
Majestät! Wir allergehorsamst unterthänigst nicht Vorhalten, was
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
131
Gestalt bei dero allhiesiger kays. und königl. Carolo-Ferdinandeisclien
Universität zu Prag durch den erfolgten tödlichen Hintritt Joannis
Marei von Cronlandt, Med. Doctoris, eines ordinarii Professoris
Stelle facultatis raedicae vacirend worden sein, zu dergleichen Erset
zung Euer kays. Majestät den ordinem successionis observiret und
beobachtet zu werden, allergnädigst gewählet nach Inhalt Dero dies
falls hiebevor ergangenen kaiserlichen Resolution. Weiln dann, Aller
gnädigster Kayser, König und Herr! die nachfolgende Professores in
Facultate medica anjetzo diese sind, als nämlichen! der erste Nico
laus Franchimont von Frankenfeldt, anjetzo Rector Magnifi-
cus, der andere aberJacohus Forberger, beide Medicinae Doc-
tores und lange Jahre her nach einander geweste Professores ordinarii,
die sich daher in ordine succedendi der angezogenen Allergnädigsten
kays. Resolution allergehorsamst halten, und sich hey dem darob
acquirirten Jure 'zu schützen allerunterthänigst bitten, Sebast.
Christ. Zeidler aber Medicinae Doctor, der bishero Institutionum
Professuram extraordinariam, weiln der Dr. Marei zu dieser Zeit
impotens gewesen, versehen und pro ordinaria zu erfolgender Vacanz
allbereits von Euerer kays. Majestät die allergnädigste Vertröstung
hat. Als gelanget an Euer kays. Majestät hiemit unser gehorsamstes
untertänigstes Ritten , die geruhen nicht allein die vorhergehende
Professores ordinarios, Doct. Franchimont und Doct. Forber
ger, bei dem allergnädigst resolvirten Jure succedendi allergnädigst
zu schützen, sondern auch dem Doct. Zeidler die verbleibende
Vacantiam Institutionum Professoris ordinarii allergnädigst wirklich
zu conferiren. Zu ihrer kays. Majestät beharrlicher kayserlichen
und königlichen Gnaden uns Allergehorsamst untertänigst empfeh
lend Euerer kays. Majestät Allergehorsamst untertänigste Rector,
Decani und Professores Facultatis medicae in der Carolo-Ferdinan-
deischen Universität zu Prag.
Prag am 16. April 1667.
Johann Georg Scholtz von Schollenberg.
IV. (Zeidler’s Majestätsgesuch.) Allergnädigster Herr Herr!
Euer kays. königl. Majestät geruhen hiebei kommend allergnädigst
zu ersehen, wasmassen der Prager Universität, allda ich in Facultate
medica die extraordinari Professur nunmehr in die 16 Jahr, und
ordinari lectiones anstatt des Doctoris Marei über 10 Jahr, ohne
9 *
132
Dr. Wilhelm Weiten web er.
einiges Salario mit Zusetzung des Meinigen mühsam suppliret, zur
ordinari Professur Ihren Calculum auf mich gegeben, auch von Eurer
kays. und königl. Majestät inhalts Lit. B. (s. oben II.) dahin aller
gnädigst sincerirt bin, dass auf erfolgende Vacanz ich dazu vor
Anderen promovirt werden solle. Demnach nun der allmächtige Gott
jüngster Tage vermeldeten Doctorem Mar cum durch den zeitlichen
Tod von dieser Welt abgefordert, und hierdurch eine ordinari Pro
fessurstelle vacirend worden; Als ist an Euer kays. und königl.
Majestät mein allerunterthänigst gehorsamstes Bitten, die geruhen
in allergnädigster Erwägung meiner nunmehr in die 16 Jahr in extra-
ordinari Professur ohne einiges Salario zugesetzter Treuherziger
Mühe, mir obvermeldt allergnädigst sincerirtermassen die vacirende
ordinari Professur vor Anderen zu conferiren und mich hiezu behö-
riger Massen neben anlaufender Besoldung installiren zu lassen. Wie
ich mich nun darüber Ihrer allergnädigster gewährigster Besolution
allerunterthänigst gehorsamst getroste, also diese kays. Gnad mit
allerunterthänigster Treu und Fleiss unaussetzlich zu verdienen mir
angelegen halten werde. Eurer kays. und königl. Majestät Allerunter
thänigst gehorsamster
Sebastianus Christianus Zeidler
Med. Doctor.
Doch kehren wir nach dieser wohl etwas ungebührlich langem
und der Zeitfolge vorgreifenden Abschweifung, welche uns übrigens
einen tiefem Einblick in die Verhältnisse des damaligen medicinischen
Lehrkörpers in Prag gestattet, wieder zu unsermDr. Marcus zurück.
Ich habe oben erwähnt, Marci habe das Vertrauen der Regie
rung in Betreff der projectirten neuen Ordnung der Studienangele
genheiten genossen. Dass dem wirklich so gewesen, zeigte sich
insbesondere bei der mehrere Jahre lang, und namentlich seit dem
Regierungsantritte Ferdinand’s III. wieder lebhafter, doch ver
geblich angebahnten Union der beiden damals neben einander in Prag
bestehenden Akademien, nämlich der weltlichen Carolinischen und
der sogenannten Clementinischen der Jesuiten. Hierbei spielte der
gelehrte Senior der medicinischen Facultät jedenfalls eine einfluss
reiche Rolle und bemühte sich wacker, zur endlichen Verwirklichung
dieser so schwierigen — weil den besonderen Interessen beider
Parteien widersprechenden und nicht genügenden — Institution
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
133
beizutragen. Denn Marcus war Yom Jahre 1642 an als Repräsentant
der medicinischen Facultät, nebst dem Doctor der Rechte Johann
Kridell, von Seiten des Carolinums, und gegentheilig zwei Väter
des Clementinums hierzu delegirt worden. Mittlerweile hatte Mar
cus— um das erst kürzlich durch die kaiserliche Gnade erlangte Pri
vilegium der Selbstständigkeit der weltlichen Carolinischen Akademie
nach Möglichkeit zu wahren — es nicht unterlassen, im Jahre 1651
eigens ein allerunterthänigstes Promemoria nebst einem neuen, von
ihm selbst verfassten Statutenentwurfe allerhöchsten Orts vorzulegen.
Dieser Schritt konnte aber keinen günstigen Erfolg mehr haben, da
die organische Vereinigung der beiden Prager Akademien bereits fest
beschlossen war und bekanntlich in Folge des kaiserlichen Unions-
decretes vom 23. Februar 1654 wirklich ins Leben trat. Bei der
hierauf erfolgten umfassenden Neugestaltung der Verhältnisse der
einzelnen vier Facultäten unter einander bewährte sich neuerdings
die hohe Achtung, in welcher Dr. Marcus bei seinen Collegen
stand, in dem Masse, dass sie ihn nicht nur viermal nach einander
(nämlich in den Jahren 1654 bis 1657) sondern auch wieder in den
Jahren 1660 und 1661, ferner 1663 bis 1664, also im Ganzen acht
mal zu ihrem Decan erwählt hatten.
In demselben für die Prager Universität eine so wichtige Epoche
machenden Jahre 1654 sind „ihme Johann Marcus Marci von Kron-
land, Medicinae et Philosophiae Doctori et Professori, wegen durch
lange Jahr in Pest- und Kriegszeiten, auch wegen mit seiner sonder
lichen Erudition dem publico viel geleisteten Dienste und Nutzen, von
Sr. Majestät 6000 Gulden Gnadengelder, aus der Hofkammer zu
bezahlen angewiesen worden.“ — Ferner haben demselben die bei
den weltlichen Facultäten im Jahre 1657 das unweit Prag liegende
Dorf Michle samrnt dem dazu gehörigen Meierhofe — weil Marcus
dieses vom Feinde angezündete und in Grund verbrannte Dorf und
den Meierhof auf seine eigenen Kosten wieder erbaut — gegen einen
jährlichen Zins von nur 100 fl. vermiethet.
Beiläufig um dieselbe Zeit erhielt Professor Marcus ob insignia
in rem literariam merita, sowohl für seine eigene Person als auch für
seinen ältesten Sohn gütig, die Würde eines Comes palatinus. Im
Jahre 1658 soll ihn Kaiser Ferdinand, in dessen hoher Gunst Mar
cus gestanden sein muss, zu seinem Leibarzte (S. Caes. Majestatis
medicus cubicularius) ernannt haben; obgleich nun letztere Jahreszahl
134
Dr. Wilhelm Weitenweber.
bei mehreren Autoren angegeben wird, so lässt sich auf die
Irrthümlichkeit dieses Datums aus dem Umstande schliessen, dass
Kaiser Ferdinand III. bereits ein Jahr vorher, nämlich am 2. April
1657 (räno po 4 hodinie polowiczneho orloge) gestorben. Wenn es
ferner in einigen literar-historischen Schriften (z. B. in Ad. Voigt’s
Effigies virorum eruditorum etc. Pragae 1773, pars I, p. 72 et 77)
heisst, Marci sei nie ausserhalb Böhmen gekommen, so beruht diese
mit einem gewissen Nebengedanken ausgesprochene Angabe jeden
falls auf einem Irrthum, indem Marcus thatsächlich einmal, und zwar
bereits im Jahre 1639 den Grafen Franz v. Sternberg auf dessen
Beise nach Rom begleitete, ein andersmal — wie ich eine dies be
stätigende Stelle in seinem Werke: lldv reavrwv aufgefunden 1 ) —
sich mit dem kaiserlichen Hoflager einige Zeit zu Frankfurt am Main
aufgehalten hat.
Noch kommt zu erwähnen, dass der greise Marcus am 15. Jän
ner 1662 für dieses Jahr zum Rector Magnificus der vereinigten
Carolo-Ferdinandeisehen Universität gewählt worden sei und dieses
höchste akademische Ehrenamt geführt habe.
Mit äusseren Glücksgütern reichlich versehen, dabei sehr be
scheiden und in jeder Beziehung mässig lebend, ungeachtet seines
schwächlichen Körperbaues dem ärztlichen Berufe bis zum letzten
Augenblicke mit voller Aufopferung sich hingebend, ein wahrer Vater
der Leidenden und Armen — starb Marcus, allgemein betrauert, in
seinem 72. Lebensjahre, am 10. April 1667 zu Prag, nachdem er
noch kurz vorher eine Berufung an die Oxforter Hochschule erhalten;
zum offenbaren Beweise, dass Marcus nicht nur „in Deutschland genannt
und gekannt“ gewesen, sondern dass sein gelehrter Ruhm weit über
die Marken seines Vaterlandes sich verbreitet habe. Die irdische Hülle
wurde feierlich auf dem Altstädter Friedhofe der Jesuiten beerdigt,
denn Marcus hatte sich einige Tage vor seinem Hinscheiden in diesen
Orden einkleiden lassen!
Die theils von Dr. Marcus selbst, theils durch Vermittelung
seines ehemaligen Schülers und spätem Freundes Dr. Dobrzensky
0 Es heisst nämlich in dem Aufsatze: de lapillo Bulleri (S. 343): Esse vero basin hujus
Lapilli vitriolum, fassus est ejusdem filius Mercurius eo tempore, quo Francofurti
cum Aula Caesarea manebam, familiariter ibidem mecum conversatus, ut quasi
quotidie nostras aedes adibat.
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
135
(siehe weiter unten) herausgegebenen und im Drucke erschienenen
Schriften welche mir beinahe insgesammt Vorlagen und zugänglich
waren, sind in chronologischer Reihe folgende:
1. Disputatio medica de Temperamento in genere et gravissimo-
rum morborum Tetrade, Epilepsia, Vertigine, Apoplexia et Paralysi,
quam .. . praeside Domino Franco Roia de Aquista, Pace Vero-
nensi etc. publice examinandam proponit Joannes Marcus, A. et
Philos. Mag., V. M. Candidatus Anno MDCXXY. Pragae typis Pauli
Sessii. 4. (Befindet sich in der fürstlich Lobkowitz’schen Bibliothek
zu Prag unter der Zahl 1464S und ist dem Sohne seines obenange
führten Mäcens, dem jüngeren Fürsten Wenze 1 Eusebius v.LoIc
kowitz dedicirt.)
2. Idearum operatricium Idea sive Hypotyposis (bei Guhrauer
fälschlich: hypothesis) etdetectio illius occultaeVirtutis, quae semina
foecundat (bei Guhrauer fälschlich: secundat) et ex iisdem
Corpora organica producit. Authore Joanne Marco Mar ei etc.
Anno MDCXXXV in 4. (Mit mehreren in den Text eingedruckten
Abbildungen. Wir werden das Werk weiter unten ausführlicher
besprechen.)
3. De proportione motus seu regula sphygmica ad celeritatem
et tarditatem pulsuum ex illius motu ponderibus geometricis librato,
absque errore metiendam. Pragae, typis Joannis Bilina 1639 in 4.
(Diese Schrift, mit dem Bildnisse des Verfassers geziert, ist dem
Kaiser Ferdinand III. gewidmet.)
4. Marci Marci disputatio medica de pulsu ejusque usu.
Pragae 1642. Typis Georgii Schyparz. 4. (Enthält nicht, wie man
durch den Titel verleitet glauben sollte, eine medieinische Abhand
lung über den Puls, sondern handelt über den Stoss in mechanisch-
pbysicalischer Beziehung.)
5. Observationes exotieo-philosophicae. Pragae 1647. (Diese
Schrift sah ich nicht.)
6. De causis naturalibus pluviae purpureae Bruxellensis. Ad
reverendissimum D. Joannem Caramuelem Lobkowitz etc.
Pragae tvpis academicis 1647. 24 Seiten in kl. 8. (Der Verfasser
erklärt den am 6. October 1646 bei Brüssel gefallenen rothen Regen
nach den Ansichten des gelehrten J. J. Chi fl et.)
7. Theses physico-medicae de petrificatione in genere et de
Duelech seu petra humana, quas ... in Universitate Pragensi praeside
136
Dr. Wilhelm Weitenweber.
Joanne Marco Marci discutiendam proponit Joan. Carol.
Kirchmayer de Reichwitz die 29. Aprilis 1648 in 4.
8. De proportione motus Figurarum rectolinearum et Circuli
quadratura ex motu. Pragae ex typographia academica 1648 in 4.
(Dieses Buch, eine Frucht zehnjährigen Forschens und Nachdenkens,
dedicirte Marcus dem Kaiser Ferdinand IV.)
9. Thaumantias. Liber de Arcu Coelesti deque colorum appa-
rentium natura, ortu et causis. In quo pellucidi Opticae fontes a sua
scaturigine, ab his vero coloi-igeni rivi derivantur; ducibus Geometria
et Physica hermeto-peripatetica. Pragae typis academicis, anno
Christi 1648. 268 Seiten in 4. (Auch dieses grössere und bedeutendere
Werk ist dem Kaiser Ferdinand III. gewidmet.)
10. Dissertatio in Propositiones physico-mathematicas de natura
Iridos Reverendi P. Balthasari Conradi etc. Pragae ex typogra
phia G. Schyparz 1650 in kl. 8. (Eine Widerlegung der von P. Con
radi, Professor der Mathematik an der Clementinischen Akademie,
veröffentlichten Ansichten über den Regenbogen; dieses polemische
Schriftchen ist gegenwärtig selten und befindet sich in der Prager
k. k. Universitäts-Bibliothek.)
11. De longitudine seu differentia inter duos meridianos, una
cum motu vero Lunae inveniendo ad tempus datae observationis.
Pragae 1650, typis Georgii Schyparz, in 8. (Diese Schrift gibt ein
ehrenvolles Zeugniss von den tüchtigen Studien des Verfassers .auf
dem astronomischen Gebiete, und ist dem spanischen Könige Phi
lipp IV. gewidmet; mit 2 Tafeln Abbildungen.)
12. Anatomia demonstrationis hahitae in promotione academica
die 30. Maji per rev. P. Conradum etc. de angulo, quo Iris continetur.
Authore Joanne Marco Marci etc. Pragae 1650 in kl. 8. cum
appendice. (Behandelt neuerdings den oben sub Nr. 10 angegebenen
Gegenstand in persönlich, polemischer Weise.)
13. Labyrinthus, in quo via ad Circuli quadraturam pluribus
modis exhibetur. Pragae 1654 in 4. (Nach dem damaligen Stand-
punct der Wissenschaft scharfsinnig.)
14. Ildv iv nccvTMv seu Philosophia Velus Restituta. Omnia in
Omnibus. Pragae, typis academicis. Anno Domini 1662. XXII und
580 Seiten in gr. 4. (Ist dem römischen Kaiser Leopold gewidmet.
Eine zweite Ausgabe dieses Buches erschien zu Frankfurt und Leip
zig, auf dem Titelblatte mit der Jahreszahl 1667, auf dem beigefiigten
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
137
Titelkupfer aber 1676 [welches ist unrichtig?] und mit dem aus
drücklichen Beisatze auf dem Titelblatte: Propter distracta liinc inde
exemplaria seduloque hactenus quaesita, denuo recusa. Sumptibus
Christiani Weidmanni. Übrigens beinahe ganz gleicher Abdruck, die
selbe Seitenanzahl und sonstige typographische Ausstattung, wie ich
aus genauer Vergleichung beider Exemplare, wie sie in der fürstlich
Lobkowitz’schen Bibliothek aufbewahrt werden, ersehen konnte.)
15. Liturgia mentis seu disceptatio medica de natura Epilepsiae,
illius ortu et causis, deque symptomatis, quae circa imaginationem et
motum eveniunt, in qua multa scitu digna, diflicilia et recondita de-
teguntur. Opus posthumum, cui accessit tractatus medicus de natura
urinae, et consilia tria medica. Leopoldo Caesari dedicavit Jac.
Joan. W. Dobrzensky, praemisso authoris elogio et praefatione
de scriptis ejus. Ratishonae anno 1678 in 4.
16. Otho-Sophia seu Philosophia Impulsus universalis .Toannis
Marci Marci etc. Opus posthumum nuperrime in ejusdem authoris
Liturgia mentis promissum, in quo admiranda Genesis, Natura, Pro-
gressus, Vires Impulsus cum in Animalihus, tum liquidis et solidis
Corporihus catoftixraw? explicantur. Opus curiosioribus Medicis, Ma-
theiriaticis, Philosophis utile ac perjucundum, Nunc primum cum
aeneis figuris in lucem editum a Jac oho Jo an. Wenc. Dobrzensky
de Nigro Ponte. Vetero-Pragae typis Danielis Michalek 1683 in 4.
Mit Bezug auf die so verschiedenartigen wissenschaftlichen Stoffe
welche in den eben aufgezählten Schriften von unserm Dr. Marcus
behandelt werden, konnte der berühmte Zeitgenosse Bohuslaw
Baibin, welchem Marcus nach seiner eigenen dankbaren Aussage
ebenfalls aus einer schweren Krankheit das Leben gerettet hatte, in
einem eleganten Gedichte singen:
Astronomus, Sopbus et Medicus, Geometra, Vates,
Quae divisa Alii, Marce! jugata tenes.
Quid memorem, Chemia, tuae documenta Palaestrae,
Quaeque ruber fulvo parturit ore Leo?
Circulus et motus, medium, maris aequor, Ideae,
Iris et umbra, Tuum Marce! loquuntur Opus.
Und sein gewesener Schüler und später vertrauter Freund, der
oben mehrmals erwähnte Dobrzensky, nennt ihn „christianum Eu-
clidem, bohemicum Platonem, Pragensium Hippocratem.“
138
Dr. Wilhelm Weiten web er.
Um aber die dreifache schriftstellerische Thätigkeit und Stel
lung unseres gelehrten Landsmannes •—■ als Philosoph, Physiker und
Arzt — thatsächlich auffassen zu können, wollen wir nun: 1. eines
seiner philosophischen, dann 2. eines seiner philosopliisch-medicini-
schen, und endlich 3. eines seiner physicalisch-matliematischen Werke
einer auszugsweisen Betrachtung unterziehen.
In seinem physiologisch-philosophischen Hauptwerke: Idearum
operatricium Idea nimmt Marcus seinen Ausgang von der
dualistischen Natur aller Geschöpfe, nämlich der körperlichen und
geistigen überhaupt, als welche durch die Allmacht Gottes aus dem
Nichts erschaffen sind. Der Verfasser vertheidigt sich in einem nach
träglich eigens verfassten ausführlichen Vorworte gegen die, ihm
von mehreren Seiten gemachte Beschuldigung, als seien die hierin
aufgestellten Ideen von der bildnerischen Kraft unkatholisch und
ketzerhaft; und hat Marcus aus diesem Grunde das Buch überdies
durch eine Commission von Seiten des Prager Erzbisthums prüfen
lassen, welche dasselbe vollkommen gut hiess *); Das ganze Werk
sollte, nach dem ursprünglichen Plane des Verfassers, aus zwei
Büchern bestehen, von denen aber leider nur das erste durch den Druck
veröffentlicht wurde, obwohl das Inhaltsverzeichnis beider Bücher
vorausgeschickt ist. Schon aus den Überschriften der einzelnen
Capitel lässt sich die, für jeneZeit ganz eigentümliche, der Wesenheit
nach natur-philosophische Richtung des Marcus, als der neuplatoni
schen Schule angehörig, sattsam erkennen. Wenn es — wie Guhr-
auer (a. a. 0. S. 233) sagt — gestattet ist, einen Begriff der heu
tigen Naturwissenschaft auf jene Zeit überzutragen, so könnte man
es den Versuch einer Lehre von der Metamorphose der Pflanzen und
Thiere nennen, alles auf dem Naturgrunde des Systems von Para-
*) Schon bei Lebzeiten des Marcus Marci hatte diese Schrift entgegengesetzte, theils
ungemein lobende, theils tadelnde Beurteilungen und Verdächtigungen erfahren;
daher sagt der Verfasser selbst hierüber : Suas enim Junones suosque anques mox
sensit.— Maximilian Rudolf Freiherr v. Slainicz, damals gerade Official
und Generalvicar des Prager Erzbischofs, Sr. Eminenz des Cardinais Grafen Ha r r a c h,
hatte noch vor der Drucklegung des Buches zwei gelehrten Theologen (nämlich dem
Frater Franz v. Padua, Präses des Franciscaner-Convents hei Maria-Schnee, und
dem Frater Bonaventura Tanzarella, Doctor der Philosophie und Theologie,
General-Commissär des Carmeliter-Ordens) aufgetragen , sich über die darin ausge
sprochenen Ansichten Marci schriftlich zu äussern. Beide fanden das Buch „sehr
gelehrt und geistreich verfasst, doch keineswegs etwas gegen die Religion und die
guten Sitten enthaltend.“
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
139
celsus und dem altern von Helmont. Es war demnach ein, von
unserm Landsmanne bereits vor mehr denn 200 Jahren, auf seine
originelle mystisch-scharfsinnige Weise durchgeführter Vorläufer der
seit Göthe in neuester Zeit in Deutschland so beliebt gewordenen
natur-philosophischen Idee Schleiden’s und Anderer im Gewände
des zu seiner Zeit eben auch geistesmächtigen Neuplatonismus.
Die Überschriften der einzelnen acht Capitel des ersten Buches
lauten alsos: 1. Quid semen, quo modo et a quibus producatur? —
2. An semen animatum, et an una numero Anima in homine? —
3. Quid et quo modo se habeat in semine Virtus formatrix? — 4. De
erroribus, qui contingunt in formatione foetus, et de Monstris. —
5. De variis impressionihus Corporum in figura et colore; et de viribus
Imaginationis. — 6. De magnitudine Corporum in unaquaque specie,
an semper decrescat? et de Pygmaeis et Gigantibus. — 7. De simili-
tudine et differentia in Sexu, corporis forma et moribus; et de An-
drogynis. — 8. De varia naturae bumanae cum Brutis, et horum inter
se mixtione; ubi de Satyris, Nymphis, Cynocephalis, Sirenibus, Tri-
tonihus, Harpyis. Hiermit Schluss des ersten Buches.
Die ebenfalls acht Capitel des, nicht im Drucke erschienenen,
zweiten Buches sollten folgende Gegenstände umfassen: 1. De trans-
plantatione in Vegetabilibus, Metallis, Gemmis, Lapidibus et reliquis
subterraneis; in Meteoris, item et Elementis. — 2. De subordinata
Generatione deque iis, quae nascuntur ex aliorum corruptione; et de
putredine. -— 3. De umbratili generatione in vapore, fumo, igne,
facie, crystallo, urina. De Electro, spectro magico, ubi de variis
apparitionibus et de spectris. — 4. De corporum regeneratione et de
Metempsychosi animarum. — 5. De metamorphosi et corporum trans-
mutatione, ubi de Lycanthropis et de Lamyis. -— 6. De animarum a
suis corporibus egressu, et longissima peregrinatione, ubi de statu
animae separatae. — 7. Quid mors et interitus rerum; et de Orco
Hippocratis, Nocte Orpliei, Cbao antiquorum. — 8. An Mors naturae
viribus possit impediri? ubi de arbore vitae et medicina Philosopbo-
rum universali.
Ein viel umfangreicheres, zugleich medicinisches und philoso
phisches Werk unsers Marcus, ein Ergebniss tiefen Nachdenkens
über den Makro- und Mikrokosmus, so wie fleissiger Naturbeobach
tung von dem Standpuncte jener Zeit, ist seine Philo so pliia
vetus restituta. Unter der „alten“ Philosophie versteht aber der
140
Dr. Wilhelm Weitenweber.
Verfasser nicht die altgriechische Philosophie überhaupt, etwa im
Gegensätze zu der neuern christlichen, sondern speciell nur die dem
Aristoteles unmittelbar vorhergehende; es ist dem zufolge dieses
Werk gegen die Grundsätze und Ansichten des letzte™ und der
neueren Peripatetiker gerichtet, wobei Marcus die Philosophie der
jonischen Schule, namentlich die des Demokritus und Anaxago-
ras, in Schutz nimmt. Hat der Verfasser in der früher besprochenen
Schrift sich auf die Erzeugung der Mikrokosmen (der Menschen,
Thiere, Pflanzen und Steine) mittelst des Samens beschränkt, so
handelt er im vorliegenden Buche — jene naturphilosophische Idee
noch mehr verallgemeinernd — von den Ideae seminales im Allge
meinen, so weit nämlich das Weltall aus dem Chaos sich zu ent
wickeln beginnt, so wie von derEntwickelung, Ordnung, Verknüpfung
und gegenseitigen Übereinstimmung (Harmonie) der einzelnen Be-
standtheile des Weltalls. Marcus lehrt hier, dass die himmlischen
Körper denselben Gesetzen unterworfen seien, denen die irdischen
Dinge gehorchen; er stellt unter Anderem auch die Hypothese auf,
dass keine Form ausser der vernünftigen Seele von Neuem entstehe
u. dgl. mehr. Jedenfalls erkennt man auch aus dieser Schrift, wie es
sich der Verfasser angelegen sein liess, sich über die höchsten Auf
gaben der philosophischen Erkenntniss im Zusammenhänge Rechen
schaft zu geben. Seine Schlussfolgerungen gehen, einen scheinbar
richtigen logischen Organismus bildend, Schritt für Schritt vorwärts,
und werden stets auf das Speeialfach des Marcus, nämlich die Heil
wissenschaft, angewendet.
Im ersten Theile: „De mutationibus, quae in Universo Hunt“
werden folgende Capitel (Sectionen) abgehandelt: i. Mundum non
fuisse ab aeterno, atque mutationibus esse subjectum. — 2. An detur
materia prima ? — 3. Quae Aristotelis mens fuisse videatur de genera-
tione, quid alii Peripatetici sentiantde generatione? — 4. Quid sitforma
Substantialis, et an detur a parte rei.— 5. Quomodo forma in materia
praeexistat. — 6. Utrum eadem forma sit aut esse possit in pluribus
materiis. — 7. Sententia illorum, qui negant generationem Substantia-
lem.— 8. An in eadem materia esse possint plures formae Substantia-
les ? — 9. An Sensus et appetitus in homine fiat per animam sensitivam.
— 10. An ratio vegetativi in homine proveniat ab anima rationali.
Der zweit e Theil: „De partium Universi constitutione“ umfasst
insbesondere: 1. De prima Idearum ex Chao evolutione. — 2. Qua
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
141
ratione coelum influat in haec inferiora? —• 3. Quinam effectus pro-
veniant e stellis; actiones vitales etiam quoad Entitatem non neces-
sario resultare in anima replicata. —■ 4. Regressus ad influxus Coele-
stes. — 5. De impressionibus in aere et Meteoris inde causatis; de
corruscatione, tonitru et fulmine. Qua ratione aer mutetur in humidi-
tate et siccitate. — 6. Quos effectus habent aer in corpore humano.
— 7. De causis naturalibus pluviae purpureae.
In der, zum grössten Tbeile physiologische Stoffe erläuternden,
dritten Abtheilung: „De statu hominis secundum naturam“ handelt,
vom mystischen Standpuncte aus, das 1. Capitel: Qua ratione Species,
objectorum se haheant ad sensurn et intellectum. — 2. An Species
sensibiles et objectum sint ejusdem essentiae? Rationes in oppositum
factae expenduntur. — 3. An actiones sensuum sint materiales, et pro
ratione objecti divisibiles? Differentiae inter Ens spirituale et mate
riale. De ubicatione et motu Angelorum; an vacuum seu spatium abs-
que corpore esse possit ? — 4. Actus tarn sensus quam intellectus
esse indivisibiles, neque plures simul inesse posse. — 5. De Unione
inter objectum et intellectum; de notitia, quam Angeli diversi ordinis
habent de se. Qualis differentia conveniat Angelis. Anima separata
Angelis assimilatur, notitiam vero eorum, quae in vita egit vel novit,
secum defert. An et quomodo Anima separata et Daemones a rebus
corporeis patiantur; an Unio objectiva praeter sensus conveniat
animae, in corpore existenti. — 6. De Chao mentali et hujus ad Chaos
Universi analogia; de spectris aeris, qua ratione fiant; de pbasi dicta
Morgana. Non omnia phasmata ratione optica constare. Qua ratione
usus Linguae peregrinae innasci aut a Daemone infundi possit? De
analogia cerebri ad oculum. Qua ratione futurorum notitia nobis ob-
venire possit? — 7. An Idea humana in Chao Universi contineatur?
— 8. De propagatione Ideae humanae; in quo posita sit ratio gene-
rationis humanae. Quaestio I. Qua ratione macula peccati originalis
propagetur? Quaestio II. Qua ratione Christus Dominus dicatur ex
semine David ? Quid semen conferat ad generationem; opinio Harveyi
expensa. Quando foetui humano anima rationalis infundatur? An per
Bestias et Daemones propagari possit genus humanum? De praeroga-
tiva Matrum, et singulari excellentia Dei matris.
Im vierten Theile dieses Werkes handelt der gelehrte
Verfasser unter der Aufschrift: „De statu hominis praeter naturam“
pathologische und toxikologische Gegenstände ab, und zwar: 1. De
142
Dr. Wilhelm W eitenweber.
occasu Vitae humanae; an aliquid vitalis in mortuis maneat? Ex-
stasin diuturnam atque etiam in annos plures posse produci. De Hae-
morrhagia cadaverum. — 2. De morbis. Quid dicetur Archeus? Qua
ratione ideae morbificae, et ab bis morbi producantur? Essentia
morbi juxta opinionem Helmontii expenditur. — 3. De natura veneni,
hujus differentia et efFectu. De rabie canine. De Tarantismo. De
venenis per os assumptis. De viva mortis imagine seu verminatione.
Der ausschliesslich medicinisch-therapeutischen Gegenständen
gewidmete fünfte Theil: „De Curatione morborum“ enthält die
schon damals mit vielem Interesse ventilirte Frage: 1. De Magnetismo
et actionibus sympatheticis. Quid trahatur e vulnere per Unguentum
armarium ex opinione Helmontii. Magnetismus unguenti armarii juxta
mentem Helmontii examinatur. Asseritur verus modus, quo fit Magne
tismus; solvuntur rationes in oppositum factae. De magnetismo Saphiri,
de magnetismo plantarum nonnullarum e. g. Persieariae. De magne
tismo Vitrioli. Opinio illorum, qui curam sympathicam per atomos
seu effluvia corporea fieri putant. De lapillo Butleri et Drif Hel
montii. — 2. De virium coelestium attractione. — 3. Quid malefieium,
qua ratione fiat et curetur. De Brutorum Antipathia. De pisce Eclie-
neide, qua ratione navigia sistat.
Konnten wir aus der Schilderung der erstgenannten Schrift
(Idearum operatricium Idea) uns einen ziemlich genügenden Abriss
von M. Marci’s philosophischem Lehrgebäude bilden, nach dem
sodann betrachteten Buche QMv iv rtävrcnv) nebst den philosophi
schen Ansichten auch einen Theil seiner pathologischen Ansichten
kennen lernen; — so wollen wir, zunächst auf Grundlage eines dritten
bedeutenderen Werkes desselben Verfassers unter dem Titel: Thau-
m a nt i as; über de Ar cn C o e 1 es ti, unsern gelehrten Landsmann
auch noch in Bezug auf seine literarischen Leistungen auf dem
Gebiete der Physik etwas näher beleuchten. Es ist dies Buch in der
That eine würdige Frucht seiner mehrjährigen Tycho de Brahe’-
schen und Kepler’schen Studien, doch auf grossentheils selbst
ständigem Boden; und Marcus sagt in der an den Kaiser Ferdi
nand III. gerichteten Dedication selbst: Audet tandem in lucern pro-
dire ejusdem lucis filia Thaumantias z.aXrj xca zrotxtXvj , quae per
annos novem snb atra bellorum nube delitaverat.
Nachdem der Verfasser zuerst in kurzen Aphorismen das Wesen,
die Eigenschaften und das Sichtbarwerden des Regenbogens, eine
I
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
143
Iris prirnaria und secundaria unterscheidend, besprochen, stellt er
bei dieser Gelegenheit auch folgende zwei Lehrsätze auf: Das Licht
kann von der Farbe nicht getrennt werden; und dann: die Verdich
tung ändert die Farbe sowohl in der Art als im Grade. Beachtens-
werth erscheint uns unter Anderem die Abhandlung über die Conden-
sation und Rarefaction im Allgemeinen, wo sich Marcus Mar ei
namentlich über das Wesen und die Wirkungen des Feuers, sowie
über dessen Ursachen auf eine scharfsinnige Weise ausspricht, indem
er die darüber geltenden älteren Ansichten mit auf eigene Versuche
basirten Gründen zu widerlegen sucht. Mehrere Blätter (p. 43—47)
widmet Marcus der Betrachtung des Knallgoldes (Aurum volatile)
und erklärt dessen gewaltige Wirkungen. Demnächst von der Mög
lichkeit eines Vaeuum handelnd, beschreibt er mehrere fremde und
eigene Experimente mit Glasröhren, in welche theils Wasser, theils
Wein, theils Quecksilber gegossen worden, um einen luftleeren Raum
hervorzubringen. Hierauf setzt der Verfasser in einem eigenen Capi-
tel den optischen Lehrsatz aus einander: dass das Licht durch ein
dichtes Medium intensiver, durch ein dünneres Medium weniger
intensiv sei bei einer und derselben Distanz des leuchtenden Kör
pers — und handelt sodann von dem Wesen und den Eigenthümlich-
keiten der Strahlenbrechung im Allgemeinen, bei welcher Gelegenheit
auch insbesondere der Kepler’sche Satz: dass eine grössere Nei
gung auch einen grösseren Brechungswinkel verursache, ausführlich
nachgewiesen wird. Dagegen behauptet der Verfasser gegen Kep
ler, es werde das Licht nur hei einer gewissen Brechung in einem
dichten Medium in Farben verwandelt, und die verschiedenen Arten
von Farben seien nichts anderes als Erzeugnisse verschiedener Bre
chungen. Die vier Hauptfarben des Regenbogens leitet er von den
eben so vielen Elementen welche sich in der Dunstwolke befinden,
her, und zwar aus der Erde die blaue, aus dem Wasser die
grüne, aus der Luft die gelbe und aus dem Feuer die rothe Farbe. —
Ein besonderes Interesse gewähren, auch in historischer Beziehung,
die dioptrischen Beobachtungen des Regenbogens mittelst des Pris
ma und die daraus abgeleiteten Lehrsätze (p. 94 u. f.) welche von
der guten Beobachtungsgabe des Verfassers ein günstiges Zeugniss
geben. Nachdem Marcus Marci hierauf nebenbei das Wesen der
weissen und schwarzen Farbe einer kritischen Untersuchung unterzo
gen und den Unterschied der ehengenannten von den übrigen Farben
144
Dr. Wilhelm Weitenweber.
scharf zu bestimmen sich bemüht hat, erörtert er die Frage, worin
der eigentliche Grund der Durchsichtigkeit und Opacität liege. Ein
weiterer Gegenstand seiner eifrigen Forschung ist ferner der Reflex,
auf welche Art und von welcher Ursache derselbe hervorgebracht
werde; dann die Erscheinungen die das Sehen durch ein Prisma
erzeugt. Sodann sucht der Verfasser auf wissenschaftlichem Wege
jene Stelle zu bestimmen, wo das optische Bild auftritt (locus imagi-
nis) und die Ursachen davon anzugeben; nach mancherlei physica-
lisch-mathematischen Beweisen gelangt er zu dem Resultate, dass
diese Stelle des optischen Bildes desshalb sehr varire, weil die Licht
strahlen mehr oder weniger von ihrem Centrum auslaufen. Diese Gele
genheit benützt auch Marcus, um über das Aufrecht- oder Umgekehrt
erscheinen des Objects, dessen Vergrösserung oder Verkleinerung,
sowie über die verschiedene Färbung des.Objects zu sprechen.— Im
Ganzen werden im Thaumantias 111 Theoreme nebst zahlreichen
Corollarien und Problemen aufgestellt, welche — wie ich glaube —
auch noch heutigen Tages für die Entwickelung der physicali-
schen Wissenszweige die Aufmerksamkeit und wissenschaftliche Wür
digung der gelehrten Physiker in Anspruch zu nehmen vermögen.
Ich dürfte somit in dieser kurzen Abhandlung meine Eingangs
ausgesprochene Aufgabe gelöst und dargethan haben, dass Johann
Marcus Mar ei, wenn er auch als Schriftsteller keine bleibende
und entscheidende Epoche in dem Gesammtgebiete der Wissenschaft
gemacht, doch in der dreifachen Beziehung als Arzt, Philosoph und
Physiker noch immer einen rühmlichen Platz in derLiterärgeschichte,
insbesondere in der vaterländischen, verdiene, wie ihm derselbe
unter seinen Zeitgenosssen in bedeutendem Masse zu Theil geworden.
II. Jakob Johann Wenzel Dobrzcnsky de Nigroponte.
Habe ich mir im vorhergehenden Aufsatze die Ehre genom
men, der hohen kais. Akademie der Wissenschaften eine literärgc-
schichtliche Skizze des bei seinen Zeitgenossen in weiteren Kreisen
berühmten Prager Professors Dr. Johann Marcus Marci vorzu
legen, so glaube ich kein passenderes und würdigeres Gegenstück
der Bearbeitung erwählen zu können, als den — was Studien und
Zeitfolge anbelangt — demselben zunächst stehenden Dr. Jakob
Johann Wenzel Dobrzensky, welcher seinem eigenen
1
Beiträge zur Literärgescliichte Böhmens. 145
Ausdrucke nach ein treuer dankbarer Schüler und später ein inniglich
vertrauter Freund des Marcus war.
Leider besitzen wir hinsichtlich seiner persönlichen Verhält
nisse nur wenige mangelhafte Notizen welche ich überdies aus hie
und da zerstreut rieselnden, theils gedruckten, theils handschrift
lichen Quellen zu schöpfen bemüssigt war, so dass auch diese meine
Zusammenstellung, wie ich selbst recht gut einsehe, nur gleichfalls
lückenhaft ausfallen konnte.
Jakob Johann Wenzel Dobrzensky (auf den Titeln
seiner in böhmischer Sprache verfassten Schriften mit dem Prädicate
„Czernomostsky“, in den deutschen von „Schwarzbruck“
und in den lateinischen de Nigro ponte) war zu Prag in der
ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts geboren; doch ist nir
gends sein Geburtsjahr, noch viel weniger der Geburtstag zu erse
hen. Ebenso wenig vermochte ich über dessen Eltern, wahrschein
lich Prager Patricier, zu erfahren, nur soviel, dass er ein Enkel des,
durch zahlreiche Schriften moralischen und religiös-ascetischen
Inhalts in böhmischer Sprache, bekannten Wenzel Dobrzensky
(aus den Jahren 1579—1590) gewesen. Doch darf man diese
Familie nicht mit dem gleichnamigen alten und begüterten Freiherren-
Geschlechte Dobrzensky von Dobrzenitz, welches noch heu
tigen Tages blüht, verwechseln.
Die ersten Grundzüge der literarischen Bildung wurden ihm theils
im väterlichen Hause, theils in den niederen Schulen seiner Vaterstadt
beigebracht, wobei der Knabe ebenso vielversprechende Geistesgaben
alsFleiss an den Tag legte. Bald nachdem Dobrzensky, der bestehen
den Studienordnung gemäss, die vorgeschriebenen philosophischen und
ärztlichen Collegien in der, wenige Jahre vorher neuorganisirten
und vereinigten Carolo-Ferdinandea besucht und die letzteren Studien
namentlich unter den damaligen Professoren Johann Marcus
Marci, Nikolaus Franchimont, Jakob Forberger und
Sebastian Christian Zeidler rühmlich vollendet hatte, unter
nahm er — wie es damals die böhmische studirende Jugend gern und
in Bezug auf allgemeine Bildung zu ihrem grossen Vortheile zu thun
pflegte — eine längere wissenschaftliche Reise ins Ausland, und zwar
nach Italien. Es war nämlich Dobrzensky’s Zweck, sich nicht nur
an den dortigen wohleingerichteten Kranken-Anstalten in seiner
Wissenschaft und Kunst noch höher auszubilden, sondern er wollte
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. lid. I. Hft. 10
146
Dr, Wilhelm Weitenweber.
auch die berühmtesten gelehrten Ärzte jenes Landes persönlich ken
nen lernen.
Insbesondere hatte sich der jugendliche Dobrzensky „nach
dem er vieler Menschen Städte gesehen“ eine längere Zeit hindurch
in Ferrara aufgehalten und dort an dem, durch Kriegsruhm wie durch
seine Liebe zu den Wissenschaften gleich ausgezeichneten Inno-
cenz Fürsten von Poli und Quadagnoli einen besondernMäcen
gefunden, so dass er, im Contischen Palaste wohnend, sieh den phy-
sicalischen Studien vorzugsweise widmen konnte, als deren interes
santes Ergebniss Dobrzensky dort im Jahre 16S7seine Erstlings
schrift: Nova et amoenior de admirando fontium genio philosophia
(s. weiter unten das Schriften-Verzeichniss) veröffentlichte. Sein
auf dem Titelblatte beigesetztes Prädicat: de Nigro Ponte soll zu dem
spasshaften, doch für die Italiener leicht verzeihlichen Missverständ
nisse Anlass gegeben haben, als stammte der Verfasser Dobrzen-
taeus von der Insel Euböa, welche bekanntlich den neuen Namen Negro-
ponte führt. —Dass Dobrzensky hierauf auch einige Zeit, und
zwar ausdrücklich im October 16S0 im Herzogthum Parma gewesen,
entnehmen wir aus einer anamnestischen Angabe, welche sich in
einer, vom Verfasser später in den Miscellaneis medico-physicis Aca-
demiae Naturae Curiosorum (Jenae 1671 Annus II.) mitgetheilten
Krankheitsgeschichte befindet.
Von Italien aus verbreitete sieh der günstige Ruf des kenntniss-
reichen jungen böhmischen Arztes und drang auch in seine Heimath,
so dass nach Verlauf weniger Jahre der berühmte Professor an der
Prager Akademie J. M. Mar ei ihn zur Rückkehr ins Vaterland mit
den Worten aufforderte: D. möge doch lieber diesem als der Fremde
sein ärztlich-praktisches Wirken wie seine Gelehrsamkeit zu Gute
kommen lassen. Dieser ehrenvollen Aufforderung seines hochgeach
teten Lehrers Folge leistend, verliess Dobrzensky alsbald Italien,
wo es ihm übrigens gar wohl gefallen, und kehrte nach dem heimath-
lichen Prag zurück. Hier setzte er, an der Seite seines ebengenann
ten Gönners, mit dem grössten Eifer seine gelehrten Studien fort und
wurde am 11. Jänner 1663 zum Doctor der Medicin promovirt, ver
möge welchen akademischen Actes er, der damaligen Universitäts-
Verfassung gemäss, auch sogleich die Licentiam docendi erhielt.
In diesem seinem Lehramte an der Prager Hochschule erwarb
sich nun unser Dobrzensky — dem anfänglich als dem jüngsten
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
147
und ausserordentlichen Professor die theoretischen Hilfswissenschaf
ten anvertraut waren, binnen Kurzem die Zufriedenheit der älteren
Collegen sowie die Hochachtung seiner Schüler. Nachdem aber,
wie wir bereits oben (s. S. 134) erwähnt haben, der greise Senior
der medicinischen Facultät Marcus Marci am 10. April 1067
gestorben war, rückten die Doctoren Franchimont und Forber-
ger zu Professoren der medicinischen Praxis vor, der bis dahin in
der Kategorie eines ausserordentlichen Professors stehende Supplent
Zeidler (vergl. oben S. 130) erhielt die bereits seit längerer Zeit
ihm zugesagte Stelle eines wirklichen Professor institutionum, und
Dr. D o h r z e n s ky wurde mittelst allerhöchster Entschliessung definitiv
zum Extraordinarius ernannt. Hiebei können wir nicht unbemerkt lassen,
dass es zu jener Zeit bezüglich der persönlichen Rangordnung in den
öffentlichen Facultätssitzungen und Vorträgen, sowohl unter den
Professoren selbst als mit den übrigen Collegiaten, zu mancherlei
Auftritten und Zwistigkeiten kam, welche der akademische Senat
schlichten musste.
In Folge der später eingetretenen Todesfälle seiner obenerwähn
ten Vordermänner rückte D ohrzen sky im Jahre 1682 zum Pro
fessor institutionum, sowie im Jahre 1684 zum zweiten Lehrer der
medicinischen Praxis, endlich im Jahre 1690 zum Senior der Pro
fessoren vor. Zum unmittelbaren Nachfolger in der Reihenfolge der
Professoren hatte er den, von seinen Zeitgenossen ebenfalls gefeier
ten Johann Franz Löw v. Erlsfeld, Doctor dreier Facul-
täten, nämlich der Philosophie, Medicin und der Rechte, einen eben
auch sehr geschätzten Arzt Prags.
Was D o b r z e n s k y’s gelehrtes Wirken — das wir vorzugsweise
in das Auge zu fassen beabsichtigen — anbelangt, so lässt sich dasselbe
zum Theil aus dem folgenden Verzeichnisse der von ihm veröffent
lichten Druckschriften ersehen, welches jedoch keineswegs auf Voll
ständigkeit Anspruch machen will, sondern nur die von mir selbst
gesehenen aufzählt.
Nova et amoenior de admirando fontium genio (ex ahditis natu-
rae claustris in orbis lucem emanante) philosophia. Ad votum Illustr.
ac Excell. Domini Domini Innocentii de comitibus ex Ducibus
Poli et Quadagnol i, Baronis Romani etc. perenne fluere jussa.
Auctore Jacobo J. W. Dobrzenski de Nigro Ponte, Boemo
Pragensi P. E. M. D. Opusculum, quod non solum Curiosis ingeniis
10*
148
Dr. Wilhelm Weitenweber,
ob plurimas et novas hydraulicas machinas aeri delicatissime incisas
voluptatem adfert, sed et Philosophis exoticis quibusdam erudit dis-
cursibus, et Matbematicis campum aperit alias plures et ingeniosiores
excogitandi inventione. Ferrariae apud Alph. et Joan. Bapt. de Mare-
stis. 1657 in fol. (Mit 55 in den Text eingedruckten Holzschnitten.)
Die vom Verfasser selbst angegebene Eintheilung und Über
sicht des Inhaltes ist folgende: Novam hanc de Humidi genio Phi-
losophiam trifariam partiri placuit. Pars prima, quasi logica.
De centro gravium in communi, et in specie de Aqua. De ejusdem
sphaericitate et concentricitate cum Terra, de perpendiculari tenden-
tia et porositate discurrit, ubi etiam de potentia, qua ad Centrum
commune gravium liquidum urgetur, nova methodo disserit. Pars
secunda, quasi physica, varius fontium Ideas ex quinque principiis
emanantes proponit: 1. pressione aquae incumbentis, 2. suctu aqua
descendentis, 3. impetu aquae aerem fugantis, 4. violenta aeris pres
sione, 5. violenta aeris rarefactione, et haec multis modis, 6. poten
tia mixta ex aliquo horum principiorum. Pars tertia , quasi meta-
physica, agit de subtilibus quibusdam liquidi experimentis et effi-
cientia, puta de perpetuatione motus per Aquas, de Hydrotechnica et
Hydrologia, de aquarum velocitate et lapsae figura, de modo aquas
in sublime evehendi. — Diese Schrift befindet sich in der Prager
k. k. Universitäts-Bibliothek unter der Signatur XLIX. A. 55 J ).
Von den durch Dr. Dobrzensky alljährlich in böhmischer
Sprache durch eine Reihe von mehr denn 20 Jahrgängen herausge
gebenen Kalendern besitzt die Bibliothek des böhmischen Museums
eine namhafte, doch leider nicht ununterbrochene Reihe vom J. 1665—
1685, welche aber weder einen sieb gleichbleibenden Titel führen,
noch in einem und demselben Verlags- und Druckorte erschienen
sind. So führt der I. Jahrgang folgenden Titel: S Pranostykau Hwez-
darskau Nowy Kalendarz podle Naprawenj Rzehorze Papeze toho
gmenaXIII. .. S pilnostisepsany od WaclawaCzernomostskeho atd.—
*) über denselben Gegenstand handelt auch noch eine andere gleichzeitige vaterländische
luaugural-Dissertation, deren Titel ich aus literargeschichtlichcr Rücksicht vollständig
hieher zu setzen mir erlaube : Genesis fontium , propositionibus pliysico-mathematicis
illustrata et publicae disputationi exposita, quam praeside J oan ne Hanke, Soe. J.,
defendendas suscepit... .Fran ciscus Leo L. B. de Rosmital et Blatna.
Olomuci 1680 in 4. — In der Präger Univ. Bibi, unter XLIX. B. 46.
Beiträge zur Literärgeschiehte Böhmens.
149
Diesem ist, wie alljährlich, ein populär-wissenschaftlicher Anhang
beigefügt unter dem typographisch selbstständigen Titel: Discursus
astrophilomanticus, To gestdüwtipneoOblozenebeskeRozmlauwänj w
nemz pribehy, pfipadnosti, promeny aucinliwostj gak na Swetljch
nebeskyeh, tak na techto Teljch dolegssych .... sepsane gsau skrze
Wäclawa Czerno Mostskeho, Filozofie a Medycyny Doktora, Mathe-
matyckeho Vmenj obzwlasstnfho Milownjka. Na leto Pane po prestup-
nem prwnj 1665. W Praze u J. Arnolta. gr.4. — Einem andern der
artigen Kalender ist beigeschlossen: Prace osmä na Leto Pane pfe-
stupne 1672 w Meste Litomyssli, wytiskl Jan Arnolt z Dobroslawina;
der Anhang führt die Aufschrift: Discursus sphaerographici Con-
tinuatio VIII., und so fort bis zum J. 1685, wo die Continuatio XX.
mit jedesmal anderen belehrenden Aufsätzen diätetischen, ärztlichen,
historischen u. dgl. Inhalts in böhmischer Sprache erschienen, die
als wahre Volksbücher zu betrachten sind, wenn man natürlicher
Weise dem damaligen Stande der allgemeinen Bildung gebührende
Rechnung trägt.
In dem, zu seiner Zeit berühmten und für die betreffende Litera
turgeschichte noch immer sehr wichtigen Sammelwerke: Miscellanea
curiosa medico-physica Academiae Naturae Curiosorum, seu Eplie-
meridum medico-physicarum germanicarum curiosarum Annus primus,
anni scilicet 1670 mi continens etc. (Lipsiae 1670), welches freilich,
von unserem gegenwärtigen wissenschaftlichen Standpuncte aus
betrachtet, gar mancherlei „Curiositäten“ der gelehrten Welt mit
theilt und uns nicht selten ein ungläubiges Lächeln abzwingt, sind
folgende Aufsätze unsers Schriftstellers enthalten: 1. Mors horrida
a febre maligna laborantis rustici (ohservatio 78). — 2. Artificialis
Pygmeorum efformatio (obs. 79). — 3. Illustrissimi Hypochondriaci
mors misera ab inunctione mercuriali (obs. 80). — 4. Calculi cystidis
felleae et meatus hepatici (ohs. 129). — 5. Anatome cerebri bovis
petrefacti (obs. 130). — Im nächstfolgenden zweiten Jahrgange
desselben Sammelwerkes (Jenae 1671) finden wir von Dobrzen-
s k y’s medicinischen und naturwissenschaftlichen Mittheilungen wei
ters: 6. De calce podagricorum (obs. 65). — 7. Analogiae terrae
motus anno elapso in Tyroli facti cum hypochondriacis (ohs. 60). —
8. Epilepsia foeminae parturientis (obs. 61). — 9. Mors repentina
ex morbo caduco (ohs. 179). — 10. Partus ob abscessum impeditus
(obs. 180). — 11. Calculi pulmonum et ventriculi (obs. 181). —
150
Dr. Wilhelm Weitenweber.
12. Mors ex esu Hellebori albi (obs. 182). — 13. Perlanim matura-
tionis historia (obs. 183). — 14. Uterus ex difficili partu perruptus
(obs. 254. Eine Beobachtung des Prager Arztes Dr. Simo n Al. Tud e-
cius deMonte Galea). — Endlich kommen im dritten Jahrgange
dieser Miscellaneen (Lipsiae et Francofurti 1681) vor: IS. De incre-
mento plantarum et fruetuum impedito (obs. 242). — 16. De Haemor-
rhagia Nyctalopiam subsequente (obs. 243).
Als sieb in den Jahren 1678—80 die verheerende orientalische
Pestseucbe neuerdings über Polen und Ungern den Grenzen Böhmens
immer näher und näher zog, sann der vielerfahrene und gelehrte
Dobrzensky auf ein Mittel, durch welches seine Landsleute, und
insbesondere die Priester, Ärzte und andere solche Personen die in
unmittelbaren Verkehr mit Pestkranken zu treten gezwungen sind,
wirksam geschützt würden. Er machte endlich ein solches Vorbau-
ungsmittel in einem besondernTraetat bekannt, den Dobrzensky,
um selbes recht zu verbreiten alsbald in drei Sprachen zugleich
(nämlich böhmisch, deutsch und lateinisch) verfasst hatte. Mir liegen
nur Exemplare der deutschen und lateinischen Ausgabe vor; von der
böhmischen findet sich leider weder in der Prager k. k. Universitäts-
Bibliothek noch in jener des böhm. Museums ein Exemplar vor. Sein
vollständiger Titel ist: Praeservativum universale naturale Augustis-
simo Romanorum Imperatori L e o p o 1 d o I. humillime ohlatum, sine
pretio pretiosissimum, sine labore facillimum: contra omnem in Aura
serpentem Contagionem, maximorum occasionem Morborum. Natura
stimulante, Sensu obsequente, Experientia ohservante, Ratione con-
firmante, in artem deductum et pro Bono publico patefactum a J a-
cobo Joanne Wenceslao Dobrzensky de NigroPonte etc.
Excusum Pragae typis Univ. Carolo-Ferdinand. Anno 1679 in kl. 8.
31 Seiten. Mit dem Chronographicon: Anno qVo patrlos affLICta
Vienna pennates | VIDerat, InVIso pestls ab Igne Morl.
Die deutsche Ausgabe dieses Büchelchens lautet: Allgemeines
natürliches Praeservativ- oder Verwahrungs-Mittel wider alle vongiff-
tiger Lufft herrührende, höchst gefährliche und gar leichtlich anste
ckende Seuchen, kunstreich erwogen, und dem gemeinen Nutzen
zum besten eröffnet und mitgefheilt von Jacoho Joanne Wen
ceslao Do brzensky von Schwarzbruck u. s. w. In Verle
gung Johann Zieger’s, Buchhändler in Nürnberg 1680, 32 Seiten in
kl. 8. — Die böhmische Ausgabe erschien nach unseres berühmten
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens. 151
Jungmann’s Angabe unter dem Titel: Weregnä a prirozenä pfed
nemocmi obrana. W Praze u Jana Arnolta 1679, in kl. 8.
In der an den Kaiser L eo pold I. gerichteten Widmungszuschrift
sagt der Verfasser selbst, dieses Büchlein könnte „je eher mit einem
höchst geneigten Auge begünstiget werden, je unfehlbarere und dem
gemeinen Völklein bequemlichere, ohne Schützbarkeit höchst schätz
bare und zur Gesundheit trefflich erspriessliche Mittel dasselbe mit-
getheilt.“ — Nachdem Dobrzensky einen ziemlich weitläufigen phy
siologisch-diätetischen Excurs über die „nun zuvor unflätige, jetzt aber
höchst nöthige Feuchte des menschlichen Speichels“ vorausgeschickt,
kommt er auf das „Object, Gegenwurf und Materi“ dieses Büch
leins selbst. Es dürfte vielleicht nicht am Unrechten Orte und für
manchen Leser nicht uninteressant sein, die Worte des Autors getreu
wieder zu vernehmen. Sie lauten:
„Ich habe Vorzeiten selbst unbedachtsam in Gewohnheit gehabt,
und gesehen dass es fast alle Menschen auch also gemachet, und
noch biss auf diese Stunde sich also verhalten, dass sie bei Anschau
ung eines stinkenden widerwärtigen abscheulichen und unangeneh
men Dinges, aus keiner andern Anleitung, sondern einig und allein
aus Antrieb der Natur, gleichsam aus Verächtlichkeit auszuspeien
pflegen, dann der Geschmack, so diese auf der Zungen liegende
widerwärtige Feuchtigkeit empfindet, gehorchet aus Beihiilffe dess
Speichels der Anreitzung der Natur, damit er alles, was schädlich
ist, durch das Ausspürtzen von sich treibe. Als ich diese Austreibung
der allervorsichtigsten Natur und derselben geleisteten Dienst etwas
tiefsinniger bei mir selbst erwogen, auch hierauf einen Arzt abgege
ben, unterschiedliche Kranken in ihren Zimmern besuchet und dar
innen den vielfältigen Gestank verspüret, bin ich endlich aus eige
ner Erfahrung zur gründlichen Erkanntnüss der auch in diesem Fall
mir willfährigen Natur kommen. Und obschon ich vor Jahren in
Welschland so viele Spithäler und in denselben viel mit der franzö
sischen Krankheit, Lungensucht, hitzigem Fieber und Blattern Behaff-
tete . . . zum öftern besucht habe, habeich mich doch jederzeit durch
Auswerffung dess Speichels so weit verwahrt, dass ich niemals durch
Gottes sonderbare Gnade bin angestecket worden, ob ich mich gleich
sonst keiner andern natürlich-beispringenden Hülffe bedienet. Dannen-
hero hab' ich angefangen, die Ursachen dieser Beobachtung an den
Tag zu bringen und daraus geschlossen, dass die Natur uns in
152
Dr. Wilhelm Weiten web er.
diesem Pall ein solches Mittel vorgestrecket, vermög dessen ein
Mensch, der sonsten durch die Gnade Gottes wohl disponiret und
unter den Kranken an einem verdächtigen Ort wohnet, so lange er
den Speichel nicht verschlinget, sich vor allen, so viel es möglich,
ansteckenden Krankheiten verwahren möge .... Es sind subtiele
und sehr anhängende Dämpfe, welche gemächlich, ehe man’s spüret,
durch den Schlund sich dem Speichel beifügen und den Magen bald
anstecken, ja auch daselbst einwurtzeln, so dass also von deroselben
Vermischung mit dem Blut alles Übel herrühret. Dannenhero dieses
mein letzter und eigendlicher Aussspruch zur allgemeinen Vorbehü
tung und Verwahrung ist: Wer mit Kranken handelt, sie mögen auch
mit einer Krankheit behafftet sein, wie sie immer wollen, der soll kei
nes wegs, so lang er mit ihnen umbgeht, den Speichel verschlucken,
sondern allzeit aus dem Munde werffen. Und also gelebe ich der
Hoffnung, dass ein Solcher durch göttlichen Beistand und natürliche
Hiilffe von aller sonst gewiss ansteckenden Seuche wird befreyet
bleiben!“ —
Als jedoch bald nach Veröffentlichung dieses Gegenstandes-
unter anderen Gegnern auch ein gewisser Johann Friedrich von
Rain zuStermoIl undRadelsegkh in einer, auf ganz unwürdige Weise
polemisirenden, von alchymistischen Grillen über den Stein der Wei
sen angefüllten Schrift den Werth des von Dobrzensky so wohl
meinend empfohlenen Vorbeugungsmittels bestritt, ja sogar den Ver
fasser des Verbrechens der verletzten Majestät beschuldigte, — fan
den sich wieder mehrere gelehrte Männer welche unter verschiede
nen Pseudonymen die Ansicht Dobrzensky’s in Schutz nahmen
und jenen eben so unwissenden als frechen Schriftsteller zurecht
wiesen 1 ). Dass sich übrigens unser auch als ärztlicher Praktiker in
*) Als literarische Belege, wie hitzig die darüber entbrannte Polemik geführt wurde,
erlaube ich mir nebst der Schrift des Joannes Christian Tr al les: De insufficien-
tia salivae pro Praeservativo universaii Pestis naturali. Olsn. Siles. 1G80 noch einige
Tractate zu nennen. Namentlich: Praeservativum universale naturale a Natura et
Arte depromptum in omni morborum genere est Lapis Philosophorum, cujus possibi-
litas, realitas, existentia et praeparatio , quantum licet, quodque is solus sit unicus
morborum omnium debellator Hercules contra Jacobum Joan. W. Dobrzensky de Nigro
Ponte . . . remonstratur editore Joanne Friderico a Rain ad Stermoll et Radelsegkh.
— Ferner gehört hieher: Epistola novi praeservativi universalis naturalis, nunciatoria
Criminis Caes. Majestatis laesaeque graviter famae vindicatoria ad praenob. ac excell.
