SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
WEHE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
FÜNFUNDZWANZIGSTER BAND.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1857.
&
-
SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
FÜNFUNDZWANZIGSTER BAND.
Jahrgang 1857. Heft I und II.
(Itit J Karte n. 20 ®afe!n.)
■j, . - _ 40. a/N» »i
yOER WISSENSCHAFTEN
\ ^ WIEN.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD’S SOHN, BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1857.
3 0 0 0 00
2b-
INHALT.
Seite
Sitzung; vom 12. Juni 1857.
' Czcrmak, Beiträge zur Kenntniss der Beihilfe der Nerven zur Speichel-
secretion. (Mit 1 Tafel.)
[/Brücke, Über Gravitation und Erhaltung der Kraft
y Spitzer, Integration der Differentialgleichung (« 2 -f b 2 a?) y“+ (a t +b 1 x') y
+ ( a o + b o x ) y~0
Sitzung; vom 18. Juni 1857.
y Knochenhauer, Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende
Batterien
\ Schmidt, Oscar, Ergebnisse der Untersuchung der bei Krakau vorkom
menden Turbellarien
Heller, Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen. (Mit 3 Tafeln.) .
— Merkwürdiger Fall vorderer Verwachsung an Diplozoon para-
doxum
\[ Hauer, Karl Ritter v., Über das chemische Äquivalent der Metalle
Cadmium und Mangan
— Über die Zusammensetzung des schwefelsauren Cadmiumoxydes
— Über die Zusammensetzung des Kalium-Tellurbromides und das
Äquivalent des Tellurs
Sitzung; vom 25. Juni 1857.
^ Zantcdeschi, Delle dottrine d.el terzlTTuohö, --ossia della coincidenza
delle vibrazioni soriore, con un cenno sujla analogia, che pre-
sentano le vibrazioni luminose dello spettro solare. Memoria I.
(Con 1 tavola.J :
\( — Della corrispohdenza, che mostrano fra loro i corpi sonori
nella risonanza di piü suoni in uno. Memoria II. (Con 1 tavola.)
, — Della unita di misura dei suoqi musrnali, dei loro limiti, della
durala delle vibrazioni sul nervo acustico dell’ uomo, e dell’ in-
nalzamento dei tono fondamentale avvenuto nei diaspason di
acciajo , in virtu di un movimento spontaneo molecolare. Me
moria III. (Con 3 tavole.)
n/ Engel, Über Thierknospen und Zellen. (Mit 1 Tafel.)
vy Büchner, Über den Kohlenstoff- und Siliciumgehalt des Roheisens . .
\j «y»i, Das arterielle Gefässsystem der Rochen. (Auszug aus einer für die
Denkschriften bestimmten Abhandlung.) . . ....
3
19
31
71
87
89
109
111
133
139
143
103
172
183
231
236
VI
Seite
Fritsch, Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der Lufttempe
ratur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen der Pflan
zen, mit Berücksichtigung der Insolation und Feuchtigkeit . . 240
Littrow, Physische Zusammenkunft der Planeten Amphitrite und Mel-
pomene im November 1857 251
Hauer, Franz Ritter v. , Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von
Passau bis Duino. (Mit 4 Tafeln.) 253
\| Stur, Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen . 349
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften 423
Sitzung vom 9. Juli 1857.
y Czermak und Piotrowski, Über die Dauer und die Anzahl der Ventrikel-
Contractionen des ausgeschnittenen Kaninchenherzens . - . 431
' Unger, Beiträge zur Physiologie der Pflanzen. (Mit 1 Tafel.) . . . 441
'4 Hyrtl, Über die Plica nervi laryngei. (Mit 1 Tafel.) 471
Y Kreil, Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen in den afri
kanischen Missions-Stationen Chartum und Gondokorö . . 476
Sitzung vom 16. Juli 1857.
ff Schaefer, Über eine Vergiftung mit Milisgrün, nebst einer Reihe chemi
scher Untersuchungen, die Resorption und Ausscheidung von
Arsen und Antimonial-Präparaten betreffend 489
\) Gauster, Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel. (Mit
1 Tafel.) 498
-s/ C. v. Ettingshausen und Debey, Die urweltlichen Thallophyten des Kreide
gebirges von Aachen und Maestricht 507
\i Reichardt, Über die Gefässbündel - Vertheilung im Stamme und Stipes
der Farne 513
Grailich und Handl, Note über den Zusammenhang zwischen der Ände
rung der Dichten und der Brechungs-Exponenten in Gemengen
von Flüssigkeiten 515
Sitzung vom 23. Juli 1857.
H Krabbe, Über ein Trichosom in der Leber von Triton cristatus . . . 520
V v. Farkas-Vukotinovic, Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
(Mit 1 Karte.) 522
\J Reuss, Mineralogische Notizen aus Böhmen. (Mit 1 Tafel.) .... 541
— Über silurische Schalsteine und das Eisenerzlager vonAuval bei
Prag 563
v/ Brücke, Über den Bau der Muskelfasern 579
/ Kupffer und Ludwig, Die Beziehung der Nervi vagi und splanchnici zur
Darmbewegung . 580
i Ludwig und Spiess, Vergleichung der Wärme des Unterkiefer-Drüsen
speichels und des gleichseitigen Carotidenblules 584
\j Benedikt, Über die Abhängigkeit des elektrischen Leitungswiderstandes
von der Grösse und Dauer des Stromes 590
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften 601
Tabellarische Übersicht der Witterung in Österreich im Monate Mai 1857.
(Mit 2 Tafeln.)
SITZUNGSBERICHTE
DEU
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XXV. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1857.
JUNI.
3
SITZUNG VOM 12. JUNI 1857.
Eiiigescndete Abhandlung.
Beitrüge zur Kenntniss der Beihilfe der Nerven zur Speichel
secretion,
Von Johann Czcrmab,
Professor in Krakau.
(Mit I Tafel.)
Prof. Ludwig, der bekanntlich vor einigen Jahren die directe
Beihilfe gewisser Hirnnerven zur Speichelsecretion entdeckte 1 ), hat
im vorigen Sommer gefunden, dass auch die Reizung des sympathi
schen Astes der Gl submaxillaris, ja des Halstheiles des Sympathicus
selbst die Speichelsecretion einleiten könne.
Ohne von dieser letzteren Thatsache etwas zu wissen, habe ich
im Jänner 1. J. unabhängig von Ludwig durch 9 Versuchsreihen an
Hunden, die ich mit meinem Assistenten Dr. G. v. Piotrowski in
dem untermeiner Leitung stehenden physiologischen Institute der k. k.
Jagell. Universität zu Krakau anstellte, den Einfluss der Reizung des
Sympathicus am Halse auf die Speichelsecretion constatirt, überdies
aber die merkwürdige Wahrnehmung gemacht, dass die Reizung dieses
Nervenstammes unter gewissen Umständen auch hemmend auf den
mächtigen Speichelstrom einwirken könne, der bekanntlich bei der
Erregung des Drüsenastes vom N. lingualis, aus der Gl. submaxillaris
hervorquillt.
Eine kurze Notiz über meinen unerwarteten Fund habe ich
bei der kais. Akademie der Wissenschaften in einem versiegelten
1 ) Ludwig in der Mitth. der Zürich, naturf. Gesell. 1851.
1 •
4
Ozermak. Beitrage zur Kenntniss
Schreiben, welches Prof. Brücke am S. Februar l.J. zu überreichen
so gütig war, hinterlegt.
Jetzt stehe ich nicht mehr an, die vorläufigen Resultate meiner
Untersuchungen zu veröffentlichen, da ich während meines letzten
Aufenthaltes in Wien (Ostern 1837) im Laboratorium der k. k. Josephs-
Akademie gemeinschaftlich mit Prof. Ludwig und vor Kurzem auch
wiederim Krakauer Institute mitDr. von Piotr o wski eine neue Reihe
von einschlägigen Versuchen angestellt habe, die zwar noch lange
nicht als abgeschlossen zu betrachten sind und mich desshalb auch
noch fortwährend beschäftigen, die aber doch schon keinen Zweifel
mehr übrig lassen, dass die aus irgend einem Grunde im
Gange befindliche Speichelseeretion aus der Gl. sub-
maxillaris beim Hunde durch elektrische Reizung des
Halstheiles des Sympathicus unter gewissen Umständen
in kurzer Z eit auffallen d verl an gs amt, j a selbst gänz
lich zum Stehen gebracht werden könne.
Hinsichtlich der Ausführung meiner letzten Versuche will ich
Folgendes bemerken:
In den Ausführungsgang der Gl. submaxillaris wird ein kleines
Röhrchen eingebunden, an welches eine längere graduirte Glasröhre
von der Dicke eines Gänsekieles leicht angesteckt werden kann.
An der Eintheilung dieser in fast horizontaler Richtung fixirten
Steigrohre kann man den jeweiligen Stand der Speichelsäule genau
ablesen. Ist die Steigrohre voll, so wird sie entfernt, entleert, und dann
wieder angesteckt.
Die Reizung der Nerven geschieht auf elektrischem Wege ver
mittelst zweier von derselben Säule getriebener 1 ) Du Boi’sclier
Inductionsapparate, von denen der eine nur mit dem Drüsenaste des
N. lingualis, der andere nur mit dem Halstheile des Sympathicus durch
seinen Reizträger in Berührung ist.
Als Reizträger empfehlen sich hier (wie überall, wo es sich um
eine möglichst isolirte elektrische Reizung lebender Nerven bandelt)
jene einfachen Apparate, welche neuerlich inLudwig’s Labora
torium gebraucht werden.
Sie bestehen aus zwei Platindräthen, die auf einer biegsamen,
nicht leitenden, bandartigen Unterlage befestigt, bequem durch
1 ) Es versteht sich von selbst, dass nur einer der Unterbrecher in Thätigkeit belassen
der andere durch Herabdrehen der Stellschraube festgestellt wird.
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
5
angelöthete durchbohrte Kupfercylinder mit den Leitungsdräthen des
Inductionsapparates in Verbindung zu setzen sind. Sie haben den
grossen Vortheil, dass sie leicht unter dem eine kurze Strecke weit
frei präparirten Nerven durchgesteckt, dann umgebogen und sammt
dem von ihnen umgriffenen Nerven in die Tiefe der Wunde, welche
man schliesslich zunäht, zurückgeschoben werden können, so dass
die Nerven, vor schädlichen äusseren Einflüssen geschützt, unter mög
lichst günstigen Bedingungen sich befinden, stundenlang ihre Erreg
barkeit bewahren und unverrückt in der Öse zwischen den Platin-
dräthen ruhen.
Behufs der raschen beliebigen Unterbrechung der Wirkung der
Inductionsapparate habe ich nach Pflüger's Vorgang Nebenschlies
sungen aus dickem Kupferdrath angebracht.
Die mit Glaspapier blank geriehenen Köpfe der Schrauben,
welche die Leitungsdräthe an die Inductionsrolle befestigen, steckten
nämlich in durchbohrten Korken und bildeten so den Boden kleiner
mit Hg. gefüllter Näpfchen, die dann nach Belieben durch einen kurzen
dicken Kupferdrath leitend verbunden werden konnten.
Ich habe mich überzeugt, das wenn die Enden des als Neben
schliessung gebrauchten Kupferdrathes in die Quecksilbernäpfchen
tauchen, auch der empfindlichste Froschschenke] keine Spur von
Wirkung in dem Kreise der Leitungsdräthe anzeigt, während dieselbe
sofort in beliebiger Stärke eintritt, sobald man den Kupferdrath aus
den Quecksilbernäpfchen heraushebt.
Auf diese Art konnte ich überaus bequem, sicher und schnell bald
beide Nerven zugleich, bald den einen oder den anderen für sich allein
in Erregung versetzen oder alle Beizung unterbrechen, ohne irgend
eine Störung der Thätigkeit der Säule und der Inductionsapparate,
und ohne unipolare Wirkungen befürchten zu müssen. Je nach der
Stellung der beiden Inductionsrollen auf den Du ßoi’schen Schlitten
konnten die beiden Nerven nach Belieben mit gleicher oder verschie
dener Intensität erregt werden. Es versteht sich, dass die Wirkungen
der Apparate hei gleicher und hei verschiedener Stellung der Induc
tionsrollen vorher mit einander verglichen werden müssen.
Ist alles in der angegebenen Weise vorgerichtet, so kann man
zu den Versuchen seihst schreiten, und einem Gehilfen, der die
absolute Zeit notirt, die gewählte Anordnung der Erregung und den
jeweiligen Stand der Speichelsäule dictiren.
6
C/. er rank. Beiträge zur Kenutniss
Herr Dr. v.Piotrowski, der ein geübter Stenograph ist, hat mir
bei diesen Versuchen durch seine Geschicklichkeit und Gewissen
haftigkeit im Notiren die wesentlichsten Dienste geleistet.—
Indem ich zur Mittheilung der Resultate meiner Untersuchungen
übergehe, muss ich jedoch nochmals hervorheben, dass ich nur die
letzten Versuchsreihen in der skizzirten exacten Weise ausgeführt
habe, indem sich die Methode erst mit der öfteren Wiederholung der
Experimente so weit vervollkommnete.
1. Durch Reizung des N. Sympathicus am Halse, mag derselbe
undurchschnitten sein oder nach der Durchschneidung sein Kopfende
gereizt werden, ist es möglich die Speichelsecretion aus der Gl.
submaxillaris einzuleiten.
In weitaus den meisten Fällen ist das Steigen der Speichelsäule
nur unbedeutend und hört dann auch fast immer schon nach sehr kur
zer Zeit, trotz fortdauernder Reizung, gänzlich oder fast gänzlich auf,
beginnt aber manchmal nach Unterbrechung der Reizung von selbst
wieder.
Nur bei einem einzigen Hunde veranlasste die Reizung des
Sympathicus wiederholt ein sehr beträchtliches continuirliches Steigen
der Speichelsäule, ähnlich wie die Reizung des Drüsenastes vom
N. lingualis.
Spätere Versuche werden die Bedingungen, unter welchen solche
scheinbare Ausnahmsfälle eintreten, zu ermitteln haben.
Bei der Reizung des Sympathicus erweitert sich zugleich,
bekanntlich, die Pupille, und es gehen beide Erscheinungen (Pupillen
erweiterung und Speichelsecretion) meist Hand in Hand, doch habe
ich mich überzeugt, dass zuweilen die eine ohne die andere auftritt.
2. Durch Reizung des Drüsenastes vom N. lingualis wird nach
Ludwig’s glänzender Entdeckung eine in der Regel überaus copiöse
Speichelabsonderung eingeleitet und die Flüssigkeit schreitet sehr
rasch und continuirlich in der graduirten Steigrohre fort, doch steigt
die Speichelsäule nicht immer mit gleichförmiger Geschwindig
keit, sondern erfährt zuweilen eine beträchtliche Verlangsamung
oder Beschleunigung ihrer Bewegung, was sich unmittelbar aus
der Betrachtung einiger schon von Ludwig mitgetheilten Curven
ergibt.
Ludwig schob diese Unregelmässigkeiten auf die Mangel
haftigkeit seiner damaligen Reizungsmethode. Meine weiter unten
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
7
mitgetheilten Erfahrungen scheinen jedoch ein ganz anderes Licht auf
diese Erscheinung zu werfen; namentlich da sich in jenem Drüsen
aste von Lingualis auch sympathische Fäden, und in der Drüse selbst
Ganglienkugeln finden.
In seltenen Fällen erscheint die Speichelsecretion bei Reizung
des Drüsenastes vom N. lingualis auffallend gering, oder bleibt auch
völlig aus.
Ein solcher Fall war es, der mich zur Entdeckung der „Hemmungs-
Erscheinungen“ bei Reizung des Sympathicus führte.
Ich hatte am 23. Jänner laufenden Jahres die gewöhnlichen Vor
bereitungen zu den Versuchen über Speichelsecretion getroffen, hatte
aber den Versuch mit der Reizung des Sympathicus, statt wie sonst
mit der des Drüsenastes vom N. lingualis, begonnen und sah nun
zu meinem grossen Erstaunen, dass auf Reizung des Drüsenastes vom
N. lingualis, welche unmittelbar nach Unterbrechung der Sympathicus-
Reizung eingeleitet wurde, das Steigen der im Anfangstheile der
graduirten Röhre stockenden Speichelsäule gänzlich ausblieb.
Ich reizte dann den Sympathicus und den Drüsenast vom Lin
gualis wiederholt nach einander, doch ohne Erfolg, d. h. ohne ein Stei
gen der Speichelsäule zu erzielen. Missmuthig über dieses scheinbare
Misslingen des Versuches gab ich seine Fortsetzung, etwas übereilt,
auf und verzeichnete denselben mit wenigen Worten als misslungen
in meinem Tagebuche. Später jedoch überlegte ich mir die Sache
genauer und kam sofort auf den Gedanken, ob nicht etwa die
wahrgenommene Hemmung der Speichelsecretion einer durch die
vorangegangene ausgiebige Reizung des Sympathicus bewirkten
Veränderung des Kreislaufs, der Gefässe oder irgend welcher Drüsen
oder Nervenelemente zuzuschreiben sei?
Ein zweiter in derselben Weise angestellter Versuch schien den
in mir aufgestiegenen Verdacht zu rechtfertigen.
Weitere Versuche widersprachen zwar meiner ursprünglichen
Vermuthung, allein die Unmöglichkeit einer irgendwie hemmenden
Wirkung des Sympathicus auf die Speichelsecretion war damit noch
nicht bewiesen.
Ich bin jetzt sehr zufrieden, dass ich mich durch diese negativen
Erfahrungen nicht gleich von der Verfolgung des einmal gefassten
Gedankens habe abschrecken lassen, da an meiner ersten Vermuthung
immerhin etwas Wahres bleibt und die Experimentalphysiologie
8
Czermak. Beiträge zur Kenntniss
durch die sogleich mitzutheilenden Resultate meiner späteren Versuche
um eine sehr merkwürdige Thatsache bereichert wird.
3. Ich setzte meine Untersuchung, nachdem sie einmal aus dem
Stadium der beiläufigen Vorversuche herausgetreten war, in der
Absicht fort, zunächst zu ermitteln wie sich das Steigen der Speichel
säule verhalte, während der Sympathicus und der Drüsenast vom
Lingualis zu gleicher Zeit gereizt werden.
In dieser Beziehung hat sich bei dem vorletzten und letzten
Hunde, von denen der erstere nur auf einer, der letztere aber auf
beiden Seiten operirt worden war, aus 18 hinter einander angestellten
Versuchen mit aller nur wünschenswerthen Sicherheit ergeben, dass
die Speichelsäule gleich beim Beginn der Reizung beider undurch
schnittenen, in ihren natürlichen Verbindungen belassenen Nerven (der
Sympathicus wurde stets durch etwas stärkere elektrische Ströme
erregt als der Drüsenast des Lingualis), oder doch bald nach dem
Beginne derReizung, mit sehr grosser, beschleunigter Geschwindigkeit
zu steigen begann, aber schon nach IS—30 Sec. eine sehr auffallende,
rasch wachsende Verzögerung ihrer Bewegung erfuhr und endlich in
mehreren Fällen in gänzlichen Stillstand gerieth, während sie bei
alleiniger Reizung des Drüsenastes vom Lingualis viel längere
Zeit in mehr oder weniger gleichmässigem raschen
Steigen verblieben wäre. (Vgl. Fig. 1 und S mit den übrigen.)
Wurde dann die Reizung beider Nerven unterbrochen, so stellte sich
als Nachwirkung (durch Reflex?) ein ganz allmähliches Steigen
der Speichelsäule ein.
Wurde nur die Reizung des Sympathicus unterbrochen, so ergab
die fortgesetzte Reizung des Drüsenastes des Lingualis meist eine
verhältnissmässig sehr geringe Wirkung, ja in einem Falle, wo in
Folge der Erregung beider Nerven nach der anfänglichen Beschleu
nigung des Steigens der Speichelsäule endlich völliger Stillstand
derselben eingetreten war, blieb die Speichelsäule sogar während
einer über eine halbe Minute andauernden Reizung des Drüsenastes
vom Lingualis unverrückt stehen. (Siehe Fig. 2.) Dieser Fall
dürfte beitragen, jenen oben erwähnten, scheinbar misslungenen Ver
such, der mich zu den vorliegenden Untersuchungen veranlasste, zu
erklären.
Die Wirkung der nach Unterbrechung der Reizung des Drüsen
astes vom Lingualis fortgesetzten Sympathicus-Reizung ersieht man
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
9
aus Fig. 2. In ähnlicher hemmender Weise wirkt die Sympa-
thicus-Reizung auch auf den Speichelstrom, der in Folge einer
Nachwirkung einer früheren Erregung aus der Drüse hervorquillt.
(Vgl. Fig. 3.)
Nach meiner unmassgeblichen Auffassung nun dürfte, wie gesagt,
in den von mir aufgefundenen Thatsaclien eine neue Art von
„Hemmungs erscheinun g“ vorliegen, welche unverkennbar eine
gewisse Analogie hat mit der von Ed. Weber und J. Budge ent
deckten Hemmung der Herzthätigkeit durch Reizung der Vagi, so wie
mit dem von Pflüger entdeckten Stillstehen der peristaltischen
Darmbewegungen in Folge einer Reizung der N. splanchnici, und
welche, wie es scheint (wenigstens zum Theil), unter dem Imperium
des sympathischen Nervensystems steht.
Im vorliegenden Falle sind die Verhältnisse offenbar noch viel
verwickelter, die Bedingungen der Erscheinung viel complexer als
bei der Hemmung der Herz- und Darmbewegungen, wesshalb es
vorläufig bei der Mittheilung der nackten Thatsaclien, welche mit
der Zeit wohl manchen erweiternden und beschränkenden Zuwachs
erhalten werden, sein Bewenden haben muss.
Schliesslich erlaube ich mir die letzte am 24. Mai 1. J. an einem
mittelgrossen, auf beiden Seiten operirten männlichen Hunde, mit
aller Exactheit und Bequemlichkeit der oben skizzirten Beobachtungs
methode angestelltc Versuchsreihe in Extenso mitzutheilen.
A. Versuchsreihe auf der rechten Seite.
Es wurde mit der Reizung des Drüsenastes vom N. lirtgualis
begonnen um:
Jeweiliger Stand der Speichelsäule an der Millimeterscale der
Steigröhre.
io
30
31
32
37
IS
30
3ä
45
80
0
12
17
0
0
10
20
30
40
50
(10
70
10
Czermak. Beiträge zur Kenntniss
Jeweiliger Stand der Spcichelsänle an der Milliraeterseale der
Steigrohre.
24
26
29
31
35
43
80
88
90
95
100
110
Nun wurde die Reizung unterbrochen. als Nachwirkung ergab
sich :
10
32
33
55
25
!irl
120
130
140
Die Steigrohre wurde entfernt, zum grössten Theil (bis auf
30 Min.) entleert und wieder angesteckt. Es begann die gleichzeitige
Reizung des Drüsenastes vom Lingualis und des Sympathicus um:
10
35
36
10
14
17
21
29
35
43
52
5
30
30
40
50
60
80
90
100
105
| HO
113
Jetzt stand die Speichelsäule still. Die Reizung des Sympathicus
wird unterbrochen um 10 h 36"'50 s , die fortgesetzte Reizung des
Drüsenastes vom Lingualis allein dauerte bis:
10
37
25
113
der Stand der Speichelsäule blieb derselbe. Nach Unterbrechung der
Reizung des Drüsenastes vom Lingualis, also nach Unterbrechung
aller Reizung ergab sich als Nachwirkung:
10
37
38
41
45 I 114
10 1 115 (Schlingbewegung.)
36 120
2(1 123
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
11
Nachdem Stillstand eingetreten war, wurden wieder beide
Nerven gleichzeitig gereizt um:
H.
M.
Stand der Speichelsäute.
to
41
42
43
87
2
6
10
17
20
25
31
42
44
47
54
3
130 (Durch Verrückung der Steigrohre.)
140
150
160
170
175
180
185
189
190
191
192
193
Die Reizung des Sympathicus wird unterbrochen,
gesetzte Reizung des Drüsenastes vom Lingualis ergab :
Die fort-
10
10
10
10
43
44
44
46
47
47
48
48
16
25
34
40
45
49
52
56
59
3
7
9
15
34
0
15
20
32
36
42
51
4
15
30
45
0
7
20
194
195
196
197
198
199
200
201
202
203
204
205
206
208
0
0
10
20
25
30
35
40
41
41
42
42
43
43
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung:
Stillstand; die Steigrohre wird entleert und dann
wieder beide Nerven gereizt:
Die Leitung zuin Drüsenast vom Lingualis unter
brochen, der allein gereizte Sympathicus er
gab:
Alle Reizung unterbrochen um:
Nachwirkung:
12
Czermnk. Beitrüge zur Kenntnis»
H.
Stand der Speiclielsüule.
10
10
11
11
11
II
48
SO
52
53
57
58
59
0
1
2
2
4
7
8
9
25
30
45
50
55
25
35
45
54
9
36
49
0
13
27
36
55
0
20
33
43
54
10
20
28
58
57
40
30
46
25
55
45
49
51
52
54
54
60
65
70
74
80
85
90
93
95
99
100
105
106
110
112
115
120
121
123
124
124
124
126
126
127
Stillstand; abermalige Reizung beider Nerven
um:
Schlingbewegung.
Die Leitung z. Sympatbicus unterbrochen; Rei
zung des Drüsenastes v. Lingualis allein.
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung.
Stillstand; abermalige Reizung beider Nerven
(mit verstärkten elektrischen Strömen).
(Schlingbewegung).
(Reizung noch mehr verstärkt).
(Stillstand).
B. Versuchsreihe auf der linken Seite.
Heide Nerven zu gleicher Zeit gereizt um:
Stand der Speichelsiiiile.
12
20
27
30
33
35
40
44
49
10
20
30
40
45
50
52
5
ff
der Beihilfe der Nerven zur Speiehelsecretion.
13
H.
M.
12
Stand der Speiehelsäule.
SS S4
0 SS
6 S6
17 60
30 i 61 Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung.
40 ! 62
SO i 63
23 ! 66
Die Steigrohre wurde entleert und um 12" 4Min. 20 Sec. wieder
angesteckt, so dass die Flüssigkeit in der Röhre bei 5 Millim. stand.
Nachwirkung dauert fort:
12
12
12
12
12
12
12
12
9
10
11
12
13
13
20
28
33
43
6
IS
23
40
48
S1
SS
3
10
23
40
43
47
SO
SS
0
5
10
20
30
48
35
40
20
30
12
17
20
22
23
27
30
35
S
10
IS
20
33
40
43
SS
58
39
60
61
62
64
63
66
70
80
85
90
95
100
103
110
ISS
15
23
35
40
50
60
70
80
83
90
100
Um:
wird der Sympath. allein zu reizen begonnen:
Sympathicusreizung unterbrochen, daf. heg. um :
die Reizung des Drüsenastes vom Lingualis.
Alle Reizung unterbrochen: Nachwirkung:
Nach theilweiser Entleerung der Steigrohre:
Um:
beginnt abermals die gleichzeitige Reizung
beider Nerven:
i
14
C z e r in a k. Beiträge zur Kenntniss
H.
M.
12
12
12
12
12
12
12
12
12
12
14
14
15
IS
16
16
17
18
18
18
19
19
19
20
21
22
22
22
38
42
45
47
51
0
10
21
30
23
28
31
34
37
39
44
47
50
53
58
3
8
13
17
25
36
58
38
55
12
30
40
44
47
49
61
53
55
59
10
20
26
45
0
0
0
5
30
40
46
107
108
109
110
112
113
115
116
117
120
125
130
135
140
145
150
155
158
160
163
165
166
167
168
169
170
171
7
10
12
14
15
20
30
40
50
60
70
80
100
104
105
109
111
120
8
10
14
15
30
Stand der Speichelsäule.
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung:
Abermalige gleichzeitige Reiz, beider Nerven:
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung.
Die Steigrohre wurde bis auf 7 Mm. entleert;
Nachwirkung dauert fort.
Um:
beginnt wieder gleichzeitig die Reizung beider
Nerven:
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung:
Steigrohre bis auf 8 Mm. entleert:
Um:
begann abermals die gleichzeitige Reizung
beider Nerven.
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
15
M.
12
12
12
12
12
12
12
12
12
23
24
23
23
26
26
27
27
28
29
29
30
33
34
34
48
31
33
37
0
3
12
16
23
30
36
42
47
0
16
29
36
41
43
43
49
34
36
0
12
20
38
42
34
13
53
10
24
45
15
25
34
36
38
43
48
53
4
12
20
33
40
0
23
50
56
40
60
70
75
80
85
88
89
90
92
93
94
93
99
100
109
110
120
130
140
150
160
163
170
173
175
179
180
183
185
5
8
9
11
14
15
30
40
50
60
70
75
80
82
83
84
83
93
99
100
110
Stand der Speichelsiiule.
Unterbrechung aller Reizung; Nachwirkung:
Nochmalige gleichzeitige Reizung beider Nerven.
Unterbrechung aller Reizung; Nachwirkung.
Steigrohre bis auf 5 Millim. entleert; Nach
wirkung dauert fort.
Um:
abermalige Reizung beider Nerven.
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung.
Um:
begann abermals die gleichzeitige Reizung bei
der Nerven.
16
Czerinak. Beitrage zur Kenutniss
12
12
12
12
12
12
12
12
12
12
12
35
36
37
39
40
41
42
43
44
45
48
49
50
50
51
51
52
59
3
7
12
16
21
27
35
58
55
20
20
45
17
23
25
29
32
36
44
51
42
9
18
29
39
48
55
54
27
32
15
3
10
14
19
25
32
36
45
53
0
6
13
20
27
1
35
15
130
150
160
165
168
170
172
175
180
190
9
16
19
20
30
40
60
70
80
85
90
95
100
105
110
115
120
125
134
7
11
14
15
30
50
70
80
85
90
95
100
105
110
115
120
125
130
5
8
Stand der Speichelsäule.
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung :
Steigröhre bis auf 9 Millim. entleert.
Um:
wurden wieder beideNerven gleichzeitig, jedoch
mit schwächeren Strömen gereizt.
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung:
Steigrohre bis auf 7 Millim. entleert.
Um:
wurden wieder beideNerven gleichzeitig, jedoch
mit stärkeren Strömen gereizt.
Die Leitung zum Sympathicus unterbrochen;
der allein gereizte Drusenast vom Lingualis
ergab:
Alle Reizung unterbrochen ; Nachwirkung:
Steigrohre bis auf 5 Milim. entleert:
s
der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
17
H.
M.
Stand der Speichelsäule.
(2
(2
i2
1
i
53
33
34
54
53
55
57
4
40
50
55
58
2
7
11
16
24
33
40
53
7
46
16
40
27
36
40
44
52
0
8
22
34
50
1
11
20
26
31
41
46
57
3
6
24
29
34
30
46
97
13
10
30
50
60
65
68
71
75
80
84
85
87
89
92
95
97
97
110
130
140
160
170
180
190
200
220
230
240
250
260
265
275
288
290
295
300
320
325
330
335
340
344
350
Abermals wurden die beiden Nerven gleichzeitig
gereizt um:
Die Leitung zum Drusenast desLingualis unter
brochen; fortdauernde Sympatbicus-Reizung:
Alle Reizung unterbrochen; Nachwirkung:
Um:
wurde der Drüsenast des Lingualis mit ver
stärktem Strom allein gereizt.
Um:
wurde auch die Leitung zum Sympathieus her
gestellt; die gleichzeitige Reizung beider
Nerven (die Ströme für den Sympathieus waren
jedoch nicht verhültnissmässig verstärkt
worden) ergab nun;
Silzh. d. mathein.-naturw. CI. XXV. ßd. I. Hft.
2
1 8 Czer malt. Beitrüge z. Kenutnissd.Beihilfe d. Nerven z.Speichelsecretion.
Die beifolgenden Tafeln enthalten die graphischen Darstellungen
einiger Bruchstücke der vorstehenden Versuchsreihe.
Ein Grad der Abscissenaxe entspricht einer Secunde, ein Grad
der Ordinatenaxe einem Millimeter der Scala der Steigrohre.
Welchem Bruchstücke der Versuchsreihe die einzelnen Curven
entsprechen, ersieht man leicht aus der absoluten Zeit, welche an der
Abscissenaxe notirt ist. Zur Erleichterung der Übersicht habe ich
überdies jede Curve durch Sternchen in Abschnitte getheilt, welche
mit den Worten Sympathicus und Lingualis, Lingualis allein, Sym-
pathicus allein, Nachwirkung u. s. w. bezeichnet sind, was so viel
heisst, als: während der gemeinschaftlichen Reizung des Sympathicus
und des Drusenastes vom Lingualis, während der alleinigen Reizung
des Drusenastes vom Lingualis, während der alleinigen Reizung
des Sympathicus, während der Unterbrechung aller Reizung u. s. w.
Czermak . Beiträge zur Kemrtnifs der Beihilfe der Nerven zur Speichelsecretion.
Brücke. Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
19
Vorträge*
Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
Von Brust Brücke.
Am 27. Februar dieses Jahres hielt Faraday in der Royal
society einen Vortrag, in welchem er nachzu weisen suchte, dass
unsere gangbare Vorstellung von der allgemeinen Schwere nicht mit
dem Satze von der Erhaltung der Kraft in Einklang stünde. Er defi-
nirt die Schwerkraft nach eben dieser gangbaren Vorstellung als
„eine einfache anziehende Kraft ausgeübt zwischen zwei oder zwi
schen allen Partikeln oder Massen, in jeder merklichen (sensible)
Entfernung, aber mit einer Energie (strength), welche wechselt,
umgekehrt wie das Quadrat der Entfernung.“ Er macht hier zu
nächst darauf aufmerksam, dass diese Definition eine actio in distans
voraussetze, ein Punkt, der schon Newton Schwierigkeiten bereitet
habe, und über den er sich in seinem dritten Briefe an Bentley
folgendermassen ausgesprochen:
„Tliat gravity should he innate, inherent and essential to
matter, so tliat one body may act upon another at a distance,
tlirough a vacuum, without tlie mediation of any tliing eise, by
and tlirough icicli tlieir action and force may be conveyed from
one to another, is to me so great an absurdity tliat I believe no
man who has in pliilosophical matters a competent faculty of
thinking lcan er er fall into it. Gravity must be caused by an agent
acting constantly according to certain laws; but wetlier this agent
be material or immaterial lluivc left to tlie consideration of my
read ers.“
Weiter zeigt Faraday, dass, wenn zwei Partikeln von einan
der entfernt werden, ihre Anziehung zu einander abnehme. Dies
heisse nichts anders, als es werde Kraft vernichtet. Wenn zwei Par
tikeln einander genähert würden, so nehme ihre Anziehung zu, das
2 •
20
H rück e.
heisse, es werde Kraft erzeugt. Beides sei unvereinbar mit dem
höchsten Naturgesetze, mit dem Gesetze von der Erhaltung der
Kraft. Wenn wir uns ein Partikel isolirt denken und ohne Gravita
tionskraft und bringen dann ein zweites hinzu, so entsteht Anzie
hungskraft, der Annahme nach von beiden Seiten, es werde also
nach der gangbaren Vorstellung wiederum Kraft erschaffen.
Ferner wenn wir uns das Theilchen B vom Theilchen A unend
lich weit fortgebracht denken, so ist die Anziehungskraft unendlich
vermindert, es ist als oh B in Rücksicht auf A vernichtet wäre, und
die Kraft von A wird zu derselben Zeit auch vernichtet sein. Dasselbe
Raisonnement lässt sich auf ein und auf viele Partikeln anwenden.
Wenn ein Körper sich dem andern in gravierender Bewegung nähert,
so häuft er in Folge der vis inertiae in sich eine Quantität mecha
nischer Kraft an, und doch hat die vis attractionis nicht abgenommen
durch die Annäherung sondern zugenommen. Wird aber durch die
äussere mechanische Kraft der Körper in entgegengesetzter Richtung
entfernt, so wird dadurch keine Kraft aufgespeichert, sondern die
vis attractionis ist in Folge der grösseren Entfernung nur vermindert
worden. Desshalh meint Faraday, seien unsere jetzigen Vorstellun
gen von der Ursache der Schwere nicht im Einklänge mit dem Ge
setze von der Erhaltung der Kraft, so lange nicht nachgewiesen
wird, wo die erzeugte Kraft herkommt und die verschwundene Kraft
bleibt. Er zweifelt nicht an der allgemeinen Anwendbarkeit des
Satzes von der Erhaltung der Kraft, aber er glaubt, dass wir mit
unserer Definition der allgemeinen Schwere nur eine Wirkungsweise
dieser Kraft (one exercise of that poivcrj beschreiben und dass sie
eine unvollkommene Vorstellung von der Natur der Kraft im Gan
zen gebe.
Seit langer Zeit ist keine physicalische Frage von solcher Trag
weite allein mit Worten und ohne allen mathematischen Apparat, ohne
Hilfe jener wunderbaren Symbole discutirt worden, deren lakonische
Beredtsamkeit eindringlicher und überzeugender spricht als die Zun
gen von Ci cero und von Demosthenes. Wenn aber der erste Physi
ker der Welt, wenn Michael Fara day die Discussion beginnt und
so beginnt, so ist dies gewiss ein Zeichen, dass es auch an der
Zeit sei, sie so zu führen.
