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SITZUNGSBERICHTE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN KLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
HUNDERTFUNFUNDSECHZIGSTER BAND.
(Mit 13 TAFELN UND 2 TEXTABBILDUNGEN.)
,rl/ *
BIBLIOTHEK &
DB KAISERL. AKADEMIE DES m
l WISSENSCHAFTEN IN «f
WIEN, 1911.
IN KOMMISSION BEI ALF 11 ED HOLDER
K. U. K. HOP- UND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER
BUCHHÄNDLER DER KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
300122
Druck von Adolf Uolzbausen,
k. und k. Hof- und UniversitJits- Buchdrucker in Wien.
INHALT.
I. Abhandlung'. Rhodokanakis: Zur Formenlehre des Mehri.
II. Abhandlung. Schon-: Altbabylonische Rechtsurkunden aus der Zeit
der I. babylonischen Dynastie. (Umschrift, Übersetzung und Kom
mentar.) III. Heft.
III. Abhandlung. Hofmann: Kenntnisse der klassischen Völker von den
physikalischen Eigenschaften des Wassers. IV.
IV. Abhandlung. Berkowicz: Der Strophenbau in den Psalmen und
seine äußeren Kennzeichen.
V. Abhandlung. Peitz: Das Originalregister Gregors VII. im Vatikani
schen Archiv (Reg. Vat. 2) nebst Beiträgen zur Kenntnis der Ori-
ginalregister Innozenz’ III. und Honorius’ III. (Reg. Vat. 4—II)
(Mit 8 Lichtdrucktafeln.)
VI. Abhandlung'. Wilhelm: Attische Urkunden. I. Teil: Urkunden des
korinthischen Bundes der Hellenen. (Mit 5 Tafeln und 2 Abbildungen
im Texte.)
a
*
Nachtrag zu Sitzungsberichte, Band 165, V
Zu Peitz’ Original-Register Gregors VII.,
Druckfehler S. 97—103.
Seite 97, Zeile 27, Tafel VI, Nr. 3, Zeile 2, lies Nr. 4.
98,
98,
98,
98,
98,
98,
98,
98,
99,
99,
4,
4,
11,
28,
29,
31,
31,
35,
11,
24,
V, „ 1, „ 2, „ Zeile 1 Rome.
V, „ 1, „ 3, „ „ 2 Richerio.
IV, „ 3, „ 1, „ Tafel VI, Nr. 4.
II, „ 4, „ 23, „ „ II, Zeile 4 u. 23.
V, „ 1, „ 3, lies Zeile 2.
VI, „ 2, „ 1, „ Nr. 3.
VI, „3, „ 1, „ Nr. 4.
V, „ 1, „ 3, „ Zeile 2.
VI, „ 2, ■„ 4,5, „ Nr. 2, Zeile 4, Nr. 3, Zeile 5.
VI, „ 3, „ 2, lies Nr. 4.
99, letzte Zeile, Tafel VI, lies Tafel IV.
100, Zeile 1, Tafel VI, Nr. 3, lies Nr. 4.
100, „ 24, Zeile 10, lies Zeile 9 (ingenio).
101, „ 7, Tafel VI, Nr. 2, Zeile 6, lies Nr. 1.
101/102 erstes Wort Seite 102, Tafel IV, Nr. 3, Zeile 1, lies Überschrift
(dictatus P.)
103, Zeile 3, Tafel IV, Nr. 2, Z. 6, lies Zeile 5 und 7.
103, letzte Textzeile, Zeile 1. 2. 3. 4, lies Zeile 2. 5. 8. 9.
97, Zeile 19/20 müßten lauten : So hat die Intitulatio der Alexander
originale zu München (Tafel V, Nr. 2, Z. 1), Lucca (Tafel IV,
Nr. 4, Z. 1) und des Gregororiginals zu Florenz (Tafel VI,
Nr. 4, Zeile 1) ,ein ganz auffälliges R: der Bauch 1 usw.
XI. SITZUNG VOM 27. APRIL 1910.
Die Direktion der königl. Hof- und Staatsbibliothek in
München dankt für die geschenkweise Überlassung des ,A n ~
zeigers' der Klasse.
Die königl. Bayer. Akademie der Wissenschaften dankt
für die Überlassung der dort bisher nicht vorhanden gewesenen
Bände 6, 8 und 9 der ,Schriften der Südarabischen Expedition
der kais. Akademie der Wissenschaften'.
Der Sekretär überreicht den soeben erschienenen Faszikel
VI des Vol. III des ,Thesaurus linguae latinae: cito—coetus,
Leipzig 1910'.
Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht über
mittelt ein Exemplar des von dem ,Komitee zur Jahrhundert
feier des Bürgerlichen Gesetzbuches' herausgegebenen Pro
gramms einer aus diesem Anlasse beabsichtigten Festschrift.
Das w. M. Hofrat D. H. Müller erstattet der Klasse
aufklärenden Bericht über einen gegen ihn aus Anlaß zweier in
den Sitzungsberichten der Akademie erschienenen Publikationen
gerichteten polemischen Angriff des Dr. Felix Holldack.
VI
XII. SITZUNG VOM 4. MAI 1910.
Das hohe Kuratorium der kais. Akademie macht mit Note
vom 30. April 1. J. davon Mitteilung, ,daß Se. kais. uud königl.
Hoheit der durchlauchtigste Herr Erzherzog-Kurator, wenn
Idöchstdieselben nicht verhindert sein sollten, in der Feierlichen
Sitzung der kais. Akademie der Wissenschaften erscheinen und
dieselbe mit einer Ansprache eröffnen werden'.
Die Societe scientifique Argentine lädt zur Teilnahme an
dem im Juli 1. J. zu Buenos Ayres stattfindenden Interna
tionalen Amerikanistenkongresse ein und übersendet dessen
,Bulletin No. 1'.
Der Offizial der Akademiekanzlei Anton Pokora dankt
für die ihm für Herstellung eines Index zu den Sitzungspro
tokollen der Klasse bewilligte Remuneration.
Die Verlagsbuchhandlung F. Bruckmann in München
übersendet die eben erschienene 4. Lieferung der II. Serie des
Werkes ,Monumenta Palaeographica. Denkmäler der Schreib
kunst des Mittelalters. Erste Abteilung: Schrifttafeln in lateini
scher und deutscher Sprache. In Verbindung mit Fachgenossen
herausgegeben von Anton Chroust. Mit Unterstützung des
Reichsamtes des Innern und der kais. Akademie der Wissen
schaften in Wien. München 1910'.
Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht teilt mit,
daß ,laut Schreibens vom 12. April 1. J. Leopold Pollack
Edler von Parnegg für Zwecke der Arabienreise des Pro
fessors Dr. Alois Musil den Betrag von vierhundert Kronen
gewidmet' habe.
VII
P. Wilhelm M. Peitz S. J. in Innsbruck übersendet eine
Abhandlung unter dem Titel: ,Das Originalregister Gregors VII.
im Vatikanischen Archiv, Reg. Vat. 2, nebst Beiträgen zur
Kenntnis der Originalregister Innozenz’ III. und Honorius’ III.,
Reg. Vat. 4—1P, um deren Aufnahme in die akademischen
Schriften der Verfasser bittet.
Das w. M. Plofrat D. H. Müller macht eine Mitteilung
über neue Wahrnehmungen bezüglich der prophetischen Kunst
formen.
XIII. SITZUNG- VOM 11. MAI 1910.
Der Sekretär legt die von Sr. Eminenz dem syrischen
Patriarchen von Antiochia, Ignaz Ephraem II. Rahmani, über
sandten Faszikel II—IV seiner ,Studia Syriaca' vor, enthaltend:
1. ,Studia Syriaca, Fasciculus II: Apocryphi hypomne-
mata domini nostri seu Acta Pilati. Antiqua versio syriaca
quam nunc primum edidit latine vertit atque notis illustravit
Ignatius Ephraem II. Rahmani patriarcha Antiochenus Syrorum.
Typis patriarchalibus in seminario Scharfensi in monte Libano
MCMVIIP;
2. ,— — Fasciculus III: Vetusta documenta liturgica
primo edidit latine vertit notis illustravit Ignatius Ephraem II.
Rahmani etc. Typis patriarchalibus in seminario Scharfensi de
monte Libano anno MCMVIIP;
3. ,■— —. Fasciculus IV: Documenta de antiquis haere-
sibus primo edidit vertit prolegomenis illustravit Ignatius
Ephraem II. Rahmani etc. Typis patriarchalibus in seminario
Scharfensi de monte Libano anno MCMIXh
Ferner überreicht der Sekretär die folgenden an die
Klasse gelangten Druckwerke, und zwar:
1. ,Wörterbuch der deutsch-japanischen Umgangssprache
mit einem Abriß der Grammatik der japanischen Umgangs-
VIII
spräche und unter Berücksichtigung der Phraseologie von A.
Seidel, Verfasser der „Grammatik der japanischen Umgangs
sprache“. Lieferung I. Berlin, Märkische Vcrlagsanstalt, o. J.'
2. , Die Lykier. Ihre Geschichte und ihre Inschriften. Mit
fünf Abbildungen und Kärtchen der Fundorte von Dr. phil.
Theodor Kluge (Der alte Orient. Gemeinverständliche Dar
stellungen, herausgegeben von der Vorderasiatischen Gesellschaft,
11. Jahrgang, Heft 2). Leipzig, J. C. Hinrichssche Buchhand
lung, 1910';
3. Sac. Obi. Achille Ratti, Prefetto della Biblioteca Am-
brosiana: ,Vita di Bonacosa da Beccaloe (1352—1381) ed una
lettero spirituale a Bianca Visconti di Savoia, in volgare illustre
nlto-italiano da un codice manoscritto della biblioteca Riccar-
diana di Firenze con una tavola eliotipica. Milano, tipografia
pont. ed arciv. S. Giuseppe, 1909';
4. ,Wurzel und Wort in den Indonesischen Sprachen von
Renward Brandstetter von der Akademie von Madagaskar.
Luzern, Verlag der Buchhandlung Haag, 1910';
5. ,Contributions ;i la connaissance du langage de Pekin
par L. Woitsch. Pekin, imprimerie des Lazaristes, 1909'.
Hofrat Karl B. Hofmann, Universitäts-Professor in Graz,
legt die Schlußabhandlung seiner Untersuchung über die ,Kennt
nisse der klassischen Völker von den physikalischen Eigen
schaften des Wassers' vor.
Das w. M. Prof. Alfons Dopsch überreicht namens der
.Wcistümor- und Urbarkommission' den eben fertiggestellten
Band: ,Die landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus
dem Mittolalter. Im Aufträge der kaiserlichen Akademie der
Wissenschaften in Wien unter Mitwirkung von Ür. Alfred Mell
herausgegeben von Alfons Dopsch („Österreichische Urbare.
Horausgegoben von der kaiserlichen Akademie der Wissen
schaften. I. Abteilung: Landesfürstliche Urbare. 2. Band: Die
landesfürstlichen Gesamturbare der Steiermark aus dem Mittel-
alter“). Wien und Leipzig, Wilhelm Braumüller, 1910.'
IX
In der Gesamtsitzung der kaiserlichen Akademie vom
29. April 1. J. wurde beschlossen, aus den Mitteln der philo
sophisch-historischen Klasse auch heuer zu den Kosten der
Herausgabe des ,Thesaurus linguae latinae' einen außer
ordentlichen Zuschuß zur Staatsdotation, u. zw. im Betrage von
1000 Mark, zu gewähren.
XIV. SITZUNG VOM 1. JUNI 1910.
Von dem am 28. Mai erfolgten Ableben des w. M. der
mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse, Hofrates Prof. Dr.
Emil Zuckerkandl in Wien, sowie von dem am 27. Mai er
folgten Ableben des auswärtigen Ehrenmitgliedes derselben
Klasse, wirklichen Geheimen Rates Prof. Dr. Robert Koch in
Berlin, wurde bereits in der Gesamtsitzung der kais. Akademie
vom 28. Mai durch den Präsidenten Mitteilung gemacht und
die Mitglieder haben ihrem Beileide durch Erheben von den
Sitzen Ausdruck gegeben.
Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht über
mittelt ein im Wege des Istituto austriaco di studi storici in
Rom übersandtes Exemplar des Werkes: ,Nuntiaturberichte
aus Deutschland nebst ergänzenden Aktenstücken. III. Abteilung
1572—1585. Fünfter Band: Die süddeutsche Nuntiatur des
Grafen Bartholomäus von Portia. Schlußjahre 1575, 1576. Im
Aufträge des k. preußischen historischen Instituts in Rom bear
beitet von Karl Schellhass. Berlin, Verlag von A. Bath, 1909.
Der Sekretär legt die folgenden an die Klasse gelangten
Druckwerke vor, und zwar:
1. ,Der Ortsname Zimikon (Kanton Zürich) von Dr. Josef
Leopold Brandstetter. Luzern, J. Schills Erben, 1910';
2. ,Bibliotheca Universitatis Leidensis: Codices manuscripti.
I. Codices Vulcaniani. Anno MCMNJ (,Offert par la Bibliotheque
de FUniversite h Leyde‘);
X
3. ,Die Stellung der Pygmäenvölker in der Entwicklungs
geschichte des Menschen von P. W. Schmidt, S. V. D. (Sta
dien und Forschungen zur Menschen- und Völkerkunde unter
wissenschaftlicher Leitung von Georg Buschan. VI/VII.) Stutt
gart 1910h (Überreicht vom Verfasser, dem k. M. der kais.
Akademie, P. Wilhelm Schmidt);
4. ,Der Uralaltaische Sprachstamm, das Finnische und
das Japanische. Von Heinrich Winkler. (Herausgegeben mit
Unterstützung der Berliner Akademie der Wissenschaften.)
Berlin 1909h
Der Sekretär legt die von dem Leiter der archäologischen
Forschungsexpedition in Ägypten, Prof. Dr. Hermann Junker,
eingereichte ,Übersicht über die Ausgrabungskampagne 1910' vor.
Das w. M. Hofrat Wilhelm Meyer-Ltibke überreicht als
Obmann der akademischen Kirchenväterkommission den eben
ausgegebenen Band LIV des ,Corpus scriptor. eccles. lat/, ent
haltend : ,S. Evsebii Hieronymi opera (Sect. I, pars I). Epistu-
larum pars I: epistulae I—LXX. Recensuit Isidorus Hilberg.
Vindobonae, Lipsiae MDCCCCXh
Das w. M. Prof. Oswald Redlich macht als Obmann der
akademischen Atlaskommission Mitteilung, daß die k. k. Mini-
sterialkommission für agrarische Operationen für die Zwecke
der Atlaskommission eine weitere Spende gemacht habe, be
stehend aus einer ,Übersichtskarte der ausgeführten teilweisen
Zusammenlegung in Pellendorf in Niederösterreich, ferner Ab
schriften von sieben Alpbriefen aus Kärnten'.
XV. SITZUNG VOM 8. JUNI 1910.
Der Sekretär überreicht die kürzlich erschienene 5. Liefe
rung des Werkes: ,Enzyklopädie des Islam. Geographisches,
ethnographisches und biographisches Wörterbuch der muliam-
XI
medanischen Völker. Mit Unterstützung der internationalen
Vereinigung der Akademien der Wissenschaften und im Vereine
mit hervorragenden Orientalisten herausgegeben von Dr. M.
Th. Houtsma, Professor an der Universität Utrecht, Haupt
redakteur, und Dr. A. Schaade, Redakteur. Leiden und Leipzig
1910/
Das k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht über
sendet mehrere durch Vermittlung des k. und k. Ministeriums
des kaiserlichen Hauses und des Äußeren eingelangte Schriften
kirchenhistorischen Inhaltes, die der ordentliche Professor an
der Universität in Upsala, Dr. Hermann Lundström, für die
Bibliothek der kais. Akademie gespendet hat, und zwar:
1. ,Laurentius Paulinus Gothus. Hans lif och verksamhet
(1565—1646). I. H. (1565—1637). Akademisk afhandling af
Herman Lundström. Uppsala 1893';
2. — — ,111. Paulinus säsom ärkebiskop och prokansler
(1637—1646). Uppsala 1898';
3. ,Magister de Hussinetz’ Historia gestorum Christi. För
första gängen utgiven med inledning af Herman Lund ström.
Uppsala 1898';
4. ,Kyrkohistorisk Ärsskrift. Utgifven af Herman Lund
ström. Arg. I—X (Skrifter utgifna af kyrkohistoriska före-
ningen, I, 1—10). Uppsala 1900—1909';
5. ,Biskop J. Rudbeckius’ kyrkio-stadgar för westeräs
stift. Utgivna af Herman Lundström. (Skrifter utgifna af
kyrkohistoriska föreningen. II, 1.) Uppsala 1900';
6. ,Synodalstatuter och andra kyrkorättsliga aktstycken
frän den svenska medeltidskyrkan. Utgifna af Jaakko Gummerus
(Skrifter utgifna af kyrkohistoriska föreningen. II, 2). Uppsala
1902';
7. ,Svenska synodalakter efter 1500-talets ingäng. Samlade
och utgifven af Herman Lundström. (Skrifter utgifna af kyr
kohistoriska föreningen. II, 3.) Första—siätte haftet. Uppsala
1903-1908';
8. — — ,Andra Serien. Strängnäs stift. Första haftet.
(Skrifter utgifna af kyi’kohistoriska föreningen, II, 4.) Uppsala.
1909';
XII
9. ,01of Wallqüists själf biografiska anteckningar. Utgifna
af Josef Helander. (Skrifter utgifna af kyrkohistoriska före-
ningen. III, 1.) Uppsala 1900';
10. ,Arkebiskop Abrahams räfst. Efter originalakterna ut-
gifven af Otto Holmström. (Skrifter utgifna af kyrkohisto
riska föreningen IV, 1.) Första haftet. Uppsala 1901';
11. -— — ,Andra haftet. Uppsala 1902';
12. , Akt er rörande ärkebiskopsvalet i Uppsala 1432 samt
striden därom mellan konung Erik och svenska kyrkan. Utgifna
af Algot Lindblom. (Skrifter utgifna af kyrkohistoriska före-
ningen IV, 2.) Uppsala 1903':
13. ,Svenska kyrkans mission i Lappmarken under frihet-
stiden. Af Elof Haller. Stockholm o. J.'
XVI. SITZUNG VOM 15. JUNI 1910.
Die königl. Niederländische Akademie der Wissenschaften
zu Amsterdam übersendet, wie alljährlich, das ,Programma
certaminis poetici ex legato Hoeuffiano in annum MCMXI
indicti'.
Der Sekretär legt den kürzlich ausgegebenen Faszikel I
des Vol. V des ,Thesaurus linguae latinae. Leipzig bei
Teubner 1910' vor.
Dr. Michael Berkowicz in Iglau übersendet eine Ab
handlung, betitelt: ,Der Strophenbau in den Psalmen und seine
äußeren Kennzeichen', um deren Aufnahme in die Sitzungs
berichte der Verfasser bittet.
Das w. M. Hofrat Leo Reinisch überreicht als Obmann
der Sprachenkommission die beiden soeben erschienenen Bände
II und III der Schriften der Sprachenkommission', enthaltend:
XIII
Band II: ,La langne Tapihiya dite Tupi ou Neengatu
(belle langue). Grammaire, dictionnaire et textes par le P. C.
Tatevin, C. Sp. S. Vienne 1910';
Band III: ,Die sprachliche Stellung des Nuba. Von Leo
Reinisch. Wien 1911‘.
XVII. SITZUNG VOM 30. JUNI 1910.
Von dem am 21. d. zu Prag erfolgten Ableben des in
ländischen korrespondierenden Mitgliedes der Klasse, Professors
Dr. Julius Jung, wurde bereits in der Gesamtsitzung der
Kaiserlichen Akademie am 23. d. Mitteilung gemacht und die
Mitglieder gaben ihrem Beileide durch Erheben von den Sitzen
Ausdruck.
Der Sekretär legt die folgenden an die Klasse gelangten
Druckwerke vor, und zwar:
1. ,Instituts Solvay, Parc Leopold, Bruxelles. Institut
de Sociologie: Bulletin mensuel. No. 1. — Jan vier 1910. (Docu-
men ts divers relatifs a l’organisation de l’Institut)';
2. ,Das Umtonen (Transponieren). Nach einem leichten
und bequemen Verfahren für Anfänger dargestellt von Dr.
Karl Laker. Graz, Leuschner & Lubensky, 1910';
3. ,Vereinfachung der Notenschrift und der Einführung
in die Musiklehre von Dr. Karl Laker. Mit 18 in den Text
gedruckten Notenbeispielen. Graz, Leuschner & Lubensky, 1910';
4.,Veröffentlichungen der Mitteleuropäischen Wirtschafts
vereine: Mitteleuropäische Wirtschaftsvereine in Deutschland,
Österreich und Ungarn. Verhandlungen der Rechtshilfekonferenz
in Wien 1910. Wien und Leipzig, Carl Fromme, 1910';
5. ,Charles Wessely, Un nouveau fragment de la version
grecque du Vieux Testament par Aquila. (Extrait des „Me-
langes offerts k M. Emile Chatelain par ses eleves et ses amis.
15 avril 1910“.) Paris, librairie ancienne Honore Champion,
editeur, 1910', übersendet vom Verfasser, k. M. Prof. C. Wessely.
XIY
Dr. D. Herzog in Graz übersendet eine Abhandlung unter
dem Titel: ,Zwei hebräische Handscliriftenfragmente aus Steier
mark' mit der Bitte um Aufnahme derßelben in die Schriften der
Kaiserlichen Akademie.
Das k. M. Prof. Adolf Wilhelm in Wien legt zwei ge
trennte Abhandlungen vor, und zwar:
1. ,Attische Urkunden. I. Teil: Urkunden des korinthischen
Bundes der Hellenen' und
2. ,Neue Beiträge zur griechischen Inschriftenkunde. I. Teil',
um deren Aufnahme in die Sitzungsberichte der Verfasser bittet.
Das w. M. Hofrat E. Reisch überreicht in Namen des
österr. archäologischen Institutes das Werk: ,Der Palast Dio
kletians in Spalato. Im Aufträge des k. k. Ministeriums für
Kultus und Unterricht aufgenommen und beschrieben von
George Niemann. XXIII Tafeln, 162 Textabbildungen und
Initialen. Wien, Alfred Holder, 1910.'
Aus den Mitteln der philosophisch-historischen Klasse wurden
in der Gesamtsitzung am 23. d. folgende Subventionen erteilt:
1. dem Prof. Dr. Rudolf Brotanek an der Prager
Deutschen Universität zur Fortsetzung der Herausgabe von Neu
drucken friili-neuenglischer Grammatiken K 3000.—, und zwar
in drei Jahresraten zu je K 1000.— pro 1910, 1911 und 1912;
2. dem Privatdozenten an der Wiener Universität Dr.
Carlo Battisti für eine Reise zum Studium der Mundart von
Sulzberg und der Seitentäler K 400.— und
3. dem Privatdozenten an derselben Universität Dr. Her
mann Egger für Herstellung von Tafeln und Beschaffung von
Photographien zu seinem Werk ,Sammelband der Veduten von
Rom vom 15. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts' K 2000.—.
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Philosophisch-Historische Klasse.
165. Band, 1. Abhandlung.
Zur
Formenlehre des Mehr!
Von
N. Rhodokanakis.
Vorgelegt in der Sitzung am 16. März 1910.
Wien, 1910.
In Kommission bei Alfred Holder
k. u. k. Hof- und Universitäts-Buckhändler
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Druck von Adolf Holzhausen,
k. u.k. Hof- und Universitiits-Buclidrucker in Wien.
I. Abhandlung: Rhodokanakis. Zur Formenlehre des Mehri.
1
I.
Zur Formenlehre des Mehri.
Von
N. Rhodokanakis.
(Vorgelegt in der Sitzung am IG. März 1910.)
Angeregt durch meine langjährige Beschäftigung mit dem
Dfärdialekte 1 ixnd den vulgärarabischen Mundarten des Siid-
ostens überhaupt und nach einem vertieften Studium der
Arbeit M. Bittners zur Mehrisprache 3 gehe ich daran, einige
Wahrnehmungen zur Nominalbildung und -Flexion in Mehri
mitzuteilen; insbesondere zu den Deminutiven, doppelten und
gemischten Pluralen und deren Rückbildungen, zu einigen Sin
gulären, männlichen und weiblichen Geschlechts, mit doppelter
Endung usf. — Um übersichtlicher zu sein, halte ich die
Reihenfolge des klar disponierten Bittnerschen Buches ein.
Ich berücksichtige hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, Er
scheinungen, zu denen ich Parallelen aus dem Dfärdialekte bei
zubringen in der Lage bin; hie und da mußte ich weiter — auf
das Berberische — ausgreifen; hier kamen mir H. Scliuchardts
Berberische Studien sehr zustatten.
Meinem hochverehrten Lehrer D. H. Müller bin ich nicht
allein, aber hauptsächlich für mündliche und schriftliche —
seither auch gedruckte — Anregungen zum Verständnisse der
Deminutivbildungen zu Danke verpflichtet.
Zu § 6 3 p. 18 unten: hayden ,Ohr', tayfer Jji£ und
y*i>, jAt und jAb ,Kralle' möchte ich nicht äthiop. Pluralen
1 Vgl. Südarabische Expedition, Bd. VIII. Wien 1908.
2 Sitzungsber. der kais. Akad. der Wiss., Phil.-hist. Kl., 162. Bd., 5. Abh.:
Studien zur Laut- und Formenlehre der Mehri-Sprache in Südarabien,
I. Zum Nomen im engeren Sinne; von Dr. Maximilian Bittner, Wien 1909.
3 §§ beziehen sich auf die Arbeit Bittners.
Sitzungsbor. d. phil.-bist. Kl. 165. Bd. 1. Abb.
1
2
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
» d
hll’i bzw. ÄV.C-- (jM als PI. zu J.Xs) gleichsetzen, sondern
singularische J.Ä-Formen 1 mit betonter Nebensilbe in ihnen
vermuten, vgl. vulgärarab. hdl < ahäl < ahl wie bil < ibil <
Ja); ferner aram. “Qä 2 JlLL wie aru JJA Ebenso in
heyder = 3 etc. — Zu den als Sing, gebrauchten arabi
schen Plur. riäh, jilöl, denöb etc. 4 (Bittner § 7) vgl. zu § 45.
74. 75.
Zu § 12 p. 22. ausij gloU und loleb, beide mit Penul-
timabetonung, dieses von Jahn und Bittner zu gestellt,
sehen, wie Bittner hervorhebt, ganz einer JA®-Form gleich;
Jj'la und jll^s berühren sich auch im Plural Jj'y» und iLis.
Ich werde darauf bei einigen Formen zurückkommen, die sich
eventuell auch als jxXa deuten ließen (zu § 107 Anna.). Ygl.
vorläufig Landberg, Hadramoüt zu JA» > J^Ai (p. 578 im
Glossar s. v. J«>); dazu Brockelmann, Grundriß p. 514.
Ebda Anm. Zur Nominalform qatiül aus qitül; sie dient
als Infinitiv besonders bei Verben med. laryng. Die Form
erklärt Bittner als entstanden durch Brechung des i > cii
und Metathese; also dihüq > daihüq > dahiüq. So ansprechend
diese Erklärung ist, macht doch die Annahme eines durch
gängigen Wandels i > ei, ai vor Laryngal (p. 22 pen.) und
nachträglicher Metathese Schwierigkeiten. Übrigens findet sich
diese Infinitivform auch von Wurzeln ohne Laryngal: rakiüb,
Hniüq. — Ich möchte diese Infinitive wie kahe’üb, deheyüb als
Analogiebildungen erklären. Bittner selbst behandelt an
schließend Infin. von med. £, wie tayüm, zayüq, nayül von
‘ ‘ Jaö = 0 ä) und denkt daran, daß hier c über 5 zu
y geworden sein könnte. Diese Erklärung allein ist die richtige;
nachdem £, in den festen, bzw. leisen Stimmeinsatz über
gegangen war, wurde dieser, wofür im Arabischen tausend
fach Belege sich finden lassen, durch y als Gleitlaut ersetzt.
1 Auf den Übergang u~>i hat Landberg wiederholt hingewiesen.
2 Neben constr. 133; vgl. tot absol. = i _ y u!L,
3 In der Bedeutung ,Zelt' ldass. jJA.; in der Bedeutung ,Finsterniß 1 klass.
f O . fr'.
neben
4 Auch zaylcek wird dahin gehören, weil bei med. gern, die auslautende
Doppelkonsonanz ungesprengt bleibt. [Von einer zweisilbigen kurz-
vokaligen Pluralform.]
Zur Formenlehre des Mehri.
3
Diese Infinitivbildung wie tayürn (= f5 Ab) etc. wurde
nun per analogiam auf die ,starken' trilitera übertragen (vgl.
b’tppl nach D'|?J etc.), hauptsächlich eben auf mediae la-
ryngalis, und darnach tahayül von tahäl etc. gebildet; wobei
zu berücksichtigen ist, daß die betonte Länge der zweiten
Silbe tahäl wie zäq die Analogiebildung förderte. 1 Sie
ist aber bei diesen durch sog. ,innere' Abwandlung entstan
denen Formen um nichts auffälliger als jene andere gramma
tische Angleichung im Dfärl, wonach ,starke' transitive Verba
in der 3. pl. m. au, du als Endung statt ü annehmen, u. zw.
nach ramaiü > \während intransitiva (z. B. Ihegü = \ 5 ii.)
dem Muster von radiiü > \y±>\ folgen. — Allerdings hat auch
das nicht ultimabetonte intransitive rikeb im Infin. rakiüb;
es liegt hier eben der klass. Infinitiv vor. Ich denke also,
daß wir J^AI, J^As (daraus eventuell sekundär bes. vor La-
ryngal: J ? As) als Nominalform dieser Infin. werden anzusetzen
haben, taayün von tan = (statt des zu erwartenden
*tayün) ist als sekundäre restitutio ad integrum zu erklären
und wie von den ,starken' Verben gebildet; Nebenform zu
tan : ta än!
Zu § 20 p. 30 Amu. 2. Die Endung -e der Partizipia
in den abgeleiteten Stämmen wie: mahdbire, mesafire, mefte-
kere etc. setze ich enttontem (5 (d. i. der Nisbe) gleich;
ebenso die von Bittner schon § 15 angeführten auf öne =
JlM-; zu * > e vgl. das von B. als Nisbe erkannte jdube
(p. 39 Anm.) ,eine Fischart' zu joub ,Schild'; zur Verbindung
der Endung an und l vgl. Brockelmann, Grundriß p. 400 h;
(Soein, Diwan § 113 d, e); zur Partizipialbildung mittels der
Nisbe ebda p. 397 c.
Aus meiner Auffassung wird sich einiges zur Flexion
dieser Nomina ergeben. Vgl. zu §§ 29. 68 Anm. — In den
ebda p. 30, Note 1 angeführten Formen mahtilef, minteqad
vermutet Bittner (Nachträge p. 118) ein Versehen für mah
tilef, minteqad, also Passivpartizipia 2 mit ursprünglichem i
1 Außer i&ybat, flabyttt. — Verba mediae laryngalis entwickeln
sich auch als intransitiva zu qetel, qet&l. Bittner, WZKM
XXII 429.
2 Nur für Langvokal spricht der mask. Plur. menteqiytd, von dem zu p. 118
der Nachträge gehandelt werden soll.
1*
4
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
der letzten Silbe. — Doch könnte man gerade von mahtilef
(= *muhtüif) minteqad ausgehend, Formen wie meftekere
(vgl. ja auch mesäfire mit ä — durch Kürzung des
Vokals bei Antritt der Endung -e erklären; also genau so wie
töjer hohen = 7,*li aber qäfilet, badiyet (Bittner §§ 10.
34) = lisli (vgl. auch Sievers 6 § 688).
Zu § 21 p. 31 Amn. 2. AüX und eXU > *mdVek, *mdlek
und wie von einem Partizip act. I.: mölek, wie mdlem
< mälem, das aber primae t ist; dazu Nachträge p. 118,
wo das Vorkommen von mlek ,En geh in den Miillerschen
Bibelstücken erwähnt und gedeutet wird. — In Bittners
mölek vermute ich eine ,_pS-Form 1 wie höreq zöqer yiA
(§ 5); und verweise dazu auf die gleichfalls einsilbigen Formen:
milk el-möt ,Todesengel' (vgl. man *|K‘ba) in meinen Dfärtexten
68, u; und besonders auf melk el-müt bei Stumme, im Tu-
nisisch-arabischen; vgl. dazu Nöldeke, WZKM. VIII. 271. —
In mdlak (aus rndVak) > molk, hätten wir eine Form vor uns,
die den als uralt anzusetzenden Wandel qdtal > qatl 2 neu
illustriert, und könnten für das Arabische auf So ein, Diwan
§ 87 d hinweisen, wo neben neueren auch die alte Nebenform
JAi cähd für iA “ns erwähnt wird. 3 Nicht sehr wahrscheinlich
ist mir die Annahme, daß wir in dem fürs Mehri zu suppo-
nierenden *malk eine alte Substitution hätten, nämlich
(= eXA = ,König' für iiDBc ,Engel'. Eher könnte
dies im Dfäri der Fall sein: milk aus mdlik ,König' > milih,
was den 7-Vokal erklären würde (s. diese Seite Note 3); aber
der Ersatz der zweisilbigen durch die ,einsilbige' Form bliebe
aufrecht. Tatsächlich linden wir für ,Engel' im Shauri milik
(Müller, Texte 43, n) also die regelrechte, zweisilbige, ultima-
betonte Form. An dieser Stelle bietet das Soqotri melak das
Mehri mlek (zweisilbige Form; mit ?, wie Dfäri, Shaurl). Ich
möchte auch nicht mit Landberg (von Bittner zur Stelle
zitiert) annehmen, daß melak. mlek, milik hier ,König' (‘
^IhlA) bedeutet oder bedeuten muß. In den biblischen
1 Natürlich nach erfolgtem direkten Übergang von l zum Vokal, d. h.
nach Aufgabe des Stimmeiusatzes: m&Vdk > mdlak > mdllc.
2 Brockelmann § 123 a.
3 Zu qtitil > qitil > qitl vgl. Brockelmann, p. 182 3.
Zur Formenlehre des Mehri.
5
Stücken Müllers (Bittner, zur Stelle) heißt mlek ja auch ,Engel'
und mit Bittner anzunehmen, daß der Mehriübersetzer so
konsequent nach melelc ,König' (Müller I. 7, 25. '8, 5) auch
(Müller, 1. c. p. 31—34) mißverstanden und mit m(e)leh
(statt molek) verwechselt hätte, ist m. E. nicht gut tunlich.
Höchstens hat, wie ich schon oben angedeutet habe, in den
neueren Sprachen und Dialekten (Shauri, Mehri, Dfarl milik
bzw. mlelc, bzw. milk) das obsolete Wort für ,König' (dafür
das auch nicht alltägliche für ,Engel' verdrängt
bzw. substituiert, 1 und zwar nicht mehr bloß individuell,
sondern in ziemlich weitem Umfange!
Zu § 24 nomen unitatis, vgl. weiter unten zu § 33.
Zu § 26 Demiuutiva. Die hier angeführten nom. demin.
tawafel, gawadel, qawaleb, qawutel sind wohl nicht als qawtdl-
sondern als Formen anzusetzen, also wie von JMü ge
bildet, in welches ja jAs : J.iA > täfel, (*jAa >) gädel, tMs >
qäleb übergeht. 2 qawutel ,kurzer Blick' wird von qeytel gebildet,
und zwar über *quyaytil wie 'uydynat > c uwdynat usf. usf.,
Brockelmann, p. 189 0. 3 — Infolge Ultimabetonung ist der
Diphthong ai kontrahiert und verkürzt, und zwar zu a(e), wie
in dem Bittner p. 10, § 4b Anm. 2 erwähnten Falle; in
qaioutel sogar zu u (nach w).
Zu § 27. Hier liegen zum Teil Deminutiva mit doppelter
Bildung 4 vor: jAsi + an : wuqaten nicht < cu'si, + en sondern
< ebenso suwanot = für einfach demin.
zu ä.eLA.
Daß die Deminutivendung an (vgl. Brockelmann § 217)
im Mehri zu en 5 wird, wenn sie nicht wie in suwanot (von
ult. £) aus leicht erklärlichen Ursachen an, an bleibt, aber
niemals zu ön (vgl. das Hebr.) sich verdunkelt, dürfte wohl
1 Was die Sprache in der Substitution einander ähnlicher, nicht fest
sitzender Klangbilder leistet, zeigt leider so oft der Gebrauch der
Fremdwörter. Dabei können die Vorstellungen (von den Dingen), die
bezeichnet sein wollen, sehr genau und klar sein.
2 Bittner, p. 15, Z. 12 f.
3 Gerade dieses Beispiel ist ein Beweis für qutayl zur Bildung von Demin.,
da sonst die Assimilation y > w unbegreiflich wäre.
4 Vgl. D. H. Müller in ZDMG. LVIII. 784.
5 Soq. en, Müller, a. a. O.
6
I. Abhandlung: Ehodokanakis.
hauptsächlich im a?/-Diphthong der Deminutivform jJUä (Assi
milation) seinen Grund haben.
Zu § 28 p. 37 Nr. 9. Ml möchte ich (trotz des e) mit
Bittner = häl setzen; an eine Verkürzung (hal > Ml) unter
Vergleichung von CAA > Sebb 1 ist, da J'A- nicht auf eine
Doppelkonsonanz ausgeht, kaum zu denken.
Zu § 29 Anm. (p. 39): a) tebrone bildet fern, tebrite,
jehmone, jehmite etc. ß) mesdfire, f. mesfireyte (< mesafirite)
meftekere, meftelcerite etc. Die langvokalische Endung it (mit i)
ist nach Bittner § 33, p. 43 oben (srlfit etc.) zu beur
teilen; zwar könnte it wie in jambit (Bittner § 33) von
der Nisbe aus erklärt werden; doch der Plural (Fern.) spricht
dagegen (s. zu § 51). Für it jedoch als doppelte Feminin
endung, 2 als welche ich es ja auch in srlfit etc. (s. zu § 33)
erkläre, spricht, daß tebrone nicht etwa *tebränite o. ä., sondern
tebrite bildet, wie f. so daß tebrite etwa * + t
anzusetzen wäre (vgl. syr. 3 = + t )-
-e ist nach Analogie des mask. an it- angehängt; s. o.
§ 20. Diese Ausgleichung von mask. und fern, ist nicht auf
fälliger als arab. (für dialektisch erhaltenes f*) nach
und umgekehrt hebr. an nach p (in pa f.-^) oder die Plural
endung nach Zum Plural des mask. s. zu
§ 68 Anm., des fern, zu § 51.
Note. Als sehr unwahrscheinlich möchte ich, bloß der Vollstän
digkeit halber, noch die Möglichkeit erwähnen, daß im Femininum dieses
angehängte -e nicht analogisch aus dem Mask. verschlepptes li (Nisbe) sei,
sondern (enttonte) Femininendung ä (arabisch hehr. aram. ai, e vgl.
rmt<, Mehri harlA)-, zur Anhängung derselben an das fern. •t vgl. Brockel
mann, p. 411 b Anm. zum Amharischen; auch p. 41383. 5
Zu § 33 p. 42, 2. Absatz: Die ein nomen unit. be
zeichnende fern. Endung trägt nach Bittners richtiger Beob-
1 Was Bittner zur Wahl stellt.
2 i (vgl. CUS\ vgl. im Klass.-Arab. und Abess. iyat, it.
Brockelmann, p. 413. 414, a. b.
3 Vom mask. auf än\ Vgl. pw; syr. auch Dan. 4, 5 (Ictib) auf Sn (an
geglichen an das feminine e!) Brockelmann, p. 412. 413.
4 Brockelmann, p. 434c; de Goeje-Wr. I. 222 B. Vgl. umgekehrt die
Übertragung des pluralischen i auf den Singular im Tigrifia ebda 453 y.
5 Dann wäre U in tebrite auch als zu erklären möglich.
Zur Formenlehre des Meliri.
7
achtung immer den Ton; Beispiele § 24: blddyt, mouzdyt, %dat,
hltdyt, limit etc. Ebendort bemerkt B.: ,wären die zuletzt an
geführten Belege nicht nomina unitatis, so müßten sie auf der
penultima betont sein, weil diese naturlang ist'. Die abwei
chende Betonung erkläre ich mindestens bei den auf it (event.
> dyt, eyt) ausgehenden nom. unit. aus der Kontraktion liet > it,
wobei ich zur Nisbenendung auf ähnliche Bildungen im Tigre
und Tigrina (Brockelmann, § 221) hinweise, wo von Kollek
tiven Einzelnomina mittels der Endung äy abgeleitet werden
(Nisbe = Deminutiv und nomen unitatis) 1 z. B. 'äsci, c äsetäy
(Demin.) ,fischartig = kleiner Fisch'; ’ebbanäy (nom. unit.)
,Stein'. Vgl. übrigens auch arabisch Jyia. ,ginn-artig, Ginn’
zu (kollektiv) und überhaupt Nisben nach nom. gentium,
die ja doch nur nomina unitatis zur Stammes- oder Fa
milienbezeichnung sind. — Zu dieser Erklärung der Endung
it in nom. unit. als Nisbe paßt, daß harbiet (nom. unit. zu
harbi) nach Bittner (§ 99 Ende) die Pluralform der Nisben
annimmt.
Einen analogen Erklärungsgrund (doppelte Endung)
könnte man dafür geltend machen, daß ,wenn von einem Sub-
stantivum, dessen natürliches Geschlecht das männliche ist, ein
Femininum gebildet wird, die . . . Fern.-Endung . . . gleich
falls immer betont wird; nur erscheint sie dann stets als it‘
(Bittner, p. 42 unten); also lielbit,, ä.Di Srlfit üJLySo; 2 hier
möchte ich jedoch die doppelte Femininendung i 3 + t er
kennen; vgl. zur doppelten Endung syr. -f t
und besonders Bildungen wie fern. s. Brockel
mann, a. a. 0. 413 und oben zu § 29.
Zu § 84 p. 44 (vgl. auch § 78 p. 68; § 94; § 98 p. 80,
2. Absatz Ende). Es ist interessant, im Mehrl dieselben Diph
thongveränderungen wie im Dfäri und sonst im Neuarabischen
wiederzufinden: > hauwlt, hauwiyet (heterosyllabischer
Langdiphthong zu zwei tautosyllabischen, fallend-steigenden
Diphthongen), vgl. Dfäri grduvn < grdwi < * grdi von grd;
1 Vgl. Praetorius, ZDMG. LIX. 826.
2 Also auch von (substantivierten) Adjektiven. —■ Aus der doppelten
Femininendung erklärt sich der Akzent in SnfU (trotz i der zweiten
Silbe) gegen fqiyret — *faqiret und die übrigen r?aiifa<-Adjektive; § 95.
C£ G , ,
3 Vgl. \ CU-OIS etc. und Brockelmann, p. 414 a, b.
8
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
dann aÄ-hi > Mehrl fäidit (heterosyllabischer Langdiphthong
zu einem tautosyllahischen Diphthong kontrahiert) wie Dfäri
und sonst Ä-cioU > c aysa. Von jäbit = ÄLIÄ möchte ich jeint
nicht als Ä.LLA unterscheiden, sondern in jebit bloß eine sekun
däre Druckvariante von jäbit vermuten. 1 Vgl. *saqlt > sdqeyt
= Ä-vsUo, wo das d (wie in qafilet) kurz notiert ist (gegen
äfiyetj jäbit). Die Vokalkürzung bei Antritt der Fern.-Endung
(vgl. Sievers 6 § 688) hat die Druckverschiebung ermöglicht.
§ 40 p. 45 Note 1. Zur Endung -en in oten bzw. (ä)ten
bei Bildungen wie hademüten, kilebten (fern. pl. sanus, bzw.
fractus); -en möchte ich weder mit Brockelmann (p. 442 ß)
zur mask. Pluralendung ln (vgl. hebr. D5'ni!fö etc.) noch mit
Bittner zur Nunation stellen; die adverbiell gebrauchten Aus
drücke mit -en (Bittner, a. a. 0. und p. 122) dürfen nicht
herangezogen werden, da die syntaktische Funktion dieser
Plurale keine bloß adverbielle sein kann und der casus ad-
verbialis (bzw. der Akkus, als Adverb) bezüglich der
Nunation resp. Mimation seine eigenen Wege geht; vgl.
hebr. öän : D ?^ etc. etc. und neuarabische Parallelen; z. B. Dfäri
bddn < \jol etc. (Brockelmann,p. 472 b a, 474 de). Wohlmöchte
ich aber die Endung oten bzw. (a)ten mit H. Schuchardt,
WZKM. XXII. 252 auf ät (bzw. at) + an zurückführen und
zu diesen Pluralformen wie auch zu haqtdlten etc. s. w. u.,
vermutungsweise auf assyrische Bildungen hinweisen (De
litzsch 1 , p. 219 d: ,Adverbialendung tan [wahrsch. tan), wie
es scheint, mit Kollektivbedeutung, weshalb sie geradezu
Pluralformen vertritt') 2 mitutan ,die Toten', kul-la-ta-an
,alle', bes. mäti-tan ,alle Länder'. Die Enttonung des an > en
wäre nicht auffälliger als ly > l > e, s. o. zu § 20. — Ähnliche
,gemischte' Pluralbildungen kennt das Berberische, Schuchardt,
a. a. 0. und das Hamitische, Reinisch, Das persönl. Fürwort,
p. 284 f. 298.
1 fatj/ialt, Dial. v. Qäsän für fa^tlat p. 43 Mitte, möchte ich nicht als Um
stellung', sondern mit i > iä (patah furt.) vor (silbischem lat > lt) ,guttu
ralem 1 l erklären — (Landbergs l).
2 Von mir gesperrt. (Vgl. auch Ungnad § 21 1.) Dieser ,Kollektivplural“
bildet auch Distributiva (imatan ,pro Tag“ und Multiplikativa D. H.
Müller, Semitica, I. 34—40: sibi-ta-cm siebenfach“. Daneben die von
Müller auch im Hebr. (a’r) konstatierte Endung ta-am.
Zur Formenlehre des Meliri.
9
Zu § 43 p. 46. In hammaliyin von hammöl = Jiü' etc.,
seyyafiyin neben seyyafin, siyyäsi’in, ay(i))ariyen möchte ich
nicht jzerclehntes' in als Endung sehen, sondern umgekehrt in
seyyafin, und vielleicht auch weiter in hawwatin, habbezin kon
trahierte Formen. Diesen entspricht im Sing, ätliiop.
Im mehritischen Plural iyin wäre eine alte Nisbe erhalten wie
in den Femininen nawariot von nawant (aus iyet). Vgl. ätliiop.
ph und die § 44 von Bittner nach
Nisben, und zwar meist solchen, die Personen bezeichnen, an
geführten Plurale, die mit diesen ganz übereinstimmen: qaronl
qaraniyin etc.', und gleichfalls Kontraktionen dulden: hajjejin
(hejjtcjl), frenjin neben firenjiyin. (Hier ist die Kontraktion
durch vorangehendes jr — j gefördert.) 1
In diesen Jüi-Formen mit Nisbeplural sehe ich eine Stütze
für meine Auffassung des partizipialen -e als verkürzter Nisbe-
endung.
Zll § 45 p. 47. riaheyn ,Winde/, devibtn ,Schwänze 1 ,
shemin ,Schießbogen 1 sind Doppelplurale (oder mit der En
dung des ,äußeren 1 Plur. versehene ,innere 1 Plurale) zu
1. plur. 1. plur. ^4^ 1. plur. die ent_
sprechenden Formen der ersten, inneren Plurale ridh, denöb,
shüm sind im Mehrl zu Singulären geworden, nachdem von
ihnen durch Anhängung der Endung in 2 (vgl.
~v? > Q’P 1 ?» gegen hll?: hli?‘ wo noch der unvermehrte
,innere 1 Plural vorliegt) ein zweiter Plural gebildet worden war.
Vgl. weiter unten zu § 75. Ähnliche Rückbildungen aus dem
Doppelplural 8 hat Schuchardt (WZKM. XXII. 257, vgl. ebda
253 Mitte) für das Berberische nachgewiesen, wo aus Formen
mit der zusammengesetzten Pluralendung -u-en Formen auf
-u rückgebildet sind, die sich ,neben die ursprünglichen Sin
gularformen gestellt haben 1 . 4 Im Mehri scheinen sie die ursprüng
lichen Singulare verdrängt zu haben. So ist es zu erklären,
1 Es läge das vor, was Me ringer ,Entgleisung 1 nennt.
2 Vgl. auch Schuchardt, WZKM., XXII. 250 unten zum Berberischen.
3 Vgl. -fÜ\ plur. £X3\ pl. pl. worauf inia im Span.-Arab. zum Sing,
herabsinkt; Brockel mann,* § 239 a, wo weitere Belege aus dem Se
mitischen zu finden sind.
4 c asker, i- aslcer-iuen > c askeriu.
10
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
daß LA-A > ktöb mit «_AD (statt > denöb zusammen
fiel; und ebenso der Plural ktebin mit dernbin.
s 99
Note. Ictebm kann (verkürzt), aber anch sein.
Zu § 51. Der feminine Plural der Partizipialbildungen
wie sfirite (m. sfirone), mesfireyte (m. mesdßre) lautet sfirüten,
mesfirüten. 1 Vgl. oben zu § 29. Wir haben also auch im Plural
wie im Singular doppelte Endung, s. zu § 40. 67.
Zu § 00. Da einem arab. JUSO als Pluralform im Meliri
sonst haqtdl entspricht, 2 können die * q(a)täl-Plurale wie tafök
= JllLl (das Adj. J.A.L hat im PI. JUh und J ? Ab) hazöm
?$daL ,Gegner' (erwähnt wird auch (IAA. und pLoA.1!) durch
Kontamination mit den JLsS und pluralen (ohne '!)
hervorgegangen sein; mit letzteren umso eher, als ä im Mehr!
ohnehin zu 6 wird, manchmal sogar zu ü (Bittner, p. 9 unten)
und ü auch durch 6 substituiert werden kann (ebda p. 10 oben).
In der Tat hat das Klassisch-Arabische oft dort plurale,
wo das Mehrl *qtdl (statt haqtdl) bildet. So jiled lm d
qarön biröq
Zu § 61 p. 57 f. Pluralformen mit parasitärem y, w‘.
Z. B. wayol (jji^ Bergziege) fheyöd von fdhed. Diese Formen
mit parasitärem y findet Bittner nur bei Wurzeln, deren
zweiter oder erster Radikal ein Guttural oder ein empha
tischer Laut ist. In sehr ansprechender Weise erklärt er auch
diese (vgl. oben p. 2 f. zu den Infinitiven J^lxis) durch Brechung
und Metathese: qitdl > qaytdl > qatydl.
Doch bereitet die Annahme einer so weitgehenden Meta
these des konsonantisch gebrauchten Vokals (i) Schwierigkeiten.
Wir finden auch sonst genau entsprechendes liayböb < olK
taybob (für tibäb, sg. tabib etc. Bittner, p. 56 Anm. 2) ohne
Umstellung; ebenso qayton und gaytoy (p. 55 unten, ebda);
dann Formen ohne Brechung bei secundae q, r: fiqor, birüy
neben beroy 3 (ebda § 96, p. 78) gegen siryoq (< *siräq zu
*seyrdq und mit Metathese *serydq nach Bittner § 61); eben-
1 Jahn, Gramm, pag. 92. — Ein äußerer Nisbeplural würde auf iot
ausgehen.
? D. h.: wortanlautender Stimmeinsatz nicht wie im Vulgärarab. samt
seinem Vokal entfällt, sondern durch gehauchten Einsatz ersetzt wird.
3 Dieses kann allerdings für *beyr6y stehen.
Zur Formenlehre des Meliri.
11
dort § 96 wiederum Formen mit i > ay, aber ohne Metathese:
beygol, gaydob, gaylof, gaysom, geyzor, rayhorn (med. laryng!),
hayföf etc. 1 Andererseits finden wir im Mehr! sonst bei se-
cundae laryngalis auch i > ig (patah furtivum s. oben zu § 12
Anm.) und nicht ei : mahh Plur. mieliäh (Bittner, § 59).
Endlich hat zafiyen y^äj und sirydq weder an erster noch an
zweiter Stelle eine Laryngalis oder Emphatica.
Sehen wir uns nun an der Hand von Bittners Zusammen
stellungen die' Singulare dieser Formen mit eingeschobenem
y an, so sind sie Plurale 1. von einsilbigen 1 jGä-Formen, z. B.
Sarg pl. Sirydq; wäl wayöl; liayres < bariyes; 2. aber
seltener, von zweisilbigen 1 Singulären: hasis hasi'os-, qasir qa-
siyor ; nahdj nahayej (für *nahyej\ i, a vor y ist anaptyktiseher
Nebenvokal). Nun läge es natürlich am nächsten ye in zaf(i)yen,
bariyes etc. als diphthongiertes e zu erklären, 2 so daß wir ein
qitdl > qitel > qitiel vor uns hätten; 3 dann ginge aber die
Rechnung nicht restlos auf; denn in Fällen wie sirydq müßten
wir analoger Weise Diphthongierung zu^ioo erwarten; 3 vgl.
etwa Mehr! hericoq, marwod (Bittner, § 62) plnr. zu herq,
marid, also wiederum zu Jjcü (und J-~3). —- Nun aber bildet
der Singular jjc| und Äbi einen Plural jGs 4 (de Goeje-Wright
I. 202f., ebenso im Meliri, Bittner, § 59). Wir wissen ferner,
daß das Altarabische von einem Plural oft nach Muster der
vierradikaligen Nomina singularia einen neuen Plural bildet
(Brockelmann, § 239b, de Goeje-Wright, I. 231D: Jjj.S
1. i—Alst 2. vjblsl); Von einem mehritischen jGi> plurale muß
aber der 2. Plur. JjGs oder J^G'i' lauten, bzw. auf ihn zurück
gehen. Im Altarab. (zum Mehr! vgl. Bittner § 74) finden wir
als Plur. von Singulären der Feminina mit oder ohne
fern. Endung (de Goeje-Wright I. 215B) mit Langvokal
der zweiten Silbe: jjiic JilsG; JGA das
paßt auch zum Geschlecht des gebrochenen ersten Plurals
1 Ebenso heydöq, Seytör, qayzom p. 78 oben, alle ohne Metathese.
2 e > Brockelman n, p. 142 f. in den neuabess. Sprachen. An eine
Mouillierung des zweiten Radikals unter Einfluß des i in der ersten Silbe
ist — vgl. wayöl — nicht zu denken.
3 Brockel mann, a. a. O.
1 JIas als Plur. von /zweisilbigen“ (J-»9 ‘ Älki ‘ J-ois und fern.) No
minalformen s. de Goeje-Wright I, p. 203 G. 204 B.
12
I. Abhandlung-: Rhodokanakis.
JLxSj der auch olme Femininendung coli. fern. ist. Die im
Klass. ungebräuchliche Nebenform (mit w statt 3 > y)
kennt von späteren Dialekten das Span.-Arab. (Brockelmann,
p. 434, Z. 10) und bekanntlich das Abessinische. In der Tat
liegen solche ,Doppelplurale' von J.Xs-Singularen auch im Mehr!
vor: Sdma = (> >) Semöyaj darbet — Äijkö
(> *■_>!>) daroib (Bittner, § 74) mit y- sath =
(> >) satoweh; fdtah = ^ > (* >) fatöweh etc.
(Bittner, § 75) mit w; sogar von med. gern.: reqq pl. pl. re-
qdiceq über was uns den Singular jilöl ,Decke' (klass.
JA. pl. Bittner § 7) als einen zum Singular herab
gesunkenen ersten Plural erklärt (vgl. oben p. 2, Fuß=
note 4).
Wie nun (s. o.) über (plur.) 1 ein AJlSl (plur.
plur.) bildet, so wollen wir vorläufig annehmen, daß einmal
auch von einem Plural nach Art der vierradikaligen (und das
sind die Formen 1 Jb'-ü) durch IJückhilduiig ein neuer
Kollektiv-Plural pder ein Singular gewonnen worden sei;
also wie von Jj'üli ein als Plur. (bzw. auch als Sing.!) ge
brauchtes jxiÜ bzw. kUiL etc. Wir bekommen dann von
Sarq = *zunächst (als Plural von jJxS belegt, s. o.)
und von ein (als Plur. plur. von J-Xs belegt, s. o.)
und davon rückgebildet: *seryaq (jXiU!) ebenso: *wayal,
*zafyan etc. etc. Das ergab im Mehr! wie mutabäh — i-lk*
mijles — mtaliör — ^k* (von Bittner, § 22 als *
angesetzt) : siryöq, hariyes (mit i als Nebenvokal) zafiyen, iva’yöl,
howiyär, qasiyör, nahayej etc. etc. Um das vielleicht befrem
dende o in einigen dieser Pluralformen zu erklären (z. B. fheyöd)
will ich hinweisen 1. auf d > ö in qdtl > qötel (vgl. auch
Bittner, p. 10 Punkt 3); 2. auf die von Bittner § 60 behan
delten Plurale: biröq, liazöm, jiled und wureh neben wuröh,
deren Analogie die Vokalisation auch hier gefolgt sein dürfte.
Allerdings bin ich den Beweis noch schuldig, daß Formen
wie ‘ ädlxs oder J^x'a ‘ mit kurzer Endsilbe (aus
der im Mehr! durch Akzent Wirkung sekundär die Länge
hervorging) irgendwo im Arabischen als Plurale oder Singulare
Vorkommen. Den Beweis kann ich aus dem Südostarabischen
1 Er sinkt sekundär zu einem Plur. paucitatis herab.
Zur Formenlehre des Mehri.
13
erbringen. Landberg, Haqlr. p. 577 f. führt an = ,la
qualite d’etre un daula‘ ; ebda 471 aJuX», bei den ‘Awäliq
üjXs 1 = ,toutes les tribus, Kabilenschaft, esprit de tribu,
courage'. — Aus meinen Dfärtexten kommt dazu: liorivir zu
,Seide' 19, 35 und sümwil, abgefragter Plural zu samil
,Stock'. Hier (viell. auch in Lj>ls) läge es nahe, in w einen
Übergangslaut zu suchen vom labialen m (bzw. b) zu dem
mit konträrer Artikulation gesprochenen i (ce). Dieser Ausweg
versagt bei hör wir und <üXAs mit ^ bliebe unerklärt. —
kann zwar zu ,proceder arbitrairement' (1. c. 577
unten) gehören; vgl. Brockelmann, p. 514b. 2
Ebenso wird aber auch )XAU (Landberg, ebda 578 oben) ge
braucht. jAXÜ kann auf wie j^XAS = jtä zurückgehen
(mit Metathese von Sonorlaut und konsonantischem Vokal,
Brockelmann, 270 g) — es kann aber auch direkt von LA
mit Langvokal der zweiten Silbe gebildet sein. 3 Sehen
wir uns nun die Singulare zu H^Xs üXXS, und .jj*. an,
so finden wir: ALL, und mit Langvokal der
zweiten Silbe; sie lauten demnach auch im Plural: JiUi
‘ * JJIAA, 4 also : JiU» bzw. bzw. JjUS (s. o.). Nach
zu jjüL« XXXäX> rückgebildet, erhalten wir sümwil, hör wir
und neben AiXX“ (vgl. J-AA» neben J^US!). Davon sind
sümwil, liorwir als Plurale bzw. Kollektiva in Vei'wendung;
aJuXe neben ü^Xi sowohl als kollektiver Plural: ,toutes les
tribus', als auch als abstrakter Singular ,Kabilenschaft,
esprit de tribu, courage 1 . (Vgl. Brockelmann, p. 437 Fuß
note 1 und oben zu § 45: ‘ <—AD als Singulare.)
Auch (abstr. ,die Eigenschaft, ein D. zu sein' etc.)
läßt sich als rückgebildete zu einem Sing, herabgesun-
1 Beachte den Wechsel ^
2 Für gewöhnlich scheinen aber die J.Ä^.i.j-Formen seihst erst deno
miniert zu sein! Brockelmann, a. a. 0. Vgl. weiter unten zu
3 Brutal ausgedrückt: ,mit ^ als Radikal*. Vgl. die Plurale: ,Fem. qua-
driliterals, of which the third 1 etter is servile or quiescent* de Goeje-
> /• p >
Wright I. 215:
4 Klassisch allerdings äpX aber vgl. 1 ^SLLo
de Goeje-Wright I. 215 D.
14
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
kene 1 Form erklären, was umso empfehlenswerter ist, als J^.öö
(s. ö. Note 2 zu und J-s'-äi) eher von denominiert
ist als umgekehrt; von über (vgl. >—jG)' von i_j|j
wie Jp^.j von und rückgebildet *)£>. Damit
hätten wir im Gegensatz zu den übrigen südost-(vulgär)ara-
bischen Formen wie von J^ä-Singularen eine
rückgebildete Form von einem ,einsilbigen' Singular, wie im
Mehri. 2
Die Beweiskraft dieser Bladrami- und Dfari-Kollektiva und
Abstrakta liegt m. E. auch darin, daß, wenn wir von der
Rückbildung über JljGS Jo.Lxä als Pluralen von Ä-UaS J-püs
absehen, uns ihre Erklärung gar nicht, oder nur von jAi-
Pluralen aus möglich wäre, wie ‘ ■■ ALA
Dann wäre aber das 3, bzw. als parasitärer' Laut, konse
quent weder als Gleitf UbergangsJlaut noch durch Metathese nach
Brechung eines (kurzen) Vokals oder irgendwie sonst zu deuten;
abgesehen davon, daß J-A-Formen in Dfärl ultimabetont sein
müßten und *f ul ergeben hätten. 8
Zu § 62 ]>. 57f. Adjektiva wie and, cjaliz, mariä bilden
in Plural: arwöd, galivöz, marwod. ,In einigen Fällen hat es
den Anschein, als ob y durch w ersetzt worden wäre' (Bittner,
a. a. O.). Der Ersatz des 3, durch 3 wäre bei Annahme einer
Rückbildung auch dieser Plurale (J^s pl. jGi? > J3G1S > J^i)
gegen Formen wie qatyöl, qatydl, qatyel aus J3GS neben jMJiä
zu erklären, vgl. zü § 106. —- Prüft man jedoch diese Wurzeln
näher, so wie die Singulare c_Sj4> taref pl. tarof neben terwöf,
herq pl. lierwoq, qars pl. qamoüs (einsilbige und zweisilbige
Sing.), von denen Bittner (ebda) mit Recht vermutet: anderer
seits dürfte w manchmal dem 6 (ü) bloß vorgeschlagen sein' 4
(ebda), so fällt es auf, daß es Wurzeln secundae r, l (sogen.
Liquidae) sind. Dies und der Umstand, daß die Lautfolge
wo, wü hier konstant ist, während in den Beispielen zu § 61
1 Einerseits abstraktum D3L, andererseits kollektivum: oder
endlich beides: <G-Lo'.
2 ^J^si-Singulare könnten im Mehr! sein: qaSir pl. qasiydr, haSis pl. UaH'oL
Der Plural kann hier über Jlai (Bittner § 84) rückgebildet sein.
3 Die vulgärarabischen Formen weisen auch die Möglichkeit ab, von
Formen wie wäl pl. wayol — als wären es med. ^c, — auszugehen.
4 Bzw. in Note 2 . . . ,uwo als Zerdehnung des 6 zu erklären 1 .
Zur Formenlehre des Mehri.
15
yd, yä und ye ivechselten, legt auch die Vermutung nahe, daß
die Liquidae r, l mit Vonvegnahme der dem 6, ü eigenen
Lippenrundung (,labialisiert £ ) gesprochen werden konnten,
wodurch von ihnen zum folgenden Vokal oft, aber nicht immer 1
ein vernehmbares ic als Gleitlaut (Reibungsgeräusch) entstand.
Vgl. Sievers 5 § 492, jedoch auch weiter unten zu § 106.
Zll § 65 möchte ich den Plural Äias hajirit zu haujdr
,Sklave' (vgl. auch ebda in den Nachträgen p. 125) hervor
heben. haujdr erklärt Bittner § 12 als qawtdl, welches eine
Dehnstufe zu qawtal ist. Wir können auch hier das Zusammen
fallen dieser mit den Jj'lä-Formen im Plural konstatieren. Vgl.
oben zu § 12 und hier soher jk.Go plur. sliaret = äj.s"’.
Zu § 67. Plural qitdlten von weibl. Substantiven ver
schiedener Form und Adjektiven qatilat. Die Substantiva
haben im Sing., wenn überhaupt, dann lange fern. Endung. 2
malliot, dafrit, nefzit, heyrit, liamsit, kelbit etc. etc. Diesem
weibl. Plur. qitdlten entspricht — wie auch Bittner, a. a. 0.
und p. 125 zu kilebten festgestellt hat ■— ein männl. Plur. qitdl,
der bei Adjektiven stets zum Sing, qatil (oder analogen), bei
Subst. eventuell zu J.^S gehört; so pl. ,Hunde',
kilebten ,PIündinnen' von kelbit ,Hündin'; liabrit ,Tochter' pl.
Ilabdnten nach habün ,Söhne' Bittner, §89; aber auch
(im Klass. Fern.) mehri: malliot Pl. jjiu, mehri: mildhten.
Gegenüber dem gebrochenen Plur. mask. qitdl hat der ge
mischte Plur. fern, qitdlten noch doppelte Endung: 1. at>t,
die fern. Singularendung; soweit es sich um Plur. von Sing,
mit Femininendung handelt, kann at im Plural 3 als Zeichen
des Feminins zum Unterschiede vom männl. Plur. qitdl, also
als Geschlechtszeichen, aus dem Sing, qatilat u. ä. verschleppt
sein. 4 Die 2. Endung ist en = enttontem an (s. oben zu § 40).
1 Vgl. birbq Bittner, § 60. arod ebda § 84.
s Zum Teil handelt es sieh um Sing, mit doppelter Femininendung; s. o.
zu §§ 29. 33.
3 Vgl. Schuchardt, WZKM. XXII. 251—253 (bes. 253, 1. Absatz Ende),
wo es sieh jedoeli um gemischte Plur. handelt, die äußere Plur. von
äußeren Plur. sind (von fern, event. mask. Sing.).
1 Anders in qitälat von männl. Plur. Bittner § 66. — Die Kürzung
des A in qitäl-at-en erfolgte durch den Antritt der Endung -en; vgl.
silmet, qAfilet, bddiet = Wils + a t- (Eventuell in geschlossener Silbe
nach Elision des a. Vgl. qattälat > qattdlt Bittner p. 73.)
16
I. Abhandlung: Rhodokanakis.
Sie mag hier aus Gründen angehängt worden sein, die wir
gleich erörtern werden.
Der Plural qitdlten = qitäl + at + «n(> en) wird, Avie
erwähnt, zunächst vom Sing, mit Femininendirng gebildet;
vgl. die Aveitaus größere Zahl der Beispiele bei Bittner, p. 60, 61.
Brockelmann, p. 441—442 hat die These aufgestellt, daß in
Fällen wie hademet hademüten, liakiydt hakiyöten (Bittner § 49,
Singular mit langer Femininendung; äußerer Plural + en)
eine Art (rhythmischer) Erweiterung der Pluralformen vorliege
gegen die Singulare mit langer Femininendung. Fälle wie na-
warit nawari(y)pt (ohne en) sind kein Gegenargument; vgl. it
(sing.) gegen i-öt (plur.). Bei den Pluralformen qitdlten (und
ihren Analogien, wie plur. hauleyten vom Sing, hauliyot, haii-
liyijet [Nisbe] Bittner, § 99) kommt es aber auf die Länge
der Femininendung des Sing, gar nicht an, da ja kein äußerer
Plural auf *dt (lang) + en, sondern ein innerer + at (kurze
sing. fern. Endung!) + en vorliegt. Von einem Singular der
Nominalform x + Femininendung hat aber der Plural qitäl
+ kurze Femininendung + en (mindestens äußerlich, vgl. zu
§ 33,51 am Ende) um eine Endung mehr. Bei den Adjektiven
vom mask. qatil, Avelche im Sing, kurze fern. Endung haben,
z. B. m. faqir, pl. fiqdr, fern, fqeyret, 1 pl. fiqarten, besteht der
Plural mit zwei Endungen, wie der Sing, mit einer Endung,
aus drei Silben. Aber fiqarten geht auf fiqäraten zurück. Der
Gedanke an eine rhythmische Erweiterung (bzw. Angleichung)
solcher Pluralformen ist also nicht ganz von der Hand zu
weisen. Umgekehrt gehört nur zu männlichen 2 Sing, etwa
zemel, kfen, biriq — wie Bittner § 66 Ende beobachtet hat —
jedenfalls aber zu Sing, ohne Femininendung ein Plural
qitälat, qutälat 3 ohne zAveite Endung (en) also: zimölet, kfönet,
boröuqat. Beachte besonders lisin 4 (mask.) plur. lisönet ,Zunge*
1 Bittner §96. — Hier ist at im Plur. qitäl-at wohl sicher aus dem
Sing, qatil-at verschleppt.
2 und von Bittner §66 angeführt, sind im Klass. weiblich.
3 Vgl. de Goeje-Wrigli t I. 224 A.
4 Das i in lisin erkläre ich mir aus & — durch Imäla nach i und s.
Brockelmann §76- Das ä>o bzw. > ä der Plurale lUonet, Seränten
nach Analogie von qatil, qitäl. Das &y in Srayn scheint ja aus i ent
standen zu sein; Bittner, p. 126 unten.
Zur Formenlehre dos Mehri.
17
gegen irdyn pl. serdnten (Bittner, p. 60f. 126) ,Unterschenkel/,
das zwar im Sing, auch keine Femininendung hat, aber im
Plur. gebildet ist nach Analogie der Fern, (ohne Endung)
hei doppelt vorhandenen Körperteilen. Denn wohl zu
nächst auf weibliche Substantiva breitet sich der Plural qitdlten
analogisch weiter aus (beachte das Auftreten des t als Geschlechts
zeichens im Plural), auch wenn sie im Singular der Feminin
endung entbehren: ayn, ayenten, liayden hciydenten. 1 Ähnliches
im Berberischen (vgl. H. Schuchardt, WZKM. XXII. 252),
wo den femininen Plur. auf -at-in sogar männliche nach
geh ildet sind.
Aus dem Rahmen der rhythmischen Erweiterung fallen
Plurale wie heyd, hidüten ,Hände', lijem lijemüten, rizdn riza-
nüten (§ 50; äußere Pluralendung ät + en) von Sing. jHs
und anderen; sie lassen sich aber als Kollektive (mittels -en =
an) von äußeren Pluralen (mittels -ät) erklären, also als ge
mischte (doppelte) Plurale; vgl. Schuchardt, a. a. 0. 252. 253,
besonders den dort herangezogenen Plural kahen-ät-an ver
glichen mit Mehri meqaddemüten von mqdddem.
Zu § 68, Anui. p. 62. Die maskuline Pluralendung von
Verbaladjektiven wie jehmone jehmeye (Jahn, p. 90) meftelcere
meftekereye (ebda p. 93), von Bittner eye = äye angesetzt,
liefert den strikten Beweis, daß wir es im Mask. mit Nisbe-
bildungen (s. o. zu § 20, Anm. 2) zu tun haben. Diese Formen
entsprechen nämlich Pluralbildungen wie wahsi walüöy, mehri
mehre (Bittner § 99 aus mehräy nach qatü qitäl). — e ist
analogisch aus dem Singular verschleppt.
Zu § 69 und der hier angeführten Pluralreihe haqtäl,
haqtelet, haqtdlten vgl. oben p. 16 f. zu qitäl, qitälat, qitdlten,
bes. die Fußnote 1 zu den Pluralen ayenten etc. aus +
at + en. Sie ist ebenso zu erklären wie jene. Zu beachten
wäre besonders, daß haqtelat- wie ä.)Hä-Plurale (s. o. zu
1 Hier wohl für aqtäl (^Uel ‘ + at + en-, zu den Pluralformen
aqtäl — qitäl (s. o. > qitdlten), die im Vulgärar. (bes. Haijr., Dfärl) oft
zusammenfallen, im Melirl vgl. Bittner § 59. 60. — Daher kann auch
liayden schwerlich eiu zum Sing, herabgesunkener arab.-mehritiseher
Plural sein, da wir von aus 6 in der letzten Silbe erwarten müssten.
In haydßnten kann das ay aus dem Sing, stammen; vgl. Bittner,
p. 127, Z. 6 ff.
Sitznngsbor. d. pliil.-liist. Kl. 165. Bd. 1. Abk.
2
18
I. Abhandlung: ßhodokanakis.
§ 67 ; p. 16 unt.) von mask. Sing. Vorkommen (vgl. die Beispiele
Bittner, § 71 und p. 128), während zu haqtalten fern. Singu
lare mindestens zu erwarten wären, wie srifit, häsreften gegen
serif haseröf tatsächlich hat (Bittner, ebda Anm.).
Zu § 74. 75. qatdyil und qatdwil wurden schon oben zu
§§ 61. 62, soweit es Plurale von einsilbigen mask. und fern.
Formen (wie j :•« 1 älxs) oder auch von zweisilbigen (wie J~&)
sind, als gebrochene Plurale zum gebrochenen Plural JLA er
klärt. Der erste Plural Jhiä kann, so in jilol ,Decke' arab.
JlU. pl. von J.L, zum Sing, herabsinken.
Zu § 82, p. 71. Im Anschlüsse an Plurale wie qandil
qandol nach Analogie von JliS (Bittner, §§ 81. 84),
werden hier eine Reihe eigenartiger Plurale behandelt, wie:
firhin fiirhiy 6 n ,Stute‘, tibrin tibriyön ,Hyäne', jalliin jalhiyön
,Muschel', hükin haukiyön ,Einsiedlerkrebs', serwin serwiyvn
,Thunfisch', jidibin jidibiyön ,eine Fischart', bsayn bsayön
,Krähe' und einige andere. Bittner erklärt sie ,wie von firhin
mit zerdehntem i, also von firhiyin aus'. Er ist vollkommen
im Rechte; zu erforschen bleibt nur die ,Zerdehnung' des i.
Man wäre wohl zunächst geneigt, auch hier an ,Rückbildungen'
zu denken, 1 oder an eine Wirkung (irgendwelcher Art, etwa
Mouillierung) des ursprünglichen i in der Pluralform qitäl.
Doch da müßte man fragen, warum sich diese eigenartige
Bildung auf Substantiva auf in beschränkt, während z. B.
hayardyb, liitdyl trotz Diphthonges im Sing, den Plural hacjaröb,
hitöl bilden. — Auch die Wurzelkonsonanten der angeführten
Plurale auf iyön bieten keinen Angriffspunkt derart, daß bei
einer allen Wurzeln gemeinsamen Lautqualität eingesetzt werden
könnte. Sieht man aber die von Bittner, p. 71 erwähnten
Substantiva auf ihre Bedeutung an, so sind es — soweit
ich sie aufgenommen habe — Tiernamen; zu den übrigen
vgl. w. u.
Eine rein äußerliche Analogie oder Ähnlichkeit mit
Pluralen wie firhin firhiyön bietet das Syrische in äußeren Plu-
ralen mit doppelter Femininendung (Brockelmann, p. 415d.
416 d) wie ]kJnlM pl. (ebda p. 4447), wo die 1. Femi-
1 Wie z. B. menteqiyed (Plural, Bittner, p. 118) wirklich eine ist. S. "w. u.
zum Nachtrag Bittner, p. 118.
Zur Formenlehre des Meliri.
19
ninenclung i im Plur. verbleibt, jedoch bei Antritt der Plural
endung dt : i-ät . . . > iyät . . . > eyät (vgl. ü-ät . . . > uioät >
ewät . . .) wird. Und nun einen Schritt weiter zum Mehrl.
Hier bildet das Koll. harbi (i Feminin- bzw. Kollektivendung;
vgl. hebr. .Heuschreckenschwarmj coli., Exod. 10, 4ff.)
ein nomen unitatis harbi-et (mit langer Femininendung et; vgl.
oben zu § 33, p. 6f.; bei langer Femininendung it würden wir
kontrahiertes *harbit, erhalten). Den Plural bildet dieses nom.
unit. (nach Analogie von qatlil fern. qcitUlat PI. qatldl, davon fern.
qatldlten, wie ans-iyyet 1 ans-eyten) harbieyten (vgl. Bittner,
§ 99) nicht harbeyten, d. h. von harbi-et aus: mit Wechsel von
et. (Sing.), welches hier sonstiges lief, oder it darstellt, zu eyten
(Plural). Auf fi.rh.in firhiyän angewendet, ergibt diese Betrach
tung, daß firhin = firhi-in sein, d. h. zwei Endungen ent
halten muß. Die erste, i, ist Nisbe- als Deminutivendung (vgl.
oben zu § 33 und Brockelmann, § 221) und bleibt im Plural
erhalten, die zweite, die Deminutivendung en bzw. in (vgl.
Bittner, §27, Brockelmann, § 217; anders wird an, en,
in, ün und on von Landberg, Dat. 293ff. 1411 ff. erklärt)
und wird im Plur. durch an ersetzt, so daß im Sing, dop
pelt gebildete Deminutiva vorliegen. Dazu stimmt, daß
solche Pluralbildungen hauptsächlich von Tiernamen auf in
vorliegen, vgl. Nöldeke, Beitr. zur vergl. sem. Sprachw. 78,
N. 6 zu Tiernamen wie ,Wolff, ,Hyäne‘ etc.
(u. zw. das Männchen), ferner der Plural qalliyen ,Kinder'
(Bittner, Nachträge p. 122 zu § 44), welcher mit Fingern
auf ein Deminutiv weist; vgl. jkJi etc. Wie nun die
syrische fern. Pluralendung yätä, wätä analogisch weiter ver
schleppt ist (Brockelmann, § 241, p. 444 q), so auch die
mehritische Endung iydn (l-dn zum Sing, i-in) zu Singulären
auf in, in denen in anderen, nicht deminutiven Ursprungs
ist: mesJcin ,arm‘, meskiyön, als detraktives Deminutiv ge
faßt, wozu auf msaykin meiner Dfaritexte 123, u
hingewiesen werden kann. Nach meskiyön wird auch das
fern, meslcienten gebildet gegen muselöm muselemten Bittner,
§ 100 Ende.
1 Es gibt auch kontrahierte Nisben im Sing, fern., z. B. jamhit =
- c , ^ y
2*
20
I. Abhandlung: Rliodokanakis.
Zu § 88. Von den hier angeführten unregelmäßigen Plu-
ralen sind qanät 2US qayuwen / miröt miyer so gebildet, als
hätten sie im Sing, langen Vokal oder Diphthong der ersten
Silbe; vgl. zu miyer Bittner, a. a. 0. ,als ob miröt (arab.
«1U) nom. unit. zu miyer wäre, resp. miröt für miyer dt stunde*.
Durch die im Mehri gegebene Möglichkeit einer Längung der
Endsilbe (fern. Endung) durch Betonung einerseits, andererseits
einer Kürzung der ursprünglichen Länge vor dem Tone (ölem,
alemin § 42), mußten besonders (mit Einschluß der fern. Endung)
zweisilbige Nomina solchen Schwankungen und Verschiebungen
ausgesetzt sein, wie sie in miröt miyer und *o'i? von *US zu
tage treten, die 'wie von einer hohlen Wurzel, 2 aber mit se
kundär gekürzter Stammsilbe, behandelt werden. Vgl. umge
kehrt jabit — ÄLhL, das über eine Form mit d (vgl. sdqeyt
= pl. sivöqey § 73) in jebit übergeht, welches nicht als
ÄlXL angesetzt werden muß, sondern (s. o. zu § 34) bloß eine
Druckvariante zu jabit sein dürfte, wie ltüfiyet neben küfit
vgl. Bittner, p. 81 Mitte und Brockelmann, p. 80bb. 8
Zu § 100. Bei mahabit ,vermischt* möchte ich gegen
Jahn, der an einen Wechsel von b und l denkt, an
,schlagen, frapper* erinnern; vgl. J4S ,mischen*.
Zu § 103 f. erscheint im Mehri ,als qteV (sogar bei
med. gern., wenn sliäh = [a\£hdh) ,mit gesprengter Anlaut-
Doppelkonsonanz* etwa hadeb etc.; dies führt uns also auf
*qatdl, Bittner, § 105, dem vulgärarab. Elativformen wie
hamed = entsprechen. Vgl. u. a. So ein, Diwan § 91 d.
Zu § 105. 108. In den Femininformen hadebit, ajemit,
aber auch aujit, hemjit, hammit, jibhdyt, sahhdyt, aurit etc., wie
hadärit, lebnit steckt doppelte Femininendung: (J-si + t 4 bzw.
bzw. (jLA 4- i; sei es, daß sie bezüglich des Stammes
auf das mask. qatal- zurückgehen, oder, was ich bei hadärit,
lebnit eher vermuten möchte, — bzw. *^4*9 sind.
1 Mit Bittner aus qiwän qaywen (u ist Nebenvokal); beachte das Fehlen
einer Metathese des y, wie auch in tayiwol = Bittner, p. 80 oben.
2 Vgl. moujit muwej Bittner, §§ 59. 60.
3 In awtres für ^liegt Metathese in Fernstellung zwi
schen konsonant. Vokal und Sonorlaut vor; Brockelmann, p. 272 o.
4 Beachte, daß nach B., a. a. O. auch nach 1c dyt für (bzw. neben) it auf-
tritt: ä, ä, e und i als Femininendung.
Zur Formenlehre des Mehri.
21
Die Anhängung des fern. an fern, auf ^3' und A (sogar an
mask. wie ^iAi) ist im Yulgärarab. sehr häufig. Vgl. Brockel
mann, p. 411 f.
Zu § 106. Die mask. Plur. zu > qatel sind wie die
vieler Adjektiva (vgl. auch de Goeje-Wright I. 203, V. 5. 7.
8 — 11) nach J'.i? gebildet. Hier muß ich im Anschluß an das
zu § 61. 62 gesagte einige Plurale besonders erwähnen: 1. awiyöj
(< awiyer (< _,(js); 2. haduwob, ajuwom, zanuwöy, hatu-
wöm, tahuwoJc, shawäli, qatwd, endlich 3. saluwd (Nachträge
p. 132). Es werden wohl 1. ebenso zu erklären sein wie ho-
wiyär, zafiyen s. 0. zu § 61. — Zu 2., 3. macht gegen die zu
§ 62 mit zur Wahl gestellte Annahme einer Labialisierung
durch den folgenden ü, 6-Vokal das gewiß nicht sekundäre ä
in Shawdh (r) qatwd', saluwd’ (£,) Schwierigkeiten; auch fehlt
hier — von dem einen Beispiele saluwd 5 mil l abgesehen —
die dort konstatierte Regelmäßigkeit von r, l, als 2. Radikal.
Es wird also nichts übrig bleiben, als Rückbildungen auch über
anzunehmen und dieses Prinzip bei den Pluralen mit
,parasitärem' w gleichfalls als formbildend anzuerkennen. Das
selbe gilt zum Teil von den
zu § 107 Anm. angeführten Pluralen: hawiyel, za Iw äh.
sahawäh. Die mask. Sing, hdywul, zäylah, sdhh setzt Bittner
als J.Aä an. Dann wäre salyawäh über pl. 2. pl. *sa/tdwah
entstanden 1 (vgl. § 75 gegen Ende, die Beispiele von einsil
bigen' Sing. med. gern.). Immerhin möglich wäre aber bei
lidywul, zdylah auch die Annahme einer jAIU-Form, die wie
J-As J.C39 betont (§ 12) auch wie Jfl» den Plur. jUi gebildet
hätte 2 (vgl. de Goeje-Wright I. 204 C 11) neben von Gf'i
und Für die Annahme einer J.AA als Adjektivform (vgl.
Brockelmann, § 129), sprechen auch einige der von Bittner,
p. 85 Note 1 mitgeteilten Tatsachen; zunächst zaywar (med. ^ wie
J*AA) fern, zayweret pl. mask. zaiveret, das ich nur über äj-Ajj 4
1 Von Adj. geläufig: sadöweq, sabower, marower Bittner, p. 86 unter dem
Strich (von qatl im fern. qätilaH).
2 pl. die Weiterentwicklung über bleibt gleich.
3 Von (AjJA. plur. müßten wir Metathese > > ha
wiyel annehmen.
1 Für kjjlij (vgl. zur Metathese aweres für zur Pluralform
und de Goeje-Wright I. 230 D), wie von jdjj-
22
I. Abhandlung: Rh odokan akis.
mit Diphthongkontraktion (vgl. oben zu § 34) erklären kann.
Auch bidi fein, bidlt könnte für stehen, wozu
der mask. Plur. bidiyet = paßt; vgl. haujör =
pl. hajirit — ÄA.xä (Bittner, p. 59. 125).
Note. Einige dieser Formen sind, wie aus Jahns WB. zu ersehen
ist, abgefragt. Sie werden unter Umständen von den Sprachmedien nach
irgendeiner Analogie frei gebildet worden sein. — Ob baharit, auf welches
Bittner, p. 87 N. 1 (Plur. zu bahhor) als auf eine -Form hinweist
(§ 65), nicht mit bhariyya ,Schiffsleute 4 Dfärtexte 56, 3. 57, 18. 58, 24 27 zu
identifizieren ist?
Zu § 110. In lianöb möchte icli (wie D. H. Müller s.
w. u.) keine Radix linb oder ’nZ» suchen und den Plural lianiöb
nicht aus *Mnäb erklären, sondern ha- nach Bittner, §28,
11. 13. 14. iö deuten; das Wort, welches im Mehr! als fern, von
ke.li fungiert, ,groß' bedeutet: von Sachen, bet lianöb, aber
auch ,groß — älter', gehört zu GjO pl. (Mehr! > lia
nöb, lia-niöb 1 für -niiob); JljÜ bedeutet ja auch
(Lisän s. v., wo in einem Verse des Gamil der Plur. i_>U3\
mit l^jrtSUo erklärt wird). Zum Bedeutungsübergang ist
auf D. H. Müller WZKM. XXIII. 347 ff. hinzuweisen: 3 e6, 3 cm
= ,Vater, Mutter' > ,groß, große'. Daß lianöb keine Feminin
endung annimmt (vgl. iJbÜ = ,alte Kamelin') ist selbstver
ständlich. Trotz dieser nur uns despektierlich scheinenden
altarabischen Parallele — man denke an die mit Kamelhengsten
verglichenen altarabischen Helden — möchte ich die Gleichung
Gbü pl. neben der von D. H. Müller (WZKM. XXIII.
348 f. 350 f.) vorgeschlagenen (zu jemandes Stelle vertreten')
mindestens mit zur Wahl stellen, und dies umso eher, als die
Formen im Arabischen und Mehri genau kongruieren und
sachlich diese Etymologie den Vorzug hätte, von einer kon
kreten Vorstellung auszugehen.
Zu Nachtrag p. 118. Die Partizipia mahtilef, minteqad
(Jahn, Wtb. s. v.) hält Bittner für Passiv-Partizipia mit i
(wie matelim § 20), die versehentlich für mahtilef bzw. minte-
qdd (= minteqdy ä = minteqid) stünden. Betreff des zweiten
1 Hier ist ha für ha für 1 Bittner § 70 möglicherweise aus dem
Plural (nach Analogie der Fälle § 28) in den Singular verschleppt.
Vielleicht ist manches ,vorgeschlagene 1 ha- auf diesem Wege über ha
in den Plural und Singular geraten; vgl. heyh mit h gegen nx.
Zur Formenlehre des Mehri.
23
führt er als Stütze den Plural menteqiyeij an, den er mit Imäla
(statt menteqd$) ans menteqäd erklärt (nach jU:i' etc.
§§ 59 Anna. 2. 81. 82. 83 ff. 100. 112). Interessant ist der
Diphthong iye mit Rücksicht auf das zu § 61 Vor gebrachte.
Geht man von einem Sing, mit i der letzten Silbe aus, so ist
es allen Analogien (s. o.) gemäß, den Plural mit ä der letzten
Silbe zu bilden; aber es würde zur Analogie JjIxü 1 eben
falls passen, wenn der Plural mit ui statt u der letzten Silbe
gebildet würde, trotzdem ein durch Bildungspräfixe vermehrtes
Wort vorliegt, was aber auch die Pluralbildung mit ä nicht
hindert. Wir bekämen dann nach Analogie von J-tA 3 JA-*®
*menteqid PI. menteqäyed und nach § 61 rückgebildet: menteqiyed.
Für diese Möglichkeit spricht ein Wort meiner Dfär texte,
das sonst schwer zu erklären wäre. Ich meine migzäwil 8, 24.
megzail 8, 27 wozu mir der Sing, migzwil angegeben wurde.
Es bedeutet ,Knüttel' jedenfalls ein Holzinstrument, 2 mit dem
der dämonische Drache bekämpft wird. Ich stelle das Wort
zu Jp?-, 3 besser vielleicht * J/s, vgl. ,abscidit';
,securis bellica'. Die Nominalform ist deutliches also:
*migzil und von -gzil (wie plur. *migza il bzw.
*migzäwil 4 und rückgebildet: * migzwil, das durch Tonver
schiebung > migzwil pl. migzäwil, megzail 5 dem Paradigma
wieder angeglichen wird. So wäre das w aus einem
Gleitlaut in den Pluralformen J3W 9 ' im Sing, zu einem Positions
laut geworden.
1 Bittner, § 74 (überh. von Sing, mit Langvokal der 2. (letzten) Stamm
silbe). Im Klass. auch von nicht weiblichen Sing, de GoejeWright,
I. 215 CD: J..Ö1 j.*^*r*& D'-'i 3
2 Vgl. D. H. Müller, Südarab. Exped. IV. 198—200.
3 Würde im Dfärl eher *nnzU ergeben, außer £ ist vor z dissimila-
torisch zu g — 3 geworden.
4 -g(,a)zU, -g{a)zä\l, -g(i)zwil.
5 z nach g zu z assimiliert.
24
I. Abh.: Rliodokanakis. Zur Formenlehre des Mehri.
Korrekturzusätze.
f / * y
Zu p. 3 oben: Zu und dessen Nebenform als Infinitiven
vgl. Brockelmann, §§ 141b, 143.
Zu p. 23: Als Wurzel von migzwil möchte ich jetzt Jj.9 in der von
Lisäu zu jXs s. v. gegebenen Bedeutung: SJ.1% an-
nehmen. Das würde zu yehedifha bu-wälied em-megzail = <*o der
Textstelle gut passen. Zur Metathese vgl. außer Jj.9 jJiS ,hinken 4 noch
Alphabetisches Register.
(Zahlen = Seiten.)
Deminutiva qutayl, -&n 5; auf i-m und ihre Plurale 18.
Druckwechsel 8 oben, 20.
Feminina mit doppelter Endung: G f.; von afalu 20 unt.;
ihre Plurale 10.
lianöb 22.
Infinitiv qatytd 2 f.
Labialisierte Laute . 14 f.
maValc, malik 4.
Nebenvokale betont 1 f.
Nisben 3. 6 f. 9. Ihre Plurale 17.
Nomina unitatis .... 7.
Nominalform af'dlu 20. f&yal 21 f.
Partizipia mit Nisbenendung: 3; ihre Feminina 6; ihre
Plurale 10. 17.
Plurale auf iym 9; iyon 18; titen, oten, -ten 8. 10. 17 Mitte.
qatalat 15. 22 oben. (h)aqtäl, (qitäl, qutfd) 10, 17 unt.
qitäl 18. 21. qitälat, haqtelet 16 unt., 17 unt.
qitdlten, haqtälten 15f. 17f. qatdyil, qatäwil als
Plur. des Plur. 18. 21. Daraus rückgebildet: qatyal,
qatwal, qatyil, qatwil 10 ff. 21.23. Tertiae infirmae
wie von med. inf. 20. Zu Singulären herabgesunken
9 f. 12.
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien,
Philosophisch-Historische Klasse.
165. B and, 2. Abhandlung.
Altbabylonische
Rechtsurkunden
aus der Zeit der I. babylonischen Dynastie.
(Umschrift, Übersetzung und Kommentar.)
III. Heft.
Von
Dr. Moses Schorr,
Privatdozent an der Universität in Lemberg.
Vorgelegt in der Sitzung am 9. März 1910.
Wien, 1910.
In Kommission hei Alfred Holder
k. u. k. Hof- nnd Universitäts-Buchhändler,
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Druck von Adolf Holzhausen,
k. und k. Hof- und Universitäts-Buchdrucker in Wien.
II. Abhandlung: Schon-. Altbabylonische Rechtsurlnmden. III.
1
II.
Altbabylonische Eechtsurkunden
aus der Zeit der I. babylonischen Dynastie.
(Umschrift, Übersetzung- und Kommentar.)
III. Heft.
Yon
Di-’. Moses Sehorr.
(Vorgelegt in der Sitzung am 9. März 1910.)
Vorwort.
Die hier vorgelegten Urkunden bilden eine Auswahl juri
stischer Texte aus der Zeit der I. babylonischen Dynastie,
welche im vergangenen Jahre von PöbeD und von Ungna'd b
herausgegeben wurden. Der Verfasser hat sich hauptsächlich auf
eine Auswahl derjenigen Rechtsdokumente beschränkt, welche
sei es durch ihren Inhalt im allgemeinen, sei es durch be
stimmte Rechtsklauseln vom durchschnittlichen Typus der Ur
kunden in der betreffenden Kategorie abweichen .und eben des
halb besonderes Interesse bieten. Manche Urkunden stehen
überhaupt ihrem Inhalte nach vereinzelt da und verdienen schon
deshalb besondere Beachtung.
Dagegen wurden die einfachen, leichten, in ihrem Inhalte
, und Typus nur unwesentliche Varianten gegenüber den zahl
reichen bisher bekannten Urkunden aufweisenden Texte zumeist
übergangen. Der Verfasser hat sich nicht zum Ziel gesteckt, das
gesamte neuere Material vorzulegen, sondern eine Interpretation
der schwierigeren und interessanteren Dokumente zu bieten.
a J. Pöbel, Babylonian business documents of the time of the first
dynasty of Babylon (Babyl. Expedition ed. H. V. Hilprecht. Cnneif.
Texts, Vol. VI 2).
b Vorderasiatische Schriftdenkmäler des Vorderasiat. Museums zu Berlin,
Heft VIII, IX.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 2. Abh. 1
2
IT. Abhandlung: Schorr.
Es erübrigt sich wolil hier nochmals, nachdem es bereits
in der Einleitung zu den zwei früheren Heften geschehen ist,
auf die Wichtigkeit dieser Urkunden sowohl für die Rechts
geschichte wie auch für die Kulturgeschichte dieser Zeit des
näheren einzugehen. Die Mannigfaltigkeit des Inhaltes zeigt
ja übrigens von selbst, welch neue Seiten sozialer Erschei
nungen und rechtlicher Institutionen die juristischen Urkunden
uns immer wieder erschließen. Es sind folgende Rechtshand
lungen in der vorliegenden Sammlung von 58 Urkunden
vertreten:
1. Adoption: Nr. 13.
2. Arbeitsvorschuß: Nr. 24.
3. Arbeitermiete: Nr. 36 (Hirt).
4. Bürgschaft: Nr. 1; 44.
5. Darlehen: Nr. 2 (Fruchtwucher); 4; 5; 15; 16; 17; 18;
22; 26; 28 a_1 * (gegen Deckung); 30; 31; 39; 45; 55; 57 (Hof).
6. Deposit: Nr. 25.
7. Deklaration (eidlich im Prozeß): Nr. 52.
8. Erbteilung: Nr. 7; 23; 40; 48.
9. Feldpacht: Nr. 9 (Teilpacht); 29; 35; 42; 49; 56; 58.
10. Freilassung (durch Adoption): Nr. 8.
11. Kauf: Nr. 43 (Sklave).
12. Prozeß: Nr. 12 (wegen Sozietät); 20 (Ausgleich); 21
(Strafe!); 53 (Ausgleich).
13. Protokoll: Nr. 10; 14; 54.
14. Qixittung: Nr. 3; 34; 41; 46 (Uber Lieferung).
15. Scheunenmiete: Nr. 38; 47.
16. Schenkung: Nr. 6; 27; 11 (Stiftung?).
17. Sklavcnmiete: Nr. 19; 32; 37; 50; 51.
18. Tempelankündigung (über Geldverlust): Nr. 33.
Es sei noch schließlich erwähnt, daß das Manuskript dieser
Abhandlung Herrn Prof. P. Koschaker“ in Prag vorlag,
der mir einige wertvolle Vorschläge betreffs der juristischen
"■ Prof. Koschaker bereitet eine zusammenfassende juristische Arbeit
über das Gesamtmaterial der Rechtsurkunden dieser Zeit vor und er
suchte mich, ihm Einsicht in das Manuskript meiner Abhandlung zu
gewähren, damit er auch das neueste Material verwerten könne, was
ich mit Vergnügen getan habe.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
3
Fassung der Urkunden gemacht hat. Seine Anmerkungen sind
an den betreffenden Stellen erwähnt.
Zu besonderem, innigem Danke bin ich auch diesmal
meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Hofrat Prof. D. Id. Müller,
verpflichtet, der, wie bei den früheren Heften, auch jetzt die
Güte hatte, die Arbeit im Manuskripte zu lesen. Daß seine
Nachprüfung meiner Arbeit sehr förderlich war, wird man aus
den betreffenden Stellen ersehen, wo ich mich seiner Interpre
tation anscldieße, resp. seine Auffassung neben der meinigen
würdigend hervorhebe.
1. VS VIII 26 (VAT 700).
Sin-muballit, VII. Jahr (Monat?).
Bürgschaft in Sachen einer Personalpfändung.
1 2 / 3 mäne kaspim 2 Sä Nu-
ür- il Warnas mär Sin-se-me s e-li
llum-ga-mil i ü Be-li-zu-nu as-
Sazu a ir-Su-ü
S J 1-din-E-a mär Ri-iS-ilum
6 a-na Malgü ,ci | Be-li-zu-nu 1 u-
si-bi-si-i-ma s | Nu-ür- il SamaS
i-na Bdbili ui 9 J I-din-E-a dS-
Sum Be-li-zu-nu 10 asSat h llum-
ga-mil 11 ü-si-ib-bu-ü 12 is-ba-at-
zu (?)
13 y Sin-i-Jci-Sd-am mär El-
li Uc -ia 14 ga-ta-at I-din-E-a 15 ki-
iS-da-at Be-li-zu-nu 16 a-na 1 / 3
mäne 4 Sikil kaspim 17 a-na var-
him l ,cam il-li-e-ma 18 a-na üm um
4 (In Sachen von) 2 / g Minen
Silber, welche Nür-Samas, Sohn
des Sin-seme von Ilum-gamil
und Belizunu seiner Frau zu
fordern hatte.
5 Nachdem Idin-Ea, Sohn
des Bis-ilum die Belizunu nach
Malka (als Schuldpfand) fort
geführt hatte, hat Nür-Samas
in Babylon den Idin-Ea wegen
Belizunu, 10 der Frau des Ilum-
gamil, die er fortgeführt hatte,
vor Gericht geladen/ 1
Indem Sin - ikisam, Sohn
des Ellia die Hände des Idin-
Ea 16 (wegen) der Festnahme
der Belizunu für (den Betrag
von) 4 / 3 Mine 4 Sekel Silber
für einen Monat stärkt, e wird,
ha-da-ni-Sü 19 1 I-din-Ea a-vi-
a DAM.A.NI. b DAM. 0 AZAO u .
a Wörtl. ,gepackt 1 . Vgl. talm. DDn (Müller).
e D. h. für ihn Bürgschaft leistet.
1*
4
II. Abhandlung: Schon-.
il-tam 20 ii-ul ir (l)-di-a-am-ma
211 / s vidne 4 siJcil kaspim 23 a-
na Nu-ür- il ÖamaS 23 J Sin-i-ki-
sd-am uS-ta-ds-ki-il.
24 pdn a 8ama$-a-bu-um 25 pan ' l
E-ri-ha-am 28 pdn Za-ma-ia.
M varali $/(?). A.GA.sattum
BAD AN.ZA.GAR« Da-da.
wenn an seinem Terminstage
Idin-Ea die (freie) Frau nicht
herbeibringt, Sin-iläsam ^Mine
4 Sekel Silber dem Nür-Samas
abwägen lassen.
r -$uni-ba-ni 26 pdn Varad-ill-sü 27 pdn
5 Zeugen. — Im Monat....,
im Jahre der Turmmauer des
Gottes Dada.
Der Rechtsfall in dieser auch sprachlich schwierigen Ur
kunde scheint folgender zu sein: Nur-Samas hat gegen Uum-
gamil und seine Ehefrau Belizunu eine Schuldforderung von
2 / 3 Minen Silber. Nun wird Belizunu von Idin-Ea, wohl einem
späteren Gläubiger, als Schuldpfand genommen und nach Malkä,
einem Orte bei Sippar, in Zwangsarbeit abgegeben.
Ein solches VerfügbSgsrecht hatte der Gläubiger über
einen freien Schuldhäftling nach dem Gesetze allenfalls nicht
(vgl. § 117 des Kod. Ham.). a
Idin-Ea wird nun vom ersten Gläubiger Nür-Samas, der
ein Vorzugspfandrecht an der Ehefrau behauptet und deren
Herausgabe verlangt, vor Gericht zitiert. Doch kommt ein
Ausgleich zustande. Sin-ikisam haftet für Idin-Ea, daß er letz
teren innerhalb eines Monats die Pfandperson zustellen wird,
widrigenfalls er selbst 1 / g Mine 4 Sekel Silber zahlen werde.
Z. 6. Das dritte Zeichen ist allem Anscheine nach die
Kursivform für Da darauf das Ortskomplement Jci folgt,
so liegt wohl ein Stadtname vor, was auch der Sinn erfordert.
Nach Br. III 94 hat das Zeichen auch den Wert malgü, und
dies ist auch die Lesung des Stadtnamens MA.AL.GE.A U nach
II Rawl. Z e-f 20.
Also nach Malgä wurde die Schuldnerin verkauft, dem
bekannten Orte in der Nähe von Sippar.
a Die Wegführung geschah in diesem Falle mit Zustimmung des Gatten,
was mit § 117 wohl übereinstimmen kann. Das Triennium galt wohl
als Maximum, man konnte die Frau auch für kürzere Zeit verkaufen oder
in Zwangsarbeit abgeben (Müller).
Altbabylonische Kechtsurkunden. III.
5
Z. 7. u-si-bi-si-i-ma. Ich möchte das Wort als Form III 2
= ustubiii-ma a von sibu — hebr. rot!> arah. ,in die
Gefangenschaft führen' hier ,als Schuldpfand fortführen‘ b auf
fassen. Eine ähnliche Bedeutung wird auch durch den Kontext
gefordert.
Z. 14—17. ga-ta-at .... il-li-e-via. Letzteres Wort ist
von \r\vb abzuleiten ,stark sein', hier transitiv ,stärken', vgl.
AR I 9, 8. Der Kontext der Z. 18—23 erfordert den Sinn ,die
Hände jemands stärken' = haften, Bürgschaft leisten.
Z. 15. ki-is-da-at ,Festnahme, Bemächtigung', vgl. AR I
28, 3; 46, 23. Oder ist vielleicht — das dritte Zeichen könnte
auch sä sein — ki-is-sd-at zu lesen, im Sinne ,Zwangsarbeit',
wie im § 117 (Z. 59)? Auch dort wird der Ausdruck beim
Personal-Schuldpfand angewendet.
Z. 18. ha-da-ni-su. — Der Umstand, daß das Wort hier
als hadannum ausgesprochen, dagegen Kod. H. §. 13 (Z. 16)
a-da-nam geschrieben vorkommt, weist darauf hin, daß das Wort
im Babylonischen Lehnwort ist aus dem Aramäischen snj: ,Zeit'.
Das Lehnwort ist lehrreich für den ethnischen Ursprung
der sonst als ,kananäiscli' bezeichneten Bevölkerungsschichte
Babyloniens in jener Zeit.
Z. 20. ir-di-a-am-ma. — Zu ridü ,herbeibringen' vgl.
Kod. Harn. Kol. VIII 20 (§13); XVIII 33 (§ 109).
2. VS VIII 36 (VAT 707).
Sin-muballit, XII. Jahr.
Gelddarlehen (Fruchtwucher).
1 4sikil kaspim 2 ittiVarad-
ll En-lil 3 | il Samas-kar-ra-ad
i mär A-vi-il-ilim b i-na varah
zi-bu-tim 6 um 21 kam ilteki
7 varah E-lu-nu-um s üm 21 kam
i-la-ak-ma 9 ma-hi-ra-at 10 i-la-
ku 11 se-am imadad
x 4 Sekel Silber hat von Va-
rad-Enlil Öamas-karrad, Sohn
des Avel-ilim, 5 am 21. Zibütum
entliehen.
Am 21. Elülum wird er,
indem er kommt, 0 10 nach dem
laufenden Kurs Getreide ab
messen. — 3 Zeugen.
a Vgl. Delitzsch, Ass. Gramm. 2 S. 127 (§ 64).
b Vgl. Ungnad, Vocab. za Ham. s. v. Sbj. (Müller).
c Sobald der 21. Elülum eintrifft, wird er . . . (Müller).
6
II. Abhandlung: Schorr.
12 pän U-bar- <l Sama$ 11 mär Ilum-na-id 14 pän Iiu-pi a - il SamaS 15 mär
Varad-' 1 §ama$ 16 pän <l SamaS-bel-napiStija b tupsar-rum.
17 sattuni BAD MARAD.
DA M .
Jahr der Mauer von Marad.
Die Urkunde gehört zu jener Kategorie von Darlehens
verträgen, welche Köhler 0 mit Recht als ,verhüllten Frucht
wucher' bezeichnet.
A borgt von B einen gewissen Geldbetrag, der aber in
Getreide, und zwar ,zur Zeit der Ernte' (hier im Monat
Elül) zurückbezahlt werden soll, ,nach dem derzeitigen Kurse'
(mainrät ibbasü, illakü). Da der Getreidekurs nach der Ernte
bedeutend niedriger ist, so bekommt der Gläubiger das Dop
pelte oder Mehrfache, im Geldwert ausgedrückt, als die aus
geliehene Summe betrug. In solchen Verträgen ist auch nie
mals die Zinshöhe genannt, sie ist eben in der Klausel, die
für die Rückerstattung Getreide statt Geld fordert, verhüllt
enthalten.
In allen betreffenden Urkunden, und nur in diesen, wird
auch der Zweck des Darlehens genannt: ,4 Silcil haspim a) ana
Sipltdt d ebürim h) ana Hm se'im (samassammim u. s. w.). Diesen
Zusatz in der Anfangsformel des Darlehensvertrages deutet
Köhler sehr treffend dahin, daß der Schuldner de facto Getreide
borgt, aber in der Art, daß es in der Geldsumme ausgedrückt
wird, welche es nach dem Kurse zur Zeit der Aussaat reprä
sentiert. Zur Zeit der Ernte 0 ist dieser Betrag zu dem nun
mehrigen Kurse in Getreide zurückzuzahlen. Auch die Formel b
ist so zu verstehen, daß der Schuldner sofort vom Gläubiger
das Getreide kauft, was aber — weil für das Darlehensgeschäft
belanglos — verschwiegen wird. Dagegen bekommt er in
Nr. 5 das Geld in Barem (Z. 8).
» DU Gr.
b EN.ZI.MU.
c Kohler-Ungnad III, Nr. 206—216 und Nr. 235—240. Vgl. auch die
Ausführungen Köhlers ibid. auf S. 238.
d Wortl. ,zur Aufschüttung der Ernte 1 , d. h. zum Einbringen oder zur
Vorbereitung der Ernte (Ungnad), d. h. zur Aussaat (Köhler).
0 Eigentlich des Verkaufes der Ernte.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
7
3. VS VIII 37 (VAT 1492).
Sin-muballit, XII. Jahr, 11. Sabätum.
Quittung an die Hofkassa über geleisteten
Söldlingslohn.
1 5 / 6 meine kaspim 2 libba
1 inane kaspim 3 Sa itti Im-lilc-
il Sin 4 a-na 50 avälum agrüte 11 5 in-
na-ad-nu °sct a-na harran h üar-
rim 7 in-na-ag-ru
8 e-zu-ub nisihti c 9 I-din-Ea
r % w
10 ü I&tar-i-na-ia
n varah sabätum i um 11 l!am
12 Sattuni BAD MARAD.DA ld .
1 5 / G Mine Silber, a konto e
einer Mine Silber, welche durch
Imlik-Sin für 50 Söldlinge ö ge
zahlt wurden, die für den Weg
des Königs gemietet wurden.
Abgesehen von dem entnom
menen Betrag des Idin-Ea 10 und
des Istar-inäia.
Am 11. Sabatum, im Jahre
der Mauer vom Marad.
Die Urkunde kann als Quittung aufgefaßt werden, die
Imlik-Sin an die Hofkassa ausstellt, oder auch — da keine
Zeugen vorhanden sind — als interne Notiz der Kassabeamten,
daß Imlik-Sin aus der Kassa 5 / G Mine zur Entlohnung von
50 Söldlingen entnommen hat. Da aber auch sonst Quittungen
ohne Zeugen Vorkommen, so Kohler-Ungnad III, Nr. 91, 94,
96, 98, 106—111, 113, 115, 117—125, so ist die erstere Auf
fassung wahrscheinlicher.
Z. 6. Unter harran sarrim ist nicht notwendig eine Kriegs
unternehmung zu verstehen, wie im Kod. Ham. (§§ 32—33),
sondern überhaupt königlicher Dienst. Wie aus den Briefen
Hammurabis hervorgeht, wurden auch freie Arbeiter gegen
Lohn für Arbeiten an königlichen Bauten gemietet. Vgl. King,
Letters III, S. 86: ‘- M agrüti auch S. 82, wo diese Arbeiter
epiüüti genannt sind.
Z. 8. e-zu-ub ZI(G). GA. — Das Zeichen ZI(G) hat nach
Brünnow Nr. 2323 und 2325 die synonymen Sinn-Werte nasdhu,
nasü- davon ZI(Gr). GA = nisihtum. Vgl. Muss-Arnolt,
Wörterbuch, S. 701\
* LÜ KU.MAL. » KÄS.
0 ZI(G).GA. a 4S..4.
0 So nach Milli er. Der Sinn ist, daß ] / a Mine noch ausstehend ist; vgl.
8
II. Abhandlung: Sehorr.
Welche Bedeutung hat nun letzteres Wort in den Urkunden,
in denen es immer ideographisch geschrieben ist? Es kommt
fast nur in Rechnungslisten und Quittungen vor; vgl. CTIV 25 e ,
17—18: ZIG.GA SA.SUQ)* SÄTAMpl.■ IV 29 3 , 9-14: ZIG.GA
libha (SÄG) 670+75 KA &E.GUR . . . Sa i - na naSpak (E.
NI. DUB!) bit Gägüm Sd-ap-ku, ähnlich VIII 2 l d , 23 — 24:
ZI(G).GA lib[ba 6]70+75 KA . . .; VIII 27", 19—21: ZI(G.)GA
libha Se-e-[im] Sa naSpakim . . ., ibid. Z. 26: a-na ZI GA il-se-
zu-ü. Vgl. auch Ranke 92, 11; 113, 6.
An allen diesen Stellen übersetzt Ungnad" ,Auszug' im
Sinne ,Rechnungsauszug'.
Wie man aber ans den obigen Stellen ersieht, paßt diese
Bedeutung nicht recht in den Zusammenhang. Am besten wird
man mit der Bedeutung entnommener Betrag', konform der
sonstigen Bedeutung von nasdhu, e auskommen, die sich überall
in den Zusammenhang gut fügt.
Diese Bedeutung bestätigt auch unsere Stelle, wo vermerkt
wird, daß ein Teil des Söldnerlohnes vorher durch zwei andere
Leute aus der Hofkassa entnommen wurde. Demgemäß wird
auch IV 25° (s. oben) zu übersetzen sein: ,entnommen dem De
partement 3 der Satammü-Priester'.
4. VS VIII 41—4
Sin-muballit
Geld- und Get
1 1 GUR lOSe’um hubullum 13
2 sipat 1 GUR 100 u-za-ap S 1 si-
kil kaspim sipat il Samas u-za-
ap i ittiVarad-En-lil 5 J il Samas-
Se-me 6 mdr Avel- il Nisaba t 1 ilteki
a Ich halte das Zeichen SIT für
b Vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 7
° Vgl. AR I Nr. 58, 8, auch in der
d SA.SU = pihätu. Vgl. AR II S. ■
0 nAB.BA.
f UB. AN Mtek.
2 (VAT 942 A - B ).
, XIII. Jahr,
reidedarlehen.
"1 GUR 10 KA Getreide,
verzinstes Darlehen, von 1 GUR
wird er 100 KA Zinsen zahlen,
1 Sekel Silber, — den Zinsfuß
des Öamas wird er zahlen, —-
hat von Varad-Enlil 5 Öamas-
verschrieben aus $U.
U, 771, 773, 774.
vorliegenden Sammlung Nr. 51, 8.
L5, Anm. d.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
9
um ebürim 3 H se’a$u h ü sipäzu
9 imadacL w kaspam ü sipäzu
n i!salfal
12 pän 11 Sama8-be-el-il'i mär Ilum
U-.rur-a-vä-at-^SainaJ 15 pän Sin-ri-mt
17 sattum när Tu-tu-he-gal-
luvi°
Ygl. ähnliche Getreide- un<
ohne Zinsen, bei Kohler-Ungn
seme, Sohn des Avel-Nisaba
geliehen.
Zur Zeit der Ernte wird er
sein Getreide samt dessen Zin
sen abmessen, 10 das Silber
samt dessen Zinsen abwägen.
3 Zeugen.
-ma 13 pän a Samas-kar-ra-ad 14 mär
i-ni 16 mär Ilum-re,- uni.
Jahr des Kanals Tutu-&egal-
lum.
1 Gelddarlehensverträge, mit und
ad III, Nr. 173, 189, 203, 205.
1 11 Si/cil kaspim
ip-ka-at ebürim 3 itti Amat- il Wa
rnas SAL.ME ü Samas i märat
Varad- il Sin 5 | Gimil A (?)- a Da-
mu 6 mär Da-bi-ia 7 (varah) e
ri-is varah il Dumu-zi s kaspcim e
iltelci
9 i-na 1 varah Dür-a-bi 10 ma-
hi-ra-at n i-la-ku [ n i-na kär
8ippar u ] 19 §easu% imadad
[ ls e-zu-ub pi dub-bi-§ü la-
bi-ri-im h J
1 Elf Sekel Silber zur Auf
schüttung der Ernte hat von
Amat-Samas, der Jungfrau des
Samas, der Tochter des Varad-
Sin 5 Gimil (?)-Damu, Sohn des
Dabija im Anfang des Monates
Tammüz, Silber, 11 entlehnt.
Im Monat Dür-abi wird er
10 nach dem laufenden Kurse
sein Getreide abmessen.
Abgesehen vom Inhalt sei
ner früheren Urkunde.
3 Zeugen und der Schreiber.
5. YS VIII 47—48 (VAT 1478 A ~ B ).
Sin-muballit, XVI. Jahr.
Gelddarlehen.
a-na H-
13 pän A-bu[um] c -vä-kar 14 mär I-lcu-[unj '-jn-IStar 15 pän Pi-ir-Iitar
10 mär l’i-ir-a-tm-su 17 pän Var ad- 11 SamaS 18 mär Avel-' 1 Nisaba / 17 pän
ILi-i-te-e (?) tupiarrum].
a B. hat UD.EBUIt.SU varah Sd-du-tim. b &E.BI.
0 SE.GAL(B) d KA 4- SÄ o Nur in A. f Nur in B.
s SE.BI. h In A steht diese Zeile am linken Rand (Z. 19—20).
* Nur in B. k D. h. in Silber ausgezahlt, nicht in Getreide (Müller).
10
II. Abhandlung: Schon*.
[ 18 sattum 07,5 GU. ZA AN LU- 18 Jahr des Thrones des Herrn
GAL TIK.GAB.A.]* von Kütha.
Znm Inhalt vgl. die Anmerkungen oben VS VIII 36 (Nr. 2).
Z. [18]. Der Vermerk dieser Zeile besagt, daß der Gläu
biger noch eine andere, frühere Forderung an den Schuldner hat,
die, noch nicht getilgt, auf einer andern Urkunde verzeichnet
ist. Vgl. ähnlicheVerweise auf frühere Urkunden AR I Nr. 75, 9.
Ranke 105, 3.
6. VS VIII 33—34 (VAT 705 A “ B ).
Sin-muballit (undatiert).
Sehe nkung.
11 / 2 SAR bituvi epsum 8 ita
Mt Ilu-su-i-bi-sü 3 mär Pa-ki-
im 4 ü ita Mt Ib-ku-sä 5 mär
Te-iz-kar- il SamaS 6 J Ma - [ad']-
du-mu-uk-ilim 1 ü Amat- il §amas
SAL.ME u Samas 8 a-na Nu-ru-
um-li-zi 9 ma-ri-lü-nu id-di-nu
10 a-di Amat- il /§amas 11 6a-
al-ti-at 12 yNu-ru-um-li-zi is i-na
sattim l lMm u 180 &E U/ 2 RA
samnim 15 IGI.4.GAL kaspim
18 i-na-di-in 17 ü i-li-ilt bitim
18 i-la-aJc
19 a-ni-a-am u-ul i-di-ma
20 i-na bitim i-te-li
21 1 Amat- il Samas 22 ü Ma-
ad - du ■ mu -uk-ilivi 23 i-ba-la-
ka-tu-ma 341 / s mdne kaspim
iHakalii
11 / 2 SAR gebautes Haus ne
ben dem Hause des Ilusu-ibisu,
Sohnes des Pakum, und neben
dem Hause des Ibkusa, 5 Soh
nes des Tizkar - Samas, haben
Mäddumuk - ilim und Amat
Samas, die Priesterin des Samas,
ihrem Sohne Nürum-lisi ge
schenkt.
10 Solange Amat-Öamas lebt,
wird Nürum-lisi jährlich 180 KA
Getreide, U/ 2 KA Öl, 181 / 4 Sekel
Silber geben. Auch wird er
die Lehenslasten des Hauses
tragen.
Wenn er das nicht gibt,
20 geht er des Hauses verlustig.
Wenn Amat - Samas und
Mäddumuk - ilim vertragsbrü
chig werden, werden sie x / 3
Mine Silber zahlen.
a Nur in B.
Altbabylonische Reehtsurkunden. III.
11
26 niS il §ama$ il Aja a Marduk 25 Bei Samaä, Aja, Marduk
Sin-mu-ba-U-it 27 itmü| und. Sin-muballit haben sie ge-
j schworen. — 8 Zeugen.
28 pän Sin-i-ki-sd-am 20 mär-I-bi- ü NinSah 30 pan Ilu-Sfü-ba-Jni mär
Ib-ni-ia 31 pän ‘ l SamaS-mu-di mär A!c-[S]a-ia 82 pän E-te-bu-um 33 mär
Ki(\)-nu-bu-um 34 pän Täb at -tap-pu-um 31 mär Varad-ili-sii 30 pän A-U-vct-
ak-ru-um 37 mär Ib-ni-ia 38 pän Ib-ni- a SamaS 39 mär Sin-i-ki-Sd-am 40 pän
Sin-na-si-ir 41 mär u Ihim {?)-na-$ir.
Nurum-lisi ist sicherlich Adoptivsohn der Samas-Priesterin
Amat-Samas und ihres Mannes. Für das ihm geschenkte Iiaus
übernimmt der Beschenkte die Verpflichtung, seiner Adoptiv
mutter, so lange sie lebt, eine jährliche Rente zu leisten, außer
dem auch die Lehenslasten des Hauses zu tragen.
Wird er vertragsbrüchig, dann ist die Schenkung annul
liert. Fechten die Adoptiveltern die Schenkung an, zahlen sie
eine halbe Mine Konventionalstrafe.
Z. 17—18. Die Redensart ilkam alälcu kommt im Kod.
IJam. öfter vor (§§ 27, 28, 30, 40, 182) und bedeutet überall
,Lehensleistungen übernehmen 1 ,Lehenslasten tragen'. Vgl. auch
CT VI 29, 18—19. Aus § 28 geht auch hervor, daß das Lehen
von Vater auf Sohn überzugehen pflegte.
7. VS VIII 52—53 (VAT 712 A - ß ).
Sin-muballit (undatiert).
Erbteilung.
13 / /s-T- 7 /se Cr AN eklim i-na
ki-ir a -bi-it Pa-hu-sum 2 ita h ekil
il äamas-ra-bi dhim a 34 / 7S -f- 90
SAR eklim i-na Mu-ka-ra-nim
i ita h elfil il Sama§-ra-bi ahim c
53 l, 8 GAN eklim i i-na ekil is-
karim 0 ita 1 ekil a Samai-ra-bi i
53 lis J r90 SAR eklim [ 1B i-na
Bu-ra-a-im-di u ] 8 2 SAR bitum
18 / 18 +7«e GAN Feld in der
Flur des Pahüsum neben dem
Felde des Samai-rabi, des (sei
nes) Bruders, 4 / 18 GAN 90
SAR Feld in Mukaranum ne
ben dem Felde des Samas-rabi
des Bruders, 53 / 18 GAN Feld
gehörig zum Ackerfelde (?)
neben dem Felde des Samas-
a B. Icir. b B. i-ta. 0 Nur in A.
0 GAB.RA (Brünnow 12091).
f Z. 8—9 entsprechen Z. 10 in B.
d Nur in B.
12
II. Abhandlung: Schon-.
epSum Sa abulli il SamaS 9 ma-
la ba-zu-ti a 101 / 3 SAR 5 GIN
bitim Sä bäh Ne-me-luni 11 ma-la
ba-zu-ü b 12i /s inane kaspim e
[te- . . . HA.LA-sü 19 a-na ki-
is- . . . -li-sü [ UB R/s SAR bi
tim me ri-ga-at ita Mt Sin-ri-me-
nij U 1 vardum Ili-[tukulti n ] d
18 1 amtuin Ili-im-di 1,1 1 1 /g SAR
bitim i-na . . . 11 ita Mt Sin-ri-
me-ni 18 m[i-im-ma an-ni-im] e
19 zit,ti A-hu-vä-lcar mär Sin-se-
me -°Sd it-ti Ki-is-Nu-nu A-bu-
um-vä-kar 21 J il Samas-ra-bi
J Bur-Sin 22 y Ilu-sü-ra-bi | Sin-
ri-me-ni 23 märe pl. Sin-Se-me f
i-zu-zu
zi-zu ga-[a]m-rvß 2i iS-tu
bi-e a-di huräsim 25 a-hu-um
a-na a-hi-im u-ul i-ra-ga-[amj
26 an-ni-a-am am-Si ü-ul i-ga-
ab-b[i] h
rabi, s / 18 GAN 90 SAR Feld
in Bura-indi (?), 2 SAR gebau
tes Haus am Samas-Tore (so
viel vorhanden ist), 101 / 2 SAR
5 GIN Hausgrund am Tore des
Nemelum (soviel vorhanden ist),
'/a Mine Silber als Äquivalent
für sein Haus/ F/s SAR Haus
grund, an Wasser mangelt es,
neben dem Hause des Sin-
ri-meni, 1 Sklave Ili-tukulti,
15 1 Sklavin Ili-imdi, all das ist
der Anteil des Ahum-vakar, Soh
nes des Sin-seme, 20 den er [bei
der Teilung] mit Kis-Nunu,
Abum-vakar, Samaä-rabi, Bur-
Sin, Ilusu-rabi, Sin-rimeni, den
Söhnen des Sin-seme, k als An
teil erhalten hat.
Sie haben geteilt, sie sind
fertig. Vom Munde bis zum
Golde 28 wird einer gegen den
anderen nicht klagen.
,Jenes habe ich vergessen'
wird er nicht sagen.
a Z. 8—9 entsprechen Z. 10 in B.
b Nur in A.
c In B. lautet die entsprechende Zeile (9): 1 /2 mdne Icaspim ni-ip-la-at
bi-tisi1.
d Ergänzt nach B.
0 Ergänzt nach B, Z. 14.
f In B. fehlen die Namen der Brüder. Es heißt nur allgemein Z. 16—17:
sä it-ti a-ah-hi-thi m&re 11 Sin-se-me ma-la i-ba-äs-sü-ü.
e ß. 18: ga-am-ru-ü-ma.
h In B. folgt Z. 24—25: u-ul i-ta-ar-[ru-ma] a-lm-um a-na a-hi-im u-u
[ira-ga-muj.
1 So nach B., nach A. entsprechen Z. 16—17.
k B. 16—17: ,welche er von seinen Brüdern, den Kindern des Sin-üeme,
so viel vorhanden sind, . . . .‘.
Altbabylonische Reehtsurkunden. III.
13
27 ?m a Warnas il Marduk |Sin-
mu-ba-U-it 2S ü al Sippar 1 " it-
mu-ü
29 la i-tu-ür-ru-ma la
i-ra-ga-mu a
Bei Samas, Marduk, Sin-mu-
ballit und der Stadt Sippar
haben sie geschworen.
IndemsiedenV ertrag nicht
anfechten, werden sie nicht kla
gen.
19 Zeugen, 2 Schreiber.
30 pän Na-bi- u /SamaS mär A-bu-um-vä-/car 31 pän Ri-U- a &ama$ üangü
a Nu-ni-tum 32 pän Ma-ru-um mär il Sama$-tappü h -$ü 33 pän il §amaS-li-vi-ir
mär Ili-tappi-e 34 pän Gimil c (?)-Nu-nu mär' l Nännar-idinnam 35 pän Ü A-Sur ä -
i-din-nam mär Za-lum c 36 pän Sin-i-din-nam mär I-bi-ik-Istar 37 pän Ilu-sii-
ba-ni pän { Ilu-su-illat-zu 38 u Na-bi-ili-Sü 39 märe pl. Gimil([f)s- i! Samaü
40 pän Ilum-ra-bi mär Sin-i-din-nam 41 pän IS-me-’’Samaü mär a Sams-ia
42 pän A-ha h -nir-xi mär Sin-i-Jci-id-am 43 pän A-pil-ili-Sü [mär Ma-ah-nu-
ub-ilum (B. 43)7 44 pän A-bu-um-ilum [mär u Nannar-idinnamJ 45 pän Ma-
ni-um [mär Ili-ma-lik-Tci (B. 45)7 40 P^ n u Na,nnar-napiHi-idinnam' [mär Ahum-
täbum[ k pän Iti(\)-iS{\)- <l SamaS tupSarmm 47 pän “i§amas~ma-gir l [mär ll Sin-
i-mi-ti (B. 41).
In den Erbschaftsverträgen ist ein sein - wesentlicher Unter
schied zu beachten im Schema zwischen den Urkunden aus
Sippar und Dilbat (also Nordbabylonien) einerseits und denen
aus Nippur und Warka (also Mittel- und Südbabylonien) ander
seits. Während in den ersteren nur der Sonderteil verzeichnet
ist, welchen der einzelne Teilungsgenosse bei der Erbteilung
erhalten hat, so daß z. B. bei Vorhandensein von drei Erben
(Brüdern) auch drei besondere Urkunden ausgestellt wurden,™
a In B. lauten Z. 28 — 29: la i-tu-ur-ru-u-ma a-hu-um a-na a-hi-im la
i-ra-ga-mu.
b TAB.BA. * KA + SÄ.
(1 B. 34: n A.USAR. e B 34: Za-al-lum.
f So nach B. 37, in A. stellt irrtümlich mär.
s KA-f- SÄ. b B. 44 A-ha-am. 1 ZI.MU.
k Nur in B. 46 SI&DUG.GA.
1 In B. kommen noch folgende Zeugen vor: 39 pän Bur- il Aja mär
Gimil (?)- il Nurtu; 47 pän Ri-iS - il SamaS mär U-bar- Ib-ba-al; 50 pän
11 Nannar-idinnam tup§arrum.
m Vgl. z. B. Ivohler-Ungnad III, Nr. 39, 40, 41, die sich alle auf eine
Erbschaft beziehen. Auf die Zugehörigkeit dieser drei Urkunden zu
einander hat zuerst Pick, Orient. Literaturzeitung XI, Kol. 69 hin
gewiesen.
14
II. Abhandlung: Schorr.
sind in den letzteren die auf die einzelnen Erben entfallenden
Teile in einer Urkunde zusammengefaßt, nur daß sie durch
besondere Abschnitte schematisch markiert sind.
Zur ersten Kategorie gehören bei Kohler-Ungnad III die
Urkunden Nr.: 35, 36,“ 38 -47, 50, 52 — 58, 62, 68, 70, 71,
73 — 74, 76—77, b vgl. auch in der vorliegenden Sammlung
Nr. 23, 40, 48. Zur zweiten Kategorie gehören dortselbst:
Nr. 48, 60, 61, 63—-66, ferner alle Erbverträge in Pöbels
Urkunden aus Nippur. 0
Eine einzige Ausnahme bildet nur Nr. 59 (= Warka 40),
wo eine Sonderteilung verzeichnet ist.
Dieser wesentliche Unterschied im Vertragstypus der Erb
teilungen ist Köhler in seinen ,Rechtserläuterungen' ibid. S. 231
entgangen, dagegen hat Pöbel 1. c. S. 27 darauf im allgemeinen
hingewiesen.
Z. 8—11, Der Zusatz mala bazü kann — nach der rich
tigen Randbemerkung Prof. Müllers — nur besagen, daß die
genannten Zahlen nicht präzise, sondern ungefähr sind, im
Sinne ,mehr oder weniger'. In Wirklichkeit kommt auch hie
und da bei Flächenangaben ausdrücklich der Zusatz litir liviti-
ma (auch sum. HE.SI.A HE.BA.LAL) vor, d. h. ,mehr oder
weniger' ,ungefähr'.
Vgl. CT VIII13 b , 1—2:1 SAR 10 GIN Mtum epsum li
tir li-im-ti-ma.
Warka 27, 1-2: E^SAR E.RÜ.A HE.SI.A HE.BA.LAL.
Gautier 4 Nr. 6, Rev. 1: eklum sa p% kunulckiSu litir limti.
Ibid. 36, 1—6: 1 SAR E.RÜ.A . . . li-tir li-im-ti. Daneben
kommt auch CT II43, 12 isam ü mddam in demselben Sinne vor.
Z. 26. Dieselbe Klausel gegen die Ausrede des Vergessens
kommt auch CT VIII l d , 7 ebenfalls in einem Erbvertrag vor.
Ähnlich erweise lautet auch in einem Kaufvertrag, mit
Bezug auf die Verkäufer, die Klausel in CT II 37, 19 — 20: e
kaspam ula nilki ula ikabbü.
a Nr. 37 gehört nicht hieher. Die Urkunde ist eigentlich ein Register
von drei verschiedenen Urkunden: Schenkung, Legat, Kauf.
b Nr. 75, 78 gehören auch nicht hieher. Es sind Schenkungen.
0 Babyl. Expedition VI 2.
d M. J. Gautier, Archives d’une famille de Dilbat. Kairo 1908.
0 Vgl. Daiches, Altbab. Rechtsurkunden, S. 38.
Altbabylonisclie Rechtsurkunden. III.
15
8. VS VIII 55 (VAT 750).
Sin-muballit (undatiert).
Freilassung durch Adoption.
1 J Varad-Tu-tu 5 ü Be-li-
zu-nu 3 mdrü pl. A-ha-tum
4 J A-ha-tum märat Nu-ür-
a Adad 3 ü-li-il-Sü-nu-ti
a-di A-lia-tum ba-al-ti-at
7 it-ta-na-ds-su-üi
8 vä-ar-hi A-ha-tum 3 ma-ma-
an mi-im-ma 10 e-li-Sü-nu ü-ul
i-isü
11 y E-li-a-at-i-na-s[ü] 12 a-
na il Aja ka-la-tim 13 a-na ki-
sa-lud-tim u i-di-in
1& ni§ a $amas '’Aja il Mardulc
1R ü Sin-mu-ba-li-it 17 itmü pl.
1 Varad-Tutu und Belizunu
sind die Kinder der Ahätum.
Ahätum, die Tochter des
Nür-Adad, 5 hat sie freigelassen. a
Solange Ahätum lebt, wer
den sie sie erhalten.
Nach dem Tode der Ahä
tum soll niemand irgendetwas
gegen sie 15 haben.
10 Den Eliät-inäsu hat sie
der Göttin Aja, der ,Braut'
zum Dienste der Tempelhof
reinigung übergeben.
16 Bei Hamas, Aja, Marduk
und Sin-muballit haben sie ge
schworen.
14 Zeugen, 1 Schreiber
(Frau).
18 pän Varad-Sin 10 pän 8ä-lim-pa-li-ih-$u, 20 pän i’Nin(^)-Su.h(^)-idin-
nam 21 pän il Sama§-ta-ia-ar 22 pän Ka-lu-mu-um 23 pän Li-bu-ra-am
24 pän il Sama^-tappe-e(?) 25 pän a Aja-tal-liJc 26 pän Be-li-tum 27 pän La-
ma-zi 28 pän Mi-ba-tum 29 pän Um-mi- il NIN.GAL 30 pän Ma(?)-na-a
SAL tup§arrum 31 pän Hu-§ü-tum 32 pän A-ab-ba-tum.
Vgl. die analogen Verträge in AR I, Nr. 1, 2, 13, 23, 39,
71, 77; ferner vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 25—31.
Z. 10. Der Name bedeutet ,Erhaben sind seine (des
Gottes) Augen', d. h. Gott sieht alles. Auch Eliät-inäSu war
Sklave, der durch die Weihung für den Tempeldienst freigelassen
wird. Vgl. AR I, S. 106.
a Wörtl. ,gereinigt 1 .
b Seil, gegen die Adoptivkinder.
16
II. Abhandlung: Schorr.
9. VS VIII 62—63 (VAT 645
Teilpacht.
1 [Eklum] um mci-la ba-zu-ü
2 itti a Na-bi-um-ma-lik 3 | a Sin-
ra-bi i mär Ig-viil- il Sin & a-na
e-ri-Sü-tirn 6 ü-Se-.zi h
1 ki-ma i-mi-ti-Su s ti sü-mi-
U-sü 9 si-ip-ra-am i-ip-pu-us
10 si-ip-ra-am u-ul [i]-pu-us-
ma 11 mi-iS-la-ni-su se-a-[am]
12 i-li-ki
1 Ein Feld, soviel vorhanden
ist, hat von Nabium-malik Sin-
rahi, Sohn des Igmil-Sin, 5 zur
Behauung gepachtet.
Entsprechend (den Grund
stücken zu) seiner Rechten und
seiner Linken wird er es be
stellbar machen.
10 Wenn er es nicht bestell
bar macht, wird er d (dennoch)
seine Hälfte an Getreide neh
men. — Zwei Zeugen.
13 pän Na-ra-am- il Adad 14 mär il En-lil-be-el-ili 15 pän Ri-i$- il Qdrru
16 mär il Sin-e-ri-ha-am.
A pachtet von B ein unbebautes Feld gegen Halbanteil
am Ertrage zur Bewirtschaftung. Er soll es anbaufähig machen,
gleich den Nachbargrundstücken. Hat er das Feld — wohl
aus Nachlässigkeit ■— nicht bestellt, so bekommt der Eigen
tümer dennoch die ihm zukommende Hälfte am Ertrag —
natürlich nach dem Maßstab der Nachbarfelder.* 5
Es liegt also Teilpacht gegen Halbanteil vor, sonst be
gegnet nur Teilpacht gegen ein Drittel/ Zugleich bietet die
Urkunde eine willkommene Illustration zum § 42 des Kod. Ham.,
ebenso wie AR I, Nr. 34.
n Diese und die fünf folgenden Urkunden (bis inkl. VS VIII 77) tragen
gar kein Datum. Sie sind aber gemäß U n g ri a d s Edition (nach
schriftlichen und sonstigen Indizien) hier einzuordnen, also in die Zeit
Sin-muballits.
b B. 5—6 eldam“'“. . . IB.TA.E.A.
o AN BIL. QI.
d Das erste er bezieht sich auf den Pächter, das zweite auf den Besitzer.
c Ich schließe mich in dieser Interpretation der Auffassung Prof. Müllers
an, trotz der syntaktischen Schwierigkeiten bezüglich des Subjekts in
Z.10—12, um derentwillen ich ursprünglich an eine andere Erklärung ge
dacht habe.
f Vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 642—649.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
17
Z. 9—10. Zur Redensart eldam Sipram epeSu ,ein Feld
bestellbar machen' vgl. Kod. Ham. Kol. XII 67 (§ 42), Kol. XVI
45—46, 49—50 (§§ 62—63). Daß es sich in Z. 10 um eine
Nachlässigkeit handelt, zeigt ein Vergleich mit § 42 ina eklim
Siprim Id epesim ukkannüSü-ma. misldnu ist eine Nebenform
zu mislu. Vgl. Meißner SAI, Nr. 1026—1027.
10. VS VIII 65 (VAT 912).
Protokoll über
Im-lik-Sin 2 | Ib-ga-tum-
ma (?) 3 | A-pil-ili-sü 4 J A-pil-
ili-sü h mdr Ilu-sü-ba-ni
6 pan Si-bi 7 an-nu-ti-in 8 Sa
a-na Ib-ni- il Warnas 9 n Varad-
il Nin-sah 10 bitam ü-bi-ru
Hau süber gäbe.
Hmlik-Sin, Ibgatum, Apil-
ilisu (und) Apil-ilisu, 5 Sohn des
Ilusu-bani,
vor diesen Zeugen [geschah
es], daß sie an Ibni-Samas das
Haus überwiesen haben.
Die Namen der Handelnden sind nicht genannt. Als
Subjekt ist vielleicht ,die Richter' hinzuzudenken. Der Aus
druck ubiru “ik3 kommt auch in Prozessen im Sinne gericht
licher Übergabe vor.
Vgl. AR I, Nr. 70, 13; 72, 15; AR II S. 73 s. v.
11. VS VIII 66—67 (VAT 846 A ~ B ).
Tempelstiftung (?) und Erbteilung.
1 m[i - maj ba - si - tum Sä
UpV d -i-din-nam 2 a-na 11 In-bu-
Sa 3 | Ri-is- il Samas i ü Ib-ga-
tum (!) 5 ma - ri - Su b i- zi - hu
C J il SamaS ü a Sin 7 J In-bu-
sd 8 | Ri-is- il $amas 9 ü Ib-ga-
tum 10 mdrü pl. Upi- u i-din-nam e
11 i-pa-lu-il-ma 12 sa-bi-il-tam
13 J In-bu-sd 14 1 Ri-is- a Samas
15 & Ib-ga-tum 16 i-zu-ü-zu
Nachdem den gesamten
Feldertrag (?), welchen Upi-
idinnam 5 seinen SöhnenInbusa,
Ris-Samas und Ibgatum zu
rückgelassen hatte, Inbusa, Ris-
Öamas und Ibgatum, 10 die Söhne
des Upi-idinnam an (die Götter)
Samas und Sin übergeben ha
ben werden, werden sie (Inbusa,
Ris-Samas 15 und Ibgatum) den
Rest teilen.
4 Zeugen.
“ B. 3 a-na ma-ri-Su. h Entspricht B. 3.
0 Z. 7—10 fehlen in B., wo das Schema gekürzt ist.
Sitzangslier. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 2. Ahh.
2
18
II. Abhandlung: Schorr.
17 pän Mu-na-ru-[sic]-rum 18 mär Ki-is-Nu-nu 19 pän il Adad-i-din-nam
20 mär I#(?)-pu-rum 21 pän Ib-ga-tum 22 mär Ibik- il närA-va-[ah-tum] 23 pän
Mäi'-ii’-si(?)-[tim].
Drei Brüder verpflichten sich, den gesamten vorhandenen
Nachlaß ihres Vaters den Tempeln des Sonnen- und Mondgottes
zu übergeben, den Rest (an ausstehenden Einkünften?) sollen
sie gleichmäßig teilen.
Es ist nicht sicher, ob eine freiwillige, aus religiösen Mo
tiven fließende Widmung an den Tempel 1 vorliegt, oder die
Tilgung einer Schuld, die der Erblasser aus der Tempelkasse
kontrahiert hat. Letztere Möglichkeit würde der Ausdruck
apälu (Z. 11) nahelegen, der oft von der Rückerstattung eines
Darlehens gebraucht wird, b um so mehr als die Präsensform hier
sachlich die Verpflichtung ausdrückt. 0
Z. 1. Wenn mimma battturn ,alles vorhandene mobile
Vermögen' bedeutet (vgl. AR II, Nr. 24, 23: Seam ü basitam),
dann könnte sapütum ,Rest' in Z. 12 sich entweder auf die
Immobilien — was aber weniger wahrscheinlich — oder auf
noch ausstehende Einkünfte beziehen.
Z. 12. sapiltum bedeutet ,übriges, Rest', was alle Beleg
stellen bestätigen. Vgl. CT VI 19 b , 33; VIII 17“, 1; 28 b , 12;
VS VII 7, 19; VS VIII 71, 22.
12. VS VIII 1
Prozeß weg
L . . i-na ki-is 2 [i]s-
... ‘-irSum (?) d i-sa-la-hu-
Sum - Bia 3 Surinni e a SamaS
Varad-Sin mär Sin-na-sir i a-na
Sin-i-lti-sd-am u a-hi-sii 5 märe
pl. U-har- u Hamas i-na-za-ah u
a-hi a-bi-su iS-tu (?) it-mu-u
» Vgl. AE I Nr. 3. » Vgl. AR I
c Es handelt sich hier um den To
starb und drei Sühne hinterlassen
bei drei Pächtern zu geschehen p
hörige und teilen das Übrige unt>
■' GIÜ NÄ(?).E. - SU.NIB.
1 (VAT 713).
3n Sozietät.
L .. in ..., nachdem er den
[Gottes-JThron besprengt haben
wird, wird Varad-Sin, der Sohn
des Sin-nasir, gegen Sin-ikisam
und seinen Bruder, 5 die Söhne
des Ubar-Samas, das Panier des
Samas herausziehen — nach-
-II Glossar s. v.
. eines Tempelpächters, der plötzlich
hat. Es geschieht dasselbe, was sonst
legt. Sie zahlen das dem Besitzer Ge-
r sich (Müller).
*
Altbabylouisehe Rechtsurkunden. III.
19
e i-na kaspim sd it-ti um-
mi-a-nim 7 | Sin-na-sir a-bi ü
U-bar- il Sama§ 8 il-ku-ü-sü 11
a-na ha-av-ra-nim s il-li-ku-ma
ü-ka-ds-Sü-ü
10 i-nu-ü-ma U-bar- il Warnas
a-bu-sü-nu 11 i-mu-tu-ü-ma
JSin-na-sir a-bi 12 il-li-ku-ü-ma
ki-sa-am 13 i-na ki-ir-ki-zum il-
ki-a-am 14 ki-sa-am Sü-a-ti kas-
pam™ 15 ü ne-me-li-ti-su lo a-na
um-mi-a-tim Sin-na-sir 17 a-bi
lu ü-te-ir
13 i-na kaspim im ü ki-si-im
l9 .?a tab-bi-im eklam bi(?)-tam(?)
20 J Sin-na-sir a-bi la i-sd-mu
21 i-na sd ra-ma-ni-sü-ma 22 bitam
i-sd-am
Sd-bi-il-ti lcaspim 23 bu-la-at
ki-si-im it-ti 24 y Sin-na-sir
a-bi-ia la ib-sü-ü 27 'it-ti-ia la
i-ba-as-hl-ü
26 kaspam ma-la i-na bi-ti
a-bi-ia ib-sü-ü 27 a-na hu-bu-li-
Sü pa-nu-tim-ma d§-ta-ga-al
2S di-in bit il Samas i-na bit
M&amas 29 y A-vi-il-Istar 30 y
Sin - i - din - nam 31 y Ir- si - ti - ia
dem auch die Brüder seines
Vaters geschworen haben —:
Mit dem Gelde, das von der
Kompagniekassa mein Vater Sin-
näsir und Ubar-Samas entnom
menhaben, haben sie, nachdem
sie eine Handelsreise angetreten
siud, Geschäfte betrieben (?).
10 A1 s sie nun n a c h dem Tode
des Ubar-Samas, ihres Vaters,
zu Sin-näsir, meinem Vater ge
kommen waren, hat Sin-näsir,
mein Vater, nachdem er den
Geldbeutel aus der Kiste(?) ge
nommen, diesen Beutel Geld, b
15 auch seine Gewinste der
Kompagniekassa gewiß rücker
stattet.
Vom Gelde und vom Geld
beutel des Kompagnons 20 hat
mein Vater Sin - nasir Feld,
Haus (?) nicht gekauft. Vom
eigenen Vermögen hat er ein
Haus gekauft.
Sonstiges Geld außer des
Geldbeutels war bei meinem
Vater Sin-näsir nicht vorhan
den, 25 es ist bei mir [auch]
nicht vorhanden. Das Geld,
soviel im Hause meines Vaters
vorhanden war, habe ich für
seine früheren Zinsschulden be
zahlt.
Prozeß des Samas-Tempels
im Tempel des Samas. — G
Richter.
a Die Lesung sü ist der auch möglichen ma vorzuziehen.
b So nach Müller.
2*
20
II. Abhandlung: Schorr.
32 [ y SiJn-i-Jci-sd-am aliil
DAM.KAR 33 [jl-lu-jsu-i-bi-Sü
34 /J . . .]-a-hi-ia
si is-tu i-tam-mu-ii duppi la
ra-ga-mi-im i-zi-bu.
34 Nachdem sie a geschworen
hatten, haben jene b eine Ur
kunde, nicht Klage zu erheben,
ausgefertigt.
Die Urkunde ist ein prozessuales Protokoll in Sachen
einer Klage wegen Geschäftskompagnie. Sin-näsir und Ubar-
Satnas hatten gemeinsam Geschäfte betrieben. Nun waren beide
Kontrahenten gestorben und die Söhne des Ubar-Samas erheben
an Varad-Sin, den Sohn des Sin-näsir, Ansprüche wegen des
Nachlasses ihres Vaters.
Dem Beklagten wird ein Schwur auferlegt, und der Wort
laut dieses Schwures bildet den eigentlichen Inhalt der Ur
kunde. Er sagt unter Eid folgendes aus: Mit dem Kapital
der gemeinsamen Einlage haben mein Vater und der Vater der
Kläger iu Kompagnie Handelsunternehmungen geführt. Nach
dem Tode des letzteren kamen dessen Söhne zu meinem Vater,
der mit ihnen abgerechnet und das verwendete Geld samt Ge
winn an die Kompagniekasse seines Kontrahenten zurückge-
führt hat.
Das Haus c hat mein Vater nicht vom Kompagniegelde,
sondern vom eigenen Vermögen gekauft. Außer des im Ge
schäfte investierten Geldes besaß mein Vater und besitze auch
ich kein Vermögen. Und auch jenes, soviel noch (nach dem
Kauf des Hauses) geblieben war, habe ich zur Tilgung älterer
Schulden meines Vaters verausgabt.
Nach dieser eidlichen Aussage tritt die Gegenpartei von
der Klage zurück und stellt zu Händen des Geklagten eine
Urkunde aus, ihn nicht wieder in dieser Sache gerichtlich zu
belangen. Die Ausfertigung dieses duppi la ragämim wird im
Eidesprotokoll angemerkt.
Z. 1—5. Die Urkunde beginnt mit der Feststellung einer
religiösen Zeremonie, welche den Reinigungsschwur des Be-
a Seil. Varad-Sin und seine Onkel. b Die Kläger.
0 Die Kläger scheinen das nach Sin-näsir zurückgebliebene Ilaus mit Be
schlag belegt zu haben.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
21
K.agten begleitet. Er soll ,den Gottesthron besprengen uncl das
Panier des Samas (aus dem Panierständer?) herausziehen'.
Der Schwur wird in Prozeßsachen gewöhnlich vor dem
Panier des Samas geleistet. Vgl. AR I, S. 54; AR II S. 87 s. v.
Vgl. auch CT II 9, 10: Sü-ri-nam sä il SamaS i-su-uh .das Panier
des Samas hat er herausgezogen' (beim Schwur).
Auffallend ist es, daß das Protokoll abweichend vom
sonstigen Schema in den einleitenden Zeilen das Streitobjekt
nicht nennt, sondern direkt in medias res übergeht.
Z. 5. Die zweite Hälfte dieser Zeile kann nur als Paren
thesesatz gefaßt werden. Dem Schwur des Beklagten ging ein
Schwur der Brüder seines Vaters voran, die wohl auch mit-
angeklagt waren.
Z. 6. Hier beginnt die Aussage des Schwörenden, ganz
unvermittelt, während sonst der Wortlaut mit der Formel ein
geleitet wird: kiäm iJcbi umma stima.
Sollte diese Zeile etwa (bei Annahme eines Konzeptes)
irrtümlich ausgefallen sein?
Z. 9. ü-ka-as-sü-u. — kasü erfordert hier die Bedeutung
,Geschäfte treiben'. Das Wort begegnet nur noch einmal, eben
falls in einer Urkunde über Sozietätsauflösung AR II, Nr. 9,
Z. 14—15: avelum ana Msisu-ma ukassa. Ich habe dort das
Wort vom arab. LLS ,folgen' abzuleiten gesucht. Unsere Stelle
stützt diese Vermutung ,folgen', hier ,Geschäften nachgehen'. Es
wird dort zu übersetzen sein: ,ein jeder wird für seinen eigenen
Beutel (auf eigenes Risiko) den Geschäften nachgehen'.
Z, 13. kirkizuin. Das Wort ist sonst nirgends belegt. Ich
vermute, daß es ,Kiste' bedeutet, was der Zusammenhang ge
radezu erfordert, und möchte es mit aram. xopnp ,lederne Kiste'
,Ledersack' zusammenstellen."'
Ist diese Vermutung richtig, dann hängt XDpnp nicht mit
griech. •/.<!>puy.oc zusammen (so Levy a. a. 0.), sondern ist ein
Lehnwort aus dem Babylonischen.
Z. 14—17. kaspam ist — wie mich Prof. Müller auf
merksam macht — als Nominal-Apposition zu Msam zu fassen
,diesen Beutel Geld' ähnlich wie hebr. nirrun naian II Kön. 16,
14; ruömn -ipsn ibid. 17. Die prägnanten Termini beim Sozietäts-
a Vgl. Levy, ,Neukebr. Wörterbuch' s. v., wo die Belegstelle zu finden ist.
II. Abhandlung: Schorr.
geschäfte sind: ummdnu, das Grundkapital, das in einem Bank
haus deponiert ist, also die Kompagniekasse; kisum, das im
Geschäftsbetrieb kursierende Geld, dem Grundkapital entnom
men; nemelum, der resultierende und zu teilende Gewinn.
Z. 20. Zu beachten ist das u am Ende des Verbums
iSdmu im Hauptsatze, in der Aussage, das Müllers These von
der indikativischen Bedeutung des u stützt.
Z. 23. bu-la-at kisim. — Der Zusammenhang erfordert
für das erste Wort die Bedeutung ,abgesehen von, außer'. Das
sonst nicht belegte Wort, das als buldte ~Vrbz. ursprünglich Ver
nichtung' anzusetzen ist, stelle ich mit hebr. rniba phön. nba zu
sammen, wo ganz dieselbe Etymologie und Bedeutungsentwick
lung vorliegt. Vgl. Gesenius, Hebr. WB. 14 s. v.
Z. 34. Die Urkunde, die nach Z. 28 sich als prozessuales
Dokument charakterisiert, enthält kein Urteil. Doch läßt Z. 34
schließen, daß die Kläger zurückgewiesen wurden. Uber die
Ausfertigung eines duppi Id ragämim seitens der besiegten
Partei zu Händen des Gegners vgl. Aß I, S. 38.
1 J A-hu-vä-kar 2 mar
il Adad 3 itti Sd-at- il Adad um-
misu il 4 | Silli li - il Adad mär
E-ri-ib-Sin 5 a-na ma-ru-ti-sü
6 ilteki'’- ih -sil
7 w ma-ri-e Silli 11 - il Adad
8 li-ir-H-i-ma A-hu-vä-kar
apil-sü
10 y A-hu-vä-kar a-na Silli 11 -
u Adad u a-bi-su ü-ula-bi i2 at-ta
i-ka-bi-ma 13 u-ga-la-ab-Su-ma
u a-na Icaspim i-na-di-is-sü
1 Ahu-vakar, den Sohn der
Öät-Adad, hat von Sät-Adad,
seiner Mutter, Silli-Adad, der
Sohn des Erib-Sin 5 in seine
Kindschaft übernommen.
Auch wenn Silli-Adad Kin
der haben sollte, bleibt Ahu-
vakar sein Erbe.
10 Wenn Ahu-vakar zu Silli-
Adad, seinem Vater, ,nicht bist
du mein Vater' spricht, soll
man ihn nach Abschneidung
[des Fronthaares] für Geld ver
kaufen.
13. VS VIII 73 (VAT 694).
Adoption.
Sa-at-
AMA.A.NI.
» SÜ.BA.AN.TIw.
Altbabylonisclie Reehtsurkunden III.
23
15 ü Silli 11 - il Adad a-bu-sü
X6 a-na A-hu-vä-kar 17 ma-ri-sü
ü-ul via-ri 18 at-ta i-ka-bi-ma
19 i-na bitim ü u-ni-ti-im B0 if-
ta-uz
16 Aucli wenn $illi-Adad,
sein Vater, zu Ahu-vakar, sei
nem Kinde, ,nicht hist du mein
Kind‘ spricht, soll er a Haus
und Geräte 20 verlassen.
10 Zeugen.
21 pän (Lücke) 23 pän lm-gur-Sin mär a iSamas-mu-di 23 päu Upi li -ife
rne mär Upi u -ra-bi 24 pän I-na-lca-ti-ilim mär Ak-bu-ü 25 pän Varad- U -Sa-
maS mär Nu-ur-' 1 I$-lia-ra 26 pän Sin-i-ki-Sä-am mär dpi k; --ra-bi 27 pän
Na-ra-am-Sin(l) mär &ä- il Mar-tu 28 pän Ili-ba-ni mär Ih-bi-it- ü Samas 29 pän
Mär-Sippar M mär Sin-ri-me-ni 30 pän Sin-ma-gir mär E-te-lum 31 pän Sin-
i-ki (!)-£a-am mär Sin-kar-ra-ad 32 mär Ili-ba-ni.
Die Strafe, welcher hier den Adoptivsohn, resp. -Vater
trifft, ist ganz konform der ersten und dritten Bestimmung der
sogenannten ,sumerischen Familiengesetzeh
14. VS VIII 77 (VAT 1486).
Protokoll über Übergabe von Silber.
pän Ni-si-i-ni-su 2 märat
U-sur(?yilum 3 pän Il-ta-ni i pän
Ni-si-i-ni-sü 5 mär die pl. Sd jl
MAR.IU 15 pän Pi- a Aja 7 märat
ll Sin-ü-si-li 8 pän Ha-ba-zi 9 mä
rat Sä-mi-irsitim b 10 pän a Aja-
ku-zu-ub-matim
11 pän si-ba-tim 12 an-ni-a-ti-
in 13 sä ma-ah-ri-si-na ul / 3 mäne
kaspam 10 i-na ga-ti Ar-na-ba-
tim 16 J [A]bu-um-va-kar tamka-
rum e u mär...-zu-ra-nim 18 [im-
hu-r]u-ma 19 J [Ma-an-]nu-um-
ba-lum-tukultim timi 20 kaspam
1 Vor Nisi-inisu, der Tochter
des Usur(?)-ilum, vor Iltäni, vor
Nisi-inisu, 5 den Töchtern des
Sa-Amurrim, vor Pi-Aja, der
Tochter des Sin-usili, vor Ha-
bazi, der Tochter des - Sumi-
irsitim, 10 vor Aja-kuzub-mätim,
vor diesen Zeuginnen [ge
schah es], vor denen, nachdem
15 aus derPIand der Arnabatum
Abum - vakar, der Kaufmann
Sohn der ... zuranum, 1 / 3 Mine
Silber empfangen, Mannum-ba-
lum-tukultim 20 das Silber ge-
“ Seil, der Vater. Vgl. Müller, Die Gesetze Hammurabis, S. 271. Die
beiden Stellen (Z. 7 ff. und Z. 15 ff.) u — ma ,auch wenn 1 , sind für Prof.
Müllers Auffassung dieser beiden Wörtchen sehr lehrreich.
b KI- c DAM.KAJR. 3 Kl7.
24
II. Abhandlung: Schon'.
[i]s(?)-ru-pu-ma 21 a-na $u- läutert (?) a hatte, er 11 es an Öu-
mu-um-li-ib-si 22 id-di-nu. mum-libsi übei’geben hat.
Z. 20. Die Ergänzung zu [is]rupu-ma ist unsicher. Doch
wüßte ich kaum eine treffendere Ergänzung der ersten Silbe.
Ist isrupu- zu lesen, dann handelt es sich nicht um Silber
geld, sondern um Silbermaterial, das auf seinen Feingehalt ge
prüft wird.
15. VS VIII 80 (VAT 790).
Hammurabi, I. Jahr (15. Abum).
Schuldschein.
1 182 + 10 SE.GUR i-na
GlS.BAR il Marduk i milktt e
3 y lli-balati iu 4 121+40 M
GUR i-na GIS-BAR il iHamas
b milkit a c | Na-ma-ar-sd-lu-
mur.
7 i-na mi-se-ki-im
s varah Abum e um 15 kam
9 sattum Ha-am-mu-ra-bi LU.
GAL.
1 182 GUR 10 KA Getreide
nach dem Maße des Marduk,
Darlehen des Ui-balati, 121 GUR
40 KA Getreide nach dem Maße
des Samas, 5 Darlehen des Na-
marsa-lümur.
Im Eichamte (?). — Am
15 Ab, Jahr, in welchem Ham
murabi König geworden ist.
Die Urkunde scheint — da Zeugen fehlen — eine interne
Notiz des Tempelamtes zu sein über einen gewissen Betrag
von Getreide, das von zwei Personen entlehnt wurde.
16. VS VIII 81—82 (VAT 1490 A - B ).
Hammurabi, I. Jahr (Addarum?).
Wolle- und Gelddarlehen.
1 1 biltum { 30 Siklum% 2 ii-
im-tum 3 itti il Sin-i-ki-Sä-am
4 | a Adad-re um 5 ilteki
1 1 Talent [Wolle?], 30Sekel
ist der Preis, hat von Sin-iki-
Sam Adad-re'um 5 entliehen.
a D. h. auf seinen Feingehalt geprüft — so Müller, der mich auf die
analoge Bedeutung des hebr. rpx in Verbindung mit |m ,prüfen“ (Ps.
17, 3; 26, 2; 66, 10; Jer. 9, 6) aufmerksam macht.
b Seil. Abum-valcar. ° SU.TI.A. 11 TI.LA.
" NENE. GAR. c TIK. e GIN(\).NA.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
25
6 ki-ma kär a i£S-NÜN.NA u
8 kaspam isakal
9 Ä 4 2 ls sikil kaspim 10 i-na
sd-la-mi-sü 11 isakal
Nach dem Preistarif an der
Mauer von Tuplias wird er das
Silber abwägen.
Auch 4 J /g Sekel Silber, 10 un
versehrt, wird er abwägen.
12 pän Sin-i-din-nam 13 mär Ilu-Sü-a-bu-Su.
14 varah Ad (?)-[da] - ri 11
1& §attum Am a -mu-ra-li LUG AL.
1 Zeuge. — Monat Addar,
Jahr, da Hammurabi König ge
worden ist.
A borgt von B ein Talent Wolle (?) im Werte von 30 Sekel.
Er soll das Darlehen in Geld zurückzahlen, und zwar nach
dem Preistarif an der Mauer von Tuplias (EÖ.NUN.NA ki ),
einem Orte im Osttigrisgebiet, im Grenzgebiet zwischen Baby
lonien und Elam. Der Ort scheint ein Marktflecken für Wollen
handel gewesen zu sein. Der Gläubiger bedingt sich die Tilgung
der Schuld in Geld, nach dem Marktkurse der Wolle in
Tuplias. Es liegt hier also ein Geschäft vor, das den in unseren
Produktenbörsen betriebenen ähnlich ist.
Ebenso werden auch die Hofdarlehen AR I Nr. 54, 61,
62 zu verstehen sein.
Z. 9—11. Diese Zeilen beziehen sich vielleicht auf eine
andere Schuld, die auf einer andern Tafel eingetragen war.
ina salämiHu ,unversehrt'. Das Silber soll in tadellosem,
nicht abgenütztem Zustande rückerstattet werden, wie es ge
währt wurde.
Vgl. Kohler-Ungnad III, S. 238.
17. VS Vin 93—94 (VAT 968 A ~ B ).
Hammurabi, III. Jahr (1. Tasritum).
Getreidedarlehen.
1 181 GUR se’im hubullum 11
2 siptam kenam e u-za-ap 3 itti
Ni-si-i-ni-su SAL.ME il SamaS
1 181 GUß Getreide, Zins
darlehen, normalen Zinsfuß wird
er zinsen, hat von Nisi-iniiu,
a KAR. b Nur in B. <= B. Ha-,
d HAR.RA. • MAS.ai.NA.
26
II Abhandlung: Schon-.
i märat Hu-za-lum 6 | Sin-im-
gur*-an-ni 6 mär Sin-ra-bi 7 il-
teki
8 ana um ebürim' 0 9 varah
Sa-an-du-tim 10 $e’a$u e il sipdzu ä
11 imadad
ll pän Varad-Sin mär Mär-irsiti
la-nu-um mär Ibik-irsitim.
15 varali Talritumf um 1 kam
10 sattum aiä GU.ZA il Nannar
17 KÄ. ? - DINGIR.RA ,d .
18. VS VIII 97—8
Hammural
Geldda
1 2 sikil Icaspim 2 sipat il Sa-
mas usäp ( s itti Amat- il SarnaS
SAL.ME il SamaS i märat Varad-
il En-lil 3 | Mdr- Ü &amas mär
il Adad-ri-me-ni G iltekis
ana um ebürim b 7 varah sä-
ad-du-tim 8 kaspiSu' il sipäzu k '
9 isakal
10 pan Varad-' 1 Hamas mär Awel 1 -
G imil (?) m - ü Hamas 11 13 p&n Bur-' 1 Aja
ap-iie-ra-am 15 mär U-bar-ri-ia 16 pär,
17 sattum GU.ZA BARA.
MAE.
» B. gur-ra. b UD.EBUR.SU.
° DUL(\).AZAG.GA. * DAH.H
'■ UD.EBUR.KA. ' AZAG.BI. ~
1 UR. m BÄ -)- SA. n Dieser
der Jungfrau des ftamas, der
Tochter des Huzalum, 6 Sin-
imguranni, Sohn des Sin-rabi
entliehen.
Zur Zeit der Ernte, im Monat
der Ernte wird er sein Getreide
samt dessen Zinsen 10 abmessen.
13 pän E-tel-pl- u Adad 11 pän Be-
3 Zeugen. — Am 1. Tas-
ritum, im Jahre des Thrones
für Nannar in Babylon.
3 (VAT 1474 A - B ).
i, III. Jahr,
riehen.
l 2 Sekel Silber, den Zins
fuß des Öamas wird er zinsen,
hat von Amat-Samas, der Jung
frau des Samas, der Tochter
des Varad-En-lil, 5 Mär - Samas,
Sohn des Adad-rimeni entliehen.
Zur Zeit der Ernte, im
Monat der Ernte (?) wird er sein
Geld samt dessen Zinsen ab
wägen.
4 Zeugen, 1 Schreiber. —
‘Se-me 11 pän ,l En-lil-a-bu-um 12 mär
mär A-lia-am-ar-Si 14 pän il Adad-na-
Ib-ni- il En-lil tupSarrim.
Jahr des Thrones des großen
Gemaches.
° &E.BI. MAS. BI.
i.DAM. A. u-za-ap . s Fehlt in A.
k MAS.BL
Zeuge fehlt in A.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
27
19. VS VIII 99—1
Hammura
Sklave
i| sAG am f Um »Aja-la-ma-zi
2 itti Ni-si-i-ni-M SAL il Warnas
3 märat I-din- il Da-gan 4 J Ta-
ra-ai-tum b märat I-zi-i-lu-ma
ü a-na varah l ,cam lim, 3 lcam ana
um ebürim h 7 i-gu-ur-si
i-di-sd 8 i GUR Heim 3 i-na
hob Ga-gi-im 10 i-na me-se-ki-im
u i-na GIS.BAR a Warnas 12 ima-
dad°
pän Be-la-nu-wn 14 mär Ibi
irsitim. 1
1G sattum G ™GU.ZA il Nannar
KÄ(?).DINGIR.RA{!)».
0. (VAT 970 A-B ).
i, III. Jahr.
.miete. 0,
X 1 Sklavin Aja-lamazi hat
von Nisi-inisu, der Priesterin
des Samas, der Tochter des
Idin-Dagan, Tarajatum, 5 die
Tochter des Izi-iluma, für einen
Monat und drei Tage, für die
Zeit der Ernte gemietet.
Ihren Lohn, 1 GUR Ge
treide, wird sie im Tore des
(Klosters) Gägum 10 in geeich
tem Maße, im Maße des öa-
mas ahmessen.
2 Zeugen.
-irsitim 15 pän Varad-' 1 Sin mär Mär-
Jahr des Thrones des Nan-
nar in Babylon.
20. VS VIII 101 (VAT 899).
Hammurabi, III. Jahr.
Ausgleich in einem Prozeß.
1 J Ma-ta-ni 2 a-na Ib-ni-
il Samas s ir-gu-ub(\)-ma i-di-
nu-su-nu-ti-ma i ru-gu-ma-ni-
sd ma-ah-ra-at
5 li-ib-ba-sa tdb al
1 Nachdem Matani gegen
Ibni-Samas geklagt, [die Rich
ter] ihnen den Prozeß einge
leitet haben, wurde ihr 4 Klage
anspruch angenommen.®
6 Ihr 4 Herz ist befriedigt.
“ Umschrift nach B. » UD.EBUR.SU. Fehlt in A.
' In A folgen Z. 8—11 in anderer Reihe: R 1 GUR se’im i-di-sa, i-na me-
se-ki-im 10 i-na GIS.BAR a Samas i-na bäb Ga-gi-im li imadad.
d D. h. der Klägerin.
e Seil, anerkannt von dem Geklagten.
28
II. Abhandlung: Schon - .
6 ü-ul i-ta-ar-ma 7 ct-na Ib-
ni- a Warnas ü-ul i-ra-ga-am
s niS il SamaS il Aja il Marduk
9 il Sippar hi 10 itmü
Indem sie das Urteil nicht
anficht, wird sie gegen Ibni-
Öamas nicht klagen.
Bei Samas, Aja, Marduls
und Sippar 10 haben sie ge
schworen.
7 Zeugen.
pän A-pil-ill-Sü 12 mär u SamaS-ba-ni 13 pän a SamaS-zi-nu-Sü (?)
u mär Ka-ab-ta-gi-? 15 pän Ta-ri-bu-um 15 mär A-bu-ia-tim 17 pän il Sin-
ma-gir 18 mär Da-an-ilum 19 pän Bur- il Adad 29 mär I-lcu-un-pi-Sä 21 pän
Ibik- il Adad 22 mär U-bar- il §ama$ 23 pän Var ad- u Sin 24 mär Na-ra-am-ili-Sii.
2b iattum GlS GU.ZA AN Nan-
nar 36 KÄ.D1NGIR.RA u MU.
NA.AN.DiM.
26 Jahr der Erbauung des
Thrones des Nannar in Baby
lon.
21. VS VIII102 (VAT 1547).
Hammurabi, IV. Jahr (2[?j. Varaljsamna).
Prozeßurteil.
1 äs-Sum Za-ni-ik-pi-sa ü
[märe pl.-sw?7 2 TIlum-gamil 8 (?)
mär Ilu-sü-ba-ni 3 a-n[a] Be-li-
zu-nu assäzu b 4 i[r-g]u-um-ma
il Sin-i-din-nam ra-bi-a an 5 [ü
dajäne?] Sippar ki us-bu-[ma]
G [di-nam ü-]sä-hi-zu-sü-nu-ti
7 [ä§-sum ir-]gu-mu ar-
[na]m i-mi-[du-sü] 8 [mu-ut-ta-
az-z]u u-ga-li-bu
9 [ü-ul i-ta-ar-]ma ü-u[l]
10 [i-ra-guj-um (?)
1 Nachdem in Sachen des
Zanik-bi-sa und [seiner Kin
der?] Uum-gamil (?), Sohn des
Uusu-bani, gegenBelizunu, seine
Frau, geklagt, Sin-idinam der
Präfekt 6 [und die Richter] von
Sippar eine Sitzung abgehalten c ,
haben sie ihnen den Prozeß
eingeleitet.
Weil er geklagt hat, haben sie
ihm eine Strafe auferlegt. [Sein
Fronthaar] haben sie schneiden
lassen.
[Indem er das Urteil nicht
anficht, 10 wird er] nicht [kla-
g]en.
9 Zeugen.
* BÄ + SÄ. •> DAM.A.NI.
0 [So nach Ilngnad 1. c. B. IV Nr. 1051. — Korrekturzusatz.]
Altbabylonische Rechtsurkunden. HL
29
u pän [A]-vi-i[lJ-ilhn 12 [mär 1 ?] Avät n - il Nannar . . . 13 zerstört 14 pän
Na-ra-a[m- . . .] 15 pän Bi-di-. . . 16 pän A-hu-S[ü-nu] 17 pän A-lvi-lifvi-ir]
18 pän Za-ri-lcum 19 märe pl. il Sin-ub i\)-la-[am] 20 pän A-pil-ilim mär Ilu-
Su-b[a-ni] 21 pän Mäv-Sippai** 22 u A-ha-am-ar-[§i] 23 Sa va . . .
24 varali Varah-samna um Am 2 (?). Varahsamna
2 (?) I ,cam l 25 Sattum BÄD.GA. 25 Jahr der Mauer von Gägüm.
GI.A.
Die Urkunde enthält ein Gerichtsurteil wegen falscher
Anklage. Dem Kläger wird — nach der wohl richtigen Er
gänzung — das Fronthaar geschnitten. Vgl. AR I Nr. 25.
Doch ist das Motiv der Klage nicht klar.
Der Kläger ist allenfalls — dem Typus b der Prozeß
urkunden nach — der in der zweiten Zeile genannte Ilum-
gamil. Geklagt wird Belizunu, seine Frau, c das Prozeßobjekt
ist Zanik-pisa.
Es fragt sich aber: Auf wen bezieht sich das Pronominal
suffix in assdzu ? Es liegt am nächsten, es auf Uum-gamil zu
beziehen, dann wäre die Geklagte die Ehefrau des Klägers;
Zanik-pisa vielleicht ein Sklave, um dessen Besitz die Ehe
gatten streiten. 4 Mir scheint aber auch eine andere Möglichkeit
nicht ausgeschlossen. Das Suffix kann sich sehr wohl auf
Zanik-pisa beziehen, und dann ließe sich folgender Tatbestand
voraussetzen: Zanik-pisa war der Schuldner des Uum-gamil.
Nach seinem Tode oder wegen seiner Insolvenz erhebt der
Gläubiger Ansprüche gegen die Witwe des Schuldners (Kod.
Hamm. § 152). Die Klage erweist sich aber grundlos und
den Kläger trifft die übliche Mutwillensstrafe.
Z. 1. Zanik-pi-sa, hypokoristisch für Zanik-pi-Samas, männ
licher Eigenname. Vgl. Hilprecht bei Ranke, Babyl. Per
sonalnamen, S. 19, n. 3.
Z. 5 —10. Die Ergänzung dieser Zeilen ist zweifellos
richtig.
Zu Z. 8—10 vgl. besonders AR I Nr. 25, Z. 14—22.
» KA. »> Vgl. AR X S. 20.
c DAM.A.N1 = aSSäzu.
d So möchte Prof. Koschaker den Pall konstruieren (brieflich).
30
II. Abhandlung: Schorr.
22. VS VIII 103—104 (TAT 982 A - B ).
Hammurabi, IV. Jahr (19. Varabsamna).
Schuldschein über Bronzematerial.
1 °/ 6 Minen Bronze (?) zur
Anfertigung eines Bronzeschlüs-
15 le mune TAH.AMA (?) a
2 a-na erü nam-za-kum 3 sd bit
il Warnas 4 e - b i - si - im 5 milkit 11
gurgurrim e 6 itti Ma-ki-su-um^
t§ep(?y Silli 11 - il NIN.KAR.
RA.AQ 8 ü satammim f tab-bi-sü
sels für den Tempel des Samas,
5 Darlehen des Metallarbeiters,
von Makisum.
Es haften Silli-Nink-arrak
und der Satammu, sein Kom
pagnon.
Am 19. Varabsamna, Jahr
der Mauer von Gägüm.
9 varah Varabsamna um
19 kam 10 Satt um BAD GA.GI.
[A.].
Z. 2. Das Determinativ DUB ist erü ,Bronze' zu lesen.
Vgl. Meissner SAI, Nr. 2600.
Z. 5. Uber die Stellung der Metallarbeiter in dieser Zeit
vgl. Thurnwald in Conrads Jahrbüchern für Nationalöko
nomie 1904, S. 669.
Z. 7. Für die Bedeutung von NER (sepu?) ,es haftet',
vgl. Ungnads Notiz bei Kohler-Ungnad III, S. 37, Anm. 4.
23. VS VHI 108—109 (VAT 775—VAT 5743).
Hammurabi, IV. Jahr (Tebitum).
Erbteilung.
1 1 1 1« SAR 7 GIN nidütums
2 ita bit A-hu-si-na mär Im (?)-
di-ilum 3 ü ita bit Varad- il NIN.
SAH i il ita bit Ilu-su-i-bi-Su
mär Ra-kum !, 4 2 j 3 ammatum h
pütum rebitum' G i-na agurri k
bit... übitim(?) 7 | Ib-ni - il Sa-
1 D/3 SAR 7 GIN Ödland,
neben dem Hause des Ahusina,
Sohnes des Imdi-ilum, und ne
ben dem Hause des Varad-
NIN.ÖAH und neben dem
Hause des Ilusu-ibisu, Sohnes
des Pakum, 6 4 2 / s Ellen Front-
* Material. b S’ü.TI.A. ° ERU NANGAE.
4 B. [K]I ZAG.GIR. • NEE. f JÜÄ.TAM. 15. SÄ.TAM. pl.
fr Kl.GAL. .<■ V. ‘ SIL.DAMAL. * E.LIB1T.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
31
mas it-ti Var ad- il NlN. SAH
8i f gusüram a ü-ma-ad
9 zitti h Ib-ni- il Samas 10 mär e
Sin-i-ki-sa-am 11 sd it-ti Varad-
“NIN.3AH 12 ü 11 -ni- a Adad
ahüu i [i-zu-zu]
ls iS-tu bi-e a-di hurdsim
14 ga- am -ru- ma li-ba-sü-nu
[täb]
li a-na varkdtum ka ^' <um üme mi
16 J Amat- il Warnas märat e Du-
mu-uk-ilim 17 | Varad-~ ll NIN.
SAH il Ib-ni- il Adad 18 i-bi-ru
19 1 Ib-ni- a Warnas u-ul a-vä-zu f
20 ü-ul i-tu-ür-ru-ma 21 a-hu-
um a-na a-hi-im 22 u-ul i-ra-
ga-mu
23 nis il äamaSs il Marduk ii
Ha-am-viu-ra-bi ll
seite stößt an den Hauptplatz,
— im Mauerwerk des . . . und
im Hause wird Ibni-Samas zu
sammen mit Varad-NIN.ÖAH
die Balken errichten —
ist der Anteil des Ibni-Sa-
mas, 10 Sohnes des Sin-ikisam,
welchen er [bei der Erbteilung]
mit Yarad-NIN.ÖAH und Ibni-
Adad [den Söhnen des Sin-iki-
sam]' seinem Bruder k [erhalten
hat].
Da sie vom Munde bis zum
Golde fertig sind, ist ihr Herz
[befriedigt].
15 In Zukunft werden Varad-
NIN.ÖAH und Ibni-Adad Amat-
Samas, die Tochter des Dumuk-
ilum, pflegen. 1 Ibni-Samas wird
damit nichts gemeinsam haben.
20 Indem sie den Vertrag
nicht anfechten, wird einer ge
gen den andern nicht klagen.
Bei Samas, [Aja],' Marduk
und Hammurabi [haben sie ge
schworen].'
10 Zeugen, 1 Schreiber.
24 pän Bür- il Adad mär I-ku-bi-§ä 25 pän Sin-i-ki-M-am mär I-bi-
tl NIN.&AH 2G pän I-din- il NIN.&ARf mär Sin-e-ri-ba-am 27 pän il §e-rum-il{
a G ™GUSUR.RA. b HA.LA.
c In der Kopie durch Versehen des Schreibers märat (TUR.SAL).
d &ES.A.NI. B. hat in Z. 8—10: . . . u [Ib-ni]- il Adad.
e [märe il J Sin-i-ki-Sä-am ahlifehi] ($ES.A.NI.ME,E$).
f B. 16—18 (= A. 15—18): a-di Amat-[ il §ama§ mär\at Du-mu-uk-üim ba-
al-ti-at Varad- il NIN.&AH w Ib-ni- n Adad it-ta-na-Su-Si.
s B. 20 folgt “Aja. h B. 21: it-mu-tl
1 Nur in B. k B. seinen Brüdern.
1 B. 16—18: So lange Amat-[Samas, die Toch]ter des Dumuk-ilum lebt,
werden Varad-NIN.SAH und Ibni-Adad sie erhalten.
32
II. Abhandlung: Schon*.
mär Nu-lii-ia 28 pän il Sin-ma-gir mär Im-gu^-ia 29 pän Var ad-»7? mär il Adad-
en-nam 30 pän Ibik- il Adad mär U-bar- il SamaS 31 pän a &ama§-ha(l)-si-ir
82 mär Sin-ga-mil 33 pän Ap-pa-an-ilim mür ü I-Sum-en-nam 84 pän Nu-rum-
li-zi mär Sin-i-ki-Sd-am 35 pän Sin-i-din-nam tupsarrim.
36b varah Tebitum 0 37 sattum 36 Im Monat Tebitum, Jahr
BAD.GA.G[I.A BA.RÜJ. der Mauer von Gägüm.
Drei Brüder teilen das väterliche Erbe. Unser Vertrag
enthält den Anteil des einen von ihnen, des Ibni-Samas. Vgl.
oben Anm. zu Nr. 7.
Interessant ist die Klausel in den Z. 15 —19, wonach zwei
der Erben die Pflicht haben, eine gewisse Amat-Öamas lebens
länglich zu pflegen. Es war vielleicht eine verwandte Priesterin,
die der fromme Erblasser mit einer lebenlänglichen Rente be
dacht hat.
Z. 19. Zur Bedeutung von ul aväzu vgl. Ungnad
OLZ XII, S. 480 Anm. 5.
24. VS VIII111 (VAT 874).
flammurabi, VIII. Jahr.
Arb eits Vorschuß.
11 j2 sikil kaspim a-na [avel]
issidim i 2 itti Avel-' 1 ? 3 T Mär-
Sippar ki 4 mar Ilu-sü-i-bi-Sü
5 ilteki
G a-na 1 /g sikil kaspim 7 9 a-
velum issidum 8 i-la-ak
9 ü-ul il-li-ku-ma 10 [si-irn]-
da-at sarrim
14 sattum MA.DA. . . . 18 7a-
mu-ut-ba-al.
11 pän . . . “ Samai-mar-lcu-zu
1 Einen halben Sekel Silber
für Schnitter hat von Avel-...
Mär-Sippar, Sohn des Ilusu-
ibisu “entliehen.
Für den halben Sekel Silber
werden 9 Schnitter kommen.
Wenn sie nicht kommen, ge
schieht 10 nach dem Gesetz des
Königs.
o Zeugen. Jahr des Landes
Jamutbal.
pän [Av]el- a E-a 13 pän . . . -mu-ba-li-it
Vgl. die analogen Verträge AR I Nr. 32; AR II Nr. 40
(auch ibid. S. 67 unten). Ferner Kohler-Ungnad III Nr. 555 ;
557, 559, 563,569 [Die richtige Interpretation all dieser Urkunden
bietet jetzt Köhler ibid. B. IV, S. 96. — Korrekturzusatz].
' AB.E.A. d L[U]SE.K1N.[K]UD.
“ B. 24 gur-, b Nur in B. erhalten.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
33
25. VS VIII 123—124 (VAT 1503 A - B ).
Hammurabi, XIV. Jahr.
Deposit.
1 pän Li-bu-ra-am pan E-til-
an-na-ma-än-sum 11 2 pan Äham-
irsi '* 3 pan Varad-za i pän' s
Pa-lu-uh-ri-girn-Sü 5 sd ma-ah-
ri-su-nu 6 i-na bub Ga-gi-im
7 J La-ma-zi 8 mdrat A-hu-si-na
9 am-tam a-na il Samas-sulüli ui
10 ip-ki-du 11 am-turn, i-ma-at
u i-ha-li-ik-ma 13 J La-ma-zi
14 ü-ul a-vä-za
lb sattum olS GU.ZA AN Nanni.
1 Vor Liburam, vor Etil-
anna-mansum, vor Aliam-irsi,
vor Varä(d)za, vor Paluh-ri-
gimsu [geschah es] 5 vor denen
im Tore von Dagum Lamazi, die
Tochter des Ahusina eine Skla
vin dem Samas - sulüli 10 an
vertraut hat. e Wenn die Skla
vin stirbt, verloren geht, geht
dies Lamazi nicht an.
15 Jahr des Thrones der Istar.
26. VS VIII128 (VAT 1076).
Hammurabi, XV. Jahr (2. Nisannum).
Gelddarlehen.
x . . . . Sikil kaspirn 2 sipat
ü Samas u-za-ap 3 itti u SamaS
ü il Aja i SA.§U il Samas-mu-ba-
li-it 5 | il 3in-e-ri ba-am e ü Bi-
ti-tum SU.NE(?).NE 7 J Ee-li-
bu-um, mär Ra-su-ub(\)-^Adad
s iltekü pl.
3 ana um ebürim 10 i-na sd-
an-du-tim 11 lcaspam ü sipäzu f
12 isakahi pl.
Sekel Silber, den Zins
fuß des SamaS wird er zinsen,
haben von [den Göttern] Samas
und Aja, Departement des Sa-
mas-muballit 5 Sin-eribam und
Bititum — ihr Bürge (?) ist
Selibum, Sohn des Rasub (?)-
Adad — entliehen.
Zur Zeit der Ernte, 10 im Ern
temonat werden sie das Silber
samt dessen Zinsen abwägen.
2 Zeugen.
a Vielleicht semitisch zu lesen: BU-Same-idinnam.
,J 3e3.BA.TUCt. “ B. u. « AN.SUR.
e Wahrscheinlich um sie an den Bestimmungsort für jemand zu über
bringen. Der Verkäufer hatte die Verpflichtung, sie dort abzuliefern
und brauchte sich um das Weitere nicht zu kümmern (Müller).
f MAS. BI.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165- Bd. 2. Abh.
3
34
II. Abhandlung: Schon*.
13 pan il JEn-lil-§e-me 14 mär ü Sin-ga-mil 15 pän il Sin-ü-ri 16 mär Mil-
ki-li-el.
17 varah Nisannum* um 2 kam Am 2. Nisannum, im Jahre
ls Sattun ALAM.VII.BI. der sieben Bilder.
27. P 70.
Tjammurabi, XVI. Jahr (II. Addarum).
Schenkung.
1 1 SAR 10 GIN bitum ep-
Suvi 2 i-na Ga-gi-i-im 3 1 SAR
bitum epsum b i-na Ki-di-im
*ita bit In-na-ba-tum rj püzu rebi-
tum e G 1 erü . . ., ... l alan HAR.
ZI(D).GU "l“ 1 ’™ RAR.ZJ(D).
&E 8 l alan elit ursim A 9 T il Sin-
ra-im-TJru ld 10 a-na Kal-i-mi-za
SALME il /Hamas 11 märtisu e
12 iddin f
ls apilsa% il Samas-e-ri-ba-am
u a-di Kal-i-mi-za SAL.ME
a Warnas 15 ba-al-ti-at 10 | Sar-
rum- a Adad 11 il il Samas-i-din-
nam 18 i-na warhim l Uam 19 20
$E la - a - an SE.BA 20 10 KA ta - a - an
samnim h NI.BA 21 i-na Sattim
1 kamb 1 1% 1 sikil kaspim ta ' a ' an SIK.
BA 22 i-na-di-nu-H-im
23 nis il Samas a Aja *Marduk
2i ü Ha-am-mu-ra-bi 2r> itmü.
1 1 SAß 10 GIN gebautes
Haus in Gaguin, 1 SAß ge
bautes Haus in Kiduni, neben
dem Hause der Innabatum,
5 seine Frontseite ist die Haupt
straße 1 . . ., 1 ... 1 Hand-
mülile für feines Gerstenmehl,
1 Handmühle für grobes Ger
stenmehl, k 1 Mörserklöppel (?),
hat Sin-rä’im-Uru der Samas-
Jungfrau 10 Kal-imiza, seiner
Tochter, geschenkt.
Ihr Erbe ist Samaä-eribam.
Solange Kal-imiza 16 lebt,
werden ihr Sarrum-Adad und
Samas-idinnam monatlich je 20
KA Getreide für Kost, 20 10 KA
Öl als Salböl, jährlich l x / 2 1 Sekel
Silber für Wollkleidung geben.
Bei Samas, Aja, Marduk
und Hammurabi 25 haben sie
geschworen.
6 Zeugen.
»• BABA.ZAa.aAR. » Case. « SAG.BI SIL. DAM AL.
>> NA.ZAG.HI.LI. « TUB.SAL.A.NI.
f IN.NA.AN.SL e TUR.US.A.NI b NI.GIS 1 Case l 1 /.,
k Zur Bedeutung und Lesung vgl. Hroznj! im Anzeiger der Wiener
Akademie 1910, Nr. V, S. 5 Anm. 1.
1 So nach dem Case.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
35
20 pän Sin-lu-ud-lu-ul mär iSum-ma- a Samas* 27 pän XJ-bav- a SamaS
mär a SamaS-mu-ba-U-it 28 pän Ur-ra-ia mär Warad(l)-Ku bi 29 pän A-hi-ia
mär Ta-la-hu-um 30 pän Sa-ia-am-lci-du-um 31 mär . . , b 32 pän &e$-ni-pd(d)
dupsarrum.
33 varah Addarum magrüm°
34 sattum GU. ZA il Na -bi- um
35 mo.na.d1m.
Im zweiten Addar, im Jahre,
in welchem der Thron des Na-
biurn errichtet wurde.
Ein Vater schenkt seiner Tochter, einer Priesterin des
Öamas, zwei Häuser und einige Wirtschaftsgeräte. Der Vertrag
bestimmt zugleich den Erben der Priesterin, außerdem* zwei
Personen, welche ihr monatlich Getreide und Ol zu liefern
haben, jährlich auch eine gewisse Geldsumme. Ob diese drei
Personen Brüder 3 der Priesterin sind und hier eine Illustration
zum § 178 des K. H. vorliegt, 8 ist fraglich.
28 3 VS IX 7 (VAT 637 A ). f
Hammurabi, XVIII. Jahr (Aiärum).
Deposit und Darlel
1 bilat parakke s 2 sä, Il-ta-ni
3 märat sarrim i sd a-na märe
pl. Iia-ki-du-um 6 sa-ak-nu
( 'ki-ma märe pl. Ra-ki-du-
um 7 | äe-rum-ili 8 mär A-bu-
vä-kar 9 | Il-ta-ni 10 märat üar-
ri-im 11 i-ta-na-pa-al 12 180 se-
’um Nu-rum-li-zi i-na ki-is-ri-
-M 13 180 märü Ib-ni- il Samas
u i-na GlS.BAR il Warnas 16 a-na
Se-rum-ili 1(5 i-n-a-ad-di-nu
a Case: I-di-sum. b Der Name d<
' DIIt.A.äE.KIN.KUB.
ll Wie Pöbel im Verzeichnis der E
f Dazu gehört Nr. 8 als Außentafel.
aufweist, folgt deren Umschrift ur
s BARA SUN . h Seil. Abgabe.
en gegen Deckung.
1 (In Sachen) der Abgabe für
die (Königs)gemächer, gehörig
der Iltani, der Königstochter,
welche 1 * bei den Kindern des
Rakidum 6 deponiert war.
An Stelle der Kinder des
Rakidum ist Serum-ili, Sohn
des Abu-vakar der Iltani, 10 der
Königstochter verantwortlich (in
obligo). 180 KA Getreide wird
Nürum-lisi von seinem Miets
lohn, 180 RA Getreide werden
die Kinder des Ib-ni-Samas im
Maße des Samal(tempels) 15 an
Öerum-ili liefern,
s Vaters ist offen geblieben.
gennainen anführt. 0 Vgl. CT II 24.
Da sie aber wesentliche Varianten
d Übersetzung weiter besonders.
3*
36
II. Abhandlung: Schon-,
17 a-na Mt Nu-rum-li-zi 18 ü
märe pl. Ib-ni- il SamaS 19 rna-
am-ma-an ü-ul i-sa-si
20 J Se-rum-ili-ma - 1 1 Alt am
u ri-ba-tam 22 i-ta-na-pa-al
23 pän Mär-' 1 SamaS pän Ib-ni-'
E-a 2 * pän Sin-i-din-nam.
varah Aiärum a 20 sattum
BARA.MAII.
Gegen die Familie des Nü-
rum-lisi und die Kinder des
Ibni-Samas wird niemand (das
Gericht) anrufen.
20 Sörum-ili allein ist für die
Abgabe und Zinsen (?) verant
wortlich (in obligo).
5 Zeugen.
Idad 2i pän Anum-na-ti-ia pän Ibik-
Monat Aiärum, Jahr des
großen Göttergemachs.
28 b . VS IX 8 (VAT 637 B ).
Außentafel zu VS IX 7.
1 bilat parakke h 2 sä Il-ta-ni
märat sarrim 3 sä a-na märe
pl. Ra-ki-du-um 4 is-Sd-ak-nu
5 lci-ma märe pl. Raki-du-
um «J Se-rum-ili mär A-bu-
vä-kar 7 biltam milkitam a 8 is-
ba-at Il-ta-ni 9 i-ta-na-pa-al
10 ta-ad-ni-in-ta-sü 11 180
seum i-na 2 7 /g iikil kaspim (?)
12 sä Nu-rum-li-zi im-du-[du]
13 ü 180 mäiru pl. 1b-ni- il Samas
u a-na Se-rum-ili Vo i-na-ad-di-
nu-sü (?)
lf, y Se-rum-ili-ma 17 biltam
u ri-ba-az-za. 18 ekallam i-ta-
* GUD.SI.DI. b BARÄ SUN .
1 (In Sachen) der Abgabe
für die Königsgemächer, ge
hörig der Iltani, der Königs
tochter, welche 4 bei den Kin
dern des Räkidum deponiert
war.
5 An Stelle der Kinder des
Räkidum hat Serum-ili, Sohn
des Abum-vakar, die Abgabe
als Darlehen in Besitz genom
men. Er ist der Iltani verant
wortlich (in obligo).
10 Seine Sicherstellung (?)
sind: 180 KA Getreide (im
Werte) von 2 1 / 2 Sekel Silber,
welche Kürum-lisi abgemessen
hat, und 180 (KA), welche die
Kinder des Ibni-Samas an Se
rum-ili 13 zu liefern haben.
Serum-ili allein ist für die
Abgabe und deren Zinsen dem
« St.TI.A. d seil. Abgabe.
Altbabylonische Rechtsürkunden. III.
37
na-pa-al 19 a-na Mt märe pl.
Ib-ni- il SamaS 20 ma-am-ma-an
ü-ul i-sd-as(s)-si
21 pan Ib-ni- a Adad a-hi-Sü-nu
ai! pdn Anum-na-ti-ia 34 mär Ka-lu-um.
Hofe verantwortlich (in obligo).
Gegen die Familie der Kinder
des Ibni-Samas 20 wird niemand
(das Gericht) anrufen.
3 Zeugen.
2a pdn Mär-’ 1 Warnas mär Be-lu[m] (?)
Diese Urkunde ist, wiewohl sie innen und außen gut
erhalten ist, doch ihrem Inhalte nach schwierig. Den Schlüssel
zur Aufklärung des Sachverhaltes bietet der juristische Fach
ausdruck in Z. 10 der Außentafel (Nr. 8): tadnintu, a natürlich
im Zusammenhang mit dem ganzen Kontext.
Die ursprüngliche Bedeutung ,Befestigung, Stärkung' kann
hier nur den juristisch prägnanten Sinn ,Bürgschaft, Sicher
stellung' oder besser — wie Prof. Koschaker meine Deutung
modifiziert — ,Deckung' haben. Ist diese Vermutung richtig,
dann stellt sich der Sachverhalt, wie folgt, dar:
Die Prinzessin Iltani hat eine gewisse Summe, eine Ab
gabe für die ,Königsgemächer', die ihr gehört, bei der Familie
des Kakidum deponiert. Nun hat der Depositar — sicher mit
Zustimmung des Deponenten — das Geld leihweise (SU.TI.AJ
an Serum-ili weitergegeben. 1 ’
Der Vertrag stellt nun fest, daß an Stelle des Depositars
der neue Schuldner tritt, der unmittelbar der Eigentümerin
Iltani zur Zahlung verpflichtet ist. Es wird dies deshalb ver
merkt, weil Serum - ili zwar das Darlehen aus der Hand des
bisherigen Depositars genommen hat, dieser aber nur als Man
datar der Iltani gehandelt hat. Selbstverständlich erlischt eo ipso
die Haftung des Depositars.
Als ,Deckung' (s. weiter) für seine Schuld bietet Serum-ili
zwei Getreidelieferungen a 180 KA, die ihm bei Nürum-lisi und
der Familie des Ibni-Samas ausstehen. Dem Hofe gegenüber
sind diese letzteren aber außer obligo, nur der Schuldner allein
ist dem Ilofe unmittelbar zahlungspflichtig.
R Es ist grammatisch eine taktilt-Form, wie tadmiktim ,Gefälligkeitser
weisung“, teptUum ,Urbarmachung“ usw.
b Ein ähnlicher Fall liegt CT VIII 37 b (= Kohler-Ungnad Nr. 171) vor.
38
II. Abhandlung: Schorr.
Z. 1. bilat parakke pl. — Der Ausdruck parakku wird
nicht nur von Tempel-, sondern auch von Königsgemächern
gebraucht.
In der gehobenen Sprache der historischen Inschriften
heißen die Könige asib parakke. In einem Syllabar kommt
sogar parakku als Synonym für sarru vor. a Es handelt sich
also um irgendeine Steuerabgabe für den königlichen Hof,
über welche die Prinzessin verfügt.
Die Z. 1 — 5 wird man am besten als Rubrum fassen
dürfen.
Z. G 11 (A). Die Innentafel stellt bloß das Schuldver
hältnis der Serum-ili zu Iltäni fest, den Rechtstitel der Haftung
gibt die Außentafel Z. 7 — 8 (B) an: biltam SU.TI.A is-ba-at.
SÜ.TI.A im Sinne ,Darlehen' ist nicht selten. Vgl. AR II,
Glossar s. v. ; vgl. auch weiter Nr. 39, 2. SU.TI.A = mil-
lätam ist Apposition zu biltam.
Z. 10 (B). Die Bedeutung .Sicherstellung, Deckung' für
tadnintum paßt in den Zusammenhang vorzüglich. Außer sach
lichen Gründen aber legt diesen Sinn auch die analoge Redens
art kätam dunnunu VS VII197, Z. 30, die dort wahrscheinlich
den Sinn .für jemand bürgen' hat, ebenso der Ausdruck kätam
leu VS VIII 26, Z. 14—-17 (s. oben S. 5 Anm. zu Z. 14—17).
Z. 17 B (= Z. 21 A) biltam ü ri-ba-az-za (A. ri-ba-tam).
Letzteres Wort, das sonst nicht belegt ist, kann entweder
als ribatum l'A’i .Ersatz', 1 ’ oder als Plural von ribitum
,Zuwachs, Zinsen', vgl. syr. nhbr. rrai, angesetzt werden.
Für diese letztere Ableitung sprechen auch sachliche Momente;
was sollte übrigens heißen ,für die Abgabe und Ersatz wird er
aufkommen'? Allerdings wird sonst für ,Zinsen' immer siptum c
gebraucht.
Z. 1SB. ekallum weist daraufhin hin, daß es sich um
königliches Vermögen handelt, und stützt unsere Vermutung
betreffs parakke (Z. 1).
a Vgl. Muß-Arnolt, Dictionary, S. S30 b . Vgl. auch äg. rins = pro
,Großhaus, König“.
b Vgl. i-ri-a-ab ,er wird ersetzen* (Kod. Ham. öfter).
c In neubabyl. Zeit kommt auch rubti ,Zinsen' vor. Vgl. KB IV S. 15 6
(Nr XXIII, Z. 7) a-di ru-bi-e-sü.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
39
Z. 18—19 A (= 19 — 20 B). Die Innentafel (A) hat hier
die deutlichere Klausel. Keiner der beiden Lieferanten ist dem
Hofe verpflichtet. Sie sind auch wahrscheinlich bei diesem
Vertrag nicht zugegen. Nur Serum-ili gibt die von ihnen zu
liefernden Waren als Sicherstellung. Zu sasü ; anrufen (das
Gericht, den König)' vgl. Aß II s. v. nc®.
29. P 72.
Hammurabi, XXL Jahr.
Feldpacht.
1 7 2 /s + s /is GAN eklim i-na
Ta-?-ni (?) 2 itti Ma-an-na-tum
3 1 Uu-su-ba-ni 4 mär I-bi-NIN.
SAH(?) 5 eklam'a-na ir-ri-su-tim
6 a-na biltim a ü-se-zi
7 um ebürim bilat eklim
8 37 GUR 150 &E 8 ga-du-um
bit(?) eklim i-na 10 GIIÜ.BAR
il Samas 11 i-napi(?') dup-[pi-su]
12 i-na me-se-k[um] 18 imadad
14 5 isinni 60 kemum l) 15 2 He
rum ta i-pa-ki-iz-zVi (!).
1 7s + 5 /is GAN Feld in...
hat von Mannatum, Ilusu-bani,
Sohn des Ibi-NIN.SAII(?), 5 als
Feld zur Bebauung gegen Pacht
zins gepachtet.
Zur Zeit der Ernte wird
er als Pachtzins für das Feld
37 (!) GUß 150 KA Getreide
— samt der Feldhütte (?) —
10 nach dem Maße des Samas
gemäß (?) seiner Urkunde, in
geeichtem Maße abmessen.
An fünf Festen wird er
je 60 KA Mehl, 15 je 2 (Stück)
Fleisch ihr liefern. 15
5 Zeugen.
16 pän A-hu-um-ki-nu-um
nu-um 19 pän Ilu-Su-ba-ni 20 pän Mi-lik- ü Samas.
21 sattum BAD al Ba-zum ' Jahr der Errichtung der
BA.DU ! Mauer von Bäzum.
Der Pachtzins ist ungewöhnlich hoch im Vergleich mit
dem sonst üblichen Pachtschilling. Vgl. Aß I S. 4L
Z. 11. Die Lesung und Deutung ist unsicher.
* TIK. » KU.DA.
c Oder mit Müller ,aufbewahren 1 . Vgl. AR II S. 64. Das Feld gehört
einer Samas-Priesterin. Vgl. Pöbel 1. c. S. 142 s. v.
40
II. Abhandlung: Schorr.
30. VS IX 53-54 (VAT 741 A ~ B ).
Hammurabi, XXXIV. Jahr (7. Varahsamna).
Korndarlehen.
1 100 Mniurn il 2 a-na te-ni-
im h 3 itti Lu-us-ta-mar 4 mär
A-hu-la-ap- il Bamas 5 f Li-vi-
rum 6 ü Si-si-ik-tum 7 iltekil pl. c
s ana ihn ebürirn d kemarn :l imad-
dadä e pl. [ 3 pän a Sa7nas\ il Aja f ]
10 pdn Nu-[ur-ili-Su e ] 11 mär I-t
12 varah Varahsamna [üm
7 lcamf J 13 sattum il Iütar 14 il il Na-
na-a.
1 100 KA Korn zum Mahlen
haben von Lustamar, dem Sohn
des Ahulap-Öamas, 5 Livirum
und Sisiktum entliehen. Zur
Zeit der Ernte werden sie das
Korn abmessen. Vor Samas
und Aja. — 1 Zeuge.
’-ni.
Am 7 ten Varah-samna, im
Jahre der Istar und Nana.
Z. 2. Die graphische Variante in B. di(ti)-ni gibt die
Etymologie treu wieder.
31. VS IX 83-84 (VAT 727 A n ).
Hammurabi, XXXV. Jahr (Elulum).
Gelddarlehen.
1 5 sikil Icaspim za-ar-pu
2 sipat il Sama§ u-za-ap 3 itti
a Samas il I-din-ia-tum 4 11-din-
n Adad mär il Warnas-mu-tab-li
5 ü Hu-um-ta-ni asüäzuz °iltekü
pl*
7 i-na kärim' in-na-ma-
ru 8 a - na na - si dub - bi - sii
1 5 Sekel geläutertes Silber
— den Zinsfuß des Samas wird
er(!) zinsen •—• haben vom Sa-
mas(tempel) und von Idiniatum
Idin-Adad, Sohn des Samas-
mutabli, 5 und ljumtani, seine
Frau, geliehen.
Wenn sie an der Mauer k
gesehen werden, werden sie
a KU.DA. b B. di(ti)-ni.
« Sü.BA.AN.Tl pl. (B.). ä UD.EBURM.
6 Nur in B. erhalten. f Nur in B.
s DAM.A.NI. 11 A. dittographisch. SU.BA.AN.TI.
1 KAR.
k D. h. am Marktplatz. [Sie wurden wohl dort ausgeschrieben. Müller.]
Altbabylonische Rechtsurknnden. III.
41
9 kaspam ü sipäzu
lu pl.
isaka-
dem Träger seiner (!) Urkunde
das Geld samt Zinsen 10 ab
wägen. — 3 Zeugen.
11 pän Pa-li- ü Adad mär Upi ki -Se-mi 12 pän il SamaZ-lci-ma-ili-ia mär
Varad-Sin 13 pän A-hu-vä-Jcar mär giS-dub-bi ft .
14 varali Elülum 12 13 sattum
BAD.GAL KAR AN BARBAR.
Monat Elülum, Jahr der
großen Mauer Kär-Samas.
32. VS IX 109—110 (VAT 641 A - B ).
Hammurabi, XXXV. Jahr (30. Addarum).
Sklavenmiete.
1 |I-na-i-in-ba-ds-ti 2 J Li
bur -ba-ds-ti 3 J Mu -ta-tu-u m
4 itti be-li-ti-si-na a 5 ^A-pil-
a Amurrum G a-na varah esedim i
1 i-gur-si-na-ti
8 i-di-Si-na 9 1 c BE.GUR i -na
GIS.BAR [“Samai] 10 ] il Bu-
ni-ni[-a-li ßÜ.GAB.A] 1 n i-ria
bdbs'Ga-gi-irn h u imadad 13 pän
il /Samas ü [ u Aja]
14 pän a SamaS-ba-zi-ir 13 p
tl Bu-ni-ni-a-bi.
17 varah Addarum 6 iim 30 kam
18 [sattum] BAD.KAK ^BAR
BAR.
4 Ina-in-basti, Libur-hast!,
Mutatum, hat von ihren Be
sitzerinnen 5 Apil-Amurrum für
den Erntemonat gemietet.
Ihren Lohn, je 1 GUR (B.
3 GUR seil, zusammen) wird
10 Bunini-abi, der ... im Maße
des Hamas, im Tore von Gägüm
abmessen. Vor Samas und Aja.
3 Zeugen.
E-li-e-[ri-sa SAL ü Hamas] 18 pän
Am 30. Addarum, Jahr der
Mauer Kar-Hamas.
a B. 13 mär Nu-iir-ili-Sü.
b KIN AN NINN1.
0 B. Z. 4—6: itti Avät-’ l Aja SAL. a SamaS, JEriStifNIN[\\“) a Aja, SAL u Sa-
ma§, u Eristi (NIN\\~\ U ) il Aja SAL. il Samas pl.
d KIN.SU. B. 8 a-na varah üm 3 kam .
e B. 11: 3 ÖE. GUR (seil, in summa).
f Nur in B. Z. 13 erhalten.
B So nach B. In A. fehlerhaft: i-na GIS.BAll n [§ama§ Ga-gji-im.
h SE.KIN.KUD.
42
II. Abhandlung: Schorr.
33. VS IX 134 (VAT 1030).
Uanamurabi, XXXVI. Jahr, 23. Elülum.
Tempelankündigung über eine abhanden gekommene
Geldsumme.
1Ä /s siJcil 6 SE kaspim 2 Sa
a Samas 3 i-na ga-ti 4 J Ili-i-
din-nam
5 Sa i-ha-sa-su-ma 6 i-li-ci-
am 7 Sä il §amaS-ma
8 varali Elülum a um 23 ,!am
9 sattum il Tas-me-[tum].
12 / 3 ' Sekel 6 ÖE Silber,
Eigentum des Samas(tempels),
anvertraut b dem Ili-idinnam.
5 An welch erdenklichem
(Orte) es auftaucht, gehört es aus
schließlich dem Samas(tempel).
Am 23. Elülum, im Jahre
der Göttin Tasmetum.
Der wahrscheinlichste Tatbestand dieser als Typus ein
zigartigen Urkunde dünkt mir folgender: Ili-idinnam war ein
Tempelbote, der aus der Tempelkassa einen bestimmten Geld
betrag zum Einkauf von Ware erhalten hat. Unterwegs hat er
das Geld, das er sicherlich im Geldbeutel (kisum) trug, verloren.
Der Tempel läßt nun — wohl am Marktplatz — eine
Ankündigung anbringen, in der er auf das abhanden gekommene
Geld, wo immer es auftaucht, Beschlag legt. Das Kennzeichen
war natürlich der Geldbeutel. Vgl. im Talmud: n’Yi ibto
□’2n mj?a ... taö mznb B. Mesi'a 24 b (Misnäh). 1
Möglich wäre auch — das war meine frühere Auffassung
— folgende Situation: Ili-idinnam hat vom Samastempel 2 / 3 Sekel
und 6 ÖE Silber entliehen und ist verschollen. Der Tempel
legt auf die Schuld Beschlag, wo immer der Schuldner auf
tauchen sollte. Es läge also ein Steckbrief 0 gegen einen
flüchtigen Schuldner vor. Allein gegen diese Erklärung spricht
der von Prof. Müller mir gegenüber erhobene Einwand, daß
der Ausdruck elü ,auftauchen' sonst überall nur von der Ur
kunde, nie von Personen gebraucht wird. Auch müßte man
in Z. 6—7 einen Subjektswechsel annehmen.
Wegen dieser Bedenken gebe ich der ersten Erklärung
den Vorzug.
» KIN AN NINNI. » Wörtl. ,in der Hand“.
c Diese Bezeichnung- proponierte Prof. Kosehaker (brieflich).
Altbabylonisehe Rechtsurkunden. III.
43
34. VS IX 61 (VAT 1484).
Hammurabi, XXXVIII. Jahr (10. Simannum).
Quittung über Getreide
1 2 SE.GUli 2 GlS.BAR
il Warnas Hibba bilat $E.GUR SUN
i MU.GUB 5 J Nu-ür- il SamaS
6 nam-ha-ar-ti 7 J Ilu-Su-mu-ba-
li-it
s varah Simannum a um 10 ltam
9 sattum ES.NUNNA KI A. GAL.
GAL 10 MU.UN.GUL.A.
abgabe für den Tempel.
x 2 GUR Getreide im Maße
des Saums, a conto der b Ab
gabe für Getreide (?), in An
wesenheit des 5 Nür-$amas in
Empfang genommen von 0 Uusu-
muballit.
Am 10. Simannum, im Jahre,
in welchem eine große Wasser
flut Tuplias 10 zerstört hat.
35. VS IX 62 (VAT 807).
Hammurabi, XXXVIII. Jahr (3. Düzum).
Feld]
is /is GAN eklim 2 ita akil
damkare pl. 3 ekil i! Sin-a-sa-
ri-id i mär il Sm-sirum i 6 itti
ü Sm-a-Sa-ri-id G J Ma-as-lcum
7 mar il Sin-na-tum 3 a-na ir-ri-
sü - tim 3 a-na ki-ma alim &u
10 Msesi f
11 pän Varad-' 1 Mardtik ra-bi-a-\
Ap-pa-an-ilim 14 pän il Samax-tulculti % ‘
11 pdn Pu-liu-um 18 pän Ri-is-Ur-ra.
ia varah Diizum h um 3 kam
20 sattum BÄD. M.NUN.NA* 1 .
A.GAL.GAL.
a L1B1T.A.
1 So nach Müller, wörtl. ,gehörig
0 D. h. aus der Hand von.
MAIL - ER. f IB.TAjE.A.
h SU.KÜL(\).A. i Wörtl. ,rvie di
acht.
13 / lg GAN Feld, neben dem
Sekretär (?) der Kaufleute, das
Feld des Sin-asarid, Sohnes des
Sin-sirum, hat 5 von Sin-asarid
Maskum, Sohn des Sinnatum,
zur Bebauung gegen (Abgabe)
,nach ortsüblichem Tarif* 10 ge
pachtet.
8 Zeugen.
u 12 pän A-na- il Sin-ü-si-li 18 pän
15 pän Avel-IHar 16 pdn ü Adad-ilum
Am 3. Düzum, 30 im Jahre,
da die Mauer von Tuplias die
große Flut . . .
u‘. Vgl. oben 3 Z. 2.
e KU.
i Stadt 1 .
44
II. Abhandlung: Schorr.
36. VS IX 59—60 (VAT 702 A " B ).
Hammuräbi, XXXVIII. Jahr (24. Nisannum).
Hirtenmiete.
1 | Am-ti-la-sü mär il Sin-
ilum 2 itti ra-ma-ni-sü 3 J Nu-
lir- il Hamas *mär Ib-ni- il Warnas
5 a-na Sattim l kam -[Sü a ] 6 a-na
immere pl. h 7 sä märat sarrim
ri-i-im [i-gu-ur-sü a ]
8 i-di sattim l kam 9 8 &E. GUR
imadad' 1 10 ü 1 sifcil kaspim. ,. e
is[akal c ] 12 varali Nisannum,
lim [24 ,!am ]' s 13 i-ru-ub {
14 pan a iSamas pan il Aja
15 pdn Ibik- a Samai [mär Ubai
Sin-i.ki-sd-am pän AvU-KA.LA n :
13 varah Nisannum um 24 liam
20 sattum UGNIMe TU.RU
1 Den Amtiläsu, Sohn des
Sin-ilum, hat von ihm selbst
Nür-Samas, Sohn des Ibni-Öa-
mas, 5 für ein Jahr, ran die
Lämmer der Königstochter zu
weiden, gemietet.
Als Lohn für ein Jahr wird
er 8 GUR Getreide abmessen.