■
i
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
153
Prag hochgeachtete Dobrzensky in der wirklich neuerdings aus
gebrochenen Pestkrankheit durch unermüdlichen Sanitätsdienst und
durch eine, dem damaligen Zustande der ärztlichen Kunst entspre
chende Behandlung rühmlich hervorgethan, ist mehrseitig bei den
Zeitgenossen sichergestellt. Einige amtliche Daten über die nächst
folgende Epidemie habe ich in meinen „Mittheilungen über die Pest zu
Prag in den Jahren 1713—1714“ (Prag 1852 in 4.) veröffentlicht.
Es wäre an diesem Orte überflüssig, die posthumen Werke des
Dr. Marcus Marci nochmals zu nennen, deren Herausgabe sein
literarischer Erbe D obrzensky besorgt hat, indem ich dieselben
bereits bei der Schilderung des Erstgenannten (s. oben S. 135 ff.) voll
ständig aufgezählt habe. Hier kommt nur zu erwähnen : Lachryma
nondum arescens, olim in Liturgia mentis Excell. Viri Joannis
Marci, Viri ob raram in philosophicis, mathematicis, astronomicis,
chymicis, medicis Scientiam, eruditionem et doctrinam, vitae morum-
que probitatem. alias denique praeclaras virtutum dotes toto facile
Terrarum Orbe longe aestumatissimi profusa, nunc denuo grata ejus-
demDilecti Magistrisui veneratione, bonis omnibus Marcianarum virtu
tum Admiratoribus ad aeternam memoriam Epicedio encomiastico
exhibita. Pragae typis Georgii Czernoch Anno 1684. in 4.; in wel
cher Schrift sich Dobrzensky, selbst bereits in höherem Alter
stehend, neuerdings als dankbarer Schüler und Verehrer seines ihm
unvergesslichen Lehrers erwies. Befindet sich in der Prager k. k.
Universitäts-Bibliothek unter der Signatur LII. C. 13.
Dominum Jacobum J. W. Dobrzensky de Nigro Ponte etc. Dominum, Amicum et Pa-
tronum suum Colendissimum. Anno 1681. Am Schlüsse der Schrift die Unterschrift:
Dabam e musaeolo meo Phosphoriburgi ad SoHs-vicum 20. Octobr. Anno 1681 Tuus
promptissimus Servus et Fidelissimus amicus J o a n. Y a 1 en ti n us von Schwar
tzenwald, M. D. — Bald darnach erschien ebenfalls im Druck: Judicium philoso-
phico-ethico-chymico-medicum de illa Veteri toties jam ventilata et nondum resoluta
controversia: An detur Lapis Philosophorum ? Et ejusdem indefinita in Morbis tarn
praeservandis quam curandis Yirtus. Leviter mota a praenob. et excell. D. J. J. W.
Dobrzensky de Nigro Ponte etc. . . . acriter defensa a D. Joanne Frid. a Rain etc. . . .
Germane id est candide forma epistolari conscriptum a Didaco Germano, Phil, e
Med. Doctore. Anno Domini 1682. — Im selben Jahre noch: Theatri alchymistico-
medici breve et jucundum spectaculum Agentibusßinis in scenam Personis , medico in
humilitate Curioso et alchimista in curiositate Fastuoso; observantibus Jona Zela-
tore et Lucido Pamphilo, curiosis duobus mundi litterarii peregrinis defae-
catae passionis Sapientibus communicatum. Am Schlüsse des in Briefform verfassten
Büchleins: Dabam in via Montis Calvariae, prid. non. Febr. Anni 1682. w.
154
Dr. Wilhelm Weiten web er.
Ferner hatte D o b r z e n s k y als Anhang zu der, von ihm als posthu
mes Werk des Marcus Marei herausgegebenen Othosophia seu
Philosophiaimpulsus universalis (s.obenS.137)noeh beigefügt:Monita
quaedammedica ad yaletudinem conseryandam ex familiaribus colloquiis
clarissimi aetate sua medici et Bohemiae Hippocratis Marei Marei
collecta. — Dieser Aufsatz enthält mehrere, auch noch heut zu Tage
beachtens- und beherzigenswerthe, auf reife Erfahrung gegründete
Aussprüche jenes grossen Arztes, echte Monita. So sagt Dohrz ensky
unter Anderm: Plurimum Marcus tribuebat Naturae, adeo ut quibus-
dam hac in re nimius videretur; frequenter habebat in ore (quod irri-
debant aemuli): sinamus agere naturam, illa dabit indicium! adjuve-
mus Naturam e. s. p.
Endlich ist hier noch folgendeInaugural-Dissertation anzuführen,
welche unter Dobrzensky’s Präsidium erschienen ist: Hippo-
crates rediviyus seu theses medicae inaugurales, primum quidem prae-
liminaria quaedam antiphysiologica, post ad usum quarundem partium
appertinentia physiologica, demum securiorem medendi methodum et
principia rerum Hippocratica continentes. Suh praesidio J. J.W. Do
brzensky etc. propugnandas suscepit Joann es Ign. Fr an c. V o ita.
Pragae 1684 in 8. (in der Prager k. k. Univ.-Bibliothek XLVIII.
G. 22).
Akademische Würden sind unserm Prof. Dr. Dobrzensky
mehrmals übertragen worden, wie aus dem Archive der Prager medici-
nischen Facultät zu ersehen ist. So bekleidete er das medicini-
sche Decanat zu wiederholten Malen, nämlich in den Jahren 1683
und 1684 nach einander; zum Universitäts-Rector wurde er ebenfalls
zweimal, und zwar am 13. August 1670 und sodann am 8. August
1685 inaugurirt. Weniger hatte ih.m die Glücksgöttinn bezüglich der
Erwerbung äusserer Güter zugeläclielt, wie überhaupt auch schon im
17. Jahrhundert der Satz: „Dat Galenus opes“ keine allgemeine
Geltung gehabt zu haben scheint. Denn wir finden z. B. im gleichzei
tigen Facultäts-Protokollbuche die keineswegs erhebende Bemerkung,
dass Professor v. Zeidlern die schuldigen, monatlich abzuführen
den Zinsen von einem aus der Facultätscasse entlehnten Capitale per
200 Gulden nicht bezahlt habe; ferner dass Prof. Dobrzensky
gezwungen gewesen, seine Bücher zeitweise bei den Juden zu ver
pfänden; endlich dass der Professor Senior Kirchmayer von
Rei chwitz nach seinem Tode nicht einmal so viel hinterlassen habe,
Beiträge zur Literärgeschichte Böhmens.
ISS
damit die Facultät dessen Sohne 300 Gulden ereditiren konnte! —
Andererseits lesen wir aber dort wieder: Als es sich in der
Facultätssitzung vom 7. September 1685 um die Ausmittelung der
Quelle handelte, aus welcher die im Collegium medicum eben aufzu
hängenden Bildnisse der kürzlich verstorbenen Professoren Marci
und Franchimont bezahlt werden sollten, wurde beschlossen,
dass hiezu die Facultätscasse nicht in Anspruch zu nehmen sei,
sondern Prof. Dobrzensky sprach sich dahin aus, das Bildniss
des Mar cus, sowie Prof. Löw v. Erlsfeld jenes des Franchi-
mont aus Eigenem bestreiten zu wollen.
In Bezug auf Dobrzensky’s Nachkommenschaft ersieht
man, in Ermangelung anderer verwandtschaftlicher Quellen
welche mir bekannt geworden, auf eine freilich nur mittelbare
Weise, dass er einen Sohn und eine Tochter gehabt, aus folgenden
Daten:
a) Im gleichzeitigen Protokollbuche der med. Facultät heisst es:
Die 17. Decembris 1683 tentatus est pro gradu Dominus Franc.
Octavianus Dobrzensky a Nigro Ponte, Patricius Pragensis,
cui ob merita Domini „sui parentis“, Professoris ordinarii et pro tem
pore Bectoris Magnifici. taxa absolute fuit condonata, cum hac tarnen
reservatione expressa, ut si in posterum Excell. Domini Senioris Doc-
toris a Zeidlern dominus filius, atque Domini Doctoris Löw frater
se ad gradum disponeret, gratia et beneficio ejusdem taxae frui
possint ac queant.
b) In der Sitzung der medic. Facultät am 9. Juli 1694 wurde
dem absolvirten Studiosus der Medicin, Karl Buchmann, die ärzt
liche Praxis untersagt, ausser wenn er mit seinem „Schwiegervater“
Dr.Dobrzensky ginge; auch wurde derselbe ermahnt, dass er noch
bei Lebzeiten dieses seines Schwiegervaters den Anfang mache mit
der Erlangung des Gradus u. s. vv.
In den literarhistorischen Notizen über Dobrzensky fand ich
nirgends seinen Todestag angegeben; nur nach des verdienstvollen
Decans Längs wert handschriftlichen Materialien zu einer Ge
schichte der Prager medic. Facultät soll es der 3. März 1697 sein.
Da aber — wie ich Eingangs erwähnte — sein Geburtsjahr nicht
bekannt ist, so kann man nicht mit Verlässlichkeit berechnen, wie alt
er eigentlich geworden. Das von Langswert angeführte Jahr gewinnt
dadurch an Wahrscheinlichkeit, dass laut dem Protokollbuche die
156 Dr. Wilhel m Weiten web er. Beiträge zur Li terärgeschi eilte Böhmens.
medicinischen Professoren arn 17. Mai des obgenannten Jahres zu
einer Berathung zusammengetreten waren, welcher von den Compe-
tenten für die erledigte ausserordentliche Lehrkanzel vorzuschlagen
wäre, in dem Falle, dass Prof. Voigt in die Kategorie der ordentli
chen Professoren vorrücke; man entschied sich für den Excellentis-
simus Dominus Crusius (Krause?).
Verzeichuiss der eingegangenen Druckschriften.
157
VERZEICHUISS
DER
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JÄNNER.)
Academy of Sciences, New-Orleans. Proceedings, Vol. I, Nr. 1.
Agassiz, L., On ichthyological Fauna of the pacifie slope of N.
America. (American Journal of science. Ser. 2, Vol. 19.)
— Notice of a collection of fislies from the Southern hend of the
Tenessee river. N. Haven 1854; 8 0,
— The primitive diversity and number of animals in geological
tirnes. (Ibid. 1854.)
— On extraordinary Fishes from California. (Ibid. 1853.)
Andrae, Karl Just., Bericht über die Ergebnisse geognostischer
Forschungen im Gebiete der 14., 18. und 19. Section der Ge-
neral-Quatierineisterstabs-Karte von Steiermark etc. (Geolog.
Jahrbuch VI.)
Angius, Vittorio, L’Automa aerio o sviluppo della soluzione del
prohlema della direzione degli aerostati. Torino 1855; 8 0-
Baird, Spencer, Report etc. on the fishes of the New-Yersey Coast.
Washington 1855; 8°-
Bizio, G., Risposta alla rettificazione del Prof. Raga z zini. Venezia
1856; 8»-
Breslau, Universitäts-Schriften 1854.
Capelli, Giov., Osservazioni barornetr. Milano 1843; 8°-
Carlini, Osservazioni meteorologiche. Bogen 1—49.
Channing, Will., The American fire-alarm telegraph. Washington
1855; 8«-
Cicogna, Eman., Lettera a Fr. Caff intorno alla chiesa die S.
Marco. Venezia 1855; 8 0-
158 Verzeichniss der
Cicogna, Osservazioni sul canto 39. di alcune edizioni del Furioso
di L. Ariosto. Venezia 1855; S 0-
Dana, first Supplement to Mineralogy. (American Journal 1855.)
2 Exempl.
— Crustacea. Atlas. Philadelphia 1853; Fol.
Eisenstein, R. v., Pia desideria für und Neues aus Karlsbad.
(Wochenblatt der Gesellschaft der Ärzte. 1855.)
Gazette, the geographical and commercial. Vol. I, Nr. 1—6. N.
York 1855. Fol.
Gesellschaft, naturforschende, in Basel. Verhandlungen, Heft 2.
Gesellschaft, Senkenbergische, naturforschende. Abhandlungen,
Bd. I, Lief. 2. Frankfurt 1835. 4°-
Gesellschaft, physicalische, in Berlin. Fortschritte der Physik,
Bd. VIII, Abth. 2.
Gesellschaft, Wetterauer, für die gesammteNaturkunde. Jahres
bericht 1854.
Gesellschaft, physical.-medicin., in Würzburg. Verhandlungen,
Bd. VI, Heft 2.
Hermann, gr., Über bie ©Iteberung ber SSerolferung beg ÄönigreidjS
Satern. SKündjen 1855; 4°-
Hessel, J. F. C., Die Anzahl der Parallelstellungen und jene der
Coincidenzstellungen eines jeden denkbaren Raumdinges mit
seinem Ebenhilde und seinem Gegenbilde, der Regelmässigkeit
des Schwerpunktes. Cassel. (5 Exempl.)
£übner, £or. , aSiograp^ifrFje (Sfyaraftertftif ton 3>of. Sötpma^r.
SMndjen 1855; 4 0-
Safjrbüdjer best SSeretneS für metflenburgtfcfje©ef^td)te. Safjrgang 20.
Ätontg, 5t., Sfteue SMetljobe jur älermetbung unb 5lufftnbung ton
£ftedjnung3fef)tern. SSertin 1835; 8°-
8oto8, Siafjrg. 1835, ®ejember.
Marburg, Universitäts-Schriften aus dem Jahre 1853.
Marsh, George, Lecture on the Camel. (Smithson. Instit.)
Miklosich, Fr., Vergleichende Grammatik der slavischen Sprachen.
Bd. 3. Wien 1856; 8»-
Moesta, C., Determinacion de la latitud geografica del circulo meri-
diano del Observatorio nacional de Santiago. Santiago 1854; 8°‘
Peters, C. A. F., Bestimmung der Abweichungen des Greenwicher
Passagen-Instrumentes vom Meridiane etc. Danzig 1855; 4 0-
eingegangenen Druckschriften. 15H
Plantamour, E., Resume meteorolog. de l’annee 1854, pour
Geneve et le Grand S. Bernard. Geneve 1855; 8 0-
— Nivellement du Grand S. Bernard. Ibidem 1855; 8 0-
Rassunti mensili ed annali delle Osservazioni meteor. di Milano
dal 1763—1840. Milano 1841; 8 # -
Oleuter, 3-» Über bte gortfdjritte ber Seinen = 3>nbuftrte tu ßfterreidj.
Sßßten 1855; 8°-
Rossmann, Jul., Beiträge zur Kenntniss der Wasserhahnenfüsse.
Giessen 1854; 4 0-
Russell, Rob., On meteorology. (Smithson. Instit.)
Sauvages delaCroix,Franc.,Dissertatiomed.atqueludicrad'Amore.
Ed. d’Hombres-Firmas. Alais 1854; S 0-
Schade, Louis, The united states ofN. America andtlie immigration
since 1790. s. 1. et d.
Stephen, Alexander, Observation of the annular eclipse of may 26.
Astron. journ. 74, 77. 1855.
erfdj, grteb. ö., Siebe in ber bffentt. ©tijuttg ber f. Stfabetnie ber
SBtffenf^aften am 28. 59tärj 1855. SKün^en 1855; 4°-
Trask, Joh., Report on the Geology of the coast mountains and
part of the Sierra Nevada. Washington 1854; S 0,
Vereeniging, natuurkundige, in Nederlandsch Indie. Tijdschrift,
Vol. V, aller. 5, 6,
Verein für vaterländ.Naturkunde in Würtemberg. Jahreshefte,XII, 1.
Verein, geognost.-montanist., für Steiermark. Bericht, V.
Verein für meklenburgische Geschichte. Quartalbericht, 20.
Verein, naturforsch., zu Riga. Correspondenzblatt 1854.
Villa, Antonio, Intorno alla malattia delle viti. Milano 1855; 8 0-
Wheterill, Charles, Description of an Apparatus for organic ana-
lysis by illuminating gas etc. Philadelphia 1854; 8 0-
— On Adipocire and its formation. Ibid.; 4 0-
Wintrich, Anton, Krit. Beiträge zur medicin. Akustik etc. Erlangen
1855; 4°-
Zeitschrift, österr., für praktische Heilkunde. Jahrgang I. Wien;4°-
Zerren ne r, Karl, Einführung, Fortschritt und Jetztstand der
metallurgischen Gasfeuerung im Kaiserthume Österreich. Wien
1856; 4°-
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE CLASSE.
XIX. BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1856. — FEBRUAR.
163
SITZUNG VOM 13. FEBRUAR 1836.
Über den zweiten Bericht an S. E. den Herrn Minister des
Innern, über die Literatur im österreichischen Kaiserstaate
im Jahre 18H4.
Von dem w. M., Hrn. Regierungsrathe Jos. Chmcl.
Regierungsrath Chme 1 überreicht der Classe im Namen des
Verfassers das so eben erschienene Werk: „Biographisch-statistische
Übersicht der Literatur des österreichischen Kaiserstaates yom
1. Jänner bis 31. December 1854. Zweiter Bericht, erstattet im hohen
Aufträge Sr. Excellenz des Herrn Ministers des Innern Alexander
Freiherrn von Bach etc. von Dr. ConstantinWurzbach von Tan
nenberg, Vorstand der administrativen Bibliothek des k. k. Ministe
riums des Innern. Mit 57 Tabellen. Wien. Aus der k. k. Hof- und
Staatsdruckerei. 1856, XXII und 686 Seiten in gr. 8.
Er begleitet diese Übergabe mit folgenden Worten: „Indem ich
die Ehre habe, ein Exemplar dieses wichtigen Werkes der verehrten
Classe zu überreichen, kann ich nicht unterlassen zugleich die vollste
Anerkennung seines Werthes, ja meine innigste Freude auszuspre
chen und hin überzeugt die gesammte Akademie wird sieh nach nähe
rer Einsichtnahme mit mir dahin vereinigen, dass dieser offici eile
„Bericht über die österreichische Literatur im Jahre 1854“ zu den
dankenswerthestenLeistungen auf dem Felde der Statistik gehöre.
Es ist dieses Werk eine Anerkennung der „Wissenschaft
und Kunst“ und ihres hohen Werthes, ja ihrer Wichtigkeit,
die eben so überraschend als erfreulich ist.
Dieser Bericht, ein Werk des mühsamsten Fleisses, der umsich
tigsten bibliographischen Genauigkeit, gibt ein Bild des geistigen
Lebens und Strebens unseres Vaterlandes in so fern es sich durch
H *
164
Joseph Chme 1.
das gedruckte Wort ausspricht, welches, wenn aucli vorerst nur
äusserlieh und andeutend, schon das höchste Interesse erregt.
Der Berichterstatter bespricht nach einer orienlirenden Einlei
tung (Seite IX—XXII) in der ersten Abtheilung (Seite 1—67) „die
periodische Presse des österreichischen Kaiserstaates im Jahre
1854 im Allgemeinen, sodann die politischen Journaleinsbeson
dere.“ AchtTabellen erleichtern die Übersicht. Die zweite Abtheilung
enthält „die Literatur des österreichischen Kaiserstaates nach wissen
schaftlichen Fächern, die periodischen Fachschriften inbegriffen“, in
XX verschiedenen Unterabtheilungen (S. 71—539). In zweiAnhängen
werden erstens die „Übersetzungs-Literatur des Jahres 1854 im Kaiser
staate mit einer Tabelle der Übersetzungen und Auflagen (S. 541 —
555),“ sodann „die österreichische Literatur im Auslande vorzüglich
in Deutschland während der Jahre 1853 und 1854“ (S. 559—570)
und zum Schluss höchst interessante Tabellen (S. 571—621) mit-
getheilt, deren drei General-Tabelle n und ein und zwanzig Sp e-
cial -Ta bellen sind, vom höchsten statislischen Interesse. Ein sehr
umständliches und genaues Namen-und Sach-Register (S. 623—685)
erleichtert den Gebrauch dieses vortrefflichen statistischen Werkes.
Der Gedanke, die literarische Thätigkeit des österreichischen
Kaiserstaates nach den vier Hauptnationalitäten und nach wissenschaft
lichen Fächern übersichtlich vorzuführen und auf diese Weise die
deutschen, slawischen, magyarischen und italienischen
Oster reicher sowohl selbst einander erst recht bekannt zu machen,
als auch gegenüber dem Auslande als ein vielgliedriges Ganzes dar
zustellen, ist ein glücklicher, ein patriotischer, er stammt von unserm
Curator!
DerdeutscheÖster reicher wird auf das Nachdrücklichste
gemahnt, das so rege und theihveise wirklich staunenswerthe litera
rische Streben und geistige Leben seiner italienischen, magyarischen
und slawischen Brüder nicht hlos zu beachten, sondern sieh auch in
den Stand zu setzen, diese Literaturen gründlich zu verstehen; auf
der andern Seite müssen eben diese nicht deutschen Öster
reich er sichhewusst werden, dass sie durch ihre Gesammt-Einigung
zu erhöhter Bedeutung und Geltung gelangen. Literatur und
Kunst sind ein festes Band das die verschiedenen Nationalitäten
umschlingt, auf der einen Seite zu gegenseitigem Wetteifer
anspornt, aus dem schöne Früchte -— eine höhere geistige Thätigkeit,
Über die Literatur im österreichischen Kaiserstaate i. J. 18S4. 165
eine grossartigere Ansicht des Lebens und eine innigere Anhäng
lichkeit an das theuere Vaterland — entspringen, und auf der andern
Seite die wechselseitige Hochachtung erzeugt, welche mit der
Zeit zur innigen Neigung wird.
Darum Ehre und Dank dem erleuchteten Manne, der auf Lite
ratur und Kunst solch' hohen Werth legt, und sich gründlichen
und umfassenden Bericht erstatten lässt über Wachsthum und sicht
liches Gedeihen derselben !
Ich erlaube mir, an diese Worte des Dankes und der Anerken
nung im Interesse der vaterländischen Geschichte, besonders der
Lit eratur- u n d Culturgesc hichte, einige fromme Wünsche
anzuknüpfen, welche sich hei genauer Durchsicht dieses „Berichtes“
gleichsam mir aufdrängten.
Erstens — möchte doch ein kritisches Journal mit zurei
chenden Mitteln, nach grossartigstem Massstabe , redigirt durch ein
Redactions-Comite, in dem alle wissenscha ftliclien F ä ch er
vertreten wären, ins Leben gerufen werden.
Kritik ist einer heranstrebenden jungen Literatur, und das ist
die österreichische als eine Gesammt-Litcratur, vorzugsweise nöthig.
Bei so vielen bedeutenden wissenschaftlichen Kräften welche
insbesonders an unseren regenerirten Lehranstalten wirken, wäre
die Zustandebringung eines solchen kritischen Centralblattes
durch Zusammenwirken mehrerer hoher Ministerien wohl zu erreichen.
Zweitens — möchten aber, so wünsche ich, auch über die frü
here vaterländische Literatur ähnliche literarische Übersichten und
kritische Nachweisungen geliefert werden, wenigstens über die
Literatur seit 1800 und etwa nach wissenschaftlichen Fächern. Die
osterreichi sehe Bibliographie wurde leider stark vernach
lässigt, es wären da Arbeiten von grossem Werthe — noch ins Leben
zu rufen. Ohne höhere Unterstützung, ja ohne höhere Aufforderung,
ohne förmlichen Auftrag werden wir gewisse unentbehrliche litera
rische Hilfsmittel noch lange schmerzlich entbehren müssen.
Hr. Dr. Gindely legt vor „neu aufgefundene Quellen zur
Geschichte der böhmischen Brüder“, welche der historischen Com
mission zur Prüfung und weiteren Bestimmung zugewiesen werden.
166
Dr. Karl S c h er z e r
SITZUNG VOM 20. FEBRUAR 1856.
Gelesen s
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez
in der Universitäts-Bibliothek zu Guatemala.
Von Dr. Karl Schcrzer.
Seit der Zeit, wo der grosse Columbus zum ersten Male an der
Ostküste des central-amerikanischen Continents landete und die alte
Welt mit einer neuen beschenkte, bat sich unsere Kunde von der
älteren Geschichte der braunen Bewohner dieses wundervollen Erd
striches nur wenig geklärt. Noch heute hört man Forscher und
wissbegierige Reisende die Frage stellen: Waren die ersten
Bewohner Amerika’s Autochthonen, oder kamen sie aus anderen
Himmelsgegenden eingewandert? Diese alten Baudenkmale in den
Urwäldern von Honduras, Guatemala, Yucatan und Mexico, welche
selbst noch in ihren Trümmern die Spuren einer aufkeimenden Kunst
verrathen, sind sie die Werke derselben braunen Race welche noch
gegenwärtig das Land bevölkert, oder gehören sie einem ver
schwundenen Geschlechte an?
Da die Eingebornen niemals eine Schriftsprache besassen und
ihre Geschichte und Überlieferungen nur durch Auswendiglernen
der wichtigsten Begebenheiten, sowie durch eine höchst mangelhafte
Bilderschrift vor Vergessenheit zu bewahren verstanden, so bleibt
der Forscher in dem Studium der älteren Geschichte Central-
Amerika’s und seiner räthselhaften Bewohner mit wenigen Aus
nahmen auf die Mittheilungen jener spanischen Mönche angewiesen,
welche die ersten Eroberer auf ihren abenteuerlichen Zügen beglei
teten und die sich später in den verschiedenen Theilen des
erworbenen Landes als Missionäre und Klosterbrüder niederliessen.
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 167
Leider liefern die sogenannten „historiadores primitivos,“ von
denen Gonzales Barcia im Jahre 1749 in Madrid eine Gesammt-
ausgabe in drei Foliobänden veranstaltete *), nur wenig Material zur
Kenntniss der vor-columbischen Geschichte und des Ursprunges der
Bewohner Central-Amerika's. Zugleich herrscht in den wenigen noch
bestehenden Büchersammlungen der neu-spanischen Republiken ein
auffallend grosser Mangel an sonstigen Handschriften und noch
unbenutzten Documenten. In keinem der bedeutenderen Wohnsitze
in den Staaten Costa Rica, Nicaragua, Honduras und San Salvador
fand ich auch nur Eine einzige werthvolle, auf die ältere Geschichte
des Landes Bezug habende Urkunde. Bei der grossen Schreibseligkeit
der Mönche des 16. Jahrhunderts ist dieser Mangel an handschrift
lichen Werken kaum anders als durch den Umstand zu erklären, dass
im Laufe der verschiedenen Revolutionen welche die Republiken
Central-Amerika’s seit ihrer definitiven Losreissung vom Mutterlande
im Jahre 1823 durchzumachen hatten, eine grosse Zahl von Urkunden
und Manuseripten theils gänzlich verloren ging, theils aus dem
Lande geführt wurde. Als im Jahre 1829 nach Aufhebung der
Klöster durch General Morazan viele dieser stattlichen Räumlichkeiten
eine Umstaltung in Casernen und Gefängnisse erlitten, sollen ganze
Ladungen von Büchern und alten Manuseripten aus ihren früheren
Standorten entfernt und vielfach zur Anfertigung von .Patronenhülsen
verwendet worden sein.
Andere antiquarische Schätze wanderten nach Havana, Madrid,
Toledo und Sevilla, wohin sie expulsirte Mönche und flüchtige
Anhänger der spanischen Krone in Sicherheit zu bringen suchten.
Auch nach Mexico sind viele werthvolle Urkunden während der
kurzen Herrschaft des Kaisers Iturbide (1822 —1823) verschleppt
worden. Der einzige Ort Central-Amerika’s, wo der Forscher
noch einzelnen wichtigen Handschriften und seltenen Documenten
begegnet, ist Guatemala, die Hauptstadt der gleichnamigen Republik.
Ich benützte die Regenzeit des Jahres 1884, während welcher
gewöhnlich alle Arten von Reisen und Ausflügen zu naturwissen
schaftlichen Zwecken unterbleiben müssen, um in den verschiedenen
*) Historiadores primitivos de las Indias occidentales que juntd, traduxo en parle y saco
ä luz, ilustrados con eruditas notas y copiosos indices el 11. Senor D. Andres Gonzales
Barcia, del Consejo y camara de Su Majestad. 3 tomos. Madrid, ano MDCCXLIX.
~
I
168 Di’. Karl Scherz er.
Kloster-Bibliotheken Guatemala’s nach Werken zu forschen, welche
die ältere Geschichte Central-Amerika’s behandeln. Es herrscht in den
selben eine bedauernswerte Unordnung. Der dermalige Präsident von
Guatemala, der frühere Indianer-Häuptling Rafael Carrera, hat
zwar vor wenigen Jahren die sämmtlichen, seit dem Jahre 1829
expulsirt gewesenen Ordensgeistlichen zurückberufen; er war aber
nicht im Stande, ihnen gleichzeitig auch die von der Morazan’schen
Regierung weggenommenen und veräusserten Kirchengüter wieder
zu erstatten, und so leben selbst die wenigen Mönche die sich seither
neuerdings in der Hauptstadt eingefunden, in der grössten Dürftig
keit und scheinen, gedrückt von Sorgen aller Art, bisher noch
nicht Müsse gefunden zu haben, sich um das Ordnen und Prüfen
auch der wenigen, der Zerstörung und Verstreuung entgangenen
Manuseripte und Bücher zu kümmern. In der kleinen Bibliothek
der Municipalität fand ich nebst einer Anzahl von Briefen der ersten
Eroberer das Original von Bernal Diaz de Castillo’s „Conquista de
Nueva Espanä“, welche derselbe am 14. November 1605 in Guate
mala vollendete, sowie die Handschrift von Fuentes de Guzman’s
„Historia de Guatemala“. Von letzterem Werke wird so eben durch
einen sehr verdienstvollen Arzt und Forscher Guatemala’s, den
Dr. Mariano Padilla, eine Übertragung des Manuscriptes in das
moderne Spanische veranstaltet. Auch die Universitäts-Bibliothek
besitzt nur wenige werthvolle ältere Geschichtsurkunden. Der
interessanteste antiquarische Schatz dieser im Allgemeinen sehr
mangelhaften Büchersammlung sind unstreitig die Handschriften des
Dominicaner-Mönches P. Francisco Ximenez, welcher zu Anfang des
vorigen Jahrhunderts als Pfarrer in dem kleinen Indianerdorfe
Chiehicastenango im Hochlande von Guatemala lebte und durch seine
tiefe Gelehrsamkeit wie durch seine strenge Wahrheitsliebe in
grossem Rufe und Ansehen stand. Über seine Gehurt wie sein
Sterbejahr gibt es nur ungewisse Angaben. An seinen Werken fehlen
häufig Titel und einzelne Blätter, so dass man sogar über den
Zeitpunct ihrer Entstehung im Unklaren wäre, wenn der Autor nicht
selbst im Laufe seines Geschichtswerkes erzählt hätte, dass es um
das Jahr 1721 war, als er seine Geschichte der Provinz von Chiapa
und Guatemala schrieb. Geraume Zeit wurden die Werke dieses
edlen Mannes welcher sich in eben so würdiger, als rücksichtsloser
Sprache über die von den ersten Eroberern und ihren Nachfolgern
i
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 169
an den armen Indianern verübten Grausamkeiten äusserte und sich
nicht scheute, die Unmöglichkeit einer Bekehrung der Eingebornen
durch Schwert und Brandmal offen darzustellen, sogar für gänzlich
verloren gehalten. Man vermuthete nämlich, die spanischen Macht
haber, getroffen durch den herben Ton, in dem sich Ximenez über
die blutigen Gewalttätigkeiten der verschiedenen Statthalter der
Colonien aussprach, hätten dieselben absichtlich unterdrücken und
vernichten lassen. Glücklicherweise sind sie unter dem Staube der
Vergessenheit im Dominicanerkloster zu Guatemala einer solchen
brutalen Zerstörung entgangen, und als später die sämmtliclien
geistlichen Orden aufgehoben wurden, gelangten einzelne Bände der
Ximenez’schen Manuscripte nach der Universitäts-Bibliothek. Dort
fand ich sie unter anderen Handschriften im Monate Juni 18S4. Die
selben sind nicht vollständig; es fehlt der 2. und 4. Band der Samm
lung, welche trotz meiner eifrigsten Nachforschungen in den
verschiedenen Conventen der Hauptstadt nicht aufgefunden werden
konnten. Aber selbst die vorhandenen Bände der Manuscripte des
gelehrten Dominicaner-Mönches wurden bisher in Guatemala nur
wenig beachtet. Ein Hauptgrund davon mag allerdings in der sehr
schwer leserlichen, gebleichten Schrift liegen, welche das Studium
der Ximenez'schen Werke äusserst mühsam und augenfeindlich
macht. Ausserhalb Guatemala hingegen sind diese Manuscripte bisher
nur durch einzelne dürftige Auszüge bekannt geworden, welche
Ramon de Ordonez in seiner „Historia del cielo y de la tierra“ daraus
veröffentlichte, und von ihrem Vorhandensein in der Universitäts-
Bibliothek zu Guatemala scheint seltsamer Weise keiner der heutigen
Forscher central-amerikanischer Geschichte unterrichtet gewesen zu
sein. So z. B. spricht noch im October 18S0 der Alterthumsforscher
Abbe Brasseur de Bourbourg in einem Schreiben aus Mexico an
seinen Mäcen, den Herzog von Valmy in Paris, sein Bedauern darüber
aus, dass die Werke des P. Francisco Ximenez niemals veröffentlicht
wurden ‘), und gibt darin sogar der Befürchtung Raum, dass dieselben
*) „Le pere Francisco Ximenez, provincial de l’ordre de St.Dominique, dans la province
de Guatemala et Chiapa, a compose une histoire ancienne de ees contrees, demeuree
manuscrite et entierement inconnue.“ Lettres pour servir d’introduction a
Phistoire primitive desnations civilisees de l’Amerique septentrionale adressees ä Mr. le
duc de Valmy par Mr. l’abbe E. Charles Brasseur de Bourbourg. Mexique, Oct. 18o0,
170
Dr. Karl Scherz er.
für die Wissenschaft verloren sein dürften. Es hatte also auch
dieser gründliche Gelehrte keine Ahnung, dass sich die Ximenez’-
schen Manuscripte in Guatemala befinden, obwohl sich derselbe
mehre Jahre lang zu wissenschaftlichen Zwecken in dem benach
barten Mexico aufhielt, das mit der Hauptstadt von Guatemala einen
regelmässigen Verkehr unterhält. — Je fühlbarer sich aber der
Mangel an Materialien zur Kenntniss der älteren Geschichte der ersten
Bevölkerer Central-Amerika’s herausstellt, einen desto grösseren
Werth erhält das wenige noch Vorhandene, um so wichtiger erscheint
es, Alles darauf Bezug habende zu sammeln und durch Veröffentli
chung vor Verlust oder allmählicher Unbrauchbarkeit zu sichern. —
Dieses Gefühl hat auch mich geleitet, als ich mich zur Durchsicht
der Ximenez'schen Manuscripte entschloss. Ich will mir durchaus
nicht die Ehre anmassen, diese interessanten Urkunden aufgefunden zu
haben, aber das Verdienst glaube ich ohne Unbescheidenheit an
sprechen zu dürfen, der Erste gewesen zu sein, welcher die Auf
merksamkeit der gelehrten Welt auf die Ximenez’schen Manuscripte
in der Bibliothek zu Guatemala richtete und deren theilweise Druck
legung anregte.
Eine vollkommene Abschrift derselben lag ausser dem Bereiche f
meiner Mittel, noch schien es mir von besonderem Werthe für die
Wissenschaft; denn nach der Weise der geistlichen Geschicht
schreiber des vorigen Jahrhunderts hat auch Ximenez vielfach die
gewöhnlichsten Ereignisse sehr weitläufig behandelt und mit der
Beschreibung der unbedeutendsten Geschehnisse oft viele Folioseiten
angefüllt. Dagegen habe ich von Allem was sich auf die ältere
Geschichte des Landes und den Ursprung seiner Bewohner bezieht,
theils selbst Auszüge gemacht, theils durch einen gebildeten Neu
spanier vollständige Abschriften anfertigen lassen. Meine mehrfachen
Versuche, die in den verschiedenen Büchersammlungen von Guatemala
vorhandenen Wörterbücher der Quiche-, Cacchiquel- und Sutujil-
Sprache käuflich an mich zu bringen, blieben zu meinem grossen
Bedauern erfolglos, obwohl dieses Geschäft unter den günstigsten
Umständen für ihre Besitzer geschlossen werden sollte. Ich machte
nämlich den Antrag, bei meiner Rückkehr nach Europa die Druck- v
legung der angekauften indianischen Wörterbücher veranlassen,
und davon eine angemessene Anzahl gedruckter Exemplare den
Missionären zur leichteren Erlangung der für ihre frommen Zwecke
*
■
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 171
so hochwichtigen Kenntniss der indianischen Sprache unentgeltlich
überlassen zu wollen.
Die von mir Vorgefundenen Handschriften des Padre Francisco
Ximenez zerfallen in drei verschiedene Theile. Ein Band davon lie
fert auf 1031 enggeschriebenen Seiten ein Bruchstück der Geschichte
der Provinz SanVicente de Chiapa und Guatemala; derselbe beginnt
mit dem vierten Buche und der Beschreibung der Ereignisse im Laufe
des Jahres 1601 und endet mit dem fünften Buche und dem Sß.Capitel,
welches noch die Vorgänge des Jahres 1698 in sich schliesst. Aus
verschiedenen Andeutungen des Autors geht hervor, dass dies der
dritte Band seiner Werke ist und dass man 1721 schrieb, als er die
247. Blattseite desselben vollendete. Der vorhergehende Band dieses
interessanten Manuscriptes ist leider in der Universitäts-Bibliothek
nicht vorhanden. Eben so wenig ist es bekannt, ob der folgende Band
dieses Geschichtswerkes, der mit den Begebnissen des Jahres 1699
beginnen sollte, und auf welchen Ximenez am Ende des dritten Bandes
in einem eigenen Epilog anspielt 1 ), von demselben jemals begonnen
und vollendet worden ist. — Ein zweites Manuscript von Ximenez
umfasst auf 286 Blättern in Gross-Octav ein Wörterbuch der Quiclie-
und Cacchiquel-Spraehe. Es fehlen an diesem Manuscripte Titel und
Jahrzahl. Der Inhalt hingegen ist vollständig, sowie diese Hand
schrift überhaupt von allen vorhandenen Werken des P. Ximenez das
am besten erhaltene ist. Die indianischen Worte sind mit rother, die
spanischen daneben mit schwarzer Tinte geschrieben, was das ganze
Werk besonders deutlich macht. Ein Copiren dieses Wörterbuches
würde gleichwohl eine gründlichere Kenntniss der beiden indianischen
Idiome vorausgesetzt haben, als irgend einer der spanischen Ab
kömmlinge Guatemala’s besitzt.
Von nicht minderem Interesse für die Forschung erschien mir
derjenige Theil der Manuscripte, welcher in Einem Bande die nach-
*) „Y asi pondremos lin a aquesto, rendiendo si Dios las gracias que despues de tantos
trabajos de mar y tierra me ha dado vida para concluir aqueste libro y aqueste
tercer tomo, suplicando •.{ su infinita bondad me la conceda si ha de ser por su
S to -Servicio y por su honor gloria para escribir el libro que falta que
comprehendera desde el ano de 1699 por dar principio a el con la eleccion de
Provincial nuevo como he hecho en los demas hasta el tiempo que alcanzare,
que es de los tiempos mas calamitosos que ha experimentado aqueste Reyno como
se vera de hombres, pestes, guerras con que ha agostado la Divina Justicia
aqueste Reyno. Yol. III, fol. 515.
172
Dr. Karl Sch e r z er.
folgenden Abhandlungen theils sprachlichen, tlieils religiösen, tlieils
geschichtlichen Inhalts umfasst:
1. Arte de las tres lenguas cacchiquel, quiche y yutuhil (Sutujil).
2. Tratado segvndo de todo lo que debe saber vn ministro para la
bvena administracion de estos naturales.
3. Respuesta del Padre Alonzo de Noveiia, Prior Provincial de esta
Provincia (a quien como ä oraculo consultaban todos en sus
mayores dudas) ddo. Guatemala, 25 Febrero 1580, ä algunas
cuestiones del Fray Ferrano, vicario de Tecutzitlan en la pro
vincia de Mexico, ddo. 1. Septiembre 1570, sobre diversas
dudas en respeto de confesar ä los indios.
4. Confesionario en las tres lenguas cacchiquel, quiche y yutuhil
con unas Advertencias.
5. Catezismo de Indios.
6. Empiezan las historias del origen de los Indios de esta provincia
de Guatemala, traducido de la lengua Quiche en la castellana
para mas comodidad de los ministros de el St. Evangelio; nebst
einem Anhänge: Escolios a las historias de el origen de los
indios, escoliadas para mayor noticia ä los ministros de las cosas
de los indios.
Diese letzte Abhandlung, eine Übersetzung des Ursprungs der
Indianer von Guatemala aus der Quiche-Sprache ist es, von welcher
ich während meiner Anwesenheit in Guatemala eine vollständige Ab
schrift anfertigen liess. Dieses interessanteDocument umfasstbö eng
geschriebene Blätter oder 112 Folioseiten und ist mit so bleicher Tinte
geschrieben, dass das Original schon in wenigen Jahren völlig unleser
lich und unbrauchbar werden durfte. Ich glaube mich hier um so mehr
auf die Aufzählung der Hauptmomente der Quiche-Chronik beschrän
ken zu können, als durch die Munificenz der kaiserl. Akademie der
Wissenschaften die Herausgabe des spanischen Originales seinem
ganzen Umfange nach als selbstständiges Werk ermöglicht wurde.
Die Erschaffung der Welt geschah nach der indianischen
Schöpfungssage nicht durch Einen, sondern durch mehrere Schöpfer
(criadores y formadores). In Finsterniss und Nacht erschienen Tepeu
und Qucumatz und beriethen mitHuracan (Geist des Himmels), Cuculha
huracan (grosserStrahl) und Chipa caculba (grüner Strahl) das Werk
der Schöpfung. Zuerst entstand die Erde, die Berge und die
Ebenen, sodann wurden die Löwen und die Tiger, die Schlangen und
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 173
Nattern, die Hirsche (venado) und die Vögel erschaffen und ihnen
ihre Wohnorte angewiesen. „Du Hirsch, wirst in den Niederungen
und in den Schluchten schlafen; dort wirst Du unter den Sträuchen
und Gräsern hausen; in den Bergen wirst Du dich vermehren, auf
vier Füssen wirst Du gehen und mit vier Füssen geboren werden;
und Ihr, Vögel, gross und klein, Ihr werdet auf Bäumen und
Gesträuchen Eure Wohnsitze aufschlagen und Euch daselbst ver
mehren und Euch schwingen auf den Zweigen der Gewächse!“
Hierauf verlangten die Schöpfer, dass die Thiere zu ihnen reden und
sie als Gottheiten verehren sollten. Und da sie nicht wie Menschen
sprachen, sondern blos zu schreien (chillar) und krähen (cacarear)
vermochten, wurden sie wieder vernichtet und die Schöpfer schufen
andere Menschen aus Korkholz und das Weib aus dem Pollen der
Schwertlilie; und sie vermehrten sich und hatten Söhne und Töchter.
Aber sie hatten kein Herz und keinen Verstand, und erinnerten sich
nicht ihrer Schöpfer; sie hatten weder Blut noch Sclnveiss (sudor),
noch Fleisch; trocken und fahl waren ihre Wangen, dürr und gelb
Füsse, Hände und Gesicht; und es waren viele und sie verbrei
teten sich über die Erde. Auch an ihnen fanden die Schöpfer kein
Wohlgefallen und vernichteten und tödteten sie durch eine gewaltige
Wasserflut!], und verwandelten sie zur dauernden Erinnerung in Affen.
„Und darum gleicht der Affe der heute in den Urwäldern Guatemala’s
haust, dem Menschen, weil er das Bild einer andern Gattung von
Menschen aus Holz ist.“
Noch herrschte wenig Helle (poca claridad) auf der Erde, noch
hatte man nicht erblickt das Gesicht der Sonne, des Mondes und der
Sterne; da übernahm sich, geblendet durch den Glanz seiner Schätze
und seiner Beichthümer, einer der Götter, Vucub eaquix (sieben Arasse)
und glaubte Sonne und Mond ersetzen und wie diese leuchten zu
können. Sein Ilochmuth (soberbia) wird aber bald durch die List
zweier anderer Götter, Hun-ahpu (Jäger) und Xbalamque (Tiger und
Hirsch) bitter bestraft. Wir hören nun in sehr weitläufiger Weise die
Versuchungen erzählen, welche mehrere Götter von Hun-came und
Vucub-came, den Fürsten der Hölle (los Senores de el infierno), zu
bestehen haben. Zwei der ersterenHun-hun-ahpu und Vucub-hun-ahpu,
die Väter des Menschengeschlechtes, werden auf die seltsamste Weise
in die Hölle gelockt. Auf ihren Wanderungen gelangen sie auf einen
Kreuzweg (encrucijada), von dem vier verschiedene Wege auslaufen :
174
Dr. Karl Sch erze r.
ein rother, ein schwarzer, ein weisser und ein gelbfarbener Weg.
Und als sie dies stutzig macht, spricht der schwarze Weg zu ihnen:
„Mich habt Ihr zu nehmen, denn ich bin der Weg der Fürsten (de los
Senores)“; und auf diese Weise werden sie irregeführt, und dem
Wege folgend kommen sie zu den Thronen der Fürsten der Hölle.
Hier haben nun beide die seltsamsten Prüfungen zu überstellen.
Höchst bizarr ist die Beschreibung welche die indianische Chronik
von der Hölle gibt. Viel und mannigfaltig sind die Züchtigungen in
diesem Schauerorte. Es gibt daselbst ein Haus (casa) der Finsterniss,
ein Haus, wo unerträgliche Kälte herrscht (de intolerable e insoportable
frio), ein Haus der Tiger, dessen büssende Bewohner von diesen
Urwaldbestien zerdrückt und zerfleischt werden; ein anderes Haus
voll von Fledermäusen, die hässlich schreien und wild herumfliegen,
ohne einen Ausgang finden zu können; endlich ein Haus voll Messer-
scheiden (Solen vagina?), die sich fortwährend eine mit der
andern reiben und dadurch einen markdurchdringenden Lärm hervor-
bringen. Zuerst kommen die beiden verirrten Götter in das Haus
der Finsterniss und erhalten ein Stück Fichtenholz (ocote) und
Cigarren. Sie sollen auf Befehl der Fürsten der Hölle das Fichten
holz verbrennen und die Cigarren raucheü, gleichwohl aber beides
unversehrt am nächsten Morgen wieder zurückstellen. Da sie dieses
Gebot nicht zu erfüllen im Stande sind, so müssen sie sterben.
Hun-hun-ahpu wird der Kopf abgeschnitten und auf Befehl der
Fürsten der Hölle auf die Gabel (porcon) eines Holzpfahles (palo)
am Wege gesteckt. Und hierauf fängt der dürre Stock plötzlich an
eine Frucht zu tragen, die man heutzutage Hicaro (Crescentia) nennt
und in die sich zum grossen Erstaunen der Fürsten der Hölle
der Kopf Hun-hun-ahpu s verwandelt hatte.
Eine fast poetische Episode wird jetzt in die bisher ziemlich
prosaische Erzählung verwoben : Ein junges Mädchen, Namens Xquic
(Blut), die Tochter eines mächtigen Fürsten, der Cuchumaquic(sangre
junta) hiess, hatte von der wunderbaren Verwandlung des Kopfes von
Hun-hun-ahpu in die Frucht des Hicarobaumes vernommen und trug
grosses Verlangen, diese Erscheinung zu sehen. Da wandelte sie allein
zum Baume und stellte sich unter denselben und rief erstaunt aus:
„Welche schöne herrliche Früchte! Wohl werde ich niehtsterben noch
zu Grunde gehen, wenn ich eine dieser Früchte pflücke.“ Und nun ent
spinnt sich ein Zweigespräch zwischen dem Mädchen und dem in einen
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 175
Kürbiss verwandelten Kopf Hun-hun-ahpu’s; und die Jungfrau streckt
den rechten Arm nach der Frucht aus und es träufelt vom Lehenssafte
des Kürbisses in die Fläche ihrer Hand und sie empfängt und wird
die schmerzensreiche Mutter vonHun-ahpu und Xbalamque, die, in der
Einsamkeit der Berge aufwachsend, später als die Rächer ihrer
ermordeten Väter die Fürsten der Hölle besiegen. Und nach dieser
glorreichen That erheben sie sich in den Himmel, und einer von
beiden wird in die Sonne, der andere in den Mond, und die 400
Gefährten ihrer Thaten werden in Sterne am Firmament verwandelt.
Die Quiche-Chronik aber lehrt uns weiter, wie hierauf Tepeu und
Qucumatz verschiedene neue Schöpfungsversuche anstellen, bis endlich
die ersten Menschen aus gelben und weissen Maiskolben geformt
werden.
Die Namen der ersten vier Menschen die weder Vater noch
Mutter hatten, noch von einem Weibe geboren waren, sondern wie
durch ein Wunder von Tepeu und Qucumatz, den Schöpfern und
Gestaltern, erschaffen wurden, Messen: Balamquitze, Balam-acab,
Mahucutah und Yquibalam. Es waren gute und schöne Menschen die
sprechen, sehen, hören, gehen, fühlen und athmen konnten. Und
gleichsam als wären Tepeu und Qucumatz selbst über die Vollkom
menheit ihrer Schöpfung überrascht gewesen, begannen sie nun die
ersten Menschen zu fragen : „Hört Ihr, seht Ihr, vermögt Ihr zu gehen
und zu sprechen? Könnt Ihr deutlich wahrnehmen die Berge und die
Ebenen?“ Und die ersten Menschen konnten von einem Puricte aus
alles sehen, was sich auf der Erde befand und bewegte, ohne erst
ihren Standort verändern zu müssen, und sie ergossen sich in laute
Danksagungengegen ihre Schöpfer und Gestalter, dass dieselben sie
zu Menschen geschaffen, und ihnen Mund und Fleisch gegeben, dass
sie sprechen und hören, gehen und sich bewegen konnten, Geschmack
hatten und alles wussten und zu sehen vermochten, das Entfernte wie
das Nahe, in allen vier Winkeln des Himmels und der Erde (basta
los cuatro rincones de el cielo y de la tierra), ja sogar was sich im
Innern des Himmels und der Erde befand.
Und es schien den Schöpfern nicht gerathen, dass ihre Creaturen
alles wussten und sahen, was im Himmel und auf der Erde vorging,
und die Gottheiten beriethen sich von Neuem und fragten: „Was
machen wir wohl mit diesen Geschöpfen, dass sie blos sehen, was
nahe ist und ihre Augen blos einen Theil vom Gesichte der Erde
■
176 Dr. Karl Scherz er.
wahrnehmen? Oder wären sie vielleicht nicht blos irdische Ge
schöpfe, sondern wohl gar auch Götter, wie wir? Sollten wir alle
gleich, sollte alles was wir wissen und sehen, Gemeingut sein?“ Und
hierauf beschlossen die Götter in anderer Weise über dieGeschöpfe.
Und sofort wurde den allzu vollkommen geschaffenen Wesen
durch den Geist des Himmels (el corazon del cieio) ein Dunst in
die Augen gehaucht, und es verdunkelte und schwächte sich ihr
Sehvermögen, als hätte man ihnen Marienglas in das Gesicht gebla
sen; sie konnten von nun an nur mehr die nahen Gegenstände wahr
nehmen und nur diese erschienen ihnen jetzt klar und deutlich. Und
während sie schliefen, erhielten hierauf die ersten vier Menschen
ihre Gefährtinnen; Caha-paluma war die Frau des Balamquitze,
Chomiha die Frau des Balam-acab, Tzununiha die Frau des Mahu-
cutali und Caquixaha die Frau des Yquibalam. Und diese waren die
Stammältern der Quiche's, welche die kleinen und grossen Dörfer
bevölkerten. Aber es gab nächst ihnen noch viele andere Mächtige
und Grosse, als sich das Geschlecht der Quiche’s vermehrte, dort im
Osten (allä en el Oriente) und sie hiessen: Tepeu, Oliman, Cohah,
Quenech, Ahan, Tanub und Ilocab. Der erste Mensch, Balamquitze,
wurde der Stammvater von den neun grossen Häusern (casas grandes)
der Caviquib; der zweite Mensch, Balam-acab, wurde der Stamm
vater von den neun grossen Häusern der Nihaibah; und der dritte
Mensch, Mahu-cutah, wurde der Stammvater von den vier grossen
Häusern der Ahan-quiche. Der vierte Mensch, Yquibalam, scheint
keine Geschlechtsfolge hinterlassen zu haben, wenigstens geschieht
davon in der Quiche-Chronik keinerlei Erwähnung. Ja, durch den
Umstand, dass schon die Nachkommenschaft des dritten Menschen
bedeutend weniger zahlreich war, als die des ersten und zweiten,
gewinnt es fast den Anschein, als würde die Erschaffung von vier
Menschenpaaren zu gleicher Zeit selbst für Gottheiten eine zu ge
waltige Aufgabe gewesen sein, und als wären die heidnischen Götter
allmählich in ihrer Schöpfungskraft erlahmt.
Tanub und Ilocab, erzählt die Chronik weiter, kamen mit
13 Familien aus dem Osten, und es verlor sich nicht Ein Name ihrer
Väter. Diese dreizehn Familien waren die Zweige von dreizehn ?
Völkerschaften und ihre Namen hiessen: Rabinal, Cacehiqueles,
Ahquiquinaha, Sacabib, Maquib, Cumatz, Cuhalha-Vchabaha, Ahcha-
milaha, Ahquibaha, Abatenaba-Aculvinac, Balamiha, Canehaheleb,
m
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 177
ßalam-colob. Und gross war die Zahl derer die mit jeder einzelnen
dieser Familien auszogen. Die Chronik bemerkt, dass dieVölker damals
noch keine Götzen aus Holz und Stein besassen, sondern ihre Blicke
gegen Himmel wandten, wenn sie um Söhne und Töchter, um gute,
breite Wege, um Frieden und ein ruhiges Leben (vida sosiegada)
baten, ln ihren Drangsalen hören wir sie den Geist des Himmels
und der Erde und eine grosse Zahl anderer idealer Gottheiten
anrufen, denen sie allen dieselbe Macht und dieselben Eigenschaften
beizulegen scheinen.—Leider widerspricht sich die Chronik häufig
und kehrt sich nicht viel nach Ordnung und Zeit in der Aufzählung
der Begebenheiten, Während z. B. erst Hun-bun-ahpu und Vucub-
ahpu, nachdem sie die Fürsten der Hölle besiegt batten, sich in Sonne
und Mond und ihre 400 treuen Gefährten in eben so viele Sterne
verwandelten, erfahren wir plötzlich wieder, dass es noch immer
dunkel auf der Erde ist und die Völkerschaften fortwährend sehn
suchtsvoll den Aufgang der Sonne erwarten. Ein einziger grosser
Stern (un gran lujero) erleuchtet den Himmel und die Erde und
verkündigt das Nahen des Tagesgestirns.
Die indianische Schöpfungsgeschichte scheint die Erschaffung
der Sonne von der Verleihung ihrer leuchtenden Eigenschaft zu
trennen, und in zwei verschiedene Zeiträume zu verlegen. Wenn
man dies annimmt, und sich die Sonne, den Mond und die Sterne
vorerst nur als dunkle Körper vorstellt, denen erst später die Fähig
keit zu leuchten verliehen ward, so erscheint der anfängliche
Widerspruch allerdings gehoben.
Die vier ersten Menschen verfügten sich mit ihren Familien
nach einem Berge, Tulanzu (sieben Höhlen) genannt, um von dort ihre
Götter zu holen (ä traer los idolos). Gross war ihre Freude, als
sie fanden, was sie suchten, und Balamquitze nahm die Gottheit
Tohil, Balam-acab die Gottheit Avilix, Mahucutah die Gottheit
Haeavitz und Yquibalam trug das Idol Nicahtaha. Und als sie
von Tulanzu zurückkehrten, fanden sie plötzlich die Sprache der
verschiedenen Völkerschaften geändert und sie verstanden sich nicht
mehr und theilten sich. Einige zogen wieder zurück nach dem
Osten, aber Viele wanderten nach dem Westen und kleideten sich
hlos in Thierfelle (pieles de animales) und waren arm und besassen
nichts, und hatten kein Feuer, und klagten ihrer Gottheit, dass sie
vor Kälte sterben müssten. Da erbarmte sich ihrer Tohil und gab
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. 1111. 12
178
Dr. Karl Scherzer.
ihnen das Feuer. Es wird nun des Weitläufigen berichtet, wie ein
heftiger Regen (un grande aguacero) und Hagelschlag das Feuer
wieder auslöschte und die Völker von Neuem froren und zitterten vor
Kälte, und Tohil wiederholt um Hilfe anriefen und um Feuer baten.
Der Götze gewährt ihnen auch diesmal die Bitte, verlangt aber jetzt,
dass sie ihm Blut von ihrem Körper und Tabak opfern, und ohne
seine Zustimmung keiner andern Völkerschaft von ihrem Feuer
geben sollen. Tohil fordert zugleich Balamquitze und die Seinen
auf, ihm zu folgen und den Ort aufzusuchen, wo sie sich nieder
zulassen haben (donde nos hemos de plantar). Er befiehlt ihnen
weiter, sich die äussersten Enden der Ohren und die Ellbogen zu
durchstechen und ihm auf diese Weise ihre Erkenntlichkeit zu
bezeugen. Und sie thaten, wie ihnen Tohil befahl, und gedachten in
ihrem Gesänge ihrer Rückkehr vonTulanzü, und ihr Herz weinte, als
sie weiterziehen und Tulanzü verlassen mussten.
Und als sie in ihren Wanderungen endlich auf einen Berg
kamen, versammelten sich alle die Häuptlinge der Quiches und berie-
tlien und beschlossen unter einander und legten jedem Stamme
einen Namen bei; und darum heisst dieser Ort der Berg des Gebotes
oder der Verheissung (el cerro de el mandato 6 aviso). Und jetzt
sprachen die drei Gottheiten: Tohil, Avilix und Hacavitz (über deren
Wesen und Gestalt uns die Chronik noch immer im Unklaren lässt)
zu den vier Stammvätern: „Lasst uns weiter ziehen, hier kann nicht
unseres Verbleibens sein, bringt uns an heimlichen, verborgenen
Orten in Sicherheit, damit wir nicht durch unsere Feinde aufgefun
den und gefangen genommen werden, denn die Sonne ist nahe ihrem
Aufgang!“
Und jeder der Stammväter nahm hierauf seine Gottheit und
trug sie nach irgend einem einsamen Punct, in eine Schlucht, in
einen Wald oder auf eine Bergeshöhe, und erwartete dort mit ihr
das Erscheinen des Tagesgestirns. Und als sie endlich den Stern in
vollem Glanze aufgehen sahen, welcher der Himmelsköniginn wie der
Ceremonienmeister einer irdischen Majestät vorauszugellen pflegt, da
verbrannten sie Copal (Rhus copallinum), eine Art Weihrauch, den
sie vom Osten mitgebracht hatten, und sangen und tanzten dazu, den
Körper gegen Osten gekehrt (bailando häcia el Oriente), woher
sie kamen, und weinten vor Freude. Und den geliebten und köst
lichen Weihrauch (el arnado y precioso incienso), den Balamquitze
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 179
mit sich führte, nannten sieMixtampon, und jenen vonBalamb-acab:
Cavitztampon, und jenen von Mahucutah nannten sie Cali avi p on.
Und als endlich die Sonne aufstieg, wie ein Mensch, jubelten
Völker und Thiere, die Löwen und die Tiger fingen in ihrer Weise
zu jauchzen an, der Adler breitete behaglich seine Fittige aus, die
Vögel begannen zu singen; und der erste Vogel der sang, hiess
Queletza. Nun trocknete auch die Oberfläche der Erde die bis
zum Aufgange der Sonne feucht und sumpfig war, und die Gottheiten
der Quiche’s: Toliil, Avilix und Hacavitz, so wie die andern Idole:
der Löwe, der Tiger, die Giftnatter, die Schlange, der Kobold
(ei duende), wurden durch den Einfluss der Sonnenwärme zu Stein.
Der Gesang den die Volksstämme jetzt anstimmten, hiess Cumanu;
in demselben trauerten sie um ihre Verwandten und Brüder welche sie
in Tulanzü zurückgelassen, sowie über den Stamm Tepeu Oliman,
der im Osten geblieben war, woher sie kamen, und gross war ihr
Schmerz»und ihr Kummer über diese Abwesenden.
Die Chronik erzählt uns ferner, wie sich sodann die vier Stamm
väter nach den Orten begaben, wo ihre Idole verborgen waren, und
dieselben nun in der Gestalt von Jünglingen (asemejaban mancebos)
in porösen Stein verwandelt fanden. Und als die Stammväter vor dem
Idol Toliil Wurzeln (ra-chac-noh) verbrannt und die Blätter einer
Palmenart (pericon) geopfert hatten, da sprach die Gottheit zu ihnen,
obwohl aus Stein, wie durch ein Wunder und gab ihnen Batli und
Gebote. Bei dieser Gelegenheit sehen wir die Gottheiten oder viel
mehr die heidnischen Priester bereits viel anmassender und begehr
licher auftreten. Sie verlangen jetzt von den Völkerschaften, dass
man ihnen nicht blos wie bisher Blätter und Gräser darbringen,
sondern das Weibliche des Wildes (venado) und der Vögel opfern
solle. Und als sie den Mund der steinernen Gottheiten mit dem Blute
der geopferten Thiere tränkten, fingen die Gottheiten zu sprechen an.
Die Völkerschaften hatten zu jener Zeit noch keine festen
Wohnsitze, sondern lebten in den Wäldern in grosser Noth und
Dürftigkeit und nährten sich nur von Pferdefliegen und Wespen
(solo comian tabanos y abispas). Und sie durchstachen sich die
Ohren und die Ellbogen und betünchten sich mit ihrem Blute und
träuften es in den Mund ihrer Gottheiten, und diese gaben ihnen
dafür eine Thierlraut (pazilizib) und Blut aus ihren Schultern zum
Salben. — Die verschiedenen Völkerschaften scheinen nicht lange
12 *
180
Di*. Karl Scherzer.
in Frieden mit einander gelebt zu haben. Die Chronik die uns über
so Vieles im Dunkel lässt, gibt zwar auch hier keine bestimmte Ursache
des Zerwürfnisses an; allein nach einer kurzen Episode, in welcher
die Versuchung der Idole derQuiche’s (vermuthlich auf Veranlassung
eines feindlichen Stammes), während sie sich baden, durch zwei
schöne Jungfrauen (hermosas doncellas) erzählt wird, erfahren wir,
dass sich die vier Stammväter mit ihren Anhängern, mit Weibern
und Kindern auf dem Berge Hacavitz befestigt hatten, und mit Pfeilen
und Schildern wohl bewaffnet waren. Bei dieser Gelegenheit spricht
die Chronik zum ersten Male von „Soldaten und Krie
gern“ und dass auch die Frauen an den Kämpfen Tlieil
nahmen (y sus mujeres tambien fueron matadoras); das Ende
dieses Krieges aber ist, dass sämmtliche feindliche Völker von den
vier Stammvätern unterworfen und statt der Todesstrafe für immer
dienstpflichtig gemacht wurden (aunque erais dignos de muerte,
solo sereis tributarios para siempre, les fue dicho).