Wenn ich es wage, mich an derselben zu betheiligen, so ge
schieht es nicht weil ich mich jenem grossen Manne auf seinem
Über Gravitation und Erhaltung 1 der Kraft.
21
Felde gewachsen fühlte, sondern weil mein Fach, die Physiologie,
mich vielleicht in Stand setzt auf dies oder jenes aufmerksam zu
machen, was dem Gedankengange des englischen Physikers ferner
lag. Stets darauf hingewiesen, die Augen dem inneren Menschen
zuzuwenden, vermag ich vielleicht auf einzelne Punkte des Zusam
menhanges zwischen unseren Anschauungen und den natürlichen
Dingen seihst hinzuweisen, welche uns das Verhältniss des Gravi
tationsgesetzes zu dem von der Erhaltung der Kraft in einem andern
Lichte erscheinen lässt.
Was ist es was man in der Physik mit dem Namen einer Kraft
bezeichnet? Wir Menschen stehen der Aussenwelt gegenüber wie
eine Camera obscura, auf deren Grund sie ihre stets wechselnden
Lichtbilder wirft; wir können diese Bilder an und für sich nicht
begreifen, noch die Gegenstände von denen sie herrühren, aber wir
sehen, dass unter denselben Umständen wiederum dieselben Bilder
erscheinen und diese Gesetzmässigkeit ihres Erscheinens erlaubt uns
dasselbe voraus zu bestimmen; wir entwerfen zu diesem Zwecke in
sprachlichen oder mathematischen Symbolen Formeln, und nennen
die Principien, aus welchen sich dieselben herleiten lassen, Natur
gesetze.
Wir haben fortwährend Bewegungen vor uns, theils in Form
von Massenbewegungen, theils in Form von Bewegung kleinster
Theile gegen einander, in Form von Wärme, oder wenn die Strah
len dieser Wärme unsere Sehnerven erregen, in Form von Licht.
Wir haben die Umstände, unter denen diese Bewegungen wechseln
und einander folgert, derartig studirt, dass wir ihre Erscheinungs
weise, ihre Intensität, ihre Richtung im voraus bestimmen können,
und wir haben gefunden, dass die hiezu dienenden Formeln die ein
fachste Gestalt annehmen, wenn wir den einzelnen Theilen der Ma
terie Attribute beilegen, welche wir Kräfte nennen und deren Grösse
wir von Masse und Entfernung der Theile abhängig machen. Nie
mand kann beweisen, dass diese Attribute eine reelle Existenz haben
im engeren Sinne des Wortes, dass sie an den Dingen selbst und
ausserhalb der menschlichen Gedankenwelt existiren. Wir kennen aus
der sinnlichen Erfahrung keine anderen reellen Ursachen der Bewe
gungen als wieder andere Bewegungen und so fort, bis die Glieder
der Kette unseren Blicken entschwinden; aber wir helfen unserer
Bathlosigkeit ab dadurch, dass wir gedachte Ursachen hinstellen,
22
Brücke.
die wir Kräfte nennen, und mit denen wir, und zwar wie die Erfah
rung lehrt mit gutem Erfolge, schalten, als ob sie die reellen Ursa
chen der Bewegungen wären: sie existiren thatsächüch in unserer
Gedankenwelt und haben dort ihre volle Berechtigung, ob sie auch
existiren würden, wenn es nie ein denkendes Wesen gegeben hätte,
das ist eine Frage, die der Mensch nicht entscheiden kann, weil
es eben ausserhalb seiner Gedankenwelt keine Erkenntniss für ihn
gibt. Alle Naturforschung läuft darauf hinaus, das unmittelbar sinn
lich Wahrnehmbare zu erfassen, sich dasjenige, welches der unmit
telbaren sinnlichen Wahrnehmung durch seine räumlichen oder zeit
lichen Dimensionen entzogen ist, durch Instrumente, durch Versuche
und durch Induetion aufzuschliessen, und endlich unter säinmtlichen
Erscheinungen einen Zusammenhang herzustellen, der mit unseren
Denkgesetzen im Einklänge ist. Von diesem Standpunkte aus und nur
von diesem glaube ich Newto n’sZweifel über die in die Ferne wir
kende Anziehungskraft betrachten zu dürfen. Er hat durch die That
gezeigt, w r ie sehr er die Nothwendigkeit einsah, sein Gesetz so zu
formuliren, wie er es getlian hat, denn nur so konnte es als der un
mittelbare Ausdruck der Thatsachen erscheinen; aber er ging weiter,
er wollte sich die von ihm logisch abstrahirten Kräfte vorstellen und
hier stiess er auf Schwierigkeiten. Wir stellen uns mit vollkommener
Deutlichkeit Dinge und Bewegungen vor, auch wenn sie vermöge
ihrer Dimensionen oder aus anderen Gründen unserer Sinneswelt ent
rückt sind; denn für die Vorstellungen von Dingen und von Bewe
gungen ist das Material stets in dem Schatze unserer Sinnemvelt vor
handen und es bedarf nur des construirenden Verstandes , um die
Vorstellung selbst zu entwerfen und aufzubauen. Wir stellen uns die
Bewegung der Lufttheilchen im Schall, die Bewegung der Äther-
theilchen im Lichte vor ohne wesentliche Schwierigkeiten, das
Material ist dafür vorhanden, wir kennen Massen, grosse und kleine,
wir kennen ihre Bewegungen, wir brauchen in unserem Geiste nur
die letzteren in die entsprechende Form zu bringen und von den
räumlichen und zeitlichen Dimensionen zu abstrahiren, so ist alles in
Ordnung. Anders verhält es sich mit den Kräften. Die Kräfte kennen
wir nur als Abstractionen unseres Geistes, als Abstractionen aus den
Veränderungen, welche unser Ich fortwährend durch die Aussenwelt
erleidet, und wir besitzen desshalb kein sinnliches Material, um sie
vorzustellen. AlleVersuche die wir in dieserRichtung machen, laufen
Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
23
darauf hinaus, dass wir auf ziemlich plumpe Weise den Kräften
Dinge substituiren, die von ihnen völlig verschieden sind, Gewichte
welche ziehen, Springfedern welche drängen, weil sie im speciellen
Falle ähnliche Wirkungen wie die gedachten Kräfte ausüben würden,
oder Linien, weil sie durch ihre gegenseitigen Grössen- und Rich
tungsverhältnisse die analogen Verhältnisse der Kräfte zu veran
schaulichen geeignet sind. Desshalb, weil wir Kräfte überhaupt nicht
vorstellen können, konnte sich auch Newton keine Vorstellung
machen von einer anziehenden Kraft, die den Körpern inhärirt und
durch das Vacuum hindurch auf andere Körper wirkt, und er, dessen
Blicken der Himmel durchdringlicher war als das eigene Selbst, ver
wechselte diese Unmöglichkeit des Vorgestelltwerdens mit der
Absurdität. Nichts ist weiter entfernt von der Absurdität als die in
distans wirkende Anziehung. Bei unseren naturwissenschaftlichen
Abstractionen heisst es mehr als irgendwo „an ihrenFrüchten sollt ihr
sie erkennen“ und, wie Faraday selbst sagt, hat sich Newton’s
Gesetz bewahrheitet to an extent, that could hardly have been
within tlie conception eve/i of Newton liimself when lie gave utte-
rance to tlie law.
Es hat sich so bewährt, ohne dass man die actio in distatis jemals
aufgegeben hätte, ja die anziehende Kraft schliesst die Idee der actio
in distans geradezu in sich ein, denn die einzige Erscheinung, die
mich mit Nothwendigkeit und unmittelbar zur Annahme einer anzie
henden Kraft führt, ist die Annäherung zweier Massen an einander
ohne äusseren Austoss und ohne Mitwirkung anderer Moleküle. Da
die Massen sich einander nähern sollen, so können sie nicht von
vorne herein in Berührung sein, und weil die Mitwirkung aller ander
weitigen Massenelemente ausgeschlossen sein soll, so muss die an
nähernde Kraft auch durch das Vacuum zwischen beiden Massen hin
durch wirken. Wir werden aber auch, wenn ich nicht irre, finden,
dass das Gravitationsgesetz, ganz so wie es bisher formulirt war,
sich in keinerlei Widerspruch mit dem Satze von der Erhaltung der
Kraft befindet. Es sei mir erlaubt von Farad a y's eigenem Beispiele
auszugehen. Es wird die Masse A von der Masse B durch eine äus
sere Kraft entfernt; indem dies geschieht, nimmt die Anziehung ab,
und zwar verhalten sich die anziehenden Kräfte umgekehrt wie die
Quadrate der Entfernungen. Wo bleibt die Kraft, die hier zerstört
wird? Die Antwort lautet: Wenn man die Masse A sich seihst über-
24
Brücke.
lässt, so bewegt sie sich gegen B zurück, und wenn sie an ihrem
ursprünglichen Orte wieder angekommen ist, so wird sie wieder
gerade so stark von B angezogen wie früher, und ausserdem hat sie
eine gewisse Geschwindigkeit erlangt, deren halbes Quadrat multi-
plicirt mit der Masse A genau der Arbeit gleich ist, welche vorher
aufgewendet wurde um A von B zu entfernen. Durch die von aussen
bewirkte Veränderung, behufs welcher Arbeit aufgewendet wurde,
ist also in dem Systeme keine Kraft zerstört worden, sondern gerade
so viel hinzugebracht, als behufs der Veränderung verbraucht wurde.
Gehen wir näher ein in die Natur der Dinge, mit welchen wir es
zu tliun haben. Was ist unser Mass für die Anziehungskraft? Unser
Mass ist der Zuwachs an Geschwindigkeit, welchen ein Körper in
der Zeiteinheit durch eben jene Kraft erfährt. Der Körper häuft ver
möge der Trägheit die Impulse, welche ihm die Schwere gibt, in
sich an, dadurch steigert sich in gleichem Masse seine Geschwindig
keit und das, was er in der Zeiteinheit aufgespeichert hat, dient als
Mass für die Grösse der Anziehungskraft; es ist dies das einzig wahre
und unmittelbare Mass, welches dafür existirt, denn wie wir den
abstracten Begriff der Kraft aus der concreten Erscheinung der Be
wegung abgeleitet haben, so müssen wir aus dieser auch das Mass
für die Kraft herleiten.
Diese Geschwindigkeitszuwachse nun sind es, welche sich cae-
teris paribus umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen verhal
ten, und dies steht in keinerlei Widerspruch, sondern im vollsten
Einklänge mit dem Satze von der Erhaltung der Kraft. Der Satz von
der Erhaltung der Kraft sagt aus, dass in jedem System, das sich
selbst überlassen bleibt, die Summe der Spannkräfte addirt zur
Summe der lebendigen Kräfte zu allen Zeiten dieselbe Grösse gibt.
Mit anderen Worten, dass in jedem solchen Systeme die Grösse,
welche man erhält, wenn man die sich bewegenden Massen mit den
halben Quadraten ihrer Geschwindigkeiten multiplicirt, ein Maximum
hat, das ein- für allemal gegeben ist, das nicht überschritten werden
kann, an dem aber auch nichts verloren gehen kann, weil Bewegung
nie so zerstört wird, dass sie nicht wieder regenerirt werden könnte,
weil Bewegung nur verschwindet in Folge einer Ortsveränderung
der Massen, die ihrerzeit wieder als Bewegungsursache auftritt und
dann, indem die Massen in ihre ursprüngliche Lage zurückgehen, die
selbe Summe von Bewegung reproducirt, welche während ihres
Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
25
Eintretens eonsumirt worden ist. Es ist dabei natürlich vorausgesetzt,
dass als Mass für die Bewegungen stets die Producte gelten, welche
man erhält, wenn man die einzelnen sich bewegenden Massen mit
den halben Quadraten ihrer Geschwindigkeiten multiplicirt. Nehmen
wir das einfachste System, nehmen wir das oscillirende Pendel. Jenes
Maximum ist die lebendige Kraft, welche ich erhalte, wenn ich seine
Masse mit dem halben Quadrate der Geschwindigkeit multiplicire,
mit welcher es durch seine Gleichgewichtslage hindurchgeht, in
jeder andern hat es eine geringere und au den Wendepunkten wird
sie und mit ihr die lebendige Kraft Null; aber hier ist die ganze Kraft
als Bewegungsursache aufgespeichert und wird wieder die ursprüng
liche Bewegung erzeugt haben, wenn das Pendel wieder in der
Gleichgewichtslage anlangt, in welcher ausser der nach dem Träg
heitsgesetze angehäuften Bewegung keine andere Bewegungsursache
mehr auf dasselbe einwirkt. Wenn das Pendel sich aus seiner Gleich
gewichtslage entfernt, dahei an Geschwindigkeit verliert, zugleich
aber ruhende Bewegungsursache erzeugt wird, so sagen wir, es
werde lebendige Kraft in Spannkraft umgesetzt; nähert es sich
wieder seiner Gleichgewichtslage und geht dabei aus der Bewe
gungsursache die Bewegung selbst hervor, so sagen wir, es werde
die Spannkraft zu lebendiger Kraft regenerirt. — Den analogen
Gang der Dinge sehen wir überall und immer in der Natur von den
Bewegungen der Himmelskörper bis zur Flamme, die in unserem
Kamine lodert und in der die Atome aus den merkwürdigen und für
uns noch immer so räthselhaften Spannungszuständen befreit werden,
in welche sie durch jahrelange Arbeit der Sonnenstrahlen hinein
geschraubt worden sind. Doch kehren wir zurück zu den Beispielen
Farad ay’s. Betrachten wir zunächst die Masse A, welche von der
Masse B entfernt wird. Denken wir, B sei die Erde, A ein Stein,
der von ihr aus in die Höhe geschleudert wird. Denken wir uns die
Erde als ruhend und sehen wir von dem Widerstände der Atmo
sphäre und von dem Einflüsse der Himmelskörper ab. Der Stein
wird, wenn seine Geschwindigkeit Null geworden ist, wieder zurück
fallen, und wenn er wieder auf der Erde angelangt ist, so wird er
eine Endgeschwindigkeit erlangt haben, deren halbes Quadrat mit
seiner Masse multiplicirt, eine Kraftgrösse gibt, welche eben hinrei
chen würde, um in aufsteigender Richtung wirkend ihn bis zu der
Höhe emporzuschnellen, von welcher er herabgefallen ist. Es ist
26
Brücke.
dies eine bekannte Thatsache und in der Regel das erste Beispiel,
mit dem man das Gesetz von der Erhaltung der Kraft erläutert.
Denke ich mir nun den Stein immer weiter und weiter in die Höhe
geschleudert und immer weiter und weiter von der Erde entfernt, so
wird dadurch nichts geändert, als dass er in den entlegeneren Thei-
len seiner Bahn seine Geschwindigkeit langsamer verbraucht und
langsamer wieder erlangt, als in den näheren, das Endresultat ist
immer dasselbe, es dauert nur längere Zeit ehe es eintritt. Betrach
ten wir den Stein in dem Momente, indem seine Geschwindigkeit
Null wird und indem er sich also in der grössten Entfernung von
der Erde befindet. Hat in diesem Momente die bewegende Kraft,
das heisst die Ursache für Bewegung, in dem von ihm und der Erde
gebildeten Systeme abgenommen? Keineswegs. Es ist wahr, dass der
Stein jetzt durch eine von aussen her einwirkende Kraft leichter von
der Erde entfernt werden kann und dass er anfangs mit weniger
Beschleunigung fällt als es der Fall sein würde, wenn er von einem
der Erde näheren Punkte ausginge, aber nichts desto weniger ist in
ihm ein Schatz von Bewegungsursache, von Kraft, angehäuft, ver
möge dessen er schliesslich eine um so grössere Endgeschwindig
keit erlangt, je weiter er von der Erde entfernt war.
Die Namen: „LebendigeKraft“, „Spannkraft“ und „beschleuni
gende Kraft“ sind nach den Regeln der gewöhnlichen naturwissen
schaftlichen Nomenclatur geeignet uns glauben zu machen, dies
seien drei verschiedene Arten eines und desselben Dinges, aber wir
dürfen uns dieser Täuschung nicht hingeben, wir müssen stets vor
Augen haben, dass alle drei gänzlich verschiedene Dinge sind. Le
bendige Kraft nennen wir die Summe der vorhandenen Bewegung
selbst. Wir bezeichnen sie als Kraft, als Bewegungsursache, weil
sie nicht nur nach dem Gesetze der Trägheit in den Körpern fort
wirkt, sondern weil sie auch auf andere Körper übertragen wird,
weil man ruhende Körper durch bewegte in Bewegung setzen kann.
Spannkraft nennen wir die noch disponible Bewegungs
ursache, die nicht selbst Bewegung ist, ganz abgesehen von der
Zeit, in der sie Bewegung erzeugt oder erzeugen kann. Beschleu
nigende Kraft nennen wir den Zuwachs an Geschwindigkeit, den
eine Masse in einem bestimmten unendlich kleinen Zeittheilchen er
hält oder erhalten könnte, dividirt durch die Länge eben jenes unend
lich kleinen Zeittheilchens. Die beschleunigende Kraft in einem
Über Gravitation und Erhaltung; der Kraft.
27
Systeme ist also in jedem Momente abhängig, einerseits von den
Massen, welche bewegt werden oder bewegt werden sollten und den
Geschwindigkeiten, welche sie etwa bereits erlangt haben, anderer
seits von der Geschwindigkeit mit der Spannkraft in lebendige Kraft
umgesetzt wird oder umgesetzt werden könnte. Soll die beschleu
nigende Kraft für jedes einzelne Molekül constant sein, so ist es
nöthig, dass die Geschwindigkeit mit der durch dasselbe Spannkraft
in lebendige Kraft oder umgekehrt lebendige Kraft in Spannkraft
umgesetzt wird, dividirt durch das Product aus seiner Masse und
Geschwindigkeit einen constanten Quotienten gebe.
Wenn man dies stets vor Augen hat, muss man sich klar dar
über sein, dass die beschleunigende Kraft ab- und zuuebmen kann,
ohne dass dadurch der Satz, die Summe der Spannkräfte addirt zur
Summe der lebendigen Kräfte gebe immer ein und dieselbe Grösse,
irgend wie berührt wird.
Wir haben in dem bisherigen gesehen, dass durch Entfernung
zweier Moleküle von einander nichts von der Kraft vernichtet wird,
deren Unzerstörbarkeit der Satz von der Erhaltung der Kraft aus
spricht. Denken wir uns einen Theil der gegen einander gravitiren-
den Massen vernichtet, so würde dadurch allerdings nicht nur be
schleunigende Kraft, sondern auch je nach Umständen ein Theil der
Spannkraft oder der lebendigen Kraft oder ein Theil von beiden ver
nichtet werden; aber dies kann uns in unseren bisherigen An
schauungen nur bestärken. Das Gesetz von der Unzerstörbarkeit der
Materie ist so allgemein und so vollgiltig bewiesen, wie das von der
Erhaltung der Kraft. Dass bei Verletzung des einen auch das andere
keine Geltung mehr hat, zeigt uns nur, dass sie beide mit einander
in innigem Zusammenhänge stehen und zeigt uns, dass wir recht
thun, die Ursache der Gravitationsbewegungen in die Massen zu ver
legen und nicht in den Raum zwischen den Massen.
Wir haben also nach allem bisherigen, so weit ich nach meinem
eigenen Bewusstsein, nach meinem eigenen Unterscheidungsvermö
gen für wahr und falsch, für gleich und ungleich urtheilen kann, die
bekannten Thatsachen mit unseren Denkgesetzen in vollsten Ein
klang gebracht, wenn wir die Kräfte als gedachte Ursachen der
Erscheinungen in die Massen selbst verlegen, den Raum zwischen
diesen aber von ihren Wirkungen durchdringen lassen. Wollten wir
die Kräfte selbst in den Raum als solchen verlegen, so müsste es
28
Brücke.
auch denkbar sein, dass wir Materie vernichteten ohne die Kräfte
summe zu verändern, und dies ist wenigstens für mich nicht denkbar.
Es bleibt aber noch ein Punkt zu erörtern übrig, der, wie ich
glaube, wesentlich ist für die von Faraday angeregten Zweifel.
Wir sagen: die Anziehung nimmt ab mit wachsender Entfernung, und
zwar verhalten sich die anziehenden Kräfte umgekehrt wie die Qua
drate der Entfernungen. In Faraday's Gedankengang ist dies so
aufgefasst, als ob wir annähmen, es verändere sich hierbei wirklich
die in den Massen ruhende Bewegungsursache. Ich weiss nicht, ob
diese Ansicht die herrschende ist. Es ist schwer hierüber ins Klare
zu kommen, denn ein Physiker kann ein Menschenalter hindurch
Abhandlungen schreiben, ohne jemals seine Überzeugung rücksicht-
lieb dieses Punktes auszusprechen. Daran aber glaube ich nicht
zweifeln zu dürfen, dass Faraday Recht hat, diese Ansicht zu
bekämpfen und mit Newton eine constant wirkende Ursache der
Gravitation anzunehmen. Ich glaube auch zeigen zu können, dass
diese Annahme Faraday's weder mit den Thatsachen selbst, noch
mit der gangbaren Art, wie wir uns über dieselben verständigen, in
Widerspruch steht.
Wir sagen, die anziehenden Kräfte wechseln umgekehrt mit
den Quadraten der Entfernungen. Wir sagen aber auch, die Inten
sität des Lichtes wechselt umgekehrt mit den Quadraten der Entfer
nungen und sind doch weit entfernt, damit etwas über die Intensität
der Lichtquelle aussagen zu wollen; wir sprechen lediglich von den
Wirkungen, welche auf bestrahlte Oberflächen ausgeübt werden und
wissen sehr wohl, dass die Intensität der Lichtquelle nicht im ge
ringsten dadurch geändert wird, ob die bestrahlten Gegenstände ihr
nah sind oder fern. Als man noch die Strahlen des Lichtes nicht
blos für mathematiscbeLinien, sondern für die Bahnen der Lichttheil-
chen hielt, sagte man: Die Lichtintensität nimmt ab umgekehrt mit
den Quadraten der Entfernungen, weil die Oberflächen, auf welche
eine gleiche Anzahl von Strahlen fällt, direct mit den Quadraten der
Entfernungen wachsen. Jetzt, wo wir die Wirkungen des Lichtes
von Wellenbewegungen herleiten, wissen wir, dass die Intensität
umgekehrt mit den Quadraten der Entfernungen abnehmeu muss, weil
dieselbe Summe lebendiger Kraft bei der Fortpflanzung übertragen
wird auf immer neue und neue Massen, welche direct mit den Qua
draten der Entfernungen zunehmen. Der Wechsel der Intensität
Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
29
umgekehrt mit den Quadraten der Entfernung erscheint uns jetzt als
eine einfache Anwendung des Gesetzes von der Erhaltung der Kraft.
Wir denken uns nun die Anziehungskraft, welche einer Masse
innewohnt, ihre Wirkungen geradlinig und nach allen Seiten hin ver
breiten, wie ein Licht seine Strahlen nach allen Seiten hin aussendet,
denn wie wir die Lichtwirkung wahrnehmen, wenn unsere Netz
haut oder ein von uns gesehener Körper in das Bereich der Strahlen
gelangt, so nehmen wir die Wirkung der anziehenden Kräfte wahr,
wenn ein Körper von irgend einer Seite her in ihr Bereich kommt.
Wenn wir also sagen: Die Wirkungen der Anziehung nehmen ab
umgekehrt mit den Quadraten der Entfernungen, so können wir dies
keineswegs auch auf die Quelle der Attraction beziehen, wir müssen
vielmehr annehmen, dass dieselbe constant sei und dass auch die
Summe der Wirkungen mit der Entfernung weder ab- noch zunehme.
Ein Beispiel wird dies leicht anschaulich machen. Man denke sich
ein Molekül und den Raum um dasselbe erfüllt mit Molekülen, die in
gleichen Abständen von einander darin zerstreut sind.
Der Einfachheit wegen mögen die letzteren alle von gleicher
Masse sein und die Masse eines jeden verschwindend klein im Ver
gleich mit der Masse des ersten Moleküls, welches ich das Central-
Molekül nennen will. Dann wird das Centralmolekül alle anderen
anziehen, und zwar werden sich die Wirkungen, welche auf die
einzelnen ausgeübt werden, umgekehrt verhalten wie die Quadrate
der Entfernungen. Denke ich mir aber um das Centralmolekül als
Mittelpunkt eine Kugelschale von bestimmter Dicke, so wird die
Summe der vom Centralmolekül ausgehenden Wirkungen innerhalb
dieser Kugelschale immer dieselbe sein, gleichviel wie gross die Ent
fernung ist, in welcher sie sich von dem Centralmolekül befindet;
denn die Wirkung auf die einzelnen Moleküle nimmt umgekehrt mit
den Quadraten der Entfernungen ab, aber die Anzahl der Moleküle,
welche in eine solche Kugelschale fallen, nimmt direct mit dem
Quadrat der Entfernung zu.
Wenn wir also sagen, die anziehenden Kräfte verhalten sich
umgekehrt wie die Quadrate der Entfernungen, so wollen wir damit
nichts anderes sagen, als: die Anziehungskraft, welche jeder Masse
innewohnt, ist constant und breitet ihre Wirkungen in unverminderter
Gesammtheit nach allen Seiten hin aus; dieselben äussern sich nur
an den einzelnen Stellen um so schwächer, je grösser der Raum ist
30 Brücke. Über Gravitation und Erhaltung der Kraft.
über den sie sich ausgebreitet haben. Wir sind hierdurch noch nicht
gezwungen, eine Fortpflanzung im gewöhnlichen Sinne des Wortes,
das heisst einen zeitlich ausgedehnten Vorgang anzunehmen, denn
das Gesetz von dem Wechsel der Dichtigkeiten (oder Intensitäten)
umgekehrt mit den Quadraten der Entfernungen ist ganz unabhängig
von dieser Annahme; es gilt für ein System von unendlich vielen
geraden Linien, die von einem Punkte ausgehen, so gut wie für die
Wellenbewegung, die sich von einem Punkte aus nach allen Seiten
hin fortpflanzt.
Spitzer. Integration Her Differenzialgleichung etr.
31
Integration der Differentialgleichung
(1) (a 2 +/hx) y"+ («,+M\) ?/ + («„ -f b () .v) y=o.
Von Simon Spitzer.
(Vorgetragen in der Sitzung am VI. Mai 1857.)
Obige Differentialgleichung war in letzter Zeit Gegenstand der
Untersuchungen Petzval’s, die derselbe in seinem Werke „Integra
tion der linearen Differentialgleichungen mit constanten und verän
derlichen Coefficienten“, von welchem gegenwärtig vier Lieferungen
erschienen sind, niederlegte. Ich habe mich vor Kurzem mit der Inte
gration derselben Gleichung beschäftigt, und bin, durch eine glück
liche Anwendung der von Liouville im 13. Bande des „Journal de
l’eeole polytechnique“ bei Gelegenheit der Integration der Gleichung
y d y
(mx*+nx+p) — + (q.v^r) — + sy=o
gebrauchten Methode, zu höchst einfachen Formeln gelangt, mittelst
welcher das Integrale obiger Gleichung fast augenblicklich angege
ben werden kann. Es war mir alsdann ein leichtes, die Methode auf
die Integration von Differenzen, Gleichungen und Differentialglei
chungen höherer Ordnung mit Coeffieienten der Form a-\-bx aus
zudehnen.
Bevor ich zur Integration obiger Differentialgleichung schreite,
will ich, der Einfachheit der Untersuchung wegen, statt der Constan
ten a % «o b 2 bi und b 0 , andere, sich unsern Rechnungen inniger
anschmiegende Constante einfiihren, zu denen ich auf folgende Weise
gelange.
Ich bilde den Bruch
a 3 z< 3 —J- «o
b i u' l -\- biU-\- b„
32
Simon Spitzer.
und zerlege denselben in Partialbriiche, sei
a„u 2 A-a,u+a.. A B
- z — 1 ■ 0 — \- ■—
b a u 2 -yb t u-\-b n u—a u—ß
so sind m, A, B, a und ß die neu einzuführenden Constanten. —
Aus dieser Gleichung, die sich auch so schreiben lässt:
« 2 M 2 +a,M+a 0 mb„ [u 2 — (a + ß)n + aß] + A 6 2 (w—ß) - r Jib 2 (>< — a)
b 2 u“-+b l u-{-b li & 2 |> 3 —(« + |3j « r “ßj
folgen :
« 2 — mb»
a t =b t [A + li—w(ct-\ r 13) j
«o = b» \m aß ■—Aß — Ba |
b, = — b» (a + ß)
b„ = b» aß
und werden diese Werthe in die vorgelegte Gleichung eingeführt, so
nimmt dieselbe folgende Gestalt an:
(2) 0»-t x)y"+ [A+B— (a+|3)(m -j~.v)]y' + [—Aß—Ba+aß(m -f-a:)] y=o
und es handelt sich daher um die Integration dieser Gleichung.
Setzt man nun
y ~ z
unter * eine neue Variable verstanden, so ist
y = e ax («' -j- az)
y" = «s'-j- « a 2)
und aus der Gleichung (2) geht hervor die Gleichung
(3) (m-f«) z"-\- [A-\-B-\- (a—ß) A(a— ß)z — o
welche einfacher gebaut ist, als die Gleichung (2), da im letzten
Coefficienten der mit x verknüpfte Theil verschwunden ist.
Wird nun diese Gleichung einer fachen Differentiation unter
worfen, unter y eine, einstweilen noch unbestimmte Zahl verstanden,
so erhält man:
(4) (»i+a.-)* (|i+s) +[ ( i-i-A+ß+(«-i3)0»+ a: )]2(i 1 + 1 ) + (j Jl + y l )(; a _ i 3) Si Ce) ==o
und diese Gleichung vereinfacht sich, wenn man
y. — — A
setzt, man erhält nämlich hiedurch
(m+.i;)* ( - 4+2 )+ [5+(a—ß) («+*)]*(-*+') = o
Integration der Differentialgleichung etc.
33
Durch Trennung der Variablen kommt man zu
d *(—-M-l) B d x
*(—■d+t) m+x
deren Integrale ist:
~| - (ß—a) dx
log = (ß — a ) x—B log
woraus folgt:
; (-d+f)
e (ff—®) x
(m+.v) b
Man hat daher
und folglich
d A ~i r e(P—“) x 1
d..v A — 1 L (rn-\-x) B J
d A — 1 r t: (3—* i
ax | 1 1
dx A — 1 L (in-\-x~) 11 J
Vertauscht man in dieser Formel A mit B und zugleich a. mit ß,
so erhält man das zweite particuläre Integrale; das vollständige Inte
grale der gegebenen Differentialgleichung ist daher:
(S) y = C\c ax
d A — 1 r e(ß— a )- r i
dx A — 1 L (m-\-x') D J
- A r C z eA x
d B —1 r eO*—V) x
dx B — 1 L a
Wir können, bevor wir weiter gehen, folgende Bemerkung nicht
unterdrücken. Ist g. eine ganze positive Zahl, so ist die Gleichung (4),
welche durch g. maliges Differenziren der Gleichung (3) hervorging,
ganz tadelfrei; ist aber g. eine ganze negative Zahl, so wurde die
Gleichung (3) einer —p.maligen Integration unterworfen, im zweiten
Theile der Gleichung (4) sollte daher eigentlich statt Null folgender
Ausdruck stehen:
Ai -)- A-, x -f- A^ x 3 -j- ~\~A—h-—i x ^ 1
ist endlich g. eine gebrochene, irrationale, oder gar imaginäre Zahl,
so ist im zweiten Theil der Gleichung (4) eine Function von x zu
setzen, deren —g. tcr Differentialquotient gleich Null ist; wir wollen
diese, von Liouville in die Mathematik eingeführte, von ihm „fone-
tion complementaire“ genannte Function mit bezeichnen, und haben
somit:
(wf+a?) *(— A + 2 ) [B + («—ß) (m-f.'!’)] «(—■ 4 + l ) = ^
woraus durch Integration und nachherige Substitution von y — e ax z
Sitzb. d. niathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Ilft. q
34
Spitze r.
«=C.e +e«®-
dx A ~dx A 1
folgt, was ebenfalls ein vollständiges Integrale der vorgelegten Glei
chung ist. Es ist in vielen Fällen, namentlich in dem jetzt eben durch
geführten, einfacher ip=o anzunehmen; man erhält auf diese Weise
freilich nur ein particuläres Integrale, allein das zweite lässt sich,
wie wir vorhin gemacht, sehr leicht durch blosse Vertauschung der
Buchstaben aufstellen. Sollte bei der wirklichen Entwickelung der
Formel (5) die Anzahl der in Rechnung tretenden Constanten
grösser als zwei sein, so hat man den gewonnenen Ausdruck in die
vorgelegte Gleichung zu substituiren; das Resultat, das offenbar
identisch sein muss, gibt dann den nothwendigen Aufschluss über
den Werth der überschüssigen Constanten. Sehr oft kommt man
schon bei der wirklichen Berechnung eines particulären Integrals
zum vollständigen Integrale. Einige Beispiele mögen zur Erläute
rung dienen.
1. Beispiel: Es sei A=o, alsdann folgt aus (5)
r e (ß—<*)*
y = Ct e" / — dx + C, c°*
2. Beispiel: Es sei:
x y"+ a li
la diesem Falle ist
1 re (ß-“>' r
7 f-
- 1 Lr-m_L
V x 4,dzj
1 x y = o.
a ii
u 2 —lr
■ z -\ :—
u l u -— b
und folglich :
d T-' ■ dj-' r e ~ Ux 1
y = c '^%nüt — + c * e —c; -ZT:
Ist eine ganze positive oder negative Zahl, so ist y sehr leicht
entwickelbar; man hat nämlich die eingeklammerten Ausdrücke mehr
mals zu differenziren, oder mehrmals zu integriren.
Man kann auch, um noch schneller zum Ziel zu gelangen, von
folgender Formel Gebrauch machen:
d*{PQ)
dx*
dP d*~'Q . ( ^ d 2 P d*~ 2 Q
dx dx*"
T + (t)'
dx ' 1 dx*~ 2
;—)■•••■
Integration der Differentialgleichung etc.
35
setzt man nämlich:
P = Q — e i? bx ,
wo von den beiden Zeichen + das obere für das erste, das untere
für das zweite particuläre Integrale gibt, so erhält man:
+
— v —bx
-\-G 2 x ~c
wo Gi und G 2 die willkürlichen Constanten bezeichnen. Diese Reihen
brechen, wie man sieht, jedesmal ab, wenn — eine ganze positive
oder negative Zahl ist. Hätte man z. B. a = — 2, so bekäme man
als Integrale der Gleichung
xy"— 2 y'— b* x y — o
y = Gi c tx (x—■-) + G 2 c- bx {^x-\-~y
Ist ~ eine gebrochene oder irrationale oder gar imaginäre Zahl,
so sind die für y aufgestellten Reihen divergent, denn es ist:
Ün+l («—2h) (a+2w—2)
Un 8 b nx
und dies wächst mit dem Wachsen von n über alle Grenzen.
Ist daher keine ganze Zahl, so ist das eben in Reihenform
gefundene y unbrauchbar und man muss, um eine brauchbare Reihe
zu erhalten, y auf andere Art entwickeln.
Setzt man nämlich alsdann
so ist:
y=C ie 4
(6)
+C.t
P 7= #± 2 ^ r
ZA ) \ fli
Q = v
dxi
di~ 1
dxi~
+•••
und die hier aufgestellten Reihen sind für jedes a convergent, wie
wir gleich zeigen wollen. Behufs des Beweises bilden wir uns:
di
.—n—1
Un+l
Un
.-±2 b M
« di
dx
(w)
— (4)
-—« ^ .T7 '
3*
36
Spitzer.
und unterscheiden jetzt zwei Fälle, nämlich 1. wenn a positiv und
2. wenn a negativ ist, jeder dieser Fälle muss wieder in zwei geson
dert werden, nämlich in den, wo a ganz, und in den, wo a gebro
chen ist.
1. Es sei a eine ganze und positive Zahl; wir können dieselbe
auch als ungerade voraussetzen, da der Fall, wo sie gerade ist, schon
besprochen wurde.
Wir haben alsdann:
(7)
1 _ 1 r
xr nur
~“' T eo 1 do)
wo T die Eulersehe Transcendente der zweiten Art ist, die
durch folgende Formel definirt wird
F O) = je
a—1
(l o)
welche für alle positiven Werthe von « angebbare Wertlie hat. Wird
die Gleichung (7) — 4 -f 1 Mal differenzirt, so erhält man:
d ri
dx~t+'
und reducirt
(~4) =
-4+ 1
dx
:+i
(t)
C-i)
r(f)
1
X
Integrirt man nun beiderseits, so erhält man:
d — ✓ . \ , U-i
(8)
dx
_lr ( 1 ^ (-1) T ,
Tbl-Tsr''"'
Durch successive Integrationen folgen aus derselben, wenn man
der Kürze halber den constanten Factor
l—»_
8
= K
(-1)
i’G)
setzt,
r4(4u
dx * V 2 /
K x (log x — 1)
dx
-i—3
Integration (1er Differentialgleichung etc.
37
dx
dx -
d 2 \ x 3 , 1 1 \
-^y j] = A 3T i*»*- 1
/ 1 \ at" - “ /
1 1
•-‘-y-r
—a j
Man hat daher
U,
n+ ' -±2 6-i-
?0(/a,'—1 -
n — «+1
V.
