SITZUNGSBERICH TE
DER
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHEN CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
HUNDERTVIERTER BAND.
WIEN, 1883.
IN COMMISSION BEI CARL GEROLD’S SOHN
BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
3 0 fl 1 2 2
Druck von Adolf Holzhausen,
k. k. Hof- und Universitäts-Buchdrucker in Wien.
VIII. Sitzung: vom 4. April 1883
Mussafia: Zur Präsensbildung im Romanischen
IX. Sitzung vom 11. April 1883
X. Sitzung vom 18. April 1883
XI. Sitzung vom 2. Mai 1883
XII. Sitzung vom 9. Mai 1883
XIII. Sitzung vom 23. Mai 1883
Pfizmaier: Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
Höfler: Kritische Untersuchungen über die Quellen der Ge
schichte Philipps des Schönen, Erzherzogs von Oesterreich,
Herzogs von Burgund, Königs von Castilien
Meyer: Albanesische Studien I. Die Pluralbildungen der alba-
nesischen Nomina
Nemanic: Cal:avisch-kroatische Studien. Erste Studie. Accent
lehre
XIV. Sitzung vom 6. Juni 1883
XV. Sitzung vom 13. Juni 1883
, Höfler: Antoine de Lalaing, Seigneur de Montigny, Vincenzo
Quirino und Don Diego de Guevara als Berichterstatter über
König Philipp I. in den Jahren 1505, 1506
Simerka: Die Kraft der Ueberzeugung. Ein mathematisch-
L
philosophischer Versuch .
XVI. Sitzung vom 20. Juni 1883
L
Glaser: Ueber Bäna’s Parvatiparinayanätaka
433
511
572
575
VIII. SITZUNG VOM 4. APRIL 1883.
Für die akademische Bibliothek übersendet mit Zuschrift
Herr Kukla seine in dritter Auflage erschienene Schrift: .Voll
ständige englische Aussprache und Grammatik 1 .
Von Herrn Professor Dr. Victor von Kraus werden die
Pflichtexemplare seines mit Unterstützung der kais. Akademie
herausgegebenen Werkes: ,F> a s Nürnberger Reichsregiment 1
übergeben.
Herr Heinrich Gradl, Stadtarchivar in Eger, stellt das
Ansuchen um Bewilligung eines Druckkostenbeitrages zur
Herausgabe von: ,Monumenta Egrana. Denkmäler des Eger-
landes als Quelle für dessen Geschichte. I. Theil: Das Eger-
land bis zur Verpfändung 1322b
Von Herrn Professor Dr. Gustav Meyer in Graz wird
eine Abhandlung unter dem Titel: ,Albanesische Studien I.
Die Pluralbildungen der albanesischen Nomina 1 mit dem Er
suchen um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte eingesendet.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
Das w. M. Herr Hofrath Dr. Mussafia überreicht eine
für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung, welche betitelt
ist: ,Zur Praesensbildung im Romanischen 1 .
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft.
X
2
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Acaddmie royale des Sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique:
Bulletin. 52 e annee, 3 e Serie, tome 5, No. 1. Bruxelles, 1883; 8°. —
Tables generales du Becueil des Bulletins. 2° Serie, tomes 21—50 (1867
k 1880). Bruxelles, 1883; 8°.
Accademia, B. della Crusca: Atti. Adunanza publica del 26 di Novem-
bre 1882. Firenze, 1883; 8°.
Bibliotheque de l’Ecole des Chartes: Bevue d’Erudition. XLIII“ annde,
1882, 6 e livraison. Paris, 1882; 8°.
Halle, Universität: Akademische Druckschriften pro 1882. — 115 Stücke,
4° und 8°.
Istituto di Bologna: Memorie della Accademia delle scienze. Serie IV,
tomo II. Bologna, 1880; 4°.
— Accademia delle scienze della sua origine a tutto il 1880. Bologna, 1881; 8°.
Johns Hopkins University Circulars. Vol. II, Nr. 21. Baltimore, February,
1883; 4».
Journal, the American of Philology. Vol. III, Nr. 12. Baltimore, 1882; 8°.
Lund, Universität: Acta. Tom. XV, 1879—1880. Lund, 1878—1879; 4°.
Tomes XVI und XVII, 1879 — 1880 und 1880—1881. Lund, 1879—1880
und 1881; 4 n .
— Acta. Tom. XVII, 1880—1881. Theologie. Lund, 1880—1881; 4°.
— Festskrift tili kgl. Universitetet i Küpenhamn vid dess fyraliundra ärs
Jubileum i Juni 1879 frän kgl. Carolinska Universitet i Lund. Lund,
1879; 4°.
— Bibliothek: Accessions-Katalog, 1879—1881. Lund; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von I)r. A. Peter
mann. XXIX. Band, 1883. IV. Gotha, 1883; 4°. — Ergänzungsheft Nr. 71.
Gotha, 1883; 4».
Societä italiana di Antropologia, Etnologia e Psicologia comparata. Vol. XII,
Fascicolo 3°. Firenze, 1882; 8°.
Verein für hessische Geschichte und Landeskunde: Zeitschrift. IX. Band, III.
und IV. Heft. Kassel, 1882; 8°. Neue Folge VIII. Supplement. Kassel,
1882; 4°. Denkmal Johann Winckelmann’s. Eine ungekrönte Preisschrift
Johann Gottfried Herder’s aus dem Jahre 1778, von Dr. Albert Duncker.
Kassel, 1882; 8».
Mnssafia. Zur Prasensbildung im Romanischen.
3
Zur Präseusbildung im Romanischen.
Von
Dr. A. Mussafia,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften
Das eigentliche Wesen der sogenannten Inchoativflexion
der Verba der IV. lateinischen Conjugation im Romanischen hat
Diez mit gewohnter Meisterschaft gekennzeichnet. Führt man
seine kurzen Andeutungen etwas weiter aus, so ergibt sich Fol
gendes. Die Sprache strebt darnach, das Tonverhältniss der
einzelnen Formen eines und desselben Tempus gleich zu stellen.
Daher statt -avisti -avistis -averunt überall die schon lateinischen
Contractionen zu -dsti -dstis -drunt, welche zu -dvi -dvi.t -dvimus
besser stimmen. Daher im Itah, Span., Port., Rumän., Raetoro
man., im jetzigen Limous. 1 -assemus -assetis zu -assemus -dssetis,
im Einklänge mit -dsse-m, s, t, nt. Daher vielfach (im Span., Port.,
Rumän., Raetoroman., in manchen ital. Mundarten, im jetzigen
Limous., in französischen Mundarten) -dbamus -dbatis mit gleicher
Betonung wie -dba-m, s, t, nt. Schliesslich im Span., Port.
-drdmus -äratis zu -dramus -dratis entsprechend zu -ara-m, s,
t, nt. Das sind lauter Fälle der Zurückziehung des Accentes.
Vorrückung auf die letzte, im Lateinischen tonlose Silbe ist
seltener. Bekannt ist der Vorgang in manchen altfranz. Denk
mälern und in fast allen lebenden franz. Mundarten, nach wel
chem die paroxytone Endung der 3. Plur. zu einer oxytonen
wird; so besonders -assent -issent u. s. w. zu -assdnt -issänt,, wo
also Angleichung wenigstens der 3. Plur. zu 1. 2. Plur. statt
findet. Die bisher besprochenen Erscheinungen gehen innerhalb
der Endungen vor sich; der Stamm ist immer tonlos. Beim
Präsens zeigt sich der Unterschied in dem Tonverhältnisse
1 Cliabaneau, S. 293 ff.
4
Mnssafi a.
zwischen Stamm nnd Endung; in der 1. 2. 3. Sing. 3. Flur,
ist der Stamm betont und die Endung tonlos; in der 1. 2. Plur.
der I. II. IV. Conjug. dagegen ist der Stamm tonlos und die
Endung betont. Diesen Unterschied zu verwischen, bestrebt
sich ebenfalls der romanische Sprachgenius. 1 Beide früher an
gegebene Mittel sind versucht worden; beide ohne rechten
Erfolg. Zurückziehung des Accentes auf den Stamm begegnet
hie und da. So bei der 1. Plur., z. B.' in lombardischen Mund
arten: pörteni tegnem gegen 2. Plur. porte tegne 2 ; in Mundarten
der franz. Schweiz: 1. Plur. plyäron gegen 2. plyoräde. Bei der
2. Plur., z. B. in piemontesischen Mundarten: porte, tene 3 gegen
porttima tnüma. Bei der 1. und 2. Plur., z. B. im jetzigen
Limous.: chdntem chdntä, refusem refüsa (Chabaneau S. 214. 297). 4
Das ganze Präs. Conj. hat im Piemont, den Ton auf dem Stamme:
pört-a, e, a, o, e, o. Vorrückung des Accentes auf die Endung
der 3. Plur. in mehreren altfranz. Denkmälern und fast in
allen lebenden Mundarten. 5 Also höchstens Angleichung der
3. Plur. zu 1. 2. Plur.; zu einem amö amds 0 amdt ist es kaum
gekommen und cim-em, es, et ist, wie wir später sehen werden,
sehr problematisch. Da also die Sprache im Allgemeinen weder
stete Betonung des Präsensstammes, noch stete Betonung der
einsilbigen Endungen beliebte, so konnte das (selbstverständlich
1 Wenn dort, wo dieser Unterschied nicht besteht — crid-o, in, it, innm,
itis, uni — das Romanische ihn meistens einführt, so scheint dies dem
oben Gesagten zu widersprechen. Aber hier wie so oft streiten verschie
dene Impulse mit einander; die mächtigeren — Angleichung an andere
Conjugationen, Neigung in der 1. und 2. Plur. die Flexion zu betonen
— tragen den Sieg davon.
2 Imper. aber portem tegnem.
3 Freilich kann es sich um Aufgeben der 2. Plur. und Anwendung der
2. Sing, auch für den Plur. handeln.
4 Die Verba der lat. III. bewahren, wie im Rumänischen, so auch in
franco-provenz. Mundarten den Accent auf dem Stamme aller Personen
des Präsens, und darnach richten sich in den letzteren auch die der
lat. II. Nach rumpimus rumpitin nicht blos mordimun morctüin (Infin. mor
de re st. -ere), sondern auch volimun voluis; vgl. Häfelin, Gillieron und
Chabaneau in der Revue d. 1. rom. XXI, 151.
5 Dass dabei im Altlotliringischeu die Präsensbedeutung in die des Per-
fectes umschlägt, ist eine bekannte und sehr merkwürdige Erscheinung.
6 Limous. tu troubä gegen iou hohe ist eher Angleichung an die 2. Plur.;
Chabaneau S. 297.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
5
unbewusst) erstrebte Ziel, Gleichheit der Betonungsverhältnisse
in allen Personen des Präs., nur dadurch erreicht werden,
dass vor tonloser Endung an die Stelle des einfachen Stammes
ein erweiterter, und zwar zunächst ein mittelst eines betonten
Suffixes abgeleiteter Stamm trat. Zu diesem Mittel griffen
die romanischen Sprachen — mit Ausschluss des Span, und
Port. — vor Allem dort, wo das Lat. dazu eine bequeme
Handhabe bot. Vielen Verben der II. und III. Conjug. standen
Bildungen mit -escere und -iscere zur Seite. Es ergaben sich
daraus zwei Reihen mit allerdings nicht gleicher Bedeutung:
floreo fldres flöret floremus floretis flörent
floresco florescis florescit florescimus florescitis florescunt.
Ebenso bei den Bildungen mit -isco u. s. w., welche aber, da
i wohl kurz war, mit -esco u. s. w. zusammenfallen mussten. Das
Roman, bildete sich daraus formell eine Reihe:
floresco florescis florescit floremus floretis floriscunt.
Das Suffix -esc- behält sein e im Rumän. und Ladin., sowie
in zahlreichen ital. und franz. Mundarten; im Ital., Prov., Franz,
weist es i auf. Der Grund ist leicht zu erkennen. Florere war,
in erster Linie wegen florio =floreo, zu florire geworden. Das
i blieb nun als Charakter der IV. Conjug. nicht blos in der
ganzen Flexion (floritis floribam statt floretis florebam), sondern
modificirte auch das betonte g. Nach dem Muster von florire
florisco wurde dann flnire finisco gebildet; die Sprache hat ihr
Ziel erreicht; für alle Formen des Präs, der meisten Verba
der I- Conjug. erlangte sie Tonlosigkeit des ursprünglichen
Stammes. 1
In die Einzelheiten einzugehen, aufzuzählen, welche Verba
der /-Conjug. die Erweiterung des Stammes annehmen, welche
sie verschmähen, bei welchen Verben endlich ein Schwanken
vorhanden war, zum Theile noch ist, kann hier als überflüssig
1 Bemerkenswerth ist dann, dass hie und da das erhaltene Ergebniss
wieder aufgegeben wird, indem die inchoativ flectirten Formen den Accent
auf den Stamm zurückversetzen. So, falls ich nicht irre, in Mundarten
der franz. Schweiz; nilrr'ssu kann doch nur mit dem Accente auf dem
ü ausgesprochen werden; vgl. in der Mundart von Neufchatel fdr'na,
ip'na. In der Mundart von Valsoana hört man eher sortejt als sortijt =
sort-escit.
6
Mussafia.
erscheinen. Es genügt auf die Thatsache hinzuweisen, dass
im Französischen die Anwendung von -iss- auch die endungs
betonten Formen der Präsenstempora (1. und 2. Plur. des Präs.,
Impf. Ind., Partie. Präs.) erfasste, so dass das Wesen des Vor
ganges beeinträchtigt wurde. 1 Für das Provenzalische meint
Diez (Gramm. II :i , 208), die Inchoativform beschränke sich
auf 1. 2. 3. Sing., 3. Plur. mit seltenen Ueberschreitungen, meist
im Gerund. oder Partie. Präs.; im Paradigma aber gibt er für
Conjunctiv floriscam floriscatz als die normalen Formen an;
ebenso Bartsch in seiner Chrestomathie. Einige Zweifel darüber
äussert Chabaneau (S. 237). 2 Im Neuprovenzalischen begegnet
man wohl überall der französischen Einrichtung. Im Italienischen
überschreitet -isc- kaum die ihm gesteckten Grenzen, und zwar
wohl nur im Conjunctiv; Formen wie punischiamo punischiate
sind zu belegen; puniscete punisceva ist kaum gesagt worden;
über punischiamo als Indic. kann ich nicht bestimmte Angaben
machen; kommt es vor, so bedeutet dies nicht viel, da die
Form mit der des Conjunctivs identisch ist. Dazu das von
Diez angeführte Partie. Präs, appariscente. Auch im Enga-
dinischen schleicht sich -esch- vor betonten Endungen nur im
Conjunctiv ein; das Oberländische bleibt der alten Einrichtung
treu. Im Rumänischen kommen keine Ueberschreitungen vor.
1 Mundarten gehen noch weiter; auch die Perfecttempora flectiren inchoa
tiv. So Perf. Ind. (Mignard S. 182, Jaubert I, 545, Motivier u. s. w.);
Impf. Conj. im Friburgischen (Hiifelin S. 119). Auch das Futurum hat viel
fach inchoative Flexion (vgl. altfranz. garistra). Andererseits scheinen ein
zelne franz. Mundarten die inchoative Flexion nicht zu kennen; Tissot
führt wenigstens für das Patois des Fourgs finire als einfach fleetirend
an, und macht sonst von -»«.»-Endungen keine Erwähnung. Im Friburg. und
Keuenburg. gibt es eine eigenthümlich gemischte Conjugation. Inchoativ
flectirt 1. Sing., 1. und 3. Plur., während 2. und 3. Sing, und 2. Plur.
einfach flectiren: nürr'ssu, nur re, nürre, niirr'sseni, nürride, niirr'son.
Ebenso im Valais drkmese, do, dn, dremese, dremi, dremeso. Und so wohl
auch in anderen Schweizer Mundarten.
2 Chabaneau sagt: ,le fait n’est pas facile ä verilier 1 . Wenn einen so ausge
zeichneten Kenner des Provenzalischen keine zur Entscheidung der
Frage genügende Anzahl von Belegen Vorlagen, so muss daraus der
Schluss gezogen werden, dass 1. und 2. Plur. Präs. Conj. in den auf
uns gekommenen Denkmälern des Provenzalischen ziemlich selten sind.
Eine Sammlung solcher Formen wäre wünschenswerth, um diesen kleinen
Punkt der provenzalischen Grammatik aufzuhellen.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
7
Es sei noch die Anwendung von -isc- bei Verben der II.
und III. lat. Conjug. erwähnt. So manchmal in Schweizer
Mundarten: bibere im Imperf. Ind., Präs. Conj.; cadere in den
selben Formen und in dem eigenthümlichen Fut. cerejn'i, d. h.,
falls ich es gut deute, ceri-\-pri — cadere habeo-\-iscere liabeo;
debere im Imperf. Ind., Fut.; molere im Präs. Ind. und Conj.,
Impf. Ind., Fut. u. s. w.
Ferner im Ladinischen der Schweiz. Indessen scheint
hier die Sache auf Schein zu beruhen, wenn auch gerade auf
diesem Gebiete, wo (wie wir gleich sehen werden) -e.se- auch
die erste lat. Conjug. ergriff, eine Anwendung desselben er
weiternden Suffixes bei Verben der lat. II. und III. nichts
Auffälliges hätte. Pallioppi S. 83 führt distinguer ixnd extinguer
an, welche mit -esch- flectiren 1 ; aber auch die anderen Tem
pora richten sich nach der /-Conjug.; also distinguins, distin-
guiva, distinguins; nicht -ains, -aiva, -ess. -Wir haben es also
eigentlich mit i-Verba zu thun, die nur im Infinitiv die latei
nische Endung aufweisen. 2 Aehnlich wird es sich wohl ver
halten mit den von Carigiet verzeichneten Verba, deren Infin.
auf -er oder -er geht: admonescha, advertescha (als transitiv ad-
verta; ebenso perverta), competescha (aber repeta), condulescha
(aber döla), distinguescha, extinguesclia, nuschescha, preexistescha
(aber exista), prevalescha (aber vdla), pretendescha (aber tenda),
reassumescha (aber presüma), recensescha, residescha (aber posse-
da), retorquescha, sparesclia.
Sieht man von dem soeben erwähnten Uebergreifen von
-esc- ab, so sind die anderen Conjug. im Allgemeinen von
dem in Rede stehenden Vorgänge verschont geblieben; das
Lateinische bot eben zur Erweiterung des Stammes kein leicht
nachzuahmendes Muster. Dennoch tritt uns in mehreren romani
schen Idiomen, besonders in Volksidiomen, die Erscheinung
entgegen, dass der Stamm auch in Verben der I. lat. Conjug.,
weit seltener in denen der II. und III., vor tonlosen Endungen
eine erweiterte Form aufweist, welche er vor betonten Endungen
nicht kennt, oder (wenn man sich anders ausdrücken will)
' In der 2. und 3. Sing., 3. Plur. auch mit betontem Stamme: distingu
schast und distinguast.
2 Vgl. dazu auch Stürzinger S. 12 f.
8
Mn ssafia.
dass die tonlose Endung eine erweiterte, den Ton tragende
Form annimmt. Nicht überall ist der Vorgang auf gleiche
Weise zu erklären; mögen aber auch die einwirkenden Momente
noch so verschieden sein, so bleibt erstens die äussere That-
sache — Tonlosigkeit des eigentlichen Stammes — immer die
selbe; zweitens wird man, selbst wenn die entscheidende Ver
anlassung anderswo liegt, doch den Hang zu vollen Flexionen
und, was damit Hand in Hand geht, zur Erreichung eines
stets tonlosen und daher von lautlichen Veränderungen ver
schonten Stammes mit in Rechnung bringen müssen oder wenig
stens können. Darzulegen, auf welchen G-ebieten Derartiges
stattfindet, ist der Zweck folgender Blätter.
RUMÄNISCH.
Das Rumänische erweitert den Stamm der Verba der
A-Conjug. mittelst -ez-:
Indic. lucr-ez
lucr-ez-i
lucr-eaz-f
lucr -em
lucr -atzi
lucr-eaz-f
Imperf. 2. Sing, lucr-eaz-q; 2. Plur. lucr-dtzi
Was ist -ez-? Sowohl Cipariu als Miklosich, Beiträge IV, 9,
sehen darin lat. -i'z-o; nur dass Ersterer zu gleicher Zeit griech.
i(-, lat. -iss- erwähnt, während Letzterer aus lautlichen Gründen
eben nur lat. -iz- als Quelle des rumänischen -ez- ansieht.
Gegen diese Ansicht wird wohl kaum etwas zu erinnern sein.
Und dennoch will es mir nicht ganz klar erscheinen, wie das
Rumänische zur Erweiterung des Stammes mittelst -ez- gelangt
sei. Es sind zwei Möglichkeiten da. Entweder hat sich dieser
Vorgang parallel zu dem mit -esc- entwickelt und reicht in die
Bildungszeit der Sprache zurück. Es müsste dann auch hier
angenommen werden, dass aus einer doppelten Reihe lucr-o,
as, at, amus . . . und *lucriz-o, as, at, amus . . . nur eine sich
gebildet habe: lucriz-o, as, at, lucr-amus, atis, lucriz-ant. Dass
-iz- sonst im Rumänischen nicht vorkommt, wäre kein Be
denken dagegen; auch im Italienischen dient -esc- nur zur
Conj. lucr-ez
lucr-ez-i
lucr-ez-e
lucr -im
lucr -dtzi
lucr-ez-e
Zur Präscnsbildung im Romanischen.
9
Präsensenveiterung und hat sonst jede Wirksamkeit verloren.
Wohl aber erscheint es etwas schwer, dem Suff, -iz- in so hohem
Alter eine so bedeutende Rolle zuzuweisen. Oder der Vorgang
hat sich aus Analogie zu jenem bei der /-Conjug. entwickelt
und ist daher jüngeren Ursprunges; so sieht, wie es mir
scheinen will, auch Mildosich die Sache an. Dann aber ver
misst man einen genügenden Ausgangspunkt für die Ver
wendung von -ez-, d. h. eine einigermassen beträchtliche Anzahl
von Verben mit stammhaftem -ez-. Ich erkläre mich. Wenn
italienische Mundarten (siehe unten: Abruzzen und Corsica) viele
Verba mit stammhaftem, also in allen Formen erscheinenden
-egg- haben (z. B., italienisch ausgedrückt, passeggi-o, a, amo,
ava . . .), dann lässt sich unschwer begreifen, dass -egg- auch
zur Präsenserweiterung angewandt werde; dass man, statt gela,
gel-eggi-a eingeführt habe (wo es galt die Endung zu verstärken,
beziehungsweise den Stamm tonlos werden zu lassen), aber bei
gelava (das volltönende Endung und daher tonlosen Stamm
hat) verblieben sei. Aber wie verhielt es sich im Rumänischen,
das, wie oben erwähnt, von dem Suffixe -iz- keinen Gebrauch
machte? 1 Darf man den äusserst wenigen Verben mit stamm
haftem -ez- (es sind deren nur vier: botezd [baptizo], nnkezd
,wiehern' [rhonchizo], dann fremden Ursprunges: Icutezä ,wagen'
und rytezä ,schneiden') so grossen Einfluss zumuthen, dass sie
zu der in Rede stehenden Verwendung von -ez- den Anstoss
gaben? Ich gestehe, dass dies mir nicht sehr überzeugend
scheint.
Hat -ez- seine Grenzen überschritten? Im Dacorumäni-
schen wohl nicht. Wenn Miklosich sagt: ,aus dem Präsens hat
sich za in den Infinitiv verirrt: azutorezare nb. azutorare . . .,
lulcrezare nb. lukrä . . . u. s. w.‘, so liegt hier ein kleines
Versehen des Meisters vor - , welcher die allerdings nicht recht
klare Darstellungsweise seines Gewährsmannes Strajan nicht
ganz richtig deutete. Wären diese Infinitive vorhanden, so
würde sich wohl -ez- auch vor anderen betonten Endungen
einfinden; wir hätten auch lukrezdm lukrezdtzi, und dann würde
1 In griechischen Wörtern wird -i£- zu -is- und die Verba bekennen sich
zur /-Conjug.; vgl. Rösler und Cihac. Daher ist auch, wie schon Miklosich
aus der Gestalt des anlautenden Consonanten erschloss, botez ,nicht un
mittelbar griech. ß*7rr(£to, sondern lat. baptizo'.
10
Mu ssafia.
überhaupt die ganze Frage über die Einschiebung von -ez-
eine leichtere Lösung finden. Indessen es gibt, wie gesagt,
nur azutord, lukra u. s. w.
Für das Macedorumänische gibt Miklosich bumbunezare
gegenüber dacorum. bumburd, 1. Präs, bumburez; und zwar bleibt
-ez- in der ganzen Conjug.; dieses Verbum verhält sich also
wie botezd und bietet ein Beispiel mehr für stammhaftes -ez-.'
Die Anwendung von -ez- ist oft facultativ; es lässt sich
vermuthcn, dass dessen Gebiet im Laufe der Zeit sich eher
erweitert als eingeschränkt haben wird; Cipariu führt dafür
nur ein Beispiel an; einst habe man cercet und cercetez gebraucht,
jetzt nur letzteres. Untersucht man die Beschaffenheit der -ez-
Verba, so wird man bald gewahr, dass darunter sich äusserst
wenige mit einsilbigem Stamme, wie lukr-ez, finden; es sind
fast ausschliesslich Derivata und Composita; auch Neologismen
bekennen sich vielfach dazu. Man würde eigentlich, wie bei
der /-Conjug., erwarten, dass jedes in neuerer Zeit eingeführte
Verbum nur die erweiterte Präsensform aufweise, doch macht sich
gelehrter Einfluss vielfach geltend, so dass neben blossem aco-
modez, calumniez, citez, complimentez, custodiez, descurezez, favo-
risez, formez, meditez, proiectez, titulez, tractez u. s. w. Doppelformen
wie ndorez ador, copiez copiu, presentez present, respectez respect
angegeben werden.
Da die meisten Grammatiken lange Verzeichnisse von
Verba mit ausschliesslichem -ez- oder mit Doppelformen ent
halten, sehe ich meinerseits von einer solchen Mittheilung ab.
Sie würde nur dann einen Werth haben, wenn sie auf Voll
ständigkeit Anspruch machen und das chronologische Verhält-
niss bei jedem einzelnen Verbum angeben könnte; dies zu
bieten, bin ich aber nicht im Stande.
' Miklosich theilt. eine ßeihe von macedorumän. Verben mit -ez- mit, und
meint, er habe es nicht gewagt zu unterscheiden, ob -ez- blos vor ton
loser Endung Vorkommen könne (seine erste Classe), respective müsse
(zweite Classe) oder ob es zum eigentlichen Stamme gehöre und daher
vor jeder Endung erscheine (dritte Classe). Bei dem Umstande, dass
alle angeführten Formen mit -ez- tonlose Endung aufweisen, und dass
in den paar Formen mit betonter Endung kein -ez- zu treffen ist, scheint
mir hervorzugehen, dass alle diese Verba zur ersten und zweiten Classe
gehören.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
11
LADINISCH.
In der Schweiz dient zur Erweiterung des Stammes -esc-,
also dasselbe Suffix wie bei der /-Conjug. Ein Beispiel aus
Dissentis, wie es von Dr. Gärtner gehört wurde:
Indic. murtir-es-e,l
niurtir-eS-fs
murtir-es-a
murtir- ej.n
mnrtiv- eis
murtir-es-en
Imper. 2.
9
Sing.
Plur.
Conj. murtir-p-i
murtir-es-ip
murtir-eS-i
murtir- eipi
murtir- eip
murtir-es-ie,n
murtir-es-a
murtir- ei.
Man halte dazu die Conjugation, wie sie von den verschie
denen Grammatiken, zuletzt von Stürzinger für Ilanz und Ober-
engadinisch gegeben wird. Die Varietäten der Personalendungen
sind für uns hier gleichgültig; das Suffix erscheint in den ge
druckten Büchern überall -esch- geschrieben; Gärtner kennt
neben obigem -es- auch hellere Aussprache des e im Engadin.
Pallioppi zählt über 750 hieher gehörige Verba; nicht geringer
wird die Zahl in Carigiet’s Wörterbuch sein. Aber es handelt
sich kaum um ein Primitivum; es sind lauter Derivata und
Composita; gelehrte Bildungen, Neologismen sind überaus zahl
reich. Von mehreren heisst es, dass sie zwischen einfachem
und erweitertem Stamm schwanken. Betreffs des historischen
Verhältnisses macht Stürzinger die wichtige Mittheilung, dass
Bifrun (XVI. Jahrh.) von Verben der X-Conjug. auf -es- noch
nichts weiss. Demnach wäre der ganze Vorgang modernen Ur
sprunges. Aber selbst bei solchem Bewandtnisse ist die Er
scheinung darum nicht weniger wichtig; sie zeigt, wie eine
Neigung, welche für die Verba der /-Conjug. auf fast gesammt-
roman. Gebiete in der Bildungszeit der Sprache einen so grossen
Einfluss hatte, noch immer in einzelnen Gegenden ihre Bethä-
tigung findet. Es geht in historischer Zeit das vor, was wir
sonst aus der vorhistorischen Zeit des Roman, kennen. Die
Verba mit einfachem Stamme stellen gleichsam die archaische,
erstarrte Flexion dar; neues Material muss sich zu erweitertem
Stamme bequemen.
ii ii i i i mum
12
Mn ssafi a.
Auch im Ladin. Tirols begegnen wir zahlreichen Verben
der A-Conjug. mit erweitertem Stamme vor tonloser Endung.
So in Greden. Das Verbum flcid% (— *flatare) ,schnauben* wird
im Präs., nach Gärtner’s Werk, wie folgend flectirt:
Indic. flqd-ei-$
find ei-fs
find e-q
flqd- örj
fad- 'dis
flqd-e-q
Conj. flqd-ei-$
flqd-ei-$s
flad-ei-f,
flqd- örjzf
flqd- diz$
flqd-ei-$
Imper. 2. Sing, flqd-e-q
2. Plur. flqd- dde.
Ebenso im Gaderthal (Abtei und Enneberg), also in jenem
Gebiete, das Alton ,Ladinien* nennt. Alton hat zwar in seinem
Werke keine Gelegenheit gefunden, daraufhinzuweisen; seinen
privaten Mittheilungen verdanke ich ausführliche Nachrichten
über den Gegenstand. Das Präs, lautet auf diesem Gebiete:
Indic. abit-ei-e
abit-ei-es
abit-ei-a
abit- ön
abit- es
abit-ei-a
Conj. abit-ei-e
abit-8i-es
abit-ei-e
abit- önse
abit- ese
abit-ei-e
Imper. 2. Sing, abit-ei-a
2. Plur. abit-ede
-ei- in Enneberg nach Gartner’s Transcription ei; in Abtei
lautet es -di- nach Alton’s und Gartner’s Schreibweise. Was
ist nun ei (diese Formel möge die drei Lautnüancen von e ver
treten), oder mit anderen Worten, von welchen Verben ging
der Anstoss zur Verwendung des erweiterten Stammes aus?
Stammhaftes ei vor tonloser Endung weisen vor allem ligo frico
plico aus; vor betonter Endung findet sich dafür i ein. 1 So
! . Classisch ic, ig = vulg-, eg ergibt sowohl unter dem Accente als ausser
demselben ii; in tonloser Silbe aber kann das e vor i leicht zu i werden,
aus ii dann ». Ganz so im Altfranz. Betontes ei (oi) ist allein organisch;
protonisch sind ei (oi) und i in gleichem Masse berechtigt; dann findet
sich i durch Analogie auch unter dem Accente ein. Organische Formen
sind plei, pleions plions-, analogisch ist pli.
Zur Prüsensl)ildung im Romanischen.
13
lautet das Präs. Indic. des gredn. Hä: lei$ leifs leg liärj Hais leg.
Ferner die mittelst des Suffixes -ic- gebildeten Verba, insoferne
sie ic betonen '; zu diesen stellen sieb auch erpicare und rural-
gare. Für solche Verba wäre dieselbe Flexion wie bei ligo zu
erwarten; wie *lego zu leif, so '*rnedego’ 1 zu ni^deif. In der That
aber findet sich iei statt ei ein, und zwar in Abtei und Enne-
berg iei, in Greden iei, das aber ohne Zweifel auf früheres iei
zurückgeht. 3 Das Präs. Indic. stellt sich demnach folgender
weise dar:
Greden mfdieif
Abt. Enneb. mediSie
medieies
medieia
mediön
medies
medie'i'a
Manchmal ein Schwanken zwischen 'ic und ic Betonung;
in Abt., Enneb. aus mästico, mästie; aus mastico, mastieie, gredn.
nur maMeif. Wie medieie auch, wie gesagt, erpieie arpieip,
rumitie rumieif; das Gredn. kennt auch rärnif. Hieher zu
rechnen ist auch Abt. Enneb. batieie ,taufe 1 ; -iz- mit -ic- ver
tauscht, wie auch sonst, vergl. altfranz. hatoi; gredn. bg^zeie
wie fladeiy.
Eine andere Quelle für ei., iei wäre ilj: consilio ergibt
consi&'ie kurjsieif; * similjo — somieie, spmieip.
Was ist nun das i vor ei (—ic, ilj)? Offenbar nur das i,
mit welchem der Stamm vor betonter Endung auslautet und das
nun alle Formen ergreift; mpdia mediög mydiquf haben mfdieif,
statt mpdeif, nach sich geführt. Medieie enthält demnach gleichsam
1 Ausgeschlossen bleiben 1. jene, welche die Betonung 'v: beibehalten, wie
tydrie = cdrrifcjo, dezmäntye — dimdntjo; 2. die Lehnwörter dyudike,
ihlargcezi, die wie flaiid flectiren, oder pratige, das die ital. Tonstelle
bewahrt: prdtigp.
2 Ueber die Betonung {<•. siehe Diez I 3 , 502 und Ascoli im Arch. I, 505.
Ich nehme sie vorläufig an, wenn ich mir auch nicht verhehle, dass die
Art der Behandlung der Verba auf -icare einer neuen und eindringlichen
Prüfung bedürftig wäre.
3 Es sei auch bemerkt, dass der Accent gleichsam zu schweben scheint,
da Manche auch für das Gredn. nur die Betonung -iei- kennen.
4 Zu bemerken hier -eia gegen lea.
14
M u s s a f i a.
zweimal ic. Dieses sich Einschleichen des i findet zunächst
hei mehrsilbigen Stämmen statt, während die einsilbigen sich
gegen dasselbe etwas spröder verhalten. Kein Viele,, kein
sfrieie, aber in Greden fiele und plieie und in Abt., Enneb. gar
nur plieie.
Ein Präs, mit ei, iei. haben dann durch Analogie die
meisten Verba, deren Stamm vor betonter Endung auf i aus
geht, möge die Quelle dieses i welche immer sein. Solche sind:
l. einsilbige Stämme; das Präs, hat vorwiegend ei: pria preif,
prie prele, während precor lautgesetzmässig andere Ergebnisse
liefern sollte; ebenso in Abt. Enneb. sie seie (Subst. aber sieia,
im Gredn. sif — seco wie im Subst. sia), krig krea, crie crieia,
während creat eher cria erwarten liesse, wie mea mia. Am
deutlichsten erkennt man die Wirkung der Analogie im Präs,
von pia pie und Compositis. Das lange i von pil-i-o sollte
unversehrt bleiben, und doch wie liä leie,, so pia peif. Man
bemerke schliesslich brig breiy, brie brieie ,schreie', dessen Ety
mon nicht ganz klar ist. 2. Mehrsilbige Stämme ; das Präs, geht
auf -iei (iei): Verba mit stammhaftem ic, lg sollten ihr % unver
sehrt erhalten, wie fatica urtica zu fadlig, urtig, so würde inan
aus fatico nur fgdif erwarten; und doch wie medi'g medieie so
Sfadig sfadieif, urtig urtieie • ebenso, mit den entsprechenden
Lautnüancen, im Gaderthale; auf letzterem Gebiete auch castiä
castieie (gredn. Icastigeif, also Lehnwort). Von cambiare somniare
würde man Präsentia mit betontem Stammvocale, wie ital. cam-
bio sogno, erwarten. Würde das Ladin. die Vorrückung des
Accentes zu cambio somnio begünstigen, so würde zwar l auf
lautlichem Wege nicht zu ei geworden sein, es liesse sich aber
der Vorgang mit port. odio odeio vergleichen; also zuerst dya-
meie,, wie ursprüngliches mfdeif; dann wie medieie so dygmieie-,
schliesslich -ieie. Da aber das Ladin., mit Ausnahme des ge-
meinroman. Falles -ic zu ic-, Proparoxytona in der Präsens
bildung ohne Weiteres zulässt, so wird man auf die Annahme
einer solchen Zwischenstufe verzichten und man wird die Pro
portion annehmen: wie medig mydieiq, so dyamig dygmieif] wie
m. edie medieie so somit somieie. Ja selbst das versteckte 1 kann
die gleiche Wirkung ausüben, das Präs, von rjzfmyg (= ingeniare) 1
i
ny = n.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
15
lautet rj&fmeif, selbst Sprndse (= axpretiare) hat, neben Spretsf, auch
Sprytswif. Für das Gaderthal ist mir kein ähnlicher Fall bekannt.
Kehren wir nun zu unserer Frage zurück, was -ei- in
fla/leie, sei, so ergibt sich aus dem bisher Erörterten, dass man
allerdings im Grunde genommen sagen kann, ei sei = ic, dass man
aber an eine eigentliche Verwendung des derivativen Elementes
-ic-, entsprechend jener von -esc- in der /-Conjug., durchaus nicht
denken darf. Die Aufstellung einer lateinischen Grundlage flatico
flaticas flaticat flatamus flatdtis flaticant würde den Lauten der
ladinischen Formen genau entsprechen; die Annahme einer
solchen Grundlage würde aber irrig sein. Der Vorgang beruht,
sagen wir es noch einmal, lediglich auf Analogie. Drei Stufen
sind zu erkennen:
1. organisch ist * medegore = mpdia; *medego = mpdeie;
2. tonloses Charakteristiken i ergreift das betonte Charakteri
stiken ei; wegen mfdiii, mpdieip (dann ieif);
3. dadurch, dass irifdi- sich überall als Stamm und -eie als
Endung fühlt, wird letztere zu zahlreichen anderen Stäm
men gefügt; wie mfdi-g, og, dve und medi-eiq, so flad-e, 6t],
dve und jiad-eie.
Dieselbe Erscheinung ist wohl in allen ladinischen Idiomen
Tirols zu treffen. Aus dem Unterfassanischen theilte mir Gärtner
einige Verba mit, die er in Vigo (Avisiothal) abhörte; hier lautet
das Präs. Ind-ic. von erpicare: arps(-ee) avpt arpeg arpeör, arpedde
arpeq und darnach petenb peten&q. Wie man sieht, ist hier der
Parallelismus zwischen dem Muster und der Nachahmung nicht
so vollständig wie in Greden und Gaderthal. Hier (man ent
schuldige die Wiederholung) decken sich
medi-eiy medi-ug
und ßad-eipy flad-ög
ganz genau, während in Vigo einem
arp-ee arpe-ög
ein peten-ee peten-ög
gegenüber steht; ein minder kräftiger Anstoss genügt also dazu,
die analogischen Bildungen hervorzubringen. Wir werden Ähn
liches anderswo treffen, z. B. im Lüttichischen; für unsere Mund
art indessen liesse sich auch vermuthen, dass « nicht = ee, son
dern = eee sei, u. zw. ee = e[c]o; das erste e aus dem tonlosen
16
Mn ssafia.
Stamme arpe- hergeholt wie das i aus medi- in den früher be
sprochenen Mundarten. In Buchenstein hatte Dr. Gärtner keine
Gelegenheit, hieher gehörige Präsentia zu sammeln; sie werden
indessen auch dort nicht fehlen.
Wenden wir uns nun nach der östlichen Grenze des ladin.
Tirols, nach Erto (der Ort gehört politisch zu Friaul), so finden
wir, immer nach Gartner’s Beobachtungen, unsere Erscheinung
wieder, aber unter bemerkenswerthen und sehr schwankenden
Verhältnissen. Das l von -Ic- ist bald e, bald i. Das c vor a, also
inlautend, bald k, bald dy; das c vor o, also auslautend, meist
als k, doch auch // (= inlaut. dy). So Sfrekd sfrek sfredye; prelcd
prek predye ; viastidyg vuistik maütidye; ynStidye ya&tity yaMidye.
Und dennoch manche Präsentia mit erweitertem Stamme: nedyei
nedyee nedyea nedyön nedyei nedyea. Ebenso nevicare: Inf. novidyc,
3. Sing, novidyea. Dann Stämme mit i als Charakteristiken, u. zw.
selbständig auftretend: kamhiei, oder versteckt: konsilyei, inSonyei,
vedyei (vig’lo); und Stämme mit consonantisckem Charakteri-
stikon: krevelei (= ital. io erivello). Es ist nicht ganz klar,
woher der Anstoss zu -e- kam; sollte die Erweiterung auf diesem
Gebiete weniger eine selbständige Entwicklung als eine Entleh
nung aus den anderen ladinischen Idiomen Tirols sein?
Im ersten Anhänge gebe ich eine reichhaltige Sammlung
von hieher gehörigen Verben. Uebersieht man sie, so wird man
bald gewahr, dass auch hier das gilt, was für das üumän. und
Raetoroman, gesagt wurde: kaum ein altes, primitives Verbum
bekennt sich zur erweiterten Form; es sind fast lauter Derivata
und Composita, daher äusserst wenige einsilbige Stämme. Man
kann bemerken, dass die dem Ital. entnommenen neuen Verba
wohl -eie begünstigen, aber auch die ital. Betonung hie und da
behalten; neuere Verba deutschen Ursprunges vermögen kaum
mehr den Stamm zu betonen.
Dem Ladin. Friauls ist die Erweiterung, so weit ich es
überblicke, unbekannt; nur an einen ähnlichen Fall sei hier
erinnert, den Ascoli (Arch. I, 504) so erklärt: ic erscheint
hier unter und ausser dem Accente als e: Inf. desmented, 3. Präs.
Indic. desmentee; neved und nevea. Aus jocare nun £ujd £uid
£ued; daraus 1. Pi’äs. Conj. che £nei nach Analogie von che
Ziü* Prflsensbildung im ltorannischen.
17
dismentei. Ob auch im Indic., weiss icli nicht; wenn nur im
Conj., so wäre (lies ein Beispiel mehr für die Erscheinung,
dass der Conjunctiv solche, von denen des Indic. sicli scharf ab
hebende Formen besonders gerne anwendet.
Auch im Ostfriaulischen, in der Mundart von Cormons
(nach Gärtner’s Material) greift ic (ilj) kaum über seine
Grenzen hinaus. Das l erscheint hier thcils als e, theils als i:
plicare *nivicare *mirabiliare ergeben pled neved maraved. Die
Endungen des Präs. Indic. sind:
-eiyi (= ei — ic, -i = -o, y eingeschoben)
-eiS (tfcjas)
-e (== ee = l[c]a-t)
-in? (toidoses e vor % zu i)
-ees (i[c]atis)
-eh) (i[c]ant)
Masticare carricare *hapticare haben dagegen i: rnastiä tyarid
hatid; das Präs, wie oben, nur i statt e; maStii maitiiS maStie u. s. w.
Ebenso: zglisid ,gleiten', wo i = ic (vgl. slisegar in nordital.
Mundarten), wohl auch StriSid, gleichsam striscicare. Nur strigiä
(g— dtsch. g) ,striegeln' gäbe Anlass zu einem Zweifel; es kann
striglicare sein, oder aus striglare strigljare wird Strigid, und das
eigentlich halb consonantische i wird als echt vocalisch gefühlt
und nach dem Muster von maStid flectirt: Strigii statt -ig-. In
letzterem Falle hätten wir ein vereinzeltes Beispiel von Tonlosig-
keit des ursprünglichen Stammes durch Einfluss der -ic-Verba.
ITALIENISCHE MUNDARTEN.
Istrien. In der Mundart von Rovigno begegnet man,
wie ich aus Aufzeichnungen des Dr. A. Ive entnehme, zahl
reichen Verben der M-Conjug., welche ihr Präsens nach folgen
dem Paradigma bilden:
Indic. saman-i-o
Conj. saman-i-o
saman-i-i
saman-i-a
saman-i-i
saman-i-o
saman- emo
saman- ide
saman- emo
saman- ide
saman-i-a
saman-i-o
Imperf. 2. Sing, saman-i-a 2. Plur. saman-ide
Sitzungsbcr. d. pliil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft.
2
18
Mussafi a.
Ebenso in der Mündart von Capodistria, nach Mittheilungen
des H. Gr. Vätova:
Indic. messed-e-o
messed-e-i
messed-e-a
messed- emo
messed- e
messed-e-a
Imp er. 2.
2.
Conj. messed-e-i
messed-e-i
messed-e-i
messed- emo
messed- e
messed-e-i
Sing, messed-e-a 1
Plur. messed- e
Die Quelle des den Stamm erweiternden Elementes ist
mir nicht vollkommen Idar. Man möchte gerne auch hier auf
ic zurückgehen, doch wird hier ic, ec nicht zu i oder e. Die
entsprechenden Verba haben vielmehr eg; z. B. in Capodistria
desmentego, auch desmentego, denen desmentegMo zur Seite steht.
Zwei Vermuthungen möchte ich wagen. Man kann in -eg-
späteren venetianischen Einfluss erblicken; -i-, -e- wären dann
werthvolle Ueberbleibsel des alten Ladinismus Istriens. Einige
Stütze würde dieser Ansicht die einzelne Form desmentea ge
währen, die mir aus Capodistria als obsolet bezeichnet wird.
Oder der Vorgang hat seine Grundlage in der allgemeinen
Neigung, den ursprünglichen Stamm seines Accentes zu ent
ledigen, die Bethätigung dieser Neigung fand aber auf anderem
Wege statt als durch Einfluss der -*c-Verba. Die betonten Endun
gen weisen in Capodistria den Vocal e statt d airf: so (neben
den oben angeführten 1. und 2. Plur. Präs.) Imperf. Ind. messe-
devo, Imperf. Conj. messeäessi(Perf. Ind. ist nicht vorhanden); der
selbe Vocal schlich sich nun zwischen den zu erweiternden
Stamm und der tonlosen Endung ein, so dass nunmehr alle Fle
xionen ohne Ausnahme mit e anheben. Fast ebenso in Rovigno;
hier (mit Ausnahme von 1. Plur. Präs.) ist der herrschende
Vocal und i dient zur Erweiterung des Stammes; 2. Plur.
Präs, samanide, Imperf. Ind. samanivo, Imperf. Conj. samanisso
führten zu samanio. Ueber das Alter dieser Bildungen vermag
ich selbstverständlich keinen Aufschluss zu geben; es trifft
1 Bei Reflexiven, also mit enclitischem te y ei statt ea; z. B. rapatumea aber
rapa tum eite.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
19
sicli indessen glücklich, dass die istrische Uebersetzung der
nennten Novelle Boccaccio’s, die sich Salviati (16. Jahrh.) ver
schaffte (zuletzt bei Ascoli, Arch. III, 468 ff.) schon ein che ti
vendicheis, statt vendichis, neben che ti m’insegnis, che ti soppdrtis
bietet. Eigentümlich, dass es sich hier um ein -ic-Verbum
handelt; dass J ic- kein Suffix ist, ist selbstverständlich von
keinem Belange. 1 Die Beschaffenheit der hieher gehörenden
Verba ist dieselbe wie überall. Es sind Derivata und Compo-
sita; in der umfangreichen Sammlung, die ich im zweiten An
hänge mittheile, findet sich nicht ein einziges Verbum mit
einsilbigem Stamme.
Veglia. Im Arehivio glott. I, 435 ff. bespricht Ascoli
eine im Aussterben begriffene Mundart der Insel Veglia im
Quarnaro, welche nebst manchen rumänischen Zügen andere
aufweist, die mit dem Ladinischen Istriens grosse Verwandt
schaft zeigen. Daselbst (S. 440) werden tonajci, fulminaja,
infloraja, selbst venajci (,dass er komme') angeführt. Seitdem
hat Dr. Ive an Ort und Stelle die Mundart untersucht, und
seiner Güte verdanke ich Nachrichten über die in Rede ste
henden Präsensformen. Der Verba, welche vor tonloser Endung
-aj- anwenden, sind ziemlich viele; ein Verzeichniss, das wohl
auf Vollständigkeit keinen Anspruch macht, folgt im dritten
Anhänge.
Die meisten Verba gehören der I. lat. Conjug. an, mitlnfin.
auf -ar, selten auf -uv (sperar, studiur): einige der II. und III.
mit dem Infin. auf -ar (vgl. Arch. I, 444): potdr, sielgär; einige
1 Während des Druckes kommt mir Tobler’s altvenet. Cato zu. In diesem
,sicher noch der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts' angehörenden Denk
male kommen drei Beispiele von erweiterten Präsensformen vor; zwei
von -in-Verben: nudrigia, vendegia, dann conmmöa. Tobler kommt zwei
mal darauf zu sprechen. S. IG zum gutturalen c: ,Befremdlich ist das
Auftreten eines e hinter g in nudr., das sich ebenso in vend., ausserdem
jedoch auch in cons. (neben consuma) findet'. Dann auf S. 26 unter
Präs. Ind. Im Texte führt er die drei Formen an; in einer Anmerkung
fügt er hinzu: ,Merkwürdige Beispiele, so scheint es, der in ladinischen
Idiomen und sonst begegnenden Erweiterung des Stammes von Verben
erster Conjugation in den Formen, die sonst den Stamm betonen würden,
eine Erscheinung, deren vollständige Darlegung und Erklärung durch
Mussafia in nächster Zeit erwartet werden darf.'
2*
M u s s:i fi a.
20
der IV. mit Infin. auf -er: tusser, vener. Die Formen mit ton
loser Endung sind folgende: Indic. 1. Sing, sperdjo, 2. Sing.
sperdj, 3. Sing. Plur. sperdja. Für den Conj. ist nur 3. Sing,
zu belegen: sperdja. Das Impf, geht auf -av- in der I. Conjug.:
tonava, in den anderen auf -aja: dicaja. Die 1. Plur. geht, im
Präs, auf -iäime: svspiridime, remetidime; im Impf, auf -aime:
speravaivie, vedajaime. Das Impf, zeigt, dass das di der 1. Plur.
Indic. nicht identisch mit dem aj der 1. 2. und 3. Sing, ist,
das etwa seine Grenzen überschritten hätte; -aime ist = -amus
und nur das voranstehende i wäre zu erklären. Die 2. Plur.
geht auf -ajte\ wohl lat. -etis entsprechend, das leicht auch die
.4-Conjug. ergreifen konnte.
Was ist nun -aj-? Schon Ascoli machte darauf aufmerksam,
dass die Identität desselben mit dem -aj- des Impf, der II—IV.
lat. Conjug. nur äusserlich sei, dass mit anderen Worten ve-
naja — venit veniat und venaja = veniebat nur zufällige IIo-
monymität Zeigen. Ueber das aj des Präsens spricht er sich
nicht weiter aus. Gerne möchte man darin ic eg ei ai erblicken,
denn dadurch liesse sich auch das i vor -aime leicht erklären
(i = ii = ei in tonloser Silbe vor Vocal 1 ); es fehlt mir aber an
Material um diese Ansicht zu stützen oder zu widerlegen.
Das einzige üc-Verbum, welches ich kenne, ist medcuar und
dieses erscheint anders behandelt; vielleicht ist es jedoch kein
ganz volkstkümliches Wort. Eine andere Möglichkeit wäre,
dass das -aj- der 2. Plur., vielleicht auch das -ai- der 1. Plur.,
die anderen Personen ergriffen hätte, und es liesse sich damit
credassdiie = * credissetis vergleichen, das credassäi hervorbrachte.
Diess würde Ascoli’s Anschauung nicht tangiren, denn wenn
auch dann in letzter Instanz das aj von sperajo auf e zurück
ginge, so wäre es nur Anlehnung an das e von etis und hätte
mit dem e von ebam nichts zu schaffen. Es ist bei so kärglichem
Material schwer, sich ein klares Bild des Vorganges zu machen;
vielleicht bringt die Veröffentlichung von Ive’s Sammlungen
grösseres Licht. Immerhin gehört die Erscheinung in den Kreis
vorliegender Untersuchung; sperdjo, auf welche Weise immer
1 Gäbe es nämlich * mastego mastej mastaj, so wäre maste[g]amus ona-
8tiaime\ nach mastaj mastiaime dann speraj speriaime, selbst metaj
meliaime.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
21
es sich entwickelte, steht für ein zu erwartendes, ihm wahr
scheinlich vorangegangenes spSro. Ob -dj- ausschliessliche Geltung
erlangte, oder ob auch Formen mit betontem Stamme noch
gebräuchlich sind, weiss ich nicht anzugeben; ich vermutho
Letzteres.
Für die Mundart der Abruzzen sagt Finamoro (S. 4):
,il je e talvolta suffisso alle 3° personc dell’ indicativo presente:
Ggeleje (gela), lamheleje (lampeggia)'. Würde die so bestimmte
Angabe nicht vorliegen, so würde man ggeleje als eine Form
von ggelijd, gleichsam ital. geleggiare deuten; jetzt erkennen
wir, dass der Verbalstamm nur gel- ist, also Infin. ggela, Impf.
ggele, Perf. ggeli (-ise, -ette) u. s. w., und dass die Form mit
-ej- (fast zweifellos = ic) nur dann den Stamm ergreift, wenn
er den Ton haben sollte.
Noch klarer, wo möglich, ist die Sache für die abruzzische
Mundart von Teramo, bei Savini (S. 70): ,Una terminazione ori
ginale di presente abbiamo nel verbo lambijä: lamb§j§j§‘. Also
einem ital. lampeggieggia entsprechend. Savini sagt: ,pare che
ci sia epentesb.
Es scheint, dass wenig Fälle vorhanden sind, und dass
zunächst die Verba, welche meteorologische Erscheinungen be
zeichnen, die erweiterte Form annehmen. Wird dadurch eine
begriffliche Nüance, etwa der Intensität (die beim Präsens am
leichtesten sich einfindet), ausgedrückt?
Für das Neapolitanische ist nur der erste Ansatz zu
unserem Vorgänge zu verzeichnen; da -icare -icat durch -idr
-eja wiedergegeben werden, so durch Analogie auch sturiar
(= studiare) stureja. Den weiteren Schritt, der zur Anwendung
von -ej- auch bei consonantischem Stanjme geführt hätte,
machte die Sprache nicht.
Corsica. Bei Papanti, S. 577, bemerkt Falcucci, dass
das Präsens aller drei Modi zwischen Stamm und Endung
-eghji- 1 einschiebt. Die angeführten Belege gehören alle der
A-Conjug. an.
1 Ueber die Aussprache von ghji — einmal wird chji angegeben — ist die
Auseinandersetzung auf S. 574 nachzusehen.
22
Mussafia.
Indic. 3. Sing, dissipeghjia, disseculeghjia ,disloca, sconnette',
testimoneghjia; 3. Plur. testimoneghjianu.
Conj. 3. Sing, interrugheghji, lapideghji, libereghji; 3. Plur.
calcechjinu.
Ein Ueberschreiten findet statt; aber, wie es scheint, nur
im Conjunctiv: 1. Plur. scandalizeghjiäviu. 1 Die ausdrückliche
Angabe Falcucci’s, diese Erweiterung des Stammes komme nur
im Präsens vor, benimmt jeden Zweifel, dass wir es hier mit
der uns beschäftigenden Erscheinung zu thun haben. Denn
käme -gliji- auch im Impf., Perf. u. s. w. vor, so würde es sich
selbstverständlich nur um eine grosse Begünstigung dieses Ver
balsuffixes handeln; der Vorgang würde die Lehre der Wort
bildung, nicht jene der Flexion angehen. Indessen sei bemerkt,
dass S. 585 caccighjid ,cacciare‘ angeführt wird; handelt es
sich um einen Stamm caccighji-, oder um eine fernere Ueber-
schreitung der Gränzen bei der Anwendung des erweiternden
-eghji-?
In -eghji- wird man leicht -ic- erblicken.
FRANZÖSISCH.
Im Wallonischen begegnen wir Präsensbildungen, welche
mit denen im Ladin. Tirols eine grosse Aehnlichkeit haben.
So in der Mundart von Lüttich, nach Forir. Die Verba auf
-tcare — wallon. i (iier = ier — i[r]) haben unter dem Accent
ei: gueri guereie; akomt ,donner la communion'- akorneie; battln
(= bapt-icare) battheie; dann die wenig volkstümlichen Com-
posita mit -ficare: Inf. -it, 1. Präs. Indic. -eie, z. B. anplijn an-
plifeie. Eben so verhalten sich durch Analogie die unvollcs-
thümlichen Bildungen mit i purum: agoci ,associer' agoceie, espedi
,expedier' espedeie. Aber selbst viele Verba, deren i vor -er
nur das sogenannte parasitische i ist, bekennen sich zu solcher
Präsensbildung; so lautet die 1. Sing, von abregi = abregier
sowol abreg, wie im Franz., als abreg eie-, adjugi bildet adjug
und adjugeie; aioln = aiguisier bloss aioheie u. s. w. Schliesslich
1 Dazu seguiteghjiavu, risusciteghjianu; liegt hier die 1. Plur. (gegen obiges
-dmu) oder die 3. Plur. (gegen obiges -inu) vor?
2 akomi — anomiier; so altfranz. aus aeömnier, das ebenfalls vorhanden ist;
m'n zu m wie in der anderen Form comiehier.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
23
ergreift dieses -ei-, in der Form -ai-, auch consonantische Stämme,
besonders Neubildungen, Ableitungen mit den Suffixen -ellare,
-ulare, -inare, -ittare u. s. w.; oft kommen beide Formen neben
einander vor: abörn und abomaie ,creuse‘, afronte und afrontaie;
nur aboirdaie, aboisnaie ,4chaude‘, ankräie. Die Endungen -eie
und -nie gelten für alle drei Personen der Einzahl; die 3. Plur.
hat bloss -et: aiwi ,faire eau“; 3. Sing, aiweie, 3. Plur. aiwiet;
abanne ,abandonner‘; 3. Sing, abannaie, 3. plur. abannet.' 1 An
Conjunctivformen fand ich nur (unter clxeri) fi.i Id to boi s cherdie 3
,toute peine merite salaire', wörtlich ,il faut que tout bois se
charrie'; es scheint daher, als ob -eie -aie auch für das Präs.
Conj. gälte. Die 1. Plur. geht auf -an aus: gueri-an, espedi-an;
afar-an (afairi afaireie; i ist parasitisch); abann-an.
Für Hennegau,' speciell Mons, sagt Sicart kurz : ,Les
verbes en ier sont souvent irreguliers [au present de l’indicatif]:
coukier, rakier font coüke, coulceye, coukie; rdke, ralceye, rakie‘.
Also wie in Lüttich, nur dass neben -eye auch -io vorkommt;
letztere Form durch den tonlosen Stamm herbeigeführt. Also
-ic-are = i-ier, dann -ier’, -ico = -eye oder -ie. Dann auch bei 'er,
wie in den zwei obigen Fällen. Eine Ausdehnung des Gebrauches
auch auf reine -er-Verba scheint hier nicht vorzukommen.
In älteren wallonischen Denkmälern ist Diess kaum zu
belegen. Wenn man einem mit der Grammatik ziemlich frei wal
tenden Denkmale wie die Geste de Liege des Jehan de Preis
einige Wichtigkeit beimessen will, so könnte man daraus manche
hiehergehörige Fälle anführen. So 3. Sing. Präs. Indic. acom-
pagnie, das zu acompagniev sich so verhält, wie bei Sicart coukie
zu coukier. Eben so raue. Scheler in seinem Glossare zur
Geste sagt: ,Forme anomale pour rdie; olle est fondee k la lettre
sur radi-are; i faisant syllabeh Eine annehmbare Erklärung,
1 Formell neufranz. aiguayer entsprechend ; aqu-icave.
2 Wo liegt der Accent in der 3. Plur.? Doch kaum auf -it, denn wie
schwände in der betonten Silbe die Nasalis, welche doch in der 1. Plur.
haften bleibt? Wenn auf dem Stamme, so ist abdnnet in der Ordnung;
aus aqu-ica[nt] würde man aber aiw-eiet erwarten.
3 cheraie, wo eher eliereie zu erwarten. Alle, aliaie ,allier, confddiärer“, dedid
dediaie sind Neologismen, daher im Infin. -e, nicht 4 und im Präs, -aie,
nicht -eie. Man möchte ebenso annoriaie espatriaie deuten; aber doch
Infin. armorii, espatrii.
24
M11 s s a f i a.
die aber für acompagnie nicht ausreicht. 1 Am bemerkenswer-
thesten ist 2. Sing. Präs. Indic. mangois, das icli nicht anstelle
hieher zu rechnen; wie dem Inf. -ier, der 2. Plur. -iez (— icare,
icatis) ein Präs. Indic. 1. -di, 2. -dies entspricht, eben so einem
‘er, 'ez; nur dass, statt manjoies, mangois begegnet; entweder
eine Freiheit des Reimers, welcher posttonisches e oft vernach
lässigt, oder -s statt -es wie in manjus = manjues. Dazu könnte
die 2. Sing. Irnper. im wallon. Gregor manjoue (wo ou — oi)
stimmen; vgl. Förster in ZRP. I, 563. Und wäre es zu doctrinär,
wenn man die 3. Präs. Ind. manjout im Hiob (Förster, ibid.) eben
falls hieher rechnete? -out — -oit 2 und dieses statt -oie wie menjut
statt menjue? Andere Formen von mangier später beim Conjunctiv.
Es sei noch erwähnt, dass Scheler zu mangois der Geste be
merkt : ,Cette forme . . . s’explique-t-elle suffisamment par la sup-
position d’un infinitif mangoier, ou faut-il la ranger parmi le cas
de formes fortes dont parle M. Förster?' Wenn man auch
* mandic-icare kaum annehmen wird, so sieht man, dass auch
Scheler der Zusammenhang zwischen ier = icare und ‘er vor
schwebte. Zu esmoie .zerbröckelt' sagt Scheler: ,present <Vesmiar,
car je ne pense pas qu’il existe un infinitif esmoier; lat. mica
a donne mie, jamais moie. Le present esmoie a ete fait sur
l’analogie de plier ploie (plico) et est contraire ä la grammaire
et ä la phonetique des bons temps'. Alles ganz richtig; nur ist
die Kritik der wenn auch seltenen Form zu streng. Auch
castigare castigo könnten nur chastier chasti ergeben; durch Ein
fluss der Wortpaare otroier otroi und otrier otri kam man zu
chastoier chastoi, die in den besten Denkmälern Vorkommen.
Vgl. mendeier im Rol. = mendicare, und ital. mendicare, mendico
(das Nomen nur mendico) wie medicare medico. Scheler führt
ja selbst ohne irgend eine Bemerkung die Subst. defoi, von defier
(fidare), envoi von envier (invitare) als (auch sonst zu belegende?)
Nebenformen zu defi, envi an. Oi statt des allein organischen
i beruht auf demselben Walten der Analogie. Man bemerke
1 Man kann auch auf prechoiier hinweisen; kaum praedic-icare; sondern
wie -ier mit -oiier concurrirend, so selbst ‘er.
2 Förster fragt, ob ou nicht Anlass geben könne, ein anderes Etymon als
mandücare zu suchen. Es dürfte sich schwerlich ein solches finden;
höchstens könnte man -ücare vermuthen.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
25
ferner das halbgelehrte estudier estudie 1 ; daneben im Gregor, im
Dial. An. et rat. (Behrens, S. 69) die. Formen estudoier estudoie, 2
Also auch im Altfranz, (zumeist im Lothr., Wallon.) der Ansatz,
jedes das Thema schliessende i so zu behandeln, als ob es ton
losem -ic- entspräche; weiter aber — zu einem changier chanjoi,
traitier traitoi oder gar zu einem amer arnoi — ist es nicht
gegangen.
Dafür aber sind schon vielfach in franz. Formen des Präs.
Conj. — zumeist der M-Conjug. — nachgewiesen worden, in
welchen der Accent seine Stelle auf dem Stammvocale verlässt
und gegen die Endung weiter rückt. Es Hesse sich daher bei
der isolirten Betrachtung des franz. Vorganges füglich ver-
muthen, dass wir es hier lediglich mit dem Streben zu thun
hätten, das Präs. Conj. von dem Präs. Indic. in ausdrucks
voller Weise zu unterscheiden. Der Umstand, dass porto und
portem, poriänt und portent stets, portas und portes ziemlich
frühzeitig zusammcnfielcn, dass ferner liber-o, as, at, ant stets
dasselbe Product wie liber-em, es, et, ent ergaben, konnte einzelne
Mundarten dahin bringen, dem Conjunctiv eine markirtere, mehr
in’s Ohr fallende Endung zuzuweisen, daher portöit portdisse
porteche. Mit dieser Erklärung käme man, wie gesagt, für das
Franz, ganz gut aus. Vergleicht man indessen Das, was bisher in
anderen roman. Idiomen beobachtet wurde, so kann man die
Frage kaum unterdrücken, ob da das Mitwirken eines anderen
Momentes nicht in Betracht zu ziehen sei; die Neigung näm
lich, den Unterschied im Tonverhältnisse zwischen pört-em, es .. .
und port-emus, etis zu verwischen. Dass sich diese Neigung
fast ausschliesslich 3 im Conjunctiv bethätigt, ist nicht schwer
zu verstehen; bei diesem Modus gesellte sich zu dem einen,
vielleicht nicht genug starken Triebe ein zweiter, der Differen-
zirungstrieb; das Zusammenwirken beider Kräfte erzielte das
1 Ich setze die 3. Person, als leichter belegbar, an.
2 Zu vergleichen mit dem oben Erwähnten im Neapolitanischen. Es be
steht da nur der Unterschied, dass durch den analogischen Vorgang im
Französischen der Accont nicht verrückt wird: chcisti chaaloi, während
diess im Neapolitanischen der Fall ist; statt stüria, stur&ja.
3 ,Fast‘, denn es kommen ein paar Fälle des Präs. Indic. vor; siehe am
Schlüsse dieser Abhandlung.
26
Mussafia.
Resultat, welches die eine Kraft an und für sich nicht hätte
hervorbringen können. Man erinnere sich daran, dass auch in
der J-Conjug. das Ital., das Altprovenzah, das Engadin, nur im
Conjunctiv die Grenzen der Anwendung von -isc- weiterrücken;
dass, wie es scheint, im Cors. nur der Conjunctiv sich -egghji-
auch vor betonter Endung gestattet. Wenn ich also schon bei
den bisher behandelten Idiomen die Vorgänge im Rumän. einer
seits und Ladin. andererseits nicht als vollkommen identisch
ansah, sondern sie in Bezug auf das eine Moment ■— Tonlosig-
keit des ursprünglich betonten Stammes — verglich, so glaube
ich berechtigt zu sein, auch die Erscheinung im Franz, in
diesem Zusammenhänge zur Sprache bringen zu dürfen; denn
eine gewisse Aehnlichkeit im Walten des Sprachgenius lässt sich
hier wie dort wol erkennen.
Die Literatur über die franz. Erscheinung ist nunmehr
ziemlich reichhaltig und der Erklärungsversuche sind mehrere
vorgeschlagen worden. Man wird es mir zu gute halten, wenn
ich, um das so zerstreute Material einmal zusammenzufassen,
mich nicht mit kurzen Citaten begnüge, sondern Belege und
Erörterungen ausführlich mittheile. Ich gebe zuerst, was mir
über -oi-(-ei-)-Conjunctive aus altfranz. Denkmälern bekannt ist;
dann theile ich die Fälle aus Schriften der späteren Zeit und
aus lebenden Mundarten mit. Die ersten führe ich — um der
Geschichte der Wissenschaft zu dienen — nach der chronolo
gischen Reihenfolge der Schriften an, in denen unsere Erschei
nung zur Sprache kam.
1875. Förster gebührt, soweit ich es übersehe, das Ver
dienst, auf solche Conjunctive zuerst die Aufmerksamkeit gelenkt
zu haben. In seiner Recension von Michel’s Ausgabe des Romans
von Floriant und Florete (Zeitschr. f. österr. Gymn. XXVI.
538 ff.) bespricht er das bekannte gardönt statt gardent und erklärt
diese Accentversetzung ganz richtig als ,eine Folge der Analogie,
die den ganzen Plur. gleich behandelt wissen will 4 . I)aran
anknüpfend sagt er: ,Eben so ist zu erklären der Conj.
Präs, mit betonten Endungen, der sich nur im Burgund, und
Lothring. findet. So hat Yzopet de Lyon und Vegcce für
die Verba der /1-Conjug. folgenden Conj. Präs.: amoie amoies
amoit amions aiiviez amoient, der also mit dem Impf. Indic. zu-
Zur Präsensbildung im Romanischen.
27
sammentrifft. Dasselbe geschieht im Dialecte von Porrentruy
(s. les Paniers p. F. Raspieler):
1. 2. brijö 3. brijai 4. 5. 6. brijin
gelten sowol für Präs. Conj. als Impf. Indic. Noch interessanter
ist der Waadtländische Conjunctiv Präs.
1. ameyo, 2. 3. arneye, 4. 6. ameyan, 5. ameya oder ameyi
während der Indic. Impf, sich scharf sondert: aviävo, amäve u. s. f/
Ferner weist er auf lothring. -oisent statt -oient hin; s. unten.
Förster meint also (wenn ich das ,Eben so‘ gut verstehe), dass
die erweiterte Form des Präs. Conj. auf demselben Principe be
ruht wie die oxytonen Formen der 3. Plur. mancher Tempora:
nämlich auf Angleichung der Tonverhältnisse der verschiedenen
Formen. Ueber die Art, wie solche -oi-Conjunctive zu erklären
seien, spricht er sich hier nicht aus. Dass er die Identität der
Formen des Conjunctives mit jenen des Impf. Indic. constatirt,
bedingt noch immer nicht einen causalen Zusammenhang; durch
die Hervorhebung des Umstandes, dass dort, wo -abam ver
bleibt und nicht -ebam weicht, die Identität aufhört, scheint
vielmehr Förster darauf hinzuweisen, das Zusammentreffen des
-oi- des Impf. Indic. mit dem -oi- des Präs. Conj. sei nur
zufällig.
1878. Die der Mitte oder dem Ende des 13. Jahrh. ange
hörende burgundische Uebersetzung des lateinischen Lebens
des Girart von Rossillon, welche P. Meyer in der Romania VII,
S. 179 ff. veröffentlichte, enthält mehrere Formen der 3. Sing,
und Plur. auf -oit -oient, welchen meist im Lateinischen das
Präsens Conj. entspricht. Er sammelt sie in der Anmerkung
zu Abschnitt 59.
59 fist retraire ses genz qu’il ne vuet pas qu’il chagoient lou
roi (suos refrenat, ne regem insequi presumant)
111 prenez un ihorel et Vancloez en une maison et geunoit 'III'
jorz (triduo jejunet)
142 afferme qu’il aimme mieux estre morz du tout que ce qu’il
laissoit vivre Girart (malle se potius interimi afßrmat quam
Gvrardum . . . vivere sinat)
162 va au conte ... et li di qu’il entroit . . . en l’eglise (die
comiti ut ingrediatur)
28
AI ussafia.
171 il inande . . . as plus grariz ... de sa terre . . . qu'il
ne laissoient pas qu’il ne veingnmt (imperat . . . quatinus
. . . convenire non omittant)
201 et le deprioit . . . que il . . . li deignoit empetrer . . .
Meyer erblickt in diesen Formen das Impf. Ind. und
sagt zur ersten Stelle: ,11 y a dans cette memo traduction
d’autres imparfaits de 1’ indicatif employes au sens du sub-
jonctif present ou imparfait ou du conditionnck. Den Sinn des
Präs. Conj. weist er allen obigen Stellen zu. Als Impf.
Conj. fasst er die -oi-Form in folgender Stelle auf: 186 et les
amonesta qu’il nou tenissent pas a gas, mas emportoient tost le
cors Girant (commonens omnes ne dissimulent, sed corpus Girardi
. . . ferant). Indessen ist das Impf. Hier nickt streng nötliig
und eine Veränderung der Construction lässt sieb leicht an
nehmen. Man kann auch diese Stelle zu den obigen hinzu
fügen. Conditionale Bedeutung nimmt er an in 113 nous nous
fumes . . . travaillie . . . en vain, quar li chasteaux ne pouhoit
estre pris (frustra se vexari; oppidanos esse inexpugnabiles).
Ich sehe keinen Grund zu solcher Annahme ein, weise pouhoit
Form und Bedeutung eines Impf. Ind. zu und streiche diese
Stelle aus dem Verzeichnisse.
Es sind lauter Verba der A-Conjug.; nur 111 apres ce
li ovroit Von les portes ein 7-Verb um. Indessen ist zu be
merken, dass ovrir in verwandten Idiomen (Haefelin S. 108)
zur A-Conjug. überging. Man vergleiche auch die Verwechs
lung zwischen recouvrir und recouvrer.
Zur Bekräftigung seiner Anschauung, das Impf. Ind.
könne die ihm zugeschriebenen Functionen (nach der vor
genommenen Einschränkung ,die Function eines Präs. Conj.')
übernehmen, fügt Meyer hinzu: ,Dejä en bas-latin, dans la
vie de sainte Euphrosyne, M. Boucheric a signale l’emploi de
l’imparfait de l’indicatif au lieu du present ou de l’imparfait
du subjonctif (Rev. des 1. rom. II, 57)*. Eine Prüfung dieser
Stellen lehrt uns jedoch, dass sie ganz anders geartet sind:
Volebam (= veilem), si datur mihi de Deo vivtus, sic in hoc
seculo conversare quomodo vos. Si in malo loco erat, non post-
ponebat Deus lacrimas tuas. Sic est cor meum declinatum in
amore suo, ut fuisset filia mea . . .; non amplius potebam
(— possem) diligere illam. Die eingeklammerten Wörter rühren
Zur Präsensbildung im Romanischen.
29
von Bouclierie her, der richtig erklärt: ,Lii oii nous employons
le conditionnel, et oii le latin classique eiuployait le present ou
l’imparfait du subjonctif, ce texte met fuelquefois l’imparfait
de l’indicatif*.
1879. In den Roman. Stud. III, 392 weist Willenberg
in der alle Merkmale der südöstlichen Mundarten aufweisenden
Prosabearbeitung des Amis und Amiles mehrere Formen der
2. und 3. Person nach: bien te garde que tu nen atoichoies; Sire
Dex, ... tu doignoies munder man compaignum; nos te prions
que tu nos donoies congie; je te pri que tu ne me getoies; je te
requier que tu me juroies; (Diex) les embrassoit, ausi com ce est
voirs . . .; se me delivroit Dex; tu diras Amile . . . qu’il . . .
te lavoit.
Ferner führt er (nach Tobler) aus dem burgundischen,
in Alexandrinern abgefassten Girart de Rossillon ed. Mignard:
n’est nutz lions . . . qui n’appeloit; tuit li prient . . . que . . .
leur empetroit; gardoit 1 soi cilz qui chiet. Andere Stellen sind:
il ne doit pas mentir ... de chose qui tournoit . . .; n’a . . .
roi que Girarz doutoit; il n’y a nutz . . . qui n’emportoit; naura
si har di qui n'osoit; je n’ai pas ce dit. pour chose que j’amoie
ne Droon ne Girart; je me dout trop de li, mal ne nous por-
chassoit; save . . . t’oneur ... et qu’il te delaissoit 2 de sa grant
envaie et te vueille mener; avant se partira que je me desarmoie.
W. sagt darüber folgendes: ,Diese Formen . . . haben
. . . wohl ihre Entstehung einer Analogie zu den Conjunctiven
soies und soit zu verdanken*.
1879. In seiner Recension der Arbeit Willenberg’s (Zeit-
schr. für roman. Phil. III, 462) erinnert Suchier an das Vor
kommen unserer Formen in zwei anderen Schriften. In der
Legenden - Handschrift des Herrn Steiger-Mai zu Bern, aus
1 Dazu Mignard: ,oit eat une finale du subjonctif en langue d’oi'l 1 . Hatte er
wirklich andere Belege dafür, oder erschloss er seine Angabe aus den
Stellen, die ihm sein Text bot? Wäre die Bemerkung nicht so vag ge
halten, so müsste Mignard als der erste bezeichnet werden, der auf
unsere Formen hinwies.
2 Mignard bemerkt hier: ,L’imparfait pour le present, ä cause de la
c6sure‘.
30
Mussafia.
welcher Tobler (Jalu-b. für roman. und engl. Lit. VII, 401)
mehrere Proben mittheilte, liest man S. 462 qui veut en paradis
aler . . . doptoit dieu soverenemant et aimmoit . . . obedience,
und im Reime, daher beweisend: 416 Dieu de tel perde nos
gctrdoit et paradis nous otroit; 422 Dieu voillet que la demoroit
et si en nous perseveroit . . . que . . . [Die Handschrift weist
in seiner Graphic und der Text in ein paar Reimen burgundisch-
lothringischen Charakter auf].
Ferner aus den Proben einer burgundischen Hand
schrift, die P. Meyer, Romania VI, 25, herausgab: qui or vet
Jiöir merevoilles dreceoit son chief. Suchier fügt hinzu: ,Sehr
richtig führt Willenberg alle diese Formen auf den Einfluss
des einzigen Subjunctivs soies soit zurück 4 .
1879. In seiner Recension von Chabaneau’s Werk über
die franz. Conjug. (Zeitschr. für neufranz. Sprache I, 80), er
innert Förster daran, wie er schon in der Zeitschr. für österr.
Gymn. ,auf den östl. Conj. Präs, amoie u. s. f. hingewiesen 4
habe, ,der seitdem Rom. VII, 229 und RSt. III, 392 erwähnt
ist. Die von Guigue publicirten Lyoner Urkunden haben
ebenso gardeie u. s. f. 4 Ich kenne diese Publication nicht und
kann daher nicht, wie ich möchte, einige Belege bringen.
1881. In der Einleitung zu seiner Ausgabe des in einer
Handschr. vom Jahre 1365 enthaltenen lothringischen Psalters,
Heilbronn 1881, kommt Friedrich Apfelstedt auf unsere Con-
junctive zu sprechen. Solche kommen zwar im Psalter nicht
vor, da er blos die später zu erörternde Erweiterung auf -oisse
kennt; der innige Zusammenhang zwischen den zwei Vorgängen
veranlasst indessen Apfelstedt, an die -oz-Conjunctive zu erinnern.
Er citirt Vegetius (aus dem er viele Belege der 2. und 3. Sing.
3. Plur. mittheilt), Yzopet, Amis Amiles, Girard in Alexandrinern,
Guigue’s Lyoner Urkunden, also die schon bekannten Denk
mäler. Er fragt nach der Quelle von -oi- und bemerkt, dass
der Umstand, dass -oi- nur bei M-Verben vorkommt, es un
möglich macht ,die Erscheinung von den Verben in ere aus
gehen zu lassen, deren betonte Endung *iam *Sas etc., oie oies
ergeben hätten 4 . Darauf fügt er hinzu: ,Boucherie hat vielleicht
(wie schon P. Meyer bemerkt) die Lösung: einfach syntactische
Zur Präsensbildung im Romanischen.
31
Thatsäclie ; durch Tempusverschiebung sind Impf. Indic. und
Conj. Präs, zusammengefallenf
In einer Anmerkung dazu weist Förster betreffs des Mate
rials auf manjoivet in Gregor’s Dial. 198, 3. Die Stelle lautet:
Gieres ceste chose semblet a moi estre hone, ke alcuns manioiuet
et boiuet et si uset la liesce de son travailh = hoc itaque mihi
visum est bonum, ut comedat quis et bibat et fruatur laetitia ex
labore suo. Die Form erklärt er durch oi L 'e, oder oiu drückt
den Uebergang von öi zu öu aus. Man könnte allerdings auch
an einen Schreibfehler denken. Es wäre menjuet gemeint; der
Copist schrieb io statt iu, corrigirte sich aber gleich ohne das
Irrige zu tilgen. Indessen bei dem Umstande, dass (wie wir
oben sahen) gerade bei diesem Verbum, aller Wahrscheinlich
keit nach, schon im Präs. Indic. Formen aus dem tonlosen
Stamm mang- mit -oi- (-ou-) nachgewiesen werden können, ge
winnt die zweite Erklärung Förster’s bedeutend an Wahrschein
lichkeit. Betreffs der Deutung erwähnt Förster die Möglich
keit einer Anbildung an soie, also wie Willenberg und Suchier.
1882. In seiner Ausgabe des in einer Handschr. vom
Anfänge des 14. oder Ende des 13. Jahrh. enthaltenen Lyoner
Yzopet, Heilbronn 1882, S. 40, sammelt Förster die Belege,
darunter vier der ersten Person mit der Endung -oie, von
welcher zufällig die bis dahin bekannten Denkmäler kein Bei
spiel boten. Er sagt kurz, aber seine Meinung klar darlegend:
,dialektisch in der Form des Irnperf. (Analogie an soie)‘. Also
nur zufälliges Zusammentreffen der äusseren Form des Irnperf.;
und Einfluss von soie keine blosse Möglichkeit, sondern einzig
erwähnenswerthe Deutung.
1882. In seiner Abhandlung: ,Die Verbalflexion in der
Oxf. Hs. des Girart de Rosillon' bespricht Dr. Georg Hentschke
die Conjunctiv-Endung -ei der 1. und 3. Sing, einiger Verben
der A-Conjug. Die Fälle sind:
Tir. 198, V. 3329 0 il n’i a tan ric ome vers lui s’aiicei;
fehlt in P; L 425 il n’i a tant riche ome vers lui sirfi salei. Ob
s’alei? Eher mit P. Meyer (Recueil S. 49) Fehler für alceij 3. Präs.
Conj. von algar — alt-i-are. 1
1 Konrad Müller rechnet Tir. 198 zu denjenigen, deren ei — e in offener
Silbe ist. Wie deutet er nun micei?
32
M u s s ;i f i a.
Tir. 233, V. 3764 O que nol remandru vine non L'estrepei;
P 3094 no Ihi remanra vinha, no la estrepei; L 828 que n’i re-
maindra vigne que n’estrepei, 1. Präs. Conj. von estreparA
P 741 (noi i ac) asta reida de frctisser o 2 no asclei = Tir.
87, V. 1320 0 aste reide ne freigne o non arcei\ fehlt in L.
Asclei = 3. Präs. Conj. von asclar. 0 gehört nicht liieher, da
es das Verbum arceier arcoier (= arc-ic-are) bietet ,sich in
Bogen krümmen*; oft von der Lanze in Verbindung mit fraindre
gebraucht; s. Godefroy.
P 566 e no cuh de parlar . i . s’enancei; Tir. 77, V. 11420
e ne cuide parlar cun si aut ai 3 ; 3. Präs. Conj. von enansar.
Als ,nicht ganz sicher* bezeichnet Hentschke die in PL
fehlende Stelle Tir. 475, V. 6844 au tornar se maneit li maire
el mendre. Hentschke sieht darin an eit. Man kann von dieser
Stelle absehen. Ebenso von folgender:
Tir. 233, V. 3765 0 ne fontane ne pouz que non caucei;
P 3095 ni fontaina ni potz que nol causei; L 829 ne fontaine
ne poiz que ne chaucei. Hentschke führt diese Stelle in Klam
mern ein und stellt das Verbum zu calx ,Kalk‘; er rechnet es
nicht zu den -ei-Conjunctiven, wol weil aller Wahrscheinlichkeit
nach calc-ic-are zu Grunde liegt. 4
Also im Ganzen vier Fälle, einer in OPL, einer in OL,
zwei in P; drei der 3. Person, einer der 1. Mag auch wieder
von diesen der eine oder der andere in Abzug kommen (man
kann nämlich fragen, ob sich nicht ascleiar •' oder enanseiar an
nehmen liesse), so bleiben doch ein paar zurück. Darüber
spricht sich nun Hentschke, nachdem er der von Anderen
geäusserten Meinungen gedacht, folgendermassen aus: ,Die
Endung -et* von estrepei ,lcann weder aus Analogie zu seid
(soie) noch durch Uebertragung der Imperfect-Flexion -eie ent
standen sein. Vielmehr beruhen alle jene Formen auf einer
Anbildung an die zahlreichen Verben auf -icare und -igare,
1 K. Müller fasst, jedenfalls irrig, estrepei als Perfect auf.
2 So nach Apfelstedt’s Collation; Hofmann que.
3 Auch diese Tirade wird von K. Müller zu denen mit ei = e in offener
Silbe gezählt; über den verderbten Vers spricht er sich nicht aus.
4 So auch K. Müller:. ,caucei (cciuseiar)‘.
3 Diess scheint K. Müller anzunehmen, der asclei zu e -)- /-Element
rechnet.
Zur Pr&sensbildung im Romanisclicn.
33
z. 13. guerr-oi, oies, oit, oient; otroies, chastoies, ])loies : fabloies,
alloies u. s. w. (franz. auch effroies, annoies, envoies u. s. w.).
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die prov. Conjunctivform
estei auf gleiclie Weise entstand“.
1882. In einer Darstellung der Laut- und Formenlehre
des noch ungedruckten poitevinischen Katharinenlehens führt
Fritz Tendering (Archiv f. d. St. d. n. Spr. LXVII, 310), die
2. und 3. Sing. Präs. Conj. menbreis, menbreist an. Dazu der
Verfasser: ,Sind diese Formen von *meml>rescare abzuleiten?“
Wäre dies der Fall, so gehörten sie gar nicht hieher; sie würden
die üblichen Formen eines Verbums membreissar sein. Es wird
aber kaum Jemand eine solche Bildung, für die kein roman.
Idiom ein Parallelon bietet, annehmen. Der Verfasser hat offen
bar dem -st der 3. Person eine allzugrosse Wichtigkeit beige
messen. Er hat aber selbst (S. 290) bemerkt, dass s, weil be
reits vor Consonanten verstummt, oft vor einem Consonanten ein
geschoben wird: so sosmes (sumus) und mit unserem Falle genau
sich deckend seist — seit. Man wird also nicht anstehen, mem-
breit als die gemeinte Form anzusehen. Membr-eis, -eit könnten
nun allerdings einem Verbum membreicir — memoricare ent
sprechen ; und dann würden sie wieder nicht in den Bereich
unserer Untersuchung fallen. So lange aber eine solche Ab
leitung von memorare nicht anderwärts belegt wird, darf man
der Vermuthung Raum geben, es handle sich um membrar,
dessen Conjunctiv vor tonlosen Endungen -ei- anwendet. Dass
andere poitevinische Denkmäler (wenigstens nach Gförlich’s
inhaltreicher Darstellung) nichts ähnliches darbieten, spricht
nicht dagegen. Unsere Formen treten überhaupt auch in den
Gebieten, wo sie zu Hause sind, meist nur sporadisch auf und
andererseits weist das Katharinenleben keineswegs eine so ein
heitliche Sprache auf, dass nicht Einzelnes aus anderen Gebieten
sich dahin hätte verirren können.
1882. In dem posthumen Werke L. Pannier’s (f 1875)
über die altfranz. Lapidaires ist ein Lapidarium abgedruckt,
das in einer dem Beginne des 14. Jahrh. angehörenden Berner
Handschr. auf uns gekommen ist. Man liest da 335: gor ce mie
ne remaint que de li ne s’aidoient maint; 472 ne seront ja si
Sitzungsber. d. pliil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 3
esc]taufe .. . que ja li facent vilonie ne que pres de lui se tro-
voient (: esmaient); 1050: nunlz ne doubloit (,Niemand möge
zweifeln') que feu ne faice. Also meist beweisende Fälle; das
zweite durch Reim, das dritte durch Metrum. In der Einlei
tung (S. 75) wird vermuthet, der Verfasser gehöre der Cham
pagne an; ,les formes de langage qu’il emploie (par exemple
les subjonctifs de la premiere conjugaison en -oie) ne contre-
disent pas cette hypothese'. 1
1882. Im Literaturbl. für german. und roman. Phil. III,
469 sagt F. Neumann zu Thurneysen’s Arbeit über das Verbum
etre: ,Bei den unter Einfluss von soie, soies, soit durch Analogie
entstandenen Formen hat Thurneysen die Conjunctive auf -oie,
-oies, -oit vergessen, auf welche Förster zuerst hinwies und die
Willenberg richtig erklärte; vgl. auch Suchier, Zs. III. Mit
diesen Conjunctiven lässt sich prov. Conj. Präs, estia (von
estav) vergleichen, das nach Analogie von sia entstand. (Oder
man schuf vielleicht zu stem ein steam, wie zu sim ein siam; -eam
ergab lautgesetzlich -ia, s. avia mia und Gaspary, Zs. IV. 611).
1883. Zu den bisher angeführten Nachweisen kann ich nur
wenige hinzufügen, die ich zum Theile der Freundlichkeit
Cornu’s und Tobler’s verdanke.
Im Joufroi, welches entschieden dem Osten gehört, kommen
zwei Fälle vor: 501 Miel velt niorir ne se venjoit; 4195 si set . . .
que jamais tel seignor n’aura . . . qui tant l’amoit. Im Alixandre
ed. Michelant 501, 25 or li mande . . . que ... ne laisoit. In
einer Urkunde vom Januar 1262 aus Joinville’s Kanzlei, die
N. de Wailly in seiner Abhandlung über Joinville’s Sprache
abdruckte, liest man (E ter 21) ne louercii que nuns antroit en
mes fiez. De Wailly bespricht die Form nicht, die in der
Chronik nicht vorkommt und daher seine Aufmerksamkeit nicht
erregte. Im ancien coutumier de Bourgogne ed. Marnier 2 begegnen
unsere Formen sehr oft, und zwar 2. 3. Sing., 3. Plur.: jevuet
1 Es sei bemerkt, dass die eingeklammerten Worte in Pannier’s Manu-
script nicht vorhanden waren, sondern von G. Paris (wie er mir freund
lich mittheilt) liinzngefiigt wurden.
7 Von der benützten Handschr. sagt Marnier: ,C’est une copie . . . faite
ä la fin du XIV" ou au commencement du XV" siede, mais evidemmeut
prise sur un plus ancien manuscrit 1 . Das Denkmal sei der Aufmerksam
keit der Dialectforselier empfohlen.
Zur Präsensbildung im Komanisclien.
35
que tu le m’amendoie 23. 32; 1 qua tu le m'amenoies 12; (il)
vuet que on li amendoit 8 j je ne vuel pas que tu le m’essuoiez 20;' 2
je ne vuel que on men encuiseynoit 2; li prestres ne li commande
pas que il afoloit la beste 20; si dient li prodome... que . ..
soie[ntj amis comme devant et vers le seignoir s’acordouent, 3
si doivent dire li prodome que il li donoit 27; si disons que tu
juroies 24; lors te jugera on que tu juroies 25; se on t’a ju-
gie que tu provoies 3; li prodom li prient que il li pardo-
noit 27; et (il) lor prierai que il prioient 28; — garde que
tu ne te clamoies 5; — se il avient... que li lous le main-
goit et l'ocie 18; —si est tel l’effaitement: que eil juroit que..
— "!]' proudomes qui le croient taut que il li aidoient ajurez 6;
qui tant le croient que il juroient avec lui 6; qui tant le tiegnent
a vrai que il juroient 23; qui le creoient tant que il li por-
toient tesmoins 6; il est retez de larrecin si que li uns de ses
voisins ou ’ij• le tesmoignoient 23; — se il dient chose qui trop
te grevoit 8; il doit avoir 'ij' de ses voisins qui li aidoient a
desraisniez 18; il d. a. ~if tesmoins qui juroient 5; la prove est
par ses voisins qui li aidoient ajurez 30; que iln’ait de quoi
tu le gagoies 6; se li garans ne puet desraisnier par ses voisins
qui li aidoient ajurez 13; — tu dois parlez ansoit que il par-
loit 2; tu doie dire aincois que il parloient 2.
Auch Verba der andern Conjug., wenn auch weit seltener:
je vuel que on me pregnoit 3; se on te dit que tu le metoies 22;
li monstrent li prodome que il s'en metoit sors prodome 29; je te
proi que tu me le rendoies 13; — se ensi n’est que il se met-
toies 3.
In einer Urkunde zu Gunsten Guillaume’s de Saulx
(1283—1284), abgedruckt in den Mein, de l’Ac. de Dijon,
III. Serie, IV. Bd., S. 134, liest man: ai requis et supplie a
discret . . . home l’ofßcial de Loingres que ses presentes lettres
scelloit. 4
1 Ich citire nach Capiteln.
2 Was bedeutet dieses Wort? Es heisst in diesem Capitel: Se tu laisses
ton naon a moilerece, on le doit garder un ans et un jour et ne le puet
essouer tant que au terme . . . Se tu laisses ta beste a mi-gras et chatel,
tu dois dire: tu ne vien essueras point jusques au terme. 1
3 -ouent verlesen für -oiient oder statt -oient\t
i Hier auch die 1. Präs. Indic.; vgl. am Schlüsse dieser Abhandlung.
3*
36
Mussafia.
In einer Urkunde aus Yverdun vom 22. Mai 1318 (Forel,
Charles comm. S. 55): voulons que ceste lettre se doubloit toutes
fois que ln dicte communaute le requerra. Eben dort, S. 32, in
der Uebersetzung der 1285 verliehenen, 1350 bestätigten Fran
chisen de Moudon unter der Zahl 58: Si aucons fait crier son
mit, il le doit vendre por eil prieus ou per menour. Se il ne le
fait... li Sire le doit contreyndre que il tornoit le dit. vin ou pre-
mier prieus.
1352, 20. October, Urkunde von Arne von Savoyen (ibid.
S. 132) volons que la dite chevauchie. . . non lours portoit. pre-
judi.ee.
Schweizer und Savoyer Urkunden sollen überhaupt von
-oi-Conjunctiven einen ziemlich häufigen Gebrauch machen.
Uebersehen wir die angeführten Stellen, so ergibt sich, dass
unsere Formen fast ausschliesslich in stark dialectisch gefärbten
Denkmälern und in Urkunden, welche ja überall dem Volks
idiome leichter folgen, Vorkommen.
Wenden wir uns nun zu den lebenden Mundarten. Hier
erscheint die -«-Erweiterung vielfach auch in den anderen
Conjugationen.
Dauphine. Die von Lapaume herausgegebenen Ge
dichte (16. —19. Jahrh.) bieten sehr zahlreiche Belege für
Conj. auf -ei. Am häufigsten kommen sie bei Laurent de
Briam/m (16. Jahrh.) vor. In der A-Conjug.: 3. Sing, alei
S. 43, -eit 32; atrapei 103; blamey 217; ehoquei 31; debloussei
,arrache‘ 33; eidei 23; eitofei 22; gourmandei 31; intreit 84;
levei 32; marchei 33; monsseieit ,appellc monsieur'; outragei 31;
osei 32; pensei 54; portei 83; quaquei (von caeare) 30; trovei 32.
3. Plur. treiteyon. In den anderen Conjug.: correi 25; fazei 33;
teney 377.
Bugey. Bei Onofrio: 3. donei 416.
Tarantasie. Bei Pont S. 43: Vä miü touä lo djiable ket
lo djiable vo toua'i.
Zur PrüsensbilduDg im Romanischen.
37
Valsoana. Nach Nigra (Arcli. III, 9. 16. 22. 47): portoj,
portej, portejt *, portejde, pdrtont; cdejt, alejde, alönt; tinoj,
tinej, tinejt' 1 , tinejde; heoj ... beejt, beejde, beönt; liejt, liejde,
linnt. 3 Esse: soj, sej, sejt, sejde, sont. Habere: dj, ej, ejt,
ejde, ont. — -oj wird als Anbildung an oj — liubeam (duia;
,e un o = au [av] da ab 1 ) erklärt; und ebenso -ej, -ejt ange
bildet an ej = habeas, ejt — liabeat, wo o = au wie pri
märes ö (das e ergibt) behandelt sein soll.
Aosta. Nach schriftlicher Mittheilung Ascoli’s. Von ihm
selbst gehört; Aosta: 3. ke passeje, ke zanteje. Fenis: Ic’il
paheju ,che egli passih Aus Drucken: que te m’inviteyes Alm. 1
133, qu’i passeje Rep. 70. Esse: sie Rep. 69. Impf. Indic.
peccaves Alm. 131.
Valais. Mundart der Gemeinde Vionnaz (Bas-Valais)
nach Gillieron: tsat-dye, dye, dye, dye h , dya, dyö. — Esse: ,say<i
existe, mais cst du probablement au francais so/s; il est tres
rarement employc'. Wahrscheinlich nimmt dessen Stelle das
Impf. Conj. ein. — Impf. Indic. hat -äv-, beziehungsweise -ev-.
Auch in den anderen Conjug.: devaye, valdye, weldye (,dass ich
wolle'); veddye (von vendere), beväye, lezäye, didye, selbst dreme-
sdye neben dremese.
Gillieron erklärt -ay- der A-Verba folgendermasscn: ,La
diphtongue ai, que nous ne devions trouver qu’ a la seconde
personne du pluriol (cantetis), a envahi tout ce temps'.
1 Die 1. Plur. wird uiclit angegeben. Soll aus dem Umstande, dass in der
Anm. zu S. 25 diese Person in allen Tempora, mit Ausnahme dos Präs.
Conj. angegeben wird, der Schluss gezogen werden, dass sie mit der des
Indic. gleichlautend ist? Dann hätten wir portin, tinen, dizen; sen, en.
- teneat wird S. 16 mit tinijt, S. 47 mit tjinet wiedergegeben; teneant nur
S. 47 mit tjinont.
3 Eigentümlich, dass die 3. Plur. bald den Accent auf dem Stamme —■ por-
tnnt, liqnt — bald auf der Endung — alont, beönt — trägt. Möglich
dass die ersteren Formen auf pirtent, legant (-ent und -ant zu -unt) zu
rückgehen. Die 3. Plur. scheint demnach sich der Vorrückung des
Accentes entziehen zu können.
4 Ueber diese Abkürzungen siehe Arch. UI, 68.
5 Das -e der 2. und 3. Sing., 1. Plur. ist mit dem Acutus bezeichnet; ich
liess das Zeichen weg, da ich es zur Angabe der Tonstelle gebrauche.
38
Mussafia.
Mundart von Saint-Maurice, nach Melanges 534: e fau
que ye me levaye.
Vaud. Vorerst das (welcher Quelle entnommene?) Para
digma bei Förster (s. oben), das hier wiederholt werden mag:
am-eyo, eye, eye, eyan, eya (eyi), eyan.
Ferner schreibt mir Cornu: In meiner Mundart — Villars-
Mendraz, Jorat — conjugiren wir fblgendermasscn das Präs.
Conj. der A-Conjug.:
ameyu, ameye, ameye (-ay), ameye, ameyi (-eya, eye), eya.
Esse: seyov, seye, seye (say), seye, seye, seyä oder eteyou, eteye,
eteye, eteye, eteye, eteyä.
Weiter berichtet Cornu: Im Rhönethal, z. B. in der Mund
art von Aigle, sind ähnliche Formen vorhanden. Meine Ex-
cerpte aus l’Agace, einer Zeitung, welche eine Zeit lang in
Patois erschien, geben mir:
1. Sing, vacontayo; 3. Sing, einnortzai ,ensorcelleb roudzai
,ronge‘, tzantai; 3. Plur. bonnaion ,reposent‘, vom Obste,
amaion, perhiayon ,percent', portayon. Dazu: 2. Plur. sayait,
3. Plur. sayon.
Montreux, nach Melanges 542: ne su pas diyno qu’on me
nommai, appellai.
Freiburg. Nach Haefelin, der drei Hauptmundarten
unterscheidet:
I. plyor-Eyu, eye, eye, eyem, eye, eyan 1
II. plynr-e, e, ü, dm, i, an
III. plyor-B, S, ii (ei), dm, i (&), an
Aus einer Sammlung von Liedern aus der ,Gruyere
Friburgeoise' entnimmt Cornu (Roman. IV, 238) dieselben Formen
wie in III (3. Plur. nur -ey; 1. Plur. -an). Ferner theilt mir
Cornu aus dem Pays d’Enhaut (Haute-Gruyere der alten Graf
schaft) folgendes Paradigma mit, das in der 1. und 3. Sing.
1. Plur. von III. abweicht: tsarit-q, e, di, an, i, an.
Esse: I. sac-u, e, e, am, i, an
II. se, se, seye, sam, st, san
III. Se, se, Se (Sei u. and. Varianten), Sam, Slde (Sede, Si.), San.
Impf. Indic. hat -av-: plyor-ävu, ave u. s. w.
1 Für allä werden auch folgende, denen von II., III. näher stehende Formen
angegeben: 2. und 3. e; Plur. -am, -t, -ein.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
39
Wie sind die Formen des Sing, in II. III. zu beurtheilen?
Dass dev Stamm tonlos ist, beweist die Gestalt des Vocals (o,
nicht d); ist aber e = 4m, es, et? Schwerlich; vielmehr spricht
der Conjunctiv von esse dafür, dass diese Formen aus früheren,
die jenen von I. entsprachen, zusammengezogen sind.
Für die anderen Conjug. kennt das Friburgische keine
-ety-Conjunctive.
Ncufchätel. Nach Ilaefelin in der Zeitschr. für vgl.
Sprachf. XXI, 524. Von den fünf Gruppen, die der Verfasser
bei den Mundarten dieses Cantons unterscheidet, hat I. die
klarsten Formen:
cänt-eye, eye, eye, eye, eye, eye
Was die anderen Gruppen betrifft, so vermag ich bei dem
Umstande, dass die Tonstelle nicht bezeichnet ist', nicht überall
den wahren Sachverhalt zu erkennen. So würde ich in II. die
1. Sing, ('ante als stammbetont ansehen, aber m (je (,dass ich
esse‘) macht mich unschlüssig.
Esse: seye, seye, sSyu, seye, seye, 2 seye
Impf. Ind.: -äv- (-ev-).
Doubs. Für das ,patois des Fourgs' gibt Tissot folgendes
Paradigma an:
tsant-äiou, die, . . ., äia, di, dion
3. Sing.: tsanta; wie betont? Wenn auf dem Stamm, so ist
dies sehr bemerkenswerth. Esse: sdiou, sdie, sdie, sdia, säi,
sdion. Impf. Indic. -aiv-,
Audi in anderen Conjug.: ßgn-diou, die 3 , die (also anders
als in der A-Conjug.), -dia, -die*, -dion. Dann neben 1. devou,
2. de de, die wohl den Stamm betonen, 3. devdie, Plur. -dia, di,
dion. 5 Man bemerke auch rendou, rende, vende, renda, renddi,
1 Ein Ersatz dafür wäre, wenn der Verfasser statt cantare ein anderes
Verbum gewählt hätte, dessen Staminvoeal jo nachdem er betont oder
tonlos ist einen verschiedenen Laut annimmt.
2 Wie betont 1. und 2. Plur? da hier e, in den anderen Personen e an
gegeben wird.
3 b bezeichnet nicht die Tonstelle.
4 Wohl nur graphische Variante gegen tsantai, devai.
5 Tissot druckt -ont-, jedenfalls nur graphisch von -on verschieden.
40
M u s s a f i a.
rendon; die vier ersten und die letzte Form sind aller Wahr
scheinlichkeit nach stammbetont; rendai entspräche *rendetis
st. rendatis.
Im Glossaire du Morvan S. 921 führt de Chambure als
Conj. von vni die Form veune an mit der Bemerkung: ,Les
anciens du pays disent encore au subj. 1. 2. vnd, 3. vne‘. Man
wird wohl nicht venidm zu Grunde legen, sondern es liegt
jedenfalls auch hier eine frühere Form auf -ei-, -ai-, zu Grunde.
Es sei noch an Courtisols (Marne) erinnert, über dessen
Mundart Schnakenburg S. 35 nachzusehen; ibid. 279 liest man:
Y faut que dze me levaye et q’dz alaye.
Uebersehen wir nun die angeführten Fälle, so werden wir
leicht gewahr, dass die Erscheinung so ziemlich auf jenes Gebiet
sich erstreckt, das Ascoli als franco-provenzalisch bezeichnet.
Daher hielt ich mich bei der Besprechung der Fälle aus neueren
Schriften und lebenden Mundarten an die geographische Reihen
folge Ascoli’s. Champagne, Burgund (Lothringen; darüber
später) haben oi‘; von Lyon an erscheint ei (oy). Dass die
Schweizer Urkunden oi aufweisen, ist wohl auf Rechnung lite
rarischer Tradition zu setzen. Ferner sehen wir, dass die Er
scheinung in erster Linie die A-Verba betrifft; tritt sie uns bei
anderen Verben entgegen, so ist analogische Ausdehnung des
Gebrauches auch auf andere Fälle anzunehmen.
Woher nun dieses -ei-, -oi-? Die Imperfectum Theorie hat
am wenigsten für sich; es ist schwer abzusehen, wie eine der
artige syntactisclie Verschiebung der Bedeutung stattgefunden
hätte. An eine Form-Anlehnung ist ebenfalls kaum zu denken;
von wo aus hätte sich der Anstoss dazu ergeben? Und gegen
beide Annahmen spricht dann (wie, wenn ich seine Darstellung
gut gedeutet habe, schon Förster meinte) der Umstand, dass
auch dort, wo das Impf. Indic. -aba- rettete, dennoch -ef'-Con-
junctive bei A-Verben Vorkommen.
Bestechend ist Gillieron’s Ansicht. Cant-etis ergibt -ei-;
und diese Endung ergreift alle anderen Formen. Damit würde
übereinstimmen, dass Amis et Amiles für die 2. Plur. -oiz ge
braucht (doignoiz, selbst wolloiz). Ist aber diese Theorie überall
Zur Präsensbildnng im Romanischen.
41
anwendbar? Der burgund. Girart liat z. B. nur -ez (-iez) und
diese Endung ist doch die in altfranz. Texten bei weitem vor
wiegende. Lassen sieb dann die Freiburger Mundarten (II. III.),
welche in der 2. Plur. 4 haben, damit in Einklang bringen?
Eindringlicher Berücksichtigung würdig scheinen mir die
zwei noch übrigen Theorien; jene, welche Anbildung an die
4c-Verba, und jene, welche Anbildung an einen sehr geläufigen
Conjunctiv, zunächst an den von esse, annimmt.
Ich gestehe, dass, da es in erster Linie das Ladinische war,
durch welches ich mich schon vor vielen Jahren zur Unter
suchung unserer Frage angeregt fühlte, ich lange Zeit hindurch
der Meinung war, im franz. entroit und gredn. fladeiq sei —
trotz der Beschränkung des franz. Vorganges auf den blossen
Conjunctiv — unbedingt die nämliche Erscheinung zu erkennen.
Ich habe daher die Darstellung bei Hentschke, welcher Diess
zum ersten Male öffentlich aussprach, mit lebhafter Freude
begrüsst. Und dennoch bin ich jetzt aus mehr als einem
Grunde in meiner Ansicht einigermassen schwankend geworden,
wenn ich auch weit entfernt bin, sie vollständig aufzugeben.
So lange ich nämlich glaubte, die Form fladeif ohne weiteres
auf ein flat-icat zurückführen zu können, stand ich nicht an,
auch entroit — entr-iket anzusehen. Seitdem ich mich aber
überzeugt habe, dass eine solche so einfach scheinende Auf
stellung einer hypothetischen lat. Form doch nur auf Schein
beruht, dass an eine derartige Erklärung des Vorganges, welche
ihn in die Zeit der Sprachbildung zurückverlegen würde, nicht
zu denken ist und vielmehr Alles auf Rechnung der Analogie
innerhalb des Romanischen gesetzt werden muss, sind mir
Schwierigkeiten in den Weg getreten. Dazu kommt, dass nicht
alle mir seitdem bekannt gewordenen Fälle durch die -tc-Theorio
(man gestatte mir diese kurze Bezeichnungsweise) ihre Er
klärung finden. Man sollte eigentlich meinen, dass die tonlosen
Endungen darüber Aufschluss geben sollten, ob Formen der
A-Conjug. (speciell von -icare) oder von den anderen (hier von
esse) als Muster dienten. Im Ital. Span. Rumän. wäre diess
wohl der Fall; im Franz, aber erweist sich leider dieses Er
kennungsmittel als wenig tauglich. Nicht bloss die 3. Plur.
-ent und -mit fielen von jeher zusammen, sondern auch in der
3. Sing., welche die bei weitem zahlreichsten Beispiele liefert,
42
Mu ssafia.
hat esse (von vorneherein oder schon frühzeitig) seit, das also
keine Unterscheidung von -eit = iket gestattet. Und umgekehrt
hat die 2. Sing, der U-Coiijug. ziemlich frühzeitig -e- erhalten,
so dass wieder -oies = ikes und soies zusammenfallen. Es bliebe
nur die 1. Sing.: -ei -oi schiene entschieden für -ikem, -eie -oie
entschieden für siam zu Sprechern Nun aber ist diese Person
nur aus wenig Denkmälern zu belegen. Yzopet hat -oie, diess
zwingt aber nicht, siam als Muster anzunehmen, da zur Zeit
der Abfassung des Yzopet analogisches -e vielfach hinzugetreten
war. Girart de Rossilho hat estrepei; diess zwingt aber, wie
wir später sehen werden, nicht, -ikem als einzig mögliche Quelle
anzusehen. Dass die neuen Mundarten in dieser Richtung keine
Hilfe gewähren, braucht kaum gesagt zu werden. Unter solchen
Umständen scheint es überhaupt sehr schwer, eine Entscheidung
zu treffen. Es mag indessen bezüglich beider Ansichten das
Für und Wider erwogen werden. Sehr wichtig ist hier die
principielle Frage, ob sich Analogiewirkung schon dadurch er
klären lässt, dass eine häufig vorkommende Form ohne irgend
einen weiteren Beweggrund andere Formen zu modificiren ver
mag, oder ob nicht irgend ein Moment nachgewiesen werden
muss, das zur Anbildung den Anstoss gab. Mit anderen Worten:
genügt es zu sagen, nach soie soies soit soient wurden port-e por-
tes port portent zu portoi-e, es, t, ent? Die mächtige Anziehungs
kraft eines Verbums wie esse wird man leicht zugeben; aber
fragt man sich da nicht mit Recht, wie es denn komme, dass
gerade die Verba der ,4-Conjug. einem solchen Einflüsse unter
worfen waren und die der übrigen (wenigstens in der ersten
Anlage) davon verschont blieben? Ist es nicht auffallend, dass
estre soit nur porter port und nicht vendre vende ergriffen habe ?
Was nun -ic- betrifft, so scheint hier die Sache leichter zu gehen;
nur kann man in Ungewissheit sein, auf welche Art -oi- seine
Expansionskraft ausgeübt habe. Für ital. Mundarten glaubte
ich annehmen zu können, ein geläufiges Suffix sei vor tonloser
Endung ohne weiteres benützt worden, um der Form eine grös
sere Körperlichkeit zu geben und den Stamm seines Accentes
zu entledigen. Nur ist hier das Material so spärlich, dass es
mir nicht möglich war, nachzuspüren, ob nicht vielmehr laut
liche Anlehnungen bestimmend oder wenigstens mit im Spiele
waren. Im Ladin. Tirol’s und im Lüttich., wo das ganze Idiom
Zur Präsensbildung im Romanischen.
43
zur Untersuchung vorlag, glaube ich, es sei mir gelungen, nach
zuweisen, dass es sich nicht schlechtweg um Anwendung des
Suffixes als solchen, sondern um das Ergebniss von stufenweise
auf einander folgenden lautlichen Anpassungen der Formen
handelt. Wie soll man im Franz, urtheilen? Genügt es zu
sagen: die zahlreichen Verben auf -oi- zogen unmittelbar alle
anderen M-Verba an, so dass nach otroit guerroit festoit sich
povtoit chantoit entvoit u. s. w. modelten, oder ist ein lautliches
Moment thätig gewesen ? Für die paar Fälle im zehnsilbigen
Girant de Rossilho wäre z. B. ersteres gar leicht annehmbar;
imgezwungen licsse sich, bei der Bedeutung von algnr und
estrepar, ein Vergleich zwischen estvepei und abruzz. ggcleje
anstellen. Geht dicss aber für die ganze Masse der A-Verba
an? Lässt sich da behaupten, die Sache verhalte sich da so
einfach, wie wenn z. B. im Ital. aus passeggio corteggi sich auch
canteggio porteggi entreggino entwickelt hätten? Unmöglich
ist diess nicht, und dennoch will mich diess nicht überzeugen
und ich kann da nicht umhin, zu fragen, ob nicht auch liier das
i, welches in tonloser Silbe lat. -ic- entspricht, eine bedeutende
Bolle gespielt hat. Wenn Förster’s Paradigma für Yzopet: am-
oie, oies, oit, 'ions, ’iez, oient richtig wäre, dann wäre so ziemlich
Alles in Ordnung; wie neben otri-ons, -ez sich otroi-e, es u. s. w.
findet, so bildete man zu ami-ons, -ez ein amoi-e, -es u. s. w.;
immer unter dem doppelten Streben der Sprache, Conjunetiv
von Indic. zu scheiden und in allen Formen tonlosen Stamm
zu erhalten. 1 Nun aber kann ich weder im Yzopet Conjunctiv-
formen auf ions, iez finden, noch scheint es mir rathsam, von den
so späten Conjunctivform.cn auf -ions -iez auszugehen. Es sei
indessen, um keine Möglichkeit zu übergehen, gefragt, ob nicht
die Formen mit -iens in Anschlag zu bringen sind. Der älteste
-ot-Conjunctiv scheint Joinville’s entroit zu sein; Joinville aber
gebraucht entriens gegen früheres, gleichzeitiges und viel späteres
entrons; könnte man nicht da die Proportion entroit : entriens
— otroit : otriiens (otrlens) annehmen? Freilich muss man sich
da über den Umstand hinaussetzen, dass i in entriens keinen
sillabischen Werth hat, während diess in otrlens der Fall ist.
1 Das einzige Bedenken, dass man bei solcher Annahme nur von der einen
Form otvions ausginge und die eben so berechtigte und eben so häufige
Form otroions ganz ausser acht Hesse, würde kaum von Belange sein.
44 Mussafia.
Diess scheint mir nun kein unübersteigliches Hinderniss zu sein.
Verhält es sich so, dann kann man auch eine andere allge
meinere Erklärung geben. Das parasitische i machte sich
geltend. Wir sagten es: schon im Indic. zog otrier otroie nach
sich estudier estudoie, contralier contraloie; dann führten auch,
mit Beschränkung auf den Conjunctiv, otrier otriez otroit zu
laissier laissiez laissoit. Später folgten die Verba mit reinem
-er: joortoit trovoit u. s. w. Wir würden also überall die Vor
gänge haben, welche wir oben für das Lüttich, (und zwar hier
auch für den Indic.) mit ziemlicher Sicherheit constatiren
konnten. Die Deutung durch -iens würde einerseits den Vor
theil bieten, dass die Erscheinung von vorneherein auf den
Conjunctiv beschränkt wäre, andererseits dadurch im Nach
theile sein, dass eine locale Form zur Erklärung eines allge
meinen Vorganges benützt würde; die Berufung auf das para
sitische i passt so ziemlich für das ganze Gebiet und hat nur
das gegen sich, dass man dann auch für den Indic. ein laissoi
laissoies u. s. w. erwarten würde. Indessen dem ist leicht
durch die Bemerkung zu begegnen, dass die lautliche An
bildung an sich zu schwach war und nur durch den hinzu
tretenden Differcnzirungstricb die zur Erzielung des Ergebnisses
nöthige Kraft erlangte.
Wie man sieht, ist meine — vielleicht zu strenge —- Ein
schränkung der -ic-Theoric nur auf jene Denkmäler und Gebiete
anwendbar, in denen 1. parasitisches i vor e aus a sich ein
findet, 2. lat. -ic, roman. -ei, vor dem Tone zu ii, i wird. Für
fast alle älteren Belege lässt sich diess ohne Weiteres annehmen.
Ob aber für die neueren Mundarten, kann ich nicht angeben,
wie denn überhaupt letztere wegen des quantitativ und quali
tativ nicht immer genügenden Materials jeder allseitigen, nicht
bloss einzelne Belege sammelnden Untersuchung grosse Schwie
rigkeiten darbieten.
Von den älteren Belegen scheint mir nur der zehnsilbige
Girart de Rossilho die zwei aufgestellten Bedingungen zu ver
weigern. Will man nun hier nicht (wie oben schon versucht)
die laxere Ac-Theorie anwenden, — was mir übrigens noch
immer als das einfachste erscheint — dann muss man freilich
nach der anderen Erklärung greifen, und Anlehnung an einen
geläufigen Conjunctiv annehmen; dieser wäre aber nicht seie,
Zur Präsensbildung im Roitianisclien.
45
sondern estei. 1 Wie estar estei so alcar alcei, estrepar estrepei;
ein ff-Verbum beeinflusst die anderen M-Verba; eine zweisilbige
Form bringt eine zwei-(mebr-)silbige Form hervor. Ich glaube
keine Indiseretion zu begeben, sondern vielmehr eine Pflicht
zu erfüllen, wenn ich hier, briefliche Mittheilungen benützend,
erwähne, dass Cornu im ameyou seiner Mundart eine Anlehnung
an seyou und eteyou erblickt, und dass Ascoli, der vornehmlich
die Schweizer und Savoyer Belege in’s Auge fasste, ein beson
deres Gewicht auf stare legt, das Dank seinem prostetischen e
die analogische Bildung wesentlich fördert. Es wäre daher
überaus wichtig, die Gränzen des esiet-Gebietes genau zu be
stimmen und zu untersuchen, ob nicht irgendwo beide Erklä
rungen (durch -ic- und durch Conjunctiv von stare) den Vor
gängen der betreffenden Idiome entsprechen.
Doch, als ob der Deutungen und Schwierigkeiten nicht
genug wären, haben wir noch der Ansicht Nigra’s Erwähnung
zu thun. Er sagt: portoj aloj, auch soj, folgen oj = haheam 2 .
1 Auch Hentschke hat estei, und zwar im Zusammenhänge mit guerrei er
wähnt. Er drückt sich so kurz aus, dass es nicht ganz deutlich erhellt,
wie er diess meint. Wenn er estei und estrepei als parallel laufende
Anbildungen an guerrei ansieht, so kann ich mich damit nicht einver
standen erklären. Ein (ital. ausgedrückt) steggi, wo eggi — icet wäre,
dürfte Niemand als zulässig anselien. Ich würde ihm aber gerne bei
stimmen, wenn er die Sache folgendermassen beurtheilt. Die übliche Form
ist esteia (angebildet an sein; letzteres statt sin — *siam; i = e und i
hiatustilgend? Einmischung von serteam? Anlehnung an aia?), daneben
vielfach estei. Wie zu erklären? Diez sagt: ,aus este (stem) erweitert. 1
Man muss fragen: wie erweitert? phonetisch etwa wie mei, tei'i oder
morphologisch? und wenn letzteres, durch welchen Einfluss? Ich deute
es so. Die Sprache hat das Bewusstsein, dass die 1. uird 3. Sing, des
Präs. Conj. kein -a am Ende hat: clam, perdo, guerrei; das a von estar
esteia erscheint ihr anomal und sie wirft es ab, so dass nun die ent
sprechende Form dieses A -Verbums ebenso lautet wie autrei, guerrei
u. s. w. Die Sache liegt demnach ganz anders als bei estrepei. Hier
fragt man, was ist-ei zu estrep-1 dort, wie wurde esteia zu estei? Letztere
Frage ist von der, die uns beschäftigt, ganz unabhängig. Von unserem
Standpunkte aus haben wir nur zu sagen: Nach der -Ic-Theorie ist
estrepei gleichsam strep-ilcem und estei hat damit nichts zu schaffen; nach
der Conjunctivtheorie ist estrepei an estei (möge dieses wie immer ent
standen sein) angebildet.
2 Auch -ebam ergibt -oj. Eine Erklärung gibt Nigra nicht. Wenn Tkurn-
eysens Erörterungen übor Einfluss des Präs. Conj. von esse auf Impf.
46
Mussafi a.
ej — liabeas, ejt — habeat wird dann nur für portej portejt, beej
beejt in Anspruch genommen, nicht aber für sej sejt, die selbst
verständlich aus sia[s] siat sich leicht ergeben. Der Umstand,
dass sich die 3. Plur. ant (hdbeant) nicht mit portont beörit
decken, flösst Bedenken ein. Leichter erschiene portoj portej
portejt portont mit soj sej sejt sont zu vergleichen und für soj
allein Anlehnung an oj anzunehmen. 1 Wir würden also an
den Conjunctiv von esse gewiesen werden. Ob auch in Valsoana
der erweiterte Conjunctiv zuerst bei den /I-Verben und erst dann
bei den anderen sich einfand, ist nicht zu bestimmen. Sollte
er in allen Conjug. zu gleicher Zeit zum Vorschein gekommen
sein, so verschwände unser wichtigstes Bedenken gegen *siam.
Ist estoj dem Valsoanischen unbekannt?
Bevor wir die -ei-(-oi-J-Conjunctive verlassen, ist noch daran
zu erinnern, dass im Yzopet einige Belege für 1. Präs. Indic.
zu treffen sind: j'amois 1322; gardois 1479. 3841; maingois 1987.
Förster hebt sie durch ein , wichtig k hervor. Man kann da
parallele Bildung zum Conjunctiv erblicken — wie wir sie an
einzelnen Stellen der Geste de Liege vermutlieten — oder bei
der Seltenheit der Form und beim Fehlen der anderen drei
Personen annehmen, der Indic. habe sich aus dem Conjunctiv
entwickelt; wie zir Conj. otroxe otroit ein Indic. otroi, so zu amoie
ein amoi. Das -s wäre mit dem von ois (liabui) zu vergleichen,
also kaum etwas mehr, als ein graphischer Zusatz; Anlehnung
an vois wäre möglich, ist mir aber nicht wahrscheinlich.
Auch in den Urkunden zur Geschichte des Hauses Saulx-
Courtivron ein paar solche Fälle. So in der oben citirten Ur
kunde: acquictoy S. 132, quitois S. 134, dann ouctroyois (1389)
S. 156. Also wie es scheint, in stehenden Formeln.
Und nun zu den Conjunctiven auf -oisse, -oisses, -oisse, -oissent
(auch -oise, -oice geschrieben), die im Altlothringischen be-
Ind. der II. bis IV. lat. Conjug 1 . überzeugend wären, so könnte man hier
einen neuen Beleg dafür finden. Könnte man nicht eher eine parallel
laufende Modification von -ej zu -oj annehmen?
1 sont = sint ist wohl = sunt; oder ist *siant *siunt zu seiont und dieses
zu soiont- sö[i]ont geworden. So erklärt wenigstens Nigra -ebant (eigent
lich -ebunt); eiont 6[i]ont mit, während er sich über sont und die 3. Plur.
portont beont u. s. w. nicht ausspricht.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
47
gegnen. Willenberg (S. 441) verweist auf Hiob 324, 27: 1. Pers.
manjoise ,eine offenbare Analogie zu voise 1 . In der Guerre de
Metz kommt nur ein Beispiel vor: 3. Pers. orvigne avant et si me
mostroice. Dazu Bonnardot (S. 453): ,Outre la derivation nor
male . . . la langue de Metz affecte la desinence du subjonctif
de deux manieres differentes, en adjoignant au thfeme les desi-
liences -ce et -oise‘. Er erklärt die erste durch iVoc. (fierce,
ressoice; dann durch Analogie: messe, quierce, und aus der A-
Conjug. envoice). Betreffs der zweiten sagt er: ,L’autre desi
nence . . . tres frequente dans les textes du XIY e siede . . .
a fini par evincer la premiere. Comme eile, eile se rencontre
de prbference dans les verbes, oü eile n’est cependant entree
qu’en vertu de 1’analogie; -oice -oisse, derive de -escam, subj.
des verbes dits inchoatifs en -escere, se plait surtout k la l re
conjugaison. L’exemple unique fourni par le pofeme ne serait
pas concluant a lui seul, si les Chartes et le Psautier n’appor-
tassent de nombreux temoignages de cette preference, qui s’ex-
plique par le desir d’unifier les desinences des diverses con-
jugaisons pour le mbine temps. Ainsi . . . lat. donet a produit
. . . dont . . . modifie par analogie aux autres conjugaisons en
donge[t] donoisse[t], cette derniere forme etant d’ailleurs celle
qui reproduit le theme avec le plus de fidelite 1 . Alle Formen
des Psalters sind dann von Apfelstedt in der Einleitung zu
seiner Ausgabe gesammelt worden. Vorwiegend in der X-Con-
jug., aber auch in den anderen, selbst in der inchoativen: ve-
oisse, mettoisse, esjoissoisse. Apfelstedt ist mit Bonnardot’s
Deutung nicht einverstanden, und zwar aus zwei Gründen:
1. Die Form ohne ss ist die frühere; 2. sie findet sich bloss
bei der ersten Conjug. und ist erst durch Analogie auf die
übrigen übertragen. Der Grund zu der lothringischen Erwei
terung von -oi- zu -oiss- ist ihm dann klar: ,a) der Differenzirungs-
trieb: Präs. Conj. und Impf. Indic. waren nicht mehr zu
unterscheiden; ß) für die 3. starke Conjug. konnten einwirken
die Formen von cognoscere und crescere‘. Zu a) wäre zu be
merken, dass Differenzirungstrieb zwischen Formen verschie
denen Modus und verschiedenen Tempus sich kaum bethätigt; wie
denn auf den anderen Gebieten, welche -oi-Qonjunctive kennen,
die Sprache an der Identität mit dem Impf. Indic. sich nicht
stiess. Indessen ist dieser Einwand nur von geringem Belange,
48 Mnssafia.
denn eine sprachliche Neigung kann seihst unter vollkommen
gleichen Verhältnissen auf einem Gebiete sich stärker zeigen
als auf dem anderen. Zu ß) sei bemerkt, dass wenn man
für die zwei Verba 1 , deren Perf. der -wi-Glasse angehört
— movoir recoivre — etwas Specielles in Anspruch nehmen
will, dies der von Apfelstedt selbst vertretenen Ansicht wider
spricht, dass die ganze Erscheinung zuerst innerhalb der A-
Verba vor sich ging; dass mit anderen Worten clicintoie chan-
toisse schon eine Weile da waren, und sich erst daraus movoie
movoisse entwickelten. Oder soll man die Ansicht modificiren
und Folgendes sagen?: zuerst chantoie, dem nachgebildet movoie
recevoie; letztere erhalten dann, und zwar durch Einfluss des
Perf. und Parte., die Erweiterung zu o/.sse; wie connui conneu
connoisse so mul meu movoisse statt movoie; -ots.se wird endlich
allgemein als Nebenform von -oie gebraucht. Ich theile, wie man
gleich sehen wird, diese Ansicht nicht, glaube aber doch be
merken zu sollen, dass wer sie verträte, eine Stütze in dem
Umstande finden könnte, dass Am. Am., Yzopet, Girart in
Alex, und Vegetius, die kein -oi- bei anderen Verben als bei
denen der A-Conjug. kennen, auch die Nebenform -oisse nicht
besitzen.
> Apfelstedt sagt mit Bezug auf die Präsentia: ,für die 3. starke Conjug.“
wie er überhaupt bei der Darstellung des Präsens von einer I. II. III.
schwachen und einer I. II. III. starken Conjug. spricht. Es sei mir ge
stattet, diese Gelegenheit wahrzunehmen, noch einmal hervorzuheben,
wie sehr es wünschenswerth wäre, dass eine derartige eher verwirrende
als nützliche Unterscheidung vollständig aufgegeben werde. Es gibt
nur zwei Präsensformen: eine für die d-Conjug., eine für die anderen;
ob bei letzteren Conjug. Perf. und Parte, stark oder schwach seien, hat
auf das Präs, keinen Einfluss; alle Erscheinungen im Präs, sind ledig
lich lautlicher oder analogischer Natur; set (sapit) ist ebenso wenig eine
starke Form wie etwa perl (paret von parare)■, regoive (recip-am) ist
ganz so gebildet wie desoivre (de-sep'ralj, mueve wie prueve: vueille und
das Subst. fueille decken sich bis auf den Anlaut ganz genau, und das
Vorkommen des ableitenden e (*voleam) kann doch nicht als ein Merk
mal starker Bildung angesehen werden. Mit anderen Worten: dass
perdere videre mittere movere ihr Perf. auf verschiedene Weise bilden,
hat auf das Präs, nicht den geringsten Einfluss; es könnten zufällig
alle diese Verba ihr Perf. schwach oder nach einer und derselben Classe
stark flectiren; das Präs, würde dennoch dieselben Formen aufweisen,
d. h. die Endungen sind überall gleich und die Gestalt des Stammes
wird durch die Lautverhältnisse bestimmt.
Zur Priisensbilthing im Romanischen.
49
Zu Apfelstedt’s Erörterungen fügt Förster Einiges hinzu:
betreffs des Materials ,vielleicht manjoise manjoust (= -oist) in
liiolb; betreffs der Deutung sieht er als eine andere Möglich
keit Anbildung an voise (dial. voisse) an; also, wenn auch weniger
entschieden, wie Willenberg. Diese Yermuthung hat wenig für
sich; nicht so sehr weil man zur Nebenform mit -ss- greifen
muss (voise ist selbst eine Nebenform, die eine starke Concur-
rentin an der Bildung aus al- hat), sondern weil man sich
umsonst fragt, wo denn die nähere spinta analogica (um mit
Ascoli zu reden) läge.
Ebenso wenig wie Apfelstedt kann ich mich mit Bon-
nardot’s Erklärung aus -escavi befreunden. Sie ist dessbalb
nicht haltbar, weil man nicht ein einziges Verbum, von welchem
der angegebene analogische Vorgang ausgegangen wäre, nach-
weisen kann. Wo ist in der Tkat das franz. Verbum, welches
einen silbebildenden primitiven Stamm -f- -esc- aufwiese? *Flor-
esc-am ist floriscam; crescam entspricht der Formel nicht genau.
Uebrigens scheint Bonnardot, wie wir gleich sehen werden,
seine Meinung aufgegeben zu haben.
Indessen lässt sich -oice -oisse (immer vorausgesetzt, was
zweifellos erscheint, dass es eine secundäre Form von -oie sei)
in sehr einfacher Weise als eine der zahlreichen Bildungen
mit -ce erklären, welche im Nordosteil begegnen. Wie z. B.
im lotkr. Gregor über Ezechiel ed. Hofmann freies renece hu-
melice, so wohl auch otroice guerroice und eben so amoice abitoice.
Hiob’s -oust, d. b. -oist, deckt sich dann genau mit warst =
warcet, freist — preicet u. s. w.
Verwendung der Inchoativilexion ist für eine andere
Conjunctivbildung behauptet worden. In picardischen und
wallonischen Denkmälern begegnet man nämlich vielfach einem
Präs. Conj., vorerst der A-Conjug., in welchem vor den ton
losen Endungen sich -ech- (-ec-) eingeschoben findet. Der
erste, der darauf aufmerksam machte, ist meines Wissens A.
Scheler in seiner Recension des Livre des mestiers ed. Michelant
(Jahrb. XIV, 441). Es finden sich da folgende Belege: quelle
char voles que je vous acateche?; di au fevre qu’il metche le
cheval les broies ains qu’il ne[l] bouteclie ou travail; a ben a
faire qu’eile wangueche; il faurra qu’il le boyve meismes (sein
Sitzungsbor. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 4
50
Mussafia.
schlechtes Bier) ou que le geteche devant les pourchiaus. Nicht
ganz sicher ist: Colins, li foulons, sceit bien fouler un drap, si
que je voel qu’il me fouille che (vom Hg. in zwei Wörtern
getrennt, von Scheler als eines angesehen) 1 . Scheler fragt: ,Ist
diese Inchoativform schon irgendwo besprochen worden?
Zehn Jahre später hat Bonnardot zur oben citirten Stelle in
seiner Ausgabe der Gruerre de Metz, wo er -oisse = -escam an
nimmt, folgende Anmerkung hinzugefügt: ,Cette terminaison
est d’autant plus interessante a signaler qu’elle semble avoir
appartenu en propre a la region extreme nord - orientale; en
dehors du dialecte de Metz, le wallon est seul a la posseder
sous la forme -ece.‘ Also -ece — -escam. Später hat Willenberg
(1. c. S. 413 — 414), durch Tobler geleitet, dieselbe Form hei
Estienne Boileau’s Livre des mestiers (= Depping, Reglements
sur les arts et mestiers de Paris) nachgewiesen einem Werke, das
trotz seiner centralfranz. Heimat manche picard. Formen bietet.
Willenberg’s Belege sind: man darf keinen alten Kamm so
richten que-il sambleche nuef; nus ne puet estre . . . venderes
de pain que autrus fournieche' 1 ; pour tant qu’il ouvreclie (mehr
mals); nus ne puet estre talemeliers ... que il n’achatece; nus
ne doit conduit de chose quil porteche a col. Dazu noch S. 21:
de quelque maniere de grain que il mesureche. Ein einziges
Mal -aclie: se aucuns amaine ... ou aportache. Ferner erwähnt
Willenberg, dass in der von Roisin veranstalteten Sammlung
von Urkunden aus Lille, meistens aus dem 14. Jahrh., ähnliche
Formen in grosser Anzahl Vorkommen. Ich theile sie hier
mit der Angabe der Seite mit: amonniestechent 2, arriesteche 17,
delivreche 2. 3, deneeche 123, desrenteche 65, entrechent 104, en-
voyece 2, escassece 12, gouvierneche 220, greeche 322, loeche 322,
mainedient 281, montreche 27, moutepliechent 171, oevreche 17,
osteche 68, paieche 17, 65. 222. 280. 332, pappetece 175, perse-
vereche 391, presteche 148, registreche 172, useche 1. 77, war-
deche 83. Alle der A-Conjug.; bezüglich coeuvrece 435 vgl. das
1 Mau entschuldige die hieher nicht gehörige Bemerkung. In diesen Ge
sprächen liest man: Columbe, le boisteuse, e’en ala tenchant de chi, pour
che que je le voldre baisier. Wie ist diese Form zu erklären? Noch
volueram ? oder aus voldrevt, 3. Sing, voldre, dann auch 1. Sing. ? oder
ist alles Täuschung und voloie zu lesen?
- Eine andere Handsc.hr. föui’nie — fournoie aus furn-ic-ave.
Zur Präsenslnldung im Romanischen.
51
oben beim pros. Girart de Rossilion Gesagte und die betreffende
Stelle bei Roisin selbst: aucuns ne soit si har dis que coeuvrece
ne face couvrir, recouvreir, rebouter ne fiestir u. s. w. Comme
il nous loizeche ce faire 419 ist mir nicht ganz klar. Zur
Erklärung sagt Willenberg: man sei zur Annahme berechtigt,
dass diese Formen ihre Bildung ,einer Analogie zu dem picard.
Conjunctiv meche oder mece verdanken, dem ja' auch anderweitig
Conj. Präs, der A-Conjug. angeglichen werden 1 . Ob Willen
berg meche als das ausschliessliche Vorbild unseres -eche ansieht,
oder es nur als Vertreter aller -eAe-Conjunctive anführt, ist nicht
klar; der Ausdruck ,Analogie zu dem Conjunctiv meche 1 scheint
auf erstere Auffassung hinzudeuten; und da lässt sich fragen:
warum gerade meche? Doch nicht wegen des e, da auch S. 485:
,wohl analog zu dem picard. Conjunctiv meche neben mete . .. die
Conjunctivform porcheJ S. 385 etwas allgemeiner: ,das Picard,
wandte . . . mesche, basclie, Mesche an, deren -che dann ebenfalls
fälschlich auf den Conjunctiv Präs, der A-Conjug. übertragen
wurde; daher esanche {= exemptem), bouehe(= frz. boute). 1 Bezüg
lich -eche fährt dann Willenberg fort: ,Nur dass wir es hier mit
einer noch auffälligeren „inchoativen“ Erweiterung zu thun
haben, ähnlich wie bei den . . . Formen auf -ois -oi,t.‘
In seiner Ausgabe von Estienne Boileau gibt Bonnardot
folgende Erklärung: ,-ece, -eche desinence du subjonctif, pro-
vient de la 4 e (et 2 e ) conjug. lat. en -iam (-eam), dont 1 ’i est
devenu yot, rendu en francais par j, g, ch, c, s suivant la nature
de la consonne thematique. De la 4° (et 2 e ) conjug. lat. cette
desinence a passe a la 3 e (-am) et a la l re (-em), oü eile s’est
epanouie plus volontiers que dans toute autre. 1 Also während
in den Erörterungen zu Guerre de Metz zwischen 'ce, (das auf ’ia
zurückgeht) und -ece unterschieden wurde und es von letzterer
Endung hiess, sie sei identisch mit -oisse und gebe -esca- wieder,
wird jetzt -ece in Zusammenhang mit 'ce gebracht. 1
Zuletzt hat Settegast in der Einleitung zu seiner Ausgabe
der in picard. Mundart abgefassten Hystore de Julius Cesar des
Jehan de Thuin über die Conjunctive auf -ece abgehandelt. Die
1 Wenn Bonnardot bezüglich -ece seine Ansicht geändert hat, so ist zwar
nicht sicher, aber doch sehr wahrscheinlich, dass er auch für -oisse Ur
sprung aus -escaw nicht mehr annimmt.
4*
52
Mussafia.
Vatican. Handschr. bietet zwei Beispiele: gou .. . mamaine a ce
que je vous proiece; il ne cuicle mie que ja Tkoleme li refusece.
Ferner citirt Settegast zwei Stellen aus Tailliar’s Urkunden
sammlung, und zwar aus Ueb er Setzungen päpstlicher Bullen: adjo-
stons (dejfendons) que nuls ne osece, und aus einer Urkunde von
Valenciennes in Grodefroy’s altfranz. Wörterbuche: Cascuns don-
que pensece quel cose il puist a Deu mieux voer, aparellece soi
cascuns et voeche, mais que il rendeche. Letzteres Verbum ist
das einzige bisher belegte, das nicht der A-Conjug. gehört.
Settegast, von Willenberg unabhängig, sagt darüber: ,Was die
Erklärung dieser Endung betrifft, so scheint dieselbe eine
Erweiterung der Conjunctivendung -ce, welche letztere aus der
2. und 3. Conjug. (mece ceurce) in die 1. eingedrungen sein
mag (lieuce von locare bei Tailliar, lacet von laier, esliecent von
eslever, leicent von laver bei S. Bernh.) . . . Uebrigens erinnert
die Conjunctivbildung mit -ece lebhaft an die Conjunctivendung
-oisse, die sich häufig in dem von Apfelstedt herausgegebenen
Lothr. Psalter findet/
Zu diesen Nachweisen käme noch aus den von N. de Wailly
herausgegebenen Urkunden aus Aire im Artois: les quels quinse
saus je wel he li dite eglise prenge et lieveche; a ceste fin Jce [il]
. . . lievechent et emporchent. De Wailly begnügt sich damit,
auf die besondere Form dieser Conjunctive hinzuweisen. Aus
Urkunden von Namur in Reiffenberg’s Monuments I, 48 com-
mandons. .. he il paiechent et delivrent, I, 117 voulons que il
gouverneche.
Alle drei übereinstimmenden Erklärungen lassen eine
Lücke fühlen. Dass man von mece (che), sence (che) zu porce,
esploice (che) gelangt sei, oder tun sich mit Bonnardot allge
meiner auszudrücken, dass ursprüngliche Conjunctive auf ’ia- eine
Menge Verba der M-Conjug. nach sich zogen, ist gewiss; ebenso
zuzugeben ist, dass unser -ece (eche) mit diesen Bildungen zu
sammenhängt. Die Frage, welche die drei Erklärer noch zu
beantworten hatten, war: wie kam man von porche zu porteclie?
Letztere Form mit Settegast eine Erweiterung 4 zu nennen,
genügt nicht, so lange man nicht erklärt, wie eine solche Er
weiterung zu Stande kam, und mit Willenberg von einer in
choativen Erweiterung 4 zu sprechen, ist noch weniger deutlich;
denn entweder ist die ganze Endung inchoativ (= -escam) oder
Zur Präsens'bildung im Bomanischen.
53
wenn -ce (che) auf das ce (che) von face mece zurückgeht, so
kann man dem -e- keine inckoative Bedeutung beimessen.
Wenn Willenberg schliesslich diese ,inchoative Erweiterung“
mit den Formen auf -oie vergleicht, so muss er das Wort
,inchoativ“ in einer ziemlich vagen Bedeutung gebrauchen; er
hat wol dabei nur den Begriff ,Erweiterung“ in’s Auge gefasst
und den Berührungspunkt der Bildungen portoie porteche gegen
über pörte porche — Tonlosigkeit des Stammes — hervorheben
wollen. 1 Settegast ist noch näher der Sache gekommen, wenn
er sagt, -ece erinnere lebhaft an -oisse. Er hätte noch einen
Schritt weiter machen sollen und sagen, -ece (eclie) ist nur laut
liche Variante von -oice (oisse). Zu dieser einfachen Deutung
kam ich, nachdem ich lange hin und her geschwankt habe.
Also -ece ist secundäre, mittelst -ce gebildete Form von einem
-ei-Conjunctiv. Man befrage das jetzige Wallon. über den Laut,
welcher v.ulg. lat. e oder e -j- i entspricht und man erhält die
Antwort: ei; und wenn die literarischen Denkmäler oi bieten,
so ist da eben so literarischer Einfluss zu erkennen, wie
in den Schweizer Urkunden, die (wir sahen es oben) -oi-
Conjunctive gebrauchen, trotzdem die jetzigen Mundarten -ey-
(-ay-) aufweisen. Dass -eche, nicht -eiche, die beständige Schrei
bung ist, scheint mir keine Bedenken zu erregen; wie vor s
sich leicht ein t-Element entwickelt, ebenso leicht geht i darin
auf. Das einzige Beispiel aport.ache sieht Willenberg entweder
als Anbildung an hache oder als Schreibfehler an. Ich neige mich
letzterer Ansicht zu, denn ich frage wieder: wie ist die ver-
muthete Anlehnung lautlich oder begrifflich zu begründen?
In den jetzigen Mundarten vermochte ich keine Spur mehr
von -ecAe-Conjunctiven zu finden.
Und nun schliesslich zu einem dritten Fall von secundären
Formen eines -et-Conjunctives. Die Gedichte von Laurent de
1 Im Anzeigeblatte, wo ich eine Inhaltsangabe vorliegender Abhandlung
mittheilte, nahm ich porteche als eine Contamination von porte und
porche an. Ich verhehlte mir zwar dabei nicht die Schwierigkeit, das
betonte e zu erklären, beabsichtigte aber durch die apodiktische Auf
stellung zu Widerspruch und Vorschlag einer befriedigenderen Deutung
aufzufordern. Der Widerspruch blieb nicht aus. Auch positive Vorschläge
kamen mir von beachtenswerthen Seiten zu. Da ich sie aber nicht an
nehmen konnte, so halte ich es nicht für gestattet sie anzuführen.
54
Mussafia.
Brian§on gebrauchen neben -ei (s. oben unter ,Dauphine 1 ) auch
-eiz- (-eis-) u , die späteren Denkmäler und die Nachweise aus den
jetzigen Mundarten kennen fast ausschliesslich letztere Formen
und als Lautvariante-ez- (-es-) 2 . In der 4-Conjug.: 2. Sing, frequen-
teze 335, siegeze 335. 3. Sing, abliorreise 284, atrapeise 33, bra
meise 87, chanteise 93, couleyse 169, damageise 94, demoureise
67, eigroizeize ,dechire‘ 33, epargniese 345, gratuzeize 38, las-
seize 90, machureise 94, meneize 38, outeizet ,ote‘ 38, ozeze 375,
pardonneyse 213, tomheise 295, troveize 33, -eise 33. 3. Plur.:
aleizon 32, charonteison ,voiturent' 159, danceison 67, man-
queison 273, oblieyson 161, pareison 67, parleyson 161, payezon
343, porteizon 24, virolheison 154. 3 In den anderen Conjug.
1. Sing, veieso 202. 3. Sing, ayeise 60, bateise 83, dieyze 180,
diseize 287, faceize 44, poisseize 40, preneyse 172, rendeyso 170,
rieise 96, senteize 90, teneize 74, tralueise 83, veyeize 32, viveise
102, voleize 296. 3. Plur. ayezon 219, coneisseizon 42, metteison
147, preneison 63, semoneizon 42, sorteison 159, venezon 325,
voulezon 360. Esse: sieze 206, seeyson 149 saiezon 357. Wie
ist die 2. Plur. que vous sieza 391. 410 zu betonen ? Onofrio und
Nigra (Arch. III, 41) führen einzelne dieser Formen an.
Lyon. Monin kennt neben stammbetonten Formen■' nur
noch -aiz-] einmal bietet er -ez-: ajotaise 12, multipliaise 12,
paieze 202, seiaize 159.
Forez. Onofrio: 1. douneyza; 3. courrateyse ,se mette en
marche' 91, courseleyze ,couvre‘ 105, hereteyse 203, renverseyse
230. Ayeze 403, fazeize 437. Alle diese Belege aus den Schriften
der drei Chapelon (16.17. Jahrh.). Dann aus Philipon (19. Jahrh.)
1. que je cliaiesa 121; 3. seze 425.
Wie ist diese Nebenform zu erklären? Es sei bemerkt,
dass die Sibilans schon in dem ursprünglichen (stammbetonten)
Conjunctiv von esse vorkommt: seize seise seze se.se. Ob bei
anderen Verben, die e oder ei im ursprünglichen Stamme
1 Die Belege bis S. 150 sind aus Laurent.
2 Da auch stammbetonte Formen Vorkommen, so sind der Formen drei:
die alei aleize.
3 Nur einmal -ays- (vgl. Lyon): 1. Sing. que. ie nomayso (: a l'ayso) 208
in einer Schrift aus dem 18. Jahrh.
4 Im Paradigma der Verbalflexion verzeichnet er nur solche.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
55
haben, —• etwa veize sieze — weiss ich nicht anzugeben. Dann
in allen Verben, clie ursprünglichen Stamm -f- ei aufweisen;
doneize, veyeize und neben seize auch seieize seieze. Was mm
s oder z in seize sei, ist mir nicht klar. War ein faize neben
dem zu belegenden fasse (erweitert faceize) da, dem sich seize
anbildete? Oder ist d in vid-o sed-o l assibilirt? Berücksichtigt
man den Diphthong, so könnte man selbst in siese = sit 2 Ein
mischung von sed-at erblicken.
PROVENZ AL I SCH.
In provenzalischen Mundarten verliert «der ursprüngliche
Stamm seinen Accent in Conjunctiven wie sentigue, auzigue; joui-
gue. Chabaneau (S. 263) sieht diese Formen als das Product eines
doppelten analogischen Einflusses an. Bei Gelegenheit der
Erwähnung von venga, dolga u. s. w. heisst es: ,cette Imitation*
— nämlich die von ’i Voc zu ’g Voc — ,est propre au Languedoc
et aux pays voisins, oii le goüt pour ces flexions en g au sub-
jonctif est si prononce qu’on les a pretees a beaucoup de ver-
bes, par propagation a ce temps du g (normal ou anormal) du
preterit.* Er führt aus den Leys d’amors die Formen beva und
bega, mola und molga, cola und colga, mova und mogua an,
,dont les secondes, qui sont de vrais barbarismes, ont ete evi-
demment formees d’apres les preterits begui, molgui, colgui,
viogui. 1 Dazu die Anmerkung: ,mogua pourrait, sans doute,
venir de moveam; mais ce verbe avait rejete l’e,- car la forme
classique constante est mova. On ne trouve ni movia, ni moya,
ni moja. II est donc plus probable que mogua a ete forme
abusivement sur viogui, comme je le suppose ici/ Also wenig
stens für mover oben ,evidemment*, unten ,plus probable* und
,je suppose*. Es'will mir scheinen, als ob auch betreffs molga
und colga es vollkommen genügen würde, Anlehnung an dolga
anzunehmen. Indessen mag bei dem Umstande, dass alle Verba
mit -g- im Conjunctiv auch -g- im Perf. haben, in der That dop
pelte Einwirkung stattgefunden haben. Ist dies bei den stammbe
tonten Conjunctiven wahrscheinlich, so empfiehlt sich die Annahme
einer Einwirkung des Perf. bei sentigue um so mehr. Denn blosse
' Ich sage d, nicht dj, weil di Voc wohl eher i oder j ergibt.
2 Vgl. siese bei Jaubert II, 318, welcher die Form auch bej Montaigne
nachweist.
56
Mu ssaf ia.
Anlehnung von sente an -gr-Conjunctive ergäbe nur sengue. Oder
sollte man vermuthen, dass bei dem Ueberhandnehmen der In
choativflexion alle Verba -iss- aufweisen und sentisse auzisse
lediglich nach dem Muster der -gr-Conjunctive zu sentigue auzigue
sich variirten? Gibt man Einfluss des Perf. zu, so steht sentigue
mit sentiguei in Zusammenhang. Ein noch wirksamerer Einfluss
wäre da dem Impf. Conj. zuzuschreiben. Wie dem Impf, parti
oder partisso ein Präs, parte zur Seite steht, so dem Impf.
finigue oder finiguesso ein Präs, finigue.
Ich bin am Schlüsse meiner Zusammenstellung. Im Hin
blick auf das Material bietet sie viel Bekanntes und manches
bisher Unbekanntes. Dass umfassende Erforschung aller roman.
Mundarten und betreffs der Erscheinung im Franz, eindring
lichere Untersuchung der Urkunden reichere Belege liefern wird,
ist gewiss. Weniger wahrscheinlich ist, dass neue Bildungen zu
finden sein werden. Man wird mir nicht den Vorwurf machen,
dass ich meine Arbeit zu voreilig unternommen habe. Viele Werke
über Mundarten waren mir nicht zugänglich; und was die Urkun
den angeht, Hunderte von Bänden durchzulesen, um einzelne
Conjunctive aufzufinden, wird man Niemandem zumuthen. Ich
hoffe aber, dass bei dem grossen Fleisse, mit welchem jetzt das
Studium der Urkunden in sprachlicher Richtung betrieben wird,
es bei Gelegenheit allseitiger Untersuchungen gelingen werde,
auch zu unserer Frage Gehöriges zu finden. Jeden — auf
öffentlichem oder privatem Wege gesteuerten — Beitrag werde
ich mit Freude und Dank entgegennehmen.
Im Hinblick auf die Erörterungen lässt sich Folgendes als
allgemeines Ergebniss sagen: In vielen roman. Idiomen erscheint
der Stamm des Präs. — entweder aller Modi oder wenigstens
des Conjunctivs — vor tonlosen Endungen so modificirt, dass der
ursprünglich betonte Stamm seines Accentes verlustig wird und
der Ton auf dem Vocale eines neuen, zwischen Stamm und
Endung tretenden Elementes ruht. Die Quelle dieses Elementes
— von dem man ebenso gut sagen kann, dass es den Stamm,
als dass es die Endung erweitert — ist nicht überall dieselbe
und nicht überall gelingt es, sie so zweifellos zu bestimmen,
dass jede andere Annahme ausgeschlossen ist. Stimmen aber
verschiedene Vorgänge in einem Puncte zusammen, so ist es
Zur Präsensbildung im Romanischen.
57
mehr als wahrscheinlich, dass das, was sie gemeinsam haben,
von einem Momente herrühre, welches überall, wenn auch nicht
ausschliesslich und nicht in erster Linie, seine Wirkung aus
übte. Dieses Moment ist in der Neigung zu suchen, den Unter
schied der Betonung zwischen Stamm und Endung in den
einzelnen Formen des Präs, zu verwischen. Dort, wo nur der
Conjunctiv afficirt wird, ist ferner der Trieb zu erkennen, Indic.
von Conj. so scharf als möglich zu unterscheiden.
Es bleibt mir nur noch übrig, der vielen Freunde, von denen
ich theils ausführliche Mittheilungen, theils einzelne Nachweise
erhielt, mit dem Ausdrucke innigsten Dankes noch einmal zu
gedenken; es sind diese: Alton, Ascoli, Cornu, Gärtner, Ive,
Tobler, Vätova.
I. Anhang.
Ich theile hier ein ausführliches Verzeichniss von Verben
mit erweitertem Präsens aus den ladinischen Idiomen Tirols
mit. Es sind dabei vertreten: Greden, nach Gärtner’s Werk
(eif); Gaderthal, nach Alton’s Mittheilungen (eie); Vigo im
Avisiothal (&), Erto an der östlichen Grenze zwischen Tirol
und Friaul fei); beide letztere nach Gärtner’s Mittheilungen.
Wie immer, folge ich der Orthographie meiner Quellen; nur
um Zusammengehöriges in der alphabetischen Reihenfolge nicht
auseinander zu reissen, berücksichtigte ich im Anlaute aus
schliesslich die Schreibung Gartner’s. Die mit g (vor e, i) gi
(vor a, o, 11) anlautenden Verba bei Alton sind also unter
dy, die mit ch (== 6) unter angeführt; wenn Alton vor
l, m u. s. w. s schreibt, so stelle ich diese Verba der Aus
sprache gemäss zu z-. Eine Aenderung nahm ich blos beim
Zeichen für Gutturalis tenuis vor; Alton verwendet vor e,
i das Zeichen qu, vor a, e, u aber c; ich setzte überall k
ein. Der Uebersichtlichkeit halber, trennte ich die conso-
nantischen Stämme von denen, die mit i auslauten: in gajci
sßvgjg, nahm ich j an, hier von Gärtner abweichend, der i
schreibt; dass das Präsens ggjeif, nicht gaieif lautet, recht
fertigt diese kleine Aenderung. Alton’s prolongieie ist ebenfalls
zu den consonantischen Stämmen gestellt worden, da i mir
Zeichen der g-Airssprache ist. Dem Versuche, die oft schwie
rigen Wörter etymologisch zu deuten, widerstand ich, theils
58
Museafia.'
um nicht meiner Abhandlung zweierlei Aufgaben zu stellen,
theils weil ich fühlte, dass ich zu den Erörterungen von Schneller,
Alton und Gärtner kaum etwas Befriedigendes hätte hinzuzu
fügen vermögen.
■ a) Verba, deren Stamm auf Consonant endigt.
gbineig {-i-) 1 sammle, spare, hole
ein; nur abine.
abiteie wohne.
aborveie (-rö-) ,tränke*; nur
gbrgvg.
adagheie bewässere; vgl. grng-
geie und inagMie.
agajeie, s. ggieig.
akuzeig (-u-) klage an; nur aküse.
anadeie bemerke.
gntgrneig streue Erde auf den
Schnee.
gpusteig f-o-), apusteie bestelle.
arbgseig (-d-) erniedrige; als
Rflx. und Intr. nur grbdsg;
ebenso arbdse.
gritSeie (-{-) ekle mich. Vgl.
sgrice mit gleicher Bedeutung-
grnggeig bewässere, ertränke.
arosseie bräune.
grsuleig (-0-), arsureie (-Ö-) be
sohle.
grtsikeig (-i-) berühre, taste an;
nur azzike.
gstileig (-ie-) stelle, lege; nur
m’aStilS benehme mich.
gvizeig (im Imper. auch gvizg)
benachrichtige.
balboneie stammle.
bandoleie flattere.
barboteie (-6-) murmle.
bastardeig gebäre ein uneheli
ches Kind; basterdeie ver
fälsche.
bgtgzeig taufe.
batoreie (-d-), bgtuleig schwatze.
bigberneig heule, klage.
blasmeie lärme.
brunstleig brenne an, lasse ver
kohlen.
darheg (3. Person, weil nur
von Sachen gebräuchlich) er
müdet.
dgsfrgteig räume auf (das Zim
mer), trage ab (vom Tische).
Dazu irjfrgteig stelle voll,
räume an;’ nur -frdte.
dobitiiie, dubiteig (-u-) zweifle.
drgzeig (-d-) siebe mit der
Reuter; nur drdje.
genereie erzeuge.
giodikiiie, dyudikeig richte, ur-
theile.
fgntineig phantasire; nur fan
tine.
mg fideig (-i-) traue. Dazu kunfi-
deig (-i-) vertraue an; nur fide.
fifgrleig, ig lg errathe nicht;
fiferleie verschachere um
einen geringen Preis.
Die eingeschalteten betonten Vocale geben das Vorhandensein und die
Form stammbetonter Flexionen (Nebenformen) an.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
59
flqdeig schnaube; nur fld.de.
frankeie frankire.
furneig fahre.
ggjeig schneide gerade; agajeie
mache kürzer, stutze.
gonfedeie wehe.
gouzeig beschuldige.
grakeneie krache.
gratoneie gehe zum Ständchen
am Tage vor der Hochzeit;
grqtuneig besuche, die Braut
leute beim Male am Abende
des Hochzeitstages.
imbeverei tränke.
m’inamoreie, mg nqmureig ver
liebe mich.
incerceneie schliesse ein.
indgrtseig mache gerade; nur
derze.
indoreie vergolde.
infeteie verpeste.
irjfrqteig; s. dgsfr.
igfreig beschlage (Zugthiere);
inferre.
i)]f u geif (-Ü-) erzürne.
intardiveie verspäte.
minieresseie nehme Antheil.
intgrtSeig flechte.
kastigeig strafe, vgl. kastieie.
kqtreig, calreie spanne vor.
colteie dünge.
combineie (-{-) buchstabire.
me komeligei communicire.
consagr&ie weihe.
consoleie (-dl-), Jcurjsuleig trö
ste.
contrasteie streite.
krevelei siebe.
kurjfideie, s. fideig.
kuSpgteig brumme, murre; cu-
spete.
kuzineig (-i-'j koche; nur auzine.
Iqsteig befestige den Schaft an
den Flintenlauf.
litigeig führe Process; auch
litige.
litsiteig ligiteie licitire.
lumeni (-u-) leuchte.
marindoli nehme einen Nach
mittagsimbiss (Märende).
maoleie miaut.
mqrkantseig treibe Handel.
mqrkeig markire.
mgrtya/Mig, marchadeie treibe
Handel.
massacveie haue nieder.
mqzneig (-ez-) mahle; nur rnd-
zene.
moltiplikeie (-ipl-), multiplikeig
multiplicire.
morenteie quäle.
mormoreie murre.
mulgSteig belästige.
muntgrneig muntere auf.
nqmureig s. ingm.
ngrjkeig (-d-) belästige.
nggeig (-&-), nedyei läugne; nur
neghe.
nutseig nutze.
ordenS verabreiche das Sacra-
ment des Altars; urdqing,
orddne.
paidlgneig bügle, glätte.
paitSenB peitsche.
pgrqdleig, pardleie mache der
Anzahl nach gleich.
pasneig passe, tarige.
pgtineie, patineiS flicke.
Mnssafia.
60
petem kämme.
plakeif, beruhige.
prepareif bereite.
prolongeie verlängere.
proteSteif, protesteie wider
spreche.
puStfmeif buchstabire.
puStfSeif brumme.
rabesceiS raffe zusammen.
ragagneie komme nicht weiter
mit der Arbeit. In Greden
ragdnyf belästige.
v&bekeie stichle. In Greden rf-
beke erwidere in beleidigen
der, trotziger Weise.
refodeie verschmähe.
rfSusiteif erwecke, stehe auf.
rodoU wälze.
SadoU (-cd-) schnitze.
sakareif, sakareiS schach’re.
sarpeU meissle; skarpelfskarpel'e
savajeie, stelle mich als. .; savdje.
sScondeie begleite beim Spiele.
sezolei schneide mit der Sichel.
sfanteif und
sfantineif schwinde.
sfogateiS mache grosses Feuer;
sfugateie brenne heftig.
sfrqMumeif gehe müssig.
sintineif, sintineiS (-in&) quäle.
skadreie, behaue vierseitig;
skedrS.
skandalitseif,, skandalizeie (-i-)
gebe Aergerniss.
skarpfteif( -e-),skarpeteie zapple.
skartfzeif, skcirtej'&ie krämple.
skasineif durchsuche; skascinS.
me skorneie stosse mir die Hör
ner ab.
skortelMe versetze einen Messer
stich; skörtlf.
skosoriiie (-6-) stehle Bohnen
vom Acker.
soperSeie bügle.
soureif schmecke.
spfkuleif speculire.
SpreOei verachte.
spriguleif erschrecke.
stfrmfneif (-hin-) treibe Spässe.
Wol dasselbe Wort wie stro-
meneie etwas an einen Platz
hinthun, dass man es nicht
sogleich findet.
StMndprneif und
stlingheneie klingle.
stlupft.eie schiesse; stlupete.
stramesSie mache eine Scheide
wand.
sutreif füttere Kleider, subtra-
hire; sdtre.
tabakeie schnupfe stark.
tafleif täfle.
takleneip klopfe an die Thür.
tctconeie flicke alte Kleider.
tamareif poltre, rausche. Alton
übersetzt tamareie gehe müs
sig herum.
tgmfeif (-d-J dampfe.
tastpieif wackle.
termoneie gränze.
tikfneif, tikineie schlage heim
tückisch.
timplfneci, ist feucht (von einem
Zimmer).
tlocoreie klopfe.
touzfneif brumme heftig.
torceneie sudle.
tragfteif treibe Heimlichkeiten.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
61
trarjzpneif gehe müssig.
trapineie (-i-) wechsle Woh
nung; trapin
trapoleie, trapols betrüge.
trgtspieif necke.
travajeie verwickle.
tsartigeie verzärtele.
tsavateie, klappere mit den
Schuhen.
tsirleie ziere, schminke.
tartSf.neif sudle mit Wasser.
tygkuleip, ckakoleie (-d-) plaudre.
tyoutineiq, deschaltinne (-%-) zer
trete.
valiveiq, valiveie ebne.
vfdleif, vidUie, odleie wache bei
einer Leiche; vedyei. wache.
vezoU (-6-) füttere; oSdre, udizlf.
zageif verdächtige, wünsche.
zbakete prügle.
zblaykfzeif, shlankezeie weisse.
zbouzareip lüge.
zburdyneif zerreisse.
zburduleip zerreisse.
slambroteie rede unverständlich.
slargieie breite aus.
zla.rateif, slavatJiS (-dt-) spüle
aus.
smandreiS vertreibe.
smcirdaceie bewerfe mit Koth.
zmfzeif (- e-) halbire.
smorgeUtä erweiche.
zmutsigeip beschmutze.
smagnzeie rüttle.
b) Verba, deren Stamm auf i endigt.
afostieie finde die Fussspuren.
amerieia hält Mittagsruhe (vom
Vieh).
haodieie (-do-), boudieif jam
mere, wehklage.
dezudieif vernachlässige.
doblieie biege.
me festodieie grüble nach.
inkonieie treibe ein.
inrabiei'e, s. rabieie.
invU'ie lade ein.
inzertieie verzärtle, vgl. im Verz.
A. gredn. tsartigeie,.
kukynieie stottere.
litsieie, glätte.
premieiS belohne.
rabieia geht hin und her (vom
Vieh, das aus Mangel an
Gras wie rasend wird); in-
rabieiS erzürne.
rafiei striegle.
ringratsieif ("-«-), reggrabiei
danke.
sazieiy belästige, quäle.
serieie jäte.
sf'omieiS, sfumieif räuchere.
skorieiS, Skurieif, skuriei peit
sche.
sofoieie (-öi-) ersticke; nur
suföiy.
me Stodiei beeile mich, Studieip
studire.
tarloi&ia blitzt; tarliiia.
testimoni'hi bezeuge.
tSigunieig (Infinitiv tSigunyd)
knarrt.
62
Mussafia.
t/afeie komme mit etwas aus. vfrtMeip schiele; svarcieie blende.
tyaorieie träume im halbwachen sborieie, zburieie schinde, schürfe
Zustande. auf.
umelitie demlithige. svarcieie s. vertsieie.
II. Anhang.
Ich theile hier .ein Verzeichniss von Verben mit erweitertem
Präsens aus den istrischen Mundarten von Rovigno (io) und
Capodistria (eo) mit; erstere nach Dr. Ive’s, letztere nach Herrn
Vätova’s Mittheilungen. Für fast jedes Verbum ist auch die
Nebenform mit betontem Stamme gebräuchlich. Die Formen
mit io, eo leben im Munde des niederen Volkes, der alten
Weiber, der Fischer, u. s. w.; der edleren Mundart der Städter
sind sie beinahe gänzlich abhanden gekommen. Für einzelne
Verba aus Capodistria wurde nur die 2. und 3. Sing., für andere
nur die 3. Sing, als gebräuchlich angegeben; die ersten erscheinen
daher in der Form -ei, die zweiten in der auf -ea. Ich habe
mir erlaubt, die italienische Uebersetzung meiner Gewährsmänner
beizubehalten. Einige Sätze, die mir Herr Vatova mittheilte,
druckte ich gerne ab, als kleine Probe einer noch fast gar nicht
untersuchten Mundart.
armizio (-ei-) ormeggio.
babio ciarlo.
bagulio, me bagoleo (-d-) vo qua
e la movendomi, me bagoleo
(-d-) mi prendo spasso, mi
diverto.
barboteo (-Ö-) borbotto.
barufio (-oü-), se barvfea (-U-)
m’ abbaruffo. — Che vita che
xe in sta casa; saldo (bestän
dig) i se barufea.
bastiemio (-ie-), biastemeo biesie-
meo (-e-, auch bestiemo) be-
stemmio.
batizio (-ei-) battezzo.
batoleo (-d-j ciarlo.
beculio (-ie-), becoleo (-e'-) becco,
beccolo. Eh povera didnzola
(= diavola)/ poco si, ma in-
tanto semper la becolea qual-
cossa.
bianchizio (-ei-) biancheggio.
bissinio (-ei-) tiro vescie.
b'iulia (-i-) di bue, che saltella
quasi avesse 1’ assillo (beio.)
bizighio (-ei-) frugo, cerco ta-
stando.
brassoleo (-d-) porto in braccio.
bruntulio (’-dn-), brontoleo (-on-
und -ol-) brontolo.
Zur Präsensbildüng im Itomanischen.
63
brustulio (-oüs-), brustoleo (brüst-
und -ölo) abbrustolisco. Cossa
fe, comare? Brustoleo sta
s-cicinta de caffe. — Odo,
Gnesa, varda la lume, che ti
te brustolei i cavei.
bulighio (-oü-), bidegliei (-n- und
bulico, mi muovo. Save
che la ga squasi nonanta ani;
ma intanto la buleghea ancora
per casa (attende ancora a
quäl che minuta faccenda di
casa).
burdizio (-ei-), bordizeo (-{-)
bordeggio.
buzereo (-Ü-) inganno. Wol
auch in obscöner Bedeutung.
cacheria (-d-) scricchiola.
calcagnio (-dgn-) batto coi tal-
loni.
calighia (-ei-) fa nebbia.
calpestrio (-6-), calpestreo cal-
pesto, inaltratto.
me calumeo (-Ü-) mi avvicino
adagio adagio; mi mostro
propenso a fare la pace dopo
la contesa.
calunio (-oü-) calunnio.
caminio (-ei-) cammino.
caminvlio cammino a piccoli
passi, proprio dei bambini.
campanizio (-ei-) suono le cam-
pane (in einer bestimmten
Weise).
cantidio canterello.
cantusseo (-Ü-) canticchio.
carighio caragh., desc. (-dr-)
carico, scarico.
carissio (-{-) accarezzo.
carizio (-ei-) carrieggio.
cassutio (-uö-) do pugni, cazzotti.
catechizea (-{-) scandaglia. 1’ ani-
mo.
celebreo (cel-) celebro ; bevo
.vino.
ciacereo (-dr) chiacchiero.
ciacoleo (-d-) ciarlo.
cibigMo cionco.
gigalea, (-A-) grida.
cimegheo cimigheo (-im-) prendo
via una briciola e poi un’ altra;
sto sulla cima, sull’ estremitk.
— Odo, ocio, varda che 7
casca: el sta suso tanto che ’l
gimigliea.
me comodeo, descom. (-om-) mi
accomodo, scomodo.
converseo (-e-J converso, dis-
corro.
coverzeo scov. (-e-) copro,
scopro.
crioleo (-el-) crivello.
criticheo (-ü-) critico, dicomale.
crizemio (-l-) cresimo.
croclietea, scr. (croc- und -eta)
crocolea(-oc-), cruculia, (-uöc-);
schliesslich:
crocotea (croc-). Alle diese ono-
matopöischen Verba bezeich
nen das eigenthümliche Ge
räusch, welches dichte Flüs
sigkeiten beim Sieden her
vorbringen. Le verze crocotea.
crostolei (-ös- und -61-) faccio
coi denti uno strepito partico-
lare mangiando croste indu-
rite di pane, crostate, ciam-
belle e simili.
64
M n s sa fi u.
cuculio (-UÖC-) fo carezze.
cujunio (-ön-) cogliono, burlo.
cultivio (-ei-) coltivo.
culumizio (-ei-) economizzo.
cumpassiunio (-Ö-) commisero.
comunighio (-oün-) communico.
cunfurtio (-uör-) conforto.
cunsacrio (-d-) consacro.
cunsulio (-Ü-) consolo.
cuntrastio (-d-) contrasto.
cuntristio (-ei-) contristo.
curulio vo correndo qua e la
a piccoli passi.
cusinio (-ei-) cucino.
me degideo (-{-) rui decido.
desgarmo (-d-) sgrano.
desmentegheo sment. (-ent- und
-teg-) mi dimentico.
me desmessedio mi desto.
desmuMo (-ud-J sciolgo, snodo.
despalancheo (-an-) spalanco.
destirio (-ei-) stiro, stendo.
destrighio (-ei-) strigo, sbrigo.
me dindoleo (-%-) faccio un mo-
vimento simile a quello del
pendolo. Ebenso
me dondoleo (-ön-) mi dondolo.
dopereo (-6- und -er-) adopero.
esponea (-6-) espone il Santis-
simo. — Cossa fali in Domo?
Se esponea.
favelio (-ie-) favello.
fracassio (~d~) fracasso.
fragelio (-ie-) flagello.
fräntumio (-oü-) frantumo.
frigulio (-1-) sbriciolo.
fucinio (-oii-) fo spallucce.
fvfigneo (-H-), fnfigmo (-oü-) im-
broglio, inganno; sciupo (le
vestij — Varda, uo starte
sent.ar. in quela maniera, che
ti te fvfignei V abito.
fulminio. (-ou-) fulmino.
fumeghio (-oü-) affumico.
fureghea, sf. (-Ü-), furighio
(-oü-) fruga.
giubilio (-oü-) godo.
giudichio (-oü-) giudico.
giussulia gocciola.
grissulio (-ei-) scricchiolo.
gritulio (-ei-) tiro calci.
gumitio (-uo-) vomito.
gondolea (-61-), gundulio (-ön-)
adesco; accarezzo per viste
d’ interesse; ven. gondolar.
imaneghio (-d-) guarnisco di ma-
nico.
imastelio (-ie-) metto il bucato
nel mastello.
imbacucheo (-Ü-) m’imbacucco,
m’ incappuccio.
me imbagajeo (-dg-) mi copro di
vestiti. sopra vestiti per ripa-
rarmi dal freddo; indosso
male le vesti. —■ Vara come
ehe ti te imbcigajei; un lampo
(,Lappen') su, vn lampo zo.
imbalemo (-e-) metto le stecclie
al busto.
imbarbuio (-oüj-) imbroglio; ven.
imbarbogiar.
imbevario abbevero.
imbutunio (-ön-) abbottono.
imbuvulio (-oüv-) fo bovoli (cor-
netti) di pane.
impasturio (-ü-) impastojo.
impigulio (-ig-) impecio.
impilverio (-il-) impepo.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
65
impiturio (-oü-) dipingo.
impridichio (-id-) predico.
me inalboreo (-d-j und
ne inalborizea (-i-) m’ impenno,
imbizzarrisco, aombro, infu-
rio; dell’asino ancbe in senso
lubrico. — Tase, ve prego,
me se inalborea i cavei.
inascMo ineschio (-d-, -is-) metto
l’esca sull’ amo.
inasulio (-d-) metto il tilo nel
cappio.
incadanio (-en-) incateno.
incalsiirio (-et-) incalcino.
incapalio (Inf. -ela, Präs, -ielo)
metto il cappello.
incaputio (-uo-) metto il cappotto,
il palandrano.
me incasuleo m’intrudo in casa
altrui.
incatramio (-am-) do il catrame.
te incioteghei (-6-) resti preso in
trappola; auch la se inciote-
ghea i cavei.
incuraio (-dj-) incoraggio.
incurdelio (-ie-) incordello.
incurnnio (-ön-) incorono.
indurmissio (-ei-) addormento.
mduvinio (-ei-) indovino.
infarinio (-ei-) infarino.
ivfenucio (-oü-) infinocehio.
inferio (-ie-) inferro.
infidinio (-ei-) imbratto di fu-
liggine.
infuscunio (-oün-) imbratto di
nero.
ingavoneo (-6-) rimpinzo. Come
voleu che sti fioi sia sani? i
l’ingavonea fin ai oci. Dann
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I.
ingavuma (-6-) si sbilancia;
detto specialmente delle bar-
che quando, per il rovesciarsi
da un lato, die fa il carico
cbe sta nel fondo (gavdn), per-
dono 1’ equilibrio.
ingumbario (-6-) pongo il vo-
mero all’ aratro.
insampegheo (-d-) inciampo.
te insanguenei (-d-) t’insanguini.
insavumo (-6-) insapono.
insenerio (-ie-) incenero.
insidferio (-ü-) inzolfo, do lo
zolfo alle viti.
intambaschio (-äs-) metto sos-
sopra; vgl. tamb.
se intardizea (-%-) si ritarda.
intemperio (-em-) rattempro,
annacquo il vino.
interio (-ie-) interro.
me intossegheo (-6-) m’intossico
— Odo che no ti te intosseghei!
sagt man ironisch .Jemand,
der eine freundlich angebotene
Speise zu kosten verschmäht.
intrapuUo (-ü-) prendo in trap
pola.
intraversio (-ie-) solco coll’aratro
i campi giä arati.
intrepetio (-iep-) rattoppo.
intudaschio infinocehio. Vgl. to-
descheo.
invardulio (-d-) metto i guar-
dioni (varduli) alle scarpe.
invultissio (-eiss-) avvoltolo.
inzugulio (-og-) aggiogo.
iradigldo (-eig-) abbarbico.
lagremio, lagremea (-d-) lacrimo.
me lavienteo lem.(-en-)m i lamento.
Hft. 5
6ß
Musaafi a.
lampizia (-ei-■), lampizea (-i-J
lampeggia.
lavurio (-Ü-) lavoro.
ledanio (-d-) letamo.
limigMo (-eim-) biascio, larnico.
luminio num. (-nö-j nomino.
luminio (-oü-j illumino (beson
ders beimFiscbfange während
der Nacht, um durch das
Licht die Fische anzulocken).
magnusseo (-H-) mangiucchio.
magoleo (-d-) percuoto. — Vara
che ciogo el baston e che te
magoleo i ossi!
malmeneo sm. (-ä- und -e-) mal-
meno, sparlo.
malsipio (-ei-) maltratto.
maltratio (-ä-) maltratto.
manestreo (-er), menestrio (-ies-)
metto la minestra nella sco-
della. Scherzhafte Anrede:
Drea, cib la cassa e manestrea.
manizio (-ei-) maneggio, in Cap o-
distria nur refl. me manizeo mi
do le mani attorno.
martorizei (-i-) tu martorii.
masenio (-d-), mazeneo (-d- und
-e-) macino.
mastigMo (-ei-) mastico.
mastrusseo (-U-) trituro, smi-
nuzzo.
matizio (-ei-), matizea (-i-) mat-
teggio, folleggio; ammatisco,
mi rornpo il capo.
medeglieo (-ed-), mideghio midag.
(-i-) medico.
mescoleo mescolo, messedeo
(-ess-), messedio mescito,
Auch liier wie bei
manestrea: Drea, cib la cassa
e messedea.
minciunio, mincioneo (-6-) can
zono, burlo.
minsoneo (-6-) menziono.
minulio, me la me la spasso.
misculio (-%-) mescolo.
misurio (-oü-) rnisuro.
morsegheo (-6- und mordo.
mucidio (-u6-) smoccolo.
murmulio murmurio (-vd-) mor-
moro.
naveglno (-d-) navico.
neveghia (-iv-) nevica.
nississitia e necessario.
nulizia (-ei-) noleggio.
numinio; s. luminio.
papulio (-dir) pappo, mangio.
parangalio (-a-) pesco col pa-
rangalo, sorta di lenza con
piii ami.
paricio (~i~) apparecchio.
parlussea (-il-) comincia a bal-
bettare (von einem Kinde).
pascoleo (-d- und -ö-) pascolo.
passiunio (-6-) appassiono.
pasteneo (-d-) rivolto la terra.
paternustrio (-uö-), paternostreo
(-Ö-) biascio paternostri.
pausseo (-äti-) riposo; fo tregua,
pausa.
pedegheo (-ed-) pedino; calco dei
piedi. — Xe un liever che saldo
me pedeghea el campo.
pedessio (-iss-) tiro calci.
petenio (auch patanio) desp.
(-iet-), peteneo (-et- und -en-)
pettino.
piculio (-ei-) penzolo.
mesco.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
67
pindoleo (-{-) penzolo.
piovizinea (-in-) , piuvizinia
(-ein-) pioviggina.
pipigneo (-ip-) sottilizzo, sofl-
stico; opero materialmente
senza alacrita e con poco ri-
sultato.
piscvlio (-i-) pascolo.
pissighio (-ei-), pissegheo, pis-
sigheo (-iss- und -eg-) pizzico.
pissolea (-%-) pioviggina, spande.
pitocheo (-6-) pitocco.
plubichio s. prub.
pontificlieo (-if-) pontifico. — No
scogni (man darf nicht) vol-
tar el cao in ver /■’ örgheno,
co ’l veschevo pontifichea.
pregipiteo (-ip-) precipito.
precoteo (-Ö-) ricuoco. — Le
briziole de porco se precotea.
predicheo (-e-) predico.
profetizea (-i-) profetizzo, indo-
vino.
me prossimeo (me apprössimo)
mi approssimo.
prubichio, plub. (-Ü-) puhblico.
punticio (-ei-) fo dei punti, ram-
mendo.
puverizio (-ei-) rendo povero.
radeghio (-d-) cavillo.
ragumio (-oü-) sconvolgo lo sto-
maco.
me rampegheo (-ä-) m’ arram-
pico. — El se rampeghea sui
speci — ital. s’ arrampica su-
gli specchi ,sucht unmögliche
Ausflüchte*.
me rapatumeo (-d- und -ü-) mi
rappattumo.
rastelio rastrello; me rasteleo (-e-)
mi reggo e muovo a mala
pena. — Go vudo una pete-
nada (,schwere Krankheit*)
che no ve digo; za vede, me
rasteleo mejo che posso.
ratristio (-ei-) rattristo.
me rebecheo (-ec-) rendo parole
mordaci per parole mordaci;
mi rimetto in equilibrio men-
tre sto per cadere.
recamio (-d-) ricamo.
remenio (-e-) malmeno; me re-
meneo (-em- und -ein-) mi di-
meno qua e 1k, insudician-
domi. — Siestu s-ciopetä; ti
ga le barghesse niove, e ti te
remenei par tera come un
porco.
repessio (-ie-) rappezzo.
repussio (-uö-) riposo.
resentio, rezenteo (-en-) risciac-
quo.
ressussiteo (-Ü-) risuscito.
ricizio orecchio.
ridulio (-ei-) sorrido.
ronchizeo (-i-), runchizio (-ei-)
russo.
ronfizea (-i-) russa.
rozeghei (-6- und -e-), ruse--
ghio (-oü-) rosico, mordo.
rudulio (-oüd-) rotolo.
rumegheo (-&-) rumino, cagiono
uno strepito sordo.
sacagnio scuoto.
sacramentio,-teo (-e-) bestemmio,
sacramento, tiro moccoli.
sacrifichea (-if-) sacrifica.
salizio (-ei-) selcio.
68
M u s s a f i a.
' : T V
salmastrio salmastro.
salmizio (-ei-) salmeggio.
saltulio saltello.
saltussio (-oü-) saltello.
samario (-dm-; so Ive mit auf
fallender Betonung) fo da
somaro.
samenio (-im-), semeneo (-em-)
semino.
sapaleo, sapelio (sapeld sapielo)
scorteccio.
sapoUa (-A- und -6-) calco coi
piedi.
sapunio (-Ö-) zappo rozzamente
e con forza.
savatio (-dt-) acciabatto; &tavatei
(-dt-) cammini in ciabatte
facendo rumore.
me sazoneo, me dessaz. (-Ö-) mi
sazio, fo una scorpacciata. —
Gessu, el se ben dessazonea!
sbabassio (-dss-) me la godo ma
terialmente.
sbampolea (-d-) di candela che
non arde bene ed a luce fissa;
sbampulio sciorino.
sbevassio (-d-) bevo molto e dis-
ordinatamente, sbevazzo.
sbetegldo (sbiet.egä, sbidtego) bi-
sbetico.
sbianchizeo (-i-) divento bianco.
— Quanti ani gave, compare?
Eli, semo li nemo lä, ved'e zä,
sbiancliizea.
sbitulio (-ie-) peteggio.
sbizegheo sbizig. (-iz-) cerco e
ricerco, frugo. — Cossa ti
sbizigliei lä in quei strafanid?
(Lumpen, Abfälle).
sbomborea sbromb. fa pancia;
e prossimo a franare. — Co
sto ümedo quel muro lä el me
duto sbomborea.
sbrindulio (-ei-) spenzolo.
sbrissoleo (-i-) sdrucciolo, sci-
volo.
sbrodeghei (-6-), sbrudeghio (-vö-)
insudicio; lavo, risciacquo
alla buona.
me sbrodoleo (-öd-) m’ imbro-
dolo.
sbuzinia romba, fiscbia (del ven-
to, delle pietre lanciate con
fionda, delle barcbe quando
fendono le acque con celerita).
scandulizio (-ei-) scandolezzo.
scapinio corro intorno.
scapussea (-Ü-) scappuccio, in- .
ciampo, erro.
scaramio squar. (-dm-) pesco
calamari.
scareghio (-d-) scarico.
scarpassio (-äs-) trascino le
scarpe grossolanamente.
scarpedeo (-d-) rivolto terra, ma
superficialmente; raspo, raz-
zolo.
scarpalio (scarpeld, scarpielo)
scalpello.
scarselio (-ie-), scarseleo (-6-)
intasco.
scarsizeo (-i-) scarseggio.
scarugnio (-oü-) diffalco in modo
taccagno.
scavassio (-dss-) spezzo.
sckissoleo (-{-) inuxhidisco, umet-
to: als Impers. comincia a pio-
vere. — La Schissolea la bian-
Zur Präsenshilclung im Romanischen.
69
cheria. — Amia, che tempo
xelof — Schissolea, fia mia!
s-ciafizeo (-i-) schiaffeggio.
s-ciapinio (-ei-) fo male una cosa.
s-ciopetea (ob keine stammbe
tonte Form vorhanden? als
solche wird mir nur s-ciopetiza
angegeben) scoppietta vom
Feuer; s-ciupetio sparo il fucile.
scominciei (-in-) comincio.
scortegheo (-6- und -e-Jscortico.
scoverzeo; s. coverzeo.
me scremeneo (-em-) m’arruffo
i capelli.
scricolei (-i-) digrigni i denti;
auch von dem Knistern der
Stiefel. Die Stutzer lieben
diess; daher die ironische
Redensart do pataconi de piü,
ma che i scricolei.
scripigneo macehio, inzäcchero.
sculassio (-&-) sculaccio.
sculitio (-i-) raccolgo irimasugli.
scuncassio (-d-) sconquasso.
scurezio (-Ü-) tiro correggie.
scuvulio (-uv-) spazzolo.
semenei; s. samenio.
sepeteo rattoppo. — La mdmola
xe in cdmbera che la sepetea
le barghesse del mamo.
sermentei (-en-) tagli sermenti.
sfadighio (-ei-) m'affatico.
sfregoleo (-e-) stropiccio; als
Reflex, mi rendo amico alcuno
fregändomigli d’ attorno.
sgargarizio (-ei-) gargarizzo.
s gi'afignio (-ei-) arraffo, aunci-
no. Gleiche Bedeutung hat
sgrufulio (-oüf-).
sguaterio (-d-) digüäzzo.
siezoleo (-ie-), sizulio (-i-) taglio
colla falce.
significheo (-if-) significo.
sinicheo sindaco, censuro; es ist
wol dasselbe Wort wie sini-
chio (sienicä, si&nico), das Ive
diu-ch secco (,sekire‘) über
setzt.
sipulio (-{-) pesco seppie.
smentegheo; s. desm.
smingulio (-ei-) riduco in bri-
ciole.
sofeglieo (-6- und -e-) soffoco.
somegiei (-e-) rassomigli.
sparagnea (-dgn-) risparmia.
sparnissio (-ei-) disperdo.
spassizio (-ei-) passeggio.
spissigliio (-eissBedeutung?
spiturio espettoro.
spulverio (-u-) spolvero.
squaqnerei (-d-) squacqueri.
me stagioneo stajon. (-6-) mi sta-
giono.
strangoleo (-d- und -ö-), stran-
gulio (-u-) strangolo.
starnudio (-oü-) sternuto.
strassinio (-ei-), strassineo (-i-)
trascino.
strepiteo (-e-), stripitio (strie-
pitä, striepito) strepito.
strolegheo (-6-), struleghio (-Ü-)
fantastico, fo lunarii.
subiulio (-oül-) fischio. Ebenso
subiutio (-out-).
subussio (-oü-) metto uno in
acqua a capo fitto.
supressio (-ie-) stiro la bian-
cheria.
70
M u s s a f i a.
sussureo scompiglio, turbo. —
Sta quieto, cossa ti sussurei
quele galine?
suterio sotterro.
svalizio (-ei-) svaligio.
sventulio, te sventolei (-S-) sven-
tolo.
tabachio, tabacliea (-de-) tabacco.
tacunio (-6-) rattoppo.
tambario (-am-) trimpello, batto
sulla coperta delle barclie pe-
schereccie per ispaventare il
pesce.
tambaschio,tambascheo (-ds-)dico
su parole e parole senza cbe
altri ru’intenda.
tambureo, tamburio (-li-). —Idol
i cervei sti benedeti soldai;
cossa i taniburea duto el san-
tissimo zorno! Ftir dasßovign.
bemerkt Ive, das Verbum
werde gebraucht um den
Lärm zu bezeichnen, welchen
die Fischer machen, um den
Fischen Furcht einzuflössen.
tamizio (-ei-) cribro.
tarochei (-6-) litighi.
tarapatateo (-dto) fo confusione,
fo un casa del diavolo.
tartassea (-dss-) tartasso.
tarunzio (-Ö-) tagliuzzo intorno
intorno.
me tazenteo (~e-) mi tranquillo.
tempesteo (-es-) tempesto; el lo
tempestea de domande; auch
tampestea cade la tempesta.
tochizea tonchizea (-{-) dei tocchi
concitati della campana alla
fine dell’ ultimo segno che
chiama alla messa. Auch
pers. von Dem, der läutet.
todescheo parlo tedesco. — Son
stada, save, in suso (bei einer
Behörde) — conteme, conteme,
come la xe andada? — Noma
che i todescliea quei siori lä
su; chi vole che li capissi? In
Rovigno tudescliio int. (-is-)
rompo il capo ad alcuno.
me tomboleo (-6m- und -61-), tum-
bulio (-6m-) fo capitomboli;
cado a capitomboli.
tonizea (-(-), tunizia (-ei-) tuona.
tontoneo (-öiit- lind-6n-) brontolo
senza fine.
trapanio (-dp-) trapano, perforo.
travasio (-ds-) travaso.
tvepeteo (-ep-) passeggio su e giu
facendo rumore. — Saldo la
trepetea (= savatea) per
casa.
tribulio (-ei-) ,tribolea(-i-) tribolo.
trombeteo (-e-), trumbetio (-it-)
trombetto.
trotoleo (-ot-), trutulio (-uot-) fo
passi piccoli e frequenti quasi
saltellando.
trumentio türm, (-e-) tormento.
urdenio (-Ü-) ordino.
vendemio (-im-), vendemeo (-en-
und -ein-) vendemmio.
verdezea (als stammb. wird in-
verdiza angegeben) verdeg-
gia.
vrigulio (-ei-) trivello.
zunzulio (-ön-) gongolo?
Zur Präsensbildung im Romanischen.
71
IV. Anhang'.
Verba, die in der Mundart von Veglia ein Präsens auf
-aj- aufweisen.
a) Der I. lat. Conjugation.
catäjo (Inf. -udr) finde.
despressiajo.
fulminaja.
legajo (-udr).
sperajo.
stimajo.
studajo (-iur).
sudajo (-udr).
suflajo.
suspirajo.
tocajo.
tonaja.
tremajo (-udr)
vegliajo.
h) Der II. lat. Conjugation.
potajo (-dre) = pot-ere. tctcajo (-dr) schweigen.
c) Der III. lat. Conjugation.
desponaja (-dr); el tidmp se d. premajo (-dre).
alla pludja. sielgajo (-dr).
distenguajo (-dr).
d) Der IV. lat. Conjugation.
tossajo (-er). venajo (-ere).
Zusätze.
Zu S. 3. Ob dem rumän. lyuddm lyuddtsi lat. laud-abämus,
-abdtis oder lauddb-amus, -atis zu Grunde liegt? Erstere Ansicht
verficht Miklosich, Beiträge V, 33; letztere Lambrior, Roman.
IX, 366. Für ein näheres Eingehen auf die Frage ist hier
nicht der Ort. Ich hätte aber jedenfalls besser gethan, den
Ausdruck vielleicht im Rumänischen* zu gebrauchen.
Zu S. 3 und 4. Trotzdem ich bei der Anführung der
Fälle, in denen Versetzung des Accentes aus analogischem Triebe
stattfand, durchaus keine Vollständigkeit anstrebe und eine ge
wisse Anzahl von Beispielen für meinen Zweck ausreicht, so
72 Mussafia.
möge doch zu dem im Texte Angeführten noch Folgendes hin
zutreten. Eine Monographie, welche die Erscheinung auf allen
Gebieten verfolgte, würde keine undankbare Aufgabe sein.
Vorrückung des Accentes innerhalb der Endung — um
die Tonverhältnisse der verschiedenen Formen eines und des
selben Tempus anzugleichen — auch in der später unter ,Veglia‘
angeführten 1. Pers. Sing, credassäi (gleichsam cred-issem), be
einflusst durch credassdite (— -etis).
Vorrückung des Accentes innerhalb der Endung auch im
rumän. Inaperf. Ind. der lat. III. und IV. Conjug.: -eäm, -edi, -ed.
Zwei Erklärungen schienen möglich. Man könnte meinen, an
-ebämus, -ebdtis seien -ebd-m, s, t, nt angeglichen. Da aber
dieser Vorgang der Sprache sonst unbekannt ist (vendam hat
sich z. B. nicht an venddmus angeglichen), so ist diese Deutung
abzulehnen. Hier liegt ein anderes Walten der Analogie vor:
das Imperf. Ind. der lat. II. und IV. Conjug. folgte dem der I.;
wie neben kuntdm knntdtzi sich floredm floredtzi finden, so
wurden an hunt-dm, di, d auch flor-eam, edi, ed angebildet.
Auch eram ging mit: er-dm, di u. s. w.
Betonung bald des Stammes, bald der Endungen in den
einzelnen Formen eines und desselben Tempus kommt ausser im
Präs, auch im Imperf. Ind. von esse und im starken Perf. vor,
und in beiden Fällen findet sich vollständige oder partielle An
gleichung mittelst Zurückziehung des Accentes: Span. Port.
eramos erais (-eis). Ital. Mund., z. B. in Capodistria: ierimo
(die 2. Plur. ieri ist die des Sing.); Sicil. eramu (eravu ist streng
genommen nicht erdtis -f- vos) u. s. w.
Im starken Perf. am deutlichsten im Altrumänischen:
rüpsi, rüpsesi, rupse, rupsem, rüpsetsz, rupsere; vgl. Miklosich,
Beiträge V, 32. Ital. vidimo, stettvmo; eben so in Mundarten,
z. B. Sicil. : vittimu, vistimu, stettimu, stesimu geben wohl eher
das classische vidimus, stetimus wieder, wie die 2. Sing, und
Plur. vedest-i-e, vidist-i -iuu wahrscheinlich machen. Spätere franz.
Formen wie voustes scheinen mir auch, wenigstens zum Theile,
hieher zu gehören.
Im Präs. Conj. tirol. Mundarten zieht sich der Accent
in der 1. und 2. Plur. vielfach auf den Stamm zurück; so in
Zur Präsensbildung im Romanischen.
' 73
Coret (Nonsbcrg); äbia, dbiest, dbia, dbien, dbieu; sia, siest, sia,
sien, sieu (Böhmer in den Rom. St. III, 77), in Cagnö (Nonsberg)
pqrtia, pqrties, pqrtia, pqrtien, pqrtio, pqrtia und so in allen
Conjugationen (Gärtner, Sulzb. W. 13.)
In der Volkssprache Portugals werden die 1. und 2. Plur.
Präs. Conj. der E- und I-Vorba mit betontem Stamme ausge
sprochen : devamos, devais, fujamos, fujais. Dass hier keine An
gleichung an dev-a-, as-, -a, -aö vorlicgt, beweist der Umstand, dass
die Erscheinung bei den A-Verben (deren tonlose Conjunctiv-
Endungen -e, -es u. s. w. lauten) ausbleibt. Wir haben es hier,
nach Gongalves Vianna (Roman. XII, 92), mit Angleichung an
das Imperf. Ind. zu thun, das in der zweiten Silbe seiner En
dungen -a, -as, -a, -amos, -eis, -ao bietet. Also wie amäva,
amäcamos, devia, deviamos, so deva, devamos, fuja, fujamos.
Die Accentversetzung dürfte demnach vorerst die 1. Plur. ge
troffen haben, denn nur hier findet sich Parallelismus der En
dungen, während in der 2. Plur. dem -ais des Conjunctivs ein
-v-eis im Imperf. Ind. gegenüber steht. Die 1. Plur. hat dann
die 2. mit sich gezogen. Nach Gongalves Vianna kennt auch
die spanische Volkssprache dieselbe Erscheinung.
Zu S. 16. Die Vcrmuthung, dass auch im Buchensteini-
schen -e/-Conjunctivc sich finden werden, wird mir j'etzt durch
Gärtner bestätigt, welcher in handschriftlichen Aufzeichnungen,
die ihm Schneller mitthcilte, folgenden Satz findet: cosi se sp'ri-
goleja i tosaeg ,so fürchten sich die Knaben'.
Zu S. 35. Entveit in S. Bernh., das Willenberg (S. 406)
gerne als einen Fehler ansähe, kann ganz gut als ein Beleg
unserer Erscheinung angesehen werden; ei statt oi hie und da
auch im Gregor über Ezechiel.
In Ogier le Danois V. 1066 liest der Druck n’en retenrai. . .
tantque sarai con Kallon se plaidoit; dazu die Variante K. esploi-
teroit. Darf man in ersterer Lesung ein sicheres Beispiel eines
-oi-Conjunctivs erblicken ?
Zu S. 36 und 54. Conjunctive auf -ei und -eize im
Dauphine aus der Sammlung Lapaume’s sind in Flechtner’s
Abhandlung über das Alexander-Fragment (S. 74) verzeichnet.
Zu S. 40. Bei Anführung des altlothring. Conjunctivs -oice
-oisse fügt Bonnardot (Gu. de Metz S. 454) noch hinzu: ,de la
sa faveur et sa persistance dans le patois moderne sous la
notation -eusse qui figure indistinctement le pres. et l’imparf.
du suhj/ In der That führt Adam nur für eine Section stamm-
betonte Conjunctiv-Formen (gnüri, sauve, minge) an, sonst kennt
er blos betonte Formen mit den Endungen -esse, -ess’, -elihe,
-eusse, -eulihe, -euh; nur fasst er sie als Imperf. Conj. (also auf
lat. Plusquamperf. Conj. zurückgehend) auf. 1 Ich glaube, Bon
nardot sei im Rechte; denn die 1. Plur., die auf -ins, -insse geht
(chantins, demändinsse u. s. w.) kann doch wohl nur mit -ennis,
-amus, nicht mit -assemus, -issemus Zusammenhängen.
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frappo de discredit et que la tendance generale est ä son remplacement
par le present, c’est au contraire, dans la plüpart de nos patois, l’im-
parfait qui s’emploie pour le present.
2 Die Zeitschriften zu verzeichnen, hielt ich für überflüssig.
Zur Präsensbildung im Romanischen.
75
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Conjugation. Ein Bruchstück aus der Entwickelungsgeschichte
der französischen Flexion. Halle, 1882
Tissot, I. Le patois des Fourgs, arrondissement de Pontarlier,
departement. du Doubs. Paris, 1835. (Extrait des Memoires
de la societe d’emulation de Doubs.)
Tobler, Adolf. Die altvenezianische Uebersetzung der Sprüche des
Dionysius Cato. (Aus den Abhandlungen der königl. preuss.
Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1883.) Berlin, 1883.
de Wailly, Natalis. Observations grammaticales sur des chartes
franqaises d’Aire en Artois. Paris, 1872. (Aus der Bibliotheque
de l’ecole des chartes, tome XXXI.)
— Memoire sur la langue de Joinville. Paris, 1870. (Aus den
Memoires de l’Academie des inseriptions et belles-lettres, tome
XXVI, 2 e partie.)
Yzopet, Lyoner; altfranzösische Uebersetzung des XIII. Jahrhun
derts in der Mundart der Franche-Comte mit dem kritischen
Text des lateinischen Originals . . . zum ersten Male heraus
gegeben von Wendelin Foerster. Heilbronn, 1882. (V. Band
der altfranzösischen Bibliothek.)
IX. SITZUNG VOM 11. APRIL 1883.
Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht über
mittelt eine Einladung zu dem in diesem Jahre stattfindenden
sechsten internationalen Orientalisten-Congress.
Die k. bayer. Akademie der Wissenschaften in München
macht Mittheilung von den am 28. März d. J. ausgeschrie
benen Preisen des Zographos-Fondes.
Die k. würtemb. Archiv-Direction in Stuttgart übersendet
den vierten Band des von ihr herausgegebenen ,Würtembergi-
sclien Urkundenbuches 1 .
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für
die Denkschriften bestimmte Abhandlung: ,Die Gottesmenschen
und Skopzen in Russland 1 vorgelegt.
Herr Professor Dr. J. Loserth in Czernowitz übersendet
unter dem Titel: ,Au- s Breslauer Handschriften 1 urkund
liche Beiträge zur Geschichte Böhmens und seiner Nachbar
länder im 14. und 15. Jahrhundert und ersucht rnn Aufnahme
derselben in das Archiv für österreichische Geschichte.
Von Herrn Dr. H. Marczali, Professor in Budapest, wird
mit dem Ersuchen um Publication in den akademischen Schrif
ten vorgelegt: ,Journal von 1789. Ueber den Feldzug und
79
mein geführtes Comniando der Hauptarmee gegen die
Türken in Syrmien und dem Banat, von Graf Andreas
von Hadik 1 ; mit einer kurzen Einleitung über die Tagebücher
des genannten Feldmarschalls und Hofkriegsraths-Präsidenten.
Beide Vorlagen gehen an die historische Commission.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Accademia, E. delle scienze di Torino: Atti. Vol. XVIII, Disp. 1" (No-
vembre—Dicembre 1882). Torino, 1882; 8°.
Akademija jugoslavenska znanosti i umjetnosti: Rad. Knjiga LXII.
U Zagrebu, 1882; 8°.
— Rjecnik hrvatskoga ili srpskoga jezika; obraduje D. Danidic. Dio I,
svezak 4. U Zagrebu, 1882; 8°.
British Museum: A Catalogue of the greek coins. Thessaly to Aetolia and
tlie Ptolemies, Kings of Egypt. London, 1883; 8°.
Bureau, k. statistisch-topographisches: Beschreibung des Oberamts Künzels-
au. Stuttgart, 1883; 8".
Faculte des lettres de Bordeaux: Annales. IV C annee, No. G. Bordeaux, Lon-
dres, Berlin, Paris, Toulouse, 1882; 8°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXVI, Nr. 2.
Wien, 1883; 8».
Nationalmuseum, germanisches: XXVIII. Jahresbericht. Nürnberg, Januar
1882; 4°. — Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit. Nr. 1—12. Nürn
berg, 1882; 4°.
Society, the Asiatic of Bengal: Bibliotheca indica. Nos. 483 and 486. Cal-
cutta, 1882; 8°.
— the royal geographical: Proceedings and Montlily Record of Geography.
Vol. V, Nr. 3 and 4. March and April 1883. London; 8°.
Strassburg, kaiserliche Universitäts- und Landesbibliothek: Akademische
Schriften im Jahre 1881/82; 84 Stücke, 4° und 8°.
Verein für meklenburgische Geschichte und Alterthumskunde: Jahrbücher
und Jahresbericht. XLVII. Jahrgang. Schwerin, 1882; 8°.
— Meklenburgisches Urkundenbuch. XII. Band, Wort- und Sachregister zu
Band V—X. Schwerin, 1882; gr. 4°.
— historischer der fünf Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug:
Der Geschichtsfreund. XXXVII. Band. Einsiedeln, New-York, Cincinnati
und St. Louis, 1882; 8 n .
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. IV. Jahrgang, Nr. 6
und Ausserordentliche Beilage Nr. IV. Wien, 1883; 8°.
X. SITZUNG VOM 18. APRIL 1883.
Von Herrn Dr. Wilhelm Kubitschek, wirkl. Lehrer an
dem Gymnasium zu Oberhollabrunn, wird eine Abhandlung
unter dem Titel: ,Studien zu Julius Honorius. Zugleich ein
Beitrag zur Kritik der Erdkarte des Agrippa‘, mit dem Er
suchen um ihre Aufnahme in die Sitzungsberichte vorgelegt.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
Herr K. Glaser, Professor an dem Staatsgymnasium zu
Triest, überreicht eine Abhandlung: ,Ueber Bäna’s Pärvati-
p a rin ay an ata k a ‘ und ersucht um die Veröffentlichung derselben
in den Sitzungsberichten.
Die Vorlage wird einer Commission zur Berichterstattung
zugewiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie imperiale des Sciences de St. -Petersbourg: Zapiski. Tom. XL,
Nos. 1 und 2; Tom. XLI, Nos. 1 und 2; Tom. XLII. St.-Petersbourg,
1882; 8°.
Accademia, lt. delle scienze di Torino: Atti. Vol. XVIII, Disp. 2 a (Gennaio
1883). Torino; 8°.
Akademie der Wissenschaften, k. bayerische: Abhandlungen der histori
schen Classe. XVI. Band, II. Abtheilung. München, 1882; 4°.
— Churfürst Maximilian I. von Bayern. Festrede von Felix Stieve. München,
1882; 4°. — AusdemhandschriftlichenNachlas.se L. Westenrieder’s, von
August Kluckliohn. I. Abtheilung. Denkwürdigkeiten und Tagebücher.
München, 1882; 4°. — Ueber die Anfänge des kirchenpolitischen Kampfes
unter Ludwig dem Bayer von Willi. Preger. München, 1882; 4°.
— Abhandlungen der philosophisch - philologischen Classe. XVI. Band,
III. Abtheilung. München, 1882; 4°.
— Der Rhetor Menandros und seine Schriften, von Conrad Bursian.
München, 1882; 4°. — Die Atticusausgabe des Demosthenes, ein Beitrag
81
zur Textesgeschichte des Autors, mit t Tafel, von W. Christ. München,
1882; 4". — Kyaxares und Astyages, von Georg Friedrich Unger.
München, 1882; 4".
Akademie der Wissenschaften, k. schwedische: Oefversigt af Förhandlingar.
39: de Arg. Nr. 70, 8. Stockholm, 1883; 8°.
— Vitterhets historie och Antiquitets: Antiquarisk Tidskrift. 0. Delen,
3. Hiiftet. Stockholm, 1880—1882; 8°.
Alterthums-Verein zu Wien: Berichte und Mittheilungen. Band XXI.
Wien, 1882; 4».
B'.onn, Universität: Akademische Schriften pro 1882. 59 Stücke, 8° und 4°.
Central-Commission, k. k. zur Erforschung und Erhaltung der Kunst- und
historischen Denkmale. IX. Band, 1. Heft. Wien, 1883; gr. 4°.
Gesellschaft der Wissenschaften, königl. böhmische: Abhandlungen vom
Jahre 1881 und 1882. 6. Folge, XI. Band. Prag, 1882; 4°.
— Sitzungsberichte. Jahrgang 1881. Prag, 1882; 8°. — Jahresbericht. Prag,
.1881; 8".
Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae: Pars II.
Opera Josephi Emler. Vol. VIII und IX. Pragae, 1880 et 1882; 4 n .
Handels-Ministerium, k. k. in Wien, statistisches Departement: Statisti
sche Nachrichten über die Eisenbahnen der österr.-ungarischen Monarchie
für das Betriebsjahr 1879. Wien, Becsben, 1882; fol.
Istituto veneto di scienze, lettere ed arti: Memorie. Vol. XXI, Parte III.
1882. Venezia; 4°.
— Atti. Tomo VII, serie quinta, dispensa 10“ Venezia, 1880 — 1881; 8°. —
Tomo VIII, serie quinta, dispensa 1“—10“. Venezia, 1881 — 1882; 8°. —
Tomo I, serie sesta, dispensa 1“—3“. Venezia, 1882—1883; 8°.
Verein für nassauische Alterthumskunde und Geschichtsforschung: Annalen.
XVII. Band, 1882. Wiesbaden, 1882; 8°.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. C1V. Bd.
1. Hft.
6
XL SITZUNG VOM 2. MAI 1883.
Für die akademische Bibliothek wurden nachfolgende
Werke eingesendet:
von dem k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht der
2. Theil von Kurschat’s Wörterbuch der litthauischen Sprache,
von dem mährischen Landesausschusse in Brünn der
10. Band von Dudik’s Mährens allgemeiner Geschichte, und
von Herrn Hofrath Dr. Josef Haller in München der
1. Theil seines Werkes ,Altspanische Sprichwörter und sprich
wörtliche Redensarten aus den Zeiten vor Cervantes'.
Der Vorsitzende der Centraldirection der Monumenta Ger-
maniae in Berlin übermittelt in Abschrift den Jahresbericht
über das Unternehmen.
Von dem w. M. Herrn Professor Dr. Anton Gindely in
Prag wird eine für die Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung
vorgelegt, welche betitelt ist: ,Ein Beitrag zur Biographie des
P. Dominicus a Jesu Maria, des Zeitgenossen der Schlacht
auf dem weissen Berge'.
Die Abhandlung wird der historischen Commission über
wiesen.
Von Herrn Pfarrer W. Simerka in Jenschowitz wird
eine Abhandlung unter dem Titel: ,Die Kraft der Ueberzeugung,
ein mathematisch-philosophischer Versuch', mit der Bitte um
ihre Aufnahme in die akademischen Schriften vorgelegt.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Berichterstat
tung überwiesen.
Herr Dr. Jos. Dernjac, Scriptor an der Bibliothek der
k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien, überreicht
83
mit dem Ersuchen um ihre Veröffentlichung in den Sitzungs
berichten eine Abhandlung, betitelt: ,Der Hof-Maler und Sta-
tuarius Johann Wilhelm Beyer, sein Bildungsgang und seine
Arbeiten für die Porzellanfabrik zu Ludwigsburg und für den
k. k. Park zu Schönbrunn. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte
des 18. Jahrhunderts'.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
zugewiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Acad^mie royale des Sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique:
Bulletin. 52 e annee, 3 e Serie, toine V, No. 2. Bruxelles, 1883; 8°.
Academy of Natural Sciences of Philadelphia: Proceedings. Parts 1—III.
Philadelphia, 1882: 8 n .
Akademie der Wissenschaften, k. bayerische zu München: Sitzungsberichte
der philosophisch-philologischen und historischen Classe. 1882. Band II,
Heft III. München, 1882; 8°.
Borcli, Leopold Freiherr von: Beiträge zur Rechtsgeschichte des Mittelalters
mit besonderer Rücksicht auf die Ritter und Dienstmannen fürstlicher
und gräflicher Herkunft. Innsbruck, 1881; 4°. — Geschichte des kaiser
lichen Kanzlers Conrad, Legat in Italien und Sicilien, Bischof von Hildes
heim und von Würzburg und dessen Vertheidigung gegen die Anklage
des Verrathes. Innsbruck, 1882; 8°.
Cantor, Georg Dr.: Grundlage einer allgemeinen Mannigfaltigkeitslehre.
Ein mathematisch-philosophischer Versuch in der Lehre des Unendlichen.
Leipzig, 1883; 8°.
Genootsehap, Bataviasch van Künsten en Wetenschappen: Tijdschrift voor in
dische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel XXVII, Aflevering 6. Batavia,
s’Hage, 1882; 8°. ■— Deel XXVIII, Aflevering 1. Batavia, s’Hage, 1882; 8°.
— Notulen van de Algemeene en Bestuurs —■ vergaderingen. Deel XX,
Nr. 1 und 2. Batavia, 1882; 8°.
— Chineesch-Hollandscli Woordenboek van het Emoi Dialekt door J. J. C.
Francken en C. F. M. de Grijs. Batavia, 1882; 4°.
Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXVI,
Nr. 3. Wien, 1883; 8°.
— der Wissenschaften, königliche zu Göttingen: Abhandlungen. XXIX. Baud
vom Jahre 1882. Göttingen, 1882; 4°.
— Güttingische gelehrte Anzeigen. 1882. I. und II. Band. Göttingen, 1882; 8°.
— Nachrichten aus dem Jahre 1882, Nr. 1—23. Göttingen, 1882; 8°.
— historisch-antiquarische von Graubünden: XII. Jahresbericht. Jahrgang
1882. Chur; 8».
— oberlausitzische der Wissenschaften: Neues lausitzisches Magazin. LVIII.
Band. Görlitz, 1882; 8».
Institute, the Essex: Bulletin. Vol. XIII, Nr. 1 —12. Salem, 1881; 8°.
6*
84
Königsberg, Universität: Akademische Schriften pro 1882. — 37 Stücke,
4° und 8°.
Museo nacional de Mexico: Anales. Tomo II, Entrega 6“. Mexico, 1882; fol.
Society, the American philosophical: Proceedings. Vol. XIX, Nr. 109. June
to December 1881. Philadelphia, 1881; 8°.
— the royal historic.al: Transactions. N. S. Vol. L., Part I. London, 1883; 8°.
Verein für Landeskunde von Niederösterreich: Topographie von Nieder
österreich. II. Band, X. und XI. Heft. Wien, 1882 und 1883; 4°.
— Blätter. N. F. XVI. Band, Nr. 1—12. Wien, 1882; 8°. — Register zu
den Jahrgängen 1865—1880. Wien, 1882; 8". — Festschrift zur 600jähri-
gen Gedenkfeier der Belehnung des Hauses Habsburg mit Oesterreich.
Wien, 1882; 8".
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter, IV. Jahrgang, Nr. 7.
Ausserordentliche Beilage Nr. V. Wien, 1883; 4°.
XII. SITZUNG VOM 9. MAI 1883.
Das k. k. Reichs-Kriegsministerium ,Marine-Section' über
mittelt clen 3. Band des von F. Attlmayr heraüsgegebenen
Werkes: ,Die Elemente des internationalen Seerechtes'.