10 Auch einen Sekel Silber
wird er abwägen.
Am 24. Nisannum ist er
eingetreten.
Vor Samas, vor Aja.
3 Zeugen.
r- il Samos]S 16 pdn Ib-ni- u Adad mär
mär tl SamoJ-tah-hi-hi.
Am 24. Nisannum, Jahr, in
welchem das Heer von Tu-
rukku.
Die Prinzessin zahlt den Hirtenlohn genau nach dem ge
setzlichen Tarif. Vgl. Kod. Ham. § 261. Der eine Sekel Silber
ist wohl eine besondere Vergütung.
Zum Datum vgl. King: Letters III, S. 239 Anm. 71. In
dasselbe Jahr fällt auch die Datierung der ,Flut von Tuplias',
wie King ibid. nachweist.
a Nur in B.
b U ’ A LU.N1TA SUN .
c Nur in B. erhalten.
d B. 9 8 SE.OUR i-di-Su 10 imadad.
c Die Punkte beziehen sich auf B., wo vielleicht sar-ba(pa)-[am] zu lesen ist.
f B. 14: ? -gi-ma(sül) i-ru-ub.
s Br. 9645.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
45
37. P 73.
Hammurabi, XXXIX. Jahr (13. Ajär).
Sklavenmiete.
x | il Sama§-ga-mil 2 itti Ri-
ba-tum aSsat il SaviaS 3 märat
Ib-ga-tum 4 | Sü-mi-ir-si-tim
9 a-na varhim l kam ümim 3 l!am
. . . 6 i-gu (l)-ur-Sü
'’misil BE. GUR i-na GIB.
BAR il Samas 9 i-na me-se-kum
9 a-na assat il Warnas imadad
x (Den) SamaS-gamil hat von
der Samaspriesterin Ribatum,
der Tochter des Ibgatum Sümi-
irsitim, 6 für 1 Monat 3 Tage
. . . gemietet.
Ein halbes GUR Getreide
im Maße des Samas, in ge
eichtem (?) Maße, wird er der
Priesterin des Samas abmessen.
4 Zeugen.
10 pän Ta-ri-ba-tum 11 mär ü BamaS-ma-ti 12 pän IJr-ra-ga- niil (!)
13 mär Sin-li-ra-am 14 yCin Sin-e-ri-ba-am(l) 15 mär Sin-i-ki-$d-am (!) 16 pän
Sa-mu-u(?) 11 mär lb-ni- il ßamaS.
l8 varah Aidrum a um 13 lcam
19 sattum KILI.GÜ.DÄ.BI
KUR.BU EDim.GE.NA.
18 Am 13. Ajarum, im Jahre
,die Gesamtheit seiner Feinde,
im Lande der Steppe . . /
38. P 74.
Hammurabi, XXXIX. Jahr (23. Düzum).
Scheun
lbu ru-uk-bu-um 2 itti lb-ga-
tum 3 ü Adad-i-Sü i mär Mi-
nam-e-pu-us-ilum 5 a-na Ici-
is-ri a-na sattim 1 kam -sw 6 ii-8e-zi
7 ki-is-ri sattim l iam -sw
Sö /a Sikil haspim 9 isaJ<:al b
emiete.
J Eine Scheune hat von Ib
gatum Adad-isu, Sohn des
Mmam-epuä-ilum, 5 gegen Miet
zins für ein Jahr gemietet.
Als Mietzins für 1 Jahr
wird er 8 / 6 Sekel Silber ab
wägen.
“ GUD.SI.DI.
b So muß — wie Prof. Müller mit Recht bemerkt — wegen Z. 10 ge
lesen werden. Das Ideogr. IN.NA.AN.LAL. ist somit ein Irrtum des
Schreibers statt NI.LAL.E., veranlaßt durch routinenhafte Erledigung.
46
II. Abhandlung: Schon - .
10 ri-eS-ti ki-is-ri sattim
1 kam -sü n misil Sikil kaspirn
ma-hi-ir
u vardh Abum [i?]-?ia. ri-es-
ti-sü(?) is i-ru-ub
li pän Ibik-An-nu-ni-tum, mär I
1-ga(T)-al(?)- il SaiuaT 10 pan a Sin-ra-i
17 varah Düzum a üm 23 lcam
18 sattum K1LIB GÜ.DÄ.A.BI
19 DÜ EDIN ]d .NE.
10 Als Angabe seines Jahres
zinses hat er b 1 / 2 Sekel erhalten.
Im Monat Ab, in dessen
Anfang wird er (die Scheune)
beziehen.
3 Zeugen.
-ma-ilum 15 pän ü -Sin-i-din-nam mär
mär A-ki-an-ni-a.
Am 23. Tamüz, im Jahre
,die Gesamtheit seiner Feinde,
des Steppengebietes'.
39. P 75.
Hammurabi, XXXIX. Jahr (20. Dür-Adad).
Unverzinstes Darlehen.
1 3 sikil kaspirn 2 SU.TI.A
3 J A-pil-ili-sü i ü Na-vi-ir-tum
Htti Be-li-su-nu 6 märat Zi-ia-
tum
7 ana üm ebürim 8 kaspam
isakal
9 varali Dür- u Adad üm 20 lcam
l0 sattum KILIB G&A.BI.
*3 Sekel Silber, Darlehen
des Apil-ilisu und Navirtum,
B von Belissunu, der Tochter
des Ziatum.
Zur Zeit der Ernte wird
er das Geld abwägen.
Am 20. Dur - Adad 10 im
Jahre ,die Gesamtheit seiner
Feinde'.
40. VS 1X 144—145 (VAT 985 A - B ).
Hammurabi, XL. Jahr (10. Sabätum).
Erbteilung.
i i sag vardum il SamaS-na-
ah-ra-ri 2 l SAa amtum U NIN.
[GAL]-um-mi 3 1 alpum a . . .
ilaian HAR.[ZW].GU '°l is - ka-
1 E i n Sklave Öamas-nahra-
ri, eine Sklavin NIN.GAL-
mnmi, ein . . . Rind, eine
Handmühle für feines Mehl,
* 3U.KLTL.NA.
b Seil, der Vermieter.
<= OUD.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
47
1-az 6 ki-ma a 5 Weil lc[aspim]
7 sd Intam a-pa-li 1'? ncirkabtum h
8 l‘$ ab- ... [l] i? irSum a 9 2‘?
kussüm 1 kar P at NI.DUB
10 mi-im-ma an-ni-im u zitti ä
Mär - ir - si - tim e [mär Varad-
Ur-ra ( ] 12 Sä itti Bu-di-um 13 u
Ilu - su - ellat - zu a-ah-hi- su
u i-zu-zu
zi-zu ga-am-ru 16 is-tu bi-e
a-di huräsivi 16 a-hu-um a-na
a-hi-im 17 ü-ul i-ra-ga-am
18 ap-lu-ut | Avät - il Aja
SAL.ME il Warnas 19 ü ap-lu-ut
J Be-li-zu-nu um-mi-[sü-nu]
20 Sä Avät- il Aja SAL.ME ‘Wa
rnas za-ab-ta-at 21 Sä bi-ri-Sü-
nu-ma
22 nis il i§amas a Marduk Ha-
am-mu-ra-bi 2B it-mu-u
a Z. 5—10 sind in B zerstört,
b aisßiA]B. GlD. DA.
“NA. * HA.LA.
e So nach B, Z. 21. A. fehlerhaft -r
f So nach B. 21. Die Zeilen 10—1
die Z. 10—19 B wie folgt:
11 . . . mi-im-ma an-ni-im 12 iS-fit
hi-e a-Jdi hu-r&sim 13 zi-[zju-ä-mt
ap-lu-ut 14 y Avät- il Aja SAL.Mt
ll SamaS a-ha-ti-su-nu 15 u ap-lu-u
Be-li-zu-nu um-mi-Sü-nu 16 Sä Avät
ü Aja [ma]-r[a-]za 17 [za-ab-t]a-t iS
tu i-[lu] 18 [ik]-te-ru-Si-na-ti 18 fiäj
ah-hi-Sä-a-rna.
6 ein (Gerät) ... — anstatt der
5 Sekel Silber als Gegenwert
für den Hausgrund (?) ein Last
wagen —; ein Gerät, ein Bett,
2 Stühle, ein Topf für den
Speicher.
10 all das ist der Anteil des
Mar - irsitim, welchen er (bei
der Teilung) mit Budium und
Ilusu-elläzu, seinen Brüdern, als
Anteil empfangen hat.
Sie haben geteilt, sie sind
fertig. 15 Vom Munde (?) bis
zum Golde wird einer gegen
den andern nicht klagen.
Das Erbteil der Avät-Aja,
der Priesterin des Samas, und
das Erbteil der Belizunu, ihrer
Mutter, "welches Avät-Aja, die
Priesterin des Samaä, besitzt
(hutznießt), gehört ihnen s ge
meinsam.
Bei Samas, Marduk, Ham-
murabi haben sie geschworen.
7 Zeugen.
A = Z. 20—25 B. Dagegen lauten
(Nachdem sie all das vom
Munde (?) bis zum Golde geteilt,
wird das Erbteil der Avät-Aja, ihrer
Schwester, und das Erbteil der Be
lizunu, ihrer Mutter, welches Avät-
Aja, ihre Tochter, besitzt (nutz-
nießt), sobald Gott sie (beide) ab
beruft, ausschließlich ihren Brüdern
gehören.“
8 Seil, den Brüdern.
48
II. Abhandlung: Schorr.
21 pän A-vi-il- “Samas mär Sin-pu-uf-ra-am 26 pän M&r-Sippar M mär
Avel-. . . 28 pän Ib-ga-tum mär Sin-[t-ri-ba-am] 1 27 pän XJp% hi -ma-gir mär
Na-[raJ-am-[iU-&u] 28 pän [fa-bil-ki-nu-um mär Igga-ab-' 1 Samal 29 pän Sin-
en-nam mär Sin-a-bu-Su 30 pän Zi-ki-ip- ü So/tnciü mär Ilum-ma-lilc.
31 varah iSabdtum b [um [Am 10.] Sabätum, Jahr des
1Qicamje nur Ti-si-it- Kanals Tisit-Ellil.
il Ellil-la(l).
Interessant ist in diesem Erbscliaftsvertrag die Klausel in
Z. 18—20 A, die in B (Z. 13—19) deutlicher formuliert ist,
wonach das Erbteil der Schwester, welche Priesterin im Sama§-
tempel ist, und der Mutter, nach ihrem Tode allen Brüdern ge
meinsam zufällt.
Es hegt also eine Illustration zum § 178 des Kod. Ham.
vor. Vgl. auch CT II 24; VIII 50 3 . Vgl. auch oben Nr. 27.
41. VS IX 69 (VAT 1031).
Hammurabi, XLIII(?). Jahr (Düzum).
Tempel anweisung(?).
1 30 ÄE 2 kurummat (i§UK)
A-bu-um-lci-ma-iU s sd um, 15 kam
2 KA ,a i is-tu varah Simannum
6 üm 15 kam e a-di lim 30 kam
1 SA./SU Mdr-irsitim 8 w
il Sin-is-me-ni
9 varah Düzum i 10 sattum
Sippar ki .
J 30 KA Getreide, zur Ver
köstigung des Abum-kima-ili
für 15 Tage, zu je 2 KA; 5 vom
15. Simannum bis zum 30.
Departement des Mär-irsitim
und des Sin-ismeni.
Monat Düzum, 10 Jahr von
Sippar.
Die Urkunde kann als Quittung eines Priesters über
empfangene Besoldung für einen halben Monat aufgefaßt wer
den oder — was mir wahrscheinlicher dünkt — als Anweisung
des betreffenden Tempeldepartements, dem der genannte Priester
unterstand, an das Getreidemagazin des Tempels, zur Auszah
lung des priesterlichen Monatssalairs.
“ So nach B. 29.
b Aä.A. « B. 34.
d STJ.KUL.A.
Altbabylouisclie Rechtsurkunden. III.
49
42. VS IX 157 (VAT 830).
Hammurabi, Jahr ? (1. Ajarum).
F eidpacht.
12 1 s GAN elc[lim] 2 ekil Be-
li-zu-nu SAL.ME ll feamas s itti
Be-li-zu-nu i märat Avel- il NIN.
SAH.KA 5 belit eklirn" 6 E-te-lum
1 [ü a ] SamaS-da-mi-iJc 8 [a-na]
e-ri-sü-tim 2 [ü]-se-zu-ü
10 bilat Satt im l kam -Sü-nu
n#/ Ä SE.GTJR i-na GI&BAR
il iSamas 12 i-na me-se-kum i-na
Gägim h 13 imaddadii pl.
u 3 isinni e a Samas 16 1 &e-
mum a 3 Serum 6 i-pa-ki-du
16 pän Ibilc-IStar mär Ma-ru-um
ls pän Lu-u$-ta-rriar- il ... 19 mär Na-i
20 varah Ajärum s um E kam]
21 [sattum . . .] AB.LAM(?).
12 /s GAN Feld, das Feld
der Belizunu, der Samasprie-
steriu, haben von Belizunu, der
Tochter des Avel-Ilabrat, 6 der
Eigentümerin des Feldes Etc-
lum [und] Samas - damik zur
Bebauung gepachtet.
10 Als ihre jährliche Abgabe
werden sie 4^ GUR Getreide
im Masse des Samas, in ge
eichtem (?) Maße in Gägüm
abmessen.
An drei Samasfestcn 15 wer
den sie je 1 KA Mehl, 3 (Stück)
Fleisch besorgen/
3 Zeugen.
17 pän Mär-Sippar** mär . . . im (?)
20 Am l.(?) Ajärum, Jahr...
43. VS
Hammurab
Sklav
amtum SAL . . . 2 amtum
SAL sa bitim ... 3 Sä Mär-ir-
?i-tim A a-na I-din- il Da-gan 5 ü
Varad- a Sin mdre-Sü h a i-zi-bu
1 itti Varad- il ßin belisa' 8 J I-din-
ü Da-gan
1 NIN.A.SAG.GA. GE. » GA.GE
d KU.DA. « UZU. c Oder —
« GUD.SI.DI. i' TUR.A.NI(!)-#«.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 2.
IX 164.
i (undatiert),
nkauf.
J Eine Sklavin , die
Haussklavin (?), welche Mar-
irsitim seinen Kindern, Idin-
Dagan und Varad-Sin (als Erbe)
vermacht hatte, 5 hat von Varad-
Sin, ihrem Besitzer, Idin-Dagan
gekauft.
l. « EZEN.
nach Müller — ,aufbewahren'.
1 LUGAL.A.NI.IR.
4
50
II. Abhandlung: Schon'.
9 isäm''- ana simisa gamrim*
10 5'l 3 sikil kaspim 11 iskul a
12 ba-ba-at 13 [&] 1 Is sikil
kaspim li 2 s / 8 sikil kaspim lr, J
I-din- n Da-gan 1G a-na Varad-
tl Sin iskul°
17 ana simisu gamrim h 18 2 s /s
sikil kaspim iskul
19 ana matema avelum ana
avelim 20 ul itär-ma 21 ul iragam
22 nis a Bamas il Aja a Marduli
23 ü Ha-mu-ra-bi 2i it-mu-ü.
Als ihren vollen Preis hat
er 10 57g Sekel Silber abgewo
gen (gezahlt).
Den Fehlbetrag (bis zu)
[5] Vs Sekel Silber, (nämlich) 2 2 / 3
Sekel Silber 15 hat Idin-Dagan
dem Varad-Sin abgewogen.
Als seinen vollen Preis hat
er also 2 2 / s Sekel Silber abge
wogen.
In Zukunft wird einer gegen
den anderen, indem er den Ver-
tragnichtanficht, 20 nicht klagen.
Bei Sa.mas, Aja, Marduk
und Hammurabi haben sie ge
schworen. — 3 Zeugen.
25 pfin Ib-ga-tum 26 pän il Nannar-eriS (IN.KAM) 27 pän Sin-nap (?)-
§e(?)-ra-am.
Zwei Brüder erben gemeinsam eine Sklavin 4 im Werte
von 5V 3 Sekel. Nun will der eine der Brüder Alleinbesitzer
der Sklavin werden und ... kauft seinem Bruder die ihm gehörige
Hälfte ab. Die juristische Form des Vertrages ist die, daß zu
erst fiktiv die Zahlung des vollen Preises vermerkt, dann aber
erläuternd die wirklich bezahlte Summe, d. i. die Hälfte (2 1 / 3 Sekel)
angegeben wird, mit der berichtigenden Klausel, daß diese
2 2 / s Sekel den ,vollen Preis' ausmachen.
44. VS IX 173 (VAT 756).
Hammurabi (undatiert).
Zahlung des Bürgen.
1 Eli e il Sin-a-sd-ri-id 2 | An-
na-ba-tum SAL.ME a Samas
3 märat Bd-al-lu-ru-um se-a-am
1 Nachdem Annabatum, die
Priesterin des Samaä, die Toch
ter des Sallurum, gegen Sin-
» IN.Sl.SÄM. >> SAM. TJL.LA.BlAU. <= 1N.NA.LAL.
d Die Bezeichnung ,Haussklavin* kann zweierlei bedeuten: 1. eine Sklavin,
die nur für Hausarbeit bestimmt ist, 2. = hebr. rYOTi”, eine im Hause
geborene Sklavin, im Gegensatz zu rpn ropn [Müller],
• MUS.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
51
ir-ii-ma 4 5 + 50 &E | Amat-
fßamas SAL.ME il Warnas b mä-
rat Ar-hi-E-a G ga-ti An-na-ba-
tum 7 mdrat Sa-al-lu-ru-um
s i-zu-uh
asarid eine Schuldforderung an
Getreide hatte, hat Amat-Samas,
die Priesterin des Samäs, 5 die
Tochter des Arbi-Ea, 5 1 / 6 GUR
Getreide aus der Hand der
Annabatum, der Tochter des
Sallurum, herausgezogen.
Annabatum hatte gegen Sin - asarid eine Forderung auf
5 1 /,, GUR Getreide. Da der Schuldner wohl zahlungsunfähig
ist, tritt für ihn der Bürge ein, der ,die Schuld aus der Hand
des Gläubigers befreit'.
Z. 6—8. Die Redensart kdtam nasähu ,die Hand heraus
ziehen', die nur in Schuldverträgen vorkommt, scheint in dop
pelter Anwendung gebraucht worden zu sein: a) Jcati X nashat
(Permansiv) ,die Hand des X (Schuldners) ist herausgezogen' a ,
d. h. der Schuldner ist insolvent. CT VIII 33, 11—13; IV 31 b ,
6—8 b ; YS VII 98, 7—9 ; ib. 138, 7-9.
An allen diesen Stellen wird der Ausdruck gebraucht im
Zusammenhang damit und als Voraussetzung“ dafür, daß der
Bürge für den Schuldner eintritt.
b) (searn) X käti Y isuh ä ,die (Getreide-) Forderung hat
X (Schuldner resp. der Bürge) aus der Hand des Y (Gläubiger)
herausgezogen', d. h. aus dessen Gewalt befreit, seil, durch Til
gung der Schuld. So erfordert es der Sinn an unserer Stelle,
wie auch CT VIII 38, Z. 20—24: 3 BE.GUR GIS.BAR »Warnas
ma-ah-ri-a-am ü ar-ki-am ga-tam iz-zu-hu-[ü] /zusammen) drei
GUR, die frühere und spätere (Forderung) haben sie (seil, die
Schuldner) aus der Hand (des Gläubigers) befreit', d. h. sie
haben die Schuld getilgt.“
“ Oder besser: zurückgezogen.
b ga-ti X mär Y na-a$(s)-ha-a-ma (Dual!).
c Beachte überall das subordinierende -ma (nasliat-ma) im kausativen Sinne
,nachdem, weil 1 .
a Syntaktisch liegt eine Konstruktion mit doppeltem Akkusativ, dem des
Objekts und der Person, vor.
0 Ungnad (vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 746) übersetzt ..sie haben die
Hand fortgezogen (?)‘, also im Sinne der Insolvenz. Doch scheint mir
obige Deutung im Zusammenhang richtiger zu sein.
52
II. Abhandlung: Schurr.
Eine stilistische Analogie zu diesem juristischen Ausdruck
bietet die Redensart in neubabylonischen Schuldverträgen: u'iltam
aälu ,eine Schuldforderung eingehen"' in ihrer Doppelanwendung
vom Schuldner und Gläubiger. 11
45. VS 1X 182—183 (TAT 719 A ~ 1! ).
Hammurabi (undatiert).
Gelddarlehen.
1 3 sikil ribdt b kaspum za-
ar-[pu]° 2 2AB.BA itti il Hamas
3 ü Ma -an-nu-ba-lum - il /Hamas
4 | Im-gur-rum 5 mär Hi-e-ri-
baam e ilteki i
7 i-ki-pa-am 8 i-zi-ba-am-ma
9 um-mi-a-nu-um il-ul° i-Se-vii-
su-[ü]t w a-na [na-ds] f dub-bi-
§ü[u] kaspam u iSakal
12 pän Ili-[ma] c -a-bi 13 mär
nam 16 mär Mär-ir§itim.
1 3 1 / 4 Sekel geläutertes Sil
ber, (aus dem) Kompagnie
kapital hat vom (Gotte) Samas
und Mannum-balum-Samas, Im
gurrum, 5 Sohn des Ili-eribam,
geliehen.
Wenn er eine Schuldüber
weisung (?) ausfertigt, wird ihm
die Kompagniekasse nicht wil
lig sein, 10 dem Überbringer
seiner Schuldquittung wird er
das Silber ab wägen.
2 Zeugen.
14 [ il Sm-e-ri-ba-aru 15 pän il Sin-i-diu-
17 varah 8Ü.NI.GI.NA ihn
28 Uam ] t .
Am 28. ÖÜ.NI.G1.NA.
Vom Gotte Samas & Kompagnie hat Ingurrum 3 x / 4 Sekel
geborgt. Die Gläubiger bedingen sich aus, daß der Schuldner
nicht das Recht hat, einem anderen die Schuldübernahme zu
überweisen. Er selbst muß gegen Vorweisung seines Schuld
scheines das Geld zahlen.
* Vgl. Delitzsch HWB S. 1».
b IQI. IV. GAL. <= Nur in B.
a &U.BA.AN.TI. c So nach B. 10.
f Z. 14—17 nur in B.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
53
Z. 2—3. Die Tempelkasse assoziiert sich zuweilen mit
Privatleuten zu Handelsgeschäften, wie sie ja auch allein Bank
geschäfte in ausgedehntem Maße betreibt. 11
Z. 7. i-ki-pa-am. — Ich möchte das sonst nicht belegte
Wort von Vrpp ,anvertrauen, bevollmächtigen' ahleiten, wozu
kepu bevollmächtigter, Botschafter', wie auch kiptum ,anver
trautes Gut, Borg' (ana kiptim Kod. Ham. § 111, Kol. 2 a , 47)
gehört, iJcipu ,Bevollmächtigung' hätte hier speziell vom Dar
lehen den prägnanten, juristischen Sinn ,Schuldüberweisung'.
Diese Bedeutung paßt auch vorzüglich in den Zusammenhang.
Eine Illustration einer solchen Schuldüberweisung liegt wirklich
in CT IY 22 a vor 1 ’.
Z. 9—10. ummiänum ul iSemiSü ,die Kompagniekasse
wird ihm nicht willig sein (gehorchen)', d. h. sie wird seine
Schuldüberweisung nicht anerkennen.
Zu ummiänum ,Kompagniekasse' vgl. VS VIII 71, Z. 16.
46. VS IX 196—197 (VAT 850 Ä - B ).°
Hammurabi (Jahr?).
Quittung über geleistete Lieferung.
1 dup-pi si d -ih-tum 2 sa s[eim] I
ü kaspim 3 [sa Belti H - il ] e Aja
i [eli a Warnas-mu-ba-li-it 5 ir-
sii-ü] 1 [itti “Sam]« as-mu-ba-
li-it 6 [ma-ah-ra-at] h [li-ib-bi-
Sü (!) täb ah ]'
. 7 dup-pu um 8 si-ih-tim (!)
9 i-li-a-am-ma 10 za-ar hi-bi
'(In Sachen) der Lieferungsj?)-
urkunde über Getreide und Geld,
welches Belti-Aja von Samas-
muballit 6 zu fordern hatte; sie
hat es k von Samas-muballit er
halten, ihr 1 Herz ist befriedigt.
Wenn die Lieferungs (?)-
urkunde auftauchen sollte, ist
sie falsch, (sie gilt als) ver
nichtet. — 4 Zeugen.
8 Vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 187, 189, auch VS IX Nr.83 (s. oben Nr.31).
b Vgl. Kohler-Ungnad III, Nr. 88. Allerdings lautet dort der Ausdruck
für ,Sehuldüberweisung‘ hubullam zäzw.
c Der Umschrift lege ich die Außentafel (B) zugrunde.
d A. zi-, 8 Ergänzt nach A. f Ergänzt nach A Z. 3—4.
E Von mir ergänzt. h Ergänzt nach A Z. 5. 5 Nur in A Z. 6—7.
k Seil, das zu liefernde Getreide und Geld.
1 Das Suffix -sü ist ein Versehen des Schreibers für -sa.
54
II. Abhandlung: Schorr.
11 pän Ri-is- tl Warnas [mär il Samas-ilumJ 12 pän E-til-pi- ü Warnas
13 mär* Im-lik-Sin u pän Nu-tu-ub-tum 15 märat A-hu-um 16 pän Gimil(SU)-
ili-su 17 mär A-bu-um-vä-kar.
l8 [Sattum GJ8 GU.ZA.] h Jahr des Thrones ....
Den Schlüssel zum Verständnis der sonst klaren Urkunde
kann nur die richtige Deutung des juristischen, sonst nicht
helegten Terminus sihtum bieten (kitd ?).
Die Bedeutung ,Lieferung' e ist aus dem Zusammenhang
erschlossen. Sie fügt sich sehr gut in die Klausel Z. 7—10 (B),
wonach, nachdem die Lieferung erfüllt ist, der Lieferungsschein
seine Gültigkeit verliert.
Dieselbe Klausel, wie überhaupt derselbe Typus, kommt
auch bei Rückerstattung eines Deposits vor: 4 1. Rückempfang
des Deposits, 2. Anerkennung des Depositars (libbisu täb),
3. Vermerk über Ungültigkeit des später auftauchenden Ver
wahrungsscheines.
Das Datum, das nur mit GIS GU.ZA bezeichnet ist, läßt
sich wegen der Unsicherheit (XVI.; XX.) nicht fixieren.
Prof. Müller faßt den Inhalt dieser Urkunde anders auf.
Er sagt folgendes:
,Unsere Urkunde 46 und die von Warka 108 (Kohler-
Ungnad 97) ergänzen einander in gewisser Beziehung. Es
handelt sich in beiden Fällen um Depotscheine, welche in Ver
lust geraten waren. Es scheint bei der Ausfolgung des Depots
eine doppelte Vorsicht gebraucht worden zu sein: 1. Wurde
vor Zeugen die Ausfolgung des Depots urkundlich bestätigt,
2. wurde der Depotschein zurückgestellt. Konnte aber der
Depotschein nicht zurückgestellt werden, so mußten die De
ponenten die Ungültigkeit desselben urkundlich aussprechen.
Daß für den Depositar trotzdem eine gewisse Gefahr vor
handen war, solange nicht der Depotschein zurückgestellt wurde,
versteht sich von selbst. Es lag also den Deponenten ob, im
a In der Originaltafel (nach der Kopie) irrtümlich märe pl.
b Nur in A Z. 10.
° Man könnte auch die Bedeutung ,Verwahrung, Deposit* supponieren, die
an sich auch passen würde. Allein dafür gibt es im Kod. Ham. wie
auch in den Urkunden einen besonderen Terminus: masartum.
d Warka Nr. 10S = Kohler-Ungnad III, Nr. 97.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
55
Falle, daß der Depotschein sich gefunden hat, ihn zu vernichten
oder dem Depositar zurückzustellen.
Kohler-Ungnad 97 (Warka 108) stellt das erste Sta
dium eines solchen Falles vor.
„Was das Geld betrifft, das Zikrum und Sabitum dem
Silli-Istar zur Aufbewahrung übergehen haben, so haben sie es
bekommen; ihr Herz ist befriedigt. Taucht eine gesiegelte Ur
kunde auf, zerbricht er sie.“
In dieser Tafel konnte die Ausfolgung des Depots be
zeugt werden, die Rückstellung des Depotscheines ist sichtlich
nicht erfolgt. Daher wird er für den Fall, daß er auftaucht,
als „ungültig“ erklärt. Daß es eine Fälschung sei, wird nicht
gesagt und konnte auch nicht gesagt werden. Setzen wir aber
den Fall, daß der Depotschein gefunden und vom Deponenten
dem Depositar zurückgestellt wird, so würde dadurch die Sache
endgültig erledigt sein.
Ein solcher Fall liegt in unserer Tafel 46 vor, die ich also
übersetze:
„Den Depotschein über Getreide und Geld, welchen Belti-
Aja von Samas-muballit zu fordern hatte, hat sie erhalten; ihr
Herz ist befriedigt. Wenn ein Depotschein auftauchen sollte, ist
er gefälscht und zu vernichten.“
Hier liegt das zweite Stadium vor. Der verloren geglaubte
Depotschein hat äich gefunden und wurde dem Depositar zu
rückgestellt. Dadurch haben die Deponenten jede Verantwort
lichkeit, welche sie durch die Nichtrückstellung des Depot
scheines treffen könnte, abgelehnt. Man versteht daher den
Zusatz, daß, falls ein Depotschein später auftauchen sollte, er
als gefälscht bezeichnet und vernichtet werden muß.'
47. VS IX 209 (VAT 1107).
Hammurabi (undatiert).
Scheunemiete. 3
1 ru-uk-ba-am 2 itti E-te-il- ' 1 Scheune (?) hat von Etil-
,l Samas 3 mär Im-lik- il Sin 1 1 Samas, dem Sohne des Imlik-
I-bi-ik-sa 5 mär a Nannar-idin- Sin Ibiksa, °Sohn des Nannar-
“■ Ähnliche Mietsverträge vgl. bei Kohler-Ungnad III, Nr. 520—529.
Auch VS IX, Nr. 210.
56
II. Abhandlung: Schon-.
nam a c, ru-uk-ba-am 1 a-na Jci-
is-ri-sü 8 ü-se-zi
9 ki-is-ri sattim l Uam 10 1 sikil
kaspim isakal
11 rar ab. Aburn b [um] 15
i-ru-ub 12 satt am 1 1:am Sü ü-ma-
al-la-ma 13 ii-zi (?) c -i
u pdn U-bar- ü IStar mär il Sin- .
il Sin-mu-ba-li-it.
idinnam als Scheune 3 (?) gegen
seinen Mietzins gemietet.
Als Miete für ein Jahr
wird er 10 1 Sekel Silber ab
wägen.
Am 15. Abum ist er 0 ein
gezogen. Wenn er sein ein
Jahr voll machen wird, wird
er auszielien.
2 Zeugen.
15 pän Ha-ah-bu-ur- ... 16 mär
48. VS IX 216 (VAT 1449). f
Hammurabi (undatiert).
Erbteilung.
h . ,-vä-kar (?)- 2 il Samas-sar-
ki-tim 3 1 ahan HAR.ZID.GU1 ahan
HAR-Z1D.SE 4 6 na-äs-pa-ku
5 bu-Sii-it pa-ni-tum irsumz
kassüm 0 is- tu bi -e a-di
huräsim zi-iz-ma
7 mi im-ma an-ni-im s zitti
Belti t ‘-‘ l Aja SAL.ME il Sarnas
9 mcirat Ilu-su-i-bi-sü 10 it-ti
märe pl. Avät- il Nannar bänim h
11 J Ur-ra-mu-ba-li-it 12 J il Sa-
mas-ba-ni märepl. Ru-Sü-i-bi-sü
13 ü Mu-ha-di-tum [SAL.ME
1 .. . 2 . . . Samas-sar-kittim
1 . . . Handmühle für feines
Mehl, 1 ... Handmühle für gro
bes Mehl, 5 Speicher; — 6 frühe
res Vermögen, ein Bett, ein
Stuhl, vom Munde bis zum Golde
hat man bereits geteilt —
all das ist der Anteil der
Belti-Aja, der Priesterin des
Samas, der Tochter des Ilusu-
ibisu, (welchen) sie 10 (bei der
Teilung) mit den Kindern des
Avät-Nannar, des Baumeisters,
(mit) Urra-muballit, Öamas-bani,
«• MA.AN.SL b NE.NKGAR.
c In der Kopie se (sic), wohl verschrieben statt -TT* (zi).
d D. h. es darf ihm nicht einfallen, die Scheune als Wohnhaus etc. zu
verwenden (Müller).
° Seil, der Mieter.
f Das Fragment der Innentafel (Nr. 204) enthält Teile der Zeilen 7—14
der Aüßentafel.
s NÄ. >■ BIM.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
57
a &amas] a märat Tlu-pt- il Warnas
u i-zu-zu
zi-zu ga-am-ru 15 is-tu bi-e
a-di hurdsim 16 a-hu-um a-na
a-hi-im i'i-ul i-ra-ga-am
17 [ah-hu-id?] ri-di vä-cir-
Ica-ti-Sd
(Der Rest ist zerstört.)
den Kindern des Ilusu-ibisu und
(mit) Muhaditum, der Priesterin
des Samaä, der Tochter des Ilu-
pi-Samas als Anteil erhalten hat.
Sie haben geteilt, sie sind
fertig. 15 Vom Munde bis zum
Golde wird einer gegen den
anderen nicht klagen.
[Ihre Brüder?] sind die Er
ben ihres Nachlasses.
Außer den zwei Brüdern (Z. 11—12) sind noch andere
Erben genannt, doch ist ihr Verwandtschafts Verhältnis zum Erb
lasser nicht angegeben. Vielleicht waren es Bruderskinder des
Erblassers, des Ilusu-ibisu. [Warum gerade Bruderskinder, die
ja nicht erben, und nicht vielmehr Kinder seines Kindes (das ge
storben war), welche für ihren Vater erbberechtigt sind? Müller.]
Z. 17. Die Ergänzung ahhüZa ist wohl richtig, weil kon
gruent mit § 178 des Kod. Ham., und weil die Apposition ri-di
(als Plural) dazu paßt.
49. P 77.
Samsu-iluna, VII. Jahr (20. Ajär).
F eidpacht.
li /3+ s /'is GAN eklim ?elcil
A-bi-ia-tum 3 itti A-bi-ia-tum
l bel eklim b — Warad- a Mar-tu
s ana irrisütim 0 ’ 1 usesi d
H [lc]i-m,a i-mi-it-ti-sü °ii sü-
mi-li-Sü 10 seam imadad
14 /s+ 3 /i8 GAN Feld, Feld
des Abijatum, hat von Abija-
tum, dem Besitzer des Feldes,
5 Warad-Martu zur Bebauung
gepachtet.
Entsprechend seiner Rechten
und seiner Linken 10 wird er
Getreide abmessen.
6 Zeugen.
11 pän Ma-ad-gi-mil- a Ninni 12 pän Ta-ri-bu-um 13 pän Ma-an-nu-um-
ki-ma- ,l Adad 14 mär Warad- il Mar-tu 15 pän A-vi-li-ia 10 pän Ib-ni-E-a
17 pän I§-me- ü Adad.
1 So nach Nr. 204, Z. 7. b LUG AZ A. AÄG.GE.
c [NAJM. APIN. LAL. SU. 4 [1]B. TA. E.A.
58
II. Abhandlung': Schorr.
18 varah Aiärum a um 13 lcam
19 sattum Sa - am -su-i-lu- na
LUG AL ^ (ns ku SU.NIE NIG.
BABBAR.RA 21 GUSKIN KÜ.
BABBAR.
Am 13. Ajär, im Jahre, in
welchem König Samsu - iluna
eine Waffe, ein helles Panier
ans Gold und Silber . . .
7j. 8—10. Da die Höhe des Pachtzinses nicht angegeben
ist, so besagt kima imittisu u sumelisu ,entsprechend dem
Pachtzins (in den Nachbarfeldern) zur Rechten und zur Linken'.
Ebenso AR I Nr. 60, 13—15; AR II Nr. 31, 22-23.
In den Pachtverträgen aus Dilbat lautet der ähnliche
Ausdruck: kima itätesu se’am imadad entsprechend den Nach
bargrundstücken usw.'. Vgl. VS VII Nr. 17, 10—11; 29, 12—13;
31,-10—11.
50. P 80.
Samsu-iluna, VIII. Jahr (22. Simänum).
Sklave
1 1 SAG vardum IU-um-m[a]-ti
2 sum$u h s itti a i§amas-mu-ba-al-
li-it i belihi c 5 | Ib-ni- il Marduk
6 mär il Sin-be-el-ili 7 a-na war ah
1 kam -su 8 i-gur-sü
9 ana idiSu d 10 mi$il SE.GUR
i-na GIS-BAR(V) il Samai 11 i-na
me-se-kum 12 i-na kär Sippar ki
18 imadad
14 pän a Sin-ma-gir 16 mär A-h
il SamnS-nu-ür-ma-tim.
18 varah Simannu 6 um 22 kam
19 Sattum KI.LUGAL.GUB
HAR (\).SAG.
» GUT). 81. TI.
» MU.NI.IM. « LUGAL.A.NI.IR
«i ID.BI.8U(\). c LIBIT.A.
imiete.
1 Einen Sklaven, namens Ili"
ummati, hat von Samas-mubal-
lit, seinem Herrn, 5 Ibni-Marduk,
Sohn des Sin-bel-ili für 1 Monat
gemietet.
Als Mietzins 10 wird er Vs
GUR Getreide im Maße des Sa-
mas, in geeichtem Maße, in der
Mauer von Sippar abmessen.
2 Zeugen.
,-am-nir-H 16 jpän Im-gur-Sin 17 mär
Am 22. Simänum, im Jahre
,königliches Gestell, Gebirge'.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
59
51. P 81.
Samsu-iluna, VIII. Jahr.
Sklavenmiete.
Duppum. 1 J Ma-ad-gi-mil-
be-el-ti 2 it,ti Ta-ri-ib (?)-ba-tivi
8 | ll SarnaH-e-ri-ba-am i a-na
sattim l ,cam i-gu-ur-si
5 i-na [sattim 1 kam ] 1 $E.
GUR 30 kemum 11 G i-na-di-in
7 varah E-lu-li-im 8 um 4 kam
i-su-uh-sü (P) 11
Urkunde. — Mäd-Gimil-
bc.lti hat von Taribatum Samas-
eribam für ein Jahr gemietet.
“Für 1 Jahr wird er 1 GUR
Getreide, 30 KA Mehl geben.
Am 4. Elülum hat er sie
übernommen.
3 Zeugen.
3 pän Ili-ha-dS-ti 10 mär Na-lci-mi-im 11 pän E-te-bu-um
l(rim 13 pän Sä-at- ü Aja 11 mär Pa-atc-na-na.
2 mär I-ba-
15 (am Rande) sattum sa-
di-i ü na-ra-tim.
Im Jahre der Berge und
Flüsse.
Z. 5. Nach ina muß [sattum 1 1:am ] ausgefallen sein.
Sonst gibt die Zeile keinen Sinn.
52. P 30.
Samsu-iluna, XI. Jahr (Tammiiz).
Eidliche Deklaration über Wiederaufnahme einer
Klage.
A-pil-ili-S ü akil Mt
11 MAH 2 J Ta-ri-bu-um akil
Gägtm c 8 J Ta-ri-bu-um pdsis A
ü Nin-lil-la(l) «y El-li-tum mär
Ilum-na-si 6 y Mär-irsitim. 0 mär
A-bu-um-vä-kar 6 y il Nannar-
idinnam 4 mär Ilum-idinnam f
? y DUN.PA-e-a
na-sir
s y il En-
Z. 1 —13 ... Zeugennamen
11 KU.DA. b nasähu ,fortnehmen 1 . Vgl. AR I, Nr. 58, 8.
c GA(1).GI.A. '• UH.ME. « TUR.KI.
f MA.AN.SI.
60
II. Abhandlung: Schorr.
lil-gal-zu mär Dam-ki(!)-ili-su
9 | Li-bi-it-Istar’ 1 mär Su-ma-
ilum 10 J Tli - is - me - a - an - ni
11 y il Nin-ib-ga-mil mär UR.DU.
AZ AG.GA 12 y TJ-bar-rum redüm”
18 y Azag- U NIN.S1G dupsarrum
u i-na ma-har avele pl. an-
nu-ü-ti(?) 15 y Mär-irsitim mär
il Da-ma(?)- gu-gu 16 y Mu-tum-
ilum ahasu 0 17 ü Ib-ga-tum mär
Ud-dü-dü is ki-a-am ik-bu-ü um-
ma su-nu-ü-ma
l9 ni-i§ sar-ri-im a-na dä-
jäne A pl. 20 ni - il - la - Jeu -ü-ma
21 a-na pi-hu sä-nu-u-tim ni-di-
ib-bu-ba 22 se-ir-tam lu-ti
i-im-mi-du-ni-a-ti 23 il kanäku e
mi-im-ma 2i i-na ga-ti-ni i-ba-äs-
su-u-ma.
25 ni-is sar-ri-im mi-it-ha-
ri-is 26 it-mu-ü
21 rar ah, Duzum { sattum Sa-
am-su-i-lu-na 28 BAD Uri M
Unug ki -ga 22 MÜ.UN.GÜL.LA.
. . ., vor diesen Leuten haben
^Mär-irsitim, Sohn desDama(?)-
gugu, Mutum-ilum, sein Bruder,
und Ibgatum, Sohn des Ududu,
also ausgesagt, also sie selbst:
Beim König! Zu den Rich
tern 20 wollen wir gehen, wegen
. . . wollen wir ein zweitesmal
prozessieren. Eine Strafe mögen
sie uns auferlegen, nachdem
auch etwas zu beurkunden (?)
in unserer Macht liegt.
25 Beim König haben sie,
jeder gleichmäßig geschworen.
Im Monat Duzum, im Jahre,
in welchem König Samsu-iluna
die Mauer von Ur und Uruk
zerstört hat.
Die Urkunde enthält ein Protokoll über eine eigentümliche
eidliche Aussage. Drei Leute leisten den Schwur beim König
vor mehreren Zeugen, daß sie wegen einer gewissen Streitsache
ein zweitesmal prozessieren wollen. Der Prozeßgegner ist nicht
genannt. Sie erklären weiter, daß sie nicht fürchten, wegen
grundloser Urteilsanfechtung bestraft zu werden, weil sie einen
neuen urkundlichen Beweis in Händen haben, der sie zur
Wiederaufnahme der Klage berechtigt.
Vielleicht war eine derartige eidliche, zu Protokoll ge
nommene Aussage die übliche Form für die Einleitung eines
a Brünnow Nr. 8862. 11 MIE.US.
» SES.A.NI. a DI.KUD.
• RA.RA (Brünnow Nr. 6371). * S&.KÜL.A.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
61
neuen Prozeßverfahrens auf Wunsch der in erster Instanz be
siegten Partei. Die Urkunde steht allenfalls ihrem Inhalte nach
vereinzelt da und bietet besonderes Interesse für die Frage der
Prozeßordnung jener Zeit.
Z. 18. nis Sarrim kann nur als Anruf /beim König !'
gefaßt werden.
Z. 21. ana pi-hu. — Was das Wort bedeutet, ist schwer
zu raten. Man könnte an pihu als Nebenform zu pahu ,Tausch'
denken, aber auch an pihu Vpihü ,einschließen'.
Auffallend aber ist es, daß es nach ana nicht pihim heißt
(Genetiv!), während doch sonst in den Urkunden die Kasual-
endungen ziemlich peinlich beachtet werden, mit Ausnahme der
Eigennamen. Vielleicht liegt also ein Eigenname vor? Da aber
ein Name Pihu(m) sonst nicht belegt ist, könnte man vermuten,
daß eine Silbe ausgefallen und daß Pi-[ir]-hu zu lesen ist, ein
Name, der ziemlich oft begegnet. Dieser Pirhum könnte der Pro
zeßgegner sein/ 1 dessen Nichtnennung sonst verwundern müßte.
sanütim ,ein zweitesmal'. Vgl. Tell-Amarna, Brief
Nr. 1, 74: sd-nu-ti it-ta-al-ku ,zum zweitenmal kommen sie'.
nidibbuba. — dabäbu im Sinne von prozessieren' ist
sonst in dieser Zeit in den Urkunden nicht oft belegt, 1 ’ um
so häufiger in den neubabylonischen Prozeßakten.
Z. 22. Der Ausdruck sertam (arnam) emedu ist die
übliche Redewendung für die Gerichtsstrafe bei mutwilliger
Klage. Vgl. AR I Nr. 10, 9—10; 28, 18; 42, 7; VS VIII 102, 7.
emedu regiert doppelten Akkusativ, daher das akkusa-
tivische Pronominalsuffix — niäti. Vgl. AR I S. 140.
53. P 49.
Samsu-iluna, XIX. Jahr (28. Elülum).
Ausgleich in einem Prozeß wegen unbefugter
Veräußerung eines Erbteils.
1 dS-sum 1 GAN 10 SAR | 1 In Sachen von 1 GAN
eklim Mt A.GAR.GI.NA 2 US. 10 SAR Feld in Bit-Agargina
Ä.DUIb-hu- il Adad 3 ü j neben Ibku-Adadund 1 j is GAN
" Es wäre dann zu übersetzen ,gegen Pirhum 1 .
b Einmal auch in einem Brief. CT II 29, 36 tutadbab ,du sollst Klage
erheben“.
62
II. Abhandlung: Schon-.
GAN25 SAR elclim ugar Gu-la
US.A.DU 1-lu-ni i Sä A-jnl-ili-sü
mär Ur- . . . 5 i-na. duppi zitti a
vä-ar-hi-tim il-ku-ü-ma 6 a-na
kaspim id-di-nu il a-na pühim b
is-ku-nu
7 J Sü-mu-um-li-ib-si mär
u Nannar-idinnam e ahum ra-
büm ä 8 duppi zitti a mah-ri-a-am
na-si dajäni (pl.) ü-lam-mi-
id-ma 9 a-na il Nin-ib-mu-sa-lim
nisakkim e mär ü Nannar-tum
10 Sa eklam bit A.GAR.Gl.NA
it-ti A-pil-ili-Sü a-na Icaspim
i-sd-mu 11 il a-na Sag-nin-bi-zu
mär Ili-a-vi-li 12 Sa eklam ugar
Gu-la A-pil-ili-Sü a-na pühim {
id-di-nu-Sum 13 ir-gu-üm
duppi zittis mah-ri-a-am
Sü-a-ti i-mu-ru-ma 14 1 Nin-ib-
mu-sa-lim lci-a-am ilc-bi um-ma
Sü-ma
lb vä-ar-ki duppi zittis mah-
ri-i- im an-ni-i- im ta - na-
Sü-ü 16 duppi zitti% vä-ar-ku-
ü-um Sä elclim bit A.GAR.
Gl.NA 17 ü ekil ugar Gu-la
a-na A-pil-ili-Sü gu-um-mu-ru
18m sibe h Sa zittam vä-ar-ki-tam
25 SAR Feld, Gefilde der (Göt
tin) Gula neben Iluni, welche
Apil-ilisu, Sohn des Ur- . . .,
nachdem er sie 6 auf Grund
einer späteren * Erbschaftsur
kunde erhalten hatte, für Geld
verkauft und gegen Tausch um
gesetzt hat.
Sumum-libsi, Sohn des Nan
nar-idinnam, der älteste Bruder
hat nun eine frühere Erbschafts
urkunde gebracht. Nachdem
er die Richter verständigt 11 hatte,
hat er gegen Ninib-musalim, den
nisakkum, Sohn des Nannar-
tum, 10 weleher das Feld in
Bit - Agargina von Apil - ilisu
für Geld gekauft hatte und
gegen Sag-ninbizu, Sohn des
Ili-avele, welchem Apil-ilisu das
Feld im Gefilde der Gula gegen
Tausch übergeben hatte, ge
klagt.
Nachdem sie 1 diese frühere,
Erbschaftsurkunde geprüft, hat
Ninib-musalim also ausgesagt,
er selbst:
15 Nach dieser früheren Erb
schaftsurkunde, welche du vor
bringst, ist eine spätere Erb
schaftsurkunde über das Feld
in Bit-Agargina und das Feld im
Gefilde der Gula für Apil-ilisu
ausgefertigt worden. Zeugen
» HA.LA. » KI.BA.GAR.IiA. « MA.AN.SL
« äES.GAL. • NU.ES.
f KI.BA.GAR.RA. t HA.LA. 11 L ' U KUNIM.MA. pl.
* I). h. später datierten. k Seil, über den Sachverhalt.
1 Seil, die Richter.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
63
19 i-du-ii i-ba-äS-Su-ü Si-si-a-ma
Sd-ap-ti-Sü-nu Si-me-a ik-bi
20 J Sag-nin-bi-zu mär Ili-
a-ve-li 21 | Lü-En-ki-ga mär
a Nannar-d-dah 22 J El-li-tum
mär Nin-ib-me-du 23 ü I-din-
t
IStar mär Lugal-Ezen 2im Sibe a
pl. $d zittarn vä-ar-ki-tam
25 i-du-u il-li-ku
däiane pl. sa-ap-ti-sii-nu
2G Sä duppi zitti vä-ar-ki-tum
ib-ba-Su-u 27 iS-mu-ü-ma 2S da-
idnü pl. Si-bu-ü-uz-zu-nu M ma-
har il Warnas ba-nu elü h ga-ba-
a-am ik-bu-ü-Sü-nu-Si
30 J Sü-mu-um-li-ib-Si i-na
mi-it-gur-ti-sü 31 m sibe pl. a-na
a SamaS ba-nu elü e M ü-ul u-sa-
an-na-alc-su-nu-ti ik-bi-ma
S3 dS-sum m sibe pl. a-na H SamaS
ba-nu eli2° 3i la u-sa-an-ni-ku
i-na mi-it-gur-tim-ma 35 Sa Sü-
mu-um-li-ib-si EU Sikil kaspim
30 y il Nin-ib-mu-Sd-lim a-na Sü-
mu-um-li-ib-si id-di-in
37 a-na mdtema d Sü-mu-um-
li-ib-Si 38 a-na eklim bit A.
GAR.GI.NA a-na il Nin-ib-mu-
sd-lim 39 ü a-na eklim ugar
Gu-la a-na Sag-nin-bi-zu i0 ul
iragam e
welche die spätere Teilung
kennen, sind vorhanden, ladet
sie vor, ihre Lippen(aussage)
vernehmet, sprach er.
20 Sag-ninbizu, Sohn des Ili-
avele, Lu-enkiga, Sohn des
Nannar-adali, Ellitum, Sohn
des Ninib-medu, und Idin-Istar,
Sohn des Lugal-Ezen, die Zeu
gen, welche die spätere Erb
schaftsverfügung 25 kannten,
sind gekommen.
Nachdem die Richter ihre
Lippenaussage, daß eine spätere
Erbschaftsurkunde vorhanden
ist, vernommen hatten, haben
die Richter ihnen befohlen, ihr
Zeugnis vor Öamas, dem er
habenen Erleuchter, abzulegen.
30 Nachdem Öumum -libsi
aus freiem Willen ,die Zeugen
will ich vor Öamas, den erha
benen Erleuchter, nicht vor
treten lassen' erklärt hatte; weil
er die Zeugen vor Öamas, den
erhabenen Erleuchter, nicht hat
vortreten lassen, 35 hat mit Ein
verständnis des Öumum - libsi
Ninib-musalim 1 1 / i Sekel an
Öumum-libsi übergeben.
In Zukunft wird Öumum-
libsi wegen des Feldes in Blt-
Agargina gegen Ninib-musalim
und wegen des Feldes im Gefilde
der Gula gegen Sag-ninbizu
40 nicht klagen.
Li/ KI.INIM.MA pl. >> GA.TU(IL).
GA.TU{IL). * UKUB.SU.
INIM.NU.GA.QA. A.
G4
II. Abhandlung: Schon-.
ü il Nin-ib-mu-Sd-lim ix a-na
V\ ä Sikil kaspim a-na Sü-mu-
um-li-ib-Si ul iragam*
i2 ni§ Harr im istenis h itmü a
Aiich Ninib-musalim wird
wegen 1 1 / 2 Sekel Silber gegen
Sumum-libäi nicht klagen.
Beim König haben sie gleich
mäßig geschworen.
8 Zeugen (1 burgul, 1 dup-
sarrum).
l3 pdn I-din- il En-lil nisäkkum mär a Sin-ri-ba-am. il pän Ur- <l Ku-sü-ga
nisäkkum mär I-din- a En-lil 45 pän I-bi- ü En-lil m SlM -j- GAR il En-lil-la(l)
mär ü Nannar-me-[du] ie pän Ili-ma mär u Sin-i-din-nam 47 pän <l SamaS-ri-ba-
am ridüm d mär ü Babbar-gal-zu 48 pän <l Nusku-tum mär Dam-Jcum 49 pän
A-bu-um-vä-kar BTJR.GXJL 50 pän ... - ... dupSarrum.
&l varah TJlülum um 28 ltam
52 sattum Sa - am - su - i - lu - na
LTJGAL.E ° 3G,S GU.ZA BARA
GUS KI N. NA . MIN. A. BI
54 H Marduk a Zar -pa - ni - tum
BI.DÄ.GE 65 INNE.8l.IN
D1M.MA.
51 Am 28. Elülum, im Jahre,
in welchem König Samsu-iluna
die zwei goldenen Throne für
die Heiligtümer des Marduk und
der Zarpanitum errichtet hat.
Sumum-libsi erhebt Anspruch auf ein Erbteil, das Apil-
ilisu urkundenmäßig behoben und auch zum Teil verkauft,
zum Teil eingetauscht hat. Auch der Kläger weist einen Erb
schaftsvertrag vor und richtet die Klage gegen den Käufer
Ninib-musallim und gegen den Tauschkontrahenten Sag-ninbizu.
Der eigentliche Prozeßgegner, der Erbschaftskonkurrent,
gegen den die Klage sich hätte richten müssen, tritt im Prozeß
gar nicht auf. Er hat vielleicht nach Veräußerung des Erbteils
die Stadt (und Land?) verlassen, so daß ihn die Klage nicht
erreichen kann. Möglicherweise war er gar nicht mehr am
Leben. Nach Prüfung der vorgelegten Erbschaftsurkunde des
Klägers wird das Prozeßverfahren eingeleitet. Der eine der Be
klagten, der Käufer Ninib-musallim, erklärt, daß die vorge
legte Urkunde durch eine später zugunsten des Apil-ilisu aus
gestellte annulliert wurde, daß somit letzterer berechtigt war
sein Erbgut zu veräußern. Er schlägt vor, über diesen Umstand
Zeugen zu vernehmen. Die Zeugen — darunter auch der
“ INIM.NU GÄ.GÄ.A. 9 UR.BI.
IN.PA.DB.ES. d MIR.UA.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
65
zweite Beklagte, Sag-ninbizu — erscheinen auch vor Ge
richt und bestätigen die Aussage des Ninib-musäliin, indem
sie erklären, daß wirklich eine spätere Erbschaftsverfügung
vorhanden ist.
Doch die Richter verlangen eine eidliche Bekräftigung
der Zeugenaussage ,vor Samas, dem erhabenen Lichtspender'.
Da erklärt der Kläger freiwillig, er wolle die Zeugen nicht vor
Samas zum Schwur hintreten lassen. Es kommt nun ein Aus
gleich zustande, wonach der Kläger mit der Zahlung von
D/2 Sekel seitens des Ninib-musallim sich abfindet und sich
seinerseits verpflichtet, in der Sache nicht mehr zu klagen.
Z. 7. Da Sumum-libsi als Sohn des Nannar-idinnam und
als ,ältester Bruder' bezeichnet wird, anderseits Apil-ilisu einen
anderen Vaternamen trägt, so dürfte letzterer ein adoptierter
Stiefsohn gewesen sein.
Z. 17. gummuru. Zu beachten ist das indikativische u
(sing.) des Hauptsatzes.
Z. 19. si-si-a-ma . . . si-me-a. Das -d ist hier die Plural
endung des Imperativs, die vom Dual auch auf den Plural
hinübergegriffen hat.
Auch in späterer Zeit tritt gern die -d-Endung im Plural des
Imperativs auf. Vgl. Delitzsch, Grammatik 2 , S. 276 (unten).
Z. 20. Der in Z. 11 genannte Beklagte Sag-ninbizu tritt
hier als erster Zeuge auf.
Es ist vorauszusetzen, daß er nicht Zeuge in seiner
eigenen Sache, sondern in der des Ninib-musallim ist. Beim
Ausgleich wird er auch zu keiner Leistung verpflichtet, wohl
weil der Kläger ihm gegenüber die Klage gänzlich zurückzieht.
Z. 29. Beachte die Dativendung des Pronominal-suffixes
— sünüsi. Vgl. AR I S. 138.
Das Epitheton des Öamaä ,bdnü eliV ist auch sonst aus
den Hymnen bekannt.
Z. 32. sandku II 1 hier im Sinne ,kommen lassen, hin
treten lassen'. Vgl. AR I S. 67 (oben); AR II Glossar s. v.
Sehr ansprechend ist die Vermutung Picks,“ daß das
Wort mit aram. pbo (mit Wechsel der Liquida) zusammen-
L Orient. Literaturzeitung XI Sp. 316.
Sitzungsber. d. pliil.-liist. Kl. 165. Bd., 2. Abh.
66
II. Abhandlung: Schurr.
zustellen ist. Dann muß aber der Stamm sanäku ,kommen* von
sanäku ,mustern, untersuchen' (AR I S. 78, Z. 10) getrennt werden.
Möglich, doch wegen syntaktischer Schwierigkeiten weniger
wahrscheinlich wäre die Übersetzung ,ich will sie nicht zwingen'
(so Müller), von sanäku ,drängen* (= syr. ^m*>)
Z. 40. Das ii ,auch* zeigt hier die Gegenseitigkeit der
Verpflichtung an.
54. P
Samsu-iluna, XX.
Protokoll über Zeugenauss
,a
1 Bit 11 Ea b a Damkina* pan
ilisu 2 y "Da-alc-lcum ki-a-an
ik-bi 3 se-a-an ü kaspam sä
Ilum-idinnam i Hu-ur sä e-li-ia
i-du-ü e "Se-a-an ü kaspam Ilum-
idinnam i ü-ul i-di-nam* 6 30 se-
a-an E-la-li i-di-nam-ma 7 a-na
30 SE 200 SE Lu-us-ta-mar
im-hu-ra-an-ni 8 ü pa-ar-za-sä
am-sii ü-ul i-di
9 Lu-us-ta-mar ki-a-am h ik-bi
10 i-nu-ma bi-tum is-sa-a-mu'
11 1 sikil Jcaspim JIlum-idinnam ä
i-di-nam-ma 12 a-na sim bi tim k
ad l -di-in 13 rihti™ ri-iJc-si-im"
ü-ul ü-ga-am-me-ir-ra 0
53. a
Jahr (25. Addarum).
agen in einem Geldprozeß.
A
1 Tempel des Ea und der
Damkina. Vor seinem Gott hat
Dakkum also ausgesagt: Das
Getreide und das Geld des Ilum-
idinnam hat man (ihm) rück
erstattet, wie mir bekannt ist.
5 Getreide und Silber hat (also)
Iluin - idinnam nicht gegeben.
Nachdem dreißig KA Elali
gegeben hatte, hat zu den 30 K A
(noch) 200 KA Lustamar von
mir empfangen. Und an das
parsu habe ich vergessen, ich
weiß nicht.
Lustamar hat also ausge
sagt: 10 Als das Haus gekauft
wurde, habe ich, nachdem
Ilum-idinnam einen Sekel Sil
ber gegeben hatte, (diesen) für
den Preis des Hauses gegeben;
n Ein Duplikat dieser Urkunde liegt P 54 vor. Die orthographischen
Varianten werden weiter anmerkungsweise verzeichnet unter dem Stich
zeichen B.
b AN EN.KI. « AN DAM. GAL.NUN.NA.
d MA ÄN.SI. c B. i-du. f MA.AN.SI. s Das Wort fehlt in B.
h B. Jci-am. 1 B. a-sd-mu. k E.A.—D. E.E.
1 B. a-. m TUM.TAT. 11 -im fehlt in B.
° B. u-ga-me-ra.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
67
u äs-sum 1 sikil kaspim sä
igarbiritim a lb sd^ Avei' l Ellil ,a( V
a-na il Ea tV il Damlcina° l6 id A -
di-nu 17 J Lu-us-ta-mar i-sä-
lu-ma 18 lci-a-am ik-bi 19 1 sikil
kaspim sä-a-ti? J E-la-li il-ki-
e t -ma 20 a-na A-pil- Ui- su
ie-mi-5ü id h -di-in 21 sä 1 sikil
kaspim se-a-am' i-Sa-am-ma
22 a-na ka-ri-im k li-Se-ri-ib
2S | Ku-bu-tum ki-a-am 1
ik-bi 24 i-nu-ma dup-pa sä
E-la-li ih-pu-m" 2b se-a-am n ga-
am-ra-am 0 y E-la-li? 26 sd pa
ar-zi ü kaspam® it-ba-al
27 duppi bu-ur-tum 1 sä Mt
il Ea ü Damkina
den Rest des Vertrages habe
ich nicht vollendet.
Nachdem sie s wegen 1 Se-
kel Silber für eine Mittelwand,
15 welchen Avel-Ellil dem (Tem-
pel des) Ea und (der) Damkina
übergeben hatte, den Lustamar
gefragt hatten, hat er also aus
gesagt: Diesen 1 Sekel Silber
hat Elali, indem er ihn genom
men , seinem Schwiegervater
20 Apil-ilisu übergeben. Nach
dem er* für den 1 Sekel Silber
Getreide gekauft, hat er es in
den Kornspeicher bringen lassen.
Kubutum hat also ausge
sagt: Als man die Tafel des
Elali vernichtet hat, hat Elali
2:1 das ganze Getreide des parsu
und das Geld fortgenommen.
Urkunde überDeklaration(?)
im Tempel des Ea und der
Damkina.
10 Zeugen.
28 pän Ku-bu-tum avül SlM.G-AR u mär Sin-e-ri-ha r 29 pän Mür-irsi-
iiliLmär Ainar-Suba* 30 pän I-ba-al-lu-ut mär U(d)r-ul-lu 31 pän Ga-mi-lum
mär ü Kal-kal-ba-ni 32 pän ,l Nin-ib-mu-us-ta-al mär Ma-an^-na-tum 33 pän
a IZ.ZIItl.BA.NA (Brünnow 5709 und 2585).
b Fehlt in B. <= AN DAM.GAL.NUN NA. a B. i-,
0 B. Sa-ti f Fehlt in B. s B. e-. h i-,
‘ B. -an. k -im fehlt in B.
1 B. ki-am. 1,1 B. i-hi-pu (= ihliipu).
n B. -an. ° am fehlt in B. i’ B. sä it-ba-al.
<1 Die letzten vier Worte sind in B. nicht vorhanden.
r B. -ti. 8 Seil, die Richter.
1 Seil. Apil-ilisu.
" So wohl mit Pöbel nach B. zu lesen.
v B. -ba-am. w B. Ma-ri-ir-zi-tim.
* (Brünnow 11743.) B. äüBA-bi. r B. U-.
2 -an fehlt in B.
5*
68
II. Abhandlung: Schorr.
Sin-im-gur °-an-ni mär A-ba-a-a 34 pdn E-a-mu-ba b -H °-it mär Sin-e-7-i-ba
35 pän E-te-[el] i -pi- Sin mär E-a-i-din-nam 36 pdn il En-nn-gi-i-na-(i-a rabis
dajäni 37 pan Warad-mu nd B pu-uh-ru-um e .
58 varah mahrum sa Acldari
um 25 kam 3a Sattum Sa-am-su-i-
lu-na LUGA LS AK. KA L i0 KUß
MJ.3E.GA NI.NE.IN.SLSLGA
Am 25. des II. Addarum
im Jahre, in welchem König
Samsu-iluna, der mächtige Held,
40 das unbotmäßige Land nieder
geworfen hat.
Nach Z. 27 kennzeichnet sich die Urkunde als duppi
bürti^, d. h. als ein Protokoll über Zeugenaussagen in einem
Prozeß wegen Getreidekauf. Es sagen aus drei Personen:
Dakkum, Lustamar und Kuburtum. Im übrigen ist der Sach
verhalt dunkel. Die Streitfrage scheint dahin zu gehen, ob
Ilum-idinnam, der von Dakkum durch Vermittlung des Lus
tamar (Z. 7) Getreide genommen hat, dafür 1 Sekel Silber be
zahlt hat oder nicht. Im einzelnen bleibt manches vom Inhalte
unaufgeklärt, weil einige Personen in der Urkunde auftreten,
deren Anteil und Verhältnis zum Prozeßobjekt nicht klar er
sichtlich ist.
55. P 63.
Samsu-iluna, ? Jahr (20.(?) Kislimum).
Getreide dariehen.
l 2 GUR seim 2 siptum isu h
3 itti Um-mi-vä-kar-at i assat
il Nin-ib-ma-an-si(?') 5 J A-hi-lu-
mu-ur 3 ilteki'
7 MU.GÜB ebürind 8 Seam ü
sipazu 2 imadad
*2 GUR Getreide, Zinsen
sind vorhanden, hat von Ummi-
wakarat, derGemahlin desNinib-
mansi, 5 Ahi-lümur geliehen.
Beim Einbringen der Ernte
wird er Getreide und Zinsen
abmessen.
4 Zeugen.
“ B. gur-ra. b B. ba-al. c B. li.
d So nacli B. “ MIE.US-, B. fehlt US.
f -um fehlt in B. Die Z. 35—-36 sind in B. eingestellt. Bis hielier reicht B.
s Diese Lesung und Deutung V Ita ,deklarieren 1 (vgl. AE I s. v.) hat mir
Prof. Koschaker brieflich geäußert. Ich schließe mich dieser Er
klärung an, doch lasse ich die Möglichkeit offen, dup-pu-ur-ti E ~\tn zu
lesen. Die Bedeutung bleibt aber dann unklar.
h MAS IN.TUa. : SÜ.BA.AN.TI. k EBUE.KA.
Altbabylonische Kechtsurkunden. III.
69
10 pän ü Nin~ib-ma-an-si 11 pän E-a-ba-li-il 12 pän E-ri-ib- Sin-lu-
viur (?) 13 pän A-ta-a dupSarrum.
u varah Kislimum üm 20(?)-
lcam 15 s a tf um Sa-am-si-i-lu-na
LUG AL KI (!) IN.GIN NIG
UD UL.LLTA Ä.SüB.BA
Am 20. (?) Kislimum, 15 im
Jahre, in welchem König Sam-
su-iluna die KI.IN.GIN, welche
seit alter Zeit zerstört war (?).
56. P 110.
Ammi-ditana, XXIX. Jahr (2. Ajärum).
Feldpacht.
1 Eklum . . . s ugar Bu-ra-a ki
s ekil Ilu-Su-ib-ni-Sü ü ah-hi-su
4 märe Ilu-da-mi-ik 6 [it]ti Ilu-
Sü-ib-ni-Sü mär Ilu-da-mi-ili
6 [be]-el eklim im 7 | Ne- . . . mär
. . . 8 eklam am a-na ir-rUiü-ßim]
9 a-na biltim u-se-zi
10 a-na üm ebürim n eläain
a-na bi-i Sü-ul-[bi-sü] 12 i-Sä-
ad-da-du-ma 13 1 GAN.E 6 &E.
GUR Glä.BAR ‘‘[Warnas] u i -na
Icär Sippar lci - Am - [na - nim]
irj imadad
10 pän Varad- 11 Sin mär ... 1
19 varah Aiärum“ üm 2 kam
20 &attum Am-mi-di-ta-na LU-
GAL.E »LAMMA «LAMMA.A
MAS.SÜ.GA.GE (?) NAM.TI.
LA.Nl.SÜSU.A AN.SAB.SAR.
NE.A.
1 Ein Feld ... im Gefilde
von Bura, Feld des Uuiu-ibnisu
und seiner Brüder, der Söhne
des Uu-damik, 5 hat von Ilusu-
ibnisu, Sohn des Ilu-damik, dem
Besitzer des Feldes Ne-... als
Feld zur Behauung gegen Pacht
zins gepachtet.
10 Zur Zeit der Ernte wird
er das Feld entsprechend der
bebauten Fläche (?) eggen und
von je 1 GAN 6 GUR Getreide
in der Mauer von Sippar 15 ah
messen. — 2 Zeugen.
[pän] ... 18 . . .
Am 2. Ajär, 20 im Jahre, in
welchem König Ammi - ditana
die zwei mächtigen Schutzgötter-
(bildnisse) für sein Leben er
richten ließ.
QUD.SI.DI.
70
II. Abhandlung: Schorr.
57. P 120.
Ammi-zadüga, IV. Jahr (Nisannum).
Hofdarlehen.
'8 HE.GUR GlBAR il [Sa-
masj 2 sim 14 sikil leaspim
3 libba Sim Sipäti Sä ekallim
4 SA (?).$!/(?) U-tul-IStar dup-
[sarrimJ & sd I-d.in- il Ea dajdnum
G im-hu-ru 7 itti I-din-' l E-a dci-
jänim 8 *— Varad-. . . [ 9 iltekij
10 pän ... 11 pdn tl Sin . • •
[ii-ib-si?y.
u varah Nisannum 15 sattum
Am-mi-[za-du-cja LUGAL.E]
iea Marduk E[N{?)] .. . 17 «M
NIE GAjL.GAL.LA] «GUSKIN
KU. BARBAR NÄ.-[KAL.LA...]
la E.SAG.iL.LA.A 20 EN.NE.IN.
TU.RA.
1 8 GUR Getreide im Maße
des Samas im Werte von 14 Se-
kel Silber, gehörig zum Woll-
kaufgeld des Palastes, Depar
tement des Utul - I§tar des
A
Schreibers, 5 welches Idin-Ea,
der Richter, empfangen hat, hat
von Idin-Ea, dem RichterVarad-
. . ., Sohn des Bel- . . . [ent
liehen] ... — 3 Zeugen.
12 mär Be-el- ... 11 pän Sü-mu-um-
Im Monat Nisan, 15 im Jahre,
in welchem König Ammi-zadiga
für Marduk, den Herrn (?) . . .
das großePanier aus G old,Silber,
Edelsteinen nach Esaggila 20 ge
bracht hat.
Zum Inhalt vgl. die ähnlichen Verträge AR I Nr. 54; 61;
62; 67; vgl. auch Kohler-Ungnad III Nr. 217—223.
58. P 124.
Ammi-zadüga, VI. Jahr (10. Nisannum).
Feld]:
12 l3+ 3 lisGANekil apsenim a
I-din- il E-a dajänim 4 itti I-din-
il E-a dajänim & be-el eldim
G | Ku - ub-bu-rum mär lb-ni- n Sa-
lacht.
12 /s + 7i8 GAN Ährenfeld,
das Gefilde ist wasserleer (?), das
Feld des Idin-Ea, des Richters,
hat von Idin-Ea, dem Richter,
6 dem Besitzer des Feldes, Kub-
AB.SIN.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
71
mas G e7dam 7 a-na elcil(’?) Samas-
$ ammim 11 e (?)-bi-si-im s usesi h
9 um ebür samassammirn
10 eklam i-sa-ad-da(l)-du-ma
n> li8 GAN.E 30 samassammum
12 ki-iz-za-at eklim 13 imadad
11 pän Varad- u Sln mär ü Shi- i
10 varah Simannum c Um
10 kam 11 sattum Ani-mi-za-du-ga
LÜGAL.E 18 ÄS.ME.NI MAH.A
19 &Ü.NIR.RA UD. D1M.1N. (?)
TU.RA
burum, Sohn des Ibni Sama§,
als Feld zur Umbauung in ein
Sesamfeld gepachtet.
Zur Zeit der Sesamernte
wird .er, 10 nachdem er das
Feld geeggt haben wird, von
je 1 / 18 GAN 30 KA Sesam, als
Abgabe(?) des Feldes abmessen.
2 Zeugen.
in-nam 16 pän Su-mu-li-si duplarrum.
Am 10. Nisan, im Jahre, in
welchem König Ammi-zadüga
seine erhabene Scheibe für das
Panier dem Tageslicht gleich
hineingebracht' 1 hat.
Z. 12 ki-iz-za-at. Jcissatu bedeutet sonst ,Viehfütter', viel
leicht ist der Stamm als prp ,abschneiden' anzusetzen und
Jcissatu als ,das Abgeschnittene', ,Abgabe' zu fassen. Eine
ähnliche Bedeutungsentwicklung liegt im hehr. naUn vor.
* SE.aiS.NI. » 1B.TA.E.A. = LIBIT.A.
d Seil, nach Ebarra (dem Sonnentempel).
72
IT. Abhandlung: Schon*.
W örterrerzeicliiiis. 8
X
3X, abumYater. a-bifjLf) VIII 71,7. 11. 17. 20; 78,11; 127,17;
a-bi-ia VIII 71, 24. 26; a-bu-Su VIII 78, 15; a-bi-su VII
16, 6; VIII 46, 3; 71, 5; 73, 11; a-bu-sd VIII 69, 8; IX
163, 14; a-bi-sd VII 5, 9; 6, 10; VIII 92, 9; a-bu-sü-nu VIII
71, 10; a-bi-Sü-nu VIII 112, 4; Mt a-ba IX 130, 4 (C. T.).
abullum Haupttor; idg. KÄ.GAL VII 54, 4; VIII 52, 8.
“OX 4 ebürum Ernte, sipkat e-bu-ri-im VIII 39, 2 (C. T.).
ebirtum jenseitiges Ufer, e-bi-ir-ti ndrim IX 19, 5.
DUX igisüm Geschenk, idg. &I.DI VII 70, 2; 73, 2; 79, 2 (C. T.).
“IJXj agäru mieten, i-gu-ur VII 87, 5; VIII 59, 8; i-gur-su VIII
46, 5; IX 140, 6; P. 80, 8; i-gur ur -su IX 139, 5; i-gu-ur -
in IX 59, 7; 60, 8; 70, 6; 71, 8; 160, 7 (C. T.); 180, 7;
P. 73, 6; i-gu-ur-si VIII 99, 7 (C. T.); P. 81, 4; i-gur(l)-
si-na-ti IX 109, 7; 110, 9; in-na-ag-ru VIII 37, 7; idg.
IN.KU VII 92, 7; IX 147, 5; G 44 ob. 6; 45 ob. 6;
IN.KU-su VII 83, 7; 144, 6; LU KU.MAL — agrurn Miet
ling VIII 37, 4; 116. 1. 6; IX 31, 12; 80, 5; 81, 9 (C. T.);
85, 12; 86,13; 87, 11; 90, 10; 92, 1. 16; 99, 1; 100, 1.
tegurtum (?) Mietsvertrag (?). te (T)-gur-ta-sa IX 57, 6.
a Dieses Wörterverzeichnis umfaßt den Wortschatz folgender Editionen von
Rechtsurkunden: 1. Vorderasiatische Schriftdenkmäler der königl.
Museen zu Berlin, Heft VII (mit Ausschluß der Briefe), VIII, IX. —
2. Gautier: Archives d’une famille de Dilbat . . . (M6moires . . . de l’In-
stitut fran^ais d’Arclidologie Orientale au Caire, T. 26). — 3. A. Pöbel:
Babylonian legal and business documents (Babyl. Expedition of the Uni-
versity of Pennsylvania. Series A. Vol VI. Part. 2). Doch sind in
diesem letzteren Werke aus sachlichen Gründen nur die semitisch
geschriebenen Urkunden berücksichtigt.
Abkürzungen: Die römischen Ziffern VII. VIII. IX beziehen
sich auf die Hefte der sub 1 genannten Urkundensammlung. Die fort
laufende Urkundennumerierung ist durch fette arabische Ziffern, da
neben die betreffende Zeile durch normale arabische Ziffern angedeutet.
Die Urkunden sub 2 und 3 sind mit dem Anfangsbuchstaben der Au
torennamen: G. = Gautier, P. = Pöbel bezeichnet. (C. T.) = Case-
Tablet besagt, daß dasselbe Wort auch im Duplikat in der entsprechenden
Zeile vorkommt. Fehlt das Stichwort der Sammlung, so ist die nächst
vorangehende stets gemeint.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
73
“i3N 3 igarum Wand, i-ga-ar VIII 22, 2 (C. T.); GL 18 obv. 2. 3.
idg. IZ.ZI RI.BA.NA P. 53, 14; 54, 15.
rnx 4 adi a) adv. solange VII 95, 23; VIII 19, linker Rand 1;
33, 10; 55, 6; b) Präp. bis VII 67, 7. 8. 9; 87, 4; u. ö.
a-di-ni bis jetzt (?) IX 300, 10.
pX 4 hadänu bestimmter Termin (Lehnwort? = pjj?). ihn hacla-
ni-Su VIII 36, 18.
esSum neu. elclum e-sii G. 48 obv. 3; idg. E.NE = bitum
esSum IX 5, 1 (C. T.); libba eSSim (NE) IX 335, 4.
niS 3 avdtum a) Vertragsinhalt, a-vä-at duppim VIII 13, 27;
13, 10; 30, 12. b) Sache, Angelegenheit. a-vä-ti-sü-nu VII
16, 20; ul avdzu(-za, -zunu) es ist nicht seine (ihre) Sache,
es geht ihn (sie) nichts an. a-vä-zu VIII 108, 19 (C. T.);
a-vä-za VIII 133, 14; 134, 15; a-vä-as-su-nu-u Gr. 31 obv. 5.
c) Geheiß, Befehl Sa a-ma-at Anim, ra-bi-i-/'im] VII 67,20.
avilum a) Freiherr, mahar a-vi-lim VII 56. 6. 9; Sa Mt
a-vi-lim VII 110, 4; sa ga-ti a-vi-li-im IX 331, 14; b) avi
lum mala avilim einer gleich wie der andere VII 95, 14.
26; 99, 12; 135, 14. 26.
aoiltum Frauensperson, a-vi-il-tam VIII 36, 19.
-IN, ezebu a) verlassen, verstoßen (in der Ehe), i-zi-ma (— izib-
ma) VIII 4, 20. 23; 5, 18; b) hinterlassen (Erbschaft).
i-zi-bu VIII 17, 3 (C. T.); 66, 5; 67, 7; IX 164, 6; c) aus
fertigen (seil, eine Urkunde), duppam i-zi-bu VIII 71, 35;
i-zi-ba-am-ma IX 182, 8 (C. T.); ii-se-zi-ib (?) VII 151,4;
in-ni-iz-bu (IV 1 ) VIII 15, 8; ezub außer. VIII 37, 8; 39,3
(C. T.); 48,13; IX 224, 4; G. 13 obv. 13; e-zi-ib VIII 6, 15;
7, 13.
I HS, ahum Brüder, a) Sing, a-hi VII 16, 6; a-hi-Sü VII 83,2;
144, 2; IX 130, 3; a-hu-sü-nu VIII 127, 12; a-hi-Sü-nu
IX 8, 21; a-hi-si-na VII 39, 18. ahum mala ahim VIII
57, 17; ahum ana ahim einer gegen den anderen VIII
8,18.21; 11,13; 27,11; 52,25; 53,20.25; 56, 9; 57, 12;
84,22; 108,21; IX 130,12; 131,14; 142, 12 (C. T.);
144,16; 145, 25; 216,16; b) Plur. ah-hu VII 6/22; a-ah-hu
VII 5, 18; a-hi VIII 71, 5 (?); ah-hi-sü VIII 56, 7; 57, 9;
IX 9, 13; a-hi-SÜ G. 6 rev. 4; a-ah-hi-Su VIII 53, 16;
IX 144, 13; ah-hi-sd VIII 69, 7; 70, 8; ah-hi-sd-a-ma IX
145, 19; a-ah-hi-§d P. 85, 6.
74
II. Abhandlung: Schon - .
ahätum Schwester, a-ha-ti-su VII 67, 3; a-ha-ti-hi-nu IX 130, 5 ;
131, 6; 145, 14; ah-ha-ti-Su (pl.) IX 9, 13.
II ahum Ufer, a-lii Arahtum VII 34, 2.
ahüm, f. ahitum ein anderes (seil. Mal), ina a-lii-e IX 184, 9;
a-hi-a-tum (pl.) IX 190, 3 (voran gellt Z. 2 ina istissu
zum erstenmal).
?ns\ ahäzu. a) a. ana assütim eine Frau heiraten, i-hu-zi —
ihuz-si VIII 4, 8; i-hu-uz-zi VIII 92, 7; a-ah-ha-az-zi P.
58, 12. b) dinam suhuzu Prozeßverfahren gewähren, ü-id-
hi-zu-nu-ti-ma VIII 11, 5; IX 142, 7 (C. T.); ü-sd-ki-zu-
Su-nu-ti-ma VIII 20, 4; G. 30 obv. 9; n-sd-lii-zu-ni-in-ni-
ma VII 158, 11.
Hnx (= 7« 3 «) ehiltum Schuldverpflichtung, ana e-hi-il-ti VII
5, 4. 8; e-ki-iS!-ti 6, 4. 9.
-in«, uhhuru II 1 rückständig sein, ausstehen, u-hu-ra-at VII 14,6.
i'S 4 iriitum Zahlungsrate, i-ni-it VII 23, 1; G. 49 obv. 1. 2;
50 obv. 1; i-ni-tim G. 55 obv. 2; i-ni-tam VII 23, 8; 87, 8;
G. 55 rev. 2; i-ni-it-tam G. 50 obv. Rand 2; i-ni-ta VII
32, 15; ana Sd i-ni-(ni)-ti als Rate (?) IX 184, 6; i-ni-a-
tu-Su (pl.) VII 87, 6.
ilcum Wassergraben. aSSum i-lci-im biritim.
toR, akdlu essen, genießen. i-Jca-al-ma VII 21,10; 28, 11; i-ik-
ka-al VII 103,18; i-ka-lu == ikkalu P. 79, 12. 14; i-ku-lu
IX 195, 6.
Säkultu Speisung, ana §a-ku-ul-ti VII 86, 2.
ekallum Palast, e-gal-lum VII156,12; idg. E.GAL um G. 32 obv. 9;
E.GAL am ibid. 10; ana E.GAL G. 57 rev. 1.
I S«, ul nicht. VII 5, 21; 6, 25; 10, 9; 11. 7; 47, 15; 51, 11;
60, 10; 67, 13; 76, 9; 149, 8; VIII 11, 7. 10; 26, 20;
IX 199, 7 u. ö. u-la VIII 4, 18; 5, 13.
II b«! ilurn Gott. i-[lu-sa] IX 145, 17.
n^« 4 eht a) emporsteigen ana bit Istar i-lu-ma VII 84,6; b) auf
tauchen (bei Urkunden, Vermögen) i-li-a-am VII 149, 8;
IX 134, 6; 197, 10; i-ta-li-a-am VII 149, 10; c) I 2 ver
lustig gehen (des Dienstlohnes) i-te-el-li VII 83, 15; VIII
46, 12; (des Hauses) i-te-li VIII 33, 20; i-ie-lu-u VIII
31, 10 (C. T.); 127, 27. eli auf, über, gegen jemand (v. i$ü,
rasü). e-li VII 14, 2; 16, 26. 28; 98, 3; VIII 26, 3; G.
33 obv. 12; P. 91, 4; e-li-ia P. 53, 4 (C. T.); e-il-Su-un
Altbabylonische Reehtsurkunden. III.
75
VIII 55, 10; e-li inanna P. 58, 11; idg. MUH VII 18, 3;
42,2; 58,3; IX 173,1; G. 14 obv.9; 49 obv. 3(1); 61 obv. 2.
“]bs 2 aläku a) kommen, i-la-ak VII 60, 9. 10; VIII 33, 18;
" 36, 8; 111, 8; IX 3, 8; G. 59 rev. 1. 2; 60 rev. 1. 2;
P. 115, 9; i-il-la-alc VII 76, 8. 9; P. 116, 9; i-la-ku VIII
15,4; il-li-ik-ma IX 3,9; il-li-ku VII 156, 20; VIII 71,9;
111, 9; P. 49, 25; il-li-ku-ü-ma VIII 71, 12; ana dinim
i-li-ku-ma G. 2 obv. 11; ni-ilda-ku-u-ma P. 30, 20; main
rät i-la-ku nach dem laufenden Kurse VIII 36, 10; 39, 11
(C. T.); 47, 11 (C. T.); IX 189, 9—10; h) I 2 Weggehen
i-it-ta-al-la-ak-ma VII 83, 13; i-ta-la-ak VIII 8, 14; it-ta-
al-ku VII 156, 22; alilc var-kisu Gefolgsmann (?) a-li-ik
G. 44, obv. 3.
ilkum Lehenslast, kasap il-ki-im VII 44, 1.8; 115, 2 (C. T.);
il-ld-su VII 121, 2; i-li-ik bitim ilak VIII 33, 17 die Le
henslasten tragen.
SSs, elünum = elulum (Dissimilation). vara i e-lu-nu-urn VIII 36,7;
*■ e-lu-nim VIII 86, 12; *• e-lu-ni-im P. 81, 7.
ullulu II 1 a) reinigen, sühnen, ana bitam ul-lu-li VII
85, 2; b) freilassen ü-li-il-sü-nu-ti VIII 55, 5.
I CS, ummum Mutter, um-mi VII 88, 8; VIII 127, 18; um-mi-
sd VIII 92, 10; um-ma-sa VIII 69, 4; um-mi-Sü-nu IX
145, 14; um-ma-Su-nu VIII 20, 6; IX 10, 9 (C. T.). idg.
AMA.A-NI-su IX 67, 7.
ummänum Grundkapital, um-mi-a-nu-um IX 182, 9 (C. T.);
um-mi'-a-nim VIII 71, 6; um-mi-an-Sü-nu VIII 8, 9; um-
mi-a-tim VIII 71, 16.
umma also, um-ma VII 16, 10; 149, 4; P. 30, 18; 49, 14 u. ö.
II CS, amtum Sklavin, am-tum VIII 123, 11; 124, 12; am-tam
VIII 123, 9; 124, 11; am-ta-am VIII 72, 4.
CS 3 emum Schwiegervater, e-mi-su P. 52, 9; 54, 21; i-mi-sü
P. 53, 20.
immum heiß, im-mu-um VII 204, 39.
1ÜS 4 emedu a) bestimmen i-mi-du IX 40, 10; i-mu-du IX 40,18;
b) arnam, Sertam e. eine Strafe auferlegen; i-mi-du-Su
VII 152,5; VIII 102,7; i-mi-du-ni-iS-su VII 158, 13;
Sertam lü i-im-mi-du-ni-a-ti P. 30, 22; c) II 1 errichten
gusüram ti-ma-ad VIII 108, 8.
nemittum Leistung, Abgabe. ne-me-it-ti-Sü VII 54, 5.
76
II. Abhandlung: Schon-,
SS2X. f nemelum Gewinn, ne-me-la-am VIII 8, 10; ne-me-li-ti-Sü
VIII 71, 15.
amäru a) prüfen, (avätam) i-mu-ru-ma VII 16, 20; (di-
nam) IX 40, 16; (duppam) P. 49, 13. b) sehen, besichti
gen). in-na-ma-ru (IV 1 ) IX 83, 7; 84, 9; in-nam-ra P.
91, 22.
immerum Schafbock. iclg. LU.NITA VII 84. 1; P. 79, 12. 14.
JK ana, ina passim.
inumci zurzeit, als. i-nu-ma VII 16, 11; 84, 5; P. 53, 10. 24;
54, 11. 25. i-nu-u-ma VIII 71, 10.
inanna jetzt, i-na-an-na VII 149, 9; eli i-na-an-na P. 58, 11.
askum. a) Präp. wegen. VII 16, 5; 37, 14; 56, 1; VIII 11, 3;
26, 9; 102, 1; IX 39, 17 (für); 40, M; 142,4; 143,4;
P. 49, 1; 53, 14 (C. T.); 62, 1; b) Konj. weil. VII 5, 6;
6, 7; 10, 15; 16, 21; 156, 12; G. 35 obv. 5.
23K inbum Feldfrucht, libba . . . in-bi-im IX 22, 4.
nix, endti, uniäti Hausgeräte, Mobilien, e-na-tum VIII 19 link.
Rand 2; ü-ni-a-ti G. 33 obv. 8; ina bitim ü ü-ni-ti-im
VIII 73, 19; ina biti ü-ni-a-ti VIII 127, 26.
ms, mänahtum Kosten, Ausgaben, ma-na-ah-tam VII 95, 15;
99, 12; 125, 15; ma-na-ha-ti-kü G. 67 rev. 1.
anaku ich. a-na-ku-ü G. 67 obv. 4.
pX 2 anmim dieser, a-ni-im VIII 12,27; 13, 10; 20, 13; an-ni-im
1X9,10; 144, 10; an-ni-a-am VIII 31, 9 (C. T.); 33, 19;
52, 26; 53, 22; an-ni-i-im P. 49, 15; an-nu-ü [<i?] (pl.) P.
30, 14; an-nu-tu-un G. 17 obv. 7; an-nu-ti-in VIII 65, 7;
an-ni-a-ti-in (f.) VIII 77, 12.
ptf 3 enenu gnädig sein, i-nu-un-ma VII 67, 6.
appum Nase, a-pa-ku VIII 19, 14; a-pa-sü-nu ibid. 9.
p3X t unkum Ringsilber. un-ku-um IX 170, 3. 5. 7. 9. 11. 13;
kasa/p un-lci-im IX 170, 1.
ITIN, akkatum Ehefrau, dk-sa-az-zu VII 5, 18; ana a-Sü-ti(l)-
im ü mutütim VIII 4, 7; ana ds-su-tim VIII 92. 7; idg.
NAM.DAM.G. 14 obv. 4.
atta, atti (f.) du. at-ta VIII 73, 12. 18; 127, 17; at-ti VIII
127, 18.
nCR, usätum Unterstützung, Gefälligkeitsdarlehen ana u-sa-tim
VII 81, 2; u-sa(\)-at VII 81, 7.
esitum Pfeiler (?). e-si-tu IX 221, 7.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
77
isinnum Fest. idg. EZENIX 23, 11; 157, 14; 158, 12; P. 72, 14
(C. T.).
(?) ana e-si-ib-bi VIII 74, 13.
SSX, apälu a) rückerstatten, entschädigen, begleichen i-ip-pa-al
VII 162, 7; i-pa-al IX 30, 8; i-pa-lu VII 167, 10; i-pa-
lu-ü-ma VIII 66, 11; i-ip-pci-lu VII 99, 17; i-pu-lu VIII
8, 9; IX 39, 14. 19; ana . , . a-pa-li IX 144, 7; a-bi-il
(perm.) VII 16, 31; la ap-lu IX 200, 10; b) I 3 verant
wortlich, in obligo sein, i-ta-na-pa-al IX 7, 11. 22; 8, 9. 18;
G. 32 obv. 10; P. 83, 13; c) III 2 tauschen uS-ta-bi-lu
G. 25 obv. Rand 2.
nipläte Zuschlagszahlung, ni-ip-la-tim G. 25 rev. 2.
aplütum Erbschaft, ap-lu-ut IX 144, 18. 19; 145, 13. 15.
“IÖX, iprum Kost. idg. SE.BA VII 10,7; 11,6; IX 36,2;
P. 70, 19.
w'SX epesu machen, verfertigen, bauen (Haus, Feld), bitam i-
pu-su VII 16, 11; eklarn sipram i-ip-pu-uS ein Feld be
stellen VIII 62, 9; i-pu-us-ma ibid. 10; tappütam i-pu-Sü
Kompagnie schließen VIII 8, 4; t. i-bi-sü IX 205, 3; ni-
Jcdsam i-pu-zu-u-ma VIII 8, 8; ana . . . e-bi si-im VIII
103, 4; P. 124, 7.
ipsum bewirtschaftet, eklarn ip-Sd-am VII 156, 16.
Ik'X.j eseclu ernten, ana e-si-di-im VII 43, 7; i-is-si-du VII 67,14.
issidum Schnitter, idg. L ' u gE.KIN.KUD VIII 111, 1.7; IX
3, 1. 8; 25,1; 133, 1.3; G. 59 obv. 2, Rand 2; 60 obv. 2,
Rand 2; P. 115, 2. 8; 116, 2. 9.
SpX 3 eldum Feld. idg. A. SÄ(G) passim, eklum apsenum Ähren
feld idg. AB.SlM VII 59, 1; 68, 1. 11. 16. 23; 69. 1;
75, 1; 90, 1; 95, 1 u. ö.; ekil nidütim Brachland idg.
KI.KAL VII 68, 2. 12. 22; 90, 2. 17; 95, 2. 12. 19 u. ö.
erebn eintreten (in Dienst), einziehen (in ein Haus), i-ru-ub
VII 20, 13; 64, 16 (Präs.!); 90, 20 (präs.!); VIII 46, 8;
IX 5, 11; 6, 10; 59, 13; 60, 14; 64, 13; 71, 15; 132, 9;
209, 11; i-ru-ba-am VII 16, 13; i-ir-ru-ub VII 63, 19;
68, 21; 88, 16; i-ir-ru-bu VII 95, 22; ana eribi ü asi zum
Ein-und Ausgehen e-ri-bi VII 61, 4; e-ri-bi-im VII 144,3;
u-Se-ri-ib P. 52, 10; 53, 22; 54, 23; ü-se-ri-bu P. 52, 14.
terubtum Einzug, ina te-ru-ub-ti P. 52, 9.
urüm Dattelblüte (?). u-ri-e VII 34, 17.
78
II. Abhandlung: Schorr.
arnum Strafe, ar-ncim emidusu VIII 102, 7; a-ra-an VII 152, 4.
tw 3 (ij arrurn Wassergraben (?). ar-ru VII 201, 7. 8.
EHKj er esu begehren, verlangen. i-ir-ri-i[s] VII 51, 11; um
i-ri-su (Präs.) G. 32 obv. 9; 55 obv. Rand 2; IX 203, 7;
tim i-ri.-sti.-su IX 46, 7 (C. T.); 108, 7; li-ri-is G. 67 rev. 2;
e-ri-si (Inf.) VII 87, 4.
irsitum Verlobung, ina ir-Si-ii-sd VIII 69, 6; 70, 7.
ü'”lS 3 eresu pflanzen, anbauen, bewirtschaften, i-ir-ri-is IX
202, 9; G. 27 rev. 3; i ir-ri-sti VII 67, 13; 100, 18; ana
e-ri-si-im G. 67 obv. 7; e-ri-si G. 49 obv. 1; ana e-ri-üü-
tim VIII 62, 5; IX 157, 8; ana ir-ri-su-tim VII 59, 8;
64, 8; 68, 10 (C. T.); 75, 9; 88, 9; 95, 11; 99, 9; 100,11;
145, 9; IX 23, 5; 62, 8; G. 39 rev. 4; P. 72, 5; 110, 8;
idg. NAM.GÄL.TJRÜUEU.A VII 21. 7; NAM.URU.LAL.
&U VII 32, 10; 103, 9; P. 77, 6; NAM.ÜRU.LAL.GÄL
G. 27 obv. 9.
irsum bewirtschaftet, bebaut. ir-Sd-am VII 156, 18; idg. AL.
KUD.DA IX 218, 1.
merisum Pflanzung. me-ri-Su VII 156, 18.
irrisum Pächter. avtl ir-ri-Si-su VII 54, 12.
usallum Wiesengrund, adi ii-sal-(ü-sal)-li-im (Dittogr.) VII 40,4.
aslakutum Wäscherhandwerk, sipir ds-la-ku-tim P. 126, 2.
“llPXj asrum Ort. a-sar sani IX 199, 8.
isten eins, ina is-ti-is-su zum erstenmal IX 190, 2; istenis in
gleicherweise, is-te (T)-[ni-is] so nach Ungnad bei Kohler-
Ungnad IV, S. 68, Anm. 1 VIII 71, ob.
istu a) Präp. von. Temporal: VII 16, 21; VIII 15, 7; IX 40,3;
lokal: VII 67, 7. 8. 9; 156, 16; VIII 4, 24; is-tu pi adi
(ana) huräsim VIII 8, 15(!); 12, 22; 52, 24; 53, 19; 56, 7;
57,10; 72,6; 108,13; IX 130,11; 131,13; 142,11 (C.T.);
144, 15; 145, 24; 216, 6. 15; istu-adi IX 69, 4; Konj.
nachdem VIII 71, 35; IX 145, 17; G. 12 obv. 2.
DS ittum Seite, Nachbarschaft. i-ta-tA-.su VII 17, 11; 22, 15;
31, 10.
ita neben, i-ta VII 59, 3; 88, 3; 90, 4; 99, 3 u. ö.
itti a) von it-ti VII 87, 2; 151, 1; 156, 5; G. 32 obv. 2; Vül
71, 6; P. 49, 10; i-ti G. 6 obv. 11; b) bei, mit VII 67,15;
VIII 27, 6; 52, 20; 53, 16; 71, 23; 74, 9 (C. T.); IX
216, 10; it-ti-ia VII 16, 14; VIII 71, 25.
Altbabylonisclie Rechtsurkunden. III.
79
atabbum kleiner Kanal, a-ta-ab-bu IX 9. 4.
itgurtum Schüssel (?). idg. LIS.GAL VIII 83, 2.
pnx, etekUj III 1 a) ablaufen lassen, varham ä-Se-ti-ik-ma VIII
59, 9. b) hinüberführen idg. 1B.TA.BAL passim.
3
n« 4 n tebitum Nachforschung, te-ib-i-tum VII 50, 12; 53, 14.
Sx 4 3 belum Herr, Besitzer, be-el VII 45, 3; 55, 3; 59, 6; 64,6;
68, 8 (C. T.); 88, 7; 90, 7; 95, 10; 99, 6. 8. 22; G. 27 obv.
Rand 1; 28 obv. 10; be-lu (pl.) VH 63, 10; 75, 7: 95, 8;
be-li-SÜ VH 21, 13; 28, 13; 88, 17; 162,3; be-li-sa VII
50, 5; be-li-e-sa (pl.) VII 53, 7; be-li-sü-nu IX 219, 7.
“lX 4 3 buuru II 1 a) deklarieren, ü-bi-ru IX 130,7; u-bi-ir-ru
IX 131, 8; it-bi-ir-ra-si (?) P. 58, 6; ü-bi-ir-ra-su ibid. 8;
tu-ba-ar-ra-ni-in-ni-e P. 58, 11; ub-ti-ir-ru-ü-Su (II 2 ) P.
62, 7; b) zuerkennen, ü-bi-ru VIII 65, 10; ub-ti-ir-ru
VII 56, 17.
bürtum Deklarationsurkunde (so Koschaker). duppi bu-ur-tum
P. 53, 27; bu-ur-ti P. 52, 15; 54, 27.
bäbum Tor. ba-ab n SamaS VIII 8,7; 11, 6; idg. KÄ öfter;
bäbtum a) Tor (?). rndri ba-ab-tim VII 16, 17; ba-ab-ti-
sü-nu ibid. 19; Ina ba-ab-tim P. 58, 2; bj Rest, ba-ba-at
. . . kaspim IX 164, 12.
IY3 bitum Haus, bi-tum P. 53, 10; bi-tim VH 8,25; G. 12 rev.3;
bi-ta P. 54, 11; bi-ti mein Haus VII 16, 15; VIH 71, 26j
127, 26; bi-ti-ia VH 16, 12; bi-ti-su VH 16, 24; idg. E
passim.
bukänum Stab (?). idg. 0I ^GAN.NA passim.
nPS bulät(e) außer, bu-la-at VIII 71, 23.
baldtu leben, ba-al-ti-at VIII 19 link. Rand 1; 33, 11;
55, 6; 109, 17; P. 70, 15.
robn IV 1 vertragsbrüchig werden, i-ba-la-ka-tu-ma VHT 33,23.
bennuui (epileptische?) Krankheit, bi-en-nu-um VH 50,13; 53,15.
burubalum eine Art Boden, idg. KI BUR.BAL VIH 2, 1; 6, 1;
7, 1; E.BUR.BAL G. 11 obv. 1; 12 obv. 1; 16 obv. 1;
20 obv. 1; 25 obv. 1; 29 obv. 1; 31 obv. 1.
fT"D biritum Trennung, Mitte, igar bi-ri-tim Vin 22, 2 (C. T.);
i. bi-ri-sü-nu-ma G. 18 obv. 3; idg. RI.BA.NA G. 12 obv. 4;
adv. sd bi-ri-sü-nu-ma IX 144, 21 gehört ihnen gemeinsam.
80
II. Abhandlung: Schon 1 .
ana bi-ri-ti-ni bei uns gemeinsam (?) IX 15, 5; eklum
bi-ri-a-tum (?) IX 202, 1.
HDD basü vorhanden sein, ib-Su-ü YHI 71, 24. 26; i-ba-sü-ü
vn 27, 13; VIII 8, 12; i-ba-dS-Su VIII 12, 21; ib-ba-su-u
VII 143, 7; P. 49, 26; i-ba-äs-Si VII 141, 14; ib-ba-ds-su-u
VII 95, 25; 99, 18; 105, 8; 119, 9; 122, 7; i-ba-dS-sü-z'c
VIII 71, 25; 72, 9; P. 30, 24; 49, 19; ba-zu ü VII 21, 1;
26, 2; 31, 1; 32, 2; 75, 1; 140, 1; VIII 12, 8.12. 16; 62,1;
G. 27 obv. 4.
busüm Besitz, Habe, bu-sti-ü IX 216, 5; bu-§ü-si-na VHI 12,20;
bu-Se-e VIH 17, 1; 18, 2.
biSum Besitz, bi-si Mt aba IX 130, 4. 5 (C. T.).
busütum Besitz. bu-Su-zu-nu VII 67, 17. 19.
baiitum Vorhandenes. ba-Si-tum VIII 66, 1.
pro batäku aufhören, i-ba-at-ta-ak-ma VII 83, 13.
3
gadum, gadu mit, samt, ga-du VII 19, 1; 45, 2; ga-du-um IX
124, 9; G. 23 obv. 1; P. 72, 9.
tU gizzu Schafschur (?). i-na gi-zi IX 17, 6.
3^3 galäbu das Haupthaar abschneiden (Strafe), ü-ga-li-bu
VIH 102, 8; li-qa-la-ab-sü-ma VIH 73, 13; tc-qa-la-bu-sü-
ma VIII 127, 20.
“IÖ3 gamäru a) fertig, perfekt sein, ga-mi-ir VIH 27, 8. 9; ga-
am-ru VIII 52, 23; IX 130, 11; 131, 12; 142, 10 (C.T.);
144, 14 (G. T.); 204, 8; 216, 14; ga-am-ru-ü VIII 53, 18;
56, 8; 57, 11; i-ga-ma-ar-ma IX 64, 14; i-ga-mar G.
27 rev. 1; b) II 1 vollenden, voll bezahlen, u-ga-am-ma-rci
VII 118, 6; u-ga-am-me-ir-ra P. 53, 13; ü-ga-me-ra P.
54, 14; duppurn gu-um-mu-ru eine Urkunde wurde aus
gefertigt P. 49, 17.
gamrum voll, fest (vom Kaufpreis), ana Simisu ga-am-ri IX
146, 8 ; sean ga-am-ra P. 52, 13; 54, 26; ga-am-ra-am
P. 53, 25.
gurgurrum Metallarbeiter, idg. erü NANGAli VIII 103, 5.
GI&.BAR Maß. passim.
giSimmarum Palme, idg. ‘f GlSlMMAR IX 218, 1.
guSurru Balken, idg. i? GUSUR G. 15 obv. 2.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
81
1
ddbäbu prozessieren, id-bu-bu-ma VII 56, 8; i-da-ab-bu-bu
VII 194, 5 ; ni-di-ib-bu-ba P. 30, 21; ni-id-da-bu-bi Gr.
67 obv. 5.
dububtum Anklage, du-bu-ub-ta-sa IX 192, 10 (C. T.).
“111 durum Geschlcclitsverband (?). sä du-ur-iu ia-ah-ru-rum
IX 188, 5-6.
PI dänu richten, einen Prozeß leiten, i-di-nu-su-nu-ti-ma VII 7,9.
dinum Prozeß, di-in Mt il Samas VIII 71, 28; ina di-nim G. 30
obv. 12; di-ni-im G. 2 obv. 10; di-nam VII 7, 9; 158, 11;
VIII 11, 5; IX 40, 16; 142, 7 (C. T.); G. 2 obv. Rand 1;
13 obv. 7; 30 obv. 8; di-na-am VII 167, 2; VIII 20, 3.
dajänum Richter, da-ia-nu (pl.) VIII 11, 5; 20, 3; IX 40, 9.
121 diküm Zugsführer (?). di-ku-u VII 126 12; di-ki-i VII
80, 4; 121, 10; 124, 12; di-e-ki VII 79, 13; dikütum (?)
Aufgebot (so Ungand); di(?yicu-tam VIII 45, 1.
bbi dullum Dienstleistung, Arbeit, du-ul-lam VII 67, 15.
daltum Tür. idg. GAL G. 15 obv. 3.
D21 dimtum Säule, Pfeiler, istu di-im-ti-im VIII 4, 24.
pl dunnum Festung (?). du-un-nu VH 103,4.
tadnintum Sicherstellung, Deckung (bei Darlehen), ta-ad-ni-in-
ta-sü IX 8, 10.
S"|1 duppum Urkunde, Vertrag, dup-pu-um VII 7, 12; VIII
15, 7; IX 196, 1; 197, 8; 221, 13; dub-bi VII 56, 9. 10;
IX 197, 1; dub-bi-im VIII 20, 12; pi dub-bi-su VIII 39, 3
(C. T.j; 48, 13; IX 182, 10; G. 13 obv. 13; nds dub-bi-Su-ü
IX 183, 11; dup-pa P. 53, 24; 54, 25.
121 duppurtum ? dup-pu-ür-tum P. 52, 15; 53, 27; dup-pu-
ur-ti P. 54, 27 (doch vergleiche bürtum s. v. -iKa).
111 an(d)duräriom Freiheit (von Abgaben), ü la an-du-ra-
ri-im VII 204, 32; ad-du-ra-ar VII 156, 31.
dassum (?) Gazellenbock. idg. MÄS.NlTA(Uß) VII 85, 1; MÄS.
GAL Ziegenbock VII 86, 1.
crii JJIJB Bronzeschüssel (?) IX 221, 3.
1
tt uns. passim, ü . . . ma auch wenn VIII 73, 7—8; 127, 9. 22.
^21 vabälu a) bringen ub-lam-ma IX 40, 6. 13; i'i-ba-lu-ü (?)
IX 205, 7; b) II 1 kakkadam ubbulu für jemand bürgen
Sitzungsber. d. phil.-kist. Kl. 165. Bd., 2. Abh. 6
82
II. Abhandlung: Schon-.
(= resam, käkkadam kälu). u-bi-il-ma VIII 118, 2 (C. T.).
c) berücksichtigen res a[him] u-ba-al IX 109, 9 —10
,einen Bruder kann sie berücksichtigen'.
biltum a) Ertrag. ■ bi-la-tu (?)-£a G. 21 obv. 2. b) Talent bi-la-
tim VII 31, 17. idg. NE = biltum Pachtabgabe IX 7, 1. 21;
8, 1. 17 u. ö.
ml uddü II 1 bestimmen, u-vi-du-si-im VIII 3, 7.
^1 vcdädu gebären, ul-la-du (präs.) VIII 1-5, 10; lillidum
(*lidlid-um) Nachkomme, li-il-li-di VII 67, 11.
vasü a) hinausgehen, austreten, u-zi IX 5, 14; 6, 13; uz-zi
IX 64, 15; u-zi-i IX 209, 13; a-si-e (Inf.) VII 61, 4; a-si
VII 144, 3 (v. erebu); it-ta- u z-zi VIII 73, 20; b) 111 1 süsü
pachten, mieten, v-se-si VII 90, 11; IX 26, 9 (C. T.);
220, 6; ü-se-zi VII 27, 4; VIII 62, 6; 113, 1; IX 5, 6;
23, 6; 64, 7; 72, 5; 179, 9; 209, 8; 210, 7; P. 72, 6;
ü-Se-zi-i-ma VIII 114, 1; ü-se-zu-ü VII 99, 11; IX 157, 9;
ü-§d-as-si-a-ma P. 9, 7.
süsütum Pachtung, su-zu-ut VII 35, 5.
müsüm Ausgang, mu-zu-u-um G. 16 obv. 4; mu-zu-sü IX 165, 4.
“Hl varädu hinabsteigen, sich wohin begeben, ur-ra-ad VII
67, 12; ur-du-ma IX 142, 9 (C. T.).
vardum Sklave, vä-ar-da-[am ?/ VIII 72, 4.
varittum ? vä-ri-id-tum IX 146, 3.
mi varü bringen, la u-ru-ma VII 7, 12.
T 11 varkitum pl. varkäte a) Zukunft, ana vä-ar-ki-it ümi VIII
4, 15. 29; 5, 10. 16; ana vä-ar-ki-a-at ümi VIII 127, 13;
idg. EGIR.UD.DA.&U G. 12 rev. 2; b) varkäte Nachlaß,
idg. EGIli G. 41 rev. 9; vä-ar-ka-at VIII 13, 5; G. 21.
obv. 1; 33 obv. 9. 12; vä-ar-ka-zi-na VIII 12, 19; ridi
vä-ar-lca-ti-sa IX 216, 18.
varküm, f. varkitum später, duppum vä-ar-liu-u-um P. 49, 16;
vä-ar-ki-tum IX 89, 7; P. 49, 26; vä-ar-ki-tim P. 49, 5;
vä-ar-ki-tam P. 49, 18. 24; varki nachdem, nach (präp.).
vä-ar-ki VII 16, 3; VIII 55, 8; P. 49, 15 (konj.); alik
vä-ar-ki-su Gefolgsmann (?). G. 44 obv. 3.
varka hierauf, vu-ar-ka-ma P. 58, 9. idg. EGIR Rückseite IX
199, 3; idg. SA.KU G. 3 obv. 6; 5 obv. 5; 15 obv. 8;
19 obv. 5; 22 obv. 5; 23 obv. 5; 31 obv. 5.
pni avel urki Gärtner, idg. NU aiS SAR IX 14, 9; 16, 4; 17, 10.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
83
3vasäbu a) eine Sitzung abhalten (im Gericht). us-bu-[ma]
VIII 102, 5; b) sich niederlassen us-bu P. 136, 10.
“um vussuru II 1 befreien, vü-us-se-ir IX 141, 10.
“lffl vatäru überscluissig sein, i-te-ru VII 16, 28; litir limt.i
sei es (das Feld, Hausgrund) größer oder kleiner li-
ti-ir VIII 58, 16; li-te-ir G. 6 rev. 1; li-tir G. 36 obv. 6;
i-te-ir G. 13 obv. 11; vä-at-ru (penn.) VII 16, 26.
tertu das Überschüssige, ana te-ri-it bitim G. 13 obv. 12.
vatrum, vatartum Überschuß, vä-tar VII 16, 15; vä-tar-ti VII
16, 24. 31; va-[ta]-ar-ti VII 16, 33. idg. Sl.BI VII 50, 11;
53, 13; 65, 4.
I
zabdlu tragen. za-ba-[l]um IX 33, 2; 36, 8.
“131 zubarum schlecht, steinig? (vgl. aram. rv'niai bei Feldern).
eklum zu-ba-ru VII 32, 14.
111 zäzu teilen, i-zu-zu VIII 27, 8; 52, 23; 53, 17; IX 9, 16;
130, 10; 131, 9; 142, 10 (C. T.); 144, 14; 145, 23; 216, 14;
i-zu-zu-ü VIII 74, 6. 10; IX 130, 8; i-zu-u-zu VIII 56, 7;
57, 9. 18; 66, 16; 67, 14; i-zu-uz-zu (präs.) VII 95, 27;
99, 20; 125, 26; G. 27 rev. 6; zi-iz (perin.) VIII 27, 8;
IX 216, 6; zi-zu VIII 52, 23; 56, 8; 57, 11; 112, 5; IX
130, 11; 131, 12; 142, 10 (C. T.); 144, 14; 145, 23;
204, 8; 216, 14.
zittum Anteil, zi-ti VIII 27, 11; zi-ta-$u VIII 27, 9; ana zi-
[ti-Su] VIII 74, 8; zi-it-jti-su] VIII 75, 8; zi-ti-su-nu IX
142,4 (C. T.). idg. HA.LA passim; HA.LA.BA G. 10 obv. 6.
M3T zukkü II 1 klarlegen, ordnen, u-za-lcu VIII 8 16; zakiim a) in
Ordnung gebracht, (lciräm) za-ka-am VII 21, 12; (eklam)
za-lca-am VII 28, 12.
b) zaküm rein, za-lca-tum ? IX 221, 16.
sinüm Ast(?) si-na-am VII 27, 5 (vgl. zinitum AR II s. v.).
n
b3n habälu pfänden, li-ih-ba (?)-lu-ni-in-ni-ma P. 58, 13; hu-
bullum verzinsliche Schuld, ana hu-bu-li-sü VIII 71,27;
idg. HAR.RA VIII 41, 1 (C. T.); 89, 1; 93, 1; 95, 1;
106, 1 (C. T.); IX 36, 5; 50, 1; 58, 1; 67, 1 (C. T.);
135, 1; 148, 1; 150, 1 (C. T.); 201, 1.
6*
84
II. Abhandlung: Schorr.
tlDfi hibistum ? hi-bi-is-tum VII 111, 6. 9.
rOPI liabätu ein zinsfreies Darlehen nehmen, ih-bu-tu IX 120, 5.
hubut(t)atum zinsfreies Darlehen, seum hu-bu-ta-tum VIII 30, 1;
ku-bu-ta-za IX 120, 7.
hititum Sünde, (eheliches) Vergehen, dububtasa hi-di-sa
Anklage gegen sie ist ihr Vergehen. IX 192, 11 (C. T.).
p*?n haldku verloren gehen, ha-al-ga-at VII 149, 6; i-ha-li-ilc-ma
vm 123, 12; 124, 13."
tSfcn hamätu brennen, (ana) hu-mu-ti-im VIII 90, 4.
pH himsatum Streit (?). üm" m hi-im-za-tim Gr. 32 obv. 8.
DDH basäsu denken, sä i-ha-sa-su-ma an jedem erdenklichen
(Orte) IX 134, 5.
HSn hipü zerbrechen, vernichten (eine Urkunde), ih-pu-ü P.
53, 24; i-hi-pu (IV 1 ) P. 54, 25; hi-pi (perm.) IX 197, 11;
. hu-up-pu-ü VII 127, 3.
“~n harbu Ernte ? (so Ungnad). ha-ar-bi-su-nu VlU 74, 4.
pH harränum Handelsreise, ana ha-ar-ra-nim VIII 71, 8; idg.
KAS LÜG AL = harran sarrim VIII 37, 6.
pn harasu a) abschneiden; in Abzug bringen (?). i-ha-ra-as
VH 32, 16; b) bestimmen (?). ha-ar-zu-u Gr. 12 obv. 4.
mahrasum ein Schneidinstrument? ma-ah-ra-zu IX 221, 10.
nnn hattum Schrecken, ha-at-tu VH 67, 22.
to
jS 3 t2 tenu mahlen (Korn), ana te-ni-im IX 53, 2; di(ti)-ni IX
54, 2; ana te-ni VII 170, 4; te-e-nim Gr. 46, 4.
2'tO täbum gut, ergiebig, idg. ugarum DUG-bu-um = täbum VIII
84, 4 (C. T.) u. ö. •
nntD tuhhu II 1 nahebringen (ans Land), landen lassen (Ungnad).
u-ta-hi-a IX 75, 4; 76, 3; 77, 3; 78, 3; u-te-hu-ni IX
93, 6; 94, 6; ü-te-ih-hu-ni IX 95, 6; 96, 6; 97, 6; 101, 6.
idg. US.SA.DU angrenzend VII 69, 3; IX 202, 2 u. ö.
i
T idum a) Hand. i-da-Sü-nu VEH 19, 10; b) Arbeitslohn i-di
IX 59, 8; i-di-Su VHI 46, 11; IX 60, 9; i-di-sa VIII
99, 8; 100, 7; i-di-si-na IX 109, 8; 110, 10; idg. W VII
83, 8; 144, 9: IX 22, 8; ID.BI IX 22, 12; ID.BI-sü VII
83, 14; P. 80, 9.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
85
K t T idii wissen, i-di P. 53, 8; 54-, 9; i-du P. 54, 4; i-du-ü P.
49, 19. 25; 53, 4; mu-di-e-sü-nu VII 16, 18.
DT ümum Tag. u(d)-mi-im VIII 4, 15; 5, 10. 16; idg. UD
passim.
|Ü' imittum rechte Seite. kima i-mi-ti-su VIII 62, 7 (C. T.)';
i-mi-it-ti-sü Gr. 45 rev. 2; P. 77, 8.
pP sünuku III 1 säugen, ana Sü-nu-ki-im VII 10, 4 (C. T.); 37, 4.
tenikum Säugelohn, te-ni-ik VII 10, 6. 16; 11, 5. 15; 37, 7;
VIII 127, 27; te-ni-ga-am VII 37, 18; te-ni-ki-Sa VII 37, 14.
ufsupu II 1 Zinsen zahlen, u-za-ap VIII' 41, 2 (C. T.);
42, 2 (C. T.); 79, 2; 93, 2; 95, 2 (C. T.); 119, 2 (C. T.);
131, 2; 132, 1; 133,2; IX 13, 1; 21, 2; 58, 2; 83,2
(C. T.); 135, 2; 148, 2 (C. T.); 150, 2; 155, 2 (C. T.);
206, 2 (C. T.); u-za-pu VIII 117, 3; 118, 4.
siptuvi Zinsen, idg. MAS. — MÄS.GI.NA DAM.KE.DAM VIII
24, 2 (C. T.); 28, 2 (C. T.); 43, 2; 89“ 2-3; 106, 2;
IX 152, 2 (C. T.); 201, 2; Gr. 51 obv. 2; 58 obv. 3;
MÄS.GI.NA ü-za-ap VIII 93, 2; IX 46, 2; MÄ8 a Sama§
DAH.HE.DAM VIII 98, 2; 134, 2 (C. T.); IX 21, 2;
137, 2; 181, 2; MÄS.NU.l'UG = siptuvi ul isu VIII
132, 2; 133, 3; 136, 2. 11. 16; 137, 1. 10. 17; IX 1 2;
4, 2: 51, 2 (C. T.); Gr. 53 obv. 2.
“ir isirtu Gebilde, Grundriß, is-ra-at Sa il Uras G. 13 obv. 8.
ilttP isü haben, sein. iSÜ e-li zu jemands Lasten eine Forderung
haben, i-sii-ü VII 14, 4; 42, 2; 98, 6; 104, 5; 138, 6;
G. 50 obv. 5; P. 91, 5; i-SÜ VII 18, 4; G. 33 obv. Rand 2;
49 obv. Rand 2; 61 obv. 5. b) gegen jemand etwas an-
haben i-sii-ü VIII 55, 10; G. 14 obv. 10. idg. NU.ME.A
= ul isu VII 106, 2; NU.TUG v. epp.
3
(kälu) kullu II 1 tragen, erheben, kakkadavi kullu das
Haupt jemandes erheben, Bürgschaft leisten, ü-lcal (?) G. 45
rev. 5; ü-ka-al G. 51 rev. 2—3.
p2 kunnu II 1 nachweisen. ü-ki-in-nu-ü G. 17 rev. 4; kenurn
idg. GI.NA normal, vide B|jp.
'D kima gleichwie, entsprechend (präp.). ki-ma VII 7, 24; VII
17, 11; 22, 15; 47, 16; 60, 11; 76, 10; 149, 11; 152, 3;
IX 7, 6; 8, 5; 144, 6; kima imittisu ü sumelisu vide |ö\
86
II. Abhandlung: Schorr.
Mma kär Tuplias nach dem Tarif an der Mauer von T. VIII
81, 6; 82, 5; ana Mma alim ki nach dem stadtüblichen
Pachtschilling IX 62, 9; eklam Mma eklim G. 17 rev. 6;
21 rev. 1.
kiäm also, ki-a-am VII 10, 15; 16, 10; 119, 4; P. 30, 18;
49, 14; 53, 9. 18. 23; 54, 19; ki-am P. 54, 24; ki-a-an P.
52, 2. 8. 11; 53, 2; 54, 2.
D’S kisum Beutel, Betriebsvermögen, ki-su-um IX 221, 14;
ki-si-im VIII 71, 18. 23; ki-sa-am VIII 71, 12, 14.
“bs kalü Gesamtheit, a-hi-sil ka-li-sü-nu G. 6 rev. 4—5.
bbo kallätum Braut, ana ü Aja ka-la-tim VIII 55, 12.
HÜD Mmtum Familie. ki-in-ta-Sil P. 62, 4.
kimrum eine Dattelart. ki-im-ru VII 35, 2; ki-im-ra VII
35, 10.
XDD kussüm Stuhl, idg. GlS GU.ZA IX 144, 9 u. ö.
kisalütum Hofreinigung, ana ki-sa-lu- -tim VIII 55, 13.
*1SD kapäru mit Erdpech bestreichen, ik-ka-ab-bi-ir (IV 1 ) VII
204, 40.
kuprum Erdpech, Asphalt, idg. ID UD.DU.A VII 204, 39.
kisrum Mietzins, Lohn, ana ki-is-ri VIII 46, 4; IX 5, 5
(C. T.); 40, 1. 11; 63, 5; 64, 6. 9. 11; 140, 5. 6; 209, 9;
210, 6. 8; 220, 5. 7; P. 74, 5. 7; ki-is-ri-äu VIII 46, 6;
59, 10(1); IX 7, 12; 140, 8; 209, 7; 210, 11; 220, 10; ki-
zi-ir IX 139, 6; ki-zi-ir-sü IX 139, 8; idg. KA.SAR IX
160, 8 (C. T.); KA.SAIISÜ IX 160, 10 (C. T.); NAM.
KA.SAR.SÜ G. 28 obv. 6.
2“Ü lcirbdnum Darbringung (?). ina ki-ir-ba-ni-e P. 9, 11.
■H-Ü karüm Kornspeicher, ana ka-ri-e P. 52, 10; ka-ri-im P.
53, 22; ka-ri P. 52, 13; 54, 23.
kirüm Garten, idg. GIS SAR passim.
kurmatum Unterhalt, Kostrente, idg. SUK IX 69, 2; eJcil SUK-
su VII 51, 7. 10; SüK-zu VII 84, 6; 87, 7; SüK-ma-zu
VII 144, 7; SUK E *Sin IX 18, 4.
karpatum Topf. idg. ÜUK. DUK NI.DUB Speichertopf VIII
90,2; IX 144,9; kar i ,ai bi-hu (v. pilium) VII 109,1.
Vt’“ lcasadu a) erreichen, mala kdzu i-ka-sa-du IX 26, 8
(C. T.); b) kommen zu jmd. ik-su-da-am-ma mit Akk.
VIII 8, 6; ik-H-du-ü-ma VIII 105, 10.
kisädum Ufer. idg. TIK ndrim (?) G. 2 obv. 2.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
87
fltia hu&hl II 1 Geschäfte treiben(?) VIII 71, 9.
ITUD kiSsdti Festnahme, Zwangsdienst. ki-i$-§d(?)-at VIII
26, 15; ana ki-is-sa-d-tim ? VII 149, 13.
b
üb ld nicht, la VII 7, 12; 194, 4; 204, 31; VIII 52, 29; 53, 28;
72, 8; G. 2 rev. 6 u. ö.; la-a VII 10, 17; VIII 11, 14.
Hl^b ledu a) können, imstande sein, i-li-ma VII 10, 9; 11, 7;
b) (transitiv) besiegen. i-li-u-Sü-nu-ti (ina dinim) G. 30
obv. 13; c) kdtdti le’u jemandes Hände stärken, d. h. für
jmd. bürgen, il-li-e-ma VIII 26, 17.
libbum Herz, li-ib-bi-sti (!) tdb ah IX 196,7; li-ib-ba-su tdb
VIII 27, 10; 46, 7; li-ib-ba-Sa tdb VIII 101, 5; li-bi-sä
IX 199, 6; li-bci-iu-nu VIII 127, 30; G. 21 obv. 8.
li-ib-ba-Su-nu VII 37, 11; ina li-ib-bi von VII 20, 9; libbu
mitten in. li-bu VII 34, 4. idg. BAG passim.
pb labdnu (libndte) Lehmziegel streichen, i-la-bi-in IX 55, 6.
libittum Lehmziegel, idg. §EG. IM &EG.GAB G. 12 obv. 3.
-ab labirum alt, früher, ezub pt duppiSu la-bi-ri-im VIII
48, 13; libba la-bi-ri-im IX 225, 2; eklum la-bi-ru G. 48
obv. 3.
üab lubuStum Kleidung, idg. SlICBA VIII 10, 7; 11, 6; P.
70, 21.
ib ld a) gewiß, lu VIII 71, 17. 22; b) Wunschpartikel lu-u
VII 10, 11; 11, 9; P. 30, 22.
lipum, ilipum Zweig. li-ib-ba(\)-am VII 27, 5; ina i-li-
[bi]-im VII 27, 8.
nab lummudu II 1 in Kenntnis setzen, dcijdne u-lam-mi-id-ma
P. 49, 8.
nab limitum Umfriedung, ugar li-mi-tum VII 125, 3.
i12b lapdtu anrühren, die Ehre antasten, laputtd ma-ma-an la
i-la-pa-tu-us IX 192, 5—7. 12—14 (C. T.).
lipittum Tätigkeit, Zeremonie, ana li-bi-it kdti VII 84, 3; li-
bi-it-ti ? VII 156, 24.
s«pb likü nehmen, borgen. Prät: il-ki VIII 8, 13; G. 2 rev. 3;
P. 52, 14; 54, 20; il-ki-e-ma P. 53, 19; il-ki-a-am VIII
71, 13; il-ku-il VII 44, 5; 78, 7; 81, 7; 89, 9; 93, 8
(C. T.); 96, 8; 141, 11; 156, 7. 9; VIII 71, 8; IX 4, 11;
P. 49, 5; il-gu-d G. 32, obv. 4; Präs.: i-li-ki VII 34, 16;
88
II. Abhandlung: Schon-.
VIII 62, 12; i-li-ki-e VIII 61, 3; i-li-ik-ki VII 144, 10;
Permansiv: li-ku (act.) VIII 27, 10; la-ki-at (act.) VII
10, 17; li-ku-ü (act.) G. 21 obv. 8; IV 1 : il-la-ki-a-am VII
117, 6; idg. SU.BA.AN.TI — ilteki passim; SU.BA.AN.
TF** = ilteki-su VIII 73, 6.
millcitum a) in Empfang genommenes Gut. me-el-ki-it VII
156, 27; idg. SU.T1.A VII 54, 6; 117, 4. 9; 142, 4; VIII
80, 5; 103, 5; 115, 2; IX 37, 1; 44, 3; 184, 8. 10. 11;
222, 1; G. 62 obv. 2; P. 75, 2; b) Darlehen IX 8, 7.
E
märum Kind, Sohn. Sing.: ma-ru-ki VII 10, 11; 11, 9;
ma-ru-ni VIII 127, 24; ma-ri-su-nu VIII 33, 9; 127, 24;
ma-ra-su-nu VII 37, 3; PL: ma-ru VIII 4, 17; 5, 12;
ma-ri VIII 73, 17; 127,9; mci-ri-e VIII 73, 7; ma-ri-sü
VIII 66, 5; 67, 3; 73, 17; ma-ri-sa VIII 5, 13; idg. DUMU
passim.
märtum Tochter. ma-ar-ti-Sü VII 5, 16; ma-[ar]-ti-sü VIII
60, 9 ; ma-ra-az-zu VII 6, 3; idg. DUMU.SAL passim.
märütum Kindschaft, ana ma-ru-ti-Su feU. BA.A N.TI ki ~~ su VIII
73,5—6; ana ma-ru-ti-im ilkü-su VIII 127, 8. idg. NAM.
DUMU.NI G. 41 rev. 8.
“I3E magäru sich ausgleichen, Übereinkommen. I 2 : im-ta-ag-
ru-ma VII 7, 16; VIII 11, 6; [i-t]a-am-ga-ru G. 2 obv.
Rand 2; III 1 zum Ausgleich veranlassen. ü-üd-am-gi-
ru-ma VII 16, 29.
mitgurtum Freiwilligkeit, ina mi-it-gur-tim-ma P. 49, 34.
magirtum Bereitwilligkeit, ma-gi-ir-tam P. 58, 4.
“HE madädu abmessen (Getreide etc.), i-ma-da-du VII 141, 15.
PtE muhhu Scheitel, präp. ina mu-uh-hi-su auf ihm VII 67, 23.
die mätu sterben, i-mu-tu VII 16,4; i-mu-tu-ü-ma VIII 71,11;
i-ma-at (präs.) VIII 123, 11.
trü namzakum Schlüssel, nam-za-kum VIII 103, 2.
pfiE mahäsu pflügen, (eklam) i-ma-ha-as G. 27, obv. Rand 3.
mihsum ? (oder mihi?sum -j/pan?). mi-hi-is harbisünu VIII 74, 4.
“HE mahäru a) empfangen, übernehmen, im-hu-ru IX 98, 12-,
P. 120, 6 ; im-[hu-r]u-ma VIII 77, 18; im-hu-ra-an-ni P.
53, 7; 54, 8; Perm.: ma-hi-ir (act.) VII 25, 14; 47, 11;
59, 16; 64, 18; 68, 25; 69, 18; 88, 20; 90, 22; 92, 15;
Altbabylonische Rechtsurlcunden. III.
89
99, 22; IX 55, 8; 56, 8; 160, 11; 161, 12; 210, 13; mah-
ra-at VII 11, 16; 14, 5; 37, 18; ma-ah-ra-at VIII 101, 4;
IX 196, 5; ma-ah-ru VII 37, 10; 102, 17; VIII 127, 29;
im-ma-ah-rum (IV 1 ) VII 170, 2. 8; b) zu jmd. gelangen,
kommen (mit Akk.) im-hu-ur-ma VII 37, 15; G. 13 obv. 6;
im-hu-ru-ma IX 143, 6.
mahar vor, in Anwesenheit, ma-ha-ar VII 7, 17; ma-hcir VII
56, 6; 117, 5; 123, 16; 124, 12; 149, 7; P. 62, 5;“91, 20;
ina ma-har P. 30, 14; ma-ah-ri-ia VII 124, 16; ina ma-
ah-ri-sü-nu VIII 9, 7; 123, 5; 124, 6; sd mah (l)-ri-Sü-nu-u
Gr. 17, obv. 7; 41 rev. 4; ma-ah-ri-H-na VIII 77, 13.
mihrit gegenüber, me-ih-ri-it Sippar u P. 136, 3.
mahriim früher, mah-ri-a-am P. 49, 8. 13; mah-ri-i-im P. 49, 15.
namhartum übernommenes Gut. nam-ha-ar-ti VII 43, 11; 70, 8;
73, 8; 74, 3; 79,12(!).; 84,10; 85, 7; 86, 6; IX 61, 6; G. 57
obv. Rand 1; 63 obv. 2; nam-har-ti VII 71, 4; 80, 4; 90, 7.
mithariS in gleicher Weise, gleichmäßig, mi-it-ha-ri-is VII
95, 27; 99, 19; VIII 45, 3; 57, 18; IX 131, 9; P. 30, 25.
mahirum Kaufpreis, Geschäftskurs, ma-hi-ru ibasSi nach dem
laufenden Kurse VII 141, 14; ma-hi-ra-at illalcü (d°) VIII
36, 9; 47, 10; IX 189, 9; idg. KI.LAM VII 105, 8; 119, 9;
122, 7; 143, 7; G. 49 rev. 2; LAM.KF« GUB.A.GIM =
kima maMräti illakü VIII 87, 8—9; LAM n .KI 88, 8—-9;
KI.LAM AL.GTJB.A G. 55 rev. 1; 64 rev. 1.
HtOÖ raatü klein, gering sein, li-im-ti litir (v. im) VIII 58, 16;
litir li-im-ti G. 6 rev. 1; 36 obv. 6.
TS2 maiarum gepflügt (?). ma-ia-rum VII 24, 1. 2; elclum
ma-ia-ri G. 27 obv. Rand 2; init ma-ia (?')-ri G. 49 obv. 2.
nntt makutum Schleuse (? Ungnad). ina ma-ka-ti G. 5 obv. 1.
D3S2 makäsu abheben (bei Erbteilung), i-ma-ku-us(s) G. 39 rev.
Rand 1.
miksum Abgabe (?). mi-ki-iz-zu P. 9, 8.
“Oft namlcarum Graben, nam-ka-rum (?) IX 19, 2.
K^ü mullü II 1 vollenden, sattam l kam -su ü-ma-al-la-ma IX
209, 12.
mala soviel als (adv.), ma-la VII 16, 22; 21, 1; 25, 1; 26, 2;
75, 1; 95, 14. 26; 140, 1; 149, 6; VIII 8, 10; 12, 8. 12;
15, 9; 52, 11; 53, 10; 62, 1; 71, 26; IX 26, 7 (C. T.);
G. 27 obv. 4; mala libbüa Herzenswunsch IX 199, 6.
90
II. Abhandlung: Schorr.
nbü malahum Schiffer, idg. MÄ.GUB.GUB VIII 11, 8; IX
130, 2 (C. T.).
bbü malalüm ? ma-la-lu-u IX 221, 6.
jÜ mamman irgend jemand, ma-am-ma-an VII 67, 18; VIII
69, 7; 70, 9; IX 7, 19; 8, 20; ma-ma-an VIII 55, 9; IX
192, 6. 13 (C. T.); Gr. 33 obv. Rand 1.
mimma irgend etwas, mi-im-ma VII 119, 5; VIII 55, 9; IX
9, 10; 111, 10; Gr. 11 obv. 10; m. sumsu VIII 72, 5;
mimma bist IX 130, 4 (C. T.); mi-[ma] VIII 66, 1.
PI3Ö manu zählen. ü-sa-am-nu-Si VII 119, 22.
masü erreichen, mala libbiSa ul i-ma-zi-ma IX 199, 7.
“HKS misrum Grenze, ugar mi-is-rum VII 29, 1; 31,2; 32,3;
59, 2; 61, 2; 139, 3; 115, 3.
masü vergessen, am-si VIII 52, 26; 53, 22.
namSahum Meßgerät. na-am-Sa-hu VII 111, 1. 2. 5. 7.
btra mislanum Hälfte, mi-is-la-ni G. 27 rev. 6; mi-is-la-ni-su
VIH 62, 11.
maslum Hälfte, siptu-su ma-[a]s-lum IX 29, 2, seine Zinsen
betragen die Hälfte (des Kapitals).
mesekum geaichtes Maß. ina GIB.BAR il Warnas . . . ina mi-se-
ki-im VIII 80, 7; me-se-ki-im VIII 100, 10; ina me-se-
ki-im IX 117, 9; ina me-Se-kum TX 157, 12; P. 72, 12;
73, 8; 80, 11; ia 'v at me-§e-lcum IX 22, 3.
mutum Ehemann, ana mu-ti-im IX 192, 3 (C. T.).
mutütum Gemahlschaft, ana assütim ü mu-tu-ti(J)-im VIII 1, 7.
mätum Land, ma-at VII 53, 2. idg. MA.DA.A VII 67, 13. 14
Krongut? (Ungnad).
muttatum Frontseite, mu-ut-ta-at eklim VIII 71, 7.
3
nebahum Abfindung, ne-ba-ha-am VII 38, 17 (C. T.); ni-ba-
ah-su G. 2 rev. 1; ne-ba-ah-sii-nu G. 21 obv. 7.
““l] nidütum Brachland, idg. KI.KAL VII 68, 2. 12. 22; 90, 2. 17;
95, 2 u. ö. nadütum Brachland, na-da-ti-hi-nu VII 67, 16.
nadü a) hinterlegen (?). na-d.u ü IX 15,6; b) nadü bitam ein
Haus aufschlagen. na-di-a P. 136, 4.
H3 nadänu geben, id-di-in VII 5, 17; id-di-im-ma VII 10,5;
11, 4; i-di-in VII 191, 3; VIH 5, 9; 55, 14; G. 25 rev. 5;
P. 51, 21; i-di-ma VIH 33, 19; P. 52, 9; i-di-nam P.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
91
53, 5. 6. 11; 54, 6. 12; id-cli-nu YII 7, 19; 16, 30; 37, 6;
48, 9; 156, 15; VIII 33, 9; 77, 22; P. 49, 6; i-di-nu VIII
31, 9 (C. T.); IX 199, 6; P. 54, 17; id-di-nu-Sum P. 49, 12;
id-di-nu-Su VII 7, 13; 156, 10; id-di-nu-si-im VIII 69, 6;
id-di-nu-[Si]-im P. 85, 19; i-di-is (= idin-su) IX 192, 4
(C. T.); a-di-in P. 54, 13; a-ad-di-in P. 53, 12; i-na-di-in
VIII 31, 4. 8; IX 40, 22; 199, 9; 0. 17 rev. 7; 50 rev. 2;
i-na-ad-di-in VII 7, 25; 23, 8; 34, 19; 49, 12; 63, 21;
138, 14; i-na-di-nu G. 50 rev. 1; i-na-ad-di-nu VII 38, 16;
IX 7, 16; 8, 15; i-na-ad-di-nu-ü G. 21 rev. 3; i-na-ad-di-
si-irn VII 27, 15; i-na-di-iS-su VIII 73, 14; i-na-di-nu-
Si-im P. 70, 22 ; i-na-di-nu-su VIII 127, 21; i-na-an-di-
nu-Sum P. 50, 9; na-di-in IX 17, 6 (!); 66, 5 (act.);
132,4; na-da-nam VII 10, 8; 11, 7; it-ta-ad-nu (I 2 ) VII
156, 33; it-ta-ad-nu (IV 2 ) VII 156, 26; in-na-ad-nu VII
156, 29; VIII 37, 5; idg. IN.NA.ÄN.SUM = iddin G. 14
obv. 5; P. 70, 12.
113 nazäzu a) hintreten (vor Gericht), iz-zi-iz-ma VII 149, 15;
P. 58, 2; 62, 5; iz-zi-za ma P. 58, 3; li-iz-zi-zu VII 56, 13;
b) einstchen, aufkommen für etwas, i-za-az VII 2, 16;
G. 4 obv. 18; 6 rev. 6; 9 rev. 2; 12 rev. 4; i-za-az-zu P.
9,12; iz-za-az VII 46,12; G. 11 rev. 2; 16 rev. 9; 20 rev. 6;
23 rev. 3; iz-za-a-az VII 50, 15; iz-za-az-zu VII 8, 29;
iz-za-a-az-zu VII 53, 18; i-zi-a-az? VIII 114, 11 ; i-za-az ?
VIII 113,12; idg. MU.GUB in Gegenwart (von N. N.) VII
70, 6; 71, 3; 73, 7; 74, 2; 79, 8; 84, 8; 85, 5; 86, 4;
97, 5; 121, 5; IX 18, 2; 61, 4; 65, 4; P. 127, 3.
HtSJ Suttü III 1 geneigt sein, erlauben, tu-sa-da-a G. 67 obv. 8.
DÜ niltasum Rechnung, ni-ka-za-am VIII 8, 7; idg. SA.tili)
VII 142, 1.
“03 nukkuru II 1 ändern, u-na-ka-ru VIII 12, 28; 13, 11;
20, 13.
nakrurn feindlich, i-na na-ak-ri durch Feinde (?) VIII 11, 3.
numatum Vermögen, nu-ma-tum VII149, 5. 9; nu-ma-at ibid. 12.
“D3 nasdhu. a) herausziehen (das Panier beim Schwur) i.-na-
sa-ah VIII 71, 5; b) nasähu käti a) die Hand (des Gläu
bigers) herausziehen (aus der Hand des Schuldners), d. h.
ihn befreien (bei Bürgschaft), i-zu-uh IX 173, 8; ß) käti
X nashat die Hand des X (des Schuldners) ist heraus-
92
II. Abhandlung: Schorr.
gezogen, d. h. er ist zahlungsunfähig. na-aS(s)-hn-at VII
98,9. c) entnehmen, abholen, i su-uh (?)-M P. 81, 8; na-
si-ih IX 22, 9; sä ni-is-hi-im vom entnommenen IX
195, 3; idg. ZI.GA VII109,1.15; VIII 37, 8; 90, 5; IX
11, 8; 16, 3; 22,13; 36, 3; 92, 16; 200, 19; G. 16 rev. 5.
d) fortziehen, sich entfernen iz-zu-hu P. 136, 2. 9.
rt£3 nipütum Schuldhäftling (vgl. Ungnad in OLZ XII, S. 480).
ni-pati-sü-nu IX 111, 9.
napäsu(?) rückständig sein (Ungnad). na-ap-zu-ü-ma IX 10, 4.
napsum rückständig, assum kisri nci-ap-zu-tim IX 40, 12 (ist
vielleicht das Wort als IV 1 von nos abzuleiten?).
napäsu zerschmettern. i-na-pa-zu-ni-Si VIII 4, 25.
il’23 nuppuSu II 1 erweitern, ausdehnen. kiräm . . . ü-na-pa-ds
VII 21, 11.
(?) (eklum) nasbum ? na-as-lm-um VII 201, 30.
“11£3 nasäru bewachen, lipam . . . i-na-za-ar VII 27, 6.
via(s) sartum Depot, ma-za-ar-tum IX 108, 2.
nasü tragen, tiberbringen, ta-na-su-u P. 19, 15; Perm, na-
su-u VII 11, 7; na-si P. 19, 8; Part, na-si VII 35, 11;
72, 8(!); 138, 12; IX 83, 8; 81, 10; na-as VII 101, 7;
106, 7; 119, 8; 141, 12; IX 183, 11; I 3 erhalten, pflegen.
it-ta-na-si VII 36, 15; it-ta-na-sü-si VIII 109, 18; it-ta-
na-ds-iü-si VIII 55, 7. — nisum Schwur, ni-iä sarrim
P. 30, 19. 25.
Tt?j nasäru abziehen. in-na-as-ru VII 111, 5.
D
"HD sadäru in Ordnung bringen (e.Feld). i-sa-d[a-ru ?] VIL 67,16.
(‘5 kirüm) sa-ad-ru-tum ? VII 31, 3.
pID sükum Gasse, idg. E.SIR G. 36 obv. 5.
ITD (?) sähu liefern (?). i-si-hu-ii-su VII 13, 8; II 1 u-zi-ha-a
VII 38, 21; (Dupl. 39, 12 i-na-ad-di-nu); silitum, isihtum
Lieferung^?), duppi zi-ih-tum IX 196, 1; si-ih-tum IX
197, 1; si-ih-tim IX 197, 9; i-si-ih-ti VII 43, 2.
nbo salahu besprengen (den Gottesthron beim Schwur), i-sa-
la-hu-sum-ma VIII 71, 2.
suluppüin Datteln, idg. KA.LTJM VIII 95, 2; IX 11, 1; 16, 1;
17, 17; P. 88, 3 u. ö.
sissinnum Dattelrispe, zi-zi-na-tim VII 31, 18.
Altbabylonische Rechtsurkunclen. III.
98
I p3D sandku hintreten, li-is-ni-ku IX 107, 10; sunnuku II 1
hintreten Lassen (== aram. pbo vgl. oben S. 65). ü-sa-an-
na-ak-sü-nu-ti P. 49, 32; ü-sa-an-ni-ku P. 49, 34.
II pOD sunnuku II 1 nachprüfen, nachmessen, u-za-na-an-ka VII
16, 15; ü-sa-an-ni-ku-ma G. 13 obv. 10; ina zu-un-nu-
ki-im VII 16,28; II 2 uz-za-na-gu-Sü (?) VII 16, 22.
sissiktum Gewandquaste. zi-zi-ilß-ti VIII 9, 8.
2
ma (?) padü durchbohren (? Ungnad). i-pa-ad (?yda-ma VIII
19, 9; i-pa-du-sa VIII 19, 14 (bei Annahme eines Schreib
fehlers könnte man eher an K,ns ,öffnen' denken).
HS püm Mund. iS tu pi adi Iiuräsim vgl. s. v. istu. ana pi-i
gemäß VII 44, 3; u. ö.
mfi puhhu II 1 tauschen, u-bi-hu-süum VIII 84, 12; idg. KI.BA.
GAB.EA P. 49, 6. 12. pühum Tausch, pu-uh V1LL 84,1. 11
(C. T.). ana bi-hu (?) P. 30, 21.
Hm2 pihätum Verwaltungsbezirk, ina bi-ha-at VII 60, 7.
pihum Krug(?). kar P at bi-hu VII 109,1—15; 170, 5. 7; 184,1.11;
bi-hu-u P. 136, 1. 5. 16.
HH2 puhhuru II 1 versammeln, u-pa-lii-ir-ma VII 16, 18; up-
ta-hi-ru (II 2 ) VII 62, 2.
puhrum Gerichtsversammlung, ina pu-hur Bil-bat kl VII 149, 1.
HH2 pilmtum Schaden, Beschädigung, bi-lia-at Mt N. N. ittanaSi
VII 36, 13.
HI22 patäru lösen, a-di pa-da-ar e-ri-Si bis zum ,Lösen des
Begehrens', d. h. gegen jederzeitige Lösung des Vertrages.
.lP2 palgum Kanal, sa pa-la-ag il Uras (Feld) am Uras-Kanal
VII 27, 2; idg. PAP.E. VII 69, 2; 90, 3; 95, 3; 99, 2;
101, 2 (C. T.); G. 5 obv. 2; 19 obv. 1. 4; 23 obv. 1. 4.
HP2 paldhu fürchten, dinavi ip-la-ah-ma G. 2 obv. Band 1.
H;2 pänum Front, Vorderseite, ina pa-ni VIII 3, 1.
pcinüm f. pänitum früher, ersterer. pi duppiSu pa-ni-im VIII
39, 3 (C. T.); pa-ni-i G. 13 obv. 13; buSü pa-ni-tum
IX 216, 5; ana hubulisu pa-nu-tim-ma (pl. m.) VIII
71, 27.
Hp2 pakädu a) liefern, besorgen. i-pa-[ki-id] IX 23, 12; i-pa-
ki-du-us (?) IX 157, 15; i-pa-ki-zi(!) IX 158, 13; i-pa-ki-
iz-zi IX 159, 13; i-pa-ki-Si (?) VIII 19 link. Rand 1 (ver-
94
II. Abhandlung’: Schon*.
sorgen); i-pa-ki-is-si (?) P. 72, 15; b) anvertrauen ip-ki-du
vm 123, 10; pa-ak-du YII 35, 8; 108, 5; 113, 24; c) beauf
tragen (?) pa-ki-id-ma IX 39, 4.
“Ipa reklamieren, klagen, ip-lcu-ur YII 7, 7; IX 167, 9; ip-ku-
ur-su Gr. 2 obv. 9; 13 obv. 4; ip-ku-ru-sü-nu-ti G. 30
obv. 7; i-ba-ka-ar VTTT 20, 10; i-ba-ga-ar Ylll 19, 13;
G. 17 rev. 5(1); i-ba-ga-ru G. 2 rev. 6; 21 rev. 1; i-ba-alc-
ka-ru VII 204, 33; i-ba-ag-ga-ru G. 13 rev. 1; la-a-ba-ga-
m-u (== Id ipakaru) G. 6 rev. 3; i-ba-kar-ma VII 7, 23;
152, 2; i-ba-ga-ar-si VIII 70, 10; ba-ak-ru-Su (perm. act.)
VII 56, 4; ba-gir (part.) VH 204, 33.
paJcrum Reklamation. Sä la ba-ak-ri-im VII 204, 31; ana ba-
ak-ri bitivi VII 8, 25; G. 4 obv. 17; 6 rev. 4; 11 rev. 1;
12 rev. 3; 15 rev. 7; 16 rev. 8; 20 rev. 4; ana ba-alc-ri
eklim VII 1, 15; 9, 27 (?); G. 9 obv. Rand 2; 23 rev. 2;
ana ba-ak-ri-su (seil, eklim) VII 2, 16; ana ba-alc-ri-sa
(seil, amtim) VII 50, 14; 53, 16.
päkiränum Reklamant, ba-ki-ra-an VII 46, 10; ba-gi-ra-nam
P. 83, 13; aran ba-ki-ra-[ni-im] VII 152, 4.
naparkü IV 1 aufhören (bei der Arbeit), ip-pa-ra-ak-ku-
tl-ma Vlll 46, 10.
pa parsum Tempeleinkünfte (?) (Ungnad). Sa pa-ar-zi P.
53, 26; par-si(?) P. 54, 26; pa-ar-za P. 53, 8; 54, 9.
Ttfa pasäru lösen, ana pa-Sa-ri VIII 110, 7.
Spa (eklam) pitü, puttu (II 1 ) ein Feld urbar machen, i-bi-tu-ü
VII 103, 17; u-pa-at-tu ü VII 68, 22; 95, 23.
teptitum Urbarmachung, ana te-ip-ii-tim VII 63, 12; 64,8; 90,10;
95, 13; 145, 9; idg. NÄM GÄL.TAK.TAK.A VII 21, 7.
patüm urbar, eklam pa-ti-a-am VII 88, 17; pa-at-a VII 63, 20.
pü senum Schaf, Kleinvieh. LU si-nu P. 79, 8; LU si-na ibid. 7;
idg. V.LU.NITAH SUN IX 59, 6; V.LU SUN P. 85,11.
“1K 2 !£ ?er (präp.) über, außer, as-si-ir = ana sir VII 10, 16;
11, 15.
i"02£ sabätu a) fassen, ina varhim l kam üme 3 kam kätam i-za-
ba-at VII 47, 13; 61, 11 ■, i-za-bat VII 83, 12 (Sinn im
klar); b) in Besitz nehmen, is-ba-at IX 8, 8; is-ba-tu G.
47 obv. 10; za-ab-ta-at (besitzen) IX 144, 20; 145, 17;
Altbabylonische Rechtsuikunden. III.
95
iz-za-ab-tu (IV 1 ) VII 110, 5; c) packen, vor Gericht laden.
is-ba-at \ III 26, 12; is-ba-tu-ü-Sü P. 62, 3; d) pfänden (?).
is-ba-at VII 33, 5.
sihrum f. fünrtum junger Mensch, Sklave, si-ih-ra-am ii
[sij-hi-ir-tam VII 156, 23.
ijuharum a) kleines Kind, zu-ha-ra-am VII 10, 10; 11, 8;
b) Sklave (?). zu-ha-ri-lu G. 67 obv. 6.
□Ss» salmum Bildnis, idg. AL AM IX 41, 2.
(simittum) pl. simdäte Joch, Vorschrift, Gesetz, kima si-
im-da-at Sarrim VII 50, 14; 60, 11; 76, 10; 87, 9; VIII
111, 10; P. 115, 10; zi-im-da-at VII 7, 4; IX 3, 10; 31, 14;
G. 59 rev. 3; 60 rev. 3.
sirüm ? si-ru-ü IX 221, 9.
sardpu läutern, d. h. Silber auf den Feingehalt prüfen
(Müller). [is]-ru-pu-ma VIII 77, 20.
(kaspum) sarpum geläutert, za-ar-pu IX 83, 1; zar (?)-ba-[am]
IX 60, 11.
“)“!> sarrurn falsch (von Urkunden), za-ar IX 197, 11.
82p kibü sprechen, sagen, erklären, ik-bi VII 16, 10; P.
49, 14. 19. 32; 53, 2. 9. 18; 54. 2. 24; ik-bi-i-ma VII
10, 14; 11, 12; ik-bu-ü VII 16, 23; 149, 4. 11; P. 30, 18;
ik-bi-Sü VII 16, 15; ik-bu-Si VII 10, 15; ik-bu-ü-su-nü-si
P. 49, 29; i-ga-ab-bi VIII 52, 26; i-lca-bi-ma VIII 73, 12.18;
i-ga-bi-i-ma VIII 127, 19; i-ga-bu-u-ma VIII 127, 25; ki-
be-ma (imp.) G. 67 obv. 2; ga-ba-a-am P. 49, 29; ana kabi
im Aufträge, ga-bi-e VII 92, 4 (C. T.); 100, 10; 119, 4;
130, 9; 137, 5; 138, 3; 143, 3; ga-bi VII 141, 5.
^2p (?) kablitum ? ga-ab-li-tu Sa sipäte IX 221, 5.
"lp kakkadum Scheitel, Haupt, ga-ga-zu VIII 114, 2; G. 45
rev. 4; 51 rev. 2. Vgl. auch toi,
!2Hp kadistum Hierodule. idg. NU.GIG VII 10, 13; 37, 16.
5-pp ikipum Überweisung (einer Schuld), i-ki-pa-am izibam-ma
IX 182, 7.
Wp kdsu schenken. i-ki-i-iS VIII 15,4; i-ki-iz-zu-nu-Si-im VII
67, 10; idg. IN.NA.AN.BA (= ikis) VII 204, 29.
K s Öp kemum Mehl. idg. KU.DA IX 23, 11; 53, 1. 9 (C. T.);
157, 15; 158, 12 (C. T.); 159, 1; P. 72, 14; P. 81, 5.
96
II. Abhandlung: Schorr.
pjp kanikum gesiegelte Urkunde, Schuldschein, ka-ni-ku VII
71, 1; ka-ni-ki VII 44, 3; ka-ni-ik VII 74, 1; SO, 1; P.
91, 1; ka-ni-ki-su VII 35,11; 72, 8; 104, 7; 119, 8; 138, 12.
kunükum a) Urkunde, Schuldschein, ina ku-nu-ki-im VIII 72, 7;
ku-nu-ki-sü VIII 6, 16; 7, 13; Gr. 6 obv. Rand 2; ku-nu-
ka-ti-Sü-nu VII 156, 12; b) Siegel, ina bit ku-nu-ki im
Siegelhehälter. IX 221, 20—21; idg. KISIB passim. IB.RA
— iknuk Gl. 6 rev. Rand 1.
pj£p kissatum Abgeschnittenes, Abgabe (?). ki-iz-za-at eklim P.
124, 12.
kakkarum Boden, ga-ga-ar G. 12 obv. 2.
lcarü berufen, mieten (?). istu ilusa [ ik]-te-ru-si-na-ti IX
145, 18; ik(?)-ri-e Gr. 6 obv. 8.
2“lp kirbitum Flur, ki-ir-bi-it VIII 52, 1.
kirkisüm Kiste, ina ki-ir-ki-zum VIII 71, 13.
katum Hand, Besitz, ga-ti VII 84, 3; 92, 12; 98, 7; 138, 7;
vm 77, 15; 116, 9; IX 173, 6; P. 9, 6; IX 134, 3;
221, 13; ga-tam VII 47, 13; 83, 12 (vgl. nsa); ina ga-ti-ni
P. 30, 24; ina ga-ti-sü-ma VII 68, 23; ina ga-ti-üu-nu-ma
VH 95, 24; ga-ta-at VHP 26, 14 (v. ns‘,8); ga-at-zu IX
26, 7 (C. T.).
“1
3N 3 “I rebitum Hauptplatz, Straße, ri-bi-tum (?) G. 28 obv. 2;
83, 2; idg. SIL DAM AL.(LA) IX 10, 5; 165, 4; G. 4
obv. 2; 11 obv. 4; 15 obv. 7; 25 obv. 5; 29 obv. 3; 31
obv. 4; P. 70, 5; E.SIR.SIL DAMAL G. 12 obv. 7.
nXj“l reu weiden, ana ri-i-im IX 59, 7 (C. T.); re um Hirt
idg. SIB IX 36, 1.
DXj“! rcCmu lieben, ana märi-sa Sa i-ra-am-mu VII 49, 10—11.
ITKj“ reSurn a) Haupt, ri-es IX 199, 9 (vgl. b~i); b) Anfang.
res varhim. ri-es VIII 46, 8; ri-is VHI 47, 7; c) Angabe
(bei Mietzins) ri-is IX 140, 8; 210, 11; idg. SAK IX
64, 11; 71, 12.
ristum a) Anfang, Beginn, ina ri-iS-ti-Sü VIII 59, 2; b) An
gabe. ri-iS-ti IX 139, 8; ri-es-ti P. 74,10.
nm rabüm groß, erstgeboren. ahuSunu ra-bu-um VHI 127, 12;
Hirn ra-bi-i[im] VII 67, 20; idg. GAL H MAR.TU IX
142, 6 (C. T.) Amtstitel.
Altbabylonische Rechtsurkunden III.
97
rabiänum Stadtpräfekt, va-bi-a-nu VII 149, 19.
ribitum pl. ribdte Zinsen (ygl. hebr. n'2l). ri-ba-tam IX 7, 21;
ri-ba-az-za IX 8, 17.
rabisütum Aufsicht (?). ana ra-bi-zu-tim VII 149, 24.
DJ“) ragdmu Klage erheben, verklagen, ir-gu-um VII 16, 9;
VIII 11, 4; P. 49, 13; ir-gu-ma (?) VH1 20, 2; ir-gu-
ub(l)-ma VIII 101, 3; ir-gu-mu-ma VIII 105, 8; i-ra-
ga-am VIII 11, 10; i-ra-ga-mu VIII 17, 10; 18, 11; e-ra-
ag-ga-mu YI1 5, 21; 6,25; i-ra-ag-ga-mu-Si-im VIII15, 6;
duppi lä ra-ga-mi-im ATII 71, 35; id. INIM.MAL.MAL
passim.
rugummüm Klageanspruch, ru-gu-ma-ni sa N. N. IX 40, 17
(v. “er,); ru-gu ma-ni-Sd mahrat VIII 101,4.
kakku(ku) r igi m t U m irgendeine Kriegswaffe. KU ri-gi-im-tum VII
47, 10 (vgl. Muß-Arnolt: Wörterbuch Sp. 954 s. v.).
<1TI ridü a) (intr.) folgen (als Erbe), e-ri-id-di G. 41 rev. 12;
e-ri-du-u G. 33 obv. 11; b) bringen, holen, ir-du-u-ma G.
13 obv. 9; ir-di-a-am-ma; c.) II 1 hinzufügen, u-ri-di VII
10, 20 (C. T.).
i"im (?) tirhätum Kaufpreis (bei Brautwerbung), te-ir-ha-za VIII
4, 11; 5, 8; 92, 8; IX 192, 9 (C. T.).
D’“l (?) ribbatuvi Ersatz? ri-ib-ba-tum VIII 116, 7.
rihtum Rest. idg. TUM.TAT P. 53, 13; 54, 14.
p 1 “) reJcu leer sein, entbehren, ugarum me-e ri-ga-at wasser
loses Gefilde P. 124, 2. III 1 leer lassen, ausfallen lassen.
initam us-ra-ak-ma VII 87, 8; wenn er eine Rate aus
fallen läßt.
DD“1 rulckubu II 1 pfropfen, ['^kird jm u-ra-lca-ab-rna VII 34, 11.
rulcbum Scheune. bu ru-uk-bu-um G. 52 obv. 1; ru-uk-bu G. 52
obv. 3; ru-uk-ba-am IX 209, 1.6; w ru-uk-ba-am IX 210, 2.
DD“) riksuvi Vertrag, ri-ik-si-im P. 53, 13; ri-ilc-si P. 54, 14.
|D“1 ramdnum Selbstheit. itti ra-ma-ni-Su a) von ihm selbst
vn 61, 3; 87, 2; IX 59, 2 (C. T.); b) aus Eigenem, auf-
eigenes Konto VII 151, 1; G. 57 obv. 4. ina sa ra-ma-ni-
sü-ma aus Eigenem VIII 71, 21.
nun rasü a) besitzen, haben, ü märt li-ir-si-i-ma VIII 73, 8;
li-ir-Su-ü-ma VHI 127, 10; b) rasü eli gegen jemand eine
Forderung haben, ir-su-ü VII 58, 4; VIII 26, 4; IX 196, 4;
P. 135, 9; ir-Si-ma IX 39, 3; 173, 3; ir-sü-ma IX 39, 12.
Sitzungsbcr. d. phil.-hist. Kl. 1R5. Bd. 2. Abh. 7
98
II. Abhandlung: Schon*.
tr
Kit seurn Getreide. Se-um G. 89 rev. 8; se-irn YIII 116, 8;
G. 39 rev. 5; Se-am VII 78, 8; 95, 25; 96, 9; 99, 18;
IX 4, 10; se-a-am VII 22, 16; VIII 39, 12 (C. T.);
62, 11; 87, 10 (C. T.); IX 27, 11; 49, 10; 50, 9; 68, 10;
173, 3; 185, 9 (C. T.); P. 53, 21. 25; Se-d-an IX 26, 10;
P. 52,'10. 13; 53, 3; 54, 3. 22. 26.
SXjü? Sa’ähc befragen. i-Sd-lu-ma P. 53, 17; 54, 18; i-sd-lu-
Su-ma P. 52, 7.
“IKjiP Sirum (Stück) Fleiscli. idg. IJZIJ IX 23, 12; 157, 15;
158, 13 (C. T.); P. 72, 15.
“1^4 (?)*£> Serturn Strafe, se-ir-tam P. 30, 22.
Sibü fortführen (einen Schuldhäftling). II 2 u-si-ib-bu-ü
(= ustibbü) VIII 26, 11; u-si-bi-H-i-ma VIII 26, 7.
(varali) zibütum siebenter (?) Monat, zi-bu-tim VIII 36, 5.
“nty sadädu eggen(?). i-id-ad-da-ad VII 29, 11; P. 60, 6; i-sa-
ad-da-du-ma VII 59, 11; 63, 15; 64, 12; 68, 14; 69, 13;
75, 14; 88, 12; 90,13; 95,16; 99, 16; P. 110, 12; 124, 10;
ana eldim M-da-di-im G. 6 obv. 6.
saddütum das Eggen (?). varali sa-ad-du-tim VIII 43, 8 (C. T.);
97, 6; 98, 7; IX 181, 9; v. sd-du-tim VIII 39, 10 (C. T.);
42, 7; 79, 9; 106, 9 (C. T.); 136, 16; v. Sd-an-du-tim
VIII 93, 9; 95, 10 (C. T.); 125, 8 (C. T.); 132, 8 (C. T.);
136, 8 (C. T.); IX 4, 8; 30, 7; 48, 9 (C. T.); 51, 9
(C. T.); 136, 9 (C. T.); 206, 9; v. Sd-du-un-tum IX 1, 8;
v. su (l)-du VIII 30, 6.
ülff (?). sü(?)-si 60? su-si za-bi-ta VII 85,4.
sm dieser. M-ü VII 56, 5; sü-ma P. 49, 14; sü-a-ti (gen.)
VII 67, 12; akk. VIII 71, 14; P. 49, 13; sd-a-ti (akk.)
P. 53, 19; sa-ti P. 54, 20; sü-nu-ma VII 149, 4; su-nu-
ti-ma AMI 156, 33; P. 30, 18.
QltT sümurn Zwiebel, idg. SUM.SäR IX 184, 2; G. 46 rev. 3.
TÜT sevirum a) Ringgeld; b) Privatvermögen, ina sevi-ri-Sd
VIII 58, 8; idg. HAR IX 154, 4; 165, 9; c) ahan HAR Mühl
stein IX 221, 4; ^‘HAR.SÜ.GUIX 9, 10; 14l“ 4; 216, 3;
P. 70, 6; HAR.SU.SE IX 216, 3; P. 70, 7.
“ltat# satäru verschreiben, eintragen, sa at-ru VIII 72, 7. 8.
sibum a) Greis, Ältester, si-bu-ut (pl.) Dilbat u VII 7, 8; si-
bu-ut Kis M VII 56, 12; ana si-bu-ut alim VII 131, 11.
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
99
b) Zeuge, Si-bu pl. G. 17 obv. 7; Si-bu-u G. 41 rev. 3;
Si-bi VIII 65, 6; Si-bu-sü-nu VIII 9, 2; Si-ba-tim (pl. fern.)
vm 77, 11; Si-ba-tu-Su P. 58, 3; idg. KI.INIM.MA pl.
P. 49, 18. 24. 31. 33.
Sibütum Zeugnis, si-bu-u-uz-zu-nu P. 49, 28.
I D'tl’ Sdmu kaufen, i-Sa-am VIII 71, 22; P. 53,21; 54,22;
i-[Sd]-am-ma IX 146, 8; G. 2 obv. 7; i-Sd-mu VII 16, 6.
8. 14; Vm 85, 7; G. 10 obv. 9; 13 obv. 2; P. 49, 10;
123, 9 ; i-sd-a-mu vm 105, 5; i-Sa-mu-ü (sing.) G. 6 obv. 4;
i-M-am-su IX 146, 11; a-Sa-mu P. 54, 11; Sa a-mu (perm.)
VII 16, 21; iS-sd-a-mu (IV 1 ) P. 53, 10.
Simum Kaufpreis, ana si-mi-sü IX 146, 8.
Simtum Kaufbesitz, si-ma-at G. 19 obv. 2.
Simtum Farbe? (so Ungnad). Si-im-tum VHI 81, 2 (C. T.).
II l3"w’ Summa gesetzt daß, wenn. Sum-rna VIII 127, 13. 22.
"pitf Sakdku pflügen, (eklam) i-sdka-ak IX 202,8.
pt’ Sakänu a) mdnahtam Sakdnu Kosten legen. i-Sa-ak-ka-nu
VII 95, 15; 99, 14; 125, 15; b) Sl.BI Sakdnu Überschuß
erlegen (bei Kauf). is-ku-un VII 50, 11; 53, 13; 65, 4;
c) ana pühate S. als Tausch (Gegenwert) erlegen, is-liu-nu
P. 49, 6; d) kirdm S. einen Garten instandsetzen. Su-ku-
na-am i-sd-ka-nu-Su (kirdm) VII 27, 9—10; kirdm ana
Sd-ki-nu-tim VII 34, 9; eklam ana BI(?).KAS(?).KA.SAR
sd-ka-nim IX 26, 6 (C. T.); e) deponieren. iS-Jcu-nu VII
84, 7. Sa-ak-nu (perm.) IX 7, 5; iS-Sa-ak-nu (IV 1 ) VII
41, 5; IX 8, 4; f) intr. ruhen, in Sicherheit sein. baSäzunu
Sd-ak-na[atJ VII 67, 17; li-is-sd-ki-in (IV 1 ) VII 67,23.
g) einsetzen (in ein Amt). is-Sd-ak-nu-Si VII 149, 25.
Sdkinum (v. sub d ) der Gartenpfleger. Sa-lti-nu-um VII 34, 15.
Sukunnüm a) Ertrag (des Gartens, Feldes). Sü-ku-un-ne-e VII
35, 3; idg. GAR.RA VII 41, 3; 165, 3; VIII 52, 5; IX
14, 3; b) Gartenpflege, ana Sü-ku-un-ni-e VII 100, 11.
sakkanakkum Statthalter, idg. GIR.NJTAH Bäbili ki G. 13 obv. 5.
“Cl!> Sikarum Dattelwein. idg. BI VII 144, 8 u. ö.
Saldmu unversehrt sein (von Silber, Getreide), ina Sd-la-
mi-su in unversehrtem Zustande VIII 81, 10. idg. [K]I.
L[Ü].DI.MA.DAM ü LU.GI.NAM = itti Salmi ü ktni
vm 86, 9 — 10; KI LU AL.KI ... ü LÜ GI.NA IX
31, 15—16.
100
II. Abhandlung: Scliorr.
sulpum Anbauung (?) ana pi sü-ul-[bi-§ü] P. 110, 11.
Salsum, f. salustum a) dritter, ina salustim sattim. sd-
lu-us-tim YII 22, 13; 63, 18; 61, 15; 6S, 20; 88, 15;
90, 19; 95, 21; sd-lu-us-ti VII 145, 18. b) ein Drittel.
ana sa-lu-us gegen ein Dritteil VIII 111, 9; IX 302, 6;
G. 39 rev. 6; ana sä-lu-us-tim IX 179, 8; sa-lu-us-ta-am
VII 31, 14; VIII 111, 10; sd-lu-us-tam G. 39 rev. 7; sa-
lu-us-ta-sd VII 27, 14.
Semit a) verhören, si-rne-a (Imp.) P. 49, 19; is-mu-ü-ma
P. 19, 27; b) gehorchen, zustimmen. ü-[ul] i-se-mi-su IX
182, 9; i-se-mi-sü-n IX 183, 10.
sumelum linke Seite, su-mi-li-su VIII 62, 8 (C. T.); P.
77, 9 (v. ,ö').
ptf Samnum Ölfett. idg. NI.GlS IX 15, 2; NI.SAK VIII 90, 3.
Samassammum Sesam, idg. SE.GIS.NI. IX 189, 2. 8; G. 39
rev. 5; 64 obv. 2; obv. Rand 2; P. 88, 2.
I "Pw sattum Jahr, sd-at-tim VII 63, 18; 61, 15; 68, 20;
88, 15; 95, 21; sd-at-ti YII 115, 18; 156, 21. idg. MU
passim. MÜ.PAL nächstes Jahr VII 68, 10. 24; 69, 10. 17;
75, 10; 88, 9. 19 u. ö.
II rOlT samt wiederholen, is (\)-nu-ü-ma VII 156, 33.
sittin zwei Drittel, si-ti-in VII 31, 13.
sinisu zum zweiten Mal. isi-ni-su VII 156, 29.
sanütum zum zweiten Mal. sä-nu-ü-tim P. 30, 21.
sinipu zwei Drittel, mär si-ni-pu 3 / s Jahre alt IX 116, 1 (so
Ungnad. Oder liegt Npr. vor?).
III nJ'w Sanum f. sanitum der andere, ina sa-ni-tim Sattim VII
22, 10; 156, 21 (im Sinne der zweite = Sanütim); asar
Sa-ni IX 199, 8.
nCÜ' Sasü a) herbeirufen, vorladen (Zeugen), si-si-a-ma (Imp. pl.)
P. 19, 19; b) das Gericht anrufen. iz-zu-ü-ma VII 37, 17;
i-Sd-si IX 7, 19; i-sa-as(s)-si IX S, 20.
*12? Saptum Lippe. Sd-ap-ti-sü-nu Simeä P. 19, 19. 25.
Sipätum Wolle, idg. 81K IX 11, 1; 181, 1 u. ö.
~2’w Sapdku aufschiitten (Getreide), is-pu-ku VIII 23, 5; <£(?)-
is-pu-ku (I 3 ?) ATU 22, 5.
naspakum a) Speicher, na-ds-pa-ku se’im G. 28 obv. 1; ina
na-ds-pa-ki VII 156, 19; na-dS-pa-ak VII S9, 8; IX
1, 10; idg. E.NI.DÜB VII 78, 7; 93, 8 (C. T.); 96, 7;
Altbabylonische Rechtsurkunden. III.
101
b) Speichertopf. na-as-pa-ku IX 216, 4. idg. NI.DUB IX
221, 22. 23. Vgl. s. v. karpatum.
Sipkäte Aufschüttung (d. h. Aussaat [?]). ana si-ip-ka-a-at ebürim
vm 48, 2; si-ip-ka-tim IX 185, 2 (C. T.); si-ip-ka-at VIII
39, 1; 40; 2; 47, 2; 87, 2. 7; s. libnäti G. 12 obv. 3.
naspakütum Aufschüttung, Aussaat (?). nci-as-pa-ku-tum IX 4,1;
ana na-as-pa-ku-tim VII 89, 2; idg. ana E.NI.DUB' im
VH 93, 2 (C. T.); 96, 2.
^S® sapiltum Rest, sd-bi-il-ti VII 7, 19; VIII 71, 22; Sd-bi-
il-tam VIII 66, 12; 67, 10.
“IS® sapdru (eklam) ein Feld bestellen, i-si-bi-ir IX 202, 8.
siprum a) Verfertigung, Werk, si-bi-ir VII 83, 5; 144, 3; si-
bi-ir aSlakütim Wäscherarbeit P. 126, 2.
(eklum) siprum bestelltes Feld, si-ip-ru G. 48 obv. 2; si-ip-
ra-am (vgl. css) VTH 62, 9 (C. T.).
säpirum Sekretär (?). sd-pir VII 98, 2.
bpu? sakäliL wägen, zahlen. is-ku-ul VH 5, 5; 44, 10; VIII
4, 14; IX 146, 10(1); G. 13 obv. 15; is-ku-lu VII 5, 9; lu-
us-ku-ul P. 58, 14; as-ta-ga-al VHI 71, 27; i-Sd-ga-lu-sum
P. 50, 11; us-ta-ds-ki-il VIII 26, 23.
sukultum Gewicht, idg. KI.LAL-sü IX 51, 1 (C. T.); 120, 1.
pp® sikkatum ? ina GIS.BAR SB.BA Si-ig-ga-tim IX 22, 7.
surinnum Emblem, idg. SÜ.NIR “Samas VHI 71, 3; &Ü.NIR
Sa il Sin IX 130, 6 (C. T.).
“TV® sarrurp. König, sar-ru-um VII 156, 32; sar-ri-im G. 59
rev. 3; P. 30, 19. 25; Sar-ri VII 56, 19; 60, 11; 76, 10;
87, 9; SS, 8 (vgl. iax 4 , xra).
sasarum Kataster. il Sa-sd-rum sä ü SamaS IX 130, 7 (C. T.).
HD® mastitum Trank, ma-as-ti-iz-zu VII 144, 8; ma-as-ti-i VII
134, 43.
satammum priesterlicher Verwalter, idg. SÄ.TAM VIII 90, 8;
91, 7; G. 57 obv. Rand 2.
SA.&Ü (pihätum ? Vgl. AR II, S. 45, Anm. d ) Departement. VIII
90, 6; 91, 5; IX 14, 9; 16, 4; 17, 10; 22,14; 69, 7; G. 62
obv. 3.
n
Snn tabälu wegtragen, it-ba-al P. 52, 14; 53, 26; 54, 26; i-ta-
ab-ba-al P. 9, 8; ta-ab-li (Imp. f. sing.) VH 10, 10; 11, 8.
102
II. Abli.: Schon - . Altbabylonische Rechtsnrkunden. III.
mn tarn ci) I' zurückkehren, einen Vertrag anfechten, i-ta-ar
VII 7, 23; 152, 2; VIII 8, 17; 11, 7; Gr. 17 rev. 5; i-ta-
ru-ma VIII 20, 7; i-ta-ar-ru-ü-ma VIII 105, 11 ; i-tu-ru-ma
VIII 17, 9; 18, 10; i-tu-ur-ru-ma VH 191, 4; VIII 52, 29;
108, 20; Gr. 13 obv. Rand 2; i-tu-ur-ru-ü-ma VIII 53, 28;
la-a-tu-ru = Id itürü Gf. 6 rev. 2; idg. NU.MU.UN.Gl.Gl.
DAM Gr. 1 rev. 2 — 3; 4 obv. 13; 9 obv. 10; 15 rev. 4.
b) II 1 zurückgeben, rückerstatten, ü-ta-a-ar VII 78, 8;
ü-ta-ar VII 28, 14; 81, 8; 88, 17; IX 4, 11; u-ta-ar-si VII
149, 26; ü-te-ir VIII 71, 17; u-te-ru pl. VII 7,20; ü-te-ra-
ni-a-si VII 156, 33; tu-ur-sa (Inf. II) P. 53, 4; 54, 4; idg.
GUR.RU.DAM = utdr VII 21,14; 89,10; 93, 9; 94, 9; 96,9.
nan tamü schwören, it-mu pl. VIII 8, 21; it-mu-d VIII 11, 12;
52, 28; 53, 27; 54, 18; 56, 16; 57, 21; 71, 5; 84, 21;
109, 21; IX 131, 17; 142,17; 144, 23; 145, 26; 165, 16;
P. 30, 26; i-tam-mu-ü (I 2 ) VIII 71, 35. idg. PÄD passim.
tamitum pl. tamäti Schwur, ana ta-ma-tim VII 7, 11.
ta-an-na-tum ? VII 48, 5.
nsn tappüm Kompagnon, ta-ap-pu-u VIII 74, 3; tab-bi-im VIII
71, 19; tab-U-e VII 142, 5; tab-bi-sü VIII 91, 7; 103, 8.
tappütum Genossenschaft, Kompagnie, tap-pu-tam VIII 8, 3;
IX 205, 3 (vgl. hjiO; idg. TAB.BA VII 95, 11; 99, 10;
125, 10; IX 182, 2 (C. T.); P. 91, 2.
p“U“l taräsu ausstrecken, iddsimu i-ta-ra-za-ma VIII 19, 10.
tirsum Instandsetzung (?). ana ti-ri-is eklisu G. 6 obv. 9.
Ergänzungen.
b^ musäkilum Koch (?). märat mu-sa-ki-li-im IX 177, 16.
ukullüm Viehfutter Vll 110, 4; G. 47, obv. 2.
WßK nepistum Opferzeremonie, ana ne-b[i-is-t]i IX 107, 19.
esedu ernten, i-zi-id IX 208, 6.
i?sidum Schnitter, säb pl. e-si-di VII 133, 27; 135, 2; 2 e-zi-du
IX 208, 1.
bDl IV 1 ib-ba-ab-lu-Su-nu-si-im P. 136, 6.
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien,
Philosophisch-Historische Klasse.
165. Band, 3. Abhandlung.
Kenntnisse der klassischen Völker
von den
physikalischen Eigenschaften des Wassers.
(IV. Geschmack und Geruch.)
Von
Professor Karl B. Hofmann.
Vor gelegt in der Sitzung am 2. März 1910.
Wien, 1910.
In Kommission bei Alfred Holder
k. u. k. Hof- und Universitäts- Buchhändler,
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Hl. Abli.: Hofmann. Kenntnisse d. klassischen Völker etc.
1
III.
Kenntnisse der klassischen Völker von den
physikalischen Eigenschaften des Wassers.
Von
Professor Karl B. Hofmann.
(Vorgelegt in der Sitzung am 11. Mai 1910.)
IV.
Geschmack und Geruch.
Qualitätslosigkeit des Wassers S. 1. — Ursache des Geschmacks und Ge
ruchs: Beimischungen S. 2. — Zahl und Art der Geschmacksqualitäten S. 3. —
Andere Erklärungen der Ursache des Geschmacks des Wassers S. 4. 5. —
Besonders süße Wasser (Nil, Phasis usw.) S. 6. — Geschmack des Flusses
Hiraera S. 6. — Änderung des Geschmacks S. 6. — Salzig schmeckendes
Wasser — Meerwasser S. 7. — Salzigwerdeu von Süßwasser S. 7. — Süß
werden von Seewasser S. 8. — Verschiedener Grad der Salzigkeit S. 8. 9. —
Ursache der übrigen Geselimaeksqualitäten des Wassers S. 9—11. — Be
zeichnung der Geruchsarten S. 12. — Deren Ursachen S. 12. 13. — Mythische
Erklärungen derselben S. 13. — Natürliche Erklärung S. 13. — Übelriechende
Wasser S. 14. — Averner See, Amsanctus S. 14. — Schwierigkeit, Zahlen
werte für Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen zu ermitteln S. 15. —
Anmerkungen S. 16 ff.
Geleitet durch Instinkt und Erfahrung, muß der Mensch
zu der Einsicht gelangt sein, daß das geschmack- und geruch
lose Wasser das reine ist, daher auch zu dem Schlüsse, daß
Wasser ,an sich' keinen Geschmack und Geruch hat. 1 Daß aber
auch die an verschiedenen Stellen der Erde hervorbrechenden
salzigen oder säuern, die laugenhaft, bitter oder zusammen
ziehend schmeckenden Flüssigkeiten und daß auch das Meer
Wasser sei, wird den Menschen wohl die Übereinstimmung des
allgemeinen Aussehens, die Art des Herkommens usw. gelehrt
haben, wie er denn anderseits lange Zeit auch andere Flüssig-
Sitzungsber. d. pliil.-hist. Kl. 1G5. Bd. 3. Abli. 1
2
III. Abhandlung: Hofmann.
keiten von dem Aussehen des Wassers, z. B. Erdöl, irrtümlicher
weise für eine Art Wasser gehalten hat.
Die Griechen — schon in sehr früher Zeit 2 — und die
Römer nannten, dem gleichen Sprachgebrauche, wie wir, folgend,
das Trinkwasser ,siiß' (üowp yhmü = aqua dulcis), im Gegen
satz zum Meereswasser. 3 Dies war und blieb ein volkstümlicher
Sprachgebrauch. Nach der naturwissenschaftlichen Theorie war
aber das Wasser an sich geruch- und geschmacklos. Diese
,Qualitätslosigkeit' des Wassers (üowp öbioictocTcv) hatte darin ihren
Grund, daß es ein Element war; hierin war es, nach dieser Auf
fassung, von den übrigen Elementen nicht verschieden. 4 Diese
Meinung fand wohl darin ihre Stütze, daß reine Luft und eine
rauchlos brennende Flamme geruchlos sind, und daß gewisse
Erden, die im Altertum Verwendung fanden, z. B. Bolus, Kreide,
Walkererde, feinere Sorten von Siegelerde usw., des Geschmacks
und Geruches entbehren. Weshalb Aristoteles und seine
Schule den Satz vertraten: Keiner der einfachen Stoffe (dbrXd
oder G-cr/cw) hat Geschmack oder Geruch.
Und doch trifft man nicht selten Wasser von so ver
schiedenem sehr ausgesprochenen Geschmack und Geruch. Wo
her diese Eigenschaften? Sie rühren von Beimischungen (p.t;tc,
c) her. Galen sagt, Aristoteles’ Lehre zusammenfassend:
,Was einer sumpfigen, salzigen oder anderweitig schmeckenden
Qualität teilhaft ist, ist eben nicht einfaches Wasser (Wasser an
sich), sondern mit einer so gearteten Beimischung versehen/ 5
Was sind nun diese Beimischungen? Aristoteles und
Theoplirast bedienen sich der Bezeichnung yugof, spätere (z. B.
Galen) des vieldeutigen Ausdruckes cpapp.az.ov. Es mag hier be
merkt werden, daß die Doppelsinnigkeit des ersten Wortes zu
Mißverständnissen Anlaß gab, in die man sich bei den Er
klärungsversuchen verstrickte. Das Wort y;jp.o; bedeutet einmal
Saft, dann auch Geschmack als subjektive Empfindung. Die
griechische Sprache ist in diesem Falle noch etwas unklarer
als die unsere. 0 Wir nennen die Galle bitter, den Essig sauer,
wobei der naive Mensch glaubt, diese Eigenschaften kämen
den Stoffen selbst zu; zugleich belegen wir mit den Worten
,bitter' und ,sauer' die Geschmacksempfindungen, die durch in
ihrem Wesen uns ganz unbekannte Zustände jener Stoffe er
regt werden. Wie klares und scharfes Denken sich meist einen
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers.
3
bestimmten, eindeutigen sprachlichen Ausdruck erschafft, so
kann ein Mangel, eine Unbestimmtheit der Sprache lange Zeit
hindurch sich als Hindernis einer scharf eindringenden Ge
dankenanalyse erweisen.
Wir können uns kaum eines wehmütigen Staunens bei
der Wahrnehmung erwehren, daß ein so scharfsinniger Kopf,
wie der Stagirite war, das Widerspruchsvolle seiner Erklärung
nicht durchschaute. Es gab also doch noch etwas außer den
Elementen, das sich ihnen heimischen konnte, z. B. das Salz
dem Wasser, und doch entstand und bestand die Welt aus und
durch die Elemente.
Sein bedeutendster Schüler Theophrast scheint auch die
Schwierigkeit zu bemerken, die der Theorie durch die Annahme
bereitet wird, daß auch die Erde geschmack- und geruchlos
sei. Er sagt zwar, ,die Erde und der Stein sind geschmacklos,
außer wenn sie irgendeine derartige Beimischung (toiaüvr,')
gt'ijiv) aufnehmen', fährt aber dann fort: ,indes scheint es, daß
sie davon doch mehr besitzen' — die Fügung des Satzes läßt
es unbestimmt, ob von (subjektivem) Geschmack oder von den
Beimischungen — ,so jene, die für salzig, jene, die für bitter
gelten, z. B. Asche, sowie einige süße Stoffe, z. B. die Tonerde.
Darum ist es aber auch nicht sinnlos, daß durch die Bei
mischung von Erdigem der Geschmack entsteht.' 7 Ich meine,
den Sätzen merkt man eine gewisse Verlegenheit an; Theo
phrast ahnt den Widerspruch, aus • dem er keinen Ausweg zu
finden weiß. Er sieht sich darum gezwungen anzunehmen, daß
ein Stoff an sich, ohne Zutritt eines ,chymos' durch bloße
Umwandlung (aXXoiwmc) bitteren Geschmack annehmen kann,
nämlich durch Einwirkung des Feuers. Er schließt das aus
dem bitterlichen Geschmacke vieler angebrannter organischer
Stoffe und aus dem bitteren (richtiger laugenhaft ätzenden) der
Asche. 8 — Später rechnete man die Erde nicht mehr zu den
geschmacklosen Elementen. 9
Auch über das Wesen der Geschmack und Geruch erteilen
den Chymoi schwankte die Vorstellung; bald sollen sie etwas Er
diges sein, bald eine Art Feuchtigkeit (ufpoT/js, üypd) — letztere
Annahme entspricht besser der Bedeutung yugoc als ,Pflanzensaft'.
Ebenso schwankt die Art und Anzahl der Geschmacks
qualitäten. Aristoteles nimmt acht an: süß, bitter, salzig,
1*
4
III. Abhandlung: Hofmann.
sauer, herb, scharf, zusammenziehend und fettig — man sieht,
daß hier neben reinen Geschmacksempfindungen auch durch
sensible Nerven vermittelte Wahrnehmungen, z. B. ,scharf*,
,herb*, ,fettig* eingerechnet sind. Sein Schüler Theophrast
schränkt aus systematischen Gründen (Übereinstimmung mit
der Farbenskala) ihre Zahl auf sieben ein, indem er den salzigen
Geschmack als eine Abart des Bitteren ansieht. Diese Quali
täten wurden als beim Wasser vorkommend angenommen. 111
Im ganzen sollten die Geschmacksarten des Wassers denen der
Pflanzensäfte gleich sein und das Wasser sie dem Boden ver
danken: ,Das Wasser ist so beschaffen wie die Erde, durch die
es fließt.* 11 Diesen Satz übernimmt Aristoteles von den ,alten
Physiologen*. Auch Platon und Hippokrates führen ihn an.
Aristoteles erörtert noch andere Thorien, aus denen man
den verschiedenen Geschmack erklären wollte. Die verschiedenen
Chymoi sollten nach Empedokles 12 im vorhinein im Wasser
enthalten sein, aber in so geringen Mengen, daß sie wegen
dieser Verdünnung beim Trinken unserer Wahrnehmung sich
entziehen. Die Pflanzen sollten sie aus dem Wasser ziehen (t'o
tou öBa-coq sXv.eiv) und in sich aufspeichern. Aristoteles erklärt
diese Ansicht für einen handgreiflichen Irrtum und widerlegt
ihn durch die bekannte Tatsache, daß abgerissene Früchte, die
doch nichts mehr aus dem Wasser beziehen können, beim
Nachreifen der Sonne ausgesetzt oder getrocknet, gekocht usw.,
ihren Geschmack, also ihre schmeckenden Säfte ändern. 13
Eine andere Erklärung, daß nämlich das Wasser der ge
meinsame Keimstoff* sei, aus dem sich alle schmeckenden Säfte
entwickeln, 14 wird ebenfalls von Aristoteles als sinnlos abgelehnt,
denn es entstünden auf diese Weise aus demselben Wasser
die verschiedensten Geschmäcke.
Endlich nahmen manche 15 an, das Wasser sei zwar in
sich nicht differenziert, werde aber durch bestimmte Einwir
kungen, z. B. die Sonnenstrahlen, die Wärme, umgewandelt.
Aristoteles 16 bekämpft auch diese Theorie, indem er ausführt,
daß die Wärme allein eine solche Umwandlung unmöglich be
wirken könne, denn die Säfte seien alle dichter als Wasser;
das Wasser aber (und das war für die damals bekannten Flüssig
keiten richtig) sei die einzige Flüssigkeit, die durch Erwärmen
(Eindampfen) nicht verdickt werden könne, somit könnten die
Kenntnisse d. ldass. Völker v. d. pliysik. Eigenscli. d. Wassers. 5
Säfte unmöglich aus dem Wasser durch Wärmewirkung ent
standen sein. Vielmehr — und hier ergänzt Aristoteles seine
Lehre von den Elementen — beruht die Mannigfaltigkeit der
verschieden riechenden ixnd schmeckenden Pflanzensäfte auf der
Wechselwirkung der Gegensätze: Das Feuchte werde beein
flußt durch das Trockene, das vor allem in der Erde ver
körpert sei. Es fänden sich alle die Säfte (Geschmäcke), die in
den Pflanzen angetroffen werden, auch in der Erde. An einer
anderen Stelle erklärt er den verschiedenen Geschmack der
Quellen aus der ihnen noch jetzt oder doch einst innewohnenden
Kraft des Feuers; denn die Erde nehme je nach dem Maße,
wie sie verbrannt wird, verschiedene Farben und Geschmacks
arten an. 17 Im wesentlichen nimmt er einen Auslaugungsprozeß
an. Er weist auf die Salzsolen hin; denn das Salz sei auch
eine Erde, und so gut das Wasser, das durch Asche geseiht
wird, einen bitteren Geschmack annehme, so seien auch natür
liche Wasser bitter, sauer oder andersartig schmeckend. Daher
wird der Geschmack durch Verdünnung mit Wasser undeut
licher, gewissermaßen getrübt. 18
Vitruv, 10 der sich wohl auf griechische Lehren stützt, er
wähnt auch als Ursache des verschiedenen Geschmacks die Ver
schiedenheit der Gegenden und des Ortes (locorum discrepantia et
regionum qualitates), die er wieder als von der Kraft der Sonnen
strahlen abhängig annimmt, je nach dem näheren oder ferneren
Abstande der Sonne, welche die Erdsäfte verschieden bereitet.
Seneca 20 zählt in seiner zusammenfassenden Behandlung
der Meteorologie, ohne auf theoretische Erörterungen weiter ein
zugehen , als Ursachen des verschiedenen Geschmacks des
Wassers auf:
1. den Boden, durch den es läuft;
2. die Veränderungen, die der Boden erleidet, durch den
es fließt;
3. die Luftart, die sich in Wasser umgewandelt hat; endlich
4. die Verderbnis des Wassers selbst, z. B. Fäulnis.
Der Ausdruck ,süß‘ bezeichnet, wie ich glaube, zugleich
jene Sinneswahrnehmung, die wir mit dem Worte ,weich ‘ kenn
zeichnen. Wie wir nach dem bloßen Geschmack oder richtiger
der Empfindung im Munde sehr wohl ein weiches von einem
minder weichen oder harten Wasser unterscheiden, so finden
III. Abhandlung: Hofmann.
6
wir bei den Alten Angaben, daß ein Wasser süßer als ein
anderes schmecke. So wird auch behauptet, jedes Wasser sei
im Winter süßer als im Sommer; am wenigsten süß sei es
im Herbst, besonders bei trockener Witterung. 21 Nach adstrin
gierenden Stoffen, z. B. Gerbstoff, soll das Wasser süßer
schmecken, entweder durch Kontrastwirkung, oder weil durch
die herben Stoffe die Poren der Zunge erweitert werden, wo
dann die Süßigkeit leichter eindringe. 22
Das Nilwasser galt nach Theoplirast 23 für das süßeste,
doch wirkte es etwas abführend, weil es eine ,nitrose Bei
mischung hatte'. — Auch das Wasser des Phasis soll besonders
süß gewesen sein. Ktesias fabelte sogar, daß es, in einem
Krug über Nacht stehen gelassen, morgens in den süßesten
Wein verwandelt sei.
Das Wasser 24 des ,Achillesbrunnens' in Milet soll in
seinen oberen Schichten süß, in der Tiefe salzig gewesen sein;
Quellen um Chalkis sollen in den oberen Schichten süßes, in
den tiefen nitroses Wasser gehabt haben.
Noch mag eine Angabe über den Fluß Himera 25 er
wähnt sein. Dieser soll, aus einer Quelle entspringend, sich ge
teilt haben! Der eine Arm soll süßes, der nördliche salziges
Wasser geführt haben. Die Namensgleichheit zweier Flüsse,
die überdies beide auf dem Bergrücken des Nebrodes ihren
Ursprung hatten, soll zu diesem Mißverständnis Anlaß gegeben
haben. Der eine, in seinem ganzen Laufe süß, fließt nach
Norden (Fiume di S. Leonardo), der andere, ursprünglich
auch süß, nimmt bei Enna eine Salzquelle auf, die ihn bis zu
seiner Ausmündung salzig schmeckend erhält — jetzt ,Fiume
salso'.
Daß das Wasser eines Flusses an verschiedenen Stellen
seines Laufes nicht gleich ist, daß namentlich einmündende
Quellen oder Bäche, angeblich auch Dürre und Regengüsse
seinen Geschmack ändern können, war auch bekannt. 20 Es
wird auch ein See in Lucanien erwähnt, an dem ein Teil
der Heerhaufen des Spartacus sein Lager hatte und dessen
Wasser zu Zeiten süß, zu Zeiten salzig gewesen sei. Bei den
Troglodyten soll eine Quelle bei Tag süß, um Mitternacht (ja
nach anderen Angaben dreimal des Tages) bitter, sonst immer
süß gewesen sein. 27
Kenntnisse d. klass. Völker v d. physik. Eigensch. d. Wassers.
7
Schon im frühen hellenischen Altertume wird zu den ver
schiedenen Süßwasserläufen und Landseen die 6dX<ma in Gegen
satz gebracht. 28 Nur das Atlantische Meer sollte Süßwasser
sein. So spielt denn auch, schon seiner Menge nach, unter den
mit Geschmack ausgestatteten Wassern das salzige die bedeu
tendste Rolle. Hier wußte man auch mit Bestimmtheit, worin
die ouvagtc besteht, die diesen Geschmack bedingt.
Man wußte, daß das salzige Prinzip, der Chynios des
Seewassers, identisch ist mit dem Steinsalz, und daß es beim
Abdunsten zurückbleibt. Kam ja in der Tat bei den Griechen
in der älteren Zeit nur das Meersalz in Verwendung. Lyko-
phron preist es als ,das heilige Eis des Poseidon“ 29 und Plut-
arch rechnet es zu den ,Meeresprodukten“. Auch die Römer
benützten anfänglich nur dieses; 80 später wird (z. B. von Galen)
.das gegrabene Salz dem Sudsalz gleichgestellt. Er vergleicht
die Entstehung des Meerwassers mit der künstlichen Herstellung
einer Salzlake durch Auflösen von Salz oder mit der Gewinnung
der Lauge aus Holzasche. 3 ’ Er hebt hervor: Wenn man nicht
wüßte, wie Lauge gemacht werde, so könnte man sie nach
ihrem besonderen Geschmacke für eine besondere, nicht für eine
zusammengesetzte Flüssigkeit halten. Der Rückschluß auf das
salzig schmeckende Wasser des Meeres liegt auf der Hand — man
weiß, daß es nicht eine spezifisch verschiedene Flüssigkeit von
diesem Geschmack ist, sondern eine Lösung von Salz in Wasser.
Uns erscheint es als eine sehr triviale Wahrheit, aber so selbst
verständlich war sie von vornherein nicht. Macht sich heut
jedermann klar, daß wir keine Flüssigkeit sui genei'is von sal
zigem Geschmack kennen, und daß der Fall mit dem Seewasser
wesentlich anders liegt als bei dem säuern Geschmack des
Essigs oder dem bitteren der Blausäure?
Da der bittere Beigeschmack des Meerwassers 32 — der
hinter den salzigen wohl zurücktritt — der Wahrnehmung nicht
entging, so nahm man an, daß es neben dem salzigen auch
noch einen bittern Chymos enthalten müsse.
Neben diesen richtigen Deutungen machten sich aber auch
irrige Vorstellungen geltend. In Karien 33 sollte ein Fluß in
der Nähe eines nicht näher bezeichneten Heiligtums des Poseidon
salzig geworden sein; ähnliches wird von einem Flusse am
Kithairon (bei einem Zeustempel) berichtet. Theophrast
8
III. Abhandlung: Hofmann.
nimmt als Ursache die vielen Blitze an, die in jenen Gegenden
niedergehen.
Eine merkwürdige Ansicht über das Salzigwerden des
Wassers hatte man wenigstens in der späteren Zeit. Die ste
henden Wasser der Ebene sollten durchweg salzig sein, weil
durch die Sonnenstrahlen ihnen der süße Anteil entzogen wurde. 34
Umgekehrt glaubte man, das Salzwasser könne durch starke
Bewegung, durch häufiges Umschütten aus einem Gefäße in
ein anderes trinkbar werden, weil angeblich durch die Bewegung
das Wasser leichter und dadurch süßer werde. 36 Darum sollte
das Seewasser dem Gestade näher weniger salzig sein. 36 Ander
seits wollte man bemerkt haben, daß das Meerwasser in den
oberflächlichen Schichten salziger schmecke, obwohl das salz
haltigere als schwerer die tieferen Schichten einnehmen sollte.
Man erklärte diese angebliche Tatsache damit, daß der süße.
Anteil des Wassers von der Sonne und der Luft an der Ober
fläche aufgesogen werde, ohne zu bedenken, daß dann der
salzigere Rückstand in die Tiefe sinken müßte. 37
Noch andere Beobachtungen — wirkliche und angebliche
— werden berichtet. Es überraschte, daß nahe dem Gestade
ergrabenes Wasser nicht salzig, sondern süß schmeckte. Vom
Grundwasser hatte man keine klare Vorstellung; man glaubte
irrigerweise, die Erscheinung beinahe auf einer Filtration. Die
feinen (süßen) Teilchen des Wassers, die es eben trinkbar
machen, sollten durch die porösen Erdschichten durchgelassen,
der salzige Anteil zurückgehalten werden. 38 Tatsächlich ver
mögen aber Filter nur feste aufgeschlämmte Stoffe zurück
zuhalten, nicht gelüste. Nach anderer Ansicht, die ebenso falsch
war, sollte das Sickern durch Tonschichten es süß machen; 39
bekanntlich sind aber Tonschichten undurchlässig; längs ihnen
rinnt das in die Tiefe eindringende Wasser ab und sammelt
sich in ihren muldenförmigen Vertiefungen als Grundwasser
an. — Die Erfahrung, daß Schlamm durch poröse Wände zu
rückgehalten und das Wasser von ihm befreit wird, mochte viel
leicht den Grund für diese Theorie abgeben. So hat man das
Nilwasser durch sehr poröse Tongefäße filtriert, wie dies in
Ägypten noch heute in ganz unveränderter Weise geschieht.
Galens Schilderung paßt noch bis in die Einzelheiten auf die
gegenwärtige 40 Übung.
Kenntnisse d. Ulass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers.
9
Ferner wird berichtet, daß an der libyschen Küste beim
Graben zuerst süßes Wasser komme, dem aber alsbald salziges
folge; das erstere sollte ,verkocht' die obere, das salzige die
tiefere Schichte bilden, zu der man gelangt, wenn die obere
erschöpft ist. 41
Daß die Wasser verschiedener Meere und Seen nicht gleich
salzig sind, wußte man; so sei das Wasser des Pontus Euxinus
süßer als das des Agäischen Meeres, das der Mäotis süßer
als das des Pontus. Man hat auch die Ursache dieses Ver
hältnisses richtig erkannt: die großen Massen von Süßwasser,
das die großen Ströme, welche in diese Becken münden, hinein
ergießen. Die gleiche Angabe wird auch vom Kaspischen See
gemacht. 42
Auch salziger Quellen und Brunnen geschieht Erwähnung.
So hat man dem Herodot 43 erzählt, vormals hätten die weiter
landeinwärts, vom Nil entfernt lebenden Ägypter in der trocke
nen Jahreszeit salziges Brunnenwasser getrunken. Von den
erbitterten Kämpfen germanischer Stämme um Salzquellen be
richten Tacitus und Ammianus Marcellinus. — Eine ganze
Anzahl von Salzseen und Lachen beschreiben Strabo, Plinius 44
und andere.
Weniger klare Kenntnisse hatte man von der Natur jener
Beimischungen, welche dem Wasser die übrigen Arten von
Geschmack erteilen. Man begnügte sich zum Teil mit der
vagen Vorstellung einer Wandlung der Qualitäten. 45 Man kannte
nicht die Stoffe, denen die Bitterwasser und die Kohlensäuerlinge
ihren Geschmack verdanken. Im ersteren Falle nahm man
(wenigstens in späterer Zeit) eine bittere Abart des Seesalzes
als Geschmack erteilende Beimischung an. 46 Vitruv, vielleicht
auf griechische Angaben sich stützend, bezeichnet als Ursache
den Gehalt der durchströmten Erdlager an Sandaraca — jeden
falls ein Irrtum, mag Sandarach (cavoapd/r, = cav§apdy.v)) Realgar
oder sonst was anderes bedeuten. 47
Neben Kohlensäuerlingen werden stark saure Wasser an
geführt. Eine Quelle im Gebiete der Sikaner soll sauer wie
Essig gewesen sein; nach anderen Angaben soll sie einer Brühe
von Essig und Salzwasser (oäjdXp.v;) geglichen haben und sogar
zur Bereitung von Speisen verwendet worden sein. 48 Die Ur
sache —• vorausgesetzt, daß die Beobachtung überhaupt richtig
10
III. Abhandlung;: Hofmann.
ist — ist schwer festzustellen. Durch A. v. Humboldt wissen
wir, daß der Rio Vinagre, der aus beträchtlicher Höhe vom
Vulkan Purace (in der Cordillera central von Columbien)
herabkommt, täglich neben freier Schwefelsäure (nach Bous-
singaults Bestimmung) 30.000 K. freie Salzsäure in den Cauca
führt, in welchem drei Meilen abwärts von der Einmündung
kein Fisch leben kann. Auch eine heiße Quelle am Abhange
des Vulkans Ruiz (im Paramo de Ruiz) erwähnt Humboldt,
die nach Saussures Analysen 0 - 5°/ 0 freie Schwefelsäure ent
halten soll. 49 Es ist vielleicht nicht ausgeschlossen, daß auf
dem vulkanischen Boden Siziliens in jenen frühen Zeiten ähn
liche vulkanische Quellen, die freie Salzsäure enthielten, vor
handen waren.
Andere Säuerlinge sollen berauschend, wie Wein, gewirkt
haben, was etwa auf reichliche freie Kohlensäure zurückgeführt
werden könnte. Erfahrungsgemäß werden nämlich manche
Menschen durch solches Wasser, ehe sie daran gewohnt sind,
nach dessen Genüsse schwindlig. Besonders bekannt war die
Quelle in Lynkestis (im südwestlichen Makedonien). Außer
dieser erwähnt Vitruv ähnliche Säuerlinge in Italien.
Als Beispiel eines ganz besonders bitteren Wassers wird
die kleine Quelle Exampaios in Skythien genannt, die den
viel mächtigeren Hypanis, in welchen sie einmündet, vier Tages
fahrten weit bis zu seiner Ausmündung bitter macht. Alle spä
teren Angaben über diese Erscheinung scheinen auf Herodot
zurückzugehen. 60
Von den Seen galt das Wasser des Toten Meeres als das
bitterste, obgleich nicht als rein bitter, sondern mit einem
stark salzigen Beigeschmack, was in der Tat seiner Zusammen
setzung entspricht. 51 Wegen dieses Geschmacks könne kein Fisch
in dem genannten See leben, berichtet schon Aristoteles. 52
Wodurch diese Bittere bedingt ist, wußte man nicht. Galen
noch glaubte, daß das gewöhnliche Salz durch Einwirkung der
Hitze bitter werde, darum sei das Wasser des Toten Meeres
im Sommer bitterer als im Winter; 53 denn in dieser kessel
förmigen Erdsenkung koche die Sonne sein Wasser.
Durch Behandlung mit Ton glaubte man dem bitteren
Wasser teilweise den Geschmack zu benehmen und es trink
bar zu machen. 54
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. pliysik. Eigensch. d. Wassers.
11
Die Ursache des zusammenziehenden, schrumpfenden Ge
schmacks mancher Wasser sowie des spezifischen laugenhaften
der sodahältigen muß ziemlich früh bekannt gewesen sein. Man
kannte ja die Soda der Natronseen Ägyptens; der Alaun aus
den Gruben von Melos und Lipara und der ägyptische war
in vielfachem Gebrauch, s,eine Lösungen fanden technische Ver
wendung. Daß die natürlichen Wasser ähnliche Lösungen waren,
lag anzunehmen nahe. Galen sagt geradezu, daß man diese
Art Wasser durch Auflösen von entsprechenden Stoffen nach
ahmen könne. Wir haben hier gewissermaßen die Anfänge
der heute geübten Fabrikation künstlicher Mineralwasser. 55 Doch
darf nicht unbemerkt bleiben, daß in bezug auf die Kenntnis
der zusammenziehenden Wasser einige Verwirrung herrschte.
Manches Grubenwasser, das zu den 55«t« c-'jjriv;pico3Y) gezählt
wurde, verdankte seinen Geschmack dem. Eisen- oder Kupfer
vitriol. Doch machte Galen hier einen richtigen Unterschied. 50
Als ,nitrose' Wasser erwähnt finden wir die Natronseen
Ägyptens (NiTp(ai), den See Aretissa in Armenien, eine Quelle
bei Menos in Phrygien; in Italien die Aquae Cutiliae und
die Quellen von Pinna Vestina. Als besonders stark galt
das Wasser des ascanischen Sees (jetzt See von Isnik) in
Bithynien, das so konzentriert gewesen sein soll, daß Wäsche
stücke, die längere Zeit sich darin befunden hatten, zerfallen
seien, als wären sie in Lauge gelegen. Das schlüpfrige Wesen
das alkalischen Wassers hielt man für fettig.
Überraschen muß es, daß man den Geschmack oder
richtiger: den Geruch der Schwefelwasser auf Schwefel bezog,
da doch der Geruch des letzteren, auch des brennenden (der
schwefeligen Säure), keine Ähnlichkeit mit dem des Schwefel
wasserstoffs hat, der in diesen Wassern enthalten ist. 57 Ja man
wußte, daß es sich in diesen Fällen um ein giftiges Gas handelt,
das sich in ihnen gelöst (absorbiert) findet. Manchmal scheint
man den bituminösen Geruch mit dem schwefeligen identifiziert
oder ihn doch für eine Abart desselben gehalten zu haben.
12
III. Abhandlung: Hofmann.
Noch dürftiger, als über den Geschmack sind die uns
erhaltenen Bemerkungen über den Geruch »des Wassers, teils
iveil das Wasser nur selten riecht und nur wenige Arten von
Geruch aussendet, teils iveil der Geruchsinn, verglichen mit den
übrigen Sinnesorganen, uns die vagesten Vorstellungen im Be-
ivußtsein erregt. Dieses Verhältnis .verrät sich auch in der
Sprache. Wir sind genötigt, unsere Bezeichnungen dem ver
wandten Sinne —• dem Geschmack zu entlehnen. Wir sprechen
von einem süßen, scharfen, säuern Gerüche und wollen ivir
ihn genauer bezeichnen, so müssen ivir den Namen des geruch
liefernden Gegenstandes in die Bezeichnung aufnehmen: Rosen
geruch, Nelken-, Rauchgeruch usw. So im Griechischen poooxvo'j;.
Die Armut des sprachlichen Ausdrucks entging dem
Aristoteles nicht. Das Wesen des Geruchs in subjektUer,
die Ursache desselben in objektiver Beziehung (des Riech
barseins) seien unklarer als bei den anderen Sinneswahr
nehmungen. 58 Obivohl der Geruch dem Geschmack venvandt
sei — eine richtige Erkenntnis insofern, als in beiden Fällen
gelöste chemische Stoße den Reiz üben — seien die Geruchs
empfindungen doch unbestimmter als die Empfindungen des
Geschmacks. Dieser sei eine Art Tastsinn, welch letzterer
beim Menschen der entAvickeltste, schärfste Sinn sein soll. 59 Die
VerAvandtschaft beider Sinne und die größere Unbestimmtheit
des Geruches nötige uns, für die Qualitäten des letzteren die
Benennungen, die vom Geschmacke genommen sind, zu ge
brauchen. 00
Aristoteles nimmt sechs, Tlieophrast sieben Arten von
Geruch an, die der Siebenzahl der Geschmacksarten entsprechen. 01
Die Bezeichnungsweisen sind hier noch schwerer zu deuten
als die für die Arten des Geschmacks. Gelegentlich erfahren
wir, daß der Geruch des Honigs oder Safrans süß ist, der
der verschiedenen Lippenblütler, z. B. des Thymians, Quendels
(epxoXXoc) und ähnlicher Stoffe scharf sei (Sptp.ewt). 02
Als Ursache des Geruchs nahm man Beimischungen an
Avie beim Geschmack; die vier Elemente sind geruchlos. Während
also reines Wasser nicht riecht, hat das Meerwasser einen spezi
fischen Geruch, der dem Salze angehören sollte. 03 Was im
Wasser der geschmackerregende Chymos, das soll in diesem
sowohl, als auch in der Luft der Riechstoff (ös|;.-Q sein. 04 Man
Kenntnisse d. klass. Völker y. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 13
scheint sogar eine genetische Beziehung zwischen ihnen an
genommen zu haben; so soll das Bittere die Ursache des Wohl
geruchs sein. 66 — Platon nahm keine differenten Spezies (dor,)
von Riechstoffen und Gerüchen an. 66
Platon sah als Ursache der Gerüche eine Art Rauch
oder Ausdünstung an und kam damit der Wahrheit insofern
nahe, als nur flüchtige Stoffe Geruch erzeugen können. Auch
diesmal war es eine irrige Theorie, durch welche Aristoteles
verleitet wurde, die Ansicht seines großen Lehrers zu be
kämpfen. Eine rauchartige Ausdünstung (also eine feurige Ana-
thymiasis) könne nicht im Wasser entstehen und doch röchen
die Wassertiere, war seine Argumentation. 67
Abgesehen von einer einmaligen Erwähnung 68 eines wohl
riechenden Wassers, wird nur übelriechendes eingehender be
sprochen; vor allem Asphalt- und Schwefelwasser, außerdem
stagnierende, faulende.
