I. Abhandlung: Schuchardt. l I. Romanische Etymologieen. I. Von Hugo Schuchardt, wirkli Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften. Was wir eine Etymologie nennen, ist Nichts als eine mehr oder weniger abgekürzte Wortgeschichte, und eine Wortgeschichte wiederum bildet keinen festen Ausschnitt aus der gesammten Sprachgeschichte, sondern verfliesst ohne bestimmte Grenzen in andere Wortgeschichten. Wenn trotz der verhältnissmässig grossen Durchsichtigkeit und Uebersichtlichkeit mit welcher sich die Entwickelung des Lateinischen zum Romanischen uns dar stellt, die Meinungen über die Herkunft so vieler romanischen Wörter weit auseinandergehen, so beruht das hauptsächlich eben darauf dass der für eine etymologische Untersuchung zu verwerthende Stoff sich in mannigfachster Weise begrenzen lässt. Das aber tritt deshalb kaum ins Bewusstsein weil die Annahme oder Ablehnung irgend einer Etymologie zu sehr wie eine Geschmacksentscheidung zu erfolgen pflegt. Nun besitzt gewiss auch unter den Männern der Wissenschaft der Geschmack des Einen nicht denselben Werth wie der des Andern; aber da er überall auf einer Summe allgemeiner und besonderer Er kenntnisse beruht, so ist es besser dass diese sich unmittelbar mit Bezug auf den bestimmten wissenschaftlichen Fall entfalten, als dass auf dem unsichern Umweg über die Persönlichkeit das Urtheil der Uebrigen beeinflusst werde. Es soll damit nicht ge sagt werden dass jeder Einfall eines Jeden eine eingehende Erörterung verdiene, aber innerhalb gewisser Schranken, über die man sich leicht einigen wird, muss ein strengeres Beweis verfahren durchgeführt werden. Es ist jede etymologische Frage Sitzungsber. a. phil.-hist. CI. CXXXVIII. Bd. 1. Abk. , 1