Von Herrn Professor Dr. Leopold G eit ler in Agram
wird sein mit Unterstützung der kais. Akademie erschienenes
Werk: ,Die albanesischen und slavischen Schriften mit 25 photo
typischen Tafeln' vorgelegt.
Herr Ferdinand Tadra, Scriptor der k. k. Universitäts-
Bibliothek in Prag, übersendet den ersten Theil einer Ausgabe
der ,Acta Consistorii Pragensis' vom Jahre 1373—1407 mit
dem Ersuchen, die Urkunden in den Fontes zu veröffentlichen.
Die Vorlage wird der historischen Commission übergeben.
Von Herrn Dr. Nemanic, Gymnasialprofessor in Pisino, wird
eine Abhandlung unter dem Titel: ,Cakarisch-Kroatische Studien.
Erste Studie: Accentlehre' mit dem Ersuchen um ihre Auf
nahme in die Sitzungsberichte eingereicht.
Die Abhandlung wird zur Begutachtung einer Commission
zugewiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Akademie der Wissenschaften, ungarische in Budapest: Almanach
für 1883. Budapest, 1883; 8°. — Emlekbeszedek 1882, Nr. 1—5. Buda
pest, 1882; 8°. — Ertesitö, XVI. Jahrgang, Nr. 1—6. Budapest, 1882;
8°. — Ertekezesek a nemzetgazdasägtan es statistika körÄbol. I. Band,
Nr. 1—5. Budapest, 1882 und 1883; 8 n . — Evkönyvei, XVI. Band,
VIII. Theil. Budapest, 1882; 4°. — Ungarische Revue 1882. IV.—X. Heft.
86
Leipzig, 1882; 8 n . — 1883, I.—III. Heft. Budapest, 1883, 8°. — Ko'rösi,
J., Budapest nemzetisegi allapota es magyarosodasa az 1881-diki nep-
szamlalas eredmenyei szerint. Budapest, 1882; 8 n .
Akademie dev Wissenschaften, ungarische in Budapest: Archaeolo-
giai ErtesitS. Neue Folge. II. Band, I. und II. Theil. Budapest, 1882; 8°.
— Archivium Raköczianum. I. Abtheilung, VIII. Band. Budapest, 1882; 8°.
— Ertekezesek a nyelv- es szeptudomanyok, körebo'l. X. Band, Nr. 1—13.
Budapest, 1881 und 1882; 8°.
— Ertekezesek a tarsadalmi tudomanyolc köreböl. VII. Band, Nr. 1—6.
Budapest, 1881, 1882, 1883; 8°. —Ertekezesek a törtenelmi tudomänyok
körÄb&'l. IX. Band, Nr. 12. Budapest, 1882; 8°. — X. Band, Nr. 1—3,
5—10. Budapest, 1882 und 1883; 8 n . — Monumenta Comitialia Regni
Hungariae. VIII. Band. Budapest, 1883; 8°. — Monumenta Comitialia
Regni Transsylvaniae. VIII. Band. Budapest, 1882; 8 n . — Monumenta
Hungariae historica. I. Abtheilung, XXVI. Band. II. Abtheilung, XXXI.
Band. Budapest, 1881 und 1882; 8°. — Nyelvtudomänyi Közlemenyek.
XVII. Band, I. und II. Heft. Budapest, 1881 und 1882; 8 n . — Regi
magyar költök tara. IV. Band. Budapest, 1883; 8°. — Deak, F., Gröf
Tfikölyi Imre levelei. Budapest, 1882; 8 n . — Dr. Kärolyi, A., und Dr.
Szalaj', J., Nadasdy Tamas Nador csalädi levelezese. Budapest, 1882; 8 n .
— Dr. Ortvay, T., Magyarorszag regi vizrajza a Xlll-ik szäzad vegeig.
I. und II. Band. Budapest, 1882; 8°. — Pesty, F., A magyarorszagi väri-
spänsagok törtenete kiilönösen a XIII. szäzadhan. Budapest, 1882; S”.
— Simonyi, S., A magyar köto'szok. II. Band. Budapest, 1883; 8°. —
Vämbery, A., A Magyarolc eredete. Budapest, 1882; 8°. — Vecsey, T.,
Lucius Ulpius Marcellus. Budapest, 1882; 8°.
Bureau, k. statistisch-topographisches: Württembergische Jahrbücher für
Statistik und Landeskunde. Jahrgang 1882, I. und II. Hälfte. Stuttgart,
1882—1883; 4°. —Jahrgang 1882. II. Band und Supplementband. Stutt
gart, 1882—1883; 4».
Museum krälovstvi Ceskeho: Casopis. 1883, rocru'k LVII. Praze; 8°.
Society, the Asiatic of Bengal: Proeeedings. Nr. 10, Decemher 1882. Nr. 1,
January 1883. Calcutta; 8.
Verein, historischer der Pfalz: Mittheilungen. XI. Speier, 1883; 8°.
XIII. SITZUNG VOM 23. MAI 1883.
Se. Excellenz der Curator - Stellvertreter Herr A. Ritter
von Schmerling theilt mit, dass er in Abwesenheit Sr. kais.
Hoheit des durchlauchtigsten Herrn Curators der kais. Aka
demie, Erzherzog Rainer, die feierliche Sitzung mit einer An
sprache eröffnen werde.
Das w. M. Herr Professor Müller überreicht im Namen
des Herrn Verfassers der Classe das zweibändige Werk: ,Etudes
Iraniennes par James Darmesteter'.
Herr Regierungsrath Dr. C. Ritter von Wurzbach über
sendet den 47. Theil des ,Biographischen Lexikons des Kaiser
thums Oesterreich' mit dem Ersuchen um Bewilligung des
üblichen Druckkostenbeitrages.
Von dem w. M. Herrn Dr. Pfizmaier wird eine für die
Sitzungsberichte bestimmte Abhandlung unter dem Titel: ,Die
neuere Lehre der russischen Gottesmenschen 1 überreicht.
Das w. M. Herr Hofrath Ritter von Höfler in Prag
übersendet eine für die Sitzungsberichte bestimmte kritische
Untersuchung, betitelt: ,Vincenzo Quirini, venetianischer Bot
schafter am Hofe Königs Philipp des Schönen, und die übrigen
Qucllenpchriftstellcr der Geschichte des ersten habsburgischen
Königs von Castilien'.
Herr Josef Teige in Prag übermittelt ,Eine Bemerkung
zur Genealogie der Premysliden' mit dem Ersuchen um ihre
Veröffentlichung in den akademischen Schriften.
Die Mittheilung wird der historischen Commission über
geben.
88
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Acaddmie des inscriptions et belles - lettres: Öomptes rendus. 4° serie,
tome 10, Bulletin d’Octobre—Novembre—Decembre. Paris, 1882 ; 8 U .
— royale des Sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique. 52 e annee,
3 e sirie, tome 5, No. 3, Bruxelles, 1883; 8°.
— royale de Copenhague: Bulletin. No. 3. Oversigt over det Forhandliugar
og dets Medlemers, Arbejder i Aaret 1882. Kjikbenhavn, 8°. — Bulletin
pour 1883. No. 1, lvjijibenhavn, 1883; 8°.
Accademia, E. delle scienze di Torino: Atti. Vol. XVIII, Disp. 3» (Pebbraio
1883). Torino; 81
— E. dei Lincei: Atti. Anno CCLXXVIII. 1880—1881. Serie terza. Memorie
della classe di scienze morali, storiche e filologiche. Vol. ATI und IX.
Eoma, 1881; 4°.
Akademija umiejetnosci w Krakowie: Lud. Seria XV, No. 7. Krakow, 1882; 8°.
— Pokucie. Obraz etnograficzny. Tom. I. Skreslil Oskar Kolberg. Krakow,
1882; 8°.
— Kozprawy i sprawozdania z posiedzen wydzialu historiczno-lilosoficznego.
Tom. XV. \V Krakowie, 1882; 8 11 .
— Starodawne prawa polskiego pomniki. Tom. VI. Cracoviae, 1881; 4 n . —
Tom. VII, zeszyt 1. Cracoviae 1882; 4°.
Ateneo veneto: Kevista mensile di scienze, lettere ed arti. Serie V, Nos. 1—6.
— Serie VI, Nos. 1—6. A'enezia, 1882; 8°. — Serie VII, Nos. 1—3.
A r enezia, 1883; 8°.
Central-Commission, k. k. statistische: Statistisches Jahrbuch für das
Jahr 1880. VI.—VIII. Heft. AVien, 1883; 8 11 .
Gesellschaft, deutsche morgenländische: Zeitschrift. XXXATT. Band, I. Heft.
Leipzig, 1883; 8 n .
— AVissenschaftlicher Jahresbericht über die morgenländischen Studien im
Jahre 1880. Leipzig, 1883; 8°.
Karpathen-A r erein, ungarischer: Jahrbuch. X. Jahrgang 1883, I. Heft.
KesmÄrk; 8°.
Lüttich, Universität: Druckschriften aus den Jahren 18611, 1876, 1878, 1881
und 1882. 12 Stücke; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt. XXIX. Band.
1883. V. Gotha; 4".
Society, the American geographical: Bulletin. Nr. 3 und 4. New-l r ork, 1882;
8H. — 1883. Nr. 1. New-A’oi-k, 1883; 8'>.
— the royal Asiatic: the Journal of the Bombay Brauch. Vol. XV, Nr. XL.
Bombay, 1883; 8°.
— the royal geographical: Proceediugs and Monthly Record of Geography.
A r ol. A r , Nr. 5. May 1883. London; 8°.
Pfizmaier. Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
89
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
Von
Dr. A. Pfizmaier,
wirkt. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
In einer früheren, zur Veröffentlichung bestimmten Ab
handlung : ,Die Gottesmenschen und Skopzen in Russland'
brachte der Verfasser die bis zu dem Jahre 1820 reichende
Geschichte dieser zwei mit einander eng verbundenen Secten,
A r on den Beobachtungen und urkundlichen Forschungen Herrn
Professor Dobrotwörski’s in Kasan ausgehend, zur Kenntniss.
In der gegenwärtigen Abhandlung wird, ebenfalls auf
Grund der Mittheilungen Herrn Dobrotwörski’s, der Gegenstand
weiter behandelt und an erster .Stelle ein ausführlicher, in der
früheren Abhandlung nicht enthaltener Bericht über die diesen
Secten eigenthümlichen, mehr oder weniger verschiedenen gottes
dienstlichen Gebräuche, insofern dieselben bekannt wurden, vor
angeschickt, sodann die jetzt als Hauptlehre der Gottesmenschen
geltende Lehre von dem geheimnissvollen Tode und der ge-
heimnissvollen Auferstehung dargelegt.
Nachdem Seliwänow, der sich für den Kaiser Peter III.
und nebenbei für Christus ausgab, um das oben erwähnte
Jahr 1820 in dom Kloster von 8 uz dal gestorben, trat ein
falscher Christus zwar nicht mehr auf, jedoch glauben die
Skopzen, dass Seliwänow verborgen in Irkutsk noch lebe und
bald zu dem sogenannten schrecklichen Gericht zurückkehren
werde. Thatsächlich verkündeten indessen die zurückgebliebenen
Propheten, d. i. Vorsteher der Gottesmenschen, welche sich für
geheimnissvoll Auferstandene hielten, die vielfach bedenkliche
neue Lehre von dem geheimnissvollen Tode und der geheimniss
vollen Auferstehung.
90
Pfizmaier.
Die Gesellschaft der Gottesmenschen und ihre gottes
dienstlichen Gebräuche.
Die Gottesmenschen lassen sich gewöhnlich in die Kirchen
bücher zugleich mit den rechtgläubigen Christen eintragen, und
sie werden meistentheils von den Priestern selbst nicht allein
zu den rechtgläubigen, sondern zu den besten Christen der be
treffenden Heerde gezählt. Die Hauptursache dieser Erscheinung
besteht darin, dass ein Jeder bei dem Eintritte in die Gemein
schaft der Gottesmenschen schwört, Niemandem etwas von der
Lehre und den Gebräuchen der Irrgläubigen zu verrathen, und
dass er, um sicherer seine Theilnahme an der Irrlehre zu ver
bergen, sich verpflichtet, nach Möglichkeit alle Gebote der
Kirche und die Vorschriften für ein christliches Leben zu be
folgen. Eine andere Ursache ist, dass sehr viele Anhänger der
Secte beinahe gar nicht in die Geheimnisse ihrer Lehre und
ihrer Gebräuche eingeweiht sind und daher, besonders von den
mit der Irrlehre unbekannten Menschen, wesentlich unbemerkt
bleiben können. Für derartige Mitglieder legen die Propheten
der Gottesmenschen eine mit der Lelrre der rechtgläubigen
Kirche vollkommen übereinstimmende Lehre dar.
Radäjew, einer der Propheten der Gottesmenschen, schreibt
an seine Anhänger: Meine Brüder, seid der heiligen Kirche
eifrig ergeben; glaubet, was in ihr Heiliges geboten wird. Drei
Verbeugungen in ihr sind mehr werth als deren di’eihundert
zu Hause. Ehret die Priester sehr viel und liebet den ganzen
Clerus. Betrachtet nicht ihre Fehler, sondern die Würde und
ihr grosses Amt. Sie sind Diener des höchsten Gottes. Dem
Herrn ist es sehr gefällig, sie ehren; wer sie ehrt, ehrt Gott.
Sie sind grosser Ehre würdig. — Auf Grund solcher Anleitungen
besuchen die in die Geheimnisse ihrer Lehre noch nicht ein-
geweihten Gottesmenschen in der Tbat den Gottesdienst in den
Kirchen, beten zur Zeit desselben andächtig und ehren die
Priester.
Zum Theil beichten sie und gehen zum heiligen Abend
mahle öfter als selbst die Rechtgläubigen, weil die Propheten
es-ihnen befehlen. So sagt Radäjew: Denn bei dem schreck
lichen Gerichte vor Gott alle seine Sünden bis auf die kleinsten
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
91
entdecken und vor Gott und dem geistigen Vater bekennen,
der Herr befiehlt, dieses zu thun, indem er spricht: Thuet
Busse, denn es nahet das Gottesreich. Doch das Gottesreich
selbst, es bedeutet das innere. Wenn der Mensch aufrichtig
sich zu den Sünden bekennt vor Gott und dem geistigen
Vater, so wird er getauft durch die Lossprechung, und diese.
Seele wird gewaschen, als ob mit Wasser, durch die Los
sprechung von dem Priester, wird geweiht von Gott durch den
Segen. — Ferner räth Radajew seinen Schülern: Meine Brüder
und meine Freunde, gehet öfters zu dem heiligen Abendmahle.
Ein grosser Nutzen ist der öftere Empfang des heiligen Sacra-
mentes. Christus selbst spricht: Wer mein Fleisch isst und
mein Blut trinkt, der ist in mir, und ich bin in ihm.
Die Gottesmenschen wallfahrten viel öfter als die Recht
gläubigen, verbringen die Feiertage andächtiger u. s. w. Aber
schon zu diesen noch unvollkommenen Mitgliedern der irrgläu
bigen Gemeinde spricht der Prophet der Gottmenschen in den
Versammlungen, in welchen nur die heilige Schrift und Er
bauungsbücher gelesen werden, dass die Kirche zwar erretten
könne, doch dass der Priester nicht so schnell in das Himmel
reich führe wie er (der Prophet), und dabei nicht so hoch
führe wie er. Schon zu diesen seinen Schülern, welche sich
allmälig gewöhnen, in ihm einen von Gott begeisterten Pro
pheten zu sehen, spricht er, seine Lehre derjenigen der Kirche
entgegenstellcnd: Dass ihr die gesunde, euch gegebene Lehre
nicht annehmet, sondern die falsche Lehre nach eurem Willen
und falschem Begehren nicht annehmet? Wie ihr blind seid!
Welche Lehre ist wahrhaftiger, die buchstäbliche, menschliche,
oder diejenige des heiligen Geistes, des in mir wirkenden?
Die Ueberzeugung von dem wirklosen Verbleiben des
heiligen Geistes in dem Propheten und von Unzulänglichkeit
der von der Kirche zum Seelenhcile vorgeschlagenen Mittel
zerreisst vollständig das Band zwischen den Gottesmenschen und
der Kirche. Dieselben werden kalte, selbst frech spottende Voll
zieher der Kirchengebote. Sie gehen allerdings oft in die Kirche,
beten jedoch nur sehr wenig, stehen mit niedergeschlagenen.
Augen. Einige stehen gegen die Wand umgewendet, schütteln
unaufhörlich mit dem Kopfe, flüstern Etwas und weinen über
die vermeintlichen Irrthümer der rechtgläubigen Kinder der
92
Pfizmaier.
Kirche, oder sie. stehen, nachdem sie ein Kreuz gemacht, und
beten nicht. Bisweilen krümmen sie sich, lachen aber bei dem
Austreten aus der Kirche.
Sie beichten oft und gemessen das heilige Abendmahl;
jedoch der Beichte schreiben sie keine Bedeutung mehr zu,
und den Leib und das Blut Christi halten sie für gewöhnliches
Brod und Wein. Bisweilen gemessen sie es auch gar nicht,
sondern behalten es in dem Munde und bringen es zu ihren
Propheten und Prophetinnen, welche es an unreine Orte werfen.
Sie empfangen scheinbar auch die anderen Sacramente der
Kirche, vollziehen auch die Gebräuche, doch weder diesen,
noch etwas Anderem messen sie irgend eine Bedeutung bei.
Sie verbeugen sich vor den Heiligenbildern, doch sie sind über
zeugt und versichern, dass man sich vor Bildern nicht zu ver
beugen braucht, und dass es besser wäre, anstatt der Bilder
irgend Jemanden von ihrer Secte hinzusetzen und vor ihm zu
beten, weil sie lebendig und nicht schlechter als die auf den
Bildern gemalten Personen seien.
Sie verwerfen boshafter Weise das Sacrament der Ehe,
indem sie diejenigen, welche durch das Eheband vereinigt sind,
Nestlinge (rHi3/i,HiiKn), die von ihnen geborenen Kinder aber
Splitter (ocimukh) und junge Hunde (in,eHHTH) teuflischer Art
nennen. Doch sie selbst halten ihre eigenen Ausschweifungen
nicht für hässlich. Diese verneinende, der Kirche und deren
Einrichtungen zuwiderlaufende, zuweilen selbst vor Rechtgläu
bigen unverhüllte Handlungsweise birgt in sich einen weit
stärkeren Plass gegen alles Rechtgläubige. Ihr Hass gegen die
Kirche spricht sich sowohl in den vertraulichen freimüthigen
Unterredungen der Irrgläubigen, als besonders bei ihren gottes
dienstlichen Versammlungen aus, zu welchen nur die durch ihre
Anhänglichkeit an die Irrlehre bekannten Personen zugelassen
werden.
Ein Mädchen, welches sich von der Irrlehre der Gottes
menschen zu der rechtgläubigen Lehre bekehrt hatte, erzählte
Folgendes: Ich war in der Versammlung bei der Spinnerin (Ha
nonpflAyx'k). Daselbst befand sich ein Soldatenweib von der
Geisslersecte und ein Mädchen, welche unter anderen Gesprächen
den griechisch-russischen christlichen Glauben mit allen seinen
Gebräuchen schmähten und ihn für die schlechteste aller Reli-
Die neuere Lehre der rassischen Gottesmenschen.
93
gionen hielten. Sie verwarfen gänzlich die Tanfe der Kinder,
die Beichte und das heilige Abendmahl. Die Priester hiessen
bei ihnen Juden, Pharisäer und Christuskreuziger (pacuHHaTeJH
xpnCTOBH), doch die Christen hiessen Irrgläubige. Sie verklei
nerten die Ehe und verlachten die Frauen, welche Mütter von
Kindern waren, indem sie dieselben Garstige und Unreine
nannten, welche wegen des Kindergebärens das Himmelreich
nicht ererben können. Sie gaben alten Frauen Anweisungen,
damit sie krankheitshalber die allgemeinen Gebete nicht ver
richten und in der Dämmerung beten. Sich selbst hielten sie
für wahre Nachfolger Christi und Mitmärtyrer, indem sie sagten:
Gleichwie man im Alterthum die Christen verfolgte und quälte,
so verfolgen uns jetzt die Priester, welche uns irgendwelche
Ermahnungen vorlegen.
Der Hass der Gottesmenschen gegen die rechtgläubige
Kirche erstreckt sich in ihren geheimen Versammlungen bis
zu entsetzlicher Gotteslästerung, indem sie sich nicht allein
über heilige Gegenstände, sondern auch über Gott selbst lustig
machen. Ihre Lästerungen sind so gross, dass auch ein schwaches
sittliches Gefühl sie zu wiederholen nicht erlaubt, so abscheulich,
dass auch die einfache Anständigkeit sie anzuhören nicht ge
stattet. Es genüge zu sagen, dass die Irrgläubigen in der
stolzen Ueberzeugung, als ob in ihnen der heilige Geist wirke,
zu stolzer Selbstvergötterung gelangen, glauben, über Gott selbst
zu herrschen und ungestraft über dessen Macht nach Gut
dünken verfügen zu können. Deswegen scheuen sie sich nicht,
solche Worte hervorzubringen wie: Da kann man nicht anders,
als Gott einen Dummkopf (/typaKt) nennen, dafür, dass er
nicht in den Mund legt, was zu sprechen ist (bott. ueaL3a,
hto6t> h Bora-To He HasBaTL gypaiiOMB ua to, hto He BK.-ia/iynsaeTB
bt> ycTa, hto roBOpHTt). So drückt sich ein Prophet der Gottes
menschen aus, der durch die Frage eines seiner Schüler über
die Allmacht Gottes in Verwirrung gebracht wird.
Dieser Hass gegen die rechtgläubige Kirche bewog die
Irrgläubigen, in ihre Glaubenslehre selbst den ihnen fremden
Begriff von dem gewissermassen in der rechtgläubigen Kirche
die Herrschaft führenden Antichrist aufzunehmen. Nur erhielt
der vielen altgläubigen Secten gemeine Begriff von ihm in der
Irrlehre des Gottesmenschen ein anderes Merkmal. Noch der
pr
94 Pfizmaier.
zweite falsche Christus Lupkin predigte seinen Anhängern, als
oh damals schon die letzte Zeit wäre und es auf der Erde
einen Antichrist von dem Mönchsrange gebe. Ein anderer, in
heutiger Zeit lebender Prophet der G-ottesmenschen, welche
mit Ungeduld die Abkürzung der Herrschaft des Antichrists
und den Triumph ihres Irrglaubens erwarten, spricht auf fol
gende Weise von diesem Gegenstände:
Die Höllenhunde, nachdem sie sich zum satanischen Ge
richt versammelt und mit ihrem Ritter Satan auf dem Felde,
oder evangelisch, in dem Dorfe versammelt, spielen in ver
schiedenartigen Kreisen in der Lust der Augen, in der Lust
ihres abscheulichsten Fleisches und in weltlicher Lust. Sie
drängten die Christusschafe, verscheuchten sie durch ihre wöl
fische und thierische Weise. Siehe, der Antichrist bestieg den
Thron. Siehe, er liess sich nieder an dem heiligen Orte, auf
dem Thron seiner Grösse und begehrt von Allen Ehrerbietung.
Siehe, es besteigt den Thron der Antichrist. Man gestattet nicht
den demüthigen Christusschafen in der Einheit der Liebe und
Einstimmigkeit wahre Verehrung zu bezeigen dem Zaren der
als Zaren Herrschenden, dem Gebieter der als Gebieter Herr
schenden. Die Höllenhunde verjagten diese sanften Christus
schafe von dem Christusfelde; sie gestatteten den sanften Christus
schafen nicht, sich zu ergötzen an dem Gräschen (s^iaK'B) der
evangelischen Lehre.
Unter dem obigen Bilde des Spielens in verschieden
artigen Kreisen, welches aus den Versammlungen der in Kreisen
springenden Irrgläubigen genommen ist, werden die Handlungen
der rechtgläubigen Priester geschildert.
Indem die Gottesmenschen sich von der Kirche und ihren
Lehren lossagten, erdachten sie an der Stelle der nach ihrer
Meinung buchstäblichen, menschlichen Kirchenlehre eine neue
vermeintlich geistige Lehre, welche, wie zu sehen, von dem
Geiste ausging, doch in dem Körperlichen endet. An der Stelle
der Sacramente und der Kirchengebräuche erdachten sie Sacra-
mente und Gebräuche besonderer Art. Statt aus sich einen
lebendigen Christusleib im Zusammenhänge mit der Priester
herrschaft zu bilden, bildeten sie aus sich eine Glaubens
gemeinde, in welcher man eine Art Hirten und Heerden unter
scheiden kann.
Die neuere Lehre der russischen Gottesraenschen.
95
Einige wenige Irrgläubige, welche zugleich ihren Gottes
dienst verrichten, bilden eine Gesellschaft, welche von ihnen ein
Schiff (KOpaßüi.) genannt wird. In diesem bildlich vorgestellten
Schiffe ist immer ein Steuermann des Schiffes (KOpMHHKfc KOpa-
6.1h) oder Vorsteher der Gesellschaft, der geheim auferstandene
Prophet der Gottesmenschen, welcher auch Gottesgelehrter (60-
roc.lOE'Lj, Wallfahrer (ooroiio.lMpMKT.), Erzengel und anders ge
nannt wird. Dieser Steuermann besitzt unumschränkte Gewalt
in seinem Schiffe, alle Handlungen der Gottesmenschen werden
von ihm vollkommen beeinflusst. Er belehrt unaufhörlich sein
Schiff über seine Ansichten, schärft insbesondere den Schülern
ihm zu leistenden unbedingten Gehorsam ein, gibt ihnen ver
schiedene Rathschläge in geistigen Nöthen, behebt Zweifel
in Glaubenssachen. Seine Gewalt erstreckt sich selbst auf
weltliche Kleinigkeiten.
Gewöhnlich ist der Steuermann der Geeignetere und Ver
ständigere aus der Zahl der Gottesmenschen, bisweilen auch
der gewandteste Betrüger. Er unterscheidet sich durch Kenntniss
des Gotteswortes, der asketischen Werke der Kirchenväter und
selbst der mystischen Erzeugnisse des vergangenen Jahrhunderts.
Er unterscheidet sich ferner von den anderen Irrgläubigen
durch die Gabe der Rede und starken, durch Selbstbetrug ent
wickelten Willen. Er vertheilt seine Anhänger in Classen und
gibt einem Jeden von ihnen besondere Vorschriften hinsichtlich
der Beziehungen zu der rechtgläubigen Kirche und zu den
Geheimnissen der Irrlehre.
Ein Steuermann hat das Recht, gottesdienstliche Ver
sammlungen zu halten, wann es ihm einfällt, und er ladet zu
ihnen seine zu den höchsten Classen gehörenden Anhänger. In
den gottesdienstlichen Versammlungen nimmt er den ersten Platz
ein und trifft völlig Anordnungen über den Gang des Gottes
dienstes. Im gewöhnlichen Leben unterscheidet er sich haupt
sächlich von allen Irrgläubigen durch sein strenges Benehmen,
äusserste Massigkeit in Speise und Trank. Er ist gemeiniglich
ledig, und wenn er auch verheiratet ist, erlaubt er sich niemals
Beziehungen zu dem Weibe, obgleich er nicht selten in seinem
Benehmen gegen fremde Weiber unrein ist. Er lebt grössten-
theils in einer besonderen Zelle, selbst getrennt von seiner
Familie, wenn er eine solche hat.
96
P f i 7. m a i e r.
Bei dem Steuermann des Schiffes befindet sicli immer ein
Helfer (iiomoihhhk'b), welcher, so viel ihm dieses der Steuermann
erlaubt, an der allgemeinen Belehrung Theil nimmt und bei
Abwesenheit des Steuermannes völlig dessen Stelle vertritt.
Der Helfer ist ebenso wie der Steuermann ein geheim Aufer
standener und unterscheidet sich wenig von dem Steuermann,
sowohl im Leben als in den Geistesgaben. Endlich hält es der
Steuermann für seine besondere Pflicht, Rechtgläubige, vor
nehmlich Männer, zu dem Irrglauben zu verleiten und bei sich
in der Zelle oder in einem fremden Hause einen oder zwei
Knaben aufzuziehen, von welchen einer in der Folge den Platz
dieses Steuermannes in der Gesellschaft einzunehmen bestimmt ist.
In jedem Schiffe der Gottesmenschen befindet sich auch
eine Steuermännin (KOpMffl,Hn;a), welche an der Leitung der
Gesellschaft Theil nimmt. Dieselbe heisst gewöhnlich Prophetin
(npopOHMga), Erlöserin (cnacHTeJbHHUa), Wallfahrerin (6oro-
MOJLiUHpa), Gottesgebärerin (6oropOAHi;a), Mütterchen (iiamyniKa)
und anders. Die Prophetin muss ebenfalls aus der Zahl der
geheim auferstandenen Frauen sein und ist deswegen ihre Ge
walt, wie auch die Gewalt des Propheten, in der Gesellschaft
unumschränkt. Gewöhnlich walten der Prophet und die Pro
phetin in dem Schiffe gemeinschaftlich, nur dass die letztere
sich grüsstentheils mit gottesdienstlichen Angelegenheiten und
Anordnungen in den gottesdienstlichen Versammlungen befasst.
Ein Lied sagt von ihr:
Sie gibt den Gottesmenschen Hemdchen,
Schneidet den Gottesmenschen Handtüchlein,
Dreht den Gottesmenschen heilige Plumpsäcldein.
Die Prophetin muss nothwendig eine untadelhafte Jung
frau oder eine Frau sein, welche die ehelichen Beziehungen
abgebrochen hat. Sie lebt gewöhnlich einsam, in einer beson
deren Zelle, bisweilen mit einigen alten Frauen. Sie hält es
für ihre Pflicht, Rechtgläubige, besonders Frauen, zu dem Irr
glauben zu verleiten, erzieht, nach dem Beispiel des Propheten,
ein oder zwei Mädchen, von welchen das eine in der Folge
ihre Stelle in der Gesellschaft vertreten muss. In diesen männ
lichen und weiblichen Zöglingen wirkt, nach der Versicherung
der Propheten, von Kindheit an sichtbar der Segen des heili
gen Geistes. Sie stehen daher in besonderer Achtung bei der
Die neuere Lehre der russischen Gottesnienschen.
97
Gemeinde, als die ersten Wegweiser zu dem Segen des heiligen
Geistes nach den Propheten und den Prophetinnen.
Unter der unumschränkten Herrschaft der Propheten und
Prophetinnen stehen alle ihre Anhänger, die sogenannten ge
meinen (paßOBMe) Gottesmenschen, wie ein Lied sie bezeichnet:
Brüder, Schwestern geistige,
Geistige, von Gott geliebte,
Von dem heiligen Geist auserwählte,
Von Gottes Sohn geborne.
Die Gottesmenschen, welche sich geistige Christen nennen,
führen noch viele andere, meistens allegorische Benennungen,
wie Bruderschiffer (öpaTM Kopa6e.iLiu,HKH), israelitisches Ge
schlecht (u.ieMii HspaH.ieKo), grüner Weinberg (aenenuü bhho-
rpaAfc), weisse Schwäne. (öF-iiie .leoe^n), Christusheerde (cTa.40
XpHCTOBo) u. s. w. Bei den Rechtgläubigen, bisweilen auch
unter sich selbst, führen sie je nach den Statthalterschaften
verschiedene Namen. So Betbrüder (boroiiOAH) in Simbirsk,
Montanen (iiOHTaHH) in Samara, Lobsingende (KaHTOBmincn),
Beter (MO^e^bntHKH) in Kasan, Geissler (x-Ihcth), Milchesser
(MOAOKaHH), Kupidonen (KynH/tOHH) in Saratow, Scheinheilige
(xanatH), Tummler (BepxyHH), Müssiggänger (.mäh) in Kostroma
u. s. w.
Alle ,Schiffer' (Kopa6e,a,T>iu,HKH) glauben unbedingt, dass in
ihren Steuermännern, in den Propheten und Prophetinnen, un
zertrennlich der heilige Geist seinen Wohnsitz habe, dass ihre
Lehre unzweifelhaft wahr, dass ihr Wille ein göttlicher, heil
bringender sei. Es ist unmöglich, den Grad der Ehrfurcht
und der Fügsamkeit der Irrgläubigen vor dem vermeintlich
göttlichen Willen der Propheten zu beschreiben. Kein einziger
Schiffer hat Bedenken, sich in das Feuer oder in das Wasser
zu werfen, wenn dieses der Steuermann des Schiffes befiehlt.
Jeder Anhänger der Irrlehre begeht in Ehrfurcht auf den
Wunsch des Propheten die unsittlichste Handlung, in der festen
Ueberzeugung, dass er den Willen Gottes erfülle.
Die Irrgläubigen vertrauen die ganze Sache ihres Heiles
den Propheten und Prophetinnen an und trachten einzig danach,
ein eben solches Erbe im Geiste zu- erlangen, wie es ihre Pro
pheten erlangten. Deswegen erfüllen sie pünktlich die Gebote
ihrer Lehre von dem Gebete Jesu, der Selbstverleugnung und
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 7
98
Pfizmaier.
Selbsterniedrigung, Dingen, welche nach ihrer Meinung den ge
heimen Tod und die geheime Auferstehung herbeiführen, wenn der
Geist Gottes in den Menschen sich einprägt und für ihn wirkt.
Ihre äusserlichen Werke der Frömmigkeit, wie Fasten,
Gebet in der Kirche, Wallfahrten nach heiligen Orten hängen
gänzlich von den Propheten ab, gleichwie ihr geselliges und
häusliches Leben. Uebrigens geben ihnen die Propheten in
dieser Beziehung keine bestimmten Vorschriften. Die Gottes
menschen fasten bisweilen freiwillig, bisweilen halten sie nicht
die von der Kirche festgesetzten Fasten. Bisweilen enthalten sie
sich gewisser Arten von Speise und Trank, wie des Fleisches, des
Weines und anderer, bisweilen erlauben sie sich alle. Alles
hängt davon ab, wie es ihnen der Prophet befiehlt oder erlaubt.
Für eine mehr allgemeine, in allen Schiffen wirksame
Vorschrift hält man Keuschheit und Ehelosigkeit. Die in die
Gesellschaft Eintretenden sind verpflichtet, sich von den Be
ziehungen zu den Gattinnen loszusagen und mit ihnen wie
Bruder und Schwester zu leben. Doch auch diese Regel er
leidet bei den Gottesmenschen verschiedene Ausnahmen. Nicht
allein treten die Männer in Beziehungen zu den Gattinnen,
sondern auch alle Irrgläubigen ergeben sich zu Zeiten mit der
ganzen Gesellschaft gräulichen Ausschweifungen.
Die gemeinen Gottesmenschen sind gewöhnlich in gewisse
Stufen oder Classen getheilt, unter welchen besonders drei
Gassen bemerkbar sind. Einige nehmen nur an den schlichten
Versammlungen der Gottesmenschen Theil. Dieses ist die nie
drigste Gasse. Andere werden nur zu den gewöhnlichen Ge
beten und Besorgungen (paA'hHin) zugelassen. Dieses ist die
mittlere Gasse. Die Dritten, welche die höchste Gasse vor
stellen, setzen zugleich mit den Propheten die jährlichen und
andere ungewöhnliche Besorgungen ins Werk. Diese schlichten
Versammlungen, gewöhnlichen und ungewöhnlichen Besorgungen
stellen auch die gottesdienstlichen Versammlungen vor, welche
bei den Irrgläubigen die Stelle der kirchlichen Versammlungen
vertreten. In diesen Versammlungen werden von ihnen jene
seltsamen Gebräuche, welche bei ihnen die Stelle der Sacra-
mente und der Kirchen vertreten, vollzogen.
Die sogenannten Versammlungen (öecliAu) der Gottes
menschen schliesscn in sich nichts Besonderes. Diese Vor-
Die neuere Lohre der russischen Gottesmenschen.
99
Sammlungen finden gewöhnlich an den Feiertagen der recht
gläubigen Kirche statt, vornehmlich die kirchlichen, in welche,
nach altem Brauche, viele fremde Betende strömen. Die Gottes
menschen benützen das Zusammenströmen des Volkes, um die
Rechtgläubigen leichter zu- der Irrlehre verleiten zu können.
In irgend einem Hause versammeln sie sich haufenweise, bis
fünfzig und noch mehr, und laden Rechtgläubige, Nachbarn
und Bekannte, besonders solche, welche früher der Irrlehre
zugethan waren, ein. Uebrigens eilen Einige unter den Recht
gläubigen von selbst in die Versammlungen der Gottesmenschen,
um den Propheten zu hören, weil dieser immer bei den Be
wohnern der umliegenden Dörfer in dem Rufe eines heiligen
Mannes steht. Hier liest der beredte Prophet das Wort Gottes
und macht mystische Auslegungen, worüber die Zuhörer stau
nen, doch dabei oft nicht den Sinn seiner Auslegungen ver
stehen. Die Gottesmenschen sind überzeugt und versichern
die rechtgläubigen Zuhörer, dass sie keine einfachen Reden,
sondern die göttesweisen Predigten eines begeisterten Propheten
hören.
Durch die Seltsamkeit seiner Handlungen trachtet der
Prophet diese Ueberzeugung zu bekräftigen. Er erhitzt sich,
schreit, stellt sich dumm, bald in lautes Gelächter ausbrechend,
bald verstummend, macht er Grimassen und verzieht das Ge
sicht bis zum Ohnmächtigwerden. Die Gottesmenschen ver
sichern die Rechtgläubigen, dass den Propheten der heilige
Geist antreibt, so zu sprechen und zu handeln, weshalb eben
seine Worte und Handlungen ihnen unbegreiflich seien. In
einem solchen Zustande vergisst jedoch der Prophet nicht, die
Hirten der rechtgläubigen Kirche, damit die Rechtgläubigen
das Zutrauen zu ihnen verlieren, herabzusetzen und zu schmähen.
Ausser dem Worte Gottes lesen die Gottesmenschen die
Schriften, besonders die asketischen, der Kirchenväter, das
Leben der Heiligen, die liturgischen Bücher, und zwar immer
mit Auslegungen. Bisweilen lesen sie mystische Producte. Oft
auch singen sie Kirchenlieder oder Psalmen, bisweilen volks
tümliche Verse, z. B. von dem schönen Josif, von dem Zaren
sohne Joasaf und andere. Alles Lesen und die Auslegungen
des Propheten, ebenso auch die Gesänge haben den Zweck,
dass die Zuhörer den unablässigen Gebrauch des Gebetes Jesu,
7*
100
Pfizraaier.
Selbstverleugnung und Ergebenheit in den göttlichen Willen,
Massigkeit und Keuschheit, Duldung von Widerwärtigkeiten
und Nöthen, Fernbleiben von allen Spielen und Ergötzlichkeiten
des gemeinen Volkes lernen. Doch keine Gebräuche und nichts,
das auf die Gottesmenschen bei ihrer Abweichung von der
rechtgläubigen Kirche Verdacht werfen könnte, wird in den
einfachen Versammlungen vollzogen.
Dasselbe ist nicht der Fall bei den anderen Versamm
lungen der Gottesmenschen, bei ihren sogenannten Besorgungen
(paA'hHm), in den apostolischen Spinnstuben (öeciytyniKH), wo,
wie sie sagen, die Engel ankommen und der heilige Geist froh
lockt. Die Besorgungen der Gottesmenschen werden in ge
wöhnliche und ausserordentliche eingetheilt. Sie unterscheiden
sich unter sich nicht allein durch die Umstände, denen sie
ihre Entstehung verdanken, sondern auch durch das, was sie
in sich schliessen. Der Vorgang bei einer gewöhnlichen Be
sorgung der Gottesmenschen ist folgender.
An einem Sonnabend, an einigen Orten an einem Dienstag
oder Donnerstag, auch an einem anderen Tage, je nach Ge
legenheit und nach besonderer Bestimmung des Propheten, ver
sammeln sich die Gottesmenschen der zwei höheren Classen in
ii’gend einem Hause, in welchem ein eigenes Betzimmer her
gerichtet ist. Die Versammlung kommt immer nach vorläufiger
Bekanntmachung des Propheten oder der Prophetin zu Stande.
Nachdem man in das bezeichnete Zimmer gekommen, setzen
sich die Gottesmenschen auf Bänke, die Männer zur rechten
Seite, die Frauen zur linken. Vorn sitzen der Prophet und die
Prophetin. Wenn alle Geladenen Zusammenkommen, beginnt
das Lesen des Gotteswortes, der heiligen Bücher, das Absingen
der Kirchenlieder und Psalmen wie in den einfachen Versamm
lungen. Dieses dauert vier, fünf Stunden, selbst bis Mitternacht,
und erst um Mitternacht beginnt die eigentliche Besorgung.
Vor der Besorgung entladen sie sich der gewöhnlichen
Kleidung, sowie der Wäsche und kleiden sich, sowohl Männer
als Frauen, in ,fürsorgliche' Hemden (paA’IuLnuji pyßaniKH) von
eigenthümlichem Schnitte, welche immer weiss sind. Fast jeder
Anhänger der Irrlehre besitzt ein eigenes fürsorgliches Hemd,
doch in dem Betzimmer befinden sich, auf Veranstaltung der
Prophetin, viele vorräthige Hemden, und wenn Jemand das
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
101
seinige nicht mitbringt, gibt die Prophetin eines der vorräthigen
heraus, weil man nach der Meinung der Gottesmenschen nicht
in Hemden von anderem Schnitte und anderer Farbe beten kann.
Auch die Propheten und die Prophetinnen kleiden sich
in weisse, blos künstlich mit Seide ausgenähte und gewöhnlich
nesseltuchene Hemden. Auf die Füsse ziehen alle Fürsorger
(pa/t'k.iLiii.HKH) zwirnene Strümpfe an und bleiben entweder in
blossen Strümpfen oder tragen über denselben leichte Schuhe.
Weisse Hemden von einem besonderen Schnitte werden
von den Gottesmenschen zur Erinnerung an Iwan Timofejew
gebraucht. Als man diesem nach der Sage lebend die Haut
abzog, umwickelten ihn einige Mädchen mit Leinwand. Die
Leinwand wäre an seinen Leib angewachsen und sei wieder
Haut geworden. Auch die Skopzen gebrauchen bei ihren Ge
beten weisse Hemden, zur Erinnerung daran, dass die Schü
lerinnen Seliwänow’s, als dieser mit der Knute gezüchtigt wurde,
ihm das blutige Hemd abnahmen und ihn mit einem anderen
weissen bekleideten. Es wird in den Todeskämpfen des grossen
Erlösers erzählt. Die weissen Hemden sollen auch eine geheime
Bedeutung haben und namentlich die Seelenreinheit der zu
Gott betenden Gottesmenschen bezeichnen. Sie gelten ebenso
wie die gottesdienstlichen Gewänder der rechtgläubigen Kirche
für heilig.
Nachdem man sich auf diese Art bekleidet, zündet man
Wachskerzen an. Alle sitzen auf ihren Plätzen und beginnen
mit gedehnter, kläglicher Stimme in der Gesangweise der Volks
lieder zu singen:
Heiliger Gott, heiliger starker,
Heiliger unsterblicher, erbarme dich unser! (Dreimal).
Gib uns, Herr, Jesum Christum,
Gib uns, Herr, den Gottessohn,
Und erbarme dich, Herr, unser!
Schick’ uns den heiligen Geist, den Tröster u. s. w.
Gleich nach diesem Gesänge springen einige Männer auf
und beginnen zu hüpfen und mit schneller Stimme zu singen:
Ach bei uns an dem Don
Der Erlöser selbst in dem Hause
Und mit den Engeln,
Mit den Erzengeln,
102
Pfizmaier.
Mit clen Cherubim, Herr,
Mit den Seraphim
Und mit seiner himmlischen Macht u. s. w.
Nach Beendigung des Gesanges theilen sich alle An
wesenden in zwei Hälften und nehmen an den Besorgungen
Theil. Die Einen führen die eigentlich sogenannten Besor
gungen oder Tänze auf, die Anderen singen zur Zeit dieser
Besorgungen Lieder, welche gedehnte Gesänge (pocnkBpti) ge
nannt werden.
Die Besorgungen sind von dreierlei Art. Es gibt eine
zum Reihentanz gehörige (xopOBO^HOe) oder kreisförmige (itpy-
roBoe), eine zum Schiffe gehörige (Kopa6e.iBHoe) und eine zum
Kreuze gehörige (itpeCTHoe). Nachdem man das Lied: ,Ach
hei uns an dem Don' gesungen, bilden die hei dem Gebete
anwesenden Männer einen Kreis, wobei sie sich einer neben
dem anderen, gerade wie bei den gewöhnlichen Rundtänzen
der gemeinen Leute, aufstellen. Um den Kreis der Männer
bildet sich ein zweiter Kreis aus Frauen. Bei dem von Tact-
schlägen auf den Fuss begleiteten Absingen der Lieder geht
man im Kreise hinter einander, die Männer in der Sonne, die
Frauen gegen die Sonne. Dann, wenn der Gesang schneller
wird, laufen sie einer hinter dem anderen, indem sie dabei
streng den Tact halten.
Nachdem man sich hei der zu dem Reihentanze gehörigen
Besorgung müde gelaufen, halten die Kreise inne und ruhen
ein wenig aus, um bei der eigentlich sogenannten, zum Reihen
tanz gehörigen und kreisförmigen Besorgung mit neuer Kraft
beginnen zu können. Ohne die früheren Kreise zu verwirren,
beginnt man, jeder einzeln, sich zu drehen, die Männer nach
der rechten Seite, die Frauen nach der linken. Indem man
auf diese Weise weder vorwärts noch seitwärts rückt, dreht
sich ein Jeder an einem und demselben Orte so hurtig im
•Kreise, dass man nur ein Geräusch hört, aber die Personen
nicht mehr erkennen kann. Dabei stellen die langen und
weiten weissen Hemden, in der Luft aufgebläht, gleichsam sich
drehende Säulen, ein seltsames Schauspiel für den fremden
Beobachter vor.
Auf der Ferse des rechten Fusses dreht sich jeder Für
sorger (pa^,hji,m,HKi.), ohne vorwärts zu gehen, doch mit der
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
103
linken Ferse stützt er sich etwas auf den Boden, wobei er
streng den Tact des Liedes hält. In der Mitte der Kreise, je
nach der Ausdehnung des Zimmers, drehen sieh ebenfalls einige
Menschen, gewöhnlich der Prophet und die Prophetin, welche
unaufhörlich dazu sprechen: ,Schonet die Leiber nicht, schonet
Martha nicht*, oder zugleich mit den anderen Sängern singen:
Ach ihr, nun doch, Freunde, traget Sorge doch!
Und ihr in des Väterchens, des Herrn, grünem Garten.
Ach seine Gnade, die göttliche, sein Segen, der heilige u. s. w.
Die kreisförmige Besorgung dauert so lange, als die
Hemden nicht ganz von Schweiss feucht werden. Wenn dieses
geschieht, hören die Fürsorger auf, sich im Kreise zu drehen,
ringen die Hemden aus und erholen sich. Nach dem Ausruhen
setzen sie entweder die nämliche Besorgung fort, oder sie be
ginnen eine neue, die zu dem Schiffe gehörige. Oder es setzen
sich, wenn es die Anzahl und die Geschicklichkeit der Für
sorger erlaubt, diejenigen, welche getanzt haben, nieder, um
zu singen, die Sänger jedoch beginnen von Neuem die kreis
förmige Besorgung. Die Skopzen und bisweilen auch die Gottes
menschen gebrauchen bei ihren Besorgungen weisse Tücher,
um sich zu fächeln und den wie Hagel von dem Gesichte sich
ergiessenden Schweiss abzutrocknen, auch dadurch sich etwas
zu erleichtern und neue Kräfte für die grosse Besorgung zu
erlangen.
Die Gottesmenschen sagen, dass das Muster für die kreis
förmige Besorgung bei ihnen von einem gewissen Gemälde ge
nommen wurde, auf welchem im Kreise stehende Engel und in
ihrer Mitte der Erlöser mit einem Schafe in den Armen ab-
gebildet seien. Rings um den Erlöser ist eine Inschrift : Man
fand das verlorene Schaf. An den Rändern des Gemäldes sind
die Evangelisten und Apostel mit verschiedenen Musikwerk
zeugen in den Händen abgebildet. Die Inschrift auf dem Ge
mälde lautet: Das Frohlocken (AHKOBCTBOBame). Die Gottes
menschen sagen, dass, wie die Engel im Himmel, dasselbe auch
die Menschen auf der Erde thun, und dass man jene ganze
Abbildung in Wirklichkeit zeigen müsste.
Mit dieser Erklärung stimmt auch der Inhalt des Liedes
überein, welches man an einigen Orten zur Zeit der kreis
förmigen Besorgung singt. Der Anfang desselben lautet:
«
104 Pfizmaier.
Es freut sich die ganze Menge,
Es rollt zu uns der Falke,
Der volle Geist, Herr, der heilige;
Er zeigte sich im Kreise,
Stösst in die goldene Trompete,
Gibt zu wissen in alle Welt,
Will verzeih’n den Sündern allen, u. s. w.
Der Gesang dieser Lieder wird nach der Melodie der
Volkslieder, jedoch nur auf eine den Gottesmenschen eigen-
thtimliche Weise ausgeführt. Ebenso hat auch der Tanz seinen
bestimmten Tact. Deswegen können nicht Alle an dem Ge
sang und dem Tanze Theil nehmen. Die es nicht verstehen,
machen die Sänger irre und verwickeln die Tänzer.
Die zweite von den Gottesmenschen ausgeführte Besor
gung heisst die zu dem Schiffe gehörige (KOpaheAtnoe) oder
Dawidische (^aBHAOBoe). Die Menschen bilden bei dieser Be
sorgung einen länglichen Kreis und beginnen unter Absingung
von Liedern tactmässig einer hinter dem andern gegen die
Sonne zu laufen. Hierauf wenden sie sich gegen einander um,
und nachdem sie über Erklärung eines Propheten Gesicht gegen
Gesicht gestanden, hüpfen sie ein wenig auf den Zehen in die
Höhe, wobei sie um das Betzimmer von Norden nach Westen,
von Westen nach Süden u. s. w. herumgehen. Während dieser
Besorgung bekreuzen sich die Gottesmenschen, schlagen sich
mit der Faust, auf die Brust und mit den Handflächen auf die
Ohrschiffchen, wobei sie beständig sagen: 0 Geist, heiliger
Geist! — In dem Kreise hüpfen bisweilen auch, wie bei der
zum Reihentanz gehörigen Besorgung, der Prophet mit der
Prophetin oder die ältesten Irrgläubigen.
Die Gottesmenschen begründen diese Besorgung durch
das Schiffchen (Kopaö.iHK'h) oder den Kasten (KOBHern) nach
dem Beispiele des Gottesvaters Dawid, als er vor dem Flur
gangkasten hüpfend spielte, und die Gottesmenschen, die Israe
liten, sich zugleich mit ihrem König freuten. Das Klatschen
in die Hände und das Singen der gedehnten Lieder bei dieser
Besorgung begründen sie durch die Worte der Psalmen: Klat
schet in die Hände, alle Völker, rufet zu Gott mit freudiger
Stimme.
Zuletzt folgt die zum Kreuze gehörige (upecTHoe) Besor
gung. Die Männer oder Frauen, nachdem sie sich an allen vier
Die neuere Lehre (1er russischen Gottesraenschen.
105
Ecken des Zimmers zu Zweien oder Dreien, je nach der Zahl
der Fürsorger und der Ausdehnung des Zimmers, hingestellt,
laufen von einer Ecke zur anderen, einer gegen den anderen, so
schnell als möglich hinüber. Während sie so hinüber laufen,
stampfen sie mit den Füssen nach dem Tacte des Liedes,
schwingen die Arme und sagen dazu auf die frühere Weise:
0 Geist, heiliger Geist! — Sie laufen von einer Ecke zur
anderen vierzig- bis fünfzigmal und noch öfter hinüber, so lange
sie nicht in starken Schweiss gerathcn, welches letztere von
ihnen das Bad der Wiedergeburt (banu! naKHfu.rrifl) genannt wird.
Die zu dem Kreuze gehörige Besorgung der Gottesmenschen
geschieht gleichsam nach dem Befehle Christi: Wenn Jemand
mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein
Kreuz und folge mir nach. — Das Kreuz nehmen und dem
Erlöser nachgehen, bedeutet nach der Erklärung der Irrgläubi
gen: sein Fleisch tödten. Aber nichts kann nach ihrer Meinung
so sehr das Fleisch abmatten und die Leidenschaften besänfti
gen, als diese zu dem Kreuze gehörige Besorgung. Nach Be
endigung der zu dem Kreuze gehörigen Besorgung springt der
Prophet plötzlich empor und ruft allein oder zugleich mit den
Anderen: Siehe er fährt, siehe er fährt! der heilige Geist fährt!
Er ist gefahren, er ist gefahren! — Dieses bedeutet, dass der
heilige Geist in das ganze Schiff und insonderheit in den Pro
pheten und die Prophetin herabgestiegen ist. Hierauf enden
die Tänze und beginnen die Vorhersagungen.
In dem Kreise Alatyr, Statthalterschaft Simbirsk, beginnen
die Vorhersagungen wie folgt: Man hebt den Propheten (oder
die Prophetin) zu der Decke der Stube, und er kratzt die
Decke, um den heiligen Geist herauszuführen, und spricht da
zu: Ich klettere vielleicht bis zu dem dritten Himmel, bis zu
dem Gott ,SolowoclF, wo die Himmelshöhe ist und wo die
Paradiesesvögel singen u. s. w. Nachdem man ihn auf den
Boden herabgelassen hat, erfasst der Prophet eine Kerze, stellt
sie sich auf den Kopf, spricht, auch Andere nach ihm, Abge
schmacktheiten in verschiedenen Sprachen und bringt über
haupt, zum Zeichen der Ilerabkunft des heiligen Geistes, Ver
wirrung hervor.
Der hier im Allgemeinen bei den Besorgungen der Gottes
menschen angegebene Vorgang ist, wie Herr Dobr. bemerkt,
106
Pfizmaier.
der gewöhnliche, aber nicht der einzige Vorgang. Derselbe
hänge grösstentheils von dem Willen des Propheten und der
Prophetin, auch von der Zahl und Geschicklichkeit der Für
sorger, sowie von der Einrichtung und Ausdehnung des Bet
zimmers ab. So werde bisweilen die Besorgung, besonders in
den grossen Schiffen, nur von Männern unter dem Gesang der
Frauen, und umgekehrt nur von Frauen unter dem Gesang der
Männer ausgeführt. Bisweilen vertheilen sich auch Männer und
Frauen in gleicher Zahl und die eine Hälfte singe, die andere
tanze. In der Mitte der Kreise hüpfen und drehen sieh bis
weilen der Prophet und die Prophetin, mitunter geschehe auch
keines von beiden.
Die Tänze selbst werden nicht immer in der angegebenen
Ordnung ausgeführt. Bisweilen werden sie verwechselt, indem
nämlich nach den dreierlei durch Männer ausgeführten Besor
gungen die Frauen fürzusorgen beginnen, oder umgekehrt. Oder
nach der von der einen Hälfte bewerkstelligten kreisförmigen
Besorgung beginne die andere Hälfte mit dem Schiffchen (icopa-
ö.IHK'l), die zweite jedoch von Neuem mit der kreisförmigen Be
sorgung fürzusorgen. Bisweilen werden auch einige Besorgungen
gänzlich weggelassen und nur eine oder zwei Arten Besorgungen
ausgeführt. Ueberdies wird bei den erwähnten gewöhnlichen
Besorgungen bisweilen das Geissein (ÖH'ieBanie) mit heiligen
Plumpsäckchen (jKryTnKH), deren man sich sonst immer bei
ausserordentlichen Besorgungen bedient, zugelassen.
Die andere Hälfte der Besorgungen der Gottesmenschen
bilden die von ihnen sogenannten gedehnten Gesänge (pocnkBUti).
d. i. geistlichen Lieder oder Lobgesänge (itäHTH), welche sie
während des Tanzes singen und von welchen die Irrgläubigen
an einigen Orten die Lobpreisenden (KaHTOBiu,HKH) genannt
werden. Von diesen Gesängen gelte dasselbe wie von den Be
sorgungen. Es gebe keine für diese oder andere Besorgungen
bestimmten Lieder. Es gebe selbst, vielleicht einige Lieder
ausgenommen, keine Gesänge, welche man nothwendig bei jeder
Zusammenkunft der Gottesmenschen singen müsse, es gebe
auch keine Lieder, in welchen für alle Schiffe irgend etwas
Bestimmtes, auf die Lehre oder die Gebräuche Bezügliches
ausgedrückt werde. Gewöhnlich seien in ihnen irgend welche
absonderliche und dabei unentwickelte Gedanken verworfen.
Die neuere Lehre der russischen Gofctesmenschen.
107
Die gedehnten Lieder werden gemeiniglich von den Pro
pheten selbst verfasst und hierauf in den von diesen Propheten
verwalteten Schiffen gesungen. Nur wenige unter den Liedern
könne man, mit den anderen verglichen, zu den mehr allge
meinen und älteren zählen, und es sei bemerkenswerth, dass
diese Lieder sich von den anderen durch mehr ebenmässigen
Gedankenfluss, geschicktere Vollendung der Gemälde und Bil
der, selbst durch grössere Reinheit der Sprache unterscheiden.
Doch auch solche Lieder finde man in den Plandschriften mit
Varianten, was ohne Zweifel daher stamme, dass sie anfänglich
von den Irrgläubigen mündlich überliefert und selten aufge
schrieben werden, dann aber Aenderungen und Verderbnissen
ausgesetzt sind.
Die gedehnten Lieder der Gottesmenschen stellen, wie
Herr Dobr. sagt, denkwürdige Erzeugnisse volkstümlicher
Dichtkunst vor, welche sich bedauerlicher Weise unter dem
Einflüsse falscher irrgläubiger Anschauungen entwickelt habe.
Vielen unter ihnen könne man geschickte Vereinigung des Ge
dankens und des Bildes, tiefes Gefühl und Lebhaftigkeit der
Einbildungskraft nicht absprechen. Die Ursache bestehe haupt
sächlich darin, dass die ganze Irrlehre der Gottesmenschen
nichts Anderes sei als der Ausdruck der feinen pseudomysti
schen oder vielmehr mystisch-pantheistischen Anschauungen der
Welt und der Beziehungen Gottes zu dem Menschen in russi
scher Stimmung und in äusserlichen Bildern. Nach ihrem In
halt können die Lieder der Gottesmenschen nicht streng durch
irgend einen Namen bezeichnet werden. Es lasse sich übrigens
bemerken, dass in einigen die Lehre — es sind dogmatische,
in anderen die Oeremonie — es sind rituelle, in einigen wieder
Lebensregeln und verschiedene Gefühle — es sind sittliche
Lieder, vorherrschen.
In den dogmatischen Liedern der Gottesmenschen und
der von dieser Secte losgetrennten Skopzen besinge man grössten-
theils die abermalige oder vielmalige Menschwerdung des Gottes
sohnes in der Person einiger Auserwählten, dessen Leben auf
Erden, dessen Leiden in der Person dieser Auserwählten. Man
überliefere die Abgeschmacktheiten von dessen Aufenthalt in
Irkutsk, der Ankunft zum schrecklichen Gericht, der Thron
besteigung mit seinen Kindchen u. s. w. Einige von diesen
108
Pfizraaier.
Liedern seien geradezu aufrührerisch und nähren feindselige
Gefühle gegen die bestehende Ordnung. Vor Allem lieben es
die Gottesmenschen, das schreckliche Gericht zu besingen, bei
welchem sie sich auf den. besonderen Schutz ihres Christus ver
lassen. In den gedehnten Gesängen seien auch andere dog
matische Meinungen, z. B. von den Besorgungen Gottes mit
den Engeln im siebenten Himmel, in den himmlischen Heeren
oder Schiffen, wohin bei dem Tode alle eifrigen Fürsorger über
siedeln, von der Eingebung des Propheten der Gottesmenschen,
von den Vorzügen ihrer Gesellschaft vor der rechtgläubigen
Kirche, von der Anwesenheit der drei göttlichen Personen bei
den Besorgungen u. s. w.
Bemerkenswerth sei, dass einige Propheten, Verfasser
dieser Lieder, schlecht nicht allein die rechtgläubige, sondern
auch ihre eigene Lehre verstanden haben. In ihren Liedern
treffe man z. B. Ausdrücke wie:
Das Mutterläramchen Warwara die schöne
In der Dreieinigkeit drei Götter erkannte, drei Fenster baute;
oder:
Sprach zu ihm (zu Christus) die Mutter:
Geliebter, Theuerster,
Licht, Gottessohn,
Auserwählt aus dem siebenten Himmel,
Licht erschaffenes,
Von Zebaoth, Licht erschaffenes, u. s. w.
Man müsse übrigens bekennen, dass solche Fehlgriffe, die
dieser Lehre besonders eigenthümlichen Irrthümer ausgenommen,
sehr wenige Vorkommen, und dass es Lieder gebe, welche in
geziemenden Bildern die hohe christliche Lehre verkörpern und
dem Verständnisse des russischen Volkes Ehre machen.
In den rituellen gedehnten Gesängen besinge man ver
schiedene auf die Besorgungen bezügliche Handlungen, wie
Lieder, Tänze, Vorhersagungen u. s. w. Darunter linde man
Lieder, in welchen die Besorgungen vollständig besungen werden.
Dieselben seien gleichsam ein Gedankenbild von Besorgungen,
wo nach den falschen Begriffen der Gottesmenschen die ganze
heilige Dreieinigkeit mit ihrer himmlischen Macht anwesend ist
und theilnimmt. Es müsse von den rituellen gedehnten Ge
sängen noch bemerkt werden, dass in ihnen mehr Poesie und
Begeisterung als in den dogmatischen und sittlichen enthalten ist.
Die neuere Lelire der russisclien Gottesmenschen.
109
Die sittlichen gedehnten Gesänge und Lieder, in welchen
verschiedene Empfindungen der Seele dargelegt werden, haben
an sich nichts besonders Bemerkenswerthes. Nur seien die
selben eng mit der dogmatischen Lehre verbunden und leiteten
aus den sittlichen, kaum jemals streng befolgten Vorschriften
die dogmatische Lehre von der Vereinigung mit Christus und
dem heiligen Geiste ab, während die rechtgläubige Sittenlehre
selbst, nach dem vernünftigen Begriffe von der Sache, vorläufig
in der dogmatischen Lehre begründet sei und rein zu sein auf
höre, sobald das Verständniss der Dogmen nicht rein sei.
Wenn am Ende der Tänze und der Lieder, nach der
Meinung der Gottesmenschen, der heilige Geist in das ganze
Schiff herabsteigt oder, wie sie sich ausdrücken, besonders in
den Propheten und die Prophetin fährt (HaKaxHTT)). so ge-
rathen die Letzteren in Entzückung und weissagen. Die Weissa
gungen, welche bei ihnen Vorhersagen des Schicksals (npopeaenie
cyABÖu) heissen, legen gewöhnlich Vergangenes, Gegenwärtiges
und Zukünftiges dar und geschehen auf folgende Weise. Wenn
der Prophet darüber frohlockt, dass der heilige Geist in ihn
gefahren, werden die Tänze sogleich unterbrochen, die Lieder
verstummen, Alle setzen sich ehrerbietig auf ihre Plätze und
erwarten mit Zittern ihr Schicksal.
Der Prophet, mit einem kreuzförmig über die Schulter
gelegten Handtuch oder, wie diese Leute sich ausdrücken, mit
einer Fahne (3HaMJi) umgürtet, tritt in die Mitte des Zimmers
vor, macht vor den Bildern einige Verbeugungen, verbeugt
sich dann vor der ganzen Gesellschaft und hebt im singenden
Tone an:
Erlaube, Gebieter mein,
Erlaube, Väterchen gebornes,
In deinem Kreise zu stehen,
Wolle mit mir den heiligen Geist besitzen!
Alle Anwesenden fallen ehrerbietig auf die Kniee und
bekreuzen sich. Doch der Prophet, vor ihnen stehend oder
auf und ab gehend, spricht für das ganze Schiff die Weis
sagung aus, welche bei ihnen das gemeinschaftliche Schicksal
(oninaa cy/li.6a) genannt wird. Der Inhalt dieses ,gemeinschaft
lichen Schicksals' sind verschiedene dogmatische Irrthümer der
Gottesmenschen, z. B. das baldige Herannahen des Himmel-
110
Pfizmaier.
reiches, in welches nur eifrige Fürsorger eingehen, verschiedene
Regeln, z. B. von der tiefen Bewahrung der Geheimnisse der
Irrlehre, von der Verachtung gegen die Rechtgläubigen, Ver
sprechungen himmlischer und irdischer Belohnungen u. s. w.
Der Prophet kümmert sich nicht um Wahrheit seiner Gedanken,
sondern trachtet bloss in den Worten Gleichklänge oder Rhyth
men aufzunehmen. Von dem Unsinn, welchen die einfältigen
und unwissenden Menschen zu hören bekommen, wird das fol
gende Beispiel angeführt:
Ich, Geliebte, der Zebaoth, sage euch, in das Herz Segen
leg’ ich euch, mit der Decke euch ich bedecke und vor den
bösen Schlangen verdecke. Ich, Gott euch vergelte und das
Brod im Frühling ich euch bestellte. Ich, der heilige Geist
euch umfasse und keine Mohren hierher ich lasse. Ich, Gott
euch Segen vom siebenten Himmel bringe und die ganze Welt
ich zum Zittern bringe. Ihr lebet, Geliebte, wie die Vögel,
in das Herz euch fallen keine Stachel. Ich, Geliebte, werd’
euch erfassen, euch in das sichtbare Pfahlwerk nicht lassen.
Ich euch verlasse nicht, ich stelle vor euch Engel in das Licht,
befrei’ euch von jedem Bösewicht. Mir an euch ist doch Vieles
gelegen und Lohn ich euch werde hinterlegen. Ich werd’ euch
senden vom siebenten Himmel Manna, dass erfahre davon
keine ,Anna‘. Legt man an euch Fangstricke, befelil’ ich, dass
man sie wegrücke, u. s. w.
Das Aussprechen des ,allgemeinen Schicksals', welches
immer eine halbe Stunde und noch länger dauert, beendet der
Prophet immer mit den Worten: Sehet, euch von Gott ein Be
fehl! Bleibet, Gott mit euch! Der göttliche Schutz über euch!
— In jeder Versammlung hält der Prophet verschiedene Reden
nach Art der hier angeführten. Hierauf prophezeit oder, wie
diese Leute sich airsdrücken, singt (oTü'IiBaeT'B) der Prophet
jedem Fürsorger noch ein besonderes, eigenes Schicksal, wo
bei er entweder Lob für den Glaubenseifer oder Tadel der Un
vollkommenheiten ausspricht.
Zu jedem Fürsorger spricht der Prophet von verschie
denen Gegenständen. Dem Einen räth er, mehr zu beten, dem
Anderen, mehr zu fasten, dem Dritten, eifriger fürzusorgen,
u. s. w. Eine theilweise (private) Weissagung schliesst man,
ähnlich einer allgemeinen, immer mit den Worten: Siehe, dir
Die neuere Lehre clor russischen Gottesmenschen.
in
von Gott ein Befehl! Bleibe, Gott mit dir! Der göttliche Schutz
über dir! —Diejenigen, denen der Prophet das Schicksal ,vor
singt', knieen, bekreuzen sich gegen ihn und nicht selten weinen
sie. Oder, wie ein Lied sich ausdrückt, sie stehen Alle im
Schrecken, glückseligen Geistes, überzeugt, dass der aufrichtige,
lebendige Prophet bei ihnen im Kreise geht.
Wenn ein Prophet Albernheiten spricht, wagt Niemand
zu glauben, dass es Albernheiten seien, sondern er trachtet, in
dessen Worten einen Sinn zu finden, den sie nicht haben. Bei
diesen Menschen gibt es auch eine Redensart über alle, ziem
lich künstlichen, Eigenschaften der Besorgungen. Man sagt:
Dem Einen gibt man Gesang, dem Andern Besorgung, dem
Anderen Weissagung, dem Anderen Auslegung der Weissagung.
Der Glaube an die prophetischen Reden werde den Gottes
menschen beständig auch in ihren heiligen Liedern beigebracht.
Wenn viele Fürsorger da sind, helfen dem Propheten bei
dem Absingen des Schicksals seine Helfer (homoiühhki.), die
Prophetin und die anderen gleichsam plötzlich von dem heiligen
Geiste beseelten ältesten Irrgläubigen. Dabei wird der Prophet
von dem unablässigen Geplauder in dem Masse ermüdet, dass
sich fast immer an seinem Munde Schaum zeigt und er nicht
selten in Ohnmacht fällt. Dieses kommt, nach der Meinung
der Irrgläubigen, von dem übermässigen Einflüsse des heiligen
Geistes auf ihn.
Nach Beendigung der Weissagungen stellen sich alle Irr
gläubigen vor die Bilder und singen das Schlussgebet für die
glückliche Rückkehr nach Hause:
Dem Zaren, Licht himmlisches, barmherziger unser Gott,
Zuversicht göttliche, Christuszuflucht,
Beschützer, heiliger Geist, auf der Reise!
Gott mit uns, mit uns Gott und über uns,
Hinter uns, vor uns! Beschütze uns, Herr,
Vor den Bösen, vor den Bösewichton, vor den boshaften Juden!
Nach diesem Gebete setzen sie sich von Neuem auf ihren
Plätzen nieder, werden mit Thce tmd verschiedenen Süssig-
keiten bewirthet und erhalten ein Nachtmahl oder, wenn die
Besorgung zur Morgenzeit stattfindet, ein Mittagsmahl. Für
die Besorgung bringt ein jedes Mitglied Thee, Zucker, kStissig-
keiten oder Mundvorräthe, aus welchen man das Mittagsmahl
112
PFiz mai er.
oder das Nachtmahl bereitet, mit. Alle bringen auch, je nach
dem ihre Vermögensumstände sind, Geld und wird Alles der
Prophetin ganz zur Verfügung gestellt. Nach dem Mittagsmahl
oder dem Nachtmahl gehen Alle nach Hause.
In Bezug auf das Mitbringen von Geld sagt in einem
Liede der Prophet der Gottesmenschen bei der Besorgung-
unter Anderem:
Und noch, meine Lieben,
Sag’ ich wichtige Worte:
Dass die Casse sei bereit.
Dieses ist der zehnte Pfennig, welchen der Zebaoth der
Gottesmenschen bei seiner Herabkunft vom Himmel auf die
Erde begehrte, wovon es in einem Liede heisst:
Werdet ihr zu mir in’s Gefängniss kommen
Und die Fesseln von mir nehmen,
Den Gekreuzigten vom Kreuze nehmen,
Den zehnten Pfennig geben?
So ist der Verlauf der gewöhnlichen Besorgungen oder
gottesdienstlichen Versammlungen der Gottesmenschen. Doch
es gibt noch besondere, ausserordentliche Besorgungen. Solche
Besorgungen finden statt: bei Aufnahme eines neuen Mitgliedes
in die Gesellschaft, ferner bei Eintritt irgendwelcher besonderen
Umstände im Leben der Gottesmenschen. Hierher gehören
auch die sogenannten jährlichen Besorgungen.
Wenn die Gottesmenschen es dahin bringen, irgend Je
manden zu der Irrlehre zu verleiten und von dem feststehenden
Wunsche des Verleiteten, in ihre Gesellschaft zu treten, über
zeugt sind, veranstalten sie zum Behufe der Aufnahme des
Neubekehrten eine Versammlung womöglich von allen Mit
gliedern der Ortsgemeinde. Der Bekehrte geht zu dem Pro
pheten, fällt ihm zu Füssen und bittet unter Thränen, ihn in
die Gesellschaft aufzunehmen. Der Prophet fragt den Bekehi-ten
noch einmal, ob er nicht zum Scheine gekommen, ob ihn nicht
ein Pope geschickt und ob er ernstlich ihren Glauben anzu
nehmen wünsche. Nachdem er die nöthigen Antworten erhalten,
befiehlt der Prophet dem Bekehrten, zu ihm zu einer gewissen
Zeit zu kommen, bis zu welcher er ihm aufträgt, mehr zu
fasten und zu beten.
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
113
Zu cler bestimmten Zeit begibt sieb der Bekehrte zugleich
mit dem Propheten in die Versammlung der Irrgläubigen. In
dem Betzimmer ist bereits Alles vorbereitet. Die Gottesmenschen
sitzen auf Bänken mit angezündeten Kerzen, auf einer Seite
die Männer, auf der anderen die Frauen. Vorn an einem mit
einem weissen Tuche bedeckten Tische sitzt die Prophetin.
Beim Eintritt in das Betzimmer nimmt der Prophet in die rechte
Hand ein Heiligenbild von einer nicht von Menschenhand ge
machten Gestalt, in die linke eine angezündete Kerze und führt
den Bekehrten in das Zimmer, indem er ihm befiehlt, sich an
der Schwelle zu bekreuzen. Hierauf stellt man den Bekehrten
in die Mitte des Zimmers und heisst ihn vor den Heiligen
bildern, tief bis zur Erde gebeugt, beten und vor den Brüdern
und Schwestern ebenfalls bis zur Erde sich verbeugen.
Die Prophetin fragt jetzt den Bekehrten: Warum bist
du gekommen? — Dieser, im Voraus belehrt, was er sagen
solle, antwortet': Die Seele zu retten. — Die Prophetin
spricht: Eine gute Sache warst du Willens, die Seele zu retten.
Doch wen stellst du zum Bürgen? — Der Neuaufgenommene
antwortet: Christus selbst. — Die Prophetin spricht: Gut, dass
du Christus zum Bürgen stellst. Siehe, dass er nicht von dir
verunglimpft wird. — Hierauf befiehlt sie ihm, den Eid zu
leisten, dessen Wesen darin besteht, niemals von der Irrlehre
zu lassen, Niemandem etwas von deren Geheimnissen zu ent
decken, weder dem Vater, noch der’Mutter, noch den Ver
wandten, noch den Freunden, und für den neuangenommenen
Glauben Alles, was sich ereignet, ja selbst den Tod zu erdulden.
Nach dem Schwur überliefert die Prophetin dem Neu-
aufgenommenen die hauptsächlichsten Gebote der Irrlehre, näm
lich nichts Berauschendes zu trinken, nicht zu Hochzeiten und
Taufen zu gehen, nicht zu heiraten oder, wenn man verheiratet
ist, die Beziehungen zu dem Weibe abzubrechen, keine welt
lichen Lieder zu singen, an Spielen nicht theilzunehmen und
anderes mit den Geboten Danila- Filipow’s Uebereinstiiumendes.
Nachdem der Bekehrte versprochen, unverbrüchlich diese Ge
bote zu halten, befiehlt man ihm, um Verzeihung zu bitten, dass
er bisher der Gesellschaft der Gottesmenschen nicht angehört habe.
Nach einem Gebete, in welchem der Neuaufgenommene
bei Gott, der Gottesmutter und den Engeln, bei dem Himmel,
Sitznngsber. d. pliil.-hist. CJ. CIY. Bd. I. Hft. 8
der Erde und allen Geschöpfen um Verzeihung bittet, wendet
er sich, indem er sich bis zur Erde verbeugt und mit dem
Kreuze bezeichnet, zu den Irrgläubigen und sagt: Verzeihet
mir, verzeihet mir, Brüder und Schwestern. Schuldig bin ich,
schuldig, der Sündhafte. Und betet für mich, für den Sünd
haften und für die neue Seele. Ich danke euch für eure Gebete,
die gerechten und heiligen. — Dabei lässt man ihn bisweilen
verschiedene Schmähungen gegen die rechtgläubige Kirche aus-
stossen.
Auf die Bitte des neuen Mitgliedes erheben sich Alle und
fangen an, für ihn zu beten. Das Gebet dauert zwei Stunden,
auch länger, während dessen man verschiedene Gebete liest
und Kirchenlieder singt. Ferner singt man den Anfang zweier
Lieder, welche den Besorgungen vorangehen. Das eine ist:
Gib uns, Herr, Jesum Christum,
Gib uns, Herr, den Gottessohn.
Das andere ist:
Ach bei uns an dem Don
Der Erlöser seihst in dem Hause.
Hierauf umgürtet man das neue Mitglied mit Handtüchern
und führt es in dem Zimmer herum. Dabei singt man den
kirchlichen Lobgesang:
In dem Jordan der sich taufen lässt, dir, Herr . . .
Dann singt man dfen besonderen gedehnten Gesang:
Gnadenreicher Gott, gewähr’ uns, Gott,
Mit uns bleibe, Gott, bis zu der Ewigkeit Ende! Amin.
Dann befehlen die Irrgläubigen dem neuen Mitgliede, das
Heiligenbild zu küssen, und küssen dieses selbst. In einigen
Schiffen befiehlt man um diese Zeit dem neuen Mitgliede, auf
dieses Heiligenbild zu spucken, uiu dadurch die Verachtung
gegen die rechtgläubige Kirche und deren Einrichtungen aus
zudrücken.
Die Prophetin spricht jetzt zu dem Neuaufgenommenen:
Siehe, auch wir haben dir Alle geschworen. Da hast du auch
die geistige Taufe. Da hast du hier auch die geistigen Brüder
und Schwestern. — Unterdessen bekleidet man ihn mit einem
fürsorglichen Hemde, welches man mit einem schwarzen Bande
umgürtet. Alle küssen ihn, führen ihn zu der Prophetin, und
Die neuere Lehre der russischen Goltesmenschen.
115
sowohl die Irrgläubigen als auch der Neuaufgenommene küssen
ihr das Knie. Um die Zeit bekreuzigt die Prophetin das neue
Mitglied dreimal mit einer brennenden Kerze, wodurch er, wie
die Gottesmenschen meinen, im heiligen Geiste und im Feuer
getauft wird. Es entspreche den Worten des Evangeliums: Er
wird euch im heiligen Geiste und im Feuer taufen. Hierauf
wird die Besorgung in der gewöhnlichen Ordnung vollzogen.
In der angeführten Weise geschieht die Aufnahme eines
Mannes. Auf dieselbe Weise wird auch eine Frau aufge
nommen, nur mit dem Unterschiede, dass dann die Prophetin
das Geschäft des Propheten verrichtet, doch der Prophet das
Geschäft der Prophetin, d. i. sie tauschen gänzlich bei ihren
Obliegenheiten.
Man sagt, dass die Besorgung bei Aufnahme eines neuen
Mitgliedes bisweilen mit Laufen um einen mit Wasser gefüllten
Kübel und mit Geissein verbunden ist. Doch das Laufen um
einen Zuber, verbunden mit Geissein, finde unabänderlich bei
einer jeden unter irgend welchen besonderen Umständen ein-
berufenen Besorgung und bei der jährlichen Besorgung statt.
Die Umstände, unter welchen ausserordentliche Versammlungen
der Gottesmenschen einberufen werden, sind: die besondere
Bitte eines oder mehrerer Mitglieder, bei den Versammlungen
zu beten, Unglück der ganzen Gesellschaft, der Wunsch, Zu
künftiges zu erfahren, die Bekehrung irgend eines Irrgläubigen
zur rechtgläubigen Kirche, und Aehnliches. Diese Versamm
lungen sind entweder an den Tagen, an welchen auch gewöhn
liche Besorgungen abgehalten werden, oder nach dem Ermessen
des Propheten und der Prophetin an anderen.
Die ausserordentlichen Gebete, zu welchen unter beson
deren im Leben der Gottesmenschen vorkommenden Umständen
berufen wird, verrichtet man auf folgende Weise. In der Mitte
des Betzimmers ist unter dem Fussboden eine grosse Grube
ausgegraben und über dieser an dem Fussboden ein Gitter be
festigt. Ueber das Gitter stellt man einen mit frischem Wasser
gefüllten und mit Wachskerzen beleuchteten runden Zuber.
Die versammelten Gottesmenschen nähern sich der Prophetin,
welche gewöhnlich vorn sitzt, küssen ihr das Knie und stellen
sich hierauf um den Zuber in zwei Kreise, die Männer näher
dem Zuber, die Frauen hinter ihnen, diese und die anderen
8*
116
P f i 55 m a i e r.
mit dem Gesicht gegen den Zuber. Der Prophet und die Pro
phetin lesen verschiedene Gebete, nicht selten unter Thränen.
Alle Fürsorger fallen oft vor dem Zuber mit dem Gesichte
zur Erde. Ein solches Gebet dauert bis Mitternacht.
Gerade um Mitternacht lassen die Männer die Hemden
bis zu dem Gürtel, die Frauen rückwärts bis zu dem Gürtel,
vorn bis zu den Brüsten herab und binden sich die langen
Aermel des Hemdes oder Handtücher um den Gürtel. Die so
halbentblössten Gottesmenschen gehen zu der Prophetin und
diese gibt einem jeden von ihnen ein aus schmalen Hand
tüchern zusammengedrehtes heiliges Plumpsäckchen (cbutoh
5KrytuIM>) oder einen aus drei Ruthen gebildeten Bündel Wei
denzweige , indem ,sie vorläufig einen jeden mit diesem oder
jenem zweimal über die Schulter schlägt. Der Prophet schlägt
ebenfalls die Fürsorger nach einander mit heiligen Plumpsäck
chen. Dann stellen sich Alle nochmals um den Zuber, die
Männer in den einen Kreis, die Frauen in den anderen und
führen die Reihentanzbesorgung (xopoBO/i.HOC paA'hme) aus, d. i.
sie laufen einer hinter dem anderen, der hinterher Laufende
schlägt den Voranlaufenden, und dabei spricht man:
Ich geissle, geissle, Christum such’ ich.
Komm herab zu uns, Christus, vom siebenten Himmel,
Gehe zu uns, Christus, in dem heiligen Kreise,
Fahre vom Himmel, Herr, heiliger Geist!
Diese Besorgung dauert je nach der Wichtigkeit der Ge
genstände des Gebetes und nach Ermessen des Propheten, wird
aber unverweilt abgebrochen, sobald man in dem Zuber ein
Schaukeln des Wassers bemerkt, was nicht bei jeder Besorgung
der Fall ist. Kaum dass man dieses wahrnimmt, fallen Alle
mit dem Angesicht auf den Fussboden und erzählen, dass sie
gleichsam unter dem Zuber hervor eine dumpfe Stimme hören.
Der Prophet und die Prophetin erklären diese Stimme gemäss
den Umständen, unter welchen sie die ausserordentliche Be
sorgung einberiefen. Nachher lässt man das Wasser aus dem
Zuber durch das Gitter. Alle Fürsorger verbrennen eine Wei
denruthe an den rings um den Zuber angezündeten Kerzen,
küssen der Prophetin das Knie und gehen auseinander.
Wenn Jemand unter den Gottesmenschen an seinem
Weidenzweige Blut bemerkt, so nimmt er diesen Weidenzweig
Die neuere Lehre der russischen Gottesraenschen.
117
jedenfalls mit sich und nennt es seine Erneuerung des Leibes
durch Blut. Bei Krankheiten verbrennt man eine solche Ruthe
und verschluckt davon den Rauch. Alle Gottesmenschen tragen
auch die Stümpfchen der Kerzen, welche an dem Zuber brann
ten, mit sich fort und verwahren sie bis zum Tode. An dem
Lebensende eines Irrgläubigen zündet man rings um ihn diese
Stümpfchen an, doch diejenigen, welche übrig bleiben, legt
man, ebenso wie den bei der Besorgung gebrauchten Weiden
zweig, mit ihm ins Grab.
Den Grund für das Geissein mit dem Weidenzweige bei
den Besorgungen glauben die Gottesmenschen in der Apoka
lypse zu finden, woselbst es heisst: Ich blickte hin, und siehe,
eine grosse Menge Menschen, welche Niemand zählen konnte,
aus allen Stämmen und Geschlechtern und Völkern und Spra
chen, standen im Angesicht des Thrones und im Angesicht
des Lammes in weissen Gewändern und mit Palmzweigen in
ihren Händen.
Zu den ausserordentlichen Besorgungen gehören noch die
sogenannten jährlichen Besorgungen. Sie unterscheiden sich
von den anderen ausserordentlichen Besorgungen durch ihre
besonders lange Dauer. An dem längsten Junitage, meistens
um Pfingsten, halten die Irrgläubigen diese Besorgung, indem
sie sechs Stunden bis Mitternacht und sechs Stunden nach
Mitternacht unter Geisselung um den Zuber herumlaufen. Wenn
das Wasser in dem Zuber aufwallt, fallen sie sinnlos und er
müdet auf die Kniee. Sie bilden sich ein, über dem Zuber
einen Nebel und in dem Nebel einen in goldenem Lichte glän
zenden Jüngling zu sehen. Bei dieser Erscheinung befällt sie
heftiges Zittern, sie fallen etnpfindungslos nieder, dann, nach
dem sie wieder zu sich gekommen, verbeugen sie sich vor
einander und wünschen zu der Erscheinung Christi Glück. So
erzählen nach den von Herrn Dobrotwörski eingesehonen Hand
schriften die Gottesmenschen der Statthalterschaften Saratow,
Nizni-Nowgörod und Jekaterinoslaw. Es wird der erregten
Einbildungskraft dieser Menschen zugeschrieben.
Die Prophetin bestreicht dann alle Fürsorger mit Wasser
aus dem Zuber, wobei sie spricht: Mit dem Geschenke des
heiligen Geistes bestreichet euch, durch den heiligen Geist
erquicket euch und werdet in dem Glauben nicht wankend.
118
Pfizmaier.
Hierauf nimmt man aus dem Kübel Wasser in Gelasse, trägt
es nach Hause und gebraucht es zur Heilung von Krankheiten
und selbst bei dem Tode. Die Prophetin nimmt mehr als die
Anderen von diesem Wasser und gebraucht es, wenn die An
hänger des Irrglaubens sich an sie in verschiedenen geistigen
Nöthen wenden.
Bei den ausserordentlichen Besorgungen werden auch
einige andere Gebräuche vollzogen. So die Theilnehmung an
Brod und Wasser, welche noch bei Lupkin, dem zweiten
falschen Christus, üblich war. Unter diesen Gebräuchen seien
besonders Theilnehmung an Leib und Blut (npniameHie tIuomi.
h KpOBBio) und die Sünde des Handgemenges (cBäüLHHH rp'hx'b),
die Versündigung gegen das siebente Gebot, bemerkbar. Das
erstere linde statt, wenn Jemand aus der Gesellschaft sich zu
verstümmeln wünscht. Die Gottesmenschen selbst hätten dar
über einer Vertrauensperson Folgendes erzählt.
Während des Gebetes setzt man in einen mit warmem
Wasser gefüllten Zuber ein fünfzehn- oder sechzehnjähriges
Mädchen, welches man durch verschiedene Versprechungen zur
Verstümmelung bewogen hatte. Sobald das Mädchen sich in
den Zuber setzt, gehen alte Frauen zu ihr hin und machen ihr
auf der Brust einen tiefen Einschnitt. Hierauf schneiden sie
eine ihrer Brustwarzen, die linke, ab und stillen mit wunder
barer Geschicklichkeit die Blutung. Während dieses Eingreifens
gibt man ihr das Bild des heiligen Geistes in die Hände, damit
sie, in das ehrerbietige Anschauen vertieft, den Schmerz leichter
ertrage. Hierauf legt man den abgeschnittenen Theil in eine
Schüssel, zerschneidet ihn in kleine Stücke und vertheilt diese
unter die Anwesenden, von welchen sie verzehrt werden. Wenn
diese Menschenfresserei endet, setzt man das Mädchen an einen
abgesondert für sie hergerichteten Ort und die ganze Gesell
schaft fängt an um sie herumzulaufen, indess man singt: Durch
Tanzen, durch Verbrennen (noiuacaxoms noropaxOMi ?) auf den
Sionischen Berg.
Der Tanz wird immer lebhafter und geht bald in eine
wahre Tobsucht über. Der Wahnsinn erreicht die höchste
Stufe. Plötzlich verlöschen die Lichter und ein Auftritt beginne,
von welchem man in dem Heidenthum vergebens Beispiele suche.
Dieser Auftritt sei auch die Sünde des Handgemenges oder
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
119
gemeinschaftliche Sittenlosigkeit des ganzen Schiffes, was weit
häutiger geschehe als die Theilnehmung an Leib und Blut. Na
mentlich nach dem tollen Tanze verlösche man die Feuer, wälze
sich auf dem Fussboden herum und treibe Buhlerei, wobei man
weder Alter noch Verwandtschaft unterscheide. Die durch diese
Sünde empfangenen Kinder erkenne man für solche, welche
durch Ausgiessung des heiligen Geistes empfangen wurden, und
wenn sie geboren werden, sage man von ihnen, wie es bei
Johannes heisst, gotteslästerlich: Nicht aus Blut, nicht aus
dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes,
sondern aus Gott sind sie geboren. Solche Kinder werden
gewöhnlich, wenn es Knaben sind, bei den Propheten, wenn
es Mädchen sind, bei den Prophetinnen auferzogen und ver
treten in der Folge deren Stelle in der Gesellschaft der Irr
gläubigen.
Die hier erwähnte Sittenlosigkeit werde von allen Gottes
menschen zugegeben. Nach den Geständnissen derselben ge
schehe in einigen Schiffen die Sünde des Handgemenges fast
bei jeder ausserordentlichen Besorgung.
Bei der obigen Beschreibung der gottesdienstlichen Ver
sammlungen werde blos über einen Theil der bemerkenswer-
thesten Aeusserlichkeiten der Irrlehre berichtet, und schlössen
diese Versammlungen nicht alle Aeusserlichkeiten in sich. Die
Gesellschaft, welche eine Art Hirten und einen eigenthümlichen
Gottesdienst habe, könne in verschiedenen Verhältnissen des
Lebens nicht ohne kirchliche Gebräuche bleiben. Es gebe in
ihr etwas Aehnliches wie das in der rechtgläubigen Kirche
übliche Taufen der Kinder, es gebe Busse und Spendung der
Sacramente, Begräbnissfeierlichkeitcn und Gebet für die Ver
storbenen. Es gebe auch andere, gewöhnlich von den Propheten
und Prophetinnen verrichtete Gebräuche. Man beschreibe sie
jedoch nicht, theils weil sie nichts besonders Merkwürdiges
enthalten, theils weil man nicht mit Bestimmtheit sagen könne,
ob sie in allen oder nur in einigen Schiffen unabänderlich
verrichtet werden.
120
Pfizmaier.
Die Lehre der Gottesmenschen von dem geheimnissvollen
Tode und der geheimnissvollen Auferstehung.
Auf den ersten Anblick stellen, wie Herr Dobr. sagt, die
Lehre und die Handlungen der Gottesmenschen ein seltsames
Gemisch von Ungereimtheiten und Widersprüchen vor. Wenn man
sich z. B. an die allgemeine Regel, Keuschheit zu bewahren, halte,
so ergeben sich diese Menschen und besonders die Propheten
sehr oft gräulicher Unsittlichkeit und Keiner unter den An
hängern von den höheren Glassen sehe darin einen Widerspruch
mit ihrer Lehre. Während sie den öfteren Besuch des Tem
pels, die Beichte vor den geistigen Vätern, den Empfang der
Sacramente, die Verehrung der Heiligenbilder und die Hoch
schätzung der Geistlichkeit gebieten, verwerfen die Propheten
und deren Anhänger zu gleicher Zeit die Lehre, die Sacra
mente und die Einrichtungen der Kirche, schmähen die Priester
herrschaft und die kirchlichen Gebräuche, spotten über die
Heiligenbilder u. s. w., wobei sie nicht im Geringsten daran
denken, in ihren Handlungen einen Widerspruch mit ihrer
eigenen Lehre zu sehen. Dergleichen entschiedene Widersprüche
möchten auch bei einem aufmerksamen Beobachter Zweifel er
wecken, doch seien hier dreierlei Umstände in Betracht zu
ziehen.
Nach dem Beispiele des ersten falschen Christus, Iwan
Suslow’s und in Folge der gemessenen Befehle seiner Propheten,
sowie der eidlichen Versprechen bei Eintritt in die Gesellschaft
halten die Gottesmenschen sorgsam ihre Lehre geheim und
trachten, äusserlich alle Vorschriften der Kirche zu befolgen.
Hierdurch erkläre sich der Widerspruch zwischen der Lehre
und den Handlungen der Gottesmenschen. Die Fasten, die
Gebete in den Tempeln und Anderes werde selbst aufrichtig
von ihnen durchgeführt, so lange diese Dinge sich als über
einstimmend mit ihrer Lehre und in gewissem Masse für die
niederen Mitglieder ihrer Gesellschaft nützlich erweisen. Hier
durch erklären sich die entgegengesetzten Handlungen anderer
Mitglieder, welche, nach ihrer Meinung, weder der Fasten, noch
der Gebete in den Tempeln u. s. w. bedürfen. Was unter den
kirchlichen Einrichtungen und sittlichen Vorschriften für die
Die neuere Lelire der russischen Gottesmensclien.
121
Gottesmenschen, welche nur noch nach dem geheimnissvollen
Tode streben, nützlich und unentbehrlich ist, halte man für
unnütz und unnöthig für die geheimnissvoll Auferstandenen.
Hierdurch seien alle Abweichungen der geheimnissvoll Aufer
standenen nicht allein von den Satzungen der rechtgläubigen
Kirche, sondern auch von der Lehre und den Vorschriften der
Secte selbst zu erklären. In dem Nachfolgenden werde, ohne
auf die auch bei anderen Irrgläubigen vorkommenden näheren
Umstände einzugehen, blos die Hauptlehre der Gottesmenschen,
die Lehre von dem geheimnissvollen Tode und von der ge
heimnissvollen Auferstehung dargelegt, da bezüglich des Uebri-
gen an anderen Orten, namentlich bei den Schilderungen der
Gesellschaft und ihrer Gebräuche, Mittheilungen enthalten seien.
Der Begriff des geheimnissvollen Todes (TaHHCTBeHHaH
CMepi'b) entspricht dem Begriffe des Todes, Abgestorbenseins
für Sünde (caiepTL rphxy) und gründet sich auf Aussprüche
der heiligen Schrift, besonders auf die Stelle in dem Briefe an
die Römer: Sein (Christi) Tod ist noch nicht der Herr. Denn
er starb, er starb für die Sünde einmal. Doch er lebt, er lebt
für Gott. So glaubet auch ihr von euch, dass ihr todt seid für
die Sünde, aber lebendig für Gott, in Christus Jesus unserem
Herrn. — In dem Munde der Propheten der Gottesmenschen
wird der Ausdruck ,gcheimnissvollcr Tod“ oft mit anderen Aus
drücken, z. B. ,Leidensckaftlosigkeit und Heiligkeit (6c3C'J'pacTie
H cbjitoctb) , ,Erwerbung des Christusverstandes' (miJKaHie
pasyiia XpiiCTOBa) ,Erlangung des Segens des heiligen Geistes'
(nouyaeiiie ö-iaro/pcri-i cb. ,d,yxa) und anderen verwechselt. In
dieser Darlegung würden alle diese Ausdrücke erklärt.
Der hier gemeinte Zustand lasse sich nicht durch Be
schäftigung mit äusseren Sachen der Frömmigkeit erreichen,
keine Fasten, keine Thaten, nicht einmal wirkliche Erleuch
tung tragen zu dem geheimnissvollen Tode bei. Radäjew, der
Prophet der Gottesmenschen, spricht: ln Aeusserlichkeit und
in äusseren Dingen sich vervollkommnen, d. i. Leidensekaft-
losigkeit und Heiligkeit erreichen, ist unmöglich. -— Dieser Zu
stand sei nur durch innere Thaten oder Mittel der Gottgefälligkeit
erreichbar, namentlich durch nüchternes Aufmerken, verbunden
mit dem Gebete Jesu und durch Selbstverläugnung, begleitet
von Ergebenheit in den Willen Gottes.
122
Pfizmai er.
Derselbe Radäjew sagt: Wenn nur aus Mitleid der heilige
Geist nicht auf die Seele regnet, sind vergeblich die Mühen
dieses Menschen (die äusseren Sachen der Frömmigkeit): den
wahren Verstand zu erlangen. Der, welcher Innerlichkeit, d. i.
Aufmerksamkeit und Nüchternheit sammt dem Gebete Jesu
Christi und die Entsagung, nach dem Rathe Christi, seiner selbst
nicht hat, auch die gänzliche Ergebung seiner selbst in den
Willen Gottes wenn er nicht hat, kann nicht, sage ich, den
Christusverstand ohne Innerlichkeit erwerben. — Dieses sei die
Grundlehre der Gottesmenschen von dem geheimnissvollen Tode,
welche sie zu den verleitenden Wahnbildern der geheimniss
vollen Auferstehung führe.
Der Geist Gottes schickt mich, sagt Radäjew weiter, die
Menschen vor Allem das unaufhörliche Gebet Jesu Christi zu
lehren, die Verläugnung ihrer selbst und die Gottergebenheit
und dass sie sich der Führung seines Geistes unbedingt über
lassen. — Mit diesen Worten sage der Prophet der Gottes
menschen in Kürze die Mittel, durch welche er seine Anhänger
zu der geheimnissvollen Auferstehung vorbereitet, sobald die
gewaltsame Führung des Geistes Gottes beginnt. Und das erste,
vorzüglichste unter diesen Mitteln sei das Gebet Jesu, welches
Gebet der tiefen Aufmerksamkeit auf den eigenen inneren Zu
stand vorhergegangen.
Die erste Tugend, sagt Radäjew, ist die Aufmerksamkeit,
d. i. die Bewahrung des Herzens vor allem nicht gottgefälligen
Denken, sammt dem Jesusgebete, unaufhörlich, ununterbrochen,
mehr als Athemholen, ausrufen das Gebet: ,IIerr, Jesus Christus,
Gottes Sohn, erbarme dich meiner, des Sündigen*' in der Heim
lichkeit des Herzens, gehend, sitzend, liegend, bei Tische, bei
Handarbeit, reisend, kurz gesagt, wie man atkmet, immer und
zu jeder Zeit rufe dieses Gebet aus, und deine Seele wird engel
gleich sein.
Wie jedes Gebet ein Gespräch der Seele mit Gott sei, so
sei im Einzelnen und insonderheit das Jesusgebet ein Gespräch
der Seele mit dem Gotte Christus. Es bringe innere Gemein
schaft, Einigung, Liebe und Verbindung der Seele mit Jesus
Christus hervor. Deswegen sind wir, spricht von sich Radäjew,
über Alles schuldig, sie zu belehren und zu lenken zum Ge
spräche mit Christus, d. i. zu unablässigem Jesusgebete, damit sie
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
123
durch das Gespräch Liebe zu ihm und grosse Verbindung mit ihm
erlangen. Doch die Sache werde nicht fest sein. — Diese durch
das Jesusgebet hervorgebrachte Verbindung der Seele mit
Christus gehe alhnälig, nach Massgabe der Verstärkung des
Gebetes,gleichsam in den Zustand der Verkörperung des Gottes
sohnes mit dem im Gebete begriffenen Menschen über.
Ein anderer Prophet der Gottesmenschen sagt: Wenn der
göttliche Namej geheiligt werden wird in unserem Herzen, so
heiligt auch Gott unser Herz und macht es untheilhaftig jeder
Unreinheit, und wenn wir in Uebereinstimmung leben werden
mit seinem heiligen Worte, dann wird auch das Wort in uns
sein und wir in dem Worte, weil das Wort Fleisch wurde und
in uns wohnte. In einem solchen Zustande wird der Mensch
in Wesenheit, stufenweise sterben der Sünde, oder sterben des
geheimnissvollen Todes, d. i. erreichen Leidenschaftlosigkeit
und Heiligkeit: weil, wie aus Gott alle Geschöpfe hervorgingen
im Himmel und auf der Erde, so kommen aus dem Jesus
gebete alle Tugenden hervor mit Aeusserlichkeit und Inner
lichkeit: die Liebe zu Gott und zu den Menschen aus ihm,
Glaube, Hoffnung und Zuversicht eben aus ihm, Ergebung,
Vernichtung, Abtödtung, Entsagung, gänzliche Aufopferung und
Entblössung von allem Erschaffenen, Irdischen, Wesenhaften,
Himmlischen eben aus ihm, die Kraft, alle Betrübnisse zu er
tragen eben aus ihm, die Führung dos heiligen Geistes eben aus
ihm, Weisheit, Verstand, Vorhersehen, Scharfsinn, Wunder,
Wunderwerke eben aus ihm, Sanftmuth, Einfalt, Mitleid, Thränen
eben aus ihm, kurz gesagt, die ganze Menge der Tugenden
kommt aus ihm hervor und die Unerschütterlichkeit im Leben.
Welcher segensreichen Gaben man, nach den Begriffen
der Gottesmenschen, durch das Jesusgebet gewürdigt werden
könne, lehren die Worte Radäjew’s: Jede Minute, mehr als das
Athrnen, rufe mit Aufmerksamkeit das Jesusgebet: ,IIerr, Jesus
Christus, Gottessohn, erbarme dich meiner, des Sündhaften',
und deine Seele wird wie ein Engel rein sein. Durch dieses
Gebet, diesen Eliaswagen, steigst du in den Himmel auf; durch
dieses Gebet erlangst du Cherubimverstand, durch dieses Gebet
erwirbst du Seraphimliebe im Herzen zu Gott; durch dieses
Gebet, wie mit einem scharfen Scheermesser, schierst du aus
dem Verstand alle Gedanken aus, durch dieses Gebet erlangst
124
Pfi zmaier.
du schnell den Segen des heiligen Geistes, durch dieses Gebet
von sündigen Dingen, Worten, Gedanken befreist du dich am
Ende; durch dieses Gebet die Stufen der Heiligkeit schnell du
erreichst; durch dieses Gebet die Tiefen der heiligen Schrift du
verstehst, durch dieses Gebet in das Allerheiligste gehst du ein,
und wunderbarer Eingebungen wirst du gewürdigt, und Gott in
deinem Herzen du siehst. Dieses Gebet ist Gott allen Tugenden
und segensreichen Gaben, und Zarin ist dieses Gebet allen Guten,
und Haupt und Wurzel und Quelle allen Tugenden. Wie süss, all
gut, hellblickend diese Tugend — Aufmerksamkeit und Jesusgebet!
Deswegen eben ist, nach den Worten aller Anhänger
Radäjew’s, dessen Lehre insonderheit in der unaufhörlichen
Wiederholung des Jesusgebetes eingeschlossen, durch welches
selbst man den Segen des heiligen Geistes erlangt, einen solchen,
wie er (Radäjew) ihn bereits erlangte, d. i. durch das Jesus
gebet stirbt der Mensch geheimnissvoll und ersteht dann auf.
Die zweite Tugend, welche zugleich mit der ersten den
geheimnissvollen Tod in dem Menschen hervorbringt, ist ,die
Verläugnung seiner selbst in Allem und zu jeder Zeit und die
Zuversicht auf Gott und Hingebung an ihn zu jeder Zeith
Radäjew sagt: Jeder sage sich von sich los und verläugne sich,
und Jeder entschliesse sich und ergib dich, um zu bauen für
Gott selbst und seinen Willen, wie in den leiblichen Dingen
und Erfordernissen des Lebens, um so mehr auch von Minute
zu Minute und in geistigen Sachen und im ganzen Leben sich
Gott zu ergeben und in seinen heiligen Willen.
Um zu dem geheimnissvollen Tode zu gelangen, müsse
der Mensch eine solche Stufe der Selbstverläugnung ersteigen,
dass er nicht allein von Eigenliebe und Allem, wovon die Eigen •
liebe sich nährt, sondern auch von allen wesentlichen Gaben und
segenreichen Tugenden, von allen Gesetzen und Vorschriften,
von allem Irdischen und Himmlischen sich lossagt und einzig
dem Willen Gottes oder der Führung des heiligen Geistes folgt.
Die Worte des Herrn erklärend sagt Radäjew: ,Wenn
Jemand mir nachgehen will, so verläugne er sich selbst', d. i.
wer wahrhaft heilig leben will, muss vergessen auf sich selbst
und darf durchaus nichts fürchten, muss äusserstc Sorglosigkeit
haben in Allem, den einzigen Willen Gottes begehren, in welcher
Weise er bei dir auch erfüllt werde, sei es in Ruhe, sei es in
Die neuere Lelire der russischen Gofctosmenschen.
125
grossem Leiden. Diese äusserste Verleugnung ist: entblüssen
muss ich mich von allem Erschaffenen, Irdischen, und entblüssen
von Reichthum, Ruhm, Ehren u. s. f. — von allem Irdischen,
Wesenhaften und entblüssen von Verstand, Gedächtniss, Ver
langen, Willen, erworbener Erleuchtung, alles meines Eigen
thums, aller Eigenliebe; von tugendhaften Uebungen mich ent
blüssen, von allen Anordnungen und Regeln, aber nur folgen
der Führung des heiligen Geistes; — mich entblüssen auch
von allem Segenreichen, wie: von Erleuchtung, Gnaden, Ein
gebungen und Uebrigem dergleichen; mich entblüssen von Heilig
keit, Glückseligkeit, himmlischem Ruhme, von dem Reiche, dem
Paradiese und allem Himmlischen, d. i. alles dieses nicht be
gehren, sondern den einzigen Willen Gottes, dass er einrichte
und schenke. Dieses ist die wahrhafte Verleugnung seiner selbst
und die Entblüssung von Dingen.
Als unumgängliche Bedingung und zugleich für den ge-
heimnissvollen Tod unentbehrliche Frucht der Selbstverleugnung
gebe es die Herabwürdigung seiner selbst in den Augen Gottes
und der Menschen, die Demuth. Radäjew schreibe an seine
Anhänger: Meine geliebten Brüder, haltet euch auch an alle
Tugenden, besonders über Alles an diese: Aufmerksamkeit
sainmt dem Jesusgebete, Verläugnung seiner selbst, Zuversicht
auf Gott und Demuth. Demiithiget euch, meine Brüder, vor
Gott und den Menschen. Niemand ist Gott so lieb, wie ein
demüthiger Mensch, Niemand ist Gott so zuwider, wie ein
stolzer. Niemanden fürchten die büsen Geister so sehr, wie
einen Deinüthigen, über Keinen freuen sich die büsen Geister
so sehr, wie über einen Stolzen. Sehr hütet euch vor dem
Stolze. Gott ist den Stolzen ein Gegner, den Demiithigen gibt
er Segen. — Wer daher, heisst es noch, reichlicher den heiligen
Geist sich (in der geheimnissvollen Auferstehung) einfüllen will,
der darf nicht zu Mühen, Thaten und Fasten sich zwingen,
sondern muss trachten, mehr und mehr sich zu verringern und
sich zu demiithigen vor Gott und allen Menschen.
Zur Erwerbung solcher Demuth künne man sich that-
sächlich in den Augen der Menschen sogar verächtlich machen,
künne auch Todsünden begehen, nur um nichtswürdig zu
scheinen. Radäjew sprach zu einem seiner Anhänger: Nahmst
du nicht Anstand daran, dass ich Buhlerei treibe und ehebreche,
126
Pfizmaier.
wie Viele von mir sagen? Wisse also, dass ich einen Buhler
nur spiele, um eine herabgewürdigte Seele zu haben. — Ra-
däjew spreche hier von thatsächlicher Sünde, über welche er
weiter unten eine gotteslästerliche Erklärung abgibt. Um sich
vor den Menschen herabzuwürdigen, erlaubten sich auch andere
Irrgläubige verschiedene Verstösse gegen die Kirchenregeln
und die Regeln der Woldanständigkeit, schrieen öffentlich, dass
in ihnen der böse Gleist sitze, die Kröte, der Frosch, die
Schlange, u. s. w.
Dieses seien Arten der Glottgefälligkeit, vermittelst deren
der Mensch den gelieimnissvollen Tod erreichen, d. i. der
Sünde sterben und für Gott leben könne. Herr Dobr. bemerkt
hier, dass anscheinlicli nichts erhabener und heiliger als diese
Mittel sein könne. Fast bei jeder einzelnen Vorschrift, wie sie
von den Gottesmenschen dargelegt wird, sei eine Bestätigung
entweder in dem Worte Gottes, oder in den asketischen Werken
der Lehrer der rechtgläubigen Kirche zu finden. Die Vor
schriften der rechtgläubigen Asceten würden selbst in den Vor
schriften der Gottesmenschen bekräftigt. Jedoch dieselbe Be
stätigung und die Stärke dieser Mittel zur Reinigung der Seele
zeige auch, dass sie nicht aus der reinen Quelle christlicher
Sittlichkeit hervorgehen, sie seien nicht so übereinstimmend mit
den Mitteln der Gottgefälligkeit der rechtgläubigen Streiter, als
mit den Vorschriften der Freimaurer und anderer westländischer
Mystiker des vorigen Jahrhunderts.
Später erinnert Herr Dobr. in seinem Buche, dass Selbst-
verläugnung, nach der Lehre des Gotteswortes und der recht
gläubigen Kirche, nicht verzichten, weder auf wesenhafte, noch
auf segenreiche Gaben verzichten müsse, dass Ergebung in den
göttlichen Willen äusserliche Werke der Frömmigkeit nicht
ausschliesse und umsoweniger von allen kirchlichen und bürger
lichen Regeln und Satzungen sich lossage, nicht ausschliösslich
der Führung des heiligen Geistes, von welchem man nicht wisse,
in wem und wo er wirkt, sich überlasse. Wenn man jetzt die
Folgen der Streitbarkeit der Gottesmenschen betrachte, so sage
nicht umsonst die Wahrheit: An ihren Früchten werdet ihr sie
erkennen.
Da der Mensch, welcher durch die angedeuteten Mittel
den gelieimnissvollen Tod erreicht, noch nicht den heiligen
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
127
Geist in sich aufgenommen habe, so müsse er zur Erfüllung
aller Vorschriften der Selbstverläugnung und der Ergebung in
den göttlichen Willen sich der Führung des in den geheim
nisvoll auferstandenen Menschen oder in den Propheten der
Gottesmenschen lebenden heiligen Geistes überlassen. Geheim
nisvoll sterben könne, wie Radajew sagt, nur derjenige Mensch,
welcher sich unbedingt Gott und der Führung des Geistes
Gottes überlässt, welcher (dem Propheten der Gottesmenschen)
mit ,nacktem und blindem' Glauben, d. i. ohne alle Zeugnisse
und Offenbarungen glaubt. Nackter und blinder Glaube sei
viel zuverlässiger als alle Offenbarungen.
Doch thatsächlich zeige es sich, sagt Herr Dobr., dass
es nicht ungefährlich sei, sich der Führung des in den Pro
pheten der Gottesmenschen lebenden Geistes zu überlassen,
welche gefällige Maske immer sie auch Vorhalten mögen.
Ein Priester, welcher Radajew, wie derselbe im Leben und in
seinen Schriften war, kennen gelernt hatte, schreibt über die
Handlungen dieses falschen Propheten: Prüfungen, dergleichen
er mit seinen Anhängern anstellt: Gehe mit ihm, schickt er
wohin und befiehlt etwas zu thun, thue es ohne Bedenken.
Was er von deinem Eigenthum begehrt, gib es ohne Bedauern
und darf durchaus Niemand seinen Willen haben und darf man
nichts ohne den Willen und die Erlaubniss des Propheten thun.
Bei dem Manne nimmt er das Weib (wenn derselbe oder ein
Anderer in reiner Ergebenheit), schläft mit ihr entweder selbst,
oder übergibt sie einem Anderen. Den Mann verkuppelt er
mit einer Anderen. Ein Mädchen oder eine Witwe hält viel auf
Ehre und Keuschheit. Er beraubt sie derselben, damit sie nicht
stolz seien und sich nicht mit ihren Tugenden beschäftigen.
Radajew selbst bekräftige in seinen Briefen die Richtig
keit dieser Worte. So schreibe er Amn den Frauen, welche viel
auf ihre Keuschheit halten: Dieser äusserste Ummrstand, sich
einer solchen Seele anzupassen, nöthig haben, dass sie dem
Geiste freien Willen lässt, zu wirken. Besser, der Geist thut
das Unwürdigste, als Avir das Vortrefflichste, u. s. f. Mit Avelcher
ich augenscheinlich schlechter verfahre, diese wird besser wider-
stehen, denn ich Averde für sie beten. Welche sich fürchtet
und sich hütet, diese wird nicht widerstehen. Welch’ grossen
Unverstand begehen diejenigen, Avelche sich hüten: sind sie
128
P f i z m a i e i\
vielleicht verständiger als Gott? Welch’ grossen Schaden ver
ursachen sie ihren Seelen! Da würden wir doch Gott für un
vernünftig halten; wir trauen dieses Gott nicht zu. Der ver
gängliche Mensch lehrt Gott, wie er den Menschen retten solle.
Ebenso verfahren auch andere Propheten für die vermeint
lich geheimnissvolle Abtüdtung ihrer Anhänger, indem sie ihren
Schülern zeigen wollen, dass die Vorschriften dieser Propheten
wichtiger seien als die kirchlichen Satzungen und die Em
pfindungen des Gewissens. So habe der Prophet der Irrgläubi
gen von Cistopol, als er sich in dem Hause eines seiner
Schüler drei Tage bis Christi Geburt befand und Ferkel laufen
gesehen hatte, zu dem Schüler gesagt, dass Gott die Ferkel
zu schlachten und zu braten befehle, was auch ausgeführt wurde.
Herr Dohr, bemerkt, er sei hier bei der Betrachtung
solcher Befehle, welche die Propheten der Gottesmenschen ihren
Anhängern ertheilen, in der Absicht stehen geblieben, um jene
Stufe der Selbstverläugnung und Ergebung in den gleichsam
durch die Propheten thätigen göttlichen Willen, wie sie von
Allen, welche den geheimnissvollen Tod erreichen wollen, ver
langt wird, zu sehen. Wenn der Mensch zu einer solchen
Höhe der Selbstverläugnung und Ergebung in den göttlichen
Willen sich aufschwingt, so sterbe er geheimnissvoll oder sterbe
der Sünde, erreiche, wie die Gottesmenschen sich ausdrücken,
Leidenschaftlosigkeit und Heiligkeit und erstehe geheimniss
voll auf. Ein Priester schreibt von einem Propheten der Gottes
menschen: Seine Lehre besteht in reiner Selbstverläugnung,
Ergebenheit und Vernichtung seiner selbst, was von ihm der
geheimnissvolle Tod genannt wird. Doch sich selbst nennt er
oder gibt sich aus für einen geheimnissvoll Auferstandenen, da
er bereits alle Stufen der Selbstverläugnung, Ergebung und
Vernichtung erstiegen habe.
Die für den geheimnissvollen Tod nothwendige Stufe der
Selbstverläugnung und Ergebung in den Willen Gottes werde
von dem heiligen Geiste selbst bestimmt, welcher sich in dem
geheimnissvollen Todten niederlässt und ihn geheimnissvoll auf
erweckt. Radäjew schreibt an einen Priester: Wenn der heilige
Geist sich in einen Menschen niederlässt, so lässt er viele
offenbare Zeichen zum Vorschein kommen, anfangs persönliche
desshalb, damit der Mensch deutlich erkenne, dass der heilige
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
129
Geist in ihm wirkt, damit er sich ihm nicht darin widersetze,
worin er Betrug von dem Feinde gefürchtet. Gott lässt jene
Seele nicht ohne gerade und offene Nachricht, damit sie ihm
nicht ungehorsam sei und Strafe sich nicht zuziehe.
Diese göttliche Nachricht oder Regung des heiligen Geistes
im Inneren des geheimnissvollen Todten erfolge gewöhnlich zur
Zeit des Gebetes. Radäjew schreibt: Wer grosse Sorgsamkeit
hat und Liebe und Eifer zum Gebete, d. i. grosse Lust, viel
und öfter Gebete zu verrichten, aber an sich bemerkt, dass
man ihn dieses nicht ausführen lässt, ihn wirft irgend eine un
merkliche Kraft — Gott selbst zurück: desswegen, damit wir
errathen, dass Gott uns von allen eingeführten Regeln abhalten
will, jedoch will, dass wir auf die Regung des inneren Geistes
warten. So merke auch auf alles auf, sei zuverlässiger als
dieses. — Der Mensch, der bereits geheimnissvoll gestorben
ist, brauche nicht lange auf diese Regung des inneren Geistes
zu warten. Wie sehr auch der Mensch in seinem Zustande
im Zweifel sei, der heilige Geist durch seine Einwirkungen,
welche bis zur Vernichtung der Persönlichkeit des Menschen
gehen, überzeuge diesen, dass er geheimnissvoll aufer
standen ist.
Radäjew schreibt: Anfänglich zweifelte ich daran, ob in
mir das Göttliche, Volle, Nichtfeindliche sei. Doch als in meinem
Herzen der Geist sprach: ,Bete zur Gottesmutter, lies den Kamin',
und ich es erfüllte, indem ich eine ganze Woche gebetet hatte,
begann der Geist in mir zu führen. Bisweilen geschah es, dass
ich mich dem Geiste widersetzte, doch dafür litt ich durch fünf
Wochen. Einmal lebte ich in einer Zelle im Walde, in einem
Bienengarten, wohin ich auch meine Bücher verschleppte. Plötz
lich drückte es mich stark und ging mir der Athern aus und
begann ich (geheimnissvoll) zu sterben. Nachher ging ich zu
dem Priester beichten, doch zu dem Abendmahl liess mich der
Geist nicht zu. Ich wurde krank auf eine Woche, hierauf durch
eine Woche empfand ich in mir den Geist Gottes, welcher sprach:
Stehe auf und gehe zu dem heiligen Abendmahle. — Dann
stand ich auf und war gesund, doch mein Wille war nicht mehr
in mir. Endlich empfing ich das Abendmahl und ermuthigte
mich, und begann es wieder, mich zu treiben und zu führen
durch den heiligen Geist, so dass es bisweilen, wenn ich esse,
Sitzungsber. d. phil.-Uist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 9
130
P f i 7. m a i e r.
plötzlich die Hand bei mir zurückhält, und in allen Dingen
meinen Willen ich nicht mehr habe.
Drücken in der Brust und Ausgehen des Athems sind,
nach der Lehre der Gottesmenschen, das gewöhnliche Kenn
zeichen der starken Regungen des heiligen Geistes in dem ge-
heimnissvoll Auferstandenen. Vor diesem, wenn der heilige
Geist herabsteigt, fühle man Verdunkelung des Verstandes und
Drücken in der Brust. Ein anderer Prophet der Gottesmenschen
sagt: Was immer mit mir geschehen mag, alles, soviel ich be
merke, hängt nicht von meinem Willen, sondern von dem
Willen der alles leitenden göttlichen Vorsehung ab, und selbst
die Stürme meines Lebens sind der unbegreifliche Weg der
göttlichen Vorsehung.
Auf diese Weise erfolge die geheimnissvolle Auferstehung
durch die Kraft des göttlichen Geistes selbst und führe zur
Vernichtung der Persönlichkeit des Menschen. Von der Zeit
der geheimnissvollen Auferstehung an, handle nicht der Mensch
selbst, sondern Gott, der in ihn sich niedergelassen. Wenn der
geheimnissvoll Auferstandene auch gedächte, dem heiligen Geiste,
der in ihn sich niedergelassen, sich zu widersetzen, er würde
nichts ausrichten können. Ein Prophet der Gottesmenschen
sagt: Wir wissen auch selbst, dass manche unserer Handlungen
nicht verträglich mit dem geschriebenen Gesetze, und ist es für
uns schwer und traurig, so zu handeln. Was sollen wir also
thun? Unseren Willen haben wir nicht. Und wir kränken uns
darüber, dass unsere Handlungen ärgerlich sind: was sollen wir
also thun? Die Kraft, die in mir wirkt, lässt nicht Ruhe Tag
und Nacht, führt mich hierhin und dorthin. Niemals lässt mich
jene Ki-aft essen, trinken oder gehen, wohin es mich verlangt.
Bisweilen führt sie mich wohin und stellt mich an einen Ort,
ich kann dann von dem Orte nicht herabkommen.
Der Hergang des geheimnissvollen Todes und der Auf
erstehung, deren Ursachen und dann der Zustand der geheim
nissvoll Auferstandenen werden in dem Briefe eines anderen
Propheten der Gottesmenschen folgendermassen kurz beschrie
ben: Wir werden von Herzen heiligen den Namen Gottes in
uns, bis zu der Zeit, wo der Tod, der in uns lebt, den starken
Namen Gottes nicht erträgt, abstirbt und unsere Seele aufersteht.
Doch wenn wir Theil haben werden an dieser ersten Aufer-
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
131
Stellung, 1 dann verwandelt sich, zum Zeichen dessen, auch unser
Geist in das segenvolle Athmen des überhimmlischen Geistes des
Christusfriedens, die Luft wird die himmlische, von den Blumen
des Wohlgeruches des himmlischen Paradieses getränkte, so
dass man seihst, d. i. der geheimnisvoll Auferstandene, auch
die Blume der Reinheit wird. Unsere Seele wird dann auch
genau, bei dem Versuche seihst, hei Offenbarung der Wahrheit,
den in uns lebenden Gott erkennen. Gott sagt sich niemals
von seinem Eigenthum los, und wenn der Mensch sein ganzes
Dasein, d. i. sein ganzes Herz, welches Gott fordert, indem er
spricht: ,Sohn, gib mir dein Herz, 1 Gott zum Opfer bringt, und
wenn das gottliebende Herz nur einen einzigen Schatz — Gott
haben wird, dann wird auch für das gottliebende Herz Alles,
was das Herz in Gott fühlen wird, sein. Was das Auge nicht
sah, und das Ohr nicht horte, und in das Herz des Menschen
nicht einging, was Gott bereitete denen, die ihn lieben.' 2
Die Lehre von dem geheimnissvollen Tode und der ge-
heimnissvollen Auferstehung glauben die Gottesmenschen durch
Bruchstücke der heiligen Schrift auf folgende Weise begründen
zu können. ,Durch den Ungehorsam eines einzigen Menscheu
wurden Viele zu Sündern gemacht und herrschte die Sünde in
dem Tode'. Dem geistigen Tode und allen seinen schrecklichen
Folgen entrinnen, mit der Seele auferstehen, könne der Mensch
nur durch den geheimnissvollen Tod, d. i. wenn er der Sünde
stii’bt. Dieser Tod erfolge vermittelst des unaufhörlichen Jesus
gebetes, welches den Menschen mit Jesus Christus vereinige,
weil nur vermittelst des einzigen Jesus, die den Ueberfluss
des Segens und das Geschenk der Gerechtigkeit annehmenden
Menschen gerecht werden können, im Leben herrschen'. Dieser
Tod erfolge ferner vermittelst vollkommener Selbstverläugnung
und unbedingter Ergebung in den göttlichen Willen, welcher
durch die geheimnissvoll Auferstandenen Wirksam sei, weil der
Mensch für sich selbst nicht nur nicht handeln, sondern aucli
nichts Gutes Vorhaben könne.
Wenn der Mensch in die Höhe dieser Tugenden eingehe,
so sterbe er geheimnissvoll, d. i. er erlangt Leidenschaftlosigkeit
1 Die erste Auferstehung zufolge der Apokalypse.
2 Worte aus dem ersten Briefe an die Korinther.
9*
132
P f i z m a i e i*.
und Heiligkeit, mache sich für immer von Sünde frei: ,denn
der Gestorbene werde von Sünde befreit*, und von dem Gesetze
selbst, welches ,nicht für den Gerechten gegeben ist*. Der
Mensch werde dann mit der Auferstehung Christi gleichförmig,
erstehe geheimnissvoll in erster Auferstehung zu ewigem Leben
auf, und ,glücklich, wer Antheil an der ersten Auferstehung
hat, über ihn hat keine Gewalt der zweite Tod*. Denn in den
geheimnissvoll Auferstandenen lasse sich nieder der heilige
Geist, wohne immer in ihm, verlasse ihn niemals und thue
Alles für ihn. Für den geheimnissvoll Auferstandenen sei auch
keine einzige Verurtheilung mehr möglich, weil er in Christus
Jesus lebe, nicht leiblich gehe, sondern im Geiste, oder von dem
Geiste geführt werde, weil er der Sohn Gottes von Abkunft sei.
Auf diesen Grundlagen beruhe die unsinnige Lehre der
Gottesmenschen von dem Zustande ihrer Propheten oder der
geheimnissvoll auferstandenen Menschen. Vorerst seien die
Handlungen der Propheten der Gottesmenschen und der im
Allgemeinen geheimnissvoll Auferstandenen, für wen es auch
sei, unbegreiflich und unterlägen daher keinem zu nichts be
rechtigenden Urtheile, weil in ihnen der heilige Geist wirke,
dessen Handlungen mit den gewöhnlichen menschlichen Ge
setzen nicht übereinstimmen.
Radäjew schreibt an seinen Priester: Ihr wollet mich
durchschauen; was in mir, ist euch schlechterdings unmöglich
zu erkennen, weil viele Begriffe höher als der eurige. Wenn
ihr die Offenbarung des heiligen Apostels Johannes genau ver
stehen werdet, werdet ihr auch mich begreifen. Wahrlich sage
ich euch, dass ihr mich keinesfalls verstehen und erkennen
werdet, sollten euch auch hundert Gottesgelehrte schicken.
Oder ihr leset alle Bücher und das Leben der heiligen Väter,
auch dann verstehet ihr nicht und erkennet nicht, wenn ich
nicht selbst es erkläre. Sehr weise verfährt in mir der Geist,
es ist keineswegs möglich zu erkennen. Und ihr saget, dass
ich gleichsam selbst es nicht weiss. Ich glaube, mich führt
der Geist Gottes, doch völlig der Verleumder herrscht und der
Geist der Bosheit in mir handelt. Ihr wisset dieses nicht,
denket auch so davon.
Um die geheimnissvollen Handlungen des heiligen Geistes
noch unbegreiflicher zu machen, halten es die Propheten der
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenscben.
133
Gottesmenschen für nothwendig, sich einfältig, glückselig zu
stellen, wovor das gemeine Volk solche Ehrfurcht habe. Radäjew
schreibt, seinem Priester: Der Herr verzieh mir alle Sünden
längst, und Nachricht von Gott erhielt ich in der Verzeihung,
und ward mir gegeben von dem Herrn grosser Segen sainrnt
den Geschenken der Heilungen. Nur bin ich in meinem Be
nehmen streng, entdecke mich deutlich Niemandem, desswegen
begehe ich auch zuweilen Thorheiten, damit man mich durchaus
nicht erkenne. Wo ich etwas sage oder thue durch die Thätig-
keit des Geistes, wenn die Menschen dann es zu errathen
beginnen, ziehe ich schnell als Zaun irgend etwas Unsinniges,
damit sie mich gar nicht erkennen. Besser und leichter zu
ertragen, wenn sie spotten und für einen unnützen Menschen
halten, als für einen heiligen. Es kann keineswegs sein, um
nicht stellenweise Thorheiten zu begehen.
Vernünftig denkende Menschen, heisst es, sähen in solchen
Handlungen eines vermeintlichen Propheten die Narrheiten
eines Betrügers, doch die Gottesmenschen sähen darin die ver
borgene, der Welt unverständliche höchste Weisheit Gottes,
weil das sinnlose Göttliche weiser als die Menschen sei. Was
die Propheten selbst betrifft, so sei keine Macht im Stande,
sie zu überzeugen, dass in ihnen der heilige Geist nicht wirke,
dass sie nicht frei von Sünden seien.
Radäjew schreibt: Ihr glaubet, dass ich verblendet bin,
haltet mich für verloren und im Irrthum. Das göttliche Zeug-
niss, welches in mir, ist zuverlässiger als das eurige. Könnte
ich mich nicht beunruhigt haben? Die Menschen jeden Berufes
versprechen mir Untergang und Hölle; warum stehe ich denn
unerschütterlich? Weil in mir die klare und offenbare Thätig-
keit und Gnade Gottes. So in mir, und mir deutlich, ist dieses
eröffnet, dass herabsteigen alle Engel vom Himmel und sagen
mögen: ,Lebe nicht so‘. Und dieses höre ich nicht. In Wahrheit
weiss ich an mir kein einziges > Gebrechen. Der Herr, mein
Gott rechtfertigt mich, doch ihr beschuldiget mich? Zwischen
euch und mir ist ein grosser Abstand. Ihr haltet mich für
behaftet mit allen Gebrechen, ich aber habe diese nicht. Ihr
saget: Thue Busse. Ich sage: Ich wüsste nicht, wofür.
An einen anderen Priester schreibt Radäjew: Ich bei
meinem gesunden Verstände, erscheine Vielen nur als wahn-
134
Pfizm aier.
sinnig. So wie sie dafür halten, habe ich auch das ganze
Aussehen. So wie sie mich für unvernünftig halten, erscheine
ich auch als unvernünftig. Wer weise vor Gott sein will, wird
vor den Menschen ein Thor sein. Die höchste göttliche Weisheit
wird bei den Menschen als Unvernunft angerechnet.
Ungeachtet so feierlicher Versicherungen von Seite der
Propheten und der Hoffnung ihrer Schüler, könnten selbst die
Anhänger der Irrlehre nicht umhin zu bemerken, dass die
Worte und Handlungen der geheimnissvoll Auferstandenen bis
weilen allzusehr von den allgemein anerkannten Regeln des
Glaubens und der Sittlichkeit abwcichen. Doch es sei Niemand
zu einem Urthcil berechtigt, da Niemand deren Handlungen
begreifen könne. ,Dieselben hätten im Sinne Christi über Engel
zu urtheilen, nicht blos über irdische Menschen'. Ein Prophet
der Gottesmenschen ,lebe in vollkommener Freiheit. Was er
auch thue oder spreche, wären seine Werke die verwerflichsten
und abscheulichsten, seine Worte gotteslästerlich, man rechnet
es ihm nicht als Sünde an, und er ist dafür nicht verantwort
lich'. Dieses komme daher, weil er sich von Sünde frei gemacht.
In Wahrheit, thue er bisweilen solche Dinge, welche von An
deren als Sünde bezeichnet werden, doch diese Handlungen
machten keine Sünde aus, wenn sie von ihm begangen werden.
Ferner heisst es: Die Kälte des Nordens durchdringt den
Fremden in dem Masse, dass er genöthigt ist, bisweilen Hilfe
in dem Weine zu suchen. Die strenge Lebensweise der ver
meintlichen Heiligkeit verurtheilt uns bei Unmässigkeit, doch
dafür lassen wir uns durch den heilsamen Balsam des ewigen
Lebens heilen.
Zudem heisst es: Ihr betrachtet mich von Seite des Ge
setzes und von Seite des Geschöpfes. Ich weiss, was Sünde,
was nicht Sünde, was gut, was nicht gut, was sich gebührt,
was man nicht thun soll. Ihr saget: Davon ist nichts geschrieben,
was ich thue, d. i. viele meiner Werke sind unvereinbar mit
dem geschriebenen Gesetze. — Genau ist es so: Viele Hand
lungen sind gleichsam zuwider dem geschriebenen Gesetze.
Meine Handlungen sind unvereinbar mit dem geschriebenen
Gesetze, und ich bekenne dieses, doch mit dem Willen des
Gesetzgebers sind sie nur vereinbar'. Die Sache bestehe darin,
dass in dem Propheten der heilige Geist, Gott selbst lebe, und
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
135
,wenn Gott, durch den Propheten nämlich, die hässlichste Hand
lung begehe, so werde auch, sagt Radäjew, diese Handlung
besser sein, als die beste menschliche Reinheit millionenmaP.
So habe sich der Prophet von Arsamas durch Gottes
lästerung und ausschweifendes Leben hervorgethan. Doch da
er sich in Allem als nach dem Willen des heiligen Geistes
handelnd hinstellte, hatte nach seiner Meinung Niemand ein
Recht, über seine, des Propheten, Handlungen zu urtheilen.
Er bekannte die Gotteslästerung, bemerkte jedoch: Etwelche
hinterbringen euch, dass wir gleichsam Lästerung gegen Gott
ausstossen, dieses ist euch nicht möglich zu verstehen. Da
verbirgt die höchste Weisheit des heiligen Geistes uns dadurch
vor den Menschen. — Er bekannte auch die Buhlschaften mit
seinen Schülerinnen, hatte aber die Kühnheit, sogar darzuthun,
dass er es nicht mit seinem Willen, sondern mit dem Willen
des heiligen Geistes gethan.
Die Kühnheit der Lästerungen selbst sei geeignet, die
unerfahrenen Anhänger der Lehre zur Vernunft zu bringen.
So Radäjew in seinen Aussagen: Ich erkenne in mir den Geist
Gottes, desswegen verfahre ich auch so zur Strafe auf Rechnung
der Mädchen, ich fürchte, mein Recht höher zu stellen, als das
göttliche Recht. Wenn ich dieses nicht nach dem Willen Gottes
thäte, so dürfte ich selbst im höchsten Grade Segen haben,
wenn ich einmal so handelte, würde ich mich dessen entkleiden.
Doch was ist dieses? Ich thue es, und in mir ist das Nämliche,
ich werde dessen nicht entkleidet, nach Art des Propheten
Dawid, als er sündigte. Das Gewissen in mir hat bei dieser
Sache mich durchaus nicht überführt, sondern mehr in mir
kochte Freude und Wonne in meinem Inneren, grosse Rührung
verblieb immer in mir. Weder Gefühllosigkeit, noch Versteine
rung und Härte im Herzen entstand bei mir durch solches Ver
fahren. Liebe zu Gott und Demuth, Glaube, und Sanftmuth
und Gebet in mir kochten unzertrennlich und unaufhörlich im
Herzen mit einer so ungewöhnlichen Freude und Wonne.
Dessen nicht genug, scheue sich der Prophet nicht, noch
beweisen zu wollen, dass er durch seine Handlungen, welche bei
nicht gewissenlosen Menschen schwere Sünden genannt werden,
die Sünde selbst vertilge. Radäjew schreibt an einen seiner
Anhänger: Christus nahm das Fleisch Adams an, um durch
136
Pfizmaier.
Sünde die Sünde zu vertilgen. Und ich nahm das Fleisch an
und thue Fleischliches, um dadurch die Sünde zu vertilgen. 1 —
Ferner schreibt er: selbst jene Frau, welche mit ihm schlechter
verfahre, d. i. mit ihm sündige, verfahre besser ihrer Seele wegen.
Wenn also Niemand das Recht habe, solche offenbar allen
Geboten der Sittlichkeit zuwiderlaufende Handlungen der ge-
heimnissvoll Auferstandenen zu verurtheilen, so könne um so
weniger Jemand andere, blos Albernheit, Wunderlichkeit oder
Verstandes Verwirrung bekundende Handlungen beurtheilen. Und
da der Prophet, wie die Gottesmenschen sich ausdrücken, in
den apostolischen Zustand versetzt und seine Lehre als die
Lehre des heiligen Geistes unermesslich wahrhaftiger, als die
gleichsam buchstäbliche, menschliche Lehre der rechtgläubigen
Kirche sei, so seien Alle ohne Ausnahme, ohne auf irgend
welche Handlungen von seiner Seite zu sehen, verpflichtet, ihm
unweigerlich Gehorsam zu leisten, wenn sie Leidenschaftlosig-
keit und Heiligkeit erreichen wollen.
Radäjew schrieb seinen Schülern: Ihr saget: Wie ist es
dem heiligen Geiste möglich in dir zu wirken, — ein solcher
Sünder! — In wie fern wisset ihr, dass ich ein Sünder bin?
Wer hat es euch gesagt? — Ihr saget: Wir selbst kennen
deine Sünde. — Ihr kennet meine Sünde, aber die Gnade Gottes
in mir kennet ihr nicht. Glaubet sicher, dass der Herr euch
zurechtstellt. Offenbar spricht sein Geist, der mir gegebene,
dass sein Erbarmen mit euch gross sein wird, dass ihr nur
wenig leiden werdet. — Der Prophet der Gottesmenschen findet
auch Beispiele in der Geschichte der Kirche Christi, welche
darthun, dass der heilige Geist ihn niemals verlassen werde,
wenn er selbst, der Prophet, auch wirklich sündigen sollte.
Seinen Anhängern, welche bei all’ ihrem, von ihm nicht
viel verlangenden Gewissen an der Wahrheit seiner Lehre
und der Tadellosigkeit seiner Handlungen zweifelten, schrieb
Radäjew: Warum glaubet ihr nicht? Sollte es sein, dass ich
euch verführe und falsch lehre? — Ihr saget: Du wolltest uns
da bewahren und lögest; wie könnten wir deiner Lehre glau
ben? — Auch Petrus, der Apostel versprach Christus, mit ihm
Die hier noch folgenden Worte der Handschrift wurden weggelassen
und sollen nicht druckfähig sein.
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
137
zu sterben, doch später verläugnete er ihn dreimal unter Eid,
er sagte Christus eine Lüge. Was also? Braucht man desswegen
Petrus, dem Apostel nicht zu glauben? Dawid, der Prophet,
so gross er auch war, beging zwei Sünden, er war dennoch
das Gefäss des heiligen Geistes. So ist auch dieses. Wenn ich
auch in etwas gesündigt habe, ist es desswegen nicht nöthig,
dass ihr an mir verzweifelt und meinen Worten nicht glaubet.
Schwerer sündiget ihr durch Unglauben. Wegen Unglauben
traten die Israeliten nicht in das Land ein, welches ihnen von
Gott versprochen worden. So werdet auch ihr nicht hinauf
gehen zu dem Segen der Leidenschaftlosigkeit und Heiligkeit
eures Unglaubens wegen. Ihr fallet Alle aus dem Segen heraus
und sterbet mit euren Seelen, eures Unglaubens wegen.
Sich einbildend, dass er in sich den Geist Gottes habe,
versicherte Radäjew feierlich seinen Schülern: Weder nach
dem Menschen urtheile ich, noch nach dieser Welt, auch weder
mit meinem Willen schrieb ich euch oder schickte, sondern
mit dem Willen des Geistes, den ich von Gott Vater empfing,
vermittelst Jesus Christus. — Und wehe dem, der nicht meinem
Zeugniss glaubt. •— So spricht ein anderer Prophet. Wenn ei
sernen Zuhörern gesagt hätte, dass irgend etwas zweifelhaft
oder geradezu falsch sei, so wären seine Zuhörer verpflichtet
gewesen, dieses nicht dem Propheten, sondern dem heiligen
Geiste zuzuschreiben. Wenn, so spricht der öfter genannte
Prophet der Gottesmenschen, in allen Erklärungen, Predigten
und Gesprächen irgend welche Fehler von meiner Seite waren
oder sind, so stammen sie von dem heiligen Geiste, welcher in
Allem in mir wirkt und mich überallhin führt. — Eine solche
Sprache sei Selbstbetrug und Wahnsinn.
Die geheimnissvoll Auferstandenen seien in dem Obigen
negativ betrachtet worden, wobei sich für jeden vernünftig
Denkenden ein grässliches Bild darstelle, doch in den Augen
der Gottesmenschen werde dadurch nur die verborgene höchste
Weisheit Gottes ausgedrückt. Doch es folgen jetzt Angaben
über den wirklichen Zustand der geheimnissvoll Auferstandenen,
welcher ganz klar die Kraft des in diesen Menschen lebenden
heiligen Geistes erkennen lasse. Der geheimnissvoll Aufer
standene, welcher den Segen des heiligen Geistes empfangen,
werde desselben nicht mehr beraubt, wie er auch lebe und
138
Pfizmaier.
was er auch thue. Seine Seele, in welche Gott sich niederge
lassen, besitze sämmtliche Tugenden. In ihm seien ,grosse
Liebe zu Gott und zu dem Bruder, tiefe Demuth und Fröm
migkeit, Glaube und reine Gottergebenheit, masslose Sanftmuth;
Unehre, Schmähung und Verfolgung liebe er Uber Alles; das
Jesusgebet gehe in ihm über das Athemholen; die Leiden
schaften gestillt, die Gedanken gereinigt, fleischliche Begierde
gänzlich verschwunden und verwelkt; Freude und Wonne und
unaussprechliche Rührung kochen immer ununterbrochen in
seinem Herzen'.
Gott, der in der Seele des Propheten sich niedergelassen,
erlaube ihm nicht, auch nur Bussgebete hervorzubringen, welche
sich für die noch nicht ganz von Sünden gereinigten Menschen
geziemen. Radäjew schreibt: Das Gebet lautete früher so:
,Herr, Jesus Christus, Gottessohn, erbarme dich meiner, des
Sündigen'. Doch nachher veränderte die in mir wirkende Kraft
mit starker Zirrückhaltung dieses Gebet, liess nicht zu, den
Schluss zu machen: ,erbarme dich meiner, des Sündigen',
sondern blos: ,Herr, Jesus Christus, Gottessohn, erbarme dich
meiner'; und so wie sie das Gebet veränderte, so liess auch die
Kirchengesänge und die Bussgebete die Kraft, welche in mir
wirkt, nicht lesen, indess man zu Gott betete. -— Die Reinheit
der Seele des Propheten werde selbst durch dessen Angesicht
ausgedrückt. ,Er zeigt ein ungewöhnliches Aussehen, er wird
von Freude erfüllt, rein, so dass es unmöglich ist, hinzublicken,
obgleich übrigens nicht zu jeder Zeit ein solcher Ausdruck
sich in seinem Gesichte zeigt'.
Der Prophet der Gottesmenschen sehe durch die Kraft des in
ihm lebenden heiligen Geistes beständig seine Zukunft vorher.
Der Prophet schreibt: Seit derselben Zeit, als mit mir die Ver
zückung erfolgte, höre ich immer das Zeugniss des heiligen
Geistes. Das erste Mal, als ich ohne Erlaubniss mich entfernte,
hörte ich die Stimme des Geistes in folgendem Zeugnisse: ,Du
kommst unter das peinliche Gericht'. Ich wollte nicht um
kehren, und um dieselbe Zeit erfolgte der Bericht von meiner
eigenmächtigen Entfernung. Als auch der Befehl hinsichtlich
meiner Vorladung vor die ärztliche Verwaltung erging, rief die
Stimme des heiligen Geistes in folgendem Zeugnisse: ,Gehe
nicht'. Dcsswegen gehorchte ich lange Zeit nicht der Auf-
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
139
forderung des Consistoriums, und oftmals versuchte ich es,
doch kaum denke ich an die ärztliche Verwaltung, so merke
ich einen unerträglichen Gestank. Als ich der Rathsversamm
lung gehorchte und in das Consistorium ging, ertönte zur Zeit
des Gebetes eine Stimme: ,Du gehst in das Verderben'. Bei
meiner Ankunft in der Festung, erfolgte die Offenbarung in
dem folgenden Zeugnisse : ,Allen Sündern die Vergebung der
Sünden', und als ich die Stimme des Geistes hörte, umwallte
mich ein unaussprechlicher Wohlgeruch u. s. w.
Ihm sei, mit einem Worte, jeder bevorstehende Schritt
nicht nur in dem eigenen, sondern auch in dem Leben An
derer bekannt. In ihm verbleibe unzertrennlich der heilige
Geist, der Urheber aller segenbringenden Gaben. Desswegen
,sehen seine erleuchteten geistigen Augen, von welchem Le
benswandel Jemand ist, ob von einem schlechten, oder guten.
Der Geist Gottes entdecke ihm, was für ein Leben Jemand
führt, wer ein schlechtes, und wer ein gutes. Es seien in ihm
Geistesabwesenheit, unaufhörliche Offenbarungen in Dingen,
viele Entzückungen im Gebete, geistige Trunkenheit. ,Der in
dem Propheten lebende heilige Geist entdecke ihm, wenn in
Jemanden der Wunsch bemerkt wird, mit ihm zu sprechen,
und ermuntere ihn, zu ihm zu gehen. Wenn er dann zu Je
manden gehe, gebe ihm der Geist ein, was er zu sprechen
habe, ohne dass er um das, was zu fragen nöthig ist, frage'.
Einer der Irrgläubigen von Cistopol, welcher einen Priester
überredete, ihrem Irrglauben beizutreten, sprach zu ihm: Du
wirst der glücklichste Mensch sein; du wirst jeden Menschen
ganz durchblicken, sehen in ihm die Gebrechen und die Tu
genden. Sobald als du austrittst bei dem Gottesdienst aus der
heiligen Pforte, siehst du sogleich, wer in die Kirche gekommen
mit Eifer und wer ohne Eifer, den Würdigen und den Un
würdigen wirst du deutlich sehen, und dabei wirst du einen
ungewöhnlichen Wohlgeruch in der Kirche bemerken, und der
Dienst selbst wird kein irdischer, sondern ein himmlischer sein.
,Der Geist, der sich in dem Propheten beiindet, habe
die Kraft, Menschen zu fesseln und an ihn zu ziehen. Radä-
jew spricht: Als Beweis kann ich anführen, dass ich einmal
auf dem Wege ging. Plötzlich hielt mich der heilige Geist
zurück, und ich stand lange Zeit wie eingegraben. Die Schwester
140
Pfizmaier.
des Weibes meines Bruders erntete (aca.ia) eben um diese Zeit
und war von mir so entfernt, dass sie mich nicht sehen konnte,
aber plötzlich zog es sie seitdem zu mir. Doch da dieses für
sie etwas Ungewöhnliches war, so begann sie zu schreien, indem
sie gesagt- hatte, dass sie mit aller Anstrengung dem Geiste
nicht widerstehen gekonnt. Ich beruhigte sie auch dort und
entliess sie.
Zur Zeit der geistigen Trunkenheit, oder zur Zeit der
verstellten Ohnmächten ,tragen ihn (nach den Worten des
Propheten) die Engel in den Himmel und entzücken ihn durch
wunderbare Gesichte. Er sehe von Angesicht zu Angesicht
Gott und dessen Herrlichkeit; er sehe das Paradies und die
Pein, die Verlorenen und die Frohlockenden'.
Ein anderer Prophet der Gottesmenschen sagt: Es blickte
herab der Herr auf die Demuth seines Knechtes, auf meine
Ergebenheit seit dem Mutterleibe. Er goss das Feuer seiner
Barmherzigkeit aus, nicht irgend einen Wasserstrom, sondern
den Fluss des Segens, in welchem ich versinke, wie ein Stein
in dem Meere. Ich sehe mit den geistigen Augen Gott, nicht
in Hexereien, sondern in der Offenbarung selbst.
Doch auch in seinem gewöhnlichen Zustande erkenne der
Prophet der Gottesmenschen durch den in ihm lebenden Geist
den Zustand der in das jenseitige Leben hinübergegangenen
Seelen. Der Prophet schreibt: Wenn wir sic (die Gottes-
fürchtigen) in die Verzeichnisse der Verstorbenen eintragen,
zeigt sich beim Einschreiben oder bei der Erinnerung immer
der Schatten des göttlichen Segens in dem Wohlgeruch des
lebendigen Geruchs, und bei der Erinnerung an ihre Namen
versüsst sich aller Geschmack durch die Früchte ihrer Liebe
zur Tugend. Diejenigen, welche in verkehrter Eitelkeit lebten,
dem Christusleibe entfremdet, bei der Erinnerung an ihre
Namen zeigt sich ein tödtlieher Schatten und selbst aller Ge
schmack leidet Schaden durch das finstere Dasein ihres Auf
enthaltortes. Es kam mir vor, dass ich in die Verzeichnisse
der Verstorbenen derartige Seelen eintrug. Kaum schreibst du
in die Verzeichnisse den Namen, so athinct augenblicklich aus
dem Namen der Untergang in dem unerträglichen Leid der Hölle.
Ein Prophet der Gottesmenschen ist überzeugt, dass er
von weitem sehe, was in den Häusern seiner Anhänger vorgeht,
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
141
wie sie leben uncl von was sie leben, so oder anders. Einst
war Radäjew kaum nur noch gewürdigt worden, den Geist
Gottes in sieb aufzunehmen. ,Aus der Kirche gegangen, sah
er mit den inneren Augen in einem Hause Menschen, welche
beim Nachtmahl sassen, und vorn ein Mädchen. Der Geist
bewog ihn, in dieses Haus zu gehen und das Mädchen in die
Zelle zu nehmen. Er ging in dieses Haus, wohin ihn der Geist
führte, und fand Alles, wie er es in dem eigenen Inneren gesehen'.
Er sehe den inneren Zustand Anderer und könne tausend
Fälle von seiner Vorherseliung erzählen. Besonders sehe der
Prophet, wer an seine Lehre glaube und wer nicht. Radäjew
sagt: Wer zu mir in Unglauben an mich kam, mit diesen
Menschen that ich nichts, ich jagte sie fort. Doch bei All’
diesem handelte nicht ich, sondern der heilige Geist, indem er
mich überall führte und drehte.
Der Prophet der Gottesmenschen, der in sich den heiligen
Geist aufgenonuuen, sei mit ungewöhnlicher Kraft und Stärke
begabt. Durch die Kraft des heiligen Geistes sage er die Zu
kunft vorher. Radäjew sagt: Ein Weib war krank und kam,
mich zu bitten,, dass ich sie mit Oel aus meiner Lampe be
streiche. Ich nahm aus der Lampe Oel, doch der heilige Geist
hielt mich zurück und befahl, ihr blos Kerzen und Weihrauch
zu geben. Als sie fortgegangen war, schickte mich der Geist
Gottes zu ihr, und als ich kam und auf sie zugehen wollte,
sagte sie, dass sie, wenn sie sich von der Krankheit wieder
erholt haben würde, ein besseres Leben führen wolle. Doch
der heilige Geist sagte mir, dass sie nicht mehr leben werde,
und genau am Morgen starb sie. — Zu einem Bauer kam ich
und suchte Spleissen in den Händen aus. Eine von ihnen
steckte ich in den Fussboden und sagte: Du bleibst allein
übrig. — Nach Verlauf von vier Tagen starb sein Weib.
Durch die Kraft des heiligen Geistes wirke er Wunder.
,lch verwandle diesen einfachen AVein in Kirchenwein'. So
versicherte feierlich in der Kirche der Prophet der Gottes
menschen von Cistopol.
Ein anderer Prophet erzählt: Ein Weib war krank. Ich
kam zu ihr, als sie krank war, auf Eingebung des Geistes, ich
bat bei ihr um Kwass, in der Absicht, ihn nicht selbst auszu
trinken, sondern ihn ihr zu geben, und als sie sagte, dass sie
142 Pfizmaier.
nicht selbst gehen könne, befahl ich ihr, ihn, wenn auch krie
chend, selbst zu bringen. Als sie dann den Kwass brachte,
nahm ich ihn gleichsam zu dem Zwecke, um mich selbst satt
zu trinken. Hierauf bekreuzigte ich sie und liess sie ihn aus
trinken. Den anderen Tag wurde sie gesund.
Indessen seien dieses gewöhnliche Handlungen der mit
dem wunderthätigen Segen des heiligen Geistes begabten
Menschen. Aber der mit aller Macht des göttlichen Geistes
wirkende Prophet der Gottesmenschen habe eine Kraft und
eine Macht, welche gleich mit der Kraft und der Allmacht
Christi selbst. Radäjew schrieb von sich: Die Seele, in den
apostolischen Zustand versetzt, tritt an die Stelle Christi. Diese
Seele versieht sich mit einer so grossen Gewalt, dass es zwei
felhaft ist, oh man es glauben könne; weil sie dasselbe thut,
was auch Christus thut, und von sich bezeugen kann, und ihr
Zeugniss wahr ist, wie dasjenige Christi.
Der mit dieser Gewalt ausgerüstete Prophet tödte und
mache lebendig, wen er wolle. So sagte Radäjew vorher,
dass ,sechs Mädchen seiner Brüderschaft am zweiten Tage des
glänzenden Festes sterben müssen und dass . er sie in das
Himmelreich sende. Dass er dieses thun könne, bewies er
dadurch, dass auch Christus den Lazarus erweckt habe, nach
dem er zu ihm gesagt: Gehe heraus! Und ich, so spricht er,
time dasselbe. Ich lege die Leiber hin und sende die Seelen
in das Paradies“.
Er könne an seine treuen Anhänger solche himmlische
Belohnungen vertheilen, wie sie Gott allein nur geben könne
und wie sie selbst Gott nicht verspreche. Radäjew schrieb
an einen seiner Anhänger: Knecht Gottes, sorge für die Ver
mehrung und Ausbreitung unserer Brüderschaft. Besonders
ziehe junge Mädchen heran — es liebt sie Gott, — und wenn
sie von reinem Herzen mir anhängen, so bereite ich ihnen
Ruhmeskränze, dir auch die höchste Bergstadt Jerusalem, E.
(einem sechzehnjährigen Mädchen), sechs Seraphflügel, und ihr
Angesicht leuchtet gleich der Sonne.
Noch mehr, der Prophet der Gottesmenschen könne das
Loos der Verstorbenen, das ihnen von Gott selbst bestimmte,
verändern, und er werde an dem schrecklichen Gottesgericht,
welches für immer Belohnungen und Strafen der Erdgebornen
Dio neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
143
festsetzt, Tlieil nehmen. Racläjew sprach zu seinen Schülern,
,dass er die Gewalt hahe zu binden und zu entscheiden, die
Gewalt habe, die sündigen Seelen aus der Hölle zu führen und
ihnen das Himmelreich zu geben'. Endlich sagte er: Wenn
ihr mich bittet, in den Kirchhof zu kommen und ihr euch mit
dem ganzen Dorfe vor mir verbeuget, so führe ich alle Todten,
auch die in der Hölle befindlichen, in das Himmelreich, und
wenn das schreckliche Gericht herannaht, rücke ich Alle, welche
Christo nahe sind, auseinander, und setze mich neben ihn, und
werde über euch urtheilen, wer wohin.
Er habe die Kraft, auch die Seelen seiner Anhänger mit
Christus zu vereinigen, so wie er selbst mit ihnen vereinigt
sei. Raddjew schrieb seinen Schülerinnen: Meine geistigen
Schwestern, ich will euch wenig bewirthen mit der unsterb
lichen Speise, welche das Leben unserer Seelen ist und welche
in der heiligen Schrift das himmlische Brod genannt wird.
Das Brod selbst, das aus dem Himmel hervorgegangen, ist
Christus: mit diesem Brode will ich euch nähren.
Er habe die Kraft, den heiligen Geist seinen Anhängern
mitzutheilen. ,Es werde mir die Gewalt gegeben, den Segen
des Geistes auszugiessen. Möglich ist es mir in dem Dorfe
oder auf dem Lande durch das Auflegen der Hände auf das
Ganze'.
Mit göttlicher Gewalt versehen, sei der Prophet der Gottes
menschen keiner Gewalt unterworfen. Raddjew sagt von sich,
,der heilige Geist habe ihn höher gestellt als jeden Urquell
und jede Gewalt. Das Gesetz und die Kirche können ihn
durch nichts binden; sie führten zwar auch zu Gott, doch er
habe bereits das Mass geistiger Vollkommenheit erreicht und
sei zu Gott gelangt, folglich habe er es nicht mehr nüthig,
dass er hindurchgegangen sei'. Selbst. Gott könne nichts mit
dem Propheten thun, was immer dieser auch gethan habe.
,Gott erzürne sich nicht Uber ihn. Er habe ganz so, wie ein
treuer und geliebter Sohn, der den Willen des Vaters vollzogen,
jetzt seinen Willen, und bei ihm könne der Vater nichts fordern,
wolle es auch nicht. Im Besitze göttlicher Allmacht, geniesse
er eine solche Glückseligkeit, wie Gott selbst, und keine Macht
sei im Stande, seine Glückseligkeit zu vergrüssern oder zu ver
mindern. Sollte man ihn auch in die Hölle schicken, keine
144
P f i z m a i e r.
Macht könne ihm dort beikommen. Wäre es auch in das
Paradies, er würde dort mehr Freude nicht antreffenh
So sei die Lehre der Gottesmenschen von dem geheirn-
nissvollen Tode und der geheimnissvollen Auferstehung be
schaffen. Herr Dobrotworski setzt hinzu, dass er in eine um
ständliche Kritik dieser Lehre sich nicht einlasse, weil eine
solche Kritik nur die Wiederholung der Lehre der Kirche z. B.
von der Bilderverehrung, von den Fasten u. s. w. sein würde.
Er beschränke sich auf einige kurze Bemerkungen über die
Hauptsätze der Lehre der Gottesmenschen und über die Fol
gerungen aus der Lehre von dem geheimnissvollen Tode und
der geheimnissvollen Auferstehung, um demjenigen, der es
nöthig habe, die Mittel an die Hand zu geben, die Irrthümer
dieser Menschen in den Ansichten von Glauben und Gottge
fälligkeit immer direct und zutreffend widerlegen zu können.
Indessen sind die genannten Bemerkungen von bedeu
tender Länge, mit Citaten aus der heiligen Schrift durchmengt
und streifen vornehmlich theologisches Gebiet. Es schien daher
angemessen, diese Abhandlung durch Anführung einer Anzahl
Gesänge (pocuÜBULi), in welchen weitere Aufklärungen über
die Gebräuche der Secte enthalten sind, zu beschliessen. Die
selben wurden aus der dritten Abtheilung der Gesänge der
Gottesmenschen an diese Stelle versetzt.
Ans den Liedern von den Gebräuchen der Gottesmenschen.
Ha roph, roph Ha CioscKofi roph
CtOIITI. TyTT> gepKOBL ariOCTO.lLCKaK,
AnocTOJiiCKan, ßluoKaMeHHaa,
BIuoKaaieHHaH iiaaroiviaBaa.
Kalt'!, BO TOii .1H BO pepKBH TpH BpOÖa CTOHTB,
Tpn rpoöa ctohttj KiinapucoBue.
IüiK'B bo nepBOM'f. bo rpoöh floropo/piga,
A bb ^pyroiiT, bo rpoöh IoaHM. npe/vreub,
A bb Tperf.eMi. rpoffb casit Incyct XpucTOca».
Kairo Haßt T'hini rpoöaMH ubIitli paauBh.-m,
Ha HBhTax'B ch^htb iithhu paiicKia
BocuhBaioT'i out nicHH apxaHreuLCicifi.
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
145
A ci. hhhh hoioti Bel'. aHre.m,
Bei aHre.iu co apxasreAaiiH,
Ci cepa*HMaMH, ci xepyßMMaMH
H co Bceio chhoio iiedeerroio;
BocnißaiOTi. ohIi lihcHio XpitCTOCi Bocitpeci.
Bosc/raBiua ri3i rpoöa ßoropo/ippa,
ÜOAaBaJia juoähmi öomühhi pyoaiiieorai,
Kpori.ia öohhhmi no-IOtchhhkh,
CBHlBUa .110/1,!!MI ÖOHUHMI CBflTU HtryTHKH.
Bo3cmBa.ii H3i rpoöa Ioanui irpe/vreai.
CTauoBH.ii ohi aro/i,efi öojicmxi bo e^HHHÖ Kpyn,
Bo e^HHi.iH icpyn Ha pa/ytuie,
Ha pa^isme, Ha noenymame;
Bocirhea.n ohi Hierin apxanre.ii.CKH,
Ohi CKaKani-Hrpaai no flaBH/tOBy.
BocTaiuui H3i rpoöa cam Incyci XpHCxoci, —
Bo cbhtomi icpyry Bei cb'Jbik oaTeiuiUHCL.
CoKamii ci neöecH öaTiomita ^yxi cbhtoh,
CoKaTH.ii ohi Ha .iio/i,eii öohuhxi;
HoxoflH.ii bi .iiofluxi öoaciiixi cam Bori Canaooi,
riocKaicaHi bi .110/1,11X1 öominxi caMi iHcyci XpriCTOCi.
ConycKaai Ha hhxi papi, neöecHu önaroflaTi. cbok»,
OciHa.li papi HeöecHufl hxi noicponoMi cbohmi;
XoflH.lI CI HHMH II/ipi. HCÖeCIJLHl BO CBHTOMI Kpyiy.
Auf dem Berge, Berge, auf dem Sionischen Berge
Steht dort die Kirche, die apostolische,
Die apostolische, weisssteinige,
Die weisssteinige, goldhäuptige.
Wie in dieser Kirche wohl drei Gräber stehen,
Drei Gräber stehen, Cypressengräber.
Wie in dem ersten Grabe die Gottesmutter,
Und in dem zweiten Grabe der Vorläufer loänii,
Doch in dem dritten Grabe Jesus Christus selbst.
Wie auf diesen Gräbern Blumen erblühten,
Auf den Blumen sitzen Vögel paradiesische,
Sie singen Lieder erzenglische.
Und mit ihnen singen die Engel alle,
Die Engel alle mit den Erzengeln,
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Htt. 10
146
P f i 7. m a i e r.
Mit den Seraphim, mit den Cherubim
Und mit der ganzen himmlischen Macht;
Sie singen das Lied: Christus stand auf.
Es erstand aus dem Grab die Gottesmutter,
Sie gab den Gottesmenschen Hemdchen,
Schnitt den Gottesmenschen Handtüchlein,
Drehte den Gottesmenschen heilige Plumpsäcklein.
Es erstand aus dem Grab der Vorläufer Ioänn,
Er stellte die Gottesmenschen in einen einzigen Kreis,
In einen einzigen Kreis zu der Besorgung,
Zu der Besorgung, zur Folgsamkeit;
Er sang Lieder erzenglische,
Er sprang, spielte nach Davidart.
Es erstand aus dem Grab Jesus Christus selbst, —
In dem heiligen Kreis alle Kerzen brennen.
Es rollte vom Himmel das Väterchen, der heilige Geist,
Er rollte herab auf die Gottesmenschen;
Es ging einher in den Gottesmenschen Gott Zebaoth selbst,
Es sprang in den Gottesmenschen Jesus Christus selbst.
Es liess herab auf sie der himmlische Zar seinen Segen,
Es beschattete der himmlische Zar sie mit seinem Schutze;
Es ging mit ihnen der himmlische Zar in dem heiligen Kreise.
Dieses Lied beschreibt die Besorgungen der Gottesmenschen
und Skopzen mit ihrem Zubehör: den Hemdchen, Handtüchern,
Plumpsäcken, mit den Kerzen, Kreisen und Gesängen; doch
merkwürdiger sei in ihm die Darstellung der idealen Seite der
Besorgungen. Diese Besorgungen seien nicht einfache Ver
sammlungen Singender und Tanzender, selbst nicht einfache
Mittel der Gottgefälligkeit, sondern die thatsächlichsten Mittel
der Vereinigung mit Gott, wie diese nur unter Vorstellung des
mystischen Pantheismus möglich sei. Deswegen rolle auf die
Gottesmenschen der heilige Geist herab, es springe in ihnen
und mit ihnen Jesus Christus selbst, es wandle in ihnen und
mit ihnen Gott Zebaoth selbst. Deswegen erstehen in den
Seelen der Irrgläubigen aus den Gräbern sowohl die Gottes
mutter, als Christus und der Vorläufer. Deswegen seien
auch ihre Lieder erzenglische, und mit ihnen singe die ganze
himmlische Macht, — die Abgelebten, nach ihrer Lehre, die
Die neuere Lelire der russischen Gottesmenschen.
147
geheimnissvollen Todten, welche in dem Himmel sich in Engel
verwandeln, auch auf der Erde als Mitglieder der Gesellschaft
der Gottesmenschen leben, besonders die geheimnissvoll aufer
standenen Propheten und Prophetinnen. Eine solche verführe
rische und zugleich weite Entwicklung pantheistischer Welt
anschauung könne mau noch in dem folgenden Liede sehen.
BsöpaHHoft BoeBOßa naniB cy^apt GanoniKa
BsöpaHHOö BoeBOßa Hann, n,api> neoecnufi!
Pa^yflca! C^a^HMB-piKa H3B paa Teuei'B.
Pa^yfica CaaAHMB-p'IiKa cb HCKynHTej eiiB,
Pa^yflca Caa^iiMB-pliica co cnacHTejeMB,
Pa/työca cb cbhthmb ,/l,yxoiiB yTiuiHTeJeaiB!
Pa^yfica Caa^HMB-p'kica — rjacB BhipaHia
Pa^ynca C^aAUHB-pkica — rjacB ynenia
Bo Bck KOHgu neiuit ito^BcejeHHua.
.d.oairaä Caa^HMB-piKH CaBaoeB Tochoab,
ninpHHä Caa^HMB-pliKii cy^apt chhb BojKifi,
PayhHHa Cja^iniB-piiKii cy^api, /Ijxb cbhtoh.
IIjhbctb no Cja/piMB-ptid; yi,a papcidii KopaGio,
Boicpyi’B papcicaro icopaGjH jenem jo^otoh,
ÜJHByTB Jenem jo^ohich, Bce *peraTymKH,
BonüioGjenntie B'hpHtie papcicie /vIiTynnrn,
MaxpocH, 6 r hjtii,u, CTpijBii,H, ^OHCicie Kanaiui.
Bofmij aarpanHHHue, cjyrn Bipnue.
BocnjLiBaeTB GanoiiiKa cy^apt Cijhb Bomifi,
floupaBjaeTB GaTiomKa cy^apt ,/1,yxb cbhtoh.
llocHHeMy ho nopro uon.iaBiiiBaiOTB,
B'hjHHH napycaiiH pasMaxHBaiOTB,
II BB ryCJH AaBHAOBU BHHrpHBaiOTB,
PjarOJH PoCHO/tHH BUMHTI.IBalOTB.
JKeHHTBCH OHH GaTIOHIldi COB'liTHBaiOTB.
CocBaTajca GanornKa Ha CioncKofi rop’k,
üfeHHjca HaniB GaTiomica na Pojroo'k roph,
BisHHajca HauiB BaTioniKa Ha cbhtomb itpecrh.
Pa^yüca CioHB ropa npeBHCOKOH,
Pa^yßcH Pohtoob ropa — artcTO JoGnoe!
JKeHHXB KO TeGli HßeTB, (KeHMTLCH 1’pH^eTB.
10*
148
Pfi zm ai er.
HeB'tcTy B3JUT. öaTfoniKa Caßaoea flo«.,
CaBaoea aohi., AOHbKy 6.ihjkhiok),
/l.OBBKy ojIhjkhioio — ue6o BLmraee;
A 36M.no nann, öaTioniKa bo iipiiAancTBO bomb.
3a to CaBaoea. OT^a-ii., bto KpoBi.» CTpa^a-ib,
3a to CaBaoei. ycTynrub, hto kpoblio Kynu.w,.
Erwählter Heerführer unser, Herr, Väterchen,
Erwählter Heerführer unser, Zar himmlischer!
Freue dich! Der Süssfluss aus dem Paradiese fliesst.
Freue dich, Süssfluss, mit dem Erlöser,
Freue dich, Süssfluss, mit dem Erretter,
Freue dich mit dem heiligen Geiste, dem Tröster!
Freue dich, Süssfluss — Stimme der Mahnung,
Freue dich, Süssfluss — Stimme der Lehre
Nach allen Enden der Erde, die unterweltlichen.
Die Länge des Süssflusses — Zebaoth, der Herr,
Die Breite des Süssflusses der Herr, Gottes Sohn,
Die Tiefe des Süssflusses der Herr, der heilige Geist.
Es schwimmt auf dem Süssflusse ja das zarische Schiff,
Um das zarische Schiff leichte Kähnchen,
Schwimmen leichte Kähnchen, alle Fregatcherj,
Geliebte, treue zarische Kindchen,
Matrosen, Novizen, Schützen, Donische Kosaken,
Krieger fremdländische, Diener treue.
Es schwimmt hervor das Väterchen, der Herr, Gottes Sohn,
Es verbessert das Väterchen, der Herr, der heilige Geist.
Auf dem Meer, dem blauen ein wenig schiffen sie,
Die weissen Segel hissen sie,
Und die Davidharfen spielen sie,
Die Worte des Herrn herauslesen sie,
Sich zu vermälen dem Väterchen rathen sie.
Es freite das Väterchen auf dem Sionischen Berg,
Es vermälte sich unser Väterchen auf Golgatha’s Berg,
Es ward getraut unser Väterchen auf dem heiligen Kreuze.
Freue dich, Sion, sehr hoher Berg,
Freue dich, Golgathaberg — Schädelstätte!
Der Bräutigam zu dir geht, sich zu vermälen er kommt.
Zur Braut nahm das Väterchen Zebaoths Tochter,
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
149
Zebaoths Tochter, das Töchterchen das nahe,
Das Töchterchen das nahe — den oberen Himmel;
Doch die Erde unser Väterchen zur Mitgift nahm.
Dafür Zebaoth gab zu, dass mit Blut er litt,
Dafür Zebaoth liess zu, dass mit Blut er kaufte.
Einige Propheten der Gottesmenschen verstehen, wie Herr
Dobrotwörski angibt, unter dem ungewöhnlichen Worte Stissfluss
(CAa^HMi-phKa) den göttlichen Segen, was auch in einer Hand
schrift angemerkt werde. Jedoch Andere verstehen unter dem
Bilde des Süssflusses alle Mittel der Vereinigung des Menschen
mit Gott, wie auch in dem Liede selbst die Hindeutung, dass
,der Süssfluss die Stimme der Mahnung, die Stimme der Lehre*
sei, sich finde.
Dieses Lied bestehe augenscheinlich aus zwei Hälften:
in der einen werde das Leben der Kindchen in unmittelbarer
Vereinigung mit der Gottheit vorgestellt, in der anderen das
Leben in der Vereinigung vermittelst der Erlösung durch den
Sohn Gottes, welche Erlösung sich auf den Himmel und die
Erde erstrecke. Daher drücke der Stissfluss alle Mittel der
Vereinigung der Gottheit mit dem Menschen aus, nicht ein
gnadenvolles allein, oder geistiges durch die Lehre, sondern
auch ein thatsächliches im pantheistischen Sinne. Doch weil
Gott, nach der pantheistischen Weltanschauung, von selbst in
alles Wesen und in das Leben des Menschen dringe, so seien
die Mittel der Vereinigung ebenfalls unendlich, wie Gott selbst
unendlich sei. Deswegen sei die Länge des Süssflusses der
Herr Zebaoth, dessen Breite der Sohn Gottes, aber die Tiefe
der heilige Geist.
Das Bild der Ehe, die Vereinigung durch die Erlösung,
sei so wie das biblische Bild zu verstehen. Hierher sei es
von der Sendung des Christus Seliwänov genommen, der eine
solche Ermahnung macht: Warum suchst du nicht deine
himmlische Mutter, welche deine Seele durch Segen gross
ziehen und zu dem himmlischen Bräutigam führen würde? Doch
er nimmt mit sich alles Unterweltliche und führt es von der
Erde in den Himmel, wo die treuen und rechtschaffenen Seelen
frohlocken.
150
Pfizraaier.
IIoyTpo 6i.no paniiun. paHO,
Ha yxpemieü 6i,no Ha aapb,
CitaTaja icb naiiB MaTynrea cb bhcoth,
J la/i,3npaxa 3e.ieiiH ca ah;
Y Hack 6ujo bb 3(U(;homt. jyry,
lüviana MaTyniita bo ltpyry,
lürnua cy/i,api.iHii bo cbhtomb.
Eui,e 3KB en öaTiomKa i\iaro.aeTB:
,ry.iflfi, ry.iaft, ahthtko, A-ia Bora,
KaTafi, Karaü, MTT.iaa, /i,.ia Bora;
XoreTi. tcöji öaTioniKa iKa.ioimB,
3a B r Iipy tbok) — paA'fcHLit
06t.ni,aeTT, papcTBO hcoccho,
3a CÜC3H tboh — pM/yaHni
06'hinaeTB 30.101’a narpaAH;
Eine 3KB tc6h aca-iyeTB botb orent —
liiaACTB na ro.iOByuiKy soaotoh B'l'.HO'iyi,;
Mo.iHTRa bb ceABMO HfiAO — bo ABopen,a>;
[Iocayniafi, hto /Ijxb cbjitoh peueTB:
Mctouhhicb cb ce/T,iiMa neßa ’reaerB;
Eine 3kb Te6 r k Bf.CTO'iKy bb nyxB IH.leTB,
HeT.icuHoe MaxtHne tcuI; rnteTB,
Bb HeÖeCHHH IIOÜKB TeÖlI 31CAeTB‘.
Eine 3kb th mit!;, öai’ioniEa, iipor.iaro.ii.;
Bo3bmh mchh bb Ayxi 3a C06011,
He riiyiiiailca rp'l.iiinoio pa6oii,
Mhoh uocvieAiieil CHpoxofi.
CBHTOsiy ,/l T yxy bccti, h iioioiohb,
7J1HB11 AV [[ ia BnpeAB th hotojib.
Am Morgen war es, am Morgen früh,
Am Morgen war es, in der Morgenröthe,
Hüpfte zu uns das Mütterchen aus der Höhe,
Ueberwachte die grünen Gärten;
Bei uns es war auf der grünen Wiese,
Fuhr herum das Mütterchen im Kreise,
Fuhr herum die Herrin in dem heiligen.
Noch zu ihr das Väterchen spricht:
,Ergehe dich, ergehe dich, kleines Kind, für Gott,
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
151
Fahr’ herum, fahr’ herum, Liebe, für Gott;
Es will dir das Väterchen gnädig sein.
Für deinen Glauben — die Besorgungen
Verspricht er das himmlische Reich,
Für deine Thränen — das Schluchzen
Verspricht er goldenen Lohn.
Noch dir gnädig ist, siehe! der Vater —
Setzt auf das Köpfchen den goldenen Kranz;
Das Gebet in den siebenten Himmel, in den Hof.
Höre, was der Geist, der heilige spricht:
Der Quell aus dem siebenten Himmel fliesst;
Noch dir Nachricht im Geiste man schickt,
Das unvergängliche Kleidchen man dir näht,
In das himmlische Heer man erwartet dich*'.
Noch du mir, Väterchen, sprich es aus;
Nimm mich im Geiste zu dir,
Verachte nicht die sündige Magd,
Mich, die letzte Waise.
Dem Geiste, dem heiligen Ehre sei und Gruss,
Als Seele lebe du fernerhin und nachher.
Dieses Lied beschreibe die Besorgungen der Gottesmutter
der Gottesmenschen und Skopzen in der Versammlung der
Irrgläubigen. Achnlichc Worte der Ermahnung von Seite Gottes
selbst würden von den Propheten und den Prophetinnen in den
Besorgungen immer vorgebracht. Unter der Zahl der für eine
eifrige Besorgung versprochenen Belohnungen sei die höchste für
die Irrgläubigen: die Aufnahme in das himmlische Heer. In
dem himmlischen Heere führe Besorgungen, ähnlich denjenigen,
welche auf der Erde abgehalten werden, Zebaoth selbst, d. i.
Danila Filipyö aus. Sic unterscheiden sich von den irdischen
dadurch, dass die himmlischen Fürsorger sich nicht krümmen,
sondern einfach sitzen oder liegen und weder an Ermüdung,
noch an Ohnmächten leiden.
Xo/i,H.iä AÜBa no hhctomv iio.ik),
IlcKa.ia 6oropoßHU,a Incyca Xpiicxa,
Iacyca Xpiicra CiiHa Boatia,
152
Pfizmaier.
China Bomia MCicynnTe.ia,
Hcicyu htc.jh — CB'liTa öaxfoiuKy.
Ha Bcxpimy 6oropoAnn, r h ihc.ib HBanB upeATeiB,
l lTO IlliaHB Jipe^TeHB, XpHCTOBB HpOpOKB.
JuiKB B03B0B0PHTB ÜBaHT. llpeA’XeHB XpHCTOBB npOpOKB
,'Ito th, na 6oropoAHU,a, xoAnnib no no.iio?
'Ito th MaTioniKa, nipeniB no nncTony? 1
O'nrlma.ia eaiy 6oropo/i,nn,a:
Xoiicy a, i’yaaio 110 nncTOMy no.no,
Hiu,y, He nari/iy Incyca XpncTa,
Incyca XpncTa Chkh Boattaro,
CuHa Boskbhto HCKyiinTcaa. 1
Th no^n, A^Ba öoropoAHpa, bo hhcto noae;
Bo hhctomb iioaii Tpn Apcna ctohtb,
Mto nepBoe ApeBO KanapncoBoe,
A APyi'oe AepeBO anncoBoe,
A xpeTte AepeBO 6ap6apncoBoe.
Hst. tFxb xpexB ApeBB pepKOBB CTpoeHa;
Bo toh an bo nepiuni Tpn iithii,h hoiotb,
11 ofot'l onf> irlicHH eBanrcai.ciin,
BaacaTB on r Ii raacoiiB apxanreabCKHMB;
Aa.an.iyna, aaanayiia, Bociioah noMnayfi!
Ha ao.iorl. npecToai xaniB Xpncxocx. chahtb,
npnBHBaex'B ohb kb ccoli A^TymeitB,
FOBOpHTB HMB C.'lOBa IipHB'liTHUa 1
,An, bh Hyre-Ka, AP5TH, iiopaA'fnlxe-Ka.
BoaoTHe icopeHBa ne cxonTHBanre,
CepeßpanH b4tohkh He oo.ioMUBaiire,
Eyiiaamue .ihctohkm hc ocmnanBanre!
A bh Hyxe-Ka, Apyi'H, iiopaAtirre-Ka,
Monn Xpncxa Bora noyrhiuxe-Ka,
Moio Maxepn EoropoAnuj nopaAynxe;
Ocirlaiy a BacB, Apyi'H, aoaoxHMii aynamn,
Ä COHBIIO BailB, TU OH Apyi'H, CB HeÖeCB ,4yXB cbhtoiT.
Ging die Jungfrau auf dem reinen Felde,
Sueilte die Gottesmutter Jesum Christum,
Jesum Christum, den Gottessohn,
Den Gottessohn, den Erlöser,
Die neuere Lehre der russischen Gotfcesmenschen.
153
Den Erlöser, das Väterchen der Welt.
Entgegen der Gottesmutter kam der Vorläufer Johann,
Er, der Vorläufer Johann, der Christusprophet:
,Was du, Jungfrau Gottesmutter, gehst du auf dem Felde?
Was du, Mütterchen, suchst du auf dem reinen?'
Antwortet’ ihm die Gottesmutter:
,Gehe ich, ergehe mich auf dem reinen Felde,
Suche, nicht linde Jesum Christum,
Jesum Christum, den Gottessohn,
Den Gottessohn, den Erlöser.'
Du gehe, Jungfrau Gottesmutter, auf das reine Feld;
Auf dem reinen Feld drei Bäume stehen,
Der erste Baum ein Cypressenbaum,
Der zweite Baum ein Anisbaum,
Doch der dritte Baum ein Berberisbaum.
Aus diesen drei Bäumen die Kirche ward erbaut;
In dieser Kirche wohl drei Vögel singen,
Sie singen Lieder evangelische,
Sie verkünden mit Stimmen erzenglischen:
Halleluja, Halleluja, Herr, erbarme dich!
Auf goldenem Thron dort Christus sitzt,
Er ruft zu sich die Kindchen,
Spricht zu ihnen Worte freundliche:
,Ach, ihr nun doch, Freunde, besorget doch,
Goldene Wurzeln zertretet nicht,
Silberne Aestchen zerbrechet nicht,
Papierene Blättchen streuet nicht!
Und ihr, nun doch, Freunde, besorget doch,
Mich Christus, den Gott erfreuet doch,
Meine Mutter, die Gottesmutter erfreuet doch;
Ich beleucht’ euch, Freunde, mit goldenen Strahlen,
Ich schick’ euch, meine Freunde, vom Himmel den heiligen Geist.'
In diesem Liede werde die Gesellschaft der Gottesmenschen
und Skopzen, welche mit Christus selbst besorgen, phantastisch
vorgestellt. Die freundlichen Worte Christi, welche das Ende
des Liedes bilden, werden oft in Gestalt eines abgesonderten
Liedes, blos von Seite des Propheten und der Prophetin und
mit zwei unwesentlichen Zusätzen im Anfänge, umgeschrieben.
154
Pf izmaier.
*
Xo^H-ia CBHTaa A'fiKa no ropaMB, no kpj'tmmt, ropaMB,
IIcKaia, Hcicaia Incyca Xpiic/ra;
IlaßCTplaiy ^.bI; jkhaobbh — JKHßOBCKia Ab™.
CiipaniHBayia hxb CBHTaa A'hna :
,He bh .in, hchaobbh, XpHCTa paciuuH ?‘
He mh, A/feBa, He mh, CBHTaa, pacniun XpHCTa,
A paciifl.ia XpHCTa AbAH-HpaA’hAu;
IIoah jkb th, A'f'> Ba sa KpyTy ropy;
Ha KpyTon ropk TpH Apeßa ctohtb,
Tpn Apesa ctohtb ramapHCOBHa;
H3I) T'fiXTi apcb'b KpaatBH pyö.ienu,
KpaacBH pyß.ieHu, aockh ko.ioth,
^ockh ko-Iotm, öpycna TecaHH;
H3B T’IiX'B öpycBCBB pepKOBt CTpoeHa;
Bb toh pepKBH Tpn rpoua ctohtb,
Tpn rpoöa ctohtb KHpapHCOBH;
Bb t1>xb rpoßaxB tjjh cbhthxb Aeacarb:
nepBHH CBHTOH — iHCyCB XpHCTOCB,
BTOpOll CBHTOH — CBHTafl A'l'Ba,
TpeHfi CBHTofi — IoaHHii IIpeATeaB.
HaAT> caMHMT> rocnoAOMB anre-iu hoiotb,
IlilA'B CBHTOII A'iBOH .103a IipOpB'liTaCTB,
HaAT. IlBaHOM'B llpeATeacio cbIbih tcii-hotch.
Ging die heilige Jungfrau auf den Bergen, auf den steilen
Bergen,
Suchte, suchte Jesum Christum;
Begegneten der Jungfrau Juden, jüdische Kinder.
Fragte sie die heilige Jungfrau:
,Habet ihr nicht, Juden, Christus gekreuzigt?'
Nicht wir, Jungfrau, nicht wir, o heilige, haben Christus
gekreuzigt,
Es kreuzigten Christus die Grossväter, die Urgrossväter.
Gehe doch, Jungfrau, auf den steilen Berg;
Auf dem steilen Berg drei Bäume stehen,
Drei Bäume stehen, Cypressenbäume;
Aus diesen Bäumen Balken gezimmert sind,
Balken gezimmert, Bretter gespalten sind,
Bretter gespalten sind, vierkantige Balken gehauen;
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
155
Aus diesen Balken die Kirche ward erbaut.
In dieser Kirche drei Gräber stehen,
Drei Gräber stehen, Cypressengräber;
In diesen Gräbern drei Heilige liegen:
Der erste Heilige — Jesus Christus,
Die zweite Heilige — die heilige Jungfrau,
Der dritte Heilige — der Vorläufer Johann.
Ueber dem Herrn selbst — die Engel singen,
Ueber der heiligen Jungfrau ein Reis erblüht,
Ueber dem Vorläufer Johann Kerzen brennen.
In diesem Liede werde, wie in dem vorhergehenden, die
Gesellschaft der Gottesmenschen und Skopzen phantastisch
unter dem Bilde der Kirche vorgestellt. In dieser seien die
drei Gräber der Hauptpersonen der Gesellschaft, nämlich des
Väterchens Christus, des Mütterchens, der Gottesmutter, und
des Propheten. Der Letztere erscheine in der Person des
Christuspropheten, des Vorläufers Johann. Ueber dem Ersten
ertönen Lieder, über der Zweiten befinden sich Reise (Weiden
zweige), über dem Dritten Kerzen, Dinge, welche ein Zubehör
der Besorgungen sind.
Der offenbare Widerspruch, dass die Jungfrau Christum
sucht, die Jungfrau aber im Grabe liegt, werde dadurch auf
geklärt, dass sowohl Christus als die Gottesmutter, nach der
Lehre der Gottesmenschen, einige Male auf der Erde in der
Person göttlicher Auserwählten erschienen; dass die geschicht
lichen Personen, der wahre Christus und dessen sehr heilige
Mutter, nachdem sie ihren Dienst auf Erden verrichtet, in der
von den Gottesmenschen idealisch vorgestellten Kirche ruhen;
jedoch die selbst sich so nennenden Christusse und die Gottes
mütter in der genannten Gesellschaft entweder persönlich, oder
unsichtbar in den Personen des Propheten und der Prophetin
wirken.
Ho Tony jui Mopio no BaccioHCKomy,
II.ih.ii> JKe 'ryTii rocuoAt Born bi. Kopaö.irüd;
Co aareAaMH, co apxam'c.iaMit,
Cn xepyBHMaiiH, cn cepaomMaMH
H co Bceio ciuoK) HeöecHoio.
lf)6 Pfi/.maier.
noßuARBaAi, JKe Bocholt, Bon ki> IIay.ii-ropIi;
Ha Ilayj'B-i’op'Ii ctohti, ÄpeBO itmiapHCRoe;
Ho/i/b t'Lmt, ah no/i'h ApeBÖMi, AeatHra roAOBa A^aMOBa;
3a toh ah toaoboio ctohti, EpycaAHMCKifi rpaßi,;
Bi, TOMt ah bo rpa/yh ctohti, pepitOBi, coöopHaa,
Co6opnaa, öhAOKaiieHHaa,
BIuoKaMCHHaa, 3.iaTLr.iai)aH.
Iiaai, bo tomi, ah Bojklcmt, coöoph
Ctohti, XpncTOci, ÖanoiuKa bo yöopi;
TOBOPHTI, OH'B l'OAOCOMi 1’pOMKHMI,:
,Bh npOpOKH MOH, 6orOpO,yHÜ,F,T,
Br peitHTe aio,zi,aMi, fioadHMi,, npopeKaitxe
IlpO MOe 3KHTB6-6llTt6 HpO XpHCTOBO I
Bt,’.:ioaot\to TpyßyniKy BOCTpyÖHTe,
BocKoapua ciiIujh aa/KHraftTe,
Bo cbbtoh Kpyn, bc/1, coÖHpaiiTecb,
XepyBHMCKyio hIichi, bcI, BOcntnafiTe,
Mon apxaHreAwtifi rAaci, B03rAamaÖTe‘.
In diesem Meere wohl, in dem Bionischen,
Schiffte dort Gott, der Herr in dem Schiffchen,
Mit den Engeln, mit den Erzengeln,
Mit den Cherubim, mit den Seraphim
Und mit der ganzen himmlischen Macht.
Auch schiffte Gott, der Herr zu dem Paulberge;
Auf dem Paulberge steht ein Cypressenbaum;
Unter diesem Baume wohl liegt das Adamshaupt,
Hinter diesem Haupte wohl steht Jerusalems Stadt.
In dieser Stadt wohl steht die Kirche, die allgemeine,
Die allgemeine, weisssteinige,
Die weisssteinige, goldhäuptige.
Wie in dieser Gottesversammlung wohl
Christus, das Väterchen, steht im Schmucke;
Er spricht mit lauter Stimme:
,Ihr meine Propheten, Gottesmutter,
Ihr saget den Gottesmenschen, saget vorher
Für mein Leben, für das Christusleben;
Das goldene Trompetchen blaset,
Wachsglänzende Kerzen zündet an,
Die neuere Lelire det russischen Gottesmenschen.
157
In dem heiligen Kreis Alle versammelt euch.
Das Cherubimlied Alle singet,
Meine erzenglische Stimme machet kund.
In diesem Liede werde, wie in den zwei vorhergehenden,
die Gesellschaft der Gottesmenschen und Skopzen phantastisch
dargestellt. In die Gesellschaft derselben gehe ihr Christus
selbst und lasse die Propheten und Prophetinnen weissagen und
zugleich mit allen Gliedern der Gesellschaft die Besorgung
ausführen.
Ekb-noA!» roä, oli.io, Kpyrofi ropu,
Efei.-iiOA'b öepeacKy MyöoKaro,
PoAHHKa, 611.10, PocnopHaro,
IlpoTeicaja ryTT. BTai-pkica,
Bto no 6I.J.OMV no caxapy,
Kto no anony no öapxaiy.
y Heil ^OHHniKO cepeöpanoe.
Kpyra öepeatKH noaoneHue,
A JKeATH necKH — icpynHun aceMnyrb
Bo oepejKKy paactmaeTcn.
^0JHHa-T0 y BTaä-pkKH
Ott. BOCTOKa n to 3ana,pa,
mnpHHa-ro bo Beet 6'Iuuii cbPtb,
rnyonna-TO y BTan-pbKn
HnKOMy HencnoB'h^HMan
Onpnna papa neöecnaro,
Pocy^apa cima Boatbaro,
Eni,e MaryniKH — nonoipHnpn,
UpecBaron cbPtt. öoropopnpu
H HeöecHiixb (MA’h 3acTynHHu,H.
Yatb enaenöo reoh, Bxafi-pkKa,
L ItO TH BTan KT. HäMT. HpHKaTI-UaCH,
Bo cepAga Hanra Bce.in.iaca,
II CBkipeio .aacB'liTnnaca;
Hamn cepppa noKopnnnca,
roaoByniKH npeMOHHAnca
Ko papio cBk'ry neöecnoMy,
Pocypapio CHHy Boaaeay,
158
Pf izmaier.
Ente MaTymid; — iiOMonr,uim;t
H CBflTOö cirliTi ooropo^HU,!,
H iieuecHUX'i cmb sacTyuHHU'h.
IfocjyinaflTe, /tpyrn Mmaue,
Bh ßpaTta, cecTpu /tyxonuue,
^yxoBHHe, BoroMi aioGoBHrje,
CBflTHMt /IjXOM'B H3ÖpaHHHe,
Chhohh Bornimn, nopojK^eHHue.
Em;e ecTB y nac,T> IHaT'B-p'hica,
IlIaT'L-pi’.Ka nr,eTOBaTaa.
IU,eTOBaTaa — BopoBaTaa,
II OHa HecnpaBeA^HBaa.
He xo^riTe jki> bh Ha [IlaT'B-phKy;
yiK'L H KTO H3B BHCTj Ha UlaT'B HOH/teTt,
H totb, Apyrn, sanm/raeTCs,
IlpoBB otb Kopa6üH OT-iynaeTCH,
/^ohth fl,o Bora He aaercfl,
Bl> TOMS. H 3KH3HB erO CKOH'iaeTCH.
Hervor unter dir, war es, dem steilen Berge,
Hervor unter dem Uferchen, dem tiefen,
Der Quelle, war es, der Herrnquelle,
Floss hervor dort der heimliche Fluss,
Er, der nach Art weissen Zuckers,
Er, der nach Art hellrothen Sammts.
Bei ihm ein Boden, ein silberner,
Steile Uferchen vergoldete,
Und gelber Sand — grobe Perlen
An dem Uferchen sich verstreuen.
Die Länge hei dem heimlichen Fluss
Von Osten und bis Westen,
Die Breite in die ganze weisse Welt,
Die Tiefe bei dem heimlichen Fluss,
Die Keinem erforschliche,
Ausser dem himmlischen Zaren,
Dem Herrn, dem Gottessohne,
Dann noch dem Mütterchen, der Helferin,
Dem sehr heiligen Licht, der Gottesmutter
Und der himmlischen Mächte Beschützerin.
Die neuere Lelire der russischen Gottesmenschen.
159
Schon Dank dir, heimlicher Fluss,
Dass du heimlich zu uns herangerollt,
In unsere Herzen dich niederliessest,
Und mit dem Licht leuchtetest.
Unsere Herzen ergaben sich,
Die Köpfchen neigten sich
Vor dem Zaren, dem Licht, dem himmlischen,
Dem Herrn, dem Gottessohne,
Dann noch vor dem Mütterchen, der Helferin
Und dem heiligen Licht, der Gottesmutter
Und der himmlischen Mächte Beschützerin.
Höret, Freunde liebe,
Ihr Brüder, Schwestern geistige,
Geistige, von Gott geliebte,
Von dem heiligen Geist auserwählte,
Von Gottes Sohn hervorgebrachte.
Noch ist bei uns der Taumelfluss,
Der Taumelfluss, der störrige,
Der störrige, der tückische,
Und er ist der ungerechte.
Gehet doch nicht an den Taumelfluss;
Schon Jemand von euch an den Taumel geht,
Auch er, Freunde, zu taumeln beginnt,
Los von dem Schiffe trennt er sich,
Zu Gott zu gelangen hofft er nicht,
Darin sein Leben auch endet sich.
Hier werden unter dem Bilde zweier Flüsse die zwei
entgegengesetzten Lehren und Gesellschaften, die rechtgläubige
und die irrgläubige, vorgestellt, und zwar unter dem Bilde
des heimlichen Flusses (Brafi-phica) die geistige, geheim ge
haltene Lehre der Gottesmenschen, deren Gesellschaft von
geistigen Brüdern und Schwestern, welche sich vor den Recht
gläubigen verberge; unter dem Bilde des Taumelflusses (Illart-
piica) die rechtgläubige, wie die Gottesmenschen sich aus-
drücken, buchstäbliche, menschliche' Lehre und die Gesellschaft
der rechtgläubigen Christen, in welcher, nach der Meinung der
Gottesmenschen, das Heil unmöglich sei. Der heimliche Fluss
sei, nach seiner ganzen Tiefe und Ausdehnung, blos dem Christus
160 Pfizrnaier.
der Gottesmenschen und der Gottesmutter, oder deren Stell
vertretern, den Propheten und deii Prophetinnen, bekannt. Die
Dankbarkeit gegen den heimlichen Fluss und die Warnung
betreffs des Taumelflusses seien auf die diesen Flüssen nach
dem Verstände der Irrgläubigen zukommenden Eigenschaften
gegründet.
Bo co6pani.li bo öoabhiomb,
Bo öiaaceHCTBk bo cbhtomb,
Cy^apt öaTionnca nomeAB,
BcFxb npaBeßHHXB oöomeAB.
Yjkb Bor'B-iiOMoai. Teöh,
Po/paian ccc/rpHipa!
II BT> TOCTH KB Teöh XO/fHAB,
Ä /toßpo TCuh rOBOpHAB,
H3B HOTOHH BHBO/fHAB
H3B HOTOHH H3B BOAy,
H3B OCOKH H3B TpaBLI,
Ü3B MOpCKOH rAyÖHHii;
CTaHOBHAT. TeÖH, cecTpapa,
fl Ha EoacBeHB nyTH
Bo MeAenoMB bo ca^y
IlO/ta. aÖAOHfJO HO/fB CBflTOH.
ByHB B03/fyXB BOCTaBaAB,
3eAeHHfi ca/i,7. bckoauxhab.
SeAeHHH ca/1,1. pasomrhACH,
HaniB oarioniKa vmhahach,
Bb 3eAeHHH ca/i,B npHKaTHAca,
Oto CHa HacB pa3Öy/fHAB,
MaAOBhpnuxB y B'hpuAB,
MaAOMOipHHXB nO^KphllHAB.
Mhmo 3eAeHaro ca/i,a
HpoTeKaAa tctb ptica,
HoMUBaAa öepera.
PoBopHTB Teöh, cecTpHii,a:
,He X0/1.H ÖAH3K0 KB p'tK'li;
Tu, cecrpHga, He ccTyuiici,
H bo bPich He cryoHct. 1
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
161
In der Versammlung, der grossen,
In der Glückseligkeit, der heiligen
Der Herr, das Väterchen kam,
Allen Gerechten zuvor er kam.
Schon Gott helfe dir
Geborenes Schwesterchen!
Ich als Gast zu dir ging,
Ich gut zu dir redete,
Aus dem Sumpf führte heraus,
Aus dem Sumpf, aus dem Wasser,
Aus dem Riedgras, aus dem Grase,
Aus der Meerestiefe;
Stellte dich, Schwesterchen,
Ich auf den Gottesweg
In dem grünen Garten
Unter den Apfelbaum, den heiligen.
Ungestüme Luft sich erhob,
Regte den grünen Garten auf.
Der grüne Garten lärmte viel,
Unser Väterchen Mitleid hatte,
In den grünen Garten rollte herbei,
Aus dem Schlaf uns erweckte,
Die Kleingläubigen er überzeugte,
Die Unkräftigen er stärkte.
Vorbei an dem grünen Garten
Lief dort ein Fluss,
Unterspülte die Ufer.
Sprach man zu dir, Schwesterchen:
,Gehe nicht nahe zu dem Flusse;
Du, Schwesterchen, steige nicht herab
Und in Ewigkeit nicht verdirb'.
Das letzte Bild ist von dem Taumelflusse (IIIai"B-pf>Ka),
worunter die rechtgläubige Kirche verstanden wird, genommen.
Das Väterchen rieth dem von ihm auf den Gottesweg in dem
grünen Garten gestellten, d. i. von der Rechtgläubigkeit zu
dem Irrglauben verleiteten Schwesterchen nicht, sich diesem
Flusse zu nähern. Der Christus der Gottesmenschen und Skop-
zen habe auch bis zu seiner Verbannung ,Viele aus dem Sumpf,
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 11
162
Pfizmaier.
aus dem Wasser, aus dem Riedgras, aus dem Grase, aus der
Meerestiefe herausgeführt'. Bei der Ankunft zum schrecklichen
Gericht ,geht er auf der feuchten Erde, entdeckt sündige
Seelen aus den Feldern, aus den Meeren, aus den kalten
Sümpfen'. In den ,Todeskämpfen' heisst es: Viele versanken
in dem Meere, der Eine bis zu dem Halse, der Andere bis
zu dem Gürtel. Der Vater, der Erlöser erschien, zog Alle aus
dem Meere heraus.
Dasselbe Bild von dem Taumelflusse, vor welchem jeder
Sectirer sich fürchten müsse, um nicht in ihm zu versinken,
ist in dem folgenden Liede angebracht.
BeaopB ÄOÖpuft Mo^o^ept 3ary.ia.icfl,
Ha yTpeHHefi 3opHHBKi> cnaTB .loaciuca;
Ha Bocxo/yh ctUHga npo6yjK,a,a.icfl,
Co TpaBOHBICH pocoio yMEBaACfl,
ELihmb noiOTeHgeHB yrapa-icfl.
MOCKOBCKHMB qy^OTBOppaM'B MO.lH.lCfl,
Ha BC r h Herape CTopoHymKH noK.iOHH.icfl.
Bh 3A0P0B0 flH, ÖpaTpn, CHaAE — HOTOBaAH?
A a ^oöpHH MOAOAei]; r b He3,a,opoBO cnaaB;
ByATO HO KpyTHMü HO KpaCHHMt
BeperaaHB 3ary.1a.1ca;
By,a,TO itpyTOH öepeatOKB 00Ba.iH.iCH,
A a ahBoft HoaeHLKOH ocTynH-ica,
IIpaBOH pyaeHBKofi cyxBamica
3a to üh 3a KphnKoe ^epeBgo 3a KpyHHHy.
Th KpyaHHa moa, KpyaHHa,
Bcero MeHa coKpyniHaa,
Cb Tochoäomb Boro mb pas.iyHn.ia.
Gestern Abend der gute Junge sich erging,
In der Morgendämmerung schlafen er sich legte;
Bei Sonnenaufgang er erwachte,
Mit Thau von den Gräschen er sich wusch,
Mit weissem Handtuch er sich trocknete,
Zu Moskauischen Wunderthätern betete,
Nach allen vier Seitchen sich verbeugte.
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
163
Habt ihr gesund, Brüder, geschlafen, die Nacht verbracht?
Doch ich, der gute Junge, nicht gesund schlief;
Gleichsam auf steilen, auf schönen
Uferchen ich mich erging;
Gleichsam das steile Uferchen stürzte,
Und ich mit dem linken Füsschen trat fehl,
Mit dem rechten Händchen ich mich hielt
An dieses, an das feste Bäumchen, an Kummer.
Du Kummer mein, Kummer,
Ganz mich du verzehrtest,
Von Gott, dem Herrn trenntest.
Wie dieses Lied sich ausdrückt, erging sich der Junge
gestern Abend sehr lange in der Besorgung und legte sich,
als bereits die Morgendämmerung war, schlafen. Die gottes
dienstlichen Versammlungen der Irrgläubigen dauern oft von
einer Dämmerung zur anderen. Desswegen werde die Däm
merung häufig in ihren Liedern erwähnt. Da ihre Besorgungen
immer mit Weissagungen enden,,steige in der Morgendämmerung
das Mütterchen aus der Höhe herab' und weissage.
BeceAHTca Beci> coöopi,
EaTHTCJt ki. Haiti. C0K0AT,,
noAHHH ,/Ijxh, cyflapn, cbhtoh;
Ohi, ji ritach Ha Kpyry,
TpyijHT'L ohi. roaotv Tpyöy,
Ho/taen. 3HaTB bo Beet, CBi>Ti>,
Xoien. npocTHTB rphniHtixi. Bchxi..
Hami. oaTiomKa bi, T'hAecaxT,
Bo npeMy/i,pr,ix'i. ay/T,ecaxi,;
Toabko Ha 3eiu r h ohi. 6hah,
Oth Haci. cy^api yitaTHAT.;
O4HBIMI. HaCHKOMI. B3BHACH
MHHyTOIO HOßHTUCH.
Toabko 3a3pHin mh Tor/i,a,
I^i Hami öaTtoniKa cyßBfl
Cy^HTi BHcmia ,44.1a,
OTpaacaeTi, cy^apn, CBHTa .djxa H3I. paa;
11*
164
P f i z m a i e r.
S.aaTHH'k HepCTHCMT) OÖpyHH.l'B,
Co rpixOMi nac'B paa.iyaM.Wj,
Cß.HTaro miHaro yljxa
Bob cep/i,u,a Hanra bk.iiobh.I'b,
,4,0 B'f’lKY $0 KOHpa
06'liinaeTTj He ahhihtb ßhHua.
Ha roAOByniKy Ha-ioaty
H yTlimy-yß.iaiKy,
Amhhb mobo CKaacy.
Es freut sich die ganze Menge,
Es rollt zu uns der Falke,
Der volle Geist, Herr, der heilige;
Er zeigte sich im Kreise,
Stösst in die goldene Trompete,
Gibt zu wissen in alle Welt,
Will verzeih’n den Sündern allen.
Unser Väterchen in den Leibern,
In den sehr weisen Wundern;
Nur auf Erden er war,
Von uns der Herr zog;
In einem Stündchen er zur Höhe flog,
In einer Minute sich erhob.
Nur wir sehen alsdann,
Wo unser Väterchen, der Richter
Richtet die höchsten Dinge,
Entsendet, Herr, den heiligen Geist aus dem Paradiese;
Mit goldenem Ring er verlobte,
Mit der Sünde liess er uns brechen,
Den heiligen vollen Geist
In unsere Herzen er verschloss,
In die Ewigkeit bis zu Ende
Er versprach, nicht zu berauben des Kranzes.
In das Köpfchen leg’ ich ein
Und erquicke, beglücke,
Das Wort Amin sag’ ich.
Dieses Lied beschreibt die Herabkunft des heiligen Geistes
in die Besorgungen und dessen Niederlassung in die Herzen
Die neuere Lehre der russischen Gottesmensehen.
165
der Fürsorgenden. Ihn entsendet in die Versammlung Christus
selbst, welcher nach kurzem Verbleib auf der Erde in den
Himmel aufstieg und von dort in eigener Person die Gesell
schaft der Irrgläubigen verwaltet.
yjKTi th frh.iHH ro.ayooiiT.,
Mofi cn3eHBKin isopicynori!
IIo caAy .leTHnib, BopKyemB,
IIpHnaAi. kt> Tepeny, noc.iyma.iT>.
Hto bt> Tepeiil; roEop;iTT>,
BO.IIO Iio./Kiio TBOpflTB.
ilo/1,h, opaTepn, nopa/i/M,
JKhbhmt> Botomt. saBia/ybu.
,d,a uome.i'f. ßpaTept, uopaAluT,
II jkhbhmb liorOMB saB.ia/i/kiT,,
()hi> ho c.ioBeTKy cica3a.iT->,
Cboio hpaTLio Be.iHaa.iT),
Cec/rpHiij,, öpaTpeBT. o6üH'ia.iT>.
KpacHH A r hBHn,H com.iiic.H;
Ohh daTymicy co3Ba.iu.
Pocy^apB haTymica nome.iB,
Kt> öpaTpy ct> uhceiucofl no/ynie.iTj:
,YacT> th 6paTen,T> HO-iOAeiyB,
Th HenpaB^on, 6paTT>, acHBean,,
He nopain, 6paTT>, Beweint;
EOIKBIO KHHry TH THTa.1T>,
Cboio dpai-Lio Ee.in t ra.iT>,
CecTepi., öpaTifi 06.1nTa.iT>;
IIOUeMy 3KT> HXT> OÖ.lH’ia.lB?
Bißt Ha v i, r L hhhh ecTb Hava./iT, —
Kto hmt> pH3yniKH TaTa.11>
II Aoöpy hxt. naytia.iT). 1
Bory c-iaua h ßepaaBa
Bo BkKH B’LkOBT), aMHHB.
Schon du, weisses Täubchen,
Mein schwarzbläuliches Trommeltäubchen!
Im Garten du fliegst, girrst,
166
Pfizmaier.
Fiel zu dem Dachzimmer, hörte,
Dass in dem Dachzimmer man spricht,
Gottes Willen vollzieht.
Geh doch, Bruder, Sorge trage,
Den lebendigen Gott nimm in Besitz.
Da der Bruder kam, Sorge trug
Und den lebendigen Gott nahm in Besitz.
Er auf ein Wörtchen sagte,
Seine Brüderschaft rühmte,
Schwesterchen, Brüderchen er überführte.
Schöne Mädchen versammelten sich;
Sie das Väterchen luden ein.
Der Herr, das Väterchen kam,
Auf das Brüderchen mit einem Liedchen er ging zu:
,Schon du, Brüderchen, Junge,
Du in Unwahrheit, Bruder, lebst,
Kein ordentlich Leben, Bruder, du führst;
Das Gottesbuch lasest du,
Deine Brüderschaft rühmtest du,
Schwestern, Brüder überführtest du:
Wessen sie überführtest du?
Ja über ihnen ist das Gebet —
Wer hat ihnen die Kleidchen gesteppt,
Und Gutes ihnen gelehrt.
Gott sei Ehre und die Macht
In alle Ewigkeit, Amin.
Dieses Lied sei rein skopzischen Ursprungs, weil es am
Ende eine Ueberfiikrung des Propheten selbst enthalte, welcher
alle Stufen des geistigen Fortschrittes erstiegen. Derselbe habe
anfänglich behorcht, zu der Brudergesellschaft der Irrgläubigen
gesehen, sei hierauf unter die Zahl der Brüder getreten, habe
hier Gott in Besitz genommen, d. i. sei geheimnissvoll auf
erstanden und damit zugleich Prophet geworden. Endlich habe
er auf ungesetzliche Weise seine hervorragende Stellung be
nützt, um durch Unwahrheit Brüder und Schwestern zu über
führen, wessen er auch von dem Väterchen selbst, von Christus
als der Beleidiger des Mütterchens, der Gottesmutter, welche
den Brüdern und Schwestern Kleider gesteppt und Gutes ge-
Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
167
lehrt hatte, überführt wird. Das Gottesbuch, von den Irrgläu
bigen auch das Taubenbuch (ro.iyöiiHaa Krona) genannt, be
zeichnet die Vorhersagung selbst.
Th nonofi, moh ro^OByniKa, co.iOByniKO.MT) bt. ca$y,
Hory-isfi, noa ro.iOByniKa, no bcIimt. cropoHaHB,
[lory.iafi, Moa ro.iOByiinca, no Büfcara ropoytaiin,
HoryMan, Moa roaoByniica, 3a Kany 3a pluty.
TeaeT’B öaTioniKa Ypern,, KpacsHXT. /yhBVLneK'B itypeiiB;
Y HIIXT> BepOLI 30.10THa W.i'b HeÖeCHOH BHCOTH,
Te^oBiKOMt Bpyaenn, ko ycTam. npeBeAeHH (?).
Du singe, mein Köpfchen, Nachtigallchen im Garten,
Ergehe dich, mein Köpfchen, nach allen Seiten,
Ergehe dich, mein Köpfchen, nach allen Städten,
Ergehe dich, mein Köpfchen, hinter dem Kama, hinter dem
Flusse.
Es fliesst das Väterchen Uren, der schönen Mädchen Kosaken
dorf;
Bei ihnen Weidenzweige goldene von der himmlischen Höhe,
Von dem Menschen überreicht, zum Munde hingeführt (?).
,Mein Köpfchen' ist ein liebkosendes Wort als Anrede.
Uren scheine der Fluss Urenga in der Statthalterschaft Simbirsk,
Kreis Kurmys, zu sein. Goldene Weidenzweige sind ein Zu
behör der Besorgungen. ,Von der himmlischen Höhe' bedeute:
aus dem Himmelreiche, in welchem ebenfalls Besorgungen ver
richtet werden.
Ah y naci Ha /l,0Hy
CäMi> cnacHTG.li> bo ÄOMy
H co anreaaMH,
Co apxaHreaaMii,
Ct> xepyBHiiaMH, cy^apt,
Ci> cepa<i>HMaMH
H co Bceio cii.ioio neöecnoio.
Ah /Ijxb, cbhtoh ^yxi. 1
Bna HmiocTb, ßaaro^aTB
168
Pfizmaier. Die neuere Lehre der russischen Gottesmenschen.
Oa-aa ^yxoiii. oö-ia^aTB!
Bory Cviaisa h AepacaBa
Bo B^KH B'IiKOBB, aHJIHB.
Ach bei uns an dem Don
Der Erlöser selbst in dem Hause
Und mit den Engeln,
Mit den Erzengeln,
Mit den Cherubim, Herr,
Mit den Seraphim
Und mit der ganzen himmlischen Macht.
Ach Geist, heiliger Geist!
Welch’ eine Gnade, welch’ einen Segen
Begann man durch den Geist zu besitzen!
Gott sei Ehre und die Macht
In alle Ewigkeit, Amin.
Dieses Lied wird unabänderlich in jeder Besorgung der
Gottesmenschen und Skopzen gesungen, und zwar im Anfänge
der Besorgung selbst, wenn die Kreise noch nicht gebildet
worden.
V erbesserungen.
S. 91, Z. 10 v. u. statt ,von dem wirklosen Verbleiben' zu setzen: von
dem wirklichen Verbleiben.
S. 111, Z. 17 statt ,seine Helfer' zu setzen: sein Helfer.
Höfler. Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
169
Kritische Untersuchungen über die Quellen der
Geschichte Philipps des Schönen, Erzherzogs von
Oesterreich, Herzogs von Burgund, Königs von
Oastilien.
Von
Dr. Constantin B. v. Höfler,
wirkl. Mitglieds der kais. Akademie der Wissenschaften.
Das Geschick, welches den einzigen Sohn Maximilians I.,
Philipp den Schönen, Herzog von Burgund, Erzherzog von
Oesterreich, König von Castilien, traf, als er in der Bliithe
seiner Jahre in Burgos starb (1506), war kaum weniger hart
als dasjenige, das sein Andenken bis zum heutigen Tage ver
folgt. Obwohl Begründer der habsburgischen Herrschaft in
Spanien und damit der in der Weltgeschichte beispiellosen
Aera dieses königlichen und kaiserlichen Hauses, vereinigten
sich doch so viele schwerwiegende Momente, dass das Anden
ken des hochherzigen Fürsten, wie ihn Spanier und Italiener
nannten, bis auf wenige Ueberlieferungen aus dem Gedächt
nisse der Geschichte schwand. Verdunkelt durch die Regie
rungen seines Vaters Maximilian, wie seiner Söhne Karl V.
und Ferdinand I., wurde er von der deutschen Forschung
kaum gestreift. Die wenigen Urkunden, welche Chrnel über
ihn publicirte, 1 lassen kaum ein Streiflicht auf ihn fallen.