Anfänglich suchte man sich den Übeln Geruch in mythischer
Weise zu deuten. Einst soll das Wasser des Anigros, eines
kleinen Küstenflüßchens, nicht fern von der ,sandigen Pylos',
trinkbar gewesen sein, bis die von Herakles getroffenen Ken
tauren ihre Wunden in ihm gewaschen; seither war es so
übelriechend, daß zu Ovids 69 Zeit niemand daran gedacht
hätte, es auch nur zu kosten. An seiner versandeten Mündung
lag die berühmte Grotte der anigriadischen Nymphen: damals,
wie noch heute, von einigen Hautkranken besucht — eine un
wirtliche, ungesunde Gegend, denn das Wasser, aus der Grotte
hervorkommend, verwandelt eine gute Strecke der Ebene bis
zum Meere, in das sich der Schwefelbach ergießt, in einen
stinkenden Sumpf. Eine Quelle ähnlichen Wassers zeigte man
bei Leuka in Calabrien (,S. Maria di Leuca‘ unweit von
Otranto) und erzählte, der Rest der Giganten, die von Phlegra
in Oampanien geflohen waren, seien von Herakles hier ereilt
und in die Erde vergraben worden; aus ihrem Moder sei diese
Quelle entstanden. 70
Später suchte man nach natürlicheren Ursachen. Während
der olympischen Spiele sollte die Are thusa nach Mist
riechen, weil, wie man vermeinte, der Kot der Opfertiere, den
man in den Alpheus warf, in der Arethusa zum Vorschein
käme. 71
14
III. Abhandlung: H o fm a n u.
Endlich war, wie schon erwähnt, den Alten bekannt, daß
aus diesen stinkenden Wassern schädliche, 72 das Lehen be
drohende Dämpfe (aestus averni) emporsteigen. So erzählte
man von einem See, den man an den Eridanus verlegte, in
die Nähe der fabelhaften Bernsteininseln: ,Kein lebendes Wesen
kostet sein warmes, übelriechendes Wasser, kein Vogel kann
vorbeifliegen, ohne zu sterben/ Die Anwohner glaubten, in ihn
sei der vom Blitz getroffene Phaeton gestürzt. 73 Ein See von
einer so bedeutenden Ausdehnung, wie angegeben wird, be
stand in historischer Zeit am Po nicht. Man wird kaum irren,
wenn man in ihm die Schwefelquellen des Aponus in mythischer
Einkleidung vermutet. Einen ähnlichen See bei den Sarmaten
erwähnt Herakleides Ponticus, 74 falls es sich hier nicht um
Exhalationen von Kohlensäure handelte.
Der plötzliche Tod, den das Einatmen mancher Gase,
z. B. der Kohlensäure, und vor allem des Schwefelwasserstoffs
bisweilen herbeiführt, der widerliche Geruch des letzteren, dazu
(wie häufig beobachtet wird) die Nähe vulkanischer Erschei
nungen erzeugten die Vorstellung, daß solche Wasser in einer
Beziehung zur Unterwelt stehen. So bildeten sich die Sagen
vom Avernus, der bald als See, bald als Dunstgrotte, bald als
Ausmündung eines Erdspaltes bezeichnet wird. 75 Der berühm
teste Ort dieses Namens war der noch heute so genannte Averner-
see bei Cumae. Die traurige Lage dieser Stätte des kumanischen
Totendienstes, die tiefe Stille, die um den See herrscht, seine
schilfbewachsenen Ufer, die dichte Bewaldung seiner Krater
wände, die unmittelbare Nähe einer Dunstgrotte — alles dies
mußte das Gemüt mit bangen Schauern erfüllen. Kein Blatt
sieht man auf seiner schweigenden dunklen Fläche, keines
Vogels Laut erklingt in dieser melancholischen Einsamkeit.
Ein Paar der schönsten Verse der Aeneide malen diesen Ort. 76
Ein anderer, wegen seiner mephitischen Dämpfe verrufener
See war der Amsanctus im hirpinischen Gebiete, jetzt ,Lago
di Mufetib Auch in seiner Nähe war eine Dunstgrotte und
der Gestank der Dämpfe war sprichwörtlich: ,duplicis Amsancti
pestish 77 Es ist ein feiner Zug in der Dichtung Claudians,
daß in der Brautnacht, die Pluto mit Proserpina feiert, die
Vögel ungefährdet über den Avernersee ziehen und der Am
sanctus seinen Pesthauch zurückhält:
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigenscli. d. Wassers. 15
Tune est pestiferi pacatum Humen Averni
Innocuae transistis aves, flatumque repressit
Ampsanctus, fixo taeuit torrente vorago. 79
Endlich galt als ganz besonders übelriechend das Tote
Meer. Nicht bloß der Salzgehalt, auch der Geruch galt als Ur
sache, warum kein Fisch in ihm sich aufhielt. 80
Anfänglich wird man wohl verschieden schmeckende Arten
von Wasser für Wasser gehalten haben, das mit verschiedenen
Qualitäten ausgestattet ist. Später, nachdem die Theorie von
den Elementen ausgebildet war, betrachtete man das geschmack
lose als das ,eigentliche' Wasser (azpißwc üowp), das erst durch
das Hervortreten latenter Qualitäten, durch ihre verschiedenen
Kombinationen und Umwandlungen 81 Geschmack annahm, bis
man endlich erkannte, daß es sich um Beimischung verschiedener
fremder Stoffe, daß es sich um Lösungen handelt. Man hatte
die Überzeugung gewonnen, daß die verschieden schmeckenden
und gelegentlich auch riechenden Wasser nicht verschiedene
Stoffe sind, etwa wie Ol oder Naphtha, sondern Wasser, das
den Geschmack und Geruch einer ,Beimischung' verdankt. Man
kannte zuletzt die Stoffe, welche dem Wasser den salzigen,
laugenhaften oder adstringierenden Geschmack erteilen; dagegen
blieb man über die Stoffe, die es säuerlich oder bitter schmeckend
machen, im unklaren.
Zahlenwerte können fast nur für die Grenzen der ver
schiedenen Geschmacks- und Geruchswahrnehmungen gewonnen
werden. Die verschiedene Intensität und die mannigfachen
Nuancen des Geschmacks, hervorgerufen durch den Zusammen
tritt von verschiedenen chemischen Stoffen, überdies getrübt
durch gleichzeitige Geruchswahrnehmungen, die irrigerweise
von Laien auch noch heute für Geschmackseindrücke gehalten
werden, setzen solchen numerischen Feststellungen in dem Ge
biete dieser beiden Sinne große Schwierigkeiten entgegen. Das
subjektive Moment kommt hier besonders zur Geltung.
Für die Grenze der Wahrnehmbarkeit des Geschmacks
(oder Geruchs) eines solchen Wassers ist allerdings die Löslich
keit, überhaupt die chemische Natur der darin gelösten Stoffe
entscheidend. Dies das objektive, physikalisch-chemische Mo
ment, das überdies zum Wasser eigentlich nur sofern Beziehung
hat, als dieses als Lösungsmittel den Geschmack vermittelt.
16
III. Abhandlung: Hofmann.
Die Frage hat aber noch eine subjektive, physiologische Seite,
indem die Feststellung der Grenze der Wahrnehmbarkeit des
Geschmacks oder Geruchs gewisser Wasser, als chemischer
Lösungen, mindestens ebenso wichtig für die Erkenntnis der
Leistungsfähigkeit der beiden Sinne ist.
Daß diese Fragen sich den Alten nicht darstellten, daß
sie insbesondere kein Bedürfnis nach zahlenmäßiger Bestimmung
auf diesen Gebieten empfanden, kann uns nicht überraschen.
Anmerkungen.
1 Plin. XV. (32) 27. §. 108: Nullus hic [sc. sapor] aquis,
ne sucus quidern, ut tarnen eo ipso fiat aliquis, ac suurn genus
faciat. Sentiri quidern aquae saporem ullum sucumve,
vitium est.
2 Hom. Od. XII. 306: ayy’ uSacs; yXuxepoto. Auf diese
Stelle sich beziehend meint Athenaeus (II. 13,3; p. 41 a), Homer
habe das Süßwasser dem Seewasser gegenübergestellt: StacTskXsi
8k y.ct: yXuy.'j uowp ceico r.XaTecc ' tcv p.kv 'EA/cijcikOVTov eiva; Xeywv
rcXaruv ‘ ihres Sk Oatepou ®pa£wv, ,cr/jtjap.£V rqaq aqypu uSatc; yXu-
•3 Nach gefälliger Mitteilung meines Kollegen, Herrn Hof
rat A. E. Schönbach, bezieht sich im Indogermanischen die
Grundbedeutung von ,süß‘' auf eine angenehme Geschmacks
empfindung im allgemeinen ohne Gegensatz zu einer andern,
z. B. zu ,sauer'. Der älteste Beleg für ,süßes Wasser' auf alt
hochdeutschem Gebiete ist Notker Teutonicus 65, 6 (Anfang
d. 11. Jahrh.). — Auch im Griechischen bedeutet yX'jy.uc an
genehm von Geschmack, lieblich' (A. Vanicek, Griech.-lat. Wörtb.
II. 204).
4 Arist. de sensu et sensib. c. 5; p. 443. a. 9: xd xs. yap
cxoi/üa accp-a, clov TiOp, äiqp, uSwp, yij, Sia xs xd ts cvjpa aiiiöv '/.a!
Ta uypa ayup.a eivai, lav p.r, -t p.tyvüp.evsv Ps. Hi ppokr. d.
alimento. c. 27. Littre IX, p. 108 = Kühn II. p. 21 unterscheidet
yXuy-u sc Süvapuv ilov uSwp, yXuy.u ec yeuciv olcv p.sXi. -— (Die
Schrift ist im herakleitischen Sinne gehalten.) Gal. de med. simpl.
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigenscli. d. Wassers. 17
temp. IV. 15; Kühn. XI. p. 671: xd oxoiyjii.c/. xoXu p.öXXov ärpotfä
ts y.a't axoca xp'09 xvjv yeuatv eiciv. xal Std xcüxo xa! -q -fq xa!
•co üSwp, ap.ow väp xaüxa axota xpo? xy)V ysöoiv stoiv xa! dxpcsa,
y.aOaxsp 6 av)p xal t'o xup. — Plin. XV. (27) 32. §. 108: zählt die
Erde nicht zu den geschmacklosen Elementen: mirum tria nci-
turae qpraecipua elementa sine sapore esse, sine odore, sine suco,
aquas, aera, ignes. —
Als Beispiel für reine Geschmacklosigkeit wird von Galen
(de med. simpl. temper. ac. facult. IV. 4; Kühn XI. 632 ff.) aus
drücklich das Wasser angeführt: — — eit’ oSv dxotov eöeXok;
eife p.so'ov sv xotöxvjTt if, xp'o? xr,v -(euoiv üxoXap.ßdvsiv, t'o uowp d:iw
oe xa! p.dXioxd Y e ^ou p.vjSepiav wv vuv eipv]y.a sp.oatvovxo: xotö-
xyjxa, p.rjxs YXuy.uT-rjta (wofür er eingekochten Most und Honig
als Beispiel anführt) jj.^te 8pip.öx7jTa ; p^x 3 öc:ÜTV)Ta jr/j-s xixpoTYjxa y.xX.
5 Gal. ad Hipp, de acut. morh. victu Comment. III. 36
(Kühn. XV. 696): t'o ydp tXvwocc •/) ouowosc r q dXtxbv vj xivo? Exspac
9app.ay.w00u: xo'.ötvjtoc Ip.oaatv i/p'i o5}r äxXw: tiowp soxlv., aXXd p.sxd
toiouoe tivo? Ixtp.iEia? 9app.dy.0u. —-
Ar ist. de sensu c. 4, p. 441 a, 3: q p.sv ouv tcü uoaxc?
püoic ßoüXsxai a/up.09 clvai y.TX.
6 Aap.ßdvst xivd /up.öv kann ebensogut bedeuten .der Gegen
stand nimmt einen Geschmack an = schmeckt nach etwas',
wie ,er nimmt einen Saft in sich auf'.
7 Theophr. de caus. plant. VI. 3, 1 (ed. Wimmer. II.
p. 207): pq §s y.a! Xi'Ooc d/up.a xXvjv sdv Ttva "oiaÖTr,v Xdßf) pi'cv.
Kaixot ©ai'vExa! -/£ xauxa p.aXXov i/v.'i oTov ooat 6’ aXpAosi: y.al oaai
y.a: wc -q xsopa xixpal xa! Svtai YXuxetac Soxoüatv elvat Äoitep y.al vj
apvtXoc. Ap.a cs y.al oux aXofov Eixsp xvj xou vewcouc svaxopfEsi ‘j'ivExa:
y«|*ö? ’ va §s Syj p.ExaXXeuöp,Eva y.al XlOwv evia fi'/q y.al cop.d: sys:
xpb; xoTc •/up.ci: • axavxa 0’ oöv xauxa p.s'Esi xivl y.al dXXotwos:
Ev^up.a oaivExa: y.al bop.wSr, • y.al ydp -q xifpz Sta xvjv y.axdy.auotv s : a X-
XoioupiEvr] y.al oaa xupouxai Xap.ßav£t x’.va yup.bv xd p,sv dxXä
xd Se p.’Yvup.sva toX? £>700X9.
8 Auch die Arten von Geschmack und Geruch, die sich
in Tieren und Pflanzen zeigen, erklärt er teils aus Beimischungen
(y.pdoE:c), teils (bei Gährung und Fäulnis) aus innerer Um
wandlung.
Theophr. de caus. plaut. VI. c. 3, 3, ed. Wimmer T. II.
p. 207: cuxoX: xe ydp y.al tüo'.c, sia| xtvs? y.al öap.ai y.a! yup.o! y.axd
Sitznngsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 3. Al>h. 2
18
III. Abhandlung: Hofmann.
Ta? y.paG£tc ; sti 3’ ev toi? y.a~ä Teyvvj? 7tapa<weuv)v Tiva p,iyvupevoi? •))
y.ai auTop.aTW? äXXoioup.evot? —- — waTcsp twv cr/Tropevwv yvX.
9 S. Anmerkung 4.
10 Arist. de anima. II. 10, p. 422 b , 10: Ta c’ elor, twv
yup.wv, rnoTep y.ai twv ypwp.aTWv, äxXä pev TavavTi'a to yXuy.u y.ai to
mypöv, eybp.£va 5s tou pev to Xwapöv, tou §e to äXp.upbv • p,£Ta?i> os
toutwv t6 ye Spip.u y.ai to a&örvjpbv y.ai GTpuovbv y.ai o?ö • ayeS'ov yäp
auTat ooy.oüoiv etvai oiaoopal yup.wv. — Arist. de sensu et sens.
c. 4, p. 442 a , 12: uiouep Se Ta yptipaTa b Xeuy.oü aal peXavo? piibew?
eotiv, outwc ol yupol sy. yXuy.eo? y.ai xr/.poü • y.ai y.aTa Xoyov 3y; tw
p.äXXov y.ai tjttov b.acxoi siaiv — — b p.ev ouv Xraapo? tou yXuy.eo?
4gt! yup.bc, to 5’ äXp.upbv y.ai my.pov ayeS'ov to aörb, o 3’ a&anripb?
y.ai Spipu? y.ai orpuipvb? y.ai oiju? ävä peaov • ayeS'ov yäp iaa y.ai Ta Töiv
yup.wv eiov; y.a: Ta twv ypwp.aTwv eaTiv ztA.
Arist. Probl. XXIII. 9, p. 932 b , 18 sagt aus vorgefaßten
theoretischen Gründen: Xwtapov yäp Sveariv ev tw äXpupw yupw. Das
Seewasser sollte nämlich auch Xwcapöv sein, weil es angeblich
verbrennlich war, wahrscheinlich wegen des Verknisterns des in
die Flamme gelangenden Salzes.
Theophr. de caus. plant. VI. 4, 1 (ed. Wimmer. II. p. 208):
at 8e toeai twv yup.wv eircä ooy.ouaiv eivat • xaöircep y.ai twv oap.wv y.ai
twv ypwp.aTWv, touto Be av ti? tov äXp.upbv ouy ekepov tiOt) tou my.pou
y.aGäirep y.ai to ©ai'ov tou p.eXavo? ‘ eäv oe ywp(£y] Gupßai'vei toutov oyooov
eivai - yXuy.b? yäp y.ai Xrcapbc y.ai my.po? y.ai aucTypo? y.ai Spip.u? y.ai
oi;u? y.ai oTpuovo? äptSp.ouvTai • ■äpoarfOeTat oe y.ai b äXpupo? oySoo?. —
Manche stellten noch den weinartigen yup.s? auf. Theophr.
de caus. plant. VI. 4, 1 (ed. Wimmer. II. p. 208): otovTai So
Ttve? y.ai tov oiv(1)Sy] Setv. — — y.ai b tyj? yrj? ävamSiet ti? evtayoü
toiouto? yupc?. Vielleicht sind Kohlensäuerlinge gemeint?
Plin. XV. c. 27, §. 106 führt zehn reine Geschmacksarten
an: dulcis, suavis, pinguis, amarus, austerus, acer, acutus,
acerbus, acidus, salsus sapor- dazu drei gemischte: der des
Weines (in 7n’s et austerus et acutus et dulcis et suavis) und
der Milch; den dritten hat er anzuführen vergessen, falls er
nicht die Geschmacklosigkeit des Wassers meint, wie man aus
der Zusammenstellung annehmen könnte. Auch ist die Auf
zählung noch unklarer als hei den griechischen Schriftstellern.
,.Suavis 1 ist keine Geschmacksempfindung und der Unterschied
zwischen acer und acutus kaum festzustellen.
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers.
19
Gal. cle simpl. med. facult. I. 38, Kühn. XI. p. 450: ■ifir,
bk y.al ol v.a-a ttjv v-?jv e£ipi<j'/.op,evot yup.oi iccsp.itoXXo£ tivs? ebt y.al
oüv. suaplöp.vjTOt Tat? t8eat?'ai S’ iv aÜTol? ysuoral Staoopal toü?
pi.ev cv.tm tov äptOp.'ov E§oi;av sivai, toi? oe ettto:, toT? Se y.al toütwv
sAocttou?. —
Die Grenzen zwischen aüaTY)po?, Spip.6? und oTpuovbc sind
fließend. Aristoteles stellt alle drei mit ö?6? in eine Reihe.
Xenophon (Mem. I. 4, 5) nennt als Beispiele für Geschmacks
empfindungen '{aoy.ü und opip.j, wie wir etwa ,süß' und ,sauer'
zusammenstellen.
Platon. Leg. X. p. 897 a bezeichnet als polares Paar,
ähnlich wie oy.AYjpbv y.al p.aAay.öv, Xsuy.bv xod p.s/.av das Geschmacks
paar auaTrjpbv y.al yXuy.6- ebenso Ar ist. Topica. II. c. 3, p. 111 4f.
— Auch Athen. I. 48, p. 26C, setzt aücrcvjp6? dem yloxaCuv ent
gegen. — Ausführlicher handelt darüber Platon Tim. (28,
p. 65 d): ooa — — IjuvaYst Ta ©Asßia y.al airoijYjpai'vsi, TpayuTEpa
p.sv ovta GTptnpvcf, tJttov §s TpayiüvovTa aücT-jpa tpaivsTai. Ta oe
TOÜTWV TE pUTTTaa '/.al TZaV TO TÜEpl TY)V yAWTTaV aTTOTAUVOVTa, TiEpa p.ev
toü gETpi'ou toüto SpwvTa y.al TCpoasmXap.ßavop.Eva, wote äitoTvpAstv aÜTvj?
TV;? oücrsojc, olov r ( Xfopwv Süvap.t?, ittypa iravS 3 outw? wvöp.ooTa!, -a
3e UTTOOEEOTEpa TV]? XiTpwSoU? £?EW? ETcl TO [AETplOV TE TY] pÜ'fEt yplögSVa
aXuy.a avsu mxpoTir)<Tog Tpayslac t.ta. Es heißen also die stärker
zusammenziehenden Stoffe cTpoova, die minder herben aucTYjpa;
den laugenhaften Geschmack der Soda bezeichnet Platon merk
würdigerweise als my.pbv (wie ja auch die Asche so bezeichnet
wird), während als der mildere Grad davon das aXoy.ov erscheint.
,Zerteilend' wirkende Stoffe heißen Sptp.ü? (ib. p. 65 e) und als
zusammengehöriges Paar werden hier (p. 66 b und c) ,süß £ und
,sauer' genannt. -—- Gal. (de simpl. med. fac. I. 38, Kühn XI.
p. 450ff.) gibt zu obiger Stelle den Kommentar, Platon meine
mit aüaTYjpb? yupoc, was man zu Galens Zeit atuyvo? nannte:
ovop.a^ei S’ aÜTwv [sc. yup.wv] tov p.sv aÜGTv;pbv, tov oe CTpupvöv • eiy)
o’ äv 6 [j,£v a&TY)po? y.aTa tov u<p’ Yjgwv onioovTa TTpoaaYOpsucp.EVO? , 6
OE OTpUCpVO? STUTaCTEl TOÜTO’J vlYVÖp.EV0C, WOTCSp OÜV y.al aOTO? 6 llAaTWV
eSy]Xwgev.
Von Plutarch (Quaest. nat. 5), der auch acht yup.ol an
nimmt, erfahren wir, daß man den Geschmack der unreifen
Dattel OTpuffivö? oder gtuovoc, den der unreifen Granate aüoT'/jpbc,
der unreifen Traube öi;ü? nannte. Darnach wären die beiden
2*
20
III. Abhandlung: Hofmann.
ersten eben nur verschiedene Arten von herbem Geschmack,
der zwischen bitter und sauer läge. Galen führt als Beispiel
für gtuovoc die Galläpfel, den Gerbersumach, die Holzbirnen
und Kornelkirschen an: öraep dypaSet; äwpot y.at y.pavE? GTutpv'ov
ÜTiOC) TO TOIOUTOV OVOgi^STat, TWV atK7T7)pWV eTlTGtOEl Staoepov 0 Se
y.aXoupev vjpetc otu^vov, ou Ttdvu pevTOV irpo? twv orspl tov öeoopaoTov
eüpetv ecntiv etptqpevov • eoty.e o - <5 Tt TauPov SvjXouv tu aücfTYjpw, vj y.otvbv
eivat Tt yi'ioe; toütou te y.at oTputpvou (de simpl. med. fac.
I. 38, Kühn XI. p. 453). — Als weitere Beispiele führt er (ib.
III. 16, Kühn XI. p. 591) an: otuTT^pta y.at peXavTY)pta y.at y.ty.ic
y.at pou; und (ib. IV. 4, Kühn XI. p. 632): et Se tyjv GTÖtftv, e-'t
y.ty.tooc; te y.at pcu y.at tuv cp.otwv. Alle diese Stoffe haben nach
unserer Ausdrucksweise einen ,herben 1 Geschmack. — Zwischen
,bitter' und ,zusammenziehend' steht nach Galen der Geschmack
des Absinths: ätjnvöiov pev -fap ou my.pbv pövov, aXXa y.at OTputpvcv
soTtv. (ib. IV. 20, Kühn XI. p. 690).
11 Plat. Phaed. 60, p. 112 A: yly'/c'nca S’ ey.aorot toioütoi,
St’ oia? dv y.at mc, yr t q pewotv. Auch von Arist. Meteor. II. 2,
§. 21, p. 356 a , 13 zitiert.
Arist. de sens. et sensib. c. 4, p. 441 a , 30ff.: ©ai’vovTat o’
ot yupoi oactitep y.at ev toi? xeptzapmou;, outoi ü^dp/ovTeq y.at ev tt]
Yfl'Stb y.at toXXoi oaot twv ap/odm tpuotoXövwv toioutov eivat to
üSwp St otaq av vyj<; Ttopeu^Tat. Kat toüto SijXov eoTtv ero twv
äXpupwv uSaTtov [xdXtara • ot ya.p aXe? yfjq ti etSö? eiatv. y.at Ta Stä
Tvj? Tetppai; St7)0o6psva ra'/.pac ouG’fjg my.pov Ttc.ei tov yupöv. T£
y.pvjvat icoXXa't at pev Tcptpat, ai S’ o^elat, ai Se TcavToSaTroui; eyouaat
yyijjug aXXoui;. — Theophr. caus. pl. VI. 3, 1 (ed. Wimmer II.
p. 206): ayupov yäp -/.ai t'o üowp y.a0’ aÜTÖ, Sd b y.at oi rcaXatot tpaot
ot’ otac av yrfi psp toioutov y.at eivat • y.at rj OaXaTTa Se y.at Ta vtTpwSr,
y.at oatrpa y.at öi;ea twv uSoctwv eyet Ttva ptipv wv evt'ot? y.at v) oepf,
paXtGTa oe ty) OaXaTTY) auvay.oXouGet. — Plin. XXX. 29, §. 52:
tales sunt aquae, qualis terra, per quam fluunt qualesque her-
barum, quas lavant, suci. Der Schlußsatz ist wohl ein Miß
verständnis des Plinius.
12 Arist. de sensu et sensib. c. 4, p. 441 a , 4 — — ev
auTW to uSwp eyetv Ta y£vv) twv yupwv ävat'oOvjTa Std pty.pÖTYjTa, «.aOaicsp
’EpitESoy.X^s cpvjctv.
Gal. Comment. in Hippocr. de nat. hominis I. 30, Kühn VX.
p. 79: eXy.si Iy.aoTOV to ysj.ia tpüaiv ewutcu eveov ev ty; yfj • evt Se y.at
Kenntnisse d. ldass. Völker v. d. pliysik. Eigensch. d. Wassers. 21
o^u /.sei yXuy.i) y.at myp'ov y.at aXp.up'ov y.at ■rcav-otov. Die Pflanzen
sollen nach diesem Kapitel die schmeckenden Stoffe aus der
Erde ziehen. Das Kapitel ist nicht dem ITippokrates, sondern
einem Notizensammler zuzuweisen. R. Fuchs, Gesch. d. Heilk.
bei den Griechen (in Puschmann Handb. d. Gesch. d. Medizin,
1902. Bd. I. S. 220).
13 Arist. d. sensu et sensib. c. 4, p. 441' 1 , 10. xouxcuv 3’,
w; p.ev J E|jwte8ciXA?}s Xeyet, Xtav eucivoTtiov xb tieuSo;’ opwp.ev yap p.exa-
ßaXl.ov öra> xou 0epp,cu xou; yup.ou; ä;>aipoup,£vwv xwv txeptyap-twv st?
xbv fjXtov y.at itupoo|*svti)v, w; ou x<p ey xou uoaxo; eXxeiv xotoixou;
•pvop-eveue, ak'h ev a&xw xw TCeptxapOTtp p.exaßäXXcvxa;, y.at e;typ.a£o-
p.evou; Se y.at y.etp.evou; Sta xbv ypovov auoxvjpou; ey i-Xuyetov y.at OT/.pou;
y.at ‘TtavxoSarcou; ytvop.evou;, y.at etiop.evou; etc; ixavxa xä -fevvj xöv yup.wv,
w; eilte«, p.exaßaXXcvxsc.
14 Arist. de sensu et sensib. c. 4, p. 441 a , 18: öp.oito; Se
y.at xo 'üavaitepp.ia; eivat xo uowp üXvjv äouvaxov • ey. xou auxou -pap
öpfip.ev, w; ey xrj; aüxrjc xpo©’?;;, Yivop.evou; exepou; yup.ouc.
15 A rist. de sensu et sensib. c. 4, p. 441 a , 8: p.Yjoep.iav
e/ovxo; Sta^opav xou üSaxo; xö x;otouv a’t'xtov etvat, oIcv e! xo Oepp.bv
y.at xbv v]Xiov fair) xt; y.xX.
16 A rist. de sensu et sensib. c. 4, p. 441“, 21: oxt p,ev
xotvuv ou/ ÜTtb xrj; xou Oepp.oü ouvdp.eco; Xap.ßavetv [sc. xb uSwp] xaüxrp
xrjy ouvap,iv 4jv xaXouptev yup.bv, epavepov • Xextxcxaxov -pap xwv Ttdvxtov
ü/pwv EGXt — •— ETret oe Oepp.atvop.evov oüSev «palvexat ■xa/uvop.evov xb
u3wp auxo p.övov, SrjXov oxt exepa xt; av etr) atxta • ot yäp yup.ot txävxe;
Tta/o; e/ouot p.aXXov • xb Se Oepp.bv ouvat'xiov. — — f] p.ev Ttup, y.at rj
T0i oüSev respuye xotetv fj Tcäa/etv, ouS’ aXXo oüSev • rj 8’ wcdp/ei evav-
xtöxr,; ev exaexw, xaiixr) rxdvxa y.at Tiotouct y.at ixdo/ouatv. Zu
obigem Einwand s. Arist. Meteor. IV. c. 3, 7; p. 380 a , 34 und
b, 11: uSwp ou ita/uvexat p.ovov xwv üypwv.
17 Arist. Meteor. II. c. 3, 45, p. 359 b , 8: etat Se tcoXXayou
y.at y.pvjvat y.at peöp.axa rcoxap.wv TCavxoSaTtou; e/ovxa yup.ouc, wv ttctvxwv
atxtaxeov xrjv evouoav r) eyytvop.evriv 36vap.tv impo; • yaopivr) yap
4 TI “ ( p p.äXXov y.at yjxxov TtavxoSaxd; Xap.ßävet p.opcpa; y.at /poa;
/up.öv. — Alex. Aphrod. (ed. Hayduck) Comm. in Arist. gr. III/2.
p. 89 enthält nichts als eine Paraphrase dieser Stelle.
18 Arist. d. audib. p. 802 a , 13ff.: Tidvxa xaüxa (Ge
ruch, Farben, Geschmack) apatoxspa ifatvop.eva upb; xr,v at'a0Y)atv
22
III. Abhandlung: Hofmann.
acfYjp.oTspa yi'/eta'.j y.aOmrsp :m\ ot y.up.ol y.paOevTEt; tg> 83 am v.a\ exepoip
yogoic • to Yap sauToö irapr/ov afeOvjaiv aoaoclc r/.aoTW orotsT Tac Buvap.stc.
19 Yitr. VIII. 3, 26 (ed. V. Rose): non est mirandum si
etiarn in magnitudine terrae innumerabiles sucorum reperientur
varietates, per quarum venas aquae vis percurrens tincta per-
venit ad fontium egressus, et ita ex eo dispares variique per-
ficiuntur in propriis generibus fontes propter locorum discrepan-
tiam et regionum qualitates terrarumque dissimiles proprietates.
Uber die Wirkung der Sonne: inclinatio mundi (efficit) et
solis impetus (qui) propius aut longius c,ursum faciendo tales
[sc. varios] efficit terrae umorisque qualitates (ib. VIII. 3, 13,
p. 198 ed. Rose). — Uber den Geschmack und Geruch kalter
Wasser äußert Vitruv folgende Ansicht: sunt etiam odore et
sapore non bono frigidi fontes, qui ■— ab eo per longum spatium
terrae percurrentes refrigerati perveniunt supra terram sapore
odore coloreque corrupto, uti in Tiburtina via flumen Albula et
in Ardeatino fontes frigidi eodem odore qui sulfurati dicuntur et
reliquis locis similibus (VIII. 3, 2 p. 192). Vitruv stellt sich vor,
daß Geschmack, Geruch und Farbe dem Wasser wegen seinem
lockeren (porösen?) Wesen innig eingemischt sind: sapor autem
et odor et color eius [sc. aquae'] non restituitur [im Gegensatz
zur entweichenden Wärme], quod intinctus et commixtus
est propter naturae raritatem. Allerdings könnte man die
raritas naturae auch auf die Geschmack, Geruch und Farbe
erzeugenden humor'es beziehen. — Uber die Quellen seines
Wissens bemerkt er (§. 27): ex bis autem rebus sunt nonnulla
quae ego per me perspexi, cetera in libris graecis scripta inveni,
quorum scriptorum hi suns auctores: Tlieophrastus, Timaeus,
Posidonius, Hegesias, Herodotus, Aristides, Metrodorus, qui
magna vigilantia et infinito Studio locorum proprietates, aquarum
virtutes, ab inclinatione caeli regionum qualitates ita esse distri-
butas scriptis dedicaverunt.
Geopon. II. 6, 2 (ed. Beckh): t« Be [sc. uSaTa] Iv toR opeoi
y.a\ zcac fewpeiat? q’ko/.ea, eav \j:r, tivwv r, qs.u'jiq aüAp-rpca Bia tyjv tmv
sw/.Eip.evwv üBaTtov iBiOTYjTa, (Lp.mv g äAjjwpwv feap/cv'wv, '7j viTpwowv,
<7TüitTY)p(av iyfivzti)'/, fj östov, äXko t: twv toioutwv.
20 Sen. Quaest. natural. III. 20, §. 1: at quare aquis
sapor varius? quatuor ex causis: ex solo prima est, per quod
fertur. secunda ex eodem, si mutatione eius nascitur; tertia ex
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 23
spiritu, qui in aquam transfiguratus est; quarta ex vitio, quod
saepe concipiunt corruptae per iniuriam. — ib. §. 2: Interest,
utrurn loca sulphure an nitro an bitumine plena transierint.
21 Plin. XXXI. 29, §. 52: Omnis aqua hi'eme dulcior,
aestate autem minus, autum.no minime.
22 Arist. Probl. XXII. 11, p. 931 a , 6ff.: ota tc rrapa ta
atputpva o olvois Äflfi Po uSwp <sai'v£tat fkmh'zs.pa, oiov sav ti? ßaXavou?
■q p.upta ; q tl töv totoituv Siaxpctyr); — — rcäv yc/.p Po ocJit'o rrapa Po
svavt!ov p.äXXov ©aivstca, ol Se töv Ivavtiwv yjjp.oi «vcotefpLSVol Tiuc
siaiv. — Die andere Erklärungsart: 5xt — — 6iub tüv orpufvöv
■q YAwrta ^poocspYo^sTai y.ai toup rropouc avolyeza 1 ., uotE p.äXXcv Susvca
Po Y^u*i; stimmt schlecht mit der Vorstellung des ,Zusammen
ziehens' (otüduc, crtöou). Der Autor meint, es sei ein Analogon
zur Färberei, wo vorher der Stoff zur besseren Aufnahme der
Farbe auch mit Adstringentien behandelt werde: v.cd yap ~d
ßaxtop.sva toutou evezev rtpoßps/oucnv sv toT? atpuovo'tc, tu StspYaoOev
p.äXXcv Sr/scOat trjv ßaf^v. — Zu den bei Blümner Technol. u.
I’erminologie d. Gewerbe und Künste. I. S. 223 angeführten
Beizen könnte man nach dieser Stelle wohl auch die Gerb
stoffe zufügen.
28 Theophr. fr. 159 (ed. Wimmer. III. p. 159): Po NefXou
uowp xoXuYOveotatov •/.«'. Yhozitatov ■ St'o y.ai Xüeiv tot? v.oüdaq tuv
rovovtwv puijtv e-/ov Xttpdiov). (Athen. II. p. 41 f.).
Ps.-Arrian. Peripl. Pont. Euxin. c. 10: Po os tiBup toö
•haoioot; ob or/TOtai, aXXa p.svEi ay.paiovsc; y.ai ünsp osy.atov stoc, rtXr)V
Ys Sr; ctt st? Po Y^uy6tEpov [retaßäXXst. —
Ktesias: Tou 'häoicoo Ttotap.ou Po üSup sv aYY sl< i ) Staptelvov
wyßqij.spov olvoc rjSiato? yivenai (Fragm. 67; p. 94, ed. C. Müller.
Didot.).
24 Athen. II. 6, p. 43 d: ’ApiatoßouXo«; S’ 6 KaaaavSpsis orjotv,
sv MtXr)tu v.p-qrq'i sivat, ’A/tXXctov y,aXoup,svr)v, rj? Po p.ev psup.a Eival
YXuy.otatov, Po S’ üosotrjy.b? dXp.upöv • ao ’qc. ol MiXvfaia nspippavaoOai
oaoi t'ov rjpua, ots ä-sy.tsivs Tpap.ßr)Xov tov tuv AeXeym ßaciXsa.
Plin. XXXI. (10) 46, § 110: mirum in lacu Ascanio et
quibusdam circa Chalcida fontibus summas aquas dulces esse
potarique, inferiores nitrosas (natronhältig).
25 Vitr. VIII. 3, 7 (p. 195, 1): [flumen Ilimeras] quod a
fonte cum est progressum dividitur in duas partes, quae pars
fluit contra Etruriam, quod per terrae dulcem sucum percurrit,
24
III. Abhandlung: Ilofmann.
est infinita dulcedine, qiiae altera pars per eam terram currit
unde sal foditur, salsum habet saporem. — Solin. 5, 17 (ed.
Mommsen, p. 51, 12): Himeraeum celestes mutant plagae:
amarus denique est, dum in aquilonem fluit, dulcis ubi ad meri-
diem flectitur. Hier ist die Angabe des Geschmacks (amarus!)
und der Richtung der beiden Flüsse falsch angegeben.
Sil. Ital. XIV. 234ff.:
— — nam dividuas se scindit in oras:
Nec minus occasus petit incita, quam petit ortus.
Nebrodes gemini nutrit diuortia fontis.
Cluverus, Sicil. II. 11, p. 460 und I. c. 16, p. 257 ed.
Graevius, nimmt beide Himeras an. Holm Gesch. Siziliens. I.
S. 31 scheint nur den nördlichen (salzigen) anzunehmen, der
Sizilien in ungefähr zwei gleiche Teile teilte. Von diesem spricht
Diodor. XIX. c. 109, 5. Von Agathokles’ geschlagenen Truppen,
die auf der Flucht aus dem Himeras tranken, fanden viele den
Tod, ,dAo'/.ou toö ps.uij.a~cc, orzoq 1 . Stephan. Byzant ,'Ip.epaq‘
kennt nur einen Fluß dieses Namens; ebenso Strabo XVI. 2,
p. 66; beide ohne dessen salzige Natur zu erwähnen. Mela.
II. 7, 17: Himera — — in diversa decurrit — — alio ore in
Libyum, alio in Tuscum mare devenit. Vom Geschmack des
Wassers erwähnt er nichts. — Antigonus Car. 133 (148): t'ov
o’ 'Tgspav £•/. p.iäc rcrflffc o'/i^cp.evov to gsv «Xuy.'ov twv pei'Öpcov s/siv,
TO Sk TOTlJJtOV.
26 Plin. XXXI. (4) 29, §.52: neque aequalis am-
nium plerumque gustus est magna alvei differentia. — —
mutant saporem et infiuentes rivi, ut Borysthenen, victique
diluuntur. aliqui vero et imbre mutantur — — totiens [sc. <er]
et Nili rigua pluviae amara fecere, magna pestilentia Aegypti.
Diese Angabe steht in vollem Widerspruche zu Theophrasts
Fragm. 159 (ed. Wimmer III. p. 208, in Athen. II. 15, p. 42 a ):
auyjj.S)') 8e tots ysvogÄ'im rcspi t'ov NsTXov sppuv) t'o u3up iwSe? y.ai
toXXo'i twv ArfUTTtuv aTÜXovTo. —
Eustath. II. A. p. 762, der fast wörtlich den Theophrast
ausschreibt, fügt nur hinter jiüSsq' die Worte: -/.cd f ( v ^auXov v.at
aÜTo TEpa? ein. Bei Plinius scheint mir eine Flüchtigkeit oder
ein Mißverständnis des Theophr. unterlaufen zu sein. Obgleich
Plin. den Theophrast nicht nennt, so scheint er ihn doch be
nützt zu haben, denn Plinius erwähnt (ähnlich wie es bei
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 25
Theophrast geschieht) wenige Zeilen später die Umwandlung
des Trinkwassers in Karien.
27 Pint. Crassus. c. 11; p. 549 c: s-i Asuy.avi'So? X£(*v5f]c, vjv
®aci TpercecOai 8:a ypövov YivopivYiv YXuyelav y.at auOt? äXp.upav y.at
amto'i.
Isid. Orig. XIII. 13: In Troglodytis lacus est; ter in die
fit amarus et deinde toties dulcis. Diese Stelle nahm Rabanus
Maurus in dem Kapitel: de diversitate aquarum‘ (De Uni-
verso, Patrol. ed. Migne, Sect. lat. T. 111, p. 309) wörtlich auf.
28 0. Gilbert, Meteorol. Theorien des griech. Altertums,
S. 393. — Daß der Okeanos als Stammvater der Quellen und
Flüsse als Süßwasser gedacht wurde, ist wohl natürlich; aber
auch der Atlantische Ozean ist von Euthymenes von Mar
seille für süß gehalten worden. — Plut. Plac. philos. IV. 1:
sy. tou ’Qy.savou y.at xr}<; e^w OaXctacrjc; yXuy.Efat; v.al autyjv oügy]?
— -— Lydus IV. 68 (Fragm. hist, graec. T. IV. p. 408, ed.
C. Müller): ^EuOup.svrj? S J 6 MacrcaXubr^ cpvjal äia^Xeuaai ty)V ’AvXav-
'ity.vjv GaXavrav, iysfvYjc ts iSstv tov NstXov ey.'ipeyov'ua — —.
yXuy'u Se ct/eo'ov t'o ty)? ’A'iXavtr/.vji; GaAdvcY);; uScop yvX. — Sen.
Quaest. Kat. IV. 2, 22) scheint aus Euthymenes die betreffende
Stelle wörtlich übersetzt zu haben: ,navigavi‘ inquit ,Atlanticum
mare: inde Nilus fluit — — — ceterum dulcis mari sapor
est, etc. Der Atlantische Ozean enthält 3 - 63 °/ 0 Salze, ent
sprechend 2‘79°/ 0 Kochsalz; das Mittelmeer 3*37°/ 0 Salze, ent
sprechend 2 - 59°/ 0 Kochsalz. Der Geschmack des atlantischen
Wassers müßte also salziger erscheinen, falls der Unterschied
überhaupt wahrnehmbar wäre.
29 Lycophr. v. 135: hlyaimoq dyviV^v ■üd-fov.
Daß in salzig schmeckendem Wasser Salz gelöst ist und
ihm den Geschmack erteilt, sagt schon Arist. de sensu et.
sens. c. 4, p. 441 b , 3: y.at 'tou-co SvjXöv scttv erci t6W äXp.upwv üSdtuv
p.dXta-a - ot yap äXeg yrjq vt sl36q etctv (d. h. ein Mineral). — Vitr.
VIII. 3, 7, p. 195 Rose: item Paraetonio et quod est iter ad
Harrirnonem et Casio ad Aegyptum lacus sunt palustres, qui
ita sunt salsi ut habeant insuper se salem congelatum. sunt
autem et aliis pluribus locis et fontes et flumina et lacus, qui
per salifodinas percurrentes necessario salsi perfici-
untur. Von den Salzklumpen in der Ammonsoase und längs
dem Nordrande der Sahara berichtet Herodot IV. 181 (auch
26
III. Abhandlung: Hofmann.
c. 182 und 183): akoc lau xp6®sa y.axä /övSpou«; p,sYdXoos sv
xoXwvoToi. Uber die Salzgruben (IV. 185): I<m os äXoc xe
psxaXXov —. Die Häuser sind daselbst aus Salzblöcken gebaut:
~a os ol/J.y. xouxotcc ixaoi sy. xwv dXi'vwv /ovSwv or/.ooojj.eaxat. — Plin.
XXXI. 39, §. 77 sagt: simt et montes nativi salis, und führt
eine ganze Reihe derselben an. —
In späterer Zeit wußte man, daß das Steinsalz reiner ist
als das Meersalz. Arrian. Anab. III. 4, 4: sox: y.ai yaOapbc
wcnrsp y.püoxaXXo? • y.ai xoüxw eot xaT; Quotai; ypwvxa: [die ägyptischen
Priester] ü>c y.aOapwxepw xwv a^b OaXauoT^ bköv y.xX.
30 Anfänglich verwendeten die Römer auch nur See
salz. (V. Hehn. Salz. S. 26 ff.) Seine Gewinnung aus Salz
wasser schildert Plin. XXXI. 39, §. 81: factitii [sc. salis]
varia genera. volgaris plurimusque [sc. fit] in salinis [einer
Art Salzgärten] mari adfuso ac super omnia sole multo,
aliter non inarescens. — — fit tarnen et in Creta sine riguis,
mare in salinas infundentibus. — —- §.82: in Chaonia ex-
cocunt aquam e fonte refrigerandoque salem faciunt inertem
nec candidum. — — §-83: Galliae Germaniaeque ardentibus
lignis aquam salsam infundunt. Ich möchte diese Stelle auf
Salzsiedereien beziehen.
Gal. de simpl. med. IV. 20, K. XI. p. 694 stellt den
akzc öp’jy.xo: das durch Eindampfen erhaltene Meer- oder See
salz entgegen: oi x’ b. xv;c OaXaxxr ( c y.a: mWa/oth xrje s?
uodxwv sXaopwv dvaEr,pav0evxwv yevvwj.isvo!.
31 Vergleich zwischen Entstehung des Meerwassers und
Gewinnung der Lauge (novi'a), Gäl. de simplic. medic. temper.
IV. 3, K. XI. p. 630: ävdXoyov x^ OaXaxxv) y.a! aXp.7), StaOsosw? y.ai
Yevegew; svey.a y.xX. — — sy.stva [sc. OaXaxxv;] p.sv yap ic, u3axo?
y.ai äXwv Guy-AEixai; die Lauge dagegen s? üoaxo; xs y.a: xwv a:0a-
XwSwv [roptwv xvj? xsopac. Gal. ib. IV. 20, p. 691: y.a: ooi y.a: auxw
fEVVYjaai OaXaxxav s^egxiv, aXac üoax: tcox(j.w Siaxv^avxt . . . Wenn
man dies nicht wüßte, könnte man die Lauge (also auch analog
das salzige Wasser) für einen nicht Zusammengesetzen Stoff
halten: fjv s: p,Y) <s0dvovxs? sYtvwoy.op.sv, wc sc; üoaxo; xs y.a: aiOaXwcwv
[Aopiwv xvjc; xseppa? sysvexo, x6./_’ av uxsXap,ßdvop,ev aTiXoiSv y.ai
äcivOsxov uTidp/etv owp.a.
32 Gal. de simpl. med. IV. 20, K. XI. p. 695: 7) OaXaxxa
3’ äXp.upd p.aXXov ^ w/.pa. — Vom Toten Meer heißt es: o's/_
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physilc. Eigensch. d. Wassers. 27
iXotbv pwvov, aXXa y.a't «txp6v, und ib. p. 694: ouoe x'o xvj? Xt'p,vv)t;
|y.ei'vY)c üSwp dx.ptßwc laxt mxpöv x.xX. d. h. es ist zum Unterschiede
vom Meerwasser vorherrschend, aber nicht rein bitter. Tat
sächlich enthält es in 100 Teilen (Mittel von fünf verschiedenen
Stellen) 22'3 Teile Salze; darin 36 - 5°/ 0 Kochsalz und 45°/ 0 Mag
nesiumchlorid, das scharf bitter schmeckt. —
Arist. Probl. XXIII. 35, p. 935% 34: St« xi r, ÖdXaxxa
äXpwpd y.at' xr/.pd loxtv; ^ öxt ev xr) OaXaxxv) xXeiouq stotv et -/up.ot;
y.ai ydp xo dXp.upbv y.a't x'o xty.p'ov ap.a oatvsxat.
33 Theophr. Fragm. 159 (ed. Wimmer. III. p. 208) bei
Athen. II. 4, p. 42 a : p.exaßdXXetv xs ©vja-tv co p.cvov xd xr/.pd xwv
übäxöjv äXXd y.at x'o äXuy.bv, y.a't 0X005 xoxaptoo? y.aOd x'ov ev Ktöaipwvt,
xap’ w Zv)vöc, y.at x'ov ev Kapta xap’ w EToastotovo:; tepöv loxtv • a’txtov
oe x'o xoXXoi)5 y.spauvcuc xtxxetv xsp't x'ov xcxov. Die Angabe ist
ganz unbestimmt; man weiß nicht, welcher Geschmack in welchen
umgewandelt wird. Plinius, der in dem Abschnitt über Wasser
häufig den Theophrast (xsp't üoaxwv) mit oder ohne seine Nennung
benützt, sagt: in Caria, ubi Neptuni templum est, amnis qui
fuerat ante dalcis, mutatus in salem est. (XXXI. 30, §. 54).
Des Flüßchens am Kithairon tut er keine Erwähnung. — Eine
umgekehrte, zeitweilige Änderung berichtet Plin. (II. 104,
§. 222) als Wunder: Dionysio Siciliae tyranno, cum pulsus est
ea potentia, accidisse prodigium, ut uno die in portu dulces-
ceret mare.
34 Geopon. II. 6, §.2: xd Be iv xoT? xsBtotc süptoy.op.eva
xtov üodxwv dlp.upd wc Ixt x'o xoXu; und §.4: xd p.sv oöv xeBta St
0X7)5 Ixe/ovxa Xi)? rp.ipoa; x'ov ijXtov, ^ap.IXpetv x'o üpp'ov y.a't I'axp.tiletv,
o0ev xd p.ev xsXew? ävuBpa uxdp^et, Iv ofc 31 y.axaXetxexa! xtva xwv
üodxwv, otXp.upd eupioy.sxat xdvxu?, xou ll^aopoü y.at yAuxioc 15 aoxwv
dvotXiGy.op.lvou, y.aödxep y.a't xr,v OaXaccav cup.ßeßrf/.s. Geradezu eine
Umwandlung von stehendem Süßwasser in salziges wird an
genommen: Ps.-Arist. de plantis II. 3, p. 824% 37: fewaxat
os x'o aXa? Iv toxap.lvoto üBaotv, olc x'o yXmu vfvsxai dtXp.upöv. —
Plin. II. 104, §. 222 glaubt, das Seewasser werde zum Teil
dadurch salzig, daß sich ein Teil der trockenen Ausdün
stungen ihm beimischt: quia plurimus ex arido misceatur
illi vapor.
35 Arist. Probl. XXIII. c. 20, p. 933% 30: x'o dXpupbv
üStop y.tvoup.svov y.a't p.exaßotXXov •'j’Xoy.öxepov yhs~ai.
28
III. Abhandlung: Hofmann.
36 Arist. Probl. XXIII. 31, p. 934 b , 37: Stä t( tvjq Oa-
XaTTt); rcp’ot; Tp Yp •yAuitu-epoc 4<ttiv; vj StcTt 4v ty) y.t'Qoet p.äXXöv
iffttvj •/.tvoup.evov Se to ccXp.up'ov yXox,6t£pov yivsTat.
37 Arist. Probl. XXIII. 30, p. 934 b , 23: Sta Tt Tvfe OaXdooit];
Ta avw Ttov ev tw ßdOet aXjaupwTcpa . . .; eSst t'o y.aTtoTepto •
ßapikepov yap t'o aXpiupov. 'q StOTt o 7)Xto; y.at 6 a-ijp ävaYSt äet t'o
IXaopÖTaTov chrb twv ÜYpwv; t'o Se m>Ttp.0TepöV aet xouförspov, gäXXov
S’ brzayzi aiio Ttov eYYUTepto töttuv, öote y.at OaXaTTtj; aico twv
IicitoX^c, y.at twv ■äOTt'p.wv ävaY'/.Y) t'o XetTcopievov äXjjtupt&Tepov etvat y.TX.
— Aus ähnlicher Quelle Plin. II. 104, §. 222: exhausto inde
dulci tenuique, quod facillime trahat vis ignea, omne cisperius
crassiusque linquatur: ideo summcim aequorum aquam dulcio-
rem profunda.
38 Arist. Probl. inedit. (ed. Didot) II. 34, Yol. IV.
298, 17: Sta Tt ev Tot; cäyiakölq oy.d'iavTe; ykuxb eüptoy.cpiev üSwp;
oTt TMyy t'o i% OaXaTT-t)c &3wp, ey. icoXXöv ouveoTÖ; • t'o XeitToptepe; ouv
aÜTr t g Sta ~i;; yf,g roapetaS&vet • y\w.b Se t'o XeitTOV, wcurep rcayp t'o äXp.up6v.
Probl. XXIII. 19, p. 933 b , 18: Sta Tt Ta Ttp'o? ty) OaXdTTY]
w; 4m t'o itoXu uoaTa ■'fhnv.s.a äXX’ ob/ äXp.upd; •?) ota t'o TOTtp.wTcpa
ott]Öoüp.eva yIveaOat; SctjOeivat Se t'o eYYÜ'spov Tvj? OaXaTTY)? p.aXXov. —
39 Plin. XXXI. (6) 37, §. 70: — — in terra marina
aqua argilla percolata dulcesit. — Plut. Quaest. nat. c. 5: 7j
Se St’ äpYtXou T:po3taYtOYVi TravTairaot ty)V OdXaTTav StY]0oupivY]v, ■KÖTtp.ov
cnroSlSwot, Tto y.aT£/etv ev eauTp y.at (j.yj Sttevat t'o y-öSs?-
40 Gral, de simpl. med. I. 4, K. XI. p. 389, sq.: Sta twv y.epa-
p.ettov ayydio'i Sirj0o6p.evov äy.ptßwi; yhexoa y.aOapov ■ /pv) Se p.Yj airaE, dXXä
y.at St? y) Tpi; StvjOeTv auT'o, -/.ahoi y.at oütw; towc äoüvaTov äxptßök epYdoaa-
Oat y.aOapov. Vgl. diese Berichte Bd. 164, Abt. II, S. 62, Anm. 83.
41 Arist. Probl. XXIII. 21, p. 933 b , 33ff.: Sti t'o p.ev
TtpwTOV t'o uorap/ov uStop ev Tto tc~w y.at t'o 'TeTrep.p.svou feo tyjs
eoTtv, OTav Se -/povtoOfl, rj OäXaTTa iipoStY)0oup.evY) Stä t'o KpöocpaTov
elvat uoteü äXp.upwTepov. Der Verfasser dieses Problema nimmt
also nicht an, daß beim Kollieren durch die Erdschichte das
Salzwasser süß wird.
Probl. XXIII. 37, p. 935 b , 3ff.: evta-/ou (im vorigen Probl.
ist ausdrücklich gesagt: ev Tij Atßii-t)), edv tu; SpiEj) rrapä tyjv OdXaTTav,
t'o p.ev itpÜTOV TOTtptöv eotiv UStop, etö’ äXp.up'ov yl'/exoa — — ety.ÖTw;
ouv t'o ■ÄpwTÖv eoTt y'kuv.u • IXa^pÖTepov Y“P soti t'o y' /I ' u ' / -' u äXp.upou,
y.at •!) OäXaTTa i/v. Tt tou y'au'/.eo;, S |j.t-/0ev Tp yfl p.aXXov £7Ct7to7\äl(£i ‘
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 29
to 8’ äXgup'ov 8id to ßdpo? za: 8ta to Tu,Y]Tiy.b eivai zart») oepsTai. Als
zweite Möglichkeit wird angenommen, daß vom Land her
süßes, vom Meere salziges Wasser zu den Brunnen strömt und
ersteres oben schwimmt: efre xavi Ta? ®Xeßa? ly. xrjc iqitci'pou peT
Im ty]V GaAaTTav to yAuzu üSup, sizotw? Äv liccitoAvjc efr) ty;? 0a-
AaTT’tjc, vj p.f’YVUTai atyrij.
42 Schon Arist. Probl. XIII. 6, p. 932 a , 28 ff. deutet an,
daß der Pontus IotI ai|avm3y]? oia to itoAXou? TOTajAou? ei? auTov
pstv und an der Oberfläche Süßwasser habe und darum, wie
die Landseen, leichter (Xeuzoxspa) sei als das Ägäische Meer. —
Polyb. IV. 42 (ed. Büttner-Wobst) sagt: daß die Veränderungen
am Pontus, vornehmlich die Anfüllung seines Beckens mit
Schlamm, herbeigeführt wird durch ot tyjXizoötoi zat toicuto: xoxap.oi
ouve^m? peovTs?, dies beweise die Tatsache: oom yap £<m vuv -fj
MatöTi? yAuzuTepa tvj? üovTiy.% QaAaTTr,?, outw? OeotpslTai Staoepouca
Tipooavw? •/) üovTty.vj Tvj? y.a0’ tfjp,a?; also wohl des Mittelmeeres. —
Strabo I. c. 3, 4, p. 50: töv yap TOTagöv tcXsIotuv y.al \xEytoTwv
pEovTtov aTcb tvj? apy.Tou y.ai ävaToAvj? — — St'o y.al fXuzuTdTY)v eiva:
ty)v IIovTty.7)v GaXatTav. — Ps. Arrian. Peripl. Pont. Eux. 10:
y.aiTot 6 Trd? Hovto? toX6 ti -fXuzuTEpou tou uSaTÖ? ianv rpzs.p vj e^w
OaXauja - y.al toäitou to aiTtov ot woto(jio{ siaiv, oute kX^öo? oute pi-
ysGo? oT«0(jt,Y)Tol ovte? ztX. — Philosti'. maior. (ed. Benndorf
und Schenkl) Imag. 13, 7: — — -/upüv STspwv, ou? Tovpo? 1?
aÜT'ov ©epst, xal MaiÖTi?, 6®’ wv yXuzÖTepo? y.ai TtOTtgtltTEpo? äXXvj?
OaXdiTT)? 6 llovToc. — Ammian, Marc. XXII. 8, 46: Pontus
dulcior aequorum ceteris etc.
Curtius. VI. 4, 18: Mare Caspium dulcius ceteris etc. —
Die Angaben über den geringeren Salzgeschmack sind zu
treffend. Das Wasser der Kaspischen See enthält 0‘365°/ 0 Koch
salz, das Schwarze Meer L398 °/ 0 , das Mittelländische 2 - 59°/ 0 ,
die Zahlen sind Mittelwerte von Bestimmungen an verschiedenen
Stellen dieser Meere.
43 Her. II. 108: ooot twv Aiymxlw [ayj Im tw TOTapw h.vrpxo
Ta? zoXt? aXX’ avapeaou?, o&toi, ozw? te aHoi 6 TCCTqab?, OTuav^ovTE?
üogctcov TTAaTUTEposoi l^psovTO Toioi vap.aat, Ix ©pEaTWv •/psöp.Evo!. Dieser
Ubelstand soll erst durch Kanalisation unter Sesostris behoben
worden sein. •—
44 Strabo I. 3, 4, p. 49 erwähnt, sich auf Eratosthenes
berufend, Salzlacken (XipvoOaXaTTai) um den Ammonstempel und
30
III. Abhandlung: Hofmann.
an dem Wege dahin; auch führt er an: dva<puay)p.axd xs OaXdxxyji;
el; .jfcjfflcs ävaßaXXeiv. — Ausbrüche von Salzwasser.
Von Plin. XXXI, 39, §. 73 ff. wird eine größere Zahl
solcher Salzseen angeführt. — Tac. Annal. XIII. 57: EadLcm
aestate inter Hermunduros Chattosque certatum magno proelio,
dum flumen gignendo sale fecundum et conterminatum vi
trahunt. Es ist ein Mißverständnis des Tacitus; es kann sich
nur um Gewinnung von Salz aus Quellen in der Nähe des
Flusses, vielleicht an der Werra (bei Salzungen) oder an der
fränkischen Saale (bei Kissingen?) handeln. — Ammian.
XXVIII. 5, 11: — — ßurgundii — — salinarum ßniumque
causa Alamannis saepe iurgabant.
45 Arist. Meteor. II. 3, §. 45 und 46, p. 359 b , 8 ff. siet
Ss ‘zoWa./pü y.ai y.pvjvai y.ai pEÜp.axa 7rsxap,c3v itavxoSaftoui; Sjrovta '/up.oüc,
£>v xdvxcov aixtaxsov xr ( v Ivoücav g eYYivop.ev^v 36vap.iv mupos -
y.aopievY) yap r t yfj — — axuixxYjpfac ydp y.ai v.O'daq y.ai xwv a'XXcov xwv
xgiouxwv Ytvsxai ~Xf ( pr,<; ouvap.swv, ot’ 5>v xd ^Ooup.eva tiSaxa Svxa YXuyea
p,exaßdXXet y.xX.
Galen. Comment. IV. 10 in Hippokr. Epid. VI, K. XVIII/2.
p. 155: svia [tiSaxa] fäp dxcixous STCip.sp.iYp.sva? syst ixoioxvjxaq,
a.Xoiv, v) Xfxpou, y) Osicv xe y.ai äocfäXxou y.ai oxu~x^p(a? exeptov xs xot-
oixeov. Er meint wohl, daß sich diese Eigenschaften dem Wasser
heimischen durch Lösung der angeführten Stoffe. Zu bemerken
wäre, daß er keinen Stoff nennt, der ein saures Wasser er
zeugen könnte.
46 Vgl. Anm. 51 betreffend das bittere Salz des Toten
Meeres.
47 Vitruv. VIII. 3, 11; p. 196 Rose sagt von dem bitteren
.Bache [fonticulus quam parvulus), der sich in den Ilypanis
ergießt (vgl. Anm. 50), quod per id genus terrae et venas unde
sandaracam fodiunt ea aqua manando perficitur amara.
48 Arist. Meteor. II. 3, p. 359 b , 14 ff.: y.ai xd p.sv oä;sa
Yt'vexat [sc. tiSaxa], y.aöaroEp ev xvj Sr/.avr/.Yj xvjc Zr/.eXfa? ' sysT y®P
ö^aXp.r, Yi'v£xat, y.ai ypwvxai y.aOdirsp ocet 7Ypo? evia xwv eosop.dxwv aöxm.
— Athen. II. c. 5, p. 42 e: äXp.woeic B’ ap.a xm oqü ev ür/.avoX;
xYjc Iiy.sXiac. — Antig. 154 (139): Aüy.ov oe xov 'Pr^pvov Xey«v
xy)v p.sv Iv xy) Sr/.avwv ympa tp-epeiv 'oqoc } witep eui xwv IBecp.axwv ypwvxai.
Arist. Meteor. II. c. 3, §. 47, p. 359 11 , 16: eoxi oe y.ai xxepi
Auyv.ov y.pvjvY) xic uoaxcc öljeoc. — Plin. II. c. 106, §. 230 (aus
Kenntnisse d. Ulass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 31
Theopompos) Lyncestis aqua, quae vocatur acidula, vini modo
temulentos facit. — Athen. II. c. 6, p. 43 d: 0sotcop.tcoc Be o-rjc;t,
wapa t'ov ’Epifwva koxap,'ov o^u eivat uBwp, v.ai tou? irfvovra? «utc
p.eOütr/.eoOat, y.aQd y.ai to'u? t'ov olvov. Vielleicht ist es eine Ver
wechselung mit der Quelle in Lynkestis in Epirus.
Sotion. 20: 0ecrco|jwios ev AuTXYjorats ©yjot wqYrjv eivat ty) p.sv
YEÜoet ot^ooaav, tou? Ss idvovTac p,e0iiax.ea6at wc air'o otvou. —
Vitr. VIII. 3, 17: item sunt nonnullae acidae venae fontium,
uti Lyncesto et in Italia Velino, Campania Teano aliisque locis
pluribus. Vitr uv stellt sich vor, daß sie wie Essig wirken,
welcher Blei und Kupfer löst und in Bleiweiß und Grünspan
wandelt. Bei längerer Einwirkung würde in der Tat auch hier
eine ähnliche Umwandlung der beiden Metalle in basische Kar
bonate erfolgen. Vitr. glaubt, daß durch die Säuerlinge auch
Blasensteine aufgelöst werden, ib. §. 19: propter acritudinem
suci etiam calculosos e natura verum similiter posse curari. —
Wenn Ovid. Met. XV. 329ff. singt:
Lynceius amnis,
quem quicumque parum moderato gutture traxit,
haut aliter titubat, quam si mera vina bibisset
so stimmt dies gut zu den im Text erwähnten Schwindel
erscheinungen.
49 A. v. Humboldt Kosmos (Originalausg.) IV. 250 f.
50 Her. IV. 52: o "Tttavi? xotoixo? pest Iw u.ev tcevte vjp.epewv
tcAoov ßpor/hq. y.a't ■f/uwc. e~t , aeizb Be toütou itp'o? Oahdourji; Teaaepcov
f,p.EpEü)v ttaoov ittxpb? atvtog - ey.BtBot y«P es «ut'ov xp^vvj ray.pvj, outw
ov} ti eouoot Tif/.pv), ’ij (jisy«0sV ap.ix.pr] souaa y.tpva t'ov "riraviv Iövtä
7coto:[j.cv Iv oAi'Yotot p.eyav . . . ouvop.« Be ty] y.p'^vr] y.ai cOsv pest to
■/wpw ExuOictI p.ev ’Eicap.iraioc, v.am Be ty]V 'EXa^vuv aaav 'ipai
BBoJ. Athen, c. 6, p. 43 c, gibt den Auszug aus Herodot, sich
auf ihn berufend. — Arist. Meteor. II. 3, p. 359 b , 18: itepi Be
ty;v Ey.uOty.Yjv Ttr/.pd [sc. xpv^VYj]. to B’ äitoppeov auTYjq t'ov rcoTap.'ov etc
ov eicßct/Aet Tcotsit raxpov oaov. — Auch Paus. IV. 35: t'ov oe 'Hpo-
coTcv oiBa ekovT« w? e$ t'ov totapbv t'ov "Ttoviv ey.BtSwotv üSotToc
Tuty.poü TCIQY^.
Ovid. Metam. XV. 285f.:
Quid? non et Scythicis Hypanis de montibus ortus,
Qui fuerat dulcis, salibus vitiatur amaris?
32
III. Abhandlung: Iiofmann.
Vitr. VIII. 3, 11: item sunt ex amaro suco terrae fontes
exeuntes vehementer amari, ut in Ponto est ßumen Hypanis
— — admiscetur ei fonticulus oppido quam parvulus. is cum
in eum influit, tune tantam magnitudinem fluminis facit
amaram etc. Plinius, der den Hypanis an vier Stellen be
spricht, erwähnt nichts von diesem Zufluß.
Auch Spätere führen die Quelle als eine Art Wunder an:
non longe a mari, ex parvo fonte, cui Exampeo cognomen est, adeo
amaras aquas accipit, ut ipse quoque jam sui dissimilis et
non dulcis huic defluat. (Mela II. 1). — Hypanis purus
et haustu saliberrimus usque dum Callipidum terminis infe-
ratur, ubi fons Exampaeus infamis est amara scaturigine
(Solin. 14, 1, p. 91, ed. Mommsen). Jordanes de Gut. c. 5
ed. C. A. Closs. p. 34: Sed ubi fit Ponto vicinior, parvum fontem
suscipit, cui Exampheo cognomen est, adeo amarum ut, cum sit
quadraginta dierum itinere navigabilis etc.
51 Joseph. Flav. Bell. Jud. IV. 8, 4 (ed. Bekker), der
nur oberflächlich auf die Eigenschaften des Wassers eingeht,
erwähnt nichts vom salzigen Geschmack: [’AocpaXxmc Xip.vY]] rpic,
ecrtt mv.pd. Gal. de simpl. med. fac. IV. 2. Kühn. XL p. 694
hebt ausdrücklich hervor: ou5e Po xvj<; X(p,VY]<; exelvr)? üBwp äy.ptßw:;
Trt'/.pbv y.-X. Von dem Salze des Toten Meeres sagt Galen
(ib. IV. 20, K. XI. p. 690): i/v. oe y.od tou? iS; iauxoö 'fevvwp.svou;
aXac i/Konb-pout; op.oüoc.
Gal. (ib. K. XI. p. 690) glaubt, das Wasser sei mit Salz
gesättigt: aXp.v) y.axay.opsl itpoffeix.be, sic vjv ouo’ av sp.ßaX'o; aXac, Ixi
xay.fjcovxat, itXelfftov yäp xoixwv p.sxe/st. Genau richtg ist dies
nicht; wenn die sämtlichen festen Stoffe lauter Kochsalz wären,
so wäre das Wasser doch erst zu zwei Drittel gesättigt; nun ent
hält es noch andere Chloride (abgesehen von den übrigen Salzen)
deren Menge sich zu der des Chlornatriums (Kochsalz) wie 1*7:1
verhält. — Im Pentateuch heißt das Tote Meer ,das Salzmeer'.
52 Arist. Meteor. II. 3, p. 359 a , 20: Xefooffi yap itixpav
oüxw;; eivat vrp Xip.vvjv y.a! dXp.upav wote p.vjBeva i/Ouv i'ffiveaOat. In
der Tat enthält das Wasser des Toten Meeres sechsmal so viel
feste Söffe (gelöste Salze) als der Atlantische Ozean. — Diod.
XIX. 98 (üSwp 8iäittx.pov) vgl. auch Anm. 80.
53 Gal. de simpl. med. fac. IV. 20, K. XI. p. 693: S ti
ydp av aXuy.bv eiti itXeov iy.0eoj|^vY]c, ec-ai cot itapöv; darum sei das
I
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 33
Wasser im Sommer bitterer: outw youv y.at abzb t'o vqc, cicapaA-ktSoc
Xip.vr,? uBwp i'i y.ot'Xco y.at Oepp.w )uopio) Ttepis^opievov l^oxTujrevöv 0’
Giro tou YjWou Y‘T VETa '- ^ixpov. Bia toö~6 Ye toi •/.at tou Oepou?
p.äXXov y£tp,wv6c £ctt Tttxpov. xai et apucap.evo? a&TOU ti y.aTa-
0s(y); ev ayyeiu v.oC/m yat TtpoayjXiw ywptM, Kaöa'Kep y.at •ijptsis litot^-
oap.EV &pa Qspou;:, auTty.a (J.äya xapoTEpov auTou oaivETai cot vsyovöc.
Galen scheint niclit bedacht zu haben, daß durch die Ein
wirkung der Sonnenwärme Wasser verdampft und die Lösung
dadurch konzentrierter und darum der Geschmack stärker wird.
Die Bezeichnung ü-oitT&nsvov ist nicht im Sinne von Einkochen,
Eindampfen, sondern in dem der ,Verkochung' (nach der herr
schenden Theorie) gebraucht.
54 Plin. XXIV. c. 1, §. 3: Nitrosae aut amarae aquae,
polenta addita mitigantur . Similis vis Rhodiae cretae
et argillae nostrati.
55 Gal. de simpl. med. I. 4, K. XI. p. 388 ff.: ei B 3 r,Tot
ät accaATuBou?, OekoBoui;, i) viTptäSou?, cruTTtrjpttiBout; /wpiou 3tr ( -
OoGp.svov pÜTCTOtTÖ Tt tvjs obaiaq auTou y.at ap,a sauTw xapaaupot,
[MXTOV - J]By] TO TOtOUTOV £CTt Y.0U OUV. aZplßtöi; ÖBwp, UXJTCp 6t y.ai CO
ßouXvjGeb]«; «&to? •/) äXwv, r) cruicTYjpla?, -q tivo? ETspou toio6tou \j.i£,ca
cu/vov üSaTt t:ot(|;,w, y.aOceccep y.at TOtoup.sv TcoXXay.K;, OTav äitopoövTE?
OaXäTTY); SXp.Y)v cxsuacai ßouX-^Oup.sv. -/.tX. — ib. I. 7, K. p. 393:
die öSaTa aXjj.upwBv) y.at viTpuiBv] y.at 6e«£>Sv] y.at äaipaXTwBY] können
nachgemacht werden: y.at p.tp.^cacOat B’ ocv Buvato, yaöa-sp OaXaTTav
ooTto y.a: twv aXXcov e'y.acTov iwtjju^ia ty;? obalaq, yjti; av sv ey.äcTto
yalvqTat y.paTetv. Desgleichen Gal. Method. medendi VIII. 2,
IC. I. p. 536. — Gal en bezeichnet die aquae Albulae als
ffTU7CTY)pttdSe? (de simpl. med. I. 7, IC. XI. p. 393 und Method.
med. VIII. 2; IC. X. p. 536), während Seneca sie zu den
sulfuratae aquae zählt (Nat. Q. III. 20, 4), die heutigen acque
Albule sind Schwefelwasser.
56 Gal. Meth. X. c. 2, IC. X. p. 667: yaXx.av0wBeq uBwp.
57 Vom See Aretissa sagt Plin. II. 106, 4, §. 224: is
quidem nitrosus pisces alit. Wenn die Angabe richtig ist, so
kann der Sodagehalt nicht beträchtlich gewesen sein. — Athen.
II. 15, p. 43 a: Ta Bs rapt My)vo<; y.wp.Yjv, r, sgti 'hpu-dac, TpayjjTEpä
£cti y.at XtTpwSeoTepa [sc. Ta uSaTa],
Als ,Aquae frigidae genus nitrosum‘ (Vitr. VIII. 3, 5,
P- 194, 3) werden die Quellen von Pinna Vestina (Cita di
Sitzungsber. d. phil.-Uist. Kl. 165. Bd., 3. Abb. 3
34
III. Abhandlung: Hofmann.
Penna) und Cutiliae erwähnt. Sie wirkten abführend. Plin.
XXXI. 32, §.59: — nitvosa, qualis Cutilia est, bibendo itaque
purgationibus [sc. utilis\. Heutzutage sollen diese Wasser
Schwefelwasserstoff haltende Kohlensäuerlinge sein.
Über den ascanischen See [Arist.] Mirab. auscult. c. 53
(54), p. 834 a , 31 ff.: iv tt; Amwcvfa X!|j.vy)'cutw vtxpöSe? ecm to £>B«p
wtJTe to oüBsvbc STspou püp.p.a-o? irpooSsioOai, y.av zXs(w ypovov
4v to) üSaTi iac-f) tic, 8tontfwt6i. — Die llaoa X(|xvt] soll nitroses
Wasser gehabt haben. Arist. Probl. XXIII. 40, p. 935 b , 34ff.
Man glaubte, wenn aus dem nitrosen Wasser der bittere
Anteil durch Hitze entfernt werde, so bleibe der fettige: tt)c
vixpiiSou«; Suväp.ewc to p.ev mxpov sy.y.ey.auoOai, Ippivsi 5s to Xiwapov
y.ai fXiaypöv (ib. p. 936 a, 2f.).
Der ,aer noxius‘ der Quellen Albula. Seneca Nat. Q.
III. 20, 5. — Plin. macht auf Schwefelt her men aufmerksam:
sentitur vis eins et in aquis ferventibus (XXXV. 50, §. 177).
58 Arist. de anima. II. c. 9, p. 421 a , 7 ff.: ^spi Be oqr/jc
v.m oGopavTou yjttov e&SlöptaTov eoTi tüv eipr ( |j.svwv (was er über die
anderen Sinnes Wahrnehmungen gesagt hat); ob ydp SrjXov iroiöv t(
cGTIV ’i] oop/l), OUTW? (b? 6 (löfflO? ’i) TO '/p&[J.<X.
59 Arist. de anima. II. c. 9, p. 421 a , 16ff.: eoe/.e ;j.sv -pdp
avaXo-pov syeiv [sc. f) ögjj.’i)] ttpoc ty;v yeuaiv, x.ai cp-oho? Ta el’Sv;
(Arten) twv yip.wv to!; tv); <xXX’ ay.pißeuTepav eyop.ev ty;v
■psuatv oia to elvat aÜTYjv dcpijv Tiva, to6ty)v 5’ sysiv Tr,v al'oO'paiv tov
dv6pwxov äy.pißeoTaTTjV. Aristoteles sieht im Geschmacksinn eine
Art Tastsinn — eine Ansicht, zu der er (wie Hofrat Th. Gomperz
die Freundlichkeit hatte, mich aufmerksam zu machen) durch
den Umstand verleitet wurde, daß ,die beiden Sinne die un
mittelbare Berührung des Sinnesorgans mit dem Objekte ge
mein haben'; vielleicht auch durch die Doppelsinnigkeit des
Wortes &<pfi (Berührung und Tastsinn). Diese Analogie ist ganz
äußerlich und unwesentlich; eine wahre Analogie besteht dagegen
zwischen Geschmack- und Geruchsinn, insofern die schmeck
baren und riechbaren Stoffe nur durch Vermittlung eines
chemischen Vorgangs (gleichgültig ob das Objekt mit der Nasen
schleimhaut und — in gewissen Fällen — mit der Zunge in
direkte Berührung kommt) auf jene Sinne einwirken, während
beim Tastsinn die bloße Berührung nötig ist. Somit ist auch
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigenseh. d. Wassers. 35
nicht zutreffend Aristoteles’ Folgerung: Arist. de sensu et
sensib. c. 4, p. 440% 30: IvapyecTepov £crrlv fp.lv to twv yjjp.wv
yevo5 •)} to T?j? og|j,y)? — — •/) oe feuoi? depvj ti? eaetv. —
60 Arist. de anima. II. 9, p. 421% 31: öcrep e’feopev, Bia
to p.Y] aoöopa BiaB^Xou? eivai Ta? oop.a? uxrirep tou? yup.ou?, dito
to6twv el’Xvjcpe t« ovöp.aTa x.aO’ op.otÖTTjTa töv icpafp,ofTwv.
Und vorher schon p. 421% 25ff.: eari 8’ &airep -/up.b? 6 p.ev yXuy.u?,
6 oe Tay.poc, outw y.a'i Bop.ai, dXXa Ta p,ev syoucrt tyjv avaXo-fov ocp.vjv
y.ai -/uij.'ov, Ta Be TouvavTfov. Bp.ofw? Be y.ai Bpip.ela y.ai auaTT/pa y.ai
Bijela y.ai Xtitapä ectiv oop.^.
61 Arten des Geruchs nach Aristoteles (de sensu et
sens. 5, p. 443% 7f.): sti Sei: dvdXoyov eivai Ta? oap.ä? toi? -/up.otc;
hier oq\j;1] in der Bedeutung der Geruch erzeugenden Stoffe.
Dazu p. 443% Off.: — — y.ai yap Bpip.etai y.ai yXozelai eioiv oop.ai
y.ai au<7TY)pai y.ai OTpuovai y.ai Xwrapa(, y.ai toT? my.poii? Ta? oaTipa? av
Ti? avaXoyov e’feoi. Dem salzigen und sauren Geschmack ent
sprechende Riechstoffe werden nicht genannt. — Theophr. de
caus. plant. VI. 4, §. 1: al Be iBeai twv yup.wv Iwrit Boy.ouaiv eivai
•/.aöäwep y.ai töv oop.uv y.ai twv ypwp.aTWv.
62 Aristot. de anima. II. c. 9, p. 421 % 25ff.: r, ydp
yXuy.efa atro tou y.poy.ou y.ai tou p.eXiTO?, vj Be opip.ela Oüp.ou y.ai twv
toioütwv. — Theophr. de caus. plant. VI. 20, §. 3 als öqv.vjv
Bpip.etav besitzend wird epiruXXo? (serpyllus) angeführt.
63 Arist. de sens. 5: oti 3’ äw’ EY/up.ou Ist! to rräOo?,
BvjXov ey. twv eyovTwv y.ai p% eyovTwv öcrp.-^v (ed. Didot). — p. 443% 8ff.:
Ta Te jap OTOiyela aoap.a, oiov vrüp dvjp uBwp yyj, oia to Ta Te ^-tjpa
aÜTwv y.ai Ta üypä dyup.a eivai, eav p.r, ti p.iYVÜp.evov wot-ft.
P. 443% 12: Bio y.ai vj OdXaTTa e-/eiv öcp.fjV" eyei fap yup.'ov y.ai
l?7)poTV)Ta, y.ai aXe? p.äXXov Xtvpou Bap.(f>3si? • B^Xoi Be to e^iy.p.aiiop.evov
e^ aÜTwv eXaiov • to Be Xfcpov -f^? ^ti p.äXXov. Was Aristoteles
mit dem aus dem Seesalz ausgeschwitzten Oie meint, ist nicht
zu erraten. Der Verfasser der pseudo-hippokratischen Schrift
,über die Muskeln' erklärt die Geruchlosigkeit des reinen Wassers
auf physiologische Weise. Das riechende Organ, das Hirn,
kann nur trockene Stoffe riechen. Das reine Wasser sei feuchter
als das Hirn und darum geruchlos; nur fauliges Wasser (dar
unter kann der Verfasser auch Schwefelwasser mitverstanden
haben) habe Geruch, weil alle verwesenden Dinge sich ver-
3*
36
111. Abhandlung: Hofmann.
dichten. De musc. c. 16 ; Littrd. VIII. 604; Kühn I. p. 437:
üSaxoq ydp oux oSp.äxai • ÜYpoxspov yap icm xoü iy/.etptx'Xoo, eav p.r (
saKrj - crpcop.svov yocp xo ü3wp %or/ i 6xspov Yfvexai y.ai xd aXXa icavta.
Uber den eklektischen Verfasser der Schrift vgl. Th. Gomperz,
Griechische Denker. I. S. 233 ff. und 454.
64 Arist. de sensu et sens. c. 5, p. 443^ 12: oyjXov dpa
oxi OTzsp i'i x<n ü3ax: o yup.oc, xoöx’ sv xm aspi y.ai uoaxi •q oc\j:q.
65 Theophr. de caus. plant. VI. 9, §.4: xpbitöv xivd
pweXXov xb Tuy.pov tvj? euoopiac [apyv;].
66 Plat. Tim. 29, p. 66 c: ~epi 3s oy; xy]V xwv p.uy.xrjpwv
<N t V^s \ 5 v \ \ ->> 5 -o -o f \ WJi
ouvap.iv eiovj p.ev oux. evi • to yap xwv oap.wv x:av Yjp.tYevsc, siosi
os oüSsvi ijup.ßsßrjy.s i;u|jp.cTp!a xpbq to xtva syeiv oap.vp y.xX,
67 Arist. de sensu et sens. 5, p. 443“, 21: Sox-eT 3’ ivtoic
■q -/.aTTVwSr,? ävaBupiaai? sivai oqj,vj, cüoa y.oiVYj y'7? t£ '<wd uSaxoi;. Der
Gegengrund ib. p. 443“, 30: -q 3e x.axvd>SY]<; ävaOupu'aon; aSivaxov sv
uSaxi Ysvsoöa 1 .. oop.äxai 3s y.ai xd ev xin uoaxi.
Daß unter den evioi? Platon gemeint ist, geht auch aus
einer Stelle bei Theophrast, der sich auf ihn bezieht, hervor;
de sensu et sens. c. 15, §. 85 (ed. Wimmer III. p. 32): y.aOdxep
Äoncvbv x.ai 5p.(yXv)v sivai xwv omp.dxwv aopaxov. Auch Theophr.
leugnet dies, gibt aber zu, daß die dap.-q eine dxoppov) x(; ecra
y.ai dvdixvsuat? xou dspoc.
68 Plin. XXXI. 22, §. 37: unus in toto orbe traditur
fons aquae iucunde. olentis in Mesopotamia Chabura; fabulae
rationem adferunt, quoniam eo Juno perfusa sit.
Stehendes Wasser (sXmosa y.ai axdoip.a y.ai Xip.vaTa) hat, weil
es fault, im Sommer einen üblen Geruch: o3p.r,v s/ovxa. Hipp,
de aer. aq. loc. c. 7, Littre. II. p. 26.
69 Ovid. Met. XV. 281 ff.:
Ante bibebatur, nunc quas contingere nolis,
Fundit Anigros aquas, postquam, nisi vatibus omnis
Eripienda fides, illic lavere bimembres
Vulnera, clavigeri quae fecerat Herculis arcus.
70 Strabo. VI. c. 3, §. 5, p. 281: xd Asuy.d — — xoXi-
yviov y.ai xoöxo, sv <]> Ssixvuxai SuawSou? öSaxoi; • — sy. Ss cywpwv
[sc. TÖv YiYavxuv] xotoüxov ’iayoi psöp.a -q nzrppq.
71 Sen. Hat. Q. III. 26, 5: his diebus, quibus Olympia
sunt, victimarum stercus secundo traditum flumini illic [sc. in
Kenntnisse d. klass. Völker v. d. physik. Eigensch. d. Wassers. 37
Arethusa] redundare. Plin. XXXI. (5) 30, §. 55: Arelhusam
Syracusis fimum redolere per Olympia.
72 Arist. de anima. II. c. 9, p. 421 a , 25: Ixt Sb v.ocl
©Oetpop.sva ©alvexat fe'o xwv fc/upiov oop.wv u<p’ wvxep avOpwTtoc, olov
docpaXxoo v.a\ Qet'ou -/.ai xwv xocouxwv.
Lu er. YI. 830: ins atque aestus Averni.
73 [Arist.] Mirab. Ausc. 82 (81); p. 836 a , 30ff.: ’ia-i ob
v.a\ Xlp,vv], w; eof/.e, TtXvjaiov xoü 6roTap.ou [sc. ’HpiSavoü], üSwp b'/ouoa
Ospp.ov • oap.r, S’ äff aüxi;; ßapsia xai /aXewo d^o-vsT, y.al oüxe £wov
oüSbv xi've: ec; aüx-?j; oute opveov ÜTCpfortaxat, dXXa tcOxxei xai aitoOv v^oy.e
6/6i Sb xov p.bv y.üy.Xov GxaSt'wv otay.ooiwv, xo Sb eupo; wc Sey.a. Die
Stelle findet sich wörtlich bei Steph. Byz. s. v. ,’HXsxxplSec; vyjood,
nur fehlt nach £ffiov das Wort oüSbv und statt ,eyei Sb tov p.bv
y.uzXo'/ steht ,soxi Sb 6 y.uy.Xo;'. — Sotion. c. 31: orepl tov ’HptSavov
Troxap.öv eoTi Xi'p.vv) y.axa Ta; OlXezTpiSa; vy)gouc, uSwp b'/ouoa ÖEpp.bv,
öopdjv Sb ßapeiav dep’ oüSbv £wov ysusTai. Wohl nur ein Auszug
aus gleicher Quelle. Abweichend von diesen Angaben bemerkt
Tzetzes, Schob in Lycophr. v. 704: exEpof xive; xo ’HpiSavov Xlp.vvjv
Ö6p[v.vjv Xs/ouat o^toST;, yj; oüSbv f^tSov Süvaxat YeüoaaOai ■ xeXeuxa -pdp.
74 Antig. 167 (152 ed. 0. Keller) und Sotion. 22 geben
beide den Auszug aus Herakleides: 'Hpay.Xei'Sr,; b lIovTiy.b; Xfp,VY)v
Sv Aaupop.dxai; <pr)<j'iv eivai, luspt f]v xd Ttexaaöevxa xwv opvewv ei; aüxr ( v
rcferetv. Doch ist in diesem Falle nicht ausgeschlossen, daß es
sich um etwas ähnliches wie das ,Toten-Tal' auf Java handelte.
75 Tzetzes Schob in Lycophr. v. 704: dXXoi Sb xr,v ’Aopvov,
Awxfwv xe xat; 'AyaDooderr^ y,at Atwv y.ai ol XoiTioi xwv laxopixwv ob
Xi'p.vTjV oüSb xcsxpav ©aat, axöp.iov oe xi xrept xy)V ’ASwcßYjvvjv, oirsp axop,iov
opvsov fespYisxäOai oü . Sivaxa: • am -pap TV); ey.stöev dva<pspcp.evv;c ava-
Oup.idosw; xeXeuxa y.at irav i^öov aXoyov. Soweit die Angabe den
Sotion betrifft, scheint sie nicht richtig zu sein; wenigstens in
den uns erhaltenen' Auszügen heißt es: ’Aopvo; eoxi Xlp.vr, ev
IxaXla Ttapa Koüp.a; y.xX. — Eine kindliche Etymologie leitete
den Namen Avernus von dopvo; ,vogelleer' ab. — [Arist.] Mir.
ausc. 102 (109); p. 839 a , 23f. widerspricht dieser Fabel: oxi S’
oüSbv S itexaxat opvsov aüxvjv, (leuSo; • ol yap xrapa/svopevoi XeyooGi
TiXijOö; xi y.üy.vwv sv aüxp ylvesOat.
76 Verg. Aen.' VI. 237—242.
77 Sidon. Apollin. Epist. III. 13, 8 (ed. P. Mohr): taceo,
quod alarum specubus hircosis atque ascendentibus latera cap-
38
III. Abli.: Hofmann. Kenntnisse d. klassischen Völker ete.
tiva vallatus nares circumsedentem ventilata duplicis Ampsancti
peste funestat.
Vib. Seq. p. 153, 6: ,Amsanctus 1 . Lucaniae, cuius halitios
volucres necat.
Plin. II. 95, §. 208: Item in Hirpinis Amsancti ad
Mephitis aedem locum, quem qui intravere, moriuntur. — Auf
die Grotte bezieht sich wohl Cic. de div. I. 79: ex quibus et
mortifera quaedam pars est, ut et Ampsancti in Hirpinis et
in Asia Plutonia etc. Die physischen Verhältnisse der Örtlich
keit scheinen sich seither verändert zu haben.
79 Claudian. de raptu Pros. II. 347—349.
80 Diod. XIX, 98: x'o 3’ uowp i/v, 3iäw/.pov v.cr). -mV üitcp-
ßoA'fjV ouuüSec, a)tjxe r/ßb'i SüvaoOoa xpssEtv y.xA.
Tacitus Hist. V. 6: Lacus sapore corruptior, gravi-
tate odoris accolis pestifer.
81 Vgl. die Kritik der aristotelischen Elementenlelire bei
Th. Gomperz, Griech. Denker. III. S. 46 ff.
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Philosophisch-Historische Klasse.
165. Band, 4. Abhandlung.
Der
Strophenbau in den Psalmen
und
seine äußeren Kennzeichen.
Von
Dr. Michael Berkowicz.
Vorgelegt in der Sitzung am 15. Juni 1910.
Wien, 1910.
In Kommission bei Alfred Holder
k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Druck von Adolf Holzhausen,
k. und k. Hof- und Universitäts-Buchdrucker in Wien.
IV. Abh.: Berlcowicz. Der Strophenbau in den Psalmen etc.
IV.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine
äußeren Kennzeichen.
Von
Dr. Michael Berkowiez.
(Vorgelegt in der Sitzung am 15. Juni 1910.)
Strophenbau und Responsion.
Tn keinem Zweige der alttestamentlichen Forschung hat
der Ausspruch ,quot capita tot sententiae* in dem Maße Geltung
erlangt wie auf dem Gebiete der biblischen Prosodie. Die
zahlreichen Versuche, in der hebräischen Poesie ein den alten
griechisch-römischen Metren verwandtes oder ähnliches System
nachzuweisen, gehen, obwohl auf dieselben alten Zeugnisse 1
gestützt, so weit auseinander, widersprechen einander in ihren
grundsätzlichen Voraussetzungen so sehr, daß es nicht leicht
wird, auch nur ein System aufzuweisen, das mehr als einen
Vertreter hätte, denjenigen nämlich, der es erfunden. Und so
ist es nicht zu verwundern, wenn die überwiegende Zahl her
vorragender alttestamentlicher Forscher es aufgegeben zu haben
scheint, in der biblischen Poesie Metra, die auf Silbenzahl und
Tonfall beruhen, zu suchen und sich mit der Konstatierung der
von Lowth erkannten und seither fast widerspruchslos aner
kannten Erscheinungsform der hebräischen Poesie, des ,Paralle
lismus membrorum/, begnügt. Wohl hat man dieser Erschei
nungsform auch andere Termini 3 zu geben versucht, in der Sache
1 Besonders auf Josephus und Philo. Vgl. sämtliche Einleitungsschriften,
besonders Knenen-Miiller, Hist.-krit. Einleitung in die Bücher des
A. T. III. 1, S. 14; Sehloegl, De re metrica etc., Wien 1890, S. 2 und
Döller: Rhythmus, Metrik und Strophik etc., Paderborn 1899, S. 21.
Ewald: Die poetischen Bücher d. a. B.I S. 68 zieht die einfache Benen
nung: ,Versrhythmus‘ vor, Olshausen dagegen bezeichnet sie als ,Ent-
Sitzungsber. d. pliil.-hist. Kl. 165. Bd. 4. Abh. 1
2
IV. Abhandlung: Berkowicz.
jedoch bleibt der ,Parallelismus membrorum' im Hebräischen
; das belebende Element im Satze und im Verse', 1 von dem
jede Untersuchung der hebräischen Poesieformen auszugehen bat.
Tatsächlich hat auch Köster den ,Parallelismus der Glie
der' zum Ausgangspunkt seiner Untersuchungen gemacht, als
er daran ging, eine strophische Gliederung in der hehr.
Poesie, namentlich im Liede, nachzuweisen. Seine Abhandlung,
in welcher zum erstenmal von einem hebräischen Strophen
bau gesprochen wird, führt auch demgemäß den Titel: ,Die
Strophe, oder der Parallelismus der Verse in der hebräischen
Poesie'. 2 Einige Jahre später faßte er seine Untersuchungen über
die Strophik kürzer zusammen und schreibt folgendermaßen:
,Die hebräische Poesie, wie sie jetzt vor uns liegt, hat
gar kein eigentliches Silben- und Wort-Maß, sondern nur ein
Gedanken-Maß, und es ist bloß zufällig, wenn sich dasselbe hie
und da auch als Metrum der Silben und Wörter darstellt. Jenes
logische Maß, soweit es die Versglieder beherrscht, kennt man
schon lange unter dem Namen des Parallelismus der Glie
der: bei genauerer Betrachtung zeigt sich aber, daß die Verse
untereinander in einem ähnlichen Verhältnisse stehen wie die
Versglieder: daß also auch sie ein Gedanken-Maß haben: daß
es auch einen Parallelismus der Verse gibt. Die parallelen
Glieder bilden den Vers; und ebenso die parallelen Verse ein
Ganzes, welches wir Strophe nennen . . .' 3
Kösters Ansicht von der strophischen Gliederung der
hebräischen Poesie fand Eingang nicht allein hei den meisten
Erklärern, insbesondere der poetischen Schriften, sondern auch
bei den meisten Autoren einer Einleitung in das Alte Testa-
wieklung des Gedankens und des Rhythmus in parallelen Reihen 1 . Vgl.
dessen Einleitung zu: ,Die Psalmen“, XIV. Lief, des ,Kurzgefaßten exe
getischen Handbuches zum Alten Testament“. Leipzig 1853, S. 13.
1 D. H. Müller, Die Propheten in ihrer ursprünglichen Form, Wien 189G,
S. 191.
2 Theologische Studien und Kritiken, Jahrg. IV, 1831, Heft 1,
S. 40 ff.
3 Die Psalmen, nach ihrer strophischen Anordnung übersetzt, Königsberg
1837. Einleitung, S. XVI. — Ähnlich äußert sich auch Hupfeid (Die
PsalmenI IV. 449): ,Der hehr. Rhythmus ist bloß Rhythmus der Sätze,
nicht der Silben, und zwar lediglich ein innerlicher: Parallelismus der
Gedanken oder logischen Sätze.
Der Strophenbau in den Psal men und seine äußeren Kennzeichen. 3
ment. Der Strophenbau in den hebräischen Dichtungen wurde
mit geringen Ausnahmen allgemein anerkannt, auch von solchen
Forschern, die nicht von metrischen Voraussetzungen ausgehen.
Selbst Kuenen, dessen Zweifel in bezug auf die Strophik sich
seit der ersten (holländischen) bis zur zweiten Ausgabe seiner
Einleitung verstärkt haben, denkt, wie er ausdrücklich betont,
in seiner eingehenden Kritik der Strophentheorie nicht an ,die
Verwerfung, sondern an eine Beschränkung der Strophentheorie,
insbesondere eine Verneinung ihrer Giltigkeit für alle oder fast
alle alttestamentliehen Dichtungen'. 1
Unabhängig von Köster, auf ganz anderem Wege, nämlich
durch die Untersuchung der alphabetischen Psalmen, gelangte
Sommer zu einer Strophentheorie der Psalmen, die von der
Kösters und seiner Nachahmer 2 sich dadurch unterscheidet, daß
sie den Strophen nicht den massoretischen Vers, sondern den
Stichos als Einheit zugrunde legt 8 und der sich in der Folgezeit
auch Delitzsch anschloß. Mag dieser Differenzpunkt zwischen
den beiden Auffassungen der Anhänger Kösters und Sommers
noch so wichtig erscheinen, er ist, in bezug auf das Vorhanden
sein der Strophik überhaupt, nicht von solcher prinzipieller Be
deutung, daß durch ihn die Strophentheorie als solche in Frage
gestellt werde, wie es bei den metrischen Systemen der Fall
ist. Dieser und noch andere Differenzpunkte haben bloß zur
Folge, daß die Strophik er hei der Abteilung eines und desselben
Liedes in der Ansetzung der Strophen oft sehr weit auseinander
gelieu und daß auch denjenigen, die in gewissen Punkten über
einstimmen, ein einheitliches Kriterium fehlt, um eine gleiche
richtige Einteilung zu erzielen. 4
1 Einleitung III. 1, S. 48, Note 38.
2 Zu diesen gehören: Prof. Wocher, Theolog. Quartalschrift, Tübingen
1834, III. S. 613: .Mitteilungen über d. Strophenbau der liebr. Poesie 1
und K. Schlottmann, der auf dem 6. Internat. Orientalistenkongreß in
Leiden, von Köster ausgehend, die Strophentheorie verteidigte und
gegen Sommers Sticheneinheit auftrat. Sieh Actes du VI. Congr. etc.,
II. Sect. I, S. 475 ff.; in gewissem Sinne auch de Welle und Hupfeid
in ihren Kommentaren.
3 I. G. Sommer, Biblische Abhandlungen I. Band, Bonn 1846. ,Die alpha
betischen Lieder von Seiten ihrer Struktur und Integrität 1 , S. 93 ff.
4 Man beachte nebst der Meinungsverschiedenheit über Stichos und Vers
auch die viel umstrittene Frage, ob ,Sela‘ am Ende der Strophe oder auch
1*
4
IV. Abhandlung: Berkowioz.
Ein solches Kriterium für die richtige Abteilung sinn
gemäßer und rhythmisch in voller Symmetrie geordneter Strophen
ist uns in der Responsion' gegeben, die von D. H. Müller
zuerst an den prophetischen Schriften erkannt und durch die
Heranziehung anderer semitischer Literaturen als charakteristi
sches Merkmal altsemitischer, daher auch der hebräischen Stro
phentechnik erschlossen und nachgewiesen wurde. 1 Auch Müller
anerkennt in hohem Maße die wichtige Rolle des ,Parallelismus
membrorumf, der nach ihm den Keim bildet zu der von ihm
vorher erkannten Responsion. Was ,Parallelismus der Glieder*
im Verse ist, das ist die Responsion in der Strophe und in der
Rede. Wie der Parallelismus membrorum zwei oder mehrere
Gedanken, die in demselben' oder entgegengesetztem Sinne ähn
lich oder identisch sind, nebeneinander stellt, so werden durch
Strophe und Neben- oder Gegenstrophe als Komplexe von Ver
sen, 2 die sich zu größeren Einheiten verbinden, ähnliche oder
gegensätzliche Gedankenbündel repräsentirt, welche in einzelnen'
oder allen Bestandteilen einander entsprechen. Der formale Aus
druck dieser Beziehungen von zwei oder mehreren Strophen zu
einander ist die Responsion. 3
Eine Beweiskraft von nicht zu unterschätzender Bedeutung
für die Strophen- und Responsionstheorie Müllers finde ich in
dem glücklichen Zufall, daß er die Erscheinung der Responsion
zuerst in Ezechiel aufdeckte und darauf ihren Spuren in den
prophetischen Schriften folgte, dort also, wo man an einen Stro-
plienbau am allerwenigsten dachte, nicht aber in den Psalmen
in deren Mitte, ja sogar innerhalb eines Verses stehen könne, ob der
Refrain zur Strophe gehöre oder außerhalb derselben zu zählen habe
u. dgl. Im Verlaufe der folgenden Untersuchungen werden diese Fragen
einzeln gestreift und zum Schlüsse einheitlich zu lösen versucht werden.
1 ,Die Propheten 1 , Einleitung.
2 ,Zeilen 1 wäre vielleicht entsprechender, besonders wenn es sich um lyri
sche Partien wie etwa die Psalmen handelt.
3 ,Die Propheten“, S. 190—191. Sommer ahnte diese Responsion in seiner
Einteilung des Ps.95, ohne daß er ihre prinzipielle Bedeutung erkannt und
auch in anderen Strophenliedern beachtet hätte (Biblische Abhandlungen
S. 123 f.); ebenso unterließ er es, die Responsion in Ps. 44 zu zeigen,
indem er nur allgemein sagt, die korrespondierenden Strophen entsprechen
einander nicht allein dem Gedanken nach, sondern stellenweise auch in
der Form und Satzbildung (ibid. S. 60). Vgl. unten S. 18.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 5
oder anderen lyrischen Gedichten, über deren Formen und
Strophentechnik bereits zahlreiche Theorien im Umlauf waren.
Abseits vom Kampfplatz um irgendein vermeintliches metrisches
System, unbeeinflußt und uneingeschränkt durch die seit Köster
geltenden Theorien von Strophik in der hebräischen Lyrik, 1 ging
Müller von der notwendigen Prüfung des sinngemäßen und
logischen Verhältnisses der Abschnitte aus, die ihm der masso-
retische Text in seinen räumlichen Absätzen geboten hatte. Die
auf diesem Wege erkannten Gedankenkomplexe erwiesen sich
als symmetrisch gebaute Strophen, welche, nebeneinander ge
stellt, in auffallender Weise die Responsion zwischen entspre
chenden einzelnen oder mehreren Teilen ergaben; so waren auch
die Gedanken-Einheiten, aus denen die Strophen zusammen
gesetzt sind: die Zeilen gefunden und diese halfen durch das
Merkmal der Responsion eine richtige Stropheneinteilung auch
dort ermitteln, wo der massoretische Text keine Handhabe dazu
bot. Welche Bedeutung dem Umstande beizumessen ist, daß
Müllers Responsionsgesetz sich aus Koran und Keilinschriften
belegen ließ, bedarf keiner näheren Auseinandersetzung. Den
endgültigen Beweis sollte jedoch erst das Ergebnis der Unter
suchungen von manchen lyrischen Liedern erbringen, in
denen die Möglichkeit eines Strophenbaues von keiner Seite ge
leugnet werden kann.
Das ist Felix Perles in einem Aufsatze: ,Zur althebräi
schen Strophik' 2 gelungen, der von Müllers ,Die Propheten'
angeregt, rein lyrische Stücke, wie Exodus XV, 1—16; Deutero
nomium XXXII, 1—43; 3 II Sam. I, 19—27 4 strophisch abteilte
1 Müller selbst schildert sein Verhältnis zu den Metrikern (Bibi. Stu
dien III, S. 97) also:. ,Wie gesagt war ich allen metrischen Problemen
aus dem Weg gegangen, hatte auch nicht eine einzige Schrift über die
Metrik studiert und hielt mich auch bis zum Abschluß meiner Arbeit
— genau wie Sievers — von dem Studium meiner Vorgänger frei 1 .
2 Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes, Band X, S. 113 ff.
3 Wie Müller bei den Propheten in den massoretischen Absätzen, so fand
Perles bei der Abteilung dieses Liedes einen wichtigen Stützpunkt in
der talmudisch traditionellen Vox memorialis: ~\'b T''in,
1 Dieses Stück wurde auch von Vetter in' seiner ,Metrik des Buches
Job 1 (Biblische Studien 2. Bd., IV. Heft) Freiburg i/Br. 1897, strophisch
gegliedert, wo die Responsion nachgewiesen wurde. Über Vetters Termi
nologie vgl. meine Bemerkung in der Z. f. d. K. d. M., XVII, S. 235.
6
IV. Abhandlung: Berkowicz.
und in unwiderleglicher Weise die Responsionsgesetze an ent
sprechenden Stellen nachgewiesen hat. Bald nach dem Bekannt
werden der Responsionstheorie kam mir der Gedanke, deren
Richtigkeit an den Psalmen zu prüfen, indem ich mir folgendes
sagte: Wenn bei den prophetischen Schriften erst erwiesen
werden mußte, daß sie überhaupt zu Vortragszwecken nieder
geschrieben und aus dem Chorgesang hervorgegangen sind, 3 so
haben wir es in den Psalmen doch unstreitig mit einer Sammlung
von Liedern zu tun, die unter Begleitung von Ton- und Instru
mentalmusik beim Gottesdienst verwendet wurden. Sollten sich
nun in einem oder in mehreren Psalmen, an Stellen, die inhalt
lich eine strophische Gliederung aufweisen, die Gesetze der
Responsion wirklich zeigen, dann und nur dann erst könnten
sie als die wesentlichen Merkmale der strophischen Technik in
der hebräischen Poesie betrachtet werden. Wie ich bei meinen
Untersuchungen im Psalter verfuhr, darüber handelt mein Auf
satz in der ,Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes', Band
XVII, S. 232—245. Hier sei nur erwähnt, daß ich das über
raschende Resultat meiner Untersuchung der Pss. XLVI, LXXVI,
CXL meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor D. H. Müller
mitteilte, der sich nun ebenfalls dem Psalter und anderen lyri
schen Gedichten zuwandte und neue Beiträge zum hebräischen
Strophenbau verbunden mit Responsion lieferte. 2 Die Schlüsse,
die sich mir aus der Gliederung sowohl der von D. PI. Müller
unter ausdrücklicher Nennung meines Namens veröffentlichten
als der (in WZKM., Band XVII und XXI) von mir behandelten
Pss. III, XVIII, XXI, XLIV, LI und LXXVII ergaben, be
schränkten sich nicht allein auf die gewonnene feste Überzeugung
von der Richtigkeit des Responsionsgesetzes, sondern halfen mir
auch in leichter einheitlicher Weise viele andere Psalmen und
Psalmenstücke in ihrer strophischen Gliederung erkennen und
klärten mich über manchen strittigen Punkt auf, der die Stro-
1 ,Die Propheten“ etc., S. 246 ff.
2 ,Strophenbau und Responsion“. Neue Beiträge. Wien 1898. Als besonders
lehrreich und beweiskräftig' muß ich noch die nach dem Erscheinen
meiner ,Propheten“ neu entdeckten Kapitel des hebräischen Sirach
bezeichnen, in welchem eine große Anzahl von Strophen mit Respon-
sionen naeligewiesen werden konnte. Vgl. Bibi. Studien, Heft III, S. 126;
Norbert Peters, Der hebr. Text des Buches Ecclesiasticus. (D.H.Müller.)
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen.
7
pliiker bei der Gliederung eines und desselben Gedichtes so weit
auseinandergehalten. Im folgenden soll das Ergebnis meiner
Untersuchungen zusammengefaßt und im Verhältnisse zu den
bestehenden Regeln der bisherigen Strophik beleuchtet werden.
Indem ich zunächst auf die bereits veröffentlichten 6 Psal
men verweise, lasse ich einige Proben folgen und füge hinzu,
daß ich auch bei diesen Psalmen wie bei den früheren ohne
Zuhilfenahme jedes Kommentars bei der strophischen Glie
derung des Textes verfuhr, sondern lediglich von nbß ausgehend,
wo aber kein nba war, mit Hilfe der Müll ersehen Responsions-
theorie die inhaltliche Gliederung nach Strophen versuchte; daß
meine so gewonnene Teilung mit der von anderen Strophikern
vor mir versuchten sehr oft übereinstimmt, ist eine Wahrneh
mung, die der Responsionstheorie zugute kommt, indem sie
diese als sicheres Kriterium für die Richtigkeit der abgeteilten
Strophen erscheinen läßt.
1. Strophen und Responsion in vollständigen Psalmen.
Psalm IL.
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1 rbö ist liier nicht an seinem richtigen Platze, sondern gehört zum voran
gehenden Verse, wie ich weiter begründen werde. Das ist auch die
Ansicht Duhms.
8
IV. Abhandlung: Berkowicz.
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Dieser Psalm bietet der Exegese viele Schwierigkeiten,
nicht allein durch die Unsicherheit des Textes und manche
stilistische Unebenheit, sondern auch in bezug auf die Stellung
einzelner Verse, die erst nach entsprechender Umstellung an
nähernd erklärt werden können. Daher die vielen Emendationen,
zu denen sich die meisten Erklärer genötigt sehen, wenn auch
manche Konjektur wie z. B. bei Grimme 2 ganz entbehrlich zu
sein scheint. Nichtsdestoweniger tritt seine Form klar vor
unsere Augen und wir können im Hinblick auf den Kehrvers
(13, 21) seine Teilung mit Sicherheit vornehmen. Die durch
ihren Inhalt als gesondert auffallende Einleitung von 8 Zeilen
sowie das ibc am Schlüsse der 3. Strophe (V. 16) machen es
uns möglich, seinen oktastichischen Strophenbau zu erkennen.
Die Responsion tritt hier spärlich auf, aber trotz der Unsicher
heit des Textes deutlich genug, um als Kennzeichen der Strophen
technik anerkannt zu werden; ein einwandfreier Text würde
uns vielleicht mehr bieten. Sicher ist die Responsion dadurch,
daß sie, wie in den Psalmen fast durchwegs und wie in
dem folgenden Ps. LXXXIX, an den Strophenenden auftritt.
So korrespondieren inhaltlich und wörtlich 9 a (ditb3 p’ia) mit
16 a (iü33 na’) im entgegengesetzten Sinne. Die Antithese ist
klar. Jene, die auf ihren Reichtum vertrauen, können sich
durch diesen nicht vom Tode erlösen. Wenn Gott es nicht will,
so ist das Lösegeld überhaupt unerschwinglich, man müsse für
immer darauf verzichten (abiyb bin; so erklären Reuss und
1 Nach LXX, Syr. Targ. und Midrasch lies: D13p.
2 Psalmenprobleme, Freiburg 1902. S. 53 f. zu den Versen 9, 10
und 15.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 9
Baethgen) ; während er, der auf Gott vertrauende Sänger, aus
Gottes Hand die Erlösung erwartet. Auch die je zweiten Stro
phen jedes Teiles korrespondieren wörtlich in ihren vorletzten
Zeilen: 1 2 a (iii inS) und 20 a (-in). Es ist ferner zu beachten
die ßesponsion in 11 a (inia') und 18 a (miaa), vielleicht aber
auch der Anfang der letzten Strophe (xi’n Sk), der mit dem
Anfänge der ersten Strophe (xtk nah) korrespondiert.
Psalm LVII.
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10
IV. Abhandlung: Berkowicz.
Dieser Psalm, dessen dritte Strophe mit der zweiten Hälfte
von Ps. LX den Psalm CVIII 1 bildet, hat zweimal rbo und wird
durch diese sowohl als durch den Kehrvers (V. 6 und 12) in
achtzeilige Strophen geteilt. Freilich muß erst der uns vor
liegende massoretische Text sorgfältig geprüft werden. Daß der
Text besonders in Y. 4 b und 5 a nicht in Ordnung ist, er
kannten alle Erklärer, wenn auch die Versuche, welche gemacht
worden sind, die Schwierigkeiten mit Zuhilfenahme von LXX
und anderen abweichenden Versionen zu lösen, nicht immer
befriedigend erscheinen. Zunächst bietet ’bn® spin in exegetischer
wie in rhythmischer Beziehung eine schier unlösbare Schwierig
keit. Ebenso schwierig gestaltet sich die Erklärung des ’®a: am
Anfang von V. 5, abgesehen von der Stellung des nbo in der
Mitte von V. 4 und des ihm nachhinkenden Stichos 4 c nb®’
inöKi non ovibx.
Alle diese Schwierigkeiten können, glaube ich, leicht be
hoben werden, wenn man V. 4 b rpa statt epn liest und, unge
achtet des nach ’BN® stehenden nba und des ihm nachfolgenden
Stichos, ’®bj zu V. 4 hinüberzieht. Vers 4 hätte dann folgende
Gestalt:
’jjwi'i a'»®» ab® 1
2 '®B3 ’BIj® e)3»
und hiermit wäre die erste Strophe von 8 Zeilen zu Ende.
4 c: 'Ni ncn D’nbx nb®' halte ich mit Duhm für eine Glosse zu
dem unbestimmten a’ü®a nb®’, die zusammen mit dem daneben
stehenden nba in den Text gekommen sein mag. Daß nba
häufig am Rande gestanden haben kann, dafür finde ich einen
Beweis in denjenigen Stellen, wo nba störend in die Mitte eines
Verses tritt oder auch nach einem Verse steht, wo es nicht am
richtigen Platze ist; besonders aber in dem uns vorliegenden
1 Hier ist der Text ursprünglicher als in CVIII, welchen der Abschreiber
korrigieren zu müssen glaubte. Er kürzte deshalb V. Sa aus Mißver
ständnis der in den Psalmen so häufigen Wiederholung, wie sie auch
hier in V. 1 und V. 9 einen besonderen erhebenden Klang erzielt; daher
das korrupte mas rjN.
2 Auch Duhm und Grimme setzen ’BM nach ’oa®, es ist aber mit der
Erklärung Grimmes: ,Er sendet und rettet meine Seele vor dem Hohne
(rpno = Inf. mit n) meines Verfolgers* nicht viel gewonnen.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 11
Psalm, wo LXX das rbo nicht nach V. 4, sondern vor diesem
haben, scheint diese Vermutung 1 nicht unberechtigt zu sein.
Das Lied zerfällt also offenbar in drei regelmäßig gebaute,
inhaltlich streng gesonderte achtzeilige Strophen, welche durch
nbo markiert sind. Der Kehrvers 6, der die zweite Strophe
unterbricht, muß freilich an seine richtige Stelle gesetzt werden,
d. h. nach einer der ersten zwei; vielleicht aber nach jeder
von diesen beiden Strophen, wie es in Psalm XLVI der Fall
ist, wo man einhellig den Refrain auch nach der ersten
Strophe setzt.
In der ersten Strophe unseres Liedes bittet der Dichter
um göttlichen Schutz, dessen er sicher ist, weil er ihn durch
sein Gottvertrauen verdiene; in der zweiten Strophe (2 — 4)
schildert er die drohende Gefahr von Seiten seiner Nachsteller,
die sich wie wilde Tiere gebärden, die aber selbst in die Falle
sinken (5, 7), und in der dritten Strophe drückt sich die Zu
versicht aus, die den Sänger ermutigt, Gottes Größe aller Welt
zu verkünden. Nur einmal tritt in diesem Psalme die Wort-
Responsion auf: 4 a (dwd) und 11a (d'dw); es ist aber wahr
scheinlich, daß der gleichlautende Kehrvers zu Ende einer jeden
Strophe dem Dichter Ersatz für die Wortresponsion geboten
hat. Dagegen ist den beiden Distichen zu Ende von Strophe I
und II die inhaltliche Gedanken-Responsion nicht abzusprechen.
,Gott rettet ihn aus den Händen derer, die ihm nach dem
Leben trachten (V. 4), diese fallen selbst in die Grube,
welche sie vor ihm gegraben (7 c).
Die erste und die dritte Strophe haben überdies noch das
gemeinsam, daß sie in den ersten Stichen die Figur der ,Epi-
zeuxis' oder nachdrücklichen Wiederholung (Delitzsch) haben,
die mit zu den effektvollsten Schönheiten des psalmistischen
Stils gehört 2 und auch in diesem Psalme noch einmal wieder-
1 Darüber soll weiter näheres gesagt werden.
2 Sie besteht darin, daß in einem Satze nach dem ersten, zweiten oder
dritten Worte der Gottesname, mn 1 oder DYibx, eingefügt wird, worauf diese
vorangehenden Worte wiederholt werden. Es seien hier nur einige Bei
spiele dieser Figur angeführt: Ps. XVII, 14 ... D'rilSö 'n -p 1 QTlOO; XLVII, 7
not b'nS* not, (je ein Wort), LXVII, 4 und 6 ... 's “lTP b’d» ■jTTP,
LXXXIX, 52.. lom nBU Ti -pan« i-nn tan, LXXV, 2 Wirt ’hs -[b «mn (je 2 W.),
XCII, 10 .. . 's tun '3 Ti -pa'u ron 'd (3 W.), XCIII ... td ins: ’n rrnrta im»:
12
IV. Abhandlung: Berkowicz.
kehrt (V. 9), was sowohl von den Kopisten in CVIII als auch
von manchen Erklftrern, die diesen Vers kürzen möchten, offen
bar mißverstanden wurde.
Psalm LXXXIX.
’mixn trrxb b’sire l
D'n mxsa b vi a nnx io
anatrn nnx l'bj x l v a
am bbra man nnx n
pumx miB pty ynta
pnx "]b sjx ö’bip pb i2
amo' nnx nxbai ban
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(2 W.), XCIV, 1 . . map: bx vt map: bx, ibid. 3. . . n ‘a in ’n □’»»? ’na ns
(3 W.), CXVI, 1 nb xb 'n 13b xb (2 W.). Diese Figur der Epizeuxis möchte
icii auch im Habakuk-Psalme (Hab. 3) konstatieren, indem ich vorschlage,
(V. 2) statt in”n — rnn’ zu lesen: »mn Q’3® aipa tt a’3» mpn; aus demselben
Grunde möchte ich (gegen D. H. Müller, Neue Beiträge, S. 36) die Les
art in V. 8 festlialten: ’x ann3a ox ’n mn nnnjiri (dem n entspricht
in der Wiederholung cx), wenn nicht die offenbar beabsichtigte Respon-
sion mit V. 10 a die Emendation in D’in plausibel machen würde.
1 Nach LXX, gegen MT.
2 Nach Schloegl, Appendix zu ,De re metrica vet. Hebr.'.
3 Für IUI’ MT. (Baetilgen).
Der Stroplienbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 13
II.
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1 Für losni ‘pTDnb nach dem Vorschlag der meisten Erklärer.
14
IV. Abhandlung: Berkowicz.
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Das Hinüberziehen
AVellhausens:
von "51 zum ersten Stichos und die Emendation
TOI D^lSl ]13' m'D
(für '©3) j»X3....pn©3
hat für uns keine Bedeutung, da wir keine Übersetzung der behandelten
Psalmen geben. Aus demselben Grunde nehmen wir keine Notiz von
den Emeudatiouen: an für aisi in V. 20 c und a'CX für a’DX in V. 34 a.
2 Für larran na©n, das der Exegese soviel Schwierigkeiten bereitet, möchte
ich liiisp naa© (vielleicht 7aa©n wie nopn in 44?) vorschlagen. Es wäre
eine sehr passende Parallele zum folgenden Stichos (xdd), wenn unter HD»
Herrscherstab, Szepter verstanden wird. Baethgen liest: la’n rrm ro©n.
Ihm folgen auch N. Schloegl und andere.
3 Über die Streichung von 48, 49 s. weiter.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 15
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Den oktastichischen Charakter dieses Psalmes bezeugt das
nbo nicht allein nach der ersten Strophe von 8 Zeilen, sondern
auch nach Yv. 38 und 46, an Stellen also, die unwiderleglich
als Enden von achtzeiligen Strophen erscheinen.
Bei der Gliederung dieses Psalmes stimmen fast alle Er
klärer insofern überein, daß er zunächst in 2 Hauptteile zerfällt,
deren erster mit V. 19 schließt. Tatsächlich sind die beiden Teile
inhaltlich und rhythmisch (mit Ausnahme von Vv. 4. 5) so
verschieden, daß man geneigt wäre, sie (mit Duhm) für 2 ge
sonderte Psalmen zu halten. Innerhalb dieser Teile herrscht
eine gleichmäßige Symmetrie, die durch Gedanken- und Wort-
responsion klar und deutlich hervortritt. Es korrespondieren
nämlich teils gedanklich, teils wörtlich 2 a (m’ffi'N... ncn und
... rrn) mit 6 a; 2 b (^roiax) mit 6 b; 10 a (bfflia) mit 14 a
(rrtlSJ üj> ynt) und 10 b (xiirs) mit 14 b (pj'ü' ann) und, wenn
man Baethgen folgt und in V. 17 iöW in: ujt emendiert,
korrespondiert die zweite Strophe 10 —13 mit ihrer Neben
strophe 14—17 im Ausklange wörtlich.
Das Tetrastichon 18—19 möchte ich für eine Epode halten,
die in der zweiten Zeile 18 b (nnn) mit der Strophe, welche
vorangeht, 14 b korrespondiert.
Nachdem in ersten Teile die Gnade und Treue Gottes
gepriesen und dessen Natur und Weltordnung beherrschende
Allmacht, auf die Israel stets vertraut und stolz ist, betont
wurde, entfaltet der Dichter im zweiten Teile, in Anschluß an
II Sam. 7 (Baethgen), das eigentliche Thema, dem er schon im
ersten Teile (Vv. 4. 5) vorgegriffen. Dieser zweite Teil besteht
aus 7 rhythmisch glänzend gegliederten und durch mannigfache
Responsionen miteinander verbundenen oktastichischen Strophen,
denen sich, durch nbü markiert, die achte Strophe von gleicher
1 Die Auffassung von '^3 als Abbreviatur von hAd fiel mir vor mehreren
Jahren ein. Später fand ich sie bei den meisten neuesten Kommentatoren.
Übrigens hat auch Targum: |irr'DTO bs.
16
IV. Abhandlung: Berkowicz.
Stichenzahl anschließt, als wehmütiger Appell an Gott, der seiner
Verheißungen uneingedenk sein Volk und seinen Gesalbten in
Elend, Not und Schmach verkümmern lasse. Daß die Verse
48 und 49 mit dem ganzen Psalm in keinem wie immer gearteten
Zusammenhang stehen und als späterer Zusatz zu betrachten
sind, wird (mit Duhm) jeder Einsichtige zugeben. Bickell,
der diese 4 Zeilen beibehält und trotzdem den oktastichischen
Charakter gewahrt wissen will, setzt nach 47 ein fehlendes
Distichon voraus und konstruiert aus V. 50 einen Vierzeiler.
Schon Olshausen hatte Bedenken gegen die beiden Verse,
deren ,Gedanken er auf den ersten Blick befremdend' findet;
er versuchte aber den Zusammenhang damit zu erklären, daß
er (V. 48) “iai für 'jx na? 1 liest, allein seine Erklärung reicht
nicht aus, um die Echtheit dieser Verse plausibel zu machen.
Dieser zweite Teil des Psalmes zerfällt, wie das n’rc in
Vers 38 zeigt, in 2 Abschnitte, was von fast allen Erklärein
erkannt worden ist. Auch Olshausen, der den Psalm für
nicht strophisch hält, Ewald, der bloß 3 Strophen im Psalme
sieht, Wellhausen und Baethgen halten Vv. 20—38 für einen
in sich geschlossenen Abschnitt. Der erste Abschnitt enthält
die Verheißungen in einer einleitenden Strophe (20—22) und
2 Strophenpaaren (23—30 und 31—38), von denen das erste die
Verheißungen überhaupt ausdrückt, das zweite dieselben auch
für den Fall zusichert, wenn Israel der Lehre und den Geboten
untreu werden sollte. Die Responsionen in diesen 5 Strophen sind
1 Dieser Emendation schließt sich auch N. Schloegl an (Appendix zu
,De re metrica vet. Hebr.‘) und findet dadurch eine Responsion zwischen
48 und 51. Er folgt Zenner in der Theorie der Wechselstrophen, über
sieht daher gleich diesem vollständig die übrigen Responsionen (mit
Ausnahme von 2 b und 6 b), findet dagegen ,Inclusio‘ in 2 und 9 und
6 und 9, die schon deshalb nicht feststeht, weil sie in den Psalmen
nicht häufig ist. Trotzdem Schloegl die Responsionsgesetze anerkennt,
vernachlässigt er dieselben, indem er den Vers anstatt des Stiellos als
Einheit nimmt. Siehe meine Ausführungen zu Ps. LI, WZKM. 1. c.
Was übrigens die ,Inclusio‘ (von Müller als dritte Art der Re
sponsion bezeichnet; vgl. ,Die Propheten“ S. 200 ff.) betrifft, hat diese
Form durch Condamins Feststellung, daß in den alphabetischen
Psalmen wie in den Klageliedern eine vielfältige Einschließung be
steht, d. h. daß der erste Vers mit dem letzten, der zweite mit dem
vorletzten etc. respondiert, eine merkwürdige Bestätigung gefunden.
(Vgl. Anzeiger der kais. Akad. der Wissensch., Jahr 1910, Nr. XII.)
Der Stroplienbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 17
deutlich und auffallend; sie erleichtern dadurch, daß sie sich
hauptsächlich in den letzten Strophenzeilen befinden, das Er
kennen der Strophen auch dort, wo sich kein nba befindet.
Es korrespondieren wörtlich: V. 22 ('T, ’yni) und 26 vv);
25 a (nom tuiöki) mit 29 (ruaso. 'icn); 26 a und 30 a ('nattn);
34 b (’roiato) mit 38 (jöm). Beide Strophenpaare korrespondieren
auch in ihren Schlußzeilen: 29—30 und 37—38 gedanklich und
wörtlich.
Der zweite Abschnitt dieses Teiles besteht aus drei Stro
phen: Vv. 39—46 bilden 2 Strophen, die durch nbD nach 46
markiert sind; 47—52 ist die Schluß-Strophe und hat ebenfalls
nur 8 Zeilen, wenn 48, 49 als fremdes Element ausgeschieden
wird. Gerade das nbc, das nach meiner Überzeugung nur am
Ende einer Strophe, niemals aber in der Mitte einer solchen
steht, läßt die beiden Verse als verdächtig erscheinen. Auch
hier tritt die Responsion an -den Grenzen der Strophe auf; es
korrespondieren, wie leicht ersichtlich ist, 42 b (nain) mit 46 b
(mris), also das Strophenpaar in seinen Schlußzeilen; dieses
Strophenpaar ist aber auch mit dem ihm vorangehenden (31 — 38)
durch Responsion verbunden: 31 a korrespondiert (law) mit 39 a
(nnst); 37 b und 45 b haben wörtliche Responsion (ixcai) und
endlich korrespondiert 38 a (abip ;i3') mit 46 a (röibi? •»’ matpn) 1
gedanklich im entgegengesetzten Sinne. Die Schluß - Strophe
korrespondiert in 47 a (mon) mit 39 a (rinn), 47 b (^nan... nynn)
mit 39 b (m-ynn) und in der Schlußzeile 52 b (iam) mit 42 b
(“sin) und 46 b (n®ia) als Schlußzeilen des vorangehenden Stro
phenpaares.
Der tadellose symmetrische Bau dieses Psalmes, der auch
in stilistischer Beziehung keine Schwierigkeiten bietet, die kunst
volle Durchführung seiner Strophentechnik, sowie der Umstand,
daß wir es hier mit einem sicher einheitlichen und vollständig
in sich geschlossenen Gedichte zu tun haben, berechtigen uns zu
der Behauptung, daß die Responsion ein hervorragender Faktor
der hebräischen Strophentechnik ist und daß nbc, was haupt-
1 Wenn man Schloegls Emendation loh® für l’D'frs befolgen dürfte, wäre
die Responsion sogar wörtlich, allein der Sprachgebrauch verbietet dies
entschieden. Denn dVis ’ö 1 hat an allen Stellen, wo cs vorkommt, die
Bedeutung: ,einst', ,Urzeit“; vgl. Amos 9, 11; Micha 5, 1 und 7, 14, und
Mal. 3, 4, wo es mit nimmp QU® verbunden ist.
Sitzungsber. a. phil.-hist. Kl. 165. Bd 4. Abi. 2
IV. Abhandlung: Berkowicz.
sächlich die Psalmen anbetrifft, wie B. Jacob 1 meint und
wie ich später näher ausführen werde, einen Absatz im Liede
(für uns gleichbedeutend mit dem Ende der Strophe) bedeutet
und niemals in der Mitte von Versen oder Strophen am rechten
Platze sich befindet.
Psalm XCVI.
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wi um mmb 12,1
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pixi DBüb X2 '3
piaa ban bbb'
in3iaxa a’ayi
Die strophische Gliederung dieses Psalms ist nicht von
mir entdeckt worden; ich führe ihn jedoch an, um zu zeigen,
daß seine strophische Struktur von einem Gelehrten festgestellt
wurde, der keinesfalls auf das ,Suchen' von Eesponsionen aus
gegangen, den aber doch die richtige Gliederung des Inhaltes
die äußere formelle Schönheit und Symmetrie erkennen ließ, die
sich auf ein Gesetz stützt, das genau um ein halbes Jahrhundert
später von anderer Seite, unabhängig, in seinem wahren Wesen
erkannt und zugleich als maßgebendes Merkmal altsemitischer
Strophentechnik nachgewiesen wurde.
' Beiträge zu einer Einleitung in die Psalmen. Zeitschrift f. d. altt. Wiss.
Jahrg. XVI, S. 129 ff.
2 Nach Ginsburg (Biblia Hebraica) lesen manche hier wie I Chr. XVI, 27:
mm re. Sollte diese Lesart die richtige sein, dann würde mm eine
passende Responsion zu i?3>' (V. 12 a) bilden.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 19
Sommer 1 bemerkt zu diesem Psalm: ,Die deutliche Glie
derung des Inhaltes macht es leicht, die Gestalt des Liedes zu
erkennen. Die erste Strophe entspricht der dritten, dem Inhalte
wie der Anlage nach. In beiden fordert der Dichter zum Preise
Jehowas auf, in der ersten Israel, in der dritten die übrigen
Völker. Selbst dem Ausdrucke nach sind sie teilweise einander
gleich gebildet, dort beginnen die drei ersten Verse mit mrrb rr®,
hier mit nin’b ian. Die zweite und vierte Strophe begründet
die vorangehende Forderung, Jehowa ist der erhabene Schöpfer
und gerechte Herrscher der Welf. Der Abgesang endlich spricht
die Zuversicht aus, daß Jehowa die Völker richten werde/
Soweit Sommer, dessen Gliederung dieses Psalmes ich
den Nachweis der in ihm vorhandenen vielfachen Responsionen
hinzufüge, mit der Verwunderung darüber, daß diese weder von
ihm in ihrem vollen Umfange erkannt noch auch den übrigen
Stropliikern bis heute aufgefallen sind. Daß hier tatsächlich
zwei Strophenpaare vollständig korrespondierenden Inhaltes ein
ander gegenüberstehen, deren jedes eine Aufforderung zum Lobe
Gottes und eine Begründung dieser Aufforderung enthält, darüber
dürfte kein Zweifel herrschen; daß sich aber diese Strophepaare
dadurch besonders auszeichnen, daß in ihnen fast Zeile für Zeile
einander gedanklich und zumeist wörtlich entsprechen, dürfte
ebensowenig einem ernsten Einwande begegnen. Außer der an
geführten, von Sommer geahnten, bloß angedeuteten Responsion,
korrespondieren in der ersten und dritten Strophe 3 a (nas)
mit 9 a (anp nnna), 3 b (a'iapn San) mit 9 b (pan ba); die zweite
Strophe dagegen korrespondiert mit der vierten in 4 a (mrr bna)
und 10 a (pba mir) synonym, (im übrigen entspricht auch dem
"ixa bbnai das gegenüberstehende ama nax), in 5 a (a-arn) und
10 c (a'aj>) und in 5 b (a’a®) und 11a (a’atrn). Die Epode
greift in der ersten Zeile (m~p) auf den Anfang des Liedes
(rro), in der dritten und vierten auf die vierte Strophe zurück
(a'aj? pT und |ns<n aa®b). Wesentlich dieselben Strophen findet
Ley, der ebenfalls 12 b der letzten Strophe zuzählt, während
Reuss, durch Annahme einer Lücke nach 10 c, 4 Sechszeiler
konstruiert. Bickell teilt den Psalm in lauter Tristichen, indem
2 Biblische Abhandlungen, 1. c. S. 115. Vgl. das über Sommer oben
S. 4, Note 3 Bemerkte.
2*
20
IV. Abhandlung: Berkowicz.
er 11a durch Einschiebung zweier Wörter in zwei Zeilen teilt.
Olshausen dagegen findet in dem Liede merkwürdigerweise
gar keine Strophen. Daß der Text, der sich auch I Chr. 16,
23—33 findet, hier im Psalme richtiger und ursprünglich ist,
hat Baethgen nachgewiesen; der vollendete Strophenbau be
stätigt diese Annahme.
2. Strophen und Responsion in unvollständigen
Psalmen.
Die Psalmen, deren Strophenbau auf Grund der Müller-
schen Responsionstheorie im Vorstehenden untersucht wurden,
weisen wie jene, die früher im Drucke (in WZKM; sieh den
Anhang) erschienen sind, ein Resultat auf, das zwar nicht auf
Vollständigkeit, wohl aber auf Einheitlichkeit und Konsequenz
in der Beweisführung Anspruch erheben darf. Es sind dies
Psalmen, die als ganze, in sich geschlossene Lieder von sicherer
Korrektheit des Textes erscheinen; überdies besitzen sie auch
noch andere Merkmale eines Strophenbaues, die von vielen
Forschern fast einhellig als solche anerkannt sind. In allen,
mit Ausnahme von Pss. XVIII und LI, tritt nbo ein oder mehrere
Male auf, jedesmal aber an der Grenze zwischen Gedanken
einheiten, die sich in scharf gesonderten symmetrischen Gruppen
von gleicher Stichenzahl aneinanderreihen. In den meisten
Liedern kommt noch der Refrain hinzu, der keinen Zweifel
an eine beabsichtigte Strophik auf kommen läßt. Wenn jedoch
die Zahl dieser untersuchten Psalmen im Verhälnis zum ganzen
Psalter zu gering erscheinen sollte, so möge man folgendes be
denken :
Der Psalter ist anerkanntermaßen eine zu religiösen und
liturgischen Zwecken veranstaltete Sammlung von Liedern und
Liederteilen, die an Charakter und Form voneinander häufig
sehr verschieden sind. Eine nicht geringe Zahl von Psalmen
sind entweder als Bruchstücke oder als zu liturgischen Zwecken
zusammengesetzt zu betrachten; nicht gering ist auch die Zahl
derjenigen Psalmen, in denen mitten in die tiefste lyrische Stim
mung lange kunst- und formlose Prosasätze hineinredigiert sind, 1
1 So Ps. XL nach seiner ganzen Anlage, dem zum Schluß (14—18) Ps. LXX
angehängt ist; vgl. ferner Ps. LXXIX, 8. 9; LXXXV, 9 und viele an-
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 21
die oft den Zusammenhang stören und erst von umsichtiger
kritischer Hand ausgeschieden werden müßten, damit die rein
lyrischen Bestandteile in ihrem vollen Zusammenhänge resti
tuiert werden. Auch die alphabetischen Psalmen mußten bei
dieser Untersuchung außer acht gelassen werden, da ihre Kunst
form sich darin zu erschöpfen scheint, daß sie einzelne oder
mehrere Stichen aneinanderreihen, die in ihren Anfangsbuch
staben das Alphabet ergeben, eine äußerliche Form, die in
Künstelei ausgeartet ist. 1 Es gibt aber auch eine beträchtliche
Anzahl von Psalmen, die als ganze Lieder zu betrachten sind,
deren Texte jedoch eine solche Unordnung und Unsicherheit
aufweisen, daß sie uns nicht gestatten, ihre Stichenzahl mit
einiger Sicherheit zu kontrollieren und die verloren gegangene
Symmetrie wieder herzustellen, ohne daß wir uns in weit
gehende Textkritik und scharfsinnige Konjekturen einlassen,
die im besten Falle geistreich, aber nichts weniger als wahr
scheinlich sein können.
Und so mußte bei dieser Untersuchung darauf verzichtet
werden, in einer großen Reihe von Psalmen, besonders der letzten
Kategorie, nach geregelter Stichenzahl symmetrisch geordnete
Strophen abzuteilen und die Responsion zwischen einzelnen
Gliedern nachzuweisen, trotzdem sie sonst alle Merkmale des
Strophenbaues erkennen lassen und häufig auch' Spuren von
Responsionen aufweisen, die wir sicherlich besser und deutlicher
erkennen würden, wenn wir in der Lage wären, vorerst ihre
ursprüngliche Stichengestalt festzustellen.
Es seien hier nur einige Beispiele angeführt, ohne auf
eine genaue Darstellung der Strophenstruktur einzugehen:
dere Psalmen, mit denen die Exegese nichts anzufangen weiß, wenn
es' sich um die Feststellung der äußeren Formen sowie des inneren
Zusammenhanges handelt.
1 Gekünstelt sind jedenfalls Ps. CXI, CXII, wo die Stichen in alphabeti
scher Ordnung sich aneinanderreihen. Den Höhepunkt der Künstelei
bildet jedoch Ps. CXIX mit seinen alphabetisch anklingenden Oktastichen.
Und doch liegt auch dieser Künstelei, wie D. H. Müller (Neue Bei
träge, S. 54 ff.) nachgewiesen hat, die Responsion zugrunde, da in
jeder sogenannten Strophe das ,Wort Gottes* in je acht Synonymen
wiederkehrt. Eine eigenartige Künstelei bildet der zum Teil aus Ps.
CXXXV durch Einschiebung von non tbvh 'o nach jedem Stichos hervor
gegangene Psalm CXXXVI.
22
IV. Abhandlung 1 : Berkowicz.
Psalm LIX.
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’ 23 © 2 2 ’ 2 *7 X ’ 2 ’23©Ö2’2*7X ’2
C’2Dn ’2*7K)
Dieser Psalm ist sicher ein. strophisch gegliedertes Lied;
er hat zweimal 2*72 nebst folgendem gleichlautenden Kehrvers
(nach Y. 6 und Y. 14) und wird außerdem durch den doxo-
logischen Schlußvers 18, der auch nach V. 9 steht, in zwei
ungefähr gleiche Abschnitte geteilt. Die Anfänge beider Haupt
abschnitte zeigen auch Responsion auf, V. 2 b: ’323©n ’BBipraa
und 11b: ’22©2 ’3X2'; ebenso 5 a (p0) und 13 a (nxan) und die
auf die Kehrverse 7 und 15 folgenden kleinen Stücke, welche
sechszeilige Strophen zu sein scheinen 4 (8 — 9 und 16—17),
1 ’w «"d. 2 np ’-Dn. 3 2p psm.
4 8—9 bildeten ursprünglich wahrscheinlich ein Hexastichon, denn es
fehlt in unserem Texte ein vermittelndes Glied zwischen 8 b und 8 c.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 23
deren Anfänge wie gleichlautende Responsion klingen, V. 8:
pyaTon 1 und V. 16: pyr non, aber die Hauptstücke 2—6, be
sonders 11—14, an deren Enden sich das strophenteilende nbß
befindet, bieten uns, wie die zahlreichen Versuche und Vor
schläge zu Emendationen und Umstellungen beweisen, keine
sichere Handhabe mehr für eine befriedigende Abteilung der
Stichen und Fixierung der Strophenstruktur. Unsicher ist die
massoretische Verstellung nach 4 c, denn 5 a gehört vielleicht
als Parallele zu 4c; 6 a ist in der Form außergewöhnlich lang
und scheint vor 5 b seinen Platz zu haben, da 5 b und 6 b
besser zusammenpassen. 13 b djikio nab'i tritt störend zwischen
13 a und 13 c und es scheint nicht unmöglich, daß diese Worte
in V. 12 gehören. Hier würde a:i*oa mit d'U? korrespondieren.
12 — 14 bieten den Exegeten so viele Schwierigkeiten und zu
gleich Gelegenheit zur Übung des Scharfsinns, 2 daß man ein
Verständnis des Inhalts, geschweige denn eine Fixierung der
Stichen und deren Verbindung zu Strophen kaum noch zu er
zielen vermag.
Ähnlich verhält es sich mit Psalm LXXX, dessen stro
phische Anlage durch den nach Vv. 3, 7, 19 auftretenden Refrain
gesichert erscheint. LXX setzen nach dem zweiten Kehrvers,
V. 8, nba (Siä^ahpta). Tatsächlich bilden die ersten zwei Strophen
2 — 3 und 5—7 symmetrische Sechszeiler. Ihnen gegenüber
würde das lyrisch so schöne Lied vom Weinstock vielleicht
ebensolche Sechszeiler aufweisen, von denen wir 2 besitzen:
in 9—11 und 12—14, aber inhaltlich scheint es uns geboten, die
erste Strophe von 9—12, also als Achtzeiler zu fassen, denn
mit V. 13 beginnt die Antithese zum Vorhergehenden, die aber
Targum hat hier so® H sin |D tans "O-iro pas und Rase hi fügt hinzu:
Dhbo D'iöixi. Duhm und Grimme dagegen streichen den Stiellos
MB, wohl auch aus metrischen Gründen.
1 Wellhausen liest 130' für jlP'm, aber gerade der Gleiehldang mit ]W13'
empfiehlt die Beibehaltung dieses Wortes; eher könnte man nsn in nan
(wie in 16) emendieren; hier bildet nan eine Antithese zu Tt nnsi, dort
ZU 1'BN DNl.
2 Bei Grimme z. B. sieht der Text (12—13) nach Streichung des ein
leitenden Ix folgendermaßen aus: I iDTTim "|b'm lDP'iri I 'dp i.ib’_ ]Q a.nnn
(st. i'gjp’ Bram rfcsDi i nuten ra^'i i idtiob im nVcn i xan din tato. Es
würde schwerlich jemand auf den Sinn von San 1D3.1D kommen, wenn Gr.
nicht die Übersetzung beifügen würde: ,Teile ihnen, o Herr, Schuld zu!‘
24
IV. Abhandlung: Berkowicz.
einen derart unsicheren Text hat, daß man nur auf Vermutungen
angewiesen ist. Ein flüchtiger Blick auf den Text von V. 15
angefangen genügt, um die Schwierigkeiten zu erkennen, auf
die man stößt, wenn man die offenbaren Zusätze auszuscheiden
und den Zusammenhang auch nur annähernd herzustellen ver
sucht. Es ist also klar, daß unter solchen Umständen die
ursprüngliche Kunstform sich nicht mehr verfolgen läßt.
Der auf diesen Psalm folgende Psalm LXXXI hat nbo
nach V. 8. Seine Verwendung als Tempelgesang der Lewiten
beim Morgenopfer des 5. Wochentages ist traditionell 1 verbürgt.
Inwiefern Olshausens Ansicht richtig ist, daß der Psalm eine
Zusammensetzung aufweise, deren Teile 2—6 b und 6 c—17 in
gar keinem Zusammenhänge stünden, soll hier nicht untersucht
werden. Einer zweiten Tradition 2 zufolge wurde am 5. Halb
festtage der Laubhütten derselbe Psalm, jedoch nur von V. 7
angefangen vorgetragen. Nun hat B. Jacob 8 nachgewiesen,
daß der Gesang dieses Psalmes nicht mit V. 7, sondern mit
V. 9 begonnen habe, von der Stelle also angefangen, wo sich
das nbo befindet. In diesem Teile lassen sich nun leicht 3 Stro
phen feststellen, deren einzelne Stichen zwar textkritisch un
sicher sind; da aber die Besponsion in den je ersten zwei
Stichen auftritt, können wir mit Sicherheit die strophische Glie
derung dieses Stückes behaupten. Diese Besponsion besteht
nämlich zwischen den Versen 9, 12 und 14 wie folgt:
"p jttw 'öy o
’b ystrn as bsi»'
'bipb ’öy yöis abi 12
'b aas xb bsam
’b yö© ’öji ib 14
13b,t 'ama bxniy’
Einen sehr ausgiebigen Gebrauch von der Besponsion
scheint der Dichter des, wie ich glaube, ebenfalls nicht voll-
1 Mischna, Tamid VII, 3 und b. Rosch ha-Schana 31 a.
2 b. Sukka 55 a.
3 Zeitselir. f. alttest. Wissenschaft. Jakrg. XVI. S. 144.
Der Stroplienbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 25
ständigen Ps. LXXXV gemacht zu haben. Ich halte den
Psalm schon deshalb für unvollkommen, weil mir besonders
Vers 9 trotz der vielen Interpretationen, die ich gelesen, im
Zusammenhang des Ganzen nicht verständlich ist, 1 abgesehen
von seiner langen prosaischen Form, die vom Rhythmus des
Ganzen so fremdartig absticht. In diesem ersten Stücke bis
Y. 9 haben wir Strophen zu 4 Zeilen, deren erste durch nbo
markiert ist:
us spKn abipbn e
-in i-p -j b k -[©an
u'nn ai©n nns t6n ^
pa ina©' “|api
imnj ba nsDS *
1 as jnna nii'tm
UJ72>' Ul 1 ?# 13 31© 5
uap pDpa asm
-pan mru utnn «
ub jnn “|p©u
-janx nin' rvan
app’ ma© na©
pap pp nx©3
nbD snsan Sa rrca
nbDaS iai©’ Ssi i'Tan Ssi lap *?k aiS© -dt 'a mn' Sxn -dt na npa©s
Die im Vorstehenden unterstrichenen Responsionen sind
ersichtlich und bedürfen keines Beweises.
Nebst diesen hier und anderwärts mitgeteilten Psalmen,
die durchwegs einen Strophenbau von gleicher Stichenzahl haben,
sind mir noch viele andere Psalmen bekannt, in denen bei
ersichtlichen Sinnesabschnitten deutliche Wort- und Gedanken-
responsionen auffallen, deren Untersuchung ich aber noch nicht
abgeschlossen habe, da mir die Textgestalt nicht einwandfrei
erschien und weil ich für die richtige Erkenntnis der einzelnen
Glieder, nämlich der Stichen, einen größeren textkritischen
Apparat für notwendig erachte. Daß nur der Stichos und nicht
der Vers als Strophenglied zu betrachten ist, d. h. daß ein
solches Glied nur einen einfachen Satz, der einen Gedanken
ausspricht, enthalten kann, nicht aber zwei oder mehr Sätze oder
Gedanken, wie sie in den massoretisch abgeteilten Versen ge-
1 Diesen Vers, der mit Rücksicht auf das rätselhafte nu?? 1 ? den Erkläre™
viel zum Nachdenken gibt, habe ich mit Hilfe der stark abweichenden
Version der LXX: ,jtat ijci tou; imazpicpovzoii; 7zpo$ auiov y.ocpoiav‘ im Gegen
sätze zu anderen Erklärern, die (= rib D|b "Op lesen, emendiert
in: nbö | ib 'Hüb ^1. — p6d würde für die mit 10 beginnende neue Strophe
sprechen. Mein verewigter Lehrer Herr Prof. B ick eil s. A., dem ich
diese Konjektur mitteilte, nahm den Vorschlag beifällig auf und meinte,
es wäre sehr wahrscheinlich, nach T>TDn das in den Psalmen heimische
zu lesen.
26
IV. Abhandlung: Berkowicz.
geben sind, das haben die von Dr. Perles, D. H. Müller, sowie
die von mir mitgeteilten lyrischen Lieder und Psalmen zur
Genüge dargetan, in denen die Responsion ausnahmslos und
unwiderlegbar nicht zwischen Versen, sondern zwischen einander
entsprechenden Zeilen, d. h. Halbversen nachgewiesen wurde.
Im Folgenden soll diese Frage näher beleuchtet werden.
3. Die Zeile als Glied in der Strophe.
Köster, der zuerst die hebräische Strophik zu einem
Formprinzip erhoben hat, geht noch vom Verse, nach der masso-
retischen Teilung, aus, unbekümmert darum, ob dieser ,Vers‘
ein, zwei oder auch mehr (3, 4, 5) Glieder umfaßt. Gleich ihm
sprechen de Wette, Hupfeid, Ewald und Olshausen von
Strophen, die aus einer Anzahl von Versen gebildet werden,
gleichviel, ob unter diesen Versen auch solche von ungleicher
Stichenzahl sich befinden, als von gleichen oder gleich
artigen Strophen im Gegensätze zu denjenigen, in denen die
Zahl der massoretischen Verse eine ungleiche ist. Erst Sommer,
der von der Struktur der alphabetischen Lieder ausging, er
kannte, daß die natürliche Einheit, die der Strophe zugrunde
liegt, der Stichos ist. Er war der erste, der für die hebräische
Strophe streng durchgeführte Symmetrie als unerläßliche For
derung aufstellte und dem es auch gelungen ist, in vielen
Psalmen eine durch Sinn und Gedanken gesicherte, symmetrisch
gleiche Strophenstruktur von höchster Formvollendung, wie in
dem oben mitgeteilten Ps. XCVI und dem im Anhang ange
führten Ps. XLIV, nachzuweisen, während die Verstheoretiker
in den meisten Liedern entweder auf jede Symmetrie verzichten
oder überhaupt eine Einteilung treffen, die nichts weniger als
symmetrisch ist. Denn, wie Delitzsch mit Recht hervorhebt,
können massoretische Verse von verschiedener Länge unmöglich
Bestandteile sein, nach deren Ziffer sich Strophen bemessen.
,I)ie Strophe wird erst zur Strophe durch ihr ebenmäßiges Ver
hältnis zu anderen, sie muß für das Ohr gleiche Zeitwährung,
für das Auge gleiche Gestalt haben, sie muß also gleiche Zahl
der Sinnzeilen darstellen/ 1
1 Kommentar über die Psalmen, Einleitung S. 22.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 27
Kuenens Einwände gegen Sommer, Bickell und Delitzsch
in bezug auf die Auffassung des Stichos als Einheit sind, nicht
im geringsten stichhaltig. Sie wurzeln im allgemeinen in dem
Grundsatz, daß der Stichos keine Einheit, sondern ein Teil
eines Ganzen sei. Aber es scheint, daß diese Auffassung von
dem ,Vers als Ganzen' nur seinem Zweifel an das Vorhanden
sein einer höheren poetischen Formeinheit, der ,Strophe als
Ganzen' entspringt. Für uns besteht dieser Zweifel nicht; in
vielen Psalmen, die wir nach der von Kuenen selbst vorge
schriebenen Methode 1 in Strophen gegliedert haben, hat uns
die Responsion zwischen Zeilen, die in zwei oder mehr Strophen
von regelmäßigem Umfange einander gegenüberstehen, unwider
leglich bewiesen, daß diese Strophen sich aus Stichen und nicht
aus massoretischen Versen aufbauen. In allen Psalmen, die
wir untersucht haben, zeigt sich kein einziger Stichos, der in
folge der Stichenzählung überflüssig wäre, was doch unbedingt
der Fall sein müßte, wenn die Strophen aus Summen von
Versen unbeachtet ihrer Stichenzahl bestünden. Gehen wir diese
Psalmen nochmals durch und prüfen diejenigen Verse, die nicht
1 Er sagt wörtlich: ,Die Methode, welche wir einzuschlagen haben, ist
von selbst gewiesen. Bei der Erklärung jedes Gedichtes werde unter
sucht, wie es auf die einfachste und bequemste Art in Abschnitte zer
legt werden muß; man achte dabei nur auf den Inhalt und auf den
Gedankengang. Die so entdeckten Abschnitte vergleiche man sodann
untereinander, damit sich ergebe, ob sie ganz oder beinahe miteinander
an Umfang übefeinstimmen, oder, wenn sie ungleich sind, in regel
mäßiger Weise abwechseln. Ist das der Pall, so kann man ihnen auch
den Namen von Strophen geben. 1 (Einleitung S. 55.) Diese Methode,
durch ,Prüfung des Inhaltes und Gedankenganges 1 das Lied in seine
Abschnitte zu zerlegen, habe ich in den Vorlesungen Prof. Müllers
kennen gelernt. Als Neuling in der Exegese, aber auch als entschie
dener Skeptiker inbezug auf jedwede Metrik und Stropliik suchte er
uns den Ezechiel zu erklären und die Strophen sowie deren Respon-
sionen ergaben sich ihm von selbst. Erst später, als ich die Psalmen
zu untersuchen begann und auch die Literatur über Stropliik heranzog,
wurde Herr Prof. Müller durch meine Untersuchung auf die einschlä
gige Literatur seit Köster aufmerksam. Im übrigen sei hier ausdrück
lich bemerkt, daß Müller seine Strophentheorie weder auf alle alt-
testamentlichen Schriften, noch auch auf alle Reden eines Propheten etc.
ausgedehnt wissen wollte. Er .suchte 1 keine Strophen, sondern er kon
statierte ihre Existenz, wo er sie zu finden glaubte. Vgl. oben S. 5,
Note 1.
28
IV. Abhandlung: Berkowicz.
zweigliedrig sind, so ergibt sich aus der feststehenden strophi
schen Struktur folgendes:
Ps. 3 1 hat in Vers 8 scheinbar einen Dreizeiler, bei näherer
Prüfung jedoch ist das scheinbar erste Glied nichts anderes als
ein Vierzeiler, ein doppeltes Distichon, von dem jedes seine zwei
parallelen Glieder hat. 'nbx ’jyinn | mm naip sind zwei parallele
Sätze oder Zeilen, die durch inhaltliche Kraft gleich bedeutend
sind, wie jede noch so lange Zeile, um als Strophenglieder zu
gelten; 8 b und 8 c bleiben dann als passendes Distichon von
zwei parallelen Gliedern zurück.
Ps. 18. 2 Der erste Vers besteht aus 4 Gliedern nicht allein
in diesem Psalm, sondern auch in seiner zweiten Rezension
II Samuel, wo für das fehlende Glied a ein anderes Glied d
zum Schlüsse des Verses Ersatz bietet. V. 7 besteht aus 2 Di
stichen; wir setzen nach dem ersten die Strophenteilung an,
die durch den Inhalt wie durch die Responsion empfohlen wird
und glauben uns dazu um so berechtigter, als es eine längst
anerkannte Tatsache ist, daß die Massoreten in der Teilung
der Verse nicht unfehlbar waren. V. 36, hier tristichisch, ist
in Samuel II Distichon, da dort das Glied c fehlt; daß es
aber mit i copul. anfängt, beweist, daß es Parallele ist zu einem
durch Versehen ausgefallenen Halbvers. (Sieh die Note z. St.,
WZKM XXI, 183.) Endlich steht dem Tristichon, das V. 44
bildet, in der korrespondierenden Strophe (47 — 49) ein anderes
Tristichon in V. 49 gegenüber, so daß diese beiden letzten Stro
phen als symmetrische Siebenzeiler erscheinen, auch wenn man
49 b nicht aus seiner Stellung reißt und mit Bickell nach 44 a
versetzt.
Ps. 44. 3 V. 4 ist ein Tetrastichon, das im Gefüge der
unzweifelhaft achtzeiligen Strophe 4 rhythmische Glieder zählt.
50 wird dieser Vers auch in allen den Kommentaren, die Über
setzungen beifügen, vierzeilig geschrieben (Baethgen, Reuss u. a.)
mit Ausnahme von Delitzsch, der die ganze Strophenstruktur
des Psalmes übersieht, da er den einleitenden V. 2 in die erste
Strophe hineinbezieht.
1 S. Anhang Nr. 1.
2 Ibid. Nr. 2.
3 S. Anhang Nr. 3.
Dev Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 29
Ps. 49 1 hat in der dritten Strophe 2 Tristicha (11, 12)
nebeneinander, die für 3 Disticha zählen. V. 15 ist zweifellos
Tetrastichon, wenn er textlich auch unsicher ist.
Ps. 51 2 hat in V. 6 offenbar 2 Disticha, die von den
Massoreten ohne Grund zusammengezogen worden sind; gegen
ihre Auffassung als 4 Strophenglieder dürfte meines Erachtens
kein ernster Einwand erhoben werden.
Ps. 57. 3 V. 2 ist ein von der Massora ohne Grund zu
sammengesetztes Tetrastichon, das in der Strophe 4 Glieder
zählt. Mit dem Tetrastichon V. 5 setzt sich das Tetrastichon
V. 6 zu einer Strophe zusammen. Daß 4 c Glosse ist, habe
ich bei der Behandlung des Psalms nachzuweisen versucht; es
stört also keineswegs die Regelmäßigkeit im Strophenbau des
Psalmes.
Ps. 77. 4 Wie sich aus der strophischen Behandlung dieses
Psalms aus unabweisbaren Gründen ergab, ist V. 3 als 4 Zeilen
zu fassen, von denen eine aus Versehen weggefallen ist. V. 6,
der ein kürzeres unvollständiges Glied hat, muß durch Plinzu-
fügung von man ergänzt rverden und hat so zwei vollständig-
parallele Glieder, ohne daß V. 7 durch Wegnahme dieses Wortes
leidet; im Gegenteil bekommt dieser letztere Vers dadurch erst
seine eigentliche Form, daß tims (nach LXX) in warn emen-
diert rvird. Ein Beweis mehr für die Fehlbarkeit der masso-
retischen Versteifung, die nach manchen für den Strophenbau
allein maßgebend sein soll! In demselben Liede folgen dann
3 Strophen: Einer Strophe von 3 Distichen stehen 2 Strophen
von je 2 Tristichen gegenüber, die sich zusammen zu einer
schönen Symmetrie fügen.
Ps. 89. 6 Die Gliederung des Psalms in regelmäßige acht
zeilige Strophen gestattet uns auch in der ersten Strophe des
2. Teiles diese Gliederzahl anzunehmen und V. 20 nicht als
Tristichon sondern als Tetrastichon zu zählen. Durch die
vorgeschlagene Umstellung "pTDnb icxm ist eine Parallele zu
pinn man in erzielt. Von einem störenden dreigliedrigen Satze
kann also hier nicht die Bede sein.
1 s. oben 8. S. 2 S. Anhang Nr. 4.
3 S. oben S. 9. * S. Anhang Nr 5.
5 S. oben S. 12 f.
30
IV. Abhandlung: Berkowicz.
Ps. 96. 1 V. 10 ist in unserem Texte dreigliedrig und doch
glaube ich nicht fehlzugehen, wenn ich die Strophe mit V. 12a
abschließe. Im Texte I Chronik. 16 ist dieser Vers tatsächlich
zweigliedrig und das dritte Glied mit dem Folgenden zu einem
neuen Verse verbunden. Daß der Abgesang eine Strophe von
5, nicht von 6 Zeilen bildet, ist in den Psalmen eine nicht
seltene Erscheinung.
Soweit das Ergebnis in den Psalmen, deren Formen uns
genau bekannt, deren Strophenbau festgestellt ist. Dieselbe Er
scheinung tritt uns aber auch in vielen anderen Psalmen ent
gegen: ein mehrgliedriger Vers tritt nirgends so auf, daß er
rhythmisch gleichwertig wäre mit dem im Hebräischen durch
wegs gebräuchlichen Distichon. Ein Dreizeiler findet sich nur
in einer solchen Strophe, deren Neben- oder Gegenstrophe eben
falls einen solchen hat, oder er bildet mit einem zweiten Drei
zeiler die Anzahl von Gliedern, die in der entsprechenden
Nebenstrophe durch Disticha gebildet wird. 2 Um so weniger kann
ein viergliedriger Vers rhythmisch als Strophenglied dem ge
läufigen Distichon gleich sein; er hat immer sein Seitenstück
in einem zweiten Tetrastichon, oder, was meistens der Fall,
er ist von den Massoreten nicht gehörig geteilt worden. Aus
nahmen von dieser Pegel geben stets der Exegese und Kritik
zu Bedenken Anlaß, ob nicht etwa eine Verstümmelung vor
liege, oder auch ein überschüssiges Glied als späterer Zusatz
auszuscheiden sei. So bietet uns die richtige Strophenteilung
nebst der Erkenntnis der äußeren Formverhältnisse eines Liedes
auch die Möglichkeit, Inhalt und Gedankengang von Versen
zu prüfen, die innerhalb eines Ganzen das Gepräge von Fremd
artigem an sich tragen.
4. Kennzeichen der hebräischen Strophik, insbesondere
in den Psalmen.
Fassen wir das Gesamtergebnis aus den untersuchten Psal
men zusammen, so haben wir nicht allein in der unabweisbaren
1 S. oben S. 18.
2 Vgl. hierzu D. H. Müllers Schluß aus dem Stichenverhältnis in Hiob,
Kap. 6. Sitzungsber. Band CLI1I; III. Semitica, 1. Heft, S. 44.
Der Strophenban in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 31
Bestätigung der Resposionsgesetze ein neues Kriterium für die
Strophenteilung gefunden, sondern auch über die von anderen
vorher erkannten äußeren Kennzeichen des Strophenbaues, ins
besondere in den Psalmen, eine gewisse Klarheit erlangt, die
uns manche Inkonsequenz und Uneinigkeit, welche bei den
meisten von ihnen sich geltend macht, beseitigen hilft.
Was die Responsion betrifft, so hat sie seit dem Erscheinen
von D. H. Müllers Buch: ,Die Propheten* den Gegenstand einer
Kontroverse gebildet, über die Müller im 3. Hefte seiner
Biblischen Studien S. 98 ff. in dem Abschnitte: ,Zur Ge
schichte und Kritik meiner Strophentheorie* objektiv berichtet
hat. Ich möchte hier noch bemerken, daß einige, wie z. B.
Grimme, sich gegen die Theorie ablehnend verhalten, nicht
etwa, indem sie Beweise gegen das Vorhandensein der Re
sponsion anftihrten, sondern lediglich deshalb, weil sie die Mühe
scheuten, in Liedern, deren strophischer Charakter feststeht, die
Responsion aufzusuchen. So schreibt Grimme u. a.: ,Wären
sie (Responsio etc.) nun, wie D. H. Müller behauptet, im He
bräischen zu wichtigerer Bedeutung als anderswo gelangt,
nämlich zur ausschlaggebenden Form in der Strophentechnik
geworden, so müßte man sie auch überall dort in größter
Deutlichkeit erwarten, wo die unzweifelhaften Strophenmerk
zeichen Sela und Refrain uns Strophenlieder ankündigen.* 1 Daß
solches auch tatsächlich der Fall ist, daß die Responsion
überall dort nachweisbar ist, wo Sela und Refrain auftreten,
haben die Psalmen 3, 21, 44, 49 usw., wie ich glaube, mit
genügender Deutlichkeit erwiesen. Daß die Responsion noch
in vielen anderen Psalmen, deren genaue Prüfung noch nicht
ganz durchgeführt ist, vorkommt, dafür geben uns manche
Psalmen untrügliche Fingerzeige. Es sollen einige hier nur
angedeutet werden.
Ps. 11 wird als strophischer Psalm angesehen; an drei
Stellen desselben zeigen sich deutliche Merkmale von Respon
sion: V. 2 ab m&'b bax nvrb, V. 4 ui-q’ rsysy itpp rry,
V. 7. »ja urp
1 Psalmenprobleme S. 149.
32
IY. Abhandlung: Berkowicz.
Psalm XI.
-mb i
'ivbi nn’s 2
"!3S3b llÖKn “j'X
iibjt 3311 '“113
ntsp pan’ d'jisii 131 '3 2
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[S?t“11] J13’ p'13,1l,T 5
1737=33 1X313 3Ö1 311X1 (11311)
n'1331 73X B'IB D'3131 by 133' G
3313 *130 niBJ'bt 1111
31X nip13 111' P'13 '3 7
lÖ'JB 111' 113’
Ps. 16 wurde von Sommer nach einem gemischten Schema
geteilt, dem ich nicht beistimme; aber ich finde Responsion an
drei Versen, die sicherlich Strophenenden sind: V. 5 'bii3 “piain
V. 8 aiöxba’J’ö’ö’s und V. 11 133 p3’B'3 mia’jtt. Würde
der Text des Psalms in der ersten Strophe sicherer sein,
so würde sich zweifellos die Responsion deutlicher zeigen. Es
müßte, da sich viele solche Beispiele anführen lassen, wieder
holt werden, was eigentlich schon oben im 2. Abschnitt über
die unvollständigen Psalmen gesagt wurde, deren Untersuchung
aus den angegebenen Gründen nicht abgeschlossen wurde; ich
unterlasse diese Wiederholung und möchte hier bloß die An
regung gegeben haben, künftighin solchen Erscheinungen von
Ansätzen zur Responsion mehr Aufmerksamkeit zu schenken,
als es bisher der Fall war. Grimme dürfte unsere Beweisfüh
rung umsoweniger als gezwungen betrachten, als sie gerade
seiner Forderung vollkommen entspricht und zunächst in solchen
Psalmen die Responsion nachweist, die teils Sela, teils Refrain,
meistens jedoch beides haben. Ähnlich verhält es sich mit dem
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen.
33
,vorläufig ziemlich negativen' Standpunkt Sievers’, 1 der zwar
die Möglichkeit von strophischer Gliederung zugibt, die Respon-
sionsgesetze Müllers aber in das Gebiet der Rhetorik und Stili
stik verweisen möchte, da sie nicht in das der Metrik gehörten.
Was nun die Metrik des Hebräischen betrifft, so konnten wir
aus Sievers ,Studien' ebensowenig von dem metrischen Charakter
der hebräischen Poesie die Überzeugung gewinnen wie aus den
zahlreichen früheren metrischen Systemen. Um die Metrik han
delt es sich ja nicht, sondern um den Nachweis einer geregelten
Strophik in den eben nicht metrischen hebräischen Dichtungen,
und, wenn Sievers in den ,Strophen' der prophetischen Reden
nicht die Gleichmäßigkeit der äußeren Form gefunden hat, die
er von einem Strophensystem überhaupt fordert, so können die
strophischen Psalmen, gegen deren Stichenteilung und die in
diesen Stichen auftretenden Responsionen sich kaum noch ein
ernster Einwand erheben dürfte, zum Beweise dienen, daß die
Strophen weder ,künstlich' noch ,gemacht' sind und daß der
Responsion im hebräischen Liede eine weit wichtigere Rolle
zukommt als diejenige, die ihr von Sievers angewiesen wird.
Wir übergehen nun zu den übrigen Kennzeichen:
I. nbD. Daß dieses rätselhafte bis heute viel besprochene,
aber noch immer nicht aufgeklärte Wort sich mit geringen
Ausnahmen an Strophenenden befindet, erkannte zuerst eben
falls Köster, 2 der es trotzdem ,nur mit Schüchternheit unter den
Kennzeichen des Strophenbaus' erwähnt, während Saalschütz
es ausdrücklich erst in seiner späteren Schrift hervorhebt, mit
dem Verweis auf seine Erklärung in dem früheren Werke,
wonach Sela Schluß oder Ruhe beiße und das Aufhören des
1 Eduard Sievers: Metrische Studien I, Studien zur hebräischen Metrik,
im XXI. Bande der Abhandlungen der phil.-hist. Klasse der königl.
Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften I. Leipzig 1901, S. 134 ff.
Vgl- dazu Müllers Entgegnung in den Bibi. Studien III, S. 95 ff., wo
der stringente Gegenbeweis gegen die von Sievers aufgestellten Sätze
durch den Hinweis auf den Koran geliefert worden ist. Sievers ist auf
diese Erwiderung die Antwort schuldig geblieben.
2 ,Die Psalmen“, Einleitung S. XVIII. Wocher (Theol. Quartalschrift
1. c.) widerspricht diesem überhaupt, während Sommer, der seine
Strophenteilung wohl von r&D ausgehend unternahm, trotzdem die Stel
lung innerhalb der Strophe zugibt und mit ,Erhöhung der Stimme
und dem beabsichtigten Nachdruck“ erklärt.
Sitzungsher. d. phil.-hist. Kl. 1G5. Bd. 4. Ahh. 3
34
IV. Abhandlung: Berkovvicz.
Gesanges und den Eintritt eines nur instrumentalen Nachspiels
bezeichnet habe. 1 Von den etymologischen Deutungen abge
sehen, die zu -keinem sicheren Ergebnis führten, besteht eine
Streitfrage unter den Strophikern, die wohl die Regelmäßigkeit
des nbe am Ende der Strophe zugeben, für dessen Erscheinen
aber innerhalb einer vermeintlichen Strophe, ja sogar innerhalb
eines Verses, eine Erklärung zu geben versuchen. Den einzig
richtigen Standpunkt nimmt Grimme ein, indem er es für
sicher hält, daß Sela in der Regel am Ende von gleichlangen
Liederabschnitten stehe, wo diese «Regel. nicht zutreffe, sei an
zunehmen, daß Sela entweder ausgefallen oder im Texte ver
schoben sei. 2 Entscheidend für die Stellung des nbo in den
liturgischen Psalmen ist die Untersuchung Jacobs, 3 auf die
bereits oben verwiesen wurde, wenn diese gleich mit dem
resignierenden Satze schließt: ,Hygros b. Levi hat gewußt, was
es (Sela) bedeutet, und er müßte auferstehen, um uns völlig
aufzuklären 1 . 1 Die Ansicht Jacobs, daß Selah einen Absatz im
Psalm bedeutet, wird durch die im Vorstehenden untersuchten
Psalmen bestätigt. Ebenso wie die Responsion erleichtert uns
das ,-6e nicht allein das Auffinden, sondern auch die richtige
Abteilung der Strophen, ob es nur nach der ersten oder zweiten
Strophe oder am Ende einer anderen Strophe sich befindet.
Sela schließt ein Gedankenganzes ab; wo es von dieser Regel
eine Ausnahme macht, wird, wie aus der Gliederung der
Pss. 49 (V. 14), 57 (V. 4), 89 (V. 49) hervorgeht, die Textkritik
einzusetzen haben.
II. Der Refrain. Gleich Sela wird mit großer Überein
stimmung der in den Psalmen häufig, in den Propheten nur
1 ,Form und Geist der biblisch-hebräischen Poesie*, Königsberg
1853, S. 8, mit einer hinweisenden Note auf sein ,Von der Form der
hebräischen Poesie, ibid. 1825, S. 346 ff.
2 ,Psalmenprobleme* S. 148. Nur diese letzte Ansicht kann als wahr
scheinlich gelten, dagegen sind die Emendationen des t&d == vbc ,Fels‘,
d. i. eine Bezeichnung für Gott, in Ps. XX, 6 und LXVIII, 8 und 33
ebenso gezwungen wie sonderbar.
3 Vgl. oben zu Ps. 89, S. 18.
4 Unter Anspielung auf die b. Joma (38a) tradierten Geheimnisse des
Tempeldienstes, worunter vom Leviteugesang ausgesagt wird: p Dim
in?? rün *6i tod pro ptp rrn.
Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 35
selten vorkommende Refrain mit Recht als äußeres Kennzeichen
der Strophik angenommen. Diesen Kehrvers möchte ich mit
Bickell als ein von dem Chor oder der Gemeinde nach jeder
Strophe zu singendes ,Responsoriirnr 1 betrachten und deshalb
gegen Ley, der überall dort, wo nbc nicht vor, sondern nach
dem Kehrverse steht, den Vers zur Strophe rechnet, 2 die strikte
Regel aufstellen, daß ein solcher Vers niemals zur Strophe ge
hört. Ps. 46, 3 wo der Kehrvers (8, 12) auch nach V. 4 über
einstimmend vermutet wird, gibt uns das Recht zu dieser An
nahme. In dem oben mitgeteilten Psalm 57 finden wir ein
Analogon zu Ps. 46. Hier kann der Kehrvers (6, 12) unmöglich
die rhythmische Einheit der von V. 5, 7 gebildeten achtzeiligen
Strophe störend durchbrechen. V. 6 als Kehrvers ist sowohl
nach V. 4 als nach V. 7 zu setzen und Bickell hat entschieden
Recht, wenn er meint, daß solche Verse nicht gerade nach
jeder einzelnen Strophe stehen müssen, wenn es uns gleich
wundern muß, daß er oft den Charakter solcher Verse übersieht,
indem er sie als zur Strophe gehörig behandelt. Als solche
Kehrverse sind immer aus dem Strophengefüge jene Schluß-
verse doxologischen Inhaltes anzuschließen, deren Jacob unter
der Bezeichnung ,Schlußsegen—Haftaroth 4 mehrere anführt. 4 In
den Psalmen 3, 21, 44, 46, 57, 59 sind nach unserer Strophen
teilung diese Verse außerhalb der Strophe gesetzt und es muß,
da solche doxologische Verse sich in sehr vielen Psalmen, so
wohl am Ende als auch im Innern finden, stets darauf geachtet
werden, daß sie nicht in die Strophe einbezogen werden. Sie
könnten uns in manchem Psalme ähnliche Dienste leisten wie
die Responsion und Sela und uns ein sicheres Mittel an die
Hand geben, um manchem Psalmteile, dessen Zusammenhang
gestört und dessen Form verwischt erscheint, die rhythmische
Urgestalt und Sicherheit wiederzugeben. Dann dürfte es zweifel
los gelingen, auch diejenigen Psalmen in symmetrisch regel-
1 Carmina veteris testamenti metrice, S. 233.
2 Grundzüge des Rhythmus ete. Halle 1875, S. 69.
3 Dieser Psalm sowie die Pss. 76 und 140, deren Strophenbau ich zuerst
erkannt, deren Behandlung aber von Müller durchgeführt wurde, sind
in seinen ,Neuen Beiträgen' S. 45, 51, 61 nachzulesen; ich habe sie
deshalb nicht im Anhang aufgenommen.
4 Zeitschr. f. Alttest. Wissenschaften 1. c. S. 152.
3*
36
IV. Abhandlung: Berkowicz.
mäßige Strophen, abzuteilen, in denen von mancher Seite auf
die Annahme einer Stropliik verzichtet wurde. Jedenfalls sind
solche Verse in den Psalmen so zahlreich, daß es sich verlohnen
dürfte, eine eingehendere Untersuchung derselben in der hier
angedeuteten Richtung anzustellen.
Anhang.
Die hier folgenden 6 Psalmen sind von mir in ,Wiener
Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes', Band XVII, S. ‘232 ff.
und Band XXI 178 ff. ausführlich behandelt worden.
I.
Psalm III.
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Psalm XVIII.
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Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. o9
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IV.
Psalm XLIV.
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IV. Abhandlung: Berkowicz.
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Psalm LI.
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Der Strophenbau in den Psalmen und seine äußeren Kennzeichen. 41
VI.
Psalm LXXVII.
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I. Strophe.
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II. Gegenstrophe.
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II. Strophe.
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Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. i. Abb.
4
*
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Philosophisch-Historische Klasse.
165. Band, 5. Abhandlung.
Das Originalregister Gregors VII.
im
Vatikanischen Archiv (Reg. Vat. 2)
nebst
Beiträgen zur Kenntnis der Originalregister
Innozenz’ III. und Honorius’ III.
(Reg. Vat. 4—11.)
Von
Wilhelm M. Peitz S. J.
(Mit 8 Lichtdrucktafeln.)
Vorgelegt in der Sitzung am 4. Mai 1910.
Wien, 1911.
In Kommission bei Alfred Holder
k. n. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
k. und
Druck von Adolf Holzhausen,
Hof- und Universitäts-Buchdrucker in Wien.
V. Abh.: Peitz. Das Originalregister Gregors VII.
1
y.
Das Originalregister Gregors VII. im Vatikanischen
Archiv (ßeg. Vat. 2)
nebst Beiträgen zur Kenntnis der Originalregister
Innozenz’ III. uncl Honorius’ III.
(Reg. Vat. 4—11).
Von
Wilhelm M. Peitz S. J.
(Mit 8 Lichtdrucktafeln.)
(Vorgolegt in der Sitzung am 4. Mai 1910.)
Vor w o r t.
Die unvergeßlichen Zeiten, da P. R. v. Nostitz-Rieneck
S. J. zu Feldkirch als väterlicher Freund und unermüdlicher
Lehrer mich in Privatvorlesungen und -Übungen in die Probleme
der Dekretalen- und älteren Registerforschung einführte, hatten
ein gesteigertes Interesse für diesen Zweig der Geschichtswissen
schaft in mir geweckt. Das Studium des Registers Gregors VII.,
mit dem ich mich erst lange nachher, in den Jahren 1904/5
näher beschäftigen konnte, ließ dann zum ersten Male die Ver
mutung in mir keimen, daß es sich hier nicht um eine private
Sammlung handle, daß vielmehr die historische Überlieferung in
ihrem Rechte sei, wenn sie uns darin das ,Register Gregors VII/
Übermacht habe. Spätere Übungen im Historischen Seminar
des Herrn Prof. W. Erben zu Innsbruck, dessen Vorlesungen
über päpstliche Diplomatik mich noch weiter mit den Forschungs
methoden und mit den Problemen des päpstlichen Registerwesens
vertraut gemacht hatten, gaben den Anstoß zur Aussprache
meiner Auffassung und damit notgedrungen zur methodischen
Verarbeitung der fallengelassenen Fäden. Aber eingehendste
Sitzungsber. d. phil.-hist. KI. 165 Bd., 5. Abh. 1
2
V. Abhandlung: Peitz.
Überprüfung und peinliche Selbstkontrolle, weit entfernt, die
ersten Anschauungen umzustoßen, führten nur zu deren Ver
tiefung und Befestigung.
Die Erkenntnis, daß an eine befriedigende Lösung der
hiemit aufgerollten Frage ohne erneute Prüfung der Handschrift
selbst nicht gedacht werden könne, ergab die Notwendigkeit,
die Handschrift des Vatikanischen Archivs eingehend zu unter
suchen. Von Anfang Dezember 1909 bis Anfang März 1910
wufäe eine Studienreise nach Rom unternommen. Der Rest
eines Reisestipendiums, das im Frühjahre 1909 die philosophisch
historische Klasse der kais. Akademie der Wissenschaften in
Wien dem Verfasser zu einer, in der Hauptsache freilich ganz
andersartige Forschungsgebiete umfassenden Romfahrt gewährt
hatte, diente z. T. auch zur Deckung dieser zweiten Reise. Der
kais. Akademie sei für die großherzige Förderung auch an
dieser Stelle der ergebenste Dank dargebracht.
Das Studium der Vatikanischen Handschrift bestätigte die
früher gewonnene Auffassung. Das Bedürfnis, die gewonnenen
Resultate auch durch den Vergleich mit anderen Registerbänden,
Originalen wie Kopien, zu sichern, führte dann zu einer Nach
prüfung der Register Johanns VIII., Innozenz’ III. und Hono-
rius’ III. und es ergab sich, daß auch fast alle Innozenz- und
Honoriusbände entgegen der jetzt herrschenden Auffassung als
originale Kanzleiregister, nicht als deren nachträgliche Redak
tionen und Abschriften anzusehen seien. Die große Zahl von
immer neuen Problemen endlich, die sich im Verlaufe der
Untersuchung mit der Hauptfrage verknüpften, und weittragende
Konsequenzen, die aus den ersten Resultaten erflossen, führten
zu einer Reihe von Einzelstudien, von denen im folgenden
einige, soweit sie mit der ersten Frage im Zusammenhang
stehen, gleichfalls zum Ausdruck kommen werden.
An vielen Stellen sah sich der Verfasser gezwungen, gegen
Anschauungen von Männern aufzutreten, deren Andenken auch
ihm ob ihrer bahnbrechenden Leistungen stets wert und heilig
ist. Als einem Schüler des k. k. Instituts für österreichische
Geschichtsforschung, dessen methodischer Schulung auch er
Das Originah-egister Gregors VII.
3
vieles verdankt und dessen Lehrer und Leiter, Prof. E. v. Otten-
tlial und 0. Redlich, seinem Gedächtnisse stets unvergeßlich
bleiben werden, bedeuten auch für ihn Namen von Männern wie
W. Giesebrecht, Ph. Jaffe, Th. v. Sickel, P. Scheffer-Boichorst,
H. Denide 0. P. u. a. Vorbilder unermüdlichen gewissenhaften
Schaffens und unbeirrbaren Strebens nach Erkenntnis der Wahr
heit. Es möge darum nicht als Pietätlosigkeit angesehen werden,
wenn Verfasser auch hei ihnen Fehler und Irrungen offen als
das bezeichnete, als was sie ihm erschienen. Es tritt eben
immer aufs neue zu Tage, wie weit wir in historischer For
schung auch über bedeutende Leistungen der fünfziger Jahre
hinausgewachsen sind: zum großen Teile der Ertrag der Lebens
arbeit jener, auf deren Schultern wir stehen. Und jede neue
Arbeit ist nur ein kleiner Stein zum großen Bau der Wissen
schaft, ein winziger Schritt näher zur vollen Erkenntnis der
Wahrheit, der wir entgegengehen. In diesem Sinne möge auch
die vorliegende Studie aufgenommen werden.
Bei Zitaten wurde die Ausgabe des Registers durch Jaffe
zugrunde gelegt. Mußte an seinen Angaben des öfteren Be
richtigung vorgenommen werden, so ist Verfasser sich doch
wohl bewußt, daß in einer großen Zahl von Fällen solche Be
merkungen weniger Jaffe als Giesebrecht treffen, auf dessen
Beschreibung und Kollation jener angewiesen war. Dem An
denken beider Männer und ihren Verdiensten um die Geschichts
wissenschaft kann offene Kritik keinen Abbnrch tun.
Zum Schlüsse sei es mir gestattet, allen jenen, die mich
bei vorliegender Arbeit förderten, meinen Dank auszusprechen.
Mit herzlichster Dankbarkeit gedenke ich hier vor allem der
Teilnahme des hochw. Herrn Präfekten der Vatikanischen Biblio
thek F. Elirle S. J., der mir manchen Augenblick seiner kost
baren Zeit opferte. Ich bitte ihn, die Arbeit selbst als ein
Zeichen meines Dankes für die reichen Anregungen zu betrach
ten, die ich bei zweimaligem Aufenthalte in der ewigen Stadt
aus seinem Umgänge schöpfte. Ferner gebührt mein Dank
hochw. Herrn Msgre. Ugolini, dem Präfekten des Vatikanischen
Archivs, sowie Msgre. G. Mercati und Msgre. M. Vattasso von
l*
4
V. Abhandlung: Peilz.
der Vatikanischen Bibliothek für ihre unermüdliche und nie ver
sagende Hilfsbereitschaft, hochw. Herrn Rektor N. Prümm S. J.
zu Feldkirch für seine weitherzige Unterstützung, Herrn Prof.
E. v. Ottenthal und R. v. Nostitz S. J. für vielfältige Beihilfe
durch Rat und Tat, Herrn Hofrat Prof. F. R. v. Wies er und
H. Bruders S. J. für die stete Anteilnahme, mit der sie die Ent
wicklung der Untersuchungen begleiteten, Herrn V. Hugger S. J.
für die Liebenswürdigkeit, mit der er die Korrektur mit mir
zu teilen die Güte hatte.
Die kais. Akademie der Wissenschaften hat der Ab
handlung in bekannter Munifizenz eine Ausstattung angedeihen
lassen, die weit über das gewöhnliche Maß hinausgeht und eine
genaue Nachprüfung der gemachten Aufstellungen ermöglicht.
Mögen die Untersuchungen beitragen zur Förderung vorab der
historischen Hilfswissenschaften.
Feldkirch (Vorarlberg),
Stella Matutina, 19 .«November 1910.
W. M. Peitz S. J.
Das Originalregister Gregors VII. — I Einl.
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[xaptups? GOCptoTatoi.
Pind. 0.1.
Seit W. v. Giesebreclit und Ph. Jaffe das uns über
lieferte Register Gregors VII. für eine Sammlung von Briefen
erklärten, die zum Teile mit Benutzung der päpstlichen Original
register hergestellt worden sei/ hat diese Auffassung bei allen
1 Giesebreclit, der das Register 1844 sah und verglich, hat seine An
sicht in einer Abhandlung der Regesta Pontificum Romanorum (1851)
403—5 niedergelegt. Sie wurde von Löwenfeld in der 2. Auflage gleich
falls zum Abdrucke gebracht I 2 (1885) 594—6. Außerdem veröffentlichte
Giesebreclit eine eigene Schrift De Gregorii VII. registro emendando
(Brunsvigae 1858). In seiner Geschichte der deutschen Kaiserzeit III 2 4
(Braunschweig 1876) faßte er bei der ,Übersicht der Quellen und Hiilfs-
mittel“ das Resultat seiner Forschungen kurz dahin zusammen: ,Die
Sammlung enthält in den ersten 7 Büchern über 300 Briefe, die nach
Jahren des Pontifikats geordnet sind; das 8. Buch gibt dagegen nur
zuerst noch bis Anfang 1081 die Schreiben in chronologischer Folge,
dann ist ohne Ordnung zusammengeschrieben, was eben zufällig zur
Hand war.“ — Ph. Jaffd veranstaltete auf Grund der Giesebrechtschen
Kollation ,eine sorgfältige und bequeme Ausgabe“ im 2. Bande der Bihlio-
tlieca Berum Germanicarum (Berlin 1865) — ,ob mit oder ohne Einwilli
gung Giesebrechts, ist niemals recht bekannt geworden“ (W. Diekamp,
Die neuere Literatur zur päpstlichen Diplomatik im Histor. Jahrb. der
Görres-Ges. IV 1S83, 243). — In der Einleitung erweiterte er Giese
brechts Ausführungen und begründete darauf ,die ansprechende Ver
mutung, daß schon im Jahre 1081 die Sammlung auf Gregors eigene
Veranstaltung angelegt sei“. (So das zustimmende Urteil Giesebrechts:
Kaiserzeit a. a. O.) — Auf die älteren Autoren glaubte ich nicht weiter
eingehen zu müssen. D’Aquino, der unter Direktion Caraffas die Aus
gabe der Briefe für den nach dessen Tode publizierten 3. Band der
Epistolae Decretales Summorum Pontificum (Romae 1591; die sogenannte
Editio Bomana, über deren relativen Wert vergl. Jaffe BRG 118; an
ders Giesebreclit, de reg. emend. 8) vorbereitete, hielt den Vatikani
schen Kodex wohl für das Originalregister (,Extat Gregorii VII. Be.
6
V. Abhandlung: Peitz.
Gregorforschern ausnahmslos Zustimmung gefunden. Wohl wur
den an den Grundlagen Giesebrechts Besserungen angebracht,
neue Erklärungsversuche zur Umgehung der sich erhebenden
Schwierigkeiten ausgesonnen: die Sache selbst zog man nicht
ernstlich in Zweifel. Paul Ewald wollte in den ersten 6 Büchern
weniger einen Auszug als vielmehr eine förmliche Abschrift
erkennen, auch die von Giesebrecht und Jaffe aufgezeigten Un
ordnungen im Schlußteil des Registers bereits auf die Vorlage,
das Urregister, zurückführen; die Publikation und die Ver
breitung der Sammlung aber suchte er aus einem Wimsche
Ui’bans II. abzuleiten. 1 S. Löwenfeld gab dagegen Jaffe Recht:
es handle sich um eine Sammlung von Gregorbriefen, die, auf
des Papstes Gregor eigenes Geheiß zur Rechtfertigung seiner
großen, speziell das Imperium betreffenden Politik zwischen
dem 30. Juni 1081 und dem August 1086 angefertigt sei. 2
gistrum in Vaticana Bibliotheca. Ed. Rom. III 549, vgl. G. Levi im
Arch. Soc. Rom. Stör. patr. IV 1881, 168'). Ein Beispiel, mit welcher
Willkür inan teilweise das Register behandelte, bieten die oft maßlosen
Auslassungen von J. E. Damberger S. J. in seiner Synchronistischen
Geschichte der Kirche und der Welt im Mittelalter VI (Regensburg 1853)
und Kritikheft (1855) an vielen Orten. Sehr scharf wendet sich gegen
ihn wie gegen einige andere — Krebs, Ibach, Schneider und Boianden
— der 5. Exkurs in der gleich zu erwähnenden Biographie Gregors von
W. Martens II 342—61.
1 P. Ewald, Zum Register Gregors VII. (Historische Untersuchungen
Arnold Schäfer gewidmet. Bonn 1882, 296—318) 306—8. Vgl. P. Ewald,
Reise nach Italien im Winter von 1876 auf 1877 (NA III 1878) III. Re-
gistrum Anacleti II. antipapae 164—8. Ewalds Ausführungen fanden den
Beifall von W. Martens, Heinrich IV. tmd Gregor VII. nach der Schil
derung von Rankes Weltgeschichte (Danzig 1887) 17 3 und von M. Doeberl,
Zum Rechtfertigungsschreiben Gregors VII. an die deutsche Nation vom
Sommer 1076 (Festgruß an die 41. Versammlung deutscher Philologen
und Schulmänner, von dem Lehrerkollegium des K. Ludwigsgymnasiums
in München 1891) 30.
2 S. Löwenfeld, Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit und das
Register Gregors VII. (NA X 1884) 327—8: ,Ja 11c hat Recht und Ewald
hat Unrecht 1 . Vgl. auch seine Einleitung zu den Regesten Gregors, im
Anschlüsse an die Abhandlung Giesebrechts und Auszüge aus Jaffes
Vorwort: RPR I 2 597—8. — Auf die temperamentvollen Aussprüche von
O. Meitzer, Papst Gregor VII. und die Bischofsivahlen 2 (Dresden 1876)
4—5 und 187 sei nur im Vorbeigehen hingewiesen. Seinen Ausführungen
ist oftmals eine Aufmerksamkeit geschenkt worden, die sie wissen-
Das Originalregister Gregors VII. — I Einl. ^
J. y. Pflugk-Harttung bestritt die Publikation des Registers
durch den Papst — möge man sie nun Gregor selbst zuschreiben
wollen oder möge man Urban II. dafür verantwortlich machen.
Er hielt das Register für ,eine einfache Privatarbeit', ,sei es
auf Wunsch des Papstes, sei es aus sonstigen Gründen ange
fertigt, wie etwa die ziemlich gleichzeitige Kanonessammlung
des Deusdedit und andere Werke des Mittelalters, z. B. die
Britische Sammlung von Papstbriefen'. Zugleich sprach er das
von Giesebrecht kollationierte und von Jaffe zur Grundlage
der Ausgabe gemachte Exemplar des Vatikanischen Archivs als
das Original dieser Sammlung an. 1 E. Sackur, ein guter
Kenner jener Periode, der verdienstvolle Herausgeber mehrerer
Kampfbroschüren der gregorianischen Zeit, suchte näherhin
— wenn auch nur in Form einer vorsichtig gehaltenen Frage —
auf Grund seines vermeintlich sicheren Nachweises Uber das
Verhältnis des Deusdedit zum Register oder zu Teilen desselben
für diesen Kardinal, einen treuen Gregorianer, das Verdienst
der Sammlung in Anspruch zu nehmen. 2 Seine Hypothese fand
ebenfalls vielseitigen Anklang. W. Martens und C. Mirbt
pflichteten ihr bei, G. Meyer v. Knonau scheint ihr nicht
abgeneigt und auch V. Wolf v. Glan veil hält ein Zurück-
gehen des Registers auf Deusdedit nicht für ausgeschlossen. 3
Den jüngsten Arbeiten von E. Hirsch Uber den Kanonisten
Deusdedit gilt die von Sackur behauptete Abfassung des im
Register eingeschobenen Dictatus papae durch den Kardinal
scliaftlicli nicht verdienen, wie bei anderer Gelegenheit vielleicht ein
mal ausführlich dargetan werden soll.
1 .T. v. Pflugk-Harttung, Register und Briefe Gregors VII. (NA XI
1886) 163.
2 E. Sackur, Der ,Dictatus papae' uud die Kanonsammlung des Deusdedit
(NA XVJII 1892) 150.
3 W. Martens, Gregor VII., sein Leben und Wirken II (Leipzig 1894)
300 — C. Mirbt in dem Artikel über Gregor VII.: Kealenzyklopiidie
für protestantische Theologie und Kirche YII (Leipzig 1899) 96 —
G. Meyer v. Knonau, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Hein
rich IV. und Heinrich V. II (Leipzig 1894) spricht sich, soweit ich sehe,
nicht direkt über diese Frage aus, doch dürfte sich seine Ansicht aus
Bemerkungen wie 269 1 40 5 49 136 u. ii. mit genügender Bestimmtheit ab
leiten lassen. — V. Wolf v. Gl an veil, Die Kanonessammlung des Kar
dinals Deusdedit I (Paderborn 1905) Einleitung X.
8
V. Abhandlung: Peitz.
als erwiesen, die Vermutung seiner Autorschaft für die ganze
Sammlung als naheliegend. 1
Freilich hatten alle diese Forscher, soweit sich erkennen
läßt, das Registerexemplar des Vatikanischen Archivs, um das
doch der ganze Streit sich drehte, nicht persönlich eingesehen.
Indes auch jene Gelehrte, die den fraglichen Band aus eigener
Anschauung kannten, schlossen sich den von Giesebrecht
und seinen Nachfolgern aufgestellten Hypothesen an. Kardinal
J. B. Pitra erklärte an mehreren Stellen seiner weitläufigen
Beschreibung der päpstlichen Register sein volles Einverständnis
mit den Ausführungen Jaffes. Die Handschrift des Vatikanischen
Archivs ist ein Auszug aus den umfangreichen Vollregistern,
1081 unter den Augen Gregors und auf seinen Befehl angelegt
und später nach den Angaben des Papstes ergänzt. Ja er geht
noch weiter: wir besitzen nach ihm das Autograph dieses Aus
zuges; denn die Schrift ist offenbar gleichzeitig und die ganze
Erscheinung des Registers zeigt, daß es dem Papste zur Korrek
tur vorgelegt wurde. Vielleicht haben wir sogar Gregor VII.
selbst als Kompilator dieses Überrestes seines Registers anzu
sehen. 2 E. Monaci nahm in dem zweiten Bande des Archivio
Paleografico Italiano drei Faksimiles aus dem Register Gregors
auf und G. Levi schrieb dazu eine Erläuterung. 3 Levi hielt
1 E. Hirsch, Leben und Werke des Kardinals Deusdedit (Arcli f. k. KR.
LXXXV 1905) 711—13.
2 Analecta novissima Spicilegii Solesmensis. Altera continuatio. I. JDe epi-
stolis et registris Romanorum Pontificum. Disseruit J. B. Cardinalis Pitra
(Typis Tusculanis 1885) 5. 129—30. 136. 361 (,Tel est l’aspect du ms.
. . . qu’il y a lieu de se croire en presence de l’autograplie, remis aux
mains de Grdgoire VII.‘ 130. ,L’un de ces canonistes [de l’ecole grd-
gorienne: Anselm, Bonizo, Deusdedit], sinon Grdgoire VII, a compild ce
qui nous reste de son registre*. 136).
3 Archivio Paleografico Italiano, lierausgegeben von E. Monaci II (Roma
1894—1907) Tafel 6—8 (= Reg. Vat. 2 fol. [I a ] 1% 156 b ). Die Notizie
dei Facsimili vor den Tafeln enthalten auf S. IX, die nach den Tafeln
auf S. VIII in ausführlicher Abhandlung die Darlegungen von G. Levi.
In seinen Auseinandersetzungen weist Levi auf Lücken der Handschrift
hin toi. 156 b . 163 b . 109 b usf.) und knüpft daran die Bemerkung: ,Giu-
diohino gli studiosi se queste particolarita del codice non conferiscano
ad avvalorar l’opinione di chi vede in questo manoscritto l’originale
della preziosa raccolta delle lettere di Gregorio VII.‘ — In ähnlichem
'Sinne — Original der Privatsammlung gegenüber den später von ihr
Das Originalregister Gregors VII. — I Einl.
9
zwar die Handschrift für das ,Original —- aber für das Original
der Sammlung in dem Sinne, wie es bald darauf Pflugk-
Harttung tat, der jedoch Levis Notiz nicht gekannt zu haben
scheint. Daß sich im übrigen Levi an Giesebrechts Auffassung
anschloß, sagt er mit klaren Worten im Anhänge zu seiner
Untersuchung über das Register Johanns VIII. 1 Die Benedik
tiner, die den ersten Band ihrer Ausgabe des Registers Cle
mens’ V. mit einer ausführlichen Einleitung über die Geschichte
der päpstlichen Register überhaupt bereicherten, sprachen sich
sehr entschieden gegen jede Authentizität unseres Registers
etwa als eines ursprünglichen Kanzleiregisters aus. Mit ziem
licher Bestimmtheit behaupteten sie, daß der Band Gregors VII.
ebenso wie jener Johanns VIII. der Schreiberstube von Monte
Cassino seinen Ursprung verdanke und nie von letzterem ge
trennt worden sei. 2 ,Die dafür beigebrachten Mutmaßungen'
,gingen' freilich Denifle ,nicht ein'. 3
Waren so im einzelnen auch da und dort abweichende
Ansichten betreffs mehr nebensächlicher Punkte ausgesprochen
worden, so blieb doch im Grunde und in allen Hauptfragen
die Ansicht Giesebrecht-Jaffes unangefochten. Noch neuestens
bildete sie in einer Reihe von Studien zur Geschichte des
Papstes Gregor und seiner Zeit, die auf E. Bernheims aka
demische Tätigkeit zurückgehen, den Ausgangspunkt. Erwähnt
sei nur die Dissertation von H. Kulot über den Dictatus
genommenen Abschriften — faßte auch J. v. Pflugk-Harttung die
Vatikanische Handschrift als das ,Original' (NA XI 163).
1 G. Levi, II tomo 1 dei Regesti Vaticani. Appendice (Arch. Soc. Rom. IV
1881) 189—90.
2 Regestum Clementis Papae V. Ex Vaticanis Archetypis . . . nunc primum
editum cura et studio monacliorum 0. S. B. I (Romae 1885) XIX
und XXI. — Wenn M. Faueon, La librairie des papes d'Avignon: sa
formation, sa composition, ses catalogues (1316—-1420) I (Paris 1886 ==
Bibliotlieque des Ecoles Francjaises d’Athenes et de Rome 43) 260 2 zu
Nr. 2102 des Inventars über die Bibliothek Urbans V. die Benediktiner
dahin verstehen will, als ob nach ihnen die Register Johanns VIII. und
Gregors VII. ursprünglich auch zu einem einzigen Bande vereinigt ge
wesen wären, so wird ihnen damit, glaube ich, etwas untergelegt, was
tatsächlich in ihren Worten nicht enthalten ist.
3 II. Denifle, Die päpstlichen Registerbände des 13. Jahrhunderts und
das Inventar dersdben vom Jahre 1339 (Arch. f. Literatur und Kirchen
geschichte des Mittelalters II, Berlin 1886) 23 1 .
10
V. Abhandlung: Peitz.
papae, eine fleißige, aber leider in ihren Ergebnissen fehlgehende
Untersuchung, auf die im Verlaufe der folgenden Ausführungen
noch zurückzukommen ist. Der einzige, der meines Wissens
eine der herrschenden allerdings gänzlich entgegengesetzte Mei
nung aussprach, war A. Lapotre S. J. Bei seinen Studien über
Johann VIII. untersuchte er eingehend den ersten Band der
Vatikanischen Register, griff aber auch auf den zweiten Band
über und erklärte das Register Gregors für das Originalkanzlei
register dieses Papstes. 1 Auf den einen und einzigen Beweis,
den er hiefür beibringt, das Verhältnis zwischen Register und
Deusdedit, wird im Verlaufe der Abhandlung an geeigneter
Stelle ausführlich einzugehen sein. Lapotres Auseinandersetzung
gab jedoch mehr eine Anregung als eine eigentliche Unter
suchung des Sachverhaltes; seine Ansicht fand gar keine weitere
Beachtung. 2 So blieb die Meinung Giesebrechts und Jaffes
herrschend und ihre Aufnahme in die Handbücher der Diplo
matik sicherte ihr die weiteste Verbreitung und Anerkennung. 3
1 A. Lapotre, L’Europe et le Saint-Siege a l’epoque Carolingienne I Le
Pape Jean VIII 872—82 (Paris 1895) 18—22. Die versprochene Aus
gabe des Registers Johanns VIII., durch die des Verfassers Ausführungen
erst recht fruchtbar geworden wären, ist leider bis heute ebensorvenig
erschienen wie die in Aussicht stehende Fortsetzung der anregenden
Studien. (Vgl. NA XVI 1891, 646).
2 Ch. De Smedt war, soweit ich sehe, der einzige, der in einem Referate
der Revue des questions historiques LIX (= NS XV 1886) 182 aus
drücklich auf diese Bemerkungen Lapotres hinwies. Ganz im allgemeinen
tat es auch die sehr beifällige Besprechung des LCB1 (1895, Sp. 1676),
während die zum Teil recht eingehenden Ankündigungen und Rezen
sionen von L. Duchesne im Bulletin critique XVI (1895, 564—8), von
G. Böhringer im Theolog. Jahresber. XV (1895, 206), von F. Gu-
glielmi im Arch. Soc. Rom. XIX (1896, 173—200) und von P. Kehr in
den Göttinger Gelehrten Anzeigen CLXI (1899, 377—81) mit keinem
Worte darauf aufmerksam machen. Trotz des nachdrücklichen Hinweises
von Böhringer scheint die Studie in Deutschland unbeachtet geblieben
zu sein. — Vgl. jetzt E. Caspar (NA XXXVI 1910, 80 ft’.).
3 Vgl. H. Breßlau, Handbuch der Urkundenlehre I (Leipzig 1889) 94.
— L. Schmitz-Kallenberg, Die Lehre von den Papsturkunden (in
A. Meisters Grundriß der Geschichtswissenschaft I) 196—7. — P. Sclieffer-
Boichorst, Die Sammlung des Kardinals Deusdedit und die Schenkung
der Gräfin Mathilde (MIöG XI 1890) 120. — L. Duchesne, Le Liber
Pontificalis (Bibliotheque des Ecoles Fran?. d’Athenes et de Rome, 2 e Serie)
II (Paris 1892) XXXII B. — Diese Anschauung war der Grund, warum
Das Origiualregister Gregors VII. — I Einl.
11
Es kann demnach als derzeitige Auffassung über den Ur
sprung des Registers, das für eine der schwersten und folge
reichsten Perioden deutscher wie allgemeiner Geschichte hoch
bedeutsam ist, mit C. Mirbt unbedenklich der Satz hingestellt
werden: das sogenannte Register Gregors VII. ist ,keine voll
ständige Sammlung der aus seiner Kanzlei hervorgegangenen
Schriftstücke, sondern eine unter dem Gesichtspunkte der
Rechtfertigung der gregorianischen Kirchenpolitik voll
zogene Auswahl, die, wenn auch wohl auf Anregung
Gregors entstanden, in der überlieferten Gestalt ihm nicht
Vorgelegen haben kann'; ,die Anwartschaft auf die Abfassung
des Registers erhält der Kardinal Deusdedit'. 1
Indes dürfte es sich verlohnen, die Sache von neuem
aufzugreifen und die gemachten Aufstellungen einer Nachprüfung
zu unterziehen, Seit Giesebrechts Tagen sind neue Quellen
in die Specimina palaeographica Regestorum Romanorum Pontificum (Rom
1888), allerdings mit gewisser Inkonsequenz, kein einziges Faksimile aus
dem Registerbande Gregors VII. aufgenommen wurde (vgl. das Prooemium
vonDeriifle VII und die zustimmende Äußerung Sickels in der Be
sprechung der Specimina MIöG IX 1888, 352—3). — R. v. Heckei, Pas
päpstliche und sizilische Registerwesen in vergleichender Darstellung (Archiv
für Urkundenforschung I 1908, 371—510 — ein Teil bereits vorher als
Diss. Berlin 1906) 425. 437f. 443 und K. Hampe, Deutsche Kaiser
geschichte in der Zeit der Salier und Staufer (Bibliothek der Geschichts
wissenschaft. Leipzig 1909) 4 halten an der Anschauung fest, daß das
sogenannte Register eine von Gregor VII. veranlaßte offizielle Auswahl
aus seinem.Register zwecks Rechtfertigung seiner Politik darstelle. Nach
Hampe eröffnet ,keine Quelle ... so tiefe Einblicke wie diese in das
diplomatische Getriebe der Zeit 4 . — Über die in den Schriften und Auf
sätzen zur Geschichte des Vatikanischen Archivs vertretene Auflassung
braucht man weiter kein Wort zu verlieren, da sich diese Studien natur
gemäß an die Spezialforschung in den Einzelfragen anschließen. Man
vergleiche z. B. G. Brom, Guide aux archives du Vatican (Rome 1910) 16,
wo auch S. 1—-2 die einschlägige Literatur mit großer Vollständigkeit
zusammengestellt ist. — Die Programmrede von P. F. Kehr, Uber den
Plan einer kritischen Ausgabe der Papsturkunden bis Innozenz III. (Rede,
gehalten in der öffentlichen Sitzung der königl. Gesellschaft der Wissen
schaften zu Göttingen am 7. Nov. 1896) verdient schon wegen des Autors
und des von ihm geleiteten Unternehmens Beachtung und Erwähnung
(,. . . nur Trümmer dieser älteren Registerserien sind auf uns gekommen,
nicht einmal direkte Reste derselben, sondern Auszüge und Bear
beitungen 1 S. 6).
1 A. a. O. (PRE VII) 98.
12
V. Abhandlung: Peitz.
erschlossen, die Forschung über päpstliches Registerwesen der
früheren und späteren Zeit hat einen tieferen Einblick in die
Kanzleigebarung der päpstlichen Kurie gebracht. Im folgenden
soll das Problem des Registers Gregors VII. hauptsächlich vom
diplomatischen Standpunkt aus behandelt werden.
Erster Abschnitt.
Reg. Vat. 2, die Handschrift des Vatikanischen Archivs.
Beweise für ihre Originalität. Abschriften.
1. Kapitel.
Beschreibung tler Handschrift und ihrer Teile.
Die kostbare Handschrift, um deren genauere Untersuchung
und Bestimmung es sich in den folgenden Ausführungen handelt,
nimmt heute den zweiten Platz in der gewaltigen Reihe der
Vatikanischen Register im päpstlichen Geheimen Archiv ein. Es
ist ein starker Band von etwa 7 cm Dicke in Kleinfolioformat.
Die einzelnen Blätter messen durchschnittlich 177 X195 mm.
Der kräftige Einband aus rotem Leder mit Deckeln aus Pappe
trägt am Rücken die paarweise geordneten Krüge des Pignatelli-
wappens und bezeugt dadurch, daß dieses Register wie so viele
seiner Genossen in Archiv und Bibliothek der Regierung des
Pignatellipapstes Innozenz XII. sein heutiges Gewand verdankt.
Auf dem Pergamentdeckblatt der Innenseite des Vorder
deckels ist vermerkt, daß sich im Archiv noch eine Abschrift
finde: V. apograph. in Arm. XXXI. 1 A. Die zweite Hälfte
dieses Foliums dient als vorderes Vorsteckblatt und ist völlig
leer. Es folgen 5 einzelne Pergamentblätter, die durch Anein
anderkleben zu einer Art von Lage oder Heft vereinigt wurden
und nicht signiert sind. An einen schmalen Umbug von fol. [I]
wurde fol. [IV] und ebenso an ein kleines umgebogenes Ränd-
chen von fol. [II] wurde fol. [III] angeklebt, während ein
schmales Streifchen von fol. [V] am Rücken des Bandes be
festigt scheint. Auf fol. [U] steht geschrieben: 2; fol. [I b ] und
das ganze fol. [II] sind leer. Mit fol. [III*] beginnt das Privileg
für Banzi vom 1. Februar 1075 (J—L 4929), auf das Jaffe
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
13
nur hinwies, ohne es in die Monumenta Gregoriana aufzu-
nehmen. 1 G. Levi besorgte einen Abdruck im Anhänge zu
seiner Studie über das Register Johanns VIII. 2 Ewald lieferte
einige Ergänzungen und Berichtigungen und wies auf die Mängel
des Levischen Druckes hin. 3 Der Papstname in der Adresse
fehlt; der Raum, in den er vom Rubrikator in Kapitale ein
getragen werden sollte, ist freigelassen wie bei fast allen Stücken
des Registers, hier jedoch nicht ausgefüllt. Ebenso fehlen die
Anfangsbuchstaben des ersten Satzes sowie von (A)ctum (I)ndic-
tione bei der Datierung in der Mitte von fol. [IV : “], die gleich
falls hätten rubriziert werden sollen. Eine andere, zeitlich
ziemlich nahestehende Hand hat auf fol. [IIP 1 ] am oberen Rande
über dem Privileg die Aufschrift beigefügt: Abbati de Banza.
Das ganze Privileg ist wie die meisten Briefe des Registers
und wie insonderheit die Stücke J II 51 und 52, 1 zwischen die
es zeitlich gehört, von einer Hand des 11. Jahrhunderts; es ist
der gleiche Registerschreiber, dem diese Stücke ihre Entstehung
verdanken. Das Privileg enthält zahlreiche Korrekturen von
erster Hand. Das Blatt kann nicht etwa aus Unachtsamkeit im
Register an der ihm zukommenden Stelle entfallen sein. Denn
die Briefe J II 51 und 52 stehen in dem Quintern fol. 72 — 82,
und zwar mitten in der Lage: 51 endet auf 77 b , 52 greift
auf 78“ über. Levi sah also richtig, wenn er erklärte, das
1 BRG II 2 1 . Vgl. Giesebreeht, De registro emmdando 30 1 . —- Über
das Kloster'Banzi handelt Fahre, Liber Censuum 26 B 4 ; über sein ver
schollenes und wiedergefnndenes reiches Archiv M. Klinkenberg
Göttinger Nachrichten 1898, 339. P. Kehr, ebd. 265 vgl. Gatt. Nachr.
1900, 219—20 und 1903, 546.
2 Arch. Soc. Rom. IV 1881, 191—4.
3 A. a. 0. (Histor. Unters.) 299 h — In Beilage I sind dem Abdruck des
Textes dieser Urkunde die Abweichungen seines Wortlautes im Register
beigefügt worden. Eine bloße Kollation des Originaltextes mit der dem
Register entnommenen Wiedergabe durch Levi würde bei den zahl
reichen Versehen seines Druckes recht umständlich gewesen sein und
doch nicht haben befriedigen können.
Auch Pflugk-Harttung, Acta inedita II 127, Nr. 162 druckte
die Registerfassung dieses Privilegs nach einer Kopie des 16./17. Jahr
hunderts im Kod. Vatic. Barber. XXX 145. Es ist dies jedoch, nach
gütiger Mitteilung von P. Ehrle, ein Sammelband von Abschriften, die
teilweise gedruckten Vorlagen entnommen sind. Vgl. über diese Bar-
berini-Handschrift auch Kehr, Göttinger Nachr. 1903, 83.
14
V. Abhandlung: Peitz.
Banziprivileg müsse bereits ursprünglich dem Register voran
gegangen sein.
Auf der Rückseite des fol. [IV] hat eine Hand des aus
gehenden 14. Jahrhunderts die Professio ficlei des Johannes
Palaeologus eingetragen. Sie ist als Transumpt in eine andere
Urkunde aufgenommen, doch mag die gewählte Bezeichnung
des Ganzen nach dem Hauptteile der Kürze halber gerecht
fertigt sein. Die Urkunde beginnt: In nomine domini. Amen.
Noverint universi praesentes litteras et instrumentum publicum
inspecturi . . . und schließt auf fol. [V b ] mit dem Vermerk:
Sumptum de registris papalibus. 1
Danach beginnt das eigentliche Register, dessen einzelne
Blätter eine späte kleine Folienzählung in der rechten oberen
Ecke der Vorderseite aufweisen. Es schließt auf fol. 236 b
und läßt die' zweite Hälfte dieser Seite sowie das Schlußblatt
237—8 leer. 2
Den dritten Bestandteil des Bandes bildet ein auf feinem
weißen Pergament mit sauberster Regelmäßigkeit geschriebener
doppelter Index aus dem Ende des 14. oder Anfänge des
1 Die Professio, aus dem Griechischen übersetzt, beginnt: Ego Johannes
in Christo deo fidelis imperator ac Bomanorum moderator Paleologus . . .
Sie ist aufgenommen in das Instrument der bevollmächtigten Kom
missäre Urbans V.: Gregor von Ostia, Bernard von SS. Apostoli, Franz
von S. Sabina und Raynald von S. Adriano. — Zur Sache vgl. W-
Norden, Das Papsttum und Byzanz. Die Trennung der beiden Mächte
und das Problem ihrer Wiedervereinigung bis zum Untergange' des byzan
tinischen Peichs (1453) (Berlin 1903) 708—9. Den Hinweis verdanke
ich Herrn P. Bruders S. J. zu Innsbruck.
2 Fol. 238, die zweite Hälfte eines einzelnen Doppelblattes, war ursprüng
lich leer. Heute trägt es auf seiner Vorderseite einen Eintrag von
eiuer Hand aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Wie der Kon
text zeigt, ist das Stück unvollständig. Es scheint sich um den Pane-
gyrikus auf einen Bischof vor einem Fürstenhofe zu handeln. Der
Text lautet: Omnipotenti deo laudes et gratias quas possum impendo
uberrimas, qui cordis mei interiora penetrans ad amorem timoremque suum
cor meum inclinavit, et ad obedientiam mandatorum per tempora illic resi-
dentis episcopi superato aliorum desiderio cor firmavit praecipuum, quod-
que domni episcopi dilectio, quam in meo pectore gestio, iugiter apportare
laudem eius lionoremve episcopatus plenarie me invitavit odie praeconari
condigne, quia tempus et rerum qualitas pro tempore artificem probare et
conlaudare amicitie postulat. Unde licet coram tanto principe et tarn ma-
gnos viros (!) liuius palatii angulares. — Damit bricht der Text ab.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
15
15. Jahrhunderts. Von fol. 239“ bis 250 11 steht ein Inventar
des Registers nach der Abfolge der in ihm enthaltenen Stücke
mit Angabe des Buches und der Kapitelnummer. Der zweite
ist ein Sachindex der bedeutsamsten im Register behandelten
Gegenstände. Er reicht von fol. 251“ bis 258“. 1 Ein Vorsetz-
1 Titel und Inventar der einzelnen Registerbücher, wie es sich zu Anfang
von Index I findet, gab Giesebrecht in seiner den Papstregesten
eingefügten Abhandlung wieder. Für das erste Buch war zuerst ange
geben: numero 84, eine spätere Hand korrigierte das. zu 85. — Von der
Art der Anlage mag der Anfang des Verzeichnisses eine Vorstellung
vermitteln:
In primis ponitur eins electio a öardinalibus, clericis, acolitis, dia-
conis. subdiadonis (!), presbyter is sancte Romane ecclesie praesentibus multis
episcopis, abbatibus, consentientibus multis turbis utriusque sexus.