Bald nach diesen wichtigen Vorgängen überkommt die vier
Stammväter des Quiche-Geschlechtes der Tod. Sie wissen, dass sie
sterben werden, obwohl sie weder krank noch leidend sind, und
benachrichtigen davon ihre Kinder. Zwei Söhne batte Balamquitze:
Gocaib und Gocabib, welche zugleich die Ahnen sind des Stammes
der Caviquib; und eben so viele Söhne hatte Balam-acab, nämlich:
Goacul und Goacutec, die Stammväter der Nihaibab; Mahucutah hin
gegen hatte nur Einen Sohn: Gohaan. Der vierte Mensch aber
scheint keine Kinder gehabt zu haben und ohne Nachkommenschaft
gestorben zu sein. Und als Balamquitze sterbend von den Seinen
Abschied nahm, sagte er, dass er in das Land zurückkehre, woher er
gekommen, und empfahl ihnen seiner und ihrer Heimath zu geden
ken. Er Hess ihnen zu seinem Gedächtnisse ein verhülltes Kleinod
(envoltorio) zurück, das in der Chronik leider nicht näher beschrie
ben, sondern wovon blos gesagt wird, dass es von Allen hoch in
Ehren gehalten wurde. Die vier ersten Stammväter aber, die von
der andern Seite des Meeres, von Osten kamen (que vinieron de la
otra parte de el mar, del Oriente), wurden nach ihrem Tode
„Respetados y acatados“ genannt.
DreiSöhnederStammältern: Gocaib, Goacutec und Gohaan kehren
bald darauf, ohne dass ein specieller Grund dafür angegeben wird,
in die Heimath ihrer Väter jenseits des Meeres nach
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 181
dem Osten zurück. Die Chronik, sonst so weitläufig in Beschrei
bungen, ist äusscrst lückenhaft in der Schilderung des früheren Vater
landes. Wir erfahren blos, dass im Osten ein grosser und mächtiger
Herrscher thronte, der Nacxit hiess, und dass die dahin Ausgezoge
nen, als sie in hohemAlter zum zweiten Male nach ihren neuen Wohn
sitzen zurückkamen, aus der alten Heimath ihre Priester, ihre Gesetze,
ihre Götzen, Bilderschrift und Malerei mitbrachten.
Rasch und riesig muss nun die Bevölkerung zugenommen haben;
denn wir hören, dass bald nicht mehr die Berge zu zählen waren,
auf denen sich die Völkerschaften niedergelassen hatten (no eran
contables los cerros quehahitaron). Das erste Dorf, das sie gründeten,
hiess (wahrscheinlich zu Ehren ihres Götzen) Hacavitz, das zweite
Chiquix (Dorn), das dritte Chicha, das vierte Humetaha, das fünfte
Culba, das sechste Ravinal u. s. w. Ein anderer Volksstamm liess sich
auf dem Hügel Chi-izmachi nieder, und errichtete daseihst Gebäude
aus festem Material (de cal y canto). Es gab damals nur drei grosse
Häuser in Izmachi: Caviquib, Nihaibab und Ahan-quiche, und es
herrschte weder Neid noch Klage, sondern blos Ruhe und Herzens
friede unter den Völkern.
Da geschah es, dass die Könige Cotuha und Yztayul durch das
Volk der Ilocab bekriegt wurden, welche den Stamm der Quiche’s
vernichten und allein herrschen wollten (lo que querian, era acabar
con los quiches, y que eilos solos reynaron). Es entspann sich ein
langer blutiger Krieg, in welchem die Quiche’s einen glänzenden Sieg
davontrugen, und damit den Grundstein zur ferneren Macht und Grösse
ihres Reiches legten. Zum ersten Male werden bei diesen Käm
pfen die Kriegs gefangenen zu Sclaven gemacht, und ein
zelne von ihnen vor dem Idol geopfert; der Berg Izmachi wird jetzt
von den Quiche’s befestigt, und der Götze Tohil von nun an in der
Stadt selbst gehütet. Gewaltig war die Furcht der grossen und
kleinen Volkerstämme vor den Quiche’s, als sie ihre Gefangenen zu
Sclaven machen, sie tödten und der Gottheit opfern sahen.
Die Herrschaft der Quiche’s dehnte sich von dieser Zeit an immer
mehr aus; Bevölkerung, Macht und Ansehen nahm immer mehr zu,
und die drei grossen Häuser, aus denen anfänglich das Reich bestand,
wurden auf 24 grosse Häuser (casas grandes) vermehrt. Diese neue
Eintheilung welche in dem Orte Cumarcaah geschah, wird von der
Chronik sehr umständlich geschildert. Die dabei erwählten Fürsten
182
Dr. Karl Scherzei*.
und Grossen wurden von den Vasallen hoch geehrt und geliebt. Sie
brauchten nicht zu arbeiten, noch ihre Wohnsitze zu bauen, noch der
Gottheit ihren Tempel zu errichten; alle diese Geschäfte und noch
viel mehrthaten für sie die Vasallen. Man legte ihnen zuweilen sogar
übernatürliche Eigenschaften bei. So scheint wenigstens aus einer
Legende hervorzugehen, welche die Chronik von einem der Könige,
Namens Qucumatz (grosse Schlange) erzählt, der sieben Tage lang
im Himmel verweilte, und eben so lange in der Hölle blieb, bald sich
in eine Schlange verwandelte, und bald in einen Adler, bald in einen
Tiger, und bald wieder in Blut (sangre coajada), und durch diese
wunderlichen Metamorphosen selbst unter den Mächtigen des Reiches
einen gewaltigen Schrecken verbreitete, und sich zu hohem Ansehen
verhalf.
ln der sechsten Generation, unter der Herrschaft von Zacquicab
und Cavizimah, fand zum ersten Male eine Theilung des Reiches
Statt. Dieselbe scheint gleichwohl nicht friedlicher, sondern gewalt
samer Natur gewesen zu sein. Wenigstens hören wir bald darauf,
dass mehrere Völkerschaften (parcialidades) welche keinen Tribut
mehr bezahlen wollten, von den sie verfolgenden Soldaten unterworfen,
zu Sclaven gemacht, gefoltert, gepeinigt (flechados) und
machtlos über die Erde zerstreut wurden, „wie der Blitz sich zer-
theilt, der in den Stein fährt, um ihn zu zersprengen“. —Zugleich
tauchen jetzt in der Chronik Namen von Dörfern auf, welche
noch heut zu Tage b estehen , und wenn schon im traurigsten
Verfall, noch bis zur Stunde den Schauplatz illustriren, auf dem sich
die von der Chronik erzählten Ereignisse zugetragen haben. Wir
begegnen Namen, wie Chuuila ‘)— dasselbe Dorf, wo zu Anfang des
18. Jahrhunderts Pater Ximenez als geistlicher Seelsorger lebte, und
die vorliegende Chronik niederschrieb,— Rabinal, Tzacualpa, Totoni-
capam, Quesaltenango, Guatemala, Momostenango u.s. w.; sämmtlich
Orte die noch heute von den Quichestämmen bewohnt werden, und
mehr oder minder dem classischen Boden der alten Indianergeschichte
angehören. Auch gewahren wir jetzt, wie mit der zunehmenden
Macht und dem steigenden Einflüsse des Reiches allmählich auch die
inneren Zustände geordneter und consolidirter werden; politische
4 ) Abkürzung- fürChichicastenang;o, ein Dorf in den Altos von Guatemala.
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 183
Institutionen treten ins Leben, und die erst noch zerfahrenen, wohn
sitzlosen Völkerschaftengewähren bald den erfreulichen Anblick eines
sich bildenden Staatsorganismus. Auf dem Berge Xlbalax-xecamac
halten jetzt die Fürsten und Grossen ihre Beratliungen, und wählen
Versammlungen (juntas) die über das Wohl des Reiches zu wachen
haben; zugleich werden Hauptleute und Anführer ernannt, Festungen
zum Schutze gegen auswärtige Feinde errichtet, Krieger in die
bedrohtesten Puncte vertheilt, Spione und Wachen ausgeschickt, und
die Gottheiten durch Erbauung von eigenen Gebäuden (edificiosj zu
ehren gesucht 1 ).
Auch erscheinen jetzt mehrere Fürsten (Qucumatz, Cotuha,
Quicab, Cavizimah) zum ersten Male als Wahrsager (adi-
vinos y naguales), denen Vergangenes und Zukünftiges gegenwärtig
ist, und die Krieg und Noth, Seuche und Hunger vorherzusagen
vermögen. Die Chronik erzählt uns, dass sie ihre Weisheit aus einem
Buche schöpften, das sie „libro de todo,“ oder auch „libro del
comun“ nannten, von dem jedoch nicht weiter mehr die Rede
ist, und das, wenn es überhaupt jemals existirthat, jedenfalls ver
loren gegangen ist. Auch der heidnische Cultus nimmt nun mit der
politischen Gestaltung und Entwickelung des Reiches einen mehr posi
tiven Charakter an. Die Gottheiten und ihre Priester scheinen sich
nicht länger mehr blos mit Geschenken von Blumen und Früchten
und dem zeitweiligen födten von Kriegsgefangenen begnügen zu
wollen. Sie verlangen einen mehr thätigen Antheil jedes Einzelnen,
eine Art persönlichen Opferns durch alle Arten von Entsagungen
und Entbehrungen. Lange andauernde Fasten (ayunos) wurden ein
geführt, während welcher Kleine und Grosse (chicos y grandes)
voll Zerknirschung vor dem Idol niederstürzten (se quebrantaban
delante de el idolo) und ihr Herzensanliegen ausschütteten. Es waren
stets entweder Ne u n, Dreizehn oder Siebzehn, welche fasteten,
Weihrauch verbrannten, oder sich demüthig vor dem Idole auf die
Erde warfen. Ihre Bitten betrafen hauptsächlich eine zahlreiche
Nachkommenschaft, reichliche Nahrung, Gesundheit und Beschiitzung
vor körperlichen Unfällen. Während dieser Bussfeste die zu gewissen
A ) Wir hören bei dieser Gelegenheit auch von einer neuen Gottheit : Tzutuha , die
sich in Catubaha befand, und aus einem gewöhnlichen Stein bestand, dem Fürsten
und Vasallen vor allen anderen Gottheiten zuerst ihre Opfer darbrachten.
184
Dr. Karl S c h e r z e r.
Zeiten wiederkehrten, nährten sich die Völker fast ausschliesslich
nur von Früchten (zabotes, matazanos, jocotes), trennten sich
von ihren Frauen, und brachten Tage und Nächte mit Beten,
Schreien, Weinen und dem Verbrennen von Weihrauch im Hause des
Idoles zu. —
Wir sind jetzt am Ende der Chronik angelangt. Dieselbe schliesst
mit einem Verzeichnisse der Geschlechter welche in Quiche von der
Gründung des Reiches an durch die vier Stammväter Balam-quitze,
Balam-acab, Mahucutah und Yquibalam zu jener Zeit, als Sonne,
Mond und Sterne zu leuchten anfingen, regiert haben. Nach diesem
Register herrschte das 12. Königsgeschlecht der Quiche’s, als Pedro
Alvarado das Land bekriegte. Nach der Ankunft der Spanier (1524)
regierten nur mehr zwei Könige: Tecum Tepepul, welcher bereits
den Eroberern Tribut zahlen musste, und hierauf dessen Söhne Julius
Rojas und Julius Cortes, welche von den Eroberern getauft, und
denen zugleich mit dem christlichen Act die Namen ihrer siegenden
Feinde beigelegt worden waren.
Der Quiche-Chronik sind vom Autor zum besseren Verständniss
derselben Scholien beigefügt, welche, mit theihveiser Benützung
einer gleichfalls sehr geschätzten Handschrift des Augustiner Mönchs
Fray Geronimo Roman, höchst werthvolle Mittheilungen über die Ge
schlechtsfolge der Könige, die religiösen Sitten und die gesellschaft
lichen Zustände im alten Quiche-Reiche liefern, und in denen zugleich
in kurzen aber kräftigen Zügen das träge, misstrauische, zähe Wesen
der Indianer geschildert wird. Mit Recht nennt sie Xiinenez ein Volk
voll Widersprüchen, das die härtesten Arbeiten verrichtet und doch
wieder den höchsten Grad von Faulheit zeigt; das über alle Massen
gefrässig ist und gleichwohl eine bewundernswürdige Enthaltsamkeit
besitzt; ein Volk endlich, welches mit natürlichen Gütern gesegnet,
dennoch im erbärmlichsten Zustande lebt. Der Reiche wie der Arme,
der Cazike wie der niedrigste Indianer besitzen ganz dieselben üblen
und guten Eigenschaften, sie sind alle gleich in Allem, Alle nur Ein
Indianer. Ihr ganzes Wesen ist das von Kindern, und darum sollten
sie auch nur wie solche beurtheilt und behandelt werden. Wohl
Vielen, meint Ximenez, werden diese Historien blos als Kinder
geschichten erscheinen, die weder Fuss noch Kopf haben; allein für
den beschränkten Verstand des Indianers sind dieselben eben so viele
Wahrheiten als für den Katholiken die Lehren des heil. Evangeliums,
Über die handschriftlichen Werke des Padre Francisco Ximenez etc. 185
und eine genaue Kenntniss dieser Traditionen dürfte daher manchen
neuen Aufschluss gehen über die Bildungsstufe und den Charakter
dieses räthselhaften Volkes. Den dämonischen Samen des Irrglaubens,
welcher in der Brust des Indianers so unausrottbare Wurzeln geschla
gen hat, vergleicht der geistliche Autor mit den Quecken im Wein
berge. Wie der Winzer oft genug gethan zu haben glaubt, wenn er
die sichtbaren Theile dieses Unkrauts vernichtet und sich nicht weiter
um die Schösslinge kümmert, welche im Verborgenen fortwuchern,
eben so betrachten auch Viele diese indianischen Sagen blos als
bizarre, sinnlose Gebilde einer verschrobenen Phantasie und halten
es nicht der Mühe werth, tiefer einzugehen in deren heidnischen
Ursprung und die Wurzel des Irrglaubens auszurotten, welcher die
selben entsprossen. Ximenez klagt über den gänzlichen Mangel
an gedruckten Werken welche die katholische Glaubenslehre in
indianischer Sprache behandeln, und wie selbst die wenigen, von
frommen Vätern im Indianischen geschriebenen Wörterbücher und
Katechismen niemals durch den Druck veröffentlicht worden sind. Der
selbe rügt strenge die Rathschläge einflussreicher Personen, wodurch
sich die damalige spanischeRegierung bestimmen liess, den Religions
unterricht der Indianer in der spanischen Sprache zu verordnen, welche
diese nur wenig verstanden, nocb, hei ihrer gründlichen Abneigung
gegen Alles was spanisch ist, sich Mühe gaben sie zu verstehen und
daher die ihnen beigebrachten Glaubenssätze trotz der gewaltigsten
Bemühungen von Seite der Missionäre nur wie „Papageien“ ohne
alles Verständniss wiederholten.
Die Aufgabe des Ximenez’schen Werkes bestand hauptsächlich
darin, die ältere Geschichte der Indianer von Guatemala nach münd
lichen Überlieferungen und bildlichen Darstellungen in der Quiche-
Sprache niederzuschreiben, dieselbe in die castilianische zu über
setzen und dabei die verschiedenen Irrthümer aufzudecken, von
welchen dieses Volk in seinem heidnischen Zustande befangen war
und an denen es noch bis zur Stunde festhält. Indem der ehrwürdige
Autor sich bemühte, die spanischen Mönche und Missionäre mit den
Traditionen und Sagen der ersten Bewohner Central-Amerika’s
gründlicher wie bisher bekannt zu machen, hoffte derselbe, dass
eine genauere Kenntniss des Irrglaubens, der Vorurtheile, der
Gebräuche und Institutionen dieses seltsamen Volkes ihre frommen
Bestrebungen wesentlich fördern und dazu beitragen würde, dass
I 86 Di\ Karl Scherzer. Über die handschriftl, Werke des P. Francisco Ximenez.
es fortan nicht blos getaufte, sondern auch bekehrte Indianer
gebe.
Während nun die Ximenez’sche Übersetzung der indianischen
Chronik dem eigentlichen Zwecke, zu dem sie unternommen worden,
vollkommen entspricht, bietet dieselbe zugleich dem Forscher unserer
Tage eine grosse Zahl höchst interessanter Mittheilungen über die
Urrace von Central-Amerika, welche zu manchen neuen Speculationen
und Folgerungen Anlass geben dürften. Aus diesem Grunde schien
es mir von Wichtigkeit, diese Handschrift aus der Nacht der Ver
gessenheit in der Universitäts-Bibliothek zu Guatemala ans Licht der
Öffentlichkeit zu ziehen und sie zum Gemeingut der Wissenschaft
zu machen. Und darum wage ich auch für den soeben unter der
Ägide der kaiserl. Akademie der Wissenschaften im Druck veröffent
lichten spanischen Originaltext die Theilnahme und das Wohlwollen
aller Freunde amerikanischer Forschung zu hoffen.
K arl Stög m nn n. Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich. 187
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
(Eine historische Abhandlung.)
Von Karl Stogmuun.
Die vorliegende Abhandlung hat sich die Aufgabe gestellt, eine
nähere Untersuchung einzuleiten über die Art und Weise, wie Kärn
ten dem Länderverbande der österreichischen Monarchie einverleibt
worden. Denn wenn auch vielleicht dem ersten Anscheine nach diese
Frage als eine gelöste betrachtet werden könnte, so wird ein näheres
Eingehen in dieselbe dennoch zeigen, dass hier noch manches Unklare
zu beleuchten, Unrichtiges zu widerlegen, Unbekanntes zu ergänzen
übrig geblieben. Versuchen wir es vorerst nur einmal, die verbrei
tetsten Ansichten über diese Frage mit wenig Worten zusammenzu
fassen, so können wir die allgemeineAuffassung beiläufig in folgender
Weise bezeichnen:
Kärnten befand sich unter denjenigen Ländern die Ottokar
während der Wirren des Interregnums unrechtmässig an sich gebracht,
und deren Herausgabe an das Reich durch Rudolf von Habsburg von
ihm erzwungen worden. Rudolf verlieb hierauf im Jahre 1282 seinen
Söhnen mit den babenbergischen Leben auch Kärnten. Allein
Albreeht und Rudolf gaben das Land sofort an den Vater zurück, mit
der Bitte, den Grafen Meinhart von Tirol damit zu belehnen. Rudolf
erfüllt dies Begehren, jedoch mit dem Bedinge, dass Kärnten nach
Aussterben des Meinbarts’chen Mannsstammes wieder an das Haus Habs
burg zurückfallen müsse. Als nun im Jahre 1335 dieser Fall mit dem
Tode Heinrich’s von Kärnten wirklich eintrat, fiel das Land in Folge
des geschlossenen Vertrages an Österreich, was auch Kaiser Ludwig
durch die den österreichischen Fürsten ertheilte Belehnung bestätigte.
Aus dieser Darstellung treten nun vorzüglich zwei Puncte her
vor, die einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen. Erstens :
Wie steht es eigentlich um die Belehnung von 1282? Hat sie über
haupt stattgefunden oder unter welchen Modificationen? Dann zwei
tens : Ist es zu erweisen, dass Rudolf von Habsburg oder sein Sohn
Albreeht mit Meinhart von Tirol einen derartigen Vertrag abge
schlossen habe, der dem Hause Habsburg ein Rückfallsrecht auf
188
Karl Stöginan n.
Kärnten einräumte? Sind einmal diese beiden Puncte erledigt, so
schliesst sich daran wie von selbst die Frage: In welcher Art und
Weise erfolgte endlich die Erwerbung Kärntens für Österreich?
Die vorliegende Schrift soll nun in ihrem ersten Theile die bei
den ersten angeregten Fragen beantworten; in ihrem zweiten Theile
aber der dritten Frage durch eine genaue auf Quellen und Urkunden
gestützte geschichtliche Darstellung wo möglich Genüge leisten.
I.
Es hat besonders in der älteren österreichischen Geschichts
literatur nicht an vereinzelten Stimmen gefehlt, die die Belehnung
der habsburgischen Fürsten mit Kärnten im Jahre 1282 in Zweifel
zogen. So brachte schon P esler in seiner tüchtigen Schrift „Series
ducum Karinthiae“ 1740 mehrere Gründe vor, die ihm dagegen zu
sprechen schienen, wagte es jedoch nicht, etwas Bestimmtes hierüber
auszusprechen. Der gelehrte C all es aber und Kurz in seiner Schrift
„Österreich unter Ottokar und Albrecht,“ ignorirten die fragliche Beleh
nung völlig, ohne sich auf einen weiteren Beweis darüber einzulassen.
Dagegen versuchte esLambacher in seinem Werke über das öster
reichische Interregnum, die Wirklichkeit der Belehnung zu erweisen.
Ihm fielen Schrötter, Fröhlich im „Specimen Archontologiae
Karinthiae“ hei, und beinahe die ganze neuere Geschichtschreibung hat
sich zu derselben Meinung bekannt. So Mailäth, soLichnowsky;
so Böhmer in seinen Regesten und Ko pp im ersten Bande seiner
Geschichte der eidgenössischen Bünde. Andererseits hat wieder ein in
neuester Zeit erschienenes Werk: Hagen’s „deutsche Geschichte,
1864“ sich in ganz entgegengesetzter Weise ausgesprochen.
Es sind vorzüglich zwei Gründe welche die neueren Historiker
zur Annahme der Belehnung von 1282 bewogen haben. Sie berufen
sich nämlich auf zwei Urkunden, in denen von dieser Belehnung aus
drücklich die Rede ist. Die erste Urkunde ist der Belehnungsbrief
Rudolfs von Habsburg für Meinhart von Tirol vom Jahre 1286 4 );
die zweite, der Willebrief Kurfürst Alhrecht’s von Sachsen zur
A ) Die Wichtigkeit der Urkunde und die Ungenauigkeit des einzigen Abdruckes in Ger-
bert's Codex epistolaris mögen es rechtfertigen, dass ich in dem Anhänge einen neuen
Abdruck dieses Actenstückes beifüge.
Über die Vereinigung; Kärntens mit Österreich. 189
Belehnung Meinhart’s mit Kärnten!). Die hieher bezügliche Stelle
aus der ersten Urkunde lautet:
„Noverit presens etas et futuri temporis successiva posteritas,
quod Illustres Albertus et Rudolfus, Duces .... apud Augustana in
nostra presentia constiluti Celsitudini nostre devotis precibus instite—
runt, quatenus Principatum sive Ducatum terre Karinthie, quo ipsos
jam dudum cum ceteris Ducatibus yi de licet Austrie
et Stirie supradictis de consensu principum .... in-
vestivisse recolligimus in Augusta, in manus nostras libere
resignatum spectabili viro Meinhardo .... conferre .... et ipsum
de eo sollempniter investire dignaremur.“
In dem Willebriefe des Kurfürsten von Sachsen heisst es:
„Quia igitur illustres principes domini Albertus et Rudolfus,
Duces Austrie et Stirie petiverint de nostro beneplacito et consensu
procedi, quod serenissimus .... Romanorum Rex .... Ducatu Ka
rinthie, quemabeoiidem principes tenent in feodum, ad
resignationem eorum liberam spectabilem virum . .. infeodet.. . etc.“
In der ersten Urkunde sagt also Kaiser Rudolf ausdrücklich, dass
er seine Söhne zu Augsburg mit Kärnten belehnt habe, und es lässt
sich gar nicht absehen, warum er dies gesagt haben sollte, wenn
dem nicht wirklich so gewesen wäre. Durch den Willebrief des
Kurfürsten von Sachsen wird diese seine Aussage bestätigt.
Allein es fragt sich nun, ob durch diesen klaren Ausspruch des
Kaisers und des Kurfürsten jede Schwierigkeit in Betreff der Beleh
nungsfrage beseitigt sei, oder ob ungeachtet des Wortlautes der Ur
kunden doch noch Bedenklichkeiten obwalten, und ob die Aussage
Kaiser Rudolfs und des Kurfürsten auch durch Quellennachrichten
und Thatsachen bestätigt werde? Ferner, wenn allenfalls dieQuellen
schweigen und keine Thatsachen dafür sprechen, wie der Ausspruch
des Kaisers mit der Geschichte in Einklang zu bringen sei? Unter
den Quellen findet sich freilich nur eine einzige die mit Rudolfs Ver
sicherung übereinstimmt. Es ist dies die „Continuatio Novimonten-
sis“, in welcher unter den Ländern, mit denen Rudolf von Habsburg
seine Söhne belehnt, auch Kärnten genannt wird 3 ). Die übrigen
*) Die noch ungedruckte Urkunde folgt im Anhänge.
2 ) Continuat. Novimont. ap. Pertz. Item dominus Rudolfus Roman. Rex ap. Augustam
filiis suis Alberto et Rudolfo terras Austriam, Stiriam, Karinthiam, Marchiam
portus naonis contulit mense Decembri. Von späterer Iland ist beigeschrieben:
190
Karl Stög'mann.
Chroniken wissen nichts davon. So nennt das gleichzeitige „Chronicon
Floriacense“ Österreich, Steiermark und Krain •)■ Dasselbe findet
sich in der bis 1281 (1282) reichenden sogenannten goldenen
Chronik 3 ). Das Chronicon Osterhoviense 3 ) erwähnt die Belehnung
der Herzoge mit Österreich und stellt die Belehnung Meinhart’s mit
Kärnten gegenüber. Das Chronicon Claustro-Neoburgense 4 ) nennt
Österreich und Steiermark. Keine der Chroniken die die
Belehnung Meinhart’s berichten und die später citirf werden, thut
hiebei eine Erwähnung, dass das Land früher den österreichischen
Herzogen gehört habe. In Ottokar’s Reimchronik ist wohl Kärnten
unter den an Albrecht und Rudolf verliehenen Ländern genannt, aber
hier nur durch einen Fehler des Abschreibers der statt Öster
reich, Kärnten schrieb 5 ). Allein im Ganzen genommen geben
Rudolfus Roman. Rex de consilio et voluntate nobilium, qui aderant, Albertum filium
suum Ducem Austrie et Stirie constituit.
*) Chron. Flor. ap. Rauch. II, pag. 215.
Anno domini in festo Nativitatis domini Rudolfus Rex Curiam Regalem celebravit
Auguste in qua predicto Alberto primogenito suo et Rudolfo fratri suo contulit
Austriam, Stiriam et Carniolam.
2 ) Horm. Arch. 1827, Chron. aureum.
Rudolfus Rex Romanorum filios suos Albertum et Rudolfum Duces facit per Austriam,
Styriam et Carniolam.
3 ) Chron. Osterhov. ap. Rauch. I.
Ibi eciam Albertum suum primogenitum de Ducatu Austrie infeodavit
et Meinhardum comitem de Tyrol ducem Karinthie fecit.
4 ) Chron. Claustro-Neob.
Rudolfus. Rom. Rex Albertum filium suum ducem Austrie et Stirie constituit.
5 ) Es hält nicht schwer, dies zu erweisen, auch wenn man nicht in der Lage ist, die
Handschriften einsehen zu können. In dem 200. Capitel der Reimchronik heisst es:
Ich hAn der Sune zwen
Wann dew teilent iren Lant:
Chrain, Chernden und Steyrlant
So sol einer Herr werden —
Do sol von Swewischer erden
Der ander Fürst haissen.
In dem vorhergehenden Capitel hat uns der Verfasser seine Absicht angekündigt,
von der Belehnung der Söhne Rudolfs mit Österreich und Schwaben zu sprechen:
Ich wil euch chund machen,
Mit wie getan Sachen
Chunig’ Rudolf der weis’,
Der furst an hohen preis
Und an wiczen unbetrogen
Sein Sun ze Herezogen
Dacz Österreich und in Swaben macht.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
191
hier die Quellen keinen besondern Ausschlag. Sie sind für diese Zeit
überhaupt nicht sehr ausführlich, sie lassen willkürlich ein oder das
andere Land aus, und wenn eine der Chroniken erst nach 1286 ge
schrieben wurde, wo Kärnten schon bestimmt nicht mehr den öster
reichischen Herzogen angehörte, so war es ganz erklärlich, wenn es
Das 200. Capitel führt die Aufschrift:
„Wie Kunig Rudolf die Herrn gepeten hat, daz si seinen Sun zu Herrn in Österreich
nennen und in Swaben Land.“
Nun kömmt aber im ganzen 200. Capitel das Wort „Österreich“ gar nicht vor, und
obwohl Ottokar die Belehnung mit Österreich erzählen will, so nennt er Österreich
doch nicht unter den verliehenen Ländern. Die ganze Folge der Erzählung ist aber
derart, dass nothwendig Österreich genannt worden sein müsste. Hören wir ferner,
wie Ottokar fortfährt:
Do dew Red hat ain End,
Der Kunig mit siner Hend
Seinen Sün peiden
Lech unverscheiden
Die Grafscheft und die Lannt
Die Ich vor han genannt
Die enphingen sie mit Vanen
Der Kunig begund inanen
Die herren, daz si swuren
In peiden, ee sie dann furn
Dar geschah nach siner Ret,
Do er daz vollendet het
Dez andern Morgens frue
Greiff de Kunig darczue
Graf Meinhart von Tyrol
Gen dem er was genaden vol
Den macht er unbetrogen
Dacz Kernden Herezogen.
Ottokar der, nebenbei bemerkt, in diesem Capitel drei der Zeit nach sehr getrennte
Ereignisse zusammengezogen hat, die Belehnung der Söhne Rudolfs, die Bitte der
österreichischen und steierischen Landesherren, nur einen Herrscher zu erhalten, und
die Belehnung Meinhart’s vom Jahre 1286, Ottokar erzählt also hier, dass Kärnten
dem Meinhart von Tirol gegeben worden sei, während er es oben unter den Ländern
genannt hat, die den Söhnen Rudolfs verliehen worden. Bei seiner sonstigen Lust an
Breite und Ausführlichkeit der Darstellung wäre es wohl übel angebracht, diesen
Widerspruch aus einem Streben nach Kürze erklären zu wollen. Es ist augenscheinlich,
dass in der erst citirten Stelle anstatt Chernden Österreich gestanden habe, und der
Irrlhum ist entweder durch den Abschreiber veranlasst worden, oder er ist auf Rech
nung des schlechten Abdruckes zu setzen, den wir von dieser so wichtigen Chronik
leider besitzen. Beweisend für das Gesagte ist auch, dass sowohl Joh. Victoriensis
der den Ottokar benützte, als auch Hagen der ihn beinahe wörtlich in Prosa übertrug,
Kärnten nicht unter den Lehen der Herzoge Albrecht und Rudolf aufzählen, wohl aber
Österreich nennen. Die eine der beiden auf der k. k. Hofbibliothek befindlichen Hand
schriften der Reimchronik hat nun an der bezüglichen Stelle wirklich das Wort Öster
reich statt kernden.
192
Karl Stög mann.
bei der Aufzählung der den Herzogen verliehenen Länder weg
blieb.
Allein denjenigen welche die Thatsächlichkeit der Belehnung
von 1282 bestritten, standen andere nicht geringfügige Gründe für
diese Meinung zu Gebote. In dem grossen Belehnungsbriefe für die
Söhne des Kaisers ist Kärnten nicht genannt; auch ein besonderer
Belehnungsbrief für dieses Land ist nicht nachzuweisen. Woher kam
es, dass man es versäumte, den Besitz des Landes für die Herzoge
rechtlich und urkundlich zu sichern? Frägt man nach einem Factum,
aus dem hervorginge, dass die österreichischen Herzoge Kärnten
besessen haben, so lässt sich ein solches nicht aufbringen. In der
ganzen Zeit von 1282—1286 findet sich auch nicht Ein Regierungsact
der Herzoge, der Kärnten beträfe. Die Herzoge führen in dieser Zeit
den Titel: „Herzoge von Kärnten“ niemals; weder gebrauchen sie
ihn selbst, noch wird er ihnen vom Kaiser oder irgend Jemanden
gegeben. Auch auf ihren Siegeln findet sich keine Hinweisung auf
eine Herrschaft über Kärnten.
So sonderbar und auffällig aber auch dies Alles erscheinen
mag, so reicht es doch nicht hin, den klaren Ausspruch des Kaisers
und des Kurfürsten von Sachsen zu entkräften. Aus allen angeführten
Argumenten folgt nur, dass die Söhne Rudolfs von Hahsburg Kärn
ten nie factisch besessen haben mögen; damit kann aber ganz gut
bestehen, dass sie damit belehnt worden sind. Dem Geschichtsforscher
blieb nun die Aufgabe, nachzuweisen, wie es denn geschehen konnte,
dass die Belehnung ohne alle Folgen blieb, und wie sich etwa die
aufgethürmten Schwierigkeiten hinwegräumen Hessen.
Einen Versuch dieser Art hat Lamhacher gemacht, indem er die
Hypothese aufstellte: Die Söhne Rudolfs von Habsburg seien zwar
1282 mit Kärnten belehnt worden, hätten aber gleich nach der Be
lehnung das Land wieder an den Vater zurückgegeben, mit der Bitte,
Meinhart damit zu belehnen, um ihn dadurch für seine treuen Dienste
zu belohnen. Weil aber für diese Belehnung Meinharfs erst die Wille
briefe der Kurfürsten eingeholt werden mussten, verzog sich dieselbe
bis 1286.
Es liegt ein wahrer Kern in dieser Annahme Lambacher's. Aber
einerseits hatte er so gar nichts gethan, seine Hypothese zu begrün
den, um sie doch zu etwas mehr als zu einer blossen willkürlich
gegebenen Erklärung zu machen, andererseits erscheint die ganze
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
193
Hypothese in der geg ebenen Fassung doch etwas gar zu naiv. Albrecht
und Rudolf geben Kärnten gleich nach der Belehnung zurück , und
es war für sie (so sagt Lambacher) in der That eben so viel, als
wäre ihnen dasHerzogthum nicht verliehen worden. Warum Hessen sie
sich dann belehnen? Etwa um denSpass zu haben, bei dem feierlichen
Actus um ein Fähnlein mehr zu bekommen? Warum nahm der Kaiser
den Act der Belehnung vor, wenn er die Absicht seiner Söhne kannte,
die doch im Moment vor der Belehnung gewusst haben werden, was
sie unmittelbar nach derselben thun wollten? Oder soll man etwa
annehmen, der staatskluge, ewig vordenkende Rudolf der in genaue
ster Eintracht mit seinen Söhnen gemeinsame Plane verfolgte, habe
wirklich nichts gewusst von dem Vorhaben der Herzoge und sei so
von dem Edelmuthe seiner Kinder die aus purer Dankbarkeit ein
reiches und wichtiges Land von sich warfen, überrascht und gerührt
worden? Man sieht, man käme auf die sonderbarsten Consequenzen,
wollte man anLambacher's Ansicht festhalten.
Es schien mir nicht unnöthig, so im Vorhergehenden den ganzen
Stand der Frage darzulegen, um mir dadurch den Boden für die
Durchführung meiner eigenen Ansicht zu bereiten, einer Ansicht die
zum Theil auf einer Combination bekannter Thatsachen beruht, vor
züglich aber auf einige, bisher noch unbenützte Urkunden sich stützt,
deren Einsicht mir im k. k. geheimen Archive mit einer höchst
ermunternden und fördernden Zuvorkommenheit gestattet wurde.
Die Verbindung Meinhart’s mit Rudolf von Habsburg reicht weit
in die Zeit hinauf, in der Rudolf noch ein einfacher Schweizergraf
gewesen. Als Jugendfreunde werden sie uns bezeichnet. Schon 1270
schlossen beide Fürsten einen Vertrag über die Vermählung ihrer
beiderseitigen Kinder Albrecht und Elisabeth; die Ehe selbst wurde
1276 vollzogen. Hinlänglich bekannt ist es, wie in dem erstenKampfe
Rudolf’s gegen Ottokar von Böhmen Meinhart sich als sein treuester
und nützlichster Bundesgenosse erwies, theils durch seine glückliche
Theilnahme am Kriege seihst, theils durch Geldsummen die er dem
damit nicht eben reichlich versehenen Kaiser vorstreckte.
Dass er hiebei auch auf den Vortheil für sich und sein Geschlecht
Bedacht nehmen mochte, ist sehr erklärlich. Das Land Kärnten war
es, auf das er hier sein Augenmerk richtete. Johann Victoriensis
berichtet uns, dass Meinhart schon im Jahre 1277 den Kaiser um
die Verleihung dieses Landes ansprach. Der Kaiser antwortete in
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Hft. 13
194
Karl Stögmann.
ausweichender Weise. Er könne so etwas nicht ausführen ohne Ein
willigung der Reichsfürsten; aber auf dem nächsten Reichstage solle
darüber verhandelt werden *)• Grosse Hoffnung für die Erfüllung
seiner Wünsche gewährte aber der Kaiser dem Meinhart dadurch,
dass er ihn zum Reichsverweser in Kärnten ernannte 3 ), was immer
grosse Aussicht bieten mochte, das Land selbst zu erhalten, wie man
ja auch die Ernennung Albrecht’s zum Reichsverweser in den öster
reichischen Landen für einen wichtigen Schritt zur völligen Über
tragung dieser Länder an ihn betrachtete. Allein in diesen Bestre
bungen Meinhart’s, Kärnten an sich zu bringen, fand er einen mäch
tigen Rivalen an dem Kaiser selber, der sich nicht minder mit dem
Gedanken befasste, das wichtige Land von den übrigen dem Ottokar
abgenommenen Ländern keineswegs zu trennen, sondern es gleichfalls
an seine Söhne zu vergeben. So wie er seine Söhne dadurch in Öster
reich festen Fuss fassen liess, dass er die Bischöfe von Salzburg,
Passau und Freising bewog, die bedeutenden Kirchenlehen in den
österreichischen Ländern an die Herzoge zu verleihen, so that er das
selbe in Kärnten, wo Bischof Berchtold von Bamberg die umfang
reichen Lehen seiner Kirche an Albreeht und Rudolf vergabte. In
einem Schreiben an König Eduard von England sprach der Kaiser
geradezu die Absicht aus, Kärnten seinen Söhnen zu verleihen.
*) Joh. Victor, ap. Böhmer, Font. rer. germ. I. Band. (12.77.) Hoc tempore Heinricus dux
et Ludwicus frater ejus et Meinhardus comes de Tyrol ad Regem convenerunt postu-
lantes eis et heredibus suis de terris acquisitis donationem fieri pro eorum et suorum
heredum ad regni aeterna servitia qualem cumque. Quibus Rex respondit, hoc non
posse fieri sine Principum consensu, sed lila in curia, quam in Augusta concepisset
agerc, pertractanda, et sic distulit responsiva. Mag hier auch in Betreff Heinrich’s ein
Irrthum obwalten , von Ludwig und besonders von Meinhart ist die Nachricht völlig
glaubwürdig.
2 ) Zum Beweise hiefür diene einmal die Stelle des Joh. Vict. 1277. Rex reversus in
Austriam, Styriam lustravit ibique Karinthianos et Carniolos alloquitur, et fidelitatem
ab eis recepit; terrisque eorum per Meinhardum comitem et officiales dispositis venit
in vallem Aness. Ferner ein Brief Rudolfs an den Bischof von Bamberg, abgedruckt
bei Meichelbeck, hist. Frisingens. tom. II, p. 2. Datac Vinneae in Vigilia Epiphaniae,
1278. Darin heisst es : Cum propter dilecti nobisMainliardi ComitisTyrolensis, affinis
nostri Karissimi absentiam, et etiam propter Procuratorum suorum et officialium im-
potentiam seu desidiam, quos loco sui regimini terrae Karinthiae praefecit, Ecclesia
Werdensisetc. Endlich eine Stelle aus einem Vertrage zwischen Ilenricus de Silberberg
und der Abbatissa de Goss, Anno Dom. 1280 XVII Kal. Martii. Coram illustri Mein-
hardo Tyroien, qui de consensu Domini Rudolfi Romanorum Regis, Ducis Karinthie
tune se gessit wo vermuthlich Vicarium oder etwas Ähnliches ausgefallen ist.
Conf. Fröhlich, Spec. Arch. p. 83, 84, 85.
Über die Vereinigung’ Kärntens mit Österreich.
195
Wirklich lauteten von den Willebriefen der Kurfürsten zur Belehnung
der Herzoge vier ausdrücklich auf Kärnten, und 1282 folgte zu Augs
burg die wirkliche Belehnung die nun alle Plane und Hoffnungen
Meinhart's auf einmal zu nichte zu machen drohte.
Allein Meinhart scheint nun keineswegs gesonnen gewesen zu
sein, seine Ansprüche so bereitwillig aufzugehen. Auch er hatte nicht
versäumt, sich durch Güterkäufe in Kärnten festzusetzen. So hatte
er die reichen Moosburgischen Güter an sich gebracht, wie der dar
über ausgestellte Bürgschaftsbrief Ludwig’s von Baiern nachweist.
Als Reichsverweser hatte er das Land factisch in seinem Besitz und
konnte immer daran denken, sich darin zu behaupten. Es lässt sich
freilich nicht nachweisen, dass Meinhart gegen die Belehnung der
Herzoge mit Kärnten eine formelle Einsprache erhoben habe, aber
es lässt sich erweisen, dass er eine sehr entschiedene Opposition da
gegen factisch eingeleitet. Der Einblick in den genauen Zusammen
hang aller damals stattfindenden Ereignisse ist uns wohl nicht ge
boten, aber es fehlt uns mindestens nicht an einzelnen Daten die uns
auf die rechte Spur führen können. Ein merkwürdiges Licht auf jene
dunklen Verhältnisse wirft eine Urkunde des k. k. Staats-Archives,
die im Anhänge heigefügt ist.
Offo von Lanstrost, Gerlochus, des Herrn Otto Sohn, Nicolaus
von Sichirherk und Gerlochus, der Kastellan von Sichirberk thun
kund, dass sie eidlich versprochen haben, mit dem Schlosse Sichir
berk zu dienen ihrem Herrn dem Grafen Meinhart von Tirol mit allen
Rechten, die von Alters her bis jetzt bei dem Herzoge von
Kärnten sind. De omnibus juribus que ah antiquo tempore apud
ducetn carinthie usque huc sunt devolute.
Würden sie dies nicht halten, sollten sie alle ihre Rechte
verlieren.
Die Bedeutung dieser Urkunde lässt sich nicht verkennen. Diese
Herren versprechen, demMeinhart so zu dienen, wie man dem Herzoge
von Kärnten dienen muss. Er ist aber nicht der Herzog des Landes;
nennen sie ihn doch selber nur Graf; denn Herren des Landes sind
Albrecht und Rudolf von Österreich. Aus Graf Meinhart's Stellung
als blosser Reichsverweser in Kärnten kann sich die Urkunde nicht
erklären lassen. Es findet sich keine Andeutung dafür in derselben:
Dass die Herren dem kaiserlichen Reichsverweser gehorchen würden,
brauchten sie kaum erst besonders zu bestätigen. Auch liegt in dem
13 *
■
S
196 KarlStögman u.
Passus „cum omnibus juribus, que .... apud ducem carinthie sunt,“
mehr, als dass man auf eine blosse Diensterklärung gegenüber dem
Reichsverweser schliessen dürfte. leb glaube also nicht zu viel aus
der Urkunde heraus zu lesen, wenn ich darin einen factischen Beweis
dafür sehe, dass Graf Meinhart die kärntnerischen Herren auf seine
Seite zu ziehen bestrebt war, um auf sie gestützt sich im Besitze des
Landes zu behaupten, denn in dieser Urkunde haben wir eine feier
liche Erklärung kärntnerischer Herren, dem Grafen dienen zu wollen
wie dem Herzoge, ungeachtet die Herzoge von Österreich Herzoge
von Kärnten geworden waren.
Die vorerwähnte Urkunde dürfte kaum die Einzige solchen In
haltes gewesen sein; es scheint vielmehr, dass die Mehrzahl der
kärntnerischen Herren sich auf die Seite des Grafen stellte, der seine
Reichsverweserschaft recht wohl dazu benutzt haben mochte, sich
ihre Anhänglichkeit zu erwerben. Wie könnten wir anders das auf
fällige Verhältniss der Kärntner zu den Söhnen Rudolfs, ihren neuen
Herzogen, und zu dem Kaiser erklären? Benehmen sich doch die
Kärntner ganz so, als ob die Belehnung zu Augsburg auf sic gar
keinen Einlluss nehmen könnte. Wir hören nichts von einer Gesandt
schaft derselben an den Kaiser oder an die Herzoge. Die österrei
chischen und steierischen Stände treten zusammen und beschliessen,
den Kaiser zu bitten, die seinen beiden Söhnen ertheilte Belehnung
nur auf einen zu beschränken. Die Kärntner nehmen keinen Theil
an diesen Berathungen, keinen Theil an der desshalb an den Kaiser
geschickten Gesandtschaft. Erwuchsen ihnen aus der bevorstehenden
Doppelregierung nicht dieselben Nachtheile wie den Österreichern
und Steierern? Wussten sie nicht eben so gut, wie die andern, dass
es schwer sei, zwei Herren zu dienen? Oder besassen Kärntens
Stände so wenig Selbstgefühl, dass sie die Österreicher und Steierer
für Alles sorgen Hessen, sich gutmülhig in Alles fügend? Ich glaube,
der Grund, warum es die Kärntner so gleichgültig nahmen, ob sie
von beiden Söhnen des Kaisers, oder nur von Einem beherrscht wer
den sollten, lag vorzüglich darin, weil sie überhaupt gar keinen zum
Herrn haben wollten, sondern lieber an Meinhart von Tirol festhielten.
Einen höchst wichtigen Beweis aber für die oppositionelle Stellung
Meinhart's gegen den Kaiser gibt uns eine vom Herrn Regierungsrathe
Chmel im II. Bande der „Fontes rerum austriacarum“ mitgetheilte
Urkunde vom 28. Juni 1283. In diesem Actenstiicke gebahrt sich
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
197
Meinhart ganz als Herr des Landes. „Wir tun chunt,“ heisst es in
dieser Urkunde, „daz wir unsern getriwen dieneren hern Gotfrit von
Thrvehsen unde hern Julian von Sebvrch unserem viztum von Chern-
den mit Worten und ovch mit unserem brieve offenbar empfolhen
haben, daz si an unser stat mit minne oder mit rechte zeruouren und
zerbrechen schölten den chriech der lange her gewert hat zwischen
unsern getrivwen dieneren meister Heinrich dem propst von Wertse
unde Chunraden von Paradys, unde sinen erben unde ander sine vor
deren umbe fünf bube aigens da ze Domenschik daz vnder Sebvrch
lit.“ Nun folgt die Entscheidung der ernannten Schiedsrichter; und
dann heisst es weiter:
„Daz disiv ebenvnge ymmermere von ietwederm teile stete und
vnverbrochen ewichlich belibe, des habe wir zv einem ewigem
vrchunde .... dise hantveste linder unserm hagendem insigel . . .
gegeben,“
Entsprechend diesem Tone, der ganz dem eines unbeschränkten
Landesherrn gleichkommt, lautet der Titel, den sich Meinhart hier
beilegt:
„Grave von Tyrol, von Gorze unde vogte von Aglay, vonThrient,
von Brichsen, und her re des Herz ent um es ze Chernden, ze
Chrayn unde der Windischen March.“
Man wird zugeben, dass „herre des landes“ mehr bezeichnen
muss, als die Würde eines Reiclisverwesers.
Bedenkt man ferner, dass Meinhart diesen Titel „herre“ nicht
nur über Kärnten, sondern auch über Krain und die Mark ausdehnt,
von welchen Ländern man es doch nie bezweifelt hat, dass sie den
Söhnen Rudolfs zum Lehen gegeben waren, so muss man gewiss aus
dem angemassten Gebrauche dieses dem Meinhart in keinem Falle
zustehenden, den Rechten der österreichischen Fürsten geradezu
widersprechenden Titels die oppositionelle Stellung Meinharfs gegen
Rudolf und seine entschiedene Absicht, Kärnten, ja sogar Krain und
die Mark um jeden Preis zu behaupten, erkennen *).
Aus dieser Zeit ist auch die Urkunde Bischof Berthold’s von Bamberg-, k. k. g. A., in
der dieser verspricht, Meinhart mit den Babenbergischen Lehen in Kärnten zu belehnen,
sobald die österr. Herzoge dieselben aufgeben würden. Meinhart mag wohl wegen
dieser für ihn höchst wichtigen Lehen mit dem Bischof unterhandelt haben. Dieser
konnte es wohl nicht wagen, die Lehen den Herzogen geradezu zu entziehen; er
198
Karl Stögmann.
Es lässt sicli kaum absehen, wohin die weitere Verfolgung einer
derartigen Opposition von Seiten Meinhart’s hätte führen müssen.
Zum Glück verhinderte Rudolfs weise Mässigung und Nachgiebigkeit
die schlimmen Folgen. Freilich hatte der Kaiser mehr als einen Grund,
den völligen Bruch mit seinem alten Freunde zu vermeiden. Die Stel
lung Rudolfs zu den grossen Reichsfürsten hörte mehr und mehr auf,
eine entschieden freundliche zu sein. Die grosse Macht die er seinen
Söhnen übertrug, verstimmte die Fürsten die sich in dem Kaiser
getäuscht sahen, den sie als einen wenig mächtigen Mann absichtlich
zur Regierung berufen hatten, und der ihnen nun zu nicht geringem
Verdrusse bewies, wie gut er es verstehe, sich und seinem Hause
Macht und Bedeutung zu geben. Nun mochte Rudolf wohl daran ge
denken, in welche gefährliche Lage er schon einmal, während des
zweiten Krieges gegen Ottokar, durch diese Missstimmung der Für
sten gekommen sei. Im ersten Kampfe mit Böhmen war er von allen
Seiten her unterstützt worden. Als er aber nach diesem Kriege seine
Absichten auf die österreichischen Länder zu deutlich hervortreten
liess, da zogen sich die überraschten Fürsten unmuthig zurück. Im
zweiten Reichskriege gegen Ottokar standen nur drei grosse Fürsten
dem Kaiser bei; die andern suchten Ausflüchte oder unterstützten
geradezu und offen die Feinde. Es war noch etwas ganz anderes, als
Ottokar’s reicher Schatz der, wie Lichnowsky meint, diesem die
Hilfe dreier deutscher Bischöfe zubrachte*). Der Sieg auf dem
Marchfelde, durch den Zuzug aus den österreichischen Ländern und
die Hilfe der Ungern erfochten, war ein moralischer Sieg über des
Kaisers offene und heimliche Gegner in Deutschland, der die Oppo
sition auf einige Zeit zurückdrängte und die Fürsten den Wünschen des
Kaisers geneigter machte. Allein nur zu gut sah Rudolf, wie die wirk
lich erfolgte Belehnung seiner Söhne eine Missstimmung wieder wach
rief, die seinen übrigen, weitaussehenden Plänen nicht wenig gefährlich
musste sieh also begnügen, dem Meinhart durch dieses Versprechen sich gefällig zu
erweisen. Man sieht nur wieder, worauf Meinhart damals hinzielte.
*) Kräftig und schön spricht über diese Verhältnisse das Chronicon Salisburgense (ap.
Pez, T. I. ad ann. 1278: Quanto principes et nobiles imperii corrupti et abominati facti
sunt in studiis suis, et si liceret verum dicere expressis nominibus, Judae filii pro-
clamarentur, quorum nequitiam coelum et coelorum Dominus revelafrunt. Generaliter
enim natio non peccavit, sed principes nationis quibus illa famosa victoria perpetue
labern infamiae derelinquet ad laudem bonorem, vindictam vero irtalefactorum.
Über die Vereinigung’ Kärntens mit Österreich.
199
zu werden drohte. Die Berücksichtigung dieser Umstände mochte
den Kaiser von der Wichtigkeit eines freundlichen Verhältnisses zu
Meinhart überzeugen und ihn bewegen, lieber ein Opfer zu bringen,
als seinen treuesten Anhänger zu verlieren.
Zur Zeit als Meinhart die oben angezogene, so expressive Ur
kunde ausfertigte (28. Juni 1283), hatte Rudolf offenbar schon den
Entschluss gefasst, Kärnten aufzugehen. Um dies recht deutlich zu
sehen, beachte man nur aufmerksam die Urkunde vom 1. Juni des
selben Jahres, in der der Kaiser auf die schon erwähnte Bitte der
österreichischen und steirischen Stände, ihnen nur einen seine)'Söhne
zum Herrn zu geben, Bescheid ertheilt. Im Eingänge der Urkunde
nennt der Kaiser die Länder die er seinen Söhnen zu Augsburg ver
liehen; Kärnten wird dabei nicht genannt.
Weiters fährt der Kaiser fort: Es hätten ihn die Herren und
Untei'thanen dieser Länder gebeten, ihnen blos den Herzog Albrecht
zum Herrn zu geben. Desshalb befehle er nun, dass Albrecht und
seine männlichen Erben die vorgenannten Länder (diese sind, wohl
bemerkt, Österreich, Steier, Krain, die windische Mark und Portenau)
allein besitzen sollen. Wenn aber hinnen vier Jahren Rudolf mit
keinem Königreiche oder keinem andern Fürstenthume versorgt sein
wird, so sollen Albrecht und seine Erben ihn mit einer noch zu
bestimmenden Geldsumme entschädigen. Stirbt Albrecht und seine
männlichen Erben, so fällt das Land an Rudolf und seine Erben.
Wenn wir diese Urkunde durchlesen, so muss sich uns doch die
Frage aufdrängen: Wie kommt es, dass in diesem Aetenstücke, wo
der König über sämmtliche Länder seiner Söhne verfügt, Kärnten
gar nicht genannt wird ? Was sollte dennmit diesem Lande geschehen?
Herzog Albrecht bekömmt es nicht, denn seine Länder werden aus
drücklich aufgezählt, ohne dass Kärnteu dabei wäre; Herzog Rudolf
bekömmt es ebenfalls nicht, denn aus der ganzen Urkunde geht her
vor, dass er ohne Land bleibt. Und somit erklärte Rudolf mit dieser
Verfügung Kärnten zwar stillschweigend, aber doch unwiderleglich
für ein preisgegebenes Land, auf das seine Söhne weiter keinen
Anspruch machten.
Es lässt sich bei der grossen Lückenhaftigkeit des Materiales
leider nicht angeben, wann und wie Rudolf diesen seinen Entschluss
dem Grafen Meinhart kundgethan; doch lässt sich mit Sicherheit
annehmen, dass es bald nach dem 28. Juni 1282 geschehen sein
200
Karl Stögmau n.
müsse, denn wir finden von da an nichts mehr, was uns berechtigte,
an eine oppositionelle Stellung Meinhart’s zu seinem Oberherrn zu
denken. Das Verhältniss welches jetzt eintrat, war folgendes: Die
Belehnung der österreichischen Herzoge mit Kärnten wurde völlig
ignorirt, Kärnten als ein dem Reiche erledigtes Lehen betrachtet und
dem Meinhart bis auf Weiteres die Reichsverweserschaft belassen.
Dieser führt nun nur mehr den Titel eines Grafen von Tirol (so
in einer Urkunde vom 6. December 1283). Recht deutlich ersieht
man dieses Verhältniss aus einer Urkunde die ohne genaue Angabe
des Datums, jedoch nach einer Aufschrift in dorso aus dem Jahre
1283 ist.
Meinhart von Zenzleinsdorf und seine Gemahlinn, Gertrud von
Trabuch, verkaufen die Mauth zu Trabuch, die sie zu Lehen tragen
a domin o terre an den Grafen Heinrich von Phannynberch. Sie
sagen nun dieses ihr Lehen dem Könige Rudolf auf, mit der Bitte,
den genannten Heinrich Phannynberch damit zu belehnen.
Es handelt sich hier also um ein landesfürstliches Lehen, nicht
um ein Lehen des Reiches. Wäre ein Herzog im Lande gewesen, so
hätten sich die Betreffenden mit ihrer Bitte an diesen wenden müssen;
dass sie sich an den römischen König wenden, zeigt, dass Kärnten
als ein herrnloses, dem Reiche lediges Land betrachtet wurde, dass
die Herzoge von Österreich nicht als die Landesherren angesehen
wurden, dass aber auch Meinhart seine oppositionelle Stellung als
„herre von chernden“ bereits aufgegeben. Inzwischen geschahen
Schritte, die Einwilligung der Kurfürsten für die Belehnung Mein
hart’s zu erhalten. Es ist uns nur der schon citirte Willebrief des
Herzogs Albreeht von Sachsen, ausgestellt am 28. März 128S, er
halten, doch mögen wohl auch die übrigen Kurfürsten ihre Wille
briefe gegeben haben.
Iin Jahre 1286, im Monate Januar, sollte zu Augsburg die Beleh
nung Meinhart’s vor sich gehen. Doch gingen dem endlichen Acte
noch Verhandlungen zwischen Albreeht von Österreich und dem
Kaiser einerseits, dem Grafen Meinhart andererseits voran, die sich
vorzüglich auf Krain und die Mark bezogen. Wir haben es aus dem
Titel, den sich Meinhart in jener expressiven Urkunde vom Juni 1283
heilegte, gesehen, dass er seine Absichten auch auf diese Länder
ausdehnte. Das nachgiebige Entgegenkommen des Kaisers betreffs
Kärnten musste wohl auch Meinhart zu Zugeständnissen bewegen;
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
201
er gab seine Ansprüche auf Krain und die Mark auf. In einer beson-
dern Urkunde vom 23. Januar ordnete der Kaiser diese Angelegen
heit. Um den beständigen Frieden zwischen seinem Sohne Albrecht
und dem Grafen Meinhart zu erhalten, verordnete der Kaiser, dass
dem Grafen aus der Belehnung mit Kärnten, durch welche er des
genannten Grafen Würde zu vermehren gedenke, kein Recht erwachsen
soll in den Ländern Krain und der windischen Mark. Im Gegentheil
sollen die genannten Länder mit all ihrem Zugehör hei seinem, des
Kaisers, Sohne bleiben, der schon früher zu Augsburg damit belehnt
worden sei. Auch auf Alles was vielleicht die Herzoge von Kärnten
dereinst in Krain und der Mark besessen haben, soll der genannte
Graf keinen Anspruch haben, jedoch soll er Krain und die Mark die
ihm der Kaiser für eine bestimmte Geldsumme als Pfand angewiesen,
ruhig besitzen, bis ihm die genannte Summe vollständig ausgezahlt
sein wird. Ist diese Auszahlung geschehen, sollen die genannten
Länder an Herzog Albrecht und seine Erben zurückfallen. Kärnten
soll Meinhart so besitzen, wie es einst die Herzoge Bernhard und
Ulrich zur Zeit der Herzoge Leopold und Friedrich von Österreich
besessen haben, mit der Ausnahme, dass, wenn die genannten Herzoge
irgend welche Städte, Burgen, Güter oder Rechte in Krain oder in
der Mark besessen haben, diese nun dem Herzoge Albrecht bleiben
müssen, und von ihm und seinem Gebiete in keiner Weise getrennt
werden dürfen. Was aber die Herzoge Leopold und Friedrich an
Leuten oder Gütern in Kärnten besessen haben, das soll ebenso und
in gleicher Weise Herzog Albrecht besitzen. Ferner soll der genannte
Graf die Ministerialen Herzog Albrecht’s in Kärnten in keiner Weise
beschweren, oder ihre Burgen und Besitzungen für sich erwerben,
ohne Einwilligung und Zustimmung HerzogAlhrecht's. Dasselbe wird
Herzog Albrecht in Bezug auf Kärnten beobachten.
Man kann aus der grossen Weitläufigkeit dieser Urkunde und
der genauen Bestimmtheit derselben schliessen, dass es sich hier um
die Beilegung alter Irrungen handelte. Die Zugeständnisse die Mein
hart in dieser Urkunde machen musste, allen Ansprüchen auf Krain
und die Mark zu entsagen, Alles was die Herzoge von Kärnten der
einst in diesen Ländern gehabt haben, aufzugeben, dagegen Alles
was einst die Babenberger in Kärnten besessen, den Habsburgischen
Herzogen zu überlassen, waren gewissermässen die Bedingungen,
auf die hin Meinhart die Belehnung erhalten sollte.
202
Karl S t ö g in a nn.
Noch ein Punct muss bei der ungezogenen Urkunde in Betracht
gezogen werden; es ist dies die Art der Titulirung, deren sich der
Kaiser bedient. Den Meinhart nennt er Grafen von Tirol; seinen
Sohn Albrecht Herzog von Österreich und Steier, Herrn von Krain,
der Mark und Portenau. Wer war also Herzog von Kärnten ? Man
sieht wieder, als was der Kaiser das Land betrachtete, als ein lediges,
noch unbesetztes Reichslehen.
Nachdem nun diese Verhandlungen zu einem beide Parteien be
friedigenden Abschluss geführt hatten, nun erst gaben die Söhne
Rudolfs Kärnten das sie factisch schon lange nicht
mehr besessen, auch der Form nach an den Kaiser zu
rück, mit der Bitte, den Grafen Mein hart damit zu be
lehnen. In dieses Jahr 1286 muss also dieser Vorgang gesetzt wer
den, den Lambacher in das Jahr 1282 setzen wollte, wo er frei
lich keinen Sinn und Verstand haben konnte. Man darf nur den Beleh
nungsbrief Meinharfs aufmerksam beachten, um dies einzusehen.
Der Kaiser sagt darin, seine beiden Söhne Albrecht und Rudolf
wären zu Augsburg vor ihn gekommen mit der Bitte, den Grafen
Meinhart mit Kärnten zu belehnen, mit welchem Herzogthume er
schon längst (jam dudum) seine Söhne belehnt habe zu Augsburg.
Also, als die Herzoge ihn baten, den Meinhart mit Kärnten zu be
lehnen, waren sie schon längst belehnt. Diese Bitte fällt also auf den
zweiten Tag zu Augsburg 1286, die darin erwähnte Belehnung auf
den ersten Augsburger Tag vom Jahre 1282 ')•
Am 1, Februar 1286 wurde endlich Meinhart von Tirol feierlich
mit Kärnten belehnt 3 ).
