Studien zur Geschichte der altdeutschen Predigt. 141 eine Stelle habe ich gefunden, durch welche mit großer Sicher heit meine Annahme bestätigt wird: 71 c (62, 11) sind ohne irgend welche äußere Ursache sowohl die Worte des lateini schen Textes tradentur in manus gladii (die Feinde Davids, vgl. Hoberg, S. 173) weggelassen als die deutsche Übertragung, was beides der Korrektor ergänzt (und werdent den swertern gegeben). Da hat nicht Zufall gewaltet, sondern Absicht, und zwar spricht sich hier die Gesinnung der Waldenser deutlichst aus, welche dem weltlichen Gerichte (nach dem Gebote Gottes: non occidas) das Recht der Todesstrafe nicht zugestehen. Halte ich diese Stelle für ein sicheres Zeugnis des waldensischen Ur sprunges dieser Psalmenübersetzung, so gibt es noch einige an dere, die möglicherweise für meine Ansicht sprechen, 6 11 (7, 12): Deus judex justus, fortis et patiens, numquid irascetur per singulos dies. Got rehter rihtere, starcher und gedultiger, weiz got (korr. ersetzt es durch er) zürnet er (korr. nicht) alle tage. Die alte Übertragung erblickt den Zorn Gottes täglich in der Lage der Waldenser. — 26 h (24, 21) innocentes, die unchun- digen (korr. unschuldigen). Das könnte ein waldensischer Aus druck sein: die Freunde und Genossen der Sekte hießen be kanntlich die künden, und der Psalmvers würde dann besagen: diejenigen, die noch nicht zu uns gehören, schließen sich uns jetzt an (Hoberg, S. 62. 64). — Vielleicht ist auch die Über tragung von sanguis durch fleisch 29, 10 (oben S. 133) hierher zu ziehen. — Aus predienden für evangelizantibus 67, 12 ist nichts zu schließen. — Wahrscheinlich auch nicht aus dem Folgenden, obsclion der Übersetzer bei seinem Irrtum sich deut lich von der katholischen Geistlichkeit absondert: 75 d (67, 14) Si dormiatis inter medios cleros penne columhe deargentate et posteriora dorsi ejus in pallore auri. Ob ir slafet enmitten under der phaflieit (vgl. Diefenbach, Gloss. 127) die ubersil- berten veder der touben und deu hinderen ir lackes in der goldes pleiche. — Weggelassen ist ohne äußeren Grund 103 a (87, 15) sowohl lateinisch als deutsch: Ut quid, Domine, repellis orationem meam, avertis faciem tuam a me? (der Korrektor ergänzt: Warum, herre, vertreibest du min gebet und cherest din antlutz von mir?). Der übersetzende Waldenser durfte die Meinung nicht aufkommen lassen, als oh sein im Psalter betender Glaubensgenosse von Gott nicht erhört würde.