Epistola prima Abbati Oasinensi de movte domni Alexandri et de
eins, scilicet Gregorii, electione violenta et turbatione populi Romani super
eum . . .
Zu dem Regest von J VI 9 ist auf fol. 246 b von der gleichen
Hand am Rande kursiv bemerkt: ecclesia hodie vocatur morimmensis
(morinnensis?) et distat opido sancti odomarii VI miliaribus.
Der zweite Index, ein alphabetisch geordnetes Sachregister,
beginnt fol. 251 a . Uberschrieben ist er: Tabula notanbilium(1) gestorum,
que in hoc libro continentur, per alffabetum (!) reducta. Für den Benutzer
ist eine Gebrauchsanweisung vorausgeschickt: Quia in supraposita episto-
larum tabula non potuerunt omnia, que in epistolis continentur, scribi, ut
brevitas, quam tabula exigit, servaretur, aliqua notabilia dicta, que et in
regulam agendorum possunt induci, aliqua etiam, que aliquarum rerum
preteritarum et antiquamim prebent notitiam, contenta in ipsis epistolis ad
ordinem alfabeti hic reducuntur, quo facilius valeant quesita inveniri. Po-
nuntur ergo post singula dicta note numerorum due, quarum prima librum
designat, secunda vero insinuat epistolam. Si vero plures note ponuntur,
fiel hoc, quod ydem in pluribus epistolis designatum per plures notas re-
peritur. — Auch liier möge der Anfang die ganze Anlage charak
terisieren :
Abbas seu abbacia privatus dum iherosolimam iret, restitui preci-
pitur, nisi alia intervenerit culpa, qua iuste mereatur privari. libro 1°, 32.
Die einzelnen Buchstaben des Alphabetes sind durch je eine
freigelassene Zeile voneinander getrennt. Nach der Gruppe des G ist
von anderer Hand kursiv hinzugefügt: Grecomim Imperator Jo(hannes)
tempore TJrbani quinti venit Romam et iuravit etc. Supra Anno primo
folio libero 1, w r omit offenbar auf die Professio fidei des Paläologen am
Anfänge des Kodex verwiesen wird.
Am Schlüsse folgt eine historische Auseinandersetzung über die
mozzarabische Liturgie in Spanien (officium mucarobe vulgar Her dictum
16
V. Abhandlung: Peitz.
blatt 259, mit Linienschema in 2 Kolumnen, trägt auf dem
Recto ein kleines Pergamentstreifchen aufgeklebt mit der In
schrift: sunt in isto libro a principio ßegistri carte 259. Auf
die Innenseite des Rückdeckels ist wieder ein kräftiges Perga
mentblatt aufgelegt.
Das Pergament, das zum Register verwendet wurde, ist
durchgängig ziemlich stark und von recht verschiedener Güte.
Die meisten Blätter haben einen etwas gelblichen Ton, manche
sind sogar sehr stark gelb (z. B. fol. 121, 122), einzelne wie
fol. 72, 161, 162 sind ganz schmutziggrau, so daß die etwas
blasse Tinte stellenweise nicht sehr gut lesbar ist. Zahlreiche
Blätter haben größere oder kleinere Löcher, die vom Schreiber
sorgsam umgangen werden (z. B. fol. 99, 101, 132, 176, 210).
Die Linien sind von der Rückseite aus mit trockenem Stift
zwischen zwei senkrechten Kolumnenlinien eingeritzt; fol. 118
wurde beim Einzeichnen der äußeren Randlinie an einer Stelle
glatt durchgeschnitten; fol. 231 riß der Griffel heim Einträgen
der nämlichen Linie von oben nach unten hin zweimal das
Pergament ein. Am äußeren Rande finden sich hei fast allen
Blättern — nur wenige zu stark beschnittene bilden eine Aus
nahme — noch die Einsatzlöcher des Zirkels zur Bestimmung
der Liniendistanz. Fol. 25—32 stehen jeweils 2 solcher Einsatz-
lücher nebeneinander; fol. 33—36 finden sich die Parallelstiche
nur mehr in der Mitte des Blattes und werden immer weniger;
erst gegen das Ende der Handschrift zeigt sich auf einzelnen
Blättern wieder Doppelpunktierung. Öfters hat der unachtsame
Schreiber die Linien selbst über die Grenze auf den Rand
— officium, vocatum mucarabe), die mit der von Gregor verbotenen nnd
durch die Einführung des römischen Ritus verdrängten spanischen Li
turgie identifiziert wird (vgl. J IX 2).
Der Index dürfte kaum zu jenen gehören, die Unter Urban Y.
für ältere Papstregister angefertigt wurden. Ygl. darüber Denifl e a. a. 0.
(Areli. Lit. Kircligesch. II) 29 1 und J. P. Kirsch, Die Bückkehr der
Päpste Urban V. und Gregor XI. von Avignon nach Pom. Auszüge am
den Kameralregistern des Vatikanischen Archivs (= Quellen und For
schungen aus dem Gebiete der Geschichte. Herausgegeben von der
Görres-Gesellschaft. VI Paderborn 1898) passim. Soweit ich Indizes aus
der Zeit Urbans Y. in den verschiedensten Bänden sah, glaube ich
Schrift und Anlage von den hier besprochenen des Gregorbandes für
verschieden erklären zu müssen.
Das Originalregiater Gregors VII. — I, 1.
17
hinausgezogen, so z. B. fol. 11, 28, 116 usf.; besonders stark
und fast störend auffällig ist dieses im ,neunten' Buche.
Die Länge der Schriftzeilen ist sehr ungleichmäßig.
Oft hört der Schreiber bereits vor dem Ende der Zeile auf
und beginnt die nächste; noch öfter schreibt er über den
Schluß der Zeile hinaus auf den Rand, so daß bei dem ziemlich
straffen Einband manche Wörter ganz in den Bug hineingezogen
erscheinen und auch auf dem Originale nur schwer zu lesen
sind. — Durchschnittlich kommen je 30 Zeilen auf eine Seite,
doch sind die Unregelmäßigkeiten und die Fälle, in denen
eine oder mehrere Zeilen am Schlüsse der Seite ausgelassen
werden, sehr zahlreich. Bloß die beiden ersten Quaterne fol.
1—16 enthalten regelmäßig 29 Zeilen. Als Beispiele von Aus
nahmen und Unregelmäßigkeiten seien nur erwähnt fol. 71 a
mit 31 Zeilen, wo der Brief J II 4-1 unten auf der Seite schließt,
fol. 97 a und 97 b ebenfalls mit 31 Zeilen, jedesmal mitten im fort
laufenden Texte von JIII 5; auch fol. 98 b hat wieder — mitten
in JIII 6 — 31 Zeilen, während 98 a bloß 30 Zeilen 'aufweist.
Die Schrift des Registers ist die senkrechte Minuskel
des 11. Jahrhunderts. Durchwegs herrschen volle breite Formen,
fast plump und unbeholfen in einer großen Zahl von Stücken,
ohne besonderen Schmuck von einer festen, etwas schweren
Hand gezeichnet. Die Buchstaben sind oft dermaßen von ein
ander getrennt, daß dafür die Worte über Gebühr nahe an
einander gerückt erscheinen und das Wortbild leidet. In anderen
Stücken — die Unterschiede finden sich jeweils vom Beginn
eines Briefes an — treten die einzelnen Buchstaben innerhalb
der verschiedenen Worte näher aneinander heran; das Schrift
bild wird dadurch übersichtlicher, die Worttrennung schärfer. 1
Die Schäfte sind gerade; i, l, m, n, t, u und das senkrechte d
biegen auf der Zeile mit ziemlich engem Bogen nach rechts
um. Die Mittellängen sind meist von gleichmäßiger Stärke.
Oft haben die Schäfte von /, h, k, m, n, p, q, r und s
einen stärkeren Abstrich; sehr oft aber sind sie ohne solchen.
Die Ober- und Unterlängen sind für gewöhnlich nicht sehr
stark ausgezogen. Das obere Ende von b, d, h, k, l, f und s
Vgl. auf Taf. I das zweite Stück gegenüber dem ersten; ähnlich auf
Taf. III.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. KI. 165. Ed. 5. Abh. 2
18
V. Abhandlung: Peitz.
ist etwas verdickt und fast stets mit Ansatzstück gebildet; oft
ist der Ansatz leicht gegabelt. Auch p und q beginnen fast
immer mit stärkerem Ansatz. Die Oberlängen enden meist auf
der Zeile, bei f und s gehen jedoch die Schäfte oft auch mehr
oder minder beträchtlich unter die Zeile hinab. 1 Besonders
häufig ragt r, dessen Arm ziemlich stark ausgebildet ist, unter
die Zeile hinab; 2 doch wechselt gerade hierin der Gebrauch
des Schreibers je nach den Stücken mit verschiedenem Ansätze
und auch innerhalb desselben Stückes ziemlich stark. Die Unter
längen sind fast stets gerade; nur gelegentlich biegen sie nach
links ab und laufen spitz zu. In der letzten Zeile einer Seite
oder eines Briefes aber sind sie häufig stark verlängert und
nach links zu einer feinen Spitze ausgeschweift. 3 Das doppelt
geschlossene, unter der Zeile mit scharfer Biegung nach rechts
versehene und oben mit einem geschweiften Ansatzstrich nach
rechts sich verbindende g 4 sowie d, b, p, q und o haben
runden vollen Bauch.
Die geschlossene Minuskelform des a hat meist ovalen,
mehr spitzen Bauch; nur in jenen Fällen, wo es als Anfangs
buchstabe oder Siegel eines Eigennamens etwas größer ge
schrieben ist, ist der Bauch manchmal zu einer Linie zusammen
geschrumpft. 5 Der Schenkel liegt meistens schräg, nur selten
in den ersten Büchern, etwas häufiger gegen Schluß des Registers
steht er gerade. In den Kürzungen durch Überschreiben findet
sich natürlich die offene Form. 6 Gut gerundet sind c und e;
zumal wenn sie als Anfangsbuchstaben der Sätze in stark über
höhter Minuskelform erscheinen, zeigen sie eine schöne, unten
etwas offenere Rundung, wobei der Kopf des e verhältnismäßig
klein bleibt. Das kurze e hat eine lange, meistens etwas ge
schweifte Ansatzzunge, die die Verbindung mit zahlreichen
1 Taf. I 5 firmissimam. 11 fore. 13 flandrensi. 16 persistentes. 19 officium
2 Taf. I 1 proprii. IG celebrave. 25 Huberti. Taf. II 1 interdixeris. aucto-
ritate. 2 noveris. aprelis. 30 Petri.
3 Z. B. fol. 112 b . 113«-. 114* . . . 135*. 136 b usf. Taf. III 7 per. quoque
10 super.
4 Taf. I 2 privilegium. 3 diligentissime. corrigenda. Taf. II 25 negotium.
29/30 lon/go. Taf. III 4 rogo. 23—24 ag/gressus.
5 Taf. I 1 Alexandri. 13 Adile.
6 Taf. III 8 aliqua. 11 quatinus. 22 quadragesimales.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
19
Buchstaben ermöglicht; 1 in anderen Stücken der gleichen Hand
ist statt dessen auch wohl ein feiner, schräg nach oben gerich
teter Zierstrich verwendet, der oft mit einem Häkchen oder
auch mit einem Punkte endet. 2 Das geschwänzte e erscheint
ebenfalls in verschiedenen, durcheinander gebrauchten Formen:
bald ist eine einfache, spitzovale Schlinge angebracht, 3 der oft
ein feiner Strich unten angeschlossen oder seitlich beigestellt
ist, 4 bald ist ein dünner, gerader Strich schräg nach unten aus
gezogen, der öfters nach rechts umbiegt, 6 bald ist ein doppelt
gebogener Haken angehängt. 6 — Neben d mit senkrechtem
findet sich häufig jenes mit querliegendem Schaft, der fast gar
nicht oder nur sehr wenig über die Mittellängen sich erhebt.
Meist hat die schräge Form glatten Ansatz; 7 oftmals ist sie
jedoch mit leichtem Schwung von oben herab geschweift, zumal
wenn der Schaft durch den Kür zungsstrich gebrochen werden
soll. 8 Die f und s haben stark ausgebildeten, kräftigen Kopf;
nur selten findet sich am Schlüsse der Wörter ein schmales
geschlängeltes s, das auch bei Uberschreibung angewendet
wird. 9 — Die Mittellänge des t setzt wie die Schäfte von m,
n, u mit leichter Biegung von links her an und ragt für ge
wöhnlich etwas über den starken, meist etwas geschweiften
Balken hinaus. •— Neben der geraden Form des r erscheint
ausnahmsweise und, soweit ich sehe, nur gegen Schluß des
Registers die gebogene Form in Gestalt einer schmucklosen ara
bischen 2 mit gebogenem Fuß. 10
Zahlreich sind die Ligaturen: e verbindet sich gerne mit
a > c > e > f> 9> m ! n i °j P> T i b u , x ; / mit i, e, r; i mit i; t mit
1 Taf. I 2 venire. 23 unde. 27 und 29 est.
2 Taf. II 1 omne. auctoritate.
3 Taf. I 1 memorie. 3 que. 6 ecclesiß. decanie.
4 Taf. I 1 venerande. 25 ecclesie.
Taf. III 1 inob%dienci$. 10 inobediencia.
G Ganz ähnlich wie in dem eigenartig geschriebenen Brief 17 auf Taf.
11 6 rom$. 7 ecclesig sue.
Taf. I 8 quicquid. 13 Adile, 14 quod. 23 ad. 30 idus.
8 Taf. II 27 Siquidem. 111 7 pi'udencie. 8 observandum. 9 considerantes.
12 consulendo providere.
9 Taf. III 9 neglegatis. Am Schlüsse des Wortes in der Zeile selbst z. B.
fol. 141 ft . Taf. II 4 im Adreßrubrum Dolensibus monachis. 23 Auxiensi.
10 Taf. III 1 maioris. 11 oportet.
2*
20
V. Abhandlung: Peitz.
a, i, o, u, m, n- r mit e, i, o. Zumal sind die Ligaturen von
c mit t, s mit t fast Regel. Neben dem tironischen Kürzungs
zeichen findet sich et außerordentlich häufig.
Kürzungen sind ebenfalls stark vertreten. Der allgemeine
Kürzungsstrich ist bald mit kleinem, nach unten gerichtetem
Häkchen als Abstrich versehen (vgl. Taf. I 1 ff.), bald bildet
er einen gefälligen Bogen (Taf. I 5 ecclesia, I 6 ecclesie). Er
beginnt oft gleichmäßig stark am linken Ende, oft mit zartem
Ansatz, zumal wenn er die Schäfte durchquert. Manchmal geht
er auch schräg nach oben und endet in einer Schlinge oder
einem Punkte (Taf. II 7 ecclesie. III 16 decembris. IV Nr. 3,
Z. 3 Quod, universalis. IV Nr. 7, Z. 8 ecclesie). Ähnlich steht
es mit der Zunge des e. Auch für die Kürzungen von -bus,
-rum, -tur, -que sind verschiedene Formen durcheinander ge
braucht, selbst innerhalb eines und desselben Stückes, das ganz
sicher von einer Hand einheitlich geschrieben ist. Einige Bei
spiele, aufs Geratewohl aus den verschiedensten Teilen des
Registers herausgegriffen, mögen diesen auffälligen und paläo-
graphisch vielleicht nicht uninteressanten Wechsel beleuchten.
In J IV 9 fol. 120 ab ist das geschwänzte e bald mit einer ge
schlossenen Schlinge gezeichnet (vgl. fol. 120 b , Taf. I 1 memorie,
3 que, 6 ecclesie, decanie, 10 que), bald hat es daneben noch
einen feinen, verlängerten Ansatzstrich (fol. 120 b = Taf. I 1
venerande, pape, 8 decanig),. bald ist es ein kurzer Zickzack,
der angehängt wird (fol. 120“, Z. 14 sue, 16 tue, 29 ecclesie-,
vgl. Taf. II 6 rome, 7 ecclesie su%), bald ein nach rechts hin
offener, einfacher Haken (fol. 120 a , Z. 18 cquanimiter). — Die
Endung -rum wird in J IV 12 auf fol. 122 a wiedergegeben
durch r mit durchgelegtem doppeltgeschwungenen Bogen mit
An- und Abstrich (nostrarum, in etwa ähnlich der Kürzung
in Taf. III 24 suorum, vgl. IV, Nr. 2, Z. 13 multorum) oder
durch r mit einem wie ein großer Nagel geformten senkrechten
Strich (episcoporum• vgl. IV, Nr. 5, Z. 6 teutonicorum) oder
durch r mit geradem Strich, der oben und unten senkrechten
Umbug zeigt (consiliorum; vgl. Taf. IV, Nr. 5, Z. 5 servorum).
Daneben erscheinen Formen wie die Verschiebung in Taf. V,
Nr. 1, Z. 2 servorum oder der lange, fein auslaufende Bogen in
Taf. III 5 apostolorum (vgl. Taf. I 21 eorum). — Für quod
stehen in J III 21 nebeneinander eine Kürzung, bei der das
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
21
senkrechte d durchquert wird (vgl. Taf. IV, Nr. 3, Z. 3, 4, 5, 7;
Taf. III 7), eine zweite, bei der über d mit schrägem Schafte der
Kürzungsstrich steht (vgl. Taf. IV, Nr. 3, Z. 2), und eine dritte,
bei der die Unterlänge des q von einem schön geschweiften
Kürzungszeichen durchbrochen wird und das d fehlt (ähnlich
Taf. II 15, 25). — Ebenso finden sich die verschiedensten
Arten der Kürzungen für que (vgl. z. B. Taf. II 8 ff.; Taf. V,
Nr. 1, Z. 4; Taf. IV, Nr. 5, Z. 6 cgterisque; daneben erscheint q
mit folgendem Doppelpunkt u. ä.) für pro (vgl. z. B. Taf. I 1
propra- daneben finden sich öfters Formen, wie sie auf den Ori
ginalen in unseren Faksimiles erscheinen: z. B. Taf. IV, Nr. 4,
Z. 7 Proinde, Z. 6 pro pecunia oder Taf. VI, Nr. 4, Z. 2 procul,
Quapropter). — Et wird bald mit dem tironischen Zeichen ge
kürzt (Taf. III 3, Taf. IV, Nr. 6, Z. 1, 2 [im Rubrum]), bald in
Ligatur gesetzt (Taf. I 3), bald voll ausgeschrieben (Taf. III 4).
Überdies macht sich im Charakter der Schrift und dem
ganzen Zug manchmal ein derartiger Unterschied geltend, daß
man zuerst geneigt ist, einzelne Stücke einer neuen Hand zu
zuweisen, bei denen jedoch eine im einzelnen durchgeführte
Schriftvergleichung die Identität des Schreibers mit Sicherheit
ergibt. So wird die Schrift in VI 13 in allmählichem Übergänge
immer spitzer und hakiger: die Schäfte werden auf der Zeile
nicht rund umgebogen, sondern erhalten in spitzem Winkel einen
kurzen Abstrich; der Bauch des b setzt an den ganz senkrecht
verlaufenden Schaft mit scharfer Ecke an; s und f sind etwas
nach rechts geneigt, ihr Arm horizontal und langgestreckt, ihr An
satz ein etwas gekrümmter Haken, ihr gerader Abstrich ist stark
schräg gestellt und steht nach beiden Seiten Uber den Schaft vor;
g hat einen fast dreieckigen geschlossenen unteren Bauch; vel ist
als spitz umbiegendes l gekürzt mit sehr langem feinen Abstrich.
Aber wie der Übergang zu dieser Manier ein allmählicher war, so
verschwindet sie auch mählich wieder; VI 17 zeigt bereits die
reine breite Minuskel, in der der Schreiber vorher schrieb. Und
innerhalb der so maniriert geschriebenen Stücke sind die alten
Formen überall vertreten; ja zeilenweise fällt der Schreiber sozu
sagen aus der erzwungenen Rolle und schreibt mit seinem ge
wöhnlichen glatten Zug. Paläographisch ist dieser Wechsel sehr
interessant und lehrreich; die Vatikanische Handschrift gewinnt
auch für die vergleichende Schriftkunde eine gewisse Bedeutung.
22
V. Abhandlung: Peitz.
Als allgemeines Zeichen für die Satztrennung dient der
Punkt; als kleineres Trennungszeichen erscheint der Punktstrich;
ein Punkt mit geschlängeltem Strich darüber taucht am Ende
der Fragesätze als Fragezeichen auf.
Die großen Buchstaben, die die Sätze einleiten, sind teils
der Kapitale entnommen, teils haben sie unziale Formen. Viel
fach finden sich aber auch verlängerte Minuskelbuchstaben, oft
nach Art der verlängerten Zierbuchstaben in den ersten Zeilen
der Kaiserdiplome oder der Papsturkunden.
Rubriziert wurde bei den einzelnen Briefen zunächst
der Name des Papstes in der Adresse, der durchaus in Majuskel
— meist in Kapitale —• geschrieben ist und von der Hand des
nämlichen Schreibers herrührt, von dem der Kontext stammt.
Außerdem sind auch der Anfangsbuchstabe des Brieftextes
sowie die Initialen von Data und Indictione in der Datierung
rot ausgeführt. Der für die Rubra benötigte Raum wurde von
vornherein freigelassen. Wie in den Briefen selbst, so wechselt
auch in den Rubra Duktus und Art der Ausführung; der ver
wendete Mennig zeigt ebenfalls Unterschiede im Ton, er ist
bald heller, bald satter gefärbt. 1 — Sehr oft jedoch wurde die
Ausführung dieser roten Einträge ganz oder zum Teile ver
gessen. Sie ist dann oft in Schwarz ergänzt, ob von gleicher
oder von anderer Hand, läßt sich nicht immer mit Bestimmt
heit angeben. Denn die schwarzen Füllungen der Lücken,
manchmal von blässerer, manchmal von schwärzerer Tinte als
der Kontext, sind in verschiedenen Formen ausgeführt: ver
längerte Minuskel wie in der ersten Zeile der kaiserlichen Ur
kunden steht zusammen mit Kapital- und Unziälformen. Aber
eben dieser Wechsel bei sonst im ganzen gleicher Manier
1 Auf Taf. I sind im Kontext rot: Liber im Titel, D in Data, I in In
dictione, Gregorius in der Adresse, P in Pervenit. In Nr. 10 sind D und
I in der Datierung vergessen. — Auf Taf. II ist nur das M im Anfangs
wort Miramur von 18 rot geschrieben; in 17 ist F in Frater mit roten
Zierstrichen ausgelegt. Kolumnentitel, Papstname und Initialen der Da
tierung sind schwarz, letztere mit blasser Tinte nachgetragen. — Vor
Dodone in 18 ist ein P ausradiert; Petro und Dodone wurden nach
träglich in die Lücken eingefügt. — Auf Taf. III ist 13 Incipit Uber
rot, die-Zahl steht von schwarzer Tinte auf Rasur. Im Synodalprotokoll
stehen 21 contra fas, 27 inedia und das erste m in 24 multum auf Rasur.
Das Origiualregister Gregors VII. — 1,1.
23
spricht im Zusammenhang mit der Gleichheit vieler Formen
für Gleichheit der Hand.
Am Rande oder, wo Platz genug gehlieben war, auch
zwischen den Briefen gibt ein kurzgefaßtes Rubrum für ge
wöhnlich die Kurzadresse, wie z. B. Flandrensi comitisse oder
Flandrensi coiniti, Dolensibus monachis, Auxiensi archiepiscopo. 1
Diese Rubra sind ganz zweifellos von der gleichen Hand wie
der Kontext der Briefe. Sehr oft in reiner Buchminuskel aus
geführt, zeigen sie jedoch noch häufiger eine ganz auffällige
Anlehnung an die diplomatische Minuskel oder auch Elemente
der jüngeren Kuriale. Die Oberlängen sind oft ganz übermäßig
stark in die Höhe gezogen und mit leicht geschwungenen dünnen
und langen Ansätzen versehen; öfters haben sie die verschlun
genen Zierstriche der Königsdiplome. Die Mittellängen sind
dabei durchwegs klein, aber mit runden Bogen. Aus der jün
geren Kuriale stammen die Ligaturen ri, ro, vio u. ä. Hie
und da scheinen die Rubra in größeren oder kleineren Gruppen
beigefügt und nicht immer mit dem fortschreitenden Eintrag
der Briefe ergänzt worden zu sein. Stets jedoch läßt sich
beobachten, daß sie mit der Anlage des Registers selbst im
Zusammenhänge stehen. So sind z. B. die meist rot geschrie
benen Kolumnentitel mit der Angabe des Buches erst mit dem
mit Neuansatz beginnenden Briefe übergeschrieben worden.
Schloß also z. B. J VI 30 auf fol. 167 •>, Z. 8 und J VI 31
mit der letzten Zeile derselben Seite, so ist Liber VI auf fol.
167 b 168 a erst mit J VI 32 zusammen rubriziert.
Wie in dem Adreßrubra, so ist auch im Kontext der
Briefe eine deutliche Beimischung von Elementen der jün
geren Kuriale eine ganz besonders auffällige Eigentümlichkeit
des Gregorregisters. Zumal die Ligaturen mit ihren mannig
fachen Formen gemahnen stark an die Schrift der päpst
lichen Originale. An den etwas weiter ausladenden, in
scharfem Winkel angesetzten Arm des tiefer nach unten ver
längerten r setzt sich in spitzem Winkel zurückgelegt das
bald kürzere, bald längere, in einer feinen Spitze nach links
auslaufende i. 2 Das ovale o ist mit doppelter Schleife mit
1 Vgl. Taf. I und II.
2 Ein Beispiel bietet Taf. II 27 nostri. Taf. IV, Nr. 6, Z. 1 districtius.
24
V. Abhandlung: Peitz.
seinen Nachbarn verbunden und ist besonders in der Ligatur
ro oft unter die Zeile schräg herabgezogen. Die s und / er
halten einen dünnen geschweiften Ansatz nach rechts oben und
links unten. Häufig erscheint das p ganz wie in der Kuriale
oder in der diplomatischen Minuskel mit schmalem, oben offenem
Bauch, der mit fein gespitztem Schweifstrich zu einer Ober
länge ausläuft. 1 Ligaturen der Kuriale wie tri, rio, ro, fo sind
reichlich vertreten. Mehrfach findet sich ein Majuskel-Q mit
rautenförmigem Kopfe und mitten darunter oder nur wenig
seitlich ansetzendem, stark geschlängeltem Schwänze, ganz wie
es in manchen Papsturkunden der Zeit wiederkehrt. 2 Die
verschlungenen Schleifen der Oberlängen von /, s, ct sind
sehr zahlreich. 3 Der Schreiber des Registers muß ein
mit der päpstlichen Urkundenschrift vertrauter Mann
gewesen sein.
Die Mehrzahl der Briefeinträge gehört einer einzigen
Hand an, doch sind auch andere Hände darin tätig gewesen.
Die nach J III 5 eingetragene Exkommunikation Heinrichs IV.
nebst deren Notifizierung J III 6 sind von einer zweiten Hand.
Sie schreibt schmaler und feiner, macht die Schäfte gleichmäßig
und fast ohne Verdickung, zieht r, f und s beständig unter
die Zeile herab, stellt den Schenkel des a gerade, beginnt das
schiefe d jedesmal mit einem gebogenen feinen Ansatz ziemlich
stark über der Mittelhöhe. Der gleichen zweiten Hand scheint
der Eid Berengars auf dem eingeschobenen Einzelblatt fol. 108
—109 anzugehören. —• In anderen Teilen des Registers ge
winnt man gleichfalls öfters den Eindruck, als ob eine neue
Hand die frühere ablöse, wie es ja auch Giesebrecht tatsäch
lich angenommen hatte. Genaue Nachprüfung aber zeigt, daß
das ein Irrtum ist. Wohl sind manche Teile sehr gleichmäßig
geschrieben, die einzelnen Zeichen ganz regelmäßig und gleich
förmig gebildet — so in der zweiten größeren Hälfte des dritten
Buches, im ganzen achten Buche von J VII 28 an bis zum
Schlüsse des sogenannten neunten Buches (J VIII 56 einschließ
lich) — aber alle Buchstaben sind die nämlichen, wie sie in
1 Sehr charakteristische Beispiele finden sich u. a. fol. 8 a . 37 a . 83 a usf.
2 Anklänge an diese Form finden sich auch etwa in den beiden Q un
serer Faksimiles Taf. I 17 Quibus und III 4 Quapropter.
3 Beispiele seien genannt von fol.8 b , 15\ 18 a . 138 a usf. Vgl. Taf.IV,Nr,3,Z. 1.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
25
den anderen Büchern Vorkommen, die gleichen Eigentümlich
keiten kehren wieder: es ist dieselbe Hand, die in anderen
Stücken schnell und unregelmäßig ihre Einträge gemacht hat.
Ganz auffallend starken Unterschied-zeigt im siebenten Buche
Brief 14. Tafel II bietet ein Faksimile. Nicht nur, daß der
ganze Zug ein anderer ist, auch die Zeichen selbst haben
andere Form: x ist aus drei Teilen zusammengesetzt, 1 a bildet
am Ende des starken Bauches einen spitzen Winkel, sein
Schenkel ist steil gestellt und hat geschweiften Anstrich, die
Schäfte der Ober- und Mittellängen biegen eckig oder nur mit
ganz enger Rundung um, das schiefe d geht hoch Uber die
Mittelhöhe usf. Aber gleichwohl reichen diese Ansichten m. E.
nicht aus, dieses Stück sicher einer anderen, von VII 16 und 18
verschiedenen Hand zuzusprechen. Die ganze Schrift erweckt
den Eindruck des Gekünstelten und Gezwungenen; die Buch
staben sind untereinander ungleich und die ganze Art ihrer
Bildung steht doch den weniger flüchtig als in 16 und 18 ge
schriebenen - anderer Registereinträge nahe. Es ist mir unmög
lich, daraufhin zu einer Entscheidung zu kommen, so sehr
auch der Augenschein für andere Hand spricht.
Durch den ganzen Verlauf des Registers Anden sich
zahlreiche Korrekturen. Teils handelt es sieh dabei um Nach
träge und Zusätze — sie sind meistens von erster Hand am
Rande hinzugefügt und stets gibt ein Verweisungszeichen (Kreuz-
chen, mehrere Punkte u. dgl.) an, wo sie eingeschaltet werden
sollen — teils um wirkliche Korrekturen von der Hand eines
Korrektors, oft mit Rasuren oder Streichungen im Texte ver
gesellschaftet. Sie sind im zweiten Falle für gewöhnlich mit
anderer Tinte ausgeführt, als sie der Schreiber des Kontextes
verwendet hatte. Untereinander scheinen die Nachträge des
ersten Schreibers wie anderseits die Verbesserungen des Korrek
tors alle auf je eine Hand zurückzugehen, sie weisen aber
unter sich von Brief zu Brief oder von Briefgruppe zu Brief
gruppe mancherlei Unterschiede in Tinte und Duktus auf, sind
bald klein, bald größer, hier flüchtig und wenig sorgsam, dort
sorgfältig ausgeführt, zuweilen mit etwas unsicherer Hand, dann
wieder mit fester sicherer Führung — ganz wie es weiter unten
1 Taf. II 9 exinde. 11 exibere. 14 iuxta. 16 praefixum. 18 expectantes,
26
V. Abhandlung: Peitz.
bezüglich des dem ersten Schreiber angehörenden Textes der
Briefe selbst näher dargelegt werden wird.
Von vornhinein ist das Register nach Pontifikatsjahren
eingeteilt worden. Die einzelnen so gebildeten Bücher haben
für die verschiedenen Jahre einen Titel in Rubro, der durchaus
ursprünglich und bei gleicher oder ähnlicher Fassung in der
verschiedensten Weise ausgeführt ist. Das sogenannte neunte'
Buch erhielt von anderer, wohl etwas jüngerer Hand in Schwarz
ebenfalls eine Art Überschrift, während die drei letzten Stücke,
das sogenannte ,elfte' Buch, wieder gleichzeitigen und ursprüng
lichen Buchtitel in Rot aufweisen. Am Rande fol. 172 11 findet
sich noch die Rubrizelle für den Titel des siebenten, am Rande
von fol. 191 b , halb durchgeschnitten, jene des achten Buches.
Die verschiedenen Buchrubra lauten: 1
Fol. l a . In dl nomine Incipit Uber primus [j Registri septimi
Gregorii pap%. || Anno dnice incarnationis miii jj LXXIII.
Indio. XI. | 2
Es folgt der Commentarius electionis, dessen erste
Zeile Regnante Dnö Nro ganz in Kapitalen geschrieben
ist, wobei die Schäfte der einzelnen Buchstaben mit einem
kleinen roten Schattenstrich hervorgehoben wurden. Die
Initiale R ist ziemlich groß ausgeführt und mit grobem
Rankenwerk geschmückt. Im Kontext selbst ist Helde-
brandum in rot verzierter, Gregorium in roter Kapitale
geschrieben. — Auch das Anfangs-6’ der Adresse J I 1,
1 An dieser Stelle wurde die Schreibung der Handschrift mit allen Kür
zungen und Eigenheiten festgehalten, um die Unterschiede in den ver
schiedenen Überschriften deutlich zu machen. Zeilenschluß ist durch ||
gekennzeichnet. — J. Greving, Pauls von Bernried Vita Gregorii VII.
Papae (= Kirchengeschichtliche Studien II 1. Münster i. W. 1893)
folgert 50 1 aus Pauls Zitat c. 61: [Heiiiricus] guantis sit paternis literis
commonitus, eiusdem patris Alexandri libri testantur . . .: ,Also auch dieses
Register war nach den einzelnen Regierungsjahren in Bücher abgeteilt,
wie die Gregors I. und VII.‘ Das folgt nur zum Teil. Ob das Ein
teilungsprinzip des Registers Alexanders die Indiktionen waren wie in
den Registern Gregors I. und Johanns VIII. oder die Pontifikatsjahre
wie bei Gregor VII., finde ich im Zitate Pauls auch nicht entfernt an
gedeutet.
2 Vgl. das Faksimile Taf. IV, Nr. 1.
Das Originalregister Gregors VII. — 1,1.
27
die bis Romanum in großer Kapitale geschrieben ist mit
rubriziertem Papstnamen, ist mit einfachem Rankenwerk
verziert. 1
Fol. 48h Explic Ui pmus. j| In dl nomine Incip lii seeäs
REGistri GREGORII || pape septimi. Anno dominier,
incarnationis Millesimo Lxxmj. Indic, XII. jj 2
Der Papstname in der Adresse von J II 1 ist rot
in großen Kapitalen ausgeführt, die den Raum von 4 Zeilen
in der Länge einnehmen, und füllt die ganze Breite des
Blattes. Vor episcopus war dann gleichwohl in der fol
genden Zeile der Raum für den Namen offen gelassen.
Fol. 94 a . Explic Ui. II. || Incip Ui. III. Registri GG Pape VII. |
Anno dominier incarnationis. millesimo. Lxxv. || Indic-
tione. xnj. ||
Das G des Papstnamens in der Adresse von .T III 1
hat die Höhe von 4 Zeilen und es blieb auch in der
zweiten Zeile von vornhinein der nötige Platz dafür offen.
Fol. 112 a . Explic Lii. nj. | Incip lii. mj. Registri GG Papae.
VII. | Anno dnice incarnationis mill. Lxxvi. I[nä. xinj.J j: 3
Fol. 135 \ Exp lii iin. || Incip lii. V. GREGORII PAPAE.
VII. || Anno ab incarnatione dni mill. Lxxvn. || Inä. XV. || 4
Die ganze Intitulatio von J Y 1 ist in Kapitale ge
schrieben und steht in einer eigenen Zeile; der Papstname
ist stark überhöht, das Anfangs-6r über mehr als 4 Zeilen
gestreckt. Der Schreiber hatte auch vor den zwei folgen
den Zeilen einen sehr beträchtlichen Raum ausgespart:
offenbar hatte er ursprünglich eine große illuminierte Ini
tiale geplant.
Fol. 148 a . Explic. lii. V. || In nomine dni Incip lii. VI. Registri
septimi |j GREGORII pape Anno dnieg incarnationis j|
Mill. Lxxvm. Indic, .ij. ||
Fol. 172 a . In nomine dni. Incipit Ui. vij. Registri döni
GG. PP. vij. IJ Anno dnice incarnationis. M. Lxx. mm.
Pontificatus uero jj domni GG. ann. vij Inä. ij. ||
1 Vgl. Taf. IV, Nr. 2.
2 Zuerst war geschrieben worden: Indictione XIII, doch wurde der letzte
rote Strich ausradiert.
3 Das in Klammern stehende nd xmj. ist schwarz geschrieben.
4 Vgl. das Faksimile Taf. IV, Nr. 7.
28
V. Abhandlung: Peitz.
Föl. 191 b . In noie drd Incvp lii |j . vm. registri domni. GG.
v'ij. PP. Ann.dnice incarnationis. M. Lxxx. || Pontific.atus uo
drd GG. anno . VII. indict . lij.
Fol. 213“. (Ex Ui VIUI. Registri eiusde GG. PP. VII.) 1
Fol. 236“. Incipit liier [X'I] 2
Die Briefe innerhalb der einzelnen Bücher sind fort
laufend gezählt, mit Übergehung der Synodalprotokolle und
Akteneinschübe. Aber nur die Briefe des ersten Buches und
die des zweiten bis J II 48 haben eine der Anlage des Registers
gleichzeitige rote Zählung. Von dort an bis J III 10 läuft
schwarze Zählung mit lateinischen Ziffern, der Rest der Briefe
ist mit arabischen Ziffern in schwarzer Tinte bezeichnet. Nur der
erste Brief der Bücher III ff. ist jeweils mit dem ausgeschriebenen
Worte prima versehen, dessen Schriftzüge und den schwarzen
Zahlen gleiche, tiefe Tinte auf das 14.—15. Jahrhundert als
Zeit der Entstehung jener späteren Zählung hinweisen. 3
Für die Kenntnis der Handschrift unbedingt erforderlich und
vielleicht auch schon zur richtigen Beurteilung ihrer Entstehung
wichtig ist eine genaue Einsicht in die Art ihrer Zusammen
setzung aus verschiedenen Lagen. Es mag daher eine
Aufzählung der einzelnen hier Platz finden. Levi erklärte es
1 Schwarz am oberen Rande des Blattes, nahe dem Schnitte, wohl von
anderer, etwas jüngerer Hand flüchtig und klein geschrieben. Darunter
findet sich mitten auf dem Rande (von später Hand?) lifi. 7X(?), doch
vermag ich die Zahl nicht mit Sicherheit zu deuten.
2 Incipit liber rot, XI schwarz auf Rasur. Später wird auf diese Korrektur
zurückzukommen sein.
3 Giesebrecht in RPR I 2 596 gab an, bis II 47 habe die Handschrift
am Ende des 12. Jahrhunderts eine rote Briefzählung erhalten, eine
spätere Hand habe diese mit schwarzer Tinte bis III 9 fortgeführt, von
da ab stamme die Zählung aus dem Ende des 14. Jahrhunderts von der
Hand des Schreibers der Indizes. — Unverständlich blieb mir die Mei
nung Heckeis a. a. O. (Arch. f. Urkundenforsch. I) 441, die Zitate
nach capitula hätten Indizes zur Voraussetzung. Die Ausführungen
Denifles, auf die er sich beruft, berücksichtigen den Sprachgebrauch des
14. Jahrhunderts. Die Exzerpte aus den als cap. zitierten Briefen zeigen
doch, daß diese selbst unter den capita oder capitula gemeint waren. Vgl.
auch P. Ewald, Studien zur Ausgabe des Registers Gregors I. (NA III
1878) 446 *. 598. — Über die Korrekturen der ursprünglichen Zählung
von J I 1 — II 48 wird später weiter gehandelt werden. — Vgl. Taf. IV
Nr. 7, Z. 8 prima.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
29
für unmöglich, die Zusammensetzung der Handschrift festzu
stellen, 1 doch läßt sich diese durch Beleuchtung der Heftung
vermittels eines durch eine starke Linse konzentrierten Licht
bündels in diffusem hellen Tageslicht und bei Beobachtung
der vereinzelten Reklamanten mit vollster Sicherheit nachweisen.
Fol. 1—48 umfassen 6 regelrechte Quaterne. Ihnen folgt fol. 49
—57 ein Quintern, von dessen drittem Doppelblatt 51 die
rechte Hälfte bis auf ein schmales Rändchen abgeschnitten
wurde, das jetzt an fol. 55 b angeklebt ist. Nach dem achten
Quatern fol. 58 — 65 bilden fol. 66—71 einen halben Sextern.
Ihm folgen ein Quintern 72 — 82 und ein weiterer Quintern
83 — 92. In diesen ist zwischen fol. 80 und 81, mitten in den
Dictatus papae J II 55“ hinein, ein stark beschnittenes Blatt
von 145 X 210 mm Größe mit einem Text aus Augustinus, von
der gleichen Hand wie die Nachbarstücke des Registers ge
schrieben, eingeschoben; es hat das nämliche Linienschema wie
die Registerblätter und ist mit schmalem Umbug an fol. 75 a
angeklebt. 2 Fol. 93 — 98 bilden einen halben Sextern; ihm
folgt der Quintern fol. 99—110, in den als Nachtrag vor dem
letzten Blatte fol. 108-—109 eingeheftet ist. Die folgenden Lagen
sind: 14. Ein halber Sextern fol. 111—116; 15. ein Quatern
fol. 117—124; 16. ein halber Sextern fol. 125—130; 17. der
Quintern fol. 131 —140 und 18. ein halber Sextern fol. 141—146.
Für die Richtigkeit der Beobachtungen aus der Heftung bürgen
1 Arch. Paleogr. Ital. II, Notizie VIII: ,La legatura dei codice 6 cos!
compatta, che l-iesce impossibile verificare la eomposizione dei singoli
quaderni. 1
" Der Text ist — von gleicher Hand — überschrieben: Ex Aurelii Aug.
de Civitate Dei contra Julianum Hereticum Pelagiane heresis (sic!). Mit
einigen zum Teil bedeutenderen Varianten ist es der Text aus Augu
stinus contra Iidianum Pdagianum I 13 (MSL 44, 648 B —49 A) Puto
tibi eam partem orbis — fides ista, JRomana scilicet, sola et una est. Quia
fides ista apostolica et christiana est. Stellung und Inhalt des Blattes,
dessen Schrift auffallend stark mit der des Dictatus papae J. II 55 a har
moniert, zeigen im Zusammenhalt mit dem des weiteren zu erbringenden
Nachweise über den Charakter der Handschrift als Originalkanzleiregister,
daß man sich damals in der päpstlichen Kanzlei auch außer dem Dictatus
papae mit den in letzterem berührten Fragen beschäftigte. — Auch
Bonizo hat später ein Excerptum sententiarum mirifici doctoris Augustin
in 8 Büchern angelegt und Paradisus genannt. Vgl. MGLdl II 62 9 30 .
30
V. Abhandlung: Peitz.
die damit übereinstimmenden Reklamanten auf fol. 16 b , fol. 24 b ,
fol. 32 b , fol. 65 b , fol. 71 b , auf dem Einschub fol. 109 b und auf
fol. 146 b . Nach dem 19. Quatern fol. 147—154 folgt ein Quin-
tern fol. 155—163, dessen letztes Halbblatt abgeschnitten ist;
ein schmales Streifeben wurde übrig gelassen und an fol. 163 b
angeklebt. Fol. 164—171—179—187 sind drei Quaterne; sie
tragen fol. 187 b zum letztenmal eine Kustode. In dem 24. Quin-
tern fol. 188—196 ist die erste Hälfte des vierten Doppelblattes
fortgeschnitten und dessen schmales Rändchen an fol. 191 a an
geklebt. Bis fol. 236 .folgen 5 Quaterne: fol. 197 -204 — 212,
wo der erste Teil des Registers, bis Buch VIII einschließlich,
endet, und fol. 213 — 220—228 — 236, die bis 236 a die Briefe
des sogenannten neunten Buches enthalten. Das Doppelblatt
fol. 237—238 bildet den Schluß des eigentlichen Registers. Die
beiden später hinzugefligten Quinterne fol. 239—248—258 um
fassen den doppelten Index.
Schon diese Art des Zusammenwachsens der Handschrift
aus Lagen verschiedenster Art ist überaus auffällig. Bei gleich
zeitiger Parallelarbeit an einer Abschrift wußten die Kopisten
des Mittelalters das zu den einzelnen Teilkopien notwendige
Pergament ziemlich gut abzuschätzen; zudem waren es meist
wohl möglichst gleichmäßige Lagen, die sie zur Arbeit verwen
deten. Hier dagegen treffen wir einen Schreiber, der bald starke,
bald weniger starke Pergamentlagen einschiebt, der da und
dort sich korrigiert und Blätter ausschneidet, der Nachträge
macht und ein ganzes Blatt einheftet. Es ist ein etwas sonder
bares Verfahren für einen Mann, der aus fertiger Vorlage Stück
um Stück nur zu kopieren braucht.
Ob die Reklamanten der übrigen Lagen, die heute eine
solche nicht mehr aufweisen, der Schere des Buchbinders zum
Opfer gefallen sind oder ob sie überhaupt von Anfang an ge
fehlt haben, läßt sich nicht mehr entscheiden. Beide Möglich
keiten müssen wohl offengehalten werden, doch dürfte die zweite
Annahme vielleicht die größere Wahrscheinlichkeit für sich
haben. Denn die erhaltenen Kustoden stehen alle ziemlich nahe
dem Texte und lassen bis zum Buchschnitt noch jetzt einen
verhältnismäßig breiten Spielraum.
Einzelne besondere Bemerkungen müssen noch an
gefügt werden. Nicht alle Blätter des Kodex sind gleich
Das Originalregister Gregors VII. — I, 1.
31
alt. 1 Fol. 156—163 ist ein neugeschriebenes Blatt, das statt
des ursprünglichen ihm entsprechenden mit gleichem Texte
eingeschoben wurde. Den Beweis dafür liefert das Blatt selbst.
Fol. 156 il beginnt mit Brief J. VI 10 eine ganz neue Hand mit
tiefschwarzer Tinte. Nur das G des Papstnamens in der Adresse
ist rubriziert, nicht wie in den vorausgehenden und nachfolgen
den Briefen der ganze Name. Fol. 156 1> hört der Text mitten in
J. VI 12 bei den Worten per ostium quod Christus est (J. 342 10 )
auf; danach sind 10 Zeilen frei und fol. 157 a , dessen Schrift
der gleichen Hand angehört, die auf fol. 155 15 tätig war, schließt
ganz regelmäßig an jene Worte an. Von den leeren Zeilen auf
156 11 tragen die ersten 6 1 / i Zeilen eine starke Rasur. In ihr
ist u. a. gleich am Anfänge noch mit Sicherheit zu erkennen:
Regorius. ps s.r s.r dl C .... II .... n (?) iti salute et . plicä
hen Audiuimus. Schon hieraus ergibt sich, daß unter der Rasur
ursprünglich der Anfang von J. VI 20 geschrieben war, der
jetzt auf der zweiten Hälfte des Ersatzfoliums, auf 163 a , steht.
Dieses fol. 163 zeigt genau die gleiche Hand mit derselben
Tinte wie fol. 156 und wiederum sind Hand und Tinte von
denen der Nachbarblätter grundverschieden. Auch hier ist die
Schrift wieder um ein bedeutendes enger als auf den anstoßen
den Seiten und endet mitten auf fol. 163 b , so daß 11 Zeilen
völlig leer bleiben; fol. 164 a aber schließt genau an den Schluß
des Textes auf 163 1> , insidiatoris assidua in J VI 21 (J 358 7 )
an. Bezüglich des Papstnamens gilt die gleiche Beobachtung,
wie sie für fol. 156 gemacht wurde. Es ist also aus irgend
einem Grunde das ursprüngliche Blatt kassiert und der auf
ihm bereits geschriebene Text durch eine Neuschrift ersetzt
worden. Der Schreiber, dessen Schrift etwas jünger scheint
als die des Registerschreibers und vielleicht dem Anfänge des
12. Jahrhunderts angehört, hatte eine gedrängtere und engere
Schrift als jener und füllte mit dem gleichen Texte nicht mehr
1 Auf die im folgenden mitgeteilten Beobachtungen bezüglich der Ersatz
blätter war bereits Levi aufmerksam geworden. Hinsichtlich des Zu
sammenhanges der Blätter ist er jedoch über bloße Vermutungen nicht
hinausgekommen, die nur rein zufällig in diesem Punkte zu einem
richtigen Resultate führten. Wie er aber die Bemerkungen zu J. VIII 36
und J. VIII 44 der gleichen Hand zuschreiben wollte wie die Ersatz
blätter, ist nicht recht verständlich.
32
V. Abhandlung: Peitz.
den gleichen Raum. Daß die Lücken nicht auf Auslassungen
zurückzuführen sind, beweist schon ihre Gleichmäßigkeit.
Die nämliche Erscheinung kehrt an einer anderen
Stelle des Registers wieder. Blatt 205 = 212 weist ganz die
gleiche, wiederum von der Umgebung scharf sich abhebende
Hand auf, die fol. 156 = 163 schrieb, und es zeigen sich auch
diesmal die gleichen Eigentümlichkeiten. Auch hier ist nur der
Anfangsbuchstabe des Papstnamens in der Adresse rubriziert
und es bleiben auf der Rückseite von 205 eine Anzahl von
Zeilen — diesmal gar 12 — frei; trotzdem aber schließt die
Fortsetzung von J VIII 21 auf fol. 206 a genau an den Schluß von
fol. 205 b an. Die Erklärung, warum dieses Blatt später ersetzt
werden mußte, scheint hier sehr naheliegend. Die zweite Hälfte
des Einschubes 205 = 212 nämlich ist vollständig leer: der
letzte Brief des achten Buches J. VIII 23 schließt nämlich
mitten auf fol. 211 b . Möglich ist es da immerhin, daß das ur
sprüngliche fol. 212 einmal eine Zeitlang als Deckblatt gedient
hatte und derart beschädigt worden war, daß es ausgeschaltet
werden mußte. Es ist das freilich nur Vermutung und jeder an
dere plausible Erklärungsgrund hat die gleiche Berechtigung.
Soviel über den äußeren Befund der Handschrift und
ihre Zusammensetzung.
Eine anhaltende und eingehende Beschäftigung mit ihr
erhob nun die Vermutung, es handle sich hier um ein in
der Kanzlei Gregors selbst fortlaufend geführtes Ori
ginalregister, zu der mich die verschiedensten Erwägungen
bereits vorher geführt hatten, zur unumstößlichen Gewißheit.
Im folgenden soll der Versuch gemacht werden, auf die
einzelnen in Betracht kommenden Gesichtspunkte kurz auf
merksam zu machen.
2. Kapitel.
Äußere Merkmale für die Ursprünglichkeit des Registers.
a. Schriftwechsel und Neuansatz.
Durchblättert man die ersten 212 Blätter der Handschrift,
so glaubt man auf den ersten Anblick einer großen Mannig
faltigkeit der Hände zu begegnen. Die Schrift ist bald größer,
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
33
bald kleiner — hier weit, dort eng — oft spitz und schräg,
dann wieder breit und steil — manchmal elegant und fast
zierlich, dann plötzlich grob, wie unbeholfen. Giesebrecht
hatte ja schon in etwas darauf aufmerksam gemacht und tat
sächlich eine Mehrzahl sich ablösender Schreiberhände ange
nommen; aber er bemerkte dazu, daß es oft schwer halte, die
verschiedenen Hände gegeneinander abzugrenzen. 1 Levi korri
gierte stillschweigend in den Erläuterungen zu den Faksimiles
des Archivio Paleografico auf Grund seiner persönlichen Unter
suchungen: die scheinbare Verschiedenheit könne leicht irre
führen; eine genaue Prüfung ergebe, daß der Wechsel der
Hände durchaus nicht so stark sei, als man auf den ersten
Blick hin annehmen möchte. 2 Er hatte Recht. Wie bereits
hervorgehoben wurde, erkennt man bei eingehendem Vergleich,
daß es durchaus die nämliche Hand ist, die in den größten
Teilen des Registers tätig war. Wohl bemerkt man auch hier
bei näherem Zusehen wieder Unterschiede. Aber es handelt
sich dabei nicht um eine Änderung der Person des Schreibers, son
dern nur um einen Wechsel in seinen Schreibgewohnheiten, um
, eine Änderung des Zuges oder der Tinte u. dgl. Es sind Unter
schiede, die einen Wechsel des Ansatzes dartun, die aber gerade
für die Frage nach Entstehung der Handschrift von entschei
dender Wichtigkeit sind. Bereits 1885 bemerkte E. v. Otten-
thal in einer für die Registerforschung grundlegenden Unter
suchung: ,Fast wichtiger als die Scheidung der Hände ist für
uns die Beantwortung der Frage, ob Stück für Stück oder
größere Partien in einem Zug eingetragen wurden. Wenn nicht
rasch aufeinander die Hände wechseln, kommt es in erster
Linie auf den Wechsel der Tinte und des Duktus der
1 Ygl. Giesebrecht in RPR I 2 595. Iu seiner Untersuchung de registro
emendando wollte er sogar die Mönche von Banzi als die Schreiber des
Registers bezeichnen: . . . a pluribus, ut primo obtutu patet, exaratus est
[Vaticanus] librariis, Bantinis nisi faüor monachis, qui neque eadem arte
neque pari diligentia scribendi utebantur. Quam ob causam alia satis emen-
data, alia mendosissime scripta sunt, neque ortkographia sibi constat atque
alibi in aliis offendimus vitiis. VeL ipsos librarios nequaquam fugisse vide-
tur, quam saepe in munere lapsi essent, cum permulta in libro, quem
confecerunt, aut expuncta aut suprascripta aut cdia ratione correcta
videamus ...
2 A. a. O. (Arch. Paleogr. Ital.).
Sitznngsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 5. Abh. 3
34
V. Abhandlung: Peitz.
Schrift an . . . . a Auf die Lösung dieser Frage wird es
auch heim Register Gregors VII. zunächst ankommen. Heben
sich also die verschiedenen Stücke in der Handschrift
des Vatikanischen Archivs voneinander ab — und in
welcher Weise? — Einige Beispiele sollen eine konkrete An
schauung vermitteln. Zum voraus sei bemerkt, daß nur jene
Beispiele hier zur Sprache kommen sollen, die wohl jedem,
der das Register aufmerksam prüft, sofort klar werden müssen.
Zunächst ist festzust'ellen, daß auch die genaueste Unter
suchung für den Übergang von Lage zu Lage keinen Unter
schied der Schrift in irgendeiner Richtung zu erkennen gibt.
Und doch wäre bei Kopistenarbeit, wenn sie von mehreren
Schreibern ausgeführt wurde, hier leicht ein solcher zu er
warten. Wie vielmehr vorkommenden Falles die auf der voraus
gehenden Lage begonnenen Briefe auf der nachfolgenden ohne
jede Unterbrechung sich fortsetzen, so läuft in ihnen jedesmal
auch die Schrift völlig gleichmäßig voran. Es fällt z. B. der
Beginn des zweiten Quaterns mit fol. 9 a mitten in J I 13
(J 25 5 ), der des dritten auf fol. 17 a mitten in I 23 (J 40 n ),
der Anfang der neuen Lage auf fol. 58 a mitten in die Adresse
von II 11 (J 126 4 ) usf. Anderseits beginnt Buch III mitten
in einer Lage, ja mitten auf einer Seite, fol. 94 a , und zu
Buch IV steht der Buchtitel unten auf fol. 112 a , während der
erste Brief auf fol. 112'’, Zeile 1 einsetzt. Eine Verteilung der
Arbeit unter mehrere Schreiber nach Lagen oder Büchern hat
also nicht stattgefunden, wie sie auch schon durch den oben
erörterten einheitlichen Schriftbefund ausgeschlossen ist.
Die Eigenart ferner, mit der in kurzer Folge und ganz un
regelmäßigem Wechsel, jeweils mit Anfang eines neuen Briefes
Zug und Tinte wechseln, schließt auch die Annahme aus, daß
es sich um das Werk eines einzelnen nach fertiger Vorlage
1 So E. v. Ottenthal in seinen Studien über die Bullenregister Martin V.
und Eugen IV. (MIöG Erg. I 1885) 535. Seine Untersuchung, aus-
gefülirt und geschrieben zu einer Zeit, da die Registerforschung erst
begann, hat die verschiedenen Probleme klar geschieden und mit halt
barer Gründlichkeit ihrer Lösung methodisch näher gebracht. Unter
den vielen Forschungen zum Registerwesen der Päpste, namentlich
unter den älteren, nimmt sie mit ihrer ruhigen Sachlichkeit eine Vor
zugsstellung ein.
Das Originalregister Gregors VII. — I, "2 a.
35
arbeitenden Kopisten handelt. Eine genauere Darlegung muß
dieser Behauptung ihre Stütze geben.
Auf den ersten Blick erkennt man, daß mit Brief I 11
mitten auf fol. 7 a (Z. 9) ein neuer Ansatz beginnt. Die Hand
bleibt die gleiche, aber die Schrift wird kleiner und enger, die
Tinte vom ersten Wort der Adresse an um ein merkliches
dunkler, so daß der Unterschied sich unmittelbar aufdrängt.
Obwohl die Zeilen durchwegs kürzer sind und nicht soweit bis
auf den Band hinaus beschrieben wurden, zählen sie doch im
Durchschnitt wenigstens 3 Buchstaben mehr als jene in I 10. —
Wiederum hat 114 auf fol. 9 a (Z. 18) einen neuen Ansatz mit
verschiedener Tinte, deren Unterschied gegen die im vorher
gehenden Briefe verwandte sich wiederum gleich vom ersten
Worte der Adresse an kenntlich macht. Ihm schließt sich
fol. 9 b Z. 6 Brief I 15 mit anderem Duktus an. — Sodann
weist I 28 auf fol. 16 b (Z. 7) einen unmittelbar in die Augen
fallenden Unterschied der Schrift auf: sie wird enger und
dünner, die Schäfte sind schlanker und feiner, dazu wird vom
ersten Anfänge des Briefes an die Tinte beträchtlich dunkler,
als sie in I 22 war, und bleibt bis zum letzten Punkte der Da
tierung unverändert. — I 24 bietet auf fol. 17 a (Z. 17) einen
weiteren Neuansatz: zugleich nimmt die Tinte einen etwas
dunkleren Ton an, wenn auch der Unterschied auf dem grauen
Pergament weniger auffällig wird. — Ebenso setzt I 27 auf
fol. 18 b (Z. 5) mit geändertem Duktus ein. — I 31, fol. 20 b
(Z. 4 v. u.) hat wieder, wie es scheint, einen anderen Zug, als
er in I 30 herrschte; auch ist die Schreibung und Kürzung im
Datum eine ganz verschiedene. — Fol. 22 b (Z. 17) hat Brief I 35
plötzlich ganz helle blasse Tinte. — Von 35 bis 37 macht es
den Eindruck, als ob diese Briefe ohne Unterbrechung ge
schrieben seien; mit I 38, fol. 24 a (Z. 22) aber treffen wir neuen
Duktus; von da bis 140 ist keine Änderung festzustellen. Von
37 bis 39 weisen die Briefnummern — diese Briefe haben ja
gleichzeitige Zählung — eine Korrektur auf: der erste Zehner
war vergessen worden und man hatte z. B. statt XXXVIII ge
schrieben XXVIII. Nun wurde zu diesen Briefen das X nach
träglich vorgesetzt mit dem gleichen, von dem der falschen
Zählung verschiedenen Kot, mit dem zu I 40 die richtige
Zahl XL von vornherein in einem Zuge geschrieben wurde. —
3*
36
V. Abhandlung: Peitz.
Neuansatz hat auch Brief I 41, fol. 26“ (Z. 1). Läßt sich nicht
mit Sicherheit behaupten, daß die Tinte eine andere sei als im
vorausgehenden Briefe 40, da I 41 mit Beginn einer neuen
Seite anfängt, und der Unterschied des Pergaments den sub
jektiven Eindruck zu leicht zu bestimmen vermag, so zeigt
doch der ganze Charakter der Schrift mit den verhältnismäßig
starken Mittellängen, daß der Schreiber den Brief unmöglich in
einem Zuge mit dem vorausgehenden niedergeschrieben haben
kann. Damit erklärt es sich auch, warum gerade bei diesem
Briefe die Zählung der Capitula in Unordnung geriet. Der
Rubrikator, der, wie oben erwähnt, mit dem Schreiber identisch
war, vergaß das kurze Stück zu zählen, das mitten auf der
Seite schließt. Als I 42 später eingetragen wurde, erhielt dieses
Stück die von Rechts wegen seinem Vorgänger zukommende
Nummer 41; erst eine späte Hand hat das Versehen gut ge
macht und schwarz XLI am Rande hinzugesetzt sowie die
fehlerhafte Zählung der folgenden Briefe mit schwarzer Tinte
verbessert. Dazu stimmt, daß auch der Ortsname Rome in der
Datierung von I 41 ein ganz anderes Ti aufweist, als es sich
sonst sowohl in den vorausgehenden als in den nachfolgenden
Stücken findet. — Brief 42 hat eine dunklere Tinte als der
ganz auf der nämlichen Seite stehende Brief 41 und ebenso
zeigt die Schrift, ganz scharf abgrenzend, von seinem Anfänge
an einen anderen Duktus. — In einer langen Reihe der nun
folgenden Stücke sind die zu Tage tretenden Unterschiede der
genannten Art — Tinte und Duktus — nicht so erheblich,
daß sich auf sie hin irgendwo mit Bestimmtheit ein Neuansatz
könnte behaupten lassen. Daß sie aber nicht gerade in einem
Zuge geschrieben wurden, scheint durch den ganz merkwür
digen Wechsel in den Kürzungen der Datierungsformeln nahe
gelegt. I 42, fol. 26 b kürzt hat fei. Inet] I 43, fol. 27“ ld.fi. Inet
und ebenso haben I 44 und 45, fol. 27 b und 28\ I 46 hat auf
foh28 b Non fl. Inet] I 47, fol. 30“ kl maR. Inä.; I 48 fol. 30 b
k mR. (I)nd.j wobei in diesem Briefe zugleich die zu minie
renden Buchstaben in der Datumformel (D[ata] und Ifndict.j)
fehlen, obwohl sie in 47, fol. 30“ und in 49, fol. 31“ rot aus
geführt sind. Auch hat I 44, fol. 27“ (Z. 7 v. u.) eine um ein
weniges schwärzere Tinte und in I 48, fol. 30“ (Z. 13) scheint
der Zug der Hand ein etwas anderer als zuvor. I 49 kürzt
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
37
fol. 31” kl mR. In!, während I 50, fol. 31 b non mar. InS,
schreibt. — Daß gerade solche scheinbar geringfügige Differenzen
in stets wiederkehrenden, sozusagen stereotypen Formen und
Formeln sehr genau zu beachten sind und welchen Wert solche
Beobachtungen gewinnen können, hat Breßlau sehr gut dar
getan und mit Nachdruck betont. 1 — Einen anderen Duktus
als die ihm vorangehenden Stücke hat dann wieder der Brief
I 51, fol. 31 b (Z. 14). Späterhin beginnt I 58 ebenfalls (fol. 34”
Z. 14) mit Neuansatz; hier weist überdies der Text von Anfang
an eine blässere Tinte auf. — Bis I 70, fol. 39 b , Z. 24 zeigt
sich sodann die größte Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit.
I 70 und I 71 aber haben einen anderen Typus: dunklere
Tinte, verschiedenen Duktus, unregelmäßigere und unebenere
Schrift. — Danach ergeben die Schriftmerkmale mit Bestimmt
heit einen Neuansatz des Schreibers für I 72, wie solcher
ebenso für I 74, fol. 41”, Z. 5 v. u. und I 77, fol. 42 b , Z. 8 v. u.
mit Sicherheit und ohne eingehendere Untersuchung sofort zu
erkennen ist. — Für I 76 dagegen läßt sich kein sicherer
Entscheid treffen, obschon auch dieses Stück wegen der anderen
Haltung der Schrift mit Neuansatz zu beginnen scheint. —
Den nächsten unzweifelhaften und auf den ersten Blick in die
Augen fallenden Neuansatz bietet danach I 81, fol. 45”, Z. 9
v. u., dessen Tinte dunkler, dessen Schrift enger und kleiner,
dessen Duktus fester und gleichmäßiger ist als in den Briefen
vorher. — Schon das nächste Stück I 82, fol. 46”, Z. 3 fängt
aufs neue mit einer beträchtlich schwärzeren Tinte an. — Auf
fol. 47”, Z. 15 hat dann I 84 eine derbe grobe Schrift, die
merklich von der eleganteren in I 83 sich abhebt; auch die
Tinte hat einen anderen Ton. Beide Stücke, 83 und 84 können
unmöglich in einem Zuge von einer Hand geschrieben sein.
Bis zum Schlüsse des ersten Buches ist von da ab kein sicherer
und unzweifelhafter Unterschied mehr nachzuweisen.
Um eine andere, und zwar eine der frappantesten Folgen
von Neuansätzen daran anzuknüpfen, sei zuerst auf eine Gruppe
des vierten Buches hingewiesen. Hatte IV 8 eine ziemlich
kräftige Tinte, so beginnt IY r 9 auf fol. 120”, Z. 8 mit einer
ganz anderen, blässeren. Die Schrift wird etwas kleiner und
1 Breßlau, Urkundentehre 916—18.
38
V. Abhandlung: Peitz.
schlanker, die Haarstriche sind zarter, einzelne Buchstaben —
wie z. B. das große A und das geschwänzte e — bevorzugen
hier Formen, die von denen in IV 8 verschieden sind; die
Rubrizierung der Anfangsbuchstaben D und / in der Datierung
ist vergessen. — Noch heller wird die Tinte auf fol. 120 b , Z. 12
mit dem Anfänge von IV 10 (vgl. Taf. I); zugleich ändert sich
mit der ersten Zeile dieses Briefes der Duktus; die Schrift
selbst wird plötzlich größer und breiter, die Schäfte sind dicker.
Ganz gleich wie IV 10 läuft IV ll. 1 — Brief IV 12 auf
fol. 121 b , Z. 6 (vgl. Taf. IV, Nr. 5) beginnt mit einer fast röt
lichen, von der in 10 und 14 gebrauchten deutlich und scharf
verschiedenen Tinte; die Schrift wird klein, eng und fein und
von großer Regelmäßigkeit. Auf den ersten Blick scheint es,
als sei ein anderer Schreiber hier tätig gewesen; doch ergibt
sich bei genauer Prüfung, daß der Wechsel der Hand nur ein
scheinbarer ist: Bildung der einzelnen Buchstaben und Kür
zungen sind die des ersten Schreibers. Nur die größere Enge
der Schrift, eine etwas zartere Feder und regelmäßigere Führung
der Linien veränderten das Bild. Zählt man die Buchstaben
der einzelnen Zeilen, jede selbständige Interpunktion und jedes
selbständig zwischen den Mittellängen stehende Kürzungszeichen
als einem Buchstaben gleichwertig rechnend, so ergibt sich für
IV 10 und 11 ein Durchschnitt von 41 Buchstaben, während
in 12 nicht weniger als 46—47 Buchstaben den durchschnitt
lichen Inhalt der Zeile bilden. Völlig gleich ist IV 12\ — In
IV 13 auf fol. 122 b , Z. 17 wird die Tinte ein wenig fester,
behält jedoch die rötliche Färbung bei; die Schrift aber wird
noch beträchtlich kleiner und gedrängter, so daß hier wenigstens
57 Buchstaben im Durchschnitt auf die Zeile entfallen. — Gleich
der nächste Brief IV 14, fol. 123 a , Z. 13 hat jedoch aufs neue die
breiteren und gröberen Formen etwa wie IV 10 und 11 mit bei
läufig 48 Buchstaben in den einzelnen Zeilen; die Tinte hat hier
im Unterschied von den vorhergehenden Einträgen ein blasses
Schwarz. — Wenn sich in den folgenden Briefen IV 15—17
auch ein gewisser Unterschied der Tinte und des Duktus der
Schrift geltend zu machen scheint, so ist er doch nicht so
Von fol. 120 b mit dem Schlüsse von IV 9 und dem ganzen IV 10 gibt
Taf. I ein Faksimile.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
39
ausgesprochen, claß man ihn bestimmt behaupten dürfte. Sicher
aber hat IV 18 in der ersten Zeile von fol. 125 b einen neuen
Schriftansatz, der bis zum Schlüsse von IV 19 auf fol. 126“,
Z. 13 nicht wieder unterbrochen wird. — Hier auf fol. 126 a
setzt aber gleich mit Anfang von IV 20 eine tiefschwarze Tinte
ein, ohne daß sich indes eine andere Hand für dieses Stück
nachweisen ließe. Die Schrift wird etwas größer und kräf
tiger. — Den Eindruck einer neuen Hand macht dann wieder
IV 21 auf fol. 127 b , Z. 12 v. u. Die Schrift wird etwas kleiner,
gleichmäßiger, sozusagen kalligraphischer. Die einzelnen Buch
staben treten regelmäßiger aneinander, die Worte dagegen
werden, abgesehen von den Präpositionen, schärfer getrennt.
Die s und / haben öfters stark verlängerte Oberschäfte, häufiger
als in den vorausgehenden Stücken; a ist durchgängig steiler
gestellt; / geht öfter als sonst unter die Zeile hinab. Wegen
der schäi’feren Worttrennung und der freieren Stellung der
einzelnen Wortbilder hat die Zeile trotz der kleineren Schrift
im Durchschnitt drei Buchstaben weniger als in Brief 20. Aber
auch hier ergibt genauerer Vergleich, daß es die gleiche Hand
geblieben ist. — Danach hat sicher IV 28, fol. 129 b , Z. 17 wieder
einen neuen, scharf geschiedenen Ansatz: die Tinte, vorher
schwarz, wird blaß, die Schrift feiner, dünner und kleiner.
— Und so geht es fort.
Daß bei eingehenderer Untersuchung sich auch weitere
Unterschiede geltend machen, wo sie sich auf den ersten Blick
nicht aufdrä'ngen, möge das folgende Beispiel dartun. Bei IV 25,
fol. 131 a ist zunächst ein Neuansatz nicht mit Sicherheit zu
erkennen. Wohl scheint die Tinte etwas flüssiger, die Schrift
ein wenig gleichmäßiger und sorgfältiger als z. B. in der
zweiten Hälfte von Brief 24, die doch auf der gleichen Seite
steht. Einige Buchstaben sind zudem meist etwas anders ge
bildet, r und s hier fast regelmäßig ein wenig unter die Zeile
herabgezogen. Eine Zählung der Buchstaben ergibt ebenfalls
für diesen Brief eine ganz überraschende Gleichmäßigkeit der
Zeilen und des Zeilengehaltes, die von dem starken Wechsel
der vorhergehenden beiden Briefe stark absticht. Die gleichen
Beobachtungen gelten für die zwei folgenden Stücke, die mit
25 vollständig harmonieren. Nun zeigt aber eine weitere Nach
prüfung überdies, daß gerade diesen drei Briefen eine neue
40
V. Abhandlung: Peitz.
auffallende Merkwürdigkeit gemeinsam eignet. Der Anfangs
buchstabe des ersten Satzes ist in ihnen nicht, wie sonst üblich,
wie es auch in IV 23 und 24 und nachher in IV 28 geschehen
ist, rubriziert, sondern er ist schwarz in die für den Rubri
kator vorgesehene Lücke nachgetragen. — IV 28, auf fol. 133“,
Z. 5 beginnend, zeigt auch sonstige Merkmale eines Neuansatzes.
Die Schrift ist gedrängter und zumal im Anfänge viel enger.
Der Brief schließt auf fol. 135\ Nun tragen fol. 132 l) und 133“
in Rubro den Kolumnentitel lib / 7117; auf fol. 133 11 /134“
dagegen ist der Kolumnentitel nicht rubriziert, sondern mit ganz
anderer Form der Kürzung ist schwarz geschrieben worden
lib/mj; auf fol. 134 b erscheint er wiederum schwarz, jetzt als
lib 77779, während fol. 135“ mit lib V, gleichfalls schwarz, be
zeichnet ist.
Als weiteres Beispiel einer ganzen Folge von Neuansätzen,
die von Brief zu Brief sich einstellen und beim ersten flüch
tigen Blick in die Erscheinung treten, ja sich förmlich auf
drängen, seien die Briefe des siebenten Buches angeführt.
VII1 beginnt auf fol. 172 b mit einer vom letzten Briefe des
sechsten Buches völlig abweichenden Schrift in verschiedener
Tinte und mit anderem Duktus. — Brief VII 2, fol. 173",
Z. 14 hat aufs neue etwas dunkleren Ton und zeigt einen
anderen Zug der Hand; fol. 173 b tritt in ihm ein leichter
Wechsel ein bei den Worten Stephanus papa: Clericus qui
(J 382 G ), als ob der Schreiber eine neue, etwas spitzere Feder
genommen hätte; im übrigen fließt die Schrift völlig gleich
mäßig bis zum Schlüsse von VII 3, fol. 174“ unten voran. —
Der nächste Brief VII 4, fol. 174 b hat eine dicke breite Schrift,
die sich um Zeilen gar nicht zu bekümmern scheint und den
Eindruck großer Hast hervorruft. — Mitten auf der nämlichen
Seite beginnt in Zeile 20, Brief VII 5 mit einer ganz regel
mäßigen Schrift, die sich genau an die Zeilen hält. Im Ver
laufe des Stückes, das fol. 175“ in der Mitte schließt, wird
die Schrift in ganz allmählichem Übergange etwas größer und
breiter, während sie im Anfänge schmaler und kleiner war. —•
Der folgende Brief VII 6, von fol. 175“, Z. 18 bis 176“ zum
Schlüsse reichend, hat wiederum sicheren Neuansatz, der un
mittelbar in die Augen springt; das Datum ist wohl von anderer
Hand nachgetragen. —- Neuer Ansatz tritt auch auf fol. 176 b ,
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
41
Z. 1 bei YII 7 ein; von dort bis zum Schlüsse von YII 9 auf
fol. 177 b in der Mitte läßt jedoch eine oberflächliche Prüfung
keinen deutlichen Unterschied erkennen. Dagegen beginnt VII10
der Schreiber offensichtlich nach einer Unterbrechung seiner
Tätigkeit mit anderem Duktus und etwas blässerer Tinte. Von
da bis VII 12 einschließlich in der Mitte von fol. 180 a scheint
für den ersten Anblick die Schrift durchaus gleichmäßig. —•
Brief VII13 aber auf fol. 180“ hat weniger große und massige
Züge, die Oberlängen sind dünner, die ganze Schrift wird
etwas enger und ein wenig kleiner. — Noch kleiner und
schmaler beginnt dann auf fol. 180 1) , Z. 22 Brief VII 14. Von
ihm aus läßt sich ein Unterschied bis zum Schlüsse des Synodal
protokolls, d. h. bis fol. 184“ unten zunächst nicht wahrnehmen.
— Bei VII15 jedoch, das mit den letzten drei Zeilen dieser
Seite, fol. 184“, anfängt, bekommt die Tinte auf einmal einen
etwas blässeren Ton, der Duktus ist ein anderer. Die Schäfte
von d, l, h sind weniger lang; das r wird mehrfach mit weit
abstehendem Arm nach Art der Kuriale gemacht; die Schrift
ist regelmäßig und mehr gerade, schiefes d außer in dem drei
maligen Dolensis nur bei der Kürzung für quod einmal ver
wendet. Aber die Hand ist dieselbe geblieben. — In VII 16,
fol. 184 b , Z. 3 v. u. wird dann die Schrift sehr flüchtig und
unregelmäßig. Die Buchstaben drängen einander förmlich. Die
Schäfte der Oberlängen sind unten auf der Zeile gar nicht
umgebogen oder nur mit kurzem, eckigem Abstrich nach rechts
versehen; r geht sehr tief unter die Mittellinie hinab; h in der
Kürzung hu (= Hubertus) hat keinen Bogen, sondern der
Bauch ist nach Art der kurialen ri-Verbindungen eckig an
gesetzt und stark geschweift; die Oberlängen erhalten einen
langgestreckten Kopf mit weit vorgebogenem, ziemlich dünnem
Hals. Die Schrift macht den Eindruck des Unebenen, Unru
higen — man sieht die flüchtige Hast, mit der der Brief ein
geschrieben wurde. — Fol. 185 b , Z. 4 (vgl. Taf. II) beginnt
dann jener Brief VII 17, von dem bereits die Bede war. Die
An- und Abstriche sind zu förmlichen Häkchen geworden,
die ganze Schrift ist steif und eckig und gekünstelt. So sehr
es auch den Anschein haben mag, als sei sie von anderer
Hand: mir scheint es keineswegs ausgemacht, im Gegenteil,
ich neige dazu, hier den gleichen Schreiber anzunehmen. Neu-
42
V. Abhandlung: Peitz.
ansatz aber muß man wohl auch hier annehmen, zumal der
Brief mit blässerer Tinte geschrieben ist. 1 — Auf der gleichen
Seite beginnt in Z. 23 weiterer Neuansatz in VII 18.
Auffallend ist bei diesem steten Wechsel auch der ganz
entsprechend mehrfach wechselnde Gebrauch in der Art und
Weise, wie Kolumnentitel, Papstname und Datierung behandelt
sind. Von fol. 169 b (VI 35) an unterblieb die Rubrizierung des
Kolumnentitels; dafür wurde mit schwarzer Tinte auf fol. 169 b /
170 a übergeschrieben: liijvjQ. Pol. 170 b /171 a , fol. 171 b /172 a
und fol. 172 b /173 a zeigen die gleiche Form. — Fol. 173 b /174 a
jedoch, auf denen sich VII 2 und 3 befinden, steht ganz anders:
• über ■ I ■ vij9. und diese Form hält sich bis fol. 176 a . Sie zeigt
überall gleichmäßig tiefschwarze, von der in diesen Briefen
verwendeten abweichende Tinte. — Fol. 176 b , in dessen erster
Zeile der Neuansatz von VII 7 beginnt, hat die Überschrift
•UVr • mit vij9 auf fol. 177 a und ebenso steht auf fol. 177 b /
178 a , wo VII 10 sich findet. — Mit fol. 178 b /179 a aber tritt
diese Kürzung wieder mit dem voll ausgeschriebenen liberjvip
in Wechsel. — Auf fol. 179 b verwendet der Schreiber aufs
neue wie früher bis fol. 169 b sein kräftiges Rot zur Hervor
hebung des Kolumnentitels.
In ähnlicher Weise ist von VI 37 fol. 170 b an der Papst
name Gregorius in der Adresse und schon von VI 35 her, das
fol. 169 a beginnt und 170 a schließt — also eben von jenen
Seiten an, die schwarze Kolumnentitel tragen — die Initiale
von Data und Indictione nicht mehr rubriziert worden. — Im
Folgenden ist nun die Behandlung des Papstnamens der Inti-
tulatio gar nicht gleichmäßig. In VII 1—5 hatte der Schreiber
ein großes Spatium gelassen: die schwarzen Zierbuchstaben,
mit denen er nachträglich den Namen eingeschrieben hat, füllen
nicht den ganzen Raum. — Bei VII 6 war der Platz zu knapp
bemessen und nur mit Mühe wurde nachher das Gregorius
hineingezwängt. — ln VII 7 ist — ganz außergewöhnlich —
neben dem Papstnamen auch das Eps späterer Eintrag und in
Kapitale ausgeführt, in VII 8 dagegen ist — ebenso außer
gewöhnlich — episcopus mit kleinem Anfangsbuchstaben. — In
1 Auf dem Faksimile Taf. II läßt sich auch der Wechsel der Tinte deut
lich erkennen.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
48
VII 12 endlich versuchte der Schreiber den zu großen Kaum,
den er für den Papstnamen gelassen hatte, durch Dehnung des
Mittelbalkens im Schluß-/S auszufüllen. — Fol. 180 a beginnt
wieder die regelrechte Tätigkeit des Rubrizierens, wie 179 b /
180 a auch roten Kolumnentitel haben.
Auf einige andere Gruppen von Neuansätzen sei nur in
Kürze hingewiesen. II 50 fol. 76 a , Z. 3 v. u. hat kleine und
feine Schrift gegenüber der breiten und massigen von II 49. —
Fol. 77 b , Z. 16 nimmt die Tinte mit II 52 einen dunkleren Ton
an, als sie zuvor hatte. — Den nächsten sicheren Neuansatz
konnte ich dann erst bei dem Dictatus papae fol. SO* 1 , Z. I =
II 55 a (vgl. Taf. IV, Nr. 3) beobachten, von wo bis zum Schlüsse
von II 58 fol. 82 a kein sicherer Unterschied mehr zutage tritt.
— In der viertletzten Zeile von fol. 82 a beginnt II 59 mit
dunklerem Ton und noch dunkler wird die Tinte am Anfänge
von II 61 fol. 83 a , Z. 19. Aber auch II 60, fol. 82 1 ’, Z. 4 v. u.
dürfte mit neuem Ansätze geschrieben sein; es hat breitere
Formen und die Buchstaben neigen etwas nach rechts. — Erst
bei II 77 fol. 93 b ist nach einer Unterbrechung neu eingesetzt;
dazu stimmt, daß fol. 93ü94 a der Kolumnentitel völlig fehlt —
eine ganz seltene Erscheinung, auch wo, wie hier, der Übergang
zu einem neuen Buche stattfindet, und daß wohl der Papst
name grob und breit rubriziert ist, der Anfangsbuchstabe des
ersten Satzes aber M schwarz mit anderer Tinte nachgetragen
wurde und die Initialen von Data und Indictione überhaupt
fehlen. 1
Ein ganz überraschend regelmäßiges und gleichförmiges
Schriftbild bietet das achte Buch. Bei VII 28, fol. 191 a , Z. 3
1 Die reichen Faksimilebeigaben erlauben eine selbständige Erweiterung
des Beweises. Auf fol. 138“ (Taf. IV, Nr. 6) ist der Wechsel des An
satzes beim Übergang von J V 6 zu 7 (1077 Sept. 17 zu Sept. 30)
nicht zu verkennen. Ein Vergleich dieses Ausschnittes mit dem von
fol. 135“ (Taf. IV, Nr. 7), dem Beginn des fünften Buches zeigt, daß
auch V 6 nicht mit V 1 in einem Zuge geschrieben wurde. Fol. 138 b
(Taf. V, Nr. 1) mit dem Übergang von J V 7 zu 8 (1077 Sept. 30 zu
Okt. 6) macht dem Neuansatz ebenso deutlich, der erst recht grell zu
tage tritt auf fol. 155 b (Taf. V, Nr. 4) mit dem Übergang von J VI 8
zu 9 (beide von 1078 November 25 datiert). Ein Vergleich von Taf. I
(fol. 120 b ) und Taf. IV, Nr. 5 (fol. 121 b ) mit Taf. IV 3 (fol. 80 b ) zeigt
auch zwischen diesen Stücken wieder den Unterschied.
44
V. Abhandlung: Peitz.
v. u. hat es den Anschein, als ob eine neue Hand einsetze, die
eine feine gleichmäßige Schrift schreibt. Und in der Tat scheinen
die Formen der Buchstaben durchgängig und beträchtlich von
denen des ersten Schreibers verschieden. Statt der breiten
vollen Rundungen trifft man hier allenthalben gleichmäßig
schmale scharfe Biegungen. Die Oberlängen beginnen sehr
häufig mit einem breit nach rechts und links übergreifenden
Anstrich; /, r und s sind fast regelmäßig und stark unter die
Zeile verlängert; g hat kleineren Kopf, großen Bauch, die
Kürzungsstriche sind nicht so schön geschwungen wie in den
Briefen der ersten Hand. Als kleineres Trennungszeichen dient
ein Punkt mit einem kleinen, flüchtig nach oben gezogenen
geraden Strich. Das große J wird fast stets nur bis auf die
Zeile herabgezogen, entbehrt des geschwungenen Ansatzes und
der nach links fein ausgezogenen Spitze; x ist in beiden Schen
keln unter die Zeile verlängert, ist schmal und spitz; der
Schaft des querliegenden d hat fast immer Oberlänge und ist
nach oben ausgebogen. Bei k setzt ein in 2 Strichen gebildeter
Bogen gleich einem c mit feinem Verbindungtstriche an den
Schaft an, während der erste Schreiber vom Schafte aus einen
kräftigen geschweiften Schenkel auszog und auf diesen einen
nach oben gerichteten, am Ende mit Abstrich versehenen
zweiten Schenkel aufsetzte; ct sind verbunden, aber der ver
bindende Bogen ist ganz dünn und setzt an c mit scharfem
Winkel an. Auch die Kürzungen sind verschieden. Der erste
Schreiber gebrauchte äußerst selten das tironische Zeichen für
et, hier ist es fast das gewöhnliche; que wird hier durch einen
von oben nach unten gezogenen, kleinen Bogen am q gekürzt
oder ein Doppelpunkt wird nach q über die Zeile gestellt,
während der erste Schreiber fast ausnahmslos mit geschwun
genem Anstrich einen kleinen schrägen Strich von der oberen
Zeile der Mittellängen gegen den Schaft des q zur unteren
Mittelzeile zog und den Doppelpunkt, soweit ich beobachtete,
nie verwendete usf. In VIII 14, fol. 201 1 wird diese Schrift
fast hakenförmig.
Ist also von J VII 28 an eine neue Hand anzunehmen?
Nach dem, was früher bereits über die Verschiedenheit der von
einer und derselben Hand nachweislich geschriebenen Register-
briefe ausgeführt wurde, dürfte es wohl möglich sein, auch
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
45
hier den gleichen Schreiber anzunehmen, und in der Tat glaube
ich, daß auch diese Stücke seiner Hand angehören. Denn
einmal finden sich in den früheren Büchern einzelne Briefe,
die ganz ähnlich geschrieben sind und doch ihm ohne jeden
Zweifel zugewiesen werden müssen, anderseits sind die eben
gekennzeichneten Formen hier keineswegs so regelmäßig und
konstant angewendet, daß sich nicht zwischen ihnen auch die
aus früheren Einträgen bekannten Formen des x, des /, J, k
usf. fänden. Die Schrift von VIII 14 entspricht weiterhin
durchaus der für VI 13 ff. oben gekennzeichneten. Auch in
den Kürzungen bleibt sich der Schreiber des achten Buches
nicht konstant. Neben q: für que kehrt die früher erwähnte
ganz charakteristisch ausgeführte (vgl. Taf. V, Nr. 1, Z. 4, 5)
wenigstens mit der gleichen Häufigkeit wieder.
Trotz der weit größeren Sorgfalt, die hier durchwegs
auf die Schrift verwendet erscheint, läßt sich nun auch im
achten Buche an verschiedenen Stellen ein Neuansatz ohne
sonderliche Mühe nachweisen.
Brief VIII 1, der mitten auf fol. 193 b schließt und dort
noch 12 Zeilen freiläßt, wird in den Akteneinschüben VIII1 “/ c
auf fol. 194“ ,b von einer ganz blassen Tinte abgelöst. — In
VIII 2, fol. 194 b , Z. 18 wird die Tinte wieder schwärzer, der
Zug ein etwas anderer, ohne daß sich die Unterschiede gerade
in Worte fassen ließen. — Ebenso sicher hat VIII 3, fol. 195 b ,
Z. 1 mit seiner blassen Tinte und engeren Schrift Neuansatz,
der bis VIII 4, fol. 196 a , Z. 26 einschließlich weiter läuft. —
Brief VIII 5, fol. 196“, Z. 26 hat aufs neue dunklere Tinte, die
auch in VIII 6 erscheint. — In VIII 14, fol. 201 b , Z. 21 nimmt
die Schrift einen geradezu hakenförmigen Charakter an, die Tinte
wird schwärzer. Es ist auf den ersten Blick klar, daß hier
der Schreiber nach einer Unterbrechung neu angesetzt hat. —
Bei VIII 16, fol. 202 b , Z. 19 beginnt die Schrift wieder gleich
mäßigere Rundungen anzunehmen; die Verschiedenheit des
ganzen Duktus macht hier einen Neuansatz sehr wahrschein
lich. Von dort an läßt sich bis zu dem Ersatzblatte 205 kein
Unterschied mehr feststellen. VIII 21 aber, dessen Anfang
noch auf dem Verso jenes nachträglich neugeschriebenen und er
gänzten fol. 205 steht, hat wieder die breite runde Schrift, die
in den früheren Büchern sich gleichfalls findet, und zeugt mit
46
V. Abhandlung: Peitz.
seinen unregelmäßigen Formen von größerer Hast. — In
VIII 22, fol. 211% Z. 6 hat die Tinte einen bräunlichen Ton,
der jedoch in VIII 23, fol. 211% Z. 7 wieder von schwarzer
Tinte, mit der die enge, kleine Schrift hier ausgeführt ist, ab
gelöst wird.
Zu diesem Befunde innerhalb des achten Buches stehen
einige andere Erscheinungen in unverkennbarer Parallele. Zu
nächst ändern die Adreßrubra in ganz entsprechender Weise;
ja sie deuten in der verschiedenen Art der Ausführung, bald
in einfacher Buchminuskel, bald in mehr oder minder lang
gezogenen Zierbuchstaben, auf einen noch etwas häufigeren
Wechsel des Ansatzes hin. Der Kolumnentitel sodann war
fol. 191 b /192“ ganz klein schwarz: Lib/vnj. Fol. 192 b /193 a und
193 b /194% auf denen Brief VIII 1 steht, lautet er: Über /-vnj9.
und ebenso auf fol. 194 b /195“, die VIII l a —l c , die normanni
schen Akten, und VIII 2 enthalten, doch ist er hier von viel
blässerer Färbung. Fol. 195 b / 196 a haben Ui vnjv und das
selbe steht fol. 196 b /197\ Fol. 197 b /198 a — Schluß von VIII 6
bis Mitte von VIII 8 — heißt es • liVr •/• vujv •; fol. 198 b /199 a
—Schluß von VIII 8 bis Mitte von VIII 10 — . Uber ■ / • vnj 9 •
und fol. 199 b /200 a — Schluß von VIII 10 bis Anfang von
VIII 12 — wieder lib'r ■ / vnjQ. Fol. 200 b /201 a mit fast dem
ganzen Briefe VIII 12 und dem Anfänge von VIII 13 — haben
aufs neue - liier ■ / vuj 9, während fol. 201 b / 202“, wo nach
VIII 13 mit sicherem Neuansatz VIII 14 beginnt, wieder mit
• liVr ■ I. viij 9 • bezeichnet sind. Diese Form bleibt bis fol.
203 b /204 a mit VIII 18 und dem Anfänge von VIII 19. Auf
fol. 204 b /205 a beginnt dann wieder die Form lib / vnjv (mit
ganz leichten Unterschieden auf fol. 205 und auf 206“) und
bleibt bis zum Schlüsse des Buches fol. 211 b — wo beide Teile
auf der einen letzten Seite vereinigt sind, aber nicht ursprüng
lich scheinen.
Einen ähnlichen höchst lehrreichen Wechsel in der Rubri
zierung des Papstnamens, der Briefinitiale und des Anfangs
buchstabens von Datum illustriert die folgende tabellarische
Übersicht, in der die rot geschriebenen Teile in ( ) gesetzt sind.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
47
Brief-
Nummer
VII 28
VIII 1
u
1»
1°
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
22
23
Papstname
GREGORIVS.
GREGOR . .
GREGORIVS.
(G)REGORIVS
GRGORIVS (!)
(GREGOR •)
(GREG.) . . .
GREGORIVS.
GREGORIV co
GREGOR.. .
GREGORIVS.
(G)REGOR. .
(G)REGOR. .
(G)REGORIVS
G
(G)
Briefinitiale
(F)
S
E
(E)
(E)
(Q)
(D)
(Q)
(F)
N
(N)
(D)
(Q)
(G)
Q
p
c
N
T
Q
N
(S)
(N)
(S)
Q
v
Datum
[—] ATVM 1
Actum
Actum
Datum
Datum
(D)ata
(D)atum
Datum
Um den vollen Eindruck zu gewinnen, wäre es ja wohl
notwendig, auch die Änderung in den Formen der Buchstaben
zum Ausdruck zu bringen — besonders sei auf das E des
Papstnamens hingewiesen. Indes schon die wiedergegebenen
Eigentümlichkeiten dürften es nahelegen, daß jedenfalls bei
1 Die Initiale D fehlt; sie sollte natürlich rubriziert werden, wurde aber
vergessen.
48
V. Abhandlung: Peitz.
Eintragung dieser Stücke es sich nicht gerade um die mehr
oder minder kontinuierliche Tätigkeit von Kopisten handelt,
selbst wenn man von der durch Tinte und Schriftduktus ge
botenen Verschiedenheit ganz absieht. Man braucht ja nicht
einmal an unmittelbare Gleichzeitigkeit des Eintrages der Namen
und roten und schwarzen Initialen mit der Niederschrift des
Kontextes jedes einzelnen Stückes zu denken. Es konnte recht
gut auch nach einer Gruppe von Eintragungen das freigelassene
Spatium einer größeren oder kleineren Reihe von Briefen zur
abschließenden Behandlung kommen. So hat z. B. auch im
siebenten Buche Brief VII 25 auf fol. 190 a , Z. 7 v. u. sicheren
Neuansatz; die beiden folgenden Stücke unterscheiden sich von
ihm weder in Tinte noch in Duktus irgendwie; VII 28 dagegen hat
auf fol. 191 a , Z. 3 v. u. nach Ausweis aller Merkmale wiederum
sicheren Neuansatz. Und doch ist der Papstname in VII 25,
27 und 28 in ganz gleichförmiger Weise schwarz gezeichnet
als GREGORIVS, während VII 26 in Rubro die Kürzung
GREG trägt — und doch wäre auch hier noch Raum genug
gewesen, um den Namen voll auszuschreiben. Freilich ist dem
gegenüber nicht minder wahr, daß fast jedesmal an den Stellen,
wo eine Verschiedenheit in der Schreibung des Papstnamens usw.
eintritt, dieser Wechsel mit einem ganz unzweifelhaften Neu
ansatz zusammen trifft. Es sei als Beispiel nur auf VII 16,
fol. 184 15 verwiesen, wo nachträglich GREGORIVS eps mit an
derer Tinte hinzugefügt wurde, ohne daß irgend etwas rubri
ziert wäre.
Einen ganz eigenen Charakter bildet dann in seiner äußeren
Erscheinung das sogenannte ,neunte* Buch. Bis zum Schlüsse
von J IX 34 auf fol. 234“ läßt sich an keiner einzigen Stelle
eine Verschiedenheit der aufeinander folgenden Stücke im Sinne
der oben gekennzeichneten Unterschiede in Buch I—VIII gel
tend machen. Die Tinte ist in allen Teilen und Briefen von
genau der gleichen Färbung. Die Schrift zeigt die größte
Gleichförmigkeit und Regelmäßigkeit, ist sauber und
schön, obgleich sie auch hier der nämlichen Hand angehören
dürfte, die die ersten Bücher schrieb. Die 29 Zeilen jeder Seite
sind auf das genaueste eingehalten, das Zeilenende ist mit fast
peinlicher Sorgfalt beobachtet. Auch die Rubra der Adressen
sind gleichförmig und nicht von jener willkürlichen Mannig-
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 a.
49
faltigkeit der Formen wie zuvor. Die einzigen Unterschiede,
die sich finden, betreffen einen Wechsel im Kolumnentitel und
,im Papstnamen der Adresse. Jener hat drei Formen: lib vmj9
auf fol. 213 b —217 a , 223 b — 225», 227 b —229% 230 b —233%
234 a —236% — - liVr ■ I■ vmjQ. auf fol. 217 b — 221% 222 b —223%
226 b —227% 229 b — 230 a ; und • Uber ■ /• vmj .9 auf fol. 221 b —
222% 225 b —226% 233 b —234 a . Der Papstname Gregorius in
der Adresse ist in 12 —17, 22-—26 in Kapitale geschrieben
und ■ zeigt hier mit seinem eigenartigen E und R ganz klar
die gleiche Hand, die in den ersten Büchern des Registers
sich findet; in 1—11, 18 — 21, 27—34 hat er verlängerte
Minuskelschrift, wie sie gleichfalls in den ersten Büchern hie
und da vorkommt; nur das V ist jetzt ein anderes, der Unziale
sich annäherndes geworden.
Brief J IX 35 auf fol. 234“, Z. 6 hat aber entschiedenen
Neuansatz. Die ersten 5 Zeilen sind sehr klein und eng ge
schrieben, dann vergrößert sich die Schrift. Sie ist nicht
mehr so regelmäßig, ist flüchtiger und unschöner. Aber es ist
trotzdem dieselbe Hand, die auch hier zu schreiben fortfährt,
das beweisen die Formen der Buchstaben, die Kürzungen, der
ganze Duktus trotz aller Verschiedenheiten. Der Name Gregors
in der Adresse und der Anfangsbuchstabe des ersten Satzes
sind mit viel schwärzerer Tinte nachträglich in die freige-
lassenen Lücken eingesetzt.
Auf fol. 236 a beginnt in Z. 14 das erste Stück des
letzten Buches, das Synodalprotokoll J VIII 58 (vgl. Taf. III).
Ein Rubrum in der nach J VIII 57 == IX 34 freigelassenen
Zeile bildet den Titel des Buches, der heute lautet: Incipit
Über XI9. Die beiden ersten Worte sind rot, die Zahl ist
schwarz. Allein die schwarze Ziffer steht auf Rasur, und auch
sie selbst scheint von dem, der sie anbrachte, verbessert zu
sein: die Kürzung für -us setzt nach X an, der Strich des
Einers scheint -— mit genau gleicher Tinte und ganz gleich
zeitig — erst hinzugesetzt worden zu sein, nachdem zuerst
das Xs ausgeführt war. Diese eigentümliche Art der Änderung
läßt natürlich die Feststellung der ursprünglichen, rot ein
getragenen Zahl doppelt wichtig und interessant erscheinen.
Denn sie legt die Vermutung nahe, daß die spätere Korrektur
nicht auf Grund einer Vorlage erfolgte, sondern theoretischen
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165 Bd., 5. Abk. 4
50
V. Abhandlung: Peit,z.
Erwägungen ihren Ursprung verdankte. — Jaffe behauptet —
nach den Angaben, die ihm Giesebrecht geliefert hatte — die
ursprüngliche Zahl sei X gewesen (J 516“). Mit Unrecht.,
Ganz deutlich lassen sich die Spuren der ersten roten Zahl
verfolgen. An erster Stelle stand ein X; rechts daneben ist
ganz unzweideutig Kopf und Ansatz eines Einer-Striches wahr
zunehmen; noch etwas weiter nach rechts zeigt sich mehr
gegen unten hin der Rest eines anderen roten Striches, der
nicht zu jenem I gehört haben kann, von dem aber nur mehr
Spuren vorhanden sind. Daß es sich nicht um den Punkt
handelt, der ursprünglich nach der Zahl gesetzt war, ist ganz
sicher: denn weiter nach außen, rechts neben dem jetzigen
XI, sieht man deutlich den ursprünglichen roten Schlußpunkt
der radierten ersten Zahl. Soviel ist also gewiß: es stand auf
keinen Fall liier X dort, wie Jaffe annimmt. Daß die erste
Lesung auch nicht XI lautete, scheint wohl gleichfalls einzu
leuchten. Warum hätte ein XI radiert werden sollen, um von
neuem die gleiche Zahl einzusetzen? Nach dem Schriftbefund
scheint nur eine einzige Erklärung möglich zu sein: die erste
Zahl hieß weder X noch XI, sondern XII. Erst ein viel
sj>äterer Benutzer nahm die Änderung vor, deren Grundlage
rein subjektive theoretische Erwägungen bildeten: Auf das
achte Buch mußte ordnungsmäßig Buch IX folgen, wie dies
der Nachtrag am obersten Rande von fol. 214 a : Ex libvo vmj ...
bereits angenommen hatte. Dann mußte aber folgerichtig das
nächste Buch das zehnte sein — und so verbesserte der Kor
rektor auch wirklich. Dann aber bemerkte er, daß in der
zweiten Zeile des sich anschließenden Protokolls geschrieben
stand Pontificatus . . . domni Gregorii papae ■ VII ■ anno ■ XI •,
wo die am Schlüsse der nicht ganz ausgefüllten Zeile etwas
isoliert stehende klare römische Zahl die Aufmerksamkeit er
regen mußte. Er änderte also seine Korrektur zu XI um. —
Welche Konsequenzen sich aus diesem Tatbestand ergeben,
darüber wird im letzten Teile der Untersuchung eingehender
zu handeln sein. Jedenfalls sind wir wohl berechtigt, ja ge
nötigt — wollen wir anders auf dem Boden der objektiven
Überlieferung bleiben und nach den gesunden Regeln kritischer
Forschung Vorgehen — die drei letzten Stücke des Re
gisters als Bue h XII zu bezeichnen und die Briefe des
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 b.
51
sogenannten neunten Buches, die der Herausgeber als An
hang des achten ansah und behandelte, den Pontifikatsjahren
IX—XI des Papstes zuzuschreiben.
Jedes der drei Stücke dieses zwölften Buches hat un
zweifelhaften , auf den ersten flüchtigen Blick in die Augen
fallenden Neuansatz; der letzte Brief hört fol. 2c57 b in der Mitte
ohne jegliches Schlußzeichen auf, als wäre er abgebrochen,
wie es ja auch Jaffe im Texte angenommen hatte.
b. Würdigung und Wertung der Beobachtungen.
Denifle scheint — wenigstens bezüglich der Register
bände Innozenz III. —• ähnlichen Erscheinungen wie den oben
besprochenen so ziemlich jede weitere Bedeutung aberkennen
zu wollen. Er erwartet von einem Originalkanzleiregister
,einen häufig eintretenden Wechsel der Tinte und Hände 1 . 1
Allerdings spricht er von einer Zeit, in der die päpstliche
Kanzlei, soweit wir wissen, reicher gegliedert war. Aber die
durchaus aphoristisch formulierte und gestellte Forderung
scheint nicht bloß in sich unbegründet, sondern geradezu auf
falschen Annahmen beruhend. Bereits E. v. Ottenthal hatte
den richtigen Weg gewiesen, indem er sagte: ,. . . die im
Vatikanischen Archiv aufbewahrten Registerbände . . .
bilden die konkrete Grundlage, aus der die theoretischen,
leitenden Regeln für die Registerführung zu abstrahieren sind.' 2
Woher wissen wir sodann, daß mehrere Schreiber in der
päpstlichen Kanzlei gleichzeitig und nebeneinander mit der
Führung des nämlichen Registers betraut waren? Denifles Be
rufung auf Kaltenbrunner rettet ihn nicht, denn dessen Unzu
verlässigkeit hat er ja selbst zur Genüge dargetan, und daß
in dieser Einzelfrage Kaltenbrunner ebenso wenig Autorität
war wie in den meisten übrigen, werden wir weiter unten noch
sehen. — War aber einem Registrator die Eintragung der
Briefe in das Register anvertraut, so fällt von selbst die Mög
lichkeit eines Wechsels der Hände — es sei denn etwa in
einem Ausnahmsfall. Auch das hatte Ottenthal bereits ganz
1 A. a. O. (Arth. Lit. Itirchengesch. II) 63.
2 A. a. 0. (MIöG Erg. I) 401.
52
V. Abhandlung: Peitz.
klar und richtig' zum Ausdruck gebracht. 1 Tatsächlich wissen
wir wenigstens für spätere Zeit, daß ein einziger Registrator
für die Führung bestimmter Register zu sorgen hatte. 2 Es ist
nicht sehr wahrscheinlich, daß bei den viel einfacheren und
noch nicht durch das später maßlos um sich greifende, aus
gedehnte Suppliken- und Provisionswesen komplizierten Ver
hältnissen eines früheren Zeitabschnittes einer Mehrzahl von
Reamten die Register führ ung wäre anvertraut gewesen. Der
Fehler Denifles ist, es sei im Interesse der Sache wiederholt
bemerkt, ein prinzipieller und methodischer: aus der Art der
uns vorliegenden Register, soweit wir sie als Originale nach
zuweisen vermögen, haben wir durch möglichst vollständige
Induktion die Verhältnisse der päpstlichen Kanzlei und ihre
Geschäftsgebarung zu erschließen; es ist unstatthaft, diese.
Untersuchungen statt der Synthese einer Analyse unterstellen
zu wollen.
Wenn Denifle weiter darauf hinweist, daß in den päpst
lichen Registerbänden aus der Zeit Innozenz III. und seiner
Nachfolger sogar mitten in Rriefen ein Wechsel der Tinte ,zu
ersichtlich 1 ist, so habe ich aus dem Register Gregors VII.
bereits zwei Fälle angegeben, in denen ein derartiger Wechsel
mitten in einem Briefe sich zeigt. Aber diese beiden verein
zelten Fälle werden das durch den Eefund der Handschrift
1 A. a. 0. 535.
2 F. Ehrle, Historia -Bibliothecae Pomanorum Pontißcum tum Bonifatianae
tum Avenionensis I (Romae 1890) 283 Nr. 26 aus der JRecensio librorum
1369 in palatio Avenionensi asservatorum. Auf die Bedeutung dieser Stelle
hat E. Göller unter Heranziehung anderweitiger Belege aufmerksam
gemacht: Aus der Kanzlei dev Päpste und ihrer Legaten (Quellen und
Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken, herausgegeben
vom k. preuß. Histor. Institut in Rom X 1907) 311—12. Die Notiz be
zieht sich allerdings auf den verantwortlichen ,Registrator*, der nicht
notwendig mit dem Registerschreiber identisch zu sein brauchte, worauf
Herr Prof. v. Ottenthal mich aufmerksam machte. Später gab es natür
lich bei der stets schwellenden Masse von päpstlichen Registerbüchern
— der dreijährige Pontifikat Kalixt’ III. zählt allein gegen 100 Bände;
vgl. J. Stein, Calixte III et la Comete de Halley (Specola Astronomica
Vaticana II Roma 1909) 15 — ein ganzes Korpus der päpstlichen Re
gistratoren. Vgl. M. Tangl, Pie päpstlichen Kanzleiordnungen von 1200
—1500 (Innsbruck 1894) passim. G. C(ugnoni) im Arch. Soc. Rom. IV
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 b.
53
gebotene Bild nicht umzugestalten vermögen. Denn nicht der
Wechsel der Tinte als solcher oder eine Verschieden
heit des Duktus an und für sich allein können ausschlas-
o
gebend wirken: es kommt darauf an, wo dieser Wechsel
eintritt und wie häufig er ist. Findet sich in einer langen
Reihe von aufeinander folgenden Briefen eine sicher nachweis
bare Änderung der Tinte stets gerade zu Anfang des neuen
Stückes, um während des Verlaufes des einzelnen Briefes auch
nicht die geringste Änderung aufzuweisen, — zeigt sich zudem
ein Wechsel von dieser Art im Verlaufe weniger Seiten zu
wiederholten Malen — und läßt sich endlich ein solcher Unter
schied zwischen den einzelnen kleineren oder größeren Num
mern nicht nur in einem engbegrenzten Teile der Handschrift,
sondern an den verschiedensten Stellen durch deren ganzen
Verlauf hin nachweisen, so dürfte einer derartigen Erscheinung
beim Urteile über die Entstehung der betreffenden Handschrift
doch wohl eine nicht zu unterschätzende Bedeutung beizu
messen sein.
Das Gewicht solcher Beobachtungen wird sich verstärken,
wenn auf einer und derselben Seite Stücke von geringstem
Umfange sich in ähnlicher Weise gegen ihre Umgebung'ab
heben — etwa wie es im Register Gregors VII. auf fol. 120 i
oder auf fol. 185’’ der Fall ist. 1 Man vergleiche doch nur
sichere Abschriften — auch päpstlicher Registerbände. Bei
denen, die ich zu untersuchen in der Lage war, zeigt sich
nichts Ähnliches. Hier nur wenige Belege.
lieg. Vat. 1 enthält die wertvolle Kopie des Registers
Johanns VIII. aus dem 11. Jahrhundert — ein Kodex in präch
tiger beneventanischer Schrift, einst Eigentum des Klosters
Monte Cassino, wo die Kopie auch wohl entstanden ist. 3 Hier
1 Vgl. die Faksimiles am Schlüsse, Taf. I und II.
2 Uber die Schreibertätigkeit in Monte Cassino, speziell bezüglich de£
Papstregister, vgl. die Stellen bei Petrus diaconus Chronicon Gasin.
III 63 (MSL 173, 800) und de viris illustr. Casin. 31 (MSL 173, 1039).
Vgl. Bibliotheca Casinensis I (Monte Cassino 1873), IX. — Uber die
Handschrift selbst handeln vor allem G. Levi a. a. O. (Arch. Soc. Rom.
IV) 161—88, A. Lapotre a. a. O. 2—22, 132—35, J. B. Pitra, Ana-
lecta novissima Spicilegii Solesmensis. Altera continuatio 1. De epistolis et
registris Romanorum Pontificum (Typ. Tuscul. 1885) 114—15.
54
V. Abhandlung: Peltz.
fließt die Schrift gleichmäßig von Anfang bis zu Ende, von
Quatern zu Quatern, von Brief zu Brief. Gewiß hat auch hier
der Schreiber ahsetzen müssen und die Handschrift kann nicht
im Verlaufe eines oder zweier Tage entstanden sein. Aber es
war ein Kopist, der arbeitete, der ruhig bei seiner Vorlage
saß und die der müden Hand entfallende Feder nach kurzer
Unterbrechung wieder in seiner stillen Zelle oder in der
schweigsamen Halle der Schreibstube aufnahm — die eine Auf
gabe, die er zu lösen hatte, ihrem Ende entgegenzuführen.
In eine spätere Zeit versetzt uns der 8. Band der
Vatikanischen Register. Die Schreiber, deren Fleiß wir
ihn verdanken, kennen wir: D e n i f 1 e hat mit gewohnter
sorgfältigster Gründlichkeit ihre Tätigkeit unter Urban V. klar
gestellt und mit einem wahren Reichtum an archivalischen
Nachweisen über die Entstehung dieses und ähnlicher Bände
dem Wirrwarr, der sich an Kaltenbrunners Studien knüpfte,
ein Ende gemacht. Wir wissen jetzt genau, wie und wann
dieser Band entstanden und daß er bloße Abschrift ist. Wie
steht es nun in ihm bezüglich der fraglichen Erscheinungen?
Auch ohne daß die Schreiber als verschiedene Personen be
kannt wären, würde man mit vollster Sicherheit das 13. und
das 16. Jahr dieses Bandes verschiedenen Händen zuweisen
oder erklären, daß nach dem zweiten Quintern mit fol. 21“
mitten in dem als 76 gezählten Briefe mit dem Inzipit Justis
petenciuvi desideriis ein anderer Schreiber einsetzt , wie auch
fol. 45“ mit der neuen Lage und dem Beginne eines neuen
Buches, fol. 6ö a heim neuen Quintern, fol. 84“ zu Anfang
von Buch 15 und anderwärts jeweils ein neuer Schreiber ein
setzt, so daß es fast den Anschein hat, als habe jede Hand
nur zwei Lagen jeweilen zu kopieren gehabt. -— Innerhalb
dieser Lagen aber gehen Schrift und Tinte völlig gleichmäßig
voran von Stück zu Stück. Auch nicht eines der im Gregor
register angedeuteten Merkmale findet sich hier wieder.
Reg. Vat. 110 ist der zweite Sekretenband Johanns XXII.
vom 1.—4. Pontifikatsjahre. Auch wenn wir die Namen der
Schreiber nicht keimen und wenn wir auch aus dem Charakter
der dem 14. Jahrhundert — und zwar in dessen zweiter, nicht
erster Hälfte — angehörenden Schrift nicht auf die Entstehung
dieses Bandes schließen könnten: die Schreiber selbst haben
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 b. 55
Sorge getragen, uns nicht den mindesten Zweifel zu lassen, daß
sie uns hier nur die Kopie einer älteren Vorlage bieten. Auf
fol. 4 a ist in dem ,an alle Gläubigen“ gerichteten Briefe 7 nach
compendio ut profertur eine Lücke von 19 mm; am Rande hat
der Korrektor der Handschrift — vielleicht der gleiche ,Johannes
de dursten“, der nach seiner Notiz auf “fol. 12 a den Index korri
giert hat: corr per Jo. de dursten — bemerkt: est spacium
etiam in originali. Fol. 6“ 1 schreibt er zu Brief 12, dem das
Adreßrubrum fehlt, am Rande: non erat Rubrica in originali.
Fol. 7“ ist nach Brief 13 in der Mitte zwischen den zwei Ko
lumnen ein ganz auffälliges schwarzes Kreuz, sehr aufdringlich
gezeichnet, mit einem Verbindungsstriche zu einer Note am
unteren Rande, in der gesagt wird: hic defficit (!) littera que
incepit. Inclita domus Franciae, quam require in fine istius
libri sub tali signo. In Brief 14 ist nach nisi dumtaxat Car-
dinalibus ein Spatium von 67 mm Länge und am Rande schreibt
der Korrektor: at spacium, quod originali defficiebat (!) usf.
Ähnliche Bemerkungen lassen sich noch viele geltend machen.
Einige a.uf fol. 71 b und 72 a rühren vom Kopisten selbst her,
der zu den Briefen 243 —246 und 249 sagt: dimitto, quia plus
non erat in Regestro antiquo — er hat eben von diesen Briefen
bloß Adreßrubrum und Inzipit.
In dem ganzen Bande nun, der auf diese Weise als
Registerabschrift auf das sicherste und bestimmteste beglaubigt
ist, finden sich keine solchen Änderungen der Schrift, kein
Wechsel der Tinte und des Ansatzes usw. wie im Gregor
bande : hier haben wir es wirklich mit einer ,Frachthandschrift“
zu tun, die eine einheitliche Anlage hat.
Ähnlich läßt sich der Nachweis für eine Reihe anderer
Bände führen. Um Sicherheit zu gewinnen, untersuchte ich
z. B. noch eingehend den 38. Band der Registerkopien Arm.
XXXI t. 38, von dem auch Denifle •— und mit Recht —
behauptete, er sei Kopie. Er gehört zu jener Sammlung, die
geradezu als Registres de copies bezeichnet werden. 1
Die Inhaltsverzeichnisse der verschiedenen Jahrgänge in
den älteren Registerbänden bieten einen weiteren Beleg. Alle
Indizes, wie sie etwa Reg. Vat. 4, 7, 7A usf. aufweisen, sind
Vgl. Brom, Guicle 24—26.
56
V. Abhandlung: Peitz.
trotz ihres oft recht beträchtlichen Umfanges — in Reg. Yat. 4
= 19 Blätter, in Band 7 = 12, in 7 A = 18 Blätter — ganz
einheitlichen und gleichmäßigen Charakters, ihrem Ursprünge
gemäß, und doch war liier das Original nicht etwa eine schlecht
hin abzuschreibende Vorlage: die Capitula mußten von Blatt
zu Blatt aus den Registern hervorgesucht werden, und daß es
dabei nicht ohne Irrungen abging, ist selbstverständlich und
entschuldbar. So weist z. B. der Index zu 7 A auf fol. 13 eine
Reihe von Nachträgen auf. — Der Registerhand Gregors VII.
bietet ja übrigens selbst ein ähnliches Beispiel. Auch hier ist
der späte, frühestens dem Ende des 14. Jahrhunderts entstam
mende Index ein Einheitswerk, ohne Unterschied der Hand,
ohne Unterschied der Tinte — Kopistenarbeit nach einer fer
tigen, abgeschlossenen Vorlage. Und genau ebenso steht es
mit all den Abschriften und Exzerpten des Registers Gregors,
die ich vergleichen konnte und die dem Ende des 15. und dem
16. Jahrhunderte angehören.
Doch wozu eine Sache des längeren beweisen, die wohl
klar genug liegt ? Ohnehin würde ich auf diese Einwürfe nicht
so ausführlich eingegangen sein, wenn nicht die entschiedene
Ablehnung eines so hervorragenden Forschers, wie es Denifle
war, eine Richtigstellung dringend notwendig gemacht hätte.
Mit dem Beginne der Stücke zusammenfallender
Wechsel der Tinte und des Duktus und öftere Wieder
holung dieser Erscheinung wenigstens in kleineren Zwischen
räumen in verschiedenen Teilen der Handschriften, das waren
bereits 1885 für E. v. Ottenthal Kriterien der mit der Ex
pedition gleichzeitigen Registereintragung, deren Zu
verlässigkeit er durch andere sichere Beobachtungen darzutun
vermochte. 1 Entweder müssen wir alle, auch die späteren, von
1 A. a. O. (MIöGr Erg. I) 535: ,Fällt Wechsel der Tinte und des Zuges
der Schrift meist gerade mit dem Beginn der Stücke zusammen, treten
diese Erscheinungen, wenn nicht gerade von Stück zu Stück, so doch
in kleinen Zwischenräumen auf, so läßt das sicher auf sofortige, mit
der Expedition der einzelnen Briefe oder zusammenhängenden Bullen
reihen gleichzeitige Eintragung schließen.“ — Ähnliche Erwägungen
waren auch für G. Buchholz bei seinen Forschungen über Ekkehard
von Aura und für R. Wolkan in seinen Untersuchungen über die
Briefsammlungen des Enea Silvio maßgebend.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 b.
57
ihm untersuchten Register für Kopien erklären — und wir
geraten in einen unentwirrbaren Knäuel von Widersprüchen
und unlösbaren Rätseln und verlassen mit der Annahme von
historischen Erscheinungen, für die jede Spur eines Anhalts
punktes fehlt, den festen Roden positiver Forschung — oder
aber wir halten mit Ottenthal die Bände des 15. Jahrhunderts
für Originalregister — dann zwingen uns die Tatsachen zur
gleichen Folgerung bezüglich des Gregorbandes. Denn die
nämlichen Erscheinungen wie in jenen treffen wir auch in ihm,
und zwar im ausgedehntesten Maße. Wir [sind also wohl be
rechtigt, Reg. Yat. 2 als ursprüngliches Kanzleiregister
anzusehen.
Ein weiterer Umstand scheint geeignet, die gezogenen
Folgerungen zu bekräftigen. An jenen Stellen des Registers,
an denen die aufeinander folgenden Briefe einen größeren Zeit
abstand der Daten aufweisen, ist unzweifelhafter Neuansatz
ganz besonders häufig. Die nachfolgenden Übersichten mögen
das veranschaulichen. In ihnen wurde sicherer Neuansatz, ohne
jede Rücksicht auf Datierung und Ausstellungsort an der Hand
schrift beobachtet, durch vollen Querstrich zwischen den Brief
nummern Jaffes angezeigt. Jene Briefe, bei denen ein Neu
ansatz auf Grund des Schriftbefundes nur wahrscheinlich schien,
wurden durch geschlängelten Strich getrennt.
I 30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
Datum
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1073 Nov. 15
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V. Abhandlung: Peitz.
Das Original] egister Gregors VII. — I, 2 c.
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Ausstellungs
ort
Rome
I
Wie schon die Tabellen zeigen, erfolgten die Eintragungen
teils Stück für Stück, teils in größeren oder kleineren Gruppen.
Sie wurden auf Reisen so gut wie in der Stadt Rom gemacht.
Verschiedentlich sind gerade Briefe, bei denen die zeitliche
Abfolge durch mehrfache Inversionen gestört erscheint, als
ganze Gruppe ohne jeden deutlichen Unterschied registriert.
Es dürfte die Führung des Registers eben mit den Zufällig
keiten der Reise, mit ihren Rasten und mit der größeren oder
geringeren Inanspruchnahme des Kanzleipersonals in und außer
der Stadt in Zusammenhang stehen.
c. Nachträge, Korrekturen und Auslassungen.
Indes die Schrifteigentümlichkeiten des Registers
sind nicht der einzige Anhaltspunkt, der dessen Origina
lität als des sukzessiv während des Pontifikates Gregors VII.
geführten Kanzleiregisters dartut. An erster Stelle sei auf eine
Reihe von Nachträgen, Korrekturen uiid Auslassungen
aufmerksam gemacht.
In einer Anzahl von Briefen sind die Namen der Adres
saten oder von sonstigen in ihnen erwähnten Persönlich-
60
V. Abhandlung: Peitz.
keiten mit anderer Tinte und von anderer Hand nach
träglich in die vom Schreiber eigens freigelassene Lücke
eingetragen worden.
Zu dem Briefe I 82 macht bereits der Herausgeber
darauf aufmerksam, daß der Name Ecardum von anderer —
und zwar, so sei beigefügt, gleichzeitiger — Hand hinzugesetzt
worden sei (J 103“). Er vergaß aber zu bemerken, daß der
vom Schreiber freigelassene Raum zu groß war und noch eine
Lücke von 10??!?» unbenutzt übrig blieb. — In II 24- (J 186 6 )
ist Gozelino mit anderer Tinte in die am Schlüsse der ersten
Zeile des Briefes gelassene Lücke eingetragen. — In II 25
(J 1H7 19 20 ) ist Osburgensem ein nachträglicher Zusatz von
gleichzeitiger anderer Hand; der erste Schreiber hatte den
Raum dafür ausgespart. — Josfredo Parisiacensi in IV 20
(J 268 7 ) wurde von anderer gleichzeitiger Hand mit anderer
Tinte in das dafür bestimmte Spatium des ersten Schreibers
eingesetzt. — In IV 27 (J 282 8—9 ) hatte der Registrator in
der letzten Zeile von fol. 132 a geschrieben: Gregorius episcopus
servus servorum dei duci / und fol. 132 b , Z. 1 fortge
fahren: et populo Venetiae. Die letzte Zeile des Rekto war
bis auf die Lücke vor duci ausgefüllt. Eine andere Tinte und
wahrscheinlich auch eine andere Hand trug in die Lücke ein:
Dominico Silvio, wodurch der Raum vollständig ausgenützt
war; außerdem fügte sie aber nach duci auf den Rand hinaus
noch bei: Venetiae. Auf diese Weise erklärt sich das doppelte
Venetiae in der Adresse dieses Briefes, das ganz entschieden
störend wirkt. — Guifredum in dem Synodalprotokoll V II“
(J 306 22 ) ist mit anderer Tinte und, so scheint es, von anderer
gleichzeitiger Hand hinzugefügt worden; der Nachtrag füllt
das für ihn vom ersten Schreiber bestimmte Spatium nicht
völlig aus. — In VI 26 (J 362 14 ) gehört nur der Anfangs
buchstabe F des Adressatennamens der ersten Hand; mit dunk
lerer Tinte wurde nachher ulcardo in der dafür offen ge
lassenen Lücke von einem Korrektor hinzugeschrieben. —
Ebenso wurde in II 59 (J 179 n ) das Ha der ersten Hand,
hinter dem ein Spatium zur. Ergänzung des Namens bestimmt
war, von zweiter Hand zu Haerimannus ergänzt, wobei a und
e in Ligatur treten. — In VI 19 (J 356 7 ) blieb nach dem vom
ersten Schreiber her rührenden He eine Lücke von 16 mm: sie
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 c.
61
ist nicht ergänzt worden. — YI 39 bietet gleich mehrere Bei
spiele dieser Art. Der Schreiber hatte zunächst auf fol. 171 a
(J 377 14 ) den Namen des Electus Pergamensis nur durch die
Initiale A angedeutet und danach eine Lücke von 29 mm offen
gelassen. Später ergänzte eine andere Hand mit anderer Tinte
dieses A zu Arnulf um; aber obwohl der Korrektor das Wort
in Majuskel schrieb, blieben noch jetzt 8 mm frei. Auf fol. 171 b
(J 377 3 ) sind sodann nach dem Anfangsbuchstaben des Kleriker
namens — B — 6 mm bis zum Schlüsse der Zeile freigelassen
worden; sie sind später nicht ausgefüllt und wir kennen den
Namen des damit gemeinten Klerikers nicht. — Endlich folgt am
Schlüsse des Briefes (J 378 13 ) nach der Initiale M, mit der der
Name des hier erwähnten Fragestellers begann, eine Lücke von
19 mm, der Name wurde ebensowenig wie vorher nachgetragen.
Es wäre nun doch gewiß höchst auffällig, daß sich der
artige Ergänzungen von fremder Hand in einer Kopie vor
finden sollten — oder vielmehr: ein dahingehender Erklärungs
versuch ist völlig ausgeschlossen. Selbst angenommen, man
wollte die Kopie der päpstlichen Kanzlei zuschreiben und die
Ergänzungen aus der Personalkenntnis der Kanzleibeamten, in
sonderheit ihres Chefs, ableiten, so bliebe trotzdem das Rätsel
ungelöst oder es würde noch unbegreiflicher. Denn dann mußten
in den Originalregistern, denen der Kopist eine ganze Reihe
von Jahren nach ihrer ersten Anlage seine Schreiben entnahm,
genau in der gleichen Weise die Lücken sich zeigen, wie er
sie seiner Kopie einverleibte; der Kanzleichef aber kannte
nicht nur jetzt, nach einer langen Reihe ereignisschwerer
Jahre, noch genau fast alle Personen, deren Namen in den
Lücken hätten stehen sollen: er versäumte auch in dem Maße
seine Aufgaben, daß er zwar einem Auszuge mit größter Ge
wissenhaftigkeit seine Sorge widmete, in den offiziellen Büchern
der Kanzlei dagegen, den Grundlagen der kirchlichen wie
politischen Verhandlungen, sorglos Irrungen und Mängel weiter
führte. — Aber auch das wäre nicht alles: in einer Anzahl
von Fällen hätte er es docli auch in der Sammlung wieder
unterlassen, Namen beizufügen, deren Gewinnung ihm in
späterer Zeit gar keine Schwierigkeit bereiten konnte: man
vergleiche etwa V 10, dessen Adressat König Haken in A ll 21
dem Kanzleipersonal wohlbekannt war.
62
V. Abhandlung: Peitz.
Wie merkwürdig aber auch in diesem Punkte das Re
gister Gregors mit anderen Originalregistern übereinstimmt,
darüber werden sich später noch einige wichtige Mitteilungen
machen lassen. Vorerst mögen diese Beobachtungen durch eine
Anzahl anderer paralleler Erscheinungen ergänzt werden.
In einer Anzahl von Briefen des Registers nämlich sind
vom Schreiber auch Lücken zur Eintragung von Namen leer
gelassen worden, ohne daß eine Initiale bezeichnete, was dort
stehen sollte, und ohne daß der Korrektor die geforderte Er
gänzung vorgenommen hätte. Es sei nur verwiesen auf II 21
(J 134 2 ), wo ein Spatium von 29 mm am Schlüsse der Zeile
freibleibt, — auf II 25 (J 137 20 ), wo eine Lücke von 26 mm,
und V 10 (J 298 2 ), wo eine andere von 22 mm klafft. 1 In
VI 17 (J 350 ß ) scheint das Ii von anderer Hand und in der
folgenden Zeile ist nach fratri zwischen zwei Punkten, wie sie
in den späteren Registern stets die Namenssiegel begleiten,
die Rasur von einem nicht mehr zu bestimmenden Buchstaben.
—■ In 1161 (J 181 11 ) war vom Schreiber nach dem Anfangs
buchstaben D eine größere Lücke offengelassen worden, doch
wurde in diese das Kapitelrubrum eingerückt. 2
Eine weitere Reihe von Briefen zeigt gerade in den
Namen z. T. bedeutende Korrekturen. So ist, um einige
Beispiele namhaft zu machen, I 36 (J 54 n ) Albericum mit
anderer Tinte zu Albertum umgeschriehen worden. — In I 53
(J 73°) steht Herimanno auf Rasur. In I 64 (J 83 12 ) ist in
Alfonso das l auf Rasur zweier Buchstaben gesetzt; die ur-
1 Auf die Lücken in der Adresse von J II 21 und J V 10 hatte bereits
•Jaffe aufmerksam gemacht.
2 Bei J VII 13 (396) steht der Name des Adressaten in der Handschrift
fol. 180 a auf Rasur: Theoderico Virdunensi episcopo, stammt aber von
der gleichen Hand wie das Korpus des Briefes. Wie sich aus den Spuren
der früheren Schrift noch sicher erkennen läßt, lautete die erste Lesung:
Heinrici (?) Leodicensi. Es sei besonders darauf hingewiesen wegen des
merkwürdigen Gebrauches, den Deusdedit von den beiden Stücken J
VII 13 und 14 macht, der beweist, wie enge sie zusammengehören. Die
Korrektur läßt sich wegen der Anfangszeile von J VII 13 durch Ver
sehen und Verschreiben sehr gut erklären. Im Zusammenhänge mit den
späteren Nachweisen über die Minuten als Vorlage des Registerschreibers
ließe sich daraus vielleicht auch ein Schluß auf das Aussehen der
Minute und die in ihr übliche Kürzung der Adresse gewinnen.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 2 c.
63
sprimgliche Lesung dürfte Adefonso gewesen seih wie in I 83
(J 104) und in VIII 3 (J 430), da als erster der radierten
Buchstaben ein d noch sicher zu erkennen ist. — Zu I 76
(J 95 10 ) bemerkt der Herausgeber nur, er habe Landricum
aus der Originalüberlieferung herübergenommen (J 95 c ). Tat
sächlich liegt aber das Verhältnis so, daß nach confratrem
nostrum sich eine Rasurlücke findet, in der ursprünglich Ro-
dulfum stand, wie sich noch deutlich lesen läßt. — In I 86
(J 108 13 ) war ursprünglich ebenfalls Rodulfum geschrieben,
Arie auch Jaffe bemerkt (J 108 a ). Von anderer gleichzeitiger
Hand und mit anderer Tinte aber ist dieses durchgestrichen
und Landericum darüber geschrieben worden. Während jedoch
in Rodulfum das Anfangs-ü? Arie bei den übrigen zahlreichen
Namen dieses Stückes rubriziert war, ist die Korrektur ganz
scliArarz ausgeführt. — Bei II 6 steht Geboardo mit Ausnahme
der beiden ersten Buchstaben Ge auf Rasur. Jaffe gibt an, es
habe ursprünglich Geromiro dort gestanden, aber es Avar mir
völlig unmöglich, das Getilgte in irgend einer Weise zu er
kennen. Über dem d von Geboardo ist ein Häkchen — das
Kürzungszeichen für -us — stehen geblieben und nachträg
lich dünn durchgestrichen Avorden. — In IV 8 (J 252 14 ) ist
Leoni mit anderer Tinte auf Rasur eingesetzt. Diese Beispiele
mögen genügen.
Endlich sei noch auf einige Eigenheiten in der Datierung
hingeAviesen. In J III 14 (J 228.,) verbindet die Ausgabe un
mittelbar Ortsangabe und Indiktionsvermerk: Data Rome, indic-
tione 14. Die Handschrift zeigt ein anderes Bild. Nach Rome
ist bis zum Schlüsse der Zeile ein freier Raum A r on etAA r a,
20 mm (in der vorhergehenden Zeile entspricht ihm cseq pos)
und Indictione xmj stellt in der nächsten Zeile. — In J VII 6
(J 387j) ist die ganze Datierung: Data Rome XVIII kal. nov.
Indictione XIII mit anderer Tinte und von anderer Hand
nachträglich beigefügt. —- In J VIII 21 schließt der Register
text auf fol. 211 a mit transibunt genau am Schlüsse der Aderten
Zeile. Eine andere Hand hat mit anderer Tinte darunter das
Datum gesetzt: Datum Idus Martii.
Wie sehr alle diese Merkmale für Originalität des Re
gisters, wie entschieden sie gegen eine Abschrift oder einen
Auszug sprechen, dürfte Avohl auch ohne nähere Erklärung
64
Y. Abhandlung: Peitz.
einleucliten. 'Es genüge wieder, auf die Übereinstimmung zu
verweisen, in der sie mit ähnlichen Erscheinungen späterer
unzweifelhafter Originalregister stehen. 1
3. Kapitel.
Innere Merkmale für die Originalität.
a. Typische Kanzleierscheinungen.
Schon ein flüchtiger Blick in die Ausgabe Jaffes zeigt
eine Erscheinung, die allen Registern gemeinsam ist. Es sind
die Register- und Schreibervermerke. Gleich der 4. Brief
des 1. Buches ist eine a-pari-Ausfertigung an 5 verschiedene
Adressaten mit Schreiberrückverweisung auf die Vorlage. 2 Das
Apare ist erst mehrere Tage nach dem Grundschreiben aus
gestellt und mit diesem Datum eingetragen. Es ist nun sehr
leicht einzusehen, wie in der Kanzlei der Vorgang sich ge
staltete, indem am 28. April ein Auftrag an die Kanzlei erging,
den bereits am 26. oder gar schon am 23. April ausgegangeneu
Brief unter Änderung der Adresse und der notwendigen For
malien von neuem auszufertigen. Welchen Grund aber hätte
Deusdedit oder ein anderer Sammler haben können, diese bloße
Adresse, die zudem so gar nichts Besonderes und Eigentüm
liches bot, seiner Sammlung einzuverleiben? Er hätte nach
1 Vgl. z. B. Ottenthal a. a. O. (MIöG Erg. I) 548.
Daß mit den Kanzleiverweisen der a-pari-Einträge jedesmal der unmittel
bar voraufgehende Brief gemeint sein müsse, wie dies Ewald a. a. 0.
(Histor. Unters.) 298 annimmt, scheint doch erst des Beweises zu be
dürfen. In den späteren Registern sind jedenfalls Vermerke wie ut
supra nicht notwendig auf den direkt vorhergehenden Brief zu beziehen.
Auch kann man sich für das Register Gregors nicht ohne weiteres auf
diese späteren Bände berufen, denn in diesen sind jedenfalls die Aus
fertigungen in eumdem modum nicht durch eigenen Abstand und voll
ständige Neuadressierung wie hier ganz selbständig gestellt. Daß als
Bezugstück und Vorlage für die Ausfertigungen a paribus in J I 4
nicht etwa I 2 und 3 anzusehen sind, dafür spricht die Ausfertigungs
bestimmung, die wohl zu J I 1*, nicht aber zu I 3 zu passen scheint.
I 2 seinerseits weist selbst wieder auf I 1 * zurück. Der stark indivi
duell gehaltene Brief an Wibert mit seinen nur für diesen geltenden
Bestimmungen konnte für die meisten der in I 4 genannten Adressaten
nicht gut die Vorlage abgeben.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 a.
65
dieser Annahme einerseits mit kritischem Blick die verschie
denen brauchbaren Stücke ausmustern, anderseits geradezu mit
geschlossenen Augen sklavisch kopieren müssen. — Die Er
scheinung der a-pari-Ausfertigung wiederholt sich dann noch
mehrere Male: I 64 bietet einen Zuwachs von einem Adressaten,
ebenso II 15/16. Ist an sich eine Übernahme der a-pari-Aus-
fertigung in die Kopie auch möglich, so ist jedenfalls ihr
Vorkommen ein Beweis für eine enge Verbindung der Hand
schrift mit der Kanzlei und im Zusammenhalt mit anderen
Eigenheiten eine wohl zu beachtende Merkwürdigkeit.
Außerdem linden sich nämlich andere Kanzleimerkmale,
die nicht auf einen Sammler und Exzerptor deuten. Dabin
gehören 1. die Schreibervermerke I 2. II 24. II 67. VI 34,
ferner 2. die Registereigenheit von I 20, die weiter unten aus
führlicher zu besprechen sein wird, 3. die kanzleimäßigen
Überschriften wie bei VIII 21 oder in VI 17 a , worauf Pflugk-
Harttung bereits hingedeutet hat, 1 4. endlich der Datieruugs-
rückweis in VIII l b Actum ut- supra. Die auffällige Tatsache,
daß derartige Verweise in den Datierungen von Buch I bis
VII nicht auftreten, obwohl sich zahlreiche Gelegenheiten dazu
geboten hätten, wird weiterhin gelegentlich anderer paralleler
Erscheinungen noch zur Sj^rache kommen.
Was-sollen aber alle diese Dinge im Werke eines Samm
lers? Warum belastete er seine Auswahl gerade mit solchen
für seine Ziele nutzlosen Angaben? In einer Sammlung, einer
Auslese von Briefen zu wichtigen, hochpolitischen Zwecken
wären sie doch wirklich am wenigsten an ihrem Platze ge
wesen und es ergäbe sich ein geradezu unerklärlicher Wider
spruch: hier reine Kopie, oft ohne jeglichen Grund über
nommen, im übrigen mit Sorgfalt und Umsicht getroffene
Auswahl.
Zu den typischen Kanzleimerkmalen ist auch eine Grup
penbildung topographischer Natur zu rechnen, die im ganzen
Register sich wiederholt. Briefe an Adressaten, deren Wohn
sitze einander benachbart sind, folgen sich unmittelbar und
dabei stehen andere Schreiben, deren Bestimmungsorte dem
jeweiligen Botenitinerar entsprechen. Fast stets handelt es
1 A. a. 0. (NA XI) IGO.
Sitzungsber. d. phil.^bisü Kl. 165. Bd. 5. Abb.
5
66
V. Abhandlung: Peitz.
sielx um Briefe, clie in entferntere Gegenden, nach Spanien,
Frankreich, England, Deutschland usf. gerichtet sind. Bei
spanischer Post werden gleichzeitig südgallische Adressaten
mit Schreiben bedacht. Wiederholt finden sich bei den nach
dem Norden gerichteten Briefgruppen oberitalische Destinatäre,
und zwar bei Sendungen nach Frankreich solche, die im Nord
westen, bei Sendungen nach Ungarn und Böhmen solche, die
im Nordosten von Italien wohnen. In einzelnen Fällen läßt
sich erweisen, daß ungefähr gleichzeitig mit solchen Briefgruppen
päpstliche Legationen in dieselben Länder ahgeordnet wurden.
Bei näherer Untersuchung erweisen sich diese topographi
schen Gruppen zugleich als chronologische Einheiten. Die meisten
der zu einer Gruppe gehörenden Schreiben nämlich tragen das
gleiche Datum oder weichen doch in ihrer Datierung nur um ein
geringes, um einen oder wenige Tage, voneinander ab. Über
dies stehen einige chronologische Unregelmäßigkeiten innerhalb
des Registers — Vorwegnahme von Briefen späteren Datums
vor solchen von einem früheren Tage — jedesmal mit derartigen
Gruppenbildungen im Zusammenhänge. Mehrfach weisen dabei
die trotz späteren Datums vorangestellten Briefe durch ihren
Inhalt unzweifelhaft auf gleichzeitige Expedition mit den ihnen
zwar im Register erst folgenden, chronologisch jedoch früheren
Schreiben hin. Sonach kennzeichnen sich diese Briefgruppen
durch ihre Destinatäre als topographische, durch den gemein
samen Expeditionstermin als chronologische Einheiten.
Die ganze Summe dieser Einzelbeobachtungen führt zu
dem Schlüsse, daß es sich bei jenen Gruppen um Exjteditions-
bündel handelt, die den Boten oder anderen mit der Über
bringung der Schreiben betrauten Personen mitgegeben wurden. 1
Eine Prüfung der Übersichtstabelle in Beilage I am
Schlüsse der Arbeit liefert Belege für diese Ausführungen genug.
Um nur einzelne Beispiele herauszuheben, sei auf folgende
Gruppen aufmerksam gemacht:
1 Eine ähnliche Beobachtung aus dem Register Gregors I. bei Ewald,
Studien zur Ausgabe des Registers Gregors I. (NA III 1878) 602—5. —
Vgl. auch die interessanten und lehrreichen Ausführungen, in denen
ueuestens E. Caspar in seinen Studien zum Register Johanns VIII■
bezüglich des Reg. Vat. 1 ähnliche Schlüsse ermittelt (NA XXXVI 1911
132—35).
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 a.
67
J I 63 vom 20. März 1074 geht an König Sanzio von Aragon
und behandelt zum Teil das gleiche Thema wie der folgende
Brief J I 64 vom vorausgehenden Tage, 19. März, mit doppelter
Ausfertigung (a pari) an Alfons von Leon und Sanzio von
Kastilien. — J I 67 vom 21. März geht an den Bischof von
Sisteron. Die beiden folgenden Tage vertritt je ein Schreiben
an den Bischof von Nimes und an Graf Wilhelm von Die,
J I 68 und 69. Der nächste Brief J I 70 datiert erst vom
4. April, er geht nach England.
Am 12. Dezember 1074 ergeht ein Schreiben an Erz
bischof Liemar von Bremen: es trägt im Register die Nummer
II 28. Unter II 29 folgt dann ein Brief vom 4. Dezember an
den Erzbischof von Mainz, dem sich ein Doppelschreiben an
König Heinrich IV. und ein Brief an Erzbischof Manasses von
Rheims vom 7. bezw. 8. Dezember anschließen. Das nächste
Stück, J II 33, erst datiert wieder vom 12. Dezember und
geht an den Bischof von Turin.
Sehr auffällig ist auch eine Folge von Briefen von J II 70
an. Je ein Schreiben an Geisa von Ungarn und an Wladislav
von Böhmen (J II 70 und 71) sind vom 14. April 1075. Die
Enzyklika an alle Böhmen, die ihnen folgt, datiert vom 15. April
(II 72). II 73 geht an Boleslav von Polen und lautet erst
auf den 20. April, doch sind die beiden folgenden Schreiben,
adressiert Demetrio regi Ruscorum (II 74) und Sueino regi
Danorum (II 75), noch vom 17. des gleichen Monats und erst
II 76 an die Babenberger lautet wieder auf den 20. April.
Diese Beispiele, die sich leicht vermehren lassen und
durch das ganze Register ihre Analoga haben, mögen genügen.
Sie stehen in Parallele zu der bereits früher erwähnten Tat
sache, daß die Einträge in das Register in größeren und klei
neren Gruppen vorgenommen wurden, die mit dem Itinerar
Gregors Zusammenhängen. Vielleicht wird sich einmal in an
derem Zusammenhänge Gelegenheit finden, auf diese und ähn
liche höchst interessante Beobachtungen zurückzukommen und
sie weiter zu verfolgen; für unsere Kenntnis vom Kanzleiwesen
der Päpste sind sie nicht ganz ohne Bedeutung. 1
1 Die Reihenfolge der Briefe J II 10 —12 suchte Pflugk-IIarttung
durch Änderung des Datums von J II 11 nach Paul von Bernried aus
5*
68
V. Abhandlung: Peitz.
Bei all clem darf man die gewaltigen Verkeh^Schwierig
keiten nicht vergessen, die sich brieflichem Austausch ent
gegenstellten, den Mangel fester Residenzen und Regierungssitze,
der die Boten zwang, in mühseliger Wanderung den königlichen
oder fürstlichen Adressaten erst aufzusuchen, wie er es dem
Aussteller manchmal nahe legen mochte, mehrere auch weiter
voneinander entfernte Empfänger durch einen Briefbesteller
bedienen zu lassen. — Vielleicht darf endlich auch noch an
die Mangelhaftigkeit geographischer Vorstellungen und karto
graphischer Behelfe erinnert werden. Fra Mauros Erdkarte
im Dogenpalast zu Venedig war gewiß nach unserer Vorstel
lung ein recht primitives Hilfsmittel, um sich über die Lage
deutscher Städte und die Wege zu ihnen zu orientieren —
und doch zeigt sie die deutlichsten Spuren, daß sie häufig
praktischem Gebrauch diente, und wie gerade die Nordlands
wege vom suchenden und weisenden Finger manch eines von
den Herren der Adria abgerieben wurden. 1
VII lcal. nov. in XII kal. nov. zu verbessern. Indes bringt er gar keinen
Grund für jene Änderung bei. Seinen Ausführungen schloß sich Greving
an. Vgl. NA XI 162.
1 Ähnliche Synthesen von Beobachtungsreiben aus dem praktischen Leben
des mittelalterlichen Menschen dürften wohl auch der geschichtlich
kartographischen Forschung noch brauchbare Bausteine liefern. — Die
ganz außerordentlichen Schwierigkeiten, die der Verkehr zwischen
Deutschland und Rom in alten Zeiten haben mußte, lernt man einiger
maßen kennen durch einen Vergleich mit dem freilich viel späteren
und bereits ungemein viel besser organisierten Postwesen des 16. Jahr
hunderts. Ich verweise nur auf die jüngste, knappe, aber sehr gediegene
Darstellung, die K. Schellhaß in der Einleitung zu den Nuntiatur
berichten Portias vonl575—76 mehr skizzierte als ausführte. (Nuntiatur
berichte aus Deutschland. III. Abteilung, V. Band: Die süddeutsche Nun
tiatur des Grafen Bartholomäus von Portia. Schlußjahre 1575. 1576. Im
Aufträge des k. preuß. Historischen Instituts in Rom bearbeitet. [Berlin
1909.] Einleitung CXIII—XIV.) Und doch waren die von ihm bespro
chenen Jahre nicht durch offene Kriege gestört und der Verkehr des
Nuntius mit der Kurie nahm nach Ausweis der Berichte einen unge
hemmten Gang. Man mag daran ermessen, welche gewaltigen Schwierig
keiten der Verkehr im 11. Jahrhundert haben mußte, in jenen Zeiten
von Blut und Eisen, und in Jahren, in denen ein großer Teil Italiens
und Deutschlands mit dem Papste in offenem Zwiste lebte. Das Register
Gregors selbst würde für eine Untersuchung des Verkehrswesens manche
Anhaltspunkte bieten. Auch diese Studien bedürfen noch gar sehr der
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 a.
69
Wie hätte nun, so fragt man sich, ein Sammler darauf
kommen sollen, gerade diese Gruppen, die übrigens im achten
Buche unterschiedslos ebenso zu finden sind wie in den übrigen,
so sorgfältig auszuwählen und so hübsch beieinander zu lassen?
Warum machte er nicht den chronologischen Wirrungen ein
leichtes Ende durch rechte Einschaltung? Es stand doch ganz
bei ihm, was und wie er wählte, und eine glatte Abfolge hätte
der angeblichen Tendenz seiner Tätigkeit weit mehr ent
sprochen. Und wenn er sich schon irrte — warum gerade
ausnahmslos nur in jenen Fällen, wo der ,Irrtum' so wundersam
zum Ganzen paßte und er gleichsam den Kanzleistaub künst
lich und kunstvoll auf die Niederschrift legte? Seine Arbeits
weise würde an die Kunstgriffe des Fälschers erinnern, der
Spinngewebe und kostbare Etiketten verwendet, um zu täuschen.
Die Arbeit eines Sammlers wird charakterisiert durch
Systematik und Tendenz; topographische und chronologische
Gesichtspunkte sind für die Kanzlei maßgebend. Die Expe
ditionsbündel sind Überreste des Geschäftsganges. Des
halb müssen sie als deutliche Spuren einer Eintragung ange
sehen werden, die sich dem Geschäftsgang anschloß.
Wichtiger ist ein anderer Umstand. Schon Giesebrecht
beobachtete, daß das Register formell in zwei ungleiche
Teile sich zergliedere. Diese Wahrnehmung ist die eigent
lichste und tiefste Grundlage seiner Ansicht, das uns erhaltene
Briefbuch sei eine bloße Sammlung. Seine Nachfolger hielten
diese Praxis der Beweisführung des Meisters fest. — Allein
Giesebrecht hatte, so will es scheinen, vollständig übersehen,
daß er auf diese Weise einer gänzlichen Verschiebung des
Fragepunktes sich schuldig machte, und daß diese Art des
Vorgehens seine Ausführungen notwendig zu einem Zirkel
schlüsse führen mußte und tatsächlich führte. Denn die Ano
malien in der Gestaltung des Registers gaben den Grund zur
Aufstellung der Sammlerhypothese; umgekehrt sollte die Samm
lerhypothese und der — hypothetische — Charakter des Re
gisters als Sammlung wieder zur Erklärung seiner Eigentüm
lichkeiten herangezogen werden, auch jener Eigentümlichkeiten,
Vervollständigung; sie sind für die Beurteilung der geschichtlichen Vor
gänge von der allerhöchsten Bedeutung. — Vgl. auch A. Schulte, Ge
schichte des mittelalterlichen Handels undVerkehrs I (Leipzig 1900) 96—104.
70
V. Abhandlung: Peitz.
die eben noch den Grund zur qualitativen Bestimmung des
Registers abgegeben hatten. Indes, die Fragestellung kann und
darf methodisch nur, die sein: wie sind die tatsächlich beob
achteten Sonderheiten des Registers zu erklären? Böte sich
nur die Möglichkeit einer Erklärung durch den Ursprung des
Registers als Sammlung und wäre jede andere Möglichkeit
ausgeschlossen, so müßten wir uns allerdings mit ihr begnügen —
nicht auf Grund der Registererscheinungen, sondern auf ihre
Einzigkeit hin: vom Nichtmöglichsein zum Nichtsein führt ein
legitimer Schluß.
Welches sind nun die charakteristischen Merkmale,
die beide Teile des Registers von einander trennen?
Durchgeht man die Datierungen der Registerbriefe, so
zeigt sich für die ersten sieben Bücher mit fast ausnahmsloser
Regelmäßigkeit die gleiche sich stets wiederholende Form nach
dem Typus Data Rome octavo kalendas Mali indictione XI. —
also in einer Formel ausgedrückt, das Schema d[ata] o[rt]
k[al. = Tagesangabe] i[ndict.]. — Mit Beginn des achten Buches
ist diese Form wie abgeschnitten: Ausstellungsort und Indik
tionsangabe fallen aus, es bleibt durchweg nur die Formel
d Je. — Auch diese erhält sich nicht. Mit dem 22. Briefe des
achten Buches hört die Datierung gänzlich auf und nur ver
einzelt erscheint noch gelegentlich ein versprengtes halbes Datum.
Während in Buch I—VII die Datierung stets durch den
Vermerk Data eingeleitet wird, wofür nur in Protokollen
und Urkundeneinschüben Actum auftritt, heißt es in Buch VIII
in der Regel Datum und nur selten, hauptsächlich in den
wenigen vereinzelten Datierungen der zweiten Hälfte des
Buches, erscheint noch Data.
In der Adresse der Briefe ist die typische Form in
Buch I—VII: Gregorius episcopus servus servorum dei Manasse
Remensi archiepiscopo Salutem et apostolicam. benedictionem,
der gegenüber die Originalüberlieferung eine durch den Zusatz
der kurialen Ehrenprädikate — dilectis in Christo fratribus,
learissimo fratri in Christo, dilectis in Christo filiis u. ä. —
erweiterte Fassung auf weist. 1 Ausnahmen von dieser Regel
1 In Jaffes Ausgabe sind diese Verhältnisse etwas verwischt. Ja 114 fügte
ohne weiteres die kurialen Ehrentitel aus der Originalüberlieferung in
Das Originalregister Gregors VII. — I, :ia.
71
finden sich bloß in wenigen Fällen. So steht in dem Apare
J I 4 an letzter Stelle einfach: abbati Massiliensi. In J II 81
heißt es: Heinrico gloriöso regi, während die Adresse von 31
nur lautet: Heinrico regi; aber es handelt sich hier eben um
einen Dictatus papae und bei diesem steht auch in J I 47 der
Ehrentitel dilectae in Christo filiae. In J VII6 wurde die
ungewöhnlich herzliche Form der Adresse —- carissimo in
Christo filio, glorioso regi — voll eingetragen, mit Unter
drückung des Namens, der vielleicht auch in der Vorlage und
dem Original gefehlt haben mag und jedenfalls bei dieser Fas
sung der Adresse kaum vermißt wird. J II Gl, VI 17 und
VII 28 haben in der Adresse nur den Anfangsbuchstaben, aber
in II 61 sollte er offenbar ergänzt werden. In VI 17 scheint
er von anderer Tinte nachgetragen: es war nach carissimo
fratri bereits ein Buchstabe zwischen den Reverenzpunkten
gesetzt;, er wurde ausradiert und in der nach dei gelassenen
Lücke das II von erster Hand eingefügt. Zwei weitere Fälle,
in denen der Name des Adressaten in der Adresse fehlt —
die letzten in diesen sieben Büchern — sind selbst wieder eine
Bestätigung des regelmäßigen Brauches: es sind die erwähnten
Briefe J 1121 und V 10.
Gegenüber diesen Erscheinungen in Buch I—VII zeigen
die Adreßformen des achten Buches ein völlig verändertes
Bild. Statt des ausgeschriebenen Namens wird hier sehr häufig
nur der Anfangsbuchstabe gesetzt, dafür tritt aber durchgängig
Zusatz der Kurialien ein. Von J VIII22 an ist sodann die
Kürzung des Adressatennamens bei gleichzeitigem Zusatze der
Kurialien feste Regel — mit alleiniger Ausnahme von J VIII 50
und J VIII GO mit voller Namensform. Und wie in der ersten
Hälfte des achten Buches schon mehrfach auch bei Adreß-
Vollform Namenskürzung innerhalb des Kontextes sich zeigt,
so sind von J VIII 22 an auch im Brieftexte die vollen Formen
der Eigennamen ebenso ganz regelmäßig durch den Anfangs
buchstaben ersetzt.
Mit diesem eigentümlichen Wechsel aller Formen trifft
endlich die Unregelmäßigkeit der Eintragung am Beginne
die Registerstücke ein, wie er auch gegebenen Falles Registerkurzdatum
durch Originalvollform ersetzte.
72
V. Abhandlung: Peitz.
des achten Buches zusammen, wo die 7 ersten Briefe noch dem
siebenten Pontifikatsjahre angehören und dem siebenten Buche
zugeschrieben sein müßten. Ja in der Handschrift war bereits
v.or J VII 26 rubriziert Liber VIII., doch der Fehler bemerkt,
als die Farbe noch frisch war, und der letzte Einer aus
gewischt. 1
Woher dieser durchgreifende Unterschied in allem, worauf
es bei kanzleimäßigem Betriebe ankommt? Man darf sich nicht
etwa auf die Änderung der Vorlage berufen und auf deren
verschiedenartiges Aussehen jene Verschiedenheit der Register
teile zurückführen wollen. Denn einmal müßte dann ein zwei
maliger durchgreifender Unterschied in der Art der Vorlage —
und nicht bloß in Einzelstücken, sondern jedesmal in vollstän
digen und in sich abgeschlossenen Sammlungen von solchen
stattgefunden haben, anderseits würde man mit diesen Erklä
rungsmöglichkeiten nicht ausreichen. Denn dem einheitlichen
Sammler hätten zum wenigsten für die Mehrzahl der Briefe
des achten Buches die Adressatennamen aus Buch I—VII be
kannt sein müssen; warum ließ er es jetzt plötzlich bei den
für die Rechtfertigung oder ähnliche hochpolitische Zwecke
nicht eben vorteilhaften Anfangsbuchstaben? Zudem mußte
die Wahrscheinlichkeit oder doch die Möglichkeit offen bleiben,
daß auch die Einträge des ersten Teiles auf genau die gleichen
Vorlagen — die Minuten — wenigstens indirekt zurückgingen,
die hier unmittelbar in Frage kommen und das Rätsel lösen
sollten. Die einzige Erklärung kann und darf nur in der
Kanzlei selbst gesucht werden. Was diese freilich bestimmte,
vom Ende des siebenten Buches an eine allmähliche Änderung
in der Art der Registerführung eintreten zu lassen, entzieht
sich unserer Kenntnis. Die Tatsache, daß schon vor J VII 26
Buch VIII rubriziert wurde, entspricht jener anderen, daß in
den letzten Briefen des siebenten Jahres, die vom Mai bis in den
Juli datieren, sich zwar einige Neuansätze konstatieren lassen,
daß aber gerade diese Briefe sehr gleichmäßig geschrieben
sind und zum großen Teil ohne Datum hlieben. Es liegt nahe
zu vermuten, daß auch hier erst längere Zeit nach der Expe-
1 Über falschen Indiktionsanfang in den Registern und auf Originalen
Innozenz’ III. vgl. L. Delisle, Memoire sur les actes d’Innocent III
(BECh XIX 1857), S.-A. 56—62.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 a.
73
dition die Ausführung des Registers erfolgte. Die Gruppe
J YII 26—VIII4 ist der Gruppe aus der zweiten Hälfte des
dritten Buches parallel. Die Briefe des sogenannten ,neunten 1
Buches aber sind später Nachtrag. Der eigenartige Wechsel
der Formalien in Verbindung mit dem über die Handschrift
Ausgeführten spricht aufs neue für ihre Originalität.
Endlich verdient noch eine Notiz hervorgehoben zu
werden, die sich am Rande der Handschrift zu zwei Briefen
des achten Buches findet. Zu J VIII 36 ist bemerkt: Idee
epistola hic errore scriptoris posita debuit inferius poni (J 487 b )
und zu J VIII 45 lautet die Marginale: Hec similiter epistola
debuit in superioribus scribi (J 496 b ). Weder der eine noch
der andere Brief tragen ein Datum, noch enthalten sie irgend
welche Angaben, aus denen der vermeintlich späte Korrektor
hätte die Grundlage für seine Anmerkung gewinnen können.
Er mußte also, so lautet der Schluß, unsere Handschrift R mit
dem ihm noch vorliegenden Urregister oder dessen Kopie zu
vergleichen Gelegenheit haben und aus diesem Vergleiche die
unrichtige Eintragung der beiden Stücke erkennen. So argu
mentiert z. B. auch Jaffe in der Einleitung der Ausgabe (S. 5). —
So bestechend der Schluß zunächst auch klingen mag, so dürfte
eine genaue Überprüfung ihn doch wohl als unlogisch und mit
den übrigen Annahmen und Behauptungen der Sammlerhypo
these in Widerspruch erscheinen lassen. Dann war also auch
für die Jahre 1081 ff. ein Register der päpstlichen Kanzlei vor
handen. Warum benutzten denn der Sammler — etwa Deus-
dedit — und sein vermeintlicher Auftraggeber Gregor dieses
nicht ebenso für das achte Buch, wie für die vorangegangenen
Jahre die entsprechenden Registerbücher herangezogen waren?
Sollte etwa der Papst inzwischen seinen Sinn geändert und die
Herausgabe des geplanten Weißbuches aufgeschoben haben?
Kaum glaublich, daß in diesem Falle der Kardinal oder
irgendwer an seiner Stelle selbständig und auf eigenes Risiko
das Unternehmen weitergeführt hätte. Und selbst wenn er es
wollte: woher konnte er die angebliche andere Vorlage ge
winnen, wenn nicht aus der päpstlichen Kanzlei? Nur in ihr,
in der Kanzlei des Ausstellers, war es möglich, diese in alle
Welt verstreuten Briefe des Registers, wie sie im achten Buche
und dem Schlüsse vereinigt sind, zusammenzubringen. War
74
Y. Abhandlung: Peitz.
aber die päpstliche Kauzlei ihm nicht verschlossen, warum
nahm der Sammler nicht auch für diese Teile zu den während
der Jahre 1081 —1085 gleichfalls regelrecht geführten Registern
seine Zuflucht? Oder hat er es doch getan, woher dann die
Unterschiede? Mit dem Bestände eines Kanzleiregisters für
die Jahre nach 1081 entfallen aber alle Gründe, die Giesebrecht
und Jaffe aus der Verschiedenheit der beiden Registerteile für
ihre Hypothese anführen zu können meinten. Denn dann ist
zum wenigsten mit der Möglichkeit zu rechnen, daß das Re
gister auch für diese Jahre kein anderes Aussehen bot als R,
daß falsche Einreihung, Fehlen der Daten, Ersatz des Adressaten
namens durch Anfangsbuchstaben ihm ebenso eigentümlich
waren, wie sie R eigentümlich sind. Damit ist aber der ganzen
Hypothese ihre eigentlichste Grundlage entzogen.
In der Tat entstammen jene Randbemerkungen keines
wegs dem 13. Jahrhundert, sie sind vielmehr, wie ich auf
Grund der dargelegten Erwägungen bereits vermutet hatte,
der Registerschrift unzweifelhaft gleichzeitig und gehören der
nämlichen Hand an, die die Briefe des ,neunten 1 Buches ein
trug. Es war also dem Schreiber wenigstens in diesen beiden
Fällen möglich, seinen Irrtum zu erkennen und richtigzustellen —
sei es auf Grund der ihm vorliegenden Minuten, sei es nach
anderweitigen Informationen. Wie die Fassung der zweiten
Marginale — haec similiter epistola — beweist, müssen beide
Fehleinträge miteinander vertauscht werden.
In wie innigem Zusammenhänge diese Umwälzung — A r on
einer ,Neuordnung 1 kann ja keine Rede sein — mit den äußeren
Ereignissen dieser sturmbewegten Jahre im Pontifikate Gre
gors VII. steht, das nachzuweisen, kann hier vorderhand nicht
unsere Aufgabe sein. Das Kanzleiwesen und der Gang der
politischen Ereignisse sind aufs innigste miteinander verbunden
und die Erscheinungen, die sich am Register beobachten lassen,
geben uns neue Aufschlüsse Uber die Entwicklung der Lage
des Papstes von 1080 an. Einzelforschung und -darstellung
haben hier vielleicht noch das eine oder andere bisher über
sehene Moment nachzutragen. 1
1 Bereits Pflugk-Harttung und Ewald war es fraglich erschienen,
,ob in den unruhigen und unglücklichen Schlußjahren des Pontifikats,
Das Original regirter Gregors VII. — I, 3 a.
75
Eine letzte Eigentümlichkeit des Registers, auf die meines
Wissens bisher noch niemand aufmerksam machte, ist der
sonderbare Vermerk des Indiktionswechsels, den wir in
ihm beobachten können. Der Verdeutlichung diene wieder die
folgende Übersicht. 1
J I 18
„ 18*
„ 19
„ 20
21
’? - JX
„ 21“
„ 22
J II 1
„ 2
„ 3
„ 4
J III 2
„ 3
.. 4
J IV 2
» 3
„ 4
» 5
J V 1
„ 2
.. 3
Data Albani
Capue
Actum
Data
Data
Data
Laurenti
Tiburis
Laurenti
Rome
Data Tiburis
Data
Rome
Florentiae
Sene
7 id. iul.
kal. sept.
18 kal. oct.
17 * „
5 kal. sept.
4 id.
>1 ?'
13 kal. aug.
D 7J 77
3 non. se|)t.
3 id. „
8 kal. sept.
indict. XI
ind. incipiente XII
Laurenti 3 non. „
5 kal. oct.
3 id. aug.
kal. sept.
Rome I 16 kal. oct.
77
ind.’XII
ind. XII
ind. incipiente XIII
ind. XIII
ind. XIII
2
ind. incipiente XIV
ind. XIV
ind. XIV
ind. incipiente XV
?? f} 77
ind. XV
ind. XV
ind. incipiente I
ind. I
wo der Papst fern von Korn weilen mußte, ob da Registereintragungen
oder doch halbwegs ausreichende stattgefunden haben 1 . Pflugk-Harttung
(NA XI) 153. Ewald (Histor. Unters.) 306.
1 Die Angaben im Texte Jaffes sind nach der Handschrift verifiziert und
ergänzt.
2 Die Indiktionsangabe fehlt, obwohl mehr als eine halbe Zeile Raum zu
ihrer Eintragung frei ist.
76
V. Abhandlung: Peitz.
J VI 3 Data ad s. Germanum 11 kal. sept.
„ 4 „ in bnrgo Äqnae- 8 id. oct.
pendcnlis
ind. I
ind. II
J VII 1 Data Rome
9 kal. oct.
kal. oct.
ind. III
J VIII 6 Data
8 kal. aug.
„ ^ -
,, 8 Dalaiu Rome
— (vor Sepl. 1)
14 kal. oct.
3 non oct.
id. oct.
id. oct.
Während also das Register selbst — im Gegensätze zu
den alten Registern, etwa Gregors I. und Johanns VIII. —
nach Pontifikatsjahren in Bücher eingeteilt ist, wird bis zum
fünften Buche einschließlich auf den Anfang der neuen In
diktion jeweils wenigstens bei dem ersten mit ihr zu bezeich
nenden Briefe hingewiesen. Die Datierung der betreffenden
Stücke fällt jedoch keineswegs mit dem Beginne der neuen In
diktion selbst, dem 1. September nach byzantinischer Zählung,
zusammen. In Buch II wird der Wechsel am 10., in III und
IV je am 3. September kenntlich gemacht. In 1 kehrt die
Angabe des Indiktionswechsels, die bereits zu I 19 notiert war,
hei 120 und 21 wieder: alle drei Briefe sind vom gleichen
Datum, dem 1. September, dem Tage, an dem die neue, noch
ungewohnte In diktionszahl einzusetzen hatte. — In Buch IV
wiederholt sich desgleichen die Formel Indictione incvpiente XV,
die zuerst in IV 3 zu Laurentum September 3 eingetragen war,
auch in der Datierung von IV 4, das jedoch erst vom 27. Sep
tember aus Rom gefertigt wird, während IV 5, obwohl am
gleichen Datum in Rom gegeben, wieder einfache Indiktions
angabe ohne Beisatz hat. — In Buch VI ist das Titelrubrum
des Buches-fälschlich mit Indictione II. gezeichnet, obwohl die
drei ersten Schreiben noch der Indictio I. angehören und auch
Das Originah-egister Gregors VII. — I, 3 a.
77
richtig mit ihr datiert sind. Der erste Brief des neuen Indik
tionsjahres, IV 4, stammt erst vom 8. Oktober, während das
letzte Stück vorher, VI3, dem 22. August angehört; es ent
behrt des Änderungsvermerkes. Die sehr naheliegende Erklä
rung dürfte sein, daß dem Schreiber die neue Indiktion bereits
so geläufig war, daß er an einen eigenen Vermerk im Kanzlei
buche gar nicht mehr dachte. — Buch VII hat die laufende
Indiktion in seinem Titelrubrum, aber gleich der erste Eintrag
geschieht am 23. September mit neuer Indiktion ohne Sonder
vermerk. —- In Buch' VIII endlich fällt mit jeglicher Indik
tionsangabe auch die Angabe eines Wechsels in der Jahres
bezeichnung von selbst fort.
Mit einem Exzerpt aus dem Urregister scheint dieser
Tatbestand nur gezwungen in Einklang gebracht werden zu
können. Es wäre doch gewiß recht sonderbar, wenn der Kopist so
treulich alle Unebenheiten sollte übernommen haben, denen er,
wie in Buch I und IV, durch eine geringfügige und sehr nahe
liegende Auslassung hätte ein Ende machen können, zumal
diese Angaben für ihn und seine Zwecke völlig wertlos waren.
Noch merkwürdiger, daß ein Exzerptor, der ja nach der An
nahme aus den umfassenderen Generalregistern seine Auswahl
traf, in der Reihe der Schreiben bei so spätem Datum wie Septem
ber 10 (II 2), beziehungsweise September 23 (IV 4) noch geglaubt
hätte, auf einen Wechsel der Indiktion aufmerksam machen
zu sollen, obwohl dieser für das Exzerpt von gar keiner Be
deutung war — ja daß er, nicht zufrieden, in 119 und IV 3
den Wechsel bereits ausdrücklich kenntlich gemacht zu haben,
seinen Hinweis bei dem unmittelbar folgenden Stücke nochmals
erneuerte. Oder sollten etwa aus der Kanzlei Gregors über
haupt so wenig zahlreiche Schreiben erflossen sein, daß z. B.
im dritten Pontifikatsjahre vom 20. Juli bis zum 3. September
kein einziges Stück in die Registratur hätte eingeliefert werden
können, oder daß man im zweiten Jahre vom 28. August bis
zum 10. September in der Kanzlei feiern mußte? Die ziemlich
zahlreichen in unserem Register nicht eingetragenen Schreiben,
die durch anderweitige Überlieferung erhalten sind, sprechen
dagegen. — Oder sollte etwa doch nur ein relativ geringer
Bruchteil der ausgelaufenen Stücke in die Register aufgenommen
worden sein? Wohl, aber dann ist es aufs neue um einen
78
V. Abhandlung: Peitz.
Stützpunkt der Sammler Hypothese geschehen, die sich mit
Nachdruck auf die geringe Zahl der in R mitgeteilten Briefe
beruft.
Die Kennzeichnung des Indiktionswechsels in der Form
und an den Stellen, wie sie die Vatikanische Handschrift dar
bietet, ist so charakteristische Kanzleieigentümlichkeit, daß sie
unwillkürlich den Gedanken nahelegen muß, R sei zum min
desten die Kopie eines regelrechten Kanzleiregisters. Daß in
einem solchen der registrierende Beamte die noch ungeläufige
Indiktion XII am ersten Tage, da er sie zu schreiben hatte,
bei allen Briefeinträgen hervorhob, daß er auf die neue Zahl
bei dem ersten in dieses Register einzutragenden Stücke auch
am 3. und 10. September noch aufmerksam machte, daß der
Registrator endlich im Oktober, nachdem die neue Indiktionszahl
ihm durch einmonatlichen Gebrauch schon völlig vertraut ge
worden war (IV 4, VII 2), deu speziellen Eintrag Indictione
incipiente unterließ, das alles entspricht völlig den Verhält
nissen und bedarf keiner weiteren Erklärung. Es sind das
typische Kanzleierscheinungeu. Auch ihre Unregelmäßigkeit
deutet darauf, daß sie im Laufe der Jahre allmählich dem
Register einverleibt wurden.
b. Zusätze und sachliche Änderungen.
Im Register Gregors finden sich einige Zusätze mit
Originalcharakter, die zum Teil schon mit Hilfe der Aus
gabe Jaffes sich verfolgen ließen. Die aus dem Drucke zu
schöpfenden Beobachtungen werden durch die Untersuchung
der Handschrift nur ergänzt und verstärkt.
In J II*, der Anzeige Gregors an Desiderius von Monte
Cassino betreffs seiner Erhebung auf den päpstlichen Stuhl,
läßt Jaffe (11 7 ~ 9 ) den Papst schreiben: Te itaque . . . rogo, ut
suffraganeos fratres et filios, quos in Christo nutris, ad exoran-
dum Deum pro me provoces. In einem Briefe an den Abt von
Monte Cassino wohl schlechterdings eine kanzleiwidrige Un
möglichkeit. Der Herausgeber setzt denn auch das Wort
suffraganeos in Klammern und kennzeichnet es in der Fußnote
als einen Nachtrag. Mit Recht. Es wurde mit anderer Tinte
von der Hand des wohl gleichzeitigen Korrektors, die im
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
79
weiteren Verlaufe des Registers an zahlreichen Stellen wieder
kehrt, über der Zeile hinzugefügt. Wie ist aher dieser Nach
trag zu erklären? Der Registrator, der II* in das Kanzlei
buch einzutragen hatte, konnte ihn nicht beifügen. Er hätte
rein willkürlich und ohne Vorlage den Zusatz machen müssen.
Aher soweit war er als Kanzleibeamter doch wohl mit Kurial-
braucli und Kurialstil vertraut, daß man ihm einen derartigen
Verstoß nicht leicht zur Last legen dürfte.
Die Sache klärt sich, wenn man im Register die nach
folgenden Stücke ins Auge faßt. Da zeigt sich, daß J I 3 an
Wihert von Ravenna ganz nach dem Muster und im Anschlüsse
an den Wortlaut des ersten Briefes entworfen, aber mit suffra-
ganeos statt mit fratres versehen ist. Unter den 5 Adressen
des Apare 14 findet man sodann auch den Namen des Erz
bischofs von Rheims, Manasses, an den eine Neuausfertigung
in ceteris quidem a paribus abgehen soll, bloß am Ende sollen
einige selbstverständliche Änderungen angebracht werden. Auf
Manasses und auf ihn allein würde der Zusatz suffraganeos
passen. — Während bei den übrigen Adressaten die etwaigen
Änderungen ganz unmittelbar klar waren und überdies keine
weitgreifende Bedeutung besaßen, war es immerhin wichtig zu
konstatieren, daß dem gallischen Prälaten der neue Pontifikat
nicht bloß als Erzbischof von Rheims, sondern ausdrücklich
auch als Metropoliten bekannt gegeben war, eine Rücksicht,
die hei dem stets etwas schwierigen Oberhirten doppelt wichtig
war. Der Beamte, der das Register revidierte,. fügte also im
Originalregister — nur dort war solcher Zusatz möglich —
suffraganeos als Nachtrag dem ursprünglichen Wortlaute bei.
Daß es sich nicht um ein zufälliges Übersehen und Ver
gessen gehandelt hatte, beweist die innere Unmöglichkeit der
Lesung in bezug auf einen und denselben Adressaten. Zu be
achten ist auch der chronologische Abstand der beiden Be
ziehungsstücke: II* datierte bereits vom 23. April, 1 der Brief
an Wibert vom 26., das Apare ging erst am 28. aus; das
Zwischenstück 12 erfloß wie I 1 * am 23. des gleichen Mo
nats. — So erklärt sich in einem Originalregister der Zusatz
ganz natürlich und ungezwungen.
1 Die Datierung lautet in der Handschrift: Data Rome VIIII Jcal. Mai.
80
V. Abhandlung: Peitz.
Wäre dagegen R eine Kopie, so stünde man vor einem
Rätsel: der Kanzlist, der kopierte, hätte entweder das Unpas
sende von suffraganeos 'erkennen müssen — und das dürfte
innerhalb der päpstlichen Kanzlei wohl am nächsten gelegen
haben — oder aber er hätte den Zusatz in den Text des
Briefes aufgenommen, wie es Jaffe tut. Ganz unbegreiflich
aber bei einer Kopie, daß der Zusatz auch in ihr erst durch
die Korrektur erfolgte.
Nach dem Text des Paul von Bernried bei Watterich
sollte man vermuten, daß auch Paul das suffraganeos seiner
aus R genommenen Abschrift eingefügt habe, was sich in der
Kopie eines mit dem Kanzleiwesen der Kurie nicht Vertrauten
sehr wohl verstehen und erklären ließe. Allein der textkritische
Anhang auf S. 753 belehrt, daß die Heiligenkreuzer Hand
schrift ebenso wie der Wiener Kodex des 14. Jahrhunderts
nur frntres et filios kenne. — Hugo von Flavigny, aus Ori
ginalüberlieferung schöpfend, bietet natürlich das anstößige
suffraganeos nicht. 1
Ein zweiter Zusatz mit Originalcharakter findet sich
in J III 10 a . Dieses Protokoll der Fastensynode von 107G
enthält die bekannte Exkommunikation des deutschen Königs:
Beate Petre, apostolorum princeps. Unter den in Jaffes Text
zur Begründung des Anathems aufgezählten Klagepunkten
gegen Heinrich — Ungehorsam, Verkehr mit Gebannten, viele
Frevel, Mißachtung päpstlicher Mahnung, Versuch des Schismas
— entbehrt nun freilich der dritte an dieser Stelle der hand
schriftlichen Grundlage. Jaffe übernahm den Beisatz et rnultas
iniquitates faciendo aus der gleichlautenden Bannformel, die
in R schon nach III 5 eingefügt war, wie er selbst 224 g und
211 d angibt. — Pandulph von Pisa, der in seiner Biographie
Gregors VII. unser R benutzt und nach eigenem Zeugnis die
Formel dem Synodalprotokoll entlehnt, kennt den Einschub
1 JafF hat liier wie öfters ohne genügenden Grund den Registertext ver
ändert. Den ganzen Satz nil — rapuerunt (J 10,—ll 2 ) fügt er dem
Texte ein, obwohl die beiden anderen selbständigen Textzeugen, Hugo
von Flavigny und Paul von Bernried, ihn ebensowenig kennen wie lt.
— Daß Paul das Register kannte und benutzte, wies May nach (vgl.
unten Exkurs I). Die Aufstellungen Grevings über das Verhältnis
Pauls zu tjugo bedürften einer genauen Nachprüfung.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3b.
81
nicht. — Auch hei Paul von Bernried fehlt er — wenigstens
in der guten Handschrift von Heiligenkreuz, Watterichs
Kodex S. — Bruno, dessen Handschriften alle den Zusatz ent
halten, bringt zwar seine Exkommunikationsformel mit der
Synodalexkommunikation in Verbindung, allein der Umstand,
daß er sie nur im Zusammenhänge mit dem Briefe Gregors
J III 6 kennt, spricht dafür, daß er nicht die in J III HP ent
haltene, sondern die nach J III 5 im Register eingetragene und
jenem Schreiben Gregors beigeschlossene Bannformel mitteilt.
In bezug auf die von ihm hergestellte unmittelbare Beziehung
auf die Synode ist daran zu erinnern, daß Bruno überhaupt
die ihm zu Gebote stehenden Aktenstücke ,nicht angemessener
Weise zu verwerten, namentlich nicht in die rechte chrono
logische Folge zu bringen 1 weiß. 1 Wie käme aber ein nach
geordneter Vorlage kopierender Schreiber dazu, nicht bloß die
Exkommunikation aus dem Zusammenhänge herauszureißen und
an einem ganz anderen Orte bereits vorweg zu nehmen, son
dern auch einen willkürlichen Zusatz einzuschieben, die zuge
hörigen Briefe ebenso vorauszusetzen — dann jedoch in
J III 8—10 zur alten Ordnung der Vorlage zurückzukehren
und nun zwar einen Teil seiner falschen Einträge der Vorlage
entsprechend wiederum einzusetzen (die Exkommunikation),
darauf aber ohne jede Kenntlichmachung des Irrtums und der
Auslassung mit sorgfältiger Übergehung der anderen an die
falsche Stelle gerückten Nummern (III 6—7) in der Abschrift
fortzufahren? Fürwahr eine paläograpbische Monstruosität oder
ein ganzer Rattenkönig von Zufälligkeiten. Mit solchen An
nahmen und bei derartigem Vorgehen könnte man schließlich
in jeder Quelle alles Unbequeme sich aus dem W r ege
schaffen.
Einer Einwendung, die der tatsächlichen Entwicklung
der Ereignisse 1 entnommen werden möchte, muß hier von vorn
herein vorgebeugt werden. Es ist methodisch wohl nicht zu
lässig noch einwandfrei, unsere Auffassung von der Entwick
lung der Dinge, die übrigens im letzten Grunde durchaus auf
der Zeichnung Giesebrechts beruht, zum Kriterium der Echt
heit oder Verunechtung der Quellen machen zu wollen.
1 Giesebrecht, Kaiserzeit III 2 4 1047.
Sitzungber. d. phil.-hist. KL. 165. ßd. 5. Abh.
6
82
V. Abhandlung: Peitz.
Ähnliche Erwägungen ließen sich an den ersten Eintrag
des von Berengar von Tours geleisteten Eides knüpfen. Nach
J III17 sind der Eidesformel nach ulterius docebo die von
Jaffe 353 c angeführten Worte hinzugefügt: excepta causa
reducendi — umgeschrieben aus reducendo — ad viam veri-
tatis . . . interrogaverint. Sie sind aber dort mit anderer Tinte
durchgestrichen. 1 In der dem Synodalprotokoll J VI 17 a ein
gegliederten Eidesformel folgt nach ulterius docebo eine Rasur,
auf deren Anfang von erster Hand die Schwurformel Sic me
Deus . . . gesetzt wurde; es blieben noch 2 1 / i Zeilen frei. Nach
evangelia verweist ein Kreuzchen auf einen Zusatz am unteren
Rande der Seite, der ebenfalls in der Hauptsache vom ersten
Schreiber geschrieben wurde, doch einzelne Änderungen von
der Hand des Korrektors zeigt, auf die unten näher zurück
zukommen ist. In der Abschrift eines Kopisten nach Vorlage
eines Registers dürfte sich solcher Sachverhalt nur schwer er
klären lassen, ist aber in einem Originalregister sehr begreiflich.
Zwei weitere Beweismomente, und wie mir scheint
sehr triftige, für die Auffassung unseres R als ursprünglichen
Originalkanzleiregisters'liefert der Akteneinschuh J VI 17 a ,
das Protokoll der römischen Synode vom Februar 1079. In
den Verhandlungen Uber die Sakramentslehre Berengars von
Tours vertritt die große Mehrzahl der Synodalteilnehmer den
kirchlichen Transsubstantiationsbegriff und verteidigt, so heißt
es im Jaffeschen Text (352 4 _ 2 ), diese Lehre auctoritatibus
orthodoxorum sanctorum patrum, tarn Graecorum quam Lati-
1 De registro einendando 10 hatte Giesebrecht bereits die Tilgung an
gemerkt: Ilaec verba iam magna ex parte in codice expuncta sunt —
tatsächlich sind sie ganz gestrichen, nicht nur zum Teil. Was er dann
über die Änderung in der Formel J VI 17» sagt, entspricht wieder
nicht dem wahren Sachverhalt. Es ist begreiflich, wenn er bei solchen
Unterlagen nicht auf die wirklichen Entstehungsverhältnisse der Hand
schrift aufmerksam wurde und z. B. den Zusatz zur Formel J VI 17“
aus Hugo von Flavigny ins Register gekommen sein läßt, wobei wieder
unerklärlich bleibt, wie der unbekannte, aber doch wohl italienische
oder gar römische Korrektor zur Kenntnis und in den Besitz der Chronik
Hugos gekommen sein sollte. Aber Giesebrecht dürfte kaum das ganze
Register persönlich kollationiert und abgeschrieben haben. — Jaffe
übersah die Bemerkungen an jener Stelle und vergaß, auf die Änderung
aufmerksam zu machen.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
83
norum. Tatsächlich enthielt der Text des Registers ursprünglich
eine ganz andere Fassung, worüber Jaffes Noten Auskunft
geben. Dort hatte gestanden: rationibus tarn Graecis quam
Latinis und die Korrektur, die zuerst mitgeteilte längere Les
art, ist am Rande nachgetragen. Pandulph von Pisa und Hugo
von Flaviguy lesen beide auctoritatibus etc., wie die Marginale
in R. Wäre nun R Kopie, so dürfte es sehr schwer fallen,
diesen ganzen Sachverhalt zu erklären. Rationibus tarn Graecis
quam Latinis will offenbar genau das nämliche besagen, was
klarer und voller durch die Korrektur ausgedrückt ist, aber
es ist eine ganz ungewöhnliche Art, diesen Gedanken wieder
zugeben, und dabei inhaltlich weder völlig unanfechtbar noch
eindeutig. Wohl läßt sich begreifen, daß im Originalregister
ein solcher Ausdruck verbessert und die endgültig angenommene
Änderung am Rande eingesetzt wurde. Aber der Abschreiber,
mochte er nun Verständnis für den Inhalt haben oder nicht,
konnte unmöglich weder aus der zweiten Fassung, wie sie R
am Rande bietet, die erste herausarbeiten und nachträglich
etwa die Lesung seiner Vorlage am Rande beifügen, noch
beides, Urtext und Änderung, seiner Vorlage entnehmen und
sie gar in der Form, wie sie R aufweist, seiner Abschrift ein-
gliedern. War die Verbesserung in der Vorlage und ist R
Kopie, so mußte der Kopist es machen wie Pandulph und Paul
von Bernried: er überging die falsche Lesung und gewährte
nur der Verbesserung Aufnahme.
Zwei Zeilen später findet sich ein ähnlicher Anhaltspunkt.
Von den Verteidigern Berengars schreibt das Protokoll: quidam
vero . . . figura tantum, se et alios decipientes . . . conabantur
astruere. 1 Der Satz gibt in knapper Kürze genau den Sakra-
1 Die Geschichte der Behandlung dieser Korrektur bei Giesebrecht und
JafK ist lehrreich für die Wertung der Giesebrechtschen Hypothese über
die Entstehung von R wie für die des Jaffdschen Textes. Giesebrecht
faßte die getilgte erste Lesung des locus ad causam Berengarii spectans
manifesto corruptus als die eigentliche, wenn auch verderbte und besse
rungsbedürftige Lesung des Registers auf und sah in der Korrektur bloß
den Emendationsversuch eines librarius quidam. Aber er batte doch an
gegeben, daß esse ebenso wie die vorausgehenden Worte getilgt sei. (De
registro emendando 42.) Jaffa schloß sich seiner Auffassung nicht an,
behielt jedoch esse als zu Recht bestehenden Bestandteil des Textes bei,
ohne von seiner Streichung Notiz zu nehmen.
6*
84
V. Abhandlung: Peitz.
mentsbegriff des Scholastikus von Tours und Archidiakons
von Angers wieder, wie ihn dieser selbst z. B. in dem Glau
bensbekenntnisse von 1059 zum Ausdrucke gebracht und ab
geschworen hatte. 1 In R war ursprünglich statt dieser Fas
sung, an der Jaffe zu Unrecht Anstoß nimmt und eine Kor
rektur anbringen möchte, eine andere Niederschrift beabsichtigt
und angefangen worden: quidam vero . . . figura tantum, quae
substantielle illud corpus in dextera patris sedens esse; dann
aber wurden die Worte des Relativsatzes durch untergesetzte
Punkte getilgt und die jetzige Fassung hergestellt. Die ur
sprünglich beabsichtigte Wendung ist hinreichend ausgeführt,
um mit Sicherheit erkennen zu lassen, daß in ihr eine weit
läufigere Erklärung und Ausführung des im endgültigen Texte
mit knapper, prägnanter Kürze ausgeprägten theologischen Ge
dankeninhaltes beabsichtigt war. Die veränderte Fassung ist
jedoch klar genug und enthält bereits alles Wesentliche. —
Boi einer Ivojiie ließe sich wiederum nicht recht verstehen,
warum der Kopist die aufgegebene Wendung hätte in seinen
Text aufnehmen sollen. Er mußte doch sehen und sah es ja
auch wirklich, daß es sich um eine Korrektur handelte, wie
Paul von Bernried und Pandulph auch hier wieder die Ände
rung ganz übereinstimmend erkannt und das durch Unter
punktieren als Ausfall bezeiclmete Stück sorgfältig ausgelassen
haben. Der Registrator des Originalregisters aber oder der
Konzipient der Minute, auf den diese Registerfassung des Proto
kolls zurückgeht, konnte sehr wohl in derartig schwierigen
Fragen zunächst eine andere weitläufigere Umkleidung des
Gedankens beabsichtigen, dann aber im Bestreben nach mög
lichster Kürze und Prägnanz des Ausdruckes die zweite Fas
sung des Textes durch Änderung während des Schreibens her
steilen. So hat er auch gleich nachher facinus entschieden
glücklich in impietatem umgeändert.
Daß etwa aus der korrigierten Minute leicht eine der
artige Änderung mitsamt dem ursprünglichen, reprobierten
Texte übernommen werden konnte, ist wohl begreiflich. 2
1 Hardouin, Acta Conciliorum VI 1, 1064. Mansi, ConciMorum Colledio
Amplissima XIX 900.
2 Ähnliche Beobachtungen aus dem Betrieb der Kanzlei von Poitters hei
Heckei a. a. O. (Areh. Urk. Forsch. I) 462 5 .
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
85
Das gleiche Protokoll liefert noch einen Anhaltspunkt.
Nach dem Eide des ßeringarius, an dessen Schluß jetzt Sic
me deus — evangelia auf Rasur steht, war ursprünglich der
gleiche Schlußsatz eingetragen, der sich in der nach III 17
registrierten Eidesformel findet (vgl. Jaffe 353 e ). Er wurde
getilgt; jetzt sind dort 2 J / 2 Zeilen leer. Statt dessen findet
sich nach evangelia ein Kreuzchen als VerWeisungszeichen auf
die am unteren Rande ebenso kenntlich gemachte Fassung.
Rei dieser von der Hand des ersten Schreibers angebrachten
Änderung am Rande hat aber der Korrektor wieder sein Amt
ausgeübt. Statt postea, wie der Schreiber gesagt hatte, setzte
er Tune darüber und tilgte postea durch Unterstreichen; auch
fügte er nach disputare über der Zeile hinzu vel aliquem dotiere.
Viele Korrekturen weist auch das Synodalprotokoll J VI5 b
anf, die unten zur Sprache kommen werden. Sie alle rühren
von der gleichen Hand her wie die Korrekturen in J VI 17 tt ,
sind jedoch mit anderer Tinte geschrieben als diese.
Weitere Anhaltspunkte liefern die im Register zahlreich
sich findenden sachlichen Änderungen und Korrekturen.
In J VIII 10 z. R. hatte der Schreiber den Text ursprünglich
so gestaltet (J 440 10 ): et ne . . . se intromittant' nee non ipsum
ad honorem ecclesiarum defendendum promtissime constringas.
Der Korrektor strich constringas durch und schrieb nach intro
mittant das gleiche constringas auf den Rand; nach promtissime
fügte er dann adiuves hinzu. So wurde der Bau der ganzen
Periode gleichmäßiger.
Die meisten Änderungen rühren allerdings von der Hand
des ersten Schreibers selbst her, aber gerade diese beweisen,
daß die Handschrift ein Originalregister ist. Freilich muß,
um dem Beweise eine Grundlage zu gehen, eine alte Streit
frage mit in die Untersuchung einbezogen werden, die in der
Registerforschung einen bedeutenden Platz eingenommen hat:
die Frage nach, der Vorlage der Register. Wurde nach
Konzepten, wurde nach Originalen registriert? Auch in dieser
Frage bedeuteten Denifles Forschungen einen starken Ein
schnitt, doch ist durch glückliche Funde die Forschung neuer
dings schon weit über ihn hinausgekommen. Aus dem Register
Gregors nun scheint sich mit Bestimmthnit zu ergehen, daß
unter seinem Pontifikate wenigstens durchweg nach Minuten
86
V Abhandlung: Peitz.
registriert wurde. Die in Betracht kommenden Anhalts
punkte mögen kurz geltend gemacht werden.
Die Einträge aus den Pontifikatsjahren 9—11 konnten
sicher nur nach den erhaltenen Konzepten angefertigt werden,
da ja die Originale längst expediert waren. Aus ihnen gewinnt
man also ein sicheres Bild einer derartigen Minutenkopie.
In J IX I (470 4 ) = R fol. 213 a ist nach auctoritate mit an
derer Tinte von erster Hand die Verbindung nullum deinceps
episcopum durchgestrichen und hinter parvipendisti am Ende
der Zeile auf Rasur und — von deinceps an — auf den Rand
hinaus eingetragen; das ausradierte vel sacer(dos) wurde dann
vor den Anfang der nächsten Zeile gesetzt. So entstand der
von Jaffe gebotene Text. Zu einem Verschreiben oder Ver
lesen fehlte jeder Anhaltspunkt; es ist aber wohl begreiflich,
wie der Schreiber hier einen Marginalzusatz seiner Vorlage
mit dem Kontexte zu verbinden hatte. — In J IX11 (486 14 ) = R
fol. 221 b war zuerst geschrieben: ducem adiutorium \ ut fi.de-
litate nohis promisit, subtrahere. Nachträglich wurde hinzu
gefügt: sicut | iuramento, wobei -mento am Anfänge der Zeile
auf Rasur steht; fidelitate wurde zu fidelitatis geändert. —
Noch klarer spricht J IX 16 (491 12 ) = R fol. 224 a . Hier
steht velit patrare am Schlüsse der Zeile auf Rasur. Die drei
nächsten Zeilen sind durchstrichen. Der Text lautete: suram
distorsit, ipse domino et conscientia inea mihi penitus alie-
num videretur, ut qui pro defensione iustitie contra reges
terre et intui- tu desereremus, et qui praesentis vite mortem
Uli posthabere decre j vimus. Hier ist es ganz offenbar, daß
es sich um einen im Konzept ursprünglich enthaltenen, aber
dann umgeänderten Text handelt. Der Kopist, dem die Ab
schrift der Minuten anvertraut war, übersah die Änderung.
Erst der Korrektor, von dessen Hand das velit patrare der
Rasur stammt, strich die überflüssigen Zeilen und berichtigte. —
In J IX 20 (494 16 ) = R fol. 225 b ) war zunächst geschrieben
worden: habutens patientia dis \ tulisti. Non enim . . . Vom
Korrektor wurde tulisti am Anfänge der zweiten Zeile aus
radiert und am Ende der vorausgehenden angehängt. Vor der
zweiten Zeile aber und auf der Rasur sowie zum Teil noch
über der Zeile fügte er den Zusatz ein: cum nec etiarn cano-
nicam excusationem praetenderis. Der erste Schreiber 'hatte
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
87
wenig später geschrieben: testante beato Samuhele Auctoritate
aposlolica officium tibi pontificale interdicimus, quousque te ro-
mane sedi satisfacturum praesentaveris, a beati Petri gratia
scias te procul dubio removendum et eius auctoritate omnino
feriendum, cum nec etiani canonicam excusationem praetendisti.
Hier ist nachträglich dann der ganze Text von auctoritate bis
praesentaveris und von cum nec etiain bis praetendisti vom
Korrektor durchgestrichen. Daß es sich hier unmöglich um
Änderungen handeln konnte, die erst jetzt getroffen wurden,
ist ganz klar: diese Briefe bis J 1X33 einschließlich sind ganz
einheitlich geschrieben, die Originale waren demnach längst
expediert und es kam nun darauf an, sie möglichst in der
Fassung einzutragen, in der sie ausgelaufen waren. Die ganzen
Änderungen mußten also schon in der Vorlage sich finden und
mußten hier vom Schreiber mit einiger Leichtigkeit übersehen
werden können. Das scheint aber sowohl Original- als Register
vorlage unbedingt auszuschließen und unmittelbar auf die
Minute als Vorlage hinzudeuten.
Ganz analoge Erscheinungen finden sich nun in den
ersten Büchern. Schon die Äusgabe Jaffes genügte mit den
Ängaben über die Textgestalt der Handschrift, um den Ein
trag nach dem Konzept in etwa wahrscheinlich zu machen.
In J I 19 (33 a ) bemerkte der Herausgeber, daß der Satz Na in
sicut duobus oculis — illuminari probatur mit einem Verwei
sungszeichen am unteren Rande der Seite nachgetragen sei.
Der Zusatz ist von der gleichen Hand und Tinte wie der
ganze Brief. Zu J I 28 (45 a ) heißt es, die Worte et clericos
bis revocare seien von anderer Hand hinzugesetzt; der Nach
trag steht zwischen den Zeilen und stammt tatsächlich von
erster Hand. Schon in diesen beiden Fällen wäre es merk
würdig gewesen, wenn der Schreiber in den ihm etwa vorlie
genden, doch immerhin sorgfältiger ausgeführten Originalen
oder Originalregistern so bedeutende Bestandteile übergangen
hätte, ohne daß Gleichklang oder ähnliches Schlußwort oder
dergleichen Kopistenkreuze ein Übersehen erklärlich machte.
Wie wäre es obendrein gekommen, daß der Text auch ohne
diese Nachträge lückenlos und mit vollständig korrektem Sinn
voranlief, ohne daß auch nur das mindeste, sei es sachlich,
sei es formell, sich vermissen ließe?
88
V. Abhandlung: Peitz.
Die Beispiele aber lassen sieh aus der Handschrift leicht
um ein beträchtliches vermehren. Nur einzelne Proben und
Ergänzungen seien beigefügt. In J I 82 (102 19 ) = R fol. 46 a
steht omnibus — pervenerint auf Rasur; die erste Fassung:
episcopus servus servorum dei ist noch deutlich zu erkennen. —
In J 1 83 (104 18 ) = R fol. 46 b steht der Satz et super hac
re — accepimus als Nachtrag erster Hand am unteren Rande;
ein Kreuzchen dient als Verweisungszeichen. — Die Worte
inter cetera, quae ibi gesta sunt des Stückes J I 86 (108 15 ) =
R fol. 48 b sind vom ersten Schreiber zwischen den Zeilen
nachgetragen; ein Punkt nach qua bezeichnet die Stelle, wo
hin der Zusatz gehört. — J II 31 hat zwei Nachträge:
R fol. 66 b -wurden die Worte (J 145 2 ): et more pecudum co-
tidie occiditur über der Zeile ergänzt und der Bedingungssatz
si Christo duce — diriguntur (J 145.) wurde mit einem Kreuz
chen am unteren Rande nachgetragen. — Eine weitere nach
trägliche Ergänzung, wie in allen diesen Fällen von erster
Hand, findet sich J II 36 (150 2 ) == R fol. 68 b . Nach pro-
batum sit ist ein te et durchgestrichen und über der Zeile ein
gefügt worden: te habuisse virum consanguineum Azzonis, te
etiam et. — Die Adresse von J II 41 (154 2 ) = R fol. 71“
enthält die Worte: atque clero et populo Egubino auf Rasur;
der ursprüngliche Text war länger. — In J 11 52 (169 20 ) =
R fol. 78“ war anfänglich als Frist angegeben: ut ante proxi-
mam festivitatem resurrectionis in nostram praesentiam venias;
dann wurde ante und resurrectionis ausradiert und auf die
Rasur geschrieben in, beziehungsweise omnium sanctorum. —
An Cunibert von Turin war in der Adresse von J II69
(190 7 _) = R fol. 87 b ursprünglich die Grußformel salutem et
apostolicam benedictionem beigefügt; nachträglich wurde sie
ausradiert. — In J III 4 (209 2 ) = R fol. 97“ hatte der erste
Schreiber vor gladio mit anderer Tinte über der Zeile hinzu
gesetzt: sacerdotali, strich aber später den Zusatz wieder
durch. — Auf R fol. 98“ ist in der ersten Exkommunikations
formel Heinrichs IV. [J III 5“] (224 10 ) nach populus christianus
über der Zeile nachgetragen: specialiter tibi commissus. —
Als Nachtrag stehen am unteren Rande die Worte: atque in
terim ut ei — constituimus in J IV 5 (249 ]5 ) = R fol. 118“
von erster Hand.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
89
Die Beispiele mögen genügen. Es wiederholt sich bei
ihnen die gleiche Erscheinung: kein Gleichklang, der das Über
sehen nahelegte. Die Nachträge selbst bald kurz, bald lang,
sicher nicht von der Art, daß sie jedesmal genau eine Zeile
oder deren Vielfaches in der Vorlage ausgefüllt hätten. Und
selbst wenn sie noch durch Flüchtigkeit des Schreibers erklärt
werden könnten: es bliebe rätselhaft, wie es möglich war, daß
alle diese Nachträge regelmäßig einen in sich völlig zusammen
hängenden Text erweiterten oder ergänzten und daß keiner
von ihnen weder durch den formellen noch durch den inhalt
lichen Zusammenhang geboten war. Soviel ist dadurch sicher:
weder die Originale noch auch ein fertiges, abgeschlossenes
Register konnten für diese Stücke als Vorlage dienen. Nur
die Annahme, daß sie nach den korrigierten Minuten
eingeschrieben wurden, scheint die Verhältnisse genügend
zu erklären und alle Schwierigkeit zu heben. 1 Ein von der
Ausstellerkanzlei nach den Minuten selbst angelegtes und von
ihr als das Register des Ausstellers bezeichnetes Briefbuch
aber dürfte doch wohl als Originalregister angesprochen werden
müssen.
Als Ergänzung möge eine andere Erwägung die ge
machten Beobachtungen bestätigen. In J II 28 (140 16 ) =
R fol. 64 t> war vom Registrator geschrieben worden: Quem
murum inexpugnabilem pro sancta Romana ecclesia pro nobis
1 Vielleicht möchte man zunächst geneigt sein, eine Ergänzung der bereits
gefertigten Registereinträge nach geschehener Korrektur und Approbation
des Textes durch den Papst anzunehmen. Allein dem steht die Gleich
förmigkeit der Erscheinungen im sogenannten ,neunten 4 Buche entgegen,
die wohl direkt auf die oben gemachte Annahme liinzuweisen scheinen.
— Dazu kommt ein weiteres Moment. Wie die unten in Beilage I ge
botene Kollation zwischen dem Originaltexte des Privilegs für Banzi und
seinem Einträge auf den von Anfang an dem Register vorangestellten
Blättern zeigt, sind beide Texte unabhängig voneinander auf die gleiche
gemeinsame Vorlage zurückzuführen. Die gemeinsame Vorlage für die
Originalausfertigung und den Registereintrag muß doch wohl die Minute
bilden. Sie war korrigiert: nur daraus könnte ich vorläufig die eigen
artigen, mit dem Original nicht übereinstimmenden Korrekturen in der
Registerüberlieferung dieses Stückes erklären. — Über die Minuten als
Registervorlage zur Zeit Johanns VIII. vgl. jetzt E. Caspar, Studien
(NA XXXVI 1911, 108—17), wo ähnliche Momente zur Geltung ge
bracht werden.
90
V. Abhandlung: Peitz.
etiam cui l;icet . . . Über pro und über cui wurden Umstel-
luugszeichen angebracht, dann aber pro nobis etiam durchge-
striclien und im Texte, wie ihn Jaffe hietet -—. auch jetzt mit
mehreren kleineren Änderungen — fortgefahren. Die Korrektur
läßt sich wohl nur aus einer korrigierten Minute ganz ver
stehen und erst auf Grund dieser Erklärung der Text richtig
hersteilen. Die erste Fassung des Schreibers deutet darauf
hin, daß in seiner Vorlage pro nobis unmittelbar auf ecclesia
folgte, — die Korrektur darauf, daß nach ecclesia der Relativ
satz eingeschaltet werden sollte, — das doppelte Vorkommen
des pro sancta Romana ecclesia darauf, daß die erste Form
des Satzes durch die Einschübe erweitert wurde. Die in der
Ausgabe geänderten Worte des zweiten Satzes aber ergeben
einen völlig korrekten und sehr annehmbaren Sinn, sobald man
die Interpunktion der Handschrift beobachtet. Der Text muß
wohl folgenden Wortlaut erhalten: Quem murum inexpugna-
bilem putabamus, quem scutum fidei, quem gladium Christi
sumere debere, si oporteret, tum officio tuo tum praedicto de-
bito pro sancta Romana ecclesia, cui licet indigni praesidemus,
pro nobis etiam nostrisque successoribus credebamus, iam eins
nostrumque inimicum . . . invenimus, tuasque iniurias, a te
turpissimam et inauditam repulsam, licet iniuste, patimur.
Es würde zu weit führen, sollten an dieser Stelle alle
Momente, die stets das gleiche Resultat ergeben, behandelt
werden. Eine kritische Ausgabe wird vielleicht in Bälde in
ihrem Apparat eine große Anzahl ähnlicher Belege liefern.
Einen letzten selbständigen Anhaltspunkt aus inneren
Merkmalen für die Originalität von R bietet eine merkwürdige
Korrektur in den-Dekreten der Novembersynode 1078
J VI 5 b . Dort heißt es J333 13 = R Fol. 153 b : Ordinationes,
quae interveniere praetio . . . fiunt et ab his, ad quos conse-
cratio pertinet, non comprobantur, irritas esse diiudicamus.
Die Lesung hat ihre Geschichte, wie zum Teil schon Jaffes
Apparat belehrt. Zunächst hatte der Schreiber im laufenden
Texte geschrieben: Ordinationes . . . falsas esse diiudicamus.
Mit anderer Tinte strich der Korrektor falsas kräftig durch
und schrieb infirmas darüber. Da ihm aber auch dieses nicht
zusagte, tilgte er auch dieses durch einen Strich, der im An
fang nur sehr schwach ist und erst in der letzten Silbe klar
Das Originalregister Gregors VII. — I, 3 b.
91
und kräftig wird, und setzte daneben das endgültige irritas. —
Es handelt sich also hier um drei synonyme Begriffe; keine
der verschiedenen Fassungen sagt etwas wesentlich von der
folgenden Verschiedenes: es handelt sich nur darum, den rich
tigen Ausdruck festzustellen und einzuführen. Wie will man aber
bei einem bloßen Kopisten diesen Vorgang erklären? Woher
auch immer er diesen Kanon nahm und was immer seine .Vor
lage sein mochte: sie mußte ihm einen festen endgültigen
Wortlaut, eine abgeschlossene Redaktion des Textes geben.
Wohl ist es möglich und erklärlich, daß trotzdem der Ab
schreiber sich vertut und einen Fehler abschreibt, der dann
korrigiert werden muß. Daß jedoch der Fehler falsch korri
giert wird und auch die Korrektur einer erneuten und voll
ständigen Umänderung bedarf, daß zudem die Doppelkorrektur
einen Text betrifft, bei dem nur sachliche, inhaltliche Ver
wandtschaft die verschiedenen Fassungen verknüpft, graphisch
und formell dagegen keine mit der anderen Ähnlichkeit hat,
daß endlich diese Änderung bei einem Gegenstände sich findet,
der eben für Gregor VII. und seine Bestrebungen ganz spe
zielle und charakteristische Bedeutung besitzt und mit der
Kernfrage der gesamten zeitgenössischen Streitschriftenliteratur
zusammenhängt oder eigentlich mit ihr zum Teil identisch
ist — das ist nur dort möglich und denkbar, wo es sich
noch um erstmalige Festlegung des Wortlautes, um
die eigentliche Formulierung des Kanons handelt: im Kon
zept oder im Originalkanzleiregister. 1
So führen also die inneren, aus dem Inhalte der Brief
einträge und der inneren Struktur des Registers entnommenen
Merkmale zu dem gleichen Schlüsse wie die äußeren Beweise.
Nicht mit einer Sammlung und nicht mit einer bloßen Register-
1 Auf die inhaltliche Bedeutung dieser Korrektur machte zuerst E. Mi
chael S. J. aufmerksam in seiner Studie über Päpste als offenbare Ketzer
(Zeitschr. f. kath. Theol. XVII, 1893) 214; ihr Wert für die kritische Ein
schätzung der Quelle und ihre Bedeutung für die Überlieferung ist ihm
entgangen. — Die von ihm behandelte Frage nach der Stellung Gre
gors VII. zur Verwaltung der Sakramente durch Gebannte untersuchte
neuerdings unter Heranziehung umfassenderen Materials D. Migliazza
in einer Reihe von Abhandlungen: Una importante questione ecclesiastir.a,
leider ohne die Arbeit Michaels zu kennen (Rivista di scienze storiche II,
Pavia 1905).
92
V. Abhandlung: Peitz.
abschrift haben wir es in R zu tun, sondern Reg'. Tat. 2 ist
ein in der Kanzlei des Papstes Gregor VII. fortlaufend
geführtes Originalregister. Damit erhält die Handschrift R
eine Bedeutung, die sie zu einem der liervoTragendsten
literarischen Denkmäler des 11. Jahrhunderts wie des
ganzen frühen Mittelalters macht, ja die für unsere Diplomatik
wie für die Registerforschung insbesondere ganz einzigwertig
ist. Denn R ist der einzige bis jetzt bekannte, aus der Zeit
vor der großen Neuordnung am Ausgange des 12. Jahrhunderts
uns voll erhaltene ursprüngliche Registerband, der einen un
mittelbaren Einblick in den Geschäftsgang der päpstlichen
Kanzlei gestattet. Noch etwa 120 Jahre nachher, bis zu den
mehreren Tausend von Registerhänden seit Innozenz III., die
das Vatikanische Archiv beherbergt und die einen der größten
historischen Schätze der Welt darstellen, haben wir ihm nichts
Ähnliches an die Seite zu setzen.
4. Kapitel.
Pfalznotar Rainer der Schreiber des Registers.
Die Gewißheit, im Registerband des Vatikanischen Ar
chivs das Originalkanzleiregister Gregors VII. zu besitzen, ließ
naturgemäß auch den Wunsch aufkeimen, den Mann kennen
zu lernen, dessen Hand wir das Register verdanken. Die
grundlegenden Forschungen Kehrs haben Uber die Schreiber
der Originale Gregors ganz neues und ungeahntes Licht ver
breitet. Durch sie wissen wir, daß die Mehrzahl der im Ori
ginal erhaltenen Privilegien dieses Papstes von der Hand eines
einzigen Mannes geschrieben sind. Kehr hat dessen Eigenart
näher gekennzeichnet. Er war ein Pfalznotar aus dem Ver
trautenkreis Alexanders II., begleitete den Papst auch auf
dessen Reisen, mundierte und datierte sogar in Vertretung des
verhinderten Kanzleichefs die Originale. Ursprünglich der rö
mischen Kuriale nicht mächtig, schrieb er anfangs unter Ale
xander II. fast regelmäßig in Minuskel, erst allmählich lernte
er auch die Kuriale und schrieb in ihr, zuerst nur vereinzelt,
dann unter Gregor VH. fast regelmäßig. Aber auch unter
Gregor bediente er sich ab und zu noch der Minuskel: ein
Marseiller Privileg ist in doppelter Ausfertigung, in Minuskel
Das Originalvegister Gregors VII.
93
— I, 4.
und in Kuriale, erhalten; das Scliaffhausener Original für das
dortige Allerheiligenkloster ist in Minuskel geschrieben. Aber
seine Kuriale bleibt schlecht, künstlich und angelernt. Seine
Minuskel ist ,eigentümlich verschnörkelt und hie und da mit
kurialen Elementen versetzt 1 . Seine Art erkennt man unter
anderem gleich an dem Papstnamen, den er im Eingänge der
Urkunden unter Alexander II. wie unter Gregor VII. regel
mäßig in Majuskeln setzt. Unter Gregor VII. verrät er uns
seinen Namen: Scriptum per manus Rainerii notarii heißt es
in J-L 5060. 1
Die von Kehr bis jetzt Rainer zugewiesenen Originale sind
in chronologischer Übersicht in der Tabelle auf S. 94/5 angeführt. 2
Dieselben Eigentümlichkeiten nun, wie sie von Kehr in
diesen Originalen namhaft gemacht wurden, treffen wir hei den
Eintragungen des Registers. Auch hier ist der Name des
Papstes im Eingänge des Briefes durchweg in Majuskeln ge
schrieben. Der Kontext zeigt Buchminuskel, aber wie oben
hervorgehoben wurde, hat sie einen starken Einschlag von
kurialen Elementen und ist zudem stellenweise ganz eigentüm
lich verschnörkelt. Der Schreiber hat den Papst auf Reisen
begleitet. Zu derselben Zeit, da in Florenz das Privileg
1 P. F. Kelir, Scrinium und Palatium (M I ö G Erg“. VI, 1901) 96—101
und Gregors VII. Breve für Kloster Allerheiligen zu Schaffhäusen J—L 5167
(Nachrichten von der K. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen,
Phil.-hisf. Klasse, 1904) 463—68. Die obige Charakteristik des Schreibers
ist zum größten Teil mit Kehrs eigenen Worten gegeben. Für das
Scliaffhausener Privileg vgl. auch Pflugk-Hartung, Scheinoriginale
deutscher Papsturkunden (Forschungen zur deutschen Geschichte XXIV,
1884) 426—27. — Für die Nachweise der Originale wurden natürlich des
selben Verfassers Regesta Pontißcum Romanorum und seiner sowie seiner
Mitarbeiter Reiseberichte in den Göttinger Nachrichten zugrunde gelegt.
