v. Karajan. Über eine bisher unerklärte Inschrift. 211 SITZUNG VOM 19. JULI 1854. Gelesen: Über eine bisher unerklärte Inschrift. Von dem w. M. und Präsidenten der Classe, Hrn. y. Karajan. Fast zwei Jahrhunderte sind vorüber, seit in dem engen Um kreise der inneren Stadt Wien und aus dem dunklen Schoosse der Erde ein Zeuge der fernsten Vergangenheit, ein Steinsarg mit einer Inschrift in seinem Inneren, ans Tageslicht trat, um den späten Enkeln Nachricht zu geben von längst verschollenen Bewohnern dieses Bodens, von ihrer Sprache, ihrem Glauben. Diese Kundgebung, so bedeutend sie an und für sich zu nennen war, wie unsere Erwägungen hoffentlich zeigen werden, ging aber den noch fast spurlos vorüber an dem geschichtlichen Bewusstsein unserer damaligen Stadtgenossen, weil es der Sprachkenntniss jener Tage leider nicht gelingen wollte, den wichtigsten Theil des Fundes, die räthselhafte Inschrift, gleichsam die Sprache jenes unterirdischen Zeugen, zu verstehen und zu deuten. Was man sich auch abmühte, der fremden Zeichen und Klänge Herr zu werden, es wollte nimmer gelingen, und endlich liess man, was man nicht verstand, unwillig bei Seite liegen. Aber auch die folgende Zeit machte sich vergeblich an die Ent zifferung jener Inschrift die zum Glücke gleich nach ihrer Entdeckung, freilich unverstanden und dadurch fehlerhaft, in Kupfer gestochen und veröffentlicht worden war. Ich sage 'zum Glücke’, denn das Original selbst scheint mittlerweile verschwunden zu sein, so dass wir jetzt ausschliesslich an jene Nachbildung gewiesen sind, wodurch begreiflicherweise die Erklärung nur erschwert werden konnte. Es lockte mich aber trotzdem, sie einer erneuten Prüfung zu unterziehen, zu versuchen, ob vielleicht unsere jetzigen Sprachmittel eine endliche Lösung der Aufgabe gestatten. An den Eingang meiner Untersuchung stelle ich zum genaueren Verständnisse der folgenden Schlüsse und zur Erkenntniss der Art