Beiträge zur Theorie der mathematischen Erkenntniss. 33 Euklid und auch sonst häufig nicht ebenso besonders hervor gehoben zu werden pflegen wie einige Axiome der Relation. Endlich gibt es noch in der Mathematik Existentialsätze, welche tkeils beweisbar und bewiesen, theils axiomatisch sind: Einer brauchbaren Definition eines mathematischen Begriffes muss häufig der Nachweis der Existenz des definirten Objectes beigegeben werden. Z. B. wenn ich definire: Eine reelle Wurzel einer Gleichung dritten Grades mit reellen Coefficienten ist eine solche reelle Zahl, welche, in die Gleichung eingesetzt, dieselbe identisch macht — so ist dies an und für sich ohneweiters ge stattet, denn eine solche Definition ist willkürlich. Bevor aber etwa Lehrsätze über diese Wurzel in anderer als hypothetischer Weise behauptet werden können, muss nachgewiesen werden, dass eine solche Wurzel stets existirt. Wenn ich dagegen defi nire: Eine Kugel ist eine Fläche, deren Punkte sämmtlich von einem Punkte gleichweit entfernt sind — so wird Niemand ver langen, den Nachweis zu liefern, dass eine solche Fläche existirt. Es genügt die Erzeugung dieses Gebildes durch die geome trische Phantasie. Das Existentialurtheil: ,Ein derartiges Ge bilde existirt' oder (was in der Mathematik meist gleichbedeu tend ist) ,ist möglich' muss hier ebenfalls von dem das Wort ,Kugel' definirenden Urtheil besonders unterschieden werden, ist aber axiomatisch. Also die Forderung, einem definirten Begriffe zugleich den Existenznachweis beizugeben, kann nicht immer gestellt werden, und ihr könnte auch nicht ins Unendliche fort Genüge geleistet werden, ebenso wenig wie bei den Relations- urtheilen, denn zum Beweise eines Existentialsatzes sind immer wieder Existentialsätze nothwendig, wie überhaupt klar ist, dass jede Classe mathematischer Aussagen ihre eigenen Axiome haben muss. Ein mathematisches Object, über welches ein axiomati- sches Existentialurtheil gefällt wird, nenne ich ein axiomatisch existirendes Object oder kurz ein axiomatisches Object. Mit diesen vier Classen von Axiomen, welche diese vor läufige Eintheilung ergibt, sind nun aber auch jedenfalls alle Arten von Grundlagen der Mathematik erschöpft, welche ich deshalb mit dem gemeinsamen Namen ,Axiome' bezeichnet habe, weil dadurch ihre analoge Function in jeder Classe mathematischer Aussagen als letzte Grundlage zu dienen ge kennzeichnet wird, wenn auch allgemein üblich nur diejenigen Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. CXVIII. Bd. 9. Abh. 3