Fassen wir noch schliesslich die Ansicht die ich im Vorher
gehenden zu begründen bestrebt war, in kurzen Worten zusammen.
Sowohl Rudolf von Habsburg als auch Meinhart von Tirol hatten
die Absicht, Kärnten zu gewinnen, und beide Fürsten ergriffen darauf
4 ) Dass der Kaiser bei dem Jahre 1286 noch seinen Sohn Rudolf als Herzog’ nennt, da
doch Albrecht allein die Regierung- führte, kann nicht auffallen. Rudolf war so wie
Albrecht mit Kärnten belehnt, er und seine Nachkommen hatten für den Fall von
Albrecht’s kinderlosem Tode ein Erbrecht auf alle Länder seines Bruders; daher
musste er in die Rückgabe Kärntens gleichfalls einwilligen und sie bestätigen.
2 ) Nicht zu übersehen ist hier die Stelle desChunradus Sindelfingensis: Rudolfus Rex die
Fabiani etSebastiani curiam frequentem Auguste celebravit. Tune infeodavit de novo
comitem de Tyrole de ducatu Carinthie. In diesem de novo liegt wohl eine Andeu
tung und Hinweisung auf die Belehnung von 1282.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
203
hinzielende Maassregeln. Auf dem Reichstage zu Augsburg 1282 be
lehnte Kaiser Rudolf seine Söhne mit Kärnten. In Folge dieses Actes
trat Graf Meinhart in eine entschiedene Opposition gegen den Kaiser
und zeigte nicht undeutlich die Absicht, Kärnten, ja sogar Krain
und die Mark für sich zu behaupten. Die weise Nachgiebigkeit des
Kaisers verhinderte auffälligere Folgen. Rudolf gab Kärnten Preis,
das nun als erledigtes Reichslehen nach wie vor von Meinhart ver
waltet wurde. Nachdem dieser seinen Ansprüchen auf Krain und die
Mark entsagt hatte, gaben die Söhne Kaiser Rudolfs auf dem Reichs
tage zu Augsburg im Jahre 1286 das factisch bereits aufgegebene
Kärnten nun auch in feierlicher Form zurück, und es erfolgte die
Belehnung Meinhart’s mit dem genannten Herzogthume. Solchergestalt
glaubeich die erste der aufgenommenen Fragen als erledigt betrachten
zu dürfen ').
II.
Ich wende mich nun zur Beantwortung der zweiten imEingange
aufgeworfenen Frage: Hat Rudolf von Habsburg bei der Belehnung
Meinhart’s mit Kärnten den Rückfall dieses Landes an das Haus Habs
burg für den Fall des Erlöschens des Meinhart’schen Mannsstammes
bedungen?
Als Derjenige der diese noch immer sehr verbreitete und nicht
gründlich widerlegte Meinung in die Geschichte eingeführt hat, muss
Steyrer genannt werden, der in seinem Werke: „Commentarii pro
vita Ducis AlbertiH,“ (Lipsiae 172S) diese Ansicht aufstellte. Frei
lich stützte Steyrer seine Angabe auf nichts Anderes, als auf eine
Stelle in dem Manuscript des Guilliman, eines im 17. Jahrhundert
lebenden Schriftstellers, dennoch erklärte sich schon sein nächster
Nachfolger, Pesler, in der „Series Ducum Carinthiae“ für seine Ansicht,
4 ) Auf die einzige noch übrige Schwierigkeit: „Warum wirdKärnten in dem Belehnungs
briefe für die Söhne Rudolfs von 1282 nicht genannt?“ hat Böhmer in den Regesten
wenn nicht zurückweisend, so doch erklärend geantwortet, wenn er die Annahme
aufstellt, der Belehnungsbrief der österreichischen Herzoge sei im Jahre 1286, als
Meinhart mit Kärnten belehnt wurde, umgeschrieben worden und man habe dabei den
Namen des nun dem Meinhart gehörigen Landes weggelassen, um allen Streitigkeiten
vorzubeugen. Bedenkt man^ wie Meinhart Kärnten endlich erhielt, so kann es nicht
ungereimt erscheinen , anzunehmen, er habe eine derartige Sicherstellurg seines
Besitzes, gegen alle möglichen Anfeindungen, gefordert.
204
Karl S t ö g‘ m a n n.
obwohl er einige leise Zweifel nicht, zu unterdrücken vermochte.
Was aberPesler noch etwas furchtsam zugegeben hatte, das erscheint
schon als ausgemachte Sache bei Erasmus Fröhlich „ Speeimen
ArchontologiaeCarinthiae.“ Schlimmer noch wurde es, als Ferdinand
Schrötter in seinen „Abhandlungen aus dem österreichischen Staats
rechte“ sich der Steyrer’schen Ansicht bemächtigte, und sie für seine
Zwecke benützte. Dieser legte sich die Sache aufs Bequemste zu
recht, ohne auf den eigentlich historischen Hergang Rücksicht zu
nehmen. „Rudolf von Habsburg gibt Kärnten (so erzählt Schrötter)
an Meinhart mit der ausdrücklichen Bedingung des Rückfalls. Herzog
Heinrich von Kärnten vermählt seine Tochter mit Johann’s von Böh
men Sohn, verspricht diesem die Nachfolge und lässt dies Verspre
chen durch Kaiser Ludwig bestätigen. Dagegen treten nun die öster
reichischen Herzoge auf, Ludwig von Baiern lässt ihre Ansprüche
untersuchen, belehrt sich eines Bessern und spricht ihnen Kärnten
zu.“ So beiläufig hat Schrötter die Sache dargestellt, ganz nach Art
eines wohlgeordneten gerichtlichen Verfahrens. So abstract und con-
sequent gestalteten sich die Verhältnisse in der Wirklichkeit keines
wegs, aber Schrötter’s Ansehen war es dennoch, das der bequemen
Auffassung in viele Geschichtswerke, z.B. in dieMailath’s, Hassler’s etc.
Eingang verschaffte.
Nur zwei Schriftsteller sprachen sich entschieden und geradezu
gegen die fragliche Ansicht aus, Lambacher und Pölitz; Beide stützten
sich vorzüglich darauf, dass ja in dem Belehnungsbriefe Meinharfs
eineRückfallsbedingung nicht ausgesprochen sei. Auf eine weitläufigere
Beantwortung der Frage konnten sie sich der Tendenz ihrer Werke
nach, kaum einlassen.
Dem von ihnen angezogenen Argumente suchte Kurz in seinem
Werke „Österreich unter Albrecht demLahmen“ damit zu begegnen,
dass er die Hypothese aufstellte: „Rudolf von Habsburg habe seinen
Söhnen den Rückfall Kärntens in einer besondern Urkunde zugesi
chert, die sich nun nicht mehr auffinden lasse.“
Er stützte sich hiebei auf eine Stelle des Peter von Königs
saal.
In ähnlicher Weise, wenn auch etwas schwankend und unsicher
sprach sich Lichnowsky aus.
Im 7. Buche des ersten Bandes seiner Geschichte des Hauses
Habsburg, S. 344, sagt er:
*
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
205
„In der Belehnungsurkunde wurde kein Rückfall an Österreich
beim Aussterben des Hauses Meinhart’s ausgedrückt, aber allgemein
ward dies so verstanden.“
Im zweiten Bande, S. 215, heisst es ferner:
„Für Kärnten kommt die Anwartschaft welche die Verleihung
König Rudolfs an seine Söhne und deren Aufgabe zu Gunsten Mein-
hart’s von Tirol mit sich bringen konnte, jedenfalls in Betracht.“
Und endlich in einer Note zum 6. Buch des ersten Bandes,
S. 473:
„Wenn die Angabe des AbtesPeter vonKönigssaal gegründet ist,
so muss ein geheimer, aber mit königlicher Bestätigung bekräftigter
Vertrag darüber ausgefolgt worden sein.“
Man sieht aus diesen gedrängten Angaben, dass es zu einer
völligen Entscheidung der Frage noch nicht gekommen sei, und dass
aus diesem Grunde die nachstehende Untersuchung nicht überflüssig
sein dürfte.
Schon eine ganz allgemeine Betrachtung der Frage dürfte hin
reichen , in uns nicht geringe Bedenken gegen die Richtigkeit der
fraglichen Annahme die wir ein für allemal als die Steyrer’sche
bezeichnen wollen, zu erwecken. Man versuche nur einmal, sich
erst recht klar zu machen, was mit der Behauptung: „Rudolf von
Habsburg habe den Rückfall Kärntens an sein Haus ausdrücklich
bedungen,“ eigentlich ausgesprochen werde. Nach dem Aussterben
des Meinhart’sehen Mannsstammes sollte Kärnten nicht wie jedes
andere Lehen an Kaiser und Reich zurückfallen, sondern es sollte an
das Haus Habsburg fallen ohne Widerspruch des Kaisers, ohne
Einspruch der Kurfürsten?
Rudolf von Habsburg hätte also Kärnten zu einem Erbe seiner
Familie gemacht, dem Reiche auf die unbestimmteste Zeitdauer das
Verfügungsrecht über dieses Land entzogen? Es ist kaum glaublich,
dass es dem Kaiser nur habe in den Sinn kommen können, eine der
artige, den Grundsätzen des deutschen Lehenrechtes so widerspre
chende Verfügung zu treffen; es ist noch weniger glaublich, dass die
Kurfürsten einen derartigen Schritt des Kaisers hätten billigen mögen,
dieselben Kurfürsten die es sich von dem Kaiser eidlich hatten ver
sprechen lassen, kein Lehen des Reiches ohne ihre Einwilligung zu
vergeben, die also schon dadurch anzeigten, wie sehr sie dieAbsicht
hatten, die kaiserliche Gewalt einzuengen und zu beschränken, und
206
Karl Stögmann.
deren eifersüchtige Wachsamkeit durch die Art, wie Rudolf von
Habsburg die Macht seines Hauses zu heben bemüht war, gewiss nicht
geringer geworden ?
Dies Alles wohl bedacht, werden wir gewiss in dem angebli
chen Verfahren Rudolfs etwas derart Auffälliges und Sonderbares
erblicken, dass nur die schlagendsten Reweise uns zum Glauben daran
bewegen könnten.
Verlassen wir aber den Roden der historischen Combination die
uns doch nur zu Zweifeln führen könnte, und betreten wir das mehr
sichere Gebiet der Quellenforschung. So genau wir aber auch alle
Quellen durchsuchen mögen, die uns die Belehnung Meinhart’s von
Tirol berichten, nirgends ist von einer Rückfallsbedingung die dabei
gestellt worden wäre, auch nur im Entferntesten die Rede.
Ich habe einen Theil der hi eh er gehörigen Quellen schon im ersten
Theile der Abhandlung citirt, den dort genannten (Chron. Floriac., Chron.
Osterhov., Chron. Claustro Neob. und Ottakar's Reimchronik) füge ich
hier noch bei den „Continuator“ des MartinusPolonus J ), die„Annales
Mellicenses“ 2 ), „Burcardi et Dytheri notae historicae“ 3 ), die Chronik
des von Meinhart gegründeten Klosters Stams 4 ) und als eine wohl nicht
ganz gleichzeitige, aber mit den Angelegenheiten Kärntens höchst
vertraute Quelle den Johannes Victoriensis 5 ). So gern wir nun auch
zugeben, dass die Quellen aus jener Zeit im Allgemeinen etwas dürftig
sind, so darf doch das Stillschweigen aller Quellen über die fragliche
Rückfallsbedingung nicht zu gering angeschlagen werden. Denn in
dem diese Bedingung, wie oben gezeigt wurde, als etwas ganz Ab
normes, den gewöhnlichen Gesetzen geradezu Widersprechendes auf-
gefasst werden muss, so konnte sie den Chronisten der damaligen
*) Cont. Mart. Pol. ap. ßoehmer. Font. II, p. 457—464.
Anno Domini 1286 Rex Rudolfus curiam Auguste celebrat Ibi etiam comitem
de Tyrol ducem Karinthie fecit.
2 ) Annales Mellicenses. ap. Pez. script. tom. I.
1282. Supra dictus Rex contulit ducatum Karinthie comiti Tyrolensi Meinhardo.
3 ) Burk et. Dyth. notae. hist. Boehm. Font. II, p. 473.
(Rudolfus) comitem quoque Einhardum de Tyrolis Karinthie prefecit.
4 ) Chron. Stamsense. ap. Boehm. Font.
Anno Domini 1286 ipsa die Nativitatis Domini supra dictus comes Meinhardus crea-
tus est Dux Karinthie in Augusla a Rudolfo Rege Romanorum.
5 ) Joh. Vict. ap. Boehm. Font. 1.
Comiti Meinhardo Goritiae et Tyrolis, socero filii sui Alberti predicti contulit
Ducalam Karinthie.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
207
Zeit keineswegs so gleichgiltig sein, und würde schon ihrer Auffäl
ligkeit wegen, auch in den wenig reichhaltigen Quellen mindestens an
ein oder dem andern Orte irgend eine Erwähnung gefunden haben.
Wenden wir uns aber nach Beachtung der Quellen zu Urkunden,
so finden wir drei in dieser Angelegenheit aufgestellte Actenstücke.
Zwei derselben sind schon in dem ersten Theile der Abhandlung
besprochen worden, nämlich der Willebrief des Herzogs von Sachsen
und die Urkunde vom 24. Jänner des Jahres 1286.
In beiden wird einer Rückfallsbedingung nicht erwähnt, so
natürlich eine derartige Erwähnung mindestens in der ersten Urkunde
gewesen wäre.
Das wichtigste Document ist jedoch der Belehnungsbrief des
Grafen Meinhart über Kärnten, datirt vom ersten Februar des Jahres
1286 zu Augsburg.
Der Kaiser erklärt darin, dass seine beiden Söhne Albrecht und
Rudolf vor ihn gekommen mit der Ritte, den Grafen Meinhart von
Tirol mit Kärnten welches er früher zu Augsburg ihnen verliehen
habe, zu belehnen. Desshalb habe er in Erwägung der Verdienste
die der Graf um Kaiser und Reich sich erworben, ihm das Herzog-
thum Kärnten zum Lehen gegeben, und zugleich ihm und seinen
Nachfolgern im Herzogthume Recht, Würde und Titel wie den übri
gen Reichsfürsten verliehen. Hierauf werden beinahe wörtlich alle
Bestimmungen wiederholt, die in der erwähnten Urkunde vom 24. Jänner
über Krain und die Mark, so wie über das Verhältniss des Her
zogs zu seinem Lande und zu dem Herzoge Albrecht und umgekehrt,
festgesetzt worden waren. Schliesslich wird allen Adeligen, Mini
sterialen etc. in Kärnten befohlen, Meinhart als ihren rechtmässigen
Herzog anzuerkennen. Es leuchtet nun wohl Jedermann ein, dass sich
dieser Belehnungsbrief keineswegs auf die einfache Bestätigung der
Belehnung beschränkt, sondern, dass in demselben das Verhältniss
des neuernannten Herzogs zu dem österreichischen Fürstenhause sehr
ausführlich festgestellt wird. Aber von einem Vorbehalt, von einer
Rückfallsbedingung zu Gunsten Österreichs ist darin keine Rede, so
sehr aus der ganzen Urkunde das entschiedene Bestreben hervorgeht,
die Interessen des Hauses Habsburg zu wahren. So ist es gewiss eine
auffällige Begünstigung der österreichischen Herzoge, dass sie die
Güter und Rechte die die Babenberger in Kärnten besessen haben,
bebalten, der neue Herzog dagegen die alten Rechte seinerVorfahren
208
Karl Stögmann.
in Krain und der Mark aufgeben muss. Wenn man also in diese
Urkunde so genau Alles aufnahm, was den österreichischen Herzogen „ .
zum Vortheile gereichen konnte, warum hätte man den wichtigsten
Punct, die Bedingung des Rückfalls, übersehen sollen? Bemerkt muss
auch werden, dass in der ganzen Urkunde auch nicht die leiseste
Andeutung vorkomme, die darauf hinwiese, es sei hier in Betreff der
Belehnung Etwas noch nicht genau bestimmt, sondern erst einem
zweiten Actenstücke Vorbehalten worden.
Man könnte nun freilich, um dies Ignoriren der angenommenen
Rückfallsbedingung in Quellen und Urkunden zu erklären, annehmen,
Rudolf habe dieselbe vor den übrigen Fürsten verborgen, und sie sei
Gegenstand eines geheimen Vertrages zwischen dem Kaiser und Graf
Meinhart gewesen, dessen Urkunde aber nun leider zu den verlorenen
zu zählen sei.
Wir wollen diese Annahme vor der Hand ohne allen Beweis hin
nehmen, müssen aber zwei Untersuchungen daran knüpfen, nämlich:
„Wenn ein solcher geheimer Vertrag zwischen den österreichischen
und kärntnerischen Herzogen bestand, ergibt sich denn aus den Be
ziehungen beider Länder irgendwo eine Hinweisung darauf? „Ferner:
„Als das Haus Meinhart’s von Tirol ausstarb, und die österreichischen
Herzoge Kärnten in Besitz nahmen, gründeten sie da ihre Ansprüche
auf einen bestehenden geheimen Vertrag? Kam er hei dieser Gelegen
heit je zum Vorscheine?“ Aus der Beantwortung dieser Fragen muss
sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit der aufgestellten Hypothese
ergeben.
Durch die Verleihung Kärntens an Meinhart von Tirol, wie
auch durch die Vermählung Albrecht's von Österreich mit Elisabeth
war ein freundschaftliches Verhältniss zwischen den österreichischen
und kärntnerischen Herzogen gegründet, dessen Fortdauer sich durch
eine geraume Weile nachweisen lässt. Als Bundesgenosse Albrecht’s
betheiligte sich Meinhart an dem Kampfe gegen den Erzbischof von
Salzburg und den aufrührerischen steierischen Ministerialen Ulrich
von Heunburg 1 ). Auch nach Meinhart’s Tode (1293) 3 ), unterstützte
sein Sohn Heinrich aufs Eifrigste Albrecht’s Bewerbung um die
deutsche Königskrone. Er führte dem Herzog einen Zuzug von 3000
*) Chron. Mon. Mellic. qs. Pez. I, p. 244.
2 ) Joh. Vict. ap. Boehm. f. I, p. 334. Chron. Stams.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
209
Reitern zu') und war Anführer des ersten Heerhaufens in der
Schlacht bei Göllheim 2 ). Den 19. Mai 1299 ertheilte Albrecht als
Kaiser, zu Speier den drei Brüdern Otto, Ludwig und Heinrich die
Belehnung mit Kärnten, ohne dass in der darüber ausgestellten Ur
kunde der angeblichen Rückfallsbedingung Erwähnung geschah 3 ).
Das gute Einvernehmen zwischen den verwandten Fürsten wurde
aber bald nach dieser Belehnung getrübt und endlich auf lange Zeit
vernichtet durch die Verwicklung Herzog Heinrich's in die böhmischen
Angelegenheiten. Denn als Herzog Heinrich nach dem plötzlichen Tode
Wenzel’s III. sich der Krone Böhmens zu bemächtigen strebte, liess
Albrecht Kärnten durch Ulrich von Wallsee und Friedrich von
Österreich, Krain durch Heinrich von Görz in Besitz nehmen und im
Namen Österreichs verwalten 4 ).
Nach Albrecht’s Tode suchte Friedrich von Österreich den
Zwist mit Heinrich auszugleiclien, was nach mehrfachen fruchtlosen
Versuchen endlich durch Vermittlung der Königinn Elisabeth (der
Mutter Friedrich’s und Schwester Heinrich’s) im Jahre 1311 zu
Salzburg zu Stande kam 5 ).
Es waren in dieser Angelegenheit mehrere Urkunden ausgestellt
worden; allein in keiner findet sich eine Beziehung auf den angenom
menen Vertrag über einen Rückfall Kärntens an Österreich, so
gewöhnlich es auch sonst war, hei einer gütlichen Ausgleichung und
insbesondere bei einer Beilegung so langer und bedeutender Streitig
keiten frühere wichtige Verträge vonNeuem zu bestätigen und sie als
noch zu Recht bestehend zu erwähnen. Gehen demnach die diploma
tischen Beziehungen zwischen Österreich und Kärnten keinen ein
zigen Anhaltspunct für die Steyrer’sche Hypothese, so müssen wir
noch sehen, ob nicht vielleicht aus den Vorgängen bei der endlichen
Vereinigung Kärntens mit Österreich dennoch die Existenz einer
Rückfallsbedingung hervorgehe.
*) Contin. Mart. Pol. p. 1431.
2 ) Joli. Vict. ap. B. f. I, p. 336.
3 ) Lichnowsky. Regesten. 2IS.
4 ) Joh. Vict. ap. Boelim. f. I. p.
Ulricus de Wallsee statutis in Karinthia officialibus et prefectis sacramentis civium
receptis in Stiriam est reversus. Et sic Carinthia et CarniolaDuci. Austrie subiuguntur
et ejus nutui ac statutorum officialium famulantur.
5 ) Joh. Vict. ap. B. f. I. In etwas gedrängter Weise und Ottokar’s Beimchronik cap. 810,
ap.PezIII. Die Urkunden in Lichnowsky’s Regesten, 110, 111, 127 und 120.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Hft. 14
210
Karl Stög mann.
Wir haben für jene Vorgänge in dem Werke des Joh. Victo-
riensis einen Bericht dessen Umfänglichkeit und Glaubwürdigkeit
nichts zu wünschen übrig lassen. Denn abgesehen davon, dass Johann
Abt zu Victring, einem Kloster Kärntens ist, erscheint er noch über
dies persönlich in die fraglichen Ereignisse verflochten.
Das erste Capitel des 6. Buches bei Joh. Yictoriensis führt die
Aufschrift: „De morteHeinriciDucis Karinthie, et quod ducesAustrie
terram obtinuerunt“. In der ganzen Darstellung ist nirgends die Bede
davon, dass Kärnten nach dem Tode Herzog Heinrieh’s einem frü
hem Vertrage gemäss an die österreichischen Fürsten habe fallen
müssen. Der Rechtsgrund, nach dem Albrecht der Weise, dem
sich der Verfasser auf das Treueste ergeben zeigt, Herzog vonKärn-
ten wurde, ist für Joh. Vict. die kaiserliche Belehnung. Er
gibt an, die Herzoge hätten zu Linz von dem Kaiser die Länder
Kärnten und Krain verlangt; Krain, weil es ohnedies den Herzogen
von Kärnten nur verpfändet gewesen; Kärnten aber in Berücksich
tigung ihrer Abstammung von Meinhart mütterlicher Seits. Der Kaiser
bewilligt diese Forderung, weil er einsieht, die Macht der österreichi
schen Herzoge sei für ihn höchst wichtig *)•
So wenig als Johannes Victoriensis für seine Person von einem
vorher bedungenen Rückfall Kärntens wusste, so wenig wussten die
Kärntner im Allgemeinen davon, wie sich aus einem einfachen
Gegensätze bei Vict. ersehen lässt. Er sagt nämlich: „Die Krainer,
wohl wissend, unter wessen Botmässigkeit sie gehörten, hätten sich
ohne Widerstand ihrem wahren Herrn unterworfen; die Kärntner
aber baten um Bedenkzeit, wenn ihnen in gewisser Frist keine Hilfe
käme, würden sie sich unterwerfen 2 ). Die Krainer wussten also von
dem Rechte der österreichischen Fürsten, nämlich, dass Krain nur
A ) Joh. Vict. ap. B. p. 416. Interea duces Austrie Ludewicum imperatorem arcessiunt.
Et in civitate Lyntza super littus Danubi colloquia miscentes Karinthiam petunt rat io ne
sanguinis materni, que filia Meinhardi ducis fuerat; Carniolam asserentes ad se legi
time devolutam, quam duces Karinthie a suis progenitoribus iam longo tempore vadis
nomine possidebant Ludewicus autem eorum potentiam sibi arbi trans necessariam
adiudicavit fieri postulata. Dux Otto veniens nobilium et civilium recipit sacramenta
maxime quia imperator soripserat, terram ad imperiutn devolutam eamse suis avun-
culis ducibus contulisse, et omnes eis in reliquum obedire demandavit. Que littere
publice recitate omnem terre populum constrinxerunt.
2 ) Joh. Vict. B. 417. Carniola vero, sciens de cuius ditione esset, absque strepitu omnis
resistentie veris dominis se devovit etKarinthiani induciarum tempus poscentes, si sub
medio, qui eos exolveret non veniret, ad ducum se placitum inclinarent.
Über die Vereinigung’ Kärntens mit Österreich.
211
ein verpfändet Gut gewesen. Bei Kärnten war dies nicht der Fall,
und von einem andern Rechte wussten die Kärntner nichts. Hören
wir ferner den Grund, aus dem sie sich später unterwarfen. Der
Kaiser erliess einSchreiben an sie, in dem er ihnen kund that: „Das
Land sei ein dem Reiche heimgefallenes Lehen, und er
habe es seinen Oheimen verliehen; desshalb sollten sie
diesen gehorchen“. Dieser Brief der überall öffentlich verlesen wurde,
brachte das ganze Volk zur Unterwerfung.
Das Wichtigste aber bleibt, dass auch Herzog Albrecht von
Österreich nirgends auf ein ihm aus einerRückfallshedingung erwach
sendes Recht sich berufen hat. Johannes von Victring selbst wird an
die österreichischen Herzoge geschickt, um die Unterlassenen Töchter
Heinrich’s ihrem Schutze zu empfehlen. Die Antwort Herzog Albrecht's
ist bedeutend genug: „Erdedauere den Tod seines Oheims und werde
dessen Tochter in Allem getreu bevormunden, wenn sie seinen Rath
schlägen Gehör schenken wolle. Kärnten aber, das er von der
Hand des Reiches empfangen habe, wolle er nicht heraus
geben, und eben so wenig Krain das er nach seinem Rechte genom
men hätte, weil die Zeit der Verbindlichkeiten verflossen wäre 1 ).
Der Herzog beruft sich also für Krain auf sein Besitzrecht, für Kärn
ten aber auf die kaiserliche Belehnung. Wenn ein Vertrag bestand,
der dem Herzog den Rückfall Kärntens von vornherein sichern
musste, warum berief er sich nicht darauf? Wenn es zur Zeit Rudolfs
von Habsburg vielleicht nöthig schien, diesen Vertrag geheim zu
halten, wozu diese Heimlichkeit zur Zeit Albrecht's des Weisen, wo
sich gar kein Grund dafür denken lässt? Vergleichen wir mit diesen
ausführlichen Angaben des Johannes Victoriensis die kürzeren
Berichte der übrigen Quellen, der „ContinuatioNovimontensis“ 3 ), des
!) Joh. Vict. 6. I. B. 417.
Albertus dux respondit: se dolere et totain progeniem de morte avunculi, eo quod
senior stirpis eorutn fuerit, et filiam suam, si suis intenderit consiliis in omnibus
tutaturum; sed Karinthiam manu imperijam susceptum, nolle dimittere, nec Carnio-
lam, quam suo jure cepisset, oblig ationis suo tempore elapso; ad presens etiam non
posse aliud respondere.
2 ) Cont. Novim. ap. Perz. monum. tom. XI.
1335 Eodem anno Ileinricus dux Karinthie moritur et ducibus Austrie et Stirie
Alberto et Ottoni eadem terra a supradicto Ludbico secundum jura imperialia
confertur.
14
212
Karl Stög mann.
„Chronicon Zwettlense“ *) und des „Albertus Argentinensis“ 2 ). Alle
Drei berichten einfach die Einverleibung Kärntens mit Österreich, ohne
dafür einen andern Grund anzugeben, als eben die kaiserliche Beleh
nung, ein Umstand, der besonders in der„ContinuatioNovimontensis“
durch den Passus: „Ludwig verleihe dieses Land den österreichischen
Herzogen secundum jura imperialia“, nachdrücklich hervorgehoben
wird.
So ungünstig demnach die Berichte der Quellen für die
Steyrer’sche Annahme lauten, eben so ungünstig für dieselbe gestaltet
sieb das Zeugniss der über jene Verhältnisse in keineswegs spärlicher
Anzahl vorliegenden Urkunden.
Ich hebe aus diesen vorzüglich zwei heraus, in denen nothwendig
einer Rückfallsbedingung Erwähnung geschehen müsste, wenn eine
solche überhaupt existirt hätte.
Nämlich, erstens die Urkunde vom 26. November des Jahres
1330, in der sieben von Ludwig dem Baier bevollmächtigte Schieds
richter den Ausspruch thun: Daz unser über vorgenannt Herre Cheiser
Ludewig von Rom dem obgenanten Hertzog Otten von Österreich, von
Styr und seinem bruder Hertzog Albrechten und iren Chinden das
Hertzentum und daz land Chernden verschriben solle ze lihen an
allen furzuch, wann der hochgeboren fürste, Hertzog Heinrich von
Chernden abget und stirbet.
Gerade in der Urkunde also, in der Kärnten den österreichi
schen Herzogen gewissermassen zugesprochen wird, wäre es gewiss
am Platze gewesen, sich auf den Vertrag zu berufen, nachdem
Kärnten beim Aussterben des Meinhartischen Mannsstammes an
Österreich fallen musste. Denn wenn ein solcher Vertrag existirte,
so war er gewiss geeignet den rechtlichen Grund für den sogenann
ten Schiedrichterspruch ahzugeben, allein wir suchen vergebens
nach einem solchen, und wir werden später sehen, auf welchen
Motiven eigentlich der ganze Ausspruch der Schiedsrichter beruhte s ).
4 ) Chron. Zwetlense.
1334 Eodem anno Dux Karinthie obiit, et Karinthia nostris Ducibus confertur.
2 ) Albert Argent.
Et ecce mortuo duce Karinthie sine filio sola ipsius Bohemicorum.
3 ) Sowohl die Vollmacht Ludwig’s, als auch der Ausspruch der Schiedsrichter findet sich
vollkommen richtig abgedruckt bei Kurz : „Österreich unter Albrecht dem Weisen“.
Über die Vereinigung’ Kärntens mit Österreich.
213
Die zweite höchst wichtige Urkunde ist der Belehnungsbrief den
Kaiser Ludwig den österreichischen Herzogen gab, als sie 1333
Kärnten wirklich erhielten. In diesem Belehnungsbriefe heisst es:
Noverint igitur presentis etatis homines et future quod nos pure
fidei ac praeclare devocionis insignia, quibus illustres Albertus et
Otto fratres, Duces Austrie , Principes et avuneuli nostri dilecti nos
et Bomanum Imperium venerantur ac obsequia fructuosa, quae nobis
et imperio exhibuerunt, clare nostre mentis intuitu limpidius intuen-
tes ipsis videlicet Ottoni et Alberto Ducibus predictis eorumque here-
dibus Ducatum Karinthie ex nunc nobis et Imperio per mortem
illustris Heinrici, quondam ducis, itidem avuneuli nostri dilecti
vacantem... .eontulimus et conferimus in feodum.
Der Kaiser verleiht also den österr. Herzogen Kärnten, weil
es ein erledigtes Reichslehen ist, secundum iura imperialia, wie es
die Continuat. Novimont treffend bezeichnet; anderer Gründe erwähnt
er nicht. Nun ist aber nicht zu übersehen, dass dieser Schritt des
Kaisers bei einigen R«iehsfürsten auf den entschiedensten Wider
spruch stiess, dass man ihn geradezu als einen Act der ungerechte
sten Willkür bezeichnete, und den Kaiser mit den härtesten Vor
würfen nicht verschonte. WarnunLudwig der Baier zu dieser Beleh
nung dadurch bewogen worden, dass er Ansprüche der österreichi
schen Herzoge für gegründet hielt, dass er, wie es die Anhänger der
Steyrer'schen Hypothese darstellen wollen, auf jene Büekfallsbedin-
gung Rücksicht nahm, ja sogar die Urkunde sah, in der diese Bedin
gung enthalten war, warum berief er sich nicht darauf, um so alle
Anschuldigungen zu Nichte zu machen, in dem citirten Belehnungs
briefe, oder in irgend einer der, in dieser Angelegenheit ausgestellten
Urkunden !).
*) Wir lieben noch folgende besonders hervor:
1 Kaiser Ludwig lässt dem Konrad von Auffenstein wissen, dass ihm und dem Reich
Kärnten ledig geworden, und dass er es den Herzogen von Österreich verliehen habe;
daher solle Auffenstein diesen gehorchen. Linz, 2. Mai 1335. Abgedruckt im Anhänge.
2. Kaiser Ludwig erlässt denselben Befehl an die Herren, Städte und Landleute in
Kärnten. Linz, 5. Mai 1335. Mitgetheilt bei Steyrer, com. col. 87.
3. Herzog Otto verspricht in sein und seines Bruders Namen dem Kaiser beizustehen
gegen Johann von Böhmen. „Wann unser Über herre .... uns und unserm liben
bruder .... verlihen hat das Herzentum ze Chernden, .... das ihm und dem rieh
von unserm oheim .... ledig worden ist.“ Mitgetheilt von Fischer, kleine Schriften,
I. pag. 261.
214
Karl Stögmann.
Ich glaube demnach durch die Prüfung der Quellen und Urkun
den genügend nachgewiesen zu haben, dass man sowohl zur Zeit
Rudolfs von Habsburg, als zur Zeit Albrecht des Weisen ganz und
gar nichts davon wusste, dass Kärntens Rückfall an Österreich ver-
tragsmässig bedungen wäre. Es bleibt mir also nur noch übrig zu
zeigen, auf welche Basis Steyrer seine Hypothese gründete, und wel
cher Werth den Gründen beizumessen sei, mit denen Kurz und Lich-
nowsky ihre Ansicht zu beweisen suchten.
Steyrer der, wie bemerkt, der Erste diese Hypothese in die
Geschichte einführte, berief sich dabei auf ein, damals und auch jetzt
noch, nur im Mänuscript vorhandenes Werk, die Historia Austriaca des
Guilimannus. Schon die späte Zeit der Abfassung dieses Werkes
(das Jahr 1617 ist als das Vollendungsjahr angegeben) hätte ver
hindern sollen, dasselbe als eine Quelle zu benützen. Ein näheres
Eingehen auf das Mänuscript welches zuSteyrer’s Zeit in der Biblio—
tlieca Thanhauseriana zu Innsbruck lag, derzeit aber im k. k. geh.
Archiv sich befindet, hätte das Vertrauen in dU Glaubwürdigkeit des
selben noch mehr vermindern müssen.
Von Bewältigung des Stoffes, scharfsinniger Kritik oder geisti
ger Erfassung des Materials ist bei dem fraglichen Werke wenig
zu finden. Aber dem Verfasser stand als Bibliothekar zu Innsbruck
eine nicht geringe Anzahl von Urkunden zu Gebote. Dort wo er
solche benützte, verdient er Glauben; ganz unzuverlässig ist er, wo
Urkunden fehlen. Quellenstudien mangeln ihm beinahe völlig; wo er
eine Quelle benützt, lässt er sich nicht selten verleiten, Zusätze zu
machen, oder Folgerungen ganz eigenmächtiger Art als Thatsachen
auszugeben, so wie er denn mitunter auch Histörchen erzählt, die in
ihrer vollkommenen Unsinnigkeit lebhaft an die Gesta Francorum
erinnern.
Ferner liegen an Urkunden vor: Das Biindniss Kaiser Ludwig’s mit den Herzogen
gegen Johann von Böhmen (Steyrer, col. 85) ; das Biindniss der Herzoge mit Ludwig
von Brandenburg.und den Herzogen von Baiern (Fischer, kl. Sehr. I. 2G5) ; das Ge-
genbündniss der baierischen Herzoge (Steyrer, col. 88); zwei Bündnisse mit Erz
bischof Friedrich von Salzburg (Steyrer, col. 89); die drei Urkunden, in denen König
Johann und sein Sohn Karl auf Kärnten verzichten (Steyrer); endlich die Urkunde,
in der die Auffensteine die Herzoge von Österreich als Herren von Kärnten anerkennen
(folgt im Anhänge).
Alle diese Urkunden bieten der genauesten Prüfung nicht den geringsten Anhalts-
punct für die Steyrer’sche Hypothese.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
215
Auch in Betreff unserer Frage hat Guilimann viele Urkunden vor
sich gehabt. Er gibt den Belehnungsbrief von 1286 beinahe wört
lich; er kennt den Landauer, den Pressburger Vertrag, so wie den
Ausspruch der Schiedsrichter. Er ist der einzige Geschichtsschrei
ber der die Zusammenkunft zu Augsburg 1330, die Ernennung der
Schiedsrichter und ihren Ausspruch berichtet. Die gleichzeitigen
Quellen wissen nichts von diesen geheimen Verhandlungen; Gui
limann erzählt Alles nach den ihm vorliegenden Urkunden. Von
Quellen hat er benützt: die vitaCaroli IV., den Johannes Vitoduranus,
für die frühere Zeit die Reimchronik des Ottakar, aus der er die
ganze Darstellung der Belehnung von 1282 mit allen ihren Unrich
tigkeiten abgeschrieben hat. Die beiden Hauptquellen für unsere
Frage, den Job. Vietoriensis und den Peter von Königssaal hat er
nicht gekannt.
Unter einem ziemlich confusen Gemisch von wahren, halbwah
ren und falschen Angaben findet sich auch die Stelle die später
Steyrer so verbreitet hat. Herzog Otto kommt zu Augsburg mit Lud
wig zusammen, und nun heisst es weiter: Igitur non solum ex com-
pacto inter utrumque Ottonis et Margaritae avum Rudolfum Caesarem
et Meynradum, Carinthiae Ducem primum Otto Carinthiae ducatum
sibi et posteris vindicavit, sed legibus quoque Romani Regni, quibus
a Principatibus foeminae excluduntur, et Carintliiam ea conditione
Meginrado Rudolfum tradidisse ostendebat, ut nulla deinceps proge-
nie superstite maribus Austriacis illa cederet Imperator tarnen,
veluti hoc modo invidiam declinaturus totum de Carinthiae ducatu
negotium arbitris commisit.
Aus einer alten Quelle hat Guilimann diese Nachricht nicht,
denn, wie nachgewiesen, wissen die Quellen nichts dem Ähnliches;
aus einer besonderen Urkunde hat er sie gleichfalls nicht, denn er
der so viele ihm bekannte Urkunden wörtlich oder im Auszuge mit
theilt, würde auch diese, mit der er eine sonst nirgends gegebene
Thatsache erweisen konnte, mitgetheilt, oder doch mindestens sich
darauf berufen haben.
Wie er aber zu dieser seiner Ansicht gekommen, ist unschwer
einzusehen. Er hatte den Ausspruch der sieben Schiedsrichter vor
sich, nach welchem Kärnten an Österreich fallen sollte, wenn Herzog
Heinrich stürbe. Einen Grund für diesen sonderbaren Ausspruch fand
er weder in der betreffenden Urkunde, noch anderswo angegeben.
216
Karl StÖgmaiin.
Und indem er nun nacli einem Grunde suchte, fiel er auf die
bekannte Annahme die sich freilich nur in seiner Phantasie gebildet
hatte, die aber doch den mysteriösen Schiedsrichterspruch aufs Ein
fachste erklärte.
Wir haben es also hier mit nichts Anderem zu thun, als mit einer
ununterstützten Hypothese eines Schriftstellers aus dem 17. Jahr
hundert. Diese Hyp otliese liess Steyrer gelten, wie eine Quellen
angabe, und statt dass man ihre Richtigkeit und Glaubwürdigkeit
untersucht hätte, nahm man sie fortwährend als den Hauptbeweis
selbst, wobei man sich dann so recht im eigentlichen Cirkel bewegte
und das zu Beweisende immer als Beweis anführte.
Der Bericht des Guilimann blieb fortwährend der Hauptbeweis
für die Steyrer’sche Hypothese; doch wurden daneben noch zwei
andere Gründe aufgebracht, beide von Kurz in seinem schon citirten
Werke. Kurz beruft sich nämlich zuerst auf eine Stelle beim Peter
von Königssaal, Chronicon Aulae Regiae, I, p. 487. Austriae Duces
quaedam privilegia produxerunt, per quae se habere ad Ducatum
Carinthiae jus ostenderunt. Auch Lichnowsky urgirt diese Stelle mit
dem Bemerken: Wenn der Aht von Königssaal Recht habe, so müss
ten solche Privilegia, Verträge zwischen Rudolf oder Albrecht von
Habsburg vorhanden gewesen sein, die den österreichischen Herzo
gen den Rückfall Kärntens zusicherten, die aber jetzt verloren seien.
Allein man kann die Wahrheit der von dem immer vorzüglich unter
richteten Abte mitgetheilten Nachricht zugeben, ohne desshalb die
Consequenz daraus zu ziehen, die Lichnowsky gezogen hat, wenn
man nur berücksichtigt, zu welchem Jahre sich diese Stelle im
Chron. Aul. Reg. findet. Peter von Königssaal spricht sie aus zum
Jahre 1335, mortuo duce Ilenrico. In diesem Jahre hat aber die
Stelle ihre volle Richtigkeit, denn in diesem Jahre hatten die Her
zoge von Österreich bereits ganz sichere Urkunden die den Kaiser
Ludwig verpflichteten, ihnen Kärnten zu verleihen. Sie durften ja
nur den Ausspruch der Schiedsrichter vom 26. November 1330 vor
weisen, und eine zweiteUrkunde vom 23. November desselben Jahres,
in der sich Kaiser Ludwig feierlichst verpflichtet hatte den Aus
spruch der Schiedsrichter zu erfüllen. Dies sind also die Privilegia
von denen Peter vonKönigssaal spricht, und man hat bei seiner Nach
richt weder Ursache sie zu leugnen, noch auch Urkunden, von deren
Existenz Niemand weiss, damit in Verbindung zu bringen.
Über die Vereinigung’ Kärntens mit Österreich.
217
Einen zweiten Beweis hat Kurz in der Stelle der Friedens-
urkunde finden wollen, in der die österreichischen Herzoge 1336, im
Ennser Vertrage auf Tirol Verzicht leisten. Die Stelle lautet: Renun-
ciamus expresse omni juri et actioni si quod yelsi quae nobis aut
dictis heredibus et successoribus nostris in comitatu Tyrolis ex tra-
ditione Heinrici avunculi nostri collatione infeodatione, confirmatione
quorum cumque Imperatorum vel Regum, aut successione juris hae-
reditarii competebant. Kurz bezieht, gewaltthätig genug, was liier
von Tirol gesagt wird, auf Kärnten und meint, es liesse sich daraus
die Folgerung ziehen, dass Rudolfs Söhne nicht ohne alle Anwart
schaft auf Kärnten Verzicht gethan. Der ganze, auf Schrauben
gestellte Beweis zerfällt in Nichts, wenn man bedenkt, dass die
beweisende Stelle nichts Anderes ist, als eine allgemeine, sehr
gebräuchliche Vertragsformel mit der man eben jeder nur möglichen
Spitzfindigkeit zuvorkommen wollte. Zum Beweis vergleiche man
die Urkunde, in der Johann von Böhmen hei demselben Friedens
schlüsse auf Kärnten Verzicht leistet. Dort findet sich wörtlich
dieselbe Stelle; es würde sich mithin Alles was man daraus für die
Herzoge von Österreich deduciren wollte, auch für Johann von Böh
men deduciren lassen, was also, wenn man aus dieser Stelle ein auf
Rudolf von Habsburg zurückgehendes Recht ableiten zu können
glaubt, in Bezug auf Johann zu einer offenen Absurdität führen
musste.
Welcher Art sind also die Beweise Steyrer’s und seiner Anhän
ger? Eine schlecht ersonnene Hypothese eines Schriftstellers aus
dem 17. Jahrhunderte, eine falsch verstandene und mit vorgefasster
Meinung ausgelegte Stelle des Peter’s von Königssaal, und eine Urkun
denstelle deren gezwungene Auffassung ins Absurde führt. Halten
wir diese Beweise zusammen mit Allem was früher gesagt worden,
so können wir mit Bestimmtheit die Ansicht aussprechen, dass ein
Rückfall Kärntens an Österreich niemals bedungen worden, und
dass die Annahme eines solchen nur auf einem willkürlichen Ver
suche späterer Schriftsteller beruht, dadurch die Erwerbung Kärn
tens für Österreich zu erklären *)•
*) Ein einziger Geschichtsschreiber, Hassler, hat auch von einem Erbrechte der öster
reichischen Herzoge auf Kärnten gesprochen, und dies aus der Vermählung Albrecht’s
von Ilahsburg mit Elisabeth, Meinhart’s Tochter, herleiten wollen. Allein, Kärnten war
218
Karl Stög-mann.
Indem mir nun dieselbe Aufgabe übrig bleibt, nämlich zu zeigen,
welche Verhältnisse eigentlich die Vereinigung Kärntens mit Öster
reich herbeiführten, wende ich mich, um diese Frage zu lösen, zu
dem letzten Theile der Abhandlung.
III.
Die neue Herrscherfamilie die Rudolf von Habsburg dem Lande
Kärnten durch die Belehnung Meinhart’s von Tirol gegeben hatte,
sollte sich des neuen Zuwachses ihrer Macht nicht lange erfreuen.
Von Meinhart’s vier Söhnen starb Albreclit schon vor dem Vater,
Ludwig im Jahre 130S, Otto fünf Jahre später !)• Und so wie diese
Drei völlig kinderlos gebliehen waren, so hatte auch der vierte Sohn
Heinrich aus seiner ersten Ehe mit Anna von Böhmen keine Kinder,
aus der zweiten mit Adelheid von Braunschweig nur zwei Töchter,
die nachmals so berühmte Margaretha Maultasche 2 ), und eine zweite
Tochter deren Name sich nicht angegeben findet 3 ). Dadurch aber
war Kärnten das als ein reines Mannslehen in weiblicher Linie
nicht vererbt werden konnte, binnen der kurzen Zeit von vierzig
Jahren abermals auf den Punct gelangt, ein erledigtes Lehen zu
kein Weiberlehen; daher besass auch Elisabeth kein Erbrecht, konnte also auch keines
vererben. Die Quellen, Joh. Victor, und Peter von Königssaal sagen wohl, dass sich
die österreichischen Herzoge auf ihre Abstammung mütterlicherseits beriefen. Dies
mag seine Richtigkeit haben, denn es war in jener Zeit schon etwas gewöhnliches,
dass die Agnaten Ansprüche auf die erledigten Lehen erhoben. Diese Ansprüche wur
den oft berücksichtigt; sie mussten aber nicht berücksichtigt werden. Kaiser Ludwig
konnte, abgesehen von allen andern Verhältnissen, Kärnten wem immer verleihen,
ohne ein Recht der österreichischen Herzoge damit zu verletzen. Die Ansprüche der
Agnaten, so oft und so mächtig sie auch damals schon auftauchten, hatten noch keine
gesetzliche Geltung.
*) Chron. Stamsense. ad annos 1292, 1305, 1310, ap. Böhmer, Fontes I.
2 ) Es ist viel darüber gestritten worden, welche von den Frauen Heinrich’s Marg-a-
retha’s Mutter gewesen und wann diese Princessinn geboren worden. Ein vortrefflich
geschriebener Aufsatz: „Berichtigung einer Stelle in Karl’s IV. Selbstbiographie“,
abgedruckt im 7. Bande der Beiträge zur Geschichte etc. von Tirol, Innsbruck,
1832, hat gründlich nachgewiesen, dass Margaretha die Tochter Anna’s von Braun
schweig, nicht Anna’s von Böhmen gewesen und 1318 oder 1319 geboren worden.
3 ) Die Existenz dieser zweiten Tochter Heinrich’s hat Steyrer nachgewiesen. Coronini
gibt ihr den Namen Adelheid, wohl nur, weil er sie mit einer unehelichen
Tochter Heinrich’s, Adelheid de Ruffiano verwechselt. Die letzte Erwähnung dieser
namenlosen Princessinn findet sich 1342; wann und wo sie gestorben, ist unbekannt.
Über die Vereinigung! Kärntens mit Österreich. 219
werden; um von dem Willen des Kaisers einen neuen Herrscher zu
erhalten.
Die voraussichtliche Erledigung eines so wichtigen Landes
musste nothwendig alle Parteien auf den Kampfplatz rufen , die in
irgend einer Weise auf die Erwerbung desselben hoffen konnten.
Wohl mochten die Grafen von Görz, die Söhne von Meinhaft’s Bru
der ALbrecht, derartige Hoffnungen hegen *) , sie traten aber bald
zurück vor zwei an Macht und Bedeutung weit überlegenen Rivalen,
den Herzogen von Österreich und dem König von Böhmen.
Es fehlte wahrlich nicht an Gründen die die Herzoge von
Österreich dazu bringen mussten, an die Erwerbung Kärntens zu
denken. Rudolf von Habsburg hatte die Idee der Gründung einer
österreichisch - habsburgischen Macht seinen Nachkommen hinter
lassen, die consequente Durchführung dieser Idee verlangte die
Vereinigung Kärntens mit den übrigen österreichischen Ländern.
Dies Herzogthum grenzte an Steiermark; die Herzoge von Österreich
hatten sich genöthigt gesehen, ihr Krain an die Fürsten Kärntens
zu verpfänden; in Kärnten selber besassen sie Besitzungen. Nur
ungern hatte Rudolf von Habsburg dieses Land von den übrigen
ottakarischen Besitzungen getrennt, und nicht absichtslos war die
Bestimmung getroffen worden, dass die Herzoge von Österreich die
Güter und Rechte der ehemaligen babenbergischen Fürsten in Kärn
ten behalten sollten.
So hatten sie festen Fuss im Lande gefasst, was ihnen bei
einer allfallsigen Ledigwerdung desselben immer nur förderlich sein
konnte.
Mehr als Alles drängte die Herzoge zu den äussersten Anstren
gungen um den Besitz von Kärnten, der gefährliche Mitbewerber
den sie in der Person Johann’s von Böhmen gefunden hatten. Die
Rivalität, der Häuser Habsburg und Luxemburg war bereits eine ent
schiedene Thatsache. Gerieth Kärnten in die Gewalt des Böhmen
königs, so war dies eine Niederlage für Österreich. Der Streit um
Kärnten bildete nur ein Moment in dem für Österreichs Geschick so
entscheidenden Kampf der Habsburger und Luxemburger und die
1 ) Ich schliesse dies aus einer Stelle des Peter von Königssaal, p. 420, wo er über
die Heirath Johann’s mit Margarethen spricht: „Displicet autem haec copula Austrie
et quibusdam aliis Principibus, quia ex consanquinitate habere in Chorinthia se
asserunt pinqius jus et majus.
220
Karl Stögmann.
Erwerbung Kärntens war für Österreichs Fürsten eine politische
Nothwendigkeit geworden. Der Streit der sich demnach nothwen-
dig entspinnen musste, wurde aber noch verwickelter durch die
schwankende Stellung die Kaiser Ludwig der Baier, von dem doch
endlich die Entscheidung des Ganzen ahhing, in dieser Sache ein
nahm. Än ihn, als den obersten Lehensherrn, musste das erledigte
Kärnten zurückfallen, und da weder König Johann noch die Herzoge
von Österreich irgend ein vollgiltiges Recht auf dieses Land aufwei
sen konnten, das den Kaiser hei der Vergabung bestimmen musste,
so lag es ganz in seiner Gewalt, wem er das Lehen zusprechen
wollte. Allein Ludwig war nicht der König der nach unumschränk
ter Machtvollkommenheit entscheiden konnte. Immer durch die Ver
hältnisse zum Anschluss an eine Partei gezwungen, brachte er es
nie dahin, über den Parteien zu stehen. Es war vorzüglich seine
leidige, kraftlose Opposition gegen den päpstlichen Stuhl, in die er
gewissermassen hineingedrängt worden, die ihm fortwährend die
Hände band. Diese Stellung gegen den Papst ward ihm bald im
äussersten Grade unbequem ; er suchte ihrer los zu werden um jeden
Preis; sein Bestreben aber einen Vermittler zu diesem Zwecke zu
finden , brachte in sein ganzes Benehmen etwas .Schwankendes,
Haltloses.
Er wandte sich abwechselnd bald an den Einen, bald an den
Andern, durch den er seine Absichten erreichen zu können hoffte,
opferte aber auch regelmässig die Interessen des frühem Bundes
genossen denen des spätem. Auf sein Benehmen in derkärntnerischen
Angelegenheit hatte dies den höchsten Einfluss. Hätte Ludwig-
gekonnt, wie er eigentlich wollte, sicher hätte er Kärnten in ein
Besitzthum seines eigenen Hauses verwandelt 1 )- Allein obwohl diese
Absicht aus allen seinen Handlungen hervorleuchtete, seine gefähr
dete Stellung liess ihn nicht dazu kommen, sie geradezu auszuspre
chen und offen zu verfolgen. So schwankte er zwischen beiden
4 ) Will man dies recht deutlich sehen, so vergleiche man Ludwig’s spätere Hand
lungsweise. Am 26. Februar 1342 belehnte er seinen Sohn Ludwig, den Gemahl der
Margaretha Maultasche, mit Kärnten, da Margaretha nie auf dieses Land verzich
tet habe. Dies that Ludwig trotzdem er im Jahre 1335 ein Recht der Margaretha
auf Kärnten nicht anerkannt und das Land den österreichischen Herzogen ver
liehen hatte. Er suchte eben 1342 zu nehmen, was er 1335 nicht hatte nehmen
können. (Vergl. Böhmer. Regest. Ludw., S. 140.)
Über die Vereinigung; Kärntens mit «Österreich.
221
Parteien hin und her, wandte sich bald dem König vonBöhmen, bald
den Herzogen zu, wie ihn eben die Umstände drängten, und zeigte
sich dabei unzuverlässig und treulos gegen beide Parteien.
Den Streit um Kärnten eröffnete König Johann. Er fasste den
Plan, dieses Land zu einem Besitzthum seines Hauses zu machen in
einer Zeit, in der die Aufmerksamkeit der österreichischen Herzoge
auf ein höheres Ziel, auf die Erwerbung der deutschen Krone gerich
tet war. Und obwohl Heinrich von Kärnten durch Johann von dem
böhmischen Throne nicht ohne grosse persönliche Schmach war ver
drängt worden, und desshalb mit Becht von Allen für einen unver
söhnlichen Gegner des Böhmenkönigs gehalten wurde, so gründete
dennoch König Johann dessen abenteuerliche Natur das Paradoxe
auch in der Politik zu liehen pflegte, seinen Plan darauf, gerade durch
Heinrich selbst sich den Weg zur Erwerbung Kärntens zu bahnen.
Der erste Versuch einer Annäherung geschah 1321. Johann von Böh
men und Heinrich von Kärnten hatten eine Zusammenkunft zu Pas-
sau. Mit seinen eigentlichen Absichten hervorzurücken konnte dem
Könige kaum räthlich erscheinen; denn Heinrich dessen Gemahlinn
Agnes von Braunschweig im vorhergehenden Jahre gestorben war,
ohne ihm einen männlichen Erben hinterlassen zu haben, dachte nun,
um diesen seinen Lieblingswunsch doch vielleicht verwirklicht zu
sehen, an eine dritte Ehe. Dem König Johann konnten derlei Pläne
nicht erwünscht kommen, aber er hielt es für räthlicher scheinbar
darauf einzugehen, und unter dem Scheine der eifrigsten Beförde
rung an ihrer Hintertreibung zu arbeiten. Er schlug demnach dem
Herzog seine Schwester Maria von Luxemburg die seit dem Jahre
1318 in Böhmen erzogen wurde, zur Gemahlinn vor, und gab auch
bald darauf zu Eger Ludwig dem Baier ausdrückliche Vollmacht, eine
Ehe zu bereden zwischen Heinrich von Kärnten und Maria von
Luxemburg, zugleich aber auch zwischen Wenzel (Karl) von Böhmen
und Margaretha der Tochter des Kärntners 1 ). Allein die schöne
Maria weigerte sieh die dritte Gemahlinn des nicht mehr jugendlichen
Exkönigs von Böhmen zu werden, und Johann der eine Ehe Hein
rich’s unmöglich wünschen konnte, sondern nur Zeit zu gewinnen
suchte, mag wohl auch nicht besonders in sie gedrungen haben. Die
A ) Die Urkunde hierüber im Extract bei Oefele, Scrpt. rer. ßoic. t. II, p. 137.
222
Karl Stögmann.
Weigerung der Princessinn wurde mit einem religiösen Gelübde ent
schuldigt, und sie vermählte sich im nächsten Jahre mit König Karl
von Frankreich •).
Allein Heinrich gab darum seine Heirathspläne keineswegs auf,
und König Johann zauderte auch nicht, noch einmal seine Hand dazu
zu bieten. Im Jahre 1324 sandte er die beiden Herren Arnold von
Pittingen und Bernard von Chimburk nach Kärnten 3 ), um eine Ehe
zu bereden zwischen Herzog Heinrich und Beatrix von Gaspavia
(Gaesbecke), der Muhme König Johanns, der Tochter seinerVaters-
schwester Felicitas 3 ). Die durch die beiden Abgesandten geführten
Unterhandlungen erzielten die wichtigsten Besultate. Johann von
Böhmen und Heinrich von Kärnten schliessen am Montag nächst
Peter und Paul ewigen Frieden und Freundschaft. Johann gibt dem
Heinrich zur Gemahlinn seine „lib Mumen Jungfrawen Beatrisen, die
geboren ist von Prabant und von Lutzelburch“.
Ebenso heirathet Johann’s Sohn dessen Name nicht genannt ist,
eine Tochter Herzog Ileinrich's. Stirbt König Johann, so wird der
Herzog „Phleger und fürmunt“ der Kinder bis dass sie „zu iren tagen
komment“. Herzog Heinrich vermacht seiner Tochter „die des
Königs Sohn heirathen wird“ das Land zu Kärnten. Bekömmt Her
zog Heinrich aber Söhne, so soll das Vermähtniss ungiltig sein und
soll seine Tochter erben , wie seine andere Tochter. Stirbt der
Herzog, so soll der König der Kinder „gerhab und fürmunt“ sein.
König Johann ersetzt dem Herzog den grossen Schaden den er von
ihm und dem „Landezu Pehaim“ genommen, worüber der Erzbischof
von Trier und der Bischof von Trient entscheiden sollen. Dafür
*) Die Notiz darüber findet sich beim Joh. Victor (B. F. I, p. 390) so angegeben,
dass die Versöhnung Ileinrich’s mit Johann ins Jahr 1318 fallen musste. Die eben
citirte Urkunde ist von 1321. In dasselbe Jahr muss auch die Zusammenkunft zu
Passau gestellt werden, denn Agnes von Braunschweig, Ileinrich’s zweite Gemahlinn,
starb erst 1320, wesshalb Heinrich unmöglich schon 1318 an eine neue lleirath
denken konnte.
2 ) Joh. Vict. B. F. I, p. 390. Die Stelle steht wieder bei dem Jahre 1318, wohin sie
offenbar nicht gehört; auch steht statt Arnold von Pittingen, welcher Name sich
in der Urkunde findet, Johannes de Pittingen.
3 ) König Johann’s Vater hatte drei Schwestern, von denen sich nur eine, Felicitas,
vermählte, mit Jean dict Tristan Sire de Lovain, Gaesbecke etc. Aus dieser Ehe
entspross Beatrix, die 1339 unverheirathet starb. Steyrer verwechselt diese Beatrix
mit Beatrix von Savoyen, der nachmaligen Gemahlinn Ileinrich’s. (Ve r gl. Böhme r.
F. I, p. 390, Anmerkung.)
ü
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich. 223
verzichtet Heinrich auf alle Rechte und Ansprüche die er von Anna,
seiner seligen Gemahlinn, her, auf Böhmen erhoben hat ‘).
Alles mochte in diesem Vertrage dem König angenehmer sein,
als die Vermählung zwischen Heinrich und Beatrix. Versprochen
durfte dem Herzog die Braut werden, erlangen durfte er sie nicht;
und Johann beeilte sich daher durchaus nicht, diesen Punct des Ver
trages zu erfüllen. Um so ungeduldiger zeigte sich Herzog Hein
rich der den König nicht wenig gedrängt haben mag, denn schon
im Jahre 1325 stellte Johann eine neue Urkunde aus, in der er „mit
guter Treue“ neuerdings gelobte,“ ohne allen „aufzuch“ seine liebe
Muhme von Brabant und seinen Sohn Johann (dieser war also inzwi
schen zum Bräutigam bestimmt worden) nach Innsbruck zu senden,
„aufSanct BartholomaeusTag.“ Könne er selbst sie nicht geleiten, so
solle dies sein Schwiegersohn, der Herzog von Baiern, thun a ).
Allein der Bartholomäustag kam und ging, und die „liebe Muhme
von Prabant“ war noch immer nicht gekommen. Wie Johannes Vic-
toriensis berichtet, erklärte die Prineessinn Beatrix, sie wolle die
reichen Ländereien und ihr Geburtsland auf keinen Fall verlassen, um
in ein fremdes Land zu ziehen.
Bis zum Jahre 1326, also zwei Jahre lang, gelang es dem König
den Herzog hinzuhalten; da endlich erschöpfte sich die Geduld des
heirathslustigen Heinrich der nun darauf dachte, sich nach einer
andern Braut umzuselien. Bei diesem Wunsche aber kamen ihm nun
die österr. Herzoge, vorzüglich Herzog Albrecht der Weise, entgegen,
und wir stehen somit an einem Wendepuncte, in dem nun Österreich
an der kärntnerischen Erbschaftsfrage sich zu betheiligen anfängt.
Die österreichischen Herzoge hatten ihr ganzes Streben dahin
gerichtet, die deutsche Königswürde für Friedrich zu behaupten, und
darüber waren die Vorgänge in dem benachbarten, ihnen doch so
wichtigen Kärnten ganz übersehen worden. Da erkannte zuerst
Herzog Albrecht, für dessenPolitik es bezeichnend ist, dasssieimmer
das Entfernte, Weitaussehende gegen das Näherliegende zurück
stellte, die grosse Gefahr die aus der innigen Verbindung zwischen
U Die Urkunde im 7. Bmide der Beiträge zur Geschichte etc. von Tirol, p. 204, dann
bei Steyrer col. 596.
2 ) Die Urkunde, ausgestellt zu Innsbruck 1325, am Mittwoch vor Pfingsten, im
7. Bande der Beiträge etc., p. 209.
224
Karl Stög'mann.
einem so entschiedenen Gegner Österreichs wie Johann, und einem
so lauen Freunde wie Heinrich entstehen musste, und benützte dess-
halb die von dem Böhmenkönig nur saumselig und wenig aufrichtig
geförderten Heirathspläne des Kärntners, um so durch einen dem
wankelmüthigen Heinrich geleisteten Dienst die Freundschaft für
Österreich in ihm zu erwecken, und König Johann’s gefährliche
Rivalität zu paralisiren.
