Über den Dolichenus-Cult. 5 geltend. Man fühlte sich gedrungen, dem Unglauben Einhalt zu tliun; allein die Empfänglichkeit für Glauben überhaupt war verschwunden. So suchte man denn durch Seltsamkeit der Motive, durch willige An nahme fremdartiger Formen, durch begieriges Haschen nach Über schwänglichem und Abenteuerlichem, mit einem Worte durch Erwei terung des Cultus nach aussen zu ersetzen, was man an Intensität und Innerlichkeit eingebüsst hatte. Der Unglaube öffnete dem Aberglauben die Tliore, und Rom wurde der Schauplatz eines gemischten Cultus, dessen Elemente aus allen Welttheilen und Mythologien zusammen getragen waren. Besonderen Einfluss gewann der Orient mit seiner mystischen Symbolik, welche dem unklaren Bewusstsein durch seine Dehnbarkeit besonders zusagte. So der Mithrasdienst, so auch der Cult des — Dolichenus. Über letzteren ausführlicher zu sprechen, geben mir drei Monu mente im k. k. Münz- und Antiken - Cabinete Anlass, an die ich die mir bekannten vorzüglichsten Denkmäler dieser Gattung (inso fern sie den Gegenstand dieser Abhandlung näher oder entfernter, bestimmter oder problematischer, als authentische oder als muthmass- liche Beweisstücke berühren) nach einer im Verlaufe der Darstellung zur Sprache kommenden Reihefolge hier anschliesse. Das eine der erwähnten Monumente, im Anhänge mit Nr. 1 bezeichnet (Taf. I), ist ein plastisches Denkmal von weissem Marmor, im Ganzen 2' 9Vs" hoch. Auf einem Sockel, der die Inschrift enthält, steht ein kräftiger Stier von gedrungener Gestalt, den Kopf gerade, den Schweif nach aufwärts geschlagen. Unter sei nem Bauche ist ein kleiner mit einem Adler (?) verzierter Cippus angebracht, zugleich ein willkommenes Auskunftsmitte], um dem schweren Körper eine Stütze zu leihen. Der rechte Vorderfuss des Thieres ist zum Schreiten erhoben, und setzt die Klaue auf einen nach auswärts gekehrten Widderkopf. Zwischen den Hörnern des Stieres sitzt mit ausgespreiteten Schwingen ein Adler, dem der Kopf fehlt. Auf dem Rücken des Thieres steht mit auswärts gesetzten Beinen eine männliche Gestalt in imponirender Haltung. Das von reichen Locken und einem mächtigen Vollbart umwallte Antlitz gleicht dem des olympischen Zeus. Das Haupt des Gottes — denn dieser lässt sich nicht verkennen — bedeckt eine konische Mütze, mit der zur Rechten ein anderer Gegenstand, der jetzt weggebrochen ist, scheint in Verbindung gestanden zu haben. Um die Schultern