Hefele hat in seinem Leben des Cardinais Jimenes den arago-
nesiseh'en Berichten zu viel Glauben geschenkt und ihren
Parteistandpunkt nicht beachtet. Der habsburgische Kaiser
sohn gehörte mehr der Geschichte Westeuropas als Deutsch
lands an. Die Belgier, welche vor Allem berufen waren, das
Leben ihres Herzoggrafen zu schildern, haben wohl höchst
1 Bibi, des liter. Vereines. Stuttgart 1845. Bd. X.
7TT Wt
tWkW.
170 Höf] er.
dankenswerthe Fox’schungen angestellt, die Geschichtschreibung
aber bisher ihm wenig Gerechtigkeit widerfahren lassen. Ale
xander Henne, welcher durch seine gründliche Geschichte
Karls V. dazu vor Allem berufen schien, vergriff sich selbst
im Datum seiner Geburt, da er die Herzogin Marie, Karl des
Kühnen Erbtochter, am 22. Juli 1478 statt am 23. Juni des
selben Jahres ihren Gemahl Maximilian mit der Geburt dieses
ihres Erstgebornen erfreuen lässt.
Henne ist K. Philipp gegenüber entschieden Parteimann
und lässt eigentlich nichts Gutes bei K. Philipp gelten, 1 wäh
rend doch sicher ist, dass sein Bestreben darauf gerichtet war,
selbst auf die Gefahr hin, mit seinem Vater wie mit seinen
Schwiegereltern in Conflict zu gerathen, Belgiens Unabhängig
keit zu wahren und den Franzosen, die unablässig am Ruine
der Niederlande arbeiteten, sorgfältig jeden Anlass zu ent
ziehen, mit einem Scheine von Recht sich in die burgundischen
Angelegenheiten einzumischen. Es wird wenigstens gestattet
sein, den Anschauungen Henne’s nicht unbedingt zu folgen und
den Beweis zu versuchen, dass es den entgegengesetzten nicht
an Begründung fehle. In dieser Beziehung haben die Forschun
gen des früh verstorbenen Herrn Gachet und in erhöhtem
Grade die umfassenden und gründlichen Arbeiten des Alt
meisters belgischer Geschichtsforschung, Herrn Gachard, den
Weg gewiesen. Nicht blos, dass in den lettres inedites (Bru-
1 Er bezeichnet ihn als esclave de ses caprices et de ses passions aux-
quelles il saerifia sonvent ses plus grands interets. Ces defauts, behauptet
er, firent le malheur de sa femme: vain, ldger, inconstant, il s’alidna
l’estime de ses allies et de ses parents, subit toute esp&ce d’influence,
et inerita le surnom de Croit conseil que lui donnerent les Italiens.
Aussi laissa-t-il apres lui le trouble et la ddsorganisation dans toutes
les branches de l’administration. Son regne, reprdsentd par certains
ecrivains comme l’aurore d’une prosperite que rien ne constate, fut
plutöt l’image du chaos et d’uue effrayante dÄcadence. Wenn man diesen
Anklagen Gehör geben wollte, wenn sie sich als Thatsachen eonstatirten,
wäre es viel besser, das Andenken Philipps in das Meer der Vergessen
heit zu versenken, als sich mit seiner Ges.chichte zu beschäftigen. Es
ist, wenn man die Charakteristik K. Philipps von Yincenzo Quirino,
der ihm so nahe stand und ihn so genau kannte, liest (Alberi, I, 1,
pag. 5), geradezu unbegreiflich, wie man Anklagen erheben kann, die
im directesten Widerspruche mit den Aeusserungen der bewährtesten Zeit
genossen stehen.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
171
xelles 1871) sich ein sehr interessantes Material vorfindet, Herr
Gachard hat auch die einschlägige spanische Literatur zu be-
meistern gestrebt (Les bibliotheques de Madrid et de l’Escuriäl,
Bruxelles 1873), und endlich durch die Collection des voyages
des Souverains des Pays-bas, t. I, Bruxelles 1876, die Bekannt
machung des Itinerars Philipps des Schönen und der beiden
Relationen Antons de Lalaing, seigneur de Montigny, über die
erste Reise des Prinzen und der Prinzessin nach Spanien im
Jahre 1501, und dann über die eigentliche Königsreise 1506
ein äusserst werthvolles Material geliefert, von dessen Reich
haltigkeit auch die schon früher gesammelten und in den Ana-
lectes belgiques (Bruxelles 1830, t. I) und den Analectes histo-
riques (Bruxelles 1856, Serie 1—17) veröffentlichten Urkunden
rühmlich Zeugniss geben. Unsere Forschungen können nun
begreiflicher Weise weniger auf die, die inneren Verhältnisse
Belgiens betreffenden Einrichtungen, Massregeln und Ereignisse
gerichtet sein. Hierüber können wir nach dem Vorgänge
Henne’s nur durch belgische Gelehrte unterrichtet werden und
nehmen auch jede Belehrung mit Dank an. Allein was die
Person K. Philipps, die Königin Donna Juana und die so in
teressanten auswärtigen Verhältnisse betrifft, dürfen wir es
wagen, gestützt auf die allgemeinen Regeln der Kritik, unseren
eigenen Weg zu gehen und namentlich auch die erwähnten
beiden Relationen einer Prüfung zu unterziehen. Die Lalaing’s
über den Königszug soll selbst Gegenstand einer besonderen
Erörterung werden, da sie sorgfältig mit den Angaben des
Venetianers Vincenzo Q.uirino verglichen werden muss.
Die Herausgeber der Lettres de Louis XII. und Le Glay
im ersten Bande der Negociations diplomatiques entre la France
et l’Autriche (1845) haben sehr dankenswerthes Material ge
liefert, Letzterer nicht blos für die Geschichte Frankreichs in
der Zeit K. Philipps, sondern auch für die Geschichte der
Unterhandlungen der burgundischen Botschafter in Rom, Pliili-
bert Naturelli und des später in eigenthümlicher Weise her
vortretenden Don Antonio de Acuna. Le Glay hat dasselbe
auch in seiner preface und dem Precis historique in lehrreicher
Weise verarbeitet, freilich ohne auf den Standpunkt eines
Biographen K. Philipps sich zu versetzen. Baco von Verulam,
der vermeintliche Verfasser der ,Shakespeariscben‘ Meister-
172
Höfler.
werke, hat in seiner Geschichte K. Heinrichs VII. über den un
freiwilligen Aufenthalt K. Philipps in England (Januar, Februar,
März, April 1506) Aufschlüsse gegeben, die das Verlangen
erregen, die Quelle, aus welcher er schöpfte, näher zu kennen.
Bergenroth, welcher bekanntlich englisch schrieb, ward durch
die Urkunden, die er aus dem Archive von Simancas in seinem
Supplement 1868 publicirte, und seinen grotesken Missverstand
des Wortes premia der Urheber der Anschauung von scheuss-
licher Gewaltthat, die an K. Philipps Witwe Donna Juana
verübt worden sei, und dadurch Urheber einer eigenen Lite
ratur, die sich aber mit seltener Einstimmigkeit gegen seine
willkürlichen Folgerungen kehrte.
Hat der unglückselige Versuch Bergenroth’s, aus der
Witwe K. Philipps eine wegen ihres Glaubens verfolgte Prote
stantin zu machen, seiner Autorität vielfachen Eintrag bereitet,
so muss man doch die von ihm im Supplement veröffentlichten
Urkunden dankbar annehmen, und darf man nicht, wie Antonio
Rodriguez Villa es in seinem Bosquejo biografico de la Reina
Donna Juana formado con las mas notabiles documentos histo-
ricos relativos a Ella, Madrid 1874, gethan, seine Verdienste
unberücksichtigt lassen. Der von Bergenroth herausgegebene
erste Band des Calendar of letters, dispatches and state papers
relating to the negotiations between England and Spain, pre-
served in the archives at Simancas and elsewhere, London
1862, bietet noch eine sehr dankenswerthe Nachlese in Betreff
der Beziehungen K. Philipps zu K. Heinrich VII., ja auch zur
Königin Isabella, zu K. Ferdinand und K. Ludwig XII. Wir
werden genöthigt sein, auf beide Werke wiederholt zurück
zukommen. Ein nicht geringeres Verdienst kommt dem in
Venedig lebenden Sir Rawdon Brown zu, welcher im ersten
Bande seines Calendar of state papers and manuscripts rela
ting to english affairs 1202—1509 höchst interessante Daten
für die Geschichte K. Philipps lieferte. Brown hat das grosse
Verdienst, nachdem man bisher von Dr. Vincenzo Quirino,
venetianischem Orator bei KlPhilipp 1505 — 1506, nur seine rela-
zione kannte, welche Alberi Serie I, vol. I der Relazioni degli
ambasciatori veneti abdrucken Hess, von dem durch Valenti-
nelli beschriebenen Codex der dispacci recht interessante Aus
züge gegeben und damit auf die Wichtigkeit dieser authen-
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
173
tischen Berichte hingewiesen zu haben. Das Verdienst R. Brown’s
wäre noch grösser, wenn er nicht, die Sitte des verstorbenen
hochachtbaren Brewers nachahmend, nur englische Auszüge
statt des italienischen Textes gegeben hätte, wo es sich denn
doch nur zu oft um den genauen Wortlaut handelt.
Auch kann man sich aus den Diarien Marin Sanuto’s,
die man künftig nicht mehr aus der Copie des geheimen Haus-,
Hof- und Staatsarchivs wird benützen müssen, seit eine Gesell
schaft gelehrter Yenetianer sie mit anerkennen swerthem Eifer
herauszugeben begonnen hat, überzeugen, dass Vincenzo Quirino
auch noch andere Depeschen an die Signoria vom Hofe K.
Philipps richtete, als die von ihm angeführten. Gar manche
wichtige Thatsache erhellt nur aus seinen Depeschen oder wird
durch sie erläutert, weshalb diese Correspondenz ganz besonders
gewürdigt werden muss. Sie gibt im erhöhten Masse, was
die Depeschen Marco Dandolo’s und Francesco Foscari’s 1
für den Sommer 1496 und die Zusammenkunft K. Maximilians
mit dem Herzoge Ludovico Moro von Mailand am Fusse des
Wormserjoches bieten, der ja auch Herzog Philipp beiwohnen
sollte, 2 wenn er auch nur bis Landeck kam.
Wenn die italienischen Quellen als werthvolle Ergänzungen
schwer empfundener Lücken erscheinen, so nehmen die spani
schen schon mehr den Charakter selbstständiger und mass
gebender Forschung an. Petrus Martyr von Anghiera (Don
Pedro M.), der gelehrte Lombarde in spanischen Diensten, be
richtet in seinem ,Opus epistolarumf wiederholt über Vorgänge,
welche sich tlieils auf die Königin Johanna, theils auf K. Philipp
unmittelbar beziehen. Er nennt, wie z. B. bei dem Berichte
über den Ausbruch eifersüchtiger Wuth von Seiten der Königin,
welcher bis zur Misshandlung eines belgischen Hoffräuleins ge
dieh, seine Quellen. Er steht aber in dem grossen und ent
scheidenden Conflicte der drei Könige, Ferdinand, Philipp
und der Donna Juana, auf Seite des alten Königs und ist in
die Geheimnisse der niederländischen Politik nicht eingeweiht.
Er steht ausserhalb des Kreises der diese leitenden Persönlich
keiten und hat über sie und von ihnen nur ab und zu Kennt-
1 Archivio storico italiano t. VII. 2.
2 Sieh hierüber weiter unten.
174
Höfler.
niss; was er dann noch Fernerstehenden mittheilt, ist für diese
von Interesse, weil es von ihm kommt und sie noch weniger
wissen. Er will gewiss nicht die Unwahrheit sagen, und wo
er die Wahrheit erfuhr, sagt er sie auch, weshalb die Berichte
des Opus epistolarum einen verschiedenen Werth haben, je nach
dem er in manchen Jahren Gelegenheit hatte, wirklich Bedeu
tendes zu erfahren. Das war z. B. der Fall im Jahre 1521,
als er während des Aufstandes der Comunidades sich in Valla
dolid befand und aus dem Herde der Bewegung Nachrichten
an den Grosskanzler nach Belgien sandte. Wenn er aber im
Jahre 1506, auf seine frühere Bekanntschaft mit K. Philipp und
auf dessen bekannte Leutseligkeit pochend, zu ihm nach la
Coruna ging und sich zutraute, den König, welcher den Ver
trag von Salamanca vom Jahre 1505 — den sogenannten Drei
königsvertrag — mit Recht als ein diplomatisches Monstrum
und eine politische Unmöglichkeit ansah, von dieser Ueberzeu-
gung abzubringen und ihn auf die Seite K. Ferdinands zu
ziehen suchte, der doch seinen Schwiegersohn durch die Heirat
mit der 22jährigen Prinzessin Germaine von Foix, und die
Castilianer nicht minder, tödtlich beleidigt hatte, so hatte
Anghiera in seiner Eitelkeit sich zu viel zugetraut. Wenn er
seitdem in den Hintergrund tritt, so ist damit nicht gesagt, dass
er aufhörte, ein Mann von Bedeutung zu sein. Uebergab doch
K. Ferdinand, als er Castilien verliess, gerade ihm die Sorge
für die Königin Donna Juana, die er als eine geistig unbedeu
tende, ihrer Mutter unähnliche Persönlichkeit schildert, lange
ehe sie der Wahnsinn ergriff.
Man kann aber Pedro Martil, wie ihn Don Lorenzo de
Padilla, Erzdechant von Ronda, nennt, hier nicht anführen,
ohne nicht des Letzteren ,Cronica de Felipe 1° llamado el
hermoso' zu erwähnen, die der Verfasser, nachdem er 1538 in
die Dienste K. Karls getreten war, in dessen Auftrag verfasste
und ihm auch übergab, nicht damit sie bekannt werde, son
dern damit ,sie nicht aus des Kaisers Zimmer käme*. 1 Sie
ist nur ein Theil der spanischen Chronik, die Don Lorenzo
im Aufträge K. Karls verfasste und bis zum Tode Ferdinands
el catolico fortführte, den er übrigens einen Tag früher sterben
1 no salg-a de su camara. Coleccion de doeumentos ineditos, t. VIII, pag. 7.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
175
lässt, 22. Januar 1516, 1 als es wirklich der Fall war. Die
gelehrten spanischen Herausgeber Don Miguel Salva und Don
Pedro Sainz de Baranda haben für gut gefunden, Ueber-
fliissiges wegzulassen, so dass unser Urtheil auf dasjenige be
schränkt wird, was sie uns im achten Theile der grossen
Sammlung der documentos ineditos vorlegten. Der Autor
selbst betheuert, dass er sich bei wahrhaftigen und ange
sehenen Personen, die zugegen waren, unterrichtete, 2 und wir
haben keinen Grund, seiner Versicherung nicht Glauben zu
schenken. Nicht minder fühlte er sich aber auch in Betracht
der Sorglosigkeit, mit welcher die Zeit Ferdinands behandelt
wurde, berufen,-die Chronik um zehn Jahre auszudehnen
(1506—1516), so dass dieselbe eigentlich mehr die Geschichte
des Letzteren als die seines habsburgischen Schwiegersohnes
zum Inhalte hat.
Sie beginnt mit der Eroberung von Granada (6. Januar
1492) und den nächsten Anordnungen der königlichen Sieger, 3
beschreibt dann im zweiten und dritten Capitel das Land, das
erste Auftreten Colon’s und die Vertreibung der Juden und
Moros aus Granada (Cap. 5), 4 den Mordversuch auf K. Ferdi
nand, den Don Lorenzo in das Jahr 1494 versetzt (Cap. 6), und
bei dieser Gelegenheit erwähnt er der Mission Balduins, Ba
starden von Burgund, und der Botschafter K. Maximilians, um
die Heirat der Infantin Donna Juana mit dem Erzherzog Philipp
und der Prinzessin Margarita, seiner Schwester, mit dem Prinzen
Don Juan zuStande zu bringen. Eine frühere erste Werbung hatte
nach Pulgar III, Cap. 102 im Jahre 1488 stattgefunden, und zwar
bezog sie sich auf die älteste Tochter der reyes catolicos, Fer
dinands und Isabellas, die Infantin Donna Isabel, welche K. Max
für sich begehrte, und auf Donna Juana, welche, wenn sie das
gehörige Alter erreicht, Gemahlin des Herzogs Felipe duque de
Borgona, conde de Flandes werden sollte. Es blieb jedoch
1 Pag. 266.
2 quise dar punto en todo lo demas que entiendo e informarme de personas
verdaderas y de antoridad que se hallaron presentes.
3 Leider ist Cap. 2 ausgelassen und ebenso Cap. 4: de cuentas maneras
de imperios de moros fue gobernada Espana 6 parte della.
4 postponiendo las grandes rentas que los moros y los judios que habita-
ban en los pueblos de Castilla e Leon les daban. Pulg. 16.
176
Hofier.
damals bei der Bewerbung, und Donna Isabel heiratete Don
Alonso de Portugal, den sie am 13. Juli 1491 durch jähen Tod
verlor. 1 Don Lorenzo de Padilla beschreibt dann den Zug
K. Karls VIII. nach Italien, der alle Mächte aufrüttelte (Cap. 7),
und die Mission Antonio’s de Fonseca an den französischen
König, die Betheiligung K. Ferdinand’s am neapolitanisch
französischen Kriege Cap. 8, die Vertreibung der Franzosen
aus Italien; und erst in Cap. 10 kommt er auf die ver-
hängnissvolle Doppelheirat der Kinder Maximilians und der
reyes catolicos zurück und beschreibt nun ausführlich den Hof
staat der neuen Erzherzogin, ihre glänzende Ausrüstung, ihre
Abfahrt von Laredo, ihre Ankunft in Middelburg, die Abreise
Philipps von Imst in Tirol, die Vermählung und den fest
lichen Empfang der Braut in Flandern (20. October 1496).
Dieser Gegenstand hndet sich in gleicher Ausführlichkeit nir
gends behandelt. Man sieht, dass Don Lorenzo genaue Daten 2
vor sich hatte.
Im eilften Capitel beschreibt er die Vermählung der Prin
zessin Margarethe, Schwester Philipps mit dem älteren Bruder
der Donna Juana, April 1497, und den frühen Tod des
Neuvermählten, 4. October 1497. In Cap. 12 geht er auf den
Tod K. Karls VIII. und die Nachfolge K. Ludwigs XII., den
Tod der Prinzessin Isabel, die Festlichkeiten in Brüssel und
die Geburt der ältesten Tochter des Erzherzogs Philipp am
15. November 1498 über. Auch hiebei finden sich, wie schon
der Herausgeber bemerkt, in den chronologischen Daten Irr-
thümer vor. Die beiden' nächsten Capitel beschäftigen sich
mit dem Aufstande der Moros in den Alpujaren und erst im
fünfzehnten kommt er auf die Geburt und die Taufe des Herzogs
Karl von Luxemburg und nachher K. Karls V., 24. Februar
1501, 3 zu sprechen. Mit dem sechzehnten Capitel, das den Tod
des spanisch-portugiesischen Thronerben Don Miguel, 20. Juli
1 Memorial del Doctor Lorenzo Galindez de Carvajal ad 1491.
- Sie werden ergänzt durch die von Chmel herausgegebenen Urkunden
(Bibi, des liter. Vereines X): Ad vis conceu par le roy sur le fait de la
recepcion de madame l’archiducesse et l’alee de madame le princesse n.
CXXXII), sowie durch die Berichte des Gesandten Gaspar de Lupian.
3 Er sagt vispera de S. Matia, das wäre 23. Februar. Dann heisst es
aber ä la una despues de media noche. Pag. 63.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
177
1500, berichtet, beginnt für den Erzherzog und seine Gemahlin
der eigentliche Wendepunkt, da ihr Erbfolgerecht an Castilien
und Aragon sich geltend macht und die durch die Vermählung
der Donna Isabel mit Don Manuel von Portugal und die Ge
burt ihres Sohnes Don Miguel eingeleitete Vereinigung Spaniens
mit Portugal ein ungeahntes Ende findet. Es folgt Cap. 12 der
Aufstand der Moros in der tierra de Ronda, Cap. 18 die Ver
treibung des Königs Ludwig (Don Fadrique) aus Neapel, und
erst in Cap. 19 und 20 beschreibt er die Reise des Prinzen
und der Prinzessin von Spanien aus Flandern nach Castilien
und Aragon 1501 —1502, um in Toledo und Saragossa die
feierliche Huldigung zu empfangen.
Diese Reise des Prinzen und der Prinzessin, welche am
4. November 1501 begann und von Seiten Philipps am 8. No
vember 1503 durch seine Rückkehr nach Löwen beendigt
wurde, von Seiten der Prinzessin Juana sich bis März 1504
hinausschob, bildet in dem Leben der beiden fürstlichen Per
sonen den entscheidenden Abschnitt, da ihnen als Erben von
Spanien gehuldigt wurde und sie somit aus der verhältniss-
mässig bescheidenen Stellung von Grafen von Flandern, Her
zogen von Brabant etc., in den Vordergrund der europäischen
Verhältnisse traten.
Don Lorenzo erwähnt, dass die fürstlichen Personen im
December 1 1501 Brüssel verliessen, in St. Quentin das fran
zösische Gebiet betraten und bis zum Ausgange aus demselben
in Bayonne von dem ,marechal de Logis' begleitet wurden;
dass sie über Ham, Compicgne nach Paris, von da über Orleans
nach Blois kamen. Er verschweigt die Betheiligung Philipps
am französischen Pairsgerichtshofe, offenbar weil die Erinnerung
an die Erfüllung der Lehenpflicht von Seite des Prinzen un
angenehm war, und erwähnt dafür, wie sich die Erzherzogin
weigerte, am Tage Epiphaniae 1502 für die Königin Anna zur
Opferung zu gehen. Das Zerwürfniss, welches hieraus entstand,
hahe dann die Beschleunigung der Abreise veranlasst. Allein
wann soll denn dieser Beweis spanischen Stolzes geliefert
worden sein? Wir besitzen die sehr umständliche und authen
tische Aufzeichnung über die Aufnahme des Prinzen und der
1 Es geschah am 4. November. Henterus, pag. 140.
Sitznngsber. d. phil.-liist. CI. C1V. Bd. I. Hft. 12
178
Hofier.
Prinzessin in Blois, wo sie Abends am 7. December ankamen.
Am 8. December (Marientag), an welchem dies am ehesten
hätte geschehen können, hörte die Erzherzogin eine stille Messe
in ihrem Zimmer, am 9. kamen König, Königin, Erzherzog und
Erzherzogin zusammen und wurde drei Stunden getanzt, und
von diesen und den folgenden heisst es ausdrücklich: la reine
et l’archiduchesse s’entrevirent souvent ainsi que leurs dames
et demoiselles; am 12. December hörten der Erzherzog und
die Erzherzogin eine Messe, dinirten und reisten hierauf ab,
nachdem der Erzherzog und der König den Vertrag von Blois,
der gerade fertig geworden war, unterzeichnet hatten. Wahr
scheinlich hat eine Verwechslung mit dem 30. November in
Estampes (Reception, pag. 153), an welchem Tage bei deinToison-
feste wohl der Erzherzog und die Ritter des goldenen Vliesses,
aber nicht die Erzherzogin zum Opfer gingen, stattgefunden.
Ebenso wenig weigerte sie sich, in die Pairskammer zu gehen,
sondern sie blieb überhaupt nach dem mühevollen Einzuge in
Paris am 25. November den ganzen Vormittag des 26. No
vember in ihrem Gemache. L’arckiduchesse ouit la messe en
sa chambre bien tard et pour ce matin ne fut personne vers
eile (Reception, pag. 152). Diese Anekdoten schmeichelten
zwar dem castilianischen Stolze, haben aber nur den Einen
Fehler — der Unwahrheit. Qurita, der die Geschichte mit
der Pairskammer erzählt, ist gerade in Bezug auf die fran
zösische Reise sehr ungenau. Am 6. Januar 1502, an welchem
die Scene zu Blois stattgefunden haben soll, war die Erzher
zogin schon lange nicht mehr in Blois. Qurita aber lässt
den Prinzen am 7. November in Blois ankommen und am
13. December den König in Paris den Vertrag (von Blois) be
schwören (I, pag. 226, 227). Man sieht, wie nothwendig hier
die Kritik einzutreten hat. Von dem so wichtigen Vertrage
von Blois, 12. December, ist bei Padilla keine Rede, und von
der weiteren Reise durch Frankreich wird nur des Aufenthaltes
in Tours bei Franz von Paula und der Zusammenkunft mit
dem Könige von Navarra in Bayonne gedacht; dass der Prinz
den Quell der schönen Melusina in Lusignan, das Grab des
grossen Palatin Roland und seines Gefährten Olivier in Blaye
besuchte, wird nicht erwähnt, wohl aber auf die Begegnung mit
König Jean d’Albert von Navarra in Bayonne Werth gelegt.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
179
Am 26. Januar verliessen die Fürsten Frankreich; am
29. betraten sie die spanische Grenzfestung Fuentarabia. Von
der weiteren Reise erwähnt Don Lorenzo den Aufenthalt in
Vitoria, Miranda am Ebro, Burgos und Valladolid, in Madrid,
wo es nothwendig war zu bleiben, weil die Granden noch nicht
nach Toledo gekommen waren, übergeht aber die Erkrankung
des Prinzen in Olias, hart vor Toledo, die allen geplanten
Festlichkeiten ein unvermuthetes Ende zu bereiten schien.
Hingegen wird die Begegnung mit den königlichen Eltern in
Toledo weitläufig beschrieben, nicht minder die Festlichkeiten,
welche in Toledo der Huldigung folgten. Was aber Don
Lorenzo nicht angab, war das Datum jenes Tages, an welchem
von den drei Ständen des Königreichs Castilien und Leon Erz
herzog Philipp, als Gemahl der Prinzessin und Erbin der beiden
Königreiche, gleichfalls als Erbe der Königin Isabella aner
kannt wurde. 1 Es war der 22. Mai 1502, an welchem dieser
für die Geschichte des Hauses Habsburg und der
spanischen Monarchie entscheidende Act vollzogen
wurde. Wichtig ist, dass Padilla pag. 88 noch eines Zer
würfnisses zwischen dem Herrn von Berghes und dem Erzieher
des Prinzen, Erzbischof von Besancon, gedenkt. 2 Ersterer wurde
verabschiedet, Letzterer starb kurze Zeit darauf. Der Huldigung
der Castilianer in Toledo folgte dann die der vier brazos
von Aragon in Saragossa, jedoch mit einer wesentlichen Ein
schränkung, die Padilla übergeht. Er berichtet, dass Philipp
schon von Saragossa aus den Herrn von Lachaulx zu K. Ludwig
nach Frankreich sandte (Cap. 21). Wenn er aber behauptet,
dass der Prinz im Januar 1503, seine Gemahlin in Madrid zu
rücklassend, abgereist sei, so ist das irrthümlich, da Philipp
am 19. December 1502 von Madrid aus die Reise nach Frank
reich antrat, und ebenso unrichtig ist, dass er einige Monate
in Alesburque en el condado de Tirol — Innsbruck und nicht
Salzburg, wie man vermuthen möchte, bei seinem Vater ver
weilte. Nach Thomas Leodius hielt er sich selbst nur drei oder
vier Tage in Innsbruck auf. Der Aufenthalt dauerte aber vom
1 de los recebir por sus reyes y seiiores, wie es hiess, despues de los dias
de la reina Dona Isabel. Pag. 87.
2 Auch Qnirino erwähnt dasselbe in der Depesche vom 29. November 1505.
12*
180
Höfl er.
8. September bis 6. October 1503. Nach Padilla hätte K. Ludwig
mit dem Prinzen in Lyon keinen Vertrag abgeschlossen; richtig
ist, dass er daselbst zwei Monate an einer tödtlichen Krankheit
darniederlag. Die weiteren höchst wichtigen Negotiationen,
die damals stattfanden, scheinen Padilla unbekannt geblieben
zu sein.
Die nächsten Capitel wendet Padilla dem siegreichen Vor
dringen des gran capitan im Königreiche Neapel zu. Erst in Cap. 28
kommt er wieder auf seinen Hauptgegenstand zurück. Er er
wähnt der Geburt des Infanten Don Fernando — Bruder K.
Karls V. — zu Alcala de Henares, die aber nicht im Februar
1503, sondern am 10. März stattfand, d. h. an dem Tage, an wel
chem vor 51 Jahren Don Fernando el catolico geboren worden
war, eine Thatsache, an welcher man bisher vorüberging. In
Cap. 28 schildert Padilla die aus Petrus Martyr bekannte Scene
in Medina del Campo, als die Prinzessin plötzlich abreisen wollte
und nur mit Gewalt an ihrer von dem Prinzen verlangten Rück
kehr gehindert wurde (November 1503). Sie ist, ganz abgesehen
von allem Andern, deshalb so wichtig, weil die Königin sich selbst
damals von der unbegrenzten Leidenschaftlichkeit ihrer Tochter
überzeugte, was bisher Familiengeheimniss war, in erschreckender
Weise zur Oeffentlichkeit kam, und Donna Juana sich berufen
fühlte, Scandale dieser Art von Zeit zu Zeit zu erneuern.
Uebrigens zog sich die Rückkehr noch lange hinaus und wurde
die ohnehin nicht zu grosse Geduld der Prinzessin von ihren
Eltern auf eine schwere Probe gestellt. Am 1. März 1504
begab sie sich endlich von Medina nach Valladolid und von da
nach dem Hafen von Laredo, um sich nach Flandern einzu
schiffen. Padilla hat übrigens die Farben bei seinem Bilde viel
sanfter aufgetragen als der gleichzeitige Berichterstatter An-
ghiera. — Die nun folgende Erzählung von der Abreise und
der Ankunft der Prinzessin in Blankenberge und Brüssel, so
wie der Unterhandlungen, um den Prinzen Karl nach Spanien
zu bringen (Cap. 29), müssen dankbar anerkannt werden. In
Cap. 30 und 31 theilt Padilla das Testament der Königin
Isabella vom 12. October und den verhängnissvollen Codicil
vom 23. November 1504 — drei Tage vor ihrem Tode — mit.
Beide Actenstücke haben jedoch die Herausgeber, weil sie bei
Mariana historia de Espana IX apendice abgedruckt sind, weg-
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
181
gelassen, obwohl das Nachfolgende ohne Kenntniss namentlich
des Letzteren unverständlich ist. Jetzt aber handelt es sich um
eine der wichtigsten Controversen. Wenn nämlich, wie Don
Lorenzo behauptet (pag. 121), unmittelbar nach dem Tode
der Königin, seiner Gemahlin, Don Fernando mit Umgehung
K. Philipps seine Tochter Donna Juana als Königin aus-
rufen lioss, wie dieses auch der Continuator Pulgar’s und Lo-
renzo’s 1 (jedoch nicht Galindez Carvajal) 2 bereits vor Padilla
berichteten, so war dieses ein vollständiger Eingriff in die
Rechte des habsburgischen Fürsten und begann das In-
triguenspiel K. Ferdinands, um seinen Schwiegersohn aus dem
Königthume von Castilien zu verdrängen, bereits, als die Leiche
der Königin noch nicht in die Gruft von Granada übertragen
worden war. Diese Frage ist so wichtig, dass von ihrer
Lösung die richtige Airffassung des ganzen nach-
herigen Conflictes zwischen Don Fernando und Don
Felipe abhängt, der doch mit der Vertreibung des Ersteren
aus Castilien und der erzwungenen Niederlegung des König-
tliums von Castilien endete (1506), nachdem ihm dasselbe nach
1505 durch den Dreikönigsvertrag von Salamanca zirgesichert
worden war. Wenn aber auch noch Henne den Satz aus
führt, 3 K. Ferdinand habe seine Tochter als Königin ausrufen
lassen — sans mentioner le nom de son mari — so be
weist das, wie sehr der Irrthum Glauben fand und wie noth-
wendig hier eine kritische Erörterung eintreten muss. Ich lege
darauf weniger Werth, dass Alvaro Gomez in seinem Werke
über den Cardinal Jimenes positiv ausspricht, Philipp und
Juana seien am 26. November in Medina als Könige aus
gerufen worden. 1 Allein auch Petrus Martyr, der den Brief
K. Ferdinands an seinen Schwiegersohn vor sich gehabt zu
haben scheint, 5 theilt mit, dass Ferdinand diesem geschrieben:
er bestreite nicht, dass Philipp König sei, wenn auch nur als
Gemahl seiner Tochter. Das Entscheidende ist aber das nach
1 Die Continuation reicht bis zur Thronbesteigung Carls 1. (V.) Cronicas de
los Reyes de Castilla por D. Cayetano Rossel XII. pag. 523.
2 1. c. pag. 55t.
3 I, pag. 76.
1 Pag. 59.
5 Ep. 282.
182
Höfl er.
allen Seiten‘hin verbreitete Memorial K. Ferdinands vom 1. Juli
1506 (aus Tordesillas), das die Herausgeber des VIII. Bandes der
documentos als Carta del Rey Catolico äGonzalo Ruiz deFigueroa
su embajador en Venezia pag. 385 abdrucken'Hessen, während
es längst bei Qurita II, f. 68b zu lesen war. In diesem Rund
schreiben , das gar keinen geheimen Charakter an sich trug,
sagt aber der König ausdrücklich: el mesino dia que muriö
— mi muger, contra el parecer de muchos yo sali ii la
plaza de Medina del Cainpo y subi en un cadalhaso y alli
publicamente me quite el titulo de Rey de Castilla y lo dl
al Rey y ä la reina mis fijos y los alce por Reyos y tice
que los alzasen por Reyes en todo el reino.
Ferdinand entschlug sich des Titels eines Königs von
Castilien, den er bei Gelegenheit des Vertrages von Salainanca
1505 wieder annahm, um ihn im nächstfolgenden Jahre 1506
durch den Vertrag von Villafatila wieder aufzugeben, — weil
es seiner Politik damals räthlich erschien, ,seine Kinder zu
Königen zu machen' — in der Voraussetzung, dass er dafür
administrador, gubernador und für die Königin Donna Juana
auch curador werde, und König Philipp wohl König von Castilien
heissen, sich aber mit Neapel begnügen werde. Padilla ent
schuldigt sich, dass ihm bis zum Tode der Königin 1501 von
der Eroberung von Granada an nichts Vorgelegen habe, er
eben deshalb nicht so ausführlich habe schreiben können, als
er wollte. 1 Allein eine so gewaltige Fälschung des Thatbestandes
durfte er denn doch nicht sich zu Schulden kommen' lassen.
Das hiesse ja geradezu die Sache auf den Kopf stellen. Er
beschreibt nun den geldrischen Krieg II, Cap. 2 und im nächst
folgenden die abscheuliche Intrigue, zu der sich Lope de Con-
chillos hatte brauchen lassen, um von der Königin, die ihr
Vater bereits als regierungsunfähig erklärt hatte, hinter dem
Rücken K. Philipps eine Uebertragung des Königthums an Don
Fernando zu erschleichen. Wäre sie gelungen, so wäre das
1 Libro segundo Cap. 1. Uebrigens ist auch die Behauptung Padilla’s, dass
sogleich das Testament und der Codicil der Königin eröffnet wurden,
irrig, da wir aus Carvajal wissen, dass dies erst in la Mejorada geschah.
Es handelt sich in Medina wohl nur um die Bestimmungen der Königin
in Betreff ihres Begräbnisses; die staatsrechtlichen Bestimmungen wurden
später bekannt.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
183
Königthum Philipps an die Luft gesetzt gewesen. Padilla be
spricht sehr ausführlich den Verlauf der ganzen Sache, die ge
eignet war, für immer eine Scheidewand zwischen Schwieger
sohn und Schwiegervater aufzurichten und den Sehr ungeeigneten
Eifer des Erzbischofs von Toledo zu documentiren, der, bisher
bei K. Ferdinand nicht in grosser Gunst stehend, jetzt in einem
für seine Würde gar nicht schicklichen Eifer die Partei des
Intriguanten nahm, in welchem Alvaro Gomez einen unschuldig
Verfolgten darstellen möchte. Doch verwechselt hiebei Padilla
den Bischof von Palencia, Jan de Fonseca, mit dem Bischof
von Cordova. Auch diese Angelegenheit ist ein Cardinalpunkt
in dem Conflicte der Könige von Aragon und Castilien und
beweist ganz klar, dass, während einerseits K. Ferdinand that,
als wünsche er nichts so sehr als die baldige Ankunft seiner
Kinder in Spanien, er heimlich Alles aufbot, die Reise zu ver
hindern und Philipp seines Königthums zu berauben. Man
hat allen Grund, anzunehmen, dass er die freiwillige Abdication
des Königthums von Castilien am 26. November 1504 als einen
grossen politischen Fehler ansah, aber indem er ihn gut machen
wollte, in einen noch tieferen verfiel. Gerade seine Rücksichts
losigkeit trieb aber die Granden an, in K. Philipp zu dringen,
dass er seine Abreise beschleunige, und wenn man die Namen
derselben liest, so mag man sich wohl hüten, in den land
läufigen Fehler Qurita’s, Alvaro Gomez’ und Anderer zu ver
fallen, die in den um Iv. Philipp sich schaarenden Castilianern
nur eine Bande unruhiger Köpfe erblickten, welche Castilien
in das Unglück zu stürzen sich bemühten, indem sie ihrem Vater
lande statt des Königs von Aragon den König von Castilien zu
geben suchten, den Ersterer selbst proclamirt hatte!
Nach einer Abschweifung über die Eroberung von Mazar-
quevir im Königreiche Tremecen kommt Padilla II, Cap. 6 und 7
auf die spanische Expedition K. Philipps, Januar 1506, zu spre
chen, und zwar zuerst auf den durch einen entsetzlichen Orkan
herbeigeführten unfreiwilligen Aufenthalt des Königs in England,
wo er von Anfang Januar bis Mitte April verweilen musste.
Wenn er aber bei Aufzählung des Hofstaates der Königin sagt,
sie habe alle ihre vlämischen Damen in Mecheln zurückgelassen 1
1 La Reina dejö todas sus damas flamencas en Malines. Pag. 135,
184
Höfler.
und nur eine Tochter des Herrn von Aluin, seiiora de Besula,
und Madame de Rodas als Ehrendamen und einige spanische Skla
vinnen mitgenommen, so findet auch diese Thatsache durch
das, was wir durch den venetianischen Botschafter, der den
König nach Spanien begleitete, erfahren, 1 eine bedeutende Ein
schränkung. Die ciertas esclavas espanoles — wahrscheinlich
kriegsgefangene Maurinnen — ausgenommen, hatte Donna Juana
gar kein weibliches Gefolge bei sich, und waren Hoffräuleins
und Hofdamen, wie es scheint, nach der erfolgten persönlichen
Misshandlung, die sie sich erlaubt, ohne Ausnahme im Jahre 1505
entlassen worden. Der Bericht des Padilla über die grosse
Gefahr, welche der König und sein Gefolge auf dem Meere
ausstanden, ist von jeder Uebertreibung frei und hält sich streng
an die Wahrheit. Wenn aber Padilla sagt, K. Philipp sei, nach
dem er in Portland gelandet, acht Tage in Antona (Hampton)
geblieben, sich zu erholen, und dann zu K. Heinrich nach
Windsor gegangen, so scheint das irrig. Die Landung fand
am 15. Januar in Portland statt; am 17., also zwei Tage später,
stellte der König in Windsor das Belohnungsdecret für die wacke
ren Piloten aus, die sich drei Male in die Wogen gestürzt, das
Segel zu retten und das königliche Schiff vor dem Kentern zu
bewahren. Allein das Datum dieses Decretes oder wenigstens der
Ausstellungsort sind entschieden falsch, da wir von K. Philipp
selbst wissen (Schreiben aus Windsor vom 1. Februar 1506),
dass er am 31. Januar erst nach Windsor kam. Es ist ferner
richtig, wenn Padilla in Betreff der Auslieferung des Herzogs
von Suffolk an K. Heinrich sagte, dieser habe versprochen,
que no seria fecha ninguna afrenta ni muerte en su persona.
Es ist überhaupt unrichtig, K. Philipp daraus einen Vorwurf
zu machen, da die Auslieferung von Verräthern, Rebellen etc. auf
den Verträgen beruhte, die Maximilian und Heinrich abge
schlossen hatten und, wie auch Quirino bezeugt, deshalb schon
früher Verhandlungen stattgefunden haben. Baco hat hierüber
ein selbst sehr interessantes Detail in sein Werk aufgenommen
und Adrian de Croy in seinem Schreiben an K. Maximilian vom
23. März 1506 (Chmel, Urkunden, I, pag. 229) in der Sache,
was K. Philipp betrifft, das entscheidende Wort gesprochen.
! Bericht vom 13. April 1506.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
185
Was den Aufenthalt der Königin betraf, so sagt Qurita, die
Königin sei erst nach einigen Tagen nach Windsor gekommen,
dort nur eine Nacht geblieben und zum grossen Verdrusse
K. Heinrichs gleich nach Falmouth in Cornwallis gegangen, wo
sich die zerstreute Flotte wieder sammelte. Donna Juana blieb
jedoch längere Zeit in Exeter, ehe sie nach Falmouth ging,
und was ihren Aufenthalt in Windsor betrifft, so kam sie wohl
am 10. Februar daselbst an, vei’liess aber, wie es scheint im
grössten Verdrusse, nach wenigen Stunden ihren Gemahl,
den König von England und ihre Schwester Katharina, die sie
nicht mehr sah.
Wir sind durch die Schreiben des Königs und die Berichte
Vincenzo Quirino’s im Stande, den Aufenthalt des Königs sein-
genau nachzuweisen. Er war am 31. Januar in Windsor, wo er in
der ersten Hälfte Februars blieb, am 18. Februar in Richmond,
am 8. März (krank) in Redin (Reddich), am 10. und 20. wieder
in Windsor. Am 26. März kamen König und Königin nach
Falmouth, aber erst am 16. April konnten sie sich einschiffen,
am 17. zwang sie der widrige Wind, sich wieder auszuschiffen,
am 23. erfolgte die neue Einschiffung, worauf die Flotte statt
nach Laredo, wo man sie erwartete, nach la Coruna in Galicien
segelte. Am 26. April 1506 kamen sie daselbst an, somit
nicht im Mai, wie Padilla II, Cap. 8 sagt, auch nicht durch
den Wind dahin getrieben, während die Absicht gewesen wäre,
in Andalusien zu landen. Letzterer Plan, wie es scheint, in
Uebereinstimmung mit dem Könige Manuel von Portugal ge
fasst, war in Folge des langen und kostspieligen Aufenthaltes
in England um so mehr aufgegeben worden, als während des
grossen Sturmes der König und so viele Andere das Gelübde
gemacht hatten, wenn sie gerettet würden, nach San Jago de
Compostella zum Grabe des Apostels Jacobus zu wallfahrten,
dem, nach dem Zeugnisse des Erasmus von Rotterdam, be
rühmtesten und besuchtesten Wallfahrtsorte der damaligen Zeit.
Wenn ferner Padilla berichtet, König und Königin hätten sich
nur einige Tage (algunos dias) in la Coruna aufgehalten, so ist
das wieder irrig, indem Beide zum Theil durch den gänzlichen
Mangel an Pferden und Saumthieren, zum Theil aus politischen
Gründen bis zum 28. Mai in diesem Winkel von Galicia blieben,
dann ging der König erst mit seinem kleinen Heere über Betanzos
186
H 6 f 1 e r.
nach San Jago. K. Ferdinand aber war nicht etwa damals in
Valladolid, sondern über Torquemada, zwischen Palencia und
Burgos, wo er die Nachricht von der Landung seiner Kinder
erhalten, über Valladolid, Palencia, Carrion, Sahagon, Mansilla
nach Leon gegangen (3. Mai); fälschlich heisst es bei Petrus
Mart., Opus epist. nr. 304: in nonis Maii statt IIP non. Maii.
Von da nach Astorga (15. Mai), nach Ravanal (16. Mai), nach
Motina, wo der Erzbischof Jimenes zu ihm kam, nach Villafranca
de Valcacer (Ende Mai oder Anfangs Juni), nach Villanueva
und Baneza (7. Juni), nach Matilla (9. Juni), nach Bio negro
(13. Juni), nach Asturianos (19. Juni) und von da endlich nach
Remessal zwischen Asturianos und Puebla de Senabria, wo am
20. Juni die erste Begegnung der beiden Könige stattfand.
Die Königinnen, Donna Juana und Madame Germaine, welche
Ferdinand am 18. März 1506 während Philipps Aufenthalt in
England in Duenas geheiratet hatte, 1 sahen sich so wenig als
Donna Juana ihren Vater. Wenn daher Padilla den König
Ferdinand diese ganze Zeit in Tordesillas verweilen lässt, so
ist dieses ein grosser Irrthum, der sich durch das freilich
etwas mühsam zusammenstellende Itinerar sattsam widerlegt.
Ebenso falsch ist es aber, wenn Alvaro Gomez pag. 70 den
König Philipp zwanzig Tage in Warmse, welcher gothische
Name den heissen Bädern von Orense geblieben war, zu seiner
Erholung verweilen lässt. Der König verliess am 3. Juni San
Jago, wandte sich südlich, die steilen Gebirge gegen Leon um
gehend, nach Orense, überschritt hier den Mino, wandte sich
dann in der Richtung von Monterrey, das Silthal links lassend,
nach Villa vieja, in östlicher Richtung nach la Puebla de Se
nabria und kam endlich, nachdem er einen grossen Halbkreis
beschrieben und unendlich viele Mühseligkeiten überstanden,
über zweihundert Pferde und Maulthiere verloren hatte, aus
den Schluchten von Galicia und durch die elendesten Nester
dieses wilden und unfruchtbaren Landes in die Ebene von
Castilien, erst nach Remessal (20. Juni) und dann nach Bena-
vente. Während er hier war, wurde in Villafafila (27. Juni),
das schon in der fruchtbaren Ebene liegt, die sich die Gothen
ausgesucht und die nach ihnen campi Gothorum — tierra de
1 Le mariage vitupereux, wie es Philipp bezeichnete.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
187
campos — genannt wurde, der Vertrag mit K. Ferdinand ab
geschlossen, der diesen zwang, auf Castilien Verzicht zu leisten
und sich mit der Krone von Aragon zu begnügen.
Aus dieser Erörterung ist bereits ersichtlich, dass man den
guten Don Lorenzo sehr commentiren und suppliren muss, er
als eigentlicher Geleitsmann nur in seltenen Fällen zu gebrauchen
ist. Das strenge Urtheil wird aber gerechtfertigt, wenn man
sagen muss, dass er die wichtige Zusammenkunft zu Remessal
gar nicht kennt und den K. Philipp gleich von Senabria nach
Benavente gehen lässt, wohin er erst am Tage vor Johannes
kam, während K. Ferdinand nach Villafafila abschwenkte.
Villafafila liegt auf dem Wege von Asturianos, Rio negro und
Marta nach Villalpando, südlich von Benavente. Ferdinand ge
wann dadurch die Strasse nach Tordesillas und Valladolid; am
1. Juli war er in Tordesillas. Lorenzo lässt aber die Könige und,
was vollends ganz unbegreiflich ist, auch die Königin in Villa
lar zwischen Tordesillas und Toro Zusammenkommen, Cap. 9,
wo gar keine Zusammenkunft stattgefunden hat. Die
letzte Zusammenkunft über Muzientes (4. Juli) in Renedo
(5. Juli) kennt er. Die angeblich daselbst stattgehabten Be
schlüsse sind aber die von Villafafila (27. Juni). Dann ging
wohl der König Ferdinand nach Aragon, K. Philipp aber nach
Valladolid (Juli), von da nach Tudela und am 1. September
(nach Alvaro Gomez) wieder nach Valladolid (Pinzia) zurück,
in Wirklichkeit gegen Ende August, wie Padilla sagt, nach
Burgos, wo K. Philipp am 16. September 1506 erkrankte und am
25. September starb. Padilla gibt in demselben Capitel noch ein
Verzeichniss der Personalveränderungen, die K. Philipp in Be
treff der Besetzung der wichtigsten Aemter vornahm, und schliesst
mit einer Charakteristik des früh verstorbenen Königs, pag. 149.
Es genügen uns diese Proben, um zu ersehen, mit
welcher Vorsicht die Cronica de Felipe 1° llamado el hermoso
benutzt werden muss, wie sie in vielen und wichtigen
Din gen nur irreführen kann, die wichtigsten Verhand
lungen gar nicht mittheilt,und wenn man sie ohne voraus-
gegangenes sorgfältiges Detailstudium zu Grunde legen
wollte, den Forscher oft geradezu irreführen würde.
Das Gegenstück zu Don Lorenzo de Padilla bildet Robert
Maquereau de Valenciennes, Verfasser des Traicte et recueil
188 Höfler.
de la maison de Bourgoigne en forme de chroniques, Louvain
1765, 4., und des Werkes: La maison de Bourgogne, histoire
generale de l’Europe durant les annees 1527, 1528, 1529, Paris
1841, 4. Der Traicte erstreckt sich von 1499—1527 incl. 1
Es ist sehr nothwendig, den kritischen Werth dieses
Werkes, dessen erstes Buch die Geschichte K. Philipps ent
hält, genau zu untersuchen. Das erste Capitel beschäftigt sich
mit der Geburt des nachherigen K. Karl V. und den Feier
lichkeiten bei seiner Taufe. Er setzt die Geburt auf einen
Sonntag, 22. Februar 1499; der Mathiastag, an welchem Karl
geboren wurde, fiel aber auf keinen. Sonntag und ist auch nicht
der 22., sondern der 24. Februar, und wenn man den Schalttag
rechnet, wie es Galindez gethan zu haben scheint, der 25. Fe
bruar des Jahres 1500 und nicht 1499. Seine Taufe fand auch
nicht sechzehn Tage später statt, wie Maquereau angibt, son
dern am 7. März. Machen diese irrigen Angaben im ersten Ca
pitel schon stutzig, so ist der Inhalt des zweiten nicht geeignet,
grösseres Vertrauen einzuflössen. Nach ihm kam Donna Juana
im Jahre 1500 mit ihrem zweiten Kinde nieder, das Elisabeth
(Isabclla) hiess. Die Infantin Isabella, geboren am 15. Juli 1501
— nach Galindez am 14. Juli und nach Henne am 27. Juli
1501 — war das dritte Kind der Erzherzogin. Maquereau
kennt nämlich die Geburt der Infantin Donna Leonor nicht,
welche 1498 geboren wurde. Er berichtet die Reise des Prinzen
und der Prinzessin nach Frankreich, meldet ihre Ankunft in
Paris am 25. November richtig, aber nicht 1500, sondern 1501;
richtig auch den Tag der Ankunft in Blois am 7. December,
worauf die Prinzessin Claude am 8. December ihrer designirten
Schwiegermutter nackt präsentirt worden sei ? Dann aber bringt
Maquereau einen Bericht über französische Geiseln, die nach
Valenciennes gebracht wurden, und verwechselt, was 1502 bei
der Rückkehr des Erzherzogs geschah, mit dem, was angeblich
1501 geschehen sein soll. Er lässt, was geradezu monströs ist,
den Prinzen 1501 zuerst nach Leon kommen, was wohl wieder
eine Verwechslung mit seinem Aufenthalte in Lyon 1503 ist,
dann ihn nach Burgos gehen, wo der König und die Königin
1 Die Ausgabe von Buchon, Choix de chroniques, t. XIV, war weder in
Prag, noch in München, Wien oder Göttingen aufzutreiben.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
189
ihn und die Donna Juana empfangen haben sollen, was erst
am 7. Mai in Toledo geschah-, und ebenso verwechselt er den
Bischof von Cambray, Heinrich von Berghes, welchem die Reise
nach Spanien das Leben kostete, mit Jean de Berghes, sou
verain bailli du comte de Namur, und macht Franz von Bux-
leiden, Erzbischof von Besan§on, zum duque de Busen
ton, pag. 6. Noch schöner lauten die Dinge in Cap. 3. Da
nimmt im Juni 1504, dem Todesjahre der Königin Isabella,
der Erzherzog mit seiner Gattin Abschied von K. Ferdinand
und Königin Isabella, reist mit ihr in sieben Tagen nach Lyon,
hat dort wegen der Zerstörung von Perpignan einen grossen Streit
mit K. Ludwig, geht dann zu seiner Schwester, der Herzogin
von Savoyen, wird dort krank und brach, als er dem Leichnam
des heil. Claude en Bourgogne die Füsse geküsst, une si mer-
veilleuse poison que chäcun s’en esmerveilloit, pag. 7. Das
Alles geschah in dem Jahre, in welchem die Königin Isabella
starb! Das ist aber noch nichts gegen Cap. 4. In diesem
übersendet K. Ferdinand seinem Schwiegersöhne die Krone
von Castilien, die die Könige in Bruges feierlich empfangen,
worauf beide königliche Personen Rundreisen antraten. Dann
folgte der geldrische Krieg, in welchem K. Philipp die Stadt
Heilem 1 belagerte. Er meint Arnheim und erzählt dann aus
führlich die Einnahme und den Vertrag mit Charles d’Aighe-
mont, pag. 9. In Cap. 5 beschreibt er sehr drastisch, wie
Karl von Egmont sich krank gestellt, um nicht nach Spanien
reisen zu müssen, die Abfahrt des Königs aus Armuyden und
die Seereise, die anfänglich so gut von Statten ging, bis das
gräulichste Ungewitter losbrach, der Mast des königlichen
Schiffes niederlicl, die Segel in das Wasser sanken und der
König nur durch die Kaltblütigkeit seiner Piloten gerettet
wurde. Er sei am 13. Januar in Maillergon gelandet, dann mit
seiner Frau und ältesten Tochter (sa maisgnie) nach Hatonne
gegangen. Wie bekannt, blieben alle königlichen Kinder mit
Ausnahme des in Spanien weilenden Don Fernando in Mecheln
zurück. Von lilles de la Reynne, die auf den Schiffen waren,
ist schon gar keine Rede. Die Landung in Hampton erfolgte
am 15. Januar 1506. Die Cap. 6 und 7 beschäftigen sich mit
Harlem ?
190
Hofier.
dem Aufenthalte K. Philipps in England. Er erzählt, dass die
Königin nach Windsor gekommen sei und ihren Aufenthalt in
Resdnicq nahm, und zwar mit der dame de Condel, Contesse
d’Hulincq, Madame de Bersele, femme de l’Amand (Amptmann?),
Madame de Ville und mehreren anderen dames et demoiselles.
Er theilt einen Brief K. Ludwigs an K. Heinrich mit vom
17. April, worin Ersterer den König von England bat, den
K. Philipp Zeitlebens einzusperren. Dieser Brief sei in London
beiden Königen vorgelesen worden. Das Datum und der Aus
stellungsort, auch der Secretär Robert le gro.s di de la Haye
(Robertet) können richtig sein. Sehr verdächtig ist die Erzäh
lung insoferne, dass zur Zeit, als das Schreiben von Paris nach
London kam, K. Philipp sich bereits in Falmoutk nach Spanien
eingeschifft hatte. Es müsste sehr sonderbar zugegangen sein,
wenn K. Ludwig am 17. April 1506 nicht gewusst hätte, dass
K. Philipp bereits am 26. März bei seiner Flotte in Falmouth
angekommen war. Der ganze schöne Dialog, den Maquereau
pag. 16 mittheilt und der die hochherzige Gesinnung K. Heinrichs
gegen seinen Gast enthüllt, fällt somit weg. Allein Maquereau
lässt jetzt erst noch die Königin Johanna mit der (verstorbe
nen) Königin von England nach London kommen, den K. Ferdi
nand aber mit 10.000 Mann Stellung bei Compostella nehmen,
um K. Philipp, der erst noch drei Tage bei Havre! verweilen
musste, an der Landung zu verhindern. Ferdinand befand sich
aber damals (26. April) mehr als 100 Stunden von San Jago de
Compostella entfernt! Doch habe noch die Königin Johanna den
Frieden hergestellt, der von beiden Seiten beschworen wurde.
— In Cap. 8 lässt Maquereau die zwei Könige und die Königin
in der Stadt Orrenger 1 Zusammenkommen und dann nach San
Jago gehen, von da nach Benavente, nach Tudela, wo sie
sechs Wochen geblieben seien, worauf K. Ferdinand Abschied
nahm. Die Einwohner von Valladolid hätten die 600 Deutschen
K. Philipps nicht in die Stadt gelassen, weshalb er sie verab
schieden musste. Man habe dem Könige seinen kleinen Sohn
gebracht und Jedermann ihn Friedensfürst genannt. In
Burgos habe er eine Gesandtschaft des Padischah mit Geschen-
1 Es ist-das Orense, wohin K. Philipp kam (6. Juni), nachdem er San
Jago verlassen und den Weg nach Benavente eingeschlagen hatte.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
191
ken empfangen, als er aber hörte, dass Karl von Egmont mit
Hilfe der Franzosen die Waffen ergriffen und Turnhout ver
brannt habe, sammelte K. Philipp ein Heer von 100.000 Mann 1
gegen die Franzosen! In Cap. 9 wird dann Philipps Erkran
kung weitläufig beschrieben und namentlich der Abschied,
den er von den Seinen genommen, sein Tod, die feierliche
Ausstellung der Leiche, die Bestattung und die Heimkehr der
Flanderer, die (Cap. 10) sa chapelle, sa vaichelle, sa tapisserie
et autres baghes nach Mecheln brachten.
Abgesehen von dem Umstande, dass, was Maquereau
von der Erkrankung berichtet, noch am ehesten mit der Wahr
heit übereinstimmt, müsste man auf das Tiefste bedauern, wenn
Jemand seinen Traicte in gutem Glauben bei Forschungen über
K. Philipp zu Grunde legen wollte. Man würde sich sehr bald
überzeugen, dass dieser einen Roman mit einigen geschichtlichen
Daten aufputzte, das erste Buch seines Werkes aber nicht sowohl
Geschichte als Fabeln enthalte. Die weiteren Bücher, welche
sich nicht mehr auf K. Philipp beziehen, gehören nicht in den
Kreis dieser Erörterungen. Er ist ein Fabelschmied und ver
dient gar nicht die Aufnahme in ein ernsthaftes Geschichts
werk, wenigstens was die Darstellung K. Philipps betrifft.
Irre ich mich nicht, so ist er das Gegenstück zu der von
Gachard in Madrid eingesehenen handschriftlichen Biographie
K. Philipps.
Gachard führt aus der Bibliotheque nationale: el con-
sejero del desenganno delineado en la breve vida de Don Phelipe
el Hermoso von Don Joseph Michele Marquez Baron de San
Dimitrio an. Diese vida ist K. Philipp IV. gewidmet, also
aus dem 17. Jahrhundert. Gachard sagt pag. 13:
,On trouve dans ce livre des details curieux sur le mariage
de Philippe avec la princesse Jeanne d’Aragon, sur ses discus-
sions avec sa femme, sur ses favoris.' Wenn man aber auf die
von ihm benützten Quellen sieht, so gewähren seine Angaben
gar keine Bürgschaft für ihre Richtigkeit und Wahrheit,
und scheint man es mit einem Gegenstücke zu Maquereau oder
zu Varilias zu thun zu haben. P. M. de Anghiera scheint dem
Baron Marques eine unbekannte Grösse gewesen zu sein, wie
Spanier!
192
Hofier.
überhaupt genuine Quellen. Das Werk scheint ganz werth
los zu sein und auf reinem Klatsch zu beruhen.
Die Nachrichten über K. Philipp, welche wir bei Pedro
de Alcocer — Relation sobre las comunidades, herausgegeben
von Antonio Martin Gamero, Sevilla 1872 — finden, beziehen
sich auf den Aufenthalt des Königs, nachdem derselbe bereits
Galicien verlassen. Pedro war Zeuge des Gespräches zwischen
Don Bernardino de Velasco, Condestable de Castilla, und Don
Fadrique de Toledo, duque de Alba, in der villa de la Baneza,
als Ersterer K. Ferdinand verliess. Er beschreibt mit grosser
Genauigkeit die erste Zusammenkunft der beiden Könige (in
Remessal), wobei er bemerkt, dass K. Ferdinand von Yanta de
Conejos in Galicien kam, während die anderen Quellen Asturianos
nennen. Ueber den Aufenthalt K. Philipps in Benavente, die
Audienz der Cortes, den Fluchtversuch der Königin ist er Haupt
quelle; wenn er aber pag. 11 den König im Mai 1506 in Bena
vente Hof halten lässt, so ist dies ein grosser Irrthum, da der
König erst Ende Mai la Coruna verliess und den Tag vor Johan
nes, 23. Juni, nach Benavente kam. Auch ist es irrig, dass
K. Ferdinand von Asturianos (Yanta de Conejos) nach Valladolid
ging, pag. 9. Er ging nach Tordesillas, wo er sich noch am
1. Juli befand (Qurita II, f. 68). K. Philipp war aber noch
am 30. Juni in Benavente. Alcocer berichtet ferner sehr ein
gehend über die Verhandlungen mit den Cortes in Muzientes
in den ersten Tagen des Juli und dann mit Pedro Lopez de
Padilla, Bruder Don Gutierre de Padilla. Ueber die zweite
und letzte Zusammenkunft der Könige in Renedo ist er Haupt
quelle. Wenn er aber vor dieser König und Königin in Tudela
am Duero ihren Aufenthalt nehmen lässt, so ist dieses irrig,
da nach Curita K. Ferdinand sich wohl in der Aldea de Tudela
aufhielt, aber rasch über Valladolid nach Aragon abzog. Auch
hierüber gibt Alcocer sehr interessante Nachrichten. Dann aber
eilt er zu Ende und erzählt nur mehr mit wenigen Worten den
Aufenthalt K. Philipps in Valladolid und Burgos, seine Krank
heit, seinen Tod, pag. 19.
Alcocer’s Berichte sind sehr beachtenswert und wir be
dauern, dass sie eigentlich nur die Monate Juni und Juli
1506 behandeln, den Monat September kaum streifen.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
193
Es ist zweckdienlich, noch auf einige spanische Schrift
steller aufmerksam zu machen, ehe wir uns einem Belgier, dem
Verfasser des Werkes: De rebus a principibus Burgundis atque
Austriacis qui Belgis imperarunt pace belloque praeclare
gestis, Lovanii 1652 f., Paulus Heuterus aus Delft, Propst von
Arnheim, zuwenden.
Der Herausgeber der weitläufigen Historia de los reyos
catolicos escrita por el bachiller Andres Bernaldez,
Don Rodrigo Caro, hat aufmerksam gemacht, dass der Verfasser
den Don Rodrigo Ponce de Leon und Don Christobal Colon
persönlich kannte, Caplan des Erzbischofs von Sevilla, Don
Diego Deza (früher Erzieher des Infanten Don Juan, Schwieger
sohn Maximilians) war und namentlich genaue Berichte über
das besass, was ausserhalb Spaniens vor sich ging — er meinte
die Kriege um Roussillon und Neapel — ,niemals aber der
Wahrheit untreu wurde, die die Seele der Geschichte ist 1 .
Wir werden das Letztere in Betreff K. Philipps untersuchen.
Er erwähnt, dass mehr als 20.000 oder 25.000 Mann die Infantin
Donna Juana nach Flandern begleiteten, als sie im September
1496 Biscaya verliess, und von diesen mehr als 10.000 in
Flandern starben, ehe die Flotte die Prinzessin Margaretha im
März 1497 nach Santander brachte. Padilla erwähnt, dass
damals mehr als 9000 Menschen an Kälte und anderen Un
bequemlichkeiten starben, nicht aber.20.000 oder 25.000 nach
Flandern gingen, sondern 15.000. Dass die Verlobung der
Kinder Maximilians und Ferdinands schon 1490 stattfand, ist
Bernaldez eigen. Die Darlegung der Zwistigkeiten zwischen
Ferdinand und Philipp, Cap. 204, ist ganz vom Standpunkte
des Ersteren gehalten, natürlich auch Ferdinands Verbindung
mit Iv. Ludwig XII. und seine zweite Vermählung, die im
April 1506 stattgefunden habe, ebenso aufgefasst. In dem
langen Cap. 205 führt er an, dass die Abfahrt K. Philipps
nach Spanien im Februar oder März 1506 stattfand, der König
etwas mehr als einen Monat in England blieb, wo Donna
Juana vielen Trost bei ihrer Schwester fand, während
sie in Wirklichkeit allen Trost zurückwies und nach wenigen
Stunden auf- und davonging'. Das sind doch lauter Fabeln,
die man bisher ruhig als Geschichte annahm. König und Köni
gin landeten in Salisbury (a la ciudad y puerto de Salisbur e
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 13
194
H ö fl er.
dende por tierra — a Londres). Der licenciado Rodrigo Caro
meint, Bernaldez muestrase en la geografia y leccion de antiqua
historia, aber Salisbury zum Hafenplatze zu machen, ist doch
nicht erlaubt'. K. Philipp habe sich einige Tage in la Coruna
aufgehalten, in Wahrheit vom 26. April bis 28. Mai 1506.
K. Philipp habe nur einen Anhang gewonnen, indem er den
Granden Gnadenbezeugungen erwies (mercedes 6 partidos),
während die Granden in Wahrheit sich das Wort gaben, keine
zu verlangen. Dann wird eines grossen Streites zwischen dem
Könige und der Königin, ehe sie nach Benavente kamen, ge
dacht und ebenso eines grossen Schiedsspruches der beiden
Conseils, K. Ferdinands und K. Philipps, in Kraft dessen Ersterer
Castilien zu verlassen hatte. Darauf sei K. Ferdinand von Toro
nach Benavente gegangen, wo er seinen Schwiegersohn um
armte, Allen seinen Segen gab und dann spornstreichs von dan
nen ritt! All’ dieses geschah im Monate Juni 1506. In Bena
vente fand keine Zusammenkunft statt, die von Remessal,
20. Juni, wird so wenig erwähnt wie der Vertrag von Villafafila,
27. Juni, oder die Zusammenkunft in Renedo. Die Abreise
K. Ferdinands nach Aragon fand unmittelbar nach der letzten
Zusammenkunft am 5. Juli 1506 statt. Dann wird Cap. 207 so
gleich der Tod K. Philipps an einem pestilenzialischen Uebel
erzählt, an dem er mit grosser Reue über seine Sünden — invo-
cando ä Nuestro senor — starb. Der cura de la villa de los pala-
cios und Caplan des Erzbischofs Don Diego Deza weiss dieser
Erzählung eine solche Wendung.zu geben, dass K. Philipps Ende
als mehr oder minder verdientes Gottesgericht erscheint. Es wird
gestattet sein zu sagen, dass Bernaldez trotz der Versicherung
Don Rodrigo Caro’s, wenigstens was die Geschichte K. Philipps
betrifft, keinen Werth besitzt, seine Thatsachen so wenig
als sein Urtheil. Die angeführten Daten erweisen sich sämmt-
lich als unrichtig. Bernaldez zu folgen würde nothwendig zu
noch grösseren Verirrungen führen, als Don Lorenzo de Padilla
unbedingt zum Geleitsmanne zu machen, der doch, wenn auch
mit Auswahl zu benutzen, noch immer ein schätzenswerthes
Detail bietet, während der Werth des Bernaldez so ziemlich
dem Maquereau’s gleich kommt.
Die anonyme Fortsetzung der Chronik des Pulgar
kennt nur eine Zusammenkunft der Könige in der Aldea de
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
195
Remesa am 19. (20.) Juni. Sie führt an, dass, weil sich die Königin
nicht sehen liess, man sie für eingesperrt hielt; dass der König
den Granden die Krongüter überliess, Granden und Städte über
seine deutschen Soldaten murrten, weil sie so viel an Speise
und Trank zu sich nahmen, und der frühe Tod Philipps als
Strafgericht erschien, weil er ungehorsam gegen seinen Schwie
gervater gewesen. 1 Der Anonymus spricht mit dem letzten
Satze die Tendenz seines ganzen Werkes aus, das in der Ver
herrlichung K. Ferdinands besteht. Man kommt von diesen
Chroniken immer wieder auf des Aragonesen Geronymo
Qurita Historia del rey Don Hernando el catolico de las
empresas y ligas de Italia zurück, die zwar, wo sie kann, die
Vertheidigung K. Ferdinands übernimmt, aber immer wieder
auch die Gegenseite berücksichtigt und durch die Einflechtung
wichtiger Urkunden der Darstellung eine sichere Grundlage ge
währt. Man muss sich nur gegenwärtig halten, dass Qurita nicht
die Geschichte K. Philipps zu schreiben beabsichtigt, sondern
des Königs von Aragon und Castilien, welcher seine mit grosser
Umsicht und Thatkraft erworbene Stellung und Würde nicht
preisgeben will und am allerwenigsten wünscht, dass eine
Herrschaft der Granden entstehe, die Alles umstösst, was die
reyes catolicos mühsam in 30 Jahren geschaffen. Die That-
sache, auf welche es ankam, bestand in Folgendem: Ferdinand
und Isabella hatten mit Hilfe der Granden das Königreich
Castilien über die näher berechtigte Tochter ihres Vorgängers
K. Heinrich IV., la excelente senora, la Beltraneja, la Monja,
erlangt, Isabella ihre eigene Nichte, Donna Juana, entthront,
welche dann in Portugal Zuflucht fand und die Schwester ihres
Vaters überlebte. Da der Letztere gegen die wider die Recht
mässigkeit ihrer Geburt ausgestreuten Gerüchte auf dem Tod
bette seine Tochter feierlich anerkannte, war durch die reyes
1 Era asimismo, schreibt der Anonymus von K. Philipp, dado ä los
juegos y holgaba de fablas y tractar con mugeres; no le parccia cosa
mejor que los gentiles gestos de mugeres, pag. 524. In ähnlicher Weise
drückte sich auch Padilla aus pag. 149: a mugeres dabase muy secreta-
mente y holgabase de tener conversaeion a bnena parte con eilas por-
que se holgaba con todo placer y regocijo. Cuando le tomaba algun
enojo, luego se le quetaba. Quiso, mucho ä la Reina: sufriale rauch o
y encobria todo le que podia las faltas que della sentia acerca del
gobemar.
13*
196 ItSflef.
catolicos die Legitimität verletzt worden, der castilianische Adel
aber batte seine Rechnung gefunden, als er die Tante statt der
Nichte, den Aragonesen statt der Castilianerin erhob. Nachdem
aber die reyes catolicos einmal die Herrschaft erlangt, drehten
sie, wie man zu sagen pflegt, den Spiess um und strebten sie
mit aller Consequenz die Krongüter, welche an den Adel ge
kommen waren, wieder zu gewinnen. Wenn K. Ferdinand
wiederholt betheuerte, er müsse seinem jugendlichen Schwieger
söhne, der die Castilianer nicht kenne und nicht wisse, wie sie
zu behandeln seien, Rathschläge geben, wie er die Regierung
einzurichten habe, so bezog sich dieses auf die Besorgniss, der
jugendliche Habsburger möchte, ohne es zu ahnen, das Werk
zeug castilianiscker Granden werden, die den Regierungswechsel
in ihrem Interesse auszubeuten unverhohlen Lust zeigten. Der
alte König, einer der grössten politischen Rechner seiner an
solchen Charakteren so reichen Zeit, wusste aber durch beson
dere Leutseligkeit, Herablassung, Witze und Spässe die Personen,
mit welchen er zu verkehren hatte, ebenso an sicli heranzu
ziehen und zu gewinnen, als seine grosse Klugheit und eine
ausserordentliche Arbeitskraft, eine unermüdliche Thätigkeit und
die grossen Erfolge, die sich an diese anschlossen, sein scharfer,
weit über die Gegenwart hinausblickender Verstand allen den
jenigen imponirten, die mit ihm zu thun hatten. Nun ist es
äusserst interessant, zu sehen, wie der kluge Mann nach dem
Tode der Königin sich immer mehr verstrickte und durch die
Pläne, welche er gegen seinen habsburgischen Schwiegersohn
aushegte, zuletzt wie in einem Netze gefangen wurde. Die
Entwirrung dieses Knotens ist freilich ungemein schwierig, die
mühsame und zuletzt doch sehr dankbare Aufgabe des Bio
graphen K. Philipps. Curita hat wohl der Lösung derselben
durch seine vielfache Unparteilichkeit vorgearbeitet, wie er denn
z. B. kein Bedenken trägt, erst den Vertrag von Villafafila, den
K. Ferdinand am 27. Juni einging und beschwor, mitzutheilen,
und nicht minder die geheime Revocation eben dieses Freund
schafts- und Bundesvertrages, der den Wirren zwischen Schwie
gervater und Schwiegersohn ein Ziel setzen sollte, die K. Fer
dinand noch an demselben Tage vor Zeugen vornahm und durch
welche er Alles für erzwungen und ungiltig erklärte, was
er kurz vorher feierlich versprochen, unterzeichnet und
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
197
besiegelt hatte (Qurita II, f. 68). Die Beurtheilung K. Philipps
wird sich aber ganz anders gestalten, wenn man sich vergegen
wärtigt, welche Treulosigkeit ihm gegenüber geübt wurde, mit
welchen Factoren er zu rechnen hatte, wie sein Untergang fast
unvermeidlich schien.
Da noch genug Gelegenheit gegeben wird, auf Qurita zu
rückzukommen, der zu den besten und trefflichsten Geschicht
schreibern nicht blos Spaniens gehört, wenden wir uns dem
Biographen des Erzbischofs von Toledo, des Fray Francisco
Jimenes deCisneros zu, welcher, so lange K. Philipp lebte,
nicht Cardinal wurde — Alvarus Gomez Toletanus, de
Francisci Jimenii vita et rebus gestis, libri VII. Der Heraus
geber Doctor Agorreta, Rector der Universität Alcalä, machte
K. Philipp II. bei der Widmung des Werkes aufmerksam, dass
in demselben auch von seinem Grossvater Philipp die Rede
sei; Gomez aber gibt in der Vorrede Aufschlüsse über die von
ihm benützten Quellen, Originalaufzeichnungen, Berichte von
Zeitgenossen und Vertrauten des Erzbischofs Jimenes, nament
lich des Diego Lopez Ayala, die die Sorgfalt beweisen, mit
der er eine gründliche Kenntniss der Lebensschicksale des
nachherigen Cardinais und Regenten von Castilien sich zu ver
schaffen suchte. Sein Werk ist denn auch für alle deutschen
und nicht deutschen Bearbeiter des Lebens des Jimenes die
Hauptquelle geblieben. Es ist nothwendig, auf diejenigen Stellen
einzugehen, in welchen Gomez von K. Philipp berichtet. Es
ist das dritte Buch, welches vorzüglich damit sich beschäftigt,
nachdem im zweiten die Ankunft Philipps und Johannens in
Toledo (7. Mai 1502) besprochen worden, pag. 42. Er irrt sich
aber bereits, wenn er behauptet, Philipp habe aus Rücksicht für
die Schwangerschaft seiner Gemahlin den Landweg durch Frank
reich der Seereise vorgezogen. Die Prinzessin kam erst am
10. März 1503 nieder, die Reise nach Frankreich wurde aber
bereits im November 1501 angetreten, die Prinzessin hätte somit
22 Monate lang in anderen Umständen sein müssen! In der
Auseinandersetzung der Gründe, welche Philipp bewogen, 1502
Spanien zu verlassen, führt Gomez noch an, dass er der Eifer
sucht seiner Gemahlin zu entfliehen dachte, pag. 50.'
1 Aut istorum (französisch Gesinnter) suasionibus incitatus aut Joannae
conjugis taedio affectus, quae incredibili zelotypia stimulata acerba in
198
Hofier.
Gomez erwähnt, dass die Königin ihre Zuflucht zu dem Erz
bischöfe Jimenes nahm, sowohl des eigenen Trostes wegen, als
um der Prinzessin willen, damit er auf ihr Gremüth einwirke,
pag. 51. Nur mit wenigen Worten schildert er die Scene im
Schlosse von Medina 1503, als die Prinzessin, ohne von ihrer
Mutter Abschied zu nehmen, 1 spornstreichs nach Belgien gehen
wollte, pag. 53. Da wir von Gomez erfahren, dass Jimenes
im Anfänge des Jahres 1504 von dem Könige nach Medina
berufen wurde, kommt auch eine chronologische Ordnung in
die weitläufige Erzählung der Anderen. Carvajal 2 erzählt nichts
von dem Vorfälle in Medina, er berichtet aber, dass die Königin
— als handle es sich nur um eine gewöhnliche Reise ■—- am
26. November 1503 von Segovia nach Medina auf brach und
nach zweimaliger Rast am 28. daselbst ankam. Am 20. De-
cember kam auch der König und Anfangs Januar 1504, wie
Gomez sagt, auch der Erzbischof von Alcalä her, alle aus dem
selben Grunde, die afrikanische Löwin, wie Petrus Martyr
Donna Juana (ep. 268) nennt, zu beruhigen. Dann folgte aber
erst noch die schmähliche Misshandlung eines Hoffräuleins 3
durch die Prinzessin, als sie nach Brüssel zurückgekehrt war, 4
von der Gomez nach genauen Mittheilungen, 5 nicht blos nach
oberflächlichen wie Petrus Martyr, berichtet, 1 ’ und in Folge
eum erat, ea molestia liberari properans etc. Dies'es Zeugniss ist jeden
falls sehr interessant.
1 regiae majestatis oblita, nulla parentis ratione liabita quam bidui itinere
visere quivisset.
2 Lorenzo Galindez de Carvajal, Anales breves (Memorial y registro. 1525)
enthält wenn auch nur kurze, doch in der Eegel zuverlässige Angaben.
3 quam secum comitem Joanna adduxerat, pag. 53.
4 zelotypiae stimulis vehementer exagitata criminationibus jurgiis et tra-
goediis totam Philippi regiam implevit.
5 per fidos tabellarios.
6 Varillas, den ich nicht gerne citire — er macht unter Anderem den be
rühmten Don Juan Manuel zum Secretär, den die Granden nach Brüssel
sandten, um den Erzherzog von der Falschheit des Testaments der Kö
nigin Isabella zu überzeugen — führt diese Erzählung, sich auf das
theätre des malheurs stützend, mit Details aus, die wir ihm überlassen
müssen. Hist, de Louis XII, pag. 311. Den Pierre Martyr d’Angleria
macht Varillas zum ambassadeur du S. Si&ge auprds des rois catholiques,
pag. 219. IC. Ferdinand habe den Vertrag von Salamanca zerrissen,
pag. 330. Philipp starb am 17. September 1500 nach dem Einen an
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
199
dessen die Erkrankung der Königin und des Königs. Isabella
erholte sich seitdem nicht wieder. Sie siechte langsam dahin.
Ausdrücklich erwähnt Gornez, dass Jimenes bei dem Tode
der Königin Isabella und somit auch, als Philipp und Juana in
Medina del Campo als Könige ausgerufen wurden, nicht zugegen
war, welch’ letzteres Padilla behauptete, sondern von Alcalä sich
nach Toro begab. Ueber das, was hier geschah, berichtet nun
Gornez ausführlich und namentlich über die Art und Weise,
wie K. Ferdinand den einflussreichen und energischen Erz
bischof für seine Absichten zu gewinnen wusste (pag. 60 seq.).
Es ist eine sehr zu beherzigende Thatsache, dass die Intrigue
des Lopez de Conchillos, welcher heimlich von der Königin
Donna Juana die Zustimmung der Uebertragung des König-
tlmms an K. Ferdinand erlangen sollte und erlangte, und auf
welche K. Philipp nur durch einen Zufall kam, die er aber
doch noch zeitig genug entdeckte und verhinderte, von dem
Primas von Castilien, Erzbischof Jimenes, ausging, 1 der
schon wusste, warum er sich gar so ereiferte, als dies Complot
entdeckt wurde und Conchillos von K. Philipp zur Kerkerhaft
verurtheilt wurde. Darüber gibt uns Gomez ebenso inter
essante Aufschlüsse als Padilla über die Entdeckung des Com-
plotes. Was aber Beide nicht wussten, das wissen wir: dass
sich auf dieses hin K. Philipp in sehr harten Worten bei P.
Julius über Jimenes beklagte und seine Zurechtweisung ener
gisch begehrte. Jimenes hat sich dann, als K. Philipp kam,
bei Zeiten mit ihm auszusöhnen gesucht und dadurch wieder
den Argwohn K. Ferdinands rege gemacht. Doch wir werden
den Pfaden des Primas noch öfter begegnen, wo wir dieselben
nicht zu treffen hofften. Als die Intrigue mit Conchillos ein
für diesen klägliches Ende genommen, berief Ferdinand ihren
Urheber zu sich, und nun kam Jimenes nach Segovia und drang
in die Gesandten Philipps und Maximilians, durch einen Courier
dem Könige Drohungen zukommen zu lassen, 2 wenn er Con-
Gift, nach dem Andern an einer Indigestion, pag. 340! Solche Autoren
kann man nicht citiren.
1 Pag. 61.
2 non defutura esse optimatum studia qui illum (Philippum) ab horum
regnorum accessu prohiberent, pag. 64. Gerade das Entgegengesetzte
erfolgte, wenn auch Jimenes sehr wohl wusste, was er sagte.
200
Hofier.
chillos nicht sogleich freigebe. Diese Thatsache ist nur durch
Gomez bekannt, völlig unrichtig aber, was dieser behaup
tet, dass K. Philipp sich durch die Drohungen des
Primas bewegen liess, den Conchillos sogleich freizu
geben (pag. 64). Wohl aber blieb jetzt Jimenes bis zur An
kunft K. Philipps in Spanien in der Nähe des Iv. Ferdinands,
und mit seiner Zustimmung 1 that dieser nun den Schritt,
der mehr als alles Andere die Sache zum Bruche brachte.
Das verhängnissvolle Bündniss Ferdinands mit K. Ludwig
wurde abgeschlossen, und Gomez muss zugestehen, unter den
für Jenen ungünstigsten Bedingungen, 2 und was noch schlimmer
war, der König erkaufte mit Preisgebung seiner Ehre, des
Ruhmes seiner ungewöhnlichen Klugheit und der Zuneigung
seiner bisherigen Anhänger — eine höchst unbedeutende und
hässliche Frau, die 22jährige Germaine von Foix, die dem um
34 Jahre älteren Könige ihre Hand bot — non abnuente Ximenio!
Mit diesem dummen Schritte war Alles verdorben und nichts
mehr gutzumachen. Wer dazu K. Ferdinand rieth oder, wenn
er die Stellung dazu hatte, ihm nicht aus allen Kräften Wider
stand leistete, nahm Antheil an einem politischen Fehler, den
man ein Verbrechen nennen könnte.
Gomez erwähnt nun des Dreikönigsbündnisses von Sala-
manca, das am 6. Januar 1506 verkündigt wurde, worauf sich
K. Ferdinand wieder nach Segovia begab, des Waidwerkes zu
pflegen. Beinahe an demselben Tage erfolgte die Abfahrt
Philipps nach Castilien. Nach Gomez machte sich Ferdinand,
als er von der Landung seiner Kinder in la Coruna hörte, auf
den Weg nach Compostella, was gewiss unrichtig ist und la
Coruna heissen soll. Jimenes zog ihm über Villumbrale nach,
während Ferdinand in Molina 3 unthätig verweilte. Hier kam
es nun zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Könige, der
sich allmälig von den Granden verlassen sah, und dem Primas,
der die Vorwürfe des Neuvermählten mit dem Bemerken ab
wendete, er habe immer gerathen, dass er mit einem
1 non abnuente Ximenio.
2 etsi iniquissimis conditionibus.
3 Ganz in der Nähe von Ponferrada, das selbst östlich von Villafranca
liegt,
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
201
Heere dem K. Philipp gegenübertrete. 1 So übel der Rath
war, da er zum Bürgerkriege führen musste, so war er doch noch
besser als jenes Schwanken und die rathlose Unschlüssigkeit,
die sich bei Ferdinand bemerkbar machten, der in eben dem
Masse ,seinen Kindern' entgegenzukommen sich beeilte, als sie,
wenigstens K. Philipp, denn von einem Willen der Königin
Johanna war keine Rede mehr, von der Stiefmutter und deren
Gemahl als König von Castilien nichts wissen wollten. Hätte
Jimenes dem Könige Widerstand geleistet, als dieser, ehe noch
das Trauerjahr vorüber war, zur zweiten Heirat schritt und
die Braut, umgeben von seinen Bastarden, in Duennas, wo er
sich einst mit der Königin Isabella vermählt hatte, wirklich
zum Altäre führte, so könnte man sich mit seinem Benehmen
leichter aussöhnen, als es so nach jener Zustimmung und seinen
Rathschlägen der Fall ist. Man müsste an der staatsmännischen
Befähigung des Primas zweifeln, wenn er nicht einsah, dass die
Heirat Ferdinands den Bruch mit K. Philipp und den Granden,
den Castilianern überhaupt herbeiführen musste.
Wenn aber Gomez sagt, dass um den Anfang Mai Jimenes
von K. Ferdinand bestimmt wurde, von Molina (an der galiciani-
schen Grenze des Königreiches Leon) nach Compostella zu
K. Philipp zu gehen, so ist diese Nachricht nicht nur falsch,
sondern sie verwirrt auch die ganze Sachlage. K. Philipp kam
erst am 29. Mai in San Jago di Compostella an, und die Unter
handlungen, zu welchen Jimenes ausersehen wurde, müssen
somit um einen Monat später verlegt werden. Nicht K. Philipp
trifft der Vorwurf, dass die Zusammenkunft der Könige mit
dem Primas, der den Vermittler spielen wollte, nachdem er
zuerst dem K. Ferdinand den Rath gegeben, zu den Waffen zu
greifen, nicht mehr in Compostella stattfand, sondern K. Ferdinand,
der in Molina und dann in Villafranca stehen blieb, und den
Primas, der sich unterwegs so lange aufhielt, dass er auch nicht,
wie er doch wünschte, mit dem Könige und der Königin zu
gleich in Orense am oberen Mino einziehen konnte. Philipp war
vom 29. Mai bis 3. Juni in San Jago geblieben; 2 er brauchte
1 quoties admonuisset ut armatus et copiis militaribus instructus res
controversas cum genero componeret pag. 67.
2 El rey D. Felipe partio de Santiago para Orenes (Orense) a tres dias
de Junio. (Jurita II, pag. 56.
Hofier.
202 '
von da mindestens drei Tage bis Orense, wo er Abends 6 Uhr
—• wir wissen am 6. Juni — ankam. Nun haben wir einen
chronologischen Anhaltspunkt daran, dass die Unterhandlungen
den Tag nach der Ankunft des Primas mit K. Philipp und
dann mit seinen Rathen geführt wurden. Letzteres geschah am
Tage vor den Sacramentalia, das ist eben Frohnleichnamstag,
welcher 1506 auf den 11. Juni fiel. Somit kann man den 10. Juni
als Anfang der Unterhandlungen und den 6. Juni als Tag der
Ankunft Philipps und des Primas in Orense ansehen, und Gomez
ist in seiner Zeitangabe durch sich selbst widerlegt: nicht im
Mai, sondern im Juni unterhandelte Jimenes. Dieses ist denn
doch ebenso sicher, als dass die Behauptung desselben Schrift
stellers, Philipp habe sich zwanzig Tage in Orense und dessen
warmen Bädern aufgehalten, pag. 70, unrichtig ist. Wenn aber,
auf Gomez und Petrus Martyr sich stützend, ein neuerer deut
scher Schriftsteller im Leben des Jimenes behauptete: ,man sei
zweifelhaft, ob es mein - kleinlich oder böslich war, wenn Philipp
jetzt wie ein Dieb sich in die Gebirge Nordspaniens vergrub,
um seinem Schwiegervater nicht begegnen zu dürfen; das odiunt
cpiem laeserint trat auch bei ihm ein, nebst der natürlichen Un
behaglichkeit, dem unters Antlitz zu treten, den er eben durch
die Verwerfung des Vertrages von Salamanca und dadurch ge
kränkt hatte, dass er der Tochter den Verkehr mit dem Vater
verbot', 1 so enthält diese Darstellung so viele Irrthümer als
Worte. K. Philipp einen Dieb zu nennen war kein Grund vor
handen, da man ihm Castilien genommen hatte. Auch pflegen
Diebe nicht, von sämmtlichen Granden eines Königreiches be
gleitet, an der Spitze eines Heeres heranzuziehen. Man darf
doch nicht ausser Acht lassen, dass es sich längst nicht mehr
um eine persönliche Auseinandersetzung zwischen zwei Mon
archen handelte, sondern einfach um die Frage: solle Castilien
Einen König haben oder die Monstrosität eines dreifachen König
thums? Da Ferdinand selbst den Primas beauftragt hatte, zu
unterhandeln, so ging er auch in den Grundsatz ein, dass eine
Fürstenzusammenkunft erst dann stattfinden solle, wenn die
wichtigsten Controversen durch reifliche Besprechun
gen der beiderseitigen Unterhändler bereits geordnet
i Hefele S. 210.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
203
waren, was ihn freilich nicht hinderte, jede gemachte Zusage
gleich wieder im Geheimen zurückzunehmen.
Nach Gomez bleibt nun der Primas bei K. Philipp, bis
dieser nach Sanabria kam. 1 Curita aber erwähnt, der Primas
habe sich drei Meilen von Orense aufgchalten. 2 Der Zug musste
sich wegen Mangel an Verpflegung in Gruppen theilen, so lange
man in Galicien war; Jimenes folgte ihm dann nach, rieth
aber jetzt dem Könige Ferdinand, sich nach dem Süden zu
werfen, wo er ihm von Madrid an alle Festungen übergeben
wolle (Qurita, f. 60 b), d. h. des Erzbistliums Toledo; die des
maestrazgo von San Juan, welche in der Umgegend waren, bc-
sass Ferdinand ohnehin. Der Rath involvirte aufs Neue den
Bürgerkrieg. Philipp aber begab sich von Orense — nach Curita
schon am 11. Juni — nach Cortegana zwischen Orense und
Verin und war am 13. Juni in letzterem Orte, wo er die süd
liche Richtung aufgab, um in östlicher Richtung nach Bena-
vente zu gehen und dort San Juan zu feiern. Am 14. Juni war
er in Nellesa, 3 am 15. in Villavieja, während der Primas sich
über la Gudina und Santigoso auf dem Wege nach Rio negro,
wo K. Ferdinand war, zu diesem begab. Endlich kam Philipp
am 19. Juni nach Sanabria, K. Ferdinand ihm entgegen nach
Asturianos, worauf die erste Begegnung in Remessal 4 am 20. Juni
und nicht am 23. Juni, wie der deutsche Biograph des Cardi
nais Jimenes schrieb, stattfand. Gomez gibt nun einen weit
läufigen Bericht über diese Zusammenkunft. Er ist Urheber
der Erzählung, dass Jimenes den Don Juan Mannnel aus der
Capelle entfernt habe, in welcher sich beide Könige zwei Stun
den lang (?) besprachen 5 und wobei Ferdinand seinem Schwie
gersöhne den Primas, mit dem Finger auf ihn deutend, besonders
empfahl, nachdem derselbe kurz vorher dem Könige gerathen,
es auf einen Kampf ankommen zu lassen! Gomez mag hiebei
über authentische Aufzeichnungen verfügt haben, wie er auch
1 altero postquam profectus est die f. 71. Der König kam erst, am 19. Juni
nacli la Puebla de Sanabria!
2 f. 59.
3 que es tierra muy steril y miserable. Curita f. 62.
4 a un robledad en unos baruechos de una alqueria. Curita f. 64.
5 Die Besprechung fand im Freien statt — debajo de una encina (Eichen
wald); la habla fue muy breve y el despedirse descontentos. Alcocer p. 8.
204
Hofier.
berichtet, dass weder K. Ferdinand das Verlangen stellte, seine
Tochter zu sehen, noch Philipp das Anerbieten einer Zusam
menkunft mit ihr machte. Qurita ergänzt, was nachher geschah,
da K. Philipp noch am 20. Juni von K. Ferdinand begehrte,
er möge von Asturianos sich nach Villafafila in östlicher Rich
tung begeben, ihm selbst aber den Weg nach Benavente offen
lassen, der für K. Philipp über Asturianos ging. K. Ferdinand
war dadurch genöthigt, vor K. Philipp sich in der Richtung
von Valladolid zurückzuziehen, undK. Philipp vermochte endlich
an Benavente den ersten Ruhepunkt, seit er San Jago verlassen,
zu gewinnen. Jetzt blieb Jimenes bei K. Philipp.
Bis dahin gibt auch Gomez Aufschlüsse, so weit seine Quellen
reichen, zu welchen, wie sich pag. 69 zeigte, auch die bisher nicht
aufgefundene Correspondenz mit K. Ferdinand, aber nur von
Seiten des Primas gehörte. Er weiss anzuführen, dass Jimenes bei
nahe in der Arena eines Stiergefechtes verunglückte, aber nichts
von dem Vertrage der beiden Könige zu Villafafila (27. Juni),
sondern nur von der letzten Begegnung der Könige zu Renedo
(5. Juli), welche mit dem Abzüge K. Ferdinands nach Aragon
endete, pag. 74 b. Jimenes ward jetzt Rathgeber K. Philipps, und
Gomez weiss zu berichten, dass es nur mit grosser Mühe und durch
List gelang, die Königin zu bewegen, in Valladolid einzuziehen
(1. September). Gomez berichtet ferner über die Thätigkeit des
Primas am königlichen Plofe, über den Streit des Marques von
Zeneta mit dem Grafen von Benavente, lässt den König am
9. September von Valladolid nach Burgos gehen, dort Jimenes
die Massregeln des Don Juan Manuel durchkreuzen und eine
Stellung einnehmen, die mehr und mehr diesen Staatsmann,
welcher, nachdem er wesentlichen Antheil an der Beseitigung
K. Ferdinands genommen, nun auch Castilien in seinem Interesse
auszubeuten für gut fand, auf eine bescheidene Linie zurück
drängte. Da erkrankte K. Philipp. Jimenes sandte ihm seinen
Arzt zu, der nun gewaltig über die Unwissenheit der belgischen
Aerzte donnerte, weil sie dem Könige bei einem linksseitigen
Abscesse nicht zur Ader Hessen! Wir besitzen aber auch den
genauen Bericht eines andern Arztes, des Dr. Parra (Docnm.
ineditos VIII, pag. 394), der von gewissen Flecken sprach, die
man Blattern nennt (unas manchicas pequenas entre coloradas
y negras ä que llaman nuestros doctores blattas). An diesen starb
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
205
der König, nachdem er zehn Tage krank gewesen, 28jährig,
am 25. September 1506 zu Burgos, im Palaste des Condestable
de Castilla, Schwiegersohnes Iv. Ferdinands.
Ich glaube hiermit die Verdienste und die Schwächen der
Lebensbeschreibung des Cardinais Jimenes sattsam hervorge
hoben zu haben.
Unter den gedruckten Briefsammlungen nimmt Le Glay,
Negociations diplomatiques entre la France et l’Autriche durant
les trente premihres anndes du XVI e sifecle, t. I., Paris 1845, 4.,
den ersten Rang ein. Von dieser so wichtigen Sammlung, der
ein sehr gründlich gehaltener Precis historique und lehrreiche bio
graphische Notizen vorangehen, gehören die Instructionen Philipps
für seinen Gesandten in Frankreich, Courteville, und die einschlä
gigen Briefe von den Jahren 1500—1506, sechzig Documente,
entweder unmittelbar zur Geschichte K. Philipps, oder beziehen
sich doch auf Verhandlungen mit seinem Vater Maximilian, denen
er nicht fremd war. Ein nicht unbeträchtlicher Theil enthält die
Correspondenz der königlichen Botschafter in Rom und an dem
Hofe zu Blois-Tours aus dem letzten Lebensjahre K. Philipps
und somit aus der Zeit, als K. Ludwig XII. alle mit Philipp
abgeschlossenen Verträge brach und sich auf das Innigste mit
K. Ferdinand verband, dieser eine Nichte des Königs von Frank
reich heiratete. Wenn man diese Briefe durchgeht, sieht man
erst, wie dürftig und unvollständig die Nachrichten der Schrift
steller im Gegensätze zu dem reichen factischen Inhalte sind,
den diese authentischen Correspondenzen bieten.
Le Glay hat nun im Precis historique pag. LXVII eine
Frage angeregt, deren Lösung, wie er sie versuchte, zu dem
Resultate führt, que si les soupjons que nous venons exprimer
etaient fondes, il en resulterait que Philippe d’Autriche dont
le caractere a semble jusqu’ici irreprochable, ne serait pas
etranger ä cette maneuvre deloyale et un accusation de faux
peserait des aujourd’hui sur sa memoire aussi bien que sur celle
de son pere, pag. LXIX.
Wir wollen nun hier nicht untersuchen, ob bei der Kette
von Treulosigkeiten Ludwigs XI., .Karls VHI., Ludwigs XII.,
Franz’ I., Heinrichs II. gegen die habsburgischen Fürsten irgend
ein Franzose das Recht hat, sich über eine Fälschung zu be
klagen, welche man sich von der Gegenseite erlaubt hätte, und
206
Hofier.
ganz unbekümmert um diese Frage die Sacke unparteiisch
erörtern. Es handelt sich um eine Aufzeichnung auf gewöhn
lichem Papier, wie Le Glay pag. 78 Note selbst erwähnt, sehr
verdächtig in Folge der Uncorrectkeit, wesentlich differirend
von dem Abdrucke des Investiturinstrumentes mit Mailand bei
Dumont, Corps diplomatique IV—I, partie 60, und wie Le Glay
selbst pag. LXAHII anführt, wird dem Bischöfe von Paris,
Etienne Pouches, der Taufname Anton, Frangois d’Estaing, Bi
schof von Rodez, der Taufname Jacques gegeben, endlich ein
Louis Robei’tet erwähnt, den Niemand kennt. Da aber die
maximilianischen Zeugen correct angegeben sind, so weist der
Entwurf wohl auf diese Seite hin, aber noch lange nicht, dass
K. Philipp denselben verfasste, und die ominöse Clausel, die
diesem Concepte eigen ist, dass, wenn mit Willen des Königs
und der Königin von Frankreich Prinz Charles ihre Tochter
nicht heiraten sollte, dann die Investitur mit Mailand ungiltig
sei, beweist deshalb noch lange nicht, dass der Entwurf an
genommen wurde, sondern nur, dass er mit seinen kaiserlich
gesinnten Zeugen ein Concept war, das, so weit Le Glay darüber
Aufschlüsse gewährt, nicht sich der Annahme erfreute; daraus
aber eine Unredlichkeit zu folgern und das Andenken eines
Fürsten, der wegen seiner Vertragstreue unter den Vertrags
brüchigen bekannt war, deshalb mit dem Vorwurfe eines unred
lichen Verfahrens zu belasten, ist jedenfalls zu weit gegangen. Aus
einem Berichte des venetianiscken Botschafters Vincenzo Quirino
aus Hagenau vom 3. April geht aber hervor, dass im Conseil
K. Maximilians sich eine grosse Verschiedenheit der Meinungen
circa le alteration de li capitoli primi ergab und somit sicher
verschiedene Entwürfe verfasst wurden. Warum soll nicht ein
oder der andere in französische Hände gekommen sein, da fran
zösisches Gold sich damals wie immer als sicherer Schlüssel zu
diplomatischen Geheimnissen erwiesen hat? Dafür, dass K. Phi
lipp sich eine Fälschung erlaubt habe, zeugt gar nichts von
dem, was Le Glay erwähnt. Für mich genügt daher vollkommen
die Note Le Glay’s pag. 78: cet acte (nr. XXII) dont nous
n’avons pas vu l’original offre plusieurs erreurs de noms; il
est surtout fort incorrect dans le manuscrit du roi. Nous le don-
nons ici, parcequ’il differe essentiellement de celui qu’a publid
Dumont. Du reste nous tenons ce diplome (?) pour suspect.
Quollen der Geschichte Philipps des Schönen.
207
Wir stimmen damit völlig überein und erlauben uns nur die Fol
gerung, dass, ehe nicht eine böswillige Fälschung evident nach
gewiesen wurde, Niemand das Recht hat, einen Fürsten als
Fälscher zu bezeichnen, dessen Redlichkeit ausser Zweifel steht.
Damit dürfte diese Sache abgethan sein; nicht aber, was
Le Glay entgangen ist, dass zu dem Acte der Investitur mit
Mailand am 5. April 1505 ein geheimer Vertrag hinzugefügt
wurde, den nach Mittheilungen des Bischofs von Triest, Francesco
Capello, Doctor Vincenzo Quirino am 8. April an die venetiani-
sche Signoria berichtete und der unter den Briefen Quirino’s
sich vorfindet. Ein eigener Courier wurde deshalb nach Venedig
gesandt. Dadurch tritt die Sache in ein von Le Glay’s An
klagen ganz unabhängiges Stadium. Uebrigens ist die Königin
Isabella nicht am 25. November 1504 gestorben (Le Glay, Precis
historique pag. LXIV), sondern am 26. November. König
Philipp ist in Hagenau nicht am 29. März 1505 eingetroffen
(pag. LXV), sondern nach dem Berichte Vincenzo Quirino’s,
welcher mit ihm einzog, am 31. März, und der Cardinal von
Amboise kam am 1. April nach Hagenau und nicht am 30. März.
Wenn nun in der K. Philipp zugeschriebenen Urkunde Un
genauigkeiten in Betreff französischer Namen Vorkommen sollen,
so geht das zunächst die Urkunde Maximilians vom 7. April
1505 (Negociations diplomatiques pag. XXII) an und würde
höchstens beweisen, dass man eben in der kaiserlichen Kanzlei
mit den Namen des zahlreichen Gefolges des Cardinais von
Rouen (Georg’s von Amboise) nicht genau bekannt war, keines
wegs aber Namen und Personen erfinden wollte. Das mag ge
nügen. Die späteren Actenstücke Le Glay’s enthalten die in
teressanten Berichte Courteville’s, Gesandten K. Philipps am
königlichen Hofe zu Blois im Sommer 1506, als K. Ludwig XII.
den Aufstand Karls von Geldern veranstaltete, denselben nährte,
seine Tochter Madame Claude, die Braut Herzog Karls, mit
Herzog Franz von Angouleme vermählte und sämmtliche des
halb abgeschlossene Verträge in der schnödesten Weise brach.
Leider besitzen wir weder die Schreiben K. Philipps an Courte-
ville, noch an seine Botschafter in Rom, Philibert Naturelli,
Propst von Utrecht, und Antonio de Acuna. Nach dem
ersten Schreiben Philiberts vom 12. April 1506 muss es übri
gens pag. 125 offenbar heissen: les citez del regno und nicht
208
Höfler.
de Remont. Die 23 Schreiben Courteville’s sind für das Ver-
hältniss der Könige Ludwig und Philipp und die mannhafte
Vertretung seiner Rechte gegen französische Intrigue und Ge
walt von Seiten des Letzteren von grösstem Interesse. Sie
ergänzen sich durch die Lettres du Roy Louis XII (Bruxelles
1712, 1), unter welchen sich auch das merkwürdige Schreiben
K. Philipps an den Cardinal von Rouen befindet, in welchem
er seiner gerechten Indignation gegen das schändliche Ver
fahren des französischen Cabinetes Luft macht, 24. Juli 1506.
Sein Vertreter in Rom warnte K. Philipp vor K. Ferdinand.
Indem aber dieser jetzt gegen Gonsalvo von Cordova, den Er
oberer Neapels sich erklärte, that er nur, was den Franzosen
angenehm war, — les Francois sollicitent merveilleusement son
partiment de Naples, pag. 121 — und zerstörte er selbst auch
in Italien das Werk, an welchem er so lange gearbeitet hatte.
Der Cardinal von Rouen war im Sommer 1506 ganz Aragonese
geworden, weil er dadurch sich den Weg zum Pontificate zu
bahnen hoffte. Unter den Urkunden Le Glay’s befindet sich
auch das Schreiben K. Philipps an Gonsalvo über die mariage
si vitupereulx K. Ferdinands (pag. 203), welche weder K. Maxi
milian noch sein Sohn zu überwinden vermochten. Von diesem
Augenblicke gab es eben keine Versöhnung mehr.
DieDispacci deloratoreVeneto Francesco Foscari(Nach
folger des magnifico M. Zacaria Contarini) all’ imperatore Maxi-
miliano I. nel 1496, Archivio storico italiano, t. VII, parte 2,
pag. 723—948, sind, wenn auch nur für einen kleinen Zeit
abschnitt der Geschichte des Erzherzogs, doch von grosser Be
deutung. Der römische König, wie alle Fürsten Mittel- und
Westeuropas, aufgescheucht durch die Gefahr einer französi
schen Oberherrschaft, beschloss, den Kriegszug K. Karls VIII.
von Frankreich nach Neapel 1494 durch einen Römerzug zu
beantworten, der die verschiedensten Fürsten in einen Bund
,pro pace Christianorum et liberatione s. ecclesiae a vexationi-
bus GallorunF vereine, ihm selbst in Rom die Kaiserkrone,
Italien seine Befreiung vom französischen Joche, für
die Franzosen aber den Verlust von Burgund und des arelati-
schen Reiches herbeiführen sollte. Die Reichsfürsten sollten sich
am 7. Juli in Feldkirch, am 2. August zum Reichstage in Lindau
versammeln, Erzherzog Philipp aber war aufgeboten worden, zu
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
209
seinem Vater nach Oherdeutschland und Tirol zu kommen,
wo Erzherzog Sigmund gestorben war. Die Vereinigung der
österreichischen Erblande war erfolgt und Philipp Herzog von
Burgund ihr dereinstiger Erbe.
Gerade über das, was jetzt vorging, fehlen uns genaue
Nachrichten, so dass wir den venetianischen Berichten dank
bar entgegensehen.
Heuter 1 berichtet, der Erzherzog sei, von seinem Vater
einberufen, gegen Ende April abgereist, am 1. Mai nach Mast
richt gekommen, von da am 29. Juni nach Wien, wo er mit
seinem Vater viele Tage in vertrauten Gesprächen zugebracht
(de archiduce in Regem Romanorum creando etc.), worauf Beide
zusammen nach Innsbruck gingen.
Wir erfahren nun aus Foscari, dass sein Vorgänger Za-
caria schon in Ulm sich von dem Erzherzoge verabschiedete
(pag. 732), Foscari am 16. Juni von Landsberg nach Augsburg
aufbrach, und zwar nachdem er mit dem römischen Könige
verkehrt, nach der Depesche pag. 728 aber am 17.; der Bot
schafter ging nach Augsburg, jedoch nicht mit K. Maximilian
(pag. 945), worauf am 20. Contarini die Heimreise antrat.
Am 22. Juni — nicht am 24., wie es pag. 945 heisst — kam
der Erzherzog von Ulm — nicht von Wien — mit stattlichem
Gefolge nach Augsburg, wobei alle Fürsten und Botschafter
ihm zwei Meilen entgegengeritten waren (pag. 731). Fosoari be
richtet, er sei heute (22. Juni) bei dem Erzherzoge gewesen,
wo er Monsignor di Berges (Monseigneur Jelian de Berghes)
und den nachher so viel genannten Propst von Lüttich, Franz
von Buxleiden, Erzieher und Vertrauten des Erzherzogs, und
viele andere Herren fand. Er überreichte dem Erzherzoge seine
Credentialen und suchte nachher den König auf. Dass der
Erzherzog am 24. Juni nach Augsburg kam, wie es pag. 945
heisst, ist schon deshalb falsch, weil sicher ist, dass Foscari
schon am 22. seine Anrede an ihn in Augsburg hielt. Am 24. Juni
reiste Philipp von Augsburg ab; an diesem Tage war der
römische König in Reuti auf dem Wege nach Innsbruck an
gekommen, expedirte daselbst den spanischen Gesandten und
ging über Cerli (Zirl) nach Innsbruck (pag. 736), wo er am
1 Rerum, austriacarum lib. V, cap. 4.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft.
14
210 HSfler.
27. Juni ankam, aber nur sechs Tage bleiben wollte (pag. 739).
Sein Ziel war Worms (Bormio), um mit dem Herzoge Ludovico
Moro (il Rustico, wie ihn Foscari nennt) zusammenzutreffen.
Am 28. Juni kam angeblich der Erzherzog nach Innsbruck,
ging aber schon am 3. Juli wieder fort (?), da im Kloster Stams
Exequien für den Erzherzog Sigmund gehalten werden sollten.
Am 5. Juli ging der König nach Stams und blieb den 6. und 7.
dort. Am letzteren Tage schreibt er von Flaurling an seine Räthe
wegen des Erzherzogs, der nach Mals gehen sollte, aber ihn
bereits gebeten hatte, ihn nach den Niederlanden ziehen zu
lassen, da seine Braut unterwegs war (Innsbrucker Archiv). Von
Foscari heisst es, da der König den Botschaftern schon wegen
der Schwierigkeiten des Fortkommens und der Verpflegung be
fohlen 'hatte, sie sollten zwei Tage nach ihm aufbrechen, so
sei er am 8. Juli von Innsbruck nach dem Oberinnthale auf
gebrochen, am 13. in Nauders auf der Höhe der Finstermünz
angekommen, am 16. in Marienberg bei Mals, am 17. traf er
in Mals mit dem Könige zusammen, am 20. kamen der Herzog
und die Herzogin von Mailand und fand (sotto un padiglione)
grosser Kriegsrath statt, am 21. ging der König nach Worms
(der Herzog auf die Jagd) und am 26. kam der König wieder
über das Wormserjoch nach Mals zurück (pag. 945, 946).
Es ist nun sehr sonderbar, dass Foscari, als er am 10. Juli
nach Imst kam — nachdem er Innsbruck bereits verlassen —
schreibt, der König habe den Erzherzog nach Mals befohlen,
seine Excellenz sei auch schon von Augsburg abgereist. Es
ist nicht eigenthümlicher, als wenn der König am 7. Juli seinen
Rathen aufträgt, sich zu dem Erzherzoge zu begeben, um ihn
zu bewegen, er möge sich auf die Reise zu seinem Vater
nach Füssen machen, wo Melchior von Massmünster, Jäger
meister in Flandern und Truchsess des Erzherzogs, den dieser
an seinen Vater wegen der Rückreise nach den Niederlanden
gesandt, seiner warten und ihn zum Könige bringen sollte.
Daraus geht denn doch hervor, dass der Erzherzog trotz der
Zusammenstellung der Daten (pag. 945) nicht, wie Heuter will,
in Wien, aber auch in Innsbruck Ende Juni nicht war, der
Vater ihn erst in Füssen sprechen wollte, dann, weil der Herzog
von Mailand kam, nach Mals aufbrach und den Erzherzog zu
bestimmen suchte, auch dahin zu kommen, dieser, wie auch
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
211
ein Schreiben Maximilians vom 18. Juli aus Nauders (citirt in
dem Schreiben des Tegen Fux und Jörg Puchler an den König,
bei Chmel, Urkunden nr. 113, vom 16. Juli) beweist, jetzt
wirklich den Weg nach Mals einschlug, aber nur bis Landeck
(24. Juli) kam, von wo er seinem Vater schrieb (Chmel, Urkunden
nr. 113, pag. 111): die Post von Mecheln bis Worms (Bormio)
sei eingerichtet. Der Herzog von Burgund kam somit weder
nach Wien, wie Heuterus sagt, noch nach Innsbruck, wie es in
der Recapitulation der chronologischen Daten (dispacci pag. 945)
heisst, sondern ging zweifelsohne über Landsberg, Füssen,
Reuti, Imst nach Landeck und von da, eines Fussleidens wegen,
nach Imst zurück.
Am 19. und 20. fanden den dispacci zufolge im Bene-
dictinerkloster zu Marienberg auf der Höhe bei Mals die Bot-
schafter-Conferenzen mit K. Maximilian und dem Herzoge von
Mailand statt, denen der Erzherzog nicht beiwohnte, nach deren
Beendigung aber Maximilian sich nach Bormio begab. Drei
spanische Gesandte waren bei ihm, von denen Don Antonio de
Fonseca das Unglück hatte, auf der Jagd bei Landers durch den
Sturz eines Pferdes das Bein zu brechen, so dass er zur Cur
nach Mals gebracht wurde. K. Ferdinand betrieb sehr den
Römerzug Maximilians, ohne jedoch selbst in den Vordergrund
treten zu wollen. Seine Tochter, die Braut Philipps, hatte bereits,
von einer Flotte begleitet, den Hafen von Laredo verlassen, und
der Prinz stand im vollen Rechte, wenn er von seinem Vater
die Erlaubniss zur Rückkehr verlangte. So schön aber auch die
Worte lauteten, es handle sich um die Befreiung Italiens, die
Wiederherstellung des Kaiserthums, Fernehaltung französischer
Despotie, der römische König hatte kein Geld (dispacci 14), die
Deutschen wollten keinen Antheil nehmen, weshalb Maximilian
nur von den bestiali Alemanni sprach, und die burgundischen
Käthe Philipps, welche wohl erkannten, welches Schicksal den
Niederlanden im Falle eines französischen Krieges drohe, wollten
schon gar nichts davon wissen, dass auch der Beherrscher der
Niederlande in den Krieg hineingezogen werde, und da ferner
der König erklärte, selbst sein Herzogthum Burgund daran zu
setzen, wenn nur die Franzosen gedemüthigt würden, so hatten sie
von ihrem Standpunkte aus ganz Recht, wenn sie dazu sich nicht
erboten. Die Politik Maximilians trennte sich jetzt von der seines
14*
212
Hofier.
Sohnes, und wenn die Käthe des Letzteren den Plänen des
römischen Königs nicht beipflichteten, ist kein Grund vorhanden,
ihnen deshalb Vorwürfe zu machen und sie als Söldlinge Frank
reichs hinzustellen.
Der Erzherzog war nach Imst zurück gegangen, und ein
Fussleiden, welches ihn daselbst zwischen Innsbruck und
Landeck im Oberinnthale — festhielt, veranlasste den römischen
König, sich in den letzten Tagen des Juli 1496 dahin zu ver
fügen, worauf am 2. und 3. August daselbst sehr eingehende
Berathungen stattfanden. Wir besitzen darüber die Berichte
des venetianischen Botschafters Francesco Foscari, welche um
so wichtiger sind, als damals auch eine spanische Gesandtschaft,
an ihrer Spitze Don Antonio de Fonseca nach Tirol gekommen
war. Nachdem die Zusammenkunft in Imst stattgefunden, be
richtet Foscari aus Nauders auf der Höhe von Finstermünz: La
regia Maesta che stando lo 111" 10 arciduca in Borgogna vedeva
le cose sue si pubbliche che private essere mal governate da
alcuni che erano appresso il detto arciduca e gli usurpano 1’ en-
trate e di quello stato disponevano a beneplacito de’ francesi,
10 ha fatto venire in Alemagna ed e per ritenervelo tanto
tempo quanto bisogna per rasettar quello stato. E gia ha ridotto
11 numero di trenta tesorieri che erano in un solo, dicendo
che servendo fidelmente saria perpetuo, e questo medesimo ha
fatto dei segretarii, e ha licenziato tutte quei gentiluo-
mini che intrattenevano in varii giuochi e piaceri diso-
nesti il detto arciduca. Insuper ha mandato in commissione
il preposto Leodiense (Franz von Buxleiden, Erzieher des
Prinzen, von welchem bei Lalaing die Rede ist) ed altri che
lo consigliavano e cercavano di ridurlo alle voglie francesi, per
modo che resta col solo Monsignor di Berges. 11. August 1496.
Auch Qurita spricht II, c. 22 von den Zerwürfnissen, die da
mals mit dem Propste von Lüttich stattgefunden hatten, und
dessen temporäre Entfernung veranlassten.
Man muss hierbei drei Momente unterscheiden. Maximilian,
welcher sich noch immer als den natürlichen Vormund Philipps
und den obersten Schutzherrn Burgunds ansah, suchte 1. der
Verschleuderung der öffentlichen Einkünfte zu steuern und
Ordnung in die Finanzen zu bringen; 2. seinen Sohn des ge
fährlichen Umganges zu entledigen; 3, und hauptsächlich die
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
213
französisch gesinnte Partei im burgundischen Staatsrathe zu
sprengen. Ich erwähne nur vorübergehend, dass damals die
Verschiedenheit der Interessen der Niederlande und des rö
mischen Königs grell zum Vorscheine kam, da die burgun
dischen Räthe von einer Betheiligung an einem Kriege in Italien
und gegen Frankreich so wenig wissen wollten als die deutschen
Fürsten, die Maximilian damals als ,bestie di Alemanni' (pag. 797)
zu bezeichnen pflegte. Wie später K. Ferdinand alle Castilianer,
die mit seinem Verfahren unzufrieden waren, als Ruhestörer
und schlechte Leute bezeichnete, die auf seinen Schwiegersohn
verderblichen Einfluss ausübten, waren für den römischen König
alle Niederländer und Burgunder, die nicht auf seiner Seite
standen, im Solde Frankreichs, was übrigens auch von mehr
als Einem vielleicht mit vollem Rechte gesagt werden konnte.
Worauf es aber bei dieser Erörterung zunächst ankommt, ist,
dass wir von einer sehr competenten Seite erfahren, dass auf
den jugendlichen Prinzen wirklich ein ungünstiger Einfluss aus
geübt wurde und eine Reform des Hofes wie des Staats
wesens dringendes Bedürfniss war, jedoch auch damit schon be
gonnen worden war.
Noch immer hielt Maximilian daran fest, dass Philipp
nach Lindau zum Reichstage gehe. Was aber den Römerzug
betraf, so erklärten sich alle Räthe des Erzherzogs entschieden
dagegen (pag. 795). Der römische König reiste dann am
4. August wieder ab, begleitet von dem Herrn von Berghes,
dein er die Regierung übergab.' Er ordnete dieselbe, schied aber
sehr ungehalten, indem er die Räthe und vor Allen den Propst
von Lüttich französischer Gesinnung beschuldigte (Bericht aus
Nauders vom 11. August 1495, nr. 26). Der Propst wurde selbst
auf vier Monate entfernt, und es ist, da später (1502) dem Herrn
von Berghes dasselbe in Spanien widerfuhr (Lorenzo de Padilla,
pag. 88), anzunehmen, dass zwischen beiden einflussreichen und
in ihrer Art ausgezeichneten Persönlichkeiten eine heftige Ri
valität obwaltete, der jetzt der Propst unterlag. 2 Der Kaiser
hatte starken Missbräuchen in der Verwaltung gesteuert, der
Erzherzog aber dann die IPeimreise angetreten. Als er am
' per modo che resta sol col Monsignor di Berges, pag. 805.
2 Jedoch nur für kurze Zeit.
214
Höfler.
24. August nacli Halle (in Schwaben) gekommen war, schrieb
er seinem Vater, 1 er habe dem Propst auf vier Monate Ur
laub gegeben und derselbe sei zu seinem grossen Kummer
heute abgereist, sowohl aus Liebe zu ihm, als weil er Niemanden
besitze, der die niederländischen Angelegenheiten besser kenne,
noch sich denselben fleissiger unterziehe. Er sei überzeugt,
dass der Verdruss (courous), welchen der König gegenwärtig
gegen den Propst hege, nur aus falschen Berichten von Per
sonen hervorgegangen sei, die ihn hassten, da er ihnen niemals
zum Nachtheile des Erzherzogs habe gefallen wollen. Der
König werde erkennen, dass dem so sei, wenn es ihm gefallen
werde, ihn zu hören. Er möge die guten Dienste würdigen,
welche der Propst eilf Jahre ohne Fehl geleistet habe, sowie
dass die Ungnade nur aus falschen Berichten hervorgegangen
sei. Der König möge ihn wieder in seine Gnade aufnehmen
und ihm die Diplome seiner Pension gefertigt schicken, wie er
es dem Herrn von Berghes und Gondebaut versprochen habe.
Da in nächster Zeit der Propst an den Hof zurückkehrte,
darf man annehmen, dass der König eine andere Ansicht ge
wann, wie er ihn auch zum Erzbischof von Besa^on erhob.
Damit dürfte aber auch die spätere Anklage Montigny’s stark
entkräftet werden. Als er nach Spanien kam, zeichneten ihn
K. Ferdinand und die Königin Isabella sehr aus und ernannten
ihn zum Bischof von Coria (Padilla, pag. 88). Anghiera und
Erasmus von Rotterdam in der Rede, die er nach der Rück
kehr des Prinzen hielt, haben sein Andenken sehr in Ehren ge
halten, wenn auch eine Partei, die deshalb nicht gering geschätzt
werden darf, ihm feindlich gegenüber stand. 2
1 Chmel, Urkunden nr. 119.
2 Die Berichte Gaspars de Lupian, den der König 1496 nach Spanien
sandte, seine Instruction (Chmel nr. 131) über den Abschluss der heil.
Liga, das memoire de par messire Ladron nr. 134, Lupian’s Bericht
aus Genua vom 31. October 1496, seines Caplans vom 6. November,
von Lupian (7. November), aus Burgos 9., 12. Januar 1497, Medina del
Campo vom 29. Juni und 20. August 1497 finden sich bei Chmel, Ur
kunden I. Nicht minder die Anweisung über den Empfang der In
fantin Erzherzogin (Donna Juana) nr. 132, und das Memoire ä maistre
Anthoine de Waudripont, Secretär des Erzherzogs über denselben Gegen
stand, nr. 133, pag. 137,
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
215
Wenn von Briefen und Depeschen jener Zeit die Bede
ist, so muss vor Allem des Materiales gedacht werden, das
das spanische Reichsarchiv in Simancas in sich schliesst. Die
Cartas de Felipe el Hermoso, welche daraus im achten
Bande der documentos ineditos publicirt wurden (vom 19. De-
cember 1504 bis 15. Mai 1506, pag. 270—384), sind ein höchst
werthvoller Beitrag zur Geschichte des Anschlusses der casti-
lianischen Granden an K. Philipp und beweisen, wie Unrecht
K. Ferdinand hatte, diese gegen ihn gerichtete Bewegung ge
ring zu schätzen. Genauer aber muss eine andere Collection
besprochen werden, die derselben Quelle entstammt und der
schon früher vorübergehend gedacht wurde.
Der eifrige Forscher im spanischen Reichsarchive zu Si
mancas, G. A. Bergenroth, hat sich, wie schon bemerkt, durch
Herausgabe des Calendar of letters, dispatches and state
papers relating to the negociations between England
and Spain, preserved in the archives at Simancas and
elsewhere, vol. I, Henry VII. 1485 — 1509, London 1862, ein
grosses und bleibendes Verdienst erworben. Er enthält neben
einer Einleitung von 146 Seiten Auszüge von 605 Urkunden aus
der Regierungszeit Heinrichs, des Begründers der blutigen Herr
schaft des Hauses Tudor, freilich, wie das in England Sitte ist,
nicht mit Beibehaltung des Originaltextes, der doch in so vielen
Fällen entscheidend ist, sondern in englischer Uebersetzung.
Die Briefe und Depeschen sind grösstentheils die diplomatische
Correspondenz des spanischen Botschafters am Hofe vonWindsor,
Dr. Puebla, einer sehr thätigen Persönlichkeit, welche aber,
je mehr man sie kennen lernt, desto mehr an Achtung ver
liert und zuletzt mehr Agent und Lobredner K. Heinrichs bei
den spanischen Königen Ferdinand und Isabella wurde, als
Botschafter der Letzteren. Da jedoch auch Don ! Pedro de
Ayala, ein Castilianer, und Don Fernando ducque de Estrada
mit Missionen am königlichen Hofe von England betraut wurden
und sein Treiben sehr genau kannten und schilderten, so
wurde seinem Unwesen wenigstens in Etwas ein Ziel gesetzt.
Die Instructionen, welche er theils von K. Ferdinand, theils
von der Königin Isabella, und zwar sehr ausführlich erhielt,
gewähren einen tiefen Einblick in die geraden und krummen
Pfade der spanischen Politik, bis endlich das Interesse sich
216
Hofier.
der Person der Braut und Gemahlin des ersten Prinzen von
Wales, Arthur, und dann des zweiten, des nachherigen Königs
Heinrich VIII., zuwendete. Gemahlin und doch Jungfrau, Braut
ihres Schwagers und von diesem durch geheime Urkunde zurück-
gestossen, von dem Vater schnöde verlassen, von ihm und dem
geizigen Schwiegervater, welcher sie als eine Geisel für das Be
nehmen Don Fernandos betrachtete und behandelte, dem bittersten
Elende preisgegeben, die moralische Erbärmlichkeit des Dr. Puebla
erkennend und doch genöthigt, ihre Anschauung von ihm zu
verbergen, machte die bejammernswürdige Prinzessin in früher
Jugend eine Schule des Lebens durch, die geeignet war, sie
für jene Bitterkeit vorzubereiten, welche ihr, als Königin von Eng
land stets erhaben über die Personen, die ihr ihr unverdientes #
Schicksal bereiteten, in so reichem Masse zu Theil wurde. 1
Ferdinand und Isabella, eher eifersüchtig gegen ihre Umgebung
als gewillt', sich von ihr leiten zu lassen, bedurften fähiger
Werkzeuge ihrer Politik, welche durch den König von Aragon
einen Grad von Unehrlichkeit, Lüge und Täuschung einnahm,
der nur durch die Treulosigkeit des französischen Cabinets
übertroffen wurde, das Ferdinand zu bemeistern glaubte, während
er ihm factisch 1506 durch seinen schlecht bemäntelten Hass
gegen seinen Schwiegersohn und seine lächerliche Heirat mit
der so tief unter ihm stehenden Germaine Gräfin von Foix
eine dominirende Stellung bereitete. Bergenroth hat in der Ein
leitung nach den publicirten Documenten den Charakter des
charakterlosen Botschafters, seine Lügenhaftigkeit, Bestechlich
keit und Niederträchtigkeit mit sehr schwarzen Farben, aber
durchaus wahr geschildert; da er aber K. Heinrich genehm war,
wurde er nicht abberufen und konnte sein Unwesen ruhig fort
treiben, selbst auf Kosten der Tochter K. Ferdinands.
So interessant es ist, Bergenroth zu folgen, wo er sich
auf seine Forschungen in Simancas, Barcelona und Paris stützt,
um den geheimen Fäden der englischen und spanischen Politik
nachzugehen, so wenig erfreulich ist es, zu bemerken, wie er
der vorgefassten Meinung in Betreff der Donna Juana huldigt,
1 ,1 was a chaste wife to my grave, — although unqueend, yet like
A Queen and daughter to a King, inten- me.‘
Shakespeare, ,King Henry VIII.‘ Act IV, Schluss.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
217
die er schon 1497 zu einer Freidenkerin macht. Es scheint
weit eher, dass sie an nichts dachte, als dass sie sich mit reli
giösen Fragen beschäftigte, und der Ausdruck des königlichen
Rathes Don Pedro de Anghiera, der sie so genau kannte, sie
sei eine femina simplex, nicht eine einfache, sondern eine ein
fältige Frau, scheint schon damals die richtige Bezeichnung
gewesen zu sein. Wenn ferner Bergenroth von einem Auf
enthalte K. Philipps und seiner Gemahlin in Spanien 1504 be
richtet, pag. CII, so ist dies ein grosser Irrthum, der ihn auch
noch verleitet, anzunehmen, dass Philipp damals den Vertrag
von Blois abschloss; nicht minder, dass er vor dem Tode der
Königin Isabella den Königstitel annahm. Richtig aber ist, dass
Philipp sich mit der Prinzessin Catharina von Wales, seiner
Schwägerin, auf dem besten Fusse erhielt, wodurch die Behaup
tung K. Ferdinands, Philipp habe immer seine Schwägerinnen
gehasst und sei Ursache des Elendes, das über die Prinzessin
von Wales durch die beispiellose Vernachlässigung von Seiten
Ferdinands und Heinrichs gekommen war (Cal. nr. 502), voll
ständig widerlegt wird. Dasjenige, was wir von den Bemühungen
Puebla’s erfahren, eine von der Prinzessin veranstaltete Zu
sammenkunft der Könige Heinrich und Philipp zu verhindern
(17. August 1505), beweist klar, dass ein übler Wille nicht
auf Seiten Philipps, sondern Ferdinands war, der in einem
eigenen Schreiben seinen Schwiegersohn bei K. Heinrich an
schwärzte, und dessen Botschafter Alles aufbot, Unfrieden
zwischen der Prinzessin von Wales und ihrem Schwager, dem
Könige, zu stiften. In Ränken aller Art war Puebla Meister
und deshalb seinem ränkesüchtigen Herren unentbehrlich.
In Bezug auf den Aufenthalt K. Philipps in England
stützt sich Bergenroth auf ein Cottonian Ms.: Narrative of the
reception of Philip, King of Castile, in England, das von einem
Zeitgenossen herrührt. Allein die Landung Philipps fand nicht
in Melcolmbe am 16. Januar, sondern in Hampton am 15. Ja
nuar statt. Wie es mit K. Philipps Aufenthalt in Windsor, wo
er den Gnadenbrief für seine treuen Piloten erliess, die ihm
das Leben gerettet (Docura. ineditos VIII, pag. 369), und an
seine Rätlie schrieb (Gachet IV, pag. 302) steht und dass erst
am 31. Januar die beiden Könige zusammenkamen, ist vorher
erörtert worden. Am 10. Januar kann somit auch die Königin
218
Hofier.
nicht in Windsor eingetroffen sein, wie die Narrative will, und
ebensowenig an diesem Tage auch gleich abgereist sein. Dass
sie aber wirklich im grössten Verdrusse mit ihrem Gemahle,
den sie in Belgien, in England, in Spanien prostituirte, gleich
wieder von dannen zog und den König allein liess, wissen wir
aus einem Briefe ihrer Schwester, der Prinzessin von Wales, an
sie vom 25. October 1507 (Cal. nr. 553). Am 10. Februar
schreibt K. Philipp an seine Schwägerin aus Windsor über den
Maestre Sala Comendador Alonso d’Esquival, und daraus geht
hervor, dass es nicht, wie es Cal. nr. 440 heisst, einen maestre-
sala und Alonso de Esquival gab, sondern Beide Eine Person
waren. Auch war K. Philipp nicht, wie es heisst, die übrige
Zeit in Rickmond, sondern am 1. März in Windsor, am 8. in
Redin (Reddich), am 10. März wieder in Windsor. Wenn
endlich die Narrative sagt: on the 15 (Februar) the King of
Castile profered unasked to yield for up Edmund Earl of
Suffolk to the King of England, so ist das doch, wie abgesehen
von allen Anderen Baco von Yerulam es sattsam ausführt,
eine schreiende Unwahrheit. Der Brief A. de Croy’s an K.
Maximilian vom 23. März 1506 sagt nicht nur, dass K. Philipp
has been urged so strongly by the King of England, that he
had decided to deliver up Suffolk in his hands, sondern auch:
he had not done so however until the King of England had
given him a solemn promise in writing sealed with his seal,
that Suffolk should receive a full pardon for all his past
offences and not be exposed to persecution during the whole
remainder of his life. (Cal. nr. 456, Original bei Chmel,
nr. 189.)
Wir müssen noch einen wichtigen Punkt rügen. Bergen-
roth theilt unter dem 16. December 1506 ein Document mit,
durch welches, wie er sagt, bewiesen wird, dass K. Ferdinand
die Räthe K. Philipps bestochen habe, unter ihnen Don Juan
Manuel und (den kaiserlichen Botschafter) Andrea del Burgo.
Freilich kamen Bergenroth Bedenken in Bezug auf den Ort
der Ausstellung, wie in Betreff des Datums, an dem Factum
aber hielt er fest. Wäre der sonst verdienstvolle Mann mit der
spanischen Geschichte etwas vertrauter gewesen, so hätte ihn
gerade der Ausstellungsort Salamanca, wo K. Ferdinand am
24. November 1505 den berühmten Dreikönigsvertrag mit den
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
219
Abgesandten K. Philipps und K. Maximilians abschloss, auf
die rechte Fährte bringen müssen. Wir wissen auch aus einer
anderen Quelle (Quirino), dass K. Ferdinand den mit Abschluss
des Vertrages beschäftigten Diplomaten Dotationen gewährte. 1
Darauf bezieht sich die Urkunde, deren Ausstellungsort und
das Datum — nur nicht des Jahres ganz richtig sind. Hierbei
muss aber Eines erwähnt werden: dass die Unterhändler K.
Philipps wie K. Maximilians jenen Vertrag nur unter der
Voraussetzung abschlossen, es werde dadurch die Heirat K.
Ferdinands nicht zu Stande kommen. Man bestärkte sie in
dem Glauben und benützte sie, um wieder zu erlangen, was
man am Todestage der Königin Isabella freiwillig aufgegeben
hatte.
Der letzte König Spaniens aus echtem spanischen Ge-
schlechte und der erste König Englands aus dem wallisischen
Hause der Tudor waren einander verwandte Naturen. Beide
waren in ähnlicher Weise durch einen Bürgerkrieg, den sie
glücklich beendeten, zu ihrer Macht gekommen: Heinrich, in
dem er Richard III. aus dem Hause York besiegte, Ferdinand,
indem er die Portugiesen aus Castilien jagte und die Tochter
K. Heinrichs IV. zu Gunsten Donna Isabels um den Thron ihres
Vaters brachte. Beide stützten ihren Rechtstitel auf ihre Frauen,
Ferdinand als König von Castilien, das er fünf Jahre früher
wurde, ehe er (1479) König von Aragon wurde, auf Isabella,
Heinrich VI. auf die Hand der Elisabeth, Tochter K. Eduards IV.,
den die Königin Isabella hasste, weil er ihre Hand verschmäht
hatte.' 2 Heinrich hatte beständig mit Yorkischen Prätendenten
zu kämpfen und durfte deshalb nie die Gefahr ausser Acht
lassen, durch einen unglücklichen auswärtigen Krieg seiner
Krone verlustig zu gehen. Ferdinand hatte beständig mit der
Existenz der Beltraneja, der senora excelente, zu rechnen, die
in Portugal eine Heimat gefunden, weshalb er in Verfolgung
seiner politischen Pläne stets auf das westliche Königreich
Rücksicht nehmen musste. Beide Könige waren durch die in
ihren Tagen in vollem Glanz dastehende französische Gross
macht in allen ihren politischen Entwürfen eingeengt. Nie ver-
1 R. Brown, nr. 873, 4. April 1506.
2 Gairdner.
220
H öfl er.
gass man in England, dass Frankreich diesem seine continen-
talen Provinzen bis auf Calais entrissen, und der Name eines
Königs von Frankreich, den der englische König führte, sinn
los geworden war. Mit vollem Rechte sagte sich aber K. Hein
rich, so oft ihn K. Ferdinand zum Kriege drängte, ein Krieg
mit Frankreich sei für ihn ein Krieg auf Leben und Tod und
könne nur unternommen werden, wenn er Alles daran zu setzen
bereit sei. Eben deshalb unterliess er ihn. In Spanien wusste
man nicht minder, dass Frankreich auch über aragonesiscb.es
Besitzthum zu seiner Grösse emporgewachsen war, das ehe
malige Königreich der Balearen, Roussillon und Cerdaigne, und
jetzt das aragonesische Neapel zu erobern gedenke, um durch
den Besitz Italiens die Kaiserkrone, eine dominirende Stellung
in Rom, die Herrschaft in Europa zu gewinnen. Den Franzosen
auf diesem Wege Schwierigkeiten zu bereiten, war das conse-
quent verfolgte Ziel K. Ferdinands; alle Consequenz hinderte
ihn aber nicht, wenn sich auf diesem Wege durch vorüber
gehenden Anschluss an die Franzosen territoriale Vortheile er
reichen liessen, diese mitzunehmen und dann den Kampf aufs
Neue zu unternehmen, wobei er auf die von ihm und der
Königin Isabella eingeleitete Familienpolitik mit den Häusern
Burgund - Habsburg, Tudor und Portugal rechnete. Beide
Könige, Heinrich VII. und Ferdinand wetteiferten als aus
gezeichnete Finanzmänner. Niemand wusste den Werth des
Geldes mehr zu schätzen als Beide, die, wenn sie nicht von
fürstlicher Geburt gewesen wären, entweder Banquiers oder
Jäger — ihrer Natur nach geworden wären. Der König von
Aragon und Castilien sah das letztere (dreifache) Königreich
als seine Domäne an, die er finanziell ausnützte und nament
lich zur Eroberung von Neapel gebrauchte, das nicht mit Ca
stilien, sondern mit Aragon vereinigt wurde. Der König von
England vergnügte sich, wenn er von eigentlichen Regierungs
geschäften sich frei gemacht hatte, seine Ausgaben (und Ein
nahmen) selbst aufzuzeichnen. Puebla sagt (25. Juli 1498),
K. Heinrich sei nicht so reich, als man glaube, liebe es aber,
dass man ihn für reich halte, obwohl sein Einkommen sowohl
vom Landbesitze als von den Zöllen täglich abnehme. Das
letztere, theils weil der Handel stocke, theils wegen der Zölle,
die der König erhöhe. Der Hauptgrund, meint aber Doctor
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
221
Puebla, bestehe in der. fortschreitenden Verarmung des Volkes
durch die hohen Steuern. Der König selbst habe ihm gesagt,
er beabsichtige seine Unterthanen herabzudrücken, weil Reich-
tkuin übermüthig mache. Aber auch die Einkünfte der könig
lichen Domänen minderten sich, da die Lords sie administrirten.
Im darauffolgenden Jahre heisst es (26. März 1499), des Königs
Reichtliümer mehren sich jeden Tag. Ich meine, er habe in
dieser Beziehung seines Gleichen nicht. Wenn ein Goldstück
in seine Büchsen gerieth, kommt es nicht mehr zum Vorschein;
er bezahlt aber nur in herabgewürdigter Münze. Das Parlament
gewährt ihm, diesem Uebelstande zu steuern, 300.000 Kronen;
er gewinnt bei jeder Mark Silber sieben Realen. Wie er, sind
seine Diener, die eine wunderbare Geschicklichkeit besitzen,
anderer Leute Geld zu gewinnen. Den ganzen Hofhalt für
sich, die Königin, die königliche! Kinder, den geheimen Rath,
die Legaten, Kirche, Jagden, bestreitet er mit 100.000 Scudi
jährlich. In einer Beziehung übertraf ihn K. Ferdinand, indem
er die ausserordentlichen kirchlichen Einkünfte aus Kreuzzug-
und Indulgenzbullen zum Theile in seine Casse leitete und die
Inquisition schuf. K. Heinrich hätte sehr gerne die Könige
von Frankreich nachgeahmt und sich zum absoluten Monarchen
erschwungen. Doch dazu war die Zeit nicht reif, die Nach
wirkungen des grossen Bürgerkrieges der königlichen Linien
noch zu heftig; erst sein Sohn Heinrich VIII. konnte mit Hilfe
der kirchlichen Wirren dieses Ziel des Hauses Tudor erreichen.
Ferdinand, der mit Hilfe des Adels den Thron von Castilien
errungen, verwandte seine ganze Sorgfalt darauf, den hohen
Adel einerseits mit gefälligen Worten, immer heiterer Miene
zu umstricken, andererseits ihm so viel als möglich zu ent
ziehen, um die abhanden gekommenen Domänen wieder zu er
langen. Ein Grund des Hasses gegen K. Philipp, den er über
das Grab hinüber getragen, bestand darin, dass dieser sich
dem castilianischen Adel zuwandte, welcher von der drückenden
Regierung des Königs von Aragon nichts wissen wollte. Auch
K. Heinrich verstand sich sehr wohl auf Spässe und Freund-
' lichkeiten. Beide Könige ähnelten einander auch äusserlich;
rothwangig und freundlich, wussten sie ihre tiefe Falschheit
durch gewinnende Redensarten zu bedecken. Der Tod der
Königin Elisabeth und der Königin Donna Isabel brachte Beide
222
Höf ler.
zu Bewerbungen, die bei K. Heinrich an Intensität Zunahmen,
je näher das Ende seines Lebens rückte, aber doch kein prak
tisches Resultat hatten. Die jungfräuliche Witwe seines älte
sten Sohnes Herzog Arthur, die jüngere Königin von Neapel,
die Eine Ferdinands Tochter, die Andere Ferdinands Nichte,
die Witwe Don Juans von Aragon und nachher des Herzogs
Philibert von Savoyen, die Prinzessin Margareth (Tochter K.
Maximilians und Schwester K. Philipps), endlich des Letzteren
Witwe, K. Ferdinands wahnsinnige Tochter waren die Ziele
seiner ehelichen Wünsche. Machte sich K. Heinrich lächerlich,
als er sich fruchtlos ixm so viele Bräute bewarb, so machte
sich K. Ferdinand verächtlich, als er schon im Jahre 1505,
wenige Monate nach dem Tode Isabellens, sich um die Hand
der unbedeutenden Nichte K. Ludwigs XII. — bruta e zota
nennt sie der Yenetianer — bewarb und Germaine Gräfin von
Foix wirklich in Duenas, wo er sich mit der Königin Donna
Isabella vermählte, am 18. März 1506, während K. Philipp in
England bei Iv. Heinrich weilte, Ferdinands Gemahlin wurde.
Ein eigenthümliches Nachspiel führten aber beide Könige auf,
als K. Ferdinand — offenbar auch in Folge seiner zweiten
Heirat und der damit, sowie für den Krieg in Neapel verwen
deten Ausgaben — die Mitgift seiner Tochter, der Prinzessin
von Wales, nicht bezahlte, die Heirath mit ihrem Schwager
und nachherigen Gemahl, den Prinzen Heinrich, sich hinaus
schob, sie von ihrem Schwiegervater auf das Unwürdigste be
handelt, von ihrem Vater geradezu dem Elende preisgegeben
wurde. Diese Episode im Leben Beider charakterisirt durch
ihren Schmutz die beiden Könige in gleicher Weise,
Unmittelbar nach dem Tode des Prinzen Arthur bevollmäch
tigten K. Ferdinand und Donna Isabella den Don Ferdinand
Herzog von Estrada, die Werbung in Betreff ihrer Vermählung mit
dem Prinzen Heinrich vorzunehmen, 10. Mai 1502. Sie selbst
erhielt schon im Mai den Rath, Geld zu leihen zu nehmen, weil
K. Heinrich seine Verpflichtungen gegen sie nicht zu erfüllen
gedenke (Cal. nr. 325). Er hielt ihr die Mitgift (marriage portion,
Cal. nr. 323) zurück, die sich auf 100.000 Kronen belief (Cal. '
nr. 342), und liess sie ebensowenig nach Spanien zurückkehren,
was die Königin Isabella so sehr betrieb (Cal. nr. 343). Schon
am 11. November 1503 fand die Königin das Benehmen K. Hein-
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
223
richs aller Wahrheit, Rechtschaffenheit, Recht und Vernunft haar
(Cal. nr. 359) und bestand auf Rücksendung der Prinzessin;
sein Verfahren gegen diese sei höchst barbarisch und unehrlich
(Cal. nr. 360). Am 23. Juni erfolgte sodann der spanisch-eng
lische Vertrag wegen Vermählung der Prinzessin mit ihrem
Schwager Heinrich (Cal. nr. 364), wobei gesagt war, dass die
frühere Ehe consumirt worden war, was K. Ferdinand am
23. August 1503 widerrief. Es sei in England wohl bekannt,
dass die Prinzessin (Witwe) Jungfrau sei (Cal. nr. 370). Die
Königin ratiticirte in Segovia am 30. September 1504 den Rich-
monder Vertrag vom 23. Juni (Cal. nr. 378). Kaum war aber der
neue Bräutigam volljährig geworden, als er am 27. Juni 1505
den während seiner Minorität geschlossenen Ehevertrag für null
und nichtig erklärte (Cal. nr. 435). Von dieser Zeit an beginnt
der eigentliche Jammer der Prinzessin. Sie hat kein Geld, die
Spanierinnen auszusteuern, die mit ihr nach England gegangen
waren (Cal. nr. 446). Am 2. December 1505 schreibt sie ihrem
Vater, sie habe seit ihrer Ankunft in England keinen Maravedi
empfangen, ausgenommen für ihren Unterhalt. Ihre Dienerinnen
könnten sich keine Kleider kaufen, sie habe aus Verdruss ihre
Gesundheit verloren. Die Schreiben Puebla’s seien voll Lügen
und Verleumdung (15. December, nr. 449). Noch während K. Phi
lipp in England war, schrieb die Prinzessin ihrem Vater, welcher
ihr seine zweite Heirat als im Interesse des Friedens abge
schlossen dargestellt hatte (Cal. nr. 449), und stellte ihm vor,
ihr Gefolge sei im Begriff Almosen zu begehren und sie selbst
von Allem entblösst 1 (22. April 1506, nr. 459). Die nächsten
Schreiben melden ihre Erkrankung; dann beschuldigt K. Fer
dinand seinen verstorbenen Schwiegersohn, dass er Schuld an
ihrem Missgeschick sei (Cal. nr. 502). Er selbst thut aber nichts,
ihr heizustehen, so sehr sie auch dessen bedürftig war (Cal.
nr. 506); im Gegentlieil, K. Ferdinand verlangt erst noch Fristen
wegen Bezahlung der noch ausständigen Mitgift, worauf Heinrich
sehr ungern eingeht, nun aber sich um die Hand der Donna
Juana bewirbt (Cal. nr. 511).- K. Ferdinand kam dadurch in
Verlegenheit, da Donna Juana noch immer mit der Leiche
ihres Gemahls herumzog. Am 15. April 1507 schreibt die
1 herseif all but naked.
2 whether she be sane or insane.
224
Hofier.
Prinzessin von Wales ihrem Vater, sie sei genöthigt, ihr Silber
zeug, das ohnehin nicht mehr vollzählig sei, zu veräussern;
ihre Leute hätten keine Schuhe und lebten im Elend. Seit
dem sie in England sei, lebe sie in Dürftigkeit und Elend.
K. Heinrich erklärte ihr offen, er fühle weder sich noch den
Prinzen von Wales ihr gegenüber gebunden, da die Mitgift
nicht bezahlt worden sei (Cal. nr. 514, 15. April 1507). In
vier Monaten hatte sie den Prinzen Heinrich, ihren Ver
lobten, nicht gesehen (nr. 412). Die Prinzessin konnte nicht
einmal den Courier bezahlen, den ihr Vater ihr sandte. K. Hein
rich gewährte endlich dem K. Ferdinand eine neue Frist zur
Abzahlung (Cal. nr. 520), und dieser versprach, wenn Donna
Juana wieder heirate, soll es nur K. Heinrich sein, der sie
erhalte; aber in seiner Abwesenheit könne Niemand mit ihr da
von reden (Cal. nr. 523). K. Philipp sei sein Feind gewesen,
aber Heinrich würde sein ihn liebender Sohn werden! End
lich hatte K. Ferdinand seiner Tochter etwas Held geschickt;
sie erklärte dafür, sie habe ihm nie den ganzen Umfang ihres
Elendes geschrieben. Sie sei schlechter behandelt .worden als
irgend eine Frau in England und bezeichnet selbst als die Haupt-
ursache ihrer Leiden, dass der spanische Botschafter nicht mit
den gehörigen Subsistenzmitteln ausgerüstet war (5. August 1507,
Cal. nr. 532). K. Ferdinand verlangte jetzt wieder eine Frist
zur Heimzahlung der Mitgift, und Heinrich gewährte sie wieder
auf sechs Monate. Am 6. September schreibt der maestresala
der Prinzessin an den König, er müsse seine Kleider ver
äussern, die Diener der Prinzessin lebten in grösster Armuth
(Cal. nr. 539). Am 7. September bittet die Prinzessin ihren
Vater, dem nicht zu glauben, was Dr. Puebla schreibe, der
mehr Vasall des Königs von England als Diener K. Ferdinands
sei und auf Geheiss loben müsse. Seit sie 2000 Ducaten von ihm
erhalten, wisse sie nicht, wen sie zuerst bezahlen solle. Sie
habe ihr Silber ausgelöst, kleine Schulden bezahlt, es blieb
nichts für die Diener und Frauen (Cal. nr. 541). Fortwährend
drängte K. Heinrich, Gemahl der Donna Juana zu werden.
Puebla versichert, er würde ein besserer Sohn sein, als der
Erzherzog war (Cal. nr. 531). Jetzt endlich wies K. Heinrich 200
Ducaten für die Hausoffiziere der Prinzessin an (Cal. nr. 545).
Catharina hatte jetzt auch Chiffriren gelernt, nicht minder sich
■
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
225
vor Puebla zu verstellen, den sie in einem ausgedehnten Schreiben
wieder als Ursache ihres Unglücks bezeichnet (4. October 1507,
Cal. nr. 551). Am 25. October schrieb sie, offenbar im Aufträge
des Königs von England an ihre Schwester Donna Juana, um
derselben mitzutheilen, wie sehr Heinrich sie verehre. Es war
die Einleitung zur Werbung um ihre Hand (Cal. nr. 553). Dann
folgt noch ein undatirter Brief K. Ferdinands an Dr. Puebla,
dass, wenn die Mitgift bezahlt sei, sogleich die Vermählung des
Prinzen und der Prinzessin von Wales stattfinden müsse, so
wie dass Donna Juana nicht früher eine Erklärung in Betreff
der Werbung K. Heinrichs geben wolle, so lange nicht K. Phi
lipp begraben sei (Cal. nr. 577). Mehr konnte auch später
(Cal. nr. 586, Juli '? 1508) aus ihr nicht herausgebracht werden.
Ihr Zustand könne nicht mit Worten beschrieben werden. Es
war nicht möglich, sie dazu zu bringen, K. Philipp bestatten
zu lassen. Ihr offen entgegen zu treten, würde ihre Gesundheit
völlig ruiniren. Dazu kam eine Erklärung des Königs gegen
Heinrich Vn., als Membrilla ihm schrieb, dieser werde die
Prinzessin zurückschicken, er werde ihm einen ärgeren Krieg
machen als dem Türken; er müsse sein Wort halten, oder
die Welt möge zu Grunde gehen. Der Brief Ferdinands von
7. August 1508, Cal. nr. 588, ergeht sich in den stärksten Aus
drücken über das Benehmen Heinrichs gegen ihn und seine
beiden Töchter. 1 Er wolle mit ihm weder Freundschaft noch
Bruderschaft pflegen. Die Prinzessin aber schrieb ihrem Vater,
ihr Leben werde mehr und mehr unerträglich; sie könne diesen
Zustand nicht länger aushalten, sie wisse nicht, wovon sie leben
solle, da der König sich weigerte, ihr oder den Ihrigen Lebens
mittel reichen zu lassen. Sie sei in einem Zustande der Ver
zweiflung (9. März 1509, Cal. nr. 604), ein Ausdruck, der sich
in noch stärkerer Weise in ihrem Briefe vom 20. März 1509 vor
findet (Bergenroth, Suppl. pag. XX). Am 22. April 1509 starb
K. Heinrich VII. und sechs Wochen später, am 11. Juni,' 2 wurde
Catharina GemahlinK. Heinrichs VIII., bisher Prinzen von Wales. 3
1 has shown extreme covetousness, pag. 461.
2 Carvajal.
3 Schon 1510 gab es wegen einer Schwester des Herzogs von Buckingham
einen Streit zwischen den beiden Gatten, der seine Schatten weithin
warf. Suppl. Queen Catharina, Depesche vom 29. Mai 1510.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 15
226 fiöfler.
Es cbarakterisirt scliliesslicli beide Fürsten, dass sie in
grösster Feindschaft schieden, nachdem Heinrich sich um
Ferdinands wahnsinnige Tochter beworben und dieser sich
wieder der französischen Seite zugeneigt, der Tochter jedoch
Tordesillas zum ständigen Aufenthalte angewiesen hatte. 1 Er
that dasselbe, was er K. Philipp so sehr verübelte, dass er sich
in Castilien so Ruhe zu verschaffen suchte. Dieses aber war zu
einer Zeit, als man sagte, es gebe in Paris keinen grösseren Fran
zosen als den König von Aragon (Schreiben des Prevost of Cassel,
Abgesandten der Prinzessin Margareth an K. Heinrich VII.,
Gairdner I, pag. 360), und diese zugleich befürchtete, que le roy
Dengleterre se joindra avec le roy de France entierement a
notre destruction. — Le roy Dengleterre a toutjours espie la
fortune et ne vouldroit que eussions le pays de Gheldres
(1. c. pag. 366). Es ist von Wichtigkeit, K. Ferdinands Benehmen
gegen die eigene Tochter kennen zu lernen, um sich nicht
durch die schönen Redensarten täuschen zu lassen, die er in
den Schreiben an seinen Schwiegersohn gebrauchte, während
er, wo er konnte, ihn herabsetzte und betrog.
Es ist hier nothwendig, auch den obenerwähnten Gairdner,
Letters and papers illustrative of thereigne of Richard III. and
Henry VII., vol. I, 1861; vol. II, 1863 zu besprechen. Die
Briefe enthalten mehrere auf K. Philipp bezügliche Documente,
sehr viele, welche sich auf die Brüder white Rose, Edmund und
Richard von Suffolk beziehen, mit denen sich auch die Vorrede
des I. Bandes beschäftigt, und im zweiten Bande eine sehr
1 Donna Juana blieb nach dem Tode K. Philipps (25. September 1506)
bis zum 20. December in Burgos, dann ging sie nach Torquemada, wo
sie vom 23. December 1506 bis Mitte April 1507 blieb und am 14. Jan.
die Infantin Catalina gebar. Dann ging sie nach Hornillos, wohin am
26. Juli auch der vierjährige Infant Don Fernando gebracht wurde, seine
Mutter zu sehen. Hierauf ging Donna Juana nach Arcos, wo sie ihr
Vater von Burgos aus Anfangs 1508 besuchte, dann ging er im Juli nach
Valladolid, nach Mahamud, wo er fünf oder sechs Tage auf die Königin
wartete, ging dann nach Arcos zurück und nahm den Infanten Don
Fernando zu sich. Im Februar 1509 kam er wieder nach Arcos und
brachte im März desselben Jahres die Königin Donna Juana nach Tor
desillas, wo sie bis zum 12. April 1555 blieb, an welchem Tage in
Gegenwart ihrer Enkelin Donna Juana sie ihr qualvolles Leben endete.
Siehe in Betreff der Daten Lorenzo Galindez de Carvajal.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
227
interessante Correspondenz des gelehrten Königs James IV.
of Scotland, unter Anderen auch mit K. Philipp, endlich im
Appendice II auch spanische Briefe K. Philipps, die aber dem
VIII. Bande der Documentos ineditos entnommen sind. Leider
ist ein grosser Theil der veröffentlichten Briefe nur in sehr
lückenhafter Gestalt auf uns gekommen. Wir lernen das ganze
Gefolge K. Heinrichs VII. und des Erzherzogs bei ihrer Zu
sammenkunft vor Calais 1500 kennen (II, pag. 87), ein im
Namen Philipps (dostrice duc de Bourgogne) ausgefertigtes
Schreiben an K. Richard III. vom 30. Juli 1483 (I, nr. 8), eine
Erklärung der Königin Isabella von Castilien, welche sehr auf
gebracht war, dass K. Eduard IV. aus dem Hause York nicht
sie heiratete, sondern a wedowe of England, for the wich cause
alsowas morteile werfe betwint him and the erle of Warre-
wyk (I, pag. 32, Schreiben K. Heinrichs VII. an K. Philipp).
Da die Königin Donna Juana unendlich schwer zum Schreiben
zu bringen war, erweckt ein Schreiben derselben an Emanuel
King of Portugal, Valladolid, 5. April 1506 (II, pag. 150) um
so grösseres Interesse. Allein die Königin Donna Juana befand
sich am 5. April 1506 nicht in Valladolid, sondern in England,
und wir wissen sehr genau, dass sie sich in der Charwoche,
5.—11. April, einschloss und mit Niemandem verkehrte. Noch
mehr; die Königin Donna Juana hat sicher den Gemahl ihrer
Schwester Donna Maria, Emanuel von Portugal, nicht nuestro
muy caro y amado fijo genannt. Letzteres beweist hinlänglich,
dass nur Emanuels Schwiegermutter Donna Isabel den Brief
geschrieben haben kann, aber nicht im Jahre 1506, wo sie längst
todt war, sondern viel früher, da sie auch in den letzten
Jahren ihres Lebens (f 26. November 1504) nicht nach Valla
dolid kam. Darnach ist Gairdner zu berichtigen.
Der vorliegende erste Band der Materials for a history of the
reign of Henry VII, edited by Rev. William Campbell, London
1873, beschäftigt sich nur mit den Jahren 1483—1486, und so
interessant diese kurze Zeit ist, um aus den Urkunden zu er
sehen, wie Heinrich Graf von Richmond es anfasst, das auf
Bosworth Field blutig errungene Königthum zu behaupten
und das Haus Plantagenet durch ein fremdes zu ersetzen, jeden
zum Thron näher Berechtigten als einen Rebellen und Ein
dringling zu behandeln, was er selbst war, so steht das doch
15*
228
Hofier.
mit den Endzwecken, die wir liier verfolgen, nicht in näherer
Beziehung. Interessant ist, dass der zweite Josua, wie der
Kanzler von England, John Albert, Bischof von Winchester,
den Abkömmling Owen Tudor’s am 7. November 1485 nannte,
die Parlamentsacte gegen Heinrich VI., dessen Gemahlin und
Sohn, sowie die gegen Elisabeth, Gemahlin Eduards IV., an-
nullirte, Richard III. nur als factischen König anerkannte und
am 27. März 1486 vom Papste Innocenz VIII. eine vollständige
Confirmation seiner und seiner Nachkommen (von der Prinzessin
Elisabeth) Anrechte auf den Thron erlangte; ja es ward die
Excommunication schon im Voraus gegen Alle — etiam si du-
cali aut majori praefulgant dignitate — ausgesprochen, welche
Unruhen gegen dieses neue Königsthum erregen würden (I,
pag. 395). Der römische Stuhl band sich, wie so oft, auch
diesmal die Ruthe, die ihn später traf. Nannte sich der neue
König by the grace of god, King of England and of France
and lord of Irland, so sprach die päpstliche Bulle von ihm doch
nur als von einem Angliae rex illustris. Defensor fidei, das
Gegenstück zu Ferdinands Titel, el catolico, wurde erst Hein
rich VIII. kurz vor dem Thorschlusse der alten Zeit zu Theil.
Ich muss hier noch einer Thatsache von allgemeinem In
teresse gedenken. Navarete hat einen Brief des grossen Ad
mirals Christoforo Colon an K. Philipp und die Königin Donna
Juana bekannt gemacht, 1 den sein Bruder der Adelantado den
Hoheiten, überreichen sollte. Er bedauert darin, dass es ihm
nicht möglich war, die königlichen Personen selbst über das
Meer nach Spanien zu führen, und betheuert seine grosse Er
gebenheit. An diesen Brief knüpft Alexander von Humboldt
die Bemerkung an, er hätte der Königin während ihrer Reise
von Coruna nach Laredo übergeben werden sollen (Kritische
Untersuchungen II, Seite 543). Diese Reise fand jedoch nicht
statt und kein Mensch dachte daran, sie zu unternehmen. Nach
Peschei aber (Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen,
Seite 392) habe Diego Colon ,bei dem österreichischen
Monarchen 1 eine üble Aufnahme gefunden. Es ist erstens gar
nicht sichergestellt, ob der Adelantado Diego bei Lebzeiten Chri-
stoforo’s den Brief dem Könige übergab, der, ehe er nicht seine
1 Coleccion de los viages y descubrimientos t. III, nr. 62, pag. 530.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
229
Regierung geordnet hatte, sich mit den Angelegenheiten des
Admirals um so weniger beschäftigen konnte, als K. Ferdinand
einen grossen Theil der Einkünfte von Indien bezog, und wenn
dieser später dem Don Diego, Sohn des Admirals, sein Be
dauern darüber ausdrückte, ,dass man mit Euch in Castilien
nicht gut umging', so verstand es Don Fernando meisterhaft,
die eigene Schuld auf fremde Schultern zu werfen. A. v. Hum
boldt hat daher Recht, wenn er sagt, Ferdinand habe nur sich
selbst Vorwürfe machen dürfen. Was aber die Bezeichnung
Philipps als österreichischer Monarch betrifft, so hatte der Erz
herzog von Oesterreich so wenig mit Colon zu thun als Colon
mit ihm. Der Admiral wandte sich an den König von Castilien,
Don Felipe, und an Donna Juana, aber nicht mit Anforderungen,
sondern mit Ergebenheitsbezeugungen. König von Castilien
war aber bis zum 27. Juni 1506 1 factisch nicht der Erzherzog-
Herzog von Burgund, sondern K. Ferdinand, und an diesen
musste sich Colon wenden, wenn er. rechtliche Anforderungen
zu stellen hatte. Colon selbst aber starb am 20. Mai 1506, also
zur Zeit, als K. Philipp noch in la Coruna wie festgebannt
sich aufhielt und sein eastilianisches Königsthum sehr zweifel
haft war.
Man sieht, wie vorsichtig man mit seinen Behauptungen
in dieser verwickelten Zeit sein muss.
Die Theorie über die Königin Donna Juana, welche Gl.
A. Bergenroth in seiner Schrift: Intended mariage of King
Henry VII with Queen Juana (Supplement to vol. I and vol. II
of letters, dispatches etc., London 1868) aufstellte, ist in neuerer
Zeit so gründlich widerlegt worden, dass es nicht nothwendig ist,
auf sie zurückzukommen. Rösler und H. Gachard, der anerkannte
Meister belgischer Geschichtsforschung, bewiesen, dass von der
angeblichen Folter, die gegen sie ihres Glaubens wegen an
gewendet worden sei, so wenig die Rede sein kann als von
ihrer angeblichen Hinneigung zum Protestantismus. Allein indem
man sich beschränkte, die Spitzen seiner Theorie abzubrechen,
übersah man, dass man es mit einem wohlausgebildeten Systeme
1 Dem Vertrage von Villafafilla, der den von Salamanea aufhob. Nicht
K. Philipp, sondern K. Ferdinand regierte seit dem Tode der Königin
Isabella Castilien.
230 Höfl er.
zu thun habe, das nicht minder einer Untersuchung bedarf
als die Consequenzen, welche er aus demselben zog. Es wurzelt
in folgenden Sätzen:
1. K. Philipp war als Gemahl ebenso hart und grausam,
wie er als Fürst verächtlich war. Er raubte seiner Frau ihre
Mitgift und ihre Bezüge aus Spanien, liess sie ihr Leben in
Verlassenheit zubringen, während er selbst ihr Geld in Orgien
mit seinen Lieblingen und verächtlichen Weibern vex-geudete.
2. Die Geschichte von dem Wahnsinne der Königin Donna
Juana als Folge des Todes ihres Gemahles ist zwar piquant,
aber unwahr. Bei’genroth stellt dafür die oben angedeutete
Hypothese auf, wobei ich nur bemei’ke, 'dass sehr wohl zu
gegeben werden kann, dass Donna Juana nicht in Folge des
Todes K. Philipps erst wahnsinnig wurde, ohne dass es noth-
wendig wäre, die Theorie anzunehmen, welche Bergenroth an
die Stelle der bisher allgemeinen Ansicht von dem Entstehungs
grunde des Wahnsinnes der Königin aufstellt. Im Gegentheile,
wenn bewiesen werden kann, dass Donna Juana schon bei
Lebzeiten K. Philipps wahnsinnig war und sein früher Tod
schon von Zeitgenossen den Kränkungen seiner Gemahlin zu-
geschi’ieben worden ist, so wird sich auch die Anschauung
Bergenroth’s über K. Philipp, die er durch nichts bewies,
modificiren, sie vielleicht ganz aufgegeben werden müssen.
3. Eine weitere Thatsache, die Usurpation, des Thrones
von Castilien durch die Königin Donna Isabel nach Beseiti
gung der rechtmässigen Ei-bin, ihrer Nichte Donna Juana, der
sogenannten Belti’aneja, kommt hier nur insofern zur Sprache,
als Bergenroth von der wahnsinnigen Meinung ausgeht, die
Mutter habe ihre eigene Tochter foltern lassen, damit sie vom
Glauben nicht abfalle. War Königin Isabella auf dem Wege
der Usurpation auf den Thron gekommen — und das Recht
war auf Seite ihrer Nichte — so hat sich dieselbe in der
zweiten Generation durch beispiellose Unglücksfälle schrecklich
gerächt, wenn auch nicht geleugnet werden kann, dass Donna
Isabel den Thron, welchen sie mit Gewalt einnahm, zum Heile
Castiliens behauptete. Uebrigens ist sie nicht, wie Bergenroth
Seite XXVII berichtet, am 17. November 1504 gestoi’ben. Es
bestand ein grosser Untei’schied zwischen dem fröhlichen Hofe
von Burgund, an welchen die Infantin Donna Juana heiratete,
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
231
und dem der Königin Isabella, die sich berufen fühlte, die
Juden zu vertreiben, die Moros gewaltsam zu bekehren und
die Maranos der Inquisition zu überliefern. Die Prinzessin
Margaretha, Schwester des Erzherzogs Philipp, hatte, als sie
Don Juan’s Witwe geworden war, gegen den Willen ihrer
Schwiegereltern Spanien sehr rasch verlassen; die neue Erz
herzogin Donna Juana sich in den Niederlanden so heimisch
gefühlt, dass sie auf alle ihre spanischen Bekannten vergass
und, wie es scheint, auch ihrer Mutter nicht schrieb; später
freilich hasste sie die Niederländer auf das Aeusserste, wie sie
überhaupt das Gegentheil von dem wurde, was sie anfänglich
war. Zwei spanische Mönche, welche ihr ihre Mutter 1497
sandte, damit sie ihr authentische Kunde gäben, wurden von
Donna Juana nichts weniger als freundlich aufgenommen; sie
weigerte sich, einem von ihnen zu beichten. Darin und namentlich
in dem Umstande, dass sie französische Geistliche den spanischen
Asketen vorzog, liegt aber noch lange nicht ein Grund zur
Annahme sogenannter häretischer Anschauungen, wie Bergenroth
will, der sich nun einmal in den Kopf gesetzt hat, aus Donna
Juana eine Glaubensmärtyrin zu schaffen. Wenn der Bruder
Tornas de Matienzo von ihr schrieb, sie habe ein hartes und
grausames Herz ohne Mitleid, 1 so bezog sich dieses nicht
auf Glaubenssachen, sondern steht in innerem Zusammenhänge
mit dem Berichte Vincenzo Quirino’s über sie, der, nachdem er
ganz im Gegensätze zu Bergenroth die grossen Tugenden des
kurzverstorbenen K. Philipp hervorgehoben, sie als mala,
avara e zelosa bezeichnet.
Die Argumentation des verdienstvollen Sammlers und sehr
willkürlichen Historikers wird aber geradezu lächerlich, wenn
er anführt, um Donna Juana für ihren Mangel an Glauben zu
bestrafen, habe man verhindert, dass sie Königin werde, und als
Beweis, wie dieser Plan reife, die Cortes vom Jahre 1502 an
führt, welche der Erzherzogin am 22. Mai in Toledo feierlich
als künftiger Königin huldigten! Daneben aber wird der Auf
tritt in Medina del Campo, November 1503, wo Donna Juana
ihre ganze Ungezähmtheit zeigte, und der noch schlimmere in
Brüssel, Juni 1504, übergangen, obwohl durch beide Scenen
1 duro y crudo — sin ninguna piedad. Bergenroth, pag. 54,
■ '«f» <
232 Hofier.
der Raserei ihr Gemüthszustand sich klar aussprach und sie
der Nagel vom Sarge der Königin Isabella wurden. Bei Bergen-
roth waren diese aber so wenig vorhanden als die Intrigue
mit Lopez de Conchillos und der Schwur der Königin-Erz
herzogin — e che la facto sacramento et lo observava
de far tuto et contrario de quello li comandara el re suo
marito, wie der venetianische Botschafter Vincenzo Quirino
am 22. April 1505 aus Namur von ihr berichtet.
Wenn daher Bergenroth alle Nachrichten von der insanity
der Königin Johanna bei K. Philipps Lebzeiten nur als Er
findungen bezeichnen möchte, während es sich um infidel opinions
of Juana gehandelt hätte, so musste er neben so vielen anderen
Beweisen des Gegentheils auch verschweigen, dass den reyes
catolicos ein Tagebuch aller ihrer Extravaganzen und den
Cortes von Toro 1504 die Beweise ihrer vollständigen Regierungs
unfähigkeit vorgelegt wurden. Auch eine andere wichtige That-
sache hat er umgangen. Ich führe sie mit den Worten des
Chronisten an. Juraron ä el Rey Don Fernando, sagt Alcocer
von der Zusammenkunft in Renedo, 5. Juli 1506, el Arzobispo
de Toledo y Don Juan Manuel y el Embajador del rey de
Romanos y el secretario Miguel Perez de Almazan (der Vertraute
K. Ferdinands) que la Reyna su hija estava loca, (pag. 16).
Wenn er ferner von der Zusammenkunft der Könige Don Fer
nando und Don Felipe am 27. Juni zu Villafafila berichtet, so
ist dies wieder falsch, da K. Philipp damals in Benavente und
nur K. Ferdinand an dem bezeichneten Orte war. Die erste
Zusammenkunft fand am 20. Juni in Remessal zwischen Astu-
rianos und la Puebla de Senabria statt und dann eine zweite
am 5. Juli zu Renedo zwischen Muzientes und Tudela (am
Duero). Dass aber K. Philipp an einer Krankheit starb, die
vom Sonntag bis zum Freitag dauerte, ist wieder unwahr, da
nach dem Berichte des Doctors Parra die Krankheit Donners
tag am 17. September 1506 (wo nicht früher) begann und er
Freitag den 25. September Morgens früh starb. In Wien glaubte
man an eine Vergiftung, und zwar durch die Venetianer, die
gar keinen Grund hatten, den König, der mit ihnen im besten
Vernehmen war, aus der Welt zu schaffen. Dass es einzelne
Castilianer wie Lopez de Araos von Onate glaubten, ist nicht
most remarkable und beweist schon aus dem Grunde nichts,
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
233
weil diese Rede erst eilf Jahre später (1517) erfolgte (Bergenrotb,
pag. XXXVII), ohne dass ein Grund ihre Glaubwürdigkeit er
hellte. Wie lange hat man von dem 1503 verstorbenen Papste
Alexander VI. geglaubt, dass er vergiftet wurde, und da Hegen
doch ganz andere Dinge vor als hei K. Philipp, hei welchem
sich unas manchicas pequenas entre coloradas y negras zeigten,
welche unsere Doctoren blattas (Blattern) nennen, wie Parra
sich ausdrückte.
Die brieflichen Aufzeichnungen Petri Martyris de Anghiera,
welche zuerst in Alcala 1530, dann in Amsterdam 1670 im
Drucke erschienen, haben vom Anfang als eine hervorragende
Geschichtsquelle gegolten. Sepa Vm., schrieb J. Vergara an
Florian de Campo, que de todas las cosas de aquellos tiempos
de casi el imperio de los reyes catolicos y despues hasta pa-
sadas las comunidades yo no pienso que puede haver mas cier-
tos y claros memoriales que son las epistolas de Pedro Martyr;
y porque demas de lo que por ellas qualquiera podra ver,
yo soy testigo de vista de la diligencia que este hombre ponia
en escrivir luego ä la hora todo lo que pasaba, y como no
gastaba mucho tieinpo en pulir ni limar el estilo, se no que
mientras le ponian la mesa, como io lo vi, le acontecia escrivir
un par de cartas, del las no recebia trabajo ni pesadumbre,
y asi ni cessaba en el oficio ni se tenia otro cuidado.
Er liegt in Granada begraben, wo ihm Prior und könig
liche Räthe, Decan und Capitel 1526 die Grabschrift setzen
Hessen.
Die Briefe, welche sich auf K. Philipp und seine Gemahlin
Juana beziehen, geben grösstentheils wichtige Aufschlüsse. Der
erste vom 3. October 1496 aus Burgos bespricht die Abreise
der Infantin nach Belgien, Ep. 160. Ein zweiter, Burgos,
10. December, bespricht nur die Angst der Königin über das
Schicksal ihrer Tochter, Ep. 172. Der Brief vom 27. April 1497,
Ep. 174, meldet den Tod so vieler Begleiter der Infantin
Donna Juana und die Vermählung der Prinzessin Margaretha
mit Don Juan. Am 13. Juni erfolgt aus Medina del Campo
eine enkomiastische Beschreibung der habsburgischen Infantin,
Ep. 176, und am 15. Juli, gleichfalls aus Medina, Ep. 179,
des ehelichen Glückes Philipps und seiner neuvermählten Gattin.
Erst als das tragische Geschick in das Haus der reyes catolicos
234
Höf ler.
einzog, Don Juan, der Thronfolger, Don Alfonso, der erste Ge
mahl Isabellens, dann sie selbst und endlich ihr Sohn, Don
Miguel, der präsumtive Thronerbe von Aragon, Castilien und
Portugal, rasch nacheinander in das Grab gesunken waren,
traten Philipp und Johanna wieder in den Vordergrund. An-
ghiera berichtet Ep. 216 aus Granada, 29. Juli, ihre Beru
fung nach Spanien. Aus Granada ist auch der Brief vom
5. Juni 1501, Ep. 221, über den Aufenthalt der erzherzoglichen
Gesandten, des Philibert de Beyre und des Franz von Bux-
leiden. Das Schreiben vom 30. Juni meldet die Abreise der
Gesandten, Ep. 222. Im September trat Anghiera seine Reise
nach Aegypten an. Auf der Rückreise erfuhr er in Mailand, dass
Philipp und Johanna in Spanien angekommen seien, Ep. 245,
12. Juli 1502. Nach Spanien zurückgekehrt, machte er die Be
kanntschaft des Prinzen und gewann selbst dessen Vertrauen,
wie er sich später rühmte. Das nächste Schreiben vom 20. Sept.,
Ep. 250, ist für die Kenntnissnahme der Motive, weshalb der
Erzherzog Spanien 1502 verliess, es ihm geradezu unter den
Sohlen brannte, nach Belgien zurückzugehen, von grosser Wich
tigkeit. Er besass eine ungemeine Gewissenhaftigkeit in Haltung
seines Wortes, und da er den Niederländern versprochen hatte,
binnen Jahresfrist zurückzukehren, Hess er sich durch nichts
abhalten, sein Wort zu erfüllen. So sehr er auch deshalb ge
tadelt wurde, er blieb dabei. Dass der jähe Tod seines Erzie
hers, des Erzbischofs von Besancon, an der Beschleunigung der
Abreise gleichfalls einen Antheil hatte, wird von Anghiera wohl
bemerkt. Nur kann man beweisen, dass ursprünglich die Ab
sicht feststand, mit der Prinzessin zurückzukehren, als die
Krankheit der Königin Isabella den Prinzen zwang, seine Ab
reise bis zum 19. December 1502 zu verschieben, worauf von
einer Begleitung von Seite Donna Juanas keine Rede sein
konnte. Schon von dieser Zeit an, schreibt derselbe am‘4. Ja
nuar 1503 — der Text hat 1502 — sass die Prinzessin sprach
los da und heftete nur immer die Augen auf den Boden, alles
Andere kümmerte sie nicht. Anghiera fürchtete, sie möchte
im Wahnsinne enden (turbine mentis obibit), Ep. 253. Die
Sache war durch die Geburt des Infanten Ferdinand, 10. März
1503, Ep. 254, nicht besser geworden. Die Schilderung, welche
Petrus Martyr fünf Tage später von ihr entwarf, Ep. 255,
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
235
gewährt von ihr ein Bild, das beweist, dass das Glück, aufs
Neue Mutter eines Prinzen geworden zu sein, ihrem krank
haften Zustande keine Besserung gebracht hatte. Der Lyoner
Vertrag Philipps mit K. Ludwig XII. hatte die Spanier aufge
regt; sie spotteten über denselben, Ep. 257, 3. Juni 1503.
Petrus Martyr aber schrieb, Ep. 268, die Vorgänge in Lyon,
mit welchem Grunde, lasse ich dahingestellt, der Bestechlichkeit
seiner belgischen Bäthe und vor Allem dem Tode des Erz
bischofs von Besan§on zu, dessen vorzügliche Eigenschaften er,
so oft er auf ihn zu sprechen kommt, hervorhebt. In demselben
Briefe, in welchem er dieses erzählt, aus Medina del Campo vom
19. December, beschreibt er auch die gräuliche Scene, welche
Donna Juana gleich einer afrikanischen Löwin, leider ohne
Angabe des Datums, aufführte. Dass die Königin schon am
26. November sich zu ihrer Tochter bringen liess, ist aus
Carvajal zu sehen. Seine Behauptung, K. Ferdinand sei am
20. December dort eingetroffen, widerstreitet aber einer posi
tiven Angabe bei Marin Sanuto (V, pag. 795), der zufolge der
König erst am 28. December aus Catalonien abreiste. Im
Briefe nr. 270 vom 12. Januar 1504 ist der Anwesenheit des
Königs bei Donna Isabel und Donna Juana in Medina bereits
gedacht. Am 10. April, Ep. 281, erwähnt er der Abreise Donna
Juanas und meint dabei, dass sie sich so wenig als Philipp um
Spanien kümmere. Nun folgt der Brief vom 25. Juni, in wel
chem Petrus Martyr über den Wuthausbruch Donna Juanas
gegen eine Geliebte (pellex) ihres Gemahls, Ep. 272, berichtet
und Ep. 273 vom 19. Juli über die Erkrankung des Königs
und der Königin, welche sich nicht mehr erholte. In dem
Schreiben vom 19. November, Ep. 277, theilt er schon den
hauptsächlichsten Inhalt ihres Testamentes mit, und zwar so,
dass Ferdinand für den Fall der Unfähigkeit seiner Tochter
die Regierung führe (dotalibus regnis assideat) und von Philipp
keine Rede sei (sive quod non fuerit ejus dictis parens et filiarn
concitus ira tractaverit sive quod belgicis moribus enutritus —
gallicisque magis affectus studiis quam Hispanis, his tot regnis
gubernandi minime aptus putetur). Es hatte sich demnach um
den Ausschluss dessen vom Königthume gehandelt, dem als
Thronerben in Toledo und Saragossa gehuldigt worden war.
Ep. 279 bringt bereits die Nachricht vom Tode der Königin,
■■■
236 Höfler.
wobei Petrus Martyr, von der durch sie erfolgten Vertreibung
der Juden sprechend, sagt: eliminandos ex omnibus suis regnis
Judaeos qui pro commercio cuncta foedabant. Also war
das der eigentliche Grund der Judenverfolgung unter den reyes
catolicos! Er erwähnt, dass K. Ferdinand sich sogleich nach
dem Tode Isabellens seiner königlichen Würde entschlagen und
seine Tochter und deren Gemahl habe als Könige ausrufen
lassen. Er fügt hinzu: alii rem novam admirati regem incusant
remque arguunt, non deb,uisse fieri. Da die Königin am
26. November starb, kann der Brief nicht X cal. Dec., sondern
VI cal. Dec. datirt sein. Auch die Abreise des Petrus Martyr
nach Granada, um die Leiche der Königin zu ihrer Ruhestätte
zu bringen, kann nicht IX cal. Dec. erfolgt sein.
Die Briefe werden seit dem Tode der Königin immer
wichtiger. Petrus Martyr schreibt aus Segovia am 1. Juni 1505,
K. Philipp habe an K. Ferdinand das Begehren gestellt, aus
Castilien nach Aragon zu gehen, und Letzterer ihm nun den
Lopez de Conchillos gesandt, Ep. 282. Hier werden aber zwei
Thatsachen mit einander in Verbindung gebracht, die ausein
ander gehalten werden müssen, da sie in keinem chronologi
schen Zusammenhänge stehen. Am darauffolgenden Tage be
richtet er von der Ankunft der Gesandten Philipps und seines
Vaters, die das Ansinnen erneuern, und nun stellt sich Anghiera
ganz auf Seite K. Ferdinands, Ep. 283. Im Briefe 285 vom
13. Juli ist von der Hilfe die Rede, welche nach dem Bündnisse
von Orleans (Lyon-Blois) Philipp von K. Ludwig erwartete, eine
Thatsache, welche Petrus Martyr Anlass gab, sich auf das
Günstigste über den Charakter Philipps, den Don Juan Ma
nuel vorschiebe, auszusprechen. Am 5. August, Ep. 286, be
richtet er über die Verhaftung Lopez de Conchillos, weiss aber
bereits, dass er im Kerker seine Haare verloren und Philipp
die spanische Umgebung seiner Gemahlin mit geringen Aus
nahmen nach Spanien geschickt habe. Ep. 287, 13. August,
theilt er mit, dass K. Ferdinand sich an K. Ludwig anschliesse
und an eine zweite Heirat denke, und beklagt das Schick
sal Spaniens, das an der Grösse Frankreichs arbeite!
In dem Texte scheint wieder ein Fehler vorgefallen zu
sein, da zuerst ein Brief aus Segovia vom 29. September, Ep. 289,
und dann vom 24. September, Ep. 290, mitgetheilt wird. Der
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
237
letztere enthält die Absendung der aragonesischen Gesandt
schaft nach Frankreich zum Abschlüsse der Heirat K. Ferdi
nands mit der unbedeutenden Germaine von Foix. Im Briefe
(aus Salamanca?) vom 20. October, Ep. 291, wird Philipp ein
Angriffsbündniss mit Frankreich zum Ueberfalle von Neapel und
Roussillon imputirt. Diesem Bündnisse habe nun Ferdinand ein
anderes mit den beiden Habsburgern zur Erlangung von Bur
gund für K. Philipp entgegengestellt (?) und K. Ludwig dem
K. Ferdinand die Hand seiner Nichte angetragen. Aber schon
am 3. November, Ep. 292, musste er mit schwerem Herzen die
ignominiosa damnosaque contractus capita, den Abschluss des
französisch-aragonesischen Vertrages berichten und theilt dann
in dem Briefe vom 13. November 1505 das Schreiben K. Fer
dinands an seinen Schwiegersohn mit, in welchem er ihn mit
dem äussersten Hohne von seinem Anschluss an K. Ludwig und
seiner zweiten Heirat, zu welcher ihn K. Philipp gezwungen (!),
in Kenntniss setzt.
Der Brief vom 3. Januar 1506, Ep. 294, berichtet von
dem Dreikönigsvertrage von Salamanca und dass K. Ferdinand
sage, wenn er Philipp in die Regierung eingeführt, wolle er nach
einigen Jahren sich nach Aragon zurückbegeben! Der nächste,
welcher wieder von K. Philipp berichtet, Ep. 296, 10. Februar,
erzählt die Rettung des Königs aus dem Schiffbruche. Wenn
er aber anführt: reginam ducit — gravidam, ea libens maritum
sequitur quacunque ierit —• so müsste die Königin, welche am
14. Januar 1507 in Torquemada die Infantin Catalina gebar,
mindestens zwölf Monate schwanger gewesen sein! Ep. 298
vom 25. Februar bespricht die üble Stimmung, in welche die
Heirat Ferdinands K. Philipp versetzt, und wie Ersterer, jetzt
offenbar mildere Saiten aufziehend, von seiner Reise nach Neapel
spreche. Ep. 300 vom 4. April gibt Nachricht über das trost
lose Benehmen der Königin und die schlimme Wirkung, die
Ferdinands zweite Heirat hervorgebracht. Petrus Martyr tadelt
sie ganz unverhohlen, ein Beweis, dass die öffentliche Meinung
m Castilien sich bereits über diesen Punkt Klarheit verschafft
hatte. Am 7. Mai schreibt er aus Leon, Ep. 304, wohin er mit
dem Könige auf die Nachricht der Landung Philipps aus Valla
dolid über Pallencia, Sahagun, Mansilla gegangen war. Von
Astorga schreibt er Ep. 305, 15. Mai, er wolle morgen nach la
238
tt ö fiel*.
Coruna gehen, um mit K. Philipp zu sprechen, und die Briefe
Ep. 306 und 307 vom 31. Mai sind auch in der That aus la
Coruna. Allein wenn ihn K. Philipp auch freundlich aufnahm,
so hatte doch Petrus Martyr sein Ansehen zu sehr überschätzt.
Die Dinge waren so weit gediehen, dass gutgemeinte Vorstel
lungen nichts mehr fruchteten, und die Rede, welche er an den
König richtete, Ep. 306, war zwar sehr pathetisch und decla-
matorisch, aber eben deshalb auch wirkungslos. Der Brief aus
Villafafila, Ep. 308 vom 20. Juni, berichtet über die erste
Zusammenkunft der Könige am abgelegenen Orte Remessal.
Corruptis animis regrediuntur, schreibt er als traurigen Erfolg
der Unterredung. Die Zusammenkunft hatte, wie auch Alcocer
bemerkte, die Gemüther der beiden Könige nicht zusammen
geführt. K. Philipp verlangte seine Stiefschwiegermutter nicht
kennen zu lernen, und Ferdinand nicht, seine Tochter zu sehen.
Am 30. Juni berichtet er Ep. 309 über die Verhandlungen in
Villafafila, ist aber offenbar mit den wichtigsten Vorgängen
nicht vertraut. Während dann K. Ferdinand nach Tudela,
acht Meilen südlich von Valladolid ging, wo Petrus Martyr die
nächsten Briefe schrieb, ging Philipp nach Muzientes, da die
Königin Johanna nicht weiter gehen wollte. Von Valladolid
berichtet er am 7. Juli über die letzte Zusammenkunft der
Könige in Renedo, Ep. 310; er blieb nach dem Wunsche des
K. Ferdinand bei der Königin Johanna, während der König am
6. Juli nach Aragon abzog. Der nächste Brief aus Valladolid
vom 9. Juli, Ep. 311, beklagt die unheilvolle Wendung der
Dinge; der vom 7. September, Ep. 312, berichtet die Ankunft
in Burgos und die Scene, welche die Königin in Coxeres auf
führte, das sie nicht betreten wollte. Der nächste vom 21. Sep
tember, Ep. 313, aus Burgos bringt die Nachricht von der Er
krankung Iv. Philipps, es ist zwar nur ein morbulus, welcher
jedoch schon Bedenken erregt; am 28. September, Ep. 316,
theilt er schon die Todesnachricht (25. September), sowie die
provisorische Beisetzung der Leiche K. Philipps im Karthäuser
kloster von Miraflores mit.
Petrus Martyrs Nachrichten sind übrigens bis zur letz
ten zu würdigen. In Ueber ein Stimmung mit dem Krankheits
berichte, den der Doctor la Parra an K. Ferdinand absandte,
erzählt er, dass die Königin den Kranken nicht verliess, aber
Quellen der Geschichte Philipps des Schonen,
239
niemals eine Thräne vergoss, Ep. 178. Hätte sie geweint, wie
aus der Darstellung des Alvaro Gomez hervorzugehen scheint,
so würde Petrus Martyr, der auf Befehl K. Ferdinands hei ihr
blieb, das wohl gesagt haben. Sie verharrte auch nach dem
Tode, wie sie es bei seinen Lebzeiten getrieben (ut viro sole
bad vivente, Ep. 318), in Finsterniss und Einsamkeit, die rechte
Hand unter dem Kinn, den Mund geschlossen im Hasse gegen
das weibliche Geschlecht (omne praesertim foemineum genus
et odit et abjieit etc.). Was aber ihren Wahnsinn bis zum
höchsten Grade brachte, war die Dummheit eines Karthäuser
mönches, der den Sarg des Königs begleitete. Nicht blos, dass
täglich Trauergottesdienst gehalten werden musste, keine Frau,
kein Mädchen in die Kirche von Torrequemada sich begeben
durfte •— uritur namque misera zelotypia e adern, qua, cum
maritus viveret, cruciabatur, Ep. 324 — sondern der Mönch
lobte auch noch die tägliche und nächtliche Verrichtung des
Todtenamtes, da er gelesen, dass ein König vierzehn Jahre
nach seinem Tode wieder vom Grabe auferstanden sei! Bergen-
roth hat die unglückliche Johanna zu einer Protestantin gemacht.
Ihr Wahnsinn wurde durch den Aberglauben des thörichten
Mönches unheilbar. Sperat regina hujus vani hominis verbis
infantilibus persuasa, rediturum ad superos virum Regein.
Ita blasteronis cucullati sermo illius insedit pectori, Ep. 328,
15. Juni 1507. Sie wartete die Auferstehung ihres
Gatten ab, der, wie natürlich, kein Frauenzimmer beiwohnen
durfte. Die Frage über den Wahnsinn der Königin Juana ist
nach diesem wohl überflüssig. Don Vincenzo Quirino, der vene-
tianische Botschafter, welcher sie nach Spanien begleitete und
von den Scenen berichtet, die sie, wo sie hinkam, auf führte,
kennt im Schlussberichte, den er vor dem venetianischen Se
nate abhielt, nur ihre verkehrten Tugenden. Sie kümmerte
sich nicht um ihre Kinder und zerstörte das Leben ihres Mannes,
dadurch ihre eigene Existenz.
Ich vermeide es absichtlich, mich in die Controverse über
die Glaubwürdigkeit Angheria’s einzumischen. Ich habe mich
darüber bereits an einem anderen Orte sattsam geäussert. Er
war nicht immer in der Lage, genaue Erkundigungen einzu
ziehen. Was im Cabinet K. Philipps vorging, blieb ihm selbst
verständlich unbekannt, und Almazan, der erste Secretär K. Fer-
240
llöf lei*.
dinands, welcher allein die geheimsten Gedanken seines Herrn
kannte, hat ihn nicht zu seinen Vertrauten gemacht, leider auch
keine Denkwürdigkeiten hinterlassen, die freilich von äusserster
Wichtigkeit hätten sein können. Don Pedro Martyr erfährt
manche Dinge verhältnissmässig etwas spät; bei anderen Be
gebenheiten ist er besser unterrichtet als irgend Einer. Das
Alles muss bei der Benützung seiner Briefe wohl erwogen
werden und ist ein allgemeines Urtheil über seine Glaubwür
digkeit somit nur insoferne zu fällen, als an seinem Willen, die
Wahrheit zu sagen, nicht gezweifelt werden kann, wohl aber
an der Möglichkeit, sie immer zu erfahren. Er steht 1505 bis
1506 auf Seite K. Ferdinands, was ganz begreiflich ist und mit
seiner amtlichen Stellung im Einklänge steht, aber die nicht
vorherzusehenden Ereignisse des letzten Jahres, vor Allem die
Heirat K. Ferdinands, die ihn zu Grunde richtete, bringen auch
in ihm eine grosse Veränderung hervor. Gewiss hat er Briefe
an K. Ferdinand nach Neapel über die Königin Donna Juana
gesandt; wie lehrreich müssten sie sein, wenn sie je an das
Tageslicht träten!
Wenden wir uns nun dem bedeutendsten niederländischen
Geschichtschreiber über die Zeit K. Maximilians und K. Philipps
zu: Pontus Heuterus, Opera historica, Lovanii 1643.
Heuter, geboren 1535, gestorben 1602, ist ein fleissiger
Sammler, ein gewissenhafter Geschichtschreiber, wie er in
seinem ganzen Leben sich als gewissenhaft erwies; er wägt
die verschiedenen Berichte genau ab und entscheidet sich nur
nach eifriger und besonnener Erörterung für den Entscheid,
den er trifft. Ihm ist es um wissenschaftliche Förderung zu thun,
weshalb er nicht bei dem überlieferten Materiale stehen blieb,
sondern dasselbe durch urkundliche Forschung vermehrte und
erweiterte. Ich rechne es ihm nicht zu hoch an, wenn er bei Ge
legenheit des Landshuter Erbfolgekrieges die beiden Herzoge
Albrecht und Georg zu Brüdern macht, dem ersten Niederbaiern,
dem zweiten Oberbaiern mit Ingolstadt zum Herzogthume gibt,
somit die Sache auf den Kopf stellt. In Delft geboren, war seine
Domäne Niederdeutschland, der nördliche Theil der Nieder
lande, der gerade in seiner Zeit Flandern und Brabant über
flügelte, und ist er deshalb in Groningen und Friesland mehr
zu Hause als am Fusse der Alpen. Er nahm Einsicht von
Quellen der Geschichte Philipps des Schonen.
241
Briefen K. Maximilians; er benützte zur G-escliickte K. Phi
lipps I. das Tagebuch Antons von Lalaing, Herrn von Montigny,
nachher ersten Grafen von Hochstraten, das dieser als Begleiter
des damaligen Prinzen auf seiner Reise nach Frankreich und
Spanien 1501 —1502 in zwei Büchern, wie er sagt, in ele
gantem Französisch verfasste. Was er über den Aufenthalt
Philipps und der Donna Juana in Paris und am königlichen
Hoflager zu Blois, von Brüssel bis Bayonne, 4. November
1501 bis 26. Januar 1502 mittheilt, ist diesem Tagebuche ent
nommen.
Heuter zwingt uns dadurch, nochmal zu den Darstel
lungen der ersten Reise des Erzherzogs nach Frankreich und
Spanien 1501 bis 1503 zurückzukehren. Wir besitzen näm
lich noch zwei andere Aufzeichnungen über denselben Gegen
stand, und zwar stammt die eine bisher so viel als unbenützte
von einem deutschen Begleiter des Prinzen, dem Pfalzgrafen
Friedrich bei Rhein (später Churfürsten und Gemahl einer
Nichte K. Karls V.) her; sie findet sich in Huberti Thomae
Leodii annales Palatini (Francof. 1665) pag. 24 vor. Der Ver
fasser hat offenbar nach Berichten oder Aufzeichnungen des
Pfalzgrafen, welcher am niederländisch-spanischen Hofe eine sehr
eigenthümliclie Rolle spielte, Einzelnheiten bekannt gemacht, die
wir nur durch ihn kennen. Ein dritter Bericht eines Ungenannten
ist in das schon früher erwähnte Ceremonial de France überge
gangen und kann nur von einem Augenzeugen herrühren (Recep-
tion de la part du roy Louis XII faite ä Philippe archiduc d’Au-
triche, seigneur des Pays-bas, fils de l’Empereur Maximilian I et
pere des empereurs Charles V et Ferdinand I, passant par
la France avec sa femme Jeanne de Castille pour aller en Es-
pagne hs mois de Novembre et de Decembre de l’annee 1501.
Et l’entrevue faite a Blois des dits Roi et archiduc. Tire du
Ceremonial frangais, t. II, pag. 711.) Uebrigens ist denn doch
zwischen diesen Relationen ein erheblicher Unterschied bemerk
bar. Die pfälzische ist die kürzeste, enthält aber interessante
Daten, freilich mit Bezugnahme auf den Pfalzgrafen, welcher auch
Ende 1502 und 1503 Begleiter des Prinzen auf der Reise nach
Barcelona und dann nach Lyon war. K. Ludwig, der übrigens
undecimus statt duodecimus heisst, sei, von Podagra gequält,
mühsam dem Prinzen entgegengegangen; seiner Leidenschaft für
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Hd. 1. Hi't. IG
242
Höf ler.
hohes Spiel — was man jetzt fluere nenne — habe er jeden
Abend gehuldigt; an einem Tage habe man nach französischer
Sitte gejagt, gebirscht, aber des schlechten Wetters wegen wenig
ausgerichtet; das Gefolge habe Abends deutsche und französische
Tänze aufgeführt, am vierten Tage aber sei der Prinz wieder
fortgezogen. Lalaing sagt (bei Heuter, Rerum belgicarum,
Lib. 17, pag. 259) post decem festos Blosii exactos dies, worauf
der König den Erzherzog bis Amboise begleitet habe. Die
reception erwähnt von dieser Begleitung nichts, sondern führt
Tag für Tag vom 7.—12. December an, was bei Hofe geschah.
Rechnet man den Tag der Ankunft und der Abreise ab, so er
streckte sich der Aufenthalt auf volle vier Tage. Nach Lalaing
verabschiedeten sich Philipp und Donna Juana am 15. von dem
Könige und der Königin, wobei die Prinzessin der Madame
Claude einen Brillantring im Werthe von 2000 Francs zum Ge
schenke machte, der König aber den Prinzen bis Amboise be
gleitete. Die Aufnahme des Prinzen und der Prinzessin in
dem prachtvoll geschmückten Schlosse von Blois, wo der ganze
Glanz des französischen Hofes sich entfaltete, wie denn über
haupt in Frankreich Alles den Typus einer einheitlichen Mon
archie an sich trug, ist in der französischen Darstellung bis in
das Genaueste geschildert, jedoch im Gegensätze zu Heuter
und in Uebereinstimmung mit der pfälzischen Darstellung an
gegeben, dass bei der ersten Zusammenkunft der König und
der Prinz nur wenige Worte wechselten und nicht, wie Heuter
sagt, zwei Stunden mit einander unter vier Augen verkehrten,
auch wie das Gedränge so gross war, dass der Prinz und die
Prinzessin von einander getrennt wurden, Letztere nur mit
grosser Mühe zur Königin gelangen konnte. Als die Dame
Claude, das kleine Töchterchen der Königin, das mit H. Carl
(Charles-Quint) verlobt war, hereingetragen wurde, habe sie
vor der grossen Menge schrecklich zu schreien angefangen etc.
Mehrere andere ähnliche Züge, namentlicli aber die Beschrei
bung der Prachtsäle und des ganzen Hofhaltes geben der re
ception einen gewissen bleibenden Werth. Wie armselig er
scheinen gegen dieses Auftreten des französischen Königthums
die spanischen Zustände, wo es an königlichen Schlössern und
Residenzen nicht minder als an blühenden und volkreichen
Städten gebricht, die Könige in den Palästen der Granden ab-
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
243
steigen und wohnen müssen, der Glanz des Adels das König-
thurn in den Hintergrund drängt, von einer Hauptstadt wie
Paris nicht im Entferntesten die Rede ist.
Eine, und zwar sehr wichtige Stelle aus Lalaing finden
wir bei Heuterus nicht erwähnt, sei es, dass sie sich in dem
Originale, welches er in Händen hatte, nicht vorfand, sei es
aus einem uns unbekannten Grunde. Während er nur ganz
zuletzt die Eifersucht der Königin Donna Juana erwähnt (Rerum
austriacarum, Lib. 17, pag. 151), berichtet Lalaing über die Gründe
derselben ausführlich (Henne, pag. 18): La chose est tellement
allee que la bonne reine n’a eu en trois ans non plus de bien
ni de repos qu’une femme damnee ou une femme hors de sens.
Et pour en dire la verite eile avoit quelque occasion de ce faire:
car conime je vous ai dit son mari estoit beau, jeune et fort
bien nourri et lui sembloit qu’il pouvoit beaucoup plus accomplir
des oeuvres de nature qu’il n’en faisoit et d’autre part il entoit
avec beaucoup de jeunes gens et de jeune conseil qui a l’aven-
ture lui faisoient et disoient plusieurs parolles et presens de
belles filles et le menoient souvent en plusieurs lieux dissolus
dont les rapports lui estoient faits et peut-etre aucunes fois pires
que le fait. Tellement qu’elle se contenoit en femme deses-
pdrfie et ne regrettoit en ce monde fors sa vie et estoit tenue
tant es pays d’embas que ailleurs encloze et tellement serree,
qu’elle- ni parloit ni veoit nulle personne que ceux qui estoient
contraints la servil- et lui donner a boire et a manger et ad-
ministrer ses necessites — —. De la quelle chose le bon
roi avoit si grand deuil que saus faute s’a este une
des principales causes de sa mort.
Zur Erläuterung dieser Darstellung, welche durch die
Beziehungen des Herrn von Montigny zum königlichen Hofe
besonderes Gewicht erhält, dient die nachfolgende Stelle: il
semble que si le bon prince eut demeure sous son ancienne et
bonne garde, de la quelle il avait ete pifiserve nourri, appris et
endoctrine qu’il n’eut point fait plusieurs jeunesses, qu’il faisoit
journellement et qu’il ne fut jamais estfi en lieu ni place dont
la reine eut en quelque suspicion ni occasion de courroux ni de
jalousie; mais le bon roi se laissa tellement mener de l’4veque
de Besangon et d’aucuns jeunes gens qu’il fut contraint de
chasser arriere de lui, voire tous ceux qu’il avait en reverence
16*
244 Höf 1 er.
tant pour ce que le roi son pere les lui avait bailles que pour
l’honneur et reverence de la nourriture.
Damit sind directe Anklagen gegen den Prinzen ausge
sprochen und wird der Eifersucht der Prinzessin eine factische
Grundlage gegeben. Lalaing behauptet, dass Donna Juana drei
Jahre keine Ruhe mehr gehabt habe. Das würde auf die Jahre
1504, 1505, 1506 hinweisen, d. h. auf ihre Rückkehr aus Spanien
nach den Niederlanden, und die Scene, die sie dort aufführte.
Henne verweist hiebei auf Varillas (La pratique de l’education
des princes, pag. 94). Die Hauptquellen sind aber Don Pedro
de Anghiera und Alvaro Gomez. Die Sitten Spaniens und des
burgundischen Hofes waren insoferne sehr verschieden, als die
Beziehungen zu dem weiblichen Geschlechte an letzterem viel
freundlicher sich gestalteten als am königlichen Hofe. Philipp
liebte den Umgang mit Frauen, und auch Lorenzo von Padilla
weiss von seinen geheimen Verbindungen — a mugeres dabase
muy secretamente , pag. 149 — zu reden, und je unliebens
würdiger sich Donna Juana benahm, desto mehr mochte er
ausserhalb des ehelichen Kreises Erholung suchen. Am burgun
dischen Hofe war dieses keines Aufhebens werth. Philipp der
Gute, Vater H. Karls des Kühnen, hinterliess vierzehn Bastarde,
unter ihnen Anton, den Vater Philipps und Antons von Burgund,
David, nachher Bischof von Terouanne und endlich von Utrecht,
Raphael, Abt von St. Bavo in Gent, Anna, die in zweiter Ehe
den Adolf Herzog von Cleve, Herrn von Ravenstein heiratete,
und den Bastard Balduin, welcher eine Tochter Don Juan Ma
nuels heiratete und nach dem Tode des Franz von Buxleiden,
Erzbischofs von Besancon und früheren Erziehers Philipps, Prä
sident des königlichen Rathes wurde. (Heuterus, Rerum austria-
carum VI, pag. 141.)
Wie es am Hofe K. Karls VIII. von Frankreich aussah,
davon wusste man in Italien nicht minder als im Heimatlande
zu erzählen. 1 Qurita aber behauptete, Iv. Philipp habe einen
1 Von seinem Nachfolger IC. Ludwig XII. berichtete der apostolische Nun-
tius, Nov. 1498 (R. Brown I, nr. 774): the King never gives auglit to
any one in the world and devotes liimself to lascivious pleasures to his
utmost, — he hoped for the settlement of the devorce from his wife
(Tochter Ludwigs XI.) that he miglit espouse the duchess of Britanny
I
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
245
Unterthan K. Karls in seinem Gefolge gehabt, welcher ihm das
Leben, das dieser führte, trefflich lehrte und das er ebenso gut
gelernt habe (t. I, pag. 246). Ist damit Franz von Buxleiden
gemeint, was aus den Worten Lalaings abgeleitet werden könnte,
so stehen diesem wieder so ausgezeichnete Eigenschaften zur
Seite und wurde derselbe, ungeachtet er in Bezug auf Philipps
Reise nach Spanien die K. Ferdinand entgegengesetzte Meinung
vertheidigte und schliesslich durchsetzte, so sehr von den reyes
catolicos geehrt, auch von Don Pedro Anghiera als eine her
vorragende Persönlichkeit bezeichnet, dass es schwer fällt, eine
solche Verunglimpfung nachzusprechen. Es ist aber keine Nach
rede, sondern eine sichere Thatsache, dass der Gemahl Donna
Isabels, der rey catolico Don Fernando de Aragon, von der
Donna Aldonga Roch de Yborra y Aleman den nachherigen
Erzbischof von Saragossa, Don Alonso de Aragon hatte; von
einer anderen Frau Donna Juana de Aragon, Gemahlin des Con-
destable de Castilla, Don Bernardino de Velasco; von Donna
Toda aus Bilbao die Donna Maria, eine andere Maria von einer
Portugiesin aus dem Hause Pereyra. Die beiden Marien wur
den Nonnen im Augustinerinnenkloster zu Madrigal. 1 Hievon
erwähnt freilich Gurita nichts. Wenn ferner bei dem Empfange
des Prinzen und der Prinzessin in Toledo im Mai 1502 Donna
Isabel die natürliche Tochter ihres Gemahls neben sich sitzen
liess, so war es nicht immer der Fall gewesen. Wir besitzen
einen Bericht Quirino’s an seine Signoria über die Unterredung
K. Ferdinands und K. Philipps in Renedo am 5. Juli 1506,
wobei der König seinen Schwiegersohn bat, er möge seine
Gemahlin so ertragen, wie er die Königin Isabella, la quäl
in zoventu per zilosia se trovo in assai pezor termine che al
presente non si atrova questa sua fiola, tarnen suportata da lui
ritorno in si et fu la regina che tuto il mondo ha cognoseuto.
Ich lasse es dahingestellt, ob K. Ferdinand, der seine
Tochter nicht gesehen, über ihren Zustand das Wahre ausge
sagt hat. Er wollte auch noch später niemals zugeben, dass
K. Philipp sie in eine Festung einsperre, obwohl sie ihn bei
(Witwe K. Karls VIII.) with whoin it is affirmed tliat he consummated
mariage before she.quitted France.
1 Salazar de Mendoza, Origen de las dignidades 1618, pag. 151,
246
Höfler.
jeder Gelegenheit vor den Cortes, vor den Granden, vor ihrem
eigenen Gefolge prostituirte und geradezu erklärte, sie könne
wegen seiner absolut keine weibliche Bedienung haben. Nach
dem aber K. Ferdinand, der sie schon vor den Cortes in Toro
für regierungsunfähig erklärt hatte, sie bei seiner Rückkehr
von Neapel gesehen und ihr Benehmen in der Nähe beobachtet
hatte, internirte er sie für immer im Schlosse von Torde-
sillas. Donna Juana war eine ihrer Mutter sehr unähnliche
Tochter und besass keine von den hervorragenden Eigenschaften
der Donna Isabel, am wenigsten die, sich in eine gegebene Lage
zu finden. Uebrigens kann es wohl sein, dass, wenn die Köni
gin Donna Isabel eine Ahnung hätte haben können, dass Don
Fernando noch innerhalb des Trauerjahres sich mit einer Fran
zösin vermählen und sich dazu seine ganze uneheliche Sipp
schaft laden werde, sie dann auch wie eine afrikanische Löwin
aufgefahren wäre, mit welcher Don Pedro de Anghiera das
Benehmen ihrer Tochter Donna Juana vergleicht. Besässen
wir das Tagebuch ihrer Extravaganzen, das Philipp 1504 seinen
Schwiegereltern übersandte, so wäre das Urtheil über sie wohl
sehr einfach. Aber auch das, was Lalaing erzählt, genügt. — Elle
fit tant qu’elle demeure seule de toutes femmes du monde, fors
qu’une lavandiere qui aucunes fois et h l’heure qu’il lui plaisait,
lui lavoit son finge en sa presence. Et en tel estat alloit seule
et sans Compagnie de femme estoit et se contenoit avec son
mari, faisant ses necessites et se servant eile meme, comme une
povre esclave et en tel estat alloit auprfes de son mari par les
champs ou la compagnie de dix ou aucune foi de vingt mille (?)
hommes, seule femme, sans compagne.
Dieser Theil der Geschichte der Donna Juana und wie
sie ihrem Gemahle die Existenz vergiftete, die Scene von
Muzientes, wo sich K. Philipp in ein Kloster zurückzog, die
von Benavente, wo übrigens K. Ferdinand und K. Philipp
nicht, wie Henne I, päg. 119 behauptet, zusammenkamen, und
endlich die von Coxeres aufführte, ohne Würde, ohne Weib
lichkeit und ihrer königlichen Stellung nur eingedenk, wenn es
etwas Verkehrtes zu befehlen gab, ist noch nicht geschrieben.
Selbst der Venetianer Quirino, welcher anfänglich für sie war,
tadelt dieses Benehmen, das in Spanien 1506 den höchsten
Grad erreichte, in starken Worten. Es wird daher schwerlich
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
247
der Behauptung etwas Gründliches entgegengestellt werden kön
nen, dass die castilianische Heirat für K. Philipp persönlich das
grösste Unglück war, ihm sein Leben frühzeitig kostete
und er zuletzt noch froh sein durfte, dass er, nach kurzer Krank
heit 28jährig am 25. September 1506 sterbend, doch als König
starb und der Entthronung durch seinen Schwiegervater und seine
Gemahlin entging, die sich zuletzt in den Kopf gesetzt hatte,
kein Niederländer dürfe König von Castilien werden,
aber auch keine Frau eines Niederländers Königin und
somit sie selbst nicht, noch viel weniger ihr Gemahl, son
dern nur ihr Vater, der König Don Fernando de Aragon, den
die Granden um keinen Preis mehr wollten.
Wir werden den letzten Ausspruch noch genauer zu be
gründen Gelegenheit haben. Der Bericht des Herrn Apton
von Lalaing über die erste Reise des Erzherzogs-Prinzen von
Spanien und seiner Gemahlin zu K. Ferdinand und Königin Isa-
bella besitzt somit bedeutende Vorzüge. Der Herr von Montigny
war, drei Excursionen nach San Jago de Compostella, nach
Granada und Valencia, endlich nach Marseille abgerechnet,
der ständige Begleiter des Erzherzogs vom 4. November 1501
an, an welchem Tage die Reise von Brüssel aus nach Frank
reich angetreten wurde, durch die Königreiche Frankreich und
Navarra, nach Castilien zur Huldigung in Toledo, nach Aragon
zur Huldigung in Saragossa, nach Frankreich, nach Savoyen,
zum dritten Male nach Frankreich, nach Hochburgund, durch
Oberdeutschland nach Tirol, von da nach Mainz, Köln und
endlich nach Malines, wo der Prinz ohne seine Gemahlin am
9. November 1503 bei seinen Kindern ankam. Der Bericht, nach
einer Stelle erst nach dem Tode der Königin Isabella ausge
arbeitet (1504), ist eine Art von Court-journal, welches Tag für
Tag sehr genau angibt, wie die hohen Herrschaften gekleidet
waren, wo sie zur Messe oder Vesper gingen, wo sie zu
Mittag oder Abend speisten, tanzten, jagten oder Ball schlugen,
wer sie in den verschiedenen Städten, Burgen etc. empfing
und dabei nie vergisst, zu bemerken, ob eine Stadt ge
pflastert war oder nicht. Abgesehen von diesem besteht der
Hauptwerth in den chronologischen Daten, wodurch der Auf
enthalt des Prinzen zwei Jahre lang Tag für Tag sicher
gestellt wird, wenn auch namentlich auf tirolischem Gebiete
248
Höf 1 er.
clie Feststellung der Ortschaften einer kritischen Untersuchung
unterliegt.
Für Montigny ist es eine Sache von besonderer Bedeutung,
hervorzuheben, ob K. Ludwig XII. oder K. Ferdinand el cato-
lico vor dem Prinzen die Mütze lüfteten, den Handkuss zu-
liessen, wer zur Rechten oder zur Linken ritt und ähnliche Dinge,
die die Weltgeschichte etwas weniger, aber das Herz eines
Hofmannes sehr erregen, übrigens auch von dem Prinzen selbst
in seinen uns erhaltenen Schreiben sehr hervorgehoben werden.
