30 IX. Abhandlung: Raderinacher. Kaibels Ergänzung richtig ist) mehr gedichtet; freilich besitzt er zeitgenössische Kollegen, die sich ihres Umgangs mit den Musen rühmen und dennoch schlechte Dichter waren (Kaibel 013). Auch die umfangreiche Grabschrift auf Regilla lehrt, daß im 2. Jahrh. n. Chr. die poetische Kunst nicht auf hoher Stufe stand. Im allgemeinen sahen wir, daß die Verfasser von Grabepigrammen in der Zeit der Koine keine großen Bedenken tragen, Namen, wie der des Taxiarches einer ist, mit Synizese von i in den Hexameter einzufügen. Erinnert man sich nun der von uns gleich zu Anfang hervorgehobenen Tatsache, daß das Epigramm des Didius mit dem des Kritias unter einer großen Menge von verwandten Erzeugnissen durch eine besondere Übereinstimmung aufs engste verbunden ist, so wird man wohl einräumen, daß die Wahrscheinlichkeit einer unmittelbaren Nachahmung groß ist, rvenn es nur eine Möglichkeit gibt zu zeigen, wie Didius zur Kenntnis des Kritiasepigramms gelangen konnte. Nun ist uns dieses Epigramm durch das metrische Handbuch des Hephästion überliefert, das in der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts n. Chr. entstanden ist und aus einer Kompila tion älterer Lehrbücher floß; Didius aber war nach eigener Aussage Lehrer und Dichter und die Metrik in jener Epoche ein Zweig der Grammatik. Daß Didius metrische Handbücher gekannt hat, ist anzunehmen, und daß er den Kritiasvers darin fand, hat zu glauben kein Bedenken. Es tritt aber eine Tatsache hinzu, die in den Zusammenhang paßt. Didius hat in Rom als Erzieher vornehmer Jugend gewirkt; dort fand sich sein Grabstein; wenn die Zeit des Steins von den Kennern richtig bestimmt worden ist, lebte er im 2. Jahrhundert n. Chr. Unter den literarischen Persönlichkeiten dieses Jahrhunderts hat Herodes Atticus die denkbar größte Rolle gespielt, zu der er mehr vielleicht durch vornehme Geburt und die Freigebigkeit, die ihm sein großer Reichtum erlaubte, als durch persönliche Begabung berufen worden ist. Zahlreiche Beziehungen haben diesen Mann mit Rom verbunden, wo ihm Favorinus ein Haus hinterlassen hatte, wo er das Konsulat bekleidete, und wo seine Gattin Regilla begraben wurde. Mit dem Kaiser Hadrian wie mit Marcus Antoninus hat ihn persönliche Freundschaft ver bunden. Nun erfahren wir von seinem Biographen Philostratus (v. soph. 72, 7 K), daß er es gewesen ist, der den verschollenen