(50 III. Abhandlung: v. Krem er. Studien zur vergleichenden Culturgeschichte. Blut und Seele werden ursprünglich als eines und das selbe gedacht, als das Element des Lebens. Der wilde Mensch der vorgeschichtlichen Zeit hielt sich an die durch die Sinnes wahrnehmung festgestellte Thatsache, dass mit dem Blute das Leben entrinnt. Dann kam eine weitere Beobachtung hinzu, indem das rauchende Blut, welches aus der frischen Wunde quillt, die Vermuthung erweckte: es sei eine feine, geheimniss- volle Substanz im Blute, die von demselben sich lostrennt und zum Himmel emporsteigt. Dieser schnell verschwindende, nach oben strebende Hauch, dieser Athem ward nun als der eigentliche Lebensgeist, als die Seele aufgefasst und führte allmälig zum Vergleiche des Lebensodems, der Seele mit einem Vogel. Sobald aber dieser Gedanke eines von der Körperhülle befreiten Geistes Wurzel gefasst hatte, konnte auch die aber malige Verbindung dieses Geistes, dieser Seele mit einer neuen Hülle vorausgesetzt werden. Auf diesem Grunde ent standen nun von selbst die verschiedensten, wie wir sagen würden, abergläubischen, aber an sich betrachtet ganz natür lichen Vorstellungen: die Geister, die Seelen konnten in Thieren, in Steinen, in Pflanzen oder anderen Dingen ihren Sitz nehmen, oder auch wieder in Menschenformen eingehen. Die niedrigsten Religionen, die Verehrung gewisser Thiere, Pflanzen oder Steine, selbst der Fetische lassen sich aus solchen Anfängen genügend erklären. Der Beweis aber dafür, dass diese Voraussetzung, wenigstens für eine sehr beträchtliche Anzahl von Völkern begründet ist, liegt darin, dass man in den Religionen der wichtigsten Völker des Alterthums noch ganz deutlich die Reste, sei es des alten Steincultus oder der Verehrung heiliger Bäume, sei es auch gewisser Thiere, ja selbst des Fetischdienstes, nachweisen kann, so bei Aegyptern, Hebräern, Griechen, Römern und Arabern.