2 In der Tabelle wird Stellvertretung des Kanzleichefs Petrus durch kur
siven Druck des Namens des Datars bezeichnet. Ist in der Datarkolumne
der Name Petrus ohne Zusatz vermerkt, so ist der Kardinalbibliothekar
dieses Namens gemeint; ist aber sein Name kursiv gestellt, so rührt die
Datierung von Rainers Hand. Kursiver Druck der Regestennummern
unter J—L zeigt an, daß das betreffende Original (nach Kehr) ganz
oder hauptsächlich in Minuskel goschrieben ist. — Die Verweise auf
Kehr bezeichnen Band und Nummer der RPR, und zwar differenziert
als I[talia] und Gfermania Pontificia], die mit N eingeleiteten Jahr und
Seite der Göttinger Nachrichten.
J—L
4631
4634
4634 “
4650
4651
4661
4686
4687
4124
4767
4818
4929 1
4940
4945
4957
4984
5015
5018 a:
5044
5060
94
V. Abhandlung: Peitz.
Adressat
Ausstel
lungsort
Datierung
Datar
Kehr
Parthenon S. Petri
Florentin. . . .
Mon. S. Silvestri No-
nantul. . . .
Episc. Troian. . .
Canonic. Ferrariens
Clusinae ecclesiae
Canonic. Spoletan.
Abb. S. Benedict
Tarentin. .
Abb. SS. Petri et
. Pauli Cremon.
Eccles. Lucens. .
Episc. Pataviens.
Abb. mon. in Gorgona
Abb. mon. S. Mariae
de Banza . . .
Praepos.Islensis eccl.
Episc. Pataviens.
Abb. S. Sepulchri
Camerac. . . .
Flandrensium comiti
Praepos. Florent. eccl.
Abbat
Abb. S. Michaelis
Pisan
Abb. SS. Petri etPauli
Balm
Alexander II.
Rome
Lateran. 1067 mai 22
Luce
Salerni
Lateran.
Perusiae
S. Lau
rent. Catil.
Lateran.
Lateran.
Romae
1067 iul. 9
1067 sept. 9
1068 iun. 20.
1068 dec. 30
1069 ian. 16
1071 märz 23
1071 märz 24
[vor 1071 märz]
1073 märz 3
Petrus RPR.T III 251
Gregor VII.
Lateran.
Lateran.
Lateran.
Romae
Lateran.
Lateran.
Florent.
villa Bnndeua
Florent.
Rome
1074 ian. 18
1075 febr. 1
1075 märz 7
1075 märz 24
1075 apr. 18
1076 märz 25
1076 dec. 28
1077 febr. 11
1077 aug. 10
1078 ian. 1
Petrus
Petrus
Petr. der.
Petr. der.
Petr. [der.]
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Petrus
Conon
Petrus
Petrus (?)
N 98, 52. 64.
N 97, 360
RPRJ III 300
RPRJ IV 240
N 00, 202
N 02, 70
RPRJ III 326
RPRGI S. 177
RPRJ III 346
N 03, 546
RPRGI S. 177
RPRJ III 356
N 97,225-33
RPRJ III 359
N 06, 15
1 Vgl. über dieses Stück oben S. 13. 89 A. 1.
2 Genauesten Aufschluß über dieses Privileg erhielt ich durch gütige brief
liche Mitteilung des Herrn Geh. Regierungsrates P. Kehr vom 15. Sep
tember 1910 aus der Kopie seines Mitarbeiters Herrn Prof. L. Schia-
parelli. Herrn Geheimrat Kehr sage ich auch an dieser Stelle herz
lichen Dank; seiner Güte schulde ich die Möglichkeit, die reiche Fund
grube, die seine und seiner Mitarbeiter Reiseberichte in den Göttinger
Nachrichten dem Papstdiplomatiker bieten, benützen zu können.
I
Das Originalregister Gregors VII. — I, 4.
95
J-L
Adressat
Ausstel
lungsort
Datierung
Datar
Kehr
5069 aI
5110
5134 |
5134 j
5160
5167
Abb. S. Petri Cremon.
Abb. S.Floridi Castell.
Abb.S.VictorisMassil.
n n n
ProvisoriheremiFont
Avell
Abb. Hirsaugiens. .
[Itome]
Lateran.
Lateran.
Lateran.
Lateran.
1078 märz 10
1079 febr. 19
1079 iul. 4
1080 apr. 4
1080 mai 3 (?)
Petr m
Petrus
Petrus
Petrus
[N 02, 144]
RPRJ IV 268
1 N 04, 467
| N 07, 47
RPRJ IV 2C9
N 04, 463 2
J—L 5015 vorn 28. Dezember mundiert ist, ist auch das Re
gister auf der oberitalischen Reise Gregors fast Stück für
Stück weitergeführt. 3
Unter diesen Umständen war es geboten, die gegebenen
Anhaltspunkte weiter zu verfolgen und die Registerstücke mit
den von Kehr nachgewiesenen Gregor- und Alexanderoriginalen
von Rainers Hand in Vergleich zu setzen. Schon die Unter
suchung des von Steffens leider stark verkleinerten Alexander
privilegs für S. Pietro e Paolo in Cremona vom 24. März 1071
(J—L 4687) ergab wertvolle Spuren. 4 Eine absichtlich nur
oberflächliche Durchsicht der von Pflugk-Harttung in den
Speciminci gepausten Stücke jener beiden Päpste ließ auf den
ersten Rlick acht Stücke als von der aus dem Register mir
1 Ein Abdruck findet sieb bei Pflugk-Harttung, Acta inedita III 14,
Nr. 15.
- Durch- freundliche briefliche Mitteilung des Herrn Oberlehrers Dr. Wil
helm Wiederbold in Goslar vom 10. November 1910 erfuhr ich auch
von der Existenz der verschiedenen Marseiller Originale, nachdem mir
Wiederholds Mitteilungen darüber in seinen Reiseberichten entgangen
waren. Über das in zwei zum großen Teil gleichlautenden Ausferti
gungen (für St. Victor, betreffend Montmajour und N. D. de Crasse) er
haltene J—L 5211 = J VIII 29 gab mir der Herr Archiviste R. Busquet
der Archives departementales des Bouches-du-Rhone in liebenswürdigster
Weise weitere Aufschlüsse. Da mir jedoch für die hier in Frage kom
menden paläographischen Bestimmungen die nötigen Anhaltspunkte nicht
im genügenden Maße zur Verfügung stehen, übergehe ich diese Stücke.
Den genannten Herren aber bringe ich den wärmsten Dank zum
Ausdruck.
3 Vgl. oben die Tabelle S. 58.
4 F. Steffens, Lateinische Paläographie 2 (Trier 1909), Taf. 73.
96
V. Abhandlung: Peitz.
wohlbekannten Hand geschrieben mit Sicherheit wiedererkennen;
bei einem seiner Faksimiles blieb mir die Sache auf den ersten
Anblick zweifelhaft. Die später, ohne nochmalige Heranziehung
der Pausen, auf Grund der Notizen von Adressat und Datum
der identifizierten Stücke vorgenommene Bestimmung der Re
gestennummern und deren Vergleich mit Kehrs Nachweisen
zeigten, daß tatsächlich alle diese Stücke auch von Kehr dem
gleichen Manne, Notar Rainer, zugewiesen waren. Es handelte
sicli um J—L 4686. 4687. (auf Taf. 38). 4767 (auf Taf. 39).
5060 (auf Taf. 40). 4940. 4957. 4945. 5044 (auf Taf. 41);
J—L 5160 war mir zweifelhaft geblieben, aber auch dieses ge
hörte Rainer an. — Durch die freundlichen Bemühungen des
Herrn Archivdirektors K. Klaar-Innsbruck und das liebens
würdige Entgegenkommen des Herrn Archivdirektors G. Bau-
mann-München erhielt icli dann zwei von Rainer stammende
Originale des K. Bayr. Allgem. Reichsarchivs zu München,
durch die Güte des Herrn Archivrates G. Walter-Schaffhausen
das von Rainer in Minuskel geschriebene Original des Staats
archivs zu Schaffhausen zum Studium in das lc. lc. Staats
archiv zu Innsbruck übersandt und konnte so an Originalen
die Ergebnisse nachprüfen. Herr Msgre. A. Ratti, Präfekt
der Bibi. Ambrosiana zu Mailand, verschaffte mir in bekannter
Zuvorkommenheit photographische Aufnahmen von Teilen des
Gregororiginals im Mailänder Staatsarchiv. Hochw. Herrn
R. Friedei S. J. in Florenz verdanke ich solche vom Ori
ginale des Archivio Capitolare zu Florenz. Der hochw. Herr
Kanonikus Pietro Guidi in Lucca verschaffte mir eine Auf
nahme des merkwürdigen Lucclieser Originals aus dem Ponti
fikate Alexanders II., zu deren trefflichem Gelingen Hochw.
Herr Kanonikus Alph. Del Prete persönlich seine Kunst in
uneigennütziger Weise zur Verfügung stellte. Der Herr Archi-
viste R. Busquet der Archives departementales des Bouches-du-
Rhöne endlich vermittelte mir Aufnahmen von zwei wichtigen
Marseiller Originalen, zu deren Bestimmung ihr Finder, Herr
Oberlehrer Dr. W. Wiederhold in Goslar, mir in zuvor
kommendster Weise die nötigen Angaben gemacht hatte. So
war ich denn durch eine vielseitige Unterstützung, deren ich
mich mit herzlicher Dankbarkeit erinnere, zu einer eingehen
deren Untersuchung in den Stand gesetzt. Das Resultat war
Das Originalregister Gregors VII. — I, 4.
97
die Gewißheit: das Register Gregors VII. ist vom Pfalz
notar Rainer geschrieben worden. Auch die Bedenken,
die sich gegen eine Identifizierung mancher Registereinträge
mit seiner Hand noch hie und da erheben wollten, schwanden
angesichts der überaus großen Mannigfaltigkeit in Schriftarten,
Buchstabenformen, Kürzungsgewohnheiten und sonstigen Eigen
tümlichkeiten, die sich an diesem Material beobachten ließen.
Nur betreffs des Briefes J VII 17 Fol. 185 b vermochte ich auch
jetzt nicht zu einer sicheren Entscheidung zu gelangen, so
wahrscheinlich mir aus inneren wie äußeren Gründen seine
Zuweisung an Rainer zu sein scheint.
An anderer Stelle soll einmal eine eingehende Unter
suchung der Entwicklung geboten werden, die sich in der
Schrift Rainers beobachten läßt. Hier mögen einzelne Hin
weise besonders hervorstechende Eigenheiten mehr kurz au-
deuten als eingehend behandeln. Wie Kehr betonte, schreibt
Rainer den Papstnamen im Anfänge jedesmal in Majuskel. Es
sind zum Teil ganz eigenartige Typen, die er da verwendet.
So hat die Intitulatio der Alexanderoriginale zu München und
Mailand und des Gregororiginals zu Florenz ein ganz auffäl
liges R: der Bauch ist vom Fuße weit getrennt und unverhält
nismäßig klein, der ganze Buchstabe ist übermäßig in die
Länge gezogen und erscheint fast komisch (vgl. Taf. IV, Nr. 4,
Z. 1. Taf. V, Nr. 2, Z. 1. Steffens Taf. 73, Z. 1). Nun kehrt
aber dieselbe Form mit genau den gleichen Zügen vereinzelt
auch innerhalb anderer Gregororiginale, die von Rainers Hand
stammen, wieder (vgl. Taf. V, Nr. 6, Z. 2. Taf. VI, Nr. 3, Z. 2
Rainerio, auch in der Fortsetzung von Taf. V, Nr. 3 Rain
berti). Und ganz das gleiche R findet sich ebenfalls im Re
gister öfters. Wer einmal die Adresse des Briefes an Abt
Desiderius von Monte Cassino J 1 1 oder den Eingang des
Commentarius electionis J I 1 * im Register gesehen hat, dem
bleibt dieses sonderbare R unauslöschlich in der Erinnerung
(vgl. Taf. IV, Nr. 1, Z. 5. Taf. IV, Nr. 2, Z. 2). Die nämliche
Form notierte ich bei kurzer Durchsicht einzelner Registerteile
wieder in der Datierung von J V 5, Fol. 137“, von J V 6,
Fol. 138“ (vgl. Taf. IV, Nr. 6, Z. 1), ferner im Text Fol. 15“.
96“. 126 b . 144 b . 158“ u. ö. Daneben findet sich im Register
wie in den Originalen ein ähnliches langgestrecktes R, bei dem
Sitzungsber. d. phil.-liist. Kl. 165. Bd. 5. Abli. 7
98
V. Abhandlung: Peitz.
Bauch und Fuß zwar meist noch irgendwie im Zusammenhänge
stehen, der Bauch aber mit einer langgeschweiften Spitze mehr
oder minder hoch über dem Schafte beginnt (vgl. z. B. Taf. V,
Nr. 1, Z. 2 Rome. Z. 3 Richer io, und wenige Zeilen weiter, auf
dem Faksimile nicht mehr wiedergegeben, in Rainerius, Taf. V,
Nr. 5, Z. 1 Gregorius). Sonst ist das R meist kurz und erhebt
sich für gewöhnlich nicht über die Mittellängen; der Bauch setzt
immer rechts vom Schafte an und durchquert ihn nicht; der Fuß
ladet weit aus und zeigt gefälligen, behaglichen Schwung (vgl.z. B.
Taf. I Z. 1 Älexandri. Z. 11 Rome. Z. 12 Gregorius. Taf. IV, Nr. 1,
Z. 2 Registri. Taf. IV, Nr. 3, Z. 1 Martino. Z. 3 Gerardus).
Das kapitale E hat auf den Originalen und im Register
die gleiche, ganz charakteristische Grundform. Der Schaft hat
kurze, etwas gebogene Querbalken; der schön geschwungene
Mittelbalken durchquert die Hasta; der Unterbalken zeigt eine
leichte Krümmung nach oben mit feiner Spitze. Veränderlich
ist nur der Oberbalken: er ist entweder durch ein am Ende
verdicktes, nach unten gerichtetes Häkchen gebildet (vgl. Taf. I,
Z. 1 Älexandri. Z. 12 Gregorius. Taf. IV, Nr. 1, Z. 5 usf.)
oder aber er besteht aus einem schräg nach oben gerichteten,
in eine feine Spitze auslaufenden Strich (vgl. Taf. IV, Nr. 3,
Z. 1 Papae. Taf. V, Nr. 1, Z. 3 Gregorms. Taf. IV, Nr. 7, Z. 4
Explicit. Taf. V, Nr. 6, Z. 4 Alexander). Beide Formen weisen
Originale und Register in gleichem Maße auf.
Das kapitale 61 hat ebenso stets die nämliche Grundform,
im Register wie in den Originalen. Der untere Teil der Krüm
mung ist verhältnismäßig eng und stark einwärts gebogen; er
verläuft oft spitz und gradlinig (vgl. Taf. II, Nr. 4, Z. 23.
Taf. V, Nr. 1, Z. 3. Taf. V, Nr. 5, Z. 1), noch öfter aber endet
er in einen spiralig nach innen gekrümmten Punkt (vgl. Taf. IV,
Nr. 7, Z. 9. Taf. VI, Nr. 2, Z. 1. Taf. VI, Nr. 3, Z. 1). Der
obere Bogen dagegen ist flach; er endet bald in einer Gabelung
(vgl. Taf. I, Z. 12. Taf. V, Nr. 5, Z. 1), bald mit einem ziem
lich langen, schrägen, nach oben und unten überragenden Ab
strich (vgl. Taf. V, Nr. 1, Z. 3), bald ist er in einen flachen,
langen Schweif mit feiner Spitze gedehnt (vgl. Taf. IV, Nr. 7,
Z. 9. Taf. V, Nr. 3, Z. 1).
Eigentümlich ist das kapitale V. Der linke Schenkel des
spitzwinklig schließenden Buchstabens setzt für gewöhnlich
Das Originalregister Gregors VII. — I, 4.
99
rechts oben an und ist mit doppelter Biegung nach unten ge
schlängelt. Der rechte Schenkel ist dünn und hat am oberen
Ende einen vom Inneren des Buchstabens her links ansetzenden
Anstrich (vgl. Taf. I, Z. 12. Taf. IV, Nr. 2, Z. 2. Taf. IV, Nr. 7,
Z. 9. Taf. V, Nr. 3, Z. 1). Daneben findet sich jedoch in den
gleichen Originalen, denen diese Form eignet, und ebenso in
den nämlichen Registerstücken neben ihr eine andere: ein mit
breitem, offenem Bogen und einem von links weit ausladenden
Schenkel gebildetes V (vgl. Taf. I, Z. 20).
P ist in den Originalen und im Register bald spitz mit ge
schwungener Oberlänge (vgl. Taf. VI, Nr. 2, Z. 4. 5), bald ge
drungener, mit rundem, kleinem Bauch. Gleich bleibt sich
nur, daß auch bei ihm der Bauch durchwegs rechts vom
Schafte ansetzt und diesen nicht quert. Das kuriale Minuskel-p,
das die Originale im bunten Wechsel mit den Formen der
karolingischen und diplomatischen Minuskel haben, findet sich
genau ebenso im Register; es seien beispielsweise nur Fol. 127 b .
143 b . 174 b . 181 a namhaft gemacht.
Man müßte jede einzelne Form der Originale durchgehen,
wollte man die Vergleichung, aber auch die Gleichheiten zwi
schen den Formen des Registers und jenen der Originale er
schöpfen. Für jede, vom auffälligen ({ ,mit rautenförmigem
Kopf' im Alexanderprivileg von Mailand (bei Steffens Taf. 73,
Z. 2; ähnlich im Florentiner Gregororiginal Taf. VI, Nr. 3, Z. 2)
bis zu den kräftigen, mit starken, geraden Unterlängen ab
schließenden / und s des Privilegs für Schaffhausen (vgl. Taf. V,
Nr. 5 und 6), von der bemerkenswerten Ligatur des 0 mit
dem in seine Rundung eingelassenen V (z. B. Fol. 166 b und im
Alexanderprivileg von München in zwei Wörtern Z. 15 Zounza,
Z. 16 Wachoua) bis zu den schönen, langgezogenen Haarstrichen
im rechten Schenkel des x oder in den Kürzungen für — bus
und — rum findet man im Register allerorts die völlig ent
sprechenden Parallelen; nur das kuriale g mit seinem sonder
baren Kopf und das kuriale e der Originale vermochte ich in
ihm nicht nachzuweisen.
Weit charakteristischer aber als alle diese Einzelformen
ist ,die wunderliche Mischung von .... Minuskel und römischer
Kuriale“, die der Schreibkunst Rainers eigen ist und die Kehr
zuerst im Luccheser Privileg J—L 4724 (vgl. Taf. VI, Nr. 4)
7*
100
V. Abhandlung: Peitz.
nach wies. 1 Man vergleiche z. B. das Faksimile Taf. VI, Nr. 3.
Die Anfangswörter von Z. 2 procul dubio, das vobis in Z. 3,
diximus in Z. 5, omnibus Z. 7, cum omnibus Z. 8 könnten in
derselben Form ebenso gut dem Register entstammen, wo auch
die Unterlängen des öfteren umgebogen sind, wie in procul
und das Schluß-o in der kurialen VerSchleifung sich öfters
findet. Auch im Register zeigen die manchmal stark hervor
gehobenen Eigennamen häufig genug die sonderbare Ver
mischung von Buchstaben verschiedener Schriftformen, wie sie
hier in Martino Z. 1, in Gerardus Z. 3 zutage tritt (vgl. eine
ähnliche Mischung Taf. IV, Nr. 7, Z. 9). Auf die Verwendung
verschiedener Formen von P und E und R nebeneinander
wurde schon hingewiesen. Die Kürzungen sind die gleichen
wie im Register: z. B. pro (Z. 2 procul, propter), que (Z. 4
suorumque neben Z. 5 itaque),—mus (Z. 2 servamus), vel
(Z. 7), qui (Z. 8 quinto). Die Kürzung für —bus: b ,mit
einem geschlängelten Strich 1 , die Steffens im Text zu seiner
Tafel 73 anmerkt, kehrt auch im Register häufig genug wieder;
die Kürzung für cum durch ,c mit einem langen, schräg nach
unten gehenden Strich“, die er besonders hervorhebt, ist auch
dem Registerschreiber wohl bekannt, und zwar in der gleichen
charakteristischen Form; nur zufällig erscheint sie auf unseren
Faksimiles nicht. — Dafür sei aus dem Luccheser Alexander
privileg, Taf. IV, Nr. 4, das merkwürdige <7 von ingenio, Z. 10,
hervorgehoben, wo Rainer, im Bestreben, die Kuriale sich an
zugewöhnen, das Minuskel-«/ des in reiner Minuskel geschrie
benen Wortes wenigstens in etwas den kurialen Formen anzu-
gleichon sich bemüht (ähnlich, doch weniger ausgeprägt, in
Z. 2. 5. 7; dagegen Z. 10 cogente seine kuriale Form).
Keines der mir bekannt gewordenen Originale, das nicht
viele Anleihen bei der reinsten Buchminuskel des Registers
gemacht hätte, aber auch fast keine Kurialform der Originale,
die nicht da und dort im Register wiederkäme. Auf einzelne
kuriale Bestandteile der Registerschrift sei kurz aufmerksam
gemacht. Am häufigsten findet sich die alte Ligatur ri oder
tri, wie wir sie in den Originalen sehen (Taf. IV, Nr. 4, Z. 3
incuria; Taf. V, Nr. 2, Z. 2 nostri; vgl. Taf. IV, Nr. 6, Z. 1
1 A. a. 0. (MIöG Erg. VI) 97.
Das Originalregtater Gregors VII. — I, 4.
101
districtius). Eine Stichprobe ergab im Register folgende Bei
spiele: Fol. 136 a , Z. 12; Fol. 136% Z. 9; Fol. 137% Z. 22;
Fol. 137*, Z. 24; Fol. 138% Z. 29; Fol. 138 b , Z. 27; Fol. 139%
Z. 14; Fol. 140% Z. 11; Fol. 141 b , Z. 20 usf. Auf den näm
lichen Seiten erscheint die reinste Kuriale in der Verbindung
rio: Fol. 137% Z. 7; Fol. 139% Z. 17 (beidemal in dem Namen
Rainerio; vgl. Taf. VI, Nr. 2, Z. 6 denariörum). Kuriales a
in der Form des co der griechischen Minuskelhandschriften
findet sich in den Kürzungen supra, contra, prima, aliqua
(vgl. Taf. III, Z. 8) u. ä., sacramento, consecratione usf., z. B.
Fol. 129% Z. 2; Fol. 136% Z. 5; Fol. 137% Z. 14; Fol. 143%
Z. 8; Fol. 145% Z. 4. 18 usf.; ferner mitten im Worte Fol. 144%
Z. 4 (Romanae). Kuriales o notierte ich auch Fol. 146% Z. 24
(Rome). Auf denselben Seiten kehrt die eigentümliche Ver-
schnörkelung der Schäfte (vgl. Taf. IV, Nr. 6, Z. 1) und des
allgemeinen Kürzungszeichens sowie der Endungen —rum,
— mus, —bus häufig wieder. Auch das kuriale gespaltene r
wechselt hier oft mit der Minuskelform (ähnlich z. B. Taf. IV,
Nr. 6, Z. 1. 4. 7). Endlich muß hier nochmals an das bereits
erwähnte kuriale p erinnert werden, das gleichfalls in diesen
Seiten öfters auftaucht, und an das aus ihm hervorgegangene
eigenartige P und R mit verlängerter Spitze sowie an das
Auftauchen einer eigentümlichen, der Gitterschrift der Urkunden
analogen Schreibung des Papstnamens (ähnlich auch Taf. II,
Z. 4. 23) und der Anfangsbuchstaben und der Oberlängen in
den Rubra (z. B. sehr auffällig Fol. 94 b ff.). Selbst das ganz
ungewöhnliche, der diplomatischen Minuskel der gleichzeitigen
deutschen Königsurkunden zunächst stehende große C des Mai
länder Gregororiginals J — L 5069 % das mit seinem langgezo
genen Doppelbogen zu einer Verwechslung mit einem griechi
schen Minuskel-s oder zur Verlesung E geradezu herausfordert,
kehrt hier wieder (vgl. Taf. IV, Nr. 7, Z. 8 Canonicis).
Die in Minuskel geschriebenen Originale von Rainers
Hand hat Kehr eigentümlich verschnörkelt' genannt. Auch
diese eigentümlichen Schnörkel kennt das Register in allen
seinen Teilen. Sie finden sich in den Kürzungen für —rum
und —mus (vgl. Taf. IV, Nr. 6, Z. 3. 5. 6. 7; Taf. V, Nr. 3,
Z. 1; Taf. VI, Nr. 2, Z. 4, daneben eine andere Form Z. 5)
ebenso wie in den Ligaturen von ct und st (vgl. Taf. IV, Nr. 3,
102
V. Abhandlung: Peitz.
Z. 1; Taf. IV, Nr. 6, Z. 1; Taf. V, Nr. 6, Z. 1. 2. 5) und gele
gentlich als Vertreter des allgemeinen Kürzungsstriches (vgl.
Taf. IV, Nr. 7, Z. 8): immer in den gleichen, sich dem Ge
dächtnisse leicht einprägenden Formen, wie sie eben Rainer
verschleifte. Auch hier kenne ich ganz Entsprechendes nur
aus der diplomatischen Minuskel der deutschen Königsurkunde,
wie sie etwa Steffens Taf. 72 oder Sickel in den Monumenta
Graphicn Taf. III 3, V 2, und aus der späteren Kuriale, wie
sie Steffens Taf. 76 und Sickel Taf. V 4 wiedergehen. —
Die Mischung der verschiedenen Kürzungsformen im Register
wurde bereits früher hervorgehoben; auch sie hat in den Ori
ginalen ihre Parallele.
Ebenso verdient hervorgehoben zu werden die Überein
stimmung in der Führung der Hand. Mag es sich um schön
ausgeführte Reinschriften oder um eilige, flüchtig aufs Perga
ment geworfene Einträge, um wichtige, mit aller Aufmerksam
keit sauber in Kuriale ausgearbeite Originale oder um deren
lesbare Transskriptionen in großer, Minuskel handeln: man er
kennt die gleiche, feste Hand an der Art, wie sie die Schlingen
zieht, die Bogen schleift, Haken und gefällig geschwungene
Linien zur Kürzung oder Zier verwendet.
Für die Paläographie dürften diese Beobachtungen nicht
ohne Wert sein und das Register Gregors auch nach dieser
Seite bin eine ganz besondere Bedeutung beanspruchen. Wir
haben hier die Möglichkeit, die fortdauernde Schreibtätigkeit
eines einzigen Mannes durch eine lange Zeitperiode in den
verschiedensten Arten von chronologisch genau fixierbaren
Schriftstücken zu verfolgen. Es zeigt sich, daß die kleinen
Gewohnheiten in Kürzung und Buchstabenbildung keineswegs
entscheidend sind, daß gerade sie in der außerordentlichsten
Weise wechseln. Die Grundform der Buchstaben allein ist es,
die eine gewisse, deutlich zu verfolgende Konstanz erreicht.
Den ehemaligen Beamten und Vertrauten des Papstes
Alexander II. kennzeichnet auch ein rein äußerliches Merkmal
im Register Gregors VII. In der Mehrzahl der Fälle, in denen
der Name Alexanders in den Registerbriefen erwähnt wird, ist
er genau wie der Name des regierenden Papstes in Majuskeln
geschrieben und fällt auf den ersten Blick in die Augen.
Konstatieren kann ich das für Fol, l a . 2 a , 3 b . 4“. 5 a . 5\ I0 b .
Das Originalregister Gregors VII. — T, 4.
103
21 a . 21 b . 24 a . 28 a . 39 b . 41 a . 43 a . 74 a . 77 a . 82 a . 108 a . 108 b . 109 a .
120 b . 145 b . 189 b , teilweise in mehrfachem Vorkommen (vgl.
Taf. I, Z. 1; Taf. IV, Nr. 1, Z. 10; Taf. IV, Nr. 2, Z. 6). Auch
unter diesen Beispielen finden sich mehrere, bei denen Minus
kelelemente vertreten sind, besonders e und a (wie z. B.
Fol. 3 b . 5 b . 10 b ), ganz tvie es die GeAvolmheit Rainers auch in
den Originalen in buntem Wechsel mit sich bringt. In reiner
Minuskel, wenn auch manchmal etwas hervorgehoben und über
höht, erscheint der Name Alexanders dagegen auf Fol. 77 b .
87 b . 92 b . 93 b . 194 a . Auf Fol. 196 b ist er bloß durch den An
fangsbuchstaben angedeutet. Genau in der gleichen Ausführung
findet er sich auch im Texte der Originale Gregors, Avie z. B.
in der Minuskelausfertigung für Schaffhausen (Taf. V, Nr. 6,
Z. 4). 1 Im Register ist, abgesehen vom Namen des regierenden
Papstes, nur einmal auch der Gregors des Großen in gleicher
Weise ausgezeichnet Avorden: Fol. 210 ist auch er in J VIII 21
in Majuskel geschrieben Avorden. Sonst sind die vorkommenden
Papstnamen in der Minuskel des Kontextes ohne Aveitere Aus
zeichnung klein geschrieben. In den Originalen dagegen hat
Rainer auch andere Personennamen zuAveilen in Majuskel her
vorgehoben (vgl. Taf. VI, Nr. 3, Z. 1. 2. 3. 4).
1 Absichtlich sage ich: ,in der Minuskelausfertigung 1 , denn es erscheint
mir durchaus wahrscheinlich, daß dieses in schöner Minuskel von Rainers
Hand geschriebene Stück nur die in allgemein lesbarer Schrift ausge
führte Transskription des eigentlichen, in Kuriale gefertigten und
heute verlorenen Privilegs bedeutet. Die merkwürdige Schrift der Da
tierung, die offensichtlich eine mißlungene Nachbildung einer in Kuriale
ausgeführten echten Vorlage darstellt, durch eine dieser Schrift unge
wohnte Hand, der aber die Minuskel geläufig ist, muß von der brillierten
eigentlichen Originalurkunde herrühren. Ähnlich glaube ich das Ver
hältnis der beiden Marseiller Stücke auffassen zu müssen (J—L 5134).
Es müßte die ältere Überlieferung in ihrer Gesamtheit auf diese Gesichts
punkte hin durchgearbeitet werden; vielleicht, daß sich nicht wenige
überraschende Ergebnisse gewinnen ließen. — Merkwürdig ist, daß die
beiden Münchener Originale J — L 4767 und 4945 auf der Außenseite
parallel dem rechten Längsrande den Vermerk tragen: Privilegium Qregorii
papae bezw. Alexandri, der der Schrift des Registers und besonders seiner
Rubra sehr nahe steht. Ist der Vermerk in Passau aufgesetzt oder in
Rom? Wenn hier, warum hat ihn das Schaffhausener (Minuskel-) Privileg
nicht? Es fehlt mir das Vergleichsmaterial, um der Sache weiter nach
zugehen. Zu einer Bestimmung aus der Schrift allein reichen die wenigen,
stark gekürzten Worte nicht aus.
104
V. Abhandlung: Peitz.
Wie endlich in den Originalen die Namen der Apostel
fürsten sehr vielfach in Majuskel ausgeführt sind, daneben je
doch in den gleichen Privilegien in Minuskelausführung Vor
kommen, ja in denselben Stücken der Name manchmal halb
Majuskeln, halb Minuskeln zeigt (vgl. Steffens Taf. 73, Z. 1.
5. 17), so sind auch im Register für gewöhnlich diese Namen
in Majuskel geschrieben, gleich daneben finden sie sich aber
auch innerhalb desselben Stückes wohl in Minuskel und über
dies wechseln auch hier im gleichen Namen zuweilen Majuskel
und Minuskel miteinander ab.
Rainer hat als Notar der päpstlichen Kanzlei das
Register geschrieben. Wir haben das von ihm im Laufe
des Pontifikates Gregors allmählich angelegte Kanzlei
register vor uns.
5. Kapitel.
Abschriften und Auszüge.
Bei dem gewaltigen Einflüsse, den die ,große und männ
liche' Natur Gregors, dieses ,Geistes vom mächtigsten Stil',
dieses ,Charakters fast ohne gleichen' 1 auf die kommenden
Jahrhunderte ausgeübt hat, ist es nicht zu verwundern, wenn
auch seine Briefe Beachtung und Bewunderung fanden. Wie
von den größten unter den Päpsten, von Leo dem Großen und
Gregor dem Großen, so wurden auch vom siebenten Gregor die
Zeugnisse seines Geistes und seines Strebens gesammelt, sein
Register oft und oft abgeschrieben. Schon für das 12. Jahr
hundert kennen wir eine Kopie: es ist eine Handschrift der
Bibliothek von Troyes, ein alter Besitz der geistigen Söhne
des großen Papstes, der Mönche von Clairvaux. Es ist nicht
nötig, wegen einer so frühen Abschrift an eine absichtliche
Verbreitung, an geflissentliche Publizierung zu denken: der
Schluß geht zu weit. Wie der Liber Pontificalis von dieser
Seite her mitsamt seinen den päpstlichen Registern entlehnten
Fortsetzungen des ,Pandulph‘ kopiert und nach Frankreich ge
bracht wurde, so war es nur natürlich, daß die Söhne St. Ber-
1 F. Gregorovius, Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter IV 4 (Stuttgart
1890) 242.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
105
nards auch jenes Mannes Schriften zu besitzen wünschten,
dessen Streben nach sittlicher Erneuerung der Welt sie teilten
und in dessen Geist sie wirkten. 1 — Eine heute verlorene Ab
schrift besaß im 15. Jahrhundert auch das Kapitel von
Olmütz. 2 — Eine Anzahl von Handschriften zählte Giese-
brecht auf 3 und auch P. Ewald stutzte sich auf mehrere. 4
Bezüglich der Handschrift von Vaucelles muß ich leider nur
auf die Nachrichten der genannten Autoren verweisen, 6 die im
Folgenden besprochenen Handschriften dagegen kenne ich teils
aus persönlicher Anschauung, teils durch gütige briefliche Mit
teilung.
Gehen auch alle Handschriften im letzten Grunde auf
den Archetyp des Vatikanischen Archivs, Reg. Vat. 2, Gregors
1 Über Cod. Trecens. vgl. Jaffäs Bemerkungen in der Einleitung zur Aus
gabe 2 1 , nach Giesebrecht; G. Levi a. a. O. (Arch. Soe. Rom. IV) 190 1 ;
P. Ewald a. a. O. (Histor. Unters.) 308-9. — Nach H. Schenkel, Biblio-
tlieca patrurn latinorum Britannica VI Lincoln (Sitzungsber. Wien, Phil.—
histor. Klasse CXXXI, 1894 X) 57 findet sich in der Kathedralbibliothek
zu Lincoln A 1, 16 eine Handschrift des 12. Jahrhunderts mit dem
Uegistrum Gregorii. Die Angabe wurde aufgenommen von K. Hampe,
Reise nach England vom Juli 1895 bis Februar 1S96 (NA XXII 1897) 697,
vgl. 673 1 und im Inhaltsverzeichnisse des Bandes unter ,Registrum‘
Papst Gregor VII. zugeteilt. — 1847 vermutete Giesebrecht auch ,in
Heiligenkreuz . . . eine Handschrift des Registrums Gregorii VII.‘ und
bat G. H. Pertz, nähere Erkundigungen darüber einzuziehen. Briefe W.
von Giesebrechts an G. H. Pertz (NA XVII) 29, Nr. 8. Der derzeitige
Bibliothekar des Stiftes Heiligenkreuz bei Baden, Hochw. Herr P. Dr.
Florian Watzl, teilte mir am 6. Oktober 1910 freundlichst mit, daß
sich in der Stiftsbibliothek eine Handschrift des. Registers weder heute
findet, noch auch, laut alten Katalogen, jemals befunden hat. — Betreffs
der Handschrift von Vaucelles blieb eine Anfrage an Ort und Stelle
erfolglos: der Herr Facteur Ponthieu von Crfevecoeur teilte mir die
Unmöglichkeit mit, weiteres zu erfahren. Daß sie auch in Cambrai
sich nicht finde, belehrte mich Herr C. Capelle, Direktor der Biblio-
theque Coinmunale, durch freundliche Zuschrift vom 8. Oktober. Eine
Anfrage in Lille blieb unbeantwortet. Den genannten Herren für ihre
Mühewaltung verbindlichsten Dank.
2 Jaffd a. a. O. 7.
3 J affö a. a. O. 2 1 .
4 Ewald a. a. 0. (Histor. Unters.) 308—9 vgl. 299
s Über Corsin. 1040 vgl. Ewald in NA III 155 = Kehr, Gött. Nachr.
1903, 121.
106
V. Abhandlung: Peitz.
Kanzleiregister, zurück, 1 so ist doch die Beziehung der ein
zelnen zu diesem keineswegs für alle gleich enge und es lassen
sich mehrere Gruppen oder Klassen von Handschriften unter
scheiden. In der Behandlung werden zuerst die verschiedenen
Klassen nach ihren Eigentümlichkeiten als Ganzes besprochen
werden, danu werden sich jedesmal die einzelnen dazu gehö
rigen Handschriften daran anschließen.
* £
❖
I. Die erste Klasse bilden jene Handschriften, die un
mittelbar vom Original abgeleitet sind und dieses getreu wieder
geben. Dazu gehören eine Abschrift des Vatikanischen Archivs,
die in die Reihe der Vatikanischen Register aufgenommen ist:
Reg. Vat. 3 — die Handschrift C 17 der Vallicelliana — und
ein Fragment im Vatikanischen Archiv: Armar XXXI 1 A.
Reg. Vat. 3, eine Papierhandschrift vom Ende des 15.
oder dem Anfänge des 16. Jahrhunderts, hat den roten Leder
einband der übrigen Registerbände. Auf 8 nichtsignierten
Blättern gehen Banziprivileg und Professio fidei voraus. Der
Registertext füllt 334 gezählte Blätter. Ihm schließt sich nach
4 leeren auf weiteren 43 Blättern der doppelte Index des Re
gisters an. Selbst Randnoten imd Nota-Monogramme hat der
Schreiber aus seiner Vorlage heraus übernommen. 2
Vallicell. C 17 ist eine Papierhandschrift aus der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts mit Banzistück, Glaubensbekenntnis
und Index, von dem allerdings nur der erste Teil aufgenommen
ist. Die Handschrift zählt 309 beschriebene Blätter. 3
1 Daß die von ihm gesehenen oder ihm sonstwie bekannt gewordenen
Handschriften auf den Vaticanus zurückgehen, betonte auch Giese-
brecht. Er schlug darum ihren Wert für die nach seiner Auffassung
notwendige Rekonstruktion des eigentlichen Registertextes nur gering
an: Fide certe atque auctoritate cum arclietypo suo nullo pacto conferri
possunt .... Persuasum . . mihi est, operam et oleum per der e, qui lios
lihros accuratius perscrutari statuerit (De registro emendando 43 — 4).
Giesebrecht erkannte auch den Zusammenhang des Estensis mit dem
Trecensis.
2 Nach Pitra, Anal, noviss. Contin. altera I 352 2 hat diese Abschrift der
Editio Romana Carafas als Grundlage gedient.
3 Die Möglichkeit, diese und die zweite Handschrift der Vallicelliana zu
benützen, verdanke ich der besonderen Liebenswürdigkeit des Herrn
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
107
Ar mar. XXXI IA im Vatikanischen Archiv stammt aus
dem 16. Jahrhundert. Es ist eine unvollständig erhaltene Papier
handschrift. Obwohl das Privileg für Banzi und das Instrument
betreffs des Paläologen fehlen, scheint die Handschrift doch
unmittelbar nach dem Originalregister angefertigt zu sein. Sie
reicht nur Ins in die Mitte von J II 62 und schließt fol. 76
unten mit dem Index für die nächste Seite, obwohl noch drei
freie Blätter der nämlichen Lage folgen.
Auch die Papierhandschrift Nr. 2691 (131) des 17. Jahr
hunderts von italienischer Provenienz, die sich in der Bibliothek
des Schlosses Weißenstein bei Pommersfelden (Oberfranken)
findet, gibt den einfachen Bestand des Originals wieder. Durch
gütige Vermittlung Sr. Erlaucht des Herrn Grafen Arthur
von Schönborn-Wiesentheid erhielt ich vom gräflich von
Schönbornschen Domänen-Amtmann und derzeitigen Bibliotheks-
Verwalter Herrn D. Lienhardt zu Pommersfelden reichen
Aufschluß über die Handschrift. Der Güte Sr. Erlaucht wie
der Liebenswürdigkeit seines Herrn Verwalters zolle ich auch
hier meinen verbindlichsten Dank. Die Handschrift ist unvoll
ständig, es fehlen Buch I—-IV; dafür ist beigebunden eine
dogmatica historia religionis Veteris et Novi Testamenti . . .
scripta in usum ecclesiae catholicae adversus mendaciorum et
blasphemiarum acervos, quos Magdeburgi Illiricana factio nostris
temporibus in Germania collegit. Die Blätter wurden erst von
Herrn D. Lienhardt mit einer Zählung versehen. Die Briefe
der Bücher V—VIII sind mit römischen Ziffern fortlaufend
numeriert, in Buch ,IX‘ und ,X‘ fehlen die Nummern.
Die Handschrift der Biblioteca Corsini, heute Eigen
tum der R. Academia dei Lincei, ist gleichfalls dieser ersten
Klasse zuzuweisen, obwohl Banziprivileg und Paläologenakt
fehlen wie in der fragmentarischen Abschrift des Vatikanischen
Archivs. Herr Sen. Prof. Deila Vedova vermittelte mit echt
Giacomo Cordella, Sottobibliotecario, der die gerade geschlossenen
Räume der gastlichen Societä Bomana mir zugänglich machte und mir
die Handschriften persönlich aus der Bibliothek zur Benutzung herbei-
scliaffte. — Pflugk-IIarttung, Iter Italicum (Stuttgart 1883) 102 be
zeichnet die Handschrift als .wertlos“; sie besitzt allerdings für die
Textrezension keinen Wert — ebensowenig aber alle übrigen Kopien.
— Vgl. P. Kehr, Götting. Nachr. 1903, 126.
108
V. Abhandlung: Peitz.
italienischer Liebenswürdigkeit in entgegenkommendster Weise
folgende Aufschlüsse, die ich einem ausführlichen Schreiben des
Herrn Bibliothekars der R. A. L., Prof. G. Gabrieli, verdanke.
Corsin 1040, mit der heutigen Signatur 33 D 10, entstammt
dem 17. Jahrhundert. Kein Kolophon gibt über den Schreiber
Auskunft, keinerlei Anzeichen irgendeine Spur eines früheren
Besitzers oder der Herkunft des Kodex. Die Zählung der
Briefe stimmt zur Zählung in der Vatikanischen Handschrift.
— Es scheint nicht ausgeschlossen, daß Corsin. 1040 nur eine
Kopie von Armar. XXXI 1 A darstellt, angefertigt in einer
Zeit, da diese Handschrift noch vollständig war. In diesem
Sinne wurde die Handschrift dem Stammbaume eingegliedert.
❖ %
*
II. Eine zweite Klasse von Handschriften enthält nach
J IX 28 einen Einschub. Es ist an dieser Stelle ein Einlauf
der päpstlichen Kanzlei, der Brief des Grafen Bertrand von
Arles an den Papst, eingeschaltet. Das konstante Vorkommen
dieses Einschubes an der gleichen Stelle bei allen in Betracht
kommenden Handschriften im Gegensätze zu den Kodizes, die
der ersten Klasse zugehören, berechtigt gewiß, diese Hand
schriften zu einer eigenen Klasse zusammenzufassen,
Die Klasse gliedert sich in zwei Gruppen.
1. Die erste Gruppe enthält als einzigen Vertreter nur
den Kodex von Troyes.
2. Die zweite Gruppe unterscheidet sich von der ersten
durch folgende Eigentümlichkeiten: Das Briefbündel VI 3—9
ist an der richtigen Stelle ausgelassen und am Schlüsse des
Registers nachgetragen. Außerdem fehlen die beiden Duplikate
des achten Buches in Buch J IX sowie das Schreiben an Anno
von Köln J I 79.
Innerhalb dieser zweiten Gruppe jedoch sind wieder zwei
Unterabteilungen zu trennen:
A) Auf Vallicell. B 26 geht Vat. lat. 4907 zurück.
B) Von Vat. Ottobon. lat. 317 stammen Borgh. I 114 (jetzt
im Vatikanischen Archiv) und eine Handschrift in Privatbesitz.
Über Cod. Trecens 952 verdanke ich wertvolle Mittei
lungen und Kollationen der Liebenswürdigkeit des Herrn Bi-
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
109
bliothekars Morel-Payen, bei dem ich auf meine brieflichen
Anfragen bereitwilligstes und promptestes Entgegenkommen
fand. — Das Banziprivileg fehlt in dem 142 Blätter zählenden
Manuskripte vollständig; ebensowenig finden sich natürlich die
Professio fidei und der Index. Die Briefe sind nicht gezählt,
auch die des ersten Buches nicht. Auf fol. 137 b folgt nach den
Briefen J IX 27 und J IX 28 der Einlauf: Summo pontißci et
universali pape G. Arelatensis comes B. Das sogenannte ,neunte“
Buch hat die gleiche Überschrift, wie sie im Kanzleiregister
von späterer Hand nachgetragen ist, und auf fol. 141 b steht
ebenso: Incipit Uber XI. — Trotz der Verschiedenheiten wäre
es immerhin möglich, daß diese Handschrift die Vorlage für
die Kopien der zweiten Gruppe gebildet hätte, da es sich bei
dieser bloß um rein negative Differenzen handelt.
Vallicell. B 26 besteht aus zwei nicht zusammengehörigen
Teilen. Es ist eine Handschrift von feinem Pergament, deren
Blätter eine nachträgliche recht ungenaue Zählung erhielten.
Das letzte signierte Blatt ist mit 240 bezeichnet, aber bereits
bei der bis auf 217 steigenden Zahl jener Blätter, die den
jetzigen ersten Teil der Handschrift, das Register, umfassen,
sind sieben Blätter überschlagen und nicht numeriert worden.
— Der zweite Teil, fol. 218—240, enthält Suetons Kaiserbio
graphien, die Scriptores ecclesiastici des Hieronymus (de viris
inlustribus), Ps.-Hieronymus de XII doctoribus ad Desiderium
und Cassiodor de anima. Dieser zweite Teil stammt von einer
Hand des 14. Jahrhunderts, während das Register wohl der
ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts zuzuweisen sein dürfte. —
Das Register enthält das Privileg für Banzi und die Professio
fidei nicht; im ,neunten* Buche sind die Wiederholungen aus
Buch VIII übergangen worden. 1
Aus Vallicell. ß 26 scheint zu stammen Cod. lat. App.
CI. III 19 der R. Biblioteca Nazionale di S. Marco zu Venedig.
Der bekannte Direktor der Bibliothek, Herr Cav. Uff. Dr.
0. Frati, stellte mit, gewohnter Freundlichkeit persönlich die
gewünschten Nachforschungen über die Handschrift an und gab
1 Kunde von der Handschrift gaben G. Levi a. a. O. (Arch. Soc. Rom. IV
190 1 ), P. Ewald a. a. O. (Histor. Unters.) 299 1 , vgl. NA III 157,
P. Kehr, Giitt. Nachr. 1903, 125.
110
V. Abhandlung: Peitz.
auf alle Fragen bereitwilligsten und zuverlässigsten Aufschluß.
Es sei dafür dem herzlichsten Danke auch an dieser Stelle
schuldiger Ausdruck gegeben. — Wie bereits Giesebrecht fest
gestellt hatte, 1 enthält die Handschrift das volle Register, doch
fehlen von Buch VI an die Buchtitel, so daß anscheinend nur
sechs Bücher vertreten sind. Die Briefe sind nicht gezählt.
Die Papierhandschrift stammt aus dem 15. Jahrhundert und
gehörte im 18. Jahrhundert dem Florentiner Gelehrten Dome
nico Maria Manni, später kam sie in die Privatbibliothek des
Venezianer Patriziers Tommaso Giuseppe Farsetti. 2
Den gleichen Ursprung hat Vat. lat. 4907, eine Papier
handschrift des ausgehenden 15. Jahrhunderts mit im ganzen
231 Blättern, von denen 225 gezählte das Register enthalten.
Wie bei Vallicell., so fehlen natürlich auch hier Banziprivileg
und Professio, die Indizes und die Wiederholungen im ,neunten 1
Buche. Außerdem sind noch mehrere andere Briefe übersehen
und überschlagen worden (J II 34 und 35). 3
Vat. Ottobon. lat. 317 wurde gegen Ende des 15. Jahr
hunderts geschrieben. Ein Vermerk auf dem Recto des jetzigen
ersten Blattes lautet: Ex codicibus Joannis Angeli Ducis ab
Altaemps. Die Handschrift ist am Anfänge unvollständig. Das
erste Blatt trägt die alte Foliierung 3 und ist erst von jüngerer
Hand mit 1 signiert worden. Der Verlust, der schon durch
diese Zahlen gekennzeichnet ist, betraf die ersten vier Briefe
samt dem Commentarius electionis und dem Anfang von J 15:
mitten in diesem letzteren setzt der Kodex im heutigen Zu
stande mit consanguineae suae thalamis (J 14 3 ) ein. Außerdem
ist zwischen fol. 6 und 7 moderner Zählung ein Blatt ausge
fallen mit dem Schlüsse von J I 15 und dem ganzen Briefe
J I 16. Die Handschrift muß dazu ursprünglich auch ein
eigenes nicht gezähltes Titelblatt besessen haben, denn das
zwischen fol. 6 und 7 verlorene Blatt dieser ersten Lage, eines
Quinterns, trug die alte Nummer 9. Am Schlüsse steht auf
fol. 200 b das Kolophon: lekoc. \ Jo. dominicus Mamilianus Tran-
scriptum hoc Regestum epistolarum ex Codice non admodum
1 Briefwechsel mit G. H. Pertz (NA XVII 1891) 12.
2 Vgl. Morelli, Bibliotheca manuscripta Farsetti I 17. Valentinelli,
Bibliotheca manuscript. II 276.
3 Vgl. P. Kehr, Gütt. Naclir. 1903, 10.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
in
fideli, non sine labore maximo Correxit: Multis tarnen relictis
Locis veriorem indaginem expectantibus. Daß unter dem Codex
non admodum fidelis der Originalregisterband des Archivs ver
standen ist, glaube ich nach einem Vergleich der Korrekturen
und nach der Übereinstimmung der Kopie mit dem Kanzlei
register auch in Schreibfehlern annehmen zu müssen. Die Ab
schrift ist überdies reich an eigenen Versehen und Verschrei
bungen, auf deren Ausmerzung Mamilianus seinen Fleiß ver
wendete. 1
Eine ehemalige Borghesehandschrift, jetzt im Vatikanischen
Archiv, Arch.Vat. Borgh. 1114, aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts, ist getreue Kopie des Mamilianischen Kodex.
Fol. 142 a steht das tsasc und darunter heißt es: In Calce Ee-
gistri haec habentur. Jo: Dominicus Mamilianus Transscriptum
hoc Eegestum epistolarum etc. — genau wie in Ottob. lat. 317.
Eine andere, spätere Hand hat von fol. 143 a an ein Register
der Briefe nach ihrer Abfolge in der Handschrift mit Angabe
des Folios beigefiigt. Die Briefe J I 1*—5, die in Ottobon.
ganz oder zum Teil verloren gegangen sind, fehlen auch hier
und es beginnt die Kopie mit J I 6. Dagegen ist der Schluß
von J I 15 und ganz 16 erhalten — ein Beweis, daß zwar
Blatt 1—2 der Ottobuoni-Handschrift schon sehr früh abgängig
waren, Blatt 9 dagegen sich noch vorfand.
Eine Kopie des Borgliesianus befindet sich in Privat
besitz, von wo aus sie mir durch geneigte Vermittlung in ent
gegenkommendster Weise zur Verfügung gestellt wurde; ich
gebe dafür wiederholt meinem ehrfurchtsvollen Danke Aus
druck. — Es ist eine schöne Bapierhandsclirift vom Ende des
16. Jahrhunderts und zählt 360 Blätter. Die 17. Lage mit
fol. 193—204 ist durch Versehen des Buchbinders nach fol. 228
eingeheftet. — Fol. 360“ steht unter dem Texte des letzten
1 Die Feststellung, daß Eeg. Vat. 2 die Vorlage für diese Handschrift war,
bietet insofern besonderes Interesse, als man daraus ersieht, wie die
älteren Handschriften selbst noch in der Blüte des Humanismus bezüg
lich ihrer Texte gewertet wurden. Die Tatsache ließe vielleicht eine
Identifizierung des Kanzleiregisters mit dem aus S. Maria Nova stam
menden Bande der Inventare des 14. Jahrhunderts nicht so unmöglich
erscheinen, wie es P. Denifle annahm — trotz des illegibilis. (Arcli.
Lit.-Kirch.-Gesch. II 87 2 .) — Vgl. P. Kehr, Gött. Nachr. 1903, 60.
112
V. Abhandlung: Peitz.
Briefes (d. h. J YI 9) wieder das Wort -csXu 0 , offenbar von
einem des Griechischen unkundigen Schreiber dem -zthoc der
Vorlage verständnislos irgendwie nachgebildet. — Auf fol. 360 b
steht wieder: In Calce Registri hec habentur. Jo: Dominicus
Mamilianus transscriptum hoc Registrum epistolarum etc.,
wonach am Schlüsse hinzugesetzt ist: Firiis. Die Briefe J I 1 *
bis 5 fehlen.
Diesen Gruppen mag hier noch angeschlossen werden
Cod. Estensis der R. Biblioteca Estense in Modena. Herr
Dr. Isnardo Astolfi hatte die Güte, mir über diese Hand
schrift einige Kollationen und Angaben zukommen zu lassen.
Im Anfänge des Bandes steht der Index der Briefe, wie ihn
Reg. Vat. 2 am Schlüsse bietet. Es folg! die Vita Gregorii VII.
des Onofrio Panvinio, der sich von fol. 19“ an die Briefe
des Registers anschließen. Darnach scheint für die Handschrift
ein unmittelbares Zurückgehen auf das Urregister angenommen
werden zu müssen. Anderseits aber findet sich der Einlauf
des Bertrand von Arles, und zwar ist er hier nach J IX 30
auf fol. 381 b eingeschoben; es muß also irgendwie auch eine
Handschrift der zweiten Klasse als Ergänzungsvorlage gedient
haben. Bereits Mansi hat diese offenbar recht späte Hand
schrift gekannt und benutzt.
*
III. Die übrigen Handschriften bilden eine dritte Klasse
für sich. Sie sondern sich schon dadurch von den bisher be
sprochenen Kopien ab, daß es sich bei ihnen nur um Register
auszüge, nicht um volle Abschriften handelt. Zwei verschie-
dene Auszüge gehören jeweils zusammen und ergänzen sich
gegenseitig zu einer vollen Registerabschrift. Sind z. B. im
Auszuge A die Briefe J I 2. 4. 12. 26. 28. 31—34. 37. 38. 44.
45. 53—55. 58—61. 63. 66. 68—71. 73. 76. 79. 83. 84. auf
genommen, so bilden eben die liier ausgelassenen Briefe, also
J I 1*. 1. 3. 5-11. 13-25. 27. 29. 30. 35. 36. 39—43 usf.,
das erste Buch des ergänzenden zweiten Auszuges B. Ob und
wie weit die einzelnen Handschriften dieser Gruppe unterein
ander abhängig sind, habe ich im einzelnen nicht untersucht.
Jedenfalls stehen die beiden Exzerpte in Vat. lat. 4906 den
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
113
übrigen Vertretern dieser Klasse unabhängig gegenüber, da
diese Handschrift J II 55° und III 17 bls und 17 a sowie J V 2
und VI 17 und 17 a nicht enthält, während sie J IX ll bis ,
VIII 15 aufgenommen hat, die in den anderen Handschriften
ausgelassen sind. — Alle hier iu Betracht zu ziehenden Hand
schriften gehören der zweiten Hälfte oder dem Ende des 16. Jahr
hunderts an. Sie dürften dem lebhaften Interesse der kirchlichen
Reform an der leuchtenden Gestalt des großen kirchlichen Re
formators im 11. Jahrhundert ihren Ursprung verdanken.
Daß zwischen den verschiedenen Vertretern dieser Klasse
eine derartige Gleichförmigkeit der Auswahl auch ohne gegen
seitige Abhängigkeit herrschen könnte, erklärt sich leicht. Im
Originalregister, Reg. Vat. 2, sind nämlich alle jene Stücke, die
in den Auszügen die Gruppe A darstellen (J I 2. 4. 12. 26.
28. 31—34 usf.) am Rande mit einem schwarzen Striche ver
sehen, der augenscheinlich die in dem einen Exzerpte auszu
lassenden, im anderen aufzunehmenden Briefe kennzeichnet und
eigens für den Kopisten angebracht wurde. Die Mehrzahl der
übrigen Briefe weist dagegen im Kanzleiregister ein durch Ein
ritzen mit dem Fingernagel hergestelltes, meist aus zwei sich
kreuzenden derartigen Linien bestehendes Merkzeichen auf. —
Die Auszüge A enthalten auch den Index der Briefe und die Pro-
fessio fidei. — Der Einlauf Bertrands findet sich natürlich nicht.
Es ist wohl möglich, daß alle diese Exzerpte auf die
Kopiertätigkeit eines einzigen Abschreibers zurückzuführen sind;
doch glaubte ich auch dieser Untersuchung keine weitere Auf
merksamkeit widmen zu sollen. — Uber die einzelnen Hand
schriften nur wenige kurze Bemerkungen.
Vat. lat. 4906, in rotem Leder gebunden, enthält beide Aus
züge A und B. B umfaßt 92 Blätter; ihm schließt sich mit neuer
Zählung Exzerpt A auf 176 Blättern an. Die ersten 40 Blätter
der Handschrift mit dem Index der Briefe sind nicht gezählt.
Vat. Ottobon. lat. 300, in schwarzem gepreßten Leder
einband, hat auf fol. 10 :l die Vermerke: Ex codicibus Joannis
Angeli Ducis ab Altaemps. Registrum Gregorii Papae VII. und
von anderer Hand: Lib. X. Onuphrii Panvinii Veronensis opera
emendata. Panvinios Korrekturen beschränken sich jedoch auf
die Verbesserung von Schreibfehlern und auf wenige Konjek
turen. Die Handschrift enthält das Exzerpt B.
Sitzungsber. d phil.-bist. Kl. 1G5. lld., 5. Äbb.
8
114
V. Abhandlung: Peitz.
Vat. lat. 5638 ist ein Sammelband. Die Innenseiten des
Deckels aus biegsamem Schweinsleder mit papiernem Deck
blatt sowie die fol. 382 a —586 b tragen ein Inventar und eine
Art Sachindex des Registers; doch untersuchte ich beide nicht
auf ihren etwaigen Zusammenhang mit dem Inventar und Index
des Originals. Exzerpt A, von fol. 29—264, hat am unteren
Rande der verschiedenen Lagen auf deren Schlußseite eine alte
Lagenzählung von A bis Gg. Exzerpt B, von fol. 265—358,
ist von der gleichen Hand wie A. Verschiedene andere, nicht
dem Register entnommene Stücke sind angehängt — darunter
findet sich fol. 375’-'—376 a das von Pflugk-Harttung gesehene
und herausgegehene Schreiben Gregors J—L 5287, dessen
Überschrift lautet: Alfano archiepiscopo, während die Adresse
an andere geht. 1
Vat. Ottobon. lat. 2508, ein Exzerpt A, gehörte einst
dem Thesaurar Klemens’ VIII., Kardinal Bartholomäus Oesius,
auf dessen Betreiben der Papst auf der Engelsburg ein neues
und geräumigeres Archiv errichtete. Auf dem Rekto des ersten
alten Blattes und auf dem Verso von fol. 202 11 steht nämlich:
Ex bibliotheca Ill mi D. Car iu Barthol. Cesii. Darunter schrieb
an der ersteren Stelle eine andere Hand: Miscell. 6. Nunc Otho-
boniana 94. Damit und mit den Wappen Leos XIII. und des
Kardinals Pitra, die auf dem Schweinslederrücken des modernen
Pappbandes in Goldpressung eingedrückt sind, ist die Geschichte
der Handschrift zum großen Teile angegeben.
Vat. lat. 3979 und Vat. lat. 4579 enthalten das Exzerpt B.
Als letzte zu dieser Klasse gehörige Handschrift reiht sich
an Vat. Ottobon. lat. 2366. Die Handschrift war eben zur
Restaurierung auseiuandergenommen: die vitriolhaltige Tinte
hat das Papier zerfressen und stellenweise die Handschrift
bereits arg beschädigt. Dank der Liberalität der Bibliotheks
verwaltung des Vatikans konnte ich trotzdem das Manuskript
einsehen. Schon früher einmal — wie es nach den Wappen
des Einbandrückens scheint, unter dem Pontifikat Pius’ IX. und
der Bibliotheksverwaltung des Kardinals Tosti 1860—1866 —
ist die Handschrift auseinandergenommen worden: die einzelnen
1 Vgl. den Text und die sachliche Anmerkung bei Pflugk-Harttung,
Acta inedita II 139, Nr. 172.
Das Originalregister Gregors VII. — I, 5.
115
Blätter wurden voneinander getrennt und an einen weichen
Papierfalz im Rücken angeklebt. Dabei ist durch ein Versehen
der Anfang des Registerauszuges als fol. 340 an den Schluß
des Exzerptes gesetzt, während das Blatt eigentlich vor fol. 311
gehört. Der Auszug ist sehr unvollständig und zudem nur zum
Teil erhalten, wie schon eine Notiz auf dem jetzigen fol. 340
— dieses trägt den Commentarius electionis — sagt: Epistolae
Gregorii, sed mutilae. Das Exzerpt reicht nur bis J I 78. Aus
gelassen sind: J I 2. 4. 9—28. 31—34. 37. 38. 40. 41. 44. 45.
50. 53-55. 58—61. 63. 66. 68. 70. 71. 73 und 76. Es han
delt sich also hei diesem Fragment bloß um einen Auszug aus
den Exzerpten A.
Damit ist die handschriftliche Überlieferung des Registers
als eines Ganzen, soweit sich deren Spuren vorderhand ver
folgen ließen, erschöpft. 1 Der hier wiedergegebene Versuch
eines Stammbaumes der Handschriften mag das Resultat der
Untersuchungen zusammenfassen.
ß
Keg. Vat. 3 Vallic. C 17 Arch. Vat.
Arm. XXXI.
1. A
Corsin. 1010
Pommersf. X
Exzerpte
Estens. Trecens. Ottob. 317 Vallic. B 26
I I
Borgh. I 114 Marc. Ven.
I I
Privat Vat. 4907
A 1?
Vat. 4906 . . . Vat. 4906
Vat. 5638 . . . Vat. 5638
Ottob. 300 Vat. 3979
Ottob. 2508 Vat. 4579
Ottob. 2366
1 J. Greving, Pauls von Bernried Vita Gregorii VII. Papae 33 1 behauptet,
daß ,Cod. Vat. Nr. 258 (fol.)‘, ein Exemplar des 11. Jahrhunderts, dem
Jaffeschen Drucke zur Grundlage gedient habe. Unmöglich, da Vat.
lat. 258 kein Gregorregister ist; zudem geben Jaffe, BRG II 2 und
Giesebrecht, Kaiserzeit III 4 1073 mit genügender Deutlichkeit ihre
Vorlage an. Es ist offenbar ein Versehen untergelaufen: Cod. Arch. Vat.
Reg. Vat. 2 zählt 258 Folien.
8*
116
V. Abhandlung: Peitz.
Zweiter Abschnitt-
Einwendungen und Bedenken. Die Parallelüberlieferung.
Die im Vorausgehendeu entwickelten Ausführungen stehen
zu manchen der bisher angenommenen Lehren und Ansichten
im direkten Gegensätze. Daraus ergibt sich die unabweisbare
Notwendigkeit, auf eine Reihe von Einwendungen, die gegen
sie erhoben werden konnten, des Näheren einzugehen und zu
zeigen, wie alle Eigenschaften, Merkmale und Beziehungen des
Registers mit seinem Charakter als Urregister vereinbar sind.
Daß einige Momente, auf die man seit Giesebrecht und Jaffe
sich zur Begründung der bisherigen Ansicht zu stützen suchte,
mit dem tatsächlichen Befund der Handschrift nicht recht ver
einbar sind, wurde bereits im ersten Teile dargetan. Zu ihuen
gehört z. B. die Zusammensetzung der Handschrift aus zwei
— oder vielmehr drei •—• ungleichen Teilen. Anderes soll im
Folgenden erledigt werden.
1. Kapitel.
Die Adreßform. Der Kanzleivermerk in J VI 34.
P. Ewald, H. Breßlau u. a. hatten als sicheres Kenn
zeichen der Registerüberlieferung für die älteste Zeit die Kür
zung der Protokollformen angenommen und geradezu die Kurz
form der Adresse als ein Hauptmerkmal des Registertypus
gegenüber der Vollform bei Originalableitung angesprochen. 1
Dagegen hatte Th. Mommsen und mit ihm H. Steinacker
den also konstruierten Registertyp geleugnet und auch für die
päpstlichen Register der älteren Zeit volles Protokoll behauptet. 2
1 P. Ewald, Studien zur Ausgabe des Registers Gregors I. (NA III 1878)
5410—50. H. Breßlau, Urkundenlehre 102.
2 Th. Mommsen, Die Papstbriefe bei Beda (NA XVII 1892) 385—96.
II. Steinach er, Über das älteste päpstliche Registerwesen (MIüG XXIII
1902) 1—49. Steinackers Untersuchung geht über Mommsen hinaus und ist
meines Erachtens methodisch wie in ihren Ergebnissen betreffs der uns
hier beschäftigenden Frage durchaus abschließend, wie auch L. Schmitz-
Kallenberg sie mit Recht als abschließend bezeichnete (Papst
urkunden 197 in Meisters Grundriß). Doch stinwne ich in der Annahme
Das Originalregister Gregors VII. — II, 1.
117
Konnte man auch seit Steinackers methodischer Forschung die
Frage prinzipiell als entschieden betrachten, so wäre doch gegen
die Kanzleioriginalität des Gregorregisters immerhin ein An
griff von dieser Seite noch möglich gewesen, da das Register
Gregors mit einem ganz außerordentlich ausführlichen Protokoll
versehen ist, während knapp 120 Jahre später die Register
Innozenz’ III. wie der folgenden Päpste bloße Kurzform der
Adresse aufweisen. 1 Allein es lassen sich für die Mommsen-
Steinackersche Anschauung aus einer Zeit, die dem Register
Gregors VII. viel näher liegt als etwa die Avellana oder die
Sammlungen der Briefe eines Leo d. Gr. und Gregor d. Gr.,
direkte Bestätigungsnachweise erbringen, die jedem Einwand
gegen die Adreßform in R seine Spitze nehmen.
Es handelt sich um zwei Briefsammlungen, deren Zurück
gehen auf die päpstliche Kanzlei sich auf das allerbestimmteste
erweisen läßt. Herr P. Sinthern S. J. zu Rom, ein guter Kenner
des mittelalterlichen Rom und seiner Geschichte, hatte die
Liebenswürdigkeit, mich gelegentlich auf eine Sammlung von
Briefen Nikolaus’ I. aufmerksam zu machen, die sich in der
Vatikanischen Bibliothek befindet und deren unmittelbaren Zu
sammenhang mit der päpstlichen Kanzlei er richtig vermutet
hatte. Es ist Cod. Yat. lat. 3789, eine Pergamenthandschrift
vom Ende des 9. Jahrhunderts, wie Sinthern ebenfalls richtig
gesehen hatte. In ein Rechtfertigungsschreiben des Papstes an
die Gläubigen des Ostens, besonders in Kleinasien, ist eine
Reihe von früheren Schreiben Nikolaus’ in ihrem vollen Wort
laute auf genommen. 2 Schon die Zusammenstellung der Briefe,
auch des zweiten Teiles der Steinackersehen Ausführungen, über die
ursprüngliche Einteilung der lateranensischen Register, nicht mit Schmitz-
Kallenberg überein; im Gegenteil glaube ich diesen schon von ihrem
Urheber mit aller Reserve vorgelegten Erklärungsversuch ablelmen zu
müssen. Will freilich Steinacker nur eine Art der Rubrizierung der
Adressen annehmen, wie wir sie etwa im Gregorregister finden, so wäre
ich damit durchaus einverstanden.
1 Vgl. auch die gleichsinnigen Ausführungen Heckeis a. a. O. (Arch. Urk.-
Forsch. I) 316—48: ,Eingangs- und Schlußprotokoll . . . sind wenigstens
bis zur Zeit Gregors VII. vollständig registriert worden. 1
2 Der moderne Halbfranzband zeigt auf dem Rücken oben das Wappen
Papst Pius’ IX. und unten das des Kardinalbibliothekars Alois Lam-
bruschini. Die Handschrift zählt 111 signierte Blätter von 176 X 283 mm
118
V. Abhandlung: Peitz.
die an verschiedene Adressaten und in verschiedene Teile des
Orients gerichtet sind, weist auf die Zentrale der römischen
Kanzlei als Ausgangspunkt. Überdies finden sich ganz sichere
Kanzleivermerke, aus denen Kanzlei- und Registerprovenienz
der Stücke klar hervorgeht. Es ist dies an erster Stelle ein
A paribus in der Adresse von Nr. 16, fol. 109 a : Nicolaus epi-
scopus servus servorum dei singulis quibusdam senatoribus Con-
stantinopoleos a paribus. — Überdies sind einer ganzen Reihe
von Briefen Angaben über deren Ausfertigung und Expedition
beigegehen. Es wird gesagt, wem die Überbringung der ein
zelnen Briefe in den Orient anvertraut worden war, warum die
Expedition beschleunigt werden mußte, wodurch sie unmöglich
wurde. Einige Beispiele mögen eine Anschauung von diesen
Angaben vermitteln. Fol. 3 a heißt es: Explicit prooemium.
Incipit epistola prima missa ab apostolica sede ad imperatorem
Michahelem per Ilhadoaldum et Zachariam episcopos . . .
— Auf fol. 10 b schließt Nr. 4 und beginnt 5: Hic posita est
epistola, quam per Leonem a secretis imperialem vide-
licet legatujn, de quo superius diximus, post reversionem mis-
sorum nostrorum imperatori Michaheli direximus cum epistola
ad Photium. Nur in der päpstlichen Kanzlei waren derartige
Nachweise möglich. Nur sie konnte die Namen ihrer Gesandten
und Vertrauten wissen. Nur sie durfte als Vertreterin und im
Namen des Papstes von missi nostri sprechen.
Nun tragen aber fast alle diese Briefe vollstes Protokoll,
genau in der Form, wie es uns im Register Gregors VII. ent
gegentritt. Z. B. lautet die Adresse in Nr. 12 auf fol. 98 b :
Nicolaus episcopus servus servorum dei In Christo diligendo
filio Bardae Inclyto Caesari. Nr. 9 auf fol. 52 a ist adressiert:
Nicolaus episcopus servus servorum dei piissimo et gloriosissimo
dilecto filio Michaheli Magno Imperatori. Es fehlt also nur die
Größe mit teils 32, teils 34 Zeilen. Die einzelnen Quaterne tragen am
Fuße der letzten Seite alte Lagenzählung, und zwar zum Teil in dop
pelter Form: es heißt fol. 24 b : quaternus III d(!); fol. 32 b : quater
nus IUI d; fol. 40 b : quaternus V E; fol. 48 b : quaternus VI F; die
übrigen Lagen haben bloß Zahlen. — Die Adressen der einzelnen Briefe
sind sehr stark hervorgehoben. Ein Nachweis der einzelnen Stücke findet
sich in den Amjales iuris Pontificii X (1868) 47 ff., wo die ganze Samm
lung eine genaue und gute Behandlung erfahren hat.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 1.
119
Grußformel, die sich aber im 9. Jahrhundert noch nicht zu jener
typischen Regelmäßigkeit entwickelt hatte, zu der sie unter
Gregor VII. gelangt ist; auch in dessen Register erscheint sie
übrigens stets abgekürzt. Dafür sind bei Nikolaus I. die Iiüf-
lichkeitsformein und die Dignitätsangahen in weit stärkerem
Maße vertreten als hei Gregor.
Ein weiteres Eeispiel vollster Protokollierung glaube ich
im Register Johanns VIII. Reg. Vat. 1 nachweisen zu können.
Die Kopie des Schreibers von Monte Cassino hat zwar durch
weg kürzeste Adreßform, in der nach Art der späteren Register,
etwa derjenigen Innozenz’ III., zum Teil sogar der Papstname
in Wegfall kam. Die Vorlage jedoch scheint ein anderes Aus
sehen gehabt zu haben. Reim ersten Eriefe ist die Adresse
zweimal geschrieben worden. Die erste Zeile der ersten Kolumne
auf fol. l a enthält in schwarzer Kapitale die Intitulatio Johannes
Episcopus. Die folgenden drei Zeilen tragen eine Rasur, in der
mit Sicherheit zu lesen ist: servus servorum dei Dilecto filio
ho (sechs Buchstaben nicht zu entziffern) illustrissimo
comiti salutem et apostolicam benedictionem. In der’ nächsten
Zeile folgt nochmals von anderer fester Hand: Johannes epi
scopus Bosoni Illustrissimo Comiti in Kapitale. 1 In den fol
genden Briefen steht dann regelmäßig Kurzadresse, wobei der
Schreiber den Namen des Papstes fast jedesmal fortgelassen
hat. Erst im vorletzten Briefe 315 fol. 122“ begegnet aufs neue
die Erinnerung an eine vollere Form der Adresse. Es heißt
da, ohne Papstnamen: Servus servorum dei Martino Johanni
seu Demetrio atque Romano gloriosis ducibus nec non et aliis
fidelibus nostris. Die Grußformel fehlt wie bei Nikolaus I. —
natürlich, da sie ja noch keine stereotype Form hat. In einer
großen Zahl von Briefen im Anfänge des Bandes hat dann der
Korrektor den Papstnamen Johannes — oft als Monogramm,
fast stets in Kürzung — mit dem Worte episcopus nachgetragen
und in jenen Fällen, in denen der Schreiber den Namen des
1 G. Levi a. a. O. (Arch. Soc. Rom IV) 166 will den Namen der getilgten
Adresse mit berengario lesen. Ich glaube kaum, daß so dort gestanden
haben kann. Ein g scheint der Name freilich enthalten zu haben. —
Über die Adressen im Register Johanns VIII. vgl. jetzt auch die Auf
schlüsse in den wertvollen Studien, die E. Caspar diesem Registerbande
widmet (NA XXXVI 1911, 87—88. 89—90. 117. 123. 126).
120
V. Abhandlung: Peitz.
Papstes bereits gesetzt hatte, wenigstens den Titel episcopus
hinzugefügt. In den späteren Briefen fehlen diese Nach
träge, wie die Handschrift selbst gegen Schluß den Ein
druck geringerer Sorgfalt in Ausführung und Korrektur
macht.
Diese eigenartigen Unebenheiten scheinen darauf hinzu
weisen, daß die Vorlage, in der man wohl mit Lapotre das
eigentliche Kanzleiregister wird sehen müssen, Volladressen hot,
die von dem wenig gebildeten Kopisten in Monte Cassino in
ungleichmäßiger Weise gekürzt wurden. Daß auf jeden Fall
nicht vermeintliche Registerkurzform dem Urregister Jo
hanns VIII. eignete, dafür sprechen die zahlreichen ausführ
lichen Adressen, die auch in der Kopie unverkürzte Aufnahme
fanden, selbst wo die Intitulatio fortgelassen ist. Als Beispiel
seien nur erwähnt Brief 14: Johannes reverentissimis et sanctis-
simis fratribus nostris episcopis per Bituricensem provinciam
constitutis (fol. 6 b , in Ilubro) und Brief 15: Johannes episcopus
Iieverentissimo Gisiliberto episcopo sanctae Cartensis ecclesiae
(fol. ß b : in diesem Stücke ist Johannes episcopus vom Korrektor
schwarz dem übrigen Rubrum beigefügt worden).
Eine Beobachtung sei hier beigefügt, die dem ersten
Bande der Register Innozenz’ III. entnommen ist. Reg.
Tat. 4, fol. 1“ steht oben die Rubrizelle für die Adresse des
ersten Briefes: I Archiepiscopo et episcopis per regnum Francie
constitutis de promotione domni pape Innocentii. Darunter ist
als Rubrum ausgeführt: Littere (auf Rasur) J° Archiepiscopis
et episcopis . . . Innocentii. Anno primo. Am rechten Rande,
dem Schnitte parallel und von der Buchmitte her zu lesen,
stellt aber in kleiner Schrift die Rubrizelle: Innocentius apo-
stolice sedis electus episcopus servus servorum clei. Archiepisco
pis et episcopis per regnum franciam constitutis, d. h. die volle
Adresse bis auf die Grußformel. Sie ist nicht in Rubro aus
geführt.
Auch die späteren Kameralregister — immerhin doch
eigentliche Register — zeigen, daß vollste Ausführung der
Adresse dem Registertypus keineswegs widerstreitet. So unter
suchte ich, um Gewißheit darüber zu gewinnen, z. B. Reg.
I at. 27, ein Kameralregister Urbans IV., das nicht nur volle
Das Originalregister Gregors VII. — II, 1.
121
Intitulatio, sondern auch die verschiedenen Grußformeln
bietet. 1
Es bildet also die Adreßform des Registers Gregors
zur Beanstandung keinerlei Anlaß.
Wichtiger und schwerer wiegend könnte ein anderer
Einwurf erscheinen. Im ersten Teile der Untersuchung wurde
auf die Kanzleiverweise und Registraturvermerke aufmerksam
gemacht, die sich im Register Gregors finden und als charak
teristische Kanzleierscheinungen in Verbindung mit anderen
Umständen für seine Originalität sprachen. Nun findet sich
aber unter ihnen einer, der gerade das Gegenteil zu beweisen
scheint. Er findet sich in J VI 34 (371 b ). Der Text bricht in
diesem der Kirche von Lyon zuhanden ihres Erzbischofes Ge-
buinus ausgestellten Privileg zu Beginn der Sanktionsbestim
mungen ab und es wird auf ein Privileg verwiesen, das den
gleichen Wortlaut biete, wie er im vorliegenden Falle ausge-
führt worden sei, weshalb hier nur der Anfang der Formeln
mitgeteilt ist. Es heißt dort (R fol. 169 a ): firmamus statuentes
nullum regum, et reliqua usque in finem. Sicut in privilegio
constat, quod est in capite liuius libelli. Datum Rome. XII. Ka-
lendas Maii. Inet II. Im ganzen Registerbande findet sich
ein Privileg mit dem gleichen oder auch nur ähnlichem Schlüsse
nicht. Was soll zudem das sonderbare: quod est in capite
liuius libelli? P. Ewald ahnte schon den Zusammenhang dieser
Note mit der dem Register voraufgehenden Urkunde für Banzi:
den vollen Sachverhalt konnte er nicht wissen. 2 Die Sache
liegt so: Dem Register gingen ursprünglich außer dem
Banziprivileg noch weitere Stücke voraus. Das bezeugt
schon die schlechte Erhaltung der Blätter, auf denen das Pri
vileg für Banzi geschrieben steht: es sind einzelne Blätter, nur
künstlich durch Ankleben an einen Pergamentfalz oder an ein
anderes Halbblatt zu Doppelfolien vereinigt. Über ihren ur
sprünglichen Zusammenhang haben wir keine Nachricht, können
auch aus den Blättern selbst nichts darüber erschließen. —
Außerdem enthält das Privileg für Banzi selbst wieder einen
1 Vgl. über diesen Band Kaltenbrunner a. a. O. (MIöG V 1884) 268—69.
Denifle a. a. 0. (Arch. Lit.-Kirch.-Gesch. II) 53. Specimina palaeogra-
phica 31—32 und Taf. 27—28.
2 a. a. O. (Histor. Unters.) 299.
122
V. Abhandlung: Peitz.
Registraturvermerk, bezüglich dessen G. Levi, dem wir die
erste Veröffentlichung des Stückes verdanken — Giesebrecht-
Jaffe hatten es ganz unbegreiflicherweise vollständig ignoriert —
durch seine ungenaue Edition Ewald berechtigten Anstoß gab. 1
Es beißt aber in der Vatikanischen Handschrift tatsächlich
genau so wie in der Abschrift der Vallicelliana, auf die sich
Ewald beruft: . . . licenter pergat. Haec igitur omnia, quae
huius praecepti. Requaeretur (! ReqRET) ut supra, usque ad
id, quod ait, et apud, 2 Da die Urkunde für Banzi einen
ursprünglichen Bestandteil der Handschrift ausmacht, so
ist durch ihren Registraturvermerk erwiesen, daß anfänglich
außer ihr noch andere Stücke dem Register vorauf
gegangen sind. Auf eines von ihnen bezog sich der
Vermerk in VI 34. Die Art der Erhaltung unseres Bandes
also erklärt das Fehlen des Bezugsstückes. — Ein Vergleich
des Registereintrages dieses Privilegs für Banzi mit dem in der
Vatikanischen Bibliothek aufbewahrten Originale zeigt, daß die
Folgerung richtig ist: nullum regum — pacis inveniant findet
sich tatsächlich im Banziprivileg, allerdings — und das ist für
unsere Kenntnis von den Kanzleigebräuchen zur Zeit Gre
gors VII. wieder von größtem Werte — mit einigen bedeut
samen Abweichungen. Baluzens Text dürfte jedoch auf einer
erst näher zu untersuchenden Unterlage beruhen und eine kri
tische Würdigung vorerst untunlich sein.
2. Kapitel.
Unvollstlindigkeit des Registers und fremde Bestandteile.
Daß die Handschrift des Vatikanischen Archivs kein Ur-
register darstellen könne, hatte Jaffe in der Einleitung zur
Ausgabe ganz klar — apertissimum — geschienen wegen der
offenkundigen Unvollständigkeit von R, die schon durch die
große Zahl der von ihm aufgebrachten Epistolae collectae be
wiesen werde, die ausschließlich außerhalb des Registers über-
1 a. a. 0. (Histor. Unters.) 299 1 mit Nachweisen aus zwei anderen Re
gisterkopien.
2 Vgl. unten Beilage I meine Kollation des Originales mit dem Register
eintrag.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 2.
123
liefert seien. Dann fuhr er fort: Quis . .. crederet potuisse con-
tingere Gregorio VII. pontifici Imperium ecclesiamque acerrime
concutienti, ut vel toto tertio pontificatus anno non dimitteret
plus quam eas, quae in tertio registri huius libro insunt, epi-
stolas viginti unam, vel quarto anno non plus quam libri quarti
epistolas viginti octo. 1 Als Jaffe diese Worte schrieb, waren
die Register noch nicht durchforscht, hatte die Diplomatik noch
nicht unsere Hilfsmittel: weder die Registerpublikationen, noch
die in peinlicher Einzelforschung ausgehildete Methode, noch
die historischen und diplomatischen Schulen und Institute.
Heute wissen wir, daß auch die späteren umfangreichen Re
gisterbände durchaus nicht vollständig waren. Allerdings nahm
noch Breßlau an, daß prinzipiell wenigstens Vollständigkeit
erstrebt worden sei. 2 Nicht ganz mit Recht. Läßt sich auch
ein vereinzelter Ausspruch anführen, der diese Annahme zu
rechtfertigen scheint, so bezeugen doch andere Tatsachen ebenso
und noch weit deutlicher, daß nach dem Bewußtsein der Päpste
und ihres Personals die Registerbücher keineswegs alle aus
gelaufenen Schreiben enthalten konnten oder sollten, daß auch
solche recht gut fehlen konnten, auf die man zurückzukommen
genötigt war. Auf das interessante Zeugnis des Giraldus
Cambrensis hat Denifle hingewiesen und daraus logisch und
scharfsichtig die entsprechenden Schlüsse gezogen. 3 Einen
1 BRG II 3. Ähnlich Löwenfeld a. a. O. (NA X 323) und Pitra, Anal,
noviss. Contin. alt. I 129.
2 Breßlau, Urkundenlehre 101. — Beabsichtigte Vollständigkeit nahm
auch, wie es scheint, L. M. Hartmann an (Einleitung zum Register
Gregors I: MG Eplae I, p. VII Vorbemerkung) und neuestens wieder
E. Tucek in seiner weiter unten einläßlich zu besprechenden Unter
suchung über das Registrum super negotio Romani imperii 37, ohne neue
Gründe beizubringen.
3 a. a. 0. (Arch. Lit.-Kirch.-Gesell. II) 56—58; etwas anders in der Einlei
tung zu den Specimina palaeographica 9—10. — Vgl. M. Spaethen,
Giraldus Cambrensis' und Thomas' von Evesham Prozesse (NA XXXI 1906)
612 h 627 4 . Eingehender behandelte die Frage nach beabsichtigter und
tatsächlicher Vollständigkeit der Register R. v. Heckei a. a. 0. (Arch. f.
Urk.-Forsch. 1) 430—32. 485. Er weist nach, daß keinesfalls alle Schreiben
in die Register aufgenommen wurden. Ob aus den von ihm 430 3 ge
sammelten Zeugnissen gefolgert werden dürfe, daß erfolgloses Suchen
nach Urkundenkopien in den Registern von den Archivbeamten selbst
,als Ausnahme betrachtet 1 wurde, erscheint zweifelhaft; aus den Texten
124
V. Abhandlung: Peitz.
weiteren Beleg aus dem Jahre 1323 enthält das von Denille
zitierte Schreiben Johanns XXII. an Johann de Amelio. Die
vom Papste gebrauchte hypothetische Wendung: alioquin si
dictarum literarum tenores eadem regestra contineant . . .
beweist, daß er sicli bewußt war, es sei die Eventualität nicht
ausgeschlossen, daß die von ihm gesuchte wichtige Urkunde
Urbans IV. gar nicht in die Registerbücher eingetragen worden
war. 1 Den dritten Anhaltspunkt liefert wieder ein Text aus
der Zeit Innozenz’ III., den allerdings Denifle als Beweis für
gewollte Vollständigkeit der Register ansah, der aber in Wirk
lichkeit eher für das Gegenteil spricht. Im Cod. 439 der Biblio
thek von Troyes bemerkt ein Kanonist aus der Zeit Inno
zenz’ III. am Schlüsse einer Sammlung von Dekretalen dieses
Papstes: man möge sich hüten vor den in Umlauf gesetzten
falschen Dekretalen des Papstes: neque enim in registris eius
continentur, neque ab eo edite comprobantur. Die Disjunktion
scheint nur dann einen vollen Sinn und Zweck zu haben, wenn
der Autor sich bewußt war, daß es recht wohl auch nicht-
registrierte authentische Innozenzdekretalen geben könne. 2 Das
einzige Zeugnis, das noch übrig bleibt, ein Schreiben Inno
zenz’ III. aus dem ersten Jahre seines Pontifikates, beweist
wohl, daß man bei zweifelhaften Fällen zu den für die Kurie
dürfte es kaum folgen. Eine andere von ihm mitgeteilte Tatsache spricht
eher dagegen. Wäre seine Erklärung richtig, so müßte man doch ge
legentlich der Prüfung des Calixtinischen Privilegs 443 4 einen Ausdruck
der Verwunderung oder Mißbilligung erwarten, daß es nicht wie das
gleichzeitig vorgelegte und auf Grund der Register bestätigte scriptum
Innozenz’ II. in die Kanzleibücher eingetragen war. — Auch P. A. Munch
hatte schon erklärt, daß durchaus nicht alle päpstlichen Briefe in die
Register eingetragen wurden: Munchs Aufschlüsse über das päpstliche
Archiv. Aus dem Dänischen übersetzt von S. Löwenfeld (Archiv.
Zeitschr. IV 1879, 66—149) 78—79. 93—96. — Vgl- bezüglich des
Registers Gregors I. P. Ewald, Studien zur Ausgabe des Registers Gre
gors I. (NA III 1878) 438.
1 a. a. O. 3—4 Anm.
2 Specimina palaeographica 10. — Wie wenig es angeht, allgemeine Regeln
aufzustellen oder die Anschauungen, die aus dem während eines Ponti
fikates geführten Register oder aus einem oder wenigen Bänden ge
wonnen sind, auf andere zu übertragen, zeigt der von Heckei a. a. 0.
(Arch. f. Urk.-Forsch. I) angestellte Vergleich zwischen den Registern des
14. und denen vom Ausgange des 13. Jahrhunderts bezüglich ihrer Voll-
Das Originalr'egister Gregors VII. — II, 2.
125
ganz unersetzlichen Registern seine Zuflucht nahm; oh es aber
geschah, weil man überzeugt war, dort im Falle der Echtheit
Aufschluß finden zu müssen, oder weil man wußte, daß man
gegebenenfalls dort den sichersten Aufschluß finden könne,
ist nicht gesagt — und doch wäre es für unseren Zweck ent
scheidend gewesen, darüber Aufschluß zu erhalten, denn davon
hängt der ganze Wert des Textes als Zeugnisses für unsere
Frage ab. 1
Einen eigenartigen Charakter gibt dem Register Gregors
die Aufnahme einer großen Zahl von Akten, Urkunden und
Protokollen. Die Inventarisierung von R ergibt im ersten
Buch auf 88 Stücke fünf fremde Einschübe (J I 1. 18“. 21 a .
29. 86); im zweiten Buch deren zwei auf 77 Nummern (J II
52 a . 55 a ); im dritten Buch vier Einschübe bei 25 Nummern
(J III 5 Ms . 10 a . 17 a . 17nis); vierten, fünften, siebenten und
zwölften Buche je ein Aktenstück unter 29, 24, 29 Nummern
(J IV 12 a . V 14 a . VII 14“. VIII 58); im sechsten Buche drei
fremde auf eine Gesamtzahl von 43 Nummern (J VI 5 a . 5 b . 17 a );
im achten Buche vier (J VIII l a . l b . 1°. 20) und in der
Sammlung aus den Jahren IX—XI einen Fremdbestandteil
(J VIII 35). Dem Begriffe des Registers als einer Sammlung
von Kopien des Auslaufs scheint solcher Tatbestand zu wider-
ständigkeit bezw. Unvollständigkeit. — Einen anderen Beweis für be
wußte Unvollständigkeit der Originalregister brachte L. Delisle, Memoire
sur les actes d'Innocent III. S-A 11. Vgl. Munchs Aufschlüsse über das
päpstliche Archiv. Übersetzt von S. Löwenfeld (Archiv. Zeitschr. IV
1879) 96.
1 Specim. palaeogr. 10. Vgl. die Abhandlung von F. Thaner, Zur recht
lichen Bedeutung der päpstlichen Regesten (MIöG 1888) 402—13, beson
ders 405—06. — Auch E. Caspar, Studien zum Register Johanns VIII.
(NA XXXVI 1911, 100—03) wendet sich mit Scharfsinn gegen die bisher
für die herrschende Meinung, als ob das überlieferte Register Johanns VIII.
ein bloßer Auszug sei, vorgebrachten Gründe. Weder die ,Unvollständig-
keit‘ noch der ,hochpolitische Charakter 1 dieser Briefsammlung darf als
Beleg mehr geltend gemacht werden. ,Die Anschauung, uns liege nur
eine Auswahl aus Johanns VIII. Register vor 1 , ,enthält . . . eine petitio
principii, die bei näherer Prüfung nicht standhält. Woher weiß man,
wie weit zur Zeit Johanns VIII. der Kreis des zu registrierenden Mate
rials gezogen wurde, und wie weit der Grad von Vollständigkeit, den
man erstrebte, tatsächlich erreicht wurde?“ (a. a. O. 100).
126
V. Abhandlung: Peitz.
sprechen. 1 Aber schon Heckei machte aufmerksam, daß das
Register Gregors VII. ,ganz altertümlich“ ist und ,noch völlig
dem Gregors d. Gr. entspricht.“ 2 Mitteilungen aus Konzilsakten,
Synodalprotokolle, historische Notizen über die Zahl der vor
genommenen Weihen, Eidformeln u. ä. gehörten zum ursprüng
lichen Bestand der päpstlichen Register, die auch nach dieser
Seite Quelle für di,e gleichartigen Berichte des Liber Pontifi-
calis wie für manche Partien der Dekretalensammlungen waren.
Auch in späterer Zeit sind derartige ,den Inhalt der älteren
Register charakterisierende Eintragungen“ noch nicht völlig
verschwunden, wenn sie auch Ausnahmen bilden. 3 Hier sei
gegenüber den Bedenken, die wohl geäußert wurden, 4 auf
einige entsprechende Beispiele aus späteren Registern hinge
wiesen, die zugleich zur Kenntnis der Registeranlage einen
weiteren Beitrag liefern.
Eine merkwürdige Parallele zu dem Eintrag J I 86 des
Gregorianischen Registers findet sich in den Registern Hono-
rius’ III. So heißt es Reg. Vat. 9, fol. 103 b am Schlüsse seines
ersten Pontifikatsjahres: [IJstos consecravit domnus Honorius:
Episcopum Pentiensem | Episcopum Cremonensem | Archiepisco-
1 Mit H. Breßlau, Urkundenlehre 90f., R. Thommen, Lehre von den
Königs- und Kaiserurkunden (in Meisters Grundriß I) 149 und O. Red
lich, Allgemeine Einleitung zur Urkundenlehre (Erben-Schmitz-Red-
lich, Urkundenlehre im Handbuch der mittleren und neueren Geschichte
IV 1, 1907) 33 sehe ich im Register im Sinne der Diplomatik Kopien
des Auslaufs, die (prinzipiell) vor Expedierung der Originale angefertigt
werden und (prinzipiell) das Stadium der Urkunde vor der wirklichen
Aushändigung des Originals bedeuten. Vgl. auch O. Redlich in MIöG
XXXI 1910, 133. — Anders M. J. Neudegger, System und Systemati
sierung der Papst-, Kaiser- und Landes-Kegister . . . Ein Beitrag zur
Lehre vom Urkunden-, Kanzlei- und Behördenwesen (= Bayerische Archiv
repertorien und Urkundenregister von 1314 bis 1812. München 1900)
124—29 und W. Erben, Ein oherpfälzisches Register aus der Zeit Kaiser
Ludwigs des Bayern. München 1908.
* a. a. O. (Arch. f. Urk.-Forsch. I) 429 1 .
3 Heckei a. a. O. 428—29. Seine Nachweise sind noch keine erschöpfende
systematische Zusammenstellung, sondern nur Stichproben, doch sind sie
bis jetzt die reichste und vollständigste Sammlung ähnlicher Beobach
tungen.
1 So Baudi de Vesme und Tucek in den unten Kap. IV näher zu be
sprechenden Untersuchungen.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 2. 127
pum Brundusinum ... Es werden im ganzen neun Namen
aufgezählt. — Ebenso steht im zweiten Jahrgange fol. 176 a nacli
dem Schreiben II 732 (Electo Neapolitano: Ad aures nostras
vom 26. Nov.) eine Liste von neun Namen mit ähnlicher Ein
leitungsformel: Istos domnus Honorius papa III. consecravit:
Episcopum civitatis Castellanae ... Neben den in einer Kolumne
untereinander stehenden Namen ist mit Tinte ein senkrechter
Strich gezogen, als hätten im Verlaufe des Jahres noch weitere
Einträge stattfinden sollen. Überdies sind unter der Namenliste
bis zum nächsten Schreiben mitten auf der Seite drei Zeilen
freigelassen. — In Reg. Vat. 11 fol. 152 a steht unten am Rande
das Rubrum: Hoc autem anno domnus Honorius papa III. hos
episcopos consecravit: Prenestinum. Sabinensem. Aprutinum . . .,
wobei im ganzen zehn vom Papste konsekrierte Bischöfe auf
gezählt werden. Die gleichen Namen werden dann fol. 152 h
mit der schwarzen Überschrift Istos domnus Honorius papa III.
consecravit hoc anno in anderer Folge nebeneinander aufgezählt,
und die gleichen Namen kehren auf fol. 153“ zum dritten Male
wieder, hier nach derselben Folge wie auf fol. 152 b unterein
ander geschrieben. — Im nämlichen Bande Reg. Vat. 11 werden
fol. 262 b vier Bischöfe als vom Papste in seinem sechsten Re
gierungsjahre konsekriert bezeichnet. 1
Der Einlauf findet sich ja wohl in jedem dieser Register
bände in mehreren Beispielen. Sein zahlreiches Auftreten im
Registrum super negotio Romani imperii ist von Tucek aus
führlich besprochen worden; er erklärt sich hier durch seine
besondere Wichtigkeit für die Entschließungen des Papstes und
bei der hervorragenden Bedeutung der Sache ganz von selbst.
Auch in den übrigen Bänden ist er oft aufgenommen. Es seien
aus den Honoriusregistern als Beispiele nur folgende Fälle nam
haft gemacht: Reg. Vat. 9 fol. 35“ ist Bf. 146 ein Schreiben
Friedrichs an den Papst (Inc.: Cupientes tarn ecclesie Romane).
In der Adresse ist zu dem Eintrag des Schreibers: Sanctissimo
1 Pitra, Anal, noviss. Contin. alt. I 194—96 betont diese Einträge der
Honoriusbände sehr nachdrücklich als einen aus dem Liber Pontificalis
in die ältesten Register übergegangenen und aus diesen von Honorius
entlehnten dernier trait de ce registre . . ., qu’on ne trouvera nulle jiart
aüleurs. Die Richtigkeit dieser Auffassung über das Verhältnis zum Liber
. Pontificalis bleibe vorderhand dahingestellt.
128
V. Abhandlung: Peitz.
in Christo patri et domno Innocentio (!) . . . hinter domno von
anderer Iiand Uber der Zeile hinzugefügt: suo. Pol. 244 a ist
unter Nummer 1025 das Schreiben des Legaten Roland ähn
lich wie entsprechende Schreiben der Innozenzregister mit dem
Rubrum versehen: Littere ad domnum papam und das gleiche
Rubrum erhielt fol. 201 a Brief 417, ein Schreiben von S. Ulix-
bonensis . S. Elborensis et. . . magister in Hyspania militie templi.
— Reg. Yat. 9 fol. 89 a ist überdies ein Schreiben Friedrichs an
den Bischof von Astia als päpstlichen Legaten aufgenommen
worden. — In Reg. Yat. 11 fol. 153 b — 154 a ist ein Einlauf
nachträglich angehängt, wie daraus erhellt, daß der fünfte Jahr
gang Honorius’ III. bereits in der Mitte von fol. 135 a schließt
und den Rest der Seite leer läßt. Der Nachtrag ist von ganz
anderer Tinte als die vorausgehenden Stücke. 1
Auch Protokolle finden sich. So in Reg. Yat. 4 fol. 183 b
nach Bf. 178 ein von den Legaten unterzeichnetes Instrument,
das beginnt: In nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti. Nos
Johannes . . . Reg. Vat. 7A enthalten fol. 113 b —115 b den Pro
cessus negotii R. comitis Toletani und fol. 121 a steht der
Rechenschaftsbericht: Littere magistri Milonis misse ad dom
num papam. —
Dagegen verschwinden, wie es scheint, die Konzilsakten
und Synodalprotokolle aus den eigentlichen Registern gänzlich;
sie scheinen in diesen späteren Pontifikaten grundsätzlich aus
geschieden worden zu sein. 2
Im Anschlüsse an die bisherigen Ausführungen betreffs
der Protokollierung wie der inhaltlichen Vollständigkeit des
Registers dürfte es angezeigt sein, das Verhältnis der Re
gisterbriefe zur parallelen Originalüberlieferung kurz zu
berücksichtigen, d. h. zu den in Original oder Kopie, bezw.
durch literarische Überlieferung erhaltenen Stücken, die direkt
1 Vgl. Munch-Löwenfeld, Aufschlüsse (Archiv. Zeitschr. IV) 79.
2 Es dürfte sich vielleicht verlohnen, der Überlieferung der älteren Syn
oden systematisch nachzugehen und die Frage zu untersuchen, ob nicht
für die ältere Zeit unsere Kenntnis der päpstlichen Synoden im letzten
Grunde hauptsächlich auf Überlieferung durch die Register zurückzu
führen ist. — Pitra, Anal, noviss. Oontin. alt. I 117 betrachtet diese und
ähnliche Einschübe als Spezialitäten der Register Johanns VIII. und
Gregors VII.; sie sprechen nach ihm für die Sammlerhypothese.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 2.
129
oder indirekt durch Vermittlung der Empfängerarchive auf uns
gekommen sind. 1 Daß die beträchtliche Zahl der ausschließlich
auf diesem Wege erhaltenen Gregorhriefe nicht gegen die
Originalität des Registers spricht, wie Jaffe wollte, wurde oben
dargetan.
Die archivalische Originalüberlieferung bietet für die
Registerbriefe Gregors folgende Parallelstücke: 2
J-L
Adressat nach R
Datum nach R
I 68 4846
7G 1 4856
81 1 4869
Froterio Nemausensi in Provincia
episcopo
Ilumberto Lugdunensi archiepi-
scopo et snffraganeis
Udoni Trevirensi archiepiscopo .
Data Rome
11 Kal. Apr. Ind.XII.
t ^ ii » n H
2 Non. Mai. „ „
1 In der Scheidung von ,Origi n al üb erl ie fer ung* und Register-
Überlieferung* schließe ich mich dem Beispiele Steinackers an
(MIüG XXIII 10 1 ). Beide Arten sollen im Folgenden wieder in archi
valische und in literarische Überlieferungsform geschieden werden,
je nachdem die Briefe sich in Archivstücken (Originalen, Einzelkopien,
Kopialbüchern der Empfängerarchive) oder durch schriftstellerische Ver
wertung erhielten.
- Betreffs Fundort, Art der Erhaltung" und Veröffentlichung sei auf die
Angaben bei J—L unter den entsprechenden Nummern und auf die
Nachweise .Jaffes im Apparat seiner Ausgabe verwiesen. Obwohl die
Neubearbeitung der Papstregesten durch Kehr bereits weitere Parallel
stücke in Original zutage gefördert hat -— es sind J—L 5211, Orig, in
Marseille, worüber Herr Dr. Wiederhold mir freundliche Aufschlüsse
gab, und J—L 4929, Orig, in der Vatikanischen Bibliothek, dessen Text
in Beilage I wiedergegeben ist — so wurden diese neuen Funde hier
doch nicht eingehender herangezogen: das von Jaffe gebotene Material
genügt vollauf. Ohnehin muß eine vollständige Heranziehung des ge
samten bekannten, durch Originale überlieferten Materials einer Neu
ausgabe des Registers Vorbehalten bleiben. Abschließende Vollständig
keit, soweit eine solche zu erreichen ist, dürfte wohl erst nach Fertig
stellung der großen von Kehr eingeleiteten und mit seinem Namen
verknüpften Unternehmungen zu erhoffen und einigermaßen möglich sein.
Als Kehr seinen Aufsatz über Scrinium und Palatium schrieb (MIöG
Erg. VI 1901, 70—102), kannte er von 17 Privilegien Gregors VII. die
in allen Teilen Italiens, Frankreichs und Deutschlands zerstreut sich
findenden Originale oder deren Faksimiles und hielt dafür, daß schwer
lich ,im ganzen mehr als 25 Originale seiner (Gregors) Kanzlei auf uns
gekommen* seien (a. a. O. 99).
Sitzungsber. d. pbil.-liist. Kl. IGj Bd., 5. Abli. 9
130
V. Abhandlung: Peitz.
J-L
Adressat nach K
Datum nach R.
IV 4
5
13
17
V 23
VI 8
33
34
VII15
24
VIII29
35
4G
5003
5004
5021
5027
5078
5088
5124
5125
5155
5167
5211
5219»
5231
Clero et populo Dolensi in Bri-
tannia
Omnibus episcopis Britanniae. . .
Rodulfo Turonensi arcliiepiseopo
Wilielmo l'egi Anglorum
Oeli, Gausfredo Redonensi, item
Gausfredo filio Eudonis nobi-
libus comitibus Britanniae . .
Uberto et clericis et comitibus
de Castro S. Pauli, Guidoni et
Ugoni
Hugoni Cluniacensi abbati ....
Gebuino Lugdunensi archiepiseopo
Diffinitio sinodalis inter archiepi-
scopum Turonensem et episco-
pum Dolensem de pallio . . .
Wilielmo abbati Hirsaugiensis
monasterii
R(ichardo) S. R. E. cardinali sacer-
doti atque abbati Massiliensi
suisque suece'ssoribus
Iusiurandum Bertranni comitis Pro-
vinciae T
Abbatibus, clericis et laicis Turo-
nensis archiepiscopatus et epi-
scopatus Andegavensis
Data Rome
)! n
Data in Longobardia in
loco qui dicitur Carpineta
Data Bibianello
„ Lateranis
„ Rome
n n
Datum „
Data „
Actum Lateranis
5 Kal. Oci. Ind. inc. XI.
5 Kal. Oct. Ind. XV.
Kal. Mart. „ „
12Kal.Apr. „ „
11 Kal. Jun.
7 Kal. Dec. „ II.
18 Kal. Mai. „ „
L£4 » n n n
8 Id. Mart. „ III.
8 Id. Mai. „ ,,
Eine genaue Kollation dieser Stücke mit ihren Register
einträgen ergibt in allem Wesentlichen vollste Übereinstimmung. 1
Nur folgende charakteristische Eigentümlichkeiten seien namhaft
gemacht: Die Kurialien fehlen in fast allen Adressen des Re
gisters, in den entsprechenden Originalen finden sie sich natür
lich. Diese weisen zudem durchweg eine gereinigte Lesart auf:
kleine Versehen, Flüchtigkeiten und Verschreibungen sind aus
gemerzt. Die Daten fehlen in diesen zum Teil (J I 76. VI 33.
VIII 46) — ob ursprünglich, oh infolge Auslassens durch die
1 Das gleiche Resultat zeigt die Vergleichung der parallelen Original- und
Registerüberlieferung für das Begistrum super negotio Roviani imperii.
Vgl. Tucek a. a. O. 20—21. 24—25.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 2.
131
Kopisten, sei dahingestellt — oder es ist große Datierung an
gebracht (J VI 34. VII 24. VIII 29. [VIII 35]) oder sie sind
der Registerdatierung gleich (J I 81. IV. 4. 5. 13. 17. V 23.
VII 15), wobei eine Beeinflussung der Ausgaben nach den
Originalen durch die Registerüberlieferung nicht ausgeschlossen
ist. 1 Mehrere Male weisen die Originale Zusätze auf, die im
Register fehlen: so ist der aus dem Original gebotene Schluß
zu J VI 34 in R durch den oben behandelten Kanzleivermerk
ersetzt, der auf ein verlorenes Privileg zurückweist; J IV 13
weist im Originale einen Zusatz auf, der in R ausgelassen ist,
und in J VIII 46 gibt die Originalüberlieferung andere Namen
im Exekutionsvermerk, als im Register enthalten sind. Daß
solche Verschiedenheiten des Textes aus der Registrierung nach
korrigierten Minuten zu erklären sind, dürfte nach den früher
gegebenen Darlegungen naheliegen. Die Variante in J I 68
gegenüber Pflugk-Harttung, Acta inedita I 47 und die
kleinen Verschiedenheiten der Texte J VI 8 gegenüber Pflugk-
Harttung, Acta inedita II 167 deuten auf den gleichen Ur
sprung, was die von Jaffe angegebenen Lesarten bei den übrigen
Parallelstiicken bestätigen.
Literarische Originalüberlieferung findet sich bei Bruno
von Merseburg, bei Hugo von Flavigny und bei Ulrich von
Bamberg. 2 Das Bild ist bei ihnen das gleiche wie in den durch
1 Uber die Datierung der Gregororiginale vgl. die Auseinandersetzungen
zwischen Pflugk-Harttung und Löwenfeld aa. aa. 00.
2 Bruno, De bello Saxonico ed. Pertz, MGSS V; in usum scliolarum ed.
W.Wattenbacli 2 (Hannover 1880).— HugoFlaviniacensis, Chronicon
ed. W. Wattenbach (nach der erhaltenen Originalhandschrift Hugos:
Wattenbach Gq II 6 , 123) MGSS VIII. — Die in der Formelsammlung
des Bamberger Klerikers Udalricus in Parallelüberlieferung zu R ent
haltenen Stücke hat Jaffd im fünften Bande der BRG nicht wieder zum
Abdrucke gebracht; die Varianten bietet er im Handschriftenapparat der
Registerausgabe. — Zu Brunos Gregorbriefen vgl. K. Heidrieh, Die
Datierung der Briefe in Brunos Sachsenkrieg (NA XXX 1905) 113—40.
Gemeinsam mit R überliefert Bruno sechs Stücke: J III 10 a (MGSS V
353), die Exkommunikationsformel; III 6 (353); IV 23 (369); 24 (370);
VI 1 (375); VIII 21 (356). Schon die chronologischen Verhältnisse zeigen,
daß es sich bei ihm nicht um Registerentlehnung handeln kann. Hier
nur über eine Stelle wenige Bemerkungen. In J VIII 21 fehlt bei B.
der Zusatz Zacharias videlicet (J 458 12 ), der in R nachträglich von
anderer Hand hinzugefügt ist. Auch [Wall*am von Naumburg] de uni-
9*
132
V. Abhandlung: Pcitz.
Archive erhaltenen Originalstücken. Der Text weist kleine
Varianten auf; die Briefadressen enthalten fast regelmäßig die
täte ecclesiae conservanda, im ersten Teil schon 1084 gegen Gregors Brief
an Hermann von Metz entstanden (C. Mirbt, Die Publizistik im Zeit
alter Gregors VII. [Leipzig 1894] 52 mit Ewald gegen Schwenken
becher MGLdl II 176), kennt den Zusatz nicht (Ldl II 186 2G . 188 18 ).
Seine Disjunktion vel Zachariae vel Stephano (Ldl II 186 19 ) beruht nur
auf seinen eigenen historischen Anschauungen (186 13-16 vgl. 208 32 ).
Auch Bonizos Auffassung (ad amicum VII: Jaffd BRG II 669, Ldl I 608 17 )
läßt sich rechtfertigen. Die gleiche Auffassung vertritt Bonizo de vita
christiana: A. Mai, Nova Patram Bibliotheca VII (Romae 1884) III
43—44 (Titel nach der Florentiner und Brescianer Hs; die einzig voll
ständige Hs der Bibi. Ross. VIII 165 saec. XII, deren Ausgabe beabsich
tigt ist, gibt keinen Titel). (Vgl. M. Conrat, Geschichte der Quellen und
Literatur des römischen Pechts im früheren MA. I [Leipzig 1891] 369—70
und besonders W. Giesebrecht, Die Gesetzgebung der römischen Kirche
[Münch. Histor. Jalirb. für 1866] 153—54.) Über Bonizos Todesjahr sei
hier auf einen wenig beachteten Aufsatz von F. Novati hingewiesen:
L 9 Obiluario della Cattedrale di Cremona (Arcli. Stör. Lombardo VIII 1881,
248—52), der meines Erachtens mit guten Gründen Bonizos Tod auf den
15. Juli 1114 verlegt. Ähnlich schon H. Saür, Studien über Bonizo
(Forschungen zur deutschen Geschichte VIII 1868) 438. — Die Bemer
kungen von P. Scheffer - Boichorst über die Zachariasstelle in
J VIII 21 bei Walram, Deusdedit, Bonizo lassen die Abhängigkeitsverhält
nisse unberücksichtigt und entsprechen betreffs Walrams in der Lösung der
vermeintlichen Schwierigkeit nicht dem tatsächlichen Befund der Überliefe
rung (Dictamina über Ereignisse der Papstgeschichte. NA XVIII 1892, 161).
Die ganze Anlage des Chronicons Hugos mit den Streichungen,
Zusätzen, Korrekturen, die Berufung auf speciales literae bulla sua (Gre
gors) signatae und das armarium Botomagense, Wendungen wie JRequiro
bei der bloßen Adresse von J VI 2 mit Initium u. ä. beweisen sein Zurück
gehen auf die Empfängerarchive. Die Tabelle gibt die Parallelstücke.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3A.
133
kurialen Ehrentitel; die Datierung — oft vom Schriftsteller aus
gelassen, falls er sie überhaupt in seiner Vorlage fand — ist
die der Originale. Auch hier endlich zeigen kleinere Zusätze,
wie z. B. das Plus in der Adresse von J II 45 bei Hugo, die
Unabhängigkeit von R. Anderseits aber ist die Übereinstimmung
durchaus die, wie sie auch sonst Original- und Registerüber
lieferung zeigen.
3. Kapitel.
Reg. Vat. 2 und seine Benutzer.
A. Die Kanon essammlung des Dcusdedit.
Im Vorwort zu seiner Registerausgabe hatte Jaffe mit
einem gewissen Nachdruck betont, daß der Kardinal Deusdedit
in seiner Kanonessammlung sich unseres Registers bedient und
eine große Zahl von Exzerpten daraus seinem Werke einver
leibt habe. In der Literatur, die sich seitdem mit dem Ver
hältnisse des Kardinals zu R beschäftigte, 1 trat ein Gedanke
Fast alle Briefe gehören der engeren Heimat Hugos an, waren wenig
stens dort weit verbreitet. Die Kenntnis von J I 1* ist bei dem regen
Verkehr und der engen Beziehung der Cluniazenser Reformfreunde ver
ständlich. (Vgl. E. Sackur, Die Cluniacenser II [Halle 1894] passim.)
1 Jaffe BRG II 7. Pflugk-Harttung, Die Register Gregors VII. (NA
VIII 1883, 229—50) widersprach: Deusdedit habe das ursprüngliche Voll
register zur Verfügung gestanden. Zum gleichen Resultat kam P. Ewald
a. a. 0. (Histor. Unters. — Vgl. NA VIII 420—21). S. Löwenfeld, Die
Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit und das Register Gregors VII.
(NA X 1885, 311—29) trat scharf für Jaffö ein (vgl. auch RPR I a 597).
Pflugk-Harttung, Register und Briefe Gregors VII. (NA XI 1886,
141—72) suchte seine Auffassung zu rechtfertigen. In der öffentlichen
Meinung behielten Löwenfelds Gründe das Übergewicht. Vgl. Heckei
a. a. O. (Arch. f. Urk.-Forsch 1) 441 3 . Wolf hatte für den zweiten Band
der Deusdeditausgabe eine bezügliche Untersuchung in Aussicht gestellt;
sein tragisches Geschick verhinderte die Ausführung. —
Die Literatur über Deusdedit und die Daten zu seiner Biographie
sind zusammengestellt bei V. Wolf v. Glanvell, Die Kanonessammlung
des Deusdedit: I. Die Kanonessammlung selbst (Paderborn 1905) IX—XIX,
und bei E. Hirsch, Lehen und Werke des Kardinals Deusdedit (Arch. f.
kathol. Kirchenrecht LXXXV 1905) 706—18. Vgl. auch Pitra, Anal,
noviss. Conlin. alt. I 147 u. ö., und J. Langen, Geschichte der römischen
Kirche von Gregor VII. bis Innocenz III. (Bonn 1893) 146—49. — Neben
134
V. Abhandlung: Peitz.
allmählich immer schärfer in den Vordergrund: Gerade die
starke Benutzung schien auf die allerinnigste Verbindung hin
zudeuten, und da man das Vatikanische Register als bloßen
Wolf wird man schon wegen der zahlreichen Verweise in der älteren
Literatur auch die Ausgabe von P. Martinucci, Deusdedit Presbyteri
Cardinalu? Collectio Canonum (Venetiis 1869) nicht ganz ausschalten
können. Die Emendationen, die E. Stevenson, Osservazioni sulla ,Col
lectio Canonum 1 di Deusdedit (Arch. Soc. Rom. stör. patr. VIII 1885)
346—48 gab, blieben meines Wissens in der deutschen Polemik un
beachtet. — Im Folgenden werden alle der Ausgabe Wolfs entlehnten
Nachweise mit DdW eingeleitet.
Zu verwundern ist, daß bei dem ganzen über Dds Vorlagen ge
führten Streite niemand auf die Originale zurückging; bei ihnen war
doch zunächst Sicherheit über den Bestand zu suchen. Auch ist nicht
recht einzusehen, warum man sich ausschließlich auf die Zahlen be
schränkte, ohne dem sonstigen Text und den übrigen Erscheinungen
irgendwelche Aufmerksamkeit zu schenken. Solche Abhängigkeit wird
doch nicht nur in den Zahlen zum Ausdruck kommen, die zudem in
jeder mittelalterlichen Kopie starken Verderbtheiten allzusehr ausge
setzt waren.
Die Kanonessammlung des Deusdedit hat freilich wohl kaum die
Bedeutung und den Einfluß gehabt, den ihr Wolf V. IX ff. zuzumessen
scheint. Nur insofern hat seine Auffassung eine gewisse Berechtigung,
als bis heute Deusdedit für eine Anzahl von sonst verlorenen Quellen
das einzige Überlieferungsmedium ist. Das Hauptinteresse, das diese
Sammlung zumal in den letzten Dezennien gewonnen hat, konzentrierte
sich auf ihre Stellung zum Register Gregors VII. und zu den Zensus
büchern. Für die geschichtliche Entwicklung waren andere Sammlungen,
auch heute noch ungedruckte, von ganz anderem und viel weiter tra
gendem Einflüsse. Ein kritisches Corpus Collectionum wird freilich wohl
noch auf lange hinaus bloß frommer Wunsch bleiben. — Über Deusdedit
als Quelle anderer Sammlungen vgl. z. B. Fournier, De quelques collec-
tions canoniques issues du Decret de Burchard (Melanges Paul Fabre.
Etudes d’histoire du moyen-äge. Paris 1902) 210. Vgl. E. Sackur, Zu
den Streitschriften des Deusdedit und Hugo von Flavigny (NA XVI 1891)
358. — Für die genauere Untersuchung seines Verhältnisses zu Anselm
von Lucca bleibt die Vollendung der Ausgabe Anselms durch F. Th an er
abzuwarten: Anselmi episcopi Lucensis Collectio Canonum una cum Collec-
tione Minore (Fascic. L Oeniponte 1906). Das Verhältnis Anselms zum
Register Gregors bestätigt die Auffassung Thaners (Untersuchungen zur
Quellenkunde des kanonischen Hechts: Sitzungsberichte der kais. Akad. der
Wissensch. zu Wien, Philos.-histor. Klasse LXXXIX 1889) und Four-
niers Observations sur diverses recensions de la Collection Canonique d'An
selme de Lucques: Annales de l’Universite de Grenoble XIII 1901) von
Cod. Vat. lat. 1363 als ältestem Repräsentanten der Rezension A.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3A.
135
Auszug erwiesen glaubte, so kam man zur Annahme, Deusdedit
selbst habe ihn angelegt. 1 Ein näheres Eingehen auf die Frage
erscheint darum geboten. Über die Grundlagen der Unter
suchung, die Abhängigkeits-Verhältnisse der Handschriften und
Wolfs Ausgabe orientiert Exkurs II.
Die Konkordanztabelle der Gregorstücke in Deus
dedit und J nach den fleißigen Nachweisen des neuen Heraus
gebers zeigt ein reiches Gemeingut. 2
I 7
„ 67
„ 68
„ 70
II 13
„ 15
„ 19
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„ 262
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III 274
I 248
III 275
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IV 424
421
III 277
IV 185
I 202
IV 425
III 150
III 149
III 150
V Ti
III 149
IV 107
III 150
I 199
III 150
IV 162
IV 161
III 150
IV 106
I 159
IV 162
DdW
VI 2
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„ 19
24
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„ 21
„ 23
„ 26
„ 29
„ 30
n 65
„ 37
I 247
III 259
„ 58
* 59
„ 61
I 246
IV 96
III 264
* 265
„ 286
„ 287
IV 184
III 272
IV 422
III 266
„ 267
IV 426
III 60
D
I 98 (1.198)
III 149
III 55
III 56
III 57
1117(1.197)
IV 54
III 149
III 158
IV 106
III 150
IV 161
III 149
T> n
IV 162
III 56
Zur leichteren Orientierung und bequemeren Vergleichung
sei eine zweite Übersicht angeschlossen, bei der nicht R, sondern
die Zählung bei Wolf (DdW) die Grundlage bildet.
1 Vgl. oben Einleitung S. 7ff.
2 In den Tabellen ist die Zählung Jaffds (J) beibebalten. D ist Yat.
lat. 3833.
136
V. Abhandlung: Peitz.
Die von Wolf als Entlehnungen aus dem Register Gre
gors mit Angabe der Fundstelle bei Jaffe bezeiclmeten Stücke
DdW III 284 (angeblich = R VIII l c ), III 285 (= R VIII l a )
und III 288 (= RI 21“) mußten aus der Liste gestrichen werden:
es sind Urkunden aus der Zeit Nikolaus’ II. und Alexanders II.
Als solche kennzeichnen sie sich bereits durch den Papstnamen
und 288 überdies durch die vollkommen korrekte Datierung.
DdW III 262—265, nach der ausdrücklichen Versicherung
des Sammlers dem Register Gregors entnommen, weisen im
Zusatz der Zensusangaben gegenüber dem Register ein Mehr
auf, das wohl auf Benutzung der Originalpachtverträge zurück-
zuführen ist. Fast alle Stücke der Sammlung sind mit dem
Nachweis ihrer Herkunft ausgestattet, den die folgende syn
optische Tabelle zur Anschauung bringt. 1
1 Die Siglen der Handschriften nach Wolf-Glan veil, Kanoness ammlung.
Bei der Beschreibung von P (Wolf XXV—XXIX) ist ein Hinweis auf
Das Originalregis.ter Gregors VII. — II, 3 A.
137
DaW
Fundstelle nach Deusdedit
I 202
„ 246
„ 247
„ 248
III 58
„ 59
, 60
„ 61
„ 259
„ 260
„ 261
„ 262
„ 263
,, 264
„ 265
„ 266
„ 267
„ 270
„ 272
„ 273.
„ 274
275
lib. V
lib. VII. cap. LXVII et LXVIIII. .
concil. L. epo%
„ „ „ cap. V. .
lib. VIII
concil. L. eptk
lib. VI
(lib.) I. cap. LXVI. . . .
„ „ „ LXVII. . .
lib. II. cap. XV
„ „ „ XVIII. . . .
lib. VII. cap. LXX. . .
„ „ „ LXXV. .
lib. VIII. cap. XXVIIII
„ „ „ XXX.. .
lib. VIII. cap. XXIII
lib. II. cap. XIIII. [A : XII; E ll. FC: XIII]
„ „ „ LXIII
„ „ „ LXX
V 14*
VII
l 13 *
114
VI 2
II 67
VI 5"
?? r)
VIII 37
VI 5 11
„ 5 a
I 67
„ 68
II 15
' „ 19
VII 19
„ 24
VIII 29
30
I 70
VIII 23
II 13
63
70
die ausführliche und inhaltreiche Beschreibung der Handschrift durch
IC Hampe (NA XXIII 1898, 624—25) zu ergänzen.
Die Fundorte bei Jaffe, die mit den Quellennachweisen des Kar
dinals übereinstimmen, sind unterstrichen. — Daß sich die übrigen
Fehlangaben und Unstimmigkeiten genügend erklären ließen, betonten
schon Jaffe BRG II 7 und LBwenfeld a. a. O (NA X) 323—24. Es
muß überdies auf die starke Differenzierung des Textes nachdrücklich
hingewiesen werden, die bereits so alte und der Entstehung der Vorlage
zeitlich so nahestehende Handschriften wie D und E einerseits, F ander
seits von einander und von D scheidet. Wolfs textkritischer Apparat
gibt zu deren Einzelverfolgung die reichsten Behelfe.
138
V. Abhandlung: Peitz.
DdW
Fundstelle nach Deusdedit
III 276
» 277
„ 286
„ 287
IV 96
„ 184
„ 185
* 186
„ 421
„422
* 424
„ 425
„ 426
lib. II. cap. LXXXIIII [C : LXXIIII.]
lib. I. cap. VII. et lib. IV. cap. XXVIII.
concil. L. epcw cap. I. . .
lib. VIII
lib. V. synod. epüA XCV.
lib. II. cap. XLIII
lib. IV. cap. VI
lib. V. cap. XXVI. 1 . . .
lib. III. cap. XVIIII. . .
lib. V. cap. XVII
lib. VIII. cap. XXVI. . .
II 74
A-JLL
I IV 28
VIII 1*
p
VII 14 a
VIII 21
V 14 a
II 45
IV I2 a
VIII 26
III 17"
V 17
VIII 35
Von den 32 Registernachweisen der Kanonessammlung
nach Buch und Kapitel sind neun genau, einer in der Kapitel
angabe gleich der Zählung bei Jaffe. Dazu kommen DdW
III 273 und 276, bei denen die Parallolüberlieferung mit Jaffes
Angaben übereinstimmende Varianten auf weist, 2 sowie vier An
gaben, in denen sich Deusdedit bloß auf das Buch beruft, und
fünf Fälle, in denen er gar keinen Nachweis bietet.
Zu bereinigen bleibt der Eid des Jordanes von Kapua
DdW III 289. Im Register findet er sich nicht. Woher hat
ihn Deusdedit genommen? Auffallend ist, daß in der Kanones-
1 Wenn Wolf zu DdW IV 422 nur aus F zitiert cap. XXVI und bei D
liest cap. XVI, so beruht das auf einem Versehen: D fol. 139 b hat klar
XXVI. Die Angabe des Buches V statt VIII bleibt dabei unrichtig. Aber
es lag dem Kanonisten unter den bei dieser Gruppe verwendeten Aus
zügen auch das Zitat lib. VIII. cap. XXVI. vor, das fälschlich mit dem
Exzerpt aus J VIII 35 verbunden ist (DdW IV 426).
2 Zu DdW III 273 müßte eine kritische Textrezension für Urdeusdedit das
Zitat II 13 einsetzen, das durch zwei selbständige und D wenigstens
gleichwertige Zeugen E und FC belegt ist, während A liest II12. Die
Variante II 14 ist Schreibfehler des Kopisten von D.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3A.
139
Sammlung der Text nicht vollständig mitgeteilt ist; durch cetera
omnia ut supra, dem sich der Aktuinvermerk anschließt, wird
auf den im vorausgehenden Stück III 288 mitgeteilten Eid
Richards von Kapua zurückverwiesen. Nun stammt der Eid
Richards gar nicht aus der Zeit Gregors, sondern er gehört
dem Jahre 1061 Oktober 2 an und seine Benutzung bei Deus-
dedit muß auf Originalüberlieferung zurückgehen. Die etwas
auffällige Datierung in III 289 mit Voranstellung der Indiktion
setzt den Eid des Jordanes in den Juni 1079. Allein dazu
stimmt schlecht das sonstige Itinerar Gregors, das uns den
Papst im April und dann wieder am 16. Juni und von dort ah
ununterbrochen in Rom zeigt, über die dazwischenliegende Zeit
freilich gänzlich schweigt. Der Eid paßt vielmehr sehr gut zu
dem völlig gleichlautenden Roberts von Kapua (J VIII 1“) von
1080 Juni 29. Vielleicht dürfte für DdW III 289 ebenso Ori-
ginalbenutzung anzunehmen sein, wie solche für DdW III 279
schon durch die Aufschrift angedeutet wird. 1
Daß auch DdW IV 421, der Eid Heinrichs IV. zu Ca
nossa, nicht unserm R entnommen sein kann, beweisen un
zweifelhaft die Volldatierung und die Zeugenunterschriften.
Löwenfeld schon hielt die Erklärung, daß Deusdedit den
ganzen Eid oder doch die Zusätze dem Original oder einer
Originalkopie im Lateranensischon Archiv entnommen habe,
für die naturgemäßere. 2 Pflugk-Harttung freilich war mit
dieser Erklärung nicht einverstanden. Unglücklicherweise“, so
meinte er, ,hat der Kanonist dem Eide das Zitat vorangesetzt:
ex IV. libro papae Gregorii VII. cap. VI, welches an Deutlich
es wen fei d a. a. O. (NA X) 320.
2 a. a. O. 326. Daß die Angabe über Parallelüberlieferung des Canusi-
nischen Eides in Originalfassung durch Vat. lat. 3835 bei Schannat-
Ilartzheim, Ooncilia Germaniae III 184 auf einem Druckfehler beruhe
und sich tatsächlich auf Vat. lat. 3833, die Deusdedithandschrift D, be
ziehe, bemerkte bereits L. Weiland unter Berufung auf Reifferscheid
und das Archiv in MGLL IV Constit. I (1893) 115. Die von ihm dort
gebotenen Nachweise über die Überlieferung befriedigen nicht recht.
Denn notwendig hätte wenigstens der Versuch gemacht werden müssen,
die verschiedenen Typen der Überlieferung zu sichten und innerhalb
jeder Gruppe wieder deren sachliche und chronologische Schichtung vor
zunehmen.
140
V. Abhandlung: l J eitz.
lceit nichts zu wünschen übrig läßt. 1 Aber in dieser Form ist
das Zitat ja doch falsch, und wenn sich Pflugk-Harttung darauf
stützen wollte, mußte er zuerst erklären, wie Deusdedit aus
dem Vollregister zu einer so bedeutend geringeren Kapitelzahl
kam, als sie selbst dem ,Auszug 1 R entsprochen hätte. Auch
die Verlesung VI statt XII wäre an sich graphisch wohl etwas
schwer zu verstehen. Daß Deusdedit die Archive durchforschte,
um Stoff für seine Sammlung zu gewinnen, wissen wir positiv.
Man vergleiche nur DdW III 278 und 279, um von den um
strittenen Kapiteln D III 149. 150. gänzlich zu schweigen.
DdW I 246 und III 277 sind zudem ein unumstößlicher Be
weis, wie der Kardinal auch weit auseinanderliegende Stücke
verschmolz und einen Beleg durch Parallelen ergänzte.
Eine schätzbare Erweiterung der sonstigen Überlieferung
bieten die Angaben der Kanonessammlung über die Zahl der
Teilnehmer an den Synoden von 1078 Februar (J V 14“
DdW IV 185): synodus episcoporum XCV, von 1078 November
(J VI 5 b DdW III 58. 59. 61): concilium L. episcoporum und
von 1080 März (J VII 14“ DdW IV 96): concilium L. episco
porum. Die Zuverlässigkeit wenigstens der ersten Angabe, die
natürlich nicht dem Register entnommen sein kann, zeigt der
Bericht des Chronicon S. Clementis Mettense (MGfSS XXIV
500): Anno pontificatus V. domni Gregorii pape celebravit ipse
sinodum centum fere episcoporum, der mit der im Synodal
protokoll angegebenen Zahl fere numero. C. übereinstimmt und
vielleicht auf dieses zurückzuführen ist. 2
Ist nun die Handschrift des Vatikanischen Archivs das
Urregister, so muß Deusdedit sie benutzt haben, da er auf das
ihm zugängliche Register Gregors ebenso wie auf die Register
anderer Päpste sich ausdrücklich beruft und gar kein Grund
vorliegt, warum seine Berufung nicht wörtlich von den Kanzlei
registern zu verstehen wäre. Dann müssen sich aber auch diese
Divergenzen wenigstens zum Teil eben aus dieser Handschrift
heraus erklären lassen. ,Zum Teil 1 : denn wir dürfen nicht ver
gessen, daß wir zu Originaldeusdedit durch Kopien Vordringen
1 a. a. O. (NA XI) 153 - .
- Der schwäbische Annalist berichtet allerdings nur von fere LXX episcopi
als Synodalteilnehmern. — Vgl. Meyer-Knonau, Jahrbücher III 101 15 .
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3A.
141
uucl seine Lesungen, soweit möglich, aus diesen erschließen
müssen.
Nach dem, was bei Beschreibung der Handschrift über
die Numerierung der in ihr enthaltenen Briefe gesagt wurde, 1
mußte Deusdedit für die Mehrzahl aller Briefe die Zählung
seihst vornehmen; nur hei seinen den ersten ü/ 2 Büchern
entnommenen Exzerpten fand er eine ursprüngliche Vorlage.
Aber auch diese Vorlage führte irre. Denn bei den Briefen
J I 37 und 38 wurde ein vergessenes X vom Rubrikator nach
träglich vorgeschrieben: I 41 war nicht gezählt, 42 hatte statt
dessen die Nummer 41 erhalten und nun waren von I 42 au
sämtliche Zahlen bis zum Schlüsse des ersten Buches um eines
zu niedrig. Erst später, mit einer Tinte, die einer Reihe von
Randbemerkungen des 15. Jahrhunderts gleich erscheint, ist eine
Korrektur vorgenommen worden: die Zahlen wurden durch
Zusätze, Streichungen, Rasur und Überschreiben in Ordnung
gebracht und das nicht gezählte I 41 erhielt seine Nummer. —
Von II 22 an begann im Manuskript aufs neue ein Fehler in
der Zählung, da dieser Brief irrtümlich zum zweitenmal mit
XXI bezeichnet wurde. Der Fehler verstärkte sich bei II 41:
der Rubrikator gab dem Briefe die Zahl XXX und diese
doppelt falsche Numerierung pflanzte sich weiter fort bis II 47,
das mit XXXVI gezählt wurde. Dann bemerkte man den Irr
tum: die um zehn zu niedrigen Zahlen wurden rot verbessert
— zum Teil mit Streichungen und Rasuren — und II 48 rot
als XLVII bezeichnet: es ist der letzte Brief mit ursprüng
licher Numerierung.
Aus diesem Tatbestände ist eine Anzahl von Fehl
angaben bei Deusdedit unmittelbar erklärt. Zunächst
versteht man, warum als Quelle für das Exzerpt DdW III 260
angegeben ist lib. 1 cap. LXVI, wo I 67, und bei DdW III 261
ähnlich lib. I cap. LXVII., wo I 68 zu zeichnen wäre. Deus
dedit übernahm die fehlerhafte Zählung seiner Vorlage — dem
uns wohlerhaltenen Registerbande des Vatikanischen Archivs.
Schwieriger scheint auf den ersten Blick der Irrtum bei
DdW IV 186 zu verstehen, wo statt II 45 als Fundort ange
geben wird: lib. II. cap. XLIII. Aber hier begreift man wieder
Vgl. oben S. 28.
142
Y. Abhandlung: Peitz.
aus R den Fehler leicht. Der Registerschreiber hatte ja statt
XLV geschrieben XLIIII. Aber auch dieses war schon Kor
rektur. Die erste Schreibung hatte gelautet XXXIIII; sie wurde
in der Weise verbessert, daß das zweite und dritte X aus
radiert und dicht neben das stehengebliebene erste X ein rotes
L gesetzt wurde. So waren die Zehner von den Einern räum
lich ziemlich stark getrennt und ein Verlesen zu XLIII — bei
der Vorlage XLV nicht recht verständlich — war jetzt dop
pelt leicht.
Der Verweis auf Reg. II 18 bei DdW III 263 statt des
richtigen II 19, wie es auch die alte Zählung der Handschrift
richtig bot, findet sich in dem großen Kapitel III 149: hier
übernahm aber Deusdedit ein bereits vorliegendes Polyptychon
als Ganzes in seine Sammlung, wie ich mit Sickel, Lapötre,
Fahre, Duchesne u. a. annehme. Der gleichen Provenienz sind
die mit fehlerhaften Nachweisen versehenen Exzerpte DdW
III 263 (II 18 statt 19), 264 (VII 70 statt 19), 265 (VII 75
statt 24). Für die paläographische Erklärung des Fehlers, den
wir folglich erst aus dritter Ableitung kennen, sei auf Jaffe
und Löwenfeld verwiesen, 1 wo auch das irrige Zitat zu DdW
426 (VIII 26 statt 35) befriedigend erklärt ist.
Aber auch unter den übrigen Zitaten Deusdedits dürften
einige durch Benützung von R und nur hierdurch eine befrie
digende und zum Teil recht interessante Erklärung finden.
Einmal wird es klar, warum Deusdedit bei DdW IV 424 an
gibt: cap. XVIIII. lib. III., wie es in D und E gleichlautend
heißt — mithin gut beglaubigt ist ■—, während die entsprechende
Nummer bei Jaffe III 17 a lautet. Genau genommen ist nämlich
dieser Eid das 21. Stück des dritten Buches. Allein das Synodal
protokoll III 10 a muß abgerechnet werden: die Protokolle der
Synoden werden auch in den übrigen Büchern weder bei der
alten noch bei der später zugefügten Zählung mitgerechnet.
Außerdem sind die erste Exkommunikation Heinrichs nach
J III 5 — in der Handschrift auf fol. 98 a/b — und der Begleit
brief Gregors an die Deutschen J III 6 — fol. 98 b /99 a —
zwar von einer andern, sich gegenüber den Nachbarstücken
ganz scharf abhebenden Hand und Tinte, unter sich aber sind
1 Jaffe, BRG II 7. Löwenfeld a. a. 0. (NA X) 324.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3A.
143
beide völlig gleichmäßig und offenbar in einem Zuge geschrieben,
dazu fast gar nicht voneinander getrennt. Der Brief schließt
unmittelbar an die Exkommunikation au; bloß der Anfangs
buchstabe des Papstnamens in der Briefadresse wurde rubriziert
und auch das ziemlich klein, so daß man ganz unwillkürlich
beide Stücke als eines faßt und zu ihrer Trennung erst reflexer
Aufmerksamkeit bedarf. Zählte also Deusdedit die Stücke des
dritten Buches zwecks genauen Zitierens in dieser Hand
schrift ab, so mußte er fast notwendig auf die Zahl 19 kommen,
die er denn auch wirklich angibt.
Einen höchst auffälligen Fehler enthält die Angabe Deus-
dedits zu DdW I 246: Ex registro VII. Gregorii cap. LXVII.
et LXV1III in libro VII., der in der Wirklichkeit die Briefe
YII 13 und 14 entsprechen. Es gilt hier ein doppeltes Rätsel
zu lösen: einmal, wie konnte Deusdedit zu dieser hohen Zahl
angabe kommen, wenn ihm unser R als Vorlage diente — und
anderseits, wie war es möglich, daß die von ihm angeführten
Zahlen nicht unmittelbar aufeinander folgen, wie erklärt sich
gerade die Differenz von Eins zwischen ihnen? Diese ist aller
dings im höchsten Maße auffallend und störend. Denn die an
geführten Briefe müssen ihrem gesamten Inhalte und Wortlaute
nach unbedingt direkt aufeinander folgen, wie sie auch in R
als VII 13 und 14 unmittelbar beieinander stehen. Die Er
klärung muß die doppelte Aufgabe erfüllen: den hohen Ansatz,
und zwar gerade diese beiden Zahlen, erklären und die Diffe
renz begründen. Dadurch ist zu ihrer Kritik sofort ein sicheres
Hilfsmittel geboten. Sie erscheint mir nun auf Grund der Vati
kanischen Registerhandschrift in der Tat äußerst einfach. Das
sechste Buch zählt nicht, wie Jaffe rechnet, 40 Stücke, sondern
es enthält 41, da'nur die Synodalprotokolle ausfallen durften
und die Schenkung Marros J VI 5“ einbezogen werden mußte.
Deusdedit übersah nun, daß mit fol. 172 b der erste Brief eines
neuen Buches anfing. Dessen Rubrum In nomine domini . . .
ist unten auf fol. 172“ angebracht, in dessen erster Zeile J VI 40
begonnen hatte. Der Kardinal übersah den Buchanfang und
kam, ohne auf die Kolumnentitel zu achten, zur Auffassung,
daß es sich noch immer um das sechste Buch handle. Auf diese
Weise gewann er die Zahlen 41 -f- 13, hezw. 41 -{- 14, d. h. 54
und 55. Ganz ähnlich ergaben sich für DdW III 264 und 265
144
V. Abhandlung: Peitz.
die falschen Zahlen 42 -)- 19, bezw. 41 -)- 24, also 60 und 65,
was durch eine nicht sehr seltene Verdoppelung des Zehners
auf LXX, bezw. LXXV in der Kopie sich erhöhte (DdW III
264 und 265). Bei einem späteren Vergleiche wurde in dem
Exzerpte DdW I 246 der Irrtum erkannt, die Angabe des
Buches wurde zu VII ergänzt und über den falschen Zahlen
LIIII und LV wurden die richtigen Angaben XIII und XIIII
angebracht. Der Kopist rechnete — vielleicht höchlich ver
wundert über diese seltsame Schreibweise — die Summen zu
sammen und erhielt 54+ 13 = 67 und 55 + 14 = 69; diese
Resultate wurden dann in die Handschrift aufgenommen. —
Daß dagegen bei DdW III 264 und 265 keine Korrektur er
folgte, ist bei dem Charakter der Gruppe, der diese beiden
Exzerpte angehören, begreiflich: Deusdedit nahm sie, wie be
merkt, mit dem Polyptychon III 149—150 in seine Sammlung
herüber. 1
Es bleiben also unter den Auszügen, die sich bei Deus
dedit aus den von ihm selbst gezählten, in R nicht numerierten
Registerbriefen finden, auf Grund der Handschrift zunächst fol
gende nur unerklärt: DdW III 59 zitiert Vcap. V; DdW IV 96
zitiert VII cap. I und DdW IV 421 zitiert IV cap. VI. Aber
auch für die ersten beiden Zitate dürfte sich in ihrer Eigenart
eine Erklärung finden lassen. Sie betreffen Synodalakten, die
nicht gezählt wurden, und es wäre möglich, daß der Kardinal
oder der nach seinen Angaben exzerpierende Schreiber die
Nummer des in Buch VI dem Protokoll voraufgehenden Briefes 5
auf das Synodalprotokoll übertragen hätte; das Zitat aus
J VII 14“ aber ist dem ersten Kanon der Synode entnommen.
1 An dieser Stelle möge eine Vermutung gestattet werden, die sich auf
Deusdedits Stellung und Wirksamkeit bezieht. Sollte die Art, wie etwa
DdW IV 424 und 425 aus wirklichen Stücken des Gregorregisters zu
Formeln umgeschmiedet sind, nicht darauf hindeuten, daß der Kardinal
eine ähnliche Stellung einnahm, wie sie später Cencius hatte, in dessen
Ressort gleichfalls derartige Eidesabnahmen gehörten — daß er etwa das
Amt eines Camerarius bekleidete? Dann wäre das Erscheinen des
Polyptychons III 149 in seiner Sammlung und die Aufnahme so zahl
reicher Eidesformeln kein Rätsel mehr. Über die dem Liber Diurnus
entnommenen Formeln bei Deusdedit vgl. die Ausgabe des LD durch
Th. v. Sickel, Liber Diurnus Romanorum Pontificum (Wien 1889)
Praefatio L ss.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3 A.
145
Dieser Erklärungsversuch hat allerdings das Mißliche, daß er
bei dem zweiten Exzerpt ein anderes Prinzip dem Zitate zu
grunde legt als bei dem gleichartigen ersten. Vielleicht ließe
sich jedoch ein anderer Umstand geltend machen, der auch für
DdW III 59 Zitat des Kanons, nicht der Nummer im Buche,
nahelegte. Den Decreta in eadem synodo facta von J VI 5 b
geht eine paragraphenmäßige Übersicht der capitula voraus,
die auf der Synode verhandelt und entschieden wurden. In R
sind die ersten sieben auf fol. 152 a mit roten Zahlen numeriert.
Dabei ist die Erneuerung der Exkommunikation gegen die von
Bischof Amatus Exkommunizierten (J 331 3 : et alii . . .) mit
eigenem Alinea als Nr. 4 gezählt. Von Ut contradicatur .. . an,
womit fol. 152 b beginnt, fehlen die Zahlen; es ist jedoch mög
lich, sie auch weiter zu bestimmen, da für jedes capitulum
(z. B. De consanguinitate. | De symoniacis .. .) eine eigene Zeile
begonnen und der Anfangsbuchstabe hervorgehoben wurde.
Zweifelhaft bleibt es, ob auch das am Beginn der Zeile stehende
Et ne praebendae . . . (J 331 10 ), dem eine volle Zeile voraus
geht und dessen Anfangsmajuskel nur klein geschrieben ist,
als eigenes Capitulum gedacht war. Rechnet man es nicht ein,
so ergibt sich für das bei Deusdedit gemeinte Capitulum De
decimis a laicis iniuste detentis die Zahl XV. Es erscheint
nicht ausgeschlossen, daß im Original das Zitat lautete: Ex
eo'dem (concilio) cap. XV und durch Versehen des Kopisten
das X entfiel.
Auf jeden Fall bietet demnach die Kanonessammlung
des Deusdedit keinen Beweis gegen die Originalität von Reg.
Vat. 2, im Gegenteile: die Fehler der Handschrift und ihr
Zusammentreffen mit den Angaben des Kardinals zeigen ge
rade, daß bereits vor dem Jahre 1087 R als ,das Register
Gregors VII.‘ im päpstlichen Archiv dem Kanonisten zur Ver
fügung stand.
Die engsten Beziehungen zwischen Deusdedit und R
werden noch durch eine andere Erscheinung auch äußerlich
zum Ausdruck gebracht. Eine große Zahl von Briefen weist
nämlich im Registerbande Gregors am Rande in Monogramm
ein Nota auf, viele erhielten überdies dazu eine Randbemer
kung. Das Alter dieser Marginalen ist bei ihrer Kürze und
Flüchtigkeit nur schwer mit Sicherheit zu bestimmen, keines-
Sitzungber. d. pbil.-bist. Kl. 165. Bd. 5. Abh. 10
146
V. Abhandlung: Peitz.
falls sind sie jünger als die Mitte des 12. Jahrhunderts. 1 Eine
sehr große Zahl dieser Randnotizen paßt nun genau zu den
Exzerpten Deusdedits. So ist z. B. zu II 67 fol. 86 b (= DdW
I 248) am Rande ein Nota angebracht, das genau so weit geht,
als Deusdedits Auszug reicht. 2 Ebenso entspricht der aus
J VI 5 a exzerpierten Stelle DdW III 58 am Rande von fol. 154“
in R ein Nota, während das Exzerpt DdW III 59 in R fol. 153“
des Zeichens entbehrt. — In J I 67, dem DdW III 260 ent
lehnt ist, findet sich desgleichen das Wofa-Monogramm in R
fol. 38 a und daneben steht: Crosciensis ecclesia iuris beati
Petri. 3 Zu J I 68, der Vorlage von DdW III 261, heißt es
1 Nach wiederholten eingehenden Prüfungen und Vergleichungen wäre ich
persönlich nicht abgeneigt gewesen, diese Noten noch dem 11. Jahrhun
dert zuzuschreiben und als der Handschrift ziemlich gleichzeitig zu be
trachten, eine Ansicht, die von mehreren mir bekannten Gelehrten
durchaus gebilligt wurde. Aber Msgre. M. Vattasso, dessen ungewöhn
liche Sicherheit und ausgebreitete Kenntnis auf dem Gebiete der älteren
lateinischen Paläographie ich wie mancher andere Besucher der Vatika
nischen Bibliothek des öfteren zu erproben Gelegenheit hatte, entschied
sich nach wiederholter genauer Untersuchung für obigen Ansatz und
brachte mehrere Gründe für seine Ansicht bei, die mich bewogen, mich
seiner Anschauung anzuschließen. Für seine stets hilfsbereite Liebens
würdigkeit spreche ich ihm auch hier nochmals meinen verbindlichsten
Dank aus.
2 Natürlich hätte dieser Kanon bei Wolf lauten müssen: Gregorius epi-
scopus. Sanclae Romanae ecclesiae semper lieuit . . . Die von ihm zu
grunde gelegte Handschrift D schreibt übrigens auch vollständig richtig
' Sanctae groß.
3 Die Überlieferung dieses Kanons bildet eine Bestätigung für meine im
Exkurs II begründete Annahme, daß Urdeusdedit — die gemeinsame
Vorlage für x : DBP und für E sowie fiir (B) : FA : C — schlecht ge
schrieben war. Denn D läßt nach comitatu eine 15 mm lange Lücke,
während F ruhig Folcaterii schreibt. Der Kanon beweist aber auch, daß
Deusdedit bei Zusammenstellung der Kanones diese Stücke einem fer
tigen Polyptychon entnahm oder vielmehr ein solches Güterverzeichnis
in seine Sammlung einfügte. Denn den Zusatz in comitatu Folcaterii,
Var.: Folcarerii, fand er im Register nicht. — In den Gesta pauperis
scholaris Albins (Vat. Ottobon. lat. 3057) folgt fol. 139 b ff. die Kopie
eines Polyptyclions, dessen Verhältnis zu Cencius eine genauere Behand
lung verdiente und dessen Zurückreichen in frühere Zeiten zu verfolgen
wäre. Die einzige direkte Erwähnung Gregors VII, die sieh hier findet,
steht fol. 142 n B. Unter dem Rubrum: In marchia et ducalu Spoletano
heißt es dort u. a.: In Spoletano (seil, episcopatu) ecclesia sancti Petri
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3 B.
147
in R fol. 38 b am Rande: Nota. Monasterium sancti Egidii iuris
beati Petri und zu J II 15 = DdW III 262 steht in R auf
fol. 60 a : Nota. Pultariense monasterium iuris beati Petri usf.
Ein recht auffallendes Beispiel der Übereinstimmung mag end
lich auch noch erwähnt werden. Auf fol. 84 b ist in R zu J II 63
am Rande ein Nota angebracht, das genau dort anfängt und
auf hört, wo auch das Deusdedit-Exzerpt DdW III 275 einsetzt
und abbricht, das ebenso mit dem völlig ex abrupto einleiten
den und im Exzerpt gänzlich unmotivierten Verum beginnt wie
der im Register angemerkte Satz. — Allerdings sind nicht alle
Deusdeditauszüge in R auf diese Weise gekennzeichnet, wenn
auch die Mehrzahl, wie sich anderseits jene Zeichen ebenfalls
hei Stellen finden, die nicht von Deusdedit übernommen wurden.
Daß sie zur Kanonessammlung in irgendeiner Beziehung stehen,
beweist schon die große Zahl der Übereinstimmungen und die
überraschend wörtliche Gleichartigkeit zwischen der Fassung
jener Bemerkungen und dem Wortlaute im großen Polyptychon-
kapitel bei Deusdedit III 149.
B. jPandulph von Pisa 1 und ,Bernold von St. Blasien'.
Neben dem Liier canonum des Deusdedit sei noch auf
eine andere Parallelüberlieferung hingewiesen, die durch die
Vatikanische Handschrift eine eigenartige Beleuchtung erfährt.
Jaffe hatte Bernold von St. Blasien als Zeugen für die
schnelle und weite Verbreitung und die eifrige Benützung der
unter dem Namen Registrum publizierten angeblichen Verteidi
gungsschrift Gregors aufgeführt und in einer Anmerkung außer
dem auf eine Notiz des Petrus diaconus von Monte Cassino
hingewiesen. Die letztere beweist gar nichts für eine Verbreitung
iuxta ipsam ciuitatem . II . soll dos luccenses. Castrum qtiod moriciola (!)
vocatur, ex redditione Gisleri, sicut invenilur in registro Gregorii papae VII.
beati Petri iuris est. Außerdem finden sich noch mehrere der in Gregors
Register als zensuspflichtig aufgezählten Kirchen und Klöster, doch ohne
direkte Berufung. — Diese Berufung auf das Register Gregors VII. ist
m. W. auch die einzige, die sich im entsprechenden Verzeichnisse des
Cencius findet, hier mit Auslassungen. Vgl. Fabre-Duchesne LC I
84 B und die Anm. 1 mit topographischer Identifizierung des Castrum
morichicla.
10*
148
V. Abhandlung: Peitz.
des Registers. Petrus beruft sicli auf die päpstlichen Register
,Gregors VII. und seiner Nachfolger 1 . 1 Von einer Benützung
der Gregorianischen Register findet freilich Wattenbach hei
Petrus keine Spur, sondern nur für eine Benützung der Brief
bücher Viktors III. und Paschals II. 2 Sollte also sein Zeugnis
für eine Sammlung im Sinne Jaffes angezogen werden dürfen,
so bewiese es vorerst die Existenz einer solchen für Viktor und
Pasehal. Gibt man dagegen bezüglich dieser beiden Päpste die
Möglichkeit einer Kenntnis und Ausbeutung der Originalregister
seitens des Casinesen zu, so ist auch unter seinem Gregor
register zunächst nur das Kanzleiregister zu verstehen.
Was Bernold angeht, so wissen wir sicher, daß er auf der
römischen Fastensynode von 1079 zugegen war. 3 Auch machte
Pflugk-Harttung darauf aufmerksam, daß der Wortlaut des
Zitates eher für eine Kenntnis des Original-Kanzleiregisters
spreche, wie ja überhaupt ,kein allzu großes Geheimnis mit
der Benutzung der offiziellen Register“ getrieben wurde. 4 Es
müßte also zunächst durch ganz unzweideutige Belege erhärtet
werden, daß Bernold bei jenem Ausspruche ganz unmöglich
das offizielle Urregister könne im Auge gehabt haben ■— und
die Möglichkeit dieses Nachweises ist einfachhin ausgeschlossen.
Dafür möchte ich auf einen anderen Umstand hinweisen, der
eigenartig genug ist und vielleicht für die Quellenfrage der
,Annalen Bertholds“ von Wert werden könnte.
Der Annalist hat die Dekrete der Novembersynode von
1078 (J VI 5 b 332) aufgenommen. Jaffe gibt, doch nicht ganz
korrekt, die Varianten nach dem Drucke der Monumenta Ger-
1 MSL 173, 815 A.
2 MGSS.
3 Vgl. Giesebreclit, Kaiserzeit III 2 4 1034. F. Thaner in MG Ldl
II 1 ff. . . .
4 a. a. O. (NA XI) 164. Vgl. auch zur Sache die Hinweise auf die wich
tigen Aussprüche des Giraldus Cambrensis bei Denifle a. a. O. (Arcb.
f. Lit. Kirch.-Gesch. II) 56—57. M. Spaethen a. a. O. (NA XXXI
1906) 612. Heckei a. a. O. (Arch. f. Urk.-Forsch. I) 443—44. — Über
das Verhältnis Berthold-Bernold und die Zuweisung der Annalen an ver
schiedene Verfasser verweise ich auf die orientierende Zusammenfassung
bei M. Jansen, Historiographie und Quellen der deutschen Geschichte
bis 1500 (Meisters Grundriß I 2) 485 und die Ausführungen bei G. Meyer
v. Ivnonau, Jahrbücher: Heinrich IV. und V. II, Exkurs VIII, 905—07.
Das Originalregister Gregors VII. — II, 3 B.
149
maniae. Die Abweichungen, die sich dabei ergeben, sind zahl
reicher und bedeutender als vielleicht bei jedem anderen Gre
gorstück, das in Parallelüberlieferung vorliegt. Aber gerade
einige der auffallendsten Verschiedenheiten erklären
sich wieder durch das Registerexemplar des Vatika
nischen Archivs.
Der Annalist schreibt (MGSS V 314 16 = J 33 2 20 ): vel
eorum consensu tenuerit und läßt nach vel das bei Jaffe ein
geschaltete Zwischenglied etiam. de rectorum depravato seu
vitioso aus. Hugo von Flavigny bietet eine dritte Lesart und
sagt: vel etiam eorumdem rectorum depravato seu vitioso con- ,
sensu,. Das Textverhältnis und die Überlieferung scheinen also
ganz unklar. Aber tatsächlich hat Hugo von Flavigny und in
gewissem Sinne auch der schwäbische Annalist Recht und nur
Jaffe ist vollständig im Unrecht. Denn die erste Lesung der
Handschrift lautet genau so, wie sie der Text des Annalisten
enthält. Darüber aber hat eine zweite Hand mit verschiedener
Tinte Korrekturen angebracht: etiam wurde zwischen den Zeilen
nach vel nachgetragen und gleich dahinter de rectorum —vitioso.
Damit sich aber die stark gedrängte und nicht sehr klare Kor
rektur überhaupt entwirren und richtig einordnen lasse, machte
der Korrektor oder auch eine spätere Hand nach etiam einen
ganz dünnen senkrechten Trennungsstrich. Giesebrechts Ver
lesung läßt sich also wohl in etwas entschuldigen, aber nichts
destoweniger ist und bleibt sein Text falsch. Aber auch die
Auslassung des nicht enträtselten Nachtrages durch einen Be
nutzer dieses Exemplars ist erklärlich und auf jeden Fall ent
spricht sein Text dem Gedanken des Registers besser als die
Konstruktion der Ausgabe.
Daß es sich hier nicht um ein zwar merkwürdiges, aber
immerhin doch rein zufälliges Zusammentreffen handelt, beweisen
die übrigen Varianten. Das vom Annalisten ausgelassene per-
sonis (MGSS V 314 21 = J 332ist in R ebenfalls Nachtrag
von der Hand des Korrektors. — Sodann schreiben die schwä
bischen Annalen: in aecclesia perturbationes esse, immo ruinas
religionis sanctae oriri (MGSS V 3 1 4 22 = J 333 x ). Jaffe gibt
an dieser Stelle bereits die Korrektur der Handschrift an
(J 333“). -— Gleich darauf heißt es in den Annalen:' ex quibus
ipsa christianae censurae dignitas conculcatur, perspeximus
*
150
V. Abhandlung: Peitz.
(MGSS V 314 23 = J 333 2 und 1 c ): die Handschrift des Vati
kanischen Archivs hat nach christiana ein nur leicht durch
stochenes censura. — Bei J 333 11 (und 333') liest R ebenso
nlicui personae, wie es dort für die Parallelüberlieferung' an
gegeben ist (MGSS Y 314 33 ). — Daß die Variante • falsas et
irritas (MGSS V 314 85 = J 333 17 ) sich irgendwie anf die Ori
ginalvorlage müsse zurückführen lassen, zeigte schon die An
merkung p des Jaffeschen Apparates: es wurde im ersten Teile
der Untersuchung darauf hingewiesen. Die Handschrift macht
die dort gezogenen Folgerungen noch unumstößlicher. Es ist
nämlich, was leider Jaffe zu bemerken vergaß, das ursprüng
liche falsas nur dünn durchgestrichen und infirmas hat die
Hand des Korrektors Uber der Zeile mit anderer Tinte bei-
geftigt. Die gleiche zweite Hand hat darauf mit ihrer bräun
lichen Tinte auch diese Korrektur gestrichen — auch jetzt in
der ersten Hälfte des Wortes nur sehr schwach und erst in
der letzten Silbe kräftig mit neuem Ansatz. Dann schrieb sie
daneben das endgültige irritas. — Im Kanon über die falsae
paenitentiae verzeichnet Jaffe 334 f eine längere Variante aus
dem schwäbischen Annalisten (MGSS V 314 45 ). Auch sie wird,
wenigstens zum Teil, durch ein Zurückgehen auf die Vatika
nische Handschrift verständlich, die ebenso schreibt wie der
Annalist: bona, quae iniuste abstulit, restituat. Die letzte
Korrektur in R endlich fällt wieder mit einer von Jaffes Text
abweichenden Lesart in den Annalen zusammen: sibique com-
pertum (J 335 IS ), das in ihnen fehlt (MGSS V 315 15 , vgl.
J 335 1 ’) ist in R vom Korrektor Uber der Zeile hinzugefügt.
Für die Erklärung dieses eigentümlichen Sachverhaltes
dürften folgende Umstände wohl genauere Beachtung erheischen.
Die Eigenart der Korrektur falsas : infirmas : irritas, bei der
die zarte Tilgung des ersten Wortes leicht übersehen werden
kann, während die augenscheinlich überlegende Wahl des ent
sprechenden Synonym ums auf Originalität der Änderung im
Register und gegen die Übernahme aus einer Vorlage spricht,
deutet auf Benützung von R, durch Bernold oder dessen Ge
währsmann. Dazu paßt die Übergehung der Korrektur im
ersten Kanon, deren richtige Bestimmung eben ganz besondere
Schwierigkeiten bot. Anderseits sind in den Annalen einzelne
Wörter ausgelassen •— vgl. die Korrektur personis J 332 1
Das Origiualregister Gregors VII. — II, 3 B.
151
oder legitimg J 335 g — und andere hinzugefügt, wie z. B.
episcopus J 333s oder die Änderung vel dignitatis statt des
gratis in R (J 333 h ). Überdies scheinen die Varianten des
siebenten Kanons über die Zehnten (Decimas quas) unmittelbar
einer direkten Abhängigkeit der Annalen von R, entgegenzu
stehen. Hier spricht die Originalüberlieferung bei Hugo von
Flavigny für die Richtigkeit der Registerfassung; aber Zusätze
wie idem in proprietatem. (J 334 p ), oh id (J 334”) u. ä. scheinen
R als Vorlage für den Annalisten auszuschließen. Auch die
Verschiedenheit in der Fassung des Bußenkanons Falsas peni-
tentias weist anscheinend in gleicher Richtung; denn es ist
nicht recht abzusehen, wie bei R als Vorlage der Annalist alle
Ergänzungen seines Textes selbständig sollte eingeführt und die
Umstellung vorgenommen haben. Doch soll nicht geleugnet
werden, daß gerade diese Ergänzungen sich auch als genauere
Bestimmung des Urtextes durch einen Beniitzer, hier durch den
Annalisten, ganz wohl verstehen ließen. Eine wiederholte ein
gehende Durchprüfung des Sachverhaltes ließ zu keiner'end
gültig befriedigenden Entscheidung kommen. Am ehesten scheint
mir —- mit aller Reserve — die Vermutung nahegelegt, daß
Annalist und R auf die stark korrigierte Minute als gemein
same Vorlage zurückgehen könnten, bei deren Abschrift in
beiden Fällen einige Korrekturen falsch aufgelöst wurden. Ins
besondere schien das im Register geradezu störende Asyndeton
des Bußenkanons (J 334 s , mit der oben angeführten Korrektur)
als ein Nachtrag in dieser Konzeptvorlage erklärt werden zu
können, der im Register an falscher Stelle eingerückt wurde.
Alles, was wir über das Aussehen der Minuten in jener älteren
Zeit bis heute wissen, scheint eine solche Annahme nicht allzu
unglaubwürdig zu machen. Das merkwürdige Verhältnis der
beiden Texte in R und beim Annalisten in der Stelle J 333 iV-1> ,
wo R zunächst einen Teil der von letzterem gebotenen Variante,
und zwar im gleichen Zusammenhänge, auf nahm, dann aber
als überflüssig oder unkorrekt durchstrich, während der Annalist
in wenig glücklicherweise verworfene Korrektur und endgül
tige Fassung miteinander verquickte, schien die Auffassung von
einer wenig sauber konzipierten Minutenvorlage zu bestätigen.
Die durch Pandulph von Pisa hergestellte Textverbin
dung seiner Lebensbeschreibungen der zeitgenössischen Päpste
152
V. Abhandlung: Peitz.
mit dem alten Liber Pontificalis durch Einfügen kürzerer oder
längerer Notizen über die dazwischenfallenden Pontifikate wird
von L. Duchesne chronologisch auf die Jahre 1135—1138
eingeengt. 1 Die älteste Handschrift, eine Kopie aus der Nähe
von St. Gilles, Diözese Rheims, wurde im Jahre 1142 abge
schlossen. Ein Vergleich mit R, wie ihn die Nachweise Du-
chesnes unmittelbar ermöglichen, zeigt eine große Zahl von
gemeinsamen Stücken. Das ganze Lebensbild Gregors ist nichts
anderes als ein sorgsam ausgewähltes und kunstvoll gefügtes
Mosaik aus Stellen des Registers. 3 Auch die spärlichen Texte,
mit denen die Zitate aneinaudergeftigt sind, sind fast ganz Ent
lohnungen aus dem Register. 3 In peinlich genauem Anschlüsse
geht Pandulph der Ordnung des Registers nach und grenzt die
den einzelnen Büchern seiner Vorlage entnommenen Stellen mit
der den Titelrubra der Registerbücher entlehnten stereotypen
Formel primo — secundo, tert.io etc. — anno sui pontificatns
gegen einander ab. Wie aber Deusdedit trotz zahlreicher Über
nahmen aus dem achten und dem sogenannten neunten Buche
des Registers nur ein achtes Buch zitiert, so hört auch Pan-
dulphs Vorlage scheinbar mit dem achten Pontifikatsjahre zu
1 Le Liber Pontificalis. Texte, introduction et commentaire par L. Duchesne
(Bibliotheque des Ecoles Franijaises d’Athenes et de Rome. 2° sdrie) II
(Paris 1892) XXXIV—VII. Die Biographie Gregors VII. 282—90; Nach
weise 291. — Die Ansicht Duchesnes über den Autor der Viten Gre
gors VII. und Urbans II. sei vorläufig einfach referiert und bleibe dahin
gestellt, ohne daß ich mich damit ihr anschließen wollte. Im Gegenteil.
Es erscheint mir durchaus zweifelhaft, daß der Verfasser der Biographien
Gelasius' II. und Kalixts II. mit dem der Gregorvita identisch sei.
Duchesne weist nach, daß Pandulph jene zuzusehreiben sind, aber keines
seiner Argumente trifft für diese zu. Vielmehr glaube ich, daß für Gre
gor VII. und Urban II. ein von Pandulph verschiedener Biograph anzu
nehmen ist, der aus eigener Erinnerung die Ereignisse der Jahre 1081—84
kannte und nicht vor 1106 (vgl. Duchesne LP II 290 24 . 291 A 29)
schrieb. An anderer Stelle denke ich auf die Sache zurückzukommen.
2 Eine ähnliche Beobachtung hatte bezüglich der Biographie Urbans II.
bereits früher P. Ewald auf Grund der von ihm nach Bishops Abschrift
bearbeiteten Collectio Britanuica gemacht, was dann Duchesne desgleichen
weiter verfolgte. Ewald NA V 1879, 355. Duchesne LP II 291. 294.
3 In ähnlicher Weise — durch freie Bearbeitung, nicht als wörtliches
Zitat — glaube ich auch die historischen Notizen der Vita Urbani und
der Collectio Britannien erklären zu müssen, gegen Ewald und Du
chesne (LP II 294 A 6).
Das Originalregister Gregors VII.
II, 3 B.
153
fließen auf. Doch kennt er aus den späteren Regierungsjahren
noch ein Ereignis, die Novembersynode von 1084 J VIII 58.
Aus eigener Kenntnis fügt er eine kurze zusammenfassende
Erzählung über die Belagerung Roms, die Befreiung des Papstes
durch Robert Wiskard und den Tod des Papstes bei. Der
ganze Sachverhalt zeigt, daß Pandulph in R. noch nicht den
späteren Zusatz vor IX—XI fol. 213 a Ex libro IX. Registri
eiusdem Gregorii Papae VII. vorgefunden haben dürfte. 1 Eine
vergleichende Liste der wörtlichen Auszüge aus dem Register
in der Vita Gregors, auf Grund von Duchesnes Nachweisen
und mit Angabe von Seiten- und Zeilenzahl seiner Ausgabe soll
das Verhältnis verdeutlichen.
1 Zum Texte Pandulphs sei eine Bemerkung’ gestattet. Im Anschlüsse an
die Emendation Jaffds zu J VI 17 a (353 j) hat Du dies ne auch bei
Pandulph (286 1G ) in der Beschwerde der Gesandten Rudolphs über Hein
rich, qnod . . . veligionem transalpinam contereret, das von der Handschrift
gebotene veligionem in regionem geändert. Aber in R ist eben an dieser
Stelle eine Korrektur: tvansalpinam steht auf Rasur von tvansabpinam,
während veligionem unbeanstandet blieb. Es ist also nicht leicht an einen
übersehenen Schreibfehler zu denken. Die Lesung der Handschriften
dürfte zudem meines Erachtens einen ganz guten und dem Zusammen
hänge wie den Verhältnissen, wie sie der Text schildert, durchaus ent
sprechenden Sinn ergeben. — Für das Verhältnis des Textes in der Vita
Gregorii des LP zum Register ist ein Vergleich der Korrektur im LP
-86 21 mit der Vorlage in J 354 10 von besonderem Interesse.
154
V. Abhandlung: Peitz.
So ist das Register Gregors schon unmittelbar nach dem
Tode des großen Papstes zu einer Quelle für seine Geschichte
geworden, einer Quelle, die — wie keine — Einblick vermittelt
in die Geschicke seines Lebens und in die Kämpfe seiner Zeit.
Dritter Abschnitt.
Die Register Innozenz’ III. und Honorius’ III.
1. Kapitel.
Die Hypothese Kaltenbrunners und Denittes.
Während des Ganges der Untersuchungen über das Re
gister Gregors VII. hatte P. Ehrle mich wiederholt darauf hin
gewiesen, daß es unerläßlich sei, durch Vergleich mit den
späteren Registern die Haltbarkeit der für jenes gewonnenen
Ergebnisse zu prüfen und ihre Richtigkeit speziell durch die
Gegenprobe an den von Den iIle als Prachthandschriften und
Kopien erwiesenen Registern Innozenz’ III. darzutun. Das Re
sultat dieser Nachprüfung mag im folgenden eine Stelle finden,
um den Weg zur Erprobung der neuen Auffassung, die in den
bisherigen Ausführungen bezüglich des Registers Gregors VII.
entwickelt und begründet wurde, zu ermöglichen.
Der erste, der die Probleme der Registerforschung mit
Meisterhand angriff, Leopold Delisle, hatte die Register
Innozenz’ III. zum Ausgangspunkt genommen. 1 Er betrachtete
sie als Originale, als Kanzleiregister, und die gleiche Auf
fassung vertraten nach ihm auf lange Zeit hinaus wohl fast alle
Forscher, 2 bis auf Ferd. Kaltenbrunner, der in seinen Rö
mischen Studien sich für das Gegenteil entschied und die Re
gister Innozenz’ III. für Kopien erklärte, ,eine Art Pracht
handschriften, die innerhalb des Pontifikates nur von
1 L Delisle, Mdmoire sur les actes d’Innocent III.
2 Vgl. z. B. G. Digard, La sdrie des Registres Pontificaux du XIII 0 sieele
(BECH XLVII 1886, 80—87). Eine kleine Einschränkung machte
Sickel MIöG VII 1886, 701L
Das Originalregister Gregors VII. — III, 1.
155
wenigen Schreibern angefertigt wurden'. 1 Delisle hielt
in einer späteren Zusammenstellung an seiner Anschauung fest. 2
Kaltenhrunners Arbeit hatte in zahlreichen Punkten den
Widerspruch des Unterarchivars des päpstlichen Stuhles, P. Hein
rich Denifle, wachgerufen. In einer Studie über die 'päpst
lichen Registerhände des 13. Jahrhunderts und das Inventar
derselben vom Jahre 133.9 zeigte er die Haltlosigkeit einer
großen Zahl von Aufstellungen Kaltenhrunners und gab in seiner
gewohnten Weise mit einem fast erdrückenden Reichtum von
zum größteu Teil ganz neuen arehivalischen Funden Aufschluß
über die Geschichte des päpstlichen Archivs und seiner Register
im 14. Jahrhundert. Zugleich aber brachte seine Arbeit eine
Überraschung: so heftig er Kalten!)runners in manchen Teilen
allerdings fast unerklärlichen Falschheiten zu Leibe rückte,
schloß er sich ihm doch in einer Hauptfrage vollständig an und
entwickelte Kaltenbrunners Ansicht selbständig weiter, ja er
gab ihr eigentlich erst ihre wissenschaftliche Begründung, da
die Beweismomente seines literarischen Gegners in nichts zer
fallen waren. Nach Denifle sind die Registerbände Innozenz' III.
keine fortlaufend geführten Kanzleiregister, sondern
bloße Abschriften davon, vielleicht gar nur Auszüge
aus ihnen, und es besteht zwischen Vorbild und Nachbild ein
ähnliches Verhältnis, wie es eine Anzahl der späteren Perga
mentregister aus der Vatikanischen Reihe zu den Avignoueser
Papiervorlagen aufweisen. 3 Die Gründe, die Denifle beibrachte,
1 F. Kaltenbrunner a. a. 0. (MIöG V 1884) 223—24.
2 L. Delisle, Les registres d\Innocent III. (BECH XLVI 1885, 84—94)*
3 Denifle a. a. O. (Arcb. Lit.-Kirch.-Gesch. II 1885) 56—64. Er be
schränkte seine Behauptung ausdrücklich auf die Registerbände Inno
zenz’ III. — Gleichzeitig mit Denifle, doch wohl nicht ganz ohne Fühlung
mit ihm, sprach sich der Kardinalpräfekt der Vatikanischen Bibliothek,
J. B. Pitra, sehr bestimmt in demselben Sinne aus: Anal, noviss. Contin.
ah. I. 173—74, während er die Bände Honorius’ III. ebenso bestimmt
für original erklärte: a. a. O. 181 (Des registres des papes le premier qui
nons soit parvenu original et integral est celui d'Honorius III. Aussi fut-il
Vun des premiers que nous crhnies devoir exanüner avec un soin particidier,
comme pouvant nous renseigner par son ensemble sur la methode adoptte
pour construire ces recueils de la cliancellerie Romaine). — Gegen die
scharfen Angriffe und Vorwürfe Denifles versuchte Kaltenbrunner
eine Abwehr (MIöG VII 1886, 691—99), der Sickel einige längere, die
156
V. Abhandlung: Peitz.
schienen durchschlagend; überdies beruhten seine Behauptungen
auf einer persönlichen und — so mußte man annehmen — sein-
eingehenden Durchforschung der Registerbände selbst. Seine
Ergebnisse wurden denn auch bald als feststehend anerkannt
und in die Lehr- und Handbücher der Diplomatik aufgenommen;
sie wurden als sicherer Stützpunkt für weitere Forschungen
gehalten und als solche auch ausgiebig benutzt. 1
Sind nun Denifles Gründe für den abschriftlichen
Charakter der Innozenz-Register wirklich durchschlagend?
Er stützt sich vornehmlich auf zwei Registerverweise in spä-
Gegensätze überbrückende Ausführungen folgen ließ, die wegen ihrer
methodisch wichtige Fragen berührenden Auseinandersetzungen Beachtung
verdienen und über den augenblicklichen Streitfall hinaus von bleibendem
Wert sind (ebenda 699—708).
1 Vgl. H. Breßlau, Urkundenlehre I 100. L. Schmitz - Kallenberg,
Papsturlcunden (Meisters Grundriß I) 223. K. Hampe, Aus verlorenen
Registerbänden der Päpste Innozenz III. und Innozenz IV. (MIüG XXIII
1902) 540. H. ICrabbo, Die Urkunde Gregors IX. für das Bistum Naum
burg vom 8. November 1228 (MIüG XXV 1904) 293 mit Hinweis auf die
vorsichtige Äußerung Denifles a. a. O. (Archiv II 64). A. Luchaire,
Les registres d’Innocent III et les Regesta de Potthast (Bibliotheque de la
Faculte des Lettres de l’Universite de Paris XVIII : Troisiemes melanges
d’histoire du moyen-äge I. Paris 1904) 5. R. v. Heckei a. a. O. (Arcli.
f. Urk.-Forsch. I) 444 u. ü. E. Tucek, Untersuchungen über das Registrum
super negotio Romani Imperii (Quellenstudien aus dem historischen Se
minar der Universität Innsbruck II 1. Innsbruck 1910) 49. 62—71. •—
In der Einleitung zu den Speximina palaeographica 14. 15. sprach De
ll ifle nochmals die gleiche Ansicht betreffs der Register Innozenz’ III.
mit aller Bestimmtheit aus: ... Innocentii III. regesta non putamus arche-
typorum nomine donanda. Bezüglich der folgenden Registerhände aber
gebrauchte er ,eine anerkennenswerte Vorsicht 1 , wie Sickel in seiner
Besprechung der Specimina hervorhob (MIöG IX 1888, 355 vgl. MIüG
VII 1886, 701). In utramque partem (für Original- wie für Kopial-
charakter) — sagte er Von ihnen — argumenta adsunt, nobis tarnen in-
sidet opinio ea arclietypa esse. Quae si apographa sint, ea tarnen non
ultra, imwo infxa anmim a data epistola exscripta esse censemus. —
Seine Nachfolger und Anhänger haben nicht die gleiche Vorsicht ange-
ivandt. Die richtige, leider nicht befolgte Methode hatte Sickel im An
schlüsse daran aufgezeigt, wenn er beifügte: ,Damit werden wir auf
gefordert, die Untersuchung Band für Band fortzusetzen. 1 — Für die
Wertung der älteren Ausgaben ist es notwendig, sich bewußt zu bleiben,
daß keine von allen auf die Vatikanischen Handschriften unmittelbar
zurückgeht. Nur der erste (und einzige) Band des Kardinals W. Sirleto
Das Originalregister Gregors VII. — III, 1.
157
teren Jahren, die beide in den uns erhaltenen Registern nicht
zu verifizieren sind. Reg. ann. 6, ep. 62 (Reg. Yat. 5 fol. 58 b )
und in einem Schreiben von 1214 Oktober 31 werden zwei
Briefe angeführt, die sich in secundo libro regestorum oder in
regesto nostro anni II di finden sollen, und der zuletzt genannte
wird dann wörtlich in das neue Schreiben übernommen. Denifle
meint nun, es sei unmöglich anzunehmen, ,daß an beiden Orten,
an denen der zweite Jahrgang des Registers zitiert wird, ein
Irrtum obwalte. Übrigens kommt wenigstens der zuerst genannte
Brief in keinem anderen Jahrgange vor'. 1 Die Fassung des
letzteren Satzes ließe wohl darauf schließen, daß Denifle das
zweite von ihm geltend gemachte Beispiel in einem anderen
Jahrgange aufgefunden habe, indessen nennt' er eine solche
Stelle nicht.
Aber warum ließe sich ein derartiger Irrtum schlechter
dings nicht annehmen? Die Supposition einer so weitgehenden
Sorgfalt und Regelmäßigkeit im Betriebe der päpstlichen Kanzlei
ist an sich ebensogut reine Supposition, wie die eines Irrtums
seitens der päpstlichen Kanzleibeamten bloße Annahme wäre.
— Übrigens wissen wir aus dem von Denifle selbst so trefflich
edierten Inventar von 1339, daß die Innozenzregister wenig
stens seit 1325 in Bänden von je zwei Jahrgängen vereinigt
waren. Wann diese Einordnung vorgenommen wurde, ist un
bekannt; der Umstand, daß im Inventar die Register der ver
schiedenen Päpste ganz verschieden — bald in Stärke von nur
einem, dann von je zwei Jahrgängen — erscheinen, deutet auf
Ursprünglichkeit der Anlage. Wenn aber diese Anordnung
bereits unter Innozenz selbst bestand, warum konnte dann nicht
leicht eine Verwechslung von Jahr mit Band unterlaufen? —
Audi das ist reine Möglichkeit, aprioristische Annahme. Aber
diese und ähnliche Möglichkeiten müßten zuerst ausgeschlossen
sein, sollte Denifles Erklärung Alleingültigkeit beanspruchen
dürfen. Er bemerkt mit vollstem Recht, ,daß wir nicht mit
mit den Briefen der Jahre I und II Innozenz’ III. beruht auf der Hand
schrift des Vatikanischen Archivs Reg 1 . Vat. 4. Innocentii III. P. M. decre-
talium atque aliarum, epistolarum tom. I. Romae apud F. Priscianum Flo-
rentinum 1543. Sirlets Note fol. 447 a . Vgl. Pitra, Anal, noviss. Contin.
alt. 1 179.
1 Denifle a. a. O. (Arch. Lit.-Kirch.-Gesch. II) 61.
158
V. Abhandlung: Peitz.
Sprüngen weiterkommen, sondern nur schrittweise 1 , und unter
streicht die Notwendigkeit, aus genauester Einzelprüfung der
Register erst die Nonnen zu deren Beurteilung ahzuleiten. 1
Indes, bringt nicht Denifle auch einen Beweis aus den
Registerhandschriften selbst? Gewiß, aber eben dieser Beweis
ist nicht sehr stichhaltig. Die Auslassungen und Lücken, die
er angibt, können nach seinem eigenen Dafürhalten entweder
dadurch erklärt werden, daß die erhaltenen Bände Original
kanzleiregister wären, die nach Konzepten geführt wurden —
oder aber dadurch, daß wir es mit Abschriften nach älteren
Registerbänden zu tun hätten. 2 Die erste Möglichkeit will De
nifle ausschließen und so kommt er zu seinem Resultat. Die
ganze Kraft seines Beweises aus den Registern selbst beruht
somit auf jenen Momenten, die gegen das nach Konzepten ge
führte Originalregister sprechen sollen: der prächtigen Aus
führung, dem geringen Wechsel der Hände, den Änderungen
im Linienschema — aber eben diese Gründe entsprechen nicht
den objektiven Tatsachen, sie sind willkürliche Annahmen —
und unrichtig. Damit fällt aber der Beweis. Doch ohne hier
auf eine direkte Polemik gegen die Behauptungen des gelehrten
Dominikaners weiter einzugehen, soll lieber der p ositive Nach
weis erbracht werden, daß wir es in den erhaltenen Re
gistern Innozenz’ III. mit sukzessiv geführten ursprüng
lichen Kanzleiregistern zu tun haben. Denn dies war das
Ergebnis der Durchsuchung und Nachprüfung. Die Gegenprobe,
die beabsichtigt war, wurde zur eigentlichen Belastungsprobe
der Behauptungen betreffs des Registers Gregors VII. Es wird
dabei nötig sein, in aller Kürze Band für Band vorzunehmen
und bei jedem einzelnen die Momente, die in Betracht kommen,
geltend zu machen. Die Beschreibung der Innozenzbände
haben Denifle und Delisle geliefert; es genügt, auf ihre
durchaus zuverlässigen Angaben zu verweisen, und ich be
schränke mich im folgenden in dieser Hinsicht auf einige wenige
Bemerkungen. 3
1 a. a. 0. 68.
s a. a. 0. 62.
5 Denifle in den inhaltreichen Noten zum Texte des Inventars von 1339
(a. a. O. 72—75). Delisle in dem Aufsatze über die Innozenzbände
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
159
2. Kapitel.
Die Registerbiinde 11111020112’ III.
Heg'. Tat. 4 enthält das erste und zweite Pontifikats jah r
Innozenz’ III. 1 Der rote Ledereinband der 231 X 337 nun
messenden Pergamenthandschrift trägt auf dem Rücken in den
Pignatellikrügen das Datum seiner Entstehung aufgeprägt. Das
Register beginnt nach zwei neueren und einem alten, vom frü
heren Deckel losgelösten Pergamentvorsteckblatt sowie nach
einem 19 Blätter füllenden Index der Briefe nach ihrer Ab
folge in der Handschrift. Der Index stammt aus der Zeit
Urbans Y.
Der erste Jahrgang reicht bis fol. [146]; doch sind
fol. [145] und [146] nicht mehr gezählt und es läuft die spätere,
etwa dem 15. Jahrhundert angehörende Zählung im zweiten
Jahrgange auf fol. [147] mit der römischen Ziffer CXLY weiter
fort. Der Jahrgang besteht aus Quaternen mit Ausnahme von
fol. 97—100, die einen halben Quatern ausmachen. Die letzte
Lage von fol. 141—146 ist unvollständig: die Heftung liegt
zwischen 144 und 145, doch kann man nur noch von einem
der fehlenden Blätter zwischen 145 und 146 ein Rändchen er
ldicken. Über die äußere Ausstattung des Bandes haben bereits
Kaltenbrunner und Denifle Genügendes beigebracht: überall
Ranken, hübsch blau und rot ausgefiihrte Initialen, humorvolle
und launige Figuren und Darstellungen, oft recht wunderlicher
Art. 2 Die Faksimiles der Specimina palaeographica gewähren
davon eine recht gute Vorstellung, wenn sie auch des lebhaften
Spieles der Farben entbehren.
Daß wir in diesem Teile ein fortlaufend geführtes
Kanzleiregister A r or uns haben, beweisen folgende Erschei
nungen :
(BECII XLYI). Vgl. auch Pitra, Anal, noviss. Contin. alt. 1 172 — 79.
Luehaire, Les registres d'Innocent III. 3—19.
1 Drei Faksimiles bieten die Tafeln 1—3 der Specimina palaeographica.
" Muneh-Lüwenfeld, Aufschlüsse (Archiv. Zeitschr. IV) 127. Kalten
brunner a. a. O. (MIöG V) 227—28. Pitra, Anal, noviss. Contin. alt.
I 173 und in Farben ausgeführte Proben auf der beigegebenen Tafel,
die aber die Feinheit des Originals nicht erreichen. Denifle, Speci
mina, Text 16—17 (zu Taf. 1 und 3) und Taf. 3.
160
Y. Abhandlung': Peitz.
1. Mit vollster Sicherheit lassen sich für sehr viele Briefe
Neuansätze nachweisen, bei denen Tinte und Duktus anders
werden, auch für ganz kurze Stücke von nur wenigen Zeilen,
und jeweils mit Beginn eines Briefes einsetzend; dagegen ist
bei Übergang von Lage zu Lage kein Wechsel festzustellen.
Fol. 18 b z. B. enthält in den ersten sechs Zeilen den
Schluß von I 72; dann folgen mit ganz scharf geschiedenem
Neuansatz I 76 mit 30 und I 74 mit 11 Zeilen; die Seite
schließt mit 2 1 / 2 leeren Zeilen. Fol. 19“ beginnt eine ganz deut
lich und ziemlich stark verschiedene Schrift, die einer anderen
Hand angehören dürfte. Fol. 19 b scheint I 76 wieder Neuansatz
zu haben, der bei I 84 auf fol. 20 b nach dem zweiten Drittel
der Seite sicher ist. Ebenso hat I 85 auf fol. 21 a oben, I 88
auf fol. 21 b neuen Ansatz.
I 177 beginnt mitten auf fol. 46 b mit deutlichstem Neu
ansatz; der Brief umfaßt nur neun Zeilen. Gleich das nächste
Schreiben, I 178, setzt ebenfalls neu an und ebenso ist für
I 179 fol. 47 a , für I 186 fol. 48 a und für I 187 fol. 48 b Neu
ansatz sicher.
Ähnliche Beobachtungen lassen sich an zahlreichen Briefen
dieses Jahrganges machen. Es sei beispielshalber noch auf die
folgenden ganz kurzen Stücke hingewiesen, bei denen Neu
ansatz sicher stattfindet: I 292 fol. 73“ (11 Zeilen); 294 fol. 73 b
(2 Zeilen); 351 fol. 96 b (7 Zeilen); 398 fol. 110“ (12 Zeilen).
Das will besagen, daß nicht nur die namhaft gemachten Ein
träge mit einem von den vorausgehenden Stücken unzweifel
haft verschiedenen Ansatz beginnen, sondern auch die ihnen
folgenden Nummern jedesmal ebenso unzweifelhaften Neuansatz
haben und sich die 2, bezw. 7 oder 11 und 12 Zeilen ganz
scharf von ihrer Umgebung abheben, ohne daß das mindeste
Anzeichen vorhanden wäre, das gestattete, sie etwa als Nach
träge und Einschübe aufzufassen. — Es dürfte schwer zu ver
stehen sein, wie sich derartige Erscheinungen zu einer Ab
schrift nach fertiger Vorlage reimen. 1
1 Auch in den Tafeln der Specimina lassen sich bei aufmerksamem Studium
diese Beobachtungen nachprüfen, obgleich vom Standpunkte der Register
forschung aus wohl eine geeignetere Auswahl der Blätter möglich ge
wesen wäre. Man vergleiche z. B. für Reg. Yat. 4 auf Taf. 1 den ersten
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
161
2. An manchen Stellen sind größere oder kleinere Lücken
zwischen den eingetragenen Briefen gelassen worden. Es
fehlen z. B. fol. 42 a am Schlüsse der Seite 14 Zeilen. — Fol. 78 a
sind vor I 308, das in der neunten Zeile von unten beginnt,
15 Zeilen leer. — Nach I 360 sind auf fol. 100 11 drei Zeilen
frei. — I 361 entbehrt des Datums; es folgt auf den eingetra
genen Brief eine leere Zeile und darnach die Bemerkung:
Positum est in obtione eorum, si vellent- praedictam medietatem
passagii pro munitione castri; darauf sind wieder zehn Zeilen
leergelassen. — Warum sollte ein Kopist, der nach fertiger
Vorlage eine Prachthandschrift fertigt, solche störenden Lücken
mitten in seinem Texte sich erlauben?
3. Die Briefe weisen zahlreiche Korrekturen und Ände
rungen auf. In I 150 fol. 39 a ist ein ganzes Stück am Schlüsse
des Briefes mit neuem Ansätze geschrieben; die beiden letzten
Zeilen vor dem Datum stehen auf Rasur, und zwar ist die
Neuausfertigung wortreicher als die erste Fassung. Von an
derer Schrift folgt dann das Datum. — In I 173 fol. 45 11 ist
das Datum radiert und neugeschrieben. —
Meistens wurde nur ein falsch geschriebenes Wort richtig
an den Rand gesetzt und hier oft mit einem f versehen; dann
findet sich gewöhnlich im Text Rasur und Korrektur. Oft sind
die Randbemerkungen und -Verbesserungen nachträglich aus
radiert.
Manchmal finden sich aber auch sachliche Änderungen,
d. h. statt der ursprünglichen Fassung ist eine neue beigefügt,
deren Inhalt von dem der ersten Fassung merklich ab weicht.
Auf fol. 30 11 ist unten zu Brief 117, der auf SO 1 beginnt und
31 1 endigt, ein Nachtrag von zwei Zeilen gemacht, der den
ursprünglichen Wortlaut verschärft. Fol. 31 a wurde sodann die
erste halbe Zeile radiert und der Schluß des Zusatzes auf die
Rasur geschrieben. — In dem gleichen Briefe ist bereits vorher
eine Rasur von nicht weniger als fünf Zeilen. In die Lücke
wurde ein bedeutend längerer Text eingeschoben, als anfänglich
dort gestanden hatte •— wie aus der gedrängten Schrift und
Brief mit dem Anfänge des zweiten und wieder diese beiden Stücke mit
den auf Taf. 2 und 3 wiedergegebenen Stücken.
Sitzungsber. d. phil.-kist. Kl. 165. Bd. 5. Abb.
11
162
V. Abhandlung: Peitz^
der äußerst starken und gehäuften Kürzung innerhalb dieses
Nachtrages hervorgeht.
In Brief 170 fol. 42 b stand zuerst: se fatebatur reatum
periurii incurrere, si a facta compositione a iam dictis arbitris
ratione qualibet resiliret. Eine andere gleichzeitige Hand strich
den ganzen Text von a facta bis qualibet aus und schrieb
darüber: ab arbitrio.
Ein sehr eklatantes Beispiel liefert Brief 557 auf fol. 141 b
(inc.: Si diligenter attenditis, vom VIII. kal. febr. mit der
Adresse: Panormitan. Regin. Montis Regal, archiepiscopis). Im
Texte war geschrieben: . . . apud urbem fecimus convenire desti-
nantes ad illos ven. \ fratrem nostrum P. Portuensem Episcopum
et dilectum filium Hugonem sancti Eustachii diaconum Cardi-
nalem, qui ea, quae praemisimus, ordinent et disponant. \ Vo-
lumus et nichilominus . . . Von dem Worte destinantes an bis
einschließlich disponant ist der Text durchgestrichen. Überdies
ist ein zweiter Strich quer durch die Zeilen von destinantes
schräg heruntergezogen zu ordinent et disponant und an dessen
Anfang va und über den Schluß cat geschrieben — von an
derer Hand als der des Schreibers. Dafür findet sich über
convenire ein Verweisungszeichen .. und am linken (äußeren)
Bande ist, mit dem nämlichen Zeichen versehen, von der Hand
des Korrektors, der das vacat angehört, geschrieben worden:
cum quibus ita procuravimus, quod duo milia militum vel ad
minus mille quingentos nobis sine solidis, in moderatis tarnen
expensis, similiter et pedites et archarios, quot necessarium (!)
fuerint, ad mandatum nostrum in regni subsidium destinabunt,
per quos dante domino, nisi per vos steterit, reportabimus de
inimicis regni triumphum. —-
Es würde doch gewiß eine äußerst künstliche Erklärung
fordern — und ich zweifle, ob sich selbst eine solche finden
ließe, die nur irgendwie noch annehmbar schiene —, wollte man
angesichts derartiger Korrekturen an der Hypothese Denifles
festlialten. Es müßte dann nicht nur im Urregister genau die
gleiche doppelte Fassung und Korrektur gestanden haben, son
dern der Schreiber hätte zudem die ganze Änderung vollständig
übersehen. Erst der Korrektor wäre wieder darauf aufmerksam
geworden. und hätte die Änderung wie eine neue erstmalige
Korrektur nachgetragen. — Wollte man es auf Künstelei und
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
163
möglichste Kompliziertheit cler Hypothesen ablegen, man hätte
es kaum besser treffen können.
4. Auf fol. 23 b war nach Brief 94 ein Zwischenraum von
mehreren Zeilen freigelassen worden. Als Nachtrag wurde in
diesen freien Raum mit anderem Duktus und verschiedener
Tinte, vielleicht von anderer Hand, eine Reihe von Adressen
zu a pari-Ausfertigungen beigefügt. Unter ihnen ist auch der
Adressat des im Wortlaute in das Register aufgenommenen
Schreibens — Aquensi et suffraganeis eius — von neuem auf
gezählt. Nachträglich wurde dieses durch untergesetzte Punkte
wieder getilgt. Nicht der ganze für den Adressennachtrag
freigelassene Raum ist ausgefüllt: so hat der Rubrikator
denn um die hier eingetragene Adresse des folgenden
Briefes 95 ein großes blaues, mit roten Ranken verziertes
Band gelegt und so den übriggebliebenen Platz einigermaßen
ausgenützt.
Nach Brief 356 fol. 98 b hatte der erste Schreiber sechs
Zeilen je mit In eundem modum eingeleitet, ohne sie weiter
auszuführen oder einen Namen beizufügen. Eine weitere siebente
Zeile ließ er ganz frei und begann in der nächsten achten Zeile
den folgenden Brief 357, wobei er am Schlüsse dieser nämlichen
achten Zeile — der Anfangszeile des neuen Schreibens — den
Platz für das Adreßrubrum des Briefes — lllustri Regi An-
glorum — aussparte, wie es bei den meisten Briefen geschah.
Darauf wurde rubriziert. Die Initialen der beiden Briefe und
die Adreßrubren wurden ausgeführt, doch kam die rubrizierte
Adresse von 357 an den Anfang der freigelasseneu siebenten
Zeile zu stehen und die dafür eigentlich bestimmte Lücke am
Schlüsse von Zeile 8 blieb leer. Die Anfangs-/ der sechs </}n
eundem modum wurden abwecliselnd rot und blau hinzugesetzt.
Nachher trug nun eine andere gleichzeitige Hand mit gänzlich
verschiedener, tiefschwarzer Tinte die Namen der Apares ein.
Da aber sieben, nicht bloß sechs gleiche Ausfertigungen zu
registrieren waren, so schrieb die gleiche zweite Hand in die
ursprünglich freigelassene Zeile nach dem irrtümlich dort ein
getragenen Adreßrubrum von 358 ein weiteres {I)n eundem
modum mitsamt der zugehörigen Adresse ein; doch wurde jetzt
das Anfangs-/ nicht mehr ruiniert: neben dem Rubrum war
das Fehlen des Buchstabens kaum zu bemerken.
li*
164
V. Abhandlung: Peitz.
Sehr oft sind die Anfangsbuchstaben der Eigennamen
in den Adressen wie im Texte der Briefe ausgelassen und nur
die obligaten beiden Punkte vor und nach einer kleinen
Lücke . . sind gesetzt worden. So fehlen z. B. auch in 117
fol. 30 b —31“ die Eigennamen und ihre Siglen. Hier wurde
aber in der Lücke vor Tripolitanum zweimal mit anderer Tinte
ein . L . nachgetragen. — Ähnlich ist in Brief 9 fol. 3“ der
Name de Bichor hinter comes nachträglich in die viel zu große
Lücke eingesetzt. — In diesem selben Briefe, der zuerst mit
apostolicam facultatem schloß, wurde nachträglich mit etwas
größeren Buchstaben — ob vom gleichen Schreiber, ist zweifel
haft — hinzugefügt Nulli, woran sich ein Nachtrag von
2 1 / 2 Zeilen auf dem ziemlich breiten Rande anschloß. Letz
terer ist später ausradiert, leider so sorgfältig, daß die ange
strengtesten und wiederholten Bemühungen, etwas zu entziffern,
erfolglos blieben. Heute ist der Brief ohne Sclduß und ohne
Datum.
Diese Auswahl aus einer weit größeren Menge von ähn
lichen Beobachtungen möge genügen.
Wie sollten sich nun diese Eigentümlichkeiten insgesamt
nacli der Hypothese Denifles erklären lassen? Auch nicht die
Möglichkeit dazu ist m. E. ’abzusehen. Vielmehr scheinen alle
diese angeführten Erscheinungen einen ganz direkten Beweis
für die Ursprünglichkeit dieses Jahrganges der Register Inno
zenz' III. als originalen Kanzleiregisters abzugeben.
Der zweite Jahrgang beginnt auf fol. 145“. Die ein
zelnen Feststellungen, die sich in der ersten Hälfte des Re
gisterbandes machen ließen, wiederholen sich liier fast sämtlich
in der nämlichen Weise. Einige wenige Beispiele nur mögen
darum liier als Proben dienen.
1. Neuansätze. Fol. 146 b hat Brief II 10, der in der
dritten Zeile beginnt und bloß zehn Zeilen lang ist, eine vom
vorausgehenden neunten und vom nachfolgenden elften Briefe
ganz unverkennbar verschiedene Schrift. — Fol. 147 b zeigen
Brief 20 und Brief 23 die sichersten Neuansätze. — Das Gleiche
ist der Fall fol. 203“ Zeile 10 bei Brief 242 und auf der näm
lichen Seite Zeile 5 von unten bei 243. Es wiederholt sich
das auf fol. 204 b bei II 251 und fol. 205“ bei II 252, einem
Einlaufe.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
165
2. Lücken. Nach II 270 fol. 210 b ist ein freier Raum
von vier Zeilen gelassen, obwohl bereits vier a pari-Adressen
eingetragen waren. — Nach II 202 fol. 190“ sind vier, nach
208 sind zwei Zeilen leergelassen.
3. Korrekturen und Änderungen. Fol. 207“ sind drei
Zeilen am Schlüsse eines Briefes auf Rasur geschrieben. Auch
sonst finden sich zahlreiche Rasuren und Korrekturen, wie z. B.
fol. 145“. 147“. 152 b . 153“ usf. — Bei vielen mit Rasur gefer
tigten Korrekturen ist der für die geänderte Fassung des Textes
allzugroße Raum paraphiert; als Beispiel sei angeführt fol. 188“
Brief 195.
4. Nachträge. Zu II 239 fol. 202 b ist am Rande, da
kein Spatium gelassen war, von anderer Hand der Nachtrag
gemacht worden: Scriptum est super hoc in eumdem . . modum
clericis sancte Marie in Via Lata. Zwischen eumdem und
modum wurde eine Lücke zwischen zwei Punkten offengelassen,
die ganz genau für . fe ., die sonst gebräuchliche Abkürzung
von fere, paßt.
Brief 75 — Compostellano archiepiscopo : Et si necesse
sit — fängt auf fol. 159“ mit deutlichstem Neuansatz an und
ist gleiclimäßig geschrieben bis fol. 159 b : iuratoriam exhibeant
cautionem. Brief 76 aber beginnt erst fol. 160“ in der zwölften
Zeile. Auf 159 b wurden nun von der gleichen Hand ganz ge
drängt und mit kleinster Schrift noch sieben Zeilen angehängt
und fol. 160“ ebenfalls von derselben Hand in den freigelas-
senen Raum 14 Schriftzeilen ganz gedrängt und eng förmlich
hineingepfercht; da der Schreiber aber auf diese Weise mit
dem Zusatze noch nicht fertig wurde, so verlängerte er die
beiden letzten dieser 14 Zeilen bis an den äußersten Rand
des Blattes und setzte das Datum noch eigens darunter auf
den Rand.
5. Besondere Merkmale. In Nr. 178“ — in der Hand
schrift ist dieses Stück bei der später zugefügten Zählung ge
flissentlich übergangen worden — auf fol. 183 b liegt ein von
auswärts in der Kanzlei eingelaufenes Protokoll vor: In nomine
patris . . . Nos Johannes. Der Registrator hat darin auf fol. 184 b
die Kreuze und die SS (,subscripsi‘) der Unterschriften offenbar
dem ihm vorliegenden Originale nachgebildet. Es sind ganz
verschieden geformte Haken und dem Schreiber, wie man deut-
166
V. Abhandlung: Peitz.
lieh sieht, nicht geläufig. Die Züge sind gekünstelt; die Iiand
ist zu diesen ungewohnten Zeichen reflex gezwungen worden.
Endlich mag noch ein, wie mir scheinen will, ganz un
mittelbarer Beweis für die Ursprünglichkeit auch dieses Re
gisterjahrganges den Schluß bilden. — II 208 auf fol. 191 b ist
ein Einlauf, ein Schreiben des schismatischen Patriarchen von
Konstantinopel an den Papst. In der zehnten Zeile steht sein
Rubrum: Innocentio sanctissimo papae Romano et in Christo
domno fratri nostro; darnach folgt ein kleiner roter Strich und
dann eine Rasurlücke mit schwarzer Paraphe. In der elften
Zeile ist von anderer Hand auf Rasur geschrieben: Johannes
divina misericordia Constantinopolitanus archiepiscopus. Nove
Rome patriarchal amorem et pacem a domino nostro Jliesu
Christo. Es haben also Intitulatio und Grußformel ursprüng
lich einen anderen und längeren Wortlaut gehabt, da sie in
erster Fassung bereits in der vorhergehenden Zeile gleich nach
dem Rubrum begannen. Von der ersten Schrift sind zwar noch
Spuren zu sehen, doch vermochte ich nicht, etwas davon zu
entziffern. Eine andere gleichzeitige Hand hat am Rande neben
dieser Zeile eine Bemerkung eingetragen, bei deren Kürze und
stark kursivem Charakter sich eine Identität mit der Hand der
Neuschrift in der Adresse nicht mit Sicherheit nachweisen läßt;
ihr gehören jedoch auch sonst noch Korrekturen an. Die Mar
ginale aber enthält den Grund der Rasur und Korrektur. Sie
lautet: In superseripitione (!) continebatur exterius totius orbis
patriarcha. Der Korrektor sagt also, daß die Vorlage, die dem
Einträge zugrunde liegt und mit der er jetzt die Registerkopie
vergleicht, eine doppelte Adresse besitzt (exterius), daß in der
außen auf dem Briefe angebrachten der Patriarch sich Patriarch
des ganzen Erdkreises nennt, also seine Leugnung des Primates
zum direkten Ausdruck bringt. Dienten bei Fertigstellung
dieses Registerbandes die angeblichen Urregister als Vorlage,
so ist die ganze Korrektur wie auch die Marginale ein uner
gründliches Geheimnis. Beide können unmöglich anders als
nach dem vorliegenden Originale gemacht sein. Daraus aber
ergibt sich unmittelbar, daß auch dieser Teil keine Abschrift
eines fertig vorliegenden Urregisters, sondern selbst Original
kanzleiregister ist.
*
* *
Das Originalregister Gregors VII. -— III, 2.
167
Reg. Vat. 5 ist ein Band wie Reg. Vat. 4 und von ähn
licher Größe, mit den Pignatellikrügen auf dem roten Leder
rücken. Uber seinen Inhalt vergleiche man Denifle, der klar
die Verwirrung in den Fragmenten des dritten Jahres löst. 1
1. Die Neuansätze mögen durch wenige Beispiele belegt
werden. V 93 fol. 28 tl , ein Brief von nur sechs Zeilen, hat
merklich größere Schrift mit anderem Duktus als V 92, zudem
ganz andere Tinte als V 94. Die Unterschiede treten gleich
heim ersten Worte der verschiedenen Stücke sofort klar zutage
und bleiben innerhalb jedes Briefes konstant. — V 133 fol. 39 a ,
ein Stück von bloß 17 Zeilen, hobt sich ganz scharf von den
voraufgehenden und den nachfolgenden Briefen ab. — Ebenso
ist auf den ersten Blick der Unterschied von VI 13 fol. 51 b
bis 52 a (9-)- 11 Zeilen) gegenüber den Nachbarstücken klar,
wie auch das gleiche der Fall ist bei VI 17 fol. 52 a ; VI 22
fol. 53 a (11 Zeilen); VI 23—24 fol. 53 a (5 --)- 16 Zeilen); VII 146
fol. 158 b usf.
2. Lücken und Spatien, die freigelassen wurden, finden
sich auch hier zahlreich. Es seien erwähnt fol. [2 b ]; fol. [3 k]:
hier ist eine Rasur von zwei Zeilen mit wenigen Worten er
gänzt, die umfangreiche Lücke, die übrig blieb, ist paraphiert;
fol. 14 a (5 Zeilen); fol. 14 b (4 Zeilen, von denen jedoch zwei
bereits einen Nachtrag enthalten) usf.
3. Zahlreiche Korrekturen und kleinere Ergänzungen
von einzelnen Wörtern finden sich z. B. fol. 4 01 a zu VI 210,
einem Einlauf von Kaiser Alexius an den Papst. Es scheint,
daß das Original griechisch war und übersetzt wurde. — In
ähnlicher Weise finden sich Korrekturen z. B. fol. 19 a Brief
V 71; fol. 34 b Brief V 120; fol. 35 a Brief V 121; fol. 95 a
Brief VI 193 usf. — Natürlich sind hier nur Nachträge und
Verbesserungen geltend gemacht, die von einer anderen Hand
herrühren und innerhalb eines Briefes gleich sind, in den ver
schiedenen Stücken jedoch die Unterschiede eines neuen An
satzes erkennen lassen.
4. Nachträge. Auf fol. 58 a ist das Schreiben VI 57 am
unteren Rande in zwei ganz eng geschriebenen Zeilen nach-
1 a. a. 0. (Arch. Lit.-Kirch.-Gesch. II) 72 a . Vgl. Specimina, Text 17—18
und Taf. 4 und 5.
168
V. Abhandlung: Peitz.
getragen. — Auf fol. [14 b ] des dritten Jahrganges — das fünfte
Jahr beginnt mit neuer Zählung — ist zum Briefe Consulibus
et populo Fanensi. Omnipotenti Deo gratias referimus copiosas
zuerst ein Apare gesetzt und dann noch ein Raum freigelassen
worden. In letzteren trug eine andere Hand mit anderer Tinte
nachträglich ein: Scriptum est ut supra. Omnipotenti Deo
usque in finem. Consulibus et populo Pensauriensi — sicut
Fanensi.
Zu Y 122 fol. 36 b : Illustri Constantin. Imperatori. Literas
et nuntios Imperatoriae dignitatis ist das Datum am Rande mit
einem Geierkopfe als Verweisungszeichen nachgetragen; — von
anderer Tinte steht hier: ATT Kal. Decembris.
Diese Beobachtungen berechtigen uns, auch Reg. Yat. 5
mit Bestimmtheit als ursprüngliches Kanzleiregister anzusehen.
*
Reg. Yat. 6 enthält das berühmte Spezialregister Inno-
zönz’ in. über die Frage des Kaisertums, super negotio
imperii. Auf die Merkmale dieser Handschrift soll hei der
speziellen Wichtigkeit des Bandes liier etwas ausführlicher ein
gegangen werden. 1
Die Pergamenthandschrift besteht aus sechs regelmäßigen
Quaternen, enthält also 48 Blätter, von denen 44 gezählt sind.
Dazu kommen zwei nicht signierte Vorsetzblätter. Die ein
zelnen Pergamentfolien messen 258 X 367 mm. 2 Der rote Leder
einband trägt auf dem Rücken in Goldpressung die Krüge des
Pignatelliwappens. er stammt also aus dem Pontifikate des Pigna-
tellipapstes Innozenz XII.
Das Inventar von 1339 kennt die Handschrift und gibt
Explizit und Inzipit des zweiten wie des vorletzten Foliums.
Das dort erwähnte Inzipit und Explizit des zweiten Blattes
stimmen genau mit unserem Bande, dessen fol. 2 a mit aposto-
1 Vgl. über die Handschrift die Angaben bei Kaltenbrunn er a. a. O.
(MIöG V) *26*2—63. Denifle a. a. O. 54—55 und 75 x . Del isl e a. a. O.
(BECH XLYI) 88. [DenifleJ Specimina, Text 20—21 und Taf. 8.
2 Delisle gibt dem Bande nur 253 X 365 mm a. a. O. (BECH XLYI) 88.
Auch sonst weichen unsere Maße, was ja leicht zu erklären ist, um ein
geringes voneinander ab.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
169
licum beginnt und 2 b mit vigilans ac schließt. Dagegen stimmen
die für das vorletzte Blatt gemachten Angaben weder für das
entsprechende noch für irgendein anderes Blatt der ganzen
Handschrift. Denifles Schluß, diese sei am Ende verstümmelt
trotz der leeren letzten Blätter, ist richtig, wenn er recht ver
standen wird. Denn es muß ursprünglich mit dem Registrum
super negotio imperii eine andere Handschrift zusammen
einen Band ausgemacht haben. Der Beweis dafür ist zwin
gend. Denn das Register selbst ist durchaus in sich abge
schlossen und, vom Standpunkte der Handschriftenkunde aus
zu urteilen, entschieden vollständig auf uns gekommen.
Der letzte Quatern zeigt nämlich genau den gleichen Charakter
wie alle übrigen: er ist sicher ebenso ursprünglich wie der
Rest der Handschrift. Das letzte Stück aber steht auf dem
innersten Folium dieser letzten Lage, und zwar auf dessen
Vorderseite, fol. 44 a , und auch diese Seite ist nicht ausge
schrieben. Es müßte also zum mindesten ein triftiger Grund
angeführt werden, wollte man trotzdem annehmen, es seien ein
zelne Bestandteile am Ende des Registers ausgefallen. 1
Eine andere Tatsache dagegen dürfte die Erklärung für
die Differenz zwischen den Angaben des Inventars von 1339
und dem heutigen Bestände liefern. Es herrschte in der päpst
lichen Kanzlei das Bestreben, statt kleiner Bände umfang
reichere Volumina herzustellen: die Inventare zeigen uns diese
Tendenz aufs deutlichste. Man vereinigte insbesondere je zwei
und mehr Jahrgänge der Register zu einem Bande. Da ist es
schwer anzuuebmen-, daß diese sechs mageren Quaterne sollten
allein gebheben sein. Schon die Analogie führt zu der Ver
mutung, daß andere Hefte mit ihnen vereinigt wurden. Volle
Gewißheit bietet uns aber auch hier nur die Handschrift
selbst. Auf der Rückseite des letzten freien Blattes, fol. 48 b ,
findet sich nämlich die Reklamante ante omnia, die wie alle
Kustoden der sechs Lagen von einer der Anlage des Registers
entschieden sleichzeiticren Hand herrührt. Das Stück aber oder
das Werk, auf dessen Initium sich doch wohl jene Reklamante
beruft, ist verloren: die mit großer Sorgfalt und zuverlässiger
1 Anch K Harape versteht die Worte Denifles von einer Verstümmelung
des Textes am Schlüsse der Handschrift* a. a. O. (MIöGr XXIII) 546.