Er theilt mit, dass der Herr von Berghes plötzlich entlassen und
aus Spanien zurückgeschickt wurde, was ungemeines Aufsehen
erregte, fügt aber hinzu, dass der Grund dieses Verfahrens, den
man so gern erfahren möchte, ihm unbekannt geblieben sei. Er
erwähnt den Tod des maistre Gille Besselede, archevesque de
Bezenchon (Franz von Buxleiden, Erzbischof von Besangon),
23. August 1502, führt an, dass er, abgesehen von seinen bischöf
lichen Würden, Propsteien, Pfründen ohne Zahl in Belgien be
sessen habe, und macht zu seinen letztwilligen frommen Ver
fügungen die charakteristische Bemerkung: aulmonnes faites en
sancte de biens salutairement acquis sont meritoires (pag. 197).
Niemand misskennt den Stachel, der in diesen Worten liegt. Er
hebt die wichtige Thatsache hervor, dass Prinz und Prinzessin
nach der Huldigung in Saragossa gleich zusammen nach Flandern
reisen wollten und deshalb schon Abschied von der Königin
Isabella nahmen, 30. September 1502 (pag. 220), so dass also
der Entschluss, die Prinzessin in Spanien zurückzulassen und
allein nach Flandern zu gehen, erst späteren Datums war
und dadurch das Schreiben Ferdinands und Isabellens an den
Marques de Villena, Madrid, 7. December 1502 (Documentos
ineditos, t. VIII, pag. 269) sich erklärt. Nachdem sich durch
die Erkrankung der Königin Isabella im Spätherbste 1502 die
festgestellte Abreise nach Flandern unerwartet verzogen, blieb
kein anderer Ausweg übrig, als die Infantin im siebenten
Monate ihrer Schwangerschaft nicht den Gefahren einer höchst
beschwerlichen Winterreise auszusetzen, welcher der Prinz selbst
beinahe erlag. Diese Thatsache zerstört viele willkürliche Com-
binationen.
Ein anderer Punkt von Wichtigkeit betrifft eben diese
Erkrankung des Prinzen, nachdem er am 10. April 1502 Lyon
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen,
249
yerlassen 7 dem Könige und der Königin von Frankreich aber
sein Wort gegeben, nicht ohne sie nochmals gesehen zu haben
nach den Niederlanden zurückzukehren. Er erkrankte am
17. April in Bourg, liess sich wirklich, sein Wort zu lösen,
nach Lyon zurückbringen und lag nun in der Abtei de Aisney
so hart am hitzigen Fieber darnieder, dass er am 10. Juli von
vierzehn Aerzten aufgegeben wurde. Am 2. Juni fand in
Aisney die Auseinandersetzung mit den spanischen Gesandten
statt, wobei sich der Erzherzog in Betreff seines Vorgehens
auf die ihm ertheilte, von K. Ferdinand und Königin Isabella
Unterzeichnete Instruction berief, während die neue Gesandt
schaft keine solche besass (pag. 291). Den Aufenthalt in Inns
bruck setzt Montigny vom 13. September bis 5. October, wo
bei der stattgehabten Feierlichkeiten umständlich gedacht wird.
Auf dem Heimwege erhielt der Prinz noch die Mission, mit dem
Erzbischöfe Berthold von Henneberg, Churfürsten von Mainz,
wegen dessen Abdankung zu unterhandeln. Im Text heisst es:
adfin qu’il veulsist resigner son bdnefice es mains du marquis
de Brandenbourg, qui la estoit advec luy, non mie le electeur,
pag. 329. Der gelehrte Herausgeber fügt in der Note hinzu:
C’est a dire non ,pas F electeur. Nous avouons ne pas com-
prendre ces mots. Ich möchte nicht zweifeln, dass Berthold
zwar nicht zu Gunsten des regierenden Markgrafen - Chur
fürsten abdanken sollte, der als Laie doch nicht Churfürst
von Mainz werden konnte, wohl aber zu Gunsten des Mark
grafen von Brandenburg, welcher den Erzherzog von Innsbruck
nach Mainz zu diesem Zwecke begleitet hatte und nun Erz
bischof werden sollte. Der Ausdruck scheint mir keine Schwierig
keiten zu haben. Der niederländische Bitter Montigny, welcher
nach seiner Rückkehr aus Tirol gleich eine grosse Herausforderung
ergehen liess, besass übrigens Sinn und Interesse für mannig
faltige Dinge. Er vergleicht regelmässig die Grösse der von
ihm besuchten Städte mit belgischen, beschreibt den Bau
schöner Schlösser und Burgen, zählt die Einkünfte des hohen
spanischen Clerus, der Ritterorden und der Granden auf, hat
für fremde Sitten und Gebräuche ein feines Ohr, freilich auch
einen bodenlosen Wunderglauben. Während die Spanier und
Portugiesen die neue Welt entdeckten, entdeckten Anton vonLa-
laing, der Venetianer Navagero, sein Zeitgenosse, ein Italiener
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250
Höfl er.
und ein Belgier, das Wunderland Spanien für die mittel- und ost
europäische Welt. Der Sagenkreis der schönen Melusina, Rolands
und seiner Gefährten, die verrätherisch an den muselmännischen
Sultan verkauft worden, Karls des Grossen überhaupt, führt
wie ein grosser Leitfaden durch die Welt der Abenteuer direct
nach Spanien, und zwar in das Baskenland, nach Castilien und
nach Aragon. Von der Alhambra, die Montigny besuchte,
nordwärts gegen Sevilla und Toledo drangen arabische Tradi
tionen; Alles überragten aber die eigentlich christlichen Legen
den, die sich an bestimmte Klöster, Wallfahrtsorte, Bischof
sitze, Einsiedeleien und eine Unzahl von freilich sehr zweifel
haften Reliquien anschlossen, an Königsgräber, Kreuzpartikeln,
Dornen von der blutigen Krone Christi, an dessen Grabtuch, wie
an die Ruthe Aarons. Es war kein Ort dieser Art, wo nicht
Wunder auf Wunder geschahen, alle Legenden über Kloster
begründung, über das Leben und das Ende der Apostel oder
der heiligen Frauen, die den Herrn begleitet und auf ihrer
Pilgerfahrt zuletzt nach Spanien gekommen seien, wurden mit
einer Innigkeit geglaubt, dass man Mühe hat, sich in diese
Welt zu versetzen, die wie in einem Zaubergarten des reli
giösen Mythus sich bewegte, und, je zweifelhafter diese Tradi
tionen ihrem geschichtlichen Ursprünge nach waren, desto fester
und inniger sie wahrte. Wehe, wenn die Zeit kam, die den
Zweifel gebar und dieser dann das Echte und Sichere mit
dem Unechten und Widerspruchvollen auf Eine Linie setzte!
Diejenigen, welche neben Legenden voll poetischen Inhaltes
auch ganz abgeschmackte lehrten und dadurch sich bereicherten,
trugen dann die Schuld, wenn auch das Heilige in den Verruf
der absichtlichen Fälschung und Misskennung gerieth und
die Glaubwürdigkeit des unzweifelhaft Wahren selbst gefährdet
wurde. Der Moment des heftigen Conflictes zwischen christ
licher Romantik und christlicher Wahrheit war dann unaus
bleiblich.
Der erwähnten Fehler ungeachtet bleibt Montigny ein
sorgfältiger Beobachter spanischer Verhältnisse und wetteifert
in dieser Beziehung mit dem. Venetianer Quirino, der gleich ihm
den König auf der zweiten Reise nach Spanien begleitete. Es ist
interessant, Beide in dem Berichte über das Einkommen des
Adels und der Krone zu vergleichen.
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
251
In Betreff der Bischöfe und Erzbischöfe von Castilien
gibt Quirino (relazione, pag. 23) nur an, dass der Erzbischof
von Toledo ein jährliches Einkommen von 40.000 Ducaten
habe, die übrigen 5000—18.000, die geringsten 1000—4000.
Zu den mittleren rechnet er die Erzbischöfe von San Jago und
Sevilla und den Bischof von Burgos. Montigny gibt dem Erz
bischof von Toledo 52.000 Goldgulden, 1 dem von Sevilla
24.000, 2 von Granada 34.000, San Jago 18.000, dem Bischof
von Burgos ebensoviele. Es folgen die Bischöfe von Segura
und Palencia mit 14.000, Osma mit 12.000, Cordova, Jaen,
Aissia (?) mit 10.000, Leon, Plasencia, Salamanca, Calatrava,
Avila mit 8000, Zamora, Oviedo, Badajoz und Astorga mit
6000, Ciudad Rodrigo, Coria, Lugo, Tuy, Almeria, Cadix,
Orense mit 4000, Malaga, Mondanedo mit 5000.
Nach Quirino bezog der Condestable 50.000 Ducaten jähr
lich, der Herzog von Medina Sidonia 40.000, 3 Medina Celi
35.000, Recos (Arcos?) 30.000, Infantado und Alba 25.000,
Mian(?) 22.000, Agen(?) 17.000, der Graf von Benavente 27,000,
der Almirante 30.000, der Marques von Villena 50.000, im
Ganzen Prälaten und Granden 800.000 Ducaten. Montigny
schreibt dem Condestable ein Einkommen zu von 72.000 Gold
gulden, dem Admiral nur 15.000, dem Herzog von Alba 40.000,
Infantado und Medina Celi je 40.000, Medina Sidonia 56.000,
Najera 20.000, Bejar 28.000, Albuquerque 23.000, Cadix und
Arcos je 16.000, Marques von Villena 20.000, 4 Astorga und
Villafranca je 12.000, Marques von Zenette, 5 Aquilar, Moya je
16.000, Denia 10.000. Dann bringt er erst noch ein Ver
zeichniss von 38 Grafen und 2 Viscondes zusammen mit 350.000
Goldgulden Einkünften (pag. 234), an ihrer Spitze der Graf
1 Navagero, Lettere, pag. 304: 10.000 Ducaten und ungefähr ebenso viele
die Domkirche, e piü entrata ha l’arcivescovado e chiesa de Toledo che
tutto il resto della cittä, pag. 306.
2 Nach Navagero hatte jeder Canonicus von Sevilla 400—500 Ducaten
jährliche Einkünfte.
3 Nach Navagero, Viaggio pag. 362: piü di 70.000 ducati.
4 Nach Navagero mehr als 70.000 Ducaten.
5 Aelterer Sohn des Cardinais Don Pero Gonzalez de Mendoza mit
30.000 Ducaten Einkünfte; der jüngere Sohn, Don Diego de Mendoza’
hatte von seinem Vater ein Einkommen von 15.000 Ducaten.
Höf 1 er.
252
von Benavente mit 44.000 Goldgulden und der Graf von Urena
mit 24.000.
Nach Quirino bezog der Grossmeister von San Jago jähr
lich 40.000 Ducaten, nach Montigny 64.000; der von Calatrava
nach Quirino 35.000, nach Montigny 40.000; der von Alcantara
nach Quirino und Montigny 36.000. Die 100 Commendatoren
von San Jago bezogen nach Quirino ein jährliches Einkommen
von 40.000 Ducaten. Der Orden hatte 50.000 Vasallen. Die
50 Commendatoren von Calatrava bezogen 35.000 Ducaten
Rente. Der Orden verfügte über 5000 Pferde (vasalli?). Der
Orden von Alcantara hatte 20 Commendatoren mit einem jähr
lichen Einkommen von 30.000 Ducaten. Der Orden verfügte
über 5000 Vasallen (pag. 26).
Montigny schreibt noch dem Grosscommandeur von Leon
40.000 Ducaten Rente zu, dem Grosscomthur von Calatrava
8000, dem clavero von San Jago 8000, dem von Calatrava 6000,
dem von Alcantara 2000, dem Prior von San Juan 10.000, dem
von San Marco i;nd Leon 8000, dem von Veiles 6000, dem des
Conventes von Calatrava 4000. Von den 6 Adelantaden bezog
der von Castilien 12.000 Goldgulden, der von Murcia 14.000, der
von Leon 6000, der von Cazorla 8000, der von Granada 6000,
der von Andalusia 16.000. Von den 4 Marschällen hatte der
von Naves und der von Molpica je 2000, der von Salvedra
3000, der von Penaflor 1000 Goldgulden.
Da K. Ferdinand die drei Grossmeisterthtimer in seinem
Besitze hatte, genoss er von diesen ein Einkommen von min
destens 120.000—140.000 Ducaten, der eigentliche König von
Castilien — nichts, so dass er weder den Hof, noch die Armee
unterhalten konnte. Der zärtliche Schwiegervater hatte ihm
von den königlichen Renten nichts gelassen. —
Bei dieser Erörterung mag es genügen, an zahllosen Bei
spielen hervorgehoben zu haben, wie sehr die Geschichte
K. Philipps im Argen liegt und der Forscher beinahe keinen
Schritt zu machen im Stande ist, ohne auf Klippen oder Un
tiefen zu stossen. Es ist dies aber die Uebergangszeit von
dem 15. zum 16. Jahrhunderte. Nur ein Jahrzehnt trennt
uns von der grössten und folgenreichsten Revolution, welche
die neuere Geschichte kennt, der kirchlichen Umwälzung, und
wir müssen zu unserer Beschämung gestehen, dass wir in der
Quellen der Geschichte Philipps des ScliÖnen.
253
Vorhalle derselben uns mühsam erst den festen Boden zu bereiten
suchen. Ich habe in der Schrift: ,Die romanische AVelt und
ihr Verhältnis s zu den Reformideen des Mittelalters/ Wien
1878, auf die Nothwendigkeit hingewiesen, sich die Geschichte
der informatorischen Bewegungen unmittelbar vor Ausbruch
der grossen Glaubensspaltung zu vergegenwärtigen und damit
die Frage zu erledigen, inwiefern die Romanen berufen waren,
dem immer stärker sich kundgebenden Andrange nach einer
kirchlichen Reform zu entsprechen. Die jüngst erschienene
dritte Abtheilung ,Zur Kritik und Quellenkunde der
ersten Regierungsjahre K. Karl V. (1883) hat hiefür neue
wissenschaftliche Belege geliefert. Die Abhandlungen aus dem
Gebiete der slavischen Geschichte und das vor zwanzig Jahren
geschriebene Werk über Johannes Huss und den Abzug der
deutschen Professoren und Studenten aus Prag, gewährte der
Anhaltspunkte genug, um dieselbe Frage vom Standpunkte der
slavischen religiösen Bewegung zu erörtern. Vom deutschen
Standpunkte aus sie in Angriff' zu nehmen, ist jetzt ein Wag-
niss, da jede Erörterung, die zu unlieben Resultaten führt, nicht
blos des Anathema’s deutscher Zeloten sicher ist, sondern auch
sich auf jene Rohheit der Denk- und Ausdrucksweise gefasst
machen muss, die seit dem Culturkampfe sich in unsere
literarische Journale einbürgerte und einen Mann der Wissen
schaft geradezu anwidert. Nichtsdestoweniger muss ausge
sprochen werden, dass wir von dem Standpunkt vergleichen
der Geschichte der tonangebenden Nationen des IG. Jahrhunderts
keine Geschichte des kirchlichen Revolutionszeitalters besitzen,
um darzuthun, wie es kam, dass die allgemein erstrebte Re
formbewegung in die Revolutionsbewegung umschlug und
namentlich in Deutschland das Heil nur mehr in einem neuen
Glauben gesucht wurde, im Bruche mit der ganzen Ordnung
der Dinge, die unsere Altvorderen dem Heidenthume entriss
und 1500 Jahre als Quelle des Lebens galt, mit der ganzen
Verfassung, die den apostolischen Zeiten entstammte, mit der
eigenen Vergangenheit, die weder ein Fürst noch ein Volk un
gestraft von sich stossen darf!
Wir sind da zunächst auf die Geschichte Maximilians I. an
gewiesen, dessen letzte Lebensjahre in den Anfang dieser gross-
artigen Umwälzung hineinragen, und wenn wir sie befragen
i
|!
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1;
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254
Hofier.
und Aufschlüsse von ihr begehren, so erhalten wir nirgends
genügende Antwort. Im Gegentheile, befragen wir in Betreff
der wichtigsten Ereignisse seiner Jugendperiode die unstreitig
mit vielem Talent und mannigfaltigem Studium verfasste Hi-
stoire de Flandre von Kervyn de Lettenhove, t. Y: Duc de
Bourgogne, und t. YI: Temps modernes, Bruxelles 1850, so
tritt uns eine so feindselige Gesinnung, eine so entschiedene
Parteilichkeit für die aufrührerischen Flanderer und gegen Ma
ximilian, eine so consequent durchgeführte Kunst des Ver
schweigen wichtiger Thatsachen hervor, dass eigentlich Capitel
für Capitel umgeschrieben werden müsste. Maximilians grosses
Verdienst war, mit ungemeiner persönlicher Aufopferung, man
kann sagen, die Pike in der Hand und seine Kanonen selbst
dirigirend, Belgien gegen die Franzosen vertheidigt und diesen
die Niederlande entrissen, sie dem deutschen Reiche wieder
gewonnen zu haben. Ich begreife, dass dieses in den Augen
mancher Personen kein Verdienst, sondern eine grosse Schuld
ist. Es wird aber doch wohl gestattet sein, sich von der Herr
schaft französischer Historiographie und der einseitigen Auf
fassung grosser Weltbegebenheiten unter der Form ,der Riva
lität zweier Fürstenhäuser“ zu emancipiren und an die Stelle
derselben das Bestreben der Franzosen zu setzen, die Herr
schaft in Europa zu erlangen, sich auf Kosten der Nachbarn
zi; vergrössern und ein System des Vertragbruches und der
Treulosigkeit emporzubringen, mit welchem die moderne Aera
beginnt und das sich in Ludwig XIV., Napoleon I., zur Dictatur
erschwang. Es handelt sich meiner Ueberzeugung nach um
nichts Geringeres, als mit einer gewissen Art von Geschicht
schreibung aufzuräumen und den Boden zu einer anderen uni
versellen zu schaffen, die nicht, was in Einem Lande — gleich
viel, ob Frankreich oder Deutschland — vor sich ging, nur
von dem einseitig patriotischen Standpunkte desselben auffasst
und den übrigen Nationen, ihrer eigenthümlichen Entwicklung,
keine Gerechtigkeit zuerkennt, oder, wie es unlängst geschah,
es für ein Pamphlet ausgibt, wenn man eine Vergleichung des
Entwicklungsganges Deutschlands und Spaniens unternimmt, was
freilich nicht Jedermanns Sache ist, auch nur zu versuchen.
Es ist nicht wissenschaftlich, an den gewaltigen Gegen
sätzen vorüberzugehen, die der slavisch-magyarische Osten und
Quellen der Geschichte Philipps des Schönen.
255
der romanische Westen gegen das Reich der Mitte, Deutsch
land, bildeten, das selbst im Anfänge des 16. Jahrhunderts durch
die grossen Weltbegebenheiten von den Romanen überflügelt
wurde. Damals war es, dass Maximilian durch das burgun-
dische Herzogthum, mit dessen Titel und Insignien er sich so
gerne schmückte, das Reich mit dem Welthandel verband, als
sich dieser nach Sevilla und Lissabon gezogen hatte. Damals
war es, dass Maximilian nicht blos die Krone von Ungarn, die
ihm vertragsmässig zukam, zu erwerben trachtete, sondern auch
geradezu die Königreiche, die man unter dem Gesammtnamen
Ungarn begriff, dem deutschen Reiche einzuverleiben gedachte.
Es war ein grossartiger und fruchtbarer Gedanke, der Ungarn
von zweihundertjähriger osmanischer Knechtschaft zu befreien
vermochte, wenn er zur That wurde. An dem Hohne und der
Schadenfreude der Franzosen, als der Plan scheiterte, kann
man sehen, wie sehr die Erbfeinde der Deutschen das Gelingen
desselben perhorrescirten. Das deutsche Reich, im Innern dem
Kampfe der Stände verfallen und einer Revolution entgegen
gehend, deren Charakter man damals nur nach dem steigenden
Hasse der Laien gegen den übermächtigen Clerus bemessen
konnte, selbst mit Italien in Zwiespalt, an dessen Vereinigung
mit dem Kaiserreiche die echten deutschen Kaiser ihre ganze
Kraft gesetzt hatten, bedurfte eines Anlehnens an einen an
dern Staat, sei es Ungarn, sei es Spanien, um bei der sich
jetzt vollziehenden Bildung eines neuen Staatensystemes und
der Uebermacht Frankreichs sich aufrecht zu erhalten. So viel
und so glänzend über die grosse Bltitlie Deutschlands im An
fänge des 16. Jahrhunderts — im Gegensätze zu den Bürger
kriegen und der Verwirrung, die letztere über das arme Vater
land brachten — geschrieben wurde, der Mangel an Einheit,
an Organisation, an nachdrücklicher Leitung liess keine Macht
aufkommen, und wo sich Mächte messen, entscheidet die grös
sere, die besser organisirte, die geeinigte Macht! Das fühlte
Maximilian sehr wohl, während die Churfürsten des Reiches
ihren König und Kaiser zwangen, bei den wichtigsten Ver
handlungen den Berathungssal zu verlassen und draussen vor
der Thüre zu warten, bis ,die sieben grossen Leuchter der
Welt' mit ihren Berathungen fertig geworden waren. Das war
im geeinigten Frankreich, in Castilien, in Aragon, in England
256
Hofier. Quellen der Geschichte Philipps des Schonen.
oder Portugal unmöglich ! Alles hatte in Deutschland nur die eine
Aufgabe sich gestellt, die Centralgewalt zu schwächen, und der
religiöse Bürgerkrieg, der sich jetzt entzündete, hat Deutsch
land vollends zum Spielballe der Factionen gemacht, deren
Häupter, wenn sie sich an Frankreich anschlossen und das
Reich verriethen, noch jetzt als Patrioten gepriesen werden!
Nichts thut uns mehr Noth als eine gründliche Geschichte
Maximilians, ohne welche die seines Enkels Karl V. nicht ge
schrieben werden kann.
Doch es bieten die Quellen der Geschichte der letzten
Jahre K. Philipps noch Gelegenheit genug dar zu wissenschaft
lichen Erörterungen über ihn und seine Zeit, und Manches,
was bisher nur angedeutet werden konnte, wird in dem, was
noch folgt, seinen Abschluss finden.
Meyer. Albanesische Studien I.
257
Albanesische Studien.
Von
Gustav Meyer.
I.
Die Pluralbildungen der albanesisehen Nomina.
Einleitung.
I. Quellen und Hilfsmittel.
Die Zahl der Quellen, aus denen wir eine Kenntniss alba-
nesischer Spracherscheinungen gewinnen können, hat sich nicht
unerheblich vermehrt, seitdem Herr Miklosich im ersten Hefte
seiner bahnbrechenden .Albanischen Forschungen*, Wien, 1870,
eine Uebersicht der von ihm benutzten Hilfsmittel gegeben hat.
Es erscheint daher nicht unangemessen, den folgenden Unter
suchungen ein ähnliches bibliographisches Verzeichniss der
Schriften über albanesische Sprache und Literatm’ vorauszu
schicken, die zu meiner Kenntniss gekommen sind, und die
ich, trotzdem sie. zum Theil sehr schwer zugänglich sind, auch
fast alle selbst benutzen konnte, dank der freundlichen
Unterstützung deutscher und fremder Gelehrten, unter welchen
ich dem Prinzen Lucian Bonaparte in London, Herrn Com-
paretti in Florenz, Herrn Jungg in Scutari, Herrn De-Mar-
tino in Alessio, Herrn Politis in Athen und Herrn Stier in
Zerbst ganz besonders auch an dieser Stelle danke. Das Ver
zeichniss enthält auch in der Airgabe der Literatur bis 1870
einige Nummern mehr als das von Herrn Miklosich. Ich habe,
dem Vorgänge dieses Gelehrten folgend, die chronologische An
ordnung gewählt; der Vollständigkeit wegen ist auch die bei
Herrn Miklosich verzeichnete Literatur mit aufgenommen, aber
blos mit ganz kurzer Titelangabe und der Bezeichnung durch Mi.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 17
258
M e y e r.
1. Blanchus, Dictionarium latino - epiroticum. Rom,
1635. (Mi.)
2. Budi, Dottrina christiana di Bellarmino tradotta in
lingua albanese. Rom, 1664. (Mi.) 3. edizione. Rom, 1868.
3. Bogdanus, Cuneus prophetarum. Padua, 1685. (Mi.)
4. Lecce, Osservazioni grammaticali nella lingua albanese.
Rom, 1716. (Mi.)
5. Breve compendio della dottrina christiana. Rom,
1743. (Mi.)
6. KaßabXid)TY)i;, IIpuToxetpia. Venedig, 1770, bei Thunmann,
Untersuchungen I, 181—238. Leipzig, 1774. (Mi.)
7. v. Win di sch, Von den Kiementinern in Syrmien. Unga
risches Magazin II. Pressburg, 1782. (Mi.)
8. Aavi^X, Et<jaYa>Yiz.Y) SiSaaxaWa 1802. (Mi.) Vgl. Miklosich,
Rumunische Untersuchungen I, zweite Abtheilung. Wien, 1882.
S. 43 f.
9. Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde. Von J. Th.
Adelung, fortgesetzt und bearbeitet von Joh. Severin Vater.
Zweiter Theil. Berlin, 1809. S. 792—803 Albanisch, darin sechs
Uebersetzungen des Vaterunsers: I (gegisch), V (aus Calabrien)
und VI (aus Sicilien) aus Hervas, III aus Budi’s Dottrina
christiana (oben Nr. 2), IV aus dem Ungarischen Magazin
(oben Nr. 7), II aus dem Munde von Kaufleuten aus der
Gregend von Argyrokastro aufgezeichnet.
10. Hobhouse, Journey through Albania. London,
1813. (Mi.)
11. Pouqueville, Voyage dans la Gre.ce. Paris, 1820
und 1821. (Mi.)
12. Grammatik der albanesischen Sprache nach Fr. Mar.
da Lecce. In ,Vergleichungstafeln der europäischen Stamm
sprachen 1 usw. von Joh. Severin Vater. Halle, 1822. S. 133
bis 182. Enthält eine Bearbeitung der Osservazioni von Lecce
(Nr. 4) und ein kleines Wörterverzeichniss nach Blanchus,
Thunmann und Pouqueville.
13. 'H ‘/.aivi) Staö^xY] Siyktorro«; toutectc -(poavj.yJq xai aXßaVY]Taf ( .
Corfu, 1827. (Mi.)
14. Pun t’ nevoiscem . . . Rom, 1828. (Mi.)
15. Kopitar, Wiener Jahrbücher, 1829.
106. (Mi.)
S. 60 bis
Albanesische Stadien I.
259
16. v. Xylander, Die Sprache der Albanesen oder Schki-
petaren. Frankfurt a/M., 1835. (Mi.)
17. Neugriechischer Dolmetscher nebst türkischem und
albanesischem. Zweite vermehrte Ausgabe. Von J. A. E. Schmidt.
Leipzig, 1838. Enthält nach Materien angeordnete Wörterver
zeichnisse. Das Albanesische ist mit lateinischen Buchstaben
geschrieben, der unbestimmte Vocal durch ä bezeichnet.
18. Girolamo de Rada, öanti di Serafina Topia. Napoli,
1843. (Mi.)
19. Basile, Via del paradiso. Rom, 1845. (Mi.)
20. Guagliata, Dottrina christiana del card. Bellarmino.
Rom, 1845. (Mi.)
21. Girolamo de Rada, Milosao und andere Gedichte.
Neapel, 1847. (Mi.)
22. Sugli Albanesi ricerche e pensieri di Vincenzo Dorsa.
Napoli, 1847. Interessant sind die allerdings nur in italienischer
Uebersetzung mitgetheilten Volkslieder im 5., 6. und 16. Capitel
und die Ausführungen über die italienischen Albanesen und ihre
Literatur, Cap. 7 ff.
23. G. Stier, Die Albanesen in Italien und ihre Literatur.
Allgemeine Monatsschrift, 1853. S. 864—874. Fusst wesentlich
auf der unter Nr. 22 aufgeführten Schrift von Dorsa.
24. J. G. v. Hahn, Albanesische Studien. Jena, 1854. (Mi.)
25. Ist die albanesische Sprache eine indogermanische?
Von G. Stier. Allgemeine Monatsschrift, 1854. S. 860—872.
26. Reinhold, Noctes pelasgicae. Athen, 1855. (Mi.)
Unter dem Titel \h\air(i-/A Hess der (im Jahre 1881 verstorbene)
Dr. Reinhold 1856 autographirte Fortsetzungen der drei Ab
theilungen der Noctes pelasgicae drucken, die sehr selten zu
sein scheinen, nämlich Tpap^aziv.r, S. 41—71. npoopogoc; Xs^r/,oü
S. 81—112. ’AvGokcvG S. 29—52.
27. Bopp, Ueber das Albanesische. Berlin, 1855. (Mi.)
28. Max Müller, The languages of the seat of war in
tlie East. 2. edition. London, 1855. Enthält S. 50—63 eine
Uebersicht der bisherigen Ansichten über die Stellung des
.^libanesischen im Kreise der anderen Sprachen.
29. ITcpt zrfi ocjzoyßo'/iaq tfiiv ’AXßavwv v^toc Zxwtreap. IIpa-f|j.a'csia
iGTcpixo®[AoAoYi>«) vjv . . . eypoMie NnwXao? rsiüp-pou Ntx.oy.Aijs "EXXvjv
iv. KoLav^c i% MaxeSovta«;. Göttingen, 1855.
17*
260
M e y e r.
30. Studii lingnistici di B. Biondelli. Milano, 1856. Enthält
pag. 43—73 Prospetto topografico-statistico delle colonie straniere
d’Italia, darin pag. 59—63 Colonie Älbanesi; pag. 75—103 Deila
letteratura popolare dell’ Epiro. Der letztere Aufsatz gibt nach
Skizzirung der Hauptphasen der albanesischen Geschichte Notizen
über die Volkslieder mit Proben aus denselben in italienischer
Uebersetzung; die Originale sind seitdem zum Theil in den
Rapsodie von Rada (s. unten Nr. 49) publicirt worden. Ein
Auszug aus diesem schon früher gedruckten Aufsatze Biondelli’s
steht im ,Magazin für die Literatur des Auslandes* 1846,
Nr. 133 und 134.
31. Hieronymi de Rada Carmina italo-albanica quinque
transscripsit . . . Th. Stier. Braunschweig, 1856. (Mi., der die
Schrift durch ein Versehen unter 1866 gestellt hat.)
32. Das albanesische Element in Griechenland. Von Dr. J.
Ph. Fallmerayer. 1. Abtheilung 1857. 2. und 3. Abtheilung
1860. München, aus den Abhandlungen der königl. bayrischen
Akademie der Wissenschaften.
33. Vigo, Canti popolari siciliani. Catania, 1857. (Mi.)
Eine zweite Ausgabe ist als zweiter Band der Opere di
Lionardo Vigo mit dem Titel Raccolta amplissima di canti
popolari siciliani in Catania 1870—1874 erschienen. Die (21)
canti albanesi stehen hier mit einer Einleitung von Francesco
Crispi S. 692 — 706 als Nr. 5270—5290 mit italienischer
Uebersetzung. Aus der ersten Auflage hat Gregorovius in
seiner Abhandlung ,Die sicilianischen Volkslieder* (Wanderjahre
in Italien III, 277 ff.) zwei albanesische Lieder übersetzt.
34. 'H y.aivi) 8ia0Yjx.Y] toü y.uptou y.ai cwTYjpo«; r;p,äW Ty)<jou Xpiciou
St'yXtüxtoc, toutscti y.ai aXßavm). ’Ev ’AO’jvaic, 1858. Eine
neue Ausgabe der unter Nr. 13 aufgeführten Uebersetzung.
35. Travels in Albania and other provinces of Turkey in
1809 and 1810 by the Right Honourable Lord Broughton.
A new edition. 2 Bände. London, 1858. Enthält im 2. Bande
S. 414—433 einen Abriss der Grammatik nach L e c c e.
36. nsXacYog y.ai OStwri;. Skip§tari eod greku. Lamia, 1860.
Eine Zeitung, welche wöchentlich erschien und von der mir
der erste Jahrgang durch die Güte von Herrn Director Dr.
Stier in Zerbst Vorgelegen hat. Ob mehr erschienen ist, weiss
ich nicht. Herausgeber war ein gewisser Pykaeos (IIuy.aTo?),
Albanesische Studien I.
261
Tendenz, den engsten Zusammenhang zwischen Albanesen und
Griechen nachzuweisen. Die Schreibung des Albanesischen ist
griechisch, mit Zusatz einer Menge von Zeichen, die meist aus
umgekehrten griechischen Buchstaben bestehen. An thörichten
Etymologien ist die Zeitschrift sehr reich, an brauchbarem
Material ganz arm.
37. TpaiAgs 7t£p <7(7.)ux£Tapg. Lamia, 1861. 16 S. 12. Enthält
Vorschläge zu einer höchst complicirten und unzweckmässigen
Schreibung des Albanesischen von dem Herausgeber der als Nr. 36
genannten Zeitung, übereinstimmend mit der dort befolgten.
38. As coli, Frammenti albanesi. In den Studi critici I,
79—101. 1861. (Mi.) Deutsch in ,Kritische Studien zur Sprach
wissenschaft* von G. J. Ascoli, autorisirte Uebersetzung von
R. Merzdorf. Weimar, 1878. S. 31—45.
39. Stixdi etimologici della lingua albanese per Vincenzo
Dorsa. Cosenza, 1862. Die Methode des Verfassers ist keine
wissenschaftliche.
40. Uoa e sceites cruc. Rom, 1862. (Mi.)
41. Jezu Criscti n’ zemer t’ mesctaarit. Kuitime t’ scpirtit
ci do t’ keet mesctaari per giGtsilen dit t’ möit kOue sccup’
prei D. Eigna Radojet prift i dieces’ i Scodrs. Rom, 1862.
42. Die albanesischen Thiernamen. Von G. Stier. Zeit
schrift für vergleichende Sprachforschung XI (1862), S. 132
—150. 206-'253.
43. Die Nutzpflanzen Griechenlands. Mit besonderer Be
rücksichtigung der neugriechischen und pelasgischen [d. i. alba
nesischen] Vulgarnamen. Von Theodor v. Heldreich. Athen,
1862. Das wichtigste Werk über albanesische Pflanzennamen.
44. Confessione pratica italico-epirotica scritta dal P.
B(onaventura) da F(rancavilla). Rom, 1863. (Mi.)
45. Otto Blau, Das Albanesische als Hilfsmittel zur Er
klärung der lykischen Inschriften. Zeitschrift der deutschen
morgenländischen Gesellschaft XVII (1863), S. 649 ff.
46. Notizie ed osservazioni in proposito degli studi critici
del prof. Ascoli per Domenico Comparetti. I. Sui coloni
greci e slavi dell’ Italia meridionale. II. Sülle ricerche albanesi.
Pisa, 1863.
47. Moj’ i majit . . . prei P. Gaitanit Bruschi. Rom.
1864. (Mi.)
262
M e y e r.
48. Saggio di grammatologia comparata sulla lingua alba-
nese per Demetrio Camarda. Livorno, 1864. (Mi.)
49. Rapsodie di un poema albanese raccolte ... da
Girolamo de Ra da e di Niccolö Jeno de’ Coronei. Firenze,
1866. (Mi.)
50. Appendice al saggio di grammatologia comparata sulla
lingua albanese per Demetrio Camarda. Prato, 1866. (Mi.)
51. Regole grammaticali della lingua albanese compilate
dal Francesco Rossi da Montalto. Roma, 1866. (Mi.)
52. Vocabolario italiano-epirotico compilato dal P. Fran
cesco Rossi da Montalto. Roma, 1866. (Mi.)
53. Urat usw. K6ue sccup prei Itinit prei P. Tom
Marcozzit. Rom, 1867. (Mi).
54. Gli scrittori albanesi dell’ Italia meridionale di Elena
Ghika (Dora d’ Istria) con note del traduttore. Palermo, all’ uf-
ticio delle Ore del popolo presso A. di Cristina. 1867. Ueber-
setzung eines in der ,Independance hellenique* erschienenen Auf
satzes der Fürstin Ghika durch Niccolö Camarda. S. 20 steht
ein albanesisches Sonett von Niccolö Chetta, S. 27 ein anderes
Gedicht von demselben und ein anakreontisches Gedicht eines
unbekannten Verfassers.
55. Reise durch die Gebiete des Drin und Wardar, im
Aufträge der lc. Akademie der Wissenschaften unternommen
von J. G. v. Hahn. Wien, 1867.
56. Dora d’Istria, Fyletia e Arbenore prej kanekate la-
oshima. Enkethyeme ne shkjipe peröi D(emetrio) C(amarda).
Ne Livurne tö typografia e P. Vannini e te birite. 1867. 85 S. 8.
Albanesische Uebersetzung eines Aufsatzes der Fürstin Ghika
aus der ,Revue des deux mondes' vom 15. Mai 1866: ,La natio-
nalite albanaise d’apres les chants populaires*, mit Zusätzen
des Uebersetzers.
57. T’verteta t’paa-sosme. Rom. 1867. (Mi.) Neudruck
1873.
58. Cuvendi i arbenit. Rom, 1868. (Mi.)
59. IlxaXxipt. KOüspg xrag eßpaiäxeag ßiexgps öi-tiz vds vxo-
<r/.£ptäxs ixpä'Kovaxavxivix Kptcxo<popi'3:x, EXbajavaaix. KovcxavxtvsroX,
vds trwxa-äzpivg xs A. X. ßojadctävtx. 1868. Toskische Ueber
setzung des Psalters. Griechische Buchstaben mit diakritischen
Zeichen ixnd hinzugefügten lateinischen Buchstaben.
Albanesische Studien I.
263
60. II vangelo di S. Matteo, tradotto dal testo greco nel
dialetto albanese di Piana de’ Greci in Sicilia da un nativo di
questo luogo. Riveduto e corretto da Don Demetrio Ca mar da,
autore della grammatologia albanese. Impensis Ludovici Luciani
Bonaparte. Londra, 1868.
61. II vangelo di S. Matteo, tradotto dal testo greco nel
dialetto calabro-albanese di Frascineto dal Sig. Vincenzo Dorsa.
Riveduto e corretto da Don Demetrio Camarda. Impensis Lu
dovici Luciani Bonaparte. Londra, 1869. Hier wie in dem
vorhergehenden Büchlein ist eine vortreffliche phonetische Schrei
bung angewendet.
62. II vangelo di S. Matteo, tradotto dalla volgata nel
dialetto albanese ghego scutarino, dal P. Francesco Rossi da
Montalto. Riveduto e corretto da Mons. Gaspare Crasnich,
abate mitrato diMirditta. Impensis Ludovici Luciani Bonaparte.
Londra, 1870. Die Schreibung des Albanesischen beruht auf der
Grundlage der in den Uebersetzungen der Propaganda befolgten.
63. Grammatica della lingua albanese di Giuseppe de
Rada. Firenze, Tipografia dell’ Associazione. 1870. Wesent
lich auf dem unteritalischen Albanesisch fassend. Dazu die Re-
cension von Hugo Schuchardt in der Zeitschrift für verglei
chende Sprachforschung XXII (1874), S. 69—88.
64. A Dora d’ Istria gli Albanesi. Canti pubblicati per
cura di D(emetrio) C(amarda). Livorno, 1870. Enthält nach
der Widmung an die Fürstin G h i k a eine Abhandlung ,della
scrittura albanese* von Demetrio Camarda S. 9—33 und dann
eine Reihe von Gedichten zum Preise der Fürstin in den ver
schiedenen albanesischen Mundarten.
65. Albanische Forschungen von Franz Miklosich.
I. Die slavischen Elemente im Albanischen. Wien, 1870.
II. Die romanischen Elemente im Albanischen. Wien, 1871.
IH. Die Form entlehnter Verba im Albanischen und einigen
anderen Sprachen. Wien, 1871.
66. Raccolta di canti popolari e rapsodie di poemi al
banesi tradotti nell’ idioma italiano da Giuseppe J u b a n y,
Albanese. Trieste, 1871. Enthält eine Einleitung mit politischen
Erörterungen, dann S. 25—54 ein nuovo sistema di lettere al
banesi sulF alfabeto latino, das sehr schwerfällig und unprak
tisch ist, sammt einigen Flexionsparadigmen, endlich S. 55—113
264
Meyer.
Gedichte und Volkslieder. I war aus der Uebersetzung in
Hecquard’s Reisewerk bekannt; II, III, IV sind aus B og-
dan’s Cuneus prophetarum; VIII ist bei Hecquard p. 500
und daraus bei Gopöevic, Oberalbanien S. 475 übersetzt.
Volksthümlick sind nur die Todtenklage und die Hochzeitslieder
S. 104 ff. Am Schlüsse fehlt auch hier nicht eine Ode an
Dora d’ I s t r i a. Die Mundart aller Lieder ist gegisch.
67. Albanisches und Romanisches. Zu Miklosich’s
Albanischen Forschungen. Von Hugo Schuchardt. Zeit
schrift für vergleichende Sprachforschung XX (1872), S. 241
bis 302.
68. KlXTpE X£pY?|Al|J.£ 7T£p TÖOUVCtt’ £ KE0UEpE xp£i Rov
er avu'vrt KpicTocpopiSu, EXbaadvac.-t. Kovcravuvo7coX, 1872. 32 S. 12.
69. Psalteri, kgöuem mbas ebraistesg vietgre skip nd§
guhg geggniste prei Konstantinit Kristoforidit, Elbasanasit.
Konstantinopol, 1872. Gegische Uebersetzung des Psalters mit
Anwendung des Standard - Alphabets wie in allen gegischen
Schriften von Kristoforidis.
70. Abetär skip prei Konstantinit Kristoforidit, Elba
sanasit. Konstantinopol, 1872. 30 Ss.
71. JvTOpi'a e äz.pov£G£ i7£VT£pbap£ ir£p diEg. ri£p|j.bsXe38ps vya
Atara £ Bi£i£p£ eoe vya teiopia e borsos eSe -xs06spE äUnc vdg -jj8j;§
Toazcpioxs xpsi Kovar. Kpicrc<popi'§ir, EXb. KsvaravrivöxoXs, 1872.
148 S. 8.
72. Ai ata e re e zotit eoe sgl'buesit t’ mig Jesu-Kristit,
k§0uem prei greklstesg vietgr skip ndg guhg geggnistc prei
Konst. Kristoforidit, Elb. Konstantinopol, 1872.
73. Poesie albanesi di Girolamo de Ra da. Vol. I, Cori-
gliano-Calabro, 1873. Vol. II, ebenda, 1872. Vol. III, IV, ebenda,
1873. Vol. V, Napoli, 1877. Neue Ausgaben der unter Nr. 18
und 21 angeführten Dichtungen de Rada’s.
74. I parlari italiani in Certaldo alla festa del V. cen-
tenario di Messer Giovanni Boccacci. Omaggio di Giovanni
Papanti. Livorno, 1875. Enthält auf S. 659—678 die neunte
Novelle des ersten Tages aus dem Decamerone in Uebersetzun-
gen in die verschiedenen albanesischen Mundarten Unteritaliens
und Siciliens (Badessa in Abruzzo Ulteriore I; Barile in Basili
cata; Frascineto, San Demetrio-Corone, Santa Caterina, Spezzano
Albanese in Calabria Citeriore; Ururi in Molise; Contessa,
Albanesische Studien I.
265
Palazzo Adriano, Piana de’ Greci in Sicilien; Greci in Princi-
pato Ulteriore), angefertigt von Eingeborenen der verschiedenen
Orte, revidirt und mit einer Einleitung und Anmerkungen ver
sehen von Demetrio Camarda.
75. Recnik od tri jezika, S. Makedonski [d. i. Bulgarisch]
Arbanski i Turski. Knjiga II. Napisao Gjorgje M. Puljevski.
U Beograd, 1875. Die von Mi kl o sich, Rumuni sehe Unter
suchungen II, 94, angeführte Schrift desselben Verfassers: ,Re-
cniki. otb cetiri jezika, Belgrad, 1873‘ ist mir nicht zugänglich
gewesen.
76. Vocabolario della lingua epirotica-italiana compilato dal
P. Francesco Rossi da Montalto. Roma, 1875. 1400 S. 8.
Vgl. Nr. 52.
77. Fiabe, novelle e racconti popolari siciliani raccolti ed
illustrati da Giuseppe Pit re. Vol. IV. Palermo, 1875. Enthält
S.281—298 sechs kurze albanesische Märchen (pugare) aus Piana
de’ Greci in Sicilien mit beigefügter italienischer Uebersetzung.
Die Aufzeichnung scheint eine sehr incorrecte zu sein.
78. B. P. Hasdeu, Le type syntactique homo-ille ille-
bonus et sa parentele. In Ascoli’s Archivio glottologico III
(1878), S. 420—441.
79. ’AXßavixi) [j.ihatja (bqXieTTa c^xiuurpaps). aX-
ßavo-cXXvjvr/.'ov . .. (juvtot/Gev üxo E. MfjTxou. ’Ev ’AXe^avSpeta, 1878.
Ein sehr wichtiges Buch, das Sprichwörter, Räthsel, eine reiche
Sammlung gegischer und toskischer Volkslieder und zwölf Mär
chen enthält; den Schluss macht ein Glossar.
80. Tb xaxä MaxOoaov äytov EbaYfEXtov TcapaopacÖsv ex tju apyjz-
TÖxou sXXyjvtxou. Konstantinopel, 1878.
81. Tb xerwe Mapxov ayiov Euoty^Xiov u. s. w. Konstan
tinopel, 1879.
82. Tb xata Aoüxav aytsv EuavyeXiov u. s. w. Konstantinopel,
1879.
83. Tb xaxa ’lwdvvyjv ayiov Euav^eXtov u. s. w. Konstan
tinopel, 1879. Die als Nr. 80—83 aufgeführten Uebersetzungen
der vier Evangelien sind in toskischer Mundart mit neben
stehendem neugriechischem Text, besorgt von Kristoforidis.
84. Analyse de la langue albanaise. Etüde de grammaire
comparee par Louis Benloew. Paris, 1879. Unmethodisch
und ohne annehmbare Resultate.
266 Meyer.
85. Albanien und die Albanesen. Eine historisch-kritische
Studie von Wassa Effendi. Berlin, 1879.
86. MeAety] caTopiy.Y] y.a't <ptAoAoYr/.Y] icept ty]q yAwogy]? x.ai toü
eOvou? twv ’AAßavwv uit'o II. A. KouYtiTwpY). Mepo? d (ävaTiwwOsv
£•/. tou Bupwvo?). Athen, 1879. 64 S.
87. Ataipißij xepl vqq xap’ XXßavot? ävTwvupiat; tou Tptiou Trpo-
gwkou v.caa tyjv oidXsy.TOV twv sv 'EXAaoi AXßavwv p.aXiaTa twv 'YSpafwv
ÜTib II. A. KouTi'.TwpYj. Aus der ,’Ef»)|Aspis twv «htXopuzQwvh Athen,
1879. 17 Ss. Von dem (kürzlich gestorbenen) Verfasser konnte
ich für die Mundart der Albanesen Griechenlands noch zwei
einzelne Blätter benützen, auf denen die Uebertragung zweier
Lieder aus Hahn und de Ra da sowie des Eua-pj'EAWv ty)c
SsuTEpa? dvaaTotcsw? in die Mundart von Hydra gedruckt ist.
88. Kanonizmg e üokgrisg tg stupuri skrona skip. Ndg
Konstandinupojg mbe 1879. Statuten einer Gesellschaft für den
Druck albanesischer Bücher.
89. Alfabetare e guhgsg slfip. Nde Konstandinupojg mbe
1879. Ein von der eben genannten Gesellschaft herausgege
benes Lesebuch mit gegischen und toskischen Sprachproben.
Die Schreibung, auf deren Wiedergabe ich aus typographischen
Rücksichten verzichtet habe, bietet eine Mischung lateinischer
und griechischer Buchstaben, die ganz willkürlich gebraucht
und vielfach durch eigenthümliche Entstellungen zur Be
zeichnung unursprünglicher Lautwerthe verwendbar gemacht
werden.
90. Manuel de la langue chkipe ou albanaise par Auguste
Dozon, consul de France. Paris, 1879. Enthält Märchen,
Lieder und andere bisher unbekannte Texte, eine Grammatik
und ein Wörterbuch ; die beiden letzteren fussen zum grossen
Theil auf den Angaben von Dozon’s Lehrer Kristoforidis.
Der toskische Dialekt ist fast allein berücksichtigt.
91. L’Epiro, gli Albanesi ela Lega. Lettere di Pietro
Chiara. Palermo, 1880.
92. Cihac, Le type homo-ille ille-bonus. In Boehmer’s
Romanischen Studien IV (1880), S. 431 ff.
93. Hasden, O pagina din sintaxa romano-albanesa.
Reduplicarea si triplicarea articului definit. In dessen Cärtile
poporane ale Romänilor in secolul XVI. Bucuresci, 1880.
S. 609—687.
Albanesische Studien I.
267
94. L’Älbanie et les Albanais par le colonel Becker.
Paris, 1880.
95. Völkerkunde Osteuropas, insbesondere der Hämos-
halbinsel und der unteren Donaugebiete von Lorenz Diefen
bach. Erster Band. Darmstadt, 1880. Handelt S. 25—90 von
den Albanesen, mit zahlreichen etymologischen Versuchen. Nach
träge dazu Band II (1880), S. 171—175.
96. Raffaele Parisi, Costumi albanesi d’ Italia. Rivista
europea XXIII (1881), 423—428. XXIV (1881), 544-550.
Handelt über Ilochzeitsgebräuche.
97. Oberalbanien und seine Liga. Ethnographisch-politisch
geschildert von Spiridion Gopcevic. Leipzig, 1881. Der Ver
fasser war leider der albanesischen Sprache nicht mächtig.
98. Zur albanischen Sprachenkunde von Dr. Johann Urban
Jarnik. Leipzig, 1881. 51 S. 8. Enthält ein Gedicht, zwei
Märchen und dreiundfünfzig Sprichwörter, aufgezeichnet nach
den Mittheilungen eines gegischen Albanesen aus Scutari, und
eine Zusammenstellung der in diesen Texten enthaltenen gram
matischen Thatsachen.
99. Elementi grammaticali della lingua albanese compilati
da Giacomo Jungg D. C. D. G. del uso del coli, di S. Fran
cesco Saverio. Scutari d’ Albania, 1881. 112 S. 8. Eine sehr
dankenswerthe Zusammenstellung der Formenlehre des Dialektes
von Scutari.
100. Kempis o silcur kaltsoin t’ diiscmit Giovanni Gersen
t’ perghiaamit e Jesu Krisctit kOue schjup prei P. Toms Mar-
cozzit M. 0. Miss. Ap. N’ Rom, 1881. 472 S.
101. P. Leonardo De-Martino, L’arpa d’un Italo-
Albanese. Venezia, 1881. 442 S. 8. Enthält S. 183—370 alba
nesische Gedichte, Originale und Uebersetzungen, in gegischer
Mundart. Der Verfasser ist von Geburt italienischer Albanese
aus Greci in Principato Ulteriore.
102. Sopra un’ antologia albanese del Reinhold, da
Emilio T e z a. Rivista di Filologia IX (1881), 262 f.
103. Contes albanais recueillis et traduits par Auguste
Dozon. Paris, 1881. Enthält die Uebersetzung der in des
Verfassers Manuel (Nr. 90) mitgetheilten Märchen.
104. Sponsali e nozze albanesi. Versione con proemio
del Prof. Carlo Moratti. L’Avanguardia, Palermo, 7. 8. 9.
268
Meyer.
giugno 1881. Das proemio ist sehr beachtenswerth, die Hoch-
zeitsgebräuche sind aus D o z o n’s Manuel übersetzt.
105. ’AXßavty.bv dXsaßrjtapiov y.axä xo sv 'EXXaSt cp.iXougevov
aXßavtxbv iSi'wp.a . . . szccOev rab A. 1. KouXoupu&xou. ’Ev ’A0^vat$,
1882. 164 S. Enthält Leseübungen, Uebersetzungsbeispiele,
Yocabelverzeichnisse (leider blos Nomina), Fabeln, Lieder und
Sprichwörter.
106. rpap.p.axty.r) xvj? äXßavixi;; yXwasrfi y.axä xy]V touy.iy.r,v otd-
Xey.xsv GU'nayßiiax uxo Kwvoxavxi’vou XpiGxofopi’Sou. ’Ev Kuvcxav-
xtvowroXei, 1882. 165 S. 8. Seit Hahn die werthvollste und
zuverlässigste grammatische Darstellung des Albanesischen.
107. Ueber Sprache und Literatm- der Albanesen. Von
Gustav Meyer. Nord und Süd XXIV (1883), S. 211—226.
108. Albanische Märchen, übersetzt von Gustav Meyer,
mit Anmerkungen von Reinhold Köhler. Archiv für Literatur
geschichte XII (1883), S. 92—148.
Ohne Druckjahr sind die folgenden zwei Schriften:
109. Kapxa e praeGSGe ak ysGxepsßsx vxb "R ay-UTrexdpEßtx.
Neapel. 16 S. Enthält nach einer Einleitung das Credo, Vater
unser, ein paar Psalmen und Gebete an verschiedene Heilige,
Alles in sehr problematischer Schreibung.
110. ’AX<paßixäp g7.it:. Trpsi' KoVGxavuv.x KpiGxcxsopiS'.x, EXba-
cavaGtx. Die toskische Ausgabe des unter Nr. 70 aufgeführten
gegischen Elementarbuches.
Ausserdem konnte ich bei meinen albanesischen Studien
benutzen: 1. Eine reiche Sammlung handschriftlicher Texte in
den griechischen Dialekten des Albanesischen, die mir aus dem
Nachlasse des verstorbenen Dr. R e i n h o 1 d in Athen von seinem
Bruder, Herrn Hauptmann Reinhold in Posen, gütigst über
lassen worden sind; 2. ein Verzeichniss von Vocabeln aus der
Mundart der Albanesen von Borgo Erizzo, das auf meine Ver
anlassung Herr Tullius Erber, Professor am Gymnasium in
Zara, für mich anzufertigen die Güte hatte.
II. Lautbezeichnung.
Herr Demetrio Camarda (bei Papanti S. 659) hat mit
Recht gesagt, dass man das alte quot capita tot sententiae mit
Rücksicht auf die Schreibung des Albanesischen frei übersetzen
Albanesisclie Studien I.
269
könne: quante persone clie scrivono come che sia, altrettanti
metodi di scrittura. Einigermassen feststehend ist nur die
Schreibung des Gegischen in den von der Propaganda veran-
lassten Uebersetzungen und grammatischen und lexikalischen
Compilationen; sie befolgt noch Herr Jungg in seiner Gram
matik, auch Prinz Lucian Bonaparte hat sie in der von ihm
veranstalteten Ausgabe des Matthäus-Evangeliums im Dialekte
von Scutari nur wenig modificirt. Herr De-Martino dagegen
hat an Stelle der vier hässlichen nicht italienischen Zeichen in
seinen Gedichten th, dh, z und ü geschrieben. Herr Kristo-
foridis aus Elbassan, der sich um die Fixirung und gram
matische Darstellung seiner Muttersprache die wesentlichsten
Verdienste erworben hat, wendet für das Gegische das Standard-
Alphabet an, für das Toskische eine der Hahn'sehen sich
annähernde Schreibung, von dem er sich im Gebrauche von
Y x X v p für Hahn’s yj y -j kj vj pp sowie in der Schreibung
8 für oj entfernt. Herr D o z o n braucht nur lateinische Buch
staben: gy und ky sind palatales g und k, ly weiches l, rh das
starke r, ü mouillirtes n, g und tg = S und ts, th und dh die
beiden interdentalen Spiranten (die jetzt auch Herr Miklosich
so schreibt), oe der unbestimmte Vocal. Man sieht, eine recht
schwerfällige und wenig empfehlenswerthe Lautbezeichnung.
Ich verzichte an diesem Orte auf eine ausführliche vergleichende
Darstellung der verschiedenen Methoden; für die hauptsäch
lichsten bis 1870 angewendeten hat Herr Miklosich im ersten
Hefte seiner , Albanischen Forschungen' S. 14 eine Uebersichts-
tabelle gegeben. Die von mir angewandte Schreibung schliesst
sich im Wesentlichen an das Standard-Alphab et an. Ich unter
schreibe durchaus, was Herr Hübschmann neulich zu Anfang
seiner Schrift ,Die Umschreibung der iranischen Sprachen und
des Armenischen' (Leipzig, 1882) bemerkt hat: ,Dass Lepsius’
Standard-Alphabet — mutatis mutandis — nicht zu allgemeiner
Annahme gekommen ist, bedaure ich durchaus. . . . Sicher
ist, dass wir in der Transscriptionsfrage trotz neuen Aufwandes
von Zeit und Geld noch heute nicht so weit sind, als wir bei
Annahme des L ep siu s’schen Alphabetes schon längst gewesen
wären. 1 Schliesslich hängt die Entscheidung über die Bezeich
nung eines Lautes von seiner genauen lautphysiologischen Be
stimmung ab; dieselbe wird mir für die Laute der albanesischen
270
Meyer.
Sprache erst dann möglich sein, wenn es mir vergönnt ist, durch
längere Zeit unter albanesisch redender Bevölkerung Beobach
tungen anzustellen. Vorläufig schreibe ich so:
Vocale: a e o i u u g.
Die Länge bezeichne ich mit ä u. s. w., die Nasalirung
mit 3 u. s. w. (nasalirtes g kommt im unteritalischen Dialekt
von Frascineto vor); also lange nasalirte Vocale mit ä.
Liquidae: r r l T.
Nasale: n n n m.
Explosivae: k g, Je g, t d, p h. Ich habe, zunächst aus
etymologischen Gründen, der Schreibung f d, die Herr Miklo-
sich neuerdings (Beiträge zur Lautlehre der rumunischen
Dialekte IV, 54) befürwortet, mich noch nicht anzuschliessen
vermocht.
Spiranten: li, y y (im Dialekt von Piana de’ Greci sehr
verbreitet), j, s s, s z, 0 o, f v.
Dazu die zusammengesetzten Laute ts ts, dz dz.
Die Tonsilbe bezeichne ich durch den Acut. Ich bezeichne
sie aber überhaupt nur dann, wenn es eine andere ist als die
vorletzte eines mehr als einsilbigen Wortes. Das geschieht vor
wiegend aus ästhetischen Rücksichten, weil das Zusammen
treffen so vieler Accente mit den übrigen diakritischen Zeichen
einen höchst unerfreulichen und verwirrenden Eindruck hervor
bringt. Ich folge hierin dem Vorgänge des Prinzen Lucian
Bonaparte. Herr Kristoforidis hat wahrscheinlich aus
demselben Grunde den Accent in seinen gegischen Schriften
ganz unbezeichnet gelassen.
Ich habe die Schreibung meiner Quellen durchgängig in
die von mir befolgte umgesetzt; nur wo ein Zweifel möglich
schien, ist die ursprüngliche Schreibung in Klammern beigefügt
worden.
Die Pluralbildungen der albanesischen Nomina.
Die nominale Pluralbildung im Albanesischen bietet der
Untersuchung eine Reihe interessanter Probleme dar, so dass
es durchaus angemessen erscheint, ihr eine besondere Behand
lung zu widmen. Die Angaben aller Grammatiken, auch der
neuesten von Kristoforidis, sind durchaus lückenhaft; Ver
suche zu einer wissenschaftlichen Erklärung der hier zu Tage
Albanesische Studien I.
271
tretenden Erscheinungen sind noch keine gemacht worden.
Es erschien nothwendig, das Material aus den verschiedenen
Quellen in grosser Ausdehnung mitzutheilen, damit die grosse
Mannigfaltigkeit, deren fast alle Nomina in der Pluralbildung
fähig sind, klar hervor trete; doch wurde natürlich auf vollstän
dige Anführung aller zu Gebote stehenden Belege verzichtet.
Die Anordnung der folgenden Untersuchung ist die, dass zu
nächst die Nomina, nach dem Auslaut des Stammes geordnet,
der, manchmal durch das Auslautgesetz etwas modificirt, in der
unbestimmten Form des Nominativ Singular zu Tage tritt, mit
ihren verschiedenen Pluralbildungen aufgeführt werden; hieran
schliesst sich die gesonderte Darstellung und Untersuchung der
verschiedenen Pluralbildungen. Bei der Aufführung der Nomina
wurde der Versuch gemacht, die entlehnten (lateinischen und
romanischen, griechischen, slavischen, türkischen) Bestandtheile
von den einheimischen zu sondern; was als ursprünglicher Besitz
übrig blieb, wird sich allerdings wohl noch durch fortschreitende
Untersuchung manche Einschränkung müssen gefallen lassen.
Stämme auf Consonanten.
I. Stämme auf Gutturale und Palatale.
1. Stämme auf -k. Die bestimmte Form des Nom. Sing,
wird mit -u gebildet.
a) Lateinische und romanische Wörter,
fik Feige, bestimmt film; lt. ficus Mi.: filc H.; Doz.; Krist.
Gr. 14, Matth. 7, 16 g. und t.; Ivul. 23. fits Scut. Matth. 7, 16.
ßlcQ Fräse., Pian. Matth. 7, 16. filce (filcie) Lecce 21.
mik Freund, lt. amicus Mi.: milc H.; Krist. Gr. 14; Kul.
23; Jub. 38. mitSe Rossi Gr. 19. rnirj Rhd. 6.
anmik Rossi Gr. 339, an§mik Kul. 57, arrrdk H. Feind, lt. ini-
micus Mi.: an§mik' Krist. Matth. 5,44 g.; argmile Krist. ebenda t.;
armik Kul. 148; Id. armili§ Fräse., Pian. Matth. 5, 44. anmitS Scut.
ebenda, anmik Conf. 67; Kul. 57. Die Angabe von Kuluriotis
über griechisch-albanesisches -n- scheint unrichtig zu sein.
vik Steg H., aöka| Kul. 161, lt. vicus Mi. 2, 71: vik’ Kul.
22; Krist. Gr. 14.
kak Schlinge, lt. laqueus Mi.: Take Kul. 23. l'akg H. Tele
Krist. Gr. 14. l'eke Rada 12. TetSe Jarn. 5 (lece).
272
M e y e r.
grek Grieche, lt. Graecus: gep'kihe H.
termek Erdbeben, lt. terrae motus Mi.: termetse Jungg 20.
tremeJc Scut. Matth. 24, 7. Ueber das -k siehe Mi. A. F. 2, 66.
Mit ursprünglicherem t: t§rmete Krist. Luc. 21, 11 t. t§rmet§ra
Krist. Matth. 24, 7 t. t§rmet§na Krist. ebenda g. Als Femininum
tgrmete Luc. 21, 11 Ath.
sok Gefährte, Sott Ehemann; nach Jungg 24 dagegen sok-u
und Sots-i compagno, letzteres mit Vorgesetztem Artikel i Sotsi
marito; lt. socius Mi.: Sok' H.; Doz.; Kul. 23. sok Jarn. 7;
Jub. 58; Scut. Matth. 9, 15. sok§ Krist. im. 77; AB. 146;
Doz. S. 117 in einem Liede, soke Raps. 50.
floh Haar, im Sing, nach Krist. Gr. 15 ungebräuchlich,
lt. floccus Mi.: fl’okg Krist. Gr. 15; Doz. fTok Rossi Gr. 328;
Jungg 19; Jub. 39. fl'oge H. (Sing, flok best. fl’ogii).
bindk, bindk Zwilling (binak Ro. Gr. 20), lt. binatus Mi.:
bihak§ Krist. \<st. 21. bindk Jungg 19. Die Form auf -oh ist
an Wörter wie matsdk patok angelehnt.
muk Schimmel, lt. mücus Mi. 2, 43: mutte Kul. 23.
seih Weide, lt. salicem Mi.: seltte Kul. 23; H. selge Doz.
hark, best, liargu Doz., Krist. Ist. 85 Bogen, lt. arcus Mi.: i
har ge Doz. arge Kul. 22.
tsark Kreis, Hahn an der Flinte, Jungg 19, focile Lecce 21;
tserk Rada 12; ital. cerchio: tsarke Kul. 23. tSarki Lecce 21.
tsertte H. tserke Rada 12. Mi. Rum. Lautl. 2, 46 ist geneigt,
tsark für türk, cark zu halten.
herk Stiefvater, lt. *novercus: herke Kul. 23.
tsurk, tsfurk H. Krist., sfurk Krist. Scorpion, lt. scorpius:
tsurli Kul. 23. tsfurtt§ H. sfurtte Krist. Luc. 10, 19 t. sfurke
ebenda Ath. tsfurke Apoc. 9, 3 Ath.
mosk Moschus, spätlt. muscus moscus, it. musco: moske H.
pisk, peSk Jungg 20, Rhd. 7, Fisch, lt. piscis Mi.: pislc
Doz.; Krist. Matth. 14, 17 t.; Kul. 23. piSJci (zum Nom.
Sing, pesk) in Hydra nach Rhd. 7; Stier. pisttitQ Rhd.
Anth. 32. pi$Ic§ Fräse., Pian. Matth. 14, 17. pisk§s Krist. ^
Luc. 5, 6 t. pisket ebenda Ath.; piSke in Haliussa (zum Nom.
Sing, pisk) Rhd. Gr. 7. — peStt Krist. Matth. 14. 17 g.; Gr.
14. peslcitQ Krist. Gr. 14. peSkis Krist. Luc. 5, 6 g. y>ests,
best, pestsit, Jungg 20. pestte Doz.; Krist. Im. 2. pesk Scut.
Matth. 14, 17.
Albanesisclie Studien I.
273
krusk Schwiegervater u. s. w., lt. consocer Mi.: krusli Kul.
23. best. kruSliitQ Doz.; H.; Krist. Gr. 14. kruskat§ Doz. 1, 127.
musk lt. musculüs Mi. Rum. Lautl. 4, 59: musJcitg Schul
tern, in Calabrien Cam. 2, 108. 158.
turk Türke, it. Turco: turli Doz.; H.; Krist. Gr. 14. best.
turkit§ Krist. Gr. 14; turliit Jub. 110; AB. 57. turtS, best.
turtSit Jungg 20. turk'e (turkie) Lecce 20, der als ,altro plu-
rale‘ tunt, turte anführt, türket Conf. 53.
bulle Rossi, büik H., bujk Krist., Bauer, Landmann, lt.
bubulcus: bujk Krist. Luc. 20, 9 t.; büjlc Krist. ebenda g. bujkit§
Krist. Matth. 21, 35 g\, t. bultSvet Seut. Matth. 21, 33. bultset
ebenda 21, 35. bujket Luc. 20, 9 Ath.
b) Griechische Wörter.
avlak Furche, wohl avlak betont, aus griech. owacou: avl'ake
Kul. 142. avglake Rada 22. avlakgra Rada 12.
venetik ßsvsTixos: venetike Kul. 57.
poganik Geburtsfest, griech. azo^ovtzä: poganikt} Kul. 57.
poganike H.
pespek Bischof, griech. STiicrzoico? iricr/.cTcot;: peSp§k§rat Raps.
72. (Betonung?)
disk Teller, griech. olr/„o-: diske H.
bozilok Basilicum, griech. ßaciAtzoq: bozilök Kul. 57. Vgl.
Cihac 2, 35.
Griechisch mit türkischem Suffix ist konomhße oixovojjda,
Plur. ebenso Kul. 57.
c) Slarische Wörter.
zbordk Sperling, serb. evorak Staar Mi. A. F. 1, 18: zborek Doz.
muzik asellus, vgl. cech. mezeJc Maulesel, serb. mazga Maul
thier: muzikgra Rada 12.
katsek Schlauch, zu serb. bulg. kaca Kufe, Fass : katsek§
Krist. Matth. 9, 17 t.
matsök Kater, serb. macak dass.: matSokg Krist. Gr. 15.
Vgl. patdk Enterich, serb. bulg. patak dass.
d) Türkische Wörter.
hak Recht: hake Kul. 23, hatse Jungg 20.
bairdk Fahne: bairdk Jungg 19. Jub. 60.
barddk Pocal: barddlc Jungg 19.
tsarddk loggia: tüardatäe Jungg 19; Rossi Gr. 20. tsar-
deki Lecce 21.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. ßd. I. Hft.
18
274
Meyer.
mardk affezione: maratSe Jungg 20.
odzdlt casato: odzcitse Jungg 20.
sakdk Fusssteig, türk, soqäq: sakatSe Jungg 20.
pumbdk Baumwolle, Kul. 75, pamuk Jungg 19, türk, pam-
büq; vgl. Mi. Fremdwörter in den slav. Sprachen S. 80: pamuk
Jungg 19. pamukna Jungg 23.
vardk Messing: varatse Jungg 20. ,Wohl arab.-türk. varaq
veraq feuille, feuillet, etwa wie 1t. lamina/ W. Tomaschek.
sadzdk Dreifuss: sadzdk, sadzatse Jungg 20.
zambdk Lilie: zambakgtKrist. Matth. 6,28 g. zamdkt Scut. ebd.
urnek Beispiel: urnetse Jungg 20.
dusek Matratze, dusk Ro. Gr. 20: dusek, dusetse Jungg 20.
sermasek Epheu: sermasek, sermasetse Jungg 20.
dufek, tufek Gewehr: dufeke Kul. 58; tufeke Jub. 104.
tufetse Jarn. 5.
jebrik cocoma, türk, ihriq: jebrik, jebntse Jungg 20.
tsubiik Pfeife: tsubülc, tsubutse Jungg 20.
senduk Koffer: senduke H.
uluk Traufe: idutse Jungg 19. Türk, iduq tuyau, canal,
conduit d’eau. Bianchi. Damit wohl identisch luli Stcopu-fo Kul.
21, Plur. lulie; luk Q.uellbecken H., Plur. luge; luk Tränke,
Plur. lutse Jungg 20.
kuluk Schildwache : kidutSe Jungg 19. — Ein anderes kuluk
haustus verzeichnet Rada 12 mit dem Plural kuluk§ra.
ask Liebhaber, asik H.: aske Kul. 22.
zefk Schmaus: zefke Kul. 23.
tsekerk Rollrädchen: tsekerka Jungg 20.
denk Pack: denga Jungg 20.
halle Volk: halle Scut. Matth. 8, 1.
tsosk balcone: tsoZtSe Jungg 19.
Wörter auf -lek -luk mit dem Plural auf -tSe verzeichnet
Jungg 21. konomlele s. o. Ein albanesisches Wort mit türk.
Endung ist pabeslgk Untreue, Kul. 57, Plur. ebenso.
e) Albanesische Wörter.
pTak Greis, piak Raps. 35: pl'ell H.; Krist. Gr. 14; Kul.
23; Rhd. 7 (piek); Stier (piek); Jub. 37. plets Jungg 20; Scut.
Matth. 16, 21. pl'eik Act. 4, 8 Ath. piek Rada 12; plegve Imit. 16.
pjekizit Dorsa bei Stier (wjeztc'-x oder xjEct-). Ist von derselben
/
Alljanesische Studien I. 275
Wurzel wie das, wie es scheint, sonst isolirte icaXai iraXatö? mit
dem im Albanesischen häufigen Suffix -ak gebildet.
gak Blut, dzak Jungg 19: dzatSe Jungg 19. gake Krist.
Gr. 15. gakera H.; Kul. 23. Da g- mehrfach = s-, so ver
gleicht sich slav. sokü Saft.
skak alv.a: Skake Kul. 23.
gak Eber: gehe Rada 12.
vieogräk Dieb: vielerake Kid. 57. Von i'M stehlen = ai.
vali, zd. vaz, lt. velio, slav. vezq, lit. vezü.
fluturäk Schmetterling, auch fluturäk-. fluturäk Kul. 57.
Von fluturöh (aus lt. fluctuare Mi. 2, 27?); rum. fluture
Schmetterling.
fuSarälc -zzovios: fu&arake Kid. 57. Von fusg Ebene.
fsehgrdk /.pudavou?: fsehgrake Kul. 57. Von fseh verbergen.
gumgsdk schlaftrunken: gumesake Kul. 57. Von gum Schlaf.
rosdlc Enterich: rosakg Krist. Gr. 15. Von rosg Ente. Im
Slavischen sind folgende männliche Thiernamen mit dem Suffix
■ak gebildet: nsl. gosak Gänserich, macak Kater; bulg. Jcotak
Kater, patak Enterich; serb. omak junges, einjähriges Pferd,
macak Kater, patak Enterich; klruss. husak Gänserich; russ.
gusak; cech. husak, opiedk Affe, vidldk Gabelhirsch; poln. jagniak
Bocklamm, kielcziak Spanferkel.
motalc jährlich: motakq Krist. Gr. 20. Von mot Jahr.
rik pdOpov: riket§ Kul. 162.
stnk geizig: strill H.
virsQhik Altersgenosse: virs§mk Kul. 57.
kaJcgrodk Augenkugel II. (g. kakgraok-i), iaOa/.gee; Kul. 57,
vitellus (Eidotter?) Rada 12: kakgrooke Kul. 57. Das Ende sieht
aus wie it. d’ occhio.
muk Dämmerung: muke II.
hark Bauch: barki Lecce 20. harke II. g.; Doz.; Krist.
Luc. 23, 29 t. und g.; hartSe Ro. Gr. 19. harke Krist. Gr. 15;
Luc. 23, 29 Ath.; Kul. 22. herlie II. t. berke in Argyrokastron
nach Krist. Gr. 15.
dzerk, sverk, dzverk, tserk Nacken: dzerke Kul. 23; zverke
H.; tserke Rada 12. Daraus ngriech. cßspy.oc, mrum. zverkg Kav.
Vgl. an. sviri Nacken, kapgdzerk Schlund, Kul. 120.
tirk Gamasche: tirli H.; Krist. Gr. 14; Rhd. Anth. 32.
tirkg H. tirlca Doz.; Kul. 23.
18*
276
Meyer.
derk Ferkel, Kul. 48, Conf. 37, dirli Krist.: dirJc Krist.
Gr. 14. dirlt§ Fräse. Mattli. 7, 6. dirk Rada 12.
ulk Wolf, uik Jungg 20: ulk Kul. 23; ujk Krist. Matth.
7, 15 t., g.; utS Scut. ebenda; uitS Jungg 20. ulki, ulke Cam.
1, 205. ulkg Pian. Matth. 7, 15. ulke, Fräse, ebenda. ulkgr
Act. 20, 29 Ath. üjkgre Doz. vJcere H. ulkgra Rhd. 6. Euro
päische Urform des Thiernamens ist *vlko-.
Dark Schweinstall: 0artse Jungg 20.
dusle Gesträuch Jungg, ßaXavo? Krist., Eiche Rada: dultse
Jungg 20. duske Krist. Gr. 15. Rada 12. duskat Eichen, Pulj.
132. dusk Jungg 20.
Imalk Schlamm: ImastSe Jungg 20.
tosk Toske: toske, toska Jub. 74. tosk Jub. 78.
visk Fohlen: visk, best, viskitg Krist. Gr. 14.
bisk y-Xovapay.!: biske Krist. Gr. 15.
petk Kleidung, z. B. Scut. Matth. 3, 4: petka Jungg 20.
brisk Rasirmesser: brists, best, bristsit Jungg 20. briske
Kul. 58. briske Kul. 22. Vgl. rum. briciu; asl. brii'i novacula,
briti scheeren Mi. Vgl. Gr. 1, 124.
buk Streu: butse Rossi Gr. 20. (Aus pers. buk locus vel
fovea, ubi frumentum reconditur, Vullers?)
funk Hühnerhaus: furitse Jungg 19. Bei Kul. 33 furik
Nest mit dem Plural furike.
2. Stämme auf -k. — Die bestimmte Form des Nom.
Sing, wird mit -i gebildet.
a) Lateinische und romanische Wörter,
krik, kruk Kreuz, bei Jungg 23 krug-i Crucifix, krug-ia
Kreuz; lt. crucem Mi.: krike Kul. 20, kruke PI.
gik Richter, lt. judicem: gik§ Matth. 12, 27 Piana.
kuk roth, lt. cocceus, Schuchardt, Kuhn’s Zeitschrift 20,
249: kuke Kul. 20.
kelk, kelk Glas, lt. calicem Mi.: kelke Kul. 20; kel’ke H.
Welkere Doz. 1, 129.
drek Drache, Teufel, lt. draco Mi.: drek§rit§ Krist. Gr. 11.
unk Onkel, best, ung-i Krist. und nach H. g., lt. avunculus
Mi.: uiiga, ünge Krist. Gr. 12. unkgre H.
Ipindk Spinat, ital. spinace Mi.: spinalee H.
In lat. Wörtern ist alb. -U entstanden 1. aus -ke: kruk
crucem, kelk calicem, Spindk spinace, pak pacem, gik judicem,
Albanesische Studien I.
277
ilk ilicem, Heldreich 17; 2. aus -Mo: soll Gatte, socius, vgl.
oben S. 272, kutt cocceus, irilc ericius; 3. aus -Mo: uhli avun-
c(u)lus. Schwierig ist drelt, das ebenso wie das kymrische
draig aus draco vielleicht eine ursprüngliche Pluralform ist
= *draci; vgl. ngriech. oadv.oc, rum. drac.
b) Griechische Wörter.
peleli Axt; griech. : pel'elie Kul. 32.
katUH. bei Kul. 126 Tiatsik Böcklein, griech. xawnu Zick
lein : katsike Kul. 33.
c) Slavüch ist nach Mi. A. F. 1, 26 reßiJi Schlauch, bei
Rossi rsits, aus serb. mjesic: r§siliet Pian., Fräse. Matth. 9, 17.
r§sika Krist. g. ebenda, rsitst Scut. ebenda.
d) Albanesische Wörter.
kelc schlecht: kek H. k§Ian. H.; Krist. Ist. 74; Cam. 1,
206. JcfJHj Krist. Ist. 79. Zu griech. y.ay.6?, lit. kenkti schaden.
3. Stämme auf -g. Im unbest. Nom. Sing, erscheint
nach albanesischem Auslautsgesetze -k. Form des Artikels im
best. Nom. Sing, ist -u. ark oder hark, best, hargu, wo -g- aus
-k- erweicht ist, s. o. S. 272.
a) Lateinische und romanische Wörter.
preiik, -gu Fürst, 1t. princeps: prehg Kul. 23.
strik, -gu sptvvü?, lt. striga Mi.: Urige Kul. 23.
lt. magus: madzit pavot Scut. Matth. 2, 1. magi Krist.,
ebenda. madz§rat Fräse., Pian. ebenda.
burk, -gu Gefängniss, vulgärlt. burgus Mi.: bürge Doz.
b) Slavische Wörter.
prak, -gu Schwelle, serb. präg Mi. A. F. 1, 30: präge H.
pfeg Kul. 23.
trete, -gu Markt, asl. trügü ayopd, serb. trg Mi. A. F. 1, 35:
trege Krist. Gr. 15; Luc. 20, 46 t., g.; Kul. 23.
brek, -gu Hügel, serb. breg Mi. A. F. 1, 17: brige, geg.
breiig H. breg (bregk) Jub. 88.
tote, -gu Haufe, Bausch, r,w/A Kul., serb. stog Schober,
vgl. drum, stog, mrum. stogu cumulus: toge H.; Doz. toge Kul.
c) Griechisch ist wohl zunächst murk, -gu neben murgg -a
Bodensatz des Oels, aus ngriech. p.oupya = serb. murga Oelhefe,
Bodensatz, beide aus lt. amurca (Mi. Fremdw. in den slav.
Spr. 112), das wieder seinerseits aus agriech. dp.6pvv) stammt
278
M e y o r.
(Weise 336). Plur. murk Krist. Gr. 14. Das Adjectiv murk
dunkel ist vielleicht davon zu trennen und mit serb. mrk schwarz
urverwandt oder daraus entlehnt; vgl. auch rum. murg schwarz
braun. Mi. Lex. palaeoslov. 383. Ygl. Schuchardt 250.
d) Albcmesische Wörter.
stek, -gu Eingang: Stege Doz.; Kul. 23. Stige H. Zu got.
steiga ich steige, staigs Steg, asl. stignqti kommen, lit. staigüs
hastig, griech. cttei'/io gehe.
stok,- gu Hollunder: stoge H.; Doz.; Krist. Gr. 15; Räda
12; Kul. 23; stotse Jungg 20 (wohl ungenau für stoclze). Rum.
soc aus sambücus; vielleicht ist auch das alb. Wort entlehnt.
zok, -gu Vogel: zog Kul. 23; 140; Rhd. Anth. 41. zöge
Rada 13. zoj Rhd. 6; geg. nach H. zdg'gre Doz. 1, 131. zoga
Pian. Matth. 6, 26; sic. bei Cam. 2, 174. zogt Scut. Matth. 23,
37. zok H.; Doz.; Krist. Gr. 14, Matth. 23, 37 t., g.; Jub.
102. zot§ Jarn. 9. zok§ Fräse., Pian. Matth. 23, 37. zojkt (^orpr’)
Luc. 8, 5. Ath.
lenk, -gu Brühe H., wohl richtiger l'pik (Kuh), wegen geg.
l'ank: fange IL, l§iige Kuh Klugem II., fangip-a Rhd. Lex. 99
(länger a).
vark, -gu Collier Doz., apgabiä Krist.: varge Doz.; Krist.
Gr. 15.
vahk, -gu Rad, Felge: vange Krist. Gr. 15. Vgl. lit. vinge
f. Krümmung, Biegung, und was Fick 2, 658 dazu stellt. Dazu
auch vghger§ schielend.
pelk, -gu Pfütze: pelge II. Vgl. lt. palüs; toxXsws. mjTi?
Iiesych.
vmk, -gfM (Bedeutung?): vruli Krist. Gr. 14.
4. Stämme auf -g. Im unbest. Nom. Sing, erscheint
nach albanesischem Auslautsgesetze -7c. Form des Artikels im
best. Nom. Sing, ist -i.
a) Lateinische und romanische Wörter.
rek, best, regi König, nur in Unteritalien, z. B. Papanti
669, lt. regem: feg§ra Fräse. Matth. 11, 8. Danach selbst ein
Sing. Gen. reg§ri.t Papanti 668.
b) Griechische Wörter.
zik, -<ji Wage, ngriech. i^uyi: zikt§, zig§re Doz.
fähk, fähgi oalvorpp.ov: fäng§ Rhd. Lex. 98.
Arbanesische Studien I.
279
c) Albanesische Wörter.
lienlc, kehgi Lamm: Hefige Kul. 20 (Jeenge, wohl Druck
fehler); Tignge Rada 12. kehga Krist. Gr. 12, ungebräuchlich
(dafür slcefa). leihga Alf. Konst. 37. Higna (== lcingna) Jub. 84;
kenggra Krist. lor. 61 ; kghggra Rada 12.
nghli, n§fig’i Knoten, Rada 12 (bei H. nejg, bei Pulj. 134
nuje): nghge, nghggra Rada 12.
5. Stämme auf -h. Best. Nom. Sing, auf -u.
a) Griechische Wörter.
ah, -u JyL: ahe. Kul. 22. Das a- ist sehr auffallend und
macht die Entlehnung des mir sonst unbekannten Wortes
zweifelhaft.
vlah, -u Y>/.t/oc : vlehg Krist. Gr. 15.
stomdli, -u Magen, aus griech. ci6\i.y:/ac oder axogA/j: stomahg H.
Hier reihe ich an rar/, best, ra/i monte (Raps. 66), mit
palatalem -% wegen des Ursprungs aus griech. ß%ic Rücken,
Bergrücken, mit
b) Albanesische Wörter.
ah, -u Buche: ahe Krist. Gr. 23. Identisch mit ahd. asc,
ags. aesc, an. askr Esche, h = idg. sk wie oft. Asl. jasika,
lit. üsis, griech. ogirj scheinen verwandt.
kräh, -u Schulter: kralia Doz.; Krist. Matth. 23, 4 g.; Scut.
ebenda; Kul. 23. krähe Rada 13. krähe H.; Doz.; Fräse., Pian.
Matth. 23, 4. lcrahgra Rada 13. Wohl zu lit. kdrka f. Ober
arm, bei Schweinen der Vorderfuss mit der Schulter (Nessel
mann) ; serb. krak m. langes Bein, Schenkel, bulg. krakü Fuss,
rum. krak crus.
II. Stämme auf Dentale und Interdentale.
Der bestimmende Artikel hat die Form -i.
1. Stämme auf -t.
a) Lateinische und romanische Wörter.
stat Statur, 1t. stUtus Mi. 2, 63: state II.; Kul. 21.
stral Bett, lt. strätum Mi. 2, 64: Strafe Kul. 21. Strafe,
Act. 5, 15 Ath. Stret Rhd. 7. strete H.; Doz. strdt§na Krist.
Act. 5, 15 g. strätgra Krist. :c". 49. streten, best, stretnit
Rossi Gr. 18; Jungg 18. stretina Lecce 18. Stretgra sic,
Cam. 1, 200.
280
Meyer.
paldt Palast, lt. palatium Mi. 2, 46: palate H.; Kul. 32.
fat Schicksal, lt. fätum Mi. 2, 25: fate H. fatgritg Krist.
Gr. 11.
frat, it. frate Mi. 2, 28: freten, best, fretnit Jungg 18;
fretenit Rossi Gr. 17.
kundt Schwager, lt. cognätus Mi. 2, 15: kunetg Raps. 26.
kuneten, best, kunetnit Jungg 18. kunetgrg Alb. B. 168.
mkat Sünde, lt. peccatum Mi. 2, 48: mkate Rossi Gr. 16;
Scut. Matth. 3, 6. mkatgS Scut. Matth. 1, 21.
riet Netz, lt. rete Mi. 2, 55: riete Kul. 21.
mret, mbret, mbgret Herrscher, lt. imperätor Mi. 2, 32:
m(b)rete Kul. 21. mretna Jungg 23; Alf. Konst. 37; mbgretna
Krist. Matth. 11, 8 g. mbretra Pian. ebenda. mbgretgra Krist.
ist. 142. mbretgre H.; Doz.; best, mbgretgret Krist. Matth. 11,
8 t. mbgretgrg Krist. Icr. 13; best, mbp.rete.rite, Krist. Gr. 11, Ict. 13.
Hütet, g'utet Stadt, lt. civitätem Mi. 2, 14: Hütete Doz.;
Krist. tor. 15, Luc. 13, 22 t., g.; gütete Alf. Konst. 39. dzutete
(giytette) Jub. 68.
Sgntet, sgndet Gesundheit, lt. Sanitätern Mi. 2, 57: Sgntete
H. Sndete saluti Jub. 108. pgrsgndete /p.'.pez'.aii.aza. Kul. 57.
Jeriet Diener, it. creato, sic. criatu: krietg Raps. 85.
but Fass, it. botte Mi. 2, 6: bute H.; Kul. 19.
mut Schmutz, it. mota Schlamm: mute Kul. 22. miitgra
H.; Doz.
virtüt Tugend, vertut Kul. 34, vurtüt Jungg 14, lt. virtü-
tem Mi. 2, 71: virtute Kul. 32, vurtute Jungg 14.
frut, frut Frucht, lt. fructus Mi. 2, 28: frute Fräse. Matth.
7, 16. fruts Scut. ebenda.
not Schwimmen, aus lt. natare gebildet, Mi. 2, 43: note
Kul. 22.
Sgint, sgit, g. seit heilig, lt. sanctus Mi. 2, 57: Seite Rhd.
Lex. 28. seitg g. H. Seitna g. H.; Imit. 1; Scut. Matth. 27, 52.
sentgna Krist. ebenda g. Sgitra Fräse, ebenda. Seitra Pian.
ebenda. Sgntore Krist. ebenda t.; Gr. 11; Sgintorg Kor. 1, 1, 2
Ath.; Seintorg H.; Sentorg Leake 293.
dreit gerecht, lt. directus Mi. 2, 21: dreit’ Krist. Matth.
5, 45 t., g. dreitit ebenda Scut., Fräse, drejgtit ebenda Pian.
prift Priester, lt. presbyter Mi. 2, 52: prifte Kul. 19. prif-
ten, best, priftnit Jungg 18, priften, best, priftenit Rossi Gr. 18.
Albanesische Studien I. 281
priftini Lecce 15. priftynit Krist. Matth. 2, 4 g. priftyrit Krist.
ebenda t. pnftgre, best, priftgritg H.; Doz. priftera Rhd. 6, Anth.
48; Raps. 44; Stier, priftra Matth. 2, 4 Fräse., Pian.
Taft Ruhm, lt. laudem Mi. 2, 35: Tafte Kul. 21.
kift milvus, lt. aedpiter: Uift^ra Rada 14; läftra Adler,
Matth. 24, 28 Fräse. Ngriech. ■colovr t q milvus regalis Bikelas 13.
spirt, Seele, Spirt Jungg, spurt Doz., lt. Spiritus Mi. 2, 62:
spirt Doz. Spürte H.; Krist. la-. 134, Luc. 9, 56 t.; ebenda und
Aet. 15, 26 Ath. spirtna Jungg 23; spirtna Rossi Gr. 18; Scut.
Matth. 8, 16; Spirtejna Krist. ebenda g.; spirtina Lecce 18.
spirtra sic. Cam. 2, 197; Matth. 8, 16 Pian., Fräse.; spirt er a
Krist. Igt. 16; Act. 5, 16 Ath. Spirt§re Act. 15, 24 Ath.
sort Loos, Zufall, lt. sortem Mi. 2, 61: Sorte H.; Kul. 21.
mort Tod, lt. mortem Mi. 2, 42: morte H.
must Most, lt. mustum Mi. 2, 43: muste H.; Kul. 22.
b) Griechische Wörter.
argdt, ergdt ip'p-^c apYätrj?: argdte Kul. 32. Vgl. rum. argat
Knecht Roesler 6. bulg. argat, Mi. Fremdw. in den slav. Spr. 75.
monopdt Fusssteig, pi-ovcTcatt: monopate H.
ipokrit Heuchler, CwixpiTY]?: ipokrit$rit§ Krist. Matth. 6, 2 t.
ipohritin Krist. Luc. 11, 44 t. Aus it. ipocrita sind wegen ihrer
Betonung entlehnt ipökritit Scut. Matth. 6, 2. ipokritrat Fräse.,
Pian. ebenda. Für hipokritgte, Krist. ebenda g. und hipofoitgna
Luc. 11, 44 g. ist keine Betonung angegeben.
sliut czütsi;: sliute Kul. 21.
c) Slavisch ist
grust Handvoll, serb. grst Mi. 1, 20: gruste Kul. 19.
d) Türkische Wörter:
at Pferd: ate Kul. 18. atldr Jungg 18.
azdt aov.a: azate Kul. 32.
dzeldt Henker: dzelatat oder dielet. Jungg 18.
surdt Maske: sureten, best, suretnit Jungg 18.
zanat Handwerk: zanate H.
indt Hartnäckigkeit: in ate H.
sahdt Stunde: saliate, sahate. H.
adet Gewohnheit: adete H.; Kul. 32.
milet Volk: milete H.
kuvet Stärke: kuvete H.
kurbet Fremde: kurbete H.
282
Meyer.
husmet Dienst: husmete H.
beit Gedicht: beita Jub. 102.
Serit Seidenband: Senta Jungg 23; Jub. 94. Seritna
Jungg 23.
aggzdt Pulver der Zündpfanne: ag§zote Kul. 57.
barüt Schiesspidver: barute Kul. 32.
tSifüt Jude: tSfutvet Scut. Matth. 27, 11.
tSift Paar: tSifte H.
raft Bret, Fach, türk, raf, ngriech. pä<pi: rafte Kul. 21; Doz,
dert' Seelen quäl: derte H.
hast Wette: haste Kul. 18.
käst Absicht: käste H.
puSt Schandbube: puste, pustere H.
SiSt Dolch, Stockdegen, türk. Sis: siste.
d) Albanesische Wörter.
at, bei Doz. at§ Vater: ata Doz. jätet Luc. 1, 17 Ath.
aten, best, dtenit Jungg 22. dtyna lvrist. Matth. 23, 32 g. dt§-
revet Krist. ebenda t. atr§t Krist. Luc. 1, 17 t. atgn'tg Doz.;
Krist. Gr. 11, Lt. 25. Vgl. griech. <ma, lt. atta Väterchen;
got. atta Vater, asl. oticl Vater, air. ate Pflegevater.
fsat Dorf: fsate Kul. 19. fsatyra Id.; Doz.; Krist. Luc.
13, 22 t.; Luc. 9, 12 Ath. fsatra Krist. ebenda t. Vgl. rum.
sat Dorf.
Sat Karst, Egge, Id., ) Kuh: säte Kul. 21. Suejtg H.
(? ist auch Plur. von Saal Sohle).
mzat junger Stier: vizet und mzetnit Jungg 18. Ableitung
von mes, mezi, geg. mas männliches Füllen, worüber man Diefen
bach, Völkerkunde Osteuropas 1, 247 und Mi. Rumuniscke
Untersuchungen 1, 23 sehe.
det Meer, det Jungg, deit Stier: dele H.; Krist. Alf. t. 22,
g. 21. detna Jungg 23. det$ra Id.; Doz.; Krist. Gr. 13; Rhd. 6;
deitgra Rada 14. deteret Krist. lor. 17. Vgl. griech. Osti;?
ret eqop’.a : rete Kul. 21.
vit Jahr, bei Jungg 23 viet: vite Kul. 19; Act. 24, 17 Ath.
vitna H. g. vit§re dl.; Doz. vit§ravet Kul. 106. vitQrvet Kul.
112. viet Doz.; Kul. 106; Pitre 285; A Dora d’ Istria gli Al-
banesi 88 cal. vietQ Raps. 61. vieta Vigo 696. Vgl. griech. fi-coc,
lt. vetus, ai. vatsa- Jahr, asl. vetühu alt.
ndit Schnelligkeit: ndite H.
Albanesischo Studien I.
283
zot Herr: zot Jungg 25. zote Kul. 21. zötgna H. g. zotra
Stier; Kaps. 19; Matth. 6, 24 Fräse.; zotgra ebenda Pian.; sic.
Cam. 1, 200. zötgre H. zötgritg Krist. Gr. 11. zotinij Lecce 13;
zoträj Rossi Gr. 15. zotgrin H.
Tot Thräne: Tot Krist. Gr. 13; Jungg 13; Jub. 39. 96.
Tot§ Doz. Tote H.; A Dora d’ Istria gli Alb. 74 t.; Kul. 21.
Vgl lt. fletus.
mot Jahr: rnote H.; Kul. 22; Rhd. Anth. 12; Krist. Luc.
8, 27 t. (motes). mots Krist. ebenda g. mötgritg Krist. Gr. 11.
motgrat Raps. 85. Vgl. lit. metas Zeit, Jahr zu wz. mä, europ.
me messen.
but sanft: butit Scut. Matth. 5, 4.
fut Schnabel der Lampe: fute H.
ast Jungg 18, Rada; äst Rossi; est Kul.; astg-a H.; estg
Alb. B. 25 Knochen: este Kul. 19. estna Scut. Matth. 23, 27;
estgna Krist. ebenda g.; esna Borgo Erizzo. estra Matth. 23, 27
Fräse., Pian.; estgra Krist. ebenda t.; Rada 14; Raps. 103 ; H.
aitgra H. azdgra Kul. 154. Vgl. ai. asthi-, asthdn-, zd. asti,
asta, griech öcxsov, lt. os, ossuin.
■ust Aehre: uSte Kul. 22. üstgra H. uHtgve H.: Doz. Vgl.
russ. östie n. Pflanzenstachel, osty f. Achel; cech. osti n. Acheln;
pol. osc f. Achel, Stachel. Diefenbach, Got. Wörtei'b. 1, 8.
pTeSt, pTelt Floh: pTesta H.; Doz.; Krist. Gr. 12; Kul. 19.
pTeste Krist. Gr. 12. pTeSt§ Leake 394 aus Daniel. Die sonsti
gen indogermanischen Wörter für ,Flolfl (Curtius Grundzüge 5
374), die jedenfalls auch nicht alle unter einer Grundform zu
vereinigen sind (vgl. Fick Vgl. Wörterb.), stimmen nicht, wohl
aber cech. ploStice, plostka, rum. plopiitä Wanze Cihac. 2, 266.
vrest PI., Raps. 29, v§reSt§-i Krist. Gr. 13, vestg-i ebenda,
g. ve§t PL, vresta r, ajjwreAs? Kul. 28: vgneSta IP. g. vresta H.,
Doz., Kul. 26; Rhd. Anth. 10. vgreStgra Krist. tax. 75. Abge
leitet von g. veng-ci, t. vere-a Wein, das aus dem lt. Plural vina
entlehnt zu sein scheint. Mi. 2, 71.
bist Schwanz: biste Kul. 19. bistena Apoc. 9, 10 g. bistgra
ebenda Atli.; PI.
<7ist IP., giSt Rossi, gTist Alb. B. 190, Kul. Finger: gist
Jub. 102. gista Rossi Gr. 328; Krist. Alf. g. 18. gl'iste Kul.
19. gistg Raps. 69. gTüstra Alb. B. 39; gTistgra Rhd. 6; Kul.
161; gistgra H.; Doz. gistgre H.; Doz.; gl'istgre Kul. 78. gistrgt
284
Meyer.
Krist. Alf. t. 18. g£ist§rvet Kul. 46. Vgl. ai. aiigustha- Daumen,
pers. ahgust, kurd. engist, ihgist, zigeun. angüH, gusto Finger,
Mi. Mundarten der Zigeuner 7, 9.
rist verso Ro.: fitst Conf. 15.
k§rvist cttövSuXoc : k§rviste Kul. 33.
kost Spindel: koste Kul. 19.
kopytit Kul., H. g., kofst H. Garten: kopste Kul. 26. kö-
peßtra Krist. Gr. 13. köfst§ra H. Kipeßna H. g. kipstera Krist.
tCT. 112.
oht Trauer: olite Kul. 21.
naht, g. naft Mitgift: nahte Kul. 22.
2. Stämme auf -d. Der unbest. Nom. lautet auf -t aus.
a) Lateinische und romanische Wörter,
kant, kandi Saum, Ecke, it. canto Mi. 2, 10: kande Doz.,
Kul. 19. Ungenau sind kantet Krist. Mattb. 6, 5 g v kantevet
ist. 38.
gent, gendi; dzint Jungg 24, lt. gentem Mi. 2, 30: gende
Kul. 19; gindevet Matth. 4, 15 Pian. gindevet ebenda Fräse.
dzind Jub. 46. dzinnt (nn = nd) Scut. Mattb. 25, 32.
m§nt, mend/i Verstand, lt. mentem Mi. 2, 40: m§nde H.
arg ent, argQndi Krist. tor. 20; erg (nt Kul. 33 Silber, lt. ar-
gentum Mi. 2, 3: arggnde Kul. 32.
kuvent, kuvendi Erzählung, Unterredung, lt. conventum Mi.
2, 17: Jcuvende H.; Doz. kuvene (n — nn = nd) cuveBpia Scut.
Mattb. 10, 17. Ungenau ist kuvente ebenda Fräse.
kint hundert, lt. centum Mi. 2, 13: Kinde, kindera Alf.
Konst. 108. 109.
print, p§rint, -ndi Vater, lt. parentern Mi. 2, 47: prind
Jungg 24; prinde Raps. 50; prin Conf. 57 (n = nd); printQ
Kul. 112; p§rint§ Krist. Luc. 2, 27 g. pe,rinde Krist. ebenda t.;
printe Kul. 19; printevet Conf. 57. prihte, Doz. 73 (in Fjeri);
pe,rinte, Luc. 2, 27 Ath. pQrih Eltern H. prinde,ra sic. Cam. 2,
160; prindra Matth. 23, 32 Fräse., Pian. Die Formen mit -nt-
sind ungenau.
funt, -ndi Boden, lt. fundus Mi. 2, 28: funde H.; Kul. 19;
Scut. Matth. 23, 5.
katünt, -ndi Stadt, Dorf, it. cantone: katunde Kul. 33;
Krist. Matth. 14, 15 g.; ebenda Fräse.; katune Scut. ebenda.
Albanesische Studien I.
285
b) Slaviscli ist
grast, best, grazdi Krippe, asl. grazdi Mi. 1, 20: grazde
Kul. 19; Raps. 62. Ungenau graste H.
c) Türkische Wörter.
fil't Elefant, H. fik, türk, fil: flde Kul. 19.
dzint böser Gleist: dzinde H.
d) Albanesische Wörter.
vent, -ndi Ort: vende H. g.; Doz.; Krist. Gr. 13; Kul. 19;
ungenau venia Kul. 64; Rhd. 5. v§nde H. t. vend§ra Doz. ven-
d§re, best. vend§rit§ Doz.
int, -ndi Gewebe: in da Kul. 20.
§nt-, ndi ca'!'xa (Weberschiff): §nde Kul. 20.
leint, -ndi Zwickel, Einsatz: Icinda H.
3. Stämme auf -G.
Diesen Ausgang haben vor Allem die männlichen Demi-
nutiva. Sie kommen in allen albanesischen Mundarten vor, sind
aber besonders im griechischen und italienischen Albanesisch sehr
häufig. Sie werden fast ausschliesslich von Masculinis gebildet;
die wenigen Fälle, in welchen nur ein Femininum als Grund- ■
wort nachweisbar ist, erklären sich mit Hinblick auf den so
häufig zu beobachtenden Wechsel zwischen Masculinis und
Femininis, über welchen später ausführlich gehandelt werden
wird. Herr Dozon führt in seiner Grammatik S. 276 folgende
Beispiele an: SgncZgn’G sposino, dial'iü petit gargon, ce0 pays,
patrie, bird jeune fils, dreG jeune cerf. Er bemerkt dazu: ,dre0
est le seul exemple que j’aie rencontrfi; les autres sont em-
pruntes ä Camarda p. 165 ou h Krist.‘ Ich gebe daher im
Folgenden eine reichere Beispielsammlung. Das Suffix -6 ist ent
weder an den unbestimmten oder an den bestimmten Nominativ
angetreten; selbst an den Plural finden wir es angefügt. Beim
Antritt an den unbestimmten Nominativ entwickelt sich zwischen
einem auslautenden Consonanten und dem -6 leicht ein -g-.
a) Deminutiva auf -6 vom unbestimmten Nominativ oder
richtiger vom Stamme gebildet. Die Wörter sind nach dem
Auslaut des Stammwortes geordnet.
Stämme auf Gutturale; auch -g erscheint vor -0 als -k.
mild] Freund: mik dass. — hu/di kleine Quelle H., l'u/d)
auXai; Kul.: Tuk s. o. — laldi cartilago thyreoidea Rhd. Lex. 16:
286
Meyer.
Tale, lt. laqueus. — dufek9 Flinte Alb. B. 86: dufek, türk. —
stmM Hobel Jungg 15: strulc dass. H., serb. strug Mi. A. F.
1, 34. — tsanakO Batterie am Feuerschloss H.: tSandk Schüsse],
türk. — zok0 kleiner Vogel Rhd. Anth. 50, zogti avicula Blan-
clius: zok-gu Vogel. — tsink0 Frostreif H.: ein Stamm tsink
ergibt sich aus tsinknq dass, und tsink§r§ Eis. — dzerkq0 collo
Raps. 69: dzerk Nacken. — tsunlcOa Binsen von tsunk it. giunco
Jungg 105. — Sßikß segno Raps. 78: sic. sejigy d. i. wohl
sepik-hgu Zeichen Cam. 2, 153, aus sic. singu — it. segno Traina
Vocabolario siciliano-italiano 932. — krahß Arm Raps. 77
(kraghßin Acc.): kräh Arm. — Hieher gehört auch dzM petto
Conf. 55, von yi Busen, doch bleibt mir das -k- unklar. Auch
emafcO Alp scheint eine solche Bildung zu sein.
Stämme auf Dentale:
Strati) lectulus Kav. 490: Strat Bett, lt. Stratum. — biStß
coda Raps. 78: bist Schwanz. — k§settß treccia Raps. 55. 82.
95: per kesetti per le treccie Raps. 74; kesen la treccia. —
MOß Brennnessel H.: hiO, hi0 ortica Ro., huO Blanchus, p?0
Rada 14. — bresO zona Raps. 44, unrichtig brezti Raps. 49:
bres-zi Gürtel.
Stämme auf Labiale :
grepO Thürklinke H., Kul.: grep Haken. — kripß criniera
Raps. 93: krip-i Haar Cam. — pidümO Täubchen Alb. B. 56
tosk.: pulump-bi Taube.
Stämme auf Liquidae und Nasale:
bir0 Sohn Doz., Kul. (birOo Voc.), Dorsa, Vigo 696: bir
Sohn. — SgwtgfQ sposo Raps. 57: £§nt§r Bräutigam. — Sür§0
arena Raps. 51 : Siir Sand H. — potirt) Branntweinglas Rhd.
Lex. 50: griech. iroT^pisv. — kopdrh das TCXijy.-psv bei einem
Kinderspiel, Rhd. Lex. 74: griech. -/ixccvo?. — diaTß Knäblein
Kul. 78, Alb. B. 53: diaT§-i Knabe. —Turnt) Flüsschen Kul. 21:
l'um, Tum§, Tum§-i Fluss. — Tum0 selig II: Tum dass. — trimd
Vigo 696: trim Jüngling. — dromh cammino Vigo 699: drom
Lauf, opop.oe. —■- yitont) Nachbar Rhd. Anth. 40: gitön fskiov.
— fustd.nO Alb. B. 89: fustdn Fustanelle. — IcenO ranula? Rhd.
Lex. 71: eig. Hündchen, von lien ? — grd) Kul. 19, Wespe,
nach H. g. griß, best, grtfii: *gren, vgl. fern. gren§z$ H. und
die Plurale grer§s, grerazit§ (r = n) Rhd. Lex. 66.
Albanesischo Studien I.
287
Stämme auf Yocale:
vddO Brüderchen Alb. B. 67: v§lä Bruder. — dre0 jeune
cei'f Doz.: dre Hirsch. — SsiO suolo Raps. 49. 93; Alb. B. 90;
Krist. wt. 109: ae Erde. —p§fua(i torrente Raps. 49: p§rua best.
p§roi Giessbach. — krieüit Acc. das Haupt, Raps. 78. 104: mit
neutralem Artikel vom Neutrum krie Haupt, wie uibit 1’ acqua
Raps. 51 und Sur§Qit 1’ arena Raps. 51. uiü acqua Raps. 75:
uj$ Wasser. — /aiO Fehler Kuh 138: faj dass. — suO Knöchel
am Fuss, Handgelenk, geg. Schlinge H.: su, si Auge. — nieriO
Halszäpfchen: nieri Mann (vgl. rum. omusor dass., Hasdeü,
Cuvente, Suppl. I, p. LXXYI).
b) Deminutiva auf -0 vom bestimmten Nominativ.
vap§kuO poverino sic. Cam. 2, 182: vobek arm. — zoguü
Vöglein sic. Cam. 2, 134: zok-gu Vogel, vgl. so/cO. — vlauü
Brüderchen Vigo 705: vlä-u Bruder, vgl. v§ld0. — birid Söhn-
chen, Dorsa bei Stier: bir Sohn, vgl. birO. — giriO Busen, Yigo
697: gi, best, giri Busen. — 3§nt§fiü sposo Raps. 61; oendgriü
Doz.: 8pid§r Bräutigam, vgl. SgnRgrO. — djyriti venterello Raps.
69: aj§r lt. aer. —- vdrf§riü orfanello, sic. Cam. 2, 132: varfyr
verwaist. — bükuriQ schön, sic. Cam. 2, 132: bukur schön. —
nökgrid pargolo, sic. Cam. 2, 168: nokr§ piccolo Cam. 1, 83.
— fl'amuriO Fahne Vigo 697; Cam. 1, 132: fldmur = flam-
mulum. —• dialiti petit garfon Doz.: diaty-i Knabe, vgl. dial'§0.
— vöggliü picciolo Raps. 41. 61: vog§T§ klein. — yngetäl angio-
letto Raps. 70: engel == angelus. — butöpuliO Fässchen, Rhd.
Anth. 43: von einem ngriech. Deminutiv butöpulo, vgl. alb. but.-i.
c) Von einem Plural sind gebildet diemtiit Kinderchen,
Krist. cgt. 23. 52: diem Plural zu dial'Q Knabe. —■ pidiiMfg
Pltihnchen, von einem Plural *pulm zu pul'§-a. Man vergleiche
hiezu Grimm, Deutsche Grammatik 3, 673 : ,Liegt dem Dimi
nutiv ein Neutrum zu Grunde, das den Plural auf -er bildet,
so nimmt die Volkssprache dieses -er zuweilen in den Plural
des Diminutiv auf, z. B. Lämmlein, Lämmerlein; Kindlein, Kin
derleinEbenda S. 680: ,Die hessische und rheinische Volks
sprache gibt einigen Pluralformen -er vor dem -dien: Mädchen,
Mäderchen-, Rädchen, Räderdien; Kindchen, Kinderchen; Lämm
chen, Lämmer dien; Kätzchen, Kätzerchen; Gläschen, Gläserchen;
Stückchen, Stückerchen; eine kühne Fortführung des epenthe-
tischen Plurals -er der Neutra, die in Kinderchen, Lämrnerchen
288
Meyer.
zulässiger scheint als in Kätzerchen, Mäderchen. Ja man ver
wandelt an einigen Orten sogar den Sing, -chen in Plural -eher:
Kindercher, Mädercher, Schaf er eher. 1 Kehrein, Grammatik der
deutschen Sprache des 15. bis 17. Jahrhunderts, 2, 308 führt
an cleiderlin, Kinderle, Kinderlein, Geisterlein, Gliederlein, Wei
berlein , Lämmerlein, Kälberlein, Güterlein; Erdtmännerchen,
Weibriger, weibrigen, Kindergen, dingrigen. Ich füge das ver
breitete Häuserchen hinzu. Im Albanesischen wird uns hei der
weiblichen Deminutivbildung mit -zg die gleiche Erscheinung
wieder begegnen.
d) Deminutiva auf -Ö von weiblichen Substantiven.
pünrf-i kleine Arbeit, Kul. 122: pun§-a Arbeit. — burmfi-i
geg. Zündloch H.: burm§-a dass. — pipb geg. Schnabel der
Lampe H.: von it. pipa Pfeife, vgl. pipez§-a Laubspitze, Kinder
pfeife H. — tamblfat Schläfen Rossi Gr. 328: t§rrip§la Plural
Schläfe H., Mi. 2, 66. Hier ist auch die weibliche Plural
endung eingetreten. — Ist zekO Bremse H., Kul. 21 die Demi-
nutivform des it. zecca (Diez, Wörterbuch 1, 449)?
Wie Herr Dozon, Grammatik S. 276 nach de Rada’s Gram
matik 28. 40. 50 bemerkt, sind der Deminution mit -6 im
italienischen Albanesisch auch die Adjectiva und Pronomina fähig.
Von dem. Adjectiven sind oben einige Beispiele mit aufgeführt
worden; von dem. Pronominen stehen bei Rada fe'0 du, GO dieser
Kleine, ad). Die Feminina verkleinern entsprechend mit -zg:
ajdz, kfjöz. Auch Adverbia können mit -6 verkleinert werden;
vgl. eyn cleyn weniglin Kehrein 2, 308; niederl. en weinigje,
schwäb. a wengeli, österr. a wengl Grimm 3, 688, wo man noch
weitere Beispiele findet. So dfiriü da vicino Raps. 27. ditsaQ
alquanto 65. prdpanib dietro 73. vetqmib allein 74. 103. sdnteniü
questa sera 84. nesqrib domani 103. Aber selbst Verbalformen
können ein solches kosendes -0 annehmen: ,il vezzeggiativo
nella lingua albanese investe anco i verbi nelle terze persone
plurali e ne’ participi e negli infiniti, significando quel modo tene-
rezza d'aftetto in chi lo pronunziah G. de Rada, Rapsodie 69
Anm. So von 3. Pers. Plur. z. B. vih§nib vengono Raps. 26. 77.
t§ vaTtdinib a piangere 44. tund§nfö 69. Participia: pianepsurib
Raps. 22. 103. mbesüariH 25. martuarffi 25. piugurossurib 32.
trymburib 57 (fern. tr§mbur§z 61. 93). drefturib 69. 92. prerib
71. 93. kepurib 71. pieksurib 71. harepsurib 72. d§rsiturib 78.
Albanesische Studien I.
289
kgputturid 78. helkurid 79. väriturid 85. segurid 99. pieturid
104. TceSurid 105. trüarid 106. beküarid sic. Cam. 2, 188. zblua-
rid ebenda. tg rüamid Raps. 70. Andre s. bei Camarda 2, 132.
Von den Deminutiven führe ich folgende Pluralbildungen an:
grepd Hebel: grepde Kul. 19.
zekd Bremse: zekde Kul. 21.
Zukd auXai;: l'ukde Kul. 21.
l’umd Flüsschen: l’umde Kul. 21.
emäkd Alp: ernähre Kul. 33.
faid Fehler: faid Kul. 138.
strukd Hobel: strukda Jungg 15.
hid§d Brennnessel: Mdße H.
nierffl Halszäpfcben: nieridg H.
tsunkd Binse: tsunkda Jungg 105.
Andere Stämme auf —0:
käd Augenkrankbeit, H.; Rbd. Lex. 69: kaOe Kul. 19.
diad Käse: diadna Jungg 23. Sing, auch diadgtg.
vß Ohrgehänge, Doz. vad: vße Kul. 19. vß Rada 14.
vߧ Doz. vade Doz. vadg Krist. Gr. 12; Lt. 21. vada Rossi
Gr. 330.
fed Kranz, bei H. best. t. feli, g. fedi: rede Kul. 21.
radg H.; Doz.; Krist. Gr. 12, tax. 21; Rbd. 7; fad Rada 14.
Zu ai. ratha-, air. rotli, lit. rdtas, lt. rota.
drid Getreide: dridna Jungg 16. dridgra Luc. 12, 18 Ath.
Sing, auch dridgtg.
hld, hid Brennnessel: hidgra Rada 14.
uid Magen: uide Kul. 22.
4. Stämme auf —3. Der unbestimmte Nominativ endet
auf —0.
a) Lateinische und romanische Wörter:
kud-ci Amboss (yjSxpa Kul. 20), lt. incüdem: kuoe Krist.
Gr. 12; Kul. 20. kula Krist. Gr. 12.
bandid-Zi, it. bandito, zunächst aber aus ngriech. groxvoiScu;:
bandile Kul. 32.
eö-3i Böcklein, lt. haedus: eia Scut. Matth. 25, 33. Rum.
jedu, jezi Mi. Rum. Unt. 1, 31.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. M. I. Hft.
19
290
M e y e r.
b) Griechische Wörter:
skotdü-oi Finsterniss, griecli. ax,0TdSt: skotaBe H.
slcaü-Bi Strohhut, griecli. oy.'.doi: skaoe H.
üvaQ-oi, Doz., Krist., Ro.; l'uat) Kul. 102; luvdQ H., Doz.;
lugati Raps. 28, Wiese, aus griecli. XißaSi: luvaoe H. tuaB§ Alf.
Konst. 20.
taksib-Bi Reise, griecli. za^iBi: t.aksiBe H.
kso()-Bi Begräbniss, griecli. Ta sijoBia: ksoBe H.
c) Türkisch ist:
omvM-ci Vertrauen (Blau): omuBe H.
d) Albanesische Wörter:
maft-Bi gross: m$Bent§ Krist. Ist. 84. m§Bint§ H., Apoc. 20,
12 Ath. u. o. m§Bej Krist. ebenda g.; H. Zu sk. mah-, zd. maz-,
gr. ii.syac, lt. viagnus, got. mikils.
breü-Bi Tanne: ? Auch weQ Doz. Vgl. rum. bradü Tanne,
Fichte; lettisch preede in Kurland Fichte, in Livland Tanne.
Vgl. auch Cihac 2, 714. Diefenbach 1, 50.
dreft-Bi: dreüatg nur Plur., g., Wendungen H.
keti-Bi Büchlein: keoa Krist. Matth. 25, 33 t., g.; Ict. 22.
In der Uebersetzung von Fräse, und Pian. steht Matth, a. a.
0. k§t§.
vtö-Bi Ulme H., Doz., ßdXavo? Krist. Gr. 12: vioe, vioa
Krist. a. a. 0. Vgl. russ. viäzu, poln. loiäz Ulme, lit. vinksna
dasselbe.
piü-Bi weibliche Scham: p{B§ra H. Vgl. lit. pisä cunnus,
pisti coire cum muliere, slav. (und daraus istro-rum., Mi. Rum.
Unt. 1, 40) pizda cunnus.
JdriQ-Bi, ein zoologischer Ausdruck: kiriB§s, kirio§zit§ Rhd.
Lex. 72.
TeO-Bi Rand eines Grundstückes H., Wand Kul., bord d’un
fleuve Doz.: leBe H.; Kul. 21.
fruti-Bi Doz. Masern: fruOe Kul. 19.
gard-oi Zaun, Hecke; v.r^oq Kul.: garoe H.; Luc. 14, 23
Ath. (unrichtig wohl garüe Kul. 19). geroe Krist. Gr. 12; Luc.
14, 23 t., g.; Rada 12. Vgl. rum. gardü Zaun, asl. gradü uiurus
usw. Mi. Lex. palaeoslov. 141; Cihac 2, 115. Letzterer hält
das alb. Wort für slavisches Lehnwort.
ur()-oi, hurü Epheu, auch Masern Kul.: urBe (urde) Kul. 22.
Albanesische Studien I.
291
5. Stämme auf —s.
a) Lateinische und romanische Wörter:
as Asz, it. asso, ngriech. aco?, aao: ase Kul. 18.
pus Brunnen, lt. puteus Mi. 2, 51: puse H.; Doz.; Krist.
Gr. 12; Kul. 19. pusa Krist. Gr. 12.
tas metallene Reisetrinkschale, H., v.üaOo; Kul.; it. tazza,
frz. tasse: tase Kul. 20.
paris Paradies, lt. paradisus Mi. 2, 47: parise Kul. 32.
h) Griechische Wörter:
pras Lauch, griecli. -päcov: prasg Doz.
elcsetasit die Prüfungen, Doz. 1, 144, aus griecli. iqszicsir.
mes (bei Krist. Gr. 12 bestimmt mezi) Hüfte, griecli. [Hcov:
mese H.; Doz; Kul. 21. meza Krist. Gr. 12.
kopos Cam. 2, 178 Mühe, griecli. v.o-oq: kopose Kul. 70;
A Dora d’Istria gli Alb. 81 aus Hydra; Cam. 2, 176 sic.
Anmerkung. Hier ist von einem griechischen o-Stamme
der Nominativ Sing, in sehr roher Weise im Alb. der Aus
gangspunkt der Flexion geworden. Ebenso ristös-i Xpur.cq Alb.
B. 58 in einem Liede. Sonst ist der Accusativ Sing, auf -o
für -ov entlehnt: sorön’ Acc. Sing, cwpiq Haufe Kul. 144.
ehdrotg Feinde, e/Opöc Rhd. Anth. 5. koftö-i geschroteter
Weizen H. y.ooicv (Mi. 2, 15 unrichtig aus coctuni). skdndalo-ja
a-/.ctvBa7v0v H. tropo Tp6t.cc, Doz. sofovet Rom. 1, 14 Ath., sofontg
A Dora d’Istria gli Alb. 81 aus Hydra, copcc. kamnua (best.
kamnöi, nach den -n-Stämmen) Raps. 28 v.ax'/oq. jatrö-i Arzt
H., Plur. jatrön Raps. 44. Alb. B. 76. ipuryö Minister, Plur.,
Cam. 2, 86, griecli. üraupyoc. astako Cam. 2, 88 ebendaher,
ä'orax.0c. ahinö ebenda, ä/pioc. l'aoit des Volkes Act. 4, 8 Ath.
naora Tempel, Plur., Act. 17, 24 Ath., vAc. Der Accusativ
Plural ist entlehnt in korfus-zi. Kopooi' Alb. B. 72 und laus-zi
Volk Xtzot. Die Endung ist abgefallen in sof Weiser, aus goqoc,
Kul. 62, droin opögoq, nom vigo? u. a.
fis, fus Natur, Stamm, griecli. g’jg’.q: fise II.; Scut. Matth.
19, 28. fisra Krist. ist. 78.
taks Ordnung, griecli. tajcse H.
c) Türkisch ist:
haps Gefängniss: hapse H.; Kul. 22.
19*
292
Meyer.
d) Älbanesische Wörter:
0e.s Sack: 6ese Cam. 1, 226; Kul. 20. 0asg H.; Doz.; Krist.
Gr. 12, «re. 33; Rhd. 7, Antk. 50; 0as Rada 13; Raps.'74.
0dsgre Doz.
pgrles Gicht: pgrlese Kul. 32.
kgndes Hakn: kgndesa Doz. 1, 142. Akleitung von kgnduem
aus lt. cantare Mi. 2, 10.
Tis Baum H., rovere Jungg, ßaXaviSti Kul.: Tise Kul. 21.
42; Mattk. 3, 10 Piana. Visa Scut. ekenda; Jungg 15; H. Tiza
Doz. Vgl. asl. lesu silva, rum. leasä Buschwerk Cikac 2, 167.
Vielleickt ist das alb. Wort aus dem Slav. entlehnt.
pTis Scholle: pTise Krist. Gr. 12. plisa Krist. ekenda; H.
vise geg. Plur., Orte, Plätze H. Vgl. ai. vic-, vecd- Haus,
zd. vis Haus, Dorf, Clan, asl. visi. praedium, vicus, lit. veszpats
Herr, griech. Fotxoc, lt. vicus, got. veiha-. Das alk. Wort ist
vielleickt slav. Lehnwort, dock steht alb. s = idg. k { = sk. g
u. s. w. auch in siviet in diesem Jahre, wo si- = lit. szis asl. st
(germ. hi, lt. ce, griech. y.sivo? Fick, Spracheinkeit 263, armen, s
Hübschmann, KZ. 23, 37) ist.
ergis Laus: ergise Kul. 33.
kos halbsaure Schafmilch: kose H.; Kul. 20. Zu asl. kvasü
Cü|J.r n hulg. kvasü ferment, serb. kvas Sauerteig, saure Milch;
dazu aixch lt. cäseus (Fick 1, 543), das wegen seines nicht
rhotacisirten -s- ein Lehnwort scheint.
bors fringilla: borsgra Rada 13.
Zahlreich sind die Ableitungen mit Suffix -§s von Sub
stantiven und Verben, um denjenigen zu bezeichnen, der eine
Handlung ausübt oder zu etwas gehört. Sie haben nach Krist.
im bestimmten Plural -§sit§, Gen. Dat. -§set. So von Vei’ben
z. B. Skrongs Schreiber: Skrdhgsit Krist. Luc. 5, 30 t., skrüisit
g. — mgsohgs Lehrer Krist. Gr. 10. — dzgngs Schüler: ndzgngzit
Krist. Luc. 5, 30 t. — korgs Schnitter: kdrgsitg Krist. Gr. 10.
körgsavet Krist. Matth. 13, 30 g. körgsgvet ebenda t. korsve
Scut. ebenda, korazvet Fräse, ebenda. — kulotgs Hirt (bei H.
kuldtas), von kulds ich weide: kuldtgsitg Krist. Luc. 8, 34 t. —
vieigsitg Diebe Krist. Lt. 88. — bist-tundgsitg o\ cetovxe? xa? obpac,
Krist. Gr. 20. — ziar-lutgsa Feueranbeter Krist. Lt. 128 ist neben
horgsa die einzige mir bekannte Form mit dem Plural auf -a. -e
hat stipgs Stössel des Mörsers, von stip, stup: stipgse JI. Von
Albanesische Studien I.
293
Nominen kommen miekgsit die Aerzte, Krist. lax. 60, Luc. 8, 43
t., g., von miek — medicus. — cjukdtgsitg Richter Krist. lex. 75
von gukatg = judicatum. — katündgsitg yupiv.oi Krist. Gr. 20,
von katund. — vendgsitg bnoxioi Krist. Gr. 10 von vend Ort.
Auch die Namen von Bewohnern von Orten auf -as haben
im Plural nach Krist. Gr. 10 -it§ wie die vorigen, z. B. El'ba-
sdnas-i Bewohner von Eihassan: Elbasdnasitg.
6. Stämme auf -ts.
a) Slawische Wörter:
vrabets Sperling, serb. vrabac Mi. 1, 37: vrapetsa Dan.
hei Mi. a. a. 0.
tSilts Schlüssel, neben kl'its, Muts aus serb. bulg. kljuc
Mi. 1, 21: tSiltsa Scut. Matth. 16, 19. In der geg. Uebersetzung
von Krist. steht hier tsel'a.
krastavets Gurke H., serb. krastavac Mi. 1, 23: krastavetsa
Krist. Ist. 65.
karkal'ets Heuschrecke: karkaTetsa Krist. Gr. 12, Matth.
3, 4 t.: kartsaletsa Krist. ebenda g.; katsaletsa Scut. ebenda.
kartsaletsg Pian. ebenda, karkaletse Fräse, ebenda; Krist.
Gr. 12. Vgl. y.spy.a. ay.pi? Hes., lit. kirklys (Ness.). Stier,
KZ. 11, 241. Diefenbach 1, 47 nimmt Urverwandtschaft an;
wahrscheinlicher ist das Wort slavisches Lehnwort: bulg. ska-
kalecü sauterelle (Bogor.), daher auch das grosse Schwanken
in der Form.
b) Albanesische Wörter:
bits Ferkel: bitsa Krist. Gr. 23. Die Plur. büsujtQ, bitsü-
h§t§ H. gehören zu bitsun Doz., bitsün H. Vgl. serb. bice
junger Stier?
kets, g. nach PI. ketS Ziege: ketse Kul. 19. 48. ketsgra
Doz. ketsgritg H.; Dan. bei Leake 385. ketsgre Doz. 1, 135.
Vgl. esthn. kic, votj. keS, magy. keeske Ziege (Donner 1, 24);
an. Mp, unser Kitze? alb. &e0 Böcklein s. o.
7. Stämme auf -s.
a) Lateinische und romanische Wörter:
pas Klafter, 1t. passus Mi. 2, 47: pase H.; Doz.; Kul. 19.
pas Krist. Act. 27, 28 g.; ebenda Ath.
294
Meyer.
ses Ebene, rum. ses dasselbe, von sessus oder sessum, vgl.
Scbucbardt, KZ. 20, 251. Cihac 1, 273 (vgl. sedere in der Ebene
liegen, sieb binstrecken): se§e H.; Doz.; Kul. 21; Kaps. 46.
myndafs, mundaS u. s. w. Seide, 1t. mataxa Mi. 2, 40:
munddsgra Rada 14; Raps. 87.
vier5 Vers, lt. versus Mi. 2, 70: viersa Blanchus 100.
Zgmi Knäuel, zu lt. glomus, vgl. mrum. gl'emu: fymse IE;
Kul. 21.
b) Türkisch ist:
l'es Leichnam, auch serb. les Aas, Leiche: les§ra H.; Kul. 21.
c) Slavische Wörter:
kos Korb, serb. bulg. koS Korb, Mi. 1, 23: kose H. koSa
Krist. Gr. 23; Luc. 9, 17 t., g.
los Thiernest, asl. loze lectus, serb. loZa £, loze n. Lager:
lose H. Bei Kul. 21 lots, Plural lotse.
gros Piaster, serb. gros u. s. w., vgl. Cihac 2, 131: gros
Jungg 15; Rhd. Anth. 10.
kokos Hahn, serb. bulg. kokos Henne Mi. 1, 22: kokoSe
Kid. 33. Für kokos hat Cam. kokö-i. Rum. cocd$ Cihac 2, 67.
Vgl. auch Hehn 523. Das Slavische kennt Suffix -os nur in
diesem Worte (asl. kokosi), ausserdem in russ. rokosü seditio aus
magy. rakds Mi. Yergl. Gr. 2, 343. Dem Alb. ist es eigen noch
in gelos Hahn Kul. 92, vom lt. Lehnwort gel' = gcdlus (Mi. 2,
80); düdös Jüngling, von diafy; balos brandroth, von Haaren
und Pferden, Doz.; barlös weisslich Id.; IdröS aschgrau Doz.;
veroöS von gelber Gesichtsfarbe Doz.
d) Albanesische Wörter:
das Widder: des H.; Doz.; Krist. Gr. 12; Rada 13; Rhd.
7 (däs Lex. 110); Jungg 18. dese, Krist. Gr. 12.
Tes Fliess: les Doz.; Kul. 159. lesna Jungg 23; lesgra
Haare H.; Doz.; Kul. 152; Rada 14. Vgl. asl. vlasü capillus.
ves Ohr: vese Kul. 19. ves§ Doz.; Krist. Gr. 11, Luc. 1,
44 t., g.; ebenda Ath. ves Jungg 15; Jarn. 18; Scut. Matth.
13, 19; Fräse., Pian. ebenda. Vgl. zd. gaosa, apers. gausa,
osset. ghos, afg. yvaz, arm. -guis Ohr.
pres Lauch: prese Kul. 19. pres Kul. 158; Alb. B. 9.
Die Form pras (s. o.) ist aus npaaov entlehnt; pres dagegen
scheint das damit urverwandte Wort zu sein.
Albanesische Studien I.
295
miss Fleisch: misna Jungg 16; rnisra Krist. Gr. 13; miS§ra
H.; Doz.; Kul. 22; Rhcl. 6. Vgl. ai. rnäsa-, lit. mesä, apr.
mensa, menso, asl. mgso, got. mimz Fleisch.
prus Kohle: pruse H.; Kul. 19. pruSa Rossi Gr. 326.
Vgl. ai. prus, lt. prüna aus *prusna, lit. prausiit, ahd. friosan.
J. Schmidt, Vocalismus 2, 271 ff.
fus Traube: rule Kul. 21. rus Kul. 163; Stier; Scut.
Matth. 7, 16; Krist. ebenda 1, g.; Fräse. Pian. ebenda. Vgl.
ai. rasa raisin, pers. raz, razan vigne, raisin, kurd. rez dasselbe.
Pictet 1 2 , 308.
clialoS Jüngling: diaPose, dial'oSa Krist. Gr. 12. Ueber das
Suffix -os s. o.
Sos Sieb: sose Kid. 21.
(jus Urgrossvater: guSe H.; Kul. 19. gus§re H.
Mus, Jc§lu§, k§luS u. s. w. junger Hund: Mus Scut. Matth.
15, 27; 1c§1m§ Krist. ebenda und Luc. 3, 7 t., g. kul'ist§ Fräse,
ebenda. kuPise Pitrfe 296. krJuse Doz. 146. k§Pu§§ra Alb. B.
170. Das Wort, dessen ursprünglichste Form Mus aus *kus
ist, gehört zu einem sehr weit verbreiteten Stamm: serb. kuce
Hündchen, it. cuccio u. s. w. (Diez, Wörterb. 1, 146), magy.
kutya Hund, kuszi Hündchen, und was Donner, Vergl. Wörterb.
der finnisch-ugrischen Sprachen 1, 23 aus diesem Sprachkreise
sonst noch verzeichnet. Alb. kuts Hund in der Kindersprache H.
ofs Zugwind: ofse H.; Kul. 21. Damit identisch scheint
afs vapeur Doz., Plural afse. (Etwa zu türk, öf- schnauben?
W. Tomaschek.)
8. Stämme auf -ts.
a) Lateinisch ist:
vits Kalb, lt. vitulus Mi. 2, 72: vitsa Krist. Icrt. 98. vit§§re
H. TOtlgrg Doz.
h) Griechisch ist :
halits Kieselstein (aus lialik), griech. /cda'xt: halitse H.
c) Slavisch sind:
katS Weber, serb. bulg. tkaS, Mi. 1, 35: katse Kul. 19.
kets H.; Doz.
kulats Brodkucken, serb. bulg. kolac, Mi. 1,22: kuPets H.;
Doz.; Krist. tcx. 14; Rhd. 7; Alb. B. 10; Jungg 18. kuPet§§t§
Krist. Gr. 12; Rhd. Lex. 96.
296
Meyer.
Hits, Muts Schlüssel, serb. bulg. kljuc, Mi. 1, 21: Mutset
Alb. B. 177; klitse Raps. 17; Matth. 16, 19 Pian. Icitset ebenda
Fräse. Untse Doz. Lied. 97.
mats Kater, serb. mace junger Kater, macka Katze, Mi.
1, 25: matse H.
d) Albanesische Wörter :
kuts Hund: kutse H. Vgl. oben.
krits, krots Eselsfüllen: kritsg H.
Zu diesen Thiernamen auf -ts kommt ausser vits und mats
(s. o.) noch guts Schwein, Kul. 48, das zu magy. kocza Mutter
schwein, serb. kocak Schweinstall, frz. cochon gehört.
Nur im Plural steht Kul. 122 palamatse Händeklatschen,
von lt. palma.
9. Stämme auf -z. Der unbest. Nom. Sing, endet auf -s.
a) Griechische Wörter:
fis -zi, Jungg 23 oriz Reis, ngriech. cpu^i: fize Kul. 21.
orizna Jungg 23.
laus -zi Volk, griech. Acc. PI. Xaoü?: lauze Krist. Luc.
2, 31 t. lauz§ Krist. icr. 13. la,uz%ra Krist. 'ujt. 11. latiz§r§
Doz.; Krist. lat. 63.
b) Türkische Wörter :
nas -zi coquetterie: naze H.; Doz.; Kul. 22.
garäs -zi Widerwille: garaze Kul. 33.
kafds -zi Käfig: kafaze Kul. 33.
taläs -zi Woge: talaze Scut. Matth. 8, 24. Das türk. Wort
ist griech. Gahacca.
mards -zi Auszehrung: maraze H. Das türk. Wort ist aus
griech. [j.cr.pa<j\i.6i entlehnt.
geris -zi Wasserleitung: gerize Kul. 33.
tos -zi Staub: toze H.
karpus -zi Wassermelone: karpuze Kul. 33.
topüs -zi Keule: topuze H.
c) Albanesische Wörter:
me,s -zi Füllen, Pulj. 133 mus: nieze Kul. 21. me,za Doz.
1, 146; muza Pulj. 133. Ueber das Wort vgl. o. S. 282 bei mzat.
gas -zi Freude: gaze H.; Kul. 19. gaz§ra H. Mi. 2, 29
stellt das Wort als Lehnwort zu lt. gaudere, was mir sehr
unwahrscheinlich ist.
Albanesische Studien I.
297
gurmds- zi Schlund: gurmaze Kul. 33. gurmciza Krist. Gr. 12.
Gehört das Wort zu frz. gourmand Schlemmer, gourm.ette und
bret. gromm Kinnkette der Pferde, über welche Diez, Wörterb.
2, 327 nichts Befriedigendes zu sagen weiss? Drum, grumdz,
mrum. grumdäzu Mi. Rum. Unt. 2, 15.
bres -zi Gürtel: breza H.; Doz,; Krist. Gr. 12; Matth.
1, 17 t., g.; Scut. ebenda, breze Raps. 40. Vgl. drum, briü,
brine, istrorum. breu, brene Gurt. Mi. Rum. Unt. 1, 21.
kuris -zi Rückgrat, koris Jungg: kurize H.; Doz.; Krist.
Alf. t. 26. kuriza Krist. Alf. g. 26; koriza Jungg 15.
levris -zi verme solitario: levriza. Jungg 15.
muris -zi Schwarzdorn: muriza H.; Krist. Matth. 7, 16 g., t.;
ebenda Fräse., Pian. Vgl.it. marruca Dornstrauch; Schuchardt
250 hält das alb. Wort für entlehnt.
los- zi Stützholz, Riegel: loze PI. loza Krist. Gr. 12.
kos -zi Spiel: Toze Kul. 21.
III. Stämme auf Labiale.
Der best. Nom. Sing, hat den Artikel in der Form -i.
1. Stämme auf -p.
a) Lateinische und romanische Wörter:
piep Pappel, 1t. populus, plopus Mi. 2, 51: piepe Kul. 19.
pbepa H.
nip Neffe, Enkel, lt. nepos Mi. 2, 44: nipe Kul. 22. nipa
Jub. 45. nipep-e H. nip§r§ Krist. lcz. 11. nip§rit§ Krist. Gr. 11;
wt. 119. nipra Cam. in A Dora d’Istria gli Alb. 116. itep-ni-
p§re Urenkel Doz. stßrnip§r§ Krist. tor. 11.
skop Stock, lt. scopus Stengel; seäpus Schaft: shope Matth.
26, 47 Pian. skopvh H.; Doz.; Kul. 21. Skopi Scut. Matth. 26,
47. skopihet§ Cam. 1, 199. Skop§ht§ Krist. Gr. 12. skepi H. g.
skep§ Krist. Gr. 12; Luc. 9, 3 g.
kup Fass, lt. cüpa, Mi. 2, 19: Hupe Kul. 20.
k§rp, g. kdn§p nach H„ kondp Rossi Gr. 331, Hanf, it.
ccinape Mi. 2, 9: lappe Kul. 20; PI.
korp Körper, lt. corpus Mi. 2, 18: korpna Scut. Matth. 27,
52; körpepia Krist. ebenda g. körppiitg Krist. Rom. 12, 1 g.
turp Schande, lt. turpe Mi. 2, 69: turpe Kul. 20.
298
Meyer.
b) Griechisch ist:
sindp Senf, ngriech. aivdm (bei Mi. 2, 61 als lat. Lehn
wort, was wegen des Accentes nicht angeht): sinape H.
trap traghetto, ir.oa.r.6q: trapa Jungg 15.
c) Slawische Wörter:
stap Stab, serb. stap, stap Stab, Stock, Schritt (aus nhd.
Stab, Mi. Fremdwörter in den slav. Sprachen, S. 127): stape
H. ; Kid. 21. stapa Krist. Luc. 9, 3 t. stap ebenda Ath.
tSap Schritt, nsl. söap, s. Mi. a. a. 0.: tsape H.
turp, trup Leichnam, serb. bulg. trup Leib, Mi. 1, 35:
trupe Krist. Matth. 27, 52 t.; turpe H. trupa Rom. 8, 11 Ath.
Skrap Scorpion, asl. Skrapij aus lt. scorpio: skarpin Krist
Apoc. 9, 3 g.
d) Türkische Wörter:
doldp Schrank: dolape Doz.
tsurdp Strumpf: thirapg H.; Doz. tsureps H.; Rhd. 7;
tSurep Doz.
dzep Tasche: dzepe Doz. dzepa Rossi Gr. 329.
gazep Gefahr: gazepe Kul. 33.
hakrep Scorpion: hakrep§na Krist. Luc. 10, 19 g.
tertip artifice, ruse: tertipe Doz.
top Kanonenkugel: tope H.
kalüp Form: kalüpe Kul. 33.
e) Albanesische Wörter:
rap Platane: fape Kul. 21. fapa Krist. Gr. 23. repe H.;
Doz. rep Rhd. 7.
trap Grube: trape Kul. 20. trepe H.; Doz.
tsidp Bock; bei Doz. tsijdp, tskap; nach Krist. g. sltap:
tsiep Krist. Gr. 12; H.; Kul. 20; Rhd. 7; Rad. 13. tsiep§ Krist.
Gr. 9; tsep g. H. skep g. 1L; s/cepg g. Krist. Gr. 9. Vgl. rum.
tapü Bock, slovak. klruss. cap, öech. cdp, magy. czap. Cihac 2,
429. Diefenbach, Völkerlc. Osteuropas 1, 45 möchte tsiap
und sJcap trennen und letzteres zu deutsch Schaf, poln. skop
Widder (daraus lit. skapas, Brückner, Litu-slavische Studien
I, 142) stellen.
grep Angelhaken: grepe II.; Krist. Gr. 12; Kul. 19. grepa
Doz.; Krist. Gr. 12; Act. 27, 29 g. Anker. Vgl. mrum. grepu
Kav. dasselbe.
Albanesische Studien I.
299
diep Wiege: diepe H.; Doz.; Kul. 20.
tsep Schnabel: tsepe Kul. 20.
Strep Wurm: strepe Kul. 21. stgrpih Krist. lat. 2; Styrpij
xa epixexd Krist. Act. 10, 12 g.; Stgrpgh Alb. B. 58. Entlehnt
aus serpens, serpentes? Wegen St- vgl. dann stok aus sambucus.
g§lep Augenbutter, Kav. gl'ep, Xyl. sldepg: ggl'epe Kul. 33.
Vgl. mrum tscdpü Kav.; ngriech. x^;j.xaoc.
rip Riemen, Doz. fup: fipe Kul. 21; Rhd. Lex. 86. ripa
H.; Rhd. 6; Act. 22, 25 Atb. rupa Krist. ebenda g.; Doz.
sup Rücken, Schultern: supe H.; Doz.
öe/p Kern, Beere: 0eine Kul. 20. 0elpihe H. fielpine
Cam. 1, 199.
2. Stämme auf -b. Der unbest. Nom. Sing, endet auf -p.
a) Lateinische und romanische Wörter:
plump -bi, plump, g. plum, Rossi Gr. 332, lt. plumbum,
Mi. 2, 50: plumbe Krist. Gr. 12; plumbe Kul. 19. pl'umba Doz.;
Krist. Gr. 12; plumba H.; Kul. 140.
Skgmp -bi Fels, Klippe, lt. scamnum, Mi. 2, 58: Skgmbe Doz.;
Krist. tax. 42; Kul. 21; Rada 12. skembe 0psvot Krist. Apoc. 4, 4 g.
Skembeh Krist. tax. 54. Skgmbgh Doz. skgmbih Doz. Skgmbij H.
fgmp -bi Reibe, Runzel, Strahl, lt. rämus, Mi. 2, 54: rembe
Kul. 21. rgmba H.; Doz.; Kul. 30.
korp -bi Rabe, lt. corvus, Mi. 2, 18: korbe II.; Krist. Gr. 12;
Doz.; Rhd. 5. korba Krist. Gr. 12, tax. 99. körbgre II.; Doz.
korptg Doz.
komp -bi Volk, bei Rhd. Lex. 95 Strohhaufen, lt. cumulus,
vulg. comblus, vgl. Diez 1, 133: kombe Krist. Matth. 4, 15 t., g.;
Kul. 20; Rhd. 95. körne Scut. Matth. 4, 15.
b) Slavisch ist:
rop -bi Diener, Sclave, serb. bulg. roh, Mi. 1, 32: robe
Kul. 21. rob Act. 4, 29 Ath. ropt Act. 2, 18 Atb.; Jarn. 4
(robt). röbgre H. ropgre Doz. röpgrit Krist. lax. 123.
c) Türkisch ist:
tsimp -bi das Zwicken, vgl. ngriech. x^t|j.xrdto: tsimbe H.
d) Albanesische Wörter:
lap -bi der Ljape: l'abgre H.
elp -bi Gerste: el'ba Krist. Gr. 12. elpe Kul. 19. el'bna
Jungg 23. el'bina g. Cam. 1, 200; helbina Lecce 16. elprci Krist.
300
M e y e r.
Gr. 12. Vgl. aXfi Gerste, aXipt-ov Gerstengraupe; nicht aber magy.
türk, arpa Gerste (Diefenbach 1, 51; vgl. über letzteres Vam-
bery, Die primitive Cultur des turko-tatarischen Volkes S. 216).
Oe/p -bi cv.üJ.c: belpa, belpra Krist. Gr. 12.
Help -bi Eiter, ielp Pulj.: kelpe Kul. 20. t'elpa Pulj. 130.
1celb§ra H.
3§mp -bi Zahn, g. 3am: S§mbe Kul. 20. oe.mba H.; Rhd. 6.
3§mb$ Doz.; Kul. 161; Krist. Matth. 8, 12 t.; ebenda Pian.
8§mbe ebenda Fräse. oarnb§ Krist. ebenda g. 8am ebenda Scut.
8am Jungg 15; Rossi Gr. 328; Jub. 102. Zu ai. jamblid- Gebiss,
Mund, asl. zqbü Zahn, griech. vopyoc Zahn, lit. zamba Fresse,
Maul (Geitier, Lit. Stud. 122), lett. fohbs Zahn.
bump -bi Stachel, grand bec Doz.: 6urnba H.; Krist. Apoc.
9, 10 g.; ebenda Ath.
gemp -bi Dorn, Krist., g§mp H., Doz., gern Doz., gep Kav.,
glimp Kul., gfymp sic.: gembe Krist. Gr. 12; glepnbe Matth. 13,
7 Pian. gemba Krist. Gr. 12; ggmba H.; g§j§mba Rada 12. gl'emba
sic. Cam. 2, 186. geba Leake 293. glimba Kul. 19; Rhd. 6.
Rum. ghimp Dorn, Cihac 2, 717, dessen Vergleich mit lt. spina
aber falsch ist; die Wörter gehören vielmehr zu lit. gembe Haken
in der Wand.
krimp -bi, Krist, krump Wurm: krivibe Kul. 20; krumbe
Krist. Gr. 12. krimba H.; Doz.; Rhd. 6; Kul. 140; Rada 12;
krumba Krist. Gr. 12; Alb. B. 99. Zu ai. krmi-, lit. kirmis,
air. cruim Wurm.
krump- bi alles Verbrannte, Verkohlte: krumbe H.
3. Stämme auf —f.
a) Romanisch ist:
stuf iiZoq xsTpaq iXoufpäq Krist., Eisenstein, Ocker H., it. tufo
Mi. 2, 68: stufe H. Stufa Krist. Gr. 23.
b) Türkische Wörter:
def Handtrommel: defe Kul. 20.
laf Unterhaltung: lafe Kul. 21.
kff Behälter: keife Kul. 33.
mutdf Pferdedecke: mutafe H. ,Der Form nach sicher
arabisch.' W. Tomaschek.
g@zöf Pelz: g%zofe H. ? ,Vielleicht zu türk, gözemek aus
bessern, flicken?' W. Tomaschek.
Albanesische Studien I.
301
estdf Begierde: estafe Kul. 33. estafg Kul. 78. Türk.
Aussprache von pers. iStäb häte, precipitation. Bianchi.
tief Vergnügen: tiefe Jungg 14. Die türk. Herkunft ist
fraglich.
c) Albanesische Wörter:
plaf Decke: pl'afat Krist. icrr. 126. pl'afen Kul. 32. plqfehe
H.; Cam. 1, 199. pfyfpf Id. plftfeh Kul. 19.
gof hanche: gof§ Doz.
4. Stämme auf—v. Der unbestimmte Nom. Sing, endet
auf —f.
Griechisch sind:
sklaf-vi, ilclaf, skl’af Sclave, ngriech. czXaßo;: sklef Krist.
Gr. 23, ic~. 135; H.; Sklev Doz; Rhd. 7; Sklev Kul. 21.
skldv@t§ g. H.
kardf-vi Schiff, ngriech. y.apdßi: karave Rhd. 17; Kul. 33.
karavg A Dox - a d’Istria gli Alb. 81 aus Hydra.
IV. Stämme auf Nasale.
Der bestimmte Nom. Sing, nimmt den Artikel in der
Form —i.
1. Stämme auf —m.
a) Lateinische und romanische Wörter:
d§m Schaden, Strafe, 1t. damnurn Mi. 2, 20: d§me H.;
Kul. 20.
l'um, l’um Fluss, lt. flümen Mi. 2, 27: lume Matth. 7, 25
Pian. lume Kul. 21. luma Pulj. 146. lumna Krist. Alf. g. 22;
Scut. Matth. 7, 25; liimgna Krist. ebenda g.; lumra ebenda
Fräse.; lum§ra Krist. ebenda t.; H.; Doz.; Alb. B. 96; Krist.
kr. 40; Rhd. 6; Vum$ra Kul. 162. lumfh Doz.; Krist. Alf. t. 22.
kühn Dachfirst H., kulm Spitze Kuh, lt. culmen: kühne H.,
kul'me Kul. 20.
kahn Rohr, lt. calamus Mi. 2, 8: kalm§ra Stier.
b) Griechische Wörter:
kaldm Rohr, ngriech. y.aXäpu: kalame Kul. 33.
orom Lauf, griech. opop.se: orome Krist. lut. 59; Matth. 3, 3
Pian. äromg Raps. 47.
302
Meyer.
nom Gesetz, griech. v6|j.oq: nome H.; Alf. Konst. 92.
brazim Sauerteig, aus gr. Trpo^üpu, vielleicht zunächst aus
dem Türk.: brazime Kul. 32.
kurm Körper, griech. y.oppd Rumpf, Leih (unrichtig Mi. 2,
18 zu lt. corpus): kurrne H.; Rom. 12, 1 Ath.; Kul. 20; Raps.
103. kurma Doz.; Krist. Lt. 42. kurmgra Matth. 27, 52 Fräse.,
Pian.
c) Slavisch ist:
tum Rauch, aus serb. dim, bulg. dymü Rauch; allerdings
macht das t- — sl. d- Schwierigkeiten, doch geht es nicht an,
Urverwandtschaft mit den Wörtern anzunehmen: turne H.
d) Türkische Wörter:
balg dm, Schleim, Auswurf: balgame Kul. 32.
baltsdm. Balsam: baltsame Kul. 32.
dzam Glas: dzama Jungg 15.
nizdm Soldat: nizamt Scut. Matth. 8, 9.
paldern Degengehänge: paldeme Kul. 32.
pertsem ßocTput;: pertseme Kul. 32.
kalem Schreibrohr: kal'eme Kul. 33.
takem Ausrüstung: takenie Kul. 154.
badem: badema confetti Jub. 106.
drehein Gewicht: dreheme Krist. Lt. 127. Pers., arab.? türk.
dirhem.
madem Metall: mademe Id.
heKvn Arzt: hekiniß H. hekiinat Jub. 92.
hasm Feind: hasmit§ H.
e) Albanesische Wörter:
nam Ruf: name dl.; Kul. 22. Vgl. mrum. name fama Kav.
Aus. lt. nom,en? Mi. Rum. Unt. 2, 27.
dem Stier: dnma TI.; Krist. Gr. 12, Lt. 29; Act. 14, 13 g\;
ebenda Ath.; Kul. 20. deine H.; Krist. Gr. 12. Vgl. air. dam
Ochs, gäl. damh Ochs, Hirsch; griech. SdgJXr^ junger Stier,
odp.aXic, junge Kuh; ai. damya- ein junger ausgewachsener Stier.
rem Lüge: ferne Kul. 21.
Tiem Weihrauch: Kemna Krist. Apoc. 8, 3 g.
trim Jüngling: trima H.; Doz.; Kul. 20; Rhd. 6; Jungg 104.
(jalrn, Seil, nach Rhd. Lex: 63 Segel: yalme Kul. 19. gelmi-
t§ra, in Hai. gelm Rhd.
Albanesische Studien I.
303
heim Trauer: lielme Kul. 22.
Melm Tritt mit dem Fusse (von Mel'): slielme H.
maim fett: mäimitg Ii. Zu mäj mäste.
dgim trunken: deim Kul. 20. Zu dej berausche H.
berm uoäyxrfa stechender Schmerz: Qerm.e H.; Kul. 20. Zu
0er schneide.
ziarm Feuersbrunst, zierm fuoco Jub. 70: ziarme Kul. 20.
Hieher gehören die sehr zahlreichen Abstracta auf -im
(aus 1t. -%men, wie rum. -ime f.), welche ihren Plural, soweit er
belegt ist, alle auf -e bilden. Sie haben meist abgeleitete Verba
auf -6h (-6j H.) neben sich, selten solche auf -eh, noch seltener
unabgeleitete Verba; einige wenige sind von Substantiven, Adjec-
tiven und Adverbien gebildet. Ich lasse einige Beispiele folgen.
Von Verben auf -oh, die zum grössten Theile lateinische
Lehnwörter sind: ag§rim Fasten: aygröii faste, lt. jejunare Mi. ■—
ats§rim Geschwulst: ats§röh mache schwären. •— b§kim Segen:
b§koh segne, lt. benedicere Mi. —• dgrtim Zurüstung: dgrtdh be
reite, lt. *directare. — d§s§rim Begierde: dqsep'dh sehne mich,
lt. desiderare Mi. —fitim Gewinn: fitoh gewinne, vgl. it. profittare
Mi. — g§zim Freude: g§zoh erfreue (vgl. gas-zi Freude; türk.
gezmek spazieren gehen?). — g§m.im Donner: g§m.du töne, lt.
gemere Mi. — liarim Vergesslichkeit: haföh vergesse. — kal§zim
Verleumdung: kalgzoh verleumde, lt. calumniari. — k§ndim
Lied: kpidöh singe, lt. cantare Mi. ■— kuitini Gedanke: kuitou
denke, lt. cogitare Mi. —- li§rtim Streit: kyrtoh streite, lt. certare
Mi. — Tak$mim Habsucht: bak§mdh bin habsüchtig, serb. lakom
habsüchtig Mi. 1, 24. — fyvdim Lob: tyvdöh lobe, lt. laudare
Mi. — l’pigim Siechthum: Ighgöh, lt. languere Mi. — martim Heirat:
martöh, lt. maritare Mi. — rnbuBrn. Deckel: rnbuloh bedecke.—
mendim Gedanke, g. mennirn Jungg 14; Imit. 13: mendoh bedenke,
zu lt. mentem. — vieritim Verdienst: meritoh verdiene, lt. meritare
Mi. —mundhn Strafe: mundoh plage. — ndurivi Leiden: durdh
ertrage, lt. durare Mi. — pag§£im Taufe: paggzöh taufe, lt. bapti-
zare Mi. —palctmi Friede: paktöh versöhne, lt. pax, pactum. —
pendim Reue: pendohem bereue, lt. poenitere Mi. ■— p§rtwi
Faulheit: p§rtoh faulenze. — pgsim Leiden: pgsoh leide, lt.
passus. — pikqlim Schmerz: pik§loh erbittere, vgl. pik mache
bitter, griech. xtxpoq. — premptim Versprechen: premptoh ver
spreche, lt. promittere Mi. — pusim auf hören: pusoh, lt. pau-
m
304
M e y e r.
sare. — 6§rim Heilung: S§röü heile, lt. sanare. — sp§thn Rettung:
üpgtön rette, lt. expeditare Mi. — strpujim Bedrängniss: strqngöh,
lt. stnngere Mi. — t§rbim Hundswuth: tgrböii mache wüthend. —
trazhn Aufruhr: trazdn mische. -— ur’dnim g., urZqrim t. Be
fehl: urd§non, uro§röu befehle, lt. ordinäre Mi. — v§zdim An
blick Kuh 32: v$st(r)6h regarder Doz.
Von Verben auf -eh: kurtsim Sparsamkeit: kurtseh bin
sparsam. — p§XKim Belieben: p§XKeh gefalle, lt. placere Mi.
— p§md§f{m Reue: p§rnd§l'eh verzeihe. — uisKvrn Nahrung:
uSKeh nähre, lt. vescor.
Von unabgeleiteten Verben: lviMm opp.vj: hibem springe,
Med. zu /ififj. — puMni Begierde: puü küsse.
Von Substantiven: g§rmim Schrift: g§rm§ aus griech.
vpcwa. — gazglim Freude: gas-zi dass. Das -l- ist unklar.
Von Adjectiven: dasurim Begierde: daSur§ geliebt, Part,
von dha. — sumytim Fülle: sum§ viel, aus lt. summus.
Von Adverbien: postim Fall: post§ unten, nieder, lt. postea
Mi. — pustahn Ende: pastajß zuletzt.
2. Stämme auf -n.
a) Lateinische und romanische Wörter:
publikdn Zöllner, lt. publicänus: publikai (d. i. -aj aus
-an) Scut. Matth. 9, 11. pubTikang Krist. ebenda g. publikane
Scut. Matth. 11, 19. 21, 31.
fustdn Unterrock, it. fustagno Mi. 2, 29: fustane H.;
Kuh 33.
Ken, K$n Hund, lt. c.anis Mi. 2, 10 : Ken Doz.; Krist. Gr.
10, Matth. 7, 6 t., g.; Alb. B. 20; Kuh 20; Rhd. 11. K§n H.
Ken§ Cam. 1, 205; Pitrb 296. tsen§ Scut. Matth. 7, 6. Kene
Cam. 1, 205. Kena Alb. B. 20. 17.7. tsena Pulj. 136. Ken§ra
Kul. 94.
tsen Zeichen Alb. B. 23; Kul. 162, lt. signum, vgl. Mi. 2, 60.
Damit wohl identisch tsen Gebrechen, Schaden H., Plural tsen§.
g. kersten, t. kyrster, Küster Christ, lt. christianus Mi. 2, 13:
k§rster§ Alb. B. 97.
l§Ken, H. l'§ke Scut., t. l'eker (bei Doz. falsch lieker; auf
fallend l'agur Pulj. 139 Pfütze) See, zu lacus Mi. 2, 34: l^icena
Krist. Alf. g. 21. Xqkere Krist. Alf. t. 22.
t. Sule, best. Suleri xpacrjXiov, lt. solänus?: Suleii Krist. Gr. 11.
Albanesische Studien I.
305
g. fr%, best, freni Ro., fr§, best, frpii H.; t. fre, best.
freri Doz., fr§, best. fr§ri H., Zügel, lt. frenum Mi. 2, 28: frent
Stier. fren§t Raps. 75. frerg Doz. frgre H. fretg Doz. fr§ H.
fikin auKul., flau Nachbar, lt. vicinus Mi. 2, 71 :
filcine Kul. 33; fylcin Krist. Luc. 1, 58 g., t.
g. Pi, best. Imi H., Pi best, lini Ro.; t. Pi, best. Piri Flachs,
Lein, lt. linum Mi. 2, 36: Phi Krist. Gr. 11; Kul. 21.
g. fPori, fl'orini, t. fPori-u, it. fiorino Mi. 2, 27: flbrih Doz.
flori Jub. 108.
g. kusgri, kus§rini, t. kus§ri-u, i kus§rir i Abraamit Krist.
'urr. 21, lt. consobrinus Mi. 2, 17: ku§§rih Raps. 46. kusgri Doz.
g. muli, best, mulini Jungg 16, muli, mulini Ro., t. muH,
best, muliri und muliu Mühle, it. mulino Mi. 2, 43: muli, Jungg
16. rnulin Doz. t.
g. lauft, best, kufini Grenzstein, it. confine Mi. 2, 16: kufit
Umgegend Scut. Matth. 2, 16.
g. uli, best, ulmi Jungg; t. uli, best, uliri und uliu, Kul. 23
li Oelbaum, lt. oliva Mi. 2, 44: ulin H.; Doz.; Krist. Gr. 11,
Luc. 19, 29 t.; ebenda Ath.; Raps. 44; Rhd. 12; Uh Rbd.
Antb. 28; Kul. 23. g. uli Krist. Luc. 19, 29 g.; Jungg 16.
g. povi, best, porini Lauch, Jungg 16, lt. porrinci Lauch
gemüse: port Jungg 16.
Anmerkung. Ebenso wie die vorhergehenden flectirt
das mir etymologisch unklare turi muso, best, turini, Plu
ral turi.
nun Pathe, spätlt. nonnus Mi. 2, 44: nune Kul. 22. nu-
n§re H.
pirün Gabel, it. dial. pirun, ven. piron, ngriech. mpoivt
(das man von agriech. xepövv) herleitet): pirune Kul. 33. spirundet§
Rhd. Anth. 36.
g. grün, best, grünt Lecce 16, Ro., t. grur-i H. Getreide,
lt. gränum: grünte, Lecce 16. grürgra Rhd. Anth. 33. gry.he/ra
Saaten H.
pagua, best, pagoi H., palua Doz., piguni Kul. 49 Pfau,
lt. pavönem Mi. 2, 48: pagoi H. pagohQ H. palöh Doz. pagone
Kul. 32.
g. Puä, best. Puäni, t. wg Pedn Krist. loz. 99, Peön-i Kul. 48,
Acc. Pedn Alb. B. 15, Gen. l'eonit Krist. Lt. 84 Löwe, lt. leönem
Mi. 2, 35: Puäi Jungg 16. Pednpvet Krist. Vier Katech. 8.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Ba. I. Hft. 20
306
Meyer.
g. drague, best, dragoni Jungg, drangue-oi Ro., drahgua-oi
II., dragön-i Ro., Drache, lt. dracönem Mi. 2, 22: dragoi Jungg 17.
dragoni Mi. a. a. 0. (beide aus dragön).
g. dzakue, best, dzakoni chierico, von einem lt. *diacönem
für diaconum: dZalcoi, dzakona Jungg 17.
g. Imue, best. Imoni, t. l'imua Alb. B. 75, it. limone: Imoi
Jungg 17.
g. Ikue, best. Ikoni, wohl von *algonem für alga, Meergras:
Ikoi Jungg 17.
kapua, best, kapoi, kapön-i H. Kapaun, it. capone: kapbh
Raps. 67.
Ebenso gehen von griechischen Wörtern ftua laiigua zugua,
von slavischen pgrua patkue, von albanesischen 0wa krua buhua.
Unklar in ihrer Etymologie sind: vargue, best, vargoni catena
da appendere la pentola, Plural vargoi Jungg 17; zdiue, zdzoni
Bienenstock, zdzoi ebenda. Italienische Wörter wie divotsion
funtsiön kongregatsion letsiön kolatsiön prötSesion, die in jüngster
Zeit recipirt sind, haben im Plural -ne nach Jungg 14. virone
le verzure Raps. 41 geht auf sicil. virdognu che ha del verde
(Traina) zurück.
g. trä träni in Kroja nach H. trä trau Ro., t. trä trau
und trän, it. traue Mi. 2, 67: tra H.; trare H.; Kul. 20; trar§
Doz. traut Stier. Das -n ist erst durch Analogie eingetreten.
b) Griechische Wörter:
kopdn ■/.ö’za.'/oc, H., Kul. 33, kopdr ebenda, aus ngriech.
■/.otA'k. : kopane, kopare Kul.
livdn Weihrauch, ngriech. Xißctvi: livdnqra Rada 13.
fren: frenqt apsvs? Stier.
drumgn: drum§nvet tüv Spup.ovcov Kul. 28.
g. drapepx H., Lecce 17, drapn-i Ro. Gr. 331; t. drap§r,
griech. Spsiravov: dripane Lecce 17; Cam. 1, 200. d§rp§ny Kul. 58.
dr§p§n§ Kul. 144.
g. piepen, t. piepgr Zuckermelone, griech. tcstcwv: piepqra
Krist. Gr. 12. piep§rit, Krist. tat. 65.
elin Heide, ngriech. "EXhrp, vgl. B. Schmidt, Das Volks
leben der Neugriechen 1, 203 ff.: elin$ H.
gitön Nachbar, griech. yeiTuv: gitone Kul. 33.
kanön Richtschnur, griech. v.avwv: Icanone Kul. 33.
Albanesische Studien I.
307
Zemön griecli. Satp.wv: oemone Rhd. 6. Zimont§ Matth. 9,
34 Fräse.
angon Ecke, griech. a-puöv: aiigon§ Matth. 6, 3 Pian.
plemön Lunge, ngriech. tAsjHvi : pl'emone H.
0ron Rhd., fron H., Doz. Stuhl, Opcvoc: Qrone Rhd. 5;
frone H.; Krist. Luc. 1, 52 t.; ebenda Ath. fron§ Apoc. 4,
4 Ath.
g. ftue, best, ftoni, t. ftua, ftoi H. Quitte, y.usuvtov, Mi. 2,
20: ftoii Doz.; Krist. Gr. 22; Kul. 19. ftoi H.; Jungg 17.
ftoii$ H. ftone Raps. 44.
g. laiigue, best. Tangoni, t. lahgua, laiigoi Windspiel, ngriech.
Xayuvixöv levrier, vgl. Foy, Lautsystem der griechischen Vulgär-
sprache S. 12; laiigoi H.; Jungg 17. lahgoh§ H.
zugua, best, zugoi Joch, ^uyov; zugoi, zugohe H. Wenn man
bedenkt, dass der Nom. Acc. Sing, in vulgärgriechischer Aus
sprache nur £uyo lautet, so ist es unwahrscheinlich, dass das
-v von Lu-föv hier dieselbe Wirkung geübt habe wie z. B. in
y.uScov(iov); und das Wort ist wohl nur nach Analogie der
übrigen gebildet, wie sicher kataklismua -oi Sintfluth aus griech.
y.aTcty.XuG|j.öc. kamnüa v.a~'ioq Raps. 28.
c) Slavische Wörter:
stan Heerde, Hürde, serb. st,an Mi. 1, 33: stane H.; Kul. 21.
san Heu, serb. bulg. seno Mi. 1, 32; san Pulj. 150.
zakdn Gewohnheit, serb. bulg. zakon Mi. 1, 37: zakone
Krist. kr. 131; Kul. 30.
p§rua, best. p§roi, Kul. proi, Krist. Ict. 26 purua (Furth),
Giessbach, psup.a, bulg. pordi le torrent, serb. poroi Abgrund,
Ort, wo sich ein Fluss unter der Erde verliert, rum. p§r§u
ruisseau (Cih. 2, 719): p§ron Krist. Gr. 11; proh Doz.; Kul. 19;
PQrotig H.; pgroi H.; Stier. p§rohe Cam. 2, 58. preii Doz. pgrene
Rada 12. p§r§ne Alb. B. 16.
g. patkue, best, patkoni Plufeisen, serb. potkova, bulg. pod-
kova,, Mi. 1, 30: pettiköh Stier; Raps. 24. polc§ton§ H. pokgtoi
H. patkoi Jungg 17; Conf. 35. Diesem wie dem vorhergehen
den Worte kommt ursprünglich kein n zu, es sind Analogie
bildungen.
d) Türkische Wörter:
han Herberge: harte Kul. 22; H.
all)an Hufschmied, türk, nalbend: albane Kul. 32.
20*
308
Meyer.
vatdn Vaterland: vatane Kul. 32.
pervdn Motte: pervane Kul. 32.
fiddn junge Pflanze: fidane Kul. 33.
fildzän Tasse, türk, findzan: filäzane Kul. 33.
gerddn Halsband: gerdane Kul. 33.
kazdn Kessel: Icazane Kul. 33.
lealkdn xovoxXi'a: Jealkane Kul. 33.
asldn Löwe: aslana Jub. 84. 86.
tsobdn Hirt: tsobaj Jungg 18. tsobene H.; Doz. dzobangr
Kul. 104.
nisdn Zeichen: nisane H.
Kmdn Hafen: Vimane H.
kapeddn capitano, türk, kapudan Admiral: kapedane Doz.
bahtSevdn Gärtner: bahtsevane Kul. 57.
lezerjdn Kaufmann: bezerjane Kul. 57.
derven Engpass: dervene H.
duleien fondaco, türk, dukkiän echoppe, boutique: dugane
Lecce 18; Cam. 1, 200.
peViii Absinth: pelme Kul. 32.
c) Älbanesisclie Wörter:
man, Kul. Rada m§n Maulbeere: mane H.; Doz.; Krist.
Gr. 12. mana Krist. Gr. 12. mejx Kul. 22. m§n Rada 13. Vgl.
p.orneia dacisch für $ävoq Dioscor. 4, 37, nach Sprengel rubus
fruticosus.
g. zä, best, zäni Jungg, za, zäni H.; t. 2g 2gn H., z$ri
Kuh, Stimme: zä Jungg 16. zänet Krist. Luc. 23, 23 g. zäna
Krist. Apoc. 4, 5 g. zavet Stier, ze/i Krist. Gr. 11. zqre Doz.;
Krist. Luc. 23, 23 t.; Kul. 20; Alf. Konst. 10. ze/iepra Apoc. 4,
5 Ath.
g. vlä, vlani Vogelnetz (ajuola): vläi Jungg 18.
g. drä, dräni Bodensatz der ausgelassenen Butter H., drä
Rada: drära Rada 11.
g. gilpan Nadel: yilpane Lecce 16; Garn. 1, 200.
g. krahan Rossi Gr. 329; H., t. kreliQr Rhd. Lex. 109,
Kul. 49 Kamm: kr§h§ii§ Rhd. Lex. 109. krfi§r§ H.
g. breSen (bresene Blanchus), t. bresgr Hagel: breSgra Krist.
Gr. 12; Rada 13.
g. dim§n H., dimin Lecce 205, t. dimgr Winter: dimere H.
dimep'a Krist. Gr. 12. Zu griech. u. s. w. Curt. Grundz. 201.
Albanesische Studien I.
309
g. einen Rossi Gr. 334, emgn II., t. emgr Name: emna Scut.
Matth. 10, 2; emgna Krist. ebenda g.; emgra Krist. ebenda t.,
Gr. 12; Doz. emgre Matth. 10, 2 Pian.; emgre ebenda Fräse.;
H. gmgritg H. Zu arm. anwan, asl. ime, air. ainm, griech.
ovoga u. s. w., idg. *anman Schmidt, KZ. 23, 268.
Die letzten zwei Wörter (sowie' estgr Knochen Kul. 120,
falls dies = ai. asthdn- und nicht blos eine Neubildung aus dem
Plural eStgra ist), wahrscheinlich auch bresen und krahan, sind
mit Suffix idg. -en -on gebildet. Besonders hervorzuheben ist die
Erweiterung mit g. -gn, t. -gr, welche eine Anzahl lateinischer
Adjectiva bei ihrer Aufnahme ins Albanesische erfahren haben.
Zu g. vorf arm, aus orbus, gehört der Plural vorfnit Scut. Matth.
5, 3; t. lautet das Adjectiv vdrfgrg. — skiepunit, die Lahmen,
Scut. Matth. 11, 5, von mit. cloppus, Schuchardt 255. — mgn-
ggrg link neben g. mang mgng mangelhaft aus it. manco Mi.
2, 38. — stgnggrg louche Doz. neben stgiik -gu schielend, H.,
aus it. stanco link, Schuchardt 255. — skürtgrg neben skurt H.
kurz, lt. curtus Mi. 2, 20. — strembgrg neben Strgmp verkehrt,
hinkend, it. strambo Mi. 2, 64. — surbgrg Doz. neben surft -oi
Krist. Luc. 1, 22 t., g. taub, aus lt. surdus Mi. 2, 65. — ver-
bgrg blind Doz. neben verp -bi H. — beTbgrg H., Krist. lor. 48,
aus lt. balbus. Auch beim Substantivum: mgndgrg aus lt. menta
Mi. 2, 41.
g. garpen Lecce 17, t. garpgv Schlange: tjirpane Lecce 17;
Cam. 1, 200. (Jgrpeii Krist. «re. 68; ggrpgng Matth. 23, 33 Pian.;
ggrpgng ebenda Fräse.; gerpgn Doz. ejerpin Doz.; Act. 10, 12
Ath. gglpene Rada 12, Raps. 90. gerpeii Rhd. 6. garpin Krist.
Gr. 12; Matth. 10, 16 t., g. garpij Krist. Matth. 23, 33 g.
dzarpi Scut. ebenda, galpra Matth. 10, 16 Fräse.; galpra ebenda
Pian. garpgrvet Kul. 152. Zu ai. sarp, lt. serpo serpens u. s. w.
g. drg, drgni H., dre dreni Rossi, dre Bl. Hirsch, t. drg
drgri H., Reh: dren Kul. 20, 23.
g. pe, peni H., pS, pBni und pen, peni Rossi, t. pg, pgri
II., Kr. Faden: pen Doz.; Rada 12; Kul. 23. pgn Krist. Gr. 11.
pej Jarn. 13. pgj H. peiia Leake 335. pera Rada 12. Zu griech.
rojvoc, lt. pannus, got. fana-,
g. bri, brini H., brl, brini und brin, brlni Rossi, t. bri, best.
briri und briu Horn: brin Kul. 22. brij Krist. Apoc. 5, 6 g. brit
Apoc. 9, 13 Ath. brina ebenda Krist. g. brira Apoc. 5, 6 Ath.
310
Meyer.
brir§ Doz.; Krist. lor. 19; Alb. B. 11. Vgl. messapisch ßpevSo?
Hirsch, eig. der Gehörnte, wie cervus.
g. hl hlni H., Rossi, hin hini Rossi, t. hi hin, Kul. hiu
Asche: hin Kul. 23. hira Doz. hire H.
g. bli blini Jungg, blin blini Rossi Stör: bli Jungg 16.
g. Mi blini Rossi, blini H., t. Ml, bim Ulme H.: blire
Kul. 19.
g. sun -i Rossi 328, t. si -u, su -u Auge, sür’ i heriut Alf.
Konst. 85: sM Krist, Matth. 20, 34 g.; Jarn. 9. süt Rossi Gr.
328; Jungg 104; Scut. Matth.; Krist. Gr. 11; Doz. sl Matth.
20, 34 Fräse., Pian.; Kul. 23; Rhd. Lex. 25.
g. ml mini Rossi, t. mi miu H., nach Kid. auch mini Maus:
min Doz.; Kul. 23. ml Jarn. 17. mlra Rhd. 11; Rada 13. Das
-n ist hier nicht ursprünglich, ebenso wie in dem von Kul. 23
angeführten 07 07m neben 07m (nur das letztere bei H. und Rossi)
Wildschwein, Plural <ti Krist. Gr. 14; Scut. Matth. 7, 6, vgl.
lt. müs, sits und deren Verwandte.
g. dzl dzlu Rossi, t. gi giri Busen: gij Krist. Luc. 11, 27 g.
gij Krist. ebenda t. cjih Krist. Gr. 11. gire Doz.; Kul. 19. gira
Rada 13. glt le mammelle, Jub. 108. Vgl. lt. sinus.
g. gü güni H., Jungg, gun gnni Rossi, t. gu guri Doz.
H., glu gliuni Kul. Knie: gHuh Kul. 19. güni Jungg 16. gun Krist.
Gr. 11. gun§ Doz. H. guritQ H. Vgl. ai. jdnu, lt. gerat, griech.
yovu, got. kniu. Das anlautende g- im Alb. (statt S-, vgl.
zd. zanva Kniee) macht das Wort der Entlehnung sehr stark
verdächtig.
g. dru drüni Holz, Jungg, t. dru druri Stange, bei Kul.
dry, druni Holz: druri Krist. Gr. 1; Luc. 21, 29 t.; Doz. druii
Kul. 20. druhfi H. drü Kul. 28; Rhd. 12; Krist. Luc. 21, 29 g.;
Matth. 26, 47 t. drüna Krist. ebenda g. drura Rhd. 12. drurg
Doz. drühe.rte H. Zu ai. dru-, griech. 8pu?, got. triu, air. daur.
Das -n ist also unursprünglich.
g. hü hüni Krist., Rossi, hü huni H., t. hu lmri Pfahl:
huh Krist. Gr. 1; Doz.; Kul. 22. hüng JI.; Matth. 26, 47 Fräse.
g. trü trüni Rossi (trüja H.), t. tru truri H. Gehirn: trün
trü nur Plural, Jungg 24. tru IP.; Rhd. Lex. 60; Kul. 20;
trüt Gedanken, Matth. 12, 25 Fräse.
tsun Jüngling: tsuna Krist. wt. 36; Alb. B. 80; Doz.
tsune H.
Albanesische Studien I.
311
g. Owe 0oni Jungg, t. 0ua Öoi Nagel, Klaue: 0oh Krist.
Gr. 11; Doz.; Racla 12; Kul. 20; 0ohg H. Ooi H.; Jungg 17;
Rossi Gr. 328.
g. krue Bl. (best, krua Rossi), t. Icrua best, kroi Quelle:
krön Krist. Gr. 11; Doz.; Leake 305. krohg H. kroi H. krojitg
(kro/itg) Leake 305. kröne H.; Krist igt. 8; Stier; Racla 12;
Raps. 41. Vgl. griecb. icpvjvrj -/.pouvoc Quelle.
g. pluhun Staub, Rossi Gr. 326, pluhen Jub. 42, t. pluhur
pluhur (Kul.), bulvua buhoi Rada 12 (bujua Stier), buhö -i Kul.
49: pVuhura Krist. Gr. 12. bulione Rada 12. Nach Schuchardt 251
entlehnt aus lt. pulverem, was für mich zu grosse lautliche
Schwierigkeiten bietet. Ist serb. puhor m. Floekasche, Loder
asche, zu vergleichen? Türk, buhur Weihrauch, bughu Dampf.
lion Spalte im Gebirge: hone II.; Kid. 22.
t. g§ ggri H., ggri Kul. (g. gä gäja Id.) Ding, Sache,
Eigenthum: </g Kul. 158. g§n§ Alb. B. 11. ggre Kul. 19. ggra
Alb. B. 177; Kul. 44. g. gätg H.
vge tcuxoc, best, vgeni und vgeu Kul., vgeri Heldreich: vgen
Kul. 22; Heldreich 14. Vgl. (vjehg) Ceder, (vge) Tanne II.,
nach Schuchardt 252 aus lt. abieteni; vielmehr aber aus griech.
xsüy.Y) xsuy.0? xeuvuvo?, woraus auch asl. pevkü m. pinus, pevükinü
pineus entlehnt ist.
V. Stämme auf Liquidae.
Der bestimmte Nom. Sing, hat den Artikel in der Form -i.
1. Stämme auf -r.
a) Lateinische und romanische Wörter:
är Gold, lt. aurum Mi. 2, 4: are Kul. 18.
par Paar, lt. par: pare Id.
muldr OyjijAv, lt. molaris: midäre Krist. Gr. 24.
binar Zwilling, it. binario Mi. 2, 6: binare Kul. 32.
§r Luft, Kuh, lt. aria Mi. 2, 3: §re Kul. 20.
ajgr Luft, lt. aerem: ajgrit Stier.
vietgr alt, lt. veterem Mi. 2, 70: vietgritg Krist. ior. 5.
Ser Streit, it. sciarra Mi. 2, 59: Sere Kul. 21. sere H.
nder Achtung, lt. honorem Mi. 2, 31: ndere H.; Kul. 22;
Act. 28, 10 Ath. nder§ Krist. ebenda g.
312
Meyer.
Iter Rossi, eltsr Jub. 43 Altar, lt. altare Mi. 2, 2: Itere
Rossi Gr. 15.
ter sic. A Dora d’Istria gli Alb. 108 Stier, it. toro: ter$
Mattb. 22, 4 Pian., Fräse.
kund$r Taufvater, lt. compater Mi. 2, 16: Itundrä Pulj. 135.
miester, best, miestri Meister, Rossi Gr. 16, lt. magister
Mi. 2, 37 (*mester): miester Scut. Matth. 23, 10. miestra Krist.
ebenda g. mie§tr§ ebenda Pian. mie&trit Krist. Ist. 60.
nuviQv H., numer Kuh, n§m§r H., Zahl, lt. numerus Mi. 2,
44: nümure Alf. Konst. 107. ngmgre H. num§ra Alf. Konst. 107.
kolör Farbe, lt. colörem: kolore Kul. 144.
Imperator Kaiser, lt. imperatorem: imperatorvet Kul. 152.
0esör Schatz, it. tesoro, die Schreibung scheint durch griech.
0r,<jaup6? beeinflusst zu sein: 0esorg Krist. Matth. 6, 19g. 0esare
ebenda t. tgrzore ebenda Fräse., Pian. Vgl. frz. tresor.
mur Mauer, lt. mürus Mi. 2, 43: mure H.; Doz.; Krist.
Gr. 23; Kul. 22. mur g. A Dora d’Istria gli Alb. 57.
ur Brand, Kuh, scheint aus lt. urere gebildet: ure Kuh 22.
l'epur Hase, lt. leporem Mi. 2, 35: lepure H.; Doz. l'epra
Jarn. 9. lepura Kuh 84. l'epujtQ Krist. Gr. 11.
Lateinisch-romanischen Ursprungs ist auch das häufige
Suffix -dr, aus lt. -arius, welches an Substantiva antritt, um
den zu bezeichnen, der sich mit dem betreffenden Dinge be
schäftigt. Dasselbe Suffix ist ins Griechische eingedrungen:
^epißoXdpu; Gärtner, dp,aijäp!<; Kutscher u. s. w., s. N. Dossios, Bei
träge zur neugriechischen Wortbildungslehre, S. 33. Ebenso
ins Germanische und von da ins Slavische: Mi. Vergl. Gramm.
2, 88. Dies -dr ist an romanische und einheimische Stämme
angetreten. Beispiele: kussär Räuber, it. corsare Mi. 2, 18,
ngriech. -/.oupcdpi? -/.cupcdpoc, serb. gusar: kussäre Lecce 14. kussär
Jub. 37. — Tuftdr Krieger, von luft§ lt. lucta: luftdr Jub. 56.
— Jcatundarg die Dorfbewohner, von katünt s. o. — 8idr Ziegen
hirt, von ci Ziege: ciare Kuh 20. — gomaridr Eseltreiber, von
gomdr Esel: Plural ebenso, Kuh 70. — gizdr Käsemacher, von
giz§ -a Käse: gizare Kul. 33. — kopstarg die Gärtner, Kuh 26,
von kopst Garten, s. o. -— vrestar§ die Weinberghiiter, Kuh 26,
von vrest, s. o. — beitdr Dichter, von beit Gedicht: beitare
Kuh 32. —pelar Pferdehirt, von pe/g -a Stute: pel'are Kuh 32. —
fusdr in der Ebene gelegen, von fu&Q -a Ebene i fusare Kuh 33. —
Albanesische Studien I.
313
fsatdr Dörfler, von fsat Dorf: fsatare Kul. 33. — dritdr Licht,
von dritg Licht, Krist. lor. 1.
An Wörtern wie vreStdr kopstdr lüftdr kcitunddr dritdr
fiatdr beitar (vgl. auch noch lt. argentärius alimentärius fumen-
tärius tributärius voluntärius u. a.) hat sich eine Suffixform
-tdr herausgebilclet, die dann ohne Unterschied in der Bedeu
tung ebenfalls, wie -är, an Nominal stamme trat. Auch das
Suffix -tor (s. u.) mag dabei nicht ohne Einwirkung gewesen
sein. Beispiele: arm§tdr von arm§ -a lt. arma: arm§-
tare Kul. 57. ■— mesetdr, mesatdr, mestär Priester, von mes§ -a
lt. missa: mesetcire Lecce 15. mestarvet Scut. Matth. 2, 4. —
piUkgtar Fischer, von pisk lt. piscis: pisJcgtare Kul. 57. peskatare
Krist. Matth. 4, 18 t. piSkatdr ebenda Fräse. piskatar§ Kul. 110.
(peskator§ Krist. Matth. 4, 18 g. piskature (sic) ebenda Pian.
gehören zu lt. piscatorem.) — kyhgqtär Sänger, Kul. 136, von
k§ng§, lt. canticum. —• gulitar Richter, von guli Gericht, lt. judi-
cem: guUtär§ Krist. Matth. 12, 27 t., g. dzugtdr Scut. ebenda
(jülets§ra ebenda Fräse, aus it. giudice, sic. judici). — Skup§tar,
süipQtdr Albanese, von sliip : skupgtarvet Kul. 24. — fjafytdr
beredt, von fjcd'$ Rede: fjatytare Kul. 57. •— gak§tdr blutdürstig,
von gak Blut: gak§tare Kul. 57. — wS§tar Wanderer, von uZ§ -a
Weg: wägto-g Kul. 98. — besqtar treu, von bes§ -a Treue:
bes%tare Kul. 57.
■ Auch das lt. Suffix -tör Acc. -törem ist ins Alb. überge
gangen; es lautet in unbest. Form -tuar, -tor, g. -tüer, -tdr,
best, -tör-i. Beispiele: traotur -tori Verräther, lt. traditorem:
traotör Jungg 17. — vestuer Wächter, Jub. 37 zu veStöii. —
punßtuar, g. puntür Arbeiter, zu punoii: pun§tore Kul. 57. pun§-
tor§ Krist. Gr. 11; Matth. 9, 37 t., g\; ebenda Pian. puntört
Scut. ebenda. — falgtuar fromm, zu fal'em bete an: fal'qtore
Kul. 57. — fjal'§tuar Redner Kul., Schwätzer H., zu fjalQ
Wort. —faituar, g. faitür schuldig: faitore Jungg 17; Scut.
Matth. 6, 12. fajtor§ Krist. ebenda t. — gaitör -i Jäger, zu gä
-ja Jagd, Kul. 84. — 0umb$t6r -i Kranich, zu 6vmibön steche,
Kul. 120. — vrektuar Mörder, zu was tödte: vrektor§ H.
Hier sind auch zu nennen g. faltsiur Wahrsager, Jungg,
faitür H.: faltsör. — dzaksür blutdürstig, Mörder: dzaksör
Jungg 17; Scut. Matth. 22, 7. gaksörg Krist. ebenda 1, g. —
mkatnür Sünder, von mkat Sünde: nikatnor Jungg 17. mkatnore
314
Meyer.
Scut. Matth. 9, 10. — pag§zor -i Täufer, zu pcußzon aus bapti-
zare: pag§zore Kul. 57. — Auch krahnür -ori Jungg 17, krahe-
nuer Jub. 60, kraheruar -ori Rhd. Lex. 77, Icraharuar Kul. 140,
krahymar H. der vordere Theil der Brust, Schulterblatt, von
kräh Schulter, ist hier zu nennen: Plural krahnör Jungg 17.
h) Griechische Wörter:
kanddr Wage, zunächst aus ngriech. xav-cdpi, dies aus it.
cantaro Mi. 2, 10: Icandare Kul. 33.
margaritdr Perle, ngriech. gapfapurapi: margaritarq Doz.
palamdr Ankertau, ngriech. ■jtaXap.dpi: palamare Kul. 57.
pfar Kul. 19 (prar) itpivoc, prer Heldreich 18, aus Trpwapi
(r = rn) : prare Kul. 19.
piper Pfeffer, ngriech. Tut—sp:: pipere Kul. 33.
ter Gefährte, ngriech. (s)Tcet'p'.: tere Kul. 20.
potir Trinkglas, ngriech. novqpi: potire H.
c) Slavisch ist:
ohor, ombör Hof, serb. obor Mi. 1, 28: obore H.
d) Türkische Wörter:
zar Würfel: zare Kul. 20. Vgl. Cihac 2, 629.
ambar Getreidemass: ambdre Kul. 32.
pazdr Markt: pazare Kul. 32.
uzmekar Diener: uzmetsdrt Scut. Matth. 13, 27.
behdr Frühling: behdre Kul. 32.
hat/ir (g. hat§r H.) Wunsch: heitere II.
asker Heer: askere Kul. 32.
hoher Nachricht: liabere H.
bak§r Kupfer: bake/re H.; Kul. 32.
dulber Geliebter: dulbera Jub. 100. dulbera Alb. B. 91.
tsair Wiese: tsaire Id.
seker Zucker: Sekere H.
nur Schönheit: nure Kul. 22.
kaür Giaur: kaure Kid. 33.
e) Albanesische Wörter:
bär Gras, Kraut, Heu: bar Stier, bare Kul. 19; Jungg 22.
barna Jungg 22; bärqna Krist. Gr. 8. 13. bdr§ra Krist. Gr. 8.
13; II.; Doz.; Alb. B. 96; Rhd. Anth. 32 Gemüse; Kul. 102.
Vgl. pers. bär Gerste, lt. far Getreide, Spelt, grobes Mehl, got.
barizeins v.ptöi'/oq, asl. büru milii genus, nsl. her Fench, serb. bar
Fench. Vgl. Pictet l 2 , 335.
Albanesisclie Studien I.
315
gomar Esel: gomare Krist. ktt. 81; Kul. 33. gomarg Krist.
Gr. 12, lex. 25; Doz.; Kul. 66. Ngriech. •yojjuxpi, magy. szamdr.
Semitisches Lehnwort, yamor Esel.
g. her Mann, Alf. Konst. 48, best, neri Jungg 19,
Lecce 206, nlri Jam. 12. 4, gewöhnlich t. heri, best, neriu
(vgl. u.), auch Jungg 19 unbest, neri, Jarn. 12 hi mri: herjitg
Pulj. 155. iieres Krist. Gr. 15; Kul. 24; Rhd. 6; neri, Jungg 27.
hergzitg Krist. Gr. 15; Stier; Rhcl. 13; Krist. Matth. 8, 27 t., g.;
ebenda Fräse.; hergzis Krist. Matth. 4, 19 g. hergzet Gen. Krist.
Luc. 9, 44 t.; ebenda Ath. hergzgvet Krist. ebenda g. herezte
Rhd. Anth. 36. nierze Scut. Matth. 8, 26. nierzt Imit. 15; Scut.
Matth. 8, 27. herzitg ebenda Pian. Vgl. ai. nar-, zd. nar,
griech. äv^p, sabin. nero, umbr. nerf, air. nert. Curtius, Grund
züge 306.
tier üffitfö:: tiere Kul. 20. Vgl. 'tier spinne, zu ai. tarkiis
Spindel. i
ulber Regenbogen, H. uliber ulber, Krist. tax. 10. ulver :
ulbere Jungg 14. Cihac 2, 717 will das Wort von lt. coluber,
colubra ableiten: ,selon la croyance populaire albanaise l’arc-
en-ciel est un serpent qui descend sur la terre pour boire de
Feard. In Borgo Erizzo sagt man kolombdr -i. Rum. cucurbeu,
curcubeu.
g. lauer lanri Jungg 18, landr -i Rossi Gr. 329, t. Sgiitgr
H. Bräutigam, Schwiegersohn: 8anra Jungg 18; 8andgra Pulj.
133. lanür Jungg 18; Jub. 60. oandurgvet Krist. iax. 16. ogn-
türg H. Vgl. ai. jümätar- Eidam, zd. zämätar Schwiegersohn,
lit. zentas Schwiegersohn, asl. zeti dasselbe.
bir Sohn: bire Kul. 19. birt Alf. Konst. 52. bil Matth. 3, 9
Fräse.; Raps. 29. bij IL; Doz.; Krist. Gr. 11, Matth. 26, 37 t., g\;
Alf. Konst. 56; Pitre 296. bi Scut. Matth. 3, 9. -I scheint ur
sprünglich, vgl. die Pluralformen bil bij und das Fern, bil'g, bijg
Tochter. Vgl. lt. filius.
Kr Anmuth: hire Krist. Gr. 23; Kul. 22.
gur Stein: gure Lecce 13; Rossi Gr. 16; Scut. Matth.
3, 3; ebenda Pian.; Kul. 19. gure Kul. 136. gurg Krist. Gr. 12;
Matth. 3, 9 g.; Rhd. Anth. 42. gur Scut. Matth. 3, 9; ebenda
Fräse.; Jungg 104; Jub. 34 (gur). Vgl. ai. giri-, asl. gora Berg,
lit. gire Wald.
sur Sand: Sure H.; Kul. 21.
316
Meyer.
hekur Eisen: hekura H.; Rhd. 6; Stier; Krist. Act. 12, 6 g.;
Jungg 15; Jub. 36.
kgrtsür -/.oixcoupov: kgrtsuntg Krist. Gr. 11. Bei Cam. 1, 199
kgrtsir, Plural kgrtsinetg.
g. Spür (für spuer), best. spori Brustbein: Spor Jungg 17.
dzulpnur, best, dzulpneri ago da calze: dzulpner Jungg 18.
Vgl. o. gilpdn Nadel.
plüar pl'ori, H. best, pluari Pflugschar: plore Kul. 58.
pluare PI. Vgl. Schuchardt 255.
2. Stämme auf -r.
a) Lateinische und romanische Wörter:
für Ofen, Doz., lt. furnus Mi. 2, 29 (-r aus -rn- wie in
fer Hölle Rossi Gr. 16 aus it. inferno): fura Doz.
Iler Wagen, lt. carrus Mi. 2, 12: liefe Krist. tax. 106.
h) Türkisch ist:
kur Rotz: kure Kul. 20.
c) Älbanesische Wörter:
vaf, g. vor Grab: vafe H.; Doz.; A Dora d’Istria gli
Alb. 69 t.; Rhd. 5; Kul. 19; Matth. 8, 28 Fräse., Pian. vore
Krist. ebenda g.; Scut. Matth. 23, 27. vorgs Scut. Matth. 27, 53.
ziaf Feuer: ziafe Kul. 20; Jub. 78. ziarg Doz. Vgl. o.
ziärm, in Fjeri ziarmg -i Doz., in Tyrana ziargm H.; der Plural
zgrmiirg H. gehört zu diesem, welches die Grundform auch
für ziar zu sein scheint (-f = rm). Dies ziarm aber gehört zu
ai. gharmd- Glut, zd. garema- heiss, lt. formus, griech. Gspgo?,
apr. gorme Hitze, got. varms, lit. gciras Dampf, asl. zeravü
glühend, pozaru (aus *pozeru) Feuersbrunst. Vgl. Mi. Slav. Ele
mente im Ngriech., S. 16. Diefenbach 1, 251.
her Schaf, Weidevieh: bera PI.; Kul. 19: bere Scut. Matth.
10, 6. Zu bar, bara, berr, ber u. s. w., die in italienischen
Mundarten Widder bedeuten. Schuchardt 253. Zu berb(ex)?
Vgl. Diefenbach 1, 49, der asl. baranü vervex vergleicht.
fer rubus, Doz. Brombeerstrauch: fera Doz.; Krist. iax. 4;
Kul. 19; Scut. Matth. 13, 7; A Dora d’Istria gli Alb. 57 g.
der Schwein: defa Doz.; H.; Alb. B. 12; Krist. Matth. 7,
6 t.; ebenda Ath.; Kul. 20.
stier eepa/xov Kul. 21: stiera Kul. 21; PI. sliiefa H., gilt als
Plural zu lignk Lamm.
Allianesisclie Studien I.
317
mor Laus: mora H.; Doz.; Krist. Gr. 12; Kul. 22. more
Krist. Gr. 12. Zu zd. mared, lt. mordere heissen?
bur Mann: bura H.; Doz.; Kul. 19; Rhd. 6; Jub. 41.
Scbuchardt 254 vergleicht mit. baro, it. barone u. s. w.
3. Stämme auf -l.
a) Lateinische und romanische Wörter:
Jcandl Canal, lt. canalis Mi. 2, 9: Kanäle Kul. 33.
metdl Metall, lt. metallum: metale Kul. 58; Alf. Konst. 71.
diäl Teufel, lt. diabolus Mi. 2, 21: diaj Krist. Gr. 10;
H. diej Doz. diemen, best, diemnit Jungg 18. diemnit Scut.
Matth. 8, 31; djemgnit Krist. ebenda g. diemnevet Scut. Matth.
9, 34. djem§navet Krist. ebenda g. Mi. 2, 20 erklärt diem§n
aus lt. daemon.
gardindl Cardinal, it. cardinale: gardinäj Lecce 16.
brevidl Brevier, it. breviare, breviario: brevidj Lecce 16.
misdl Tischtuch, von lt. mensa Mi. 2, 41: misdj Lecce 19.
mb§sält Raps. 58.
fatsel specie di cambrik Jungg, venez. faciol, faziol ac-
cappatoio: fatselna, fatsela Jungg 23.
Kiel, g. hil H., tSel Rossi, Himmel, lt. caelum Mi. 2, 8: liiej H.;
Doz.; Krist. tat. 83. liieje Krist. Gr. 13; Matth. 3, 2 t.; Luc.
11, 2 t. hie-(ia Matth. 3, 2 Pian. Kiel ebenda Fräse.; H.;
Doz.; Jub. 96; Raps. 23. 83 (Kielüit Loc).
§hg§l, g- e hg§l, engul H., endzul, ehul Rossi Gr. 325, eil
Jungg 18, Engel, lt. angelus Mi. 2, 2: ehg§lit Matth. 4, 11
Fräse. §hgej t. H. §hg§j Krist. Matth. 4, 11 t. §iig§j§t ebenda
Pian. ehguj Krist. ebenda g. ehguj H. g. ehui Conf. 21. mit
Scut. Matth. 4, 11. eiltet Scut. Matth. 4, 6.
unk§l Oheim, lt. avunculus, vgl. oben uhh: uiikejiit Raps. 46.
fil Faden, lt. filum Mi. 2, 26: fili Kul. 19. fil'e Raps. 46.
fij H. fije Doz.; Krist. Gr. 13.
uhgil, Rossi auch uhil Evangelium, lt. evangelium Mi. 2, 23:
ungij Lecce 19; Rossi Gr. 19. uhij Rossi Gr. 19.
pul Wald, lt. *padiilem aus palüdem Mi. 2, 46: püj Doz.
puje Doz.; Krist. Gr. 13, lax. 99. pule Doz.; H.
apostdl, Rhd. apoHol Apostel, lt. apostolus Mi. 2, 2: apo-
stol'e Rhd. 6. apostoje Krist. apostöj Krist. Luc. 6, 13 t.; ebenda
Ath. apostüj Krist. ebenda g.
318
Meyer.
sual Suali H., g. sid Jungg 18, 1t. solea Mi. 2, 61: Sol'
Rhd. 7, Lex. 87. soje Jungg 18. Süej H.
kaprüal (EL TcapruV g.) oop'/.ac, lt. capreolus Mi. 2, 11:
kaprüaj Krist. Gr. 11.
turtul Turteltaube, lt. turturem Mi. 2, 69: turtuj Krist.
Gr. 11. turtuj e Alb. B. 53.
ilul Götzenbild, it. idolo Mi. 2, 32: icuj Jungg 18; Krist.
Alf. g. 23. Hula Krist. Alf. t. 23.
rdzul Krügelchen, it. orciuolo: rdzoj Jungg 18.
sekul Jahrhundert, lt. saeculum Mi. 2, 56: Sekulit Jub. 64.
diSepul Schüler, it.-alb. disipul, it. discepolo, sic. discipulu:
o'iMpuTit Matth. 8, 21 Fräse, disepuivet Scut. ebenda. diSepujs
Krist. ebenda g. disipujgt ebenda Pian.
SJcandul, Skanul, lt. scandalum Mi. 2, 58: Skanduj Krist.
Matth. 18, 76 g. Skanulq Scut. ebenda. Skanul Imit. 11. Skan
dale Fräse, ebenda, shendajy Pian. ebenda.
mgrakul Wunder, It. rrdraculum Mi. 2,41: mgrdkufig Matth.
7, 22 Fräse.
maslcul männlich, Knabe, lt. masculus Mi. 2, 40: maskuj
Krist. Gr. 22; Rom. 1, 27 g. meSkuj ebenda Ath.; EL; Doz.;
Krist. ict. 16.
Sakul Schlauch, lt. sacculus (Mi. 2, 56): Sekuj Doz. Mär
chen 3, S. 25, Z. 13.
popul Volk, lt. populus Mi. 2, 51: popuj Krist. Luc. 2, 31 g.
tempul Tempel, lt. *tempulum aus templum: tempuj Krist.
Act. 17, 24 g.; Alf. t. und g. 24.
famul der Täufling in seinem Verhältniss zum Pathen,
lt. famulus Mi. 2, 25: famuj EI. fdmule H.
huiigul -/.oAoy.üvÖT], zu cucumis, vgl. franz. concombre: kuhguj
Krist. Gr. 11.
b) Griechische Wörter:
bual Büffel, griech. ßoüßahoc: buaj Krist. Gr. 11; Doz.;
Alb. B. 56. buel' Rhd. Lex. 44.
leul Saft Kul., Kid Mehlbrei EI., griech. ypkoz: liule Kul. 20;
kule H.
brumbul grosse Fliege, Hummel, griech. ßop.ßuXia?: brum-
buj Alb. B. 19.
trahgul Gurke, mgriecli. TEipaYvoupov: tranguj Krist. ict. 65.
Still Säule, griech. guiao?: Stula Krist. Lt. 41.
Albanesisclie Studien I.
319
Erwähnenswert]! ist deropul Ferkel, hei Rhd. Anth. 42,
ein albanesisckes Wort mit griechischer Deminutivendung.
c) Slauisch scheint:
stral Feuerstein, vgl. serb. strela Belemnit: strale H.;
strafe Kul. 21.
d) Türkische Wörter:
hal Zustand, Unglück: hale H.; Kul. 22; Jungg 14;
Jub. 96; Alb. B. 73.
bakdl Krämer: bakale Kul. 32.
kavdl Hirtenflöte: kavale Kul. 32.
tsakdl Schakal: tsakäj Jungg 18.
destemel Handtuch: destemelgra Act. 19, 12 Ath.
kol Haufe: hole H.
e) Albanesisclie Wörter:
bal Stirn: bale Kul. 19. balna Jungg 16. Vgl. ai. bhäla-
m. Stirn.
mal Sehnsucht: male Kul. 21; Rhd. 5.
karwnbäl crpoßtXo?, Kieferzapfen, Heldreich 14: karumbel'
Rhd. Lex. 68. karumbyl Heldreich 14.
käl Aehre, Rossi Gr. 75, gewöhnlich kali kaliu (wie iieri -u
neben her)-, kalih Doz.; Krist. tcx. 30; kalihq, Matth. 12, 1 Fräse.;
ka-(ihe ebenda Pian. kal§zit Stier; kalzit Scut. Matth. 12, 1.
kalgs Alb. B. 16. kdl§ze (käl§se) Luc. 6, 1 Ath. kälgza Krist.
Matth. 12, 1 t., g. Der Sing. kal§s- zi bei H. ist gewiss unrichtig
aus den Pluralformen mit -z- construirt. Vielleicht ist lt. calamus,
deutsch Halm u. s. w. urverwandt.
zal XiQdpiov: zaje Krist. Gr. 13.
del Sehne: del' Kul. 20. dej H.; Doz. deje Krist. Gr. 13.
liel Bratspiess: hej§ H. heje Krist. Gr. 13. liefe Kul. 22.
diel, g. dtl Sonne: diela Stier; Raps. 26; dila Jungg 15.
diel§ra Rada 13.
kertsiel, kertsel Jungg pedunculo, tarso: kertsel Rhd. Lex.
94. Icertsej Jungg 18.
miel, g. mil Mehl: milna Jungg 16. mielgra Rada 13. Vgl.
ahd. melo Mehl, got. malan mahlen, asl. meljq u. s. w. Curtius,
Grundzüge 337.
viel Wolfsmilch (Pflanze): riefe H.
fgSiel cbx/.oq (distelartige Pflanze, Heldreich 78): rgäe/'Rada
13; fiel! Heldreich 78.
320
M e y e r.
fuel wSkcQ Krist., Destillirrohr H.: fuej H. füeje Krist.
Gr. 13. — fül g. Schäferpfeife ist damit identisch; vgl. drum.
fluer Pfeife, Schienbein, mrum. flujdra, ngriech. ©Xoepa fistula.
fynduel Schusterahle: fynduej H.
il, ul, hui Stern: uj Doz.; H.; huj Jungg 18; hui Juh. 95.
ile Kul. 20. uje H.; Doz.; Krist. laz. 19. uj§ Krist. Gr. 13. ihg
Stier, ule Kul. 21; PI.; Doz. ile ßada 13. ul H. ilgs Rhd.
Anth. 26; best, ihgzit Stier; il'zit Stier; Kul. 80. ti'iz (richtig
il'is) Rada 13; Raps. 70.
fipiyil, f§ngil Kohle : Qgngih Rhd. Anth. 45. ti§ngij H.; Krist.
Gr. 10; fyngij Doz.
k$mü PL, Krist.; k§rmü, g. kr§mil Schnecke : k$mij Krist.
Gr. 10. hßndj H.
sil Frühstück: sile H.
kukul ein Ausschlag: kukuh Rhd. Lex. 109.
akul Eis: akuj Krist. Gr. 11. akule IP. Vgl. apr. aglo
Regen, nach Fick 1, 474 = *aklo-, zu lit. dklas blind, lett. iklas
dunkel, grieck. a/Xuc, lt. aquilus dunkel, schwarz, aquilo Nordwind.
mul Dampf: dvule H.; Doz.
trual ioctooz: trüaj Krist. Gr. 11.
rkual, rkoli Scolymus hispanicus L., Heldreich 78, rgkual
Distel, Rada 13: rkol' Rhd. Lex. 99; rekök Rada 13.
4. Stämme auf -l'.
a) Lateinische und romanische Wörter:
vaT Oel, vaj Krist. 1, g. voj Jungg, lt. oleum Mi. 2, 44:
vajfj H. val§ra Kul. 19; Krist. Luc. 23, 56 t. vojna Krist.
ebenda g.
käl’ (kafy H., Doz.; käl Lecce 205) Pferd, lt. caballus
Mi. 2, 7: kudli Krist. Gr. 13; Lecce 205; Jungg 18. kudj Krist.
Gr. 13; kuaj Doz. kueT Rhd. 8; Stier; Raps. 24; Vigo 699.
kuej§ sic. Cam. 1, 200. katy Pulj. 136.
geh Hahn, g. dzel’ Matth. 26, 74 Scut., lt. gallus Mi. 2, 80:
gehe PL; Krist. Gr. 12; Kul. 19. gel'a Krist. Gr. 12; Alb. B. 11.
meh Hirse, lt. milium Mi. 2, 41: mel'e Kul. 21.
mbohe, nur Plural, g., Ploden, it. bolgia Schuckardt 250.
h) Griechische Wörter:
iah Schwindel, 'QiDci): zähe Kul. 21.
tuhFleischstück ohne Knochen, Wade, vLcq: tuhe H.; Kul. 20.
Albanesisclie Studien I.
321
pezül Eckstein, Stufe, Absatz, ire£oüXi: pezul'e H.; Kul. 32.
marül' Latticbsalat, gapouXi Lattich : marul'e H.
fitil' Docht, orrfXi, ebenso bulg., türk., mrum.; drum. festilg,
alles aus asl. svSStilo: fitil'e Kul. 33.
dikul' bidens, SixiXXi-: dikuTe, dikulgra Rada 13.
c) Slawische Wörter:
krallH., krailScut. Matth. 27, 11 (fremder) König, serb. bulg.
kralj, Mi. 1, 23: kralle H. kral'a g. H. kraila Scut. Matth. 11,8.
soköll Habicht? H., bulg. sokolii faucon, serb. soko -la Falk,
Mi. 1, 33: sokol'a aetoi Scut. Matth. 24, 28.
d) Türkische Wörter:
hol' TiepwroXfa, türk, kol Patrouille: kol'e Kul. 20.
birbil Nachtigall: birbile Kul. 32. biTbil'a Alb. B. 79.
gol Sumpf, türk, göl See, Teich: göl§ra H.; Daniel bei
Leake 383.
teil Fensterkreuz: teile H.; Kul. 20. tel'a Jungg 15.
jeV Zugluft, Rheuma: jel'a Jungg 15.
e) Albanesische Wörter:
mal’Berg: maleH.; Krist. Gr. 13,Iot. 8; Kul.21; Stier; Jub.56.
diälj dial§ -i Knabe: diel' H. g.; Jub. 60. 76; Scut. Matth.
22, 24; Conf. 43; Kul. 128. diallme Stier, dielrn H.; Krist. Gr.
13, Matth. 22, 24 g.; Matth. 11, 16 Pian.; Kul. 136; Rhd. 7;
Doz.; Jungg 25; Jub. 76; Scut. Matth. 11, 16. dielme Jub. 78.
diellma Alb. B. 38. 176. diem H. t.; Krist. Gr. 13; Doz.
vögyl'Q klein, veggll§ Alf. Konst. 24: vögify Krist. Matth.
15, 38 g. veggfy ebenda t. vigglit ebenda Fräse. vegijQ ebenda
Pian. voglit, ebenda Scut. vögleve Scut. Matth. 18, 6. vöcjil'is
Krist. ebenda g. veggbitg ebenda t. Vgl. lit. vaikas Knabe, vaikelis
Kindlein, pr. woykello Knecht?
kopill Knecht: kopil' Pulj. 135. kopij H.; Pitre 297. Vgl.
Cihac 2, 651.
brvl Ellenbogen: brülle Kul. 19.
Süll Balken, Stange, Querholz: sul'e PI.; Kul. 21.
Stämme auf Vocale,
1. Stämme auf -a. Masculina und Feminina. Die Mas-
culina haben als P’orm des bestimmenden Artikels -i oder -u,
die Feminina -ja.
Sitzungsber. d. pbil.-liist. CI. CIY. Bd. I. Hft.
21
322
Meyer.
A. Masculina.
a) Türkische Wörter:
agd, agdi Aga: agalar§ H.; Kul. 32.
ustd -i Handwerksmeister: ustaldrg H.
haha,-i Vater, äßßäc: babaldre H.; Kul. 110; Act. 3, 22
Ath. haban Kul. 32. habvet Scut. Matth. 23, 32.
Andere türk. Plurale auf -lar -ler s. bei Jungg 13. 18. 21.
pasaldr z. B. Jub. 70. atlar Pferde, s. o. S. 281.
pard -i Geld: pardty H. paret Scut. Matth. 25, 27. pare
Jarn. 4; Alb. B. 23. pareh Rhd. Anth. 31.
b) Albanesische Wörter:
kä kau Ochs: he Krist. Gr. 15, Matth. 22, 4 g\, t.; H.;
Doz.; Rada; Scut. Matth. 22, 4 (kiet); Kul. 23; Rhd. (7 he,
Lex. 110 ka). tSe Jungg 20.
vlä vläu Bruder, vgla Rhd. Anth. 17, v§ga Rhd. 8: vlazen
Jungg 21; Jub. 102; best, vlaznit Jungg. 21; Jub. 104; Scut.
Matth. 1, 11; v§laz§nit Krist. ebenda g.; Dat. veläzenet Lecce
206. vglezgn, vglezgrit Stier. v§laz§rit Krist. Ict. 10. vlazgrit sic.
Cam. 1, 199. vglazgr Act. 1, 14 Ath. vlezgr Kul. 160. vglezgre
Krist. tor. 82; best. vglezgritg Doz.; Krist. Matth. 1, 11 t. vle-
zqrit ebenda Fräse, v^ezgrit ebenda Pian. vglezgris Raps. 65.
skia Grieche, Rhd. 7, slcä greco scismatico, Jungg, eig.
Slave, daher auch Bulgare H., best. Slcau: Ske Jarn. 4; Jungg 20.
skl'e Rhd. 7. Shell Slaven, Alf. Konst. 30. Das -h wie oben in
pareh. Vgl. den Antritt von -li an auslautende Vocale in alt
rumänischen Urkunden, über den Schuchardt im Supplement
zu Hasdeu, Cuvente I, S. XIII spricht.
Eadanetg die Rada, A Dora d’Istria gli Alb. pag. 90 aus
Calabrien.
B. Feminina.
a) Türkische Wörter:
davd, davaja Streit, Process: davä, davana Jungg 23.
kal'd, kal'aja Burg: kal'd Kul. 154.
h) Albanesische Wörter:
vä, väja Furth: vä Kul. 18. vära Rada 11. Zu lt. vadum?
ra Bandwurm: ra Kul. 18. re Krist. Gr. 17. Bei H. und
Doz. Singular re, Plural ra.
Albanesisclie Studien I.
323
grua, grüaja Frau; grue Jungg 13; griieja Lecce 9: grä H.;
Doz.; Krist. Gr. 17; Rhd. 8; Jungg 13; Lecce 9; Jub. 49;
Mattli. Scut.; Pian.; Fräse. Zu griech. vpau?. -ua- -ue- weist
auf älteres -o-,
2. Stämme auf -o. Masculina (Artikel -i) oder Feminina
(-ja), letzteres z. B. kuko-ja Kukuk, Kul. 49. rizikö -ja Gefahr,
Kul. 124 (neben rizikö -i H., aus griech. p'.£iy.ov, während it. risico
r§zik -u ergab, s. o.). turto-ja, turo-ja Doz. Turteltaube, vito -ja
Taube, Doz. skändalo -ja H. Ueber die Declination vgl. Doz.;
H. 30; Krist. Gr. 18. Die meist griechischen Wörter bilden
den Plural
a) gleich dem Singular: ijpuryö griech.-alb. Cam. 2, 86.
astakö, aliinö Cam. 2, 88. lau Act. 4, 25 Atli. turo Doz. eMrö
Rhd. Anth. 5. sofu Rom. 1, 14 Ath.
b) mit -n: soföh die Weisen, A Dora d’Istria gli Alb. 81
aus Hydra, jatröii Raps. 44; Alb. B. 76. jatron§ Alb. B. 142.