Es wandte also Albrecht das Augenmerk des Herzogs auf Beatrix
von Savoyen, die Tochter.des Amadaeus Magnus und der Maria von
Brabant, deren Schwester die Gemahlinn des österreichischen Her
zogs Leopold gewesen war. Er selbst übernahm es, die Sache zu
vermitteln, und eilte im Juli des Jahres 132G mit Vollmachten der
verwitweten Herzoginn von Savoyen und ihres Sohnes versehen, nach
Innsbruck, wo er mit Herzog Heinrich den Ehevertrag abschloss und
sich selbst für die Auszahlung der auf 5000 Mark festgesetzten Mit
gift verbürgte 1 ).
Nichts konnte dem Könige Johann unerwarteter und uner
wünschter kommen, als diese Einmischung Herzog Albrecht’s, die mit
einemmale alle seine Pläne vernichten konnte; aber es gelang ihm
vortrefflich seine Überraschung und seinen Urnnuth zu verbergen,
und zum bösen Spiel gute Miene zu machen. Kaum hatte er von den
Schritten Herzog Albrecht’s gehört, so sandte er einen Brief an
Heinrich von Kärnten, der in jeder Beziehung ein Meisterstück
diplomatischer Feinheit genannt werden muss.
Der König versichert in diesem Schreiben den Herzog seiner
„gantzen Freundschaft, sonderlichen Lieb und Unterthänigkeit“; er
betheuert bei Gott und der Wahrheit, dass er ihm seine liebe Muhme
von Grizbach gern zur Frau gegeben, und gehandelt hätte, wie es
zwischen ihnen „getaidingt“ worden. Nun habe aber sie zu allen Zeiten
vorgegeben, dass sie keinen Mann auf „aller der Welt“ nicht nehmen
wollte, wie sie es doch zuvor gelobt hätte. Da nun aber er, König
Johann, vernommen habe, dass Heinrich seine Muhme von Savoyen
4 ) Joh. Vict., p. 391, nennt als Heirathsvermittler irrthümlich den Herzog- Leopold,
der am letzten Februar 1326 gestorben war. Über den Ehevertrag finden sich zwei
Urkunden; eine, ausgestellt von Herzog Albrecht zu Innsbruck am Zinstag nach
St. Thomastag, ist mitgetheilt von Steyrer, col. 23; die andere, ausgestellt von
Herzog Heinrich unter selbem Ort und Datum, steht im 7. Bande der Beiträge etc.,
p. 209.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich. 225
zur ehelichen Frau nehmen wolle, so sei er darüber von Herzen froh,
indem sie nun mit aller Freundschaft bei einander bleiben könnten.
Auch habe er auf der Stelle Boten nach Savoyen gesandt, um die
Heirath zu beschleunigen, demnach möge auch der Herzog Heinrich
seine Boten senden auf den Tag zu Nürnberg am Sonntag Reminis-
cere, wo er sich mit diesen über die vorgenannte Sache gänzlich
vereinigen wolle, wie auch über das Geld das er ihm geben werde 1 ).
Man sieht es aus diesem Briefe, wie gespannt das Verhältniss
zwischen Johann von Böhmen und Heinrich sein musste, und wie es
aller Schlauheit von Seite des erstem bedurfte, um einen völligen
Bruch zu verhüten. Dieses gelang zwar; doch wann und wie, lässt
sich nicht angeben. Die gefährliche Heirath Ileinrich's kam zu Stande.
Auf dem Tage zu Nürnberg erschien auch weder Johann noch
Boten Heinrich’s; aber am Tage des heil. Gallus des Jahres 1327
sendet der König seinen Sohn Johann nach Innsbruck, was entschie
den ein gutes Einvernehmen und ein Fortbestehen der früheren Ver
träge in sich schliesst 3 ).
So war es zwar dem König gelungen, die alte Freundschaft mit
Kärnten zu erneuern,, und die eigentliche Absicht Herzog Albrecht’s
zu vereiteln; seinem letzten Ziele aber stand er noch ziemlich
ferne. Denn was ihm auch Heinrich einseitig und eigenmächtig
verbrieft hatte, es konnte nie zur rechtlichen Geltung gelangen, so
lange die Bestätigung des Reichsoberhauptes fehlte. Konnte man
aber die Einwilligung des Kaisers in die geschlossenen Verträge
erhalten, dann stand freilich ihrer Durchführung rechtlich nichts
mehr im Wege. Allein wie wenig Ludwig der Baier Lust hatte die
Macht des Hauses Luxemburg vergrössern zu lassen, das hatte Johann
bei Gelegenheit der Erledigung von Brandenburg gesehen, demnach
schien es wenig Erfolg zu versprechen, wenn Johann selbst die so
wichtige Bestätigung nachsuchte. Herzog Heinrich, noch immer von
der Hoffnung belebt, einen männlichen Erben zu erhalten, bemühte
sich anfangs wenig um diese Einwilligung des Kaisers; als aber nach
einer zweijährigen Ehe mit Beatrix seine Wünsche keine Erfüllung
erlangt hatten, da schien es ihm endlich Zeit, seine Lande wenigstens
seiner Tochter zu sichern. Eine günstige Gelegenheit bot sich dar.
Der Brief im 7. Bande der Beiträge etc., p. 211.
2 ) Chronic. Aul. Reg. ap. Dobner, tom V, p. 420.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Hft.
15
226
Karl Stög mann.
als Ludwig der Baier Anfangs Februar des Jahres 1330 auf seinem
Rückzuge aus Italien nach Meran kam, und dort mit Herzog Heinrich
zusammentraf. Es ist bedauernswerth, dass uns kein näherer Bericht
vorliegt über diese merkwürdige Zusammenkunft, bei der keiner der
beiden Fürsten mit seinen eigentlichen Absichten hervortrat, sondern
jeder den andern zu täuschen suchte. Heinrich, statt offen und ehrlich
vom Könige die Bestätigung der mit Johann geschlossenen Verträge
zu erbitten, machte Winkelzüge. König Johann’s Name durfte aus
bekannten Gründen nicht genannt werden; die mit ihm geschlossenen
Verträge blieben am besten ganz verschwiegen. Heinrich verlangte
vom Kaiser nur, er möge Kärnten in ein Weibslehen verwandeln, so
dass der Besitz des Landes auf Heinrich’s Tochter und deren allfall-
sigen Gemahl übergehen könne. Alsbald sehen wir nun ein neues
höchst wichtiges Moment auftauchen, die Betheiligung Kaiser Ludwig's
an der kärntnerischen Erbfolgeangelegenheit. Die von Herzog
Heinrich gestellte Bitte bot für Ludwig nicht geringe Aussichten.
Warum sollte er Heinrich’s schöne Länder nicht so leicht, ja noch
leichter erwerben können, als ein Anderer? Wenn Kärnten und
Tirol an Heinrich’s allfallsigen Eidam übergehen sollten, warum konnte
nicht ein Prinz aus Ludwig’s Familie dieser Eidam werden? dass
Johann’s von Böhmen Sohn der schon bestimmte Eidam sei, das
wusste Ludwig höchst wahrscheinlich gar nicht oder, wenn er doch
vielleicht davon Kenntniss hatte, so muss ihm Herzog Heinrich beru
higende Zusicherungen über diesen Punct gegeben haben, denn dass
Ludwig sonst durchaus nicht eingewilligt hätte, das zeigten die fol
genden Ereignisse aufs Deutlichste. Wie weit liess sich aber der
Kaiser mit seinen eigenen Plänen gegen Heinrich heraus? In kurzer
Frist liess sich die Angelegenheit nicht wohl abthun, zu langen Ver
handlungen fehlte es dem Kaiser an Zeit, denn dringende Angelegen
heiten riefen ihn nach dem Innern Deutschlands. Somit musste sich
Ludwig begnügen, gleichsam nur den Grund zu legen, auf dem
dann weitere Verhandlungen bei günstigerer Gelegenheit gepflogen
werden mochten. Die Verwandlung Kärntens in ein Kunkellehen,
die den Herzog verbinden musste, und noch obendrein die weiteren
Pläne Ludwig’s förderte, konnte somit bewilligt werden, wenn es nur
an einer Klausel nicht fehlte, die dem Kaiser für jeden unvorge
sehenen Fall freie Hand liess. In diesem Sinne wurde denn auch am
6. Februar 1330 die betreffende Urkunde ausgefertigt.
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
227
Ludwig thut dem Herzog von Kärnten die besondere Gnade,
Treu und Freundschaft, dass er all’ seinen Töchtern die er bereits
hat, oder die er noch bekommen wird, ebenso seines Bruders Töch
tern verleiht alle die Lehen die er inne hat vom Reich. Will aber
Heinrich diese Lehen vermachen einem seiner Eidame, so soll das
dem Kaiser „gunst, wille und wort sein und doch also, das dies
unser getreuer oheim tun soll mit unserm rat und wissen“. Das war
die Klausel, mit der Ludwig den Kärntner Herzog überlistete, so
dass dieser für seine geheimen Absichten gar nichts gewann. Denn
dieser Beisatz schloss ja doch stillschweigend alle Eidame aus, die
dem Kaiser unbequem sein konnten. Für den rechtenEidam zu sorgen,
musste Ludwig einstweilen der Zukunft Vorbehalten, denn er reiste
augenblicklich nachBaiern ab (den 17. Februar ist er schon in München,
um seine Aufmerksamkeit den Reichsangelegenheiten zuzuwenden) i).
Am 13. Jänner des Jahres 1330 war nämlich Friedrich der
Schöne von Österreich gestorben. Die Herzoge von Österreich sahen
sich dadurch in eine sehr zweifelhafteLage gedrängt, denn es liess sich
nicht absehen, wie sich Ludwig gegen sie benehmen würde. Dess-
halb und wohl auch in Folge der fortwährenden Aufforderungen des
Papstes versäumten sie es nicht, sich durch Bündnisse zu stützen 2 ).
Herzog Otto stellte sich an die Spitze eines Heeres; ein neuer
Kampf zwischen Österreich und Baiern stand in Aussicht.
Allein Ludwig von Baiern hatte wenig Lust zu der erneuten
Aufnahme dieses Streites. Die Macht Österreichs war nicht gering;
der Krieg mit ihnen liess wenig Vortheile hoffen; der Friede mit
ihnen raubte dem Papste einen mächtigen Anhang. Ferner hatte
Ludwig versprochen nach Italien zurückzukehren; dies konnte nur
geschehen, wenn Deutschland beruhigt war. Ludwig wünschte dess-
halb den Frieden mit Österreich, und knüpfte Unterhandlungen mit
Herzog Otto an, die zu einem solchen Resultate führen sollten.
Nun wissen zwar weder die gleichzeitigen Quellen, noch die
neueren Geschichtswerke etwas davon, dass schon in jener Zeit oder
überhaupt vor dem erst am 6. August abgeschlossenen Hagenauer
Frieden, Unterhandlungen zwischen Ludwig und den Österreichern
*) Die hieher gehörige Urkunde steht bei Steyrer, col. 78, und orthographisch wohl
richtiger im 7. Bande der Beiträge etc., p. 212.
2 ) Die nicht unbedeutende Anzahl dieser Bündnisse ersieht man aus Lichnowsky’s
Regesten: 799, 800, 801, 803, 804, 806, 807, 810, 811, 813, 818, 819.
15 *
228
Karl Stög-mann.
gepflogen wurden. Allein es lässt sich nachweisen, das dies wirklich
geschehen, und weil in jenen Verhandlungen auch die Kärntner Ange
legenheit zur Sprache kam, müssen wir hier genauer darauf eingehen.
In einem (von Böhmer in dem ersten Bande der Fontes mitge-
theilten) Briefe Ludwig’s des Baier an Alois Gonzaga, seinen Reichs-
vicar in Mantua, theilt er diesem mit „dass er wegen Verhinderung
des Königs von Böhmen auf den gesetzten 23. April nicht nach Italien
kommen könne. Nun aber habe er sich mit Allen in Deutschland,
besonders aber mit den Herzogen von Österreich geeinigt, dass er
sicherlich bis am 24. Juni mit einem Heere nach der Lombardei
werde kommen können.“ Dieser Brief ist datirt vom 23. April des
Jahres 1330; was also darin von einer Aussöhnung mit den öster
reichischen Herzogen gesagt wird, kann sich nicht auf den erst im
August erfolgten Hagenauer Frieden beziehen. Es kann wohl nicht
angenommen werden, dass der Kaiser etwas blos aus der Luft
Gegriffenes gesagt habe. Es müssen mindestens um jene Zeit Ver
handlungen im Gange gewesen sein, von denen er ein günstiges
Resultat erwarten mochte, welches er vielleicht nur zu vorschnell
verkündete. Der Kaiser war bald. nach dem 14., jedenfalls schon am
23. April in München und blieb daselbst bis 6. Mai. Dies wäre die
mögliche Zeit für die angedeuteten Verhandlungen.
Es gibt nun Oefele im ersten Bande seiner Scriptores rerum
Boicarum, in dem Diplomatarium Ludovici Bavari, ex Regesto Auto-
grapho Notarii ejus Bertholdi de Tuttlingen, eine Urkunde unter dem
Titel: Copie eines Vertrages, so die Herren von Österreich nach
Herzog Friedrich’s von Österreich Tode mit Kaiser Ludwig ausge
tragen haben. Diese Copie ist übrigens unvollständig, ohne Angabe
des Ortes und Datums. Den Hagenauer Frieden kann sie nicht
betreffen, denn sie widerspricht in mehreren Puneten geradezu der
echten Urkunde dieses Friedensvertrages. Innere Gründe über
zeugen uns, dass wir es mit einem früher abgefassten Actenstticke
zu thun haben; ein Umstand aber bezeichnet uns ziemlich genau die
Zeit, in der dasselbe abgefasst worden sein muss. Es findet sich
nämlich darin die Bestimmung, dass die Herzoge von Österreich dem
Kaiser gehorsam sein wollen behufs einer freundlichen Richtung die
er zwischen ihnen und dem Könige von Böhmen einleiten wird. Es
standen also damals die österreichischen Herzoge noch im feind
lichen Verhältnisse zu Johann von Böhmen; diese Urkunde ist
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
229
demnach vor dem Landauer Frieden, also vor dem 10. Mai abgefasst
worden. Da sie ferner der Aufschrift gemäss erst nach Friedrich des
Schönen Tod ausgestellt worden ist, Ludwig aber erst im Februar
nach Deutschland kam, so trifft die Zeit ihrer Abfassung gerade mit
der Zeit zusammen, die oben für die ersten Unterhandlungen zwischen
Ludwig und den Herzogen festgesetzt wurde und wir besitzen dem
nach in dieser Copie das Actenstück jener Verhandlungen *).
Wir entnehmen aber aus diesem Actenstücke das sich am
besten als dasConcept eines vorläufigen Friedensvorschlages erklären
lässt, einen für die kärntnerische Angelegenheit höchst wichtigen
Passus. Kaiser Ludwig verspricht die Lehen die dem Reiche zunächst
ledig werden, mit Ausnahme von Brandenburg, Meissen und Thürin
gen, den Herzogen von Österreich zu leihen. Dass dies zunächst auf
Kärnten ging liegt am Tage. Allein diese offenbar von Seite Öster
reichs gestellte Bedingung war es vermuthlich auch, die den Erfolg
der Verhandlungen vereitelte. Sie war Ludwig’s Plänen zu sehr
entgegen, als dass er sie hätte annehmen können. Die Unterhand
lungen wurden abgebrochen, von den Quellen-Schriftstellern, weil
fruchtlos und wenig bekannt, auch nicht erwähnt, und so von der
Geschichte völlig ignorirt.
Die Rüstungen der österreichischen Herzoge nahmen ihren Fort
gang; bei Colmar concentrirten sich die Heere Ludwig des Baiern
und der Österreicher, und schon hatte es den Anschein, dass es hier
zu einer entscheidenden Schlacht kommen sollte, als plötzlich ein
Friedensvermittler auftrat, an den wohl Niemand gedacht hatte, König
Johann von Böhmen.
• Am 10. Mai hatte Johann vorzüglich auf Andringen seiner
Barone den Landauer Frieden mit den österreichischen Herzogen
abgeschlossen a ); im Monat Juli finden wir ihn als Friedensvermittler
vor Colmar. Noch einmal wies Herzog Otto die gemachten Anträge
zurück, aber endlich gab er ihnen doch Gehör, und am 6. August
erfolgte der Abschluss desHagenauerFriedens 3 ); derFriedenstractat
*) Dass die Urkunde bei Oefele mit dem eigentlichen Hagenauer Tractate nicht stimme, hat
Böhmer frageweise angeregt. Seine Frage fände durch das oben Gesagte wohl ihre
Erledigung.
2 ) Die Urkunde ist mitgetheilt bei Steyrer, col. 26. Vergl. dazu Joh. Vict., p. 407.
3 ) Joh. Vict. pag. 409, Vitodnr. pag. 1796 Vit. Car. IV. Die Urkunde bei Oienschlager
und bei Gewold „Ludov. Bav. defensus“ pag. 107.
230
Karl Stögmann.
enthielt mehrere Puncte die in den schon erwähnten Verhandlungen
besprochen worden waren; jener Passus aber, der Kärnten betraf,
blieb völlig weg, wie dies in einem durch König Johann vermittelten
Frieden selbstverständlich war. Die Kärntner Frage wurde in dem
Hagenauer Vertrage mit Stillschweigen übergangen, aber dennoch
war dieser Friede von den wichtigsten Folgen für den weitern Ver
lauf und die ganze Wendung jener Frage. Denn dieser Friede begrün
dete die Freundschaft zwischen Kaiser Ludwig und den Herzogen
von Österreich. Es war vielleicht der grösste Fehler den sich König
Johann in seiner auswärtigen Politik zu Schulden kommen liess, dass
er diesen Frieden vermittelte, dessen gefährliche Tragweite er völlig
übersah. Ihm war für den Augenblick nichts ungelegener als der
Kampf zwischen Ludwig und den Österreichern,-ein Kampf der so
eingreifend in alle Verhältnisse Deutschlands erschien, dass er ohne
König Johann’s Theilnahme weder ausgekämpft werden konnte, noch
durfte. Den König drängte es aber zu seinem abenteuerlichen Zuge
nach Italien. Um diesen antreten zu können, brauchte er einen schnel
len Frieden in Deutschland. Als er diesen vermittelte, dachte er frei
lich nicht im Entferntesten an eine feste und aufrichtige Einigung der
Feinde Baiern und Österreich, während schon seine nächsten Schritte
diese hervorriefen.
Von Hagenau eilte König Johann nach Tirol, wo er am 16. Sep
tember in Innsbruck eintraf. Mit ihm waren die Grafen von Leiningen,
Zweibrücken, Saarbrück und Demandis (?). Die Heirath zwischen
Margaretha und dem Prinzen Johann wurde vollzogen, dem jungen
Paare von den kärntnerischen Herren gehuldigt, die alten Verträge
wurden erneuert, neue hinzugefügt *)• Fröhliche Feste verherrlichten
diese Vorgänge. Als aber die Kunde davon nach Deutschland kam,
verfehlte sie nicht die bedeutendste Wirkung auszuüben, sowohl auf
die Herzoge von Österreich, die nun Kärnten als beinahe verloren
betrachten mussten, als auch auf Ludwig den Baier, der sich in der
ganzen Sache überlistet sah, denn nie war es seine Absicht gewesen,
dem Johann von Böhmen, dem er lange nicht mehr traute , Kärnten,
Tirol und damit den Weg nach Italien zu überlassen. So war der
Kaiser eben nicht in der freundlichsten Stimmung gegen den hinter
listigen Heinrich von Kärnten, als Herzog Otto von Aachen aus nach
*) Die Urkunden im VII. ßde. der Beiträge etc.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich. 231
Augsburg kam, entschlossen, die kaum angeknüpfte Freundschaft des
Kaisers gegen Johann’s von Böhmen Schritte aufzubieten.
In den nun folgenden Unterhandlungen änderte Ludwig seine
ganze Politik. Kärnten gegen zwei so mächtige Bewerber, wie König
Johann und die österreichischen Herzoge, für sich und sein Haus zu
behaupten , schien ihm bei seiner stets gefährdeten Stellung in
Deutschland unmöglich. Aber mindestens Johann sollte das Land
nicht behaupten. Ludwig schloss sich völlig an die österreichischen
Herzoge an, und der Preis ihres Bündnisses mit ihm war die Anwart
schaft auf Kärnten.
Nur Eines mochte dem Kaiser bedenklich erscheinen; das Ver
sprechen das er vor wenig Monden dem Herzog Heinrich von Kärn
ten gegeben hatte, „er könne sein Land seinem Eidame hinterlassen“.
Freilich hatte Heinrich die vorsichtige Klausel jenes Briefes, dass der
zukünftige Eidam mit Rath und Wissen des Kaisers gewählt werden
sollte, ausser Acht gelassen und so schon einen Vorwand zu ähnlicher
Nichtbeachtung des Vertrages gegeben. Dennoch schien es dem
Kaiser nöthig, noch eine kleine Spiegelfechterei durchzuführen,
um mit ihrer Hilfe leichter über das fatale, an Heinrich verliehene
Privilegium hinwegzukommen. Die Sache wurde folgendermassen
eingeleitet. Am 23. November ernannten der Kaiser und Herzog
Otto zusammen sieben Schiedsrichter, die alle zwischen den Fürsten
obschwebenden Irrungen ausgleichen sollten. Die Wahl dieser
Schiedsrichter ist bezeichnend. Es waren keine Reichsfürsten; sondern
Herzog Otto wählte drei aus des Kaisers Rathe, den Grafen Berthold
von Greyspach, Heinrich von Gumpenberg, Ludwig's Vitztum, und
Heinrich von Breisingen, Ludwig’s Hofmeister; und der Kaiser wählte
hinwieder drei aus des Herzogs Rathe; den Grafen Ulrich von Pfannen
berg, den Truchsess von Dissenhofen und den Truchsess von Wald
burg. Als „Obermann“, wurde Rudolf von Hochberg bestimmt. In einer
eigenen Urkunde gelobten der Kaiser und Herzog Otto, Alles zu
halten, was die Schiedsmänner beschlossen würden, wenn sie nicht
von selbst schon etwas Anderes beschlossen hätten J ).
Am 26. November erfolgte der Ausspruch der Schiedsrichter.
Die Herzoge von Österreich bekommen Kärnten, sobald Herzog
Heinrich stirbt; Kaiser Ludwig bekommt das Oberland an der Etsch und
1 ) Diese Urkunde folgt im Anhänge. Die übrigen, Kurz etc. a. a. 0.
232
Karl Stög-mann.
im Innthal. Der Kaiser wird bestimmen, was Herzog Otto den Erben
Heinricli's zu leisten haben soll; sollte er aber dem Herzog darin zu
schwer thun, so werden die sieben Schiedsrichter darüber entscheiden.
Wer immer diesen Ausspruch liest, wird sich des Staunens nicht
enthalten können. Die Schiedsmänner sollen, wie es in ihrer Voll
macht heisst, entscheiden, „über alle die stösse und aufläufe“, die
zwischen den Fürsten und zwischen Ludwig und den Herzogen zu
entscheiden sind. Und dies thun sie in der Weise, dass sie das Land
eines dritten Fürsten für den Fall seines Todes unter die beiden
Parteien theilen! Was aber in aller Welt hatte Kärnten und Tirol
mit den „stössen und aufläufen“ zwischen dem Kaiser und den
Herzogen zu schaffen.
Der ganze Schiedsrichterspruch ermangelt jedes rechtlichen
Grundes; er ist ein Ausspruch der Gewalt. Die Diener des Kaisers
und des Herzogs Otto entschieden, wie es ihnen vorgeschrieben war,
dass sie entscheiden sollten. Das Ganze ist eine Spiegelfechterei die
rein auf Rechnung Ludwig’s zu setzen ist. Ihn beirrte sein dem Herzog
von Kärnten gegebenes Wort. Die Herzoge von Österreich, durch
keine ähnliche Verpflichtung gebunden, wahrten einfach dielnteressen
ihres Hauses. Ihnen war es um eine Bürgschaft für das Wort des
Kaisers zu thun; die Form konnte ihnen sehr gleichgiltig sein,
ebenso gleichgiltig, inwiefern Ludwig das ihnen gegebene Ver
sprechen vor sich rechtfertigen konnte.
Was übrigens zu Augsburg beschlossen worden war, konnte
doch nicht zur Ausführung gelangen, so lange Herzog Heinrich lebte,
und darum schien es auch am geratensten, die ganze Sache so geheim
als möglich zu halten.
Daher wissen auch die gleichzeitigen Quellen, so gut sie sonst
unterrichtet sind, nichts von diesem Übereinkommen. Erst später, als
der in diesen Verhandlungen vorausgesetzte Todesfall Heinrich’s wirk
lich eintrat, wurden auch die Verhandlungen seihst bekannt, vermut
lich dadurch, dass die Herzoge von Österreich sich nun darauf berie
fen. Da erhob dann auch Karl IV., Johann’s Sohn, in seiner Selbst
biographie die Beschuldigung gegen Ludwig von Baiern, dass er mit
den Herzogen Albrecht und Otto einen geheimen Bund geschlossen
habe, um die Herrschaft des jungen Johann von Luxemburg zu theilen,
mit Heimlichkeit und Falschheit, so dass er, Ludwig, Tirol bekommen
sollte, die Herzoge von Österreich aber Kärnten. Dass Karl mit
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
233
dieser Beschuldigung sich auf den Ausspruch der Schiedsrichter zu
Augsburg beziehe, ist wohl nicht zu bezweifeln
So genau aber Karl IY. in dem Jahre 1335 wusste, dass und
was Ludwig mit den österreichischen Herzogen verhandelt habe, so
wenig wusste es im Jahre 1330 Johann.
Er hatte sich von Innsbruck nach Trient begeben, und dort alle
Vorbereitungen zu seinem Zuge nach Italien getroffen.
Die unglaublichen Fortschritte die Johann nun in Italien machte,
erregten dem Kaiser nicht geringe Besorgnisse.
Immer enger und fester schloss er sich nun an die österreichi
schen Herzoge an, in deren Macht er eine Stütze gegen Johann’s
gefahrvolle Pläne zu finden hoffte.
Nicht minder verderblich konnte Johann’s wachsende Macht dem
Hause Österreich werden, und darum hielten auch die beiden Herzoge
fest an dem Bunde mit dem Kaiser, wie sehr auch Papst Johann XXII.
sieh bestrebte, sie davon abzubringen.
Die Vorwürfe und Drohungen des Papstes in seinem Schreiben
vom 18. Jänner schienen weniger gefährlich, als des Luxemburgers
steigende Macht 2 ).
Als daher Ludwig im März (oder April) auf einem Reichstage
zu Nürnberg sich laut über Johann's Benehmen in Italien beklagte und
von den Fürsten den Rath erhielt: „Wenn der König von Böhmen sich
aneigne, was sein sei, jenseits der Berge, so möge er mit gutem
Rechte sich unterwerfen, was des Königs sei, diesseits der Berge,“
da war es vor Allen Otto von Österreich, der sich bereit erklärte, die
Könige von Ungern und Polen zu einem Einfalle in Böhmen im Bunde
mit Österreich zu bewegen 3 ).
Engere Bündnisse wurden noch im Monat Mai geschlossen. Otto
von Österreich empfing im Namen seines Bruders die Belehnung mit
allen österreichischen Ländern, und wurde zum Reichsvicar ernannt 4 ).
A ) Vita Caroli IV, p. 248. Et cum frater noster debuisset accipere possessionem duca-
tus Karinthie et comitatus Tyrolis post mortem ipsius, tune fecerat occulte ligam
LudoYicus, qui se gerebat pro Imperatore, cum ducibus Austriae, Alberto videlicet
et Ottone ad dividendum dominium fratris nostri, occulte et false, volens
idem Ludovicus habere comitatum Tyrolis, Duces vero ducatum Karinthie.
2 ) Raynald, Annal. Eccles. tom XV, ad h. a. N. 20.
3 ) Genaue Nachrichten über diesen Reichstag gibt ein Brief an den Abt von Königs
saal, in dem Chron. Aul. Reg. p. 455.
4 ) Böhmer, Reg. 1295—1300, p. 80.
234
Karl Stög“mann.
Verbindungen mit Ungern wurden angekniipft, bedeutende
Rüstungen betrieben; ein entscheidender Schlag gegen das Haus
Luxemburg sollte geführt werden Q.
Noch immer war König Johann in Italien; erst im Juni verliess er
das Land, um das Ungewitter zu beschwören, das sich inzwischen wider
ihn zusammengezogen hatte. Sein Scharfblick überschaute schnell das
Gefährliche seiner Lage, zeigte ihm aber auch den schwachen Punct
des gewaltigen, wider ihn geschlossenen Bundes. Ohne in sein Erbland
zu gehen und dort Anstalten zur Vertheidigung zu treffen, eilte er
geraden Weges nach Regensburg zu Kaiser Ludwig dem Baier.
Am 1. August war der König in Regensburg angekommen. Zwei
und zwanzig Tage lang verhandelten er und Ludwig der Baier auf
einer Insel der Donau, mit ihren verschwiegensten Rathen. Das
Resultat war, dass die beiden Fürsten sich über Alles vereinigten, ja
sogar eine Ehe zwischen ihren Kindern beschlossen.
„Es war dies zuvor Allen unglaublich gewesen“ bemerkt der Abt
Peter von Königssaal, der dem Orte der Verhandlungen nahe war, ohne
von ihnen selbst etwas erfahren zu können 3 ).
Die grosse Heimlichkeit, mit der die Verhandlungen betrieben
wurden bewirkte, dass keine Quellenberichte vorliegen.
Auch eine umfassende Urkunde über die geheimnissvollen Ver
träge ist nicht vorhanden.
Was an späteren Urkunden vorliegt (zum Beispiel mehrerer
Urkunden mit Bestimmungen über die von Johann besetzten italieni
schen Städte), kann unmöglich als das Ganze der damaligen Einigung,
sondern nur als Einzelheit derselben, aufgefasst werden 3 ).
Dass in sehr kurzer Zeit nach dieser Zusammenkunft zu Regens
burg die Versöhnungsversuehe Ludwig’s gegenüber dem Papst unter
Johann’s Einfluss beginnen, das dürfte einen Fingerzeig über die
eigentlichen Gründe jenes merkwürdigen Ereignisses abgeben.
A ) Vergleiche die Urkunden bei Steyrer, col. 34, 36. Zuerst wurde der am 21. Sept.
1328 zwischen Österreich und Ungern geschlossene Friede erneuert. Weil aber in
diesem „Bündnisse gegen Alle“, Karl von Ungern den König Johann ausdrücklich aus
genommen hatte, so wurde nun in einer zweiten Urkunde bestimmt, dass dieses
Bündniss auch gegen ihn zu gelten habe.
2 ) Chron. Aul. Reg. p. 430. Weit mehr als der Königssaaler Abt weiss Mutius, -ap.
Struv. p. 873, zu erzählen, der freilich 200 Jahre später schrieb, wesshalb man
weder ihm, noch Männert, der ihm folgt, viel Glauben schenken dürfte.
3 ) Böhmer, Reg. 136—138, dann 160, pag. 196.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
235
So wenig nun auch von den Verhandlungen jener Tage bekannt
ist, so glaube ich doch, vermuthen zu dürfen, dass sie sich zum
Theile auch auf Kärnten bezogen haben.
Um aber diese Beziehung darstellen zu können, muss ich mir
erlauben, für einen Augenblick den Ereignissen etwas vorzugreifen.
Als im Jahre 1335, nach dem Tode Heinrich’s von Kärnten,
der Streit um Kärnten zwischen Johann und den Österreichern
losbrach, verbreitete sich unter den Edlen yon Kärnten und Tirol
das Gerücht, König Johann habe mit dem Kaiser abgemacht, ihm
Kärnten und Tirol gegen Brandenburg tauschweise zu überlassen.
Johann widersprach diesem Gerüchte in einer eigenen, vom 13. De-
cember 1335 aus Prag datirten Urkunde. Es sei mit Red an ihn
gekommen, dass er mit dem, der sich Kaiser nennt, vor etlichen Jahren
soll getaidingt haben, dass er einen Wechsel mit dem Herzogthum
zu Kärnten, und mit der Grafschaft zu Tirol, wenn er dieser Lande
gewaltig würde, um die Mark Brandenburg thun wollte. Nun wisse
aber Gott wohl, dass dergleichen Red und Taidung nie in sein Herz
gekommen sei *),“ dessenungeachtet gibt der vorsichtige und wahr
heitsgetreue Johannes Victoriensis die bestimmte Nachricht: Es be
stand ein Vertrag zwischen dem Kaiser und dem König von Böhmen,
dass ein Tausch der Mark Brandenburg um Tirol stattfinden sollte 2 ).
Dass der König zu einer Zeit wo Ludwig durch seine neuerliche
Verbindung mit den Österreichern von diesem Tauschproject nichts
mehr wissen wollte, die ganze Sache ableugnete, könnte uns bei der
gerade nicht allzuzarten Gewissenhaftigkeit Johann’s wenig wundern;
dass Ludwig die Ableugnung stillschweigend zugab, folgt einfach
daraus, dass er selber aus dem Bestehen auf dem Vertrage keinen
Vortheil mehr schöpfen konnte; ja im Gegentheile in den Augen der
Österreicher dadurch nur compromittirt worden wäre. Ich möchte
also wohl annehmen, dass ein solcher Vertrag zwischen Ludwig und
Johann bestanden habe. Dann aber fällt er höchst wahrscheinlich in
das Jahr 1331. In den zwanzigtägigen Verhandlungen, an deren
Schlüsse sich die beiden Fürsten „de Omnibus“ verglichen hatten,
mussten wohl auch Johann’s offenkundige Absichten auf Kärnten zur
A ) Die Urkunde bei Kurz, Beilage IV, p. 344, dann bei Hormayr, Beiträge zur Geschichte
Tirols im Mittelalter, Nr. 170, p. 400.
2 ) Joh. Vict., p. 424.
236
Karl Stög’mann.
Sprache kommen. Ludwig hatte seine Pläne auf Kärnten nie auf
gegeben; Johann hatte schon früher nach Brandenburgs Erwerbung
gestrebt, somit lag das Tauschproject nicht gar zu ferne. Die öster
reichischen Herzoge wurden dabei freilich hintergangen, aber der
ganze Friedensschluss Ludwig's mit Johann war ja eine grosse Ver
letzung der mit Österreich geschlossenen Verträge.
So viel über den von mir vermutheten Zusammenhang der Regens
burger Beschlüsse mit der kärntnerischen Frage, für den ich freilich
nur Wahrscheinlichkeitsgründe aufzubringen habe.
Kehren wir nun zu dem Gange der Ereignisse zurück. Der
plötzliche Rücktritt Ludwig’s, von dem durch ihn selbst gestifteten
Bunde zerstörte auch all’ die hochfliegenden Pläne die die Verbün
deten gehegt hatten. Dieser Krieg der die Macht des Hauses Luxem
burg wenn nicht zerstören, doch bis zur Unbedeutendheit hinab
drücken sollte, wurde ein so unbedeutender, dass Johann während
desselben sein Land verlassen und nach Frankreich sich begeben
konnte. Das Ganze verlief sich in Grenzstreitigkeiten der Barone,
welche die Länder verwüsteten, und doch keine Entscheidung her
beiführen konnten. Endlich im Jahre 1332, als man beiderseits des
Streites müde war, schlossen die böhmischen Barone mit Einwilligung
ihres abwesenden Königs Frieden. Unter den Bedingungen war auch
die, dass König Johann Elisabeth, Friedrich des Schönen Tochter,
ehelichen sollte. Wie wenig innern Halt aber der ganze Friede
besass, ersieht man am besten aus einer Äusserung des scharfsinnigen
Peter’s von Königssaal :
Et sic haec bella
Sedavit pulchra puella
Dulcia per verba —
Sed adhuc latet anguis in lierba *)•
In diesem Frieden war Kärntens mit keiner Sylbe erwähnt.
Beide Theile mochten fühlen, dass eine Entscheidung über diese
wichtige Angelegenheit doch erst mit dem Tode Heinrich’s eintreten
könnte. Johann vielleicht dadurch sicher gemacht, dass die Kärntner
seinem Sohne schon gehuldigt hatten, trieb sich nach seiner Art im
Ausland umher. Vorsichtiger waren die österreichischen Herzoge.
1) Chron. Aul. Reg. p. 455, 450, 458.
Uber die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
237
Sie ermangelten des Vortlieils in Kärnten selbst eine feste Stütze zu
haben und darum strebten sie darnach, sich eine Partei im Lande zu
sichern.
So schlossen sie am 17. September 1334 ein ßtindniss mit
Bischof Werntho von Bamberg , der nicht unbedeutende Besitzungen
in Kärnten hatte!). Wichtiger noch war das wahrscheinlich durch
Otto von Lichtenstein vermittelte geheime Bündniss mit dem Erz
bischof Friedrich von Salzburg. Dieser verspricht geradezu, ihnen zu
Kärnten zu verhelfen, hundert Helme für sie zu rüsten, und seine
Vesten in Kärnten ihnen zu öffnen. Dieses Bündniss das durch
drei salzburgiselie und drei österreichische Scliiedsleute und durch
Otto von Lichtenstein als Obmann verbürgt wurde, war am 29. März
1333 geschlossen worden 3 ). Nicht minder thätig arbeitete Otto von
Lichtenstein daran, die Angesehensten des kärntnerischen Adels für
die Sache Österreichs zu gewinnen, was ihm bei seinem Schwager
Konrad von Auffenstein, dem Landmarschall Kärntens, auch gelang.
Mitten unter diesen geheimen Bemühungen starb plötzlich der
Königherzog Heinrich, am 2. April 1335 auf seinem Schlosse Tirol 3 ).
Kaum hätte sich sein Tod zu einer ungünstigeren Zeit ereignen
können. Seine Tochter Margarethe war 17, ihr Gemal erst 14 Jahre
alt. Ihr Vormund und Schützer König Johann lag zu Paris darnieder,
an Wunden die er im Turnier erhalten. Eilboten die von den ver
waisten Fürstenkindern an ihn gesandt wurden, erhielten nichts, als
den Trost, er werde kommen, sobald es seine Kräfte erlaubten. Allein
bis zu dieser Zeit blieben seine Gegner nicht miissig 4 ).
Noch in demselben Monat, in dem Heinrich gestorben war, trafen
auch schon Otto von Österreich und Ludwig der Baier'in Linz zu
sammen 5 ). Die freundliche Stellung, in die der Kaiser 1331 zu
Johann von Böhmen getreten war, hatte längst wieder aufgehört. Es
hatten inzwischen jene räthselbaften Vorgänge stattgefunden, die
Ludwig beinahe zur Thronentsagung gebracht hätten. Die Folge
A ) Die Urkunde bei Liinig-, XVII, 44, ausgestellt: Graz 17. September. Gegenurkundc,
Lichnowsky Reg., 994.
2 ) Urkunde bei Steyrer, col. 89.
3 ) Joh. Vict., p. 415. Chron. Stams. ß. f. I. Chron. Aul. Reg., p. 487, setzt den Tod
des Herzogs irrigerweise in den Monat März.
4 ) Joh. Vict., p. 416.
5 ) Joh. Vict., p. 416.
238
Karl Stög"in ann.
dieser Vorgänge war, dass der Kaiser sich mehr als je von Johann’s
hinterlistiger Treulosigkeit überzeugt hielt, und sieh desshalb eng an
Österreich anschloss, wie wir denn auch im Jahre 1335 wieder
Herzog Albrecht als denjenigen finden, der es über sich nimmt, die
Aussöhnung zwischen Ludwig und dem Papste zu Stande zu bringen.
Somit war die Stellung des Kaisers zu den Herzogen eine derartige,
dass er, als ihn Herzog Otto an seine Versprechungen mahnte, an
eine Nichterfüllung derselben kaum denken konnte. Er belehnte
demnach am 2. Mai die Brüder Albrecht .und Otto von Österreich,
dessgleichen auch ihre Erben mit dem Herzogthume Kärnten, das
ihm und dem Reiche durch den Tod seines Oheims Heinrich ledig
geworden *)•
Wie wenig auch dieser Schritt aus uneigennütziger Freundschaft
des Kaisers für die österreichischen Herzoge oder aus einer durch
sein Rechtsgefühl hervorgerufenen Anerkennung ihres guten Rechtes
hervorgehen mochte, so hatte der Kaiser doch dazu die volle Berech
tigung, wie bereits des Breiteren dargethan worden. Allein sein Un-
muth gegen ^König Johann einerseits, anderseits seine rücksichtlose
Sorge für den eigenen Nutzen verleitete ihn noch zu einem andern
Schritte, für den sich keine Berechtigung in seiner kaiserlichen Macht
vollkommenheit linden lässt. An demselben 2. Mai verlieh er den öster
reichischen Herzogen auch die Grafschaft Tirol mit den Yogteien
zu Trient und Brixen mit Ausnahme eines genau bestimmten, gegen
Schwaben und Oberbaiern gelegenen Landestheils den er seinen
Kindern zu Lehen gab 2 ).
An diese Länder aber, die durch Heirath als freie Allode an das
Haus Görz gekommen waren, hatte der Kaiser kein Recht, sie waren
das rechtmässige Erbe Margarethens. Allein, dass es dem Kaiser in
der ganzen Angelegenheit weit weniger um das strenge Recht, als
um politischen Vortheil zu thun war, geht aus dem ganzen Verlaufe
der Dinge deutlich genug hervor.
Der voraussichtliche Widerstand den diese Belehnungen des
Kaisers finden mussten, forderte dringend auf, durch Bündnisse für
die Behauptung des neuen Besitzthums zu sorgen. So verhiess zu
erst Kaiser Ludwig den österreichischen Herzogen Beistand gegen
*) Der Belehnungsbrief bei Steyrer, col. 84.
2 ) Loc. cit. col. 85.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
239
König Johann’s, Kinder und Erben, gegen Heinrich von Baiern, seinen
Eidam, und gegen die Landherren im Gebirge und in Kärnten. Der
Kaiser wird mit keinem der Genannten Friede scliliessen ohne Beitritt
der Herzoge. Ein gleich es Bündniss schlossen die Herzoge Stephan,
der Pfalzgraf bei Bhein für sich und seinen Bruder den Markgrafen
Ludwig, dann die Herzoge Ludwig und Wilhelm von Baiern mit den
österreichischen Fürsten, die hinwieder in einer eigenen Urkunde den
Genannten stete Hilfe versprechen gegen Jedermann, ausgenommen
das Beich, den König von Ungern, den Herzog von Sachsen, den
Erzbischof von Salzburg und den Bischof von Passau.
Besonders gilt die Unterstützung der Herzoge gegen Jene die
den genannten Verbündeten das Inntheil entreissen wollen. Kommen
die österreichischen Herzoge in den Besitz des Etschthaies, so werden
sie den baierischen Herzogen die Strasse nach der Lombardei offen
halten J )-
Nachdem sich solchergestalt ein mächtiger Bund gebildet hatte,
für die Behauptung der den österreichischen Fürsten zugesprochenen
Länder, konnte man nun zur Besitzergreifung selber schreiten. Der
Kaiser erliess eine Aufforderung an den Landmarschall von Kärnten,
Konrad von Auffenstein, die österreichischen Herzoge als Herren
anzuerkennen 3 ). Eine gleiche kaiserliche Aufforderung folgte an
sämmtliche Herren, Städte und Landleute zu Kärnten 3 ). Die
Herzoge sandten den Grafen Pfannberg und Ulrich von Wallsee, den
Hauptmann Steiermarks, nach Kärnten, um das Land in ihrem Namen
in Besitz zu nehmen, oder es mit Waffengewalt zu unterwerfen.
Die herzoglichen Gesandten fanden die Krainer bereit, ohne
Widerstreben die Herrschaft Österreichs anzuerkennen, denn sie
wussten wohl, dass ihr Land eigentlich immer zu Österreich gehört
hatte und nur pfandweise an die Herzoge Kärntens war verliehen
worden. Somit lag in dem Rückfall dieses Landes nichts Besonderes
oder Ungewöhnliches. Bei den Kärntnern entstand Zwiespalt und
Rathlosigkeit. Der Landmarschall Konrad von Auffenstein hatte.schon
am 27. April durch seinen dazu bevollmächtigten Schwager Otto
von Lichtenstein die Herzoge Albrecht und Otto als rechte Herren
*) Loc. cit. col. 85, 88.
2 ) Die Urkunde folgt im Anhänge.
3 ) Steyrer, col. 87.
240
Karl Stögmann.
von Kärnten erkennen lassen. In einer neuen Urkunde vom 10. Mai
erneuerte er in sein und seiner Söhne Namen diese Anerkennung und
erklärte seine Lehen von den österreichischen Herzogen empfangen
zu wollen J )- Die übrigen Edeln verlangten einen Termin; wenn
während desselben keine Hilfe käme, würden sie sich unterwerfen.
Die Tiroler dagegen sandten eine Gesandtschaft an die Herzoge,
deren Anführer und Redner der Abt Johannes von Victring war.
Die Gesandten hatten den Auftrag die Unmündigkeit der Kinder
Herzog Heinrich’s und den Tod des Vaters den Herzogen vorzustellen,
und sie ihrem Schutze zu empfehlen. In Gegenwart Otto’s von Lich
tenstein erledigte sich der Abt seines Auftrages. Es war ein Beweis
für die hohe Achtung deren Albreeht überall genoss, und für das
Vertrauen auf seinen biedern wohlwollenden Sinn, dass die Tiroler
sich in solcher Weise an ihn wandten. Allein diesmal siegten Rück
sichten höherer Art, die Interessen des Staates, die Consequenz der
die ganze Regierung Albrecht’s leitenden Idee, Stärkung der Haus
macht, über des Herzogs natürliches Gefühl. „Er und sein ganzes
Haus bedauere den Tod seines Onkels, weil er gleichsam der Älteste
der Familie gewesen sei, und er werde seine Tochter, wenn sie anders
seinen Rathschlägen Gehör geben wolle, in Allem liebevoll und treu
beschützen; Kärnten aber, das er von der Hand des Reiches habe,
wolle er nicht aufgeben und ebenso wenig Krain das er mit gutem
Rechte in Besitz genommen hätte, denn die Zeit der Verpfändung
sei verflossen. Etwas Anderes könne er ihnen für den Augenblick
nicht erwidern“. Dies die Antwort des Herzogs.
Die Gesandtschaft deren Zweck somit vereitelt war, wandte sich
nun an den Kaiser. Der Abt erwähnte seines herzoglichen Oheims,
seiner treuen Dienste, und empfahl dem Kaiser seine Tochter, wie er
selbst sagt, mit aller ihm zu Gebote stehenden Wohlberedtheit. Allein
der Kaiser gab eine jener Antworten die in höflicher Weise Alles
verweigern. Er wolle sich die Sache gnädigst bedenken. Während
noch die Tiroler Gesandten am kaiserlichen Hoflager verweilten,
erschienen daselbst Markgraf Karl von Mähren, und Herzog Heinrich
von ßaiern vor dem Kaiser, und erklärten laut, dass man ungerecht
und unerhört mit den Kindern des Herzogs von Kärnten verfahre.
Allein sie erzielten damit eben so wenig als die an die Herzoge
A ) Beide Urkunden folgen im Anhänge.
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
241
geschickte Gesandtschaft der böhmischen Barone mit dem Propste von
Wissehrad und dem Bischof von Olmütz an der Spitze. Die Herzoge
erklärten kurzweg, lieber wollten sie Alles wagen und aufs Spiel setzen
als Kärnten zurückgeben *).
Inzwischen war der den Kärntnern gewährte Termin abgelaufen,
und Herzog Otto begab sich in Person mit einem Heere nach Kärnten,
um die Huldigung zu empfangen. Am meisten wirkte der Brief des
Kaisers an die Städte, Herren und Landleute, der nun überall öffent
lich verlesen wurde.
Der junge Johann war nicht im Stande dem Herzoge zu wider
stehen, und zog sich nach Tirol zurück. Die Unterwerfung folgte
ohne Widerstand 2 ). Herzog Otto enthob den Konrad von Auffenstein
nebst einigen anderen Officialen ihrer Stellen 3 ); anstatt des ersteren
wurde Pfannberg Landhauptmann von Kärnten. In Krain wurde
Friedericus Libertinus, der von Heinrich eingesetzte Landhaupt
mann, auch von Otto bestätigt. Weil aber die Kärntner Schwierig
keiten machten, indem sie behaupteten, es könne kein Fürst des
Landes mit Recht Lehen ertheilen und Gericht halten, wenn er nicht
nach alter Gewohnheit feierlich auf den Herzogsstuhl erhoben würde,
so fügte sich Otto dieser Sitte zur grossen Freude des Volkes und
zum nicht geringen Staunen und Vergnügen der österreichischen
Herren, die sich nicht wenig über die einzelnen Gebräuche des ganzen
Festes lustig machten. Nachdem so Kärntens Besitz von Seite der
Einwohner des Landes gesichert schien, eilte Otto nach Österreich
zurück um dort erst den eigentlichen Kampf um das Land aufzu
nehmen 4 ).
König Johann von Böhmen hatte alle diese Vorgänge auf dem
Krankenlager erfahren müssen. Endlich hergestellt eilte er mit der
grössten Schnelle aus Paris nach seinen Erblanden und kam am
30. Juli in Prag an 5 ). Gewaltig war sein Zorn erregt, vorzüglich
*) Joh. Vict., p. 417.
2 ) Joh. Vict. loc. cit. Chron. Aul. Reg-, p. 487. Karl IV. in seiner Selbstbiographie
schiebt, wohl nicht ganz mit Recht, die Hauptschuld an dem Verluste Kärntens
auf Konrad von Aufienstein.
3 ) Der Grund dafür lässt sich nicht absehen; das gute Einvernehmen mit den Auffen-
steinen dauerte fort.
4 ) Joh. Vict, p. 418, 419.
5 ) Chron. Aul. Reg., p. 48G.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Ilft.
16
242
Karl Stögmann.
gegen Ludwig den Baier, und er schwur öffentlich sich nie mehr
mit diesem versöhnen zu wollen *)■ Das erste, was er in Prag vor
nahm, war ein Aufgebot gegen den Kaiser und die österreichischen
Fürsten zu erlassen. Dies geschah den ersten Tag nach seiner
Ankunft.' Die rasche Entschlossenheit die er so oft bewiesen, zeigte
sich auch diesmal aufs Glänzendste. Der Bischof von Olmütz und der
Herzog von Sachsen eilten in des Königs Namen nach Österreich um
die letzten Vorstellungen zu machen. Die Herzoge möchten doch die
Gesetze der Gerechtigkeit beobachten und das Entrissene zurück
stellen. Der König wolle lieber sein Schwert in der Scheide ruhen
lassen, als es im Kampfe entblössen. Allein was geschehen sei, könne
er nicht so hinnehmen, die Herzoge sollten sich zur Biickgabe oder
zum Kriege bereit halten. Die Antwort der Herzoge lautete einfach
und entschieden: Sie wollten lieber den Krieg aufnehmen, als Kärnten
fahren lassen a ). Inzwischen hatte König Johannis Aufgebot nicht
geringe Streitkräfte zusammengerufen. Auch war es ihm gelungen,
den König von Ungern auf seine Seite zu ziehen und mit ihm am
3. September auf dem Wissehrad ein Bündniss gegen Jedermann
abzuschliessen. Die Verzichtleistung auf den polnischen Königs
titel von Seiten Johanns war die Lockspeise gewesen, mit der er den
König von Ungern verleiten konnte, seine früheren Verträge mit
Österreich so rücksichtlos zu missachten; die Einmischung der pol
nischen Angelegenheiten verzögerte aber wohl auch den raschen
Ausbruch des Krieges gegen Österreich.
Die Könige von Ungern und Polen scheinen zu einer ausgie
bigen Hilfe nicht eher geneigt gewesen zu sein , bis der Friede mit
Polen in allen Puncten festgestellt wäre. Wohl hauptsächlich um
zu derdesshalb verabredeten Zusammenkunft Zeit zu gewinnen, begab
sich Johann nach Regensburg zu Kaiser Ludwig, mit dem er am 16.
September einen Waffenstillstand bis Johannis des nächsten Jahres
abschloss, in den auch die Herzoge, von Österreich eingeschlossen
waren 3 ). Während dieser Zeit sollte zu Regensburg ein Friede
verhandelt werden. König Johann benützte die Zeit des Waffen
stillstandes, um während eines dreiwöchentlichen Aufenthaltes in
*) Alb. Arg. ap Urst., torn II, p. 125.
2 ) Joh. Vict., p. 420.
3 ) Chron. Aul. Reg., p. 480. Vergl. Büchner, r 5, p. 459.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich. 243
Ungern mit den Königen von Ungern und Polen sich vollständig zu
einigen 1 ).
Indessen schlichen die Friedensverhandlungen zu Regensburg
ihren langsamen Gang; mit Streitigkeiten, wer in den Waffenstill
stand eingeschlossen sei, wer nicht, wurde die Hauptsache verzögert,
bis es sich endlich lierausstellte, dass die Verhandlungen zu keinem
Resultate führen könnten. Darüber waren drei Monate vergangen,
und das Jahr 1335 ohne weitere Erfolge für ein oder die andere Partei
abgelaufen.
Zu Anfang des Jahres 1336 begab sich nun Kaiser Ludwig
nach Wien, vermuthlich um gemeinschaftlich mit den Herzogen den
Kriegsplan gegen Röhmen zu berathen. Ehrenvoll wurde der Kaiser
aufgenommen, aber die Orgeln schwiegen überall während der Anwe
senheit des Gebannten. Nach mehrfachen Verhandlungen kehrte der
Kaiser wieder nach München zurück a ).
Inzwischen hatte Johann von Röhmen erreicht, was er durch
die Abschliessung des Regensburger Vertrages erzwecken wollte,
und hielt demnach nicht mehr für nöthig, den Ablauf des Waffen
stillstandes der auf den 24. Juni festgesetzt war, abzuwarten, sondern
brach schon im Monat Februar am Tage des h. Mathias (25. Februar)
von Prag auf, und fiel in Österreich ein. Die ganze Zeit der Fasten
und Ostertage hindurch verwüstete er nun mit Feuer und Schwert
die Gegenden nördlich an der Donau 3 ).
Inzwischen hatte auch Otto aus Österreichern, Steirern , Kärnt
nern und Krainern ein nichtunbedeutendes Heer aufgebracht, mit dem
er dem Könige von Röhmen gegenüber ein Lager schlug. Allein
während er durch mehrere Tage vergebens die Ankunft des Kaisers
erwartete, der inzwischen Raiern noch nicht verlassen hatte 4 ),
rückten im feindlichen Lager Hilfstruppen derüngern ein, und Johann
von Röhmen liess zum Angriff rüsten.
*) Chron. Aul. Reg., p. 4S9. Vita Car. IV., p. 250.
2 ) Job. Vict., p. 420. Vergl. Böhmer, Reg. 1722, 1723, p. 107.
3 ) Chron. Aul. Reg., p. 490. Joli. Vict., p. 420.
4 ) Der Herzog war früher aufgebrochen , als es mit dem Kaiser verabredet worden
war. Es folgt dies aus einer späteren Stelle des Joh. Vict., p. 421. Duces Impe-
ratoris accipiunt ambassatam, admirantis, quod contra statutum et extra placitos
dies dux Otto egressus fuerat ad bellandum.
16 *
244
Karl S t ö g in a n n.
Da, plötzlich mitten in der Nacht, floh Herzog Otto von panischem
Schreck ergriffen, mit einigen Wenigen heimlich gegen Wien. Man
hatte ihm den Verdacht eingeflösst, dass Verrath in seinem eigenen
Heere sich eingeschlichen habe, dass einige Grosse die Absicht hätten,
in der Schlacht zum Feinde überzugehen, und desshalb schon die
ungrisehen Feldzeichen bei'sich verborgen hätten, ja dass man ihm,
dem Herzog, selber nach dem Leben strebe. Der dadurch bewirkten
Flucht des Führers folgte die Auflösung und Zerstreuung des ganzen
Heeres, ungestraft verwüstete nun König Johann das österreichische
Gebiet, eroberte mehrere feste Plätze, machte bedeutende Gefangene,
und kehrte dann, nachdem er an mehreren Orten Besatzungen zurück
gelassen, nach Prag zurück, um dort das Gold zur Fortsetzung des
Krieges zu erpressen q.
i) Joh. Vict., p. 420. Chron. Aul. Reg*. 490. Etwas confus: Joh. Vitodur, p. 1824. Ganz
eigentümlich ist der Bericht des Chronicon Zwetlense; ap. Pez, 1, p. 539. A. D.
1336. Johannes Rex Bohemie Herum jam tertia vice accepta occasione, collecto
exercitu, volebat Austriain intrare; Rex vero Ludvicus, congregato exercitu magno,
Duces nostros juvando, volebat superius de Wabaria Bohemiam intrare, cui Rex
Bohemie primo cum suo exercitu occurit. Cumque vidisset fortitudinem adversariorum,
fugit, non valens faciem Regis Ludevici sustinere, descenditque per terram suam,
castra metatus est juxta Znoymam Dux autem Otto cum maxima multitudine peditum
venit in occursum ejus. Cumque in crastino essent pugnaturi, nescio quo consilio
occulto inter se decreto factum est, ut rex Bohemie retro se in Bohemiam fugeret
Dux autem noster cum omnibus fugit, suis non retro respicientibus.
Der erste abweichende Punct dieser Erzählung, die Flucht Johann’s vor Lud
wig, beruht auf einer offenbaren Zeitverwechslung; der Bericht des Joh. Vict. und
die Regesten beweisen, dass Ludwig erst später (Juli) aus Baiern aufbrach. Der
gegen die Böhmen sehr eingenommene Chronist machte aus dem spätem Rück
züge des Königs eine Flucht, die er noch obendrein zu einer ganz unmöglichen
Zeit geschehen lässt. Auch der zweite Punct, die Flucht der Böhmen aus dem
Lager, ist eine Erfindung des Chronisten, zu der ihn sein durch den Triumph der
Feinde über Otto’s Flucht beleidigter Patriotismus verleitet haben mag. Das Factum
ist mehr als unwahrscheinlich, dass ein ganzes Heer die Flucht ergreift, das eben
erst bedeutende Verstärkungen erhalten hat. Auch hätte Joh. Vict. ein so wichtiges
Ereigniss nicht verschwiegen. Weiter berichtet nun der Chronist von Zwetl, der
König sei von der Flucht zurückgekehrt, habe Guntharsdorf, Mauerperg, Weiger-
werch erobert, Seefeld nach vierwöchentlicher Belagerung eingenommen und
sei durch Schwaben heimgekehrt.
So bestimmt diese Angaben lauten, so können sie doch nicht vollkommen
richtig sein. Die nächtliche Flucht der Österreicher fällt auf den 24. April; der König
kam nach Prag am 24. Mai, folglich blieben für die eben erzählten Ereignisse
30 Tage. Nimmt man davon die 28 Tage, die die Belagerung Seefelds dauerte,
weg, so bleiben für den Rückzug, die Wiederkehr aus Böhmen, die Eroberung der
drei anderen Plätze und den Rückzug nach Prag nicht mehr als — zwei Tage. Man
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
245
Auch des Königs Sohn Karl hatte von Tirol aus den Krieg gegen
den Grafen von Görz, den Bundesgenossen der Österreicher, mit Glück
geführt i).
Herzog Otto aber wurde von seinem Bruder zürnend empfangen,
und klagend rief der kranke aber geistesstarke Fürst, dass seinem
Hause eine solche Schmach noch nie wiederfahren 2 ).
Am 21. Juni verliess der König Prag, wo er durch Gewaltthätig-
keiten aller Art an 20.000 Mark Silber zusammengebracht hatte,
und zog neuerdings nach Österreich, wo er mit den Königen von
Ungern und Polen bei Marcheck sich vereinte 3 ). Die österreichi
schen Herzoge hatten ebenfalls ein Heer gerüstet, zu dem sich dies
mal auch Herzog Alhrecht begab, seine Krankheit nicht achtend, um
eine Wiederholung der Ereignisse des frühem Feldzuges zu ver
hüten 4 ). Auch König Ludwig war endlich im Juli mit einem Heere
aufgebrochen, und bedrohte Niederbaiern, das Land des dem Böhmen
könige verwandten und verbündeten Herzogs Heinrich. Auf diese
Nachricht eilte Johann aus Österreich über Budweis und Camb nach
Straubing seinem Eidame zu Hilfe, dessen Land inzwischen auf
eine kaum je erhörte Weise verwüstet worden war 5 ), und lagerte
sich hei Landau an der Isar, wo er sich aufs Beste verschanzte.
Ludwig schlug zwischen dem Cistercienserkloster Adlersbach und dem
Donaustrome sein Lager, in das bald die österreichischen Herzoge
über Passau heranrückend einzogen. Zwölf Tage vergingen so unter
täglichen kleinen Gefechten; am 13. brach Ludwig plötzlich auf, und
zog über Passau nach Linz , vorzüglich durch die österreichischen
Herzogebewogen, die von Oberösterreich aus einen Einfall in Böhmen
beabsichtigten. König Johann zögerte noch einen Tag zu Landau, um
abzuwarten, wohin der Kaiser sich wenden würde; dann zog er in
Eilmärschen denselben Weg, den er gekommen war nach Böhmen
zurück °). Da änderte noch einmal Ludwig’s wankelmüthiger Sinn
kann es demnach nicht wagen, diesen Bericht in allen Einzelheiten für glaubwür
dig hinzunehmen.
1) Vita Car. IV., p. 251.
2 ) Joh. Vict., p. 420.
3 ) Chron. Aul. Reg., p. 491.
4 ) Joh. Vict., p. 421.
5 ) Chron. Salisburg. Pez I, p. 411. Das Jahr ist irrig 1337 angegeben.
6 ) Joh. Vict., p. 422. Chron. Aul. Reg. p. 492, 493. Joh. Vitod, p. 1827.
246
Karl Stög mann.
und seine Habgier unvermuthet den Gang der Ereignisse, der sich
für Österreich so günstig gestaltet hatte, denn auch die Ungern hatten
das Marchfeld verlassen, und sich über die Grenze zurückgezogen *).