M -“+! ’ logx—1--- *
3 71—a
und dies nähert sich für wachsende n ohne Ende der Nulle.
2. Es sei a eine gebrochene, aber positive Zahl. Man hat alsdann
1 t r
x? r (r) J
e~ l d w
und wenn man beiderseits — Mal differenzirt:
2
d?
dx*
m-rnf-'
und dies gehörig reducirt, gibt:
il = f-l)*r(a)
dx? I x? J r Cy) x "
- e —lu r oJ 2 — 1 d w
dx-
Man hat daher:
— — + 26.
U„
(M+l)
f-« j^ dXn+ '
/•«
j—r d x“
Nun ist
/ — d x H —
J x‘
/— d a
J X*
(t—«) (2—a) (3—a) ... ()!—«)
.-E’*+t—«
(t—«) (2—a) (3—a) . .. (w-fi—a)
38
Spitzer.
folglich:
U.
n+l
+ 26.2
U„ il H + l—O
was sich für wachsende n der Nulle nähert.
Nehmen wir nun an, a sei negativ; unsere Differentialgleichung
ist dann
iv y"— a y'— b' 1 x y — o
und ihr Integrale in entwickelter Form:
y= Ci e b *
-.1—1
ferner ist alsdann:
ü.
W-f-1
U.
= ±2 b.
JL , „ .. U")
2 T ;t dx 2 V )
dx
3. Ist nun a eine ganze Zahl und ungerade, so hat man, wenn
man
setzt,
(9)
a — 2 m -f- 1
dx -
11 1 *
M
dx
— (* m+i ).
n—1 V J
Wird nun x m +i, m-\-1 mal differenzirt, so erhält man
Die Gleichung (9) lässt sich nun so schreiben:
4— n— i _ , , j—2 m—n—\ ,
d 1 / . . .. /W4-v\ « “ ( 1 x
—(* ) - (m ) ! ( m+1 ) ' dx -2m-n-i (?—)
Integration (1er Differentialgleichung etc.
39
und wenn man vermöge der Gleichung (8)
«r* t i
dx
* /• i x V—i .
setzt, so erhält man:
-i-n-i , y—y
d 2 f * 1 /ft + 1\ / 2" \ /* .
“ rcö (—)' M/*’»?•<
(a+n+i)
,p . d ,r"+ n +'
Es ist somit:
U,
V.
oder endlich:
” +i = ± 2 b 1±Ü
iZo^jr j? . d x a + n t l
i
(“+»)
log x . d x a+n
U.
n+l
ü.
= + 26.
logx— l—i — i—i.
“+*+1
tt+Jl+1 l 0 g X _
a-{-n
was sich für wachsende w der Nulle nähert.
4. Ist endlich a eine gebrochene Zahl, so kann man sie stets
auf die Form
,2p
a — 2 m 4
q
bringen, wo m eine ganze Zahl, und — ein positiver Bruch ist, der
kleiner als 1 ist.
Man hat dann
(10)
dx -i~ n - i
H =
,—m—n—i
dx
—in—n—1
H* ')•
Wird nun x m +~ differenzirt, und zwar m+1 mal, so erhält man
! Cti)TZ
* q
und die Gleichung (10) lässt sich folgendermassen schreiben:
d 2
dx
—2 m—n—2
Z u i 7—» in—n *
— fa,-') = (m -|- 1) ! ( ' ) — — i —\
' J y J W + i) , , P I . P I
dx~ im ~ n - 2 ——
40
Spitzer.
Nun ist aber vermöge der Gleichung (7)
« = r: "
*'~T r 0-TP
,aX 'j)—-(l 0)
folglich:
d
(Ix
‘zt (j \ r.
-tl-f) <* -t)J
,—ul.v W1 — (lo).
Setzt man w x = a., bei dieser Substitution x als constant
betrachtend, so hat man:
„ P r T 2 — — 1
d l — / 1 \ = (~l)~r V " >
fc-fh-fJ <*-f) ' x-T
dx
demnach ist:
dx 2
unter C die Zahl:
C .
(<”+•)'(4
verstanden. Man hat daher:
( r im - n ~ s / i \
, —2 m—n—3 1 0 2 P |
x V.T—JJ
-4- r ( 2 -7)
o-: i
n+l
= + 2 b .
Die wirkliche Integration gibt:
3 )
/ ,l x 2m+n+3 _ .^•' ^ + n + ,
Integration der Differentialgleichung etc.
41
^(2 7/1+71+2)
dx 2 m -HH“ 2
V q
X a ~\~ n
und wenn man diese Werthe substituirt, so erhält man
Ü!±l = ±2t .i + ? ;
was wieder für wachsende Werthe von n gegen Null convergirt.
Wir haben durch dies dargethan, dass die in (6) enthaltenen
unendlichen Reihen convergiren, wenn keine ganze Zahl ist. Es ist
uns mithin die Integration der Gleichung:
x y"-\- a y'— b 2 x y = o
sowohl durch geschlossene Formeln, als auch durch unendliche und
convergente Reihen in allen Fällen gelungen. — Wir bemerken noch,
dass die Gleichung (7) und die aus ihr gezogenen hlos für positive
Werthe von x gelten; aber für negative x ergehen sich, durch eine
etwas geänderte Analyse ganz dieselben Endformeln, es genügt daher
diese unsere Arbeit allen Redingungen mathematischer Strenge *)•
Bevor ich zur Betrachtung anderer Fälle schreite, will ich be
merken, dass in dem speciellen Falle wo A und ß positiv, und ihre
Summe gleich 1 ist, das Integrale der Gleichung (2)
(m+tf) I/" + [A+ß—(«+(3) (Wi+.r)] j/' + [—Aß — Ba+aß (m+.-r)] y=o
sich auch so darstellen lasse:
y ■= C, f e“ (”*+*) ( M —«+-‘ (ti—ßy- 1 du+
(II) i
-f C 2 t—a)' 1-1 (u—ß) ,! ~' log [(jn-j-a:) (n—a)(«—ß)j du.
a
Ich habe vor Kurzem ein hierüber bezügliches Memoire Herrn
Borchard zum Abdrucke in Crelle’s Journal für Mathematik mitge-
theilt, und erlaube mir hier, durch unmittelbare Substitution die Rich
tigkeit dieses Integrales darzuthun.
*) Man sehe aucli hierüber im 9. Band von Liouville's Journal: „Memoire sur
VIntegration d'itne cquation differentielle pur J. A. Serrel
42
Spitzer.
Aus (11) folgt:
-f»
' = C\ I U (; u ( m + x ) (u — ct) A ~‘ (u — ß) ß ~ 1 du -j-
*a
Co r {i
-j—^ 6'”("‘ + ' t ) (m—a) A —1 (*—ß) n ~ 1 du-\-
m+.r
• ß
-)-- Co j'ue'‘( m+x ) («■—a) A 1 (u — ß) !> 1 lor/ \(m+x) (u—a) (u—(3)] du
// = ?< 2 e »(»# + *) ( M —«)'*— 1 (m—j3 ) /; 1 d u —
Co
(m-j-a:) 3 ,
( ,u{m+x) cc) A * (U ß) I: ~ ! dU -f-
m-\-x
*ß
I ue n {”*+*) («-
z) yl ~‘ (it—ß) s— *</« +
+ Co J n ~ e - U {m+X) («—«) Jl_i («—ß) B ~ i log [(ro+.r) («—ct) (M—(3)3 du
a
und werden diese Werthe in (2) eingeführt, so erhält man nach Weg
lassung zweier sich aufhebender Ausdrücke:
Ci / «•(•+*)(«-«)*-*(«_ß) Ä -‘ {w— (Jß+£a)-(-
-f- (m-}-a?) |« 2 —u (a-fß) -f-aß] j du -f-
(12) + C 3 / e ,, ("‘+- 7: )(?t—a) A—1 (m—ß) B ~' log (u—«) .
. (u—ß) ] j?<—(Jß + Ua) + (m-\-x) .
. \u 2 —(a-f-ß) -)- aß] I du +
+ Co^ e »(«*+*) ( M ,—a)' 4 “ 1 (m—ß) 5-1 (u—a-j-M—ß) rf?<.
Setzt man statt:
seinen Werth
u 2 —m (a-j-ß) -f- aß
(«— a ) («—ß)
43
Integration der Differentialgleichung etc.
so hat man, durch Anwendung der Methode des theilweiscn Integrirens
Ci I c' l(m + v > (u—a) A (u—ß) 11 {m-\-x) du =
a
— C t / g“(•»+*) (u—oc) A * (u—ß) a - 1 [u—-ß«—Aß] du
a
t’z I e“(u—a) A (u—ß) B (rn-ßx) log [ (m-ßx) .
*■ a
. (u—a) (u—ß) ] du —
— C 3 e “(»‘+*) (u—<x) Ä ~ l (u—ß)“- 1 log [ßm-ßx) (u—«) .
. («—ß) ] («—Boi—M/3) du
y
— Cz / <?“(“+*) («—a)- 4_l («—ß) B ~ l (u—a.-ßu—ß) du
und dies in (12) substituirt, führt zum Resultate Null, woraus dann
folgt, dass (11) wirklich das Integrale der Gleichung (2) ist.
Wir haben bisher vorausgesetzt dass sich der Bruch
Uz u z -f- a, u -f- «o
b 2 u 2 -ß bitt -ß b 0
dessen Zähler und Nenner wir kurz mit U 0 und bezeichnen wollen,
eine Zerlegung auf folgende Weise gestatte:
wir haben daher jetzt jene Fälle zu discutiren, wo eine solche Zerle
gung nicht angeht. Diese Fälle sind:
1. Wenn b 2 u % -f- b x u -j- b 0 = o zwei gleiche Wurzeln hat;
2. wenn der Nenner durch Nullwerden desö 2 die Form 6, u-ßb 0
hat, endlich
3. wenn und bi gleich Null sind, somit U t eine reine Con-
stante wird.
Im ersten Falle gestattet der Bruch folgende Zerlegung in Par-
tialbrüche:
44
Spitzer.
+
B
a3 . » 3 n a + «!» + «,) ■_ ^ _
b., u 2 -|- b t u -]- b 0 (u—oc) 2 .»—^
und jetzt wollen wie, analog dem frühem, in die Gleichung (1) statt
den Constanten a 3 «, a 0 b 3 b t und b 0 die Constanten m A B und o.
einführen.
Die Gleichung (13) gibt entwickelt:
Uo U 2 -|- « j U -|- «o
b„ u 2 + & t « + b 0
und hieraus folgen:
mlj z (m 2 — 2au ■— a 2 ) + Ab 2 + Bb„ (u—a)
b 2 (u 2 —2art + a 3 )
«a = mb 2
«i = b 2 (B — 2 a m)
«o = b 3 (m a 2 ■—• B a -f- A)
bi = — 2 a b 2
b 0 = « 3 6 3
Die Gleichung (1) nimmt durch Substitution dieser Werthe
folgende Gestalt an:
(m+n?) y" [5—2 a (m-f.r) ] >/ 4- [Ä — /]« + «= (m-\-x) j vy — o
Setzt man nun auch hier:
y = e“ x »,
so erhält man
(m + #) 5 *' + -dz = o
welche durch Einführung einer neuen unabhängig Variablen | mittelst
der Substitution
folgende Gestalt annimmt:
eine Gleichung, mit deren Integration wir uns vorher beschäftigten.
Man hat nämlich, da für dieselbe
ü 0 _ (2B—1) u
~u7 ~
B—i
ist, für z folgenden Ausdruck
m 3 +4A it + 2 V—Ä
V~A.
+
B—i
u—%V—A
•B-i
L J r L J
Integration der Differentialgleichung etc.
somit ist das Integrale der voi’gelegten Gleichung:
d% 1
45
y
, jB—i r
f c ax — 2y—a4( a |£ I
1 I [ tü—X J
+
jB—4 r —4P y —A~l
4- C a e ax+2 V- A t m + X ') — ülf I
" di B ~i L J
ein Ausdruck, in welchem nach ausgeführter Differentiation statt £,
Vm -|- x zu setzen ist.
In dem speciellen Falle, wo A — o ist, sind die beiden jetzt eben
gefundenen particulären Integrale nicht von einander verschieden, es
ist besser in diesem Falle zu der Gleichung
(m-f.-u) z"4-Bz'—o
selbst zu gehen, sie gibt
r _ r , c a
* - Ci + («H-*)*- 1
oder wenn B—1 ist,
z — C t -j- Co log (m + .%■),
folglich ist das Integrale der Gleichung
(m-\-x) y"\ B—%oi.(m-\-x)\y'-\~[—-|-a,') | y=o
C 2 e ax
y = C\ e ax +
(m + ai)
oder wenn in demselben B — 1 ist,
y — C\ e ax -f- C-i e ax log (m + *')•
Beispiel. Es sei
xy " — y = o.
Man hat hier:
i
11 2
folglich:
m = o, « = o, B — o, A — — 1,
es ist daher das Integrale obiger Gleichung:
46
Spitzer.
ein Ausdruck, in welchem nach ausgeführter Integration
?=w
zu setzen ist.
Man kann das Integrale der Gleichung xy"—y — o auch durch
unendliche, äusserst convergente Reihen wiedergeben. Wir haben
vor mehreren Jahren im 26. Bande von Grunert's Archiv für Ma
thematik das complete Integrale der Gleichung xyY 1 ')—y =o ent
wickelt, und ersehen, aus der jüngst erschienenen 4. Lieferung von
Petzval’s „Integration der linearen Differenzialgleichungen“ dass in
neuester Zeit Petzval denselben Weg einzuschlagen, für gut findet.
Wir erhielten für die vorgelegte Gleichung:
y = Cl r + F!2l + ^!3! + 3Ü7 + • • • • J +
5 ^2 -j>4 j
1 + ^ + i!2! + 213! + 3!4! + ' —
+ ^ + t) +3-^7( ] +v+t+t) + '
was sich in geschlossener Form so schreiben lässt:
COS CO e *Y-t: cos u> ( l u ß I ( , Wxcos m ( f rjj _j_
-j- 2 B V xJ'cOS CO ß-Y~xc°au> fog (y^ g j n ■•y y ,
Die Entwicklung dieses geschlossenen Ausdruckes der Gleichung
xy" — y = o
haben wir Herrn Schlömilch zum Abdrucke in seiner mathemati
schen Zeitschrift eingesandt.
Es ist bemerkenswerth, dass das Integrale der Gleichung
(m -(- x) z" -j- B «' -j- A z = o
sich noch auf eine andere, viel einfachere Weise darstellen lässt,
ich fand dasselbe durch eine glückliche Voraussetzung der Form dieses
Integrales. Ich setze nämlich:
\e>Y’“+ x \
dx 11 ! J
unter n und X constante Zahlen verstanden.
Integration der Differentialgleichung etc.
47
Hieraus folgen:
% c-'O —^y m + x
log z :n l— X V m + x
durch einmaliges Differenziren erhält man:
z ( -'^ 2 Vm+x
und durch Quadriren und ordnen:
4 (m x) [+^"++| 2 = X 2 [*( —n )J 2 .
Wird nun diese Gleichung difFerenzirt, so erhält man:
4 [jj( —: H-OJa _|- 8 (//i.-\-x) *(— ,1 +0 — n + ä ) = 2 X 2 "X , ‘+*)
welche durch «(—"+ 1 ) abkürzbar ist. Man hat nämlich alsdann:
4 sC-n+O + 8 (m + x) z(-- n +°-) = 2X 2 *(- n )
und wird nun diese Gleichung n Mal dilferenzirt, und geordnet, so
erhält man:
r-
(wi+a?) z" + (n + 4)2 ■— z — o
welche mit der vorgelegten Gleichung zusammenfällt, wenn man
B — n + 4
setzt, es ist somit das Integrale derselben:
Z — Ci - 1 [ (>aV-Ä(m + ;i r J?—_1 r e -2V-T(m+x) 1
d.v B -i * I dx B ~i 1 j
und folglich das Integrale von:
(wi+a?) y" + \B—2a. (m+tp)]t/'+ [A—Ba. + « 2 (m+tr) ] y—o
entweder *)
y~Ci e« x -I e zV-AOn+x)~\ _i_ r e «*- dB '' 1 !(*++) 1
dx B — i ■- J dx B ~\ L J
oder falls A — o ist
*) Das Integrale der Gleichung xy" —y =o ist nach dieser Formel :
r(¥) _ r(A) _
y—C1 / e'V* dxi + C 2 f e-y* dxi
48
Spitze r.
y = 6', C“ +
oder falls A — o, B — 1 ist,
C«
(m+.r) s ~ 1
y = Ci e’- T C 3 e ax log (m-\-x).
Anmerkung. Die Riccati’sclie Gleichung //"—■a*sd a y — o geht
durch Einführung einer neuen, unabhängigen Variablen t mittelst der
Gleichung t = a? n + 2 über in:
t — -1_ d y
dt z n-i-'l di
a*
(M+») # ^
= 0.
deren Integrale ist:
n
Betrachten wir nun den Fall, wo U, ein Polynom des ersten
Grades ist, also die vorgelegte Gleichung die Gestalt hat:
«s y" + («i + h x ) V' + («o + K x) y = o.
Es ist alsdann:
U t
woraus folgen
« 2 u~ + f(| n + o 0
6, u + &„
mu ~| - H 4-
«o = mbj
«i = bt ( n — m a )
«o = b, (A—na)
b 0 = ■— bi a.
folglich nimmt die zu integrirende Gleichung die Gestalt an:
my" -f- (—m <x + n -f- a?) y' -1- [ A—a (n-\-x) ] y—o.
Setzt man
y == e ax z,
so erhält man
mz" -f- (jna. -f- ». -f- a?) *' + Az = o.
Wird diese Gleichung — A Mal differenzirt, so erhält man
mz^~ J D 4' ( vl a + 71 H •*') «G—o.
Integration der Differentialgleichung etc.
49
trennt man hier die Variablen, so ist
dz^~ A ^ ma + n + x
%
<W)
(Ix
und durch Integration :
nta + n x 2
loq x — ——
J m 2 m
Man hat daher
in a-\-n x
__ ß m 2 m
und
folglich
d A ~ l r _
~ dx A ~' [ e
aA - 1 r
y = L e
m g-f n x
in a -f- n
dx
]
Dies ist freilich nur ein particuläres Integrale, aber es lässt
sich leicht auch ein zweites particuläres Integrale bestimmen, die
Summe beider gibt dann das complete.
Ich setze das zweite Integrale in folgender Form voraus:
y = d T ß n i x-\-n t x 1
dx A ' L J
hieraus folgt, wenn man
y = %
setzt,
z = ~ f e' x+n
,ix A > L J
und hieraus
Aj) = _ ^iiix-\-n 2 x
log n z x~.
Durch ein einmaliges Dilferenziren derselben und Fortschaffen
der Brüche erhält man
zl l — A i) = («,-}-2 n. x) z(~ A 0
und durch ein ferneres ^4,-fl maliges Dilferenziren:
z"— («1-1-2 « 2 x) z’— 2 «2 (A t +1) z — o
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Hft.
4
50
Spitzer.
Setzt man hierein für * seinen Werth
z __ y e —m t x—m z x*
und für
z' = e —“i* -1 \y'—(m t x -(- 2m z x)y\
z!' = e~ m < x —"ä 1 " \y"—2{rn x -y2m 2 x)y' (mi 2 -—
-j-4
so erhält man:
t/"—|2m 1 +?? 1 +2d? (2?b 3 -(-?2 2 )| y' A-\ m r—2b) 2 +?b 1 w 1 •—
—2B 2 ( J 4 1 +l)+2a?(2?B 1 ?M a -l-TO 1 B a +m a Bi)+4w2 2 a? 2 (m 2 -f %) j y=o
welche mit der Gleichung
my"+(—rna.-\-n-\-x) y'-\- \A—c/.(n-\-x)\y=o
äquiparirt, zu folgenden Gleichungen führt:
n
—a-j = —2 m y — iii
m
— = —4 m z — 2n z
m
woraus
— m t 2 — 2m 2 -{-m l «i —2b 2 (^i-j-1)
— — — ^ n h m 2+27n 4 rin2 m 2 ?z ±
o — m 2 + n 2
n
1
m 2 = —
2 m
A, — — A
ma + n
1
hervorgehen. Es ist somit das zweite particuläre Integrale obiger
Gleichung
Integration der Differentialgleichung etc.
51
-Jt*-*- d
—A
— o m 2 in -
V 7=1 e
dx
Je“ 3 m |
n _ x “ —Ar wa-fn a?“-|
d ■ - 7/i ,r ' 2m I
und folglich ist das vollständige Integrale obiger Gleichung:
A—i p ma-\-n x
» I + Cs e —2;
dx
Beispiel: Es sei
&o a
.1—1 p tna+n x' -r n x —A r
»-■“£=- [ “'=]
il: Es sei
y"—btxy'+y^— ~ + 6 0 ^) = 0
hier ist
Uo
U,
u 3 -
u -
* 6 0
t *i s
daher hat man:
1 f>o , 60
»i = —, ?z = — —, A — 0, « = —
0, fij a
und folglich ist:
6 0 a; /* 2ö 0 Aja: 2 6 0 a:
y = C'i e -jT * / e - — * + — d x + C 2 e a
das vollständige Integrale obiger Differentialgleichung.
x
Betrachten wir endlich die Gleichung
«2 y" + «t y' + («0 + y = 0
welche dem letzten Ausnahmsfalle entspricht, hier führt der La-
place'sche Weg, welchen auch Petzval adoptirte, zum Integrale.
Setzen wir nämlich
y =J'e' 1 * Vdu
unter V eine, einstweilen noch unbestimmte Function von u und unter
u, und u„ constante Zahlen verstanden, so haben wir
"2
y’ — J u e ux Vdu, y" =J'i'~ e ua
V du
4
52 Spitzer.
und diese Wertlie substituirt, geben:
/ \a z ii l + a t u + a a -}- x\ e ux Vdu = o.
Da nun
« 2 11*
fx e ux Vdu = \e" x V\ —-J te
. dV
du
du
ist, so erhält man:
Wo
{c’‘ x V}-\- y(ch u~ -f cii u + a 0 ) V— —J e ux du = o
«i
was identisch wird, wenn man Vso wählt, auf dass
. Tr dV
(ciz U~ Cti U -|- UqJ r ~— — 0
wird, und u t und so, dass
C UX Y — Q
ist. Hieraus findet man:
Clo CL\ _
,, -f « , + -ö'« S + ‘>0“
V — e A 2
und als Gleichung zur Bestimmung der Grenzen:
«3 m 3 = — oo.
Seien die Wurzeln dieser Gleichung
Yi oo, fx a oo, fj.3 °°>
so'erhält man, wie man leicht einsieht, für y folgenden Werth:
m <
n f "T “ 3 + ~2 “ S + (a “ + " J I
= C, I e 3 2 d u -J-
0
H-2 °°
I ^ f -r“ 3 +-y“ 3 + (°o+^) « ,
+ G 2 / e 3 2 a m +
Sa'
-f- C 3 j e 3 ’ 2 ’ du
■ “ 3 + ~ «* + («o + *) «
Integration der Differentialgleichung etc. 53
unter C,, C 3 , C 3 willkürliche Constanten verstanden, deren Summe
gleich Null ist.
Und nun haben wir die Gleichung (1) in allen Fällen integrirt,
und wenden uns jetzt zur
Integration der Differenzengleichung
(«2 + h x) ~ -f (ft, + ^ + («o + b 0 x) y = o,
die in mehreren Fällen eine ganz analoge Behandlung, wie die Inte
gration der Differentialgleichung (1) gestattet, nur sind die Formeln
viel verwickelter, und die zu betretenden Wege fast ganz ungebahnt.
Setzen wir erst obige Gleichung in folgender Form voraus:
(14) (m -j- x) A 2 y + [A -f- B — (« -f- ß) (m -f- a?)] h A y-\-
-)- [— Aß — Ba aß (m-j-a?)] h 2 y — o
wo der Kürze halber Ax — h gesetzt wurde, und substituiren in
dieselbe
y = e ux z
somit
Ay = e ux [z (e uh — 1) -j- e uh Az]
A 2 y = e ux \z (e uh — \) 2 + 2 A2 e uh (e uk — 1) -f- A 2 * e 2 ' 1 ' 1 ] ;
wir erhalten dadurch:
(15) (»n-j-a?) e 2 " h A 2 z-j- [/z(^4—j-/?)-f-(2e” A —2—ha—hß) (wi-|-a?)]
. e" h Az+ [(A + B) (e” A — 1) h— h 2 (Aß-\-Ba) -j-
_|_ |( e «A —1)3— k (a-f-13) (e" A — 1) -|- h 2 a ßj (m -j- a?)]z = o.
Wählt man nun u so, auf dass:
(e uh —l) a — h (_a+ß) (e uh —1) + A 2 aß=o
wird, so folgt hieraus •
e uh —1 =ha und e uh —1 —liß.
Der erste Werth gibt:
log fl+Aa)
u = —
h
und dies in (15) eingeführt, liefert uns folgende Gleichung:
(16) (m-\-x) (1-f Aa) 2 A 2 z-f-A (1-j-Aa) A2 [A+B+ («—ß) .
, (m-\-x) ] -j- Ali 2 (a—ß) z—o
54
Spitzer.
Man sieht hieraus, dass die Substitution
X
y = (i+/i«) A *
in die Gleichung (14) gemacht, eine ähnliche Vereinfachung nach
sich zieht, wie die Substitution y=e av z in die eben so gebaute Diffe
rentialgleichung; die neu erhaltene Gleichung ist nämlich in ihrem
letzten Coefficienten von x befreiet.
Wird die Gleichung (16) beiderseits einer jx fachen Differenzen-
nehmung unterworfen, so erhält man
(1-|-Äa) a [ (m-j-a?) AM -2 z-|-/j. li (AH-+ 1 z+Ah-+ 2 z) ] -f-/i(l+4«) .
. [ ^A-\-B-\- (a—ß) (m-\-x) | AH-+ 1 z -j- [x h (a—ß) (Ah- z -f
-f- AH-+ 1 z) J —|- Ah z (a—ß) Ah- z = o
und dies gibt geordnet:
(l-)-Aa) 2 (m-}-a7-f/tjo.)AH-+ 2 z-f- h (l+Aa) [ A-f-5-f-jyt. (1-)-/*«) -f-
-)-(a—ß)(m-|-a?-)-Ä^.)] Af x + 1 z—J-[A-J-/j.(1 —|-/icc) ] A 2 (a—/3)Ah- z=o
Wir wählen nun [X dermassen, auf dass
A -|- [x (1 —J—7iä) = o
wird, und erhalten dadurch
(1 -f- h a) (m -j- x-f- h\x) Ah+ 2 z -ß [ß -)- (a—ß) (m-\- x-\- h /x) hA^ 1 z=o.
Aus ihr folgt:
A^ +2 g _ — B + (ß—a) (m+x+h\x)h
^H-4- 1 z (l-|-/ia) {m-\-x-\-hyß
und aus dieser wieder
AH+^+a^z —B+ (l+ßh) (m+x+lux)
A |i+1 z (1+*«) (m+x+h [/.)
Nimmt man beiderseits die Logarithmen, so erhält man:
log
A^ 2 z+A^ 1 »
A |1+1 z
= A log AH+ 1 z = log
—-B+(1 + Aß) (»»+# + & p)
hieraus folgt:
log Ah-+* z = 2 log
(1-f/ia) (m-\-x-\-ln>.)
B + (i +hß~){m-\-x+h\j.)
(1 +/ta) (m-|-.r-|-A (i)
Integration der Differentialgleichung etc.
55
und hieraus
A^d- 1 z — e
Man hat daher:
* = A-t 1 “ 1 e
und endlich, wenn man
-J+Q+ftp) (■»+*+* [Q
2 log (i+Ad) (m+x+A |i)
—F-)
“ log (i+Aa) (m-t-x-f-A p.)
und
setzt,
?/=(l-|-Aa) h z
A
P = '
i-f/ia
x A—i—Aa
i-J-Aa
?/=(l+Äa) A e
—Z?A(l-4-Aa)— Ah(l+ Äß)-f-(ro-f-:r)(l-|-Äa)(l+Aß
2 W(J (1-j-Aa) [ (m+x) (l-f-Aoc) — Ah ]
Verwechselt man in dieser Formel A mit B und zugleich a mit ß,
so gewinnt man das zweite particuläre Integrale. Das vollständige
Integrale ist daher:
A—1 —h a
(l±Äa) (_i+Aß) (ffl+a;)—Ah(\+Aß)—ha')
(l+/ia) [ (m-f-.r) (1+Aa) —Ah]
1+A “ 2 log
y = Ci (1 + aA) • A-i-h*e
h i +"“
B—1—Aß
_f. A ~i+ÄF v/ 0 +*«) C 1 + ; ‘ß) 0»+»0 -M (i +Aß) -Bh (!+>.«)
+ c,(i+ßA)*.^=i=ir« 9 ' Ci+*» [ (-H-J C*+*»^» ]
h ‘+ A ß
unter C t und C 2 willkürliche Constanten oder solche Functionen
von x verstanden, die heim Wachsen von x um A ungeändert bleihen.
Ist \-\-hu oder 1-J-Aß gleich Null, so wird eins der beiden hier
angeführten particulären Integrale unbrauchbar, das andere hingegen
vereinfacht, so ist namentlich, wenn \ -\-hx — o ist,
x B—1—Aß hA
y = C (1 -f A/3) h A 1+/ ‘ ß e* ° 9 ÄA -0»-H<0C‘+*B
Ein anderer, ebenfalls erwähnenswerther Fall, wo die Integrale
der Differenzen-Gleichungen in einfacherer Gestalt auftreten, ist der
wo A oder B gleich Null ist, so hat man für A gleich Null folgendes :
VI (rn+x)—hB
f l n ‘v 2 0( J (1-t-Aet) (m+x)
y = 6, A(1 -j-«A) \-r _p_
B—1—Aß
_-£-a 1+Aß 2 log
-f- Ce (1-j-ßA) fl_i_Aße
h ‘+ Aß
l+Aa
86
Spitzer.
Nun ist
und
-B—1- ftfi
A 1+AP e
V ; i+k °-
^ lo 9 l-j-Ap
x l-f-Äa
~ lo 91+Äß
l+Äa , 1+Aa —1—«p -nct\
l °9 l+Aß = i+^i) *+*ß - (iz»ß)
i -i-/ta\ - T
1+ÄpJ h
somit
x_ (l+Aß)Q«+.r)—Bh jr
y = C\h (1 + aA) * S e (1+A<0 ( "‘ +x) + <V (1+A«) *
wo der Kürze halber statt:
( a —ß
c, li+ißJ 1+Äß
der eine Buchstabe C% gesetzt wurde, und der eben so wie C 2 eine
willkürliche Constante repräsentirt.
Nachdem wir hiemit die Integration der Gleichung (14) been
digt haben, wenden wir uns zu folgender Differenzen-Gleichung:
mh 2 y -(- (—m a -)- n -j-x) h Ay -)- (A — na — ax)h 2 y — o.
Wir substituiren in dieselbe:
y — e vx z
und erhalten hiedurch:
me' iuh A' l z-\-[2m(e uh —Y)-\ r h(—rna-\-n~\-x)\ e' ,h Az-|- \ni (e" h —1 ) 3 —)—
-f- h (n-\-x—m a ) (e uh —1) -j- h 2 (A—n a—a x) ] z=o.
Setzt man nun:
e' ,h — 1 ah
d. h. setzt man:
log(\-\-ah)
h
so erhält man:
mA 2 « (1-f-ali) 2 -\-h (1 -\-aIi) (m a-\-n-\-x) A z-\-li 2 Az — o
und nimmt man eine p. fache Differenzirung vor, so erhält man:
m (1 -f a/i.) 2 A^+ 2 z-\- Ä(l-f-aA) (m a n -f- x -f- p. h) A^ 1 * +
-)-h 2 [ p.(l-|-a/j) -j- A ] A^z = o.
Diese Gleichung vereinfacht sich für
p. ( 1 + all) -f A = o
Integration der Differentialgleichung etc.
57
sie geht nämlich hiedurch über in:
m(1 « Ä ) A^ 2 z-\-h(ma.-\-n-\-x-\-y.h) A^- 1 z = o.
Aus dieser folgen successive:
v r+ 2
4^+* a m—[i/i)
log
A r+‘
A^ 2 » + A^ 1 a
m (1+a/t)
A^ +1 !
, , ... , m—Mn + (a h 4- x)
~ A log AH- 1 * = log m(l+ah)
log A^ 1 z — hlog
m—h(n -p;j. h + x)
m (1 + ali)
m—ft(”+H+ x )
z== £-v- l e 9 »0+«»)
und setzt man endlich:
und
so folgt:
y=( 1 + «A) A *
1-J-a/i
A—l—ah
fr l + ah
(m—A/i—hx) (i-f-a/t) -\-A1fi
S log - (i+aA)'*
2/=C(1+«A) ä • A-i-^e
h 1 + aA
unter C wieder eine willkürliche Function von x verstanden, die beim
Wachsen von x um h ungeändert bleibt. Ich bemerke noch dass die
hier gefundenen Integrale der Differenzen-Gleichungen sich augen
blicklich in die vorhin gefundenen Integrale der Differenzialgleichun
gen verwandeln, wenn man h gegen Null convergiren lässt.
Integration der Differentialgleichung.
(a 3 +ö 3 x)y'"-\- (ih+bz x)y"-\- («, -f b t x) y'-\- (a 0 -\-b a x) y=o.
Die Integration dieser Gleichung lässt sich eben so einfach
durchführen, wie die Integration einer Gleichung zweiter Ordnung.
Wir bilden uns nämlich den Bruch
a 3 u 3 -f a 2 m 2 + o, u + a 0
b 3 o 3 -j- b% u 2 -f- n b 3
dessen Zähler und Nenner wir kurz mit U 0 und U t bezeichnen, und
zerlegen denselben in Partialbrüche; gesetzt den Fall, es sei
S8
Spitzer.
(17)
«3 U 3 4“ 0-1 « 3 -f- «1 U -j- «0
= m -j-
+
B
+
b 3 u 3 -\-b z u z -\-b j 6+6o ' “—« ' «— ß ' u— 7
so führen wir in die gegebene Gleichung statt den Constanten a 3 a 3
U\ «o bo b z b t und b 0 neue Constanten ein, nämlich m A, B, C, a, ß,y
mittelst folgenden aus der Gleichung (17) hervorgehenden Relationen:
« 3 = mb s
a 2 = b 3 [.i + fi-f C — w( a +ß+7)]
(h=b 3 [m(«|3 + a7 + (37) —J(ß + 7) —if(a + 7) —G(«+ß) ]
n 0 — b 3 [Aßy -}- B «7 + Caß— maß7]
ö a = —&s(« + ß + 7)
bi = («ß + «7 + ßy)
b 0 = — b 3 aßy
Die nach Einführung dieser Werthe hervorgehende Gleichung ist:
(18) (m + ir)2/" / + [J + 5+G—(«+ß + 7)(»i + .'i?)j2/" +
+ [—A (ß + 7) — 5(a + 7) — C(a+ß)+(aß+«7-|-ß7) .
. (?ra-f- a?)]2/'-f- [^lß7 + i?a7 -f- Caß —-aß7(wi -ßu?) ] 2/ = 0
durch die Substitution
erhält man:
y — e' JX z
(m + x')z'"+[A + B+C+(2a —ß — 7)(m + a?)]*"+[2« .
. (il + 5 + C) — ^1 (ß + 7) — B (a + 7) —C(a+ß) + (a 3 —aß—
— «7 -f- ß7) (wi + u;)]*' +J(a 3 — aß — «7 + ß7) * = 0
und diese Gleichung ist einfacher als die Gleichung (18), da der
Coefficient des letzten Gliedes eine Constante ist.
Wird nun diese Gleichung fzmal differenzirt, so erhält man:
(m + ar) zO+ 3 ) + [<j. + A +B+C+ (2 a — ß — 7) (m+j?)] *fr+ 2 ) +
+ [l J - (2 a —ß —7) 4-2a(,4+5+C)—J(ß+7) —5(a + 7) —
— C'(a-f-ß) (a 3 — aß — ay -f- ß?) (»*+#)] -f-
-f- (/a. —j- ^4) (a 3 — aß — «7+ ß7) zC~) — 0
und diese Gleichung vereinfacht sich für
p-\-A = 0,
man erhält alsdann nämlich
(19) (m+.v) «(- 4 + 3 ) 4- [B+C+(2a—ß—7)(m+aO]*C-^+ 2 ) +
+ [2a(Z?+C)-5(a + 7) —G(a+ß) +
-f- (a 3 —aß — a7^—ßy') (mx] z^~ A+i ^> — 0.
Integration der Differentialgleichung 1 etc.
59
Diese Gleichung ist bezüglich *( -yi +D eine Differentialgleichung
zweiter Ordnung und kann mittelst der Formel (ä) integrirt werden.