Korona die Zeiten, v.capoq, sic. Papanti 671. 672.
c) mit -ra: naora Tempel, Act. 17, 24 Ath.
Türkisch ist süa söji Geschlecht, Plural soje II.; Kul. 21.
Vgl. Cihac 2, 613.
3. Stämme auf Masculina und Feminina.
A. Masculina. Artikel -u.
a) Albanesisclie Wörter:
st, siu Regen: sina Jungg 23; Krist. Act. 14, 17 g. Sira
ebenda Ath.; H.; Doz. siera Leake 305.
heri Mann und kalt Aehre, deren -i ein unursprünglicher
Zusatz ist, sindoben (S. 315, 319) besprochen worden. Ebenso ml
.Maus und Qz Schwein, die zu -?z-Stämmen geworden sind. Ein -n-
Stamm ist offenbar auch uri-u Maulwurf, vergl. das geg. De-
minutivum urib H. Auch ari-u Bär ist des Verlustes eines -n
verdächtig: Plural arm Doz.; Krist. wr. 103. -i oder -in scheint
eine Weiterbildung wie in heri, kali, ar- — dpy. in griech. dpy.ee;
Bär, ngriech. apy.ouSa. Ebenso ist wohl bari -u Hirt ein ur
sprünglicher -?i-Stamm: Plural barih Doz.; barine Krist. ict. 12;
bari Krist. Luc. 2, 15 g. — Rada 13 hat kukuvi bubo: kuku-
vira. Vgl. Stier KZ. XI, 219.
21*
324
M e y e r.
b) Türkisch ist die Endung -dzi oder -tSi zur Bezeichnung
des Verfertigenden oder des Ausübenden. Sie tritt auch an
nicht türkische Stämme an. Beispiele: barutU Pulverfabrikant.
bojad&i Färber. gem§dzi Schiffer, boredzi yjo'iäq. piSkadzi Fischer.
peskadzi (Scut. Matth. 4, 18) dasselbe, faledzi XaTpY);. Alle diese
Wörter bilden nach Kul. 57 den Plural gleich dem Singular
auf -i. sardzi Säger (von Sar§, lt. serra) bildet nach Doz.
sardzin. Ebenso das gleichfalls türk, snvari berittener Gendarm:
suvarin Doz. — vatanli Patriot: Plural ebenso Kul. 57.
B. Feminina. Artikel -ja.
a) Lateinische und romanische Wörter:
vi, vija Furche, äp.ßoXv; Kul., aühay.i aquaeductus Bhd., lt.
via: vi Kul. 18; Rlid. Lex. 84; Jungg 12. vira Kul. 26. via
Jungg 12. Bei Doz. vij§, Plural vija.
stQpi, g. spl, Stpi Haus, lt. hospitium Mi. 2, 32: st§pi Krist.
Gr. 17; Jungg 12. st§pij Lecce 205. StQpia Jungg 12; Krist.
Act. 4, 34 g. st§pija Alf. Konst. 36. stejpira Kul. 58; Act. 4,
34 Ath.
hkepidi, g. Sknl Funke, lt. scintilla Mi. 2, 59 (-% aus -il):
§km, sknia Jungg 11.
fejltsi, bei Jungg fultSl Kinnlade, H. f§lkin§, zu falx, vgl.
rum. falkg maxilla (-% für -in): fultSi, fujf sia Jungg 11.
kusi, bei Jungg kusl, Kessel, aus it. cucina ven. cusina
(Boerio 215): knsi, kusia Jungg 11.
b) Griechische Wörter:
-i ist entstanden
1. aus griech. -! des Neutrums: nisi rrß. Insel: nisi Alf.
Konst. 73. nisira ebenda 83. — Ueri Wachs, Kul. 142, tsiri
Kerze, Jungg 18, -/spi, xnjpl: liirine Raps. 30.
2. aus griech. -t\\ stoli azo'kt): stoß Kul. 134; Cam. 2, 174.
— fuim Kul. 154; ßlalii Raps. 42 «puhcavb — urji oppi Rhd.
Lex. 97. — oioahira Act. 20, 2 Ath. von oioayß. —• filira Act.
26, 20 Ath.; Alf. Konst. 102. filit Apoc. 1, 7 Ath. von cpukf\.
Männlich ist maOiti p-aGypyj«;: matiitej, oft in der Ath. Bibel
übersetzung, z. B. Act. 19, 9, ist directe Uebertragung des
griech. Plurals [i.-Jp-yJ..
Albanesisclie Studien I.
325
3. aus griech. -ia. oder -eia. Ti Blattern, suXoyia: Ti Kul. 18.
— veneti Bevetla. ■—fantasi oarracu'a: fantasi Kul. 56. — tsersl
Kirsche, •/.£pacix: tsersi, tsersia Junggfll. —istorira Alf. Konst.
28 von 'ujropi'a. — vlasfimira Apoc. 13, 5 Ath. von ßXaa^jju'a. —
magira Act. 8, 9 Ath. von y.aysia. — Sulz Pural, Cam. 2, 176
sic. von SouXei'a. — grammatity Doz. 56, Buchstaben, von
ypapp.aTsfa.
c) Türkische Wörter:
hurt Trompete. — halt Teppich. — pazi Mangold. —
sahst Blumenvase. ■— selvi Cypresse. — terezi Wage. — uicli
accomodamento. — Alle diese und andere hei Jungg 11 ange
führte Worte bilden den Plural entweder gleich dem unbe
stimmten oder dem bestimmten Nom. Sing., also hurt und huria.
Ebensoda*, idzi, edzi Perle, türk, indzi: dzi Scut. Matth. 7, 6;
idzi Jungg 11. idzia Jungg 11; edzia Scut. Matth. 13, 45.
d) Albanesisclie Wörter:
8* Ziege: Si H.; Doz.; Ivrist. Gr. 17; Alb. B. 76; Rhd.
Anth. 50; Kul. 18; Jungg 12. 8ia Jungg 12. Vgl. lit. ozys Stein
bock, ozkä Ziege, ai. ajd- Bock, ajä Ziege.
Sri Rebe: Sri Kul. 18.
zi Hungersnoth: zi Jungg 11. zia Jungg 11; Krist. Luc. 21,
11 g. zira Krist. ebenda t.
l'aitii Haselnuss: TaiM Kul. 80.
ani Schiff: ani Stier, anije Alf. Konst. 72.
Sehr zahlreich sind die Worte mit Suffix -i, das vielleicht
romanischen Ursprungs ist (Diez 2, 302), jedenfalls für -ia -i§
steht. Es bildet Abstracta und Collectiva und tritt an Sub-
stantiva, Adjectiva und Verbalstämme.
Beispiele: virgini Jungfräulichkeit Kul. — em§ri Ruf Kul. —
ustri Heer, wohl von lt. hostis, Jungg. — Suni Schande, Jungg
(oune, dasselbe H.). — spenni Plural Vögel Scut. Matth. 6,26 (spen
det Krist. ebenda g.), vgl. u. S. 334. — mrekuli Plural Wunder
Scut. Matth. 7, 22; mrekulia Krist. ebenda g. (mrekul dasselbe).—
bukuri Schönheit Kul. — vog$i Kleinheit Kul. — egq,ri Wildheit
Kul. — kgliia Sünden Krist. icr. 74. — gatyri Verwirrung Kul.
(gateröii verwirre). — vorn Leben Kul. (von lebe). — porost
Befehl Krist. Gr. 17 (porosü, slav., befehlen). —mari Thorheit
Jungg (maföh mache verrückt). —pal'avi Hässlichkeit, eigent-
326
M e y e r.
lieh Ungewaschenheit, Jungg (pa und l'an). — setz Spaziergang
(setzt, slav.) Jungg. — tsudi, Wunder (tsudzt, slav.), Neues
Test. Ath. — Die Plurale dieser Wörter lauten auf -z oder
-za aus; seti Spaziergang hat auch setina nach Jungg 23; tsudira
steht z. B. Act. 2, 19 Ath.; Kr ist.] icrc. 16. —• pergndz Gottheit,
Gott, über das man Mi. 2, 32 sehe, hat nach H. perndz und
perndira; per§ndzra steht z. B. Krist. tct. 3. 42. 101.
Von einem ganzen Satze ist mit diesem Suffix ein Nomen
gebildet in del'düz Osten und hindilz Westen Kul. 60.
Sehr verbreitet ist auch das Suffix g. -nz, t. -rz, das eben
falls Abstracta oder Collectiva aus Substantiven und Adjectiven
bildet.
Beispiele: buvQrz Tapferkeit Kul. — vaizgrz Jugend Kul. —
vlazgrz Bruderschaft Kul., vom Pluralstamme von vlä. — via
merz Verbrüderung Kul. — vesgrz Gehör Kul. — verg§rz svop-
ypa'jYf} Kul., vgl. it. verga penis, alb. virg§rg Hengst Kul. 53. —
pl'eU^rz Y £ pouat’a Kul. — fjatyri oiko'koyia Kul. — fusgrz Ebene
Kul. — en§rz Geräthe Kul. — geg§rz Gegerei Kul. — grek§rz
rpauua Kul. — Tcal'§rz Reiterei Kul. — dit§ri Osten Kul. —
natqrz Westen Kul. — borgri, ftohQrz Norden Kul. — sir§rz,
vapgrz Süden Kul. — trim§rz Mutli Kul. 126; trimm Heldenthaten
Alf. Konst. 54. — zotnz signore Jungg: zotni Jungg 11; Scut.
Matth. 6, 24. zotgrzj Alb. B. 13. zot§rzn Krist. Matth. 6, 24;
Kul. 159. zot§rine Krist. Luc. 16, 13 t. —■ diabgltfrz Teufelei
Kuh, vgl. it. diavoleria. — regni die Reiche Scut. Matth. 4, 8;
regqri ebenda Fräse. — mbretgri Königreich: mbret§rz Apoc. 11,
15 Ath.; Alf. Konst. 72. mbgretgrz Krist. Matth. 4, 8 t.; mbretrz
ebenda Piana. mbgretgziia Krist. ebenda g. mbretyrira Krist.
Lt. 73; Alf. Konst. 73. — kurvqnz Hurefei Scut. Matth. 15, 19:
kurvQrira Rom. 13, 13 Ath. — muskni Jungg, muskepü, t.
mushgri IJ. Leber, von musk (s. o. S. 273); anders Mi. 2, 43. —
varfgrz Verwaistsein Kul. — veroyrz Blässe Kul. — vobekqri
Armuth Kul. — dreiterz Gerechtigkeit Kul. — paturp§rz Scham
losigkeit Kul. — Wo Plurale zu belegen sind, lauten sie bei
Kul. auf -z, bei Jungg auf -i und -ia aus; abweichende Bildun
gen sind im vorstehenden angeführt.
Das Suffix -sz scheint auf griechisches -da zurück zu gehen.
Beispiele: parysi Aristokratie Kuh, von par% eVster. —
prapgsz ungeschicktes Wesen Kul. — gal§sz Leben Kul. —
Albanesische Studien I.
327
miresia Wolthaten Kul. 90. — margsi Thorlieit Kul. 130. —
diaTqsi Kindheit Kul. 132. —gruksi Gefrässigkeit Jungg 11. —■
dzaksi <povot Scut. Matth. 15, 19. — Dem Stamme gehört das
-s- an in pugansi Unreinlichkeit Kul. 56, von pugangs der Be
fleckende. — k(pnb(>si Fussvolk Kul. 56, von kcmbes Fussgänger.
Seltener ist das Abstracta bildende -ti, z. B. batjeti Be
sitz, Lastvieh, Weidevieh: bag§ti Kul. 56; bagQtie Act. 10, 12
Ath. Vielleicht zu bag-, über welches Diefenbach, Got. Wörter
buch 1, 343 und Diez, Vgl. Wörterbuch 1, 44 zu vergleichen
sind. — ngustqti Enge Kul. 80. — mabgsti Grösse Kul. 80. —
Siinti Jungg 12, bur§ti H. Geschenk, zu bunoh burdh aus lt.
donare. — trekti commercio Jungg 12, von trek (slav., s. o.
S. 277) Markt.
4. Stämme auf —e.
A. Masculina. Artikel —u.
a) Lateinisch sind:
de den Gott, Kul., lt. dem: dera Kul. 23.
judh Judaeus, Krist. Igt. 62: juden Krist. lax. 63.
b) Albanesisch ist:
be-u Erde, bei Kul. bestimmt auch beti, bei H. auch beja
Erdreich: bena Jungg 23; Jub. 110; Alf. Konst. 34. bera Krist.
Gr. 15, tax. 140; Matth. 19, 29 Fräse., Piana; Rada 11. bet§ra
Kul. 23. Zu zd. zemä asl. zemlja usw.
B. Feminina. Artikel —ja.
a) Lateinische und romanische Wörter:
ve veja, nach H. g. vö, Ro. vde vöea, bei Kul. auch ove-
ja, lt. övum Mi. 2, 45: ve H.; Doz.; Kul. 18. vö Jub. 38. ove
Kul. 26. 80. Das lautliche Verhältniss der verschiedenen Formen
zu der lateinischen ist noch nicht klar.
ve Witwe, lt. vidua Mi. 2, 71: vä H.; Doz.; Krist. Luc.
4, 25 t.; ebenda Ath.; Rhd. 7. vaj H. veja Scut. Matth. 23,
14; Krist. ebenda g., t.; ebenda Piana; Luc. 4, 25 g. vea
Matth. 23, 14 Fräse.
falte Gesicht, lt. fades Mi. 2, 24: falte Krist. Matth. 6,
16 g., t.; ebenda Fräse., Piana. fatüe Jarn. 19.
koke Gxspoc, lt. coccum Mi. 2, 15: koke Krist. Gr. 16.
328
M e y e r.
mage Backtrog, it. madia Mi. 2, 37: mage Krist. iax. 49.
menne Verstand, aus mende, lt. meutern, Mi. 2, 40: me
Jungg 13.
Ihd'e, l’ul'e Blume, lt. lilium, vgl. mrum. lilidz§ flos Kav.:
Mite Doz.; Rhd.; Raps. 27; Jungg 107; l'yle Kul. 64. lulejra Doz.
S. 129. u aus i nach l, vgl. luvdü XißaSi, koliibe slav. koliba,
lut Xixogat.
Tarne Haar, lt. coma Mi. 2, 16: kirne Krist. Gr. 16.
geltsere Kalk, lt. *calcarea Mi. 2, 8: geltsere Jungg 12.
b) Griechische Wörter:
aboelle Blutegel, ngriech. aßSeXXa: aboelle Rkd. Antli. 40.
kamare Gewölbe, ngriech. y.a(j.apa: kamare Krist. lax. 8.
puramioet die Pyramiden, ngriech. irupaplSa, Krist. lex. 41.
verikoke Apricosen Rhd. Anth. 35, ngriech. ßspaoy:ov.
pooB Ränder (des Kleides) Matth. 23, 5 Fräse., ngriech. toSkx.
stade tjxaota Krist. Luc. 24, 13 g., staZe ebenda t., Ath.
stere Festland, exspsa: stere Alf. Konst. 71.
fol'e Nest, (pwXsd: fole Krist. Alf. 16 t.
dranofile Rose Jungg, ngriech. xpiavxotcpuXXov: dranofil’e Jungg
12; drandoßle Jub. 66; trentafile Raps. 41. Der Sing, trantafil'
Alb. B. 60, trgndafil' ebenda 12.
vale Tanz, aus it. hallo auf dem Wege durchs Ngriech.,
Mi. 2, 5: vale Rhd. Anth. 24; Krist. Luc. 15, 25 g., t. val§rä
ebenda Ath.
mustake H. Schnurrbart, ngriech. goucraxa, p.oucxdy.i: mustakß
sic. Cam. 2, 132. mustekeH.; Jub. 72, 104. mustekezit Raps. 100.
c) Slavische Wörter:
matse Katze, Mi. 1, 25: matse Kul. 90.
nevoje Zwang, serb. nevolja Mi. 1, 27: nevoje Kul. 70.
d) Türkische Wörter:
Der Plural ist dom Singular gleich: bahtse Garten, daire
tamburello, duSeme Fussboden, pertse Haar, beze Leinwand u. a.
Jungg 12. 22. deve Kameel Scut. Matth. 3, 4. Von beze führt
Jungg 22 auch hezna an.
e) Albanesische Wörter:
he Eid: he Krist. Gr. 17, Matth. 5, 33 g., t.; ebenda
Piana; Scut.; Jub. 94; Jungg 12; Kul. 18.
AlTianesisclie Studien I.
329
re Wolke: re Krist. Gr. 17; Matth. 24, 30 t.; ebenda
Plan., Fräse.; Doz.; Stier; Kul. 18; Leake 268. re Scut. Matth.
24, 30; Krist. ebenda g. rei A Dora d’Istria gli Alb. 56 g. reje
ebenda 57. ra H.; Doz. (rehee Jub. 35, rehet Jub. 36).
nge euxatpi'a: nge Kul. 18.
hie Schatten: Me Kul. 18. Vgl. ai. cliäyd, griech. cwia.
del'e Schaf: clel'e Krist. Gr. 16; Kul. 128; Rhd. 7; Scut.
Matth. 7, 15; ebenda Fräse., Piana. den PL; Doz. 3§n Doz.
Wörterb., vgl. Märchen 3, 1; Krist. lax. 25, Matth. 7, 15 t.;
Rhd. 7. den Matth. 7,15 g. 3gnet Krist. lax. 83. benet Krist. lex. 25. —
Rhd. Lex. 86: b§nt§ pl. xa ■Trpcßaxa in genere, del'etg itpoßaxlvai. —
dele wohl zu ai. dhä saugen, griech. 6-^cOa:, lt. feläre, air. dinu
Lamm del 0delech Milchkuh usw. (Fick 1, 630). Vgl. auch
kurdisch deil Hündin, ,proprement femelle en general, comme
dans deile gür louve; grec OrjAui;, scia dliäru 1 Justi, Noms
d’animaux en Kurde pag. 5.
nme junge Frau: nuse Doz.; Krist. Gr. 16; Rhd. Anth. 49.
Vgl. ai. snusä, griech. vucc, lt. nürus, asl. snücha, ahd. snur.
Alb. nuse = *nusjü.
re Schwiegertochter (die neue?): ra Doz.; Rhd. 7.
herde Hode: herbe Rhd. Lex. 98; Alb. B. 10. h- ist un
organisch, wie oft. Vgl. zd. erezi-, griech. opyyq Hode.
ve$e Niere: vese Doz. Auch magy. vese Niere.
geQe Zweig: ge()e Doz. Lied. 93.
härbqje Eidechse: hdrb§je Krist. Alf. t. 16 (g. liarbutsa).
dalanduHe Kuh, talanduse Rhd. Anth. 44, dglgnduse Alb.
B. 58, delanduse t. H., dal§nduse g. H., dalnus Jungg 10, de-
lenduS -a Blanchus, lietyndruse Krist. Alf. 18 Schwalbe: dalan-
duse Kul. 64. Die letzte, durch Krist. bekannt gewordene Form
könnte die Annahme einer Ableitung aus griech. y.aXavBpa, it.
calandra u. s. w. Haubenlerche wahrscheinlich machen.
Hieher gehören endlich die zahlreichen Femininbildungen
auf -e von consonantisch auslautenden männlichen Stämmen,
welche die Annahme der Entstehung von -e aus -ja besonders
nahe legen, z. B. kopile Mädchen, mike Freundin, soke Gefährtin
(sotse Scut. Matth. 18, 25), sortatare Wahrsagerin, Lecce 10,
hihoke weiblicher Zwilling, Jungg 12, gomare Eselin, fsatare
Dörflerin, pungtore oiXep-^oq, gnse 7xpo[j//)xcop Krist. Gr. 16, tsape
330
Mey er.
Ziege, Alb. B. 165, serbetore Dienerin, Krist. Luc. 12, 45 t.,
g. u. s. w. Der Plural geht ebenfalls auf -e aus.
5. Stämme auf -g. Feminina. Das -g vertritt idg. -ä,
das sich zunächst zu -a verkürzt hat, oder lt., griech., slav. -a
in Lehnwörtern. In der best. Form des Nom. Sing, tritt der
Artikel -a an, vor welchem -g schwindet. Gegiscke Mundarten
haben das -g in der unbest. Form abfallen lassen. Die regel
mässige Pluralbildung dieser Feminina ist auf -a, vor welchem
das g ebenfalls schwindet. Daneben kommen ziemlich häufig
Plurale auf -g, also gleichlautend mit dem Singular vor, seltener
andere (-e, -ra u. s. w.) Ich verzichte auf eine Vorführung der
regelmässigen Bildungen auf -a und werde mich in dem nach
folgenden Verzeichnisse, das zugleich eine Beispielsammhmg
von Nominen auf -g sein soll, auf die Anführung von davon
abweichenden Formen beschränken.
Wörter auf -k$.
a) Lateinische und romanische.
arkg Kiste, lt. arca Mi. 2, 3. — brek§ Hose, lt. braca Mi.
2, 7: brek$ Doz.; Alb. B. 14. —- buk§ Brod, lt. bucca Mi. 2, 7:
bukq Krist. Gr. 16. —paslcy Ostern: pasqua Mi. 2, 47. — pik%
Tropfen, it. picca Mi. 2, 49. — piet,sk§ Pfirsich, it. pesca Mi. 2,
49. — fl'okg ©Xw'/,oq, lt. floccus Mi. 2, 27. — furkg Heugabel,
Spinnrocken, lt. furca Mi. 2, 28. — es/cg Zunder, it. esca Mi. 2,
23 (zu is&grg Funken Alb. B. 22 vgl. bulg. iskrz Funken,
Cankof 23). — 07/cg Messer, lt. sica: <tik§ Khd. Anth. 36; Stier.
— guk§ Urtkeil, von gukoh usw. aus lt. judicare gebildet: cjuk§ra
Apoc. 15, 4 Ath. — kokg Schädel, vgl. it. coccia Schuchardt 249:
kokep-a Apoc. 18, 19 Ath. — fl'akQ Flamme, vgl. rum. fld7c§rg
aus lt. facula durch flacula, it. fiacciola, Mi. Beiträge zur rum.
Lautl. 3, 8. — fhuturakg Schmetterling, zu lt. fluctuare, Mi. 2,
27. — purtekg Ruthe, lt. pertica. —
b) Griechische:
vark§ ßctpy.x, aus lt. bar ca (direct zu letzterem alb. bärk,
Plural, Jub. 39). — plake x/,ay.a Kid. 39. —■ frike und fyfk§
tppiy.Y) Kul. 40. — futsk§ o’jcr/.T] Kul. 40. — kafk%, aus y.auy.ahov,
vgl. pet§ aus xeTaXov. —
Alltanesische Studien I.
331
c) Slawische:
pl'atskg Beute, serb. pljaSka Mi. 1, 29, bei Krist. Lt. 20
platsgka Plural. — plotskg Schale, Kul. 40, vgl. serb. ploca
Platte, Mi. 1, 29. — puskg, putskg Flinte, Pistole, serb. puslca
Mi. 1, 31: push Jungg 12, Jam. 3. — mutskg Maulthier, Kul.
116, serb. maska Mauleselin, Mi. 1, 26. — tsitskg weibliche
Brust, bulg. cica, Mi. 1, 33, Plural tsitska Doz. Lied. 116. —
kotskg Knochen, Kul. 41, von serb. kost Knochen. — sapkg
Mütze, Kul. 76, russ. sapka, magy. sapka. Mi. — Slavische De-
minutivendung hat guritSgka Steinchen, Alb. B. 38.
d) Türkisch ist:
balaskg Patrontasche, ngriech. xaXaaxa Kul. 54.
e) Albanesische:
breskg, bretskg Schildkröte, vgl. rum. broasltg Frosch, Kröte,
Schildkröte, mit. bruscus Frosch, Schuchardt 253. — pl'akg
Greisin, von pl'ak. — grukg, grikg Schlund, Meerbusen (Krist.
Lt. 63). — aruskg Bärin, zu ari. — dreltg und darkg Mahlzeit.
— petkg Kleidung (Plural pektas Jarn. 21). Ist das, wie es
scheint, isolierte (Diefenbach, Got. Wörterb. 1, 335; griech.
ßai'tT) scheint ein Lehnwort zu sein) goth. paida Leibrock, /mov,
finn. paita leinenes Hemde zu vergleichen? — Hpnetkg Milz,
Jungg. — nepgrkg Natter (nach Mi. 2, 71 aus 1t. vipera).
Wörter auf -gg und -gg.
a) Lateinische und romanische:
pagg Lohn, it. paga Mi. — pl'agg Schlag, lt. plaga Mi.:
pl'agg Krist. Luc. 10, 34 t., g. — fugg Flucht, Kul. 40, lt. fuga.
— Mhge Lied, lt. canticum Mi.: kenggra Doz. — kuhgg tspov,
zu communicare Mi. — ligg Gesetz, Kul. 90, lt. legem Mi. —
strigg, lt. striga Mi. — rugg Strasse, lt. ruga Mi.: rüggra Act.
5, 15 Ath. fug Jungg 12. — lugg Löffel, aus lt. lingula Mi.
R. U. 2, 22: lügg Jungg 12; Rhd. Antli. 36.
gri<f§ Herde, lt. gregem Mi., Krist. l<rt. 25: griggra Krist.
Lt. 55.
b) Albanesische:
mirimangg, mirmahgg, merimagg Krist. Alf. 23 Spinne,
(mrum. merimagg Kav.) aus ngriech. p.upp,Y)Yyt Ameise? — degg
Zweig: degg Matth. 13, 32 Fräse., Pian. — segg Granatapfel:
Hegg Krist. Lt. 66. — middgg Malve, Jungg 11.
332 Meyer.
c) Griechisch ist brgngg ßpo'ijyvr^q Kul. 28.
Wörter auf -hg.
gWiQ, gluhg Kul., guh Jungg Zunge: guh Jungg 12. gütig
Alf. Konst. 24. guhgra ebenda; Doz.; Krist. Gr. 17; Act. 2, 3
Ath. Das Verhältniss zu griech. fk&cca ist unklar.
kohg Zeitraum: kohg H.; Doz.; koh Jungg 12. kohgna Krist.
Act. 14, 17 g; kohgra II.; Doz.; Krist. Luc. 21, 24 t.
Wörter auf -je.
uj§ Wasser: üjgna g. Krist. Gr. 8. ujgra t. ebenda; Kul.
110; Rlid. 14; Doz.; Stier.
majg Gipfel Doz.; Krist. urt. 9, für mal'g, von mal'Berg.—
Lateinisch ist vijg ligne, raie, sillon Doz., lt. via, s. o. vi,
und mijg tausend, für mil'g aus milia Mi.: rnijgna Krist. Act. 21,
20 g. mijgra ebenda Ath.; Alf. Konst. 114 u. öfter.
Eine Ableitung von mors ist murtaje 'hoigbq: murtaja Krist.
Luc. 21, 11 t; murtäjgra ebenda Ath.
Wörter auf -tg.
a) Lateinische und romanische:
butg, it. hotte, Mi. —■ portg Thor, lt. porta Mi.: pörtgra Act.
14, 13 Ath. — faltg Fehltritt Kul. 40, zu it. fallire. — festg
Fest, lt. festum Mi. — fletg Blatt, it. foglietta: fletg Doz.; Krist.
tax. 60; Alf. Konst. 23. flet Jungg 12; Jub. 44. fletgra Doz.;
Krist. tax. 42. calabrisch fjeta Matth. 24, 32 Fräse.; Cam. 2,
112. — kartg Papier, lt. carta Mi.: kartg Rhd. Anth. 46. har
ter a Doz.; Alf. Konst. 23. — krestg Mähne, lt. crista Mi. — spatg
Schwert, lt. spata Mi. — kuftg, kuftg Krieg, lt. lucta Mi.: Vuft
Scut. Matth. 24, 6. luftgna Krist. ebenda g. luftgra Krist.
ebenda t.; Doz.; Alb. B. 18. — jetg Zeit, Leben, lt. aetas,
Schuchardt 248. — fatg Schicksal, lt. fatum Mi., Kul. 66. —
kgnatg Gefäss, mit. cannata Mi. — uratg Segen, lt. * auguratum.
— saltg Sprung, Kul. 122, lt. saltus. — sportg Korb, lt. sporta
Mi.: Sport Scut. Matth. 15, 37. — trumpet Trommel, Jungg 11,
it. trombetta. — fetg, rietg Netz, lt. rete Mi.: retet Scut. Matth.
4, 20 (Krist. g. feta, t. rieta). fit$ ebenda Fräse., Pian. ist sic.
riti. — fot§ Rad, lt. rota Mi. — sijetg Alb. B. 36, Sggetg Krist.
icx. 92 Pfeil, lt. sagitta Mi. — fusatg Heer, mit. fossatum,
mgriech. ipouodxov. — fustg cpouaxavi Kul. 40, aus fustagno (s. o.
5. 304) gebildet, auch rum. fustg.
Albanesisclie Studien I.
333
b) Griechisch ist:
petg Hufeisen, von xsxaXov gebildet, Kul. 39, Krist. lax. 42,
vgl. o. kafkg aus xa6x«Xov. — pitg Torte begegnet im ngriech.
Terror, tut«, serb. pita, rum. pitg, türk, pita, sein Ursprung ist
unsicher, vgl. Cibac 2, 686.
c) Slavische:
sitg Sieb, serb. bulg. sito Mi. — gosta Ssixva Scut. Matth.
23, 6, vgl. bulg. gosti u. s. w. Mi. — tSeta Familien, serb. ceta
Mi. — rgosta Matten, Jungg 105, gehört zu serb. rogoz.
d) Albanesische:
bal'tg Schlamm, vgl. Diefenbach, Völkerkunde Osteuropa’s
1, 251. — bl'etg Biene, für bietg, vgl. lit. bitis, Fern, bite, lett.
bite Biene. — botg Erde, Erdhaufen: bötgra Alf. Konst. 85. —
viestg Herbst. — pät§ Ente Kuh, Dans Jungg 11, Doz.: patg
Doz. Vgl. asl. patka Ente, span, pato pata Gans u. s. w. Pictet
1, 489. —fut§ xoSta, Saixm Kul. AQ-, futg Schürze, vgl. mrum.
fute, ngriech. aouzäi;. Diefenbach 1, 73. — kastg Stroh. — ehtg
Donnerstag. — prgmtg Freitag. — ndritg Licht. — bariStg Kul. 54
Grasplatz, von bar. — ditg Tag, Osten: ditg Scut. Matth. 11, 12.
dite ebenda 9, 15. dit ebenda 3, 1; Krist. g., t.; Fräse.; Jungg 25;
Jub. 39. — nat§ Nacht, Westen: nat§ Matth. 4, 2 Pian. nat
ebenda Fräse. net§ Doz. net Scut. Matth. 4, 2; Krist. g., t.
ebenda; Doz.; Jungg 13; Rhd. 7, Lex. 110 (nat). nete Doz.
Lex. Zu ai. näkti- u. s. w. — oetgra die Zehner Alf. Konst. 107
neben 3eta dasselbe, 113.
Mit Suffix -tg werden Stoffadjectiva männlichen und weib
lichen Geschlechtes gebildet, z. B. pumbaktg baumwollen Kuh,
ramtg kupfern Krist. Ict. 60, sgllrtg salzig Krist. icz. 17, arganttg
silbern g. Krist. Act. 19, 24, arggnttg dasselbe t. Krist. icx. 60,
dkultg eisig Alb. B. 59, seliertg zuckern Doz. 131, diltg wächsern,
gurtg steinern, hekurtg eisern, l'ekurtg ledern, li(n)tg leinen, mer-
mertg marmorn, mistg fleischern, zemgrtg qui a du coeur, alle bei
Doz.; kgrptg Xivsv Kuh 41, von kgrp cannabis. Von einem Plural
fborihtg d’or Doz. So scheint auch mialtg Honig (Art. -tg, bei
ßossi Gr. 341 miall-i) von lt. mel gebildet.
Wörter auf -dg.
a) Lateinische und romanische:
bandg Seite, Reihe H., |j.spo? Kuh, it. banda Mi. — pendg
Flügel, lt. penna Mi.: pendg Doz.; Kuh 104. pendgra Kul. 86.
334
M e y e r.
Dazu spendgt Vögel, Krist. Matth. 6, 26 g. — tend§ Zelt, it. tenda
Mi.: tendg Matth. 17, 4 Pian. — Tindat Unterhosen Rossi Gr. 329
zu linum. — l'gndg Eichel, 1t. glandem Mi. — talanda Talente
(Geldsumme), lt. talentum, Krist. lat. 105. —
b) Slavisch ist:
gozdg Nagel, Kul. gozdg, serb. gvozdac Schnalle, bulg. gvoz-
dej Nagel, Mi. —
c) Türkisch ist:
odg, hodg Zimmer, Schlafzimmer, türk. oda.
d) Albanesische:
hundg, g. hun Nase: hun Jungg 12. — l'od§ Spiel: lodgra
Doz. Zu lt. ludere? — parmendg Pflug, hei Rossi Gr. 331
parmen-i.
Wörter auf -cg.
a) Lateinische und romanische:
feog Treue, Kul. 40, it. fede. — bestarlg Bastard Kul. 54,
it. bastardo. — moneog Münze, Kul. 60, lt. moneta Mi., ngr.
p.oveoa. — varog Wache Kul. 39, altvenet. varda für guardia
Boerio 778; daraus auch bulg. varda Wache. — vicg Schraube,
£Ai£ Kul. 39, venet. vida = vite Schraube Boerio 793; davon
auch serb. vidica Schraube am Fiedelbogen.
b) Griechische:
ngilg d-pdäa Kul. 142. — aralg Reihe, dpaoa, Rada 15.
Das griech. Wort selbst stammt aus alb. raio§ Reihe nach Mi.,
Slav. Elemente im Ngriecli. S. 10. — patriae rcaTptoa Alf.
Konst. 67 u. ö. —
c) Albanesische:
lcorlg Säbel: korcg Rhd. Lex. 95. Ein weitverbreitetes
Wort (vgl. Mi., Fremdw. in den slav. Sprachen 100. W. To-
maschek, Zeitschr. für österr. Gymn. 1875, S. 536 f. Schräder,
Sprachvergleichung und Urgeschichte 313), das im Eränischen
heimisch zu sein scheint. — wog Weg: ?tSg Krist. Gr. 16. üZgra
Doz.; Alf. Konst. 31. Die g. Form ule (bei H. und in Borgo
Erizzo) macht Verwandtschaft mit asl. idica Strasse wahr
scheinlich. Griech. oooc, ist jedenfalls nicht zu vergleichen wahr
scheinlich aber aük/j Hof. — tserog Nest Scut. Matth. 8, 20;
Krist. g. ebenda, zgele Joch. — voag soupßa, Art Mispel. —
Albanesisclie Stadien I.
335
Wörter auf -Og.
6a6g Bohne. — buüg der Hintere, ä®eSpüv Kul. — eOg Fieber
(aus griech. aiOsc?): JOetg Alb. B. 63. — vrJi Scbafstall Jungg23:
mG, vatina. — flutwbg farfaletta, sic. Cam. 2, 192, zu fluturön
aus lt. fluctuare.
Wörter auf -sg.
a) Lateinische und romanische:
piesg Theil, it. pezzo, frz. piece Mi.: pies Jungg 12.
h) Griechische:
pisg Pech, griecb. d.cca. —■ hlosg Gluckhenne, griech. -/.Xwcca,
c) Slavische:
vgrsg Lebensalter, asl. vrüsta aetas Mi. — Jcosg Zopf, serb.
kosa Mi. — Icosg Sichel, serb. kosa Mi. — sisg, tsitsg weibliche
Brust, serb. sisa bulg. da Mi.: sisgt Alb. B. 35; Luc. 11, 27
Ath. ■— hopsa Knöpfe, Doz. Lied. S. 96, serb. hop ca Heftel Mi.
d) Albanesisclie:
besg Treue. — vese Reif. — fosg Gans (daraus ngriech.
po'jcg<x otis tetrax, Bikelas, Faune grecque 15), vgl. rum. ra{§,
serb. raca Ente. — Spesg animal sauvage Doz., Vogel Kuh, auch
Spes-i Krist., Doz.: spesg Krist. Matth. 6, 26 g.; Luc. 8, 5 t.;
spesgra Doz. — diersg Schweiss (vgl. griech. opöco??). — drase
asse Jungg, Steinplatte Doz., drasat Tische Jungg 104. — rasg
Steinplatte. — vgsat le sorbole Jub. 36. •— mdtgsg Mass Krist.,
masg Jub. 45; Scut. Matth. 13, 33; Krist. ebenda g.; menze,
ebenda Fräse., von mat messe, lt. met-ior. — pgkisg Ziegelstein,
von piek, later coctilis, Krist. :gt. 49. — bretgkosa Frösche Krist.
'■ct. 49, vgl. brgtejc Kul. dasselbe. — pasg Reichthum, vgl. pa-
surg gehabt. — pXasg Spalte, von pl'as ich berste. — presg Hieb,
Schnitt, von pres ich schneide. —fl'asg Rede, von fl’as ich rede. —
fsesg Besen, von fsm. — Abstracta auf -esg: volnesg Willen, Plural
vulnes Jungg 12. pgrtesg Faulheit, g. spenesg Jub. 68, Spnes Alf.
Konst. 57, t. spgresg Hoffnung, die letztere Form auch g. bei
Krist. Alf. g. 23. hines Fasten Jungg 12 (s. Mi. s. v. jejunus).
martes Ehe Jungg 12. fejes sponsali Jungg 12. nnies Nach
sicht, von ndien verzeihe. Strgiigesg GXHt? Krist. Gr. 16. mbuTesg
Deckel Krist. kr. 60. Anders ist rgmbesg Räuberin Kul. 94,
das Femininum zu rgmbes-i Räuber. .
336
M e y e r.
Wörter auf -ts§.
a) Lateinische und romanische:
botsg Krug, venet. bozza — boccia Mi. — forts§ Stärke, it.
forza Mi. — bunatsQ Windstille, it. boriaccia Mi. — fortetsg
Standhaftigkeit, Kul. 66, it. fortezza. — bekatsg Schnepfe Kul. 84,
it. beccaccia. — luts§ Schlamm, lt. lutum Mi.: liitsgra Doz. —
b ) Griechische:
vutsQ Fass, ngriech. ßouts!. — vurts§ Bürste, ngriech.
ßiupTffa. Beide Wörter sind romanischen Ursprungs.
c) Slavische:
mits§ Katze Mi. 1, 25. —
d) Türkische:
k§puts§ Schuh, Plural keputs Scut. Matth. 3, 11, kgputsQ
Krist. g. t., Pian. ebenda. Wohl identisch mit serb. usw. papuca
Pantoffel, aus türkisch, päpüts Mi. Fremdwörter in den slav.
Sprachen 116.
e) Älbanesische:
batsQ pcfeiapa Kuh 38. — palfaq Mark. — drontsat Bissen
Scut. Matth. 15, 27. — gotsg junges Mädchen Doz.
Wörter auf -s§.
a) Lateinische und romanische:
kafs§ Ding, Sache, lt. causa Mi.: kaf&§ Kuh 110. — kofs§
Hüfte, lt. com Mi. — Mis§, läse Kirche, lt. ecclesia Mi.: kis§ Act.
9, 31 Ath. IciS Jarn. 6 Jub. 82. liisgra Doz.; Krist. Alf. t. 24;
Act. 19, 24 Ath. — kgmisg I-Iemd, it. camicia Mi.: /cgmisg
Rhd. Anth. 23. k§mis§ra Act. 9, 39 Anth. — meSe Messe, lt.
missa Mi.: mesra Dan. bei Mi. 2, 42.
Romanischen Ursprungs (Diez Gr. 2, 370) ist das Feminina
aus männlichen Stämmen bildende Suffix -esg, z. B. prift%re§$
Priesterin Krist. Arb§res§ Albanesin Krist. buj$res§ vornehme
Frau Act. 17, 12 Ath. bajoresg Hirtin Ro. tsobanesg Hirtin
Ro., selbst redzinesg Königin Ro. virdzinesQ Jungfrau Scut.
Matth. 25, 1, virijines§ Krist. g., v§ry§re$§ Krist. t. ebenda.
b) Albanesische:
biS§ Thier. — vus§ Wurm. — pis§ Fichte, Kienfackel. —
fusg Ebene. — dose Sau. — vaS§ Mädchen Krist. Gr. 16. —
grüs fagiuolo Jungg 12; vgl. asl. grachü Bohne? — las cresta
Jungg 12.
Albanesische Studien I.
337
Wörter auf 4Sq.
Slavisch ist: pogatS§ ungesäuertes Brot, serb. pogaca Mi.
Wörter auf -zg.
Die Hauptmasse der Wörter auf -zg wird von den mit,
diesem Suffix gebildeten Deminutiven ausgemacht. Sie werden
meist von Femininen, selten von Masculinen abgeleitet, -zg tritt
an die unbestimmte Form auf -g. Die Plurale werden gebildet,
indem -zg entweder selbst flectirt wird und sich in -za ver
wandelt, oder indem -zg an die Pluralform auf -a antritt; eine
Erscheinung, die oben auch bei den männlichen Deminutiven
auf -0 beobachtet wurde. Daneben sind, besonders im italienischen
Albanesisch, Plurale auf -zit§ (-azit oder -§zit) im Gebrauche.
Auch kann der Plural, wie sonst bei den Wörtern auf -g, dem
Singular gleich sein.
1. Deminutiva von Femininen auf -g.
«Mgzg TEjj.aj'tov Kul.; Rhd. Lex. 82. — argzg ^wpastov Kul. —
dfgzg Nüsschen Kul. — drk§z§ Kästchen Kav. 86G. — g. «?igzg,
t. drgzg PI., dfgzg Doz., ar§z Rada Wespe. — beb§z§ Pupille
Kul. (von beb§ kleines Kind). — beit$zp, TiO'.rp.mo'i Kul. (von
beit§ Kul., neben beit-i). — Wetgzg Biene, Kul. — buMqzQ
Wiese] Kul. — örg'Sftgzg yjzX4m, /.oipd? (Skropheln) Rhd. Lex.
46, Kid. — bez§z§ Schleuder Rhd. Lex. 41. — depgzg Zweig
Kul. — doVgzg Hand, Handvoll Kuh: Rhd. Lex. 56. dorz Aermel,
Handschuh Ro. Gr. 329. — dit§z§ Tag Kul. — dreDgzg Winde
(Pflanze) Rhd. Lex. 92. 105. — ddsgzg Sau Rhd. Lex. 105.
— gn^gfgz Traum Raps. 61. — <p-gsgVgzg Schere Rhd. Anth. 44.
— <j$P§ r §z§ Nadel Rhd. Anth. 44. — h§n§z§ ozp'«pcJy.i, Mond, Kul.
Rhd. Anth. 25. — he ’rgzg Zeit Kul. — k$ng§z§ Liedchen Kul. —
kamdr§z§ ein Spiel Rhd. Lex. 69. — kam.ü§ze ein Spiel Rhd.
Lex. 69. — kapiitsgztj Rhd. Lex. 72. — kor§z§ Rhd. Lex. 73.
— /cdmgzg Rhd. Lex. 74. — kokk§z§ Rhd. Lex. 96. — ksül$z§
Rhd. Anth. 23. -— 7w/gzg Blume Kul. 142. —• midlts$z$ Biene
Rhd. Lex. 37. — miekr$z§ Kinn Rhd. Lex. 37. — n§m§z§ Fluch
Kul. 114. — mngzg Pupille Rhd. Lex. 34. —pdg§z§ p.tGOapiovKul.—
pie'fS&gzg poScouvm« Kul. — p1'§mb§z§ Spanne Kul. — pewigzg Frucht
Kul. — pendgzg TCTspü-pov Kul. — pük§z§ kleine Henne Kul. — pi-
pgzg -/.apagouvica Kul. — pik$z§ Leiden Kul. 68. — pudr§z§, pglär§z$
Sitzimgsber. d. plil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 22
338
M c y 6 r.
fable Rhcl. Lex. 50. pgrpralgzg sxip.uOtcv Kul. 68. — pümbgzg
ein Spiel Rhd. Lex. 51 (von pglumbg Taube). — rezgze Wolke
Kul. (von re, also doppelt verkleinert). — Skdlgzg Wagscbale
Kul. 90. — Striggzg Rhd. Lex. 30 = Strigg. — sörgzg Rbd.
Lex. 87. — Spatgzg Rbd. Lex. 87. — Slcürtgzg Wachtel Krist.
"!gt. 65. — tsdpgzg Stückchen Kul. — trikgmbgzg Dreifuss Kul. —
tsepgzg Hülle Kul. — twnbdlgzg Wippe Rhd. Lex. 59. — tutgzg
Cigarrenspitze Rhd. Lex. 59. — urdtgzg Rhd. Lex. 82. — uoz
stradella Ro. Gr. 331. — vaizgzg xopaais Kul. — vdpgzg y.ouoo-
ßpacip Kul. — vdrlcgzg ßapyouXa Kul. —■ vdtrgzg xapoKpwuiTaa Kul. ■—
virgirzg sic. Cam. 2, 180 Jungfrau. — Eine Deminutivbildung
ist auch uSüiz Blutegel, Jungg 11, entstellt aus sgsühgzg bei
Blanchus, vgl. SuSuhg H., alles Entstellungen aus lt. sanguisuga.
2. Deminutiva von anderen Femininen.
niisgzg Wiesel, von nuse junge Frau. — fdJcgzg Kuh, von
falie, falcezit Raps. 21. — rezg Wölkchen, in dem oben an
geführten rezgzg Kul. — drizg Dornstrauch, Krist., Rhd., Kuh,
von dru Holz. — mizg Fliege, von iimcc. — vizg Streifen Rhd.
Lex. 14, von vi. — Stgpizg Rhd. Anth. 9, Häuschen, von Stgpi. —
silgrostizg Dreifuss, Rhd. Anth. 26. 44, von GiSrjpoGTia. — kusizg
Rhd. Anth. 44, von kusi Kessel. — hezg Schatten Raps. 19, von liie.
3. Deminutiva von Masculinen.
lielz-a Ro. Gr. 328, tselz Jungg 10 Gaumen, von kiel Himmel,
vgl. griecli. oupaviGzoc. — kgiiygzg Lämmchen Raps. 42. — vorzat
i cimiteri Ro. Gr. 325; vovzs Scut. Matth. 8, 28, von vor Grab. —
dielz garzoni Jub. 64. —
4. -zg ist an Pluralformen getreten:
vd&azg Mädchen Kul. 48. 136. — ditazg Tage Kul. 163. —
ardoazg Zeilen Kul. 142. •— ptinazg Arbeiten Kul. 142. — Jcdkazg
Plural zu kdkgzg Rhd. Lex. 96. — draze Rhd. Anth. 6. —
büzazg Rhd. Anth. 6. — parazg Rhd. Anth. 6. — röbazg Rhd.
Anth. 19. — fdrazg Rhd. Anth. 43. — araz Wespen Raps. 16,
von drgzg s. o. — ggrmazg Ypäp.[J.ara, von ggrmg -;pa\i.\i.a, Kul. 51. —
Skröhazg kleine Buchstaben Alf. Konst. 22 (neben skroiigza). —
vivlazg kleine Bücher Alf. Konst. 23. — fildtazg kleine Bogen
Alf. Konst. 23.
An andern weiblichen Pluralen erscheint -zg in fletgrazg
kleine Blätter, kartgrazg kleine Briefe Alf. Konst. 23. Dabei
Albanesisclie Studien I.
339
ist auch das Suffix mit dem Pluralzeichen versehen in düarzat
Garben Krist. Psalm 126, 6 t., während in der gegischen Ueber-
setzung der Stelle das regelmässigere dörgzat steht.
Von Masculinen: kmmbazg vermi'celli, Nudeln Rhd. Lex.
78. — zögazg Vöglein Kul. 26. — nümgrazg kleine Zahlen Alf.
Konst. 107.
5. Plurale auf -gzit.
a) Von Femininen:
büzgzitg Rhd. Anth. 9. — lörgzit Arme Raps. 20 (lang, Igrg
H.). —faUgzit Raps. 21 (fakezit) Gesichter. — pendgzit Raps. 29
Flügel. — kembgzit Füsse Raps. 49. — bukgzit Brote Raps. 57. —
Slcdlgzit Treppen Raps. 73. — ggrSgrzit le forbici Raps. 81. —
ärmgzit die Waffen Raps. 86. Vigo 698. — pudrgzitg Erzählun
gen, griech.-alb. Cam. 2, 88. — p§l$mb§zit Arme Vigo 700. —
drelcgzit •weibliche Daemonen Raps. 20. — amdygzit Schlachten
sic. Cam. 2, 132, Vigo 697, von amayi aus \:Äyr t , oft Raps.
b) Von Masculinen :
mdlgzit die Berge Raps. 37; Cam. 2, 132 sic. — kKtsgzit
die Schlüssel Raps. 39. — sindukgzit die Kästen Raps. 40, von
griech. csv-oOy.i aus türk, sanduli. — zaköngzit i costumi Raps. 58;
Alb. B. 70 tosk. — krdhgzit die Arme, Flügel Raps. 60. 77. —
kelkgzit die Becher Raps. 60; sic. Cam. 2, 132. — sökgzit die
Genossen Raps. 73; Vigo 698. — akdlgzit ufficiali Raps. 76.
86. — potsergzitg die Becher sic. Cam. 2, 132. — messalzit
tovagliette Vigo 699. — kusar§zit Räuber Vigo 699. — luftörezit
Kämpfer, Vigo 699. — dröm§zit die Wege Vigo 702. — kelgzitg
Gaumen Rhd. Lex. 72, unbestimmt Iceles. — erigel(§)zit§ Engel
sic. Cam. 2, 184. — skend§zit von Slc§nt tunica, velamen, Stier. —
Hieher gehören auch die Plurale nergzit die Männer von
iier, kälgzit die Aehren von kal, ü'gzit die Sterne von il; da
neben die unbestimmten Formen itergs il'gs (kalgza). Vgl. auch
grergs, grergzitg (bei Rhd. grerazitg) Rhd. Lex. 66 zu greO, von
St. grer- oder gren-, und kiriBgs-gzitg von kirib-oi Rhd. Lex. 72,
eine zoologische Bezeichnung. Ebenso zes, best, zezitg Doz. von
zt, fern, zezg schwarz.
6. Plurale auf -azit.
mizazit Fliegen Stier (mizasit!). — midltsazitg Bienen Rhd.
Lex. 37. — rgmbazif, Strahlen Raps. 19. — zdrazit le streghe
22*
340
M e y e r.
Raps. 20. — fietazit die Blätter Raps. 21. — füsazit le Cam
pagne Raps. 34; sic. Cam. 2, 132; Vigo 702. — hdroazit le
biancherie Raps. 42. — vdsazit die Mädchen Raps. 72. — mö-
t.razit§ Schwestern Vigo 702.
7. -zit ist an andere Pluralformen getreten.
a) an weibliche:
splzit die Häuser Raps. 30. — stoPizit die Kleider, von
aroXvp Raps. 87. — düarzit die Hände Raps. 49; Cam. 2, 159. —
musteliezit i mustacchi Raps. 100, von mustake, Plural mustelie.
b) an männliche:
sizity Augen Rhd. Antli. 6. 25; Raps. 32; N. Chetta bei
Dora d’ Istria, Gli scrittori albanesi, S. 28. — p§reh§zit le con-
valli Raps. 74; p§röh§zit§ sic. Cam. 2, 132; purehgzit Vigo 697,
von pyfua-oi. — druzit le legna sic. Cam. 2, 136. •— pjekizit die
Greise, Dorsa bei Stier 47, von plak, pjalc.
Andere Wörter auf -sg.
a) Lateinische und romanische:
rez§ Strahl, lt. radms Mi.; der Plural reze Jarn. 6 vom
Singular reze. — rgsg, r§z§ racine Doz., aus it. radica Mi. —
balandze Wage Kul. 54, it. bilancia, venet. balanza.
b) Griechische:
truvez§ Krist. Matth. 21, 12 g., t.; triezq ebenda Pian.,
tries§ ebenda Fräse.; Stier; aus griech. Tpa^s^a, vgl. serb.
trpeza. — velendzg Wolldecke, ßeXev-ca Kul. 54, vgl. serb.
velenca, rum. velinp. Mi. Freindw. in den slav. Sprachen 135,
Cihac 2, 452.
c) Türkische :
boz§ Getränk aus Erbsenmehl. — end§z§ irr\yys. — Imäz
Diamant, Jungg 11, türk, elmas.
d) Albanesische:
bnzv, Lippe, vgl. Cihac 1, 31. — vaizy, g. varz§ Jungg 13,
Jarn. 3, Dem. vds§z§ Mädchen. Die etymologische Behand
lung durch Cihac in Boehmers Romanischen Studien, IV, 449
ist verfehlt. — giz§ Käse. — Og/gzg, fglgndzg Alb. B. 66 Reb
huhn. — t.grkuzg Seil, Plural ebenso, Stier. — unaz§, g. unaz
Jungg 11, Ring.
Albanesische Studien I.
341
Wörter auf -p§.
a) Lateinische und romanische:
pap§ ‘xa%aq, 1t. papa: pap§t Lecce 7. —pip§ cuprf? Kul. 39,
it. pipa. ■— vap§ Hitze, vamp§ dasselbe, it. vampa Mi. — kap§
y.aTia Kul. 41, it. cappa. — kup§ Becher, lt. cupa Mi. — kep§
Zwiebel, lt. caepa Mi.: Icep§ Kul. 66;- Krist. igtt. 65. — pidpg
Wade, lt. pulpa Mi. — tsap§ Hacke, it. zappa. — nap§ Käse
tuch, lt. mappa, frz. nappe Mi.: nepe H., Rhd. 7.
b) Albanesische Wörter:
kripg, Icrupg Salz: krnpna Jungg 23. — pup§ Xotpog Kul.,
pupa grappes de raisin, Doz. — grop§ Grube, vgl. rum. groäpg.
— l'opg Kuh: Top§ Krist. 1<jt. 25; Doz. 1, 135; Top Jungg 12;
Jub. 102. Vgl. Hehn 475. — tsop§ Stück: tsdpgra Alf. Konst. 72;
Doz. — t$up§ junges Mädchen.
Wörter auf -b§.
a) Lateinische und romanische:
pl§mb§ Spanne (Pulj. 131 plb plmb-a), lt. palma Mi. —
k§mb§ Fuss, g. karnb kam, lt. gamba Mi.: k§mbg Kul. 94. 161;
Rhd. Anth. 48; Krist. Gr. 16; H. kambe Krist. Matth. 5, 35 g.
kam Scut. ebenda, kam Jarn. 4; Rossi Gr. 328. — k$rb§ mzkog
Kul. 41: it. corba Korb. —rob§ Kleid, it. ro&aMi.: rohe Krist.
Matth. 17, 2; Luc. 7, 25 t. gehört zu robe-ja H. —• p§lumb$,
Rhd. Lex. 50 pumb§, Krist. g. pulumbQ Matth. 10, 6, Scut.
ebenda plump,, Pian. ebenda pa^umbg Taube, lt. palumba Mi.
— skribg Schreiber, lt. scriba: skribe Scut. Matth. 17, 10. Skri-
bra Fräse., Piana ebenda.
b) Griechische:
stambg Krug Pulj. 150; griech. crdp.va; starn Jungg 11.
c) Slavisch ist: torb§ Sack, Doz. 1, 142, serb. torba Tor
nister, Schnappsack.
d) Albanesische:
bab§ Mutter Kul. 38, vgl. serb. bulg. baba altes Weib,
mhd. habe altes Weib, Mutter. Mi. hält das Wort für slav.
Lehnwort. —- bebg Kind, vgl. engl, habe, baby und Müller,
Etynaol. Wörterb. der engl. Sprache 1, 39. — bib§ junger
Wasservogel IL, aX'/.uwv Kul. 38. — bub§ ©oß^Tpov. — gabg Lüge.
— kob§ Diebstahl. — bol'b§ Zufall. •— lcrab§ Haken, Hirten
stab. — skab§ Geier. — karb§ Geier Kul. 140.
342
Meyer.
Wörter auf -fg.
a) Lateinische und romanische:
tufg troupe d’hommes, troupeau Doz., it. tuffo, frz. touffe
Mi. — qriffa Plural, fentes, asperites Rlid. Lex. 93, frz. griffe
Kralle, Diez II, 330.
h) Türkische:
kalfg Kul. 41 [i.vti-qvric,, türk, kalfa Handwerksgesell.
c) Albanesische:
Tiafg, g. tsaf Jungg 10, Pulj. 151 Hals.
Wörter auf -vg.
a) Lateinische und romanische:
provg Prüfung, lt. proba Mi.
b) Griechische:
favg Bohnenbrei, ngriech. cpaßa, aus lt. faba, Kul. 40. —
fbevg Ader, ngriech. <yAsßa Kul. 40.
c) Slavische:
kovg Schöpfgefäss, serb. kova Schöpfeimer. — kurvt} Hure,
serb. kurva Mi. — brav Schloss Jungg 10, serb. brava Schloss.
d) Türkische:
davi} Process Kul. 90, türk. dava.
e) Albanesische:
javi} Woche: jav Jungg 12. — prevg Strasse (aus serb.
prevesti übersetzen gebildet?).
Wörter auf -mg.
a) Lateinische und romanische:
arm§ Waffe, lt. arma Mi.: arm§ Doz.; Kul. 148; arm
Jub. 56; Jarn. 3. — brime, Reif, lt. bruma (nach Mi. aus
pruina). — pem§, Jungg pem Obst, lt. pomum Mi.: pemt} Krist.
Matth. 7, 18 g., t.; Pian. pem ebenda Scut.; Jub. 110. pemgra
Krist. lor. 4. —• forme, Gestalt, lt. forma Mi. — gurmg Kuh,
gurrrig Krist. Gr. 16, Doz. 1, 143 Spur, it. orma; g- im Anlaut
wohl aus j-, vgl. mgriech. voupva urna. — kresmg Fastenzeit,
lt. guadragesima Mi. — skumg Schaum, it. schiuma Mi. — aromg
Arom, lt. aroma, wegen der Betonung nicht aus griech. cipogct.
— rame, Kupfer, it. rame, Kul. 58, Krist. Icz. im Glossar. —
tsurmg Haufen Kul. 110, it. ciurma, zunächst wohl aus ngriech.
zzo(>p\j.a. —
Albanesische Studien I.
343
b) Griechische:
vromg Gestank, ngrieck. ßpwpa. — pgrmg Buchstabe, griech.
Ypagga Kul. 40; gramm$t§ Rhd. Anth. 12. — kprme Leichnam,
griech. xopp.5<;? — Skim§ Plan, griech. a^p.a, Kul. 84. — davm§
Wunder, 9a'jp.a: 6dvmgra Act. 2, 43 Ath. — stromy Lager, Bett,
ctpüp.a: strdmera Act. 5, 15 Ath. —ßm§ yfoV Alf. Konst. 44.
— dumja,m§ Weihrauch, Oup.tap.a: 0umjamg Apoc. 18, 13 Ath.
()ttmjdm§ra Apoc. 8, 3 Ath.
c) Albanesische:
pr$m§ Abend Kul. — fkam§ Epilepsie. — giism§ halb. —
kromQ Krätze. — eme, Mutter. Ein weit verbreitetes Wort,
s. Weigand unter Amme. — me,m.§ Mutter. Vgl. lt. mamma u. s. w.
Nach Mi. lt. Lehnwort. — berdarne Kern der Baumfrüchte. —
keine Tenne Kul., g. käme H., kam Jungg: kam Jungg. lamna
Jungg 23. /'gmgng H.; Cam. 1, 199; Rhd. 8. k§m§ri Doz. limehe
sic. Cam. 1, 199. — mötr§m§ Kul. 94 p.ap.g^, 104 Freundin; bei
H. mommg. — brum% Brühe, Sauerteig H.: brüm§ra v.ogpdna
T.po'Oj\j.’.a Rhd. Lex. 47. — dasrne Hochzeit: dasrne, Doz. — gem§
Zweig Scut. Matth. 13, 32. —
Bildung mittelst eines Suffixes -?ng aus Verbalstämmen
zeigen deutlich z. B. bime Pflanze, jpmg Trank, frim§ Haucli,/ofm«
Stimme, krizmg Knirschen, ndieime, Sinn, pertipme das Kauen,
p§stimQ das Spucken, dirmg Stimme, binm§ Natur, ndihmfy Hilfe,
cZn’Owig (wohl dri$m§) Furcht. —Mit-mg (vgl. S.303) sind abgeleitet
z. B. sk§pe,time, Blitz; «efgtmg, g. vetim Jungg 11 (Plural vete,-
tim§ra Krist. itrr. 50, Apoc. 4, 5 Ath.) Blitz; g§rfi§tim§ Donner
Kul. 50 (</gmg dasselbe, Raps. 23); bubulime, Donner Krist. Lt. 50.
Wörter auf -ng.
a) Lateinische und romanische:
pun§ Arbeit, lt. poena (u wegen des Labials); mit xövo;
hat das Wort nichts zu thun: pun§ Krist. Matth. 11, 2 g.; Doz.;
Krist. Lt. 49. pun Jungg 107; Jmit. 9. pungra Doz.; Alb.
B. 177 ; Kul. 68. — lang Chinarinde Kul. 41, it. china. — pu-
tgng Hure Kul. 55, it. puttana. — stune Samstag, Saturni (dies)
Schuchardt 251. — lan legnaine Jungg 12, it. legno. — fem§ne
Lecce 9, femiiQ Rossi Gr. 14 /mgrg Krist. Gr. 16; Doz. Frau,
lt. femina Mi. — rugina Strassen Scut. Matth. 3, 3, von lt. ruga.
— dotrina Lehren Scut. Matth. 15, 9. — perna Perlen, Matth.
344
M e y e r.
7, 6 Fräse., Pian., sic. perna Perle. — g. veng, t. verg (verg H.)
AVein, lt. vinum Mi. ■— g. kumön Jungg, Rossi, t. kumburg Kul.,
kgmborg Rhd. Anth. 45 Glocke, H. Viehschelle, lt. campana Mi.'
b) Griechische:
stamng Kuh, stomnat Alb. B. 70 Krug, vgl. o. stambg.
— limosng iXev/pwcuvT] Kul. 108, zunächst aus ital. limosina. —
miühgong Ameise Kul. 138, Doz. S. 58 (Doz. auch meXingohg),
tsak. lingoni, melihgöni, auf Kephalonia lingoni. Deffner, Tsako-
nische Gramm. 78. p.eXtfY° vl auch in Messenien und Kreta nach
Politis im AeXuov ri;; tcTOpt/% •/.«! e0voXoYi‘/ü)? excapiaq vgq 'EXXäBo?
(Athen 1883) I, 100. — Tdkgna g. Krist. Gr. 8, t. ldkgra Kul.
110, Rhd. Anth. 52, Sing. Jakgrg Doz., Alb. B. 22, l’akr Pitre
289, griech. Xd'/avov. — Griechisch ist auch das Suffix g. -smg, t.
-sirg (Krist. Gr. 20), z. B. gmblgsirg Slissigkeit, kal'bgsirg Krist.
Fäulniss, eggrsira les betes sauvages Doz., kotysira Nichtig
keiten Krist. icx. 108, lag§sir$ Feuchtigkeit H.
c) Slavische:
bastina Erbthümer, Jarn. 3. Mi.
d) Türkische:
sahana Schüsseln, Jarn. 10. — hazna Schätze, Scut.
Matth. 6, 19.
e) Albanesische:
anQ Ende, [J.kpoc: g. änet an Scut. Matth. 2, 22. 15, 21.
änvet Stier. — än Sg. ungebräuchlich, Gefäss: en Jungg 24.
ön Scut. Matth. 12, 29. eng Krist. ebenda g., t.; Doz. Bei
Kul. 41 Singular eng, Plural ena. — kukuving Eule Kul. 49. —
trohang Klappe, Glocke Kul. 50. 122. — h§n§, g. han Mond,
vgl. ai. candrd-, — (lang Gehölz Kul. 74; Alb. B. 178; saure
Kirsche, Rossi Gr. 13. — lialkang Kranich Kul. 120. — nan
Mutter Jub. 48. — gylpäng g. Krist. Alf. 18, t. gylpgrg Krist.
ebenda t.; gglpgrg Kul. Nadel. — oelpin Rossi Gr. 339, Welpen 342,
oekpgna Krist. Matth. 8, 20 g., t. lelpgrg Krist. Gr. 16, 5elpra
Matth. 8, 20 Fräse. Fuchs. — g. gersän Jungg 12, t. ggrSgrg
Scheere. — bekgrg H., g. 0efa?n Roggen, it. segala Schuchardt 248. —
mökgrg Mühlstein, it. macina Mühlstein aus machina Diez 2, 43. Mi.
AVörter auf -ng.
a) Lateinische und romanische:
. rgng AVurzel, nach Mi. aus radica (?). — fglJHhgtg die
Kinnbacken Rhd. Anth. 37, vgl. o. fglM. — k§Sten§ Kastanie
Albanesische Studien I.
345
Khcl. Anth. 42, 1t. castanea Mi. — tej aus *teng Holzwurm,
Jungg 11, lt. tinea Mi. — seng Zeichen, it. segno Mi.: sehe
Scut. Matth. 16, 4; sehe Krist. ebenda g. t. (sihdjetg ebenda
Pian., sihale Fräse, von it. segnale, sic. signali); sehg Krist.
Luc. 1, 22 g., t. — skrohg Schrift, von sltron aus scriio Mi.
— foshg Wickelkind, von lt. fascia. ■—
b) Slavische:
robiha Sclavinnen Act. 2, 18 Ath., serb. robinja serva.
— Hieher auch Skin greca di religione Jungg 11, eig. skin,
von SUa s. o. —
c) Albanesische:
bring Seite: bring cötes du corps, brina precipices Doz. —
zohg Frau g. zoj Jungg 11 Madonna; von zot Herr. — ski-
pohg Adler Krist. Luc. 17, 37 t. von Skip. — ulkorig lupa
Rossi. — trimohg Heldin, A Dora d’ Istria gli Alb. 69. — mis-
kohg Mücke Ii. Das Suffix -ohg ist schwerlich aus slav. -ynji
entlehnt, wie Mi. will.
Wörter auf -rg.
a) Lateinische und romanische:
arg Feld, lt. area Mi. —farg Same, Geschlecht, it. fara,
langob. fara Mi. — erg Luft, it. aria Mi.: erg Matth. 7, 25
Pian., Fräse, ergna g. Gewürze, PL; Krist. Gr. 8; Matth. 7, 25 g.
erna ebenda Scut.; Jungg 23. ergra H.; Doz.; Krist. a. a. 0. —
keprg Tiexaupov Kul., ikOJSia Alb. B. 56, lt. capra, vgl. Mi. —
kyprg yakv.be, lt. cuprum Mi. — banclierg Fahne, it. bandiera.
— org Stunde, lt. hora. — futurg Gestalt Krist. Igt. 26. 124,
ftur Gesicht Jungg 12, lt. *factura Mi. 2, 80 (2, 24 falsch zu
fades'). — kokra Kugeln Jub. 37, grani Jub. 102, Früchte
Jarn. 19, zu coccum Mi. — kdmara cubicula Stier, lt. camera
Mi. — finestra P’enster Raps. 32, it. finestra Mi. — Tundra Fahr
zeuge Krist. Luc. 5, 2 g., t., lt. Unter, hinter Mi. — kanistra
Körbe Krist. lax. 29, lt. canistrum Mi. — lettra carte Jub. 82,
it. lettera Mi. — verg Frühling, lt. ver Mi. — merkurg Mitt
woch, lt. Mercurii (dies) Mi.
b) Griechische:
prorg Kul. x:pd)pa. — ankistrg Kul. ä-puaxpov. — sidzer tg
randa schwere Ketten, Jub. 94, sidzirt Jub. 98 ci'Sspa, cib-gpa. — borg
346
M e y e r.
Dörfer Matth. 14, 15 Pian. '(org Stier, görg Raps. 76, /wpa. —
sinorg Grenzen Alf. Konst. 50, sinuret ebenda 61, "x cüvopa,
zunächst wohl aus türk, sinor entlehnt.
c) Slavische:
vedrg Eimer, Mulde, serb. vedro, vedrica Wassereimer Mi.
d) Türkische:
sofer Tisch Jungg 11, sofra Tische Scut. Matth. 21, 12,
türk, sofra. — tsädra Zelte Scut. Matth. 17, 4, türk, cadyr.
e) Albanesische:
borg Schnee. — vatrg Herd, vgl. rum. vatrg usw. Cihac 2,
721. — vgrg Loch. — baürg Narcisse. — bustrg Hündin. —
firg Bodensatz, Schlacke (vgl. lt. exfir purgamentum, Fest. 79?). —
fierg, Qierg Linse. — kodrg Hügel, Klippe, vgl. rum. codrü foret,
bois. — herg Zeit. — zgmgrg, g. zemer, zemr; zembrg Alb. B. 60,
Cam. Herz. — derg Thür: dier Rhd. 8; Stier; Matth. 16, 18
Fräse., Piana. duer Krist. ebenda g., t.; Gr. 17; Doz.; H. t.
dur H. g.; Scut. Matth. 16, 18; Jungg 13. Zu ai. dvär- dur-,
got. daura-, asl. dviri, dvorü, lit. dürys, griech. 06pa, lt. fores
Curtius 258. — dorg Hand: duar Kuh 106. 140; Rhd. 8; Doz.;
Krist. Gr. 17; H. duaritg Act. 19, 6 Ath. duer Jub. 56; Krist.
Matth. 15, 20 g. duorsit Conf. 21. dur Jungg 13.; Scut. Matth.
15, 20; H. g. (dürg). Vgl. griech. äöpov, oapi? Spanne, ir. derna
the palm of the hand. — miekrg Bart, mnekrg Rhd. Lex. 109;
vgl. lit. smakrä Kinn, ai. cmacru- Bart. — hüogrg, Plural hubra
Krist. !ut. 65 Knoblauch, wohl Weiterbildung von liubg für *hurbg,
vgl. ubgrön = urbgrdh Doz.; vgl. cy.cpoäsv. — ß(j§rg Lolch, aus
ngriech. x!px? —pasgkirg Spiegel. — pTehurg Gewebe, Pluralpgl'hu-
rgra Krist. Alf. t. 24. —• ferner Kniekehle Ro. Gr. 328.
Qgmbgrg Ferse Doz., Üembra Ro. Gr. 328, vgl. Qündgrg dasselbe
Doz. — birg Loch Jub. 74. —• dndgrg g., gndgrg t. H. Traum,
Plural andra Jub. 84, andgra Krist. Act. 2, 17 g., gntgra
ebenda Ath. Traum, vgl. o'/v.poq. — motrg Schwester, motgrg
Krist. Gr. 16. Vgl. ai. mcitdr- usw. — rgpirg Abgrund,
Doz., rgpira steile Abhänge Krist. laz. 52, vgl. Mi. Rum.
Unters. 1, 43. — karg männliches Glied H., auch kar-i. Vgl.
zigeun. kar penis Mi. Mundarten und Wanderungen der Zi
geuner VII 73.
Albanesische Studien I.
347
Wörter auf -rg.
a) Lateinische und romanische:
furg Ofen, lt. furnus Mi. — karg, kerg Wagen, 1t. carrus
Mi. — Sarg Säge, lt. serra Mi.
b) Griechische:
forg Süvapu?, opii:/] Kul. 40. 78, <sopd.
c) Albanesische:
arg Nuss, vgl. asl. orachü. — barg Last, zu ai. bliar usw. —
korg Ernte. — erg Finsterniss. — zöfg Doz.; Ro. Gr. 329 Darm.
verg populus alba Stier.
Wörter auf -lg.
a) Lateinische und romanische:
balg Ball, it. ballo. — velg Segel, lt. velum Mi. — pralg
Fabel, lt. parabola Mi. — fale Fehltritt Kul. 41, zu it. fallire
Mi. —fiolg Flasche, mit. phiola aus cpiäXr). — pistolg Kul., pistolg
Rhd. Anth. 48, piskolg Alb. B. 72 Pistole, it. pistola. — skrü-
pulg Kul. 104, lt. scrupidus -um. — spelg Höhle, aus lt. spelunca
Mi. — molg Apfel, lt. malum Mi. — spdtulg Schulter, lt. spatula
Mi. — sketulg, sietul Jungg 11 Achselgrube, lt. spatida Mi. —
solg Sohle Krist. Gr. 17, lt. solea Mi. — mgsalg Tisch, 'von
mensa Mi.: mgsdlgra Act. 6, 2 Ath. — skalg Stufen Act. 21,
35 Ath., Krist. g., lt. scala Mi. — skdndula lt. scandala Krist.
Rom. 16, 17 g. — aikula Adler A Dora d’Istria gli Alb. 108
sic., aikula Matth. 24, 28 Piana, sic. aicula — it. aquila Traina.
b) Griechische:
kilg Höhlung Kul. 41, v.ou.o'i. — stul Säule Jungg 10,
ctuaoc. — ioulg Krist. icx. 124 Götzenbild, siäwXov. — vivlg Buch,
ßißXoq: vivlgra Alf. Konst. 23.
c) Slavisch ist: palg Degen, Schwert, Kul. 39, serb. pala
Pallasch, bulg. pala la dague.
d) Türkische:
kul Turm Jungg 11, türk. kule. — sumyla Hyacinthen
Jub. 66, türk, sumbul. — mahdl contrada Jungg 12, türk, ma-
halle Stadtviertel.
e) Albanesische:
geig Nahrung: cjels (dells) Jarn. 16. yelgra Doz. Vgl. mrum.
geig Speise Mi. R. U. 2, 14. — kolg Husten. — folg uopxv]
Kul. 40. — vetulg Augenbraue. Vgl. serb. vedja, bulg.
348
M ey er.
vezdü Augenbraue. —- stiel§ Haspel Kul. 74. — Mule,, Pulj.
142 oftul Essig. — griz§l Jungg 11 Elster, vgl. grifsQ H.,
gris-ja Ro. dasselbe. — ünegl Ameise Jarn. 9. — strdkulg
Hoble Krist. Mattb. 8, 20 g. — pula marques, Doz. Lied. 102.
— kepala Wimpern Doz. Lied 118. — bal§ Stirn,, s. o. bal-i.
— bumbale Wespennest Kul. 54. — kal§ Werkzeug Kul. 58.
Wörter auf -X§.
a) Lateinische und romanische:
bibl'§ Buch, 1t. biblia, Kul. 38. — vigX§ Wache, lt. vigilia,
Kul. 39. — puX§ Henne, zu lt. pullus Mi. — /erfg y.xuXöc Kul. 40,
lt. ferula. —goX§; Jungg 12, Jub. 90 goj Mund, lt. gula Mi. —
ksiXg Unterhaltung Kul. 41, lt. consilium Mi. — SkgndiXg Funke
Kul. 50, lt. scintilla Mi. — bQtal'§ Schlacht, it. battaglia. —
fgmity Kul. 76 Familie, lt. familia Mi: f$mij§ und fymijqra Alf.
Konst. 102, fimijat i fanciulli Conf. 55. fmi Söhne Jub. 60,
Scut. Matth. 2, 16. — seid Sättel Raps. 26, lt. sella,. — &aX§
Schenkel Kul. 148, lt. sella Mi. — ksule Mützen, Rhd. Anth. 10,
mit. casula Mi. — tgmbld Schläfen Doz., lt. tempora Mi. —
kural'a Korallen Raps. 102, it. corallo.
b) Griechische:
vuXp, Siegelring Kul. 39, Apoc. 5, 1 Ath., ngriech. ßouhXa
aus lt. bulla, das in buXa Krist. Apoc. 5, 1 g. aufgenommen
ist. — kanila Lampen Scut. Matth. 25, 1, ngriech. -mväv^Xa jius
lt. candela. —
c) Albanesische:
biX§ Tochter, bia Scut. Matth. 14, 6, Plural bij§ oft, vgl.
bir Sohn und lt. filia. — vaX§ Woge: vaX§ Krist. Matth. 8, 24
g., t., vgl. Cihac 2, 443. — vie/'§ Weinlese Kul. 39, von viel'
herbsten, vgl. lit. valyti das Getreide einbringen, valtis Rispe,
pr. wolti Aehre. —pel'§ Stute. — falf Begrüssung. —fial’§ Wort:
fial'$ Krist.; f§jal'§ Krist. tox. 71; fial'qra Apoc. 13, 5 Ath. —
6er« kleine Stücke Raps. 74. — gald corbeaux Alb. B. 189. —
araveXa inoineaux Alb. B. 189. —• lial'a Schuppen Krist. Act. 9,
18 g. — ’besfXq Niere, veseja Apoc. 2, 23 Ath., vgl. g. veiha u. o.
S. 73 veSe. —- brih§X§ Seite Kul. 52. — vrds§X§ Mord Kul. 53. —
püp§l§ toütlOuXov, Flaumfeder Kul. 53. —- esgfg nüchtern Kul.
53. — bdgtff ßo'jy.oTcpsq Kul. 52.
Es folgt die Darstellung der verschiedenen Pluralbildungen.
Albanesische Studien I.
349
Plurale auf 4.
Bei den Masculinis ergibt sieb zunächst 4 als eine weit
verbreitete Endung. Dieses 4 erscheint unalteriert in einigen
wenigen älteren Formen, die Lecce anführt: tsarki turi Türken
tscirdehi barki, ausserdem in dem ohne Quelle bei Catn, stehen
den itffi und in püki bei Rhd. Alle Formen sind richtig mit
-lei zu schreiben, wie es Cam. thut. In grösserem Umfange hat
sich das 4 beim Antritt des bestimmten Artikels -t§ gehalten:
pestSit krüskite miislcity thrkit§ turtsit bujkitg viskitQ bristSit§ ipo-
kritit dreitit butit hdsmitQ ma'vmity pieppit emgmte vorfnit Skie-
punit güritQ dj§rit vietpit§ mieStrit diemnit §ng§Tit unkej/it Sekulit
diSipulit voglit vlazpiit; dann bei den Pluralen auf -Qsite und
-asite und denen auf -§zit. eksetasit Doz. kann directe Herüber
nahme von E^cidcät? sein. Ebenso halte ich das niagi in der
g. Matthäusübersetzung des Krist. = madzi in der Scutariner
für direct entlehntes lt. magi. Sonst ist 4 nur noch in seinen
Wirkungen auf vorhergehende Consonanten erkennbar. Aus
lautendes -k wird zu -lt: fik mik anpnik vik Sok tsurk pisk
kruSk turk bujk stink tirk dirk ul'k visk. Dies -k kann in g.
Mundarten zu -tS werden: fits anmits pests turtS buVts brists.
Ebenso wird -g’ zu -g: preiig. Auslautendes -l wird zu er
weichtem -T: filjSoT buel' deT kertsel’f§§el'kukuT r§köl'; auch MT
gehört hieb er, wo das ursprüngliche -l von bir hervortritt.
Häufiger hat sich das -T in -j umgesetzt: didj gardindj breviaj
misdj tsakdj kapruaj buaj truaj kiej pigej dej kertsej fuej fpi-
duej bij (bl) fij uhgij Qp’igij ketimij uj puj apostdj rdzöj enguj
turtuj iüuj disepuj skanduj maskuj Sekuj popuj tempuj famuj
kuhguj brumbuj tranguj akuj. Ebenso auch l'epuj von lepur, vgl.
turtuj von turtul, aber lt. turturem. Ebenso wird auslautendes
-11 zu erweichtem -n: mpi ze/ii Sulpi •dreh pen pre.ii (von p§rua)
vgeh fjkin Tin fTörin kuspdh mulin (ujlih brih hin min gih palöh
dragöh kapuh ftoh pproh petiköh pokqtoh krön Ooh liuh druh guh
gTun. Dies -h kann sich in -j umsetzen und dies -j mit vor
hergehenden 4- zu -i- zusammenfliessen; die Schreibung -oi
in gegischen Quellen ist -oj aus -oh (vgl. die abgeleiteten Verba
auf -oh oder -oj, wo man g. auch oi schreibt). In g. Mund
arten hat der Nasal oft in der Nasalierung des vorhergehenden
Vocals eine Spur zurückgelassen. So z. B. publikdj tsobdj vläj
Tuäj pgj p§j] dragoj dzaköj Imoj Tkoj ftoj l'ahgöj zugoj p§ruj 0oj
350
M e y e r.
kroj pok§toj patlcoj ; glj gij brij; fToA kuS§ri midi lauft ult pori
turl blT gl mi 0t sü sü st.
Ueber den Einfluss, welchen das Plural -i durch Um
lauten eines vorhergehenden -a- zu -e- getibt hat, wird weiter
unten gesprochen werden.
Plurale auf -e.
Eine zweite, bei den Masculinis in grossem Umfang auf
tretende Pluralendung ist -e. Sie tritt an Stämme aller Art
an, z. B. Soke fl'oke nerke sfurke moske piske türke, bujke av/'ake
venetike poganike dislce senduke aske gake; krilce lmke keTke Spinake
peleke; arge strige toge; cdie krähe; state fate Spirte mote pTeste;
re Oe vioe garoe; Tise pTise vise sese kose vese ruSe m§ze breze loze;
piepe nipe tvupe rape grepe ripe; plumbe Slcembe korbe o$mbe
gtymbe krimbe; deine kurine -ime; fustane kene Tficere nune pirune
gitone plemone drone staue zakone mane dimyre em§re hire bl'ire
gire g§re; pare numure mure tere potire obore bare gomare bire
gure plore kere rare ziare bere mofe kure; kanale metale pule
Skandale famule strale bale male sile dkule dvule; gebe mel'e mbole
kraTe tel'e male. Nur einem Zuge von Formencontamination
ist es zuzuschreiben, wenn diese Endung -e auch an Formen
erscheint, an denen die Wirkung des Pluralsriffixes -i deutlich
erkennbar ist; Formen wie fike enthalten ein doppeltes Plural
suffix. So z. B. fike Take muke Selke Selge tSarke piske turke hake
dufeke barke, termetSe bultSe hatse tSardatSe maratse odzatSe
sakatSe dzatse; bürge harge präge; fiTe il'e apostole strale, zaje
kieje deje hege fueje fije uje pvje apostoje Soge; dripane gilpaüe
girpane pqrehe pe/rohe ftohe kröne buhone zugohe.
Ich glaube, dass von diesen beiden männlichen Plural
endungen nur eine echt a'lbanesisch ist, nämlich -e, während
-i aus dem Lateinischen stammt, -e aber führe ich auf -ai zu
rück und setze dies gleich dem litauischen -ai in vilkai. Es
ist dies die ursprünglich der pronominalen Declination an-
gehörige Endung -oi der -o-Stämme, ai. te = to!, griech. Xj'/.o;,
lt. lupl, asl. vlüci, air. fir. Südeuropäisches o erscheint im
Älbanesischen, in Uebereinstimmung mit dem Litauischen und
Germanischen, als a (vgl. z. B. aSt Knochen ai. dsthi- lt. os
griech. ögteov; natg Nacht ai. näkti- lit. naktis got. nahts lt. nocti-;
pas nach lit. paslcvi lt. pos, ah Buche an. askr griech. äijori,
Albanesische Studien I.
351
lamb ogmb Zahn lit. Zamba griech. y5|j.<boz)- demnach haben wir
auch für südeuropäisches -oi im Alb. -ai zu erwarten wie im
Litauischen und Germanischen. Dies -ai ist zu -e geworden,
wie z. B. in stelc-gu Eingang = got. staiga—. Von den -o-,
resp. alb. -a-Stämmen ist dies -e auch auf die übrigen, ur
sprünglich consonantisch auslautenden männlichen Stämme über
tragen worden.
Plurale auf -a.
Eine dritte Endung des männlichen Plurals ist -a. Diese
Endung haben die Masculina mit den Femininen gemeinsam,
wo sie bei denen auf -i und -g die regelmässige Pluralbildung
ist. Ich stelle von dem Auftreten dieser Endung an allen Arten
männlicher Stämme einige Beispiele zusammen: kruSlca duska
toska petita unga rfßilca zoga Iceiiga kr aha; beita serita ata vieta
pkesta vgnesta vresta gista strüldia tsunkQa vaOa kuoa eoa keoa
vida pusa meza kgndesa l'isa pl'isa, vrabetsa tSiltsa krastavetsa bitsa
karkaletsa vierSa koSa pruSa dialoSa vitsa mgza gurmaza breza
loza kuriza levriza muriza; pl'epa nipa trapa stapa trupa rapa
grepa ripa plumba korba elba 8§mba Qumba güviba krirnba; Jcurma
dema trima; Icena l'gliena dzahona piepgra aslana mana drara
bre&gra dimgra emna emgra galpra; pena pera brma brira hira
mira gira druna drura pluhura ggra kundra mieStra numgra
l'epra dulbera Sanra bdndgra liekura fura bera fera dera stiera
mora bura; ibula Styla diela gela krala bikbila teka. Dieses -a
halte ich für die ursprünglich nur den weiblichen -a-Stämmen
(alb. -g) zukommende Phrralendung idg. -äs: ai. smäs, osk. pas
scriftas, umbr. urtas anglar, air. tüatha, lit. ränkos, got. gibos.
Die Uebertragung der weiblichen Form auf männliche Nomina
wurde begünstigt durch die Tendenz der albanesischen Sprache
die Grenzlinien zwischen den Masculinis und den Femininis
überhaupt zu verwischen; beide Genera begegneten sich in den
gleichlautenden Pluralen auf -g (s. u.), das Schwinden des aus
lautenden -g im unbestimmten Nom. Sing., wie es besonders
in gegischen Mundarten üblich ist, machte denselben dem un
bestimmten Nom. Sing, der Masculina gleich; dazu kam, dass
auch manche Masculina (z. B. diakg diabg dribg u. a.) ein in
seiner Entstehung nicht immer hinlänglich klares -g im Auslaut
zeigen. Es besteht jedenfalls die Bemerkung des Herrn Jubanv
352
Meyer.
in seiner Raccolta di canti popolari S. 48 zu recht: neli’ alba-
nese non havvi un’assoluta distinzione di genere, e spesso gli
articoli del maschile convengono pure al femminile. Ich lasse
ein Verzeichniss von Wörtern folgen, die als Masculina sowie
als Feminina auf -§ zu belegen sind.
a) Das Masculinum ist sicher oder wahrscheinlich das ältere:
ast-i und a$t§-a H. Knochen. — bretkös-i Alb. B. 9 und
pretkos§-a H. Frosch. — ban-i Ro. und baüg-a H. Bad, it. bagno,
aber serb. banja. — bal§-i Anfang, Spitze und bal§-a Stirn H.,
ai. bliala- msc. — fur-i Doz. und fur§-a H. Ofen, lt. furnus. —
fatsolet-i Ro. Schnupftuch und farsulatg-a Halstuch, it. fazzo-
letto. — grep-i und grep§-a Doz. Angelhaken, vgl. rnrum. gre-
pu. — g r iy-i und griy§ Krist. laz. 25 Herde, lt. gregem; die
Feminina der dritten Declination sind im Alb. Masculina ge
worden. — kar-i und kar§-a II. männliches Glied, zig. kar m.
dasselbe. — lcep§r-i und keprq-a II. Dachsparren, lt. caper (und
capraf). — lier-i und ker§-a Wagen, lt. carrus. — kofin-i, kofl
und kofing-a Korb, lt. copldnus. — krutt-i und krulc§-a Kreuz,
lt. crucemi — Jcur-i und Icur§-a Rotz, türk. kyr. — /wd0-oi und in
Borgo Erizzo l'ivada Wiese, ngrieck. Aetßaot, das zweite aus
serb. livada f. Wiese. — moüs-i Ro. und molitsQ-a Motte, serb.
moljac, bulg. molec m. — mantil-i und mantil§-a Cam. gualdrappa,
it. maniile. — misdl-i Ro. und mgsaltj-a H. Tischtuch, lt. mensale.
— paZ-i H. und pas-a Ro. Klafter, lt. passus. — pulümp-bi und
p$lumb§-a Taube, lt. palumbes, daneben palumba Mi. —- remb-i und
rem§-a Zweig, lt. ramus. — ret-i und riet§-a Netz, lt. rete. ■— stan-i
H. und stan§-a Cam. Schafpferch, serb. stan m., ngriech. otovi. —
S§ntet-i und Z§ndet§-a Cam. Gesundheit, lt. sanitatem. — sit-i Ro.
und sity-a Sieb, serb. bulg. sito n. •— tel'-i und tety-a Fensterkreuz,
ngriech. xiXt aus dem Türk. — tsap-i und tsap§-a II. Schritt, serb.
stap m. — liaps-i und Jiaps§-a H. Gefängniss, türk, liaps.
proflt-i und profet-a, das erste aus Trpocfprfi, das zweite aus it.
profeta, sowie korsul-i Ro. und kmul§-a H. (dies wohl aus -/.ouuou-
>,äc) Consul, wechseln blos in der Form, nicht im Geschlecht.
b) Das Femininum ist sicher oder wahrscheinlich das ältere:
ar/cg-a und ark-u Kiste, lt. arca. — brum^-a und brum-i
Reif, lt. bruma. — er§-a und er-i Luft, lt. aria. — e§k§-a und
esk-u Zunder, it. esca. — fylkin§-a und feltZin-i Ro. Kinnbacken
Albanesische Studien I.
353
1t. *falcinea. — furkg-a Gabel und furk-u Pfahl zum Spiessen,
lt. furca. — grust-a Ro. und grust-i Handvoll, serb. grst f. —
gung-a und gun-i Unterrock, it. gonna. — kosg-ä und kos-i Sichel,
serb. bulg. kosa — kgsukg-a und kgsül-i Ro. Mütze, mit.
casula. — tafuSk-a und l'arusk-u, lt. labrusca. — kuftg-a und
luft-i H. Krieg, lt. lucta. — lug-u Ro. und lugg-a Löffel, vgl.
lingula. — mbgsikg-a und Plural mbesike Kul. Blase, lt. vesica. —
murgg-a und murk-gu Bodensatz des Oeles, ngriecli. p.oupYa, lt.
amurca. — ngrentsa Raps, und narants-i H. Pomeranze, it.
arancia, serb. naranSa, aber ngriecli. vspavttu. — pensg-a, bl'en-
dzg-a und pkgndgs-i Bauch, it. pancia. ■— pieskg-a und pieslci
Pouqueville, Pfirsich, lt. persica. — rapg-a und rep-i Rettich,
lt. rapa ngriech. pd-a serb. repa. — sportg-a und sport-i Ro.
Korb, lt. sporta. — strigg-a und strik-gu, lt. striga. — sestg-a
und Sest-i Zirkel, Compass, it. sesta. — skrapjg-a und skrap-i
Scorpion, serb. skorpija f. — Salg-a Sattel und Sal-i cintura fem-
minile, lt. sella. — Solg-a und Sual-i Sohle, lt. solea. — $er§-a
und ser-i Streit,' it. sciarra.
Hieher stelle ich auch sen§-a, Sejg-a und sen-i lt. signum,
it. segno. — fatg-a Kul. und fat-i Schicksal, lt. fatum. — kul-
ostrg-a und kulostrg-i, lt. colostrum. — IcSilg-a H. und kgSil-i,
lt. consilium.. — (prasg-ci und pras-i, irpdcovj. Denn die lateini
schen Neutra auf -um sind regelmässig als Feminina auf -g ins
Albanesische libergegangen, was von der Pluralform derselben
auf -a seinen Ausgang nahm, z. B. paskg lt. pasqua, kgngg lt.
canticum, festg lt. festum, fuSat.g lt. fossatum, armg lt. arma,
pemg lt. pomum, veng verg lt. vinum, kuprg lt. cuprum, kanistrg
lt. canistrum, velg lt. velum, skrüpulg lt. scrupulum, molg lt. malum,
(tgmbl’g Schläfe, lt. tempora).
Verschiedenen Ausgangspunkt haben gehabt (ausser den
schon angeführten Tivdi zu Xs'.ßdBc und livada aus serb. liuada,
bau aus it. bagno und bang vielleicht aus serb. banja, ngrentsa
aus arancia und narantH aus vapdvm) ver-i Westwind und verg-a
Frühling, jenes zu lt. ver, dies zu it. primavera; Icandil-i aus
ngriech. zavnjXi und Icgndelg-a aus lt. candela.
Das ursprünglichere Geschlecht ist vorläufig nicht zu be
stimmen in Spes-i Krist. und spesg-a Vogel; petk-u und petlcg-a
Kleidung; fer-i und ferg-a Bromberstrauch, Dornstrauch; Sat-i
Sitznngsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 23
354
Meyer.
und Satg-a Axt; vrestg-i und vrestg-a Kul. Weinstock; parmen-i
Rossi und parmendg-a Kul. Pflug.
Von diesem Gesichtspunkte aus erklären sich auch andere
Geschlechtsvertauschungen, die beim Uebergang fremder Wörter
ins Albanesische zu bemerken sind; Beispiele finden sich in
den früher gegebenen Verzeichnissen von Nominen, ich füge
hinzu tarkds-i Skelett aus it. carcassa.
Seltener ist der Wechsel von Masculinen mit Femininen
auf -e, von dem ich hier auch eine Liste anschliesse: hut-i und
bute-ja Fass, it. hotte. — diep-i und diepe-ja Wiege. — Ze-u
Erde und Ze-ja Erdreich. — et-i und ete-ja (edia Junggj Durst. —
fil-i und fie-ja Faden, lt. filum. — fasül-i und frasule-ja, It.
phaseolus. — fre-r-i und fre-ja Zügel, lt. frenum. — g^g-i und
gridze-ja Ro. Herde, lt. gregem. — kutet-i und kutete-ja Stadt,
lt. civitatem. — kandil-i und kandiXe-ja, ngriech. t.a'n-fjj., lt. can-
dela. — kruk-i und kryke-ja Kreuz, lt. crucem. — Xot-i und
Xodia Jungg Thräne. — ment-di und menne-ja Verstand, lt.
mentem. — mort-i und morte-ja Tod, lt. mortem. — mantil-i und
mandil'e-ja Halstuch, lt. mantile. — mustak-u und mustake-ja
Schnurrbart, it. mustacchi Plur. — nder-i und ndere-ja Achtung,
lt. honorem. — ngafdr-i und gafore-ja Krebs. — pgrint-di und
prindie-ja Vater, lt. parentem. — patS-i und pake-ja Friede,
lt. pacem. — portokdl-i und portokale-ja, it. portogallo. — par-
men-i Ro. und parmende-ja H. Pflug. — sendet-i und Sendetia
Gesundheit, lt. sanitatem. — skrap-i und Skrape-ja Scorpion. —
Sort-i und Sorte-ja Loos, lt. sortem. — siXdh-u und siXahe-ja
Waffengürtel. — tSurap-i und tsurape-ja Strumpf. — turp-i und
turpe-ja Schande, lt. turpe. — urO hurQ-Bi und lmrZe-ja Epheu. —
hafim-i und liarime-ja Vergesslichkeit.
Plurale auf -g.
Eine andere, den männlichen und weiblichen Stämmen
gemeinsame Endung ist -g. Die Feminina auf -g haben dann
den Plural gleich dem unbestimmten Singular. Beispiele sehe
man in dem obigen Verzeichnisse, -g ist in g. Mundarten ge
schwunden, daher tritt dort auch bei Masculinis völlige Gleich
heit mit dem Singular ein. Auch in t. Texten herrscht in der
Setzung des auslautenden -g keine Consequenz, Verwechslungen
mit -e sind häufig, Cam. hat das -g an alle möglichen Formen
Albanesisclie Studien I.
355
angefugt, wo gar keine Berechtigung dazu vorlag. Die betref
fenden Formen sind also nur mit Vorbehalt als richtig anzu
nehmen. Ich lasse einige Beispiele von Masculinis folgen: l'akg
sokg bitiakg poganikg katsekg matsokg zambakg gikg krahg vgdg
prasg veig ügmbg sklavg keng freng angong frong bring drurg terg
gomarg gurg vorg ziarg. Mit geschwundenem -g: anmik tremek
sok fl'ok bitiok pesk pamük bairak bardak zamäk spirt veO paS
gros Tes ves lcen yarpgr mur bar bir gur kiel. Die Plurale auf
4 vom Sing. Nom. auf -l sind ebenfalls durch Schwinden von -g
entstanden. Auch an bereits mit dem Suffix -i geformte Plurale
tritt dieses -g: fikg armikg mitsg zocjg gnygjg turtujg mgrdkuTg ujg
pagong ftotig langong pgrong krghgng krotig 6ong liutig drutig gütig.
Die Erklärung dieses -g ist schwierig. Ich neige mich zu der
Ansicht, dass man in demselben die neutrale Pluralenduns -a
zu erkennen hat, sei es nun indogermanisches oder lateini
sches -a. Im letzteren Falle wäre die Sprache von Bildungen
wie armg — lt. arma Waffen ausgegangen und hätte dann
diese Pluralbildung verallgemeinert. Auch im ersteren Falle
wäre zunächst Uebertragung vom Neutrum auf Masculina und
Feminina anzunehmen, die dem Schwinden des Neutrum im
Alb. voranging.
Plurale mit -n- und -r-.
Weit verbreitet bei allen Arten männlicher und weiblicher
Stämme sind Plurale auf -na -ra, tosk. auch -re -rg -ritg, mit
oder ohne vorhergehendes -g-. Die auf -na gehören nur gegi-
schen Mundarten an.
a) -na: pamukna mretna seitna spirtna seritna detna vitna
eitna diaftna driQna kesna misna orizna korpna el'bna kumna
kemna barna fatselna balna niilna; vojna cena Sina setina ;
bezna Tamna erna krupna vaOna.
b) -gna: tgrmetgna strdtgna hipokritgna dtgna zötgna eStgna
bistgna korpgna hakrepgna kihngna bdrgna; ergna luftgna kdlrgna
tijgna ndjgna.
c) -ra: nipra elpra fiekpra lumra Seitra priftra mbretra
kiftra spirtra ipokritra fsatra zotra estra yistra prindra fisra
rrnSra; cera dera vära naora sira kukuvira vira Stgpira nisira
oiZahira filira istorira vlasfimira m.ayira kurvgrira tsudira pern-
dira mbrefgrira; mesra Ukribra.
23*
356
Meyer.
d) -gra: tgrmet.gr a avkdkgra pespgkgra muzikgra kulukgra
gdkgra ulkgra Ipnggra reggra kenggra ngnggra krdhgra strdtgra
mbretgra mütgra priftgra kiftgra Spirtgra fSdtgra detgra vitgra
zotgra möt§ra eStgra uStgra vgreStgra biStgra gPtstgra kdfStgra
kindgra prindgra vendgra dr&igra htögra piogra bdrsgra ketsgra
■mundäS§ra lesgra lesgra misgra kglusgra laüzgra gäzgra kelbgra
lümgra kdlmgra kilrmgra kengra grürgra bdrgra livangra deste-
melgra dielgra mielgra valgra dikül'gra göl'gra; Tid’gra valgra;
gukgra kökgra kgnggra ruggra griggra gilhgra köhgra ujgra mijgra
murtajgra portgra fletgra kdrt.gr a Rift gra bötgra oetgra pendgra
Tödgra tiogra Spesgra lutsgra kisgra JcgmiSgra tsöpgra pem.gra 0a»-
mgra Strdmgra Qumjdmgra brümgra vetgthngra pungra ergra pel-
hurgra mgsdlgra vivlgra cjelgra fgmzjgra fjdlgra.
e) -gre: üjkgre unkgre ziggre mbretgre priftgre spirtgre
puStgre detgre vügre zötgre üstgre giStgre vendgre Msgre ketsgre
guSgre vitsgre mpgre kdrbgre röbgre labgre nüngre.
f) -§ r §> ~ r §> ~§ r: mbretgrg dtgrg vitsgrg lauzgrg; atrg
giStrg; ulkgr.
g) -nit: Stretnit fretnit kunetnit priftimt priftnit suretnit
mzetnit; dtgnit korpgnitg.
h) -gritg: drekgrite fdtgritg mbretgrit priftgrit ipokritgritg
dtgritg zdtgritg nipgritg röbgrit.
Die vorstehenden Beispiele sind allen Arten von Texten
entnommen, am häufigsten erscheinen diese Pluralbildungen
indess in der Bibelübersetzung von Corfu (Athen) und in den
italienischen Mundarten des Albanesischen. Da g. n bis auf ganz
verschwindend wenige Fälle (z. B. Spgnesg Hoffnung zu 1t. spa
rare, kglogin-i Mönch H. = kgloggr naXofspo?; in kunorg lt. covona
ist Umstellung eingetreten) älter ist als t. r, so muss man bei
der Erklärung von den Formen auf -na ausgehen und darf
nicht, wie das Schuchardt K. Z. 20, 297 that, diese Plural
bildung mit gewissen ital. und rumän. Formen auf -ora, -uri
(über die jetzt am besten W. Meyer, ,Die Schicksale des lateini
schen Neutrums im Romanischen 4 , Halle 1883, S. 48 ff. handelt)
vergleichen. Vgl. Zeitschr. für roman. Philologie VI, 617.
Ich halte die Plurale auf g. -na t. -ra für Analogiebildungen nach
den a-Pluralen von -n-Stämmen wie enina emgra Namen u. s. w.
Wir haben oben diese Plurale als durch die weiblichen Plurale
auf -a beeinflusst angesehen und müssen also z. B. die grosse
Albanesisclie Studien I.
357
Aehnlichk'eit von alb. emna mit bulg. imena Namen (Cankof25)
als eine trügerische bezeichnen. Dies -na -ra oder genauer
-§na -§ra ist zunächst an consonantische Stämme aller Art ge
fügt worden, ähnlich wie sich im Bulg. die Plurale auf -eta
(von -*ent-Stämmen) weit über ihr ihnen von Haus aus eigen-
thümliches Gebiet verbreitet haben: Mi. Vergl. Gramm. III, 180.
Hat ja doch im Alb. die Stammbildung mit -§n -gr auch sonst
weiter um sich gegriffen, s. o. S. 309. Dann fügte es sich auch
an vocalische Stämme, indessen in g. Mundarten nur sehr spär
lich, während in t. die Plurale auf -gm von Femininis auf -g
sehr zahlreich sind. In den Formen auf blosses -na -ra ist -g-
als geschwunden zu betrachten. In oena 8era sira u. s. w.
wurde von Anfang an nur -na -ra angefügt. Nachdem diese
Kategorie von Pluralen auf -gra geschaffen war, trat Contami-
nation mit den Pluralen auf -e, -g und -ifg (s. o.) ein; so ent
standen die Endungen -gre, -grg und -grit§, von denen die beiden
ersten auf die tosk. Mundarten beschränkt geblieben sind. Nur
neben t. grit steht, g. -§nit -nit. priftmi ohne Artikel hat
Lecce 15. Den Femininen sind die Bildungen auf -gre -grg
und -gn'tg fremd geblieben; hier kommt nur -gra vor, jeden
falls wegen seiner Uebereinstimmung mit der gewöhnlichen
weiblichen Pluralendung -a. In g. stretnit fretnit kunetnit su-
retnit sehen wir -nit an einen umgelauteten, also schon durch -i
geformten Plural getreten; ebenso ist -na an f-Plurale angefügt
in stretina Spirtina el'bina; -gra in mddzgra Stretgra zgngra; -gre
in zögere kunetgre; -grg in drüngrtg.
Plurale auf -n.
a) -in: arin barin ggrpin garpin ipokritin kgkin kalbi wigBm
pgrin suvarin sardziii skarpin skgmbin Skopin Stgrpin zotgrin.
Daraus ist -ij -i geworden (vgl. o.) in garpij dzarpi SJcgm-
bij Stgipij Skgpi skopi kgliij zotnij.
-ing: Oelping kaling.
-ine: barine tielpine ggrkine liirine skopine zotgrine.
b) -§n: ggrpgii Tgmgn (l'gmg Tenne) Vamgn pl'gfgii Skgmbgn
skopgn stgrpgn.
-§ng: ggrpgng Tgmgng plgfgng.
-gne: pl'gfgne livigne (von Tgmg Tenne).
c) -en: ggrpeii mffien skgniben; me’iij; Juden.
358
M e y e r.
d) -an: babäh; Radane.
e) -6n: sofort jatrön; jatrong; U§rone.
Die Plurale auf -in sind Analogiebildungen nach den gleich
lautenden Pluralen von Stämmen auf -in wie mulin ulin u. s. w.
(s. o. S. 349). Zunächst lag dieselbe bei Stämmen auf -i (wie
ari bari suvari sardzi) nahe, da die -m-Stämme im unbestimmten
Nom. Sing, ihr -n eingebüsst hatten und so äusserlich den -i-Stäm-
men gleich geworden waren. An sie schlossen sich consonantische
Stämme an, zunächst wohl solche, wo -«-Formen daneben be
stehen mochten; man darf annehmen, dass neben dem Singular
turn Fluss aus flumen eine aus flumina hervorgegangene Plural
form bestand, die zu lum§n umgemodelt wurde; zu skarpin vgl.
lt. scorpiönes, zu g§rpin lt. serpentes; zu perin lt. parentes (hier
hat man von einem aus p§rint entstandenen Stamm p§rin aus
zugehen) ; zu m§bin meben vgl. ai. mahant-, zot§rih zotnij, das
als Plural von zot aufgeführt zu werden pflegt, ist von zotni
zotyri signoria gebildet. Das Verhältniss von -in zu den Formen
auf -§n -en ist nicht klar. Möglich, dass z. B. m§ben von mab eine
alte Form ist (vgl. ai. mahdnt-), die dann durch Analogie zu m§bhi
umgeformt ward. In -en wird -g-, wie sonst oft, aus -a- entstanden
sein. Indem man schliesslich -n als pluralbildend auffasste,
entstanden Formen wie Juden baban sofort von Jude babd sofö.
Plurale auf -gs -§zit§.
Herr Bopp hat in seiner Abhandlung über das Albane-
sische S. 36 das ,in seiner Art einzige* «ergs dem ai. ndras die
Männer gleichgesetzt, und das ist dann von allen, die sich über
diese Form geäussert haben, nachgesprochen worden. Trotz
dem ist diese Erklärung nicht richtig. Die Form ist bereits
oben, S. 339, in den richtigen Zusammenhang gebracht worden,
der sie durchaus nicht als ,einzig in ihrer Art' erscheinen lässt.
Sie ist die Pluralbildung eines Deminutivums, eines Stammes
ner-§z§; dieses Deminutivum hatte, wie das so oft geschieht
und wie aus den zahlreichen oben a. a. 0. zusammengestellten
Beispielen ersichtlich ist, seine deminutive Bedeutung eingebüsst.
Das Suffix -zg oder -gzg scheint ursprünglich männliche und
weibliche Deminutiva gebildet zu haben und die Beschränkung
auf das Femininum eine spätere zu sein.
Plurale auf -lar.
Diese türk. Bildung ist oben, S. 322, besprochen worden.
Albanesische Studien I.
359
Plurale auf -or§ -urg.
oangr ormtftr Bräutigam, Schwiegersohn, bildet Sanür 8an-
dür§ ognture,, wo -ü wohl für -ue- -ua- steht, also aus -o- in ge
schlossener Silbe (daher eigentlich landur) hervorgegangen ists
Das Wort, das mit ai. jwmätar- u. s. w. identisch ist, also
eigentlich 8amtgr lautete, mag früher Casus mit betontem Suffix
gehabt haben, von denen sich in dem Nom. Plur. eine Spur
erhalten hat. Zu seit Seint aus lt. sanctus gehört SgMorg Sgntore.
Dies steht vielleicht für sgntnorg oder sghtrorg und beruht auf
einer Verschmelzung mit Sgntgnuor sanctificans, bei Bogdanus,
von sgntgnon hgntgrön heilige. Unklar ist zgrmurg zu zidr Feuer.
Umgelautete Plurale.
1. -i- Umlaut.
Ein -a- der Stammsilbe wird oft, aber ohne Regelmässig
keit, durch das pluralbildende -i- zu -e- umgelautet. Dieses -i
ist noch vorhanden in tsardeki von tsarddk, Teil von Tale, zborek
von zbordlc, piek und pl'ets von pl'ak, preg von prak-gu, diej von
dial, bueT von bual, karumbel' (unrichtig bei Heldreich karumbid')
von karumbdl, kueT von kal' Pferd (hier ist das v von c(a)vallus
aus caballus im Plural vor dem -e- erhalten; auch kuaT kommt
vor; der Grund des -T im Sing, ist mir unklar), diel' von dial'g
Jüngling (auch dielm, offenbar mit einer neuen Suffixbildung).
Nur an der Wirkung des Umlautes ist dieses -i zu erkennen
in Stret von Strat, dzelet von dzeldt, mzet von mzat, net von natg,
des von das, kets von kats, kulets von kuTdts, tüurep von tsurap,
rep von rap, tsiep von tsiap, sklef von sklaf, geVm von galni;
ke und tse von ka, ske von ska, pare von para, re von ra Band
wurm. Ueber eine dazwischen stehende Silbe hinweg macht
sich die umlautende Wirkung des -i geltend in meskuj von
maskul, sekuj von sakul. Ein Diphthong erscheint umgelautet in
suej von sual.
An solche umgelautete Plurale können andere Pluralsuf
fixe antreten. -e ist angefügt in Teke Tetse von l'ak, tserke von
tsark, geke von gak, berke von hark (die hier mit -ke geschrie
benen Formen sind ungenau auch mit -ke überliefert), strete
von Strat, este zu ast (im Singular auch est, d. h. die umge
lautete Pluralform ist in den Singular eingedrungen), geroe von
gartt-oi, r fepe von rap, trepe von trap, tsobene von tSobdn, riete
360
Meyer.
von natg. Von musteke wird als Singular mustake angeführt. Hieher
gehört auch 0epe, das man als Plural zu skop Stab aufzufassen
pflegt; es ist vielmehr von stap gebildet, wegen des Wechsels
von anlautendem sh- und st- vergleiche man z. B. skie r g und
stiefg Lämmer.
-g ist angefügt in vlehg von vlah, kunetg von kundt, desg
von das, kul'etlg von kubats, tsurepg von tSurap, tsiepg von tsidp,
neig von natg.
-n- und -r-Formen erscheinen in stretina Stretgra von strat,
fretnit von frat, kunetnit und kunetgre von kundt, suretnit von
surdt, mzetnit von mzat, estna und estgra von ast.
Durch das -i scheint auch die Umfärbung von -e- zu -i-
in dirli von dark, brige von brek-gu, stige von Stek-gu hervor
gerufen zu sein. Die Nebenform dirk im Singular, die Krist.
bietet, ist durch Beeinflussung von Seiten des Plurals entstanden,
denn derk Ferkel ist eine Ableitung von der Schwein.
Endlich erwähne ich hier den Plural vlezgn vlezgr vlezgnit
vlezgrit neben vlazgn u. s. w. von vlä Bruder, der in seiner
ganzen Bildung noch nicht klar ist.
2. Andere Vocalveränderungen.
Sehr merkwürdig ist der in einigen Fällen vorliegende
Uebergang von e des Singulars in a im Plural. So bei einigen
Femininen auf -e: ra von re Bandwurm (so Id. und Doz., sonst
Singular ra, Plural re), ra von re Wolke, ra von re Schwieger
tochter, va von ve Witwe. Vielleicht ist hier im Singular ursprüng
liches -a durch Einfluss des im bestimmten Nom. antretenden
-ja zu -e umgelautet worden, also reja aus raja, und das -e dann
auch im unbestimmten Nom. Sing, festgehalten worden. Da
indessen die Etymologie der drei ersten Wörter ganz unklar,
das lautliche Verhältniss von ve zu 1t. vidua auch noch der
Aufhellung bedürftig ist, so lässt sich darüber nichts irgendwie
sicheres sagen. Ebensowenig kann ich eine zufriedenstellende
Vermuthung darüber aufstellen, warum die Plurale raO raOg von
re0 und 6«s 6asg dasgre von Oes ein -a- gegenüber dem -e- des
Singular zeigen, grua Frau scheint für *gro aus *graus — griech.
Ypau? zu stehen, der Plural grd dagegen aus *gräves entstanden
zu sein, so dass also hier eine im Alb. sonst untergegangene
Pluralbildung in einem Reste conservirt wäre.
Albanesisclie Studien I.
361
In duar, g. duer dür von dor§ Hand handelt es sich um
den weit verbreiteten Wechsel von -o- in offener mit -ua- in
geschlossener Silbe, der z. B. das Verhältniss von -tori zu -tuar
beherrscht (s. o.) und hier nicht im Zusammenhänge erörtert
werden kann. Analog ist dier duer dur von der§ Thür; -ie- ist
das ältere, -ue- daraus entstanden wie z. B. in puet neben piet
fragen = 1t. peto. Diese Verhältnisse im Zusammenhänge auf
zuklären bleibt einer späteren Untersuchung Vorbehalten. Vor
läufig vergleiche man Schuchardt 278 ff.
Verzeickniss der Abkürzungen.
Die meisten Abkürzungen in den Citaten erklären sich durch das vor
angeschickte bibliographische Verzeichniss. t. ist toskisch, g. gegisch; Krist.
Matth, t. z. B. heisst Kristoforidis in seiner toskischen Uebersetzung des
Matthäus-Evangeliums. Sonstige häufiger vorkommende gekürzte Citate sind
die folgenden:
Alb. B. Albanische Biene, s. Einlei
tung Nr. 79.
Alf. Konst. Einleitung Nr. 89.
Bianchi. Dictionnaire ture - franqais
par T. X. Bianchi et J. 0. Kieffer.
2. ddition. 2 Bände. Paris 1850.
Bikelas. Sur la nomenclature mo
derne de la Faune grecque par
M. D. Bikelas. Paris 1879.
Boerio. Dizionario del dialetto vene-
ziano di Giuseppe Boerio. 2. edi-
zione. Venezia 1856.
Bogorov. Frensko-bülgarslci i bül-
garsko-frenski recnikü . . . otü U. A.
Bogorova. 2 Bände. Wien 1873,1871.
Brückner. Lituslavische Studien von
Alexander Brückner. I. Die slavi-
schen Fremdwörter im Litauischen.
Weimar 1877.
Cankof. Grammatik der bulgarischen
Sprache von A. und D. Kyriak Can
kof. Wien 1852.
Cihac. Dictionnaire d’etymologie da-
co-romane par A. de Cihac. I. Ele
ments latins. Frankfurt a. M. 1870.
II. Elements slaves, magyars, turcs,
grecs-moderne et albanais. Frank
furt a. M. 1879.
Curtius Gr dz. Grundzüge der grie
chischen Etymologie von Georg
Curtius. 5. Auflage. Leipzig 1879.
Diefenbach. S. Einleitung Nr. 95.
Diefenbach Got. Wörterb. Ver
gleichendes Wörterbuch der goti
schen Sprache von Dr. Lorenz Die
fenbach. 2. Bände. Frankfurt a. M.
1846, 1851.
Diez. Etymologisches Wörterbuch
der romanischen Sprachen von
Friedrich Diez. 3. Ausgabe. 2 Bän
de. Bonn 1869, 1870.
Diez Gr. Grammatik der romani
schen Sprachen von Friedrich Diez.
3. Auflage. 3 Bände. Bonn 1870
—1872.
Donner. Vergleichendes Wörterbuch
der finnisch-ugrischen Sprachen von
Dr. 0. Donner. I. II. Helsingfors
1874—1876.
Doz. S. Einleitung Nr. 90.
362
Meyer. Albanesische Studien I.
drum, daco-rumunisch.
Fick. Vergleichendes Wörterbuch der
indogermanischen Sprachen von
August Fick. 3. Auflage. 4 Bände.
Göttingen 1874—1876.
Fick Spracheinheit. Die ehema
lige Spracheinheit der Indoger
manen Europa’s. Ein sprachge-
schichtlicher Versuch von A. Fick.
Göttingen 1873.
H. Hahn, s. Einleitung Nr. 24.
Hehn. Kulturpflanzen und Haus-
thiere in ihrem Uebergang aus
Asien nach Griechenland und Ita
lien sowie in das übrige Europa.
Historisch - linguistische Skizzen
von Victor Hehn. 2. Auflage. Berlin
1874.
Jub. Jubany, s. Einleitung Nr. 66.
ICav. Kavalliotis, s. Einleitung Nr. 6.
Krist. Kristoforidis, s. Einleitung
Nr. 59, 68—72, 80—83, 106.
Kul. Kuluriotis, s. Einleitung Nr. 105.
K. Z. Zeitschrift für vergleichende
Sprachforschung auf dem Gebiete
der indogermanischen Sprachen, be
gründet von A. Kuhn, herausgege
ben von E. Kuhn nnd J. Schmidt.
Berlin.
mgriech. mittelgriechisch.
M i. Albanische Forschungen von
Franz Miklosich, s. Einleitung
Nr. 65.
Mi. Lex. palaeoslov. Lexicon pa-
laeoslovenico-graeco- latinum emen-
datum auctum edidit Fr. Miklosich.
Wien 1862-1865.
Mi. Rum. Lautl. Beiträge zur Laut
lehre der rumunischen Dialekte
von Franz Miklosich. Wien 1881
— 1883. 5 Hefte.
Mi. Rum. Unt. Rumunische Unter
suchungen. I. Istro- und maeedo-
rumunische Sprachdenkmäler. Von
Dr. F. Miklosich. 2 Abtheilungen.
Wien 1881—1882.
Mi. Vergl. Gr. Vergleichende Gram
matik der slavischen Sprachen von
Fr. Miklosich. 4 Bände. 2 Ausgabe.
mrum. macedo-rumunisch.
ngriech. neugriechisch.
Pictet. Les origines indoeuropeennes
ou les Aryas primitifs par A. Pictet.
2. Edition. 3 Bände. Paris 1877.
P o p o v i c. Recnik srpskoga i nemac-
koga jezika. sastavno D’orcTe Popo-
vic. 2 Bände. Pancova 1879, 1881.
Pulj. Puljevski, s. Einleitung Nr. 75.
Raps. Rapsodie, s. Einleitung Nr. 49.
Rhd. Reinhold, s. Einleitung Nr. 26.
Ro. Rossi. S. Einleitung Nr. 51, 52.
Schuchardt. S. Einleitung Nr. 67.
W. Tomaschek. Damit bezeichne
ich einige mündliche Nachweise
dieses Gelehrten über türkische
Lehnwörter.
Traina. Nuovo vocabolario siciliano-
italiano compilato da Antonino
Traina. Palermo 1868.
Weise. Die griechischen Wörter im
Latein von 0. Weise. Leipzig 1882.
Zeitschr. für österr. Gymn. Zeit
schrift für die österreichischen Gym
nasien.
Neman ic. Cakavisch-kroatische Studien.
363
v
Cakavisch-kroatisehe Studien.
Von
D. Nomanie.
Erste Studie. Accentlehre.
Vorwort.
Seitdem ich, nun bereits fiinfthalb Jahre, mitten im Volke
lebe, das den cakavischen Dialekt spricht, war meine Aufmerk
samkeit fortwährend auf die mannigfachen Eigenthümlichkeiten
dieses Dialektes gerichtet, welche, weil für mich neu, mein
Interesse stets rege erhielten. Und so fasste ich denn auch
bald den Entschluss, möglichst viel Material zu sammeln und
dann auf Grund desselben eine Darstellung des gegenwärtigen
Zustandes der Sprache, vorläufig mit Ausschluss alles dessen,
was dazu aus älteren Sprachdenkmälern herangezogen werden
könnte, zu versuchen. Die Resultate meiner diesbezüglichen
Studien fange ich hiemit an, dem gelehrten Publicum mitzu-
theilen. Dabei bin ich nun zwar überzeugt, dass die bisher
erzielten Resultate meiner Arbeit in Anbetracht der langen Zeit,
seit der ich diese Studien betreibe, Manchem als geringfügige
erscheinen werden, zumal da sich überdies meine bisherigen
Studien nur auf die Sprache der Bewohner der nordöstlichen
Hälfte Istriens (einschliesslich Liburniens und der Insel Veglia)
und des kroatischen Küstenlandes erstreckten; dies hält mich
jedoch nicht ab, mit der Veröffentlichung derselben hiemit an
zufangen, da ich erstlich weiss, dass Dialektforschungen für die
Weiterentwicklung der Slavistik nach mehr als einer Richtung
wünschenswerth, ja nothwendig sind, und ich deshalb hoffen
darf, dass meine Studien, wenn schon keinen grossen, so doch
364
Nemaniö.
wenigstens einigen Dienst der Wissenschaft leisten werden;
da es ferner in Anbetracht des Umstandes, dass ich einerseits
ohne alle specielle Vorkenntnisse unter das diesen Dialekt
sprechende Volk gekommen bin und erst durch sprachliche Eigen-
thümlichkeiten in den schriftlichen Aufsätzen meiner Schüler
darauf aufmerksam gemacht werden musste, dass ich mich nun
auf einem neuen Sprachfelde befinde, und ich mir andererseits,
um sicherer zu gehen, von allem Anfänge an vorgenommen
hatte, in meine Materialiensammlung nichts aufzunehmen, als
was ich entweder selbst aus dem Volksmunde hören oder was
mir von Personen mitgetheilt würde, die den Dialekt zu ihrer
Muttersprache rechnen oder doch in ihrem vieljährigen un
mittelbaren Verkehr mit dem Volke genau kennen gelernt haben,
so dass ich ihren Angaben volles Vertrauen entgegenbringen
zu dürfen glauben musste, wohl begreiflich erscheinen wird,
dass ich bisher nicht viel mehr thun konnte, als ich gethan
habe, und da ich schliesslich meine Studien auch künftighin,
so lange es mir möglich sein wird, fortzusetzen wünsche und
die Hoffnung hege, dass, wenn etwa der Anfang zu wenig
glücklich sein sollte, ich bei fortgesetzten Studien die ersten
Resultate ergänzen und etwaige Irrthümer werde berichtigen
können.
Meine Kenntnisse des Dialektes nun beruhen theils auf
meinen eigenen Beobachtungen, theils auf mündlichen Mitthei
lungen verschiedener Sprachkenner, an die ich mich gelegentlich
um Auskünfte wandte; namentlich muss ich als meine Förderer
hier öffentlich dankend erwähnen die Herren: Fr. Mikulicic,
Caplan, früher in Buccari (Bhkar), jetzt in Portore (Kraljevica),
der gelegentlich meines kurzen Aufenthaltes in Buccari im Au
gust 1880 die Güte und Geduld hatte, mir die Betonung aller
in seinem Büchlein: ,Narodne pripovietke etc.‘ vorkommenden
Wörter und Formen anzugeben, was mich in den Stand setzte,
von nun an den Wortaccent nach der Aussprache des gemeinen
Volkes mit grösserer Sicherheit zu fixiren, als ich dies früher thun
konnte; M. Oriic, mein gewesener Schüler, jetzt Theologe des
vierten Jahrganges in Zara, gebürtig aus Vfbnik auf der Insel
Veglia (Kfk); A. Kalac, soeben zum Pfarrer und Dechanten von
Pinguente (Buzet) ernannt, früher Cooperator in seiner Heimat
pfarre Pisino (Phzin); J. Volöih, jetzt Pfarradministrator in
Cakavisch-kroatisclie Studien.
365
Cerövlje, sowie dessen Köchin Maria, gebürtig aus Zäreöje bei
Pisino. Fremder Hilfe werde ich auch künftighin bedürfen
und empfehle mich einerseits eingeborenen Sprachkennern, dass
sie durch gewissenhafte und verlässliche Beiträge von gram
matischem Material mich, wie bisher, auch bei den künftighin
fortzusetzenden Studien freundlickst unterstützen mögen; anderer
seits bitte ich erfahrene Fachmänner im Interesse der Sache
um möglichst eingehende, aufrichtige und rücksichtslose Be
sprechungen und Beurtheilungen meiner ersten Leistungen, so
wie um wohlwollende Rathschläge für meine ferneren Studien,
die ich stets nach Möglichkeit zu befolgen trachten werde.
Ich veröffentliche zuerst meine Darstellung der Betonungs
verhältnisse und werde dann die Laut- und hierauf die Formeu
lehre folgen lassen, und zwar in dieser Aufeinanderfolge haupt
sächlich deshalb, weil, ich namentlich in der Lautlehre mich
öfters auf die Accentuation werde berufen müssen.
Was nun meine Accentlehre anlangt, so unterscheide ich
zwar eine zweifache Quantität sowohl der betonten als der
uicktbetonten Silben, jedoch eigentlich nur eine Art von Accent,
der, soweit ich das beurtheilen kann, auf der ersten Hälfte der
Silbe liegt, brauche aber, da ich mit der Bezeichnung des Tones
zugleich auch die Quantität der betonten Silbe bezeichnen will,
zwei Accentzeichen, und zwar für lange Silben den Acut ('), für
kurze Silben den Gravis ('), so dass in jedem Falle eine mit
Acut betonte Silbe auch als lang und eine mit Gravis betonte
als kurz sich declarirt; und was die unbetonten Silben be
trifft, so lasse ich die kurzen ganz unbezeiclinet und versehe
nur unbetonte Längen mit dem Zeichen der Länge (~).
Ferner habe ich zu bemerken, dass ich mich in dieser
Studie lediglich auf eine möglichst vollständige Darstellung
der Betonungsverhältnisse beschränke, in lautlicher und formeller
Beziehung dagegen den Wörtern eine möglichst einheitliche
Gestalt zu geben bestrebt war, so zwar, dass ich jedes Wort
m der Form aufnahm, von welcher ich glaube, dass sie inner
halb der Grenzen, bis zu welchen sich meine Sprackkenntnisse
366
Nemanic.
erstrecken, die gebräuchlichste ist; in lautlich oder formell ver
schiedener Gestalt nahm ich die Wörter nur dann auf, wenn
diese Verschiedenheit auch für den Accent von irgend welcher
Bedeutung war; und ebenso habe ich auch öfters ein und das
selbe Wort, wenn es mit zwei verschiedenen Suffixen gebildet
ist, ohne deshalb nach meiner Anordnung des Stoffes von zwei
fachem Werth für den Accent zu sein, dennoch aus dem Grunde
in beiden suffixalen Formen angeführt, weil diese Doppelgestalt
vielleicht für irgend einen andern Accentologen von Bedeutung
sein könnte. Bezüglich der rein accentuellen Seite aber war
ich bestrebt, einzelne Wörter, da ich mir zunächst nicht vor
genommen habe, zu erklären oder zu begründen, sondern nur
Thatsacken zu constatiren, in allen Accentformen, in denen
sie zu meiner Kenntniss gekommen sind, in dieser Darstellung
aufzunehmen, da wohl erst nach möglichst vollständig gesam
meltem und gesichtetem Material wird gesagt werden können,
was älter und was jünger, was dem Dialekt eigentkümlick und
was demselben mit anderen Sprachen gemeinsam, was für die
Sprachwissenschaft überhaupt und für die Geschichte der Ac-
centuation im Besonderen von grösserer und was von geringerer
Wichtigkeit ist. Aufgenommen habe ich aber nicht blos kroa
tische, sondern auch Fremdwörter, soweit mir solche als in
der gewöhnlichen Volkssprache gebräuchlich bekannt geworden
sind, da die Sprache dieselben accentuell ebenso behandelt
wie ihre eigenen Wörter.
Darlegen werde ich zuerst die Betonungsverhältnisse in
der Declination, dann die in der Conjugation; einige allgemeine
Bemerkungen über die Accentuation werden entweder in einem
Anhänge zu dieser oder in der Studie über die Lautlehre folgen.
Pisino, Anfangs Mai 1883.
Cakavisch-kroatische Studien.
367
Erster Theil.
Accent in der Declination.
I. Substantiva.
1. Masculina.
Erste Classe.
Einsilbige Stämme, resp. sing. nom.
Erste Gruppe.
Der Accent liegt durchgehends auf der Stammsilbe, und
zwar durch die ganze Declination als Gravis, nur im pl. gen. I. 1
als Acut.
Beispiel: kniet, rusticus.
Singular.
nom. kmet
voc. Jcmete
acc. kmtit.a
gen. kmeta
dat. kmetu
loc. kmete
instr. kmeton
Plural.
kmeti
kmeti
kmeti
kmet oder km.iti
kmeton
kmeteh
Jcmbti
Nach diesem Muster werden betont:
1.
heg, nobilis Turca, g. bega. bbk, latus, g. bbka. bbt: na
bbt, semel, simul. brät, frater, g. brhta. brest, ulmus campestris;
nom. propr. pagi, g. bresta. bik, cincinnus barbae, pl. bfki.
bist, frondes, g. bfsta. cäp, hircus, g. chpa. cük, cucurbita,
pl. cüki. cäs, momentum, g. cksa. eres, nom. propr. insulae,
g. üresa. cüf, fimbria, g. cüfa. euk, strix scops, g. 6üka. dih,
1 Der pl. gen. masc.. hat heutzutage zwei Formen: die alte kurze und
eine neue längere, mit dem pl. nom. gleichlautende, aber häufig ver
schieden betonte; die erstere nenne ich im Folgenden pl. gen. I., die
letztere pl. gen. II. Bisweilen hört man auch von den neutr. und femin.
eine Art pl. gen. II.
368
Nemanic.
Spiritus; odor, g. diha. dlän, palma manus, g. dlana. dren,
cornus mascula, g. drfena. drbb, brisa, g. dröba. drop, i. qu. drob,
g. dröpa. düh, i. qu. dih, g. diiha. fin, finis, g. fina. fit, babitatio
conducta; ruerces habitationis, 1. fite, fläti, pl., tormina, g. flät.
fräz, epilepsia, g. fraza. gäd, vipera, g. gada, gnjüs, sordes;
homo abominabilis, g. gnjüsa. gräd, grando, g. grada. gräh,
pisum, g. grhha. griz, torsio stomachi, g. griza. gi'k, graecus,
g. gflca. grom, tonitru, g. gröma. grot, infundibulum molae;
morbus quidam in coilo ovium, g. grbta. griXp, angina, g. griipa.
gust, gustatus, voluptas, g. giista. gilt, guttur, g. güta. hUb,
panis; libo, pl. g. Heb. hren, cochlearia armoracia, g. hrbna.
hH, canis leporarius, g. hfta. liriip, ravis, g. hrüpa. hum, nom.
propr. loci, g. hüma. jüg, auster, g. jüga. kmet, rusticus, g. kmeta.
kräs, terra lapidosa, g. krasa. krät: dvä krat, bis. ki'k, nom.
propr. insulae et urbis, g. kfka. kfk, etwa sonus, g. ld-ka: ni
kfka ni mfka od njega (sagt man von einem fest Schlafenden).
krbp, aqua fervens, g. kropa. kU, talpa, g. lcfta. kräh, panis,
g. krüha. kuk, coxa, femur; saxum prominens, g. külta. käm,
compater, g. küma. küp, acervus, 1. küpe. läz, nom. propr.
campi, g. laza. lern, nom. propr. sinus maritimi, g. lema. Vöt,
lotto, g. Iota, lüg, nom. propr. prati, g. lüga. lük, allium, g. lüka.
met, statio piscatoria, g. meta. mbt, motus, g. möta. mräk, cre-
pusculum, g. mraka. mräz, gelu, g. mraza. uvt-k, g. mfka: v. kik.
mi>s, caro porcina, g. mfsa. nük, nepos, g. nüka. päs, canis,
g. pasa. past, im sing. nom. und acc. als Nebenform von päz,
nom. propr. loci, päst, cibus; portio cibi, g. pasta. plüg, aratrum,
g. pluga. pot, sudor, g. pota. präg, limen, 1. präge, prost,
praepositus, g. prösta. pi'st, digitus, g. pfsta. pH, via per nives,
g. pfta. puh, glis, g. püha. räb, nom. propr. insulae, g. rkba.
räk, cancer, g. raka. rät, bellum, g. rata, rest, carcer, g. resta.
ris, vampyrus, g. risa. rbb, servus, g. röba. H, acumen, g. fta.
sen, pertica ferrea circum quam lapis molaris superior versatur,
g. sena. shbd, aditus; podium, g. shöda. skus, via acclivis,
g. skasa. skot, pecus, v. skote. släp, nom. propr. campi, g. slapa.
siez, malva; dolor lienis, g. sleza. slih, sordes aurium, g. sliha.
slbg, series graminis demessi; concentus, g. slöga. split, nom.
propr. urbis, g. splita. si'b, serbus, g. sfba. stid, frigus, g. stida.
stbk, ortus (solis), g. stoka. sß'hi, pl., horror, g. stfh. struk,
caulis, g. strüka. strüp, venenum; vulnus sponte natum, g. striipa.
Öakaviscli-kroatisclie Studien.
369
svät, conviva nuptialis, g. svkta. svet, Consilium, g. svkta. svib,
cornus sanguinea, g. sviba. Scäp, plenilunium; convicium in vi-
rum, g. skkpa. sklät, genus, g. sklata. Skrlp, crepitus, g. ikripa.
Smrik, juniperus, g. Smrika. Späs, ambulatio, g. spksa. teile, co-
tburnus, pl. tkki. täst, socer, g. tasta. trat: on trat, tune, trs,
vitis, g. trsa. tuh malus odor rerum liumidarum, g. tiika. tük,
pinguedo, g. tüka. vid, visus; lux, g. vida. vid, nom. propr.
viri, Vitus, g. vida. vläh, valachus, g. vlkha. vläk, ordo graminis
demessi, g. vlaka. *vl' oder *vär: nk-vr, nk-var imet, cavere.
v'iii, cacumen, pl. vrhi. vH, hortus, g. vi-ta. vük, lupus, g. vüka.
zdHä, pl., i. (|u. sti-hi. zet, gener, g. zeta. zäk, saccus, g. zkka.
&es, creta, g. ik&n. zieh, canalis, g. zleba. — Hier mögen auch
erwähnt werden: ebro, homo semicaecus, g. cüra. Iah, das Kilo
gramm, g. k'ila. knjägo, homo mutilus, g. knjkga.
2.
bi<5, flagellum, g. biöa. bljüsc, tamus (herba esculenta),
g. bljüsca. bünj, potio (in der Kindersprache), g. biinja. Sic,
cicer, g. ilßa. clc, pl. 6i6i, nom. propr. partis cujusdam Croa-
tarum. füzi, pl., laganorum genus, g. füz. klic, renuntiatio, pl.
klici. kH, spasmus, g. krea. küs, salvia hortensis, g. küsa. lüS,
res ad luxuriam pertinens, g. lüsa. mlS, mus, g. misa. müS,
asinus, g. müsa. pläc, iletus, g. plköa. pre, hircus, g. pi-ca. püc,
lacuna, stagnum, g. piica. punj, pugnus, g. pünja. r'isc, pericu-
lum, g. ris6a. riz, oryza, pl. rizi. rbS, nom. propr. loci; vicus
urbis Vrbnik, g. rööa. sec, hama, g. seda. smilj, helichrysum,
g. smilja. svlc, catulus, g. svida. svbj, implicatura, g. svöja.
Skänj, scamnum, g. skknja. SMrc, jocus, g. skerca. tic, avis, g.
ti6a. trüc, contumacia, g. tmca. tue, res vilissima, g. tüca. vbnj,
odor, g. vönja. vl-S, urceus, g. vröa. Zic, nom. propr. fam., g.
zica. Blj, pancratium, g. zilja. zminj, nom. propr. loci, g. zminja.
Zweite Gruppe.
Der Accent ist so wie in der ersten Gruppe, nur hat auch
der sing. nom. und beziehungsweise der sing. acc. den Acut.
Beispiel: vöz currus.
Singular. Plural,
nom. vöz vbzi
voc. vbze vbzi
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. C1V. Bd. I. Hft.
24
370
Neraanic.
acc. vöz
gen. vbza
dat. vbzu
loc. vbze
instr. vbzon
Singular.
Plural.
vbzi
vöz oder vbzi
vbzon
vozeli
vbzi
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bar, setaria, g. bara. blisk, ful men, g. blxska. bog, deus,
g. böga. bök, latus, g. böka. brest, ulmus campesti'is, g. bresta.
bröd, navis, g. bröda. Irrst, frondes, g. brsta. brun, nomen bovis
flavi, g. brüna. büs, caespes; frutex, g. büsa. cdr, imperator, g.
cara. clen, articulus; genus, g. ülena. crv, vermis, g. ci’va. ddn,
dies, g. dana. dih, Spiritus, g. diba. dim, fumus, g. dima. döl,
vallis, g. dbla. dom, domus, g. döma. dren, cornus mascula, g.
drena. dröp, brisa, g. dropa. dub, arbor, g. düba. düh, Spiritus:
odor, g. düba. flisk, lutum, g. fliska. fr ist, i. qu. flisk, g. frista.
göd, dies festus, g. göda. göst, bospes, g. gosta. gruh, saxa mi-
nuta, g. grüha. höd, incessus; iter, g. hoda. liräm, domus, g.
hrama. lirdst, quercus, g. hrasta. liren, cocblearia armoracia, g.
hrena. hrip, raucedo, g. hripa. kdp, gutta, g. kapa. klen, acer
campestre, g. klbna. klin, clavus, g. ldina. kljün, rostrum, g.
kljüna. *kön: nakön, praep., post, kös, turdus merula, g. kösa.
krall, femur, g. kraka. Idn, linum, g. lana. lav, leo, g. lava.
Idz, apertura saepis; nom. propr. prati, g. laza. led, glacies, g.
lüda. löv, venatio, g. löva. lug, nemus, g. lüga. mdh, muscus,
g. maha. med, mel, g. meda. mel, pulvis, g. mela. mir, pax, g.
mira: s miron, in pace, inquiete; semper. mldn, palus quo lapis
molaris versatur, g. mlana. most, pons, g. mosta. mözg, medulla,
g. mözga. mrak, tenebrae, g. mraka. nös, nasus, g. nüsa. pir,
triticum spelta, g. pira. pleslc, plausus, g. pleska. plöd, fructus,
g. ploda. plöt, saepes, g. plota. post, jejunium, g. pösta. pöt,
sudor, g. pöta. präh, pulvis, g. prkha. röd, genus; proles; pro-
pinqui, g. roda. rög, cornu, g. roga, sek, sectio, g. seka. sir,
caseus, g. sira. sied, vestigium, g. sleda. smled, herbae genus,
g. smleda. smök, condimentum, g. smoka. smrdd, foetor; sordes,
g. smrada. sneg, nix, g. snega. srp, falx, g. si-pa. stög, meta
foeni, g. stoga. strdh, metus, g. straba. strüg, scobis, g. strüga.
371
struk, caulis, g. strüka. scip, pertica longior in fine diffissa ad
colligendas gallas, g. sdipa. scir, amarantlius blitum, g. sdira.
skdr, saxum in forficis modum excavatum, g. skara. stöv, epulae,
g. stöva. strem, porticus, g. strema. trag, vestigium, g. traga.
tuk, pinguedo, g. tuka. vir, fons, g. vira. vdsk, cera, g. vöska.
vöz, ciutus, g. vöza. vrdg, diabolus, g. vraga. vük, lupus, g.
vüka. vres, erica, g. vresa. züb, dens, g. zuba. zvdn, Joannes,
g. zvana. zvdn, campana, g. zvöna. zvräti, pl., versura (i. e. ea
pars agi'i, qua boves in arando versantur), g. zvrat. zdrdl, grus,
g. zdrala. zir, porna, g. zira. — Hier werde auch erwähnt:
dem, dies, g. dneva.
2.
hris, monticellus, g. brisa. frag, consessus, g. fraja. gaj,
nernus, g. gaja. gnjöj, fimus, g. gnjöja. hmelj, humulus lupulus,
g. hmelja. krdj, margo; finis; regio, g. kraja. löj, sebum, g. loja.
mdj, mensis Majus; ramus quem nocte ante Kalendas Majas
adulescentes sub fenestras puellarum apportant; terrnes crepi-
taculi, g. maja. melj, liumus terreus, g. melja. pänj, truncus,
g. panja. plac, fletus, g. plkea. rdj, paradisus, g. raja. seng,
nom. propr. urbis, g. senja. smilj, helichrysum, g. smilja. stenj,
ellychnium, g. stfenja. skdnj, scamnum, g. skanja. skrdnj, tem-
pus (capitis), g. skranja. spanj, clavi lignei genus, g. spanja.
vrülj, fons, g. vrülja. zrndj, draco, g. zmaja.
Anmerkung. Selten hört man einzelne zweisilbige For
men der hier aufgezählten Substantiva mit dem Accent auf der
letzten Silbe. So hörte ich: sing. gen. faeöl od nosä; instr.
vozdn. pl. nom. tr td se zvoni razbit! gen. koliko je bogif kä mü-
zika od zvoni! loc. krajeh, stogeh oder krajeh, stogeh; instr. rogi.
Dritte Gruppe.
Die Stammsilbe ist durchgehends mit Acut betont.
Beispiel: brav, vervex.
Singular.
Plural.
nom. brav
voc. brave
acc. brdva
gen. brdva
dat. brdvu
brdvi
brdvi
brdvi
brav oder brdvi
brdvon
24*
372
Nemanid.
loc. . brave
instr. brdvon
Singular.
Plural.
braveh
brdvi
Nach diesem Muster werden betont:
1.
ärt, artiticium, g. arta. bdl, saltatio, g. bäla. bar, setaria,
g. bara. bdzg, sambucus nigra, g. bäzga. hlüd, stuprum, g. blüda.
brav, vervex g. brava. breg, collis; ripa, g. brega. brest, ulmus,
g. bresta. brk, cincihnus barbae, g. brka. brüs, cos, g. brüsa.
bils, caespes; frutex, g. biisa. cdr, imperator, g. cära. cent, cen
tum librae, g. cdnta. cep, baculus tribulae, g. cepa. cvet, flos,
g. cveta. bien, articulus, g. clena. cmdrn, germ. schmarn,
g. cmdrna. crep, testa, g. crepa. £rv, vermis, g. cf-va. cüs, rhyn-
chites betuleti; nom. propr. fam., g. cusa. ddn, dies, g. däna.
dar, donum, g. ddra. döl: ozdöla, ab imo. düb, arbor, g. düba.
düg, debitum, g. duga. duh, spiritus, g. düha. dvöl, nom. propr.
campi, g. dvöla. dvör, stabulum, g. dvöra. fdnt, apparitor,
g. fdnta. frdn, Franciscus, g. frana. frdt, monachus, g. f'rata.
fürit, libra, g. fünta. gldd, fames, g. glada. glas, vox; fama; nun-
tius, g. glasa. grdd, urbs, g. gräda. grell, peccatum, g. greha. grez,
der Gries, g. greza. grub, saxa minuta, g. gruha. gut, guttur,
g. güta. heb, nom. propr. fam.; pl. heki, nom. propr. pagi. hldd,
umbra, g. libida. hlam, collis, g. liläma. hiev, suile, g. hleva.
hlüd, pertica, der Wiesbaum, g. hlüda. hör, liomo nequam,
g. höra. huk, clamor; vox hu!, g. hüka. Imst, cannabis degener
(nec mas nec femina); frutex, g. hüsta. jdd, ira, g. jada. jaz,
vorago, g. jäza. kdl, lacuna, g. kala. kdl, callum, pl. kali. käs,
vestimenti corpus, g. kasa. klas, spica, g. kläsa. klüd, i. qu. hlüd,
g. klüda. krdk femur, g. kräka. krdk, voces ranarum, g. kräka.
kramp, rastrum, g. krdmpa. krek, voces ranarum, g. lcreka.
kres, ignis festivus, g. kresa. krt, talpa, g. kfta. krüg, rupes,
g. krüga. kük, os coxae; saxum prominens; pl. küki auch stuppa.
km, frustum, g. küsa. kvdrt, quarta pars, g. kvärta. kvds, fer-
mentum, g. kväsa. list, folium; epistula, g. lista. luv, venatio,
g. lbva. lük, arcus, g. lüka. lüp, putamen, g. lüpa. mäh, muscus,
g. mäha. meh, uter; follis, g. meha. mldt, manubrium tribulae,
g. mläta. mrdv, formica, g. mräva. mrs, caro porcina, g. mfsa.
pdl, uredo; ira, g. päla. pdr, par, g. pära. pas, cingulum,
Öakavisch-kroatische Studien.
373
g. päsa. petz, 110m. propr. loci, g. päza. pir, convivium nuptiale;
nuptiae, g. pira. plan, praeda, g. plena. ples, saltatio, g. plesa. pol,
sing. nom. et acc., dimidium: pölne, indecl., meridies. pöls, die
Manschette, g. pölsa. prah, pulvis, g. praha. prdz, aries, g. präza.
prez, germ. Fritz, g. preza. prüt, virga, g. pruta. pilk, populus,
g. püka. pust, der Cameval; die Fastnacht, g. pusta. püt, via,
g. püta. rdl, jugerum, g. räla. red, ordo; ordo vitium, g. reda.
red, heres, g. reda. ruh, margo; pannus quo quid ohligatur,
g. ruba. sdd, vinea nova, g. sada. sät, favus, g. säta. sin, filius,
g. sina. slak, convolvulus, g. släka. sied, vestigium, g. sleda.
smrdd, foetor; sordes, g. srnräda. sneg, nix, g. snega. söld, it.
soldo, g. sdlda. spds, salus, g. späsa. spud, modius quo vinum
metiuntur, g. spüda. srdb, scahies, g. sräba. srdm, pudor, g. sra-
ma. srd, ira, gv srda. srp, falx, g. srpa. stan, hahitatio, g. stana.
strdh, metus, g. sträha. stüp, columna, g. stupa. süd, vas, g. süda.
svet, mundus, g. sveta. scip, pertica longior in fine diffissa ad
colligenda poma, g. scipa. §um, susurrus; sonitus, g. süma. Svik,
vinum acidum, g. svika. tat, für, g. täta. teg, frumentum; fruges,
g. tdga. tir: püsken tir, sclopeti jactus, g. tira. tör, vestigium,
g. tora. trag, vestigium, g. träga. trdk, taenia; radius (solis),
g. träka. t/rn, spina, g. trna. tük, pinguedo, g. tuka. lid, arti-
culus, membrum, g. uda. val, unda, g. väla. van: na jedan vän
govorit, temere ac fortuito loqui. vek, saeculum, g. veka: vavek
und, gewöhnlicher, vavek, semper. vez, vinculum, g. veza. vlds,
capillus, g. vläsa. mag, diabolus, g. vräga. vrdt, collum, g. vräta.
vrh, cacumen, g. vrha. vuk, lupus, g. vüka. zid, murus, g. zida.
znäk, signum, g. znäka. zrdk, aer, g. zrdka. zub, dens, g. zuba.
zdl, indecl.: zal mi je, doleo. zhir, apparitor, g. zbrra. zir, poma,
g. zira. zlajf, sufflamen, g. zldjfa. zleb, canalis, g. zleba. zvik,
vis; animus, g. zvika. — Hier mögen auch erwähnt werden:
coro, homo semicaecus, g. dora. knjdgo, homo mutilus, g. knjaga.
2.
bldz, Blasius, g. bläza. bljuse, asparagus silvestris, g. blju-
sca. cmrlj, illae quasi bullulae in vino, cum funditur, g. ömrlja.
drenj, cornus mascula, g. drenja. fuHi, pl., cibi farinacei genus,
g. füz. gitsc, faex; cannabis degener (nec naas nec femina),
g- güsca. jez, erinaceus, g. jeza. kldc, homo vagus, g. klaca.
klec, nom. propr. campi, g. kleca. kvjesc, infans multum plorans
374
Nein ani c.
g. knjesca. kriz, crux, g. kriza. lue, lux, g. Itica. me&, meditul-
lium panis, g. meöa. mldj, novilunium, g. mläja. mlec, euphorbia,
g. mleca. miiz, vir; maritus, g. müza. pdc: pl. paöi, sororum
mariti, g. pac. panj, truncus, g. pan ja. pis, urina, g. pisa. plaSc,
pallium, g. plasca. princ, princeps, g. princa. püz, Umax, g. püza.
r(S.c, periculum, g. risca. stric, patruus, g. strica. sltrlj, alauda,
g. skrlja. zec, lepus, g. zeca.
Anmerkung. Einige von diesen Substantiven betonen
ihre zweisilbigen Casusformen mitunter auch auf der letzten
Silbe. So z. B.: sing. gen. auch bregä, grädä, snegä, vrägä;
mleiä. sing. loc. auch brege, dübe, glase, grade, hlädh, Icäld, küse,
pire, siede, strähe, svete, zlde. pl. nom. auch cepi. pl. acc. auch
vläsi. pl. loc. auch brögeh, brkeh., grädeh, vläseh oder bregeh,
brkeh, gradeh, viaseh. Andere wieder werden auch durch die
ganze Declination nach der sechsten Gruppe betont; so nament
lich regelmässig grell und kriz.
Vierte Gruppe.
Von den einsilbigen Casus ist der sing. nom. und be
ziehungsweise acc. mit dem Gravis, der pl. gen. I. mit dem
Acut betont; von den zweisilbigen Casusformen betonen regel
mässig nur der sing. voc. und der pl. gen. II., manchmal auch
pl. loc. und instr. die Stammsilbe mit dem Gravis, alle übrigen
Casus dagegen die letzte Silbe, und zwar der sing, instr. nnd
der pl. dat. mit dem Acut, der pl. loc. bald mit dem Acut, bald
mit dem Gravis, die übrigen Casus mit dem Gravis.
Beispiel: php, sacerdos.
Singular. Plural,
nom. pbp popi
voc. pope popi
acc. popä popi
gen. popä pdp oder popi
dat. popü popön
loc. popb popeh oder popeli und pbpeh
instr. popön popi und pbpi
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bäk, taurus, g. baka. bat, fistuca, g. bata. hob, faba,
g. bobä. brek, canis, g. brekä. ehr, quercus cerris, g. cera. cbk,
Cakavisch-kroatische Studien.
375
truncus, g. cokk. cvek, clavus ferreus, g. cvekk. ceh, nom. propr.
fam.; pl. cehi, nom. propr. pagi. cep, embolus, g. cepa. drek,
stercus, g. dreka. grob, sepnlcrum, g. groba. grbf, comes, g. grofk-
grözd, uva, g. grozda. Iden, acer campestre, g. klenk. klop,
ixodes ricinus, pl. klopi. krst, baptisma, g. krsta. päs, canis,
g. pasa. pl'eh, succidia, g. plchk. pbd, tabulatum, g. poda. pop,
sacerdos, g. popa. puh, glis, g. puhk. säs, mamma, g. sasa.
sklbp, articulus, pl. sklopi. skrbb, puls, g. skroba. siez, altbaea;
malva, g. sleza. snop, merges; fasciculus, g. snopa. Scäp, pleni-
lunium; convicium in virum, g. scapk. spbh, lardum, g. ipeba.
trst, nom. propr. urbis, g. trsta. vrh, cacumen, g. vrha. zep,
saccus, g. zepa. zok, crepida, g. zoka. — Hier sei auch erwähnt:
päs, canis, g. sva.
2.
bä6, nom. propr. campi, g. baöa. kos, corbis, g. kosa.
senj, nom. propr. urbis, g. senja.
Fünfte Gruppe.
Die Betonungsverhältnisse sind die nämlichen wie in der
vorhergehenden Gruppe, nur hat auch der sing. nom. und be
ziehungsweise acc. den Acut.
Beispiel: skolj, insula.
Singular.
nom. skolj
voc. skolju
acc. skolj
gen. skolj ä
dat. skolju
loc. skolje
instr. skoljen
Plural.
skolji
skolji
Skolji
skolj oder skblji
skoljen
Skoljeh oder skoljeh und skbljeh
skolfi und Skblji
Nach diesem Muster werden betont:
1.
brek, canis, g. breka. cer, quercus cerris, g. cera. drob,
exta, g. droba. dvör, stabulum, g. dvork. grk, graecus, pl. grki.
grob, sepulcrum, g. groba. krov, tectum, g. krova. röv, fovea,
g. rova. stöl, mensa, g. stola. vdl, bos, g. Volk, vrli, cacumen,
g. vrha. — Hier merke auch: ddn, dies, pl. nom. dm und dm:
376
Neraanic.
vgl. auch o polne, meridie. sdn, somnus, g. sna. sav, sutura,
g. sva; sowie mdzgo, equus mulus, g. mazga.
2.
bröj, numerus, g. broja. ddz, pluvia, g. dazja. konj, equus,
g. konja. mölj, tinea, pl. molji. Skölj, insula, g. skolja.
Anmerkung. Vgl. die Anmerkung zur zweiten Gruppe.
Im pl. gen. II. habe ich auch gehört: breki, ceri und röm.
Sechste Gruppe.
Die Betonung ist dieselbe wie in der fünften Gruppe,
nur ist die Stammsilbe stets lang und hat deshalb, wenn sie
in zweisilbigen Casusformen betont ist, den Acut.
Beispiel: krdlj, rex.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular.
krdlj
krdlju
kräljä
kräljä
krdlj ü
krälje
kräljen
Plural.
krälji
krälfi
krälfi
krdlj oder krdlji
kräljen
kräljeli oder kräljeh und krdljeh
krälji und krdlji
Nach diesem Muster werden betont:
1.
cik, avis quaedam, g. cika. cmär, stomachus, g. cmära.
crv, vermis, g. öfva. cük, strix scops, g. 6üka. del, pars; actus,
g. dela.. dub, arbor, g. dübä. dvör, stabulum, g. dvöra. greh,
peccatum, g. grehh. grm, arbor; quercus, g. grma. Mp, momen-
tum, g. hlp;i. kdk, femur, g. käka. ldjun, rostrum, g. kljüna.
knjdk, infans multum plorans, g. knjäka. Icnjes, i. qu. knjak,
g. knjesa. kut, angulus, g. küta. lek, medicamentum, g. leka.
lug, nemus, g. lüga. lug, lixivium, g. lüga. luk, arcus, g. lüka.
pal, ligna comburenda, g. päla. pdz, nom. propr. loci, g. päza.
put, via, g. püta. rep, cauda; pediculus pomi, g. repa. rim,
Roma; dies festus Portiunculae, g. rimk. rüg, ludibrium, g. rüga.
sin, filius, g. sina. smeli, risus, g. smeha. spüd, modius quo me-
tiuntur vinum, g. spüda. stdr, modii genus, g. stärk, stüp, co-
himna, g. stüpk. süd, judicium, g. südk. scap, baculus, g. scäpk.
Öakaviscli-kroatische Studien.
377
seid, pediculus pomi, g. scüta. spdg, funiculus, g. späga. tdl,
pars, pl. täli. tat, für, g. täta. trn, spina, g. trnh. trst, nom.
propr. urbis, g. trsta. trud, labor, g. trüda. vlek, tignum quod
trahitur ex silva, g. vleka. vrh, cacumen, g. vfha. zräk, aer,
g. zräka. zdräl, grus, pl. zdräli. zir, poma, g. zira. zur, serum,
g. züra. — Merke auch: Miko, Nicolaus, instr. Mlkön.
2.
bdS, nom. propr. campi, g. bäca. bec, nom. propr. urbis
Viennae; nummus; pl. beci, pecunia. bilj, gausape, g. blljä.
bljuSc, tamus, g. bljüsba. brs, caries, g. bfsa. büz, vipera,
g. büza. ddz, pluvia, g. däzja. drenj, cornus mascula, g. drenja.
df§c, turdus, g. dfsca. fuz, i. qu. büz, g. füza. gdj, nemus,
g. gäja. guz, i. qu. büz, g. güza. hüj, frumenti genus, g. hllja.
kljüc, clavis, g. kljüca,. krdlj, rex, g. kralja. kriz, crux, g. krlza.
kviö, qui acriter clamat, g. kvica. ljulj, lolium, g. Ijülja. nöz,
culter, g. nöza. palj, haustrum, g. palja. pldsc, pallium, g. plä-
sdh. pülj, nom. propr. urbis, g. pülja. püz, limax, g. pflza. n'dj,
rhus, g. rülja. smilj, helichrysum, g. smlljh. stenj, ellychnium,
g. stenjä. sus, macies, g. süsa. Sprz, belleborus- niger, g. spfza.
siilj, ramus frondosus quo frumentum trituratum purgant, g. ifdjk.
•ülj, alvearium, g. ölja. vüz, i. qu. büz, g. vflza. züj, pancratium,
g. zllja. &mulj, poculum, g. zmülja. zülj, callus, g. zülja.
Anmerkung. Im pl. gen. II. hörte ich auch stäri neben
stdri. Vgl. ferner noch die Anmerkung zur dritten Gruppe.
Nur äusserst selten kann man die regelmässig auf der letzten
Silbe betonten zweisilbigen Casus mit kurzer und (mit Gravis)
betonter Stammsilbe hören: itänti moji smihi zvükü pet fjo-
rini zi zepa.
Zweite Classe.
Zweisilbige Stämme, resp. sing. nom.
a ) Solche, welche im sing. nom. ein bewegliches a
enthalten und somit auch nach Annahme von Casus
suffixen zweisilbig bleiben.
Erste Gruppe.
Der Accent liegt, und zwar als Gravis, durch die ganze
Declination auf der ersten Silbe; nur im pl. gen. I. springt er
gewöhnlich als Acut auf die letzte Silbe über.
378
Neman ic.
Beispiel: svedar, terebra.
Singular.
Plural.
svedri
svedri
svedri
nom. sv'edar
voc. svedre
acc. svedar
gen. svedra
dat. svedru
loc. svedre
instr. svedron
svedron
svedreh
svedri
svedar oder svedri
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bäkar, cuprum; nom. propr. urbis, g. bakra. bazag, sam-
bucus nigra, g. bazga. cukar, saccharum, g. cükra. fränjak:
pl. franjki, tributum, g. franjäk. frätar, monachus, g. fratra.
gräbar, carpinus betulus, g. grabra. gHjak, collum lagenae;
tubus sclopeti; lapis putealis supremus, g. gi’ljka. jägal: pl. jagli,
puls setariae, g. jagäl. käbal, aqualis urna, g. kabla. kläftar,
decempeda, g. klaftra. klostar, monasterium, g. klöstra. klüpak,
glomus, g. klupka. läkat, cubitus, g. lakta. libar, über, g. libra.
l'ijakj infundibulum, g. lijka. litar, le litre, g. litra. mestar, ma-
gister, g. mestra. rrietar, le rnetre, g. metra. momak, juvenis,
g: mömka. mozag, medulla, g. mözga. nokat, unguis, g. nokta.
nugal, angulus vallis inter duos montes convergentes, g. nügla.
osal, asinus, g. ösla. petar, Petrus, g. petra. p'ican, nom. propr.
loci, g. pibna. pljunak, sputum, g. pljunka. porat, portus, g. pörta.
präsak, fragor, g. praska. pitpak. umbilicus; gemma, g. püpka.
strosak, sumptus, g. ströska. svedar, terebra, g. svedra. svekar,
socer, g. svekra. sipak, rosa, g. iipka. tigar, tigris, g. tigra.
tr'osak, i. qu. ströiak, g. tröska. türak, Turca, g. türka. üzal,
nodus, g. üzla. vetar, ventus. g. vetra. vihar, procella, g. vihra.
vlsak, altitudo, g. viska. vrtal, hortus, g. vi-tla. vrüjak, fons,
g. vrüjka. vügal, angulus, g. vügla. — Hier merke auch: d'ebko,
puer, g. deöka. slinko, homo sputo madens, g. slinka. simjko,
homo stultus, g. sünjka.
2.
bädanj, labrum, g. badnja. bodac, pleuritis, g. böca. b'odalj,
spina, g. bodlja. bozac, nom. propr. fam., g. bösca. brätac, fra-
tellus, g. bräca. bübanj, tympanum, g. bübnja. bMac, osculum,
Cakavisch-kroatische Studien.
379
g. büsca. cesalj, pccten, g. öeslja. ciralj, apostema, g. cirlja.
drvac, buxus semper virens, g. drvca. fikalj, frustum delapsum,
g. ffklja. gr'bac, nom. propr. fam., g. gi'bca. grlac, collum
lagenae; supremus putealis lapis, g. grlca. güdac, citharoedus,
g. guca. gümac, gallus gallinaceus collo densioribus et longio-
ribus plumis contecto, g. giimca. hläpac, Servus, g. hlapca.
hlebac, panis, g. hlebca. jelac, homo edax, pl. jelci. juraj,
Georgius, g. jurja. käcalj, blatta orientalis, g. käclja. käsalj,
tussis, g. kaslja. kiliac, sternutatio, g. k'iboa. kukac, scarabaeus,
g. kükca. küvac, prunxun ramicosum, g. küvca. küzalj, unda,
g. kuzlja. li&alj, impetigo, g. lislja. mutac, homo mutus, g. müca.
pedalj, palmus, g. pedlja. pi-dac, crepitus ventris, g. prca. pü-
tac, globulus fibulatorius, g. pixca. rebac, spica zeae defoliata,
g. rebca. rubac, sudarium, g. rubca. secanj, februarius, g. sec-
nja. sl'epac, homo caecus; fraudator, g. slepca. srsanj, crabro,
g. si-snja. stiipac, cohimella, g. stüpca. svetac, sanctus, g. sveca.
scäpac, quod extremis digitis comprehendi et teneri potest,
g. scapca. sepac, homo claudus, g. sepca. Stöbac, homo eden-
tulus, g. skrbca. skripac, arca lignea stridens in aperiendo et
occludendo, g. skripca. sm¥kalj, mucus, g. smi-klja. Utrigalj,
strigilis, g. striglja. strücalj oder strükalj, cibi farinacei genus,
g. ätrüclja oder struklja. süsanj, folia arida, g. süsnja. tecalj,
cardo, g. teclja. tepac, vagabundus, g. tepca. trübac, os; labium,
g. triibca. ngalj, carbo, g. üglja. vozac, vector, g. vösca. vi'ganj,
aratrum; jugerum, g. vi-gnja. vüzaij, nodus, g. vüzlja. zäkalj,
saccus, g. zaklja. zilzanj, lorum calcei, g. züznja.
Anmerkung. Der sing. voc. von bratac lautet auch
brdce; der sing. loc. von grlac auch grlce. Was den pl. gen. I.
betrifft, so kann ich nicht bei jedem einzelnen Substantiv an
geben, ob derselbe auf der letzten Silbe mit ' oder auf der
ersten mit ' betont zu werden pflegt, und constatire nur: decdk,
franjdk, jagdl, klupdk, lakdt, lijdk, svedar, svekdr, vetdr, vrtdl;
pedalj, prdac, strükalj, und dagegen: frätar, metar; brätac.
Auch Formen, wie nohät, metar sollen volksthümlich sein.
Zweite Gruppe.
Die Casusformen ohne das bewegliche a sind auf der
ersten Silbe mit dem Acut betont; sonst ist die Accentuation
wie in der ersten Gruppe.
380
Nemanic.
Beispiel: lanac, catena.
Singular,
nom. lanac
voc. länce
acc. lanac
gen. Idnca
dat. läncu
loc. Idnce
instr. Idncen
Plural.
länci
Idnci
Idnci
lanac oder Idnci
Idncen
länceh
Idnci
Nach diesem Muster werden betont:
1.
banale, scamnum, g. bänka. bäras, vitis pergulana major,
g. bärsa. heran, nom. propr. loci, g. berma. Säval, clavus,
g. cävla. djäval, diabolus, g. djavla. fänat, puer, g. fanta.
fränjak: pl. fränjki, tributum, g. franjäk. fünat, libra, g. funta.
Jcänat, cantus, g. känta. kärag, onus, g. kärga. kvärat, quarta
pars, g. kvärta. lijak, infundibulum, g. lijka. lilak, ficus de-
generatus, g. lilka. oral, aquila, g. örla. pärat, pars, g. pärta.
pljilnak, sputum, g. pljunka. pünat, punctum; nom. propr. loci,
g. punta. rüjan, September, g. rüjna. sblad, it. soldo, g. sölda.
türak, Turca, g. turka. — Hier merke auch: barba, patruus,
g. bärba. mdrko, Marcus, g. marka. penko, nom propr. fam.,
g. penka. rünko, nom. propr. fam., g. rünka. sinko, filius,
g. sinka. sdldo, it. soldo, g. sölda. Mnko, homo animi imbecilli,
g. sunka. vöjno, maritus, g. vöjna.
2.
busac, osculum, g. büsca. hläpac, servus, g. bläpea. hrämac,
casa pastoruni, g. hrämca, jänjac, agnus, g. jänca. jüraj, Gteor-
gius, g. jurja. kirac, cognomen cujusdam partis Croatarum qui
sunt de ora maritima, pl. kirci. klinac, claviculus, g. klmca.
kruljac, digitus mutilus, g. krüljea. kürac, penis, g. kurca.
lanac, catena, g. länca. märac, martius, g. märca. münac, nom.
propr. fam.; pl. munci, nom. propr. pagi. pälac, pollex, g. pälca.
sirac, caseolus, g. sirca. stärac, senex, g. stärca. stronac, stercus,
g. strönca. silac, sartor, g. silca. spiljac, hordeum pinsitum,
g. spiljca. tänac, saltatio, g. tänca. telac, vitulus, g. telca. tkälac,
textor, g. tkälca. zäjac, lepus, g. zäjca. zdenac, fons, g. zdenca.
Cakaviscli-kroatisclie Studien.
381
znänac, homo cognitus, g. zndnca. zbälac, ripa, g. zbälca. zmmjac,
incola loci 2minj, pl. zminjci. zidac, gelatina, g. zülca.
Anmerkung. Neben kirci soll der pl. nom. auch klrci
betont werden. Die Betonung des pl. gen. I. kann ich ebenso
wenig in jedem einzelnen Falle genau bestimmen, wie in der
ersten Gruppe, und verzeichne nur: cavdl, franjdk, kvarät, lijdk,
punät, sindk; janjdc, lande, stardc, und dagegen: sölad; länac,
znänac, sowie angeblich banäk. Merke hier ferner auch den
sing. voc. brdee aus der Anmerkung zur ersten Gruppe.
Dritte Gruppe.
Die erste Silbe ist durchgehends mit dem Acut betont;
nur im pl. gen. 1. kann derselbe Accent, unter Kürzung der
ersten Silbe, auf die Ultima springen.
Beispiel: Spegal, speculum.
Singular.
nom. Spegal
voc. Spegle
acc. Spegal
gen. Spegla
dat. Speglu
loc. spegle
instr. speglon
Plural.
Spegli
Spegli
Spegli
Spegal oder Spegli
Speglon
Spegleh
Spegli
Nach diesem Muster werden betont:
1.
frätar, monachus, g. frätra. frndal, trochus, g. frndla.
ldkat, cubitus; ulna, g. lakta. secan, februarius, g. seüna. Spegal,
speculum, g. spegla. tigar, tigris, g. tigra. vüzal, nodus, g. vüzla.
2.
bödalj, spina, g. bbdlja. krdmpalj, unguis, g. krämplja.
leganj, avis quaedam; homo desidiosus, g. legnja. rezanj, seg-
mentum, g. reznja. seSanj, februarius, g. seenja. sezanj, decem-
peda, g. seznja. srpanj, julius, g. sfpnja. Scapac, quod ex
tremis digitis comprehendi et teneri potest, g. §6äpca. Skrdm-
palj, i. qu. krdmpalj, g. Skrämplja. SuSanj, folia arida, g. süsnja.
382
Neraaniö.
trkalj, spica zeae, g. trklja. vüzalj, nodus, g. vüzlja. zdjac,
lepus, g. zdjca.
Anmerkung. PL gen. I. frdtar, trkalj und lakdt, sezdnj.
Vierte Gruppe.
Im sing. neun, und beziehungsweise acc. und sing, voc.,
sowie im pl. gen. II. und manchmal pl. loc. und instr. ist die
erste Silbe mit Gravis, in allen übrigen Casusformen dagegen
die letzte Silbe betont, und zwar im sing, instr. und pl. gen. I.
und dat. mit Acut, im pl. loc. bald mit Acut, bald mit Gravis,
sonst immer mit Gravis.
Beispiel: mestar, magister.
Singular. Plural.
nom. mestar mestri
voc. mestre mestri
acc. meSträ mestri
gen. mesträ mestar oder meStri
dat. meStrü mestrdn
loc. meStre mestreli oder meStreh und miätreh
instr. mestrdn m,estri und mestri
Nach diesem Muster werden betont:
bäkar, cuprum; nom. propr. urbis, g. bakra. kiöpar, nom.
propr. urbis, g. kopra. mestar, magister, g. mestra. momak,
juvenis, g. momka. stäbar, pälus, g. stabrä. svekar, socer,
g. svekra.
Anmerkung. Der sing. voc. von mömak lautet mömee.
Fünfte Gruppe.
Auch im sing. nom. und beziehungsweise acc. ist die
letzte Silbe mit Gravis betont; sonst ist die Betonung wie in
der vorangehenden Gruppe.
Beispiel: otäc, pater.
nom. otäc
voc. öce
acc. oeä
gen. oeä
dat. oeü
Singular.
Plural.
OCX
OCl
oci
otäc oder bei
ocen
Cakavisch-kroatiscke Studien.
383
Singular. Plural.
loc. oce oceh oder ocMi und oceh
instr. ocen oci und bei.
Nach diesem Muster werden betont:
1.
cesun, allium sativum, g. cesnh. habät, sambucus ebulus,
g. habta. hapät, vapor, g. haptk. hrbät, dorsum, g. lirbta. oeät.
acetum, g. oeth. popär, piper, g. poprk. stabur, pälus; admini-
culum, g. stabrh. toräJc, dies Martis, g. torkk. vazän, pascha,
g. vazmk.
2.
bodäc, pleuritis, g. bock, bodälj, spina, g. bodljk. doväc,
viduus, g. dovek. drobäc, intestina, g. drobek. ganäc, unci genus,
g. ganck. grobäc, sepulcrum, g. grobek. hropäc, ille singultus
quo anima redditur, g. bropea. Idepäc, campanae pistillum;
malleolus foenisecae ad tundendam falcem; pl. klepci, g. klepkc,
incus et malleolus foenisecae. Icosäc, foeniseca, g. kosek. lazäc,
mendax, g. lasek. nosäc, portator, pl. nosci. otäc, pater, g. ock.
prosäc, procus, g. prosca. sasuc., mamma, pl. sasci. sopäc, citba-
roedus, g. sopek. Senäc, pediculus, g. senck. skopäc, vervex,
g. skopek. tetäc, maritus materterae, g. teca. vozäc, vector,
g. vosca.
Anmerkung: Im pl. gen. I. ist mir auch prbsac begegnet,
und pl. gen. II. von senke lautet send.
Sechste Gruppe.
Die Betonung ist im Ganzen die nämliche wie in der vor
hergehenden Gruppe; nur ist die erste Silbe in den Casusformen
ohne das bewegliche a lang und bat deshalb, wann sie betont
ist, d. i. im sing, voc., pl. gen. II. und eventuell pl. loc. und
instr., den Acut.
Beispiel, zamäk, caseus e lacte ovillo.
Singular,
nom. zamäk
voc. zdrnäe
acc. zamäk
gen. zämkä
Plural.
zämki
iämki
zämki
zamäk oder zämki
384
N emanid.
Singular. Plural,
clat. Sämkü zämkön
loc. zämlce zämkeh oder zämkeh und zämkeh
instr. zämkön zämk'i und zdmki
Nach diesem Muster werden betont:
1.
dvojäk; pl. dvöjki, fratres gernini, g. dvojäk. oväs, avena,
g. övsa. trojäk; pl. tröjkx, fratres trigemini, g. trojäk. £amäk,
caseus e lacte ovillo, g. zämka.
2.
doläc, vallicula, g. dölca. doväc,, viduus, g. dövck. dronjäc;
pl. drönjci, laciniae, g. dronjäc oder drönjci. goläc, homo nudus,
g. gölck. koläc, pälus, g. kölck. konuc, finis; filum, g. könca.
lonäc, olla, g. lönca. loväc, Venator, g. lövca. rtäc-, pl. fei, nom.
propr. campi, g. rtäc oder fei. teläc, vitulus, g. telck. zdenäc,
fons, g. zdenca. zvonäc, campanula, g. zvonca.
Anmerkung. Diese Positionslänge ist jedoch nicht so
fest, dass die Silbe nicht manchmal auch kurz gesprochen
würde: man hört auch dolci, lonci, rcl u. s. w. Der pl. gen.
von fei lautet auch rc,. Ziehe hieher auch den sing. voc. mömee
aus der vierten und den pl. gen. II. send aus der fünften Gruppe.
Siebente Gruppe.
Die Betonungsverhältnisse sind die nämlichen wie in der
fünften Gruppe, nur ist der sing. nom. und beziehungsweise
acc. mit dem Acut auf der letzten Silbe betont.
Beispiel: posdl, negotium.
Singular. Plural,
nom. posdl posli
voc. pbsle posli
acc. posdl posli
gen. poslä ptosäl oder pbsli
dat. poslü poslön
loc. posle posleh oder posleh und pbsleh
instr. poslön posli und pbsli
Nach diesem Muster werden betont:
Cakaviscli-kroatische Studien.
385
1.
tSabdr, urna major, g. cabra. cesdn, alliurn sativum, g. öesnk.
kabäl, urna aqualis, g. kablk. Jcastav, nom. propr. oppidi, g. kastvk.
kotdl, cacabus, g. kotlk. osdl, asinus, g. oslk. pakdl, infernum,
g. paklh. papdr, piper, g. papra. posdl, negotium; labor, g. poslk.
stabdr, pälus, g. stabrk. vazdn, pascha, g. vazmk. vrtdl, hortus,
g. vrtla.
2.
baddnj, labrum, g. badnjk. ceSdlj, pecten, g. öeiljk. SeSdnj,
alliurn sativum, g. cesnja. ogdnj, ignis; febris, g. ognjk. samdnj,
nundinae, g. samnjk. ugdlj, carbo, g. ugljk. vrganj, aratrum;
jugerum, g. vrgnjk.
Achte Gruppe.
Die Betonung ist im Glanzen die nämlicbe wie in der vor
hergehenden Gruppe; nur ist die erste Silbe in den Casusformen
ohne das bewegliche a lang und hat deshalb, wann sie betont
ist, d. i. im sing, voc., pl. gen. II. und eventuell pl. loc. und
instr., den Acut.
Beispiel: jardm, jugum.
Singular,
nom. jardm
voc. jarme
acc. jardm
gen. järmä
dat. järmil
loc. järvie
instr. järmon
Plural.
järmi
järmi
järmi
jardm oder järmi
järmon
järmeh oder järmeh und jdrmeh
järmi und järmi
Nach diesem Muster wird meines Wissens nur noch be
tont : picdn, nom. propr. loci, g. pl6nk, loc. pidne u. s. w.
Neunte Gruppe.
Die Betonung ist die nämliche wie in der sechsten Gruppe,
nur ist die erste Silbe auch in den Casusformen mit dem be
weglichen a lang.
Beispiel: venäc, corona.
Singular. Plural,
nom. venäc vencl
voc. vence vencl
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft.
25
386
Nera an i c.
Singular,
acc. venäc
Plural.
venci
gen. venca
dat. verteil
loc. vence
instr. vencen
venäc oder venci
vencen
venceh oder venceh und venceh
venci und venci
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bänuk, scamnum, g. bänka. bäzäg, sambucus nigra, g.
bäzga. brezäk, monticellus, g. bröika. bücäk, lagena lignea,
g. bü6kk. evetäk, ficus major, g. evetka. cvrcäk, gryllus; cicada,
g. cvfcka. clänak, talus, g. ölänkk. fücäk, pl. fü6ki, cognomen
Croatarum e regione Pinquenti in Istria. järäk, fossa, g. järkk.
järäm, jugum, g. järma. käcäk, vipera bellus, g. käökk. kücäk,
tibula, g. kückk. lesäk, coryllus, g. leskk. lljäk, infundibulum,
g. lijka. mäcäk, felis mas, g. mäeka. mücäk, ovum corruptum,
g. mücka. päljäk, haustrum, g. päljka. pesäk, arena, g. peska.
petäk, dies Yeneris, g. petka. pisälc, fistula; guttur, g. piska.
pöläk, Halbkreuzerstück, g. pölka. püsäk, nux vermiculosa,
g. püska. räsuk, girgillus, g. räskk. rübäk, margo; nux matura;
änus, g. rübka. rücäk, jentaculum, g. rücka. rüljäk, truncus,
g. rüljkk. streik, sorgum, g. slrkk. stäluk, maebina qua stare
et incedere discunt parvuli, g. stälkk. svltak, cesticillus, g. svltkk.
scüräk, gryllus, g. siürkk. slpäk, rosa, g. slpkk. sprangak oder
Spräljäk, ungula, g. spränjkk oder spräljkk. süpäk, bomo ingenii
vani, g. süpka. tetäk, maritus materterae, g. tetkk. visäk, alti-
tudo, g. viska. vresäk, crepitus; fissura, g. vreskk. vrücäk, fons;
aestus, g. vrückk. züräk, cremium, g. zürka.
2.
brezäc, monticellus, g. bresek. brüsäc, coticula, g. brüsca.
cepäc, flagellum, g. cepca. Sreväc, alsine, g. crevck. crnuc, uva
nigra, g. crnck. dübäc, quercula; tliymus serpillum, g. dübek. grä-
däc, nom. propr. castelli jam diruti, g. gräca. hlnäc, fraudator,
g. lilnck. hläpäc, servus, g. bläpek. hränac, qui nupsit uxori suae,
quem quasi uxor duxit; cognomen viri, g. hränck. hväläc, jacta-
tor, g. bvälca. jämac, Sponsor, g. jämck. jünäc, juvencus, g. jünck.
käpäc, guttula; stillicidium, g. käpek. klänäc, clivus; planum apud
domum, g. klänck. klempäc, pistillum campanae, g. klempck. krä-
Cakaviscli-kroatisclie Studien.
387
njäc, Carniolus, g. kränjck. Jcrnjäc, spica zeae defoliata, g. krnjca.
krüljäc, homo raembris mancus et debilis, g. krüljch. kükäc,
scarabaeus, g. kükch. lüzuc, mendax, g. lasch. lücäc, umbo
clitellarius, pl. lüsci. mräväc, formica, g. mrävck. pläväc, uva
coerulea; serpens quidam, g. plävca. plesuc, saltator, g. plesch.
präsäc, porcus, g. präsca. räbac, passer; nom. propr. loci, g.
i'äbca. räzänj, veru, g. l-äzirja. rnbuc, linteum, g. rübck. sämäc,
mas; gryllus domesticus, g. sämca. slänäc, cicer arietinum,
g. slänca. slepäc, bomo caecus; fraudator, g. slepca. stüpuc,
columella, g. stüpcä. südäc., judex, g. süca. svetäc, sanctus,
g. sveca. Säruc, nomen arietis varii; nom. propr. fam.; pl. särc'i,
nom. propr. pagi. scäpäc, quod tribus digitis extremis compre-
bendi et teneri potest, g. I6äpca. Scenci, pl., catuli, g. Scenäc.
Hklenäc, articulus, g. sklenck. Sknpäc, crepitus, g. skrlpck.
akröpäc, imber, g. äkröpck. tüläc, spica zeae; conus; vasculum
foenisecae, g. tülck. väbäc, tibia qua auceps aves allicit; mal-
leolus vitis, g. väbck. venäc, corona, g. venck. vränäc, equus
ater, g. vränca. vränjuc; pl. vränjci, incolae loci Vrknja. vü£äc,
dolor vulneris inflammati, g. vüsca. zdrebäc, equus admissarius,
g. zdrebck. ziväc■, margo lintei, g. zivca. zlebäc., imbrex, g. zlebck.
Anmerkung. Mitunter wird aucb z. B. im pl. nom. die
erste Silbe betont: Jddnci, säraci. Häufig wird im pl. gen. I.
die erste Silbe kurz gesprochen: cvetdk, plesdc, prasdc.
Zehnte Gruppe.
Diese Gruppe verhält sich bezüglich der Betonung und
Quantität zur achten ebenso wie die neunte zur sechsten.
Beispiel: strncdlj, trunculus.
Singular,
nom. Strncdlj
voc. Strnclju
acc. strncdlj
gen. Strnclju
dat. strncljil
loc. strnclje
instr. Strncljen
Plural.
Strncljt
Strnclji
strncljt
Strncdlj oder Strnclji
Strncljen
Strncljeh oder Strncljeh und Strncljek
strnclji und Strnclji
Nach diesem Muster werden betont:
25*
388
Neman id.
1.
jägdl; pl. jägli, puls setariae, g. jägäl. järdm, jugum,
g. järma.
2.
kücdlj, caulis, g. küclja. plädanj, catillus, g. plädnjk.
räzdnj, veru, g. räznjk. rücdlj, capulus in manubrio falcis foe-
nariae, g. rücljk. strncdlj, trunculus arbusculae falce desectae,
g. strncljk.
b) Solche, welche im sing. nom. kein bewegliches a
enthalten und somit nach Annahme von Casussuffixen
dreisilbig werden.
Erste Gruppe.
Der Accent liegt, und zwar als Gravis, durch die ganze De-
clination auf der ersten Silbe, nur im pl. gen. I. springt er
gewöhnlich als Acut auf die letzte Silbe über.
Beispiel: kbrak, passus.
Singular,
nom. kbrak
voc. kbrace
acc. kbrak
gen. kbraka
dat. kovaku
loc. kbrake
instr. korakon
Plural.
kbraki
koraki
kbraki
kordk oder koraki
kbrakon
korakeh
kbraki
Nach diesem Muster werden betont:
1.
äbit, habitus, g. abita. bäkul, gryllus domesticus, g. bkkula.
bälog, stercus, g. baloga. bekvar, salix viminalis, g. bekvara.
bezjak; pl. bezjaki, cognomen partis Croatarum Istrianorum.
biser, margarita, g. bisera. blägdan, dies festus, g. blkgdana.
blätar; pl. blktari, cognomen joculare incolarum loci Noväki.
bbdul, incola insulae Vegliae, pl. böduli. brätan, fratris filius,
g. brhtana. brätnjak, pars patrimonii singulis fratribus addicta,
g. brktnjaka. bremen, onus, g. bremena. brbScan, incola loci
Brest, pl. bres6ani. bilbreg, ren, g. bübrega. büdin, urbs Buda,
g. biidina. btirmus, cicer, g. bürmusa. cigan, zingarus, g. cigana.
Cakavisch-kroatlsche Studien.
389
cemer, venenum, g. öemera. ciler, ulcus, g. öilera. dever, levir;
paranympbus, g. devera. dimnik oder dimnjak, fumarium, g.
dimnika oder dimnjaka. d'oseg, quod attingere possum, g. dösega.
dfrvar, lignarius, g. dfvara. dündar, nomen pueri joculare, g. dün-
dara. fräjar, amator, g. frajara. früstik, jentaculum, g. früstika.
gävran, corvus, g. gkvrana. g'olub, columba, g. göluba. greben,
pecten pro purgando lino, g. grebena. gresnik, peccator, g.
gresnika, grizcme, pl., m., nom. propr. loci, g. griäan. grizar,
nomen canis, g. grizara. gr'obnik, nom. propr. loci, g. gröbnika.
gübar, qui fungos colligit, fungis vescitur, pl. gübari. hämot,
multae res dense una crescentes, g. hamota. hehljer, nom. propr.
fam.; pl. behljeri, nom. propr. pagi. Jiomot, pälus ad quem palmes
adligatur, g. hömota. hrelin, nom. propr. loci, g. lirelina. hrilcan,
christianus orthodoxus, g. briscana. hüncut, liomo nequam, g. him-
cuta. hus, Jesus, g. isusa. jäblan, malus, g. jablana. jäSmik
bordeum, g. jaömika. jcikov, Jacobus, g. jkkova. jelen, nomen
bovis; lucanus cervus, g. jelena. jesen, fraxinus, g. jesena. jesih,
acetum, g. jesiha. jbzef, Josepbus, g. jözefa. kälub, larus ridi-
bundus, g. kaluba. kämen oder kämik, lapis, g. kkmena oder
bkmika. kävran, i. qu. gkvran, g. kavrana. kleScar, lucanus cervus,
g. kles6ara. kocak, gallinarium, g. koöaka. kblar, plaustrarms,
g. kölara. komad, frustum, g. kömada. komun, commune, g.
kömuna. konjar, custos equorum, g. könjara. korak, passus, g.
köraka. koren, radix; nom. propr. fam., g. körena. kbsljun, nom.
propr. insulae, g. kösljuna. kbzljak, nom. propr. loci, g. közljaka.
kräjcari, pl., nom. propr. loci, kreljut, ala; bomunculus, g. kre-
ljuta. kühar, coquus, g. kiihara. kütnjak oder kütnjik, dens mo
laris, g. luitnjaka oder kütnjika. läbud, cycnus, g. lkbuda. le-
puh, lappa, g. lepuba. lesnjak, nux juglans, g. lesnjaka. llcit,
auctio, g. licita. likof, epulae post operam perfectam, g. likofa.
lokot, sera pensilis, g. lbkota. Ibpov, bomo perditus, g. löpova.
lümber, bacca laurea, g. lbmbera. lumer, numerus, g. liimera.
mälin, pistrinum, g. mklina.. mecak, mollia panis, g. mecaka.
m'ecar, nom. propr. fam., g. mecara. medig, medicus, g. mediga.
imlan, nom. propr. viri, g. milana. miSnjak, decipula, g. mis-
njaka. mozjani, pl., cerebrum, g. mozjän. m'rmor, murmur, g. mf-
mora. närod, natio, g. naroda. nauk, doctrina, g. nauka. nedih,
asthma, g. nediba. nemir, inquies, g. nemira. närast oder neres,
verres, g. nerasta oder neresa. netres, sempervivum tectorum,
390
Nemanic.
g. netresa. oblak, nubes, g. öblaka. obod, margo pillei, g. öboda.
büiih, vitricus, g. ööuha. ograd, terra saepta, g. ögrada. bkrak,
canalis tibialis, g. ökraka. okrut, doliolum, g. ökruta. otok,
tumor, g. ötoka. otrov, venenum, g. ötrova. pärljak, ungula,
g. pkrljaka. pauk, aranea, g. pauka. päzin, nom. propr. urbis,
g. pazina. pedig, palmus, g. pediga. pbkar, pistoi - , g. pekara.
petljar, mendicus, g. petljara. p'ifar, nom. propr. fam.; pl. pi-
fari, nom. propr. pagi. pirili, bos varius, g. piriha. plehtin, nom.
propr. fam.; pl. plehtini, nom. propr. pagi. pleter, saepimentum;
stabulum cratitium, g. pletera. pbdlog, hypotheca, g. pödloga.
pbdsrt, nom. propr. loci, g. pödsrta. pbdvez, vinculum tibiale,
g. pödveza. pogled, aspectus, g. pögleda. pogrez, terra limosa
qua mergi potes, g. pögreza. pbmrk, defectio (solis, lunae), g.
pömrka. popel, cinis, g. pöpela. p'oslan, tectum pastorum quatuor
stipitibus sustentum sine parietibus, g. pöslana. pbtres, terrae
motus, g. pötresa. potrus, conspersio, g. pötrusa. povod, inundatio,
g. pövoda. pbvraz, piscatoris instrumentum: virga cum f'uniciilo
et hamo, g. pövraza. preded, abavus, g. prededa. pritrus, causa,
g. pritrusa. propad, terrae hiatus, g. pröpada. prbstor, spatium,
g. pröstora. prozeb, refrigeratio, g. prözeba. pusten, anulus,
g. prstena. puhar, qui gliribus insidiatur; pl. pühari, nom. propr.
loci, rakar, cancriceps, g. rakara. rastrug, linea qua duae ta-
bulae exasciatae inter se contingunt, g. rastruga. rmdk, lorum,
g. remika. repar, lappa, g. repara. ribar, piscator, g. ribara.
rüpnjak, nom. propr. campi, g. rüpnjaka. rütar, collector pan-
norum, g. rütara. säbljak, iris, g. sabljaka. smetar, everricator,
g. smetara. sohar, carnifex, g. söhara. sokol, falco, g. sökola.
sprbznik, socius laborum campestrium (qui cum alio est in
,sprega'), g. sprbznika. shiad, avis quaedam, g. sfnada. sHen,
crabro, g. srsena. stänog, oniscus murarius, g. stanoga. stbmig,
stomacbus, g. stömiga. stbzer, pertica circa quam foenum sive
stramentum coacervatur, g. stözera. strzen, robur, g. stfzena.
stüpar, pistor, g. stüpara. svekrv, socer, g. svekrva. Sätor, ten-
torium, g. satora. Smtar, qui pecus morticinum deglubit, g. sin-
tara. Skräbot oder skrebut, clematis vitalba, g. skrkbota oder
skrebuta. Stäkor, mus rattus, g. stkkora. Stäpeh, sedilis genus,
g. stapeha. Strped, frutex; fruticetum, g. stfpeda. täler, tbalerus,
g. talera. tekut, pediculus volatilium, pl. tekuti. tesljar, faber
lignarius, g. tesljara. t'ijan, nom. propr. fam.; pl. tijani, nom.
Cakavisck-kroatisclie Studien.
391
propr. pagi. tripar, nomen joculare hominis intestinis vescentis,
pl. tripari. tüdor, nom. propr, fam.; pl. tiidori, nom. propr. loci.
üökar, incola inontis Üöka, pl. iickari. ügljen, carbo, g. iigljena.
ugon, quod mihi delectationi est, g. ügona. üjed, tormina, g.
üjeda. ürar, horologiarius, g. ürara. vdöer, vesper, g. veöera.
vilez, ortus, g. vileza. vrbnik, nom. propr. urbiß, g. vfbnika.
vntnjak, ictus calcis, g. vritnjaka. zaklad, caudex qui vigilia
nativitatis Christi uritur, g. zaklada. zälog, bolus, g. zaloga.
zäbljak, foenum malum quod in terra palustri crevit, g. zabljaka.
zäntbor oder zämor, susurrus, g. zämbora oder zainora. zidov,
Judaeus, g. zidova. zival, nom. propr. monstri cujusdam fabu-
losi, g. zivala. zlicnik, theca cochlearia, g. zlicnika. zmükljctr,
homo parcus, g. zmükljara. znidcir, sartor, g. znidara. zoner,
exoneratio, it. esonero, g. zönera. zrnov, mola trusatilis, g. zr-
nova. züdili, judex, g. ziidiha. — Hieher sind auch zu rechnen:
bräcK, fraterculus, g. braceta, bHe, nom. propr. fam., g. bfteta.
cäde, bos niger, g. cadeta. grgo, Gregorius, g. gfgeta. päpa,
pater, g. päpeta. skHe, homo membris extortus et fractus,
g. skfceta. sllnko, homo sputo madens, g. slinketa.
2.
bozic, nom. propr. fam., g. bözica. brätac, fratellus, g. bra-
taca. brcitic, fratellus, g. bratiba, bi'kes, nomen vervecis, g. bf-
keia. brüfulj, pustula, pl. brüfulji. brumme, nom. propr. fam.,
g. brumniöa. büzic, nom. propr. fam., g. biizi6a. chnez, cimex,
g. cimeza. cürus, cognom. fam. joculare, g. bürusa. detelj, picus
martius, g. detelja. divic, nomen vulgare amphitheatri in Pola,
g. diviba. doflic, Adolphus, g. döflica. drägic, juvenis amatus,
g. dragi6a. ßfric, cognomen viri parvi et inquieti, g. fffriba.
gälvic, galla, g. gälvica. grädinj, nom. propr. loci, g. grkdinja.
gi'zic, nom. propr. fam.; pl. gizici, nom. propr. loci. hrüSvic,
achras, g. hrüsvica. jäcic, puls hordeacea; nom. propr. fam.,
g. jhcica. jäzbac, meles taxus, g. jazbaca. käktuS, cactus, g. kak-
tusa. kimelj, carum, g. kimelja. koles, nomen vervecis, g. kö-
lesa. kovaö, nom. propr. fam., g. kövaca. krüSic, dim. von
krüh, panis; nom. propr. fam., g. krüsica. küSic, fibula, g. kü-
cica. küp&ic, fungorum genus, pl. küpcici. läpeS, cerussa, g. la-
pesa. lemez, culter aratri, g. lemeza. Itickic, nom. propr. fam.;
pl. lückici, nom. propr. pagi. lukez, nom. propr. fam., g. lükeza.
392
N e m a n i c.
Ijübic, juvenis amatus, g. ljübiba. mesec, luna; mensis, g. meseca.
morcid, inauris nigra, pl. moröidi. m¥kes, nigris maculis (aries,
bos etc.), g. mfkesa. mill&ic, spurius, g. miilcib. milles, nomen
arietis, g. mülesa. midie, spurius, g. mülica. obriic, orbis, g. öb-
ruca. oslid, asellus, g. öslica. ostre, Stimulus, g. östrea. pämic,
nom. propr. fam.; pl. pämici, nom. propr. pagi. pepic, Josephus,
g. pepica. picic, pullus gallinae, pl. picidi. picic, parvulus, g. pi-
cica. piplid, pullus gallinae, g. piplica. pominj, fama, g. po-
minja. pomulj, bulla, g. pömulja. pregrsc, ambae volae ad ac-
cipiendum quid paratae, g. pregrsba. prstic, digitulus; fungorum
genus, pl. pi-stici. pulic, nom. propr. fam., g. pülica. piirie, pullus
gallinae indicae, pl. pürici. rätalj, arator, pl. ratalji. rebSic, nomen
arietis, g. rebcica. ribez, radula, g. ribeza. siric, caseolus, g. sirica.
sives, nomen arietis, g. sivesa. slepcic, fraudator, g. slepöica. sibez,
pruritus, g. sfbeza. stcibmc, pälus, g. stabrica. stärcic, nom. propr.
fam., g. staröida. svedric, terebellum, g. svedrica. Sepcic, nom.
propr. fam.; pl. sepöici, nom. propr. pagi. skäbic, nomen arietis,
g. skabica. skräcalj, nom. propr. fam., g. skracalja. skrätalj, dae-
mon quidam, g. skratalja. smrekvic, bacca juniperi, g. smrekvica.
ticic, avicula, pl. ticici. vläsic, nom. propr. fam.; vlksici, nom.
propr. pagi; plejades. vränic, diabolus (euphem.), nom. propr.
fam.; pl. vrknici, nom. propr. loci. vHic oder vHlic, h'örtulus,
g. vftica oder vrtlica. zlbdej, diabolus, g. zlödeja. zivez, alimenta,
g. ziveza. zrebeie, pullus equi, g. zrebcica.
Anmerkung. Vielfach sind die Schwankungen der Be
tonung des pl. gen. Ich verzeichne da: 1. pl. gen. I. a) brä-
tac, grizan, stälcor; b) komdd, korak, kutnjdk, leSnjdk, mesec,
mozjan, obldk, obrüc, remik, vlaHd; c) angeblich auch: dimnjäk,
greSnik, lesnjäk, bdiih. 2. pl. gen. II. a) brätici, biibrigi, iileri,
kbraki, kiihari, lümeri, mälini, remiki, tekuti, ügljeni, veceri, vrä-
nidi, ziidihi; b) gavrdni, koviddi, kordki, mälini, meseci, obldki,
obrüci, remiki, vlasici.
Zweite Gruppe.
Im sing. voc. und dem damit gleichlautenden sing. nom.
ist die erste Silbe mit dem Acut, sonst durch die ganze De-
clination mit dem Gravis betont.
Beispiel: sünje, homo animi imbecilli.
393
Cakaviscli-kroatisclie Studien.
Singular.
sünje
sünje
Sünjeta
sünjeta
Sünjetu
sünjete
instr. Sünjeton
nom.
voc.
acc.
gen.
clat.
loc.
Plural.
sünjeti
sünjeti
simjeti
sünjet oder sünjeti
sünjeton
sünjeteh
sünjeti
Nach diesem Muster werden betont:
cmire, infans multum plorans, g. cmireta. cöto, homo
claudus, g. cöteta. drde, homo stomachosus, g. dfdeta. düre,
i. qu. drde, g. düreta. frdne, Franciscus, g. frkneta. kljüste,
homo deformis, g. hljüsteta. ive, Joannes, g. iveta. jddre, An
dreas, g. jädreta. jöze, Josephus, g. jözeta. jure, Greorgius,
g. jüreta. Mle, homo fractus, g. kileta. krülje, homo mancus,
g. krüljeta. ltwle, clamator, g. kvileta. lövre, Laurentius, g. 16-
vreta. mdte, Mathias, g. mhteta. miho, Michael, g. miheta. niko,
Nicolaus, g. niketa. njrte, homo fremebundus, g. njröeta. njüre,
homo morosus, g. njüreta. pdve, Paidus, g. paveta. pepo, Jo
sephus, g. pepeta. pjero, Petrus, g. pjereta. skr£e, homo in-
curvatus, g. ski’öeta. släve, nomen viri, g. slhveta. sprle, homo
incurvatus, g. sprleta. sine, nomen bovis, g. srneta. svrle, homo
iners et otiosus, g. svrleta. sinne, Simeon, g. simeta. sldte, homo
stupidus, g. slkteta. Sljüte, homo ingenii hebetis, g. sljiiteta.
Mnko, homo animi imbecilli, g. simketa. sünje, i. qu. sünko,
g. sünjeta. svrlje, minctor, g. svrljeta. trübe, homo ingenii
hebetis, g. trübeta. zvdne, Joannes, g. zvkneta. zize, ignis (in
der Kindersprache), g. zizeta. züte, homo flavus, g. züteta.
Dritte Gruppe.
Der Accent liegt, und zwar als Acut, durch die ganze
Declination auf der ersten Silbe.
Beispiel: sincic, filiolus.
Singular,
nom. sincic
voc. sincicu
acc. sindca
gen. sinbicci
dat. sincicu.
Plural.
sinöici
sincici
sincici
sinüc oder
sincicen
sincici
394
N eman ic.
Singular.
Plural.
loc. sincice
instr. s meiden
sindiceh
sincici
Nach diesem Muster werden betont:
1.
djer, aer, g. ajera. dldov, sacrificium, g. äldova. dnjel,
angelus, g. anjela. bämbuh, stomachus (bovis); venter obesus;
homo ventriosus, g. bämbuha. dimnjak, fumarium, g. dimnjaka.
fertoh, praecinctorium, g. fertoha. göjtan, nom. propr. fam.,
g. göjtana. gresnik, peccator, g. gresnika. jdjnik, panis paschalis
cum ovo intexto, g. jäjnika. jdmbor, mälus, g. jämbora. järbol,
i. qu. jämbor, g. järbola. kolter, ordo vitium, g. költera. lednik,
medicus, g. leönika. le&njak, nuxjuglans; terebri genus, g. les-
njaka. Idpov, liomo perditus, g. lopova. lümber, bacca laurca,
g. lumbera. luznjak, vas lixiviarium, g. lüznjaka. merlin, inula
helenium, g. merlina. ndbor, plica, pl. näbori. naSin, modus,
g. näcina. narod, natio, g. näroda. örgan, organum, g. organa.
oveak, ovile, g. dveaka. pörod, partus, g. pöroda. pötres, terrae
motus, g. pdtresa. prebor, delectus, g. prebora. princip, princeps,
g. principa. pristreh, semitectum; casula cratitia, g. pristreha.
pürman, meleagris gallopavo, g. pürmana. pütnik, viator, g. püt-
nika. rdzum, mens, g. räzuma. sirniJc, stomachus suillus in quo
coagulum paratur, g. sirnika. spreznik, socius laborum cam-
pestrium, pl. sprezniki. stölnjak, mappa, g. stölnjaka. Sdntol,
patrinus, g. säntola. sirman, nom. propr. fam., g. sirmana. sdgar,
nom. propr. fam.; pl. sögari, nom. propr. pagi. tdjnar, nom. propr.
fam., g. täjnara. termin, dies constituta, g. termina. tumban,
vittae genus, g. tümbana. vilnjak, arteria cephalica, g. vilnjaka.
vrdtnik, nom. propr. transitus trans montem Velebit, g. vrätnika.
vrbnik, nom. propr. urbis, g. vfbnika. zdklon, locus a vento tutus,
g. zäklona. zator, pernicies; locus apud viam, ut pecudes facile
damnum faciant: njiva na zätore. zldmar, diabolus, g. zlömara.
zlömbrt, pars carnis porcinae dorsalis, g. zlombrta. zölfer, sul-
phur, g. zölfera. zrnov, mola versatilis, g. zfnova. — Hieher
gehören auch: bdrba, patruus, g. bärbeta. brdee, fraterculus,
g. braceta. cöto, homo claudus, g. cöteta. ende, bos niger, g. öä-
deta. coro, homo altero oculo caecus, g. cöreta. kuco, canis,
g. kuceta.
Cakavisch-kroatisclie Studien.
395
2.
brnbelj, melolontha vulgaris, g. brnbelja. ddlcic, vallicula,
g. dölcica. clörcic, nom. propr. fam., g. dbrcica. drdgic, juvenis
amatus, g. drägica. drndic, nom. propr. fam.; pl. drndibi, nom.
propr. pagi. fdntic, puellus, g. fäntiba. fränSic, nom. propr. fam.;
pl. francibi, nom. propr. loci, frdnic, nom. propr. fam.; pl. fra-
ni6i, nom. propr. loci, galvic, galla, g. gälvica. huhelj, hilaritas,
g. huhelja. jdncic, agnellus, g. jänöiba. kälez, calix, g. käleza.
mdtic, nom. propr. fam., g. mätica. mavric, nom. propr. fam.;
pl. mävrici, nom. propr. loci, merlic-, pl. merlibi, frantelli. mr-
melj, murmurator, g. mrmelja. percic, nom. propr. fam.; pl. per-
cici, nom. propr. pagi. pretelj, amicus, g. prdtelja. sincic, liliolus,
g. sincica. sördac, malleolus, g. sördaca. telcic, vitellus, g. tel-
cica. tencic, nom. propr. fam.; pl. tencibi, nom. propr. pagi.
tdndic, catillus, g. töndica. zdjcic, lepusculus; pl. zäjöici, fün-
gorum genus.
Vierte Gruppe.
Im sing. nom. und beziehungsweise acc. ist die letzte
Silbe mit dem Gravis, im pl. gen. I. mit dem Acut, in allen
übrigen Casus dieselbe, nun vorletzte, Silbe mit dem Gravis
betont. Die erste Silbe ist a) meistens kurz, nur b) in einigen
Wörtern lang.
Beispiel: potbk, rivus.
Singular,
nom. potok
voc. potoce
acc. potok
gen. potoka
dat. potoku
loc. potoke
instr. potokon
Plural.
potbki
potbki
potbki
potok oder potbki
potbkon
potbkeh
potbki
Nach diesem Muster werden betont:
1. a)
angost, augustus, g. angosta. beteg, morbus frumenti, g. be-
tega. bizät, anguilla, g. bizkta. bobik, frustum, g. bobika. bolnik,
aegrotus, g. bolnika. borüt, nom. propr. loci, g. borüta. bratän,
fratris filius, g. bratana. brlog, cubile (leporis, gallinae ova
396
Nemanic.
parientis etc.), g. bidöga. brsljän, hedera, g. brsljana. cigän,.
zingarus, g. cigana. clovek, homo, g. öloveka. fjoret, farina
cribrata, g. fjoreta. frläb, commeatus, g. frlaba. goljüf, frau-
dator, g. goljüfa. gospüd, dominus, g. gospüda. grkljän, arteria
aspera; collum lagenae, g. grkljana. halop, festinatio praepro-
pex-a, g. balöpa. homüt, pälus ad quem palmes adligatui - , g. ho-
müta. lirbät, doi’sum, g. hrbata. jarüh, agnus vei’nus, g. jaiixha.
jerüd, Herodes, g. jeimda. kapüt, toga, g. kapüta. kapuz, bi’assica
capitata, g. kapüza. kastig castigatio, g. kastiga. konäk, mansio,
g. konaka. kondot, latrina, g. kondöta. konop, funis, g. konopa.
kresin, nom. propi'. fam.; pl. kresini, nom. propr. pagi. kruzät,
vestimentum sine manicis minus, g. kruzata. Jcudläk, vampyrus,
g. kudlaka. kunträt, pactum, g. kunträta. lovrän, nom. propr.
loci, g. lovrana. medved, xirsus, g. medveda. meljüh, bomo ixx-
quietus, g. meljuha. mosüt, nom. propr. fam., g. mosxxta. muskät,
uva muscatella, g. muskata. natuk, callum, g. natüka. naük,
doctrina, g. naixka. novljän, incola urbis Novi, g. novljkna. obed,
prandium, g. obfeda. oblog, quod circumdatur alicui rei; terra
inculta; pl. oblögi, nom. propr. campi. obräz, facies, g. obi’aza.
obrok, cena copiosa, g. obröka. obrus, sudarium, g. obi'üsa. omet,
locus eversus, g. ometa. oreh, nux, g. oreha. osip, Josephus,
g. osipa. ot'ok, derivatio, g. otöka. pelin, ai’temisia, g. pelina.
pijät, catillus, g. pijkta. pilät, Pilatus; nom. propr. fam., g. pi-
lkta. poSek, exspectatio; fides; nom. propr. fam., g. pocbka.
podniok, locus humidus, g. podmöka. pogreb, sepultui’a; exse-
quiae, g. pogi’eba. poklon, nom. pi'opr. loci, g. poklöna. polog,
ovum gallinae suppositum, g. polöga. poplät, planta; solea, g. po-
plata. poslvh, oboedientia, g. poslüba. postüp, occasus, g. postüpa.
posds, possessio, g. posesa. potek, oi-igo, g. potfeka. pot'ok, l’ivus,
g. potoka. potop, inundatio, g. potopa. pov'od, inundatio, g. po-
vöda. prnät, strues mei’gitum, g. pirnkta. proset, ambulatio,
g. proseta. prsüt, pei-na, g. prsüta. raöün, ratio, g. racüna.
ragäti, pl., foenum sti-atum ad siccandum in sole, g. ragät.
razvrg, dissociatio; discordia, g. razvfga. rimljän, Romanus,
g. rimljana. ruSin, nomen bovis, g. rusina. sesträn, sororis filius,
g. sestrkna. sirop, syi-upus, g. siröpa. svedok, testis, g. svedöka.
tskalin, gradus scalanxm, g. skalina. skontrm, talea, g. skontiüna.
Stelet, dentiscalpium, g. stelbta. sufit, tabulatum supremum,
g. sufita. surän, nom. propr. fam., g. surana. tabäk, hei'ba
Öakaviscli-kroatische Studien.
397
nicotiana, g. tabaka. tenbg, julus terrestris, g. tenoga. terän,
uvae genus, g. terhna. tibttt, lintei genus, g. tibeta. tinjän, nom.
propr. loci, g. tinjana. tonät, nom. propr. fam., g. tonata. tra
vers, praecinctorium, g. traversa. trbiili, venter, g. trbüha. trenbg,
tripus, g. trenöga. trsät, nom. propr. loci, g. trskta. tumbän,
vittae genus, g. tumbana. unilk, nepos. g. unülta. urbki, pl., fa-
scinatio, g. urök. uscap, plenilunium, g. usbhpa. uzrbk, causa,
g. uzroka. vodnjäk, coluber natrix, g. vodnjaka. vodnjän, nom.
propr. urbis, g. vodnjana. zajik, lingua, g. zajika. zarez, incisura,
pl. zarezi. zelüd, glans, g. zeluda. zupän, zujianus, g. zupana. —
Hier sei auch erwähnt: kovjädo, mariti aut uxoris frater, sororis
maritus, g. konjada.
1. b)
nächn, modus, g. näöina. nähod, praemium inventoris,
g. nähoda. närod, natio; hominum genus, g. näröda. nätres,
sempervivum tectorum, g. nätresa. pörbd, partus; ortus; proles,
g. pöroda. pörok, Sponsor, g. pörbka. pötres, terrae motus.
g. pötresa. pözeb, damnum frigoribus factum, g. pözbba, prebbr,
delectus, g. prebbra. presäd, plantae e seminario transferendae,
g. preskda. prileh, locus (ante domum etc.) contectus; pulvinus
(agri, horti) angustior, g. prileha. pristreh, semitectum; casula
cratitia, g. prlstreha. prösek, intersectio, g. prösblta. räsad, i. qu.
preshd, g. räsada. süs&d, vicinus, g. süseda. zähbd, occasus,
g. zähbda. zäklad, truncus qui vigilia nativitatis Christi accen-
ditur, g. zäklada. zäkbn, lex; matrimonium, g. zäkbna. zäm'et,
foetus, g. zämhta. zürbd, foetus, g. zärbda. zävet, Votum, g. zävbta.
2. a)
badnjic, truncus qui vigilia nativitatis Christi accenditur,
g. badnjica. barbic, patruus, g. barbica. baüc, malleolus, g. ba-
ti6a. blazic, Blasius, g. blazica. blecic, lacinia, g. bleöica. bobic,
fäbula; frustulum, g. bobica. bozhc, dies natalis Christi, g. boäiba.
brecic,, canicula, g. breciba. brescic, monticellus, g. bresciba.
brodle, navicula, g. brodica. bubnjlc, tympaniolum; puer crassus,
g. bubnjica. ceric, quercus cerris, g. ceriba. coclc, trunculus,
g. cocica, cvecic, claviculus, g. cveciba. cabric, labellum, g. öa-
briba. ceplc, obturamentum, g. cepiba. SeSlc, nom. propr. fam.;
pl. cesibi, nom. propr. pagi. Sirljlc, ulcusculum, g. öirljica. Sofie,
fimbria, g. cofica. cohllj, nom. propr. fam., g. cohilja. er me,
398
N eman ic.
vermiculus, g. crviba. detlc, puellus, g. detiba. dolSic, vallicula,
g. dolöiba. dragic, juvenis amatus, g. dragiba. d,recl6, merdula,
g. dreöiba. droskic, avicula quaedam, g. droskiba. düble, arbu-
scula; quercula, g. dubiba. franie, Franciscus, g. franiba. gluS'ic,
bomo subsurdus, g. glusiba. gnojic, pus, g. gnojiba. grablc, qui
pectine colligit foenum, pl. grabibi. gradlc, urbicula, g. gradiba.
grandlc, nom. propr. fam. vulgare, g. grandiba. grmic, arbuscula,
g. grmica. grozdic, raeemulus, g. grozdiea. Idplc, momentillum,
g. bipica. lilebZic, libunculus, g. blebciba. hlevic, porcile jninus,
g. hlevi6a. liljustic, dim. von hljuste, bomo deformis, g. bljustiba.
hrtlc, canis leporarius; catulus canis leporarii; bomo pusillus et
macer, g. brtica. hudle, diabolus, g. budlca. jadrlc, Andreas,
g. jadriba. jagllc; pl. jagbei, dim. von jägli, puls setariae,
g. jaglic. janclc, agnellus, g. jancica. jozic, Josepbus, g. joziia.
juric, Georgius, g. jurica, kaflc, cofFea arabica (in der Kinder-
spracbe), g. kafiea. kalld, lacunula, g. kalida. Icaplc, guttula,
g. kapiea. kasljlc, tussis, g. kailji6a. klasle, spicula, g. klasiba.
klaSclc, spicula, g. klasbica. klupclc, glomellum, g. klupeiba.
kljucic, clavicula, g. kljuciba. kljunlc, rostellum, g. kljuniba.
kolcie, palus, g. kolciba. kontlc, agricola divitior, g. kontiba.
konjlc, equulus, g. konjiba. kornlc, nom. propr. loci, g. korniba.
kosie, turdus merula; pl. kosibi, nom. propr. pagi. koste, corbula,
g. kosiba. kovrlc, nom. propr. fam., g. kovrica. kozllc, baedulus,
g. kozliba. krampljlc, unguiculus, g. krampljiba. krizlc, crucula,
g. kriziba. Icromäe, silaus, g. kromäca. krusclc, rupecula, g. kru-
sbiba. kumlc, byp. von kuin, compater, g. kumiba. kumpunj,
socius, g. kumpanja. kuscld, frustulum, g. kusbiba. kuzrtne, Cos-
mas, g. kuzmica. kvartlc, quarta pars, g. kvartiba. lazlc, nom.
propr. campi, g. laziba. listic, foliolum; epistula, g. listiba.
lonclc, ollula, g. lonciba. luklc, Lucas, g. lukica. luplc, putamen,
g. lupiba. Ijublc, juvenis amatus, g. ljubiba. macklc, catulus
felinus, pl. mackici. magrlz, berba quaedam, g. magriza. majlc,
termes crepitaculi, g. majiba. viandlc, nom. propr. fam.; pl. man-
dici, nom. propr. loci, matlc, Mathias, g. matiba. meSclc, fol-
liculus, g. mesbiba. mladlc, juvenis, g. mladiba. mlatlc, tribulator,
pl. mlatibi. mleklc, lac (in der Kinderspracbe), g. mlekiba.
moljlc, tineola, g. moljica. mrtvuc, mortuus, g. mrtvaca. muhlfic,
berba quaedam, g. muhljiba. necäc, nepos, g. nebaca. noslc,
nasulus, g. noslba. novclc, nummulus, g. novöiba. nozlc, cultellus,
Caltavisch-kroatische Studien.