170
V. Abhandlung: Peitz.
Genauigkeit zusammengestellte Sammlung der Initia patrum
des Skriptors der Vatikanischen Bibliothek Msgre. M. Vattasso
kennt unter den acht aufgezählten Initien ante omnia keines
für irgendeinen der Mignesehen Innozenzhände. 1 Es wird sich
also wohl um den Anfang eines Werkes handeln, dessen Ver
lust wir zu beklagen haben, wobei die näheren Umstände und
die Tatsache des Zusammenhanges mit Reg. Vat. 6 am ehesten
für eines der verlorenen Registerbücher zu sprechen scheinen.
Bis fol. XVII findet sich eine doppelte alte Folienzählung.
Zuerst war jedes Blatt oben in der Mitte mit einem fortlaufen
den Buchstaben des Alphabets bezeichnet: A—R; die Schrift
dieser Buchstaben ist der des Registers gleichzeitig. Dann trug
eine Hand statt der Buchstaben Zahlen ein: I—XVII; dabei
wurde XVII mitten auf das R gesetzt, dieses fast ganz ver
deckend. Aber auch diese Zählung kam nicht weiter: von dort
ah fehlt jede alte Foliierung-, Statt dessen sind die Briefe im
14. Jahrhundert, wie es scheint, fortlaufend mit lateinischen
Ziffern numeriert worden.
Auch für das Registrum super negotio invperii erhebt sich
nun die Frage nach seiner Originalität: ist es ein Original
kanzleiregister oder nicht? Die Entscheidung ist in diesem
Falle um so wichtiger, als ihre Bejahung für die päpstliche
Kanzlei die gleichzeitige, wenigstens zeitweise Führung von
Spezialregistern neben den großen allgemeinen Kanzleibüchern
unumstößlich beweisen würde. Es sollen darum auch die ein
zelnen Erscheinungen, die sich hei den ersten Bänden Inno
zenz’ III. zeigten, in bezug auf dieses Register etwas ein
gehender besprochen werden.
1. Eine Untersuchung des Überganges von Lage zu
Lage weist auch nicht die geringste Verschiedenheit der Schrift
beim QuaternenWechsel auf. Fol. 8 b beginnt in Zeile 35 die
Deliberatio domni papae Innocentii super facto Imperii de
tribus electis und sie endigt auf fol. 10 b Zeile 14, ohne daß
sich bei 9“ der geringste Unterschied ergäbe. Ebenso geht es
hei den Übergängen von 24 b zu 25“, von 32 b zu 33“ usf. Ja
1 M. Yattasso, Initia Patrum aliorumque Scriptorum Ecclesiasticorum Lati-
norum I A—M (Romae 1906 = Studi e Testi XVI) 65—66. Der zweite
Band dieses mühevollen Werkes erschien 1908 (= Studi e Testi XVII).
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
171
Brief 52, der in den sieben letzten Zeilen von 16 b beginnt,
setzt sicli auf 17" olme jede wahrnehmbare Verschiedenheit
fort, und doch mußte hier am ehesten ein Unterschied zu er
warten sein. Denn fol. 17 a hat wie der ganze folgende Quatern
bis 24 b auf jeder Seite 59 Zeilen, während die beiden ersten
Lagen ein Schema von nur 51 Zeilen aufweisen.
Dafür aber ergibt sich ein steter und starker Wechsel
von Brief zu Brief. Wenn mit Brief 2 auf fol. l b ein neuer
Ansatz nur einzutreten scheint, ohne daß er sich mit Sicher
heit behaupten ließe, ist ein solcher bei Brief 4 auf fol. 2"
Zeile 6 von unten durchaus sicher und ohne weiteres ersicht
lich. Die Schrift, vorher schlank und zierlich, wird breit und
massig und dabei gedrängter. So bleibt sie bis' Brief S fol. 3"
einschließlich. Es beginnt allerdings in Brief 7 fol. 3" nach den
Worten: Salutem et promptum plötzlich eine ganz verschiedene,
blässere Tinte, aber Hand und Schriftzug bleiben die näm
lichen. Diese blasse Tinte geht dann, wie erwähnt, bis zum
Schlüsse von 7, bei Brief 8 aber setzt mit dem neuen Duktus
auch eine ähnlich dunkle Tinte wieder ein, wie sie sich in 6
und im Anfänge von 7 zeigte.
Brief 4—8 stammen wohl von einer anderen Hand — die
genauere Bestimmung derselben muß ich anderen überlassen.
Mit Brief 9 aber, der sicheren Neuansatz zeigt, beginnt auf
fol. 3" wieder der erste Schreiber, der in 1—3 tätig war, und
er schreibt nun, ohne daß ein Absetzen festzustollen wäre, bis
Brief 11 fol. 4" einschließlich.
Nach einem leeren Zwischenräume von zwei Zeilen be
ginnt der zwölfte Brief, von einer neuen Hand, mit dunklerer
Tinte als vorher. — Der nächste scharf geschiedene Neuansatz
ist bei Brief 16 auf fol. 5°, der wieder dem Schreiber von 10
und 11 angehört. Er umfaßt nur eilf Zeilen mitten auf der Seite.
— Gleich das folgende Stück hat Neuansatz von gleicher Hand
mit schwärzerer Tinte und festerem Duktus. — Sicher wurde
dann vom Schreiber — vielleicht dem gleichen, von dem 18
und 19 herrühren — bei Brief 20 auf fol. 6 b neu eingesetzt.
Von dort fließt die Schrift gleichmäßig bis 28. —
Mit 29 beginnt auf fol. 8 b plötzlich eine ganz feine und
kleine Schrift, die vielleicht bei 30 fol. 10 b , sicher aber bei 32
fol. 11" Zeile 11 von unten und ebenso gewiß bei 33 fol. ll b
172
V. Abhandlung: Peitz.
neu ansetzt. — Brief 49, einem Stück von sechs Zeilen auf
fol. 16", ist mit Bestimmtheit ein eigener, von 48 und 50 ver
schiedener Ansatz zuzuschreiben. -— Im folgenden dagegen ist
es schwer, eine Sicherheit zu gewinne^. So geneigt ich wäre,
auf Grund der Untersuchung der Handschrift Neuansatz anzu
nehmen hei 60 fol. 18 b . 70 fol. 21". 77 fol. 22 b und 78 fol. 22 b ,
so kann ich solchen doch erst bei 80 fol. 23 b und dann wieder
bei 82 fol. 23 b . 84 fol. 24". 85 fol. 24 b . 86 fol. 24 b mit Bestimmt
heit dartun. Dann aber bleibt die Schrift ganz gleichmäßig
bis 104 einschließlich. Brief 105 auf fol. 28" hat anderen Duktus
und verschiedene Färbung der Tinte. — Mitten in Brief 108,
der fol. 29" bald nach der Mitte der Seite beginnt, setzt auf
fol. 29 b Zeile 15 nach excutit manus suas eine sehr blasse Tinte
bei den Worten ein: et de quo dicere und sie bleibt von dort
bis zum Schlüsse dieses Schreibens auf fol. 29 b Zeile 3
von unten.
Brief 109 fol. 29 b Zeile 2 von unten bis fol. 30" Zeile 14
hat bedeutend dunklere Tinte mit sicherem Neuansatz; in 110
dagegen auf fol. 30" wird, bei geändertem Duktus, die Tinte
wieder ganz blaß und bleibt so bis 112 fol. 30 b . Brief 113 hat
Neuansatz. Brief 114 ist auf fol. 30 b von Zeile 48—57 nach
getragen, unter den unteren Rand der Schriftfläche auf den
benachbarten Seiten. Dann ist erst hei 121 fol. 32" Zeile 14
sichere Änderung in der Schrift nachzuweisen: liier dürfte sogar
eine andere Hand anzunehmen sein. — Sicheren Unterschied
gegen die vorhergehenden Schreiben zeigt 131 fol. 33". Von
anderer Hand rührt 138 fol. 33 b , und diese Hand ist nun, mit
Neuansatz bei 140 fol. 35", tätig bis 141 fol. 35 b , wo sie von
einem anderen Schreiber abgelöst wird, der die nächsten Briefe
einträgt, bei 143 fol. 36" und bei 144 fol. 36" jedoch neu an-
setzt. — Fol. 36 b ist am oberen Rande Brief 145 und mit
weiterem Neuansatze Brief 146 und 147 naehgetragen, während
die in regelmäßiger Folge auf dieser Seite eingetragenen
Schreiben als 144. 148. 149. 150 gezählt sind. Von dort bis
zum Schlüsse sind Neuansätze mit Wechsel von Tinte und
Duktus sicher zu erkennen bei 166 fol. 40". 167 und 168 fol. 40".
176 fol. 40 b . 177 fol. 41" oben. 178 fol. 41" und bei 190 fol. 43".
Bei diesem letzten Stück dürfte zudem wieder eine neue Hand
einsetzen.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
173
2. Lücken. Mehrfach findet sich in dieser Handschrift
eine auffällige Lücke in der Datierung.
Brief 1 fol. l b : Datum Laterani V. non. (12 mm) Maij.
„ 2 „ 2 a : Dat. Late \ rani etc. (41 mm) pontif. . .
„ 11 „ 4 a : Dat. Lateran. XLIL. (4 mm) kl .. .
„ 16 „ 5 a : Dat. Lateran. (25 mm) Nouembr . . .
„ 30 „ 10 b : Dat. Lateran. (7 mm) Non. (3 mm) Januar . . .
„ 81 „ 23 b : Dat.(7mm)Laterem.(16mm) Id. (7mm) Januarii.
Es ist zwar auch sonst das Datum etwas auseinander-
gezogen, um nach Möglichkeit die Zeile zu füllen, und auf
dieses Bestrehen dürften sich sicher auch die Lücken in Brief 1
und 11 zurückführen lassen. Aber die außerordentlich großen
Zwischenräume in 2. 16. 81 zeigen doch in Verbindung mit
der gerade an den betreffenden Stellen unvollständigen Datie
rung, daß ursprünglich ein späterer Eintrag des Datums beab
sichtigt war, der dann leider unterblieb.
Wie in allen anderen Registern fehlen auch hier oft die
Anfangsbuchstaben der Eigennamen und diese sind nur durch
die beiden Punkte . . angedeutet.
Auch nach einzelnen Briefen finden sich in diesem Bande
leere Spatien von einigen Zeilen, wie z. B. fol. 4 a nach Brief 11.
3. An Korrekturen, sachlichen Änderungen und
Zusätzen ist der Band stellenweise reich. Es soll hier auf
einzelne der wichtigeren hingewiesen werden.
Brief 61 fol. 19 a ist bestimmt Nobili uiro . . Duci Za-
ringie und beginnt: Venerabilem fratrem nostrum . . Salzbur-
gensem Arehiepiscopum. Im Texte heißt es: ... Graecis trans-
tulit in Germanos. Sed et principes recognoscere debent, | et
utique recognoscunt ^ quod ius et auctoritas . . . Mit dem
gleichen Verweisungszeichen ist am Rande nachgetragen:
sicut idem in nostra recognovere praesentia. Der Nachtrag
rührt von anderer Hand. — Im gleichen Briefe heißt es etwas
später im Text: Absit omnino. Obiectioni ergo prin \ cipum
respondentes asserimus. Adiecimus etiam, quod legatus noster . .
Episcopus Prenestinus nec electoris gessit personam iuxta . . .
Die Worte Adiecimus etiam sind durchgestrichen und zu den
beiden Punkten über der Zeile nach Prenestinus ist am Rande,
von der gleichen zweiten Hand, der Zusatz gemacht : o appro-
174
V. Abhandlung: Peitz.
bando [pers] karissimum in Christo filium nostrum regem Otto-
nein et reprobando Philippum ducem Suevie. Das von mir in
Klammern gesetzte [pers] ist in der Handschrift von gleicher
Tinte durchgestrichen. Beide Koten entstammen, nie gesagt,
einer zweiten, aber ganz sicher gleichzeitigen Hand. Hier kann
es sich nicht um die Verbesserung von Auslassungen und flüch
tigen Versehen eines Kopisten handeln. Es wäre doch höchst
merkwürdig, daß dieser trotz seiner Flüchtigkeit und seines
Versehens zweimal so ausgezeichnet einen wirklich guten Sinn
getroffen hätte; denn auch sein Text ist völlig korrekt und
innerlich zusammenhängend. Aber er enthält einen verschie
denen Sinn und die Marginalien bieten eine wirkliche sachliche
Erweiterung. Überdies hat der Korrektor während der Nieder
schrift der zweiten Note über die beste Form ihrer Stili
sierung nachgedacht und die schon beabsichtigte Fassung
wieder aufgegeben und umgeändert. Das angefangene, aber
noch nicht vollendete personam der zweiten Note, das durch
kein nahestehendes Wort des Kontextes angeregt war, wurde
gegen eine andere Wendung vertauscht. Das ist nicht Ko
pistenart.
In demselben Briefe 61, der sonst sehr genau geschrieben
ist, findet sich außerdem auch eine eigentliche Korrektur auf
fol. 19" unten. Hier lautete der anfängliche Text: excommuni-
catus electus etc. ut supra in eundem rnodum, quo scriptum \
est Principibus Älamannie, usqae: sua temeritate uenire.
Utrum . . . Das letzte: sua temeritate uenire steht auf Rasur
und ist von der gleichen Hand und Tinte geschrieben wie die
vorhin besprodienen Randnotizen. Die Stelle, auf die hier ver
wiesen wird, steht fol. 12"—12 1 ' in Brief 33. Dieser ist adres
siert: Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus principibus
Älamannie, wie in der Kanzleinotiz auch gesagt ist, und be
ginnt: Et si quidem Imperatores . . . Zum Beginne des Bezie
hungstextes ist hier auf fol. 12" ein f gesetzt und das näm
liche Zeichen findet sich auf fol. 19" am Rande zum Hinweise
selbst. Nach den Schlußworten des in 61 angezogenen Textes
ist in Brief 33 auf fol. 12 b eine Rasur von 40 mm Umfang bis
zum Schlüsse der Zeile und von 17 mm am Anfänge der nächsten
Zeile: beide Lücken sind mit einem einfachen langen Strich
durchgestrichen.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
175
4. An einzelnen Stellen weist der Registerband Nach
träge und außerdem mehrere sehr interessante Rasuren auf.
Die Nachträge von ganzen Briefen — 114 auf. fol. 30 b .
145 und 146—147 auf fol. 36 b — wurden bereits oben unter 1
namhaft gemacht.
Im Briefe 195 auf fol. 44 a an Otto mit dem Inzipit: Si
commode posset fieri ist der Name Johannem Cappltanum (!) in
die vom Schreiber gelassene Lücke mit ganz bedeutend ver
schiedener, tiefschwarzer Tinte und, wie es scheint, von anderer
Hand eingesetzt. Cappltanum steht auf Rasur, den Schaft des
ersten l durchbohrt ein kleines rundes Loch.
In Brief 75 fol. 22 a — Episcopo Prenestino legato: Suppli-
cavit nobis — ist fol. 22 b Zeile 1 im Datum die Angabe des
Pontifikatsjahres anno Quinto am Schlüsse über der ganz aus-
gefiillten letzten Zeile dieses Briefes von anderer Hand nach
getragen.
Von Brief 138 fol. B3 1 ’, einem Eiulaufe Philipps — Scriptum
est et multiplici — steht der ganze Anfang bis minime credi-
mus alienum, d. h. 4 1 / 2 Zeilen, auf Rasur. Das Rubrum Scriptum
Philippi ad domnum Papam ist in die am Schlüsse des voran
gehenden Briefes freigebliebenen Zeilenenden eingetragen.
In Brief 154 fol. 37'* ist eine Lücke von 2 1 / 2 Zeilen heraus
radiert zwischen dampna et opprobia inferentes einerseits und
nosque non sine anderseits. In die Lücke Tvurde et geschrieben
und der Rest der fünften Zeile dieser Seite nach inferentes,
eine Rasur von 6 mm, sowie der Anfang der achten Zeile vor
nosque, eine Rasur von 67 mm, wurden durch einen roten Strich
ausgefüllt. An einer Stelle durchbohrte die Rasur sogar das
Pergament; das Loch trifft in Brief 150 fol. 37 a zwischen die
Zeilen. — Eine weitere kleinere Rasur trägt die Worte expe-
dire cognoveris (nach si tibi et Imperio).
Von Brief 141 -— Littere Ottonis regis mit dem Initium:
Quod kactenus fuimus — stehen die ganze Adresse auf fol. 38%
die drei letzten Zeilen dieser Seite und fast der ganze oder
sogar einfaclihin der ganze Text auf Seite 38 b — eine sichere
Entscheidung ist bei dem außergewöhnlichen Geschick, mit dem
diese Rasuren ausgeführt sind, schwer zu treffen — auf Rasur.
Spuren der ursprünglichen Schrift sind noch zu erkennen in
der Lücke zwischen vestros scribere dignemini und adicientes,
176
V. Abhandlung: Peitz.
an einer Stelle, wo auch die Vorderseite des Blattes unbe
schrieben ist. Auch an einigen anderen Stellen lassen sich noch
Spuren aufzeigen, allein zu lesen oder zu entziffern vermochte
ich wegen der Gründlichkeit der Tilgung gar nichts. Bei der
Rasur war am Anfänge der ersten und zweiten Zeile von 38 b
ein kleines Loch entstanden; darum wurde hier kein neuer
Eintrag geschrieben, sondern eine Lücke paraphiert. Am An
fänge der ersten Zeile stand vielleicht ursprünglich principibus.
Die auffallendste Rasur endlich findet sich auf fol. 14 b .
Hier wurde ein ganzer Brief nachträglich in seinem vollen
Umfange ausradiert. Er umfaßte 32 Zeilen, war nach Ausweis
der Rubrizelle adressiert Penestrin. (!) episcopo apostolicae sedis
legato und begann gemäß der für den Rubrikator am Rande
klein vorgezeichneten Initiale mit L. Der ganze Brief war
bereits ausgeführt und rubriziert, doch ist außer dem Adreß-
rubrum, von dem noch die Spuren P po s
legato erhalten sind, gar nichts mehr qyi sehen.
Wie sollten sich so ausgedehnte, so merkwürdige, so ge
häufte Rasuren in einer nach fertiger Vorlage abgeschriebenen
Prachthandschrift verstehen lassen? Denifles Hypothese ver
wickelt in Schwierigkeiten über Schwierigkeiten ohne jeden
Ausweg. Es gibt nur eine Lösung und eine Erklärung für alle
diese Erscheinungen: das Registrum super negotio Imperii
ist Originalregister.
Über die Art und die Zeit des Entstehens auch dieses
Bandes kann also nach dem Dargelegten ein Zweifel kaum
mehr möglich sein. Wir haben es mit einem Spezialregister zu
tun, das in der Kanzlei Innozenz’ III. selbst begonnen und je
nach Fortgang der in Betracht kommenden Korrespondenz bis
zum vollen Austrage der Angelegenheit weitergeführt wurde.
Seine Technik ist um so lehrreicher, als wir es hier mit ver
hältnismäßig wenigen, über einen größeren Zeitraum verstreuten
Briefen zu tun haben. Dadurch verstärken sich die Unter
schiede und treten mit größerer Schärfe und Klarheit in die
Erscheinung. Das Registrum super negotio imperii ist
geradezu ein Mustertyp zum Studium der älteren Ori
ginalkanzleiregister. Eine erneute, bis in die letzten Fein
heiten der Handschrift eindringende Untersuchung und eine auf
ihren Ergebnissen aufgebaute sorgfältige Neuausgabe wäre un-
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
177
bedingtes Erfordernis. Ja es will scheinen, als ob eine Faksi
mile-Wiedergabe dieses Bandes wie des Registers Gregors VII.
nicht zuviel wäre und unsere historischen Studien um ein be
deutendes fördern würde. Es wäre eine des Vatikanischen
Archivs und seiner Traditionen würdige Aufgabe. 1
* *
*
Uber Reg. Vat. 7 brauchen keine ausführlichen Erörte
rungen angeknüpft zu werden. Es ist ein Originalregister wie
die bisher betrachteten Bände. Wechsel und Neuansätze der
Schrift, Korrekturen, sachliche Ergänzungen, Nachträge usf.
beweisen es. Gerade bei diesem Bande liegen die Verhältnisse
so klar und sind die besprochenen Erscheinungen stellenweise
dermaßen deutlich, daß ich, noch ganz im Banne der herr
schenden Auffassungen und unter dem Eindrücke der For
schungen Denifles, bei diesem Registerbande zuerst an deren
Richtigkeit zu zweifeln begann.
* *
Hs
1 Daß es sich im JRegestum super negotio imperii um ein im Laufe der
Jahre sukzessiv angelegtes Kanzleibuch handle, konnte man schon nach
den Mitteilungen Kaltenbvunners über die in ihm beobachteten Er
scheinungen (MIöG V 223) und aus den Angaben Denifles vermuten
(Specimina, Text 20—21). Es ist eigentümlich, wie stark die allgemeine
Auffassung und das voreingenommene Bewußtsein das Urteil über ein
zelne Tatsachen und Erscheinungen bei beiden Männern trübte. Kalten-
brunner bemerkt, daß in dem dünnen Registerbande ,nicht bloß Hände,
sondern auch die Tinte häufig wechseln 1 . Er schließt daraus, daß gleich
zeitig in der Schreibestube der Registratur mehrere Arbeiter tätig waren“,
und erhielt durch diesen weit über seine Prämissen hinausgehenden
Schluß im politischen Register Innozenz’ III. einen Stützpunkt für seine
These von der Nichtursprünglichkeit dieser Bände. — Denifle zeigte, wie
die Schrift der im Hegestum super negotio imperii enthaltenen Briefe
übereinstimmt mit der Schrift der entsprechenden Jahrgänge im General
register und mit ihr wechselt; dabei sind seine Angaben immerhin be
stimmt genug, um erkennen zu lassen, daß der Wechsel keinesfalls etwa
mit Beginn der neuen Lage zusammentrifft. — Diese Anhaltspunkte
schlossen ja freilich ein nachträgliches Entstehen auch dieses Bandes im
Zusammenhänge etwa mit der Abschrift der anderen Registerbände noch
nicht mit unbedingter Sicherheit aus, sie boten aber für die Kalten-
brunner-Deniflesche Hypothese eine solche Fülle der bedenklichsten
Schwierigkeiten, daß nur die triftigsten Gründe gegen die Originalität
der Innozenzbände sie zu beseitigen vermocht hätten.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 5. Abh.
12
178
V. Abhandlung: Peitz.
Weniger offen liegt die Sache zutage bei Keg. Yat. 7 A,
der Ashburnham-Handschrift, über deren Schicksale und Irr
fahrten Delisle und Denifle berichtet haben. 1
Am oberen und unteren Rande ist der Band beschnitten
worden, am Seitenrande aber nicht. Heute trägt er einen
schwarzen Ledereinband. Auf ilm beruft sich Denifle bei
seinen Aufstellungen über die Entstehung der Register mit be
sonderem Nachdruck. 2 Das zwingt uns, die Erörterungen auch
über diesen Registerband etwas ausführlicher zu gestalten.
Bis fol. 85 sind elf regelrechte Quaterne — es folgen
nämlich nach fol. 45 drei freie in der Handschrift bei der späten
Foliierung nicht mitgezählte Blätter. Dann kommen zwei halbe
Sexterne und den Beschluß bilden vier Quinterne. — In der
Einleitung zu den Specimina palaeographica bemerkte Denifle
bereits, daß mit dem neunten Buche der Innozenzregister eine
etwas größere, der Bücherschrift des 13. Jahrhunderts entspre
chende Schrift auftrete, die sich im Band 7 A weiter fortsetze. 3
1. Die Schrift ist sehr regelmäßig und verrät eine gut
geschulte und stark geübte Hand. Gleichwohl zeigen auch in
diesem Bande eine ganze Reihe unzweifelhafter Neuansätze
bereits, daß uns in ihm das Originalregister, nicht eine bloße
Abschrift aus diesem erhalten ist.
So bemerkt man, um nur einige ganz sichere und klare
Beispiele namhaft zu machen, einen Neuansatz deutlich hei X 4
fol. l b , Zeile 5; bei X 6 fol. l b , Zeile 5 von unten; X 19
fol. 5% Zeile 3; X 20 fol. 6% Zeile 2; X 27 fol. 7- usf.
Bei der ersten flüchtigen Durchsicht scheint auch mit der
neuen Lage auf fol. 9 a ein neuer Ansatz sich geltend zu machen,
aber bald überzeugt eine genauere Prüfung, daß es eine bloße
Täuschung ist, die durch den Wechsel des Linienschemas be
dingt wird. Während nämlich auf fol. l a — 8 b je 38 Zeilen für
eine Seite gerechnet werden, erhält 9 a deren 54. Naturgemäß
wird damit auch die Schrift etwas enger und kleiner.
Auf fol. 9 a hat wieder X 33 Neuansatz, fol. 9 11 X 34,
fol. 11“ X 43 und X 44 und — zum dritten Male auf der
1 L. Delisle a. a. O. (BECH XLVI) 92—93. Vgl. Pitra, Anal, noviss.
Contin. alt. I 486—87.
2 Arch. Lit.-Kircb.-Gesch. II 63. Vgl. Specimina, Text 19—20 und Taf. 7.
3 Specimina, Text 20 (zu Taf. 8) und 19—20 (zu Taf. 7).
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
179
gleichen Seite — X 45. Ebenso beginnt X 46 auf fol. 11» mit
Neuansatz.
Brief X 110 bat nur zehn Zeilen. Er beginnt auf fol. 24 b
mit anderem Duktus als sein Vorgänger und schon der nächste
Brief X 111 fol. 24» hat wiederum neuen Ansatz. Ein solcher
ist dann weiterhin auch zu konstatieren bei X 112 auf fol. 25“,
X 113 fol. 25», X 116 fol. 25», X 118 fol. 26“.
Der elfte Jahrgang beginnt fol. 46“ durchaus von der
o-leichen Hand, mit der das zehnte Jahr abschloß. Auch in
ihm finden sich solche Folgen von Wechsel der Schrift in
Duktus und Tinte wie vorher. Als einzelne Proben seien an
geführt XI 4 fol. 46“, XI 7 fol. 46», XI 9 fol. 47“, XI 25
fol. 48“, XI 33 fol. 49» und auf der nämlichen Seite, nach bloß
neun Zeilen für XI 33 und 34, wieder mit Neuansatz XI 35 usf.
Aus dem zwölften Jahre sei zunächst auf die Gruppe von
Briefen fol. 96“ — 98“ aufmerksam gemacht. Die Briefe 1—5
haben tiefschwarze Tinte; bei Brief 6 fol. 96“ wird sie mitten
auf der Seite plötzlich viel heller; Brief 7 hat eine beträchtlich
kleinere und engere Schrift. Ebenso haben gleich darauf Brief 11
fol. 97», 12 ebendort und 13 fol. 98“ ganz sicheren Neuansatz.
— Weiterhin weisen die vier aufeinanderfolgenden Stücke 52
fol. 106“ mit nur 9 Zeilen, 53 fol. 106“ —106» mit 8+17 Zeilen,
54 fol. 106» mit 22 Zeilen und 55 fol. 106»—107“ jedesmal
einen ganz klaren Neuansatz mit verschiedener Tinte und an
derem Duktus auf. — Nach ihnen folgt bereits fol. 107» Zeile 12
ein weiterer Neuansatz in Brief 58 mit 32 Zeilen und auf der
gleichen Seite in 59 fol. 107» —108“ mit 13+-28 Zeilen und
wieder einer auf fol. 108“ in Brief 60.
2. An zahlreichen Stellen sind in der Handschrift Lücken
zu Nachträgen freigelassen. So ist z, B. fol. 44“ am Anfänge
der Seite ein freier Baum von nicht weniger als 34 Zeilen
nach Brief X 205, der fol. 43» unten ohne Datum auf hört.
Fol. 82“ sind nach XI 311 ebenfalls 6 Zeilen frei, nach XI 346
auf föl. 87» sind es deren 5, nach XII 69 fol. 110» wieder
17 Zeilen usf.
3. An Korrekturen und Nachträgen genügt es, auf
wenige Beispiele aufmerksam zu machen.
Fol. 63» findet sich zu Brief XI 222 ein inhaltlicher Er
weiterungsnachtrag. Der Brief geht an Raincddus Capuanus
12*
180
V. Abhandlung: Peitz.
archiepiscopus und beginnt: Solet annuere. Der von der Hand
des ersten Schreibers herrührende Text schließt hier: . . . vel
ei aliquatenus contraire. Si quis autem etc. Bat. apud sanctum
Germanum XI Jcal. Aug. anno XI 0 . Zu etc. ist ein Venveisungs-
zeichen gesetzt und am Rande steht von anderer Hand mit
gleichen Zeichen: Nulli ergo etc. nostre confirmationis etc. Si
quis autem etc. Bat. etc. XII Jcal. Aug.
Fol. 102 b ist in Brief XII 33 am Schlüsse von anderer
Tinte hinzugefügt: Scriptum est . . episcopo et . . Cantori . . . .
in modum executionis in eundem fere modum usque assumi . . .
Durch untergesetzte Punkte, die eine hellere Tinte aufweisen
als der Text, wurde dann das in eundem fere modum der Exe-
kutorie getilgt und außerdem noch mit roter Farbe durch
gestrichen.
Fol. 93 b ist eine Rasur von mehr als zwei Zeilen und
auf die daraus gewonnene Lücke wurde ein neuer Text von
der gleichen Hand eingetragen. Der Nachtrag ragt am Scldusse
von drei und am Anfänge von zwei Zeilen auf den Rand hinaus:
er ist also um ein beträchtliches weiter als die Fassung, die
ursprünglich dort gestanden hatte.
In XI 320 fol. 85° mit der Adresse: Episcopo Aniciensi
und dem Initium: Licet ex innumero war das Datum bereits
nach postposita compellendo geschrieben, Avie das noch gut er
kennbare Anfangs-D beAveist. Nachträglich Avurde es ausradiert
und die Formel eingeschoben: Quod si non omnes etc. tu frater
episcope cum eorum et (!) altero etc. Bat. Laterani V. Kal. Febr.
etc. ut supra. Von Febr. an ragt der Text trotz der starken
Kürzungen und der engen Schrift auf den Rand hinaus.
In mehreren Briefen ist für das Datum ein freier Raum
gelassen, ohne daß dieser ausgefüllt Avorden wäre. Als Beispiel
diene X 61, avo es heißt: Bat. Lat Maii Anno Becimo.
4. Von dem zu registrierenden Einlaufe scheinen dem
Schreiber die Originale A r orgelegen zu haben. Dafür sprechen
die Nachzeichnungen, z. B. in X 190 oder X 211, von’Mono-
grammen u. ä., die der Schreiber vielleicht nicht auflösen konnte
oder doch nicht auflösen Avollte. An sich könnten ja diese Nach
zeichnungen auch durch Vermittlung eines früheren, hier nur
kopierten Registereintrages in die betreffenden Stücke über
gegangen sein, doch ist Kopie nach Originalvorlage einmal von
Das Originalregister Gregors VII. — III, 2.
181
vornherein das Näherliegende und müßte durch positive Gegen
gründe ausgeschlossen werden, dann aber wird obiger Schluß
im Zusammenhalt mit den anderen dargelegten Erscheinungen
direkt aufgenötigt. In diesen Einläufen — Stücken aus der
königlich französischen Kanzlei — finden sich natürlich auch
keinerlei Korrekturen oder Nachträge noch Spatien, wie sie aus
den übrigen Registereinträgen angeführt sind. —
Andere Einträge, Avie z. B. das verlängerte und verzierte
Amen in XI 266, tun dar, daß der Schreiber mit den Eigen
tümlichkeiten der Urkundenschrift und dem Kanzleibrauch sehr
AY’ohl vertraut war.
Ein EinAvand Denifles muß eigens berührt Averden. 1
Denifle macht den in diesem Bande allerdings an einigen Stellen
etwas stärker auffallenden Wechsel der Zeilenzahl und beson
ders deren Zunahme im Verlaufe der Handschrift geltend als
Beleg dafür, daß der vorliegende Band eine Kopie sei, hei der
der Kopist mit dem nach der Vorlage bemessenen und zuge
teilten Pergament im Anfänge recht verscliAvenderisch umging,
um später aus Furcht, nicht auszukommen, übermäßig haus
hälterisch zu Averden; erst gegen den Schluß hin habe er seine
Befürchtung als unbegründet erkannt und die übergroße Spar
samkeit wieder aufgegeben. Durch dieses eigenartige Verhältnis
verrate sich die Handschrift notAvendig als Abschrift nach fer
tiger, geordneter Vorlage, die genaue Berechnung möglich ge
macht habe.
Selbst angenommen, der Befund zeige genau das Bild,
das Denifle von der Handschrift entwirft, so beAveist ein solches
Verhältnis noch immer nicht, Avas es beAveisen soll. Es ist sehr
mißlich, aus Avenigen äußeren Tatsachen auf Intentionen und
Befürchtungen der mit ihnen verknüpften Personen schließen
zu wollen, ganz unstatthaft aber, aus derartigen hypothetischen
Folgerungen Aveitere Schlüsse zu ziehen und andere Annahmen
zu beweisen. Und auch Avenn der Schreiber jene Intention ge
habt hätte: vertrüge sie sicli denn nicht mit einem Original
register? Konnte nicht auch da ein Schreiber zuerst recht
leichtsinnig mit seinem Schreibstoff umgehen, dann übermäßig
sparsam Averden und gegen Schluß, bei flauem Geschäftsgang
1 a. a. O. (Arcb. Lit.-Kirch.-Gesch. II) 63.
182
V. Abhandlung: Peitz.
und geringerem Registermaterial, sich wieder etwas größere
Freiheit erlauben? Es hätte auch in diesem Falle, sollte der
Einwand stichfest sein, die Erklärung als die einzig mögliche
und jede andere als schlechthin ausgeschlossen mit ander
weitigen Gründen unumstößlich nachgewiesen werden müssen.
Indes dürfte die folgende Zusammenstellung dartun, daß
auch der objektive Befund durchaus nicht den angenommenen
Charakter auf weist, und damit dürften auch alle Folgerungen
als Illusionen in nichts sich auflösen. Die fettgedruckten Zahlen
bedeuten dabei die jeweilige Zeilenzahl. 1* 2 a 6 b 7 a 7* 8»
8» = 38 Zeilen; = 54; 9* = 55; 10» = 53; ICC 11» 12»
15» = 55; 33* 34» 37» 45» 46» 49“ 50» 57» = 55; 69 b = 56;
72* 73» = 51; 89» 107* 111* 113» = 56; 117» = 57; 121*
= 63; 122* 123» = 62; 124* = 64; 128* = 62; 129» = 63;
129* = 58. Blatt 132* aber ist das letztbeschriebene des Bandes.
Bei allen obigen Angaben sind natürlich jene Seiten ausge-
sclialtet, die nicht vollständig beschrieben sind und Lücken auf
weisen. •— Zum Vergleiche möge nur auf zwei andere Register
bände hingewiesen werden. In Reg. Vat. 5 brachte eine Zählung
der Zeilen das folgende Ergebnis: 38* 42* 46* = 51; 50»
= 50; 51» 51* 54» 56» = 49; 56* = 50; 57» 59» 59* = 44;
80* = 45 (+ 1 Zeile unter der üblichen Schriftfläche); 81»
82» 104» = 43; 104* = 44; 105» 106» = 43; 109» = 44;
117» 141» 141* = 43; 142» 142* = 38; 178* 179» = 39;
175» 177» = 38. — In Reg. Vat. 9 ergaben sich folgende
Zeilenzahlen: 78* 88» 91» 111» 125* = 39; 126» 126* = 38;
127“ 138» 141» 186» 201» 215» 223» = 39. Mit 225», dem
Beginne einer neuen Lage, werden die Zeilen nicht nur enger,
sondern auch merklich länger: 225» 225* 226» 234» 261»
271» = 41 Zeilen.
Zum Scldusse sei die Beschreibung des Inhaltes der Hand
schrift bei Denifle und Delisle durch einige genauere Angaben
ergänzt.
Buch X schließt fol. 45*; es folgen drei leere, nicht
signierte Blätter. Fol. 46» beginnt das elfte Buch und schließt
mit fol. 89. Nach vier ungezählten freien Blättern folgt ein
halber Sextern, dessen letztes Blatt leer ist. Auf seiner ersten
Seite steht fol. 90» von einer Hand des 14. Jahrhunderts Annus XII.
Mit Recht, wie es scheint, denn das einzige datierte Stück dieser
Das Originalregister Gregors VH. — III, 2.
183
ganzen Sondergruppe, Brief 4 auf fol. 92 b , hat das Datum
Lateran. Anno XII. Fol. 95“ steht in Iiubro die Überschrift
des zwölften Buches; es endigt auf fol. 132; die beiden Schluß
blätter des letzten Quinterns sind leer. — Den Inhalt und die
Stellung der Gruppe fol. 90—94 bis eingehender zu untersuchen,
gebrach es an Zeit.
Daß auch dieser Band Innozenz’ III., Reg. Yat. 7 A, ein
ursprüngliches Kanzleiregister darstellt, nicht eine nach
fertiger geordneter Vorlage angelegte Prachthandschrift, dürfte
liiemit wohl hinreichend begründet sein.
* *
*
lieg'. Vat. 8 wurde bereits von Denifle richtig als eine
der unter Urban IV. gefertigten Registerkopien be
stimmt. 1 Hier handelt es sich also ganz gewiß um eine Ab
schrift und der Vergleich mit dem Register Gregors VII. ist
um so lehrreicher.
Auch hier läßt sich an einzelnen wenigen Stellen bei Be
ginn eines Briefes eine leichte Änderung in der Färbung der
Tinte und vielleicht auch im Duktus wahrnehmen, aber dann
bleibt die Schrift gleichmäßig viele Seiten und ganze Hefte
hindurch völlig gleich, ohne die leisesten Unterschiede und ohne
die mindeste Unterbrechung. Der erste und der zweite Quintern
bis fol. 20 1> einschließlich sind von einer Hand. Mit fol. 21“
beginnt mitten in Brief XIII 76 ein anderer Schreiber bei den
Worten diffugium convolare. Fol. 40 schließt ein Quintern und
es folgt ein halber Sextern, dessen zwei letzte Blätter jedoch
abgeschnitten sind: das stehengebliebene Rändchen wurde an
44 b angeklebt. Leider hatte man zu viel fortgeschnitten: der
letzte Brief von Buch XIII ist nun unvollständig. —
Fol. 45“ beginnt auf neuem Quintern Buch XIV von an
derer Hand. Nach zwei Lagen (Quinternen) wird diese wieder
von einer neuen Hand abgelöst. Ebenso setzt mit den neuen
Lagen bei fol. 84“ — Beginn von Buch XV —, 104" und 124“
je eine andere Hand ein.
1 a. a. O. 43. 74 2 .
184
V. Abhandlung: Peitz.
Der Schreiber des letzten Buches XYI, das fol. 135 a be
ginnt, nennt sich hier selbst: es ist Sygerius Nolini.
Vergehens sucht man in diesem ganzen Bande die Korrek
turen und Nachträge, die Rasuren und Lücken, die Einschübe,
Streichungen und Nachzeichnungen, wie wir sie aus den früheren
Registerbänden kennen gelernt haben.
3. Kapitel.
Die Register Honorius’ III.
Die Behauptungen Denifles waren von der Forschung
nicht nur bezüglich der Register Innozenz’ III. unbedingt und
unbedenklich angenommen worden: auch die Register der spä
teren Päpste des 13. Jahrhunderts waren in Frage geraten.
Breßlau sah ,in der überwiegend größeren Zahl aller dem
dreizehnten Jahrhundert angehörigen Bände Prachthandschriften'
im Sinne Denifles 1 und auch der besonnene L. Schmitz-
Kallenberg weiß nicht, wie weit außer den sicher abschrift
lichen Bänden Innozenz’ III. die übrigen Register des 13. Jahr
hunderts Kopien darstellen. 2 — Es müßte sich allerdings bei
einer Nachprüfung jedes einzelnen dieser Register erst zeigen,
ob alle Bände des 13. Jahrhunderts Originale enthalten oder
ob nicht doch unter ihnen, abgesehen von etwaigen Kopien aus
der Zeit Urbans V., auch Prachthandschrifteü sich finden, die
den Auffassungen Denifles entsprechen. Aber so viel ist klar:
war die Hauptgrundlage der ganzen Hypothese gefallen, so
fielen auch alle ihre Konsequenzen, und es mangelte jetzt jeg
licher Grund, die uns von den Nachfolgern Innozenz’ III. er
haltenen Register als Abschriften auch nur zu mutmaßen.
Um jedoch vor übereilten Schlüssen sicher zu sein und
für die so ungewohnten neuen Auffassungen durch stets wieder
holte sorgfältige Überprüfungen einmal selbst immer größere
Klarheit zu gewinnen, anderseits in möglichst umfassender In
duktion wieder reicheres Material zu einer sicheren Beweis
führung zusammenzubringen, schien es geboten, wenigstens auf
1 Urkundenlehre 100.
2 Papsturkunden (Meisters Grundriß I) 223.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
185
einen Teil der folgenden Registerbände überzugreifen. Sie alle
in Angriff zu nehmen, dazu reichten weder Zeit noch Kraft.
So wurden denn wenigstens einige Register Honorius’ III. der
genauesten kritischen Durchmusterung unterworfen, die wieder
die Haltbarkeit der aus den früheren Untersuchungen gewon
nenen Ergebnisse und die Zuverlässigkeit der dem Studium
der Register selbst entnommenen Kriterien erwies. Wie bei
den Bänden Innozenz’ III. so soll auch für die betreffenden
Register Honorius’ III. zu jedem Bande das Resultat der Unter
suchung im einzelnen vorgeführt Averden.
* ' *
*
Reg. Vat. 9 enthält das erste und zweite Regierungsjahr
des Papstes Honorius. 1 Der Band mißt 366 X 382 mm. Buch I
reicht von fol. 1 bis fol. 131 a . Fol. 132 und 133, die innersten
Blätter des 17. Quaterns, fehlen und von fol. 130 ist die zAveite,
bei der (wohl dem 14. Jahrhundert angehörenden) Foliierung
mit 135 bezeiclmete Hälfte bis auf ein schmales Streifchen ab
geschnitten. •—- Buch II reicht von fol. 137 a bis fol. 287 b ; das
letzte Blatt des letzten Quaterns fehlt.
1. Auch in diesem Bande finden sich die unverkenn
barsten Neuansätze. Nur folgendes sei zur Veranschaulichung
heiworgehoben. Fol. 42 b — 43 a hat Brief 1171 (10 + 6 Zeilen)
ganz andere Tinte und anderen Duktus als 170 vorher und
als 172 nachher. — Fol. 103 ist I 425 mit seinen 11 Zeilen
von einer ganz sclnvarzen auffälligen Tinte und zeigt gegen
über 424 bei gleicher Hand klarsten Neuansatz, A\ r ie 426 auf
fol. 104 a wieder mit neuem Ansatz beginnt. — Brief 697 auf
fol. 167 a (es ist hier die spätere durchlaufende Zählung der
Briefe zugrunde gelegt) 2 hat nur 19 Zeilen, kann aber keines
falls mit 696 oder mit 698 gleichzeitig geschrieben sein, die
auch wieder untereinander verschieden sind. — Die Briefe 515
und 516 auf fol. 126 b —127 a haben bei gleicher Hand die
1 Über diesen Band und die folgenden Register Honorius’ III. vgl. Pitra,
Anal, noviss. Contin. alt. I 181—94. Regesta Honorii Papae III., edid.
P. Pressutti I (Rom 1888), Einleitung, besonders XLff.
2 Vgl. Denifle a. a. O. (Arch. II) 90 3 .
186
V. Abhandlung: Peitz.
gleiche Tinte und den gleichen Zug, beides aber ganz ver
schieden von den Stücken vorher und nachher; und doch um
faßt 515 nur 5 + 6 und 516 überhaupt bloß 6 Zeilen. — Ähn
liche Beispiele kehren, um nur einige wenige namhaft zu
machen, wieder in den Briefen 518. 519. 520 auf fol. 127 b ,
ferner auf den Folien 4 a . 6 b . 8\ 8 11 usf., 74 a . 75 a ; 235 a . 250 1 ’.
255». 257 b usf.
2. Lücken. Mehrfach wurden einige Zeilen am Schlüsse
der Briefe freigelassen. Fol. 12 a z. B. sind am Schlüsse der
Seite nach einem Briefe zwei Zeilen frei. Fol. 26 a ist nach
einer langen Reihe von Adressen, die mit In eundem modum
eingeleitet sind, ein leerer Raum von sechs Zeilen mitten auf
der Seite; Fol. 42 a blieb nach mehreren Apares eine halbe Seite
leer. Ähnlich ist fol. 65 b mehr als die Hälfte der Seite nicht
beschrieben usf.
3. Rasuren, Korrekturen und Nachträge. Bloß die
folgenden Proben seien aus dem Beobachtungsmateriale, das
der Kodex liefert, herausgehoben: Fol. l b ist nach I 5 ein
Apare angefügt. In der nächsten Zeile beginnt I 6 von der
gleichen Hand und, wie es scheint, in einem Zuge mit 5 ge
schrieben. In der Anfangszeile dieses Briefes 6 nun ist ein
kleines Spatium für das hier allerdings nachher nicht einge
tragene Adreßrubrum freigelassen. In die halbe Zeile aber, die
am Schlüsse von 5 frei blieb, in das Spatium zu Anfang von 6
und noch auf den Rand hinaus wurde für ein neues Apare die
Adresse nachträglich mit ganz verschiedener Tinte hinzugefügt:
In eundem modum Regi Sicilie in Romanum Imperatorein electo
et aliis regibus et principibus singillatim.
Fol. 57 a war am Schlüsse von I 222 bloß geschrieben
worden: Dat. Lateran. Gleich daneben steht das Adreßrubrum
von I 223, das anderen Ansatz von anderer Hand hat. Über
diesem Rubrum hat eine dritte Hand, wie es scheint, zu dem
Dat. Lateran, mit anderer Tinte hinzugefügt: V. Id. Febr.
Auf fol. 102 a in Brief I 419 heißt es im Text: personam
tuam sincera semper dileximus et diligimus \ caritate. Dabei
steht jedoch et d am Schlüsse der Zeile auf Rasur, (d)iligimus
ist auf den Rand hinaus geschrieben und ca ist vor die fol
gende Zeile gesetzt. Alle diese Korrekturen aber sind mit an
derer Tinte und von anderer Hand ausgeführt.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
187
Zu Brief 832 im zweiten Jahre auf fol. 206 b ist am Rande
von anderer Tinte hinzugefügt, da kein sonstiger Raum mehr
vorhanden war: In eundem modum ut supra . . Vicecomiti
Turennensi . Bertranno . Galiardo et Ce'teris Hominis de Gordo
ac aliis Baronibus per Caturcensem diocesim constitutis. — In
ähnlicher Weise findet sich Nachtrag einer Exekutorie auf
fol. 223 a zu Brief 906, wo am Rande mit verschiedener Tinte
beigefügt ist: In eundem modum scriptum est eidem Begi.
In Brief 917 fol. 226 a wurde bei den Worten: ut dicitur
interiectam excommunicationis sententiam durch Uberschreiben
zwischen den Zeilen zu excommunicationis von anderer Hand
und mit verschiedener Tinte hinzugefügt: et in eorum ecclesiam
interdicti sententias; das erste sententiam der ursprünglichen
Fassung aber wurde nicht getilgt. Ganz entsprechend wurde
nun auch im übrigen Kontext des Briefes das einfache excom
municationis sententiam des ersten Schreibers von der Hand
des nämlichen Korrektors durch jedesmaligen Zusatz von et
interdicti berichtigt und ergänzt. — Nach eisdem liberam con-
cedatis facultatem ist ein Verweisungszeidien und am unteren
Rande ist mit dem gleichen Zeichen ein Nachtrag versehen wor
den, der lautet: revocato in irritum, si quid praeter, quam ei
nuntius idem arripuit ad sedem apostolicam veniendi, super prae-
positura ipsa in eorum praeiudicium inveneritis illicite attem-
ptatum. Der ganze Zusatz stammt von derselben Hand, die
auch die übrigen Verbesserungen und Zusätze angebracht hat.
Ähnliche Zusätze und Nachträge ließen sich viele anführen,
doch mag es bei den mitgeteilten sein Bewenden haben. Ihre
charakteristische Eigenart schließt, so will es scheinen, jede
Möglichkeit aus, an eine Kopie irgendwelcher Art bei vor
liegendem Bande zu denken. Oder Avie will man die Nachträge
des Korrektors an der zuletzt genannten Stelle erklären? Sollte
etrva der Schreiber, der in den anderen Briefkopien so sorg
fältig arbeitete, gerade nur in diesem Stücke so zahlreiche
Fehler gemacht haben? Und Avie kam es, daß seine Fehler
und Versehen jedesmal eine Stelle betrafen, avo seine Auslassung-
ganz genau und regelmäßig in den Kontext paßte und diesem
gleich eine andere Färbung gab? Wie Aväre es möglich, daß
die letzte große Auslassung in ihrem Wortlaute ganz andere
Fassung hätte als irgendeines der anderen Versehen, inhaltlich
188
V. Abhandlung: Peitz.
aber gerade zu diesen sich so wunderbar fügte? Und daß der
Schreiber nicht selbst irgendeine der doch bedeutenden Diffe
renzen seines Textes gegenüber dem Texte seiner Vorlage be
merkte, sondern sie samt und sonders der Sorgfalt des Korrek
tors überließ? •— Vorliegender Band ist keine Kopie, er
ist Original — ist ursprüngliches Kanzleiregister.
4. Streichungen. Außer den genannten Korrekturen
finden sich zahlreiche andere Rasuren und Verbesserungen —
ebenso zahlreiche wie in den Innozenzregistern. Es sei z. B.
noch auf folgende Beispiele aufmerksam gemacht: fol. 3“. 5“.
16k 17 a . . . 113h 123“. 157“. 157 b . 260“ usf.
Außerdem findet sich aber noch eine ganz andere Art
von Korrektur, die aus späteren sicheren Originalregistern längst
bekannt ist. Auf fol. 71“—71 b ist ein ganzer Brief nachträglich
durchgestrichen worden. Er ist rings mit einer Linie umgrenzt
und dann mit festen Strichen durchkreuzt.
Auf fol. 114 b ist gleichfalls ein längerer Brief nachträglich
als getilgt bezeichnet. Eine Linie umgrenzt das ganze Stück
und an seinen Anfang wurde va, an das Ende cat geschrieben.
Überdies wurde der ganze Brief mit zwei Strichen durchge
strichen. 1
Desgleichen ist auf fol. 283“ ein bereits vollständig ein
getragener und ausgeführter Brief nachträglich durch Striche
gelöscht.
Es wäre nun doch gewiß zu verwundern, wenn in nach
träglichen Kopien der Abschreiber die Fehler und Mängel der
Vorlage — und gar so auffällige und störende, auf die er bei
jedem neuen Blick in das zu kopierende ,fertige, geordnete 1
Urregister aufs neue aufmerksam werden mußte — ganz ruhig
übernahm, und daß in diesen ,Prachthandschriften 1 derartige
rohe und störende Streichungen vorgenommen oder geduldet
wurden. Denn eine solche Streichung müßte doch notwendig
1 Die Bulle enthält eine Bestätigung der Urkunde Alexanders UI. von
1168 August 7, worin dieser das Kloster S. Maria de Urano unter den
Schutz des apostolischen. Stuhles nahm. Die Urkunde ist wörtlich auf
genommen mit dem Einleitungssatze: In regesto noni anni . . . Alexcindri
pp. III. . . sic perspeximus contineri. J—L 11 416 wird ein Regest der
Bulle Alexanders nach Drucken bei Mitarelli und Horoy gegeben; beide
stehen mir nicht zur Verfügung.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
189
aucli im Urregister und für gewöhnlich wohl bald nach Regi
strierung der betreffenden Urkunde vor genommen worden sein,
indem besonderer Umstände halber die Expedition der fertig
gestellten Urkunde unterblieb. Das alles aber ist wieder nur
möglich und denkbar, wenn wir es mit Originalkanzlei
registern, nicht mit bloßen Kopien zu tun haben.
* *
*
Reg. Tat. 10. Der stark beschnittene Band, in rotem
Leder mit eingepreßten Pignatelli-Krügen gebunden, enthält
das dritte und vierte Regierungsjahr Honorius’ III. (fol. 1—-119 b .
fol. 120“ — 213“). Es würde nur oft Gesagtes unnütz wieder
holen heißen, sollten hier die allgemeinen Merkmale, die auch
diesen Band wie seinen Vorgänger als Originalkanzlei
register erweisen — Neuansätze, Spatien, Nachträge, Zusätze,
Korrekturen, Streichungen usf. —, im einzelnen ausführlich
dargelegt werden. Ganz wenige Beispiele und Anhaltspunkte
mögen hinreichen.
Fol. ll b ist Brief III 48 mit ganz anderer, viel blässerer
Tinte geschrieben als die Stücke davor und darnach und doch
umfaßt 48 nicht mehr als sieben Zeilen.
Fol. 166“ ist ein Spatium von neun Zeilen freigelassen
worden.
Fol. 6“ ist Brief III 22 nachträglich in den freigelassenen
Raum auf 47 Zeileu ganz klein und eng eingeschrieben worden
und es bleiben noch zwei Zeilen leer; fol. 5 b hat auf der
gleichen Schriftfläche nur 39 Zeilen. —
Fol. 6 b steht der ganze Brief III 25 auf Rasur. — In
einem Briefe an den Bischof von Ostia als Legaten des apo
stolischen Stuhles, fol. 9“, ist eine Rasur mit erweitertem Neu
eintrag; überdies hat derselbe Brief einen sachlichen Zusatz
am Rande. — Ebenso hat fol. 26 b Brief 119 einen langen Zu
satz von gänzlich verschiedener Tinte. — Ähnliche Fälle finden
sich fol. 32 b , fol. 34 b usf.
Auf fol. 46“ ist am unteren Rande nachträglich ein ganzer
Brief mit völlig anderer Tinte hinzugefügt. — In der Datierung
sind auf fol. 31 b und fol. 44“ für Monats- und Tagesangabe
Spatien freigelassen, jedoch nicht ausgefüllt. Anderseits ist in
190
V. Abhandlung: Peitz.
Brief 837 auf fol. 207 a Monats- und Tagesbezeichnung im Datum
ausradiert und die Rasurlücke paraphiert.
Fol. 198 a —198 b ist ein Brief mit der Adresse Bituricensi
archiepiscopo und dem Initium Reverenda iuris auctoritas durch-
gestrichen. •— Auf fol. 151 a ist für einen Brief mit der Adresse
Pandulpho Norwicensi electo Camerario nostro apostolicae sedis
legato zwar mitten auf der Seite das Adreßrubrum und das
Initium Cum hü qui . . . dei gesetzt, der Brief selbst aber fehlt.
Der Rest dieser Seite und ganz 151 b sind leer.
Diese Andeutungen sollen dartun, daß sich auch bei Reg.
Vat. 10 die Kriterien, allgemeine wie spezielle, bewähren —
daß mit vollem Recht auch dieser Band den Originalen zuzu
schreiben ist.
* *
*
Reg. Vat. 11. Wegen einer neueren, später eingehend zu
besprechenden Untersuchung, die auf die Anlage dieses Bandes
Bezug nimmt, muß ihm eine etwas ausführlichere Behandlung
zuteil werden. Dabei mögen noch einmal die einzelnen Mo
mente zur Besprechung kommen, die überhaupt die Originalität
dieser Bände als Kanzleiregister dartun.
Der rote Ledereinband trägt die Wappenkrüge der Pigna-
telli. Bei seiner Anlage wurde die Handschrift stark und zum
Teil recht ungleichmäßig beschnitten, so daß die Blattgröße
heute durchschnittlich nur mehr 250 X 322 mm beträgt. Nach
drei nicht gezäldten leeren Vorsetzblättern aus Pergament folgt
ein Doppelblatt, das ursprünglich das äußerste Blatt des ersten
Qüaterns, fol. 1 = 8, bildete. Es war bereits vollständig aus
geführt, rubriziert und illuminiert; heute ist besonders die erste
Seite — sei es durch den Gebrauch, sei es absichtlich, was
wahrscheinlicher dünkt — stark abgerieben. Das Blatt ist in
verkehrter Reihenfolge der Seiten (3, 4, 1, 2) dem Register
vorgebunden und an seiner Stelle eine Neuausfertigung ein
geschoben. Der Grund der Ausscheidung und des Ersatzes
dürfte in der großen Zahl von Änderungen gesucht werden
müssen, die der erste Brief aufwies. Gleich auf Seite 1 des
ausgestoßenen Blattes stehen zwei Korrekturen im Texte, drei
Nachträge auf dem Rande. Auf Seite 2 ist ein umfangreicher
Einschub am äußeren Rande nachgetragen, so daß dieser zu
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
191
zwei Dritteln vollgeschrieben ist; zu diesem Nachträge steht
am unteren Rande, wieder von anderer Hand, ein zweites
Supplement und außerdem sind auf dem nämlichen unteren
Rande drei weitere Zeilen ausradiert. 1
Zwischen dem ausgeschiedenen Doppelblatte und dem
eigentlichen Register ist auf 30 nicht signierten Folien ein
Index des ausgehenden 14. Jahrhunderts eingefügt mit der
Überschrift: Eubrice librorum annorum Quinti et Sexti domni
Honorij pape tertii et privio de anno quinto. Der Index hat
keine Briefzählung, sondern verweist auf die entsprechenden
Folien. 2
Buch Y reicht bis fol. 153" und enthält auf 153 b — 154 a
noch einen nachträglich registrierten Einlauf. Buch VI geht
von fol. 155 a bis 264 a ; auf 265 a findet sich wiederum ein
Nachtrag.
Die ganze Anlage und Ausführung dieses Bandes ist von
einer Sorgfalt und Gleichförmigkeit, daß man es wohl nicht
leicht wagen dürfte, in seiner Hinsicht der Auffassung Denifles
entgegenzutreten und ohne die positivsten Gründe ihm den
Charakter einer Kopie abzusprechen. Allein trotz der ganz
außerordentlichen Gewandtheit des Schreibers und trotz der
geradezu staunenswerten Regelmäßigkeit seiner Schrift lassen
sich doch auch in diesem Bande die Eigentümlichkeiten der
ursprünglichen Kanzleiregister und alle Merkmale der Origi
nalität nachweisen.
1. Viele und klare Neuansätze lassen sich, oft in rascher
Aufeinanderfolge, erkennen. Ganz offensichtlich wechselt die
Schrift, ohne daß die Hand wechselte. So setzt auf fol. 20 b
Brief 99 mit schwärzerer Tinte und geändertem Duktus neu
an, fol. 27 b Brief 139 mit bedeutend hellerer Tinte. Auf
fol. 61 b hat Brief 304 Neuansatz mit anderer Tinte und an-
1 Eine Wiedergabe des ursprünglichen wie des dafür eingeschobenen Blattes
bieten die Specimina palaeographica auf Taf. 10 und 11. Die von Denifle
im erläuternden Texte S. 22 behauptete Verschmelzung zweier Briefe zu
einem habe ich nicht bemerkt, war aber auch nicht eigens darauf auf
merksam, da durch einen ungünstigen Zufall während meines Aufent
haltes in Rom die reparaturbedürftigen Specimina sich nicht in der Bi
bliothek befanden und somit ein Vergleich unmöglich war.
2 Vgl. Denifle a. a. O. (Arcli. II) 31—33.
192
Y. Abhandlung: Peitz.
derem Duktus und auf der gleichen Seite zeigt auch 306 ganz
klaren Neuansatz. Ebenso steht es mit Brief 482 auf fol. 95»
und 484 fol. 97“, ja an letzterer Stelle scheint der neue Brief
sogar einer anderen Hand zugewiesen werden zu müssen als
der vor ihm registrierte Einlauf. Ähnliche Beobachtungen
wiederholen sich z. B. auf fol. 156“—160“ mit einer Reihe ganz
sicherer Neuansätze, fol. 217 b . 222 b . 247“. 256 b . 257“. 259“.
262 b . 263 b . 264“. 1
2. Lücken für Nachträge finden sich ziemlich oft: so
bleiben beispielshalber auf fol. 83“ unten zwei Zeilen frei,
ebenso 90“ (2 Zeilen), 151“ (2 Zeilen), 212“ (1 ! / 2 Zeilen), 229“
(8 Zeilen) usf.
Fol. 174 b ist in Brief VI 108 in der Schlußformel Nulli
ergo etc. nostre . . . infringere ein Spatium von 23 mm.
Fol. 157 b ist um eine Zeile ärmer als die Nachbarseiten,
und doch fällt der Seitenschluß mitten in den Brief.
3. Rasuren und Korrekturen sind zahlreich. Ist die
Neuschrift kürzer als der ausradierte Text, so ist die frei
bleibende Lücke paraphiert. Als Beispiele seien erwähnt fol. 16“.
31“. 67». 86» usf.
Die Korrekturen stellen des öfteren auch sachliche Er
weiterungen zu dem in sich durchaus abgeschlossenen und
zusammenhängenden Texte des ersten Schreibers dar. So ist
z. B. zu V 199 auf fol. 39“ am Rande nach dem letzten Worte
des Kontextes von der gleichen Hand hinzugefügt: Nulli ergo
etc. nostre concessionis infringere. Si quis autem. — Fol. 45“
ist in Brief 237 zu karissimus in Christo filius noster. Fr. Ro
manorum Imperator et semper Augustus quastam (!) nohis . . .
nach Augustus von anderer Hand über der Zeile hinzugefügt:
et rex Sicilie. — Ebenso ergänzte die gleiche Hand des Kor
rektors nochmals auf fol. 49“ in Brief 250, aber mit anderer
Tinte als in Brief 237, zu semper Augustum et lllustrem über
der Zeile nach Augustum wie vorher: et regem Siciliae; der
selbe Brief erhält später mit Verweisungszeiehen am Rande
einen erweiternden Zusatz. — Auch fol. 146» hat eine andere
Hand — es scheint fast stets der gleiche Korrektor zu sein,
1 Auch Taf. 13 der Specimina, die fol. 164» der Handschrift wiedergibt,
läßt Neuansätze erkennen.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
193
der aber diese Noten mit verschiedener Tinte bei den ver
schiedenen Briefen anbrachte — zu Brief V 729 am Schlüsse
einen längeren Zusatz beigefügt; im Nachträge selbst findet
sich wieder Rasur und Korrektur. — Eine interessante Erwei
terung erfährt von der Hand des Korrektors auch eine Schluß
formel auf fol. 190 b in Brief 194. Zu der wie üblich nur kurz
angedeuteten Formel Quod si non omnes etc. des ersten Schrei
bers ist von ihm mit anderer Tinte über der Zeile ergänzt:
potueritis vel nolueritis Interesse etc. — In Brief 400 auf
fol. 243“ ist fast eine ganze Zeile radiert und mit neuem Ein
trag versehen. Letzterer ist größer als die erste Fassung und
zeigt auch in den letzten Worten, die auf den nichtradierten
Rand hinaus geschrieben sind, eine andere Tinte als das Korpus
des Briefes. Ob der Nachtrag der ersten oder einer anderen
Hand zuzuweisen ist, ist fraglich.
Die Beispiele mögen reichen. Sie zeigen, daß es sich nicht
um die Kopie eines Originalregisters handeln kann, sondern
daß das Originalregister selbst vor uns liegt.
4. Ebenso finden sich auch in diesem Bande nachträg-
liehe Zusätze von Adressen und Exekutorien. Einige
Proben davon mögen beigefiigt werden.
Zu Brief V 244 auf fol. 47 b ist am Schlüsse von anderer
gleichzeitiger Hand und mit auffällig verschiedener Tinte hinzu
gesetzt worden: Scriptum est consulibus et populo Auximanen-
sibus. Civitatem vestram episcopali mutilabimus dignitate. Wie
sollte in einer Kopie der Schreiber gerade solche Angaben
vollständig übersehen, ohne daß gleich- oder ähnlichklingender
Schluß das Übersehen irgendwie erklärte — und .wie ein Kor
rektor den ganzen Zusatz mit eigener Hand persönlich bei
fügen, statt durch Zeichen und Verweis den nachlässigen Ko
pisten an seine Pflicht zu mahnen und zur Ergänzung des
Fehlenden anzuhalten? In einem Originalregister-versteht man
solche Erscheinung ohne weiteres.
Genau das Nämliche wiederholt sich auf fol. 171“ zu
Brief VI 86. Am Rande ist mit anderer Tinte, diesmal aber
vielleicht von gleicher Hand, beigefügt worden: In eundem
modum scriptum est Paphensi episcopo usque inclinati. Octona-
rium canonicorum numerum etc. usque in finem.
Öitzungsbcr. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd 5. Abh.
13
194
V. Abhandlung: Peitz.
In Brief VI 109 fol. 174 b ist am Rande zu den Worten:
et Capellanos ipsarum mit anderer Tinte der Zusatz gemacht
worden: Bituricensis diocesis unter Beifügung des entsprechen
den Verweisungszeichens. Das Schreiben mit dem Initium: Cum
olim super p>(irtitione ist adressiert: . . abbati . . . Dolensi und
datiert: VI. Ical. Dec.
Ein sehr interessanter und lehrreicher Eintrag endlich
findet- sich auf fol. 95 h zu V 483. Das unter dieser Nummer
enthaltene Registerstück ist ein Edikt Friedrichs II. und be
zeichnet als Littere imperatoris. Es beginnt: Fridericus dei
gratia ... In die, qua de manu sacratissimi. 1 Am Rande ist
dazu ein sehr ausführliches gleichzeitiges Rubrum gesetzt,
welches lautet: Diligens diligenter nota. Hac est nova sanctio
Friderici IIdi Imperatoris Romanorum edicAaliter edita et
publicata in Basilica Principis apostolorum. In die, qua im-
periali diademate coronavit eum Romana ecclesia mater sua.
Lex siquidem constitutiva de abrogatione et destructione omnium
statutorum et consuetudinum adversus ecclesias, clericos vel eccle-
siasticam libertatem, et de abolitione omnium heresum, et here-
ticorum diffidatione et banno.
5. Endlich finden sich mehrere Streichungen von re
gistrierten Briefen. Fol. 84 b war ein Brief mit dem Datum
Kal. mart. bereits vollständig eingetragen und rubriziert. Sein
Anfang hieß: Justis petentium etc. usque complere und er galt:
Preceptori et fratribus milicie . . . inter vineas iuxta Florentiam.
Eine Klammer am Rande, deren Anfang mit va, deren Ende
mit cat bezeichnet ist, tilgt den Eintrag.
Fol. 21Q b ist ein ausgeführter und rubrizierter Brief vom
Datum XI. Ical. april. mit der Adresse Episcopo Wigorniensi
und dem Initium (P)riorem Wigorniensem quia kräftig und klar
durchgestrichen.
Fol. 262 b endlich findet sich ein undatierter Eintrag, dem
auch das Adreßrubrum noch fehlt — die Rubrizelle sucht man
gleichfalls vergebens. Der Brief beginnt: Ea que per apostolicae
sedis legatos ordinantur, aber ein fester schwarzer Strich quer
1 Vgl. Böhmer-Ficker, RJ V 1, Nr. 1203, wo auch der Register Vermerk
besprochen wird.
Das Originalregister Gregors VII. — III, 3.
195
durch das Schriftstück hindurch zeigt an, daß es ungiltig und
noch vor der Rubrizierung kassiert ist.
Derartige Streichungen aber sind in einer Prachthand
schrift, wie diese Bände sie angeblich darstellen sollen, aus
geschlossen und einfach unmöglich. Denn es mußten zum aller
wenigsten doch auch im vorliegenden Original die Streichungen
irgendwie kenntlich gemacht sein. Man mag nun annehmen,
es sei dort nur ein schlichter Randvermerk, eine Kanzleinotiz
gewesen, die auf die Zurücknahme der Briefe hingewiesen habe.
Aber dann erklärt sich nicht, warum in der Kopie das einemal
die Rubren auch bei den kassierten Stücken ausgeführt werden,
das anderemal aber nicht, warum die eine Streichung auf diese,
die andere auf jene Weise erfolgt — ganz abgesehen davon,
daß derartige buchstäbliche ,Streichungen“ sich mit einer ko
pierten Prachthandschrift nicht recht zusammenreimen wollen.
— Aber jene Annahme wäre obendrein so willkürlich und in
sich so unwahrscheinlich, daß man sich wohl kaum zu ihr ent
schließen dürfte. Dann aber bleibt nichts anderes übrig, als
für das vermeinte llrregister eine ähnliche Art der Tilgung
zuzugehen — das würde jedoch unmittelbar der ganzen Hypo
these den Todesstoß versetzen. Der Kopist müßte erst gefunden
werden, der Streichungen von dieser Art übersehen und die
so augenfällig getilgten Stücke trotzdem seiner Prachtabschrift
eiiwerleiben könnte.
* *
*
Zum Schlüsse möge es gestattet sein, noch ein Gegen
stück zu den hier behandelten Registerbänden anzuführen, um
die Richtigkeit der aufgestellten Behauptungen durch den Gegen
satz zu wirklichen Abschriften klarer darzutun. Aus vielen
Beispielen sei nur Reg. Vat. 62 ausgehoben.
Hatte schon der erste Band der Eegesta Vaticana, der
Registerhand Johanns VIII., das Beispiel einer unzweifel
haften Kopie dargeboten, so zeigt dieser Band 62 ein zweites
derartiges Muster. Er enthält Briefe von Klemens V., Jo
hann XXII., Benedikt XII. und Klemens VI. Das Rubrum
des Index auf fol. [IV a ] gibt den Gegenstand der Sammlung
an. Es lautet: Incipiunt Eubrice litterarum seu scripturarum
13*
196
V. Abhandlung: Peitz.
tangentium de negotiis Tartarorum partium Ultramar inanem et
infidelium ac scismaticorum tempore fe. re. Cle{mentis) V
Jo(annis) XXII. B(enedicti) XII. et Cle(mentis) VI. per eosdem
missarum et receptarum. Auf fol. [YII a ] ist am Schlüsse des
Index beigefügt: Sunt etiam in isto libro quedam littere sumpte
et recepte de Archyvo ecclesie Romane de quodam Coffro, und
von gleicher Hand, aber mit anderer Tinte, ist beigefügt: tan-
gentes partes ultramarinas (diese Briefe finden sich von fol. 126
bis zum Schlüsse der Handschrift). Dann heißt es weiter: Et est
sciendum, quod in Regestris fe. re. Cle(mentis) V. Jo(annis) XXII.
Ben(edicti) XII. Cle(mentis) VI. nulla littera praefatis Summis
Pontificibus missa per Infideles Scismaticos, Sarracenos, Tar
taros regest.rata invenitur. Ideo supradicte littere de dicto Coffro
hic sunt posite. Diese Notiz stellt es, abgesehen von dem
Interesse, das sie uns wegen Bezugnahme auf die Art der
Registerführung bietet, außer allen Zweifel, daß wir es hier
mit einer den Registern und Urkundenbeständen des päpst
lichen Archivs entnommenen Abschrift der päpstlichen
Kanzlei zu tun haben. 1
Prüft man aber die Handschrift Blatt um Blatt und Seite
für Seite durch, so findet man in ihr ebensowenig wie im Re
gister Johanns VIII. auch nur bei ein'em einzigen der Einträge
irgendeines der in der obigen Untersuchung geltend gemachten
Momente. Es müssen also die bezeichneten Register Hono-
rius’ III. ganz ebenso als Originalkanzleiregister betrachtet
1 Vorne und rückwärts enthält der Band je ein altes Vorsteckblatt, das
einmal als Deckblatt eines Einbandes gedient bat. — Beide Blätter, zum
Teil beschädigt, tragen die Fragmente eines alten Abgabenverzeichnisses.
So beißt es auf dem 11° des vorderen Vorsteckpergaments:
Archipresbyteratus de Domiuico.
Plebes c. cassiani Solvit L solidos
Albericus clericus Solvit XXVII
Garsendoinus clericus Solvit XXVII solidos
Capelia s. martini de paefio (?)
presbyter Biagnus Solvit XXII solidos
capellanus clericus Solvit XIIII solidos
capella s. helene de maunico (mannico?)
presbyter pignecliinus Juravit et non solvit
petrus clericus Juravit et non solvit..
Das Originalregister Gregors VII. — III, 4.
197
werden wie das Register Gregors VII. und die Innozenzbände;
die Theorie von der Kopiertätigkeit der päpstlichen
Kanzlei, wie sie von Kaltenbrunner und Denifle auf
gestellt wurde, muß fallen.
Für die Registerforschung ergibt sich mit diesen Resul
taten ein großer Vorteil: die Bände Gregors VII., Inno
zenz’ III. und Honorius’ III. und wahrscheinlich wohl die
Mehrzahl der Registerbände auch des lß. Jahrhunderts bilden
das sichere Material, aus dessen Studium sich unmittel
bare Schlüsse auf die Tätigkeit und den Geschäfts
gang der päpstlichen Kanzlei gewinnen lassen.
4. Kapitel.
Einwendungen.
Gegen die Originalität der Register Innozenz' III. wandte
sich mit neuen Gründen Bened. Baudi di Vosme. 1 Mit großer
Mühe arbeitete er die Publikationen der Innozenzbriefe auf ihre
Datierung durch, verglich die Registerdaten mit den ander
weitigen Angaben und stellte auf Grund seiner Ergebnisse eine
über Denifles vorsichtige Behauptungen weit hinausgehende
Ansicht auf. Die Hauptpunkte seiner Hypothesen sind die fol
genden. Die eigentlichen Originalregister waren die Minuten
register, registri-minute, d. h. Bände, in denen die Minuten der
Papstbullen standen und nach denen die Originale ausgefertigt
wurden. Diese Minutenregister waren absolut vollständig und
enthielten sämtliche aus der päpstlichen Kanzlei erfließenden
Schriftstücke ohne Ausnahme. Sie sind verloren und bis heute
ist von ihnen keine Spur mehr aufzufinden. Gregor IX. be
nutzte sie bei der Revision dos C. I. Can. Von ihnen sind die
uns erhaltenen Register verschieden. Diese sind Auszüge aus
1 B. Baudi di Vesme, J. lieg ex ti Pontificii Vaticani (Bollettino storico-
bibliografico Subalpino VIII, Torino 1903, 377—89). Vgl. die Bemer
kungen von Clemen-Vogt im Theologischen Jahresbericht XXV (1906),
417 f. und von Heckei a. a. O. (Aich. f. Urkundenforsch. I) 500 6 (,Die
seltsame, ohne Berücksichtigung der Literatur . . . vorgebrachte Auffas
sung . . . bedarf . . . nach allem Vorausgellenden wohl keiner besonderen
Widerlegung*)-
198
V. Abhandlung: Peitz.
jenen, unvollständig und nur für den Privat gebrauch der Kanzlei
als Nachsclilagebüclier bei den laufenden Geschäften bestimmt.
Daher war man bei ihrer Anlage keineswegs besonders pein
lich und sorgfältig. Man fand es oft ratsam, mehrere Briefe
aus verschiedener Zeit, die eine und dieselbe Sache betrafen,
zusammenzustellen; manche Schreiben wurden in ganz anderen
Jahrgängen registriert als in jenen, in die sie gehörten, u. ä. m.
Die Anlage dieser Kopien und Exzerpte erfolgte in den ersten
Jahren nach dem Tode eines Papstes durch seinen Nachfolger.
Dann wurden die Minutarien zur Entlastung der Kanzlei samt
dem ganzen Kanzleimaterial, das sich auf den abgelaufenen
Pontifikat bezog, in die Archivi generali Lateranensi überführt,
für die noch laufenden Geschäfte aber dienten fortan jene
Exzerpte als Grundlage des Kanzleiganges. In sie wurde des
halb auch der eine oder andere für die schwebenden Verhand
lungen wichtige Einlauf eingetragen, den die Minutarien nicht
kannten. Ein schlagendes Beispiel bietet das Regestum super
negotio iviperii, das ganz bestimmt unter Honorius III. angelegt
ward, als die Mißhelligkeiten zwischen ihm und dem Kaiser
begannen. 1
Dies die Behauptungen Baudi di Vesmes. Leider ist das
Ganze nichts als ein großer Hypothesenbau. Die ,Beweise 1 , die
der Verfasser für seine Ansicht geltend macht, sind ungefähr
folgende: 1. Auch bei oberflächlicher Durchsicht der erhaltenen
Registerbände lehrt der Augenschein in wenigen Minuten, daß
es nicht Originale sind, sondern Prachtkopien. Jeder Band be
steht aus einer Reihe von Faszikeln von je einem oder mehreren
Quaternen; die Hand des Schreibers, der z. B. den ersten
Faszikel schrieb, kehrt etwa im fünften oder sechsten wieder.
Jeder Faszikel entspricht eben je einem Bande der Minutarien.
1 . . . 1° I Regesti Pontificali del XII e del XIII secolo . . . non sono i Re
gesti originali, ossia le Minute delle Bolle Pontißcie; 2° tcdi Regesti . . . sono
incompletissimi; 3° sono invece c Excerpta o 'Spicilegii, eseguiti durante il
pontißcato del Papa successivo man mano, che si spedivano le holle (vgl.
dagegen die Ausführungen p. 379), e fatti per uso privato della Canccl-
leria Pontificia; e 4° . . . parecchie holle non sono registrate nel registro
delV anno in cui furono realmente emanate ... a. a. O. p. 377. . . . serva
ad esempio il Registro Innocenziano K de negotio Romani Imperii, ehe fu
certamente compilato ai tempi di Onorio III... a. a. O. p. 379.
Das Originah-egister Gregors VII. — III, 4.
199
Beim Einbänden wurden die Lagen der verschiedenen Faszikel
untereinander gesteckt, um irgendwie chronologische Ordnung
in die Folge der Briefe hineinzubringen. Die Zahl der erhal
tenen Originale, verglichen mit den von einem Teil aus ihnen
in die Register aufgenommenen Abschriften, zeigt, daß viel
leicht nur ein Zehntel aller ausgestellten Papstbullen uns in der
Tat erhalten ist. 1 Die letzten Regierungsjahre des Vorgängers,
etwa Iionorius’ III., wurden vom Nachfolger mit besonderer
Ausführlichkeit aus den Minutarien ausgezogen. —• 2. Wäre
schon dieser ,Sachverhalt 1 beweiskräftig genug, um darzutun,
daß unsere Register nicht die ursprünglichen sind, so findet
sich ein weiterer Anhaltspunkt eben in den Kopien selbst und
wird durch Nachprüfung der von ihnen gebotenen Daten ge
wonnen. Der Verfasser beruft sich auf neun Fälle aus den
Registern Innozenz’ III., wo die in unseren Registern stehenden
Briefe tatsächlich zu früh eingetragen seien und ihre Register
stellung der ihnen gebührenden Ordnung in der Entwicklung
der Ereignisse um Monate, ja um Jahre voraneile. Um ein
Beispiel anzuführen: Potth. 2301 = Innozenz III. lib. VII 141
(MSL 215, 430 — 31) von 1204 Oktober 13 an den archiepisco-
pus Turritanus handle über dessen verstorbenen Vorgänger
B[lasius], Nun habe aber Blasius tatsächlich bis 1208 gelebt,
jenes Schreiben könne also in Wirklichkeit nicht vor diesem
Datum liegen u. ä.
Baudi hält seine ,Beweise' für unumstößlich. Aber sein
Fehler ist der, daß er alles, was gedruckt ist, für feststehende
Wahrheit zu nehmen scheint. Es ist nicht notwendig, auf die
einzelnen von ihm vorgebrachten Argumente in Gegenbeweisen
einzugehen: wenige Erwägungen mögen die Unzulänglichkeit
seiner Ausführungen dartun, deren Widerlegung schon in den
ganzen über die Registerbände hier gebotenen Untersuchungen
gegeben ist. Die Angaben in Ughellis It.alia sacra, in der
Dekretalenausgabe Böhmers und in der Series episcoporum von
Gams sind für ihn unbedingt zuverlässige Grundlagen für die
Kritik der Registerausgaben und es kommt ihm gar nicht ein
mal der Gedanke, daß auch sie erst eindringender und scharfer
kritischer Nachprüfung bedürfen. Wer weiß, wie sehr quellen-
a. a. O. 378—79.
200
V. Abhandlung: Peitz.
mäßige Forschung in diesen Gebieten noch im Rückstände ist,
wie wenig sicher die Angaben über die ältesten und mittel
alterlichen Bischofssitze sind und wie eine wissenschaftlich ge
nügende ,Italia Sacra 1 eben erst in den Anfängen steht, der
wird den Optimismus Baudis nicht teilen können und weiß von
vornhinein, wie wenig Gewicht solchen Argumenten zukommt,
wenn sie nicht aufs sorgfältigste nachgeprüft und im einzelnen
quellenmäßig begründet sind. Wenn Baudi sich auf die Datie
rungsangaben der Dekretalen als unbedingt sichere Belege
stützte mit der Begründung, daß Gregor IX. die Minutarien
noch zur Verfügung standen, so heißt das doch einen ganz
augenfälligen Zirkelschluß begehen. Denn die Existenz dieser
Minutarien ist ja in Frage und muß bewiesen werden. Im
besten Falle würde es sich nur um eine Hypothese handeln.
Es ist schade, daß es so fleißiger Arbeit an der erforderlichen
Kritik gebrach. Andernfalls würde der Verfasser selbst gesehen
haben, daß auch sein erster Beweisgrund alles andere eher als
stichhaltig ist: auch bei ihm löst eine Hypothese die andere
ab. Wie wenig eine oberflächliche Durchsicht der Register
genügt, zeigt schon das Beispiel Denifles, obwohl man gewiß
einem Forscher wie P. Denifle nicht oberflächliche Arbeit vor
werfen wird.
Einen anderen Anwurf machte H. Krabbo gegen die
Honoriusbände. 1 Im sechsten Jahrgange Honorius' III. Reg.
Vat. 11 fol. 183 b —184 11 und fol. 184 b —185 a finden sich zwei
Schreiben mit der Adresse: Episcopo Havelbergensi (et) Octoni
subdiacono nostro Magdeburgensis (Magdeb.) et . .de Gratia Dei
Ilavelburgensis (Magdeburgensis) diocesium prepositis. Beide
betreffen die Wahl der Äbtissin Sophie von Gernrode. Der
zweite Eintrag enthält gegenüber dem ersten einen wichtigen
Zusatz, indem die Zustimmung des zuständigen Bischofs von
Halberstadt zur Translation Sophies, die bis dorthin Äbtissin
von Hecklingen bei Staßfurt gewesen war, ausdrücklich hervor
gehoben wird. Zudem ist der zweite Eintrag um einen Tag
später datiert als der erste (id. ian. statt II. id. ian.). Es ist
1 H. Krabbo, Eine nicht ausgegebene Urlcunde im Register Honorius’ III.
(Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken
VI 1904, 368—73).
Das Originalregister Gregors VII. — III, 4.
201
nun nicht wohl anzunehmen, meint Krabbo, daß beide Briefe
tatsächlich ausgegeben worden seien, vielmehr stehe alle Wahr
scheinlichkeit dafür, daß der zweite Eintrag eine Korrektur des
ersten und damit dessen Kassierung bedeutete, und daß es nur
auf ein Versehen zurückzuführen ist, wenn beide Einträge als
wirklich expedierte Briefe erscheinen. Es sei möglich, daß mit
der nach Verlesung vor dem Papste abgeänderten Urkunde
auch das erste, korrigierte Schriftstück zur Registrierung nach
dem Originale in die Kanzlei geliefert und hier versehentlich
unter den anderen einzutragenden Originalen beide Bestätigungs
schreiben ins Register aufgenommen wurden. - Später übersah
oder vergaß man die Tilgung des ersten Stückes. Eine
andere Erklärung aber scheint ihm wahrscheinlicher. Der
Kopist, der den uns vorliegenden Registerband aus den Ori
ginalregistern kopierte, hat den Tilgungsvermerk der Vorlage
übersehen.
Krabbos Gründe sind nicht durchschlagend, wie eine kurze
Erwägung zeigt. Weder die Registrierung nach Originalen noch
die Entstehung unserer Registerbände durch Abschrift aus
Originalregistern ist so schlechthin anzunehmen. Zudem wäre
die erste Erklärung bei Registrierung nach Konzepten eben
sowohl möglich. Und die Möglichkeit, daß der Kopist die Til
gung in seiner Vorlage übersah, fällt und steht mit der Hypo
these, die sich an Denifles Forschungen knüpft. Es dürfte sich
doch verlohnen, an der Überlieferung und ihrem Zeugnisse
festzuhalten, soweit und solange es nur möglich ist. Es läßt
sich aber ganz wohl die Möglichkeit denken, daß beide Schreiben
tatsächlich ausgefertigt und expediert wurden. Für das bischöf
liche Ordinariat von Halberstadt war die Bestätigung der Trans
lationserlaubnis von Wichtigkeit. Beide Urkunden betreffen
also zwei verschiedene Stadien der Äbtissinnenwahl. Die Mi
nuten der Bände Reg. Vat. 244 A—N zeigen uns, wie von dem
nämlichen Schreiben oft mehrere Ausfertigungen expediert
wurden: 1 um wieviel mehr, wenn tatsächlich verschiedene Mo
mente in ihnen in den Vordergrund traten. Daß ,auch nicht
1 Vgl. E. Göller, Aus der Kanzlei der Päpste und ihrer Legaten (Quellen
und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken X 1907,
301—24) 306—07.
202
V. Abhandlung: Peitz.
abgesandte Briefe im Register vorhanden“ wären, bedürfte eines
unumstößlichen Nachweises. 1
Einen einzelnen Band der Innozenzregister, das für die
politische Geschichte Deutschlands wie für die diplomatische
Forschung gleich wichtige Eegestum super negotio Romani
Imperii, machte neucstens E. Tucek zum Gegenstand einer
fleißigen Spezialuntersuchung. 2 Aus der Übereinstimmung der
Registrierungseigentümlichkeiten im RNI mit den entsprechen
den gleichzeitigen Briefen der großen Register folgert er im
Anschlüsse an Denifles Kopialtheorie die Ableitung aller uns
erhaltenen Innozenzbände aus einem gemeinsam geführten ur
sprünglichen Generalregister. Den Anfang der Abschrift glaubt
er dann durch Betrachtung der politischen Lage und genaue
Erörterung der diplomatischen Beziehungen zwischen Papst und
Kaiser auf die letzten Monate des Jahres 1209 — genauer nach
Oktober 11 — und ihren Abschluß nicht vor 1210 Januar 18
ansetzen zu müssen. 3 Steht demnach sein Resultat im direkten
Gegensätze zu der oben bezüglich des gleichen Registerbandes
aufgestellten These, so ist es um so dringender geboten, seine
Gründe nachzuprüfen, als im Zusammenhang mit seinem Er
gebnisse auch den übrigen Innozenzbänden ihre Originalität
abgesprochen werden müßte. Tucek war in der mißlichen Lage,
über eine Handschrift entscheiden zu müssen, die er aus
Autopsie gar nicht kannte. 4 Die Auskünfte, die er erbat und
1 Vgl. Heckei a. a. O. (Arch. f. Urkundenforsch. I) 442.
2 E. Tucek, Untersuchungen über das Registrum super negotio Romani
Imperii (Quellenstudien aus dem Historischen Seminar der Universität
Innsbruck. II. Heft. Innsbruck 1910, 1—78). Mit T. ist dieser Register-
band im folgenden als RNI bezeichnet.
3 a. a. O. 62. 65. 66—71.
4 a. a. O. 7. 10. — Zu seinen Bemerkungen über die Handschrift seien
einige kurze Nachträge liier beigefügt. Fol. 1“ war ursprünglich mit A
bezeichnet, das links oben am Rande zwar etwas verwischt, aber noch
deutlich zu erkennen ist (vgl. Tucek 11). Diese Bezeichnung der Fo
lien 1—17 durch Buchstaben kann nicht vor der Mitte des 14. Jahr
hunderts durch lateinische Ziffern ersetzt worden sein, wie der Charakter
der Zahlzeichen dartut und eine dem Ende des 13. oder Anfang des
14. Jahrhunderts angehörende Randnote auf fol. 6 a bestätigt, die sich
auf eine Note in folio. R. beruft. Ähnliche nachträgliche, derselben und
zum Teil noch späterer Zeit angehürende kursive Marginalien finden
Das Originalregister Gregors VII. — III, 4.
203
die manches Neue zur näheren Kenntnis des RNI beitraeren,
gaben nur Auskünfte auf Fragen, die auf Grund der Drucke
sich oft, z. B. fol. 1" (vgl. Tucek 7), 3 b , 4 11 usf. (Zur Zeitbestimmung
vgl. auch die Bemerkung Denifles Arch. Lit.-Kircli.-Gesch. II 55.) Auf
fol. 1" ist am oberen Rande rechts, fast ganz verwischt, ein Schreiber
vermerk, der die Kopierung auch dieses Bandes in der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts beweist: Gcdthe[rus?] . . . scripsit. Am rechten Rande
oben steht Iiom von einer Hand aus der ersten Hälfte des 15. Jahr
hunderts; das gleiche Wort scheint mit einem anderen, das ich nicht
mehr entziffern kann, am oberen Rande etwas unter jenem Kopisten
vermerk gestanden zu haben. — Rubrizellen finden sich nicht überall
und es scheint auch nicht, als ob sie mit dem Rande abgeschnitten
wären (vgl. Tucek 13). In einzelnen Bällen stimmen sie nicht genau
zum ausgeführten Rubrum. So heißt es in den Rubra zu 51 (50) und
52 (51): domno pape, während die Vorschrift am Rande lautete: ad
domnum papain (vgl. Tucek 23). Daß aber auch die Rubrizellen mit
Sorgfalt behandelt sind, zeigt die zum Einlauf 20 fol. 6 b , wo zuerst ge
schrieben war: . . .patri et domno . . ., dann jedoch das et durchgestrichen
und ac übergeschrieben wurde. Eine interessante Parallele dazu findet
sich in Reg. Vat. 9 fol. 166 b . Zu Brief 594 war als Rubrizelle am Rande
geschrieben: . . Eboracensi arcliiepiscopo et . . episcopo Saresburensi et
G. tituli S. Martini presbytero cardinali ap. se. le. Eine andere Hand
hat dieses von et G. an durchgestrichen und oben als erste Zeile mit
anderer Tinte übergeschrieben. Das ausgeführte Rubrum beginnt dem
gemäß: G. tituli S. Martini .. . Der gleiche Korrektor hatte schon vorher
fol. 160 b die Rubrizelle des Briefes 670 geändert. Hier hatte die erste
Hand geschrieben: . . Episcopo. F. et. P. archidiaconis Caesaraugustanis.
Über der Zeile fügte die zweite Hand mit Verweiszeichen nach P hinzu:
Bertrandio, im Sinne des Korrektors offenbar die Adresse eines dritten
Archidiakons. Das ausgeführte Rubrum lautet nun fälschlich: Bertrandi
episcopo. F. et. P. archidiaconis . . . Die Bedeutung der Rubrizellen für
die Textgestaltung der Rubra erkannte auch L. Auvray: ,Les rubri-
celles ecrites dans les marges des Registres sont beaucoup plus correctes
et parfois plus compl&tes que les rubriques qui en sont la copie; c’est
le texte des rubricelles qui a öte suivi, lorsque la cliose a dtd possible;
mais presque partout eiles ont disparu ä la reliure. 1 (Les Registres de
Gregoire IX, tome I 1896 = Bibliotheque des Ecoles Fran^aises d’Athenes
et de Rome. 2° serie IX 1. p. IV). — Die Bezugsstelle zu 62 (61)
fol. 19 a M 1067 A—B findet sich auf fol. 12 b in 33, wo am Rande zum
Anfänge des Bezugstextes ebenso wie in 62 zum Rückweise ein auf
fallendes Kreuzclien angebracht ist (vgl. Tucek 18—19). — Auf fol. 25"
steht ganz unten am Rande, etwa in der Mitte der Schmalseite des
Blattes, ein schwarzes Minuskel-!?; auf fol. 27" an der gleichen Stelle ein
schwarzes Minuskel-a; auf fol. 26 b und 27" findet sich ferner, etwas vom
unteren Rande entfernt und mehr zum Bug hin je ein rotes Minuskel-a,
204
V. Abhandlung: Peitz.
gestellt waren, und konnten für die persönliche Prüfung der
Handschrift keinen Ersatz hieten. Denn nur längere Beschäf
tigung mit den Registern selbst lehrt die Probleme richtig er
fassen und ermöglicht überhaupt erst konkrete und entscheidende
Fragestellung.
Gegenüber den Darlegungen Tuceks soll in einer am
Schlüsse der Arbeit beigefügten Tabelle der paläographisclie
Befund des RNI veranschaulicht werden. Nur die auffallenden
und in die Augen springenden Unterschiede von Hand, Duktus
und Tinte wurden bei Untersuchung der Handschrift fest
gestellt, ohne daß ich mich um Inhalt und Form der Briefe
irgendwie gekümmert hätte. Lange nach dem römischen Auf
enthalte, mehrere Jahre nach einer ersten kritischen Beschäfti
gung mit dem RNI, nahm ich dann auch seine inhaltliche
Durcharbeitung wieder auf, deren Resultate die römischen Beob
achtungen wohl unwiderleglich bestätigten. Einer baldigen
Einzeluntersuchung soll es Vorbehalten sein, die näheren Be
gründungen der Resultate, die hier nur kurz vorgelegt werden,
zu ergänzen und unter näherer Berücksichtigung der Literatur
die Folgerungen darzulegen, die sich aus diesem Tatbestände
für die chronologische Fixierung einer großen Zahl von Briefen
des RNI ergeben. Jedenfalls glaube ich auch nach dieser
neuesten Forschung meine Ansicht von der Originalität des RNI
als Kanzleiregisters voll aufrecht halten zu müssen.
obwohl auf beiden Seiten kein Rubrum mit a beginnt, noch auch eine
Initiale a sich findet und auch die folgende Seite nicht mit einer solchen
anfängt. Auf fol. 30 b und 31* steht ebenso ein kleines rotes Minuskel-i.
— Auf dem Verso des letzten leeren fol. [48 b ] notierte eine Hand aus
der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts: folia XLIII linee LXXXII. —
Hie Numerierung der Briefe betrachtet Tucek 12 im Anschlüsse an
Denifle, Sjpecim. palaeogr. 21 (vgl. Areh. Lit.-Kirch.-Geseh. II (54f.) als
dem 14. Jahrhundert angehörend. Doch dürfte eine gleichzeitige Ent
stehung mit der Anlage des Registers noch nicht unbedingt abzuweisen
sein, wie ich aus meinen Notizen entnehme. Denn die Unterschiede der
Tinte auch bei den auf der gleichen Seite stehenden Zahlen, Verschieden
heiten in der Schrift z. B. des L oder des letzten I und Ähnlichkeiten
der Zahlbuchstaben mit gelegentlich im Kontext vorkommenden Zahl
zeichen scheinen auf sukzessive Entstehung zu deuten. Dabei ist ja
nicht gesagt, daß die Schreiber jedesmal den Briefen sofort die Zahl bei
fügten: die Numerierung konnte auch partienweise, wie zum Teil die
Rubrizierung, erfolgen.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
205
So zeigen die aus den Beobachtungen und Untersuchungen
beigebrachten Momente, daß auch die oben dargelegte Origi
nalität der Register Innozenz’ III. und Honorius’ III. sich mit
den positiven Ergebnissen der bisherigen Forschungen recht
wohl verträgt, ja zum Teil von ihnen eine direkte Bestätigung
erfährt — wie dagegen der tatsächliche Befund der Hand
schriften mit der herrschenden Ansicht in unvereinbaren Wider
sprüchen steht. Im Banne der Vorurteile hat man manches un
beachtete Moment übersehen; auch liier muß unsere Erkenntnis
in langsamem Schritte Stufe um Stufe weitersteigen.
Vierter Abschnitt,
Ergebnisse und Probleme.
1. Kapitel.
Die päpstliche Kanzlei.
Unmittelbarer, als es bisher möglich war, vermögen wir
uns auf Grund der neu gewonnenen Anschauungen ein Bild zu
machen von dem Betriebe der päpstlichen Kanzlei. Es kann
vorläufig nicht daran gedacht werden, das Thema hier auszu
schöpfen: nur der eine oder andere Gesichtspunkt soll zunächst
Berücksichtigung finden, wie er sich aus den bisherigen Aus
führungen darbietet.
Ist das Register Gregors VII., das in der Handschrift des
Vatikanischen Archivs sich erhalten hat, Originalregister seiner
Kanzlei, so erhebt sich sogleich die weitere Frage, ob wir in
ihm das einzige Register aus jenem Pontifikate zu sehen
haben oder ob es nicht ein bloßes Spezialregister darstellt
— einen Vorläufer zum Recjestum super negotio Romani imperii
Innozenz’ III. und ähnlichen Sonderregistern späterer Päpste.
Es könnte scheinen, als müsse die Frage im letzteren
Sinne beantwortet werden. Das bereits angeführte Zeugnis des
Giraldus Cambrensis über die in die päpstlichen Register ein
zutragenden Schreiben belehrt uns ja, daß nur die causae magis
arduae Berücksichtigung fanden. Hätten aber nur die wenigen
Stücke, die tatsächlich in R stehen, nach der Auffassung der
206 .
V. Abhandlung: Peitz.
Kanzlei Gregors causae magis arduae, ,wichtigere“ Gegenstände
betreffen sollen, die von ihr zu erledigen waren? Zur Genüge
ist schon darauf hingewiesen worden, daß auch andere hoch
wichtige Papsthriefe aus jenem kampfbewegten Pontifikat er
halten seien, die nicht im Register stehen.
Aber selbst die ungleich umfangreicheren späteren Re
gisterbände eines Innozenz’ III. etwa umfassen bei weitem
nicht alle Schreiben, die die wichtigsten Gegenstände päpst
licher Verwaltung berührten, wie anderseits auch Briefe von
nur vorübergehendem Werte sich in ihnen finden. 1 Zudem
beruht die ganze Annahme auf einer Voraussetzung, die mehr
als zweifelhaft erscheint. Bedeuten denn die causae magis ar
duae wirklich die ,wichtigeren“ Dinge, wie man für gewöhnlich
annimmt? Das philologische Gewissen müßte doch wohl einige
Bedenken erheben. Causae magis arduae dürfte eher als die
schwierigeren Geschäfte“ zu übersetzen sein. Es waren jene
Angelegenheiten, die nicht mit einem Schreiben allein definitiv
und für immer zu erledigen waren, die wiederkehren konnten
und für deren weitere Behandlung dann die notwendigen Unter
lagen zur Iland bleiben mußten. Daraus, daß wichtige Schreiben
fehlen, läßt sich ein weiterer Schluß gar nicht ziehen. Dafür
glaube ich eine andere Beobachtung machen zu können. Sind
in einer und derselben Sache mehrere Briefe im Register und
außerhalb des Registers erhalten, so stellen die Registereinträge
jedesmal die entscheidenden Schreiben dar, jene nämlich, durch
welche die Sache in ein neues Stadium der Entwicklung trat.
In welchem Umfange also die Kanzlei ihren Auslauf registrieren
wollte, das hing von ihrem Ermessen ab. Es mochte manchmal
Vorkommen, daß sie sich täuschte: dann wurden Briefe nach
getragen, die vorher ausgeschaltet waren, und unter Umständen
wurde auch durch einen Rückverweis auf solchen Nachtrag
aufmerksam gemacht. 2
1 Vgl. He ekel a. a. 0. (Arch. f. Urkundenforseh. I) 430—32. Tucek
a. a. 0. 36—37.
2 So ist z. B. Reg. Vat. 10 fol. 46" am unteren Rande nachträglich ein
ganzer Brief mit anderer Tinte hinzugefügt; fol. 187 b wird durch eine
Note, die ebenfalls nachträglicher Zusatz ist, auf den fol. 211“, am
Schlüsse dieses Jahres, nachgetragenen Brief verwiesen, der hieher ge-
Das Originaliegister Gregors VII. — IV, 1.
207
Alle Spuren von Registerüberlieferung cler Briefe Gre
gors VII., die wir auch aus der Zeit seiner Regierung und schon
bald nach seinem Tode haben, führen uns einzig und allein
auf dieses Register und es will nicht gelingen, auch nur einen
Beleg für ein zweites Register neben diesem ausfindig zu machen.
Wir haben also auch kein Recht, ein zweites Register neben
diesem anzunehmen. Es ist das Kanzleiregister, und alle
Schlüsse, die man aus den späteren umfangreichen Register
bänden des 13. bis 15. Jahrhunderts auf die Registerführung
früherer Zeit zu machen suchte, erweisen sich als verfehlt.
Um so wichtiger ist es, über die Art der allmählichen
Entstehung dieses Registers sich klar zu werden. Wir haben
seine sukzessive Fortführung während der ganzen Dauer des
Pontifikates nachgewiesen. Indes bedarf der Satz doch einer
genaueren Bestimmung.
höre. Ebenso steht Keg. Vat. 9 fol. 154" nach Brief 639 von ganz ver
schiedener Tinte am Rande: pro Johanne de Cella subdiacono: Hii merilo
sunt etc. Require in finem libri anni secundi. Der Brief stellt ganz am
Schlüsse des Bandes fol. 287 b Nr. 1304 ohne Rubrum von anderer Tinte
als die vorangehenden Briefe, jedoch von der gleichen wie die Notiz
fol. 154". — Es ist jedoch auch möglich, daß hier nur Briefe nach
getragen sind, deren Expedition sich bis in das folgende Pontifikatsjahr
hinein verzögerte, ohne daß gerade ein Zurückgreifen auf jene Stücke
in späterer Zeit behauptet werden sollte. Ähnlich findet sich auf dem
Rekto der Minute 39 in Reg. Vat. 244 B der Vermerk: Regestretur in
secundo anno und auf der Rückseite: Regestretur in suo mense; und auf
der Rückseite der Minute 187 heißt es: Iste regestrantur in fine Regesti.
In Reg. Vat. 58 = Clemens V. ann. VI. ist bei Briefen aus früheren Jahren,
die erst hier registriert wurden, am Rande in Umrahmung ein nachdrück
licher Hinweis auf das Jahr, dem sie angehören: z. B. fol. 250 b ,anno
secundo‘, fol. 235", 236 b anno quarto etc*. Daß dieser Band ein Original
register ist, beweisen die Taxvermerke, die sich bei fast allen Briefen
am Rande vorfinden. Es sind nicht etwa Taxen zur Entlohnung der
Kopisten, denn es findet sich auch das Gratis, das in diesem Fall keinen
Sinn hätte; zudem sind die Zahlennotizen bald kräftig, bald blaß, auch
auf der gleichen Seite wechselnd und von anderer Tinte als das Korpus
der Briefe. In dem fol. 267" beginnenden Regestrum litterarum de curia
fehlen natürlich die Taxvermerke. Die Einträge von Briefen aus anderen
Jahren stehen, soweit ich sah, nur unter den Sekreten; unter den ICurial-
briefen fand ich sie nicht. Obwohl Urregister, ist der Band doch von
einer Regelmäßigkeit und Gleichförmigkeit der Ausführung, daß man ihn
unbedenklich einen ,Prachtband 1 nennen könnte.
208
V. Abhandlung: Peitz.
Im dritten Buche scheint bei Brief 12 auf fol. 105 1> Zeile 4
von unten ein Neuansatz einzutreten. Die Unterschiede gegen
die beiden vorausgehenden Stücke sind freilich nicht sehr stark,
doch dürfte neben einer gewissen Verschiedenheit des Schrift
zuges auch der Wechsel in der Gestaltung des Kolumnentitels
in Betracht zu ziehen sein. Während nämlich von fol. 101 b bis
fol. 105 a , d. h. auf jenen Blättern, die J III 10 und 11 ent
halten, jedesmal getrennt auf Verso und Rekto mit schwarzer
Tinte geschrieben steht: . Uber . \ . III’ ist von fol. 105 b an
bis zum Schlüsse des Buches der Kolumnentitel mit lib \ III
rubriziert. Von J III 12 ab läßt sich aber auch nicht die min
deste Spur einer Verschiedenheit oder eines Neuansatzes mehr
wahrnehmen bis zum Schlüsse des dritten Buches hin. Ganz
gleichmäßig laufen Schrift und Tinte voran und die Briefe
machen auch hei eingehendster und wiederholter Untersuchung
durchaus den Eindruck, als seien sie zusammen als einheitliche
Gruppe eingetragen worden. Dazu tritt nun eine sehr auf
fällige Ausnahmeerscheinung, die sich gerade in diesen Briefen
und nur in ihnen zeigt. So störend sie mir lange gewesen war
und so wenig die ganze Gruppe zu den Beobachtungen im
übrigen Register hatte passen wollen, so überraschend fügte sie
sich dem Gesamtbilde ein, sobald einmal der Schlüssel zu ihrem
richtigen Verständnisse gefunden war. Wir haben es hier mit
einem nachträglich registrierten Briefbündel zu tun.
Aus welchen Gründen es zur Verspätung des Eintrages kam,
wissen wir vorderhand noch nicht; jedenfalls aber rvar die
Registrierung dieser Briefe unterblieben und wurde nun später
nachgeholt. Dabei fehlte das genaue Datum und in Ermange
lung dessen erhielten die Briefe, wo es anging, wenigstens den
Monatsausweis (J III 16, 17, 17 a , 19), während bei anderen
auf jede chronologische Fixierung verzichtet wurde (J III 12
bis 15, 20—21).
Das einzige Stück dieser Gruppe, das andere Hand und
Tinte aufweist, ist der Eid Berengars von Tours. Er steht auf
fol. 109 b . Die näheren Verhältnisse dieses Nachtrages auf dem
eingeschobenen Blatte 108—09 — auch die Tatsache des Ein
schubes spricht übrigens für späteren Bündeleintrag dieser
Gruppe — wurden bereits früher bei der Beschreibung der
Handschrift dargelegt. Die Rasur des Anfanges von J III 17 a
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
209
auf fol. 107 b , der jetzt auf fol. 109 b sich befindet, ist ein direkter
Beweis dafür, daß wenigstens die Stücke J III 14—17 gemein
sam in das Register eingetragen wurden.
Eine Ausnahmsstellung nimmt ferner der Schlußteil
des Registers ein. Das achte Buch endet mit fortlaufenden
Einträgen auf fol. 211 b in der Mitte. Wie schon oben aus
geführt wurde, beginnt das ,neunte' Buch ohne ursprünglichen
Titel auf fol. 213". Bis J IX 33 einschließlich sind nun Tinte,
Duktus, Schrift und Formalien der Briefe völlig einheitlich
behandelt. Diese Einträge weisen alle Merkmale gewöhnlicher
Kopien auf und gehen sich als einen zusammenhängenden Ein
trag zu erkennen. Die einzige Spur, daß auch hier die Nieder
schrift in mehreren großen Gruppen erfolgte, bilden die ver
schiedenen Schreibungen des .Papstnamens und der Kolumnen
titel. — Durch diese Tatsachen wird nun die eigentümliche
Wiederhol ung der schon im achten Buche registrierten Briefe
J VIII 34" (= VIII 15) und 44" (= VIII 16) völlig befriedi
gend erklärt. Erklärt sind dadurch auch die Korrektur
bemerkungen zu J VIII 36 und J VIII 45, wonach die
beiden Stücke ihre Stellung miteinander vertauschen müssen: 1
beide sind der Niederschrift der Briefe, zu denen sie gehören,
gleichzeitig, sie gehören derselben Hand und entstammen nicht
erst einer späteren Zeit.
Neben jenen Teilen des Registers also, in denen Brief um
Brief je nach der Ausfertigung erledigt wurde, finden sich
andere, in denen eine größere Anzahl von Schreiben zusammen
registriert ist. Die Minuten, nach denen der Eintrag erfolgte,
lagen eben noch vor. Die Tatsache, die für das 11. Jahrhun
dert in bezug auf ein Register nachgewiesen ist, müßte aucli
zu einer erneuten Durchforschung der späteren Register an
regen. Vielleicht, daß auf diesem Wege für manche Erschei
nungen in ihnen eine einfachere Erklärung gefunden wird, als
man bisher angenommen hat. Sollte es nicht möglich sein, daß
z. B. die Briefe Gregors X. von Juli 1274 bis März 1275 oder
die ähnlichen von Kaltenbrunner geltend gemachten Fälle aus
1 Daß beide Stücke einfach umzutauschen seien, liegt auch schon in dem
Hinweis der zweiten Stelle ausgedrückt: Haec similiter epistola debuit
in superioribus scribi. Vgl. oben S. 74.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd., 5. Abh. 14
210
V. Abhandlung: Peitz.
den Registern Martins IV. erst nachträglich im Register Erledi
gung fanden, und daß die scheinbar der Hauptmasse voran
eilenden Briefe den Zeitpunkt bedeuten, wann die Registrierung
dieser Bündel tatsächlich erfolgte? Diese Annahme wäre in
diesem oder jenem Falle wohl ebenso in Erwägung zu ziehen
wie die andere Möglichkeit, daß es sich bei den scheinbaren
Fehleinträgen um einen Irrtum bezüglich des Datums handelt:
daß hier nicht voraneilende, sondern erst spät expedierte Briefe
in die chronologische Folge der Registereinträge eingereiht
wurden. Beide Erklärungsmöglichkeiten ließ Kaltenbrunner bei
seinen Ausführungen unberücksichtigt. 1 Welche von ihnen im
einzelnen aufzustellen ist, kann nicht von vornhinein gesagt
werden. Es ist von Fall zu Fall zu untersuchen, ob wir ein
Originalregister vor uns haben und welche Stellung in ihm tat
sächlich die betreffenden Briefe einnehmen. Die Formulierung
allgemeiner Regeln und Grundsätze wird, fürchte ich, noch auf
lange hinaus unmöglich bleiben.
Damit ist bereits eine weitere Streitfrage berührt. Wurde
nach Konzepten oder nach Originalen registriert? Nur
wenn Minuten die Vorlage bildeten oder doch bilden konnten
— denn wer bürgt dafür, daß schon im 12. Jahrhunderte und
am Anfänge des 13. ganz feste Regeln die Tätigkeit des Re
gistrators bis ins kleinste bestimmten oder, wenn sie je be
standen, daß sie auch streng durchgeführt wurden? •— nur daun
war es möglich, ganze Gruppen von vielleicht längst expe
dierten Briefen noch nachträglich zu registrieren. Aber das
Problem kann und soll hier nicht ausführlich behandelt werden.
Für seine Lösung trägt der Nachweis der Originalität nur
wenig bei und zudem genügt es nicht, für ein oder wenige
Schreiben etwa Minuten- oder. Originalvorlage erwiesen zu
haben, um daraus das Gleiche für die übrigen Einträge auch
nur des gleichen Registerbandes zu erschließen. Die bisherigen
Untersuchungen zur Frage bringen deren Lösung keineswegs.
Zur Herbeiführung einer solchen müßten sowohl die Korrek
turen und Rasuren der Registerbände als auch die Lücken für
die Einfügung der Namen und Daten, die Namen- und Daten-
1 Kaltenbrunner a. a. O. (MIöG V) 230—31. Vgl. Heckei a. a. 0.
(Arch. f. Urknndenforsoh. I) 499—500.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
211
nachträge sorgfältig im Zusammenhänge herangezogen werden.
Eine nur teilweise Behandlung würde keine eigentliche Förde
rung unseres Wissens bedeuten. Vielleicht, daß auch die Ent
deckung weiterer Minuten neue Grundlagen für die Unter
suchungen beschaffen wird. 1 — Deren endgültige Durchführung
wäre allerdings wünschenswert. Denn die Unstimmigkeit z. B.
in der Datierung der Originalausfertigungen gegenüber den
Daten der Registereinträge könnte vielleicht bei einer Regi
strierung der betreffenden Stücke nach den Konzepten wenig
stens zum Teil aus der Vorlage erklärt werden. 2 Der Umfang
dieser öfters wiederkehrenden Erscheinung, die Rodenberg
durch Annahme einer doppelten Ausfertigung erklären wollte,
schließt ihre Zufälligkeit förmlich aus. 3
Ebensowenig wie die Frage nach der Vorlage der Register
einträge kann hier ein weiteres Problem erschöpfend be
handelt werden. Aus den Regesta Avenionensia hat E. Göller
eine Anzahl von Fällen namhaft gemacht, in denen die Quaterne
oder auch einzelne Briefe mit einem A oder AS oder mit
einem F versehen sind. 4 Iv. Rieder führte in seiner inhalt
reichen Untersuchung über die Urkunden des Ivonstanzer Hoch
stifts weitere Zeichen ähnlicher Art auch aus früheren Register-
1 Über die bisher bekannten Minuten vgl. die Zusammenfassung bei Kehr,
Die Minuten von Passignano (Quellen und Forschungen aus ital. Arch.
und,Bibi. VII 1904) 8—9. Dazu J. Schwalm, Neue Aktenstücke zur
Geschichte der Beziehungen Klemens' V. zu Heinrich VII. (Quellen und
Forschungen aus ital. Arch. und Bibi. VII 1904) 220—-50. Über die
Ravennater Minuten handelte auch I-leckel ,a. a. O. (Arch. f. Urkunden
forsch. I), Exkurs 488—500; er suchte aus ihnen Registrierung nach
Originalen zu erweisen, doch vermag ich seinen Ausführungen nicht
zuzustimmen.
2 Vgl. z. B. im Register Gregors VII. J VI 34 und J VII 24 (vgl. Kehr
in Gott. Naelir. 1904, 463—68) oder die Zusammenstellung von Roden
berg in der Einleitung zu den Epistolae saeculi XIII. e Regestis P. R.
selectae (MG Eplae saec. XIII.) I. Einleitung XI—XII.
3 Schon Ewald hat in bezug auf das Register Gregors VII. bemerkt: ,Die
Überlieferung im Register fixiert zuweilen den Willensakt selbst, die
Originale immer den Termin der Ausfertigung derselben*. A. a. 0. (Histor.
Untersuchungen) 318.
4 Mitteilungen und Untersuchungen über das päpstliche Register- und Kanzlei
wesen im 14. Jahrhundert, besonders unter Johann XXII. und Benedikt XII.
(Quellen und Forschungen aus ital. Arch. und Bibi. VII 1904) 74—75.
14*
212
V. Abhandlung: Peitz.
bänden an. 1 Göller versuchte eine Erklärung, Rieder ver
zichtete auf eine solche. Analog findet sich auf der Rückseite
des Konzeptes 79 im Minuten-Sammelband Reg. Vat. 244 A ein
ganz entsprechend ausgeführtes F, während auf der Rückseite
des Konzeptes 19 im gleichen Bande ausgeschrieben steht:
facta est. Ihre Deutung gab Göller aus Reg. Vat. 141. 2 Er
machte auch auf den innigsten Zusammenhang zwischen Re
gister und Minuten aufmerksam, den diese Zeichen verbürgen.
Genau die gleichen Zeichen nun wie die von den genannten
Forschern beobachteten finden sich in den Registerbänden Inno
zenz’ III. Da meines Wissens bisher nicht auf sie hingewiesen
wurde, so dürften etwas ausführlichere Angaben über sie au
dieser Stelle nicht ganz ungerechtfertigt erscheinen.
Ein F steht in Reg. Vat. 4 bei den Briefen I 10. 8 27. 88.
94. 99. 171 usf. Reg. Vat. 5 VII 75. 76. Reg. Vat. 6 Nr. 2. 3.
30. 31. 40. 45. 52. 54. 55. 56. 57 usf. Zuweilen ist es mit
anderen Zeichen, die aber aucli allein Vorkommen, verbunden;
so z. B.: F /: Reg. Vat. 4 I 192. 206. 212. F f Reg. Vat. 4 I
302. 336. 354 usf. Außerdem finden sich unter anderem: . Cö .
in Reg. Vat. 4 I 102. (£7 in Reg. Vat. 4 I 103. 190. II 172;
. c . in Reg. Vat. 4 I 160. 178. 181; 0 bei Reg. Vat. 4 I 39.
529. II 20. Reg. Vat. 6 Nr. 2. 18. 85; 8 zu Reg. Vat. 4 I 36.
48. 63. 143. 264 usf. Reg. Vat. 5 VII 72 usf. Auch finden sich
Zeichen wie •,• oder B oder N; weiter ,to‘ und andere Zeichen. 4
1 Monumenta Vaticana historiam episcopatus Constantiensis in Germania illu-
strantia. Hämische Quellen zur Konstanzer Bistums geschickte zur Zeit der
Päpste in Avignon 1305—78. (Innsbruck 1908.) Einleitung XXVIII.
2 E. Göller, Aus der Kanzlei der Päpste und ihrer Legaten. I. Konzepte
der päpstlichen Sekretäre (Quellen und Forschungen aus ital. Arch. und
Bibi. X 1907) 312. — Aus Reg. Vat. 244 B notierte ich von Minute 235 a :
facta est collatio cum quaterno (mit Bezug auf das Register oder auf den
Uber cancellariae? Vgl. Tan gl, Kanzleiordnungen LVI); von Minute 236 n :
facta est collatio. In Reg. Vat. 244 C steht auf Minute 285 a : Correcta,
doch ist der Vermerk durchgestrichen; auf Minute 326 a am Schlüsse des
Kontextes nach dem Registraturzeichen, einem verschlungenen R: Aus-
cultata cum Regestro per Oampaunum.
3 Im Folgenden gebe ich die in den Handschriften später beigefügten
Zahlen an. Wo die erste durch eine zweite nachträglich korrigiert wurde,
wird die berichtigte Zahl angeführt.
4 Für die spätere Zeit bietet Rieder a. a. O. XXXI—II betreffs des
Zeichens 0 eine Erklärung aus den Kanzleiregeln Johanns XXII. Für
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
213
Daß die Zeichen mit der Anlage der Register im Zu
sammenhänge stehen, scheint schon durch die Art ihrer Aus
führung höchst wahrscheinlich, selbst wenn einzelne erst später
hinzugefügt sein mögen. Denn sie finden sich fast regelmäßig
am Anfänge der Briefe, ganz am äußersten Rande, sind auch
bei gleichem Zeichen in nahe zusammenstehenden Stücken und
selbst bei Briefen, die auf derselben Seite stehen, von verschie
denem Zuge und verschiedener Tinte, was sich trotz ihrer
Flüchtigkeit und Kleinheit zuweilen sicher konstatieren läßt,
und haben andere Tinte als die entsprechenden Schreiben selbst.
Daß ihre Erhaltung nicht eigentlich beabsichtigt war, dürften
die gerade an den entsprechenden Stellen sich öfters findenden
kleinen Rasuren beweisen, die ich z. B. in Reg. Yat. 4 bei I 55
bis 59. 67—68 usf. beobachtete. Sie müssen zum Teil beim
Beschneiden der Bände fortgefallen sein. In späteren Bänden
steht an ganz gleicher Stelle, auf dem R° allerdings am inneren
Rande, und in durchaus entsprechender Art der Ausführung der
Taxvermerk, gleichfalls mit einer von den Registereinträgen
verschiedenen und innerhalb nahe zusammenstehender Zeichen
Avechselnder Tinte flüchtig geschrieben, wie er z. B. in Reg..
Yat. 53 bei sehr vielen, in Reg. Vat. 58 bei fast allen Briefen
auftritt. Eine systematische Durchforschung der Bände lag
außerhalb der mir gestellten Aufgaben und war bei der Kürze
der mir zur Verfügung stehenden Zeit ausgeschlossen. Viel
leicht, daß sie für manche Fragen eine Lösung bringt. Nur
genaueste Berücksichtigung auch der unscheinbarsten Kleinig
keiten und sorgsame Beschränkung der Folgerungen auf die
von den Beobachtungen sicher geforderten Schlüsse kann zum
Ziele führen: eine vielleicht schwere und langwierige Arbeit.
Denn jeder einzelne Band muß Seite um Seite bearbeitet und
sein Inhalt mit der gesamten erreichbaren Parallelüberlieferung
in Vergleich gestellt werden. Erst wenn solche Probleme restlos
die Innozenzbände kann die Erklärung kaum zutreffen, da sich in ihnen
ein 0 auch bei Einläufen findet. Vgl. z. B. Specimina palaeogr. Taf. V
zu Nr. 226. Jedenfalls waren aber diese Zeichen in der Kanzlei schon
vorher üblich und fanden bei der ersten Registrierung Verwendung. —
Ein F erscheint auf unserem Faksimile Taf. V zu CXXXVI, ein anderes
Zeichen auf Taf. IV am rechten Rande zu dem Einlaufe X.
214
V. Abhandlung: Peitz.
beantwortet sind, können wir hoffen, den Geschäftsgang der
päpstlichen Kanzlei völlig' zu verstehen.
Für den Pontifikat Gregors VII. allerdings ergehen sich
schon jetzt festere Anhaltspunkte betreffs der Organisation
der Kanzlei. Zwei Männer sind es, die in ihr in den Vorder
grund treten, sie sozusagen beherrschen: der Kardinalbiblio-
thekar Petrus und der Notar Rainer. Dieser, der die Mehrzahl
der im Original erhaltenen Privilegien Gregors mundiert, der
die Datierung mit dem Namen des kardinahzischen Kanzlei
chefs, ja sogar in einer Anzahl von Urkunden die päpstliche
Firmatio selbst geschrieben hat — für J—L 4929 (Original in
der Vatikanischen Bibliothek) und J-—L 5069 a (Original im
Staatsarchiv zu Mailand) kann ich auf Grund der Photographie
die diesbezügliche Behauptung Kehrs nur vollauf bestätigen,
für die anderen Fälle fehlt mir entsprechendes Material —, der
Vertrauensmann zweier Päpste, hat auch das Register mit
eigener Hand geschrieben. 1 Er ist dem Papste, wie die Origi
nale und das Register* in Übereinstimmung dartun, auch auf
seinen Reisen gefolgt. Er ist mit ihm in Oberitalien gewesen
und war wohl zur Begleitung Uber die Alpen ausersehen, er
hat die Canossaszene miterlebt und den Eid König Heinrichs
registriert. Mit Gregor hat er auch die Belagerung der Stadt
Rom durchmachen müssen und hat nach deren Ende die Schäden
und Versäumnisse der drei harten Jahre, so gut es gehen wollte,
auszubessern gesucht. Dann nahm er nach der Befreiung durch
den Normannenherzog seine regelmäßige Tätigkeit für kurze
Zeit wieder auf. Sein Ausgang liegt im Dunkel.
Über seine Herkunft sind wir nicht genauer unterrichtet.
Aber die zahlreichen Anklänge an die diplomatische Minuskel
der deutschen Reichskanzlei, die sich in allen seinen Schriften
finden, lassen die Vermutung aufsteigen, daß er den deutschen
Landen nicht ganz fremd war. 3 — Seine durch fast 20 Jahre
1 Betreffs der Originale vgl. Kehr a. a. 0. (MIöG Erg. VI) 99—101 und
Göttinger Nachrichten 1904, 463. Über Rainer als Schreiber des Re
gisters vgl. oben S. 92 ff.
2 Vielleicht dürfte außer der Erinnerung an die engen Beziehungen, die
sich seit dem Beginne des Jahrhunderts zwischen der kaiserlichen und
päpstlichen Kanzlei angeknüpft hatten, auch auf folgende Erwägungen
hingewiesen werden. Wie bereits früher (I. Abschn., 4. Kap.) hervor-
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
215
naclizuweisende ununterbrochene Kanzleitätigkeit macht das
Studium seiner Schrift außerordentlich lehrreich. Vorerst müssen
wir uns mit einigen wenigen Proben begnügen. Vielleicht, daß
eine eigene Publikation mit einer reicheren Auswahl von Er
zeugnissen seiner Hand seine Arbeit auch für unsere paläo-
graphische Forschung noch ertragreicher macht, wie sein Fleiß
als Registrator uns das wichtigste Denkmal für die Geschichte
des 11. Jahrhunderts geschenkt bat.
Uber die Laufbahn des Kanzleichefs Petrus hatten schon
Breßlau, dessen Handbuch sich überall von neuem als uner
läßlichen Führer erweist, und die stets Wertvolles zeitigenden
Forschungen Ivehrs alle bis heute erreichbaren Daten gesam
melt. 1 Durch Verbindung ihrer Nachweise mit den jetzt neu
gewonnenen Ergebnissen läßt sich auch über seine Lebens
schicksale ivie über sein Verhältnis zum Register weitere Auf
klärung geben. Aus den Angaben Kehrs und den Notizen über
die Datierungsformeln der gregorianischen Originale bei J—L I 2
p. 594 geht hervor, daß kein sicherer Fall bekannt ist, in dem
Petrus später als 1083 November 24 (J—L 5261, vgl. 5263)
gehoben wurde, kennt Rainer auf den Originalen (z. B. auf dem Alex
anderoriginal zu München, Zeile 15 und 16) und im Register (z. B.
fol. 156 b . 171“) die Ligatur Ou durch Einlassen der Spitze des V in die
Rundung des 0. Auch beginnt er des öfteren den Eigennamen Willelmus
(Willielmus) mit einem durch zwei verschlungene V gebildeten W (vgl.
Taf. V, Nr. 5, Zeile 1. Taf. II, Zeile 23). Beide Zeichen könnten den
Gedanken nahebringen, daß der geborene Deutsche diese dem Deutschen
besonders eigentümlichen Zeichen fast unwillkürlich verwendete, da ihm
der deutsche Wilhelm vertrauter war als der latinisierte welsche Guilelmus
oder Guilielmus. Auch mag daran erinnert werden, daß auf der projek
tierten Reise Gregors nach Deutschland Januar 1077, die durch Hein
richs IV. Buße in Canossa vereitelt wurde, sich Rainer im Gefolge des
Papstes befand, sowie daß er seinen Herrn auf dem Wege von Canossa
zur Konferenz am Po in den ersten Tagen des Februar begleitete, wie
uns jetzt das Register lehrt.
1 Breßlau, Urkundenlehre I 198—99. Kehr a. a. O. (MIöG Erg. VI)
90. 101. Im Register Gregors erscheint Petrus als cardina/.is presbyter et
tnbliotliecarius sanctae Romanae ecclesiae nur einmal, bei den Zeugen
unterschriften zu J I 18“ von 1073 August 12. Er ist zweifelsohne iden
tisch mit dem in der Originalüberlieferuug der Canusinischen Eidesformel
durch Deusdedit erhaltenen Zeugen Petrus tituli S. Chrisogoni (J IV 12",
DdW IV 421).
216
V. Abhandlung: Peitz.
datiert hätte. 1 Beno hat uns den Grund dafür angegeben. Als
die Sache Gregors sank und Heinrich die Oberhand gewann,
da wandte sich auch der Kardinalbibliothekar dem Sterne des
Königs zu. 2 Anderseits ist es merkwürdig, daß eigenhändige
Datierung des Kanzlei chefs,- soweit sie Kehr nachgewiesen hat,
stets mit augenfälligem, starkem Wechsel der Schrift im Re
gister zusammentrifft. So z. B. für das Jahr 1075 März—April
(J—L 4940. 4945. 4957), wo das Register bei J II 50 (Jan. 24
nach Jan. 22), J II 52 (Febr. 28 nach Jan. 25), J II 55 a (nach
März 3 vor März 4), J II 59 (März 9 nach März 5), J II 61
(März 23 nach März 13), J II 77 (Juni 17 nach April 20)
sichere Neuansätze bietet.
J—L 5134 und 5160 von 1079 Juli bis 1080 April, die
gleichfalls von Petrus eigenhändig datiert sind, treffen mit den
stets und fortdauernd wechselnden Neuansätzen des siebenten
Buches — bei J VII 2. 4. 5. 6. 7. 10. 13. 14. 15. 16. 17. 18 —
zusammen.
Das Gleiche ist der Fall hei den vom Bibliothekar eigen
händig gezeichneten Originalen J—L 4818 und 4844 von 1074
Januar—März, entsprechend dem Schriftwechsel in den Register
einträgen des ersten Buches.
Im Register haben die Briefe J IV 12 (1077 Jan. 28
nach Jan. 10), J IV 13 (März 1), J IV 14 (März 4), J IV 18
(März 23 nach März 21), J IV 20 (März 25 nach März 23)
und J IV 21 (April 6) ganz auffälligen Wechsel des Ansatzes.
In der gleichen Zeit ist aber Petrus durch die 'Parallelüber
lieferung bei Deusdedit als Zeuge für den Canusinischen Eid
und damit seine Anwesenheit im Gefolge des Papstes gesichert.
Nur wenig früher fällt das Privileg für Florenz J—L 5015
von 1076 Dez. 28, dessen erhaltenes Original eigenhändige
Datierung des Kardinalbibliothekars aufweist. Am 28. Januar
tritt Petrus von S. Crisogono neben Cono von S. Anastasia als
Zeuge heim Canusinischen Eide auf; Deusdedits Kanonessamm-
1 J—L 5311 fällt nach J—L 5233 (1083 nach Juni: vgl. J—L 5228 =
J VIII 43), muß aber aus dem oben angegebenen Grunde vor die Erobe
rung der Altstadt durch Heinrich IV. gesetzt werden und gehört vor
J—L 5248.
2 Gesta Romanae aecclesiae II. II 2. Contra decretum Hüdebrandi 10. Vgl.
Meyer- K non au, Jahrbücher III 525 7 .
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
217
lung hat uns diese Tatsache überliefert. Am 6. Februar datiert
eine Urkunde Gregors VII. für S. Maria de Buttrio, J—L
5268, deren Datumformel allerdings an schweren Gebrechen
krankt, mit seinem Namen. Wenige Tage vorher und nachher
erscheint freilich ein anderer Datar, der zweite Zeuge des Eides
von Canossa, Conon. Aber sein Name hat in beiden Schreiben,
dem für Buttrio und einem Privileg für ein Benediktinerkloster,
dessen Name und Lage unbekannt sind, einen bemerkenswerten
Zusatz. Es heißt ausdrücklich: Datum . . . per manus Cononis
cardinalis presbyteri S. R. E. tune cancellarii officium agentis
(bezw. supplentis J—L 5268). 1
Die vom Kanzleichef eigenhändig gezeichneten Originale
J—L 4818 und 4844 von 1074 Januar—März fallen wieder
mit dem Schriftwechsel in den Registereinträgen des ersten
Buches zusammen.
Umgekehrt zeigt Kehr aber auch, daß J—L 4984 zwar
mit dem Namen des Petrus datiert ist, daß jedoch die Datie
rung von der Hand Rainers geschrieben ist — und gerade
dieses Stück gehört zeitlich zwischen die Registerstücke des
dritten Buches, nach J III 11, von denen oben gezeigt wurde,
daß sie nachträglich als ganzes Bündel zur Registrierung ge
langten. 2 . Die von Rainer unter dem Namen des Petrus, bezw.
1 A. Overmann, Gräfin Mathilde von Tuszien. Ihre Besitzungen. Geschichte
ihres. Gutes von 1115 his 1230 und ihre Regesten (Innsbruck 1895)
143—44, lieg. 35 und Beilage IV 239—40 möchte die Schenkungs
urkunde für das Apolloniuskloster in Canossa (J—L 5020) auf 1078—79
ansetzen, läßt jedoch ausdrücklich die Möglichkeit offen, daß sie zwischen
August 1077 und Februar 1078 erfolgt sei. Eben für diese Zeit aber
sprechen alle Gründe, die er geltend macht (a. a. O. 144). Dazu kommt,
daß der aus Mathildens persönlichen Mitteilungen schöpfende Donizo
ganz bestimmt die Urkunde für die Canusiuisclie Kirche auf 1077 ver
legt. Diese von Donizo gemeinte Schenkungsurkunde glaubte Meyer-
Knonau in der von O. Holder-Egger aus dem Besitze des Cav. Ven-
turi in Reggio-Emilia bekanntgegebenen Bulle Gregors vom 11. Febr.
1077 wiederzuerkennen (Jahrbücher II 911). Kehr behandelte letztere,
von der L. Schiaparelli eine genaue Abschrift fertigte, in den Götting.
Nachr. 1897, 226—33. Nach gütiger brieflicher Mitteilung glaubt er jetzt,
daß es ein Privileg für Frassinoro darstellt.
2 Damit steht natürlich im Zusammenhang, daß J III 17 R als Vertreter
der Kanzlei Cono erscheint: . . . Ego Oono . . . scripsi et .. . interfui, wäh
rend Petrus fehlt.
218
V. Abhandlung: Peitz.
Conons als dessen Stellvertreters datierten Stücke J—L 5044
and 5069 a aber — mit J—L 5060 dürfte es sich kaum anders
verhalten — fallen in die Registergruppe J V 1—18 (1077
August bis 1078 März 19), in der ich wenigstens keinen auf
fälligen Wechsel des Ansatzes zn konstatieren vermochte, die
vielmehr überaus große Gleichmäßigkeit in Tinte und Duktus
aufzeigen.
Drängt sich angesichts dieser Tatsachen nicht geradezu
die Folgerung auf, daß der Kanzleichef Petrus es war, dessen
Obhut die Aufbewahrung des Registers anvertraut war? Ein
unmittelbarer Rückschluß aus späteren Gebräuchen auf frühere
Einrichtungen ist gewiß nicht erlaubt, aber im Anschluß an die
gemachten Darlegungen darf doch in einer späteren Bestim
mung eine Bestätigung des Schlusses gefunden werden. Der
liber cancellariae enthält für das 13. Jahrhundert die Bestim
mung: debet habere vicecancellarius regestrum apud se, notarns
exclusis. 1 Der Vizekanzler des 13. Jahrhunderts, durch Hono-
rius III. 1216 geschaffen, entspricht in seinen Funktionen dem
kardinalizischen Kanzler des 12. und Bibliothekar des 11. Jahr
hunderts. 2 Das Register Gregors VII. zeigt, welche Unzukömm
lichkeiten sich aus der hohen Stellung des Kanzleichefs und
seiner gewiß oft wiederkehrenden Verwendung zu anderen
Beamtungen oder Missionen ergeben mußten. 3 In ihnen dürfte
die Erklärung für Abschaffung des kardinalizischen Kanzler
amtes nicht minder zu suchen sein als in den anderen geltend
gemachten Umständen.
Immer deutlicher tritt die Kontinuität in der Ent
wicklung der päpstlichen Kanzlei zutage. Es ist ein Auf
steigen vom Einfachen zum reich Organisierten, von unvoll
kommenen Anfängen und bescheidenen Verhältnissen in Be
setzung, Gliederung und Geschäftsbetrieb zu jenen reich ge
gliederten und hochentwickelten Ämtern des späteren Mittelalters,
1 Tang], Die päpstlichen Kanzleiordnungen 68 (Constitutio VII 22).
2 Breßlau, Urkundenlehre 199—207. Tangl, Kanzleiordnungen XIV. Mit
dieser Auffassung ist allerdings die scharfe Scheidung, die Bretholz,
Lateinische Paläographie 94 (in Meisters Grundriß I) zwischen dem Kar
dinalbibliothekar und dem Pfalznotariat auf Grund seiner Schlüsse aus
Kehrs Ausführungen machen will, nicht vereinbar.
3 Vgl. Kehr a. a. O. (MIüG Erg. VI) 101 ’.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 1.
219
die mit ihrer gesteigerten Arbeitsleistung bei genau geregelter
Arbeitsteilung die Bewunderung des Forschers erregen. Inno
zenz IIT. und Honorius III. treten immer klarer als deren
eigentliche Organisatoren in den Vordergrund.
Aber auch Gregor VII. hat für seine Zeit die Kanzlei
reorganisiert. Der konsequente Bruch mit den zerfahrenen Zu
ständen aus der Zeit seines von ihm so hochverehrten Vor
gängers, die Einheitlichkeit, die er der päpstlichen Kanzlei
wiedergab, sichern ihm auch nach dieser Seite den Anspruch
auf Anerkennung. 1 Welche Motive Gregor zur fast prinzipiellen
Beiseiteschiebung des alten römischen Scriniums bewogen, wird
uns nicht berichtet. Aber sie müssen wohl mit den im Rom
des 11. Jahrhunderts eingerissenen traurigen Zuständen im
Zusammenhänge stehen. Bonizo berichtet uns, mit welcher
Energie der neue Papst gegen die moralische Verwilderung
des städtischen Kirchendienertums vorging. 2 Bono zählt unter
den geistlichen Würdenträgern und den Beamten, die im Un
glücke die Sache ihres päpstlichen Herrn verließen, außer dem
Kardinalerzpriester, dem uns bekannten Kardinalbibliothekar
und anderen auch den prior scolae regionaricie cum omnibus
suis subdiaconibus sowie den prior scriniariorum cum pleris-
que suis auf. 3 War es zu verwundern, wenn Gregor sich nach
Männern umsah, auf die er sich glaubte verlassen zu können?
1 Einen sinnfälligen Ausdruck findet dieser Bruck mit den willkürlichen
und verworrenen Zuständen unter Alexander II. in der Ausführung der
Originale. Derselbe Rainer, der unter zehn bis zum Tode dieses Papstes
bis heute von seiner Hand nachgewiesenen Originalen (J—L 4631. 4634.
4634». 4650. 4657. 4662. 4724. 4767. 4686. 4687) nur zwei (J—L 4686.
4687) in Kuriale, eines in ,einer wunderlichen Mischung von Luccheser
Minuskel und römischer Kuriale 1 geschrieben hat (J—L 4724. Kehr,
MIöG Erg. VI 97), schreibt unter Gregor VII., soweit wir bis heute
wissen, fast ausschließlich in Kuriale (J—L 4818. 4940. 4945. 4957.
4984. 5015. 5020. 5044. 5060. 5069». 5110. 5160). Nur zwei Originale
Gregors, die seiner Hand angehören, sind in Minuskel (J—L5134. 5167);
aber auch von diesen beiden liegt eines in einer Originalausfertigung in
Kuriale vor (J—L 5134. Vgl. Kehr, Gott. Nachr. 1904, 463).
2 Ad amicum, Jaffe BRG II 660—61. MGLdl I 568—620. Vgl. Mirbt,
Publizistik 42—43. 242—43. Meyer von Knonau, Jahrbücher II
420-21.
3 Vgl. oben S. 216, Anm. 2, und die entsprechenden Nachweise bei Meyer
von Knonau III 525.
220
V. Abhandlung 1 : Peitz.
wenn er jenen Kardinalpriester Petrus und jenen Pfalznotar
Rainer, denen bereits unter seinem Vorgänger eine besondere
Vertrauensstellung zugefallen war, bevorzugte und ihnen die
verantwortlichsten Aufgaben in seiner Kanzlei anvertraute?
Schon unter Alexander II. dürfte deren stets steigende Bedeu
tung zum großen Teil auf den Archidiakon Hildebrand zurück
zuführen sein, der nicht zu Unrecht Alexanders rechte Hand
genannt ist. Hat Petrus schließlich auch das Vertrauen seines
Herrn getäuscht: der Notar Rainer blieb ihm treu.
2. Kapitel.
Zur Chronologie der Briefe Gregors.
Der ,Commentarius clectionis“.
Jaffe hatte in der Einleitung zu seiner Ausgabe an der
chronologischen Ordnung der Briefe J I 1 bis VIII 32 ent
schieden festgehalten, die folgenden Schreiben aber bis zum
Schlüsse des Registers erklärte er für admodum confusae, sie
seien eben völlig ungeordneten Vorlagen entnommen. 1 Er folgte
dabei nur den Spuren Gies ebr echts, der in seiner Abhand
lung zu den Gregorregesten geschrieben hatte: critica arte
adliibita inveniemus [inde ab initio libri VIII. omnes fere lit-
teras] nequaquam eo, quo nunc leguntur ordine, sed diversis
temporibus eas litteras scriptas esse et saepe inferiorem nunc
locum obtinere, quae antepositis multo priores exstiterint.
Neglexit igiiur. qui Registrum composuit, in extrema operis
parte temporum ordinem, quem per septem priores libros dili-
genter tuitus erat, . . . sine ordine, quascunque fors et fortuna
e diversis locis ei obtulerat, epistolas compegit, 2
Aber aucli außer diesen Briefen hatte Jaffe in der Aus
gabe bereits einige weitere chronologische Ansätze in den ersten
sieben Büchern beanstandet und demgemäß die Stücke in den
Papstregesten umgeordnet. Und es wäre auch wohl nicht zu
verwundern, wenn eine Privatsammlung, die zwar einen irgend
welchen offiziösen Charakter trug, aber docli kein offizielles
1 BRG II 5.
2 KPR I 2 595. Vgl. de vegistro emendando 6.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 2.
221
Erzeugnis der päpstlichen Kanzlei sein konnte, nicht größere
Berücksichtigung und entscheidenderen Zeugniswert erhielt.
Andere zogen weitergehende Folgerungen. E. Dünzel-
mann ühte an der Begründung und Erklärung der beiden
Forscher zwar ganz richtige Kritik, stellte jedoch selbst eine
noch weit grundstürzendere Ansicht auf und schaltete mit den
Daten der Registerbriefe in souveräner Nichtbeachtung der
Überlieferung. 1 K. Beyer schraubte allerdings dieses willkür
liche Vorgehen fast bis zum völligen Verschwinden zurück,
glaubte aber in einem Punkte ihm die Berechtigung nicht ab
sprechen zu sollen und erkannte damit eigentlich die prinzi
pielle und methodische Richtigkeit der Grundlagen Dünzel-
manns an. 2 Auf den gleichen Standpunkt stellte sich auch
Löwenfeld in der Neuausgabe der Papstregesten, in der eben
falls einige Datierungen von Briefen Gregors gegen das Zeugnis
des Registers geändert wurden. G. Meyer von Knonau
stimmte durch teilweise Aufnahme der geänderten Daten dieser
Anschauung' bei. 3
Nach den im Obigen niedergelegten Untersuchungen muß
dieses Vorgehen als nicht mehr berechtigt verlassen werden.
Was zunächst die Briefe der ersten acht Bücher angeht, so
ist an der Richtigkeit der für sie im Register angegebenen
Datierungen durchweg unbedingt festzuhalten. Die päpstliche
Kanzlei konnte in dem für ihren eigenen Gebrauch bestimmten
und zur Kontrolle wie zur Grundlage ihrer Geschäftsführung
dienenden Register, soweit es sich dabei um fortlaufende Ein
träge handelte, keine absichtliche Falschdatierung eintragen
und ebenso scheinen bedeutendere Versehen in der Zeitangabe
1 E. Dünzelmann, Die chronologischen Noten des Registrum Oregorii VII.
(Forschungen zur deutschen Geschichte XV 1875, 513—47). Seine Resul
tate sind: Die Abschriften der Kanzlei (aus denen der private Sammler
schöpfte) hatten überhaupt keine Daten (544). Der Sammler hat auf
Grundlage der Synodalakten die Briefe annähernd datiert (546).
2 K. Beyer, Uber die Datierung einiger Briefe im Registrum Oregorii VII.
und im Codex Udalrici (Forschungen zur deutschen Geschichte XX I 1881,
407—13). Vgl. D. Schäfer, Zur Datierung zweier Briefe Gregors VII.
(NA XVII 1891) 418—24.
3 Vgl. z. B. Jahrbücher II 30 4 204 . Meyer von Knonau hatte Lövvenfelds
Verfahren vor Neuausgabe der Papstregesten ausdrücklich gebilligt: vgl.
Löwenfeld RPR I* 597.
222
V. Abhandlung: Peitz.
für diese Stücke ausgeschlossen. Aber auch in den das neunte
bis elfte Jahr umfassenden Nachträgen zeigen die beigefügten
Korrekturen (J VIII 36. 45), daß man auf Innehaltung der
richtigen chronologischen Folge Wert legte und immerhin in
der Lage war, wenigstens bei einzelnen Stücken Verstöße da
gegen zu verifizieren. Vom letzten Briefe dieser Gruppe
(J VIII 57) an hat dann die Ordnung des Registers wieder
vollsten Anspruch auf unbezweifelte Gültigkeit. Die chrono
logischen Grundlagen, auf die sich die Änderungen Löwenfelds
in den Papstregesten stutzen, sind nicht verläßlich. Sie müssen
im einzelnen neu überprüft werden und die in vielen Fällen
zum Ausgangspunkte der Kritik genommene und mit dem
objektiven Sachverhalt zu Unrecht gleichgesetzte moderne Auf
fassung von der Entwicklung der Ereignisse ist einer genauen
Revision zu unterziehen. Die einzelnen Beispiele zu behandeln,
muß der Spezialforschung überlassen werden. Hier sollen nur
die in den Regesten vorzunehmenden Änderungen und Umstel
lungen aus den ersten sieben Büchern tabellarisch zusammen
gestellt werden. Es handelt sich dabei um drei Nummern,
denen sich fünf weitere infolge unrichtiger Lesung falsch
datierte Briefe anschließen.
J-L
Adressat
Datierung J—L : Datierung R
I 1*
2
II 28
29
59
70
71
. 72
4772
4773
4810
4811
5068
4952
4953
4954
Desiderio abbati... Montis Cassini
Gisulfo Salernitano principi . .
Lemaro Bremensi aecliiepiscopo
Sigefredo Mogontino archiepisc.
fratribus ... in abbatia Romana
Geusae Ungariae duci. .'....
Wratizlao Boemiorum duci . . .
universis in Boemia constitutis
1073 apiil 24
55 n n
1073 dec. 12
55 .51 55
1078 märz 9
1075 april 14
55 55 51
„15
1073 april 23
55 55 51
1074 dec. 12
55 51 ^
1075 märz 9
1075 april 17
Dagegen muß ich in einem Falle Jaffes Änderung aner
kennen. Es handelt sich um J—L 4979. Im Register hat
dieses Schreiben, J III 6, kein Datum. Es steht zwischen
Briefen von 1075 September 11 und Dezember 7. Bei dem
ganz besonderen Interesse, das diese Stücke des dritten
Buches für die Entstehung des Registers wie für die Ge-
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 2.
223
schichte der Jahre 1075—76 bieten, soll hier auf die Art
ihrer Eintragung in der Handschrift genauer eingegangen
werden.
Bei J III 4 beginnt in R auf fol. 96 a ein neuer Ansatz
mit nur geringem Unterschied gegenüber der vorausgehenden
Gruppe; in dieser ist bei J II 77 zuletzt ein schärferer Ansatz
zu konstatieren. Immerhin wird in J III 4 die Tinte ein wenig
dunkler, die s sind im Gegensatz zu den vorausgehenden
StUcken fast regelmäßig und ziemlich stark unter die Zeile
herabgezogen, die Schrift ist etwas gedrängter als vorher. Den
nächsten Neuansatz findet man nach J III 5 hei der dort zum
erstenmal eingetragenen Exkommunikationsformel. Die blasse
Tinte liebt sich scharf von den vorhergehenden Briefen ab.
Die Schrift ist spitzer und hakiger und muß von einer anderen
Hand herrühren. Die Köpfe der s und f sind klein und laufen
mit einem Häkchen nach links zurück. Die Schäfte der 1, b, h
und des senkrechten d sind oben nur schwach verdickt und
nicht gegabelt, der Umbug der Schäfte unten ist spitzer, c und e
sind eckig, der Abstrich des e setzt in der Mitte des schmalen
Bauches an. Das geschweifte d beginnt mit einem leichten
Schwünge von oben her. Die Kürzungsstriche für m und n
haben eine nur hier sich findende doppelt geschweifte Form.
Gleiche Hand und Tinte findet sicli auch in dem folgenden
J III 6. In beiden Stücken, die gar nicht getrennt sind — am
Schlüsse von J III 5 a ist ein freier Raum von nur 4—5 Buch
staben — ist bloß der Anfangsbuchstabe des Papstnamens
rubriziert und auch das in ganz ungewöhnlicher Form. Der
Kontext beginnt am Zeilenanfang; die Initialen B und G —
letzteres in auffallender Gestalt — sind vor die Zeile gerückt.
Das Adreßrubrum zu J III 6 ist von der Hand, welche die
üb rigen Rubra schrieb, der Hand des Notars Rainer. Dagegen
durfte der Mann, der Exkommunikation und Begleitschreiben
hier eintrug, identisch sein mit dem Korrektor, der in den
vorausgehenden Briefen einige Verbesserungen anbrachte. Er
fügte in J III 1 das ausgelassene apostolice über der Zeile
hinzu (in der Verbindung quousque apostolice se audientie re-
praesentet fol. 94 b J 203 3 ). In J III 3 hat derselbe Korrektor
das instituto des Schreibers (J 206 7 und Anm. 6) durch Rasur
und Änderung des o und Uberschreiben von one zu institutione
224
V. Abhandlung: Peitz.
umgeändert. 1 In J III 4 ferner hat der Korrektor loquitur
(J 208 12 ) über der Zeile nachträglich hinzugefügt sowie nach
prophetam (J 208 13 ) ein Fragezeichen eingesetzt. Soweit sich
aus diesen geringen Proben ersehen läßt, ist der Korrektor
mit dem Schreiber von J III 6 samt Beilage identisch.
Der Kolumnentitel war fol. 92 b — 93“ (Beginn von J II 76)
Lib | II.] fol. OS 11 —94 a (Beginn von J II 77, bezw. J III 1)
fehlt er. Fol. 94 1) — 95“ und 95 b —96“ steht Lib \ III; fol. 96 b
enthält die Fortsetzung des fol. 96“ begonnenen J III 4, das
fol. 97 a schließt, und hier, 97“, steht zusammen Lib. III. . . .
Fol. 97 b — 98“ lautet der Titel, mit schwarzer Tinte ge
schrieben: .liber. \ .1119.: es beginnt hier die Exkommuni
kationsformel. Von fol. 99“ an, wo in Zeile 3 der Brief J III 7
einsetzt, steht dann bis fol. 101“ regelmäßig auf dem Rekto
zusammen und rot geschrieben: Lib. III., mit diesem Briefe
J III 7 aber beginnt wieder die Hand, die vorher J III 1—3
und 4—5 eingetragen hatte. Von fol. 101 b —105“ heißt es
dann: .Über. \ .111.9, mit schwarzer Tinte, von fol. 105 b
bis 118“, wo J IY 5 unten auf der Seite schließt, steht rot:
Lib | IIII9 (bezw. III 9 ), und vom Neuansatz J IV 6 fol. 108 b
ab, ebenfalls rot: Lib \ IIII.
Von J III 7 bis zum Schlüsse von J IY 5 ist ein Neu
ansatz nicht nachweisbar. Erst J IV 6 beginnt eine feinere
und glattere Schrift; die Tinte, die in der ganzen Folge der
Briefe seit J III 7 gleichmäßig schwarz gewesen war, wird
blasser, doch bleibt die Hand die gleiche.
Nach dem ganzen Schriftbefund muß diese gesamte Folge
von Briefen als einheitlicher Eintrag bezeichnet werden — als
ein Nachtrag von Schreiben, deren Expedition auf den Zeit
raum fast eines Jahres sich verteilte. Dafür bietet, abgesehen
1 Bemerkenswert ist, daß die parallele Originalüberlieferung im Codex
Udalrici ebenfalls instituto liest. Solche unscheinbare Kleinigkeiten
scheinen mir durchaus beachtenswert. Der Registerschreiber muß, wie
bereits früher ausgeführt wurde, die korrigierte Minute als Vorlage be
nutzt haben. Die gleiche Vorlage diente ihm für die Mundierung des
Originals. Der Korrektor iu R aber (der Kanzleichef Petrus?) wollte
institutione; sollte er ohne jeden Grund seine Änderung in R gemacht
haben? Angenommen, daß das Original von J III 3 durch Rainer mun-
diert war, ließe sich das zweimalige Übersehen einer Korrektur im Kon
zept durch den Notar wohl verstehen.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 2.
225
von den bereits früher geltend gemachten Anzeichen, 1 eine
weitere Beobachtung eine merkwürdige Bestätigung. Bei den
Kolumnentiteln vertat sich der Schreiber zweimal und setzte
auf fol. 116“, wo Brief 3 des vierten Buches beginnt, lib III 9 ,
und ebenso schrieb er fol. 117 b —118“, obwohl hier der fünfte
Brief des vierten Buches eingetragen ist, Lib \ HD. Den Zeit
punkt, wann der Eintrag der Gruppe J III 7 bis IV 5 erfolgte,
können wir eben auf die Zeit vom 27. September bis 28. Ok
tober 1076 bestimmen; dem Schreiber war die Bezeichnung
Uber III viel geläufiger als die andere: Uber IV. Später wurde
der Fehler in den roten Koluninenüberschriften schwarz ver
bessert.
Den Grund der Unterbrechung in der Registerführung
kennen wir. Der Kanzleichef Petrus muß in dieser Zeit von
Rom abwesend gewesen sein. Es stimmt dazu die Angabe
Gregors in J III 7: longe ab urbe maxime causa infirmitatis
aberant, cum quibus necessarium erat tractare . . .: 2 eine Seuche
hatte die Kardinäle aus der ewigen Stadt verscheucht.
Aus diesem Sachverhalte folgt, daß es nicht wundernehmen
kann, wenn das datenlose Schreiben J III 6 liier selbst im
Originalregister an falscher Stelle steht. Aber das Register
macht auch darauf aufmerksam. Auf fol. 98 b ist durch den
Schluß der Exkommunikation und die erste Hälfte des Begleit
schreibens von oben rechts nach unten links ein feiner Strich
gezogen und ein zweiter Strich führt von links oben bis zur
Kreuzung mit dem ersten in der vierten Zeile des Briefes. Mit
Recht muß demnach J III 6 auch auf Grund des Original
registers an dieser Stelle getilgt und mitsamt der Exkommuni
kation nach J III 10“ in den Februar 1075 gesetzt werden.
1 Vgl. oben S. 208 f.
2 Mit Giesebreoht, Kaiserzeit III 2 4 1132 glaube ich aberant emendieren
zu müssen statt aberamus, wie K schreibt. Außer dem Kontext spricht
meines Erachtens dafür auch die Lesung aberam bei Udalricus (vgl.
Jaffe 212): beide Verlesungen scheinen mir aus aberant leicht erklär
lich. Anders Meitzer (bei Giesebrecht a. a. 0.), dessen Lesung von
Meyer v. Knonau, Jahrbücher II 5 6 5 164 angenommen wird. Aber
Laurenlum paßt nicht zur Angabe longe ab urbe, wie Meyer v. Knonau
selbst sieht. Aberant emeudiert auch J. Langen, Geschichte der römi
schen Kirche von Gregor VII. bis Innozenz III. (Bonn 1893) 53 1 mit
D el a r c.
Sitzungsbor. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd., 5. Abb. 15
226
V. Abhandlung: Peitz.
Dagegen dürfte Löwenfeld nicht beizustimmen sein, wenn er
mit Pertz, Floto und Giesebrecht J III 10 auf den 8. De
zember 1075 verschieben will. 1 Das Zeugnis des Registers ist
zu klar und ein Verschreiben V. ict. Jan. statt Decb., wie in
den Briefen J III 8—9 geschrieben steht, ist schwer zu er
klären. 2 .
Die Datierung der Briefe aus dem letzten Teile des Re
gisters wird unten im Zusammenhang zur Sprache kommen.
Hier mag nur beispielshalber auf einen Fall hingewiesen werden.
Jaffe setzt das Schreiben J VIII 41 = J—L 5220 vor das
Schreiben J VIII 37 = J—L 5221, in der Annahme, daß es
sich um einen Brief des Jahres 1081 handle. Aber die gege
benen Daten, für die allein wir uns auf die Überlieferung zu
stützen vermögen, sind J VIII 38 mit II. Non. Dec. und das
diesem vorausgehende nächstdatierte J VIII 33 mit IV. Kal.
Mai. Ind. IV., d. h. 1081 April 28. Für J VIII 35 ist der An
satz 1081 August 25 durch parallele Originalüberlieferung ge
sichert. Der Dezemberbrief fügt sich mithin richtig in die
Ordnung der Monate ein. J VIII 41 gibt das Datum IX. Kal.
Nov., ohne anzugeben, welchem Jahre dieses Datum angehört,
und die nächstfolgende Jahresbezeichnung steht erst in J VIII 58
(= R XII 1*). Es müßte demnach auf Grund der überlieferten
Daten J VIII 41 entweder in den Oktober 1082 oder in das
Jahr 1083 oder höchstens in das Jahr 1084 verlegt werden;
letzteres aber scheint durch die große Zahl der bis J VIII 58
noch eingereihten Stücke ausgeschlossen. Das Naturgemäße
dürfte sein, daß J VIII 41 = J—L 5220 auf den 24. Oktober
1082 angesetzt wird.
Die Möglichkeit allerdings bleibt offen, daß auch hier
Irrungen im Register sicli finden, so wenig wahrscheinlich es '
1 Belege bei Meyer v. Knonau, Jahrbücher II 579 167 , der die Ver
schiebung akzeptiert (vgl. 591 in Anra. 169). 5
2 Am Schlüsse von J III 10 dürfte zu lesen sein: Radbodi, Adelprecli et
Vodescalki, quem his adiuncximus . . . Die Handschrift schreibt: Vodescallci
q his, was olfenbar falsch ist. Rabbodi und Adelprech müssen die beiden
Gesandten Heinrichs sein, die J III 5 erwähnt sind. Ganz ähnlich hat
der schwäbische Annalist — zum Teil auf Grund der epistolae col-
lectae 14 ■—■ den Sachverhalt dargestellt: Gregor tres viros religiöses . . .,
quorwn duos [rex] ad se [Gregorium] Romain iam misit, . . . festinanter
legatos remisit (Meyer v. Knonau II 581 17 °).
Das Originalregister Gregors VII.
IV, 2.
227
auch ist. Es bedürfen alle Versuche chronologischer Fixierungen
erneuter und umfassender Revision. Dabei wird man eines im
Auge behalten müssen: daß nämlich jene Autoren, die aus dem
Register schöpften, zu chronologischen Ansätzen für diese letzten
Pontifikatsjahre Gregors in ihrer Vorlage ebensowenig Anhalts
punkte fanden wie wir, und daß gerade für die Zeit des alle
Leidenschaften aufwühlenden Kampfes die Zeitbestimmungen
in den Quellen vorsichtige Kritik erfordern.
Noch ein weiteres Registerstück erscheint nun in neuer
Beleuchtung. Das erste Buch wird eröffnet durch einen Akten
eintrag, der die Wahl des Archidiakons Heldibrandus zum
Papste betrifft und sich als offizielles Protokoll der Papstwahl
darstellt, den Commentarius electionis. Bei der gewaltigen
Persönlichkeit Gregors und den die ganze abendländische Welt
aufrüttelnden Kämpfen, die an seine durchgreifende Reform
tätigkeit in ganz besonderem Maße anknüpften, so sehr sie auch
bereits durch die voraufgehenden Pontifikate eines Leo IX.,
Nikolaus II. und Alexander II. vorbereitet und durch die trost
lose Lage der Dinge in Kirche und Staat gefordert waren, ist
es begreiflich, daß auch dieses Aktenstück in der neueren
historischen Forschung seine eigene Geschichte hat und zum
Zentrum einer kleinen Literatur geivorden ist. ,Überhaupt ist
diese Urkunde sicherlich in der überlieferten Form nicht das
ursprüngliche Wahlprotokoll, sondern ein später zum Zwecke
der Publicirung, in ungefähr officieller Form abgefaßtes. 1 So
lautete das Verdikt Pflugk-Harttungs nach einer kurzen
und wenig eindringenden Notiz über ,das in seiner Art interes
sante Schriftstück 1 . 1 In einer späteren Arbeit kam er noch
mals .auf das Protokoll zurück. Auch jetzt konnte er ,kein
eigentlich officielles Aktenstück darin erblicken 1 und meinte,
es werde ,nachträglich in bestimmter Absicht 1 in das Register
eingefügt sein. 2 Vorher hatte bereits eine Dissertation von
G. Ruppel ähnliche Ansichten ausgesprochen, doch hatte
A. Knöpfler an dieser Arbeit eine scharfe, aber durchaus
1 Die Urkunden der 'päpstlichen Kanzlei vom 10. bis 13. Jahrhundert
(Archiv. Zeitschrift VI 1881) 73—74.
2 J. v. Pflugk-Harttung, Beiträge zur Kritik von Bonizo, Lambert und
Berthold: I. Die Wahl Gregors VII. (NA NIII 1888) 327-28.
15*
228
V. Abhandlung: Peitz.
berechtigte Kritik geübt. 1 W. Martens verwarf das Protokoll
,als ein ungeschichtliches, lügenhaftes Fabrikat'; ,wann und von
wem das Falsum dem Register eingereiht worden sein mag,
läßt sich' — seiner Ansicht nach — ,nicht nachweisen'. 2 Eine
sehr ausführliche Untersuchung widmete endlich der Wahlfrage
C. Mirbt und aucli er kam zur ,Unechtheitserklärung' des
Commentarius. Das Wahlprotokoll ist ihm eine Fiktion der
Kardinale; aber ,dunkel ist es, wie das Schriftstück hat in das
Register aufgenommen werden können'. 3 G. Meyer v. Knonau
endlich stützt sich in seiner Zusammenfassung auf diese Aus
einandersetzungen, ohne auf die Antwort, die Knöpfler den
angeblichen Widersprüchen zwischen Wahlprotokoll und Gre
gors Briefen entgegenstellte, näher einzugehen. 4
Wie der Commentarius electionis in das Register hinein
kam und wann er entstand, braucht nun nicht mehr in Frage-
form gesucht zu werden. Als Eintrag der päpstlichen Kanzlei
in ihrem eigenen Register kann das Schriftstück weder als
kardinalizische Fiktion noch als lügenhaftes Fabrikat eines
Fälschers aufgefaßt werden: es ist das ursprüngliche, als offi
zielles Dokument auf genommene Wahlprotokoll. Also hatte doch
Knöpfler Recht, wenn er sagte: ,Ich halte genanntes Doku
ment für das offizielle, . . . nach vollzogener Wahl im Auftrag
der legitimen Wähler verfertigte Wahlprotökoll.' 6
1 Die Wahl Gregors VII. (Diss. Jena 1876). — A. Knöpfler, Die Wahl
Gregors VII. (Historisch-politische Blätter XCIII 1884, 492—520).
2 Die Besetzung des päpstlichen Stuhles unter den Kaisern Heinrich III.
und Heinrich IV.: IX. Der 22. April 1073 (Zeitschr. für Kirchenrecht
XXI 1886, 42—'61) 52—55. Das obige Zitat 53. Vgl. die Besprechung
durch A. Knöpfler, Theolog. Quartalschrift LXIX 1887, 524.
3 Die Wahl Gregors VII. (Progr. Marburg 1892) 20. 21. Methodische und
sachliche Bedenken gegen Mirbts Untersuchung äußerte A. Knöpfler:
Die Wahl Gregors VII. (Der Katholik LXXII 1, 1892, 352—65). Mirbt
seziert, ohne die Frage nach dem Zusammenhang der einzelnen Glieder
und nach ihrer Bedeutung für das Ganze überhaupt zu stellen. Kritische
Forschung aber fordert vielmehr qualitative Analyse als bloß quantita
tive. — Vgl. J. Langen a. a. O. 4 A. 2.
4 Meyer v. Knonau, Jahrbücher II 203 — 09, besonders 205 32 und ,Nach
träge* 909.
5 a. a. O. (Katholik) 358. Vgl. die Bemerkungen der Bollandisten (Ana-
lecta Bollandiana XII 1893, 312—13).
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
229
3. Kapitel.
Die Ereignisse von 1081—1084.
Unmittelbar mit der eben behandelten Frage nach der
Datierung der Registerbriefe aus den ersten Büchern hängt ein
Problem zusammen, das einen geschlossenen Abschnitt aus der
Regierungszeit Papst Gregors betrifft und eine eigene eingehen
dere Untersuchung erheischt. Muß auch eine abschließende
Behandlung der in Frage stehenden Gruppe von Tatsachen
einer späteren ausführlichen Darstellung Vorbehalten bleiben,
so muß doch hier in gedrängtester Kürze eine Übersicht über
die Ereignisse von 1081—1084 geboten werden. Denn es han
delt sich da um Folgerungen, die unmittelbar mit den neu
gewonnenen Anschauungen über das Register Gregors im Zu
sammenhänge stehen und zum Teil eine Umordnung der bisher
angenommenen chronologischen Ansätze nötig machen. Die
Neugestaltung betrifft einen Zeitabschnitt, in dem Gregor VII.
dermaßen im Mittelpunkte der Ereignisse steht, daß jede Ände
rung in der Auffassung von der Entwicklung seiner Geschicke
notwendig auch für unsere Erkenntnis der Geschichte Hein
richs IV. von der größten Bedeutung ist.
Im Verlaufe der Untersuchung wurde bereits darauf hin
gewiesen, daß die bisher angenommene Bezeichnung der drei
letzten Registerstucke als liier XI auf einem Irrtum beruht.
Die ursprüngliche und richtige Lesung lautete: liier XII: das
war der gleichzeitige Eintrag der päpstlichen Kanzlei bei dem
liier wieder regelrecht aufgenommenen Kanzleibetrieb. Die
wiederhergestellte Bezeichnung, aus paläographischen Beobach
tungen gewonnen, wird durch eine Reihe von sachlichen
Gründen bestätigt und außer Frage gestellt.
Die Synode, deren Protokoll das Rubrum Incipit liier XII.
vorausgeht, ist nach dem Kanzleieintrag im Jahre 1084 —
anno ab incarnatione domini M. LXXXII1I., wie es in der
Handschrift heißt 1 — abgehalten worden. Allerdings wird als
Pontifikatsjahr Gregors angegeben anno. XI. 2 Indes wurde
1 Vgl. das Faksimile Taf. III.
2 Die exponierte und in die Augen fallende Stellung dieser Zahlangabe
bietet die Erklärung für die Änderung des Buchrubrums im 14. Jahr
hundert. Vgl. oben S. 49 ff.
230
V. Abhandlung: Peitz.
schon früher darauf hingeAviesen, daß derartige Verschreibungen
und Verzählungen in der Kanzlei Gregors keine Seltenheit
bildeten. 1 Es steht somit die Angabe des Rubrums wenigstens
mit einer von zwei verschiedenen Zeitangaben im Protokolle
selbst im vollsten Einklänge, während die zweite, der bisherigen
Auffassung zugrunde gelegte, ihnen widerspricht.
Daß die durch Rubrum und Inkarnationszählung überein
stimmend festgelegte Jahresangabe gegenüber der Pontifikats
zählung im Rechte ist, beweist aber ferner eine andere Angabe
des Synodalprotokolls selbst. Tres antem synodos quadragesi-
males eiusdem H[einrici] persecutio praepedivit, heißt es darin.
Nun wird für das Jahr 1081 eine Fastensynode durch das
Protokoll J VIII 20 a vollkommen sichergestellt. Sind seitdem
drei Fastensynoden — denn das bedeutet doch synodos quadra-
gesimales — durch das feindliche Dazwischentreten Heinrichs IV.
unmöglich geworden, so kann der Bericht J VIII 58 nicht zu
einer Novembersynode 1083 gehören. Es müssen die drei durch
das feindliche Vorgehen Heinrichs gegen Rom unmöglich ge
wordenen Fastensynoden der Jahre 1082, 1083 und 1084 ver
standen werden und das Protokoll paßt ganz ausschließlich zu
einer Kirchenversammlung im November des Jahres 1084. Es
stehen also im gleichzeitigen offiziellen Eintrag des Kanzlei
buches drei von verschiedenen Seiten genommene Hinweise
bestimmtester Art für den November 1084 im vollsten Einklang
und es läßt sich kritisch in keiner Weise rechtfertigen, wollte
man demgegenüber die singuläre Angabe pontificatus anno . XI.
als die allein richtige geltend machen. 2
Man wird geneigt sein, die ganze ,Entwicklung der Ereig
nisse“, Avie wir sie aus den Quellen kennen, dieser Argumen-
1 Ähnliche Fehler finden sich auch in den Urkunden Heinrichs IV. Vgl.
z. B. Stumpf 2828. 2841. 2850. usf. Von Kanzlei zu Kanzlei, ja von
Schreiber zu Schreiber muß eben untersucht werden, welche Angaben
bei der Datierung am genauesten gehandhabt wurden.
2 Meyer v. ICnonau, Jahrbücher III 473 7 erklärt zwar, die Angabe des
Protokolls über die Verhinderung von drei Synoden sei von einer drei
maligen Hinderung der einen Fastensynode des Jahres 1083 zu verstehen
und er benutzt diese Erklärung sogar als Ausgangspunkt für eine weitere
Hypothese — aber er macht zur Begründung seiner Behauptung keinen
Versuch.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
281
tation entgegenzuhalten: die verschiedenen Züge Heinrichs IV.
von 1081—84, die Berichte über Verhandlungen zwischen den
beiden kriegführenden Mächten, den ganzen Block von Belegen,
wie er zuletzt von Meyer v. Knonau in umfassendster Weise
im Apparate der Jahrbücher herangezogen ist. Aber bei einer
kritischen Nachprüfung dürften die Quellen zum großen Teil
gerade das Gegenteil von dem ergeben, was man bislang in sie
hineingelesen hat. Der Irrtum bezüglich der Chronologie der
Novembersynode ist außerordentlich verhängnisvoll geworden
-— wie er anderseits trotz allem doch wieder dartut, welcher
Hochschätzung sich, teilweise unbewußt, die vermeintlichen wie
die sicheren Angaben des Registers erfreuten. Denn in der
Meinung, mit der Datierung von J VIII 58 einen unbedingt
zuverlässigen Standpunkt gewonnen zu haben, modelte man
darnach alle Quellenangaben um, und es würde sich lohnen,
im Interesse der von den gleichen Forschern mit solcher Fein
heit ausgebildeten und mit oft staunenswerter Sicherheit geliand-
liabten historischen Methode einmal systematisch allen Irrgängen
der Forschung in der gerade für diese Periode sehr reichen
und zum Teil höchst wertvollen Literatur nachzugehen. Vorder
hand soll aber die Literatur noch ausgeschaltet werden. Nur
die Quellen sollen zur Sprache kommen. Auf Grund ihrer An
gaben soll eine kurze Übersicht die Ereignisse in ihrem Ver
laufe darstellen. Zum Vergleiche dient nur hie und da die
jüngste und umfassendste Zusammenstellung der bisherigen
Anschauungen im dritten Bande der Jahrbücher des Deutschen
Reiches unter Heinrich IV. und Heinrich V.
So regelmäßig auch die Hauptereignisse aus den drei
letzten Lebensjahren Gregors in fast allen gleichzeitigen und
späteren annalistischen oder chronikalen Aufzeichnungen wieder
kehren, so sind es doch nur wenige Quellen, die uns in einer
einigermaßen ausführlichen Schilderung vom Gange der Dinge
Einzelkunde vermitteln.
Der unmittelbarste Zeuge der Geschehnisse im ganzen
Verlaufe ihrer Entwicklung ist der Bischof Benzo von
.Alba. Sein Panegyrikus auf Heinrich IV. ist aus einer
Reihe von Einzelstücken zusammengewachsen, die im Laufe
der Jahre und im Anschlüsse an wichtige Tatsachen oder
Wendepunkte im Verlaufe der Regierung des Königs ent-
232
V. Abhandlung: Peitz.
standen waren. 1 Benzo ist eine Art Hofhistoriograph, ein ent
schiedener Hasser Gregors. Aber die genauesten Angaben über
die Zeit der einzelnen Ereignisse zeigen, daß der Autor diese
in ihrem natürlichen Zusammenhang und dem wirklichen äußeren
Verlaufe entsprechend darstellen wollte. Seine Tendenz ist kein
Grund, auch die chronologischen Fixierungen in Zweifel zu
ziehen.
Auf kaiserlicher Seite steht auch Frutolf von Michels
berg in seiner um 1100 geschriebenen Weltchronik. Seine
Darstellung enthält gleichfalls manche Einzelheiten, die auf
Mitteilungen aus der Umgehung Heinrichs IV. zurüekgehen
müssen, wie schon die detailliert genauen Angaben von Ort
und Zeit hei den den König betreffenden Notizen dartun.
Papstfreundlich sind die mit genauen Einzelangaben ver
sehenen Aufzeichnungen des schwäbischen Annalisten, die
jedoch keinesfalls auf eine gleichzeitige, von Augenzeugen an-
gefertigte Aufzeichnung der verschiedenen in die einzelnen
Jahre verteilten Nachrichten zurückgeführt werden können.
Der Verfasser suchte die ihm zugehenden Mitteilungen, wo es
ging und wie es ihm nach seinen Informationen richtig schien,
unterzubringen. — Ihm schließt sich Bonizo an mit seinem
Uber ad amicum, der sicher nach 1085 geschrieben ist, ohne
daß ein fester terminus ante quem sich mit Sicherheit angeben
ließe. Er war ebensowenig wie der schwäbische Annalist
Augenzeuge und das Gleiche gilt von Donizo, der für den
Großteil der in der Vita Mathildens von Canossa — 1115 ent
standen — erzählten Begebenheiten aus dieser Zeit kein un
mittelbares Zeugnis abgeben kann.
1 Vgl. H. Lehmgrübner, Benzo von Alba . . . Sein Leben und der soge
nannte Panegyrilcus (Historische Untersuchungen 6, Berlin 1887). — So
weist z. B. Benzos Gedicht MGSS XI 662 deutlich auf die Zeit nach
Eroberung der Leostadt, vor Einnahme der Altstadt: der Triumph ist
nahe; schon ist der erste Schritt getan; die Kaiserkrone winkt. Noch
schließt die Stadt die Tore, aber der König mag nur noch kurze Zeit
ausharren, so wird er zum Ziele kommen; dann mag er das Kapitol
seinen Freunden geben, die Feinde aber in Gefangenschaft abführen.
Das Gedicht MGSS XI 664 ist ein Hymnus zur Verherrlichung der
Kaiserkrönung Ostern 1084. Auch die Verse de Prandelli maleficiis MGSS
XI 666 müssen nach Eroberung der Altstadt, vor dem 23. Mai, abge
faßt sein.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
233
Fügt man noch die vorsichtigen, ohne feste Parteistellung
abgefaßten Annales Augustani hinzu, die von 1081 ab suk
zessiv erweitert wurden, so ist die Reihe der außeritalischen
Quellen, die eine ausführliche sachliche Darstellung der Gescheh
nisse versuchen, ziemlich erschöpft. Die übrigen Quellen ent
halten nur die Hauptereignisse in kürzester Fassung.
Die Annales Pegavienses, 1148 in dem von Wigbert von
Groitsch 1096 begründeten Kloster Pegau begonnen, bieten
zwar in den vorausgeschickten biographischen Angaben über
den Stifter des Klosters fast dramatisch-lebendige Schilderungen,
die ganz offensichtlich auf Mitteilungen Wigberts selbst beruhen,
aber die chronologische Ordnung hat im Gedächtnis des alten
Haudegens bedenklich Schiffbruch gelitten. Immerhin dürfen
die Angaben, die sich auf einen bestimmten, leicht in der Er
innerung haftenden Tag beziehen, wie der Ansatz einer hervor
ragenden Waffentat Wigberts auf Ascensio u. ä., festgehalten
werden: schon durch die anschauliche und lebendige Klein
malerei verraten sie, daß es sich dabei um wirkliche, tief dem
Gedächtnis eingeprägte Erlebnisse handelt. Nicht als Grund
lage für die chronologische Einordnung, aber wohl zur Er
gänzung der anderweitig festgelegten Daten dürfen sie heran
gezogen werden.
Wertvolle Erweiterung und Kontrolle dieser die päpstlich
königlichen Verwicklungen fast ausschließlich berücksichtigenden
Aufzeichnungen geben die normannisch-griechischen Quellen.
Bei ihnen liegt das Verhältnis günstig. Die Mitteilungen des
Apuliers Guillermus wie die einschlägigen Angaben der grie
chischen Kaisertochter Anna Komnena beruhen auf den Mit
teilungen eines unmittelbaren Augenzeugen der Taten Herzog
Roberts, des Johannes von Bari, neben denen die Griechin auch
griechische Gewährsmänner zu Rate zog. 1 — Zeitlich sehr nahe
steht auch der Protospathar Lupus (1082—90), während die
1 Anna hat zwei Berichte über die verschiedenen Expeditionen Roberts
nach der Balkanhalbinsel, einen normannischen und einen griechischen,
miteinander verquickt und so eine scheinbar an inneren Widersprüchen
und chronologischen Unmöglichkeiten reiche Erzählung geschaffen. Eine
kritische Scheidung ihrer Quellen aus anderer Feder kann ich in Aus
sicht stellen und verzichte deshalb darauf, diese Fragen hier des weiteren
zu erörtern.
234
V. Abhandlung': Peitz.
Annales Beneventani und der Anonymus Barensis fast gleich
zeitige Aufzeichnungen bieten. Erzbischof Romoald von Salem
endlich, dessen Cronica zwar erst kurz vor 1181 fällt, fußt auf
guten alten Vorlagen.
Sicheren Prüfstein bieten eine Reihe von Urkunden, durch
die eine Anzahl von festen Anhaltspunkten für das Itinerar
König Heinrichs gewonnen wird.
Diese knappen Bemerkungen sollten, ohne erschöpfend zu
sein, den Standpunkt für die folgende kurze annalistische Dar
stellung der Ereignisse in fast tabellarischer Form gewähren.
Eine genauere Analyse und eingehendere Begründung muß
späteren ausführlichen Untersuchungen Vorbehalten bleiben. 1
1081. H einrich IV. zieht nach Italien: März 18 Regens
burg (St. 2828); intrante Martio in Italien [Bruno: MGSS
V 383). April 4 Osterfeier in Verona (Bernold: MGSS V 437).
April 14 Mailand (St. 2829). Pavia (vgl. M—K 378—79). Ra
venna (J VIII 34: nach April 28, vor Mai 23), wo sicher noch
am 8. Mai (M—K 379 5S ), mit geringen Streitkräften (J VIII 34,
nach Informationen durch Mathilde), in der ausgesprochenen
Absicht, gemäß dem Brixener Versprechen (Benzo: MGSS
XI 656), um Pfingsten nach Rom zu kommen (Reg. VIII 34).
Unterwegs (Anna Komn. Ähsijidc I 33 6p|M>|.isvoc: MSG 131, 158)
sendet Heinrich Gesandte an Robert nach Salem (J VIII 34.
Guill. Apul.: MGSS IX 283. Anna Komn. a. a. 0.). Über
Vallombrosa (M—K 381 C1 ) zieht er nach Rom und langt Freitag
vor Pfingsten, Mai 21 [Benzo: MGSS XI 656; sachlich kaum
verschieden Bonizo [,vigilia‘] ad amic. IX: BRG II 677) vor
der Stadt an, ohne Einlaß zu finden (nach Chron. Venet. MGSS
XXIV 114 — Martin. Oppav. MGSS XXII 467: Ankunft vor
Rom in mense Madio die XXV, wohl verlesen aus XXII). 2
1 Im Folgenden sind Verweise auf Meyer y. ICnonau, Jahrbücher III
durch M—K eingeführt.
2 Die Tatsache des Beginnes der Feindseligkeiten gegen Rom wird über
einstimmend von fast allen Quellen berichtet. So erwähnen sie z. B.
Annales Hildesheim. (MGSS III 105), Einsidl. (III 146), Oavens. (III 190),
Leodiens. contin. A (IV 21) und B (IV 29), Rosenveldens. (XVI 100),
8. Jacobi Leod. (XVI 639), S. Pauli Virdun. (XVI 500), Stadens.
(XVI 316), S. Disibodi (XVII 8), Seligenstad. (XVII 31), Oasinens.
(XIX 307), Casus mon. Petrishus. (XX 646), Lupus Protosp. (V 61),
Sigebert. Chron. (VI 364), Petr. diac. Chron. Mont. Cas. (VII 738), Sim.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
235
— Mai 23 Pfingstfeier unter den Zelten (Benzo: MGSS XI
656—57).
Herzog Robert hatte mit großer Energie seine Rüstungen
betrieben. Im März sandte er (unter Bohemund: Anna Komn.
MSG 131, 322) einen großen Teil des Heeres voraus gegen
Corfü (Anon. Barens.: Murat. RISS V 153), das am 22. Mai
nach Roberts Ankunft fiel (Anon. Bar. a. a. 0.; vgl. Lupus:
Murat. Y 45. Guill. Ap.: Murat. V 271. Breve Chron. North-
man.: Murat. V 278. Anna Komn.: MSG 131, 167, 169). Von
Otranto aus (Lupus: Mur. V 45. Guill.: Mur. V 271. Breve
Chron. Northm.: Mur. Y 278 — ztvei Berichte verwirrt hei
Anna K.: MSG 131, 163, 322), wo ihn die Botschaft Heinrichs
traf und von wo er an König und Papst Antwort, bezw. Brief
sandte (Guill.: MGSS IX 281. Anna IC.: MSG 131, 158—59),
Juni Überfahrt; Beginn der Belagerung von Dyrrhachium
Juni 22 (Anna K.: MSG 131, 326—27 nach guter Vorlage.
Anon. Bar.: Mur. V 153. Guill.: Mur. V 271—72. Breve Chron.
Northm.: Mur. V 278). Im August brach Alexios von Konstan-
tihopel auf (Anna: MSG 131, 282—342), war Oktober 15 nahe
Dyrrhachium bei St. Nikolas (Anna: MSG 131, 350) und wurde
Oktober 18 von Robert geschlagen (Anna: MSG 131, 355.
Anon. Bar. [aber mit fer. III.]: Mur. V 154). Dyrrhachium
fiel 1082 Februar 21 (Anon. Bar.: Mur. V 154).
Während der ersten Lagerung vor der Stadt hatte Hein
rich einen Sturm nicht unternehmen können; er begnügte sich
während der etwa 40 Tage seines Aufenthaltes, die nähere
Umgebung zu verwüsten (a pentecosten diebus XL ma [wohl ver
lesen aus XL a ] Marian. Scott.: MGSS V 562. Juni 4 Rom:
St. 2832. Juni 23 Rom: St. 2833). Da die Stadt die Tore nicht
öffnete, zog er über den Tiber, um sich durch die Tuskulaner
und andere Herren zu verstärken, wandte sich dann bei der
wachsenden Unzufriedenheit der Söldner nach Norden um den
Sonicte herum über die Nera und kam nach Arezzo (Benzo:
Dunelm. Hist. JRegum (XIII 157), Fund. man. Aquicinct. (XIV 580) etc.
Doch werden im folgenden diese und ähnliche nebensächliche Quellen
nur herangezogen werden, wenn sie wirkliche Erweiterungen bieten.
Aus den Annal. Stadens. (MGSS XVI 316) erfahren wir, daß Liemar von
Bremen den König als dessen einflußreichster Ratgeber begleitete. Vgl.
St. 2851.
236
V. Abhandlung-: Peitz.
MGSS XI 658. M-K 396 84 ). 1 Juli 10 Siena (St. 2835) nach
zehntägigem Marsch (Benzo a. a. 0.). Juli 19 und 20 Lucca
(St. 2837—39). Dezember 3 und 14 Parma (St. 2840—41).
Gregor VII. hatte dem Herannahen des feindlichen
Königs mit Zuversicht entgegengesehen, entschlossen, magis,
si necesse fuerit, mortem suscipere . . ., quam impietatibus eorum
assensum praebere aut iustitiam relinquere (J VIII 34). Auf
die Stimmung der Römer konnte er sich vorerst verlassen:
fido et prompto animo Dei et nostro servitio parati per omnia
existunt (J VIII 34).
1082. Heinrich IV. zog verwüstend durch die Romagna
(Bonizo: BRG II 678) und Spoleto (Boso: Duchesne LP II 367),
dann über Farfa (März 17: Gregor. Catin. hist. Farf.: MGSS
XI 561, vgl. Arm. Farf.: MGSS XI 589), Fara (Gregor. Catin.
hist. Farf: MGSS XI 561) und Tivoli {Bonizo: BRG II 678,
Boso: Duchesne LP II 367) gegen Rom, 2 dessen Belagerung
(von der Seite der Leostadt her: Arm. S. Jacob. Leod.: MGSS
XVI 639. Bernold. Ghron.: MGSS V 437) die ganze Fasten
zeit hindurch dauerte (blutiger Kampf in nocte palmarum: Sim.
Dunelm.: MGSS XIII 157), aber erfolglos blieb (Bonizo: BRG
II 678. Bernold: MGSS V 437). Ostern feierte er in Albano.
Hier war es, wo Desiderius von Monte Cassino, dem wieder
holten drohenden Drängen nachgebend, halb freiwillig, halb
überredet von Jordanes, mit ihm zusammentraf {Petr. diac.
Chron.: MGSS VII 739 kann trotz mangelhafter und verwirrter
chronologischer Angaben nur hieher gehören, da Heinrich für
1082 in Albano bezeugt [St. 2842 ohne Monatsangabe] und
keine andere Osterfeier in Albano möglich ist [1083 S. Rufina,
1084 Rom], Die Vorladung des Abtes nach Farfa bezieht sich
1 M-K setzt den Aufenthalt Heinrichs IV. in Arezzo in die Zeit des
,beschleunigten Marsches gegen Rom‘, die Anwesenheit Burchards in
diese Zeit, kurz vor Juli 10. Aber es heißt doch St. 2835 ausdrücklich,
Bürchard sei paucis deinde interiectis diehus nach Heinrichs Aretiner Auf
enthalt dort gewesen. — Benzo setzt diese Ereignisse ganz bestimmt in
die Zeit nach der ersten Lagerung Heinrichs vor Rom. M-K bezieht
die ganze Schilderung des Albaner Bischofs auf Frühjahr 1082, trotz aller
chronologischen und sachlichen Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben;
einen Grund für seine Verschiebung gibt er nicht an.
2 Hieher dürfte auch die Angabe des Synodalprotokolls J VIII 58 zu be
ziehen sein: Qui semel beatum Paulum . . . aggressus.
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
237
auf den ersten Besuch Heinrichs in dieser Abtei, am 17. März
dieses Jahres). — Nach Ostern hob der König die Belagerung
auf, verteilte seine Leute in die castella der Umgehung (Bonizo:
BRG II 678) und ließ zumal Wibert mit einer Besatzung in
Tivoli (Bernold: MGSS V 437). Bonizo von Sutri fällt in seine
Hand (Bernold ebenda). Dann zieht er in die Lombardei und
beginnt nun den Kampf gegen die große Gräfin.
Daß Gregor in Rom Vorbereitungen zum Widerstande
traf, zeigt der Beschluß einer am 4. Mai gehaltenen Versamm
lung von Kardinalen, Erzpriestern und Äbten. Die Frage des
Papstes, die ihnen zur Begutachtung unterbreitet worden zu
sein scheint, betraf die Erlaubtheit einer allfallsigen Verwendung
von Kirchengut als Pfand für die zu Verteidigungszwecken
gegen Wibert (in Tivoli) aufzunehmenden Gelder. Die Frage
wurde einstimmig verneint (Mansi XX 577—78).
Robert war nach der Einnahme von Dyrrhachium im
weiteren Siegesläufe durch böse Kunde aus Unteritalien auf
gehalten. Er übergab sein Heer Boemund und kehrte im Mai
mit zwei Schiffen nach Apulien zurück (Guill : Mur. V 273—74
MGSS IX 289). Ein schneller Vorstoß gegen Rom sollte den
Papst befreien, dessen dringender Hilferuf den Herzog Früh
jahr 1082 erreicht hatte (J VIII 40 nach Oktober 18 wegen
des Glückwunsches zum Siege über Alexios; nach Dezember 4
wegen der Stellung in R nach J VIII 38—-39; wahrscheinlich
nach Beginn der Fastenzeit Mitte März, da Kontext und Schluß
kautel betreffs des Bleisiegels auf die Zeit nach Beginn der
Belagerung zu deuten scheinen). Heinrich war bereits wieder
in Norditalien {Lupus: Mur. V 45 MGSS V 61). Ein drei
tägiger Sturm gegen das von Wibert und deutschen Mannen
besetzte Tivoli im Juni mißlang {Lupus: Mur. V 45 MGSS
V 61. Romoald: MGSS XIX 410. Cron. Tiburt.: MGSS
XXXI 259 [aber in. Verbindung mit Angaben aus 1084] =
Martin. Oppav. MGSS XXII 467). 1 — Robert zieht gegen
Jordanes und belagert Capua im Juli {Romoald: a. a. 0.).
1 Daß dieser Zug Roberts von der Befreiungsexpedition des Jahres 1084
zu trennen ist, beweist auch das Exzerpt aus dem Schenkungsinventar
von Monte Cassino bei Petr. diac. Ckron.: MGSS VII 743.
238
Y. Abhandlung: Peitz.
Heinrich war Juli 23 in Pavia (St. 2845 vgl. II 535
Zusätze), November 6 in Palosco (St. 2846), November 15 in
Verona (St. 2847?).
1083. Ostern befand sich König Heinrich in S. Rufina
(.Frutolf: MGSS VI 205), begab sich von dort nach Rom und
nahm die Belagerung auf, vorderhand erfolglos. Aber der Wider
stand erlahmte. Mitte Mai scheint der blutige Zusammenstoß
der ausfallenden Städter mit den Belagerern stattgefunden zu
haben, auf den die Erzählung Wigberts von Groitsch zurück
geht (Ann. Pegav.: MGSS XVI 238). In der Stadt stieg der
Widerwille der darbenden Bevölkerung (yulgus . . . bienni hello
fatigatum acri inedici laborabat: J VIII 58). Juni 3 gelang
eine Überrumpelung (Annal. Benev.: MGSS III 181. Bernold:
MGSS V 483 [sabbato infra epdomadam pentecostes = Juni 3].
Frutolf: MGSS VI 205 [aber 4. Non. Jun. = Juni 4]): die
Leostadt fiel in die Hände der Belagerer und wurde zum Teil
zerstört (Ann. Cav.: MGSS III 190. Ann. Seligenstad.: MGSS
XVII 31. Ann. Casin.: MGSS XIX 307). Noch einen vollen
Monat blieb der Sieger in der eroberten Petersstadt (Wiberts
Einführung in vigilia apostolorum = Juni 28: Ann. August.:
MGSS III 130. Juni 10: St. 2849. Juni 15: St. 2850. Juni 22:
St. 2851), baute eine Feste auf dem rechten Tiberufer (Ber
nold: MGSS V 438. Lupus: Mur. V 46 MGSS V 61. Frutolf:
MGSS VI 205), die er seinem natürlichen Sohne Konrad über
gab (Lupus: Mur. V 46 MGSS V 61) und verließ die Stadt
(noch im Juni: Lupus a. a. O.) mit Geiseln der Römer (Fru
tolf-. MGSS VI 204. Lupus: Mur. V 46).
Gregor wandte sich aufs neue mit der Bitte um Hilfe
nach Unteritalien (J VIII 48—49: denn J VIII 43 ist von Mai
bis Juni, da bis 1. November indutiae quattuor mensium ge
rechnet werden). Immer stärker neigte die städtische Bevölke
rung unter dem Drucke der Lage sich dem Könige zu; daß es
noch nicht zum vollen Ab falle gekommen- war, war einer Geld
sendung des Normannenherzogs zu danken (Lupus: Mur. V 45).
Es hatte nicht an Versuchen gefehlt, den Frieden zwischen
Papst und König wiederherzustellen, denen Gregor nicht ab
lehnend gegenüberstand, wie aus seiner Einladung an Hugo von
Clugny erhellt (Rainaldi Vita Hugonis: MGSS XVI 941). Noch
während des Aufenthaltes des Königs in der Leostadt war Hugo
Das Originalregister Gregors VIT. — IV, 3.
239
beim Papste ein getroffen. In Sutri traf er fnit Heinrich zusammen,
der hier am 4. Juli urkundete (St. 2852. Rainaldi Vita Hug.:
MGSS XVI 941. Vgl. Petr. diac. Chron.: MGSS VII 741).
Am Johannesfeste, Juni 24, hatte Gregor die Exkommunikation
gegen Heinrich erneuert (Bernold: MGSS V 441) und diese
auch auf Jordanes von Kapua und Desiderius A r on Monte Cas-
sino ausgedehnt (M-K 452 22 . J VIII 49). 1 Gregor schrieb den
Bitten der Vermittlungspartei gemäß eine Synode aus, verlangte
aber vor deren Zusammentreten, wenn anders ernste Friedens
verhandlungen zustande kommen sollten, Rückgabe der der
Kirche geraubten Güter, während Heinrich ungehinderten Zuzug
zur Synode eidlich gewährleistete (J VIII 51. Bernold: MGSS
V 438). 2 Infolge des Vorgehens Heinrichs, der gegen seine
Zusage die Prälaten an der Beteiligung hinderte und die An
hänger des Papstes, unter anderem Bischof Otto von Ostia,
gefangennahm, zerschlugen sich die Verhandlungen. Die Synode,
zum Ausgleiche berufen, hatte den Bruch vollendet.
Im November noch begann Heinrich von neuem die
Belagerung, die den Winter hindurch fortgesetzt wurde; Weih
nachten feierte er bei S. Peter (Frutolf: MGSS VI 204. Ber
nold: MGSS V 439).
Robert hatte inzwischen an eine direkte Hilfeleistung für
seinen bedrängten Lehnsherrn überhaupt nicht denken können.
Verschiedene Städte Unteritaliens hatten sich gegen die nor-
1 Die Angabe, Heinrich sei exkommuniziert worden, cum aclhuc ibi [Romae]
moraretur (Bernold: MGSS V 441) paßt nur zu 1083, nicht zu 1082
(M-K 4 5 2 22 ). Nur wenn dieser Ansatz angenommen wird, läßt sich auch
verstehen, wieso Desiderius per annum integrum et continuum et eo plus
exkommuniziert gewesen sei. Dann wird auch die Nachricht erst ver
ständlich, daß Gregor auf der Novembersynode 10S3 nur schwer sich
bestimmen ließ, ne TTeinricurn specialiter Herum excommunicaret (Ber
nold a. a. O.).
- Gegen die Identifizierung dieser Synode vom November 1083 mit der in
J VIII 58 protokollierten sprechen auch der Zeitansatz (November 1:
Bernold a. a. 0. ausdrücklich: Gregor habe Kal. Nov. bestimmt, während
die Römer sinodum in medio Novembri vorgeschlagen hatten; ebenso
Frutolf: MGSS VI 204; die in J VIII 43 auf festum omnium sanctomm
erlassene Vorladung Lanfranks spricht für die Richtigkeit der Angabe
beider Chronisten), die Nachrichten über die Teilnehmer (multi ex
Francigenis: Bernold a. a. O.; dagegen J VIII 58: pauci gaoque Gal-
licani),
240
V. Abhandlung: Peitz.
m arm i sehe Herrseliaft erhoben, Jordanes stand in offener Ver
bindung mit dem deutschen Könige, in Sizilien war Rogers
natürlicher Sohn Jordanes vom Vater abgefallen. Zwar hatte
Bari eine hohe Kontribution zahlen und Geiseln stellen müssen,
aber die Belagerung von Cannä, die im Mai begann, hielt den
Herzog lange hin: erst am 10. Juli ergab sich die Stadt (Anon.
Bar.: Mur. V 154. Lupus: Mur. V 45. Guill.: Mur. V 274). 1
Erst jetzt konnte der Herzog daran denken, von neuem zu dem
zu erwartenden Kampfe gegen Heinrich sich zu rüsten. In
zwischen war die Leostadt gefallen, Heinrich hatte die Stadt
bereits verlassen; die zurückgebliebene Besatzung, durch eine
Seuche dezimiert, war ebenfalls abgezogen und das Kastell
zerstört. Ein Zug nach Rom war also unter diesen LTmständen
unnütz.
1084. König Heinrich gab die Hoffnung, auch die Alt
stadt nehmen zu können, auf. Gegen Anfang Februar unter
nahm er einen Streifzug durch Kampanien bis nach Apulien
hinein (Frutolf: MGSS VI 205). Eine neue Erhebung der Städte
Bari und Cannae war der Erfolg (Anon. Bar.: Mur. V 154).
Von Süditalien aus trat er dann den Rückmarsch nach der
Heimat, in Tlieutonicas partes, an, wie er selbst später an
Theodorich von Trier schreibt (Gesta Trever. Cont. A: MGSS
VIII 185). Schon war er in Rieti, wo er zugunsten Farfas
urkundete (St. 2858). 2 Da lud ihn eine römische Gesandtschaft
ein, friedlich in die Stadt einzuziehen (Frutolf: MGSS VI 205).
Er kehrte zurück, lagerte vor dem Lateranensischen Tore und
zog am Donnerstag vor Palmsonntag, den 21. März, in den
1 In dem Berichte Romualds: MGSS XIX 410, den ich keineswegs für
,minderwertig 1 erkennen kann (gegen M-K 485 2 "), muß die Zeitbestim
mung indictione VI. von den vorausgehenden Ereignissen des Jahres 1082
getrennt werden. Durch diesen Ansatz werden die Geschehnisse des
Jahres 1083 = Ind. VI. ebenso eingeleitet, wie bald danach die Angabe
Ind. VII. die folgenden Ereignisse als zu 1084 gehörig erklärt.
2 St. 2853 gehört bestimmt hielier. M-K will es auf den Rückweg des
Königs von der apulisehen Expedition nach Rom verlegen (523). Aber
die Lage des Ausstellungsortes an der Straße nach dem Norden in Ver
bindung mit Heinrichs Selbstaussage, die Römer hätten ihn durch Ge
sandte eingeladen, mm in Tlieutonicas partes redire vellemus (vgl. M-K
523*, 527) spricht doch zu klar gegen eine solche Auffassung.
£I
Das Originalregister Gregors VII. — IV, 3.
241
Lateranpalast ein. 1 Am folgenden Tage stand er, ein Trium
phator, auf dem Kapitol (St. 2855).
Gregor wurde überrascht. In Eile flüchtete er aus dem
Lateran, sogar das Siegel fiel in die Hände der Feinde (Hugo
Flav.: MGSS VIII 463). Einer der festen Türme (trullum,
poliandrum: Benzo: MGSS XI 667) rettete ihn vor der Ge
fangenschaft; von dort entkam er in die Engelsburg, die in
Verteidigungszustand gesetzt und unbezwinglich war (vgl. M-Iv
540—42). Von dort aus beherrschte er den pons S. Petri, 2 so
daß dem Könige der direkte Übergang vom Lateran zu S. Peter
per civitatem (Frutolf: MGSS VI 205. Bernold: MGSS V 440)
unmöglich war. Dreizehn Kardinale — unter ihnen der Kar-
dinalbibliothekar Petrus — und viele aus dem Klerus fielen
von Gregor ah, der überdies durch eine Versammlung kirch
licher Würdenträger für abgesetzt erklärt wurde. Am 24. März
erfolgte die Inthronisation Wiberts, am Osterfeste die Kaiser
krönung (vgl. M-K 528—45).
Robert hatte zunächst die neue Erhebung Baris und
Oannaes, das jetzt zerstört wurde, mit eiserner Faust nieder
geworfen (Anon. Bar.: Mur. V 154). Da traf ihn ein erneuter
dringender Hilferuf des in der Engelsburg belagerten Papstes,
als dessen Bote Abt Jarento von Dijon erschien (M-K 546).
Er rückte gegen Rom, das Heinrich am 21. Mai verließ (Ann.
Cav.: MGSS' III 190), und eroberte die Stadt wenige Tage
nachher (M-K 549). Gregor war frei, aber ein Teil der Stadt
war zerstört. — Die nächste Zeit verwandte der Herzog, die
Umgebung Roms dem Papste zu sichern und Jordanes von
Kapua zu unterwerfen. Zum Peter- und Paulsfest war er in
Rom (Bernold: MGSS V 442). Mit Gregor gemeinsam zog er
dann über Monte Cassino (vgl. das Verzeichnis der Geschenke:
1 Frutolf: MGSS VI 205 setzt den Einzug auf Freitag, März 22. Aber
Heinrich selbst nennt den 21. März, Bernolcl die feria V. ante palnias
(M-K 527°), und noch am gleichen 21. März datiert Heinrich in deut
licher Absichtlichkeit St. 2854 in palatio Eomae (M-K 528 10 ). — Ob sich
nicht gleichwohl beide Daten erklären ließen? Könnte nicht vielleicht
am 22. ein feierlicher Einzug mit VVibert stattgefunden haben? Damit
ließen sich auch die Angaben der Vita Heinrici wohl vereinigen
(M-K 527 9 ). Vgl. auch Benzo: MGSS XI 607.
2 Vgl. Melanges d’archeol. et d’liist. XIX 1899, pl. IX.
Sitzungber. d. phil.-hist. Kl. 165. ßd. 5. Abh. 16
242
V. Abhandlung: Peitz.
Petr. diac. Chron.; MG SS VII 743) und Benevent (Ann. Bene-
vent.: MGSS III181) nach Salem zur Einweihung der Matthäus
kirche (GuillMur. V 275. Vgl. J VIII 8). Im Oktober verließ
der Herzog Italien zum zweitenmal (Anon. Bar.: Mur. V 154),
Gregor war nach Rom zurückgekehrt und feierte hier am
20. November in der Lateranbasilika die Novembersynode
(J VIII 58). Er suchte die Schäden einer dreijährigen Kriegs
zeit wieder gutzumachen; die geordnete Verwaltung wurde
aufgenommen. Aber noch war die kaiserliche Partei zu stark:
im Dezember gewann Wibert aufs neue durch Gewalt die Stadt
und feierte dort das Weihnachtsfest (Ann. Saxo: MGSS VI 721.
Guill.: Mur. V 274). Gregor mußte die ewige Stadt verlassen.
In Salern fand er eine Zufluchtsstätte: weil er ,die Gerechtig
keit geliebt und das Unrecht gehaßt hatte, starb er im Exil“,
am 25. Mai 1085. Im Dome des hl. Matthäus hatte er sich
selbst ein Grabmal geweiht. 1
1 Im Jahre 1578 wurde das Grab des Papstes geöffnet und über den Be
fund ein Protokoll aufgenommen und beglaubigt. Die Papierhandschrift
Vat. lat. 6430 saec. XVI. ex., ein Sammelband von Testaments-, Verkaufs
und ähnlichen Abschriften, bewahrt die vom Notar Dominicus Thorius
zu Salern durch Unterschrift und Notariatszeichen beglaubigte Kopie nach
dem Original im Erzbischöflichen Archiv zu Salern. Das Aktenstück,
das bis heute, so weit ich sehe, noch nicht bekannt ist, soll an anderer
Stelle veröffentlicht werden.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs I.
243
Exkurs I,
Zur Vita Gregorii VII. des Paul von Bernried.
Der erste Druck der Vita Gregorii VII., den J. Gretser
in seine Sammlung aufnalim, 1 beruhte auf einer Wiener Hand
schrift, deren Kopie und Kollation der Wiener Philosophie
professor Gr. Sturn, ein Ordensgenosse Gretsers, besorgt hatte. 2
Sebastian Tengnagel hatte nach Gretsers Angaben und auf
seine Bitten die Vita in einer Sammlung von Heiligenleben
ausgeforscht. 3 Gretser bestimmte sie richtig als Werk des Bern
rieders und gab dem Abdruck eine Keilte zum Teil recht wert
voller Noten bei. Von ihm hängen alle späteren Ausgaben der
Vita bis auf die letzte von J. M. Watte rieh ab, der andere
Handschriften zum Vergleich heranzog. 4
Hatte man früher angenommen, daß Paul seine Vita zu
Rom verfaßt habe, so führte J. Greving den Nachweis, daß
sie nicht zu Rom, sondern in Deutschland entstanden sei. 5
Sein Beweis ist zuverlässig, wenigstens für die Vita in ihrer
uns heute nach den bisher bekannten Handschriften vorliegen
den Gestalt. .Aber eine andere Frage, die bislang noch nicht
gestellt worden zu sein scheint, ist die, ob die uns heute vor
liegende Gestalt des Werkes auch die erste und ursprüngliche
Fassung darstellt. Die Frage ist, wie ich glaube, zu verneinen.
Ohne sie hier erschöpfen zu wollen, sei nur auf einzelne Punkte
aufmerksam gemacht, die bisher vielleicht nicht genügend
berücksichtigt wurden. 6
1 J. Gretser, Opera omnia . . . aucta et illustrata VI: Defensio Roma-
novurn Pontificum (Ratisbonae 1735) 119—63.
2 Vgl. über ihn Cb. Sommervogel, Bibliotheque des ecrivains de la Com
pagnie de Jesus.
3 Vgl. Tengnagels Brief bei Gretser a. a. O. 124—25.
4 Vgl. J. Greving, Pauls von Bernried ,Vita Gregorii VII. Papae e . Ein
Beitrag zur Kenntnis der Quellen und Anschauungen aus der Zeit des
Gregorianischen Kirchenstreites (Kirchengeschichtliche Studien II 1.
Münster i. W. 1893) 2 3 .
5 a. a. O. 8—9.
6 Die Zitate beziehen sich auf J. M. Watte rieh, Pontificum Bomanorum
vitae I (Lipsiae 1862) 474—546, vgl. 752—55.
16*
244
V. Abhandlung: Peitz.
Ganz deutlich zerfällt die Biographie in zwei scharf ge
schiedene Teile. Kapitel 110 bildet nach Form und Inhalt
einen unverkennbaren Abschluß. Die folgenden Kapitel sind in
ganz besonderer und ausschließlicher Weise Deutschland ge
widmet; in ihnen wird zweimal auffällig auf römische Gewährs
männer hingewiesen (c. 113 und 117); hier steht die genaue
Angabe für die Abfassungszeit dieser Teile (c. 121); hier wird
ausdrücklich auf erneute Mitteilung aus Italien zur Zeit, da
Paul diese Kapitel schrieb, aufmerksam gemacht und damit
c. 124 bestimmt als Nachtrag charakterisiert. Alles das sind
Eigenheiten, die zu den Gepflogenheiten des Autors in c. 1—110
im Gegensatz stehen. Dafür finden sich im ersten Teile der
Biographie mehrere Angaben, die in der Art ihrer Fassung
darauf hinzudeuten scheinen, daß sie für Nichtdeutsche be
rechnet oder wenigstens außerhalb Deutschlands niederge
schrieben waren. So klingt z. B. c. 1 die Erklärung des Namens
Hildebrand ganz wie eine Erklärung für nichtdeutsche Leser;
die Angaben von bestimmten Örtlichkeiten in Rom werden gar
uicht weiter lokalisiert, sondern als dem Leser nach Lage und
Bedeutung vollkommen vertraut vorausgesetzt (z. B. c. 9 und 11);
die Art, wie c. 36 die Adressierung der Gregorbriefe nach
Gallien und Germanien eingeführt wird, würde einem römischen
Autor weit besser anstehen als einem in Deutschland weilenden
Schriftsteller. Anderseits gehören die von Greving mit Recht
für deutschen Ursprung geltend gemachten Belege sämtlich
dem zweiten Teile der Yita an. Freilich enthält auch der erste
Teil einen Satz, der sich schwerlich als in Rom geschrieben
auffassen läßt, ich meine c. 33 aestate, quae Eomae humanis
corporibus valde contraria est. Allein gerade dieser Satz sieht
im Zusammenhänge einem späteren Einschube uicht unähnlich
und es scheint mir wohl denkbar, daß Paul hier nach seiner
Rückkehr ins Vaterland zur fertigen Vita einen Zusatz machte.
Daß Nachträge, Zusätze und Einschübe wirklich sich
finden, scheint mir auch durch das Verhältnis der Gregorbriefe
bei Paul und im Register nahegelegt. Die Gründe für Register
benützung in der Vita hat J. May gut entwickelt. 1 Da ist es
1 J. May, Zur Kritik der vita Oregorii VII. von Paul von Bernried (Progr.
Offenburg 1889). Greving faßt sie kurz zusammen a. a. O. 33 h
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs I.
245
aber auffallend, daß einer der Registerbriefe in einem Teile der
Handschriften einen Adressenzusatz aus Originalüberlieferung
aufweist, obwohl die Lesungen Pauls mit denen des Registers
gegen die bei Hugo von Flavigny vertretenen Lesarten der
Originalüberlieferung zusammenstehen. 1
Dürfte endlich nicht auch in der Art und Weise, wie Paul
c. 17 mündliche Aufschlüsse des Papstes Kalixt II. als Quelle
anführt, eine Art, die sich von der sonstigen Art, Papstnamen
zu zitieren, unterscheidet, 2 vielleicht ein Hinweis auf die Re
gierungszeit des noch lebenden Papstes und damit ein Anhalts
punkt zur chronologischen Fixierung der ersten Rezension der
Vita zu finden sein? Daß die uns bis jetzt bekannten Hand
schriften wahrscheinlich nur einen Typus der Überlieferung
darstellen, zeigen die Angaben Aventins über eine jetzt ver
schollene Handschrift. 3
Wie mir der Bollandist Herr P. A. Poncelet, wohl einer
der ersten Kenner auf diesem Gebiete, freundlichst mitteilte
(1909 Dezember 25), gibt es in der Vatikanischen Bibliothek
keine Vita Gregors von Paul und ebensowenig findet sich in
den übrigen römischen Bibliotheken ein Exemplar seiner Bio
graphie. Auch mit Hilfe der mir zugänglichen übrigen Hand
schriftenkataloge italienischer, französischer und englischer Biblio
theken gelang es mir bis jetzt nicht, einer etwaigen Handschrift
der angenommenen ersten Rezension auf die Spur zu kommen.
Daß Paul Zutritt zu den Lateranarchiven hatte, beweisen
ganz klar seine Berufungen auf die Register Alexanders II. 4
Daß aber die Angabe Pauls sicut gesta ijjsius (Gregorii) con-
tinent sich auf das Register Gregors beziehe, erscheint mir
zwar wahrscheinlich, doch nicht sicher, da ich glaube, darin
vielleicht auch eine dem Liber Pontificalis analoge Quelle er
blicken zu können. 5
1 J II 45 = Paul c. 39 (Watterich I 493, vgl. 753): dilectis filiis suis Ber-
taldo Ituoäofo Welfoni ducibus (codd. SV). Rodulplio duci Sueviae atque
Berthöldo duci Carentano (Maljillons und Wattericlis Text). JRodulfo duci
Sueviae atque Bertulfo duci Carentano (Register).
2 sicut papa Calistus narrare consuevit . . . (Watterich I 479—80).
3 Vgl. Greving a. a. 0. 2 3 .
4 Greving a. a. O. 50 mit Anm. 1. 33.
5 Vita Gregorii, c. 42 (Watterich 496).
246
V. Abhandlung: Peitz.
Exkurs II.
Die Collectio Canonum des Deusdedit.
Die Kanonessammlung des Deusdedit ist so innig mit dem
Register Gregors verknüpft und hat in der Forschung über
dieses eine solch hervorragende Rolle gespielt, daß jede Unter
suchung über das Register auch auf die Sammlung zurückzu
kommen gezwungen ist. Es mag darum auch liier eine kurze
Nachprüfung der Deusdeditfrage eine Stelle finden. Ihre Er
gebnisse dürften vielleicht auch hier ein wenig zur Klärung
und Förderung beitragen.
1. Die Überlieferung 1 der Sammlung.
E. Stevenson in seinen gründlichen Osservazioni sulla
,Collectio Canonum‘ di Deusdedit 1 und P. Fahre in der glän
zenden Studie über den Liber Censuum 2 wiesen darauf hin,
daß das Zensusverzeichnis des Cencius, des Camerars der
römischen Kirche und späteren Papstes Ilonorius III., durch
Vermittlung der Gesta pauperis scholaris Albini und des
Liber Politicus des Kanonikus Benedictus 3 mit Deusdedit
Zusammenhänge. Deusdedit vollendete seine Sammlung zwischen
dem 9. Mai und dem 16. September 1087, 4 Benedikt schrieb
1140—43, Albinus vor 1188, Cencius 1192.