Die daselbst vorkommenden Buchstaben ergeben sich durch die Zer
legung des folgenden Bruchs in Partialbrüche:
>11»=+ [2?+C+m(2c< — ß —•[)]«+2 a(/J+C) — JQ + 'f)— CQ + ß) + m(q 2 — aß—a? + ßr)
(2 a — ß —7)a+a 2 —aß—a-f + ß?
und diese sind:
m-{-
+
ß
u-\-a.—7 1 u-\-a—ß
das Integral der Gleichung (19) ist daher
R (ß—t) x
jc-i r jß—o* i d“- 1 r -i
%(.—^+0 == ßgClf“*)* I I —I— Cg a)a? I I
d.^" 1 L(*+*) Ä J + ~ dx B -' L(m l-aO'-J
woraus folgt:
„ d A ~* ( . d°- x r«(P-T)* 1)
* - c, — V 4-
'äx A -'\ rf./’- 1 L(m-h.v) , 'J j
,X-i f ,/B-i r e ( T -P)* 1 )
+ C, c(MO*_ 1_
^ d^“ 1 | d.^- 1
und nun ergibt sich y aus der Gleichung y = e ax z, es ist daher ein
particuläres Integral:
JA-1
2/ = e a
da 1
a-i
g(ß—a)x .
„ d“-' r e (T-P)* n
dx D ~ l L(m -j- a’j C J
und durch Vertauschung der Buchstaben a, ß, y sowohl als auch A,
B, C nach einem einfachen Permutationsgesetze ergeben sich die
andern. Es ist daher das vollständige Integrale der vorgelegten
Gleichung:
V = C t e*
fr . d"-' r e o-w*-i
,(ß-a)x I I
dx B ~ 1 L(m + a?) c J
d B ~ 1 ( d c ~ l T v)- 1 ' i)
+ C% eß " « (T “ ß)x 1 4-
dx l dx c 1 Lfiw+aO^J J
+ C 3 et*
da:
e (a— f )x .
jA-i
d.v
(m-\-xy
[ e CP-«> -1
(?n+a) ß J
Diese Analyse ist unzulässig, wenn der £ genannte Bruch sich
nicht auf folgende Art zerlegen lässt:
ABC
60
S pitzer.
Die verschiedenen Formen, welche ^ noch annchmen kann, sind:
1. *
V,
m -j-
(tt—a) a
A
+ — +
u—a.
B
u—ß
(u—a) a n—a
B
2. — = m 4 -—-—(-
17, (m—a)3
0 U 0 A
U t u—oc u—ß
, Uo , , A , B
Ui («—a) 3 u—a
a Uo . , . A
5. •— = JK 4- WM 4- MM 2 4
t7 t 1 1 1 1 u—a
6. — = m + nu -f- pu- -f- qu 3
Ui
und nun wollen wir versuchen, die Integration der Differentialgleichun
gen in diesen verschiedenen Fällen zu bewerkstelligen.
Integration derjenigen Differentialgleichung dritter Ordnung,
für welche
Do _ 4_ A B C
Ui m (ti — Ci) 3 U Ci ' u—ß
ist.
Aus dieser Gleichung folgt, wenn man statt U 0 und 17, ihre
Werthe setzt:
a 3 = mb 3
a 2 = b 3 \_B-\-C—m (2a-f-ß)]
= b 3 [»i (a a -j-2aß) -}- A—B (a-|-ß) — 2a C]
Uo = b 3 [ — ma 2 ß— Aß-j-Baß-j-a z C]
b 3 = — b 3 (2cc-fß)
bi — b 3 (a a -|-2aß)
b 0 — — b 3 a-ß
und folglich ist die Gestalt unserer jetzt zu integrirenden Gleichung
(m+x')y'"-\ r [B+C—(2«+ß) (w*+a?)] y"-f [4—J?(a+ß) —
— 2«C + (m+x) (« a +2aß)] y'+ [a z C+Baß—Aß—
— a z ß (rn-\-x)] y = o.
Die Substitution
?/ = 2
Integration der Difi'erentialgleichung etc.
61
gibt:
(m+x)z'"+[B+C+2(ß—a)O.+a0]*"+ [^+(ß—«) .
. (/?+2 C)-f(ß—<xy(ni-\-x)]z'-\-C(ß—a) 2 « = o
und ein (jtfaclies Differenziren derselben führt auf:
(m+x)z^+ 3 )-f [ fi+B+C+2 (ß—a) (m+x)] *(^+ 2 )+
+ [ 2 P(ß— a )+A+(ß—«)(B+2C)+(ß—«) 2 (m+ a 7)]^+ 1 )+
-f (/z-j-C) (ß—a) 2 z<>)= o.
Setzen wir nun:
<k -(- C — o,
so erhalten wir:
(20) »(i i + 3 ) [2J-|-2(ß—a) (wz—f-a?)] [4-f-
-1- B (ß—a) (ß —a) 2 (?M-f x)]*<V+D = o.
Diese lässt sieh nun so behandeln, wie die Differentialgleichun
gen zweiter Ordnung, denn sie ist eigentlich eine solche, wenn zCH-D
als die abhängige Variable angesehen wird. Bilden wir daher behufs
der Integration den ^ genannten Bruch, dieser ist:
mu 2 [U + 2wt (ß — a)]w + A + B (ß—a) -(- m (ß—a) 3
u 2 + 2 u(ß—a) -+- (ß—a) 3
und gibt in Partialbrüche zerlegt:
i a . a
Wl -1-
(u-|-ß—a) 3 “+ß—«
Das Integral der Gleichung (20) ist daher:
= C t e C«-P)«—[ e V ~ A (m+x) 1 4-
dx D ~\ L J
cl B -i
+ '
dx B ~i
[ —zY~A (m-fx) 1
‘ J
oder falls A = o ist:
n «(«—ß)*
zQ-c+ D = Ci «(«HD* +~
(m+a:) 5—1
oder endlich falls A — o, B = 1 ist:
*(-c+i) = Ci eO-»* -J- C 2 e(“~ß> % (m+.f)
und folglich erscheint das Integrale unserer jetzt eben in Betracht
habenden Gleichung in folgenden Formen:
62
Spitzer.
y = Ci $ x
jC-l
dx
c— l
(a—ß)x d ,! ~i T 2y—A(m+x)
dx B l
^ J>V—A(m+x) J
+
( (a— ß) X d B l T —2y —A(m-j-x')
-< e 1 e
+ < 7 ae ßxj_;
(fa c 1 ( dx B ~ L
]}
oder wenn .4=0 ist:
1 r e O—ß) x -i
y—Ci e** + C z e$ x ——— I —- I
dx c L (m+.r) 7 i
oder wenn .4 = 0, 5 = 1 ist:
y = Ci e ax + Co e?‘ x J-^ZT [ ^ W ' lo 9 0»+®) j
Diese hier angeführten Integrale enthalten blos zwei willkür
liche Constante, und müssen daher noch durch ein drittes mit einer
willkürlichen Constante versehenes particuläres Integrale completirt
werden.
Integration derjenigen Dilferentialgleichnng, für welche
Uo_ = . A B C
Ui m + (u— a)3 (u—a)3 ~ u—a
Aus dieser Gleichung folgen
« 3 = mb 3
«2 = b 3 (—3 a m-\-C)
di = b 3 (3 a-m— 2 a C-\-B)
a 0 = b 3 (—a s m-\-a 2 C—aB-\-Ä)
b z = — 3 a b 3
bi — 3 a z b 3
bo = — <*3 b 3
somit ist die zu integrirende Gleichung :
O-f x)y"'+ [ C— 3 « (m+ar) ] y"+ [B—2 aC+ 3 a 2 (m+ar)] y'-f
[ A—B a-{-Ca 2 —a s (m-\-x) ] y=o
und diese geht für
y — e* x z
über in
(m+a?) z'"+Cz"+Bz'+Az=o
63
Integration der Differentialgleichung etc.
welche sieh durch fx malige Differentiation in folgende verwandelt:
(wz+a?) zO+3)_l- Qx-f -f Bz^+ r ) + AzM=o
und sich folglich für:
(X + C = o
vereinfacht. Man erhält nämlich:
(wz+a?) *C— c + 3 )_|-ß«(— c + 1 )4-4sf —c ^= o
und wenn man
setzt,
%(-— c ')=u und wz-]-#=£
(20) £zz"' + Bic' + Au = o
für welche wir gar keinen andern, uns zusagenden Integrationsweg
kennen, als den durch unendliche Reihen.
In dem speciellen Falle wo
A — o
ist, geht obige Gleichung über in :
(wz+af) z"'+Cz"+Bz'=o
welche für
eine Gleichung zweiter Ordnung wird, deren Integration uns voll
ständig gelang. Ehen so ist in dem speciellen Falle wo B = o die
Integration der Gleichung
£u'"+Au=o
ausführbar. Wir haben im 26. Band von Grunerts Archiv für
Mathematik das Integral dieser Gleichung durch unendliche conver-
gente Reihen gegeben.
Endlich lässt sich leicht das Integrale angeben, wenn
A — o und B— o,
oder wenn
A = B — C = o
ist.
Integration derjenigen Differentialgleichung, für welche
ÜO
U,
m -j- nu -f-
— + —
t—a u—ß
ist.
64
Spitzer.
In diesem Falle hat man
« 3 == nib 2
«2 = b 2 \n—m(«+ß)J
CH = 6 3 [ A+B—n («+/3) + maß ]
«o = b 2 [naß—Aß—Ba]
bi = — 6 a («+ß)
6 0 = aß
und zur Differentialgleichung
my'" -j- [n—m (a-f-ß) + y" + [maß -(- ^4+/? — (M-f-a?) •
■ («+ß)] V' + [— Aß—B« + aß (»+■*)] y = o.
Die Substitution
y —
gibt:
-f [ (2a—ß) m+M+a?] z" -f [a*m—aßm-\-A-\-B -f
-f (a—ß) (w+^)] *' + A (a—ß) * = o
und ein p maliges Differenziren führt auf:
wjzO+ 3 ) -(- [(2a — ß) *0*+*) [p-f-a 2 wi — aßm -)-
+ A-\~B + (a—ß) (w+a?) ]. + (p~M) («—ß) * (l0 = °-
Nun setzen wir
p + o4 = o
und erhalten dadurch:
ma(H- s ) -j- [(2a—ß) m-f?«+a?] *(i J -+ 2 ) -f [a 2 m—ußm-\-B +
-|- (a—ß) (w-(-a?)] = o,
die wir, da sie bezüglich «0+0 von der zweiten Ordnung ist, zu
integriren vermögen. Wir bilden uns daher den, dieser Gleichung
entsprechenden Bruch
mu 2 + [(2a—ß) m + «] u + a 2 m—aßm + B + n (a—ß)
u+cc—ß
der zerlegt Folgendes gibt:
B
muA-amA-n -\
1 1 u + a—ß
folglich ist:
B _ j mß-fn .r 2
»fH-D = Ci x ■——-fe “ '"'1 -f-
dx n ~' L J
am-\-n ^ x 1 r- mß-fn
Cz e
dx
-b e
m ^ 2m I
l e J
Inlegration der Differentialgleichung etc.
65
und daher
y = Cje”
dx A
mß-f-n xZ
in ' 2in I
+
+ c.«~^=ri«
am+n
.-^rr
L
d- u r i /
9 «i I »n 2;» I
dx
m 2 tu I
C J
Vertauscht man a mit ß und zugleich A mit so erhält man
wieder particuläre Integrale, somit hat man:
jA-l
V = Cie“
+ C,c*
dx A
,(P-a).r
, [• ■ *■]} +
[e " 2M J +
dx“
dx
A-i )e
ßA—1 f am-|-n x2 d—ß r ” > P+” r i x * -•'
d,-“" l e
,A-l r ’»“+»
,ß-t c ,a-i r _
+ ‘ 1 +
d fl -‘ ( d- vi r 1^*+-'i )
+ n o ~ / m 2m I m 2»t \
c * e? dx*-'f dx-n e \\
dx
Da die vorgelegte Gleichung von der dritten Ordnung ist, so
hat ihr completes Integrale auch nur drei willkürliche Constante. Da
nun ferner jede den hier aufgestellten vier Ausdrücken für sich ge
nügt, so kann man irgend einen von denselben weglassen; und hat
dann das vollständige Integrale.
Integration derjenigen Düfercntialgleichnng, für welche
üo , A B
- =» mu-\- n +
1
(11 — a) s u — a
ist.
In diesem Falle hat man
« s — mb.,
a t — b, (n—2am)
a, — b 2 (ma~—2xn-\-ß)
«o = b z (raa 2 —ßa-j-A)
b t — — 2a. b,
b a = b 2 a.~
Sitzb. d. mathem.-naturvv. CI. XXIV. ßd. 1. Hft.
66 Spitzer.
und die zu integrirende Differentialgleichung heisst:
my'" + ( n —2can-\-.x) y" -f- B—2a J y' +
-f- [A—ßa+a 2 (zt+a?)] y — o .
Durch Substitution von
y = e* x z
erhält man:
mz"’ + (a»?-j-rc-|-.x’) z" + Bz'-\-Az — o,
welche mittelst der von Petzval gebrauchten Integrations-Methode,
welche eigentlich von L a p I a c e herrührt, zu particulären Integralen
von der Form führt:
M 3 A
r m \- (<xm-\-n-\-x) u
y = j u B ~ 2 e 2 “ du
mit Integrationsgrenzen, welche constant sind, und aus der Gleichung
tt 3 A
B m f- (a m+«+.r) u
U 6 2 u = 0
hervorzugehen haben; wir gestehen offen, dass uns dieses Integrale
nicht zusagt (in unserem nächsten Memoire werden wir es durch ein,
uns mehr zusagendes ersetzen), es sei denn, dass
A — o
wäre. In diesem Falle hätte man:
somit:
* = Ct dx B ~' 1*
+ Co e m
dP—^ p
y= c ' e * x l^ L
i |- «ta+n x 3 i
I m 2 m I
1 Y e \
+
.X’ 2
d- B r n ^±i x +^.-\
m r 2 m I
l e J
(Ix
e
wia-j-n
I
+
+ C 2 e“
7na+n x z ■»—B r 7/ia-4-n a
'—x—-— (l I ~.r-f -
o I «> 1 o
dx'
-is r 7na-4-/t x~
-I ,
-B Y<‘ I dx
Ist A — o und B = o, so findet man:
’J = (C\ + C*x) e’ r + C s
■//■
a;?t-f-7t x 2
"dx*.
Integration der Differentialgleichung etc.
67
Iategration jener Differentialgleichung, für welche
ist.
Hier hat man
« 3 = h P
«2 = bi (n—ap)
«i = bi (m—an)
a 0 — b t (A—am)
b 0 = -—hi a
folglich ist die zu integrirende Dilferentialgleichung:
Py"'\ J r ( n — a P) y" + ( m —an-\-x) y' -f- (A—am—ax) y = o
für
y = e ax z
erhält man:
pz"' -f- (n-\-2ap) z" -f {a z p-^-an-\-m-\-cv) z! -j- Az = o
und durch ein — A maliges Differenziren:
pz(~ A + 3 )-(- (n-\-2ap) *(—■ A + s ) -)- (« a p -f- ara-j-m-f a?) *(“^+0 = o,
deren Integrale Folgendes ist:
u 2 -fu (in-\-an-\-a i p-\-x')
du -|-
0
_ [J-oOO
0
u ä -f u p-\-x)
du +
o
0
unter pioo p z oo p 3 oo die Wurzeln der Gleichung
pu 3 = —oo
68
Spitzer.
und unter C { C. C s willkürliche Constante verstanden, deren Summe
gleich Null ist. Es ist daher:
I ? «*+ ( a P C m +« B +« 2 P4-* r ) , .
y = C\ e* x Ju A 1 e 3 ' ~ ; du-r
+ C 2 e°
+ Cs
rJ u A-i J" 3 +(v + r) *+(«'+°-»+*r+*> du +
0
S*V-2P°
I -|“ 3 +(ap + ~) » , + 0»+i»"+<«*J+ i ') ,
V J ?t A_1 e 3 v 2 J du.
Man hätte auch hier gleich vom Anfang an, und wenn A>o ist,
sogar mit mehr Erfolg die von Petzval angewandte Methode benützen
können. Es wäre nämlich nach derselben für positives A
= kJ (u-
0
— u 3 4 u z 4- (m4-x)u ,}.. I
(«—a)^-‘e 3 2 1 J< *“ +
,, , -ö" 3 -t-ö uJ + t”*+ X )“ 7 ,
a)' 4 ~ ) e 3 du -f-
+ k 3
/. , , , ^" 3 + ^« s +
J (u—k) a ~ 1 e 3 1
du
unter K t K z I{ 3 willkürliche Constante verstanden.
Wir kommen endlich zur
Integration derjenigen Differentialgleichung, für welche
ist.
I7„
— - m-\-nu-\-pu' ! -\-qu' i
Ui
Da hat man :
«0
a z
= m, — = n, -=p. 7- = q
Oq Oq Oq Oq
und die Differentialgleichung ist:
qy"'+py"-\-ny+(™ + x) y = 0.
Integration der Differentialgleichung etc.
69
Durch Benützung der von Petzval angewandten Methode
kömmt man auf das Integral:
mftt-j-aO H— u~4- — tl 3 + —
e 2 3 4 du -f
0 °°e2
/ «>(«-)-*)+ - B*+- 1|ä+
e 23 4 du
y -.i'-ä'»
m (u
e
0
y r*V-k<*>
»OH
unter Cj C 2 C s C 4 willkürliche Constante verstanden, deren Summe
gleich Null ist, und unter fj. t j/a. a fji 4 Zahlen, welche die Wurzeln
der Gleichung:
§w 4 = — 1
sind.
Wir könnten nun auf dieselbe Weise die Integration der Diffe-
renzen-Gleichungen dritter Ordnung behandeln und alsdann uns mit
Gleichungen der vierten und höhern Ordnung beschäftigen, u. s. f.
allein, da wir keine neuen Methoden bei denselben zu erörtern haben,
so wollen wir diesen Aufsatz mit folgender allgemeiner Bemerkung
scldiessen:
Wenn die Gleichung:
(21) (a„ + b n x) yM + (« n _!-f a?) y(”-0-f . . .
+ («, + b, x) y' -f (a„ -|- b„ x) y = o
gegeben ist, und der aus den Coefficienten derselben gebildete Bruch
t’il lln U n -)- ftn I K"— 1 -f- . . . . -j- a t u -f- a
Uf bn u n -)- A»i—i u n — 1 -(- . . . . b t u -)- b 0
sich so in Partialbrüche zerlegen lässt, auf dass
Uq _ A
U, ~ u—
P
Q
70
Spitzer. Integration der Differenzialgleichung etc.
ist, unter u—a einen in U, nicht wiederholt vorkommenden Factor
verstanden, so lässt sich die Gleichung (21) durch Substitution von
d A ~ l
und nachheriger —A maligen Differentionen auf eine Gleichung von
derselben Form wie (21) bringen, die aber um eine Einheit in der
Ordnungszahl niedriger ist. Ferner hat 17, verschiedene Factoren:
u — «, u — « 2 , u — a 3 . . ■ u ■— <x r
von denen keiner wiederholt in 17, vorkommt, so lässt sich durch
successive Anwendung des eben besprochenen Verfahrens der Grad
der vorgelegten Gleichung um r Einheiten erniedrigen.
Da wir ferner immerwährend die Function complementaire ausser
Acht gelassen haben, so bleibt uns zur Verificirung der gewonnenen
Integrale nichts anders übrig, als eine directe Substitution in die vor
gelegte Gleichung. Und nun wenden wir uns zur Integration anders
gebauter Differentialgleichungen.
Knochenhau e r. Beobacht. über zwei sich gleichzeitig entladende Batterien.
71
SITZUNG VOM 18. .IUNI 1857.
Eingescudete Abhandlungen.
Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende
Batterien.
Von K. IV. E n o ch cn haue r.
Eine aus mehreren Flaschen gebildete Batterie kann man auch
als eine Batterie ansehen, welche aus mehreren einzelnen Batterien
zusammengesetzt ist. Die Verhindungsdräthe dieser einzelnen Bat
terien hat man bis jetzt nur kurz und aus starkem, gut leitendem
Metalle gemacht, und somit nur auf dem gemeinsamen Schliessungs-
drathe die Wirkungen untersucht, welche diese Batterien zusammen
hei ihrer gleichzeitigen Entladung hervorbringen; ein nicht hierher
gehöriger Umstand hat mich indess veranlasst, auch die Ströme in
den Verbindungsdräthen zu messen, und ich erlaube mir meine
Beobachtungen mitzutheilen, die, ohne Zweifel manches Beachtens-
werthe für die Theorie der elektrischen Ströme darbieten. Ich habe
meine Beobachtungen der Einfachheit wegen auf zwei Batterien
beschränkt, und werde daher die Discussion nicht über diesen
speciellen Fall ausdehnen.
Wir wollen zunächst sehen, was wir nach der jetzt allgemein
angenommenen Theorie zu erwarten haben, da eine solche Vorunter
suchung jedenfalls ein treffliches Mittel gewährt, den Umfang und
die Solidität des bis jetzt gelegten Grundes zu prüfen. Es seien also,
um den einfachsten Fall zu wählen, von zwei gleich grossen Batterien
die äussern Belegungen durch starkes, zu dem Erdboden ableitend
verbundenes Metall, die innern Belegungen dagegen durch einen
72
Knochen haue r.
langem Drath mit einander vereinigt; an die Mitte dieses Drathes
schliesse sich die eine Kugel des Ausladers und von der andern, die in
beliebiger Distanz eingestellt ist, gehe der gemeinsame Schliessungs-
drath bis zur äussern Belegung. Ladet man vom Conductor aus eine
dieser Batterien, so wird auch die andere gleich stark geladen, und
wir haben bei der über die Kugeln des Ausladers erfolgenden Ent
ladung in dem gemeinsamen Schliessungsdrathe (dem Stamme) die
gemeinsame Wirkung beider Batterien, wie sie bisher untersucht
worden ist, daneben aber in den beiden zunächst gleich langen und
gleich gut leitenden Dräthen (den Batteriedrä then) die Gelegen
heit erlangt, auch die hierin von jeder einzelnen Batterie kommenden
Ströme zu messen. Die jetzt gütige Theorie gibt nun, vorausgesetzt
dass der Widerstand im Stamme und in den ßatteriedräthen unver
ändert bleibt, die Wärmeentwickelung im Stamme als von — abhängig
S
an, worin q die der ganzen Batterie zugeleitete Elektricitätsmenge
und s die Grösse der belegten Fläche (die Zahl der gleichen Flaschen)
bedeutet. Da hier die Batterie in zwei unter einander gleiche Batterien
zerlegt ist, so erhält jede — Elektricität und die belegte Fläche
s
in jeder ist = —; es scheint mir also als nothwendig zu folgen,
dass in jedem Batteriedrathe die in gleichen Thermometern erzeugte
Wärme die Hälfte von der im Stamme sein werde, und dass wir
somit hier den ersten Fall hätten, wo zwei gleich starke Ströme mit
einander zusammentrelfend nur die doppelte Wärme hervorbrächten,
statt der vierfachen, die alle andern derartigen Beobachtungen bisher
geliefert haben. Sollte etwa die Theorie noch ein anderes Resultat
zulassen, so wäre jedenfalls die Wärmeformel — nicht zweckmässig
s
gewählt, da sie ausser den Grössen q und s keine Bezeichnung ent
hält, woran das Resultat sich anknüpfen liesse. — Fügen wir hiernach
in einen der beiden Batteriedräthe einen schlechter leitenden Drath
ein, so wird die eine Batterie sich schneller, die andere sich lang
samer entladen, sofern nämlich jede für sich allein zur Entladung
käme; da aber beide mit einander verbunden sind, so entsteht die
schwierige Frage, wie beide zusammen ihre Entladung bewirken.
Ich nenne diese Frage eine schwierige, weil die jetzt herrschende
Theorie für dergleichen Fälle noch zu wenig oder vielmehr noch gar
nicht ausgebildet ist, und es daher schwierig ist, nach ihr das
Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende Batterien.
73
Resultat im voraus aufzustellen, ohne den Vorwurf besorgen zu müssen,
man habe den jetzigen Ansichten etwas ihnen nicht Zugehöriges
absichtlich beigelegt, um desto bequemer das Irrthümliche derselben
nachzuweisen. Ich glaube indess, der hier vorliegende Fall werde
wohl allgemein nahe so angesehen werden als der, wo zwei gleich
grosse und anfänglich gleich hoch mit Wasser (einem Fluidum)
gefüllte Behälter durch eine gemeinsame horizontale Röhrenleitung
ausfliessen, von denen jedoch der eine durch eine weitere, der
andere durch eine engere Röhre mit dem gemeinsamen Ableitungs
rohr verbunden ist. Hier würde zunächst der erste Behälter stark,
der andere langsam strömen, bis sich in jenem die Druckhöhe um so
viel vermindert hätte, als welche bei diesem zur Überwindung des
grossem Widerstandes erfordert wird; darauf würden beide gleich
langsam fortströmen, weil der Druck vom zweiten Behälter auf den
ersten zurückwirkt und den sonst schnellem Ausfluss aus ihm zurück
hält. Dies auf die Batterien übertragen, werden wir in dem Drathe
der weniger gehemmten Batterie gegen den Schluss der Entladung
eine bestimmte Verzögerung des Stromes im Vergleiche zu dem Falle
erwarten dürfen, wo beide Batterien sich einzeln über den Schliessungs-
drath entladen; indess wird diese Verzögerung sicher nie dahin
führen können, die Wärmewirkung beider Ströme gleich gross
zu machen, es wird vielmehr immer das Resultat hervorgehen, dass
die Wärmeentwicklung in den Batteriedräthen ungleich bleibt,
grösser in dem, welcher besser, kleiner in dem, welcher schlechter
leitet. Eine Abänderung der Verhältnisse, herbeigeführt durch die
Annahme, dass die eine Batterie noch nachträglich durch die anderen
geladen werde, könnte nur in dem Falle eintreten, wenn die eine
Batterie in ihrer Entladung so verlangsamt würde, dass die zwischen
den Kugeln des Ausladers zersprengte Luft schon eher wieder
zusammenschlüge, bevor die zu langsam strömende Elektricität der
gehemmten Batterie herangekommen wäre; dann würde aber diese
Elektricität sich über beide Batterien verbreiten, und beide würden
noch die Hälfte der zur Ladung verwandten Elektricität enthalten,
ohne das diese als eine in ihrer freien Spannung zu schwache noch
weiter über den Auslader davongehen könnte. Diesen extremen Fall
ausgenommen, kann offenbar während der Entladung keine der beiden
Batterien Elektricität von der andern empfangen, da jeder Andrang
neuer Elektricität nichts anders bewirken würde, als die in der
74
Knochenhauer.
Batterie noch befindliche zurück zu halten, d. h. die weitere Entladung
dieser Batterie zu verzögern; denn eben so wenig wie bei den eben
angeführten Behältern während des Ausflusses das Niveau in dem
einen wieder steigt (den Fall ausgenommen, dass man die gemeinsame
Ausflussöffnung verstopft), eben so wenig kann sich auch hier eine
Batterie unter Einwirkung der andern bei gestatteter freier Entladung
wiederum stärker laden. Doch selbst wenn eine solche erneuerte
Ladung möglich wäre, würde das vorher aufgestellte allgemeine
Besultat, nämlich dass diejenige Batterie, deren Drath den geringem
Widerstand bietet, anfänglich stärker strömt und somit mehr Wärme
entwickelt als die andere, nur um so sicherer gelten, da jedenfalls
nur die erste Batterie, als die sich zuerst entladende, eine erneuerte
Ladung, also ein Übergewicht an Stromstärke erlangen könnte. •—-
Machen wir endlich die Batteriedräthe, ohne ihren Widerstand
wesentlich zu ändern, ungleich lang, so entsteht uns die neue Frage,
ob hierdurch die Strömungen in beiden Dräthen eine Änderung
erfahren. Die jetzige Theorie hat auf die Länge der Dräthe noch
kein besonderes Gewicht gelegt, nur hei der Stromtheilung sollen
die längern Dräthe Veranlassung zu Nebenströmen geben, welche
die wahre Stromtheilung verdecken. Wenn gleich ich mich schon
mehrfach dahin ausgesprochen habe, dass keine Thatsaclien das
Vorhandensein von Nebenströmen bei der Stromtheilung beweisen,
so mögen sie immerhin bei derselben bestehen, weil die jetzige
Theorie sie in sich aufgenommen hat; allein trotz dieser Annahme
dürften doch in dem vorliegenden Falle dergleichen Nebenströme wohl
kaum zur Aushilfe herbeigezogen werden, weil kein geschlossener
Drathring vorhanden ist, der zu ihrem Entstehen gefordert wird.
Wollte man indess die Verbindung durch die Batterien als geschlos
senen Ring ansehen, so liegt es dann wenigstens in dem Wesen
derartiger Nebenströme, wie dies von ihren Beschützern bisher
allgemein behauptet worden ist, dass sie den Strom, durch welchen
und neben welchem sie fliessen, in seinem Laufe hemmen. Lassen
wir hier also Nebenströme zu, so würde der Strom derjenigen Bat
terie, deren Drath Veranlassung zu Nebenströmen gibt, verlangsamt
oder gehemmt werden, somit würde auf dem längern Batteriedrathe,
der eben seiner Länge wegen die Nebenströme begünstigt, eine
geringere Wärmeentwickelung eintreten als auf dem andern, natürlich
unter sonst gleichen Verhältnissen. — Fassen wir das Bisherige
Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende Batterien.
75
noch einmal kurz zusammen, so haben wir nach der jetzigen Theorie
folgende Resultate zu erwarten: 1. Bei gleicher Länge und Zusammen
setzung der Dräthe zweier gleicher Batterien ist die Wärme im
Stamme doppelt so gross als in jedem der Batteriedräthe einzeln;
2. bei Batteriedräthen, von denen der eine einen geringem Wider
stand darbietet als der andere, wird auf jenem mehr Wärme als
auf diesem entwickelt; 3. wenn die Länge der Batteriedräthe bei
sonst unverändertem Widerstande einen Einfluss auf das Resultat
ausüben sollte, so wird auf dem langem weniger, auf dem kürzern
mehr Wärme entwickelt werden.
Wir wollen jetzt sehen, wie weit die Beobachtungen mit diesen
nach der Theorie vorherbestimmten Resultaten Übereinkommen. Um
mich zuvörderst zu überzeugen, dass längere, gut leitende Dräthe,
zur Verbindung der innern Belegungen beider Batterien angewandt,
die bisher im Stamme beobachteten Zahlen nicht ändern, nahm ich
die eine Batterie aus den beiden Flaschen jF a -\- F s , die andere
aus F t -j- F>i, wodurch sie am meisten einander gleich werden, und
bildete jeden Batteriedrath aus S' Kupferdrath (K) von etwas über
Va Linie Durchmesser; der Stamm enthielt ausser dem Thermometer-
drathe (P) und dem Auslader, dessen Kugeln in constanter Ent
fernung blieben, noch 8'2 Fuss K. Ich erhielt
f,+f 4
12.8
offen
Fa +F S
offen
1V7
beide Batterien geschlossen 2h , 0,
also in 25-0 nahe richtig die Summe von ll'7und 12-8 = 24-h. Um
nebenbei einige Aussicht auf die zu erwartenden Resultate zu gewin
nen, fügte ich in den einen der Batteriedräthe, der in seiner ursprüng
lichen Länge mit dem Stamme verbunden durch 0 bezeichnet werden
soll, andere Dräthe als Zusätze ein, nämlich entweder Kupferdrath K,
oder P einen dem Thermometerdrathe gleichen Platindrath, 17 Zoll
von 0-081 Linie Durchmesser, oder P.B, eine Platinspirale von 32
Zoll Länge und (POOl Linie Durchmesser, oder Platindrath PL von
nahe gleicher Starke mit dem im Thermometer befindlichen.
Dies gab:
76
Knochenhauer.
Zusatz in F2+F 3
Zusatz in Fj 4-F4
Wärme im Stamm
offen
0
offen
0
offen
0
offen
0
offen
0
offen
0
0
35' K.
n
p.
»
P. B.
P.+P.b’.’ + 5'PI.
P. + P.B? + 15'P1.
n
Röhre mit Wasser
offen
11-0
21-7
8-0
21-2
41
13-0
2-0
90
1-2
6-5
0
11 S
11-B
Beachtenswerth war mir die auffallend kleine Zahl 21-7 gegen
21 -2 und 15-0, dann die auf 9-0 und 6-5 sinkende Wärme, während
die Röhre mit Wasser 11-5 gibt; doch blieb im letztem Falle ein
starkes Residuum in der Batterie zurück, worüber später das
Nähere. — Zu den eigentlichen Beobachtungen ward der Apparat
nach Fig. 1 oder Fig. 2 zusammengesetzt.
Die beiden Batterien F z -)- F a und F t F 4 waren aussen durch
starkes Metall A verbunden, dessen Ableitungsdrath Z nach dem
Beobachtungen über zwei sieb gleichzeitig entladende Batterien.
77
Erdboden führte. In die Batteriedräthe, die bis D und F 47<T ent
hielten , waren die isolirten Queeksilbernäpfe B und C eingeschaltet,
um hier nach den Seiten zu noch andereDräthe einfügen zu können;
dann folgten in DE und F G zwei dem Thermometerdrathe gleiche
Platindräthe P und zwischen EH und G H je 1' K. An den Aus
lader 1, dessen Kugeln in Fig. 2 weiter als in Fig. 1 auseinander
standen, schloss sich der Stamm mit 2' K. bis K und von da ab in
Fig. 1 mit 6-2 Fuss K., in Fig. 2 mit P und 8-2 Fuss K. bis zur
Aussenseite der Batterien, nämlich bis A an; die Batteriedräthe, der
Auslader I und der Stamm bis gegen K (Fig. 1) oder bis L (Fig. 2)
lagen hoch, der übrige Thei! des Stammes war ziemlich nahe am
Boden fortgeführt, um alle Störungen durch Induction zu vermeiden.
In den folgenden Tabellen steht unter F 2 -f- F s und F t + F 4 in der
vordem Columne der in die beschriebenen Batteriedräthe eingefügte
Zusatz an andern Drath, in der hintern die beobachtete Wärme;
wo 0 gesetzt ist, war der Batteriedrath unverändert, aber mit dem
Stamme verbunden.
Reihe i. (Fig. 1.)
Diese erste Reihe zeigt sogleich, dass hier durchaus andere
Verhältnisse vorliegen, als wie sie nach den bisherigen Ansichten
erwartet werden konnten. Die Batterie, deren Drath länger ist,
strömt viel lebhafter als die andere, doch schwächt ein noch längerer
Drath die Wirkung wieder einigermassen; ferner die so sehr hem
mende Platinspirale B lässt beide Strömungen fast gleich stark
werden. Die beobachteten Zahlen werden vielleicht jeden, der von
der bisherigen Theorie ausgeht, auf den Gedanken bringen, dass
doch auch hier ähnlich wie bei der Nebenbatterie ein Übergang von
der einen Batterie in die andere stattfinden müsse, obsehon gar nicht
abzusehen ist, wie man einen solchen Vorgang auffassen und was
man damit gewinnen will, da derartige Ladungsströme doch durch
beide Batteriedräthe hindurchgehen müssten. Um das Unhaltbare
einer solchen Hypothese evident zu zeigen, änderte ich den Apparat
78
Knochen ha u er.
auch so um, dass erst F t + F k , dann F a + F 3 als Nebenbatterie
dienten; ich führte nämlich von der hintern Kugel des Ausladers I
einen V langen Kupferdrath nach G oder E und liess dafür IIG
oder //jEfort; so wurde nur eine Batterie vom Conductor geladen
und die andere wirkte als Nebenbatterie. Die dritte Reihe wurde
längere Zeit nach der zweiten angestellt, während deren der ganze
Apparat auseinander genommen war, auch hatten die Kugeln des
Ausladers bei beiden nicht genau dieselbe Distanz; diese Reihen
können also noch zeigen, welchen Grad von Sicherheit diese Beob
achtungen überhaupt zulassen.
Apparat wie Fig. 1.
Als Nebenbatterie gestellt.
F2+F3 TFi
F3+F3 F 1 + F 4 Verhiiltniss
0
8'K.
16'
24'
33'
P. B.
10-2
13- 4
14- 2
13-4
12-7
5-0
7-0
7- 2
8- 0
8-7
8-9
3-0
6-2
3-2
3'0
1- 9
1-2
2- 3
Reihe 3. (Fig. 1.)
0-88
0-72
0-38
0-22
0-13
0-83
Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende Batterien.
79
Beide Reihen geben wieder dem langem Batteriedrathe den
stärkeren Strom, während die Ladung der Nebenbatterie, mag man
die Batterie mit Iängerm oder mit kurzem Drathe dazu bestimmen, das
gleiche Verhältniss beibehält und continuirlich mit der Ungleichheit
der beidenDräthe abnimmt. Während man also einerseits in Ungewiss
heit bliebe, welche Batterie man als die ladende und welche als die
die Ladung empfangende ansehen sollte, müssten sich auch die
Einwirkungen mit zunehmender Ungleichheit der Batteriedräthe ver
mindern, während sie sich gerade umgekehrt nach den vorliegenden
Beobachtungen steigern. -— Damit es nicht scheine, als müssten die
Batteriedräthe gewisse Längen einhalten, wurden in i'\ -f- jF 4 16' K.
hinzugefügt, und der andere Dratli nach und nach verlängert. Die
folgende Reihe ist den frühem durchaus entsprechend.
Reihe 4. (Fig. 1.)
Fa + Fg
Fj + F 4
0
8' K.
16'
24'
32'
40'
offen
7-2
7-8
10-S
14- 1
15 S
15- 5
16' K.
