102 I. Abhandlung: v. Srbik. Merkwürdiges Zusammentreffen eines ideologischen Zuges mit dem klarsten Blicke für den machtvollen Schritt der Zeit. In den Staaten Europas dröhnt der Siegeszug des monarchi schen Absolutismus, das Gottesgnadentum erreicht in Lud wig XIY. den Gipfelpunkt, allenthalben, wie in Frankreich, so in Dänemark und Schweden, in Brandenburg, Bayern und Österreich strebt das Fürstentum die praktische in eine grund sätzliche Unumschränktheit umzuwandeln und auch im Tat sächlichen zu vollenden, Jakob II. in England zeigt die gleichen Neigungen und nicht mehr fern ist die Zeit, wo aucli Spanien und Rußland die gleichen Bahnen einschlagen: 1 die eine Seite von Schröders Staatslehre ist diesem Laufe der Dinge völlig angepaßt. Und doch auf der anderen Seite die ungenügende Erkenntnis, welche Gefahren die unbeschränkte Macht des Ein zelnen, der nur vor Gott und seinem Gewissen verantwortlich ist, für die Millionen der Rechtlosen in sich bergen, wie un möglich es auch dem besten Monarchen werden muß, den idealen Anforderungen des göttlichen Gebotes zu genügen; die Rück kehr zu alttestamentlichen Verhältnissen, zu hausväterlicher Art und Regierung in einem Staate, den Jahrtausende geistiger und materieller Entwicklung von den Zeiten König Sauls und Davids trennen! Diese Erscheinifng ist ja nichts seltenes in der Literatur der Zeit; aber vielleicht können wir, die wir das Leben Schröders vor uns aufgerollt haben, auch für diesen Widerspruch noch eine besondere Erklärung und jene beiden anderen Quellen finden, die wie erwähnt, neben der in England entsprungenen zu fließen scheinen. seliaftliche und finanzielle Grundtendenz des Buches so anstößig, dessen Verfasser sonst nur rückhaltsloser Absolutist und strenger Merkantilist war. Er empfiehlt wörtlich dem Fürsten gleich einem Hausvater seinen Untertanen erst zu guter Nahrung zu verhelfen, wenn er ihnen etwas nehmen wolle, ähnlich wie ein Hausvater das Vieh, das er schlachten will, erst mästen, die Kühe erst gut füttern muß. Von der Form ab gesehen, ja ein ganz richtiger und von den praktischen Fi nanzmännern oft unbeachtet gelassener Satz.“ 1 Vgl. R. Koser, Die Epochen der absoluten Monarchie in der neueren Geschichte, Histor..Zeitschrift, 61. Bd.; eine anschauliche Schilderung des Absolutismus in Bayern und seiner Territorialwirtschaftspolitik gibt M. Doeberl, Innere Regierung Bayerns nach dem dreißigjährigen Krieg, Forschungen zur Geschichte Bayerns, 12. Bd.