399
g. nozida. oeic■ pl. oöidi, ocelli, g. oöid. ognjic, igniculus,
g. ognjida. ojlc, temo minor, g. ojida. orltc, uom. propr. fam.,
g. orlida. osllc, asellus, g. oslida. ostric, particula quaedam currus,
g. ostrida. paljic, kaustrum, g. paljida. paric, dim. von pär, par,
g. parida. permeS, commeatus, g. permdäa. pizdic, cognomen
viri joculare, g. pizdida. pleite, segmentum succidiae, g. plesica.
plofic, sepicula, g. plotida. polte, media mensnra; nomen viri
joculare, g. polida. prascic, porcellus, pl. prasdidi. prasic, pul-
visculus, g. prasida. prazic, aries juvenis, g. prazida. precäc,
via directa, g. preöaca. prolic, ver, g. prolica. prstic, digitellus,
g. prstida. puste, glis, g. pusida. radic, Willemetia (kerba),
g. radica. razmic, nom. propr. fam., g. razmida. raznjic, veru-
culum, g. raznjida. rbäz, pustularum genus, g. rba2a. reic, ca-
curnen; pl. röidi, nom. propr. campi, g. rcid. vebi'e, hydrometra
lacustris, g. rebrea. redic, dim. von red, ordo, g. redica. repic,
caudula, g. repida. rezujic, segmentum, g. reznjida. rombäz, i. qu.
rbiiz, g. rombaza. rosctc, corniculum; ceratium, pl. roscidi. rüc,
i. qu. rdic, pl. rtidi. sanic, somnulus, g. sanida. sasSie, mammula,
g. sascida. skasic, dim. von skas, via declivis; nom. propr. campi,
g. skasida. skrobic, pulticula farinacea, g. skrobida. slabic, liomo
debilis, g. slabida. slaJcüe, convolvoli genus, g. slakiica. sledhc,
paululum, g. sledida. slepie, anguis fragilis, g. slep'ida. srakoc,
avis quaedam, g. sraköda. srärrnc, penis, g. sramida. stabric,
palus, g. stabrida. starte, mensurae genus, g. starida. stolctc
oder stolic, sedecula, g. stolcida oder stolida. strmäc, culcitra
stramentitia, g. strmaca. suläc, jocus, g. suläca. svecic, dim.
von svetke, sanctus, g. sveß'iea. svedme, terebellum, g. svedrida.
scapelc, quantulum extremis digitis comprehendi et teneri potest,
g. sdapcida. simtc, Simeon; parus major, g. simida. Skanji6,
scabellum, g. skanjida. ilcarie, furca currus, g. skarida. skolßc,
msula, g. skoljica. 5kopB,c, verveculus, g. slcopcida. Smrkljic,
mucus, g. smrkljiea. Spaußc, claviculi lignei genus, g. spanjida.
SpaPtc, funiculus, g. spazida. spesic, dim. von spek, succidia,
g. spesida. strncljic, trunculus, g. strncljida. Strukljic, cibi fa-
rinacei genus, pl. strukljidi. t.atic, furunculus, g. tat'ida. telcic,
vitellus, g. telöida. toni6, Antonius, g. tonida. traeic, taeniola,
g. traöida. tuPic, nomen viri joculare, g. tuzida. ud'ii, membrum,
pl. udici. uglfic, carbunculus, g. ugljida. valic, nom. propr. fam.;
pl. validi, nom. propr. pagi. venclc, corolla, g. vencica. vinlc,
400
Neiuanic.
vinurn (in der Kindersprache), g. viniba. volle, bubulus, g. voliba.
vozic,, currulus, g. voziba. vrancic, equulus ater, g. vrancica.
vrazic, diabolus, g. vraziba. vrgänj, aratrum, g. vrganja. vrgnjlc,
dim. von vrgänj, vrgnja, aratrum; jugerum; g. vrgnjiba. vrsic,
cacumen, g. vriiea. vrtllc, bortulus, g. vrtliba. zublc, denticulus,
g. zubiba. zamcic, caseolus e lacte ovillo, g. zambiba. zepic,
saccellus, g. zepica. zmuljic, pocillum, g. sämuljica. — Hier sei
auch erwähnt: fijbco, filius baptismalis, g. fijöca.
2. b)
blescäc, locus ubi coelum nubilosum disserenat, g. blesbhca.
brüSclc, coticula, g. brüsbiba. delcic, particula; quarta pars panis
,rucica‘ vel ,zdblnica' dicti, g. delöiba. jüncic, juvenculus, g. jün-
ciba, läscäc, i. qu- blesbac, g. läsbaca. pälez, uredo, g. päleza.
srbez, pruritus, g. srbbza. ScürSic, gryllus, g. sbürciba. trepez,
tremitus, g. trepeza. zäjclc, lepusculus, g. zäjöiba.
Anmerkung. Der sing. voc. von ölovek lautet auch
Ulbvece.
Fünfte Gruppe.
Die Betonungs- sowie die Quantitätsverhältnisse sind die
gleichen wie in der vierten Gruppe; nur wird der sing. nom.
und beziehungsweise acc. auf der letzten Silbe mit dem Acut
betont.
Beispiel: grajdn, homo urbanus.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular.
grajdn
grajäne
grajäna
grajäna
grajänu
grajäne
grajunon
Plural.
grajäni
grajäni
grajäni
grajdn oder grajäni
grajunon
grajäneh
grqjäni
Nach diesem Muster werden betont:
1. a)
ac,dl, chalybs, g. acala. avrü, aprilis, g. avrila. baedn, nom.
propr. fam., g. baökna. baril, cadus, g. bar'ila. basedn, homo e
B'aska, pl. baibani. bald, arca, g. baiila. boljun, nom. propr.
Cakaviscli-kroatisclie Studien.
401
loci, g. boljuna. bottin, bulla, g. botüna. brdtin, obex, g. brdüna.
brezdn, monticola, pl. brezani. brJidn, vestis muliebris genus,
g. brkana. buem, felis mas (in der Kinderspracbe), g. bue'rna.
cekin, ducatus, g. cek'ina. cesdr, imperator, g. cesara. cigdr, die
Cigarre, g. cigiira. ciril, Cyrillus, g. cirila. carin, nomen bovis,
g. fiar'ma. dindr, it. denaro (Spielkarte), pl. dinari. dupin, del-
pbinus, g. dupina. faeöl, sudarium, g. facbla. fakln, it. faccbino,
g. faldna. fazöl, phaseolus, g. fazöla. fjortn, florenus, g. fjorina.
glottin, guttur avium, g. glotima. grajdn, oppidanus, g. grajkna.
grkljdn, collum lagenae, g. grkljkna. grobnik, nom. propr. loci,
g. grobnika. isus, Jesus, g. isüsa. ivdn, Joannes, g. ivana. kamin,
fumarium, g. kamina. kanttin, angulus, g. kantüna. kaptin, capo,
g. kapüna. kapuz, brassica oleracea capitata, g. kapüza. klactih,
homo vagus, g. kla6uba. komböl, nom. propr. fam., g. komböla.
kordl, collare, g. korala. krbtin, carbones; nom. propr. loci,
g. krbiina. krnjel, Carnus, g. krnjela. krsdn, nom. propr. loci,
g. krsatia. kurnpir, solanum tuberosum, pl. kumpiri. kunfw,
limes; finis, g. kunfina. lenjtih, bomo desidiosus, g. lenjüha.
martin, Martinus, g. martina. marün, castaneae genus, g. ma-
rüna. mastel, labrum, g. mastela. metöd, Methodius, g. metöda.
mihtir, vesica, g. mibüra. murvdn, morus mas, g. murvana.
nevöd, nepos ex sorore, e fratre, g. nevöda. pazdn, incola loci
Päz, pl. pa^ani. pazi'd, i. qu. fazöl, g. päzüla. pekljdr, mendicus,
pl. pekljari. pelin, artemisia absintbium, g. pelina. plovan, pa-
roebus, g. plovana. podprtig, cingulum clitellarum, g. podpruga.
pokldn, inclinatio, g. poklöna. popön, pannus funebris, g. popöna.
postöl, calceus, g. postöla. potök, rivus, g. potöka. potör, locus
ad viam situs, ubi pecudes facile damnum faciunt, g. potöra.
pozdl, taeda, g. pozäla. prijam, reditus, g. prijama. redin, inauris,
g. reöina. rimljdn, Romanus, pl. rimljani. rulin, nomen bovis,
g. rusina. salddm, arena, g. saldama. saptin, ligo, g. sapüna.
savin, nomen bovis, g. savina. saztir, susurrus, g. saziira. skal-
din, olla cum favilla ad calefaciendos artus, g. skaldina. soldin,
it. soldino, g. soldina. stradtin, via, g. stradüna. suliar, ramus
arridus in arbore viva; panis bis coctus, g. sukara. suzur, i. qu.
sazür, g. suziira. Skalin, gradus scalarum, g. skal'ma. Skoldn,
discipulus, g. skolana. Sulen, cytisus liburnus, g. sulena. telin,
vitellus (in der Kinderspracbe), g. telina. tovdr, asinus, g. tovara.
tovör, onus, g. tovöra. trzdn, bomo tergestinus, g. trzkna. turcan,
Sitzungsber. i. phil.-hist. CI. CIV. Bd. I. Hft. 26
402
Nemanic.
Turca, pl. turckni. ugdn, vitium; nomen joculare, g. ugöna. utör,
canalis excisus in tabulis dolii ad infigendum funduin; id quod
procurrit de tabulis extra funduin, g. utöra. vagön, der Waggon,
g. vagöna. vapör, navis vaporaria, g. vapöra. voldn, bosculus
(in der Kinderspracbe), g. volkna. zrmän, cognatus, g. zrrnkna.
zutän, homo flavus, g. zutana.
1. b)
näbdr, ruga, g. näböra. näcvn, modus, g. näcina. pölddn,
meridies, g. pöldkna. pöndr, nom. propr. campi, g. pönöra.
prebör, deleetus, g. preböra. prmirdk, crepusculum, g. prlmrkka.
prögön, nom. propr. campi, g. prögöna. prömor, torpor gelu su-
sceptus, g. prömöra. räzdel, diremptus capillorum, g. razdela.
sütdn, opacum crepusculum; loca umbrosa, g. sütöna. zäkldn.
locus a vento tutus, g. zäklöna. zäkön, lex; matrimonium,
g. zäköna. zätön, occasus, g. zätona. zätör, pernicies; damnum
a pecudibus factum, g. zätöra. Auch pl. päzäni.
2. a)
babiilj, lapis rotundus, g. babülja. beldj, nom. propr. loci,
g. beläja. bulaz, nom. propr. pratorum, g. bulaza. buraj, vicus
urbis Pisini, g. buraja. dobrinj, nom. propr. urbis, g. dobrinja.
dragüc, nom. propr. loci, g. dragüca. dundj, Danubius, g. du-
naja. ebrej, Hebraeus, g. ebrbja. kordj, animus fortis, g. koraja.
kostdnj, castanea, g. kostanja. kracülj, fungorum genus, pl. kra-
cülji. kragüj, astur palumbarius, g. kragüja. krpelj, ixodes ricinus,
pl. krpelji. lopiz, cacabus fictilis ad polentam coquendam, g. lo-
piza. osöj, locus opacus, g. osöja. paldc,, palatium, g. palaca.
patdj, nom. propr. fam., g. patkja. petrölj, petrolium, g. petrölja.
pijdc, potator, pl. pijkci. poköj, requies, g. poköja. prvii, nom.
propr. loci, g. prvisa. rovinj, nom. propr. urbis, g. rovinja.
slakuc, convolvoli genus, g. slakii6a. strpliS, agnus hibernus,
g. strplisa. trviz, nom. propr. loci, g. trvlza. vapäj, clamor,
g. vapkja. vrgdnj, aratrum, g. vrgknja.
2. b)
näpöj, potio, g. näpöja. prisöj, locus apricus, g. prlsoja.
Audi krpelj, pl. krpelji.
403
Sechste Gruppe.
Auf der Silbe, welche im sing. 110m. die letzte ist, liegt
durch die ganze Declination der Acut.
Beispiel: necdk, nepos.
Singular.
Plural.
necdki
necdki
necdki
nom. necdk
voc. necdce
acc. necdka
gen. necdka
dat. necdku
loc. necdke
instr. necakon
necdk oder necdki
necakon
necdkeh
necdki
Nach diesem Muster werden betont:
1.
aßint, adjunctus, g. ajunta. bräun, obex, g. brdüna. bribir,
nom. propr. urbis, g. bribira. bufön, homo crassus, g. buföna.
cekin, ducatus, g. cekina. cigar, die Cigarre, g. cigara. cizdr,
ornatus, g. cizöra. duhtör, doctor, medicus, g. duhtör a, dukdt,
ducatus, g. dukäta. fazül, phaseolus, g. faziila. fjorin oder
formt, florenus, g. fjorina oder forinta. frajün, nepos, decoctor,
g. frajuna. frkdti, pl., puls farinacea, g. frkät. grzun, puer,
g. grzüna. hrvat, Croata, pl. hrvati. jardin, hortus, g. jardina.
kantün, angulus, g. kantüna. lcapun, capo, g. kapüna. kasal,
porcile, g. kasäla. kasiin, cista, g. kasüna. kolör, color, g. kolöra.
kordun, vinculum; taenia, g. korduna. krizitr, quadrivium, g. kri-
züra. krljäk, pilleus, g. krljaka. kruzat, vestimentum sine ma-
nicis minus, g. kruzäta. kumpir, solanum tuberosum, g. kum-
pira. kuSin, pulvinus, g. kusina. ladrün, rliynchites betuleti,
g. ladrüna. limün, limone, g. limuna. lindar, nom. propr. loci,
g. lindara. madrün, morbus virorum uterinus, g. madruna. ma-
roz, amator, g. maröza. marün, castaneae genus, g. marüna.
mostir, monasterium, g. mostira. mrmör, murmur, g. mrmdra.
naddrm, Gendarm, pl. nadärmi. necdk, ex sorore nepos, g. ne
cdka. pet.id, appetitus, g. petida. popdn, pannus funebris, g. po-
pona. przün, carcer, g. przuna. rankun, securis adunca, g. ran-
küna. roctn, inauris, pl. rohini. sablun, sabulum, g. sabluna.
sapün, sapo; ligo, g. sapima. sesveti, pl., dies festus omnium
404
Ne m a n i d.
sanctorum, g. sesvet. solddt, miles, g. soldata. stradi'm, via,
g. stradüna. Söapün, caryophyllum majus, g. scapüna. Uikün,
fringilla, g. scikuna. sipdk, rosa canina, pl. sipäki. skoldn, di-
scipulus, g. skoläna. Spijun, explorator, g. spijüna. spirün, palmes,
g. spirüna. stajün, tempestas, g. stajima. Urigun, magus; vam-
pyrus, g. strigmia. tinwn, temo; vekiculuin duarum rotarum,
g. tirmina. travers, praecinctorium, g. traversa. trtör, clematis
vitalba, g. trtöra. vapör, navis vaporaria, g. vapöra. zigdnt,
gigas, g. zigänta.
2.
arniz, vasis lignei genus, g. arniza. brsec, nom. propr. loci,
g. brsböa. korniz, it. cornice, germ. Karniess, g. korniza. ma-
griz, lierba quaedam, g. magriza. mocilj, lacuna in qua cannabis
hümectatur, in qua lavant lintea, g. mocilja. oblic, facies, g. ob-
lica. rbdz, pustularum genus, g. rbaza. rombdz, i. qu. rbäz,
g. rombdza. rukelj, fili genus, g. rukdlja. saliz, via silice strata,
g. saliza. vijäj, iter, g. vijäja.
Siebente Gruppe.
Von den zweisilbigen Casus ist der sing. nom. und be
ziehungsweise acc. auf der letzten Silbe mit dem Gravis, der
pl. gen. I. mit dem Acut betont; von den dreisilbigen Casus
formen betonen dieselbe, nunmehr vorletzte, Silbe regelmässig
nur der sing. voc. und der pl. gen. II., manchmal auch der
pl. loc. und instr. mit dem Gravis, in allen übrigen dagegen
springt der Accent auf die letzte Silbe über, und zwar im sing,
instr. und pl. dat. als Acut, im pl. loc. bald als Acut, bald
als Gravis, in den übrigen Casus als Gravis.
Beispiel: peteh, gallus gallinaceus.
Singular.
Plural.
petehl
peteln
peteln
nom. peteh
voc. petese
acc. peteliä
gen. peteliä
dat. petehil
loc. petehe
instr. petehön
peteh oder petehi
petehön
peteheh oder peteKkli und peteheh
petehi und petehi
Nach diesem Muster werden betont:
m
hrbät, dorsum, g. hrbata. konbp, funis, g. konopk. otrbk,
infans, pl. otroki. peteh, gallus gallinaceus; nom. propr. fam.,
g. petehk. zamäsk, nom. propr. loci, g. zamaska. zivot, vita;
corpus, g. zivotk.
2.
mrtväc, mortuus, g. mrtvaca.
Achte Gruppe.
Der sing. nom. und beziehungsweise acc. betonen die
letzte Silbe mit dem Acut; sonst sind die Betonringsverhältnisse
die nämlichen, wie in der vorhergehenden Gruppe.
Beispiel: postöl, calceus.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
Singular.
postöl
postole
postöl
postolä
postolü
postole
Plural.
postoli
postoli
postoli
postöl oder postbli
postolön
postoleh oder postoleh und postoleh
postoli und postbli
Nach diesem Muster werden betont:
bakal, gadus morrhua, g. bakala. burdg, venter obesus,
g. buraga. otröv, venenum, g. otrova. pokröv, operculum, g. po-
krova. topöl, populus, g. topolk.
instr. postolön
Neunte Gruppe.
Die Silbe, welche im sing. nom. die letzte ist, bleibt durch
die ganze Declination lang und hat deshalb, wann sie in drei
silbigen Casusformen betont ist, d. i. im sing. voc. und pl. gen. II.
und eventuell im pl. loc. und instr., den Acut; sonst ist das
Betonungsverhältniss dasselbe wie in der achten Gruppe.
Beispiel: koldc, panis genus.
Singular,
nom. koldc
koldcu
voc.
Plural.
koläcl
koläci
406
Nein ani c.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular. Plural.
holde koläcz
koläcd holde oder koldci
koläcü koläcen
koläce koläceh oder koläceh und koläceh
koläcen koläci und kola£i
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bekdr, lanius, g. bekärk. belnjdk, albumen, g. belnjäkk.
blagäri, pl., nom. propr. pagi, g. blagär oder blagäri. bokdl,
matula, g. bokäla. bokün, frustum, g. bokünh. bolnik, homo aegro-
tus, g. bolnika. bombak, gossypium, g. bombäka. brdün, obex, g.
brdünk. brgüd, virgetum; terra virgultis vestita; nom. propr. loci,
g. brgüdk. bribir, nom. propr. urbis, g. bribira. bnznjdk, liomo
miser, g. briznjäka. brusdr, exacutor, g. brusärk. cigär } die
Cigarre, pl. cigäri. cepir, ixodes ricinus, g. cepira. divljdk, sorgi
genus, g. divljäka. drmün, locus Silvester, paseuus, g. drmüna.
droznik, foramen in fundo dolii, g. droznlka. droznjdk ) terebrum
cpio ,droznik' perforatur, g. droznjäkk. dupler, cereus major,
g. duplera. duznik, debitor, g. duznika. ferdl, laterna, g. feräla.
fjorin, florenus, g. fjorink. glavar, capitaneus, g. glavära. gon-
cin, agitator, g. gonclna. gremjäh, cpii magornm artes cognovit,
g. gresnjäka. grobnik, nom. propr. loci, g. grobnikk. liajdtik,
latro, g. hajdüka. jarüh, agnus sero natus; aries anniculus,
g. jarüha. jundk, juvenis; heros, g. junäka. kanal, canalis, g. ka-
näla. kandel, candelabrum, g. kandelk. kanhun, obturamentum,
g. kanküna. kantiin, regio; angulus, g. kantüna. kanun, tor-
mentum (bellicum), g. kanünk. hanjüli, vultur, g. kanjüha. ka-
pun, capo, g. kapflna. kasir, exactor vectigalium, g. kaslra.
kastei, castellum, g. kastelk. kasün, cista, g. kasüna. klaeüh,
homo vagus, g. klaeühk. klesar, lapicida, g. klesärk. ld'obvk,
pilleus, g. klobfdvk. koläri, pl., corallia, g. kolär. komdr, culex
pipiens, pl. komäri. koncar, castrator, g. koneärk. kosir, falx
putatoria, g. kosira. kraeüh, obex, g. kraeüna. kreljut, ala,
g. kreljüta. krsnik, i. cpi. greinjäk, g. krsnikk. kumpir, solanum
tuberosum, g. kumpira. kvarndr, numerus quadraginta; dvä
kvarnära, octoginta. kvartir, habitatio, g. kvartlra. labin, nom.
propr. urbis, g. lablna, laneün, linteum, g. laneüna. lekdr, phar-
Cakavisch-kroatische Studien.
407
macopola, g. lekära. lenjuh, homo piger, g. lenjüha. lijun, leo,
g. lijüna. lopdr, pala, g. lopära. lozün, vitis silvestris, g. lozüna.
rnarun, castanea, g. marüna. mastel, labrum, g. mastela. medün,
melligo, g. medüna. mehur, vesica; pustula, g. mehüra. mocvir,
terra humida, g. mocvira. modräk, uva violacea, g. modräk».
morndr, nauta, g. mornära. mostir, monasterium, g. mosttra.
mudnjdk, ovum corruptum, g. mücnjäka. muhdr, chermes (pulex
brassicae), pl. muhäri. nacin, modus, g. naclna. nadrep, parti-
cula avium super caudam, g. nadrepa. noväki, pl., nom. propr.
loci, g. novak. objdk, lapis rotundus, g. objäka. ocäli, pl., ocu-
laria, g. o6al oder ocäli. oltdr, altare, g. oltära. oplen, transtrum
currus, g. oplenä ormdr, armarium, g. ormärk. ostdr, caupo,
g. ostära. ovcäk, ovile, g. ovöäka. ovcdr, opilio, g. ovcärk. pa-
cuh, homo imperitus, corruptor, g. pacüha. pakljün, cibi farinacei
genus, pl. pakljüni. pali'id, canna, g. palüdä. pandur, apparitor,
g. pandüra. pastir, pastor, g. pastlrk. pciskvdl, Pasqualis, g. pa-
skvälk. pazdir, die Age, g. pazdTra. pikün, pertica ferrea, g. pi-
küna. pirün, furca, g. pirüna. plomm, nom. propr. loci, g. plo-
mlna. prkdt, ovile, g. prkäth. przün, carcer, g. przüna. puzdr,
baculum uncinatum ad eruendas cochleas, g. puzärk. racün,
ratio, g. racüna. rankun, securis adunca, g. rankünk. razdel,
diremptus capillorum; fragmentum panis, g. razdela. rucmk,
mappa, g. rucnika. rukdv, manica, g. rukäva. skrlüp, superficies
lactis, g. skrlüpa. skrsnilt, i. qu. krsnik, g. skrsnlka. suhdr, panis
bis coctus; ramus aridus in arbore viva, g. suhärk. susak, nom.
propr. loci, g. susäkk. Segün, serra major, g. segünk. sestdr,
porcus duorum aut plurium annorum, g. sestära. siljdr, pilleus,
g. siljära. Skafun, canalis tibialis, g. skafüna. skorüp, i. qu. skr
lüp, g. skorüpk. skralup, i. qu. skrlüp, g. ikralüpa. skrbnik,
curator, g. skrbnlkk. spijün, explorator, g. spijüna. spirun, pal-
mes, g. spirünk. spitdl, nosocomium, g. spitälk. stajun, tempestas,
g. stajüna. Standar, nom. propr. campi, g. standärk. Strigün,
magus; vampyrus, g. strigüna. supljdk, terebri genus, g. sup-
ljäka. tabär, pallium, g. tabära. talir, catimrs, g. tallra. tapün,
embolus, g. tapünk. tezdk, operarius; mercennarius, g. tezäka.
tovdr, onus jumenti, g. tovära. trzjdk, agnus sero natus, g. trz-
jäkk. veic.dk, homo peritus, g. vescäka. vodnjdk, hydra, g. vod-
njäka. volar, bubulcus; uva livida, g. volära. vrsnjdk, aequalis,
g. vrsnjäkk. ziddr, murator, g. zidära. zlatdr, aurifex, g. zlatära.
408
Nera a n i c.
zvondr, campanator, g. zvonärk. zvonik, turris campanaria, g. zvo-
nika. zagun, i. qu. segün, g. zagüna. zutnjdk, vitellus ovi,
g. zutnjäkk.
2.
bacilj, infundibulum molae, g. baciljk. badilj, ligonis genus,
g. badiljk. bazglc, cognomen viri joculare, g. bazglca. bodis,
carduus, g. bodlsk. brnbelj, melolontha vulgaris; geotrupes ster-
corarius, g. brnbelja. brsec, nom, propr. loci, g. brseca. buliac,
chermes (pulex brassicae), pl. buhäci. dekdj, puer; juvenis
arnatus, g. dekäjk. drozgic, turdus, g. drozgx6a. drzdc, manubrium,
g. drzäch. fajtdc, dicitur infanti inquieto, g. fajtäca. gladis,
carduus, g. gladisa. goli§, liomo nudus, g. gollsa. govnjdc, geo
trupes stercorarius, g. govnjäca. jurds, nom. propr. fam., g. ju-
räsa. holde, panis in coronae specimen factus, g. koläöa. kopd&,
fossor, g. kopäck. kosmdc, pilosus 3 (liomo, animal), g. kosmäca.
kostis, nux dura, g. kostisa. kovd£, faber ferrarius, g. koväöa.
kracülj, fungorum genus, pl. kracülji. kragulj, nisus, g. kragülja.
krajdS, sartor, g. krajäca. kravipljdc, ungulatus 3. (liomo, animal),
g. krampljäöa. kurbdc, flagellum, g. kurbäök. lajüs; latrator,
g. lajüsa. lovrec, nom. propr. loci, g. lovreök. magriz, herbae
genus, g. magrlzk. mejds, terminus; confinis, pl, mejäii. metülj,
distoma; papilio, pl. metülji. mizölj, poculum, g. mizölja. mladic,
juvenis, g. mladiök. murvdc, morus mas, pl. murväci. oräc, ara-
tor, pl. oräöi. pajddS, socius, g. pajdäsk. pazdic, qui pedorem
emittit, g. pazdl6k. pijdS, potor, g. pijäöa. pojshäc, qui pediculos
alicui perquirit in capite, g. pojskäöa. porec, nom. propr. urbis,
g. poreök. prvis, nom. propr. loci, g. prvisa. repac, nomen arie-
tis caudicati; vampyrus, g. repäöa. rogde, nomen arietis; uva-
rum genus, g. rogäöa. slavic, luscinia, g. slavica. slepic, caecilia,
g. ülepica. sraköc, avis quaedam, pl. srakö6i. sirdlj, i. qu. siljär,
g. sirglja. ikabic, nomen agnelli, g. skablök. Skrpelj, testa ollae,
g. skrpeljk. teile, vitulus, g. tellca. trviz, nom. propr. loci,
g. trvlza. tukdc, tudicula, g. tukäök.
Anmerkung. Von junäk lautet der sing. voc. auch jünace.
Selten hört man den pl. gen. II. mit der Betonung des pl. nom.,
wie: tezäki. Nicht so selten werden hier aufgezählte Substantiva
nach der sechsten Gruppe betont, wie: jurds, jurdsa, jurdüu;
pastir, pastlra, pastiru u. s. w.
Öakavisch-kroatische Studien.
409
Dritte Classe.
Drei- und mehrsilbige Stämme, resp. sing. nom.
a) Solche, welche im sing. nom. ein bewegliches a
enthalten und somit auch nach Annahme von Casus
suffixen der Silbenzahl nach unverändert bleiben.
Erste Gruppe.
Die drittletzte Silbe ist durch die ganze Declination mit
dem Gravis betont.
Beispiel: mälenac, fractillum.
Singular.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
mälenac
mälence
mälenac
mälenca
mälencu
mälence
mälencen
Plural.
malend
malend
malend
mälenac oder malend
mälencen
mälenceli
malend
Nach diesem Muster werden betont:
1.
bräbonjak, fetercus ovillunr, pl. brabonjki. pärucak, racemus
post vindemiam residuus; spica a messoribus relicta; racemus
parvus, g. parucka. pästorak, privignus, g. phstorka. pätorak,
helleborus niger, g. pktorka.
2.
belitarci, pl., genus quoddam hominum mythicorum, g. be-
litarac. beramac, incola loci Beran, pl. beranci. bedenac, nom.
propr. fontis, g. bkdenca. delavac, operarius, 5 g. delavca. grädi-
njac, incola loci Grkdinj, pl. grkdinjci. gilndevalj, geotrupes ster-
corarius, g. gündevlja. jügovac, nom. propr. fam., g. jugovca.
klekovac, avis quaedam, g. klekovca. kbcarci, pl., nom. propr.
campi, g. kööarac. kmzanac, incola loci Kringa; nom. propr.
fam.; pl. krizanci, nom. propr. loci, kvnjavac, homo edentulus,
g. kfnjavca. läjavac, latrator, g. lkjavca. mägarac, asinus,
g- magarca. mälenac, fractillum; guttur avium, g. malenca.
410
N e m a n i c.
mlädend, pl., feriae innocentium infantium (d. 28. decembr.),
g. mlädenac. närucalj, quantum in brachiis ferri potest, g. na-
ruölja. organac, organum pneumaticum, g. örganca. pätarac,
belleborus niger, g. patarca. päzinac, incola urbis Plizin, pl. pa-
zinci. pekovac, pistor, g. pekovca. piscenci, pl., pulli gallinacei-
infantuli, g. piscenac. p'oljanac, homo rusticus, pl. pöljanci.
podi'vianac, homo pannosus, g. podi-manca. pomäzcinac, deliciolae,
g. pomazanca. poserenac, puer concacatus^ g. posbrenca. posi-
novac, gen er, g. posinovca. posranac, i. qu. poserenac, g. posranca.
potühnjenac, dissimulator, g. potiihnjenca. predcmac, exsecrator,
g. predanca. prekinjenac, homo mutilus, g. prek'mjenca. pro-
klinjalac oder proklinjavac, exsecrator, g. proklinjalca oder pro-
klinjavca. po'stenac, fungorum genus, pl. prstenci. rastrganac,
homo pannosus, g. rasti-ganca. razdräpanac, i. qu. rastrganac,
g. razdrapanca. rütavac, i. qu. rastrganac, g. rütavca. säjevac,
expurgator caminorum, g. sajevca. sinovac, nepos, g. sinovca.
skakavac, locusta, pl. skakavci. skrcenac, homo contractus,
g. sk i'cenca. slmovac, homo salivosus, g. slinovca. svirekovac,
avis quaedam, g. smrekovca. Schkovac, singultus, g. scükovca.
sepavac, homo claudus, g. sepavca. Skljlknvac, i. qu. klekovac,
g. skljekavca. sljekavac, homo balbus, g. sljekavca. Sünjavac,
homo stultus, g. sünjavca. zapläkanac, plorator, g. zaplkkanca.
Zweite Gruppe.
Die drittletzte Silbe ist durch die ganze Declination mit
dem Acut betont.
Beispiel: poväljenac, tradux.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular.
poväljenac
povdljence
poväljenac
povdljenca
povdljencu
povdljence
povdljencen
Plural.
povdljenci
povdljenci
povdljenci
poväljenac oder povdljenci
povdljencen
povdljenceh
povdljenci
Nach diesem Muster werden betont:
piscanci, pl., pulli gallinacei, g. piscanac. poväljenac, tradux
(vitis), g. poväljenca. stanegarac, nom. propr. campi, g. stanegarca.
Cakavisch-kroatisclie Studien.
411
Dritte Gruppe.
Die vorletzte Silbe ist durch die ganze Declination mit
dem Gravis betont:
Beispiel: obrezak, segmentum.
nom.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular.
obrezak
obresce
obrezak
obreska
ohresku
obreske
obreskon
Plural.
obreski
obrisJd
obreski
obrezak oder obreski
obreskon
obreskeh
obreski
Nach diesem Muster werden betont:
1.
cimitar, coemeterium, g. cimitra. geometar, geometra, g. geo
metra. maestar, magister, g. maestra. mimstar, minister, g. mi-
nistra. mramnjak, acervus formicinus, g. mravinjka. natucak,
callum, g. natücka. obrezak, segmentum, pl. obreski. oribak,
reliquia contriti (casei, rapae etc.), g. oribka. ostrizak, seg
mentum, pl. ostriski. poglbdki, pl., convivium octava nuptiali
celebratum, g. poglodak oder poglbdki. polästar, pullus, g. po-
lastra. polütak, dimidia pars, g. polütka. popäsak, pastiuncula,
pastio ovium ante mulctum, g. pophska. popecak, rutabulum,
g. popecka. prijämak, reditus, g. prijamka. setembar, September,
g. setembra. upletak, quod crinibus implectitur, g. upletka.
zametak, foetus, g. zametka. zaüsalc, alapa, g. zaiiska.
2.
mesojedac, qui carne vescitur, g. mesojbca. olitac, qui de
botellis (olito) loquitur: ,olitac puknhtac' sagte die zornige
Mutter zum Sohne, der bemerkt hatte: ,mama, olita te puknith
omisalj, nom. propr. urbis, g. omislja. patrnbStri, pl., cibi fari-
nacei genus, g. patrnostar. polukrüsac, qui dimidiam partem
panis habet: antonja i bostijanja su sredozimci, polukriisci.
pavbdanj, inundatio, g. povbdnja. puknetac: cf. olitac.
Anmerkung. Die Betonung des pl. gen. I. ist schwan
kend : polästar, poglodak und angeblich auch natucak u. dgl.
412
Nemani c.
Vierte Gruppe.
Die vorletzte Silbe ist durchgehends betont, und zwar in
den Casus mit dem beweglichen a mit dem Gravis, in denen
ohne dasselbe mit dem Acut.
Beispiel: glotünac, guttur avium.
Singular,
nom. glotünac
voc. glotünce
acc. glotünac
gen. glotünca
dat. glotüncu
loc. glotünce
instr. glotüncen
Plural.
glotünci
glotünci
glotünci
glotünac oder glotünci
glotüncen
glotünceh
glotünci
Nach diesem Muster werden betont:
1.
advenat, adventus; mensis december, g. adventa. batimenat,
actio judicialis, g. batimenta. fundamitnat, fundamentum, g. fun-
damenta. govh'an, rectores rei publicae, g. governa. koldrdi,
pl., coralia, g. kolarad. mravinjak, acervus formicinus, g. mra-
vinjka. mrkänat, mercator, g. mrkanta. narämak, pars vesti-
mentorum humeralis; quantum in humero ferri potest, pl. na-
ramki. ocvirak, cremium, pl. ocvirki. ogärak, titio, pl. ogärki.
omejak, pascuum, g. omejka. opänak, socci genus, pl. opänki.
ostänak, mansio; pl. ostänlci, reliquiae. pelmak, absinthium,
g. pelinka. pobirki, pl., analecta, g. pobirak. podänak, surculus
e caudice subnatus, pl. podänki. podpäljak, quantum lignoi'um
necessarium est ad recandefaciendum furnum, g. podpäljka.
podzimak, auctumnus, g. podzimka. ponedeljak, dies lunae, g. po-
nedeljka. prestänak, intermissio, g. prestänka. pridävak, addita-
mentum, g. pridavka. pridrMak, surculus e radice fici natus,
g. pridruska. pri.glävak, pedis pars superior, g. priglävka. talenat,
locum teiiens, g. talenta. zatiljak, occipitium, g. zatiljlca.
2.
barilac, laguncula, g. barilca. bogänac, digitus auricularis:
pl. bogänci, dolores digitorum gelu' contracti. boljünac, incola
Cakaviscli-kroatiscke Studien.
413
loci Boljün, pl. boljünci. cerbvac, incola loci Cerövlje, pl. cerövci.
öereSnjivac, incola loci Cereänjevica, pl. öeresnjevci. Srnoglävac,
herba quaedam, g. crnoglävca. crvlvac, alsine, g. crvlvca. ciri-
b'iraCj cognomen populäre Romanorum Istrianorum, pl. ciribirei.
drenovac, nom. propr. campi, g. drenövca. ’durelac, guttur avium,
g. durelca. glotünac, i. qu. durelac, g. glotünca. gortnac, incola
locorum altiorum, pl. gorinci. gorogräjac, incola loci Gorenji
gräd, pl. gorogrdjci. grdoselac, incola loci Grdoselo, pl. gi’doselci.
hrstljävac, cartilago, g. krstljävca. Jcastävac, incola oppidi Kastäv,
pl. kastavci. kolarmac, collare, g. kolarlnca. krsänac, incola
loci Krsän; nom. propr. fam.; pl. krsanci, nom. propr. pagi.
kupovac, emptor, g. kupdvca. ladavac, nom. propr. fam., g. la-
dävca. lahkodelac, bomo desidiosus, g. labkodelca. laznjwac,
mendax, g. laznjlvca. leprmac, nom. propr. loci, g. leprinca.
lindärac, incola loci Lindär, pl. lindärci. lovrenac, Laurentius,
g. lovrenca. magärac, asinus, g. magarca. mesojelac, qui carne
vescitur, g. mesojelca. mladenci, pl., feriae innocentium infan-
tium, g. mladenac. mravinac, formica, pl. mravinci. muljuvac,
nom. propr. fam., g. muljävca. nadülac, prunum ramicosum,
pl. nadülci. ozlmac, bordeum, g. ozimca. picänac, incola loci
Pi6an, pl. picänci. pi.jänac, bomo ebrius, g. pijänca. pohbjac,
paxillus, g. poböjca. poprdljävac, peditor, g. poprdljävca. poska-
kävac, saltator, g. poskakavca. pospanjivac, qui multum dormitat,
pl. pospanjivci. posränac, puer concacatus, g. posrdnca. prcuvac,
guttur avium; noinen pueri joculare, g. prcävca. primbrac, liomo
de ora maritima, pl. primdrci. primnac, locus apricus; mensis
januarius, g. prisunca. razletävac, avis ad volandum firmata,
pl. razletävci. samosvbjac, qui omnia lucri sui causa facit, omnia
ipse babere vult, g. samosvdjca. slascivac, ligurritor, g. slasbivca.
smokbvac, vicus urbis Vfbnik, g. smokbvca. sredozvmac, qui est
media bieme: antönja i bostijknja su sredozimci, polukrüsci.
studenac, fons, g. studenca. tombblac, vasculum foenisecae,
g. tombölca. trgovac, mercator, g. trgövca. trskävac, carduus,
g. trskavca. vijoglävac, jynx torquilla, g. vijoglävca. vodopijac,
hydropota, g. vodopijca.
Anmerkung. Als pl. gen. I. wurde mir auch angegeben:
ocvlrdk, opdnäk — Formen, an deren Richtigkeit ich zweifle.
414
Neraanic.
Fünfte Gruppe.
Die vorletzte Silbe ist durchgehends mit dem Acut betont.
Beispiel: dijäval, diabolus.
Singular,
nom. dijäval
voc. dijdvle
acc. dijdvla
gen. dijdvla
dat. dijdvlu
loc. dijdvle
instr. dijdvlon
Nach diesem Muster werden betont.
1.
dijäval, diabolus, g. dijdvla. imetaJc, facultates, g. imetka.
Plural.
dijäval oder dijdvli
dijdvlon
dijdvleh
2.
bribirac, incola oppidi Bribir, pl. bribirci. Jclasünac, spica
zeae granis denudata, g. klasünca. kordunac, taenia, g. kordunca.
tavijölac, linteolum, g. tavijölca.
Sechste Gruppe.
Im sing. voc. und pl. gen. II. und manchmal auch im
pl. loc. und instr. ist die vorletzte Silbe mit dem Gravis, in
allen übrigen Casus dagegen die letzte Silbe betont, und zwar im
sing, instr. und pl. gen. I. und dat. mit dem Acut, im pl. loc.
bald mit dem Acut, bald mit dem Gravis, sonst immer mit
dem Gravis.
Beispiel: pletenäc, corbis
Singular,
nom. pletenäc
voc. pletence
acc. pletenäc
gen. pletencä
dat. pletencä
loc. pletence
instr. pletcncen
Plural.
pletenci
pletencä
pletenci
pletenäc oder pletenci
pletencen
pletenceh oder pletenceh und pletenceh
pletenci und pletenci
Nach diesem Muster werden betont:
Cakavisch-kroatische Studien.
415
1.
baseläk, ocymum basilicum, g. baselka. cetrtäk, dies Jovis,
g. cetrtkk.
2.
klepetäc, crepitaculum, g. klepeca. pletenäc, corbis, g. ple-
tenca. pokroväc, operculum, pl. pokrovci. udoväc, viduus, g. udovck.
Anmerkung. Man hört auch sing. nom. und acc. ba
seläk, cetrtäk.
Siebente Gruppe.
Die vorletzte Silbe ist in den Casus ohne das bewegliche
a lang und hat deshalb, wann sie betont ist, d. i. im sing. voc.
und pl. gen. II., sowie eventuell im pl. loc. und instr., den
Acut; sonst ist die Betonung gleich der
Beispiel: zelenäc, lacerta viridis.
Singular.
' nom. zelenäc
zelence
zelencä
zelencä
zelencä
irhergehenden Gruppe.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Plural.
zelenci
zelencä
zelenci
zelenäc oder zelenci
zelencen
zelence zelenceh oder zelenceh und zelenceh
zelencen zelenci und zelenci
Nach diesem Muster werden betont:
pobojuc, paxillus, g. poböjca. studenäc, fons, g. studenca.
tomboläc, vasculum foenisecae, g. tombölca. udoväc, viduus,
g. udövca. zelenäc, lacerta viridis; cetonia aurata, g. zelencä.
Achte Gruppe.
Auch in den Casusformen mit dem beweglichen a ist die
vorletzte Silbe lang; sonst sind sowohl die Betonungs- als die
Quantitätsverhältnisse die nämlichen wie in der siebenten Gruppe.
Beispiel: ponibäk, truncus.
Singular. Plural,
nom. porübuk porübki
voc. poriibce porübki
acc. porübuk porübki
gen. porübkä porübuk oder porübki
416
Nem anid.
dat.
loc.
instr.
Singular.
poröbkii
porübke
porübkön
Nach diesem Muster
Plural.
porübkön
porübkeh oder porübkeh und porübkeh
porübki und porübki
werden betont:
1.
brezüljäk, monticellus, g. brezüljka. cetrtäk, dies Jovis,
g. cetrtka. desetäk, numerus decem, g. desetka. dobltäk, lucrum,
g. dobitkk. dvajsetäk, numerus viginti, g. dvajsetka. korenäk,
radix, g. korenkk. obavitäk, vitta, g. obavitka. osnütäk, stamen,
g. osnütkk. pelinäk, absinthium, g. pellnkk. piScetäk, fonticulus,
g. piscetka. pocetäk, initium, g. poöetkk. poclnäk oder poaitäk,
requies, g. pocinka oder poöltka. podbräduk, pars colli sub
mento; torus sub mento, g. podbrädka. polütak, das Halb
kreuzerstück, g. polütka. porübuk, truncus, g. porübka. povit.äk,
fasciae, g. povltka. zarücäk, quod post jentaculum editur, g. za-
rücka. zavltuk, locus ubi via flectitur, g. zavltka.
2.
crvvväc, alsine, g. crvlvck. jedmäc, filius unicus, g. jedlnck.
klasünäc, spica zeae granis denudata, g. klasünck. kordünäc,
taeniola, g. kordünck. mihünäc, der Cocon, pl. mihünci. mozü-
Ijäc, pustula, g. mozüljck. mravmuc, formica, g. mravlnck. pod-
brezäc, nom. propr. campi, g. podbreick. posränäc, puer con-
cacatus, g. posränck. predänac, exsecrator, g. predänck. rasudenäc,
nom. propr. loci cujusdam quasi mytkici, g. rasudenck. rnkäväc,
nom. propr. loci, g. rukävck. timünäc, gubernaculum, g. timünck.
trapütuc, plantago, g. trapück.
b) Solche, welche im sing. nom. kein bewegliches a
enthalten und somit nach Annahme von Casussuffixen
eine Silbe mehr als im sing. nom. haben.
Erste Gruppe.
Die drittletzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch
die ganze Declination mit dem Gravis betont.
Beispiel: jäzulic, fibula.
CaVaviscli-kroatisclie Studien.
417
Singular,
nom. jäzulic
voc. jäzulicu
acc. jäzulic
gen. jäzulica
dat. jäzulicu
loc. jäzulice
instr. jäSulicen
Nach diesem Muster
Plural.
jäiulici
jäzulici
jäzulici
jäzulic oder jäzulici
jäzulicen
jäzuliceh
jäzulici
werden betont:
1.
blägoslov, benedictio, g. blagoslova. bürumus, cicer, g. bu-
rumusa. golijat, Goliath, g. gölijata. gräbljenjalt, terebrum ad
perforandum rastrum foenarium, g. grkbljenjaka. güminar, nomen
canis, g. gixminara. kolovoz, mensis augustus, g. kölovoza. kb-
lovrat, girgillus, g. kölovrata. käkuruz, zea mais, g. kükuruza.
kätonjin, nom. propr. loci cujusdam ubi via flectitur, g. kuto-
njina. lüpoglav, nom. propr. loch g. lüpoglava. bdgovor, responsum,
g. ödgovora. bpomen, preces sacerdotis pro mortuo et id quod
pro iis precibus sacerdoti solvitur, g. öpomena. pbmeljar, qui
molendum adfert frumentum, pl. pömeljari. präputnik, nom.
propr. loci, g. prhputnika. räkovcan, incola loci Rakovik, pl. rk-
kovcani. rakovik, nom. propr. loci, g. rkkovika. räzgovor, Col
loquium, g. razgovora. illjenjak, urna olearia, g. üljenjaka. z'et-
venjak, mensis julius, g. zetvenjaka.
2.
änjuSic, amuletum, g. anjusi6a. bälozic, dim. von bklog,
stercus, g. balozi6a. bekvaric, lierba quaedam, g. bekvariöa.
bläskovic, nom. propr. fam., g. blaskovi6a. bbrovic, nom. propr.
fam., g. börovi6a. brätanic, fratris filius, g. brktanida. brükvicic,
claviculus, pl. brukvicici. clgancic oder ciganic, puer Zingarus,
g. cigancica oder ciganica. cbbanic, pastor, g. cbbani6a. deveric,
paranymphus, g. deveri6a. ftliplic, nom. propr. fam. g. filipli6a.
jäbucic, malus agrestis, g. jabucida. jänjuSic, i. qu. knjusid, g. ja-
njusi6a. jäzulic, fibula, g. jazulica. kämicic, lapillus, g. kamißica.
kbracic, passus, g. köracica. kreljutic, ala; bomunculus, g. kre-
ljutita. krizmanic, nom. propr. fam., g. krizmanica. kütnjacic,
dens molaris, g. Iuitnjaci6a. läpesic, cerussula, g. lkpesida.
Sitzungsljer. d. phil.-kist. CI. C1V. Bd. I. Hft. 27
418
Ne raa ni c.
liigaric, i. qu. racttc, Willemetia, g. lugarida. mi-kesic, dim. von
mi’kes, nigris maculis (bos, aries); puer sordidus, g. mrkesica.
nacmovic, nom. propr. fam., g. nacinovi6a. oskoruSvic, sorbum,
g. oskörusvida. päucic, dim. von pauk, araneola, g. pkucida.
pnjatelj, amieus, g. prljatelja. rbgovic, nom. propr. fam.; uvarum
genus; pl. rogovici, nom. propr. pagi. stihovic, nom. propr.
fam., g. stihovida. stisnjencic, uvarum genus, g. stisnjencida.
stbmizic, stomachus, g. stomizida. sünjaveie, stultulus, g. sünjavöida.
vidulic, nom. propr. fam.; pl. vldulici, nom. propr. pagi. zälo-
gaj, bölus, g. zalogaja. zidaric, nom. propr. fam., g. zidarida.
Anmerkung. Einige von diesen Substantiven werden
auch entweder durckgehends auf der Silbe, welche im sing,
nom. die vorletzte oder die letzte ist, also nach der unten fol
genden III. und V. Gruppe, oder wenigstens im pl. gen. I.
auf der letzten Silbe betont; so pl. gen. I. ciganic, janjusic,
IcoraCic, odgovdr, opomen, prijatelj, woneben mir auch als pl.
gen. II. angegeben wird: koracici, odgovori u. s. w.
Zweite Gruppe.
Die drittletzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch
die ganze Deelination mit dem Acut betont.
Beispiel: ndrucaj, quantum in brachiis ferri potest.
Singular. Plural,
nom. ndrucaj ndrucaji
voc. ndrucaju ndrucaji
acc. ndrucaj ndrucaji
gen. ndrucaja ndrucaj oder ndrucaji
dat. ndrucaju ndrucajen
loc. ndrucaje ndrucajeh
instr. ndrucajen ndrucaji
Nach diesem Muster werden betont:
1.
kambenjak, terebrum ad perforandum jugum, g. käm-
benjaka.
2.
dnjelic, angelus, g. änjeliba. cdvljencic, terebellum, g. cäv-
ljenöica. dimnjicic, fumariolum, g. dimnjicida. jdrbolic, mälus,
Cakavisch-kroatische Studien.
419
g. järboliba. kolömbaric, circulus, g. kolbmbariba. näruccij, ulna;
quantum in brachiis ferri potest, g. näruöaja. süncaiic, valeria-
nella, g. sunöasiba.
Dritte Gruppe.
Die vorletzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch
die ganze Declination mit dem Gravis betont.
Beispiel: krriiöar, tbeca cochlearia.
Singular,
nom. krnicar
voc. krnicar e
acc. krnicar
gen. krnicar a
dat. krmcaru
loc. krnicare
instr. krnicaron
Plural.
krmcari.
krmcari
krmcari
krnicar oder krmcari
krnicaron
krnicareh
krmcari
Nach diesem Muster werden betont:
1.
apbstol, apostolus, pl. apostoli. benovrekar, homo braeis beno-
vrbki (f) dictis vestitus, pl. benovrekari. borilcan, incola loci
Borüt, pl. borücani. bozitnjik, arbor quaedam, g. bozitnjika.
brigäcnik, qui agrum ecclesiasticum colit, g. brigacnika. bfnjü-
sar, puer sub naso sordidus (eigentl. mustaces, tittices habens),
g. brnjüsara. cirmter, coemeterium, g. cimitera. dragücan, incola
loci Drague, pl. dragücani. drevolbmik, qui ligna frangit, g. dre-
volömika. garbful, dianthus caryophjdlus, g. garöfula. glavinjak,
terebrum ad perf'orandum modiolum rotae, g. glavinjaka. go-
logHan, incola loci Gologorica, pl. gologröani. graciscan, incola
loci Graöisde, pl. graöiscani. gradeznjak, nom. propr. campi,
g. gradeznjaka. grdoseljan, incola loci Grdoselo, pl. grdoseljani.
isitkrst, Jesus Christus, g. isükrsta. kapüznjak, ager olitorius;
nom. propr. campi, g. kapüznjaka. katblik, catholicus, g. ka-
tölika. kobilar, avis quaedam, g. kobilara. kositer, stannum,
g. kositera. krmbar, theca cochlearia, g. krnicara. lucifer, Lucifer,
g. lucifera. metlicar, sorgum ex quo scopae parantur, g. metlicara.
napHnjak, munimentum digiti, g. napiinjaka. od.gbvor, responsum,
g. odgovora. odmäsar, minister missae g. odmasara. opbmeni,
pl., preces pro defuncto, g. opomen. palädnjaki, pl., nom. propr.
27*
420
Nemanic.
loci, pobrätin, frater addictus, g. pobrätina. podgüsnik, os avium
subgutturale furciforme, g. podgusnika. podloznik, subditus,
g. podlöznika. pripbsluh, auscultatio clandestina, g. pripösluha.
rashodnik, solanum dulcamara, g. rashödnika. srbinjak, nom.
propr. loci, g. srbinjaka. senicnik, herba quaedam, g. seniönika.
telegraf, telegraphus, g. telegrafa. trnoplesar, nomen contume-
liosum in incolas loci Picän, pl. trnoplesari. ukücan, unus de
familia, pl. ukücani. volbscak, uvarum genus, g. volöscaka.
zarübnik, limbus, g. zarubnika. zarücnik, sponsus, g. zariicnika.
2.
cirilic, Cyrillus, g. cirilica. drenüljic, cornum, pl. drenüljici.
glagüljic, bacca crataegi, pl. giagüljici. gospodicic oder gospodmic,
domicellus; herba quaedam, pl. gospodicidi oder gospodinici.
grubisic, nom. propr. fam., g. grubiSida. Tiranltelj, qui nupsit
uxori suae, g. hranitelja. koletic, linteolum sub mento infantis,
g. koldtida. kolotüiic, trochlea, g. kolotürica. kunelic, lepus cu-
niculus, pl. kunelidi. kurelic, nom. propr. fam., g. kurdlida. kvar-
tiöic, quarta pars, g. kvarticida. milotic, nom. propr. fam., g. mi-
lötida. mohorovic, nom. propr. fam., g. mohorövica. navHaj,
corona (ficorum), g. navfzaja. obräzic, facies, g. obrazida. oficij,
officium, g. oficija. ogärcic, titio, g. ogarcida. pazülic, phaseolus;
nom. propr. fam., g. pazixlida. piclnic, pullus gallinae, pl. pici-
nici. pojdlic, puer edax, g. pojelica. pomäjic, mensis junius,
g. pomajida. posmiMdjic, puer ridens, g. posmihüljida. prgatbrij,
purgatorium, g. prgatörija. pridävcic, additamentum, g. pridav-
cida. prijätelj, amicus, g. prijktelja. prilesic, casula, g. prilesica.
pristresic, i. qu. prilesic, g. pristresica. pritHic, vimen, g. pritf-
tida. prstor'oscic, haedulus cornibus longitudinis digitalis, pl. pr-
storöididi. rodltelj, parens, pl. roditelji. spasitelj, salvator, g. spa-
sitelja. semcic oder simicic, parus major, g. seniöida oder
simicica. Skrcduplcic, superficies lactis, g. skralupiöida. speglicic,
speculum, g. spegllcica. trbüsic, ventriculus, g. trbüsica. uljcmic,
nom. propr. fam., g. uljanica. urävic, nom. propr. fam.; pl. ura-
vidi, nom. propr. loci, valmbic, nom. propr. fam., g. valindida.
vinopijac, vini potor, g. vinopijada. zakblic, paxillus axis, g. za-
kölica. zapeljitelj, seductor, g. zapeljitelja.
Anmerkung: Bezüglich der pl. gen. I. odgovör, opomen,
prijätelj, trbusic vgl. die Anmerkung zur ersten Gruppe.
Cakavisch-kroatische Studien.
421
Vierte Gruppe.
Die vorletzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch
die ganze Declination mit dem Acut betont.
Beispiel: odöjcic, nefrens.
Singular,
nom. ocldjcic
voc. odöjcicu
acc. odöjcica
gen. odöjcica
dat. odöjcicu
loc. odöjcice
instr. odöjcicen
Plural.
odöjcici
odöjcici
odöj&ici
odöjcic oder odöjcici
odöjcicen
odöjciceh
odöjcici
Nach diesem Muster werden betont:
1.
antönscak, mensis Januarius, g. antonscaka. deldvnik, dies
laboris, g. delävnika. dimbövljak, nom. propr. montis, g. dim-
bövljaka. kadenar, nomen canis, g. kadenara. kapuznjak, ager
olitorius, g. kapüznjaka. kolömbar, orbis, g. kolömbara. martin-
scak, mensis november, g. martinicaka. mihöljscak, mensis oc-
tober, g. mihöljsdaka. perikul, periculum, g. perikula. utörnjak,
instrumentum ad excidendum in fundo dolii canalem, g. utör-
njaka. zadglavnik, truncus in foco igni appositus, g. zadglävnika.
zatörnik, deletor, g. zatörnika.
2.
antönöic, nom. propr. fam.; pl. antönciei, nom. propr. pagi.
brezuljcic, monticellus, g. brezuljöida. ivanöic, nom. propr. fam.;
pl. ivancibi, nom. propr. pagi. jedrejcic, nom. propr. fam., g. je-
drejci6a. kolencic, puer quem nova nupta sedens suscipit et in
genibus ponit, g. kolencica. luzdrij, rosarium, g. luzärija. ma-
garöic, asellus, g. magäröiba. mihurcic, bullula, pl. mihürcidi.
odöjcic, nefrens, g. odöjcica. popazdicic, puer pedores emittens,
g. popazdicica. poserdncic, puer concacatus, g. poseränöiöa. po-
skakdlcic, qui saltat, pl. jäncici poskakälcici. posräncic, i. qu. po-
seräncid, g. posrancida. povecercic, quod post coenam editur,
g. poveöercida. predvecercic, quod ante coenam editur, g. pred-
vedercida. prisüncic, locus apricus; nom. propr. campi, g. pri-
422
Nemanic.
süncica. samosvöjcic, puer omnia ipse habere volens, g. samo-
svöjöica. tovdrcic, asellus, g. toväreica. zakolencic, i. qu. kolenci6,
g. zakolencida. zamerljivcic, puer omnia in malam partem ac-
cipiens, g. zamerljivciia.
Fünfte Gruppe.
Im sing. nom. und beziehungsweise acc. ist die letzte Silbe
mit dem Gravis, im pl. gen. I. mit dem Acut, in allen übrigen
Casus dieselbe, nun vorletzte, Silbe mit dem Gravis betont.
Beispiel: siromäh, homo miser.
Singular,
nom. siromäli
voc. siromäse
acc. siromäha
gen. siromäha
dat. siromähu
loc. siromähe
instr. siromähon
Plural.
siromähi
siromähi
siromähi
siromäh oder siromähi
siromähon
siromäheh
siromähi
Nach diesem Muster werden betont:
1.
artizän, opifex, g. artizäna. hanasivi, pl., nom. propr. campi,
g. banasin. gospodin, dominus, g. gospodina. grdol'm, fringilla
carduelis, g. grdolina. interes, fenus, g. interbsa. jezeräni,
pl., nom. propr. loci, g. jezerän. kadorm, homo fuliginosus,
g. kadorina. kapelän, capellanus, g. kapeläna. kravosäs, serpens
quidam, g. kravosasa. kukuruz, zea mais, g. kukurüza. luzerät,
salamandra maculata, g. luzerata. maraskini, pl., nom. propr.
loci, g. maraskin oder maraskini. micelin, Michael, g. micelina.
petohleb, nom. propr. fam., g. petohleba. pobervh, postremus
conjugum partus (puer), g. poberüha. prkacmi. pl., nom. propr.
loci, g. prkacin. puljezän, incola urbis Pülj, pl. puljezäni. pu-
skomet, distantia jactus teli jaculatorii, g. puskometa. rastrepüh,
sorgum ex quo scopae parantur; homo incomptis crinibus,
g. rastrepüha. ritognjet, homo importunus, g. ritognjeta. rukovet,
manipulus, g. rulcoveta. samoküh, vinum optimum (sponte fiuens),
g. samoküha. senozet, pratum, g. senozeta. siromäh, homo miser,
g. siromäha. stivalet, calceus, pl. stivaleti. skapulm, nom. propr.
fam., g. skapulina. tetognjet, maritus amitae aut materterae,
Öakaviscli-kroatische Studien.
423
g. tetognjeta. trbijän, uvarum genus, g. trbijhna. trtrbüs oder
tutubüs, hac voce arietes concitantur ad utendum cornibus.
valomet, nom. propr. rupis in litore insulae Vegliae, g. valometa.
vukodlctk, vampyrus, g. vukodläka.
2.
anibrozic, nom. propr. fam., g. ambrozida. bambuSic, venter;
puer ventriosus, g. bambusida. bartolic, Bartholomaeus, g. bar-
tolica. bokalic, matella, g. bokalica. bolnic'xc, homunculus aegrotus,
g. bolnidica. bräunte, pessulus, g. brdunica. brezuljcic, monticellus,
g. brezuljöida. buharic, nom. propr. fam.; pl. buhariöi, nom.
propr. loci, cipelic, calceolus, g. cipelica. dekajic, puer; juvenis
arnatus, g. dekajiöa. deveric, paranymphus, g. deverida. facolic,
sudariolum, g. facolida. fjorimc, florenus, g. fjorinica. frkaüci,
pl., puls farinacea, g. frkatic. golubic, pullus columbae, pl. golu-
bidi. grzomc, puer tabernarius, g. grzonica. jabucic, rnalus sil-
vestris, pl. jabuöici. jarbolic, mälus, g. jarbolida. jarusid, ai’ies
anniculus, g. jaruiida. jelenlc, nornen bovis, g. jelenida. jurisid,
nom. propr. fam., g. jurisica. kafettc, carcer, g. kafetida. kana-
bäc, paunus; sudarium linteum, g. kanabkea. kapunic, dim. von
kapün, capo, g. kapunica. katafid, i. qu. kafetic, g. katafida.
klasuncid, spica zeae granis denudata, g. klasuncica. klobudarid,
parus major, g. klobuöariea. klobucid, pilleolus, g. ldobucida.
kolaiid, panis, g. kolacida. komadtd, frustulum, g. komadica.
konopdid, funiculus, g. konopdida. korenid, radicula, g. korenida.
korobäc, scutica, g. korobaöa. koromäd, silaus, g. koromada.
kosend, nom. propr. fam., g. koserica. kraguljic, nisus, g. kra-
guljida. kravosäc, serpens quidam, g. kravosaca. kreljutic, ala;
homunculus, g. kreljutica. kumpirld, solanum tuberosum, g. kum-
pirica. lovreclc, nom. propr. fam., g. lovreeida. magardtd, asellus,
g. magardida. makarunic, dim. von makarün, laganorum genus,
pl. makarunici. manigalic, corbula, g. manigallda. martinic, nom.
propr. fam., g. martinica. mastelid, labellum, g. mastelida. mi-
zuljic, pocillum, g. mizuljica. mohoric, nom. propr. fam., g. mo-
horida. muharid, muscula, pl. muharici. nadrepic, particula avium
super caudam, g. nadrepica. natakäc, crepida, pl. natakhdi.
obrazic, facies, g. obraziea. ormarid, armariolum, g. ormarida.
otrocic, puellus, pl. otrocidi. paludic, cannula, g. paludxda. pete-
sic, gallus gallinaceus; herba quaedam, g. petesida. picinid,
t
424
Neman i c.
paululus, g. picinida. pidalic, quercula, g. pidalida. pijatic,
catillus, g. pijatida. pirunic, dim. von piriin, furca, g. pirunica.
podpruzic, cingulum clitellarum, g. podpruzica. pokrovic, oper-
culum, g. pokrovida. poobedic, quod post prandium edunt, g. po-
obedica. poprezic, praecinctorium, g. poprezida. posamnjic, dies
post nundinas, g. posamnjida. pospanjuBc, puer dormiculosus,
g. pospanjusida. postolic, calceolus, g. postolida. prcicic, g. pröi-
öida, jocose dicitur puero: ,mäli prcavac, pröicid“. predobedic,
quod ante prandium edunt, g. predobedida. predrucic, quod
ante jentaculum edunt, g. predruöica. prkatic, ovile, g. prkatica.
rukavic, manica, g. rukavica. sapunic, ligo; marra, g. sapunida.
sironic, nom. propr. fam., g. sironida. siropic, syrupus, g. siropida.
soldatic, miles, g. soldatica. stomizic, stomachus, g. stomizida.
Scikumc, avis quaedam; cognomen viri joculare, g. sdikunida.
siljaric oder siraljic, pilleolus, g. siljarida oder siraljida. skra-
lupic, superficies lactis, g. skralupida. tavijolic, linteolum, g. ta-
vijolida. trbuSic, ventriculus, g. trbusida. trzjacic, agnellus sero
natus, g. trzjacida. vaselic, doliolum, g. vaselida. vazancic, qui
nisi pascbali tempore non confitetur, g. vazancica. zakolcic oder
zalcolic, paxillus axis, g. zakoldida oder zakolida. zarucic, quod
post jentaculum edunt, g. zarucida. zlataric, aui’ifex, g. zlatarida.
zamaric, cognomen viri, g. zamarida.
Anmerkung. Merke hier auch die pl. gen. II.: koracici,
odgovbri, ir. s. w. aus der Anmerkung zur ersten Gruppe.
Sechste Gruppe.
Im sing. nom. und beziehungsweise acc. ist die letzte
Silbe mit dem Acut betont; sonst ist die Betonung die gleiche
wie in der vorangehenden Gruppe.
Beispiel:
mos.
voc.
acc.
gen.
dat.
loc.
instr.
Singular.
obicdj
obicäju
obicdj
obicuju
obicäje
obicäjen
Plural.
obicäji
obicäji
obicäji
obicdj oder obicäji
obicäjen
obicäjeh
obicäji
Nach diesem Muster werden betont:
Cakavisch-kroatische Studien.
425
1.
artizdn, opifex, g. artizana. barakul, columella saxea ad
viam, g. barakala. boSkann, nomen bovis, g. boskarina. caratän,
pharmacopola circnmforanens, pl. caratkni. dindijdn, lintei genus,
g. dindijana. gamazin, borreuin; conservatorium rerum venalium,
g. gamazina. gospodin, dominus, g. gospodina. izuldn, insulanus,
pl. izulhni. kampanjöl, rusticus, g. kampanjöla. kampiji'm, exem-
plar, pl. kampijüni. kapelan, capellanus, g. kapelkna. kapetdn,
capitaneus, g. kapetkna. karatel, dolium, g. karatbla. katiket,
catechista, g. katiketa. kolejdn, qui carmina koledvi (f.) dicta
cantat, pl. kolejani. kolombdr, circulus, g. kolombara. kolovöz,
orbita; via ptxblica; mensis augustus, g. kolovöza. kracolin,
puer cito gradiens, g. kracolina. kremenjäk, lapis molaris,
g. kremenjaka. krstijdn, cbristianus, g. krstijkna. magazin, i. qu.
gamazin, g. magazina. makanhi, lagani genus, pl. makarüni.
maskerm, macidatus (puer, aries), g. maskerina. motovun, nom.
propr. urbis, g. motovüna. novacdn, incola loci Noväki, pl. nova-
cani. obiteljdn, unus ex domesticis; pl. obiteljani, domestici.
orecin, inauris, pl. orecini. palinbröd, cibus: fragmenta panis in
jure carneo, g. palinbröda. peticijun, lis, g. peticijüna. plesann,
saltator, g. plesarina. profesör, professor, g. profesbra. puharin.
cognomen joculare bominis glires captantis, g. puhar'ma. redov-
nik, sacerdos, g. redovnika. ruzmarm, rosmarinus, g. ruzmarina.
samaritan, Samaritanus, g. samaritima. samodel, vulnus sponte
natum, g. samodela. smrdeljuh, puer foetidus, g. smrdeljüba.
Irbijdn, uvarum genus, g. trbijana. Valentin, Valentinus, g. Va
lentina. vidulin, nom. propr. fam.; pl. vidulini, nom. propr.
pagi. zarecan, incola loci Zäreöje, pl. zareökni.
2.
natakdc, crepida, pl. natakkci. obicdj, mos, g. obickja.
ocends, pater noster, g. ocenksa. pocekdj, nom. propr. loci,
g. pocekkja. podrepdj, liomo importunus, g. podrepkja. posmihiUj,
puer ridens, g. posmihülja. povezuc, convolvolus, g. povczuca.
nbüej, jubilaeum, g. ubileja.
Siebente Gruppe.
Die letzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch die
ganze Declination mit dem Acut betont.
426
N e m a n i c.
Beispiel: grabljenjdk, terebri genus.
Singular.
nom. grabljenjdk
voc. grabljenjdce
acc. grabljenjdk
gen. grabljenjaka
dat. grabljenjdku
loc. grabljenjäkc
instr. grabljenjdkon
Plural.
grabljenjdki
grabljenjdki
grabljenjdki
grabljenjdk oder grabljenjdki
grabljenjdkon
grabljenjdkeh
grabljenjdki
Nach diesem Muster werden betont:
apetit, appetitus, g. apetita. baladdr, podium, g. baladbra.
dijamdnt, adamas, g. dijamdnta. diletör, director, g. diletbra.
fituval, inquilinus, g. fituvdla. fulminant, das Zündhölzchen,
pl. fulminänti. grabljenjdk, terebrum ad perforandum rastrum
foenarium, g. grabljenjdka. kalandrün, alauda, g. kalandruna.
kanfandr, nom. propr. loci, g. kanfanära. koleddr, qui carmina
koledvi (f.) dicta cantat, pl. koledäri. kolombdr, circulus, g.
kolombdra. konstantin, Constantinus, g. konstantina. Icöperatör,
cooperator, g. koperatöra. kuratör, curator, g. kuratöra. liherdt,
Liberatus, g. liberata. makarun, lagani genus, pl. makaruni.
masopust, nom. propr. fam., g. masopüsta. mesopust, der Carneval,
g. mesopüsta. orecin, inaui-is, pl. orecini. pasapört, syngrapbus,
g. pasapörta. pizijün, pensio, g. pizijuna. podestdt, magister ci-
vium, g. podestata. polovnik, dimidia pars mensurae staric dictae;
Halbkreuzerstück, g. polovnilca. procisijün, processio, g. proöi-
sijüna. rasprcijün, partitio, g. rasprcijüna. redovnik, sacerdos,
g. redovnika. salamün, Salomo, g. salamüna. spozicijun, exposi-
tio; portentum, g. spozicijüna. Skrpijun, scorpio, g. skrpijüna.
stakadör, dentiscalpium, g. stakadbra. tavijöl, linteum, g. tavijbla.
Achte Gruppe.
Die letzte Silbe des sing. nom. ist und bleibt durch die
ganze Declination lang; betont ist sie aber, und zwar mit dem
Acut, ausser der Casus ohne Casussuffix, d. i. sing. nom. und
beziehungsweise acc. und pl. gen. I., regelmässig nur noch im
sing. voc. und pl. gen. II., manchmal auch im pl. loc. und
instr.; in allen übrigen Casus springt der Accent auf die casus-
i
Cakavisch-kroatische Studien.
427
bildende Silbe über, und zwar in
im pl. loc. bald als Acut, bal
Beispiel: postoldr, sutor.
Singular,
nom. postoldr
voc. postoldre
acc. postolära
gen. postolära
dat. postolärü
loc. postoläre
instr. postolärön
Nach diesem Muster wen
sing, instr. und pl. dat. als Acut,
als Gravis, sonst als Gravis.
Plural.
postolär'i
postoläri
postoläri
postoldr oder postoläri
postolärön
postoläreh oder postoläreh und
postoläreh
postoläri und postoläri.
en betont:
Lakalär, gadus morrhua, g. bakalära. botegdr, tabernarius,
g. botegärk. öarovnik, magus, g. carovnlka. daeijär, exactor
tributi, g. daeijära. debeljuh, homo crassus; pl. debeljühi, nom.
propr. loci, finandjer, custos vectigalium, pl. financijeri. fituvdr,
inquilinus, g. fituvära. frmentun, zea mais, g. frmentünk. glavi-
njdk, terebrum ad perforandum modiolum rotae, g. glavinjäka.
godovnjdk, dies onomasticus, g. godovnjäkk. gospoddr, dominus,
g. gospodärk. govor&in, patronus, g. govorcink. jurisnik: ,Sveti
Jure Jurisnik, da nan biides pomoenik/ kalandrün, alauda, g.
kalandrflna. kaligär, sutor, g. kaligära. kamemlc, lapicida, g.
kamenlka. kanfandr, nom. propr. loci, g. kanfanära. kantoner,
curator viarum, g. kantonera. kapital, caput, g. kapitälä. ka-
purdl, der Corporal, g. kapuräla. kokosdk oder kokosnjdk, galli-
narium, g. kokosäka oder kokosnjäkk. kolombdr, circulus, g.
kolombärli. konopljäk, lacuna in qua cannabis humectatur, g.
konopljäka. konopljdr, ager cannabe consitus, g. konopljära.
kremenjdk, lapis molaris, g. kremenjäka. makarün, lagani genus,
pl. makarüni. maklaun, nom. propr. montis, g. maklaüna. mani-
gdl, corbis, g. manigälk. mariner, nauticus, g. marinera. meda-
Ijün, numisma, g. medaljüna. milijär, mille, g. milijära. milijun,
decies centena millia, g. milijüna. motovün, nom. propr. urbis,
g. motovüna. paprnjäk, panis genus, pl. paprnjäk'i. pizijun,
pensio, g. pizijüna. poherüh, postremus conjugum partus: puer,
g. poberüha. podloznik, subditus, pl. podloznlki. poglavär, prae-
428
Neraanic. Calcavisch-kroatische Studien.
fectus, pl. poglaväri. •polovnik, dimidia pars mensurae starte
dictae; Halbkreuzerstück, g. polovnika. pomocmk, adjutor, g.
pomocnlka. posebdr, de familia is qui suum quid possidet, pl.
posebäri. pospanjtih, boiuo dormiculosus; herba quaedam, g.
pospanjühk. postoldr, sutor, g. postolärk. pustinjdk, eremita, g.
pustinjäka. redovnik, sacerdos, g. redovnikä. semenjak, admis-
sarius: equus, asinus, bos etc., g. semenjäkk. spolovdr, qui agros
alienos pro dimidia parte frugum colit, pl. spoloväri. stracijer,
pannorum collector, g. stracijerk. Specijdr, pbarmacopola, g.
specijärk. Spizijun, i. qu. pizijün, g. spizijüna. timunir, guber-
nator navis, g. timunlrk. ulindr, matula, g. ulinära. umindl,
fenestra in tecto domus, g. uminälk. velantdr, mare tempestosum,
g. velantärk. zabräun, signum in aure ovis incisum, g. zabrdünk.
zarucmk, sponsus, g. zarucnikk.
2.
banderdS, vexillarius, g. banderäsa. barildS, qui plenum
,baril‘ ebibit, g. bariläsh. bogatdS, homo dives, g. bogatäsk.
drobacMj, res minutae (grana, saxa), g. drobacülja. frkaldi,
homo vanus, g. frkaläsk. kirijdS, vecturarius, pl. kirijäsi. mati-
jaSi, pl., norm propr. loci, g. matijas oder matijasi. nabrnjdS:
jOcenäs nabrnjäs, kriiha imas, mi ne das, säm pojisb ocenaS,
pater noster; pl. ocenäsi, rosarium. ombreldS, qui parapluvia
facit, g. ombreläca. otpevaS, minister missae, g. otpeväca. otro-
cdlj, puer lascivus, pl. otroöälji. pohustelj, cannabis degener
(nec mas nec femina), pl. pohustelji. policdj, minister publicus,
pl. policäji. popazdic, puer pedores emittens, g. popazdl6a. predi-
kac, praedicator; homo loquax, g. predikäök. Standards, vexil
larius, g. standaräsk. velikdS, magnas, pl. velikäsi. zavijdc, jynx
torquilla, g. zavijäca.
Anmerkung. Im sing. voc. kann der Accent auch aut
die erste Silbe zurückgezogen werden: gospodare; bdrilaSu
oder bärilaS neben barildSu.
Berichtigung'.
Von dem S. 369 Z. 16, S. 373 Z. 33 und S. 377 Z. 10 angeführten
bljuüc ist die richtige Bedeutung nur an der zweiten Stelle angegeben.
XIV. SITZUNG VOM 6. JUNI 1883.
Von der Direction des k. k. militär-geographischen In
stitutes wird die 23. Lieferung der neuen Specialkarte der
österreichisch-ungarischen Monarchie übermittelt.
Das c. M. Herr Professor Dr. Leo Reinisch legt sein mit
Unterstützung der kais. Akademie im Drucke erschienenes
Werk: ; Die Bilin-Sprache', Textband, vor.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des Sciences et Iettres de Montpellier: Memoires de la section
des Iettres. Tome VII. — I. Fascicule. Annee 1882. Montpellier, 1882; 1°.
— des Sciences, arts et belles-lettres de Dijon. Memoires. 3° Serie, tome VII.
Annees 1881—1882. Dijon, 1882; 8°.
— des Sciences, belles-lettres et arts de Lyon: Memoires. Classe des Iettres.
Vol. XX. Paris, Lyon, 1881—1882; 8".
— des Sciences, belles-lettres et arts de Lyon: Memoires. Classe de Sciences.
Vol. XXV. Paris, Lyon, 1881—1882; 8°.
— Table des matieres eontenues dans les Memoires publies de 1845 a 1881.
Lyon, 1882; 8°.
— Imperiale des Sciences de St.-Petersbourg: Bulletin. Tome XXVIII, No. 3.
St -Petersbourg, 1883; gr. 4°.
Accademia, R. delle scienze di Torino: Atti. Vol. XVIIT, Disp. 4 l (Marzo
1883). Torino; 8°.
Akademie der Wissenschaften, königl. schwedische: Öfversigt af Förhand-
lingar. 39. Arg. Nr. 9 und 10. Stockholm, 1883; 8°.
Bibliotheque de PEcole des ("'hartes: Revue d’Erudition. XLIV“ annee 1883.
l re livraison. Paris, 1883: 8°.
Sitzungsber. d. pbil.-hist. CI. C1V. Bd. II. Hft.
28
430
Freiburg i. B., Universität: Akademische Schriften pro 1381 —1882. 56 Stücke,
4° und 8°.
Gesellschaft, deutsche morgenländische: Abhandlungen für die Kunde
des Morgenlandes. VIII. Band, Nr. 2. Leipzig, 1883; 8°. •
— k. k. geographische in Wien: Mittheilungen. Band XXVI, Nr. 4 und 5.
Wien, 1883; 8".
Johns Hopkins University: The American Journal of Philology. Vol. IV,
1. Whole, Nr. 13. Baltimore, 1883; S°. — New Testament Autograplis
by J. Kendel Harris. Baltimore; 8°.
— Circulars. Vol. II, Nr. 22. Baltimore, April 1883; 4°.
Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland.
Vol. XII, Nr. IV. May 1883. London; 8°.
Mittheilungen aus Justus Perthes’ geographischer Anstalt von Dr. A. Peter
mann. XXIX. Band, 1883. VI. Gotha; 4°.
Müller, F. Max: The sacred Books of the East. Vol. XVII, XVIII und XIX.
Oxford, 1882 und 1883; 8°.
Scliwickert, Joh. Jos.: Kritisch-exegetische Erörterungen zu Pindar. Trier,
1882; 4°.
Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. IV. Jahrgang, Nr. 8.
Wien, 1883; 4«.
XV. SITZUNG VOM 13. JUNI 1883.
Das Bundespräsidium übersendet den vierten General-
bericht der österreichischen Gesellschaft vom rothen Kreuze.
Das wirkl. Mitglied Herr Hofrath Ritter von Höfler legt
für die Sitzungsberichte eine Abhandlung vor: ,Antoine de
Lataing, Seigneur de Montigny, Vincenzo Quirini und D. Diego
de Quevara als Berichterstatter über König Philipp I. von
Castilien, Erzherzog von Oesterreich, in den Jahren 1505, 1506'.
Ad Druckschriften wurden vorgelegt:
Academy, tlie American of Arts and Sciences: Proceedings. N. S. Vol. IX.
Whole series. Vol. XVII. From June 1881 to June 1882. Boston, 1882; 8».
— of Science of St. Louis: The Transactions. Vol. IV, Nr. 2. St. Louis,
1882; 80.
Association, tlie American philological: Transactions. 1869—1870 til! 1881.
XII. Volumes. Cambridge, 1882; 8°.
Bibliotheca Ossoliniana Leopoliensis: Catalogus codicum manuseriptorum.
Zeszyt III. Lwow, 1883; 8°.
Göttingen, Universität: Akademische Druckschriften pro 1882. 87 Stücke,
4° und 80.
Hamburg, Stadtbibliothek: Schriften. 73 Stücke, 4 n .
Indian Museum: Catalogue and hand-book. Archaeological collections. Part I.
Calcutta, 1883; 8 n .
28*
4B2
Society, the Asiatic of Bengal: Journal. Vol. LII, Nr. I. 1883. Culcutta,
1883; 8».
— tlie American geograpliical of New-York: Journal. Vol. XIII. New-York,
1881; 8°.
— tlie American philosophical: Proceedings. Vol. XX, Nrs. 110 und 111.
Philadelphia, 1881—1882; 8».
Hofier. Lalaing, Quirino und Guovara über K. Philipp 1.
433
Antoine de Lalaing, Seigneur de Montigny, Vin-
cenzo Quirino und Don Diego de Gtuevara als
Berichterstatter über König Philipp I. in den Jahren
1505, 1506.
Von
Dr. Constantin R. v. Höfler,
wirkl. Mitgliede der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
Ob der Verfasser der zweiten Reise K. Philipps nach
Spanien wirklich Antoine de Lalaing, Herr von Montigny, war,
mag bestritten werden. Die Frage entscheidend zu erörtern,
müsste man Einsicht in die Manuskripte haben. Für die histo
rische Erörterung ist diese Frage nur insoferne von Wichtigkeit,
als das manchmal scharfe Urtheil über Personen, über Franz
von Buxleiden, Erzbischof von Besangon, und den von diesem
empfohlenen Tresorier des Erzherzog-Königs, .Jerome Lauverin,
(pag. 468), von grösserer Bedeutung ist, wenn der Herr von Mon
tigny es aussprach, als irgend ein Unbekannter. Die Arbeit
hat die letzte Feile nicht erlangt. Von den so wichtigen Ver
handlungen der beiden Könige, die dem Vertrage von Villa-
fafila vorausgingen, weiss der Verfasser wenig oder gar nichts.
Die Antwort, welche der Herr de Veyre dem französischen
Botschafter Bischof von Rieu geben sollte (pag. 445), ist in
der Feder geblieben. Auch mit den Verhandlungen, die zur
Zusammenkunft der Könige in Renedo führten, ist er nicht ver
traut. Er führt an, dass die Königin in Cocheyes (Coyeces)
längere Zeit blieb (ne peust passer oultrc pour aucune maladie,
pag. 448), während alle Berichte sagen, dass sie in das Schloss
gar nicht hineinzubringen war und die ganze Nacht im Freien
zu Pferde zubrachte. Von den wichtigen Ereignissen in Muzien-
tes berichtet er wieder nichts, die Krankheit des Königs und
434
H ö fl er.
sein Tod werden mit ein paar Zeilen abgethan. Dankenswertb
weitläufig ist er in Betreff des traurigen Schicksals der flan
drischen Begleiter des verstorbenen Königs, sowie des Beneh
mens der Königin während der letzten Krankheit des Königs,
wo aber sein Bericht mit dem Anghiera’s übereinstimmt. Er ist
es auch, welcher über die Umgebung des Königs berichtet,
dass die jungen Leute a l’aventure luy faisoient et disoient
pluseurs parolles et presens de helles Alles et le menoient sou-
vent en plus eurs lieulx dissolus, dont les rapports luy (der
Königin) estoient faiz et peult-etre aucunes fois pieures que le fait.
Tellement qu’elle se contenoit en femme desesperee (pag. 459).
Die vielen Lücken im Texte beweisen, dass die letzte Redac
tion noch nicht erfolgt war. (Vgl. pag. 446, 447, 466, 470,
471 u. a.) Ein grimmiger Hass gegen die Franzosen, ihre
Lügen, Täuschungen, gänzlichen Mangel an Ehrlichkeit und
Wahrheit, geben der Schrift noch ein eigenes Gepräge. Es ist
die Wirkung der treulosen Politik K. Ludwigs XH.
So steht die Beschreibung der zweiten spanischen Reise
der der ersten wie an Umfang, so auch an Inhalt nach. Sie.
lässt uns die übrigen Quellen, wie Alvaro Gomcz, Alcocer, Don
Pedro de Anghiera durchaus nicht entbehren, wenn sie auch
Züge enthält, die wir bei diesen vermissen, und dazu rechne
ich vor Allem die Mittheilungen über den König und die
Königin. Der Verfasser ist kein Freund der Unadeligen und
macht daraus kein Hehl. Ob aber dadurch nicht die Richtig
keit seines Urtheils eingeschränkt werde, ist eine andere Frage.
Er bringt Franz von Buxleiden mit den jungen Leuten in Be
ziehung, die auf den Erzherzog, ihren Altersgenossen, ungünstig
einwirkten; mit welchem Rechte, ist denn doch die Frage. Als
es dringend notliwendig geworden war, dem Unwesen der vielen
Schatzmeister zu steuern und das wichtige Amt in die Hand
eines Einzigen zu legen, zu diesem Ende durch Franz von Bux
leiden Lauverin Schatzmeister wurde, mag derselbe seine Macht
missbraucht haben. Er hatte aber die grossen Auslagen des
geldrischen Krieges zu decken, durch welchen man französi-
scherseits die spanische Expedition zu verhindern suchte, und
dann erst noch die Ausrüstung der Flotte, die den König nach
Spanien zu bringen hatte. Wenn daher der Schatzmeister die
baldige Abreise des Königs befürwortete, dem es ohnehin unter
Lalaing, Quirino und Guevara ü1)cr K. Philipp I.
435
den Sohlen brannte, und von seinem Standpunkte aus die Un
möglichkeit betonte, noch länger Zurüstungen zu veranstalten,
so kann man ihm hieraus keinen Vorwurf machen. Geschieht
es aber doch, so ist die Unparteilichkeit gröblich verletzt.
Besässen wir über die spanische Expedition, welche zur
Beseitigung des castilianischen Königthums K. Ferdinands,
zur Aufrichtung des ersten habsburgischen Königtlmms und
zur Auflösung des für K. Philipp so nachtheiligen Vertrages
von Salamanca vom Jahre 1505 führte, nur die Reisebe
schreibung Montigny’s, so befänden wir uns ausser Stande, die
bewegenden Kräfte zu erkennen, welche sich stark genug er
wiesen, K. Ferdinand zur Räumung von Castilien zu bewegen
und ihn dahin zu bringen, dass er nur noch den Schein eines
gütlichen Vernehmens mit seinem Schwiegersöhne zu retten
suchte, aber alle Pläne, die er seit dem Tode der Königin
Isabella verfolgte, aufgeben musste. Dennoch darf man den
Werth dieser zweiten Reise nicht gering anschlagen. Denn da
wir es hier mit einer Forschung zu thun haben, bei welcher
jeder Schritt kritisch erkämpft werden muss, ist jeder Beleg
einer Thatsache, welche wieder andere festzustellen vermag,
doppelt willkommen. Es scliliesst jedoch diese Anerkennung
des vielfachen Werthes der Reisebeschreibung den gerechten
Wunsch nicht aus, durch eine andere Darstellung eines Zeit
genossen die Lücken ausgefüllt zu sehen, welche die erste
klaffen liess. Bietet Montigny nur den äusseren Rahmen der
Begebenheiten, so übernehmen es die Depeschen Quirino’s und
die Correspondenz des Königs mit seinem Abgesandten zu
K. Ferdinand, Don Diego de Guevara, Licht in jene geheimen
Vorgänge zu bringen, die sich der Kenntnissnahme Montigny’s
entzogen. Die Depeschen Vincenzo Quirino’s beziehen sich
jedoch nicht auf das Jahr 1506 allein, sondern beleuchten auch
das vorausgegangene 1505, während Montigny wohl den Tod der
Königin Isabella als Ausgangspunkt nimmt, aber seinen Bericht
noch bis zum September 1507 fortsetzt. Es ist nicht blos der
Unterschied der Auffassung eines Belgiers und eines Italieners,
welcher uns hier entgegentritt. Quirino ist der ausländische
Diplomat, den kein tieferes Interesse an die Begebenheiten
knüpft, deren Ursachen zu erkennen er sich bemüht, und der
selbst von der Wahl und Zuverlässigkeit der Berichterstatter
436
Höf ler.
abhängt, von welchen er seine Notizen zieht. Montigny ist im
Stande, interessante Notizen mitzutheilen, die ihm als Hofmann
bekannt wurden. Er vorläugnet aber auch insoferne den Hof
mann nicht, dass er Vieles verschweigt, was er weiss und das
er als Historiker mittheilen müsste. Man muss bedauern, dass
er ganze Seiten seines Werkes in dem Conflicte zwischen dem
Hofmanne, der er ist, und dem Historiker, der er sein möchte,
vernichtete. Bei einem der wichtigsten Punkte, den Berathun
gen über den geldrischen Krieg, der siegreich beendet werden
musste, wenn überhaupt von einem Zuge nach Spanien die
Bede sein sollte, erwähnt er, er sei durch deux Chevaliers de
hasse condition et de la longue robe entschieden worden, wäh
rend deux nobles hommes den Krieg auf das Aeusserste wider-
riethen. Wir wünschten, die einen und die anderen mit ihren
Namen kennen zu lernen, er fertigt uns mit einem: ay entendu
ab. Er war nicht dabei, er hält sich daher zurück, sei es, um
nicht sich, sei es, um seine Berichterstatter nicht zu compro-
mittiren. Quirino bezeichnet der Signoria regelmässig den
Grafen Haro, Botschafter K. Ferdinands am Hofe K. Philipps,
als seine Quelle; ob sie immer lauter war, ist freilich eine
Frage. Wenn Montigny seinem Unmuthe über das schändliche
Treiben der Franzosen die Zügel schicssen lässt, so ist er hie
bei das Echo seines königlichen Herrn, von Avelchem wir wissen,
welche Gewalt er sich anthat, um seinen Unmuth nicht vor
den Franzosen kund zu thun, wie es Iv. Maximilian in Brüssel
mit einem gewissen Behagen that. Der ganze Bericht beweist
zur Genüge, dass, wenn beständig über den Einfluss der Fran
zosen auf K. Philipp geklagt wurde, im Jahre 1505 bereits ein
bedeutender Umschlag stattfand, Hass und Verachtung sich
der Umgebung des Königs bemächtigten, welcher sich von
den Franzosen schmählich verrathen fühlte, und an dessen
Lebensfaden der Kummer nagte, sich durch K. Ludwig in
der Weise getäuscht zu sehen, als es wirklich der Fall war.
Es gehörte eine starke belgische Gesinnung dazu, diesen Be
richt bekannt zu machen, und indem wir den belgischen Ge
lehrten dafür den gebührenden Dank aussprechen, begreifen
wir vollkommen, warum die Franzosen sich nicht beeilten,
diese zweite spanische Reise herauszugeben, sie erst 1876 in
Druck erschien.
Lalaing, Quirino und Guevara über Iv. Philipp I.
437
Eine noch grössere Zurückhaltung legte sich Montigny in
Betreff der Königin auf. Die sie betreffende Stelle wurde be
reits an einem andern Orte mitgetheilt. Wüssten wir nicht
von Petrus Martyr de Anghiera, von Gomez, von Padilla, vor
Allem von Quirino Näheres über ihr Verhalten, so würde auch
selbst das, was er pag. 458 sagt, nicht erklären, was wirklich
vorging. Er leitet aber das Mitgetheilte dadurch ein, dass er
sagt: ,Je ne vous ay jamais parle de la royne de Castille ou
bien peu pour ce que je ne desire point dire chose qui
deplaise aux dames; aussi c’est la vraye rnere de mon
droicturier et naturel prince' (Charles V.) Das hat Lorenzo
de Padilla anders aufgefasst, der Karl V. rieth, seine Geschichte
nicht zu veröffentlichen, ja sie nicht aus seinem Zimmer her
ausnehmen zu lassen. Aber die Rücksicht für seinen jugend
lichen Herrn und dessen erlauchte Tante, welche Montigny ihr
ganzes Vertrauen schenkte, hielt Letzteren doch nicht ab, an
einer früheren Stelle zu berichten: et veoit (K. Philipp) qu’elle
se conduisoit comme femme desesperee et toute pleine de ja-
louzie qu’on ne luy pouvoit estaindre et luy (der Königin) sem-
bloit que son mary estoit si beau et d’eaige pour fourny au
desir des dames, que toutes celles qui le veoient qu’elles le
convoitoient, et aussi que toutes celles qui veoit, qui les con-
voitoit; et en teile ardeur d’amour et folle rage se contenoit
tellement qu’il n’avoit joye au rnonde et ne desiroit que
la mort (pag. 451). Dies genügt.
Die eigentliche Geschichterzählung beginnt bei Montigny
mit dem Vertrage von Hagenau, 4. April 1505, so dass sich
also Quirino, der hiemit seine diplomatische Laufbahn eröffnete,
und Montigny decken. Weitläufiger als Ersterer beschi-eibt Mon
tigny den geldrischen Krieg, dessen raschen Abschluss er durch
die politische Lage des Königs erklärt, der in Gefahr stand,
seine Königreiche zu verlieren, wenn er nicht seine Abreise
nach Spanien beschleunigte. Richtig hebt er die Absicht der
Franzosen hervor, K. Philipp durch Erhebung unqualificirbarer
Anforderungen Verlegenheiten zu bereiten, wo nicht gar ihn
in einen Krieg mit Frankreich zu verwickeln. In allen diesen
Dingen erweist sich aber Quirino viel besser unterrichtet, wenn
ihm auch einzelne Züge fehlen, wie z. B., dass Maximilian bei
Verabschiedung der französischen Botschaft in Brüssel wohl
438
H 6 f 1 e r.
zurief: ,recommandez-moi ;i la royne', aber den König umging.
Montigny weiss dann wieder Einzelnes über die sehr küble
Aufnahme der belgischen Botschaft in Frankreich — Meudon bei
Blois — zu berichten, sowie dass K. Ludwig die vertrauten
Briefe, die ihm einst K. Philipp über K. Ferdinand und
K. Heinrich VII. geschrieben, beiden Monarchen mittheilte,
um beide Könige zum Untergange Philipps mit ihm zu ver
einen. Eben deshalb wurde auch Ferdinands Pleirat mit Ger-
maine de Foix betrieben — pour faire plus grand deplaisir
et despit audict roy de Castille. Mais le roy d’Aragon se peult
bien vanter — setzt Montigny ironisch hinzu — qu’il n’aura
point trouve la bonne trespassee (K. Isabella) n’en corps, n’en
biens, ne honneur, ne vertus. K. Ferdinand heiratete
am 18. März 1506; am 15. Juni wusste man bereits qu’il faist
les plus grans souppirs du monde, maldisant l’heure qu’il avait
jasmais pense en eile. — Toutes les fois qu’il lui souvient d’elle
il vouldroit que luy et eile feussent au milieu de la mer.
Man mag bei Quirino die Bestürzung lesen; welche sich
Maximilians und seines Sohnes bei diesem tollen Streiche Don
Fernandos bemächtigte, und wie richtig man schon damals ur-
theilte, der König würde mit dem Schlage, zu dem er gegen
K. Philipp ausholte, sich selbst treffen. Als die Königin Ger-
maine 1509 in gesegnete Umstände kam, schrieb Maximilian
seiner Tochter: le diable l’a engrossi. 1 Das Sölmlein starb
zum Glücke für Karl V. unmittelbar nach der Geburt. Der
starke Ausdruck drei Jahre nach der Heirat —- der vituperoux
mariage — beweist, wie man am kaiserlichen Hofe über sie
dachte. — Offenbar beruht der Werth dieses Theiles des Be
richtes Montigny’s auf Enthüllung der französischen ,Praktiken',
die er in seiner Stellung näher kennen lernte, während Quirino’s
Depeschen über die königlichen Personen am Brüsseler Hofe
und die Verwicklungen mit Spanien grössere Aufschlüsse ge
währen.
Ueber den Sturm, der die Flotte des Königs zerstreute,
Januar 1506, ihn selbst in die grösste Lebensgefahr brachte,
gibt Montigny weitläufigen Bericht, den er aber durch Bemer
kungen über K. Ferdinand und seine Politik unterbricht, sowie
1 Or. im k. k. geheimen Archive.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
439
durch die Erzählung über die grosse Gewandtheit des nieder
ländischen Gesandten Seigneur de Veyre, genannt la mouche,
welcher bewirkte, dass der König von Portugal, Schwager K. Phi
lipps, die vielbesprochene Donna Bertrandine (La Beltraneja)
in Gewahrsam brachte, damit sich ihrer K. Ferdinand nicht
gegen seinen Schwiegersohn bediene, ein Bericht, welcher be
stärkt, was wir von anderer Seite wissen. Die Erzählung von
der Verhaftung des Dechiffreurs des Herrn von Veyre, welchen
K. Ferdinand mit dem Tode bedroht, wenn er das Geheimniss
nicht verrathe, bezieht sich vielleicht auf die Verhaftung Don
Pedros de Guevara, für dessen Freilassung sich am 13. October
1505 K. Philipp so dringend bei K. Ferdinand verwandte (Do-
cumentos ineditos VIII, pag. 314)?!
Montigny kommt nun aufs Neue auf die Gefahr des Königs
zu sprechen, dem er ein langes Gebet in den Mund legt, das
mit dem Gelübde, nach Montferrat und Guadclupe zu wall
fahren, endet. In der That aber gelobte er, nach San Jago de
Compostella zu wallfahren, wohin er auch von la Coruna zog.
Die Einzelheiten der nun erfolgten Landung sind nicht in voller
Uebereinstimmung mit dem, was darüber bekannt ist, auch
scheint das Manuscript gerade in diesem Punkte eine Ueber-
arbeitung von fremder Hand erlitten zu haben. Montigny be
fand sich sowenig als Quirino auf dem königlichen Schiffe während
des Sturmes, noch in Windsor oder Richmond nach der Landung,
sondern 100 Stunden entfernt von dem Zufluchtsorte K. Philipps.
Nichtsdestoweniger theilt er die Reden und Gegenreden der
Könige Heinrich VII. und Philipp mit. Von der Königin heisst
es pag. 423: Or vous deves savoir que la Royne traveillee de
la mer devint aucunement pesante et demoura a . . . jusques
a ce que le Roy la manda querir: et fut rnenee audict Wine-
zorre ouquel lieu eile vit sa seur la princesse de Galles et ne
fu rent point longuement ensemble, que la royne de Castille
se mist en ehern in pour soy tirer devers le port de Falemue
(Falmoutli). Hier spricht wieder der Ilofmann, der das Skandal
kaum andeutet, das die Königin ihrem Gemahl auf englischem
Boden bereitete, und das uns aus der sichersten Quelle bekannt
ist, wenn wir auch den Grund nicht anzugeben im Stande sind.
Montigny behauptet ferner, dass ein französischer Abgesandter
dem Könige gerathen habe, Philipp gefangen zu . halten, so dass
440
H ö f 1 e r.
also, was Maquereau und auch Andere hierüber berichten, durch
ihn bestätigt wird. Man konnte daraus das Schicksal entnehmen,
das K. Ludwig dem Könige von Castilien zu bereiten gedachte,
wenn er, der französischen Einladung folgend, den Seeweg nicht
eingeschlagen hätte. Die Abschiedsreden, welche Montigny den
Königen in den Mund legt, mag man wieder ihm zur Verant
wortung überlassen.
Vor den höchst merkwürdigen Scenen, die aufs Neue mit
der Königin stattfanden und von denen Quirino berichtet, er
zählt Montigny nichts. Die Sendung des Herrn La Chaulx wird
mit der Auslieferung Suffolk’s in Verbindung gebracht; von den
grossartigen Berathungen, die an Bord der Schiffe wegen der
Landung stattfanden und durch welche eigentlich das Geschick
Castiliens entschieden wurde, dem Beschlüsse, nicht in Laredo zu
landen, nicht K. Ferdinand entgegenzugehen, damit auch nicht mit
der Königin Germaine zusammenzukommen, noch sein Heil den
Asturianern anzuvertrauen, hat Montigny keine Kenntniss; wohl
aber dass von einer Landung in Andalusien die Rede war. Die
Weigerung der Königin, den Einwohnern von la Coruna ihre
Privilegien zu bestätigen, berichtet Montigny, aber nicht, wie
sie sich einschloss und Niemanden vor sich Hess. Auch aus
dem Nachfolgenden erkennt man so recht die Wichtigkeit der
Quirino’schen dispacci, die uns mit den eigentlichen Vorgängen
bekannt machen, während Montigny wohl die Reiseroute angibt
und die Beschwerlichkeiten des Zuges durch Galicien schildert,
die wir aber auch schon aus Quirino kennen. Nach Montigny
bewegte er sich von Lerys, 1 das auf unseren Karten nicht vor
kommt, nach Orance (Örense) am Mino, nach Allariz, villa del
Rey, Monterey und Verin, wo beinahe die portugiesische Grenze
berührt wurde, und endlich über Senebyc (Senabria) nach Ben-
avente. Die wichtigen Verhandlungen zwischen den Königen
werden kaum berührt, der so ungemein wichtige Vortrag von
Salamanca nur als im December 1505 (24. November 1505)
abgeschlossen, kurz angegeben, die Zusammenkunft der Könige
1 Wahrscheinlich ist dieses das Leriz, von welchem das Schreiben IC. Phi
lipps vom G. Juni 1506 datirt ist und das der gelehrte Herausgeber der
Reisebeschreibung mit Allariz verwechselte (pag. 521). Leriz ist eine
Station zwischen Santiago und Orense (Warmse — aquae calidae — der
Westgothen), Allariz aber liegt südlich von Orense.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
441
zu Renaessal nur vorübergehend erwähnt, der Vertrag von Villa-
fafila ganz in den Text aufgenommen, der Ort aber, wo er ab
geschlossen wurde, nicht genannt. In der Beilage nr. XXXI
wird der Zusatzvertrag von Villafafila vom 27. Juni als in Villa-
( fr an ca ausgestellt angegeben (pag. 545), was ein grosser Irrthum
ist. Von der Versammlung der Cortes in Moyegente (Muzientes)
ist keine Rede; der zweiten Zusammenkunft der Könige (in
Renedo) ist ein Vertrag zugeschrieben, der nicht stattfand
(pag. 444), hingegen ward die Audienz des französischen Ge
sandten bei K. Philipp weitläufig beschrieben. Montigny hat Kunde
von Briefen Maximilians aus Ungarn an K. Philipp, von den
Umtrieben der Franzosen, welche Karl von Egmont zum Kampfe
mit K. Philipp aufstachelten und ,Leib und Seele allen Teufeln
verschrieben'. Der König wollte die Königin in Segovia lassen: mais
la dicte Royne amiee k Cocheyes (Coyeces) ne pult passer oultre
pour aucune maladie cjui luy survint —■ sie wollte, wie erwähnt,
nicht in das Schloss und blieb die ganze Nacht auf dem Pferde
sitzen — mais sejourna illecq bonne espace de temps et depuis
voulut aller a Tudella: ouquel lieu eile sejourna le surplus du
moys d’aout. Ein Schreiben K. Philipps aus Tudela an seinen
Botschafter in Blois beweist, dass er schon am 13. August in
Tudela war. Er kam von Segovia und ging von Tudela nach
Burgos, und zwar mit Donna Juana. Gerade jetzt verlassen
uns die Depeschen Quirino’s, die uns in allen Staatsangelegen
heiten als Führer dienten, während Montigny durch das ab
sichtliche Verschweigen von so Manchem, was :er weiss, und
durch die Unkenntniss der eigentlich spanischen Angelegen
heiten uns nur so weit Aufschlüsse gewährt, als er in seiner
Eigenschaft als chambelan sie geben kann, als Hofmann sie
geben will.
Ueber die letzten Wochen, welche K. Philipp zu leben
vergönnt waren, erhalten wir nur auf drei bis vier Seiten Auf
schlüsse. Wir erfahren, dass der dreijährige Infant Don Fernando
zu den Eltern nach Valladolid und dann, als diese nach Burgos
gingen, nach Simancas gebracht wurde, wo er in dem Hause der
Mutter des Almirante wohnte (Curita I.VII, c. 17). Er befand sich,
als K. Philipp nach Castilien kam, unter der Aufsicht des Juan
Velasquez und dessen Frau im festen Arevalo, was wir aber
nicht aus Montigny wissen. Montigny theilt uns Nachrichten
442
Hü fl er.
aus Italien mit, die Absicht des Königs, eine Expedition nach
Indien zu senden, und zeigt endlich den trostlosen tinanciellen
Zustand, in welchem K. Ferdinand hei seinem Abzüge aus
Castilien das Königthum seinem Schwiegersöhne überlassen hatte,
so dass K. Philipp nicht im Stande war, die Seinigen zu unter
halten und sich in die denkbar traurigste Lage versetzt sah,
aus welcher ihn nur der frühe Tod befreite. Diese letzten
Blätter sind der wichtigste Theil der Relation Montigny’s. Was
man in Bezug auf jugendliche Verirrungen des Königs gegen
ihn sagen mag, er hat sie schwer gebtisst. Seine französische
Politik, durch welche er seinem Lande Ruhe zu verschaffen
hoffte, hatte durch die beispiellose Treulosigkeit K. Ludwigs
sich in das Entgegengesetzte verkehrt; er hatte den glänzenden
Erfolg davongetragen, trotz der Verbindung der Könige Ferdinand
und Ludwig, den Ersteren wie einen Flüchtling aus Castilien
entweichen zu sehen, allein der catolico hatte auf der Flucht
noch den tödtlichen Pfeil abgesandt, indem er das Land so ruinirt
hatte, dass der Sieger im unnatürlichen Streite sich nicht darin
halten konnte. Eine erfreuliche Thatsache tritt uns hiebei aus
Montigny’s Darstellung hervor. Er bestätigt den Bericht des
Dr. Parra insofern, dass er erzählt, die Königin, obwohl in anderen
Umständen, habe ihren Gemahl in seiner letzten Krankheit nicht
Tag noch Nacht verlassen, versuchte selbst die Medicinen, welche
ihm verordnet waren, ihm den Verdacht der Vergiftung zu
benehmen, und bedeckte dann die Leiche mit Küssen: car, setzt
Montigny hinzu, c’est une femme ii souffrir et a veoir toutes
les choses du monde bonnes ou malvaises sans mutacion
de son coeur ne soll couraige: et au trespas n’en la maladie
de sondict mary qu’elle tant aymoit qu’ellc en estoit en la re-
nommee d’en estre hors de sens, ne monstrant oncques scmblant
ne continement de femme, mais tint sa maniere sy tres-asseu-
ree qu’il sembloit qu’il ne luy estoit riens advenu, en exhortant
tous jours son dict mary qui deja agonizoit ä la mort, ä men
gier ou ä Immer aucuns brouetz ou medecines (pag. 462). Dann
freilich, als sie als Königin eintreten sollte, benahm sie sich ,wie
ein neugeborenes Kind* (pag. 463), la quelle, wie er schon
früher bemerkte, par la jalousie s’estoit mise en tcl cstat qu’elle
ne vouloit entendre a nul affaire, mais se maintenoit tres-simple-
ment comme femme assez insensee (pag. 454). Nichts war natür-
Lalaing, Quirino und Guevara über K. PJiiljpp I.
443
lieber, als sie zuletzt ausserhalb des Contactes politischer Par
teien und deren Bestrebungen zu stellen, und sie deshalb — in
sicheren Gewahrsam zu bringen, was Philipp wollte, K. Fer
dinand tliat, Karl Y. geschehen liess.
Der Zug, welchen in den ersten Tagen des Jahres 1506
K. Philipp I. von Castilien, Schwiegersohn K. Ferdinands von
Aragon-Castilien nach Spanien unternahm, weniger die Anrechte
seiner Gemahlin Donna Juana auf das Erbe ihrer Mutter Donna
Isabel als seine eigenen zu wahren, war ein Ereigniss, das
die bisherige Stellung der europäischen Westmächte von Grund
aus zu verändern drohte. Der Sohn Maximilians hatte sich,
geleitet von dem Interesse seiner burgundischen und nieder
ländischen Unterthanen, dem französischen Könige nicht blos
genähert, sondern auch einen Familientractat mit Ludwig XII.
abgeschlossen, der dem nacliherigen Karl V. durch Vermählung
mit Madame Claude, dem Töchterchen K. Ludwigs und der
Königin Anna von der Bretagne, das Königreich Neapel und
selbst Theile von Frankreich zusicherte, und wenn später der
Sohn K. Philipps sich bemühte, das arclatische Keich, diesen
integrirenden Bestandtheil der deutschen Krone, den Franzosen
wieder zu entreissen, so ist es eine Täuschung, diesen Plan nur
aus der Rivalität der Häuser Valois und Habsburg heraus
wachsen zu lassen, während Karl V. sich nur zu erinnern
brauchte, wie treulos sich die französische Politik in seiner
Kindheit gegen ihn, wie erbärmlich sie sich gegen seinen
Vater benommen.
Der Gedanke, den Enkel Karls des Kühnen, den Thron
erben Maximilians, welcher unablässig nach der Kaiserkrone
trachtete, deren Gewinn dann die römische Königs kröne wohl
auf das Haupt K. Philipps gesetzt hätte, ehe noch das letztere
Ereigniss eingetreten war, als König von Castilien, als Prinzen
von Aragon begrüssen zu müssen, war der damaligen Welt
neu und namentlich den Franzosen unfassbar, die durch den
Zug K. Karls VIII. nach Italien, die Herrschaft über Neapel,
den Kirchenstaat, das Papstthum und das Kaiserthum bereits
gewonnen zu haben glaubten. Sie sahen ihre Macht, welche
sie auf Kosten der Engländer, der Deutschen, der Italiener
durch List und Gewalt in wenigen Jahrzehnten zusammen
gebracht, ebenso rasch sinken, als sie entstanden war, und
444
Höflev.
beschlossen daher Alles aufzubieten, jene Drohung zu vernichten,
die ihnen aus einer Vereinigung der burgundischen, spanischen
und österreichischen Lande unter einem habsburgischen Fürsten
erwuchs. Und als es ihnen nun auch gelang, den klugen König
von Spanien — ein politischer Begriff, der jetzt aufkam, weil
man dadurch K. Philipps Anrechte auf Castilien zu beseitigen
hoffte — den catolico, welcher sich rühmte, den französischen
König so oft betrogen zu haben, auf ihre Seite zu ziehen,
Ferdinand aber den Plan verfolgte, durch seine Tochter seinen
Schwiegersohn um Castilien zu bringen, so war, als König-
Philipp am 7. Januar 1506 die Niederlande verliess, bereits ein
so feines Netz französischer und spanischer Ränke um den
28jährigen Fürsten gesponnen, dass er einem Schlachtopfer
glich, welches ahnungslos fortgeschleppt wird, um an dem
Altäre finsterer Mächte geschlachtet zu werden.
Andererseits war der Zug, wenn er gelang, eine westeuro
päische Argonautenfahrt, die das goldene Vliess des neu
entdeckten Indiens den gewerbetreibenden Niederlanden zuführte
und eine neue Weltmacht, wie sie die Geschichte noch nicht
gesehen, als Preis eines Wagnisses in sich schloss, das dem
Enkel Karls des Kühnen vor der Zeit das Leben kostete. Er
unterlag weniger den physischen als den psychischen Strapazen,
die ihn, als er sein Ziel erreicht, aufrieben.
Wenden wir uns nun den Depeschen Quirino’s nach dem
Venetianer Codex zu, und zwar zuerst den Hagenauer Schreiben.
Das erste Schreiben Vincenzo Quirino’s ist aus Achno
(Hagenau) vom 30. März 1505 und bespricht die Zusammenkunft
des Botschafters mit K. Philipp in Sabrach. 1 Er beschreibt ihn
als de statura piii che mediocre de conveniente habitudine bello
et di gratioso aspecto et si in vista come in parolle humanissimo.
2. Hagenau, 31. März. Quirino beschreibt den feierlichen
Empfang' K. Philipps, seine Unterredung mit Don Pedro de
Ayala, dem Bischöfe von Triest und Don Juan Manuel, welcher
schon aus dem Dienste K. Ferdinands getreten war.
3. Hagenau, 1. April. Feierlicher Empfang des Cardinais
von Rouen. Unterredungen mit dem ,Marchese delphinateb Be
richt des Andreas del Burgo über seine Aufnahme in Blois.
1 Saarbrück.
Lalaing, Quirino und Gucvara über K. Philipp I.
445
4. Hagenau, 2. April. Feierliche Audienz Quirino’s bei
dem Könige von Castilien, seine Anrede und die Antwort
Philiberts (Naturclli) im Namen K. Philipps.
5. Hagenau, 2. April. Bericht über die Unterredung mit
dem Cardinal von Rouen.
6. Hagenau, 3. April. Bericht über die Unterredung des
Cardinais mit K. Max (2. April). Anrede des (knieenden)
Bischofs von Paris, Antwort des Kaisers durch den Grafen
von Zollern. Gespräch Maximilians, Philipps und des Cardinais.
Besuch Quirino’s bei dem Churfürsten von Trier. Jakob Mark
graf von Baden. Beratlmngen über das Friedensinstrument.
7. Hagenau, 4. April. K. Maximilian und K. Philipp
beschwüren feierlich den Frieden auf Grundlage des Vertrages
von Blois. Leise Antwort des Bischofs von Paris.
8. Hagenau, 4. April. Berichte über Unterredungen. Fran
zosen und Deutsche wollen ein Concil gegen den Papst. Der
Friede werde nicht lange dauern, da der König von Spanien
nicht eingeschlossen sei. Text des Eides.
9. Hagenau, 5. April. Bericht über geheime Unterredungen
des Cardinais und des spanischen Botschafters und Don Juan
Manuels mit dem Kaiser bei Nacht und ohne Licht. Maximilian
erkennt dem Frieden keine Dauer zu. Unwillen über Julius II.
und seinen Anschluss an Venedig. Man müsse die Kirche
reformiren und Venedigs Schwungfedern ausziehen. Die Pfalz
grafen wünschen Audienz bei K. Philipp.
10. Hagenau, 6. April. Investitur des Cardinais für Mai
land, Pavia etc., dann auch K. Philipps für den Todesfall
K. Ludwigs, sowie mit Geldern, Görz und Kärnten; des Marquis
der Dauphine mit dieser. Pliilippo de Rossi und der Conte
Antonio del Vermo bei Quirino.
11. Hagenau, 7. April. Quirino theilt mit, dass der Car
dinal und die Majestäten abreisen wollen, letztere nach Strass
burg, wohin Mad. Margarethe komme. Die Pfalzgrafen werden
nach Hagenau kommen.
12. Hagenau, 8. April. Der Bischof von Triest theilt in
grösstem Geheime Zusätze mit, welche von dem Sernsteiner
and Andrea del Burgo mit dem französischen Könige zu dem
Investiturvertrage hinzugefügt wurden. In Betreff der Pfälzer
sei nichts beschlossen worden, wohl aber in Bezug auf Geldern.
Sitzungsbcr. d. pUil.-liist. CI. CIV. Bd. II. Hft. 29
446
Höfler.
13. Hagenau, 9. April. Bericht über das Auftreten des
Cardinais von Rouen in Betreff der Uebergehung der Mad.
Claude. Die kaiserlichen Insignien werden gebracht; Geschenke
an K. Philipp und die Königin. Die venetianischen Gesandten
bei dem Cardinal von Rouen und dessen Erklärung in Bezug
auf Spanien und die Religion. Nachmittags Investitur des Clmr-
fürsten von Trier. Friede mit den Pfälzern. Der Kaiser will
den Krieg mit Geldern beendigen. Friede in Deutschland und
mit Frankreich.
14. Hagenau, 11. April. Abreise des Cardinais, der Ge
schenke hinterlässt und empfängt. Erklärungen des spanischen
Gesandten gegen K. Philipp. Ankunft der ungarischen Post.
Gerücht einer Vermählung der Prinzessin Margarethe mit Chur-
fürst Friedrich von Sachsen, der die Pfälzer zur Unterwerfung
beredet. Maximilian sei jetzt verus Imperator imperii et do-
minii in Germania. Werbung von Lanzknechten für K. Philipp,
der am 12. April mit dem Könige nach Brüssel abreisen wolle.
15. Luxemburg, 17. April. Quirino reiste am 12. ab.
K. Philipp erhielt in eilf Tagen Briefe aus Toledo, K. Ferdi
nand dringe auf seine baldige Abreise. Der König wünsche
nach Spanien zu gehen, aber die Mehrzahl seiner Räthe sei
dagegen. Argwohn des Königs in Betreff Don Fernando’s.
Angelegenheit des Lunardo da Dresseno.
Mit der Ankunft Quirino’s in Belgien beginnt die zweite
Abtheilung der sehr merkwürdigen Briefe, obwohl mehrere der
späteren, als der Orator mit dem spanischen Bevollmächtigten
Grafen von Haro näher bekannt wird, noch sehr wichtige
Aufschlüsse über die geheimen Artikel des Hagenauer Vertrages
gewähren. Quirino geht über Bastogne (16. und 19. April)
und Namur (17. und 22. April) nach Brüssel, wo er am
24. April ankam (18. und 25. April). Er kann die längste
Zeit keine Audienz bei der Königin erhalten, welche während
ihrer Schwangerschaft (mit der Infantin Maria) vom Fieber
gequält wird und gerade hinter dem Rücken ihres Gemahles,
durch Lope de Conchillos bewogen, die Regierung von Casti-
lien ihrem Vater in die Hände spielte. Diese Briefe sind daher
auch wegen des Verhältnisses Philipps zu seiner Gemahlin von
ausnehmender Wichtigkeit. Von Brüssel sind jedoch nur die
Briefe vom 26. April nr. 19, vom 28. April nr. 20, vom
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
447
30. April nr. 21, vom 13. Mai nr. 22. Er begibt sieb am
15. Mai nach Mecheln, wo ihm der König den Herzog Karl
von Luxemburg, seinen erstgeborenen Sohn, und seine beiden
Töchter, die Infantinen Leonore und Isabella vorführt. Es han
delte sich jetzt um den geldrischen Krieg und die Unter
werfung des Herzogthums, dessen Aufstand den König von
der Abreise nach Spanien abhielt, die Iv. Ferdinand desto
eifriger betrieb, je mehr sich die Unmöglichkeit für K. Philipp
herausstellte, die Niederlande vor ihrer völligen Pacification zu
verlassen. Quirino wurde eingeladen, den König auf diesem
seinem ersten Feldzuge, von dessen glücklichem Ausgange so
vieles abhing, zu begleiten, und dadurch erhalten wir seine
Cor respondenzen aus nächster Nähe des Kriegsschauplatzes,
von Breda 18. Mai nr. 24 und vom 19. Mai nr. 25, dann die
Schreiben aus Bolduch (Bois le duc) nr. 26, 27, 28 vom 20.,
21. und 26. Mai, aus Grave nr. 30, 31 vom 2. und 3. Juni,
aus Cleve vom 6., 8. und 10. Juni nr. 32, 33, 34, wieder aus
Bois le duc vom 13. Juni nr. 35, worauf eine neue Serie
beginnt.
Es folgen die Antwerpener Briefe, nachdem der Krieg
durch die mittelst der überlegenen Artillerie und des Zuzuges
K. Maximilians mit den Herzogen von Jülich und Cleve rasch
vollendeten Eroberung Geldern’s einen für den König höchst
erfreulichen Ausgang genommen hatte. Sie reichen von nr. 36
bis 50, vom 21. und 25. Juni, 1., 5., 7., 9., 14., 17., 19., 22., 26.
und 31. Juli, und zwar vom letzteren Datum zwei, und vom
1. August. Am 7. August befindet er sich wieder in Bois le
duc (nr. 50 und 51 vom 11. August). Am 12. August ritt er
mit dem Könige von Ilerzogenbusch nach Torna (?) und nun
beginnt, da der Hof nach Brüssel geht, eine neue Serie.
Die Antwerpener Briefe sind aus dem Grunde von Wich
tigkeit, weil Quirino sich immer enger an den spanischen Bot
schafter conde de Fuensalida, comendador de Mambrilla, Grafen
von Haro anschliesst, von ihm geheime Mittheilungen empfängt,
wie z. B. den Tractat von Hagenau (n. 47 vom 31. Juli), aber
auch mehr und mehr sich die Anschauungen dieses Diplomaten
aneignet, der, ein Todfeind Don Juan Manuels, welcher als
Castilianer die Dienste K. Ferdinands verlassen hatte, um in
die des Königs von Castilien zu treten, den Widerpart nur
29*
448
Hofier.
als einen Haufen von Schurken darstellt. Quirino kannte die
spanischen Verhältnisse zu wenig, um sich nicht mannigfaltigen
Täuschungen hinzugeben. K. Ferdinand hatte an dem Todes
tage seiner Gemahlin Donna Isabella — oh mit Recht oder mit
Unrecht, mit Vorsicht oder nicht mit Vorsicht, ist eine andere
Frage — das Königthum von Castilien niedergelegt, wenn auch
nicht die Einkünfte desselben. König von Castilien war somit
in Kraft der früheren Huldigung und der durch Ferdinand selbst
erfolgten Proclamation Philipp als Gemahl der Donna Juana,
und wenn die Castilianer nun sich um Iv. Philipp schaarten
und in dem Masse von K. Ferdinand als ihrem castilianischen
Könige nichts wissen wollten, in welchem sich dieser, den
Schritt von Medina dcl Campo am 26. November 1504 bereuend,
an das castilianische Königthum anklammerte, so lag es sehr
nahe, zu dem Gedanken zu kommen, Ferdinand möge Castilien
räumen und sich nach seinem Erbkönigreiche Aragon zurück
ziehen. Die ,Schurkerei Don Juan Manuels' bestand eben darin,
dass er den Satz geltend machte: Castilien den Castilianern
und nicht den Aragonesen! War das eine Schurkerei, so be
theiligten sich aber so ziemlich alle castilianischen Granden
daran, die K. Philipp als ihren rechtmässigen Herrn aner
kannten. Wir haben alle Ursache, Quirino für seine Berichte
sehr dankbar -zu sein, allein er musste sich selbst erst orien-
tiren, während uns über die spanischen Verhältnisse sehr aus
giebige Quellen zu Gebote stehen, die dem Venetianer unbe
kannt waren. Der König hatte nicht nur dem Herrn von Veyre,
als er, mit ausgedehnten Vollmachten versehen, am 2. Januar
1505 Flandern verliess und nach Spanien ging, an die Granden,
die Prälaten, sondern auch an die Städte Briefe mitgegeben, er
befand sich auch mit den angesehensten Personen Castiliens thcils
in offener, theils in geheimer Correspondenz, von welcher uns
die aus dem Archive zu Simancas stammenden cartas de Felipe
el hermoso im VIII. Bande der Coleccion de documentos ineditos
para la historia de Espana (pag. 270—394) reichliche Kunde
geben. Gerade während Quirino sich in Antwerpen befand,
nimmt die Correspondenz des Königs an Bedeutung zu. Er
schreibt von Geldern an die Herzoge von Bejar, von Infantado,
den Grafen von Benavente; während er Arnheim belagert, geht
die Correspondenz fort. Wir wissen aus Quirino, dass der Grat
Lalaing, Quirino und Gucvara über K. Philipp I.
449
von Haro seine Mission bei der Königin nicht anbringen durfte,
aus der Coleccion (pag. 309), dass der König ihn auch nicht
im Lager von Arnheim sehen wollte. Seit der Intrigue mit
Lope de Conchillos, die er geleitet und von welcher auch
Quirino erzählt, war er in die Ungnade K. Philipps gefallen,
dessen Vertrauen er auch, wie aus Quirino hervorgeht, hinläng
lich missbrauchte; er rächte sich, indem er die einflussreichsten
Castilianer in der Umgebung des Königs als Schurken darstellte,
wie auch König Ferdinand in seinem geheimen Schreiben an
Dr. Puebla in London vom 22. Juni 1505 (Bergenroth, Calendar
pag. 432) seiner Abneigung gegen K. Philipp die Zügel schies
sen Hess. Drohte Don Juan Manuel mit der Vertreibung
K. Ferdinands aus Castilien, so drohte der Graf von Haro
mit einem Acte der Rache, der auch dann vollführt wurde, als
K. Philipp, der, so weit es ihm möglich war, für Nachgiebigkeit
und Einlenken gesinnt war, den Dreikönigsvertrag von Sala-
manca genehmigt hatte, welcher dem Könige Ferdinand das
von ihm aufgegebene Königthum wieder verschaffte. Uebrigens
commentiren sich die Schreiben Pucbla’s und Quirino’s mehr
fach. Auch der Erstere berichtet, jedoch erst am 11. August
1505, nr. 439, über Lope de Conchillos, Secretär K. Ferdinands,
wie er ihn nennt, während er in Diensten K. Philipps war.
Quirino versichert am 5. Juli nach dem Berichte des Grafen
von Haro als zuverlässig, dass K. Heinrich VII. sich mit der
jüngeren Königin von Neapel, Nichte K. Ferdinands, verlobt
habe, während die Verlobung im August, Cal. nr. 438, nichts
weniger denn abgeschlossen war. Beide berichten, Cal.
nr. 439 und Quirino nr. 42, über Differenzen zwischen Flandern
und England, über den Grafen von Suffolk etc. Namentlich aber
commentiren die Briefe Dr. Puebla’s vom 11. August 1505
und vom 17. (Cal. nr. 439, 440, 441) den Quirino’s vom
26. Juli, das Project einer Zusammenkunft K. Heinrichs VII.
und K. Philipps zu Calais, das des Letzteren Schwägerin, die
Prinzessin von Wales, Katharina, jüngere Schwester der Donna
Juana, auf den Wunsch Don Juan Manuels aufgegriffen hatte.
Dr. Puebla durchkreuzte dasselbe, indem er nach der Absicht
K. Ferdinands den K. Philipp möglichst zu isoliren suchte,
damit er um so mehr von K. Ferdinand abhängig werde. Die
üble Gesinnung Puebla’s gegen K. Philipp tritt bei dieser
450
Hofier.
Gelegenheit klar genug hervor. Man lernt aus dem Diener
den Herrn und aus diesem den Diener kennen.
Die Antwerpener Briefe hören mit dem 1. August auf.
Es folgen noch zwei aus Herzogenbusch vom 7. und 11. August
über die Beendigung des geldrischen Krieges nach, mit welcher
zwar K. Maximilian sehr unzufrieden war, da er meinte, dass
eine Fortsetzung des Krieges ein viel glänzenderes Resultat
ergeben hätte; allein man konnte sich bei den nun folgenden
Differenzen mit dem französischen Cabinete sehr bald über
zeugen, dass ein rascher und doch im Ganzen günstiger Ab
schluss dieses Krieges, der wie ein Pfahl im Fleische der
Niederlande sass, für diese der grösste Gewinn war. Jetzt
hinderte nur noch die nahe Niederkunft der Königin Johanna'
(15. September 1505), den Zug nach Spanien zur Erlangung
des castilianischen Erbes zu unternehmen. Allein der geldrische
Sieg stand gar nicht in der Berechnung des französischen Ca-
binets, noch auch K. Ferdinands, der sich bereits an letzteres
angeschlossen hatte und in unseliger Verblendung Anstalten
traf, sich mit einer Nichte K. Ludwigs, ehe auch nur das
Trauerjahr seit dem Tode der Königin Isabella vorüber war,
zu vermählen. So hart auch dieser Schlag von K. Philipp
empfunden wurde, da er ihn der Aussicht beraubte, einmal
seinem Schwiegervater in Aragon, Valencia, Neapel, Sicilien
nachzufolgcn, und das ganze Gebäude der Vereinigung der
Königreiche Aragon-Castilien erschütterte, so zeigte sich sehr
bald, wie recht Maximilian die Sachlage auf fasste, als er wäh
rend seines Aufenthaltes in Brüssel äusserte, der katholische
König habe seinen Sohn treffen wollen, aber sich selbst am
meisten verwundet. Ein grosser Tlieil der nachherigen Erfolge
K. Philipps muss diesem ,mariage vitupereux‘ zugeschrieben
werden. Selbst Don Pedro de Anghiera, wie ihn Quirino viel
richtiger nennt als wir, die den königlichen Rath von Indien
und Botschafter K. Ferdinands nur nach seinem Taufnamen
Petrus Martyr benennen, war dadurch auf das Empfindlichste
berührt. Es gab wenige Castilianer, die durch den Schimpf,
der dem Andenken der Königin Isabella dadurch widerfuhr,
nicht sich selbst für beschimpft ansahen — nur Donna Juana
machte hievon eine Ausnahme. Die nun folgenden Briefe aus
Brüssel reichen vom 17. August bis 7. November 1505 (incl.),
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
451
nr. 53- 76. Die späteren, welche vor der Abreise nach Spanien
geschrieben wurden, sind aus Antwerpen, Bruges, Gent (29. No
vember, 2., 5., 6., 10. December), wieder aus Bruges und end
lich aus Middelburg, 1. und 7. Januar 1506, letzterer schon von
dem Schiffe aus, das Quirino nach Spanien bringen sollte, aber
ihn vorerst sehr wider seinen Willen nach Falmouth brachte.
Die Brüsseler Briefe sind äusserst wichtig. Sie beziehen
sich zum Theile wie die Antwerpener auf den Versuch des
französischen Cabinets, den König in Streitigkeiten mit dem
Pariser Parlamente zu verwickeln und dadurch einen Vorwand
zu erhaschen, den Iiagenauer Frieden zu brechen und K. Philipp
die Schuld dieses Bruches zu unterbreiten.
Zum andern Theile beschäftigen sie sich mit dem Auf
enthalte K. Maximilians in Brüssel. Er kam dahin (23. August),
um Abschied von der Königin und dem Könige zu nehmen,
die er nicht wieder sehen sollte, Beide miteinander zu versöhnen
und den König zu bestimmen, dem König Ferdinand möglichst
entgegenzukommen. Festlichkeiten fanden auf Festlichkeiten
statt, .um Donna Juana daran zu gewöhnen, sich wieder öffent
lich zu zeigen und sie ihrer Melancholie zu entreissen. Daneben
ging aber der Streit mit den Franzosen fort und Maximilian
nahm Anlass, einer französischen Gesandtschaft sehr derb seine
Meinung über ihr verrätherisches Benehmen zu sagen. Einen
schreienden Misston in die Brüsseler Feste machte aber dann
die Kenntniss von der engen Verbindung K. Ferdinands und
K. Ludwigs, die schlimme Aussicht auf Vernichtung des Ehe
verlöbnisses Herzog Karls mit der Tochter Ludwigs XII. und
der Verlobung K. Ferdinands mit Madame Germaine von Foix.
Die Depeschen lassen einen tiefen Blick in die Verstimmung
werfen, die sich des Vaters und des Sohnes bemächtigte, welche
sich mit einem Male der Früchte so grosser Anstrengungen beraubt
sahen und so nahe dem Ziele dasselbe in die weiteste Ferne
gerückt erblickten. Da Quirino oftmals mit dem Könige und den
Personen aus dessen Umgebung zusammenkam und andererseits
seine Nachrichten von dem Grafen von Iiaro zog, der freilich
dem Könige sehr verhasst war, so bieten seine Depeschen ans
den Monaten August, September, October hohes und mannig
faltiges Interesse. Schon Ende August wusste man in Brüssel,
dass nur mehr die Königin Anna von Frankreich und der Car-
452
Hofier.
dina] von Rouen (?) für Aufrechthaltung des Hagenauer Vertrages
waren. Maximilian verdoppelte seine Anstrengungen, um den
König von Castilien mit seinem Schwiegervater auszusöhnen,
und während Ersterer seinen tüchtigsten Diplomaten, Monseigneur
de Veyre nach Spanien sandte, der aber K. Ferdinand sehr ver
hasst war, sandte Maximilian den nachher so oft genannten
Andrea del Burgo dahin ah, welcher mehr in die Intentionen
K. Ferdinands einging. Die Depeschen enthalten ein inter
essantes Spiel von Schachzügen, wobei aber zuletzt doch nur das
Eine sich herausstellte, dass mit grosser Bezwingung seiner selbst
K. Philipp in dem Masse seine Stellung wahrte, in welchem er
sich in das Unvermeidliche fügte und durch kluge Nachgiebig
keit die gegen ihn gekehrte Spitze abbrach. Quirino’s Depe
schen in dieser Zeit erhalten durch die Lettres de Louis XII
und die Negociations Le Glay’s einen Commentar, der, wo sich
Quirino nur im Allgemeinen hält, in das Einzelne eingeht; ebenso
aber kann man sagen, ergänzt wieder Quirino als Augenzeuge
der Begebenheiten, was man bisher nur aus Urkunden kannte.
Aber auch die spanischen Briefe, welche im VIII. Bande der
Documentos ineditos veröffentlicht sind, geben über diese un
endlich schwere Zeit K. Philipps denkwürdige Aufschlüsse, da
sie zeigen, wie unverdrossen er daran arbeitete, in Castilien
königliche Rechte auszuüben, der Inquisition zu steuern und
sich Anhänger zu erwerben. Es drohte der Krieg mit Frank
reich wie mit K. Ferdinand, der Verlust der castilianischen
Erbschaft wie des burgundischen Erbes. Wer da meint, dass
die Erwerbung der Krone von Spanien für das Haus Habsburg
eine so leichte Sache war und eben nur auf dem Wechsel von
Ringen beruhte, auf dem abgeschmackten: ,tu felix Austria
nube‘, der möge diese Depeschen Quirino’s durchgehen, und er
wird sich überzeugen, welche Mühe und Anstrengung es kostete,
dem Verluste des kaum Errungenen entgegenzutreten, und wie
darüber der Lebensfaden K. Philipps immer dünner und dünner
werden musste, bis er frühzeitig ganz schwand. Obwohl nament
lich im September 1505 der ganze politische Bau, an welchem
seit 1501 gearbeitet worden war, zusammenstürzte, entschloss
sich der König dennoch, den Winter zur Fahrt nach Spanien
zu benützen. Allein wenn auch die Niederkunft der Königin
am 15. September ein Haupthinderniss beseitigte, so konnte
4
I
Lalaing, Quirino und Gucvara über Iv. Philipp I.
453
doch K. Ferdinand seinem Schwiegersöhne nicht Idos in den
höhnischsten Worten seine Verlobung ankündigen, wobei man
das Epistolarium nachlesen mag, sondern auch im Anfänge
Octobers, als Maximilian schon abgereist war, sein Ultimatum
stellen, (Quirino, 6. October 1505), er werde Zeitlebens
auf die Regierung Castiliens nicht verzichten.
Waren nun die Granden über Don Fernando’s zweite
Heirat im höchsten Grade aufgebracht und erklärten sie, sie
wollten ihn jetzt schon gar nicht mehr als ihren Beherrscher
anerkennen (Quirino, 21. September 1505), so war doch Donna
Juana mit Allem einverstanden, was der Vater wollte oder that.
Die Lage des Königs war dadurch nicht wenig erschwert, und
so entschloss sich nun Philipp, bis zum Aeussersten nachzugeben
und das Uebrige auf seine Ankunft in Spanien zu ersparen. Die
dem Dreikönigsvertrage von Salamanca, 24. November 1505,
unmittelbar vorausgegangenen Unterhandlungen entziehen sich
der näheren Kenntnissnahme Quirino’s, welcher sich mehr mit
den französischen Verhandlungen beschäftigt, über die es ihm
leichter wird, genaue Erkundigungen einzuziehen. Am 29. Oc
tober theilt er mit, dass ein neuer Vertrag mit K. Ludwig XII.
durch den Herrn von Ville abgeschlossen worden sei. Jetzt
wird auch an eine Gesandtschaft nach Rom gedacht — die Don
Antonio’s de Acuna kennt Quirino nicht — und beginnen die
Verhandlungen mit den niederländischen Städten wegen Geldhilfe
und die umfassenden Vorbereitungen zur Abreise, wozu auch
die Reise der Königin nach Middelburg gehört, wohin man ihre
drei Kinder von Mecheln aus bringt (Quirino, 7. November 1505).
Da der König sehr häufig den Aufenthaltsort wechselte
und die Anstalten zur Abreise alle übrigen Geschäfte in den
Hintergrund drängten, verlor Quirino etwas die Fühlung mit
dem Hofe. Er berichtet über die lächerliche Eitelkeit Philibert
Naturelli’s, den wir dann als Botschafter in Rom treffen, von
wo er seine Berichte an den König sendet (150ß, bei Le Glay)
und der, sich für ein ausserordentliches diplomatisches Genie
haltend, das Cardinalat für sich verlangte, 22. November. Wir
erfahren den Grund der Ungnade des Herrn von Berghes, der
einst den ganzen Hof regierte, aber 1502 in Ungnade fiel, aber
nicht durch den Bischof von ,Bolinzonah sondern durch den
Erzbischof von Besancon, den vielbesprochenen Franz von Bux-
iE ;
454 Hofier.
leiden (29. November). Hingegen treten jetzt, je mehr sich die
Abfahrt nähert, die Beziehungen zu England massgebend her
vor. K. Heinrich verlangt bereits die Auslieferung des Earl of
Suffolk, der im October aus dem Gewahrsam Karls von Egmont
nach Namur gebracht wurde. Der Herr von Ville, welcher von
der Gesandtschaft aus Frankreich zurückkehrte, berichtete über
die schlimme Gesinnung des Königs Ludwig, so dass den König
von Castilien Reue beschlich über das Vertrauen, welches er
gegen den Rath seines Vaters und Schwiegervaters demselben
geschenkt. Man vermutkete, dass der König Ursache der
Weigerung Karls von Egmont, nach Spanien zu gehen, sei.
Am 2. December berichtet er, dass die spanischen Botschafter
gar nicht für die rasche Abreise des Königs seien, während
doch K. Ferdinand den Schein annahm, als wünsche er sie so
sehr. Die ausführliche Depesche aus Gent vom 5. December
berichtet nicht nur über den monströsen Dreikönigsvertrag von
Salamanca, 24. November 1505, womit man den grossen casti-
lianischen Königsstreit für immer beigelegt zu haben glaubte,
sondern er tlieilt auch den Auszug eines Schreibens K. Ferdi
nands an seinen Botschafter am Brüsseler Hofe mit, das die
wahren Gesinnungen des Königs von Aragon enthüllt. Nicht
minder, dass Don Juan Manuel, der gewöhnlich als der Urheber
aller Ferdinand feindlichen Tendenzen dargestellt wird, diesem
seine Unterwerfung anbot, aber kein Gehör gefunden habe.
Die Vorbereitungen K. Philipps zur Reise nach Spanien seien
nicht hinreichend, um gegen den Willen K. Ferdinands etwas
zu unternehmen. Ein kurzer Bericht vom 6. December meldet
das Eintreffen einer Depesche des Herrn von Veyre aus Sala
manca vom 27. November, der Vertrag sei abgeschlossen und
besiegelt. Eine zweite vom selben Datum gibt Einzelnheiten
desselben an. Die Depesche vom 10. December berichtet, dass
K. Philipp mit grosser Genugthuung den Vertrag beschworen und
Herr von Veyre gemeldet habe, durch rasche Abreise könne wohl
noch die Heirat mit Madame Germaine verhindert werden,
eine. Täuschung, der man sich aber noch längere Zeit hingab.
Der Bericht aus Bruges vom 20. December bespricht die An
näherung des römischen Königs und K. Philipps an K. Hein
rich VII., den Unwillen Philipps gegen K. Ludwig und dass
jetzt Kar] von Egmont mit nach Spanien gehen wolle! Der
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
455
Bericht aus Middelburg vom 1. Januar meldet, dass nur guter
Wind erwartet werde, um abzufahren: der vom 7. Januar, be
reits zu Schiffe, berichtet die Wahl eines Arenberg zum Bischof
von Lüttich, somit eines geschworenen Gegners des burgun-
dischen Hauses, und die Verkündigung des Vertrages von Sala-
manca, dessen für Iv. Philipp wohlthätigste Wirkung darin
bestand, dass er ungehindert die Fahrt nach Spanien unter
nehmen konnte. Eine wichtige Thatsacke jener Tage gibt erst
ein späterer Bericht vom 13. April. Da eine ältere Dame,
welche bisher allein bei der Königin ausgehalten, nachdem diese
im Frühlinge 1505 ihren ganzen weiblichen Hofstaat, Frauen
und Fräulein, plötzlich entlassen, ihres Alters wegen die Seereise
scheute, habe K. Philipp an ihrer Stelle eine Frau Veingen (?)
zum grossen Verdrusse der Königin ernannt. Donna Juana
habe die Männer wie die Frauen der Niederlande gleich sehr
gehasst und diesen Hass auf Frau Veingen übertragen. Die
Sache kam später zu einem wilden Ausbruche ihrer Leiden
schaftlichkeit. Jetzt verliess sie im grössten Zorn das Geburts
land ihres Gemahls, entschlossen, sich künftig diesem so wenig
zu fügen, als sie es früher gethan, und dieselben Scenen, die
sie mit grossem Geschrei in Flandern aufgeführt, in England
und Spanien zu wiederholen.
So viele Nachrichten wir auch über die Ankunft K. Phi
lipps in la Coruna, 26. April 1506, und sein allmäliges Vor
rücken durch Galicien nach Castilien, die Verhandlungen mit
K. Ferdinand und die Zerreissung des Vertrages von Salamanca
besitzen, so gewähren die Briefe Vincenzo Quirino’s an den
Dogen von Venedig vom 26. April bis 24. August Aufschlüsse,
welche wir in gleichem Grade nirgends finden. Da sie bisher
ungedruckt waren, Rawdon Brown nur ungenügende Auszüge
und noch dazu in englischer Uebersetzung mittheilt, ist es
wünschenswerth, Näheres zu erfahren.
1. Schreiben vom 26. April 1502, noch vom Schiffe aus.* 1
Während Alle glaubten, die Flotte werde in Laredo landen,
erhielt sie den Befehl, nach la Coruna zu segeln, nicht blos,
um Santiago di Compostella näher zu sein, wohin sich der König
verlobt, sondern in Folge besonderer Berathung in Falmouth,
1 Die Sternchen bedeuten: angeführt von R. Brown.
456
Höf] er.
um die Zusammenkunft mit K. Ferdinand wo nickt zu hindern,
doch hinauszuschieben. Monsignor Lassav und Monsignor Avcrre
sind die Herren von Lachaux und Veyre.
2. Schreiben vom 27. April. Die Königin verweigert bei
ihrem Einzuge in la Coruna die Bestätigung der Stadtprivilegien,
was allgemeine Unzufriedenheit erzeugt.
3. Schreiben vom 2. Mai.* Nähere Erklärung des Vor
ganges in la Coruna. Der König beschwört die Privilegien.
Feindselige Haltung der Königin gegen den König. Vorwürfe,
die K. Philipp dem Don Pedro de Ayala macht, und Recht
fertigung desselben. Die Königin schickt die Hofdamen zurück.
4. Schreiben vom 4. Mai. Ankunft des Grafen von Lermos
und des Don Dionys de Portugal am 3. Mai, dann des Marques
de Storch (Astorga). Der Graf von Benavente entschuldigt sich.
Die Flotte ist zurückgeschickt.
5. Schreiben vom 8. Mai aus la Coruna.* Am 3. Mai
Ankunft eines Schreibens K. Ferdinands. Am 7. Mai kamen
die Herren von Lachaux und Andrea de Burgo an, worauf so
gleich mit Herrn de Vila Cabinetsrath gehalten wurde. Gerüchte
über diese geheime Conferenzen. Die Königin empfängt Nie
manden (R. Brown, nr. 881).
6. Schreiben vom 10. Mai aus la Coruna. Ankunft von
Gesandten K. Ferdinands. Am 9. kamen Garcilasso de la Vega
und der Graf von Fuensalida. Die Granden wollten nur K. Philipp
gehorchen. Der Herzog von Najera, der Graf von Benavente
und der Marques von Villena kommen mit der Absicht, die Be
seitigung des Vertrages von Salamanca zu beantragen.
7. Schreiben vom 12. Mai aus la Coruna. Bestätigung
der mitgetheilten Nachrichten. K. Ferdinand habe durch La
chaux und Andrea de Burgo den König für sich zu stimmen
gesucht, damit er den Granden nicht traue. Dann habe Ferdi
nand noch drei Gesandte geschickt und wollte endlich in Person
kommen. Der Streit zwischen Beiden bewege sich jetzt um
die Krönung (Huldigung) Philipps in Toledo, die Königin lasse
sich nicht sehen. Am .11. Mai sei ein Alcaide und ein Alguazil
mit Justizbeamten gekommen, aber schon wieder abgereist.
8. Schreiben vom 13. Mai* aus la Coruna. Ankunft Don
Pedro Martyr’s. Günstige Aeusserung des Königs über Venedig.
Quirino bittet um die Erlaubniss, zurückkehren zu dürfen.
Lalaing, Qnirino und Guevara über K. Philipp I.
457
9. Schreiben vom 14. Mai aus la Coruna.' Die drei Granden
(Schreiben vom 10. Mai) sind angekommen und betreiben mit
Don Juan Manuel ihren Plan, sich an K. Ferdinand zu rächen
und den Dreikönigsvertrag zu beseitigen. Täglich kommen
Granden, um Philipp allein als König anzuerkennen. Monsignor
de Vila und Herr von Lachaux suchen den König für Auf
rechthaltung des Vertrages zu stimmen und stehen auf Seite K.
Ferdinands. Dasselbe soll auch Monsignor de Veyre beabsichtigen.
Alle Burgunder und Flanderer seien für den Vertrag von Sala-
manca und wünschen eine Zusammenkunft der Könige. Auch
Philipp sei dafür gewonnen und wolle nach Astorga. Andrea
de Burgo sei zu K. Ferdinand abgereist. Philipp habe diesem
geschrieben, er möge nicht nach la Coruna kommen, wo es
ihm an Allem fehle, er werde ihm entgegen gehen, worauf K.
Ferdinand erwiderte, er hätte keine Mühe gescheut, seine Kinder
zu sehen. Die Königin liess endlich am 14. Mai die Granden
zum Handkuss, sprach aber kein Wort mit ihnen und ging
gleich in ihr Gemach zurück.
10. Schreiben vom 18. Mai aus la Coruna. Mittheilung
einer Unterredung des Königs mit dem Comendador de Haro
(Avro). 1 Der König versichert ihn seiner ergebensten Gesinnung
gegen K. Ferdinand, den er baldigst aufsuchen werde. Ferdinand
wolle die Cortes zur Huldigung berufen. Don Juan Manuel habe
jedoch dem Könige Besorgniss eingeflösst, es möchte ihm durch
den Condestable in Astorga Gewalt widerfahren, und ähnliche
Besorgnisse habe er auch dem Iv. Ferdinand eingeflösst. Die
Cortes hätten den König gebeten, von der Krone nichts an die
Granden zu veräussern. (Marin Sanuto 1506, pag. 35).
11. Schreiben vom 25. Mai aus la Coruna. K. Ferdinand
habe sich entschlossen, nach Santiago zu gehen, und sei auf dem
Wege dahin bis Villafranca gekommen, in der Ueberzeugung,
dass IC. Philipp den Vertrag von Salamanca aufrecht erhalten
wolle; da es sich aber um Auslegung des letzteren handelte —
ob IC. Ferdinand gobernador oder König von Castilien sei, — so
beschwerte er sich über das schurkische Benehmen gegen ihn
und erklärte, nicht weiter zu gehen. Unsehlüssigkeit IC. Philipps
1 Gutiere Gomez de Fuensalida, dem früheren Botschafter in Brüssel und
zuerst (1498, Cal. I, nr. 222) bei dem römischen Könige.
458
Höfler.
zwischen den beiden Parteien. Er erklärt, binnen zwei Tagen
nach Santiago aufzubrechen. Die Granden hielten unter dem
Comendador mayor de Santiago Conferenzen, und Don Juan
Manuel bearbeitete dann den König. Sie beschlossen, von dem
Könige nichts zu verlangen, als dass er sich als König von
Castilien erhalte.
12. Schreiben vom 27. Mai aus la Coruua. K. Ferdinand
habe die Geduld verloren, seit ihm der Titel eines Königs von
Castilien streitig gemacht wird und K. Philipp die Hälfte der
Einkünfte von Castilien verlangt. Die Granden hätten dem
Könige Misstrauen eingeflösst, weshalb morgen die Reise nach
Santiago angetreten werden solle, ohne dass von einer Zusammen
kunft mit K. Ferdinand die Rede ist. Die Königin sei nicht
weit entfernt von den ersten Grenzen einer Union ihres Gemahls
und ihres Vaters (?) Der König habe Don Diego (de Guevara),
maestro de casa der Königin, zu K. Ferdinand gesandt.
13. Schreiben vom 31. Mai aus Santiago di Compostella.
Die Zwietracht zwischen den Königen ist eingetreten. K. Philipp
wurde überzeugt, K. Ferdinand wolle ihn wie einen Knaben
regieren, er habe das Testament der Königin gebrochen, der
Vertrag selbst sei nur abgeschlossen worden, um die Heirat
des Königs Ferdinand zu hindern. K. Philipp müsse nach
Castilien gehen, wo sich dann die noch Unschlüssigen für ihn
entscheiden würden. Mit Mühe habe man heute (Plingsttag)
die Königin bewogen, in die Kirche zu gehen.
14. Schreiben vom 2. Juni, Santiago. Mittheilung eines
Schreibens K. Ferdinands an K. Philipp, er möge ihm Don
Juan Manuel, den Herrn de Vila und noch einen dritten seiner
Räthe senden, worauf K. Philipp Vila, Veyre, Lachaux und Don
Juan Manuel zu senden beschloss. Man war überzeugt, dass
sich der Letztere von K. Ferdinand gewinnen lassen und dann
die ganze Opposition der Granden in Nichts auflösen werde.
K. Philipp schlug, damit die Unterhandlungen ungestört fort
gingen, einen andern Weg als nach Villafranca ein. Er wolle
am 3. Juni nach Benavente aufbrechen.
15. Schreiben vom 9. Juni aus Orense. K. Ferdinand
sendet den Ei’zbischof Jimcnes hieher, welcher wie K. Philipp
am G. Juni ankam. Fruchtlose Conferenzen. Die Anhänger
Ferdinands fangen an, besorgt zu werden. Der Herzog von
v. v ...
Lalaing, Quirino und Guevera über K. Philipp I. 459
Infantasgo ist gekommen, die Uebrigen wollen in Benavente
huldigen. K. Philipp wolle morgen abreisen und K. Ferdinand
von Villafranca aus ihm entgegengehen. Je grösser die Fürsten
seien, desto schwankender seien ihre Entschlüsse. (K. Ferdinand)!
16. Schreiben vom 17. Juni aus Puebla de Senabria. Er
reiste immer von Orense dem König um eine Tagereise voraus.
In der ganzen Welt gebe es kein elenderes Land. 200 Pferde
und Maulthiere seien umgefallen. Die Kosten seien ausser
ordentlich. Am 16. kamen der Condestable und der Herzog
von Alba zum K. Philipp.
17. Schreiben vom 18. Juni aus Puebla. Ankunft K. Philipps.
Klagen der Granden, dass er ohne ihre Mitwirkung mit K. Fer
dinand unterhandle. Philipp beruft sie in den Rath. Beschluss,
mit K. Ferdinand nicht einen Vertrag abzuschliessen, als auf
der Grundlage, dass er Castilien räume. Letzterer ist beinahe von
Allen verlassen, aus dem Condestable sein grösster Gegner ge
worden, auf den er doch alle Hoffnung gesetzt hatte. Auch das
Volk ist ihm und seiner Gemahlin entgegen und erlaubt sich
Unarten gegen sie. Dadurch sei auch die Stellung Philipps
eine ganz andere als früher.
18. Schreiben vom 18. (21.) Juni aus Puebla. Nachdem
K. Ferdinand dem K. Philipp geschrieben, er kümmere sich
nicht darum, seine Tochter zu sehen, sondern'er wolle nur
ihn sprechen, sandte K. Philipp am 19. Juni den Don Juan
Manuel zu ihm, worauf heute (21. Juni?) die Zusammenkunft der
Könige im Eichenwalde (a l’ombra d’un bei rovere) in Gegen
wart des Erzbischofs Jimenes, des Andrea del Burgo und des
Don Juan Manuel stattfand. Der Vertrag von Salamanca sei be
seitigt und ein neuer werde stattfinden auf Grund des Abzuges
K. Ferdinands aus Castilien. Die Königin befinde sich in Lusato
und rede mit Niemandem. (Vielleicht ist Lubian auf der Strasse
nach la Puebla gemeint). Da K. Philipp Quirino aufforderte,
ihn zu begleiten, sei er auch bei der Zusammenkunft gewesen
und von K. Ferdinand freundlich begrüsst worden.
Die Angabe, dass die Zusammenkunft in Remessal am
21. Juni stattgefunden habe, steht mit der allgemeinen Angabe
für den 20. in Widerspruch.
19. Schreiben vom 25. Juni aus Benavente.* Fortwährend
werde zwischen Benavente und Villafafila unterhandelt. Ferdi-
460
H öfl er.
nand wolle gobernador bleiben und später darauf Verzicht leisten
und sich mit den drei Grossmeisterthümern begnügen. Dann
trat auch der Vorschlag hervor, dass K. Ferdinand auf Lebens
zeit das Königreich Granada übergeben werden solle. Ferdinand
habe sehr günstige Nachrichten von Don Gonzalvo aus Neapel
erhalten, wolle dahin gehen und sich mit Venedig aufs Innigste
verbinden. Der Gesandte des Königs von England und der
Nuntius kamen nach Benavente. Bei K. Ferdinand befanden
sich nur der Erzbischof, der Herzog von Alba und der Alrni-
rante. Als die Königin von der Zusammenkunft gehört, habe
sie den Grafen von Benavente und den Marques von Villena
Verräther gescholten. Man habe sie in ihrem Gemache mit
dem Könige lange Zeit schreien hören. Die Städteprocuratoren
hatten gehuldigt, aber nicht die von Viscaja, und die von Leon
und Toledo seien handgemein geworden.
20. Schreiben vom 27. Juni aus Benavente. Bericht über
die Verhandlungen von Villafafila. Ferdinand geht nach Tor-
desillas (Torre de Silglia). Die Königin wurde beiderseits um
gangen.
21. Schreiben vom 29. Juni aus Benavente. Mittheilung
der Bedingungen des Vertrages von Villafafila. Gemeinsame
Obedienzleistung in Rom. Die Bestimmung über das neapoli
tanische Erbe verletzt den französischen Vertrag. Unzufrieden
heit der Königin. Am 29. entweicht die Königin.
22. Schreiben vom 4. Juli* aus Muzientes. Unterhand
lungen des Königs mit den Cortes, damit ihm allein geschworen
werde. Die Granden fürchten die Rache der Königin. Der
englische Botschafter beschwert sich heute, dass sein Herr nicht
in den Vertrag von Villafafila aufgenommen worden sei. Ant
wort des Königs. Unzufriedenheit des Botschafters.
23. Schreiben vom 7. Juli aus Valladolid. K. Ferdinand
besteht auf einer neuen Zusammenkunft, damit man glaube, er
scheide in grösster Freundschaft. Zweite Zusammenkunft in
Renedo bei Muzientes, vier Stunden lang. K. Ferdinand über
die Eifersucht der Königin Isabella. Abreise Ferdinands nach
Aragon. Ankunft Philipps in Valladolid. Die Granden rathen,
die Königin einzusperren.
24. Schreiben vom 11. Juli aus Valladolid.* Die Städte
schreiben den Procuratoren, sie hätten der Königin zu schwören.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
461
Eine Schrift der Granden über die Unfähigkeit Donna Juana’s
wird vom Condestable und dem Herzog von Najera nicht unter
schrieben. Die Königin täuscht den König, empfängt die Pro-
curatoren, lässt sich als Königin anerkennen und verlangt feier
lichen Schwur in Toledo. K. Philipp begibt sich in ein Kloster
und legt von da aus der Königin drei Fragen vor. Sie will nicht
haben, dass Flanderer, noch die Frau eines Flanderers Castilien
regiere, sondern ihr Vater. Jimenes suchte die Gatten zu ver
söhnen. Die Correspondenz der Königin mit ihrem
Vater wird aufgefangen. Unterhandlungen des englischen
Botschafters mit K. Ferdinand wegen des Uebcrrestes der Mit
gift der Prinzessin von Wales. Drohung sie zurückzuschicken.
Französische Gesandtschaft bei K. Philipp. Entschuldigung
wegen der aufgelösten Verlobung. Verkündigung der Ver
lobung der Prinzessin Margaretha mit Iv. Heinrich.
25. Schreiben vom 16. Juli aus Valladolid. Die Königin
lässt sich durch Ueberraschung gewinnen, die Huldigung der
Cortes anzunehmen. Der König verspricht einen Zug gegen
die Moros. Ferdinand verlangt die Auslieferung des Herzogs
von Valentinois (Cesare Borgia),
26. Schreiben vom 23. Juli aus Valladolid.* Prinz Karl
soll eine englische Prinzessin heiraten, der fünfzigjährige Dänen
könig eine französische. Vorbereitungen zum Kriege in Afrika.
Von der Königin spricht man nicht mehr. Zwietracht unter
den Granden. Lebhafte Correspondenz zwischen den beiden
Königen.
27. Schreiben vom 27. Juli aus Valladolid. Vincenzo
Quirino verabschiedet sich vom Iv. Philipp.
28. Schreiben vom 1. August aus Valladolid. Process der
Erben des Martin Bursara. Briefe aus Flandern melden den
Wiederausbruch der geldrischen Unruhen.
Abreise Vinc. Quirino’s aus Valladolid am 2. August 1506.
Wenn schon die früheren Serien Aufschlüsse von grösstem
historischem Werthe gewähren, so ist dies in erhöhtem Grade bei
dieser letzten der Fall. In Betreff des Aufenthaltes Iv. Philipps
in la Coruna, seiner Reise nach Santiago de Compostella und
Puebla verlassen uns die chronologischen Angaben und entsteht
ein Wirrwar, der durch die Angaben Quirino’s allein sich ent
wirrt. Aber auch über die Ereignisse des Hochsommers und
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft. 30
462
Hofier.
namentlich über die gräuliche Scene, die Donna Juana ihrem
Glemahl bei der Eidesleistung der Procuratoren der Cortes be
reitete, so dass dieser sich in ein Kloster zurückzog, bringt
Quirino die interessantesten Daten. Sein registrum literarum
ist für die beiden letzten Lebensjahre K. Philipps eine Quelle
ersten Ranges, ohne welche es vielfach unmöglich wäre, den
richtigen Pfad ausfindig zu machen, und wenn wir irgend etwas
bedauern, so ist es, dass er einen Monat vor K. Philipps Tode
Castilien verliess und wir somit über die letzten Wochen und
Tage des Königs vorzugsweise auf Alvaro Gomcz und nicht
auch auf ihn angewiesen sind.
Es ist natürlich, dass diese Berichte, welche sich auf die
spanischen Vorgänge beziehen, das allgemeine Interesse nicht
besitzen wie jene, die über die Ereignisse in mehreren Staaten
Aufschlüsse geben. Allein sie weisen die Entwicklung des
grossen spanischen Dramas nach, das einen unerwartet tragischen
Ausgang nimmt. K. Ferdinand, welcher sich durch den Drei
königsvertrag zum Herrn der Situation gemacht, während
K. Philipps unfreiwilligem Aufenthalte in England sich mit
Germaine von Foix vermählt und dadurch seinen drei Töch
tern eine Stiefmutter gegeben hatte, erhielt den ersten Schlag,
als die Landung seiner Kinder nicht in Laredo, wie er erwartete,
sondern im entlegenen la Coruiia stattfand. Die in vielfacher
Beziehung 'viel bequemere Landung hätte eine Zusammenkunft
mit der Stiefmutter unvermeidlich gemacht; es wäre ferner, ehe
eine Auseinandersetzung über die noch strittigen Punkte statt
gehabt hätte, die Zusammenkunft der beiden Könige, und wie
man annahm, dann der volle Sieg Ferdinands über seinen
Schwiegersohn erfolgt, das castilianische Königthum Ferdinands
wäre unabwendbar geworden. Das aber war, seit der König
den Castilianern den Schimpf der zweiten Heirat, mit einer
Französin und in Dueüas, wo Don Fernando sich einst mit
Donna Isabel vermählt hatte, angethan, eine moralische Un
möglichkeit geworden. Maximilian hatte Recht, wenn er sagte,
der König habe sich selbst eine Wunde versetzt, als er nach
seinem Sohne ausholte. Jetzt kam es über ihn. Der Abfall
der Granden erfolgte während des Aufenthaltes in la Coruna;
die Zusammenkunft, wie sie Don Fernando betrieb, ohne vor
ausgegangene Abmachungen, fand nicht statt, als K. Philipp
1Ä.:.I ... '
■sBEssassaH
Lalaing, Quirino und Gucvara über Iv. Philipp I. 463
sein Gelübde zu lösen nach Santiago de Compostella ausbog
und dann, im weiten Halbkreise nach Benavente ziehend, die
Stellung Ferdinands an der Grenze der Königreiche Leon und
Galicien umging. Jetzt erfolgte ein Schlag nach dem andern.
Der König, von allen Castilianern,. selbst von dem Condestable
und dem Primas von Toledo verlassen, konnte es nicht wagen,
mit Hilfe von zwei oder drei Granden, die ihm treu geblieben
waren, die Wechselfälle eines ungleichen Kampfes zu bestehen.
Es ward ihm keine Gelegenheit geboten, seine Gemahlin seinen
Kindern vorzuführen, nicht einmal die eigene Tochter konnte
er sehen. Bald blieb ihm nur noch übrig, den Schein zu be
wahren, als ob zwischen Schwiegervater und Schwiegersohn ein
herzliches Einvernehmen obwalte, aber der Preis desselben war
ein furchtbar hoher: der Verlust des Königreichs Castilien, an
dessen Behauptung er Alles gesetzt hatte und aus welchem er
nun nach zweimaliger Zusammenkunft mit K. Philipp und nach
dem er noch den kaum geschlossenen und beeidigten Vertrag
von Villafafila heimlich widerrufen hatte, wie ein Flüchtling
enteilen .musste. Damit aber ist das Drama nicht zu Ende, sondern
jetzt nehmen erst die Zerwürfnisse zwischen seiner Tochter und
deren Gemahl den äussersten Grad an. K. Philipp wird von
Donna Juana förmlich in den Augen seiner Unterthanen durch
ein Benehmen sondergleichen misshandelt. Ohne weibliche Be
gleitung, jeden Augenblick öffentlichen Spectakel machend, zieht
die Königin würdelos durch ganz Nordspanien, bis endlich das
Mass voll ist, der König, diesen moralischen Leiden erliegend,
das Opfer einer kurzen Krankheit wird, die seine Kräfte rasch
aufzehrt, und Johanna zurückbleibt, in anderen Umständen,
thränenlos, wie mit einem Fluche beladen die Leiche ihres
Mannes bewachend, da ein dummer Mönch ihr die Möglichkeit
einer Rückkehr zum Leben vorgeschwindelt, bald nutzlosem
Grame hingegeben und endlich Mutter einer Tochter, die ihren
Vater eigentlich durch ihre Mutter vor ihrer Geburt verloren.
Es gibt kaum ein ergreifenderes Schauspiel als dieses Drama
des ersten habsburgischen Königs von Spanien, der die Erwer
bung dieser Krone mit dem Unglücke seines Lebens und seinem
frühen Tode bezahlte. Man müsste sich eigentlich wundern,
dass nicht schon längst ein Dichter diesen reichen poetischen
Stoff aufgriff, wäre es nicht die Aufgabe des Historikers, zuerst
30*
464
Höflcr.
den geschichtlichen Boden festzustellen und dadurch den Dichter
selbst vor jenen störenden Extravaganzen zu bewahren, die
nur zu oft ein sogenanntes historisches Drama ganz unhistorisch
und geradezu unleidlich machen.
Ich muss zum Schlüsse noch bemerken, dass Quirino’s
relazione di Borgogna nicht mit der übereinstimmt, welche
Sir Rawdon Brown nr. 890 als von ihm im Senate vorgetragen
im Auszuge nach Marin Sanuto bekannt machte. Die starken
Ausdrücke Quirino’s über die Königin Johanna sind in der
relazione vermieden. Dass K. Philipp den König Juan Manuel
von Portugal als kinderlos zu beerben hoffte, ist sehr unwahr
scheinlich. Interessant ist, dass Quirino keine grösseren Fehler
an K. Philipp wahrnahm (cosi grande e nobile e cosi virtuoso)
als: era mal pronto nel rispondere e poco risoluto nel-
1’ eseguire e rimettevase sempre in ogni azione al suo con-
siglio — freilich hätte er hinzufügen sollen, das er aus den
fähigsten Männern zusammenstellte. Diesem edlen Manne sei
eine Frau zu Theil geworden, wie Königin Donna Juana war.
Offenbar hält er sie für das Unglück seines Lebens.
E reputa mala avara e zelosa e non vol veder femene in la
soa corte, non si mostra molto, voria il re suo padre gobernasse,
e li grandi di Chastiglia gli e contrari. So nach Marin Sanuto
Vincenzo Quirino am 10. October 1506, in seiner Rede im
Senate, als am 8. October sich die Nachricht verbreitet hatte,
K. Philipp sei am Katarrhe gestorben, am 9. sie allgemein be
kannt geworden war. (VI, pag. 442.)
Noch von-la Coruna aus hatte K. Philipp seinen Rath und
maitre d’hotel der Königin, Don Diego de Guevara, an K.
Ferdinand abgesandt, der noch immer in Villafranca stand und
die einander entgegengesetztesten Beschlüsse rathlos überlegte.
Guevara’s Berichte aus Villafranca vom 1., 2., 6. Juni, aus
Matilla vom 9., aus Verdenoza vom 10., aus S. Marta auf der
Strasse von Benavente nach la Puebla de Senabria vom 12.,
aus Rio negro vom 14., Asturianos vom 15. Juni, sowie die
Anweisungen K. Philipps vom 4. Juni, Leriz (nicht Allariz)
vom 6., Orense am Mino vom 7. und 9., Allariz vom 12. Juni
sind aus dem Grunde von besonderer Wichtigkeit, weil sie
ebenso sehr einen Einblick in die Anschauungen am Hoflager
K. Ferdinands als in die Absichten und Besorgnisse K. Philipps
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
465
gewähren. Sie ergänzen somit durch authentische Berichte, was
wir nicht ohne eine gewisse Färbung aus Alvaro Gomez oder
Qurita wissen (Collection des voyages I. Appendices).
Don Diego war kein grosser Diplomat und fühlte es auch nur
zu sehr; unerfahren in den Geschäften, stand er dem schlauesten
Könige und dessen Anhängern, dem Herzoge von Alba, dem
Condestablc, dem Almirante gegenüber, die ihm schon durch ihre
äussere Stellung imponirten und deren sich Don Fernando nach
Belieben bediente. Es fehlte Don Diego an Zuversicht, an Ge
schmeidigkeit und an nöthiger Energie. Sein Gedächtniss ist ihm
den langen Roden der Granden gegenüber nicht treu genug, aber
sein Urtheil ist richtig, seine Treue und Hingebung ohne Fehl.
Er kam Samstag vor Pfingsten, 30. Mai 1506, in dem
äussersten westlichen Winkel von Leon an, wo Villafranca liegt
und wo sich auch, abgesehen von den Vorgenannten, der Erz
bischof-Primas, der Adelantado von Granada, der Herzog von
Albuquerque und die Procuratoren der Cortes befanden. Man
erwartete den Herzog von Infantado. K. Ferdinand war aber
keineswegs gewillt, diese Granden oder die Procuratoren zu
K. Philipp ziehen zu lassen.
Die erste Audienz, welche Don Diego, und zwar schon
am 30. Mai erhielt, bezog sich darauf, dass K. Philipp auf der
Meinung bestand, es dürfe bei einer Zusammenkunft der Könige
von keinem Vertrage und auch nicht von der Königin Donna
Juana die Rode sein, die in der That damals nur ihre camarera
und sonst gar keine weibliche Umgebung um sich hatte, was
K. Philipp tief schmerzte. K. Ferdinand hatte durch seine
Gesandten in la Coruna erklären lassen, dass er von dem Drei-
königsvertrage zu Salamanca nicht einen Buchstaben ab
weichen werde. Dadurch war die Basis weiterer Unterhand
lungen geschwunden. Der Condestable von Castilien und der
Herzog von Alba stellten nun Don Diego vor, dass, wenn
K. Philipp von Santiago sich entferne, ohne mit seinem
Schwiegervater sich benommen zu haben und mit ihm zu
sammengekommen zu sein, der Bruch unvermeidlich sei und
K. Philipp die Schuld des Bürgerkrieges trage. 1 Dagegen
1 Ce sont ehoses haultaines et bien arrogantes et menasses, dont nons
osmerveillons etre ainsi menasse en nos royaulmes de ceux dont devrions
avoir ayde secours et aussi Service. Leriz, G. Juni 1506.
466 Hofiov.
erMärte sich nun K. Philipp auf das Entschiedenste; er habe
nie die Achtung und Rücksicht gegen Don Fernando verletzt
und wolle es auch jetzt nicht thun, trug aber Don Diego auf,
die genauesten Erkundigungen über die Rüstungen anzustellen,
die jetzt unter dem Scheine der Friedensliebe K. Ferdinand
betrieb, und man erfuhr nicht blos, dass er die Artillerie von
Medina del Campo kommen Hess, sondern auch mit dom Ge
danken umging, Neapel ganz den Franzosen abzutreten; wenn
der gran capitan dazir seine Zustimmung gebe, meinte jedoch
der Herzog von Alba. Schon waren Versuche gemacht worden,
den zweiten Sohn K. Philipps, Don Fernando, aus Arevalo zu
entführen, die Menge wegen des Decretes gegen die Inquisition
(30. September 1505) 1 wider K. Philipp aufzuhetzen, ihn selbst
als einen Kryptojuden zu bezeichnen, als K. Ferdinand doch
Bedenken kamen, die Sache bis auf die Spitze zu treiben. Die
Treue der Granden, der Procuratoren, selbst der Capitäne seiner
Armee wankte; die Frage, wer König von Castilien sei, von
Philipp mit aller Entschiedenheit betont, Hess sich absolut nicht
für K. Ferdinand entscheiden, und nun legte sich in diesem
kritischen Momente die thörichtste Handlung des klugen Königs,
seine zweite Heirat, wie ein Bleigewicht in die Wagschale gegen
ihn. Wenn man auch noch sich Ferdinand als König von Casti-
lien gefallen Hess, Germaine konnte man sich als Königin nie
gefallen lassen, sondern nur Donna Juana, die Tochter Isabel
lens, und deren Gemahl als König, nie und nimmermehr die
unwürdige Stellvertreterin der grossen Königin. Die Folgen
dieses falschen Schrittes zwangen den König zur
Nachgiebigkeit. Die Granden wurden einer nach dem andern
aufgefordert, dem K. Philipp und der Königin Donna Juana
zu huldigen, die Procuratoren der Cortes nicht minder. Wer
es nicht that, mochte sehen, wie er den Schritt verantworte,
der Erzbischof von Toledo so gut wie der Condestable und
der Almirante von Castilien. Man sieht es deutlich aus den
Berichten Don Diegos, in wenigen Tagen des Monates Juni
vollzog sich eine grosse Wandlung. Der König ging täglich in
das Predigerkloster von Villafranca, nicht wie der Almirante, um
dort zu beten, sondern sich mit dem Erzbischöfe Jimenes zu
1 Doc. ined VII. pag. 337.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
467
benehmen, der dort wohnte und den er endlich mit grossen Voll
machten nach Orense in Galicien sandte, mit K. Philipp zu
unterhandeln. Er gab seine Tochter preis, um nur den Schein
zu retten, als fliehe er nicht vor seinem Schwiegersöhne; er gab
seine Frau preis, die er seinen Kindern nicht vorzeigen durfte;
er gab endlich Castilien preis und — floh aus dem Lande. Das
ganze Gebäude seiner Ränke brach unter ihm zusammen. Er
hatte sich selbst überlistet. Für diese Wendung der Dinge
sind die, wenn auch nicht zahlreichen Depeschen Don Diegos
de Guevara von grossem Interesse und ergänzen selbst mehr
fach die Quirino’s, geschweige die Darstellung Montigny’s.
Es erübrigt, noch den brieflichen Vorrath aus den Jahren
1505 und 1506 bis zum Tode K. Philipps zur Uebersicht des ganz
bedeutenden Materials, das emsige Forschung gewann, dem
Leser vorzuführen. Das Verzeichniss dient dazu, einen festen
chronologischen Boden in dem Wirrwar von Nachrichten zu
schaffen und zu zeigen, wie viel sich bisher der Forschung
entzog!
1505.
Bruxelles, 2. Januar. K. Philipp an K. Ferdinand. Absendung
des Herrn de Veyre mit den grössten Vollmachten.
Doc. ined. VIII, pag. 274.
— K. Philipp an den Schatzmeister Nuiio de Gomiel.
1. c. pag. 270.
Toro, 11. Januar. Eröffnung der Cortes, Schreiben derselben
an König Philipp und Königin Juana.
Curita, Hist, do Don Fernando VI, c. 2.
— 12. Januar. Huldigung K. Ferdinands als administrador
y gubernador.
Bruxelles, 14. Januar. Feierliche Exequien der Königin Isabella
in St. Gudula in Gegenwart des Königs und der
Königin. Fälschlich in das Jahr 1506 verlegt.
Analect. hist. pag. 297, nr. CCCVIII.
Toro, 23. Januar. Geheime Mittheilung über die Regierungs-
Unfähigkeit der Donna Juana. K. Ferdinand wird
curador.
Curita 1. o.
468
H öfl c r.
Bruxelles, 28. Januar. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. ined. pag. 278.
Toro, 4. Februar. K. Ferdinand an K. Philipp.
Citirt. Doc. ined. VIII, pag. 280. — Summario bei Bergen-
roth, Suppl. nr. 7.
Bins, 4. Februar. K. Philipp an den Almirante de Gastilla, •
an den Duque de Näjera,
an den Conde de Bonavente,
an den Marques de Villena.
Doc. ined. pag. 278.
Arras, 10. Februar. K. Philipp an Don Bernardino de Carvajal,
Cardinal de S. Cruz.
1. c.
Hedin, 15. Februar. K. Philipp an den Marques de Villena.
1. c. pag. 279.
Douay, 22. Februar. K. Philipp an K. Ferdinand,
an Nuno de Gondel. .
1. c. pag. 280.
Bruxelles, 2. März. K. Philipp an den Herzog von Näjera,
an die Prinzessin von Wales,
Schwester der Königin Donna
Juana.
— 4. März. K. Philipp an den Condestable,
an Nuno de Gondel,
an den Almirante.
— 5. März. K. Philipp an K. Ferdinand.
— 8. März. Iv. Philipp an K. Ferdinand.
— 9. März. K. Philipp an Hurtado de Luna.
— 10. März. Iv. Philipp an den Condestable,
an Donna Juana de Aragon (her-
mana).
Bastogne, 16. März. K. Philipp an K. Ferdinand.
1. c. pag. 280—285.
Trier, 22. März. Ankunft des Cardinais -von Rouen, Georg
d’Amboise. Entdeckung des Verrathes Lope’s de
Conchillos.
K. Philipp an Nuno de Gomiel.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
469
Trier, 25. März. K. Philipp an K. Ferdinand,
K. Philipp an Don Ramon de Cardona,
an Don Alonso de Fonseca, Erzbischof
von Santiago,
an Don Alonso de Fonseca, Bischof von
Osraa,
an Antonio de Fonseca.
Doc. ined.
Carboiu’g (Saarburg), 29. März. K. Philipp an Don Juan de
Vera, Bischof von Leon.
1. c. pag. 288.
Hagenau, 29. März. Ankunft K. Philipps.
Quirino.
— 30. März. Erste Audienz Quirino’s bei K. Philipp.
Quirino.
— 2. April. Auffahrt des Cardinais von Amboise.
Quirino.
— 4. April. K. Max und K. Philipp beschwören den Ver
trag von Blois.
Quirino.
Näherer Bericht Quirino’s über die Eidesleistung.
Quirino.
— 5. April. Bericht über die Audienzen des Cardinais, des
spanischen Botschafters und des Don Juan Manuel
bei K. Maximilian.
— 6. April. Feierliche Investitur des Cardinais mit Mailand,
eventuell auch K. Philipps und des Letzteren mit
Geldern, Görz und Kärnten.
— 7. April. Bericht über die bevorstehende Abreise des
Cardinais und der Königin.
— 8. April. Mittheilung eines geheimen Vertrages K. Maxi
milians mit K. Ludwig XII.
— 9. April. Ankunft der kaiserlichen Insignien. Investitur
des Churfürsten von Trier.
— 11. April. Abreise des Cardinais. Beschwerden des spani
schen Gesandten.
— 12. April. Abreise Vincenzo Quirino’s und K. Philipps.
M,«,. -TR: —fr
470 Hofier.
Strasbourg (Saarbrück), 13. April. K. Philipp und Donna Juana
an die Procuratoren der Cortes.
Doe. ined. pag. 289.
Luxemburg, 18. April. K. Philipp an K. Ferdinand.
1. o. pag. 290.
Bastogne, 19. April. Quirino’s Bericht über eine Unterredung
mit Philibert Naturelli.
Arlon, 19. April. K. Philipp an Cyprian von Serntein.
Crenneville, Jahrb. II, pag. XLV.
Namur, 22. April. Quirino über die Königin und Lope de
Conchillos.
— 23. April. K. Philipp an den Marques de Villena.
— 25. April. Quirino über eine Unterredung mit K. Philipp.
Bruxelles, 26. April. Bericht Quirino’s über eine Unterredung
mit dem Grafen von Haro.
— 28. April. Bericht Quirino’s über die Verweigerung der
Audienz bei der Königin.
— 29. April. K. Philipp und Donna Juana an Don Fray
Francisco Jimenez de Cisneros, Erzbischof von
Toledo.
Ebenso anDon Fray Diego Deza, Erzbischof von Sevilla.
Ebenso an den Grafen von Bcnavente.
Doc. ined. pag. 291.
— 3. Mai. Die Königin an Mr. de Veyre.
1. e.
Der König an K. Ferdinand.
1. c. pag. 293.
— 5. Mai. K. Philipp an den gran capitan Gonzalo Fer-
nandez de Cordoba duque de Tierra nova Visorey
del reino de Napoles.
1. e. pag. 293.
K. Philipp an Don Bernardino de Carvajal, Car
dinal de S. Cruz.
1. c. pag. 294.
K. Philipp an Donna Juana zu Gunsten des Almi-
rante. 1. 2.
1. c. pag. 295.
K. Philipp und Donna Juana an den Almirante.
1. c. pag. 296.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
471
Bruxelles, 5. Mai. K. Philipp an K. Ferdinand.
JDoe. ined. pag. 297.
Breda, 12. Mai. K. Philipp an K. Ferdinand.
1. c. pag. 298.
Bruxelles, 13. Mai. Bericht Quirino’s über die Krankheit der
Königin.
Malines, 15. Mai. Ankunft Quirino’s.
— 16. Mai. Audienz Quirino’s bei K. Philipp.
Breda, 17. Mai. Ankunft K. Philipps.
K. Philipp an K. Ferdinand.
L c. pag. 297.
— 18. Mai. K. Philipp an Don Juan de Vera, Bischof von
Leon.
1. c. pag. 298.
— 18. Mai. K. Philipp an den Erzbischof von Saragossa.
1. c. pap. 299.
— 18. Mai. K. Philipp an die concejos y justicias del reino.
1. C.
— 19. Mai. Bericht Quirino’s.
Bolduch (Bois le duc), 20. Mai. Quirino über spanische Zu
stände.
— 21. Mai. Bericht Quirino’s. K. Philipp entschliesst sich,
nach Spanien zu gehen.
— 25. Mai. Bericht Quirino’s.
— 30. Mai. Abreise K. Philipps nach Grave.
Grave, 2. Juni. Bericht Qiririno’s.
— 3. Juni. Bericht Quirino’s. Abreise Iv. Philipps nach Cleve
zur Prinzessin Margaretha. Kriegsrath.
Cleve, 6. Juni. Bericht Quirino’s.
— 7. Juni. Abreise K. Maximilians nach Köln.
— 8. Juni. Bericht Quirino’s.
— 10. Juni. Bericht Quirino’s. Unterredung mit Don Pedro
de Ayala.
Bois le duc, 13. Juni. Rückkehr Quirino’s nach Antwerpen.
T^ope de Conchillos.
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472
Geldern, 20. Juni. K. Philipp an den Herzoge von Bejar und
Infantado und den Grafen von Benavente.
Doc. ined., pag. 300, 301.
Anvers, 21. Juni. Bericht Quirino’s.
Segovia, 22. Juni. K. Ferdinand an Dr. Puebla gegen K. Philipp.
Bergenroth, Cal. nr. 432.
Segovia, 23. Juni. K. Ferdinand an den Grafen Haro.
Citirt bei Quirino, 9. Juli.
Anvers, 25. Juni. Bericht Quirino’s über den Grafen von Haro.
Real sobre Arnan, 27. Juni. K. Philipp an Conde de Cabra,
Lemus, Urena, Herzog von Medina Sidonia, Diego
Hernandez de Cordoba.
Doc. ined., pag. 302.
Richmond, 27. Juni. Protestation des Prinzen von Wales gegen
die Heirat mit der Infantin Catalina.
Cal. nr. 435.
Arnheim, 28. Juni. Anfang des Bombardements.
Real sobre Arnan, 28. Juni. K. Philipp an P. Julius II., an
Don Antonio de Acuna, arcediano de Valpuesta.
Instruction für Letzteren.
Doc. ined., pag. 304—309.
K. Philipp an maestre Andrea del Burgo.
1. c.
—■ 29. Juni. K. Philipp an den Conde de Fuensalida.
Anvers, 1. Juli. Bericht Quirino’s. Französische Unterstützung
Karls von Egmont.
Arnheim, 3. Juli. Ankunft K. Maximilians im Lager.
Anvers, 5. Jidi. Bericht Quirino’s.
Anvers, 5 Juli. Ankunft eines Boten Mr. de Veyre’s.
Arnheim, 6. Juli. K. Philipp an den Kanzler von Burgund.
Gachaixl, Analect. belgiques V, 303.
Realsobre Arnan, 6. Juli. K. Philipp an den Comendador Estopinan,
an Don Sancho de Acebes,
Bischof von Astorga,
für Francisco de Castro oidor,
für Diego de Cuellar,
für Alonso de Lerma.
Doc. ined., pag. 310.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
473
Aman (Arnheim), 7. Juli. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. ined., pag. 310.
Anvers, 7. Juli. Bericht Quirino’s über das eheliche Zerwürfniss
K. Philipps.
Real sobre Arnan, 7. Juli. Capitulation von Arnheim.
— 8. Juli. K. Philipp für einen Bruder Alonso’s de Santisteban.
1. c. pag. 311.
Anvers, 9. Juli. Bericht Quirino’s über ein Schreiben K. Fer
dinands vom 23. Juni.
Arnheim, 10. Juli. K. Philipp an die Herzoge von Medina Sidonia
und Bojar.
1. c. pag. 312.
Segovia, 13. Juli. Petrus Martyr an den Erzbischof von Granada
über K. Philipp.
Ep. 785.
Real de Gueldres, 14. Juli. K. Philipp an den Grafen von Urena.
Anvers, 14. Juli. Bericht Quirino’s. Zug nach Zütphen.
Gueldres, 15. Juli. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. ined., pag. 314.
Anvers, 17. Juli. Bericht Quirino’s über die französische Ge
sandtschaft.
Anvers, 19. Juli. Bericht Quirino’s. Capitulation von Zütphen.
Real de Gueldres, 19. Juli. K. Philipp an K. Ferdinand.
1. c. pag. 314.
Anvers, 22. Juli. Bericht Quirino’s über den Kampf um Zütphen
Anvers, 26. Juli. Bericht Quirino’s über die Zusammenkunft
in Calais. Einladung der Prinzessin von Wales.
E. Brown, nr. 850.
Arnheim, 27. (29.) Juli. Vertrag mit Karl von Egmont.
Quirino. Henne, I, pag. 69.
Rosendael, 29. Juli. Karl von Egmont beschwört den Vertrag.
Real de Gueldres, 30. Juli. K. Philipp an denComendadorMogica.
Doc. ined., pag. 314—315.
K. Philipp an K. Ferdinand.
474
Höf 1 er.
Anvers, 31. Juli. Quirino über den geheimen Tractat von Blois.
Anvers, 1. August. Friede mit Geldern.
Quirino.
Emerich, 2. August. K. Philipp für Don Luis de la Cerda.
Doc. ined., pag. 315.
Xanten, 3. August. Circularschreiben K. Philipps an alle Granden
und Prälaten. (Zusammenkunft der Könige Maxi
milian und Philipp.)
1. c. pag. 3IG.
— 4. August. Circular an 9 Herzoge, 4 Marquis, 14 Grafen,
7 senores, 2 adelantados.
K. Philipp an K. Ferdinand.
1. c.
K. Philipp an den Erzbischof von Santiago und den
Bischof von Badajoz.
Segovia, 6. August. Angheria an den Erzbischof von Granada
über den Verrath der Königin.
Ep. 78G.
Bois le duc, 7. August. Quirino über die Zusammenkunft mit
dem Kanzler von Burgund.
Friedensartikel. R. Brown, nr. 853.
Cleve, 10. August. K. Philipp an Don Antonio de Aeußa.
Doc. ined., pag. 318.
K. Philipp an P. Julius II.
Bois le duc, 11. August. Quirino über die Ankunft K. Philipps.
London, 11. August. Dr. Puebla an K. Ferdinand über den
Erzherzog.
Cal. nr. 439, pag. 370.
— 12. August. Eben dieser.
l. c.
Torna, 13. August. Unterredung K. Philipps mit Quirino.
Xanten, 14. August. Rundschreiben K. Philipps an die casti-
lianischen Städte.
Doc. ined., pag. 320.
Bruxelles, IG. August. Ankunft K. Philipps.
London, 17. August. Dr. Puebla über K. Philipp.
Cal. nr. 440, 442, 443.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
475
Bruxelles, 17. August. Quirino über den Gelderner Frieden.
Ankunft der französischen Gesandtschaft.
Negoc. nr. 23.
— 19. August. Quirino über die bevorstehende Ankunft
K. Maximilians.
— 23. August. Drohungen des Grafen von Nevers gegen
K. Philipp. Sommation, Antwort des Königs.
1. c. nr. 24—20. — Quirino.
— 24. August. Bericht Quirino’s über die französische Ge
sandtschaft.
Segovia, 25. August. Absendung der spanischen Verlobungs
gesandtschaft nach Frankreich.
Curita VI.
Bruxelles, 26. August. Bericht Quirino’s. Die französischen
Differenzen.
— 28. August. K. Philipp an Martin Hernandez Galindo,
an den Cardinal de S. Cruz,
an den Grafen von Ureiia,
für Don- Luis de Cordoba,
Doc. ined. pag. 322.
Rückkehr K. Maximilians.
— 29. August. Bericht Quirino’s. K. Maximilian über die
Franzosen.
— 30. August. K. Philipp an den duque de Medina Sidonia.
1. c. pag. 323.
K. Philipp an den duque de Albuquerque.
— 31. August. Quirino über die peinliche Lage K. Philipps.
— 2. September. Quirino über die heimliche Sendung Botone’s.
Richmond, 2. September. Klagen der Prinzessin Katharina über
Dr. Puebla.
Cal. nr. 444.
Bruxelles, 5. September. Bericht Quirino’s. Grosses Turnier.
R. Brown, nr. 854.
Paris, 6. September. Vorladung K. Philipps durch das Parlament.
Bruxelles, 7. September. Bericht Quirino’s über K. Ferdinands
Verlobung.
1. c. nr. 855.
476
Hofier.
Bruxelles, 9. September. König und Königin an P. Julius II.
Doc. ined. pag. 324.
Bericht Quirino’s. Rückkehr Botone’s.
— 10. September. Bericht Quirino’s über die Verlobung K.
Ferdinands.
— 12. September. König und Königin an K. Ferdinand.
1. c. pag. 325.
König und Königin an die Herzoge, Caballeros, Städte.
1. 0.
König und Königin an den consejo.
1. c. pag. 329.
— 13. September. Bericht Quirino’s. Declaration des spani
schen Botschafters.
— 14. September. König und Königin an den Papst.
1. c. pag. 332.
König und Königin an Cardinal Carvajal.
— 15. September. König und Königin an K. Ferdinand.
Circular darüber 1. c. pag. 333.
Niederkunft der Königin mit Donna Maria. Mit
theilung an die Herzoge. Bericht Quirino’s. Erklärung
K. Maximilians gegen die Franzosen.
— 16. September. Abreise der belgischen Gesandtschaft nach
Frankreich.
— 18. September. Bericht Quirino’s. Krankheit der Königin.
— 19. September. Der König an Garcilaso de la Vega.
Doc. ined. pag. 334.
Der König an Don Alvario de Osorio.
an den König von Navarra.
— 20. September. Taufe der Infantin Donna Maria.
— 21. September. Bericht Quirino’s.
Blois, 22. September. Leere Freundschaftsversicherungen K.
Ludwigs XII. an K. Philipp.
Bruxelles, 24. September. Bericht Quirino’s citirt am 29. September.
Lettres de Louis XII, I, pag. 42.
Bruxelles, 26. September. Neuer Vertrag mit Karl von Egmont.
Henne I. pag. 83.
Ankunft des Seigneur de Gamache.
Lettres I, pag. 34.
Audienz am 27. September.
— 28. und 29. September. Berichte Quirino’s.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
477
Segovia, 29. September. Angleria über die Beendigung des
geldriscben Krieges.
Ep. 289.
Bruxelles, 29. September. Absendung einer Gesandtschaft nach
Rom beschlossen.
Antwerpen, 30. September. K. Philipp an Andrea del Burgo.
Doc. ined. pag. 335.
Bruxelles, 30. September. Proclamation des Königs über die
Inquisition.
1. c. pag. 337.
Patent an den Generalinquisitor.
1. c. pag. 337.
Blois, 30. September. Schwur der Gardecapitaine, Mad. Claude
nicht aus Frankreich wegbringen zu lassen.
Antwerpen, 1. October. Der König an P. Julius II.
1. c. pag. 342.
Der König an Don Antonio de Acuna.
an Juan de Saavedra. (?)
an Garcilaso de la Vega. (?)
— 4. October. Der König an die Königin von Neapel.
1. c. pag. 343.
Der König an den Bischof von Leon.
■— 6. October. Bericht Quirino’s. Ultimatum K. Ferdinands.
Segovia, 8. October. Angleria über K. Ferdinands Pläne.
Ep. 290.
Mons, 10. October. Thome Lopez an K. Emanuel von Portugal
über eine Audienz bei K. Philipp.
Gairdner, Letters and papers I, pag. 14G.
Blois, 12. October. Französisch-spanischer Allianzvertrag.
Dumont, Corps dipl. IV, 1, nr. 40. — Le manage vitu-
pfireulx. Negoc. pag. 202. — Qurita VI, f. 21.
Montiz-lc-Blois, 12. October. Ankunft der belgischen Gesandt
schaft.
Lalaing.
Anvers, 12. October. Memoire K. Philipps für Jchan de Floyon
an den K. von Navarra.
N4goc. nr. 27.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft.
31
478
Hofier.
Bruxelles, 13. October. K. Philipp an K. Ferdinand zu Gunsten
Don Pedro’s de Guevara.
Doc. ined. pag. 344. — (Juan de Saavedra, s. d. — Gar-
cilaso de le Vega s. d., pag. 346.)
— 14. October. Bericht Quirino’s. Vorbereitungen zur
spanischen Fahrt.
Segovia, 16. October. Ratification des Vertrages von Blois durch
K. Ferdinand.
Montiz le Blois, 16. October. Entwurf von lettres patentes
des Königs.
Negoc. nr. 28.
Blois, 17. October. Bericht der belgischen Gesandten über den
unglücklichen Verlauf ihrer Mission.
Lettres I, pag. 15.
Blois, 19. October. Vermählung K. Ferdinands durch den Grafen
von Cifuentes mit Germaine von Foix.
Curita VI, f. 31.
Bruxelles, 19. October. Bericht Quirino’s.
Segovia, 20. October. Abreise K. Ferdinands nach Salamanca.
gurita VI, f. 33.
Au Parcqdes-Louvain, 21. October. Erklärung und Protestation
K. Philipps.
Nägoc,. nr. 29.
Contres, 25. October. Belgisch-französischer Vertrag.
Lettres I, pag. 32.
Bruxelles, 25. October. K. Philipp kündigt seinen Entschluss
an, auf St. Martin nach Spanien zu reisen. König
Heinrich VII. verlangt die Auslieferung des Earl of
Suffolk.
•— 27. October. Erklärung der französischen Gesandten.
N(5goc. nr. 30.
Bericht Quirino’s.
R. Brown, nr. 858.
Beilegung der französischen Differenzen.
— 29. October. K. Philipp und Königin Johanna an den
Clerus von Spanien.
Doc. ined. pag. 347.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
479
K. Philipp und Königin Johanna an die alcaides de
los castillos y fortalezas.
Doe. ined., pag. 350.
Bericht Quirino’s. Besieglung der neuen Convention.
König und Königin an Andrea de Ribera.
1. c. pag. 353.
König und Königin an die Infanten, Granden etc.
1. e. pag. 355.
König und Königin für Don Fadrique Enriquez
Almirante de Castilla.
1. c. pag. 360.
Salamanca, 29. October (3. November). Bericht AngleriaVüber
K. Ferdinand.
Ep. 291, 292.
Bruxelles, 3. November. K. Philipp an Don Pedro Fajardo,
Adelantado de Murcia.
Doc. ined. pag. 361.
— 4. November. K. Philipp an Mr. de Veyre.
Kundsclireiben. 1. c. pag. 362.
K. Philipp an Capitän Juan de Pineda.
1. e. pag. 363.
Bericht Quirino’s.
— 5. November. Der König für Don Alonso Pimentei conde
de Benavente.
l. c.
Der König für Alvaro Perez Osorio,
für den Almirante.
Blois, (November). Instruction K. Ludwigs für Michel de
Butout.
Lettres I, pag. 34.
Bruxelles. Antwort K. Philipps.
1. c. pag. 37.
— 7. November. Bericht Quirino’s.
— 8. November. Abreise des Königs und der Königin nach
Zeland.
Qurita VI, f. 35.
— 10. November. Ankunft eines königl. Secretärs (Butout).
Maliries, 12. November (21. November). Parlament.
Iv. Philipp an einen Herzog.
Doc. ined. pag. 366.
31*
480
Höflcr.
Antwort K. Philipps auf die französische Werbung.
Lettres I, pag. 37.
Anvers, 12. November. Bericht Quirino’s.
Salamanca, 13. November. Angleria theilt den höhnischen Brief
K. Ferdinands an K. Philipp mit.
Ep. 293.
Bruges, 22. November. Rückkehr K. Philipps nach Flandern.
Der Prinz von Cliimay, Gouverneur der königlichen
Kinder.
Salamanca, 24. November. Der Dreikönigsvertrag.
Qurita VI, f. 39, 40.
— 27. November. Schreiben des Herrn von Veyre.
Citirt von Quirino, 6. December.
Gent, 29. November. Bericht Quirino’s.
— 2. December. Bericht Quirino’s. Unzufriedenheit der spani
schen Gesandten mit des Königs Abreise.
— 5. December. Bericht Quirino’s. Zustand der Königin.
— 6. December. Bericht Quirino’s 1. 2.
'— 8. December. K. Philipp an den Comendador Almazan.
Freigebung Conchillos’.
Doc. inecl. pag. 366.
K. Philipp an Don Francisco Fernandez de la Cueva,
duque de Albuquerque.
Villa, pag. XXII.
— 10. December. Bericht Quirino’s. K. Philipp beschwört
den Vertrag. Hoffnung, die Heirat zu hindern.
K. Philipp an K. Ferdinand,
gurita VI, f. 41.
— 11. December. Abreise K. Philipps.
Bruges, 14. December. Toisonfest.
Richmond, 15. December. Erneute Klagen der Prinzessin
Katharina.
Cal. nr. 449.
Salamanca, 16. December. Gnadenbezeugungen K. Ferdinands
für den Abschluss des Vertrages von Salamanca.
Bergenroth Cal. nr. 498, fälschlich in das Jahr 1506 gesetzt.
K. Ferdinand anDr.Puebla. Klagen gegen K. Philipp.
Cal. nr. 450 s. d.
Lalaing, Quirino und Gnevara über K. Philipp I.
481
Bruges, 17. December. Abreise K. Philipps nach Middelburg.
Henne I, pag. 83. Nach Quirino, Ankunft in Malines.
— 20. December. Bericht Quirino’s.
Faynghe, 20. December. Flandrische Deputirte bitten den König
um Anweisung eines Ortes zur Audienz.
Or. im Wiener Archiv.
Tod des Bischofs von Lüttich.
E. Brown, nr. 861.
Malines, 24. December. Philippe Haneton an K. Maximilian
(les afaires de Castillc se changent journellement).
Or. im geh. Hausarchiv.
London, 26. December. Schreiben der belgischen Gesandten
an K. Philipp.
Or. im geh. Hausarchiv.
Bruges, 26. December. Testament des Königs.
Or. mit Siegel im geh. Hausarchiv. Collection des voyages
I, pag. 493.
Vollmachten für Guillaume de Croy, Seigneur de
Chievres.
1. c. pag. 491.
— 27. December. Proclamation K. Philipps an seine Unter-
thanen mit Hinweisung auf den Vertrag vom 24. No
vember.
Gachet, pag. 302.
K. Philipp an die Gouverneure wegen Abhaltung
von Processionen.
Collection des voyages I, pag. 497.
Abreise des Königs.
— 28. December. Fahrt nach Gronve.
Lalaing.
Liege, 30. December. Das Capitel wählt Evrard de la Mark
zum Bischof.
R. Brown, nr. 864.
Instruction pour Jehan de Hesdin a Gonsalvo
Fernandez. s. d.
Befgenroth, Suppl. nr. 8.
482
Höfler.
1506.
Middelburg, 1. Januar. Bericht Quirino’s.
E. Brown, nr. 862.
— 2. Janirar. Die Zeirgen unterzeichnen das k. Testament.
Or.
K. Philipp an Cardinal Carvajal,
an Don Garcia de Toledo,
für Diego de Ribera.
Doc. ined. pag 1 . 366.
Salamanca, 3. Januar. Angleria über den Vertrag vom 24. No
vember.
•Ep. 294.
Middelburg, 4. Januar. Der König an Erzbischof Jimenes,
an Herrn von Veyre.
Doc. ined. pag. 368.
Bericht Quirino’s.
— 6. Januar. Allgemeine Verkündigung des Dreikönigs
vertrages.
Galindez.
— Bericht Quirino’s (Abreise der Madame Germaine).
Arnemuyden. Ausfertigung der Vollmacht für Herrn von Chievres.
Zu Schiffe, 7. Januar. Bericht Quirino’s.
Vlissingen. Aufenthalt des Königs und der Königin.
— 8. Januar. Einschiffung.
Höhe von Arnemuyden, 10. Januar.« Sturm. Zerstreuung der
Flotte.
Hampton, 15. Januar. Erzwungene Landung des Königs.
Windsor, 16. Januar. Angebliche Ankunft des Königs.
Lalaing.
Melcombe Regis, 17. Januar. Schreiben des Königs an Herrn
von Chievres.
Collection des voyages I, pag. 498.
Windsor, 17. Januar (?). Gnadenbrief für die Piloten.
Doc. ined. pag 1 . 369.
— ? Der König an seine Räthe.
Gachet IV, pag. 302.
Lalaing, Quirino und Guevava über K. Philipp I.
483
Falmouth, 20. Januar. Bericht Quirino’s.
Dorchester, 20. Januar. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. iued. pag. 370. — Gairdner II, pag. 383.
Falmouth, 23. Januar. Bericht Quirino’s.
Malines, 26. Januar. Der Kanzler an den Gouverneur de
Bethune.
Collection des voyages I, pag. 500.
Anthonae (Iiampton), 27. Januar. Bericht über den Sturm.
1. c. pag. 501.
Winchester, 30. Januar. Ankunft des Prinzen von Wales.
Windsor, 31. Januar. Zusammenkunft der Könige.
Narrative. Cal. nr. 451.
— 1. Februar. Schreiben K. Philipps.
Collection des voyages nr. VIII.
— 4. Februar. Schreiben K. Ferdinands an K. Philipp durch
Don Pedro de Ayala.
Gairdner II, pag. 365.
— 9. Februar. Drei Staatsverträge abgeschlossen.
Dumont IV, 1. — Cal. 452, 453.
Zusatz zu dem Vertrage von Salamanca.
gurita VI, f. 44.
Brief aus England.
Ordensverleihung.
Collection des voyages I, pag. 505.
— 10. Februar. Ankunft der Königin (et ne furent point
longuement ensemble).
Lalaing pag. 423.
Ihre Abreise nach Exeter. (Brief der Prinzessin
Katharina vom 25. October 1507.)
Cal. nr. 53, pag. 439.
K. Philipp an die Prinzessin von Wales.
Doc. ined. pag. 370. — Gairdner II, pag. 364.
Declaration (sobre las capitulaciones con el rey
catolico).
Doc. ined. pag. 371.
— 11. Februar. Der König an Nuno de Gomiel,
an den Grafen von Benavente,
an den Erzbischof Jimenes.
1. c. pag. 368.
484
Hofier.
Richmond, 12. Februar. Ankunft K. Heinrichs VII.
Narrative.
Windsor, 12. Februar. K. Philipp an die procuradores de cortes.
Doc. ined. pag. 374.
K. Johanna gibt ihren Consens zum Vertrage vom
9. Februar. Ratificirt 8. Mai.
Bergenroth, Cal. pag. 384, nr. 462.
— 13. Februar. K. Philipp an seine Gesandten in Rom.
Doc. ined. pag. 375. — Gairdner 1. c.
Richmond, 14. Februar. Ankunft K. Philipps.
Narrative pag. 553.
— 15. Februar. Concession in Betreff Suffolks.
— 18. Februar. K. Heinrich an Cardinal Adrian.
R. Brown, nr. 866.
— 22. Februar. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. ined. pag. 375. — Gairdner II, pag. 369.
— ? K. Philipp an Iv. James of Scotland.
Ankunft französischer Gesandten.
(Quirino, 27. März). — Gairdner II, pag. 211.
Falmouth, 23. Februar. Bericht Quirino’s.
Windsor, 1. März. Vollmacht K. Philipps in Betreff seiner
Schwester.
Cal. pag. 384.
Richmond, 2. März. Abreise K. Philipps nach der Abtei Reading.
Narrative. Lalaing.
Redin (Rcddich, Reading), 8. März. K. Philipp an K. Ferdinand.
Doc. ined. pag. 376.
Erkrankung des Königs.
Windsor, 10. März. K. Philipp an Francisco de Leon.
1. c.
Edinbonrg, 14. März. K. James an K. Philipp.
Gairdner I, pag. 201 (227).
Valladolid, 14. März. Ankunft K. Ferdinands.
Duenas, 16. März. Ankunft K. Ferdinands.
Falmouth, 17. März. Bericht Q.uirino’s über den König und
die Königin.
Exeter, 18. März. K. Philipp und Königin Johanna geben Voll
machten in Betreff der Vermählung Margarethens
von Savoyen.
Cal. pag. 385.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
485
Duenäs, 18. März. Vermählung K. Ferdinands mit Germaine
von Foix.
Windsor, 20. März. Vertrag wegen der Herzogin Margaretha.
Cnrita VI, f. 44, b. — Cal. nr. 455, 463—468.
Valladolid, 22. März. K. Ferdinand beschwört den französi
schen Vertrag.
Curita, VI, f. 45.
Malines, 23. März. A de Croy an K. Maximilian über die
Zusicherung vollständiger Verzeihung an Suffolk.
Cal. nr. 456. — Chmel nr. 189.
Perveyn (Falmouth), 26. März. Zusammenkunft K. Philipps und
der Königin. Die Flotte sammelt sich.
Quirino. Lalaing.
Duenas, 29. März. Die anjovinischen Barone Neapels schwören
K. Ferdinand Treue.
O'urita VI, c. 26.
Falmouth, 30. März. K. Philipp an den Marques de Villena.
Doc. ined. pag. 377.
K. Philipp an Philibert Naturelli.
Citirt bei Le Glay I, pag. 124.
Bericht Quirino’s.
— 1. April. Der König für Don Carlos de Pomar.
Doc. ined. 1. c.
— 4. April. Bericht Quirino’s.
— 5. April. K. Philipp für Pedro de Madariaga.
1. c. pag. 378.
K. Philipp für Juan de'Ariaga.
für Martin de Olaeta.
1. c.
— 6. April. Bericht Quirino’s. Suffolk in London.
K. Philipp für Ioanes de Landa.
1. e.
Greenwich, 9. April. Der Prinz von Wales an K. Philipp.
Cal. nr. 458. — Gairdner I, pag. 285.
Falmouth, 13. April. Bericht Quirino’s. Zwistigkeiten des Königs
und der Königin.
— 15. April. Ankunft eines Schiffes des Grafen von Miranda.
Quirino. Lalaing.
486
Hofier.
Falmouth, 16. April. Bericht Quirino’s. Absendung des Herrn
von Lachaux.
Blois, 17. April. Schreiben K. Ludwigs XII. an K. Heinrich.
Maquereau, pag. 16.
Falmoutli. Einschiffung des Königs.
— 17. April. Ausschiffung.
Roma, 18. April. Philibert Naturelli an K. Philipp.
Le Glay I, pag. 114.
Valladolid, 20. April. Abreise K. Ferdinands zum Empfange
seiner Kinder (nach Torquemada).
Galindez.
Richmond, 22. April. Prinzessin Katharina an K. Ferdinand
über ihr Elend.
Cal. m\ 459.
Falmouth, 23. April. Bericht Quirino’s. Neue Einschiffung.
An Bord, 24. und 25. April. Kriegsrath.
La Coruna, 26. April. Ankunft der Flotte. Bericht Quirino’s
a navi. Schreiben K. Philipps an K. Maximilian,
an K. Ferdinand.
Gacliard, Lettres inedites nr. 125. — Doc. ined. pag. 379.
Schreiben K. Philipps an die Herzoge von Medina
Sidonia, Bejar, Infantado, Najera, Marqueses de
Villena, Pliego, Astorga, Erzbischof von Santiago,
Garcilaso de la Vega.
1. c.
La Coruna, 27. April. Landung des Königs und der Königin.
Bericht Quirino’s. Misshelligkeiten mit Donna Juana.
Der König an die consejos, alcaldes etc. de Castilla.
1. c.
London, 30. April. Englisch-belgischer Handelstractat.
Cal. nr. 461.
— 1. Mai. Erklärung des Königs gegen Don Pedro de Ayala.
Burgos. Der Herr von Veyre an Herrn von Chievres.
Collection des voyages I, pag. 506.
La Coruna, 2. Mai. Bericht Quirino’s.
— 3. Mai. Ankunft des Grafen von Lerrnos und Don Dionys
de Portugal.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
487
Torquemada, 3. Mai (?). K. Ferdinand geht über Valladolid,
Palencia, Carrion, Sahagun, Mantilla iracli Astorga.
Schreiben an seine Kinder.
P. Mart. ep. 304.
La Coruna, 4. Mai. Bericht Quirino’s. Ankunft der Granden.
— 5. Mai. Der König an Cristorval Vasquez de Acuna, cor-
regidor de Galicia.
Der König an Prior y consnles de la universitad de
los mercadores de Burgos.
Der König an gobernador und alcaldes mayores de
Galicia.
Doc. ined. pag. 387.
— 7. Mai. Ankunft Andrea del Burgo’s.
Richmond, 8. Mai. K. Heinrich ratificirt die Verträge vom
9. Februar.
Cal. nr. 461, 462.
La Coruna. 8. Mai. K. Philipp zu Gunsten des Martin de Yancas.
Doc. ined. pag 1 . 302.
K. Philipp an die alcaldes mayores de Galicia. Be
richt Quirino’s. Ankunft eines Briefes K. Ferdinands.
— 10. Mai. Bericht Quirino’s.
— 11. Mai. Ankunft der Justizbeamten, des Herrn von
Lachaux (?).
Collection des voyages I, pag-. 507.
— 12. Mai. Ankunft Don Pedros M. de Anghiera (Angleria).
Ep. 306, 307.
— 13. Mai. Bericht Quirino’s.
Tours, 13. Mai. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 32.
Plessis-les-Tours, 14. Mai. Französische Erklärung Uber die
Verlobung des Herzogs Franz von Angouleme mit
Madame Claude.
Lettres de Louis XII, I, pag. 43.
La Coruna, 14. Mai. Kurze Audienz der Königin. K. Philipp
an K. Ferdinand. Er möge nicht hieher kommen.
— 15. Mai. Bericht Quirino’s.
488
Hofier.
La Coruna, 15. Mai. K. Philipp an den Herzog von Infantado,
an Don Puerto Carrero,
an den Erzbischof von Santiago.
Quittung für den Herzog von Medina Sidonia.
Doc. ined. pag. 384.
Astorga, 15. Mai. Ankunft K. Ferdinands.
P. Mart.
Ravanal, 16. Mai. Abreise K. Ferdinands auf dem Wege nach
Santiago.
P. Mart. Curita.
La Coruna. Berathungen der Granden und des Königs. Conseil.
Tours, 16. Mai. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 33.
La Coruna, 18. Mai. Der Graf von Haro und der König.
Mar. Sanuto VI, pag. 351, 357.
Molina bei Ponferrada, dann Villafranca. Aufenthalt K. Ferdi
nands.
Gomez, pag. 67.
Tours, 21. Mai. Verlobung des Herzogs Franz von Angouleme.
— 22. Mai. Heiratsvertrag.
Du Mont, IV, I, pag. 88.
— 24. Mai. Courteville an K. Philipp.
Negoe. nr. 35.
La Coruna, 25. Mai. Schreiben Quirino’s.
E. Brown, nr. 883.
— 27. Mai. Die Zusammenkunft mit K. Ferdinand in Leon
aufgegeben.
— 28. Mai. Aufbruch nach Betanzos und Santiago.
Curita II, f. 55, b.
Villafranca, 30. Mai. Ankunft Don Diego’s de Guevara.
Bericht vom 1. Juni. Curita II, f. 55.