12-8
181
16-9
14-0
9-8
7-5
7-4
Zu beachten ist, dass die Verhältnisszahlen der beiden Ströme
am Ende der Reihe kleiner sind als am Anfänge. — Es wurden hier
auf nach Fig. 2 auch im Stamme Beobachtungen angestellt, wobei
ich wieder bemerke, dass die beiden zum Theil gleichen Reihen
S und 6 der Zeit nach weit auseinander liegen.
Reihe S. (Fig. 2.)
Apparat wie Fig. 2.
Fa + F 3
0
0
16' K.
35'
P. B.
35'+P.
35'
B.
offen
8-5
6-0
8- 5
9- 4
4- 2
5- 3
7-7
Fi + F 4 Stamm
0
0
0
0
0
0
P. B.
8-9
offen
6-5
4- 4
5- 0
4-2
4-0
2-9
22-0
20-0
17-5
15-0
11-0
15-0
Als Nebenbatterie gestellt.
F2+F3 F, +F 4 Stamm
6-5
5-6
5-0
3-2
5-7
4-5
2-5
2-7
6-7
8-2
9-7
4-2
80
Knochenhauer.
Reihe 6. (Fig. 2.)
Fa + F3
0
8' K.
16'
20'
24'
32'
40'
offen
4-S
4- 9
5- 4
6- 0
6-2
7- 2
8- 3
F-, + F 4 Stamm
Iß' K.
8-2
9-0
8-2
6-6
S-7
5-S
4-S
4-S
20-0
20- S
21- 0
21-0
20-S
19-6
18-6
ln diesen Reihen zeigt sich zunächst, dass da, wo die beiden
Batteriedräthe gleich lang sind, der Stamm die vierfache Wärme von
der der einzelnen Batterie erlangt; es ist dies also gegen die Erwar
tung, allein übereinstimmend mit den sonst bekannten Tbatsacben.
Wenn übrigens die Batteriedräthe den vierten Theil der im Stamme
beobachteten Wärme etwas überschreiten, so ist dies hier nicht
mehr der Fall, als wie wir es ebenso bei der Theilung des Stromes
durch zwei durchaus gleiche Zweige finden; die Differenz hängt
unstreitig mit dem Luftthermometer zusammen, das in Theilströmen
etwas grössere Zahlen angibt als im ganzen Strome. Zu berücksich
tigen ist noch die Abnahme der Stammwärme bei ungleich langen
Dräthen, die aus dem gewöhnlichen Widerstande nicht erklärbar
ist. Die Ladung der Nebenbatterie ist wegen des P im Stamme in
den beiden Fällen zwar ungleich stark, indess gibt dies doch keinen
Anhaltspunkt, um darauf eine Erklärung zu gründen; denn während
die Verhältnisszahlen in beiden Reihen darauf hinweisen würden,
dass eine Nebenladung von F 2 -f- F 3 auf F t -f- übergeht, würde
die sinkende Wärme im Stamme wieder dafür sprechen, dass die
Nebenladung gerade umgekehrt eintritt. Die in Reihe 5 zugefügten
Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entladende Batterien.
81
beiden Beobachtungen, wo der grösste Widerstand einmal in F% F s >
dann in F t -f- F 4 ist, machen jede Erklärung nach den jetzt gütigen
Ansichten überdies unmöglich. — Ich füge noch zwei Reihen mit
15' Platindrath in F t -f F 4 hinzu, welche zeigen, dass bei zu
grossem Widerstande in einem Batteriedrathe die Länge desselben
nicht durehdringen kann, um, wie es bisher der Fall war, der
Stromstärke in dieser Batterie das Übergewicht zu geben.
9. Reihe. (Fig. 2.)
F a +F S
0
0
8' K.
10'
24'
32'
40'
offen
8-ä
41
4-0
Fi + F 4
IS' PI.
IS' PI.
1-6
offen
2-7
Stamm
7- 7
8- 7
9- 5
10-0
10-6
10-7
So weit ich absehen kann, lässt uns bei den vorliegendenBeob-
achtungen die bisher über die elektrischen Ströme aufgestellte Theorie
gänzlich in Stich, und bietet von keiner Seite auch nur die Aussicht
auf eine einigermassen befriedigende Erklärung dar. Wir wollen nun
sehen, ob die Ansichten, welche ich als Folge aus meinen früheren
Beobachtungen gezogen habe, etwas mehr leisten. Was zunächst die
Wärme betrifft, so habe ich mich dafür ausgesprochen, sie überall
,j.ä
unter die Formel J t oder i~t zu setzen, worin i die Stromstärke
und t die Zeitdauer des Stromes bezeichnet. (M. siehe Beitr. p. 43.)
Geht hier durch den Stamm der ganze Strom, so geht in derselben
Zeit durch jeden der beiden gleich langen und einen gleichen Wider
stand darbietenden Batteriedräthe nur der halbe Strom; somit steht
die entwickelte Wärme im Verhältniss von 4:1, wie es die Beobach-
Silzb. d. malhem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Hfl. ß
82
Knochenhauer.
tungen ergeben. Dann in Bezug auf die übrigen Beobachtungen habe
ich mich namentlich bei derStromtheilung (Beitr. p. 58 u. 73) dabin
erklärt, dass alle diese Erscheinungen durch die Forderung nach
dem Gleichgewicht in der freien Spannung bedingt werden. Von der
freien Spannung habe ich aber (Beitr. p. 21) nachgewiesen, dass sie
auf dem Schliessungsbogen von der Innen- zur Aussenseite der Bat
terie proportional zur Länge des Bogens abnimmt, wobei abweichend
vom galvanischen Strom auch die schlecht leitenden und feineren
Dräthe nahezu mit ihrer wahren Länge (mit der äquivalenten) in
Anrechnung kommen. Sind also zunächst beide Batteriedräthe gleich
lang, so ist an der Vereinigungsstelle hei II (Fig. 1 u. 2) die freie
Spannung im Gleichgewicht, und beide Batterien zeigen gleiche
Stromstärke, mögen beide Batteriedräthe gleichen oder ungleichen
Widerstand leisten; denn sollte im letzteren Falle die weniger ge
hemmte Batterie in ihrer Entladung vorauseilen wollen, so würde
damit die freie Spannung in ihr sinken und somit das Gleichgewicht
in Hgestört werden; es geht also nicht anders, die eine Batterie
muss sich nach der andern richten, so wie bei der Stromtheilung
der grössere Theil des Stromes durch den schlechter leitenden Zweig
hindurch muss, wenn er kürzer als der andere ist. Auch hiermit
stimmen die Beobachtungen überein mit Ausschluss derBeihen 8 u 9,
auf die erst später Rücksicht genommen werden kann. Sind dagegen
die Batteriedräthe an Länge ungleich, so findet sich bei II nicht die
gleiche Spannung von beiden Batterien aus. Es sei z. B. nach Fig. 1
der eine Batteriedrath 7-5 Fuss lang (die Dräthe in den Flaschen ein
gerechnet), der andere durch Zusatz von 16' = 23‘5 Fuss, und der
Stamm habe mit Einschluss des Ausladers eine Länge von 9-2 Fuss,
so ist, wenn wir die Intensität der Ladung mit 40-0 bezeichnen, die
40 x 9*2
Spannung in II von der ersten Batterie aus = — = 22 - 0, von
der andern — 40 ^ 9 = 11-2. Das Gleichgewicht besteht also
nicht. Um es herzustellen, müssen die Dräthe sich so gliedern (sei
es mit oder ohne Beihilfe der Batterien, was bis jetzt schwer zu ent
scheiden sein möchte), dass der kürzere Batteriedrath eine grössere,
der längere eine kleinere äquivalente Länge erhält, und ebenso dass
der Stamm an äquivalenter Länge zunimmt. Von solchen Gliederun
gen haben wir, wenn wir anders, um nicht zu weitläufig zu werden,
von den vielfachen Thatsachen hei derNebenbatterie absehen wollen,
Beobachtungen über zwei sicli gleichzeitig entladende Batterien.
83
Beispiele in den zu Spiralen gewundenen Dräthen, die hierdurch nicht
nur eine grössere äquivalente Länge erhalten, d. h. sie zeigen in
denselben Schliessungsbogen eingeschaltet eine grössere Spannungs
differenz zwischen ihren Endpunkten als gerad gestreckte gleich lange
Dräthe besitzen, sondern auch den Strom stärker hemmen; umge
kehrt erlangen zwei in einander geschobene und conträr verbundene
Spiralen eine kürzere äquivalente Länge (eine kleinere Spannungs-
ditferenz zwischen den Endpunkten) , und beschleunigen hiermit die
Strömung. Ebenso ändert ein in eine Spirale geschobenesEisendrath-
bündel die äquivalente Länge derselben um, und hemmt den Strom
bedeutend. Wenden wir dies auf unsern Fall an, so werden alle
Dräthe, welche länger werden (in dem Sinne genommen, dass die
Spannungs-Differenz grösser wird), die Strömung vermindern, und
umgekehrt die, welche kürzer werden, die Strömung vergrössern,
d. h. die elektrischen Schwingungen schwächer oder stärker werden
lassen. Im Stamme und in dem kürzern Batteriedrathe sinkt somit
die Wärme, während sie in dem längern Batteriedrathe steigt. Auch
hier bestätigen wieder die jetzt vorliegenden Thatsachen die schon
früher von mir aufgestellten Ansichten. — Es bleibt mir hiernach
nur noch zu erörtern übrig, warum bei Einfügung grosser Drath-
längen, wodurch die Spannungen in H noch ungleicher werden, das
Verhältniss der Wärme in beiden Batteriedräthen sich nicht immer
ungleicher herausstellt. Hiermit hängt gleichfalls die Frage zusammen,
warum der 15' lange Platindrath nicht seiner Länge entsprechend
wirkt, wie dies eben so wenig in der vorletzten Beobachtung unter
Reihe 5 der Fall ist. Verbindet man mit irgend einer Stelle eines
Schliessungsbogens einen von da auslaufenden isolirten Drath, so
wird derselbe, während die Batterie sich entladet, ebenfalls elektrisch,
wie das Ausströmen der Elektricifät an seinem freien Ende zeigt.
Erklärt sich dies Elektrischwerden ganz einfach daraus, dass auch
dieser Drath das Gegengewicht gegen die freie Spannung halten
muss, so weiss man doch von der andern Seite, dass er nach dem
freien Ende schwächer elektrisch wird, wenn er entweder bedeutend
an Länge zunimmt oder aus schlecht leitendem Dräthe besteht; denn
so gut auch ein Drath leitet, so hat er doch etwas in sich, was
einen Übergang zum Isolator bildet, d. h. jeder Drath bietet dem
Fortschritte der elektrischen Erregung ein bestimmtes Hihderniss
dar, woran diese sich gleichsam aufstaut, ohne weiter zu schreiten.
6*
84
Knochen hau er.
Wo ein solches Aufstauen stattfindet, da bildet sich unmittelbar
durch diesen Vorgang das Gegengewicht gegen die Spannung, ohne
dass es auf andere Weise hergestellt werden müsste. Auf diese Art
erkläre ich mir einfach, warum eine weiter fortgesetzte Verlängerung
des einen Batteriedrathes die anfängliche Wirkung nicht weiter ver-
grössert, ebenso warum der lange Platindrath das Gesetz nicht voll
ständig ausprägt, und ebenso die von der Regel abweichende
vorletzte Beobachtung in Reihe 5. Anfänglich glaubte ich wohl,
die mit dem 18' langen Platindrathe versehene Batterie mochte sich
nicht vollständig entladen, wie es in der That bei der Einschaltung
einer mit Wasser gefüllten Röhre der Fall ist, wo die Aufstauung
so stark wird, dass die Luftschicht zwischen den Kugeln des Aus
laders eher zusammengeht, als die gehemmte Elektricität der zweiten
Batterie herankommt; indess die über das Residuum angestellten
Versuche Hessen eine solche Erklärung nicht zu. Als nämlich die
beiden Batterien isolirt waren, und die Ladung mittelst einer
Lane’sehen Flasche gezählt wurde (die Batteriedräthe enthielten
hierbei nur Z'K und der Stamm war wie in Fig. 1), waren zu jeder
Füllung bis zur Entladung über den Auslader folgende Quanta (L. F.)
erforderlich:
Bei F z -j- F s allein mit der Röhre voll Wasser 12 - 8 L. F.
dann mit Einschluss des Residuums nur 9'7 „ „
Bei beiden Batterien, in F t -f- F 4 die Röhre 26-4 „ „
dann mit Einschluss des Residuums nur 12 - 7 „ ,,
Fi + Fi blieb hiernach unentladen und theilte seine Elektricität
beiden Batterien mit. Als beide Batterien nur Dräthe von 37i r ent
hielten, war
die Ladung von F 2 -J- F 3 allein = 12-7 L. F.
und mit Einschluss des Residuums = 11’S „ „
die Ladung beider Batterien betrug dagegen 26‘4 „ „
und mit Einschluss des Residuums 23-3 „ „
Beide Batterien hatten sich also regelmässig oder vollständig
entladen. Die Batterie F x -f- jF 4 enthielt hierauf 18' PL; die Ladung
beider Batterien war = 2ß-0 L. F. und mit Einschluss des Resi
duums = 23-0 L. F ; dieselben Zahlen entstanden, als in F 2 -j- Ft
noch 38 K zugefügt waren. In diesen beiden Fällen hatte sich dem
nach die Batterie ebenfalls vollständig entladen. Nebenbei will ich
jedoch bemerken, dass in den beiden letzten Fällen die Lane’sche
Beobachtungen fiber zwei sieh gleichzeitig entladende Batterien.
85
Flasche gegen Ende der Ladung sehr langsam überschlug, offen
bar weil viele Elektricität aus dem feinen Platindrathe ausströmte.
Die von mir aufgestellte Erklärung kann leicht einer sehr
strengen Prüfung unterworfen werden. Verlängert man nämlich den
Stamm in Fig. 1 bedeutend, so wird der von beiden Batterien stam
mende Spannungsunterschied bei II geringer; fügt man z. B. 357f
in den Stamm ein, wie es hei der folgenden Reihe geschehen ist, so
gibt F z + F 3 mit dem gewöhnlichen Batteriedrathe (Fig. 1) die
40 x 44'2
Spannung bei II = = 34'2 und + Fn mit Zusatz
51*7
40 x 44*2 . . .
von 167iT = = 26-1, und es entstehen somit zwei in
67-7
Vergleich mit den frühem 22-0 und 11*2 sich einander bei weitem
mehr nähernde Zahlen. Dem zu Folge müssen nun die in beiden
Batteriedräthen beobachteten Wärmegrade einander mehr gleich sein.
Reihe 10. (Fig. 1 mit 3577 Zusatz im Stamme.)
Die Vergleichung dieser Reihe mit der ihr entsprechenden
Reihe 4 gibt volle Gewähr für die Richtigkeit der aufgestellten
Erklärung. — Ich bin zwar am wenigsten zu dem Glauben geneigt,
dass die von mir vorgetragenen Ansichten bereits überall vollständig
ausgebildet sind, noch weniger meine ich, dass sie schon jetzt
einen vollen Aufschluss über die Art und Weise der elektrischen
Strömungen gewähren, ich ziehe sie jedoch selbst so, wie sie sind,
bei weitem den jetzt herrschenden Ansichten vor, da diese mir auch
nicht die geringste Aussicht auf eine genügende Erklärung der von
mir angestellten Beobachtungen versprechen, und ich, blos um eine
Theorie zu halten, die ihrer Natur nach wandelbar ist, nicht in die
Lage gedrängt werden möchte, Thatsachen für gering zu halten
oder ganz zu übersehen, die aus den unwandelbaren Gesetzen der
Natur stammen und zu weiteren Forschungen auffordern.
86 Knochenhauer. Beobachtungen über zwei sich gleichzeitig entlad. Batterien.
Zum Schlüsse will ich noch einige Beobachtungen mittheilen,
wo die eine Batterie aus Fi -f- F^, die andere nur aus F 2 bestand.
Die Beihen entsprechen ganz den bisher angeführten, nur verhält
sich in ihnen bei gleich langen Batteriedräthen die Wärmeentwick
lung in F 2 zu der in F t + jP 4 und zu der im Stamme wie 1:4:9,
wie es die Stromstärken —, -f- und 1 verlangen. Ich gebe einfach
O o
die Reihen, ohne weiter ein Wort zu ihrer Erläuterung hinzuzufügen.
Reihe 13 (nach Fig 1 mit
35' K Zusatz im Stamme).
0
0
8' K.
16'
24'
32'
40'
offen
6-S
3- 7
4- 0
4-2
4-4
4-6
4-8
Fi +F 4
12-4
offen
12-2
11-8
11-1
10-6
10-0
9-5
Schmidt. Ergebnisse der Unters, der bei Krakau verkommenden Turbellarieu. 87
Ergebnisse der Untersuchung der bei Kraltau vorkommenden
Turbellarien.
Von Oscar Schmidt.
Ich beabsichtige, der math.-naturwiss. Classe der kais. Akademie
demnächst eine grössere, durch zahlreiche Abbildungen erläuterte
Abhandlung vorzulegen, welche die vom Ende Februar bis Mitte
Juni ununterbrochen angestellten Beobachtungen über die in den
Umgebungen von Krakau vorkommenden Rhabdocoelen enthält, eine
Thiergruppe, über die ich schon eine Reihe von Untersuchungen
veröffentlicht habe. Vorläufig erlaube ich mir, die wichtigeren
systematischen und physiologisch-anatomischen Resultate mitzu-
theilen.
1. Im Ganzen sind zwanzig Arten rhabdocoeler Strudelwürmer
beobachtet, nämlich: Vortex truncatus E h b g.; Vortex viridis
Schltze; Vortex scoparius Nov. spec.; Vortex pictus Schmdt.;
Vortex coronarius Nov. spec.; Derostomum galizianum Nov. spec.;
Opistomum pallidum Schltze. nicht Schm d t.; Mesostomum Craci
Nov. spec.; Mesostomum cyathus Nov. spec.; Mesostomum persona-
tum Schmdt.; Mesostomum Ehrenbergii S c h m d t.; Mesostomum
Wandae Nov. spec.; Mesostomum fallax Nov. spec.; Mesostomum
trunculum Nov. spec.; Mesostomum Hirudo Nov. spec.; Mesostomum
lappouicum Schmdt. (?); Macrostomum Hy st rix Örsd.; Micro-
stomum lineare Örsd; Stcnostomum leucops Schmdt.; Prostomum
furiosum Nov. spec.
2. Bei Vortex pictus habe ich die einzelnen Acte
der Eibildung, nämlich die Vereinigung des Keimes
mit der Samenmasse und dem Dotter, direct beobachtet.
3. Opistomum pallidum Schmidt ist specitisch verschieden
von der von M. Schultze unter diesem Namen beschriebenen Art.
4. Bei sechs typischen Arten der Mesostomeen ist das Detail
der Geschlechtsorgane beobachtet.
88 Schmidt. Ergebnisse d. Untersuchungen d. b. Krakau vork. Turbellarien.
a) Es herrscht die schärfste specifische Trennung in der Be
schaffenheit der einzelnen Tlieile hei durchgreifendem all
gemeinen Plane.
b) Ausser dem Hoden gehört zum männlichen productiven
Geschlechtsapparat eine, eine eigentluimliche Körnermasse
bereitende Drüse, deren Product, räumlich getrennt vom
Samen, in der Samenblase sich mit anhäuft.
c) Dem weiblichen Geschlechtsapparate gehören eine bursci
copulatrix und ein receptacutum seminis an, in dem aus
der Insecten-Anatomie bekannten Sinne. Statt dieser beiden
Behälter findet sich hei den Vorticinen nur einer.
5. Der Schlundkopf der Mesostomeen, obschon in seinen Ge-
webselementen etwas abweichend, stimmt doch sonst vollkommen mit
demjenigen der Vorticinen überein. Zwischen ihm und dem Magen
befindet sich bei beiden Familien ein Schlund. Die Cardia des
Magens ist mit einem eigenthümlichen Sphincter versehen. Die bisher
räthselhaften, vom Schlundkopf mancher Mesostomeen ausgehenden
Strahlen sind contractile Elemente zur Erweiterung des hinteren
Schlundkopfsphincters.
6. Bei Mesostomum Ehrenbergii vertritt die Wassergefäss-
öffnung zugleich die Stelle der MundöfFnung, indem der Schlundkopf
in den Grund des von mir sogenannten Wasserbechers einmündet,
der hinter der Wassergefässöffnung gelegenen Erweiterung.
7. Die Gattung Schizostomum Sc hm dt. ist aufzuheben und
wenigstens vorläufig mit Mesostomum zu vereinigen.
8. Das Organ, welches man bisher bei der Gattung Prostomum
für einen Saugnapf gehalten, ist der wahre Schlundkopf, der sich
ganz so verhält, wie derjenige der Mesostomeen.
9. In den Stachel von Prostomum mündet ausser der Blase, die
ich früher als Gifthlase gedeutet, eine zweite Blase gesondert ein,
die mit den Geschlechtsorganen zusammenzuhängen scheint.
10. Der im Keimstock bereitete Eitheil der Rhahdocoelen
(gewöhnlich Keim genannt) enthält ausser dem Keimbläschen mit dem
Keimfleck noch eine feinkörnige Dottermasse, welche mit dem Samen
in Berührung kommt vor dem Hinzutritt des von den Dotterstöcken
gelieferten Dotters, und daher als Befruchtungsdotter zu
bezeichnen ist.
Heller. Beiträge zur Kenntniss der Sipbonostomcn.
89
Vorträge.
Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen.
Von Dr. Caniill Heller.
(Mit III Tafeln.)
(Vorgetragen in der Sitzung' vom 19. Februar 1857.)
In neuester Zeit wurden durch die Arbeiten von ßaird, van
Beneden, Dana, Vogt, Leydig, Kroyer, Gerstaecker
zahlreiche und interessante Beiträge zur Kenntniss der Siphonosto
men geliefert und dadurch die Naturgeschichte dieser Thiere, sowohl
was ihre Organisation und Entwickelungsgeschichte als ihre Lebens
weise und Systematik betrifft, bedeutend gefördert.
In den nachfolgenden Zeilen will ich es gleichfalls versuchen,
einige hieher gehörige neue Thiere, welche sich in dem hiesigen
zoologischen Museum befinden, einer genauem Beschreibung zu
unterziehen.
Dieselben dürften besonders desswegen ein grösseres Interesse
verdienen, weil sie zu einer Familie gehören, welche bis nun sehr
wenige Pepräsentanten aufzuweisen hatten.
Bevor ich jedoch zu der Behandlung meines Gegenstandes selbst
übergehe, sei es mir gestattet, dem Herrn Director uud wirklichen
Mitgliede Vincenz Kollar für die gütige Erlaubniss, mit der er mir
die Gegenstände zur Untersuchung und Beschreibung überliess, so
wie für die vielfältige Unterstützung, welche er mir stets auf die
wohlwollendste Weise zu Theil werden liess, hier öffentlich meinen
herzlichsten Dank auszusprechen.
Gyropeltis nov. gen.
Dieses neue Geschlecht, welches vermöge seiner abgeplatteten
scheibenförmigen Gestalt mit Argulus viele Ähnlichkeit hat, charak-
terisirt sich durch den Mangel der vordem Saugnäpfe, an deren Stelle
es starke, wohl ausgebildete Hakenfüsse besitzt, so wie durch den
90
Helle r.
Mangel eines Stechapparates. — Der scheibenförmige Cephalothorax,
welcher sich weit nach aussen und hinten ausbreitet und dabei fast
gänzlich die Fiisse überdeckt, hat in seiner hinteren Hälfte einen tiefen
mittlern Ausschnitt zur Aufnahme des übrigen Körpers. Er ist auf
seiner oberen Fläche leicht gewölbt und trägt gegen den vorderen Rand
hin zwei runde zusammengesetzte Augen, zwischen denen sich zwei
starke Chitinleisten von vorn nach hinten in convergirender Richtung
in der Haut hinziehen. Die untere Fläche ist leicht ausgehöhlt und
dient zur Aufnahme der Tast- und Kauwerkzeuge. Der an das hintere
Thoraxende sich anschliessende flossenartige Schwanz ist immer nach
rückwärts in zwei Lappen gespalten.
Nachdem ich die äussere Körpergestalt im Allgemeinen dar
gestellt habe, werde ich im Nachfolgenden den anatomischen Bau, in
so weit mir derselbe bei den ziemlich lange in Weingeist gelegenen
Exemplaren erkennbar wurde, einer näheren Würdigung unterziehen.
I. Gliedmassen.
Man findet sie zu sieben Paaren, davon drei Paare am Cephalo
thorax und vier Paare am Bruststück. Dieselben stimmen im Allge
meinen in Form und Bau mit jenen bei Argulus überein.
Das erste Paar liegt in der Nähe des vordem Stirnrandes, von
diesem vollkommen überdeckt, in kleinen querovalen Gruben (Taf. I,
Fig. 2 a). Es stellt zwei von innen nach aussen und vorn gerichtete
Haken dar (Taf. I, Fig. 3; Taf. II, Fig. 3). Diese bestehen aus zwei
Gliedern. Das erste oder Basilarglied (Taf. I, Fig. 3 a) ist kurz, rund
lich. Das zweite darauf folgende (6) ist länger und an der Spitze
stark einwärts gekrümmt. Von ihm eingeschlossen findet man gewöhn
lich einen kleinern Haken, der bei seiner dunklern Färbung deutlich
sichtbar wird. Derselbe ist im Innern des alten ausgebildet und wahr
scheinlich bestimmt, um hei der Häutung des Thieres, wo der alte
Haken mit der übrigen Chitinhülle abgeworfen wird, als Ersatz an
dessen Stelle zu treten. Bei Argulus catostomi wurde von Dana 1 )
dieses Verhalten gleichfalls beobachtet, indem er in seiner Beschrei
bung pag. 299 darüber sagt: „This joint is hollow and contains a
retractile spine of a brown color, capable of being projected into
Description of the Argulus Catostomi by .T. Dana aud Herrick. American
Journal XXXI, 1833, pag. 297—308 (With ligures).
Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen.
91
the terrainating spine of tlie joint.“ Die braune dunklere Färbung
des innern Hakens wird bedingt durch die in ihn sich fortsetzende
parenchymatöse zellige Masse und mehrere Muskelbündel, die in
ihm sich befestigen, daher auch eine kräftige Bewegung desselben
beim Leben des Thieres in der That stattfinden mag. Ferner trägt
dieses zweite Glied noch an seinem unteren Rande einen borsten
förmigen, undeutlich zweigliedrigen, die Länge des Gliedes kaum
erreichenden Anhang (Palpe) (c) — Unmittelbar am äussern Rande
des Basalgliedes fügt sich ein ziemlich langer, nach hinten und
aussen gerichteter, den Schildrand jedoch nicht überragender
Tasteranhang (Antenne) (e) ein. Derselbe bestellt aus vier cylin-
drischen Gliedern, wovon die beiden ersten kurz und dick, die
folgenden dünner sind, dagegen ist das dritte Glied sehr lang, das
vierte kürzer und an seiner Spitze mit einigen steifen Borsten
besetzt. •— Nach hinten ist das Basalglied mit einem spitzen
stachelartigen Zahne bewaffnet (/).
Die nun beschriebenen Gliedmassen werden von den Autoren
meist für Antennen aufgeführt; doch können hier blos die palpen
artigen Anhänge derselben als Tastorgane gedeutet werden, während
die eigentlichen Glieder selbst nach ihrem Bau nur als Klammer
organe oder Kieferfüsse aufzufassen sind.
2. In einem kleinen Abstande folgt nun nach hinten ein zweites
Kieferfusspaar, zwischen dem unmittelbar der Mund liegt (Taf. I,
Fig. 2 c; Fig.4). Es ist äusserst kräftig gebaut, mit starken Muskeln
versehen und daher ganz vorzugsweise geeignet, um sich an Gegen
stände kräftig anzuklammern und sich festzuhalten. Es ist nicht
deutlich in Glieder abgetheilt, sondern bestellt blos aus einem
dicken konischen Basaltheil, der an seiner Spitze einen starken,
sichelartig einwärts gekrümmten Haken trägt. Letzterer birgt in
seinem Innern ebenfalls einen bereits fertigen Ersatzhaken.
3. Das unmittelbar folgende dritte Kieferfusspaar (Taf. I,
Fig. 2 d; Fig. 5) unterscheidet sich in seiner Form schon wesentlich
von den vorhergehenden. Es ist mehr fussartig, besteht aus fünf
ungleichlangen Gliedern, wovon die beiden erstem dicker, die fol
genden dünn, länglich, cylindrisch sind und an ihrem Ende zwei
starke, kurze, am Rande mit spitzen Zähnchen und Stacheln besetzte
Klauen tragen (Taf I, Fig. 6). Am hintern Rande des ersten Gliedes
(Fig. o c ) ragen drei zahnartige Fortsätze nach hinten und innen, und
92
Heller.
an seiner untern Fläche bemerkt man eine ovale rauhe Platte (b). —
In dem Zwischenräume zwischen Kiefer und Thoraxfüssen finden sich
an der Bauchfläche zwei nach hinten gerichtete Stacheln vor.
4. Die vier Fusspaare des Thorax (Taf. I, Fig. 2 e) entspringen
seitlich von demselben und sind horizontal nach aussen gerichtet,
wobei sie den äussernRand des nach hinten verlängerten Kopfschildes
kaum überragen. Sie nehmen nach hinten an Länge etwas ab und
bestehen aus einem undeutlich dreigliedrigen Basaltheil (Taf. I,
Fig. 7 a), welcher sich nach aussen in zwei lange schmale Ruderäste
theilt (6). An der Stelle, wo die Theilung vor sich geht, entspringt
an den drei erstenFusspaaren noch ein dritter ähnlich gestalteter Ast,
welcher jedoch eine ganz andere Richtung, nämlich nach innen und
hinten verfolgt (c). An den zwei ersten Fusspaaren hat er fast die
Länge der beiden Endäste, am dritten Fusspaare ist er jedoch viel
kürzer (Fig. 8 c) und fehlt am letzten Fusspaare gänzlich. Der hintere
Rand des Basaltheiles ist bei allen mit zwei rundlichen vorragenden
Lappen besetzt, von denen der nach innen gelegene den äussern an
Grösse übertrifft. Namentlich zeichnen sich die innern Lappen am
letzten Fusspaare durch ihre bedeutende Grösse und fast halbkreis
förmige Form aus (Taf. I, Fig. 9). Sie stossen an ihrem innern Rande,
wo sie gewöhnlich mit einem kleinen Stachel (d) bewehrt sind,
beiderseits zusammen und bedecken von unten den Anfang der
Schwanzflosse. Sowohl die Ruderäste als auch die erwähnten blatt
förmigen Fortsätze sind an ihrem Hinterrande mit Fiederborsten
besetzt.
II. Hautbedeckung.
Man bemerkt hier nach aussen zuerst eine durchsichtige struc-
turlose Membran, die Chitinhaut. Dieselbe ist an der Oberfläche ent
weder glatt oder höchstens etwas gerunzelt bei Gyropeltis longi-
cauda, bei G. Kollari jedoch rauher und sogar mit stachelartigen
Verlängerungen, namentlich an der Unterseite des Thieres besetzt.
Sie ist meistens dünn, nur an einzelnen Stellen verdickt und zu wahren
Leisten erhärtet, wodurch eine Art Skelet gebildet wird. Solche
Leisten finden sich namentlich in der Nähe des Mundes stark aus
geprägt. — Zwei von ansehnlicher Stärke verlaufen hier von vorn
nach hinten, indem sie sich zugleich nach hinten einander nähern.
An sie sehliessen sich mehrere Quer- und Seitenleisten an, wodurch
Beitrage zur Kenntniss der Siphonostomen.
93
ein eigentümliches Gerüste entsteht, mit welchem die starken
Kieferfüsse und die andern Mundwerkzeuge sich verbinden, von dem
ferner die ansehnlichen für den Kauapparat bestimmten Muskeln
entspringen. Eine besonders starke Leiste zieht sich in einiger
Entfernung vom äusseren Rande des Schildes hin und dient wie ein
Rahmen zur Stütze desselben und zur Befestigung vieler von innen
an ihn tretenden Muskeln. — Zwei andere treten am inneren Rande
des Seitenschildes nach hinten.
Unter der Chitinhülle erscheint eine zellige Schichte. Bios am
äussersten Rande der Scheibe und der Schwanzlappen findet man
einen bei 0 - 2 Millim. breiten lichten Saum, einzig aus dem Chitin
oberhäutchen gebildet. Ebenso bestehen die Fiederchen der Borsten
anhänge an den Füssen blos aus Chitin. An allen übrigen Stellen
findet sich die erwähnte Zellenschichte. Die Zellen sind rund, bei
0012 Millim. gross, mit einem gelblichen feinkörnigen Inhalt. Ein
zelne grössere Zellen findet man zerstreut, namentlich in dem hintern
Abschnitte des Körperschildes, ganz vorzüglich aber in den Schwanz
lappen. — Die zellige Schichte setzt sich auch da, wo der Chitin
überzug äussere Fortsätze und Verlängerungen bildet, in dieselben
fort, so an den borstenähnlichen Anhängen der Füsse, an den Haken
gliedern der Kieferfüsse, an den Mandibeln.
Mit den Zellen kömmt gewöhnlich ein reichliches schwarzes
Pigment vor, das sich an einzelnen Stellen besonders anhäuft und
dann schon äusserlich sichtbare dunkle Flecke und Zeichnungen
bildet, so bei Gyropeltis longicaucla eine schwarze Zone innerhalb
des lichten Randsaumes, an den hintersten Fusslappen, in der
Schwanzflosse.
III. Muskelsystem.
An die Leisten der Chitinhaut heften sich nun vorzugsweise die
Muskeln. Ihre Anzahl ist ziemlich bedeutend. Man kann sie der leich
tern Übersicht wegen abtheilen in die Muskeln, welche für den Kau-
und Haftapparat bestimmt sind; in solche, welche zu den Schwimm
füssen und der Schwanzflosse gehen und endlich in jene, welche zum
Scheibenrande des Cephalothorax verlaufen. Unter den ersteren
zeichnen sich besonders jene durch ihre Stärke und Anzahl aus,
welche für den zweiten Kieferfuss bestimmt sind. Auch kann man ein
einfaches, blos aus I —20 Muskelfasern bestehendes Bündel von
94
Heller.
innen nach vorne und aussen zu jedem Auge verfolgen, wo sich das
selbe am Umfange der Kapselhaut inserirt. Erwähnen will ich ferner
noch einen doppelten, nach vorne verlaufenden Muskelstrang, welcher
sich beiderseits gegen den vordem Rand hin begibt.
Die Muskeln der Ruderfiisse entspringen zu den beiden Seiten
des Thorax und verlaufen als gesonderte Primitivbiindel nach aussen,
wo sie sich in verschiedenen Abständen inseriren. Besonders gross
ist die Anzahl der Muskelbündel, welche vom letzten Thoraxsegmente
ihren Ursprung nehmen und von hier aus sowohl zu dem letzten
Ruderfusse und dessen hintern grossen lamellösen Anhängen,als auch
nach hinten zu der Schwanzflosse sich ausbreiten.
Unmittelbar hinter dem dritten Kieferfusspaar und von dem
Seitenaste des Magens bedeckt, bemerkt man einen breiten Zug von
Primitivbündeln nach aussen gehen, wo derselbe alsobald beiderseits
in eine vordere und hintere Hälfte zerfällt und alsdann radienartig
die einzelnen Bündel gegen die Peripherie ausstrahlen lässt. —
Andere Primitivbündel entspringen von den zwei innern, im Seiten
schilde nach hinten ziehenden Chitinleisten und verhalten sich in
ihrem Verlaufe nach der Peripherie ganz so wie die vorigen.
Sehr interessant ist die Spaltung und Verästlung der Primitiv
bündel, wie man sie sehr gut beobachten kann an den durchsichtigen
zahnartigen Verlängerungen des dritten Kieferfusses, in den Ruder
ästen der Schwimmfüsse, an den hintern Lappen des letzten Fuss-
paares, in der Schwanzflosse und am Scheibenrande. Nachdem ich bei
der Beschreibung der Respirationsorgane auf die Structur der
Schwanzflosse und hintern Fusslappen noch einmal zurückkomme,
will ich mich hier blos auf die Schilderung der Verhältnisse der
Primitivbündel am Scheibenrande beschränken.
Sobald die einzelnen Primitivbündel aus einander getreten sind,
verlaufen sie in divergirender Richtung gegen den Rand der Scheibe.
Sie sind hier anfangs 0-0082 bis 0-0134 Millim. stark, quergestreift,
zeigen jedoch auch deutliche Längsstreifung, so dass sie wie aus
vielen parallel neben einander gelagerten feinen Fibrillen zusam
mengesetzt erscheinen (Taf. I, Fig. 15). Anfänglich laufen sie ziem
lich gestreckt, theilen sich ein oder mehrmals dichotomisch und erst in
der Nähe des Randes unmittelbar vor der hier rings verlaufenden
Chitinleiste löst sich jeder Ast in mehrere Zweige auf, welche als
0 0054 Millim. dünne helle Fäden erscheinen, an denen sich keine
Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen.