Nun aber verlangte Ludwig von den Österreichern die Verpfändung
mehrerer fester Plätze in Oberösterreich. Nicht leicht konnten die
Herzoge ein solches Zugeständniss machen, und damit einen baieri-
schen Fürsten festen Fuss fassen lassen in einer Provinz, diebeinahe
immer ein Zankapfel zwischen Baiern und Österreich gewesen war.
Daher antworteten sie: „Sie könnten diese bis dahin immerungetheilte
Provinz auch nicht um einen Fleck Landes verkürzen, anderswo
würden sie sich seinen Ansprüchen nach Verdienst bereitwillig zeigen.“
Ludwig mochte die Forderung gestellt haben, weil er hoffte, aus der
Nothwendigkeit seines Bündnisses für Österreich Vortheil ziehen zu
können, mehr vielleicht noch, weil es ihm überhaupt um einen Vor
wand zu thun war, dieses Bündniss selbst aufzulösen, das ihm den
Österreichern zu viel Vortheil zu gewähren schien. Eine völlige Besie
gung des Luxemburgers hätte die österreichische Macht zu einer nur
zu gefährlichen Höhe erhoben, und lag daher nicht in der Absicht
des Kaisers.
So brach er denn mit seinem ganzen Heere nach Baiern auf.
Der Herzog Ulrich von Würtemberg und der in diesem Kriege zum
Markgrafen erhobene Graf von Jülich folgten ihm; die Herzoge sahen
sich von ihren Bundesgenossen verlassen 3 ).
Der Erfolg des fortgesetzten Krieges war durch diese Vorfälle
für die Herzoge mindestens ein sehr unsicherer geworden. Aber auch
König Johann war nicht abgeneigt, diesen Krieg zu beenden. Es fehlte
ihm an Geld; sein vorzüglichster Feind war Ludwig, nicht die
Österreicher.
Die ungünstigen Nachrichten die er von seinem Sohne Karl
erhielt, mögen ihn noch mehr in dieser friedlichen Gesinnung bestärkt
haben 3 ). So trafen die Wünsche der Gegner in der Hauptsache
zusammen; in den einzelnen Puncten aber war.es schwer, eine
Einigung zu erzielen. Desshalb nahmen die zuerst zuLinz angeknüpften
A ) Verschiedene Angaben hierüber hat Joh. Vitod, p. 1824.
2 ) Chron. Aul. Reg., p. 493. Joh. Vict., p. 422.
3 ) Vita Car. quarti, p. 251, 252. Trident und das Etschthal war von den Italienern
bedroht.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
247
Friedensverhandlungen nur einen langsamen Verlauf. Ohne Resultat
schied man von Linz. Bei einer neuen Zusammenkunft zu Freistadt
an der Donau zwischen Grein und Ips trat Albrecht’s Gemahlinn
Johanna als Vermittlerinn auf, und bewirkte wirklich am 4. September
einen vorläufigen Friedensschluss *)• Die genaueren Puncte des
selben wurden im nächsten Monate bei einer neuen Zusammenkunft
zu Enns festgestellt, wo endlich am 9. October der Friede definitiv
abgeschlossen wurde, unter folgenden Bedingungen.
Johann von Böhmenleistet für sichund seine Erben, insbesondere
für seinen Solin Johann, dessen Gemahlinn Margaretha und ihre
Schwester Verzicht auf das Herzogthum Kärnten, Krain und die
March. Ausgenommen sind dieBezirke jenseits derSachsenburch, die
dem Erzstift Salzburg gehören, dann der dem Lande Tirol einverleibte
Theil an der Drave, endlich das Schloss Auffenstein, und was die
Herren Konrad von Auffenstein und Liebenberg besitzen. Der König
und sein Sohn verpflichten sich endlich, bis zum Feste des heiligen
Georg, d. i. den 24. April alle Briefe und Urkunden zurückzugehen,
die sie über die besagten Länder besitzen. Der Erzbischof von Salz
burg, die Gräfinn Beatrix von Görz und Graf Albrecht von Görz
werden an ihren Rechten unbeschädigt verbleiben.
Dagegen entsagen die österreichischen Herzoge zu Gunsten
Johann’s von Tirol feierlich allen Ansprüchen auf Tirol, und werden
gleichfalls alle darauf bezüglichen Urkunden bis 24. April des näch
sten Jahres ausliefern. Znaim, das dem Herzog Otto für den Braut
schatz seiner Gemahlinn verpfändet ist, wird dem König von Böhmen
zurückgegeben, und ihm überdies Laa und Waidhofen sammt dem
Schlosse für 10.000 Mark Prager Groschen verpfändet 3 ).
Im folgenden Jahre 1337 bestätigte König Karl von Ungern
den Frieden zu Enns 3 ).
Somit war der Streit um Kärnten in der Hauptsache abge
schlossenworden. Kraftlos und darum unbedeutend waren die Versuche
1) Joh. Viet., p. 422. Chron. Aul. Reg. p. 493. Ziemlich unklar: Joh. Vitodur, p. 1824.
2 ) Alle diese Bedingungen sind in einer Reihe von 8 Urkunden ausgestellt zu Enns,
während des 9., 10. und 11. Octobers, verzeichnet. (Vergl. Steyrer, col. 97, 98.
Lünig I, p. 1015. Lichnowsky, Regesten 1081 — 1086 inclus.) Die Rückgabe von
Znaim findet Sich als Bedingung angegeben in der Vita Car. IV., p. 252. Die Ver
pfändung von Laa und Waidhofen als Friedensbedingung erhellt aus einer Urkunde
von 1341.
3 ) Steyrer, col. 117.
248
Karl S tögmann.
von Seite der Söhne König Johann’s, den Kampf noch einmal zu
erneuern. Zwar erklärten sie die Verträge ihres Vaters mit den öster
reichischen Herzogen für ungiltig, und schwuren im Vereine mit den
tirolischen Herren nicht abzulassen, bis sie Kärnten wieder gewonnen
hätten 1 ); allein alle Versuche, ihre Pläne zu verwirklichen, miss
langen. Im August 1338 begab sich Herzog Alhrecht selbst nach
Kärnten, und ordnete die Angelegenheiten des Landes 2 ). Den
Landesherren, Rittern und Knechten wurden ihre Freiheiten bestätigt;
ebenso erhielt Klagenfurt die Bestätigung seiner hergebrachten
Stadtrechte 3 ); ein Gesetz verbot alle Zweikämpfe im Lande 4 ).
So zeigte sich Alhrecht als kräftiger Beherrscher des Landes, dem
zu widerstehen nur fruchtlos sein konnte. Dennoch gab Markgraf
Karl erst am IS. Deeember 1341 seine Einwilligung in den Ennser
Vertrag 5 ); Johann und Margaretha gaben sie nie. Desshalb behielten
auch die österreichischen Herzoge Laa und Waidhofen, das sie dem
Ennser Vertrage gemäss, an Johann von Böhmen hätten verpfänden
müssen, mit ausdrücklicher urkundlicher Bewilligung des Königs 8 ),
und trösteten sich über die Drohungen Johann’s und Margarethens,
wie der Abt von Victring meint, mit den Worten des Virgil:
„Grandia saepe quibus mandavimus ordea sulcis Infelix lolium
et steriles nascuntur avenae.“
Werfen wir nun noch einen Blick auf die dargestellten Ereig
nisse zurück, so können wir sagen:
Die Erwerbung Kärntens war das Resultat verwickelter politi
scher Combinationen. Die besonnene, ausdauernde Politik Herzog
Albrecht’s siegte über die ränkevolle List, wie über die glänzende
Tapferkeit Johann's von Böhmen.
Die Vereinigung Kärntens ist ein Sieg der Habsburger in ihrem
Kampfe mit dem Hause Luxemburg, ist ein Sieg der Idee, die das
ganze Haus der Habsburger leitete, in besonnenem, kräftigen Fort
schritte, langsam, aber sicher ein grosses mächtiges Österreich zu
begründen.
1 ) Joh. Vict., p. 424.
2 ) Joh. Vict., p. 429.
3 ) Lichnowsky, Reg. 1170, 1171, 1172.
4 ) Steyrer, col. 121.
5 ) Steyrer, col. 130.
6 ) Steyrer, col. 129.
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
249
Urkunden - Beilagen.
I.
König Rudolf belehnt auf Bitten seiner Söhne Albrecht und Rudolf den
Grafen Meinhart von' Tirol mit dem Herzogthume Kärnten, welches er
früher seinen Söhnen verliehen hat, und welches ihm nun diese zurücksagen.
Zugleich bestimmt er das Verhältniss des neu ernannten Herzogs zu Krain,
und zu den Herzogen von Österreich. Augsburg, am 1. Februar 1286.
Rudolfus (lei gratia Romanorum Rex, Semper Augustus Omnibus
Im perpetuum. Ex Augustalis beneyolentie largitate providere consue-
vit benemeritorurn fidelium suorum praeelara merita graciosis amplecti
favoribus et condignis bonorum insigniis munifice premiare, quod
exemplo ceteri provocati, ad devotionem Imperio debitam feruentiori-
bus animis se disponant. Eapropter noverit presens etas et futuri tem-
poris succesiva posteritas, quod Illustres Albertus et Rudolfus, Duces
Austrie et Stirie, Domini Carniole, Marcbie et portus Naonis, princi-
pes et filii nostri dilecti apud Augustain in nostra presentia constituti
Celsitudini nostre devotis precibus institerunt, quatenus Principatum
sive Ducatum terre Karintbie, quo ipsos iam dudum cum ceteris Du-
catibus videlicet Austrie et Stirie supradictis de consensu principum
Electorum. Jus in Electione Romani Regis habentium inuestiuisse re-
coligimus in Augusta in manus nostras libere resignatum spectabili
viro Meinbardo, Comiti Tyrolensi et beredibus suis conferre ac ipsum
de eodem sollempniter investire de Regali nostra Ciemencia dignare-
mur. Nos igitur prelibati Comitis merita, grata quoque, que nobis et
Imperio Romano frequenter impendit obsequia, et que adhue impen-
dere poterit graciora benignius intuentes et sollertius advertentes quod
crescente numero Iinperii principum Romanorum vires Imperii sui ro-
boris pariter et decoris suscipiunt incrementum, memoratum Meinbar-
dum pro se et suis beredibus de Ducatu predicto terre Earinthie, in
manus nostras per filios nostros, Duces predictos libere resignato ad
devotam ipsorum instanciam adiuncta sollempnitate debita et consueta
curauimus inuestire Eundem cum suis heredibus, qui sibi in eodem
Ducatu successerint Juri honori et titulo ceterorum Imperii principum
perpetuo ascribentes. Sed ne ex infeodatione predicta Inter prefatum
Albertum filium nostrum suosque successores in Ducatibus sive Do-
miniis supradictis ex una et Jamdictum Meinbardum Ducem suosque
250
Karl Stögmann.
Successores in Ducatu Karinthie ex parte altera ulla in posternm dis-
sensionis materia valeat suboriri tarn ipsi Alberto quam dicto Mein-
hardo ac successoribus eorundem Imperpetuum taliter providemus hoc
expressius attestantes, quod ex eollacione Ducatus terre Karinthie
per Nos ipsi DuciMeinhardo nunc facta eidem Meinhardo vel suis suc
cessoribus in eodem nullum ius penitus in terris Carniole et Marchie.
Sclavonice, que vulgo Windisrnarch dicitur, acquiratur, quin pocius
dicte terre cumMinisterialibus, Castris, Civitatibus, Advocatiis prediis
ac ceteris suis pertinenciis universis libere apud filium nostrum pre-
dictum, suosque Successores remaneant cum omni Juris plenitudine,
sicut eidem per Nos iam pridem apud Augustam Sceptro nostro regio
sunt collate. Salvis nichilominus ipsi Alberto filio nostro suisque Suc
cessoribus universis castris, civitatibus Ministerialibus ac ceteris bonis
et Juribus quocumque nomine censeantur, si quas vel si quae in dictis
terris Carniole et Marchie Sclavonice ab olim principes sive Duces
Karinthie quocumque jure vel titulo possederint. Ad que dictus Dux
Meinhardus suiqueSuccessores nullum omnino Juris aut facti respec-
tum habebunt. Ducatum quoque terre Karinthie Dux Meinhardus aut
sui heredes cum omnibus illis Juribus et honoribus possidebunt, sicut
ipsum Illustres quondam Bernhardus et Ulricus Duces Karinthie Illu-
strium virorum Leupoldi et Friderici Ducum Austrie et Stirie tempo-
ribus possederunt .eotamen semper excepto, quod si quas Civitates,
Castra, bona vel iura quocunque nomine censeantur Duces Jamdicti
Karinthie in terris Carniole et Marchie supradictis sicut premisimus,
tenuerunt salva et integra filio nostro Alberto ac Successoribus suis
remaneant et ab ipso terrarum suarumDominio nullo umquam tempore
sequestrentur. In Ducatu quoque terre Karinthie omnia illa jura que
Leupoldus et Fridericus principes supradicti tarn in hominibus quam
in bonis inibi tenuerint filius noster predictus suique successores
Austrie et Stirie Duces similiter et pari Jure per omnia possidebunt
Preterea Dux Meinhardus predictos Ministeriales filii nostri in se et in
suis Castris in bonis ac Juribus, que in Karinthia possident, non gra-
vabit in aliquo contra iusticiam nec artabit, nec eciam Castra vel pos-
sessiones eorum, quoque ea iure possideant, comparabit, Idipsum
quoque quoad omnes filii nostri Ducatus et terras Dux predictus fide-
liter observabit. Qua lege eciam filium nostrum restringimus vice
reciproca ut nec ipse videlicet in Ducatu Karinthie possessiones aut
Castra Ministerialium dicti Ducis Meinhardi quocumque ad ipsos iure
Über die Vereinigung - Kärntens mit Österreich.
251
spectantia comparare presumat. Universis itaque Nobilibus, Ministe-
rialibus, Militibus, Clientis, Civibus ac Ceteris qui predieto Ducatui
fldelitatis liomagio ac debite servitutis obsequio astringantur per ipsum
Ducatum Karintbie constitutis Auctoritate presentium districte perci-
piendo mandamus quatenus dicta Meinhardo tamquam suo vero Duci
et Domino devotione debito intendentes Integra suiiuraDucatus eidem
exbibeant et assignent. In quorum omnium memoriam et robur per-
petuo valiturum presens scriptum exinde conscribietMajestatis nostre
sigillo iussimus communiri. Testes hujus rei sunt Venerabiles Ru
dolfus Salzburgensis Ai’chiepiscopus, Cancellarius noster, Henricus
Basiliensis, Wernhardus Pataviensis, Henricus Ratisponensis, Rein-
poto Aystetensis, HartmannusAugustensis, Hartnidus Gurcensis, Chun-
radus Chimensis et Cunradus Lavantensis Ecclesiarum Episcopi Nec-
non Illustres Ludovicus Comes palatinus Reni et Henricus frater suus
Duces Bavarie, Fridericus Lantgravius Turingie et Nobiles viriBurc-
hardus comes de Hoenbergb Rudolfus et Henricus fratres Comites de
Monteforti et Fridericus Burggravius de Nurenberk et aliquam plures
fide digni Signum Serenissimi domini Rudolfi Regis Romanorum In-
dictissirni Datum Auguste Kalendis Februarii Indictione XIV Anno
domini MCCLXXXVI Regni vero nostri tertio decimo.
K. k. g. A. P. 0. Sig. pend.
11.
Willebrief Herzog Albrecbt’s von Sachsen zur Belehnung Meinhart’s von Tirol
mit Kärnten, auf Ansuchen der Herzoge von Österreich, welche dieses Land
zum Lehen haben, es aber zurücksagen. Nürnberg, 28. März 1283.
Albertus dei gratia Dux Saxonie, Angarie et Westfalie burg-
graviusque Magdeburgensis omnibus inperpetuum. Imperii celsitudo
decoris tociens pociora sue subsistentie fulcimenta recipit, et vires
forciores assumit quociens numerus principum, quibus idem Imperium
quasi collumpnis egregiis potenter innititur adaugetur. De quorum
utique multiludine Imperialis excellencia tanto sublimior conspicitur,
quanto in eisdem principibus firmitate prestabili solidior invenitur —
qua Igitur Illustres principes domini Albertus et Rudolfus, Duces
Austrie et Stirie pertinuerunt de nostro beneplacito et consensu pro-
cedi, quod serenissimus dominus noster Romanorum Rex Inclitus de
Ducatu Karinthie, quem ab eo iidem principes tenent in feodum ad
resignationem ipsorum liberamSpectabilem virum dominum Meinbardum
252
Karl Stögmann.
comitem Tyrolensem, quem adornat generosi sanguinis altitudo,
quemque prout cognovimus ex praeclare fame praeconio attolit reruin
oppulentia et potestas infeodet et clarescere faeiat in catervaprincipum
honore et gloria principatus nos decus et decorem Imperii amplee
tentes, Considerantes eciam idem sacrum Imperium comitis eiusdem
posse servitiis salubrius ad iuvari, predietorum Ducum Austrie preci-
bus inclinati nostrum ad hoc benevolum adbibemus consensum, quod
praefatus Comes per ipsum dominum nostrum Regem infeodetur de
Ducatu Karinthie prenotato et insigniter bonore et scemate principa
tus numero Imperii principum aggregetur. In cuius nostri Consensus
evidens testimoniuin presens scriptum sigillo nostro feeimus commu-
niri Datum Nurenberch IVKalendis aprilis Anno domini MCCLXXXV.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
III.
König Rudolf bestimmt zur Erhaltung des Friedens zwischen seinem Sohne
Albrecht und dem Grafen Meinhart von Tirol, dass dem Letzteren aus der
Belehnung mit Kärnten kein Recht auf Kram erwachsen solle. Augsburg,
22. Januar 1286.
Rudolfus dei gracia Romanorum rex semper Augustus universis
Imperii Romani fidelibus presentes litteras inspecturis vel et audituris
gratiam suam et omne bonum. Perpetue pacis et amicicie federa inter
Illustrem Albertum Ducem Austrie et Stirie dominum Carniole, mar-
chie et Portus-naonis principem et filium nostrum dilectum ex una et
spectabilem virum Meinbardum comitem Tyrolensem socerum suum
ex parte altera vigore perpetuo affectantes tarn filio nostro predicto
quam ipsi comiti in futurum taliter providemus hoc expressius atte-
stantes. Quod ex coilacione Ducatus sive principatus terre Karinthie
quo dicti comitis titulum ampliare disponimus eidem in terris Carniole
et Marchie Sclavice que vulgo Windischmarcb dicitur, nullum jus
penitus acquiratur quam pocius dicte terre cum ministerialibus castris
civitatibus, bonis, hominibus, advocatiis et ceteris suis pertinenciis
universis libere apud filium nostrum predictum permaneant cum omni
juris plenitudine sicud eundem jampridem apud Augustam sceptro
nostro Regio inuestiuisse recolimus de eisdem salvis per omnia
filio nostro predilecto castris, ciuitatibus, ministerialibus ac ceteris
bonis et juribus quocunque nomine censeantur. At que in terris pre-
dietis scilicet Carniole et Marchie ab olimprincipes sive duces Karinthie
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
253
quocunque jure vel titulo possederunt ad que dietus comes praeter
collacionis seu infeodacionis ducatus Karinthie nullura unquam juris
aut facti respectum habebit saluo tarnen eo dumtaxat comiti memorato
quod ipse comes sepe dictas terras Carniolam et Marchiam Sclavicam
quas pro quadam summa pecunie seu argenti sibi jam dudum assigna-
vimus obligatas tarn diu quietepossideat quousque dictasumrna pecunie,
que nostris ac filii nostris predilecti literis sibi desuper traditis est
expressa, eidem plenarie fuerit persoluta. Qua solucione completa
dicteTerre ad filium nostrumAlbertum vel suos heredes cum omnibus
pertinenciis suis et juribus sicut superius est expressum libere reuer-
tentur. Ducatum quoque Karinthie dietus comes Meinhardus cum
omnibus illis juribus ac honoribus possidebit sicut ipsum illustres
quondam Bernhardus et Ulricus duces Karinthie Illustrium virorum
Liupoldi et Friderici ducum quondam Austrie et Stirie temporibus
possederint. Eo tarnen excepto, quod si quas civitates castra bona
vel jura, quocumque nomine censeantur, duces jam dicti in terris
Carniole et Marcbie supradictis sicut praemisimus tenuerunt integra
filio nostro remaneant et ab ipso terrarum suarum dominio nullatenus
sequestrentur. In ducatu quoque Terre Karinthie omnia illa jura que
predicti principes Liupoldus et Fridericus tarn in hominibus quam in
bonis inibi tenuerunt filius noster predilectus similiter et pari jure per
omnia possidebit. Procetera comes predictus ministeriales filii nostri
predicti in se et in suis castris bonis ac juribus in Karinthiaconstitutis
non gravabit in aliquo contra justiciam nec artabit nec et castra Vel
possessiones eorum quocumque ea jure possideant comparabit nisi ad
hoc filii nostri ducatus et terras comes idem lidelis obseruabit. Qua
lege et vice reciproca filium nostrumastringimus et nec ipse videlicet
in ducatu Karinthie possessiones et castra ministerialium comitisprae-
libati quocumque ad ipsos jure spectancia comparare presumatabsque
ipsius comitis beneplacito et consensu. Ut autem premissa onmia rata
et inconuulsa perpetue observentur sicut a partibus in nostra presentia
sunt firmata presentes literas nostre ac parcium ipsarum sigillis pro-
vidimus muniendas. Datum Auguste X. Kalenda februarii anno dornini
millesimo ducentesimo octagesimo sexto. Indicatione XVI Regi vero
nostri anno XIII 1286.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
254
Karl Stögmann.
Bischof Bcrthold von Bamberg verspricht dem Grafen Meinhart von Tirol die
Belehnung mit allen Lehen der Kirche von Bamberg in Kärnten, sobald die
Herzoge von Österreich, Albrecht und Rudolf sie aufgeben werden. Villach,
17. Decemher 1283.
Nos Bertoldus dei gratis ßabenbergensis episcopus presentibus
protestamur quod pre oculis habentes et digna consideratione recen-
sentes diversa promotionum et amicitiae servicia, que dilectus avuncu-
lus noster Meinhardus eomes Tyrolensis nobis et nostre ecclesie exlii-
buit ab antiquo et que potest in posterum exhibere, hanc, sibi ut fides
fidei et mei'itum merito respondeat, promissionem facimus versa vice.
Quod generaliter omnia bona per ducatum Karintbie quocumque
censeantur nomine que consanguinei nostri dilecti Albertus dux
Austrie et Stirie illustris et Rudolfus frater ejusdem carissimi domini
nostri Rudolfi incliti Romanorum regis liberi a nobis liabent in feodo,
quandocunque iidem fratres vel alter eorum de consensu et bona
voluntate alterius fratris sui eadem feoda resignaverit, ipsa feoda
singula et universa dieto Meinhardo avunculo nostro comiti Tyrolensi
libere conferemus. In cujus rei testimonium et majoris roboris firmi-
tatem presentes literas conscribi ae nostri sigilli munimine jussimus
communiri. Datum Villaci anno domini millesimo ducentesimo octua-
gesimo tertio XV Cal. Januar.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
V.
Die Herren von Siehirberk versprechen mit dem Schlosse Sichirberk dem
Grafen Meinhart so zu dienen, wie dem Herzog von Kärnten.
Ego offo de Lanstrost Gerlochus filius domini Ottonis. Nikolaus
de Sichirberk. Gerlochus castellanus de Sichirberk scire volumus
universis, quod fide data promisimus, quod de omnibus juribus, que
ab antiquo tempore apud Ducem Karinthie usque hic sunt devoluta
parati sumus obedire domino nostro venerabili comiti Meinhardo cum
Castro Sichirberk. Quod si ratum non teneremus, omnia jura nostra
amisisse profitemur. Ad huius rei duraturam memoriam presentem
cedulam sigilli domini Off'onis fecimus communiri.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
255
Über die Vereinigung Kärntens mit Österreich.
VI.
Meinhart von Zenzleinsdorf und seine Gemahlinn von Trabuch bekennen, dass
sie ihre Mautli zu Trabuch verkauft haben an Heinrich von Phannynberch,
und sagen diese Mauth dem König Rudolf auf.
Ego Meinhardus de Zenzleynsdorf et uxor mea Gertrudis de
Trabuch ac liberi nostri notuni fieri cupimus universistam presentibus
quam futuris quod nostram Mutam in Trabuch, quam nobis nostri
praedecessores bereditarie reliquerunt, et quam in feudo tenemus a
domino terre, Comiti Heynrico de Phannynberch vendidimus omni eo
jure, sicut habuimus eam usque modo in perpetuo possidendam, et
quod dictam Mutam volumus prefatam domino nostro Inclito Rudolfo
regiRomanorum per dominum Syfridum de Chrotendorf ita quod supra
dictam conferre debeat memorato comiti Heinrico de Phannynberch
et ut ita facta sint presentibus profitemur. In cuius rei testimonium
presentes literas scribi fecimus et Sigilli nostri munimine roborari
pro babundanti testimonio et cautela.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
VII.
Pfalzgraf Ludwig von Baiern verbürgt sieh für den Verkauf der Moosbur
gischen Güter an Meinhart von Tirol. Augsburg, 29. Dec. 1283.
Nos Ludwicus dei gracia comes palatinus Reni Dux Havarie
notum facimus presentium inspectoribus universis, quod cum dilectus
fidelis noster vir nobilis Ulricus dictus de Lapide junior, avunculus
et heres viri nobilis Chunradi quondam comitis Mosburgensis junioris
viro nobili affini nostro Karissimo Meinhardo comitiTyrolensi vendidit
et tradidit, omnia bona, res et homines, que predictus comes Mosbur
gensis habuit et possedit infra montes tempore mortis sue, et idem
Ulricus prefato affini nostro omnium premissorum constituerit seauc-
torem et de attendenda et adimplenda auctorisazione et warandia
memorata nos fidejussores dederit, comiti prelibato, scpedicto affini
nostro presentium auctoritate promittimus, quod sive promissa infra
biennium ab ipso in jure evicta fuerint, vel dictus Ulricus interim
requisitus a comite prefato warandiam negaverit de predictis eodem
affini nostro pro ipso Ulrico tenebimur ad solutionem ducentarum
viginti marcarum ad valorem X Iibrarum Veronensium pro una earum
marca qualibet estimata. In qua solutione si negligentes fuerimus
dilectus fidelis noster Heinricus de Wittigave, fratres de Tainingen,
256
Karl Stögmann.
Otto de Wittelzhoven etHeinricusDrengerius quos dicto affini nostro
prae eo fidejussores dedimus Monaci vel apud Wiltaim moniti ob-
stagia subintrabunt nunquam abinde exituri, donec ipsi affini nostro
de ante dicta Peonnia plene fuerit satisfactum. Et si predicti fideles
nostri in altero premissorum locorum se in obstagia non receperint
sicut superius est pretactum affinis noster Meinhardns habebit liberam
facultatem nostra pignora occupare non amplius quam pro quantitate
pecuniae saepefatae. In cuius rei testem presentes tradimus nostri
sigilli robore communitas. Datum Auguste Anno Domini Millesimo
ducentesimo octogesimo sexto tertiis Kalendis Januarii.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
VIII.
Graf Berthold von Eschenloeh verpfändet um 120 Mark Pfennige alle seine
Güter im Ennsthale an Meinhart, Herzog von Kärnten. Augsburg, 1286.
Nos Bertholdus comes de Eschenloeh tenore presentium profi-
teinur et innotescere volumus universis quod Domino nostro Meinbardo
Illustri Duci Karinthie de Tyrol et GoricieComiti in Centum et viginti
Marcis novorum denariorum, qui vigintinariinuncupantur, remanserimus
debitores, pro qua summa pecunie ipsi Domino nostro, Duci Karinthie
omnes possessiones nostras cum hominibus et bonis nostris singulis
in valle Ennit positas titulo pignoris obligavimus hoc adjecto quod si
voluerimus vendere vel alienare alias a nobis per formam contractus
aliquando ipsa bona quod tune ipsi domino nostro Duci venditionem
vel alienationem hujus modi et non alii faciemus. Testes sunt vir
nobilis Albero de Wangav, dominus Heinricus deAuenstein, Henricus
dictus Menschei civis de Inspruck et dominus Sifridus Capellanus et
quam plures alii fide digni. In cuius rei testimonium presentem sibi
literam dedimus sigilli nostri munimine consignatam.
Datum in Augusta, Anno domini MCCLXXXVI.
K. k. g. A. Orig. R. Sig. pend.
IX.
Meinhart von Zenzleinsdorf bekennt, dass er dem Grafen Meinhart abgetreten
sein Recht auf den Hof von Reivantz bei dem Wcrthe in Kärnten um 300 Mark
Silbers. St. Veit in Kärnten, St. Nicolausabend 1283.
Ich Meinhart von Zenzleinsdorf begih mit disem brive allen den
di nu sint un nach uns chomen daz ich mit gutem willen und an allen
>l
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
257
Zvanchsal minem herrn dem hohen graven Meinharten von Tyrol
gegeben han allez daz reht, daz ih han gehabt in dem hoove ze
Reivunz bei dem Wertse ze Chernden, und an dem guote, daz dar zu
höret un han un dar aulT bereiget drey hundert March silbers unt daz
diseo gift staet unt veste sei hat her Haertneit von Wildony sein In-
sigl haben beizzen und ich das meine und er diesen brif und sint des
gezeugen her Ditbalm von Vilalt, her Haertneit von Wildony, her
Heinrich von Rotenburg der Hofmeister des hoves ze Tyrol, her
Julian von Seburch der wiztum zeChernden, her Heinrich von Gesierr
her Vridreich von Arpuehel, her Heidenreich von Heilelk und andre
bidere leute. Ditz ist geschehen ze sanct Veit ze Chernden nach
Christes gebürt Tausent iar zweihundert iar an dem drei unt achze-
gistemjar an sanct Nicolaus abend, auch begib ich des daz ich von
minem Herren graven Meinharte der dreyhundert March silbers
enphangen han um rebt als vor gescbriben stet.
K. k. g. A. Orig. R. Sig. pend.
X.
Graf Meinhart von Tirol bestätigt dem Kloster Michelstetten in Krain das
Recht Wein und Lebensmittel zollfrei durch sein Gebiet zu führen. Laibach,
9. December 1283.
Nos Meinhardus Tyrolis et Goricie comes Aquilegensis Triden-
tinus ac brixinensis ecclesiarum Advocatus tenore presentium prote-
stamur et patere volumus tarn presentibus quam futuris, quod viso
audito et plenius intellecto tenore privilegii continens donationes,
jura et libertates Cenobii Santimonialium in Michlstetten in terra
Carniole ordinis scilicet Auguste ipsum vidimus privilegium non can-
cellatum, non abolitum non aliqua sui parte viciatum. Undeutad votum
dictarum sanctimonialium et earundem pauperum quietis tranquillitas
non tepeat sed pocius roburetur ipsis et dicto Coenobio easdem
donaciones jura et libertates juxta dictorumprivilegiorum continentiam
duximus tenore presentium liberaliter confirmandam. Ex propria
nostra liberalitate erga dictum Coenobium motivis certis et zelo pie-
tatis sit monialibus ibidem deo et beate Marie Virgini famulantibus
concedimus ut vinum et singula ac universa victualia ad prebendain
dictarum dominarum et earundem familiam pertinentia debeant per
omnes nostri territorrii districtus sine omni telonei et mute exactione
vel alia qualibet vexatione libere pertransire. In buijus igitur conlir-
Sitzb. d. phil.-liist. CI. XIX. ßd. II. Hft. 17
258
Karl S tög-raa »11.
mationis et gi'utie per nos facite eisdem plenam et perpetuam firma-
tionem presens ipsis scriptum dari mandavimus nostri sigilli caractere
consiguatum actum et datum laibaci Auno Domini Millesimo, ducen-
tesimo octogesimo tercio. None Decembre exeunte.
Auguste Indictione undecima.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
XI.
Kaiser Ludwig und Otto von Österreich einigen sieh über die Ernennung von
7 Schiedsrichtern, und geloben, fest an ihrem Ausspruche zu halten, wenn sie
nicht früher etwas anderes schon beschlossen haben. Augsburg, 23. November
1330.
Wir Ludowich von Gotts genaden, Römischer Cheyser ze allen
ziten merer des Richs Veriehen offenbar an diesem brief und tun chunt
allen den die in sehent hörent oder lesent, dazz wir uns mit unserm
lieben Oheim und Fürsten Otten Hertzogeii ze Osterricli und ze Steyr
zu den Teydingen, die wir nächst mit einander gehabt und gevestint
haben vriuntlich und lieplich nu vereinet und verbunden haben, und
auch vereinen und verbinden die weil wir leben für uns selber und
für unser süne und erben und er für sich und für seinen Bruder Herzog
Albrechten unserm Oheim und seine Clünder herwider mit unser beider
briefen umb alle die stoezz und auflauf die ietzu zwischen uns sind
oder fürbass geschechen mochten umb swelherlei Sachen datz möcht
gesein oder ob wir vil leicht an ettlichen stuchen, die wir in enden
sullen, zechurz theten dez si däucht, oder si gen uns an den, daz si
uns enden sollten, das uns däucht, dazz wir jetzu beydersaite siben
Wir drey auz irm Rat, daz sint der Edel Man Ulrich graf vonPfannen-
bercb, und sind die vesten Ritter Hanns derTruchtsaetzz von Diezzen
hofen und Johan der Truchtsaetzz von Waltburch und unser vorge
nanter Oheim Drei aus unserm Rat Daz sind der Edel man Graf
Berchtolt von Greyspach von mansteten genant von Neylfen. Und die
vesten Ritter Heinrich von Gumpenberg und Vitztum in obern Bayern
und Hainrich der Preysinger von Wolenzsach unser Hofmaister. Und
den sibenten zu einem ober manne daz ist Graf Rudolf von Hochen-
berg unser lieber Oheim genomen haben. Und neman über aller unser
sache, als hier geschrieben stendet. Und den geben wir vollen gewalt
dar über mit unser beyden briefen: Also daz wir nicht anders umb
dieselben stoezz und auflauf dies yatzu zwischen uns sind oder noch
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
259
geschaehen moecliten, oder ob wir gen einander ze enden haben,
zechurtz tbaten als vor geschriben stet, zetun noch zehandeln sollen
haben. Dann swaz die sieben dar über sprechent oder machent
oder der merer teil under in des Süllen wir ze baydar seitte gehor
sam sain ez sei denn ob wir sein von selbe under uns über ain
chomen mögen friuntlich und gütlich geschieht auch daz icht niwer
Sache odar auflauf umb welcherlei dineh oder untate daz geschaech
von unser baider diener wegen das wir auch selber oder unser baider
Amptläut nicht dauz getragen mochten darumb sol dehein stoezz oder
auflauf an unsern Teidingen noch zwischen unsenochunserndiennern
geschehen sunder sullen wir oder uns beider Amptlaeut datz an die
vorgenanten siben bringen. Und swaz die oder der merez teil dar
über sprechent oder machent des sullen wir gehorsam sein und soll
also beleihen. Waer auch daz der sechser ainer ab gieng so sullen
wir einen als guten auz irm ambt an sainer stat nemen und geben ob
er an den unsern Drein ab gat die wir genomen haben. Oder ob einer
dabai nicht gesain moecht an geuert get er aver under den drein die
unser vorgenant oheim aus unserm rat genomen, habent ab so sullent
si einen als guten auz unserm Rat an sein stat nemen und geben.
Waer auch daz der graf Rudolf der der sibent ist abgieng des Got
nicht gebe, so sullen wir und unser oheim einen mit ein ander an
sein stat gaben, bey unsern Eyden, die wir geschworen haben der
uns al nutz sei. Möchten wir des aber nicht über ein chommen so
sullent sieb darumb die sechs die voi'geschriben stende samenen und
ze ehauffen chommen ze Auspurch oder ze Regenspurch und den
Uberman nemen an aufschup. und sullen wir beider seitte dann den
haben als den forener sibenten man. Swo man oucli densibenerbedarf
umb deheinerli sache oder bunt der wirs selber oder unser beyder
Amptläut nich über ein chomen moecliten als voi'geschriben stet so
sollen die siben zesamen chomen ze Auspurch, ze Preysach oder ze
Chostantz. swo si dann ein teil under in hin fordert, dem sein dann
not ist und sullen dan daz richten aber nach dem Ayde als sie
geschworn habent. Und daz gehaizzen und geloben wir mit guten
treuen auf den Ait dem wir dem Rieh geschworn haben, und unser
sun margraf Ludewig von Brandenburch bei seinem ayde allez staet
ze behalten. Und gehaizzen für unsern sun hertzog Stephen, dacz er
dacz auch sweren sol, swen er zu seinen tagen chumt. Auch geheizzt
es unser vorgenant Oheim Hertzog Ott für sein sune. daz si daz alles
17 *
260
Karl Stögmann.
sweren sullen swenn sie zu irn tagen chement. Ez sullen auch clise
gaegenTaidunch unsern fernernTeydungen yerbuntnuzzen und briefen
immer ein Bestettigung und ein bevestigung sein, und an nichten
scbedlich oder widerwaertich sein. Und der über ze Urcbund geben
wir in disen brief mit unserm ebeyserlicben Insigel yersigelten. Da
man zalt von Christus geburd Draitzehenhundert Jar. Dar noch in
dem Dreitzigsten Jar in dem sechszehenden Jar unsers reiclis und in
dem Driten des Cheysertums.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
XII.
Kaiser Ludwig befiehlt dem Konrad von Auffenstein, die Herzoge von Öster
reich als seine rechten Herren in Kärnten zu erkennen, weil er ihnen dies
Herzogthum verliehen habe. Linz, 1. Mai 1338.
Wir Ludewig von Gotes genaden Römischer Keiser ze allen
ziten merer des richs entbieten dem vesten mann Clmnraden von
Aufenstein unserm liben getrieven unser huld und alles gut. Wirlazzen
dich wizzen daz uns und dom riebe daz Herzentum ze Chaernden von
unserm Oeheim herzog Heinrich Saelig von Chernden ledig worden
ist. und wan wir an gesehen haben die manichfaltigen dienst und
triew die unser liebe Oeheim und Fürsten Albrecht und Otto Herezogen
ze Österreich her getan habent und auch noch getan muegen und
sullen. Darauz haben wir in und iren Erben dazselbe Hertzentum
verüben ze richtem lehen freylicb und ledichlich ze haben. Und dar
umb gebieten wir dir vestichlich bei unsern und des Richs buhlen daz
du in fürbaz wartent und gehorsam seist an alle Widerrede in allen
Sachen als deinem rechten heren und Herezogen in Chärnden. Geben
ze Lyncz an Sand Walburgen Tag in dem ainen und zweintzigsten
jar unsers Richs und in dem Achten des Keisertums.
K. k. g. A. Orig. P. Sig. pend.
XIII.
Konrad von Auffenstein und seine Söhne erkennen die Herzoge von Österreich
als ihre rechten Herren. Bleiburg, im November 1338.
Ich Chunrad von Aufenstein marschall in Chaernden und wir
Fridreich und Chunrat seine sün veriehen offenlich mit diesem brief
und tun chunt allen den die in sehent hörent oder lesent, daz unser
lieber Swager und Oheim her Otte von Lichtenstain Chamerer in
Über die Vereinigung- Kärntens mit Österreich.
261
Steil 1 von dem vollen gewalte so wir im mit priefen und mit unsern
triwen geben haben uns betaidingt hat mit den edlen und hocli-
gebornen Fürsten Herezog Albert und Herezog Otten zeÖsterreich und
ze Steir unsern gnaedigen Herrn daz wir die Hertzoge von Österreich
ercliennen und halten schullen ze rechten herrn und Herezogen
des landes ze Chernden und schullen auch alle unsere lelien die wir
haben von demHerzogentum ze Chernden von denselben unsern herren
enphahen als von einem herzogen ze Chernden, und schullen auch
in schweren triwe und warheit ze leisten und auch ze dienen mit leib
und mit gut und mit vesten als unsern herrn und herezogen in Chernden
an alles gevaerde. und des ze einer offenen urchund und Sicherheit
geben wir den egenanden unsern herren den Herezogen diesen brief
versigelten mit meinem des vorgenanden Chunrad anhangendem In
sigel und wir Fridreich undChunrat sein sün nicht haben aigen insigel
der geben ist ze Pleiburch nach Christes gepurd Dreyzehen hundert
jar im fünf und dreyzzigsten jar des Mittwochens nach Sand Florianstag.
K. k. g. A. Orig. P. sig. pend.
262
Boiler.
Vorgelegts
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
Von dem c. M., Hrn. Prof. Boiler.
(Fortsetzung'.)
Bagyad „ermatten“. Suomi vaipu = lappisch vabbet „ermat
tet niedersinken, müde oder matt werden“, Man d zu $
(fa^abi) 1 ) „etre tres-fatigue“, V ^ (fa^ame de/ebi) *) „etre
accable de lassitude et de sommeil; tomber de som-
meil et de lassitude“.
Baj „Zauber etc.“ Türkisch (bagb) „Her“, (bagli-
lamaq) „Her, ensoreeler“, Jrb (baimaq) „fasciner“ a ). Vgl.
das slawische karith „incantare“.
Bämul „gaffen, staunen“. Mongolisch "f (gliaip(axo) 3 )
„sich verwundern, beschauen“. Suomi kumma „sich ver
wundern, anstaunen“, kummastele = ihmettele ■„ sich wun
dern“, wotjakisch pajmo 4 ) „sich wundern“, Mandzu ^ (fai-
dzuma) 5 ) „prodige, chose extraordinaire“ etc. s. älmel.
Ban „bedauern, bereuen“. Mongolisch (gboni^o) 0 )
„sich grämen, sich abhärmen,“ "£ (ghomudal 7 ) „Unzu-
*) Ainyot, Dict. Tnrt. Mantch. III, p. 129. 2 ) Sitzungsb. B(l. XVII, p. 318, s. v. bfi.
3 ) S c hin id t, Lex. p. 190, a. 4 ) Wi e d em a nn , Wotj. Gramm, p. 341, b. 5 ) Amyot,
Dict. Tait. Mantsch. III, p. 141. 6 ) Schmidt, Lex. p. 202, a. ? ) Ebendas. 203, b.
I
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
263
friedenheit, Verdruss, Kränkung, Reue “,^ (gemsikü) ‘)
„bereuen, Reue haben“, Mandzu # (^orome) 3 ) „etre cha-
<
-1
griri, afflige, triste; se repentir; se vouloir du mal
d’avoir t'ait quelque chose“; Suomi katü „bereuen“ *).
Vgl. baut.
Bä-n-ik „umgehen, behandeln“. Das Inchoativ (Reflexiv?)
zu baj (vgl. szän), Suomi vaiva „Mühe“. Schwerlich darf man an
Mandzu £ (o-me) 3 ) „faire, operer“ denken.
Ban-t „kränken, beleidigen“. Causalform zu bän.
Bänya „Bergwerk“. Mandzu £ (fenijeme) 3 ) „ramasser
I
J:
dans un meine lieu les terres des mines pour en tirer le
metal, fondre la mine“. Die gleichbedeutende Mandzu - Form
4, (venijeme) 4 ) „faire fondre de l’or, de l’argent“ geht auf d.
i 4
(veme) 5 ) „fondre (intr.) “ = jakutisch y.i °) „schmelzen,
thauen“ zurück. Hängen beide mit olvad zusammen? Vgl. fern
und das slawische dann „ baineum“.
Bär „obgleich“. Aus bajar 7 ).
*) Schmidt, p. 198, a. 2 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 427. 3 ) Ebendas.
III, p. 152. 4 ) Ebendas, p. 229. 5 ) Ebendas, p. 239. 6 ) Böhtlingk, Lex. p. 44, b.
7 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 227, s. v. bar.
*) Wegen der Vertretung b = gh vergl. Sitzungsb. Bd. XVII s. v. barany, boldog. Man
hat an diesem Lautwechsel um so weniger Anstand zu nehmen, als er sich auch auf
dem Gebiete der indogermanischen Sprachen (keltisch, germanische Dialekte) findet
und selbst auf dem engen Baume der griechisch-lateinischen WortveVgleichung längst
beobachtet und als Thatsache hingenommen war. “■£ (gh) und <9 verhalten sich genau
r
wie g und b; Sanskrit 7fT (g*0 s= l ,r l’ (garbha) = ßp£?oc, 7]^) (guru) = lat.
gravis = griech. ßapös; MT (go) = lat. bos = griech. ßoO? (Pott, Etymologische
Forschungen I, p. 86, 87). Gleiches gilt von der Vertretung O (q) (x)=P» f,
wenn man Sanskrit of* (ka) lat. quo, griech. mo-Tos; Sanskrit (pancan) =
lat. quinque = griech. itevxe.= goth. fimf; Sanskrit (iks') „schauen“ =
griech. o7rrop.ai etc. zusammenstellt.
f
264
Boiler.
Bäräny „Lamm“. Mongolisch j 1 (^orighun) id. 4 ).
t
Bätor „kühn, muthig“. Mongolisch & (baghadur) ~) „ein
tapfererMann, ein Held, muthvoll.“
Beka „Frosch, Kröte“. Mandzu ^ (vaksan) 3 )„gre nouil le
ou plutöt crapaud“ 4 (vakdza^on) 4 ) „honune qui a le ven-
tre gros“, türkisch (baghyr) 5 ) „flanc“ (vgl. begyek,
Bauch). Hielier gehört offenbar das ableitungslose Sanskrit
(bbeka) „F rose h“ als Lehnwort.
Belte „Friede“. Türkisch J^{> (bai-is) 6 ) „paix, pacifie“,
wotjakisch woz 7 ) „Friede, Sicherheit“, mongolisch^ (dzuki-
1
j a X°) 8 ) ».ordnen., Übereinkommen “, \ (dzukira^o) 8 ) „zur
Verträglichkeit zurückkehren“, Suomi sopu „Überein
stimmung, Eintracht, Verträglichkeit“.
Bekö, beklö „Fus seisen, Fessel“. Türkisch-persisch
Jäy (bouqajghy) 9 ) „ceps, fers aux pieds“.
Belädi „ein armer Blinder“. Mandzu —mongolisch ?
O
(balai) „verfinstert, blind“. Gehört zu Mandzu 4* (biyarisame) 10 )
r
s
„voir trouble, avoir les yeux offusques“, Suomi pi-miä
*) Sitzungsb. ßd. XVII, p. 319, s.v.bara'ny. s ) S ch m id t, Lex. p. 98, b. 3 ) Arnyot,
Dict. Tart. Mantch. III, p. 228. 4 ) Ebeiulas. p.229, 5 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 3S0, s. v.
mely. 6 ) Kieffer et B. I, p. 172, b. 7 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 339, a.
8 ) Schmidt, Lex. p. 308, a. 9 ) Kieffer et B. I, p. 244, a. 10 ) A m y o t, Dict.
Tart. Mantch. I, p. 548.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
265
„dunkel, finster“, pimittä „blind m a c li e n ostjakisch
petlem 4 ) „dunkel“, mongolisch ? (barui) 2 ) „etwas dunkel
\
oder finster“ etc., Wurzel ba-r, bo-r, bü-r, bi-r.
Belyeg „Zeichen“. Mongolisch ? (belke) 3 ) „Zeichen“,
türkisch (bilki) 4 ), jakutisch 6äliä 5 ), tscheremissisch pale id.
Vergl. türkisch (belurrnek) „apparaitre, etre vu“.
Ber „L ohn, Zins“. Suomi vero „Grundzins, Steuer“, ja
kutisch öiäp °) „geben, hin geben“, türkisch-tatarisch jL,,
(birmek) (vermek) 7 ), Mandzu ^ (bume) 8 ) „donner“,
tscheremissisch pu-e°) „do“— Man diu ®' (bureme) 10 )„promettre,
donner“, mongolisch % (bari^o) “) „darbringen“, ostjakisch
I
meje 13 ) „geben“.
Bir „können, vermögen, besitzen“. Wotjakisch byg-alo 13 )
„vermögen, können“. Vergleicht man bi-r-alom „Reich“ mit
dem Denominative j)u}L (bilämäk) 14 ) „herrschen“, so wird man
einen Zusammenhang zwischen bir und türkisch ^ (bek) „Fürst“
nicht unwahrscheinlich finden, ja beide auf eine gemeinsame Grund
anschauung zurückführen können. Die Wurzel für die erste Bedeu
tung, falls dieselbe sich nicht aus der zweiten entwickelte, ist wohl
in dem Mandzu (mu-terne) 15 ) „p ouvoir, avoir de la capa-
-k.
eite pour les affaires“ enthalten. Vgl. Suomi mahta und s.
unter mu.
*) Castren, Ostj. Gramm, p. 93, b. 2 ) Schmidt, Lex. p. 102, b. 3 ) Ebend.
p. 105, c. 4 ) Böhtlingk, Lex. p. 134, a. 5 ) KiefferetB. II, p. 227, b. 6 )Böht-
lingk, Lex. p. 138, b. f ) Böhtlingk, Lex. p. 137, b. 8 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantch. I, p. 591. 9 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 69, b. 10 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantel). I, p. 582. 41 ) S ch m i d t, Lex. p. 101, c. 12 ) Ca s t r e n, Ostj. Gramm, p. 87, b.
13 ) W i e d e m a nn, Wotj. Gramm, p. 300, a. 14 ) Böhtlingk, Lex. p. 139, h. 15 ) Amyo t,
Dict. Tart. Mantch. II, p. 413.
266
Boiler.
Bö „reich, weit “. Mandzu (bajen) J ) „riebe“
mon
golisch ?^(bajan) a ) „reich, Reichthum, Wohlstand“, türkisch
^ (bai) „riche“, ostjakisch poi id.; Mandzu ^ (fulu) 3) „beau-
eoup“ türkisch Jy 4 ) „ample, large, copieux“, mongolisch
^ (olan) 5 ) „viel“. Vgl. das indogermanische Sanskrit (puru)
= griechisch nolO-g, gothisch filu „viel “.
Bor „Haut, Fell“. Mongolisch r ) (arisun) 6 ) „Haut, Fell“.
1
Bü „Gram, Kummer, Sehwermuth“. Mongolisch © (buki-
t-
st
<
- J
nidultai) 7 ) „beunruhigend, ängstlich, s c h wermiit hig“,
JP (buda^o) 3 ) „trauern, sich grämen, missmuthig werden“,
Suomi mureh, murhe’ = finnmärkisch-lappisch moras „Traurig
keit, Gram“.
Büza „Weitzen“. Mongolisch f (boghotai) 9 ) „Weitzen“
— türkisch-tatarisch (boghdai) „froment“.
Bü „Zauber“. Türkisch jy (beugu) 1 »)^^ (boughou) „ma-
gie, charme“, mongolisch jp (böge) 11 ) „Zauberer“, Mandzu f
(fa) 12 ) „enchantement“.
Büz „Gestank“. Mandzu d, (fungs'un) 1S ) „puanteur“,
i
tscheremissisch pos 14 ) „foetor“, Suomi haisu id.
Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, I, p. 512. Schmidt, Lex. p. 103, a.
3 )Amyot, Dict. Tart. Mantch. 111, p. 202. 4 ) Ki effe r etß.I, p. 243, b. 5 )Schinidt,
Lex. p. 55, a. ®) Ebendas, p. 15, a. 7 ) Ebendas, p. 110, b. 8 ) Ebendas, p. 117, b. 9 ) Ebend.
P. Hl, c- 10 ) Kieffer et B. I, p. 245, b. n) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 323, s. v. bü.
12 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 129. 13 ) Ebendas. II, p. 212. 14 ) Castren,
Gramm. Tscher. p. G9, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
267
Csä „links“. Mandzu £ (X 11S X U ) *) gauche“ = linnmär-
kisch-lappisch guro id. (vgl. bal) 2 ) neben mongolisch ^ (dze-
gün) 3 ) „links“, lappisch, Enare-Dialekt c'ize 4 ) (=Suomi vasen,
vgl. cääce neben vesi). Vgl. slawisch nioyii, griechisch Gy.aiög,
Sanskrit TföSf (savya).
Csab„ Anlockung“. Schwedisch-lappisch daje-tet, finnrriäi'kisch
caje-dattel „forf-ere“, Suomihou-kutus „Anreitzu 11 g, L0ckung“.
Offenbar zu Mandzu-mongolisch ^ (dzali) 5 ) „Betrug, Arglist“
3
= magyarisch csal gehörig, Vgl. Mandzu f (^obin) *) „arti-
i
fice pour attraper le bien des autres“, f (koiton) 7 ) „arti-
fice, tromperie“, f (koiman) 7 ) „trompeur, seducteur“,
denen jedoch auch Suomi juopo, juopo „täuschen, verleiten,
locken“, entsprechen kann (vgl. csel, csin).
Csäkö „Tschako“. Mongolisch | (dogholgha) 8 ) „Helm“, tür-
i
'L
kisch (thoulgba)°) (t = j = c für dz) „casque“.
Csämpäs „krummbeinig“. Gehört zu mongolisch 'T (gha-
✓
«b
dziyo) 10 j „krumm werden“, türkisch (qyjyq) „schief“,
magyarisch görbe 11 )- Suomi keikka „aufwärts oder zurück-
gebogen“, kampura „krumm, schief, verbogen“.
Csärnpörü „sauer“. Tscheremissisch sapan 18 ) = Suomi bapan,
also = mit savanyü gleichen Ursprungs. Den Lippennasal zeigt syrjä-
nisch som ls ) „acidus“.
*) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 418. 2 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 319, s. v. bal.
3 ) S c h m i d t, Lex. p. 299, a. 4 ) L ö n n r o t: Über den enare-lappischen Dialekt, p. 220.
5 ) Schott: Über das Altaische etc. p. 139. Sehmidt, Lex. p. 296, b. Amyot, Dict.
Tart. Mantch. II, p. 481. 6 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 483. 7 ) Ebendas. I,
p. 429. 8 ) Schmidt, Lex. p. 279, c. 9 ) Ki effe r et B. III, p. 203, a. 10 ) Schmidt,
Lex. p. 195, a. A1 ) Sitzungsb. ßd. XVII, p. 338, s. v. görbe. 12 ) Castren, Gramm.
Tscher. p. 71, a. 13 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 158, b.
268
Boiler.
Csecs „Blattern, Pocken“. Türkisch (tchetehek) ’)
„fleur, petite veröle“, mongolisch jj (cecek) 3 ) „Blume,
$
Blüthe“in$ -j (budagha cecek) 3 ) „die natürlichen Pocken“.
Daher das Suomi kukka „Blume“.
Cseve „Spule, Röhre“. S. eso.
Csel „Posse“. Mandzu ^ (jobo) 4 ) „badin“, türkisch
z* j jJhy (jobandurmaq) 5 ) „belustigen, erheitern“.
Csin „Streich, Unart“. Suomi juoni „Streich, Ränke,
List“, aber kujet „scherzhafte Geberde, Posse“, kujeet
„Schalks s tr eiche“.
Csöka „Kuss“. Wotjakiscli cup°) „Kuss“, türkisch
(tscheupmek) 7 ) „baiser“.
Csötär „Schabracke“. Türkisch (tchapraq) 8 ) „h o u s s e
de cheval“. Die gleichbedeutende Form ^,1 (iapyq) zeigt, dass
die Wurzel in (iapmaq= qapmaq) liege. ist begrifflich
= jLs (qapaq) = tatarisch jUAä (qap.qaq) == jakutisch xannax 9 )
„Deckel“. Csötär zerlegt sich demnach in csö (= csap für jap) +
Suffix tar (ta -f- ghar).
Csöva „Zunderwerk“. Syrjänisch cak 10 ), „fomes ignia-
rius“, türkisches (qav) 11 ) „ama dou “, jakutisch Kbia 13 ) „Feuer
schwamm“, Suomi pakkula „Zunder, Feuerschwamm“. Vgl.
mongolisch ";f (glial) 13 ) „Feuer“.
Csö „Spule, Röhre.“ Mongolisch
serröhre“, türkisch j^>-(tsehibouq) lä ), „baguette, tuyau de
4 ) K i effe r et B. I, p. 367, b. 2 ) S chmi dt, Lex. p. 322, c. 3 ) Ebend. p. 118, a.
4 ) Amyot. Dict. Tart. Mantch. II, p. 569. 5 ) Schott: Über das Altaische etc. p. 123.
6 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 302. 7 ) Ki ef f e r etB. I, p. 399, b. 8 ) Ebendas, p. 350, b.
9 )BöhtIingk, Lex. p. 78, b. 10 )Castren, Gramm. Syrj. p. 159, b. 1A ) Kieffer
et B. II, p. 429, a. 12 ) B ö h 11 i n g k , Lex. p. 60, b. 13 ) S c h m i d t, Lex. p. 192, b.
14 ) Ebend.p. 163, c. 15 ) Ki ef fer et B. I, 366, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
269
pipe, pipe“. Offenbar eine weiche Form, dem harten csayar, türkisch
jly (juvar) •) „cylindrisch“, lappisch jorha gegenüber. Suomi kehrä
„Sp i nd el = mongolisch A (ig) id. zeigt zu kouru „Rinne“
dasselbe Verhältniss.
Csöd (csüd), „Concu rs, Gant“. Allem Anscheine nach die
weiche Form zu esoport, syrjänisch ejukar 3 ) „collectio“,
mongolisch^ (cighul/o) 3 ) „sich versammeln, sich ansam
meln V (ghu-ra^o) 4 ) „sich versammeln“, enthält offenbar
t>
die einfachste Form der Wurzel, zu der folglich auch magyarisch
gyül, gyüjt so wie Suomi jouko „H a u f e“ gehören. Die weiche Form
liegt in mongolisch ^ (kükü-dzi irekü) 5 ) „zu Haufen kom-
T a)
men, in Menge kommen“.
Csödör „Hengst“. Mongolisch ^ (adzirgha) °), Mandzu i'
i |
(adzir/an) 6 ), türkisch j\ (aighyr), jakutisch anup. S cho tt 4 )
hat die Zusammensetzung aus ad (türkisch ol at) „Pferd“ und
erkek (türkisch = irgi, irga, irgan, yr „Männchen der
Thiere“, erwiesen. Das magyarische Wort ist demnach bis zur
Unkenntlichkeit, verstümmelt.
Csor „Schnabel“. Mongolisch ^ (chosighun) 7 ) „Schnabel,
a
1
Vorgebirge, Vordertheil eines Fahrzeuges“, neben T
(^abar) „Nase, Vorsprung“ = Mandzu ^ (oforo)id. = magya
risch orr 8 ).
») Schott, Über das Altaische etc. p. 107. 2 ) Castre'n, Gramm. Syrj. p. 1K9, a.
3 ) Schmidt, Lex. p. 327, a. 4 ) Ebendas, p. 169, b. 5 ) Ebendas, p. 177, b.
6 ) Schott, Über das Altaische etc. p. 94, 96. 7 ) S ch in i d t, Lex. p. 176, c. 8 ) Schott,
Über das Altaische etc. p. 68.
270
Boiler.
Csücs „Spitze“. Türkisch ^,1 (oudj) *) „extremite, fin,
pointe“, Mandau jj" (udzan) 2 ) „cime des arbres, extre-
mite des branches; !e bout, le commencement“. Der
Anlaut ist, in Vergleich mit jakutisch tööö 3 ) „Spitze, Gipfel =
türkisch ^y (tübe), magyarisch tetö, ostjakisch tej 4 ), U. Surg. toi,
0. Surg. tui „das Oberste, die Spitze“, deren Wurzel in dem
mongolischen £ (debc'ikü) 5 ), J“ (deg-deikü) c ) „in die Höhe
a d
a> 3
schiessen, emporwachsen“ liegt, und die wohl insgesammt
der weichen Reihe angehörten, ursprünglich t=j = dz—c gewesen.
Die Form csüp zeigt, dass der Auslaut dieser Bildungen der Ablei
tung anheimfalle.
Csuf „garstig, abscheulich; Spott“. Mongolisch 3
(dzibegürgel) 7 ) „Abscheu, Widerwille“, wotjakisch dzob 8 )
„unrein, Trübe, Schmutz, Gräuel“, daizi 8 ) „schmutzig“,
dzozan 8 ) „ V o r w u r f, K r ä n k u n g
Dl „Kraft, Vermögen“. Mongolisch 3* (kücüh) 9 ) „Kraft,
U
c
Macht, Stärke“, wotjakisch jun 10 ) „Kraft, Stärke“, Suomi voi-
maid. DasMandzu'J (kulu) 11 ) „fort, robuste“ lässt über die Wurzel
<t>
keinen Zweifel. Wegen der Vertretung d—j vergl. mongolisch
1
(/ozigbun) 12 ) „Wallnuss“ = türkisch (dzevz) —jjS (qoz)
= magyarisch did; mongolisch^(kelen) us) „Zunge, Sprache =
türkisch (dil) *) etc.
*) Sitzungsh. ßd. XVII, p. 3öi. 2 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 32.
3 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 98, b. 4 ) B ö h 11 i n g- k, Lex. p. 99, b. 5 ) Schmidt,
Lex. p. 274, b. 6 ) Ebend. p. 27G, a. 7 ) Schmidt, Lex. p. 301, c. 8 ) Wiede mann,
Wotj. Gramm, p.303, b—304, a. I). 9 ) Schmidt, Lex. p. 188, b. 10 ) Wiedemau n, Wotj.
Gramm, p. 308, a. A1 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 98. 12 ) Ebendas, p. 176, c.
13 ) Sitzungsh. B.XVII, p.3i>6, s. v. nyelv.
*) Wie die Zischlaute, Assibilaten und Palatalen selbst aus Zahnlauten entspringen können,
so gehen sie, auch wenn sie anderen Ursprungs, in diese über, wenn sich eine
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
271
Dfj „Preis, Lohn, Lösegeld“. Ostjakisch Tm*) „Preis“,
syrjänisch don 2 ) „pretium“, Suomi lunasta 3 ), lappisch loneste
„los kaufen, auslösen, erlösen“, jakutisch TOJiyi 4 ) „aus-
lösen, loskaufen“, mongolisch jj (cenekü) 5 ) „einen Werth
angeben, schätzen, gleichstellen“, 4 (ceng) 5 J „ein fest
gesetzter Preis, Taxe“, tscheremissisch tär «) „pretium
Del „Mittag“. Mandzu £ (dulin) 7 ) „lamoitie, le
milieu; midi“, mongolisch £ (duli) „Mitte der Tages- und
ü.
Nachtzeit“, türkisch (tüs) etc. 8 ). Vergl. dazu Mandzu
| (dubi)„la moitie“.
Döl „sich lehnen“. Jakutisch Tipiä 9 ) „stützen“, xipädil°)
„Stütze“, mongolisch $ (tüsikü) 10 ) „sich stützen, sich auf
%
a>
etwas lehnen“.