Über die handschriftliche Überlieferung des Deusdedit hat
Wolf berichtet. Nur eine Handschrift, D = Vat. lat. 3833, ein
Palimpsest, zwischen 1099 und 1118 als Kopie gefertigt, hat
den ganzen Text bewahrt. Ihren Ursprung leitete Stevenson
1 Arch. Soc. Rom. VIII 1885, 305—98.
2 Etüde sur le Liber Censuum de l'Eglise Romaine (Bibliotheque des Ecoles
Fran^aises d’Athdnes et de Rome LXII. Paris 1892) 9—25. Vgl. auch
Wolf a. a. O. XL.
3 P. Fab re, Le Polyptique du chanoine Benote (Travaux et mdmoires de
la facultd de Lille I 3, 1889). Vgl. P. Fab re, Le Polyptique du clianoine
Benoit a la ValliceUiane (Melanges d’archdologie et d’histoire 1890, 384—88)
über Cod. Vallicell. F 73, mit Fragment des Uber politicus aus der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts. — Fahre, Etüde 13—15.
4 Wolf a. a. O. X.
■
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II. 247
auf Rom zurück, 1 H. Steinacker suchte ihn im südöstlichen
Küstenlande der Provence. 2 Fragmente von Abschriften ent
halten Vat. lat. 1984 = B aus der Mitte und der Sammelband
Paris lat. 1458 = P, mit einem Deusdeditfragment, aus der
zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Ein Exzerpt, in Farfa
entstanden, bietet Casanat. 2010 = E aus dem Ende des 11. Jahr
hunderts, der von der Hand des Gregor de Catino stammt. 3
Benedikts Liber politicus kennen wir nur aus einer unvoll
ständigen Kopie in Cambrai 554 = F aus der zweiten Hälfte
des 12. Jahrhunderts, auf die P. Fahre zuerst aufmerksam
machte. 4 Die Gesta Albins birgt Yat. Ottob. lat. 3057 = A,
wohl von je die einzige Überlieferungsquelle. 6 Unter den zahl
reichen Handschriften des Liber Censuum hat Fahre Yat. lat.
8486 = C als die ursprüngliche, um 1192 entstandene und bis
1272 durch Neueintragungen erweiterte dargetan. 6
Handelt es sich nun zunächst um direkte Abhängig'-
1ceit in der Art, daß BAC in der einen oder anderen Weise
aus Deusdedit (Dd) schöpften •— oder liegt ihnen allen eine
dritte gemeinsame Urquelle zugrunde? Auf den ersten Blick
erweckt es den Anschein, als sei die Antwort durch einen Ver
gleich der gemeinsamen Stücke unmittelbar gegeben.
Das Kapitel 149 im dritten Buche des Deusdedit, von
Wolf nach seinen einzelnen Bestandteilen in die Abschnitte
DdW III 184—264 zerlegt, enthält nämlich in der Überliefe
rungsreihe FAC zwei Abschnitte, die sich in keiner der be-
1 a. a. O. (Arck. Soc. Rom VIII) 308. — Stevenson erkannte richtig, daß
die Blätter der Handschrift ursprünglich zu einem Evangeliar gehört
hatten, das im 7. Jahrhundert geschrieben sein muß. Die Beobachtung
Wolfs (XXI), daß manchmal zwei verschiedene abgeschabte Schriften
zu unterscheiden seien, konnte ich an den bezeichneten Stellen nicht
machen.
2 H. Steina c k e r, Die Deusdedithandschrift (Ood. Yat. 3833) und die ältesten
gallischen lihri canomim (MIöG Erg. VI 1901, 113—44).
3 Vgl. die Angaben bei Wolf XXIX, auf die ich mich berufe, da ich die
Handschrift nicht aus eigener Anschauung kenne. — Uber Gregor vgl.
die unten zu Exkurs III. angeführte Literatur über das Begesto di Farfa.
4 S. oben S. 246, Anm. 3.
6 Vgl. Th. v. Sickel, Das Privilegium Otto I. für die römische Kirche vom
Jahre 962 (Innsbruck 1883) 64—66. Fahre, Etüde 10—13. Wolf
X£XVI1—XL. Pitra, Anal, noviss. Contin. alt. I 144.
6 Etüde 171—75. 189—200. 200—08.
248.
V. Abhandlung: Peitz
kannten und erhaltenen Deusdeditliandscliriften finden. Es sind
dies eine Vorbemerkung, in der über die schlechte Erhaltung
der Vorlage und die Unmöglichkeit Klage geführt wird, einige
topographische Angaben in ihr zu entziffern, statt der unleser
lichen Namen sei in diesen Fällen ein Theta im Text eingefügt
worden. 1 — Am Schlüsse der den tomi carticii entlehnten Aus
züge bietet sodann die Benediktreihe das Exzerpt aus einem
tomus Gregors V., das von den Deusdeditliandscliriften nur das
Fragment P enthält, wo aber das Stück von zweiter Hand
hinzugefügt wurde, 2 wie überhaupt P zahlreiche nachträgliche
Ergänzungen nach Cencius(?) aufweist. 8
Dazu kommen Eigentümlichkeiten im überlieferten Texte
selbst. 4 Es zeigt sich nämlich, daß die erhaltenen Deusdedit-
handschriften in voller Übereinstimmung eine Anzahl von Lücken
aufweisen, die in der Benediktüberlieferung — wie es nach
allem scheint, völlig richtig — ausgefüllt sind, während ander-
1 Der Text, den Wolf in einer Anmerkung zu DdW III 191 bietet, mag
hier wegen seiner Wichtigkeit eine Stelle finden: Et quoniam queclam
proprio, noinina patrimoniorum, in eisdem thomis alia ex toto alia ex parte
nimia vetustate consumpta sunt, in loco proprii nominis, quod vel ex toto
vel ex parte nullatenus legi potuit, appositum est theta, de quo poeta dicit:
0 multum ante alias infelix littera tlieta. So bei Albinus: Vat. Ottob. lat.
3057, fol. 130 b . E und C bieten nur unbedeutende Varianten. Vgl.
Fabre-Duchesne LC 71, 8, S. 34G II.
2 Vgl. Wolf zu DdW III 207, Anm. 5. Fabre-Duchesne LC 71, 27,
S. 350 B. — Herr Leon Dorez von der Ilibliotheque Nationale zu Paris
hatte die große Liebenswürdigkeit, mir von den betreffenden Teilen der
Pariser Deusdeditfragmente (in P) mehrere gute Aufnahmen von Catala
freres zu vermitteln und aus der gleichen Handschrift eine mühevolle
Kollation nebst zahlreichen Exzerpten persönlich für mich anzufertigen.
Für seine opfervollen Bemühungen erlaube ich mir, auch an dieser Stelle
ihm den wärmsten Dank auszusprechen.
3 Fabre-Duchesne LC I 345 A 2 : Le Parisinus . . a ete supplee d'apres
Cencius. — Ob in der Tat Cencius oder nicht vielmehr eine Handschrift
des liber politicus Benedikts die Vorlage des Korrektors war, sei dahin
gestellt.
1 Vgl. den Apparat bei Wolf. Auch die Ausgabe des LC bietet die Va
rianten, jedoch nicht vollständig (vgl. LC I 345 A 2 ). Es ist zu bedauern,
daß die Handschriftensiglen bei Wolf nicht mit den hier verwendeten
übereinstimmen. Über die Abgrenzung des Anteiles, den Duchesne nach
Fabres allzufrühem Tode an der Herausgabe hat, vgl. Ducliesnes Avis
nach LC I 146.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II. 249
seits bei FAC mehrfach das in der Vorbemerkung angekün
digte Theta steht, das in der Deusdeditüberlieferung fehlt. 1 —
Überdies steht durchweg die Rezension des Textes bei Bene
dikt und seinen Nachfolgern — zumal in der Lesung der Eigen
namen — der durch die Kanoneshandschriften vertretenen
gegenüber. 2 — Endlich enthält Benedikt mit Albin und Cen-
cius in DdW III 191 ein Plus in der topographischen Angabe
in cartulario iuxta Palladium, die den eigentlichen Deus-
dedithandschriften DBPE fremd ist. 3
1 Die Stellen sind bei Wolf im Apparat, bei Fabre-Duchesn e im Text
ohne Mühe festzustellen. — Eine sonderbare Angabe macht Wolf zu
DdW III 192, Anm. 9: ,In P tritt hier und auf der folgenden Seite öfters
ober der Zeile ein eigentümliches thetaartiges Zeichen auf. 1 Es ist ganz
unerfindlich, warum an dieser Stelle das Zeichen nur thetaartig genannt
wird, während Wolf doch sonst gar keine Schwierigkeit hat, ein eigent
liches Theta darin zu erkennen (vgl. Anm. 25 usf. oder S. 357, Z. 4):
es ist nichts anderes als ein regelrechtes Theta. Aber es hätte darauf
aufmerksam gemacht werden müssen, wo das Theta auftritt: daß es sich
nämlich ganz ausschließlich an jenen Stellen findet, an denen die Deus-
dedithandschriften Lücken enthalten, die Benediktüberlieferung aber nicht,
und daß jenes Theta dort nachträglich hinzugesetzt zu sein scheint. Auch
hätte bemerkt werden müssen, daß an den betreffenden Stellen, wo P
auch Namen statt der Lücken bietet, diese Namen nur ein Nachtrag
sind. Schon daß die Namen die Lücken oftmals nicht ganz füllen, müßte
darauf bringen (vgl. z. B. DdW III 192, Anm. 45, 78, 84).
2 Das Textverhältnis richtig zu werten, erlaubt die kritische Ausgabe Wolfs
nicht, die es im Gegenteil durch ihre Angaben noch verdunkelt. Vgl.
unten den Stammbaum der Überlieferung und Abschnitt B.
3 DdW III 191 lx . War wirklich das cartularium iuxta Palladium identisch
mit der turris cartularia? F. Ehrle, Die Frangipani und der Untergang
des Archivs und der Bibliothek der Päpste am Anfang des 13. Jahrhunderts
(Melanges offerts ä M. Emile Chatelain, Paris 1910) SA 4 nimmt es an,
aber es müßte zuerst bewiesen sein, daß ,der Turm seinen Namen wirk
lich vom päpstlichen Archiv erhalten hat 1 . Der besonderen Liebens
würdigkeit des verehrten Herrn Verfassers verdanke ich die Kenntnis
dieser eindringenden Studie und die Möglichkeit ihrer Benutzung schon
in den Aushängebogen. Ein lange mitgeschleppter Irrtum wird durch sie
endgültig berichtigt und ,der Forschung wieder freie Bahn gemacht 1 . —
Zur Sache seien folgende Ergänzungen gestattet: H. Krabbo, Die Ur
kunde Gregors IX. für das Bistum Naumburg vom 8. November 1228
(MIöG XXV 1904) 281—82 glaubt den positiven Nachweis führen zu
können, daß die Register des 12. Jahrhunderts bald nach Ilonorius’ III.
Tod 1227 März 18, vor 1234 untergingen. — Die Hypothese de Rossis
über die Aufbewahrung des päpstlichen Archivs in der Cartularia und
250
V. Abhandlung: Peitz.
So naheliegend und so begründet hiernach auch der Schluß
erscheinen möchte, daß Deusdedit und Benedikt unmittelbar
nichts miteinander zu tun haben, sondern auf eine gemeinsame
Vorlage zurückgeführt werden müssen, so wäre diese Folgerung
doch, wie schon Stevenson bemerkte, wie auch Fahre und
Duchesne betonen, unrichtig. Denn es findet sich ein unum
stößlicher Beweis für die unmittelbare Abhängigkeit
des Benedikt-Textes von Deusdedit. In der einzigen Hand
schrift des Albinus, A, wird die Gruppe, um die es sich hier
handelt, in Rubro mit den Worten eingeleitet: Ex Romano
Pontificali cap. CXLVIIII. Die Zahl seihst enthält eine Kor
rektur, offenbar von erster Hand. Statt X scheint ursprünglich L
geschrieben, dieses radiert und dafür C gesetzt zu sein, was
dann wieder zu X umgeändert wurde. — Die Angabe der Pro
venienz : Ex Romano Pontificali stimmt zu den ersten Ab
schnitten, die tatsächlich dem Liber Pontificalis entnommen
sind. Die bei Albinus einfach rätselhafte Zahlangabe dagegen,
cap. CXLVIIII, ist ein ganz unwiderleglicher Zeuge, daß sein
Text nicht direkt der angegebenen Quelle entstammt, daß viel
mehr die Sammlung Deusdedits die Stücke vermittelt
hat. Denn bei Deusdedit und nur bei ihm paßt die Zahl: es
ist das große Kapitel 149 des dritten Buches, das hier von
Albin in seine kirchliche Enzyklopädie aufgenommen wurde. 1
— Aber auch mit Deusdedit steht Albin nicht in direktem
Zusammenhänge. Die fraglichen Abschnitte gehören dem zehnten
Buche seiner Sammlung an und diese bezeichnet sich selbst als
Excerta (!) politici a presbytero Benedicto compositi de ordi-
nibus Romanis . . . (A fol. 130 a ). Daraus ergibt sich, daß der
den Untergang seiner Bestände infolge der Geschicke der Frangipani
leugnete schon M. Spaethen a. a. 0. (NA XXXI 1906) 612 1 , der aus
den Äußerungen des Giraldus Cambrensis die Aufbewahrung der päpst
lichen Archivalien im Lateran folgerte. Ihm schloß sich R. v. Heckei
a. a. O. (Arch. f. Urk.-Forsch. I) 425 1 an. — Über die Bedeutung von
tanius und die spezielle Anwendung des Wortes bei Deusdedit vgl. die Nach
weise bei Ehrle a. a. O. 3—4. Auch Heckei a. a. O. 425 erklärte sie
richtig für ,Papyrusurkunden und finanzielle Aufzeichnungen auf Papyrus 1 .
1 Vgl. Stevenson a. a. O. (Arch. Soc. Rom. VIII) 332. — Lapotre
a. a. O. 18. — Fahre, Etüde 21. — Fabre-Duchesne LC 345 A 1 .
— Anderer Ansicht ist Wolf a. a. O. XL mit Th. v. Sickel, Das Privi
legium Otto 1. 65.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
251
Kanonikus von St. Peter die Sammlung Deusdedits
auszog. Wenn die einzige alte Handschrift F, die uns sein
Werk in einiger Vollständigkeit überliefert hat, die Zahl nicht
zu enthalten scheint, wie sie auch den Nachweis Ex Romano
Pontificali nicht bietet — es ist allerdings über den Text weder
durch Fournier noch durch Fabre-Duchesne und Wolf genü
gende Sicherheit zu erlangen — so gibt doch die ganz aus
drückliche Angabe Albins im Verein mit der Tatsache, daß F
genau die gleichen Stücke im nämlichen Zusammenhänge und
in der gleichen Textform bietet wie A, vollste Sicherheit für
die Abhängigkeit des pauper scholaris vom politicus. 1
Dieses Ergebnis ist insofern wichtig, als damit für die
Deusdeditsammlung die Einheitlichkeit der Überlieferung
dargetan ist — eine Grundfrage, deren richtige Beantwortung
für die Herausgabe des Textes von der größten Bedeutung
hätte werden müssen. Weitere Resultate knüpfen sich an diese
erste Folgerung an.
Vergleicht man nämlich die in den Deusdedithandschriften
und durch FAC gemeinsam überlieferten Stücke, speziell das
große Kapitel Dd III 149, so ergibt sich trotz der Einheitlich
keit des Ursprunges die oben angedeutete Verschiedenheit
der Textrezension. In. den Handschriften der Kanonessamm-
lung treten uns eine große Zahl von Lücken entgegen, bei
denen die Benediktreihe durchaus passende Namen bietet. Nur
an vier Stellen fehlt auch in dieser Überlieferung der zu er
wartende Name entweder ganz oder zum Teil und statt dessen
1 Trotz Fahre, Etüde 13, nimmt Dnchesne LC 345 A 1 , wie es scheint,
direktes Zurückgehen Albins auf Deusdedit an. Aber es handelt sich bei
den Entlehnungen ja doch nicht bloß um diese Zensusstücke. Daß nun
Benedikt und Albin die ganz gleiche Auswahl aus Deusdedit trafen,
spricht gewiß ebenso stark wie die oben angeführten Gründe gegen ihre
Unabhängigkeit voneinander. Leider hat Duchesne über das Verhältnis
der Quellen kein völlig klares Bild zu entwerfen versucht: er würde sonst
gewiß für Deusdedit und Benedikt sich nicht mit einer immer willkür
lichen Auswahl der abweichenden Lesungen begnügt haben. — Die von
Pflugk-Harttung, Iter ItaXicum (Stuttgart 1883) 121 und a. a. O.
(NA VIII) 230 erwähnte und von Wolf vergebens gesuchte Handschrift
Vat. lat. 3057 (vgl. Wolf XLIII) ist natürlich nichts anderes als Val.
Ottobon. lat. 3057, d. h. die Albinushandschrift, in der sich von fol. 130 b
an die betreffenden Deusdeditstücke finden.
252
V. Abhandlung: Peitz.
findet sich das Theta; alle vier Lücken aber treffen mit ent
sprechenden Lücken in den Deusdedithandschriften zusammen.
Also gemeinsame Überlieferung einerseits, auffallende
und durch bloße Abschreibefehler der Kopisten kaum völlig zu
erklärende Differenzierung anderseits. Der einzige Schluß,
der sich meines Erachtens aus diesem Tatbestände ergibt, ist
wohl nur der, daß der Grund des Auseinandergehens beider
Gruppen unserer Handschriften in der allen gemeinsamen
Vorlage zu suchen ist. Das war aber auf jeden Fall eine
Handschrift der Kanonessammlung Deusdedits.
Eine nicht unwahrscheinliche und nach allen Seiten be
friedigende Erklärung des ganzen Sachverhaltes dürfte
wohl durch folgende Auffassung geboten sein. Es ist die ver
lorene ursprüngliche Handschrift der Collectio Canonum —
Original-Deusdedit —, die unserer gesamten Überliefe
rung zugrunde liegt und durch eine Kopie für die erhaltenen
Deusdedithandschriften auf der einen, durch Benedikt für Albin
und Cencius auf der anderen Seite als Vorlage diente. Sie
war schlecht geschrieben, so daß der wenig kundige und un
gebildete Kopist der unmittelbaren Vorlage von DBP und E
eine große Zahl von Namen und Worten nicht zu lesen ver
mochte. Der gebildete Kanoniker Benedikt dagegen verzichtete
nur in wenigen Fällen auf die Entzifferung und gab diese sel
tenen Ausnahmen gewissenhaft durch ein eingefügtes Theta zu
erkennen, dessen Erklärung und Begründung er im Anfänge
des Abschnittes hinzusetzte. Freilich sagt er dort: . .. quedam
proprio, nomina patrimoniorum in eisdem thomis alia ex toto,
alia ex parte nimia vetustate consumpta sunt . . . und scheint
sich damit auf die von Deusdedit benutzten Archivalien selbst
zu berufen. Es wäre ja möglich, daß Benedikt auf die Vorlagen
des Ivanonisten angesichts der Lücken in dessen Text zurück
gegriffen hätte. Indes dürfte es wohl nicht zu gewagt erscheinen,
diese Wendung als der unmittelbar voraufgehenden Quellen
angabe Deusdedits entlehnt anzusehen, die lautet: Iiaec itaque,
quae secuntur, sumpta sunt ex tomis Lateranensis bybliothecae,
zumal der Einschub Benedikts sagt: in eisdem thomis. 1 Das
1 Aus der Tatsache, daß im Polyp tychonkapitel Dd III 149 das jüngste
Gregorexzerpt dem 8. Mai 1080 angehört (DdW III 266, J—L 5167),
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
253
Plus am Schlüsse des Abschnittes bei Benedikt und seinen Be
nutzern wäre dann vielleicht ebenso ein selbständiger Zusatz
von seiner Seite, wie Albin in DdW III 291 = Fabre-Duchesne
LC 347 B 3 einen Brief Alexanders II. eingeschoben bat. — In
Urdeusdedit die Theta-Notiz bereits suchen und sie bei Bene
dikt-Albin auf getreuere Kopie der Vorlage zurückführen zu
wollen, verbietet die Sorgfalt, mit der in D — von erster oder
zweiter Hand? — die unvollständige Angabe betreffs des tomus,
in quo praescriptus est papa Johannes, nachträglich ergänzt
worden ist. Man wende nicht ein, daß ein derartiges unvoll
ständiges Exzerpt doch im Original der Deusdedithandschrift
nicht wohl denkbar sei, daß hier der Provenienzangabe bezüg
lich eines tomus von Papst Johannes notwendig der zugehörige
Kanon müsse beigegeben worden sein. Der Einwurf verriete
geringe Bekanntschaft mit den alten Handschriften der Kanones-
sammlungen und wenig Vertrautheit mit ihrer Entstehungs
weise. Als Beispiel sei hier nur auf eine Sammlung der Vati
kanischen Bibliothek hingewiesen: Yat. lat. 1346, eine Perga
menthandschrift von 196 Blättern aus dem Ende des 11. oder
dem Anfänge des 12. Jahrhunderts. 1 Wie aus den zahlreichen
schließt Fahre, Etüde 24, wohl mit Recht auf Anlage dieses Zensus
verzeichnisses nach jenem Datum.
1 Der rote Lederband trägt am Rücken in Goldpvessung oben das Papst
wappen Pius’ VI., unten das Wappen des Kardinals F. X. de Zelada
(1779—1801). Die Folienzählung reicht nur bis 195, tatsächlich aber
sind es 196 Blätter, da hei der Zählung nach 110 ein Blatt übergangen
wurde. Die Blätter, 171 X 257 mm groß, haben zum Teil, besonders die
ersten und die letzten, stark von Feuchtigkeit gelitten, manche sind arg
zerfressen, einzelne bloße Fragmente. Der eigentlichen Sammlung vorauf
gehen eine Reihe von Zusätzen: fol. 2 a — 5 a eine Reihe von Kanones
de •primatu Petri: Anacletus cap. XXXIII. . . Fol. 5 a beginnt das Kapitel
verzeichnis der sieben Bücher: Incipiunt capitula libri primi . . ., in zwei
Kolumnen geschrieben. Fol. 13 b beginut eine Cronica Pornanorum pre-
sülum, die bis fol. 15 a reicht. Zwischen den Papstkatalog hat eine andere
gleichzeitige Hand Auszüge aus dem Liber Pontificalis eingeschoben.
Z. B. hat zu dem Eintrag der ersten Hand: Domnus Petrus natione gali-
leus . sedit annos . XXV . menses VII. dies YIII° der zweite Schreiber
hinzugefügt: Die martyrio eodera die cum Paulo coronatur post passionem
domini anno . XXXVIII. Da sich mir bei- einzelnen Stichproben keine
wichtigeren Bemerkungen ergaben, so habe ich den Katalog dieser Hand
schrift, die von Duchesne LP und Mommseu (MG Gesta Pontificum I)
nicht aufgeführt wird, nicht eingehender untersucht. Bei Agapitus ist
254
Y. Abhandlung: Peitz.
und umfassenden Nachträgen hervorgeht, ist die Handschrift
eifrig benützt worden. Viel wichtiger aber ist, daß sie eine
rechte Arbeitshands.chrift darstellt, die einen tieferen Ein
blick in das Entstehen derartiger Sammlungen vermittelt. Sie
ist voll von Ergänzungen, Tilgungen, Verweisungen und Bemer
kungen. So werden auf fol. 48% 58“, 168 b (hier sogar an drei
verschiedenen Stellen) bereits fertig ausgeführte Kanones durch
beigefügtes vacat als getilgt bezeichnet. Fol. 21 b ist im Texte
von der Nachtragshand hinzugesetzt: S. Sabas ohiit und etwas früher zu
Johannes natione tuschus in roter Schrift und unverhältnismäßig groß:
Sanctus Benedictus abbas. Somit dürfte die Handschrift wohl dem Fleiße
der Söhne S. Benedikts ihre Entstehung verdanken. — Fol. 15 b folgt
ein Exzerpt Ex libro VIIII ethimologiarum isidori episcopi ad braulionem
episcopum de heresibus christianorum mit verschiedenen anderen Exzerpten
bis fol. 20. Fol. 21“ ist leer. Fol. 21 b beginnt die Sammlung mit dem
Rubrum De autoritate Apostolicae sedis und reicht bis fol. 166% wo sie
mit dem Rubrum schließt: Explicit über VII. Que secuntur, additamenta
sunt. —
Zur Zeitbestimmung bieten die Cronica Bomanorum presuhim
wie die additamenta Anhaltspunkte. Das Papstverzeichnis von erster Hand
schloß mit Victor, qui et Desiderius coenobü Cassinensis abbas menses IIII
dies VII. Eine andere Hand fügte bei: Urbanus sedit annos., was aufs
neue mit anderer Tinte durch späteren Eintrag ergänzt und fortgeführt
wurde: XII. Paschalis . II. sedit annos. Eine weitere Ergänzung kam
später hinzu: XVIII. menses V dies . .. Obiit XII Ical.febr. die sancte . . .
(Rasur) Anno domini miüesimo XVIII. Indict. . . . Darnach erfolgte ein
Zusatz der Papstnamen bis Alexander III. mit Angabe der Regierungs
zeit. Ein letzter Zusatz endlich umfaßt die Päpste bis Cölestin III.,
dessen Regierungszeit nicht angegeben ist, während eine Notiz über den
Tod Friedrich Barbarossas auf dem Kreuzzuge sich findet. — Die jüngsten
eingetragenen Kanones aber sind von Paschal II., und zwar befinden
sie sich unter den Nachträgen: fol. 169 b und fol. 183“-. Es ergibt sich
mithin für die eigentliche Anlage der Sammlung die Regierungszeit
Urbans II. oder Paschals II.
Ein Vergleich der Sammlung mit der von Tardif bekanntgege
benen ,Sammlung in sieben Büchern 1 des Manuskriptes 11 in der Biblio
thek von Bordeaux war mir leider nicht möglich; ich kenne Tardifs
Arbeit nur aus einem der inhaltreichen Aufsätze von P. Fournier: De
quelques collections canoniques issues du Decret de Burcliard (Melanges
Paul Fahre. Etudes d’histoire du moyen-äge. Paris 1902. S.-A.) 207.
Auch den Zusammenhang mit der Turiner Sammlung in sieben Büchern
genauer nachzuprüfen, mußte ich vorderhand unterlassen, so anziehend
auch die Aufgabe nach den lockenden Andeutungen Fourniers über die
Quellen der Sammlung von Turin sein müßte (a. a. O. 208—13).
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
255
zwischen zwei Kanones bemerkt: Idem in 2 a pagina in 1° qua-
ternione de eadem re, was sich auf einen Nachtrag am Rande
von fol. 6 a , dem zweiten Blatte des ersten Quaterns der Samm
lung, bezieht. Ähnliche Verweise tragen fol. 23 a , 23 b , 25 a , 26 a ,
27 b usf. Fol. 31 b wird zu einem Kanon die Kritik hinzugefügt:
hic minus est, und ähnlich heißt es fol. 42 11 : minus quam requi-
ritur. magno I1II, womit wohl gemeint sein dürfte, es sei zu
vergleichen Gregors I. Brief an Magnus episcopus . cap. IIII.
— Auf den Inhalt der Sammlung und ihre Bedeutung kann
ich nicht eingehen, mir kommt es hier auf einen anderen Um
stand an. Im ursprünglichen Grundstock der Sammlung näm
lich sind bei einer Reihe von Kanones nur der Titel und die
Anfangsworte oder auch die Provenienzangabe eingetragen und
dann mehrere Zeilen zur Ergänzung des begonnenen Eintrages
freigelassen worden. So steht z. B. fol. 53 b von erster Hand
das Rubrum: Cui pertineant plebes ab hereticis conversae . cap. V.
In concordia canonum de cartaginensi concilio, worauf ein freier
Raum von vier Zeilen zum Nachtrag des Exzerptes gelassen
ist. Das Zitat bezieht sich jedenfalls auf den Kanon 278 in der
Concordia canonum des afrikanischen Bischofs Cresconius, die
im frühen Mittelalter sich ziemlicher Beliebtheit erfreute. 1 —
Fol. 101 a ist der letzte Kanon: De his, qui ecclesiam incen-
derint vel confregerint vel violaverint. Johannes papa. cap. X.
HU qui monasteria . . .; fol. 101 b beginnt dann: Idem. Si quis
domum dei violaverit., wonach elf Zeilen leer sind. In Zeile 2
bis 5 hat später eine andere Hand einen Kanon Ex concilio
Agathensi. De clericis et monachis furtum facientibus nebst
einem Augustinus-Zitat und in Zeile 11—12 ein Exzerpt von
Julius papa eingetragen; der angefangehe Kanon aber blieb
Torso. Ebensowenig wie hier der Johannestext, erhielt fol. 137 a
ein angesetztes Gregorzitat seine Fortsetzung. Fol. 134 a wurde
1 Cresconius, Concordia canonum, c. 278, De plebibus conversis a Dona-
tistis (Concil. Carthag. titul. 84) (MSL 88, 933 D bis 934 B). Der Kanon
ist entlehnt der Collectio Canonum des Dionysius Exiguus, c. 116, De
plebibus conversis a Donatistis (MSL 67, 219 BC). Vgl. Bruns, Biblio-
theca ecclesiastica I (Berlin 1839) 191, und Maaßen, Geschichte der
Quellen und Literatur des canonischen Rechts I (Wien 1870) 806. 813.
— Die Nachweise verdanke ich der Güte des Herrn P. v. Nostitz-
Rieneck.
256
V. Abhandlung: Peitz.
ein begonnenes Exzerpt aus Augustinus erst später — vielleicht
von anderer Hand — ausgeführt. — Diese wenigen Proben
mögen zur Kennzeichnung der Technik bei Anlage jener Samm
lungen genügen. So viel tun sie, meine ich, doch dar, daß die
Annahme eines unvollständigen Eintrages in der ursprünglichen
Handschrift des Deusdedit nicht eben ungeheuerlich zu er
scheinen braucht.
Soll nach dem Gesagten das Gesamtergebnis betreffs
der Deusdeditüberlieferung kurz zusammengefaßt werden, so
dürfte sich dies am kürzesten und klarsten durch folgenden
Stammbaum darstellen lassen, in dem die Siglen zur Amven-
dung kommen, die Wolf für die in Betracht zu ziehenden Hand
schriften eingeführt hat.
Ur-Dd.
Die Einschaltung von x und die Unterordnung innerhalb
dieses Astes bedarf einer kurzen Begründung, für die folgende
Andeutungen als Anhaltspunkte genügen mögen.
Die durch Mr. Leon Dorez mir vermittelten vorzüg
lichen Photographien aus P zeigten, daß sich die Angaben über
die Lesarten dieser Handschrift bei Fabre-Duchesne und bei
Wolf trotz ihres scheinbaren kontradiktorischen Widerspruches
in gewissem Sinne ausgleichen lassen, so wenig auch das Ver
fahren in einer kritischen Ausgabe zu rechtfertigen scheint. In
allen Fällen, wo Duchesne für P fol. 260 a —26l a in Überein-
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
257
Stimmung mit D und B eine Lücke konstatiert, während Wolf
aus P einen Text oder Textvarianten angibt, erweisen sich die
Lesungen von P als Nachträge von anderer Hand und anderer
Tinte und es zeigt sich, daß jedesmal der erste Schreiber eine
Lücke gelassen hatte wie in D. Zu Anfang des Nachtrages
hat P jedesmal über der Lücke ein Theta von der Hand des
Korrektors. 1 Die gleiche zweite Hand hat sodann an einer
Stelle, wo DB eine Lücke zeigen, während die Benediktüber-
. lieferung ein Theta schreibt, in den vom ersten Schreiber ge
lassenen freien Raum ein größeres Theta eingesetzt.
Schon dieser Sachverhalt zeigt die Zweiteilung der Über
lieferung in einen ersten Ast mit DBP und einen zweiten mit
FAC, wobei B und P aus dem zweiten Aste Korrekturen auf-
nalimen. 2 — Für eine nächste Verwandtschaft zwischen DB
und P sprechen Fehler Avie DdW III 191 30 — 41 , während ander
seits Fälle Avie DdW III 191 13—43 oder 191 4c und 192 39 dar
tun, daß BP nicht unmittelbar von D abstammen. Schreibungen
endlich Avie DdW III 192 22 - 34 - 61 — um innerhalb der zur
Probe herangezogenen Belege zu bleiben — sprechen gegen
eine unmittelbare Abhängigkeit zAvischen B und P. Es bleibt
also nur das im Stammbaume zur Darstellung gebrachte Ver
hältnis übrig.
Die Ausführungen Avaren notAvendig, um bezüglich der
handschriftlichen Überlieferung jener Registerauszüge, die bei
Deusdedit Aufnahme gefunden haben, den richtigen Standpunkt
zu geAvinnen. 3 Sie zeigen, daß die Varianten, die durch die
1 Vgl. die Bemerkung Wolfs S. 357, Anm. 9, und oben S. 248.
2 Daß B nach C korrigiert und ergänzt Avurde, beweisen Beispiele wie
DdW III 184 2 . 207 5 .
8 Auf ein Parallelstück in R und Dd mag noch eigens hingewiesen werden,
das geeignet ist, das Verhältnis zwischen der Kanonessammlung und ihrer
Registervorlage zu charakterisieren. In DdW IV 184, einem Exzerpt aus
J V III 21, schiebt der Kanonist zunächst den ganzen Anaclettext ein
(Wolf S. 490 3 — 8 ), ändert dann durch Zusatz von beatus P(etrus) (Wolf
490 10 ) dementsprechend den Sinn, setzt das Nikolausexzerpt hinzu (Wolf
490 17 — 18 ) und fügt endlich hei: Stephanus scilicet (Wolf 490 ls ). In R
steht das alles nicht. Hier hat eine spätere Hand hinzugesetzt: Zacharias
videlicet (.7 458 g). Die Auflassung aber, als handle es sich bei der Ab
setzung Chilperichs vornehmlich um den Akt Stephans III., teilt Deus
dedit mit Bonizo, nicht jedoch mit Gregor und dem Register, wo J IV 2
Sitzungsber. d. pliil.-hist. Kl. 165. Bd. 5. Abh. 17
258
V. Abhandlung: Peitz.
Benediktgruppe geboten werden, unbedenklich für die Unter
suchung betreffs der bei Deusdedit angegebenen Fundstellen
herangezogen werden durften.
2. Kritische Bemerkungen zur Ausgabe Wolfs.
So sehr ich die Arbeit Wolfs bei Ausgabe der Deusdedit-
sammlung 1 zu würdigen weiß und so freudig auch der Histo
riker die Publikation dieser für das geistige Leben und Ringen
ihrer Zeit so bedeutsamen und doch so wenig beachteten kano-
nistischen Arbeiten eines Anselm, Deusdedit, Bonizo —- um von
anderen mindestens ebenso bedeutsamen und einflußreichen zu
schweigen — begrüßen muß, 2 so kann ich doch nicht umhin,
gegen die neue kritische Deusdeditausgabe einige recht schwere
Bedenken geltend zu machen, die es geraten erscheinen lassen,
bei ihrer Benutzung auf der Hut zu sein.
Zunächst bedaure ich, daß Wolf ohne zwingenden Grund
die historischen Zusammenhänge zerreißt. Er macht es zwar
Martinucci zum besonderen Vorwurf, daß dieser sich in bezug
auf die Einteilung in Kapitel an seine Vorlage gehalten habe, 3
aber die Neueinteilung Wolfs wird weder den Zwecken Deus-
dedits noch dem Bedürfnisse der Forschung gerecht. Wer weiß
stets genau, daß DdW III 278 zu dem Kapitel Dd III 150
gehört, oder daß DdW III 184 und DdW III 262 nur Teile
(242 8 ) bereits ausdrücklich dem Papste Zacharias der Einfluß auf die
Geschicke des Frankenreiches zugeschrieben war (Bonizo, lib. ad
amicam YII MGLdl I 608 17 : Stephanus vero papa Karolum Pippini regis
fratrem a regno deposuit et Pippinum in loco eius constituit. Ygl. de vita
christiana, Cod. Ross. VIII 156, fol. 35 a , Mai, Nova Bibliotheca VII 3,
p. 44 3 . Dagegen J IV 2: Considerent, cur Zacharias papa regem Fran
corum deposuerit et omnes Francigenas a vinculo iuramenti, quod sibi fece-
rant, absolverit.
1 Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit. I. Die Kanonessamm-
lung selbst. Neu herausgegeben von V. Wolf v. Glanvell (Pader
born 1905).
2 Noch H. Steinacker hat die Wichtigkeit ähnlicher Unternehmungen
betont und die bezüglichen dringenden Bedürfnisse der historischen For
schung zur Geltung gebracht. Uber das älteste päpstliche Register wesen
(MIöG XXIII 1902) 49.
3 Deusdedit Presbyteri Cardinalis Collectio Oanonum e codice Vaticano edita
a Pio Martinucci (Venetiis 1869).
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
259
von Dd III 149 sind? Gerade der Zusammenhang der Gruppen
ist ja für die Erkenntnis der gegenseitigen oder der gemein
samen Abhängigkeit der Quellen vom höchsten Wert. In der
Beziehung mußte der neue Herausgeber um so mehr Achtung
vor der Überlieferung haben, als er die Probleme, die sich an
eben dieses Kapitel III 149 als Ganzes knüpften, sehr wohl
kannte und Duchesne in der ausgezeichneten Weise, wie er
Ehrfurcht vor der Überlieferung mit vollendeter Rücksicht auf
den praktischen Gebrauch zu paaren wußte, ein gutes und eben
falls Wolf nicht unbekanntes Muster geschaffen hatte. 1
Aber freilich die Überlieferung! Wolf ist sich weder über
die Beziehungen der Handschriften zu einander, noch über ihren
Wert für die kritische Gestaltung des Textes wirklich klar
geworden. Ich bin mir wohl bewußt, welch schwerer Vorwurf
darin für das Werk des Herausgebers einer kritischen Ausgabe
liegt, aber es muß, bei aller Hochachtung für die fleißige und
beharrliche Arbeit Wolfs, im Interesse der Wissenschaft g-esasrt
sein: die Sache muß mehr gelten als die Person. Den Beweis
für die Behauptung liefern schon die Äußerungen des Editors
in seiner Einleitung, wenn er z. B. einem etwaigen Vorwurfe
damit zu begegnen sucht, daß er sagt, ABCF seien ja sämtlich
jünger als D, oder wenn er in seinen Textnoten die Varianten
dieser Handschriften ohne jede Schichtung unterschiedslos durch
einander zitiert, wie z. B. S. 349 9 - 10 usf. Es war zu scheiden
— und zwar unbedingt, mag man über die Ordnung innerhalb
der einzelnen Äste denken und urteilen wie immer — DBP auf
der einen, FAC auf der anderen Seite, und in dieser Reihen
folge. Hätte Wolf das getan, so würden ihm manche Fehler
nicht untergelaufen sein, die etwas stärker sind, als daß man
über sie hinweggehen könnte. Einige Beispiele aus einer Fülle
von Belegen! DdW III 191 11 wird in cartulario, weil nur
in FAC, nicht in DBP überliefert, aus dem Texte ausgeschieden.
Ebenso fällt 23 das von AC gebotene in loco qui vocatur Cor
tina ; und doch sagt die Note 28 in Verbindung mit 25 und 27 ,
daß auch für F die Vorlage ähnlich gelautet haben muß. Oder
Fabre-Duchesne, Le Liber Oenstmm de VEglise Romaine (Bibliothäque
des Ecoles Fran<faises d’Athenes et de Rome, 2° sdrie). I (Paris 1905)
345 ff.
17*
260
Y. Abhandlung: Peitz.
in DdW III 192 5 schreibt Wolf mit D: Lucano gegen die ge
samten übrigen Zeugen, und in 12 ebenso Pinistellum. Ähnlich
wird in s4 - 3S - 39 usf. die Lesung von D ohne anderweitige Be
gründung gegen FAC oder auch gegen BP und FAC fest
gehalten, und das auch in einem Falle, wo wie in 40 die Va
riante von BP und FA zu der gleichen Lesung führt wie die
von C, aber nicht zu der von Wolf aufgenommenen. Dafür
hat der Herausgeber in zahlreichen anderen Fällen, von seinem
Standpunkte aus durchaus unmotiviert, Lesungen von FAC in
den Test eingesetzt. Ich erwähne nur, als kleine aufs Gerate
wohl herausgehobene Beispiele, DdW III 191 33 _ S8 - 42 ~ 43 ' 49 - 5S -
69 usf.; 192 5 - 10 - 14 - 41 usw. Was soll man aber zu Willkürlich-
keiten sagen wie dieser — um bei den einmal zur Probe ge
wählten Kapiteln zu bleiben: DdW III 192 51 schreibt Wolf im
Text villa a volle Liquano. Durch die Noten erfahren wir,
daß in D das Bild sich so ausgestaltet: villa a volle . . . Li
quano . . daß FAC dafür schreiben: villa a volle masse Sili-
quano Roiana und P: villa a volle masse Liquano Coroiana,
daß mithin nur B die von Wolf adoptierte Lesung hat. Selbst
vorläufig angenommen, Wolfs Variantenangaben seien richtig
— nach dem Apparate bei Fabre-Duchesne 348 A 9 würde sich
für BP genau das gleiche Bild ergeben wie für JJ— so stand
hier die ganze Überlieferung einmütig gegen den nicht sehr
beweiskräftigen Zeugen B, und auch dessen Zeugnis wäre in
diesem Falle höchstens ein negatives. Hier mußte die Lesart
von FAC aufgenommen werden, außer der Herausgeber hätte
sich von vornhinein an D binden wollen — was er doch
XLIX—L mit Recht ausdrücklich von sich weist —, und in
diesem Falle wäre ihm immer noch nichts anderes übrig ge
blieben, als die Lücken von D auch in seinen Text aufzu
nehmen. Genau das Gleiche gilt bezüglich der Stellen, an denen
FAC das Theta bieten usf.
Die Behandlung der eigentümlichen Zeichen hei den Zins
angaben ist ebenfalls wohl schwer zu rechtfertigen. Es handelt
sich keineswegs um bloße Zeichen — Wolf gesteht LIV,
sie nicht erklären zu können, und behauptet doch, es seien
Zahlzeichen ■—, sondern nach den Zeichen folgen meist noch
wirkliche römische Zahlen: wenigstens diese hätten ange
geben werden müssen. Doch darüber helfen immerhin die
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
261
beigegebenen Faksimiles wenigstens zum Teil einigermaßen
hinweg.
Zn DdW III 263 mußte Wolf angeben, daß dieses Stück
in FC ausgelassen und die hielier gehörige (und in E wenig
stens in Klammern aufzunehmende) Angabe prestat XII dena-
rios von ihnen irrtümlich zu 262 gezogen wurde. 1 Aber
solche Dinge, an denen doch für die Erkenntnis der Quellen
lage nicht wenig gelegen ist, bemerkt er öfters nicht. Ebenso
wenig hat er in DdW III 191 angegeben, daß der Satz betreffs
des papa Johannes in D Marginalnachtrag ist, und doch mußte
er aus Fahre, Etüde 22, wissen, daß dieser Tatsache eventuell
eine Bedeutung zukommen kann.
Gegenüber diesen Anständen, die, ich wiederhole es, durch
gängig an allen Stellen mit Parallelüberlieferung sich erheben
und deren Grund ein methodischer und prinzipieller Fehler ist,
sind die übrigen Ausstellungen, die sich machen lassen und die
immerhin Kritik bei Benützung Wolfs erheischen, nur neben
sächlicher Natur. So z. B., wenn er in DdW III 262 und sonst
eigens hervorhebt, lingonensi stehe auf Rasur. Denn der ganze
Kodex ist Palimpsest und eine doppelte Rasur ist in der Hand
schrift an dieser Stelle ebensowenig zu erkennen wie an anderen.
Daß die Tinte bei einzelnen Buchstaben etwas breiter lief, ist
bei sehr vielen, nur etwas größeren Rasuren in allen Hand
schriften zu bemerken, und es müßte speziell an dieser Stelle
für DdW III 259 septimus im Titel oder für tradita est und
für unaquaegue in DdW III 267 zum wenigsten das Gleiche
angegeben sein. — Mit der Interpunktion wdrd man sicli bei
DdW III 219 ff. auch schwerlich einverstanden erklären können.
Wollte Wolf das Idem in eodem fett drucken — in 218 tat er
es nicht, wie er. auch in 208 ff. ganz inkonsequent verfährt —,
so mußte er doch den Punkt fortlassen. Ähnliche Inkonse
quenzen zeigen sich auch DdW III 260 im Vergleich mit
261 u. ö.
Im ganzen geht w r ohl aus dem Angeführten genugsam
hervor, daß Wolf nicht einmal den von ihm selbst aufgestellten
Grundsätzen (LI der Einleitung) in seiner Ausgabe genügend
gerecht geworden ist. Auf weitere Einzelheiten und spe-
1 Vgl. Pabre-Dueliesne LC 354, Nr. 81.
262
V. Abhandlung: Peitz.
zielle Fehler aufmerksam machen zu wollen, würde zu weit
führen.
In der viel erörterten Frage, ob wir in Deusdedit auch
den erstmaligen Sammler der in Dd III 149 u. a. ver
einigten Exzerpte zu sehen haben, und weiterhin, ob die
Anlage dieses Kapitels vor der Zusammenstellung der Kanones
erfolgte, möchte ich auf Grund meiner Untersuchungen nur
dieses bemerken: Schon die bloße Tatsache dieser Gruppierung
von Auszügen, die alle zu einem bestimmten Thema — dem
Verzeichnisse des Zinses der römischen Kirche — gehören,
sowie die stark gekürzte Art, mit der in ihnen nur Grundlage,
Tragweite und Höhe des Census aufgeführt werden, deutet auf
eine Sonderstellung, die unmittelbare Parallele mit den übrigen
uns bekannten ähnlichen Verzeichnissen auf Anlage als Poly-
ptychon. Für die Zwecke der Kanonessammlung lag nicht der
mindeste Grund vor, diese Stücke so zusammenzustellen; waren
sie einmal vereinigt, so läßt sich nach dem sonstigen Charakter
der Sammlung begreifen, daß sie von Deusdedit aufgenommen
wurde. Die Gleichheit der Gruppe von Konzessionen Ludwigs
und Ottos hei Anselm und Deusdedit deutet auf ähnliche
Lösung.
Die Gründe aber, die von Lapotre, Fahre und Wolf gegen
Deusdedits Autorschaft auch für diese Spezialarbeit geltend
gemacht wurden, sind wohl keineswegs durchschlagend. Denn
wenn der Kardinal hier die Provenienz und den Fundort der
Auszüge genau vermerkt, so hegt das eben in der Eigenart
dieser Gruppe nach ihrem ganzen Wesen und Zweck. Über
dies steht das gar nicht mit der sonstigen Art des Kardinals
in Widerspruch. Im Gegenteil. Ich verweise nur auf die ge
nauen Angaben zu DdW IV 420 oder zu III 278 sowie auf
die für eine Kanonessammlung geradezu überraschend genauen
und sorgfältigen Nachweise der Registerexzerpte nach Buch-
und Kapitelzahl. — Daß die Schenkung Mathildens fehlt, er
klärt sich nach den Darlegungen von Scheffer-Boichorst 1
ganz ungezwungen. — Der Einwurf aber, es handle sich hier
in den Kapiteln III 149. 150 um die Arbeit eines rechten
1 P. Scheffer-Boichorst, Die Sammlung des Kardinals Deusdedit und
die Schenkung der Gräfin Mathilde (MIöG XI 1890) 119—121.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs II.
263
Archivhamsters, und. als solchen könne man sich doch Deus-
dedit nicht wohl vorstellen, rechnet mit völlig unbekannten
Faktoren als mit sicheren Größen. Weder von der amtlichen
Stellung, noch von sonstiger früherer Lebensarbeit des Kardinals
besitzen wir Nachrichten. Die Art, wie er mit größter Sorg
falt die Kanonessammlung angelegt hat, spricht jedenfalls nicht
gegen seine Autorschaft. Mit Sickel 1 halte ich dafür, daß
wahrscheinlich auch dieses Zensusverzeichnis ein älteres Werk
des Deusdedit ist, das er in seine spätere Sammlung herüber
nahm. Mit dem Zeitansatz von Scheffer-Boichorst freilich, 1081,
kann ich nicht Ubereinstimmen: DdW ITI 60 und IV 426
sprechen zu deutlich dagegen: die Anlage dieses Verzeichnisses
kann kaum vor 1083 geschehen sein. Doch möchte ich sie eher
in eine noch spätere Zeit verlegen, in den Herbst 1084, jene
Zeit, da die päpstliche Kanzlei die in den schweren Kriegs
jahren zerstreuten und in Gefahr des Verlustes und des Unter
ganges geratenen Akten und Urkunden wieder zu sammeln
begann — aus Lateran und Cartularia und wohin sie sonst
geflüchtet sein mochten. Doch das sind Vermutungen, für die
meine Untersuchungen nur zum Teil eine Unterlage bieten
könnten.
. Endlich mag noch einer meines Erachtens grundirrigen
Auffassung Wolfs gedacht werden. Er nimmt an, daß trotz der
Mahnung des Kardinals in der Vorrede seiner Sammlung in
unseren Handschriften eine der von Deusdedit ursprünglich
angebrachten Zählungen verloren gegangen sei (Einlei
tung XII. LIII). Zu Unrecht, wie es scheint. Deusdedit mahnt:
moneo scriptorem, ne lector graviter offendatur, ut non solurn
in emendatione codicis, verum etiam in utrisque numeris recte
scribendis et cautissime emendandis diligentiam adhibeat, scilicet
in eo, qui subpositus est quibusque capitulis et item in eo, qui
prepositus est in singulis deflorntionibus. Er hat also einmal
jedem einzelnen Kapitel eine Zahl beigegeben, und zwar die
Zahl unter das Kapitel oder ihm nachgesetzt: subpositus quibus
que capitulis. Was versteht aber Deusdedit unter capitula?
Offenbar die summarischen Inhaltsangaben, die den einzelnen
Th. Sickel, Das Privilegium Otto I. für die römische Kirche (Inns
bruck 1883) 80—81.
264
V. Abhandlung: Peitz.
Gruppen als Rubra übergeschrieben sind. Das zeigt ja schon
das Verzeichnis eben dieser capitula, das vorne seiner Samm
lung vorausgeschickt ist und wo es jeweils heißt: Incipiunt
(expliciunt) capitula libri n. Aber diese Zahlen finden sich
doch auch regelrecht in unseren Handschriften: es sind die
Kapitelnummern, wie z. B. die berühmten III 149. 150 üsw.
Erst Wolf war es Vorbehalten, das direkte Gegenteil von dem
zu tun, was Deusdedit gewollt hatte, und diese Zahlen zwar
nicht gänzlich zu unterdrücken, aber doch stark in den Hinter
grund zu schieben — so stark, daß sie tatsächlich fast ver
schwinden. Jene Zahlangaben aber stehen auch in D genau so,
wie es in der Originalsammlung der Fall gewesen ist, meistens
unter oder nach dem Kapitelrubrum.
Die zweite Zählung, von der Deusdedit spricht, ist jene,
qui prepositus est singulis deflorationibus. Unter diesen deflo-
rationes des Kardinals versteht Wolf je eine ,Blutenlese', die
,auch mehr als eine Frage behandeln und so auch mehrere
Kapitel umfassen' konnte, ,wie denn auch verschiedene kurze
deflorationes in ein Kapitel zusammengefaßt wurden'. Und der
Beweis? Außer der Angabe von einigen Beispielen, die nach
seiner Meinung zu dieser doppelten Funktion der deflorationes
passen — nichts. Daß bei den zuerst angeführten Beispielen
DdW IV 227—228, 229—241, 247—266 die Behauptung nicht
unbedenklich ist, hätte Wolf sehen müssen: die capitula, die
angeblich von den Exzerpten aus einer Quelle umfaßt werden,
sind nur capitula Wolfscher Erfindung; freilich sind auch die
alten Deusdeditkapitel in dieser Partie vom Schreiber nicht
genau numeriert: zu den meisten Zahlen gibt Wolf an, daß sie
Nachtrag seien (vgl. z. B. DdW IV 223 1 , 246 1 , 267 1 usf. Ein
leitung XXII). Da wäre meines Erachtens ein richtiger Angriffs
punkt für den Textkritiker zur Wiederherstellung des Originals
gewesen. — Wenn aber das große Deusdeditkapitel III 149
als Beweis angeführt wird, wie mehrere deflorationes in ein
Kapitel zusammengefaßt worden seien, so zeigt das nur, wie
Wolf sich über den Begriff defloratio im Sinne Deusdedits
ebensowenig klar war wie über die capitula. Für Deusdedit
ist defloratio auch das einzelne Exzerpt, nicht etwa bloß eine
ganze Exzerptengruppe; dafür bietet er hinreichende Belege.
Der einfache Ausdruck für exzerpieren ist ihm deflorare
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
265
(W 3 16 , 5°, 5 11-12 ), wofür auch mutuare (3 22 ), assumere (3 24 ),
congerere (4 24 , 4 28 ) gebraucht werden. Das Resultat dieser
Tätigkeit sind die verschiedenen Exzerpte, einzeln und kol
lektiv gefaßt: als Einzelexzerpt z. B., wenn 5 9ss der Benutzer
der Sammlung ermuntert wird, zu den Quellen selbst zu gehen
und nicht sicli mit den hier gebotenen Auszügen zu begnügen
— nicht als ob die einzelnen möglichst kurz gefaßten Exzerpte
nicht ausreichten und der Erweiterung bedürften — non ut
deßoratio ciliquid adiungat — sondern um den Wissensdurst
zu befriedigen — ut suo desiderio satisfaciat. Bezüglich dieser
Exzerpte nun sagt Deusdedit, es sei ihnen per totum codicem
eine Zahl vorangeschickt. Wie steht es in der Beziehung mit
unserer Handschrift? In ihrem ganzen Umfang weist sie vor
den einzelnen Auszügen genaue Angabe ihrer Herkunft auf
mit Angabe von Buch- und Seitenzahl, avo immer eine solche
nur — nach den Angaben Deusdedits im Prolog — zu erwarten
ist: daß nicht notwendig jedes Stück eine solche Zahl zu tragen
braucht, scheint mir schon durch den Gegensatz quibusque
capitulis — singulis deflorationibus nahegelegt. Daß Deus
dedit allen Grund hatte, auf genaue Korrektur gerade bezüg
lich der Zahlen zu drängen, beweist eben D: auf fol. 39 !V wurde
statt CXC geschrieben XC und fortgefahren XCI, XCII;
fol. 39» folgt CXIII, CXIHI, CXV, CXYI, CXVII; fol. 40
XCVIII, XCVIIII und erst bei CC — das zunächst ebenfalls
verschrieben war — geht die Zählung wieder regelrecht voran.
Daß von DdW IV 131 an die Kapitelzählung überhaupt Nach
trag anderer Hand ist, sagt Wolf. Ebenso weisen sie im
Buch III 71 ff. (W) Korrekturen auf. Von Dd III 150
(W III 268) springt sie auf III 154 (W 282) über, wenigstens
nach Wolf, der allerdings, wie schon der Vergleich obiger An
gaben betreffs Dd I 190ff. fol. 39»ff. mit DdW I 237—249
zeigt, auch in diesen Dingen kein zuverlässiger Führer ist.
Exkurs III.
Der Dictatus papae i II 55\ Geschichte seiner Exegese.
Ganz besondere Beachtung verdient ein Bestandteil des
Registers, an den sich bereits eine ganze Literatur geknüpft
hat und der zum Ausgangspunkt der entschiedensten Angriffe
266
V. Abhandlung: Peitz.
auf dessen Authentizität sowie der weittragendsten Folgerungen
geworden ist — ich meine die für gewöhnlich mit dem Namen
Dictatus papae hezeiclmete Gruppe von Thesen J II 55“.
Bei der Wichtigkeit, die diese Zusammenstellung durch
ihre vielseitige und verschiedenartige Behandlung vonseiten der
Forscher für die Geschichte des Registers erlangt hat, ist ein
näheres Eingehen auf die Entwicklung ihrer Exegese
gewiß gerechtfertigt. Um jedoch den Gang der Untersuchung
nicht allzu stark zu unterbrechen, wurden die Ausführungen
in den Exkurs verwiesen.
1. Die ältere Zeit.
Der erste, der den Diktatus verwertete und in gewissem
Sinne publizierte, scheint Onofrio Panvinio gewesen zu sein,
der sich selbst im Besitze einer Kopie des Registerbandes be
fand. 1 In seiner Biographie Gregors VII. hielt er dafür, der
Papst habe auf der Fastensynode 1074 jene etwa 30 Capitula
oder Kanones promulgiert — als eine Art Regierungsmani
fest — und sie dictatus genannt. Die nicht eigentlich neuen,
sondern nur von Gregors Vorgängern weniger beachteten Be
stimmungen hätten dem Papste ein geeignetes Fundament ge
boten für seine weiteren Schritte zur Befreiung und Sicherung
der Kirche. 2 Panvinios Text ist keine wortgetreue Wiedergabe.
1 Vgl. D. A. Perini, Onofrio Panvinio e le me opere (Roma 1899) 143,
wo der Verfasser erwähnt das ,registro delle lettere di Gregorio VII.,
da lui (Panvinio) accuratamente copiato dal celebre eodice Casinese, il
quäle ora si ritrova nel Archivio vaticano, e dato alla luce piü volte,
e ultimamente, in magnifica edizione, dal Migne‘(l). S. 113f. hat sich Ge
legenheit gegeben, auf diese Kopie zuriickzukommen; dadurch haben die
Unrichtigkeiten sich von seihst gehoben. — Zur Orientierung über Pau-
vinio und die übrigen im Folgenden erwähnten Autoren vgl. die kurzen
sachlichen Nachweise mit entsprechender Literaturangabe bei H. Hurter,
Nomenclator literarius theologiae catholicae III 3 und IV 3 (Innsbruck 1909
bis 1910), die die Jahre 1564—1663—1763 umfassen, und in dem Kirch
lichen Handlexikon, herausgegeben von M. Buchberger, I A—H (Mün
chen 1907), II im Erscheinen.
2 Abdruck bei .7. Gretser, Opera omnia VI 105. — Auch die oben S. 112
besprochene Registerkopie der Biblioteca Estense zu Modena enthält
des Panvinio Vita Oregorii VII., wie mir Herr Isnardo Astolfi freund-
lichst mitteilte.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
267
— Kardinal Cäsar Baronius brachte in seinen Annalen den
genauen Wortlaut der Handschrift. Er Hielt den Dikt.atus für
eine Zusammenstellung von Gewohnheitsrechten der.Kirche.
Die Publikation erfolgte nach ihm auf der Synode von 1076.
Einen Beweis für diesen Ansatz versuchte jedoch Baronius
ebensowenig, wie Panvinio einen solchen für seine frühere Ver
mutung beigebracht hatte. 1 — Der unselige Marcantonio de
Dominis benutzte die Sätze als echte Aussprüche Gregors
zu einem Angriffe auf den apostolischen Stuhl. 2
Die ersten Zweifel an der Echtheit finde ich aus
gesprochen hei dem Gallikaner Johaun Launoy. In einem
angeblichen Antwortschreiben an den Pariser Theologen Anton
Faure behauptete er am 1. April 1667, der Dictatus papae sei
ein unterschobenes und gefälschtes Machwerk. 3 Die
Gründe, die Launoy für diese Behauptung geltend macht, sind
folgende: 1. An seiner jetzigen Stelle habe der Diktat gar keine
Existenzberechtigung, da er ebensogut zwischen zwei beliebigen
anderen Briefen Gregors Platz-finden könne. 2. Außerdem stehe
eine Anzahl von Diktatussätzen zu sicheren Anschauungen und
Aussprüchen Gregors VII. und anderer Päpste im direkten
Gegensatz, was Launoy dann für die Thesen 1—3, 7, 10—11
und 23 zu zeigen versucht. Eine Desavouierung seiner Vor
gänger aber sei bei einem Manne, der mit solcher zähen Kraft
an den Anschauungen der Vorfahren festhalten wolle und sich
auf deren Beispiel immerfort berufe, nicht anzunehmen.
Auf die zweite Behauptung des Franzosen entgegnete
wenige Jahre später der gelehrte Augustinereremit Christian
Lupus. In sehr ausführlicher Darstellung zeigt er, daß der
Diktat Gregors in allen seinen einzelnen Teilen mit der echten
katholischen Auffassung der Väter wie speziell aller Päpste im
vollen Einklang stehe. 4 — Doch scheint es recht zweifelhaft,
1 C. Baronius, Annales Ecclesiastici, Ausgabe von Lucca. XVII (Lucca
1745) 430—31.
2 Marcus Antonius de Dominis, De Republica ecclesiastica libri X
(Heidelbergae 1618) 453—54.
3 Epistola XIII ad Anlonium Faurmn in der Gesamtausgabe seiner Werke:
Joannis Launoii, Opera omnia V 2 (Coloniae Aüobrogum 1731)
309—19.
4 Christianus Lupus, Synodorum Generalium ac Provincialium Decreta
et Canones V (= Opera ed. Thom. Pkilippinus V. Venetiis 1725) 164
268
V. Abhandlung: Peitz.
daß Lupus eine Authentizität des Diktatus in unserem Sinne
behaupten oder annehmen will. So erweckt es z. B. den An
schein, als oh er gleich den ersten Satz nicht nur als inhalt
liche, sondern auch als formelle Antwort auf die Invektiven des
Bamherger Klerikers Kunibert in der Quedlinhurger Synode
von 1085 entstanden sein lasse. Es ist ihm eben ausschließlich
um den Nachweis der kirchlichen Korrektheit des Inhaltes jener
Sätze zu tun.
Lupus’ Gegner, der Jansenist Louis Ellies Dupin, nahm
Launoys Anwürfe auf und ergänzte sie durch einen dritten
Anhaltspunkt, indem er auf die logische Unordnung innerhalb
des Diktates hinwies. Nach ihm kann das Schriftstück nur auf
böswillige Erfindung eines bitteren Gegners oder auf un
schicklichen Übereifer eines unklugen Freundes Gregors
zurückgeführt werden; dem Papste selbst könnte man es nur
zu höchstem Unrecht beilegen. 1 — Auch Claude Fleury
schloß sich in seiner verbreiteten Histoire ecclesiastique an
Launoys Ansicht und Begründung an. 3
Noel Alexandre widmete den Thesen eine eigene Disser
tation in seiner bekannten Kirchengeschichte. Gegen Lupus
bemühte er sich darin, Gregors Autorschaft als ganz un
möglich und völlig ausgeschlossen darzutun. 3 Seine Aus
führungen lehnen sich in ihrem vollen Umfange aufs engste an
Launoy an, doch fügt er den von seinem Gewährsmanne als
-nichtgregorianisch erläuterten sieben Sätzen noch die Thesen 4,
bis 382, mit einem Anhänge: Oregoriani Dictatus hostes re/utantur
383—84.
1 Louis Ellies Du-Pin, Histoire des Controverses et des matteres eedesia-
stiques traitees dans Vonzieme siecle (Paris 1699) 233—36. — Uber die
Form der Briefe Gregors fällt Dupin das folgende Urteil: ,on peut dire
hardiment qu’il n’y a point de Lettres des Papes si bien derites depuis
Gregoire I jusqu’ä lui‘ (233).
2 Von seinem Werke stebt mir eben nur eine spätere lateinische Über
setzung zu Gebote: Claudii Fleurii Historia ecdesiastica latine reddita
et notis ülustrata a R. P. Brunone Parode O. S. B. XV (Wien und
Innsbruck 1761) 467—68.
3 Natalis Alexandri Historia Ecdesiastica veteris novique testamenti . . ■
accuratius edita VI (Paris 1714). Saeculi XI et XII Dissertatio III.
p. 719—24. Auf p. 724 eine Rechtfertigung der sechs in der ersten Auf
lage zensurierten Stellen.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
269
6, 8 und 9 hinzu. Außerdem findet er einen weiteren vierten
Gegenbeweis in dem absoluten Schweigen aller alten Quellen
bezüglich des Diktatus, der weder von den Feinden Gregors
bekämpft, noch von seinen Freunden als wirksame Waffe ver
wertet, noch endlich vom Papste selbst irgendwie und irgend
wann zitiert werde. — Die Annotatio critica des Konventualen
FranfoisPage zu Baronius, in der dieser sonst gewiß scharf
blickende Kritiker sich gegen die Zuweisung des Diktatus an
Gregor ausspricht, ist nichts anderes als ein wörtliches Exzerpt
aus Alexandre. 1 — Page und Alexandre hinwiederum sind die
einzigen Gewährsmänner für die kirchliche Literaturgeschichte
Dom Remy Ceilliers. 2 Auf ihre Gründe gestützt, macht er
es Hardouin zum Vorwurf, daß er im vierten Bande seiner
Konzilien bei der Auswahl von Gregorstücken auch dem Dik
tatus Aufnahme gewährt habe.
Auf protestantischer Seite hatte 1726 der Bajreuther
Geschiclits- und Mathematikprofessor Johann Adam Flessa
im Einladungsprogramm des Illustre Collegium Christian-Erne-
stinum zur Feier des 63. Geburtstages des Markgrafen Georg
V ilhelni eine eigene Abhandlung de dictatibus Gregorii VII. P. K.
veröffentlicht. 3 Die Gründe Flessas gegen die Authentizität
sind keine anderen als die uns bereits bekannten: 1. Beziehungs-
losigkeit des Diktatus im Register; 2. seine Nichterwähnung
seitens des Papstes, der Gregorianer und der Antigregorianer;
3. inhaltliche Widersprüche gegen Gregors Anschauungen;
4. logische Unordnung. — Der Verfasser sieht es als das Wahr
scheinlichste an, daß die Zusammenstellung gemacht sei a man-
cipio quoda m curiae Romanae, ut iura et potestas et privi-
legia Pontificis Romani, si Diis placeret, tanquam Homerus in
1 In des Baronins Annalen, Ausgabe von Lucca, XVII (1745) 453—56.
Vgl. ebenso des jüngeren Fr. Pagi Breviarium liistorico-chronologico-
ciiticum. Editio prima Veneta II (Venetiis 1730) 379—80.
2 D om Remy Ceillier, Histoire generale des auteurs sacres et eedesia-
stiques. Ich benutze die kommentierte Neuausgabe von Bauzon XIII
(Paris 1863) 374—77. -
3 Sechs nicht signierte Seiten in Folio, gedruckt Barutki, Prelo Joannis
Loberi. Die Abhandlung datiert die festo Jacobi A. O. 1126, die Geburts
tagsfeier fand statt a. d. III. Kal. Aug. Durch Vermittlung der Univer
sitätsbibliothek zu Innsbruck konnte ich ein Exemplar der Münchner
Staatsbibliothek benützen.
270
V. Abhandlung: Peitz.
nuce, proponerentur. Seine Entstehung falle wahrscheinlich über
haupt nicht in die Regierungsjahre des Papstes, dem er zu-
geschriebcn werde, sondern vielleicht in die Zeit des Tiefstandes
kaiserlicher Macht unter Heinrich V. im 12. Jahrhundert. Der
Verfasser schließt mit dem heute gewiß sonderbar berührenden
Satze: Illud autem satis liabeo, quod adfirmem, beatum esse
nostrum saeculum, nostramque patriam, quod teterrimis ,dicta-
tibus‘ Hildebrandinis auctoritatem abrogatam videt, woran sich
die Einladung zur Festrede Flessas hei der Geburtstagsfeier
anschließt.
Mit diesen Gründen hielt man vorerst die Sache für auf
geklärt und abgeschlossen. Nur wenige traten, soweit sich er
sehen läßt, in der Folgezeit noch für die Echtheit ein, — es sei
nur Johannes Voigt genannt, 1 — während weitaus die Mehr
zahl der Historiker sich zum Teil mit großer Schärfe dagegen
aussprach. Als Repräsentant dieser Richtung seien nur der
protestantische Kirchenhistoriker Johann Matthias Schröckh
und der Jesuit J. F. Damberger erwähnt. 2 Und doch waren
die vorgebrachten Argumente keineswegs besonders
stichhaltig. Schon die Form der Sätze zeigt, daß sie nicht
als Brief versandt wurden und auch gar nicht als solcher ge
dacht waren. Gar kein Anzeichen deutete darauf hin, daß auch
nur ihre Mitteilung an irgend jemanden beabsichtigt gewesen
wäre. Warum hätten sie also zu den vorausgehenden, zu den
nachfolgenden Stücken eine innere Beziehung enthalten müssen?
Mit demselben Grunde könnte man eine große Anzahl von
Briefen Gregors, wie sie im Register stehen, für apokryph er
klären. — Oh der Diktatus von Gregors Anhängern als Stütze
ihrer Ansichten erwähnt, ob er von seinen Gegnern im Kampfe
als Angriffswaffe verwertet wurde, hing doch in erster Linie
davon ab, ob die Sätze unbedingt in irgendeiner Form nach
außen waren publiziert worden. Für diese Annahme jedoch
1 Job. Voigt, Hildebrand als Pdpst Gregorius der Siebente und sein Zeit
alter' 1 ■ (Weimar 1846) 388—90.
2 Job. Matth. Schröckh, Christliche Kirchengeschichte XXV (Leipzig
1797) 519—21. — J. F. Damberger, Synchronistische Geschichte der
Kirche und der Welt im Mittelalter VI (Regensburg 1853). Kritikheft
(Regensburg 1855) 158 zu S. 1067. Vgl. dazu W. Martens, Gregor VII.,
Bd. II, 347.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
271
mangelte auch jegliche Spur eines Beweises. Waren sie aber
nicht nach außen hin bekanntgegeben, so durfte und konnte
sich auch Gregor selbst ebensowenig nach außen hin auf sie
berufen. — Die angeblichen Widersprüche endlich mit des
Papstes sonstigen Anschauungen oder mit den Lehrmeinungen
der Kirche beruhten zumeist darauf, daß Launoy und seine
Freunde von vornherein gallilcanische Auffassungen den ein
zelnen Sätzen unterlegten und, ohne den wahren Sinn erst fest
zustellen, ihre Erklärung der Sätze Gregors sonstigen Äuße
rungen und Anschauungen, so wie diese wieder von ihnen ver
standen wurden, gegenüberstellten. Was zudem der eine verwarf,
das nahm der andere an, so weit sie nicht mechanisch einer
vom anderen kopierten. Unvollständige Induktion und Mangel
an methodischer Interpretation hatten bei diesem Gegengrunde
Paten gestanden. — Auch späterhin wurde der Sinn und die
wahre Bedeutung der einzelnen Sätze niemals wirklich unter
sucht und festgestellt. Man übersetzt und erklärt den Diktatus
und spricht sich gegen ihn aus und vergißt dabei, daß bis
heute der Sprachgebrauch des 11. Jahrhunderts für uns uner
forschtes Neuland ist.
Ernsten Widerspruch gegen die ganz allgemein herr
schende Ansicht erhob erst W. A r . Giesebrecht. In einer
kurzen Bemerkung einer Fußnote wies er in seiner Schrift
de Gregovii VII. registro emendando (5 1 ) darauf hin, daß eine
Verwerfung der Authentizität des Diktatus notwendig und
logisch eine Entwertung des ganzen Registers als Quellen
werkes bedeute. Nachdrücklicher betonte er die nämlichen Be
denken in der Abhandlung über die Gesetzgebung der römischen
Kirche. 1 In der Tat: konnte an der einen Stelle ein fremdes
Machwerk zweifelhaftester Güte als ureigenste Leistung des
Papstes in die Brief Sammlung eingeschmuggelt werden, wer
bürgte dann dafür, daß andere Briefe und Akten, die ebenfalls
1 Münchener Histor. Jahrbuch 1866, 148—50. — Hergenrötliers Be
rufung auf Joh. Janssen, daß Giesebrechts kurze und nicht einvvurfs-
freie Bemerkungen die Sache noch lange nicht entschieden hätten (Hand
buch der allgemeinen Kirchengeschichte*, bearbeitet von J. P. Kirsch II
[Freiburg i. B. 1904] 369’) beruht wohl auf einem Mißverständnisse:
Janssen sagt an der zitierten Stelle über die Anschauungen Giesebrechts
betreffs des Diktatus kein Wort.
272
V. Abhandlung: Peitz.
jeder sonstigen äußeren Beglaubigung und Bezeugung ent
behrten, nicht in gleicher Weise Fälschung waren? Dann blieb
nur eine Wahl: entweder die Willkür zum Prinzip erheben
und ohne weiteren Grund das eine annehmen, das andere ver
werfen — oder aber grundsätzlich dem Zeugnisse des Registers
sicli ablehnend gegenüb erstellen. — Felix Rocquain nahm
Giesebrechts Anregung auf und versuchte in selbständiger
Weiterführung des Gedankens den Diktatus als Frucht der
Ps.-Isidorstudien Gregors und seiner Anhänger zu erweisen. 1
Indes der Widerspruch Giesebrechts vermochte die öffent
liche Meinung nicht umzustimmen, das Urteil zweier Jahr
hunderte hatte bereits zu feste Wurzeln geschlagen. Und ge
rade auf katholischer kirchlicher Seite beachtete man die
Warnung kaum und maß ihr keinerlei Bedeutung bei. Die
Konziliengeschichte Hefeles und der Aufsatz Brischars in
der Neuauflage des Kirchenlexikons — hier obendrein mit der
irrigen Bezeichnung Dictatus Petri (!) — sprachen sich ohne
jede Einschränkung gegen die Urheberschaft des Papstes
aus und gestanden bloß eine mehr oder minder weitgehende
Übereinstimmung der meisten Sätze mit der Handlungsweise
Gregors zu.
2. Der Dictatus papae in der neueren Forschung.
Eine neue Phase der Literatur knüpfte an die erwachende
Registerforschung an.
S. Löwenfeld untersuchte in einem Aufsatze des Neuen
Archivs den Diktatus selbständig mit Rücksicht auf die päpst
liche Kanzlei und unter Gegenüberstellung einer ähnlichen spä
teren Zusammenfassung in einer Handschrift von Avranches,
eines neuen Dictatus, als dessen Abfassungszeit er die zweite
Hälfte des 12. Jahrhunderts annahm. 2 Die Zweifel an der
Echtheit mißt er nur dem Übereifer einiger Anhänger der
1 F. Rocquain, Quelques mots sur les ,dictatus papae 1 (BECh XXXIII
1872) 378—85. Vgl. desselben Verfassers Abhandlung: La puissance
pontificale sous Grigoire VII. (Seances et Travaux de l’Academie des
Sciences Morales et Politiques CXV = NS XV [Paris 1881 J ]) 347—48.
2 S. Löwenfeld, Der Dictatus Papae Gregors VII. und eine Überarbeitung
desselben im XII. Jahrhundert (NA XVI 1891) 193—202.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
273
Kurie bei, worunter er auffallenderweise Fleury, Page und
Damberger verstellt. Aber er trennt von der Echtlieitsfrage
die Frage nach der Art der Entstehung und indem er über
die Beziehung des Diktatus Aufschluß sucht, verfällt er auf eine
ganz neue Hypothese. Der Diktatus ist nach ihm eine Samm
lung von Randnotizen Gregors zu einer unbekannten
Streitschrift, in der ein eifriger Parteigänger Heinrichs IV.
,die Grundlage des Papsttums und dessen Ansprüche angriff
oder wenigstens untersuchte 1 . An dem durch die Stellung im
Register verbürgten Zeitansatze hält er fest. — Damit war dem
Diktat wieder eine irgendwelche offizielle Bedeutung beige
messen. Aber es ist schwer einzusehen, wie bereits im Jahre
1075, wo nach Löwenfeld ja das Stück entstand, eine derartige
Streitschrift sollte verbreitet gewesen sein: die Annahme ent
hält einen bedenklichen Anachronismus, ganz abgesehen von
ihrem hypothetischen Charakter und ihrer historischen Unfaß
barkeit. — Zudem wird die Lösung dem Wortlaute der Sätze
nicht gerecht. Vielleicht ließen sich ja auf diesem Wege direkte,
absolut gefaßte Sätze in Thesenform noch erklären, aber die
eigentümliche, indirekte, abhängige Fassung der einzelnen Aus
sprüche mit ihrer Einleitung durch Quod will sich mit Löwen
felds Ansicht nur schwer vertragen.
Auf Löwenfeld berief sich J. Langen, der im Diktatus
Gregors eine entweder vom Papste selbst oder wenigstens von
einem seiner Verteidiger in seinem Sinne unternommene Kodi
fikation der päpstlichen Rechte erblickte. Er findet darin die
Grundlinien des ,gewaltigen, aber über dem Haupte des Er
bauers selbst zusammengestürzten Gebäudes 1 vorgezeicluiet, die
staatsrechtliche Theorie einer päpstlich theokratischen Welt
herrschaft. 1
Ähnliche Gründe und Bedenken waren es denn auch, die
zwei Jahre später E. Sackur gegen diesen Erklärungsversuch
ins Feld führte. 2 Nach Sackur handelt es sich beim Diktatus
um Thesen, die nur auf Grund einer kirchenrechtlichen For
schungsarbeit aufgestellt sein können. Daß Gregor nicht der
1 Jos. Langen, Geschichte der römischen Kirche von Gregor VII. bis Inno-
cenz III. quellenmäßig dargestellt (Bonn 1893) 131—34.
2 E. Sackur, Ker'Kictatus jpapae und die Canonsammlung des Deusdedit
(NA XVIII 1893) 135—53.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 5. Abh. 18
274
V. Abhandlung: Peitz.
Urheber sein könne, beweise bis zur Evidenz der sechste Satz,
der im Munde des Papstes geradezu wie ,ein Hohn auf den
gesunden Menschenverstand 1 erscheine. Anderseits stehen die
Diktatussätze mit der Kanonessammlung des Deusdedit im
engsten verwandtschaftlichen Zusammenhänge: sie sind eine
Kombination einzelner Capitula im Index mit dem Wortlaute
der im Korpus der Sammlung angeführten Belege, werden zum
Teil erst durch Deusdedit verständlich und stellen sich durch
aus als eine kuriale Verschärfung ihrer Parallelen in der Kanones
sammlung dar. Durch diese Verhältnisse und Beziehungen aber
ist der Diktatus als ein Werk des päpstlichen Hofkano-
nisten Deusdedit erwiesen.
W. Martens hielt zwar in einem eigenen Exkurse zum
zweiten Bande seines Gregor VII. die Schlußfolgerung Sackurs
nur für ,in hohem Grade wahrscheinlich gemacht 1 , nicht eigent
lich für bewiesen. 1 Trotzdem läßt er einzelnes ,vielleicht aus
Bonithos Decretum geschöpft werden 1 . Auf jeden Fall ist nach
ihm ,die Urheberschaft des Papstes in Abrede zu stellen 1 .
Ein ,so unvollkommenes Elaborat 1 könne dagegen ganz wohl
dem erwiesenen Fälscher Deusdedit, dem mutmaßlichen Urheber
des falschen ,Registers 1 , dem auch die Anfertigung des falschen
Wahlkommentars (J I 1*) zugeschrieben werden darf, zur Last
fallen. -— Den einzelnen Sätzen des Diktatus fügt Martens
darauf eine Erklärung nebst Parallelen aus Gregors Briefen hei,
ohne jedoch — was kritisch und methodisch hätte das Wich
tigste sein müssen — eine vollständige Sammlung des einschlä
gigen Materials zu veröffentlichen oder zunächst seine Auffas
sung der Thesen durch philologisch-historische Wort- und Sach
erklärung aus dem Geiste der Gregorianischen Zeit eingehender
zu begründen.
So bereitwillige Anerkennung nun auch Sackurs Ausfüh
rungen hei Martens wie bei den meisten späteren Forschern
gefunden haben, so scheinen sie doch nichts weniger als
beweiskräftig. Die ihm so anstößige Form des sechsten
Satzes, in der er mit wenig geschmackvollem Bilde schlank
weg den jPferdehuf 1 zu erblicken glaubt, der ,die weniger
1 W. Martens, Gregor VII. II (Leipzig 1894), Exkurs III: Der Dictatus
papae 314—34.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III. 275
heilige Person des Verfassers 1 verrät, 1 bietet zu ernsthaften
Bedenken doch eigentlich keinen Grund. Es tvar dies der ein
zige Satz des Diktats, hei dem der Papst sich seihst einschließen
konnte ■— und er tat es. Er tat es, wie er in allen seinen
Briefen geradezu ängstlich darauf bedacht ist, die kanonischen
Vorschriften über eine communicatio cum excommunicatis zu
beobachten — so milde er im übrigen sich zeigt und so sein
er bestrebt ist, die bestehenden strengen kirchlichen Gesetze in
diesem Bezüge zu weiten und kraft seiner apostolischen Gewalt
zu mildern und abzuschwächen. Gerade diese Milde war es,
die seinerzeit Launoy und Alexandre gegen die Vereinbarkeit
dieser sechsten These mit Gregors VII. ganzer Gedankenrich
tung geltend machten. Nun vergleiche man in der Tabelle der
Briefempfänger die zahlreichen Briefe, bei deren Adresse nur
hypothetisch die Grußformel sich findet (z. B. J I 67. 74.
II 33. 35.); man vergleiche die genaue Scheidung, die der
Papst macht zwischen denen, die exkommuniziert sind, und
jenen, die es nicht sind — jenen, die Verkehr mit den Ge
bannten pflegen, und jenen, die der kirchlichen Bestimmung
treu bleiben (z. B. J I 43); man vergleiche endlich jene Briefe,
die an Exkommunizierte gerichtet sind, jedoch eben wegen der
Exkommunikation der Adressaten ohne Grußformel bleiben
(z. B. J 44. 56. 73. II 2. 6. 23. 52). Es ist die gleiche An
schauung, der der Papst in J IV 6 (250 8 ) so energischen Aus
druck .verleiht: ab illa sanctorum patrurn sententia cliscrepare
non possumus, videlicet quibus vivis non communicavimus, nec
mortuis communicare audemus. Gregor dringt in seinen Briefen
auf Beachtung der kirchlichen Vorschriften, aber er selbst geht
mit dem Beispiele ihrer gewissenhaftesten Befolgung voran: es
ist das gleiche Verhältnis, das auch im fraglichen Satze des
Diktatus zum Ausdrucke kommt.
Sackur vergleicht ferner die einzelnen Thesen des Dik
tatus ausschließlich mit der Sammlung des Deusdedit. Aber
Deusdedit steht nicht allein. Anselm von Lucca hat
um dieselbe Zeit und etwas vor Deusdedit seine Sammlung an-
1 a. a. O. (NA XVIII) 138. Der betreffende Satz des Dictatus lautet:
Quod cum excommunicatis ab illo inter cetera nec in eadem domo debemus
manere.
18*
276
V. Abhandlung: Peitz.
gelegt und sie ist, soweit wir heute noch festzustellen vermögen,
von ganz anderer Bedeutung und viel weiter reichendem Ein
flüsse gewesen als die des Kardinals Deusdedit. 1 Wenige Jahre
nachher sammelt Bonizo seine zehn Bücher de vita chri-
stiana. 2 — Die Sätze über die Machtbefugnisse des aposto
lischen Stuhles in der Handschrift von Avranches, der soge
nannte Diktatus von Avranches, gehen nach Sackur selbst
auf die Zeit Gregors zurück: 3 und in allen diesen finden
sich gewiß ebensoviele oder noch mehr sachliche und wört
liche Parallelen zum Diktatus wie hei Deusdedit. Nur die
methodisch durchaus ungerechtfertigte und rein willkürliche
Beschränkung auf Deusdedit ließ das Resultat Sackurs in einem
irgendwie annehmbaren Lichte erscheinen.
Obendrein hat Sackur am Anfänge seiner Untersuchung
zu zeigen versucht, wie eben Gregor VII. in früheren Jahren,
da er als Hildebrand an den Niederrhein kam, dort und in
Worms die erwachenden kanonistischen Studien kennen
und würdigen gelernt hatte, wie er als Archidiakon bereits
den Kardinal Petrus Damiani zur schriftlichen Fixierung der
Primatialrechte des römischen Stuhles in geordneter Sammlung
1 Man vergleiche, um nur einen Anhaltspunkt, und einen recht neben
sächlichen, namhaft zu machen, Zahl und Alter der uns erhaltenen Hand
schriften der Anselmiana bei P. Fournier, Observations sur diverses
recensioiis de la Collection Canonique d'Anselme de Lucques (Annales de
l’Universite de Grenoble XIIX 1901) 428—30 und das Verzeichnis der
Handschriften in der neuen Ausgabe Anselms durch F. Th an er, Anselmi
Episcopi Lucensis Collectio Canonum una cum Collectione Minore. Fase. I
(Oeniponte 1906).
2 Vgl. die Auszüge bei A. Mai, Nova Patrum Bibliotheca VII 3 (Romae
1854). Auf die Bedeutung auch Anselms und Bonizos für die Frage hätte
Sackur sehon durch die Bemerkungen Giesebrechts im Münchener
Histor. Jahrbuch 1866, 151—54. 172 aufmerksam werden müssen.
3 Uber diese Sammlung und den in ihr enthaltenen Diktatus vgl. Löwen
feld a. a. O. (NA XVI) 198. Daß Sackurs Zeitansatz richtig ist, beweist
die Untersuchung P. Fourniers über die Collectio trium librorum, eine
italienische Kanonessammlung vom Anfänge des 12. Jahrhunderts, mit
der die Sammlung von Avranches ziemlich übereinstimmt. Zur gleichen
Gruppe gehört die.Sammlung in einem Manuskripte von Pistoja, das
nicht nach 1124 oder 1125 geschrieben sein kann und den gleichen
Dictatus papae enthält wie die Handschrift von Avranches. Vgl. P. Four
nier, Une Collection Canonique italienne du commencement du XII c sihde
(Annales de l’Enseignement superieur de Grenoble VI 1894) 21.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III. 277
drängte, ja wie er direkt als der Schöpfer des neuen kano
nischen Rechtes zu betrachten sei. 1 Wie weit diese Behaup
tungen begründet waren oder sich rechtfertigen ließen, mag
dahingestellt bleiben: sie hätten aber ihren Urheber sicherlich
bestimmen sollen, mit der peinlichsten Genauigkeit und Behut
samkeit in seinen weiteren Schlüssen vorzugehen. Denn es war
damit wenigstens die Möglichkeit gegeben, daß die kanonistisch
geformten Thesen des Diktatus doch auf den Papst zurück
zuführen seien.
Auf ähnliche Erwägungen sich stützend, hat H. Kulot
den ganzen kunstvollen Hypothesenbau Sackurs umgestoßen
und den Diktatus als eine unter Benutzung von Anselm,
Deusdedit und Bonizo nach 1090 durch einen Anonymus
hergestellte Sammlung dartun wollen. 2 Aber auch seine Schlüsse
lassen sicli nicht halten. Bei den unleugbaren Beziehungen und
Anklängen, die sich zwischen Deusdedit und den übrigen nam
haft gemachten Autoren finden, hätte auf die nähere Bestim
mung dieses Verhältnisses das Hauptgewicht gelegt werden
müssen. Die wenigen Anhaltspunkte, die Kulot anfuhrt, um
eine Abhängigkeit der Kanonisten vom Diktat als gemeinsamer
Vorlage abzuweisen, reichen dazu bei weitem nicht aus. 3
1 Saokur a. a. O. (NA XVIII) 141. Vgl. Sackur, Oluniacenser II 310.
2 II. Kulot, Die Zusammenstellung päpstlicher Grundsätze (Dictatus PapaeJ
im Registrum Gregorii VII. in ihrem Verhältnis zu den Kirchenrechtssamm
lungen der Zeit. (Diss. Greifswald 1907.) Vgl. besonders Abschnitt 3: Cha
rakter des Dictatus papae, etwaige Schlüsse auf Verfasser und Abfassungs
zeit etc. 73—78. Im zweiten Abschnitte (39—72) gibt Kulot den ein
zelnen Diktatussätzen die Parallelen aus Deusdedit, Anselm und Bonizo
sowie aus dem Register Gregors bei. Die Bezeichnung ,Zusammenstellung
päpstlicher Grundsätze 1 scheint mir mit Rücksicht auf die Fassung der
Diktatussätze nicht glücklich gewählt.
3 Einen ernsten methodischen Fehler begeht Kulot im zweiten Teile seiner
sonst fleißigen Arbeit. Er vergleicht die Stücke aus Gregor bei Anselm
mit denen bei Deusdedit und Bonizo und kommt zum Schlüsse, ,daß
sowohl Deusdedit als Bonitho die Sammlung Anselms von Lucca benutzt
haben 1 . Leider kannte er die Filiation der Handschriften nicht und hat
auch den kritischen Apparat F. Thaners nicht richtig zu benutzen ver
standen. Thaner und Fournier hatten schon früher aufmerksam gemacht,
daß wir in der handschriftlichen Überlieferung Anselms vier Rezensionen
zu unterscheiden haben: A, B, C und BB. Von diesen ist nach den ge
nannten Forschern A, erhalten in Vat. lat. 1363 als ältester Handschrift,
i
278
V. Abhandlung: Peitz.
Dagegen kann der Diktatus als ursprünglicher Bestandteil
des offiziellen Kanzleiregisters nichts anderes sein, als was er
zu sein vorgibt, und muß der persönlichen Tätigkeit des
Papstes zugeschrieben werden. »Schon die Tatsache, daß
im Register außer dieser Zusammenstellung von Sätzen noch
mehrere andere Stücke als Dictatus papae, als Diktate
Gregors, bezeichnet sind, müßte den Gedanken an eine Fäl
schung oder an eine Interpolation ausschließen. Sackurs und
Kulots Versuche, an diesen Zeugnissen des Registers vorbei
zukommen, ist mißglückt: die Rubra Dictatus papae stehen
nicht etwa am Rande, wie sie allerdings nach Jaffe annehmen
mußten — sie stehen mitten über den betreffenden Briefen. 1
die erste und dem Original am nächsten stehend. Sie enthält die Gregor
exzerpte nicht, die erst später in den anderen Rezensionen der Samm
lung hinzugefiigt wurden — eine Bestätigung der Ansicht Thaners und
Fourniers. Das Verhältnis stellt sich also geradezu gegenteilig heraus,
als wie Iiulot annimmt: Anselm B, C und BB schöpfen ebenso wie Bo-
nizo aus Deusdedit ihre Gregornachträge und das Fehlen dieser in Ur
anselm ist ganz natürlich bei dem von mir nachgewiesenen Charakter
der Registerhandschrift. Zu wünschen wäre allerdings gewesen, daß Tlianer
in seiner Ausgabe die späteren Zusätze durch kleineren Druck heraus
gehoben hätte —■ wenn anders ich Recht habe mit der Auffassung, daß
Rekonstruktion der Urform der Anselmiana letztes Ziel einer kritischen
Anselmausgabe sein sollte. Doch wird der Herausgeber jedenfalls in seinen
noch ausständigen Einleitungsbemerkungen diese Fragen in seiner gründ
lichen Art erschöpfend darlegen. Bis zu deren Erscheinen ist es auch
unmöglich, über die Ausgabe selbst ein Urteil zu gewinnen. — Über die
Anselmiana vgl. F. Tlianer, Untersuchungen zur Quellenkunde des Oano-
nischen Rechts (S.-B. der k. Akad. Wien, Philos.-histor. Kl. LXXXIX 1878,
601—32), und P. Fournier, Observations sur diverses recensions de la
Collection Canonique d’Anselme de Lucques (Annales de 1’Universitc de
Grenoble XIII 1901, 427—58).
1 Als Dictatus papae werden folgende Stücke im Register überschrieben:
I 47. II 31. 37. 43. 55". Die älteren Autoren faßten den Ausdruck als
synonym mit effata, dicteria, Aussprüche: so Baronius und Daunoy und
ihre Nachfolger, auch noch Ilefele in der Konziliengeschichte. — Giese-
b re eilt (Gesetzgebung 149) verstand ihn von eigenhändigen Konzepten
des Papstes und ihm schloß sich Löwenfeld an (NA XVI 194; wenig
stens scheint seine Berufung auf Giesebrecht diese Auffassung zu ver
langen). Martens sieht im dictatus ein Diktieren nach unserem Sinne,
im Gegensätze zu den von anderen Funktionären konzipierten Entwürfen
{Gregor. II 300. 314).
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III. 279
— Ein Gedanke, den Giesebrecht bezüglich der chronologischen
Angaben des Registers ausgesprochen hatte, hätte übrigens auch
für den Diktatus und seine Parallelen sorgsame Berücksichti
gung verdient: daß man nämlich nach allen Regeln der histo
rischen Kritik, auch wenn das erhaltene Register nur Samm
lung“ wäre, die Angaben Dictatus papae als Übernahme aus
der Originalvorlage — also im ersten und zweiten Buch aus dem
Kanzleiregister — ansehen und daran festhalten müßte, daß auch
im Original der Sammlung diese Stücke so bezeichnet waren. Wie
hätte der Sammler es wagen dürfen, eine derartige Zutat einzu
fügen, Avenn der erstbeste Gegner, und an solchen fehlte es doch
weder in Rom noch außerhalb, der mit etwas Kritik die Rechtferti
gungsschrift betrachtete, ihn zu desaA r ouieren imstande Avar?
In den Briefen Gregors findet sich der Ausdruck dictare am
häufigsten in der Verbindung iustitia dictante (ich notierte: III 8 J 215 6 ;
VII 20 J 411 11 ; VII 22 J 414 16 ; VII 23 J 416 4 ; IX 8 J 483 17 ; und
ähnlich VI 39 J 378 12 ; IX 19 J 493 2o ). Zweimal wird er von Entschei
dungen päpstlicher Gesandten gebraucht (VIII 19 J 450 12 : in Lugdu-
nensi concilio . . . eodem [Hugone] dictante cunctisque fratribus assentien-
tibus depositionis sententiam meruit; und IX 30 J 507 8 : sciatis . . . quod-
cumque in vos iudicium legatus noster dictaverit, auctoritate nostra firmandum).
Auf Gregor selbst bezieht sich das Verbum an drei Stellen: I 1 J 11 6
schreibt der Papst an Desiderius von Monte Casino: lecto iacens valde
fatigatus satis dictare nequeo; I 3 J 12 6 an Wibert von Ravenna: midtis
et magnis cnris fatigatus satis dictare nequeo, und I 50 J 71 6 an Beatrix
und Mathilde: vobis in talibus non aliquem mcarium in dictando acquiro,
sed me ipsum labori . . . subpono und entschuldigt damit seine Kürze.
Aus zeitgenössischen Autoren zitiere ich bloß folgende: Lampert
von Uersfeld (Institutio Hersveldensis Ecclesiae, ed. Holder-Egger 348 30 ):
imperatores suorum secum hdbent precones meritorum, experientia, ut ita
dicam, vernacula eis scribenda dictante ... — Sehr lehrreich ist auch eine
Stelle bei Petrus Damianus, epl. 15, ad Alexandrum II: Eedditas mihi
(opp. ed. Constantin. Caietanus I, Paris 1743, S. 11—16): Huc accedit,
so schreibt der Heilige dem Papste, quoniam, licet ego dictare forte quid
valeam, deest antiquarius, qui transscribat. S. 12 2 B. — In der Streitschrift
des Kardinals Beno uud der übrigen Kardinäle ,gegen das Schreiben
Hildebrands 4 III 8 heißt das Privileg einer Abtei a beato Gregorio dic-
tatum et firmatum (MGLdl II 39 0 30 ).
Ähnlichen Sinn ergeben die Stellen in Bonizos de vita christiana
(bei Mai a. a. O. VII 3): IV 59, S. 30, Z. 17, 14 und 12 von unten;
IV 90, S. 38 7 ; VII 129, S. 59 6 . 4 . und im Epilog S. 74 13 (dictatiuncida).
Danach dürfte mit Martens Dictatus papae als ,Diktat des Papstes 4 zu
übersetzen sein.
280
V. Abhandlung: Peitz.
3. Veranlassung des TJictatus und seine Vorlage.
Eine Frage indes harrt noch der Erledigung: Wie kam
der Papst dazu, diese Sätze zusammenzustellen? Welches war
die nächste Veranlassung? Eine volle Lösung dieses Pro
blems vermag auch ich bislang noch nicht zu geben, doch
mögen vielleicht die folgenden Beobachtungen der weiteren
Forschung einige Dienste leisten.
Wie die Form der Diktatussätze, ihre indirekte, zum Teil
konjunktivische Fassung, ihre Einführung durch Quod unver
kennbar nahelegen, dürfte wohl mit Recht ein Zusammenhang
zwischen -Dictatus und kanonistischer Forschung bestehen, um
so mehr, als sich in ihm auch manche wirkliche Anklänge an
Burchard von Worms nachweisen lassen. In dieser Beziehung
stimme ich durchaus Sacltur und Kulot hei. Ebenso hat aber
auch Rocquains Anschauung eine gewisse Berechtigung: es
finden sich im Diktat manche wirklich auffällige Beziehungen
zu Ps.-Isidor — mehr noch aTs Rocquain namhaft macht.
Anderseits hat Gregor VII. die Ps.-Isidoriana gut gekannt und
des öfteren verwertet, wie seine Briefe dartun. 1 Vielleicht läßt
sich aber durch eine Verbindung dieser Auffassungen mit dem
Lüwenfelds Hypothese über die Entstehung des Diktatus zu
grunde liegenden Gedanken ein erfolgreicherer Weg einschlagen.
Wie, wenn es eine kanonistische Sammlung gegeben hätte,
zu der der Papst in bewußtem Gegensätze eben diese Thesen
aufzeichnete? Wie stark selbst die kanonistische Literatur ge
rade von antikirchlicher oder besser antipäpstlicher Seite Partei
zwecken dienstbar gemacht wurde, dafür besitzen wir ein klares
Beispiel in der Kanonessammlung, die dem Urkundenbuche
des kaiserlich gesinnten Klosters Farfa heigefügt ist. Ich hatte
Gelegenheit, auch diese kostbare Handschrift eingehender zu
prüfen. J. Giorgi und U. Balzani haben ihren ersten Teil
herausgegeben. 2 Nichts, was an irgendein Vorrecht des apo-
1 Vielleicht ließe sich mit Hilfe der Quedlinburger Synode und der Zitate
des Registers auch über die in Rom verbreitete und von Gregor benützte
Form der Ps.-Isidoriana Aufschluß gewinnen.
2 II Regesto di Farfa, compilato da Gregorio di öatino. Im Aufträge der
Societä Romana di storia patria herausgegeben von J. Giorgi und
U. Balzani II—V (Roina 1879-92). Der erste, meines Wissens bisher
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
281
stolischen Stuhles erinnerte, dafür aber gewissenhafteste Rück
sichtnahme auf die Privilegien der Kaiser. 1 Freilich stammt
die Farfenser Sammlung erst aus etwas späterer Zeit — Gregor
von Catino begann seine Arbeit nach dem Prolog im Jahre 1092
(fol. 12 a ); in der chronologischen Tabelle fol. 91 b ist 1098 das
letzte Datum. Aber ähnliche Zusammenstellungen papstfeindlich
tendenziöser Färbung dürften auch früher schon angelegt worden
sein. Die Wahrscheinlichkeit, daß sich solche erhielten, ist weit
geringer als bei den kirchlich gerichteten Sammlungen.
Mein Wunsch, vielleicht irgendeine Kanonessammlung nach-
weisen zu können, die dieser Vermutung entspräche, erfüllte
sich leider nicht, obwohl ich eine ziemliche Anzahl der ältesten
kanonistischen Handschriften daraufhin untersuchte. Doch dürfte
eine Collectio in diesem Zusammenhänge Beachtung verdienen,
die Fournier nicht unpassend le premier manuel canoni-
que de la reforme du XI e siecle genannt hat. 2 Gegenüber den
noch nicht erschienene Band sollte die Kanonessammlung und die Ein
leitungen der Herausgeber enthalten. Vgl. auch J. Giorgi, II regeslo
di Farfa (Arch. Soc. Rom. II 1879, 426—72) und P. Fournier, La Col-
lezione Canonica dd ,Regeslo di Farfa‘ (Arch. Soc. Rom. XVII 1894,
285 — 301). Heute gehört das Regesto der Vatikanischen Bibliothek
(Vat. lat. 8487).
1 Direkten Gegensatz zu den Gregorianischen Ideen verrät c. 74: Ui symo-
niaci ante vel post ordinationem salisfaciant.
2 Melanges d archeologie et d’histoire, publiees par l'Ecole Fran^aise de
Rome XIV (1894) 148—223. 275. — Die Vatikanische Bibliothek besitzt
zwei Handschriften dieser Sammlung, die schon von Fournier beschrieben
werden: Vat. lat. 4160 und Vat. lat. 4977. Letztere Handschrift enthält nur
ein Fragment der Sammlung, das fol. 6 b beginnt und fol. 23 b abbricht.
Das erste Blatt enthält unter.anderem einige Formtdae (fol. 1*), die bis
jetzt, soweit ich sehe, nicht bekannt sind und auch von Fournier nicht
weiter beachtet wurden. Sie mögen darum hier Platz finden, ohne daß ich
weiter auf ihre Erklärung mich einlasse.
[1°] Forma vero ante sententiam hec est. Ego adelinus
sancte regine ecdesie minister licet indignus sentiens me praegracari a
domno gualterio sancte ravennalis ecdesie archiepiscopo sedem romanam
appdlo et apostolum petro (!) ’
[2 n ] Si vero post datam sententiam appellare voluerit,
hic erit ei modus appellandi. Ego a. S. R. ecdesie (minister) licet
indignus contra sententia (!) domni R. S. ecdesie (!) archiepiscopi initiste in
me illatam pridie kalendas madii anno incarnationis domini M .O. XX.
feria . 1111. Romanam sedem appdlo et apostolos peto.
282
V. Abhandlung: Peitz.
unentschuldbar falschen Angaben Augustin Tlieiners hatte zuerst
F. Thaner, der Anselmforscher, ihr richtiges Verhältnis zur
Anselmiana und zn anderen Sammlungen nachgewiesen. 1 Four-
nier veröffentlichte die Capitula und die Initien und zeigte die
Bedeutung der Sammlung sowie den ausgedehnten Einfluß, den
sie zu ihrer Zeit besaß. Sie ist ganz außerordentlich verbreitet
gewesen, ist — wie schon Thaner betont hatte — von Anselm
und seinen Nachfolgern benützt und verdiente größte Aufmerk
samkeit sowie baldige kritische Veröffentlichung. Wie Fournier
nachweist, kann sie nicht nach 1054 entstanden sein und ist
vielleicht eine der literarischen Erstlingsfrüchte der beginnenden
Reformbestrehungen in Rom um die Mitte des 11. Jahrhunderts.
— Nun stehen aber gerade die Überschriften einiger Kapitel
des premier manuel in merkwürdigem Verhältnisse zum Dilc-
tatus. Es ist, als oh der Verfasser dieses letzteren gegenüber
den Titeln der Sententiae die Ausnahmsstellung des Papstes
habe betonen und die Kapitel habe korrigieren wollen. Zudem
weist der Diktatus in der Auswahl der berührten Gegenstände
eine große sachliche Ähnlichkeit mit den 74 Kapiteln auf. Eine
kurze Gegenüberstellung möge dieses Verhältnis beleuchten. 2
Dictatus papae.
2. Quod solus Romanus Ponti
fex iure dicatur universalis.
5. Quod absentes papa possit
deponere.
6. Quod cum excommunicatis
ab illo intercaetera nec in
eadem domo debemus ma
uere.
Premier manuel.
24. Ne universalis quisquam
vocetur.
13. Ut nemo absens iudice-
tur . ..
68. Quod cum excommunicatis
non sit communicandum.
[3°] Si autem unus uel duo pro pluribus appellare vo-
luerint, sic appellabunt. Ego .p . sindici canonicorum . S. b . ecclesie
sentientes nos praegravari vel contra sententiam et contra romanam sedem
appdlamus et apostolos postulamus. *
Huiuscemodi appellationes in scriptis fieri debent.
1 F. Thaner a. a. O. (S.-B. Wien, Philos.-hist. Kl. 89).
2 Die Texte des Premier manuel nach den Angaben bei Fournier, die
durch eine Reihe von Stichproben und Kollationen mit den Handschriften
der Vatikanischen Bibliothek als zuverlässig erwiesen wurden.
Daa Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
283
Dictatus papae.
7. Quod illi soli liceat pro
temporis necessitate novas
leges condere, novas ple-
bes congregare . .. divitem
episcopatum dividere et
inopes unire.
12. Quod illi liceat impera-
tores deponere.
13. Quod illi liceat de sede ad
sedem . . . episeopos trans-
mutare.
25. Quod absque synodali con-
ventu possit episeopos de
ponere et reconciliare.
24. Quod illius praecepto et
licentia subiectis liceat ac-
cusare.
Premier manuel.
23. De observatione decreto-
rum Pontificum Romano-
rum.
26. Ut unusquisque suis con-
tentus sit terminis.
41. De auctoritate sacerdotali
et potestate regali.
25. De ejnscoporum mutacione.
10. De iudicio et examinatione
episcoporum.
11. De episcopis sine Romana
auctoritate depositis.
7. Quod ordines inferiores non
possint accusare superiores.
Es ist nun keineswegs meine Ansicht, daß der Diktatus
mit dieser Sammlung des premier manuel direkt zu verbinden
sei, die selbst übrigens eher den Eindruck eines Auszuges aus
einer oder mehreren größeren Sammlungen macht: meine Ver
mutung gebt vielmehr dahin, daß Papst Gregor als Kanonist
im Gegensatz zu gewissen Sätzen einer ihm vorliegenden ähn
lichen Sammlung die Primatialrechte Roms scharf betonte, um
über die Prärogativen des apostolischen Stuhles keinen Zweifel
zu lassen. Dadurch würde sich auch die angebliche Unordnung
der Sätze ungezwungen erklären lassen. Diese ist jedoch keines
wegs so groß, wie man allgemein behauptet hat: mehrere
Sätze zusammen bilden jemalen eine auf eine bestimmte
Materie sich beziehende Gruppe und es ließe sieh, will es
scheinen, bei genauer Prüfung olme allzu großen Zwang
eine Parallele hersteilen zwischen der Anordnung des Dik
tatus und der manchen Sammlungen zugrunde liegenden. So
wäre, um nur ein Beispiel zu erwähnen, Burchards Samm
lung vielleicht in Betracht zu ziehen. Hier soll vorerst auf
diese Nebenfrage nicht näher eingegangen werden; ihre weit-
284
V. Abhandlung: Peitz.
läufigere Besprechung bleibt einer späteren Untersuchung Vor
behalten.
Über das Fortleben der Tbesengruppe und ihre Be
nützung sei noch ein kurzes Wort beigefügt.
Hat man gegen den Diktatus stets seine volle Nichtbeach
tung ins Feld geführt, so könnte vielleicht umgekehrt geltend
gemacht werden, daß seine Benützung sich kaum erwarten
ließe, selbst wenn er publiziert worden wäre — ja, daß eine
Berufung auf ihn, im Falle er mit dem Register im Sinne
Giesebrecht-Jaffes veröffentlicht wäre, etwas Befremdendes ent
hielte. Denn die Capitula dos Diktatus bilden ja gar keine
direkten Aussprüche: es sind nach Art von Problemen auf
gestellte Thesen, die durch Zitate von Kanones zu erweisen
und zu belegen waren. Gerade dieser Umstand bringt vielleicht
auch die oben ausgesprochene Vermutung Uber seinen Ursprung
nahe. Mit Sätzen in dieser Form konnte weder Freund noch
Feind viel anfangen.
Obendrein ist der gegen den Diktatus gerichtete Anwurf
nicht ganz richtig. Die dargelegten Verhältnisse zeigen doch
ganz offenbar, daß zwischen Diktatus und Anselm-Deusdedit-
Bonizo enge Beziehungen bestehen, wozu noch die Sammlung
von Avranches tritt. Das Abhängigkeitsverhältnis aber kann
kein anderes sein als dieses, daß der Diktatus des Registers die
Spitze bildet und alle übrigen sich unter ihn gruppieren. Diese
Sammler zeigen zugleich die einzige Art, wie eine wirkliche
Benützung im eigentlichen Sinne möglich war: der Diktatus
lieferte die Gesichtspunkte, nach denen das betreffende kano-
nistische Material gesichtet und geordnet werden mußte.
Als Ganzes aber findet sich die Zusammenstellung der
Sätze, die wir in den bisherigen Ausführungen als Dictatus
papae kat’ exochen genannt haben, wenigstens in zwei spä
teren Sammlungen wieder, die ihn als selbständige Größe
unter ihren sonstigen Stoff aufgenommen haben. Die eine ist
erhalten im Cod. lat. 236 der Biblioteca Nationale zu Turin.
Herr Professor Pietro Fedeie hatte die große Liebenswürdig
keit, mir auf meine Bitte eigenhändig davon eine diplomatisch
genaue Abschrift anzufertigen. Die Pergamenthandschrift von
169 Blättern, noch aus dem Ende des 12. Jahrhunderts stam
mend, wurde glücklicherweise aus dem schweren Schicksals-
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs III.
285
schlage, (1er die Turiner Bibliothek betraf, gerettet. Sie ent
hält eine Collectio canonum in VII libros distributa. Die vier
letzten Kanones, die im Index der Kapitel verzeichnet sind,
finden sich im Texte nicht; dafür sind von einer anderen Hand
des ausgehenden 12. oder höchstens des beginnenden 13. Jahr
hunderts quaedam alia ex Canonibus aliunde excerpta hinzu
gefügt, Auf fol. 167 b — 168 a steht.der Diktatus mit der Über
schrift: Gregorius Papa VII. Capitula (in Kapitale). Das Q
im einleitenden Quod der Sätze fehlt: es sollte mildert werden,
wofür der Raum freigelassen ist. Der Text stimmt genau zu
dem der Vatikanischen Handschrift. 1
Erst dem 15. Jahrhundert gehört die zweite Handschrift
an, die ebenfalls den ganzen Diktatus aufgenommen hat, Tat.
lat. 1321. Auf die Akten des Konzils von Chalcedon und des
Dreikapitelstreites folgt auf fol. 276 b , Kol. B, von der gleichen
Hand das Rubrum: Hie secuntur plures articuli mentionem
facientes, quomodo papa etc. Darunter folgen, ohne besondere
Varianten, die Sätze des Diktatus. Die Akten der Frühjahrs
synode von 1078 = J V 14 a schließen sich auf fol. 277 a an sie
an. Sie erhalten hier eine ganz besondere Wichtigkeit, da uns
durch sie der in der Registerhandschrift ausradierte
Name des Grafensohnes übermittelt wird, über den wegen
seiner Gewalttätigkeiten gegen die Kirche von Lucca auf eben
jener Synode die Exkommunikation ausgesprochen war. Vat.
lat. 1821 schreibt: Et filium comitis bulgarelli datis indutiis
. . . simili excommunicatione innodamus . . . Die ganz deutlichen
Umrisse der ziemlich groben Rasur in der Registerhandschrift
beweisen, daß wirklich dieser Name ursprünglich dort gestanden
1 Nach gütigen brieflichen Mitteilungen von Herrn Prof. Pedele vom
8. März 1910 (,. . . II testo del Dictatus, sebbene sia di altra mano da
quella della Collectio Canonum ed aggiunto in fine, e anch’ esso, a mio
parere, della fine del secolo XII ed al piu dei primissimi anni del XIII. .
— Vgl. Codices manusci'ipti Bihliothecae Regii Taurinensis Athenaei . . .
recensuerunt Jos. Passinus, Ant. Ri van teil a et Franc. Berta II
(Taurini 1749) 73 und Inventario dei Codici superstiti: Inventario dei
CodAci . . . Latini pergamenacei von C. Cipolla und C. Frati (Rivista
di Filologia e d’Istruzione classica. Roma 1904) 471 mit folgender An
gabe über den heutigen Zustand der Handschrift: ,In buone condizioni;
tuttavia il codice ebbe qualche danno al principio e alcune macchie
al fine‘.
286
V. Abhandlung: Peitz.
hat. Die Rasur ist also erst späten Datums; ihre Geschichte
muß der speziellen Familienforschung überlassen werden. 1
Aus diesen Darlegungen Uber den Dictatus papae dürfte
sich wohl so viel ergehen, daß die gegen ihn erhobenen Ein
wände und Bedenken ohne jede Bedeutung sind. Damit fallen
aber auch alle Einwendungen, die man aus diesen
Sätzen gegen das Register und seine Authentizität
erheben möchte. Zum vollen Verständnissei dieser Sätze wird
man freilich meines Erachtens nie gelangen, wenn nicht jene
Vorlage, zu der er in Beziehung steht, durch systematische
Forschung oder durch glücklichen Zufall wieder aufgefunden
wird. Ein solcher Fund aber ist durchaus zu hoffen, da sich
die kanonistische Forschung endlich auch des lange vernach
lässigten späteren Mittelalters anzunehmen beginnt. Jedenfalls
wird jedoch unabhängig davon eine bis heute fehlende aus
reichende philologisch-sprachliche Erklärung der einzelnen
Thesen zur endgütigen Lösung der Frage die nötigen Grund
lagen beschaffen müssen.
Exkurs IV.
Zur Ausgabe des Registers Gregors VII. durch Jaffe. 3
So verdienstlich die Ausgabe des Registers durch Jaffe
zu ihrer Zeit war und so sehr sie die Kenntnis der grego
rianischen Zeit förderte, indem sie die hauptsächlichste Quelle
1 Daß die Lücke in J V 14“ durch den Namen des Bulgarellus ausgefüllt
werden müsse, dessen Sohn Ugiccio gemeint sei, hatte Alfr. Overmann
bereits auf Grund der von ihm zusammengestellten Nachrichten über den
Kadolinger richtig vermutet. Vgl. A. Over mann, Die Vita Anselmi
Lucensis episcopi des Rangerius (NA XXI 1896) 432. — Uber Ugiccio
vgl. das Schreiben Gregors, das P. Th an er aus einer Barberini-IIand-
schrift veröffentlichte (Papstbriefe Nr. 3 in NA IV 1879, 402—03). P. P.
Kehr, Regesta Pontificum Romanorum: Italia Pontificia III (Berlin 1908)
482 Nr. 3) und R. Davidsohn, Geschichte von Florenz I (Berlin 1896)
270—71, sowie Forschungen zur älteren Geschichte von Florenz I (Berlin
1896) 61. Vgl. G. Meyer v. Knonau, Jahrbücher III 109 22 und
382—83 r > 2 .
2 Der Exkurs war bereits vor Einsicht der Handschrift geschrieben und
soll hauptsächlich die aus dem Drucke gewonnenen Textemendationen
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs IV.
287
zu ihrer Erforschung in bequemer und über alle früheren Aus
gaben hinaus weit zuverlässigerer Gestalt zugänglich machte,
so fordert sie doch eine genaue Überprüfung und bietet zu
mancherlei Bedenken Anlaß. Im Folgenden mögen einige kri
tische Bemerkungen Platz finden. Damit soll keineswegs Jaffes
und noch weniger Giesebrechts Verdienst auch nur im min
desten geschmälert werden. Giesebrecht batte die Vergleichung
in einer dem ernsten Betriebe solcher Studien kaum aufge
schlossenen Zeit unter schwierigen Verhältnissen machen müssen,
und es erscheint zweifelhaft, ob die ganze Kollation von ihm
persönlich durchgeführt werden konnte, oder ob er sich nicht
vielmehr auch auf die weniger geschulte Beihilfe anderer zu
verlassen gezwungen war. 1 Jaffe fußte bei seiner Ausgabe auf
dem Materiale eines Fremden und war dadurch doppelt leicht
und häufig dem launigen Spiel des Zufalls ausgesetzt. In seinem
Text aber und in den von ihm vorgeschlagenen Änderungen
findet sich doch eine verhältnismäßig große Zahl von unbegrün
deten Willkürlichkeiten. Zudem scheint es möglich, einige
Fehler und Unstimmigkeiten, die sich tatsächlich im Texte des
Registers finden, zu emendieren, ohne zu entlegenen oder ge
wagten Konjekturen greifen zu müssen. Es kann hier nicht
die Aufgabe sein, den ganzen Text zu bearbeiten oder die
irrigen Lesungen bei Jaffe auf Grund der Handschrift richtig
zustellen. Eine volle Kollation zum Zwecke der vorbereiteten
Neuausgabe ist bereits gemacht, sie wird die hier gebotenen
Proben und Versuche in entsprechender Weise zu ergänzen
und zu verwerten haben.
wiedergeben; docli wurden allenthalben die Ausführungen auf Grund der
Handschrift korrigiert und ergänzt; vieles andere ist bereits im Ver
laufe der Untersuchung im Texte zur Sprache gekommen.
1 Die Möglichkeit, daß Giesebrecht zum Teil auf fremde Hilfe angewiesen
war, ist auch durch seine Bemerkungen im Briefwechsel mit G. H. Pertz
nicht ausgeschlossen. Aus diesem erfahren wir, daß Giesebrecht am
22. Dezember 1843 ein Kollationsexemplar des Registers durch die Post
erwartete und daß am 13. Mai 1844 die Vergleichung mit der Hand
schrift des Vatikanischen Archivs, der einzigen, die ihm bis dorthin zu
gänglich war, beendigt wurde. Briefe W. von Giesebrechts an G. II. Pertz
aus den Jahren 1S43 bis 1847 (NA XVII 1891) 15—17. Diese Briefe
gewähren einen höchst lehrreichen Einblick in die Schwierigkeiten, die
handschriftliche Forschung damals fand.
288
V. Abhandlung: Peitz.
Unbedenklich übernimmt Jaffe aus der parallelen Original-
Überlieferung etwaige Volladressen und Volldaten, Zeugenunter
schriften, Namen- und Textzusätze und andere Ergänzungen.
Man vergleiche z. B. J I 76. II 11. 45 (doch mit Auswahl),
III 2. 3. 7. IV 4. 12 a . 13. 22. 23 usf., auch V 14. VI 34.
VIII 21 u. a. In J I 1* schiebt er ohne Grund eine Erweite
rung aus J I 3 ein, obwohl dreifache Überlieferung für deren
Fortfall spricht.
In den Emendationen, die er zum Teil direkt dem Texte
einverleiht, ohne sie bestimmt und leicht kenntlich zu machen,
beachtete er zu wenig den gregorianischen Sprachgebrauch.
Gregor lieht es, in außerordentlicher Kürze und Prägnanz des
Ausdrucks ein Pronomen, das durch ein Beziehungswort oder
ein Verbalnomen des voraufgehenden oder übergeordneten Satzes
im Zusammenhänge von selbst gegeben ist, auszulassen, und
zeigt dabei des öfteren geradezu eine Vorliebe für absoluten
Gebrauch der Verben. Klassischer Sprachgebrauch und moderne
Gewöhnung lassen uns dort oft, eine Ergänzung des Pronomens
erwarten. Jaffe setzt die Pronominalergänzung ein, obwohl sie
keineswegs geboten ist. Zum Belege sei nur auf die folgenden
Stellen verwiesen: I 17 (30 a ). I 22 (38 a ). I 23 (40 a ). I 27
(44 a ). I 54 (75 a ). I 55 (75 b ). I 65 (85 a ). I 67 (86 a ). I 71 (91 a ).
II 13 (130°). II 21 (135 a <“ d b ). II 22 (135 d “ d e ). II 23 (136 a )
usf. Es ist immer die gleiche Erscheinung; schon ihre Stetig
keit und Häufigkeit muß auf das Unbegründete der Ergän
zungen hinweisen.
Ebenso unbegründet und dem knappen Sprachgebrauche
Gregors zuwider ist die fortgesetzte Einschiebung von etiam
im zweiten Gliede der Disjunktion non solum—sed oder der
Beisatz eines zweiten Komparativs bei den durch tanto — quanto
eingeleiteten Vergleichungen. Dafür ebenfalls nur eine be
schränkte Anzahl von Belegstellen: I 18 (31 c ). I 36 (54 a ).
II 5 (115 a ). II 15 (130 a ). II 44 (15S a ). III 12 (227 a ) usf.
Auch der Gebrauch des Ablativs mit in bei Verben der
Bewegung und ähnlichen oder die doppelte Negation darf nicht
von vornhinein abgelehnt werden. So dürften z. B. folgende
Verbesserungen Jaffes abzuweisen sein: I 43 (62 a ) [ebenda
bietet auch properante keinen begründeten Anstoß; ,domvno
properante 1 ist sehr wohl als Ablativ mit Partizip (in absoluter
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs IV. 289
Konstruktion) zu fassen]. I 47 (67 b ). II 17 (132 a ). V 9 (297 e ).
V 16 (312 b ). Y 23 (320 c ) u. ö.
Dock genug davon, so viel sich auch noch gegen den
Text der Jaffeschen Rezension einwenden ließe. Nur eine Reihe
von Einzelkonjekturen und -korrekturen mögen noch richtig
gestellt werden, die den Sinn zum Teil verändern, zum Teil
stören, während die Lesungen der Handschrift sich sehr wohl
halten lassen oder sogar allein zu rechtfertigen sind: I 3 (J 12 a )
ist zu verbinden quantum eins und virn ist überflüssig. I 5 ist
iniuria legum besser als incuria (im Hinblick auf non est
verita) 1 ; es ist zu trennen: Quo viam . . . ingresso, relicta illius
conscinguinea, seil, cum dono atque . . , 2 I 18 a dürfte weder
invenerit (gleich darauf nochmals inveniendo), noch de ea zu
ändern sein; die Constitutio scheint das Erzeugnis der beneven-
tanischen Kanzlei. 3 I 20 handelt es sich um Nachträge, die,
mit dem Stichworte versehen, außerhalb des ersten Textes (auf
der Minute) angebracht waren und durch Versehen des Regi
strators in das Korpus des Briefes sich eindrängten. Es ist zu
lesen: sic novistis, quid de rege sentiam, . . . ut nemo vobis
melius. Novistis quidem, . . . quam saepe utrique dixerim, quod
eo mundanis ditiorem, religione sanctiorem nullum veilem vivere,
hoc seil . . . Imperator! Quod, religionem scilicet diligere . . .
defendere, . . eum veile et ex toto. I 29 a bietet [nos] priores
confitemur eine bei Gregor beliebte Antithese zu dem folgenden
sperantes de vohis. — In I 63 (82 ä ) dürfte zu lesen sein: Cum
enim Dominus filium amat, ßagellat et castigat: melius et uti-
lius ex adversis ... — Auch die Änderungen 83 a_b erscheinen
durch den Zusammenhang keineswegs geboten. — Die Ergän-
1 In E ist iniuria ans iniuriarum verbessert; die Endsilbe -rum (gekürzt 4)
ist durch einen Punkt über und unter t getilgt.
2 Die Konjektur wird durch die Handschrift bestätigt, die nur nach con-
sanguinea, nicht nach scilicet interpungiert.
3 Die Lesung invenerit wird bestätigt durch Cod. Vat. lat. 3788, eine Perga-
menthandschrift in römischer Minuskel vom Ende des 11. Jahrhunderts
(215 Blätter, 250 X 314 mm, in zwei Kolumnen geschrieben). Sie ent
hält eine Sammlung von Papstdekretalen, zum Teil wohl aus Ps.-Isidor.
Nach einer Eeihe von Exzerpten aus den Briefen Gregors I. sind fol. 215 a
die meisten Dekrete der Novembersynode des Jahres 1078 (J VI 5*) ein
getragen. Hier ist im Kanon de falsis penitentiis geändert: per quam ad
aelemam vitam valeat invenire, wo K (J 334*) liest: pervenire.
Sitznngsber. d. phil.-bist. Kl. 165. Bd. 5. Abh. 19
290
V. Abhandlung: Peitz.
zungen in I 70 (89“ und b ) sind überflüssig: moerore und rumore
sind ablativi instrumenti; tui ist genetivus subiectivus zu liila-
ritate. Den beiden Gliedern des ersten Satzes sind die des
zweiten parallel: angebaris: moerore, laetaris: hilaritate. Die
Änderung inmo deo insudare wäre höchst auffällig und kaum
gregorianisch. Man muß wohl die Lesung der Handschrift bei-
behalten, wenn ich auch inmodo (== ,nacli Maßgabe der Kräfte,
der Umstände“) für jetzt nicht weiter belegen kann. 1 Auch
9Qb-o mu ß ,p[ e L esun g c j er Handschrift beibehalten werden; sie
entspricht dem Zusammenhänge, Jaffes Emendation nicht. —
In I 81 darf das allein sinngemäße parum (101 c ) nicht gegen
Register- und Originalüberlieferung geändert werden; nostrae
(101 d ) ist störend. — II 21 muß tibi (135 b ) fortfallen, punien-
dum (135°) kann ohne Anstand bleiben. — In II 28 ist a te
turpissimam . . . repulsam . . . (140 e ) erklärender Beisatz zu
iniuricis; der Sinn ist völlig korrekt, sobald getrennt wird:
. . . impugnatorem tnvenimus tuasque iniurias, a te turpissi
mam . . . repulsam, licet iniuste patimur. 2 — II 47 (161°)
ecclesiae ist genetivus obiectivus zu periurium (161° ist über
flüssig), necnon et fornicationern abhängig von incurrisse (161 d ;
auch die Änderung 161 b nicht notwendig). — II 49 (163 b )
muß die Handschrift in ihrem Rechte bleiben: rogavi prout
ipse dedit: ut\ 163 d ist die Lesung von R nicht zu beanstanden.
164“ und b ergeben die Emendationen keinen rechten Sinn, wäh
rend die Lesung von R vorzüglich ist. Caput (— antiquus
hostis) und membra eius (seil, diaboli) sind die Verfolger der
Kirche; der geistige Tod steht den körperlichen Qualen gegen
über. 3 — II 55 (174“) wäre sanctae matris vestrae ecclesiae,
1 Aus ß ergibt sich auch für eine andere Emendation die Kichtigkeit der
Lesung in der Handschrift. Potestates ist mit Rasur des Kürzungsstriches
aus potestatem verbessert, muß also beibehalten werden. Das Subjekt zu
solet ist eben deus.
2 Diese Lesung wird von der Handschrift bestätigt, die nach invenimus
ein Komma, nach iniurias ein kleines Trennungszeichen hat. Nach R
muß der Satz lauten: Heu . . . tempora inmutata, quem murum. . . p?'o . . .
ecclesia, cui. . . praesidemus, putabamus; quem scutum . . . sumere debere . . .
credebamus, iam eius nostrumque inimicum . . . invenimus, tuasque iniurias
(a te . . . repulsam) . . . patimur.
3 Jaffes Note lG4 d beruht auf einem Fehler des Kollationators. R hat vita
haud laudabilis. — Auch in II 54 (172 d — c ) löst die Handschrift das Rätsel.
Das Originalregister Gregors VII. — Exkurs IV.
291
wie R. liest, besser als Jaffes Emendation. — In II 70 (193 f )
muß consanguineus tuus wie in R entfallen. Bei Deusdedit, der
kürzt und die Worte des Sinnes wegen von oben lierübernimmt,
ist der Einschub berechtigt. — In II 72 (195 b ) ist keine Lücke
anzunehnien; vos ex toto corde . . . denm . . . diligere, . . . con-
stituere, . . . servare etc. ist eine von eommonere im voraus-
gelienden Satze abhängige Folge von Infinitiven; ac (195°)
stört den Sinn: insinuare ist von scire abhängig; der Zusatz
et in caelo (195 d ) ändert die Pointe und ist überflüssig. —•
In II 73 (196“) liegt kein Grund vor, das biblische dilatatur
zu ändern. — III 4 (209 c ) ist die Fassung der Handschrift von
kräftiger Kürze und durchaus verständlich. 1 — III 7 (213 b )
ist ad vindictam beizubehalten. — III 10 (220 a —221): decreti
ist abhängig von pondus usf.; es ist zu lesen: Huius autem
decretij quod quidarn dicunt, . . . importabile pondus . . ., nos
autem . . . veritatem vocamus et lucem, non solum . . . Ebenda
221° ist zu konstruieren: ut prius a nobis exigeres, in quo te
gravaremiLS . . . (ohne iustitiam). — IV 28 (284 a ) ist non deti-
nentes auf keinen Fall zu beanstanden. Es ist wiederum ein
biblischer Ausdruck, entnommen dem Römerbrief I 18. 2 —
Es mag bei dieser Gelegenheit nebenher darauf hingewiesen
werden, daß eine Neuausgabe im Nachweise der Schriftentleh
nungen bei Gregor nocli sehr viel zu tun hat. Gregors Briefe
sind reich an biblischen Zitaten und Ausdrücken, sie sind
stellenweise mit außergewöhnlicher Beherrschung des Stoffes
und der Form aus Schriftstellen wie zusammengewebt. 3 —
Es muß heißen: ut procuraret habere pacem vobiscum, redditis et resti-
tutis, que abstulerat, cum aqua monasterii: et spem . . . dedimus. Dabei ist
aqua voll ausgeschrieben, monasterii korrigiert aus ministerii.
1 Statt dicimus et sufficere muß es mit R heißen: dicimus eis sufficere . . .
— In III 6 (211 ] ) liest R: post fundatam et propagatam fidem Christi.
Nach propagatam ist ecclesiam durchgestrichen.
2 Auch Gregors Zitat aus Rom. II 6—9 (J 284—85) muß nach der Hand
schrift wiederhergestellt werden: die Änderungen nach unserer heutigen
Vulgataausgabe sind nicht berechtigt. Gregors Text lautet genau gleich
dem von Hieronymus, Augustinus, Beda u. a. gebrauchten. Vgl. Bibliorum
Sacrorum latinae versiones antiquae . . . edid. D. Petrus Sabatier
O. S. B. III (Rheims 1743) 601.
3 In R sind die meisten wörtlichen Zitate aus der Heiligen Schrift durch
je zwei vor den Anfang der betreffenden Zeilen gesetzte Haken gekenn
zeichnet.
19*
292
V. Abhandlung: Peitz.
IV 18 (266 b ) läßt sich die Lesung von R auch ohne Annahme
einer Lücke ganz gut verstehen; illi ist abhängig von ad-
liaerentes und es ist zu konstruieren: praecipimus vobis, ut. . .
ne, illi adhaerentes, diabolo . . . serviatis. 1 — In V 21 (318“)
scheint die Annahme einer Lücke nicht geboten. Der Sinn ist:
tot. . . laboribus fatigamur, ut hii . . . non solum pati nequeant
sed nee etiam videre possint. 2 — In VI 13 (343 s ) ist zu trennen:
devicta morte in semet ipso, convivificavit ac resuscitavit et nos. 3
— In VI 29 (365 a ) müssen die Neutra idemque ipsum erhalten
bleiben; auch die Änderungen unter b und c , die dem Sinne
eine ganz andere Wendung geben und unnötig erscheinen,
müssen fortfallen. 4 — Zu Unrecht will Jaffe in VII 12 (394 a )
ändern; et quod opinioni relinquitur = ,soweit man schließen
kann, Avie es den Anschein hat 1 . Der Gegensatz non alieuius,
sed nostrae tantum praesentiae darf nicht durch das überflüssige
1 So trennt auch die Handschrift. — Aus den nächst vorausgehenden
Briefen seien als Beispiele folgende Zitate angeführt. IV 4 (248 c ) liest R:
_prudentem, bonum, ornatum moribus, omnique veligione dignum, vobis . . .
mit sorgfältiger Trennung. — IV 6 (250 a ): in illo auch in R (sollte
Giesebrecht umgekehrt statt der Lesung der Handschrift mdlo emendieren
wollen?). — IV 13 (260 b ) apertissime auch in R. — IV 15 (262 a ) con-
tempserint auch in R.
2 In V 3 (290 a ) liest R: et rem quae Ordinate facta fuerit; dabei ist quae
aus quam mit Rasur des Kürzungsstriches umgeschrieben. — V 7 (295 ö )
ist nach R zu lesen: Quippe a cuius fidelibus legati nostri . . . capti sunt,
. . inde cum nichil. . in unde wurde das u durchgestrichen und i von
anderer Hand vorgesetzt. — V 9 (298 7 ) ist zu lesen: sententiam damna-
tionis et depositionis sine omni spe ... — V 14 (304 n ). Nach R ist zu
schreiben: Sed quoniam, instinctu quo actuve nescimus, inopinate. — V 14 a
(307 b ). R liest: victoriam eis in armis auferimus (eis aus eins korrigiert).
3 In VI 17 a (354 b ) ist etiam nach partimque von der Hand des Korrektors
über der Zeile nachgetragen. — Die Eidesformeln haben in Rubro eine
Überschrift: Sacramentum nuntiorum Heinrici regis, bezw. Item iusiuran-
dum JRodrdfi regis. Das im Jaffeschen Text mit dem zweiten Rubrum
verbundene und vom Herausgeber beanstandete Itidemque Hodulfi quod
sequitur ist schwarz geschrieben und gehört zum Protokolltext.
4 Die Note 372 a zu VI 35 muß wie so manche andere auf einem Miß
verständnisse der Kollation Giesebrechts durch Jaffd beruhen. R hatte
zuerst geschrieben contestio; durch einen Punkt über und unter dem s
wurde dieses getilgt und x von erster Pland darüber gesetzt. — 373 a steht
das vermißte in auch in R. Cdebrioribus (373 b ) ist von anderer Hand
über dem durch Unterstreichen getilgten nostri (?) nachgetragen.
Das Origiualregister Gregors VII. — Exkurs IV.
293
legati abgeschwächt werden; unde, ut etiam nunc apparet ist
ohne jedes Bedenken und der Emendation weit vorzuziehen. —
In VII 23 (415 7 ) ist eine Lücke ganz unverständlich; talem te
ad omnem oboedientiam praebeas gibt einen vorzüglichen Sinn;
es ist abhängig von moneo. Ebensowenig ist 416“ ein Ausfall
anzunehmen (vgl. z. B. Rom V 3. 11. IX 10. II Cor. VIII 19).
— In VIII 8 (437“) durfte spes iam nicht geändert werden.
Wie in der ewigen Seligkeit das Glauben übergeht in das
Schauen, das Hoffen zum Besitzen wird, so bietet die Gegen
wart der Leiber und Reliquien der Heiligen dafür gleichsam
einen Anfang und damit das Unterpfand für reichere Gnaden
gaben. — VIII 22 muß es 467s heißen: quia summa regina
celi, quae . . . est. . . nobilitas omnium electorum, quia illa sola
meruit virgo et mater edere naturaliter deuvi et hominem, caput
et vita omnium bonorum, in terris non dedignata est .. . Als
Gottesmutter war Maria der Anfangs- und Ausgangspunkt aller
Heilsgüter; dadurch ist sie erhoben über alle Auserwählten, die
Zier aller Frauen; trotzdem aber war sie auf Erden klein und
arm. Caput et vita sind Apposition zu illa solo,, d. i. Maria.
Bezüglich des Ausdruckes sei an den Text des Salve regina
erinnert. 1 —
Diese kleine Auswahl möge genügen. Sie dürfte jedenfalls
hinreichen, um zu zeigen, daß R einen im Durchschnitt hervor
ragend guten Text bietet und daß die Mehrzahl der Jaffeschen
Emendpfionen zu entfallen hat. Doch sei nochmals betont, daß
diese Ausstellungen weder dem Verdienste Giesebrechts noch
dem Jaffes zu nahe treten sollen, das gewiß jeder, der nach
ihnen und zum großen Teil auf den von ihnen gebahnten Pfaden
diese Gebiete der Wissenschaft durchforscht, stets gerne und
mit aller Hochachtung für die gebotenen Leistungen aner
kennen wird.
1 In J VIII 25 (472 n ) dürfte ein Zusatz überflüssig sein. 472 b liest R:
ac ex debito inhibere.
294
V. Abhandlung: Peitz.
Beilage L
Das Privileg Gregors VII. für Banzi.
J—L 4929.
Das Original dieser Urkunde befindet sich heute in der
Vatikanischen Bibliothek, wohin es nach vielen Irrwegen mit
dem Archiv der Barberini gelangt ist (vgl. Kehr, Göttinger
Nachr. 1903, 546). Der Präfekt der Vatikanischen Bibliothek,
Hocliw. Herr F. Ehrle S. J., und bald danach auch Herr
Geheimrat Prof. P. Kehr hatten die Güte, mich darauf auf
merksam zu machen. Hocliw. P. Ehrle gah mir verschiedene
Aufschlüsse und hatte die Freundlichkeit, mir eine vom Photo
graphen Herrn Pompeo Sansaini zu Born (Via Corsi 45pp.)
angefertigte, ganz vorzügliche Aufnahme zu verschaffen, die
trotz sehr starker Verkleinerung bis ins feinste Detail hinein
mit freiem Auge wie mit der Lupe gelesen werden kann und
dem folgenden Abdruck zugrunde liegt.
Das Original ist bezeichnet: Arch. Barber: Cred. III.
cas. 32. maz. 2, wo sich auch eine Kopie des 17. Jahrhunderts
findet. Es mißt ohne Plika 69—70 X 48—49 cm. Verschreibungen
des Originals werden in den mit Buchstaben bezeichneten An
merkungen wiedergegeben, die Abweichungen des Registertextes
von der Originalfassung in die mit laufenden Nummern ver
sehenen Anmerkungen verwiesen. Geschwänztes e ist mit ae
aufgelöst; die Alineas stammen von mir. Herrn K. v. Silva-
Tarouca S. J. in Innsbruck danke ich eine nochmalige Kolla
tion des Originaltextes mit dem Abdrucke Levis im Arch. Soc.
Rom. IV 1881, 191—94.
Gregorius 1 episcopus servus servorum dei. Dilecto in
Christo lilio Johanni ahbati monasterii sanctae Mariae Virginis
constructi in loco qui dicitur Banza suisque successoribus 2 ibidem
regulariter promovendis imperpetuum. | (2) Supernae 8 misera-
1 In R freier Raum; der zu rubrizierende Name fehlt.
2 Nach successorihus folgt in R ein durchgestrichenes imperpetuum.
3 Der zu rubrizierende Anfangsbuchstabe S fehlt in R, freier Raum.
Das Original register Gregors VII. — Beilage I.
295
tionis respectu ad hoc universalis ecclesiae curam suscepimus
et apostolici moderaminis sollicitudiaem gerimus, ut iustis prae-
cantium votis attenta benignitate faveamus et libramine aequi-
tatis | (3) omnibus in necessitate positis, quantum deo donante
possumus, subvenire debeamus. Pi’aecipue tarnen de venerabiliurn
locorum stabilitate pro debito bonore summae 1 et apostolicae
sedis, cuius membra sunt, quantum | (4) ex divino adiutorio
possibilitas datur, nobis pensandum et laborandum esse perpen-
dimus.
Proinde iuxta petitionem tuam praefato monasterio, cui tu
praeesse dinosceris, 2 huiusmodi privilegia praesenti auctori-
tatis | (5) nostrae 3 decreto indulgeinus, concedimus atque firma-
mus statuentes, nullum regum vel imperatorum, antistitum,
nullum quacunque 4 dignitate praeditum vel quenquam 5 aliurn 6
de bis, quae eidem 0,7 venerabili loco a quibuslibet hominibus |
(6) de proprio iure iam donata sunt vel in futurum deo mise-
rante collata fueriut, sub cuiuslibet causae occasionisve specie b
minuere vel auferre et 8 sive suis usibus applicare vel aliis quasi
piis de causis | (7) pro suae avaritiae excusatioue concedere.
Sed cuncta, quae 9 ibi oblata sunt vel offerri contigerit, tarn a
te quam ab eis, qui 10 in tuo officio locoque successerint, perenni
tempore illibata et sine inquietudine aliqua 11 | (8) volumus possi-
deri, eorum quidem usibus, pro quorum sustentatione guber-
nationeque concessa sunt, modis omnibus profutura.
a idem Original. b speciae Original.
1 summe R.
2 nach dinosceris in R ein Verweisungszeichen -f- über der Zeile, dem aber
nirgendwo ein Nachtrag entspricht.
3 nostre R.
4 quacumque R.
5 quemquam R.
6 nach cdium ist in R von anderer Hand (wohl gleichzeitiger) über der
Zeile hinzugefügt andere.
7 quae / eidem: das e von eidem ist am Anfänge der Zeile später nach
getragen.
8 et fehlt in R; es ist ausradiert, aber noch deutlich erkennbar.
9 que R.
10 que R.
11 aliqua fehlt in R.
296
Y. Abhandlung*: Peitz.
Nominatim etiam confirmantes eidem monasterio eeclesiam
sancti Salvatoris de castello | (9) Banzae; eeclesiam sancti Ypo-
liti; cellam sanctae Mariae de Laco Nigro; eellam sanctae Mariae
de Sala; cellam sanctae Mariae de Cerbarizae; eeclesiam sancti
Felicis, eeclesiam sanctae Mariae 1 de Katapano; eeclesiam sancti
Petri de Monachis; | (10) cellam sancti Michahelis 2 de Monte
Solicolus cum ecclesiis et pertinentiis suis; eeclesiam sancti Vi
talis in castello Sentiano; cellam sancti Micliahelis de Formi-
niano in territorio praedicti castelli; cellam sanctae Anastasiae
in civitatem | (11) Acerentinam cum suis pertinentiis; cellam
sanctae Luciae et sancti Nicolay in civitate Venusia; cellam
sanctorum Quadraginta Martirum 3 in castello de Monte Milone;
cellam sancti Jacobi in civitate Canna et cellam sancti Nicolay
super portum eiusdem | (12) civitatis cum rebus suis; cellam
quoque sancti Martini in civitate Tranas cum suis ecclesiis et per
tinentiis ; cellam sanctae Trinitatis super portam et portum eiusdem
civitatis cum suis ecclesiis et pertinentiis; eeclesiam sancti Sy-
meonis in civitate | (13) Melfitta; cellam sanctae Mariae in civi
tate Juvenacii cum 4 ecclesia 5 sanctae Eugeniae et eeclesiam sancti
Silvestri et eeclesiam sancti Leonis cum rebus et pertinentiis suis; G
cellam sancti Jacobi et sancti Nicolay in civitate Bari cum suis
rebus; et omnem heredi-1 (14)tatem, quam Smaragdus de Farago
obtulit, cum suis ecclesiis et pertinentiis; eeclesiam 7 sanctae Mariae
de Zaphylo 8 in civitate Monopoli cum ecclesiis et rebus suis; cel
lam sancti Andreae in civitate Liciae; cellam sanctae Mariae | (15)
in civitate Tarantu, quam obtulit Smaragdus de Thepinto, cum
rebus suis; cellam sancti Arcliangeli in civitate Gravi na cum
ecclesiis et rebus suis; 9 et praeterea, sicut supra diximus, quae-
cunque nunc habet aut in posterum deo | (16) annuente habere
contigerit 10 in quihuslibet rebus mobilibus vel immobilibus.
1 Marie R.
2 Hier beginnt in R fol. [III b ].
3 Martyvum R.
4 cum ist in R auf dem Rande von erster Hand nachgetragen.
5 eeclesiam R.
6 suis fehlt in R.
7 ecclesias R.
8 Zaphilo R.
9 cum — suis fehlt in R.
10 contingerit R.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage I.
297
Item constituimus, ut obeunte abbate non alius ibi qua-
cumque 1 obreptionis astutia ordinetur, nisi quem fratres eiusdem
eenobii cum communi consensu secundum timorem dei | (17)
elegerint ac a Romano pontifice consecrandum ordinandumque
praeviderint, 2 maxime de eadem congregatione si (i)doneus in-
ventus fuerit. Quod si talis, qui liuic regimini congruat, inter
eos inveniri non possit, cum consilio Romani | (18) pontificis
Kunde sibi patrem et magistrum expetant.
Hoc quoque praesenti capitulo subiungimus, ut ipsum mona-
sterium 3 et abbates eius vel monaclii ab omni saecularis servitii
sint infestatione securi, omnique gravamine' | (19) mundanae
oppressionis remoti in sanctae religionis observatione seduli
atque quieti nulli alii nisi Romanae et apostolicae sedi, cuius
iuris est, 4 aliqua teneantur occasione subiecti. Consecrationes
etiam ecclesiarum | (20) et ordinationes monacborum sive cleri-
corum sepe 5 fato coenobiopertinentium ab episcopis, in quo-
rum diocesis 7 sunt, accipiant, ita tarnen, si episcopi absque in-
famia simoniacae haeresis fuerint 8 et ordinationem gratis facere
velint. 9 | (21) Sin autem aliquid horum obstiterit, abbas cum
(li)centia et. auctoritate Romani pontificis ad qualemcunque
catholicum episcopum ei 1110 placuerit, causa consecrationis et
ordinationis tarn locorum quam personarum licenter pergat. j
(22) Haec igitur omnia, quae huius praecepti 11 decretique
nostri pagina continet, tarn tibi quam cunctis, qui in eo, quo
a eis Original.
1 quacunque R.
2 providerint R, umgeschrieben aus provideant.
3 Hier beginnt in R fol. [IV a ].
4 cuius iuris est ist in R unterstrichen.
5 saepe R.
6 cenobio R.
7 diocesi R durch Streichung aus diocesis.
8 In R ist absque — haeresis durchgestrichen und von erster Hand über der
Zeile eingefügt: canonice ordinati fuerint; dieses fuerint des Nachtrages
ist dann wieder als überflüssig (das erste fuerint des Textes war nicht
getilgt) durchgestrichen.
9 fecerint R statt des zuerst geschriebenen facere velint.
10 ei R durch Streichung aus eis.
11 Nach praecepti schreibt R: Requaeretur ut supra usque ad id quod ait,
et apud districtum iudiceni praemia aeternae pacis inveniant. [AJctum
298
V. Abhandlung: Peitz.
es, ordine locoque successerint, vel eis, quorum interesse po-
tuerit, imperpetuum servanda decernimus. Si -quis vero | (23)
regum, pontificum, clericum, iudicum ac saecularium personaruni
haue constitutionis nostrae paginam agnoscens contra eam venire
temptaverit, potestatis honorisque sui dignitate careat reumque
se | (24) divino iudicio existere de perpetrata iniquitate cognoscat.
Et nisi ea, quae ab illo sunt male ablata, restituerit et digna
paenitentia illicite acta defieverit, a sacratissimo corpore ac san-
guine | (25) dei domini Redemptoris nostri Jhesu Christi alienus
fiat atque in eterno examine districtae ultioni subiaceat. Cnnctis
autem eidem loco iusta servantibus sit pax domini nostri Jhesu
Christi, quatinus | (26) et hic fructum bonae actionis percipiant
et apud districtum iudicem praemia eternae pacis inveniant. j
II (eigenhändige Unterschrift des Papstes.) BY. K.
Datum Lateranis per manus Petri cardmalis presbyteri et
bibliotliecarii sanctae Romanae ecclesiae, anno secundo ponti-
ficatus domni Gregorii . YII . papae, dominicae vero incarna-
tionis millesimo . LXXV . Kal. Febr. Indict. XIII . f . (eigen
händige Unterschrift des Kardinalbibliothekars.)
Rome. Kl. Februcirii [I]ndictione . XIII. Die zu rubrizierenden Buch
staben A und J fehlen, statt dessen freier Raum.
Beilage II,
Übersicht der Adressen und Datierungen im Register Gregors VII. 1
Ind. XI.
.T-L
1*
1
2
3
4
LIBER PRIM VS.
(Commentarius electionis)
Desiderio aVbati monasterii sancti Benedicti Montis
Cassini SiChJ
Gisulfo Salernitano principi SiChJ
Guiberto Ravennati archiepiscopo SiChJ . . . .
Beatrici duci, Ugoni abhati Cluniacensi, Manasse
archiepiscopo Remensi, Suein regi Danorum, (Ber-
nardo) abhati Massiliensi . . . a paribus ....
Rainer io Florentino episcopo SiChJ
Acta Rome
»
Data
Date
Data
10 kal. mai
9 „ „
6 ..
4
3
4771“
4772
4773
4774
4775
4776
Die Briefe I 1—12 haben die Intitulatio Gregorius in Eomanum Pontificem electus, alle übrigen Gregorius episcopus servus
servorum dei. — Die Grußformel lautet in I 1—12 fast stets Salutem in Christo Jesu, bezw. in domino Jesu Christo, in
den folgenden Briefen Salutem et apostolicam henedictionem. leb kürze regelmäßig mit SiChJ, bezw. SidJCli und S&ah, wenn
auch in der Handschrift selbst die mannigfachsten Kürzungen verwendet werden. Ebenso kürze ich in der Datierung
einheitlich und ohne Rücksicht auf die verschiedenartigen Kürzungen der Handschrift. Auf Abweichungen von Jaffd
z. B. in der Schreibung der Eigennamen oder im Datum mache ich nicht ausdrücklich aufmerksam. — Ergänzungen sind
in <> gesetzt; sind in der Handschrift selbst Ergänzungen von gleichzeitiger Hand hinzugefügt, so setze ich diese in ( ).
— Die Zahlen sind von mir hinzugefügt und entsprechen nicht in allem der Zählung bei Jaffe. Die Ergänzungen der
Namen schließen sich an Jaffe an.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 299
Ind. XI.
J—L
Giraldo Ostiensi episcopo et Rainbaldo subdiacono
in legatione Galliae constituti(s) SiChJ . . . .
Omnibus principibus in terram Hyspaniae proficisci
volentibus perpetuam SidJCh ....
8 Uberto clerico et Alberto diacono SiChJ
9 Gotefredo duci SiCbJ
10 Guidoni Imolensi comiti SidJCli . . .
11 Beatrici et eius filiae Mathildi SidJCh
12 Guilielmo Papiensi episcopo SidJCh
13 Manasse Remensi archiepiscopo S&ab .
14 Hugoni abbati Cluniacensi 1 S&ab . . .
15 Omnibus fidelibus sancti Petri apostolorum principis,
maxime in Langobardia commorantibus S&ab
16 Giraldo Ostiensi episcopo S&ab
17 Wratizlao Boemiae duci et fratribus suis S&ab
18 Michaheli Constantinopolitano imperatori S&ab
18 a Constitutio quae facta est inter Domnum Gregorium
Papam septimum et Landulfum Beneventanum
principem
19 Rodulfo Sueviae duci S&ab
20 | I^aixialdo Cumauo episcopo S&ai>
Data Rome
Laurenti
Albani
Capue
Capuae
2 kal. mai
2 non. „
kal. iun.
8 kal. iul.
3 J) V
2
kal. iul.
8 id. iul.
7
Ind. XII.
kal. sept.
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4780
4781
4782
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4787
4788
4789
4789 a
4790
4791
300 V. Abhandlung: Peitz.
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21 a
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27
28
29
29“
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32
33
Anselmo dei gratia Lucensium electo episcopo S&ab
Jusiurandum fidelitatis quod fecit Richardus prin-
ceps Domno suo Gregorio Papae .
Clero et plebi christianae Cartaginiensi S&ab
Cyriaco Cartaginiensi episcopo S&ab
Brunoni episcopo Veronensi S&ab
Herlembaldo Mediolanensi militi S&ab.
Iierlembaldo Mediolanensi militi S&ab.
Alberto Aquensis ecclesiae electo S&ab
Guilielmo Papiensi episcopo S&ab . .
Mariano Turrensi, Orzocco Arborensi. item Orzocco
Caralitano, Constantino Callurensi iudicibus Sar-
diniae S&ab
Vigilantissimo et desiderantissimo domno papae Gre
gorio apostolica dignitate caelitus insignito Hein-
ricus Romanorum dei gratia rex debiti famulatus
fidelissimam exliibitionem
Geboardo Salzburgensi episcopo S&ab
Lanfranco CantuarioruminAngliaarchiepiscopoS&ab
Araldo Carnotensium episcopo S&ab
Fratribus monasterii beatae Mariae siti in episcopatu
Dordonensi S&ab
Actum „
Data Capue
Data Capue
Data ad s. Germanum
Data Argenteae
1 abbati Oluniacensi auf Rasur; das ursprüngliche Wort scheint mit m begonnen zu haben.
18 kal. oct.
17 „ „
8
5
7
3
id.
17 kal. dec.
12 „ „
5 .. «
4792
4792“
4793
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OJ
o
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II.
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Remedio Linconensi in Anglia episcopo S&ab . .
Roclino Cabillonensi episcopo S&ab
Humberto Lugdunensi archiepiscopo S&ab
Adilasiae comitissae S&ab
Wratizlao duci Boemiae S&ab
Wozelino Magdeburgensi archiepiscopo, Burchardo
Halbestetensi episcopo et Tezoni marchioni caete-
risque Saxouiae principibus S&ab
Mathildi egregiae indolis puellae S&ab
Orzocor iudici Caralitano Sardiniae provinciae S&ab
Sicardo Aquilegiensi fratri et coepiscopo S&ab .
Omnibus episcopis Mediolanensis ecclesiae suffraganeis,
videlicet Brixiensi, Cremonensi, Berganiensi, Lau-
densi, Novariensi, Yporegiensi, Taurinensi, Albensi,
Astensi, Aquensi, Terdonensi et ceteris, quibusdam
S&ab, quibusdam pro meritis
Jeromiro Bragensi episcopo
Wratizlao duci Boemiorum S&ab
Gruilielmo Burgundionum comiti S&ab
Dictatus papae. 1 Dilectae in Christo filiae Mathildi
S&ab
Data Terracine
„ Piperni
„ Setiae
„ Rome
lud. XII.
4 non. dec.
7 id. „
16 kal. ian.
13 * „
3 non, „
17 kal. feb.
9
8 „ „
2 „ „
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4 non. ,,
14 kal. mart.
.1—L
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Uberto Genuensi episcopo et uniuerso loci illius clero
ac populo S&ab
Omnibus christianam fidem defendere volentibus S&ab
Beatrici et Mathildi gloriosis ac karissimis in Christo
filiabus S&ab . . . . .
A(rnaldo) abbati sancti Severi S&ab
Manasse Remensi arcliiepiscopo S&ab
Herimanno 2 Metensi episcopo S&ab
Canonicis sancti Ylarii S&ab
Bigurritano episcopo et ceteris suffraganeis Auxiensis
ecclesiae 3 S&ab
Rogerio dicto Catalaunensi episcopo
Guilielmo Papiensi episcopo S&ab
Geusae duci Ungarorum S&ab
Ottoni et Cliuonrado fratribus Wratizlai ducis Boe-
mi.orum S&ab
Sigifredo Maguntino arcliiepiscopo S&ab ....
Wratizlao duci Boemiae S&ab
Hugoni abbati Cluniacensi S&ab
Sanctio regi Aragonensi S&ab
Lateranis
Rome
Data Rome in synodo
11 11 11 11
Data in synodo
Data Rome in synodo
Data Rome
Data Rome in synodo
n n n ii
ii ii ii ii
Data Rome
kal. mart.
4 non. „
2 id. mart.
17 kal. apr.
11 11
16 „
11 11
11 11
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1 Das Rubrum Dictatus papae steht, stark gekürzt, in dem kleinen freien Raum zwischen I 46 und 47 mitten in der Zeile.
2 auf Rasur.
3 Bigurritano — ecclesiae als Rubrum auf Rasur einer schwarzen Schrift. Nach ecclesiae Rasurlücke (30 mm), in der noch
zu lesen stiensis eccle.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 303
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SO
Alfonso 1 et Sanctio regibüs Hyspaniae a paribus
et episcopis in dicione sua constitutis S&ab .
Omnibus Raguseis S&ab. si obaedierint
Omnibus monacliis et laicis monasterii sancti Quirici
et omuibus Joseppingis et filiis Alberici et filiis
Ratterii S&ab
Giraldo Sistoricensi episcopo S&ab si obaedierit
Froterio Nemausensi in Provincia episcopo S&ab .
Guilielmo Diensi comiti et 2 universis fidelibus ac
subditis Diensis ecclesiae S&ab
Guilielmo regi Anglorum S&ab
Mathildi reginae Anglorum S&ab,
Gotefredo duci S&ab
Isemberto Pictavensi episcopo
Clero et populo Belvacensi si resipuit S&ab
Philippo regi Francorum S&ab
Humberto Lugdunensi archiepiscopo et eius suffra-
ganeis episcopis S&ab
Duci Beatrici et eius filiae Mathildi S&ab . . .
Wratizlao Boemiorum duci S&ab
Annoni Coloniensi archiepiscopo S&ab
Annitiensi clero et popnlo S&ah>
Ind. XII.
Data Rome
14 kal. apr.
13 „
12
11
10 „
2 non.
7 id.
2
17 kal. mai
16
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4855
4856
4858
4859
4860
4861
OO
O
II _ .
V. Abhandlung: Peitz.
Sitzungsber. d. pbil.-bist. Kl. lßö. Ed., fl. Aldi.
81
82
83
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85
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II
1
2
3
4
5
Udoni Trevirensi archiepiscopo S&ab
Omnibus ad quos litterao istao pervenerint 3
Adefonso rcgiHyspaniao et episcopis regni illius S&ab
Herimanno Bavenbergensi episcopo S&ab. . . .
Agneti christianissimae imperatrici S&ab ....
{De episcopis consecratis synodoque habita primo
anno)
LIBER SECVNDYS.
Universis episcopis et abbatibus Britanniae S&ab 4 .
Isemberto Pictavensi episcopo
Guilielmo Pictavensi comiti S&ab
Gozelino Burdegalensi archiepiscopo S&ab 5 .
Manasse Remensi, Richerio Senonensi, Ricliardo
Bituricensi arcbiepiscopis et Adraldo episcopo Car-
notensi caeterisque episcopis Franciae S&ab
Data Rome
Data in expeditione ad
montcm Cimini
Data in expeditione, ad
s. Flaliianum
Data Laurenti
, Tiburis
2 non.
8 id.
7
um.
17 kal. iul.
5 kal. sept.
Ind. XIII.
4 id. sept.
1 Das l auf Rasur von zwei Buchstaben, deren erster d war (urspr. Adefonso?).
2 et von gleicher Tinte über der Zeile naehgetragen.
8 Omnibus—pervenerint von anderer gleichzeitiger Hand auf Rasur; ursprünglich war dort geschrieben episcopus
servorum dei, was jetzt gänzlich fehlt. Am Rande Rubrum Pro Augensi Monasterio.
4 Der Papstname ist sehr groß rubriziert; er reicht durch vier Zeilen über die ganze Breite der Schriftfläche.
5 Nach Burdegalensi eine Lücke, in der ein getilgtes episcopo deutlich zu erkennen ist.
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servus
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Geboardo 1 Bragensi episcopo, quod non meretur, S&ab
Wratizlao duci Boemiorum S&ab ....
Johanni Marovensi episcopo S&ab
Beatrici duci et eius filiae Mathildi S&ab
Udoni Trevirorum archiepiscopo S&ab . .
Alberto comiti et eius uxori S&ab .
Burchardo Halbistetensi episcopo S&ab
Salomoni regi Ungarorum S&ab ....
Guarnerio Argentinensi, Burchardo Basilensi epi-
scopis S&ab
Humberto archiepiscopo Lugdunensi et Agino Augu-
studunensi et Rodulfo Matisconensi episcopis S&ab
Richerio Senonensi archiepiscopo S&ab . . . a pa-
ribus
Sigebaldo abbati monasterii sancti Salvatoris in
Perusia S&ab
Guilielmo comiti Pictavensi S&ab
Richardo Bituricensi archiepiscopo S&ab
Richerio Senonensi archiepiscopo S&ab
(Stephano) abbati Bellilocensi S&ab 3
Hugoni militi de sancta Maura
Is exxx\> erto Pictavensi episcopo ....
Data Rome
lud. XIII.
J-L
10 kal. oct.
?? ?? n
.*? ?? v
17 „ nov. !
.*? ?? ??
7 „ „
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5 »
4 , „
3 id. „
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id. nov.
*? ??
17 kal. dec.
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306 V. Abhandlung: Peitz,
20*
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37
atque G u i-
Gozelino Burdegalensi archiepiscopo
lielmo duci Aquitaniae S&ab 4
Annoni Coloniensi archiepiscopo S&ah
Dionisio Placentino episcoj3o S&ah
Congregationi monasterii sancti Savini Placentiae con-
stituti S&ah
Lemaro Bremensi archiepiscopo
Sigefredo Mogontino archiepiscopo S&ah . . . .
Heinrico regi S&ah
Dictatus papae. 5 Heinrico glorioso regi S&ab .
Manasse Remensi archiepiscopo S&ah
Cuniherto Taurinensi episcopo S&ah 6
Rainerio illustri viro S&ah ....
Guilielmo Papiensi episcopo S&ah
Mathildi S&ah , .
Dictatus papae.’ 1 Omnibus fidelibus sancti Petri, ma-
xime ultramontanis, S&ab
14
5
2 id. „
2 non.
7 id. „
.v y> ??
6 »
2 „ ,
id. dec.
17 kal. ian.
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1 Geboardo ist auf Rasur von anderer gleichzeitiger Hand eingetragen. Die ursprüngliche Schreibung ist in keiner Weise
zu erkennen. Über d ist vom getilgten Wort ein Kürzungshäkchen (für -us) stehen geblieben, aber durchgestrichen.
2 17 durch Rasur aus 18 (römische Zahlen).
3 Nach aervus servorum dei ist bis zum Schluß der Zeile eine Lücke von 29 mm frei.
4 Gozelino ist mit anderer Tinte in die am Schluß der ersten Zeile gelassene Lücke nachgetragen.
5 Rot neben der Zählung zwischen den Briefen; nur -atus papae, gekürzt, ragt auf den Rand.
6 Nach dem Papstnamen (vor episcopus) ist eine Rasurlücke (von episcopus?).
7 Als Rubrum neben der Zahl zwischen den Briefen am Schluß der Zeile, stark gekürzt.
O
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II.
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Uberto comiti et univer.so clero populoque Firmano
in fidelitate sancti Petri persistentibus S&ab . .
Dominico duci et populo Yenetiae S&ab ....
Omnibus sancti Petri fidelibus, ad quos portitores prae-
sentium venerint, S&ab
Clero et populo Feretrano atque clero et populo
Egubino S&ab 1
Guiberto Ravennati archiepiscopo S&ab ....
Dictatus papae. 2 Hugo n i in Burgundia Diensi epi-
scopo S&ab
Judith Ungarorum reginae S&ab
Rodulfo duci Sueviae atque Bertulfo duci Caren-
tano S&ab
Gepizo abbati sancti Bonifatii et Mauro ahbati sancti
Sabae in legatione Marchiae constituti(s) S&ab. .
Rainerio filio Ugizonis atque Rainerio filio Bulga-
relli, uxori quoque Peponis domne Guillae, filiis
etiam comitis Ardingi omnibusque in Clusino comi-
tatu commorantibus, tarn maioribus quam minoribus,
Christi sanctique Petri fidelibus S&ab
Gepizo abbati sancti Bonifatii et Mauro abbati sancti
SaAio S&aA>
Ind. XIII.
Data Rome
11 kal. ian.
9
V ??
4 non.
non. ian.
4 id. „
3 » »
id. ian.
17 kal. fei.
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OS
o
CO
V. Abhandlung: Peitz.
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Hugoni Cluniacensi abbati S&ab
Sanctio regi Hispaniorum S&ab
Sueino regi Danorum S&ab .
Evrardo Aurelianensi elerico
De synodo Romana . .
(Moraviensi et Bragensi episcopis) B
Universis catholicis Placentinae ecelesiae S&ab . .
Laudensis ecelesiae filiis S&ab
Dictatus papae i
Manasse Remensi archiepiscopo S&ab
Fesulano clero et populo, maioribus videlicet atque
minoribus, S&ab
Manasse Remensi archiepiscopo S&ab
Fratribus consistentibus in abbatia Romana super
fluvium Iseram constituta S&ab
Ottoni Constantiensi episcopo,S&ab
D(ietwino) Leodicensi episcopo S&ab
Sichardo fratri et coepiscopo Aquilegiensi S&ab
Geuse Ungarie duci S&ab
Ivoni abbati monasterii sancti Dionisii in Parisio
Data Kome in synodo
Data Rome
11
9
8
2
.. mart.
6 non. mart.
5 , • ,,
4 non. mart.
3 ..
7 id. „
3 „ „
10 lcal. apr.
8
1 atque—Egubino auf Rasur eines früheren längeren Textes.
2 Mitten in der Zeile zwischen den zwei Briefen, rot.
3 Am Rande schwarz von anderer Hand zugefügt.
4 Rubrum mitten auf der freien ersten Zeile mit verlängerten Oberschäften wie in der ersten Zeile der Urkunden.
5 Das D des Adressatennamens steht in der ersten Zeile vor dem in das Spatium hineingerückten Adreßrubrum.
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III
1
2
3
4
5
lud. XIII
Monachis monasterii sancti Dionisii S&ab
Burchardo Halvestetensi episcopo S&ab .
Ann oni Coloniensi archiepiscopo S&ab ....
Wezelino Magadeburgensi archiepiscopo S&ab .
Cuniberto Taurinensi episcopo 1
Geusae Ungariae duci S&ab
Wratizlao Boemiorum duci S*&ab
Universis in Boemia constitutis, inaioribus atque mino
ribus S&ab
Bolezlao duci Poloniorum S&ab
Demetrio regi Ruscorum et reginae uxori eius S&al)
Sueino regi Danorum S&ab
Clero et populo Babenbergensis ecclesiae S&ab .
Geboardo Salzburgensi archiepiscopo S&ab . .
LIBER TERTIYS.
Clero et populo Babenbergensis ecclesiae S&ab .
Sigefredo Mogontino archiepiscopo S&ab . . .
Heinrico regi S&ab
Sigefredo Mogontino archiepiscopo S&ab .
TBeatrici duci et jM.ath.ildi. fi.li.ae eius S&al>
Data Rome | 8 kal. apr.
4 „ »
r r
Data Laurenti
Data Rome
5 id. „
15 kal. mai. 2
s
12 „
15 ..
v r ;;
12 .. „
15 .. iul.
13 kal. aus
lud. XIY.
3 non. sept.
3 id.
J-L
4947
4948
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4950
4951
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4964
4966
w
o
V. Abhandlung-: Peitz.
i a.
o a
6
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8
9
10
10 a
11
12
13
(Excom/municatio Heinrici regis)
Omnibus qui cupiunt se annumerari inter oves, quas
Christus heato Petro commisit, S&ab
Heinrico regi S&ab
Tedaldo Mediolanensi clerico S&ab, si oboedierit .
Fratrihus et episcopis Gregorio Vercellensi, Cuni-
berto Taurinensi, Ingoni Astensi, Ogerio Ipore-
giensi, Opizoni Laudensi et caeteris suffraganeis
sanctae Mediolanensis eeclesiae oboedientibus apo-
stolieae sedi S&ab
Heinrico regi S&ab, si tarnen apostolicae sedi, ut
christianum deeet regem, oboedierit
De synodo
Arnaldo fratri et coepiscopo Aeherentino S&ab .
Fratribus et coepiscopis Udoni Treverensi, Theo-
d e r i c o Yirdunensi et H erimanno Mettensi
S&ab
Clero et populo Rosellanae eeclesiae S&ab ....
Data Rome
Data Rome
6 id. dec.
6 „ ian.
2 id. mart.
[4978 a ]
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4972
4978 a
4982
4986
4987
1 Ursprünglich war S&ab am Schlüsse der Adresse hinzugefügt, wurde aber ausradiert. Eine viel spätere Hand und Tinte
hat die noch deutlich erkennbaren Umrisse der Buchstaben dünn nachgezeichnet. Die gleiche Hand und Tinte hat auch
an vielen anderen Stellen undeutlich gewordene oder verblaßte Buchstaben nachgefahren.
2 15 ist durch Rasur aus 18 gebildet (römische Zahlen); mai ist auf Rasur von iunii.
3 15 durch Rasur aus 18 entstanden; mai ist aus iunii mit Rasur umgeschrieben.
•* 15 durch Rasur aus 17; mai auf Rasur von iun.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II.
III
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17
17a
17 b
18
19
20
21
IV
1
lud. XIV.
J-L
Dominico patriarchae Gradensi S&ab
Wifredo Mediolanensi militi S&al)
Rieherio Senonensi archiepiscopo S&ab
Rainerio Aurelianensi episcopo S&ab, si oboedierit
(Iusiurandum Berengarii Turonensis}
Iusiurandum Roberti dicti C'arnotensis episcopi
Symeoni Hyspanoruin episcopo S&ab
Dilecto in Christo fratri Ciriaco Cartaginiensi 2 arclii-
episcopo S&ab .
Clero et populo Buzeae i. e. Yppona 3 in Mauritania
Sitifense i. e. in Africa constituti(s) S&ab . . .
Anazir regi Mauritanrae Sitifensis provinciae in
Africa
LIBER QVARTVS.
Omnibus in Christo fratribus episcopis videlicet abba-
tibus atque saeerdotibus. Ducibus etiam principibus
atque militibus omnibusque christianam fidem et
beati Petri honorem re vera diligentibus in Romanum
imperium habitantibus S&ab
Herimanno Mettensi episcopo S&ab
Data Rome
Actum Rome
Data Rome
mense apr.
mense apr.
„ mai.
„ iun.
Data Laurenti
Tiburis
8 kal. aug.
.. sept.
4988
4989
4990
4991
[5102 a ]
4993
4994
4995
4996
4998
5000
ii
i
312 V. Abhandlung: Peitz.
4
5
6
7
8
9
10
11
12
Omnibus dilectis in Christo fratribus et coepiscopis du-
cibus comitibus, universis quoque fidein cbristianam
defendentibus in regno videlicet Teutonico babitan-
tibus S et omnium peecatorum absolutionem per a b
Clero et populo Dolensi in Britannia S&ab ....
Omnibus episcopis Britanniae S&ab
Heinrico Leodicensi episcopo S&ab
Heinrico Arderico Wifredo fidebbus sanctae apo-
stolicae sedis, legitimis filiis Mediolanensis eccle-
siae S&al)
Episcopis Tusciae Constantino Aretino, Rainerio
Florentino, Leoni 4 Pistoriensi, Anselmo Lucensi,
Lauf ran co Clusino S&ab
Richerio Senonensi archiepiscopo S&ab
Adile Flandrensi comitissae S&ab
Roberto comiti Flandrensi S&ab
Omnibus arcliiepiscopis episcopis ducibus comitibus
caeterisque principibus regni Teutonicorum christia-
nam fidein defendentibus S&ab
Ind. XV.
Laurenti
Rome
3 non. sept.
5 kal. oct.
5 „ nov.
kal. nov.
4 non. nov.
4 id. ..
1 Nach Data Rome ist bis zum Schluß der Zeile ein Raum von ungefähr 2 cm freigelassen; in der nächsten
indictione XIV.
2 Das zweite i mit gleicher Tinte über der Zeile naehgetrageu.
3 Von gleichzeitiger Hand mit gleicher Tinte wie der Brief klein über der Zeile hinzugefügt.
J Von anderer Tinte auf Rasur.
5002
5003
5004
5006
5007
5008
5010
5011
5012
5014
Zeile steht
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 313
IV
Ind. XV.
J-L
12 a Iusiurandum Heinrici regis Teutonicorum
13 i Rodulfo Turonensi arehiepiscopo S&ab .
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
Universo clero et populo Carnotensis ecclesiae S&ab
Richerio Senonensi arehiepiscopo et coepiscopis
suffraganeis tuis (!) excepto eo, qui interdictus est,
S&ah
Romanensibus clericis
Wilielmo regi Anglorum S&ah
Aniciensibus canonicis
Universis Galliarum episcopis et cunctis ordinibus
sub eis constitutis, quibus pro inerito debetnr,
S&ab
Josfredo Parisiacensi 1 episcopo S&ab
Herimanno Mettensi episcopo S&al)
Hugoni venerabili Diensi episcopo S&ab ....
Bernardo sanctae Romanae ecclesiae diacono et
Bernardo Massibensi abbati S&ab
Arehiepiscopis, episcopis, ducibus, comitibus et uni-
versis CKristi ficlelilv
clericis et laicis, tai4a
Actum Canusiae
Data in Longobardia in
loco qui dicitnr Carpineta
Data Carpinete
Data apud castrum
quod dicitnr Carpuni
Data Bibianello
Data inxtaPadnm in loco
qui dicitnr Ficarolo
Data Carpinete
5 kal. feb.
kal. mart.
4 non. mart.
14 kal. apr.
12 „
10 ..
8 ,.
.. id. ..
4 id. mai.
2 kal. iun.
5021
5022
5023
5026
5027
5028
5029
5030
5031
5033
5034
314 V. Abhandlung: Peitz.
II
25
26
27
28
1
2
3
4
ribus quam minoribus, in regno Teutonicorum con-
sistentibus S&ab
Neemiae Strigonensi in Ungaria 2 archiepiscopo S&ab
Do mini co patriarchae Gradensi et caeteris episcopis
Venetiae S&ab
Domini co Silvio duci Venetiae et populo Venetiae
S&ab 3
Regibus comitibus caeterisque principibus Hyspaniae
S&ab
LIBER QVINTVS.
Canonicis sancti Martini Lucensis ecclesiae ....
Omnibus episcopis clericis consulibus maioribus et
minoribus in insula Corsica consistentibus S&ab .
Rodulfo Senensi episcopo et Rainer io Florentino
episcopo S&ab
Omnibus episcopis et viris nobilibus cunctisque tarn
maioribus quam minoribus in insula Corsica con
sistentibus S&ab
Data Florentiae
Data Sene
Rome
5 id.
4 käl. iul.
3 id. aug.
Ind. I.
kal. sept.
16 kal. oct.
5035
5036
5037
5038
5041
5045
5046
5047
5048
1 Josfredo Parisiacensi ist mit anderer Tinte in den vom ersten Schreiber dafür freigelassenen Raum nachgetragen.
2 Neemiae Strigoniensi in [Ing. steht auf Rasur; zuerst war geschrieben: Stringonensi (!) in Ungaria ohne Namen.
3 Eine andere Hand hat mit anderer Tinte den Namen Dominico Silvio in den freigelassenen Raum nachgetragen und
nach duci (am Schluß der Zeile) Venetiae auf den Rand hinaus zugefügt. Mit et populo Venetiae beginnt fol. 132 b . So
erklärt sich das doppelte Venetiae.
Das Originalregistor Gregors VII. — Beilage II. 315
r>
6
9
10
11
12
13
14
l 4 a
15
Clei'o et populo Aquilegiensis ecclesiae S&ab .
Omnibus episcopis Aquilegiensis ecclesiae suffraga-
neis, liis, qui se vere fratres exhibueruut, S&ab:
illis vero, qui non solum a caritate fraternitatis,
sed ab unitate etiam ecclesiae scismatica pravitate
discesserunt, debitae sollicitudinis exhortationem .
Udoni Trevirensi archiepiscopo et eius coepiscopis
suffraganeis S&al)
Richerio Senonensi archiepiscopo 1 et Richardo
Biturigensi eorumque suffraganeis S&ab ....
Rainerio dicto Aurelianensi episcopo
(Haraldo) 2 regi Danorum S&ab
Hugoni Diensi episcopo S&ab
Michaheli Sclavorum regi S&ab
Gruib erto Ravennati archiepiscopo omnibusque suffra
ganeis eius 4 et universis episcopis et abbatibus in
marcbia Firmana et Camerina et in Pentapolim et
Emilie 5 et Longobardiae partibus constitutis
Clero et populo Aurelianensis ecclesiae S&ab .
('Concilium)
Archiepiscopis, episcopis, clericis, ducibus, principibus,
marcbiicmiVms omnibusque maioriYms et minorilrms
Data Rome
Data Rome
Actum Rome
Ind. 3.
15 kab oct.
2
2 non. „
8 id. nov.
5 id. ian. 3
5 kal. feb.
4 „ „
5 non. mart.
J—L
5049
5050
5051
5052
5053
5054
5055
5061
5063
5064
5064 a
316 V. Abhandlung; Peitz.
16
17
18
19
20
21
22
28
TI
1
in Teutonico reg'no constitutis exceptis is (!), qui
canonica excommunicatione tenentur, S&al),
cretis Romanae ecclesiae oboedierint .
Udoni Trevirensi archiepiscopo S&ab . .
(De Manasse Remensi aliisque restitutis) ,;
H(uzmarino) 7 Spirensi episcopo S&ab . .
Guilielmo regi
Anglorum S&ab
de-
Rainerio Aurelianensi
Hugoni Cluniacensi abbati S&ab ....
Huberto subdiacono et Teuzoni monacho S&ab
Oeli, Gausfredo Redonensi, itein Gausfredo filio
Eudonis nobilibus comitibus Britanniae S&ab .
LIBER SEXTVS.
Omnibus clericis et laicis in regno Teutonico con
stitutis, qui excommunicationis vinculo non tenentur
S&ab
Data Rome
Actum
Data
,, Lateranis
Data Capue
7 id. mart.
14 kal. apr.
2 non. „
8 kal. mai.
non. mai.
11 kal. iun.
kal. iul.
5065
5066
5067
5070
5074
5075
5076
5077
5078
5080
1 Über der Zeile mit anderer Tinte nachgetragen.
2 Vor regi ist ein Spatium von 22 mm freigelassen.
3 Jan. ist aus iun. umgeschrieben.
4 Über der Zeile von gleicher Hand nachgetragen.
■ 5 Emilie umgeschrieben aus imelie.
6 Ein Judikatsbrief ohne Adresse; eingeschaltet ist das Juramentum Manasses.
7 Nach H ist ein Spatium von 24 mm für den Namen gelassen.
TI
2
3
o
6
6 a
8
9
10
11
12
13
lud. I.
Cluniacensi
Manasse Remensi archiepiscopo S&ab
Hugoni Diensi episcopo et Hugon:
abbati S&al)
Heinrico Leodiensi episcopo S&ab, si contemptoribus
Romanae synodi habitae in praeterita quadragesima
non cominunicat
Herimanno Mettensi episcopo S&ab
{Marronis donatio de Castro quod vocatur Moricicla) .
{De synodo)
{De controversia inter Cunibertum episcopum Tauri-
nensem et Benedictum abbatem S. Michaelis Clusini) 1
Hugoni Diensi episcopo S&ab
Uberto et clericis et comitibus de Castro s. Pauli,
Guidoni et Ugoni, S&ab, si oboedierint
Archidiaconibus Taruannensis ecclesiae Ernolfo et
Huberto et canonicis, si eanonice vixerint, S&ab
Omnibus Ravennatibus maioribus et minoribus, qui
beatum Petrum eiusque filium sanctum videlicet
Apollinarem (diligunt), S&ab
Clericis sancti Martini Lucensis ecclesiae S&ab .
Dilecto in Christo fratri Landulfo Pisano episcopo
snisque successorilms
Data ad s. Germanuni
Data
I ;
in burgo
Data Sutrio
Rome
Data Rome
A.ctuin Homo
11 kal. sept.
» » >:
lud. II.
8 id. oct.
11 kal. nov.
mens. nov. die XVII.
8 kal. dec.
6
4
.T-L
5081
5082
5083
5084
5084 £
5085
5086
5088
5089
5091
5092
5093
w
t—^
GO
/
V. Abhandlung': Peitz.
14
15
16
17
18
18 a
19
20
21
22
23
24
25
26
Olauo Noruechcorum regi S&ab
Wclfoni duci S&ab
Carissimis fratri bus in monasterio Massiliensi commo-
rantibus S&ab
Dilecto in Christo fratri Berengario Gerundensi
episcopo S&ab
H(ugoni) venerabili Cluniacensi abbati et carissimo
fratri S&ab
{De synodo)
Eurardo Parmensi episcopo
Hirimanno, Oudelrico, Fredorico, Mazelino,
Heroldo, Wirintoni, Goteboldo militibus Baben-
bergensis ecclesiae
Centullo comiti S&ab
Universo clero et populo Arelatensis 4 ecclesiae S&ab
Dilecte in Christo filiae Mathildi S&ab
Clero et populo Aurelianensis ecclesiae S&ab .
Amato Elorensi episcopo in Wasconia S&ab . . .
Arnaldo abbati sancti Seueri S&ab
Data Rome
77 77
Rome 2
Data in synodo
?? ?? r>
Data Rome
77 7?
7? 77
77 77
77 77
77 77
18 kal. ian.
3 „ ,
4 non. „
16 kal. mart.
13 3 „ „
5 »
kal. mart.
5 non. mart.
3 „ „
8 id. „
5096
5097
5100
5101
5102
5102
5104
5105
5111
5112
5113
5114
5115
5116
1 Ein Judikatsbrief ohne Adresse.
2 Borne von gleicher Hand über der Zeile nachgetragen.
3 Korrigiert aus 14.
4 Alenlatensis cod.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 319
VI
lud. II.
J-L
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
Fulcardo 1 Insulanae congregationis praeposito caete-
risque eiusdem congregationis canonicis, tarn mino-
ribus quam maioribus, licet aliter meritis, S&ab .
Monachis Dolensis monasterii
Rodulfo, Oddoni, Epponi, Humbaldo, Euer-
archo, Bosoni, Giraldo, Adelardo et cae-
teris principibus Bituricae regionis S&ab, si oboe-
dierint
Ladizlao Ungarorum regi S&ab
L an franco Cantuariorum archiepiscopo S&ab . .
Omnibus archiepiscopis, episcopis, principibus, cle-
ricis, laicisque in Provincia commorantibus exceptis
bis, qui excommunicationi subiacent, S&ab . .
Isemberto Pictavensi episcopo S&ab ....
Hugoni Cluniacensi abbati S&ab
Gebuino Lugdunensi archiepiscopo S&ab 8 .
Fratribus et coepiscopis Rotomagensi, Turonensi et
Senonensi S&ab
Canonicis Lugdunensis ecclesiae S&ab ....
Jordano 3 Capuano principi
Heinrico karissimo in Christo fratri et coepiscopo
A-quilegiexisi S&aV>
Data Rome
Datum
Data
2 id. mart.
13 kal. apr.
12 „
8
2
id. apr.
18 kal. mai.
12 „ ,
11 ,,
! 16 „
5117
5118
5119
5120
5121
5122
5123
5124
5125
5126
5127
5128
5131
320 V. Abhandlung: Peitz.
■. d. phil.-bist. Kl. 165. Bd„ 5. Abb.
I
u
IUI.
I 0151 II
40
41
VII
1
2
3
4
5
6
7
8
Rainaldo Cumano episcopo S&ab
Bosoni 4
LIBER SEPTIMYS.
Dilecto in Christo filio Huberto sanctae Romanae
ecclesiae subdiacono S&ab
Lucensi clero et 5 populo exceptis bis, qui non com-
municant neque consentiunt excommunicatis, S&ab
Omnibus fidelibus sancti Petri in Teutonico regno
commorantibus S&al)
Wezelino nobili militi S&al)
Acono regi Danorum S&ab
Carissimo in Christo filio. A.(defonso) glorioso regi
Hispaniarum S&ab
Riccardo cardinali in legatione Hispaniae constituto
S&ab
Dilectis in Christo Massiliensis congregationis fratribus
S&ab
„ Lateranis
Data Rome
?? ??
11
Ind. III.
9 kal. oct.
kal. oct.
4 non. oct.
id. oct.
18 kal. nov. 6
4 non. nov.
5132
5133
5135
5136
5138
5140
5141
5142
5143
5144
1 Die erste Hand hatte nur das F geschrieben und darnach bis zum Schluß der Zeile, etwa 35 mm, freigelassen 5 eine
zweite Hand ergänzte den Namen mit etwas dunklerer Tinte, ohne den Raum auszufüllen.
2 Das Rubrum lautet: Privilegium JLugdunemis ecclesiae.
3 Mit Rasur korrigiert aus Jordanif?).
4 Nach Bosoni vielleicht Rasur bis zum Ende der Zeile.
5 Cod. zweimal et.
0 Datum von anderer Hand nachgetragen.
05
LnS
Das Oiiginalregister Gregors VII. — Beilage II.
YII
10
11
12
13
14
14 a
15
16
17
18
19
20
21
22
23
lud. III.
Fratribus et coepiscopis Astensi, Taurinensi et electo
Aquensi S&ab
Ejdscopis, sacerdotibus, principibus aliisque omnibus
in Brittannia commorantibus S&ab, si oboedierint.
Wratizlao Boemiorum duci S&ab
Manasse Remensi archiepiscopo S&ab
Theoderico ’Virdunensi episcopo S&ab
Heinrico Leodicensi episcopo S&ab
{De synodo)
Diffinitio sinodalis inter archiepiscopum Turonensem
et episcopuvi Dolensem de pallio
Huberto Taruannensium 2 episcopo
Dolensibus monachis S&ab
Wilielmo Auxiensi archiepiscopo S&ab
Omnibus in Bituricensi nec non Narbonensi seu Bur-
degalensi prouinciis constitutis exceptis his, qui apo-
stolica exconnnunicatione tenentur, S&ab 8
Manasse Remensi
Acono regi Danorum, episcopis, principibus, clero
et populo S&ab
Arnaldo Cenomannensi episcopo S&ab
Gcwillelmo regi Anglorum S&ab ,
Data Rome
Acta Rome
Data 1 Rome
3 non. nov.
7 lcal. dec.
4 non. ian.
^ V »
3 kal. feb.
77 77 7?
non. mart.
8 id. mart.
7 kal. apr.
9 „ „
2 id. ..
77 7? 77
15 kal. mai.
13
8
•T-L
5145
5146
5151
5152
5153
5154
5154"
5155
5157
5156
5161
5162
5163
5164
5165
5166
•oo
BO
bO
V. Abhandlung: Peitz.
21*
24
25
26
27
28
VIII
1
l a
1”
Willelmo abbati Hirsaugiensis monasterii S&ab
Gfuilielmo reg'i Anglorum S&ab
Matliildi reginae Ang'lorum S&ab
Roberto filio regis Anglorum S&ab ....
Fratri et
S&ab .
coepiscopo Beneventano . R . (offredo)
LIBER OCTAVVS.
. Gr.(regorio) Dilecto in Christo fratri Simandensi
archiepiscopo S&ab
Juramentum Roberti ducis 5
Investitura dorrini Gregorii papae, qua Robertum du-
cem investivit
Constitutio reddendi census in die resurrectionis Do
mini, duorum(!) videlicet denariorum Papiensis
monete de tota Apulia, Calabria et Sicilia .
Ugoni venerabili Cluniacensi abbati S&ab ....
Actum Lateranis
Data Rome
Actum Ciperani
3 kal. iul.
Actum ut supra
Datum Ciperani
5 kal. iul.
5167
5168
5169
5170
5171
5172
5176
5173
1 Umgeschrieben aus Datu.
2 Taruannentium Cod.
3 Ursprünglich war geschrieben Data Rome. II.non, dann merkte der Schreiber seinen Irrtum, durchstrich non und fuhr
in der nächsten Zeile weiter fort id ap.
4 Nach constitutis folgte ursprünglich S&ab. Später wurde Salutem ausradiert und in die Lücke und auf den Rand der
Nachtrag exceptis — tenentur gesetzt; Salutem wurde vor die nächste Zeile geschrieben. Die Änderung stammt vielleicht
von anderer Hand.
5 Am Rande von anderer, späterer Hand (des 12. Jahrhunderts?).
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 326
VIII
3
4
5
6
7
10
11
12
Ind. III.
J-L
Dilectissimo in Christo filio regi A(defonso) 1 S&ab
Richardo karissimo filio S&ab
Dilectis in Christo fratribus et coepiscopis per princi-
patus et Apuham et Calabriam constitutis S&ah .
Fratribus et coepiscopis in Apulia et Calabria commo-
rantibus S&ab
Fratribus et coepiscopis christianam religionem defen-
dentibus, caeterisque clericalis ac laicalis ordinis
sancti Petri fidelibus S&ab
Fratri et coepiscopo Salernitano Alfano S&ab . .
Omnibus archiepiscopis, episcopis diversique ordinis
ac potestatis clerieis et laicis in teutonico regno
morantibus, illis dumtaxat, qui sanctae Romane
aecclesiae fideliter obaediunt, S&ab. . . . . .
Glorioso iudici Caralitano . Orzocco . S&ab
.I.(nge) glorioso Suetonum regi S&ab
Omnibus episcopis abbatibus clerieis atque laicis
in marcliia Tuscana, Firmana et in exarebatu
Ravennati constitutis, qui sanctae R (omanae)
aecclesiae, sicut cliristianos oportet, obaediunt,
S&ab
Datum Cicani
Data —
Datum Rome
12 kal. aug.
and- IV.)
14 kal. oct.
10 „ „
3 non. oct.
4
- 1 n ii
id. oct.
5174
5175
5177
5178
5179
5180
5181
5184
5185
5186
324 V. Abhandlung: Peitz.
13
14
15
16
17
18
Omnibus clericis et laicis Ravennae morantibus, qui
beaturn A. (pollinarem) dilig'unt et sanctae R. (oma-
nae) aecclesiae, sicut christianos oportet, obaediunt,
S&ab
Omnibus episcopis, abbatibus,, fcomitibus atque militilius
in parroecliia Ravennati et in Pentapoli nee non et
in marchia Firmana et in ducatu Spoletino commo-
rantibus, illis videlicet, qui beaturn Petrum diligunt
neque vinculis excommunicationis tenentur, S&ab .
Omnibus in episcopatu Valvaensi habitantibus, maio-
ribus atquo minoribus, sive potestatem in eo haben-
tibus, qui gratiam beati Petri cupiunt, S&ab . .
. R. (aimundo) et . B . (ertrando) nobilibus comitibus
S&ab
Universo Remensis ecclesiae clero et populo S&ab .
Ebolo 3 nobili et glorioso comiti S&ab
3 id. dee.
2 „ „
10 kal. ian.
6 „
5187
5189
5190
5191
5193
5194
1 Die erste Hand schrieb nur .A.; von zweiter Hand wurde defonso Uber der Zeile hinzugefügt.
- Der ganze Brief steht von multimodi criminis an (J 434°), soweit er sich nämlich auf fol. 197 a befindet, auf Rasur. Die
ursprüngliche Schrift enthielt, wie sich mit vollster Sicherheit feststellen läßt, den gleichen Text, der aber drei Zeilen
mehr umfaßte, so daß jetzt auch die drei ersten Zeilen von VIII 6 (bis imperatorem Constan-) auf Rasur zu stehen
kamen. Daß die größere Ausdehnung der ersten Niederschrift nicht Folge von textlichem Mehrgehalt war, sondern nur
auf Rechnung der weitzügigeren Schrift kam, beweisen die zahlreichen Stellen, die/ sich noch entziffern lassen, und der
gleichmäßig zunehmende Abstand dieser von den entsprechenden Stellen der zweiten Schreibung. Über den Grund der
Tilgung ließen sich wohl nur Vermutungen aufstellen.
3 Mit etwas anderer Tinte und vielleicht von anderer Hand.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II. 325
VIII
19
20
20“
21
22
23
IX—XI>
1
2
3
4
5
Omnibus episcopis suffraganeis videlicet sanctae Re-
mensis ecclesiae, his tarnen, qui se ab excommuni-
catis custodiunt, S&ab
Philippo glorioso regi Francorum S&ab ....
Concilium
Dilecto in Christo fratri Her (im anno) Metensi epi-
scopo 1 S&ab
. A . Dilectissimae in Christo filiae S&ab
Dilectis filiis nostris .P.(etro) Albanensi episcopo et
.C.(isulfo) Salernitano legatis nostrae apostolicae
sedis in Gallias S&ab
(LIBRI NONYS. DECIMVS. VNDECIMVS.) 2
.W.(illelmo) Rotomagensi archiepiscopo S&ab .
.A.(defonso) glorioso regi Hispaniae S&ab . . .
Dilecto in Christo fratri et coepiscopo Pataviensi
.A.(ltmanno) et venerabili Idirsaugiensi abbati
.W.(illelmo) S&ab
Venerabili abbati Casinensi .D.(esiderio) S&ab. .
Dilectis in Christo fratribus .H.(ugoni) Diensi epi-
scopo et . A.(mato) S&ab
<Ind. IV.)
J-L
Datum —
6 kal. ian.
7? 77 77
id. mart.
<In<l. V-VII.)
5195
5196
519,8“
5201
5202
5203
5204
5205
5206
5207
5208
326 V. Abhandlung:
7
8
9
10
11
[11“]
11»
11°
Dilecto in Christo filio . R.(ichardo) sanctae Ro-
manae ecclesiae cardinali sacerdoti atque ahbati
Massiliensi suisque successoribus regulariter promo-
vendis in perpetuum
Omnibus deo et beato Petro fidelibus S&ab . .
Glorioso duci et genti Veneticorum, his tarnen, qui
non communicant 3 excommunicatis, S&ab
. T. nobilissimo comiti S&ab
.A.(ltmanno) Pataviensi episcopo S&ab ....
. D. (esiderio) venerabili cardinali sancti Petri et
abbati Casinensi 5 S&ab
[Omnibus in episcopatu Valvensi habitantibus, maio-
ribus atque minoribus, sive potestatem in eo liaben-
tibus, qui gratiam beati Petri cupiunt, S&ab] c . .
Iusiurandum Bertranni comitis Provinciae ....
Aliud, iuramentum eiusdem (Bertranni)
Data —
Data Lateranis
[Datum —
6 id. apr.
4 kal. mai. 4
2 id. dec.]
5211
5209
5210
5216
5217
5218
[5190]
5219“
1 Hermetensi episcopo (!) Cod.
2 Oben am Rande von fol. 213 a schrieb eine Hand des 12. Jahrhunderts mit blaß-rotbrauner Tinte: Ex liS VIIII. Begixtri
eiusde GG.PP.VIL Eine dritte Hand setzte mitten auf den oberen Rand: . libr\ IX’. Nach dem Zahlzeichen scheint
es die gleiche Hand, die auf fol. 236 a die Zahl korrigiert hat (J 51G a ).
3 Das n von gleicher Hand über der Zeile nachgetragen.
4 Hinzugesetzt ist: Indictione IV(!).
5 Casinensi steht auf einer viel größeren Rasur; es ist noch eine Lücke von 20 mm frei.
6 Das Stück ist eine Wiederholung von VIII 15 mit minimalen Varianten. Eine Hand des 15. Jahrhunderts fügte zu
seinem Anfänge die Randnote hinzu: Ista epistola est superius posita libro. Vgl. J 486 a .
oo
LnD
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II.
IX—XI
12
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14
15
16
17
18
19
20
[20*]
21
22
23
(Ind. V—YII> J-L
. C . glorioso comiti 1
Wisigothorum gloriosis regibus . I.(nge) et. A.(lstano)
et populis 2 S&ab
Dilecto in Christo fratri .H.(ugoni) Diensi episcopo
S&ab
Clero et populo Carnotensis ecclesiae S&ab
R.(oberto) glorioso duci S&ab
. Hu.(goni) dilecto in Christo fratri et coepiscopo
S&ab
Dilecto in Christo fratri .H.(ugoni) Lugdunensi
arcliiepiscopo S&ab
.L. (anfranco) Cantuariorum archiepiscopo S&ab
Omnibus episcopis, abbatibus, clericis et laicis aposto-
lice sedi fidelibus S&ab
[.R.(aimundo) et .B.(ertrando) nobilibus comitibus
S&ab] 3
.R.(oberto) 4 nobili Flandriensium 5 comiti S&ab 6
Abbatibus, clericis et laicis Turonensis 7 archiepisco-
patus et episcopatus Andegavensis, qui deo et
beato Petro atque sedis apostolicae legatis obediunt,
S&ab
.R.(ogerio) noRili comiti S&aR
Data Lateranis
Datum
[Data
2 non. dec.
9 kal. nov.
10 kal. ian.]
5280
5221
5222
5224
5225
5220
5246
5228
5229
[5191]
5245
5231
Ö23E
03
LO
CC
V. Abhandlung: Peitz.
_
24
25
26
27
Dilecto in Christo fratri . H(erveo) Capuano arclii-
episcopo ceterisque principatuum episcopis, qui
heato Petro obedientes christianam religionem con-
stanter defendunt, S&ab
. J.(ohanni) 8 Neapolitano archiepiscopo S&ab . .
Hermanno dilocto in Christo fratri sanctae Romanae
ecclesiae cardinali S&ab
Clericis et laicis, qui non tenentur excommunicatione,
S&ab
5234
5235
5236
5237
1 Im Kodex folgt an dieser Stelle der Brief an Robert von Flandern (unten IX 21). Aber eine Marginale von gleich
zeitiger Hand sagt: Haec epistnla hic errore scriptoris posita debuit inferius scribi, und die nämliche Hand fügt später
dem liier eingeschalteten Briefe an den Grafen . C. die Randnote bei: Haec similiter epistola debuit in superioribus
scribi. Wie schon die parallele Fassung beider Bemerkungen nahelegt und das similiter an der zweiten Stelle unmittelbar
deutlich macht, mußten die beiden Briefe nach dem Willen des Korrektors vertauscht werden. Vgl. J 487 b und 496 b .
2 Das -is in populis ist von der Hand des Korrektors über der Kürzung pp des ersten Schreibers nachgetragen.
3 Der Brief ist eine Wiederholung von VIII 16, wie auch die Randnote des 15. Jahrhunderts •— von der gleichen Hand
wie die entsprechende zu IX 11 a — bemerkt: Ista eadem epistola et sab eadem data de verho ad verbuni est superius
inserta libro 8 epistola 16.
4 .R. steht am Anfänge einer größeren Rasur (von 18mm); sein oberer Teil ist ursprünglich, nur die unteren Schäfte
sind neu. Am Schlüsse des getilgten Wortes stand ein o: es dürfte wohl ursprünglich Roberto ausgeschrieben ge
wesen sein.
5 In Flandri \ ensium ist das dri von der Hand und Tinte des Korrektors (dem die Marginale angehört) hinzugefügt; vor
ensium ist ein d ausradiert.
6 In der Handschrift steht dieser Brief nach IX ll c ; vgl. oben Anm. zu IX 12.
7 Vom Korrektor .umgeschrieben aus Turinensis.
8 Nach . J. ist fratri ausradiert.
oo
LO
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage II.
IX—XI
<Ind. Y—YII.>
28
29
30
31
32
33
XII
1*
1
2
. R.(ichardo) sanctae Romanae ecclesiae cardinali et
abbati Massiliensi S&ab
. 0 . et. E . 1
Dilectissimo fratri et coepiscopo . H.(ugoni) S&ab .
Venerabili 2 . H.(ugoni) Lugdunensi archiepiscopo
S&ab
.R.(oberto) glorioso comiti Flandriensi S&ab. . .
.Gr.(erardo) Cameraeensi episcopo, .R.(atbodo) No-
viomensi, .R.(oriconi) Ambianensi et omnibus
ecclesiarum rectoribus atque principibus in Flan-
dria sub .R.(oberto) comite nobilissimo militanti-
bus S&al), si obaedicrint
LIBER DYODEOIMYS. !
{De synodo)
.R.(oberto) glorioso comiti S&ab .
Grilielmo Regi
Anglorum S 4
(Ind. VIII.)
J-L
5238
5243
5240
5251
5252
5248
5259 11
5249
5254
1 Das Rubrum (in der letzten Zeile von IX 28) lautet: A . et E.militibus Teruannensibus.
2 Mit Rasur verbessert aus venerabibe(?J.
a Über die Gründe, die für diese Überschrift sprechen, vgl. oben in der Abhandlung’ S. 50.
agszeichon, ct7> felilt.
Bei diesem Briefe findet sich nur das S mit KUr/.u
oo
oo
o
V. Abhandlung: Peitz.
Beilage III.
Übersicht der Adressen und Datierungen iin Keg. Tat. 6,
Kegestum domni Innocentii tertii papae super negotio Romani Imperii. 1
. . archiepiscopo Maguntiho episcopo Sabinensi
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie
Littere regis Ottonis ad domnum papam.
Littere regis Anglie.
Littere regis Anglie
Dat. Lat. V. N. Mai. p. n. a. II.
Dat. Lat. etc. . . . p. n. a. II.
Teste meipso apud Barnevillam,
XVIII. die Aug.
1 Vgl. Denifle (Areli. Lit. Kirch.-Gesch. II) To 1 . Richtiger las das nach dem Tode Gregors XIII. 1585 aufgenommene
Inventar. Vgl. Kaltenbrunn er a. a. 0. (MIöG V) 2S8, vgl. 262. Tueek 48. Text und Zahlen nach MSL 216, mit
Emendation nach Luchaire, Tucelc und eigenen Aufzeichnungen, ohne daß damit kritischer Text hergestellt sein soll,
wozu meine unvollständigen Kollationen nicht ausreichten. In Klammern stehen die von MSL abweichenden Zahlen
der Handschrift (vgl. Tucek, Beilage I 71—75). Für die Datierungen vgl. Tucelc 9. 20—21. 53—57. 59. Rubra und
Daten des Einlaufes sind kursiv gedruckt; ergänzte Rubra stehen in [']. Die durch Siglen bezeichnten Namen wurden
ergänzt. — Ein voller Horizontalstrich zwischen den Briefnummern bedeutet, daß in der Handschrift der folgende Brief
in Tinte und Duktus oder Hand sicheren und augenfälligen Wechsel aufweist; ist der Neuansatz nicht so augenfällig,
so wird das durch Wellenlinie angedeutet. Der erste Brief jeder inhaltlich-formalen Gruppe ist durch * vor der Nummer
gekennzeichnet; außerdem werden die Gruppen durch punktierte Linien in der Datenkolumne geschieden. Die ver
gleichende Übersicht der Nummern hei Potthast, Böhmer und in MGLL IV 2 bietet Tueeks Beilage II 75 — 77. — Bei
der Kürze der Zeit und dem Umfange der Arbeiten war es mir vorderhand unmöglich, eine genaue Einzelvergleichung
der Briefe Stück für Stück vorzunehmen. Vielleicht, daß eine solche auch an jenen Stellen eine Änderung hätte er
kennen lassen, wo solche m erwarten wäre, mir aber nicht auffiel (z. B. bei 92, 165, 170). Eine demnächst erscheinende
Voruntersuchung zur vorbereiteten Faksimile-Ausgabe wird Gelegenheit bieten, darauf zurückzukommen.
02
02
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III.
6
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*12
13
14
15
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*17
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*20
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23
I 24
Littere Johannis Rusce Mecliolanensis potestatis.
Littere Balduini comitis Flandrie, Haynovie et
marchionis Namurtie.
Littere Älberti comitis de Dasburg et Metensis.
Littere Coloniensis archiepiscopi.
Littere principum et baronum Alamannie, cleri-
corum et laicorum.
Coloniensi archiepiscopo
Littere Philippi.
Littere Philippi regis Francorum. 1
[Littere principum Alamannie].
Principibus Alamannie.
Coloniensi archiepiscopo 2
[Littere Philippi ducis Sueviae]. 3
Responsio clomni pape facta nuntiis Philippi in
Consistorio.
[Littere Ottonis regis],
[Littere Ottonis regis],
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie
Maguntino archiepiscopo, episcopo Sabinensi .
Nobili viro duci Brabantie et . . . uxori eius
Principibns Alamannie
II
I
er
oo
to
Dat. Lat. XIII. K. Jun. p. n. a. II.
Dat. Lat. . . . Nov.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
V. Abhandlung: Peitz.
26
27
28
*29
30
31
*32
33
34
35
. . . Episcopo Hostiensi apostolice sedis leg'ato .
Treverensi archiepiscopo
Maguntino archiepiscopo, episcopo Sabinensi .
Illustri regi Anglorum
Deliberatio domni pape Innocentii super facto
imperii de tribus electis.
Coloniensi archiepiscopo et suffraganeis eius et
nobilibus viris principibus in Coloniensi pro-
vincia constitutis
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie
Electo et capitulo Ilildesemensi
Nobili viro Alberto comiti de Tbaisburg
Dat.
Dat.
Dat.
Dat.
Dat. Lat. Non. Jan.
Dat. ut supra.
Dat. Lat. K. Mart.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
1 Begis Francorum ist von anderer gleichzeitiger Hand nachträglich schwarz hinzugefügt (vgl. Tucek 8).
2 Die Adresse des Apare ist nachträglich von gleicher Hand, zum Teil auf den Rand hinaus, beigefügt, als 17 bereits
geschrieben war.
3 Die Adresse des Briefes bis Pontifici steht als Rubrum auf Rasur (vgl. Tucek 7). Nach semper Augustus ist der Rest
der Zeile — mehr als die Hälfte — frei gelassen. Am Anfänge dieser Lücke ist eine kleine Rasur. Die ganze Lücke
ist mit einem Striche paraphiert, der am rechten Ende gleich außerhalb der Schriftfläche in ein Minuskel-« ausläuft,
dessen Bedeutung mir noch nicht klar ist.
36
37
38
39 (38)
40 (39)
41 (40)
42 (41)
43 (42)
44 (43)
45 (44)
46 (45)
47 (46)
48 (47)
49 (48)
*51 (50)
52 (51)
53 (52)
54 (53)
55 (54)
56 (55)
I Nobili viro comiti de Vianna
Nobili viro Guarnero de Boiland.
Magdeburgensi archiepiscopo
Coloniensi arcliiepiscopo
Nobili viro duci Brabantie.
Henrico comiti palatino Rlieni
Patriarche Aquilegensi.
Duci Zaringie
Duci Bohemie
. . . Argentinensi episcopo 1
Archiepiscopis episcopis prioribus abbatibus et
aliis ecclesiarum praelatis
Illustri regi Francorum
Ostiensi episcopo apostolice sedis legato
Illustri regi Anglorum
50 (49) Regi Francorum
Littere episcopi Prenestini domno pape.
Littere magistri Phiiippi notarii domno pape.
Littere regis Ottonis.
Littere eiusdem ad domnum papam.
Coloniensi archiepiscopo
Episcopo Prenestino apostolice sedis legato,
magistro Philippo notario et Egidio acolytho
nostro
ii
i
Dat. ut supra.
Dat.
Dat.
Dat.
Dat.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
Dat. Lat. ut supra.
Dat. ut supra.
Dat.
Dat. ut supra.
Dat. Lat. V. I. Jun.
Dat. Anagnie.
Dat. Anagnie.
I 57 (56)
58 (57)
59 (58)
60 (59)
*61(60)
62 (61)
63 (62)
64 (63)
65 (64)
66 (65)
67 (66)
68 (67)
69 (68)
*70 (69)
71 (70)
72 (71)
73 (72)
Illustri regi Ottoni in Romanorum regem electo
Trevirensi archiepiscopo et suffraganeis eius et
universo clero in Trevirensi provincia con-
stituto.
Pateburnensi episcopo.
Joanni illustri Anglorum regi.
Littere quorundam principum faventium parti
Philippi.
Nobili viro . . . duci Zaringie
Littere regis Francorum ad domnum papam
Philippo illustri regi Francorum
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Nobili viro duci Brabantie et uxori eius
Coloniensi archiepiscopo
Trevirensi archiepiscopo
Joanni regi Anglorum illustri
Salshurgensi archiepiscopo
[Episcopo Lingonensi]
[Archiepiscopo Maguntino?]
[ ]
Dat. Anagnie.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat. N. Apr.
Dat. Lat. ut supra.
Dat. Lat. V. K. Apr.
Dat. Velletri VI. N. Oct. p. n. a. V.
Dat. ut supra V. N. Oct.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
1 Nach diesem Briefe ist fol. 14 b ein bereits ausgeführtes und rubriziertes Schreiben an den Legaten ausradiert. Außer
der Rubrizelle zeigen auch die Spuren des Rubrums den Adressaten. Der Brief umfaßte 32 Zeilen. Vgl. Tu Sek 8.
03
03
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III.
74 (73)
*75 (74)
76 (76)
77 (76)
~78~(77)'
79 (78)
80 (79)
*81 (80)
82 (81)
*83 (82)
84 (83)
85 (84)
86 (85)
*«7 I
[Arehiepiscopo Trevirensi?]
Trevirensi arehiepiscopo
Episcopo Prenestino apostolice sedis legato . .
Juramentum Ottonis regis illustris in im per a-
torem Romanorum electi
Coloniensi arehiepiscopo
Universis principihus Alamannie
Coloniensi arehiepiscopo
Littere Ottonis regis in Romanorum impera-
torem electi.
Ulustri regi Ottoni in Romanoruin imperatorem
electo . . .
[Archiepiscopis et episcopis per Teutoniam con-
stitutis]
Prenestino episcopo apostolice sedis legato . .
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principihus Alamannie
Littere Cardinalium ad universos tarn ecclesia-
sticos quam seculares principes Alamannie.
Archiepiscopis episcopis rectoribus potestatibus
consulitms marchionibus comitibus et aliis
nobilibus Dombardie
Dat. Yelletri ut supra.
Dat. Lat. VI. I. Nov. p. n. a. V.
Dat. Lat. XYI. K. Dec. a. V.
03
05
03
Act. Nuxie . . . a. 1201. VI. I. Jun. . . .
Dat. Lat. XII. K. Dec.
Dat. Lat.
Dat. Lat.
Dat. Lat. ... I. Jan.
Dat. Lat. VI. K. Mart. p. n. a. VI.
Dat. Lat. VI. K. Mart. a. VI.
Dat. Lat. N. Apr.
Dat. Ferentini XIII. K. Aug\
V. Abhandlung: Peitz.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd. 5. Abb.
to
DO
88 (87) I
89 (88)
90 (89) !
91 (90) ;
*92 (91)
93 (92)
94 (93)
95 (94)
96 (95)
97 (96)
98 (97)
99 (98)
100 (99) |
101 (100) |
102 (101)
Ferrariensi Papiensi et Placentino episcopis.
Potestati et consulibus Mediolanensibus .
Salzburgensi archiepiscopo
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo *
Archiepiscopis episcopis et aliis ecclesiarum pre-
latis, rectoribus potestatibus consulibus mar-
cbionibus comitibus et aliis nobilibus consti-
tutis in Lombardia
Eisdem
Ferrariensi Papiensi Placentino et Mantuano
episcopis
Potestati et consiliariis Mediolanensibus . .
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie
Illustri regi Danorum Waidemaro 1 . . . .
(I. e. m. nobili viro langravio Thuringie)
Nobili viro duci Saxoniae
Duci Brabantie
Coloniensi archiepiscopo
Illustri regi Danorum
Suppanis Bohemie
1 Vgl. Tucek 16.
Dat. Ferentini.
Dat. Ferentini V. I. Sept.
Dat.
Dat. Anagnie III. I. Dec.
Dat. Anagnie ut supra.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
Dat. Anagnie I. Dec.
Dat. Anagnie XV. K. Jan.
Dat. Anagnie II. I. Dec.
Dat. Anagnie II. I. Dec.
Dat. Anagnie II. I. Dec.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III. 337
103 (102)
104(103)
105 (104)
*106(105)
107 (106)
108 (107)
109 (108)
110(109)
*111(110)
112(111)
113(112)
114(113)
*115(114)
116(115) I
Archiepiscopo Salzburgensi
Praenestino episcopo apostolice sedis legato
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Littere Ottonis regis.
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Archiepiscopis episcopis abbatibus, ducibus et
aliis principibus carissimo in Christo iilio
nostro illustri regi Ottoni in Romanorum impe
ratorem electo faventibus
Archiepiscopo Magdeburgensi spiritum consilii
sanioris.
Episcopo Pataviensi
Nobili viro . . . duci Brabantie
Maguntino archiepiscopo
Maguntino arcliiepiscopo et Cameracensi episcopo
et preposito Bunnensi
Aquilegensi patriarche.