95
Querstreifung mehr zeigt. Diese spalten und verästeln sich im weitern
Verlaufe abermals und setzen sich tlieils an die Chitinleiste, theils
ausserhalb derselben an die Haut an, wo man die zahlreichen Ansatz
punkte der feinsten Fibrillen als kleine ovale Punkte bemerkt. —
Der äusserste Randsaum hat keine Fasern mehr, sondern ist voll
kommen durchsichtig und, wie oben bemerkt, aus der Chitinhaut allein
gebildet. — Neben den vorerwähnten radiären Muskeln gibt es im
Seitenschilde auch solche, welche mit den vorigen sich kreuzen und
mehr einen Längsverlauf haben. Auf diese Weise wird es wahrschein
lich, dass das Thier seinen Schild wie einen Saugnapf zu benützen
vermag, mit dem es sich an glatte Gegenstände festsaugen kann.
IV. Ver dau u ngso r gane.
Die äusserg Mundtheile erscheinen in Form eines kurzen, koni
schen Rüssels. Derselbe liegt zwischen und etwas vor dem zweiten
Kieferfusspaare (Taf. I, Fig. 2 l>). Er wird zusammengesetzt aus einer
Oberlippe, zwei starken Mandibeln und einer Unterlippe (Taf. I,
Fig. 12, 13). Die Oberlippe (Fig. 12 a) ragt ziemlich weit hervor,
ist an ihrem vordem Rande breit und in der Mitte ausgeschweift und
verschmälert sich nach hinten allmählich. Eine dünne, zarthäutige,
vorn geschweifte und fein gekerbte Hautlamelle setzt sich über ihren
vordem Rand noch etwas hinaus und scheint dem Thiere beim Saug
geschäft förderlich zu sein. Von der Oberlippe bedeckt ragen zwei
starke, etwas gekrümmte, säbelartige, den Mandibeln entsprechende
Stücke nach innen (Taf. I, Fig. 13a). Dieselben sind an ihrem vor
dem convexen Rande mit 30—40 spitzen Zähnchen besetzt (Fig. 14 a)
und zeigen in ihrem Innern die Umrisse ganz gleich gestalteter und
kleinerer Mandibel (c), welche wahrscheinlich, wie dies bei den
Kieferfüssen auch der Fall ist, bei der Häutung des Thieres an die
Stelle der alten als Ersatz treten. — Jedes Stück verbreitert sich
nach aussen etwas und endigt nach hinten und innen mit einem
zackenartigen Fortsatze (ö), an welchen sich starke Muskeln inseri-
ren. Eine nach hinten breitere und seitlich umgebogene, nach vorn
sich verschmälernde Chitinleiste dient als Stütze und Träger dieser
Mandibeln (Fig. 13 6). Nach hinten legt die Unterlippe in Form
einer bogenförmigen Hautplatte sich an (Fig. 12 6). Nach der Form
der eben beschriebenen Mandibel dürfte ihre Wirkung die einer
Rogensäge sein, indem das stark angeklammerte Thier durch Ein-und
96
Heller.
Abwärtsbewegung derselben seinem Wohntbier eine Wunde bei
bringt, aus der dann das Blut eingesaugt wird.
Die Speiseröhre geht bogenförmig in den ovalen Magen über.
Dieser setzt sich so wie bei Argulus beiderseits in einen Seitenast
fort, von dem sich wieder jeder im Seitenschild blinddarmartig ver
zweigt. Der Darm, anfangs weit, verschmälert sich gegen die
Schwanzflosse bin ziemlich schnell und endet im Grunde ihrer hintern
Ausbuchtung mit einem After.
Man unterscheidet an dem Darmcanale eine äussere Muskel
schichte aus quergestreiften Längs- und Ringsmuskeln. Die Längs
muskeln bilden in einiger Entfernung neben einander verlaufend durch
Verbindungsäste ein grobes Netz.
In die Seitenverzweigungen des Magens konnte diese Muskel
schichte nicht verfolgt werden, ebenso fehlte sie am verengerten
Endtheile des Darmes. Unter ihr findet sich eine Zellenschichte und
nach innen eine homogene Chitinhaut. — Schwarzes Pigment ist
namentlich in der Zellenschicht der peripherischen Magenverästlung
angelläuft und bildet daselbst schon äusserlicli sichtbare dunkle
Flecke. \
V. Nervensystem und Sinnesorgane.
Über dem Schlunde entdeckt man leicht eine gangliöse Anschwel
lung von bimförmiger Gestalt mit einem aufsitzenden schwarzen
Pigmentfleck, der hier mehr langgestreckt und schmal ist (Taf. I,
Fig. 16). Seitlich gehen von diesem Hirnganglion die beiden Seh
nerven nach vorne.
Über das peripherische Nervensystem konnte ich mir bei meinen
Exemplaren leider keine gesicherte Anschauung verschaffen.
Von Sinnesorganen kommen ausser den schon oben angeführten
Tastwerkzeugen nur Augen vor. Dieselben liegen nach vorn auf der
obern Fläche des Schildes, von der glatten Oberhaut überzogen. Sie
sind in besondern Kapseln eingeschlossen und können durch eigene
zu ihnen tretende Muskeln bewegt werden. Die lichtbrechenden
Körper haben eine konische Gestalt und ragen mit ihrem obern
breitem und abgerundeten Ende ziemlich weit aus dem Pigmente
hervor. An jedem Krystallkegel (Taf. J, Fig. 17) kann man einen
mittlern Tlieil, den eigentlichen lichtbrechenden Krystallkörper,
und eine äussere Hülle unterscheiden. Jener Hess bei allen eine
Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen.
97
leichte Längsstreifung bemerken. Die Hülle ist häutig, umgibt den
Körper nach hinten blos locker und setzt sich daselbst in Form
eines durchsichtigen Bechers noch über denselben ein Stück weit
fort. Sie ist nach vorn an den Seitenecken dicker, verdünnt sich
jedoch gegen die Mitte wieder und zeigt eine undeutlich faserige
Structur.
VI. Circulations- und Respirationsorgane.
Über das Centralorgan des Gefässsystems und seine Verhält
nisse Hess sich hier nichts deutlich mehr eruiren. Doch zweifle ich
nicht, dass es sich ähnlich wie bei Argulus verhalten wird.
Als Respirationsorgane betrachte ich die grossen runden
lamellösen Fortsätze am hintern Rande der Ruderfüsse, namentlich
der letzten, so nie die Schwanzflosse.
Die Schwanzflosse wurde bereits von Leydig 1 ) bei Argulus
als das vorzüglichste Respirationsorgau dargestellt. Gyropellis zeigt
nun einen sehr analogen Bau. Man findet besonders bei G. longicauda,
wo die beiden Lappen der Flosse sehr lang sind, eine grosse Anzahl
von Muskelprimitivbündeln zu denselben hingehen und in ihnen sich
mannigfach verästeln und zertheilen. Nebst diesen Längsmuskeln
bemerkt man noch hier eine selbstständige Schichte von Quermuskel
bündeln, die von einem Rande zum andern laufen (Taf. I, Fig. 17).
Auf diese Weise entsteht nun ein reiches Muskelnetz, zwischen dem
einzelne grössere Zellen und Pigment abgelagert sind, nebstdem
aber zahlreiche grosse Lückenräume übrig bleiben, in denen eine
grosse Quantität von Blut circuliren kann.
Die hintern lamellösen Anhänge des letzten Fusspaares müssen
jedenfalls auch als kiemenartige Organe betrachtet werden, welche
einen wesentlichen Antheil an dem Unwandlungsproeesse des Blutes
nehmen. Betrachtet man ihren Bau, so sieht man ebenfalls durch
zahlreich eintretende Muskelprimitivbündel und deren wiederholte
Theilung und Verästlung ein ähnliches Muskelnetz in ihnen her
gestellt, zwischen denen ebenfalls zahlreiche, wenn auch kleinere
Lückenräume sich vorfmden.
Die an den drei ersten Fusspaaren nach innen gerichteten
geisselartigen Ruderäste sind als besondere Ililfsorgane der Respiration
l ) Ober Argulus foliaceus. Zeitschrift für wissenschaftliche Zoologie. Band II, p. 337.
Sitzb. d. mathein.-nnturw. CI. XXV. Bd. I. Hfl. 7
98
Heller.
anzusehen, da sie gewiss dazu dienen, um durch eine beständige
Bewegung die Erneuerung des Wassers zu fördern.
VII. Geschlechtsorgane.
A. Weiblicher Geschiechtsapparat.
Derselbe besteht aus einem unpaaren länglichen, schlauchartigen
Eierstocke (Taf. I, Fig. 2 f), welcher unter dem Darmcanale von den
hintern Kieferfiissen bis an die Basis der Schwanzflosse sich erstreckt,
wo er mit einer kleinen runden Öflhung ausmündet. — In den Wan
dungen sind deutliche quergestreifte Muskeln nachzuweisen, so wie
sich auch in der Rückenwand die charakterischen von Ley dig 1 ) bei
Argulus Vorgefundenen sternförmigen Pigmentablagerungen erkennen
lassen.
Der Eierstock war bei den meisten Weibchen mit Eiern dicht
angefüllt. — Sie hängen daselbst in unregelmässigen Klumpen
zusammen, wahrscheinlich durch eine ursprünglich klebrige Masse
verbunden. -—- Die Eier (Taf. I, Fig. 19) haben eine bräunliche
Farbe, ihreForm ist im Allgemeinen oval, durch gegenseitigen Druck
sind dieselben an ihren Seiten jedoch verschieden abgeplattet, so
dass die Eiform manchmal eine mehr weniger polygonale wird. Die
Länge eines vollkommen ausgebildeten Eies mass in der Länge O'Sl
Millim., in der Breite 0-22 Millim. Die Eihülle ist sehr dick und man
kann an ihr eine innere, aus einer dünnen homogenen Membran be
stehende Schichte, welche den Inhalt unmittelbar umgibt, die Dotter
haut (6) und eine äussere, die Schalenhaut («) unterscheiden. Letztere
ist bräunlichgelb, durchsichtig, an verschiedenen Stellen verschieden
dick in Folge des gegenseitigen Druckes. Sie lässt eine schichten
weise Ablagerung erkennen. Ihre Oberfläche ist nicht vollkommen
glatt, sondern runzlig gefaltet. Der dunkle Inhalt besteht aus einer
grossen Anzahl runder gelberDotterkugeln von verschiedener Grösse.
An der Basis der Schwanzflosse findet man beiderseits die runden
stark pigmentirten Behälter (Taf. I, Fig. 11 a), welche schon mit
blossem Auge als zwei schwarze Flecke bemerkt werden und von
denen jeder mit einem Ausführungsgange (6) nach innen auf einer
spitzen dreieckigen Papille (c) mündet. Diese schon von Jurine 2 ),
0 L. C. pag. 339, Taf. XX, Fig. 10.
2 J Memoire sur l’Argule foliace par M. Jurine fiis. Annales du Museum d’histoirß
naturelle. Tom. VII, pag. 431.
Beiträge zur Kenntnis» der Siphonostomen.
99
dessgleichen von J. Dana 1 ) bei Argulus bemerkten Körper wurden
erst von Leydig 3 ) in ihrer wahren Bedeutung als Samenkapsel
(receptacula seminis) erkannt.
B. Männlicher Geschlechtsapparat.
Die Hoden sind schon äusserlich am Anfänge der beiden Schwanz
hälften durch ihre weissliche Farbe erkennbar. Jeder Hode stellt eine
nach hinten gelappte Drüse dar. Die einzelnen schlauchartigen Drü
senlappen, deren bei Gyropeltis Kollari drei (Taf.II, Fig. 1 «), hei G.
longicauda (Taf. I, Fig. 10 a) zwei neben einander liegen, münden
nach vorn jederseits zusammen und gehen in einen gemeinschaft
lichen Ausführungsgang (vas efferens) (b) über. In der Umgebung
der Hoden sieht man bei G. Kollari mehrere sehr grosse, hei 0 - 064
Millim. messende Zellen (Taf. I, Fig. 20) mit bläschenförmigem Kerne
und feinkörnigem Inhalt. Ferner kann man auch hier die eigentüm
lichen, von Leydig 3 ) als Drüsen beschriebenen, mit einem langen
Ausführungsgange versehenen Blasen sehr gut beobachten. Sie sind
ziemlich gross, haben einen feinkörnigen Inhalt und münden mit
ihrem langen Ausführungsgange frei an der Oberfläche (Taf. I,
Fig. 21).
Der aus jedem Hoden tretende Ausführungsgang läuft nach vorn
und oben zu der über dem Darmcanal liegenden braungefärbten
Samenblase, aus welcher wieder zwei, ziemlich weite, ebenfalls braun
gefärbte Ausführungsgänge (ductus deferentes) nach unten und
hinten gehen, um an der Basis der Schwanzflosse nach aussen zu
münden. Die nach vorn zur Blase tretenden Vasa efferentia waren
stark pigmentirt, Samenblase und ductus deferentes mit einer brau
nen, spröden Masse strotzend angefüllt.
Als Copulationsorgane findet man beim Männchen am vordem
Rande des 4. Fusspaares an der Theilungsstelle in seine beiden
Ruderäste einen Höcker (Taf. I, Fig. 9 c), der an seiner Oberfläche
kleine Wärzchen trägt. An dem hintern Rande des 3. Fusspaares
entspricht diesem Höcker eine dreieckige, mit einem dunkel pigmen-
tirten Häutchen ausgekleidete Vertiefung. An demselben Fusspaare,
und zwar an seinem Basaltbeile beobachtet man nebstdem nach vorn
eine knopfartige, auf einem dicken Stiele sitzende Anschwellung,
’) L. c. pag. 303, Fig. 1. r.
2 ) L. c. pag. 340, Taf. XIX, Fig. Ö6, Taf XX, Fig. 9.
3 ) I.. c. pag. 323, Taf XX, Fig. 2 g und Fig. 7 c.
100
Heiler.
welche auf ihrer Oberfläche mit zierlichen warzenförmigen Höcker-
chen besetzt ist. Ähnliche knopfförmige Organe wurden von Ger-
staeker i) an den Füssen der Weibchen von Gangliopus pyriformis
Gerst. beobachtet. — Unmittelbar neben demselben nach aussen ragt
ein zapfenförmiger Fortsatz nach oben und innen (b). Auch er zeigt
eine warzige Oberfläche. In beide Organe setzt sich die Zellenschicht
der Cutis hinein.
VIII. Systematik.
Über die systematische Stellung unseres Thieres kann wohl kein
Zweifel sein. Es gehört in die Familie der Argulinen. Von dem
bisher allein bekannten Genus Argulus unterscheidet es sich durch
folgende charakteristische Merkmale: An der Stelle der vordem
grossen Saugnäpfe findet man zwei grosse, kräftige Hakenfüsse; der
Mund ist mehr nach vorn gelagert und erscheint in Form eines kurzen,
dicken Rüssels, gebildet durch eine Ober- und Unterlippe, zwischen
denen zwei starke, säbelartige, am vordem Rande gezähnte Mandi-
beln horizontal nach innen gerichtet sind. Der bei Argulus vor dem
Munde gelegene, in einer eigenen Scheide steckende Stachel fehlt
hier gänzlich. Die Schwimmfüsse haben auch am dritten Paare einen
nach innen gerichteten, obgleich kurzen Ruderanhang. Die Hoden,
bei den Männchen an der Rasis der Schwanzlappen liegend, sind nach
hinten gelappt.
Die Diagnose des neuen Genus Gyropeltis dürfte demnach am
zweckmässigsten auf folgende Weise lauten:
„Cephalothorax scutiformis, postice in duas alas excurrens, corpus
inter se excipientes. Oculi duo compositi, superi, distantes. Antennae
quadriarticulatae, sub cephalothorace reconditae. Os in rostrum
breve conicum productum, mandihulis in margine anteriori serratis
instruetum. Aculeus ab ore anterius vergens nullus. Pedum maxilla-
rium tria paria, quorum secundum juxta rostrum situm, non acetabuli-
forme sed uneo valido terminatum est. Pedum trunci paria quatuor,
singulis in duos remos fissis, setis ciliatis ornatis, praeterea tribus
anterioribus eirro aeque ciliato introrsum vergente instructis. Testes
in maribus postice lobati. Cauda biloba.
*) Archiv fiir Naturgeschichte, XX. Jahrgang, 1. Band, pag. 191, Taf. 7, Fig. H*
Beitrüge zur Kenntuiss der Siphonostomen.
101
Gyropcltis longicauda nov. spec.
Taf. I, Fig. 1—19.
Cephalothorax suborbicularis, supra convexiusculus, infra
concfivus, ad marginem limbo pellucido, tenui, zonam aliam nigres-
centem includente cinctus, laeviusculus. Pedes maxillares primi
paris ad basim articuli primi spina seit magna armati. Articulus
basalis pedum maxillarium tertii paris in mcirgine posteriori
dentibus tribus conicis instructus. Cauda biloba, lobis longissimis
acuminatis.
Longit. corporis sine cauda = 12 Millim.
Longit. c. cauda =28 „
Latitud. =11 „
Diese Art wurde von Johann Natterer in Brasilien auf den
Kiemen von Hydrocyon brevidens Cuv. gefunden. -— Der scheiben
förmige Cephalothorax ist fast vollkommen kreisrund, nur nach
vorn etwas vorspringend (Taf. I, Fig. 1 e). Die Oberfläche ist nament
lich in seiner vordem Hälfte ziemlich gewölbt. Rings um den Rand
der Scheibe bemerkt man einen schmalen, dünnen hellen Saum («),
innerhalb dessen sich eine gleichfalls schmale,jedoch dunkleZone (6)
kreisförmig hinzieht. An dem hellen Saume kann man wieder eine
nach aussen gelegene, ganz durchsichtige Hälfte, gebildet von dem
Chitinoberhäutchen allein, unterscheiden, so wie eine innere Hälfte, in
welcher sich eine zarte baumartige Verästlung bemerken lässt, her
rührend von der letzten Verzweigung und der Insertion der feinsten
peripherischen Muskelfibrillen.
Die innerhalb jener liegende dunkle Zone entspricht dem Ver
laufe der oben erwähnten starken Chitinleiste, längs welcher viel
Pigment abgelagert ist. Innerhalb dieser dunklen Zone fallen am
Seitenschild einige halbmondförmige, mit der Convexität nach aussen
gerichtete schwarze Flecke (c) in die Augen, welche von dem in
den seitlichen Magenverästlungen vorhandenen reichlichen Pigmente
bedingt sind. Der Raum zwischen der Ursprungsstellc der beiden
vordersten Klammerfüsse ist ziemlich breit. Die vorderen Klammer-
füsse haben blos an ihrer Basis einen starken nach hinten und innen
gerichteten Stachel (Taf. I, Fig, 3 f). Die an der Basis des dritten
Kieferfusspaares (Fig. 5 c) so wie an der unfern Fläche des Thorax
befindlichen zahnartigen Fortsätze sind spitz. Die Haut ist auf der
102
Heller.
obern Fläche ganz glatt, an der untern Fläche zeigen sich stellen
weise, namentlich an dem hintern Kiefer und den Schwimmfüssen ganz
kleine Runzeln oder Wärzchen. Der Thorax nicht deutlich gegliedert.
Charakteristisch sind jedoch ganz besonders für diese Art die langen
spitzen Schwanzlappen (Fig. 1 g~). Dieselben sind wenigstens ein und
ein halbmal so lang als der übrige Körper. Sie entspringen etwas
verschmälert von dem kurzen Abdomen, werden dann plötzlich breiter,
um alsdann allmählich wieder gegen ihreSpitze hin sich zu verjüngen.
An ihrem breitem Theile sind sie gegen den innern Rand hin, nament
lich bei den Weibchen, dunkler pigmeritirt, sonst graulichweiss. Der
übrige Körper hat eine mehr dunkel aschgraue Färbung.
Gyropeltis Kollar! nov. spec.
Taf. I, Fig. 20, 21; Taf. It, Fig. 1—3.
Cephalothorax obcordatus, ora marginali nigrescente nulle
Pecles rriaxillares primi paris ad articulum secundum in margine
posteriori deute acuto instructi. Articulus basalis pedum maxilla-
rium tertii paris postice dentibus tribns, brevibus, obtusis armatus.
Testa scabriuscula, praesertim ad, superficiem inferiorem spinulis
recurvis armata. Cauda in duos divisa lobos, breves, obtusiusculos-
Longit. cephalothorac. = 10 Millim.
Longit. cauda simul sumta =12 „
Latitud. =9 „
Diese Art unterscheidet sich sehr leicht von der vorigen durch
die Kürze der Schwanzlappen, welche nach hinten nicht zugespitzt,
sondern abgerundet sind. Der schildförmige Cephalothorax ist nach
hinten am breitesten und verschmälert sich nach vorne bedeutend,so
dass eine umgekehrt herzförmige Gestalt des Körperschildes entsteht.
Die dunkle Zone am Rande mangelt. Die Haut an der obern Fläche
des Schildes ziemlich glatt, trägt an der untern Fläche, namentlich
am vordem Rande in der Gegend zwischen den vordem Klammer
füssen so wie am Seitenrande viele spitze nach hinten gerichtete
Stacheln. Die vorderen Klammerfüsse sind am hintern Rande des
Hakengliedes mit einem spitzen Zahne versehen (Taf. II, Fig. 3),
Die zahnartigen Fortsätze an dem Rasalstück des dritten Kieferfusses
so wie an der untern Fläche des Thorax sind stumpf, abgerundet,
kurz. An dem Thorax ist eine Gliederung in vier Abschnitte viel
103
Beitrüge zur Kenntniss der Siphonostomen.
deutlicher als in der vorigen Species. Die Hautfarbe ist graulieh-
weiss.
Diese Art wurde ebenfalls von Natt er er in Brasilien gesammelt.
Wobnthier unbekannt.
Die nun folgenden Arten gehören zu dem Geschlechte Argulus.
Man kannte bisher mit Sicherheit nur zwei Species, nämlich A. foli
aceus und A. catostomi. Diese beiden erfreuten sich jedoch seit
jeder der grössten Aufmerksamkeit der Naturforscher und wir besitzen
durch die Untersuchungen von Jurine und C. Vogt 1 ) und namentlich
durch die ausgezeichnete jüngste Abhandlung von Leydigüber
Argulus foliaceus, sowie von Dana und Her rieh 2 ) über den Ar
gulus catostomi eine vollkommene Kenntniss über die Anatomie und
Entwicklungsgeschichte dieser Thiere. In neuester Zeit wurde eine
dritte Species — A. Pugetensis von J. Dana 3 ) bekannt gemacht.
Argulus Nattercri Kollar.
Taf. II, Fig. 4—12.
Cephalotliorax disciformis, suborbicularis, lobo frontali paulu-
lum prominente. Testa scabriuscula. Pedes maxillares primi paris
in articulo secundo antice posticeque spinam gereutes, Uli tertii
paris in articulo primo postice dentibus tribus sat longis, obtusius-
culis arrnati. Cauda brevissima, int er alas disci posteriores vix
prominens.
Longitud. = 12 Millim.
Latid. = 13 „
Der Cephalotliorax ist sehr abgeplattet, fast kreisförmig. An
seinem vordem Rande ragt ein mittleres, bei S Millim. breites,
U Neue Denkschriften (1er allgemeinen Schweizerischen Gesellschaft für die gesamrnte
Naturwissenschaft. Band VII, 1845, pag. 3—16, Taf. I, Fig. 1—12.
2 ) L. c. — Auf der beigegebenen Tafel bemerkt man auf Fig. 1 hinter dem vorsprin
genden illundkegel ganz deutlich die Bauchganglienkette mit den davon entsprin
genden Nerven abgebildet. Sie bildet fünf hinter einander liegende Ganglien , die
unmittelbar an einander stossen ; sie haben eine fast viereckige Gestalt und neh
men nach hinten allmählich ab. Das letzte Ganglion ist sehr klein und herzförmig.
Ganz damit übereinstimmend verhält sich das Bauchnervensystem bei Argulus foliaceus
nach Leydig. Ich glaubte hier besonders darauf aufmerksam zu machen, weil Dana
hei der Beschreibung (pag. 303) diese Gebilde nicht als zum Nervensystem gehörig,
sondern für ein Herz oder wenigstens als ein mit dem Herzen in nächster Beziehung
stehendes Organ deutete.
3 ) Conspectus crustaceorum, quae in orbis terrarum circumnavigatione .... lexitet
(lescripsit. Tom. II, pag. 1351, tab. 94, Fig. 29.
104
Heller.
abgerundetes Stück mehr hervor. Es entspricht dem eigentlichen Kopf
schilde und hängt zu jeder Seite durch eine zarte Hautbrücke mit dem
flügelartigen Seitenschilde zusammen. Auf der mittlern Abtheilung
verlaufen zwei starke Chitinleisten von vorn nach hinten und zwar so,
dass sie sich gegen die Mitte hin nähern, während sie nach hinten hin
wieder aus einander weichen und eine X förmige Gestalt erzeugen.
Rings um den ganzen Rand der Scheibe läuft ein 1 Millim. breiter,
heller, dünner Saum, der nach vorn an dem vorspringenden Mittel
stücke sich etwas verschmälert. Innerhalb desselben folgt eine fast
gleich breite, dunkler pigmentirte Zone. — Die Schwanzflosse ist
äusserst klein und kurz und wird von den Seitenlappen des Schildes
nach hinten fast überragt.
Die Haut ist warzig rauh und mit kleinen dornigen Fortsätzen
besetzt, die an einzelnen Stellen ziemlich lang sind, so an der obern
Fläche der Scheibe. Die Hautfarbe ist graulichweiss.
Die vordem Klammerfüsse (Taf. II, Fig. 6) liegen seitlich in
Gruben hinter dem Stirnrande und bestehen aus einem ziemlich
grossen, fast viereckigen Basalgliede, welches nach hinten mit einem
stumpfen Zahne besetzt ist, ferner aus einem spitzen einwärts
gekrümmten Hakengliede, welches sowohl an seinem vordem als
hintern Rande ein spitzes Zähnchen trägt. Die Palpe ist dünn, borsten
förmig, zweigliederig. Die Antenne, viergliederig, hat ein dickes, in
der Mitte etwas eingeschnürtes Basalglied, das nach hinten mit einem
feinen Stachel bewehrt ist, die folgenden Glieder sind dünn, nach
aussen an Länge abnehmend, jedes ist an seiner Spitze mit einigen
feinen Börstchen besetzt. — Das zweite Kieferfusspaar erscheint in
Form zweier grosser becherartiger Saugnäpfe. Unmittelbar hinter
diesen, jedoch der Mittellinie etwas genähert, entspringt das dritte
Kieferfusspaar (Fig. 7), welches fünfgliederig ist. Das erste Glied
ist kurz und dick, auf der untern Seite mit S—6 einzelnen rauhen
Wärzchen und am Hinterrande mit drei langen, fingerförmigen, rück
wärts gerichteten stumpfen Zähnen bewaffnet. Das zweite Glied ist
lang, keulenförmig und am äussern Drittel mit zahlreichen feinen
Spitzen besetzt. Die drei folgenden Segmente, welche cylindrisch
sind und an Länge abnehmen, je weiter nach aussen sie liegen, sind
ebenfalls an ihrer Oberfläche rauh und enden mit zwei kurzen
Klauen. — Die vier Schwimmfusspaare nehmen nach hinten an Länge
etwas ab und erreichen den Rand des Seitenschildes hei weitem nicht.
Beitrüge zur Kenutniss der Siphonostomen.
103
Sie sind an ihrer Oberfläche sehr rauh durch zahlreiche kleine
Wärzchen, welche wieder mit feinen Stacheln versehen sind (Fig.
11, 12). Sonst sind sie ähnlich beschaffen wie bei Argulus
foliaceus.
Etwas hinter der Mitte zwischen der Einfügungsstelle der beiden
hintern Kaufüsse liegt der Mund als ein frei nach hinten gerichteter
keulenförmiger Vorsprung (Taf. II, Fig. 8). An demselben unter
scheidet man eine Oberlippe (cl), eine Unterlippe (</) und zwischen
denselben zwei gezähnte Mandibel (/*)- An der Oberlippe ist der
vordere Rand in der Mitte tief ausgerandet, mit einer vorspringenden
zarten Saugplatte gesäumt, nach beiden Seiten hin aber mit zwei
runden, gewölbten Vorsprüngen (e) versehen, so wie sich auch
weiter nach hinten noch zwei stärkere, besonders nach aussen vor
springende ohrförmige Fortsätze bemerkbar machen.— Die beschrie
bene Gestalt der Oberlippe und ihrer Fortsätze wird wesentlich durch
mehrere Chitinleisten hergestellt, zwischen denen die dünnere Chitin
haut ausgespannt ist.
Dieses ziemlich complicirte Chitingerüste verhält sich bei genaue
rer Betrachtung auf folgende Weise. Vom Rücken des Mundkegels
laufen vier ziemlich starke Chitinbalken nach vorn zur Oberlippe.
Die äusseren (a) schwellen nach vorne bedeutend an, wobei sie
zugleich nach aussen etwas vorspringen und bilden beiderseits für
die Mandibel eine Art Gelenkkopf (c). Sie setzen sich ferner hier
durch einen Verbindungsast mit den innern stärkern Balken (6) iiv
Verbindung. Diese laufen noch etwas weiter vorwärts, wo sie sich
in zwei Äste zerspalten. Der innere Ast geht convergirend nach vorn,
stösst in der Mitte der Oberlippe mit dem der andern Seite zusammen
und biegt sich alsdann unter ziemlich spitzem Winkel längs dem
Vorderrande der Oberlippe nach aussen und hinten, wo er sich wieder
dem äussern Aste nähert, der in einem einfachen Bogen nach hinten
sich wölbt. Unter diesem kuppelförmigen Gewölbe liegen nun beider
seits die Mandibel (f) als sichelartig gekrümmte, am Rande spitz
gezähnte Platten. Dieselben (Taf II, Fig. 9) sind nach aussen ziem
lich breit und dick, fast viereckig und ruhen mit einer ausgehöhlten
Häclie (6) auf der oben erwähnten Anschwellung der Seitenleisten.
Von ihrer Aussenfläclie ragt ein starker spitzer Fortsatz (c) nach
innen, der zum Ansatz von Muskeln dient. Die beiden Mandibeln sind
ferner an ihrer Spitze abgerundet und ragen weit nach hinten in die
106
Heller.
Mundhöhle, wobei die beiden gezähnten Ränder (d) einander zuge
kehrt sind. Es findet sich auch hier im Innern der Mandibel ein
zweiter kleinerer, doch ganz ähnlich geformter eingeschlossen (c).
Die ziemlich grosse und dicke, halbmondförmige Unterlippe schliesst
sich yon unten her an und wird in ihrem hintern Umfange gleichfalls
durch mehrere Chitinleisten gestützt (Fig. 10).
Vor dem Munde liegt zwischen den nach vorn verlaufenden
starken Chitinleisten, in einer Scheide eingeschlossen, der nach vorne
mit einer feinen Spitze versehene Stachel.
Diese Art wurde gleichfalls von Natt er er in Brasilien und
zwar an den Kiemen und auf der Körperoberfläche von Hydrocyon
brevidens Cuv. aufgefunden.
Argulns elongatus nov. spec.
Taf. III, Fig. i—4.
Cephalothorax obcordatus, postice parum sinuatus, truncum
valde elongatum et pedes nequaquam obtegens. Testa laevis, macidis
et striis nigris ad superficiern cephalothoracis et in reliquo corpore,
sic etiam ad basim pedutn ornata. Pedes maxillares primi paris
in articulo secundo antice spinula instructi; articulus basalis
pedutn maxillarium tertii paris tumidus, in super fiele scabriusculus,
postice absque deute. Cauda biloba, lobi sat longi, lanceolati.
Long. = 10 Millim.
Lat. =0 „
Der Cephalothorax ist nach vorn verschmälert und nach hinten
am breitesten, fast umgekehrt herzförmig; die hintern flügelförmigen
Fortsätze sind kurz und der Körper steht nach hinten ganz frei her
vor. Die drei hintern Schwimmfusspaare sind ganz unbedeckt und
ragen frei vom Körper nach aussen. Die vordem Klammerfüsse tragen
am vordem Rande des hakenförmigen Gliedes ein Zähnchen. Das
hinter den beiden Saugnäpfen folgende Fusspaar hat ein sehr dickes
angeschwoilenes, mit feinen Höckern besetztes Basalglied, ohne zahn-
artige Fortsätze am Hinterrande; die folgenden Glieder sind mehr
cylindrisch, etwas rauh. Die beiden Lappen der Schwanzflosse sind
ziemlich lang, lanzettförmig. Der Körper ist stark dunkel pigmentirt
und gefleckt und längs der Mittellinie am Rücken des Thieres mit
zwei schwarzen Längsstreifen geziert. Ebenso findet man am Basal-
Beiträge zur Kenntniss der Siphonostomen.
107
theil der Füsse schwarze umschriebene Flecken. — Bios in einem
Weibchen bekannt. Stammt ebenfalls aus Brasilien, wo es von Nat-
terer gesammelt wurde. Wohnthier unbekannt.
Erklärung der Tafeln.
TAFEL I.
Fig. 1. Ggropeltis longicauda f., von der Rückenseite, miissig vergrössert;
a der lichte Randsaum, b die dunkle Zone innerhalb jenes, c halbmond
förmige dunkle Flecke am Seitenschild, d Augen, e der vorspringende
vordere Rand, f hintere Ausbuchtung des Cephalothorax mit dem ein
geschlossenen hintern Bruststück, g die lange zweilappige Schwanzflosse.
„ 2. Dasselbe Thier von der Bauchseite; a die vordem in Gruben liegenden
Klammerfüsse mit den Antennen, b der konische Mundrüssel, c das zweite
Klammerfusspaar, d das dritte Fusspaar (Kieferfusspaar), e die vier
Sehwimmfusspaare, f Eierstock, durch die Haut sichtbar.
„ 3. Erster Klammerfuss des Cephalothorax (stärker vergrössert); a Basal
theil, b hakenartiges Glied, c Palpe, e Antenne, ('Stachel an der Basis.
„ 4. Zweiter Klammerfuss des Cephalothorax.
„ 5. Dritter Fuss des Cephalothorax. Erstes Glied a mit einer ovalen Platte,
b an der untern Fläche und drei konischen Zähnen, c am Hinterrande.
„ 6. Endglied desselben Fusses, sehr stark vergrössert, mit den kurzen mit
Zähnclien und Stacheln besetzten Endklauen.
„ 7. Erster Schwimmfuss; a Basaltheil, b Ruderäste, e accessorischer nach
innen ragender Ast.
„ 8. Dritter Schwimmfuss eines Männchens; a knopfartige, an der Oberfläche
warzige Anschwellung, b zapfenartiger Fortsatz, c accessorischer nach
innen ragender Ruderast.
n 9- Vierter Schwimmfuss eines Männchens mit den stark vorspringenden
Iamellösen Fortsätzen am hintern Rande («, 5), dem kleinen Höcker am
Vorderrande (c) und einem Stachel (<i) am inneren Basalrande.
„ 10. Vorderlheil einer Schwanzflosse vom Männchen mit dem daselbst sicht
baren zweilappigen Hoden a und dem Anfang des Ausführungsganges 5.
„ 11. Vordertheil einer Schwanzflosse vom Weibchen mit der rundcnSamen-
kapsel «, dem Ausführungsgange b und der äusseren Papille e.
„ 12. Säugrüssel in seiner natürlichen Lage ; a Oberlippe, b Unterlippe.
„ 13. Derselbe mit zurückgezogener Oberlippe, um die hinter ihr liegenden
Mandibel a zur Anschauung zu bringen, b hintere als Stützen und Träger
derMandibel dienende Chitinleisten.
» 14. Ein Mandibel,stark vergrössert, mit vorderem gezähnten Rande a, äusse
rem starken Fortsatze b und eingeschlossenem Ersatz-Mandibel c.
„ iü. Verästlung der Muskelprimitivbündel am Scheibenrand. Sehr vergrössert.
,, 16. Hirnganglien mit dem aufsitzenden schwarzen Pigmentfleck.
,, 17. Ein einzelner Krystallkegel, umgeben von seiner Hülle.
1 08 Meller. Beiträge zur Kenntuiss der Siphouostomen.
Fig. 18. EinTheil der Quermuskelschiehte aus der Schwanzflosse von Gyropeltis
longicauda.
„ 19. Ein Ei, stark vergrössert; a Dotterhaut, b Sehalenhaut, c Dotterinhalt.
„ 20. Grosse Zellen, in dem Muskelnetz der Schwanzflosse von Gyropeltis
Kollari zerstreut.
„ 21. Einfache mit langem Ausführungsgange versehene Drüsen, ebenfalls aus
der Schwanzflosse von G. Kollari.
TAFEL II.
Fig. 1. Gyropeltis Kollari, von der Bauchfläche; a dreilappiger Hoden.
„ 2. Dasselbe Thier von der Rüekenseite mit den äusserlich sichtbaren, nach
dem Scheibenrande ausstrahlenden Muskelbündeln.
„ 3. Erster Klammerfuss desselben Thieres.
„ 4. Argulus Nattereri, von der Bauchseite.
„ 5. Dasselbe Thier von der Rückenseite.
„ 6. Erster Klammerfuss (1. Fuss des Cephalothorax).
„ 7. Dritter Fuss des Cephalothorax.