Santiago, 30. Mai. Ankunft K. Philipps.
Lalaing.
— 31. Mai (Pfingsten). Schreiben Quirino’s. Die Königin
sperrt sich ein.
Villafranca, 1. Juni. Bericht Don Diego de Guevara’s an K.
Philipp über K. Ferdinand.
Collection des voyages I, pag. 510.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
489
Villafranca, 2. Juni. Zweiter Bericht desselben.
Plessis-les-Tours, 2. Juni. K. Ludwig an K. Philipp.
Negoc. nr. 36.
Credenz für den Bischof von Rieux.
Villafranca, 2. Juni. K. Ferdinand an K. Philipp. Absendung
des Erzbischofs von Toledo.
(Nach Qurita II, f. 56.)
Santiago de Compostella, 3. Juni. Abreise K. Philipps.
— 4. Juni. Instruction für Don Diego de Guevara.
Collection des voyages I, pag. 517.
St.-Troud, 6. Juni. Vertrag des Prinzen von Chimay mit Robert
de la Mark.
Lettres I, pag. 37.
Ravenal, 6. Juni. Don Diego de Guevara an K. Philipp.
Collection des voyages I, pag. 519.
Leriz, 6. Juni. K. Philipp an Don Diego de Guevara.
1. c. pag. 521.
Orense, G, 7. Juni. Nach Gomez pridie sacramentalium (10. Juni.)
Ankunft des Königs und des Erzbischofs Jimenes.
K. Philipp an Don Diego.
Collection des voyages I, pag. 522, 523.
Roma, 7. Juni. Philibert Naturelli an K. Philipp.
1. c. pag. 523.
Baneza, 7. Juni. K. Ferdinand geht über Villafranca dahin.
1. c. nr. XXXIII. — Qurita II, f. 58.
Schreiben K. Ferdinands an Erzbischof Jimenes.
gurita II, f. 59.
Orense, 8. Juni. Verzeichniss der Officiere K. Philipps.
Collection des voyages nr. XXI.
— 9. Juni. Bericht Quirino’s. K- Philipp an Don Diego de
Guevara.
1. c. nr. XXIII.
Matilla, 9. Juni. Aufenthalt K. Ferdinands. Don Diego de
Guevara an K. Philipp.
1. c. nr. XXII, pag. 533.
Verdenoza, 10. Juni. Don Diego de Guevara an K. Philipp.
1. c. nr. XXIV.
490
Hofier.
Verdenoza, 11. Juni. Frohnleichnam. (K. Ferdinand bleibt in
Verdenoza.)
Allariz südlicli von Orense, 10. Juni. Schreiben K. Philipps an
K. Ferdinand.
Collection des voyages nr. XXVI, pag. 537.
— 12. Juni. K. Philipp an Don Diego.
1. e. nr. XXVI.
Villa del Rey, zwischen Orense und Monterey, 12. Juni. Streit
der Galicianer mit den Deutschen.
Lalaing.
S a . Marta-de-Tera, 12. Juni. Don Diego de Guevara an K.
Philipp.
Collection des voyages nr. XXVII.
Rio negro, 13. Juni. Ankunft K. Ferdinands.
K. Ferdinand an seine Gesandten.
Bergenroth, Suppl. nr. 9.
Monterey vor Verin, 13. Juni. Ankunft des Herzogs von
Infantado bei K. Philipp.
Verin, 13. Juni. K. Philipp schickt zwei Bevollmächtigte nach
Rio negro.
Qurita II, f. 61.
Rio negro, 14. Juni. Don Diego de Guevara an K. Philipp.
Collection des voyages nr. XXVIII, XXIX.
Glasgow, 14. Juni. Joh. Vyessen überbringt dem K. James of
Scotland ein Schreiben Karls von Egmont.
Antwort auf dasselbe.
Gairdner II, pag. 192.
Nellasa, 14. Juni. Ankunft K. Philipps.
Qu.rita II, f. 62.
Rio negro, 15. Juni. K. Ferdinand geht nach Asturianos, nörd
lich von la Puebla de Senabria.
Asturianos, 15. Juni. Don Diego an K. Philipp.
Collection des voyages nr. XXX.
Tours, 16., 17. Juni. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. XXXVII.
Villavieja, 16. Juni. Nachtquartier K. Philipps.
Der Condestable und Herzog Alba zu K. Philipp.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
491
Santigoso, 16. Juni. Ankunft des Erzbischofs Jimenes.
Neustadt, (?) Juni. K. Max an K. Philipp.
Collection des voyages I, nr. XIII, pag. 509.
Puebla de Senabria, 17. Juni. Schreiben Quirino’s.
— 18. Juni. Ankunft K. Philipps. Schreiben Quirino’s.
— 19. Juni. König Philipp sendet Don Juan Manuel nach
Asturianos zu K. Ferdinand.
Asturianos,' 19. Juni. Aufenthalt K. Ferdinands.
Anvers, 19. Juni. G. de Croy an K. Maximilian.
Chrael nr. 190.
Remessal, 20. Juni. Erste Zusammenkunft der Könige.
(Abend.) Schreiben K. Philipps an K. Ferdinand.
Curita II, f. 65.
S. Marta, 21. Juni. K. Ferdinand an den gran capitan.
1. c.
Auftrag an den Erzbischof von Saragossa.
1. c.
Villafafila, 23. Juni. Aufenthalt K. Ferdinands.
Malines, 23. Juni. G. de Croy an K. Maximilian.
Cal. nr. 469. — Ckmel. nr. 191.
Benaventc, 23. Juni. Ankunft K. Philipps.
— 24. Juni. Feier des Johannistages.
— 25. Juni. Bericht Quirino’s. K. Philipp an Courteville.
Citirt pag. 148 (Negoe.).
Villafafila, 26. Juni. Abschluss der Convention.
Tours, 27. Juni. K. Ludwig XII. an K. Philipp.
Citirt Negoc. I, nr. 39.
Villafafila, 27. Juni. Capitulacion y concordia.
Bergenrotli, nr. 11.
K. Ferdinand verliert Castilien.
Tratado adicional.
K. Ferdinand an Dr. Puebla.
Cal. nr. 472.
Geheime Reclamation K. Ferdinands.
Bergenrotli, nr. 12.
Benavente, 27. Juni. Bericht Quirino’s.
492
Hofier.
Tordesillas, (28.) Juni. K. Ferdinand geht von Villafafila nach
Tordesillas.
Roma, 28. Juni. Philibert Naturelli an K. Philipp.
Collection des voyages nr. XXXII.
Benavente, 28. Juni. Erklärung K. Philipps über den Vertrag
von Villafafila.
Curita I, f. 60.
Fluchtversuch der Königin.
Tours, 29. Juni. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 38, 39.
Benavente. Schreiben Quirino’s.
— 30. Juni. K. Philipp an den Cardinal von Rouen.
N6goc. nr. 40.
K. Philipp an K. Ludwig.
1. c. nr. 40.
K. Philipp an Herrn von Chievres.
Collection des voyages nr. XXXII.
K. Philipp an Jean de Courteville.
1. c. nr. XXXIII.
Tordesillas, 1. Juli. Instruction K. Ferdinands an seine Bot
schafter (Gonzalo Ruis de Figueroa).
Bei £urita II, f. 68. Wiederholt in Doc. ined. VIII,
pag. 385. — Cal. nr. 472.
Tours, 2. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 41.
— 4. Juli. Ankunft des aragonesischen Gesandten.
Negoc. pag. 112.
Muzientes bei Valladolid, 4. Juli. Schreiben Quirino’s. Be
nehmen der Königin. Verhandlungen mit den Cortes.
Alcocer pag. 13.
K. Philipp an K. Maximilian.
Collection des voyages nr. XXXV.
K. Philipp an K. Ludwig XII.
s. d. Lettres I, pag. 55. Qurita II, f. 73. Mein. 1, 2.
Lettres I, pag. 60, 63.
Aldea de Tudela. Aufenthalt K. Ferdinands.
(Jurita 1. c.
Tours, 5. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 43.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
493
Valladolid, 5. Juli. Abreise der Königin Grermaine.
ßenedo, 5. Juli. Letzte Zusammenkunft der Könige.
Alcocer pag. 76.
Muzientes, 6. Juli. Die Königin lässt sich schwören.
Tudela, 6. Juli. Abzug K. Ferdinands aus Castilien.
Qurita II, f. 73. P. Mart., Ep. 310. Alcocer.
Valladolid, 7. Juli. Bericht Quirino’s.
Richmond, 7. Jidi. K. Heinrich an Herrn von Chievres.
Or. im k. k. Hausarchiv.
Edinburgh, 8. Juli. K..James an Karl von Egmont.
Or. im geh. Hausarchiv.
Valladolid, 9. Juli. Ankunft des Bischofs von Rieux.
Gairdner II, pag. 206.
Tours, 10. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 43.
Malines, 11. Juli. G. de Croy an K. Maximilian.
Chmel, nr. 192.
Valladolid, 11. Juli. Bericht Quirino’s.
— 12. Juli. Huldigung der Cortes durch Ueberraschung.
gurita II, f. 76.
— 13. Juli. Floimon d’Egmont, Herr von Ysselstein, be
schwört den Ehevertrag der Prinzessin Margarethe.
Cal. nr.. 473.
Hareza, 13. Juli. Ankunft K. Ferdinands.
Cetina, 14. Juli. Ankunft K. Ferdinands.
Valladolid, 16. Juli. Bericht Quirino’s.
K. Philipp ratificirt den Ehevertrag seiner Schwester.
Cal. nr. 473, 474.
Tours, 18. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 44.
Valladolid, 19. Juli. Audienz des Bischofs von Rieux.
Lalaing, pag. 445.
— 20. Juli. K. Philipp an K. Ludwig XII.
Lettres de Louis XII, pag.' 54.
Wien, 20. Juli. K. Max an K. Heinrich VII.
Lettres in<5d. nr. 126. Cal. nr. 475. Chmel. nr. 193.
Geh. Hausarchiv.
Sitzungsber. d. pliil.-kist. CI. CIV. Ba. II. Hft.
32
Tours, 21. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 45.
Valladolid, 22. Juli. Schreiben K. Philipps an Courteville.
Negoc. nr. 28.
Tours, 23. Juli. Courteville an K. Philipp.
1. c. nr. 46.
Valladolid, 24. Juli. K. Philipp an Cardinal d’Amboise.
Lettres de Louis XII, pag. 56. Copie im gell. Haüsärchiv.
Schreiben K. Maximilians.
Lalaing, pag. 447.
Tours, 26. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 47.
Valladolid, 27. Juli. Verabschiedung Quirino’s.
Saragossa, 29. Juli. Instruction K. Ferdinands für Luis Ferrer.
Weiss I, nr. 13.
Tours, 30. Juli. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 48. M4m. Lettres de Louis XII, I, pag. 60, 63.
Pont de Vaux. Jehan de Sauvaige an K. Max. Die Herzogin
weist die Vermählung mit K. Heinrich zurück.
Chmel, nr. 194. Cal. nr. 476. Geh. Hausarchiv.
Valladolid, 1. August. Bericht Quirino’s.
K. Philipp geht nach Segovia.
Lalaing pag. 418.
Tours, August. Der Cardinal von Amboise an K. Philipp.
Lettres I, pag. 58.
Cogeles. Widerstand der Königin.
Tours, 1. August. Courteville an Herrn von Chievres über die
drohende Gefahr.
Copie im geh. Hausarchiv.
Valladolid, 2. August. Verabschiedung Quirino’s.
Greenwich, 6. August. K. Heinrich an K. Maximilian.'
1. c.
Namur, 6. August. G. de Croy an K. Maximilian.
Chmel, nr. 195.
Tours, 7. August. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 49.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
495
Yillers Sexei, 8. August. Ulrich Graf von Montfort an König
Maximilian.
Climel, nr. 196.
Sutfen, 9. August. Karl von Egmont an K. Heinrich VII.
Gairdner II, pag. 104.
Wainsted, 12. August K. Heinrich an K. Ludwig.
Lettres I, pag. 78.
K. Heinrich an Francis Marsin.
1. c. (Instruction Mr. Francois Marezen. Geh. Hausarchiv.)
K. Heinrich an K. Max.
Gachard, Lettres nr. 126.
Tudela, 13. August. K. Philipp an Courteville.
Negoc. nr. 52. Citirt.
— 14. August. K. Philipp an K. Ludwig.
Negoc. nr. 53. Citirt.
Namur, 16. August. Mr. de Croy an K. Philipp.
Lettres I, pag. 67.
Tours, 16. August. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 50.
Greenwich, 19. August. K. Heinrich an K. Maximilian.
Chmel, nr. 197.
Tours, 21. August. Courteville an K. Philipp.
N6goc. nr. 52.
Malines, 22. August. Versammlung der allgemeinen Stände.
Henne I, pag. 118.
Valladolid, 28. August. Juan Lopez an K. Ferdinand.
Cal. nr. 484.
Blois, 31. August. K. Ludwig an K. Heinrich VII.
Cal. nr. 485. Gairdner I, pag. 289.
Tudela, 1. September. (?) Aufenthalt K. Philipps.
Lalaing.
Valladolid, 1. September. (?) Die Königin wird durch List zum
Eintritte bewogen.
Gomez, pag. 74.
K. Philipp lässt seinen Sohn kommen.
Lalaing, pag. 449. Qurita II, f. 83.
Blois, 1. September. Courteville an den. König.
Ndgoc. nr. 53.
32*
496
S ö f 1 er.
Burgos, 7. September. Ankunft des Königs und der Königin.
Gomez, pag. 75.
Franc. Marsan an G. de Croy.
Lettres I, pag. 87.
Edinburgh, 8. September. K. James an Karl von Egmont.
Gairdner I, pag. 203.
Bois-le-duc, 8., 9. September. Gr. de Croy an K. Maximilian.
Chmel, nr. 198, 199.
Malines, 9. September. Charles de Croy an K. Maximilian über
seine Enkel.
Or. im geh. Hausarchive.
Celeye (Cilly), 14. September. K. Maximilian an K. Heinrich.
Cal. nr. 488. Gairdner X, pag. 301.
Blois. Courteville an K. Philipp.
Negoc. nr. 54.
Blois, 15. September. Ebenso.
1. c. nr. 55.
Guildford, 16. September. K. Heinrich an K. Philipp.
Cal. nr. 488. Gairdner I, pag. 294.
Burgos, 16. September. Erkrankung des Königs.
— 17. September. Franc. Marezen an Herrn von Chievres.
Lettres I, pag. 57.
— 18. September. K. Philipp an den Conseil in Malines.
Letztes Schreiben.
Cit. 7. October.
Pettau, 19. September. K. Maximilian an K. Heinrich.
Gairdner I, pag. 304.
Burgos, 22. September. Absendung der Ratification des Ehe
vertrages der Herzogin Margaretha.
Cal. nr. 491.
Blois, 23. September. Courteville an den König.
Negoc. nr. 56.
Gretl, (Gratz?) 24. September. K. Maximilian an K. Heinrich.
Cal. nr. 490. Gairdner I, pag. 305.
Burgos, 24. September. Erklärung der Granden.
Qurita II, f. 81.
— 25. September. Tod K. Philipps.
Malines, 4. October. Der Conseil an die Gouverneure. Nach
richt der Erkrankung und des Todes.
Collection des voyages I, nr. XXXVI.
Lalaing, Quirino und Guevara über Ii. Philipp I.
497
Diese Zusammenstellung hat aber nicht blos die Absicht,
ein Itinerar K. Philipps zu entwerfen und dadurch einen sichern
chronologischen Anhaltspunkt zu gewinnen, sondern vor Allem
übersichtlich die Mühseligkeit nachzuweisen, unter welcher die
Begründung des habsburgischen Königthums in Spanien erfolgte.
Wenn aber beständig das ,tu felix Austria nube‘ gebraucht wird,
so muss dagegen erwähnt werden, dass die spanische Heirat
dem Habsburger das Leben nicht blos vergiftete, sondern auch
geradezu kostete. Und in dieser Beziehung bedauere ich un-
gemein, dass zwingende Verhältnisse es mir bisher nicht ge
statteten, den Codex Qüirino’s im vollen authentischen Texte
vorzulegen. Welch’ sonderbaren Charakter Donna Juana besass,
geht aus den Andeutungen über die Strenge hervor, die die
Königin Donna Isabel ihr gegenüber anzuwenden für noth-
wendig fand. Als sie den Prinzen, ihren Gemahl, heiratete,
brach sie alle Verbindung mit ihren spanischen Bekannten ab;
er scheint der Inbegriff ihres Lebens geworden zu sein. Die
Königin fühlte sich bewogen, den Subprior von Santa Cruz nach
Flandern zu senden, ihr genaue Nachrichten über ihre Tochter
zu verschaffen (1498). Bergenroth hat das Verdienst, die Be
richte bekannt gemacht zu haben, die der Mönch nach Hause
sandte, sowie das Schreiben des Bruders Andreas an die Prin
zessin. Der Subprior berichtete am 15. Januar 1499, er habe
Letzterer gesagt, sie besitze ein hartes und rauhes Herz ohne
alle Pietät (que tenia liun corazon duro y crudo sin ninguna
piedad como es verdad, Suppl. Queen Juana pag. 54). Wie
eigenthümlich sie war, geht auch aus der Geburt des Prinzen
Karl von Luxemburg hervor (Karls V.), des Zweitgeborenen unter
ihren Kindern. Obwohl ihr von der Geburt der Prinzessin
Leonore doch bekannt war, wie es bei Entbindungen zugehe,
liess sie sich in einer grossen Abendgesellschaft von den Wehen
überraschen imd begab sich plötzlich in ein Gemach, das für
ganz andere Dinge bestimmt war, wo sie längere Zeit verweilte,
bis ihre Frauen endlich unruhig wurden, ihr nachfolgten und sich
überzeugten, der sehnsuchtsvoll erwartete Enkel K. Maximilians,
auf welchem die Erhaltung des Kaiserhauses beruhte, sei an
diesem sehr unköniglichen Orte zur Welt gekommen. Donna
Juana war, wie Petrus Martyr, der sie so genau kannte, richtig
bezeichnete, eine einfältige Frau und, wie alle dieser Art,
498
Hofier.
unendlich schwer zu behandeln. Bei Alledem ging es noch in
den nächsten Jahren. Es ist unwahr, dass der Prinz sie in
Spanien verlassen wollte. Wir' wissen jetzt sehr genau, dass
die Absicht Philipps darin bestand, unmittelbar nach der Hul
digung in Saragossa mit seiner Gemahlin die Heimreise anzu
treten, jedoch die Krankheit der Königin Isabella diesen Plan
scheitern machte und der Prinz am 19. December 1502 allein
die Heimreise antrat, da die Schwangerschaft der Prinzessin
dieser nicht gestattete, ihren Gemahl — noch dazu bei dem
strengen Winter 1502-—1503 ■—• zu begleiten. Ob das bei dieser
Gelegenheit stattgehabte Benehmen der königlichen Eltern, die
der Prinzessin ihren Beistand zusagten, im Widerstreben gegen
den Beschluss ihres Gemahles, nach den Niederlanden zurück
zukehren, klug war und eine freundliche Stellung der beiden
Gatten zu einander befördern konnte, mag dahingestellt bleiben.
Es ist dies nicht der einzige Fehler, welcher von dieser Seite
aus geschah. Die beiden Gatten sahen sich das ganze Jahr 1503
nicht. Der Erzherzog lag todkrank und von den Aerzten auf
gegeben in der Abtei Aisney bei Lyon (Mai 1503), die Erz
herzogin hatte im März 1503 zu Alcala den Prinzen Ferdinand
geboren, der die ersten 14 Jahre seines Lebens Spanien nicht
verliess, und als das Jahr 1504 kam, waren beide Gatten noch
nicht vereinigt. In der Zwischenzeit war die entsetzliche Scene
im Schlosse von Medina dol Campo erfolgt, wo die Prinzessin
Knall und Fall davoneilen wollte und von dem Castellan, der
Königin, dem Erbischof von Toledo, dem Könige mit Gewalt
zurückgehalten wurde und wobei Donna Isabella die Wuth
ausbrüche ihrer Tochter in nächster Nähe und ihrem ganzen
Umfange nach kennen lernte. Es scheint dies im Leben
Donna Juana’s der entscheidende Moment gewesen zu sein
(November 1503). Hatte die Königin bis dahin absichtlich
die Heimkehr ihrer Tochter verzögert, so btisste sie schreck
lich durch den Anblick der afrikanischen Löwin, wie Don
Pedro de Anghiera die Prinzessin bezeichnete, und musste sie
sich die peinliche Frage aufwerfen, ob in die Hände einer
Unsinnigen das Geschick ihrer Königreiche gelegt werden
dürfe? Allein die Scene, welche Donna Juana in Medina del
Campo aufgeführt hatte, war eine Kleinigkeit gegen diejenigen,
die sie bei ihrer Heimkehr in Flandern (Sommer 1504) zum
!J2L! . 'Ar.—
Lalaing, Quirino und Guevani über K. Philipp I. 499
Besten gab. Die Misshandlung einer blonden Niederländerin (?),
welche im Verdachte stand, die Geliebte ihres Gemahles, des
Prinzen zu sein, war ein Act, dessen Wildheit noch die Scene
von Medina del Campo übertraf. Er zwang den Prinzen, ein
Tagebuch aller ihrer Extravaganzen anlegen zu lassen, das ei
sernen Schwiegereltern übersandte und welches nach dem Tode
der Königin Isabella den Cortes von Toro durch den eigenen
Vater vorgelegt wurde — wenn auch als Staatsgeheimnis, um
durch sie nicht blos die Würde eines gobernadors uud admi-
nistradors, sondern auch eines curadors zu erhalten. Dass Donna
Juana regierungsunfähig sei, wurde damals nicht durch den
Prinzen, welcher die Belege an die Schwiegereltern sandte,
sondern durch die sterbende Mutter (1504) und ihren eigenen
Vater erhärtet (1505). Seit dem Anfänge dieses Jahres durch
kreuzen sich nun die Intriguen K. Ferdinands, der Alleinherr
von Castilien werden wollte, mit den Tollheiten der nunmehrigen
Königin Johanna, die einen blinden Hass gegen Alles, was
niederländisch ist, in sich nährt. Sie macht sich hinter dem
Rücken des Königs, ihres Gemahls, zum Werkzeuge der
geheimen Pläne ihres Vaters und arbeitet bei der Intrigue
des Lope de Conchillos, ihres spanischen Secretärs, an der
Beseitigung ihres Gemahls als König von Castilien. Diese An
gelegenheit darf man freilich nicht, wie es geschehen, nur nach
Alvaro Gomez auffassen. Als aber dieser Plan aufkam und
Lope deshalb in das Gefängniss gesetzt wurde, war der König,
um seine ganze Stellung besorgt, in vollem Rechte, wenn er
Massregeln traf, durch welche eine Wiederkehr der beinahe
nur zufällig entdeckten Intrigue vereitelt wurde. Da entlicss
die Königin mit einem Male ihren ganzen niederländischen Hof
staat, liess Niemanden zu sich, während der König nun auch
nicht duldete, dass der Graf von Haro, Botschafter König-
Ferdinands, mit ihr verkehre und ihr Briefe ihres Vaters bringe,
deren Inhalt der König nicht kannte. Hier treten nun neben
den sehr interessanten cartas de Don Felipe — Schreiben der
Königin an Herrn von Veyre vom 9. Mai 1505 und des Königs
an den comendador Mojica, welchen die Königin entlassen hatte,
vom 30. Juli 1505 — nos vos mandamos que no hagais mudanza
alguna y queremos determinadamente que asi lo hagais, todas
cosas dejadas — die Depeschen Quirino’s massgebend ein. Ihm
500
Höflcr.
verdanken wir die genaue Kenntniss dieser Vorgänge, die den
römischen König veranlassten, im Sommer 1505 nach Brüssel
zu gehen, um zu versuchen, ob er seine Schwiegertochter, die
sich übrigens wieder in gesegneten Umständen befand, durch
Turniere und Festlichkeiten zu erheitern vermöge. Sie stellte
sich jedoch ganz auf Seite ihres Vaters und hatte selbst gegen
dessen zweite Heirat nichts einzuwenden, obwohl diese geradezu
eine Schmach war, die K. Ferdinand dem Andenken ihrer
Mutter zufügte, und ein entschiedener Eintrag in die Hechte
ihres Sohnes Don Carlos als präsumtiven Thronerben von Ge-'
sammtspanien.
War schon in Flandern der Zustand der Dinge geradezu
unerträglich geworden, so wurde derselbe noch vermehrt, als
es sich für die Reise nach Spanien, wo die Königin in der
Weise ihrer Mutter Hof zu halten hatte, um die Begründung
eines neuen Hofstaates handelte, die Königin nicht blos sich
derselben geradezu widersetzte — die Damen, die wider ihren
Willen nach la Coruna gefolgt waren, von da aus zurücksandte
— sondern auch die für den König schimpflichsten Motive
angab. Es war für sie gleichgiltig, ob sie sich auf dem Boden
des Herzogthums Burgund, oder als Gast des Königs von Eng
land in letzterem Lande befand, oder auf heimischer Erde
in Castilicn, ihr Benehmen war überall das gleiche, würdelose
und die Ehre ihres Gemahls verletzende. Der Auftritt, den
sie in Richmond machte, war so arg, dass er Gegenstand der
Berathung des englischen geheimen Rathes wurde, und erneute
sich in Falmouth, wo die Königin aus Trotz in der Charwoche
ihr Gemach nicht verliess, und führte endlich dazu, dass sie
ohne ein anständiges Gefolge, nur von ein paar Sclavinen und
ihrer Kammerfrau begleitet, die als Wäscherin gedient zu haben
scheint, den Boden Spaniens betrat, sich in ihr dunkles Ge
mach einschloss und, das Kinn auf die rechte Hand gestützt,
vor sich hinstarrte. Die Spanier hofften, das Abbild der Königin
Isabclla zu begrüssen und bekamen ihre neue Königin beinahe
nicht zu sehen. Es hiess, sie sei eine Gefangene, der König
schleppe sie wider ihren Willen mit sich, es sei nothwendig,
sie zu befreien, während sie an dem Satze festhielt, kein Flan-
derer dürfe über Castilien herrschen und eben deshalb auch
nicht die Frau eines Flanderers. Sie sprach sich, ihrem
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
501
Gemahle, ihren Kindern das Königthum ab und wollte dann doch
wieder die Huldigung der Cortes empfangen! Man musste be
sorgen, dass eine Entführung stattfinde; die Königin liess es an
Fluchtversuchen nicht fehlen, Iv. Ferdinand nicht an offener
Aufreizung, jede Annäherung des Vaters und der Tochter
musste sorgfältig vermieden werden, da sicher Donna Juana
bereit war,, alle ihre Anrechte auf Castilien dem Gremahle der
Germaine von Foix abzutreten, und die Castilianer, welche König
Ferdinand nicht als ihren Herrn anerkennen wollten, seiner
Tochter als ihrer rechtmässigen Herrin zu gehorchen bereit
waren. Nur Quirino hat uns über die Vorgänge im Hoch
sommer 1506 genaue Kenntniss gegeben. Als bereits König-
Ferdinand auf seine Würde als König von Castilien Verzicht
geleistet, die grösste Niederlage erlitten, die ihm je zu Theil
geworden war, und nun, seine zweite Heirat verwünschend, da
sie einen Ausgleich unmöglich gemacht, nach Aragon gezogen
war, entstand erst noch in Muzientes die schwierigste Frage
der Auseinandersetzung der Rechte Donna Juanas und ihres
Gemahls. Es war nichts Geringeres als Alles in Frage gestellt,
als Donna Juana die Cortes nach Toledo beorderte, um sich
dort huldigen zu lassen. K. Philipp war factisch beseitigt, bis
zur Verzweiflung gebracht, die Opposition des Almirante gegen
ein Vorgehen gegen Königin Johanna bereits ein Denkzeichen,
was der König von den Castilianern zu erwarten habe, als es
Philipp noch gelang, den Sturm, der sich wider ihn gekehrt
hatte, zu bewältigen. Was aber nicht mehr zu bewältigen war,
war der physische und psychische Rückschlag unaufhörlicher
Aufregungen im häuslichen Kreise, die ununterbrochene Gefahr,
welche ihm von der Seite drohte, wo der Mann am ehesten
auf Unterstützung hofft, von der Mutter seiner Kinder, von
der eigenen Gattin, welche erst, nachdem die steten Reibungen
seine Kraft gebrochen hatten, der Grösse ihres Verlustes be
wusst ward und nun den Kranken pflegte, dem Sterbenden
zur Seite stand und dem Verstorbenen einen Cultus widmete,
der die Grösse ihres Schmerzes ebenso bewies, als die Un
fähigkeit, ihn zu bemcistern und ihrer Pflichten als Mutter und
Fürstin zu gedenken. Die Depeschen Quirino’s beweisen, dass
der Wahnsinn der Königin sich zunächst gegen ihren Gemahl
gerichtet hatte und dieser das Opfer ihrer Masslosigkeiten wurde.
Jetzt hätte sie ihn freilich gern tausendmal in das Leben
zurückgerufen. Die castilianische Heirat brachte dem ersten
liabsburgischen König Castiliens einen frühen und bejammerns-
werthen Tod.
Vergeblich sieht man sich in der Geschichte nach einem
parallelen Ereignisse um, in welchem häusliches Leid so -mass
gebend hervortritt, als bei dem Begründer der habsburgischen
Macht in Spanien. Nicht leicht wird sich so Schritt für Schritt
das Unheil nachweisen lassen, als dieses durch die Depeschen
Quirino’s möglich ist.
Am 26. April 1506 war die Königsreise begonnen worden,
als die Flotte vor la Coruna erschien. Am 26. September lag
die Königsleiche bereits aufgebahrt im Palaste des Condestable.
von Castilien. Es war aus der Königsreise eine Gräberfahrt
geworden.
Dies mag vorderhand genügen, sowohl den Werth der
neuen Quelle zu bethätigen, als das bisherige Urtheil über
K. Philipp zu ratificiren.
Es sei mir gestattet, noch einmal'auf Don Diego de
Guevara zurückzukommen.
Abgesehen von dem Umstande, dass wir Don Diego schon
einmal begegneten, da ihm das Unglück zustiess, dass sein
Schiff bei dem grossen Sturme im Januar 1506 scheiterte, tritt
seine Persönlichkeit auch in dem kritischen Momente hervor,
als der König in Burgos schon mit dem Tode rang. Schon
früher hatte man sich bemüht, den Infanten Don Fernando,
Bruder Herzog Karls, der Aufsicht des Don Pero Nuncz de
Guzman, Clavero de Calatrava, in Simaneas su entreissen, wo
er in den Häusern der Mutter des Almirante erzogen wurde,
während das Schloss im Namen des Herrn von Lachaux von
dem Escudero Diego de Cuellar gehalten wurde. Als Don Pero
Nunez durch seinen Bruder, den Bischof von Catania am Todes
tage des Königs ein Schreiben aus Valladolid erhielt, dass der
selbe mit dem Tode ringe, traf er Anstalten, eine etwa geplante
Entführung des Infanten zu verhindern, liess deshalb die Thore
von Simaneas schliessen und die Stadt in Vertheidigungszustand
setzen, Alles im Dienste der Königin. Am darauffolgenden Tage
kamen Don Diego de Guevara und Felipe de Ala, begleitet von
dreissig Bogenschützen zu Pferde, nach Simaneas. Der Clavero,
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
503
wie man Don Pero Nunez nannte, gestattete jedoch nur den beiden,
die im Aufträge des Königs gekommen zu sein erklärten, den
Eintritt in die Stadt, worauf diese ein Schreiben des Königs
vom 24. September mit dem Bemerken vorzeigten, der König
befinde, sieb wohl, und der Clavero habe sogleich den Infanten
in die Festung zu bringen, d. h. doch wohl Diego de Cuellar
zu übergeben. Da aber der clavero die sicherste Nachricht
über das Uebelbefinden des Königs besass, so zögerte er um
so mehr, den beiden Abgesandten Antwort zu geben, als er
bereits seinem Bruder nach Valladolid geschrieben batte, er
möge den Uditoren der königlichen Cancelleria die Gefahr des
Infanten schildern und deshalb ihm Verbaltungsbefehle zu
kommen lassen. Das geschah denn nun auch mit solcher Schnellig
keit, dass noch vor Anbruch der Nacht der Bischof und die
Uditoren mit den Regidoren von Valladolid und zahlreichen
Caballeros, Reiterei und Fussvolk nach Simancas rückten. Unter
dessen hatten Don Diego und Felipe de Ala bei Don Pero
Nuiiez auf rasche Antwort gedrungen, dieser aber ein Protokoll
über ihr Begehren aufnehmen lassen, ihnen die Festung sammt
dem Infanten zu übergeben. Der Clavero zögerte aber noch
immer mit der Ausführung des Befehles, bis die Nachricht vom
Tode des Königs eingelaufen war, worauf er sie ihnen vor Zeugen
mittheilte und zu Protokoll nehmen liess. Don Diego und Fe
lipe begehrten auf dieses, der Clavero möge sie über Nacht in
Simancas belassen, da sie einen Aufstand des Volkes befürch
teten. Es zeigte sich nämlich, dass das königliche Schreiben,
welches sie mitgebracht, unmöglich die feste Unterschrift des
Königs haben konnte, der den Tag vor seinem Ende nicht
mehr unterschreiben, ja kaum sprechen konnte; 1 die Unter
schrift war aber derart, dass sie nicht von einem Kranken
herrühren mochte. Die Folge dieses seinem Ursprünge nach
unaufgeklärten Ereignisses war, dass die Uditoren beschlossen,
den Infanton zu grösserer Sicherheit nach Valladolid zu bringen.
Der Bischof von Catania nahm ihn in seine Arme, worauf unter
der gehörigen Begleitung der vierjährige Knabe bis an die
Brücke der Pisuerda gebracht wurde, wo seiner die Regidoren
warteten, von denen er erst in den Palast der Cancelleria, dann
1 pero a penas liablava. Cürita II, f. 85.
504
Höf 1 er.
cles Conde de Ribadeo, und als man erfuhr, dass einige Gr ran den
sich seiner bemächtigen wollten, in das ,Colegio de San
Gregorio* gebracht wurde. Jetzt verlangten Don Diego und Fe
lipe de Ala von den Regidoren, dass das königliche Schreiben
in Ausführung gebracht werde. Sie erwiderten, dass sie nichts
Anderes wüssten, als dass die Königin Isabella die Sorge um
den Infanten dem Clavero übergeben, K. Ferdinand dieses be
stätigt, K. Philipp das Gleiche gethan und dem Infanten Si-
mancas angewiesen habe. Jetzt sei auf Bitten des Clavero der
Infant nach Valladolid gebracht worden. Das Schreiben sei
aber nicht an sie, sondern an den Clavero gerichtet, sie könnten
sich also nicht damit befassen.
Curita, dem wir diesen Bericht verdanken, erwähnt, dass
die Absicht vorhanden gewesen sei, den Infanten nach Flandern
zu bringen, und ganz Castilien sich freute, als dieser Plan
scheiterte. Allein es ist doch mehr wie imwahrscheinlich, dass
die castilianischen Granden, welche den Infanten in ihre Hände
zu bringen suchten — und deshalb wohl sieh Don Diegos be
dienten — dazu ihre Zustimmung gegeben hätten, so wenig als
der Clavero, der nach dem königlichen Schreiben in der Burg
von Simancas mit dem Infanten hätte verweilen sollen. — Bis
nicht weitere Documente aufgefunden werden, bleibt, was eigent
lich im Hintergründe der Sache lag, unaufgeklärt. Ich glaubte
deshalb diese Angelegenheit hier zur Sprache bringen zu dürfen.
Die Schilderungen, welche Zeitgenossen von K. Philipp
entwerfen, stimmen bis zum Wortlaute überein. Der Spanier
Don Lorenzo de Padilla und der Venctianer Dr. Vincenzo Quirino
rühmen seine Herablassung und Leutseligkeit, seine Herzens
güte, seinen persönlichen Muth, seine Freigebigkeit und den
hohen Sinn, der ihn beseelte, die Redlichkeit seines Wesens,
das Festhalten am gegebenen Worte, die Leichtigkeit der Auf
fassung und den grossen Verstand; er habe zu sehr sich auf
den Rath der Seinigen verlassen, schreibt Quirino, war nicht
schlagfertig im Reden und schwerfällig im Entschlüsse. Padilla
schreibt ihm eine besondere Vorliebe für den Umgang mit
Frauen zu, von denen er aber sich ebenso leicht wieder weg
wandte. Wie Beide gebraucht auch Don Pedro de Anghiera
den Ausdruck, er sei von sanfter, guter und grossartiger Natur; 1
Ep. 305.
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
505
Padilla beschreibt ihn als gross und stark, mit freundlichem
Gesichtsausdrucke, 1 schönen und sanften Augen, die Zähne etwas
angegriffen, das Gesicht roth und weiss, die Hände sehr gross
und weiss, die Nägel schöner als bei irgend Jemandem; in
allen Leibesübungen Meister, vorzüglicher Reiter, Jäger und
Ballspieler, beinahe mehr als sich ziemte, herablassend. Von
Nase und Lippe schweigt die Beschreibung. Die Abbildungen
aber, die namentlich in der Ambraser-Sammlung, freilich aus
sehr jungen Jahren, von ihm vorhanden sind, machen nicht
klar, warum er den Beinamen el hermoso, der Schöne, erlangte.
Er scheint mehr dem allgemeinen Ausdrucke der Zierlichkeit
in Verbindung mit jugendlicher Kraft gegolten zu haben, als
der Regelmässigkeit und besonderen Schönheit der einzelnen
Theile. Man brauchte nicht besonders schön zu sein und Wal
es doch, den hässlichen Valois gegenüber, in hohem Grade.
Ich darf jedoch diese Abhandlung nicht schliessen, ohne
noch der Verdienste zweier Gelehrten, eines Deutschen und eines
Italieners, zu gedenken. Prof. Dr. Perkmann hat als Programm
der Klagenfurter Oberrealschule die Erwerbung der burgun-
dischen und spanischen Länder an das österreichische Regenten
haus Habsburg unter Kaiser Friedrich und seinem Sohne Maxi
milian I., 1477 und 1516 in drei Abtheilungen (1858 bis 1860)
erscheinen lassen und das Verdienst sich erworben, soweit ihm
die Quellen zugänglich waren, eine gründliche Zusammenstellung
des so wichtigen Ereignisses zu geben. Die Periode K. Philipps
behandelt Dr. Perkmann weniger ausführlich und stützt sich
dabei vorzüglich auf Mariana, Lanz und Prescott. Irrig ist,
wenn er am Todestage der Königin Isabella K. Ferdinand auf
dem grossen Platze der Hauptstadt Toledo, statt Medina del
Campo, auf Castilien verzichten lässt (III, S. 33). Die Zu
sammenkunft der beiden Könige fand nicht am 23. Juni, sondern,
wie Mariana richtig anführt, am 20. Juni 1506 statt; 2 auch be
gaben sich Philipp und Juana nicht von Puebla (soll heissen
la Puebla de Senabria) nach Valladolid, sondern nach Bena-
vente, während am Vertrage von Villafafila unterhandelt wurde.
1 muy gent.il rostro, pag. 149.
2 Auch Lanz in der sehr gründlichen Einleitung der II. Abtheilung der
Monumeuta Habsburgica S. 8-i, hat den 23. Juni.
506
Höfl er.
Die zweite Zusammenkunft der Könige ist umgangen und über
haupt die letzte Zeit der Regierung K. Philipps (III, S. 45) nicht
ausführlich behandelt, da der Verfasser die Erzählung noch um
zehn Jahre weiter führen wollte.
Von erheblichem Werthe ist die Storia documentata di
Carlo V in correlazione all’ Italia von dem Professor Giuseppe
di Leva, Vol. I, Venezia 1869. Leva hat in der Einleitung
nicht blos von den Depeschen des venetianischen Botschafters
Franz Capello Gebrauch gemacht (1504, 1505), sondern auch
von denen seines Nachfolgers Vincenzo Quirino. Er hob bereits
aus der Depesche vom 22. April 1505 diejenige That hervor,
welche mehr als jede andere die Unversöhnlichkeit der Königin
Donna Juana ihrem Gemahle gegenüber zeigt: ella fece sacra-
mento e 1’ osserva di far tutto il contrario, non gia che
la non desideri obbedirlo come marito — woran wohl ihr
selbst am meisten lag — ma per che la sa non essere lui che
conmianda, si bene i suoi consiglieri che sono pui tristi che
buoni. Wie sie aber diesen Schwur auffasste, immer das Gegen-
theil von dem zu thun, was ihr Gemahl zu thun für gut fand,
geht aus der Intrigue des Lope de Conchillos hervor. An ihr
lag es wahrlich nicht, wenn K. Philipp niemals König von
Castilien wurde. Wir erlangen damit den Schlüssel zu ihrer
Handlungsweise, wie zu der ihres Gemahles, wenn er jeden
spanischen Einfluss auf sie zu entfernen trachtete. Wir erlangen
aber auch damit den Einblick in das häusliche Wehe, das ihn
fortwährend auf dem politischen Gebiete verfolgte und seine
Tage abkürzte. Ich kann daher nur auf das Tiefste bedauern,
dass die Veröffentlichung dieser Depeschen, welche für die
Geschichte des ersten habsburgischen Königs von so grosser
Wichtigkeit sind, wenigstens für die Sitzungsberichte, nicht
möglich war.
Eilen wir zum Schlüsse.
Nur selten hat sich, was man Glück und Unglück nennt,
in einem kurzen Dasein so rasch zusammengedrängt, als in
dem wechselvollen Leben dieses Enkels eines Kaisers, der
die Verkörperung des conservativen Principes war, und eines
Herzogs, der als das bewegende Element Mitteleuropas galt.
Er verlor die Mutter in dem Alter, in welchem Mutterliebe und
Muttersorge das unnennbare Glück des Kindes, die Bedingung
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
507
seines Gedeihens sind. Die Schwester wurde ihm entrissen,
als beide fürstliche Kinder das Glück, Geschwister zu sein, zu
gemessen begannen, bei dem Verluste der Mutter erst des
vollen Inhaltes desselben bewusst wurden. Im Bürgerkriege,
der Philipps früheste Jugend blutig umsäumte, wurde er von
der Partei, die an dem Untergange seines Hauses arbeitete,
gegen den eigenen Vater ausgespielt und nur durch die rastlose,
aufopfernde Thätigkeit seines Vaters vor dem Schicksale ge
rettet, nach Frankreich gebracht zu werden. Königssohn durch
die Erhebung Maximilians zum römischen Könige, musste er,
als die Brügger seinen Vater gefangen nahmen, den bitteren
Kelch bis zur Neige leeren, und als endlich Grossvater, Vater
und Sohn, der Kaiser, der König und der Herzog sich sahen,
ward der schönste Augenblick ihres Lebens durch die Erin
nerung jenes schweren Leidens getrübt, das zugleich über drei
Generationen sich entladen hatte. Kaum hatten sich langsam
und oft wiederkehrend die inneren Kämpfe verzogen, so erfolgte
die Rücksendung der königlichen Schwester aus Frankreich, und
als dieser durch die zweite Heirat mit dem Thronfolger Spaniens
die glänzendste Zukunft winkt, vernichtet der frühe Tod Don
Juans das Glück der Gatten und alle Aussichten einer glänzen
den Zukunft. Nur die gewaltige Ernte, die der Tod im spanisch
portugiesischen Königshan se hielt, bahnte dem Erzherzoge von
Oesterreich, Herzog von Burgund durch die Hand seiner spani
schen Gemahlin den Weg zum Königsthrone, jedoch so, dass
es zweifelhaft blieb, ob die Vermählung mit der präsumtiven
Erbin von Aragon und Castilien mehr Quelle des Glücks oder
des Unheils ward. Als Fürst eines kleinen, aber aufblühenden
Landes, dem er mit allen seinen Neigungen und Traditionen
angehörte, in die Mitte der grössten Monarchen seiner Zeit, des
römischen Königs, seines Vaters, seiner spanischen Schwieger
eltern, des Königs von Frankreich, seines Lehnsherrn, gestellt,
darauf angewiesen, Conflicte zu vermeiden, ward er gerade
durch den rechtlichen Sinn, den er sich wahrte und den
schlauesten und trügerischsten Fürsten seiner Zeit gegenüber
bethätigte, in den Strudel der heftigsten Zerwürfnisse hinein-
gorissen. Wo er ausgleichen wollte, entstand erst der heftigste
Streit, bis die Berechtigung zum castilianischen Throne und
dessen Erledigung eine Lage schufen, die um so qualvoller
508
Hofier.
ward, als nun die bisherigen Freunde sich in das Entgegen
gesetzte verkehrten und die eigene Gemahlin gegen ihn eine
Stellung einnahm, die ihn verderben musste, wenn er nicht
auch im häuslichen Kreise gewaltsam Schranken zog. Von
Donna Juana verfolgt und ihrem Vater zu Liebe- aufgeopfert,
von dem französischen Könige mit einem Netze voll Tücke und
Verrath umsponnen, von K. Ferdinand durch seine zweite
Heirat mit dem Verluste von Aragon und Neapel bedroht,
thatsächlich von der Regierung Castiliens ausgeschlossen und
unter den schönsten Redensarten bedroht auch mit dem Verluste
des spanischen Erbes, unternahm er, den mächtigsten Königen
Westeuropa^ zum Trotze, den Zug nach Castilien, der das
ganze Machtverhältniss der westeuropäischen Staaten zu ändern
bestimmt war und die Niederlande mit Indien verband. Er war
es, der die widerstrebenden Erblande vermochte, die Mittel zu
der Argonautenfahrt zu gewähren, als er wie ein Held sein Recht
zu vertheidigen entschlossen war; der, mit Mtilie dem Wellen
grabe entronnen, in England, wohin er sich rettete, wenn es nach
dem Willen K. Ludwig XII. gegangen wäre, dort seine Freiheit
verlieren sollte, in Castilien aber den K. Ferdinand bereit fand,
ihn zu verderben, rascher aber ihn zum Abzüge aus Castilien
nöthigte, als K. Ludwig seinem neuen Bundesgenossen beizu
springen vermochte. Es war die bitterste Niederlage, die König
Ferdinand erlitten und die er vergeblich durch den Schein
freiwilligen Rückzuges zu bemänteln suchte. Dann aber stand
erst noch das schwierigste Werk bevor, die Auseinandersetzung
mit Donna Juana, die das Königthum für sich allein begehrte,
die Tage ihres Gemahls mit Kummer erfüllte, mit ihren Launen
sein Leben verkürzte. Da, als das Königthum mit unendlicher
Mühe errungen war, brach auch die körperliche Kraft zusammen
und reichten wenige Tage heftigen Fiebers hin, dem Plane eines
grossen Zuges nach Afrika und dem jugendlichen Leben selbst,
als das nächste Ziel erreicht war, ein Ende zu machen.
Unwillkürlich wird man hiebei an die Katastrophe erinnert,
welche im königlichen Hause Spaniens vor sich ging, seit es
K. Ferdinand und Königin Isabella gelungen war, die Tochter
K. Heinrich IV., die Prinzessin Donna Juana, genannt la Bel-
traneja, zu beseitigen und das Königthum von der Nichte an
die Schwester des verstorbenen Königs zu bringen. Die Ehe
Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
509
der reyes catolicos ist mit fünf Kindern gesegnet, in deren
Mitte Donna Juana, die Gemahlin K. Philipps stand, vor ihr
die Prinzessin Donna Isabel und ihr jüngerer Bruder, der Prinz
von Spanien Don Juan, hinter Donna Juana ihre zwei Schwestern
Donna Maria und Donna Catalina. Die älteste Infantin, Donna
Isabel, das Lieblingskind der Eltern, heiratet den Thronerben
von Portugal, den Prinzen Don Alfonso. Dieser stürzt in Evora
vom Pferde und ist plötzlich eine Leiche, zum ungeheuren
Schmerze der Infantin, seiner Gemahlin, 13. Juli 1491. Am
3. April 1497 heiratet Don Juan, Prinz von Castilien und Ara
gon, die liebliche Prinzessin Margaretha, Schwester des Erz
herzogs Philipp, welcher selbst am 18. October 1496 sich mit
Donna Juana, der Schwester Don Juan’s, vermählt hatte. Be
reits war Donna Catalina mit dem Prinzen Arthur von Wales,
ältestem Sohne K. Heinrich VII. von England, verlobt; die In
fantin Donna Maria durfte nur Ja sagen, so wurde sie wenig
beneidete Königin von Schottland.
Die .katholischen Könige' befanden sich auf dem Höhe
punkte ihres Glücks, als Don Juan in dem Augenblicke er
krankte , in welchem Don Manuel, König von Portugal, sich
um die Hand der Donna Isabel bewarb. Die Eltern boten alle
ihre Ueberredungskunst auf, die Prinzessin zur Einwilligung
zu vermögen, und begleiteten diese nach Valencia de Alcantara,
dort die Verlobung mit dem missgestalteten, aber äusserst um
sichtigen und klugen König zu feiern. Da wurde unterwegs
K. Ferdinand nach Salamanca berufen, wo Don Juan am Fieber
erkrankt war. Er eilte, während die beiden Isabellen die Reise
nach der portugiesischen Grenze fortsetzten, an das Sterbelager
seines einzigen Sohnes, der, achtzehnjährig, seine jugendliche
und blühende Gemahlin, den Inbegriff seines Glückes, in ge
segneten Umständen zurücklassend, am 4. October 1497 starb.
Alle Hoffnung ruhte jetzt auf der Prinzessin Margaretha; gebar
sie einen Sohn, so war dieser der Erbe seiner Grosseltern und
das Haus Habsburg durch eine Erzherzogin von dem spanischen
Throne ausgeschlossen. Sie gebar eine Tochter, die gleich nach
der Geburt starb. Unterdessen hatte Don Manuel seine Ver
mählung mit der Infantin Donna Isabel betrieben, welche erst
nach derselben in Evora die Nachricht von dem Tode ihres
Bruders erhielt. Sie war die Erbin von Aragon und Castilien, der
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft. 33
510
Hofier. Lalaing, Quirino und Guevara über K. Philipp I.
Mannsstamm des königlichen Hauses am 4. October 1497 er
loschen. Jetzt fand statt, was man kurz vorher für unmöglich
erachtet. König und Königin von Spanien luden König und
Königin von Portugal ein, die Huldigung von Castilien in Toledo,
von Aragon in Saragossa zu empfangen, um dadurch die künftige
Vereinigung Spaniens und Portugals, — mit Ausnahme des König
reichs Navarra — der ganzen iberischen Halbinsel zu begründen.
Während die Aragonesen noch zögerten, ob sie einer Prinzessin
schwören sollten oder nicht, gebar die Königin von Portugal den
Prinzen Don Miguel, den unzweifelhaften Erben seiner Eltern
und seiner Grosseltern, starb aber selbst an der Geburt, 23. Au
gust 1498. Der Thronfolger Portugals wurde sogleich Prinz von
Aragon und Sicilien, 1499 Prinz von Castilien und Leon, und
die Erbfolge des Hauses Habsburgs war aufs Neue in den Hinter
grund gedrängt. Am 20. Juli 1500 starb auch der Prinz Don
Miguel, und obwohl nun Don Manuel seine Schwägerin Donna
Maria heiratete, traten jetzt die Rechte Donna Juana’s, ihres Ge
mahls Don Felipe und des am 24. Februar 1500 geborenen Prin
zen Karl von Luxemburg, des nachherigen K. Karl V., hervor.
Sechs Jahre später, nach Besiegung so ungemeiner Schwie
rigkeiten, und als durch eine höhere Macht der Weg zu dem
spanischen Throne geebnet schien, musste erst noch die Ueber-
wältigung der grössten stattfinden, als, wie ich angedeutet, K.
Ferdinand und K. Ludwig XII. sich zum Sturze K. Philipps die
Hände boten und Donna Juana Lust zeigte, die Dritte im Bunde
zu sein! Da endete K. Philipp, wie Don Juan geendet hatte.
Was mochte die Beltraneja zur Katastrophe des spanischen
Königshauses sagen, das dem Gewände der Kreusa glich: wer
es berührte, war verloren?
Ich glaube nicht fehl zu gehen, Wenn ich in einer eigenen
Monographie das Leben dieses vielverkannten habsburgischen
Fürsten, den die Vorsehung zwischen zwei Kaiser gestellt,
schildere und damit ihm selbst den Platz in der Geschichte
Westeuropa’s, Spanien’s, der burgundischen Niederlande und
Oesterreich’s sichere, der ihm bisher verweigert war.
Simerka. Die Kraft der Ueberzrougung.
511
Die Kraft der Ueberzeugung.
Ein. niatEematiscli-pliilosopliisclaer Versuch.
Yon
Wenzel Simerka.
Eingang.
In Betracht dessen, dass durch Bemühung des berühmten
Philosophen Herbart die Mathematik in der Psychologie Eingang
fand, und man dieses Factum für keine blosse Lieblingssache
ansehen kann, wird wohl auch mir Niemand verargen, wenn
ich sie in die Erkenntnisslehre und somit auch theilweise in
die Metaphysik einführe, um mehrfache Erscheinungen in der
Mechanik des menschlichen Geistes zu beleuchten und zu
begründen. Ist ja die Mathematik bei der übergrossen Allge
meinheit ihrer Begriffe doch bedeutend verständlich und liefert,
in anderen Wissenschaften angewendet, sowohl qualitative als
auch quantitative Besultate, indem sie zeigt, wie ein Gegenstand
beschaffen ist, und wie gross derselbe unter gegebenen Bedin
gungen sein muss. Ausserdem zwingt die Rechnung klar und
richtig zu denken, indem dabei fast jeder Irrthum Verwir
rung verursacht, und gleich einem Irrlichte in Abwege verführt.
Wie die Aufschrift angibt, sind diese Zeilen nur der erste Ver
such in einem neuen, aber hochwichtigen Bereiche, und bemühen
sich, den Schleier von einer bisher gehcimnissvollcn geistigen
Kraft zu lüften. Aus diesem Grunde können hier Gleichnisse
und Metaphern nicht fehlen, indem neue Gedanken auch neue
Worte und Phrasen zu ihrer Mittheilung erforderlich machen,
und oft eine kurze Vergleichung den Gegenstand klarer dar
stellt als eine lange, vermeintlich gründliche Untersuchung.
Habei hütete ich mich, aus den Tropen etwelche Folgerungen
512
Simerka.
zu ziehen. Ausser Sätzen, clie ich hier als wahr aufstelle, in
der Hoffnung, dieselben werden mit der Zeit allgemeine Aner
kennung erlangen, kommen hier auch Fragen vor, die zu beant
worten ich mir nicht getraue, da es offenbar vorsichtiger ist,
seine Unwissenheit zu gestehen, als etwas Irriges zu behaupten.
Die Zukunft wird zeigen, ob ich den rechten Weg betrat oder
nicht, und wie ausgedehnt das Feld ist, das ich zu bebauen
anfange.
I. Die Ueberzeugung im Wachsen.
1. Begriff der Ueberzeugung.
Wie man weiss, schwarz, rotli, blau u. s. w. Farbe nennt,
so können auch die besonderen Begriffe: Ahnung, Vermutliung,
Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit, Hypothese, Glauben, Wissen,
Sicherheit, Nothwendiglceit, Erkenntniss u. a. in den allgemeinen
der Ueberzeugung zusammengefasst werden. Diese betrifft
die Giltigkeit oder Ungiltigkeit nicht nur einzelner Sätze, son
dern auch ganzer Lehrbegriffe, und zwar sowohl bei einzelnen
Menschen, wie bei gewissen Mensch enclassen, als auch bei der *
ganzen gebildeten Menschheit. Hieinit ist dem Worte Ueber
zeugung ein weiterer Sinn gegeben, wo es in der gewöhnlichen
Sprache beinahe so viel als Sicherheit (Ueberfiihrung durch
Zeugnisse) bedeutet; sonst müsste man sich eines neuen Aus
druckes bedienen. Denselben Umstand findet man unter anderen
auch beim Worte Kraft, dessen Bedeutung sich im Verlaufe
der Zeit bedeutend erweitert hat.
Als ein neues, und zwar erstes Glied obiger Reihe hat man
das leere Gemüth anzunehmen, d. i. jenen Seelenzustand,
wo ein aufgestellter Satz entweder ganz unbekannt ist, oder
wo sich die Aussagen für und gegen das Gleichgewicht halten.
Die Wahrheit gehört in dieses Bereich blos als contradicto-
rischer Gegensatz des Irrthums; der Gegensatz von Lüge (in
der Umgangssprache auch Wahrheit) ist eigentlich Wahrhaf- <
tigkeit. Uebrigens sind Lüge, Verstellung, Heuchelei u. dgl.
ethische und nicht logische Gegenstände, somit eine ganz an
dere Reihe von Gegensätzen, von der man hier nicht handeln kann.
Hiemit ist zwar der Umfang des Begriffes Ueberzeugung
gegeben, jedoch ziemlich unbestimmt; denn es ist sehr schwer,
Die Kraft der Ueberzeugung.
513
wo nicht unmöglich, eine strenge Grenze zwischen den einzelnen
Gliedern obiger Reihe, z. B. zwischen Ahnung und Vermuthung
oder Glauben und Wissen, zu ziehen; ja es scheint, dass solche
feine Unterschiede erst die Rechnung zu beleuchten hat. Es
entsteht jedoch die weitere Frage: Was ist der Inhalt oder das
eigentliche Wesen der Ueberzeugung? Bei der Beantwortung
derselben hat man dreierlei zu berücksichtigen, und zwar:
a) Das menschliche Gemtith, welches man sich als ein
Gefäss (Behältniss oder Wohnung) vorstellen kann, worin sich
Begriffe und Urtheile von äusseren Gegenständen vorfinden.
Durch sinnliche Wahrnehmungen entstehen nämlich in unserer
Seele Bilder, die nach vielfachen Veränderungen die Gestalt
der Gedanken annehmen; weshalb der Gedanke weder der erste,
noch der einzige Seelenzustand ist.
b) Die Gegenstände ausser unserem Gemtithe, welche mit
jenen Begriffen und Urtheilen übereinstimmen (ihnen ent
sprechen). Dies sind dann wirkliche Wesen, Begebenheiten,
reale Verhältnisse oder Beziehungen u. dgl. Gibt es keine
solchen Gegenstände, die den Gedanken entsprechen würden,
dann irrt das Gemtith.
c) Das Urtheil von der wechselseitigen Uebereinstimmung
jener Gedanken mit den äusseren Gegenständen; und das ist
es, was man unter Ueberzeugung versteht. Sein Subject
sind unsere eigenen (subjectiven) Gedanken, und sein Prädicat
ist der Begriff ihrer äusseren Giltigkeit (Objectivität). Darnach
scheint zwischen den Begriffen Ueberzeugung und Fürwahr
halten kein bedeutender Unterschied vorzukommen. Die Ueber
einstimmung der Gedanken mit der Aussenwelt hat eine grosse
Aehnlichkeit mit der Beziehung zwischen Bildern, Landkarten,
Plänen u. dgl. einerseits und den wirklichen Gegenständen
andererseits, so dass man die Proportion aufstellen kann: Wie
sich der Gedanke zum Bilde verhält, so verhält sich das Bild
zu seinem Objecte.
Erwägen wir, dass es in der Mathematik nicht gar so viel
an streng logischen Definitionen gelegen ist, als vielmehr an
dem Umstande, ob die aus ihnen abgeleiteten Sätze richtig
sind, so können wir uns mit obiger Erklärung befriedigen. Sollte
einst eine bessere festgestellt werden, so wird sie an den nach
folgenden Sätzen kaum etwas ändern. Ferner ist anfänglich
514
Simerka.
jeder Begriff dunkel und erlangt erst durch weitere Behand
lung grössere Klarheit. Ueberhaupt kann ein Gedanke wahr
sein, ohne dass der ihn darstellende Satz (seine Einkleidung)
genau passend sein müsste.
Anmerkung. Vergleicht man das menschliche Gemüth ^
mit einem Gefässe (a), so eignet sich hiezu am besten das
Oelgefäss der Prophetenwitwe, wovon in der Bibel (4, Reg. 4)
Erwähnung geschieht. Dasselbe blieb voll, obgleich davon
das Oel genug lang abgegossen wurde. Eben so verliert das
Gemüth durch Mittheilung nichts an seinem Inhalte.
2. Eigenschaften und Unterschiede der Ueberzeugung.
a) Man unterscheidet vorerst die wahre Ueberzeugung
von der irrigen. Von der wahren verlangt man: 1. dass sie
in sich selbst keinen Widerspruch enthalte, 2. dass sie mit
der Aussenwelt (Wirklichkeit, Erfahrung) womöglich überein
stimme, und deshalb auch 3. anderen anerkannt wahren Ueber-
zeugungen nicht widerspreche. Mangelt auch nur eine von
diesen Anforderungen, so ist sie irrig zu nennen. Der Irr- J
thum kennt jedoch diese seine Qualität nicht und hält sich
für Wahrheit. Dann entstellt die Frage: wer einen solchen
Streit zu entscheiden hat? Man sagt, dass es der gesunde
(unbefangene) Menschenverstand (Vernunft) ist! Wäre aber der
ein so mächtiger Schiedsrichter, so gäbe es sicher nicht so
viele religiöse, politische, wissenschaftliche und andere Streite
und Kämpfe, da solche schon längst ausgeglichen wären. Dieser
Schiedsrichter sitzt aber nur selten zu Gericht, meistens ist es
der Wille, der sich so stellt, als wenn er Vernunft wäre, und
überlässt es ausserdem noch immer den Parteien, dass sie sich
ausgleichen. Eines macht er aber doch, und zwar •
b) er erklärt, welche Ueberzeugungen gleichartig und
welche ungleichartig (entgegengesetzt) sind, d. h. ob zwischen
ihnen ein Streit vorkommt oder nicht. Gleichartige Ueberzeu- 4
gungen müssen aber deshalb noch nicht wahr sein; sie können
sich zwar unter einander vertragen, aber trotzdem mit der
Wirklichkeit iin Widerspruche stehen, ■— sie sind daher zu
gleich wahr oder irrig. Was die entgegengesetzten Ueber
zeugungen anbclangt, so pflegt eine wahr und die andere irrig
” : ...
Die Kraft der Ueberzeugung. 515
zu sein, es kann aber auch das Letztere bei beiden Vorkommen,
wie es das Schisma zwischen den mohammedanischen Suniten
und Schiiten ausser vielen anderen Beispielen darthut. Welche
von zwei entgegengesetzten Ueberzeugungen für wahr anzu
nehmen ist, kann man vorhinein nicht bestimmen. Ein Streit
zwischen zwei wahren Ueberzeugungen kann nur durch Miss
verständnis in Worten entstehen; denn sonst müssten wir an
nehmen, dass in der Wirklichkeit Widersprüche vorhanden
sind. Gemüther mit gleichartigen Ueberzeugungen kann man
befreundet oder verwandt nennen.
c) Sind aber auch zwei Ueberzeugungen gleichartig, so
müssen sie deswegen noch nicht gleich sein, indem das in
Nr. 1 (c) erwähnte Urtlieil bei einer fester sein kann als bei
der anderen. Ausserdem lehrt die Erfahrung, dass sich die
Ueberzeugung bei einzelnen Menschen ändert, indem sie bald
stärker, bald schwächer wird, ja dass sie sogar ins Entgegen
gesetzte übergehen kann. Es ist daher die Ueberzeugung
unter die Grössen, und zwar unter die stetigen einzureihen.
Weil die Ueberzeugung nicht nur auf die Gemüther Ein
fluss hat, sondern auch den Willen zu Handlungen anregt, und
man sie aus anderen Erscheinungen nicht so leicht erklären
kann, so ist sie in demselben Sinne wie Schwere, Wärme,
Magnetismus, chemische Verwandtschaft u. s. w. eine Kraft,
und zwar Geisteskraft zu nennen, und es ist der Zweck
dieser Abhandlung, die Gesetze anzugeben, denen sie unterliegt.
cl) Ferner macht man den Unterschied zwischen sub-
jectiver und objectiver Ueberzeugung. Von dieser sagt man,
sie entstehe aus äusseren (realen) Ursachen, wo jene blos auf
menschlichen Gedanken beruhe. Zur objectiven Ueberzeugung
würden also manche Hypothesen, dann Wissen und die Er
kenntnisse gehören, zur subjectiven hingegen Ahnung und
Vermutlmng. Glaube und Sicherheit können je nach ihren
einzelnen Gattungen oder besonderen Umständen bald subjectiv,
bald wieder objectiv sein. Gewöhnlich hält man die objectivo
Ueberzeugung für besser und triftiger als die blos subjective.
Im Grunde gilt aber hier dasselbe, was von der wahren und
irrigen Ueberzeugung erwähnt wurde. Die wichtigste Frage:
Was ist die Wahrheit —, ist dadurch nur verschoben, aber
nicht beantwoi’tet. Die schönsten Partien der jetzigen Wissen-
516
Simerka.
schäften waren anfangs in den Gremüthem der Forscher nur
Ahnung und Vermuthung, veröffentlicht hiessen sie Hypothesen,
bis sie sicli endlich den Rang des Wissens und der Erkennt
nisse erwarben. Denselben Gang beobachtete der Verfasser
dieses Aufsatzes auch in seinem Gemüthe, und jeder Leser
dieser Seiten wird wahrscheinlich dieselbe Erfahrung machen.
Von der wahren und irrigen Ueberzeugung unterscheidet
sich die objective und subjective etwa so wie verschiedene
Gelehrtenschulen von zwei feindlichen Heeren. Bei diesen steht
der Streit im Vordergründe, bei jenen die wissenschaftliche
Forschung, deren Resultate freilich auch einander widersprechen
können. Dass die Wahrheit immer objectiv ist, der Irrthum
aber nur subjectiv sein kann, wird Niemand bestreiten; aber
dann und wann beansprucht manche Ueberzeugung eine be
deutende Objectivität und tritt mit grossem Selbstvertrauen
auf, mit der Zeit ergibt sich jedoch, dass dieses nur eine un
haltbare subjective Ansicht war. Ein belehrendes Beispiel hier
auf liefert die Newton’sche Emanations-Hypothese.
e) Ausserdem spricht man von gegebenen (ursprüng
lichen) und abgeleiteten (derivirten) Ueberzeugungen, was
eine offenbare Aehnlichkeit mit Ursache und Wirkung (Grund
und Folge) hat.
Hieran reiht sich die Eintheilung der Ueberzeugungen
in eigene und mitgetheilte, von denen die erste in einem
Gemiithe durch Wahrnehmung oder Forschung entstand und
ins andere durch Wort oder Schrift überging. Dass unter
übrigens gleichen Umständen die ursprüngliche und eigene
Ueberzeugung fester ist als die abgeleitete und mitgetheilte,
ist nicht schwer einzusehen, und wird im Verfolge genauer er
örtert werden.
f) Was die Rechnung anbelangt, ist von besonderer
Wichtigkeit die Eintheilung der Ueberzeugungen in positive
und negative. Hierbei ist vorerst zu beachten, dass jede Ueber
zeugung als eine wirkliche Geisteskraft hinsichtlich ihres Ge-
müthes positiv ist. Es sind sonach alle gleichartigen Ueber
zeugungen (i)j mögen sie wahr oder irrig sein, als positiv
anzusehen. Stossen aber zwei entgegengesetzte Ueberzeugungen
an einander an, und wollen wir das Resultat hievon kennen,
so muss die eine als die andere aber als — angenommen
Die Kraft der Ueberzeugung.
517
werden. Haben demnach die Gemüther A, B beziehungsweise
a, b zu Ueberzeugungen, und suchen wir den Rest im Gemiithe
A nach dem Anstosse, so ist -f- a, — b zu nehmen; denn das
Gemüth B dringt gegen A an, vermindert also -j- a. Umge
kehrt finden wir den Rest in B, den darin das entgegengesetzte
A verursacht, aus •— ci, -]- b. Hieraus ist zu ersehen, dass
eine und dieselbe Ueberzeugung je nach den Umständen gleich
positiv, gleich wieder negativ ist, was bei anderen Grössen nicht
so häufig vorkommt.
3. Wie kann man die Ueberzeugung durch Zahlen
angeben?
Der Ueberzeugung ähnliche Grössen sind theils die Tem
peratur, wobei man von Kälte, Kühle, Lauheit und Hitze spricht,
zugleich aber auch durch das Thermometer ihre objectiven
Grade angibt; theils sind es Elektricität und Magnetismus,
die rücksichtlich der Polarität, Mittheilung und Induction mit
der Ueberzeugung Vieles ähnlich haben, wovon man hier nicht
weitläufiger handeln kann. Von Geistesgrössen ist es der Fort
schritt in den Kenntnissen, den die Lehrer in regelmässigen
Zeiträumen von ihren Schülern durch Zahlen oder bestimmte
Worte anzugeben angewiesen sind, so dass man darnach die
Classification und Location als eine besondere Gattung vom
Abwägen der Ueberzeugung anzusehen hat. Dasselbe geschieht
beim Bestimmen der Ertragsfähigkeit von Grundstücken. Dar
nach ist es immerhin möglich, die Ueberzeugung zu messen,
und es handelt sich blos um die Art und Weise, wie dies
am zweckmässigsten zu erzielen wäre.
Dazu eignet sich ganz besonders die Wahi-scheinlichkeits-
rbchnung, weil unsere Ueberzeugung von der Möglichkeit eines
Ereignisses sich in demselben Verhältnisse mehrt, in welchem
seine mathematische Wahrscheinlichkeit wächst, d. h. Alles
wird glaubwürdiger, je wahrscheinlicher es sich zeigt. Darnach
kann man die Glieder der Reihe in Nr. 1, nämlich leeres Ge
müth, Ahnung, . . . bis Wissen und Erkenntniss durch die
Zahlen von 0 bis 1, d. i. durch echte Brüche angeben, wo 0
keine, 1 aber die grösste oder vollkommene Ueberzeugung
(wahre Erkenntniss, dass etwas nicht anders sein kann) darstellt.
518 äimei-ka.
Das leere Gemlith ist dem Obigen nach doppelt: einmal
rührt es von Unwissenheit und das andere Mal von der Ausglei
chung der Gegensätze her. Es ist klar, dass nach aussen beide
gleich wirken, indem sie in anderen Menschen keine Ueber-
zeugung erwecken können. Im ersten Falle ist es Unkenntniss
des Gegenstandes, von dem es nichts zu sagen weiss, im zweiten
Falle wirft es die kaum aufgestellten Sätze wieder gleich um.
In der Psychologie ist aber zwischen ihnen ein bedeutender
Unterschied; der erste ist ein constanter, ruhiger Seelenzustand
(sancta simplicitas); der zweite dauert aber immer nur einen
Augenblick, und ist sein Gegenstand wichtig, so schwankt das
verstörte Gemlith zwischen Gegensätzen wie ein Schiffchen auf
den Meereswellen. In der Logik haben daher beide Fälle
gleiche Giltigkeit; der erste ist nämlich = 0 und der zweite
= a — a.
Von der Wahrscheinlichkeit unterscheidet sich aber (Nr. 2/)
diese Grösse dadurch, dass sie auch negativ werden kann, wo
dann die Ueberzeugung vom Gegentheile durch die Zahlen von
0 bis — 1 anzugeben ist.
Der Zweifel ist demnach eine schwache negative (ent
gegengesetzte) Ueberzeugung von etwas, da seine Entstehung
auch gewisse Ursachen hat; er ist daher vom leeren Gemüthe
zu unterscheiden. An Stärke übertrifft ihn die Kritik.
Die Rechnungen mit der menschlichen Ueberzeugung
machen es nothwendig, dass man vor Anderem auch ihre U n-
vollkommenheit beachte. Dafür kann uns der Unterschied
zwischen der wahren Erkenntniss (= 1) und der gegebenen
Ueberzeugung (= v) gelten. Heisst dann jene u, so erhalten
wir u — 1 —• v, daher v = 1 — u.' Darnach gibt u = 0, d. i.
v = 1 = vollkommene Ueberzeugung, und u — 1, somit v = 0
= totale Unvollkommenheit oder leeres Gemüth.
Anmerkung. Den Einwurf, dass das Rechnen mit der
Ueberzeugung nicht verlässlich wäre, weil cs auf der Wahr
scheinlichkeit beruht, und diese nur Möglichkeit zum Resultate
gibt, von der die Wirklichkeit bedeutend abweichen kann, —
widerlegt die Erfahrung bei den Versorgungsanstalten und
anderen Assecuranzunternehmungen. Diesen geht es gut, wenn
nur ihre Rechnungen richtig sind und die Gebahrung vorsichtig
und gerecht. Gedeihen diese, warum sollte es bei dem Calctil
Die Kraft der Ueberzeugung.
519
mit der Ueberzeugung nicht stattfinden, der doch das Mass
der Möglichkeit, Wirklichkeit und Notliwendigkeit genauer an
geben muss, als es durch blosse Abschätzung geschehen kann?
Auch hier gilt der längst anerkannte Grundsatz: Jede Rech
nung ist besser als gar keine Rechnung,
4. Gründe und ihre Schätzung.
Die Ursachen oder Quellen der menschlichen Ueberzeugung
nennt man Gründe, und als Kraft eines jeden von ihnen kann
man seine Wahrscheinlichkeit annehmen. Bei so einer Be
stimmung oder Schätzung hat man drei Umstände zu berück
sichtigen, nämlich:
a) Diese Kraft (v) muss, weil sie eine Wahrscheinlich
keitszahl ist, zwischen 0 und 1 liegen, daher 0 < v < 1 sein.
Ein negatives v kommt nur bei entgegengesetzten Ueberzeu-
gungen vor.
ß) Sie muss mit der Menge gleich möglicher Fälle, die
jener Ueberzeugung zugehören, wachsen, und zwar so, dass
v 2, 3, 4 etc. Mal grösser zu nehmen ist, wenn dafür 2, 3, 4 etc.
Mal so viele Fälle sprechen.
-(■) Es werden sich auch hier wie bei der Regeldetri über
haupt oft einschränkende Bedingungen und Umstände vorfinden,
die man nicht übersehen darf.
Die Möglichkeit der Schätzung von Gründen mögen nach
stehende Fälle erläutern:
ci) Gewann Jemand in a Spielen, die nicht auf blossem
Zufalle beruhen, und verlor in b Spielen, so wird unsere Ueber
zeugung von seiner Spielgewandtheit v =
— sein; die All
es &
zahl aller gleich möglichen Fälle ist nämlich a -)- b, worunter
a günstig sind. Uebrigens muss hier eine bedeutende Menge
von Spielen mit verschiedenen Gegnern Vorkommen. Gewann
z. B. Jemand an einen schwachen Gegenpart dreimal hinter
einander, wo also a = 3, b = 0, was v = 1 gibt, so folgt
daraus noch nicht, dass er immer gewinnen muss.
b) Darnach ist die Ueberzeugung von der Möglichkeit
(Hoffnung) des Sieges bei ci Mann eigener und b feindlicher
rp CI
1 nippen v =
ci -J— b'
520
Si m er ka.
Umgekehrt ist nach einem Siege das Vertrauen in die
eigene Wehrkraft desto grösser, je mehr Feinde geschlagen
wurden, demnach v = .
a + b
Frage. Ist das Vertrauen in die eigene Wehrkraft be
kannt, mit wie viel Mann eigener Truppen ist es gerathen, sich
an c Feinde zu wagen?
Antwort. In diesem Falle folgt aus v — —-— bei a = x,
a + b
(1 _ F) 4
A- '. Aus v = —, c = 32000
7
b — c, also v = —;—, x —
1 C -j- X
erhält man daher x = 24000.
c) Ebenso wenn sich vor einem Ereignisse oder einer
Unternehmung a günstige und b ungünstige Fälle angeben lassen,
und jenes Ereigniss tritt ein, so wird unsere Ueberzeugung
von einer hiebei vorkommenden Regelmässigkeit v — T
ci ~|— b
betragen, d. h. sie wächst mit der Anzahl der anfänglich un
günstig scheinenden Fälle. So würden z. B. 3 Menschen gegen
5 aus einer Erscheinung schliessen, dass es regnen wird. Ge
schieht es, so erhalten wir für jene Erscheinung die Wahr-
ö '1
scheinlichkeit v — —. Bei a — b ist v = —: ein Fall, der am
8 2
öftesten vorkommt.
d) Gibt X den grössten beim Messen der Länge a mög
lichen Fehler an, so beträgt die Genauigkeit v = - =
U X 3 x a + X
1 1 ^ 5- -j- . . . d. i. v = 1 , weil gewöhn-
a aP- a 3 a 0
lieh X gegen a bedeutend klein ist. Dasselbe geschieht beim
Wägen. Gibt z. B. eine Brückenwage bei 25 metrischen Zent
nern Belastung noch den Unterschied von 1 Kilogramm an, so
beträgt ihre Fühlbarkeit v — 1 — ———— = 0'9996.
Rechnet man mit n Decimalstellen, so erhält man rück
sichtlich der dekadischen Correctur a = 10 n , X = ~ wenig
stens v = 1 — 2 X 10” = ^ — 5 X 10~ n ~ x . Bei den Vega-
schen Logarithmentafeln ist n — 7, demnach v — 1 — 5 X
IO“ 8 = 0-99999995.
Die Kraft der Ueberzengnng.
521
e) Gewann Jemand im Handel a % (aufs ganze Jahr ge
rechnet), so hat man v — als seine Gewandtheit an-
100 -f- a
Zusehen; denn mit 100 % ging er sozusagen den Kampf ein,
und seine Bemühung ist desto grösser, je grösser die Procente
Gewinn sind. Irrig wäre es, einem Handelsmann, der an a Gul
den andere b gewann, an Gewandtheit zuzumuthen, weil
& ~1“ b
hiebei die Zeit nicht berücksichtigt wurde.
f) Die Grundlage der Lebensversicherungsanstalten bilden
die Mortalitätstafeln, wonach sich die Ein- und Auszahlungen
richten. Bei Assecurationen leisten denselben Dienst statistische
Data. Ebenso beurtheilt man den Gesundheitszustand einzelner
Städte und Länder nach der Anzahl Sterbefälle, die auf 1000
Einwohner per Jahr kommen, und derselbe ist desto grösser, je
kleiner diese erscheint. Daraus sieht man leicht ein, dass die
Ueberzeugung wenn nicht gleich, so doch proportional der
Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann.
g) In einigen Fällen kann die Kraft der Ueberzeugung
erst nach mehrfachen Beschwerden ermittelt werden, auch kann
man sie hin und her nur allgemein andeuten, oder wie die Härte
der Körper durch Vergleichung abschätzen, weil man sich ent
weder der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht bedienen kann,
oder ein und derselbe Grund auf die Gemüther ungleich wirkt.
So folgt aus dieser Theorie 083929 als Glaubwürdigkeit eines
(mathematischen) Augenzeugen, was offenbar nur ein Durch
schnitt ist und darum in der Wirklichkeit grösser oder kleiner
sein kann. Die aus einem gelungenen physikalischen Experi
mente im Gemüthe der Anwesenden entstandene Ueberzeugung
ist für eine zusammengesetzte anzusehen, weil sie aus einem
bedeutend gütigen Zeugnisse und einer Wahrnehmung herrührt.
li) Gründe, die zur objectiven Ueberzeugung v = O geben,
sind hiernach leer oder nichtig zu nennen, da sich bei ihnen
kein einziger Wahrscheinlichkeitsfall vorfindet, d. h. sie gehen
den fraglichen Gegenstand gar nicht an. So erklärte z. B. ein
Lehrer der Mutter eines Schülers, ihr Sohn habe keine Fähig
keiten zum Studiren. Sie antwortete darauf: Das kann nicht
sein, weil ich ihn sehr gern habe. Die Mutterliebe sollte also
ein Grund für die Fähigkeiten des Sohnes sein! Dieser Vorfall
522
§ i in c r k a.
ist jedoch nicht vereinzelt; es ereignet sich nämlich genug oft,
dass sich Gefühle und Begierden das Recht der Gründe an
eignen; ist ja der Satz: ,Was man wünscht, das glaubt
man gern' schon lange bekannt.
In subjectiver Hinsicht hat man jeden Grund als leer an
zusehen, den ein Anderer nicht fasst, so dass er in seinem Ge-
müthe keine Ueberzeugung erwecken kann, mag er noch so
gewichtig sein.
1. Anmerkung. In der Neuzeit pflegen die Mathematiker
auch Affecte durch Zahlen anzugeben. So taxirt man die
Freude dessen, der mit a Gulden spielend b Gulden gewonnen
hat (nach b), mit v — . Umgekehrt wird der Verdruss,
a-\-b j
von a Gulden b verloren zu haben, durch w = — angedeutet.
a
Er wächst offenbar mit dem Verluste, bei der Annahme, dass
Niemand mehr verliert als er hat. Darnach ist bei gleichem
a, b, w > v, d. h. in gleichen Umständen ist der Verdruss am
Verlust grösser als die Freude am Gewinn.
Ebenso ergibt sich bei a Mann eigener und b feindlicher
Truppen die Freude am Siege = , und der Schmerz aus
a a -j-b
der Niederlage = .
b a + b
2. Anmerkung. Hier würde auch die Frage zu beant
worten kommen: Ob die Menschen etwas ohne Grund als wahr
annehmen? Aus der Definition (Nr. 1) folgt, dass dies nicht
geschieht; denn das Urtheil: ,A existirt nicht nur in meinem
Gemüthe, sondern auch ausser demselben' muss doch eine Ur
sache haben. Dieselbe kann freilich sehr geringfügig sein, wie
z. B. ich hörte das von Jemandem, ich las es irgendwo, mir
träumte es u. dgl.; aber aus der Wirkung muss man schliessen,
dass sie immer da sein wird.
5. Resultirende aus mehreren gleichartigen Gründen.
Sind A, A', A" etc. gleichartige, jedoch von einander ver
schiedene Gründe für einen Satz, welche beziehungweise v, v,
v", etc. zur Ueberzeugung haben, so werden (nach Nr. 3)
u= 1 — v, u' = 1 —u" — 1 — v" etc. die ihnen zugehörigen
Unvollkommenheiten sein und ebenso wie v, v, v" etc. Wahr-
Die Kraft (1er Uelierzeugung.
523
scheinlichkeitszahlen darstellen, weshalb man sie durch die
Gleichungen u = , u — — , ii' = —, 7 etc. angeben kann, wo-
bei m, m, m", etc alle gleich möglichen, a, a, a", etc. hingegen
alle der betreffenden Unvollkommenheit entsprechenden Fälle
darstellen. Bei der zusammengesetzten Wahrscheinlichkeit (Un
vollkommenheit) U wird die Anzahl aller gleich möglichen Fälle
m m m" etc. und die Anzahl der ihr zugehörigen a a a" etc.
i , , TT a a «"etc. , . r , , ,,
betragen, so dass man U = — d. i. U = n u u etc.
m m m etc.
oder 1 •— V = (1 — v) (1 — »') (1 — v") etc. erhält, wobei V
die aiTS v, v , v" etc. resultirende Kraft der Ueberzeugung an
gibt. Die Unvollkommenheit der menschlichen Ueber
zeugung gleicht demnach dem Producte aus den Un
vollkommenheiten ihrer Gründe. In einem specielleren
Falle kann dieser Beweis auch nachstehend lauten: Für eine
gewisse Begebenheit hat man die Zeugen A, Ä, A”, etc.; sind
ihre Glaubwürdigkeiten beziehungsweise v, v, v" etc., so werden
die Glaubwürdigkeiten fürs Gegentheil, dass sie nämlich einzeln
^ täuschen, 1 — ®, 1 ■— v, 1 — v" etc., und dass sie es alle ins-
gesammt thun, (1 — v) (1 — v) (1 — v”) etc. betragen. In
Folge dessen gibt der Ausdruck V — 1 — (1 — v) (1 — v)
(1 — v") etc. die Wahrscheinlichkeit des Umstandes an, wo
wenigstens einer von ihnen die Wahrheit spricht.
Die angegebene Formel kann man das Ueberzeugungs-
produkt nennen, und sie hat hier dieselbe Wichtigkeit wie
das Kräftenparallelogramm in der Mechanik, indem sie die
Grundlage aller weiteren Untersuchungen bildet. Hierin liegt
zugleich der erste und Hauptgedanke einer Mechanik des
menschlichen Geistes.
6. Erscheinungen des leeren Gemütlies.
a) Aus v — v' = v" ... — 0 folgt dem vorigen Artikel
a nach V — 0, d. h. leere Gründe geben keine Ueberzeu
gung. Obgleich dieser Satz so klar ist, dass er keiner mathe
matischen Begründung benöthigt, und hier nur als erstes Bei
spiel von Analyse des Ueberzeugungsproductes angeführt wird,
ja in der Form ,aus Nichts wird Nichts 1 ' zu den ersten
Grundlagen (Axiomen) des Denkens gehört, so wird doch da-
524
Si m erka.
gegen genug oft gefehlt, und zwar einmal durch Anführung
von Gründen, die der Andere nicht begreift (subjectiv leer,
Nr. 4, li). Dies ist offenbar eine unnütze Arbeit des Einen
(des Lehrers) und ein erfolgloses Plagen des Andern (des
Schülers).
Das andere Mal geschieht es durch Anwendung objectiv
leerer Gründe, wie da sind: unberechtigtes Loben und Tadeln,
die sogenannte Sophistik, Verdächtigung, Lüge, Gewalt u. dgl.
Bei denkenden Gegnern erzeugt so eine Handlungsweise keine
Ueberzeugung, sondern nur Aufregung und den Verdacht, man
habe keine besseren Gründe. Bei anderen Menschen kann mit
der Zeit die Ungiltigkeit eines solchen Verfahrens zum Vor
schein kommen und schadet dann den Urhebern an der Ehre.
b) V — 1 — (1 — v) (1 — v) (1 — v") etc. gibt bei« =
= 0 zum Resultate V — v. Mit Worten ausgedrückt
kann dieses Gesetz lauten: Das leere Gemiith empfängt
jeden Grund mit seiner vollen Kraft.
Dies erweisen nicht nur Erfahrungen mit Kindern und
schlichten Menschen, von denen manche genug alberne Romane
und Sagen für wahr halten, — sondern auch die Nachrichten
von Missionären, dass jene Nationen für das Christenthum am
empfänglichsten sind, deren Gemtith verstört ist, d. h. wenn
ihr ehemaliger Aberglaube widerlegt und durch nichts Besseres
ersetzt ist; anderwärts ist die Bekehrung viel schwieriger. Den
selben Sinn hat in logischen Schriften die öftere Hinweisung
auf das unbefangene Gemüth, welches, weil es von Vorurtheilen
frei ist, die Wahrheit am leichtesten fasst.
Hieraus erklärt sich auch der Ursprung von vielen Aber
glauben und Vorurtheilen.
Der Streit um'Befugniss zum Schulunterrichte ist darnach
eine wichtige Agrarfrage im geistigen Sinne, wobei es sich
darum handelt, wer und wie er das leere Gemüth der Jugend
bebauen darf.
Aber auch im Gemüthe genug gebildeter Menschen findet
sich manche leere Stelle vor, in Folge deren sie manchen
schwach verbürgten Nachrichten leicht glauben. Wer sich auf
diese Weise mehrmals täuschen liess, der nimmt dergleichen
Gegenstände mit Vorbehalt oder Reserve an. Die Reserve
ist daher eine Art Zweifel, der aus Vorsicht herrührt. Aehn-
t)ie Kraft der Üeberzeugüng.
525
liches geschieht hei treuen Geschichtschreibern. Haben sie
nämlich ihre Kenntniss nur aus Einer Nachricht geschöpft, so
führen sie zugleich auch ihre Q.uolle an, damit man nicht an
ihrer Wahrhaftigkeit zweifle, wenn etwa neue Quellen den
Gegenstand anders berichten würden.
Darnach kann das leere Gemüth auch durch ungiltige
Gründe getäuscht werden, was sich sonst nicht so leicht er
eignet. Dass sich hierauf auch der unmoralische Grundsatz:
calumniare audacter, tarnen aliquid haerebit, -—- stützte, braucht
wohl nicht erwähnt zu werden.
7. Weitere Folgen des Ueberzeugungsproductes.
a) Um keinen Fehlschluss (circulus vitiosus) dadurch zu
begehen, dass wir etwas als wahr annehmen (v = 1), was erst
erwiesen werden soll, wird es am Besten sein, wenn wir keinem
Grunde vorhinein volle Giltigkeit zuschreiben. Auch gibt es
beinahe keinen Satz, gegen den man nie etwas eingewendet
hätte. Dann ist die Ueberzeugung von einem und demselben
Gegenstände nicht bei allen Menschen gleich und fällt nicht
plötzlich ins Gemüth, sondern wächst sozusagen in demselben.
Ferner ist jedes neue Urtheil unsicher und erhält erst später
als Begriff grössere Festigkeit. Ueberdies hat man es hier
nicht nur mit der objectiven Ueberzeugung der Gebildeten zu
thun, sondern mit der Ueberzeugung aller Menschen, die Kinder
nicht ausgenommen. Uebrigens kann man in einigen Fällen
von etwas so schnell überzeugt werden, dass der gegebene
Grund vollkommen, d. i. v = 1 zu sein scheint.
Nimmt man in Folge dessen v, v, v", etc. sämmtlich C 1,
so ist auch u, u, u", etc. < 1 zu setzen, und bei (Nr. 5) V =
1 — u u u" etc. nähert sich immerwährend V der Erkenntniss-
einheit, der es vielleicht nie gleich wird.
Auf dieser Grundlage beruht das Anreihen der Wahrheit
an die Ideen des Guten und Schönen, wo sich die Wirklich
keit dem Ideal mehr oder weniger nähert, dasselbe aber nie
ganz erreicht. — Dass jedoch so ein Schluss keine allgemeine
Giltigkeit hat, indem man doch in vielen Fällen zu vollkommenen
Erkenntnissen (v = 1) gelangt, deutet der Sprachgebrauch da-
Sitzungsbor. d. phil.-bist. CI. C1V. Bä. II. Hft. 34
526
Simerk a.
durch an, dass zwar ,guP und ,schön' einen Comparativ (besser,
schöner) besitzt, nicht aber ,wahr‘.
b) Auf diesen Umstand bauten auch die alten Skeptiker
ihre Phantasmen, die man in den Satz zusammenfassen kann:
weil der Mensch (ausser den alltäglichen Erfahrungen) die
Dinge nicht vollkommen erkennen kann, so gibt es überhaupt
keine verlässliche Erkenntniss. Doch der gesunde Menschen
verstand befriedigt sich mit so einer Ueberzeugung, die er er
reichen kann, und sucht den Unvollkommenheiten nach Kräften
abzuhelfen, da er sonst Unmögliches anstreben würde. Auf
diese und ähnliche Einwürfe kann man im Predigertone ant
worten: Du Mensch willst ein Cherub sein? Sei zufrieden, dass
du kein Wurm bist! Ueberhaupt darf man wie in der Moral
so auch in der Logik nicht gar zu scrupulös sein.
c) Weil inP=« v! u" etc. die Factoren u, u, u" etc. be
liebig versetzt werden können, so liegt in objectiver Plinsicht
nichts daran, in welcher Ordnung die gleichartigen Gründe ins
Gemüth gelangen, so dass dann V = 1 — U nur von der Menge
und Grösse v, v, v" etc. abhängt. Beim Unterrichte, d. i. beim
Mittheilen der Ueberzeugung, ist jedoch die Anordnung der
Gründe nicht gleichgültig, desgleichen beim Streite.
8. Die Ueberzeugung aus zwei gleichartigen Gründen.
a) Sind blos die Gründe A, Ä gegeben, so erhält man
nach Nr. 5
TJ — u u' oder V = 1 — (1 — v) (1 -— v) = v -f- v — vv
— V -j- V (1 v) = V V (1 — V ) = V -f- V U = V -j- V11
= 1 — nu.
Die Resultirende aus zwei gleichartigen Gründen ist
kleiner als die Summe aus beiden Componenten (v1/),
aber grösser als jede von ihnen. Die Ueberzeugung wächst
daher mit der Menge und Stärke der Gründe, jedoch nicht im
geometrischen Verhältnisse so, dass man wie bei der Regeldetri:
je mehr, desto mehr sagen dürfte.
T7 „. T7
so oft also
b) Aus V, v iindet man v' =
V-
V-
1 — v u
V>- v ist, wird v positiv sein, bei V — v hat man v — 0,
und V ■
v gibt ein negatives v.
Daraus wird auch ersichtlich,
t)ie Kraft der üeberzettgutig.
527
wie man die Resultirende V in die Componenten v, v zerlegen
3 2 1
kann. Aus V = ,v= erkält man z. B. v =
4 ? . , 1 v ^
Wäre P = 1, so ergibt sieb v' = =1, mag man v wie
1 — v
immer nehmen; was im Verfolge näher beleuchtet werden wird.
c) Darnach gilt als ein neuer Grund Alles, wo
durch die Ueberzeugung gestärkt wird, wie jede Probe,
das Zeugniss Anderer, besonders Sachkenner, Wiederholung
desselben Beweises, sofern sie das Gemiith und nicht blos das
Gedächtniss angeht, u. dgl. m.
Umgekehrt hat man als Gegengrund alles das anzusehen,
wodurch die Ueberzeugung geschwächt oder sogar negativ wird,
z. B. Widerspruch mit anderen Ueberzeugungen, verschiedene
Ansichten über denselben Gegenstand, vorgefasste Meinungen
u. dgl.
9. Die Proben.
Zweck der Proben ist Verlässlichkeit von etwas Voll
brachtem, mag dies eine Rechnung, Maschine, Waffe u. dgl.
sein, zu erlangen. Darnach sind die Proben entweder
a) ganz verlässlich, wenn sie die Möglichkeit des Irr
thums beinahe ausschliessen; dergleichen sind z. B. die Probe
auf die Division durchs Multipliciren, auf die Wurzelziehung
durchs Potenziren, auf die Lösung der Gleichungen durch die
Substitution. Solche Proben sind aber gewöhnlich mühsam,
und deshalb ist jede kürzere zugleich auch besser. Hätte man
etwa mittelst einer Methode gefunden, dass alle vier Wurzeln
der Gleichung x 1 — 4x 3 -)- 2x 2 -f- 4x — 2 = 0 im Ausdrucke
äs = ± V~2 + f 3 -f- 1 enthalten sind, so kann man hier statt
der bedeutend beschwerlichen Substitution blos aus der ange
führten Wurzel ihre Gleichung entwickeln; es gibt nämlich
x — 1 = + V2 + zum Quadrat erhoben
x 2 — 2x -f- 1 = 2 ± V?> oder x 2 — 2x — 1 = -+- jT3,
was abermals quadrirt zum gegebenen Ausdrucke führt.
b) wahrscheinlich, bei denen manchmal ein Rechnungs-
fohler durchschlüpfen kann, die aber dafür leicht durchzuführen
sind, wie dieses bei der bekannten 9er- und 1 ler-Probe ge
schieht, wo man mit blossen Resten statt der gegebenen Zahlen
34*
528
S i in c r k a.
rechnet. Hätte man z. B. mittelst der 9er-Probe zu ermitteln,
ob der Ausdruck a 3 -\~ b‘ 2 = c richtig ist, so bestimme man
durch Ziffersummen die beiderseitigen Beste r und r, welche
gleich sein müssen, wenn kein Fehler unterlief. Alle gleich
möglichen Fälle des Irrthums gibt der Unterschied r — r an,
der, bei r, r -< 9 wo nöthig positiv gemacht, nur I, 2, 3, ... 8
sein kann. Erscheint jedoch r — r' = 0, so konnte der Fehler
durchschlüpfen, was gewöhnlich durch Auslassung von 0, 9
oder Versetzung der Ziffern geschieht. Von 9 gleich möglichen
Fällen sprechen daher 8 für die Verlässlichkeit dieser Probe,
g
und man erhält daher v = —. Ebenso liefert die Iler-Probe
10 9
v = —.
11
Wendet man beide Proben als Gründe an, so geben sie
1 XT Q T7 1 11 98
nach Nr. 8, V = 1 • =
9 11 99
Hiermit könnte man noch die 7er-Probe verbinden, wobei
6
v" = Eine etwaige 5er-Probe eignet sich dazu nicht, weil
sie nur auf das Besultat aus den letzten Ziffern Einfluss hat,
und nicht angibt, ob anderswo gefehlt wurde. Was 3 anbelangt,
ist es in 9 enthalten, würde daher nichts Neues liefern.
c) Ausserdem gibt es praesumtive und gemischte
Proben. Würde z. B. die Frage entstehen, ob die Formel
(5 a 2 + 2 ab + 65 2 ) 3 = (3a 3 — 33 a 2 & — 24 ab* + 10&3) 2
+ 29(2a 3 + 3 a% — Qalfl — 2 6 3 ) 2
richtig ist oder nicht, so kann man sich hiervon auch durch
Setzung besonderer Werthe für a, b überzeugen; denn was all
gemein gilt, muss auch in allen besonderen Fällen wahr sein.
Dann würden wir mit 8 Substitutionen auskommen; denn das
rechte Glied hat 8 Coefficienten, in denen ein Irrthum Vor
kommen kann, und zur Bestimmung von 8 Unbekannten sind
eben so viele Gleichungen erforderlich. Man findet dann,
dass bei a — 0,1, 1, 1, 2
und beziehungsweise
b = 1, 0, 1, - 1, - 1
die beiderseitigen Besultate 216, 125, 2197, 729, 10648 sind.
Weiterhin wird die Rechnung beschwerlich, und deshalb kann
man sich hier auch der 9er-Probe bedienen und findet bei
Die Kraft der Uebcrzeugung.
529
o = 2, 6 = 1,0 = 4+ 2X7; o=l,i= 3, 8 = 0+ 2X4;
o = l, 6 = 2, 0 4 + 2X7; o = 1,6 = — 2, 1 = 1 + 2 X0.
Sicherheitshalber ist es gut, jede Rechnung ein- oder
zweimal zu wiederholen, und zwar, wo es angeht, auf eine
andere Art.
Bei Berechnung von Reihengliedern, wie etwa der Loga
rithmen, Bogenfunctionen, Versicherungsprämien aus den Sterbe
tafeln u. a. m. dienen theilweise zu Proben die Unterschiede
zwischen den einzelnen Gliedern, -welche regelmässig steigen
oder fallen, so dass jede unerklärbare Abweichung immer einen
Rechnungsfehler verräth. Hängt von gewissen Berechnungen
das Gedeihen einer wichtigen Unternehmung ab, so gebietet
die Vorsicht, dass daran wenigstens zwei erprobte Mathematiker
unabhängig von einander arbeiten.
Anmerkung. Ueberhaupt zeugt vom Irrthum jeder
Widerspruch. Bei diesen Untersuchungen darf z. B. kein v > 1
sein, gleichartige Ueberzeugungen müssen sich stärken und un
gleichartige schwächen. Würde eine Erscheinung dagegen zu
sprechen scheinen, so muss sie gründlich widerlegt, und nicht
durch eine blosse Ausrede beseitigt werden.
10. Gleich starke Gründe und Ueberzeugungsgrade.
a) Nimmt man im Ueberzeugungsproducte v = v — v" etc.
an, und gibt es n solcher Gründe, so erhält man 1 — V — (1 — v) n
oder U — u n , woraus dann log U = n log u, log u — log U: n,
n — log U: log u folgt.
So finden wir aus v — u — , n = 10,
2
log u = — 3-01030 = 0-98970 — 4, U= 0-00097656, V =
0 99902344. Ebenso gibt V = 0-9, v = 0-1,
n = log 0-1 : log 0-9 = — 1 : — 0-04576 --= 21-85.
Schwache Gründe mit v = O'Ol benöthigt man auf V = 0'9,
n = 229.
Darnach wird die logische Anforderung: man hat die
Gründe zu wägen und nicht blos zu zählen — von
selbst klar.
b) Beim Angeben starker Ueberzeugungen verursacht die
grosse Anzahl von Ziffern, womit die Rechnungen durchzuführen
wären, nicht geringe Schwierigkeiten. Diesem Uebelstande kann
530
S i m e l* k a.
man dadurch abhelfen, dass man hiezu eine bestimmte Einheit,
die man Grad nennen kann, feststellt. Dazu eignet sich am
besten F (1 ) = 0’9, da es die Unvollkommenheit e = 0'1 hat,
was dann log s = — 1 gibt. Darnach wird die Unvollkom
menheit des Jiten Grades, d. i. t 1 ein Decimalbruch sein, der
n Nullen mit 1 am Schlüsse hat, und die Ueberzeugung vom
ftten Grade oder F(„) = 1 — e“ wird durch 0 und n nachfol
gende 9 er angegeben, so dass F (2 ) = 0-99, F( S) = 0-999. Zur
geometrischen Verdeutlichung eignet sich besser e = 1 : e, wo
e Basis der natürlichen Log. ist, so dass man e = 0-3678794,
daher F(i) = 0-6321206 findet. Dann folgt aus der Gleichung
0-1 = e n , n ■= 2'3, so dass ein arithmetischer Grad beinahe 2'3
geometrischen gleicht.
Nach dem vorigen Absätze hat F (1 ) = 0’9 dieselbe Gil
tigkeit wie beinahe 22 Gründe mit der Kraft v = 0*1, oder
229 Gründe mit v = O’Ol.
c) Die Gleichung F (m -j- «) = 1 — s m + m — j — e m .
e” = 1 — [1 — V( m )] [1 — F( n )] sagt aus, dass man bei dieser
Einrichtung die Grade der gleichartigen Gründe addiren kann.
Ebenso erhellt aus (1 — F (m )) m = (e™)’ ! = e mn = 1 — dass
bei der Resultirenden aus n gleichen Gründen der Grad n-mal
grösser sein wird.
1. Beispiel. Littrow (Vorlesungen über Astronomie
1830, II. Bd., S. 130) bespricht die Hypothese von der Ent
stehung unseres Sonnensystems. Diese beruht auf einer gemein
samen Ursache, und zwar etwa der, dass die ganze Masse der
Sonne und Planeten einen einzigen Urnebel bildete, der in Folge
der Achsendrehung und Gravitation in die jetzigen Gestalten
überging. Diesen Gedanken hält er für so mächtig, dass man
auf seine Wahrheit 200 Billionen gegen die Einheit wetten kann.
Darnach spricht er ihm wegen O'F = 1 : 2 X IO 14 ; * = 14'3
Grad Stärke zu, von der er sagt, dass sie grösser ist als bei
vielen historischen Daten, an deren Wahrheit Niemand zweifelt.
Heutzutage, wo, die Satelliten ungerechnet, bereits über
120 Planeten bekannt sind, hat blos eine einzige Art von
Gründen, nämlich die ihnen allen gemeinschaftliche Bewegung
von Westen über Süden gegen Osten mehr Wahrscheinlichkeit
für sich. Wäre nämlich jene Hypothese nicht wahr, so müsste
man annehmen, dass die Planeten aus dem unendlichen Welt-
Die Kraft der Ueberzeugung.
531
raume kommend sich nach Art der Kometen an unser Sonnen
system anschlossen. Dann ist aber die Wahrscheinlichkeit der
directen und indirecten Richtung einander gleich, und beträgt
bei 120 Planeten = 0' L, 36'1 Grad.
2. Beispiel. Bei der Stammzahl p ist die Gleichung
x 3 = p y -|- 2 stets mittelst je einer Werthreihe von x, y lösbar,
wenn p — 6® — 1. Hat man jedoch p = 6 tp -|— 1, so geschieht
dies entweder nicht, oder haben *, y drei Werthreihen. Beides
kann man streng beweisen. Letzteres kommt bei p — 31, 43,
109, 127, 157, 223, 229, 277, 283, 307, 397, 433 etc. vor, so
dass z. B. x 3 = 31 y 2 mittelst x = 31 t -j- 4, 31 t 7,
31 t -j- 20 lösbar ist. Fragt man nach der Reihe oder Zahl
form, welche die obigen Stammzahlen enthält, so lautet die
hypothetische Antwort, dass es p = t 2 -j- 27 u- sein kann, wo
man namentlich 397 = 17 2 -j— 27 X 2 2 findet. Im Gegentheil
löst die obige Gleichung keine von den Grössen q — 7, 13, 19,
37, 61, 67, 73 etc., welche in q = 4 t 2 -f- 2 t u + 7 u 2 enthalten
sind. Weil man bei demselben t, Hb u für p blos einen, aber
für q zwei Werthe findet, so beträgt die aus einem der obigen
Fälle herrührende Ueberzeugung für die Giltigkeit der ange
führten Zahlform (nach Nr. 4 c)
obbemerkten 12 Werthe von wegen O’l
Darnach geben die
“= ^y 2 ,5-7 Ueber-
zeugungsgrade.
11. Die Ueberzeugungscurve.
Den Wuchs der Ueberzeugung in Folge von neu vor
kommenden Gründen kann man sich auch durch eine krumme
Linie darstellen. Reducirt man nämlich die Stärke der Gründe
auf geometrische Grade, so erhält man bei e = —- =0'36788,
1 — v = e“, 1 — v — e a ', 1 — v" = e a etc. Dies gibt nach
Nr. 5, 1 — V — e“+ • •', woraus man wegen 0 P = x =
« -f- a -)- «" -j- . . , MP — V = y die Gleichung y — 1 — z
erhält.
Führt man A S in der Entfernung 40 = 1 parallel zur
Abscissenaxe 0 X, so wird es in Folge des Schwindens von
532 Simerka.
e x = 1 — y = NP — MP — MN zur Assymptote der Curve
OMS. Dabei gebt die Annäherung bedeutend rasch vor sich,
indem ein kleines x (Grad der Gründe) ein genug grosses y
(Kraft der üeberzeugung) liefert; bei
x — 1, 2, 3, 4, 5 findet man
nämlich y = 0-632, 0865, 0-950, 0-982, 0-993.
A N S
OP X
Dass anfänglich die Üeberzeugung schneller wächst als
weiterhin (Nr. 6, 6), deuten die Unterschiede der um einen
Grad von einander abstehenden Ordinaten an; aus ?/ ( =1 — z\
y 2 = 1 — + 1 folgt y 2 — y v = z 11 — z + 1 = z (1 — s), woraus
sich dann bei n = 1, 2, 3, . . . die geometrische Progression
A = (1 — s) (e, £ 2 , e 3 , . . .) ergibt, die bei dem obigen Werthe
von e ziemlich stark fällt.
Heisst © der Bogen des Winkels, den die Tangente eines
Punktes dieser Curve mit der positiven Seite der Abscissenaxe
bildet, so erhält man tg 9 = = — l e . d. i. tg © =
dx
1 — y = MN: AO. Für den Anfangspunkt erhält man wegen
y = 0, tg 9 = 1, so dass T 0 X — 45° beträgt, wobei © ein
Maximum ist.
Wichtiger ist hier die Fläche AOMN = AOPN —
MOP = 4 0 X OP — yydx = x — ./* (1 — e*) dx = C +
y z dx — C— z. Hiebei ist C — 1, weil diese Fläche von AO
gerechnet wird. Man hat daher AOMN = 1 — z = y oder
eigentlich = AO X MP. Wird x = 00 genommen, so gleicht
die ganze zwischen AO der Assymptote und Curve enthaltene
Fläche der Einheit, d. i. AO’ 1 , ist daher ziemlich unbedeutend.
Die Kraft der Uelierzeugung. 533
Anmerkung. Weil hier der Annahme nach v, v, v" etc.
-f- und ■< 1 sind, werden auch a, a!, er" etc. und ebenso x positiv
sein. Demnach widerspricht — x den Suppositionen. Würde
übrigens y = V durch entgegengesetzte Gründe (wovon im Ver
folge die Rede sein wird) unter 0 herabgedrückt werden, und
kommt hierauf noch ein neuer derartiger Grund hinzu, so sind
dann beide Grössen (Nr. 2, f) für gleichartig, daher -f- an
zusehen.
12. Möglichkeit der wahren Erkenntniss.
Nach Nr. 10 ist die gradweise fortschreitende Unvoll
kommenheit eine convergirende geometrische Progression, näm
lich O'l, O'Ol, O'OOl etc., deren entferntere Glieder verschwin
den, und es entsteht nur die Frage, ob zur Beruhigung des
menschlichen Gemüthes hinsichtlich der Sicherheit seiner Ueber-
zeugung dieser Glieder nicht eine allzugrosse Menge oder gar
unendlich viel nothwendig ist?
a) Eine in dieses Bereich eingreifende Antwort gibt die
Einrichtung der Logarithmentafeln auf 7 oder höchstens 8 Deci-
malen in der Mantisse. Damit reicht man beinahe bei allen
Rechnungen aus, und mehr Stellen zu nehmen, würde die Ar
beit unnütz erschweren. Die Unvollkommenheit ihrer Daten
beträgt daher weniger als 0'00000005, und setzt man diese
Zahl = e x = O'U, so ergibt sich x = 8 — log 5 = 7'3. Sie
geben daher eine grössere Ueberzeugung als 7'3 Grad, die wir
deshalb mathematische Sicherheit nennen können, weil
man sich damit in allen mathematischen Wissenschaften begnügt.
Ihre Unvollkommenheit gleicht höchstens '/. i0 Millimeter bei
der Messung eines Kilometers, wie dies aus den Verhältnissen
5 X 10~ s : 1 = 5 : 10« = 1 : 2 X 10 7 = « : 1 Kilom. = u : 1000”
= u : 1,000.000””, 1 : 20 = u : l mm erhellt.
Bei den aus Messungen und anderen wissenschaftlichen
Daten herrührenden Unvollkommenheiten bleibt hier nichts
mehr zu wünschen übrig; in theoretischer Hinsicht scheint
dies jedoch nicht auszureichen. Beachten wir demnach einen
anderen Umstand.
b) Auf unserer Erde ändert sich gar nichts, wenn sich
auch ihre Masse um 1 H vermehren oder vermindern würde;
so ein Theilchen ist verhältnissmässig ungemein geringfügig,
534
S i m o r k a.
etwa ein Differentiale oder ein Thautropfen hinsichtlich eines
grossen Teiches. Aus dieser Annahme kann man die Propor
tion aixfstellen 1 U : M = z : 1, d. h. wie das Gewicht von
einem Pfunde gegen die Masse unserer Welt verschwindet, so
verschwindet die Unvollkommenheit z gegen die wahre Er
kenntnis. Nimmt man die Erdmasse in Zentnern, so erhält man
daraus 100 M. z = 1, und wegen log s = — 1, a: = 2 -f- log M.
Nach Littrow beträgt jedoch M = 87.142,230.000 Billionen oder
8,714.223 X 10 16 Wiener Zentner. Dabei kommt es auf drei-
oder viertausend Billionen als Folge der dekadischen Unvoll
kommenheit nicht an, und übt auch auf die nachfolgende
Untersuchung keinen Einfluss aus. Darnach findet man x —
24 - 9, so dass eine Ueberzeugung von 25 Graden als vollkommen
angesehen werden kann. Würde einem strengen Kritiker der
Gedanke, dass 1 fl gegen die Masse unseres Erdsphäroids ver
schwindet, übertrieben scheinen, so nehme er anstatt dessen
1 : 100.000 tt, was weniger als '/, 3 Gran beträgt, einem äusserst
kleinen Sternschnuppen gleicht, und x — 30 gibt; an der Gil
tigkeit vorstehender Schlüsse ändert aber auch das sehr wenig.
Da sich nun alle Mathematiker mit obiger Sicherheit von
7 "3 Grad so zufriedenstellen, dass einige von ihnen die Resul
tate ihrer Rechnungen unfehlbar nennen, so kann man die
Ueberzeugung von 25 Grad für wahre Erkenntniss ansehen.
Sind ja diese Grade, d. i. v — 0'9 an sich schon ziemlich gross,
so dass jeder von ihnen (nach Nr. 10) 22 Gründen mit der
Kraft 0T gleicht, was hier 25 X 22 = 550 schwache Gründe
gibt, und zur Unvollkommenheit Quatrilliontel hat.
Im Ganzen erhellt hieraus, dass die Menschheit in vielen
Fällen nicht nur verlässliche Sicherheit, sondern auch voll
kommene Erkenntniss erlangt hat, in anderen sie mit der Zeit
erlangen wird, in manchen sich aber mit einer ziemlichen Dosis
Unvollkommenheit begnügen muss, weil sie nicht so viele und
so starke Gründe sich verschaffen kann, dass sie zur Rcsulti-
renden obangeführte Zahlen geben.
13. Methoden, die zur Erkenntniss führen.
a) Solcher gibt es zwei. Als erste (ursprüngliche) ist nach
diesen Untersuchungen die inductive, aposteriorische oder
Die Kraft der Ueberzeugung.
535
synthetische Methode, sonst auch der Weg der Erfahrung
oder Praxis (von unten) genannt, anzunehmen; die andere heisst
deductiv, apriorisch oder analytisch, wie auch der Weg
des Verstandes und der Theorie (von oben).
Die Gründe der ersten Methode haben eine geringere
Giltigkeit als 1. Dies sind Urtheile, die aus einzelnen Sinnes
wahrnehmungen, Beobachtungen, Messungen, Experimenten,
glattbwiirdigen Zeugnissen u. dgl. entstehen. Ein einziger von
ihnen reicht zur vollkommenen Ueberzeugung nicht aus; sie er
scheinen aber in einer bedeutenden Menge, so dass ihre Resul-
tirende = 1 anzunehmen ist.
So beruht z. B. unsere Ueberzeugung von der Wirklich
keit der Aussenwelt auf unserem Gesichts- und Tastsinn, und
wir irren nicht, wenn wir ihnen drei Grade Ueberzeugung
zuschreiben, da sie uns beide zugleich in tausend Vorfällen
kaum einmal täuschen. Dann hat eine dreifache solche Erfahrung
mehr Kraft als die mathematische Sicherheit, und die neunfache
gleicht der vollkommenen Erkenntniss, abgesehen von den Zeug
nissen anderer Menschen, der Analogie mit ähnlichen Gegen
ständen, und von Urtheilen, die aus Empfindungen und Wahr
nehmungen bei den anderen Sinnen entstehen. Dasselbe kommt
auch bei anderen Gattungen der Induction vor.
Die deductive Methode geht von Gründen (Prämissen)
aus, die zur Ueberzeugung 1 geben. Die ersten von ihnen
heissen Axiome oder evidente (in sich selbst klare) Sätze. Diese
vereinigt sie untereinander und leitet aus ihnen Theoreme
(Lehrsätze, Naturgesetze) ab, die wieder zur Grundlage von
Folgerungen dienen.
Jene Evidenz der Axiome kann aber auch blos subjectiv
sein, weil ein Mensch nicht begreift, was dem andern klar ist;
oder können sie blos den Werth von Voraussetzungen (Suppo-
sitionen) haben, die man nur so lange für wahr hält, als ihnen
nichts widerspricht. Dann wäre der Glaube an die Axiome
eine Ueberzeugung ohne objective Gründe, wo doch eben sie
die volle Realität beanspruchen. Betrachtet man sie aber ein
zeln und genauer, so erkennt man, dass sie zur Grundlage leicht
zu erlangende und idealisirte Erfahrungen haben, auf denen
sie wie auf einem Felsen unerschütterlich beruhen.
536
Simerka.
Umgekehrt liefert clie Induction blosse vereinzelte Data
zum Resultat, sozusagen Aphorismen, die sich hin und her zu
widersprechen scheinen, und auf die Frage: warum etwas so
ist und nicht anders — keine Antwort geben können. Dieser
Anforderung entspricht die Theorie, da sie nach der Entwick
lung eines jeden etwas wichtigeren Satzes die Praxis befragt,
ob sie Wahrheit redet. Lautet die Antwort: Ja, so ist es, —
dann heisst so eine Erkenntniss apodiktisch oder vollkommen
sicher. Ihr Gegentheil ist die hypothetische Erkenntniss. Sie
geht auch von der Erfahrung aus, aber erhält aus derselben
nur Suppositionen, auf denen sie weiter baut, und bei der
obigen Frage antwortet ihr die Praxis nicht: so ist es, — son
dern : so kann es sein. (Lehrbuch der Physik von Müller-
Pouillet. Braunschweig 1852. S. 4.) Lautet auch nur einmal
die Antwort der Induction: so kann es nicht sein, — so stürzt
die schönste Yermuthung entweder ganz oder theilweise ein.
Aus diesem Grunde sollte man die Benennung ,Hypothese 1
nicht einer jeden oft genug schwachen Vermuthung beilegen.
b) Von einem andern mehr elementaren Standpunkte kann
man sich über diesen Gegenstand folgender Art äussern: Die
Naturerscheinungen richten sich nicht nach den Aussprüchen
unseres Verstandes, um so weniger sind sie geneigt, dem mensch
lichen Willen zu gehorchen; sondern sie haben ihre eigenen
Gesetze, die älter sind als alle unsere Logik. Begreifen wir
diese Regeln, und kleiden sie in verständliche Worte ein, so
befinden wir uns auf dem zur Erkenntniss führenden Wege,
d. h. wir haben eine brauchbare Hypothese gefunden. Gelingt
es uns überdies noch, dieselben durch bestimmte mathematische
Formeln (wie z. B. das Gesetz der allgemeinen Schwere oder
Gravitation) anzugeben, und mit anerkannten Wahrheiten in
Uebereinstimmung zu bringen, dann erreichte unsere Bemühung
ihr Ziel, und wir sind bei der apodiktischen Erkenntniss ange
langt. Hierauf kann man die Wirklichkeit selbst aus dem engen
Raume des menschlichen Gemüthes erklären, und stösst auf Er
scheinungen, an die wegen ihrer Unbedeutendheit und Verwicklung
Niemand gedacht hat. Ja jene Gesetze bestätigt jede neue
Schwierigkeit. Lange konnten z. B. die Astronomen die Abwei
chungen in der Bewegung des Jupiter und Saturn nicht begreifen,
bis Laplace jenes Räthsel löste. Ebenso gab es verschiedene
Die Kraft der Ueberzeugühg.
537
Meinungen zur Erklärung der Perturbationen des Uranus in seiner
Bahn, bis Leverrier aus jenen unbedeutenden Ablenkungen
nach wies, dass sie von einem neuen Planeten (dem Neptun) lier-
rühren, wobei die Wissenschaft sozusagen einen neuen
Triumph feierte. — Die Unregelmässigkeiten in der Bewegung
der Jupitertrabanten führten den Römer zur Bestimmung der
Geschwindigkeit des Lichtes, was manchem späteren Gelehrten
viel Kopfbrechen verursacht hätte.
Wie man in der Astronomie aus wenigen Daten den Lauf
der Planeten auf Jahrhunderte voraus berechnen kann, so geht
das Streben in der Physik und Chemie dahin, aus einigen ge
gebenen Kennzeichen der physikalischen Körper nicht nur alle
ihre übrigen Eigenschaften, sondern auch die Merkmale ihrer
Verbindungen durch blosse Rechnung zu bestimmen. Diesen
Zweck hat die atomistische Hypothese der Materie, die dyna
mische Theorie der Wärme, die Vibrationshypothese beim
Lichte, u. s. w. In einigen Fällen hat man schon den Grad
des Wissens erreicht, wie bei den chemischen Aequivalenten
oder Atomgewichten, andere Gegenstände sind mehr oder
weniger hypothetisch, wie die chemische Verwandtschaftsreihe.
Im Ganzen ist es jedoch klar, dass überall Gesetzlichkeit herrscht,
nur dass sie die Menschen bisher zu wenig kennen. Man hat
jedoch triftige Gründe zu hoffen, dass, wie in der Astronomie
der menschliche Forschungstrieb im hohen Grade befriedigt
wurde, dasselbe auch in anderen Wissenschaften mit der Zeit
stattfinden wird. Das Forschen selbst wird jedoch in keiner
Wissenschaft aufhören, indem jede begründete Antwort neue
Fragen gebärt.
c) Die grosse Kraft der apodiktischen Erkenntnisse er
hellt nebstdem auch aus nachfolgenden zwei mächtigen Gründen:
a) Aus dem inneren Zusammenhänge. Jeder einzelne Satz
bildet nämlich ein untrennbares Glied eines Ganzen, wobei
eine unbedingte Bürgschaft herrscht, so dass, wenn Einer fallen
würde, dasselbe Schicksal alle Anderen, die mit ihm Zusammen
hängen, treffen müsste.
ß) Aus ihrem Alter. Dabei kann man sich des Gleich
nisses von der ungewöhnlichen Festigkeit des Mörtels in alten
Bauwerken bedienen, der nach Stöckhardt (Schule der Chemie,
6. Auflage, §. 239) von Jahrhundert zu Jahrhundert fester wird.
538
Simerka.
Hierin ist offenbar ancli das Zeugniss vieler berühmter Gelehrten
mit einbegriffen, wornach es unmöglich ist, dass sich eine lange
Reihe streng denkender Forscher und Sachkenner ihres Be
reiches in etwas Wichtigem irren könnte.
14. Folgesätze.
a) Wenn nicht für ein Axiom, so kann man doch als ein
Theorem den Satz: Unendlich kleine Grössen verschwin
den gegen endliche,—• annehmen. In der Mathematik (der
strengsten Wissenschaft) hat dieser Ausspruch, obwohl ihm an
fänglich widersprochen wurde, dermalen seine volle Giltigkeit,
und ohne ihn könnte man nach (Nr. 7) keine menschliche Er-
kenntniss — 1 setzen.
b) Substituirt man ins Ueberzeugungsproduct v = 1, so
erhält man V = 1, mögen v, v" etc. was immer für positive
oder negative Werthe haben. Die wahre (objective) Ueber-
zeugung kann daher durch keine neuen Gründe vermehrt oder
durch Gegengründe vermindert werden. Nach dem mathema
tischen Sprachgebrauche kann man die Kraft der Wahrheit
unendlich gross nennen, weil endliche Grössen, gegen sie
gehalten, verschwinden.
c) Ein Beweis ist bekanntlich die Anleitung (der Weg),
wie man zur Ueberzeugung von der Richtigkeit eines Satzes
gelangt. Ein einziger, richtig durchgeführter, deductiver Be
weis reicht darnach zur Sicherstellung eines Lehrsatzes ebenso
hin, wie im Ueberzeugungsproducte eine einzige Substitution
zur Bestimmung von V. Warum führt man also in wissen
schaftlichen Werken hin und her mehrere Beweise an, und
ausserdem noch Gründe, welche die volle Giltigkeit von Be
weisen nicht haben? Dies hat folgende Ursachen:
Einmal reicht ein einziger Beweis zur Ueberzeugung jedes
einzelnen Menschen nicht hin, da in seinem Gemüth der Zweifel
Vorkommen kann, ob man nicht in der Durchführung geirrt
hat, d. h. seine subjective Ueberzeugung erlangte noch nicht
die Stärke = 1; ja sie kann nach Nr. 4, h, nahe 0 sein, wenn er
die ganze Sache nicht fasst. Bei mehreren Beweisen schwindet
dieser Einwurf. Ausserdem hat es oft zum Zweck, den Zusam
menhang des gegebenen Satzes von einer anderen Seite zu
Die Kraft der Ueberzeugung.
539
beleuchten, oder bat es den Werth einer Probe in den Rech
nungen. — Wenn ein vorsichtiger Mathematiker einen neuen
Satz aus anderen ganz correct abgeleitet hat, so traut er ihm
in Folge der Reserve (Nr. 6, b) anfangs nicht gar viel, sondern
gibt sich hierauf sicherheitshalber einige Beispiele; er weiss
ja, dass den Menschen nichts so oft täuscht als seine eigenen
Gedanken.
15. Abgeleitete Ueberzeugungen.
a) Derivirt man von A einen andern Satz B, so hat man
dabei eine dreifache Ueberzeugung zu berücksichtigen, und zwar
einmal die von der Richtigkeit des A, welche die Kraft a haben
mag. Die andere geht den Umstand an, dass B von A gehörig-
abgeleitet wurde; sie betrage v. Ist dann w die Grösse der
Ueberzeugung von der Giltigkeit des B, so erhält man w = av.
Je grösser nämlich a bei gleichem v wird, desto grösser ist auch
w, und ebenso wächst w mit v bei constantem a. Man hat hier
sozusagen zwei Zeugen mit den Glaubwürdigkeiten a, v, und
dann gibt av die Wahrscheinlichkeit an, dass beide die Wahr
heit reden. Die Ableitung des B von A kann hier als Grund
im Sinne des Nr. 4 für die Giltigkeit des B nicht angesehen
werden, weil wegen 1— w — (1 — a) (1 — v) man w = 1 aus
a = 1 erhalten würde, wo dann B wahr wäre, wenn man auch
die Ableitung unrichtig vorgenommen hätte.
Nehmen wir nun an, A sei eine Hypothese, deren Gründe
nicht mehr als a zur Resultirenden geben, so kann die Ueber
zeugung, dass B von A richtig abgeleitet ist, immer noch an
Stärke gewinnen, wenn man den Beweis wiederholt oder unter
anderen Umständen durchführt etc. Geschieht dies n-mal, so
übergeht v in V und man erhält nach Nr. 10, 1 — V — (1 — v) n .
Bei einem hinreichend grossen n hat man dann (1 -— v) n — 0,
somit V — 1 und w = a.
b) Darnach ist der Satz: ,Die abgeleitete Ueberzeugung
hat weniger Kraft als die ursprüngliche' (Nr. 2, e), die hier
vorkommenden Umstände betreffend, nur bei v <Z 1 als wahr
anzusehen, wo daher die Ableitung nur wenigemal vorgenommen
wurde, oder die Beweisführung nicht ganz evident ist. Würde
man ihn streng deuten, so wären die im mathematischen System
weit vorkommenden Theoreme, bei denen also die Ableitung
540
Simerka.
wohl zwanzigmal vorgenommen wurde, ziemlich wenig glaub
würdig, wo sie doch gerade wie ihre ersten Prämissen (die
Axiome) apriorische Erkenntnisse sind.
Ist man demnach bei der Derivation sicher, nicht geirrt
zu haben, dann gleicht die abgeleitete Ueberzeugung
an Kraft der ursprünglichen.
Würde sich daher nach genauer vorgenommenen For
schungen zeigen, dass eine Meinung oder Annahme als Prämisse
ungültig ist (a = 0), dann sind auch alle ihre Folgerungen un
brauchbar, da sie w = 0 geben.
c) Hat man jedoch von einer Hypothese A den Satz B
abgeleitet, und es ergibt sich, dass derselbe mit der Erfahrung
übereinstimmt, oder aus anderen anerkannten Wahrheiten resul-
tirt, so gibt dieser Umstand, den man Controle nennen kann,
für A einen neuen Grund ab, dem man die Kraft — zuschreiben
2
kann (Nr. 4, c), da es vor der Ableitung gleich möglich war,
ob man zum richtigen Resultate gelangt oder nicht. Hätte z. B.
eine Hypothese 10 von einander verschiedene controlirte Folge-
a, / 1 \ io
Sätze, so hat man ihr wegen 0'1 a= | I (nach Nr. 10) 3'01
Grad objectiver Ueberzeugung zuzuschreiben. Darnach stärken
Corrolarien, die sich nicht controliren lassen, ihre Prämissen nicht.
d) So wie (nach c) ein gültiger Folgesatz die Glaubwür
digkeit der Prämisse vermehrt, so widerlegt letztere bei richtiger
Ableitung eine ungültige Folge, indem die Gleichung w = a v
bei ic — 0, wenn v von 0 verschieden ist, a = 0 gibt. Ebenso
ist leicht einzusehen, dass eine richtige Prämisse zur ungültigen
Folge nur bei irriger Ableitung (v = 0) führen kann.
Dann und wann rührt eine ungültige Folge daher, dass
die Prämisse zu allgemein aufgestellt wurde. So kann z. B.
ein Satz, der bei relativen Stammzahlen zu Widersprüchen führt,
immerhin bei absoluten Stammzahlen wahr sein.
16. Glaubwürdigkeit der Zeugenaussagen.
a) Laplace nimmt, wie bekannt, 0’9 als Durchschnittszahl
für die Glaubwürdigkeit eines Augenzeugen an. Dies ist offen
bar nur eine fast willkürliche Abschätzung, die anderen Rech-
Die Kraft der Ueberzeugung.
541
nungen zur Grundlage dienen soll, und daher nur den logischen
Werth einer Vernjuthung oder Supposition hat. Auch wäre es
zu verwundern, dass diese Grösse um einige Hundertel oder
Tausendtel nicht grösser oder kleiner wäre, wo ähnliche Zahlen
irrational zu sein pflegen. Der Gedanke selbst verdient aber
immerhin Beachtung als der erste Versuch, logische Gegen
stände zu verrechnen. Es ist jedoch leicht zu ersehen, dass
man in dieser Hinsicht drei Umstände zu berücksichtigen hat:
a) Den ersten kann man die Reihenfolge der Zeugen
schaft heissen. Der unmittelbare oder Augenzeuge, der selbst
etwas sah, oder hörte, daher sozusagen Vater einer Nachricht
ist, kann mit Nr. 1 bezeichnet werden. Ein mittelbarer Zeuge,
der seine Kenntniss von Nr. 1 hat (ein Sohn), wird Nr. 2
sein, so dass dann Nr. 3 als Zeuge einem Enkel ähnlich sein
wird u. s. w.
ß) Ferner hat man darauf zu sehen, ob die mittelbaren
Zeugen ihre Kenntniss aus derselben oder aus verschiedenen
Quellen haben. Bezeichnen wir die Glaubwürdigkeit eines
Zeugen Nr. 1 mit v und haben Nr. 2, 3 etc. ihre Kenntniss blos
von ihm, so können sie für unsere Ueberzeugung keinen neuen
Grund abgeben; dies geschieht nur dann, wenn ihre Aussagen
aus anderen Berichten herrühren.
Yj Drittens ist wegen Vermeidung von Irrthümern und
Missverständnissen auch das Gemtith zu berücksichtigen, dem
man eine Ueberzeugung zuschreibt. Erzählt uns nämlich Nr. 1
eine Begebenheit, so gehört obiges v unserem eigenen Gemüthe,
also Nr. 2 an, weil es dort aus den Worten von Nr. 1 entstand,
und wir nur unser eigenes Gemüth kennen. Deshalb wird bei
derselben Nachricht das Gemüth um 1 in der Reihenfolge mehr
haben als der Zeuge. Darnach ist die im Gemüthe eines Augen
zeugen sich vorflndende Ueberzeugung für grösser als v anzu
nehmen, da sie nur Eine aus der Beobachtung (Autopsie) her
rührende Unvollkommenheit hat, wo die Ueberzeugung in Nr. 2
noch durch Mängel im Hören (Verstehen, Merken) beeinträch
tigt wird.
b) Bezeichnet man die Verlässlichkeit der Zeugen Nr. «,
Nr. (n -|- 1), Nr. (n fl- 2) beziehungsweise mit ic ü , w, w', so ge
langt man zur Proportion w 0 : w = w : w, d. h. wie sich Nr. n
zu Nr. (?i fl- 1) rücksichtlich der Glaubwürdigkeit verhält, so
Sitamgsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft. 35
542
Si merlca.
verhält sich auch Nr. (n -j- 1) zu Nr. (n -f- 2); denn was von
den obigen drei Zeugen der erste für den zweiten ist, das wird
auch der zweite für den dritten sein.
Bei n = 0 nimmt man als den Zeugen Nr. 0 die Wirk
lichkeit an, und setzt daher ?c u = 1; ist dann bei Nr. 1, w = v,
so erhält man aus 1 : v = v : w, w = v- als Glaubwürdigkeit
des Zeugen Nr. 2 im Gemüthe Nr. 3. Derselben Schlussweise
kann man sich aber auch bei Nr. 1, 2, 3 bedienen, und gelangt
dann zu v : v 2 = v 2 : w' , wo w = v 3 die Verlässlichkeit von
Nr. 3 darstellt. Darnach findet man v n als Grösse der Glaub
würdigkeit des Zeugen Nr. n im Gemüthe (n -|- 1).
c) Da die Glaubwürdigkeit des Zeugen Nr. 1 offenbar
grösser ist als jene von Nr. 2, so nimmt man gewöhnlich zwei
mittelbare Zeugen (Nr. 2 bei verschiedenen Quellen) für einen
unmittelbaren an. Ist darnach x die Verlässlichkeit eines Augen
zeugen, so wird in Folge des vorigen Absatzes x l dieselbe bei
Nr. 2 sein, und nach der eben angeführten Supposition gibt das
Ueberzeugungsproduct (Nr. 5)
1 — JL (1 — x 2 ) 2 = (1 — x) 2 (1 + x) 2 .
Aber x, d. i. das obige v, ist weder 1 noch 0; kürzt man daher
diese Gleichung durch 1 — x ab, so gibt (1 — x) (1 -j- xj 1 = 1,
ce 3 -f- x 2 — x = 0, x 2 -f- x = 1, was zu x = ~ (/Z5—1) = 0'618
2 1
führt. Die andere Wurzel, nämlich x =— g + 1), ist
2
offenbar unbrauchbar. Aber auch 0618 <; ^ ist als Glaub-
3
Würdigkeit eines Augenzeugen sehr wenig, da man ihm vorwerfen
würde, dass er in drei Fällen einmal täuscht. Nebstdem würden
die mittelbaren Zeugnisse wegen v 2 = 0382, v 3 = 0236, v i =
0146, v 5 = 0090, v 1 ' = 0056 u. s. w. sehr unverlässlich sein. Des
halb bleibt nichts Anderes übrig, als von der Annahme, dass
zwei mittelbare Zeugen einem unmittelbaren gleich kämen, was
bisher ohne hinreichende Gründe für wahr galt, abzulassen, und
das Verhältniss zwischen unmittelbaren und mittelbaren Zeugen,
sowie die daraus resultirende Glaubwürdigkeit eines Augen
zeugen anderweitig abzuleiten.
d) Nimmt man, um das unbekannte Verhältniss zwischen
den Zeugen Nr. 1 und Nr. 2 zu bestimmen, als Glaubwürdigkeit
543
l)ic Kraft der Üeberzeugting.
eines Augenzeugen nacheinander 095,0-9,0*85, 0*8 an, so gelangt
man mittelst des Ueberzeugungsproductes zu den Gleichungen
0-097.5" = 0-05, 019* = 01, 0-2775* = 0-15, 0-36* = 0-2,
woraus dann beziehungsweise x = 1*287, 1*386, 1*480, 1*575
folgt. Geht man von den Verhältnissen 3:4, 3:5, 4:5, 1 : \/2
aus, so erhält man die Gleichungen
4 5
1 — v = (1 — v‘ 2 )7r, 1 — v — (1 — ® 2 )7T,
1 — v = (1 — ® 2 ) T, 1 — v = (1 — v 2 )^
d. i. (1 — -m) (1 —f— r) J = 1, (1 — v)' 1 (1 + v)'° = 1
(1 — v) .(14- «) 5 = 1, (1 — «/* -1 (1 + vf' 2 = 1.
Diese Ausdrücke sind noch am leichtesten mittelst der Ver
suchsmethode mit Hilfe der Logarithmen zu lösen, so dass man
cc
z. B. aus dem letzten bei v — —,
10
fx — {\T2 — 1)log(10 — 2. log (10 + *) —21^2 + 1=0
zur weiteren Verrechnung erhält.
Auf diese Art gelangt man beziehungsweise zu v = 0*92756,
075488, 0*96594, 0*88522.
Wird die Glaubwürdigkeit von Nr. 1 jenen von Nr. 2 und
Nr. 3 gleich genommen, so erhält man 1 — v — (1 — v-) (1 — v 3 ),
woraus v — 0*75488, daher ebenso viel wie beim Verhältniss
3 : 5 sich ergibt.
e) Erwägt man alle diese und ähnliche Umstände, so
erkennt man, dass es am zweckmässigsten ist, 2:3 als jenes
Verhältniss anzunehmen, da es nach 1 : 2 am einfachsten ist, und
3
wegen 1 — v = (1 — « 2 )T, v — 0*83929 nahe das arithmetische
Mittel obiger Werthe bildet. Ueberdies gibt es in Folge
1 — v = 0*16071 = 0*1' bei x — 0*79396 fast 4 / 5 Grad Ueber-
zeugung. Den Hauptgrund für diesen Werth liefert jedoch die
weiter in Nr. 20 vorkommende Widerlegung von Irrthum und Lüge.
f) In Folge dessen haben die Zeugen Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6,
7 zur respectiven Glaubwürdigkeit nach b) 0*83929, 0*70441,
0*59120, 0*49619, 0*41645, 0*34952, 0*29335. Hieraus ersieht
man auch, dass die Ueberzeügung mit der Kraft genug
schwach ist, da sie erst dem Zeugen Nr. 4 zugehört.
g) Darnach beträgt die aus den übereinstimmenden Aus
sagen zweier Augenzeugen resultirende Ueberzeugung
35*
544
Si m erka.
V= 1 — (1 — 083929) 2 = 0'97417, uncl man pflegt sie schon
,Wissen' zu nennen. Bei drei Zeugen hat man V — 0’99585.
Uebrigens dtii’fte es schwer sein, die Grenze des Wissens
durch eine Zahl anzugehen, da dabei nicht nur die Quantität
der Ueberzeugung, sondern auch ihre Qualität und verschiedene
Nebenumstände zu beachten sind. Man weiss z. B., dass Jemand
eine Begebenheit erzählt hat, und bezweifelt doch ihre Wahrheit.
kJ Nimmt man die beim Augenzeugen nach y) vorkom
menden zwei Unvollkommenheiten für gleich an, wo dann jede
die Hälfte von 1 — 0-83929 beträgt, so stellt 091965 oder
kürzer 092 die aus der Autopsie (im Gemiithe Nr. 1) herrüh
rende Ueberzeugung dar, falls etwa der Zeuge die fragliche
Begebenheit bald nach gemachter Erfahrung verzeichnet hat.
Schreibt man nach Nr. 13 a) dem Gesichts- und Tastsinn
zugleich drei Grade Kraft zu (0999), entfällt dann hievon 092
aufs Gesicht und x auf den Tast, so erhalten wir aus dem
Ueberzeugungsproducte 0001 = 008 (1 — x), x — 0’988; was
mit der Erfahrung übereinstimmt, dass der Tastsinn seltener
täuscht als das Gesicht. Dies zeigt zugleich auch, dass ähnliche
Suppositionen nicht übertrieben sind.
Frage. Jemand kennt die Gründe für die Gauss’sche
Osterregel nicht. Seine Ueberzeugung beruht auf einem triftigen
Zeugnisse (0-91965) und 12 durchgenommenen Beispielen. Wie
gross ist dieselbe?
Antwort: Nach Nr. 13, b) hat man hier O'D = 0-08035 X
12
, weil jedes Beispiel als Grund '/ 2 an Kraft hat. Dar
nach beträgt x — 4‘707 Grad.
i) Versteht man unter abgeleiteter Ueberzeugung jene
beim Zeugen Nr. (n +1), sofern sie von Nr. n herrührt, dann
erhält man mit Rücksicht auf Nr. 15 und Absatz b, a = v n ,
iv = v n + \ somit wie daselbst w — av. In Folge von v <; 1 ist
w <; a; und eine derartige Ueberzeugung ist immer schwächer
als die ursprüngliche.
Anmerkung. Hier wurde nur von der Glaubwürdigkeit
mathematischer oder idealer Zeugen gehandelt; mit wirklichen
Zeugen befasst sich zum Theile die historische Kritik, zum
Theile auch die Gerichtsordnung.
Die Kraft der Ueberzeugung.
545
17. Anwendung vorstehender Lehren auf die Theorie des
Imaginären und Complexen.
In einer seiner Abhandlungen schreibt Kant: Die Auf
lösung der Aufgabe vom Sitz der Seele, die der Metaphysik
zugemuthet wird, führt auf eine unmögliche Grösse (V—2);
und man kann dem, der sie unternimmt, mit Terenz zurufen:
,nihilo plus agas, quam si des operam, ut cum ratione insanias'.
Kant hielt daher mit den alten Mathematikern das Imaginäre
für unmöglich, da es sich weder unter die positiven, noch unter
die negativen Grössen einreihen lässt. Dieser Grund genügte
damals, weil sich dagegen kein Widerspruch erhob. Im Jahre
1850 erschien jedoch zu Prag ein Werk unter dem Titel:
,Versuch einer richtigen Lehre von der Realität der vorgeblich
imaginären Grössen der Algebra', und die darin airsgesprochenen
Ansichten haben unter den Mathematikern zahlreiche An
hänger gefunden. Dass diese zwei Lehrbegriffe mit einander
unvereinbar sind, leuchtet von selbst ein; doch wer hat hier
Recht ?
Nach einer alten Regel rechnen die Mathematiker, wenn
sie in Streit gerathen, was auch hier in möglichster Kürze
stattfinden mag.
a) Um die Gleichung [er 2 — (?/-}- z) 2 ] . [a? 2 — (y — z) 2 ] =
16 a 1 mit positiven, darunter etwa auch irrationalen Werthen
für x, y, z zu lösen, zerlege man 16 d'~ in die positiven Factoren
p, q, so dass p <C q wird, und setze x 2 — (y -j- z) 2 = p,
x 1 — (y ■— z) 2 — q. Die Differenz hievon gibt 4 y z = q — p,
d. i. yz — (q —p). Nimmt man hier y beliebig an, so ist daraus
4
z und x leicht zu bestimmen. Bei a = 12, also 16 a 2 — 2304 =
32 X 72 folgt aus p — 32, q = 72; yz — 10, und y = 2 gibt
z = 5, x — 9.
Hieraus ersieht man, dass jedes a ungemein viele derartige
Lösungen gibt, wobei wegen x 2 = (y z) 2 p stets x > y -f- z.
Die einfachste Lösungsweise ist offenbar y — z = 0, x = 2 I^a.
Zerlegt man die obige Gleichung in Factoren, so übergeht
sie in (x + y -j- z) (x — y — z) (x — y + z) (x -(- y — z) = 16 a 2 ,
d. i. auch
546
Si m erk a.
was
x -Yy + 2
bei i — Y — 1
y + 2 x — y + z x + y — z
> 2 2
n
X -f y+J
2
■x + y + z
2
y + z x + y — z-
liefert.
Wie die Geometrie lehrt, gleicht das zweite Glied der
letzten Gleichung der Fläche eines ebenen Dreieckes, dessen
Seiten x, y, z sind. Für den Inhalt einer derartigen Figur ist
daher auch der imaginäre Ausdruck ai anzusehen. Aber so
ein Dreieck ist Niemandem möglich zu verzeichnen, da darin
eine Seite (x) grösser ist als die Summe der zwei anderen
Seiten (y -)- z). Eine solche Figur, und hiemit auch ai, existirt
daher nur in unserer Einbildung (in unserem Gemtithe), und
es entspricht ihr ausserhalb derselben kein wirklicher Gegen
stand (Nr. 1, b). Mathematiker, die einen Ort, den Niemand
finden kann, und ein Geld, von dem es Jemandem geträumt
hat, für real ansehen, werden freilich consequenter Weise auch
solche Dreiecke real nennen; nach den hier angeführten Grund
sätzen kann dies jedoch nicht geschehen.
b) Wenn wir aber auch die ausser unserem Gemüthe
liegende Bedeutung von ai unberücksichtigt lassen, so kann
trotzdem diesem Ausdrucke die Benennung ,Grösse' nicht bei
gelegt werden, weil dem i = Y— 1 die Haupteigenschaft der
Grössen, nämlich die Setzbarkeit (Gleich kann für Gleich ge
setzt werden; mit Gleichem können gleiche Operationen vor
genommen werden) abgeht. Die Formel e ix = cos x + i sin x,
woraus Moivre seine schönen Lehrsätze abgeleitet hat, liefert
nämlich für * = 2i, wo also cos 2^ = 1, sin 2 % = 0 wird,
e 1 ' — 1. Nimmt man hievon die natürlichen Logarithmen, so
gelangt man wegen l e 2! “= 2inle = 2W = 11 =0 zu i = 0.
Wegen i- — — 1 müsste daher 0 gleich — 1 sein. Ebenso würde
i = 0 in Folge i — sich selbst -f- oo und wegen i =
i 3 i
zu — oo machen.
Zu ähnlichen Absurditäten gelangt man auch dann, wenn
jq
i durch Keihen, z. B. i — [a — (a + 1)] 2, oder wegen costc =
75= ■—
Die Kraft der Ueberzeugung.
547
- (e lx + e‘ x ), d. i. bei cos icc
2 V '
arc cos — (e x + e~*) gesucht wird.
2
1
/ CC I —X \
(e e ) aus tx
Diese Widersprüche rühren offenbar daher, dass man die
verschiedenen Werthe von i einander gleich gesetzt hat, was
wohl hei Grössen erlaubt ist, bei i aber nicht.
c) Der Ausdruck e“ = cos x -f- i sin x, in Folge dessen
einige Mathematiker gewisse Beziehungen zwischen a -j- bi und
dem Kreise anzugeben sich bemühen, ist nur ein besonderer
Fall eines allgemeineren Theorems in der Lehre von den
Reihen. Wird nämlich in
fx = a 0 + ci\X + ci 2 x 2 -(- «3* 3 + • • •
ix statt x gesetzt, so erhält man
fix — a A — « 2 x 1 -)- a 4 £e 4 — a 6 x 9 f- ... i (a t x — a 3 x 3 + a 5 x 5 . . . )
und werden letztere zwei Aggregate mit Cx, Sx bezeichnet,
fix — Cx -\- iSx, d. i. auch f — ix = Cx — iSx, woraus sich
dann fix • f— ix = C~x + S 2 x, sowie
-ff — ix), Sx = — _ (fix — / —ix) ergibt.
2 i
Aus =l-fx-\-x 2 -fx s -f... erhält man z. B.
1 — x
—— . 1 - = - 1 — = (i — x 2 + x-> — x 3 .. .y
1 — ix 1 -fix 1-fx 2
-|- (x — x 3 -f x 5 — . . .) 2 .
Derartige Ableitungen sind, wenn auch i für keine Grösse
angesehen wird, nach Nr. 15 zulässig; denn man kann in fx
stets xf-A statt x setzen und die Resultate so einrichten, dass
darin /'/. verschwindet, wonach dann ■/. = — 1 genommen wird.
Ersteres Verfahren ist jedoch stets kürzer. Specieller diesen
Gegenstand zu erörtern, lässt der Zweck dieser Abhandlung
nicht zu.
cl) Sind « = 4 + 37, 6 = 6 + 3i, c = 8 die Seiten eines
complexen Dreiecks, so beträgt seine Fläche F = 15 -)- 15t,
dann die Tangenten der halben gegenüberliegenden Winkel
tg
tg — B
2
_ 2 + 1
~ 3
1 ^
tg - C =
2
548
Simerka.
und ihre Sinuse
3 -f- i
sm
A =
sin B =
21 + 3 i
~ 20 :
sin C =
6 — 21
Spricht man nun dem Imaginären und Complexen den
Rang des Realen zu, so ist leicht zu ersehen, dass es auch
complexe Vier- und Mehrecke, Curven, sphärische Dreiecke,
geometrische Körper u. dgl. gibt, die sich gut verrechnen
lassen, dass man also eine umfangreiche complexe Geometrie
verfassen könnte. Ihre Resultate würden jedoch complex, d. h.
völlig unbrauchbar sein.
e) Darnach sind die Resultate aus Rechnungen mit dem
Imaginären und Complexen von dreierlei Art: Entweder stellen
sie wahre und brauchbare Sätze dar, die sich auch auf andere
Weise darthun lassen. Die Ableitungen sind dabei meist be
deutend kurz, und nach c) braucht man sich nicht vor Irr-
thümern zu fürchten. Der Grund hievon liegt darin, dass sich
im Verlaufe der Operationen i, anstatt dessen man sich auch
Vic denken kann, hebt. Oder sind die Resultate complex, d. h.
unbrauchbar. Dieser Umstand stimmt mit Nr. 15 überein, und
man kann ihn in Worten durch ,wie die Annahme, so die Folge'
ausdrücken. Die Verrechnung pflegt hiebei beschwerlich zu sein.
Ueberdies kann man auch bei einem solchen Calcül in
Widersprüche gerathen, was nach b) dann geschieht, wenn
die verschiedenen Werthe von i einander gleich gesetzt werden.
In dieser Hinsicht hat i mit Null einige Aehnlichkeit, indem
durch 0 im Allgemeinen keine Gleichung und kein Bruch ge
kürzt werden darf, und man den Werth von ^ nur dadurch
0
flndet, dass man sich statt 0 eines Differentials bedient.
f) Es entsteht nun die Frage, wofür man a -J- bi anzu
sehen hat, da es keine Grösse ist!
Die älteren Mathematiker hielten es für ein Zeichen der
Unmöglichkeit, indem die Bedingungen einer Aufgabe, die ge
löst x == a -f bi gibt, einander widersprechen. In dieser Hin
sicht ist es kein leeres Phantom, sondern ein werthvoller mathe
matischer Gegenstand. Es gibt jedoch für diesen Begriff noch
ein bestimmteres Genus proximum.
Ettingshausen nennt in seiner ,Combinatorischen Analysis'
(Wien 1826) S. 281 die Facultäten mit negativen oder ge-
Die Kraft der Ueberzeugung.
549
brochenen Exponenten Rechnungsgebilde. Dieser Benennung
kann man einen weiteren Sinn beilegen, und wenn nach Art
der Factorenfolgen bei elliptischen Functionen
11 CjV f h = /“ ' /“ + 1 ’ f“ + 2 ■ ■ ■ f r >
(wo alsdann
n<* )o = «b n<* >ä = ri, ii < t 7i ) h + 1 = (”)
'1, r ’ N l, U ’ x 1, r ' \ y r J
ist), gesetzt wird, jedes Product, wo r Null, negativ oder ge
brochen wäre, ein ,Rechnun’gsgebilde‘ nennen, wovon i =
II (q i) (— 1) einen speciellen Fall darstellt. Bei der überaus
^ IT
grossen Menge von Functionen ist es immer möglich, einige
derartige Gebilde zu finden, die dann nebengeordnete Begriffe
des Imaginären wären. Ueber ihren Werth kann offenbar nur
ihre Brauchbarkeit entscheiden. Schreiber dieser Zeilen be
fasste sich längere Zeit mit ähnlichen Gebilden, die er mit
fx
Ax = J bezeichnete und Diffrale benannte, wo sie dann
dx
Gegengrössen der Differentialien wären; konnte ihnen aber keine
praktische Seite abgewinnen.
Anmerkung. Bisher handelte man hier blos von gleich
artigen Ueberzeugungen (Nr. 2, b) und ihren Resultirenden, d. i.
vom Wachsen der Ueberzeugung, von den entgegengesetzten
oder negativen Gründen geschah nur nebenbei eine Erwähnung.
Es ist offenbar am zweckmässigsten, früher die Addition durch
zugehen, bevor man zur Subtraction schreitet. Nunmehr ge
langen wir zur zweiten Abtheilung, um entgegengesetzte (strittige)
Ueberzeugungen zu bearbeiten. Bisher wurden sozusagen die
Streitkräfte gesammelt, geordnet und geübt, um nunmehr den
geistigen Kampf zu unternehmen.
II. Die Ueberzeugung im Streite.
18. Anstoss zweier entgegengesetzten Ueberzeugungen.
a) Bei mechanischen Kräften geben dieselben Compo-
nenten immer nur eine einzige Resultirende; hier geschieht
dieses nur bei gleichartigen Ueberzeugungen, bei strittigen kann
es nicht stattfinden, weil da im Allgemeinen beide Ueberzeu-
550
Öimerka.
gungen durch den Anstoss leiden. Haben demnach die Ge-
müther A, B beziehungsweise o, w zu Ueberzeugungen, und
stösst B an A, wobei man das Resultat V im Gemtithe A
sucht, so hat man nach Nr. 2f) -f- v, —w zu nehmen; durch
den Anstoss wird nämlich V < v, wo es bei einem positiven
w wachsen würde. Stösst dabei auch A an B, so erhält man
dann aus — v, -f- ic im Gemtithe B die Resultirende W.
b) Nimmt man demzufolge in Nr. 8 a) v — — w, so
ergibt sich V — v — w + vw == v — (1 — v) w — v — uw,
w+F v — V v — V . .
woraus dann v = , w — — = toigt.
1 + w 1 — v u
Der durch den Anstoss des negativen w ans positive v
entstandene Kraftverlust beträgt darnach
r — v — V — (1 — v)w = iv — vw — wu.
Für die vollkommene Erkenntniss, d. i. v — 1 folgt daraus
r = 0, was zu zwei hochwichtigen Sätzen führt:
a) Die vollkommene Ueberzeugung von der Wahr
heit kann durch wie immer starke Gegengründe weder
entkräftet noch geschwächt werden.
ß) Eine Ueberzeugung, die geschwächt werden
kann, ist keine vollkommene Wahrheit.
Hieran reihen sich noch nachstehende zwei Sätze:
v) Aus r — wu folgt bei w — 1, r = w; weshalb die
Ueberzeugung nur durch den stärksten Gegengrund
um ihre Unvollkommenheit geschwächt werden kann.
o) Ebenso folgt aus r = v; (1 — v), dass der Ueber-
zeugungsverlust mit iv wächst, mit v aber fällt.
c) Wann kann die Ueberzeugung vernichtet werden, oder
in Zweifel übergehen? Dies geschieht bei V< 0, woraus man
l(j -y
dann v < , w > — erhält. Zur Entkräftung von
1 1-j-tt; ^1 — v
v = — reicht daher w = — hin.
3 2
d) Der Ausdruck 5 < w < 1 gibt v < —.
7 1—v j 2
Ist daher die Ueberzeugung v > —, so kann sie
2
durch einen einzigen Anstoss nicht vernichtet, um so
Die Kraft der Ueberzeugung.
551
weniger aber in Zweifel verwandelt werden. Weil die
Ueberzeugung im leeren Gemüthe anfänglich schnell wächst
(Nr. 11) und daher bald die Grenze — überschreitet, so er-
2
hellet hieraus, dass es unmöglich ist, Vermuthungen, die
auf genug schwachen Gründen beruhen, auf einmal zu
widerlegen. Die Geschichte der Religionsstreite und vieler
anderen Zwiste sowohl in der Vergangenheit als auch in der
Gegenwart liefert hierfür mehr als genug Belege; die Wahrheit
dieses Satzes erkannte man aber erst aus hundertjährigen Er
fahrungen. Hier ist sie zum ersten Mal auch durch die Rech
nung nachgewiesen
Hinsichtlich Nr. 13 hat man es hier nicht mit einem
blossen Wissen, sondern mit apodiktischer Erkenntniss zu
thun; denn der eben angeführte Satz und viele der nachfol
genden Sätze resultiren aus dem Ueberzeugungsproducte (einem
gütigen Theorem), und werden durch die Erfahrung bestätigt.
Hieraus folgt auch die längst bekannte Wahrheit: Wer
seine Ueberzeugung ändert, hat deren sehr wenig.
Wirkt demnach auf die Ueberzeugung keine viel stärkere
äussere Kraft oder der Wille ein (welche sie nicht umändern,
sondern nur gleichsam verdecken), so kann sie ins Entgegen
gesetzte (Nr. 2, c) blos durch wiederholte Anstösse übergehen,
und dies nur dann, wenn sie sich während dessen nicht durch
neue gleichartige Gründe stärkt.
e) Durch den Anstoss leiden jedoch, wie oben bemerkt
wurde, beide strittigen Gemüther, sofern ihre Ueberzeugungen
< 1 sind. Die Resultiren de für das andere Gemüth erhalten
wir durch Vertauschung von v mit w (in b); dann ist W —
w — v -)- vio = w — (1 — w) v = iv — u'v, wobei u' — 1 — w.
Der Verlust beträgt dann
r = w -— W = v (1 — w) — u'v.
Darnach verlieren beide Gemüther zusammen
r -j- r' = v + w — 2 vw,
und der Verlustunterschied beträgt
r — r = w — v.
Ist demnach v > io, so hat man r' > r. Beim Anstoss
zweier entgegengesetzten Ueberzeugungen aneinander
leidet die schwächere mehr als die stärkere.
552
S i ra e l* k a.
Ferner erhält man aus r = uw, r — u'v die Proportion
r : v == uw : w'r = — : —, d. h. die Verluste nach dem
v ic
Anstosse stehen zu einander im geraden Verhältnisse
der Unvollkommenheiten und im verkehrten der ur
sprünglichen Kräfte. Hiedurch unterscheiden sich die strit
tigen Ueberzeugungen von den entgegengesetzten Vorstellungen
in der Psychologie; denn hier stehen die Verdunkelungsantheile
blos im verkehrten Verhältnisse von Kräften der gegebenen
Vorstellungen.
Dies mag daher rühren, dass man den Vorstellungen als
blossen subjectiven Seelenzuständen keine Ueberzeugungskraft
zuschreiben darf, wo dann alle u — u . . . =1 zur Unvoll
kommenheit hätten.
Anmerkung. Bei w = 0 gibt die Gleichung
W — ic — v -\- vw, W = — v, was mit Nr. 6, b übereinstimmt.
f) Beachtenswert!! ist ferner der Umstand, dass v — 1 — w,
w =1 — v nach dem Anstoss dieselben Reste geben, wie
respective v, iv, was aus den Gleichungen
p = (1 — v ) w' — (1 —v)w= r, p' = (1 — w') v — v (1 — iv) = r
5 3
erhellt. So hat man nicht nur bei v — —, w = — , sondern
6 4
11 15
auch bei v — —, w = — dieselben Reste —, —.
4 6 8 24
g) Aus v = w findet man V = W = v 2 , d. h. gleiche
entgegengesetzte Ueberzeugungen heben sich nicht
auf, sondern schwächen sich aufs Quadrat.
19. Der theilweise Anstoss.
a) Diese Benennung kann man dem Satze: die nach
einander folgenden Anstösse zweier Gründe beschädi
gen die Ueberzeugung des Gegners (falls sie nicht 1 zur
Kraft hat) mehr als ein einziger Anstoss ihrer Resul-
tirenden, beilegen.
Hat nämlich das Gemüth A mit der Ueberzeugungskraft
v zu Gegengründen a, ß, so sind diese Grössen rücksichtlich
des Gemtithes B, worin sie sich befinden, gleichartig, und ihre
Resultirende w beträgt nach Nr. 8
Die Kraft; der Ueberzeugung.
558
w = a -f- ß — aß.
Stösst diese gegen A an, und heisst V das Resultat darin, so
ergibt sich dasselbe aus
1 — V — (1 — v) (1 -f- w) = (1 — ■«) (1 -j- a -|- ß — aß).
Bei zwei nach einander anstossenden Gegengründen gibt jedoch
Nr. 5 wegen v — — a, v" — — ß, v" — 0
1 — V = (1 - v) (1 + a) (1 + ß) = (1 - v) (1 + a + ß + aß).
Der Unterschied der beiden letzten Formeln beträgt
V — V = 2aß (1 — v), wo daher V > V, wenn v < 1; bei
v — 1 muss offenbar V = V' sein.
a 1 3 . 1 , . 7
Aus v — —, a = —, ß= — erhalt man z. B. w — —,
q 2 5 4 10
V — , V' — 0.
20
Am deutlichsten zeigt sich die Wahrheit dieses Satzes
bei a — ß = y .. . = 1, wo die Resultirende iv — 1 den Irr
thum v > — nach Nr. 18 d) nicht widerlegt, die Componenten
2
aber dasselbe bewirken können.
Auch mit diesem Satze stimmt die Erfahrung überein,
da z. B. mehrere Redner, von denen jeder einen einzigen Grund
behandelt, und ihn daher gehörig auseinander legen kann, eher
einen Irrthum entkräften, als es ein Redner bei Durchnahme
aller Gründe bewirken könnte. Dabei darf sich freilich der
Irrthum nicht anderseitig stärken.
b) Auch hiedurch unterscheidet sich die Ueberzeugung
von mechanischen Kräften, bei denen die Resultirende stets
statt den Componenten genommen werden kann, was hier nur
beim Wachsen der Ueberzeugung geschehen darf, nicht aber
beim Streite. Ausserdem folgt hieraus die Regel: Bei der
Widerlegung von Irrthümern ist es vortheilhaft sich
zuerst nur eines Grundes zu bedienen, nach einiger
Zeit aber des zweiten, dritten, u. s. w. Darnach kann
man den Geistessieg eher im kleinen als im grossen Kriege
erlangen. ,
c) Der theilweise Anstoss afficirt jedoch beide Gemüther.
Sind nun V', ic die Resultirenden nach dem ersten Angriff in den
Gemüthern A, B, so hat man V' — v — a + tu, 1 — ic —
(1 -f- y) (1 — a); stärkt sich nun B durch den Grund ß, und
554
S i m e r k a.
wird von A mit der Kraft V angestossen, so findet man das
Resultat W aus 1 — W = (1 + V) (1 -j- v) (1 — a) (1 — ß),
was bei 1 — w = (1 — a) (1 — ß) in
1 — W = (i -f- v) (1 — tc) (1 -(- v — a + ay ) übergebt.
Ist W' die Resultirende in dem Falle, wenn der Angriff'
zuerst mit ß vorgenommen wird, so erhält man durch Um-
tauschung von a mit ß
1 — W — (1 -)- v) (1 — w) (1 -|- « — ß -j- ß»).
Der Unterschied beider Gleichungen beträgt darnach
W — W = (1 —• v r ) (1 — io) (a ■— ß).
Aus v = —, a = —, ß = — folgt z. B. w -= W = —■,
k 3’ 5 4 10 15
W' =
24
Um daher beim theilweisen Angriff einen gerin
geren Verlust an der eigenenUeberzeugung zu erleiden,
ist es gerathen, mit stärkeren Gründen den Stoss anzu
fangen, da o: > ß offenbar W > W zur Folge hat.
Anmerkung. W= 1 kann hier nur bei w — 1 Vor
kommen ; denn der zweite Umstand, der ein derartiges Re
sultat gibt, nämlich lfi-u — a av — 0, führt zu
v — — a , was der Annahme widerspricht.
d) Bei Nr. 13 wurde bemerkt, dass die Naturgesetze auch
jede neue Schwierigkeit bestätigt. Solche Schwierigkeiten
müssen jedoch gründlich widerlegt und nicht durch blosse Aus
reden sozusagen verschoben werden. Ein derartiger Umstand
ereignet sich auch hier; aus
1 — W = (1 -j- v) (1 — w) (1 -f- v — a -f- <xv)
folgt nämlich
1 — W = (1 — Jj [(1 -f vy — 7. (1 — u' 2 )],
und wenn man beiderseits —-1 -f- w addirt,
w — W — (1 — iv) [(1 -(- v) 2 — a (1 — u 2 ) — 1].
Ist w = 1, so muss auch W = 1 sein, da eine solche
Ueberzeugung durch keinen Gegengrund geschwächt werden
kann. Geschieht dies aber nicht, so muss sich immer w > W
ergeben, da durch den Anstoss beide Ueberzeugungen leiden.
Die obige, den Unterschied w — W angebende Formel, ist
jedoch allgemein, und muss daher auch bei w < W wahr sein,
t)ie Kraft der Ueberzeugung.
555
so dass sich das Gemüth B wenigstens in einigen Fällen dui-ch
den Anstoss stärken würde? Nimmt man nun an, dass dies
wirklich geschieht, so folgt aus w — W <0, (1 -f- «) 2 — 1
/l 1\ 1 , (1 4“ v ) 2 1 _ 1+2»
< a (1 — v 2 ), also auch <. a, d. l. 1 + a
1 — «2 1 — v~
Nach dem ersten Anstoss hat man jedoch 1 — V' — (1 — v)
(1 <*), und wenn man beide Ausdrücke multiplicirt, 1 — V >
1 2« v TT , v ... ; „ ,
=14- , was zu V < fuhrt. Darnach
1 -+- v 1 + v 1 + v
sagt der letzte Ausdruck, dass v schon nach dem ersten An-
stosse negativ wurde, daher dann mit W = 1 — (1 — w) (1 -f- v)
gleichartig ist, und gegen dasselbe nicht anstossen kann. Auch
kann V' nicht als Kraft eines neuen Grundes für W angesehen
werden, da es als Theilkraft in v, also auch in TF enthalten ist.
20. Angriffe mit mehreren gleich starken Gegengründen.
a) Nimmt man (1 -f io)" = (1 -f- a) (1 -j- ß) (1 -f- y) etc.
an, so übergeht 1 — V — (1 — v) (1 -f- a) (1 -(— ß) (1 -J— y) etc -
in 1 — V = (1 — v) (1 -f- w) n , und es ist vom mathematischen
Standpunkte aus möglich, mehrere ungleich starke Gegen gründe
in n andere mit der Kraft w zu verwandeln. Aus dieser
Gleichung folgt
® = 1 - (1 - V) : (1 + wf, w = XT- \ ~ V - 1,
n — [log (1 — V) — log (1 — «)] : log (1 -|- w). Sind demnach
von den Grössen v, V, w, n drei gegeben, so lässt sich die*
vierte aus ihnen bestimmen. Bei V = 0, v = 08, w — 04 hat
man beinahe n — 17, d. h. ein Gegengrund mit der Kraft 0'1
muss 17mal an 0'8 anstossen, um es zu vernichten.
b) Wie vielmal ist es gerathen, unverlässlichen (irrigen
oder lügenhaften) Berichterstattern Glauben zu schenken? Er
zählt uns Jemand eine Begebenheit, so erweckt er in uns nach
Nr. 16, e) als ein glaubwürdiger Zeuge ein Vertrauen von v =
0’83929. Zu seiner Widerlegung (F = 0) durch den Grund
w ~ 1 wären daher nach a) n = — log 0 16071 : log 2 = 2'6
Anstösse nothwendig. In ähnlichen Fällen ist es aber unmög
lich auch imr einen einzigen Gegengrund mit der Kraft w = 1
sich zu verschaffen. Wir werden daher nicht fehlen, wenn
556
Simerka.
wir auch bei Gegenzeugen w — 0-83929 nehmen, was dann
11 = — log 0-16071 : log 1-83929 = 0-79396 : 0-26465 = 3 gibt.
Darnach wäre es Thorheit, Jemandem zu trauen,
dem dreimal Unwahrheit, wenn auch je nur durch
einen glaubwürdigen Zeugen nachgewiesen wurde.
Weil jedoch ein bereits zweimal überführter Lügner nach dieser
Rechnung V = 1. — 0-16071 X 1-83929» = 0-45632 Glauben
verdient, was im Allgemeinen für gering angesehen wird, so
gibt uns dieser Umstand ein neues Beleg dafür, dass 0 - 5 als
Ueberzeugungskraft ziemlich schwach ist.
Dass oben die rationale Zahl n — 3 zum Vorschein kam,
ist kein Zufall; denn der mathematische Zeuge hat ausser den
in Nr. 16 e) angeführten Eigenschaften noch die, dass seine Aus
sage erst durch drei gleich triftige Gegenzeugnisse entkräftet
werden kann, wie dies aus 1 — V = (1 — v) (1 «) 3 folgt,
woraus man bei V = 0 wie dort 1 = (1 — v) (1 -f- v) 3 erhält.
Dieser neue Grund ist offenbar fürs obige Resultat von beson
derem Gewicht.
c) Die Erfahrung zeigt, dass manche Ueberzeugungen
durch Zeit und anderweitige Beschäftigungen verschwinden.
Der Zeit an und für sich kann man diese Wirkung nicht zu
schreiben, weil sie keine Kraft ist; aber in der anderweitigen
Beschäftigung kommen oft so unbedeutende Gegengründe vor,
dass man sie kaum bemerkt. Sie haben aber immer einige
Kraft, wodurch sie die gegebene Ueberzeugung schwächen, und
geschieht dies sehr oft, so kann dieselbe verschwinden, und
der Mensch gelangt zur Kenntniss hievon erst dann, wenn er
den Inhalt seines früheren Gemüthes mit dem gegenwärtigen
vergleicht. So gibt v = 0'99, w — 0-003, V — 0 nach a)
n = 2 : log L003 = 1537. Wenn darnach eine ziemlich starke
Ueberzeugung ur=0'99 vom bedeutend schwachen Gegengrunde
w — 0‘003 täglich einmal angegriffen wird, so verschwindet sie
in 4 '/ 4 Jahren, vorausgesetzt, dass sie sich während dieser Zeit
nicht durch gleichartige Gründe stärkt (heilt). Diese Erschei
nung hat eine bedeutende Aehnlichkeit mit dem Faulen orga
nischer Körper, wo verschiedene äussere und innere Einflüsse
dieselben allmälig verderben, was von der Zeit herzurühren
scheint.
Die Kraft der Ueberzeugung.
557
Dass bei der Wahrheit dieser Umstand nicht Vorkommen
kann, . ergibt sich aus Absatz a) bei v = 1, V = 0, wo man
n = (log 1 — log 0) : log (1 -\- w) = oo : log (1 -+- w) erhält, so
dass n bei 0 -< w <, 1 unendlich gross sein müsste. Dies ent
hält offenbar die Sätze: Die Wahrheit verfault nie, sie
stirbt nicht an Altersschwäche.
d) Sollen n Gegengriinde, deren jeder w zur Kraft hat,
die gegebene Ueberzeugung v aufheben, d. h. V — 0 machen,
so muss (1 — v) (1 -f- w) v = 1 sein. Rücksichtlich des Ge-
müthes B sind jedoch diese n Gründe gleichartig, und heisst
TU ihre Totalkraft, so erhält man sie nach Nr. 10 aus (1 —w) n —
1 — TU. Multiplicirt geben diese Ausdrücke (1 — v) (1 — w 2 ) n —
1 — TU, was wegen 1 >(1 — io' 1 ) 71 zu 1 v > 1 — TU, d. i.
TU > v führt. Sollen demnach mehrere Gegengründe
eine gegebene Ueberzeugung v widerlegen, so muss
ihre Resultirende grösser als v sein. Dieser Satz ist bei
nahe von selbst klar; würde jedoch die Rechnung ein entgegen
gesetztes Resultat liefern, so könnte diese Theorie nicht bestehen.
21. Werth einiger besonderen Ueberzeugungsarten.
a) B erzählt eine Begebenheit, C erwidert aber dagegen:
,Du warst nicht dabei, du hast es von A gehört!' Ist v =
0'83929 die Grösse der Glaubwürdigkeit des unmittelbaren
Zeugen A, so wird dieselbe nach Nr. 16, b) bei B, V — v 2 be
tragen, und man erhält dann nach Nr. 18, b) als Kraft des von
<y 2
C angeführten Gegengrundes w — — v. Der obige
1 — v
und alle ihm ähnlichen Einwürfe können nicht ,Zweifel' genannt
werden; denn einmal schreibt man dem Zweifel nur einen ge
ringen Werth zu, und das andere Mal wird die Aussage des C
als bestimmt (begründet) angenommen. Am besten passt daher
hiefür die Benennung Kritik, und dann gelangt man zum Satze:
Die Rechnung spricht dem Kritiker dieselbe Ueber-
zeugungskraft zu wie dem unmittelbaren Zeugen.
Dabei versteht es sich von selbst, dass der Kritiker seinen
Ausspruch durch etwelche Gründe belegen muss, denn sonst
würde er nur ein Bozweifler sein. Hieraus folgt auch, dass
der Kritiker nicht mehr Glauben zu beanspruchen hat als der
Sitzungsber. a. pliil.-liist. CI. CIV. Bd. II. llft. 36
558
Simerka.
Augenzeuge. Hiemit stimmt auch Nr. 18 g überein, wonach v
blos durch einen gleich starken Gegengrund auf v 2 geschwächt
werden kann.
Vergleicht man diesen Umstand mit dem Satze: Was man
sieht, das duldet keinen Widerspruch, — so hat man zu erwägen,
dass hier B ein Zeuge Nr. 2 (Nr. 16 b) ist, und C sozusagen
ein negativer Zeuge von Nr. 1; den Augenzeugen selbst geht
so eine Kritik nicht an.
Nimmt man an, dass die aus der Autopsie herrührende
Ueberzeugung x durch die Kritik auf v — 0'83929 ebenso
herabgedrückt wird wie v auf v-, so führt diese Supposition
mittelst des Ueberzeugungsproductes zu (>16071 = (1 — x) X
1-83929, was x = 0-91284 gibt, und sich von der Angabe in
Nr. 16 h) per 0-91965 nur wenig unterscheidet.
b) Wird ein sonst glaubwürdiger Zeuge nach gemachter
Aussage über einige Umstände, von denen er keine Erwähnung-
gemacht hat, nachgefragt, dann hat seine darauffolgende nach
trägliche Erklärung nicht den vollen Werth wie beim Zeugen
Nr. 1, da der Zuhörer im Zweifel ist, ob jener nicht etwas zu
gedichtet hat, um seine erste Angabe zu unterstützen. Diesen
Gegengrund kann man jedoch nicht höher als mit — taxiren
und erhält dann V = 1 — (1 — 0-83929) X - = 0-75893. So
2
eine nachträgliche Erklärung hat darnach mehr Werth als die
Aussage eines mittelbaren Zeugen, die nach Nr. 16 d) 0'75488
beträgt. Als ein neuer Grund für die erste Aussage kann sie
jedoch nicht gelten.
c) Ganz anders verhält es sich mit der Ausrede eines
wenig glaubwürdigen Menschen, z. B. eines Angeklagten. Seine
Wahrhaftigkeit kann man kaum höher als mit beziffern,
2
und stellt man ihr den Werth der Kritik (0-83929) entgegen,
so hat man V — 1 — X 1 "83929 = 0-08035, was offenbar
2
bedeutend wenig ist, aber doch so viel sagt, dass dergleichen
Menschen dann und wann etwas Glauben verdienen.
d) Weil die meisten Menschen subjective und leere Gründe
von den objectiven und gütigen nicht leicht unterscheiden
t)ie Kraft der Ueberzeugung.
559
können, und überdies auch der Wille und die Gefühle hin
und her auf die Ueberzeugung einwirken, so geschieht es oft,
dass bei Manchem diese oder jene Ueberzeugung schwankt,
d. i. bald positiv, bald wieder negativ wird, immer aber schwach
ist. Die Bibel nennt diesen Zustand (Matth. 11, 7) ,das vom
Winde bewegte Rohr'; hier kann es schwankendes Gemüth
heissen, das sich von der Gemüthsleere der zweiten Art (Nr. 3)
nur wenig unterscheidet.
Nimmt man, wie es in der Mathematik immerhin erlaubt
ist, an, dass jene Schwankungen (Schwingungen) gleich sind,
zur Ueberzeugungskraft ci haben und durch einen jeweiligen
Gegengrund io bewirkt werden, so gibt 1 -+- a = (1 — a) (1 + w)
die Relation zwischen den beiden Grössen dieses Ueber-
zeugungspendels, (wie man es benennen kann) an. Hier-
... 2a w , . , 1
nach ist w = , a — , wobei wegen w < 1, a <
1 — a’ 2 + w b ’ 3
beträgt, und in Folge -— = 2a -f- 2a 1 -f- 2a 3 . . ., w > 2a
1 ^ a 2 1 1
ist. Bei a = hat man w = und w — — gibt a = —.
4 3 3 7
e) Den angeführten Ueberzeugungsarten ist auch die Re
serve (der Vorbehalt), deren in Nr. 6, b) erwähnt wurde, an
die Seite zu setzen. Als Beispiel derselben kann man den
Glauben an die in Zeitungen vorkommenden Medicin-Annoncen
annehmen. Die Ueberzeugung geht hier von einem Zeugnisse
(v — 0-83929) aus, das vom leeren Gemüthe mit voller Kraft
aufgenommen wird. Bestättigt der Erfolg eine solche Anzeige,
so wird obiges v gestärkt, im Gegentheil wird es jedoch ge
schwächt, wobei ein jeder solcher Grund 0'5 (Nr. 4, c) zur
Kraft hat. Bevor jedoch das Gemüth zur eigentlichen Reserve,
die rücksichtlich n negativ ist, gelangt, geht es andere zwei
Zustände durch. Vorerst muss nämlich 0-83929 (wovon die
Unvollkommenheit! 0-16071 beträgt) durch Gegengründe auf
gehoben werden. In dieser Hinsicht folgt aus 1 — V —
0-16071 X l’öi* bei V = 0, h = — log 0-16071: log 1-5 = 4-51,
d. h. der Glaube an die Wahrheit obiger Anzeigen wird
erst durch ein fünfmaliges, ununterbrochen auf einander fol
gendes Nichtbewähren entkräftet, wonach man dann V =
1 — 0-16071 X 1’5 5 = —-0-22039 erhält. — Hiernach erklärt
36*
560
Siraerka.
sich der Umstand, dass Jemand mehrmals durch Humbug hinter
gangen wurde, und sich trotzdem noch wieder täuschen lässt.
Würden sich jedoch derartige Ankündigungen w» mal be
währen und 71 mal nicht, so wird sich in Folge
1 = 0'16071 X 0'5 m X 1’5 B , n grösser, nämlich =
— (logO'16071 -j- 7?ilog0‘5) : logl'5
ergeben. Bei m — 2 hätte man z. B. n = 7-9, d. i. 8.
Bei gleicher Anzahl günstiger und ungünstiger Fälle hat man
V = 1 —0‘16071 X 0'75”, wo daher v bei hinreichend grossem
n bedeutend stark werden kann.
Würde sich die Anzahl der günstigen und ungünstigen
Fälle wie a zu b verhalten, so bekäme man wegen
m = ax, n — bx aus 1 = 0'16071 X 0'b ax X l'5 7, ' x
x = —log 0'16071: [a log 0-5 -f- & logl'5).
Bei a = 1, b — 2 wäre * = 15'5, daher n — 31.
Hieraus ist wohl auch zu ersehen, warum sich manche
ziemlich unsichere Heilungsmethoden lange Zeit erhalten können.
Dass man bei diesen und ähnlichen Untersuchungen den Grund
satz (Nr. 3): ,Jede Rechnung ist besser als gar keine Rechnung*
—■ nicht unbeachtet lassen darf, braucht wohl nicht erwähnt
zu werden.
Ist auf diese Weise das für die Annoncen sprechende
Yorurtheil widerlegt, so geräth das Gemüth in Folge der je
weiligen positiven oder negativen Gründe in Schwankungen,
1 1
und bei «? = --, a = — würde man nach dem vorigen Ab-
2 5
satze ein Ueberzeugungspendel erhalten, was wohl ein mögliche]',
aber sehr wenig wahrscheinlicher Fall ist.
Gelangt die negative Ueberzeugung durch entgegengesetzte
Gründe, die dann für sie gleichartig werden, zu einer ziem
lichen Stärke, so hört sie auf zu schwanken, und das Gemüth
befindet sich im Stadium der eigentlichen Reserve. Wegen 1
! — x
als — an Kraft haben, um nicht durch einen entgegen-
3
gesetzten Grund widerlegt zu werden. Um den Anstoss zweier
nach einander folgenden Gegengründe auszuhalten, ohne wieder
) X ■ ~ > wo daher x = — ist, muss die Reserve mehr
J 2 3
Die Kraft der Ueberzeugnng.
561
in Schwankungen zu gerathon, müsste sie wegen 1 = (1 — x)
5 4
mehr als ' betragen.
9
Daraus sieht man, dass die Reserve eine bedeutend com-
plicirte und unstäte üeberzeugungsart ist.
22. Eine verfehlte Unterrichtsmethode.
a) Der Katechet eines Obergymnasiums erlaubte seinen
Schülern, was immer für Einwürfe gegen die Religionslehren
vorzubringen, damit er sie widerlege. Diese verfehlte Unter
richtsweise wurde ihm von seinen geistlichen Vorgesetzten ver
boten, da es offenbar ist, dass manche seiner Refutationen
die Objection nicht widerlegten, wodurch die religiöse Ueber-
zeugung der Schüler geschwächt wurde. Hier entsteht die
Frage, in welcher Beziehung dieser und ähnliche Vorfälle zur
Rechnung mit der Kraft der Ueberzeugung stehen?
Hat der Einwurf die Kraft a, die Refutation hingegen ß
und gibt y die Resultirende hievon an, so folgt hieraus 1 — y =
(1 — a) (1 -)- ß); denn die Objection war früher im Gemüthe
der Schüler, so dass ihre Kraft positiv zu nehmen ist, wogegen
dann die Widerlegung mit ß wirkte. Zur Aufhebung von y>
d. i. bei y < 0 müsste darnach ß > —-— sein, was nur bei
1 — a
schwachen Objectionen stattfinden konnte, so dass in den meisten
Fällen nach der Widerlegung der Einwurf im Gemüthe der
Schüler den positiven Rest y behielt. Dieser Rest wirkte hierauf
als Gegengrund auf die sämmtliche religiöse Ueberzeugung der
Schüler; war diese v und die nachherige Resultirende F, so ergab
sich 1 _ V= (1 - v) (1 + y) = (1 - <0 [2 — (1 — «) (1 + ß)],
1 v
was dann wegen = 1 -|- a — ß-f-aß, d. i. v —- V —
1 ■—■ v
(1 —■ v) (x — ß -j- aß) zur Folge hatte.
Soll in diesem Falle die anfängliche Ueberzeugnng nicht
geschwächt werden, so müsste wegen V — v entweder v sehr
nahe 1 oder a — ß —aß = 0 sein. Ersteres war ohne Zweifel bei
dem Katecheten der Fall, der überdies a für ziemlich schwach
und ß für stark ansah; ein glaubensschwächerer Lehrer würde
so etwas nicht unternommen haben, weil er bald eine Abnahme
an seiner eigenen Ueberzeugung wahrgenommen hätte. Was den
562
Simerka.
andern Umstand anbelangt, sollte bei den Schülern ß =
sein. Bei a > —, d. i. bei —
2 1
1 — a
> 1 musste daher ihre Ueber-
zeugung leiden, da ß nicht > 1 sein kann.
Aus a = 0-6, ß = 08, v = 099 ergibt sich darnach V —
0-9872. Uebrigens leidet die ursprüngliche Ueberzeugung in
diesem Falle auch dann, wenn Einwurf und Widerlegung gleich
stark sind, wie dies a. — ß aus V = v — a' 2 (1 — v) folgt.
Dass bei der Wiederholung derartiger Missgriffe die Ueber
zeugung je weiter desto mehr leiden muss, kann man sich leicht
durch die Rechnung überzeugen.
b) Als Beitrag zu den vorstehenden Untersuchungen kann
hier noch die Entschuldigung ohne Anklage dienen,
worüber sich ein deutscher Dichter mit den Worten: ,Wer sich
entschuldigt, eh’ man klagt, der gibt sich selbst als Thäter aiff
ausdrückt. Man hat hier eben auch 1 — 7 = (1 — oc) (1 —f— ß),
worin « die Grösse der Ueberzeugung im Gemüthe des Thäters,
ß den Werth des Entschuldigungsgrundes und 7 das Resultat
hievon andcutet. Der Thäter ist jedoch von dem Wahne befangen,
dass die Anderen von seinem Fehltritte wenigstens etwas wissen,
und will diese vermeintliche Ueberzeugung durch die Entschul
digung widerlegen. Unterdessen ist aber in den anderen Ge-
müthern a = 0, wonach zu seinem Schaden 7 = —■ ß resultirt,
so dass dann die Zuhörer gerade das erfahren und glauben,
was er widerlegen wollte.
23. Langwierige Ueberzeugungskämpfe.
a) Die menschliche Ueberzeugung ist eine lebendige
Geisteskraft, und beträgt sie nicht gerade 1, so ändert sie sich
immerwährend, oft unbewusst durch verschiedene Einflüsse als
Gründe, indem sie gleich steigt, gleich wieder fällt. Derartige
Gründe sind offenbar sehr ungleich, und wirken überdies auf
jedes Gemtith anders ein; ihre Kraft lässt sich daher äusserst
selten beziffern, sondern nur im Allgemeinen angeben. Auch
erkennt man hier, wie dies in der Natur meistens geschieht,
die Ursachen und ihre Grösse erst aus den Wirkungen. Wenn
wir nun annehmen, dass die Gemüther A, B mit den bezüg
lichen Ueberzeugungskräften v, w in Kampf gerathen und nach
Die Kraft der Ueberzeugung.
563
jedem Anstoss sich durch neue (in v, iv nicht enthaltene) Gründe
von a, ß Gehalt stärken, so haben wir uns einen idealen Fall
geschaffen, dem sich die Wirklichkeit nur selten nähert, welcher
aber immerhin geeignet ist, das Walten entgegengesetzter Ueber-
^ Zeugungen zu verdeutlichen.
Sind darnach Vy TF, die Resultirenden nach dem ersten
Anstosse und der nachfolgenden Stärkung, so hat man
1 - V, = (1 - v) (1 + w) (1 - «),
1- TF, =(1 + «) (1-w) (1-ß).
Die Resultate nach dem zweiten Anstoss und eben so grosser
Stärkung erhält man hieraus durch Setzung von V u TF,, V 2 ,
W-2 statt v, w, F 1; W lt nämlich
1 - F 2 = (1 - F,) (1 + F,) (1 - «),
1 _ TF 2 = (1 + FD (1 - Fi) (1 - ß).
Für den dritten Anstoss ergibt sich darnach
1 — F 3 = (1 — F 2 ) (1+ F 2 ) (1-«),
1 - TF S = (1 + F 2 ) (1 - W 2 ) (1 - ß) u. s. w.
Dabei ist zu bemerken, dass nach Nr. 18, a) die wahre
Erkenntniss keiner Stärkung bedarf, da sie durch wie immer
t starke Gegengründe nicht geschwächt werden kann.
b) Erhalten die Ueberzeugungen keine Verstärkung, son
dern treten mit ihren jeweiligen Resten neue Stösse an, so
erhält man nach Nr. 18) wie auch nach dem vorigen Absätze
bei a = ß = 0, F, = v — io + vw, TF, = — v + w vw.
Hieraus folgt F, — TF, = 2 (u — io), Vy -f- 1F : = 2 vw.
Nach dem zweiten Anstosse ergibt sich
F 2 -W a = 2 (Vy - Wy) = 4 (v - w), V 2 + W 2 = 2 F, Fj.
Ebenso erhält man nach dem dritten Anstosse
F 3 — W 3 — 8 (v — w), V 3 -f- 1F 3 = 2 F 2 W 2
und überhaupt
V n - W„ = 2- (v — w), V n + W n = 2 V n — ! W n _ !,
so dass man aus v, w nacheinander Vy, TF,, V 2 , W 2 . . . be
stimmen kann. Die Rechnung endet, wenn eine dieser Grössen
^ <0 wird; denn dann schwindet die Ursache des Streites. Bei
v = 0‘93, w = 0'89 hat man z. B.
V; 0-868, 0-764, 0-621, 0-507
TF; 0-788, 0-604, 0-301, - 0-133.
Handelt es sich blos um die Anzahl der Stösse, so kann man
sie bei v > io wegen V n — TF,, = 2” (y — iv) <C v beiläufig aus
564
Simerka.
2 n -< v : (v — w) bestimmen, wonach n keinen grösseren Werth
haben kann, als jene Formel angibt. Im angeführten Beispiele
hat man v : (v —• w) = 93 : 4, 2“ < 23, daher n = 4.
Der Kampf endet hier mit der Schwächung der
einen und Vernichtung der anderen Ueberzeugung.
a) In Uebereinstimmung mit Nr. 18, b) erhält man aus
dem vorigen Absätze bei v — 1
Fi = 1, V 2 = 1, F 3 = 1
1F, — 2 w — 1, W 2 = 4 w — 3, TF 3 = 8 iv — 7 etc.
Ist dann überhaupt
F„_, = 1, W n _ 1 = 2 n ~ l (w - 1) + 1,
so geben obige Gleichungen
V n - W n = 2" - 2 n . ic, V n + W n = 2 n . ic - 2 n + 2
zum Resultat V n = 1, W n = 2“ (w — 1) + 1, so dass diese
Formel allgemein gilt.
Aus W n < 0, d. i. 2” (1 —- w) > 1 folgt 2" > 1 : (1 — ic),
wodurch man die Anzahl der Anstösse leicht linden kann.
Bei iv = 0996 ist z. B. 2" > 250, somit n — 8.
ß) Wäre oben in b) v — w, so erhält man
7, = Wi = «a, F 2 = W 2 = V-', V, = W 3 = v% . . .
V n = W n = v'- n .
Den Fall v ■— 1 ausgenommen, endet ein solcher
Kampf mit beiderseitiger Entkräftung. Hierairs erhellt
die Möglichkeit des Umstandes, dass sich zwei gleich starke
Irrthümer nach 'mehrmaligem Anstösse aufheben.
c) Kann der Ueberzeugungskampf ohne Ende dauern?
Bei der Beantwortung dieser Frage hat man die theore
tische Seite von der praktischen zu unterscheiden. In ersterer
Hinsicht erscheint Vieles möglich, was in der Wirklichkeit sehr
unwahrscheinlich oder unmöglich ist.
Unabsehbar lange Kämpfe können sich in folgenden Fällen
ereignen:
a) Wenn von den strittigen Ueberzeugungen beide nach
jedem Anstösse und der nachfolgenden Verstärkung gleich
bleiben. Diesen Umstand kann man den Fall der Gleich
heit betiteln. Es ist nämlich immerhin erlaubt, in den ersten
bei a) vorkommenden Gleichungen V, = v und W t — w anzu
nehmen; dann ist (1 + ?o) (1 — a) = 1, (1 -f- «) (1 — ß) = 1,
A ^Är-
Die Kraft der Uebcrzeugung.
ß
IV :
, sowie auch a =
iv
565
ß =
woraus man o
1 — ß' 1—a' 1-j-w
V .
erhält. Sind darnach a, ß gegeben, so lässt sich aus
1+v ' 5
ihnen v, w bestimmen, was auch umgekehrt gilt. Aus v = —,
3 3 5 ö
w = — ergibt sich z. B. a = - , ß = — so dass man nach «
5 8 11
1 t/ 1 w 8 5 , 11 2 6 5
zu i _ v = - X --X-, 1 — W = — X - X d.i. V— —,
TF =
6
jelangt.
8
6
11
1
Sieht man hier von dem Umstande, wo v oder w
wäre, ab, so muss sowohl a als auch ß < sein. Aus a ■> ^
2 2
d. i. a = ? + — folgt nämlich w = ° 2 = —?- so dass
2 <p — { 2?—1
man dann > 1 erhalten würde.
Haben v, iv nicht die obigen Werthe, so kann es im Ver
laufe des Kampfes nicht geschehen, dass einmal V' — —^—,
, a ^ ß
W' — als Resultirende zum Vorschein kämen. Nimmt
1 — a
man nämlich an, dass nach dem (n — l)ten Anstosse die Ueber-
zeugungen an Kraft V, W hätten, beim nten aber V' = ‘ J
Tf OL ß
W' — , dann gibt die Anfangsgleichung (a) 1 —
1-ß
1 — 2ß
1 — a ° ° ° ° W 1 — ß
(1 - F) (1 + W) (1 - «), d. i.
1 — V+ W — VW =
(1 — “) (1 - ß)
Vertauscht man hinsichtlich des andern Gemüthes V mit W
und a mit ß, so ist
1 4- F— W - VW = 1 ~ 2a .
(1 - «) (1 - ß)
Aus der Differenz und Summe dieser Gleichungen folgt dann
ß * TT ITT" a ß
F— W —
-, VW —
(!_«)(! _ß)' ’ (1 _ «) (1 _ ß)'
W
(1 _ «)2 (1 _ ß)2
daher auch
F2 _|_ 2 VW -)- W- = (ß g ) 2 +• daß (1 «) (1 — ß) —
566
Si m er ka.
(a + p-2«ß)« d . v+w=± . « + p-2«r
(1 — «)2 (1 _ ß)2 ' ' - (1 i-— a) (1 — ß)
Weil VW positiv ist, so gibt hier wegen a <; — oder 2 aß
2
< ß nur das obere Zeichen ein brauchbares Resultat
7-4- W = g + ß 2aß
(l_ a)( l_ß/
ß GC
was mit dem Obigen 7 —- T7 = verglichen
(1 °0 C 1 ß)
V — — — = —-—, sowie auch 17 = — - liefert.
(1 — «) (1 — ß) 1 - ß’ 1 — «
ß
Nimmt man also an, dass die n-ten Resultirenden ,
a 1-ß
beziehungsweise zu ihren Werthen haben, so muss dies
1 — a
auch bei den (n — l)ten, (n — 2)ten u. s. w. der Fall sein;
d. h. der Kampf fing schon mit diesen Werthen an. Ist dem
nach v von — 1:1 —, oder w von ——— verschieden, so wie auch
1 — ß 1 — «
wenn beides zugleich vorkommt, so muss bei diesen Rechnungen,
falls sowohl a als auch ß <C — ist, eine von den kämpfenden
Ueberzeugungen verschwinden. Welche es ist, erkennt man
oft schon aus den gegebenen Grössen. Ist demnach a > ß und
ß (Z
v > — —, sowie w < —-—, dann geschieht es bei 17 Wäre
1 —ß 1 — a
z. B. a = 0‘4, ß = 0'3, v = —--—, w — — -< —-—, so
7 1 — ß 5 1 —«
endet die Rechnung mit 7 C — 0-837, 17 0 = — 0-073. In anderen
Fällen ersieht man es bald aus einigen Anfangswerthen von 7, 17.
Es handelt sich nun darum, wie mit diesem Umstande
die Erfahrung übereinstimmt, d. h. ob dieser Fall nicht nur
eine theoretische, sondern auch eine praktische Bedeutung
habe?
Eine vollkommene Harmonie zwischen Rechnung und
Wirklichkeit kann hier nicht stattfinden, da es unmöglich ist,
dass durchaus gleiche a und ß je Vorkommen; aber näherungs
weise können die Ueberzeugungen der Gemüther A, B immer
hin in der Nähe von v, w oscilliren, so dass sie sich nie weit
von denselben entfernen. Dies geschieht am ausgeprägtesten
Die Kraft der Ueberzeugung.
567
bei strittigen Religionsgenossenschaften, wo wegen ß <; — die
2
G-egengrtinde nicht gar triftig sind, und deshalb auch, um v
bei der vorigen Kraft zu erhalten, a nicht stark zu sein braucht.
Solche Hilfen bilden hier der Unterricht, die religiösen Ge
bräuche, das Beispiel eifriger Anhänger, die Fehler der Gegner
u. dgl., so dass man daran nie Mangel hat. Darnach erklärt
es sich, wie manche wenig zahlreiche Genossenschaften sich
unter der grossen Menge von Andersgläubigen Jahrhunderte
lang erhalten können. Ueberdies leistet derartigen Gesell
schaften die Absonderung von anderen den Dienst, dass die
Angriffe nur selten Vorkommen, wo dann auch wenige Wider
legungen nothwendig werden. Ist ein Mitglied einer derartigen
Genossenschaft in der Erfüllung seiner Religionspflichten lau,
gibt es sich mit Andersdenkenden viel ab etc. etc., so kann
man nach Nr. 2.0, c) Voraussagen, es werde mit der Zeit seine
Ueberzeugung verlieren, und nur etwa dem Namen nach seinem
Bekenntnisse anhängen.
Aehnlickes findet man auch bei politischen und natio
nalen Parteien, wo die Kämpfe aus ähnlichen Gründen eine
unabsehbare Länge haben können. Man sieht hiebei auch
leicht ein, dass bei diesem wegen der Schwäche von a, ß meist
ruhigen Process die Ueberzeugungen geläutert, und die Be
griffe sozusagen abgeschliffen werden.
Es würde jedoch zu weit führen, wenn man diesen Gegen
stand specieller behandeln wollte.
ß) Dem zweiten Falle langer Ueberzeugungskämpfe kann
man den Namen der starken Hilfen beilegen. Hat man näm
lich aus v, iv nach einigen Angriffen V, W zu Resultirenden,
wobei <x, ß die Hilfen sind, so wird man, wenn V, W ähnliche
Grössen nach dem nächsten Angriff und der nächstfolgenden
Verstärkung bedeuten, nach a
1 — V' — (1 — V) (1 fl- W) (1 — a) erhalten. Ist nun hiebei
a > —, somit ix = - -f- <p, so folgt hieraus
!; + )- ! l: u
d. i. 1 — V < 1 — V, somit V > V.
568
S im e r k a.
Ebenso ergibt sich aus
1 — W' = (1 + V) (1 — W) (1 — ß) bei ß > -, W' > W.
2
Wenn sich nun die Ueberzeugungen A, B nach jedem
Angriff durch Hilfen, die mehr als -- betragen, stärken, so
werden ihre Kräfte von Angriff zu Angriff wachsen, und man
könnte meinen, dass der Kampf zwischen ihnen nie enden
wird. Dasselbe muss auch bei B dann geschehen, wenn A
die vollkommene Erkenntniss darstellt, gegen welche es mit
der ursprünglichen Kraft w und der jeweiligen Stärkung ß >>-
2
ankämpfen würde.
Hiebei ist jedoch der Umstand von grossem Gewicht,
dass dem Irrthum nur eine beschränkte Menge so starker
Gründe zu Gebote steht, und er sich eines jeden von ihnen
nur einmal bedienen kann, weil er dann bereits einen Bestand-
theil seiner Gesammtkraft bildet, wo hingegen die Wahrheit
ihre ausgiebigsten Hilfen aus der Wirklichkeit schöpft, und
nach jedem Angriff, mochte sie auch scheinbar geschlagen sein,
wieder in ihrer vollen Kraft dasteht. Der Irrthum kann
daher nach mehreren der ersten Anstösse an Kraft zunehmen,
dann leidet er Mangel an triftigen Hilfen, wird schwächer, und
geht endlich zu Grunde. Ueberdies sind die Gründe des Irr
thums nur subjectiv, und können der objectiven Wahrheit nicht
in die Länge widerstehen. Im Gewirre des Geisteskampfes
hält freilich jedes Gernüth seine Gründe für real.
In der Aussenwelt entspricht dem hier behandelten Um
stande der Fanatismus, der ausser den bekannten Eigen
schaften, nämlich : einer überaus mächtigen Ueberzeugung von
der Heiligkeit seiner Unternehmung, der Sicherheit des Sieges,
Verabscheuung der Gegner als schlechter Menschen, Nicht
achtung ihrer Menschenrechte, Abgang von Egoismus, ja auch
Geringschätzung seines eigenen Lebens in Anbetracht des ver
meintlich hohen Zieles, — noch den bisher nicht genug be
achteten Zug enthält, dass er zu seiner Erhaltung ununterbrochen
starker Hilfen benöthigt. Diesen Dienst leisteten ihm unter
den Hussiten und bei den Truppen Cromwells die Prediger, in
der französischen Revolution waren es Zeitschriften und Redner,
Die Kraft der Ueberzeugung.
569
und man bemerkt überall, wo er sich zeigt, Vorkehrungen und
Menschen, welche die Aufregung zu unterhalten anstreben,
oder wie man sagt, das Feuer schüren.
Uebrigens ist der Fanatismus nur ein abnormer Zustand,
tritt selten ganz rein auf, und hat er gesiegt, so fängt er auch
schon zu zerfallen an. Er benöthigt nämlich nicht mehr jener
starken Hilfen, findet oft Widersprüche in sich selbst, die er
früher nicht sah, und wird von den Gegengründen des Alltags
lebens langsam geschwächt; es tritt, wie man sagt, nach jeder
starken Action auch die ßeaction ein.
Vom Fanatismus ist der Enthusiasmus oder Eifer für
etwas wirklich Wahres und Gutes zu unterscheiden. Auch er
beruht auf einer starken Ueberzeugung, bewegt sich jedoch
streng in den Grenzen der Moral, benöthigt aber nicht so
viele und triftige Hilfen, da er nur schwache obgleich viel
fältige Gegengründe zu bewältigen hat, wie da sind: Lauheit,
Zweifel, Misstrauen, Unterschätzung der eigenen Kräfte u. dgl.
Ohne Eifer kann jedoch, wie die Erfahrung lehrt, keine wichtige
Unternehmung gedeihen.
24. Kampf zwischen zwei stärksten Ueberzeugungen.
Eine imposante und wichtige Erscheinung bildet in der
Geschichte der Kampf zwischen der Ueberzeugung v = 1 und
iv, das sich auch für die Einheit (vollkommene Wahrheit) an
sieht, In ihren Gemüthern ist jede von ihnen eine mächtige
Geisteskraft, und gibt die andere für Irrthum aus. In diesem
Falle würde nach Nr. 23, a) sowohl V v V v V 3 , . . ., als auch
W t , W v W 3 , . . . stets der Einheit gleichen, so dass bei noch
so vielen Anstössen weder die eine, noch die andere etwas an
Kraft verlieren könnte, und der Kampf zwischen ihnen wie
zwischen Ormuzd und Ahriman (nach einer altpersischen Mythe)
ewig dauern müsste. Doch in der Wirklichkeit sind, streng
genommen, nie zwei Gegenstände einander gleich, demnach
können es auch die Kräfte zweier verschiedenen Ueberzeugungen
nicht sein, in Folge dessen dann die wahre oder objective
Ueberzeugung, da sie ihre Quellen ausserhalb des menschlichen
Gemiithes hat, im Kampfe einmal, wenn auch spät, siegen
muss. Dabei geschieht es oft, dass widerlegte Gegengründe
570
Öiraerka.
die Wahrheit befestigen, den Irrthum aber immer schwächen.
Beispiele hierauf gibt in der Vergangenheit der Kampf zwischen
dem Kopernikanismus und der Ptolemäischen Weltansicht, die
fortschreitende Bildung und der Glaube an Hexerei, die Vi-
brations- und Emanations-Hypothese, wo der Streit bereits ent
schieden ist; in der Gegenwart kämpft der Rationalismus mit
dem Offenbarungsglauben, der Materialismus mit dem Spiritua
lismus, der Glaube an die biblische Schöpfungsgeschichte mit
dem Darwinismus u. a. m. Man ist jedoch berechtigt, dem
Ausspruche des Horatius: ,Hominum commenta delet dies, na-
turm judicia confirmak, — beizustimmen, wobei jedoch bemerkt
werden muss, dass es die Zeit allein nicht bewirken wird,
sondern der allseitige Fortschritt der Menschheit, d. i. die ohne
Unterlass sich mehrende Erkenntniss. Die Länge dieser geistigen
Kriege kann uns nicht befremden, wenn wir erwägen, dass
sich an solchen Kämpfen nicht nur der menschliche Verstand,
sondern auch der Wille und alte Gewohnheiten betheiligen.
Ausserdem pflegen die Anhänger der wahren Erkenntniss wenig
energisch zu sein, indem sie glauben, dass die Wahrheit durch
ihre eigene Kraft siegen wird, wo hingegen die Vertheidiger
des Irrthums in der Wahl ihrer Gründe nicht skrupulös zu
sein pflegen.
25. Schlussbetrachtung.
Diese Seiten machen offenbar Anspruch auf apodiktische
Erkenntniss; sie stützen sich auf die Apriorität der Wahr
scheinlichkeitsrechnung, und stimmen in ihren Resultaten mit
der Erfahrung überein, behelligen sie, und bieten mehrere neue
Gegenstände dar. Hiedurch wurde auch einiges Licht in das
bisher dunkle Innere des menschlichen Gemlithes gebracht;
denn das, womit man rechnet, und was man misst, hört arrf
räthselliaft zu sein.
Unvollkommenheiten können hier freilich nicht fehlen;
die sind mit dem Menschen und allen seinen Werken ver
wachsen. Hier ist es die Schwäche der Wahrscheinlichkeits
rechnung in Hinsicht der Kraftbestimmung von Gründen, wo
noch Mehreres zu mangeln scheint. Ueberdies ist es sehr
schwer, zwischen der subjectiven und objectiven Ueberzeugung
eine strenge Grenze anzugeben, ohne in blosse Verbalunter-
t)le Kraft der Ueberzeugung.
571
schiede zu gerathen. Wäre dieser Umstand so leicht, dann
hätte unsere jetzige Logik bereits alle Irrthümer widerlegt.
Nebst dem verursacht die Neuheit des Gegenstandes vielfache
logische und grammatische Beschwerden. Man hat es hier,
wie jeder einsehen muss, mit dem ersten Anfang einer viel
leicht genug weitläufigen Wissenschaft zu thun, wovon zwei
Abschnitte (Wachsthum und Streit der Ueberzeugung), so weit
es dem Verfasser möglich war, bereits behandelt sind, und
wenigstens andere zwei (Fortschritt und Lehrmethode) mit der
Zeit nachfolgcn dürften. Der Gegenstand selbst ist aber sehr
wichtig, wie kaum ein anderer Theil der Mathematik. Es
handelt sich hier um nichts mehr und nichts weniger als um
die Kraft der Wahrheit. Und wo ist Jemand, der ihre grosse
Macht leugnen könnte? Sie steht unter dem Banner der Un-
cigcnnützigkeit, wirkt in Privatgesprächen, in den Schulen,
Schriften und von den Rednerbühnen, bewaffnet aber auch die
Arme, vergiesst Blut auf den Schlachtfeldern, und erzittert nicht
vor dem Tode am Schaffot, indem sie weiss, dass der Leib
zwar vernichtet werden kann, der Geist jedoch nicht. Ja, der
Tod selbst ist für sie ein ausgiebiger Bundesgenosse im Kampfe
mit mächtigen Irrthümern. Einmal ist das Marterthum immer
ein starker, wenn auch subjectiver Grund für alle befreundeten
Gemüther, und das andere Mal verlässt den geistigen Kampf
platz mit dem Leibe auch das unverbesserlich irrige Gernüth.
Ausserdem kann es unserem vom Materialismus durchdrungenen
Zeitalter nicht schaden, wenn es auch mit etwas Geistigem
rechnen wird.
Diese und ähnliche Gründe lassen hoffen, dass der Ver
fasser dieses Aufsatzes nicht der einzige Arbeiter auf diesem
Felde verbleiben wird.
XVI. SITZUNG VOM 20. JUNI 1883.
Herr Dr. Krall, Privatdocent an der Wiener Universität,
spricht den Dank aus für die ilnn bewilligte Reiseunterstützung.
Das w. M. Herr Hofratli Ritter von Miklosich über
reicht im Namen des Verfassers, Herrn Emil Störk in Mar
burg, einen tausendjährigen Wandkalender, und das w. M. Herr
Hofrath Sickel im Namen des Herausgebers, Herrn Camillo
Re, den ersten Band der ,Bibliotlieca dell’ academia storico-
giuridicah
Von dem w. M. Herrn Professor Dr. A. Huber in Inns
bruck wird zur Aufnahme in das Archiv eine Abhandlung
unter dem Titel: ,Studien über die Geschichte Ungarns im Zeit
alter der Arpaden' eingesendet.
573
Das c. M. Herr Professor Dr. Schuchardt in Graz
übersendet für die Sitzungsberichte die Abhandlung: ,Kreolische
Studien. IV. Ueber das Malaiospanische der Philippinen'.
Von Herrn Dr. Oswald Zingerle in Graz wird eine Ab
handlung unter dem Titel: ,Ueber eine Handschrift des Passio
nais und Buches der Märtyrer' mit dem Ersuchen um ihre
Veröffentlichung in den Sitzungsberichten vorgelegt.
Die Abhandlung wird einer Commission zur Begutachtung
überwiesen.
An Druckschriften wurden vorgelegt:
Academie des inscriptions et belles-lettres: Comptes rendus. 4 e s&ie
tome XI. Bulletin de Janvier—Fevrier—Mars. Paris, 1883; 8°.
— royale des Sciences, des lettres et des beaux-arts de Belgique: Bulletin.
52 e ann^e, 3° Serie, tome 5, No. 4. Bruxelles, 1883; 8°.
Akademie der Wissenschaften, k. bayerische zu München: Sitzungsberichte
1883. Heft I. München, 1883; 8°.
Gesellschaft, gelehrte estnische zu Dorpat: Sitzungsberichte 1882. Dorpat,
1883; 8".
Kiel, Universität: Akademische Schriften pro 1881—1882. 16 Stücke, 4° u. 8°.
Marburg, Universität: Akademische Schriften pro 1882. 45 Stücke, 4° und 8°.
Smithsonian Institution: Annual Report of the Board of Regents for the
year 1880. Washington, 1881; 8°.
— Miscellaneous Collections. List of foreign correspondents correeted to
January 1882. Washington; 8°.
— First annual Report of the Bureau of Ethnology 1879—1880 by J. W.
Pawell. Washington, 1881; 4°.
Sitzungsber. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft.
37
574
Society, tlie royal Asiatic of Great Britain und Ireland: The Journal. Yol. XV,
Part II. London, 1883; 8°.
United States: Annual Report of the Comptroller of the Currency to the
first session of the 47th congress. December 5, 1881. Washington, 1881;
8°. — Forty seventh congress l st session. Washington, 1882; 8°.
— Report upon geographical Surveys west of the one hundred-th meridian.
Yol. III. Supplement-Geology. Washington, 1881; 4".
Glaser. TJeber Bäna's Parvattparinayanätaka.
575
Ueber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
Von
Prof. K. Glaser.
Yo rwort.
sich die ersten Anfänge der Comödie hei den
Römern, entsprechend dem Vorgänge bei den Griechen, an länd
liche Feste, Erntefeier und Weinlese angelehnt, an der Satura
und an den Atellanan ihre Fortbildung empfangen hatten, machte
die römische dramatische Kunst zur Zeit des ersten punisehen
Krieges, als zum ersten Male griechische Bildung hei den Römern
Eingang fand, einen gewaltigen Fortschritt. Livius Andronicus
aus Tarent, als Kriegsgefangener nach Rom abgeführt, Sclave
des M. Livius Salinator und von diesem später freigelassen,
brachte in Rom das erste nach griechischem Muster (Neuere
attische Comödie, Menander, Dipkilos etc.) gedichtete Drama
zur Aufführung. 1 Es war aber diese letzte Entwicklungsstufe
der attischen Comödie deswegen zur Uebertragung geeignet,
weil ,ihre typischen Charakterzeichnungen und die allgemein
menschliche Haltung' (W. Teuffel, Röm. Literaturgeschichte,
pag. 23) sie bei den anderen Völkern leicht einbürgern konnten.
Weil das römische Volk, dessen Sinn der praktischen Seite des
menschlichen Lebens vorzugsweise zugewendet war, nicht hin
reichend eigene Stoffe für Drama und Comödie besass, so musste
der Dichter, welcher griechische Stoffe für römische Verhältnisse
bearbeitete, wenn er Witz und Verständniss für die Bedürfnisse
i des Volkes besass, einen durchschlagenden Erfolg gegen die
jenige Richtung davon tragen, die sich blos auf einheimische
Sujets stützte. So nahm sich Plautus, der grösste Komiker der
1 Cic. Brutus, c. 18, 71—73; Tusc. I, 1, 2; Gell. XVII, 12, 42. Aus
gewählte Comödien des Plautus, Trinumus, erklärt von J. Brix, pag. 3.
576
Glaser.
Römer für seinen Trinummus den 0Y]caup6c des Philemon, für den
Mercator den "Ep/ropop desselben Dichters, für die Casina die
KXvjpsüp.evot, für Rndens ein nicht genanntes Stück des Diphilus, für
die Asinaria den "Ovayoc des Demophilos zum Muster, wie die
betreffenden Prologe deutlich zeigen; bei Cistellaria Poenulus
Bacchides ist die Benützung griechischer Originale wahr
scheinlich.
Wenn es schon für den klassischen Philologen nothwendig
ist zum Behufe gründlicher Interpretation solcher Nachahmungen
den Q.uellen nachzuforschen, so ist es für den Literarhistoriker nicht
minder wichtig, zu untersuchen, wie ein Volk in Ermangelung
eigenen Vorratkes auf fremden Gebieten sich Ersatz sucht, wie
es sich diesen zurechtlegt; es wird dabei nicht blos der Einfluss
eines Volkes auf das andere, sondern auch die Befähigung und
geistige Entwicklung des vermittelnden Dichters klargelegt.