Salzburgensi archiepiscopo
Archiepiscopo Maguntino, . . . episcopo Camera
censi et . . . scolastico S. Grereonis Coloniensis
117 | Prioribus etuniverso clero etpopulo Coloniensibus
ii
Dat. ut supra.
Dat. Anagnie I. Dec.
Dat. Anagnie XVII. K. Jan.
w
05
GO
Dat. Anagnie XVIII. K. Febr.
Dat. Anagnie XIX. K. Febr.
Dat. Lat. XI. K. Jun. a. VII.
Dat. Rom. ap. S. Petr. VI. K. Nov. p. n. a. VII.
Dat. Rom. ap. S. Petr. VI. K. Nov.
Dat. Rom. ap. S. Petr. IV. K. Nov.
Dat. Rom. ap. S. Petr. VII. J. Mart. 1
Dat. Rom. etc. III. J. Mart. a. VIII.
Dat. ut szcpra.
V. Abhandlung: Peitz.
120
A rchiepiscopo Mag'untino, episcopo Cameracensi
et scolastico S. Gereonis in Colonia
Universis tarn ecclesiasticis qtiam secularibus
principibus et aliis per Teutoniam constitutis
carissimo in Christo filio nostro illustri regi
Ottoni in Romanorum imperatorem electo
faventibus
Maguntino archiepiscopo et episcopo Hildese-
mensi.
Nobili viro Henrico palatino Rheni.
Nobili viro langravio Thuringie.
Maiori decano et . . . SS. Apostolorum et . . .
S. Gereonis praepositis Coloniensibus.
Eisdem.
Padeburnensi episcopo.
Archiepiscopo Trevirensi.
Preposito, archidiacono, canonicis et ministe-
rialibus ecclesie Trevirensis.
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo.
Illustri regi Anglorum.
Prioribus et capellanis Coloniensibus.
Dat. etc.
Dat. etc.
1 Cod.: Mai. Vgl. Tucek 55 3 .
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III. 339
131
132
(133)
(134)
133(135)
134 (136)
135(137)
136(138)
137 (139)
*138(140)
139(141)
140(142)
141(143)
142(144)
*143(145)
144 (146)
Illustri regi Anglorum.
Eicleru
[Scriptum est super hoc Heliensi Dunelmensi et
Wi goriensi episcopis
[Scriptum est super hoc . . . aliis episcopis et
inagnatibus regni Anglie
Illustri regi Ottoni in Romanonmi imperatorem
electo
. . . Eboracensi arcliiepiscopo
Brunoni arcliiepiscopo, . . . maiori decano et ma-
gistro. H. scolastico S. Grereonis Coloniensis 1
Scriptum Philippi ad domnum papam.
Aquilegensi patriarche
Illustri regi Ottoni
Salzeburgensi arcliiepiscopo
Bittere Philippi ducis Suevie.
Universis tarn ecclesiasticis quam secularibus
principibus Alamannie.
Processus legatorum apostolice sedis.
Philippo duci Suevie 2
Hugolino Ostiensi episcopo et Leoni tituli S. Crucis
pres"bytero cardinali apostolice sedis legatis .
Dat. Rom. ap. S. Petr. XIII. K. Mart,
p. n. a. VIII.
Dat. Rom.
Dat. ut supra.
Dat. Rome etc.
Dat. Rome etc.
Dat. ut supra.
Dat.
Dat.
Dat.
Dat. Corneti K. Nov. p. n. a. X.
Dat. Corneti.
340 V. Abhandlung: Peitz.
Dat. Corneti.
145(147) I
*146(148)
147 (149)
148 (149)
149 (150)
150(151)
151(152)
152(153)
153(154)
154(155)
155 (156)
156(157)
157(158)
158 (159)
159(160)
*160(161)
Eisdem
Hugolino Ostiensi episcopo et Leoni tituli S. Cru-
cis presbytero cardinali apostolice sedis legatis.
Eisdem.
Eisdem.
Eisdem.
Illustri regi Ottoni in Augustum electo.
Eidem.
Domno pape [Hugolinus].
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo.
Archiepiscopo et episcopis suffraganeis Magde-
burgensis ecclesie.
Universis principibus tarn ecclesiasticis quam
mundanis in Teutonia constitutis.
Illustri regi Bohemie.
Salzburgensi arcbiepiscopo.
Nobili viro duci Zaringie.
Joanni illustri regi Anglie.
Littere Ottonis regis in Romanorum imperatorem
electi 3 .
1 Vgl. Tucek 16.
2 Die Briefe 143—145 sind auf fol. 36 b nachträglich am Rande hinzugefügt (vgl. Tucek 8).
3 Von 160 steht die Adresse nebst drei Zeilen auf fol. 38 a und fast der ganze Text auf fol. 38 b auf Rasur,
der Brief schlechthin (vgl. Tucek 8). Spuren sind zu sehen, aber nicht zu entziffern.
nicht
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III.
161(162)
162
163
164
*165
*166
*167
*168
*177 (178)
178(179)
179 (180)i
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Eidern
Arehiepiscopo Magdeburgensi
Herbipolensi electo
Philippo illustri regi Francorum
Adulpho quondam Coloniensi arehiepiscopo. .
Patriarche Acpiilegensi
Illustri regi Ottoni in imperatorem Romanorum
electo
Eidern
Spirensi episcopo
Nobili viro duci Zaringie
Cameracensi episcopo
Magdeburgensi arehiepiscopo
[I. e. m. magistro Gerlando
Magistro Henrico scolastico S. Gereonis .
Nobili viro duci Austrie
Illustri regi Boliemie
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Eidem
Eidein
Dat. Sore XIII. Iv. Sept. p. n. a. XI.
Dat. Sore etc. ut supra.
Dat. Sore etc. ut in ctlia.
Dat. Sore etc. ut supra.
Dat. Sore XV. K. Oct. p. n. a. XI.
Dat. Ferentini X. K. Nov. p. n. a. XI.
Dat. Lat. XIV. Iv. Dec. p. n. a. XI.
Dat. Lat. II. N. Dec. p. n. a. XI.
Dat. Lat. N. Dec. etc. ut in alia.
Dat. Lat. II. N. Dec. p. n. a. XI.
Dat. Lat. N. Dec. etc. ut supra.
Dat. Lat. N. Dec. etc. ut supra.
Dat. Lat. etc. ut in alia.
Dat. etc. ut supra in alia.
Dat. Lat. etc. ut supra in aliis.
Dat. Lat. ut supra a. XL
Dat. Lat. II. I. Dec. p. n. a. XI.
Dat. Lat. N. Jan. p. n. a. XI.
Dat. Lat. XV. Iv. Febr. etc. ut in alia.
Dat. Lat. XVII. Iv. Febr. p. n. a. XI.
342 Y. Abhandlung: Peitz.
180(181)
181(182)
182(183)
183(184)
184(185)
*185(186)
186(187)
*187 (188)
188(189)
*189(190)
190(191)
191 (192)
*192(193)
193(194)
194 (195)
Arcliiepiscopis et episcopis et dilectis filiis abba-
tibus et aliis ecclesiarum prelatis in Teutonia
eonstitutis
Arcliiepiscopis et episcopis in Teutonia eonstitutis
Hugolino Ostiensi episcopo et Leoni tituli S. Crucis
presbytero cardinali apostolice seclis legatis .
Eisdem
Magdeburgensi archiepiscopo
Potestatibus consulibus et populis civitatum Lom-
bardie
Waltero patriarclie Aquilegensi
Littere regis Ottonis illustris in Romanorum impe-
ratorem electi ad domnum papam.
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo
Sacramentum fidei ab Ottone exhibitum .
Littere Ottonis regis ad domnum papam.
Illustri regi Ottoni in Romanorum imperatorem
electo.
[Otto dei gratia Romanorum Rex et semper
Augustus . . .]
Summo pontifici
Ottoni illustri Romanorum imperatori semper
Augusto
Dat. Lat. XVII. K. Febr. a. XI. etc. ut in alia.
Dat. Lat. XVII. K. Febr. p n. a.XI. etc. utin alia.
Dat. ut supra.
Dat. ut supra in alia.
Dat. Lat. XVII. K. Febr. p. n. a. XI.
Dat. Lat. V. K. Mart. p. n. a. XI.
Dat. Lat. etc. ut supra.
Dat. Lat. VI. I. Mart. p. n. a. XII.
Dat. ap. Spiram XI. K. Apr.
Dat. in castris in Montemalo IV. N. Oct.
Ind. XIII.
Dat. Lat. V. I. Oct. p. n. a. XII.
Das Originalregister Gregors VII. — Beilage III. 343
344
V. Abhandlung: Peitz.
Verzeichnis der Faksimiles.
Till'. I. Keg. Vat,. 2, fol. 120 b (J IV 9—10). — Angaben über Rubrizierung
vgl. oben S. 22 A. 1. In Z. 5 et ecclesia auf Rasur. — Diese und die
übrigen vortrefflichen Aufnahmen aus den Registern wurden von Herrn
Pompeo Sansaini (Rom, Via Corsi 45 pp) angefertigt.
Tilf. II Reg. Vat. 2, fol. 185» (J VII 16—18). — Über Rubrizierung vgl.
oben S. 22. — In Z. 4 servorum aus einem irrtümlichen servus von
erster Hand umgeschrieben. Z. 7 autem nachträglich durchgestrichen
(andere Tinte?). Z. 13 ipsa von zweiter Hand — der Hand des Kor
rektors — über der Zeile nachgetragen (Hand des Kanzleichefs Petrus?
Die wenigen autographen Datierungen, die ich von ihm sah, scheinen
mir die Annahme wenigstens nicht unmöglich zu machen). Z. 28
Petro und Z. 29 Dodone von erster Hand in die übergroße freige-
lassene Lücke nachträglich eingefügt. Z. 29 von erster Hand über
der Zeile Tt(omanae) mit Verweispunkt nachgetragen. Über die Rasur
Z. 29 vgl. oben S. 22 A. — Am Rande zu Z. 5 und 24 wie auch
Taf. I zu Z. 12 die Striche, von denen oben S. 112 ff. die Rede war.
Till". III. Reg. Vat. 2, fol. 236 a (J VIII 57 — 58). — Rasuren und Rubra
oben S. 22 A. Hinzugefügt werde, daß Z. 25 negligentia aus negligen-
tiam durch Rasur des Kürzungsstriches, Z. 28 castra liceret exire durch
Umstellungszeichen aus c. e. I. hergestellt wurde. Über die Rasur
und Korrektur der Zahl in Z. 13 und deren Bedeutung vgl. die Aus
führungen oben S. 50 f. — Am Rande rechts das Monogramm Nota in
der charakteristischen Form; vgl. darüber die Bemerkungen oben
S. 145 ff.
Tilf. IV. Nr. 1. Reg. Vat. 2, fol. 1“ (J I 1). Vgl. Arch. Paleogr. Ital. II 7. —
Anfang des Registers mit dem Titelrubrum zu Buch I und dem Be
ginn des Wahlprotokolls. Z. 1 — 4 sind rot geschrieben. Die Initiale R
ist rot ausgelegt; die einzelnen Buchstaben von Z. 5 sind mit roten
Schattenstrichen verziert. Indietione und Luna Z. 8 haben roten An
fangsbuchstaben. Im Kontext des Protokolls ist Ileldibrandum, in
Kapitalen, mit roten Schattenstrichen hervorgehoben, Gregorium ganz
rot geschrieben.
Nr. 2. Reg. Vat. 2, fol. l b (J I 1*). — Oben über der Schrift
steht noch der (hier abgeschnittene) Kolumnentitel LiS rot. Die An
fangsbuchstaben von Acta und Indietione Z. 1 und von Vomnus Z. 6
rot; ebenso die Briefzahl I. Z. 1. Die Initiale G ist rot ausgelegt,
regorius Z. 2 rot geschrieben. — Z. 15 domnus noster von erster Hand
auf Rasur.
Nr. 3. Reg. Vat. 2, fol. 80 b (J II 55 a ). — Die Nummern vor
den einzelnen Sätzen und der Anfangsbuchstabe Q jeweils rot. Man
beachte die Versehleifungen in der rot ausgeführten Überschrift Vic-
tatus papae.
Das Originalregister Gregors VII. — Faksimiles.
345
Nr. 4. J—L 4724. Alexander II., o. O. u. D. (nach Kehr, Scri-
niurn und Palatium, wohl vor 1071 März). Orig. Lucca, Arcli. Arcivesc.
Die Maße vgl. bei J. v. Pflugk-Harttung, Päpstliche Original-Urkunden
und Scheinoriginale (Histor. Jahrb. der Görres-Ges. V 1884) 549 Nr. 655.
— Die photographische Aufnahme verdanke ich der besonderen Liebens
würdigkeit des Herrn Kanonikus Msgr. Alph. Del Prete zu Lucca.
Nr. 5. Reg. Vat. 2, fol. 121 b (.J IV 11 —12). — Rot geschrieben
sind die Initialen von Data, Indictione, Quoniam Z*. 3, 4, 7 sowie der
Papstname Z. 5. Am Rande unter der Rubrizelle das mit dem Nagel
eingeritzte Zeichen (vgl. oben S. 113).
Nr. 6. Reg. Vat. 2, fol. 138 a (J V 6—7). — Die Initialen von
Data, Indictione, De Z. 1, 2, 4 und der Papstname Z. 3 rot. Man
beachte die Schleifen der ersten Zeile sowie der Endung -rum.
Nr. 7. Reg. Vat. 2, fol. 135* (.T IV 28—V 1). — Beispiele
eines Überganges von Buch zu Buch bei nachträglicher Registrierung
ohne jeden Unterschied. Rubriziert sind die gewöhnlichen Initialen
(D und I Z. 4, M Z. 11), außerdem der ganze Titel des neuen Buches
von Explicit Z. 4 bis XV Z. 7, sowie der Papstname der Intitulatio (und
das Rubrum Z. 8). Die Ordnungszahl prima Z. 8 ist später Eintrag.
Taf. V. Nr. 1. Reg. Vat. 2, fol. 138 b (J V 7—8). Die gewöhnlichen Rubra
(D und I Z. 1, S Z. 3, Gregorius Z. 2). Z. 2 archiepiscopo wohl von
anderer Hand über der Zeile hinzugefügt.
Nr. 2. J—L 4767. Alexander II., Rom 1073, März 3. Orig.
München, Kgl. Bayrisches Allgemeines Reichs-Archiv. Maße bei
Pflugk-H arttung a. a. O. 503, Nr. 116. Die photographische Auf
nahme dieses Stückes sowie von Nr. 3, 5 und 6 verdanke ich meinem
Freunde M. Allem. — Zur Schrift vgl. die Ausführungen von P. F.
Kehr, Über eine römische Papyrusurkunde im Staatsarchiv zu Marburg
(Abhandl. der K. Ges. der Wissensch. zu Göttingen, Philos.-Histor. Kl.
N. F. I, 1896) 10—14; von L. M. Hartmann, Ecclesiae S. Mariae in
Via Lata Tabularium I (Vindobonae 1895) XXII—XXIII.
Das hier wiedergegebene Stück umfaßt den Anfang der ersten
Zeilen. Alexander episcopus servus servorum Dei || 2 et in lionore sanctae
Trinitatis et resurrectionis Domini nostri || 3 apostolico moderamini reli-
giosio desideriis et petitionibus || *fidelium statuta roborando venerabilibus
locis praesidium ||.
Man beachte die Mischung der Kuriale mit Minuskelbestand
teilen (z. B. locis Z. 4).
Nr. 3. J—L 4945. Gregor VII., Rom 1075, März 24. Orig.
München. K. Bayr. Allg. Reichs-Archiv. Beschreibung bei Pfl ugk-
Harttung a. a. O. 504, Nr. 119. Das Original hat durch Feuchtigkeit
stark gelitten, ist sehr brüchig und an vielen Stellen zerrissen. Die Schrift
ist, wie auf den meisten dieser Originale, bräunlich und ziemlich blaß.
Der Anfang der ersten Zeilen ist wiedergegeben. Gregorius
episcopus servus servorum Dei. Dilecto fratri in Christo Altmanno ||
2 Trinitatis et resurrectionis Domini nostri Jesu Christi et sanctorum
Andreae apostoli, Pantaleofnis] || 8 et petitionibus ea benignitate et pietatis
346
V. Abhandlung: Peitz.
studio condescendere effectumque || 4 praesidium dcfensionis impendib. Tlinc
ajfectu supernae retributionis i| B semper proficiendi augmentum tribuit, et
opus proprium fructum perfectionis Deo || G in suburbio civitatis tuae
iuxta portam praedicti fluminis Aeni ad communem ||
Auch hier findet sich die Mischung der Schriften (benignitate
Z. 3, dcfensionis Z. 4, augmentum Z. 5, fluminis Z. 6 usf.). Man vgl. den
Papstnamen in Z. 1 mit dem in Nr. 1, Z. 2 oder mit Taf. IV, Nr. 7,
Z. 9; die Kürzung pro (Z. 5 proficiendi proprium) mit der entsprechen
den Taf. IV, Nr. 4, Z. 0, 7.
Nr. 4. Reg. Vat. 2, fol. 155 b (J VI 8—9). — Die große Zahl
von Ausschnitten mit Übergängen von Brief zu Brief auf verhältnis
mäßig nahestehenden Seiten — 120 b , 121 b , 135 ft , 138% 138 b , 155 b >
185 b — soll unmittelbar vor Augen führen, daß ein derartiger Wechsel
mit der Anlage und dem Entstehen der Handschrift im innigsten Zu
sammenhänge stehen muß. — Initialen zu Data und Indictione Z. 4
fehlen; Gregorius Z. 5 schwarz; es wurde von vornherein nur ein
kleiner Raum frei gelassen. Man beachte die Kürzungen Z. 7, die
auch später noch im Register wiederkehren. Der zweite Eintrag,
J VI 9, macht den Eindruck großer Hast; er ist sehr ungleichmäßig
geschrieben.
Nr. 5 und 6. J—L 5167. Gregor VII., Rom 1080 Mai 3 (8).
Pflugk-Ha rttung a. a. O. 568 Nr. 878 gibt die Maße. Im übrigen
vgl. die Ausführungen von Kehr (Gött. Nachr. 1904, 463—68). Nr. 5
gibt den Anfang von Z. 1—7, Nr. 6 den Schluß von Z. 11 —19.
Taf. VI. Nr. 1. J—L 5069*. Gregor VII., Rom 1078 März 10. — Die
Photographie wurde von Herrn Ces. Sartoretti (Via Gorani 4,
Mailand) angefertigt.
Der Text lautet: Gregorins episcopus servus servorum Dei. Dilecto
in Christo filio Christof[oro] || 2 regulariter promovendis imperpetuum.
Supernae miserationis respectu ! 3 iustis precantium votis attenta benigni
tate faveamus, et librfamine] || 4 debeamus. Precipue tarnen de venerabi-
lium locorum stabilitate profdebito] || 5 p>ossibilitas datur, nobis pensan-
dum et laborandum esse perpendimus. || 6 annualiter ccnsum duodecim
denariorum Mediolanensis monete. ||
Wie ein Vergleich mit dem oben Beilage I abgedruckten Pri
vileg Gregors VII. für Banzi J—L 4929 ergibt, ist das Mailänder
Privileg in der ganzen Arenga (und überdies in der Sanctio und
Corroboratio) jenem für Banzi völlig gleichlautend. An anderer Stelle
werde ich demnächst auf diese Zusammenhänge zurückkommen.
Nr. 2 und 3. J—L 5134. Gregor VII., Rom 1079 Juli 4.
Orig. Marseille, Archives ddpartementales Bouches-du-Rhone. Die
photographischen Aufnahmen stammen von Herrn A. Lex er (Rue
St-Ferreol 73, Marseille). — Nr. 2 Ausfertigung in Kuriale, Nr. 3
Ausfertigung in Minuskel. Beide Stücke haben, wie mir Herr Archiv
direktor R. Busquet von Marseille brieflich mitteilte, bedeutend ge
litten; die Schrift ist stark verwischt und abgerieben. Die Maße be
tragen nach freundlicher brieflicher Mitteilung von Herrn Oberlehrer
Das Originalregister Gregors VII. — Faksimiles.
347
Dr. Wilhelm Wiederhold, der die Urkunden in Marseille fand
und mir durch seine Angaben in uneigennützigster Weise zu ihrer
Bestimmung verhalf, 64 X 75 cm (+ o cm Pliea), bezw. 67 X 83 cm
(+ 4 cm Plica). Die Bleibulle des ersten Stückes ist verloren, doch
finden sich noch Reste der gelb-grünlichen Seidenschnur, mit der sie
befestigt war. An der Minuskelausfertigung hängt noch heute die
Bulle, doch war sie im Laufe der Zeit einmal abgefallen und wurde
nachträglich wieder befestigt. Die Datierung der kurialen Urkunde
ist teilweise durch Feuchtigkeit zerstört, an einer Stelle ist sogar das
Pergament durchgefressen. Auch in der Minuskelausfertigung ist das
Datum nicht mehr ganz zu entziffern. Die sicher lesbaren Reste ge
nügen jedoch, um die völlige Gleichheit beider Daten darzutun.
Text der Kurialfertigung: 1 [Gre]gorius Episcopus Servus
Servorum Dei. Dile[cto] || 2 sacra]tissimum corpus beati
Victoris martyris requiescere creditur, suisque successoribus ibidem regu-
Ifariter] || 2 [pre\cantium votis attenta] benignitate faveamus, etlibra-
mine aequitatis omnibus in necessitale positis, quantum Deo donante
pfossumus] || 4 [adiutorio possibilitas] datur, nobis pensandum et
laborandum esse perpendimus, Proinde iuxta petitionem tuam prae-
fato monfasterio] || 5 [auctorita\tis nostrae decreto] indmlgemus, concedimus
atque firmamus, statuentes, nullum regum vel imperalorum, antistitum,
nullum quacumfque] || G [fuerint, sub cuiuslibet] causae occasionisve
specie minuere vel auferre et sive suis usibus applicare vel aliis qufasij ||
7 [apud Arelatem. MJonasterium sanctae [Mariae] et sancti Ve-
rani in valle Clusa. Monasterium sanctae Mariae de Gr au
seil o a[p'u>d]\
Text der Minuskelfertigung: 1 Gregorius Episcopus Ser
vus Servorum Dei D[ilecto] || 2 Dei genitricis semperque virginis
Mariae dominae nostrae, et beatomm apostolorum Petri et Pauli secus
Massilifam] || 3 ccclesiae curam suscepimus et apostolici moderaminis solli-
citudinem gerimus, ut iustis praecantium votis attenta benignitate fa
veamus, et || 4 summe et apostolicae sedis, cui speciali iure adhaerent,
quantum ex divino adiutorio possibilitas datur, nobis p ensandum et
laborandum | ] 5 sancti Petri qui vocatur ad paradisum, et sancti An-
dreae, sancti Ferreoli liuiusmodi privilegia praesenti auctoriftatis] j|
6 quae eidem venerabili loco a quibuslibet hominibus de proprio iure iam
donata sunt vel in futurum Deo miserante collata fuerint, sub cuius-
[libet] || 7 contigerit, tarn a te quam ab eis, qui in tuo officio locoque
successerint, perenni tempore illibata et sine in quietudine aliqua volumus
qyossideri, eofrum] || 8 Monasterium sanctae Mariae et sancti Ve-
rani in valle Clusa. Monasterium sanctae Mariae de Grausello
1 Die in den Faksimiles gemeinsamen Teile beider Ausschnitte sind durch
gesperrten Druck hervorgehoben. — In {) sind die in der Reproduktion
und auf der Platte nicht mehr sicher lesbaren Worte ergänzt nach dem
Druck in der Collection des cartulaires de France. IX. Cartidaire de
Vabbaye de Saint-Victor de Marseille. II. (Paris 1857) No. 843 p. 214—20.
348
V. Abhandlung: Peit.z.
apud Malaucena. Monasterium sanctae Mariae apud || 8 in civitate Aga-
tensi. Monasterium sancti Andreae apostoli (in comitatu Ruthenico). Mo-
nasterium Vabrense. Et monasterium sancti Petri et sancti || (a religione
monastica fuerant destituta, ut non solum dei nullum opus regulariter
minime cdehraretur, sed etiam pene pro deletis, quod dipi).
Das Formular ist wieder das gleiche wie im Banziprivileg.
Nr. 4. J—L 5015. Gregor VII., Florenz 1076, Dezember 28.
Orig. Florenz, Archivio Capitolare. — Maße bei Pf 1 u gk-II a rtt.ung
a. a. O. 568, Nr. 873. Die Photographie verdanke ich der Vermittlung
des Herrn P. R. Friedei in Florenz.
Der Text lautet: Gregorius episcopus servus servorum Dei. Mar-
tino sanctae Florentinae ecclesiae praeposito al[iisque] || 2 procul dubio
apostolica praecepta servamus. Quapropter interveniente karissimo con-
fratre nostro Raine [rio] || 3 [confirjmationis, quam vester vobis fecit Ge-
rardus tune episcopus, postea Romanae sedis pontifex, refscriptum] ||
4 paginam ipse vester episcopus sanctissimi praedecessoris mei Leonis
Papae suorumque successorum auc[toritati] || 3 permanere valeatio. Desi-
derio itaque ac petitione Ina ut diximus inclinati te praeposfitumj ||
c ‘ et bona omnia, quae vestra et habet et liabitura est et sibi pertinent
c.anonica, videlicet || 7 territoriis omnibus, quae in Florentina curte habet
et retinet vel sibi pertinent, \ 8 Quinto. Curtem de Cinctoria cum Omni
bus suis pertinentiis. Et iUam partem, quam ||
Taf. VII. Keg. Vat. 6, fol. 3* (RNJ, MSL 216, Nr. 6 — 10).
Taf. VIII. Reg. Vat. 6, fol. 33^ (RNJ, MSL 216, Nr. 132—136).
Nachträge.
Zu S. 10, A. 3: Vgl. auch A. Giry, Manuel de Diplomatique (Paris 1894) 673.
Zu S. 17 ff.: Vgl. die Bemerkungen von Kehr über die ,römische Minuskel
des 11. Jahrhunderts* in Gotting. Nachr. 1897, S. 181.
Zu S. 29, A. 2: Das Exzerpt aus Augustinus findet sich genau in der
gleichen Form und Abgrenzung und mit dem nämlichen Quellen
vermerk in libro de Civitate Dei contra Jnlianum ITaereticum bei
Deusdedit (Ausgabe von Wolf I, 298).
Zu S. 82: Über Berengars Eid vgl. J. Schnitzer, Berengar von Tours, sein
Leben und seine Lehre. Ein Beitrag zur Abendmahlslehre des beginnenden
Mittelalters. (München 1890) 103 — 08 und J. Ebersolt, Essai sur
Berengar de Tours et la controverse sacramentaire au XI e sibcle (Revue
d’histoire des religions XLVIII 1903, 2).
Zu S. 143. Eine andere Erklärung für die Provenienzangabe zu DdW I 246
— nach der ungenauen Wiedergabe bei Martinucci p. 132 — ver
suchte P. Ewald, Die Papstbriefe der Britischen Sammlung (NA V
1880) 587 L
Zu S. 144, A. 1: Erst während des Druckes wurde ich auf die von Msgr.
Duchesne nachträglich in dem zuletzt erschienenen Faszikel 6 (Paris
Das Originalregister Gregors VII. — Nachträge.
349
1910) der Ausgabe des Liber Censuum veröffentlichte inhaltreiche Ein
leitung aufmerksam. Msgr. Duchesne hält es für ausgemacht, daß
Deusdedit das Polyptychon III 149 von einem Vorgänger fertig über
nahm, doch hat der gelehrte Verfasser seine Ansicht nicht näher be
gründet, (vgl. dagegen oben S. 266). Er sagt: Lineare est-il sür que
Deusdedit a trouve ce morceau tout prepare par les soins de quelque
autre. LC I Introduction p. 4 A.
Zu S. 146, A. 3 und zu Exkurs II, S. 246 ff.: Für alle mit dem LC zu
sammenhängenden Fragen der Überlieferung betreffend Deusdedit,
Benedikt, Boso, Albinus und Cencius ist jetzt grundlegend die oben
genannte Einleitung Duchesnes. Danach ist auch der Stammbaum
der handschriftlichen Überlieferung auf S. 256 in einem Punkte zu
ändern. Duchesne weist p. 6 A —7 B nach, daß Albinus nicht die Vor
lage für Cencius war. Der Stammbaum ist demnach in dem einen
Aste in folgender Weise umzumodeln:
Dd.
Benedikt
Camerac. 534 (F)
Cencius
Für die Benedikt-Überlieferung weist Duchesne folgende Abhängigkeit
der Handschriften nach (p. 32 B—35 B):
Urbened. (1140-43)
Camerac. 534 (F) sc. XII -/. 2
x
Valliccll. F 73 sc. XV. Vatic. 5348 sc.XV.
Vatie. 3470 sc. XVI‘/s
Val. Oltob. 304 sc. XVI 2 /.,
Die Minderwertigkeit der Überlieferung von F gegenüber x hält
Duchesne auch jetzt gegen Wolf aufrecht. Betreffs der Filiation der Cencius-
Handschriften vgl. Duchesne p. 32 A.
350
V. Abhandlung: Peitz.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort 1
Einleitung: Übersicht über die Auffassungen des Registers in
der neueren Literatur 5
Erster Abschnitt: Keg. Tat. 2, die Handschrift des Vatikanischen
Archivs. Beweise für ihre Originalität. Abschriften und
Auszüge 12
1. Kapitel: Beschreibung der Handschrift und ihrer Teile . 12
Das Privileg für Bauzi 12. Professio fidei 14. Indizes 14.
Pergament 16. Zeilen 17. Schrift 17. Rubra 22. Beimischung
von Kuriale 23. Einheitlichkeit 24. Einteilung 26. Zählung der
Briefe 28. Lagen 28. Ersatzblätter 30.
2. Kapitel: Äußere Merkmale für die Ursprünglichkeit des
Registers 32
a. Schriftwechsel und Neuansatz 32
Kein Unterschied in den Lagen 32. Folgen von Neu
ansätzen: Buch I 35. Buch IV 37. Buch VII 40. Buch II 43.
Buch VIII 43.
Das sogenannte .neunte' Buch 48. Buch ,XI‘ tatsächlich
als XII, Buch ,1X‘ als IX—XI zu bezeichnen 50.
b. Würdigung, und Wertung dieser Beobachtungen ... 51
Denifies Annahme und deren Lösung öl. Gegenbeweis
aus echten, unzweifelhaften Kopien: Reg. Vat.l 53. Reg.Vat. 8 54.
Reg. Vat. 110 54. Arch. Vat., Armar. XXXI t. 38 55. Die In
dizes 56. Folgerung 57. Übersicht 57.
c. Nachträge, Korrekturen und Auslassungen 59
Nachtrag des Adressatennamens und anderer Personen
namen 59. Auslassung von Namen 62. Korrekturen in den
Namen 62. Nachträge in den Datierungen 63.
3. Kapitel: Innere Merkmale für die Originalität 64
ci. Typische Kanzleierscheinungen 64
Register- und Schreibervermerke 64. Expeditionsbündel 65.
,Zweiteilung' des Registers 69. Die Verschiedenheiten in der
Datierung 70. Unterschiede in der Adreßform 70. Marginalien
des ,neunten' Buches 73. Vermerk des Indiktionswechsels 75.
Das Originalregister Gregors VII. — Iuhalt.
351
Seite
b. Zusätze und sachliche Änderungen 78
Zusätze mit Originalcharakter: J I 1* 78. J 11110 a 80.
J III17* 82. J VI17°- 82. J VI 5 b 85.
Sachliche Änderungen und Korrekturen: J VIII10 85.
Vorlage bei Registrierungen waren die Minuten: BuchIX—XI 86.
Buch I—VIII 87. Folgerung 89. Korrektur im Synodalprotokoll
J VI 5 b 90. Ergebnis 91.
4. Kapitel: Pfalznotar Rainer der Schreiber des Registers . 92
Kehrs Untersuchungen über die Originale Alexanders II.
und Gregors VII. 92. Tabelle der von Rainer geschriebenen
Originale 94. Vergleich des Registers mit den Originalen von
Rainers Hand 93. Mischung von diplomatischer Minuskel,
Buchminuskel und Kuriale in seiner Schrift 97. Die Namen
Alexanders II. und der Apostelfürsten 102.
5. Kapitel: Abschriften und Auszüge 104
Erste Klasse 106. Zweite Klasse 108. Dritte Klasse 112.
Stammbaum der Überlieferung 115.
Zweiter Abschnitt: Eiinvendung'en und Bedenken. Die Partillel-
iiberlieferung 116
1. Kapitel: Die Adreßform. Der Kanzleivermerk in J VI 34 . 116
Der angebliche Registertyp 116. Sammlung von Briefen
Nikolaus’ I. 117. Reg. Vat. 1 119. Reg. Vat. 4 120. Reg. Vat.
27 120. Kanzleivermerk J VI34 121.
2. Kapitel: Unvollständigkeit des Registers und fremde Be
standteile 122
Zeugnisse für bewußte UnVollständigkeit der päpst
lichen Register 123. Einschübe von Akten, Urkunden und
Protokollen 125. Reg. Vat. 9 126. Reg. Vat. 11 127. Einlauf
in päpstlichen Registern 127. Reg. Vat. 4 und 7 *4 128.
Verhältnis des Registers zur parallelen Originalüber
lieferung 128. Archivalische Überlieferung 129. Literarische
Überlieferung: Bruno, Hugo, Ulrich 131.
3. Kapitel: Reg. Vat. 2 und seine Benutzer 133
A. Die Kanonessammlung des Deusdedit 133
Konkordanztabelle der Gregorstücke 135. Vergleichende
Übersicht über die Angaben der Fundstellen 137. Eid des
Jordanes von Kapua Dd IV 111,289 138. Eid Heinrichs IV. zu
Canossa Dd IV IV 421 139. R als Vorlage der Zählung bei
Deusdedit 141. Erklärung einiger Unstimmigkeiten in den
Fundangaben 141. Provenienzvermerk zu DdW I 246 143. Die
Marginalnoten des Registerbandes und Deusdedit 145.'
B. ,Pandulph von Pisa“ und ,Bernold von St. Blasien 1 . 147
Petrus Diaconus 147. Bernolds Berufung auf das Re
gister Gregors 148. Auffallende Verschiedenheiten seines Textes
vom Registertexte in J VI 5 b 149. Erklärungsversuch 150.
352
V. Abhandlung: Peitz.
Seite
,Pandulph von Pisa‘ Verfasser der Vita Qregorii 152 A. 1.
Verhältnis der Vita zum Register 152.
Dritter Abschnitt: Die Register Innozenz’ III. und Honorius’ III. 154
1. Kapitel: Die Hypothese Kaltenbrunners und Denifles . .154
Veranlassung und Zweck der Untersuchung 154. Kalten
brunners Auffassung 154. Denifles Polemik und Bestätigung 155.
Gründe beider Forscher für ihre Anschauung 156.
2. Kapitel: Die Registerbände Innozenz’ III 159
Heg. Vat. 4 159. Der erste Jahrgang 159. Der zweite
Jahrgang 164. Heg. Vat. 5 167. Heg. Vat. 6, Hegeslum domni
Innocentij tertii papae super negotio romani Imperij: Beiträge
zur Beschreibung der Handschrift 168. Ihre angebliche ,Uu-
vollständigkeit“ und deren tatsächliche Erklärung 169. Die
Folienzählung 170. Nachweis der Originalität als eines fort
laufend geführten Kanzleiregisters 170. Das Register über den
deutschen Thronstreit ein Mustertyp zum Studium der älteren
Originalkanzleiregister 176. Heg. Vat. 7 177. Heg. Vat. 7 A 178.
Denifles Eiuwand: der Wechsel der Zeilenzahl 181. Heg. Vat. 8,
eine Kopie aus der Zeit Urbans IV. 183.
3. Kapitel: Die Register Honorius’ III 184
Original oder Kopie? Ziel der Nachprüfung 184. Heg.
Vat. 9 185. Heg. Vat. 10 189. Heg. Vat. 11 190.
Gegenprobe der Beweisführung an unzweifelhaften Ko
pien : Heg. Vat. 62, eine Sammlung von Abschriften 195.
4. Kapitel: Einwendungen 197
Baudi di Vesme und die Register Innozenz’ III 197.
Seine Beweise 198. Gegouerwägungen 199. Krabbo und das
Heg. Vat. 11 200. Gegenerwägungen 201. Tucek und das
Hegestum super negotio Homani imperii 202. Der Befund der
Handschrift und die inhaltliche Gruppierung 204.
Vierter Abschnitt: Ergebnisse und Probleme 205
1. Kapitel: Die päpstliche Kanzlei 205
Das Register Gregors VII. kein Spezialregister, sondern
das Vollregister der Kanzlei 205. Die causae niagis arduae 206.
Art der allmählichen Entstehung des Registers 207.
Nachträglich registrierte Brief bündel: Buch HI 208. Der
Schlußteil des Registers, Buch IX—XI 209. Die Registervor-
lagen der päpstlichen Kanzlei 210. Kanzleizeichen in den Re
gistern Innozenz’ III. 211.
Die Organisation der Kanzlei Gregors VII. : Notar
Rainer 214. Kanzleichef Kardinalbibliothekar Petrus 215. Das
Register im Verwahr des Kanzleichefs, in seiner Abwesenheit
nicht geführt 216. Kontinuität in der Entwicklung der päpst
lichen Kanzlei 218. Gregor VII. ihr Reorganisator 219.
Das Originalregister Gregors VII. — Inhalt.
353
Seite
2. Kapitel: Zur Chronologie der Briefe Gregors. Der ,Com-
mentarius eleetionis“ 220
Versuche einer Änderung der Daten 220. Richtigkeit
der Registerdatierungen 221. Tabelle der Neudatierungen 222.
Die Exkommunikation Heinrichs IV. und das Begleitschreiben
an die Deutschen J III 5*. 6. 223. Grund der nachträglichen
Registrierung und Tilgung dieser Fehleinträge 225. Datierung
von J VIII41 226.
Der Commentariua electionis: Angriffe auf seine Echt
heit: Ruppel, Pflugk-Harttung, Martens, Mirbt, Meyer von
Knonau 227. Weder Fiktion noch Fälschung, sondern echt 228.
3. Kapitel: Die Ereignisse von 1081—1084 229
Zusammenhang der Probleme 229. Innere Gründe für
die Richtigkeit des Ansatzes von J VIII 58 auf 1084 No
vember 229. Kurze Charakteristik einiger Hauptquellen: Benzo
von Alba 231. Frutolf von Michelsberg, der schwäbische
Annalist“, Bonizo, Donizo 232. Annal. August, und Pegav. 233.
Guillermus Apul., Anna Komnena, Lupus protosp., Annal.
Benevent., Anon. Bar., Romoald 233.
Das Jahr 1081: Heinrich IV., Hz. Robert, Heinrich IV.,
Gregor VII. 234. Das Jahr 1082: Heinrich IV., Gregor VII.,
Hz. Robert, Heinrich IV. 236. Das Jahr 1083: Heinrich IV.,
Gregor VII., Heinrich IV., Hz. Robert 238. Das Jahr 1084:
Heinrich IV., Gregor VII., Hz. Robert 240.
Exkurs I. Zur Vita Gregorii VII. des Paul von Bernried . . 243
Drucke, Abfassungszeit, Abfassungsort 243. Zweiteilung
der Biographie und deren Erklärung 244.
Exkurs II. Die Collectio Canonum des Deusdedit 246
1. Die Überlieferung der Sammlung 246
Deusdedit, Cencius, Albinus, Benedikt; handschriftliche
Überlieferung 246. Verhältnis zueinander in Überlieferung des
Stückes Dd III149 247. Einheitlichkeit der Überlieferung 251.
Erklärung des Sachverhaltes: Original-Deusdedit als gemein
samer Ausgangspunkt der gesamten Überlieferung 252. Ver
gleich mit Cod. Vatic. lat. 1346, einer ,Arbeitshandschrift“ 253.
Stammbaum der Handschriften der Deusdeditüberlieferung 256.
2. Kritische Bemerkungen zur Ausgabe Wolfs 258
Wolf zerreißt die historischen Zusammenhänge 258.
Willkürliche Behandlung der Überlieferung 259. Deusdedit
als erstmaliger Sammler des Polyptychons Dd III 149 262.
Die Zählungen der Kanonessammlung 263. Die deflorationes
und ihre Bedeutung 264.
Exkurs III. Der Dictatus papae .T II 55 a . Geschichte seiner
Exegese 265
Sitzungber. d. phil.-liist. Kl. 365. Bd. 5. Abh.
23
354
V. Abh.: Peitz. Das Originalregister Gregors VII.
Seite
1. Die ältere Zeit 266
Panvinio, Baronius, de Dominis 266. Zweifel an der
Echtheit: Launoy und seine Gründe 267. Antwort durch
Lupus 267. Dupin, Fleury, Alexandre, Page, Ceillier 268. Der
Protestant Flessa 269. Voigt, Schröckh, Damberger 270. Halt
losigkeit der vorgebrachten Argumente 270. Giesebrechts be
gründeter Widerspruch 271. Rocquain, Hefele, Brischar 272.
2. Der Dictatus papae in der neueren Forschung 272
Löwenfeld und die Sammlung von Avranches 272.
Langen 273. Sackur und Martens 273. Gegenerwägungen 274.
Beziehungen zwischen Deusdedit, Anselm und Bonizo 275.
Kulot 277. Der Dictatus ein persönliches Werk des Papstes 278.
Bedeutung von Dictatus 279 A.
3. Veranlassung des Dictatus und seine Vorlage 280
Der Zusammenhang mit kanonistisclier Forschung 280.
Le prämier manuel canonique de la reforme 281. Benützung der
Thesengruppe durch Anselm, Deusdedit, Bonizo und die Samm
lung von Avranches 284. Fortleben des Dictatus als Ganzes:
Cod. Taurin, lat. 236 284. Cod. Vat. lat. 1321 285.
Exkurs 14'. Zur Ausgabe des Registers Gregors 4 T II. durch Jaffd 286
Beilage I. Bas Privileg Gregors VII. für Banzi J—L 4929. . . 294
Beilage II. Übersicht der Adressen und Datierungen im Register
Gregors VII., Reg. Vat. 2 299
Beilage III. Übersicht der Adressen und Datierungen im Re
gister Innozenz’ III. super negotio imperii, Reg. 4'at.6 331
Verzeichnis der Faksimiles 344
Nachträge 348
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Das Originalregister Gregors VII. im Vatikanischen Archiv.
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PEITZ. Das Originalregister Gregors VII. im Vatikanischen Archiv.
Taf. IV
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3. J-L 4945 (Orig. München, Reichs-Arch.).
6. J-L 5167 (Orig. Schaff hausen, Staats-Arch. = 5).
Sitznngsb. d. kais. Akad. d. Wissensck., pbil.-hist. Klasse, 1G5. Bd., 5. Abh.
. J-L 5069“ (Orig. Mailand, Arch. di Stato). 2. J-L 5134 (Orig. Marseille, Arch. departem.), Ausfertigung in Kuriale.
PEITZ. Das Originalregister Gregors VII. im Vatikanischen Archiv.
Taf. VI.
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3. J-L 5134 (Orig. Marseille, Arch. departem.), Ausfertigung in Minuskel.
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4. J-L 5015 (Orig. Florenz, Archiv. Capitol.).
Sitzungsl). d. kais. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Klasse, 165. Bd., 5. Abh.
■iginalregister Gregors VII. im Vatikanischen Archiv.
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aflettice fufpha.m'-c[nn' > n3dbilö tpt-ehmsne.©rcnidnonc 4tp> ic »ßtratione tata\>J& tioläcf
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®ftcram tußörre^ufic aHatoLo «ftmttu etar leeautm? fk^kmo £■ fetettem uxam ttrfniaAi
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Ä iJEclxr ■tmtafter' IrarrultS .Seuotum obfc^Lvm .7 otatic ;'m < örix>7poft r obveam.. I ^
JmpatDtjf nof una catn aUi% punctpits *&«• {uLftmmtt» feprnftractattf. quio \
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outtarar 'pofrerr?. tolliare-'&eLiWmaurrr ? ProtcttOxtr?tgimr- librnröf ab ‘bau.er&'SJtrvpiTprt j
ctpcf. etr -fLcur "öotratto placrnr {cccatflirail bttrn.. C> rranej l=}en.n^ ~£>u.cic, ß>äpuyp- -Filutm.'
m P^omanoit» f rztncmatxlmr' eL^irrr 7 - PoftmotJtX lero xn iw>. {'<Äsr'^qiatf /
gmni loeaxüxv?. €ar Cvcusr bekumue €a qua beaur follfctutajjr conCaiiinv 7 . ac corcna/
' u -j rr ?- Ipe* ticro Isfrs xrL ttmorer^bei. 7 reuemtoa ,3ct. eccl^r. otrüa inta “R-ortiim «äe*.
aUajz.<^ cccBijt. -bonaftbc- oonferuarer ac matmrmcre-tiräutr. "Hohis enam allrtq; «pls
tgmu*' xuärn anmir ro^arruxT. qua-atuaf tamorialnl<r -ßml ttrrrv alxopsp jjncmum.
q 'urrer eLigsVe' 'tbzbent- amnbcrvtd'- rnerrtrt quoq; bru rtft R^if. pamP ac prtf
{ul PaLatmt. f^egtT quoq; aug^ 7 . auilculL -fux. quL afmutio 7 urmztnr ecclir
{epaftttt fumr cotvTC^tame© ."tnumaf quoqj "bucL-9 ^»uiucr. patrtf ac frtf euxf rton'&tf'
-TtTt^mTef rnag7iof7loonotai>ileruLt*oe.quoft|je' ac -prcctpcft ^tr ccmiana ccfilio ^
pÄcT CcTtzmC urc -tmnrrmrtur-. bemgue' rcciptanf. a<1xTUgntufremtmm.f* x r
-acnabtl? tptuf electioSm • cottfectatioon . ac coronanoer. conprmmf- 7 tTriptx ccn.^
pcctLcnem uocmP.'rtrSP queq; 4L&uet-Tanor7 ecete. 4. ftflttare" 'Csuxl ^ueucr pvefttta
al^Totuau-f-7 nrö Pv^l ©lo«>ire' ecdäfiica cenftua compUa»?. Tlof et taru J p pammo x
tvLo ecclir “Fv-otfL bim;tTtnb4 l^ac coferuarfbo pro rpobrio {pon'lJtmi? •
“'öiukemtvs .hireK'^ÄcrpvL^^awmü. alant3äu*r. cltcoi^'V tatcoq-. ,
fftmo pam ac“öuo - j. pactofce Komart ‘S&xs fütne Ponuftet -"Pnnctpefarmte
Atamanir . CLcrtct 7 laxev .'&d?ttam, xn vpo/tcucceotlä ^CttLCCmarö obfeqviii'. Curt^
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Reg. Vat. 6, fol. 3" (RNJ el. MSL 216, no. 6-10).
Sitzungsl). d. kais. Akad. d. Wissensch., phil.-hisfc. Klasse, 1G5. ßd., 5. Abh.
PEITZ. Das Originalregister Gregors V II. iin Vatikanischen Archiv.
Taf. VIII.
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7tpi enampfato regi Otrom fi<urb nt " aB ‘* SramVuina i tnil.pp. ac njm fuitnligune comobu^
^bonore .'ftu'aUnr-fubucnivc. tu?ut~ fup’. ^Jlluft-vil^egi <Ottom 7 fUmnanoi^’ Jvr^nvcor? cl cc
\(aa*uSr?tbaplicamfcberns^ctabile fitm trim. •Camemcmepnt»«mgne-rtapoir.7«ac[*n^' ^y
^pofiur notamm biUgvitf.'lLjeraut' iVm cps cum ab ttrbnb bucc- rcbicnr. no ftUimb^fiti»
ttw-uöum coam'öc-fbui uftiitcrpofltf vebWir omuntm Zur tarn mumm nulUViftut-a
malignttafcutuucnuirtc-pflir. IcrCmtzrrc tua pfertnb; Urans pmurntti’. rcV&cntef ■te-be*
gm nta plcne fctum. qua ikaF ooiüpna tmobO£ fcmptuariabileoonjpbaflx. «Luocuta pm /
ymmtua.cui^ftnmu , &m? 7 ,;?flannaapVno&fc«u.«tpi mulnpliar <Sm»au,mo.7evar.qZnccaä>üft^
täte wftangzrr. net { U gr^ 0 K{<Smieaitt-.quottun' > ^ fwbUmanöe tun piubnr rntcribaf. ab qua
^noe>tTOTribtm 9 totUgenf.ur.iofnlctpt«6>2corouarmpuUakas •fehcif^umtre'.^cae-p^om.-r«”.
«xurna facta c pgemrcy,Tuc quib) multuncfec'la.iföts tatulo . . VIvtnoen
nsruteUinr.febuLa. -mcbitau JWcunas• ftquahr pcrunfignia gcfbvfuambiUrtaiunr fenum
er regje-botnuf atnpUaiunr *aif fubtiUrpfcmtens. a& unrtanbü cos tons tc* cSuctur- umto
lüxnanr.urpcf’oftenfiöön jjpum.Iectntonrjjep,mmto <Spbens.tiam arbor-afructu ccgnofa^
turiTclamm Dcrcbcm .opa cfera. t'pingurrr. CumiracpczmflinAnxpbfiluisnr'tUuftns fee
©tr. ncpftuuftuo.7a.UiM1 .,cöfonguincop fuqp- ätmtuclb abpfcns itteigcat-.mtmmnö mo 7
^>iciT 7 mauern.qMtattpibuf IttmtfluS Ijactsnus cwmfti. q*nnllü ucl tnobtcimv cicurafU fuU''
cvljtlxte'.cui 1 ticgtmü fiab opntrn pcrbuczrf’elfecaT. qtum Ivno x
uvyp -fi .n. J . vcgi'Zlngfop. tUuftn. ac regne eins accrcfcar. cpV
bbcar refiem-e .non eft- opufUrans cxpUcarc.'. cum. fi piarthm
bcfts < j«utus cmtcfcar.J Ui> cnam ineceta Vbctw tr*a» f» in<
mit 11111 ? tcmjns arnclb abee cmtuits • ac •fcoior«' tuiT effiaciF
tnfigte. ^ntnncccflrmte^plvtt amKuf.7cpu ucrt’bnUgir pW
cxpictma opis qgpbar? dluoce|.f.r.ro.nio.ar.7j»-a ,-r.f.p. xvP. q-fircata Trabes grämbimria 7
ntsun .7 { ppruinv , oiU£5is com<Jäl»i rtynoreV-pfirio Rcgi ncpoti tue epemefficaöp impenbaf.701
•oe -aus no pramtnas tarn itmtr’. quam UbctaUe fubucnmr. ur eins Tpnot-' m-tuu c&xxrr^
^»norwn.7ipius^fems m-fam poffit-gfiam t^unW^ar W . . W ^aVi .
lunmrccttm foaimctttu fibu|piaue.nicbil frglonofms Jtexno.ctrttmga^V).fcolnSr-.ee- Sei'
quam ftoem illtknam ftniarcfeutamunabmÄaxtn ncc nimmt® comoucmum q. <o«ncmtnlis f? " ^ -1 zr
nr. . igjonaftenm eps t>c- cuiw tnerms uirtuns ^vcmpla. "cebettmt- ab aUos ‘ocrytan /lutatimT '' ol£fn ' : 2Tl 7
cf5 pftmn Hmo inapö filio m»tllu,ftn R^i Otroj m fAomancna impatorE dccto. 4l /
tct'ctr prren? bbcret-abclTc: biflitnulaitr uu&etun ticc confibmnq, Rtil euanefetr m ip?. ab \
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qmbu.fiibiccm membtn {alJs^jpne reiteetf tnborcr^Jft^nn.^olcntcf ^ c^ ah tx &p ^
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7 pomnm fet ompteftatef7 nun regnotf, iprcnt oltiturn tnvf 7 rys cclip tercGr'cui uolxite-'?,
qnticluthoabtetllu». tf v mixmttc^na.7 tnlferc 7 curuat-tti^ia.äplcnanotttuttmtp 7
-tftvtfimetmrume'ctvCntn altcnü.' qoftcÄfitTtumatitpio Muina.pnufriöe.acftnxc'Ab etno^p '
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unpitcinf AU$x 'nirtoatü fui Cipiü 7 multtf tmtüttonlxicurCibj nmtn rmmbiUt-.-qi£vm.vftr 7
wbtltfclAcetJm csptt-.7agtfe rt .7^» «nfangulof? fmeffuoftöv concuti .'ne a ptioenabj n m '
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Reg. Vat. 2, fol. 33 b (RNJ ejd. MSL 216, no. 132-136).
Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissenscü., pbil.-hist. Klasse, 165. Bd., 5. Abh.
Sitzungsberichte
der
Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Philosophisch-Historische Klasse.
165. Band, 6. Abhandlung.
Attische Urkunden.
I. Teil.
Urkunden des korinthischen Bundes der Hellenen.
Von
Adolf Wilhelm,
korr. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
Mit 5 Tafeln und 2 Abbildungen im Texte.
Vorgelegt in der Sitzung am 30. Juni 1910.
Wien, 1911.
In Kommission bei Alfred Holder
k. u. k. Hof- und Universitäts-Buchhändler,
Buchhändler der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
Druck von Adolf Holzhauseu,
k. und k. Hof- und Universitäts-Buchdrucker in Wien.
VI. Abhandlung: Wilhelm. Attische Urkunden. I. Teil.
1
VI.
Attische Urkunden.
I. Teil:
Urkunden des korinthischen Bundes der Hellenen.
Von
Adolf Wilhelm,
korr. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
(Mit 5 Tafeln und 2 Abbildungen im Texte.)
(Vorgelegt in der Sitzung am 30. Juni 1910.)
I.
Vor Jahren in Athen gefunden, zuerst von St. A. Kuma-
nudis, dann von U. Köhler IG II 184 veröffentlicht, seitdem
wiederholt abgedruckt (Dittenberger, Sylloge HIß, 2 159; E. L.
Hicks and G. F. Hill, Greek historical inscriptions 154), ist die
nachstehend nach meiner Abschrift mitgeteilte Inschrift des Na
tionalmuseums zu Athen eine der bekanntesten unter den im
eigentlichsten Sinne des Wortes geschichtlichen Urkunden, die
auf attischen Steinen erhalten sind.
: P
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4:11
lilTilN : l
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1N:II:AMB PAK IX1T-
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k EIIN : I l I :AOK PI1N : l l l
A IHN K A I MAA 1 CXLN k A I
D A 1 AN k A I AOAOrüN : P
1 P A I BilN : II
Yk A I k E4-AAHN I AS:I II
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd., 6. Abh. 1
10
2
YI. Abhandlung: Wilhelm.
Nachdem schon der erste Herausgebei bemerkt hatte,
daß die den Namen folgenden Zahlzeichen nichts anderes be
deuten können als Zahlen von Stimmen oder Abgeordneten, die
vereinigten Staaten in ihrem Bundesrate zukommen, glaubte
Köhler durch den Vergleich mit der bei Diodor überlieferten
Liste der Teilnehmer des sogenannten lamischen Krieges den
Nachweis erbracht, daß die Inschrift ein Verzeichnis eben der
Staaten enthalte, die sich in Griechenland nach dem Tode
Alexanders des Großen unter der Führung der Athener und der
Aitoler gegen die makedonische Herrschaft und zur Wieder
herstellung ihrer Freiheit erhoben. Der Geschichtschreiber, der
XVIII11 den Kriegsbeschluß der Athener mitgeteilt hat, stellt
den Erfolg der durch Gesandtschaften an die griechischen Städte
gerichteten Aufforderung zur Teilnahme an dem Aufstande im
allgemeinen und im besonderen folgendermaßen fest (vgl. B.
Niese, Geschichte der griechischen und makedonischen Staaten
I 202): zwp Trqeoßewp eninoqevouevwv zag zcoleig v.ai zfj ovpq-
dsi zwp löywv deipdzrjzi Ttaqoqiiwprwv zrqog zöp noleuov ai
Tckeiozai fxev GvpeHerzo zijv au[iaayjap, al /zip zur e&vog, al de
zarä TTÖhv . zwv d’ Icllwr 'Eklrjvojp ol fiep nqög Mav.edövag äne-
v.hvav, ol de zijv fjGvyiav e'ilovzo. Alzwloi [-dp ovp Ihrarreg
jtqwzoi avped-evzo zrjp auuuayjar, v.aQdneq ■rrqoelqrjzai, [zezä de
zovzovg Qezzaloi [dp navzeg nkryp IIeXippuiiop (vgl. H. Swo-
boda, Jahreshefte VI 212 Anm. 64), Olzaloi de nh)v ’llqav.lew-
zaip, Ayaioi de Qfhwzai nlijp Qrjßaiwr, Mrjlielg de ztlryp
Aaiueang etgfjg de AwoieXg Ihrapreg '/.ai Aozqoi '/ai Ow/eTg
(vgl. IG II 182), h'zi d’ Alnäreg zai Alv^aToi '/ui Aoloneg.
iTQÖg de zovzoig A h)a[iäveg -/ai Asv/ccdioi -/ai Molozzöiv ol neqi
AqvnzaXov ■ obzog d’ mtovlov ov[iuaylap ovp-9-e/.iepog vozeqop diä
TTQodoffiag Gvvr]qyr]Ge zoig Mazedöoi. zwp r ‘ W.vqiwv '/ai Qqa-
zCop ovz öliyoi (s. R. v. Scala, Berliner philologische Wochen
schrift 1902 S. 756) gvpe&epzo av[Z[iayiav dice zd nqög roug Mav.e-
döpag [ilaog. eigrjg de Gvpeläßovzo zov nols[iov KaqvGzioi [.dp ei;
Evßoiag (vgl. IG II 249, Sylloge 180), zelevzaioi de zwv Elelo-
norvqalwp AqyzXoi Er/vwvioi ’HlsXoi Meggzjpioi v.ai ol zijv
A/zijv ■/azoi'/ovvreg (vgl. Paus. I 25, 4). ol uev ovv ovuuayyav
ovvd-E[XEPOi zwp ‘ElXrjPiop vnfjqyop ol nqosiqrjfispoi.
Eine ganze Reihe von Namen der Inschrift, im Druck
hervorgehoben, kehrt in der Liste Diodors wieder, die Alu-
Attische Urkunden. I. Teil.
3
'CaToi, die Köhler in Z. 10 finden wollte, freilich nicht, da der
vor -a'iiov deutliche Rest eines Rho den Namen der den Dolo-
pern benachbarten Ayqalot, sichert. Das Zusammentreffen schien
so beweisend, daß Ivöhler’s Deutung allgemeine Zustimmung
fand ; noch kürzlich haben J. Kaerst in seiner Geschichte des
hellenistischen Zeitalters II 1, 15, 0. Kern in seiner Sammlung
der Zeugnisse für die Geschichte Thessaliens IG IX 2 p. XVIII,
C. Fredrich in seiner Sammlung der Zeugnisse für die Ge
schichte der Insel Thasos IG XII 8 p. 79 und G. Kip, Thes-
salische Studien S. 60, mit ihr als einer völlig gesicherten gerech
net. Aber nur oberflächliche Betrachtung kann sich bei der
Beziehung der Liste auf die Verbündeten des lamischen Krie
ges beruhigen,- bei näherem Zusehen stellen sich die schwersten
Bedenken ein.
Erstens ist es klar, daß das bei Diodor erhaltene Ver
zeichnis der Bundesgenossen des lamischen Krieges sich —
trotz der Übereinstimmung einzelner Namen — nicht mit der
Inschrift deckt und in keiner Weise auf diese Urkunde zu
rückgehen kann. Denn die Inschrift kennt keine Ausnahmen,
sie nennt Stadtstaaten und landschaftliche Verbände in ihrer
Gesamtheit. Diodor dagegen nimmt bei den Thessalern die
Stadt Pelinna, bei den Bewohnern der Oite Herakleia, bei den
Achaiern in der Plithiotis Theben, bei den Maliern Lamia aus.
Ebensowenig deckt sich die Inschrift mit der von Pausanias I
25, 4 mitgeteilten Liste, wenn sich auch einige Namen in bei
den finden: syevovro de al uexaayovaca uoletg llekoirovv^csUov
/.isv ’Aqyog ‘Eritöavoaq Eixvcjv TqoiCßjv ’Hlelot, Qhäoioi Mea-
arjvrj, oi de egw rov Kotnvduov üjSi.tov Aoxqol <I>io/.elg Qea-
aalol Kaovarog A/.aovaveg (Ii. Swoboda, Klio X 401 fügt (ol)
ein) eg rd Alzwli v.öv ovvielovweg' Botonoi de Qrjßa'uov ’fjQijf.ico-
lievr t v xijv yfjv vi]v Qrjßatdcc veuöuevot, oVxe eg VTjv avuuayjav
exdaaovxo v.ai eg oaov iy/.ov övrüuetoq rä Maxedövwv rßßov.
Zweitens fehlen einige der in der Inschrift genannten
Teilnehmer am Bunde in der Liste Diodors — um nur diese,
nicht auch die des Pausanias zu berücksichtigen. So die Am-
brakioten, die Thasier, die Insel Zakynthos — denn ihr Name
wird vor dem der Insel Kephalenia zu ergänzen sein — und
Kephalenia selbst. Das Fehlen dieser Namen ist nicht nur auf-
1*
4
VI. Abhandlung: Wilhelm.
fällig, sondern unerklärlich, weil der Geschichtschreiber in sei
nem Verzeichnis, wie zum Überfluß die Worte zeigen, mit
denen er schließt, augenscheinlich Vollständigkeit und Genauig
keit erstrebt hat.
Daß dagegen manche von den hei Diodor und Pausanias ge
nannten Bundesgenossen in der Inschrift fehlen, kann sich drittens
freilich daraus erklären, daß in dieser eben nur ein Bruchstück
vorliegt. Aber auch dem Bruchstück gegenüber hat der Epi
graphiker die Pflicht der Ergänzung oder, wenn eine solche,
wie in diesem Falle, nicht möglich ist, wenigstens der Schätzung
des Verlorenen. In der letzten Zeile führt die Hinzufügung eines
Namens: [ZaxvvS-o]v xai Kecpalrjvias noch nicht an den Anfang
der Zeile. Denn in der vorangehenden Zeile bliebe vor [U«]o-
Qcußüv nicht Kaum genug für einen anderen Namen; da die
Zeilen mit vollen Namen beginnen, also noch ein Name, ent
weder mit einem Zahlzeichen oder durch vxd mit dem näch
sten Namen verbunden, vorangeht, sind vor den ersten erhal
tenen Buchstaben links mindestens ungefähr 18 Stellen verloren.
Diese Überlegung zeigt, daß von der ganzen Liste auf dem
vorliegenden Bruchstück sicherlich weniger als 2 / 5 erhalten und
mehr als 3 / 5 verloren sind, wobei nicht berücksichtigt ist,
daß die erste erhaltene Zeile keineswegs die erste des ganzen
Verzeichnisses gewesen zu sein braucht. Sind dreizehn Namen
als erhalten anzusehen, so sind mindestens zwanzig für den feh
lenden Teil der Liste zu rechnen, insgesamt viel mehr, als sich
aus Diodors oder vollends aus Pausanias’ Verzeichnis entnehmen
lassen. Der Bund, dessen Teilnehmer die Inschrift aufzählt, hat
eine beträchtlich größere Ausdehnung besessen als der der
griechischen Staaten im lamisclien Kriege.
Viertens spricht aber auch ein allgemeines Bedenken gegen
die von Köhler vorgeschlagene Beziehung. Zwar hat, wie der
Beschluß der Athener für Timosthenes von Karystos IG II 249
(Sylloge 180 mit meinen Ergänzungen Gott, geh Anz. 1903
S. 786 f.) zeigt, im lamischen Kriege ein ovvedgtov der Bundes
genossen bestanden; in Ansehung der Art und des Zweckes
jener Vereinigung ist es aber unwahrscheinlich, daß dieses ovv-
eÖqiov mehr als ein Kriegsrat der Verbündeten und diese in
ihm durch eine je nach ihrer Macht verschiedene Zahl von
Stimmen vertreten waren. Ein Rat, in dem die an der Ver-
Attische Urkunden. I. Teil.
5
einigung teilnehmenden Staaten, ihrer Bedeutung entsprechend,
über eine größere oder kleinere Zahl von Stimmen oder Ab
geordneten verfügten, scheint nur für einen Bund zu passen,
der dem von den griechischen Staaten zur Zeit des lamischen
Krieges geschlossenen an Ausdehnung überlegen war und im
Gegensatz zu ihm dauernden friedlichen Aufgaben zu dienen
hatte, nicht nur den Unternehmungen eines Aufstandes. Diese
Vereinigung, die, wie die erhaltenen Namen zeigen, griechische
Stämme und Staaten bis nach Thrakien und bis zu den Inseln
und Küsten des ionischen Meeres umfaßte, früheren Verbänden
auch in der Zusammensetzung des leitenden Rates unähnlich,
das hohe Ziel dauernder, gemeinsamer Wohlfahrt aller Hellenen
verfolgte und, wie wir schon dieses Umstandes wegen annehmen
müssen, nicht aus dem Eigenwillen der griechischen Klein
staaten, sondern auf Veranlassung und unter der Führung eines v
über ihnen stehenden Machthabers erwachsen war, kann nur
der sogenannte korinthische Bund der Hellenen sein, den König
Philipp nach der Schlacht von Chaironeia gestiftet und sein
Sohn Alexander erneuert hat.
Ein glücklicher Zufall erlaubt den Beweis zu führen,
daß sich die Liste IG II 184 tatsächlich auf den ,korinthischen'
Bund der Hellenen bezieht.
In der verstümmelten Inschrift IG II 160 hat U. Köhler
mit glücklichem Scharfblick Worte erkannt, die in der Rede
txsqI t(7:v itqdg [A'l.^avdnov ovvd-rpi&v wiederkehren, und den
Stein deshalb für ein Bruchstück der Urkunde der von Alexan
der mit den Athenern geschlossenen Verträge erklärt. Diese
Deutung haben J. G. Droysen, Geschichte des Hellenismus 2
I 1, 110, J. Beloch, Gr. G. II 616, B. Niese, Geschichte der grie
chischen und makedonischen Staaten I 53 Anm. 5 weitergegeben.
Wie ich aber schon im Jahre 1894 durch eine Herstellung der
wesentlichen Bestimmungen, insbesondere einer König Philipp
nennenden Stelle nachwies (Arch.-epigr. Mitt. XVII 35), liegt in
der früher nicht ergänzten Inschrift vielmehr ein Bruchstück
der von König Philipp mit den Athenern geschlossenen Ver
träge vor, das ihren Eid auf die für alle Mitglieder des helle
nischen Bundes geltenden Abmachungen enthält. So hat die
6
VI. Abhandlung: Wilhelm.
Inschrift — wie nachträglich U. Köhler selbst, Sitzungsberichte
der Berliner Akademie 1892 S. 511 Anm.-1 — auch J. Kaerst,
Rhein. Mus. LII (1897) 586. 550 als Bruchstück des atheni
schen Bündnisvertrages mit Philipp bezeichnet, aber ohne Be
gründung und ohne Berücksichtigung meiner Ergänzungen, viel
leicht nur, weil er den von Alexander geschlossenen Bündnisver
trag lediglich als Erneuerung des von Philipp veranlaßten und
als mit diesem gleichlautend betrachtete. Ich lasse die Inschrift
nach meiner Abschrift mit den Berichtigungen, die sich für
Köhler’s Lesung namentlich in den kümmerlichen Resten der
zweiten Spalte ergeben, und in meiner Herstellung folgen.
: I All
-c. _ MM E N
NONiAST
5 EOPAAE Ol
EMMENONT NENT
OYTEKAT A AAA2 1/
YPI ONtATAAHTOM OY.
MHI OYOE N O^TÜN T TAI
10 UNTEXNH I OYA EM I PIAC
HNBASIAEIAN HN4> OAI
ÜN KATAAY^ÜOA ETA <11/
PAPEKA^TOI SOTET PIE
H?EI PHNHSÜMNYON ET;
15 NT I ONTA ISAETAI S I O 1
Aül EPITPEYÜEI S NE
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KAOOTIANPAI AT EtA <
KAI POAEMH^ilTA A2K
20 \BAINONTIKA O O T I ...
/ T n I KA I OH P E T
T A A E I TUT E
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TIoa]si.ö[a)
. ]g . . . .
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Attische Urkunden. I. Teil.
7
5 oüd]« OTtla £jtoi[o(o £-
nl icrjfiovfjL etc ovdsva zG>v\ euliev6vz[o>]v ev z-
olg oqxoig oilzs. xazcc yfjv] oute xazä [P]dlao-
oav • ovös ttoXlv ovde cpqo~\vqiov y.azahppou-
ai oute Xipsva erfl TtoXsjfiaH ovdsvdg %<ov r-
10 Tjg Eioijvrjg yoivwvovvzjcov zh/yry obdef.iL-
ca oI'te ury/avrp, • ouöe z~\ry ßaaiXeiav [z]pv O-
iXLrrnov xal za>v sxyöv]cov xazalvoco 3ds z&-
g rtoXtTEiag zag ollaag] rcao zxdovoig ozs z-
obg oqxovg zovg Tteqi z~\rjg elqrjvpg äfivvov •
15 ovds Ttoizjaoi ovÖev evo]vzlov zalade zeug
Gjrovdaig oüt syw obz &K]Xwi emzoEipco slg
dvvafiiv, älV £av zig tcoei zl] TtaqaOTCOvd[ov] tte-
ql zceg GvvPhyxaq, ßorjd-rjOü)] ya96zu av itaqay-
yhkXwoiv ol äst öeouevol] xal TrolEupao) zü>-
20 ( zfjv y.oivijV Eiqiyry Ttaqa\ßaivovzi xa&özi
Sv 7]l Gvvzszayfisvov i/.iav}zuiL xal 6 ip/E[uoi-
v xeXsvtjl xa] calzhpoj zs . .
Für die ersten Zeilen, in denen durch meine Lesung der
Name eines Schwurgottes kenntlich wird, bezüglich dessen ich
auf E. Ziebarth’s Dissertation De iureiurando in iure Graeco
quaestiones p. 17 verweise, könnte ein Versuch der Ergänzung
nur sachlich belanglose Möglichkeiten andeuten. Auch die Her
stellung der letzten Zeilen bleibt unsicher, zumal, wie Z. 20 lehrt,
mit Störungen der regelmäßigen Anordnung der Schrift gerechnet
werden muß. Solche habe ich auch für Z. 17 und 19 annehmen
zu sollen geglaubt. Die Lesung itaqaGTCovdov verbietet die
frühere Ergänzung: [dXV sav zig ri] TraqaGTCOvd[rji]
zag avvd-rjxag]. Zu Z. 19 vgl. Tliuk. I 38, 1 und Sylloge 105
Z. 38. Die Vermutung, die ich in Z. 21 seinerzeit mit ausdrück
lichem Vorbehalt eingesetzt hatte: xa&özi [är öoxrp zan xoivibt
avvEdqi]wi, war, wenn auch dem Sinne nach nicht unpassend,
doch deshalb bedenklich, weil der Stein nicht 1111, sondern TJII
und davor einen einem Y ungehörigen Rest zu bieten scheint.
Dieser Lesung entspricht der Vorschlag xad-ozi [«V ry ovvzsza-
ypevov £uav~\z(7H‘j vgl. Polybios III 42, 9 und 43, 6 xazä zö gvvze-
zayfisvov; somit wird auf die Bestimmungen des Bundesvertrages
Bezug genommen, die Athens Pflichten kriegerischer Hilfeleistung
8
VI. Abhandlung: Wilhelm.
regelten, und auf die maßgebenden jeweiligen Befehle des rjyrptür.
Die dürftigen Beste der zweiten Spalte entziehen sich leider
der Ergänzung.
Wie ich nun in der Sitzung des deutschen archäologischen
Institutes in Athen am 4. Januar 1899 (Ath. Mitt. XXIY 95)
darlegte, gehören die beiden Bruchstücke IG II 160 und II
184, ohne aneinander zu passen, einer und derselben Stele an.
Meine Mitteilungen haben veranlaßt, daß sie in der 1901 ver
öffentlichten zweiten Ausgabe der Greek historical inscriptions
p. 291 n. 154 vereinigt abgedruckt wurden und daß W. Ditten-
berger in den Addenda des zweiten Bandes seiner Sylloge p. 812,
R. v. Scala in der Berliner philologischen Wochenschrift 1902
S. 756 und J. Beloch, Griechische Geschichte III 1, 73 Anm. 3
die Zusammengehörigkeit erwähnten. Erst jetzt finde ich Zeit,
die Entdeckung in aller Öffentlichkeit zu begründen.
Auf Tafel I. II nach den ausgezeichneten Aufnahmen ab
gebildet, die ich der Güte und dem Geschick Herrn Dr. Otto
Walter’s verdanke, zeigen beide Bruchstücke graublauen, so
genannten hymettischen Marmor von genau derselben Färbung
und Beschaffenheit. Ich bemerke bei dieser Gelegenheit, daß die
Beobachtung der Eigenart der in Athen namentlich in späteren
Jahrhunderten verwendeten sogenannten hymettischen Steine auch
für die Zeitbestimmung unter Umständen wertvolle Anhalts
punkte zu liefern vermag.
Beide Bruchstücke zeigen ferner, IG II 160 0 - 185m breit
und 0'21 m hoch, II 184 0T95 m breit und 0'26 m hoch, fast
dieselbe Dicke, nämlich II 160 0T3 m, II 184, augenscheinlich
dem unteren Ende der Stele angehörend, 0'135m, genau dieselbe
Bearbeitung der Vorder- und der sorgfältig geglätteten Rück
seite, genau dieselbe Verwitterung und genau dieselbe, auch in
der Gestaltung, Größe und Anordnung der Buchstaben über
einstimmende, leider sehr zerstörte Schrift. Beachtenswert ist
zudem, daß IG II 184 den Rand rechts genau so abgeschrägt
zeigt, wie die ’Ecpr/fj,. äqx. 1900 a. 91 veröffentlichte, von P. Fou-
cart, Journal des Savants 1902 p. 176. 232 und Aug. Fricken-
liaus, Athens Mauern im vierten Jahrhundert S. 15 und in
meinen Beiträgen S. 232 f. besprochene Urkunde des Baues
Attische Urkunden. I. Teil.
9
der Mauern des Peiraieus und wie der ebenfalls aus lykur-
gischer Zeit stammende, gleich zahlreichen anderen einst von
mir mit den zugehörigen Urkunden vereinigte Stein Annual of
the British School VIII 228 f., der auf der einen Seite einen
catalogus paterarum argentearum, auf der anderen, die ich für
die Vorderseite halte, das Bruchstück eines auf diese dvaDijuara
bezüglichen Gesetzes enthält. Übrigens wird zu erwägen sein,
ob die Weihungen der cpialca E^EXEvd-EQrxai nicht auf ein Ge
setz lykurgischer Zeit zurückgehen, da die Verzeichnisse an
scheinend nicht über diese hinaufreichen; zudem weiß die Lebens
beschreibung Pseudoplutarchs p. 841 f. von einem lykurgischen
Gesetze verwandten Inhaltes, nämlich über den Sklavenkauf,
zu berichten: (.irjdsvl ägstvcn A'd-ijvaiwv ui)Öe rütv olxovvxuiv
'AdrjVi)(n s/.ev&epov ijüua nnlauSai, irxl dovleicc sx xwv ähffxo-
fxevLov (f.irjÖE dovlov) ftvsv xfjg xov ttqoxeqov dsartoxov yvwf.ii]g. In
Zusammenhang mit diesem Gesetz läßt sich sehr wohl ein
anderes denken, das die Stellung und die Prozesse der Frei
gelassenen regelte und, wenn auch in Lykurgos’ Sinne, doch
nicht von ihm selbst beantragt zu sein braucht.
Die Stele ist, wenigstens in ihrem oberen Teile, mit zwei
oder mehreren Spalten Schrift bedeckt gewesen; die gesicherte
Länge der Zeilen läßt für die durch einen Zwischenraum im
Ausmaße von 0016 m getrennten Spalten eine Breite von etwa
028 m berechnen. Auch ist zu beachten, daß die Zeile 33 Buch
staben zählt, also, mit 14 bis 15 Silben, der Normalzeile (s. auch
U. v. Wilamowitz-Moellendorff, Timotheos S. 6) entspricht, die
ich schon Jahreshefte III 165 f. in verschiedenen Inschriften
nachgewiesen habe, namentlich in solchen, die —- allerdings nicht
a%oiyi]86v — in mehreren Spalten geschrieben sind. Die Sprache
der Urkunde ist, wie Z. 8 -d-alaaaav lehrt (vgl. IG II 88 d), die
hellenistische Schriftsprache.
Vollständig erhalten würde die Inschrift eine Urkunde von
in ihrer Art einziger geschichtlicher Bedeutung darstellen, in
ihrem ersten Teile Uber die Verfassung des ,korinthischen' Bundes
der Hellenen erschöpfende Auskunft geben und in ihrem zweiten
Teile nicht nur von seiner Ausdehnung, sondern auch von den
Machtverhältnissen der an ihm beteiligten Staaten ein getreues
Bild liefern. Mit dem Aufstande der Athener nach Alexanders Tod
10
VI. Abhandlung: Wilhelm.
der Vernichtung geweiht und nur durch ein Wunder in zwei
Bruchstücken auf uns gekommen, lehrt sie in deren erstem
freilich nicht mehr, als in den Berichten der Schriftsteller über
liefert und über diese hinaus durch zutreffende Vermutung er
mittelt war; umso wichtiger ist es, daß das zweite die bisherigen
Anschauungen über die Ausdehnung des Bundes und die Ver
tretung seiner Mitglieder im Bundesrate erheblich berichtigt.
Mit aller Bestimmtheit hat J. G. Droysen, Hellenismus 2 I
1, 161 erklärt, der korinthische Bund habe, mit Ausnahme Spar
tas, ,Hellas bis zu den Thermopylen* umfaßt; ebensowenig wie
die Thessaler und ihre Nachbarstämme seien die Aitoler an
ihm beteiligt gewesen, auch sie hätten bei seiner Gründung
nur die früheren Sonderverträge mit Makedonien erneuert. Als
urkundliches Zeugnis für diese Beschränkung gilt, allerdings nur
vermöge einer Änderung des überlieferten Wortlautes, Arrians
Bericht I 1 über Alexanders Erscheinen in Griechenland nach
seiner Thronbesteigung: keysxai dt) Oihmrog jisv xekevxrjaai hei
Itoyovxog llv ttodqkov Id&rjvrjaL' ituoakaßovxa de xijv ßacnkeiav
'yikhgavktqov ncuda owa (IhUttnov sg TlekoTtövvrjoov naotßkdtdv
y.xk. h’vavd-a jgvvayccyövxa xoug ’Ekkrivag oooi hx6g ITvkwv (so
Niebuhr; die Handschriften bieten Ilskonovvrjoov) tfuav, alxslv
uq' avxojv xijv ijy£[ioviav xfjg §7rl xobg Ueoaag aioaxtlag fjvxxva
(Ihkinrtqt ‘Sjd't] edoaav yal alxrjaavxa kaßetv rtao syaoxwv nkryv
-AayndauiovUitv. Nach Diodor XVII 4, 1 ff. hat aber Alexander
zunächst die Thessaler bestimmt xrjv naxqonaoäöoxov fjyejiovlav
xfjg ' Ekkadog aöetjj (svyyutQfjoai ttoivco xfjg Qsxxakiag döy/.iaxL
(vgl. Ed. Meyer, Theopomps Hellenika S. 219 f.), sodann xcc ovv-
OQii^ovxa xßtv s!)v(ov gewonnen, in den lliikai angekommen einen
Beschluß der zusammenberufenen Amphiktionen mvxfj) v.oivio 66y-
ftaxi do&rjvai xrjv xwv ‘Ekhjvwv r)yauoviav veranlaßt, schließlich
in Korinth die <jvve§qol versammelt und, ineidrj avvrfkSov ol
avveÖQSveiv slcoßöxeg, sich von den ,TI ebenen' zum oxquxrf/rjg
aixoyoaxuq xrjg c Ekkaöog erwählen lassen. Dem Wortlaut dieses
Berichtes nach ist die Bestellung Alexanders zum Feldherrn des
Bundes der Hellenen für den Perserkrieg bei der Tagung dieses
avvedgiov erfolgt; ol ovvsdqsvEiv Elat-d-oxsg bezeichnet deutlich die
herkömmliche Versammlung. Es ist also nicht wahrscheinlich,
daß nur die Peloponnesier nach Korinth entboten wurden. Auch
ist in Arrians Bericht die Scheidung der Hellenen in solche ivxög
Attische Urkunden. I. Teil.
11
und ex-rot,' ReXonovvrjGov auffällig, sprachlich und sachlich, wenn
auch z. B. Strabon p. 333 f. und 419 ganz Hellas in das evrdg
’loXXi.iod y.cd ey.rög teilt und Pausanias I 25, 4 den Peloponnesiern
öl rov Kooivdiiüv laXfiiou gegenüberstellt; dagegen ist die
Scheidung in Hellenen h'TÖg und eyrog IIvlcov gewöhnlich (Thuk.
II 101, 2 ol (x&xql OEQfiOTtvlcov "EXXrjveg; Demosth. XVIII 304
oi'deig oVce rcöv eigor IIv/mjv c EXXrjvu>v oüce rwv slaco; Plut.
Dem. 23 E-navuov de rovg evrdg llvXtitv “Elhjvag eXev&eqov ;
Tit. 5, de def. or. 15, de Herod. malign. 34) und die Ent
stellung um so begreiflicher als slg TlsXojtövv^aov unmittelbar
vorhergeht. Hat aber Alexander damals wirklich das ganze
avviöoLOv versammelt, so entspricht allenfalls ogol evrdg v.ai iy-
rdg rivlojv fjffav, nicht aber Niebuhr’s Vorschlag evrdg IIvXwv
dem Sachverhalte. Jedenfalls ist die Stelle nicht geeignet, die
Beschränkung des Bundes auf die Griechen südlich von den
Thermopylen zu erweisen.
Ausführlich äußerte sich (1893) B. Niese I 38 f.: ,Mitglieder
des ehemaligen attischen Bundes, wie die Kykladen, Samothrake
und Tenedos, haben wahrscheinlich gleich zu Anfang an den
Friedensverhandlungen mit Philipp teilgenommen, vielleicht auch
Lesbos. Den übrigen Hellenen ward der Beitritt freigestellt und
noch unter Philipp haben auch Byzanz und Perinth die Feind
schaft mit ihm beigelegt und sich dem Bunde angeschlossen.
Jedoch nur autonome Städte oder Völker nahmen an dem Bunde
teil. Die dem Philipp Untertanen, wie die Städte an der tlira-
kischen Küste und am Chersones, z. B. Abdera, Maroneia, Kar-
dia, sind nicht als Mitglieder des Bundes zu betrachten. Ebenso
wenig die Thessaler und ihre Nachbarn nördlich von den Thermo
pylen, die in einem besonderen, dem Untertanenstand sich nä
hernden Verhältnis zu Philipp standen/ Dagegen hat U. Köhler
in der Abhandlung über Alexander den Großen und den ko
rinthischen Bund (Berliner Sitzungsberichte 1898 S. 121) aus
der Erwähnung von Reitern aus Achaia Phthiotis und Malis
neben solchen aus dem Peloponnes, aus Lokris und Phokis in
dem Berichte Diodors XVII 57, 3 über die Schlacht bei Ar-
bela richtig geschlossen, daß der korinthische Bund über die
Thermopylen hinausgereicht und außer Malis auch das phthio-
tische Achaia umfaßt habe; mit Nachdruck hat aber auch
er, aus Gründen, die sogleich zur Sprache kommen werden,
12
VI. Abhandlung: Wilhelm.
behauptet, daß Thessalien, dessen Bewohner vor der Stiftung
des Bundes Philipp als Schutzherrn anerkannt hatten, dem Land
friedensbunde nicht angehörte. Desgleichen nimmt J. Kaerst
in seiner Geschichte I 211 und Rhein. Mus. LII 521 mit Be
rufung auf das besondere Verhältnis der Thessaler zum make
donischen Königtum und einzelne Stellen Arrians, vornehmlich
VII 12, 4 und I 1, 2 Thessalien zwar ausdrücklich aus dem
Bunde aus, fügt aber Rhein. Mus. XLII 542 hinzu: ,Daß
der Bund nicht etwa auf die svrdg llv'/.ßv 'E/.Xrp’eg beschränkt
£ fl. I YTT ATA l o ! EAoSANTTPoHdf
JnoMIANETKTHJIINTTA NTfl. N A YTfl.1 KAly
.^JiKAITAAAAnANTAoIA KAI Toi £ AAAolf
APXoNTilNA NTINooY *
Apinnu a ii EAAoY
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AEllN AAEHA NAPoY
T .ft. N AINIAN/IN E Aft. K E TT PoSENIA N£ Sl £ 11TPA Tn cf) I A EoVAOHN
....... K AlAPXo £ A K Pin Not TTY PP I AIKAAA
A NAPol A PXI
Inschrift aus Hypata 16 IX 2, 3.
bleiben sollte und konnte, ist an sich klar und wird denn auch
noch durch besondere Zeugnisse in betreff mehrerer inselgrie
chischer Staaten bestätigt'. Weniger bestimmt sprach sich rück
sichtlich Thessaliens J. Beloch, Gr. G. II 573 f. aus, fand aber
auch seine Zugehörigkeit ,nicht wahrscheinlich, da Thessalien
schon vorher in engem Bündnis mit Philipp stand und das
thessalische Kontingent in Alexanders Heer gesondert neben den
Kontingenten des hellenischen Bundes aufgeführt wird'; Epei-
ros habe dem Bunde sicher nicht angehört, aber bis auf Sparta
alle Staaten südlich der Thermopylen, die bisher mit Athen ver
bündeten Inseln, auch Byzantion.
Schließlich läßt Eduard Meyer, Kleine Schriften S. 245, im
Anschluß an Droysen (s. oben S. 10) den korinthischen Bund
,die PTellenenwelt des Mutterlandes mit Ausnahme Spartas und
Atoliens' umfassen; doch ist dieser Bemerkung wohl kein be
sonderes Gewicht beizumessen, da derselbe Gelehrte S. 293 ebenso
ausdrücklich nur Sparta als ausgeschlossen bezeichnet.
Attische Urkunden. I. Teil.
13
Das Zeugnis der Inschrift widerlegt endgültig die ver
breitete Meinung, daß Thessalien und vollends nördlicher gele
gene Gebiete nicht zum Bunde gehört hätten, entbindet aber
nicht von der Pflicht, die Gründe, auf die sich die bisher
herrschende Anschauung stützt, zu überprüfen. Als Beweis
dafür, daß die Gebiete nördlich von den Thermopylen, die
noch nicht zu dem eigentlichen Thessalien gehören, in einem
besonderen, dem Untertanenstande sich nähernden Verhältnis
zu Philipp standen, hat B. Niese I 39 angeführt, daß bei den
Ainianen in einem ,bald nach Alexanders Tode verfaßten' Be
schlüsse GDI 1429 b nach den makedonischen Königen Alexan
der und Philippos datiert wird. Aber die auch von 0. Kern
IG IX 2, 3 aufgenommene Ergänzung dieser Inschrift aus
Hypata ist unschwer als irrig zu erweisen. Nur durch M. Leake’s
nebenstehend wiedergegebene Abschrift (Travels in Northern
Greece II pl. IV n. 18) bekannt, trägt der Stein zwei oder viel
leicht drei verstümmelte Urkunden über Verleihung der Pro-
xenie und anderer Rechte.
<aiai** * Yoitax n pozen Die erste Urkunde, von der Leake vier
Zeilen in größerer Schrift überliefert, schließt
dem Anscheine nach mit der Nennung der Beamten der Stadt:
(xqxövtiov ’Avzivöov . Nach freiem Raum folgen in kleinerer
Schrift zwei Zeilen, in deren zweiter Bürgen der Pz’oxenie (s. nun
J. Partsch, Griechisches Bürgschaftsrecht I 422) genannt sind:
5 Aqioion\og ? ] A\o-y\sXuov
[e'yyvoi T«g] rcqo^eviag Qaivi-
Wiederum nach freiem Raum folgen, in derselben klei
neren Schrift, doch so, daß zwischen der ersten und zweiten
ein unmerklich größerer Abstand bleibt als zwischen den übri
gen, vier Zeilen einer zweiten Urkunde, die folgendermaßen
ergänzt wird:
3 Eni ßaoi]letov AXegävdgov [zov AXs^ardoov xai Qtlimtov zov
OiXiTtTTOv • to y.oirov]
zwv AIvi&vlov zdar/.e ttqo^ev'kxv ZaKnozoätoj <Dl1sov Ad-r^vauoi .
\ßyy]voi zäg 5Too£«’[/«g]
. . zh~\/.aiaoyog Av.oim’oq TTvgQLag Kall[- — — — — — —
. . . Jardgog Aqxi[ — — — — — — — — — — —
14
VI. Abhandlung: Wilhelm.
,Possis etiam de Cassandri filiis Alexandro et Antipatro
cogitare* fügt U. v. Wilamowitz bei, vielleiclit durch das nicht
ausgesprochene Bedenken bewogen, daß die herkömmliche Er
gänzung den unmündigen Alexander, den Sohn der Rhoxane,
vor Philippos Arrhidaios genannt sein läßt, der, wie ich in
meinen Urk. dram. Auff. S. 217 ausführte, oft genug als alleiniger
König erscheint. Aber auch gegen die Beziehung auf die Söhne
des Kassandros spricht die Reihenfolge der Namen, da Antipatros
der ältere der beiden Brüder war und Alexander nur insoferne
die Voranstellung seines Namens zukäme, als ihm bei der Tei
lung des Reiches der Westen, zu dem Hypata gerechnet wurde,
zufiel; dann wäre freilich die Urkunde auf eine sehr kurze
Zeit datiert (Beloch, Gr. G. III 1, 229 f.). Doch ist es an sich
unwahrscheinlich, daß der Stein so alt sei, wie die Ergänzungen
dieser Königsnamen voraussetzen — Leake’s Abschrift zeigt
deutlich O mit Strich, nicht mit Punkt in der Mitte — und
vor allem wäre überhaupt nicht die Formel stcI fiaoi/Jow, son
dern ßacnXevovrcov zu erwarten. Ich zweifle also nicht, wie ich
dem Herausgeber der thessalischen Inschriften bereits (s. Corr.
p. VIII) brieflich in Kürze angedeutet habe, daß die zweite
Urkunde, wie gewöhnlich, erst mit der Formel tö -/.oivov twv
vliviavwv edcüxe begonnen hat und AEANAAEEAN APOY noch
dem Verzeichnisse der syyvoi rüg nootgeviag angehört, mit dem
die vorangehende Urkunde schloß. Ob dies die Urkunde ist,
der die ersten vier Zeilen des Steines angehören, kann an
gesichts der größeren Schrift, die sie zeigen, zweifelhaft er
scheinen. Das Urteil über die Möglichkeit, die kleiner geschrie
benen Zeilen 5 bis 8 von ihr zu trennen und einer zweiten Ur
kunde zuzuteilen, ist dadurch erschwert, daß sich nicht sagen
läßt, ob ganze Zeilen so zerstört gewesen sind, daß Leake sie
nicht einmal durch Striche andeutete. Da aber die erste Ur
kunde jedenfalls mit einer Liste der Archonten und der Bürgen
schloß, wird es trotz der Verschiedenheit der Schrift wahr
scheinlicher sein, diese Zeilen 5 bis 8, allenfalls als Nachtrag,
zu der ersten Urkunde zu rechnen. Der Name Aewv ist für
Hypata mehrfach bezeugt, auch \K\lso)v ist möglich. Hoffent
lich kommt Sonjlozocczog Qileov Wd>jvaiog, der in J. Kirchner’s
Prosopographia Attica fehlt und von ,T. Sundwall, Nachträge zur
Prosopographia Attica S. 156 im Glauben an die Richtigkeit der
Attische Urkunden. I. Teil.
15
Ergänzung der beiden Königsnamen ,etwas nach 323' gesetzt
wird, einmal auf anderen Steinen zutage. In der Sammlung
der Inschriften von Hypata vermisse ich übrigens den Stein,
den Leake auf der Außenseite der Metropoliskirche eingemauert
gefunden und von dessen Inschrift ,in small characters of the
best times' er nur die drei letzten Worte anö ' Yrtaraiwv jt&vrwv
entziffert hat (Travels in Northern Greece II p. 18).
Dieses angebliche Zeugnis für ein besonderes dem Unter
tanenstande sich näherndes Verhältnis der nicht zu dem eigent
lichen Thessalien gehörigen Gebiete nördlich von den Thenno-
pylen zu Philipp ist somit beseitigt.
Auch Ambrakias Zugehörigkeit zum Bunde war bestritten
worden auf Grund der Meinung, daß an diesem nur ,autonome'
Städte teilgenommen hätten und Ambrakia zur Zeit seiner Grün
dung nicht ,autonom' gewesen sei. Allerdings berichtet Diodor
XVII 3, 3 (vgl. 4, 3), daß die Ambrakioten nach Philipps Tod
die makedonische Besatzung verjagten und eine demokratische
Verfassung einführten; aber das Vorhandensein einer Besatzung
schließt, wie das Beispiel Thebens zeigt (s. auch U. v. Wilamo-
witz, Isyllos von Epidauros S. 31), die Autonomie und Teil
nahme am Bunde nicht aus, ebensowenig, daß Ambrakia Münzen
mit dem Gepräge und Namen Philipps geschlagen hat (Droysen 2
I 1, 161 Anm. 1; R. Weil, Studien auf dem Gebiete des antiken
Münzrechts [Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens
der Numismatischen Gesellschaft zu Berlin S. 18 ff.]). Nun er
ledigt das Zeugnis der Inschrift Kaerst’s Bemerkung, Rhein. Mus.
LII 539 Anm. 1, Philipp habe Ambrakia ,wohl zu seinem en
geren Machtbereich gerechnet und nicht zu dem außerhalb der
Thermopylen gelegenen, im korinthischen Bunde vereinigten
Hellas'.
Die Behauptung, die Aitoler hätten nicht in dem Bunde
gestanden, sondern nur ihre früheren Sonderverträge mit Ma
kedonien erneuert, bedarf vollends keiner Widerlegung mehr.
Was Thessalien selbst anlangt, so fand U. Köhler, Ber
liner Sitzungsberichte 1898 S. 121 einen Beweis für seine Stel
lung außerhalb des Landfriedensbundes darin, daß die tliessa-
lische Reiterei in Alexanders Heer unter einem makedonischen
16
VI. Abhandlung: Wilhelm.
Oberbefehlshaber ein besonderes Korps bildete und in der Über
lieferung, mit Ausnahme einiger Stellen, von den avufxayoi ge
schieden wird. Philipp habe allen Grund gehabt, das wegen
seiner zahlreichen und vorzüglichen Reiterei auch in militärischer
Hinsicht wichtige Grenzland mit den benachbarten, von den
Thessalern mehr oder weniger abhängigen Bergstämmen dem
neugestifteten Bunde nicht einzuverleiben, sondern unter seiner
besonderen Obhut zu behalten. Auch sei Thessalien und das
freie Griechenland unterschieden in der Nachricht Arrians VII
12, 4, daß Ivrateros als Stellvertreter des Antipatros von Alex
ander den Auftrag erhalten habe, Maxsöoviag xs xal Qgcex^g xcd
QsTxaXCov e&jysTüdcu xal xüv ‘Ellrjvcov vfjg slsvd-SQtag. Ist auch
die ,merkwürdige Stelle' schwerlich heil — mit Recht vermutet
K. W. Krüger den Ausfall eines zweiten Verbums, S7tL[ieXeT-
a&cu, nach elev-9-EQiag, während V. Costanzi nach A. G. Roos’
Mitteilung iXsvdsQag statt slsvd-eQiag schreiben will — so ist
doch die Hervorhebung eines freien Hellas im Gegensatz zu
Makedonien, Thrakien und Thessalien gesichert und angesichts
des anders gearteten Verhältnisses, in dem der König von Ma
kedonien zu diesen Gebieten stand, begreiflich.
Meines Erachtens ist die Sonderstellung der thessalischen
Reiterei — deren Hervorhebung in abgeleiteten Berichten Eduard
Meyer, Kleine Schriften S. 296 auf Kallisthenes zurückführt —
im Heere Alexanders lediglich vom Gesichtspunkte der mili
tärischen Einteilung aus zu beurteilen. Nach den Angaben Dio-
dors XVII 17, denen den Glauben zu versagen kein Grund vor
liegt (vgl. J. Beloch, Die Bevölkerung der griechisch-römischen
Welt S. 216 ff. und U. Köhler, Berliner Sitzungsberichte 1898
S. 121), setzte sich die Streitmacht, mit der Alexander den Boden
Kleinasiens betrat, folgendermaßen zusammen:
Fußvolk: 12000 Makedonen,
7000 Bundesgenossen,
5000 Söldner,
6000 Mann aus den Makedonien unter
tänigen nördlichen Landschaften;
Reiterei: 1500 Makedonen,
1500 Thessaler,
600 Bundesgenossen,
900 Thraker und Paioner.
Attische Urkunden. I. Teil.
17
Aus diesen Zahlen erhellt, weshalb in der Überlieferung
die thessalische Reiterei zumeist von der bundesgenössischen
gesondert wird; sie bildete ein der makedonischen Reiterei an
Stärke gleiches Korps, und neben diesen beiden stand in
gleicher Stärke (1500 Mann) ein drittes, gemischtes Korps, aus
600 hellenischen Bundesgenossen und 900 Thrakern und Paionern
gebildet. So erklärt sich, daß an manchen Stellen, wenn nicht
diese Einteilung, sondern die Herkunft berücksichtigt wird,
ganz zutreffend die thessalische Reiterei als bundesgenössische
bezeichnet ist. Die Thessaler waren lange vor der Stiftung
des korinthischen Bundes unter Philipps Oberhoheit getreten
und hatten ihn im Jahre 344 v. Chr. (s. Ed. Meyer, Sitzungs
berichte der Berliner Akademie 1909 S. 762, Theopomps Hel-
lenika S. 229; H. Swoboda, Jahreshefte VI 202 ff.) auf Lebens
zeit zum Soyo)v gewählt. Mit Recht bemerkt aber Beloch, Gr.
G. II 532 £, daß ,Philipp keineswegs absoluter Herr in Thes
salien oder auch nur Herr in dem Sinne wurde, wie er es in
Makedonien war, sondern bei allen wichtigen Regierungsakten
an die Zustimmung der Bundesversammlung gebimden war, bei
der namentlich auch das Recht über Krieg und Frieden stand;
daß der thessalischen Bundesversammlung beim Tode des je
weiligen Trägers der Archontenwürde das Recht der Wahl des
Nachfolgers blieb und, wenn auch die Oberhoheit über Thessa
lien tatsächlich bis zur Schlacht bei Kynoskephalai mit der
Krone von Makedonien vereinigt geblieben ist, die verfassungs
mäßigen Freiheiten des Landes wenigstens in der Form immer
von den makedonischen Königen geachtet worden sind'. Dieses
Verhältnis läßt die Sonderung von der ,elsvdeQa 'jEÄÄdg' in
der erwähnten Stelle Arrians ebenso begreiflich erscheinen, wie
die Bezeichnung Philipps als Herrn von Thessalien in den Reden
bei Polybios IX 28, 1 und 33, 2. Und wenn U. Köhler glaubte,
Philipp habe mit Absicht Thessalien und die von Thessalien mehr
oder weniger abhängigen Gebiete unter seiner besonderen Ob
hut behalten und dem korinthischen Bunde nicht einverleibt,
so ist, da ihre Zugehörigkeit zum Bunde sicher steht, nur zu
sagen, daß es als ein Zeugnis mehr für die Meisterschaft,
mit der Philipp die Griechen behandelte, und für die ehrliche
Durchführung der Absicht einer Einigung aller Hellenen unter
makedonischer Hegemonie zu betrachten ist, wenn er auch
18
VI. Abhandlung: Wilhelm.
von ihm abhängige Völkerschaften in den Bund aufgenommen
und den ,freien' Hellenen gleichgestellt hat. Er hat die ,Frei
heit' der Thessaler, der Perrhaiber und der thrakischen An
siedlungen geachtet, auch sie als vollberechtigte Mitglieder an
dem Bunde teilnehmen lassen, ihnen so die tatsächliche Unter
ordnung unter seine Herrschaft erleichtert und sich selbst in
ihrer zuverlässigen Haltung den Unabhängigkeitsgelüsten ent
fernterer Mitglieder gegenüber einen wertvollen Rückhalt im
Bunde geschaffen. Ein Bund aber, der Völkerschaften, die im
eigentlichen, geographischen Sinne nicht mehr zu Hellas ge
rechnet wurden (J. Beloch, Gr. G. III 1, 9), die Perrhaiber,
Agraier, Doloper, und einer Ergänzung nach, die ich alsbald
begründe, sogar die zum oberen Makedonien gerechneten Elei-
mioten (Z. 4: TjAsmJiwrwr) umfaßte, kann die Makedonen selbst
nicht ausgeschlossen haben. Daß die Makedonen der Zeit Geltung
als Hellenen beanspruchten und sich als solche fühlten, bedarf
keines Beweises (J. Beloch, Gr. G. III 1, 4; Ed. Meyer, Kleine
Schriften S. 295); und wie sollten sie in der Weihinschrift \A)Ä-
igavögog 0tlinnov y.al ol ‘FJ.hjveg nXrjv Aav.edaiuovhm' and zcov
ßagßc'iQiov zcov zijv ’Aolav v.aror/.ovvziov (Arrian I 16, 7) uner
wähnt geblieben sein, wenn sie nicht als Hellenen in dem po
litischen Sinne der Zeit, d. h. als Mitglieder des von Philipp
gegründeten und von Alexander erneuerten Bundes der Hellenen
mitverstanden waren? Auch aus der Rede über die Verträge
mit Alexander geht die Teilnahme der Makedonen und ihrer
Städte an dem Bunde hervor; wie könnte sonst in § 17 gesagt
sein: ovvtovv el dei neidsad-at zalg v.oivaig ötto/.oylaig, v.adänto
obzoi cpaaiv, ex anovSoi bulv elaiv ab rat ai ndXeig ai rubra (im
Widerspruche mit den zuvor wörtlich mitgeteilten Bestimmungen
der ovvdzptai) dianengayuevai. sl [.isv obv ött eniv.ovazta&ai za-
hj-9-rj, ovösv 6sZ leyeiv ozi elaiv al Ma/.edorr/.ai /.zL. Selbstver
ständlich mußten die Makedonen als Mitglieder des Bundes
ebenso wie die Staaten des eigentlichen Hellas in dem Bundes
rate durch eine entsprechende Zahl von Abgeordneten ver
treten sein. Den Patrioten in dem eigentlichen Griechenland
wird gerade diese Gleichstellung ihrer Staaten mit weniger
gesitteten Stämmen und die Mißachtung der Ansprüche ihrer
geschichtlichen Stellung besonders anstößig und kränkend ge
wesen sem.
Attische Urkunden. I. Teil.
19
Die Einigung der Hellenen, die Philipp versuchte, ist dem
nach eine viel umfassendere gewesen, als man bisher annahm,
und der angebliche Bund der ivzdg Hvhov ''ElhqvEg nimmt
sich gegenüber dem der gesamten Griechen, wie wir ihn nun
begreifen, sehr ärmlich aus. So kommen auch die von J. Kaerst
Rhein. Mus. Lll 522 besprochenen Nachrichten zur Geltung,
die Philipp ausdrücklich die Einigung aller Hellenen — mit
Ausnahme der Lakedaimonier, die sich aber nach der Nieder
lage des Agis ebenfalls zum Beitritt bequemen mußten — voll
ziehen lassen: Diodor XVI 89; Polybios IX 33, der Lykiskos
sagen läßt: ov yao wg rfic/.rf/.mu OHltztzov GezvaXobg v.ad-cmeQ
obzoq £TÖ).ua X&ysiv, ä)X cog sitoyiiijv ovza rrß ' ElXädog v.ai -/.ata
yfjv atizöv fj-ytuova v.al v.axä Su/xazav eT/.ovto rtavzeg, ov iiqoteoov
ärd-QuiTUov ovösig ezv/e• lustin IX 5: ,compositis in Graecia rebus
Philippus omnium civitatum legatos ad formandum rerum praesen-
tium statum evocari Corinthum iubet. Ibi pacis legem universae
Graeciae pro meritis singularum civitatum statuit consiliumque
omnium veluti unum senatum ex omnibus legit. Soli Lacedaemonii
et regem et leges contempserunt, servitutem, non pacem rati,
quae non ipsis civitatibus conveniret, sed a victore ferretur
(U. v. Wilamowitz, Isyllos von Epidauros S. 32 ff.). Auxilia
deinde singularum civitatum describuntur, sive adiuvandus ea
manu rex oppugnante aliquo foret seu duce illo bellum inferen-
dum. summa auxiliorum CC milia peditum fuere et equitum
XV milia, extra hanc summam et Macedoniae exercitus erat et
confinis domitarum gentium barbaria (dazu J. Belocli, Die Be
völkerung der griechisch-römischen Welt S. 497). Dieses Zeugnis
gibt in aller Kürze erschöpfend über die Grundlagen der Eini
gung der Hellenenwelt, die Philipp in dem ,korinthischen' Bunde
vollzog, Auskunft und die Worte, mit denen lustin die Ein
setzung des Bundesrates meldet: ,consiliumque omnium veluti
unum senatum ex omnibus legit' gewinnen, im Lichte der neuen
Erkenntnis betrachtet, ihre volle Geltung. Es ist nicht meine
Aufgabe, die Geschichte des Bundes über Philipps Zeit und
über die Grenzen hinaus zu verfolgen, die ihm, bis Alexander
die griechischen Städte Asiens befreite, gesetzt waren; daß die
griechischen Gemeinden Asiens in den hellenischen Bund auf
genommen waren, wie dies für Tenedos durch Arrians Bericht
II 2, 2 und für Chios durch Alexanders Erlaß Sylloge 150
20
VI. Abhandlung: Wilhelm.
bezeugt ist, habe ich nie bezweifelt und freue mich, soeben dieselbe
Anschauung von Eduard Meyer, Kleine Schriften S. 294 mit Nach
druck gegen J. Kaerst vertreten zu sehen, der Rhein. Mus. LII
543 und Histor. Zeitschr. XXXVIII 208 behauptete, Alexander
habe ,aus allgemeinen Gründen seiner Politik die von Anfang
an anders geartete Stellung der kleinasiatischen Hellenen zum
makedonischen Könige benützt, um einen Keil in die von seinem
Vater geschaffene panhellenische Organisation zu treiben und
sich in ihnen dem korinthischen Synedrion gegenüber einen be
sonderen Anhang zu verschaffen'. Der Städtebund, der das
Heiligtum der Athena Ilias in Ilion zum Mittelpunkte hatte,
und die Erneuerung des Bundes der ionischen Städte werden
auf Alexander zurückgeführt (U. v. Wilamowitz, Isyllos von Epi-
dauros S. 31 und Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1906
S. 50; A. Brückner, Troia und Ilion S. 577; Hiller von Gaertringen,
Inschriften von Priene S. XIII). Können die von den Numis
matikern in die Zeit zwischen 330 und 280 v. Chr. verwiesenen
lesbischen Prägungen mit der Aufschrift A I O A E (Catalogue of
Greek Coins of Troas, Aeolis and Lesbos p. XVIII. 171) auf
eine Vereinigung bezogen werden, die die Aioler auf den Inseln
und dem Festlande in einem Bezirke des hellenischen Bundes
fanden?
Angesichts dieser Bedeutung des Bundes schiene es kaum
begreiflich, daß Aristoteles seiner keine Erwähnung tut, wäre
nicht längst erkannt, daß er gleich den meisten seiner Zeit
genossen dieser Schöpfung Philipps im Glauben, Griechenland
werde über solche Neuerungen wie über Episoden hinweg
kommen, kein Verständnis entgegengebracht und der Wand
lung, die ein neues monarchistisches Zeitalter heraufführte, blind
gegenüber gestanden hat; daß sein Blick, mit Eduard Meyer,
Kleine Schriften S. 135 zu reden, überall nach rückwärts, nicht
nach vorwärts gewendet war und er in dem begrenzten grie
chischen Freistaat das Ideal sah in einer Zeit, in der dieser
vollständig Bankerott gemacht hatte, und in seiner Staatslehre,
obwohl er bundesgenössische Verfassungen berücksichtigte, doch
die Vereinigung einer Mehrheit von Staaten zu einem größeren
Ganzen zu verfolgen in absichtlicher Beschränkung verschmäht
hat, weil solche Gebilde den Griechen zu locker und der wahren
Einheitlichkeit eines Staates unfähig schienen (U. v. Wilamowitz,
Attische Urkunden. I. Teil.
21
Aristoteles und Athen I 367; Th. Gomperz, Griechische Denker
III 297 f.; P. Wendland, Die hellenistisch-römische Kultur S. 8;
H. v. Arnim, Die politischen Theorien des Altertums S. 4 f.;
A. Bauer, Vom Griechentum zum Christentum S. 26).
Aber nicht nur in bezug auf seine Ausdehnung, auch hin
sichtlich seiner Verfassung ist — trotz Iustins Angaben — der
von Philipp begründete Bund in der bisherigen Beurteilung sehr
unterschätzt worden. In einer ausführlichen Erörterung seiner
Einrichtungen sagt J. Kaerst, Rhein. Mus. LII 552: ,Die An
nahme, daß der große Mangel, der den föderativen Gestaltun
gen des Altertums überhaupt, bis auf wenige Ausnahmen, an-
liaftete, die Stimmengleichheit großer oder kleiner Staaten, auch
beim korinthischen Synedrion zur Geltung gekommen sei, liegt
nahe, wenngleich sie nicht als sicher augesehen werden kann';
ebenso bezeichnet er Hellenismus I 211 die gleiche Stimm
berechtigung der Bundesmitglieder als wahrscheinlich; nicht
anders urteilte B. Niese I 38. Auch nach J. Beloch’s Meinung
Gr. G. II 573 sandte jede teilnehmende Gemeinde zum avveöqlov
,ihren Vertreter'. Das inschriftliche Verzeichnis der Mitglieder des
korinthischen Bundes erweist nunmehr, daß in diesem nicht wie
in dem attischen ,Seebunde' des vierten Jahrhunderts (H. Swo-
boda, Rhein. Mus. IL 321; J. H. Lipsius, Leipziger Sitzungs
berichte 1898 S. 150; H. Francotte, La polis grecque S. 164)
der Rat nach dem Prinzip der Stimmengleichheit kleiner und
großer Staaten zusammengesetzt, sondern den einzelnen Staaten
je nach ihrer Bedeutung eine verschieden große Zahl von Ab
geordneten, also eine proportionelle Vertretung gewährt war, wie
sie die attischen Demen in dem kleisthenischen Rate, die boio-
tischen Städte gemäß der nun durch Oxyrh. Pap. V p. 171 col.XI
38 ff. p. 324 ff. (Ed. Meyer, Theopomps Hellenika S. 92 ff.;
G. Glotz, BCH XXXII 271; H. Swoboda, Klio X 315) bekannt
gewordenen Verfassung ihres v.olvov, die lykischen Städte (Strabon
XIV 3, 3; Treuber, Geschichte der Lykier S. 113 ff. 171; Fran
cotte, La polis grecque p. 161; E. Szanto, Das griechische Bür
gerrecht S. 127 ff., der mit Unrecht nach Freeman’s Vorgang die
Verfassung des lykischen Bundes für ,eine Nachbildung und
Modifizierung des achäischen' erklärt hat) und die Kibyraten
(Strabon XIII 4, 17) besaßen.
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd., 6. Abh.
2
22
VI. Abhandlung: Wilhelm.
Eine Ergänzung des verstümmelten Verzeichnisses ist leider
nicht möglich, weil die Namen der Staaten nach keinem kennt
lichen Gesichtspunkt, weder — von einigen Gruppen Z. 7 ff. 12
abgesehen — geographisch, noch nach ihrer Bedeutung geord
net sind, also wahrscheinlich nach dem Zufall der Beitritts
erklärung oder -beschwörung. Die Beurteilung des Erhaltenen
und des Verlorenen hat von der Tatsache auszugehen, daß den
Lokrern, schlechtweg, drei Stimmen zukommen. Da nach J. Be-
loch’s Schätzung (Bevölkerung der griechisch-römischen Welt
S. 175) Lokris mit seinen beiden Teilen ungefähr denselben
Flächeninhalt hat (1675 1cm 2 ) wie Phokis (1615 km 2 ), ist es
sicher, daß auch die drei Stimmen, die nach Owxewv verzeich
net sind, dieser Landschaft allein zukommen. Die Bevölkerung
von Phokis hat Beloch S. 175 auf Grund der Nachricht, daß
gegen die Kelten im Jahre 280 v. Chr. 3000 Mann zu Fuß
und 500 Reiter aufgebracht wurden — ,bei der dringenden Gefahr
gewiß das Gesamtaufgebot des Landes' — auf eine Bürgerzahl
von rund 10 000 und eine freie Bevölkerung von etwas über
30 000 geschätzt. In den Perserkriegen hatten die Phoker nur
tausend Hopliten aufgebracht; eine Neuordnung ihres Heer
wesens, wahrscheinlich mit einer Verfassungsänderung in de
mokratischem Sinne verbunden, hat sie aber, wie B. Niese, Histo
rische Zeitschrift IIC 482 f. ausführte, in der Zeit des heiligen
Krieges in den Stand gesetzt, eine sehr ansehnliche, überdies
durch Anwerbung zahlreicher Söldner vermehrte Macht ins
Feld zu stellen. An Bevölkerung dürfte Lokris nach Beloch
S. 176 noch hinter Phokis zurückgestanden haben. Das eigent
liche Thessalien, d. li. die Tetrarchien, nach Beloch S. 197 ff. un
gefähr sechsmal so groß als Phokis (97900 km 2 ), aber geeignet,
eine sehr viel zahlreichere, freilich zum Teil unfreie Bevölkerung
zu ernähren, ,etwa 100 000 Freie und 200 000 Penesten, vielleicht
im ganzen für das vierte Jahrhundert v. Chr. 400000 Einwohner',
hat zehn Vertreter. Doch ist in Beloch’s Angabe der Flächeninhalt
zu hoch veranschlagt, weil das phthiotische Achaia, das früher
zumeist, aber irrig, mit der thessalischen Teillandschaft Phtliiotis
zusammengeworfen wurde (U. Köhler, Berliner Sitzungsberichte
1898 S. 122; O. Kern, Neue Jahrbücher XIII 15: F. Staehlin,
Ath. Mitt. XXXI 1 ff.; G. Kip, Thessalische Studien S. 11. 56 ff.;
Ed. Meyer, Theopomps Hellenika S. 226), zu Thessalien gerechnet
Attische Urkunden. 1. Teil.
23
ist; Achaia Phthiotis hat aber, durch Philipp von Thessalien
getrennt (Diodor XVII 57,3), im Bunde eine selbständige Stellung
eingenommen. Für die Schätzung der Bevölkerung Thessaliens
gibt das Aufgebot im lamischen Kriege einen Anhalt; im Jahre 222
betrug das Ileer der Aitoler beim Einfall in Thessalien 12000 Mann
zu Fuß und 400 Reiter und der Zutritt der itlsZazoi züv Qez-
xa).ü>v vermehrte es auf 25000 Mann zu Fuß und 1500 Reiter
(Diodor XVIII 38, 1. 3); somit würden die nleZoroi rwv QezxaXwv
13000 Mann zu Fuß und 1100 Reiter gestellt haben; mit Recht
bemerkt J. Beloch S. 200 und Ed. Meyer, Theopomps Hellenika
S. 224 stimmt zu, ,1100 Reiter seien für Thessalien so auf
fallend wenig, daß die Annahme einer Verderbnis der Zahl fast
unabweisbar werde': in der Tat sagt Diodor XVIII 15, 3 aus
drücklich, daß von den 3500 Reitern des Heeres des Antiphilos
2000 aus Thessalien waren. Mit der Dreizahl der lokrischen und
phokischen Stimmen verglichen entspricht die Zehnzahl der thes-
salischen Vertreter so gut als nur möglich den tatsächlichen Ver
hältnissen, zumal eine große Stimmenzahl an sich ein beträcht
liches Übergewicht darstellt und streng zahlenmäßige Berech
nung der Zahl der Vertreter auf Grund von räumlicher Aus
dehnung, Bevölkerungszahl, wirtschaftlicher und militärischer
Leistungsfähigkeit der einzelnen Gebiete die kleinen Staaten
benachteiligt.
Das Gebiet der Perrhaiber, die nach Strabon IX 4, 19
vor Philipp von Larisa abhängig waren (O. Kern, Neue Jahr
bücher XIII 21; Ed. Meyer, Theopomps Hellenika S. 250;
G. Kip, Thessalische Studien S. 11. 111 ff.) war nach Beloch
S. 198 mit etwa 1700 km 2 etwas größer als Phokis und Lokris,
aber, wie alle die gebirgigen Nebenländer Thessaliens, weniger
dicht bevölkert als dieses. Demnach paßt die Zahl der zwei
Vertreter für die Perrhaiber allein sehr gut, und es darf als aus
geschlossen gelten, daß sich mit ihnen noch ein anderer Stamm
in die nach ihrem Namen verzeichneten zwei Stimmen teilte.
Soweit sind Namen der Mitglieder des Bundes und die Zahlen
der ihnen zukommenden Vertreter gesichert. Bei der Beur
teilung dieser Zahlen die von Beloch in seinem Werke über die
Bevölkerung der griechisch-römischen Welt (1886) versuchten
Schätzungen zugrunde zu legen, war in Ermangelung anderer
zusammenfassender Untersuchungen und bei der Unmöglichkeit
2*
24
VI. Abhandlung: Wilhelm.
kurzer und doch zureichender Nachprüfung geboten und auch
deshalb zulässig, weil diese Schätzungen vielfach wenigstens das
Verhältnis der Bevölkerungen verschiedener Landschaften an
nähernd richtig wiedergeben werden, mögen auch die Zahlen
selbst der Berichtigung bedürfen, da die Bevölkerung Attikas
zu niedrig angesetzt ist (Ed. Meyer, Artikel ,Bevölkerungswesen‘
im Handwörterbuch der Staatswissenschaften 3 1908 S. 905, For
schungen II 179 ff., Kleine Schriften S. 129), die Bevölkerung
der übrigen Landschaften Griechenlands entsprechend höher zu
veranschlagen (J. Kromayer, Klio III 212; Ad. Bauer, Vom
Griechentum zum Christentum S. 15. 138 f.) und mit der Tat
sache zu rechnen ist, daß Griechenland im vierten Jahrhundert
v. Chr. übervölkert war.
Schwieriger ist die Beurteilung der Namen und Zahlen
in den Zeilen 4. 5. 10. 12.
Schwerlich ist in Z. 4 mit Köhler, der in seiner Abschrift
lATilN druckte, [Ayaiüv Od^iwzoiv zu lesen. Denn der Aus
dehnung ihres Gebietes nach (G. Kip S. 63 ff.) würde den Achaiern
in der Phthiotis mehr als eine Stimme zukommen. Da der-Zahl
wegen auch [Bo]icozcov nicht in Frage kommt, scheint für den
Namen -iwzüv (über solche Bildungen W. Dittenberger, Hermes
XLI 181 f.) im Bereiche des eigentlichen Griechenland eine
Ergänzung nicht zu finden. Daher wird, zumal die benach
barten Perrhaiber und selbst Bewohner Thrakiens dem Bunde
angehören, an [’EXeif.i]uoz(öv gedacht und daran erinnert werden
dürfen, daß nach Diodor XVII 57, 2 in Alexanders Heer eine
’El£tf.iiä>zig y.ciXoi'uivi] azgciziä fjg Kolvog ■fjyetzo in der Schlacht
bei Arbela mitkämpfte. Die kleine, einst unter Fürsten einer
Seitenlinie des makedonischen Königshauses selbständige, später
zum oberen Makedonien gerechnete Landschaft am oberen Ha-
liakmon (0. Hoffmann, Die Makedonen S. 150 ff.) wird durch einen
Abgeordneten ausreichend vertreten sein. Die von der ge
wöhnlichen abweichende Schreibung des Namens entnehme ich
dem BGH XXI 111 veröffentlichten Beschlüsse der Delpher
(liilccQxcoL 1 FjJ.av'uovog Mcr/.eöövi ‘E'/.£ti.iid)zr t L ey. Tlvd-eiov. Nur
solange überraschend, als der Glaube an die enge Begrenzung
der Schöpfung Philipps festgehalten wird, läßt die Nennung
der Eleimioten die Teilnahme auch der Makedonen an dem
Bunde der Hellenen gesichert erscheinen.
■
Attische Urkunden. I. Teil. 25
Den Ayqaloi uai A0X01reg — die Ergänzung AlvQaliov,
Diodor zuliebe, ist, wie schon S. 3 bemerkt, durch das vor
-aicov erhaltene Rho ausgeschlossen und Ay]gal(ov gesichert —
können die fünf Stimmen, die ihnen in Z. 10 zugeschrieben
sind, kaum allein zukommen, sondern nur in Gemeinschaft mit
anderen Nachbarn. Es liegt nahe, an die Ampliilocher zu
denken, denen Beloch S. 183 nur 470 km 2 und etwa 6000
Seelen zuteilt; doch sind diese Schätzungen, wie E. Oberhummer,
Akarnanien usw. S. 284 betont, da sich Volksdichtigkeit und
Ausdehnung des Gebietes der Beurteilung entziehen, notwendig
willkürlich. Für Dolopien (G. Kip, Thessalische Studien S. 126 ff.)
hat Beloch S. 183 1100&m 2 berechnet; das Gebiet der ‘Aygaioi
vermag ich ebensowenig wie das anderer nordgriechischer
Stämme genau zu begrenzen und nur zu bezweifeln, daß es
mit Dolopien vereint ausreicht, die Fünfzahl zu rechtfertigen.
Vielleicht sind den Aygaioi v.ai /.lölorcsg die Aöauäveq zuge
sellt, deren Gebiet Beloch S. 104 auf 1950 km? veranschlagt;
sicherlich schwach bevölkert, mag es etwa 20 000 Einwohner
gezählt haben (S. 197). Ob die in Z. 6 genannten A[ißgav.i(bxai
(über die Form des Namens W. Dittenberger, Hermes XLI
206 f.; BGH XXIII 532) allein stehen oder mit Nachbarn Zu
sammengehen, ist nicht mit Sicherheit zu sagen. Nach den
OhaloL v.ai MaXisZg v.äi — sind sicherlich die Alviäveg ver
zeichnet gewesen; das Gebiet dieser drei Stämme, über deren
Sitze und Geschichte nunmehr G. Kip, Thessalische Studien
S. 15 ff. und Eduard Meyer, Theopomps Hellenika S. 117 f. han
deln, berechnet Beloch S. 198 auf 1460 km?, Malis S. 512 auf
nicht mehr als etwa 300 km?; wahrscheinlich kommen ihnen
allen zusammen, wie den Phokern und den Lokrern, drei
Stimmen zu.
Dagegen dürften Zakynthos und Kephalenia allein Uber
drei Stimmen verfügen. Beloch erschließt S. 190 aus der Nach
richt, daß Zakynthos im Jahre 433/2 den Korkyraiern tausend
Hopliten zu Hilfe senden konnte, eine bürgerliche Bevölke
rung von nur 12 000 Seelen für diese Insel, und von 10 000
bis 12 000 für Kephalenia, mit dem ausdrücklichen Vorbehalte,
daß diese Zahlen vielleicht zu gering seien. Nach J. Partsch,
Die Insel Leukas S. 41, bleibt diese Schätzung denn auch zwei
fellos sehr weit hinter der Wahrheit zurück'. ,Wer die Ruinenfelder
26
VI. Abhandlung: Wilhelm.
von Krane oder Same bewundert, wird sich schwerlich dem Ein
druck entziehen können, daß zur Blütezeit dieser Städte die
Insel Kephalonia nicht schwächer bevölkert gewesen sein kann
als im Anfang unseres Jahrhunderts. Ein Vergleich mit den an
tiken Bevölkerungsverhältnissen Korkyras, für deren Beurteilung
etwas bestimmtere Anhaltspunkte vorliegen, ist durchaus geeignet,
diese Überzeugung zu stärken' (Die Insel Korfu S. 92). Somit
ist höchstens das kleine Ithaka hinzuzurechnen, nicht aber
auch das durch Lage und Geschichte mit Akarnanien verbun
dene Leukas (s. nun H. Swoboda, Klio X 401), wenn auch
alle vier Inseln mit Einbeziehung kleinerer Eilande nacli Be-
loch’s Berechnung ein Gebiet ungefähr so groß wie Phokis
ergäben.
Die Thasier — Droysen’s Ergänzung (I>XeL]aola>v, Geschichte
des Hellenismus II 1, 56 Anm. 2 nach Pausanias I 25, 4 ist
wegen des vor -aauov erhaltenen, von Köhler richtig verzeich-
neten runden Buchstabens unmöglich und an die ’OQsad-üaioi in
Arkadien kann nicht gedacht werden — erscheinen in Z. 5 mit
zwei — nach Köhler’s Abschrift gar mit drei — Stimmen
bedacht, die man ihnen kaum allein Zutrauen wird; so groß
die Bedeutung von Thasos bis zum Ende des fünften Jahr
hunderts war, eben von P. Perdrizet in seiner ausgezeichneten
Abhandlung über Skaptesyle Klio X 1 ff. erörtert, so bescheiden
war sie im vierten (U. v. Wilamowitz, Aristoteles und Athen I
312). Nach 0. Rubensohn hätte es zur Zeit des hellenischen
Bundes, seit die Insel um 340 v. Ohr. in die Gewalt Philipps
kam, auf Thasos ,überhaupt keinen Demos mehr gegeben, der
Beschlüsse fassen konnte'; dagegen deutet C. Fredrich IG XII
8 p. 79 nur an, daß ein Teil der Bürgerschaft nach Paros aus
gewandert und der athenische Stratege Kephisophon durch den
Beschluß IG XII 5, 114 (XII 5, 2 p. 308) eben der Verdienste
wegen geehrt worden sei fort iffziv ävijo äyad-ög tcsqI zdv örj^iov
toll JJaqiwv -/cd Otmiojv), die er sich um die Parier und die
ausgewanderten, mit der Metropolis durch Sympolitie vereinigten
Thasier erworben hatte; und er bemerkt ausdrücklich ,Thasum
in societate Graecorum fuisse cf. Niese I 39 non puto: in dicione
Macedonum est'. Für eine Schätzung der Bevölkerung, die
heute, nach Brockhaus’ Konversationslexikon 14 (1908) 12 100
Seelen betragen soll, fehlt jeder Anhalt; der Flächeninhalt der
Attische Urkunden. I. Teil.
27
Insel, über die nun C. Fredrich, Ath. Mitt. XXXIII 215 ff.
und J. ff. Baker-Penoyre, JHS XXIX 202 ff. berichtet haben,
bleibt nach Beloch S. 213 f. mit 393 km 3 hinter dem von Za-
kynthos zurück. Mit seiner Tochterstadt Neapolis (nicht Neo-
polis, wie Fredrich schreibt, trotz des Etlmikon NeotcoXTzcu, vgl.
Meisterhans-Schwyzer, Grammatik 3 S. 117 Anm. 1081) könnte
Thasos schon der Ordnung der Namen wegen kaum verbunden
sein, eher mit dem nahen Abdera; solche Vermutungen sind aber
schon deshalb unzulässig, weil wenige Zeilen später Hellenen
chro Qoär/.rjg genannt sind, also offenbar mit größeren Bezirken
gerechnet ist. Die Xahadeig (xitö Qgcum]g (IG II 17 BZ 5
und II 105) können nicht wohl aufgeführt sein. Bekanntlich hat
Philipp II. ihre und so und so viel andere Städte an der thra-
kischen Küste keineswegs, wie Demosthenes IX 26 behauptet,
völlig zerstört (s. U. Köhler, Sitzungsberichte der Berliner Aka
demie 1891 S. 473; BCH XXI 118, XXIV 484); sie gelten
als in den makedonischen Staatsverband aufgenommen (J. Beloch,
Gr. G. II 505; U. v. Wilamowitz, Aristoteles und Athen I 335),
doch kann ihnen ihre Selbstverwaltung nicht völlig verkümmert
worden sein, da Aristoteles für seine Vaterstadt eine Verfassung
erbeten hat (U.v. Wilamowitz, Staat und Gesellschaft der Griechen
S. 141). Aber an ein Fortbestehen oder eine Erneuerung der
Vereinigung der chalkidischen Städte in dem Bunde der Hellenen
wird nicht zu denkeu sein; auch fiele es schwer zu erraten, mit
welchem anderen Mitglied des Bundes die Xalxidetg and Oodix^g,
wenn sie in dieser Sonderstellung erschienen, vereinigt sein
könnten; zwar soll Philipp Amphipolis die Autonomie belassen
haben (Ed. Sehwartz, Demosthenes’ erste Philippika, Festschrift
zu Th. Mommsens 50jährigem Doktorjubiläum S. 10 f.), aber
Bezeichnungen wie Maxsdcov is ’AfupiTtdkecog in einem Proxenie-
beschlusse aus Delphi deuten auf Zugehörigkeit zu Makedonien
(P. Perdrizet, BCH XXI 150); ein anderer Proxeniebesclduß
der Delpher BCH XXI 107 (Revue des etudes anciennes I 210)
gilt Tlo'kvdäf.iavzi ov 'EoeHojvolml Mcmedovi, ein dritter,
ebenda p. 106 veröffentlicht, nicht Qsoöcbgcoi öi/.ov k/pe-
Eova!w[i ex Xahxi]dix.rjg, sondern nach E. Bourguets richtiger
Lesung BCH XXIII 355 Anm. 1 'Vp£,9ot;u/w[t and
Übrigens sind in dem Verzeichnisse der Teilnehmer des zweiten
Seebundes IG II 17 (Sylloge 80) Z. 82 aller Wahrscheinlichkeit
28
VI. Abhandlung 1 : Wilhelm.
nach doch diese 'Agedovoioi in der Chalkidike gemeint, nicht
wie man bisher glaubte Aqed-ovoioi auf Euboia, die nur Ste-
phanos von Byzanz kennt. An [''EXhrjvuiv ä\rcö Qocav.r^ hat
R. v. Scala gedacht (Berliner philol. Wochenschr. 1902 S. 756)
und vermutet, daß sich an sie ,vielleicht die pontischen Städte
schlossen'. Wenn nicht diese, so standen neben den hellenischen
Städten Thrakiens vielleicht die der thrakischen Chersonesos:
(VroAewr &\nb &oüiyj]g v.al [XsQQOvr/aov] (vgl. z. B. Demosth. VIII
18). Wäre dagegen von den [Xeqqov)]oTzcu, (f\nö Qqüzmjg die
Rede, so dürfte bei der Ergänzung des durch v.al verbundenen
Namens schwerlich an Samothrake gedacht werden, das be
kanntlich Besitzungen auf dem Festlande hatte (s. C. Fredrich,
IG XII 8 p. 37. 39 f.; P. Perdrizet, REG XXII 33 f. und
meine in den Gott, geh Anz. 1903 S. 790 versteckten Bemer
kungen), eher an die Städte am Hellespont. Daß die Samo
thraker in der Liste als 2<x(uol äuö &oar/.r l g erscheinen sollten,
ist deshalb unwahrscheinlich, weil sie im vierten Jahrhundert
stets als HauodyaivEg bezeichnet werden und erst Münzen
der hadrianischen Zeit die Aufschrift Xwu/tor ev QQaxr] zeigen.
Dagegen kann die Insel, 177 km 2 groß, sehr wohl mit Thasos
verbunden sein, und die Ergänzung 2a[iod()äMwv v.a'i\ (-)a-
aioiv : II ist auch hinsichtlich der Zahl der Vertreter durchaus
glaublich.
Es erübrigt, über Zahlen von Stimmen zu sprechen, zu
denen die Namen ganz oder so gut wie ganz fehlen: in Z. 3
und 6 je zwei, in Z. 1 fünf. Ich gestehe, bei der Fünfzahl
an Argos gedacht zu haben (vgl. Beloch, Bevölkerung S. 116.
123 und Klio VI 56 f.). Nur eine Möglichkeit ist angedeutet,
wenn ich zwei Stimmen für die Achaier in der Phthiotis oder
die Magneten passend finde (1550 km 2 nach Beloch S. 198),
vielleicht auch für die Megaris, die freilich mit Pagai und
Aigostena ein Ländchen von nur 470 km 3 darstellt, aber nach
der Schätzung, die Beloch, Bevölkerung S. 173 (vgl. Klio VI
55 f.) die Angaben Herodots ermöglichen, wenigstens im fünften
Jahrhundert 6000 Bürger und eine freie Bevölkerung von 20 000
Seelen, außerdem eine beträchtliche Zahl von Sklaven ernährt
haben mag; nach dem durch das Emporkommen von Korinth,
Aigina, Athen verursachten Verlust seiner alten Bedeutung im
Handel ein kleiner Bauernstaat, der wesentlich auf den Ertrag
Attische Urkunden. I. Teil.
29
seiner Acker- und Gemüs e wir t s chaft angewiesen war, dann unter
dem Drucke vornehmlich Athens gezwungen, neue Erwerbsmittel
aufzusuchen und ein Industriestaat geworden, in dem die Mehrzahl
der Bürger nach Xenophon Apomn. II 7, 6 von der egunuöoicoua
lebte, erfreute sich Megara großer Wohlhabenheit, wie Isokrates
für seine Zeit in der Friedensrede 117 bezeugt: MsyageTg de
/mxqcöv avroig xai (favXoiv %G>v ei; äQ'///S vjtccq^üvtoiv xai yrjv /.tsv
ovx eyovzeg ovde Xiuevag oide o.Qyvoeia, nergag de yewQyovvreg,
fieylffTOvg ol'xovg %G>v ‘EIXrjnov xexxryvxai (s. auch Ed. Meyer,
Kleine Schriften S. 116. 119).
Zwei Ergänzungen, die sich zur Linken des Erhaltenen
versuchen lassen, aber nur in ihren einzelnen Gliedern, nicht
in der Vervollständigung der ganzen Zeilen als möglich oder
wahrscheinlich betrachtet werden können, würden auf nahezu
dieselbe Zeilenlänge führen. Nach At.ißqaxwnGv ergäbe [-/.cd
A[i(fiX6yu)v : II: Xsqqov7]GitG)v ä]nö Qqüim]g in Z. 7 vor and
27 Stellen, nach Ohcücov xai Mahewv xai der Name [Aividvcov
und die Zahl : III:, sodann [A&a[.i(xvcav xai vor Ay]oa!ojv xai Jo-
}.6n<ßv 24 Stellen, so daß die Anfänge übereinstimmen, soferne
die Zahl rill: in Z. 10 den Raum von fünf, nicht wie in Z. 8
den von vier Stellen einnimmt. Bei äußerster Ausnützung des
Raumes wie in Z. 6 46 Stellen zählend, würde diese Zeile aber
weder mit der je 33 Buchstaben umfassenden Zeile der Vertrags
urkunde übereinstimmen, noch mit der Breite vereinbar sein, die
sich für die ganze nach unten sich verbreiternde Stele je nach
der Zahl der Spalten der Vertragsurkunde berechnen läßt. Mit
kürzeren Zeilen scheint ein Auslangen nicht gefunden werden
zu können; allerdings würde zu einer Zeile von derselben Länge
wie in der Urkunde in Z. 12 die Ergänzung Aevxaöog :l: vor
Zaxvvdov passen, aber nach Aivitxvwv und der Zahl rill: bliebe
vor Ayoauov eine Lücke von nur drei Stellen und, wollte man
diese durch Annahme irriger Wiederholung des xai am Zeilen-
anfange füllen und sich vor and QQaixrjg mit dem einfachen
rwv begnügen, so reichte doch auch nach xai Xsooovrjoov der
Raum nicht für einen neuen Posten. Beide Versuche einer Be
rechnung der Zeilenlänge führen somit zu keinem annehmbaren
Ergebnis. Andererseits ist nicht zu verkennen, daß die Ergän
zung noch längerer Zeilen trotz der erwiesenen Ausdehnung
des Bundes und der nicht unbeträchtlichen Zahl großer und
30
VI. Abhandlung: Wilhelm.
kleiner Staaten, deren Namen noch unterzubringen wären, min
destens dann nicht leicht fallen würde, wenn die erste erhaltene
nicht auch die erste Zeile des ganzen Verzeichnisses ist. So
muß ich mich darauf beschränken, diese Schwierigkeiten auf
zuzeigen, ohne sie lösen zu können.
Daß das gvveöqiov der Hellenen eine sehr ansehnliche Zahl
von Mitgliedern zählte, geht aus dem erhaltenen, nachstehend
in Umschrift wiederholten Teil der Liste, in dem 37 Stimmen
verzeichnet sind, hervor.
— ' : r
— —- — — — — — — — — — :Qeg]g aXwv A
— — — — — — — — -— — — —w]v : 11
— — — — — — — — — ’E X s i ft] t w T wv : 1
— — — — 2 a jj, o & q di t, y w v y a i]0 a g i wv : \ \ 5
— — — — — — — — — —] w v : II : A ft ß q a y t w z \w v
— — — — — — -— — ä\nö Q q a l y rj g y a i
— — — — — — — :]& wy e w v : \ \ \ : A ov. q wv\\W
— — — — — — — O'l t] a i w v y a i M a X u e w v y ai
[Alviav wv : III : —yaiAy](> a iwvyaiAoXönwv : P io
— — — — — — : II s q~\ q cc i ß w v : \ \
— — — — ■. Z a y v v & o\v y a i K s cp a X r] v lag: III
Die Zahl der Vertreter, die Staaten mittlerer Größe wie
Phokis und Lokris zugeschrieben ist, läßt annehmen, daß in
diesen, wenn J. Beloch’s frühere Ansätze zuträfen, ungefähr auf je
10000 freie Bewohner — da diese Ansätze zu tief gegriffen sind,
auf eine größere Zahl — je ein Vertreter kam. Die Unter
suchung und Ergänzung weiterzuführen, muß ich dem Scharf
sinn und den Rechenkünsten der Mitforscher überlassen. Auch
kann ich nur andeuten, daß die Verbindung, in der die Namen
einiger Mitglieder des Bundes erscheinen: — dnö Qnäiy^g yai
—, Oh\cdwv yai MaXiswv yai \Alvi&vwv\, [— yai Ay\taioJv
yai AoXonwv : P, Zayvvd-o]v yai Kecpalrjviag :lll, nach meiner
Ergänzung auch [Nauo^oßi/.wr yai] Qaoiwv : II, auf eugere Zu
sammengehörigkeit deutet. Bestehende v.oiva sind, wie die er
haltenen Namen lehren, als solche in den Bund getreten; für
manche Kleinstaaten wird durch Zusammenfassung in Kreisen
Attische Urkunden. I. Teil.
31
eine Einheit erst geschaffen worden sein (vgl. S. 18). Wahr
scheinlich haben also auch die Inselgemeinden schon in Phi
lipps hellenischem Bunde eine Vereinigung erfahren, an die
später das -/.oivdv twv vtjouotwv, im Jahre 315/4 v. Chr. unter
Antigonos’ Schutz erstehend (W. König, Der Bund der Nesioten
S. 11 ff; W. S. Ferguson, JHS XXX 152. 208) anknüpfen
konnte. Wie U. v. Wilamowitz schon Isyllos von Epidauros
S. 31 ausgesprochen hat, war eine Beherrschung der griechi
schen Gemeinden in den überlieferten Formen der Autonomie
dadurch möglich, daß gewissen übergeordneten Vereinigungen
die Aufsicht anvertraut war; ,den Weg hatte Philipp mit vollem
Erfolge in der delphischen Amphiktionie betreten; ihn hat Ale-
xandros in der Behandlung der kleinasiatischen Städte befolgt,
wie wir am ilischen und ionischen Städtebunde sehen/ In
manchen Fällen wird eine Wahl der Vertreter im Turnus
(xaTce /.linog) vorgesehen worden sein, wie sie für die zu einem
Kreise gehörigen Städte des boiotischen Bundes (Ed. Meyer,
Theopomps Plellenika S. 94) bekannt ist, derart, daß kleine Staaten
abwechselnd einen Abgeordneten zu entsenden hatten oder,
wenn z. B. zwei Staaten drei Vertreter zukamen, der dritte bald
von dem einen, bald von dem anderen bestellt wurde.
II.
Da die Abmachungen, die König Philipp mit den helle
nischen Staaten traf und sein Sohn Alexander erneuerte, einst
in den Städten und Heiligtümern der Mitglieder des Bundes
veröffentlicht und verewigt worden sein müssen, lag es nahe, nach
Resten solcher Aufzeichnungen auch außerhalb Athens Umschau
zu halten. Wie ich alsbald sah, kommt unter den veröffent
lichten Inschriften leider nur eine in Betracht. IG IV 924 hat
M. Frankel sieben Bruchstücke einer Inschrift aus Epidauros
mitgeteilt, die seiner Meinung nach aus dem vierten oder dem
dritten Jahrhundert stammt und sich augenscheinlich auf einen
Bund verschiedener Staaten bezieht. Die Bemerkung, daß der
Dialekt der attische und daher Athen an den Abmachungen
beteiligt zu denken sei, ist, da die für das Attische bezeichnen
den Eigentümlichkeiten fehlen, dahin zu berichtigen, daß wie
32
VI. Abhandlung: Wilhelm.
auch sonst in Urkunden, die Beziehungen verschiedener Staaten
angehen, die hellenistische Schriftsprache verwendet ist (s.
0. Glaser, De ratione quae intercedit inter sermonem Polybii
et eum qui in titulis saeculi III. II. I apparet p. 9; P. Wahr
mann, Prolegomena zu einer Geschichte der griechischen Dia
lekte im Zeitalter des Hellenismus S. 20). Leider sind diese
Bruchstücke außerordentlich verstümmelt; nur zwei, bereits von
dem Herausgeber verbunden, FG, mit denen aber auch B zu
vereinigen ist, ergeben, dem Schluß der Urkunde angehörend,
längere, der Ergänzung zugängliche Zeilen, in denen Be
stimmungen über militärische Leistungen, ovvza&ig, vorliegen.
Den übrigen ist nicht viel abzugewinnen. Von den zwölf
Zeilen des Bruchstückes A enthält keine mehr als höchstens
acht, von den siebzehn Zeilen des Bruchstückes D keine mehr
als höchstens zwölf Buchstaben; in diesem letzteren scheint von
der Aussendung einer Heeresmacht die Rede zu sein: Z. 2
etwa zo.~\g ajT,CKSZt'k'Lou\ßvo.g, Z. 3 xovg\ iv^iEanoi.itvov[g; dann
von einem Eingreifen der ovveöqoi, die auch A Z. 7, E Z. 2,
F Z. 2, G Z. 4 erwähnt werden: ör de t[l-, Z. 6 -aav v.ai
ol avvEÖQOi, Z. 8 tolg ovv]edQOLg- in Z. 7 von einem Frieden:
eiQrjvr/1 oder vielmehr von denen, die an ihm teilnehmen, vgl. IG
II 160 Z. 6. Auch das Bruchstück C, das ich nachstehend
nach Fränkel’s Abdruck wiederhole, bietet nur in einer ein
zigen seiner zwölf Zeilen vierzehn Buchstaben.
I E I N E
T H SsAI"
IN HEIMAT
iPEIooMEN 5
\ P o r PA E^oil
i - Y P EY 8YNoY <
\ <t> A SAI AoTilK AT A
N T A SPPoEAPoY?
-N T HIPPÄTHIE 10
PPoEAPEYElN
' ATA'
Dem ersten Eindruck nach könnte man in den Zeilen
4 ff. Bestimmungen über Ein- und Ausfuhr erhalten glauben:
Attische Urkunden. I. Teil.
33
Z. 4 ii;aye]iv? 1) siaäy[siv, Z. 5 7cei.doi.iEv-, Z. 6 dTtoyQacpeadw,
soferne dieses Wort und slaay[sLv in denselben Zusammenliang
gehören wie in den roftot %eXcovixoL Sylloge 936 aus Kyparissia,
BCH XXXI 46 aus Delos, Archiv für Papyrusforschung III
186 aus Oxyrhynchos. Doch spricht gegen £%ays]iv ? >] siaa[ysiv
nicht nur, daß sonst in dieser Verbindung siaäysiv, nicht stgäyeiv
vorangeht; dürfte selbst die umgekehrte Ordnung als zulässig
gelten, so wäre doch die Ergänzung nur eine von vielen mög
lichen, und slaay[sLv oder slaaylysllsiv wird um so eher auf Be
stimmungen Uber ein gerichtliches Verfahren deuten als in Z. 7,
von dem vorangehenden S durch einen kurzen Strich geschieden,
der auch in dem Bruchstück F Z. 5 als Trennungszeichen von
Sätzen oder Satzteilen verwendet ist, das Wort i>7tsv-dvvovs
und in der nächsten Zeile yoa](päg didörco xara — zu er
kennen ist. Die Reste in den folgenden drei Zeilen erinnern
an die sogenannte probuleumatische Formel der athenischen Be
schlüsse, müssen aber doch mit dem Vorangehenden einem an
deren Zusammenhang angehören: Z. 9 roig aloed£]vTag — so
Fränkel — oder vielmehr %ay6\vTag ? tt.qoeöqovq, Z. 10 ev zrji
irQdnijL s[dgaL eher als «[soihjaicu, Z. 11 ttooeÖoevelv.
Die naheliegende Vermutung, daß diese Bruchstücke
Satzungen des ,korinthischen' Bundes der Hellenen enthalten,
bestätigte sich, als ich sie im Sommer 1901 gelegentlich des
Besuches von Epidauros, der mir Fränkel’s Datierung des Be
schlusses für Euanthes IG IV 932 zu bei’ichtigen erlaubte (Ath.
Mitt. XXVI 419; Beiträge S. 112), einer freilich nur sehr
flüchtigen Besichtigung unterziehen und auf Grund der Schrift,
namentlich im Vergleich mit der der Stele des Isyllos (IG IV 950
mit Schriftprobe), feststellen konnte, daß sie sicherlich noch
dem vierten Jahrhundert v. Chr. zuzuteilen sind. Als ich dann
im Jahre 1903 in meiner Besprechung von Dittenberger’s Sylloge
I, Gotting, geh Anz. 1903 S. 784 neuerdings auf die Zusammen
gehörigkeit der Bruchstücke IG II 160 und 184 hingewiesen
hatte, erhielt ich ein Schreiben des Herrn Professors Alexander
Nikitsky aus Moskau (9. Oktober 1904), in dem er mir, an
diese Bemerkung anknüpfend, zu meiner Freude mitteilte, auch
ihm sei es bei seiner Beschäftigung mit den Inschriften von
.Epidauros ,sehr wahrscheinlich' geworden, daß die Trümmer
der Stele IG IV 924 ,einem Beschlüsse des korinthischen Syn-
34
VI. Abhandlung: Wilhelm.
edrion* angehören. Daß sich diesem hervorragenden, um die
Inschriften von Epidauros besonders verdienten Kenner grie
chischer Inschriften für jene Bruchstücke unabhängig dieselbe
Deutung aufgedrängt hat, gilt mir als eine weitere Bestätigung
ihrer Richtigkeit, und es ist mir besonders wertvoll, mit ihm
in der Beurteilung nicht nur des Ganzen, sondern auch einiger
Einzelheiten zusammenzutreffen. So hat auch Nikitsky in Z. 3
des Bruchstückes G statt ÜNPAIi, nach Frankel -cov näa\ra,
richtig ilNBAIi erkannt, so daß von einem König die Rede
ist, und festgestellt, daß sich mit Bruchstück F und G links B
verbinden läßt. M. Fränkel hatte die letzten vier Zeilen in G
folgendermaßen gelesen und ergänzt:
av fiij] ärtOOTeihji n)v dv[vaij,iv zrj]v xerayfievijV [
&jT,OTLv~\eTM b.aazrß fyiegag [xazä] zöv \jtrcea i)(.un\valov - xazä de ö-
nlixryv] eiv.oai öoayuag - xazä [de ipüld]r dexa doay/.i[äg - xazä de igevov
nevze djoßypdg, ecug Uv [it;el-9-i]i 6 y^oövog zrjg (jroa[zelag.
Als Gegensatz zum iitTtevg, ört'kivrjg und ipilog, die dann, ohne
ausdrücklich als solche bezeichnet zu sein, Bürger sein müßten
(noXizixol azqaziwzai Diodor XVIII12, 2 XIX 106,2; Polybios
IV 52,4 nach meiner Besserung Wiener Eranos 131 ff., V 23, 11
77, 7 XXXI 3, 7 — leider versäumte ich, ältere Beispiele, an
denen es nicht fehlt, anzuführen; Stele von Asclnnunein, Bulle
tin de la Societe archeologique d’Alexandrie X 3 ff. Z. 69,
vgl. Rev. de philol. XXXII 215 ff.), ist §erog nicht glaublich. In
diesen Bestimmungen über die Entschädigung, die der vertrag
schließende Staat zu leisten hat, falls sich sein Aufgebot nicht
rechtzeitig einstellt, kommt es einzig und allein auf die ver
schiedene Bewertung des Kriegers je nach seiner Eigenschaft
als Reiter, Schwer- oder Leichtbewaffneter, und nicht — wie
etwa in dem Vertrage zwischen Hierapytna und Rhodos GDI
3749, der in Z. 19 ausbedingt, daß von der zu Hilfe gesen
deten Mannschaft nicht mehr als die Hälfte Nichtbürger seien —
auf die Herkunft an. Die richtige Ergänzung statt [xazra de
l-6vov] wird durch Zeile 3 des nachstehend nach Fränkel’s Ab
druck wiedergegebenen Bruchstückes B nahegelegt:
Attische Urkunden. I. Teil.
35
c
u / Al
N A Y T H t
. . . < A A A o I 2 F
Hier wollte Frankel xif\v aixrjv lesen; ist vavxyv erkannt,
so ergibt sich, daß diese Zeile F 5 G 9 fortsetzt, das Bruchstück
B also, das links Band hat, links von FG zu setzen ist, so daß
seine letzte Zeile F 6 G 10 entspricht. In der vorangehenden
Zeile, in der Frankel Ol Ai abgeschrieben hat, muß dann önU-
xrjV mindestens zum Teile stecken, und in der Tat bietet der
Stein, wie auch Nikitsky festgestellt hat, Oi AI. Die von Frankel
vorgeschlagene Anrückung von Bruchstück B rechts unten an
das links ebenfalls Rand zeigende Bruchstück A scheint durch
die Ergänzungen, welche die gesicherte Verbindung der drei
Bruchstücke B FG ergibt, nicht bestätigt zu werden; leider habe
ich bei sehr beschränkter Zeit versäumt, an Ort und Stelle die
Steine auf die Wahrscheinlichkeit eines Anschlusses zu unter
suchen, den übrigens auch Fränkel nur als möglich, nicht als
sicher hingestellt hat.
Auf Tafel III sind die zwei Bruchstücke F und G nach
den von mir genommenen Abklatschen abgebildet und auf S. 36
mit B vereint in ihrer richtigen Zusammensetzung und in Um
schrift abgedruckt.
Falls einer der am Bunde beteiligten Staaten die Heeres
macht, zu deren Stellung er vertragsmäßig verpflichtet ist, nicht
rechtzeitig absendet, hat er als Strafgeld für den ausbleibenden
Reiter täglich 30 Drachmen, für den Hopliten 20, für den Leicht
bewaffneten 10, für den Seemann nach Fränkel’s Ergänzung
der Zahl 5, wahrscheinlicher 7, 8 oder ebenfalls 10 Drachmen zu
entrichten. Diese Sätze entsprechen in ihrer Abstufung den Ver-
pflegungsgeldcrn, die die Angehörigen der verschiedenen Waffen
gattungen im Felde bezogen, und dem Solde der Krieger. Der
bekannte Vertrag Thuk. V 47 aus dem Jahre 420 (s. unten S.45)
fordert für den Hopliten, den Leichtbewaffneten und den Bogen
schützen, falls sie länger als die dreißig Tage, für die sie von
Haus aus verpflegt sind, beansprucht werden, täglich drei ägi-
näische Obolen, für den Reiter das Doppelte, eine Drachme.
Abmachungen der Lakedaimonier und der Städte Apollonia und
VI. Abhandlung: Wilhelm.
l'iwtixxM,, S'OYYi? 5 [2 0i
Oi Snpijadio SUi Sodoo[X o iUyyy3^f\ d» S«? ‘S»n!X»ö[p • • • •] dUiaad [sp ai ot
-»•/ - 5]»WX»öp »xsp /t[pY?i/i ?p] »im. - 5pii/xidg wov.u [dUijiyixq [3p m»x
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Attische Urkunden. I. Teil.
37
Akanthos setzten im Jahre 382 v. Ohr. fest (Xenophon Hell. V
11, 21): aqyvQiov ze ävz' ävöoGw e^eZvcu äidovca, zfj ßovXoutvrj
zGiv nölscov ZQubßokov ./Iiyivalov y.aza ävdoa' \jtneag ze el zig
naQeyoi ävzl zszzaQwr önhzwv zov f.ua&bv zGi ijtJteZ didoa&cu'
et de zig zGiv rcölecov ivlinoi zrjv azoaziäv, eigeZvai, ylay.ndmuovwig
em^rjfuovv azazfjQL y.azä Gvdocc zrjg •fjfxeQag■ also war für den
Reiter das vierfache der Löhnung des Hopliten festgesetzt und
ein Strafgeld von einem äginäischen Stater täglich für den aus
bleibenden Mann zu entrichten. In dem Vertrage der Aitoler
und Akarnanen aus Thermon, nach den Darlegungen H. Swo-
boda's, Klio X 397 ff. aus der Zeit nach Pyrrhos’ Tod 272 v. Chr.,
nicht, wie der Herausgeber Gr. Sotiriadis ’Eq>iju. äqy. 1905 a. 55
wollte, aus den Jahren 275 bis 272 v. Chr., wird ausbedungen
Z. 33 ff.: cnzaoyovvzü) de zotig mtoazeXXoimvovg ozQazicbzag b.ä-
zeqou zotig avziitv ausoäv zoicr/Mvza f ei de zckeiova yoovov eyoiev
zag ßoad-oiag xQsiav, ol uezansi.i’ipäi.levoi. zccf.i ßoa&oiav didövzio
zeig oizaQxlag egze ya ev oiy.ov äirotnstXwvzi zotig ozoazuhzag '
GizaQx’ia d‘ eazw zov itkeiovog xQOvov zGn uev IittteZ ozazijQ
Koqivd-iog zag ißisoag exacrzag, zm de zc/.u navonktav e/o[vtl
dcodex ößokoL ?] (oder dvo dgaxi-tai, wie mir auch A. Nikitsky
vorschlägt), zGn de zo 1)1.11 Ihooa/.iov e'xovzi. evve ößokoi, ipikGiu
eitz 1 ößolol-, der in Olympia aufgestellten Abschrift dieses Ver
trages gehört, wie ich in der ^Ecpzj^iSQlg cw/aiokoyiM] 19.10 a. 147
zeige, das Bruchstück einer ehernen Stele Inschriften von
Olympia 40 an, in dem Reste gerade dieser Bestimmungen
wiederkehren. Wie"nach dem eben erwähnten Vertrage zwischen
Athen, Argos, Mantineia und Elis (Thuk. V 47), hat der Teil,
der die Hilfe des anderen in Anspruch nimmt, falls er ihrer
länger als dreißig Tage bedarf, für die Verpflegung aufzu
kommen, und zwar so, daß der Reiter einen korinthischen
Stater (18 Obolen), der Hoplit, wenn ich richtig ergänze, zwölf,
6 zo ijiud-üioä/jov exwv neun Obolen, der Leichtbewaffnete sieben
erhält; das Verhältnis der Zahlungen für den Reiter, den
Hopliten und den Leichtbewaffneten wäre somit wie in der In
schrift von Epidauros das von 3:2:1, erhielte nicht letzterer
statt sechs sieben Obolen. Neun rhodische Obolen versprechen
die Rhodier jedem der ihnen gesendeten Hierapytnier, den
Führern von nicht weniger als fünfzig Mann zwei rhodische
Drachmen, falls sie in den ersten vier Jahren nach Abschluß
Sitzungsber. d. pbil. bist. Kl. 165. Bd. 6. Abb. 3
38
VI. Abhandlung: Wilhelm.
des Bündnisses Hilfe fordern, in dem Vertrage GDI 3749 Z. 24 ;
den R. Herzog, Klio II 331 und G. Cardinali, Rivista di filolo-
gia XXXV 9 ff. in die Zeit um 200 v. Chr. setzen. Bekannt
lich sind Kreter als Scldeuderer und Bogenschützen verwendet
worden (A. Bauer, Kriegsaltertümer 3 in v. Müller’s Handbuch
IV 1, 449). Eine Drachme war der Sold des Kriegers im Heere
Alexanders, s. unten S. 45 ff. Eine attische Drachme und min
destens zwei Oholen zahlt König Antigonos ■— nach Doublet,
F. Halbherr, Amer. Journ. of Arch. II s., I (1897) 189 uöd
F. Blaß zu GDI 5043 Gonatas, nach B. Niese, Geschichte II
336 Anm. 6 und J. Beloch, Gr. G. III 2, 463 Doson — jedem
Mann nach dem Vertrage, der auf dem Steine aus Eleutherna
BCIi XIII 48, besser veröffentlicht Amer. Journ. of Arch. XI
583, erhalten ist. In dem sehr ähnlichen Vertrage mit Hiera
pytna, Mus. Ital. III 663 (GDI 5043) verspricht Antigonos nach
Halbherr’s Lesung jedem Mann eine tägliche Löhnung von
einer Alexanderdrachme, dem ff/Euwv eine attische Drachme,
Z. 29 ff:
xäi de 7T;a[u7t:ouEi‘cu ßoaS-eiai rtaqe^EL Avz'i-
yovog 7tOQel(a) '/.cd dcba[ei zolg /.isv ävÖQUGiv ey.dazojt. A-
Xe^ardQeiav ÖQcry[uuv zag a.usoag ey&ozaq, rolg d’ äys/.idcnv Az-
zr/dv' iäv de Asqcctiv[zvlol y.z'L.
Diese Ergänzung, die in den Zeilen eine ähnliche Bestim
mung sucht, wie sie in dem Vertrage zwischen Hierapytna und
Rhodos Z. 24 ff. erhalten ist, kann aber deshalb nicht richtig
sein, weil sie die Alexander- und die attische Drachme als ver
schieden voraussetzt, während sie sich im Weide entsprechen.
Zwei Inschriften aus Amorgos, die Zahlungen in attischen,
Alexander- und Demetriosdrachmen gestatten, IG XII 7, 67 Z. 55
Azzl/öv 1) Ale^dväoeiov v6i.ua ua üi 1) nohq /Qfjzai, 69 Z. 21
Azziv.bv ‘rj Alelgävdoeiov rj ArjUrjzoleLOv (s. J. Delamarre, Revue
de philol. XXVIII 81), legen die Frage nahe, ob nicht auch
in dem Vertrage des Antigonos mit Hierapytna die Zahlung
in Alexander-, attischen und einer dritten Art Drachmen zur
Wahl gestellt war, doch wohl der Drachmen des Antigonos
(vgl. IG II 836 und W. S. Ferguson, The Priests of Asklepios,
University of California Publications, Class. Phil. I 147 f.);
dieser Voraussetzung gemäß ist zu ergänzen:
Attische Urkunden. I. Teil.
39
t&l de Tce\_fX7tonevai ßoad-eiai mzneßei, 'Avxi-
yovog noQel{a) -/.cd dwa[ei rwv mxoayevouevojv exdorcoi A-
hßavdoelav docr/ßudp zag afteoag ■)) ’AvTiyoveiav )] ’Ar-
zi-Mjv ' mv de ‘[eocacv\j;viOL y.ze.
Die laut der Inschrift aus Epidauros für jeden Tag zu
entrichtenden Konventionalstrafen dürften, wie der Vergleich
mit den sonst bekannten Verpflegungsgeldern und Soldzahlungen
lehrt (G. Gigli, Dalle mercedi nell’ antica Grecia, Memorie della
R. Accademia dei Lincei 1897 p. 34 ff.; J. Beloch, Gr. G. III
1, 322 f.), das Zehnfache des Wertes betragen, der für die
Mannschaft je nach der Waffengattung in Rechnung gesetzt
wurde; der tägliche Wert des Reiters wäre somit auf drei
Drachmen, der des Hopliten auf zwei veranschlagt und der
der Leichtbewaffneten auf eine Drachme, der des Seemannes
nach Fränkel’s Ergänzung auf eine halbe. Doch wäre dieser
letzte Satz ein besonders niedriger, denn drei Obolen zahlten
nach Thuk. VIII 45, 3 die Athener mit absichtlicher Kargheit
ihren geworbenen Matrosen (Ed. Meyer, Forschungen zur alten
Geschichte II 171; E. Cavaignac, Etudes sur l’histoire finan-
ciere d’Athenes au V e siede p. 157 u. s.); die Bürger, die im pe-
loponnesischen Kriege auf der Flotte dienten, erhielten nach
Thuk. III 17 V 31 Avie die Hopliten eine Drachme; auch nach
Xenophon Hell. I 5, 4 wurde im Jahre 408 für den vavvrjg eine
attische Drachme täglich verlangt und vier Obolen von Kyros
Gewilligt; bei dieser Elottenmannschaft handelt es sich um
Freie, wie überhaupt nach B. Niese’s Nachweis Historische Zeit
schrift IIC 495 ff die Verwendung von Sklaven im Seedienste
eine Ausnahme bildete, die nur unter besonderen Umständen
und im Falle der Not als zulässig erachtet wurde. Dagegen
rechnet Demosthenes g. Phil. I 28 nur zwei Obolen als Kost
geld für die Rudermannschaft, und die eleusinische Tempelver-
waltung zahlt ihren Sklaven im Jahre 329/8 v. Chr. deren drei
(J. Beloch, Gr. G. III 1, 357 f.). Bekanntlich gelten vier Obolen
im vierten Jahrhundert als der gewöhnliche Sold (tnzrjqeaiov
und iuaßög) des Kriegers und heißt das Soldatenleben geradezu
-CEroLoßolog ßlog, vgl. E. Capps zu Menanders Ueoiy.. 261. Gegen
die Ergänzung Ttevze dj^ay^ag spricht aber auch der Raum, der,
wenn Fränkel’s Abdruck die Stellung der Buchstaben richtig
3»
40
VI. Abhandlung: Wilhelm.
wiedergibt, nur ein etwas kürzeres Wort — snxa, öy.toj oder
äsv.a — zuläßt. Die letzte dieser Zahlen ist aber deshalb wenig
wahrscheinlich, weil die Bestimmung zwischen dem ipi'kog und
dem vavxrjg sondert, für sie also doch eher verschiedene Sätze
gelten. Die Erwähnung der Flottenmannschaft ist eine keines
wegs überraschende, aber doch erwünschte Bestätigung der
namentlich von M. L. Strack, Gott, geh Anz. 1903 S. 872 ff.
richtig hervorgehobenen Tatsache, daß der korinthische Bund
die Kräfte der Hellenen vornehmlich für die Flotte in Dienst
gestellt hat.
Hinsichtlich der Ergänzung der Z. 6 ff. ist noch zu be
merken, daß die zwischen den Bruchstücken FG und GB ver
bleibenden Lücken kleiner oder größer anzusetzen sind, je
nachdem, nach Fränkel’s Vorschlag, nur [xafß] xöv htrtea mit
dem Artikel, dann aber \y.aru de] brtXixryv, y.axä [de ipiXojv, [xard
de] vavxrjv ohne Artikel geschrieben wird, oder in dem ersten
Gliede [y.ctxa wer] töv Irvnea und dann mit Wiederholung des
Artikels [y.axä de xöv\ önXixtjv, kcctcc [de töv ipiX6]v, [xaxcc de töv\
vavxrjv. In Z. 6 wäre es leicht, nach xi]v öv[vaf.av statt xij]v xs-
xay/xsvrjv zu lesen xZjv] av]rxsxayiisvr]v (vgl. oben S. 7), unschwer
auch in Z. 10 Fränkel’s passende Ergänzung ewg av [eSgshd-rji 6
y]oövog zfjg aTQarslag (oder axoariäg ? vgl. Meisterhans-Schwyzer,
Grammatik 3 S. 55 Anm. 473) durch eine längere zu ersetzen,
z. B. Ttäoiv s^sXdrjL oder iifyaji. Doch scheint die Ansetzung
der Enden und der Anfänge der Zeilen, die durch die ein
leuchtende Ergänzung 6 yjnovog zrjg <>xoa[x£iag] und, unmittelbar
anschließend, xoZg clXXotg E- in Z. 10 bedingt ist, und die Be
rücksichtigung der Silbenteilung der knapperen Fassung mit
Weglassung des Artikels außer in dem ersten Gliede günstig.
Von größter Bedeutung für die Beurteilung der ganzen Urkunde
sind die durch den Zutritt des Bruchstückes B gesicherten
Schlußworte: xotg HXXoig E-, weil ihnen zufolge auch die
vorangehenden Bestimmungen eine gemeinsame kriegerische
Unternehmung, an der mehr als zwei vertragschließende Staaten
beteiligt sind, angehen und, irre ich nicht, gegenüber der an
sich freilich möglichen Ergänzung xotg üXXotg i[niY.ovqoig die
des Namens der Hellenen: xotg UXXoig "E[Xhj(nv als ungleich
wahrscheinlicher gelten darf. Der Erlaß Alexanders, Chios be
treffend, Sylloge 150 ordnet in Z. 8 ff. an: nceoeystv de Xiovg
Attische Urkunden. I. Teil.
41
TQirjQSLg tr/.oai, 7tenh]Qw[.tevag xoTg aöxwv xeleoiv • xumag de nlelv
pexQL av Kal xd Silo vaoxv/.dv xd xwv 'EHxjvüjv fteiF i)iiu>v
avunXfj.
In Z. 7 wird vor p)] ScTCoaxe'iXrjL etwa fjxig (V Sv nöXig
zu ergänzen sein; eine Bestimmung wie ev xwl ytyoauuevioL
Xqövwi in den Verträgen des Antigonos mit Hierapytna Mus.
Ital. III 601 Z. 23 und mit Eleutherna (s. unten S. 50) findet
in Z. 7/8 nicht Raum. Auch genauere Bezeichnung einer Frist
würde sich mit einfachem Genetiv, ohne evxög, begnügen müssen.
Zudem ist doch wohl nicht nur das Unterlassen der Absendung
der Hilfstruppen, sondern auch ihre verspätete Absendung be
rücksichtigt; so mag [1) ycaS-vaxeQrjar/i'] die wahrscheinlichste Er
gänzung sein. Die vorangehenden Zeilen sind zu sehr zerstört,
als daß ihre Herstellung tunlich wäre. Die Worte dvo enaaxtjg,
am ehesten [d^ßjpag d]?5o exaaxt]g x[rjg 7)f.isQag] oder edjmg], und
voarjoug legen zusammen mit der Erwähnung der avvedgoi, zu
nächst die Vermutung nahe, es handle sich um Bestimmungen
über ungerechtfertigtes Fernbleiben von den Zusammenkünften
des Bundesrates, den von mir in den Jahresheften XII 139 be
handelten Bestimmungen entsprechend, zu denen ich CIG 3641 b
Z. 58 und I. v. Olympia 56 Z. 23 nachtrage. Nach voorjoag wird
aber in e£- jedenfalls das Verbum zu suchen sein; ich finde nur
e^\o^6ai]xai, und Stellen wie Demosthenes XIX 122.124, Aischines
II 94: xtyv enl xovg 'sti.Kpi-Yxwvag nosaßeiav igouorrctixevog, Aristo
teles Politik p. 1297 a 20 tcsqi de xäg äqyag xd xolg uev eyovai
xi^rj^a ui] eigeZvai eigöuvvo-Sai, IO VII 2711 Z. 9 (vgl. Z. 19),
62. 97 ff., Sylloge 276 (mit meinen in den Inscr. gr. rom. IV
179 nicht berücksichtigten Bemerkungen Gott. gel. Anz. 1900
S. 93 ff.) — dägegen v7tof.LOGd[xevog vdaov 1) dnodrjf.ilav in der von
J. Partsch, Griechisches Bürgschaftsrecht I 299 besprochenen
Stelle Pollux VIII 60 — lehren, daß, wenn dieses Wort wirk
lich dagestanden hat, vielmehr von der Ablehnung irgend einer
Leistung die Rede war. Die Auffassung und Ergänzung des
vorangehenden Hauptsatzes hängt von der Lesung der beiden
ersten Zeilen des Bruchstückes F ab. In der ersten Zeile würde
sich lToNTo, nach Fränkel’s Abschrift, jeder Deutung wider
setzen; der Rest des ersten Buchstabens wird daher vielmehr
einem Sigma angehören und exa]axov zu ergänzen sein, wobei
freilich fraglich bleibt, welches Wort zu enaaxov hinzuzudenken
42
VI. Abhandlung: Wilhelm.
oder hiuzuzusetzen ist, nur beispielsweise: tö[v avveöqov oder
rd[v avXloyov- jedenfalls müßte, wenn nicht aus dem Vorher
gehenden ersichtlich, das zu övo gehörige Wort und auch das
Verbum des Satzes vorangehen; nach to[vtcüv bliebe in der
Lücke vor d]üo nur für ein sehr kurzes Wort Raum. In der
zweiten Zeile des Bruchstückes F gibt Fränkel’s Abschrift völlig
unverständlich MHTE, aber MHTI steht deutlich auf dem Stein.
Somit ist in der Lücke vor voafjGaq nach av firj r/.[g ent
weder ein von s^oiMGijTca abhängiges Substantiv -v oder allen
falls nva voao]v voGrjGag zu suchen. Eine einleuchtende Er
gänzung will mir indes nicht gelingen, obgleich die Lücken
begrenzt sind und, wenn in Z. 7 vip' <)v[vauiv xfj]v T,ET,ay\xl:v r i]v
gelesen wird, nach d]vo exäorr]S z[rjs etwa 22 Buchstaben vor
Gvv]söooi und nach av firj n]g nur 8 Buchstaben vor -]v vo-
Gt'jGccg h^\o(i6aip:ai fehlen. Auch bleibt die inhaltliche Beziehung
dieser Bestimmungen zu der unmittelbar folgenden unklar. Eben
sowenig vermag ich den Zusammenhang zu erraten, in dem Z. 3
von einem /?aöY[Zei>g] oder, wenn nicht von einem solchen selbst,
so von ßaai[hy.ol] oder ßciGi[)uz.a] (vgl. Jahreshefte VIII 281 f.)
die Rede war. Bekanntlich hat Philipp II. den Königstitel nicht
geführt (U. Köhler, Hermes XXIV 642; Br. Keil, ebenda XXXII
415 ff.; E. Bourguet, L’administration du sanctuaire pythique
p. 75 n. 1) und seine Münzen nur mit seinem Kamen bezeichnet;
auch Alexander hat es, wie J. Beloch, Gr. G. III 1, 377 bemerkt,
am Anfänge seiner Regierung ebenso gehalten — als Beweis
läßt sich die Weihinschrift der nach der Schlacht am Granikos
nach Athen gesendeten und der Athena gewidmeten Panoplien
anführen (Arrian, Anab. I 16, 7), in der Alexander sich ein
fach ß^ls^avÖQog ÜhXlnnov nennt. Br. Keil, Hermes XXXII
418 behauptet dagegen, Alexander habe stets den Titel ßaoi-
Isvg beansprucht; ßctoiXevg ist er denn auch in dem Erlaß an
die Chier Sylloge 150, in dem Brief an die Priener OGI 1 und
in der Weihinschrift des Athenatempels in Priene Sylloge 158,
in dem Beschlüsse von Samos Sylloge 157 genannt, ferner in
der großen Urkunde aus Delphi Sylloge 140 aus dem Jahre
des Charixenos 330/29 Z. 149, in der übrigens nicht, wie Br.
Keil, Dittenberger und A. Mommsen angenommen hatten, vier,
sondern zAvei Hieromnemonen naoä ßaGiLcMiq ß4lsl;ccvdQOv er
scheinen (BCH XXIV 490; E. Bourguet, a. a. 0. p. 145). In Ab-
Attische Urkunden. I. Teil.
43
machungen, die das Verhältnis des Königs der Makedonen zum
Bunde behandelten, würde der König am passendsten, wie
Philipp in der Urkunde IG II 160, als fjyEfxibv bezeichnet sein,
doch kann in dem Satze auch von dem jeweiligen Könige der
Makedonen (Maxedov]car?) die Rede sein. Sonst müßte sich das
Wort auf den Perserkönig beziehen. Hoffentlich schenken uns
weitere Ausgrabungen und Untersuchungen im Heiligtum zu
Epidauros neue Bruchstücke gerade dieser Urkunde zur Lö
sung aller Zweifel, die sich bei ihrer traurigen Verstümmelung
an sie knüpfen.
Haß König Philipp im dritten Jahre der 110. Olympiade
337/6 v. Chr. durch einen Beschluß des hellenischen Bundes
mit der Führung des Krieges gegen die Perser betraut worden
ist, sagt die Chronik aus Oxyrhynchos Oxyrh. Pap. I p. 25 ff.
col. III Z. 3 ff. ausdrücklich: y.arä ös %öv rtiaorov %d yoivöv
tcüv 'Ellrjviov ovvE).d-6vreq ( b'ü,imrov avioyochooci aroarry/ov
etlovio rov TToög TIsQaag icottuov, und einen Beschluß des
Bundes über die Eröffnung des Krieges gegen Persien hatte
J. Beloch, Gr. G. II 606 für das Jahr 337 noch vor dem
Funde dieses Papyrus auf Grund der bestimmten Aussagen
Diodors XVI 89, 3 und Arrians VII 9, 5 angenommen. Selbst
wenn Philipps Ziele, anders als die seines Sohnes, ,die spezi
fisch makedonischen' gewesen sind, ist doch die Behauptung,
daß er an einen ,Perserkrieg' nicht gedacht habe (vgl. U. Köhler,
Sitzungsberichte der Berliner Akademie 1892 S. 497; Eduard
Meyer, ebenda 1907 S. 765), nur insoferne richtig, als er in
der Befreiung der unter persischer Herrschaft stehenden Grie
chenstädte und der Sicherung seines Reiches und der Hel
lenen gegen Persien die nächste Aufgabe des von ihm ge
schaffenen Bundes erkannt und in diesem Sinne den Krieg
eröffnet hat (Eduard Meyer, Kleine Schriften S. 293). Un
zweifelhaft ist Alexander weit über die Pläne seines Vaters
hinausgegangen. Aber schwerlich hat Philipp den Besitz der
Küste Kleinasiens ohne den des Hinterlandes je für gesichert
oder für allein begehrenswert halten können. Ich sehe keinen
Grund in Abrede zu stellen, daß er nach dem Siege bei Chai-
roneia, auch wenn er nur Parmenion und Attalos über den Helles-
pont schickte und sich selbst zunächst fern hielt, das Programm
des Isokrates zu verwirklichen unternommen hat, der im Früh-
44
VI. Abhandlung: Wilhelm.
sommer des Jahres 346 v. Chr. in seinem Oilinitog 120 wenn
nielit die Vernichtung des Perserreiches, so mindestens die Er
oberung Kleinasiens bis zu den Grenzen &ito Kilt:/.tag [■i£XQ L
Sivibmjg dem Könige empfohlen, die Einigung der Hellenen in
einem Bundesstaate unter seiner Führung als Vorbedingung für
die Lösung dieser Aufgabe bezeichnet (69 ff.) und diese Po
litik in seinem TTavadrjva'i/.ög 73 ff. und in seinem zweiten
Brief neuerdings befürwortet hatte. Wie der dritte Brief nach
P. Wcndland’s Darlegungen (Nachrichten der Göttingischen Ge
sellschaft 1910 philos. hist. Kl. S. 132. 148. 180) lehrt, hat Iso-
krates unmittelbar vor seinem Tode die Einigung der Hellenen
unter Philipps Führung durch die Schlacht von Chaironeia ge
sichert gesehen: ihre rechtliche Feststellung in Korinth zu er
leben, war ihm nicht gegönnt. Aber die Bestimmungen des
,Landfriedensbundes', die uns durch die Bede über die Verträge
mit Alexander und die Inschrift IG II 160 bekannt sind, ent
sprechen seinen Forderungen und sind ganz in seinem Sinne ge
halten. Bruchstücke der Abmachungen, die König Philipp im
Jahre 337 v. Chr. zur Führung des Feldzuges gegen Persien
mit den Hellenen getroffen hat, scheinen in der Inschrift aus
Epidauros vorzuliegen.
III.
Eine dritte auf den ,korinthischen' Bund bezügliche Urkunde
ist zu Athen im Jahre 1897 bei den Ausgrabungen an dem
Nordabhange der Akropolis gefunden worden, das auf Tafel IV
abgebildete untere Stück einer 0T4 m dicken Stele weißen Mar
mors, noch 0'27 m hoch, 0'285 m breit, links und unten voll
ständig, sonst gebrochen. Die Zeilen haben, wie aus den letz
ten verstümmelten Bestimmungen über die Aufzeichnung hervor
geht, eine so beträchtliche Länge besessen, daß Ergänzungen
unmöglich sind; links von dem Erhaltenen bleibt in den letzten
Zeilen knapp für drei Buchstaben Baum, doch ist es wahr
scheinlicher, daß ihrer nur zwei verloren sind und der Band
frei gelassen war. 2toixi]Ööv, Höhe der Buchstaben 0 - 004 bis
(>005 m, Abstand der Zeilen 0'008 bis 0 - 01 m. Ich erkenne:
Attische Urkunden. I. Teil.
45
5
10
ai n\o](imrj. — — —- ■— — — — — — —
. . . e\%eLv oZro[v . . v — — — — — — — — na-
geye] lv drd[(u e] Y.ao [t] w [l — — — — — — —■
. ... s orxöüol Sv [Tw] xuv ' eäv 6 [e — — — — —
■ ... ol[v OL-/]od-e[i ixev eyeLv o\Ztov — — — — —
. . . og n... ov lAXe^avdgov xcag [e — — — — —
. . vjnuoniOTrjL dgayuijv y.cci xoZ[g — — — — — —
. - i tmoxpg 'tjUEoccg • anon.ELpgneiv — — — — —
. . .] UV x[üä)]vial TTjl GXQCLTL&L 8(XV TL
de] y.a fjuegäiv 36wag oZxov änoneu [- — — — cp-
vXjayfjL oxgoax tu IJvxvrjL ev xrjg ’AOr^väg — — —
Die Bestimmungen der ersten erhaltenen Zeile regeln die
Pflichten der Vertragschließenden für verschiedene Fälle (Z. 6
säv de xcl.) gemeinschaftlicher Kriegführung, hinsichtlich sämt
licher Ausrückenden (Z. 5 avdgl eyäoxaiL, 6 önoooi, Sv Ycoolv)
und ihrer Verpflegung (Z. 4 eyetv olrov oder \Ttag\eyeiv oZxov,
Z. 7 0LK0&sfi utv eyeLv o[Ztov, für eine bestimmte Zahl von Tagen).
Zum Vergleiche bieten sich die Bestimmungen des Vertrages
zwischen Athen, Argos, Mantineia, Elis (Tliuk. V 47, IG I suppl.
p. 14, 46 b) aus dem Jahre 420 v. Ohr., § 6: xoZg de ßoijd-ovoLv
fj no'/.ig fj nti.L7T.ovoa nageyexco utygx utv xgiä/.ovxa fjusgwv oZxov,
enfyv eXd-rj eg xfjv nohv xrjv ttcayyeilaoav ßorjd-slv, val cmiovox
y.axti xavxä' rjv de tcXslovcc ßov/MvxaL ygovov xfj oxgaxiä yggodai
(dieser Ausdruck kehrt in Z. 11 der Inschrift wieder), fj nohg fj
uf7xanEixLpajA.ivrj didöxco oZxov xgj jtev onXLxrj y.al xpilöj val xo%oxrj
xgeZg ößoXovg AlyLvaiovg xTjg fj/xegag ty.doxrjg, x& d’ InntZ dgaywgv
AlyLvaiav, ferner, bereits S. 37 ausgeschrieben, die des Ver
trages zwischen den Aitolern und Akarnanen aus Thermon,
und die des Vertrages der Rhodier und Hierapytnier GDI
3749 Z. 24 ff.: el titv y.a xäv ovi.tuayJav utxatxtjxttLi)vxat ‘PodioL
ev xtooagoi xoZg itg&xoig exeoiv, a(p' äg y.a nagayevuivxai a.utgag
elg c Podov ol ovjLuayoi, ölöÖvtcov tv.äoxM ävdgl l PodiOL tvctocag
äf-iegag evve ößoloiig 'Podiovg, xoZg de aye/udoL äyov/utvo/g eyaoxco
ävdgwv jiij elaooövcov nevxff/.ovxa didövxoiv tvctoxM x&g äfiegag
tv.uoxag dgayixag dvo’ el de xa jiexä xöv yeyga(.LUtvov ygovov lAtva-
iceunoivxa.L ‘PödiOL räv avji/iaxlav, xa utv uXl.a yeveodut vaxä
46
VI. Abhandlung': Wilhelm.
ravtu, äcp' &g de v.u sX-9-wvtl autoag toi UTroaie'/j.öuevot ovuiiuyoi
nuqu ‘IsqutcvtvUov elg ’ Pööov, naqeyovTun< c leqanvxvioi rolg uno-
(Tzalsüu avuLucyoig tu dipwna uaeoug tolcc/mvtu, tov de vnolol-
nov yoovov didövrwv 'Pöötoi vuSä yeyqmr.Tai; in den entspre
chenden Bestimmungen über die Hilfeleistung, zit der die Rlio-
dier im Falle eines Ansuchens der Hierapytnier verpflichtet
sind, Z. 70 f. hat Naher, Mnemosyne I 79ff. ergänzt: änoocel-
Xövtwv ‘Poöiol ’hoanvTvioig TotrjOEig dvo, [tot de Telsv/xeva eig
zag TQitjoeig (irjviov dvo didovxwv] 'Podioi ' [tov de vnoßkoinov
yoovov di[dövTwr ' Iequtcvtvioi elg evareqav Tnn’]o]rj tov fir^vög
ev.uatov dquyuug [.ivQtag-, doch ist es meines Erachtens fraglich, ob
die Zeit, für die die Rhodier die Kosten der Sendung zu tragen
haben, nicht vielmehr wie sonst (z. B. Thuk. VI 8,1) auf dreißig
Tage begrenzt ist. König Eumenes verspricht seinen kretischen
Hilfstruppen tu öipwvia dwaeiv oaov [ar yoovov xat] ttjv yoeiav
naqeycovTai Mon. Ant. XVIII 310 Z. 4 (vgl. Sylloge 288). Der
Vertrag zwischen Termessos und Adada (nicht Daldis) BCH
XXIII 287 ff., den ich in meinen Neuen Beiträgen II. behandle,
bürdet, indem er jedem der beiden Teile die Führung der Un
ternehmungen auf seinem Gebiete zugesteht, dem die Bundes
hilfe ansprechenden auch die Kosten für das Hilfe leistende
Heer, von dem Tage seines Erscheinens an, auf.
In Z. 8 ist ein L4le^avdqog erwähnt. Da die Schrift des
Steines, trotz der Beschädigung, die er erlitten hat, nicht
unsorgfältig erscheinend, ihrer ganzen Eigenart nach in die
Zeiten bald nach der Mitte des vierten Jahrhunderts v. Chr.
weist, wird Alexander der Große gemeint sein. Ist dem so, so
enthält die Inschrift Reste der Abmachungen, die Alexander
mit den Athenern oder den Mitgliedern des Hellenenbundes
überhaupt bei dessen Erneuerung in bezug auf ihr Einschreiten
gegen Friedensstörer oder ihre Beteiligung an dem Kriege
gegen Persien getroffen hat. Die Deutung bestätigt sich durch
die letzte Zeile, in der die Aufstellung dieser Abmachungen in
Pydna vorgesehen wird.
Das Wort vor ^Itigavdoov ist nicht mit Sicherheit zu er
mitteln ; wahrscheinlich 7r[^o t]ov oder auch 7t[qwt]ov ; obgleich
diese Stellung des Zahlwortes, z. B. nach urjvjog, auffallen
würde. Der Sold des VTtctomoTrjg (A. Bauer, Kriegsaltertümer 2
432. 448), eine Drachme täglich, entspricht dem, den Alexander
Attische Urkunden. I. Teil.
47
nach Boeckli’s Vermutung (Staatshaushaltung I 3 342), die sich
auf die Angaben Arrians VII 23, 3 gründet, den gewöhnlichen
Kriegern zahlte; die di(.ioiqVcai (vgl. Archiv für Papyrus
forschung IV 538; E. Capps zu Menanders JIsqlk. 261) er
hielten 60, die öev.acnäzrjooL 40 Drachmen im Monat.
Als Subjekt zu — av oder — av yowvvca ziji atowciai sind,
wie die S. 37 und 45 angeführten Inschriften lehren, ol [zeza-
nEf.ajJauEvoi zu denken, einzelne Mitglieder des Bundes oder
die Gesamtheit der Hellenen. In der vorletzten Zeile ist von
der Entlassung der Truppen die Rede, die für zehn Tage
Kost auf den Heimweg mitbekommen. Der letzte Satz erlaubt
nur die Ergänzung: [zag de avv-9-rjy.ag zaade oder einfach [zavza
de eig avrjXrjv hd'ivrjv dvayQuxpavzag zobg zezayuivovg im ztji
KOLvrjL (fvX\ay.Tji azrjaai ifi JIvzvrjL ev zjjg A0 r i][vag zül IsQ&r,
gegen die Lesung ev zrjg Adtjväg (vgl. Meisterhans-Schwyzer,
Grammatik 3 S. 214; K. Meister, Indogerm. Forsch. XVIII 149.
183 f.) spricht wohl der Artikel. Uber die zezayuevoi. im zfji
y.oivFji, (pvlaySji, die in der Rede über die Verträge mit Ale
xander 15 neben den avvedqoL erwähnt werden, hat J. Kaerst,
Rhein. Mus. LII 531 ff. gehandelt und in ihnen ,den make
donischen König, beziehentlich diejenigen, die als seine Stell
vertreter fungieren oder mit der Ausführung seines Willens
betraut sind', erkennen wollen. Vielmehr wird in ihnen eine
oberste Bundesbehürde zu erkennen sein, in der Vertreter des
ijyeuojv neben Vertretern des vielköpfigen avvedoLov der übrigen
Hellenen stehen, bestimmt, nicht so sehr den Willen des fjyefidiv
als vielmehr die Beschlüsse des Bundes auszuführen und die
laufenden Geschäfte zu erledigen. Bei der großen Zahl der
Mitglieder des Bundesrates und der Unmöglichkeit, diesen in
dringenden Fällen sofort zu versammeln oder ihn dauernd tagen
zu lassen, war die Einsetzung eines ständigen Ausschusses zum
Zwecke der Führung der Geschäfte eine Notwendigkeit.
Die Aufstellung der Abmachungen erfolgt seitens dieser
Bundesbehörde e/j, Ilvzvrjt ev zfjg Adrj[väg zwl \eqlol, ob außer
dem an anderer Stelle, ist fraglich; für die Aufnahme umfäng
licher weiterer Bestimmungen wird die Zeile kaum reichen, und
die Aufzeichnung in den Städten und Heiligtümern der Mit
glieder des Bundes wird eher deren Obrigkeiten iibei’lassen als
den zezayfiEvoL im zfj voivfi cpvXa'/.jj anvertraut worden sein.
48
VI. Abhandlung: Wilhelm.
In kürzester Form würde ein Zusatz dieses Inhaltes lauten
können: tag de noleig ev leowi otcov uv ßovlutvcai, wie in dem
Bündnisverträge aus dem chremonideischen Kriege, zu dem,
wie ich Gött. geh Anz. 1908 S. 789 bemerkte, außer IG II 332
und 333 (Sylloge 214) auch das Bruchstück IG II 5, 510d
gehört. Gerade das ist wichtig, daß zur Aufzeichnung dieser
avvTutgeig ein übrigens anscheinend sonst nicht bekanntes Heilig
tum der Atliena in Pydna gewählt ist; es liegt nahe anzu
nehmen, nicht nur daß der König von Makedonien die auf sein
Verhältnis zu den Hellenen bezüglichen Urkunden in diesem
Heiligtum der altgriechischen Hafenstadt Makedoniens aufstellen
ließ, sondern auch daß Pydna, vermöge seiner Lage hiezu wie
keine andere Stadt des Bundesgebietes geeignet, zugleich der
Sitz der TerayfievoL eni rrj Koivfj cpvXaxjj, somit der Leitung
des ganzen Hellenenhundes, gewesen ist.
Uber die Schreibung des Namens der makedonischen
Stadt Tlvdva mit der Tenuis, die uns in der Zusammensetzung
'leoanvxva geläufig ist, handelt nach K. F. Johansson, Beiträge
zur griechischen Sprachkunde (Upsala Universitets ärsskrift
1890) S. 3f. nunmehr J. Brause, Lautlehre der kretischen Dia
lekte S. 32 Anm. Dieselbe Schreibung begegnet auch in einem
Beschlüsse der Athener, und zwar in einem unveröffentlichten,
wie ich erkannte, zu IG II 169 gehörigen Bruchstücke der
Inschriftensammlung des Nationalmuseums zu Athen. Durch
Herstellung der auf Taf. V folgenden Abbildungen der bei
den Steine, von denen der erste 0 - 17 m breit, 0 - 26 m hoch und
0'105 m dick ist, der zweite 0'35 m breit, 0 - 42 m hoch und
0 - 132 m dick, hat mich Herr Dr. Otto Walter verpflichtet.
Ich lese:
IG II 169:
Ifoo^evla \_Avv.on IIvTvalon. aro^ädv
333/2 "Eni Ni] -/.o'/.q&xov [g lioyovvog eni 25 K '
v - Cllr - Trjg Ilav] dLOvtS[og dsvTeQccg nov-
Tccvei]ag iji iyq{auixaxevev "Aqye-
5 lag Xu] i [o] i.ov Ila \).hjvevg' Mecaye-
izvLü)]vog ex.T[i]i cpd'ivovrog, nefi-
m7]L y.a] i d[ex(xTr]i zijg ngvTavei-
ag xrA..]
Attische Urkunden. 1. Teil.
49
Neues Bruchstück.
I . v
.... eirtsv snsL\äi] yIv'/.o\_q Aqiax-
ox]Äe/doi> Tlv[t]v[cu]og stcl^lsIelz-
aL Afhp>alß}v v.al y.oivel [ärtavxw-
5 v Y.ai idiai xov ÖEOf.isvo[v v.al no-
el oxi övvaxai äyad-öv [zi/v tto/U-
v, eivai avxöv tcq6%evo\_v xcä sös-
qykxryv xov öfjuov xov A\ßrjvauov
■aal avxöv y.ai sxyövov [g avxöv■ ä-
10 vayqaijjai ds xijv ixqoS,Ev[iav avx-
ov slg oxrjhjv hd-ivrjv x \öv yoau-
/.ijazeZa xov y.ax[a\ rt\_o\ vx[avsiav xa-
(' erraff«/,] iv \ß'/.Q07t6}.Ei v.xl.
Daß des Proxenos Name kurz gewesen ist, lehrt die Er
wägung, daß nach ihm in der Überschrift, in der übrigens
sein Anfangsbuchstabe A, nicht A ist, noch das Ethnikon Platz
zu finden hatte; ich habe daher Avxo[s und als Vaternamen
Aoloxo'a\XeiÖov eingesetzt. Ob dieser Amog mit dem Feld
herrn des Lysimachos, den Polyän V 19 erwähnt, etwas zu
tun hat, bleibt dahingestellt. In dem Ethnikon ist von dem
dritten Buchstaben nur der unterste Teil erhalten, der Fuß
eines T.
Über die Ergänzung des Präskripts habe ich ’Eqtijfi. aqy.
1890 er. 203 ff. und Ü. Köhler zu IGr II 5, 169 b gehandelt.
Das Relief im Felde über der Urkunde, von Köhler
nicht erwähnt, zeigt bekanntem Brauche gemäß (Nachweise in
meinen Beiträgen zur griechischen Inschriftenkunde S. 11 f.)
das Wappen der Stadt der Geehrten, eine Sphinx nach links
gervendet und vor ihr eine Amphora. Bis auf eine Einzelheit
entspricht dieses Wappen dem naqaoqfxov auf dem nachstehend
(S. 50) abgebildeten, von P. Perdrizet BCH XX 558 f. n. 7 ver
öffentlichten Bruchstück eines Beschlusses der Delpher zu Ehren
des epischen Dichters Aftcpi-xlog Ka [Xhaxqaxov XZog]; das
Ethnikon ist auf dem delphischen Steine nicht erhalten, doch
hat Perdrizet in der Darstellung das durch Münzbilder (Catal.
of Greek Coins, Ionia p. 328 ff. pl. XXXII. XXXIII) bekannte
Wappen von Chios erkannt und den Beschluß, zumal auch
50
VI. Abhandlung: Wilhelm.
1
der Name ’h/pguxAog nach Chios weist und ein A^cpvAog
XTog als Hieromnemon der Chier in der Zeit um 250 v. Chr.
(J. Beloch, Gr. G. III 2, 325. 334. 350) bezeugt ist, auf eben
diesen Amphiklos aus Chios bezogen. Den vollen Namen des
Mannes bietet ein kürzlich auf Delos gefundener Beschluß der
Delier BCH XXXIV 362. Der Beschluß der Athener für
Lykos, in dem zum Glück sein Ethnikon erhalten ist, bezeugt
nun ein merkwürdigerweise fast übereinstimmendes Wappen für
Pydna. Von dem von Chios, das P. Kastriotis soeben auch auf
einem Grabrelief aus Piräus aufzeigt ’Ecpr]i.i. äg%. 1910 a. 55, unter
scheidet sich dieses Wappen nur darin, daß in ihm die Sphinx
mit beiden Vorderfüßen auf dem Boden steht, während sie in
dem von Chios den rechten Vorderfuß auf die Amphora legt.
Anhang.
Zu einigen kretischen Inschriften.
Die Worte iv tü>l ysygujiuevcoL yoövun, die in Z. 22 f. des
S. 38 erwähnten Vertrages zwischen König Antigonos und Hiera-
pytna Museo Italiano III 603 (GDI 5043) erhalten sind, lehren,
daß in dem Vertrage desselben Königs mit Eleutherna BCH
XIII 48 und besser Amer. Journ. of Arcli. XI 583 zu dem
1
Attische Urkunden. I. Teil.
51
in Z. 18 stehenden ev zoji yeyQa[nfiev(OL] ebenfalls yoovwt, zu
ergänzen und die Lesung des Herausgebers irrig ist. Nach
Doublet lauten die Zeilen 17 ff.:
iav
[d« fiij dnoffzeilaioiv ol v.oauoi zijv ß]o/]9eiav ev zwi yeyqa-
[uj-iiriot, y.azä zö rpiyfLaua zo Ni'/.s] vdeova'uov ly zijv
20 [naqayysllav zov ßaoilecog roöiran cjjzLvcjovv, dnozivezwffav
\_o\ y.öa^ioi, docr/jidg uvqiceg .... e]r zfji ovvaiQed-eiorji
[ixyCkrjzwi rtölsi.]
Daß statt (bizivi ovv zu lesen ist bzwiovv — der Stein
bietet illOTN — hat Halbherr erkannt, doch sonst keinen Ein
wand gegen Doublet’s Herstellung erhoben. Gerade die Worte
zQÖjton bzcoLOvv zeigen aber mit ly zusammengehalten, daß nicht,
wie Doublet glaubte, ein einheitlicher Bedingungssatz vorliegt,
sondern ein zweigeteilter, der in seinem ersten Teile ein ganz
bestimmt umschriebenes Vergehen, die Unterlassung der ver
tragsgemäßen rechtzeitigen Absendung der Hilfstruppen, und
in dem mit ly beginnenden zweiten Teile eine andere Versündi
gung an den vorliegenden Abmachungen, auf welche Weise
immer sie erfolgen mag, mit Strafe belegt. So sind aber auch die
entsprechenden Bestimmungen des Vertrages mit Hierapytna zu
deuten, in denen sich eine Lücke bisher der Ergänzung ent
zogen hat. Es heißt Z. 20 ff. nach Halbherr’s Lesung, die Blass
wiederholt:
&TZO-
ffzelXezaioav de ol ‘IeQa[nvzvioi äcp'ceg er] ßaailebg mT,[ayye]lfojL ev u-
f.ie()cug züiäy.ovza' iav d[« p»y äjzoazelXcooiv zav ßoi]9eiav ev züti ye-
yQa/,if.iEvwi /qoven ly TAI//Z[ (ungefähr 20 Buchstaben), äitozivezw-
oav ol votTiaol docr/i.iäg uv[Qiccg ev zf\i ovvaiQedeioqi rtoXei iy-
25 yhyian.
Es wird einleuchten, daß ly Ta[r] u[—, doch wohl o[v/.i-
l-iuylav oder o[uv9rj-/.av, ebenso wie ly zijv in dem Vertrage mit
Eleutherna den zweiten Teil des Bedingungssatzes eröffnet, und
etwa zu ergänzen ist:
iav d[e [A>j drzoazeiXwoiv zav ßoadeiav ev zCol ye~
yoau/Aevou xqoviol Vj Ta[r] a[vv9tfxav Xvojiuv onatoovv ?, dnozivezw-
oav ol y.oauoL docr/fiag fxv [olag ev zr\i <yvvaiQe9eior j i tcoXei lv.~
yXryvon.
52
VI. Abhandlung: Wilhelm.
Ähnlich enthält der Vertrag von Hierapytna und Prian-
sos GDI 5040 Z. 46 f. Strafandrohungen für den Fall ei de xig
ädiyolf] zu ovy/.elnEva v.oivcu diakvwv ij zo'ffftog ?} idiüxag. Hin
sichtlich der Verwendung von dorischen Formen neben solchen
der hellenistischen Schriftsprache verweise ich auf die Ab
handlungen von E. Kieckers Indogerm. Forsch. XXVII 72 und
M. Buttenwieser ebenda XXVIII 16 ff. 92 ff. In dem Vertrage
von Eleutherna entspricht in Z. 17 ff.:
eäv
de i-ii] änooxsikwoiv rav /?]orjd-eiav ev xwi yeynex-
LievoiL yqövwi ol y.öouoi oi 5 Ek]ev-9-eQvaiu)v ? rj xijv
20 avvihyvav kvaxnv xoozaoi ot] unovv, anoxivexvzoaSv
'.Avxl-/opo)l dgay^äg uv g lag] ev xrjt ovvaigedeiory.
nokei iy.y.?.7jXcoi.~\
Die Bestimmung des Vertrages von Hierapytna mit König
Antigonos Z. 23 ff. fand Blass ,weder vollständig noch klar'.
Ihr Sinn und der der entsprechenden Bestimmung in dem Ver
trag von Eleutherna ist augenscheinlich: Falls die kooiaol die
rechtzeitige Absendung der Hilfstruppen unterlassen oder sonst
auf irgendeine Weise den Vertrag brechen, werden sie vor dem
Gerichte einer Stadt, der Antigonos und Hierapytna oder Anti
gonos und Eleutherna, die Entscheidung übertragen, zur Ver
antwortung gezogen und haben schuldig befunden die Verur
teilung zu einer Buße in der Höhe von zehntausend Drach
men zu gewärtigen. Zu ev xf]i ovvaiged-ELorji nokei iv.y.h'jxun
verweise ich auf Stellen der amorginischen Schuldurkunden
IG XII 7, 67 Z. 71 y.ai noay.xog l'oxco xovxo xd dcgyvgiov xad-ä-
neg vxphyyt'ug diurj/j, llgctigrykei ev xiji ixxkrjxon yuxä xd ovu-
ßokov xskog eyovoav und 69 Z. 15. 31. 41, die zeigen, daß ein
Zusatz wie uxpkryyöxeg diy.XjV vermißt wird. Daß die Buße dem
Geschädigten, König Antigonos, zufällt, scheint mir einleuch
tend, wenn ich auch seine Erwähnung nur in dem Vertrage
von Eleutherna, nicht in dem von Hierapytna unterzubringen
vermag. Auf ähnliche Schwierigkeiten stößt aber die Ergän
zung dieser Inschrift auch sonst; wie Blass mit Recht bemerkt,
wird statt ol ‘ Iega[nvxrioi~\ in Z. 21 doch ' leganvxvliüv ol y.oojxoi
erwartet. Zudem ist, wie das erhaltene Bruchstück zeigt, mit
Ungleichmäßigkeiten der Schrift zu rechnen.
Attische Urkunden. I. Teil.
53
Z. 22 ff. des Vertrages von Eleutherna lauten nach Dou
blet und Halbherr:
eccv de /.(»} o]vvayaywGiv z>)v e-
xXrjoiav I) toiig jrqecrßevräg irlß jroooayayioGiv ]) ymj-
Lian'tjoxu neoi IDXov jcolv $} äjr6yS\oiaiv dovvac jolg
25 rtQSOßevjaTg, evo/oi eojüioav] joTg ejctT.ii.uoig oia-
jceq y.al jtsqI tlülv . . . yeyoajcjjca..
Statt yorjUacicuoaL jisql Sllou ist nach Isokrates IV 157,
Demosthenes XXIV 29, IG II 578 Z. 36 f. zu schreiben xqrj-
i.icitI(Jüj(Jlv al'lo jl, vgl. lillo urßev in dem Vertrage mit Eleu
therna Z. 16 und IG I 40 (Sylloge 33) Z. 55 tiXXo de tcqo-
yqrj(.iaTLaaL jovjojv iMjdev.
Wenn die xo'ffftoi die Volksversammlung nicht berufen,
die Gesandten des Königs nicht vorfuhren oder andere An
gelegenheiten zur Verhandlung bringen, bevor jenen ein Be
scheid zuteil geworden ist, verfallen sie in ihrer Vaterstadt den
Strafen, welche für andere gleich schwere Vergehen gegen den
Staat festgesetzt sind. Ähnliche Bestimmungen begegnen in
kretischen Beschlüssen auch sonst, so in den Urkunden, die
auf den von mir (vgl. BCH XXIX 576) zusammengesetzten
Steinen Inschriften aus Magnesia 65 a+ 75. 76 + 65 b (GDI
5153. 5154; P. Deiters, Rhein. Mus. LIX 565 ff.) erhalten sind.
In dem Beschlüsse der Gortynier heißt es Z. 29 ff. nach meiner
Lesung:
dLakeyße [vjcjv de %<x>v noea-
30 ßevrcüv y.al neql jwv Kqryc [aieeov jlöv eg Mi'lr t Jov
urcoiyLi,Oj.iev(i)v edolgev [I'oqjvvllov xoTg xdff-
(xoig y.al ja [jlo]Xei' oltol b/.l Ml[Irjjwi. I'oojvvlol
ovjeg fiej [m] i [7.?y(j] av elg Mil [yrycov rj v.ajä jroövoi- ?
av rj UDm [g, eiu] ev / oojvvlo [og * flaoL de rcolt-
35 reiovaiv eu Mihrjjwi, fii] ei^iev [ejcävodov elg
juv idiav, üXkä Ja vn:uqy.ov\%a amolg ei/rev da-
uÖGia y.al eiusv avroig tu e\jTLjiiua äjceq xdig ijrl
jäv Idiav ajQajevaaf.ievot [g.
Die entsprechenden Bestimmungen des Beschlusses der
Knosier lauten Z. 21 ff.: t
dia-
leyßevjwv de] jüv nqeaßsvj&v y.al jteql jGlv
Korjjaieojv raiv äjijoLy/Cofierojv elg Milrjrov edo-
Sitzungsber. d. phil.-hist. Kl. 165. Bd., 6. Abh. 4
54 VI. Abhandlung: Wilhelm.
igev Kpwolmp xoTg] x6[o]ftoig xai tccl tioXel oool ix
25 Kvwoov Kvcbo] lol [oj']xeg uExunxvixaaiv slg
MLhycov y xacd 7tqö] voiav (?) ]) IcXXiog rrtog, Kvoi-
oiovg slfisv’ oool de 7to]XiTEvovoiv ifi MiXyxun,
ui] eifisv ijcuvoöov et]g rctv idiav, &XX& xä
incio/ovta avxoTg eifisv da] 1.1 [6] oiu xai sifiev [cu5- ^
30 xoig Ta i7tiTL[.ua xadccTtEQ] xoig ht.i tccv i[diav
OTQaTEVOaflEVOlQ.
P. Deiters’ Herstellung weist, wie ich demnächst zeigen
werde, auch sonst Unmöglichkeiten auf — ergänzt er doch
z. B. in dem Beschlüsse der Gortynier Z. 12: jrsgi twv [iyOw
otwv? Tofg] Tt&oiv KoyxaiEvaiv dtsXeyifoav statt Ttegi twv [xoiväi
ovvcpsoovT wv~\ und den Satz Z. 22ff., meiner Lesung nach: die-
Xsyyoav tzeql te twv i£ [dpxJög V7t[aQx]övtw[v] Vontupioig xai
Mdyv[rjo] 1 [(piXav~\$QW7twv xai boa ivedeySTO Eiioaooov V7te[g Tag
l[gtjva]g hat er überhaupt nicht zu entziffern vermocht; ganz
besonders hat er sich aber mit seiner Lesung der Z. 30 des
Beschlusses der Knosier vergriffen:
xai eifisv x[ai
30 [rolg ’EXevd'egpaioig xai] zotg Ka\v\xavioig
Kavtavioig wird ausdrücklich als ,sicher' bezeichnet!
Dieselben Rechtsfolgen droht der Vertrag zwischen Rho
dos und Hierapytna GDI 3745 Z. 45 ff. und 77 ff. denen an, die
gegen die verbündete Stadt zu Feld ziehen: fiyde oxgaTEvso&w
1 IsgartvTv'iwv (bezw. ‘Podiwv) fiy-9-sig xaxa 'Podiwv (bezw. Iega-
Ttvvviwv) 7tagevgeoEi fiydefuSt y evoyog eotio xoig iniTifiioLg v.a-
HättEo sl iui reo’ 1 IsQanvtviwv TtoXiv (bezw. 1 Podiav) ioxgaxevETO
ywgig y oool Ttgö xäods Tag ovvd-yxag i£eotqutevxavxi. Ähnliche
Bestimmungen stehen verstümmelt in den ersten Zeilen der In
schrift aus Hierapytna GDI 5043; aus den Schlußworten ano-
TELOaPTWP 6 fisv äysfiwv [doayuag fivgiag, 6 di oxgaxiwtag dgay-] -5
iiag yiliag ergibt sich die Höhe der in Hierapytna für solche
Vergehen festgesetzten iTtiTifiia. Wenigstens als Möglichkeit
darf ich daher andeuten, daß auch in dem Vertrage von Eleu-
therna Z. 25f. zu ergänzen ist:
Epoyoi EOTiuoav] xoig imxuiioig olo-
7t eg idcv ini xäv Idiav OTguxEvwv]xai.
Attische Urkunden. I. Teil.
55
Für den Anschluß des Bedingungssatzes sei auf Deinarchs
Rede gegen Demosthenes 45 evoyov eivcu — oIgtisq tiv zig zwv
cpsvyövzwv 14qe'iov ndyov xaz'irj verwiesen.
Ein Wort noch über die Zeilen 10 ff. dieses Vertrages zwi
schen Antigonos und Eleutherna, die H. Sw oho da, Die griechi
schen Volksbeschlüsse S. 164, ohne Ergänzung abgedruckt hat:
ozav de TCaqayev\wvzai irqog 1 Eltvdeoval-
ovg TTQEoßsvzal rraoa 'ytvziy\ 6vov, ovvayszwoav
ol YÖffjioi t/.Y.hyjiav ev dez] ci iyieoaig ä(p' ijq av na-
Qccysvwviat ol ■noeoßevzai, ea] v f.irj zi avuy/Miov xwhj-
iäv (oder et) de j.iij ozav dvvwvzai zäy] laza.
Die Ergänzung der Zahl [de/.] a wird durch den Rest
eines dreieckigen Buchstabens nahegelegt, den Halbherr vor
ijliEQaig verzeichnet; es ist dieselbe Frist, innerhalb deren die
Athener den Gesandtschaften der Chalkidier Verhandlung ihrer
Anliegen vor Rat und Volk zusichern IG I Suppl. p. 10, 27 a
(Sylloge 17) Z. 12 ff., freilich mit dem Vorbehalt xazä zö öv-
vazöv, den die in anderen Vorschriften vorliegende und von mir
kürzlich in den Jahresheften XII 140f. besprochene Formel
eäv f.trj zu öryioiuov xwlvtji erläutert und hier eav /.irj zi &vay-
xaiov Y.oiXvrjL oder xwlvarji (Inschriften von Priene 10 Z. 29
säv p) zwv äoyßiwv zl xwlvarji) ausdrückt; diese Formel hat
Halbherr p. 585 wohl mit Recht auch in Z. 7 ff. des Vertrages
von Eleutherna einsetzen wollen. Auch in dem Senatsbeschlusse,
den Josephus A. J. XIV 210 (P. Viereck, Senno graecus p. 99)
mitteilt, begegnet dieselbe Frist: xai za äTroYolfiaza avzoTg ärto-
didwoiv ev 7] { UEoatg dexa zaTg dnaaaig dtp' ijg av zo doyfia ysvrjzai.
Für die Ergänzung des Schlusses des Satzes verweise ich auf
die ähnlichen Bestimmungen der beiden attischen Gesetze in
Demosthenes’ Rede gegen Meidias 47 und gegen Timokrates 63>
in denen dem Vorbehalt säv py zl drpiooiov xwlvrj die Forderung
folgt: eav (si) de py, Szav itqwzov oiov % fj.
4*
WILHELM. Attische Urkunden. I. Teil.
Taf. I.
, •'> , • V
td-ß ■ . v
004*r
>-.‘i v, 1.-* ■
*' f i /.n4 ti ti
f- . . ' r
gj»fc-7 £
* •* 4- /
Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Klasse, 1G5. Bd., 6. Abh.
WILHELM. Attische Urkunden. I. Teil.
Taf. II.
Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissensch., phil.-hist. Klasse, 165. Bd., 6. Abh.
WILHELM. Attische Urkunden. I. Teil.
Taf. III
Gr
F
Sitzungsb. d. kais. Aiad. d. Wissensch., phil.-hist. Klasse, 165. Bd., 6. Abh.
WILHELM. Attische Urkunden. I. Teil.
Taf. IV.
Sitznngsb. d. kais. Akad. d. Wissenscb., phil.-bist. Klasse, 165. Bd., 6. Abb.
Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissenscli., pbil.-hist. Klasse, 165. Bd., 6. Abh.
Taf. Y.
Attische Urkunden. I. Teil.
Wilhelm.
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aiy»iffii«riMji!i!iiiiiiii!WiiMii»!Wifiiii^wiiK ' i- •" jj; 1 - :: ’mmimiimmmimmammiii
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