„ 8. Mundkegel von vorn ; ab hintere Chitinleisten , e gelenkkopfartige An
schwellung der äusseren, d Oberlippe, e seitlicheIlervorwölbung, f Man-
dibel, g Unterlippe.
,. 9. EinMandibel, stark vergrössert; breiterer, fast viereckiger äusserer Theil
(«)> mit der Gelenkfläche b, dem nach innen ragenden spitzen Fortsatz c,
nach innen gekrümmter gezähnter Rand d, eingeschlossener Ersatz-
Mandibel e.
„ 10. Unterlippe und Mundkegel, von rückwärts gesehen.
„ 11. Letzter Schwimmfuss.
„ 12. Ein Theil davon, sehr stark vergrössert.
TAFEL III.
Fig. 1. Argulus elongalus, von der Bauchfläche.
„ 2. Dasselbe Thier von der Rückenfläche.
„ 3. Erster Fuss des Cephalothorax.
„ 4. Dritter Fuss des Cephalothorax.
Heller. Beiträge zur Kenntmls der Sip"honostome:a.
Taf.I.
rt>
Am ä.liBoI-iLStaa.tsatiic'keiei
/3.
Silzmips bi!.k.Atad.d.W initlli.uaturw. CI X.W tSd.I llrft 1851.
Heller. Merkwürdiger Fall vorderer Verwachsung an Diplozoon paradoxum. j ()1)
Merkwürdiger Fall vorderer Verwachsung an Diplozoon
paradoxum.
Beobachtet von Dr. Camill Heller.
(Vorgetragen in der Sitzung vom 19. Februar 1857.)
Im verflossenen Herbste untersuchte ich in dem histologischen
Institute hei Herrn Professor Wedl mehrere Flussfische auf Para
siten, und fand unter andern auf den Kiemen eines Carassius Gibelio
ein Diplozoon kleinerer Form. Dasselbe zeigte die merkwürdige
Eigentümlichkeit, dass es nach vorn nicht in zwei Hälften geteilt,
sondern hier vollkommen einfach war (Taf. III, Fig. 5). Bios an dem
vordersten Rande liess sich eine kleine mittlere Einkerbung («)
bemerken als Andeutung einer früher bestandenen Trennung. Der
Mund (6) war einfach, hinter ihm konnte man die zwei seitlichen
Saugnäpfe (cc) so wie den einfachen Darmcanal (d) bemerken;
dagegen waren die hintern beiden Leibeshälften mit den charakteri
stischen Klammergerüsten vollkommen getrennt 1 )- — Das Thier
bewegte sich lebhaft und wurde durch mehrere Stunden von Herrn
Professor Wedl und mir beobachtet.
Wiewohl ich eifrig nachsuchte, so wollte es mir seither doch
nicht mehr glücken, ein gleiches Exemplar aufzufinden. — An den
Kiemen von Rhodeus amarm Ag., welcher an demselben Orte und
zu gleicher Zeit mit dem obgenannten Carassius gefangen wurde,
fand ich noch mehrere Diplozoen, aber alle von der bekannten Form
mit den doppelten Vorder- und Hinterleibshälften.
Der beobachtete Fall gehört jedenfalls zu den Seltenheiten,
wenigstens geschah bis nun nirgends davon Erwähnung. Über die
Genesis dürfte man sich leichter Aufklärung geben können, seit wir
durch die ausgezeichneten Beobachtungen von Siebold's 2 ) wissen,
i ) Ein hinterer mittlerer Saugnapf, wie er bei Diporpa sich vorfindet, konnte trotz der
genauesten Untersuchung nicht zur Anschauung gebracht werden.
) Iber die Conjugation des Diplozoon paradoxum nebst Bemerkungen über den Con-
jugations-Process der Protozoen. Zeitseh. f. wissensch. Zoologie. 3. Bd. 1851,S. 62.
HO Heller. Merkwürdiger Fall vorderer Verwachsung an Diplozoon paradoxum.
dass das Doppelthier Diplozoon durch die Verschmelzung je zweier
Individuen von Diporpa entsteht. Die Verschmelzung wäre hier
demnach nicht auf die ursprüngliche und gewöhnliche Vereinigungs-
stelle an den Saugnäpfen beschränkt geblieben, sondern hätte sich
über den ganzen Vorderkörper ausgedehnt.
Man konnte sich ferner auch hier bei dem verwachsenen Thiere,
so wie bei den auf Rhodens aufgefundenen gewöhnlichen Diplozoen
von der Richtigkeit einer Copulatio lateralis decussata überzeugen.
Namentlich an den hintern Leibeshälften konnte man ohne Schwie
rigkeit beobachten, dass dieselben gegen die Vereinigungsstelle hin
sich mit ihren Rändern über einander lagerten und den entgegen
gesetzten Verlauf eine Strecke weit noch deutlich verfolgen Hessen.
Ebenso sah man an den Wassergefässen mit ihrer zierlichen Flim-
merung im Innern, wenn man ihren Verlauf genau verfolgte, dass die
der linken vordem Thierhälfte (oder beim verwachsenen der linken
Seite) immer nach der hintern rechten Hälfte sich begaben, die der
vordem rechten aber nach der hintern linken Hälfte, und alle an der
Verschmelzungsstelle sich kreuzten *).
TAFEL III.
Fig. 5. Diplozoon 'paradoxum N ord m. (stark vergrössert) von den Kiemen
eines Carassius Gibelio Heck, mit verwachsenen Vorderleibshälften;
a vordere Einkerbung, b die einfache Mundöffnung, ccdie zwei seitlichen
Saugnäpfe, d der einfache Schlundkopf.
*) Bei Nor (lmann: Mikrographische Beiträge zur Naturgeschichte der wirbellosen
Thiere, HeftI, pag. 56, Taf. V, VI, ist irrthümlich der Verlauf der Gefässe so ange
geben, dass immer die Gefässe der vordem rechten Hälfte zur rechteu hintern Hälfte
hingehen und umgekehrt, ebenso auf der linken Seite; eine wirkliche Kreuzung
an der verwachsenen Stelle findet nach ihm nicht Statt.
Hauer. Über (las chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 111
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und
Mangan.
Von Karl Ritter von Haner,
Vorstand des Laboratoriums der k. k. geologischen Reichsanstalt.
Es gehörte einstens zu den undankbaren Aufgaben für Zahlen
neue Belege oder gar Correctionen ermitteln zu wollen, die so lange
Zeit hindurch als unfehlbar gegolten hatten. Im ersteren Falle hielt
man solche Versuche für ganz überflüssig, im letzteren schien es
aber eine Vermessenheit, und seihst die Resultate der glänzendsten
Experimente blieben längere Zeit unberücksichtigt. Die musterhaften
Arbeiten von Erdmann und Marcliand über die Äquivalente einer
Reihe von Grundstoffen geben hinlängliches Zeugniss für das Gesagte.
Nur mühsam gelang es ihnen anfänglich ihren Correctionen Eingang
zu verschaffen, denn sie betrafen numerische Daten, xvelche durch
die gexvaltige Autorität eines Berzelius gestützt wurden.
Die Zeit solcher Ansichten ist indess glücklich überwunden.
Man ist längst zur Überzeugung gekommen, dass gerade eine genaue
Bestimmung der Fundamentalzahlen nur das Ergebniss der Arbeiten
Vieler sein kann, dass es zahlreicher und verschiedenartiger Versuche
bedarf, um der Richtigkeit solcher Bestimmungen volles Vertrauen
schenken zu können, und dass jede Arbeit in dieser Richtung als ein
erwünschter Beitrag zur Annäherung an das wichtige Ziel betrachtet
werden darf.
Unstreitig erübrigt aber in dieser Beziehung noch Vieles. Nicht
alle Äquivalentzahlen sind schon mit einer Sicherheit festgestellt, um
annehmen zu können, es sei nach dem gegenwärtigen Standpunkte,
alles was möglich ist, geleistet. Viele der Äquivalentbestimmungen
sind entweder wirklich innerhalb gewisser Grenzen schwankend, oder
es stützt sich die adoptirte Zahl auf zu wenige und nicht hinlängliche
Sicherheit gewährende Versuche. Doch bieten aber eben die Erfah
rungen und Fortschritte der neneren Zeit zahlreiche Hilfsmittel dar,
um die Verlässlichkeit mancher derartiger Bestimmungen schärfer
Prüfen zu können, als es wohl früher überhaupt möglich war.
v. M a u e r.
112
Ich muss bei dieser Gelegenheit der Worte gedenken, welche
Herr Professor Schrötter zur Zeit seiner genialen Arbeit über das
Äquivalent des Phosphors gesprochen hat*): „Es dürfte kaum mehr
eine Periode eintreten, in welcher Untersuchungen dieser Art so
sehr in den Hintergrund gedrängt werden könnten, als dies nach
den Arbeiten von Berzelius geschah, durch welche für eine geraume
Zeit Alles erschöpft schien, was überhaupt hierin geleistet werden
kann.“
In der That wächst mit den Fortschritten der Wissenschaft
auch das Bedürfniss die Fundamentalzahlen der elementaren Bestand-
theile der Wahrheit immer näher gerückt zu wissen. Die Grenzen
innerhalb welcher wir berechtigt sind, sie für richtig zu halten,
genügen dann nur jeweiligen Epochen, und diese Grenzen immer
enger zu ziehen, wird gewiss für jedes Entwickelungsstadium der
Chemie eine der Hauptaufgaben sein.
Bei einer seit längerer Zeit unternommenen Arbeit über das
Verhalten mehrerer Metalloxyde und schwefelsauren Salze, gegen
Wasserstoff und Schwefelwasserstoff in höherer Temperatur, hatte
ich Gelegenheit die Beobachtung zu machen, dass dieses Verhalten
präcise Daten über den Äquivalent-Werth einer Reihe von Metallen
liefern könnte.
Die schwefelsauren Salze von Zink, Cadmium, Blei, Kupfer,
Mangan, Kobalt, Nickel etc. werden beim Glühen in Wasserstoffgas
theils in Sulfurete, tlieils in Oxysulfurete verwandelt. Einige wenige
Untersuchungen hierüber rühren hauptsächlich von Arfvedson 3 )
her, denen zufolge man, wie es scheint, hierbei einige Ver
bindungen von constanter Zusammensetzung erhält. Allein ich fand,
dass dies nur bei einer bestimmt eingehaltenen Temperatur und
einer gewissen Dauer der Operation stattfmde. Ist die Temperatur
zu niedrig gewesen, so ist die Reduction keine vollständige, und
es lässt sich im erhaltenen Sulfuret oder Oxysulfuret leicht die
Gegenwart von Schwefelsäure naehweisen. Bei lange fortgesetzter
Behandlung mit Wasserstoff in hoher Temperatur hingegen, geht ^
die Reduction weiter, und es entstehen verschiedene Zersetzungs-
producte, endlich auch theilweise Metall.
*) Denkschriften der k. Akademie, Band IV, Seite 119,
2 ) Pog-gendorfTs Annalen. Band I, Seite 59.
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 113
Werden die wasserfreien Schwefelsäuren Salze einiger der
genannten Metalle aber in Schwefelwasserstoff geglüht, so entstehen
Schwefelmetalle von eonstanterZusammensetzung, die, wie hoch auch
die angewandte Temperatur war, unverändert bleiben, wenn man sie
in der Atmosphäre von Schwefelwasserstoff erkalten lässt. Schon vor
läufige Versuche überzeugten mich, dass dieses Verfahren, welches
für einige derselben benützt wurde um die gedachten Schwefel
metalle rein und wasserfrei darzustellen, ein vortreffliches Mittel
darhieten könne, die Äquivalente der Metalle seihst zu bestimmen.
Die Resultate, welche man erhält, stimmen mit einer Schärfe unter
einander überein, die bei den bis jetzt mit diesen Stoffen ange-
stellten Versuchen nicht erreichbar war.
Betrachtet man indessen die Umstände näher, unter welchen
diese Reduction ausführbar ist, erwägt man die Daten auf welche
sich die Berechnung stützt, so wie die möglichen Fehlerquellen
denen die Versuche ausgesetzt sein können, so gelangt man zu der
Überzeugung, dass das Verfahren in der That einen hohen Grad von
Genauigkeit bieten müsse.
Wenn es als Grundprincip gilt, dass sich die Berechnung eines
Äquivalentes wo möglich nur auf das Verhältnis zum Sauerstoff oder
auf eines der am genauest bestimmten Äquivalente stütze, so kann
dieser Bedingung hier gewissermassen nur in zweiter Instanz genügt
werden, weil die erhaltenen Zahlen vom Äquivalente des Schwefels
abhängig sind. Doch wird eine auf das Äquivalent des Schwefels
oder Kohlenstoffes hasirte Bestimmung auch nach dem gegenwärtigen
Standpunkte noch immer zu den allerverlässlichsten gehören.
Die schwefelsauren Salze dieser Metalle sind mit Ausnahme des
Bleies sämmtlich gut krystallisirbar, und können daher allein schon
durch oftmaliges Umkrystallisiren von vielen ihrer Verunreinigungen
befreit, und in einem Grade hoher Reinheit dargestellt werden. Sie
halten höhere Temperaturen, ja selbst schwache Rothgluth aus ohne
eine Zersetzung zu erleiden. Es ist dadurch die Möglichkeit geboten,
sie vollkommen wasserfrei zu erhalten, ohne befürchten zu dürfen,
dass mit den letzten Antheilen des Wassers auch schon ein Theil der
Säure entweiche, wie dies bei den kohlensauren, salzsauren und
anderen Verbindungen der Fall ist. Es hat dieser Umstand bei den
Bestimmungen des Calciums und Magniums durch Erd mann und
Scheerer, wie bekannt, so grosse Schwierigkeiten verursacht. Eine
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV'. Hd. f. Hft.
8
114
v. Haue r.
einzige Ausnahme hievon macht das Zink, welches schwierig ohne
Verlust von Säure wasserfrei zu erhalten ist. Es ist nicht zu leugnen,
dass die meisten dieser wasserfreien schwefelsauren Salze etwas
hygroskopisch sind, insoferne sie in einiger Zeit wieder etwas Wasser
aus der Atmosphäre aufnehmen, doch ist diese Menge entweder für die
Dauer der Wägung eine verschwindende oder sie lässt sich durch
wiederholte Wägungen der Substanz, in welchem Falle die zweite
Wägung nur von sehr kurzer Dauer ist, leicht vollends vermeiden.
Alle diese Umstände ermöglichen es, dass die zu den Versuchen
anzuwendende Menge des schwefelsauren Salzes mit grosser Genauig
keit gewogen werden kann.
Es sind dies ohne Zweifel die Gründe, warum schon Berzelius
und nach ihm viele andere Chemiker ihre Versuche zur Ermittlung
von mehreren Äquivalentenzahlen auf die Analyse der schwefelsauren
Salze gegründet haben. Allein in allen diesen Fällen wurde die
Schwefelsäure durch Fällung mittelst Baryt bestimmt, was die
Anwendung eines vollkommen reinen Barytsalzes erforderte; eine
Bedingung, der schon an sich schwierig Genüge zu leisten ist. Es
erforderte ferner ein vollständiges Auswaschen des erhaltenen
Schwefelsäuren Barytes, die Anwendung eines Filters etc. und
mehrere Operationen, mit deren Zahl sich stets, wie bekannt, auch
jene der Fehlerquellen vermehrt. Wurde umgekehrt die Äquivalent
bestimmung auf die Umwandlung des Oxydes in schwefelsaures Salz
begründet, so bedingte dies ein Abdampfen zur Trockne und Verjagen
der überschüssig zugesetzten Schwefelsäure; zwei Operationen, die
ohne Verluste kaum ausführbar sind.
Die Reduction der schwefelsauren Salze im Schwefelwasserstoff
vermeidet alle diese angedeuteten Fehlerquellen. Auf mechanischem
Wege könnte nur ein Verlust stattfinden, wenn im Anfänge der
Reduction der Schwefelwasserstoffstrom zu rasch über das schwefel
saure Oxyd geleitet würde, in welchem Falle etwas von dem Pulver
mitgerissen würde. Ebenso bei zu rascher Erhitzung, wo die
Zersetzung zu plötzlich erfolgen würde, und ebenfalls auf ähn
liche Art kleine Theilchen weggeführt werden könnten. Diese Übel
stände gänzlich zu beseitigen, liegt aber vollkommen in der Hand
des Experimentators.
Das durch die Reduction erhaltene Schwefelmetall ist in dem
Grade rein, wie das zur Anwendung genommene schwefelsaure Salz.
Über (las chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 115
Es ist stets von constanter Zusammensetzung wenn die Dauer der
Einwirkung des Schwefelwasserstoffes eine hinreichend lange war.
Ein vorläufiger Versuch genügt, um diese Zeit für die Menge des
schwefelsauren Salzes, welches reducirt werden soll, annäherungs
weise zu erfahren. Lässt man dann etwa eine Stunde länger bei
den Reductionen den Schwefelwasserstoff einwirken, so kann man
vollkommen sicher sein, die Reduction gänzlich beendigt zu haben.
Ein Nachtheil von zu langer Berührung mit dem Gase ist nicht
zu besorgen, da das Schwefelmetall hierdurch keine weitere
Veränderung erleidet. Ob die Reduction in den einzelnen Ver
suchen eine vollständige war, ist leicht nachzuweisen, indem man
das erhaltene Schwefelmetall mit heissem Wasser behandelt, filtrirt,
und das Filtrat auf die Gegenwart von Schwefelsäure prüft. Ein
Verlust auf mechanischem Wege wie ich ihn früher angedeutet
habe, im Falle zu rasch erhitzt würde und der Gasstrom zu heftig
wäre, ist nur im Anfänge möglich; bald darauf backt die Masse
fest zusammen und es bedarf dann keiner weiteren Vorsichts-
massregeln in dieser Beziehung. Dieses Zusammenbacken hindert
indess nicht den Zutritt des Gases zu allen Theilchen des schwefel
sauren Oxydes, besonders wenn man dasselbe gegen Ende der
Operation unter einem etwas erhöhten Drucke darüber streichen
lässt. Dieser wird leicht hervprgebracht wenn man die Röhre mit dem
austretenden Gase in ein Gefäss mit Wasser taucht. Die erhaltenen
Schwefelmetalle sind entweder an der Luft unveränderlich oder
halten sich in diesem Zustande hinlänglich lange, um mit vollkommener
Genauigkeit gewogen werden zu können. Sie sind wenig hygroskopisch.
Das zur Reduction benützte Gas, Schwefelwasserstoff, ist eines
derjenigen, welches unter allen Gasen mit Leichtigkeit in einem
Zustande von gewünschter Reinheit erhalten werden kann. Schon
das aus reinem Schwefeleisen erhaltene, welchem höchstens etwas
freier Wasserstoff beigemengt sein kann, ist schon hinreichend, denn
die Gegenwart von etwas freien Wasserstoff beeinträchtigt die Resul
tate nicht im mindesten. Überdies kann der Schwefelwasserstoff aus
Schwefelantimon und Salzsäure erzeugt werden; leitet man ihn in
diesem Falle durch einige Flaschen mit destillirtem Wasser, so ist
er absolut rein. Doch bemerkte ich bei einer vergleichenden Anwen
dung von Gasen, welche nach diesen beiden Arten erbalten wurden,
keinen Unterschied in den Resultaten der Versuche.
8*
116
v. H n u e r.
Als einen letzten Umstand von besonderer Bedeutung glaube
ich noch hervorheben zu sollen, wie wichtig es ist, dass im Falle
sich die Äquivalentbestimmung wie hier auf eine einfache Gewichts
differenz hasirt, diese bezüglich der zur Untersuchung kommenden
Menge der Substanz, eine beträchtliche sein müsse. Bei der ge
dachten Methode gründet sich nämlich die Reduction des Äqui
valentgewichtes auf die Gewichtsdifferenz zwischen dem ange
wandten schwefelsauren Salz und dem erhaltenen Schwefelmetall.
Derselbe Fall tritt ein hei allen Bestimmungen, welche sich auf
Oxydations- und Reductionsversuche stützen. Mit Recht gehören
diese Äquivalentbestimmungen zu den am meisten angewandten, da
sie schon der Einfachheit der Operation wegen am exactesten ausführ
bar sind. Die meisten der, gewöhnlich chemischen Processen anhaf
tenden Fehlerquellen lassen sich hier gänzlich eliminiren oder auf ein
Minimum reduciren. Ist aber die Gewichtsdifferenz der zur Wägung
kommenden Körper relativ sehr klein, so influenziren die kleinsten
Fehler in so beträchtlichem Masse auf die Berechnung des Äqui
valentes, dass auch mit der genauesten Wage und allen sonstig
angewandten Vorsichtsmassregeln, nichts weniger als scharfe Resul
tate erzielt werden können. Hierin liegt wohl der Grund der es
unmöglich gemacht hat, das Äquivalent des Urans aus der Umwand
lung des Oxyduls in Oxydoxydul oder umgekehrt zu eruiren.
Rammeisberg *), der viele solcher Versuche mit Uran ange
stellt hat, gibt an, dass das reducirte Oxydul Wasserstoff condensirt
zurückhalte, wodurch es unmöglich sei, dasselbe genau zu wägen.
W r ürde die Menge Sauerstoff, welche Uranoxydoxydul hei seiner
Reduction zu Oxydul verliert, 20 bis 30 Procent betragen, statt
3 - 9 Procent, wie es in der Wirklichkeit stattfindet, so konnte jener
Fehler in der Wägung, welcher durch etwas condensirten Wasser
stoff entstand, oder durch eine kleine Menge, welche sich der gänz
lichen Reduction entzogen hatte, nicht in jenem bedeutenden Masse
auf die Berechnung des Äquivalentes influenziren, wie es die stark
differirenden Resultate der eilf Versuche von Rammeisberg
zeigen.
Um diesem beträchtlichen Einflüsse der kleinsten Fehler auf
die Berechnung des Resultates einiger Massen vorzubeugen, hätten
*) PoggendoriTs Annalen, Band S9, Seite 1.
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mang'an. 117
sehr bedeutende Mengen des Oxydoxyduls zur Untersuchung genom
men werden müssen.
Ähnlichen Schwierigkeiten begegnete ich seihst hei einem
Versuche das Äquivalent des Mangans in gleicher Weise zu bestim
men. Würde man bei der Oxydation von zwei Grammen Manganoxydul
einen Fehler von einem Milligramm in die Berechnung der Resultate
erhalten, so influenzirt dies dergestalt auf das daraus abgeleitete
Äquivalent des Mangans, dass man es um 0‘2 verändert erhielte.
Gleichwohl beträgt die Menge von Sauerstoff, welche hiebei auf
genommen wird, etwas über 7 Procent, also fast das Doppelte der
Menge, welche Uranoxydul unter gleichen Umständen aufnimmt.
Berechnet man hingegen z. B. das Äquivalent des Phosphors
aus seiner Aufnahme von Sauerstoff bei der Umwandlung in Phosphor
säure, so ist die Abhängigkeit von allfälligen kleinen Beobachtungs
fehlern eine hei weitem kleinere, denn der Phosphor nimmt hierbei
circa 129 Procent Sauerstoff auf. Schrötter wies so nach 4 ) dass
in seinen Versuchen, in welchen er weniger als 15 Gramm Phos
phor in Sauerstoff verbrannte, bei einem Fehler von 1 Milligramm
im Gewichte des Phosphors, das daraus abgeleitete Äquivalent nur
um 0'04 modificirt werden konnte.
Bei der Reduction der Schwefelsäuren Salze der angeführten
Metalle im Schwefelwasserstoff, welche nach der allgemeinen Formel
MeO . S0 3
zusammengesetzt sind, werden 4 Äquivalente Sauerstoff in Form von
Wasser weggeführt, während einfach Schwefelmetall erübrigt. Diese
Menge des Sauerstoffes beträgt aber 30 bis 40 Procent, daher auch
in dieser wichtigen Beziehung die Bestimmung eine günstige ist.
basst man alle diese Bedingungen, unter welchen diese Reduc-
tionen ausgeführt werden, zusammen, so ergibt sieb, dass die
Äquivalentbestimmung hiebei einzig von der Reinheit der angewandten
Substanz abhängig ist, und dass die gesammte Ausführung sich auf
die leicht auszuführende Reduction und 2 Wägungen beschränkt.
Es lässt dies leicht erkennen, dass es theoretisch möglich ist,
auf diesem Wege sehr genaue Resultate zu erzielen.
W as endlich die experimentelle Durchführung auch der besten
Methode anhelangt, so ist sie abhängig von der persönlichen
) In der oben citirteu Abhandlung.
118
v. Haue r.
Gewandtheit des Experimentators und der Correctheit der mechanischen
Hilfsmittel. Der einzige Anhaltspunkt für die Beurtheilung ihrer
Präcision bleibt der Grad der Übereinstimmung in den Einzel
versuchen. Diese Übereinstimmung kann aber in dem Masse genauer
verlangt werden, als sie theoretisch möglich ist.
Auf Basis dieser Betrachtungen fand ich mich um so mehr ver
anlasst die Äquivalente der genannten Metalle auf solche Art einer
prüfenden Bevision zu unterziehen, als wir über einige derselben
noch ziemlich differirende Angaben besitzen.
Im Folgenden habe ich vorläufig einen Theil dieser viele Zeit
absorbirenden Arbeit, enthaltend eine Bestimmung des Äquivalentes
von Cadmium und Mangan zusammengestellt.
1. Cadmium.
Das Äquivalent des Cadmiums ist nur ein einziges Mal von
Stromayer, dem Entdecker dieses Metalles, im Jahre 1818 bestimmt
worden *). Er fand, dass sich das Metall in einem einzigen Ver
hältnisse mit Sauerstoff verbindet, und dass 100 Theile Metall beim
Verbrennen 14.352 Theile Sauerstoff aufnehmen. Stromayer gibt
nicht an, auf welche Weise er die Oxydation bewerkstelligt habe.
Doch ist es nicht wahrscheinlich, dass durch wirkliches Verbrennen
des Metalles die Bestimmung gemacht worden sei, da das Cadmium
zu den in höherer Temperatur sehr flüchtigen Metallen gehört. Er
gibt nur an, dass sich seine Bestimmungen auf directe Versuche und
nicht auf Rechnung gründen, und dass sie das arithmetische Mittel
aus mehreren nur wenig von einander abweichenden Einzelresultaten
seien. Er berechnete aus dieser Sauerstofl'aufnahme das Äquivalent
des Cadmiums = 696-77. Genau berechnet beträgt es hiernach
696-767 (56-74 wenn tf=l).
Eine zweite Angabe über die Zusammensetzung des Oxydes
rührt nur noch von John her, der ohne weitere Details angibt,
es bestehe in 100 Theilen aus 90 bis 91 Cadmium und 10 bis
9 Sauerstoff 3 ).
Dies sind die gesummten Versuche, welche zur Feststellung der
Fundamentalzahl dieses Metalles bekannt gemacht wurden, wiewohl
nunmehr 39 Jahre seit seiner Entdeckung verflossen sind.
*) Schweigger’s Journal, XXII. Band, Seite 366.
2 ) Sein Handwörterbuch der Chemie, Band 3, Seite 299.
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mnngau. 119
Die von Stromayer experimentell aufgefundene Zahl ist
übrigens, wie es mit mehreren solcher Daten schon geschah, in den
verschiedenen Lehr- und Handbüchern nicht mit jener Gewissen
haftigkeit aufgenommen worden, wie es eigentlich, so lange nicht
neue Versuche zu anderen Resultaten führten, der Fall sein sollte.
Namentlich haben jene Chemiker welche der Ansicht huldigten,
dass sämmtliche Äquivalente einfache Multipla des Wasserstoffes
seien, alsbald die gerade Zahl 700 (86) dafür angenommen. In der
That bin ich bei meinen Versuchen zu dieser selben Zahl gelangt.
Auf die Darstellung eines reinen schwefelsauren Salzes wurde
die möglichste Sorge verwendet. Ich benützte zu den Einzeln-
versuchen Mengen des Salzes, welche von verschiedenen Darstel
lungen herrührten.
Ein durch mehrmaliges Umkrystaliisiren erhaltenes schwefel
saures Oxyd wurde mit überschüssiger Säure versetzt und durch
Schwefelwasserstoff gefällt. Das gut gewaschene Schwefelmetall
wurde in Salzsäure gelöst, mit kohlensaurem Ammoniak gefällt, und
nach hinlänglichem Waschen durch Glühen in Oxyd verwandelt.
Da diesem Oxyd noch etwas Chlorcadmium beigemengt sein konnte,
so wurde es auf ein Filter gebracht und längere Zeit mit siedendem
Wasser gewaschen. Nach dem Trocknen wurde es neuerdings
geglüht, in verdünnter Schwefelsäure gelöst und mehrmals um-
krystallisirt. Zu letzterem Zwecke wurden die Krystalle vor dem
jedesmaligen Auflösen bei schwacher Rothgluth längere Zeit erhitzt.
Es geschah dies um vollkommen überzeugt sein zu können, dass das
Salz keine überschüssige Säure enthalte. Für die Versuche wurden
die Krystalle fein zerrieben und das Pulver längere Zeit bei circa
200° C. getrocknet.
Der Apparat, dessen ich mich zu den Reductionen bediente,
war der Natur der Sache nach sehr einfach. In einer grossen
Woulfi sehen Flasche, die mit einem langhalsigen Trichter zum Nach
füllen von Schwefelsäure versehen war, wurde aus reinem Schwefel
eisen, des tili irtem Wasser und reiner Schwefelsäure das erforderliche
Gas entwickelt. Es wurde hierauf durch zwei Waschflaschen mit
destillirtem Wasser und durch mehrere Chlorcalciumröhren geleitet.
Aus diesen trat es in eine zur Reduction bestimmte kurze Röhre von
hartem Glase. Die Reductionsrühre wurde am entgegengesetzten
Ende mittelst eines Korkes in eine sehr weite und lange Glasröhre
120
v. Haue r.
eingepasst. Da sich nämlich bei diesen Versuchen eine der Menge,
des im Salze enthaltenen Sauerstoffes, proportionale Quantität
Schwefel ausscheidet, so diente diese geräumige Glasröhre dazu,
den abgeschiedenen Schwefel, dessen Masse natürlich beträchtlich
war, aufzunehmen. Es wurde hierdurch der Zweck erreicht, dass
der Apparat nicht nach jedem Versuche brauchte auseinander genom
men zu werden, und dass auch eine Verstopfung desselben nicht zu
befürchten war. Diese Röhre in Verbindung mit der Reductionsröhre
war abschüssig aufgelegt, um den Ablauf des gleichzeitig sieh bil
denden Wassers zu begünstigen. Die weite Röhre wurde an ihrem
anderen Ende mit einem Korke verschlossen, in den eine abwärts
gebogene Röhre eingepasst wurde, die mehrere Zoll tief in eine
Flasche mit Wasser tauchte; aus dieser wurde das entweichende Gas
endlich mittelst einer langen Kautschuk - Röhre ins Freie geleitet.
Das tiefe Eintauchen in Wasser diente dazu, um das Gas in der
Reductionsröhre unter einen höheren Druck zu erhalten, wodurch
der Zutritt des Gases zu den unteren Theilen des Salzes begünstiget
werden musste. Zur Aufnahme der zur Reduction bestimmten Salz
mengen dienten Porzellanschiffchen. Dies waren der Hauptsache nach
die Anordnungen des Apparates. Erforderliche Modificationen, welche
sich bei einigen Metallen als nothwendig herausstellten, werden
späterhin am betreffenden Orte angeführt werden.
Obwohl das schwefelsaure Cadmiumoxyd sich nach seiner Ent
wässerung nur sehr wenig hygroskopisch erwies, so wendete ich
dennoch einige Vorsichtsmassregeln an, um es gewiss völlig wasser
frei zu wägen. Das gepulverte und getrocknete Salz wurde in das
Schiffchen mittelst eines Spatels eingedrückt und dieses dann aut
eine erhitzte Eisenplatte gestellt. Nach längerem Verweilen wurde
das Schiffchen mit der Substanz über Schwefelsäure erkalten gelassen
und dann rasch das Gewicht bestimmt. Das Schiffchen wurde hierauf
ein zweites Mal längere Zeit erhitzt, über Schwefelsäure erkalten
gelassen und wieder auf die Wage gebracht. Da durch die erste
Wägung das wirkliche Gewicht schon sehr annähernd war gefunden
worden, so handelte es sich das zweite Mal nur um eine kleine Aus
gleichung , welche in kürzester Zeit konnte ausgeführt werden. Doch
betrug die Differenz dieser beiden Wägungen in der Regel nur
Bruchtheile eines Milligrammes. Im Falle sie mehr ausmachte, nahm
ich noch eine dritte Wägung unter gleichen Umständen vor.
Ober (las chemische Äquivalent (1er Metalle Cadmium und Mangan. 121
Das Schiffchen wurde nun in die Reductionsröhre gebracht,
Schwefelwasserstoff entwickelt und nach Austreibung der atmo
sphärischen Luft anfänglich mässig, dann bis zum Glühen mittelst
einer Bunsen’schen Gaslampe erhitzt. Diese Operation wurde durch
mehrere Stunden fortgesetzt; doch dies nur vorsichtshalber, da bei
Mengen, wie ich sie zu den Versuchen verwandte, von 5 bis 8 Gram
men die Reduction binnen zwei Stunden eine vollständige war. Es
wurde hierauf im Schwefelwasserstoff-Strome erkalten gelassen
und das Schiffchen mit dem erhaltenen Schwefelmetalle wieder
gewogen.
Da zwischen der Reductionsröhre und dem Gefässe mit Wasser,
in welches der austretende Schwefelwasserstoff geleitet wurde, kein
Trocknungsapparat eingeschaltet war, so könnte es scheinen, dass
das Sehwefelmetall während dem Erkalten des Apparates Feuchtigkeit
von dieser Seite her, dürfte absorbirt haben, wodurch sein Gewicht
hätte unrichtig gefunden werden müssen. Allein dies ist nicht der
Fall, indem das Sehwefelmetall, welches im Schiffchen ganz fest
gebacken war, sich nicht im mindesten hygroskopisch erwies. Wurde
nämlich das Gewicht des Schiffchens mit dem Schwefelmetalle
bestimmt, dieses dann erhitzt und wieder gewogen, so ergab sich
keine Gewichtsdifferenz, ein Beweis, dass das Schwefelcadmium keine
Feuchtigkeit konnte angezogen haben. Das erhaltene Schwefelmetall
wurde jedesmal auf einen Gehalt von Schwefelsäure geprüft. Bei
einigen Proben wurden Spuren davon nachgewiesen. Es war dies
der Fall, wenn wegen zu niedrigem Drucke des Leuchtgases keine
hinlängliche Hitze angewendet worden war. Diese Proben habe ich
gänzlich verworfen und natürlich nur jene in die Berechnung auf
genommen, wobei ich nicht die kleinste Spur von unzersetzt geblie
benem schwefelsauren Salz entdecken konnte.
In den folgenden Tabellen sind die Resultate der einzelnen
Versuche und die daraus abgeleiteten Berechnungen zusammen
gestellt. Bei der Berechnung wurde das bekannte Äquivalent des
Schwefels = 16 zu Grunde gelegt.
v. Haue r.
122
Versuch
Angewandte
Menge von
schwefelsaurem
Cadmiumoxyd
Erhaltenes
Schwefel cad-
mium
Sauerstoff
als
Gewichts-Ver
lust
G r
Ein Theil
schwefelsaures
Cadmiumoxyd
enthält sonach
Sauerstoff
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
7*7650
6-6086
7- 3821
6- 8377
8- 1936
7- 6039
7-1413
7-8243
6-8462
3- 3741
4- 3746
3- 1117
4- 7336
3-6736
3- 2634
4- 9431
4-0333
4-7413
3909
0340
2704
2-1041
3220
3403
1948
7910
1047
0-307907
0-307780
0-307334
0-307720
0-307726
0-307802
0-307834
0-307494
0-307426
In der folgenden Tabelle habe ich die hieraus berechneten
Äquivalente zusammengestellt, wenn man den Sauerstoff = 8
oder = 100 annimmt.
Die Berechnung ergab sich aus der Gleichung:
Cd =
4 B O
Ä~^B
S,
worin
O das Äquivalent des Sauerstoffes,
S „ „ „ Schwefels,
A die Menge des zur Untersuchung genommenen Salzes, und
B „ „ „ erhaltenen Schwefelcadmiums bedeutet.
Versuch
Berechnetes
Äquivalent des
Cadmiums wenn
0 = 8
Differenz von
der
Zahl 56
Berechnetes
Äquivalent des
Cadmiums wenn
0=100 •
Differenz von
der
Zahl 700
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
Mittel
35-9273
53-9701
56-0463
55-9904
55-9885
55-9627
55- 9319
56- 0670
56-0900
53-9994
0-0727
0-0299
0-0465
0-0096
0-0115
0-0373
0-0481
0-0670
0-0900
0-0458
699-091
699- 626
700- 581
699-880
699-856
699-534
699- 399
700- 837
701•125
699-992
— 0-909
_ 0-374
+ 0-581
— 0-120
— 0-144
— 0-466
— 0-601
+ 0-837
+ 1-125
0-573
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Maugan.
123
Die Zusammenstellung dieser Zahlen lässt beurtheilen, welcher
Genauigkeit das angeführte Verfahren zur Äquivalentbestimmung fähig
ist. Ich glaube, auf Basis derselben wohl berechtigt zu sein, für das
Äquivalent des Cadmiums die Zahl 56 (700 wenn 0 = 100) als die
wahre annehmen zu dürfen.