Dol = dul „fallen, umfallen, stürzen“. Türkisch
(diismek) 11 ), (tüsrnek) u ). jakutisch xyc 11 ) „von einer
Höhe herabfallen“, Mandzu (tu/eme) 13 ) „tomher, clioir“.
Dözs „Zecher, Schwelger“. Suomi tuhla „schweigen,
verschwenden “.
Du „Raub, Beute“. Türkisch (dhoium) 13 ) „butin“,
Mandzu (tapcin) 14 ) „hutin que Ton fait sur les ennemis“.
t
Sprache derselben wieder entledigt. Vgl. das Alt- und Neupersische d an der Stelle
von Zend s (= Sanskrit h, dz): (dest) = -*0^ (zasta) =
Sanskrit (basta).
i ) Castren, Ostj. Gramm, p. 99, a. 2 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 130, b.
3 ) Sitzungsb. ßd. XVII, p. 347, s. v. lakik. 4 ) Böhtlingk, Lex. 98, a. 5 ) Schmidt,
Lex. p. 320, c. 6 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 73, b. 7 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch.
II, p. 320. 8 ) Schott, Über das Altaische etc. p. 129; Sitzungsb. ßd. XVII, p. 45.
s. v. ejt. 9 ) Schmidt, Lex. p. 2G3, a. 10 ) Böhtlingk, Lex. p. 108, a.
ll ) Ebendas. Lex. p. 113, a. 12 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 29G. 13 ) Ivieffer
et ß. II, p. 205, b. 14 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 194.
272
Boiler.
Dücz „Stütze“. Suomi tuki, id. Vergl. tämasz *)•
Dül „verwüsten, verhören“. Denominativ zu dü. Vergl.
jedoch türkisch (talan) 2 ) „ butin, proie“, (talamaq) 3 )
„piller“, wotjakisch talalo 4 ) „rauben“.
Düs „sehr reich“. Suomi tavara, lappisch davarak „Reich
thum“, mongolisch J 1 (davar) 5 ) „Vermögen, Eigenthum“,
wotjakisch uzyr c ).
Ehred „erwachen“. Mandzujj 1 (keteme) 7 ) „s’eveiller“,
z
Suomi hava, lappisch cabbo-t 8 ) id, türkisch I (ou'iarmaq) 9 )
„eveiller“.
Ed „Süsse“. Syrjänisch cjöskyd — wotjakisch ceskyd 10 ),
lappisch njalgis “) „süss“. Vgl. fz la ) „Geschmack“.
Eg „Himmel“. Türkisch jJjT(gueuk) 1S ) „ciel“.
Eg „brennen“. Türkisch L (i'aqmaq) 14 ) „brüler, allu-
mer“== lappisch cakk-at, mongolisch <] (cucali) 15 ) „der Feuer-
- J
o
brand“, ^ (curki^o) 1G ) „brennen, durchbrennen“.
; 1
Eli „Hunger; hungerig; nüchtern“. Syrjänisch cyg 17 )
„fames“, lappisch melggo „hungerig“, Suomi nälkäise id. rnord-
vinisch vac „hungern“ (Ev. Üb.), jakutisch äc ls ) „hungern;
hungerig, ausgehungert“, auuiit 18 ) „nüchtern“, türkisch
(äc) „hungerig“. Vgl. xapijwi = xoprmi „hungern“.
Ej „Nacht“. Suomi yö, lappisch igja, ostjakisch üt ,0 ), tsche-
remissisch jut, jakutisch TyH a °), Mandzu f (tobori) 21 ) , mongolisch
4 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 379, s. v. tamasz. 2 ) Ki eff er et ß. I, p. 323, b. 3 ) Eben
das. p. 273, a. 4 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 331, b. 5 ) S ch m i d t, Lex. p. 238, b.
6 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 336, b. 7 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. 111, p. 19.
8 ) Stock fl eth, Norsk-Lapp. Ordbog. p. 38, a. 9 ) Kieffer et ß. I, p. 144, b.
10 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 139, b. A1 ) S t o ck f 1 e th , Norsk-Lapp. Ordb. p. 697, b.
12 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 344 s. v. iz. 13 ) Kieffer et B. II, p. 666, b. I4 ) Ebendas,
p. 1242, b. 15 ) Schmidt, Lex. p. 334, c. 16 ) Ebendas, p. 334, b. 17 ) Castren,
Gramm. Syrj. p. 139, c. 18 ) B öh t li n gk, Lex. p. 12, a. 19 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 33.
20 ) Böhtlingk, Lex. p. 112, b. 21 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 276.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
273
jf (söni) *) id. Vergl. türkisch (seu'iunmek) 2 ), (seun-
K>
mek) 2 ) „s- eteindre“ = mongolisch j“ (sünükü) 3 ) „erlöschen“
= magyarisch szünik, welche die Reflexivform zu türkisch
(sinmek) 4 ) „se digerer“ darstellen. Demnach verhält sich ej
zur Wurzel szü(-n) wie Sanskrit (ni?ä) „nox“, vu£ zu
(na?) „zu Grunde gehen“.
Ek „Schmuck“. Mongolisch^ (kege) 5 ) „hübsch, zier
lich“, bulgarisch kice 6 ) „zieren“, jakutisch niaprä 7 ) „Putz“,
Suomi ko-ria „Schmuck“.
Ek „Keil, Accent“. Mongolisch J
(aghuldzar) 8 ) „spitz
zulaufend, spitzig, Vereinigung zweier Wege“.
. El „leben“. Suomi elä, syrjänisch ola, ostjakisch y^e 9 ) etc.,
mordvinisch erä. An Letzteres schliesst sich einerseits türkisch ±
(diri) „vif, vivant“, das sichtlich zu jakutisch thh 10 ) „Athem“,
TWHHäx **) „belebt, lebend“ gehört, andererseits Mandzu d
(veidzume) 13 ) „vivre“, t (vei-^un) 13 ) „vif, vivant“. Mord-
X
vinisch er-ä zeigt den Weg, auf dem der Anlaut sich verlor. El
gehört daher zu le-lek und stammt mit diesem von leh-el. Als
gemeinsame Wurzel muss demnach d-g aufgestellt werden. Die
Mandzu-Formen f (sukdun) „halitus“ (= türkisch [soluq]
„haieine“) und ^ (edun) „ventus“ hängen auf ähnliche Weise
zusammen.
A ) Schmidt, Lex. p. 372, b. 2 ) Kieffer et B. I, p. 712, b. 3 ) Schmidt,
Lex. p. 372, c. 4 ) Kieffer et B. I, p. 682, b. 5 ) Schmidt, Lex. p. 148, b.
6 ) Canko f, Gramm. d. bul. Spr. p. 175,b. 7 ) B ö h tli ngk, Lex. p. 66, b. 8 ) Sch in i d t,
Lex. p. 7, b. 9 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 52. 19 ) Kieffer et B. I, p. 570, a. 41 ) Buht-
iingk, Lex. p. 102, a. 12 ) Amyot, Dict.Tart.Mantch.III, p.235. 13 ) Ebendas, p. 236.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Hft. 18
274
Boiler.
El „Schneide, Schärfe“. Mongolisch^ (ir) *) „Schärfe,
Schneide“, Mandzu^ (dzejen) s ) „le tranchant, le tran-
chant d’un couteau, d’une hache.“
Emik „wachen“. S. ebred.
En „ich“. Türkisch ^ (ben), ^ (men, min), jakutisch Min,
mandzu - mongolisch % (hi), Suomi minä, lappisch, mordvinisch
mon etc.
Enek „Gesang“. Ostjakisch äpa 3 ) „Gesang“, äpre 3 )
„singen“, jakutisch iapua 4 ) „Lied, Gesang“, türkischj (ir) 5 )
„chant, chanson“. Mandzu X (irgebun) c ) „carmen“, /
(irgebume) 6 ) „cantare“. Ist die Zusammenstellung richtig, dann
muss r ausgefallen sein und n als Wurzelexponent gefasst werden:
e(r)-w-ek „cantata“. Vgl. hangya „Ameise“ mit türkisch
(qaryndze) 7 ) und s. u. kemlel.
Ep „ganz, unversehrt; heil, gesund“. Türkisch
(i'agh) 8 ) „entier, sain“, mongolisch ^ (co^orn)°) „gerade,
just, bestimmt; (epen) ganz, accurat, genau“. Gh=v=p
wegen des Auslautes.
Epit „bauen“. Türkisch Jg-l» (iapmaq) 10 ) „bätir, cori-
v **
struire“.
Er „erreichen, reifen. Mit vocalischem Anlaute finden
sich wotjakisch iriwyl J1 ) „Gewinn“, Mandzu ^ (izime) ia ) „etre
ä la veille de quelque chose; en avoir assez“, mongolisch
^ (irekü) 13 ) „kommen“, türkisch (ermek, irmek) 14 ) „par-
*) Schmidt, Lex. p. 39, b. 2 ) Arayot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 493.
3 ) C a s tr e n, Ostj. Gramm, p. 80, a. 4 ) B ö h 11 i n g k, Lex. p 32, a. 5 ) K i e f f e r et B.
I, p. 155, a. 6 ) V. d. Gab eien tz, Eiern, de la Gramm. Mantch. p. 92. 7 ) KiefferetB.
II, p. 417, b. 8 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 527, s. v. egesz. 9 ) Schmidt, Lex. p. 332, a.
10 ) Kieffer et B. II, p. 1243, a. 11 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 306, b.
12 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 153. 13 ) Schmidt, Lex. p. 38, c. 14 ) Kieffer
et ß. I, p. 25,b.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
275
venir, atteindre“, (j\*iy1) (irichmek) 4 ) „arriver,
atteindre; mürir“. Den angegebenen Bedeutungen entsprechen
zwei mit Consonanten anlautende Wurzeln; mongolisch ^ (kürkü)
4
„gelangen, erreichen, genug sein“ = Suomi kerki „hin
kommen, hin reichen“ und türkisch tiUo (deimek) „attein
dre, toucher, parvenir“ = jakutisch tü 3 ) = mordvinisch
(Ev. Üb.) sa-ms „kommen“, Suomi saa „erreichen“, sa-ttu
„anrühren, treffen.“ Da die finnischen Sprachen sonst diesen
Begriff durch eine consonantisch beginnende Wurzel (Suomi saa,
syrjänisch sua, ostjakisch jede) bezeichnen, so bleibt wenigstens die
Möglichkeit offen, er an eine der beiden Wurzeln tü oder kü-r derart
zu knüpfen, dass diese jenes iz, ir als Wurzelexponenten zu sich
nehmen. Vgl. das Terminativsuffix -ig = k(a) + si aus deg.
Er „Ader, Quelle“. Mandzu j^(sekin) 3 ) „source d’eau“,
kjl (seri) 4 ) „source d’eau, orig ine“, mongolisch ^ (ezi) 5 )
„Ü r s p r u n g “, A> (ekin) «) „Anfang; Ursprung eines
Flusses“; Suomi betet „Quellader“, tungusisch jukte 7 ), njauta
„Quelle“.
Erdem „Verdienst“. Mandzu(erdemu)s) „vertu, habi-
lite“, mongolisch)) (erdem) 9 ) „Verdienst, Tugend, Talent“.
Gehört zu erö. Vergl. ereny und s. reny.
Er-ez „fühlen“. Die verwandten Sprachen bieten eine
Doppelreihe von Ausdrücken für den Begriff des Bewusstwerdens,
des Empfindens sowohl als des Wahrnehmens. Zur einen gehören
mongolisch (kürülceküi) 10 ) „das Fühlen, das Gefühl“,
f
<
- J
*) Kieffer et B. I, p. 155, b. 2 ) Bö.htlingk, Lex. p. 103, b. 3 )Amyot, Dict.
Tart. Mantch. II, p. 41. 4 ) Ebendas, p. 147. 5 ) Schmidt, Lex. p. 35, b. 6 ) Ebendas,
p. 26, a. 7 ) Schott, Über das Altaische etc. p. 103. 8 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch.
I, p. 126. 9 ) S.chmidt, Lex. p. 33, a. 10 ) Schmidt, Lex. p. 186, a.
18 *
276
Boiler.
lappisch gallat 1 ), guldalet „Me“, Suomi hurmeet, hermut „Sinnes
werkzeuge“, aber koke „befühlen, versuchen“, syrjänisch
kuz’a a ) „i n t e 11 i g o“; zur anderen türkisch (synamaq) 3 ),
(denemek) 4 ) „eprouver, essayer“, wotjakisch sedis’ko 5 )
„fühlen, merken “, jeto 6 ) „anrühren, berühren“, Mandzu
■ 1
(c'enteme) 7 ) „eprouver quelque chose, examiner si une
cliose est bonne ou mauvaise“ = jakutisch umui 8 ) „Befüh-
lung, Betastung, Untersuchung“, Suomi tunte = lappisch
dovdat „fühlen“, Inchoativ zu türkisch (doüimaq) 9 ) „s’ap-
percevoir, comprendre“.
Er-t „verstehen“. Mongolisch^ (erkicekü) 10 ) „verstehen,
begreif6n “, jakutisch icrr 14 ) „hören, verstehen“, lappisch
jierbme = miella „der Sinn“.
Esz „Verstand“. Wotjakisch wiz la ) „Verstand, Weis
heit, Einsicht“, türkisch (ous) 1S ), osttürkisch ^„j I (is)
„intelligence, esprit“, mongolisch <
( u X a X°) 14 )
„ v e r-
stehen, fassen, begreifen“.
Etek „Speise“. Mongolischj!
<9
(idegen) 15 ) „Speise“, tür
kisch jlrl (etmek) 10 ) „Brot“, neben der Wurzel jA*, (jemek) 16 ),
jakutisch ciä 17 ) „essen“, Suomi syö etc.
Ev „Jahr“. Suomi vuote, mongolisch \ (dzil) 18 ), türkisch
tatarisch (jil), jakutisch cu.i, i.mm 19 ), Mandzu jy- (se) 30 ) „annee,
äge “.
*) Stock fl eth, Norsk. Lapp. Ordbog, p. 215, a. 2 ) Castreu, Gramm. Syrj.
p. 145, a. 3 ) Kieffer et B. II, p. 122, a. 4 ) Ebendas. I, p. 535, a. 5 ) Wiede
mann, Wotj. Gramm, p. 330, a. 6 ) Ebendas, p. 307, a. 7 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantcb. II, p. 445. 8 ) ßöhtlingk, Lex. p. 121, b. 9 ) Kieffer et B. I, p. 566, a.
10 ) Schmidt, Lex. p. 321, c. 41 ) Sitzungsh. Bd. XVII, p. 233, s. v. ert und Nachträge
p. 392. 12 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 338, b. 13 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 244.
s. v. ösmer. 14 ) Sch m id t, Lex. p. 47, b. 15 ) S c h m i d t, Lex. p. 40, c. 16 ) Schott,
Über das Aitaische etc. p. 81. 17 ) ßöhtlingk, Lex. p. 165, b. 18 ) Schmidt, Lex.
p. 304, a. 19 ) ßöhtlingk, Lex. p. 124, a. 20 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 33.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
277
Fäj „Schmerz, schmerzen“. Suomi pakko „ Schmerz
türkisch (aghry) ] ) „douleur“, tatarisch(auru) 2 ).
Farad „ermüden, sich bemühen“. Türkisch Jfljy (ioroul-
maq) 3 ) „se fatiguer, etre las, fatigue“, mongolisch
(cocagha^o) 4 ) „ermüden“, Suomi puuja = puuha „mühsam
arbeiten, viel Mühe haben, sich bemühen“, syrjänisch
mydzja 5 ) „fatigor“, und unter weicher Form jakutisch äpäi 8 )
„Mühe, Anstrengung, Beschwerde“.
Fä-zik „frieren, kalt sein“. Ostjakisch nöTaje 7 ) „kalt
werden, frieren“, Suomipalele „Kälte empfinden, frieren“,
Mandzu j? (peikun) s ) „ fr o i d, l e fr o i d “. Die Wurzel pak (fagy)
liegt offenbar auch in dem Mandzu ? (pakdzame) 9 ) „geler, se
cailler, congeler“, Suomi paa-ta „sich verhärten, zusam
menbacken und ankleben“ = pah-ta „gerinnen“.
Fek „Halfter, Zaum“. Mongolisch f (^adzaghur) 10 )
„Pferdezaum“, türkisch £y (jugen) „Zügel“, Suomi johta
„lenken“ 11 ).
Fel „Hälfte“, Suomi puoli, ostjakisch pelek la ) etc., türkisch
(beulmek) 13 ) „partager, di vis er“.
Fel „fürchten“. Suomi pelka, mordvinisch päl(ä) 14 ), Mandzu
(ol^ome) 15 ) „craindre, avoir peur“, mongolisch <J (uuli-
1
^o) l0 ) „sich fürchten, erschrecken“.
i) Kieffer et B. I, p. 64, b. 2 ) Sitzungsb. p. 330, s. v. fäj. 3 ) Kieffer et B.
IT, p. 1287, b. 4 ) Schmidt, Lex. p. 334, c. 5 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 146, b.
6) Biihtlingk, Lex. p. 17, a. 7 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 93, a. 8 ) Amyot, Biet.
Tart. Manteb. III, p. 531. 9 ) Ebendas, p. 524. Schmidt, Lex. p. 145, a. 41 ) Schott,
Über das Altaische etc. p. 107. lä ) Sitzungsb. B. X. p. 64. 13 ) Kieff er et B. I, p. 247, b.
14 ) Sitzungsb. B. X, p. 52. 45 ) Amyot, Dict. Tart. Mantcli. 1, p. 212. 16 ) Schmidt,
Lex. p. 44, a.
278
Boiler.
Fern „Metall“. Mandzu“j^ (veme) *) „fo ndre“, 4 (vembu-
me) *) „fondre du metal au feu“, vgl. banya.
Feny „Glanz“. Mandzu 4 (fosome) 3 ) „briller d'eclat“, ^
(foson) 3 ) „clarte“, türkisch (parlamaq)s) „briller“, Suomi
paista „scheinen, leuchten“.
Fer „Platz, Raum haben“. Das Denominativ zu Mandzu 2?
(ba) 4 ) „lieu, endroit“ = mongolisch ^ (bai) 5 ).
Fereg „Wurm“. Mongolisch \
(X oro Z a 0 6 ) »Wurm, I n-
s ect“.
Ferfi „Mann“. Syrjänisch veräs 7 ) „vir“, mongolisch J (ere) 8 )
„Mann, männlich, mannhaft“ jakutisch äp °) = türkisch jl,
(er) „Mann; Kraft, Ausdauer“. Also gleichstämmig mit erö,
das wahrscheinlich wie die gleichen türkisch-mongolischen Formen
einst einen consonantischen Anlaut besass.
Fesü „Kamm“. Ostjakisch kundzep 10 ) „Kamm“, bulgarisch
ras-cesuvam 1 ‘) „kämmen“, Suomi harja, tscheremissisch serge.
Feszek „Nest“. Suomi pesä 13 ) etc., Mandzu ■<! (feje) 1S ),
türkisch (louva) 14 ) „nid“.
Fo „Haupt“. Suomi pää, jakutisch 6äc 15 ), türkisch J*\j (bas)
„Kopf“.
Fö, fbz „kochen, sieden“. Syrjänisch
Mandzu 4 (fujeme) 17 ) „ b o u i 11 i r“, aber
i
pua 16 ) „coquo“,
P (budzume) 1S )
*) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 239. 2 ) AmyotUI, p. 183. 3 ) Kieffer
et B. I, p. 205, a. 4 ) Amyot, Dict. Tart. Mantsch. I, p. 505. 5 ) Sitzungsber. B. XVII,
p. 234. s. v. fer. 6 ) Ebendas, p. 335, s. v. fojt 7 ) Castren, Gramm. Syrj. i63, a.
8 ) Schmidt, Lex. p. 30, b; Schott, Über das Altaische etc. p. 96. 9 ) Böhtlingk,
Lex. p. 16, a. 10 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 86, b. 41 ) Cankof, Gramm, der bulg.
Spr. p. 203, a. 12 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 292. 13 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III,
p. 156. 14 ) Kieffer et ß. II, p. 1298,a. 15 ) B öhtli n gk, Lex. p. 131, b. 16 ) Castren,
Gramm. Syrj. p. 153, a. 17 ) A m y o t, Dict. Tart. Mantch. III, p. 205. 18 ) Ebendas. I, p. 576-
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
279
„faire cuire quelque chose“, mongolisch <P (buc'al^o) J )
-)
•D
„kochen, sieden.“
Fü „hlasen“. Ostjakisch pü(e) 2 ) „hl asen“, Suomi puhu id.
Mandzu (^udzuku) 3 ) „soufflet de forge“.
Ful „ersticken, ersaufen“. Reflexiv zu dem Transitiv
fojt *), ' y i e gyul zu gyujl etc. Vgl. Mandzu £ (fazime) 5 ) „se pen-
%
dre, s 1 etrangler“.
Für „bohren“. Türkisch (bourmaq) 6 ) „tourner,
percer avec la tariere“, mongolisch J (öröm) 7 ) „Bohrer“.
Fü „Gras“. Ostjakisch pum 8 ), S. D. pom „Gras“, mongolisch
(ebüsün) ») „Gras, Kraut“, türkisch Opi (ot) 10 ) „herbe,
herbage, paturage“, syrjänisch hydmala 11 ) „cresco“.
Füz „Weide“. Suomi paju, syrjänisch badj 13 ), Mandzu
(fodoxo) 13 ) „saule“.
Füz „schnüren, nesteln, reihen, fassen“. Mongolisch
(dzalgha^o) 14 ) „anreihen, anknüpfen, eines zum Andern
thun“, Suomi jatka „zufügen, verlängern, fortsetzen“.
Gät „Damm, Deich“. Mongolisch £ (^a&ja) 15 ) „Damm,
£
Abdämmung“, f (/aghalda) 16 ) „Absperrung, Verdäm-
1) Schmidt, Lex. p. 119, a. 2 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 93, h. 3 ) Amyot,
Dict. Tart. Mantch. III, p. 119. 4 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 334. s. v. fojt. 5 ) Amyot,
Dict. Tart. Mantch. III, p. 132. 6 ) K i e f f e r et B. I, p. 236, h. 7 ) Schmidt, Lex. p.73,a.
8 J Castren, Ostj. Gramm, p. 94, a. 9 ) Schmidt, Lex. p. 24, a. *°) Kieffer et B.
I. Bd. 118, b. 41 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 138, a. ia ) Sitzungsb. Bd. X, p. 281.
43 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 183. 14 ) Kieffer et B. I, p. 243, a.
15 ) Schmidt, Lex. p. 297, a. 16 ) Schmidt, Lex. p. 143, c.
280
Boiler.
mung“,Mandzu t (kaku) 1 ) „digue“. Vgl. mongolisch “f (ghai-
"i
la^o) 3 ) „hindern, hinderlich sein“, Suomi jassakka „Hin
dern iss“.
Gäz „Furt“. Jakutisch küc 3 ) „waten“, türkisch (guetch-
v
mek) 4 ) „passer, traverser, franchir; depasser, devan-
cermongolisch"t (ghadul/o) 5 )„über einen Fluss setzen“.
Suomi kahla „waten“, syrjänisch keja 6 ) „vado“.
Gege „Kehlkopf“. Mongolisch ? (ehagholai) 7 ) „Kehle,
Gurgel“, Suomi kaula „Hals“.
Gern „Schlagbaum“. Gehört zur Wurzel von gat.
Gep „Maschine“. Aus dem Türkischen (iapmaq)„faire,
operer; eonstruire etc.“ S. eptt.
Gör „gross, lang“. Suomi kaiho, kaihura „schmächtig,
lang, gestreckt“, jakutisch xopoi „in die Höhe schiessen,
lang werden“, ^opoghor „in die Höhe geschossen, lang
von Wuchs“, mongolisch i* (^angghaghar) 8 ) „lang und hager
von Wachsthum“. Wegen des Ausfalles von ngli vgl. tschu
waschisch sor = (sonra) „nac h “, tora = (tanry) 9 )
„Gott“.
Göböly „Mastvieh“. Wotjakisch kwajto n*) „mästen“.
Weiche Form zu hizakodik ?
Gög „Hochmuth“. Mandzu (küva) „auguste“, f
J ) A m y o t, Tart. Mantch. I, p. 339. 2 ) Schmidt, Lex. p. 190, b. 3 )Böht-
1 ingk, Lex. p. 56, b. K ieffer et ß. II, p. 571, a. 5 ) Schmidt, Lex. p. 194, b.
6 ) Ca s tr e'n, Gramm. Syrj. p. 143, b. 7 ) Schmidt, Lex. p. 165, a. 8 ) Ebend. p. 127, b.
9 ) Schott, Überdas Aitaische, p. 105. 10 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 514, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
281
(küvasa) 1 ) „presomptueux, qui se vante“, türkisch jl^T(guv-
enmek) 3 ) „se vanter, se glorifier“, Suomi kehu „sich prah
len, rühmen“. (Vgl. kerkedik.) Gehört zu kevely.
Göz „Dampf“. Wotjakisch kwaz 3 ) „Luft, Wetter“, Suomi
kaase 4 ) „nebeliger Dunst“, jakutisch wc 5 ) „starker, durch
dringender Rauch“.
Gyäm „Stütze“. Mandzu $ (tajame) 6 ) „s’appuyer, se
1
confier“, türkisch (da'iamaq) 7 ).
Gyär „Fa b ri k“. Syrjänisch-kar(a) s ) „fa cio“, türkisch Jx b
(i'aratmaq) „creer“.
Gyasz „Trauer, Leid“. Türkisch (las) 9 ) „deuil“.
Vergl.^sjlä (qazghu) = jiJ (qaighu) 10 ) „chagrin, tristesse“,
Mandzu £ (^ozi^on) „affliction, pleurs de tristesse;
douleur, araertume“, mongolisch "f (ghasal^o) '*) „jammern,
trauern“.
Gyäva „feig, unbehilflich“. Türkisch jlijT (guevsek) ia )
„lache, mou; effemine, poltron“, mongolisch 1 (dzügelen) 1 3 )
1
„weich, sanft, schwach, weibisch, dumm“, Suomi kehno
„debilis, nequam“. Vgl. Suomi pelkuri „feig“, mongolisch ^
(Xalus^o) 14 ) „sich fürchten, verzagen, zurückweichen“
(/alira^ai) 15 ) „nachlässig, träge, abgeneigt, unlustig
o
*) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 468. 2 ) K i e f f e r et ß. II, p. 673, a. 3 ) Wi e-
demann, Wotj. Gramm, p. 314, a. 4 ) Magyar Nyelveszet II. Füz. p. 85, b. 5 ) ßöht-
lingk, Lex. p. 33, a. 6 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 206. 7 ) Sitzgsb. Bd. XVII,
p. 379, s. v. tamasz. 8 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 143, a. 9 )Kieffer et ß. II,
p. 1249, b. 10 ) Ebendas. II, p. 541, a. 11 ) Schmidt, Lex. p. 196, a. 12 ) Kieffer etB.
II, p.665,a. 13 J Schmidt, Lex. p.313, c. 14 ) Ebend. p. 136, c. 15 ) Ebendas, p. 136, b.
282
Boiler.
zur Arbeit“, wotjakiscli kurdes 4 ) „furchtsam“, türkisch
(qorqmaq) 2 ) „a v o ir p e u r, cr a i n d r e“.
Gyek „Eidechse“. S. gyik.
Gyekeny „Binsenmatte, Matte“. Mongolisch ^ (cikir-
sun) 3 ) „einevonBinsen oderBastge webte Matte“, ostja-
kisch jegan 4 ) U. S. jekü „Schilfmatte“ (vgl. käka), wotjakiscli
jaby, kaby, kab „Matte“.
Gyep „Rasen“. Jakutisch KBipnic 5 ) „Rasen“, mongolisch ^
(dzim) 6 ) „ aus g es tochene r Ras e n“, türkisch .jAjf (kesek) 7 )
„gazon“.
Gyer „schütter, dünn, licht“. Syrjänisch gezäd 8 ) „rarus,
hauddensus“, Mandzu f (^arpa/ön)°) „rare, clairseme“,
Suomi harva, „undicht, selten“.
Gyik „Eidechse“. Türkischer(kieler) 10 ), wotjakiscli kengal 1 '),
mongolisch 3* (kürbel) 12 ) id. Suomi sise-lisko, sisa-lisko, sisär-lisko,
syrjänisch dzjodzjuu 13 ) „lacerta agilis“, ostjakisch cacT, S.
caca^ 14 ) „Eidechse“.
Gyögyit „heilen“. Wotjakisclikatjalo 15 ) „heilen“, Suomikostu
„genesen“.
Gyliz „siegen“. Jakutisch Kwai 10 ) „siegen“, Suomi voi-tta;
Gyü-I „sich versammeln“, gyüj-t „sammeln“. Suomi
joukko „Haufe, Versammlung“, mongolisch "a* (ghura/o) 17 )
„sich versammeln“. Vgl. csod.
!) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 312, b. 2 ) Kieffer et B. II, p. 320, b.
3 ) Schmidt, Lex. p. 326, b. 4 )Castren, Oslj. Gramm, p. 83. 5 ) Bölitling-k, Lex.
p. 64, a. 6 ) S ch m id t, Lex. p. 303, c. 7 ) Kie ff er et B. II, p. 606, a. 8 )Castren,
Gramm. Syrj. p. 140, a. 9 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 374. 10 ) Kieffer et
B. II, p. 626, a. A1 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 300, a. 12 ) Schmidt, Lex.
p. 208, b. 13 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 139, a. 14 ) Castren, Ostj. Gramm,
p. 96, a. 15 ) Wiedemann , Wotj. Gramm, p. 309, a. 16 ) B ö h 11 i n g k, Lex. p. 60, b.
l 7 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 233, s. v. gyöz.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
283
Gyür „kneten“. Mongolisch 3* (kübürlekü) *) „kneten
!)
r
■ j
■q>
(Teig), durchrühren“ = 3 (dzughura/o) *) „einrühren,
zu rechte machen“ (Teig).
Gyü-1 „brennen“, gyüj-t „anzünden“. Wotjakisch dzualo
„brennen“, syrjänisch özta „accendo“.
Gyiilöl „hassen“. Suomi viha, syrjänisch oz (Ev. Üb.), mon
golisch d (üsikü) 3 ) „hassen“, Mandzu f, (sejeme) 4 ) „h a'ir “.
& X
Gyürü „Ring“. Türkisch (jüzük) „bague, anneau“,
tschuwaschisch sürü 5 ) „Ring“, ostjakisch Tyjrr 0 ) „Fingerring.“
Gyüszü „Fingerhut“. Türkisch j(iuksuk) 7 ) „de ä
coudre“, jakutisch cy’ryu 8 ) id. mongolisch T (chorobci) °),
Mandzu f (sorko) 10 ) id. ^
Häbor „Aufruhr“. Mongolisch % (kimural) 1J ) „Aufruhr,
I '
Aufstand“.
Häg „steigen, treten, schreiten“. Jakutisch xäiw 12 )
„schreiten, im Schritt gehen“, ostjakisch xarj^en 13 )
„Trepp e“, syrjänisch kaa 14 ) „scando“, tscheremissisch kuz(e) 15 ),
mongolisch(kiskikü) 10 ) „treten, gehen, steigen“.
"o>
Häj „Schmeer“. Jakutisch xaca 17 ) „Rauch fett“, Suomi
kuu, syrjänisch cög 1S ) etc.
*) Seh midt, Lex.p.207, b. 2 ) Sitzungsb. Bd. XVII, p.339, s.v. gyur. 3 )Schmidt,
Lex. p. 78, a. 4 ) Arajot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 39. 5 ) Schott, Über das AI-
taische etc. p. 103. 6 ) Castrdn, Ostj. Gramm, p. 100, a. 7 ) Kieffer ct B. II,
p. 1293, a. 8) Böhtlingk, Lex. p. 162, b. 9 ) Schmi d t, Lex. p. 171, a. i«)Schott,
Über das Altaische etc. Nachträge p. 14G. “) Schmidt, Lex. p. ISO, a. * 2 ) Böht-
lingk, Lex. p. 79, a. 13 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 82, a. 14 ) Castren, Gramm.
Syrj, p. 143, a. 15 ) Castren, Gramm. Tscher. p. GS, a. 1G ) Schmidt, Lex. p. 201, a.
17 ) Böhtlingk, Lex. p. 84, b. i») Sitzungsber. Bd. XVII. Nachtrag p. 391,
s. v. ägy.
284
Boiler.
Häkle „Phlegma“. ) Mongolisch ^ (xakiru^o) ')
Häkog „sich räuspern“. ( fl
„ausspeien, den Schleim aus dem Halse aus
werfen“.
Häl „übernachten“. Ostjakisch xö^e, türkisch (qon-
maq) 2 ) id.
Häla „Dankbarkeit“. Slawisch XBa-ia s ) „laus, gratia-
rum actio“, jakutisch xajacaji 4 ) „Lob, Ruhm“, Mandzu t
i
i
(yuksime) 5 ) „se louer extremement de quelque chose“, f
in
\
(yuksime gönime) 5 ) „avoir un coeur reconnaissant;
l
r e c onn o 11 r e “. Mandzu (kija kijame)°) „appr o u v er, 1 o u er“.
\
Gehört zu köszön, Suomi kiitä „danken“.
Halo „Netz, Garn“. Ostjakisch xö^ap 7 ) „Netz“, mongolisch
(ghabei^o) s ) „mit dem Netze fischen“, j“ (^aghadusun) °)
i i
„Fischreusen“, $ (gülmi) i0 ) „das grosse Netz, Fisch
netz = jakutisch iliM, türkisch - tatarisch ^ 11 ), wot-
jakisch kaltom la ) „Zugnetz“.
Hälyog „Staar, Augenfell“. Suomi kaihi, kaihet „d er Staar“,
silmän kalvo „das Augenfell“. Die Suomi-Wörter bezeichnen wie
*) Schmidt, Lex. p. 130, c. a ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 364, s. v. ölt und 386,
s. v. vendeg. ®) Miklo sich , Lex. ling. slov. p. 192,b. 4 ) Böh tlin g k , Lex. p. 80, a.
5 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 125. 6 ) Ebendas. I, p. 55. 7 ) Castren, Ostj.
Gramm, p. 82, a. 8 ) Schmidt, Lex. p. 202, c. ®) Ebendas, p. 131, b. «>) Eben
das, p. 207,. c. A1 ) Böhtlingk, Lex. p. 38, a. 12 ) Wiedemann, Wotj. Gramm,
p. 309, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
285
kaiha „Dunkelheit, Schatten“ = kalvet „schattiger Ort“,
türkisch (gueulge) *) „ o m b re“, Mandzu jj' (^elmen) 2 )
„ombre“.
Häm „Pferdegeschirr“. Mongolisch # (/om) 3 ) „Kummet,
Unterlage für die Last der Kamele“ = Mandzu f (komo) 4 )
$
jf (kobcime) 5 ) „bäter ou seller un cheval ou töute autre
bete“, türkisch pjT(guvem) 6 ) „armure de cheval, barde“.
Häm „Schale, Balg, Oberhaut“.]
Hämlik „sich schälen, häuten“.)Wotjakischköm 7 )„Rinde“.
Hämöz „schält ab“. )
Mandzu ^ (X°X°) 8 ) »gousses de haricots etc.“ mong. i
i
D
(xaghudasun) 9 ) „Baumrinde“. Die Wurzel liegt in mongolisch
f (xaghurxo) 10 ) „abreissen, sich losreissen“, jakutisch
»-
<
r
<b
xaja — mongolisch f (/aghu) „entzwei“. Vgl. mong. £
l
(^alisun) 12 ) „Schale, Spreu, Haut, Membran“, jakutisch
xaTMpHK 1S ) „Rinde, Fischschuppe“ = türkisch ls (qairi)
= karej = mongolisch t (^airasun) 13 ) („ Fis ch s chupp e “).
Häny „werfen; sich erbrechen“. Mongolisch f (xa-
\
J a X°) 14 ) »werfen, schmeissen, wegwerfen“; daher mit
*) Kieffer etB.I, p.669,b. 2 ) Amyo t, Dict.Tart.Mantch. III,p.52. 3 ) Schmidt,
Lex. p. 166, b. 4 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 424. 5 ) Kieffer et B. II,
p.673,b. 6 ) Ebendas, p. 482. 7 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 311, b. 8 ) Amyot,
Dict. Tart. Mantch. I, p.449. 9 ) Böhtlingk, Lex. p. 76,b. 10 ) Schmidt, Lex.p. 132,c.
u ) B ö h tl ingk, Lex. p. 80, a. 12 ) Schmidt, Lex. p. 136, a. 13 ) Böhtlingk,
Lex. p. 76, b. * 4 ) Schmidt, Lex. p. 144, b.
286
Boiler.
hajtt gleichstämmig *). Suomi ku’o „sich erbrechen, speien“,
aber freq. kakaise id.
Häny „wie viel“, jakutisch xaja 3 ) „welcher“ (relativ),
xauua „wie viel“ (rel. und interrog.).
Härit „wälzen; abwenden, ableiten“. Jakutisch
KÖHyö 3 ) „entfernen, fern halten, ab weichen“, liöqypyT
„zur Seite schieben, weg wälzen“, mongolisch ’f (ghar/o) 4 )
„hin ausgehen, her au s ko mmen“.
Härom „drei“. Mongolisch)? (ghorom) 5 ), Suomi kolme etc.
Hat „Rücken“, jakutisch Kö^yc 6 ) „Rücken“, Suomi selkä
0 = $)•
Häz „Haus“, ostjakisch xot, xüt „Zelt, Haus“. Suomi
koti, tscheremissisch kuda „domus“, slawisch xbima, xbiaa, Xbi3i
„domus“.
Hej „Schale, Rinde“, mit ham gleichstämmig.
Heja „Stock-Taubenfalke, Habicht“, syrjänisch kalja 7 )
„falco milvus“, lappisch kuolek.
Hev „Hitze“. Ostjakisch ^odzem 8 ) „lieiss “, mongolisch f
(xalaghun) 9 ) „heiss, Hitze = Mandzu | (X^X® 11 ) 10 ) « cha-
leur; chaud“, Suomi kuuma „heiss“, türkisch jhö^(gueinuk) 11 )
„fievre chaude“.
Hezag „Lücke, Zwischenraum“.Mongolisch*^ (däabsar) 12 )
„Zwischenraum“, Suomi vaihet „was zwischen ist, Zwi
schenraum“, wohl gleich jakutisch xajarac „Loch“, und mit
diesem zur Wurzel welche mongolisch ^agb-ara/o, /agb-ar^o liegt
gehörend.
1) Sitzungsb. Bd. XVII, p. 339, s. v. hajo und 341, s. v. hajt. ä ) ßöhtlingk,
Lex. p. 80, a. 3 ) ß. p. S6, 1). 57, a. 4 ) Schmidt, Lex. p. 193, c. 5 ) Hunfalvi.
6 ) Bölitl ingk, Lex. p. 57, a. 7 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 143, a. s )Castren,
Ostj. Gramm, p. 82, b. 9 ) Schmidt, Lex. p. 135, b. 10 ) Amyot, Dict. Tart.
Manlch. III, p.'419. «) Kieff er et B. II, p. 675,b. 12 ) Sc hmi dt, Lex. p. 293, b.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
287
Hi „rufen“. Suomi huu-ta. Mandzu | (chülame) *) „appe-
I
ler“, türkisch yä (qyghyrmaq) 2 ) „appeler quelqu'un,
c r i e r “.
Hi „Mangel“. Suomi kaipa „vermissen“, mongolisch
(X or X a K) 3 ) „Mangel“, türkisch jLSl (eksik) 4 ) „deficit, de-
faut, manque“.
Hid „Brücke“. Mongolisch 2 (kegiirge) 5 ), (kügürge) °),
Suomi silta.
Hig „flüssig“. Wotjakisch kizer’ 7 ) „dünn, flüssig“, mon
golisch ^ (singgen) 8 ) „dünn, flüssig“ (vgl. wegen s=h unter
1
hügy).
Him „Stickerei“. Persisch-türkisch IssT(kiem^a) 9 ) „damas,
etoffe ägrandes fleurs“, mongolisch f (^argham) 10 ) „Blu
men Stickerei auf Stoffen“.
Hir „Ruf, Nachricht“. Mandzu (kebu) '<) „nom, repu-
tation“, türkisch-tatarisch ol (at), jakutisch üt „Name“, äTTäx,
„berühmt“. Gehört obgleich weich, wahrscheinlich zu hi, wie dem
Mandzu 'S, das harte f zur Seite geht. Vgl. indessen noch Suomi
1
kuulisa „ b e rü h mt“.
Hö „Mond“. Suomi kuu, mordvinisch koo 13 ).
Hö„Schnee“. Türkisch jlä (qar) 13 ), mongolisch
*) A m y o t, Dict. Tart. Mantch. I, p. 489. z ) Sitzungsber. ßd. XVII, p. 342, s. v. hi.
3 ) Schmidt, Lex.p. 171, c. 4 ) Kief f e r etß.I, p. 79, b. 6 ) Schmidt, Lex. p. 149, a.
6 ) Ebendas, p. 182, b. ? ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 310, b. 8 ) Schmidt, Lex.
p. 332, c. »)Kieffer etß. II, p. 637, a. *°) Schmidt, Lex. p. 142, a. «JA'myot,
Dict. Tart. Mantch. III, p. 18. Sitzungsb. ßd. X, p. 34. * 3 ) Kieffer et B. II,
p. 413, b. 14 ) Schmidt, Lex. p. 320, b.
288
Boiler.
fmnmärkisch (lappisch) vasso 4 ) „sno“, aber schwedisch-lappisch
wuop 2 ) „tiefliegender Schnee“.
Hödol „huldigen“. Jakutisch mtliktü =) „achten, ver
ehren“, mongolisch <f (chutuk) „Ehrwürdigkeit“.
Hölyag „die Blase“. Türkisch (qovouq), jakutisch
xaöax 4 ) „Blase im Körper“, türkisch (qabarmaq) 5 ).
„se gonfler, enfler“, Mandzu ^ (fuka) <<) „vessie“, syrjänisch
gadj 7 ), wotjakisch piu 8 ), lappisch puojek.
Hon „Achsel“. Mandzu £ (o^o) 9 ) und £ (o) „aisselle“,
<D
jakutischxohhox 10 ) „Gegend unter dem Arm, Achselhöhle“,
türkisch (qoltyq) „aisselle“, Suomi kain-alo.
Hö „Hitze“, s. hev.
Hölgy „Braut, jungesPrauenzimmer“. Türkisch ^5
(sic) (guelin) 1J ) „epouse, fiancee, belle fille“.
Hölgy „Hermelin“. Mandzu jj (ul^u) 12 ), Suomi kiirppä,
ostjakisch coc 13 ), mongolisch
(ujeng) ,4 ).
Hös „Held“. Türkisch (qotch), jUy (qotchaq) 15 )„Sol
dat c o u r ag e u x“, jakutisch xocyH 1 «) „verwegen , kühn “,
xocyH äp „Held“, tscheremissisch kostan 17 ) „audax.“
Hügy „Urin“. Suomi kusi, türkisch _l)(sidik) 18 ),
jakutisch in 18 ), mongolisch £ (sigesü) ,s ) „Urin“, Mandzu
1
deme) „pisser“.
(si-
*) Sto ckfleth, Norsk. lapp. Ordbog. p. 628, b. 2 ) Schott, Über das Altaische etc.
p. 112. 3 ) B.öhtlingk, Lex. p. 30, b; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 343. s. v. hodol.
4 ) Böhtlingk, Lex. p. 86, b. 5 ) Kieffer et B. II, p. 433, a. 6 ) Amyot, Dict.
Tart. Mantch. III, p. 193. 7 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 139, b. 8 ) Wiedemann,
Wotj. Gramm, p. 310, b. 9 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 186. 10 ) Böht
lingk, Lex. p. 86, b. 14 ) Kieffer et B. p. 629, b. 12 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantch. I, p. 270. 13 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 96, b. 14 ) Schmidt, Lex. p. 76, b.
15 ) Kieffer et B. II, p. 317, a. 16 ) Böhtlingk, Lex.jp. 89, a. * 7 ) Castren,
Gramm. Tscher. p. 64, b. 18 ) Böhtlingk, Lex. p. 34, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verhuins.
289
IIüsz „zwanzig“. Wotjakisch-syrjänisch kyzj *) „viginti.“
Das mongolische ^ (^or-in) zeigt, dass ^or = hüsz die Zehn noch
nicht enthalte (in = türkisch (on) = Mandzu ^ (dzuan),
mongolisch ^ (arban)). Das mongolische ^or ist vielmehr =
(Xus) a ) „ein Paar“ = syrjänisch gozja 3 ) „par, bini“.
Hüz „ziehen“. Ostjakischnece(M) S.D. Kocce(M) 4 ) „reissen,
ziehen“, wotjakisch kysko 5 ) „ziehen“, lappisch keset, Mandzu
|1 (gocime) 6 ) „tirer, attirer“.
£
Hü „treu“. Lappisch jakke-t „ tro “, mordvinisch käm-ams
„glauben“ (Ev. Üb.), Suomi uskollise „treu“, Mandzu V
(akdame) 7 ) „avoir confiance en quelqu’un, le croire“,
mongolisch (itegekü) 8 ) „glauben, vertrauen“.
t
Hü-s „kühl“. Suomi kylmä, syrjänisch ködzyd °) „frigidus“,
wotjakisch kün 10 ) „kalt“, mongolisch küidün, id. keco 1 „frieren
kalt werden“. Vgl. fäzik.
lj „Bogen“. S. l'v.
Iny „Zahnfleisch“. Suomi i’en, Plur, ikenet, mongolisch
^ ■' (siki mi^an) ia ) „das Zahnfleisch in den Zwischen
räumen der Zähne“; Mandzu ^ (x e X ei ' e ) 1S ) » gencive“.
Ir „schreiben“. Suomi kirjoitta „schreiben, zeichnen“,
türkisch (iazmaq) 14 ) „ecrire“, Mandzu d (nirume) 15 ) „pein-
dre, d essin er“.
A ) Castren , Gramm. Syrj. p. 146, h; Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 316, a.
2 ) Schmidt, Lex. p. 176, b. 3 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 140, a. 4 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 86, b. 5 ) Wiede mann, Wotj. Gramm, p.316, a. 6 ) Amyot. Dict. Tart.
Manlch. p. 440. 7 ) Ebendas. I, p. 70. 8 ) Schmidt, Lex. p. 40, c. 9 ) Castren,
Gramm. Syrj. p. 146, b. 10 ) W ied e m an n, Wotj. Gramm, p. 313,b. 11 ) Ebendas, p. 309, b.
12 ) Schm idt, Lex. p. 366, a. 13 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p.40. 14 ) Sitzangsh.
Bd. XVII, p. 238, s. v. ir. 15 ) Ain y o t, Dict. Tart. Mantch. I, p.316.
Sitzh. d. phil.-hist. CI. XIX. Bd. II. Hft.
19
290
Boiler.
fr „Salbe“. Suomi ihra, mongolisch f (sürcikü) ’) „be-
rj
u
<9
streichen“.
lv „B ogen“. Suomi joutsi, syrjänisch vudz' 2 ), lappisch juoks,
ostjakisch jögot.
Iz „Geschmack“. Syrjänisch vidi „kosten“, türkisch
(dad) 3 ), „goüt, saveur“.
Iz „Gelenk“. Türkisch J)| (an) 4 ) „ articu I ati o n, jo in
tu r e jakutisch cycyöx 5 ) „Gelenk“.
Jar „gehen“. Türkisch (varmaq) G ), jakutisch 6ap «)
und ijapöai 7 ) „gehen“, tscheremissisch käst(a) 8 ) „eo, pro-
ficiscor“, lappisch vadze-t, ostjakisch jäna(m) 9 ), Mandzu-mon-
golisch (jabujjo) 10 ) „gehen“, das somit die Wurzel enthält.
b
Jätek „Spiel“. Ostjakisch jant-kem, jantchem 11 ) „spielen“,
wotjakisch sudo 12 ) „s pi eien“, Suomi soitta, mongolisch £ (^u-
I
sung) 13 ) „Spiel, Scherz“, (naghad^o) u ) „spielen,
scherzen“, türkisch (o'ioun, o'iun) 15 ) „jeu, raillerie“.
Jeg „Eis“. Ostjakisch jenk, Mandzu ^(dzu^e) 16 ) „glace“.
Jd „gut“, job „rechts“. In ersterer Bedeutung mongolisch
f (sain) 17 ) „gut, schön; edel“, ostjakisch jem 18 ), jemm „gut,
schön“, Suomi hyvä, jakutisch yTyö, türkischj (ejü) 19 ); in der
zweiten jakutisch yija „recht, rechte Seite“, Suomi oikia,
4 ) Schmidt, Lex. p. 375, b. 2 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 164, b. 3 ) Kieffer
et B. I, p. 500, a; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 344, s. v. fr. 4 ) Ki eff er et B. I, p. 77, a.
5 ) Böhtlingk, Lex. p. 174, a; Sitzungsber. ßd. XVII, p. 344; s. v. fr. 6 ) Ebendas,
p. 128, a. 7 ) Ebendas, p. 123,a. 8 ) Castren, Gramm. Tscher. p.63, a. 9 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 83, a. 10 ) Schmidt, Lex. p. 287, a. 41 ) Castren, Ostj. Gramm,
p. 83, a. 12 j Wiede mann, Wotj. Gramm, p. 331, a. 13 ) S c b m i d t, Lex. p. 177, a.
14 ) Ebendas, p. 80, c. 15 ) Kieffer et B. 1, p. 146, b. 16 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantch. II, p. 531; Sitzungsber. Bd. X, p. 59. 17 ) Schmidt, Lex. p. 336, c. 18 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 83, b. 19 ) Ilunfalvi a’ Török, Magy. es Finn. szök 1 egybebas. p. 139.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
291
türkisch (sagh) 1 ) „droit“, mongolisch^ (ici) 2 ) „rechts,
rechte Seite“.
Jos „wahrsagen“. Mongolisch *<] (dzung) 3 ) „Vorher-
sagung, Wahrsagung“, tscheremissisch muzeda 4 ) „vaticinor,
praedico“.
Jö „kommen “. Ostjakisch jive „kommen“, Mandzu tj^
(dzime) 5 ) „venir“, tscheremissisch so(a) °) „ineo“, (Ev. Üb.)
„kommen“, Suomi tu-le.
Kaba „blöde, stumpfsinnig“, kabit „bethören, be
täuben“. Mongolisch f (^oirghu) 7 ) „ ged ankenlos, unfähig
seine Gedanken oder Meinung auszudrücken.“
Käcs „S chmidt“ =kovacs.
Kämva=käva „Einfassung, Kreuz“. Mongolisch £ (^a-
st
t
silak) 8 ) „die hölzerne Einfassung eines Brunnens, Ein-
fassung oder Kasten“. Gehört daher mit gat zur Wurzel Mandzu
^ (käme) 0 ) „environner, entourer, enfermer“.
Känya „Weihe, Geier“. Belius hat damit bereits das
böhmische kane 10 ), russisch kanjuk 10 ) zusammengestellt. Vgl. jedoch
auch syrjänisch kalja 11 ), „falco rnilvus“, lappisch kuolek, die wir
zu heja gestellt haben.
Kar „Arm“. Mongolisch (ghar) 12 ) „die Hand; der
ganze Arm“, türkisch Jyi (qol) 13 ) „bras“; syrjänisch soj;
gehört wohl zur Wurzel syrjänisch ka-r „faeio“. Vgl. Sanskrit kara
cfTj" „Hand“.
*) H u n f a 1 v i a’ Török, IVlagy. es Finn. szdk’ egybehas. p. 139. 2 ) Schmidt, Lex.
p. 312, c. 3 ) Ebendas, p. 42, a. 4 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 67, a.
5 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 315. 6 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 71, b.
7 ) Schmidt, Lex. p. 160, a. 8 ) Ebendas, p. 146, a. 9 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I,
p. 339. lü ) Gyarmathi, Affinit. ling*. hung. pag. 335, 348. 41 ) Castren, Gramm.
Syrj. p. 143, a. 12 ) Schmidt, Lex. p. 193, a. 13 ) Kieffer et ß. II, p. 526, a.
19 *
292
Boiler.
Kar „Schaden“. Mongolisch f (xoorlaxo) 4 ) „schaden,
Verderben bringen“, jakutisch xopoH „Ein bu sse er 1 eiden“,
xopomi.iy 2 ) „Einbusse, Verlust, Nacht heil“ (dem wieder
zunächst mongolisch (X 0r0 Z 0 ) 3 ) »sich verkleinern, sich
vermindern“ entspricht), türkisch jjl (lazyq) 4 ) „dommage,
perte causee“.
Käroly „Sperber, Vogelfalke“. Ostjakiseh /ardzagan 5 )
„Habicht, Taubenfalke“, mongolisch £ (xarcaghai) 6 )
„Habicht“, tatarisch (qarcaglia) 7 ), jakutisch Kbip^ 7 ),
Kbipöiui 7 ) „Habicht“, ^ (kirghui) 7 ) „der kleine Habicht“.
Käromol „fluchen“. Suomi kiro „Fluch, Schwur“, mon
golisch £ (xarijax 0 ) 8 ) „fluchen, schimpfen, schmähen“,
^1
1
Mandzu d (firume) ») „faire des imprecations contre
quelqu’un“.
Kävit „belfern“. Mongolisch 1 (dzangghoraxo) 10 ) „ i m
Zorne schreien und schimpfen“, Suomi karju, syrjänisch
gorzja “) „clamo, vociferor“.
i) Schmidt, Lex. p. 160, c. 2 ) Böhtlingk, Lex. p. 87, b. 3 ) S c h m id t, Lex.
p. 170, c. 4 ) Kieffer et ß. II, p. 1248, b. 5 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 82, a.
6 ) Schmidt, Lex. p. 142, b. 7 ) Ebendas, p. 158, a. 8 ) Ebendas, p. 140, 1>.
9 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 178. 10 ) Schmidt, Lex p. 295, c. 41 ) Castren,
Gramm. Syrj. p. 140, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
293
Kej „Last, Wonne“. Syrjänisch gaz ‘) „laetitia“, mon
golisch^ (dzugha) a ) „Zeitvertreib, Ergötzlichke i t
(dzughan) a ) „Aufheiterung, Lustpartie“, tscheremissisch
(Ev. Übers.) susu „froh; Freude“, Suomi hupa.
Kek „blau“. Türkisch jJ^(gueuk) 3 ) „bleu turquoise“,
mongolisch 5* (küke) 4 ).
■i
Ni
Kern „Spion“. Türkisch S&jf (gucuzlemek) 5 ), (gueu-
zetmek) °) „obserrer; surveiller; guetter“. Diese Formen
gehen zurück auf (geuz) = (gueur), und erstere ist sicher
ein Denominativ (vgl. szem-lel) vonjjT (gueuz) 6 ) „Auge “. Wollte
man das magyarische Wort eben dahin zurückführen, dann müsste
man eine dazwischen liegende Nominalform (gueuzein) voraussetzen.
Z fällt schon im Türkischen aus wie jakutisch nyx 7 ) „erwarten“
neben nöcyi’ «) „erwarten, gewärtig sei n“ = türkisch
(kutmek) 7 ), ^r_^(guimek) °) „attendre, pati enter“ beweist.
Wie verhält sich nun mongolisch^ (ketekü) 10 ) „ s p i o n i r e n,
kundschaften“ zu diesen Bildungen? Liegt eine einfachere Form
zu Grunde, entsprechend dem harten mongolischen t (x ara X°) “)
i
„sehen, schauen“, Mandzu ^ (karame) ia ) „monter sur un
£
lieu eleve pour decouvrir quelque cho.se“ ^ (karun
cuo^a) 13 ) „soldats qu’on envoie ä la decouverte; eSpi
ons“, welche dann (j [üdzikü] = JUjjT [ji^ü]) den Anlaut
i) Ebendas, p. 139, b. 2 ) Schmidt, Lex. p. 308, b. 3 ) Kieffer et ß. II,
p. 666, b. 4) S chmidt, Lex. p. 181, a. 5 ) K i ef fer et B. II, p. 662, a. 6 ) Ebendas,
p. 666, b. 7 ) ßöhtlingk, Lex. p. 72, b. 8 ) Ebendas, p. 60, b. 9 ) Kief.feret
B. III, p. 675, b. 10 ) Schmidt, Lex. p. 192, b. 1A ) Ebend. p. 139, a. 12 J Amyot,
Dict. Tart. Mantel). I, p. 346. 13 ) Ebendas, p.347.
B
I
294
Boiler.
bewahrt hätte? Mongolisch T (x :n X°) 0 „nachforsche n,
i
untersuchen, erforschen“, Mandzu t (kaibume) 2 ).
!)■
■ 1
Ken „Schwefel“. Mongolisch^ (kügür) 3 ), türkisch ^
■p
(keukurd) 4 ) „souffre“.
Keny „ W i 11 k ü r Türkisch J(köniil) 5 ) „coeur, e s-
prit; volonte, courage“, Mandäu ^ (cij^a) 6 ) „volontiers,
volo ntierem ent “.
Kep „Bild“. Mongolisch"^ (keb) 7 ) „Form, Vorbild“,
jakutisch niäö 8 ) „Form, Gestalt“, Suomi kuva, wotjakisch kem 9 )
„Abbild, Vorhild“.
Ker „bitten, b egehren“.] Die verwandten Sprachen bilden
Kerd „fragen“. eine grosse Anzahl von Formen,
(Keres „suchen“.) j welche sich alle auf eine Wur
zel ka- (ba-), ke- (be-, e-), ki-, ko- zurückführen lassen. Mandzu ?
i
(baime) 10 ) „eher eher, demander une chose qu’on a perdue“
a (baicame)**) „demander, s’informer de quelque chose“,
1
mongolisch“f (ghujuxo) 12 ) „bitten, erbitten“, magyarisch koldus
„Bettler“ (aus dem Intensiv), syrjänisch kora 18 ) „rogo“, tschere-
missisch kice 14 ) „rogo, o r o “, jakutisch iiöp^yö 15 ) „suche n,
bitten, fordern“, Suomi kysy „fragen, suchen, bitten“,
mongolisch A (eriku) 16 ) „suchen, erfragen, forschen“,
“a>
(beterikü) 17 ) „suchen, nachsuchen“. Die Bezeichnungen der
*) Ebend. p. 125, a. 2 ) Amyot, niet. Tart. Mantch. I, p. 571. 3 ) Schmidt,
Lex. p. 162, b. *) Kieffer et B. II, p. 620, a. 5) Kieffer et B. II, p.668,a; Sitzungsb.
Bd. XVII, p. 241, s. v. keny. 6 ) Amyot, Oict. Tart. Mantch. III, p. 448. 7 ) Schmidt,
Lex. p. 147, c. s ) Böhtlingk, Lex. p. 66, b. 9 ) Wiedemann, Wotj. Crainm.
p. 309, b. 10) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 315. 41 ) Ebendas, p. 517. 12) Schmidt,
Lex. p. 206, a. 1 3 ) C astre'n, Gramm. Syrj. p. 144, a. 1 4 ) Ca s tre'11, Gramm. Tscher.
p.64,a. 15 ) B ö h t i ngk, Lex. p. 59, b. S eh midt, Lex. p.31, b. i?) Ebend. p. 106,b.
3>
Q>
I
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
295
Begriffe „suchen“ und „bitten“ sind demnach wohl erst später in
einander aufgegangen und einzelne erhaltene Formen zeigen noch
die ehemalige Sonderung.
Kereg „Rinde, Kruste, Borke“. Suomi kuori „Rinde,
Schale, Kruste“, tscheremissisch kargad, syrjänisch kyrs, Mandzu
f (kövalame) 4 ) „ o t e r 1' e c o r c e “ =
1 (xovalame) = a“ Cx“ va_
z
kijame) 3 ) =
■ 1
<i.
(xövamijame) 3 ) „peler un fruit, un arbre“.
mongoliscl:
-ti
isch (yj
aghor^o) 3 ) „sich trennen, sich ab lösen,
in Stücke zerfahren, gehen“. Vgl. ham.
Kerked „sich prahlen“. Mongolisch (kügürgekü) 4 )
t
„prahlen“, Suomi kerska. Vgl. gög.
Kes „ Messer “. Ostjakisch kedze 5 ), U. S. käcek, 0. S. köcek,
Mandzu ^ (xueii) ‘) „petit couteau.“
Kesö „spät“.-Mongolisch f (^oina) 7 ) „nachher, zurück,
i
hinter; später“, £ (xodzim) 8 ) „spät, verspätet“, Mandzu
f (koitame) ®) „ e t r e long-temps; t a r d e r b e a u e o u p “,
syrjänisch sjor 10 ) „sero“, jakutisch xojyT «) „später“, türkisch
^ guetch „ tard “.
i) Amyot, Dict. T art. Mantch. I, p. 468. ä ) Ebendas, p. 495. *) Schmidt, Lex.
p. 131, 1). 4 ) Ebendas, p. 1S2, c; Sitzungsber. Bd. XVII. p. 242, s. v. kerkedik.
5 ) Ca st re n, Ostj. Gramm, p. 85, b. 6 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 122;
Sitzungsber. Bd. X, p. 60. 7 ) Schmidt, Lex. p. 159, c. 8 ) Ebendas, p. 175, c.
») Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 444. 10 ) Castre'n, Gramm. Syrj. p. 156, b.
41 ) Böhtlingk, Lex. p. 87, a.
—
m
I
296
Boiler.
Kesz „fertig“. Mongolisch^ (kücekü) *) „ganz oder völlig
o>
sein; zum Schlüsse kommen; ein holen“ Vgl. jedoch
das slawische roTOBt „paratus“.
Ket „zwei“. Suomi kaksi, türkisch (ikki), mongolisch
f (xojar 3 ) , Mandzu ^ (dzue) 8 ).
%
Keve „Garbe“. Suomi kupo 4 ), mongolisch | (dzeiidzi) 5 )
%
„ Bündel, Garbe“.
Kez „ Hand “. Suomi käsi (käde), tscheremissisch kit (kiit) °),
türkisch J| (el), jakutisch ill 7 ) = Mandzu kala.
Ktgyd „Schlange“. Wotjakisch koj 8 ) „Schlange“, tschere
missisch kiske 9 ) „anguis“, Suomi kyy.
Ktsert. Missverstandene Zusammensetzung.
Kivan. Ebenso. Vgl. vägy.