Dass hei einer solchen Thätigkeit stereotype Figuren und
gleichsam erstarrte Redewendungen sich herausbilden, ersahen
schon die Alten: et leno periurus et ainator fervidus et servulus
callidus et amica illudens et uxor inhibens et mater indulgens et
patruus objurgator et sodalis opitulator et miles proeliator sed
et parasiti edaces et parentes tenaces et meretrices procaces,
Aput. Flor. III, 16 (pag. 20, 17 ff. Kr), ohne dass man dabei an
ein Plagiat zu denken braucht.
Das Interesse wird noch erhöht, wenn man den umge
staltenden Dichter in verschiedenen Stufen seiner Thätigkeit
beobachten kann, wie dies bei Goethe’s Iphigenie auf Tauris der
Fall ist, wozu ihm bekanntlich Euripides den Stoff lieferte.
Sein erster Prosaentwurf vom Jahre 1779 wurde von
Düntzer nach einer Berliner Handschrift, wenn auch ungenau,
herausgegeben; dann schrieb ihn Goethe 1780 in freien Jamben
um; die dritte Umarbeitung ist die stylistisch harmonisirende
Prosa vom Jahre 1781, mehrfach herausgegeben; die Schluss
bearbeitung in fünffüssigen Jamben wurde 1787 herausgegeben.
Diese vierfache Bearbeitung findet man nebeneinander ge
stellt in Goethe’s Iphigenie auf Tauris. In vierfacher
Gestalt herausgegeben von Jac. Baeclitold. Freiberg.
i./B. 1883, Mohr.
Mit Recht wird (Literarisches Centralblatt 1883, pag. 667)
über eine solche Bearbeitung bemerkt: ,So ist die liier möglich
TTeber Bäna’s P&rvatiparinayanatalca.
577
gemachte Verfolgung dieses Processes von eminenter literar
historischer Bedeutung/
Wenden wir uns nun nach diesen Bemerkungen nach dem
fernen Orient, wo vor 1500—1800 vor Christi Geburt die Be-
t woliner weit ausgedehnter Länderstrecken ,für sich und ihre
Heerden Gedeihen erfleht, die aufgehende Morgenröthe begriisst,
den Kampf des blitzti-agenden Gottes mit der finstern Macht
besungen und die Hilfe der Himmlischen gepriesen hatten, die
in ihren Kämpfen sie rettete 1 (Roth, zur Literatur und Ge
schichte des Weda, pag. 8, Stuttgart 1845), nach dem Wunder
lande Indien.
Die grosse Verschiedenheit der Bodenbeschaffenheit im
weiten Länderraum, die rege Fantasie der der Betrachtung zu
neigenden Bewohner, der Mangel einer einheitlichen Entwick
lung des Volkes musste eine Fülle von Götter- und Heroensagen
zu Tage fördern. Der Mangel eines bedeutenden Einflusses
von aussen, die viele Jahrhunderte dauernde Culturentwicklung
macht es erklärlich, dass die Inder in verschiedenen Zeiten
ihren Geistesproducten eine verschiedene Form gaben. Von
? Interesse ist in dieser Beziehung die Pärvatisage, die Sago von
der Hochzeit Qiva’s mit Pärvati, der Tochter des Himavat.
Das diesen Gegenstand behandelnde Epos Kälidäsa’s, das
Kumärasambhava wurde in Indien in den Schulen vielfach als
Lectiire verwendet. Dann wurde der Stoff umgearbeitet zu
einem Theaterstück, dem Pärvatiparinayanäfaka, welches dem
im 7. Jahrhundert nach Christi lebenden Dichter Bäna zuge
schrieben wird; als letzter Ausklang der Sage kann die Änan-
dalahari, die Woge der Wonne, ein dem Qamkaräcärya zu-
geschricbener Hymnus an die Pärvati angesehen werden.
Die vorliegende Arbeit weist den engsten Zusammenhang
des Nätaka mit dem Kumärasambhava nach.
Möge die Abhandlung als das Erstlingswerk des Verfassers
auf dem Gebiete der indischen Philologie bei den Fachgenossen
< eine wohlwollende Aufnahme finden.
Zugleich sei hiermit dem Herrn Professor Dr. Btihler für
das dem Verfasser freundliehst überlassene gedruckte und hand
schriftliche Material, sowie dem Herrn Prof. Dr. Fr. Müller
für das der Arbeit' entgegengebrachte wohlwollende Interesse
der verbindlichste Dank ausgesprochen.
578
Glaser.
Pärvatiparinayanätakam
SamsJcrtam
anltah 1
(mangalaclokah )
ädau premakasliäyitd haramukhavyäpdralold canair /
vridäblidravighimiitä mukulitä dliümodgamavyäjatah /
patyuh sammilitä drcä sarabliasavydvartanavyähidä
parvatyäl'i parimtimangalavidhau drshtili giudyästu nah //1 //
api ca (gitili)
sampadamataralalabhydm ananyasämänyabahudarpanidheh /
pushndtu cittayoner aghatitaghatanäpatiyasi vibliutd // 2 //
nändyante sütradliärali / sapranayam afijalim 1 baddhvä /
(clokah )
brahmastambhakutumbasya yogaksliemavidhdyinau /
dnandavigrah.au bhütyai bhüydstäm ddidampati // 3 //
iti pushpanjaliin vildrya nepaihyäbliimukhamavalokya j ärye ita-
stävat /
pravicya nati / äjja iamhi j a
sütradhdrah / ärye adya khalu kimapyabliinavam pdrvatipari-
nayam ndma rupakani 2 drasht.um.abhilashati parishadesliä /
nati i ajja tarn una kassa ' i kai.no i kidi huvissadi 5 j 1
(dryd)
sütr. / asti kavisdrvabliaumo vatsdnvaya.jaladliisambhavo bdnah 6 j
nrtyati yadrasandydm vedliomuklialdsikd 1 vdni/l 4 //
tadviracitena vicitrasathvidhänena vastunänena sdmdjikänupa-
sthdsyämalie 8 /
nati I ajjaatinae.su nddae.su vattadesu 9 kaham tahimjeva taddlia-
hodo 10 ahiläso / c
“ ärya iyamasmi / h arya tatpunah kanya leaveh krtirbhavishyati /
c dryänyeskv nd^akeshu vasatsu katham tatreva tatrabhavatobhilashah /
1 saprandmamanjalim. 2 ndtakam. 3 una apldnavam kassa. 4 Jcayino.
5 bhavissadi. 6 jaladhikaustuhho. 7 vedhomukhurangaläsilcü,
8 avasthäsydmahe. 9 vattateshu. 10 udiyo de.
lieber Bäna’s Päivatiparinayanätaka.
579
(glokah)
sütr. I samvidhänasya sdmagryam rasdnäm paripushtatä /
samdarbhasaukumdryam ca sabhydndm ranjate kshamam // 5 //
tata eväham gunagrähitayä tatra pravrttah /
nati j jai evvarh jujjai j °
sütr. j natvrti nirvarnya / ärye pdrvatipannayaprasangepi kim-
nimittam bhavati vimanäyamäneva vilokyate /
nati / ajja imind parinaappasangena amliänavi vaddhae bälacan-
diäe anunivavaraldhamahussavo kahärh bhavissaditti niraiida-
ram cindaulam hoi me hiaam / 1
sütr. / alam vishädena /
(äryd)
vidhireva kanyakdndmabliimatavarayojanärthamudyunkte /
ayamiha mahatidayito munirioa giriräjakanyäyäli '//(>//
iti prastävanä j
tatah pravigatyäkägamärgena näradah /
ndrad. j hanta janmanali prablirti na jahdt.i nünamasmaniya-
maniarakäryaghatanäkutühalitd / yatah /
(glokah)
dakshäUabdhasamudbhavä tadanu tarn tyaktvd patiiii dröhinam
jätä samprati gailaräjasadane gauriti däkshäyani /
endm yojayitum harena himavatsänau tapastanvatd
kdryarh bliävi samdkalayya marutämadya pravartdmahe // 7 //
kimcidantaramavatirydlokya ca / parivahandmnah pavanasya
panthdnam praptavdnasmi / tatJid hi /
(glokah.)
drädanjalipeyamatra vikasanmanddrapushpotthitam
saurabhyarh pavanopanitamabliito dhdvantyami shatpadah /
tantrimandalamardrayanti kanikä mandakinipdthasäm
apyantahkaranam ca me sumahatimdlambate nirvrtim 2 // 8 //
sarabhasdvataranam nätayitvä / adhovalokya / aye madhyama-
lokasya nediydnsam pradegamanupräptosmi / yatah /
“ yadyevam jujyate / h ärydnena 3 parinayaprasangenäsmäJcämapi
vatsäyä bdlacandrikdyä anurupavaralabhamahotsavah Jcatham bhaviskyatUi ni-
rantaram cintdkulaih me ’hrdayam. /
1 kanyakdydh. 2 drydmund.
3 Im Manuscripte sind die beiden Verspaare umstellt.
580
Glaser.
(glokah)
udyadbhih gikharairann katicana vyajyanta eväcalä
vaimalyadanumiyate ca saritäm srotasvim samtatih /
sücyante parimandalena taravo mldmbudagrimusho
mandam mandamupaiti locanapathagrdhyäm dagam medim. // .9 //
punarmlokya sägcaryam /
(äryd)
givivaratatird' gidmairdarganapadavim kramddupärüdhaih /
avarohati mayi rabhasädbhüriyam,' 1 ärohativa gaganatalam //10 //
muhürtamdtrddavatirnosmi himavadupakanthabhümim/kimcidan-
taramavatirya parikramyavabkya ca. 3 / ayam hi gailarajah /
(gloltali)
vtsdryanniva vibhdti nabhovakägam
grngairviliärabhavanairiva tungatdydh /
dbhogavadbhiramrtdngukardvadätair
äkrämativa katakairharidantaräni // 11 //
atincyate khalvayamasädlidranena bhuvanadhurandharma bhüm-
nä mandaragandhamädanaprablirtibliyo rnahämaMdharebhyah 4 /
yatali /
(glokah)
tribhuvanagurnnä gundtirdgät-
kamalabhuvdkalitddhipatyalakskmih /
aviratamanugdsti devatdtmä
sakalamidarh kulagailacakravälam // 12 //
tadahamadhund kinnarigitanislipandakruhnasdrena camarijdla-
välavikshepaviracitälikacandrodayavildsena kastüriyaparimalä-
paliita 5 gaganägamannkhedcna gaileyagandhinä katakavartmanä
prastutuvastusädhanäya pravigdmi ydvadoshadhiprasiham / ta-
thd krtvd purovalokyedam tadoshadhiprastiiam /
(glokali)
vipulakanakagrngopdntavigrdntamegham
surataruvaravdtigohhamdnopakantham j
manibhavanamahobhih srjyamänendracäpam
madayati mama ceto mandiram vismayamandm //13 //
1 girivaCra)la(ini. 2 bhümiriyam. 3 (ca).
4 mahidharebhych. 5 apoliita.
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanataka.
581
purapravegamabhiniya / agrato drslitirii datvd / idamabvamliha-
gopuragikhardvalidhanakshatrapatbam haimavatamdyatanam /
praveqam nätayan / älcdge / bhoh kancukin kutra vartate kula-
calacalcravarti / leim bravishi / devyä menayd sdrdham kimapi
mantrnyannabliyantaramnndapamadhivasatiti / tarhi sddhtyäna-
vasarah käryanwedanasya / iti parikrdmati /
tatali pravigati Inmavdnmendparivrtali parijanagca 1 /
bim. / dem kanydpitrtvarii Ichalu grhaviedhindmadhikataram duh-
khamdvaliati / asmatkiddlankaranamiyam ca gaum parinaya-
yogyam dagdih pratipadyate / taihd lii /
(glokali)
äbliogagdlikucakumbhala'mdyatdkshyd
vakshovalcdgarnabhigacchati sanniroddhum /
apyasti nasti vavacasam vishayevalagne' 1
tanvi savndlasati kdcana romaresliä 3 // 14 //
mend j jahd ajjaütto änavedi tabu vivähamangalajoggd samvutta“
bim. devi anyadapi grüyatam /
(dryd)
kucayugalarii parinaddham yathd yathä vrddhimeti tanvangyäh /
varacintdbrtamanasaetathd tathd kdrcyauieti me gdtram // 15 //
mend j mahavi rattindiyam J bhdide asminjjeva h attlie nilviabi
ade kirn lakklnadi / b
bim. j puroval.okya / devi mnäviliäri muniriti evdbhivartate tadar-
ghyamämyatäm /
mend / jahd dnavedi ajjaütto / c ityarghyamdnayati /
bim. / utthdya sanjalibandham / bhagavannabbivddaye
när. / abliyudayaparampurdvaptirastu /
bim. / dsanamupaniygrgham samarpayati /
ndr. j pratigrhnäti /
bim. / saharshamanjalim baddliva /
° yathäryaputra äjnäpayati tathd vivähamanyalayotjyd samvrt/ä
4 6 mamäpi i äitrimdivam hhdvitesndnnevärthe nihitahrdayäyäh leim lalcshyute /
c yathäjndpayatyäryajwtrah /
1 himavä'nmevd pavimitujanaqca; 2 vishaye vilagne.
3 roviareshd ist ein Druckfehler, es soll heissen — relcha; mansc. = roma-
lekhd.
4 rattidivam; 5 assi eva.
582
Glase r.
(glokah)
sväyattasiddhäkhilakämanämäm
tattve parasminparinishthitdnäm 1 /
bhavädrgämägamanotsavoyam
na labhyate nünamanäptapunyaih // 16 // ^
när./nihsprhairapi mädrgaistvädrgäh sarvägramopakärino grhame-
dhinah purushä drashtavyä eva /
liim. / yadabliihitam bhavatä tadanugrähyeshu j
när. / kimanugrähakasyänugrähyatä / mäviturkah- / kiiii ca tir-
tharüpo 3 bhavänasmäbhirabhigantavya eva / yatali /
(glokah)
cirasi nipatitä purä puräre-
rathaeikhare tava yattatovatirnä /
amarasaridaceshalokamänyä
tribhuvanapävanatämupaiti tena // 17 //
h im. / kimevamatibhümimaropyate nidegavarti 1 parijanah /
7i «r. / apratimarüpalaksliye gangä gauri ca lcanyake bhavatali / t
Aim. / evametat /
?iar. / pürvä tayoli purastädanurüpam ramanamamlmdhhh
präptä II 18 II
him. / astyetat f
Heil'. / dvitiyäyästu te duhituh ko näma varobhipretastatra bha
vatä /
Am. bhagavännimameväriharii vicintayato me manasi mahänupa-
täpah /
(glokah)
n ä r. I na nägaloke na manushyaloke
na devalokepi samo varosyäl} /
eshäiii prabhuryastanayäm tvadiyäm
sa eva devah parinetumishte // 19 //
him. I tamapi bhagaväneva niveditum pragalbhyate / <
när. / ätmagatam. / asyeddmm sämänyavacanaiveva candracüdä-
manirnigühitavyah / prakägam / mayä kila pranidhänacakshu-
1 parinigcitänäm; 2 anugrähyatäyäm vitarlcah j
3 tirtliabhutah; 4 bhavatä niclegavavti.
lieber Bäna’s P&rvatiparinayanätaka.
583
sha drshtoyamarthah / yathd vigoadhikam kamapi varamiyaih
te duliitd prapatsyate / na punarimamiti vigeshena /
him. / vigvddhika ityetavatd krtdrtliosmi !
(glokah)
n är. / punyena Icenäpi kildvatirnä
purdtam qaktiiiyam sutd te /
imämasädhäranarüpalakshmwi
na lokasdmdnyasutdm pi atiydh // 20 //
tatacca bhavatä duliiteyam na yasmai kasmaigcitpraditsitavyd /
him. / ndham bhavaddjndm langhayämi /
nur. / abhyudayasya nimittamanyadapi kimcidupadicyate / yathä f
(glokah)
aslitäbhirevatanubhirbliuvanaih dadlidnas-
tejastrayena mahatd vihitekuhanagnh /
anyesliu satsvapi ya igvaragabdavdcyali
soyarh tapasyati täte tava candramaulih // 21 //
him. / astyetat /
nur. / tato bhavänantikamägatamindugekharam saparyayd kayd-
cidupatisht atdm /
him. bhagavannabhidhehi kd vd saparyd /
nur. / anurupasakMjanaparivrtäm duhitaramimdrii gaurvrh samit-
kugadürvädyupaharantim 1 paricara candracekharam' 1 itipresha-
yatu bhavdnj
him. / tathd karishyämi /
nur. / dtmagatam / upakshiptam vijam / kartavyain ca sämänyavrt-
tyäniveditam / tadyathdgatam gamislvyämi / prakägam / liima-
vanyadidctamasnidblustadaniishtlnyatum / itydkdgamdrgeiia nish-
kräntah /
him. / vilokya /
(glokah )
divdpi dehaprabliayd dargayandikshu candrikam /
dvitiya iva candroyamdrohati divain munih // 22 //
mendm prati / devi grutam khalu tvayd mahdmunervacanam /
mend / sudaiii mae vissdhio puriso nalio tti 3 /“
° Qrutaiii mayd vigrädhihah yurusho ndtlia iti.
1 prasüvdnyuijaharantim; 2 eandrageJcharavaram.
3 viadh ionnapui• isd iidlietti.
584
Glaser.
h im. / svagatam / vigixädhikagabdopakshepena kartavyopadegena ca
duhiturasyägcandragekhara eva vara iti sucitam / prakägatn / devi
näradopadisltdmindumaulisaparyäm viracayitum duhitaram ni-
yoktumudyunjdmahe 1 / iti nishkräntäli sarve /
// iti pärvatiparinaye ndtake prathamonkah // 4
ankah 2
tatali pravigati vanadevatä väsantikä /
väs. / dnatamhi nandissarena jahd väsandie niamatthidassa 2 nila-
lohidassa 3 püäpupphäiin nandanavanädo änehitti/td jalid ädit-
tharii nandissarena tahd ädsamagg/na gadua sorahavdsidadisa-
muhdih 4 kappaduma 8 kusumain nandanavanädo avacedum ga-
missam 6 / a tathä karoti /
tatali pravigati rambhd /
rambhd / täradsurabandiggahanasajjhasaparisankido' 1 accharoja-
no s mahämeruguhdnilino asi / aliam una kuveranandanam nala-
küvaram khanam vilidya jividam dhäredum na päremi / tado
tarn eva ahisarämi 3 j ityavatarati ! h
väs. I rambhdm drstvä / ae ppiasahi rambhd samäacchai ]0 / td
upasappdminam / tathä karoti / c «
rambhd / ae himavakkadaaniväsim vanadevatä vdsandid/haddam
ppiasalne / d
väs. / ppiasahi kirn ettha äade 11 / e
rambhd / täraäsurabandiggahasajjhasasankido accharojano ma-
hdmeruguhänilino vattäi / ^
väs. I saccaiii so täriso dntthasilo /»
a djnapf&smi nafidigvarcna yathd van antike viiyamasthitä&ya nilälohitasya
ptijäpushpäni nandanavavddänayeti / tadyathddishtt m namncvarena tathdkdga-
mdrgena gatvä saurabhyavdsitadigdmukhdni kalpadrumakusumdni nandanava-
nädavacetuih gamishydmi / h tdrakdsurabandhigrahanasddhvasaparigtmkitop-
sarojano mahdmeruguhdnilina asit / aham punah kuveranandanam nalaküva-
rom kshanam vihdya jiüitam dhdrayitvm na pdraydmi / tatastamevdbhisai dmi /
c aye priyasakhi rambhd samdgacchati / tadupasarpämyenäm / d oye himavat
Jcatakanivdsini vanadevatä vdsantikd / bhadram priyasakliydh\ e priyasakhi
kimaträgatam / f tärakä'iurahandigrahanasädhvasasaqankitopsarojano ma-
hdmeruguhdnilino vartate / 0 satyam sa fddrgo dushtkaqiloh /
1 udyunjdvalie; 2 niamo tt^hiassa; 3 nilalohiassa.
4 vdsia; 5 lcappadduma; 6 gamissdmi; 7 sajjasasankido.
8 accharajano; 9 abhisardmi ; 10 samdaccliai. 11 dadam.
Ueber Bäna's Parvatiparinaj'anafaka.
585
rambhäjkuveranandanaih khanam aditthia na sakkvnami jividam
dhäredum tti piyasahä sutthudaram jänädi /“
väs. / padhamam 1 jdnämi pasiddho kkhu tumhänam annonnä-
nuräo / b
rambha / tado aliam äsannä 3 atta maanalcoandanirandaranissa-
raccharaniarajajjaridahiaärahisarämi vancia 4 saMjanänalakü-
va-arii / c
väs. jnjjai tärisassa anuräassa iriso b vväväro j d
rambha / tumaiii una kaliin gacchasi /*
väs. / niccänandanijassarüvassa loaiyimettavädavassa ü bhaava-
dassa nilalohidassa püäpupphäiii na ndanavanddo änedum äna-
tarnhi nandissarena p
ram. / piasalii atthi ahinavo taddlia vuttanto /»
väs. I anno kovi natthi / piduno nidesena savarijanä pavvat diase
diase ägadua mahädevam ärädhei / h
ram. / kirn ärädhanassa plialam /•
väs. / paramessarappasädo / k
ram. / jujja'i / gaccha tumath patthudam kajjam kädum / ahamvi
jahä samkappidani kädum gamissam 1 / l iti nislikränte j vish-
kambhakali / talali pravigati viviktasthänamadhivasanmahen-
drah /
mali. I mandapadväraih vilolcya / lcah kotra boli / pravigya, de-
vanandi. /
devan. \ sväminnayamasmi /
a kuveranandanaih kshanamadrshtvd na gaknomi jivitoih dhärayitumiti
priyasaklii sushthut.aram jdndti / b pralhamam jdndmi prasiddhah Ichalu yuva-
yora.nyonydn.urdg ah / c tatohamdsanndtra madanakodantanirantardnisaraccha-
ranikarajarjaritahrdaydhhisardmi vancdyitvd saklnjanännalaküvaram / d yvj-
jyate tddrgasydnurdgasyedrgo vydpdrali / e tvaiii punäh kutra gacchasi /
f nitydnandanijasvarüpasya locanamittravddavasya hhagavato nilaloliitasya pii-
jdpushpdni nandanavandddnetumdjhapiäsmi nandigvarena / 0 priyasalclii ast-
yabldnavastatra vrtfdntah; h anyah Jcopi nddi / piturnidegena saparijand pdr-
vati divase divase dgatya mahddevamdrdUiayati / 1 kimdrddhanasya plia-
lam I k paranugoaraprasddali / 1 yujyate gaccha tvaih prastutaih kdryani
karluni / aliamapi yatliasuihkalpitaih kartvih gamishyd mi j
1 at.thdgad.ani; 2 phudam;
3 dannaattianiaanakoandanirantaranissava,ntasara.nlaröjurijjantahiad; [dkar-
ndkrishta].
4 vaiici; 5 eiiso; 0 loayaii nneccatavassa; [lokaydtrdmdtratapasah].
7 gamissdmi.
586
Glaser.
mali. / mahatkäryam vicäraniyamastyato brhaspatimantarena
nänyalj praveqaniyali \
devan. / tatheti nishkräntali / tat,all pravigati brliaspatili /
vrli. /purovalokya j ayamiha mahendro viviktasthdnamandape vart-
tate / esha klialu
(clokali)
kaigcinnetrairdalitadanvjam vajramälokamdn all
kaigcitpacyannamarasudrcdm sasmitänyänanäni /
kaiccitsevävihitamanasämanjalim vilcshamdnag
citte cintäpara iva puro dargano 1 väsavo me //1 //
tadenamupasarämi / tathd karoti /
m a h. / brhaspatirh drshtvd / iliopavigyatdm /
brli. / tatlieti bliadrasanantikamupavicati / pravigya devanandi /
devan. / svdmin devadüto devalo vijhäpayati / vijndpyam me
himcidastiti j
mali. / tamekam pravegaya / tat,ah pravicati devadütali /
devadütah / ayam hi svämi brhaspatind kimapi mantrayanvar-
tat.e I tadenamupasarpdmityupasrtya / jayatu jayatu svämi /
mali. I devala kimudviyna iva vihkya.se / 2
devad. / atibhumim gamitämasurapidd?h 3 Icatham svdmine vijhä-
payämi j
mali. / mä bhaishih kathaya teslidmudyamam /
devad. / katliaydmi x grüyatdm 4 /
(gloikali)
uddhrtydmaradirghikdjalabhuvämambhoruhändm tatim
svairam nandanapädapänabhimatdnämülamunmülya 5 nah /
hrtvd vahccliitavastudanacaturdm tdmarjumm durjandh
ityardhokte viramati /
mah. j avagishtam ca, kathyatdm /
devad. / caturtliali 6 pddah ( ' /
svargastrainakacagraliam racayitum ni hcaukamudyuTijate // 2 //
1 drgyate.
2 Nach vilokycise und vor atibhümim bietet das Manuscr.:
tärakadanvjasamäkräntimantcirena Jciviasmäkamudvegasya Jcdranam /
m a h. / kirn astyabhinavoparodhah /
3 gatdm. 4 fehlt. •
5 abliinatdna. 6 fehlt.
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanätalca.
587
mali. / devala kuligasahdye madbähau jägrati. kimevümatigaTihä
kriyate / pacya /
vrtram balaih ca namucim ca hatliävagesham
krtvä vidliäya kila parvatapakshabliedam /
trailokyaraksha.napatormama tärakesmin
vedhovarali kimu maliänayamantarayali // 3 //
tatkatipayaireva divasaistatpratikriyä bliavishyati / gaccha tvam
samucitaniyogakaranäya /
dev ad. / tatheti nishkrdntah /
mah. guro kimatahparam vidhdtavyam /
brh. / yadädishtam bliagavatä virincena / yathd pürvedyureva
tdrakadanujdkrdntimasaliamdnairasmdblnr amaraparishadä sdr-
dhavi bhagavanupasthitali padmayonirdcaslita / yathd senänya-
mantarena ndnyena tarako nihantavyah / tadutpddane cäyam-
abhyiipdyah j
(dnyd)
haimavate katakatate cagaTikacudamanistaipastanute
yatnena yena kenacidastu pranayi sa pdrvatydm // 4 //
tatastayordtmasambhavena senänyä kumurena vo manorathasi-
ddliirbhavishyati /
mali. I tatkatliam girijä giricena parigrdliyate / kadd vd tadnt-
pannali kumdrali pürayishyati no manoratham, /
brh. nahigvarändm vydhrtayo vyabhicaranti /
mah. I msmaranam saharsham ca / virincyasamddishtamasmat-
kdryamapyangikurvatwa piturnidegena saparijand pdrvati di-
vase divase samdgatya bliagavantamindugekharam paricaratiti-
rambluimulihadagrausliam /
vrli. I yadyevam siddham nah samdhitam /
mah. I ldm.etd.vatd /
(gl.okali)
mngdhairapsarasdm vildsasahitairvdkyairmanonäribhili
karndntaskhalitairapdugavaUtairärecitabliridataih j
bdlioli srastakucottariyaghatandmanjukvanatakankanair-
vydpdrairapi yo vikdrapadavim na präpitali samyami jj 5 //
tasya punaracintamyamadhi 1 kanandasundaramanddinidhanam
ana.üjanarna.fjnria.kriyam 2 dtmdna.mahdhyena cnkslmsliä sakshdt-
1 anavadhi;
2 ano.njanakriyamäimdnam.
karvatah samupasaihhrtälchüadvaitakalanävikalpasya' svatantra-
kurvatagcaräcaraguror bhagavatagcandramauleh kiyadvagilcara-
nam gauriparicaranam /
brh. I bhayavannananyayuvatisämänyämeva tarn na manyethäh /
yatali /
(äryä)
äsecanakatanugrirantahkaranasya kimapi samvananam /
sä khalu giriräjasutä sammolianamastrameva pushpeslioli // 6 //
mali. I saharsham / pushpeshorityupodghätena smäritosmi sa eva
tayorgirijägirigayorghatane patiyäniti /
brh. I saharsham /
trailokyagäsane dakshä tävaki matirürjitä /
gäntikam paushtikam kartuih gaktä nalt kevalam matili // 7 //
yato madiyäpi buddhirimäm vitarkapadavim nävatirnä / tada-
vilamhitameva samähuyatärh kämah /
nxali. I mandapadvän'am vilokya / kalt kotra blioh / pravigya de-
vanandü /
devan. / sväminnayamasmi /
mah. devanandinnahüyatäm jhatiti kämali /
devan. / tatheti nislikräntah / tatah pravigati rativasantäbhyäm
kämali. 2 /
kämah / upasrlya / sarvestliäsyäma 3 ityupasarpanti /
mah. I vilokya saharsham /
(glokali)
mukharamadhupamäläcärumaurvisanätham
tribhuvanajayayogyam cäpamanse dadhänah /
mukhamuditaviläsam 4 vikshamänah priyäyäli
saha madhurilia mandam mandamäyäti kämali // 8 //
kämali / ratimsantabhyäm särdhamupasarpati / cäpagarbhenäh-
jalinä saviläsam pranamati /
?)i a A, I äsanäntikam liastena nirdigan solche käma ihopavigyatäm /
1 viJcalpanasya.
2 Das Manuscr. bietet noch: Jcdmah / sakhe vasanta kimalcände svänii malien-
dra/i namähvayati / vasantah / ew/m manye /
dväpdrädhakalushikrtayä kaydcül
dhaddharoshamahimdnavagena dhütah /
sammohanena hhavatah kila sdyakena
tasyd vidlidtumahhivdnccliati cittahhedam /
3 jndiydmci. 4 midita.
Ueber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
589
kdmah / rativasantabhydm surdliamupavigati /
brh. I aye mdnaniyam bhavantam sthdne lchalu mänayati mahendrah /
kam ah / anjalim baddhvä I
(glokah)
i trailokyandthasya tavatigakteli
kimasti karyarn maghavanmäydpi /
prakdgitägeshadigdvakdgo
divdkaro dipamapekshate kim // 9 //
brh. I md bhavdne.vamdcashta
(glokah)
asdmUkasämdnyacdpavidyddhurandharuh
karotu karyarn sakalam bäliustava divaukasäm /j 10 //
mah. / sakhe kdma /
(glokah)
cakrena vishnorapi yaddurapahi
tapasvind vd gatakotind me /
tatsddhayetpushpamayam tvadastrum
aho bhavdnadbhutabähuviryah H 11 H
^ kdmah / sagarvam / svdminyaste sdpatnamdcarati /
(yitih)
danujo vd mannjo vd munirapi vd mugdhacandracüdo vd /
suralokasundannam sa bhavatu baddhah katäkshacrukhalayd //12 //
mah. / bvliaspatermukhamavalokayati/
bvli. I aye kdma yastvayä caramorthah pariganitagcandractido-veti
sa idamiii gankarah gailardjakatakastmni niratigayagitaldn-
tahkaranastapagcarati /
kam ah. / tatast atalj, /
brh. I tamidamm piturnidegena saparijand pärvati saubhagya-
maywa sälabhanjikd savndaryadevateva vigrahini paricarati /
kamdh / tatastataJi /
brh. I tayogca melane 1 divishaddm mahati karyasiddhiJj, / sd ca
bhavantameva-katdkshayati /
4 kdmah / dtmagatam / andtmata 1 hi punsdmdtmanidhanamdpdda-
yati/ yadahamätmapragahsdparavagah paraviegvaramapi sdmä-
nyavrttyd paryajiganam /
vasant. / dtmagatam / anyudupakrdntavumyaddpatitam /
1 sammetane. 2 anälviäjnald.
Sitzungsbor. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. II. Hft.
38
590
Glaser.
(glokali)
kvdyam sugandhivigikhah svadamdnacdpah
fitrmäm vagikaranakarmani jagarükali f
kvdsau laldtanayandnalavispliidmga-
värttdvagesliitapuratritayo mahegah //13 //
rati I amho accähidam upadidam jam Ichandaparasu jedavvo / a
kdmali / yaipunahparijavaparamänormaHopi makhcibliujali kdrya-
micclmnti taddtmavyayßnäpi karma kartumudyuüje
(gitili)
mah. I sammohanam [ tava gare samhitarndtre, ginndrakanydydli /
mukliamatimuditavilasam 2 vilokayati 3 m.ugddiadhrt.irigali //14 jj
tadhlmtkaresminkärye bhavatd nakimcidapi gankaniyam /
(glokali)
kdmali / tyajanydsydmi kdrydya pränänpraiyatamänapi j
yagahgarv-amalam labhante hyanushanginah // 15 //
tadyatliddislitam svämind tathä Icarishyämi / malimdvo brhas-
patigca hastamudyamya /
(glokali)
astu svastyayanam tavädya marutdm satydgishämägishas-
tvdiii raksh.antu yagagca, testu 4 vipulam lokatraye divyatu /
cauryam tvadbliujayor idam ca bliavatätpuukhänupunhhodyam
Mihcidudyogamimam samartliayatu nah svaccliandaceshtdvidliili //16//
kdmali / rativasantäbliyäm salia gaTikamdno nislikräntali /
mah. I gvro virincyddegddanurüpam asmdbliir evatdvadanushthi-
iam I kdryasiddh.au bhagavaii niyatireva prabhavati 6 /
brli. / ahnmapi prastutakdryasiddliaye kuladevatali prdrthqyitum
gamisliydm.i / iti nislikräntali sarve. /
iti pdrvatiparinaye natake dvitiyoükah /
ankah 3
tat,all pravigati mahendro brhaspatigca /
brh. I guro kirn ndma kdmali lcenäpi bdnasarhdhäiiena Ichandapa-
ragurii vagikuryat / dhosvit samvartasamayadinakaradushpre-
a cilio atydhilam.dpatita.ru yatJchandapa.raQurjetavjuh /
1 sammoliane; 2 imiTchamidi mugd.hahdsam; 3 viloJcayishyati.
4 yaqaft t.e suvipulam.
5 Im M{inuscr. folgt: Brh / evametcit j mah. / sthdnvdQramaxamipam prali
gacchatal'i kdmasya paqc.däv'i'ttdtntajridndya kamr.ana. preshnyitumudyuvkte /
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
591
kshyarn munimikslntumagaknavanvarteta / afJiavd kopändliakä-
ricetasdtmdnaih bdlanayanapdvakasya 1 purodagatam niyeta I ka-
tham bhavishyatiti na jäne / vdmdkshispandanam sücdyitvd /
sdgaükam /
4 (glokah)
adakshinamidam cakshvh sphuritaih gaiisatwa me /
devakdryavighdtäya jägrato vämafärh vidheh //1 //
brh. I pratihatamamaUgalam / bhagavannanena nimittena jndpyate
vrttäntajnena kenadddgantavyamiti / tatali pravigati ndradali /
nur ad ah. / maghavadddegena sthanvdgramam gatvd tatratyam
udantam vijndya samägatosmi / tadenamupasrtya nivedayisliyd-
mi tatratyamakhilamudaniam-iti parikrdmati /
mah. I afijalim baddlivä vilokya / ayameva mahativallabho munir
vpasarpati / taddsanamupaniyatdm j
brh. I asanamupanayati /
nur. I upavignti /
mali. I afijalim badlivd / bhavan kathaya bhndramabhadram vd
divishaddmabhilashitam /
nur. / sarvamuditali prabhrti kathay&mi grüyatam /
mah. I avahitosmi. /
nar. j tat.hd devakäryäya. prasthit.am kandarpam tiraskdrinyä
vidyayd tatratyavj'ttäntaji.jndsayaham toannideg&danvacaram 2 /
mali. jtatastatali /
nar. / tatra sthänvägramasamipdiridsadya hämo vasantamabhi-
hitavdn /
mah. I Icathamiti /
nar. / solche tvaydsminhimavadupakanthakdnane vijrrhbhitavyamiti/
mah. I sa kirn krtavdn /
(glokah )
väcälayannatlia kuldni vanapriydndm
ankürayanmalayamdrutalcandaldni /
^ salthyuli prasünavigikhasya bhujavalepaih
samvardhayanmadhurajrimbhata känaneshu // 2 //
mah. I tatastatali /
1 kopändhakäricetasä phdlanayanapdvakasya.
2 channo vrlld idajijndsayd tvcmnidegddavasaram.
38*
592
Glaser.
(glokah)
dattam priyäbhirbahumanapurvam
äsädya cütdsavamanyapuslitäh /
ämodibhih paücam aräga bli edaih
präbhodhayanpancagarävalepam // 3 //
mali. / tatastatah /
när. I ddliüya candanatarünuttama.nadyästarangamäliugya
ädäya Icamalasaurabhamankürito malayacailapava mdnali 1 //4//
mali. I tatastatah /
(glokah)
när. I dddya cäpamadliiropitasliatpadajyam
tasminhimdcalamupeyushi pancabdne /
veldtilanghi kimapi pranayatirekdt
dvandvdni laulyamabliajanta vimohitdni // 5 //
mali. I tatastatah /
(glokah)
när. I cutdli koralcitd 2 vinäpi 3 sudrgäm liastämbujdmargandt
tatpdddmbvjatadanairapi vinä Icaukelayah puslipitäh i
tatsamgitakamantarena hasitd 1 ramyäli priyaladrumd
mulctvd tadvadanäsavaih 5 mukulitd gandhottardh kesaräli // 6 //
mali. / tatastatah /
när. j kiiii bahunä )
(gitih)
tasminvane nivasatdmanutatarn 15 ullangliya dhairyamaryäddm /
abaldsu nimnagändm. 1 asidatiräga 8 sindhurudvelali <J // 7 //
mah. / euewfi sakalajanavikärakdrini tasmin pravrtte 10 kirn krtavän
kämah /
när. / sa hämo ratyä vasnntena cänviyamäno mahati devaddru-
khandamandape tarakshucarmanirmitäyäm 11 ahimagild 12 vedikä-
yämäsinamantarmukhaniliitacittavrttim abliya.ntarapavanani-
rodhanigcalänanam ndsägraniliitapakslimänyakslnni dliärayanta-
maparamim nistarangamarnbudhirh tamindugekliaramapagyat I
1 malayagailojah pavanak.
2 r.yütäh; 3 viliäyanam; 4 haritä; 5 vacaväiavam;
6 munikulam; 7 nirmamänäni; 8 anuräga; 9 ativetah;
10 sakalojanavikärini pravrtte.
11 gärdüläswacarmaiunislinfäyäm; 12 himagila.
lieber Bäua’s Parvq^iiparinayanätaka.
593
malt. I tatastatali /
när. I tato bhagavänapi mlaloliitah praticävalokanena pratyancam
ätmdnamaparokslnkrtya cithilitaparyankabandliali 1 pranidhänä-
dvyaransit /
mall. I tatastatali /
nur. I sa kämastaddarganena karafalavidlirtakdrmukali kart.a-
vyamaparamajänankshanamdlikhita iva bhayddatislitat. /
mah. I tatastatali /
(glokali)
aträntare haramupdsitimabhyayäsid-
väsantikaprasavahalpitamandanacrili /
crngdraviratapasdmadhidevateva
säkam saklnbliiravamdliararäjakanyä // 8 //
mall. I tatastatali /
när. I tatall sa Icämo labdliävalamba iva samägvasya drshüprati-
papravihdrena pagcätyabhägamägritya samayam pratiksliya stlii-
tavänI
mall. I tatastatali /
nur. I pdrvati ca sulcliopavislitamaslitamürtimashtängasprslitablm-
miravandislita /
mah. I tatastatali /
nar. I anurüpara.manamäsäidayeti 2 tdmägislidvarddhayadardhacan-
dramaulih /
mah. / tatastatali /
när. I tatall / kslmne tasminnayamevävasara iti. sa. kä.mah 3 kärmnke
samädhatta sammohanam bänam /
mah. I tatastatali /
(glokali)
när. I tadanu yngapadicali pärvativaktrapadme
sm.itavilcasitagande prähinoUocanäni /
mah. tatastatali /
när. I pidakitatannrantarbhdvaviävedayanti
dara.muditamukkenduh 4 sä ca savridamasthät // .9//
mah. I tatastatali /
när. I tato bhagavänantahkaranavikriyäm fapobalma samyamya
iatkäranäya vigvagvilocanäni vyäpäritaväii /
mah. I tatastatali /
1 bandhanah. 2 anurfipavaram; 3 iti prasddaijati k&mali;
4 daranayiitamulchendulp
594
Glaser.
(global})
ndr. I drädapagyadadhisamhitamoliandstram
karndvatansapadakalpitakärmukajyam /
dkimcitaikapadamancitapürvakdyam
laksMkftätmavapushai'n madanam mahcgah // 10 //
mali. / sabhayam / avagishtam ca kathyatäm /
ndr. I tadanu praküpitasya 1 gülino bhälalocanddujjrimbhajjvdld-
valijatdlo' 1 grasalälasa iva kdlänalo vahnih /
m ah. I sanirvcdam j kimatali pararn nivedyate /
ndr. I tena purarernayandnalena 3 madanah purodägatdm i nitali /
mah. I mürcchati /
war. / samdgvdsayati /
JwaA. / dgvasya / hä bhuvanaramaniya pushpabäna sakalajanänan-
dana purandaraaydrthe tyaktajivitosi /
/ bhagavanmdvisliida / bhavitavyatd hi balavati tadästäm /
ma/i. / laß /Ä krtavati /
war. I ratirapi moham prdptd /
maA. I kirn Icrtavän vasantal} /
ndr. I moham präptali sakhä vasantopi /
wiaA. / mürcchitau rativasantau kimanutishtatdm /
war. I prathamdgvastena madhund kathamcitsamjnäm 5 lambhitä
ratih I puratah parushapavanavilciryamänäpähsupatalabliasi-
tamayarh purushdkrti patyuraTigamälingya /
gurutaragokopahatd kurariva priyaviyogamäpannä
dkrandadartanddam väshpasnapitonnatastani 6 AaZa // 11 //
wiaA. / tatastatah /
war. / tadanu hä nätheti bahu vilapantim ratimdgväsayaddkdga-
bdni 7 / yathä /
(glokah)
munca gokamiha kdmavallabhe
langhyate jagati kena kalpanä /
udbhavishyati punagca te patih s
pärvatiparinaye pindkinah // 12 //
mah. I samdgvasya / saharshamiva /
1 kupitaxya; 2 vjjrimbhila ; 3 purärerlatä(anayanena;
4 qalabhatäm. 5 katliam kathamcit.
6 väshpasnätonnatastani lä'ä; 7 äkä$asambha,vä bäifi.
8 udbhavishyati ca te punal} patily
wmmmm
lieber Bäna's Pärvatiparinaj-anätaka.
595
(gitih)
bhagno manoratho me punarankuritum kiläyamudyunkte
dävägnilidliaceshastaruriva dhärädharena samsiktah //13 //
brh. I maghavansatyaiva vaihäyasi bäni / sarvathä kämah punar-
udhlmvishyati /
mah. I tatastatah /
nur. I katliamcitpratyäcvastä ratirnitä sä samänadvhkhena ma-
dhunä nijam bhavanam /
mah. I kamarh kathävaceshaiii krtvä kälakanthah kimakarot /
nur. I strisannikarsham parijihirshayä saha bhütaganena bhüta-
patirantardhänamakarot /
mah. I kirn krtavati pärvati j
(glolcah)
när. I ägatya dorbhyämädäya mürchämukulitekshanä /
nitä nitä,ntavätsalyädgauri himavatä grham // 14 //'
mali. I bhayavannärada enttarn grotavyam kimatah pavaiii prati-
padyase j
när. I punarimanh urttdntam satyalokavartine caturmukhäya nive-
dayiturh gamishyämtti nishkräntuh / tatali pravigati rambhä /
ravt. I kuverabhavanädo nivattamänäe osahippattlianaare jo mae
äkannido 1 vuttanto tum sämine vinnavemi ] iti parikrämati / °
mah. I vilokya /
(äryä)
sameärinwa valli vidyullatikeva cäpalonmuktä /
mohanakaleva mürtä käsvidiyam kamalapa tträkshi // 15 //
nirüpya / rambhä khalviyam /
räm. I upasrtya / jedu jedu bhattä / h
mah. I rambhe kuta ägamyate bhavatyä j
ram. / kuveranädo /“
mah. I kimasti taträpürvo vrttänta(i /
ram. / nilalohidassa nidaläggikälajälena kahävasesido kämo tti
savvo' 1 blimiai / annacca 3 kim vi osaliippatthanaare / d
a kuverabhavavdiinivartamdnayd oshadhipraathanagare yo mayd dkarnito
vrttuntastam svdmine vijndpayämi. b jayatu jayatu bharttd; c kuverabha-
vavdt; d inlaloliitasya nilit'dgnikdlojdlena kathdvigeshitah kdma iti sarvali, bha-
nati / anyacca kimapyoahadhiprasthanagare /
1 ddnnio.
2 savva ha bhanati;
3 anni.
596
Glaser.
m a h. I kim tadanyat /
ram. / mammahadähnna bhaggamanoralid pavvcü paramessararh
jevva 1 pdin 1 ahilasandi katinehin tavaccaraiiehin atta.no 2 ahi-
Idsam puvidum issadi 3 Ui /“
mall. I liimuktamasminnarthe mdtdpitrhhydni 1 /
ram. / menaä deine evvam bhanidam /’’
mah. I kimiti /
ram. I paruso tavoviseso 5 tulia una aggam r ' sinsasuumdram /
vivasidamedam kahinam. 7 pavvai tä dulckaram tti pgdibhdi // W // c
mah. I kimuktam himavatd j
ram. / aftftt anumadam tena / d
mah. I rambhe sddMydnsamudantamdmtavati gaccha tvanh samu-
citaniyoyakaranäya /
M». / tatheti I nishkrdntd / e
nepathye vaitdlikah /
(glokali)
adhüya pranayam vivasva.fi gaf.e degdntare padmim
sodhum tasya viyogamakshamatayd mldyat.sarojdnand /
samdhyaoalkalim dvirephaparishadrudräkshamdlavati
iatprdptisprliayeva samprati tapali salctd samdlaksliyate // 17 //
raa/i. / dharnya / vayamapi samdhydni vanditum sadhayamah / iti
nishkrd.nt.dh sarve /
i/i pärvatiparinayauätake trtiyoTikali /
anlcali 4.
tatali pravigat.i grlntamunivigraho nandi /
wan. / djnaptosmi bhagavatd mlolohitena / yathd / nandin m.anma-
thaddhena bhagndmanorathd pdrvati mannibandhanena bhävena
mahdntamniyamamanutishtliantx gaurigikharanämni pitidi gikliare
a manmathaddhena bliaynamanorathd pdrvati paramegvai'ameva patim
abhilashanti katinaistapagcaranairdtmanohhildsham pürayitumicchati; 6 me-
nayd clevyd evaih hhanitam / c parusliadapoviqeshastava punaraiigam qlrisha-
suJcumaram vyava.ntametatkatinaih pdrvati dushkaramiti pratihhdti /
d aatyanumatam tena; * tatheti.
1 Diese zwei Wörter fehlen im Manuscr. 2 appano\ 3 Vidi;
4 mdtppitrhhydm; 5 lavdviseßo; 6 anyam; 7 vavasidamedam kaliinam f
lieber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
597
tapogcarati / tapasyantyägca tasydli vyatito bakut.ithili kälastad-
bhavda Ultra gatvd grhitamuniveshali 1 kidrgo vd tasyd niya-
•rnah kidrgo väbliildshabandha iti tatsakhyorjayäoijayayormulchena
viditvä punarägacchatviti Ipatprabliorniyogamanutishthämiti pari-
krdman vimrgya / prakrtikathindni klialu strindm cetdnsi / ta-
thahi /
(glokah)
eslid girisliasukumdraqanrayaslitig-
cdndri kaleva nayanotsavamdvahanti /
samcetumiccliati gildkatinaili cariraih
sampaditdnyapi tapansi tapodhandnam // 1 //
api ca
(glokah)
gute yd kila hansatülagayane nidräti sa st.liandile
vaste- yd mj'dulam dukülamabalä grhnäti sd valkalam /
yd vd candanapankalepngigire dhdragrhe vartate
pahcdndmuditoslinandrh hutabhvjdm sd madliyamdseva.te \\ 2 //
tatali pravigatali kiisumdvacayamdcarmityau jaydvi.jaye /
jayd I ludd vijae tavaccarane kidamatie 3 gaurie i manorahakap-
paddumo kadd phalafn dahsa’issadi / °
vijaya / bald jaii talici rn’cmmahaddhaparusahiao nikkarunad.de
padhamam nidansanabüdo 3 paramessa.ro jadä adaddhahiao 6
huvissadi 7 tadä phalam dansaissadi / iti pushpdvacayamdca-
ratah j h
nan. I ime khalu tasydli priyasakliyau jaydvijaye / yavadupasar-
pdmi I tathä karoti /
jayd I hald pupphakarandaam püridam pupphehin / tuha una
Jcüh am l c
vijayal pushpakarandakam vilolcya / malia una addham püridam 8
avasissam 9 püräissam / d iti pushpakarandakam pürayati /
a liala vijaye tapa.Qcb.rane lcrtamaiyd gauryd manorathakalpadrumah kadd
phalam dargayisliyati / h hald jaye lathd manmathaddhaparushahrdayo nish-
karunatayd prathamaih nirduganahbfotali paramegcaro yadd adagdhahrd.ayo
hhavishyati tadd phalam dargayishyati / c hald mama pushpakarandakam
puritaiii pushpaih / tava punah katliam / d mama punarardham püritamava-
gishf.n m puraytshydmi.
1 parigrhVa; 2 vd'tte; 3 kidamadie ; 4 piasahie gaurie.
5 pudhamaniddaiisanahfUo; 6 addaliiao; 7 hhavissadi • 8 püriavi.
9 avisesagi.
598
Glaser.
nan. / upasrtya / bhadram bhavatibhiydm /
j. v. I bhaavam vandämo /“
nan. / ke yuvärh kimnimittam vä pushpavacayamdcarathah /
ublie I amhe himavadassa hannäe yaurie piasahio tavaccaranani-
amatthidde täe x devapüdpupphdin avacinumo / b (
71 an. I kimnimittam vd tapastasyäh /
jayd I anurüvam vararii lahearn tti / c
nan. / kosävanurüpo varah /
(dryä)
jayd I jam kila bhanandi ved niccajuvdnam puldnapulisam ca /
jo kila dhdrai niccarn issarasaddaih ca candalehdm ca // 3 //
esd iio ppiasahi tarn jjevva paramessararii pairh ahilasandi ma-
hinddappamuham loavdlam avamannia tavaccarariarii karei /
kirn ca I mammahaddhavcärädo pidimo gliaram ppavisia valaam
ukkanthdd äsi j d
7i an. I tathkathamucyatdm /
(drya)
jayd I pandukkkdmasarira jhadii 2 riamantavaaria 3 sarasiruha \
khhiriä pauvämalmi pasupairio i virahaggahtria 5 // 4 // e
nan. I tatah'kathamdsidvdm pr-iyasakhi / ^
jayd I ado vararii simu \f
(glokak)
caccav odpidacandariaddipavaiiappiassamia 6 sammannae
sajjarh pallavakampidunria 7 sahade candävaarh 8 nindai 1 9
no vd ppommapaldsanimmTatanuppdvdramakhliaummae n
sä nihärasildale sunu vararii lü tdvddurd vattcü // 5 // A
° bhagavan vanddoahe; ö himavatah Jcavydyd gaurydh priyasa-
Jchyau / tapagcarananiyamatfthildydalasyd devapüjdpushpdinyapacinuvah / c anu-
rüpam varcnh labheyamiti; d yam kila bhananti vedd nifyayuvdnaiii purdna-
purushumca / yah lcila dhdrayati nüyamigoaragabdam ca candralekhdm ca eshd
nau priyasakhi tameva paramegvaram patimabhilashanii mahendrapramukhdn
lokapaldnavamanya tapagcaranam karoti / mainnathaddhavaiidtpiturgrliam pra-
vigya balavadutkanthitd^it \ e pdndukshdmagaiud jhaditi namadvadartauarasi-
ruhd Icshind pdruatinalim pagupatervirahagrahena / f alali paraiii grnu;
0 gagvadvydprtacandaviddripavanaspai ge na sammanyate / gayydiii pallavcikal- <
pitdih na sahate candrdtapam nindate / h no vd padmapaldganirmittatanu-
prdüdramakshamyate sd rtihdragildtale grnu paraiii tdpdlurd vartate /
1 niyama; 2 jhatti; 3 namantaih vaana; 4 pasuvdino. 5 virahagmhena*,
6 caccaiii vdrai (carcdm vdrayati)] 7 pallavakappiain. 8 candavanam.
9 pommapaldsanimmiathanappdvdraam k/iamae ; 10 paraiii.
Ueber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
599
nan. I evarii prabalajvavä 1 sä pagcatkiih krtavati /
ubhe I paccliä kiiiivi uväafn adekhlianii 2 tavaccaranehin param.es-
saram ahimukhikädum paiittä tahä tivvaniamam karei /“
nan. / tat 3 leim anena samdigdhaphalena durlabhavastuprävthanä-
nibandlianena 1 / deveshviyarii kamcidanurüpam vararh vrniya-
täm I ayam punah khandaparacuragranireva vitarayänäm /
tadbuddhimvpadigatäm bhavatyau sakliyau /
jayä I bhaauam edam amhänam ppiasuhie 6 vavvasidam 7 jahä 8
paramessaraih 9 ewa pcüm lahearn 10 annahä attha eva sihare Jca-
thinehin tavaccaranehin vilinä bhavearh tti / 4
na«. / ätmayatam / grutarh grotauyam / tamimam vrttäntam nila-
lohitäya nivedayämi / prakdgam / bhadre yathägatam gamisliyä-
mah I iti nishkräntaJi /
jayä I amhevi ppiasahte püäpvpphäih uvaharämo / ife' 7u'sä-
kränte / migravishkambhakah /
<a<a/« pravigati na ish tliikabhumikäva lambi gankarali /
gank. / ätmänam nirvarnya / paryäpteyaih bhümikä pärvatmi
pratipratärayitum 11 / tathä hi /
(glokah)
anse krshnäjinagristrigunaviracitä meklialä gronibhage
pänäväshädhadando bhasitaviracitam pundrakam bliäladege 12 /
darbhaih klptum pavitram gravasi parinamanmänatungi pigangi
maulau panktivjatdnäm japavalayamidam sphatikam ca pralcoshte
api ca /
(glokah)
yatsä manmathamohanästrasamaye säpätrapä cärunä
vaktrena smitaphullagandaphalakam vnclävilolekshanam /
unmilatpulakdnkurarh sthitavati präpteva rüpäntaram
tanvi tatpunaradya cetasi mama prädurbhavatyanjasä /) 6 //
a pagcätkamapyupäyaniapaQijanti tapagcaranaih paramecvaramabhimukhi-
Icartum prcivrtlä tathä livraniyamam Jcaroti. b bhagavannetadasmä/cam pri-
yasalchyä vyavasitam yathä pavamt gvai'ameva patim labheyam / ariyathätraiva
gikhare kathinaigcaranaistapagcaranair vilinä bhaveyamiti.
1 lorabalamandanajvarä; 2 adansanli;
3 Zwischen karei und tat hat das Manuscr.: nan. / katliaya kidr/cpagupa-
terasyämanurägah / j. vij / annonam puna sumahanto diraräo
4 durlabhaprävthanänibandhamj 5 vitaraginäm; ö piasahie.
7 vavasidum; 8 jaha; 9 paramesaram; 10 labheam.
11 pratärayitum; 12 phäladege.
600
Glaser.
tadidänimeva gädhatarataranikiranaparikläntämiva medinime-
dlial'i kathinatapovigeshataptamabliyupapatsye / yadevam jayävi-
jaydbhyarh nivedito bhävabandhastasyä nandinä mahyamavpita-
stadevamätmänamapäkartumivdva dhärayämi / iti savinayam pa-
rihrämati /
tatah pravigati jayävijayäbhyämanväsyamänä tapasyati pärvati /
pdrv. I vämäksliispandanarh sücayitvd / halä saliio /“
dnandavähasisiram akdlanam pliurdi loanam vdmarh /
maka mandabliäinie jddie 1 assa ajja ltinu phalarh / h
jayd I hold pavvai itthiänam vdmakkhicalanam purisdnam dakkhi-
nakkhicalanam suünarh tti paüranid bhanandi / tahd mamma-
liaddlianikkarunovi paramessaro kassavi muni.no 2 muhe,na tumarh
anuginJtissndi / c
pdrv. I saccarh liodu ppiasaMe vaanam / cl
vij. I saccam blianidam sahie jade / c
gank. j pdrvatvm, drslitvä /
(gitih)
hvedam tapali kathoram kvedam sukumäramangamabaläyäli /
divasah kutra ghanoslimä Icut.ra kalä kamalokomald cdndri // 7 //
alio mahattapahklecamanubhavati 3 mdmuddigya mahjublidsliini /
j ayd I vilolcya / bald pavvai gahiatanüvia pudamassamo 4 juvä kopi
mahdpuriso idomuho daccliadi jf
pdro. I däddnam adihmam tumheliin accanä kddavvd aharh / una
jahd puvvam, niamarh anucitthämi / s iti uiaunamalambate /
gank. / nirvarnya /
(dryd)
dbhdti valkalavati pdndukshdmd madiyavirahena /
pratipatkaleva cdndri saihdhydgakalena samvitd // 10 //
iti samipamupasarpati /
“ halä sakhyau / 6 änandavähagigiramakäranarh sphuvati locanam vä-
mam / mama mandabhagimjä jäyatesyädya leim nu phalam / c lialä pärvati
stnnäm vämäkshicalanarh puvushänärii dohskmälcshicalanam sugunamit.i pau-
ränitcä blianante f tatliä manmatliadähamshkarunnpi paramegoaradi kasyäpi
munermukhena tvämanugrahuhyati / d sat.yam hhavatu priyasakhyä vacavani j
' satyamuktam satchyä jayayä / f halä pärvati grMtalanuriva pratliamägramo
yuvä kopi mahäpurusho itomulchah ägacchali / o ägatänämatithünam yuvä-
bhyämarcanä leartavyä / aharh punar yathä pfirvam niyamamanutishpiämi /
1 j&ayie;
2 munino;
3 mahäntani;
4 pudliaina,
Ueber Räna’s Parvatiparinayanätaka.
601
jaydvijaye / vishtaramwpanayatal}. /
gank. I upavigya / margakhedam 1 nätayati /
pärv. I sakhyau vilolcayati /
sakhyau / varninam tdlavrntena vijayatali /
gank. / hastamudyamya gatah gramosmähamananyasämänyena bha-
vatinam saujanyena /
ubhe I savinayam / kudo aacchadi mahäpuriso / a
gauk. I adya kailäsädavagamyate /
jayd I jdi evam aggham padigmhädu mahäpuriso
gauk. I tathetyarghyapratigraham vupayitvd / bhadre ekam prash-
tumabhilashämo bhavatyau /
jayd I pucchadu mahäpuriso / c
gauk. I kasyeyam duliitä ke bhvatyau kimnimittam vä kathore ta-
pasi vartate /
jaya / esd no ppiasahi himavadassa pavvdinämaheä /' amhevi sse
ppiasaliio jaävije anurüuavaralähanimittam asse lavaccara-
navn / <!
(glokali)
gauk. / janmdnvavdye prathamasya djidtuli
pitä ganyängirisdrvabhaumah /
vapurmanohäri vacagca ramyavi
padam ca lokädatilokamasyäh Uli //
tatkimanayä prärthaniyo varastrilokyäm /
jayd I atthi kovi mahäpuriso / e
g an Je. j kosävätmasaubhdgyavigesha 2 durvidagdhah kathinahrdayah /
jayd / maliäpurisa sunu dava / jam kila bhanandi ved iti patitvd 3
tarn eva paramessaram ’ahilasandi no ppiasahi tavoniamamanu-
citthdi / f
gank. j pärvatim prati / bhadre api satyam etat /
° ktita ägacchati mahapurushalj.; h yadyevam arghyam prgtigrhnätu
mahäpurushah / c prcchatu mahäpuruxhah / d eshä nau priyasuklA himav-
atali kanyakä pärvatändmadheya j dxdmapyasyäh pviyasakliyau jaydvijaye anü-
rupavaraläbhanimittam cdtsydstapaqcaranam / e asti lcopi mahäpurushah /
f mahäpurusha grnu IdtdJ, / yam kila bhananti vedu iti putitvd tameva para-
megvaramabhilashanti nau priyasuklii taponiyamamanutishtati /
’ märgäqramam; 2 kosävätmanovigesha.
3 ja'dl kila bhananti vrd niccajuväipnh puränapurisamca / jo khüa dharai
piccrnh issarasadiüffi ca candaleham ca // 2
602
Glaser.
pdrv. I maunamunmuncya / mahäpurisa jahä aakkhidam sahihin
tahä me manorao /“
gank. / ätmagatam. / idämmdtmanindanairapi 1 cilfamasydh pan-
ksliisliye / prcikägnm / sahastatälam prahasya /
(glokali)
älepo bhasitam vibhüshitamahirväsali pitrndm vane
vetäldh paricävakäli prcdidinam vrttigca bhikshämayi /
ittham yasya gubhetaräni caritänyäkhyanti sarve janäs
tasminmaugdhyavaganmatistava ruciih badlmdti Mm brümalie/l 12 jj
(glokali)
anyncca / jagattrayUocanabdlacandrikä' 2
kulanya ratnam bliavati kva bliüblirtali /
kva krttiväsäli pitrkdnane 3 vasann
amangaMcäraratistrilocanali // 13 //
pdrv. I karnau pidhdya / santam pävam santam pävam /
gank. / yadyevam te manasi drdhataro nigcayali / tarhi /
(glokali)
vidliuntudam cäudramasi yadi Jcdmayate kalä /
varam vpiitddbhavati sampratyeva pindkinamd // 14 //
pdrv. I mukhavairvarnyam nirüpayitva /
(gitili)
yam kkhu kuvvanti niamd saaldvvi'‘ maülind namäkkdram
tarn girisam nindato kirn nu tuha jiliä 6 na hoi nihbhirmd // 15 //
bald salii mahdpurisaninddkdlinarn 7 tdrisam pävam jdrisam su-
nu ddvanam s / esa una bamhano 9 issaraninddnirankusamnho ta
annado sarämo / c iti visrahsamanavalkalamanyatali pardvartate /
gank. / svarüpam prakdgya /
° malidpuruslia yathd dkhydtam salcldbhyäm t.atlid me manorathali /
h gd'itam pdp am gdntam pdpam; c yam Ichalu leurvanti niyamdlsadcald api mau-
lino namaskd-am [ tarn girigim nimlat.ali 7cim nu Ichalu tava jihvd na blia
vati nirbhinnd // hald sakhi mahdpuruslianinddlcdnnam fddrgam pdpam yddrg im
grnu tdoadenam / es ha punarbrdhmana igcaraninddairanlcugimulchastadanyatali
sardnalj, /
1 nindanairirapyavicdU; 2 jugattroyVocana; 3 vanalcdnane.
4 vrm'dmi-lcapdlinam; 5 niamd saald; 6 jihna; 7 ninddkarinam;
8 sunantdnam; 9 esa satabamliano.
lieber ßana's Pfi-rvatiparinayanataka.
603
(gitih)
parindhi stanayugalam krgamavalagnam Jcshameta kirn girije /
tava linst addnacaturatapasd hi krtoyamasmi ddsajanah // 16 //
iti parvatya hastamavalamhata /
parv. I sabhayavismayapraharshdm pulakitatanuh prasvinna-
gandi pratipattimudha tishtati /
jayd I piam no ppiaiii no / sannihido paramessaro anihänmh
sakkammapalinumena 1 / a
gank. / dvihgramd'mbukanikdmangalatdrn gddhamafnkuratptdakdm /
manditapayodhardrh 2 tvdmdlingya krti bliavämydham
girije //17 //
tadimdm gdndhnrvena vivuhena pdnau kartumabhilashdmi /
jayd / bhaavam amhdnam paththand s tue hädavvä I jaha saalahu-
läcala.cakkavattino tddassa hi.mavadassa 4 gharanimmiavivaha-
hajjopattliätmh m/rni ! padiccha / b
gank. / sanirvedam / ätmagatam / itahparam kathamimdm 0 varti-
shye I prakdgnm / bhavatu lokaydtrd na hdtavjd /
jayd I paücadivasamabbhantare jahd vivdhamangalarh bhavissadi
taha kanadu, j c
cank. / tricaturadivasdbhyantara iti vaktavyam j tathd hi /
(glokah)
kshanamapi viralie mama priydydh
kalayati kalpasahasrakotisdmyam /
katipayadivasaprayogamenam
kathämiva hanta sahishyate mano me // 18 //
iti parvatya hastam muncati /
jayd I amhe gacchämo vivdlmmangalam samvddedum / d
a priyaih nah priyam nah / sannihitah parameg :arosmdkam satkarma-
parhidniena / 1 bhagavannasmdkam prd>'thand tvayd karlavyd / yathd salca-
lakuld'ialacakravartinastdtasya himnvato grhanirmittavivdhakdrye vpasthdtum
mdm praticcha / e pahc.adiuammahhyantare yathd vivdlmmangalam bhavi-
shyati tathd lcriyatdm / d vayaiii gacchdmo vivdlmmangalam sampdlayitum.
1 samkappajmrindmena; 2 dJammitapayodhardm.
3 patthand• 4 liimavantassa.
5 ghürammi nimmihavivdhakojjo paccha imd;
G imdni vihdya.
604
Glaser.
gank. / tathä kriyatdm / vayamapi saptarsMnvivdhamaTLgaläya pre-
shayitum gamishyämah / iti nislikräntäli sarve /
iti pävvatzparinaye nätnke caturthonkah /
ankali 5.
tatall pravicati kaüciild j
kaue. I äjiiaptosmi sakalakiiläcalacakravarttinä liimavatä / yatliä /
gilcidkara purvedyureva ’paramrgvaraprahitäli sävundhatikdli sap-
tarshayah samägatya labdhavaräya vatsdya dinamdinmh 1 vivd-
liamangalayogyamakalpayan / tadbhavatä 2 causliadkiprasthaväsi-
nah panrah puraih parishkriyatamiti niyolctavyd iti / tatprab-
liorniyogamanutishthdmi / iti parikramya sarvatovalokya / blio
bhoh paurdli /
(glokah)
samnahyantam vicitrah pratibliavamilia grenayastorandnäm
unnamyantdin samantädgagatalalihah ketanänäm patäkäli /
samsicyantdm patiradravabharifajalairvithayo muktapushpdh
sampräptosavumaydli parinayadivaso vicvamängalyahetuli // 1 //
dkdge / kirn brütha / bliagavadvacandtprägeva sarvaviasmdbhirdvi-
gitnamacaritamiti 3 /
sarvato nirvarnya saharsham / aho asmadädecdtprägeva pravrt-
tamahotsavafn nagaram / tathä hi /
(glokah)
esha candanamdlikd 1 viracitä cütapravälairnavair
rarhbhästambhaparislikrteshu bhavanadvdreshu samlakshyate /
ämandradhvanayah kvananti murajä mürcchanti tantrisvaräh
sinjänairmcmibliushanaistata ito nrtyanti vdrdngandh // 2 //
itagca /
(glokah)
utsarpaddgaravadhüpaparampardbhili
prädurbhavatyabhivavo jaladägamoyam /
unnaddhatoranamnniprabhayä 5 sphuratyä
sarhjdyate ca gatamavyiiqaräsanagrili // 3 //
anyatagcumiVi /
1 divasamimam; 2 fävadbhavatä.
3 äcaryata; 4 vundanamälikä; 5 udbhinnatorana.
lieber Bäna’s Pärvufciparinayanäfcaka.
605
(glokah)
dhavaldrunamecakairapdngair-
api rdmä rajayanti rangavallih 1 /
kucayoryugalena purnakumbhän
punaruktäniva kurvate mrgdkshyah // 4 //
sarvatovalokya 2 /
(clokali)
vikshiptah sarabhasamesha pauralolcair-
visphürjatkanakarajali 3 pigangadiptih /
pratyagradyumanimayükhajälacobhdm
ddhatte digi digi kaunkumah parägali // 5 //
tadenam pravartamanariipurdparishkaram prabhave nivedayami I
tatali pravigati viviktasthunam 4 adhivasanhimavdn /
him. I
( glokah)
pürvam näradasücanena maliatä candrdrdhacüdämanir-
jdmdtetyabhavatpunastadanu tatsamprapürdkäfikskitd
labdliosau tapasomayd 5 dinamidam tasydgca vaivuhikam
jato (i vighnagandnatitya krtindmadydhamagrasarali // 6 //
gilddh. / upasrlya / jayatu svdmi /
k irn../ gilddhara kim puraparishkdrah pravartito bhavatd /
giladli. / svdminnasmadzyoyamutsava iti pratyekam pauränäm-
abhimänali kaiharh parihiyate 7 puraparishkdrah \ sarvam dvigu-
namdcaritam pauraih /
him. I gilddhara kim seine parvatdh pdrvatiparigrahamangalam
drashtumägatdh /
gilddh. / sväminnavadhdryatäm /
(glokah)
bküpankeruhakarnikdyitatanumeruh surdnam priyo
yoktribhütabhujangardjakashanasnigdhopalo viandarali /
vindhyo vyomani bhänumdlipadavijaüghdlagrüqdvdlih
säkam samprati gandhamddanamukhaistvdm drashtnmabhydya-
tdli II 7 1/
him. I atha kailasah him karoti /
1 (tparämärdcayanli rangarallim; 2 sarvato vilo/cya.
3 kanalcarujalj. diptih; 4 vivähasthänam; 6 lapasä mayä.
6 jä'am; 7 hiyate.
Sitzungsbor. d. phil.-hist. CI. CIV. Bd. IT. Hft.
39
606
Glaser.
gilddh.Isväminsa khalu jamatrpakshasthitenaiva 1 sdrdhamdgami-
sliyati I
him. j yujyate / aiha vigvävasuprabhrtaya ägatä gandharvdh sava-
dhugandli 2 /
(glokah)
gilddh. j atodyapdnayah sarve gandharvdh savadhüganäh /
upavinayitum präptä mdnayantastavotsavam // 8 //
him. I dgatäli himapsarasah sardhamamaraih /
cilädh. / crüyatam /
(glokah)
vidyudvallwitänavyatikarasushumdm 3 vyomni vistarayantyah
Icäntyä nilotpalänäm griyamiva nayanair dinmukhe darcayantyah /
jyotsndlakshmim divdpi smitarucivisarairvishvagutpddayantyah
sarväh svarvarayoshdh samamamaraganairdgatdh pmtaye nah 4 // .9//
/um. / yadyevamantahpnram gatvd bhavän kulavrddhdih kaugiMm
puraskrtya samägatdbhirapsarobhirvatsä parvati samyagalam-
kriyatdmityamdhattdm b / alamkriyäprakäram ca kaugilä samdga-
tya mahyamdcashtdm / 7cm ca dgatdndm vadhündm girindm
ca satlcrtaye tatrabhavatd samvidhätavyah sakalalokavastusam-
bhdrah /
gilddh. / yathadishtam svdmind tathä sarvam sampddishyämi / iti
nishkrdntah j pravigya ndradah
(glokah)
pränmayd yadupakrdntam kdryam guru divaukasdm
antardydnatikramya taddlii siddhyati sdmpratam //10 //
iti parikramydvalokya ca / ayamadhydste vivdliamandapam liima-
vän I tadenamupasarpämi / ityupasarpati j
him. / vilokya / aye näradali / anjalim badhndti /
när. / himavannabhyudayali khalu tatrdbhavatah /
him. / bhavadupakshiptasya phalamidam vijasya / ityäsanamu-
panayati /
när. I upavigati /
tatalj. pravigati kaugiki /
lcaugiki / upavigya / pärvatyäh parikarmaprakdram nirdicati /
him. / kimalamkrtd vatsd j
kaug. / bhagavan kathayämi /
him. / avahitosmi /
1 sthitastenaiva; 2 ägatä gandharvdh leim; 3 zushümäm.
4 Vom qlolca 9 fehlt die zweite und dritte Zeile; 5 abhidhattäm.
lieber ßana’s Pärvablparinayanatakai
607
(äryä)
kaug. / asamagrabhüshandyästamitarakaugi-yavdsadhdrinyäh I
aliptamangamakhüarh tciilena sugandhinä tasyäli //11 //
h im. / tatastatali /
(gitili)
kaue./manipihavartinmi tarn viauyalagankheshu mandraghoshealiuj
ambliobliiramaranadyuli saklnjano vihitamajjanäm vya-
tanot II 12 1/
him. / tatastatali /
(gitih)
kaug.\mangalamajjanavigadd karpürakshodapdnduram ksliaumam/
sddhatta jaladadhautd dyaareva garadinducandrikod-
bhedam 1/131/
him. / tatastatali /
(gitili)
kaue. I caranakamalam tadiyam läkshdbdlätapena samvalitam /
adhyästa bhrngamdlävalibhirmanikhacitanüpuravydjdt //14//
liim. / tatastatali /
(gitili)
kaug. / baddhd manimayakänci tasyäli parindliagddini nitambe /
panktiriva sdrasdnäm surasaritah pidinamandalä-
bhoge //15 //
him. / tatastatali /
(dryd)
kaug./karatalayugaparinaddhe' kucakalage kumkumdrune tasyäli/
sindürite karipateh kumbhe nakshatramdleva // 16 //
him. / tatastatali /
(äryä)
kaug. / kamaniyatdnivdsah karnastasya uicitramanibhüshah /
savidhaprasunaratnam gankanidhim dürataramakarot //17 //
him. / tatastatali /
kaug. / muktdtdtaukayugam pratimuktam karnapdrgvayorasydh /
mukhakamalamiva nislievitumägatamamvtängubimbayu-
gam jj 18. //
him. / tatastatali, /
(gitili)
kaug. / dydminostadakshnoranjanarekhdvidhim vitanvantyäli /
pänih prasadhikayah prapadapängam cirenavicramya //19 //
1 hdralatd parii^addhd.
39*
608
Glaser.
hin. / tatastatali /
(gitili)
kaug. j tasyä lalätäsimani. candanapankena menaya likitam /
asitsitätapatram tilakamanangasya dargitacchdyam // 20 //
him. / tatastatali /
kaue. / dgulphalambaviasydli kuntalamantarnirgüdhamandäram /
sarhyamya caturabandham sakhijanah stimitane.tramasta
ciram jj 21 //
him. / tatastatali /
(gitili)
leaug. /arigam hhüshananilcaro bhüshayatityesha laukiko vädali /
änyani bhushandnäm kamapi sushumämajijanannasyäli // 22//
li im. / yadyevam tatsamyagalamkrtd vatsd tadbhavatyä sannidlii-
vignshena / nepathye /
(glökali)
blirämyanmanäarakandarähaticalakslnrodapürodara-
splmrjadvtciparampardkalakalapräcandavaitandikah [
nirghoshaih kulagailagahvaraguhdrandhrdni vdcdlayan
divyah kaccana dundubhih pararavah sätopamahanyate // 23 //
sarve sasambhramamdlcarnayanti / punarnepathye /
(gl.okali)
jambhdre bhava pargvatah parisarendyähi lakshmipate
vedhali svastyayandnyadMshta munayah prabrüta raudrimream /
candrarkavapi cdmare vidhunutam chattri bhavdhigvara
prashtä 1 rudraganäh praydta pavana spandasva mandodayah // 24 //
him. / bhagavanndrada koyaiii devdnamiva kolahalah cruyate /
när. / sakalajagadutpattisthitipralayairudghushyamdnamahimä 2
cardcaraguruste jdmdtd catulavivdhaveshamasthäya salia d.evaga-
nairita evabhivartate / ayam kalakalastatpurali 3 saranandinali
protsaranayali / tadbhavdnarghyapdnih pratyiidyatu bliagavan-
taminducekharam /
t.atali pravigati grlntavivähaveshah 4 gankaro devalokagca /
gank. / edrnginam prati / amaravatwiatikramya gabhate purami-
damosliadliiprastham j
1 pr&hteraudra; 2 pralayalieturudgkuahyamäna; 3 puvcirtyanandituli.
4 grhUavivdhn cif.amhitav es/i ah.
Ueber Bäna’s Pärvatiparlnayanätaka.
609
gdrngi / kirn parihiyate mahendranmahmiahendrah /
liim. / arghyapänirupasarpati /
gank. / avalokya / abhyudgacchati mämagädhiräjah 1 tadmhand-
davaruliya ydsyamah / tathä karoti j
(global})
him. / aeärmanamapi düvamakshndm
akartrkdndm vacasamabhümim /
jdmdtaram labdhumamum girigam
kiyanti punyäni mayä krtäni // 25 //
ityupasarpati /
gank. / vilokya /
(clokali)
atigurucaranakramairvitanvann
avanamitonnamitasthaldmivorvim /
vinayamupadigannivdtmabhäjäm 2
ayamupasarpati mämagddhiräjali // 26 //
him. I arghyamupaharati /
gank. I sapranämarh grhnäti /
him. / salajjam mukhamavanayati / jdmdtaram puraskrtya liari-
viraiieimukhäh parikrdmanti /
brahmd / bhagavan kutra vaivdhikt vedi /
him. I ita ito bhavantah / sarve upasarpanti /
vrhaspati / himavanprätyasanno muhürtali 3 / £«ta/< pravigati ja-
ydvijaydbhydm saha pdrvati /
pdrv. I ajja khkhu 4 wie manorahakappaddumo phalam dansei 5 /“
jayä I sasmitam / hold pavva'i ettiam tulia ppiasalno vi avam jdd / 6
pdrv. sdsüyam / hald vija'e kirn esd bhana'i / h
vijayd j lialä pavva'i esä sarasdläpapesalattanam 7 dansei/ c ityu
pasarpati /
a adya khalu me manoi'athakalpadrumah phalam dargayati / b hald
pdrvati efdvattava priyasakhydvapi dvdmjdte/ c hald vijaye kirn eshd blianati:
d hald parvati eshd sarasdlapapeqalatuam dargayati /
1 acalddlii; 2 anvabhdjam.
3 Nach muhürtah folgt: taddhüyatdm duhitd / him. / nepathydbhiparivrtya /
vatsa ita itah /
4 khu; 5 dansedij 6 etthi amhe taha piasahiye / via tvaam jdd.
7 sarasdddvakusalattanam.
610
Glaser.
brahmd / gärnginam prati / bhagavan sarve devdh salia bhüta-
ganairyathästhdnamupavicantu / sarve tathä kurvanti j
bim. / asmatpakshdh kulaparvatägca kailäsena samam vämapdr-
gvamupavigantu j kulaparvatdgca tatha kurvanti 1 /
gank. / pdrvatim vilokya / ätmagatam /
(gitih)
eshd vigesharamyd vivdhavesbena mohanena drgä / 2
pratibhdti mdnase me madanasahrasräni kalpayantiva'll 17 //
b rh. / bho gankara vadhvä sahäsyäm vedikdydm prdnmukho var-
tethdh /
gank. / pärvatyä sahopavicati / ätmagatam /
(gitili)
nanditana 3 yanacakorä navanavalävanyakaumudwisarä /
utkulayati mano me jaladläm saishd kaleva cdndramasi // 18 //
brli. / agnimupasamddhdya / gankara tvadiyena pdninä pdrvätydh
pänimavalambasva /
gank. j tathä karoti /
pdrv. / pulakodbhedamabhinayati /
gank. / ätmagatam /
(gitih)
äblidti bälikeyam pänispargena pulakitävayavä j
abhinavavasantasahgädävirmukuleva bälacütalatä // 29 //
brahmä j vadhüvarau pävakam pradakshinam kurutäm /
ubliau / tathä kurutah /
pdrv. / gankaramavalokayati /
gank. / pratyavalokayati /
pdrv. / drshtim parävartayati /
gank. / ätmagatam /
avalokanäya lold drshtiriyam mrgadrgo nivrttimati /
gatvä prativahäm räjati gaphari nivartamäneva // 30 //
brh. / pärvatydh pänina Idjdnjalwn kärayati /
pdrv. j dhnmäkramena vaildavyam nirüpayati /
(glokah)
prasvinnagandaphalakacyutapatralekhafn
dhümanushanga 4 galitänjanapdtaläksham /
1 Das vom himavan Gesagte fehlt;
1 dhümäbhishanga.
2 drgäm. 3 nindita.
TJeber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
611
mläyadvasantakusumam mukhamäyätäkshyäg
citte mamärpayati kärnapi rdgamudräm // 31 jj
brh. j gankara pdrvatyäh pädakamalam pänibhydmagmänamäro-
payatu bhavdn /
ganlc. / smayamänamukhastüshmm tishthati /
kulaparvatäli / sasambhramam / bliagavanpramdndbhütena puro-
dhasd yaducyate tadanushtlmgatäm /
bhutaganäh / sasamrambham / kulaparvatäli kathamiua niya-
viyate tribhuvananiycmtd nilaloihitah /
brah. / sasmitam / ubliayännivdrya j sakalajananiyämikd svatali
pramdnabhütd grutireva samyagitthamabhidadhäti / tadyathok-
tamanushtMytdm, /
gaTik. / samkucitabliyum 1 pdnibliydm pdrvatyäh pädakamalam
acmänamäropayati /
brli. / karmacesham samäpayan vadhüvarau brahmdnam prana-
mayati 2 /
brah. j hastamudyamya /
(gitih)
sakalajagatärh savitrorananyasämänyamastu vdm prema f
bhuvanabhayabhangadaksho bhavatu kumdropi tdraka-
dhvamsi // 32 //
ityägisliam prayunkte /
pravigya vrddhapurandhryali
(gitih)
annonnasamasariränam annonnapparüdhapemm-dnam 3 / °
jonhdnisdardnam tumhdnam hodu kovi anurdo // 33 //
itydrdrdkshatdropanamdcaranti f
ndr. / utthdya sdhjalibandham j bhagavan devakdryahetoh krtd-
parddham kandarpampunargrhitavapushampadakamalasevinam
ca bhavdnanugrhmyatäm i j ,
ganlc. j yathd rocate tathd bhavatu j tatah pravigati rativasan-
tdbhyaih saha purvddhikavi.grahah h kdmah / sarve nirüpayanti /
a anyonyasama^artrayoranyonyayrarildhapremnoh / jyotsnänigäkarayor-
yuvayor bhavatu Jcopyanurdgah, //
1 äknncitäbhy&m;
2 Fiir vadh. brah. pran. stellt: Qanlcarah päroaii ca hrahmänarh jirayumatah j
3 parüdhayädhapemmäriäin; 4 bhagävän anujrihrpUäm.
5 'pürcük&rudhikarAtjrahak.
612
Glaser.
( glokah)
mädhuryasaurabhatarahgitacäpabänali
sakhyuh kararh samavalambya ganairanangah /
äydti rudranayanänaladagdhakäyali 1
pürvddhiko kathamaho lalanäsametah // 34 // i
sarve vismayaih nirupayanti /
(glokali)
liim. / saharsham yathä /
punyaireva purätanairupanatair devena vigvdtmand
pvtri bhürigunävadätacaritd pänau grMtd 2 mama /
devdndm ca munorathah parinatali präpyänavadyarh vapur
Igkänandakarah smaropi nayandtithyam vidhatte punah // 35 //
gank. / kimatali pararh te priyamasti /
liim. / samadhigatasakalamanorathdndm kimatali pararh prdrtha-
niyam / tathäpidamastu bliarataväkyam /
(glokah)
parjanyo vrshtimishtdm pradigatu jagato bhadrasanipddayitnrix
gagoatsasyaih prarüdhairbhavatu pulakitd sarvato bhutadhätri
vardhantam mtavighnah sphuradupakrtayah sampadali sajjandndm \
nityanando malieco niratigayasukhapräptaye kalpatdm vah // 36 //
iti nishkrdntdh sarve /
iti parvatiparinaye nätake pancamohkali /
samdptamidam banakavikrtam pdrvatiparinayam näma ndta-
kam /
grisäihbasadäcivdrpanamastu /
Vorliegender Text ist ein Abdruck des Pdrvatiparinaya-
nataka herausgegeben von Vishnu Parashuram Shastri Pandit
in der Daksbina Prize Book Series N. 5, Bombay, 1872. Die
Ausgabe enthält auch eine MaräthiüberSetzung. Offenbare
Drack- und Schreibfehler der Bombayer Ausgabe sind still
schweigend berichtigt.
Unter dem Texte sind angemerkt Varianten aus einer
modernen Handschrift des Herrn Prof. Biihler.
1 Die zweite und dritte Zeile fehlt.
*
2 yrhPvä.
Ueber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
613
Zu den kritischen Fragen, die sich auf Kalidasa’s Epen
beziehen, gehört auch die, ob sein Epos Kumarasambhava nur
aus sieben sargas bestehe, oder ob die unlängst aufgefundenen
Gesänge (VIII—XVII) auch einen integrirenden Bestandtheil
bilden und von ihm selbst gedichtet worden seien.
Auf den ersten Anblick macht es den Eindruck, dass
dieses Epos zu keinem befriedigenden Schlüsse gelangt.
Als Vitthalacästrin im I. Bande des Pandit die den zweiten
Theil des Kumarasambhava bildenden 10 sargas veröffentlichte,
entstand ein heftiger literarischer Streit zwischen den indischen
Gelehrten über die Echtheit dieses Theiles, für welche zunächst
der Herausgeber selbst eintrat. Nach der willkürlichen Be
hauptung, dass dem’Jünglings-, Mannes- und Greisenalter des
Dichters je ein khandakävya (kleines Gedicht), ein mahäka-
vya und ein nätaka zuzuweisen sei, sagt er, dass nebst der
Geburt des Kumära doch auch der in sarga VII angedeutete Sieg
über Tärakasura, da deswegen eben die Geburt stattfinde, be
schrieben werden müsse.
Diese Ansicht wird von einem Anonymus in Nr. 5 des
Pandit mit dem Hinweise darauf, dass davon in den rhetori
schen Lehrbüchern keine Citate Vorkommen und dass die
Sprache dieses zweiten Theiles der Kälidasischen Diction an
Zartheit nachstehe, bekämpft; auch commentire Mallinätha, der
getreue Scholiast von Kumarasambhava, nur die ersten sieben
sargas; übrigens müsste es auch Tärakavadha heissen.
Unterdessen erschien die dritte Auflage von Taränätha
Tarkaväcaspati’s Ausgabe des Kumarasambhava nebst Malli-
natha’s Commentar; die Vorrede stellt die Behauptung auf,
dass ,Kälidäsa Kumarasambhava in 17 sarga gedichtet habe', auf
Grund der Geschichte von der Tödtung des asura Täraka, die in
adhyaya XII—XVIII des uttarakhanda des Qivapuräna vorliegt.
614
Glaser.
In Nr. 25, 27, 28 des Pandit trat Räma-Närayanagastrin
dafür ein, es sei der Qivarahasya-Abschnitt in der Qamkara-
samhitä des Skanda-Puräna die Quellef ür Kumärasambhava.
Professor Weber, welcher im XXVII. Bande der Zeit
schrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft diesen
Streit detaillirt behandelt, sagt über die Echtheit der sarga
VIII-XVII:
,Einstweilen bleiben dieselben jedenfalls zum Mindesten
ziemlich verdächtig. Für Cap. VIII liegen zwar in der That
noch allerhand Beglaubigungen seiner Existenz in den rheto
rischen Texten vor, ein Commentar des Mallinätlia hat sich nun
ja auch gefunden; die folgenden Capitol aber sind ganz ohne
dergleichen äussere Beglaubigung ihrer Existenz zu irgend
welcher annähernd fixirten Zeit/ p. 181—182.
Einen Schritt weiter ging Hermann Jacobi in ,Die Epen
KälidäsaV, Verhandlungen des fünften internationalen Orien
talischen Congresses, Berlin 1882, p. 133—156, wo er ent
schieden für die Unechtheit der letzten sarga des Kumära
sambhava seine Stimme erhobt. Er beruft sich zunächst auf
metrische Gründe, indem Kalidäsa in Kumärasambhava I—VIII
im Cioka nach dem 1. und 3. päda die Caesur stets markirt, sein
Nachahmer viermal in den Cloken und sechsmal in den Upajäti-
strophen dieselbe vernachlässigt habe; das Vorkommen der Qär-
dülavikriditastrophe im 15. sarga sei nicht ein Zeichen Kälidä-
sischen Styls. Sprachliche und stylistische Eigenthümlichkeiten,
Flickwörter, Pleonasmen, Wiederholungen des gleichen Aus
druckes in nahe aufeinanderfolgenden Versen stellen eine strenge
Scheidewand zwischen dem grossen indischen Ependichter und
seinem Nachahmer auf. Sowohl der schwache Inhalt der letzten
Gesänge im Gegensätze zu den ,Vorzügen eines mahäkavya —
peinliche Genauigkeit in formalen Dingen, sorgfältige Wahl des
der wohldurchdachten Conception wohlangepassten Ausdruckes,
hoher Flug des Gedankens und der Phantasie, Uebereinstim-
mung in metrischer Praxis mit (jriharsha, Gebrauch des häufigen,
an das Maräthi-Locativ-Suffix aut erinnernden anta —‘ lassen
Jacobi ,auf einen Maräthi sprechenden Dichter, also wahrschein
lich erst vor wenigen Jahrhunderten, und zwar nach der Zeit
Mallinätha' schliessen.
Ueber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
615
Der 8. sarga, welcher den Liebesgenuss fliva’s und Pär-
vati’s schildert, bildet einen passenden Schluss, wurde aber
eben wegen des Inhaltes weniger gelesen.
Von Interesse ist es, zu untersuchen, ob sich in der spä-
^ teren indischen Literatur Beziehungen auf Kumärasambhava
und speciell auf welchen Theil vorfinden.
Höchst anziehend ist es nun, zu vergleichen, in welchem
Verhältniss Bäna’s Pärvatiparinayanätaka zu den ersten sieben
sargas des Kumärasambhava steht. Der Dichter, Avelchem die
Kadambari das Harshacarita und die Ratnävali (über manche
Aehnlichkeit im Baue des Vorspieles in der Ratnävali und im
Pärvatiparinayanätaka wird am entsprechenden Orte gehandelt)
zugeschrieben werden, lebte im Anfänge des 7. Jahrhunderts;
Hall, Einleitung zur Väsavadattä; Weber, Ind. Literaturgeschichte
p. 333: ,Halls Vermuthung in Bezug auf den Namen des Ver
fassers der Ratnävali, der sich auch Buhler angeschlossen hatte,
hat sich jetzt glänzend bestätigt. Nach Bühler’s Brief aus Orina-
gara nämlich lesen in Kaschmir an der betreffenden Stelle des
Kävyaprakä§a alle Mscr. Bäna, nicht Dhävaka; „da Mammata
1 ein Kaschmirer war, ist die Lesart ohne Zweifel die richtige“/
Ausser den oben angeführten Werken Kadambari, Harsha
carita, Ratnävali wird auch das Candikägataka, von welchem
Professor Btihler Indian Antiquary I, 111 —115 Kunde gibt und
sechs Strophen veröffentlicht, Bäna zugeschrieben. Nachdem
Mayüra, ein Verwandter Bäna’s, vom Airssatze gepeinigt, sich
mit einem Süryagataka Hilfe geholt, so wendete sich Bäna
in seiner Verstümmelung an die Candikä. Eine Abschrift dieses
Werkes wurde von Herrn Professor Biihler, als er behufs Auf
findung von Sanscritmanuscripten in Kaschmir sich aufhielt,
daselbst für die Regierung von Bombay erworben und trug
den Titel: Mahäkavi Qrävana oder Qrivanabhatta. 1 Es enthält
102 Qlokas, und zwar in Qardülavikridita vrtta; dem Style nach
ist es mit Kadambari zu vergleichen. Eine genaue Analyse
4 des Inhaltes ist schwer zu geben, da der Dichter nach keinem
einheitlichen Plane vorgegangen zu sein scheint; jede Strophe
beschreibt den Kampf Candika’s mit Mahishäsura oder ent
hält wenigstens Anspielungen darauf.
1 Später erwarb Prof. Btihler mehrere andere Handschriften, sowie einen
Commentar, Kielhorn, ßep. S. Manusc. 1880—1881, p. 84.
616
Glaser.
Im Devimähätmya ist dieser Kampf und die Veranlas
sung dazu ausführlich geschildert. Die von Mahishäsura aus
dem Himmel vertriebenen Götter kamen zu Brahma, Vishnu
und Qiva und baten um Abhilfe. Zur Bekämpfung wurde die
Candikä erschaffen und von den Göttern mit Waffen und allem
Nothwendigen ausgerüstet; sie besiegte dann den Dämon.
Was den Styl anbelangt, so ist Bäna der besondere Ver
treter des Päncalastyls; Aufrecht, Z. D. M. G. XXVII, 93;
Weber, Ind. Literaturgeschichte p. 249. Nachrichten über diesen
Gegenstand verdanken wir dem Kävyädarca des dem 6. Jahr
hundert angehörigen Dandin; der Pandit Premacandra Tarka-
vagica stellte in einer Ausgabe dieses Werkes die Angaben
Anderer sehr lichtvoll zusammen; demzufolge soll es damals
einen Gauda- (Bengalen-) und Vaidarbkastyl gegeben haben;
später seien noch hinzugekommen: Päncali, Läti, Ävantika
und Magadhi. (Für Gauda gebraucht Dandin auch paurastya,
für Vaidarbhi däkshinätya); der terminus technicus für Styl
ist riti. Weber, Ueber das Bamäyana p. 76.
Die vorliegende Abhandlung zeigt, dass zur Zeit Bäna’s
wahrscheinlich nur die ersten acht sargas von Kälidäsa’s Ku-
märasambhava bekannt waren, dass aber diese so ausgiebig
von ihm benützt wurden, dass sein Theaterstück nach unseren
Begriffen einem Plagiat des Kumärasambkava sehr ähnlich ist.
Das Vorspiel und der erste Act.
Das mangala drückt den Gedanken aus, dass das Auge
der Pärvati, wie es anfangs lieberfüllt dem Qkm sich zuwendet,
eine reizende Verwirrung zeigt, sobald sich die Blicke beider
Liebenden begegnen; sie mögen von glücklicher Vorbedeutung
sein, giväyästu nah.
Es erinnert an die zweite Strophe des mangala in der
Ratnävali, einem Werke desselben Dichters:
autsukhena krtatvarä sahabhuvä vyävartamänd hriyä
taistairbandhuvadliüjanasya vacanairnitubhimukhyam punah/
drshtvägre varamdttasädhvasarasä gauri nave samgame
sarhrohdtpidakd harena Jiasatd clishtd givaydstu voll// '
Die Gattin Gauri, welche sehnsuchtsvoll
Als Neuvermählte eilig dem Gemahl
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
617
Entgegenging, aus angeborner Scham
Auf halbem Wege sich zurückbegab,
Dann, als die Weiher, ihre Anverwandten,
Mit manchem Wort ihr zugeredet hatten,
Sich wieder ihm entgegenfüliren liess
Und nun bestürzt und freudig doch zugleich
Don Gatten vor sich sah, der sie mit Lachen
Umarmte, während ihr die Härchen starrten,
Die Gattin Gauri wolle Heil euch gehen.
(Ludwig Fritze).
Darin, dass bemerkt wird, sie wende sich schamerfüllt
von ihm ah, sie werde von Genossinnen angesprochen und lache
freudeerfüllt, wird man an Kumarasambhava VH, 95 erinnert,
wo es heisst:
navaparinayalajjäbhushanäm tatra gaurzrh
vadanamapaharantmi tatkrtäksliepamigah /
api gayanasaklnbhyo dattaväcam katliamcit
'pramathamukhavikärair hdsayämäsa güdliam //
,Da brachte Civa die mit hochzeitlichem Schmucke gezierte
Gauri, welche das von ihm angezogene Gesicht ah wendete und
selbst den Lagergenossinnen kaum antwortete, mit den Grimassen
der Begleiter zum Lachen'.
Nach dem Gebete treten der Schauspieldirector und die
Tänzerin auf, welch’ letztere nach dem Verfasser des aufzu
führenden Stückes fragt. Als der Director ihre Frage beant
wortet hatte, bemerkt die Schauspielerin, dass es doch andere
gute Stücke gäbe, warum solle gerade dieses zur Darstellung
gelangen.
Der Schauspieldirector sucht ihre Bedenken dadurch zit
verscheuchen, dass erstlich das Stück selbst durch kunstvolle
Behandlung des Gegenstandes die Zuhörer zu ergötzen ver
möge, dass weiters die Schwierigkeit, der Pärvati einen pas
senden Gemahl zu verschaffen, Sache des Schicksals sei:
vidhireva kanyakunämabliimatavarayojanarthamudyunkte
und fügt hinzu:
ayamiha mahatidayito muniriva giriräjakanyäyuli.
Auch in der Ratnävali zögert die Schauspielerin aufzu
treten, aber aus dem Grunde, weil sie um ihre Tochter besorgt
61S
Glaser.
ist, die in ein fremdes entferntes Land versprochen wurde; aber
der Schauspieldirector verscheucht ihr Bedenken mit dem glei
chen Hinweise auf das Schicksal:
dmpädanyasmädapi madliyädapi jalanidherdicopyantdt /
ämya jhatiti ghatayati vidhirabhimatamabhimukhibhütah //
Bedenke:
Wenn uns das Schicksal wohl will, so vollführt es
Und schafft uns stracks herbei, was wir ersehnen,
Sogar von fremden Inseln aus der Mitte
Des Meeres auch, vom Ende selbst der Erde.
(Ludwig' Fritze.)
Dies wird in der Ratnävali noch durch eine Stimme hinter der
Scene bestätigt:
sädhu bharataputra sädliu / evametat / kah samdehah /
dvvpädanyasmäditi punah patati.
Aus dem eben Angeführten ist zu ersehen, dass die Durchfüh
rung des Prologes in Pärvatiparinayanätaka jener in der Rat
nävali in mancher Hinsicht ähnlich ist.
Die bereits oben citirtc Aeusserung des Schauspieldirectors:
ayamiha mahatidayito muniriva girirdjakanyäyäh
führt uns in den ersten Act ein, indem nun Närada, durch die
Luft fahrend, bemerkt, dass schon seit seiner Gehurt sein Ge
schäft darin bestehe, seine Kräfte dem Dienste der Unsterb
lichen zu widmen: er macht weiter die Mittheilung, dass auf
dem Himälaya die Gauri geboren worden sei, die man mit
Qiva verbinden müsse:
enärii yojayitum hareiia liimavatsanau tapastanvatd N. p. 8.
Dann lässt er sich weiter herab und in die Region des
Windes Pärivaha und beschreibt in den Cloken 8—10, wie er
allmälig genauer und genauer die Berge, Flüsse und Bäume
zu sehen bekomme:
mandammandamupaiti locananapathagrähy&m dägmh medini 9I. 9,
kommt auf den Kailasa und beschreibt seine Schönheit gl. 11,
schildert den Eindruck, den der Regenbogen auf ihn mache
gl. 13. Dann gelangt er zu Himavat’s Wohnung und fragt den
Kämmerer nach dem Gebieter, worauf er die Antwort erhält,
jener berathe sich in den innersten Gemächern mit seiner
Gattin Mena.
Ueber Biina's Pärvatiparinuyanätaka.
619
In diesem Augenblicke erscheint Himavat sammt Gemahlin
und Gefolge-und klagt darüber, dass die Pflichten eines Fami
lienvaters viele Sorgen verursachen: die Tochter Pärvati sei
in das heiratsfähige Alter getreten
kucayugalarh parinaddham yathd yaihä vrddldmeti tanvangyäli /
varacintährtamanasastathä tathä Icdrgyameti me gätram // gl. 15,
,Denn wie das volle Brüstepaar des zarten Mädchens anwächst,
so magere ich ab, der ich ganz von dem Gedanken an die
Gattenwahl derselben erfüllt bin'.
Nachdem auch noch die Menä ihrer Besorgniss Ausdruck
verliehen, bemerkt Himavat den Närada und klagt, dass Men
schen, deren Wünsche nicht erfüllt werden, bei der Ankunft
von solchen Weisen keine grosse Freude haben können.
Närada drückt den Wunsch aus, er sei gekommen, ob
gleich ein begierdenloser Weiser, doch einen solchen Wohl-
thäter zu sehen, wie es Himavat sei, denn seine Töchter seien
von wunderbarer Schönheit:
apratiräpalakshye gaugä gauri ca kanyake bhavatali
.Da der Seher den Himavat nach dem Namen des Bräutigams
der Gauri fragt, sagt dieser, dass ihm eben diese Angelegenheit
jetzt grosse Sorge verursache, worauf Närada gl. 18 sich dahin
äussert, dass es weder unter Menschen, noch unter Schlangen,
noch auch unter den Göttern einen dem Civa ebenbürtigen
Gemahl gebe; und gerade Civa selbst wünsche sie sich zur
Gemahlin.
Hier weicht Bäna etwas von Kälidasa ab, welcher K. I,
51 sagt:
tarn näradah kdmacarah kadäcikkanyäm kila prekshya pituh
sanupe/
samadidecaikavadliüm bhavitvwi premnä garirärtliaharäm ha-
rasya//
,Als Närada, welcher sich bewegen kann, wohin er will,
jenes Mädchen einst in der Nähe des Vaters bemerkte, beschloss
er, dass sie die einzige Gattin des Qiva sein werde, die durch
ihre Liebe die Hälfte seines Körpers einnehmen würde/ Nach
Iv. bemerkt also Närada zufällig die Pärvati und sieht nur
in Civa den passenden Gemahl, während er im Nätaka gleich
den Wunsch Qiva’s nach der Vereinigung mit Pärvati ausdrückt;
620
Glaser.
ein Anklang aber an K. ist gleichwohl darin zu finden, dass
dort Himavat gleich bemerkt:
aydcitäram na hi devadevamadrih siitdrii grähayitum gagdka /
abhyarihandhhangabhayena sddhurmädhyasthamishtepyavalambate-
rthe.j
,Der Berg aber konnte seine Tochter dem Gotte der Götter
nicht geben, falls Jener sich nicht um sie bewerben sollte: ein
wackerer Mann, welcher die Abweisung der Bitte fürchtet,
stützt sich auch in einer Herzensangelegenheit auf einen Ver
mittler 1 .
Närada sagt nun Himavat, dass seine Tochter einen vicv-
ädhikam vararn erhalten werde, womit sich dieser als zufrieden
gestellt erklärt; weiters theilt ihm der Weise cl. 20 mit, es sei
ihm diese Tochter in Folge von in alter Zeit erworbenen Ver
diensten geboren worden, die er, da sie asädhäranarüpalakshmi
,von unvergleichlicher Schönheit* sei, nicht als lokasämänyasutä
,Tochter vom gewöhnlichen Schlage* ansehen und dem Nächst
besten yasrnai kasmaigcid geben dürfe.
In cl. 21 hebt der Muni noch Civa’s Schöpferkraft und
glanzvolle Majestät und die strengen Büssungen hervor, denen
jener sich auf dem Himälaya hingebe:
ashtdbhirevatanubliir bhuvanam dadhänas
tejastrayena mahatä vihitehshanagrih/
anyesliu satsvapi ya igvaragabdaväcyah
soyam tapasy ati täte tava candramaulih // N. p. 24,
vgl. K. I, 58 :
tatrdgnimddhdya samitsamiddham svameva mürtyantaram aslita-
mürtihj
svayam vidhdtd tapasah phaldndm kenäpi kamena tapagcakdra/J
.Nach Anlegung des durch das Holz genährten Feuers liess
der Achtgestaltige, welcher selbst Belohnungen für Kasteiungen
verleiht, eine seiner Gestalten in Folge irgend eines Verlangens
Kasteiungen sich unterziehen*.
Närada fordert Himavat auf, sich Qiva ehrfurchtsvoll zu
nähern; auf die Anfrage des Letzteren nach einer nähern An
gabe über die Art der Verehrung wird Bescheid gegeben:
Pärvati in Begleitung von schönen Genossinnen anurüpasaklii-
janaparivrtäm N. p. 26 möge, versehen mit Holz, Ivuga- und
lieber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
621
Darbhagras nebst anderem Nothwendigen, sich zu Qiva begeben
und ihn verehren; Himavat erklärt sicli bereit, dies zu veran
lassen ; vgl. K. I, 59:
anarghyamarghyena tamadrinähtliah svargaukasamardtaindrcayi-
tvä/
ärädhanäyäsya saJchimetdm samädidega prayatdm tanüjäm //
,Nachdem der Bergfürst ihn, den man nicht genug ehren
kann, und den die Götter achten, mit einer Ehrengabe ausge
zeichnet hatte, trug er seiner Tochter mit den Genossinnen
auf, sich Qiva geneigt zu machen'.
Nun sagt Narada selbstvergnügt: upakshiptam vijam der
Grund ist gelegt, trägt dann Himavat noch einmal die Beobach
tung der Vorschriften auf und Verschwindet durch die Luft.
Himavat blickt ihm nach und vergleicht ihn einem Monde,
der am Himmel dahinschwebt N. p. 26. Hierauf fragt er seine
Gemahlin, ob sie die Worte des Muni gehört hätte; nachdem sie
es bejaht hatte, sagt er gleichsam entsprechend der wiederholten
Aufforderung des Muni in seinem und im Namen der Gemahlin:
ndradopadiishtdmindv/maulisaparyäm viracayitum duhitaram ni-
yoktumudyuvjämahe.
Hiemit endigt der erste Act. Einige oben angeführte
Citate aus Kumärasambhava I weisen auf Berührungspunkte
zwischen dem ersten Acte des Stückes Par vatiparin ayanätaka
und dem ersten sarga des erwähnten Kunstepos; deswegen
gebe ich liier eine genauere Inhaltsangabe des letzteren.
Im Norden steht der mit der göttlichen Seele ausgestattete
Berg Himälaya, vom östlichen bis zum westlichen Ocean rei
chend 1, von allen Bergen als Melkkalb angesehen 2; Be
schreibung desselben 3—17 ; er nahm die Menä zur Frau und
erzeugte mit ihr den Menäka — 20. Da bat Sati, die Gemahlin
des (jiva und Tochter des Daksha, die sich aus Schmerz über
die Vernachlässigung ihres Mannes durch ihren Vater selbst
das Leben genommen hatte, die Gemahlin des Bergfürsten um
Wiedergeburt; sie wuchs blühend heran und wurde von den
Verwandten Pärvati genannt — 26, ihre Schönheit beschrieben
— 50; Narada bemerkt sie zufällig 51; ihr Vater verschmähte
jeden Tochtermann 52; 53 oben citirt; ihr Gemahl büsste in
der Einsamkeit begierdelos 54—55 ; seine Dienerscharen sassen
Sitzungsber. d. phil.-liist. CI. CIV. Bd. II. Hft. 40
.
6 22
Glaser.
beschäftigungslos auf Felsen und die Rinder brüllten wehmüthig
— 57; 58—59 oben citirt; 60 Civa erlaubte der Pärvati die
Annäherung; 61 Blumen zum Opfer sammelnd, heiliges Wasser
und Gräser herbeitragend, versah sie täglich den Dienst.
Wie zu ersehen ist, entfallen in Kumärasambhava an 40 gl.
auf die Schilderung des Himälaya und der Schönheit der Pär
vati; ersterer ist in Nätaka cl. 8 und 11 geschildert, während
auf die Pärvati nur 14, 15 und 18 entfallen. Den Sagenstoff
des ersten sargas von Kumärasambhava, den man daher kurz
so wiedergeben könnte: .Nachdem Närada die schöne, von
Himälaya mit der Menä auf ihre Bitte um Wiedergeburt ge
zeugte Pärvati gesehen und zur Gattin Qiva’s bestimmt hatte,
gab sich dieser unter allgemeiner Trauer der lebenden und
leblosen Natur strengen Büssungen auf dem Himälaya hin, bis
Pärvati’s Vater sie ihm zur treuen Dienstleistung zuführte'; be
handelt der Schauspieldichter so, dass er in gl. 7 ihre Geburt,
gl. 14—15 ihre Reife, gl. 18 ihre Schönheit beschreibt und in
gl. 17 die Herabkunft ihrer Schwester Gangä schildert. Der
Beschreibung des Himavat, von Kälidäsa in 17 gl. durchge
führt, ist eigentlich nur gl. 11 gewidmet, indem der vom Himmel
herunterfahrende Närada in gl. 8—10 die Erde im Allgemeinen
beschreibt, wie sie sich ihm allmälig darbietet; in 2 gl., 19
und 21, ist Civa’s Macht und Herrlichkeit gepriesen, in 16
und 22 Närada begrüsst und mit dem Monde verglichen; gl. 20
stellt die Geburt Gauri’s als ein Verdienst des Bergfürsten hin.
Neu sind daher die in den eben angegebenen glokas durch
geführten Gedanken und die Erwähnung der Gangä; nicht ver
wendet dagegen sind die beiden letzten glokas in K. I, 60:
pratyarthibhütämapi tarn samädlieli gugrüsliamänäih giriconumene/
obwohl sie Gegnerin der Andacht war, so nahm sie Qiva doch
auf, und:
avadtabalipushpä vedisammärgadakshä niyamavidhijaldnäm varlii-
shäm copanetri/
girigamupacacura pratyaham sä sukegi niyamitaparikhedä tacchi-
ragcandrapädaiJi/
,Blumen zum Opfer sammelnd, gut den Altar reinigend, zur
heiligen Ceremonie Wasser und Gräser bringend, diente die
Schönhaarige täglich dem Civa, während ihre Müdigkeit durch
TJeber Bana's Parvatiparinayanataka.
623
die Strahlen des Mondes, den der Gott auf der Stirne trug,
gemildert wurde*, da die Entwicklung der Handlung noch nicht
so weit gediehen ist; wohl ist aber dieser cloka theilweise im
Aufträge des Närada an Himavat enthalten:
gaurhii samitkugadürvädyupäliarantim . . . preshayatu bhavän.
Ausser den oben angeführten Beispielen über die Be
nützung des Sprachstoffes enthält das N. folgende Beschreibtuig
des Weges:
tadaliamadhunä kinnarigita nislipandakrslinsarena ca via r ij d-
lavdlavikshepaviracitälikacandrodayavildsena kastüriyaparima-
läpaliitagagandgamanakhedena gaileyagandhind katakavartmand
prastutavastusädhanäya pravigami yavddoshadliiprastliam, ,ich
gehe zur Erreichung des bekannten Zweckes auf dem Berg
pfade, auf dem die Gazellen bewegungslos dem Gesänge der
Kinnaramädchen zuhören, auf dem durch das Fächeln mit vielen
Rindsschweifen fälschlich der Mondaufgang dargestellt wird,
der von Harz duftet, welcher die Anstrengung des Weges vom
Himmel herab durch Moschusdüfte verscheucht, nach Osliadhi-
prastha*. N. p. 12 erinnern an K. I, 11, 13, 56, 61, von
welchen ich gl. 13 hersetzen will:
Idngülavikshepavisarpiqobhairitastatagcandramaricigaurailil
yasyärthayuktam girirdjagabdam kurvanti bälavyajanaigcamaryah//
Die Jakshakiihe verleihen mit dem Wedeln der Schweife, die
durch das Schütteln der Haare Glanz verbreiten und welche
weisslich wie Mondesstrahlen sind, diesem Berge ganz treffend
den Namen: ,Fürst der Berge*.
II. Act.
Die Waldgöttin Väsantikä und Apsarase Rambhä begegnen
sich, von welchen die erste angibt, dass sie auf Qiva’s Geheiss
die schönsten Wunschbaumblüthen sammle, die zweite aber
mittheilt, dass die Apsarasenschaar wegen der Gefangenneh-
mung durch den Unhold Täraka in grosser Besorgniss sei.
Auch in Kumärasambhava beginnt der zweite Gesang
mit der Erzählung von Täraka’s Unthaten:
tasminviprak'rtdh kdle tarakena divaukasah/
turdsäham purodhäya dhdma svdyavibhuvam yayalij/
40*
624
Glasor.
,In jener Zeit begaben sich die Himmelsbewohner, hart bedrängt
von Täraka’s Unthaten, in das Haus des Brahmanb K. II, 1.
Im Drama erscheint Indra auf einem Throne und lässt
durch Devanandin Brhaspati rufen und sieht mit seinen zahl
reichen Augen:
kaigcinnetrairdalitadanujam vajramälokamdnali
kaigcitpacyannamarasudrgdm sasmitdnydnanäni/
kaigcitsevävihitamanasämanjalim vikshamanag
citte cintdpara iva puro dargano vdsavo me//
Mit einigen Augen den Donnerkeil, den Vernichter des Danu-
sohns ansehend, mit anderen die lachenden Gesichter der himm
lischen Schönen anblickend, wiederum mit anderen die ge
falteten Hände der in Andacht Versunkenen betrachtend etc.
N. p. 36, worin das dreimalige lcaigcit dem Sinne nach an sar-
vatomukham erinnert in K. II, 3:
atha sarvasya dhdtdram te sarve sarvatomukham/
vdgigam vagbhirarthyabhih pranipatyopatasthire/j
,Dann näherten sich alle dem Schöpfer der Welt, welcher seine
(vier) Angesichte nach allen Seiten hinrichtete, dem Herrn der
Rede, mit wahren Worten, sich verneigend'. K. II, 3.
Und:
tato manddnilodbkütakamaläkaragobhind/
gurum netrasaliasrena codayämdsa väsavahjl
,Da trieb Indra mit seinen tausend Augen, welche wie ein vom
leichten Winde bewegter Lotusstrauss glänzten/ Brhaspati an.
K. II, 29.
Im vorhergehenden Verse hatte Indra die zu ihm geeilten
Götter aufgefordert, ihr Anliegen ihm mitzutheilen:
tadbrüta vatsdli kimitali prdrthayadJivmh samägatdh;
im Verse 29 ist die unmittelbare Anregung Brhaspati gegeben,
im Namen der Götter zu sprechen. Dies erinnert an N. p. 36, wo
Mähendra sagt:
mahatkdryam viedraniyamastyato brhaspatimantarena ndnyah
pravegamyah
,es ist ein grosses Werk zu beratken, deswegen darf Niemand
ausser Brhaspati hereingeführt werden'.
Ueber Bäna's Päivatiparinayanäfaka.
625
Darauf meldet Devanandin den Götterboten Devala an,
welcher im Nätaka die Rolle hat wie in Kumärasambhava
Brhaspati, nämlich dem obersten Gott von den vom Asuren
Täraka auf der Welt verübten Missethatcn Kunde zu bringen
und um Abhilfe dagegen zu bitten.
Der Götterbote erzählt:
uddhrtyämaradiryh ik dj alabkuvämanibhomchänäm tatini
svairam nandanapädapänabhimätanämidamunmulya nah/
N. p. 38.
,Nachdem die Bösewichter eine Menge der in dem See der
Unsterblichen gewachsenen Lotuse vernichtet, nach eigenem
Belieben unsere geliebten Bäume des Nandanagartens vom
Grunde aus zerstört hatten 1 etc.; vergl.:
pure tdvantamevdsya tanoti raviratapam
dirgh i k ä kamalonmesko ya vanmdtrena sädhyate//
In seiner Stadt verbreitet die Sonne eine solche Hitze, dass
sich in den Teichen die Lotuse weit öffnen. K. II, 34, 41.
Gemeint ist hier die Stadt des Asuren Täraka, dem vom
Indra grosse Gunst erwiesen wurde.
In beiden Strophen kommt dirghikä vor == ein länglicher
See; dann erinnert auch tatim, — Ausdehnung, Menge, an dtapam
tanoti, wo von der Menge der Sonnenhitze die Rede ist. Auch
der zweite Päda dieses gloka:
svairam nandanapädapdn etc.
erinnert an Kälidäsa, nämlich
tendmaravadhühastaihsadaydlunapallavdh/
abhijndgchedapdtdndm lcriyante nandan adruniäh//
,Die Bäume des Nandanagartens, deren Schösslinge durch die
Hände der göttlichen Frauen mitleidsvoll leicht beschnitten
werden, erfahren Untergang und Verderben. K. II, 4L
Indra, welcher aufzählt, dass er Vrtra Bala und Namuci
vernichtet habe, bemerkt, dass auch jetzt nichts zu befürchten
ist; der Götterbote möge sich nur begeben (zum) samucitaniyo-
gakarandya, um das Nöthige auszuführen.
Brhaspati theilt mit, dass nach der Angabe Brahman’s
Täraka nur durch einen Heerführer getödtet werden könne
sendnyamantarena tdrako ndnyena nilicmtavyah, N. p. 41, vgl.
626
Glaser.
tadicchdmo vibho srashtmh senänyam tasya gäntciye ,deswegen
wünschen wir, o Herr, einen Heerführer zu dessen Bezähmung
zu erschaffen', K. II, 51.
Das kann nach der Sage nur durch Civa und Parvati
geschehen K. II, 57—60:
ublie eva kshaiine voclhumubhayorvijamähitam/
sä vä cambhostadiyä vd mürtirjalamayi mama/j
Auch Bäna erzählt, dass der auf dem Himälaya büssende Qiva
pranayz pärvatyäm der Parvati geneigt ist. N. p. 42.
Da sagt Indra, er habe aus Rambhä’s Mund die Kunde
vernommen, dass Parvati den ehrwürdigen Indugekhara (Qiva)
bereits eifrig verehre; der Wunsch nach der Vereinigung
des Civa mit Parvati werde wohl in Erfüllung gehen, denn
es ist doch schon mancher strenge Büsser durch liebliche
Reden und Liebkosungen durch sinnverwirrende Blicke von
schönen Mädchen vom Pfade der strengen Busse abgebracht
worden. N. p. 44.
Brhaspati äussert sich dahin, dass zur Beherrschung der
Dreiwelt des Himavat Verstand ausgezeichnet sei, dass aber
diese Eigenschaft Gedeihen und Zufriedenheit nicht gewähren
könne; deswegen möge Iväma zur Hilfeleistung herangezogen
werden. Demzufolge lässt Mahendra durch Devanandin Kama
rufen. N. p. 46. In K. II, 63 begibt sich Indra selbst zu
Kama:
tatra nigeitya kandarpamagamatpäkagdsanah/
manasd kdryasaritsiddhau tvarädvigunaranliasd//
Da begab sich Indra, entschlossen, indem sein Sinn mit ver
doppelter Schnelligkeit versehen war, zu Kama, um das Werk
zur Vollendung zu bringen'.
Nun erscheint der Liebesgott in Begleitung von Rati und
Vasanta:
mukharamadhupamälä edru maurvisandtham
tribhuvanajayoyogyam capamanse dadhanah/
mukhamuditavildsam vikshamdnah priyäyäh
saha madhuriha mandam mandamäydti kämah/j
N. p. 48.
Kama auf der Schulter den Bogen tragend, der versehen mit
der Sehne, welche lieblich durch die Kette summender Bienen
Ueber Bäna's Pärvatiparinayamitaka.
627
war, sich zur Besiegung der Dreiwelt eignete, blickt auf das
erfreute Antlitz seiner Geliebten und näherte sich langsam in
Begleitung des Frühlingsgottes. Vgl. K. II, 64:
citha sulalitayosliidbhrülatdcärugrngam
ratwalayapadänke capamdsajya kanthe/
sahacaramadhuhastanyastacütänkurdstrdfy
gatamakhamupatasthe prunjalili pushpadlianvä//
Darauf hing Kama den Bogen, dessen Horn schön war wie
die Augenbrauen eines coquettirenden Weibes, auf die Schult er >
welche Spuren von ihrem Armbande trug (wegen der innigen
Umarmungen), legte in die Hand seines Begleiters, des Frühlings
gottes, einen Mangozweig, den er als Geschoss benützte, und
näherte sich mit gefalteten Händen Indra, mit Blumen be
waffnet.
Hier finden wir gemeinschaftlich angewendet: cdpam, cdru
und madhu; Synonyma sind Icanthe-anse; käma-puspadlianvä ciydti-
upatasihe; dsajya-dadhänah; die Attribute zu cdpam bestehen
aus je sechs Gliedern. Selbst pranjalih verwendet Bäna in
der Anweisungsnote für den Schauspieler, welche nach der
8. Strophe, N. p. 48 folgt: cdpagarblienänjalinä savildsam prana-
mati. N. p. 48.
Der Liebesgott fragt Indra nach dessen Begehr:
trailokyanätliasya tavdtigakteli
kimasti kdryammaghavan maydpi/
prakdcitdgeshadicdvakaco
divdkaro dipamapeksliate kim/l N. p. 48.
,Was soll ich für dich, Ehrwürdiger, thun, der du ein gewaltiger
Herr der Dreiwelt bist? Warum braucht die Sonne, welche alle
Gegenden erleuchtet, eine Lampe?'
Vgl. K. III, 3:
äjnäpaya jnätavigesha punsam lokeshn yatte karaniyaml
Befiehl du, der du den Unterschied der Menschen kennst, was
soll ich für dich auf der Welt thun?
Da antwortet Mahendra:
cakrena vishnorapi yaddurdpam
tarasvinä vd gatakotinä mej
tatsddhayetpuslipamayam tvadvastram
aho bhavänadbhutabähuviryah j/ N. p. 50.
628
Glaser.
,Was selbst für Vishnu und für mich Indra, den Gewaltigen,
schwer auszuführen ist, das kann deine aus Blumen bestehende
Waffe bewirken; ach, du bist einer, dessen Arm Wunderkraft
besitzt'.
Auch Brhaspati will Käma’s kräftigen Arm im Dienste der
Götter verwendet wissen, denn er sagt:
karotu käryam sakalam bähustava divaukasäm/ N. p. 50.
Auch bei Kälidasa erkennt Indra:
avaimi te sdramatah khalu tvdm kdrye gurunyätmasämarh niyokshye/
,Ich kenne deine Kraft, deswegen will ich dir, der du mir
ähnlich bist, einen schweren Auftrag geben'. K. III, 13.
Diese Anerkennung des Bähuvirya macht Kama selbst
bewusst :
danujo vä manujo vd munirapi vd mugdhacandractldo vd/
suralokasundarindm sa bhavatu baddhah katdkshacrnkhalaiiä//
12 N. p. 50.
Sei es ein Danusohn, ein Manusohn oder ein Weiser, oder der
Qiva selbst, er soll durch die Fesseln der Seitenblicke der
himmlischen Mädchen gebunden werden.
asammatali kastava muktimärgam punarbliavaklegabliaydtpra-
pannalj, /
baddhaqciram tishtatu sundarindmärecitablirücaturairvild-
saih /j
,Wer von den dir Verhassten, sich fürchtend vor den Qualen
der Wiedergeburt, betrat den Weg der Freiheit? Lange soll
er, gefesselt durch verlockendes Brauenspiel schöner Frauen,
dastehen'. K. III, 5.
Dass Kama sich selbst Qiva gewachsen fühle, ist schon
bei Kälidasa gesagt:
tava prasdddtkusumdyudhopi sahdyamekam madhumiva labdhvä/
kurydrh harasyäpi. pindkapdnerdhairyacyutim //
,Durch deine Gunst könnte ich, obgleich nur mit Blumen be
waffnet, mit dem Frühlingsgott als alleinigem Begleiter, den
mit dem Bogen ausgerüsteten Qiva selbst der Festigkeit be
rauben'. K. III, 10.
Auf die durch einen Blick Mahendra’s ausgesprochene
Aufforderung theilt Brhaspati Kama die Sachlage mit, indem er
TJcber Bäna’s PäiTafciparinayanätaka.
629
zunächst erwähnt, fJiva gebe sich leidenschaftslos den Büssun-
gen auf dem Himälaya hin; auch die Pärvati verehre ihn, wie
eine reizende Statue, wie eine bezaubernde Schönheitsgöttin:
tamidanim piturnidegena saparijanä pärvati saubhägyamayiva
sälabhanjikä saundaryadevateva vigrahini paricarati. N. p. 52;
vgl. K. III, 17:
gurorniyogäcca nagendrakanyä sthänum tapasyantamadhitya-
käyäm/
,die Tochter des Bergfürsten verehrte auf väterlichen Befehl
(Jiva, welcher auf dem Bergplateau biisst 4 .
Der Anschluss Bäna’s an die Darstellung Kälidäsa’s ist
so gross, dass er an entsprechender Stelle sogar ein Sprich
wort anbringt; Kälidäsa sagt K. III, 19:
apyasiddham yagase hi punsdmananyasddhdranameva karma
,Das, welches niemand Anderer aufführen kann, bringt, wenn
auch nicht vollendet, den Männern Ruhm 4 ; und Vasanta sagt:
anyadupakräntamanyadeväpatitam. N. p. 51. Kama selbst bedient
sich eines Gemeinplatzes:
anätmatä hi punsämätmanidhanamäpädayati
,denn Feigheit der Männer bringt ihnen den Untergang 4 . N. p.51.
Nun geht Kama ans Werk:
tadätmavyayenäpi karma kartumudyuilje
,selbst auf Lebensgefahr hin unterziehe ich mich dem Werke 4 .
N. p. 51.
sa mädhavenäbliimatena sakliyä ratyä ca sägankamanuprayätah/
angavyayaprärthitaIcä ryasiddhih sthanvägramam haimavatam
jagäma//
Von dem geliebten Mädhava und der Freundin Rati in Furcht
begleitet, beschloss er selbst mit Lebensgefahr das Werk aus
zuführen und begab sich zur Einsiedelei des Civa auf den
Himavat. K. III, 23.
Rati, welche im Epos nicht redend aufgeführt wird, tritt
im Theaterstück selbstständig auf und äussert ihre Freude dar
über, dass Qiva besiegt werden kann: amho accähidam äpadidam
jam khandaparasu jedavvo, womit natürlich ausgedrückt ist,
dass sie sich früher fürchtete.
630
Glaser.
Da fragt nun Kama, wo sein Pfeil und wo der Gegen
stand seines Schusses sei, gl. 13; worauf ihm Mahendra be
merkt, durch blosse Berührung des Pfeiles gerathe die Pärvati
in Verwirrung, und Qiva betrachte das freudestrahlende Ant
litz der Geliebten, §1. 14, und fügt hinzu:
tadishatkaresminkdrye bhavata na kimcidapi gankantyam
er möge sich nur nicht fürchten.
Als Kama §1. 15 noch einmal hervorgehoben, er wolle
sein Leben aufs Spiel setzen, erheben Mahendra und Brhaspati
ihre Hände zum Segen:
astu svastyayanam tavädya marutdm satydgischämdgishas
tvdrh rakshantu yagagca te suvipulam lokatraye divyatu /
gauryam tvadbhujayoridam ca bliavatätpunkhänupuTikhodayam
kimcodyogamimam samarthayatu nah svacchandaceshtdvidhih //
Gebenedeit sei dein Weg und die Segnungen der die Bitten er
füllenden Götter mögen dich beschützen und der grösste Ruhm
glänze dir in der Dreiwelt; die Art und Weise aber der selbst
ständigen Ausführung lasse uns auf ein Mittel sinnen, wobei
die Kraft in den Armen und die Macht des Pfeiles sich ent
wickeln kann.
In Kum. berührt Indra den Kama, um ihn dadurch zu
segnen:
tatheti ceshdmiva bharturajndmaddya murdhnä madanali pratasthe/
airävatasphdlanakarkagena hastena pasparga tadangamindrah //
,Es geschehe“, den Befehl des Herrn gleichsam wie einen
Kranz auf das Haupt setzend, ging Kama fort und Indra
berührte den Körper desselben mit seiner durch Airavata’s
Schläge verhärteten Hand“. K. HI, 22.
Angstvoll entfernt sich Kama in Begleitung der Rati und
des Vasanta.
Nachdem Mahendra und Brhaspati erklärt hatten, alles
zur glücklichen Vollendung Nothwendige gethan zu haben und
noch thun zu wollen, treten sie ab, wodurch der zweite Act
zum Abschluss kommt.
Wenn wir auf den Fortgang der Erzählung in Kum. unser
Augenmerk richten, so ersehen wir, dass der der Entwicklung
der Handlung im Theaterstück entsprechende Abschnitt vom
II. init. bis zum 23. §1. im 3. sarga reicht, und zwar in fol-
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
631
gender Durchführung. Die Götter mit Indra an der Spitze
erscheinen vor Brahman und preisen seine Macht II, 1—15; er
fragt sie nach ihrem Begehr — 28; Erzählung der Unthaten
des Täraka — 51, Zusage der Abhilfe, die aber nur durch
einen Spross Qiva’s geschehen könne, da dessen Macht Ausfluss
einer besonderen Gunstbezeugung Brahma’s gegen Täraka sei
— 61; Indra begibt sich zu Kama — 64 und wird von ihm
aufgefordert, seinen Wunsch zu äussern: III, 1—10; letzterer
willfahrt der Aufforderung 11—22; Kama begibt sich in
Begleitung des Frühlingsgottes und 'seiner Gemahlin auf den
Himavat 23.
Die Erzählung wird von Bana dadurch ausgeweitet, dass
zunächst Väsantikä und Rambhä auftreten, welch’ letztere gleich
von der Beängstigung der Apsarasen durch Täraka spricht, wo
durch etwas als geschehen dargestellt wird, was im Epos erst
ausgeführt werden soll; zugleich erwähnt sie ihr Liebesver-
hältniss zu Kuvera’s Sohn Nalaküvara, welches bei Kälidäsa
nicht vorkommt. Bei Kälidasä erzählt Brhaspati Täraka’s Un
thaten in 21 cl., während Bäna dieses den Götterboten Devala
in einer Strophe thun lässt; die gleichsam als Entschuldigung
klingende Aeusserung Brahman’s, der Unhold sei auf Grund
einer ihm früher erwiesenen Gnade so mächtig, ist im Theater
stücke anderweitig verwerthet, indem der oberste Gott sich
auf seine Besiegung von Vrtra, Bala und Naruuci beruft und
hinzufügt, dass ihm Täraka wohl nicht zum grossen Hindernisse
gereichen werde; jedenfalls sei aber ein senäni, bemerkt Brhas
pati, zu seiner Besiegung nothwendig (diese Bemerkung macht
im Epos Brahma). Der Gedanke: ,Schöne Mädchen bringen
auch ernste Männer vom Weg der Busse' cl. 5 ist dem Kum.
fremd. Eine Veränderung besteht auch darin, dass im Epos
Indra selbst zu Käma geht, während er ihn hier durch Deva-
nandin rufen lässt.
Trotzdem Käma mit grossem Selbstgefühl auftritt und von
Indra und Bj-haspati mit einem ausgiebigen Segensspruch ent
lassen wird, so beschleicht ihn doch die Angst gleichsam im
Vorgefühle seines Schicksals, gankamäno nishkräntah N. p. 56.
632
Glaser.
III. Act.
Es treten Mahendra und Brhaspati auf, von welchen
letzterer den Zweifel äussert, ob wohl Kama Qiva in seine
Gewalt werde bekommen können, oder ob er nicht durch das
Feuer des erzürnten Gottes werde vernichtet werden; er wisse
nicht, wie die Sache verlaufen werde, denn das Zwinkern des
linken Auges deute nichts Gutes an, §1. 1; deswegen müsse
ein kundiger Weiser angegangen werden. N. p. 58.
Da tritt wie gerufen Narada auf; er wird von Mahendra
freundlich begrüsst und aufgefordert, die Geschichte von Kärna’s
Schicksal zu erzählen, welchem Wunsche er nachkommt, indem
er bemerkt, Kama hätte, in Qiva’s Ägrama gekommen, seinen
Freund, den Frühlingsgott, aufgefordert, sich auf Himavat’s Ab
hängen auszubreiten. Jener sei dem Wunsche nachgekommen:
väcälayannatha kuläni vanapriyänäm
ankilrayanmalayamärutakandaläni j
sakhyuh prasünavigikhasya bhujävalepam
samvardhayanmadhurajrmbhata kdnaneshu //
N. p. 62.
,Zum Schwatzen verleitend die Schaaren der Kukuke, den
Wind des Malayaberges anfachend, den Stolz des mit Blumen
schiessenden Freundes vermehrend, breite sich in den Wäldern
der Frühlingsgott aus.
Diese Gedanken erinnern an K. III, 24:
tasminvane s a m y a m i n d m munindm tapahsamddheh prati-
külcivarti /
sankalpayonerabhimdnabhütamdtmänamddhäya m a d h u r j aj r m-
blie //
,In jenem Walde breitete sich der Frühlingsgott aus, der frommen
Andacht keuscher Einsiedler Hindernisse bereitend, indem er
eine Gestalt annahm, die des Liebesgottes Stolz erregte'.
In beiden Strophen sind Subject und Prädicat durch
gleiche Wörter ausgedrückt: madhur und jajphbhe kuldni vana-
priydydm ist wieder durch samyainindrh muninam pratikulavarti,
das Hinderniss durch väcdlayan; die locale Bestimmung tas-
min vane durch kdnaneshu . gegeben; auch Kama bekommt in
beiden ein ähnliches Attribut. Weiter:
Uober Bana's Pärvainparinayanätaka.
633
äsädya cütäsavamanyapuslitäh /
dmodibh.ilpancamarägabhedaili
präbliodayanpaiicagardvalepam //
Die Koils suchten Mangosaft uncl erregten Käma’s Stolz durch
liebliche Gesänge nach dem Pancama Raga. Vgl. Iv. III, 27:
sadyali prabdlodgamacävupatre mte samdptim navacütabdne
nivegaydmdsa madhurdvirepliännämäksharäniva m a n o bhavasya.
,Als ein frischer Mangozweig mit neuen Sprösslingen, wie
mit zarten Federn geschmückt, auswuchs, setzte ihr der
Frühlingsgott Bienen auf, gleichsam als Buchstaben des Namens
Kama 1 .
Weiter erzählt Närada: äddya cäpamadhiropitashatpada-
jyain tasminhimäcälamupeyushi / panccibdne velätilanghi kimapi
pranaydtirekät dvandväni laulyamabliajanta vimohitäni. N.p. 64.
,Nachdem der Liebesgott den mit Bienen versehenen Pfeil ge
nommen und sich auf den Himälaya begeben hatte, empfanden
alle Paare (von lebenden Wesen), bethört in Folge von grosser
Sehnsucht, eine starke Begierde'. K. III, 35.
tarn degamdropitapushpacäpe ratidvitiye viadane prapanne /
kdslithdgatasneliarasdnuviddham dvandväni bluivain kriyayd vi-
vravruh //
Nachdem Kama mit der Rati mit dem gespannten Blumenbogen
in diese Gegend gekommen war, verriethen alle Paare durch
ihr Benehmen einen Gemüthszustand, welcher durch grosse
Liebessehnsucht bestimmt war.
Hier ist der sehr analoge Satzbau zu bemerken, indem
erstlich in beiden Strophen im ersten Gliede der Locativ steht;
Bäna: paficabdne upeyuslii — Kal. madane prapanne und zu
gleich eine adverbiale Bestimmung des Ortes; im Nachsatze
ist bei beiden Dichtern dvandväni Subject, Objecte sind: bhdvavi-
und laulyam, ersteres näher bestimmt durch kashtliägatasnehara
sänuviddliam, das zweite im ähnlichen Sinne velätilanghi und
pranaydtirekät.
Nachdem Närada in §1. 6 und 7 vom Blühen des Mohnes,
des Agoka, von Priyala- und Kesarabaum (K. III, 30, 31, 32)
und von dem Ueberströmen des Sindu gesprochen und Malien-
dra gefragt hatte, was Kama dann that, erwiderte Närada:
Sa kdmo ratyd vasantena cdnviyamano mahati devaddrukhan-
634
(Tlaser.
damandape tarakshucarmanirnimitäyämahimaciläv edikäy d m,
ä sin a m antarmukhanihitacittavrttimabhyantara pav an anirod-
lianigcalänanam näsägranihitapakshmänyakshini dhärayantamapa-
ramiva nistarangamambhudhimindugekharamapagyat, N. p. 66;
ist Nachahmung- von K. III, §1. 44—50, von welchen ich den
ersten und letzten hersetzen will:
Sa dev a dar udrumav edikäy am gär dülacarmavyava-
dhänavatydm /
äsin amäsannagarirapätastriyambakam samyaminam dadarga//
Kama, dem der Tod bevorstand, bemerkte den dreiäugigen Gott
auf einer mit Tigerfellen bedeckten Erdterrasse unter einem De-
vadarubaumc, wie er sich kasteite', und 50:
mano navadväranishiddliavrtti hrdi vyavasthäpya samädliivagyam /
yamaksharam kslietravido vidustamätmänamätmänyavalokayan-
tam jj
den Sinn, dessen Thätigkeit er von dem mit neun Thoren ver
sehenen Körper trennte, lenkte er in das durch die Askese
geläuterte Herz und betrachtete darin den von den Weisen als
ewig bezeichneten Geist.
Der Ausdruck pary ankabandha K. III, 45, mit ge
kreuzten Beinen, erscheint N. p. 66: gitliilitap ary anka-
b and hall . . . asit.
Wie nun Kama Qiva in solcher Stellung sieht, steht er
rathlos und starr wie ein Bild da: sa kämastaddarganena . . . .
kartavyamaparamajänan kslianamälikliita iva bhayädatislitat ;
N. p. 68.
Die gleiche Situation beschreibt Kal. ganz ähnlich, K. III, 51:
Smarastathäbh'ütamayugmanetram pagyannaduränmanasäpyadhrsli-
yam /
nälakshayatsddhvasasannahastali srastarii gararh cäpamapi sva-
liastät. //
,Als Kama in nicht grosser Entfernung den mit einer ungeraden
Zahl von Augen ausgestatteten und selbst durch die Andacht
unbesiegbaren Gott sah, so zitterten ihm die Hände und es fiel
ihm unbemerkt Pfeil und Bogen aus der Hand'.
Wie das obige Citat N. p. 68 zeigt, vergleicht Bäna Kama
mit einem Bilde, Kälidäsa wendet aber bei der Beschreibung
des Waldes dasselbe Bild an. K. III, 42:
r.=
5
lieber Bj'ina’s PsLrvat'iparinayanätalra. 635
nishlcampavrksham nibhrtadvirepham mükdndajam qdntamrgapra-
cäram /
tacehäsandtkdnanameva sarvmh citrdrpitärambhantivdvatasthe //
,Der ganze Wald mit den unbeweglichen Bäumen, ruhigen Bie
nen, stummen Vögeln und wilden Thieren erschien auf seinen
Befehl wie ein gemaltes Bild ruhig da'.
In diesem Augenblicke erscheint Pärvati und begibt sich
zu Civa.
Aträntare haramupasitumabliy ciy äst d
väsantikaprasavakalpitamandanaqrih /
qrngdravira tapasämadhidevateva
säkaiii sakhibhiravamdharardjakanyä //
N. p. 68.
Kälidäsa:
anupraydtd vanadevatdbhy d ma drgy ata sthdvarardja-
kanyä
,In Begleitung der Waldgüttinnen zeigte sich die Tochter des
Bergfürsten'. K. III, 52.
Wie man wieder sieht, ist das Subject durch das gleiche
Wort ausgedrückt, das Kälidäsische: vanadevatdbhy dm durch
sakMbhih und sthdvara durch avamdhara wiedergegeben.
Nachdem sie Civa berührt hatte (nach Kälidäsa K. III, 62:
cakära müfdhnd pranämam vrshabhatvajäya sich verneigt hatte),
wünschte er ihr, dass sie einen schönen Gremahl erhalten möge:
anurüparamanamäsädayeti tdmäcishavardliayadardhacandramaulili
N. p. 68,
während sie nach Kälidäsa einen Mann bekommen soll der kein
zweites Weib hat:
ananyabhäjam patimäpnuMti sd tathyamevabhihitä bhavena /
K. III, 63.
Jetzt ist der Zeitpunkt zum Handeln für den im Hinter
halte lauernden Kama gekommen:
kshane tasminnayamevdvasara iti sa kamali kdrmuke samd-
dhatta sammolianaiii banam. N. p. 70.
kdmastu bandvasarain pratikshya patangavadvahnirnukham
vivikshuh /
umdsamaksham harabaddlialakshyah gardsanajydrh muhurdma-
marga //
636
Glaser.
Indem Kama sah, dass die Zeit gekommen, den Pfeil zu ent
senden, legte er, wie ein Schmetterling ins Feuer sich stürzend,
in Pärvati’s Gegenwart auf Qiva an und betrachtete die Sehne
des Bogens. K. III, 64. Die Eigenschaft sammohanam sinnver
wirrend* ist bei Kalidäsa ausgedrückt durch patangavad vanhi-
mukham, indem das Feuer die Schmetterlinge betäubend an
sich zieht:
pratigraldtum pranayipriyatvdttrilocanastdmupacakrame ca /
sammohanam ndma ca pushpadhanvä dhanushyamogham sa-
madhatta hänam //
Als der Dreiäugige, aus Freundlichkeit gegen die Verehrenden,
das von der Pärvati angebotene Rosarium eutgegenzunehmen
im Begriffe war, legte Kama, mit dem Blumenbogen ausgerüstet,
auf die Sehne den Pfeil, den liebesduftenden, den verwir
renden*. K. III, 66.
Wie man sieht, entlehnte Bana hier Kalidäsa den Satz
sammohanam bdnam adhatta von Wort zu Wort.
Oiva blickt auf Pärvati:
Tadanu yugapadigali pdrvativaktrapadme smüavikasitagande
prdhinollocanäni. N. p. 70.
,Da richtete plötzlich der Herr seine Augen auf das Lotus-
antlitz der Pärvati, dessen Wangen vom Lächeln erglänzten. 1
Kalidäsa:
Harastu, kimcitparivrttadhairyagcandrodaydrambha ivarhbu r d-
gih /
umdmukhe bvfiibaphalddharoslüe vydpäraydmdsa vilocandni//
,Civa verlor ein wenig seine Festigkeit, wie der Ocean zur
Zeit des Mondesaufganges, und lenkte seine Blicke auf Uma’s
Gesicht, deren Lippen der Bimbafrucht ähnlich waren.*K. III, 67.
Es entsprechen sich zunächst locanani und vilocandni;
ähnlich sind sich Bäna’s pdrvativaktrapadme und Kälidäsa’s
umdmukhe; congruent in Bezug auf die Bestandtheile sind Attri
bute Bäna’s smitavikasitagande und Käl. himbapahädharoshte;
auch die Prädicate werden durch Synonyma ausgedrückt.
Gleicher Satzbau wie K. III, 35.
Närada erzählt weiter:
pulakitatanurantara bhdvamdvedayanti
daramuditamukhenduh sd ca savridamasthdt /
lieber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
637
Von Wonneschauer ihre innere Bewegung bekundend schüch
tern aufblickend, stand auch sie beschämt da. N. p. 70, §1. 9
erinnert an K. III, 68:
vivrnvati gailardjasutäpi blidvamangaih .... tasthau
die Tochter des Bergfürsten, durch ihre Glieder die Liebe ver-
rathend, stand da; hhäva, tasthau — asthat beiden Dichtern
gemeinschaftlich;
dvedayanti — vivrnvati.
Um den Grund der Gemüthsbewegung zu erfahren, blickt Qiva
nach allen Seiten aus, N. p. 70: tato bhagavänantalikaranavi-
kriyäm tapobalena samyamya tatkdrandya vishvagvilocanäni
vyäpäritavän ist nur eine Paraphrase von K. III, 69:
athendriyakshobhamayugmanetrah punar v agitvädb alavanni-
grhya /
hetum svacetovikrter didrksliurdigämupdnteshu sasarja drsli-
tim //
,Der sich einer ungleichen Anzahl von Augen erfreuende Gott,
die Gemüthsbewegung durch seine geistige Kraft unterdrückend
und die Ursache seiner Sinnesveränderung erforschen wollend,
blickte nach den Grenzen der Himmelsgegenden'.
Oiva erblickt Kama.
ärddapagyadadhisamliitamohanästram
karnävatansapadakalpitakärmukajyam /
akuficitaikapadamancitapürvakayam
lakslukrtätmavapusharii madanaiii mahegah //
,Qiva bemerkte von Weitem den Liebesgott, welcher das ver
wirrende Geschoss anlegte, das zum Ohrschmuck gemacht
wurde, und welcher das eine Bein krümmend und den Vorder
körper biegend dastand, wie er ihn selbst (den Qiva) zum
Ziele seines Geschosses machte'. N. p. 71.
sa dakshindpänganivishtamushtirh natdnsamäkuhcitasavyapädam/
dadarga caknkrtacdrucdpam prahartumabhyudyatamätm.ayomm//
,Es bemerkte Kama, wie jener die Faust an den rechten Augen
winkel legte, die Schultern senkte, den linken Fuss einbog und
mit seinem radförmig gebogenen Liebesgeschosse auf ihn zu
schiessen sich anschickte'. K. III, 70.
Kama wird verbrannt.
Sitzungsbor. d. pliil.-hist. CI. C1V. Bd. II. Hft.
41
638
Glas er.
Bäna erzählt N. p. 71:
tadanu prakupitasya gülino bbälalocanädujjrmbhajjvulä-
valijatälo gräsalälasa iva kälänalo vahnih: ,da brach aus dem
Auge auf der Stirne des zornigen Civa ein hochloderndes, dem
Todesfeuer, welches die Welt zu verschlingen begierig ist, ähn
liches Feuer hervor'. «
Kälidäsa:
tapahparämargavivrddhamanyorbhrübhä’ngadushprekshyamukhasya
tasya
sphurannudarcHi sahasä trtiyädakshnah krgänuh kila nishpapdta.
k. m, 7i.
,Da (Oiva’s) Zorn wegen des Angriffes auf die Andacht ent
flammt wurde und das Antlitz wegen der Zusammenziehung
der Brauen schwer angeschaut werden konnte, schnellte aus
seinem dritten Auge schnell ein glänzendes und hoch aufflam
mendes Feuer hervor'.
Kama in Asche verwandelt.
Während bei Kal. die Götter insoferne an Käma’s Schick
sal Antlieil nehmen, dass sie (Jiva bitten, er möge seinen Zorn
besänftigen, K. III, 72:
krodham prablio samhara samhara
bedauert bei Bäna, N. p. 71, Indra den Tod Käma’s: Hä bliu-
vanaramaniyapushpabäna sakalajanänandanampurandarasyärtha
tyaktajivitosi: ach dir Kama, Anmutli der Welt, Wonne aller
Menschen, du hast des Burgzerstörers wegen das Leben
verloren.
Der Rati war anfangs die Sachlage nicht klar, und sie
musste daher zunächst vom Frühlingsgotte belehrt werden ma-
dliunä kathamcitsamjnäm lambhitä ratili N. p. 74; vgl. K. III, 73:
ajüätabhartrvyasanä muhürtam krtopakäreva ratirbablmvaj/
es wurde der Rati, welche den Tod des Gemahles nicht kannte,
gleichsam ein Dienst erwiesen.
Im Epos aber ist nicht angedeutet, dass dieses durch den
Frühlingsgott geschieht.
In Kenntniss gesetzt über den Tod ihres Gemahls, umarmt
sie verzweifelnd einen Aschenhaufen: puratah parusliapavanavi-
kiryamunapänsupatalam bhasitamayam purushäkrti pa-
tyurangamaliügya; vgl. K. IV. 3:
Ueber Bana's Pärvatiparinayanätaka.
6B9
ayi jivitandtha jwasityabhidhuyotthitayd tayä purah /
dadrge purushdkrti kshitau harakopdnalabhasm a kevalam//
,Ach, Herr des Lebens! lebst du noch!' so rief sie aus und
erhob sich und sah auf dem Boden einen durch Qiva hervor
gebrachten Aschenhaufen in Gestalt eines Menschen.
purushdkrti und bhasitam sind beiden Dichtern ge
meinsam.
Die Klage Rati’s um ihren Gemahl IV, 4—25 wird im
Speciellen von Bäna nicht verwerthet, dagegen erinnern zwei
Ausdrücke in N. p. 74:
gurutaragokopahatä kurariva priyaviyogamdpannd/
dkrandaddrtanddam väshpasnapitonnatastam bald//
, Gebeugt durch schweres Leid, vom Liebsten getrennt, liess
das Mädchen, wie das Weibchen eines Kibitzes, Klagelaute
erschallen, mit Thränen die Brust benetzen', an K. IV, 4:
atha sä punareva vihvalä vasudhdliuganadhüsarastam/
vilaläp>a vikirnamürdhajä samaduhkhdmiva kurvati sthalim//
Jene wiederum, durch Schmerz erschüttert, ihre Brust be
schmutzt durch die Berührung mit der Erde, wehklagte, zer
rauften Haares, den Boden beinahe mit gleichem Schmerz
erfüllend.
Jetzt erschallt eine himmlische Stimme und tröstet sie:
tadanu hä nätheti baliu mlapantim ratimägväsayadäkägabäni,
N. p. 74; vgl. K. IV, 25:
atha taih paridevitdksharair hrdaye digdhaphalairivähatah/
ratimabliyupapattumdturäm madhurätviunamadargayatpurah //
Durch ihre jammernden Töne wie durch giftige Pfeile (ver
wundet) getroffen, zeigte sich ihr Madhu, um die betrübte
Rati zu trösten;
munca gokamiva kdmavallabhe
langliyate jagati kena kalpanä
udbhamshyati punagca te patili
pärvatiparinaye pinäkinah N. p. 76.
,Gib auf den Schmerz, o Geliebte des Kama, seiner Bestim
mung kann Niemand entgehen; der Gemahl wird dir bei der
Hochzeit der Pärvati mit Qiva wiedergegeben werden'.
41*
jii.
640 Glaser.
Nicht so kurz fasst sich der Frühlingsgott mit seinen
Tröstungen bei Kälidäsa:
kusumdyudhapatni durlabliastava bhartd na drddbhavishyati/
grnu yena sa karmanä gatah galabhatvam haralocanärdshi //
,Gemahlin des mit Blumen bewaffneten Gottes! nicht lange
wird dein Gemahl unerreichbar sein; höre, durch welche That
er zur Lichtmatte in Civa’s Augenfeuer geworden'. K. IV, 40.
Parineshyati pärvatim yadä tapasä tatpravanikrto harali/
upalabdhasukhastadä smaram vapushd svena niyojayishyati //
,Wann Qiva die Pärvati heiraten wird, durch Büssungen ihr
geneigt gemacht, dann wird er erfreut dem Käma seine Gestalt
wieder geben'. K. IV, 44:
tadidam pariraksha gobhane bhavitavyapriyasamgamam vapuhj
ravipitajalä tapdtyaye punaroghena hi yujyate nadi //
,Deswegen, o Schöne, schone deinen Körper, dem die Ver
bindung mit dem Geliebten bestimmt ist. Der Fluss, dessen
Gewässer von der Sonne ausgetrocknet sind, füllt sich wieder
mit Wasser, nachdem die Hitze verschwunden'. K. IV, 44.
Den Gedanken des Frühlingsgottes, dass die Wünsche in
Erfüllung gehen werden, lässt Bäna den Indra äussern, wobei
ein Vergleich ganz analog dem von den Flussgewässern und
der Hitze angewendet wird:
bhagno manoratho me pnnarankuritum kiläyamudyuukte/
dävägniUdhageshastaruriva dhärddharena samsiktah // N. p. 76.
,Dieser mein vereitelter Wunsch beginnt wieder sich zu be
leben, wie ein im Waldbrand versengter Baum, erfrischt durch
Regen'.
Auf die Frage des Mahendra, was Qiva nach Verbrennung
Käma’s that, erwiderte Närada :
Strisannikarsham parijihirshayä saha bhütaganena bhüta-
patirantardhänamakarot, der Fürst verschwand. Hier ahmte
Bäna K. III, 74 nach:
tamägu vighnan tapasastapasvi vanaspatim vajra ivdbhajya/
strisannikarsham parihartumicchannantardadhe bliüpatih
sabhütah //
,Der Fürst, den Kasteiungen ergeben, vernichtete schnell den
Kama, das Hinderniss der Büssungen wie ein Blitz den Baum
lieber Bäna’s Parvatiparinayanätaka.
641
zerspaltend, und verschwand, die Nähe der Frauen meidend,
zugleich mit den Dämonen'.
Auch nach Pärvati’s Schicksal erkundigt sich Mahendra
und erhält die Antwort:
agatya dorbhydmädäya mürchdmukulitekshaWd/
nitä nitäntavdsalyddgcluri himävatä grham// N. p. 98.
Es kam Himavan und fasste sie, deren Augen erstarrt waren,
sehr zärtlich mit den Armen und trug sic in sein Haus. Vgl.
sapadi mukuUtdksMm rudrasamrambhabMtyä
duhitarämanukampyämadriraddya dorbhyam
. . . pvatipathagatiräsit . . .
,Darauf begab sich der Bergfürst, die bemitleidenswerthe
Tochter, welche aus Furcht vor Rudra’s Zorn die Augen schloss,
mit den Armen umfassend, auf den Weg'. K. III, 76.
Nachdem Närada mit dem Bemerken abgegangen, dass er
die Geschichte dem Brahma erzählen wolle, erscheint Rambhä;
auf Mahendra’s Frage, woher sie komme, sagt sie, dass sie von
Kuvera’s Haus komme und in Oshadhiprastha die Geschichte
von Käma’s Verbrennung gehört hätte; auch erzähle man sich,
dass sich Pärvati zum Zwecke der Erfüllung ihrer Wünsche
Büssungen hingebe.
Mahendra wünscht auch zu erfahren, was Pärvati’s Eltern
zu der Angelegenheit sagen, und erfährt durch Rambhä die
Meinung der Menäka, Pärvati’s Mutter, dahin gehend:
paruso tavovisaso tuha angarn una simsasuümäram
vavasidamedam kakinarh pavvati tä dukkararh tti padibhäi
,Schwer sind die Büssungen, dein Körper ist aber zart wie
die Qirishablume,
dieser feste Entschluss, da ist schwor, Pärvati 1 . N. p. 82. Dies
ist eine Reminiscenz an K. V, 3, 4:
nigamya cainam tapase krtodyamäm sutdm giricam prati sakta-
mdnasäm/
uvdea mend parirabhya vakshasd nivdrayantt mahato munivratdt //
mamshitäli santi gj'hepi devatdstapah kva vatse kva ca tdvakam
vapulil
padarh saheta bliramarasya pelavam c/mshapushpam na punali
patatrinah/j
642
Glaser.
Als Menä gehört hatte, dass ihre Tochter, den Sinn Oiva
zugewendet, sich zu kasteien beschloss, umarmte sie dieselbe,
mahnte sie vom schweren Munigelübde ab und sprach:
,Zu Hause hast du ja die gewünschten Götter;
Wo sind die Kasteiungen und wo die Körperkraft?
Die zarte Qirishablume kann wohl den Fuss einer
Biene, aber nicht den eines Vogels ertragend
Beide Dichter erwähnen die Qirishablume, aber nur insoferne
verschieden, als Bäna den zarten Körper der Pärvati damit
vergleicht, Kälidäsa aber den Gedanken ausführt, dass diese
Blume wohl die zarten Bienen, aber nicht die Schwere von
Vögeln ertragen kann.
Nachdem noch Himavat beigestimmt hatte, atihi anuma-
dam tena N. p. 82, athänurüpäbhinivegatoshind kytdbhyanujnd gu-
rund gartyasä, K. V, 7, stimmt ein Sänger folgendes Lied an:
ddhiiya pranayam vivasvati gute degantare padmini
sodhum tasya viyogamakshamatayd mldyadsarojanand/
samdhydvalkalim dvirephgparishadrudrdkshamdlävatt
tntprdptisprhayeva samprati tapuh saktd samdlakshayate //
N. p. 82.
,Aufgebend alle Freundlichkeit, gleich einem Lotusfelde nach
Sonnenuntergang, unfähig die Trennung von ihm zu ertragen,
obliegt jetzt Pärvati, deren Lotusangesicht verwelkt war, und
bekleidet mit einem Bastgewande, an Farbe gleich der Abend-
röthe und versehen mit einem Rosenkranz aus Bienenschaaren,
wie man sieht, tiefer Andacht, um die Erfüllung ihrer Wünsche
zu erreichen'.
Hier schwebten Bäna folgende Stellen vor in K. V, 8:
vimucya sd hdramahäryanigcayd vilolayashtipraviluptacanda-
nam/
babandha bäldrunababhru valkalam payodliarotsedhavigirnasam-
hati/l
yathä prasiddhairmadliuram giroruhairjatdbhirapyevamabhüt ta-
ddnanamj
na shatpadagrenibhireva pankajam sagaivaldsangamapi prakdgate//
Nachdem sie, die vom Vorhaben nicht abgebracht werden
konnte, die Perlenschnur abgelegt, welche durch die beweg
lichen Gerten Salbung verlor, zog sie das wie die junge Sonne
lieber Bäna’s Pärvatlparinayanätaka.
643
bräunliche Bastkleid an, dessen Nähte durch die schwellende
Brust gezerrt wurden. Das Gesicht war gleich schön durch
Haarflechten und den Haarputz; der Lotus glänzt nicht
allein durch Bienenschwärme, sondern auch durch Wasser
pflanzen.
Zunächst geht dem Ablegen der Freundlichkeit das Ab
legen der Perlenschnur parallel; dann steht dem Sonnenunter
gang zur Seite das Verschwinden des candanam der Perlen;
dann hat das madhuram dnanam des Kälidäsa in Bäna’s saro-
(jänanä sein Gegenbild; beide erwähnen das Bastkleid valkala,
Kälidäsa vergleicht es mit dem Glanze der Morgensonne, Bäna
mit dem des Abendrothes; der eifrig der Busse sich hingehen
den Pärvati tapali saJctd wird gleichgestellt die an den Lotus
sich anschmiegende Schlingpflanze, sariigam; überdies beginnt
das Versepaar bei beiden Dichtern mit dem Absolutiv und
schliesst mit dem Verbum samälakshyate präkagate.
Wie aus dem Gesagten zu entnehmen ist, nützte Bäna
im III. Acte Kumärasambhava von III init. bis V, 9 aus.
Am Schlüsse des II. Actes gelangten wir bei der Berück
sichtigung der Inhaltsangabe des entsprechenden Theiles in
Kumärasambhava bis III, §1. 23, wo erzählt wird, dass Kama,
vom Frühlingsgotte und seiner Gemahlin Rati begleitet, sich
auf den Himavat begibt; hierauf wird der Aufenthaltsort des
Qiva beschrieben — 44, seine Stellung und Haltung geschil
dert — 50, Kama erschreckt vor seinem Anblick — 51; das
Erscheinen Pärvati’s stört Qiva in seiner Andacht •— 62; Käma
hält den Zeitpunkt für das Handeln als günstig — 68; Qiva
erblickt ihn und verwandelt ihn durch sein Augenfeuer in
Asche — 72, Himavat bringt seine Tochter nach Hause — 76;
Rati klagt über den Verlust des Gemahls und will ihrem Leben
ein Ende machen IV, 1—39 und wird durch eine Stimme aus
der Luft getröstet — 46; der Entschluss Pärvati’s, trotz ihres
schwächlichen Körpers sich strengen Büssungen zu unterziehen,
erfolglos von ihrer Mutter Menü bekämpft, wird von ihrem
Vater dadurch gefördert, dass er ihrem Wunsche gemäss ihr
einen passenden Büssungsort angibt V, 1—9.
Die 20 gloka umfassende Schilderung des Aufenthaltes von
Qiva kann den Zwecken eines Theaterstückes nicht dienen;
um mehr Spannung der Handlung zu verschaffen, werden von
644
Glaser.
Mahendra und Brhaspati Zweifel und Besorgnisse über das
Gelingen von Kama’s Vorhaben geäussert; um darüber Naeli-
richt zu geben, erscheint Narada, der früher damit beauftragt
worden war, Erkundigungen einzuholen maghavadädegena sthdn-
vdgramam gatvä tatratyamudantam vijndya samägatosmi, und
erzählt die ganze Angelegenheit, welche Darstellung nur durch
eine kurze Bemerkung Brhaspati’s unterbrochen wird, dahin
gehend: sarvathd kdmah punarudbhavishyati.
Die Aussage Närada’s wird auch durch Rambha bestätigt,
so dass im III. Act im Ganzen vier Personen auftreten.
Während einerseits vom ganzen Kumärasambhava kein
sarga so wenig ausgebeutet wurde als der vierte, indem im
Grunde genommen nur §1. 12 dem Gedankengange desselben
entspricht, ist andererseits von sarga III vom gl. 45 angefangen
bis zum Ende beinahe jeder gloka seinem Inhalte nach im
Nätaka zu finden; das Gleiche gilt auch von sarga V, 1—9.
IV. Act.
Es tritt Nandin auf und erklärt, er habe von Civa den
Auftrag erhalten, sich bei den Freundinnen Pärvati’s, Jayä und
Vijaya, zu erkundigen, wie gross ihre Entsagung und ihre Sehn
sucht sei. Er sieht sie, wie sic in einem jammervollen Zu
stande sich befindet:
gete yd kila hansatnlagayane nidrdti sä sthandile
vaste yd mrdulam dükülamabalä grhndti sd valkalam j
N. p. 86.
,Sie, die in Gänseflaum schlief, schlummert jetzt auf blossem
Boden, die mit zartem Scidenkleide bekleidet war, wählt jetzt
eine Hülle von Basth
ageta sä bähulatopadhäyim nishedushi sthandila eva kevale,
,sie schlief, die Arme als Kissen unterlegend, auf blosser Erde*.
K. V, 12.
Nun erscheinen Jayä und Vijaya mit Blumenkörben; es
stellt die erste die Frage: wann wohl Gauri das Ziel ihrer
Wünsche durch die Büssungen erreichen werde? Darauf er
widert Vijaya, dass der Erfolg von Oiva abhänge.
Ueber liämi’s Parvatipiirinayanätaka.
645
Während sie so mit einander sprechen, nähert sich ihnen
Nandin und erkundigt sich darnach, welchen Zweck die Blumen
luitton, und erhält N. p. 88 zur Antwort, dass sie der Parvat!
bestimmt seien, denn sie verschmähe alle Götter, nur Qiva allein
begehre sie zum Gemahl, denn nach Verbrennung des Kama
habe sie sich in das Haus des Vaters begeben und sei schwer-
rnüthig geworden. Auf die Präge Nandin’s, warum sich denn
Pärvati keinen anderen Gott auserkoren, geben die Mädchen
die Antwort, dass es gerade sie Beide waren, welche ihr diesen
Rath gegeben, den Qiva sich zum Gemahl auszuwählen.
Um dies Qiva mitzutheilen, entfernt sich Nandin; auch
Jayä und Vijayä treten ab. Nandin entspricht dem Brahmanen,
welcher K. V, 33—50 redend aufgeführt wird, nur mit dem
Unterschiede, dass das Gespräch hier mit den Freundinnen der
Pärvati geführt wird; auch wird gegen Ende des Gespräches
hervorgehoben, dass sie andere Götter geringschätzt:
iyam mahendraprabhrtinadhigriyagcaturdigicänavamatya mänimj
arüpahäryam madananya nigrahdtpinäkapänim patimäptwth-
icchati //
Die Stolze, geringschätzend Indra und die übrigen mit be
sonderer Schönheit versehenen Herren der vier Weltgegenden,
wünscht den mit dem Stab Ausgerüsteten zum Gemahl, indem
er nach Käma’s Tode durch die Schönheit nicht angelockt
werden kann. K. V, 53.
Nachdem Qiva davon Kunde erhalten hatte, kommt er
auf einem kunstvoll verfertigten Wagen gefahren:
anse krshndjinagristrigunaviracitä mekhalä gronibhcige
pänävdsliädhadando bhasitaviracitam vundvakaiii bhäladecu
N. p. 96.
,Auf der Schulter ein prachtvolles Antilopenfell, an den Hüften
einen dreifach gewundenen Gürtel, in der Hand einen Stab,
auf der Stirne ein Zeichen aus Ascheb
Diese Stelle erinnert an:
atli äj inäsliädliadhara li
vivega ltagcid ....
Es erschien ein Mann, ein Fell und einen Stab tragend ....
K. V, 30.
646
Glaser.
Zugleich erscheint Parvati in Begleitung ihrer Freundinnen;
ihr linkes Auge zuckt; sie fragt nach der Ursache. Jayä be
merkt, dass bei Frauen das Zucken des linken, bei Männern
das des rechten Auges Gluck bedeute.
Parvati trägt den Freundinnen auf, den Fremden mit Gast
geschenken zu ehren, sie selbst werde sich aber wieder den
Büssungen hingeben. N. p. 100.
Qiva, welchen aber die Freundinnen Parvati’s noch nicht
kennen, frägt nach der Btisserin und bekommt zur Antwort,
dass es Himavat’s Tochter sei; er sagt, sie härme sich ab, weil
von ihm verlassen:
äbhati valkalavati pdndukshdmä madiyavirahena/
prcitipatkaleva cdndrt sandhydgakalena samvitä//
Sie glänzt im Bastgewande, fahl und bleich, von mir verlassen,
wie die Mondsichel am ersten Tage begleitet von der Abend
dämmerung.
Dem müden Wanderer bringen die beiden Mädchen gleich
einen Stuhl.
Indem Civa die Parvati betrachtet, sagt er:
In der Geschlechtsnachfolgc ist der Allherrscher der Berge
als Vater wichtiger als der erste Schöpfer; ihre Gestalt ist
lieblich, die Rede freundlich und ihr Schritt überirdisch.
Da noch Parvati selbst bestätigt:
mahdpurisa jdha dakkhidam sahihim tahä me manoralio,
so will sie Qiva selbst durch Tadel ihres Geliebten beunruhigen,
indem er spricht:
alepo bhasitam vibhushitamahirvdsah pitfndm vane
vetäläh pancdrakäli pratidinam vrtticca bhikshdmayi/
ittham yasya gubhetaräni caritänyäkhyantl sarve jänas
tasminmaiujhdhyavacänmatistava rucim badhnäti leim brümahe //
,Die Asche ist das Ocl, die Schlangen sind der Schmuck, die
Wohnung ist im Friedhofe, Gespenster sind seine Diener, die
tägliche Nahrung erbettelt er sich; von welchem alle Leute
so alles Andere als gute Handlungen berichten, an den hängt
sich in jugendlicher Thorheit dein Herz; was soll man dazu
sagen?“ ,
Auf den ausführlichen Tadel, welchen der Brahmane in
K. V, 65—74 gegen Civa ausspricht, antwortet Parvati in ihrer
Ueber Bäna)s Pärvatiparinayanätaka.
647
Vertheidigung desselben mit 9 gl., 75—84, wo zunächst darauf
hingewiesen wird, dass er (der Brahmane) den Qiva nicht
kenne; jener sei mächtig, wenn er auch nur in Friedhöfen hause
pitrsadmagocarah = Bäna vdsah pitfnam vane; ob er
glänze durch Schmuck vibhüshanodbhdsi = Bäna bliasitarii
vibhüshitam, oder ob er von Schlangen umgeben sei pinad-
dhabhogi — ahirväsdh, das könne nicht entschieden worden
K. V, 77, 78; sie wolle nicht mehr streiten, alaiii vivädena ein
liebevolles Herz nimmt nicht Rücksicht auf Tadel: na kdmavrt-
tirvacanijarmkshate K. V, 82.
Da lässt sich eine Stimme vernehmen: ,Wo ist die Tochter
des Berges, die Zierde des Geschlechtes, wo bist du, Qiva?‘
(Jiva bemerkt darauf, dass, weil ihr Entschluss ein fester war,
sie, die Pärvati, ihn zum Gemahl sich wählen möge wie die
Luna den Räliu 1 §1. 14, N. p. 108.
Wie Pärvati dies vernimmt, so wechselt sie die Farbe.
Es lässt sich jetzt ein Gesang vernehmen, in welchem
die Verwunderung ausgesprochen wird, ,dass sich einem solchen
Lästerer Qiva’s nicht die Zunge spalte'. Die Freundinnen wollen
vor einem solchen Verächter fliehen, vgl. K. V, 83:
niväryatämdli kimapyayam vatuh •punarvivakshuh sphuritottard-
dliarali/
na kevalam yo mahatopabhdshate grnoti tasmädapi yali sa pdpa-
bhdk 1/
,Freundin, jener Knabe soll entfernt werden, der mit zitternden
Lippen antworten will. Nicht allein der, wer einen grossen
Mann tadelt, sondern auch, wer solches anhört, begeht ein
V erbrechen'.
Und K.V, 84: ito gamishydmyatha veti oder ich will fortgehen.
Da offenbart sich (jiva und wendet sich an Pärvati sva-
rupam prakdgya N. p. 110, K. V, 84:
svarupamdsthaya ca tarn krtasmitah samdlalambe vrshard-
jaketanah/
1 Rähu, nach dem Epos ein Solm Vipracitta’s und der Siinhikä, mischte
sich bei der Quirlung des Oeeans unter die Götter, trank vom Unsterb
lichkeitstrank, wurde von der Sonno und dem Monde Vishnu verrathen,
der ihm dafür den Kopf abschlug'. Der unsterbliche Kopf rächt sich an
Sonne und Mond, indem er sie zu Zeiten verschlingt. P. W. VI, 3-10.
648
Glaser.
Der Gott aber, welcher den König der Stiere im Banner trägt,
nahm seine Gestalt an und erfasste sie lachend; darauf singt Qiva:
tava liastadänacaturastapasä hi krtoyamasmi ddsajanah
,Icli bin durch deine Busse gezwungen, als Sklave dir die
Hand zu geben'. N. p. 110.
adya prabhrtyavanatdngi taväsmi däsali
kritastapobhiriti vädini candramaulau/
ahnäya sä niyamajam klamamutsasarja
klegali phalena hi punarnavatdm vidhatte//
,Von diesem Tage an, o Krummfüssige, bin ich durch deine
Btissungen dein Sklave geworden. Als der Mondgezeichnete
so sprach, verliess die durch die Büssung entstandene Erschlaf
fung die Bärvati' K. V, 86.
Qiva wünscht dann die Pärvati nach dem Gandharvaritus
zu heirathen, dass heisst: ohne Ceremonien. Jayä aber bittet
ihn die Hochzeit in Himavat’s Wohnung ausrichten zu lassen.
Darauf antwortet Qiva: bhavatu lokayäträ na liätavyä: gut, man
muss die Gebräuche der Welt nicht ausser Acht lassen.
Die Bemerkung Jayä’s, dass in fünf Tagen wohl die
Hochzeit stattfinden, werde, gibt Qiva die Gelegenheit, seiner
grossen Liebessehnsucht Ausdruck zu verleihen, die nicht ein
mal einen Aufschub von einem Augenblick ertragen könne;
mit der Andeutung, wegen des mangala sich an die sieben
Rsliis wenden zu wollen, entfernt sich fliva, auch Jayä tritt
ab, womit der IV. Act schliesst.
Bei der Vergleichung mit Kumärasambhava gelangten wir
am Ende des HI. Actes bis V, 8; von 9—29 incl. ist die
btissende Pärvati geschildert; darauf erscheint ein Bralnnane,
welcher in langer Rede gl. 30—50 auseinandersetzt, dass sie so
hochfliegende Pläne nicht hegen solle. Da Pärvati selbst darauf
nicht erwiderte, so nahm ihre Freundin für sie das Wort gl. 52
bis 61, und schildert den Zustand Pärvati’s; nachdem der Brali-
mane gl. 67—73 Qiva zu verkleinern gesucht und sie ihn gl. 75
bis 83 zurechtgewiesen hatte, gibt er sich als Qiva zu erkennen
und versetzt sie in grosse Verlegenheit gl. 86 fin.
In Bezug auf Mangel an Handlung wird in Kumära
sambhava dieser sarga nur vom vierten übertroffen; es treten
nur drei Personen auf: Pärvati, ihre Freundin und Qiva; im
lieber Bäna’s Parvatiparinayanätaka.
649
Nätaka handeln fünf Personen. Nand in fällt die Aufgabe zu,
zu erforschen, wie gross ihre Büssung sei, da schon vyatilo
bahutithih kälas; der 20 cl. betragenden Schilderung der küssen
den Pärvati in K. dienen hier nur zwei; ausser den oben ange
gebenen qete sthandile könnten sancetumicchati gildkathinaih
gariraih und nayanotsavamävahanti in gl. 1 des IV. Actes
N. 86 an:
tapah gariraih katliinairupärjitam tapasvinäm düramadhag-
cakdra sd,
die Büssungen der Asketen, ausgeführt durch starke Körper,
übertraf sie hei Weitem K. V, 29, und didrkshavastdmr-
sliayo, die Asketen waren begierig sie zu sehen K. V, 16,
letzteres freilich nur dem Sinne nach, erinnern.
Das Zwiegespräch zwischen Jayä und Vijayä bringt mehr
Inhalt in die Handlung; besonders anmutkig sind die Strophen
vier und fünf, in welchen Jayä dem Nandin den mitleider
regenden Zustand schildert, in welchen die Pärvati durch ihre
harten Büssungen gerietli, die man noch als Vervollständigung
den Strophen eins und zwei an die Seite stellen kann.
Des Schauspieldichters Erfindung ist es, dass N. p. 98 das
linke Auge der Pärvati zuckt; ihre Freundin Jayä deutet dies
gleich als gutes Zeichen, da nach alter Auffassung hei Männern
das Zucken des rechten Auges Glück bedeute.
Conform mit der Darstellung im Epos, sarga V, entwickelt
sich die Handlung im Nätaka weiter; über den Schluss des
fünften sarga lässt Bäna in gl. 17 und 18 Qiva den Wunsch nach
einer baldigen Vereinigung mit der Geliebten aussprechen:
pucupatirapi tdnyahäni krcchrädagamayadadrisuiäsamdgamothali,
der Herr der Thiere verbrachte schwer jene Tage, begierig
nach der Vereinigung mit der Bergtochter K. VI, 95, womit
der IV. Act endet.
V. Act.
Im V. Act tritt der Kämmerer auf, welcher den Bewohnern
der Stadt Oshadhiprastka den Auftrag zu gehen hat, ihre Stadt
festlich zu schmücken, denn es kämen die sieben Weisen und
die Arundhati särundhatikäh saptarshayali samägatya. N. p. 116;
vgl. K. VI, 4:
G50
Glaser.
te prabhämandalairvyoma dyotayantastapodhandhj
sänondhatikdh sapadi prddurdsanpurali prabhoh]/
,Jene, an Biissungen reich, clen Aether durch die Fülle des
Glanzes erhellend, erschienen zugleich mit der Arundhati vor
dem Herrn'. Dadurch, dass der Kämmerer die Städtebewohner 4
dazu auffordert, ist mehr Handlung hineingebracht.
sannahyantdm vicitrdh pratibhavanamiha grenayastorandnäm/
unnamyantäm samantddgaganatalalihali ketananam patd-
kali/l N. p. 116.
,Glänzende Triumphbögen sollen in Menge errichtet werden
zum Empfange, an den Häusern sollen überall Fahnen flattern
zum Himmel hinan'. Für diesen Ausdruck schwebte Bäna wahr
scheinlich die Stelle aus K. VI, 41 vor: grhayantrapatäka-
gnrapaurddaranirmita ohne Zuthun der Bürger wurde am Giebel
des Hauses eine schöne Fahne angebracht (grhayantra die Stelle,
wo bei festlichen Gelegenheiten Fahnen angebracht wurden);
patdka = Banner, Fahne.
Für Bäna’s
dmandradhvanayah kvananti murajd mürcchanti tantrisvarah/ <
sinjanairmanibhüshanaistata ito nrtyanti värangandh// N. p. US
,Dumpf wirbeln die Trommeln, es schallet der Saitenklang; mit
klingenden Perlen geschmückt tanzen hie und da die Buhldirnen/
diente als Vorbild:
gikharasaktameghanam vyajante yatra vegmandm/
anugarjitasamdigdhäh karanairmurajasvanäh//
Der Trommelschlag' in den Häusern, deren Giebel bis zu den
Wolken reichen, als Donner angesehen, offenbart sich durch
den Rhythmus. K. VI, 40 gikhardsaktameghändm erinnert an
gaganatalüiha.
Im Allgemeinen aber steht Bäna in seiner Schilderung
der Ausschmückung von Oshadhiprastha dem Kälidäsa K. VI,
68—48 gegenüber, im Verhältnis zu den anderen Partien, ,
ziemlich selbstständig da.
Nun erscheint Idimavat, auf einem Throne sitzend, und
sagt, dass er nach Besiegung aller Hindernisse gekommen sei;
Qilädhara tlieilt ihm mit, dass Meru, Mandara, Vindhya, Kailasa
und alle Gandharnen zum Feste kommen, worauf er von Idimavat
lieber Bäna’s Parvatiparinayanätaka.
651
den Auftrag erhält, Kaugiki zu holen, damit sie Pärvati
schmücke; zum Behufe der würdigen Aufnahme solle der
Reichthum der ganzen Welt aufgeboten werden. Nun tritt
Närada auf und bemerkt, wie Himavat früher, dass nach Be
siegung der Hindernisse antardyänatikramya taddlii siddhyati
sämpratam N. p. 126 und zeigt Himavat das vivähamandapam.
Jetzt erscheint Kaugiki und beschreibt, wie Pärvati ge
schmückt ist, N. p. 128—134 in 12 Doppelversen, während in
Kumärasambhava der Schmuck der Pärvati in 15 gloken ge
schildert wird, 7—21, nachdem in gl. 6 noch die Zeit genau
bestimmt worden war:
maitre muhürte gagalänchanena yogam gatasuttaraphalgunishu /
tasyäli carire pratikarma cakrurbandhustriyo yäli pafiputra-
vatyah//
,Zu der dem Mitra geheiligten Stunde, als die Uttaraphalgunen
die Verbindung mit dem Monde eingegangen waren, schmückten
ihren Körper die Frauen der Verwandten, welche Männer und
Söhne hatten“.
asamagrabhushanäyästanutarak augey aväsadliäriny alj
äliptamangamßkhilam tailena sugandhing tasyäli/
N. p. 128.
,Sie ist wenig geziert, mit zarten seidenen Kleidern versehen,
ihr Körper ist vollständig mit wohlriechendem Oele gesalbt“.
täm lodhrakalkena hrtängatailämägyänakdleyakrtängarägäm/
väso vasänämabhishekayogya'■m näryagcatushkäbMmukimanai-
shuli/l
,Nachdem sie das Oel am Körper abgewischt mit dem Pulver
von Lodhra und die Glieder mit Käleyaöl gefärbt, und ein der
Waschung entsprechendes Kleid angezogen hatten, führten sie
die Frauen in das viereckige Haus“. K. VII, 9.
Hier erwähnen beide Dichter die Salbung mit Tailaöl und
die Bekleidung, wobei aber zu bemerken ist, dass Bäna mit
asamagra und akhila mit sich selbst ziemlich stark im Wider
spruche steht.
Für den epischen Dichter war natürlich das für die Hoch
zeit geschmückte Mädchen ein erwünschter Gegenstand für
Beschreibung, um seine Darstellungskunst in’s beste Licht zu
652
(ila ser.
stellen; er verbreitet sicli darüber in 15 Qloben aus. Nach der
Salbung mit Oel erzählt er von der Besprengung mit Gangä-
wasser.
Das nächste Versepaar:
manipithavartimm tarn mangalagankheshu mandragosheshuj
ambhobhiram.aranadyäli sakhijano viliitamajjanärh vyatanot//
' N. p. 128
An der auf einem Edelsteinsitz Ruhenden vollzogen die Freun
dinnen unter lieblichen Tönen der Glücksmuschel mit dem
Wasser der Gangä die vorgeschriebene Besprengung, ist nur
eine Paraphrase von:
vinyastavaidüryagilätalesminnaviddhamuktäphalabhakticitre/
dvarjitashtäpadakumbhatoyaili satüryamendm snäpaydmbhabhü-
vuli//
,In dem mit Vaiduryastein gepflasterten Hause, geschmückt mit
unversehrten Perlen, wuschen sie jene unter Instrumenten-
klang, indem sie das Wasser aus goldenen Gefässen schöpften'.
K. VII, 10. Beide Dichter sprechen hier vom Perlensitz oder
dem mit Perlen geschmückten Hause, von Musik und von dem
zum Waschen nothwendigen Wasser, wobei aber einer bemerkt,
dass das Wasser aus der Gangä genommen, der andere, dass
es aus goldenen Gefässen geschöpft wird.
Auch der im unmittelbar darauf folgenden Versepaare:
m angalamajjanavigadä karpvrakshodapändurarh kshaumam/
sddhatta jaladadhautä dyaioriva garadinducändrikodbliedam//
N. p. 128
,Glänzend durch Segenbad, zog sie an ein Linnenkleid, weiss
wie Blüthenstaub, wie der von Wolken gereinigte Himmel im
Herbst den Mondenschein', ausgedrückte Gedanke ist in Form,
in Inhalt beinahe eine sklavische Nachahmung von:
sä mangalasnänaviguddliagätri grlntapatyudgamamyavasträ/
nirvrttaparjanyajaläbhishekä praplmllakäcä vasudlieva reje/l
,Nachdem ihre Glieder in feierlicher Waschung gereinigt waren
und sie wegen des Gemahls das durch die Sonne weiss ge
machte. Kleid angezogen, glänzte sie wie die Erde, auf welcher
nach Abfluss des Regenwassers, das Kägagras Blüthen hervor
bringt'. K. VII, 11. Denn erstlich ist durch mangalamajjana-
vigadä dasselbe gesagt als durch mangalasnänaviguddhä, dann
lieber Banu's Pdrvatiparinayanataka.
653
ist die Reclc vom weissen Gewände pänäuvam kshaumam — vastru;
ferner wird das Gewand verglichen mit dem Mondensckein, mit
welchem sich der von den Wolken gereinigte Himmel bekleidet
und die Pärvati hei Kalidäsa mit der Erde, wenn sie nach Ver
schwinden des Regenwassers sich mit neuem Blumenflor be
kleidet; es sind also vier Begriffe beiden gemeinsam.
In den nächsten sechs Strophen ist Bäna wieder selbst
ständig und trifft mit Kälidasa im Bericht darüber zusammen,
wie Menä, Pärvati’s Mutter, ihre Tochter mit dem Tilalcazeichen
auf der Stirne bezeichnet, welche Handlung Kälidasa und Bäna
in je zwei Strophen behandeln. N. p. 132, K. VH, 23, 24.
Nachdem noch in zwei Strophen die Schönheit der Pärvati
gepriesen wurde, hört man den Trommelschlag, welcher die
Ankunft des Qiva verkündet.
Unterdessen erschallt vom Raume hinter der Bühne her
ein Gebet um glückliche Beendigung des Werkes. N. p. 136.
Nun lässt Bäna N. 136 Närada erzählen: salcalajagadut-
pattisthitipralayairudghushyamänainahi md cai‘dcarcigmns
tu jdmätä catulavivdhaveshamästliäya sähet gevaganairita eväbhi-
vartate. Durch Erschaffung, Erhaltung und Vernicktung der
ganzen Welt seine Grösse offenbarend, alles Bewegliche und
Unbewegliche lehrend, zog dein Tochtermann ein zierlich Hoch
zeitskleid an und nähert sich eben mit den Göttersckaaren; dies
erinnert an:
tisrbhistvamavasthdbhirmaliimänamitdiray an '
pralayasthitisargändmekah käranatäm gatali//
,Durch drei Zustände deine Grösse offenbarend, bist du die
alleinige Ursache des Unterganges, des Bestandes und der
Schöpfung geworden'. K. II, 6.
Wie ersichtlich ist, sind an dieser Stelle drei Wörter ge
meinsam gebraucht, für zwei aber Synonyme angewendet: Udi-
rayan-udglmshyamana, sarga-utpatti etc.
Nachdem Civa über die Pracht Oshadkiprastha’s sich dahin
ausgesprochen, dass sogar Amaruvati nachstehen müsse, sieht
er Himavat, der nach eigener Aussage sich viel bemüht habe,
um einen solchen Schwiegersohn zu bekommen N. p. 138, mit
Geschenken sich nähern, welche auch freundlich aufgenommen
werden, sapranämam grlmäti N. p. 138; vgl. K. VII, 72:
Sitzungsber. d. pbil.-liist. CI. C1Y. l’d. II. Ilft. 42
654
Glaser.
tatregvaro vishtarabhag yathdvatsaratnamarghyam madhumacca
gavyamj
nave dukule ca nagopanitarh •pratyagrahitsarvamamantravarjam.il
Nachdem der Herr dort Platz genommen, nahm er, wie
es sich gebührte, das Hochzeitsgeschenk mit Edelsteinen, Milch
mit Honig gemischt, zwei neue Seidenkleider, alle ihm vom
Berge ohne Verlässigung der üblichen Sprüche angeboten, an.
Es tritt Parvati mit Jayä und Vijayä freudeerfüllt auf,
dass ihr manorahakappadumo phalam dahsei, ,ihr Wunschbaum,
Früchte zeitiget'; ihre Freundin Jaya äussert den Gedanken:
liald pavvai ettiyaih tulia ppiyasaliiyo vi vaam jdä ,auch in dieser
neuen Lage möchten wir deine Freundinnen sein, du mögest
dich nicht stolz von uns abwenden'; den Gedanken spricht
negativ aus eine Oshadhiprastherin:
anena sambhandhamupelya dishtyd manorathaprdrthitamigvarena/
mürdhdnamälikshitidharaimccamuccaistarämvakshyati cailaräjah//
,Nachdem der Bergfürst, o welch' ein Glück! die gewünschte
Verbindung mit ihm erreicht hatte, wird er, o Freundin, sein
durch das Tragen der Erde stolzes Haupt noch höher heben'.
K. VII, 68.
Das kurze Gespräch der Parvati mit ihren Freundinnen
erinnert an die Gespräche einiger Frauen aus Oshädhiprastha
K. VII, 65 — 69, welche neugierig aus ihren Häusern laufen
VII, 57—61, um Qiva’s Hochzeitszug anzusehen; eine von
ihnen sagt:
stlidne tapo dugcarametadarthamaparnaya pelavayäpi taptam/
,ganz passend unterzog sich Parvati, obgleich schwach, diesen
Büssungen'; in dem stliane K. VII, 65 kann dem Sinne nach
Pärvati’s oben citirte Aeusserung: phalam dahsei gefunden
werden; es kann aber auch Bäna’s:
jdmatdram labdhumamum girigam
kiyanti punydni mayd krtdni
wie viel Verdienstliches that ich, um den Herrn des Berges
zum Schwiegersohn zu erhalten, auf K. VII, 65 hinweisen.
Dann fordert Braliman die Götter und Menschen auf, sich
auf ihre Plätze zu begeben: sarve devdh saha bhutaganair
yathdsthänamupavicantu K. VII, 71:
lieber Bäna's Parvatiparinayanätaka.
655
tarn (nämlich Brahman) anvagindrapramuklagca devdh saptar-
sckipurväh paramarshayagca/
g a n dg ca girydlayamanvagacchan,
nach ihm betraten die Götter mit Indra an der Spitze, jene
sieben Weisen, die grossen Seher und die Schaaren das Haus
des Berges.
Auf Brhaspati’s Gehciss treten Beide zum Altar; nachdem
(jliva in zwei Strophen N. p. 142 seiner Freude Ausdruck ver
liehen, ergreift er Pärvati’s Hand:
abhati balikeyam panispargena pulakitävayavä/
abhin.avavasantasaThqdddvirmukv.leva bälacütalatä //
N. p. 142.
,Es glänzt dies Mädchen, während ihre Glieder durch die Be
rührung mit der Hand freudig sich bewegen, wie ein frischer
Zweig des Mangobaumes im neuen Frühling seine Knospen
treibend'.
Vgl. romodgamahpjrdidurabhüdumäyäh K. VII, 77: es freute
sich Umä (die Härchen sträubten sich, Fritze Ratnävali). Beide
gehen rechts um das Feuer herum, vadhüvarau pdvakam pra-
dakshinam kurutam N. p. 144:
pradcckshinarh prakramandtkpgdnorudarcishastanmithunäm cakäqe/
als das Paar nach rechts hin das lodernde Feuer umschritt,
glänzte sie K. VII, 79. Der Rauch treibt entgegen:
gatvd pratwäham rdjati N. p. 144:
sei Idjadhümdnjaliviishtagandham gurüpadegädvadanam ni-
ndya/
auf Geheiss des Priesters zieht sie eine Hand voll des von den
Körnern aufsteigenden wohlriechenden Rauches gegen das Ge
sicht K. VII, 81; von Körnern spricht auch Bäna pärvatydh
päninä lajänjalim kdrayati (Brhaspati) N. p. 144:
prasvinn a g an d aphalakacyutapatra lekh a m
d h ü m d nushaTigagalitdnj anapätaläksham/
mldyadvasantakusumam mukhaindyatdkshyäg-
citte mamdrpayati kdmapi rdgamuclrdm N. p. 146.
Das Antlitz der Schönäugigen, welcher das Schönheitspflaster
von der schwitzenden Wange herabfiel, deren Augenschminke
42*
656
Glaser.
durch den Rauch vernichtet wurde, an dem Blumen des Früh
lings verwelkt waren, drückt meinem Herzen den Stempel
der Liebe anf; vgl. K. VII, 82:
tadishaddrdrärunag andal elih amucchvdsikäldnjavar dg amak-
shnolij
vadhü m u Je h a m Jcläntayavävatarisamdcära d h u m a grahanädba-
bliüva//
Von dem Gesichte der Verlobten, dessen zarte Wangen etwas
feucht und röthlich waren, aus deren Augen die Farbe einer
schwarzen Schminke herausleuchtete, als sie den Rauch des
Ceremonienfcuers an sich zog, hing welk ein Gerstenhalm
herunter.
An keiner Stelle lehnte sich Bäna so sehr an Kalidasa
an als hier, wo er folgende Wörter mit ihm gemein hat: ganda,
leleha, dhüma, rdga, muklia; mldyad kann als Synonym für leldnta
angesehen werden.
Nun fordert Brhaspati (Jiva auf, Pärvati’s Fuss auf den
Stein zu setzen; da dieser zögert smayamdnamulehcisiushntm
tishthati, so fordern ihn die anwesenden Weisen und Brahman
selbst dazu auf; dadurch bewogen samkucitdbhyam pdnibliyäm
pdrvatydJi pädalcamalamacmänamäropayati (Qiva).
Hier weicht Bäna von Kalidasa darin ab, dass in K.
VII, 85:
dhruvena bharträ dhruvadargandya prayujyamänä priyadar-
ganena/
Pärvati von dem standhaften, freundlichblickenden Gemahl auf
gefordert wird, den Nordstern anzusehen.
Nach Verrichtung dieser Ceremonie lässt Brhaspati den
Bräutigam und die Braut vadhüvarau Jjrahindnam pranamayati
N. p. 148:
ittliam vidhijnena purohitena prayulctapdni.grahanopaeäran/
pranematustau pitarau prajandxh padmäsanasthäya pitämahdya/j
,Als auf diese Weise von dem in den Vorschriften erfahrenen
Priester die Ceremonie der Handergreifung vollendet worden
war, verneigten sich beide Eltern der lebenden Wesen vor dem
grossen in Lotus sitzenden VateF K. VIT, 86.
Brahman spricht nun den Segen;
Uel'er Bäna's Pärvatiparinayanähika.
6ö7
sakaläjagatdm savitrorananyasämdnyarhastu väm prema/
bhuvanabhayabhangadäksho bhavatu kumdrorapi tdrakadlivarm
N. p. 148.
Liebet euch innig, wie sieh das Elternpaar der Welt liebte;
es werde euch ein Sohn geboren, fähig den Schrecken der
Welt zu verscheuchen, ein Tärakabezwinger: vgl.
vadhürvidhdtrd pratinandyate sma kaljdni viraprasavä bhaveti/
die Verlobte begrüsste der Schöpfer so: Liebliche, werde eine
Mutter von Helden. K. VII, 87.
In weiterer Ausführung der Handlung lässt aber Bäna
noch ein altes Mütterchen den Segenspruch nachdrücklich
wiederholen:
annoynasamasanrdnam annonnapparüdliapemmdnam/
jonhanisaaranam tumhdnam liodu kovi anuräo //
,Da ihr gegenseitig den gleichen Leib besitzet und gegenseitig
die Liebe euch wächst, so möge euch eine Neigung zu Theil
werden wie dem Mond und dem Mondensclieinh
Unmittelbar nach diesem Segenspruche heisst es N. p. 148:
ity ardrakshatdropanamacaranti sie gehen daran, frische
Gerstenkörner auszustreuen; das Gleiche ist auch im nächsten
Clokoupaar bei Kalidasa gesagt:
klptopucdrdm caturasravedim tävetya pagedtkanakäsanasthau/
jdydpati laukikameshaniyamdrdräkshatdropanamanvabhutäm,/j
,Nachdem Beide zum viereckigen vorschriftsmässig hergerichteten
Altar getreten und auf goldene Stühle sich gesetzt hatten,
warfen sie, wie gewünscht, frische Gerstenkörner nach. K. VII, 88.
Darauf verwendet sich Närada für Kama bhagavan deva-
käryahetoh krtdparddham kandarpam punargrMtavapusham päda-
kamalasevinaih ca bhavdnanugrhniyatdm Ehrwürdiger, lasse
Kama, welcher des Götterwerkes wegen die Schuld auf sich
geladen hatte, wieder seine frühere Gestalt annehmen und zum
Diener des Fusslotus werden N. p. 148; bei Kalidasa nehmen
sich alle Götter des Iväma an:
devastadante haramudhabhdryam kintabaddhdvjalayo nipatya/
gapavasdne pratipannamürteryaydeire pancagarasya sevdm //
Darauf erhoben die Götter die Hände in die Höhe, fielen nieder
und baten Qiva, nachdem er die Frau genommen, er möge
658
Glaser.
Kama, welcher gegen Ende des Fluches die frühere Gestalt
wieder erhalten hatte, ehren'. K. VI, 92. Bana’s sevinam ist ein
Anklang an Kälidasa’s sevdm.
fjiva erfüllte die Bitte:
yatliä rocate tathä bhavatu N. p. 150
tasyänumene bhagavdnvimanyurvydpdramätmanyapi säyakdnäm
,Jener VereBrungs würdige gab seinen Zorn auf und gestattete,
dass dessen Pfeile in sich selbst die Kraft ausüben sollen'
K. VII, 93.
In der drittletzten Strophe wird erzählt, dass Kama an
der Seite seiner Gattin erscheint, worüber sich Alle wundern.
Die vorletzte Strophe ist der freudige Ausdruck des
Himavat, dass er eine Gemahlin erhalten habe wegen seiner
vor Alters erworbenen Verdienste, und dass auch dem Liebes-
gotte seine frühere Gestalt wieder gegeben wurde, wodurch er
den Menschen wieder ein Gegenstand der Freude geworden sei.
Da fragt Qiva Himavat: kimatah paraiii priyamasti, was
für eine Gunst kann ich dir noch erweisen? vgl. Mrcchakatika
10. Act:
garvilaka/taducyatäm khh te bhüy'ah priyavi karomit
cdrudattah/labdhd cdritryaguddhigcarananipatitah gatrurapyesha
muktali
protkhdtärätimülah priyasuhrdacaldmäryakah gdsti rdjd/
prdptd bhuyah priyeyam priyasuhrdi bhavdnsamgato me vciyasyo
labliyam kiih catiriktam yadaparamadhund prärthaye-
harii bliavantamj/
Was gäbe es noch, was ich wünschen könnte? Mein guter Ruf
ist wieder hergestellt, auch dieser Feind, der mir zu Füssen
fiel, ist freigegeben; mein lieber Freund Äryaka hat dem Feind
die Wurzel ausgegraben und herrscht als Fürst über das Land;
die Geliebte hab ich wieder erlangt und du, mein Altersgenosse,
bist wieder mit dem lieben Freunde vereinigt. Aehnlich Pdr-
vati parinaya; Mm./ samadMgatasakalamanoratlidnäm kimatah-
param prarthaniyam/tathdpidam astu; nichtsdestoweniger
solle :
parjanyo vrshtimishtäm pradigatu jagato bhadrasampddayitrwi
gagvatsasyaih prarudhair bliavatu pulakitd sarvato bhütadhdtri/
Ueber Bäna's Pärvatiparinayanätaka.
659
vgl. wiederum Mj'cchakatikä 10. Act. fin. tathäpidamastu
ksMrinyali santu gävo bhavatu vasumati sarvasampannagasyä
parjanyah kälavarslii sakalajanamanonandino väntn vätäli/l
,Mögen die Kühe reichlich Milch geben, das Getreide überall
im Reich gerathen, Indra zur rechten Zeit regnen lassen, Winde
wehen, die aller Menschen Herz erfreuen'.
Der Schluss in Bäna’s Parvati parma.yanätaka entspricht
ganz genau dem der Mrcchakatika des Cüdraka.
Als K. VI. init. die Rshis mit ihrer Gattin Arundhati
vor Civa erschienen, erfasst ihn die Begierde, sich eine Gattin
zu nehmen; er wolle die Parvati heiraten, daher mögen sie
sich nach Oshadhiprastha begeben und Arundhati möge ihren
bewährten Rath nicht entziehen. Die Rshis kamen dem Wunsche
nach — 36; Oshadhinrastha beschrieben — 48; Himavat em
pfängt sie, stellt sich, seine Gattin und die Tochter ihnen zur
Verfügung — 63; Angiras trägt ihm im Namen der Rshis den
Wunsch Qiva’s vor — 83; während seiner Rede steht Parvati
schamerfüllt an der Seite des Vaters und spielt mit Lotus-
blättern 84; sie wird von der Mutter umarmt und von den
Rshis gesegnet; nach Feststellung des Hochzeitstages entfernen
sie sich 95. Vorbereitungen zur Hochzeit VII, 1—4; Parvati
geschmückt — 26; Civa geschmückt — 37; die ganze Natur,
die Sonne, alle Götter erweisen ihm Ehre; er begibt sich zum
Himavat — 54; Gespräche der Oshadhiprastherinnen, welche
den Iiochzcitszug ansehen — 69; Qiva und Parvati sind bei der
Begegnung sehr erfreut; nach der Verrichtung der üblichen
Hochzeitsgebräuche werden sie vereinigt 95.
Eine Neuerung des Schauspieldichters ist die Einführung
des Kämmerers, welcher die Oshadhiprastlier auffordert, ihre
Stadt zu schmücken; nicht benützt dagegen die Darstellung
der Sage im Epos, dass durch den Anblick der Arundhati
Qiva angeregt worden sei, sich eine Gattin zu nehmen, da ja der
in den beiden letzten Strophen des IV. Actes ausgesprochene
Wunsch nach einer baldigen Vereinigung eine neue Motivirung
nicht nöthig macht.
Auch das Gespräch Himavat’s mit (jilädhara bewegt sich
um die Schmückung der Stadt; der Arundhati in Kumära-
sambhava entspricht liier Kaugiki, abweichend vom Epos treten
hier noch Närada, Cärngi, Vrhaspati, Jayä und Vijayä auf;
660
Glaser.
gegen Ende des Actes erscheinen sogar Kulaparvatah und
Bhutaganäh und eine Matrone.
Wenn man das Gesagte überblickt, so ersieht man, dass
Bäna den Sagenstoff seinem Zwecke entsprechend verwerthete;
alle umfassenden Beschreibungen von Orten oder Personen,
weitschweifige Schilderungen der Gemüthszustände und breit
angelegte Beden, die den Fortgang der Handlung hindern,
mussten möglichst kurz wiedergegeben werden; dies ist an
K. I, 5—18, 29-50; II, 5—15, 18—28, 30—51; III, 25—44;
IV, 1—46, V, 9—30, 31—51, 64—73 ersichtlich; in der Schil
derung der Ausschmückung der Parvati dehnen sich beide
Dichter gleichweit aus — bei 14 cl. — VI, 53—63, 66—83.
Was das Verhältniss der Ausnützung des Kumarasambhava
betrifft, so steht in dieser Beziehung der siebente sarga oben
an, dann kommen 6, 3, 5, 2, 1, 4; an manchen Stellen gibt
das Nätaka nur eine Paraphrase des Kumarasambhava.
Was die Personen anbelangt, die in Kumarasambhava
redend oder thätig aufgeführt werden, so sind es folgende:
Brahma, Indra, Qiva, Himavat, Mena, Parvati, Närada, Kama,
Rati, Vasanta, eine Freundin der Parvati, Vrhaspati, Götter und
Berge; diese Zahl ist in Nätaka vermehrt durch den sütradhära
die näti, Vasantikä, Rambliä, Jayä, Vijayä, Devanandin, deva-
düta. kancukin, Qilddliara, Vishnu, vrddhapuvandlvryali, Icauciki;
kulaparvatah und bhutaganäh, einige Bewohner von Oshadhi-
prastha müssen gewiss, wenn auch als stumme Personen auf
getreten sein, während einige Oshadhiprästherinnen schon im
Kumärasamhhava 65—69 ihre Meinung nicht verbergen; aber
die Matrone Act V, N. p. 148 spricht nur einen gloka; be-
merkenswerth ist aber der Mangel einer komischen Rolle.
Eine orientirende Uebersicht über den Sprachstoff geben
folgende Indices.
I. Wörtliche Entlehnungen.
angamakliilam tailena, N. p. 128, K. VII, 9.
hrtängataila, N. p. 128, K. VII, 9.
krshnäjina . . . pänäväshädhadando, N. p. 96, K. V, 30.
ajinäshädliadharah, N. p. 96, K. V, 30.
Ueber Bana’s Pärvatiparinayanätaka.
661
avasara, N. p. 70, K. III, 64.
bandvasara, N. p. 70, K. III, 64.
ashtäbhirevatanubkir, N. p. 24, K. I, 58.
mürtyantaramashtamürtih, N. p. 24, K. I, 58.
drdrdkshatdropanamdcaranti, N. p. 148, K. YII, 88.
drdrdkshatdropanamanvabhütdm, N. p. 148, K. VII, 88.
räjakanyä, N. p. 68, K. III, 52.
sthavarakanyd, IST. p. 68, K. III, 52.
kdryam, N. p. 48, K. III, 3.
karaniyam, N. p. 48, K. III, 3.
kuncitapadam, N. p. 72, K. III, 70.
dkuncitapadam, N. p. 72, K. III, 70.
prasvinna g an d aphalakacyutapatra lekh a m , N. p. 144,
IC. VII, 82.
ärdrdruna gandalekham, N. p. 144, K. VII, 82.
cäpamanse dudhdnah, N. p. 48, K. II, 64.
cdpamdsajya kante, N. p. 48, K. II, 64.
tapasyati, N. p. 24, K. I, 58.
iapagcakdra, N. p. 24, K. I, 58.
tapasä ld krtoyamasmi ddsajanah, N. p. 110, K. V, 86.
tavdsmi ddsah .... kritastapoblnr, N. p. 110, K. V, 86.
dirghika, N. p. 36, K. III, 34.
.sarve deväh salia bhutaganair, K. VII, 71.
deväli. . . gandgca, K. VII, 71.
dorbhydmädäya, N. p. 78.
dhuma, N. p. 146, K. VII, 82.
patdkdh, N. p. 116, K. VII, 41.
pradalcsliinaiii prakramanät, N. p. 144, K. VII, 79.
pradaltshinam kurutdm, N. p. 144, K. VII, 79.
purushakrti bhasitayam, N. p. 74, 14. IV, 3.
purushäkrti kopdnalabasma, N. p. 74, K. IV, 3.
pitrndrh vane, N. p. 106, K. V, 77, 78.
pitrsadmagocarah, N. p. 106, K. V, 77, 78.
baddhagcirarii tishthatu sundarindm, N. p. 50, K. III, 5.
baddhah sa bhavatu sundarindm, N. p. 50, K. III, 5.
blmtapatir, N. p. 76, K. III, 74.
mukliam, N. p. 146, K. VII, 82.
bhasitarh vibhüshitam, N. p. 106, K. V, 77, 78.
vibliüslianodbhäsi, N. p. 106, K. V, 77, 78.
42**
G62
Glaser.
madlmrajrrhbhe, N. p. 62, K. III, 24.
madhur jcijrmbhe, N. p. 62, K. III, 24.
maugalamajjanavigadä, N. p. 128, K. VII, 9.
mangälasnanviguddhä, N. p. 128, K. VII, 9.
udghushyamänamalrimä, IST. p. 136, K. II, 6.
mahimanamudirayan, N. p. 136, K. II, 6.
mukulitäkslii, K. III, 76.
mukuliteksliana, K. III, 76.
murajä khvananti, N. p. 118, K. VI, 46.
murajasvanäh, N. p. 118, K. VI, 46.
rägam, N. p. 146, K. VII, 82.
Idjadhümänjalim, K. VII, 81, N. p. 144.
läjänjalun kärayati, K. VII, 81, N. p. 144.
prähinollo canäni, N. p. 70, K. III, 67.
vyäpdraydmasd vilocanäni, N. p. 70, K. III, 67.
ätmavy ay enäpi karma kartumudyuvje, N. p. 52,
K. III, 23. '
angavyaya prärthitakarmasiddhih, N. p. 52, K. III, 23.
väsadhärinydli, N. p. 128, K. VII, 9.
vdso vasdndm, N. p. 128, K. VII, 9.
sammolianam bdnam samädhatta, N. p. 70, K. III, 66.
sammohanam bdnam saniddliatta, N. p. 70, K. III, 66.
särundhatikali, N. p. 116, K. VII, 4.
sendnyam, N. p. 40, K. III, 5.
svantpam prakägya, N. p. 110, K. V, 85.
svarüpamästhdya, N. p. 110, K. V, 85.
saha viadhurilia, N. p. 48, K. II, 64.
saklujana, N. p. 26, K. I, 59.
sakhimetam, N. p. 26, K. I, 59.
strisannikarsliarh parijilurshayd saha bliutaganena
bliüpatirantardhanamakarot, N. p. 76, K. III, 74.
strisannikarsliam parihartumicchana,ntarda d:he b hü-
patili sabhütah, N. p. 76, K. III, 74.
giläkathinaih camraih, N. p. 86, K. V, 29.
gariraih kathinaih, N. p. 86, K. V, 29.
gete sä ... . sthandile, N. p. 86, K. V, 12.
ägeta sä . . . stliandila eva kevalam, N. p. 86, K. V, 12.
utpattisthitipralayair, N. p. 136, K. II, 6.
pralayasthitisargänäm, N. p. 136, K. II, 6.
Uebor Bäna’s Parvatiparinajanätaka.
603
II. Synonyma.
anurüpamanamäsädaya, N. p. 68, K. HI, 63.
ananyabhdjaih patimäpnuhi, N. p. 68, K. III, 63.
balena = vagitvädbalavan, N. p. 70, K. III, 69.
samyamya ~ vigrhya, N. p. 70, K. III, 69.
vishvak — digämopänteshu, N. p. 70, K. III, 69.
vilocanäni nyäpäritavän — drshtim' sctsarja, N. p. 70,
K. HI, 69.
antardadhe — antardhanamakarot, N. p. 76, K. III, 74.
sabMtah — sabhuta ganena, N. p. 76, K. III, 74.
ahirväsali — pinaddhabhogi, N. p. 106, K. Y, 77.
Synonyma, wenn mehrere in einer Strophe Vorkommen,
werden der Uebersichtlichkeit wegen zusammengestellt und nicht
alphabetisch geordnet.
äyäti kämali, N. p. 68, K. II, 64.
upatastlie pushpadhanvali, N. p. 68, K. II, 64.
paficabana — vianobhava, N. p. 64, K. III, 27.
anyapushta —■ dvirepha, N. p. 64, K. III, 27.
molianästram — curucäpam, N. p. 71, K. III, 70.
madana ■— ätmayonir, N. p. 72, K. III, 70.
lakslnhrta — prahartumudyatam, N. p. 72, K. III, 70.
vivrnvati — ävedayanti, N. p. 70, K. III, 68.
säkharh sakhibliir, N. p. 68, K. III, 52.
vanadevatdbhyam, IST. p. 68, K. III, 52.
Einzelne Synonyma sind in engster Verbindung mit wört
lichen Entlehnungen in Nr. 1 angeführt worden.
III. Gleichartig gebaute Attribute.
väslipasnapitonnatastani, N. p. 74, K. IV, 4.
vasudhälinganadhüsarastani, N. p. 74, K. IV, 4.
smitavikasitagande, N. p. 70, K. in, 67.
bimbaphalädliaroshtß, N. p. 70, K. III, 67.
mangalamajjanavigadä, N. p. 128, K. VII, 11.
maugalasnänavigudhu, N. p. 128, K. VII, 11.
IV. Gleichartig gebaute Strophen.
N. p. 64, K. III, 35.
N. p. 70, K. III, 67.
N. p. 82, K. V, 8.
664
Glaser. lieber Bäna’s Pärvatiparinayanätaka.
Concordanz der Stellen. 1
N. p. 8 = Ab. p. 579, 1. 20.
N. p. 8 = Ab. p. 583, 1. 13 seqq.
N. p. 24 = Ab. p. 583, 1. 12.
N. p. 36 = Ab. p. 586, 1. 6 seqq.
N. p. 48 = Ab. p. 588, 1. 25 seqq.
N. p. 48 = Ab. p. 589, 1. 5 seqq.
N. p. 50 = Ab. p. 589, 1. 15 seqq.
N. p. 52 = Ab. p. 589, 1. 28.
N. p. 62 = Ab. p. 591, 1. 30 seqq.
N. p. 63 = Ab. p. 591, 1. 33.
N. p. 64 = Ab. p. 593, 1. 11.
N. p. 66 = Ab. p. 592, 1. 26 seqq.
N. p. 68 = Ab. p. 593, 1. 10 seqq.
N. p. 68 = Ab. p. 593, 1. 22.
N. p. 70 = Ab. p. 593, 1. 25.
N. p. 70 —• Ab. p. 593, 1. 30 seqq.
N. p. 70 = Ab. p. 583, 1. 35.
N. p. 72 = Ab. p. 594, 1. 2 seqq.
N. p. 72 = Ab. p. 594, 1. 13.
N. p. 74 = Ab. p. 594, 1. 21.
N. p. 74 = Ab. p. 594, 1. 25 seqq.
N. p. 76 = Ab. p. 594, 1. 32 seqq.
N. p. 76 = Ab. p. 595, 1. 2 seqq.
N. p. 82 = Ab. p. 596, 1. 19 seqq.
N. p. 86 = Ab. p. 597, 1. 13 seqq.
N. p. 96 = Ab. p. 599, 1. 19 seqq.
N. p. 100 = Ab. p. 600, 1. 29 seqq.
N. p. 106 = Ab. p. 602, 1. 6.
N. p. 108 = Ab. p. 602, 1. 6 seqq.
N. p. 110 = Ab. p. 603, 1. 1.
N. p. 116 = Ab. p. 604, 1. 14.
N. p. 118 = Ab. p. 604, 1. 25.
N. p. 128 = Ab. p. 607, 1. 1.
N. p. 128 = Ab. p. 607, 1. 9.
IST. p. 136 = Ab. p. 608, 1. 27 seqq.
N. p. 142 = Ab. p. 610, 1. 19 seqq.
N. p. 144 = Ab. p. 610, 1. 27 seqq.
N. p. 148 = Ab. p. 611, 1. 14 seqq.
N. p. 150 = Ab. p. 611, 1. 26.
Mit N. ist die Bombayer Ausgabe des I’arvatiparinay.'Ulat.'ika, mit Ab.
der vorliegende Abdruck bezeichnet.
BIBL ÖAW
+YW1560104