Köbor „herumstreichen d“. Mongolisch jp (kübükü) 10 )
$ ’
„herumziehen, nirgends Aufnahme finden“, türkisch
n(khovarda) lf ) „vagabond“.
Kor „Krankheit“. Tscheremissisch karste 13 ) „aegroto“,
ostjakisch kedze, ködze 13 ) „krank“, wotjakisch kyl 14 ) „Krank
heit“, mongolischb (c'ilegekü) 15 ) „erschöpfen“, ij (cilegetäi) 15 )
i |
o
„krank, kränklich“, Suomi kipu „Krankheit“.
Kö „Stein“. Suomi kivi 10 ), wotjakisch kö 17 _), jakutisch naja 18 )
„Fels, Felsgebirge“, türkisch Ls (<jyja) 1S ) „Stein “, mongo
lisch^ (^ata) 1S ) „Fels“ (der harte) = Mandzu +> (^ata) 2(l )
*) S chmi dt, Lex. p. 177, e. 2 ) Sch m i d t, Gramm. §. 76. 3 )Gabelentz,
Gramm. Mandsch. p. 38. 4 ) Magyar Nyelveszet, II, p. 86, a. 5 ) S chm i d t, Lex. p. 299, b.
6 ) Sitzungsber. Bd. X, p.51. 7 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 363, s. v. olt. 8 ) Wiede
mann, Wotj. Gramm, p. 301, b. 9 ) Ca s treu, Gramm. Tseher. p. 64, a. 10 ) Schmidt,
Lex. p. 180, b. 41 ) Kieffer et B. I, p. 489. 12 ) Castren, Gramm. Tseher. p. 63, a.
13 ) Castre'n, Ostj. Gramm, p. 83, h. 14 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 314, b.
lä ) Schmidt, Lex. p. 328, b. 16 ) Sitzungsber. B. X, p. 32. 47 ) Wiedemann,
Wotj. Gramm, p. 311, h. la ) ßöhtlingk, Lex. p. 80, a. 19 ) Se hm id t, Lex. p. 142, b.
20 ) A my o t, Dict. Tart. Mantch. II, p. 388.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
297
„pierre qui a une pointe ou dessus; sommet, pic, les
pierres de la montaigne qui sont les plus liautes“.
Küt „Brunnen, Quelle“. Mongolisch a' (^nttuk) 7 )
„Brunnen“, türkisch j;y (qoi), (qouiou) a ) „puits“, Mandzu
ff (kucin) s ) „puits ou Ton prend de l’eau“, Suomi kaivo
„Brunnen“, kaiva „graben“, ostjakisch xaiHe(»i) 4 ), syrjänisch
kodja 5 ) „fodio“.
Küld „senden“. Tscheremissisch kolt(e) 6 ) „mitto“, jakutisch
ihr 7 ) (ilyäöiH „mitto“) „führen, tragen“, mongolisch 'j, (ile-
"o)
gekü) 8 ) „senden, schicken“, wotjakisch isto 9 ) id.
Lab „Fuss “. S. lep.
Läbb „schweben“. ) Mongolisch £ (dabi^o) „flat-
Lang „Flamme, Lobe“. I T
tern“ = jakutisch ^ai, Suomi lieliu „flattern, flackern“. Läbb
und läng verhalten sieb zur barten Form dai, wie lebb und leng zur
weichen däi 10 ), mit dem Unterschiede, dass erstere die organische
Länge bewahrt haben. Mandzu ^ (dame) “) wird vom Weben des
Windes und der Flamme gebraucht. Ebenso das
(degdzikü) la ) „sieb erbeben zum Fliegen oder Au ff luge,
in Brand gerathen, auflodern“. Vgl. Sanskrit JffqqT (an-ila)
„Feuer“ und 3jqq[ (an-ala) „Wind“ von ^jq (an) „weben“.
Lägy „weich, mild“. Mongolisch ^ (talbighu) 13 ) „locker,
lose, sanft, mild, nach gebend“, Suomi lievä, lieviä „los,
gelinde, leicht“; wotjakisch nebyt i4 ), tozy 15 ) „weich“.
*) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 176, c. 2 ) Kieffei* et B. II, p. 541, a.
3 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 491. 4 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 80, a.
5 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 144, a. 6 ) Ca s tr e n, Gramm. Tscher. p.64, b. 7 )ßöht-
lingk,Lex. p. 38, a. 8 ) Schmidt, Lex. p. 37, c. 9 ) Wiede mann, Wotj. Gramm,
p. 306, b. 10 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 243, s. v. leng. 41 ) Amyot, Dict Tart.
Mantch. II, p. 223. 12 ) Schmidt, Lex. p. 277, a; 313, c. 13 ) Ebendas, p. 233, a.
14 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 319, a. 15 ) Ebendas, p. 333, b.
■
1
-
298
Boiler.
Lät „sehen“.
Mandzu ; (duyame) *) „regarder,
Lätszik „scheinen“, j
examiner 6 , wotjakisch caklako 2 ) „anselie n, beschauen,
betrachten, beachten, Rücksicht nehmen — besuchen“
(Iätogat).
Läz „Aufruhr; Fieber“. Wotjakisch tys'kaskon s ) „Auf
ruhr, Streit, Zwietracht“.
Le=Lev „Brühe“. Suomi liemi 4 ).
Leg „Luft“. ■) Gehören insgesammt zu leli-el. Vergl. jaku-
Lel „Geist“. > tisch tüh 5 ) „Athem, Seele“, ostjakisch
Lelek „Seele“. ) tit 6 ) „Geist, Athem“.
Legy „Fliege“. Mongolisch (ilagha) 7 ) „Fliegen“.
Lep „Milz“. Wotjakisch lab 8 ) id. türkisch (thalaq) °),
Lep „schreiten, steigen“. Wotjakisch Togo 12 ) „schrei
ten, geh e n “, syrjänisch tecjala 1S ) „gradior, passus faeio“,
Ld „Pferd“. Ostjakisch Tay 14 ), ü. S. ujayx, S. S. r jox, tür
kisch o! (at). '
Log „oscilliren“. Mongolisch‘1 (naighu^o) 15 ) „das Hin-
und Herbewegen“ (n = 1).
Lö „schiessen“. Wotjakisch ibo 16 ) id., syrjänisch lyja 17 ).
Lud „Gans“. Tscheremissisch loda „anas“, ostjakisch Tynr 18 ),
S. 'jjoht „ Gans “.
Maj „Leber“. Suomi maksa 18 ), ostjakisch MyroT.
Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 302. 2 ) Wiedemann, Wotj. Gramm,
p. 300, b. 3 ) Ebendas, p. 334, a. 4 ) Sitzungsber. B. X, p. 302. 5 ) Böhtlingk, Lex.
p. 102, a. 6 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 99, a. 7 ) Schmidt, Lex. p. 37, a;
Sitzungsber. Bd. XVII, p. 348, s. v. legy. 8 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 316, a.
9 ) Kieff er et B. II, p. 184, b. 10 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 242. 11 ) Schmidt,
Lex. p. 277, a. 12 ) Wied e mann, Wotj. Gramm, p. 316, a. 13 ) Castren, Gramm.
Syrj. p. 161, a. 14 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 8o, a. 15 ) Schmidt, Lex. p. 78, c.
16 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p.306, a. 17 ) Sitzungsber. Bd.XVlI. p. 346, s. v. lakik.
18 J Castren, Ostj. Gramm, p. 100, a. 19 ) Sitzungsber. Bd. X, p. 51.
i
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
299
Mart „tunken, tauchen“. Türkisch jjcl (banmaq) *)
„t re mp er“.
Mas „ander, sonstig“. Suomi muu, syrjänisch mukäd 2 )„al iu s.“
Meli „Biene“. Tscheremissisch mychs 3 ) „apis“. Suomi
mehiläinen (aus dem Indogermanisclien?).
Meltö „würdig“. Jakutisch mühh 4 ) „Ehrenbezeugung,
Bevorzugung“.
Mely „tief“. Ostjakiscli »ieT 5 ) id.
Mereg „Gift, Galle“. Suomi myrkki „Gift“.
Mfv = mü „Arbeit, Kunstwerk“. Mandzu J 1 (müden) 0 )
„pouvoir, capacite. Art; les six arts“.
Mülik „vergehen, vorübergeh en“. Mongolisch ‘3 (nük
%
$
cikii) 7 ) „Vorbeigehen, vorübergehen “ (m=n).
Näsz „M i t g i f t“. Etwa durch Versetzung das mongolische
1
(indäi) 8 ) „Mitgift, Aussteuer“ (vgl. nevet und mongolisch
3 (inijekü) °) „lachen“).
1
-a>
Negy „vier“. Syrjänisch nolj, türkisch Ojjj(deurt) 10 ), mon
golisch f (diirben) 11 ), Mandzu J (douin) 12 ).
t
X.
Nep „Volk“. Gehört zu nö.
Nev „Name“. Indogermanisches Element, das in die finnischen
Sprachen ühergegangen.
Nez „schauen“. Suomi näke, mordvinisch nej. Mongolisch
A (nidiin) 13 ) „Auge“, 'A (nidülekü) 14 ) „blicken, gucken,
■ i
schauen“, A (nighor) 15 ) „Gesicht, Antlitz“.
4 ) K ieff e r et B. I, p. 184, b ; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 349, s. v. mely. 2 ) Cas tr e n,
Gramm. Syrj. p. 149, a. 3 ) Cas treu, Gramm. Tscher. p. 67, a. 4 ) Böhtlingk,
Lex. p. 147, a. 5 ) Sitzungsb. Bd.XVIl, p. 349, s. v. mely. 6 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantch. II, p. 416. 7 ) Schmidt, Lex. p. 96, a. 8 ) Eibend. p. 36, b. 9 ) Ebendas, p. 36, a.
lü ) Kasembeg, Ed. Zenker, p. 34, ll ) Schmidt, Mong. Gramm, p. 48. 12 ) Ga
be len tz, Eiern, de la Gramm. Mandsch. p. 28. 13 ) Schmidt, Lex. p. 89, a.
14 ) Ebendas, p. 90, a. 15 ) Ebendas, p. 87, b; Schott, Über das Altaische etc. p. 123.
300
B o II er.
No „wachsen“. Ostjakisch enme *) S. D. anme „wachsen“,
mongolisch(nemekü) 2 ) „vermehren, sich vermehren“.
Nö „Weib, Gattinn“. Ostjakisch hch 3 ), U. S. He, 0. S. ui
„verheuratlietes Weib“, Suomi naise „Mädchen, Jung
frau; (verheurathetes) W e i b“, nai „uiorem ducere“,
syrjänisch nyy 4 ), lappisch nieidda 4 ) „virgo, f i 1 i a “, mon
golisch ‘j
(naidzinar) 5 ) „Weib“.
Nyäj „Heerde“. Mongolisch f (sürük) 6 ) „Heerde“,
f
<
osmanisch (süri) 7 ), jakutisch yöp 7 ) „H eer d e“.
Nyäjas „freundlich, höflich“. Mongolisch '4 (nairtai) 8 )
fl
1>
„einstimmig, friedlich, vergnüglich“, jakutisch iäi °)
„freundlich gesinnt gegen Jedermann sein“.
Nyäl „Speichel“. Suomi sylky, tschuwaschisch c.iHire 10 ).
Nyi-1 „sich öffnen“. ) Mandzn i (dzuvame 11 ) „faire une
Nyf-t „öffnen“. j
ou vertu re quelque part“.
Nyir „scheeren“. Syrjänisch $yra 12 ) „tondre“.
Nyul „Hase“. Mongolisch £ (taulai) 13 ) „Hase“.
k.
Nyulik „sich dehnen“. Syrjänisch (Ev. Üb.) njuzöd, mon
golisch f (subaxo) 14 ) „in die Länge ziehen, verlängern“.
Nyuz „schinden“. Lappisch nuow, jakutisch cyl 15 ).
A ) C astren, Os1j. Gramm, p. 80, b. 2 ) S chmi d t, Lex. p. 85, c. 3 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 89, a. 4 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 150, b. 5 ) Schmidt, Lex.
p. 79, c. 6 ) Ebendas, p. 374. 7 ) Böhtlingk, Lex. p. .47, a. 8 ) Schmidt, Lex.
p. 79, b. 9 ) Böhtlingk. Lex. p. 34, a. 10 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p.357, s. v. nyelv.
A1 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch II, p. 534. 12 ) Castre'n, Gramm. Syrj. p. 128, b;
Sitzungsb. Bd. XVII, p. 358, s. v. nyir. 13 ) Schmidt, Lex. p. 227, b; Sitzungsber.
Bd. XVII, p. 362, s. v. nyul. 14 ) Schmidt, Lex. p. 365, b; Sitzungsber. Bd. XVII,
p. 358, s. v. nyelv. 15 ) Böhtlingk, Lex. p. 173, b; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 358, s.
v. nyelv.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums. 301
Nyü „Made“. Mongolisch jj (ötün) J ) „Maden, Würmer“.
0 alt“ 1
/. ’ . , jMandzu < T,('fe') ä ) „ancien, vieux“.
Oes „alt, abgetragen“.! J
On „Zinn; Blei“. Tscheremissisch vulna 3 ), Mandzu ^ (to^o-
lon) 4 ) „etain“. ' tf
Ov „verhüten, beschützen“. Türkisch JJ-ojy (qorou-
maq) 5 ) „defendre, proteger“, wotjakisch wozo „bewahren“,
syrjänisch vidzja 6 ) „eustodio, servo“, Suomi yiitso, tschere
missisch orole 7 ) „eustodio“.
0 „er, sie, es“. Suomi se, ostjakisch Te-ma, syrjänisch syja.
Or „Wache“. Wotjakisch karaul „ Wäcli t er“ = mongolisch
(^araghul) 8 ) „Wache, Aufsicht“, Suomi varova „vorsich-
tig“, £ (/araghu) °) „aufmerksam, besorgt, vorsichtig“.
I
Es sind also in ov und or zwei, wenigstens in ihrer Entwickelung
verschiedene Wurzeln in einander geflossen, von denen die eine auf
die Vorstellung des Einschliessens, die andere auf die des Umschauens
zurückgeht.
Öriil „w a h n sinnig, rasend werden“. Türkisch jyy
(qoudouz, qodoz) enrage, jakutisch iibißtii „toben, wüthen“.
Vgl. Karo = mongolisch "f (ghadusun), T (ghaeugha) „Pfahl,
L
Pfosten “.
Osz „Herbst“. Suomi syys, (innmärkisch-lappisch duofe,
türkisch jjT(gueuz) 10 ), jakutisch nyc 10 ) id.
Osz „grau“. Mongolisch r *j> (buru) , Mandzu 4, (ven-
dzexe) 12 ) „gris“. ^
A ) Schmidt, Lex. p. 75, c. 2 ) Am yo t, Dict. Tart.Mantch. 1, p. 152. 3 ) Castren,
Gramm. Tscher. p. 74, b. 4 ) A m y o t, Dict. Tart. Mantch.Il, p. 271. 5 ) Kiefferet
B. II, p. 521, h. 6 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 339, b, a. 7 ) Castren, Gramm.
Syrj. p. 163, a. 8 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 68, a. 9 ) S c hmi d t, Lex. p. 139, h.
10 ) ßöhtlingk, Lex. p. 74, b. 41 ) Schmidt, Lex. p. 115, b. 12 ) Amyot,Dict.
Tart. Mantch. III, p. 238.
-
-
302
Boiler.
Öz „Reh“. Mongolisch^ (dzör) 7 ).
Pähol „schlagen“. Syrjänisch pesa 2 ) „verbero“, Suomi
piekse. Vgl.das slawischebhth „percutere“, bhub „flagellum“.
Palcza „Stock“. Slawisch najini^a. Vgl. mongolisch (bi-
laghu) 3 ) „ein Stock,.ein Prügel“, wotjakisch body 4 ) (magya
risch böt).
Pota „Knoten, Auswuchs“. Türkisch (boudacj) 5 )
„noeud dans un poutre“ (vgl. bötyök), Mandzu ^ (fus/u) °)
„noeud qui vient aux branches, au tronc de l’arbre“.
Rag „kauen, nagen“. Mongolisch ^ (dzadzil/o) 7 )
„kauen“, wotjakisch siisko 8 ) id.
Ra, rea „auf“. Mongolisch | (degere) ») „oben, über“,
lisch
türkisch(üz) in (üst) „dessus“, (üzre) „en haut“.
Räz „schütteln“. Ostjakisch cepre „geschüttelt wer
den“, also Versetzung statt resg, wotjakisch sezgalo „schütteln“.
Recze „Ente“. Wotjakisch vaci, c’oz 10 ) „Ente“.
Reg „lange“. ) Mongolische! (er-te) u ) „früh, vormals,
Regen „alt“, j
vorzeiten, die Vorzeit“, tscheremissisch ir 12 ) „mane, tem-
pus matutinum“, lappisch aru „zeitig“.
Rem „Schreck“. Nomenactionis zu riin riad „erschrecken“.
Reny „Tugend“. Ist ereny mit Verlust des Anlautes, daher
gleichstämmig mit erdem. Die Länge gehört dem Suffixe an wie in
aräny. Vgl. feny und wegen des Abfalles legy, remeny, ret.
Ret „Wiese“. Türkischjjjl(uru) 13 ) „Ort wo Futtergras
wächst, Wiese, Weidep latz“, tungusisch or^o, orokto, rokta
4 ) Schmidt, Lex. p. 314, c. 2 ) C a s t r e n, Gramm. Syrj. p. 132, a. 3 ) S c h mi d t,
Lex. p. 107, b. 4 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 299, a. 5 ) Kieffer et B. I,
p. 234, 1). 6 ) Amyot, Dict. Tart Mantel). III, p. 214. 7 ) S ch m i dt, Lex. p. 298, c.
8 ) W i e d e m a n n, Wotj. Gramm, p. 362, I». 9 ) Schmidt, Lex. p. 273, a. 10 ) Wiede
mann, Wotj. Gramm, p. 332, a. 1A ) Schmidt, Lex. p. 33, a. 12 ) Castren,
Gramm. Tscher. p. 62, a. 13 ) Schott, Über das Altaische etc. p.97.
m
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
303
„Gewächs“, mongolisch J (orghu^o) 7 ) „wachsen, aufgehen,
s m
sprossen“, lappisch riät a ) „pratum“. Suomi ruohokko, ruohosto
„grasiger Ort“ (ruoho „Gras“).
Ri „weinen“. Indogermanisches Element bei den Magyaren
und Tscheremissen. Vgl. bulgarisch revü 3 ) „ weinen, heulen“
aus pti^aTH.
Rez „Kupfer“. Türkisch J, (jez) 4 ), (jes) 4 ), mongolisch
(dies) 5 ) „Erz, Kupfer“, wotjakisch irgon e ), Suomi vaski.
Also r —j (?).
Rö „einschneiden, einkerben“. Tscheremissisch rae 7 )
„caedo, seco“, Suomi raan.
Rüt „hässlich“. Suomi rietas „ schmutzig, schändlich,
hässlich“. Vgl. das slawische BpiißbKb „foedus“.
Ruh „Krätze“. Bulgarisch sjügü 8 ) „ K r ä t z e“, slawisch
CEptut id.
Sär „Koth“. Mongolisch (sibar) 9 ) „Kotli, kothige
Erde, Morast“, jakutisch cäx 10 ) „Koth“.
Särga „gelb“. Türkisch^Uo(sary) 11 ), mongolisch ,£(sira) ia ).
Säs „Riethgras“. Wotjakisch 3as 1S ), Suomisara 14 ).
Säska „Heuschrecke“. Suomi sirkku 15 ) „Heuschrecke“,
mongolisch ) (carcagher) 16 ) „Heuschrecke“.
t>
Säv, Sävoly „ Streif, Strieme“. Mongolisch
türkisch (tchizmek) 13 ) „tirer des lignes“.
| (sighur) 17 )
A ) S c h midt, Lex. p.37, c. 2 ) Gyarm athi, Affin, ling. hungar. p. 81. 3 )Cankof,
Gramm. d.Bulg. Spr. p.203,a. 4 ) Schott, Über das Altaischeetc. p. 139. 5 ) Schmidt,
Lex. p. 301, a. 6 ) Wiedemann, VVotj. Gramm, p. 306, b. 7 ) Castren, Gramm. Tscher.
p. 70, a. 8 ) Cankof, Gramm, d. Bulg. Spr. p. 216, c. 9 ) Schmidt, Lex. p. 334, a.
10 ) ß öh tl i ngk, Lex. p. 132, a. 1A ) Schott, Über das Altaische etc. 12 ) Schmidt,
Lex. p. 360, b. 13 ) Wiede mann, Wotj. Gramm, p. 330, a. 14 ) Magyar. Nyelv. II,
p. 89, a. 15 ) Ebendas. 16 ) Schmidt, Lex. p. 319, c. 17 ) Schmidt, Lex. p. 336, c.
18 ) Kieffer et B. I, p. 376, b.
1
304
Boiler.
Se „Bach“. Wotjakisch sür 9 ) „Bach, kleiner Fluss“,
ostjakisch cän, türkisch Jw sep. id.
(Ki)-ser „begleiten“. Mongolisch f (dagha/o) 3 ) „folgen,
beglei ten“, Mandzu J (da^arne) 3 ) „ad her er aux volontes
de quelqu’un, suivre quelqu’un“, Suomi seuraa „folgen,
begleiten“.
Ser „schmerzen“. Suomi särke „Schmerz erregen,
schm erzen “.
Sei'v „Leib schaden, Bruch“. Gehört mit dem Vorigen
entweder als Denominativ zu seb, türkisch^, (iara) 4 ) „blessure,
plaie“, mongolisch^ (sir^a) 5 ) „Wunde, Verletz ung“, oder
A
wie das tscheremissische sertnje 6 ) „laedo, off endo“ wahrschein
licher macht, zu mongolisch (daghari/o) 7 ) „auf etwas
i
<t>
stossen, gegen etwas anrennen, etwas streifen; mit
Worten beleidigen; treffen (beschädige n)“. In ersterer
Beziehung (iarmaq) 8 ) „se fendre, etre fendu“, wohl
als weiche Form zu hasit gehörig.
Sik „eben, flach, glatt“. Suomi siliä „glatt, eben“.
Sinlik „siechen“. Wotjakisch condo 9 ) „mager werden“,
mongolisch £ (s'ighu^o) 10 ) „ganz abmagern“, mordvinisch
(Ev. Üb.) sev-ems, sevne-ms „verzehren“.
Sip „Pfeife“. Türkisch Jfliuo (syqlyq) 11 ) „sifflet, coup
de sifflet“, mongolisch 3 (dzimbur) la ) „Pfeife“.
*) Wie dem ann, Wotj. Gramm, p. 331, a. 2 ) Schmi d t, Lex. p.266, a. 3 ) A m y o t,
Dict. Tart. Mantch. 11, p. 198. 4 ) KiefferetB.il, p. 1262, a. 5 ) Schmidt, Lex.
p. 362, b. 6 ) Ca st re n, Gramm. Tscher. p. 71, a. 7 ) S chmidt, Lex. p. 266, c. 8 ) K i e f-
fei’ et B. I, p. 1247, b. 9 ) Wie de mann, Wofj. Gramm, p. 301, a. 10 ) Schmidt,
Lex. p. 366,c. 41 ) Ebendas, p. 114, b. 12 ) Schmidt, Lex. p. 304, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
303
Sfr „Grab“. Tscheremissiscli siger (Ev. Üb.) „Grab“, mon
golisch f (suburghan) 4 ) „Grabmal, Grabpyramide“.
o
r
Sir „weinen“. Tscheremissisch saarakte 2 ) „fleo“, lappisch
cierrot, ostjakisch jice 3 ) „weinen“.
So „Salz “. Jakutisch r ryc 4 ), türkisch jy (tiiz) 4 ), Suomi
suola 5 ) etc.
Solyom „Falke“. Türkisch(doghan) 6 ), (thoghan)
„faucon“.
Süly „Last“. Wotjakisch sekyt 7 ) „schwer“, ostjakisch tü-
ijepx, S. D. TJögepT id. Mongolisch $ (taughai) 8 ) „Gewicht zum
Ab wägen“. Gehört als harte Form zu teher.
Surü „dicht“. Türkisch yy (qo'i) 3 ) „epais“.
Szäguld „g al op p i r en“. Mongolisch J (tabdul^o) 10 ) „in
Galopp rennen“, Mandzu
(torime) “) „galoper“, Suomi
laukka „Galopp“.
Szäj „Mund“. Suomi suu 13 ), ostjakisch tyT etc.
Szäl „Faden, Faser, Halm“. Ostjakisch tet 13 ) „Faden“,
mongolisch 1 (utasun) „Faden“ — hingegen 't (kilghasun) 14 )
„Pferdehaare, grobe, einzelne Haare“.
Szäll „steigen, sich begeben“. Türkisch JyiHä (qalq-
maq) «) „se lever, partir“ etc. Vgl. unter bäg.
A ) Ebendas, p. 367, a. 2 ) Castren, Gramm. Tseher. p. 70, b. 3 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 84, a. 4 ) ßöhtli n gk, Lex. p. 110, a. 5 ) Sitzungsber. ßd. X, p. 289.
6 ) Ki e f f er et ß. I, p. 556, a. 7 ) W i e d ema n n, Wotj. Gramm, p. 526, b. ®) Schmidt,
Lex. p. 227, b. 9 ) Kieffer et ß. II, p. 533, b. 10 ) Schmidt, Lex. p. 279, a.
ir ) Am yot, Dict. Tart. Mantcb. II, p. 280. 12 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 292. 13 ) Ebendas.
14 ) Schmidt, Lex. p. 59, c. 15 ) Ebendas, p. 156, c; Sitzungsb. ßd. XVII, p. 372,
s. v. szüz.
Sitzb. d. phil.-hist. CI. XIX. ßd. II. Hft.
20
Boiler.
306
Szäm „Zahl“. Türkisch (sa'i) ') „no mb re“, mongolisch,^
(togha) a ) „Zahl“, Mandzu £ (ton) 3 ) „nombre“.
Szän „Schlitten“, mongolisch 4 (cäna) 4 ) „Schneeschuhe,
Schlitten“, Mandzu (/uncu) 3 ) „traineau pour courir
sur la glace“, wotjakisch dody °) id.
Szän „bedauern“. Jakutisch cäHapijä 7 ) „trauern“, ostja-
kisch manage 8 ), mara^e „bedauern, beklagen“. (Vgl. das
gleichstämmige sajnal.)
Szan „sich entschl iessen“. Türkisch (sanmaq) 9 )
„penser deurer, souhaiter“, mongolisch £ (sana^o) 10 )
„denken, gedenken“, Mandzu (same) 11 ) „savoir“ (enthält
die Wurzel) jakutisch caHä „Absicht“ la ) etc.
Szänt „pflügen“. Türkisch (sapan) „charrue“, Mandzu
a (andza) „charrue“, mongolisch ^ (andzusun) „Pflug“
1 _ 1
Suomi kyntä „pflügen“.
Szär „Schaft“, Röhre; Stengel, Halm“. Mongolisch
£ (dürei) 13 ) „Stiefelschaft“, Suomi sääri „Wade“, läbszär).
i
Szäraz „trocken“. Ostjakisch copoM 14 ), mongolisch f (x a *
ghorai) 15 ).
Szärny „Flügel“. Mongolisch £ (sibaghun) 16 ) „Vogel“,
*) KiefferetB.il, p. 89, b. 2 ) Schmidt, Lex. p. 246, c. 3 ) Amyot, Dict.
Tart. Mantch. II, p. 286. 4 ) Schmidt, Lex. p. 316, a. 5 ) Amyot, Dict. Tart.
Mantch. 111, p. 324. 6 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 302, b. 7 ) Böhtlingk,
Lex. p. 134, b; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 136, s. v. gyanakodik. 8 ) Castren. Ostj.
Gramm, p. 96, a. 9 ) Kieffer et B. II, p. 88, b. 10 ) Schmidt, Lex. p. 337, b.
1A ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 32. 12 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 236, s. v.
gyanakodik und p. 392, Nachtrag. 13 ) Schmidt, Lex. p. 283, a. 14 ) Castren, Ostj.
Gramm, p. 96, b. 15 ) S ch m i d t, Lex. p. 132, b; Sitzungsber. Bd.X, p. 33 und Bd. XVII,
p. 372, s. y. sziiz. 16 ) Schmidt, Lex. p. 334, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
307
tschuwaschisch sönat *)> türkisch kils (qanat), jakutisch ltbinaT a )
„Flügel“. Mandzu ^(gasxa) 3 ) „oiseau“.
Szaz „hundert“. Türkisch jy (i'uz) „cent“, Mandzu £
U
(tangghu) 4 ), ld. Mongolisch^ (dzaghun) 8 ) „hundert“. ^
Szedül „schwindeln“. Mongolisch f (tencirekii)«) „schwin-
r
4
dein, den Schwindel bekommen“ = Suomi heidy-tha, tr.
Szegyen „Schande, S c h a m“. Tscheremissisch vezl(a) 7 )
„pudet me“, Suomi häpiä, jakutisch cüt 8 ) „Schande, sich
schämen“, mongolisch“f (ghotoburi) 9 ) „Sehande, Schmach“.
o
Szel „Wind“. Suomi tuuli 10 ), türkisch Jj (i'el) „vent“, mon
golisch j^(salkin) “) „Wind“.
Szel „Rand, Bord, Küste“. Ostjakisch myh 12 ) „Rand“,
jakutisch kmtbi i3 ) „Ufer, Rand“.
Szeled „sich zerstreuen“. | Mandzu (tendeme) 14 ) „se-
Szet „aus einander“. j ^
parer, diviser“, f (tel^eme) 15 ) „separer, diviser, se se-
parer“ (i (tel^e) 16 ) == telek „piece de terre“, zugetheiltes
Stück), mordvinisch (Ev. Cb.) sinde-ms „brechen“.
4 ) Schott, Über das Altaische etc. p. 99. 2 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 372, s. v.
szüz. 3 ) Amyot, Diet. Tart. Mantch. I, p. 378. 4 ) Amy o t, Dict. Tart. Mantch. II,
p. 189. 5 ) Schmidt, Lex. p. 295, a. 6 ) Ebendas, p. 240. 7 ) Castren, Gramm.
Tscher. p. 74, a. 8 ) ßöhtlingk, Lex. p. 153, a. 9 ) Schmidt, Lex, p. 205, c.
10 ) Sitzungsber. Bd.X, p.54. li ) Schmidt, Lex. p.343, a. 12 ) Castren, Ostj. Gramm,
p. 97, b. 13 ) Böhtlingk, Lex. p. 62, a; Sitzungsber. Bd.XVlI, p. 372, s. v. szüz.
l4 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 251. 15 ) Ebendas, p. 257. 16 ) Ebendas,
p. 256.
20
308
Boiler.
Szep „schön“. Lappisch coabbe, wotjakisch ceber, Mandzu
| (sabume)‘) „voir“, (sabi)‘) „cliose extraordinaire
q u i est de bon augure et belle a voir“, mongolisch "<£
(ghova) a ) „ansehnlich, schön“.
Szerdek „saure Milch“. Jakutisch Täp 3 ) „gesäuerte,
gekochte Milch“, mongolisch ^(tarak) 4 ) „gesäuerte Milch
nach Abkochung derselben“.
Szi „saugen, ziehen“. Türkisch (sormaq) 5 ) „sucer,
absorber“, tscheremissisch sopsa 6 ) „traho, sugo“ = szorp,
das aus szop -|- r entstanden.
Szij „Riemen“. Tscheremissisch sist (Ev. Üb.) „Riemen“.
Szin „Farbe“. Mongolisch^ „Farbe, Wasserfarbe“
(sir) 7 ). Vergleiche (öngge) 8 ) „Farbe, Aussehen“.
Szft „schüren“. Mongolisch f (silegebur) °) „Schürholz,
Feuerhaken“.
Sziv „Herz“. Suomi sydäme 10 ), mongolisch T (sedkil) 11 )
gehört zu mongolisch T (serekü) ia ) „im Voraus wissen, ver
stehen = Mandzu ^(sereme) 13 ) „savoir, etre eclaire, etre
instruit, savoir dejä“, türkisch (sezmek) 14 ) „croire,
penser, juger, discerner“’. Daher mit sej-di't gleichstämmig.
Szö „W ort“. Suomi sana, türkisch (seuz) 15 ).
*) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 13. 2 ) Sch mi d t, Lex. p. 201, b. 3 )Böht-
ling-k,- Lex. p. 92, a. 4 ) Schmidt, Lex. p. 233, c. 5 ) Kieffer etß II, p. 129, a.
6 ) Ca s tren, Gramm. Tscher. p. 72, a. 7 ) S ch in i d t, Lex. p. 360, b. 8 ) Ebendas, p. 64, b.
9 ) Ebendas, p. 358, c. 10 ) Sitzungsber. Bd. X, p. 54. lA ) Schmidt, Lex. p. 305, b.
12 ) Ebendas, p. 349, c. 13 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 42. 14 ) Kieffer et
ß. I, p. 670, b. 15) Kieffer et B. I, p. 708, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
309
Ször „zerstreuen, worfeln“. Mongolisch^ (tar^a^o) 4 )
4
i
„sich zerstreuen“, tscheremissisch sab „ausstreuen“ —tür
kisch (savourmaq) 2 ) „vanner“.
Szölo „Traube“. Türkisch Jllo (salqoum) s ) „grappe“.
Ször „Haar“. Suomi tukka „Stirnhaar“, türkisch jjy (tük)
„Haar, Wolle“. Vgl. indess Suomi karva „Thierhaar“.
Szörny „Scheusei“. Mongolisch^ (sigliudburi) 4 ) „Scheu-
<
i>
r
A
sal, Gegenstand des Abscheues“, .4 (sighudal) 4 ) „Abscheu,
Wide rwille“.
Szür „stechen“. Mandzu f (tokome) 5 ) „piquer, piercer“,
i.
lappisch suogge „durchbohren“, türkisch J(soqmaq) 6 )
„piquer“.
Szücz „Kürschner“. Wotjakisch suba 7 ) „ Pelz “, jakutisch
coh 8 ) „Pelz“, tobolsk. J>y (Ion) 5 ) „Fell“, (ton), jy „Pelz“.
Szük „eng, dürftig“. Suomi soukka „eng“, mongolisch^
(cighul) 9 ) „eng, knapp, dürftig“, türkisch j^ä.o (syqmaq) 10 )
„presser, serrer, mettre ä l’etroit“.
Szünik „aufhören“. Mongolisch f (sünükii) “) „ v e r-
a>
löschen, ein Ende nehmen“, türkisch (su'iunmek) 12 )
= jiryj (seunmek) „s’eteindre“. Vgl. ej.
*■) Schmidt, Lex. p. 235, a. 2 ) Sitzungsber. Bd. XVII, p. 369, s. v. ször;
Kieffer et B. II, p. 58, b. 8 ) Ebendas, p. 86, b; Sitzungsber. ßd. XVII, p. 370, s. v.
szölo. 4 ) Schmidt, Lex. p. 357, a. 5 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 260.
6 ) Kie f fer et B. II, p. 13i, b. 7 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 331, a. 8 ) Bölit-
lingk, Lex. p. 160, a. 9 ) Schmidt, Lex. p. 326, c. 10 ) Ki ef f er et B. II; p. 115, a.
H) Schmidt, Lex. p.372, c. i 2 ) Kieffer et B. I, p. 712, b.
310
Boiler.
Szür „seihen“. Mongolisch^ (si/ax 0 ) 0 „durch-
1
seihen“, türkisch jl(seuzmek) 3 ) „filtrer“.
Szüz „Jungfrau“, türkisch Jo jä (qyz) „fille“, jakutisch
KbIC 3 ).
Tag, tagas „geräumig“, türkisch Jl (iaz) 4 ) „plaine,
etendue“, tscheremissisch (Ev. Üb.) sar „ausbreiten“, Suomi
lavia, laaja „weit“.
Täj „Gegend, Landschaft“ = türkischjl.
Tämad „entstehen, aufstehen“. Türkisch (dogh-
maq) 5 ) „naitre, selever“.
Tämasz „Stütze“. Mandzu i (dajame) °) „s'appuyer, se
confier, s’appuyer contre quelque chose“, türkisch
(daiamaq) 7 ) „ eta ger “.
Täp „Nahrung“. Ostjakisch TänTe, S. D. njlriTe 8 ) „ernäh
ren“, mongolisch | (tedzijekü) 8 ) „ernähren, aufziehen“.
eröffnen.
Tär „Magazin“. Ostjakisch Tynac 11 ) „Magazin“.
Tärs „Genosse“. Syrjänisch jort la ) „socius“, jakutisch
goijop 13 ) „Gefährte, Freund“, ostjakisch TÖroc 14 ) „Freund“,
tscheremissisch tos 15 ), türkisch (das), wotjakisch joz 16 ) „Ge
fährte, Verwandter“. Vgl. das slawische ^poyn.
*) Scli midt, Lex. p. 355, b. 2 ) Kieffer et B. I, p. 709, a; Sitzungsb. Bd. XVII,
p. 371, s. v. szür. 3 ) Böhtlingk, Lex. p. 65, b; Sitzungsber. Bd. XVII, p. 371, s. v.
szüz. 4 ) Kieffer et B. II, p. 1248, b. 5 ) Kieffer et B. I, p. 200, a; Sitzungsb.
Bd. XVII, p. 378, s. v. tamad. 6 ) Arayot, Dict. Tart. Mantch, II, p. 206. 7 ) Sitzungsb.
Bd. XVII. p. 379, s. v. tamasz. 8 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 98, a. 9 ) Schmidt,
Lex. p. 245, a. 10 ) Sch m i d t, Lex. p. 227, b. 1A ) Castren, Ostj. Gramm, p. 100, a.
12 ) Cas tre n , Gramm. Syrj. p. 142, a. 13 ) B ö h tl in gk, Lex. p. 115, b. 14 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 99, b. 15 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 73, b. i6 ) Wiedemann,
Wotj. Gramm, p. 308, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
311
Tav „fern“. JakutischTa^bic 1 ) „hinausgehen“, Tac 3 ) „Aus-
senseite“, (weich) jakutisch Täi 3 ) „fortgeh en, ab treten“,
Mandzu i (tulel 4 ) „dehors“.
landzu £ (tule) 4 ) „c
Teböly „Irrsinn“. (Ostjakisch Teöe 5 ) „irre gehen“; Mandzu
Tev „Irrthum“. ] $ (tabarame) 6 ) = £ (tasärame)°), se
tromper, faire une chose pour l’autre.“
Tel „Winter“. Suomi talvi 7 ), Mandzu | (tovori) s ), türkisch
(qys) 9 ) „hiver“, jakutisch Kbic 9 ).
Ter „Raum, Platz; hineingehen, Platz haben; frei,
weit“. Weiche Formen zu tag. Türkisch y (ier) 10 ), wotjakisch
terysko 71 ) „Platz finden“.
Ter „eben“. Türkisch(duz) „uni, egal, plat,“ mongo
lisch i (ceksi) 1J ) „gleich, gerade, ohne Krümmung“,
ostjakisch Terec „flach, platt“. Suomi tasa id.
Terd „Knie“. Mandzu £ (topkija) 13 ) „genou“, £(tujame) 13 )
i l
„courber, plier, tordre; courber les genoux.“
Tet „That“. Suomi teko „That, Werk“.
Tö „See“. Ostjakisch Tey 14 ), U. S. Toyx, 0. S. tox „Land
see“, mongolisch ‘1 (naghor) 15 ) „See, Teich“.
<
x>
To („Stamm, Stock“. Suomityvi 16 ), jakutisch Töijypräc 17 )
Törzs) „Baumstumpf“.
Böhtlingk, Lex. p. 90, a. 2 ) Ebendas, p. 93, a. 3 ) Ebendas, p. 94, a.
4 ) Amyofc, Dict. Tart. Mantch. II, p. 291. 5 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 98, b.
6 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 177. 7 ) Sitzungsber. ß. X, p. 51. 8 ) Amyot,
Dict.Tart.Mantch.il, p. 316. 9 ) Böhtlingk, Lex. p. 65, a. 10 ) Kieffer et ß. II,
p. 1262, a. 14 ) Wi ed e man n , Wotj. Gramm, p. 333, ä. 12 ) Sc h mi d t, Lex. p. 241,c.
13 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. II, p. 295. 13 ) Ebendas, p. 295. 14 ) Castren,
Ostj. Gramm, p. 99, a. 15 ) Schmidt, Lex. p. 81, a. 16 ) Sitzungsb. ßd. X, p. 283.
17 ) Böhtlingk, Lex. p. 99, a.
312
Boiler.
Tözs „Handel, Handlung“. Ostjakisch Tarn 1 ) „Waare“,
Tyge a ) u. S. Tjy^e „kaufen“.
Tül „jenseits“. Mongolisch ^ (daba^o) 3 ) „hin ü b e r-
*t>
ziehen oder steigen“.
Tür „Satteldruck“. Mongolisch J (tagharai) 4 ) „eine
geriehene Wunde“ (z. B. vom Sattel), „Schwielen“.
Türok „Trappe“, mongolisch | (tughuduk 5 ), d. i. tüduk)
„der grosse Trappe“.
Tu „Nadel“. ) Jakutisch Tin 6 ) „stechen, nähen“, tür-
Tüdz „stepp en“. ( kisch tikmek.
Tüz „Feuer“, tungusisch toggo 7 ), togo, tua, Mandzu
(tu[v]a) 8 ), türkisch ->,1 (od) 9 ).
Tyük „Henne“. Ostjakisch Tanax 10 ) „Huhn“, türkisch JJjlb
(thaouq, thavouq) 1I ) „poule“, mongolisch j" (takija) 13 ) „die
Henne, das Hühnervieh“.
Üj „Finger“, ostjakisch Tyi 13 ), u. S. Toi? Mongolisch ^
.
(choroghon) 14 ) „Finger, Zehe“, Suomi suormi.
Uj „Ärm el“, türkisch jXj (iin) 15 ) „manche“, mongolisch^
- \
(^ancui) ie ) „Ärmel eines Kleidungsstückes“, syrjänisch
sos 17 ), lappisch sasse, Suomi hiha.
4 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 98, n. 2 ) Ebendas, p. 09, b. 3 ) Schmidt, Lex.
p. 264, c. 4 ) S c h m id t, Lex. p. 266. 5 ) Schmidt, Lex. p. 250, c. 6 ) B ö h tling’ k,
Lex. p. 104, a. 7 ) Schott, Über das Altaische etc. 8 ) A m y o t, Diet. Tart. Mantch. II,
p. 302. 9 ) K i effe r et B. I, p. 122, b. 10 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 98, a. 14 )Kief-
feretß. II, p. 163, a. 12 ) Schmidt, Lex. p. 230, a. 13 ) Ca stren, Ostj. Gramm,
p. 99, b. 14 ) Schmidt, Lex. p. 171, a. 15 ) Ki e ff e r etB.II, p. 1299, b. 16 ) Schmidt,
Lex. p. 128, a. 17 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 157, b.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
313
IJj „neu“ Suomi uusi (uude), ostjalrisch jl^en*), je/jen „jung,
neu“, mongolisch ^ (sine) 2 ) „neu“, jakutisch ca^a 3 ), türkisch
iana 3 ), id. jana, (dzana) 3 ), osmanisch Ju (ieni) 4 ), vgl.
mongolisch ^ (sonin) 5 ) „neu“, frisch“.
IJn „(iberdrüssig werden“. Mandzu(kusun)«) „nausee,
repugnance, ennui“, türkisch JicLöjl (ousanmaq) 7 ) „s'en-
nuyer, avoir degout“, Suomi inho „Ekel“, lappisch unokas
„abgeneigt“.
Ür „Herr“. Wotjakisch kuzo 8 ) „Herr, Hausherr“, Mandzu
jgj*°(bo-i chodzi) 9 ) „maitre de la maison“.
Üt „Weg“, Tungusisch hokta, oot, ot 10 ), Suomi tie, türkisch
Jljj (iol) «) „voie, chemin route“, Mandzu *+■ (dzu^on) 12 )
„chemin“.
Uz „jagen, treiben, verfolgen“. Wotjakisch tuzon 13 )
„Verfolgung“, mongolisch ^ (cügegekti) 14 ) „vertreiben, ver-
%
jagen, verfolgen“.
Väd „Klage, Anklage“. Mandzu £ (xaps'an) 15 ) „accu-
sation, delation“, <
U.
(vakalan) 1C ) „aceusation“, türkisch
(qolamaq) 17 ) „accuser, denoncer“, Suomi kaipa’.
A ) Castren, Ostj. Gramm, p. 84, a. 2 ) Schmidt, Lex. p. 352, a. 3 ) Böht-
1 ingk, Lex. p. 152, b. 4 ) K i eff er et B. II, p. 127, b. 5 ) Schm i dt, Lex. p. 365, b.
6 ) Äinyot, Dict. Tart. Mantch. III, p. 97. 7 ) Kieffer et B. I, p. 134, a. 8 ) Wiede
mann, Wotj. Gramm, p. 313, a. 9 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 561. 10 ) Schott,
Über das Altaische etc. p. 103. 41 ) K i e ffe r et ß. II, p. 1293, a. 12 ) Amyot, Dict.
Tart. Mantch. II, p. 523. 13 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 333, b. 14 ) Schmidt,
Lex. p. 335. 15 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 418. 16 ) Ebendas. III, p. 218.
17 ) Kieffer et B. II, p. 512, b.
314
B o 11 er.
Vag „schneiden, hauen, schlachten“. Wotjakisch c'ogo 1 )
„ab ha u en“. Mongolisch 3 (uktal^o) 2 ) „schneiden, a b-
schneiden“.
Vägy „sich sehnen, verlangen“. Mandzu ^ (kitume) 3 )
„soupirer apres quelque chose“, wotjakisch utis’jalo 4 ) „ver
langen“, Suomi pyytä’ = lappisch bivddet „begehren, ver
langen“, mongolisch (ghaghuldza^o) 5 ) „aus Mangel und
Notli begierig sein, schmachten“, "f (ghaghulkilaj'o) 5 )
„begierig sein, heftiges Verlangen haben“, türkisch
(onamaq) °) „souhaiter“, s. ki'-vän.
Valik „sich scheiden, verändern“.) Jakutisch yjuiapbii 7 )
Vält „wechseln, ahlösen“. ) „sich verändern,
durch einen andern ersetzt werden“ == mongolisch
l
ulbari^o) 8 ) id. Vgl. lappisch molssot „atvexle“.
Väläsz „Antwort“. Suomi vasta’ „a ntworten“ (vasta’a „ent
gegnen“), mongolisch (tus) °) „gegenü ber“, jakutisch Tyc 10 )
„die vor Einem liegende Seite“, Tocyi 11 ) „begegnen, ent
gegen halten“.
Välaszt „wählen“. Entweder zu valik (väla d +1) gehörig
oder = jakutisch Ta.i 12 ), tatarisch LoMo (sailamaq) „wählen“.
1 ) Wiede mann, Wofj. Gramm, p. 301, a. 2 ) Schmidt, Lex. p. 30, b.
3 ) A in y o t, Dict. Tart. Mantch. I, p. 49. 4 ) W i e d e m a n n , Wotj. Gramm, p. 336, a.
5 ) Schmidt, Lex. p. 192, a. 6 ) K ieffer et B. I, p. 144, b. 7 ) Böhtlingk, Lex.
p. 43, a. 8 ) Schmidt, Lex. p. 64, b; Sitzungsb. Bd. XVII, p. 364, s. v. valik.
9 ) Schmidt, Lex. p. 363, b. lü ) B ö h 11 i n g k , Lex. p. 110, a. 14 j Ebendas, p. 98, b.
12 ) Ebendas, p. 93, a.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
315
Väj „aushöhlen, graben“. VSyrjänisch vojala‘)> dola =
Valu „Wassertrog“. > Suomi, lappisch vuole, Man-
Vapa„Höhlung, Concavität“.) dzu £ (falome) 2 ) „sculp-
ter“, türkisch (oimaq) 3 ) „sculpter, ciseler, creuser un
concombre“.
Vall „S chult er “. Suomi olka, ostjakisch büh 4 ), tschersmis-
sisch pulos 5 ), slawisch n.inuiTa „humeri“,
Väll „gestehen“. Jakutisch 6Lmh 6 ) „gestehen, ein
gestehen, anerkennen“.
Ki-väu „wünschen“. Türkisch (onamaq) 7 ) „sou-
haiter, desirer“.
Var „warten, erwarten “. Wotjakisch woz’mas'ko 8 )
„erwarten“, Suomi varto, tscheremissisch vodc °), türkisch ^-,1
(onmaq) 10 ) „attendre“.
Väszon „Leinwand“. Mandzu jl
(dzoton) 1J ).
mongolisch J
■4
(dzotong) 12 ) „Leinwand“, persisch -türkisch (keten) 1S )
„lin“, tscheremissisch etin 14 ) „linum“.
Ved „Schutz, beschützen“. Mongolisch (tedkükü) 15 )
„schützen, in Schutz nehmen“, Suomi turva’.
Veg„Ende“. Wotjakisch pun 16 ) „Ende, Grenze“, syrjänisch
pom 17 ) „finis“, Mandzu ^ (vadzime) 18 ) „achever, terminer
1
quelque chose.“
A ) Castren, Gramm. Syrj. 2 ) Arayot, Dict. Tart. Mantch. III. 3 ) Kieffer
et B. I, p. 146, a. 4 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 102, b. 5 ) Castren, Gramm.
Tscher. p. 69, b. 6 ) Böhtlingk, Lex. p. 140, a. 7 ) Kieffer et B. I, p. 144,b.
8 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 339, a. 9 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 74, b;
Sitzungsber. Bd. XVII, p.385, s. v. ver. 10 ) K i eff er et B. I, p. 144, b. A1 ) Amyot,
Dict. Tart. Mantch. II, p. 517. 12 ) Schmidt, Lex. p. 311, c. 13 ) Kieffer et B. II,
p. 567, b ; Sitzungsber. ßd. XVII, p. 385 , s. v. vaszon. 14 ) Castren, Gramm.
Tscher. p. 62, a. 15 ) Schmidt, Lex. p. 244, c. 16 ) Wiedemann, Wotj.
Gramm, p. 325, a. 17 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 152, b. 18 ) Amyot, Dict.
Tart. Mantch. III, p. 224.
316
Boiler.
Vekony „dünn, schwach, schlank“. Ostjakisch BäraT,
S. BöroTj „dünn“, syrjänisch vösnid, 1 ), mollis, wotjakisch vesci ~)
„schmal, dünn“.
Vel „meinen“. Wotjakisch poto 3 ) „meinen, wollen“.
Ven „alt, betagt“. Suomi vanha, lappisch ponje, syrjänisch
vaa 4 ), türkisch (bunamys) 5 ) „hochbetagt.“
Ver „Blut“. Suomi veri «), jakutisch xäH 7 ), mongolisch
(eisun) 8 ).
Ves „meissein, stechen, graben“. Mandant? (kejeme) 9 )
„ciseler sur du bois, ciseler du bois“, mongolisch i
*3
%
(sujuci) 10 ) „Meissei, Stemmeisen“, Suomi veistä „schnitzeln,
behauen“. Vgl. slawisch naiaTH „sculpere“.
Vet „fehlen, verschütten“. Suomi vika „Schuld, Fehler“,
Verbrechen, Schuld“, tscheremissisch suluk 13 ) „peccatum“-
Vt „kämpfen, fechten“, Mongolisch % (bari-ltu^'o) l4 )
„kämpfen, ringen, sich balgen“ (sich wechselseitig fassen).
Viz „Wasser“. Suomi vesi (vede), tscheremissisch vid 15 ),
türkischyo (su), mongolisch
Suomi vävy, ostjakisch Beq, S. D. bojej 18 ).
4 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 166, b. 2 ) Wiedemann, Wotj. Gramm, p. 338,
a. 3 ) Ebendas, p. 324, a. 4 ) Castren, Gramm. Syrj. p. 162, b. 5 ) Schott, Über
das Altaische etc. p. 138. 6 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 32 und XVII, p. 387, s. v. ver.
7 ) B ö h tl i n g k , Lex. p. 77, a. 8 ) Schm id t, Lex. p. 330, b. 9 ) A m y o t, Dict. Tart.
Mantch. III, p. 23. S ch in i d t, Lex. p. 372, b. 41 ) Kieff er et B. II. 12 )Schmidt,
Lex., p. 288, b. 13 ) Castren, Gramm. Tscher. p. 70, b. 14 ) Schmidt, Lex. p. 102, a.
15 ) Sitzungsb. Bd. X, p. 32. 16 ) Schmidt, Lex. p. 61, c. 17 ) Ebendas, p. 112, a.
18 ) Castren, Ostj. Gramm, p. 102, b.
Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
317
Nachtrag.
Zu äl. Das türkische J] (äl) J ) „tromperie“ kommt dem
magyarischen Worte, zu dem auch die Sitzungsb. ßd. X, p. 290
s. v. ylala angeführten Formen gehören, am nächsten. Die Verei
nigung mit pöjalo etc. erhält durch die lappischen Bildungen, finnmär-
kisch-lappischboassto = schwedisch-lappisch posto, poito „falsch“
(poito-jubmel „Abgott“, al-isten) neben bmttolas id. noch
weitere Berechtigung.
Zu ätok. Da das esthnische wand = türkisch jj| (and) = mon
golisch ( (andaghar) 3 ), Suomi vala, neben der Bedeutung „Eid-
schwur“ welche allen angeführten Bildungen zukommt, auch die
besondere „Fluch“ besitzt, so wird man ätok richtiger hieher
beziehen, wodurch die missliche Annahme einer zweifachen Ent
wickelung der in käromol liegenden Wurzel entfällt.
Zu csel, csin. Den anlautenden Guttural bewahren die mongo
lischen Formen (genedekü) 3 ) „sich irren, sich versehen,
a>
eine Dummheit begehen“,
(genedelge) 3 ) „Täuschung,
- J
Betrug“.
Zu csöka. Suomi suu-tele „küssen“ gehört schwerlich zu
suu, sondern ist vielmehr cup -j- tele.
Zu el „Schneide“. Wesentlich für die Ermittelung der
Wurzel ist das türkische (ialym, ialum) 4 ) „tranchant d’un
sabre, d’un couteau“.
Zu er „Ader“. Der Mangel einer ausreichenden Begründung
in den verwandten Sprachen lässt wenigstens an die Möglichkeit
denken, in er ein Lehnwort zu suchen. Vgl. das schwedisch-lappische
ora „ve.na“, dänisch aare, schwedisch äder, althochdeutsch adara.
Doch stehen für die magyarische Form bedeutende lautliche Schwie
rigkeiten zu beseitigen.
A ) K i eff e r et B. I, p. 83, a. 2 ) S c ho 11, Über das Altaische etc. p. 85. 3 ) Schmidt,
Lex. p. 196, c. 4 ) Kiefferet ß. II, p. 1254, a.
318
Boiler. Vergleichende Analyse des magyarischen Verbums.
Zu erez. Man darf bei der Zusammenstellung auch Suomi aisti
„Empfindungsvermögen“, aistin (aistime) „Sinneswerit
ze ug“, lappisch aiccet „fornemme“ nicht übersehen.
Zu fer. Vgl. Suomi mahta „Raum haben“.
Zu gyäsz. Die von Schott 1 ) aufgestellte und auch von mir
nicht abgewiesene Vergleichung mit mongolisch (gliasalang)
„Jammer, Unglück, Elend“, so einladend sie ist, muss auf
gegeben werden, wie schon das Bestehen der beiden Formen
(ias) undy*3 (qaighu) neben einander wahrscheinlich macht. Gyasz
ist vielmehr auf das vollständigere Mandzu & (diisame) 3 ) „porter
I
<-
ledeul,etre ende ul, et re da ns 1 a d o u 1 e u r, da ns lat ris
tesse, avoir du malheur“ zurückzuführen.
Zu häm. Die angenommene Gleichsfämmigkeit der Wörter häm,
hej und kereg ist sehr unsicher, und darum auch das Versehen,
welches die zu häm gehörigen Formen unter kereg und umgekehrt
stellte, sehr störend. Ich sondere jetzt kereg mit seinen Nebenformen
zu denen man Sitzgsb. Bd. X, p. 54 s. v. kuori vergleiche, von häm
und hej. Mit Letzterem stelle ich zunächst türkisch (gabouq) 3 )
„ecorce; cosse, gousse; coquille; croüte“ = Mandzu jo
(X°X°) 4 ) »gousses deharicots, fevesetc.“ und führe diese
sammt den unter kereg zusammengestellten Bildungen auf die Wurzel
welche in dem Mandzu ^ (xozime) 5 ) „e n v el o pp e r“ liegt, zurück.
Endlich bemerke ich nachträglich zu der Sitzb. B. XVII, p. 345
(vgl. Nachtrag p. 393) gegebenen Vergleichung von kulcs mit Suomi
sulke, dass letzteres dem Suomi £ (tülkigür) «) „Schlüssel“ ent-
|
%
spreche, wodurch jeder Anknüpfungspunkt an eine ural-altaische
Wurzel wegfällt.
*) Schott, Überdas Altaischeetc. p. 109. 2 ) Am yot,Dict. Tart.Mantch. II,p.291.
3 ) KiefferetB.il, p. 440, b. 4 ) Amyot, Dict. Tart. Mantch. I, p. 449. 5 ) Ebend.
6 ) Schmidt, Lex. p. 260, c.
Verzeichntes der eingegangenen Druckschriften.
319
VERZEICHNIS
der
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(FEBRUAR.)
Akademie, k. preuss. d. Wissensch. Monatsbericht, Dec. 1855.
Anzeiger f.Kunde d. deutsch. Vorzeit. 1855, Nr.12; 1856,Nr. 1 ;4°-
Archiv d. Mathematik u. Physik. Von Grunert. Bd. 25, Hft. 1—4.
Austria. Jahrg. 8. Hft. 1—7.
Beretning om Bodsfaengslets Virksomhed. i. A. 1854. Christiania
1855; 8»-
Bose ha, J., Proeve eener oplossing van een vraagstuk betreffende
de electrische Telegrafie. Amsterdam 1855; 8°-
Cimento, il nuovo. November 1855.
Clement, Pierre, Portraits historiques.
Cornet, Enrico, Le guerre dei Veneti nell" Asia 1470—74. Vienna
1856; 8°-
Cos mos. Vol. 7, livr. 22—25. Vol. 8, 1—8.
Dudik, B., Iter Romanum. 2 Vol. Wien 1855; 8 0-
b’SIöert, ©tyrifttan, ®ie Sulturfortfdjritte SDMf>ten§ unb Öfterretdjifd)*
@rf)(eftensi tc., wäljtettb ber lebten lOO^afyre. SJrünn 1855; 8 0-
Flora. 1855. Nr. 37-48.
Forening physiographiske i Christiania: Nyt Magazin for Natur-
videnskaberne. Vol. 1—8. Christiania 1837—55; 8°-
Fö rs tema n n’s, Altdeutsches Namenbuch, ßd. I, Lief. 8, 9.
§ranfl, Subto. 3lug., Snfdjriften beS alten jubtfd)en griebtmfeS in SBien.
Sffiten 1855; 8°-
Frei bürg i. Br. Universitätsschriften aus dem Jahre 1855.
Gesellschaft, k. k. mährisch-schlesische, des Ackerbaues etc.
Mittheilungen. 1855; Nr. 27—50.
g 3
320
Verzeichniss der eingegangenen Druckschritten.
Girard, Charles, Description of new Fishes. Boston 1834; 8 0-
■giafyn, ßtyrift. lltrid), ©efd)td)te bet Äe|er im Sitttelattet. 33b. 1—3.
Stuttgart 1834—30; 8°-
Hallager, F., und Brandt, Fr., Kong Christian denFjerdes norske
Lovbog of 1604. Christiania 1833; 8 0-
£olmboe, ß.2t., ©aä ältefte SKünjmefett SflorwegettS. ßfyrift. 1834;8 0-
Jahrbuch, neues, für Pharmacie und verwandte Fächer, Bd. IV,
Hft. 3, 4.
Jakschitsch, Vlad., Statistique deSerbie.Livr. 1. Belgrad 1856; 8°-
Kjerulf, Theodor, Das Christiania - Silurbecken chem.-geogn.
untersucht. Christiania 1835; 4 0-
Königsberg, Universitätsschriften 1854.
Nachrichten, astronomische, 997—1009.
Nissen, Hartvig, Beskrivelse over Skotlands almue skolevsesen.
Christiania 1854; 8°-
Peretti, Paolo, Cianogeno idrosolforato rinvenute nella espirazione
dei colerosi nel sangue e nelle ossa dei medesimi morti nello
stadio algido. Roma 8 0-
iR re ft et, M. 21. $■, ©abettartfdjer ©runbrtfj ber ßrperimentat ='pt;pfif.
Gsmben 1856; §ot.
— Die Temperatur von Emden. Emden 1856; Fol.
— ©te arttljmetifdje Scheibe.
Stiebt ». Seuenftern, [ftecenfton »on: &offntann’g 21ttleituug
jum ®ebraud)e beS Sledjnett = @dj’teber§ unb SR: eiS , Seljrbud) ber
©eometrte. (3eitfd)rift beß öpterretd)ifd)en 3ngenteur=aSeretn$, 1855.)
Salmai girje. Kristiania 1854; 8 0-
Segeffer, oon, ©aä atte@tabtred)t oon Sujent. 58afetl855; 8°-
Stiftelser Norske. ßd. I, Hft. 2; Bd. II, Hft. 1. Christiania 1854; 8°-
Stimpson, Wn., Description of some of the new Marine Inverte-
brata from the Chinese and Japanese Seas. Boston 1854; 8 0-
Vereeniging v. Nederlandsch Indie, T. Natuurkund. Tjidschrift.
Deel IX. Afler 5, 6.
einhold, Karl, Altnordisches Leben. Berlin 1856; So
ur jb ad) ». ©annenberg, ßonftaut, astbtiograptqfd) = ftattfttfcf>e
Überftd)t ber Siteratur beS öfterr. ÄaiferftaateS »out 1. Jänner bt3
31. ©ecember 1854. SBiett 1856; 8°-
Zerrenner, Karl, Die national-ökonomische Bedeutung der Krim.
Lf0g£
’orr ^
« t ri
2^
MNI
Tc 1
^Sssj
£*r*aP'“*'*[ s
$$C-- ■?»
: ^BET T v^-X>-'V^68fr^t Mc^a/jöC
fey'r £ jjL >' Ql jPjTvtt?
ij p > T
5äs^j8k<SSyl
p : ''Ja?I' ’ !&o?ka 1
jiW -. gr
V vl JP\