Die in dem Versuche VII angewendete Menge 7-1415 Gramm
des schwefelsauren Salzes beträgt sehr nahe das Mittel der zu den
einzelnen Versuchen genommenen Quantitäten.
Nimmt man in demselben an, das Gewicht des schwefelsauren
Salzes sei um ein Milligramm zu hoch oder zu niedrig gefunden
worden, so würde dies im berechneten Äquivalente eine Modilication
von 0-0573 hervorbringen.
Wäre das Gewicht des Schwefelcadmiums um ein Milligramm
unrichtig gefunden worden, so ändert dies das Äquivalent um 0-0472.
Wenn beide Mengen um ein Milligramm im selben Sinne fehler
haft wären in Rechnung gebracht worden, so ändert dies das Äqui
valent um 0-0146, sind sie hingegen im entgegengesetzten Sinne
um 1 Milligramm unrichtig gefunden worden, so ist die Modilication
im Äquivalent hindurch am grössten, diese beträgt nämlich in diesem
Falle 0-0799. Dies ist aber um 0-0341 mehr als die mittlere Fehler
differenz sämmtlicher Versuche.
Die ganze Operation der Reduction geht äusserst leicht von
statten. Die Disposition des Cadmiums mit Schwefel, Schwefel
metall zu bilden, ist so intensiv, dass das schwefelsaure Salz schon
in der Kälte bei längerer Berührung mit dem Schwefelwasserstoff
reducirt zu werden beginnt, indem es an der Oberfläche gelb wird.
Man kann es daher schon bei sehr gelinder Erhitzung zum grössten
Theile in Schwefelmetall verwandeln. Hierin liegt auch der Finger
zeig für die einzige besondere Vorsicht welche anzuwenden war.
Dies ist, dass die Erhitzung nur allmählich geschehen darf, widrigen
falls die Reduction zu vehement eintritt. Durch mässiges Zutreten-
lassen des Schwefelwasserstoffes und durch sehr langsames Erhitzen
habe ich die Reduction so weit verzögert, dass sie in den einzelnen
Versuchen circa drei Stunden dauerte.
Zu den ersten fünf Versuchen diente schwefelsaures Salz, welches
nach der im obigen angegebenen Darstellungsweise war erhalten
worden. In den letzten vier Versuchen wurde ein Salz angewendet,
welches durch Abscheidung von kohlensaurem Cadmiumoxyd aus
124
v. H ii u e r.
öfter umkrystallisirtem Chlorbaryumcadmium nach Entfernung des
Barytes mit Schwefelsäure, und Fällen mit kohlensaurem Ammoniak
erhalten worden war. Dieses wurde nämlich in verdünnter Schwefel
säure gelöst und einige Male umkrystallisirt. Im Ganzen wurden
zwölf Reductionsversuche gemacht. Drei davon habe ich nicht in die
obige Berechnung aufgenommen, da, wie angeführt wurde, im erhal
tenen Schwefelcadmium sich eine Spur Schwefelsäure nachweisen liess.
11. 1 a n g a n.
Aus den Verbuchen welche bisher zur Feststellung des Äqui
valentes vom Mangan ausgeführt wurden, und zwar aus jenen, welchen
man das meiste Vertrauen schenkt, dedueirte man die Zahlen 27'G
und 28 oder 345 und 350, je nachdem man den Wasserstoff = 1
oder den Sauerstoff =100 nimmt.
Die Schwankungen, welchen diese Zahl unterliegt, betragen
also in dem einen Falle mindestens 0'4, im andern 3 Einheiten. Beide
Zahlen finden wir wechselweise in unseren Lehr- und Handbüchern
aufgenommen.
Eine solche Kenntniss über die Fundamentalzahl eines Grund
stoffes ist schwankend genug, um sie für den jetzigen Standpunkt
der Wissenschaft als nicht mehr zureichend zu betrachten.
Wenn es aber überhaupt von höchster Wichtigkeit ist, die
Äquivalentzahlen der einfachen Körper möglichst genau kennen zu
lernen, um den vielen Folgerungen, die sich unmittelbar darauf
basiren, einen verlässlichen Ausgangspunkt zu gründen, so steigert
sich diese Wichtigkeit um so mehr noch bei einem Metalle, wie das
Mangan. Es gehört nämlich zu den sehr verbreiteten Stoffen, von
welchem wir zahlreiche, sowohl natürlich vorkommende, als auch
künstlich in unseren Laboratorien erzeugte Verbindungen kennen.
Gleichwohl ist nicht zu erwarten, dass durch eine weitere
Annäherung zur Kenntniss des wahren Äquivalentes vom Mangan das
bisherige Wissen über die stoechiometrische Beschaffenheit der zahl
reichen Manganverbindungen influenzirt werden sollte. Eine solche
nähere Kenntniss würde nur imStande sein, eine präcisereÜberein
stimmung der Analysen von Manganverbindungen mit ihrer aus dem
Äquivalente des Mangans theoretisch entwickelten Zusammensetzung
zu vermitteln.
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 121)
Abgesehen hievon knüpft sich indessen an die genaue Ermitt
lung der Äquivalentzahl dieses Metalles eine andere Frage von
besonderem Interesse. Es ist dies die Frage, ob das Mangan in der
That ein mit dem ihm so nahe verwandten Eisen gleiches Äquivalent
habe, wie aus den Versuchen einiger Chemiker hervorgeht, oder ob
es, wie die Versuche anderer zeigen, davon verschieden sei.
Da nach den genauen Versuchen von Erdmann, Marchand
und Maumene das Äquivalent des Eisens sehr scharf ermittelt ist,
so erübrigte zur Feststellung des fraglichen Gegenstandes nur noch
das Äquivalent des ersteren auch durch eine grössere Anzahl von
Versuchen auszumitteln, als dies bisher geschehen ist.
Alle angeführten Gründe gaben hinlängliche Veranlassung das
Mangan in den Kreis dieser Untersuchungen zu ziehen. Die bekannten
Eigenschaften des schwefelsauren Salzes, so wie sein Verhalten
gegen Schwefelwasserstoff Hessen erwarten, dass es auch für dieses
Metall in gleicher Weise möglich sein dürfte, ein nicht minder ver
lässliches Resultat zu erzielen, wie für Cadmium.
Bevor ich indessen zur Anführung meiner darauf bezüglichen Ver
suche schreite, sollen erst in Kürze jene Arbeiten erwähnt werden,
welche bisher in dieser Richtung unternommen wurden.
Die ersten bemerkenswerthen Versuche zur Bestimmung des
Sauerstoffgehaltes in den Oxyden desMangans rühren von John her *).
Einen eigentlichen Versuch zur Äquivalentbestimmung machte
später Berzelius 3 ). Er löste Mangan-Metall in Schwelsäure auf,
verdampfte zur Trockne und glühte gelinde.
0-5073 Gramm Metall gaben ihm auf diese Weise 0-7225 Gramm
einer Sauerstoffverhindung die er für Oxyd nahm, von der Zusammen
setzung Mn 3 0 3 , da er noch nicht wusste, dass auf diese Weise
Manganoxydoxydul entsteht, welche letztere Oxydationsstoffe erst
später durch Arfvedson erkannt wurden.
Erberechnete hieraus als Äquivalent desMangans die Zahl 355-79,
wobei sich aber ein Fehler muss eingeschlichen haben, denn die
angeführten Resultate geben 354-07 (28-32 wenn H = 1).
Nimmt man an, Berzelius habe in diesem Versuche wirklich
Manganoxydoxydul erhalten, so ergibt sich aus demselben als Äqui
valent des Mangans die Zahl 27-76 wenn H — \.
‘) Schweigger's Journal, Band 7, Seite 70 und Band 42, Seite 214
2 ) Sein Jahresbericht, Band 9, Seite 135.
126
v. Hauer.
Nach Berzelius wurden Analysen von Chlormangan, schwefel
saurem und kohlensaurem Manganoxydul durch D avy *) und Forch-
hammer 3 ) ausgeführt, die indessen hier übergangen werden
können, ebenso wie einige Analysen von Berthier 3 ). Von mehr
Belang sind die Untersuchungen von Arfvedson 4 ) über das Chlor
mangan , welches er durch Erhitzen von kohlensaurem Manganoxydul
in einem Strome Chlorgas erhielt. U508 Gramme davon gaben
ihm mit salpetersaurem Silberoxyd gefallt 3-408 Gramm Chlorsilber.
Er berechnet daraus folgende Zusammensetzung des Manganoxyduls
in lOOTheilen:
77-856 Mn
22-144 0.
Nach den jetzt angenommenen Äquivalenten des Silbers (108-1)
und Chlors (35-5) führt seine Analyse zu der Äquivalentzahl des
Mangans = 350-53 (28-04 wenn H = 1).
Doch gibt Arfvedson an, dass seinem Chlormangan etwas Oxyd
beigemengt gewesen sei.
Weitere Untersuchungen zur Ermittlung des Äquivalentes wur
den durch Turner bekannt gemacht 5 ). Er zerlegte kohlensaures
und schwefelsaures Oxydul und Chlorür.
In 100 Theilen des kohlensauren Salzes fand er:
36-853 MnO
34-720 C0 2
8-427 HO
Die Zusammensetzung des schwefelsauren Salzes ermittelte er
durch Bestimmung der Menge Schwefelsäure, welche gewogene
Mengen Manganoxydul aufnehmen.
9-0 Gr. Manganoxydul gaben 19-01 Gr. Schwefels. Manganoxydul.
4-835 „ „ „ 10-26 „
Aus 12-47 Gran Manganchlorür erhielt er endlich durch Fällung
mit salpetersaurem Silberoxyd 28‘42 Gran Chlorsilber.
*) Phil. Transact. 102, pag. 181.
2 ) Thomsons Anais of phylosophy, New series I, 64.
3 ) Schweigger’s Journal, 36. Band, Seite 303.
4 ) Schweigger’s Journal, 42. Band, Seite 202.
5 ) PoggendnrfPs Annalen, 14. Band, Seite 211.
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 127
Aus diesen sämmtlicken Versuchen berechnete Turner das
Äquivalent des Mangans zu 28-06 (350-75 wenn 0 = 100).
Berechnet man nach den gegenwärtig geltenden Äquivalenten
die Resultate seiner Analysen, so erhält man für das Mangan folgende
Äquival ent - Werthe:
Aus Mn 0 CO;. 28-02 ) 350-25 \
„ MnOSOg 27-94 [ im Mittel 27-82 349-25 | im Mittel 347-75.
„ Mn CI 27-50.1 343-75 1
Die Unterschiede, welche Turner und Arfvedson bei der
Analyse des Chlormangans erhalten hatten, gaben Berzelius Ver
anlassung diese Untersuchung neuerdings aufzunehmen *)•
I. 4-20775 Gr. Chlormangan gaben ihm 9 - 575 Gr. Chlorsilber.
II. 3-063 „ „ „ „ 6-9691 „
Berzelius nimmt hiernach als wahrscheinlichstes Äquivalent
die Zahl 345-9 an (27-67).
Nimmt man wie oben Silber = 108-1 und Chlor 35-5, so berech
net sich aus diesen beiden Analysen folgendes Äqu. des Mangans:
II = 1 O = 100
I. Mn = 27-60 345 0
II. „ = 27-61 345 1
Endlich bestimmte auch noch Brandes durch Analyse des
Chlorürs das Äquivalent des Mangans 2 ). Er deducirte aus zwei
Analysen in welchen krystallisirtes Chlorür auf gewöhnlichem analy
tischen Wege zerlegt wurde, nämlich durch Fällung mit kohlen
saurem Kali und salpetersaurem Silberoxyd das Äquivalent des Man
gans = 28-51 — 28-54.
Die verschiedenen Zahlen welche aus der Analyse des Man-
ganchlorürs erhalten wurden, und die wohl die meiste Berück
sichtigung verdienen, da die Bestimmung des Chlors als eine der ver
lässlichsten zu betrachten ist, sind daher folgende:
H = 1 O = 100
Arfvedson 28-04
Turner 27-50
Berzelius
Brandes
(27-60
(27-61
128-51
(28-54
350-5
343-75
345-0
345 1
356-45
356-76
1 ) PoggendorlTs Annalen, 18. Band, Seite 74.
2 ) PoggendorlTs Annalen, 22. Band, Seite 2SH.
128
v. II a u o r.
Arfvedson gibt selbst an, dass sein Manganchloriir etwas Oxyd
enthalten habe. Da er aber nur I S Gramm der Analyse unterwarf, so
musste auch eine sehr kleine Menge von Oxyd den Chlorgehalt in
merklicher Weise zu klein haben finden lassen, wodurch das Äqui
valent des Mangans zu hoch ausfallen musste. Turner stellte sein
Chlorür mit grosser Sorgfalt dar, indem er es in einer Atmosphäre
von Kohlensäure entwässerte, wodurch die Möglichkeit einer Oxy
dation desselben ausgeschlossen war. Die zwei Versuche von Ber-
zelius stimmen sowohl unter einander, als auch mit jener von
Turner sehr nabe überein. Was endlich die Analysen von Brandes
anbelangt, so lässt das dabei befolgte Verfahren als wahrscheinlichen
Fehler vermuthen, dass der Gehalt an Chlor zu klein, jener an Mangan
zu hoch dürfte gefunden worden sein, wodurch das Äquivalent des
Mangans ebenfalls zu hoch berechnet werden musste.
Für die Richtigkeit der Zahlen 27-3 und 27'61 von Turner
undBerzelius sprechen sonach alle Gründe der Wahrscheinlich
keit, so dass es beinahe unbegreiflich erscheint, dass trotz diesen
auch die gerade Zahl 28 vielfach Eingang gefunden bat.
Ich machte meine Bestimmungen genau in der Weise wie ich
sie früher angegeben habe, durch Reduction des schwefelsauren Man-
ganoxyduls in einem Strome von Schwefelwasserstoflgas bei höherer
Temperatur, und gelangte zu der Zahl 27‘S (343 - 7S wenn 0= 100),
welche.mithin diesen beiden Angaben sehr nahe kommt.
Zur Darstellung des schwefelsauren Salzes diente ein sehr
reiner und schön krystallisirter Pyrolusit aus Böhmen, der auf Quarz
aufsass. Er enthielt an Verunreinigungen nur Spuren von Eisenoxyd,
Baryt und etwas Quarz. Von letzterem konnte er auf mechanischem
Wege nicht vollständig befreit werden, da selbst das Innere der
Krystalle kleine Quarzkörnchen enthielt. Die vollständige Reinigung
unterlag somit keinen besonderen Schwierigkeiten.
Die fein gepulverte Substanz wurde in einem Strome von
Wasserstoflgas reducirt, in kochender verdünnter Schwefelsäure
gelöst und nach langem Sieden von unlöslichem Rückstand, bestehend
aus Quarz und etwas schwefelsaurem Baryt, abfiltrirt. Diese Lösung
wurde unter Zusatz von etwas Salpetersäure längere Zeit erhitzt, um
die geringe Menge des Eisens in Oxyd zu verwandeln, und das Man-
ganoxydul hierauf mit Oxalsäure gefällt. Der Niederschlag wurde
hierauf anfangs durch Decantiren, dann auf einem Filter so lange mit
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 129
heissem Wasser gewaschen, bis das ablaufende Waschwasser nicht
mehr sauer reagirte. Das getrocknete oxalsaure Manganoxydul wurde
hierauf durch Glühen in Oxydoxydul verwandelt. Dieses wurde auf
einem Filter nochmals längere Zeit mit heissem Wasser gewaschen,
und dann in Salzsäure unter Zusetzen von Alkohol aufgelöst. Diese
Auflösung fällte ich mit kohlensaurem Ammoniak, wusch bis im Filtrat
kein Chlor mehr nachweisbar war, löste das kohlensaure Salz in
verdünnter Schwefelsäure, und dampfte die Lösung zur Krystalli-
sation ein. Die erhaltenen Krystalle wurden zweimal umkrystallisirt.
Zu diesem Behufe wurde das Salz jedesmal durch Erhitzen entwässert,
dann fein gepulvert einer andauernden Rothglühhitze ausgesetzt,
wieder in Wasser gelöst und filtrirt. Das zuletzt erhaltene Filtrat
prüfte ich endlich auf seine Reinheit; Kaliumeisencyanur und
Schwefelcyankalium gaben keine Spur einer Reaction auf Eisen.
Eine grössere Quantität der Flüssigkeit mit Schwefelammonium
gefällt und rasch abfiltrirt, gab im Filtrate mit oxalsaurem Ammoniak
und phosphorsaurem Natron keine Reaction, ebenso gab salpeter
saures Silberoxyd in der ursprünglichen Lösung keine Anzeichen eines
vielleicht rückständigen Chlorgehaltes. Da ferner Lackmuspapier
nicht im mindesten dadurch geröfhet wurde, so durfte diese Lösung
als vollkommen neutral und rein betrachtet werden. Sie wurde im
Wasserbade zur Trockne verdampft, dann in einem Porzellantiegel bei
circa 300° C. in einem Luftbade vollends getrocknet, dann gepulvert
und in einer gut schliessenden Flasche aufbewahrt.
Durch einige vorläufige Versuche gewann ich die Überzeugung,
dass das schwefelsaure Manganoxydul nicht bei der Temperatur einer
Lampe vollständig zerlegt werden könne, sondern dass dazu ein
böherer Hitzgrad erforderlich sei. Ich verwechselte daher die Reduc-
tionsröhre von Glas mit einer Porzellanröhre, die in einem Liebig-
schen Verbrennungsofen beiKohlenfeuer zu starkerRothgluthgebracht
wurde. Im Übrigen blieb die Anordnung des Apparates dieselbe, nur
liess ich das Gas auch unter einem noch etwas stärkeren Drucke wie
früher darüber streichen. Auf diese Art wurde eine vollständige
Reduction erzielt, denn im erhaltenen Schwefelmangan liess sich keine
Spur von Schwefelsäure nachweisdn.
Die Wägung des schwefelsauren Manganoxyduls erfordert etwas
mehr Vorsicht, indem diese Substanz etwas stärker hygroskopisch ist
als schwefelsaures Cadmiumoxyd. Bei Mengen von 4 bis 7 Grammen,
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Hft.
9
130
v. II a 11 e r.
wie ich sie zu den einzelnen Versuchen nahm, betrug die Aufnahme
von Feuchtigkeit aus der Atmosphäre 1 bis 3 Milligramm während der
Dauer einer ersten Wägung. Indessen lässt sich durch die schon
früher angeführten Vorsichtsmassregeln diese Fehlerquelle auf ein
Minimum zurückführen. Die Porzellanschiffchen mit dem schwefel
sauren Salz wurden nämlich wiederholt bei circa 260° C. im Luft
bade erhitzt, über Schwefelsäure erkalten gelassen und gewogen, und
diese Operation so oft wiederholt, bis zwei auf einander folgende
Wägungen keine Differenz zeigten. Fast ohne Ausnahme stimmte
schon die dritte Wägung mit der zweiten überein, ergab sich aber
eine Differenz, so betrug sie nur den Bruchtheil eines Milligrammes.
Hiernach ergibt sich, dass das Salz wohl etwas hygroskopisch ist,
aber nicht in dem Masse um befürchten zu dürfen, dass das Resultat
wesentlich dadurch könnte beeinträchtigt werden. Das erhaltene
Schwefelmetall zeigte sich stets sehr fest zusammengebacken, es
nahm kaum das halbe Volum von dem ein, welches das schwefelsaure
Salz hatte. Ich gebrauchte auch hier die Vorsicht, das letztere stets
fest in das Porzellanschiffchen zu drücken, um das Wegführen feiner
Partikel durch das darüber strömende Gas zu verhindern. Anfänglich
wurde immer mässig durch Auflegen einiger weniger Kohlen erhitzt,
zuletzt aber bis zu starker Rothgluth. Das bei dieser höheren Tem
peratur erhaltene Schwefelmangan ist von dunkelgrüner Farbe und
ist nicht im mindesten hygroskopisch. Lässt man eine Quantität im
tarirten Zustande auf der Wage auch durch eine geraume Zeit, so
zeigt sich kein Ausschlag. Das bei niedrigerer Temperatur erhaltene
Schwefelmetall ist mehr blassgrün und ist dem Manganoxydul ähnlich.
Ich habe im Ganzen 11 Reductionsversuche gemacht, von denen
ich zwei ausgeschieden und nicht in die folgende Berechnung aufge
nommen habe, da sie von allen anderen hier angeführten Versuchen
stark ab wichen. Indessen konnte ich den dabei stattgehabten Fehler
nicht genügend eruiren, und muss ihn irgend einem mechanischen
Verluste zuschreiben. Die Resultate der übrigen 9 Versuche sind
folgende:
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 131
Versuch
Angewandte
Menge von
sehwefelsaurem
Salz
Erhaltenes
Schwefehnangan
Sauerstoff als
Gewichtsverlust
Gramm
EinTheil schwefel
saures Mangan-
oxydul enthält
sonach Sauerstoff
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
4-0626
4- 9367
5- 2372
7-0047
4-9157
4-8546
4-9978
4-6737
4-7240
2-3425
2- 8442
3- 0192
4- 0347
2-8297
2-7955
2-8799
2-6934
2-7197
7201
0925
2180
9700
0860
0591
1179
9803
0043
0-423398
0-423866
0-423508
0-424001
0-424354
0-424154
0-423766
0-423771
0-424280
Aus der Gleichung:
Mn
4 HO
A — B
— S
worin Mn das Äquivalent des Mangans
O „ „ „ Sauerstoffs
S „ „ „ Schwefels
A die Menge des untersuchten schwefelsauren Salzes und
B „ „ „ erhaltenen Schwefelmangans bedeutet,
ergehen sich folgende berechnete Werthe :
Versuch
Berechnetes
Äquivalent von
Mangan wenn
0=8
Differenz von
der Zahl
27-5
Berechnetes
Äquivalent von
Mangan wenn
O = 100
Differenz von
der Zahl
343 • 73
I.
II.
III.
IV.
V.
VI.
VII.
VIII.
IX.
Mittel
27-5788
27-4955
27-5592
27-4715
27-4086
27-4442
27-5132
27-5231
27-4218
27-4906
0-0788
0-0045
0-0592
0-0285
0-0914
0-0558
0-0132
+ 0-0231
— 0-0782
0-0480
+
+
344-635
343- 694
344- 480
343-394
342- 607
343- 052
343- 915
344- 039
342- 772
343- 632
+ 0-885
— 0-056
+ 0-730
— 0-356
—1-143
— 0-648
+ 0-165
+ 0-289
— 0-978
0-6000
Das Mittel dieser Zahlen ist demnach der Zahl 27-5 so nahe
gelegen, dass sie wohl als die richtige betrachtet werden darf. Sie
differirt nur um 0-1 von derjenigen, zu welcherBerzelius auf einem
9«
132
v. II i» u'e r.
ganz anderen Wege gelangt ist. Vorläufig dürfte es ganz gleichgii-
tig sein, ob wir 27-5 oder 27-6 als Äquivalent des Mangans nehmen,
doch glaube ich jedenfalls den Beweis geliefert zu haben, dass das
Äquivalent des Mangans gewiss tiefer als jenes des Eisens liegt und
dass die von mir gefundene Zahl wohl nur sehr wenig von der
Wahrheit entfernt sein dürfte.
Noch bevor ich die eben mitgetheilte Arbeit begonnen hatte,
versuchte ich das Äquivalent des Mangans durch Reduction seines
Oxydoxyduls in Wasserstolfgas zu ermitteln.
Wie schon früher erwähnt wurde , liegt ein grosser Ubelstand
darin, dass die Menge von Sauerstoff, welche das Oxydoxydul hiebei
verliert, eine relativ geringe ist. Es Hesse sich diese Fehlerquelle
wohl einigermassen dadurch vermeiden, wenn man grössere Quanti
täten, etwa 30 bis 40 Gramm, der Reduction unterwerfen würde. Ich
hatte für die Darstellung des schwefelsauren Salzes eine Menge von
circa einem halben Pfund Mangansuperoxyd auf einmal in Wasserstolf-
gas geglüht und fand, wiewohl die Schicht eine beträchtlich dicke war,
dass die Reduction bis auf den Boden des grossen Nachens gleich-
massig von statten gegangen war. Ein Theil des erhaltenen Oxyduls
mit Salzsäure behandelt liess köine Entwicklung von Chlor bemerken.
Eine Reduction grösserer Mengen von Oxydoxydul würde also in
dieser Beziehung ganz gut ausführbar sein. Allein ich stiess hiebei auf
eine andere nicht vorhergesehene Schwierigkeit.
Diese besteht darin, dass das auf künstlichem Wege erhaltene
Oxydoxydul eine äusserst hygroskopische Substanz ist. Namentlich
gilt dies von dem durch Glühen des oxalsauren oder kohlensauren
Oxyduls erhaltenen Producte, wozu wohl seine feine Vertheilung
theihveise mit beitragen mag. Das durch anhaltendes Glühen von sal
petersaurem Oxydul erhaltene Oxydoxydul ist compacter und zieht
etwas weniger begierig Feuchtigkeit an, aber immer noch viel zu
schnell und zu viel, um mit irgend einer annähernden Genauigkeit
gewogen werden zu können.
Ein directe in dieser Beziehung angestellter Versuch gab fol
gendes Resultat:
Über das chemische Äquivalent der Metalle Cadmium und Mangan. 133
8-1 Gramm Oxydoxydul mit Salpetersäure befeuchtet und stark
geglüht, wurden über Schwefelsäure erkalten gelassen. Nach dem
Erkalten wurde der Tiegel möglichst rasch gewogen, wiewohl dies
aus dem angeführten Grunde nur annäherungsweise möglich ist,
und eine viertel Stunde darauf wieder gewogen. Die obige Menge
hatte in dieser kurzen Zeit um 19 Milligramm an Gewicht zuge
nommen.
Da die gewöhnliche Bestimmung des Mangans bei Analysen
darin besteht, das aus Glühen des kohlensauren Salzes erhaltene Oxyd
oxydul zu wägen, so kann dieser Umstand zu bedeutenden Fehlern
Veranlassung geben, wenn er nicht gehörig berücksichtigt wird.
Um aus dem directen Verhältniss des Mangans zum Sauerstoff
dennoch irgend einen controlirenden Beleg für die aus der Reduction
des schwefelsauren Salzes deducirte Zahl zu erhalten, versuchte ich
gewogene Mengen von reinem Manganoxydul in Oxydoxydul überzu
führen, und zwar durch Glühen hei Zutritt der atmosphärischen
Luft. Die Operation geschah in einem Platintiegel, dessen Deckel
einen genauen Verschluss gab. Nach Beendigung des Glühens wurde
der Deckel aufgelegt, über Schwefelsäure erkalten gelassen, gewo
gen und diese Operation so lange fortgesetzt, bis das Gewicht keine
weitere Veränderung zeigte. Das Oxydul, wie es durch Reduction
mittelst Wasserstoffgas hei starker Glühhitze erhalten wird, zeigte
sich wenig hygroskopisch, und kann sonach besser gewogen werden.
Um eine vollständige Oxydation zu bewirken, wurde das Pulver
mittelst eines kleinen Platinspatels öfter umgerührt, und dieser letztere
mitgewogen.
Zwei Versuche gaben folgende Resultate:
Versuch
II.
Angewandtes
Mangan-
oxydul
Erhaltenes
Oxydoxydul
4*3808
8*3800
4-710
9-009
Sauerstoff-
Aufnahme für
100 Theile
7-3146
7-3039
Rerechnetes
Äquivalent
27-486
27-327
100
343- 37
344- 08
Obwohl ich auf diese Zahlen kein zu grosses Gewicht lege, da
ich die Überzeugung hege, dass bei wiederholten Versuchen wohl
grössere Differenzen sich heraussteilen würden , indem jedes Milli-
134 v. Hauer. Über das chemische Äquivalent der Metalle Gadmium und Mangan.
grairim das als Fehler in Rechnung gebracht wird, schon auf die erste
Deciraale des Äquivalentes influenzirt, so dienen sie doch einiger-
massen zur Bestätigung der früheren Resultate. Auch ist nicht zu
zweifeln dass man, bei sehr genauer Arbeit und allen angewandten
Vorsichtsmassregeln, wie ich sie hei diesen beiden Versuchen aufzu
wenden bemüht war, durch das Mittel vieler Proben auf diesem
Wege ebenfalls zu einem sicheren Schluss über das Äquivalent des
Mangans gelangen könnte. Wesentlich würde dazu beitragen, wenn
man noch viel beträchtlichere Quantitäten Oxydul hiezu verwenden
würde, als ich es gethan.
v. II au er. Ülier die Zusammensetzung des Schwefelsäuren Cadmiunioxydes. 13b
Über die Zusammensetzung des Schwefelsäuren Cadmium-
oxydes.
Von Karl Kitter v. Hauer,
Vorstaml dos Laboratoriums der k. k. geolog. Reichsanstalt.
Die chemische Constitution des schwefelsauren Cadmiunioxydes,
welches erhalten wird, wenn man eine nicht überschüssige Säure
enthaltende Lösung durch Abdampfen und Erkaltenlassen zur Krystal-
lisation bringt, ist zuerst von Stromayer, dem Entdecker dieses
Metalles, untersucht worden 1 ). Es ist dies die gewöhnliche Form,
welche zumeist erhalten wird, und unter Bedingungen entsteht, bei
welchen sich die unter dem Namen der Vitriole bekannten Verbin
dungen der Schwefelsäure mit Metalloxyden von der Form RO bilden.
Stromayer fand, dass 100 Theile wasserfreies Salz 34.26113 Theile
Krystallwasser aufnehmen, wonach 100 Theile des krystallisirten
Hydrates 23-51 Procent Wasser enthalten. Gestützt auf die Ergeb
nisse dieser Analyse nahm man in dieser Verbindung 4 Äquivalente
Wasser an und schrieb dafür die Formel:
CdO.S0 3 + 4HO
welche seit dem Jahre 181S, in welchem Stromayer seine Unter
suchungen über das Cadmium publicirte, keine weitere Bestätigung
erhielt. Krystallographisch ist das Salz von Rammeisberg unter
sucht worden 2 ), welcher zeigte, dass dasselbe nicht, wie man früher
vermuthet hatte, mit dem Zinkvitriol isomorph sei. Da das schwefel
saure Calmiumoxyd gleich allen übrigen zur Magnesiagruppe gehö
rigen Oxyden mit schwefelsaurem Ammoniak und Kali Doppelsalze
bildet, die mit diesen isomorph sind und G Äquivalente Wasser ent
halten, so hat Otto in seinem Lehrbuche die Vermuthung ausge
sprochen, dass wohl auch ein Hydrat des schwefelsauren Cadmium-
*) Schweigger’s Journal, ßd. 22, S. 369.
2 ) Sein Handbuch der krystallographischen Chemie. Berlin lööi», S. 104.
136
v. Mauer. Über die Zusammensetzung-
oxydes existiren dürfte, weiches eine den Vitriolen analoge Menge
Wasser enthalten müsse.
ln der Absicht zu erfahren, ob die Darstellung eines solchen
Salzes wirklich möglich, habe ich die Hydrate des schwefelsauren
Cadmiumoxydes, wie sie bei verschiedenen Darstellungsweisen erhalten
werden, einer genauen Untersuchung unterzogen, doch gelang es
mir nicht, die Vermuthung von Graham zu bestätigen. Ich fand bei
dieser Gelegenheit, dass aber auch ein Hydrat mit 4 Äquivalenten
Wasser, wie es Stromayer beschrieb, nicht darstellbar sei *). Eine
Reihe von Analysen ergab die Menge des Wassers zu 18-86 bis
19-05 Procent, wonach ich die Formel:
3 Cd0.S0 3 +8HO
aufstellte, welche 18-75 Procente Wasser erfordert.
Bald darauf untersuchte Ram melsb erg dieselbe Verbindung 2 )
und fand 19-03 bis 19-27 Procent Wasser. Auf dieses Ergebniss
gestützt nahm er an, das Salz enthalte 3 Äquivalente Wasser und sei
nach der Formel:
CdO.SO s -f 3HO
zusammengesetzt. Diese Formel erfordert indessen 20'64 Procente,
was um 1-37 bis 1 *61 Procent von der gefundenen Menge differirt.
Aus den interessanten Untersuchungen von Marignac über
das Didym geht hervor, dass auch das Oxyd dieses Metalles mit
Schwefelsäure ein Hydrat bildet, welches bezüglich seiner Krystallge-
stalt und Zusammensetzung mit der angeführten Cadmiumverbindung
analog ist. Er berechnete aus seinen Analysen anfänglich dafür die
Formel:
Di0.S0 3 + 3H0.
Spätere genauere Versuche veranlassten ihn aber die Formel:
3DiO.SO, + 8HO
aufzustellen. Ramrnelsberg, der die bemerkenswerthe Thatsache
hervorhob, dass unter allen schwefelsauren Salzen diese beiden ein
zigen eine so eigenthümliche Zusammensetzung haben, und unter ein
ander isomorph sind, hielt nun ebenfalls die Formel mit 8 Äqui-
4 ) Sitzungsberichte (1er kais. Akademie der Wissenschaften, Jännerheft 1855, S.2j.
*) Poggendorff’s Annalen 18o5, S. o4.
des Schwefelsäuren Cadaiiumoxydes. 137
valent Wasser, die er früher als unwahrscheinlich verworfen hatte,
für möglich *).
Um bezüglich des Cadmiumoxydes hierüber unzweifelhafte Ge
wissheit zu erlangen, habe ich in dem schwefelsauren Salz neuerdings
die Menge des Wassers möglichst genau bestimmt. Ich war dazu um
so mehr veranlasst, als auch über die Luftbeständigkeit dieser Kry-
stalle verschiedene Erfahrungen bekannt gemacht wurden. So gibt
Stromayer an, dass sie leicht verwittern, während Meissner sie
luftbeständig fand 3 ). Ich selbst habe zu wiederholten Malen Kry-
stalle erhalten, die auch nach Monate langem Liegen an der Luft
keine Veränderung erlitten, bald solche die sehr rasch verwitterten.
Es konnte sonach vermüthet werden, dass die früheren Versuche
theihveise mit unreinem Material waren angestellt worden. Ein
kleiner Gehalt an schwefelsaurem Zinkoxyd konnte namentlich das
Verwittern der Krystalle verursacht haben, und auch den Wasser
gehalt zu hoch haben linden lassen. Ich verwendete daher eine beson
dere Sorgfalt darauf, ein vollkommen reines schwefelsaures Cadmium
oxyd zur Bestimmung des Wassergehaltes darzustellen. Um dasselbe
von Zinkoxyd, seiner hauptsächlichsten Vereinigung, absolut frei zu
erhalten, wählte ich ein Verfahren, welches umständlich war, von
dem sich aber erwarten liess, den beabsichtigten Zweck vollständig
zu erreichen. Es wurde zu diesem Beliufe ein durch Glühen von koh
lensaurem Cadiniumoxyd erhaltenes Oxyd in Chlorwasserstoffsäure
gelöst. Das erstere war durch Lösen des im Handel vorkommenden
Metaller in Salpetersäure, Fällen mit sehr überschüssigem kohlen
sauren Ammoniak und vollständiges Auswaschen erhalten worden.
Die salzsaure Lösung wurde mit einer äquivalenten Menge von
Chlorbaryurn, welches durch wiederholte Krystallisationen gereinigt
worden war, versetzt und zur Krystallisatiun abgedampft. Da diese
beiden Chloride ein leicht krystallisirbares Doppelchlorid geben, wäh
rend die Chloride von Zink und Baryum keine chemische Verbindung
eingehen 3 ), so war zu erwarten, durch mehrmaliges Umkrystallisiren
ein gewiss auch von den letzten Spuren Zinkoxyd, die ihm allenfalls
O Sein Handbuch der krystallographischeu Chemie. Supplement.
2 ) Gilbert’s Journal, Bd. 58, S. 99.
3 ) Es ist bekanntlich keine krystallisirbare Verbindung des Chlorids von Zink und
Baryum dargestellt worden. In dieser Hinsicht angestellte Versuche überzeugten
mich, dass auch keine darstellbar sei.
138 v. Ha ue r. Über die Zusammensetzung des Schwefelsäuren Cadmiumoxydes.
noch anhaften konnten, absolut freies Cadmium zu erhalten. Die voll
ständige Trennung von Baryt unterlag natürlich keinen Schwierig
keiten. Die erhaltene Doppelverbindung der beiden Chlorsalze wurde
nun viermal umkrystallisirt, durch Eindampfen und Erkaltenlassen, das
letzte Mal aber durch freiwilliges Verdunstenlassen der Lösung über
Schwefelsäure. Die so erhaltenen Krystalle wurden nun in ihrer
Lösung durch Schwefelsäure vom Baryt befreit, das Cadmiumchlorid
durch kohlensaures Ammoniak gefällt, nach hinlänglichem Auswa
schen geglüht, in verdünnter Schwefelsäure gelöst und krystallisiren
gelassen. Dieses Salz wurde endlich noch einmal umkrystallisirt durch
freiwilliges Verdunstenlassen der erhaltenen Lösung bei gewöhn
licher Zimmertemperatur.
Diese Krystalle waren von seltener Schönheit, vollkommen durch
sichtig und zeigten auch nach Wochen langem Liegenlassen an der
Luft nicht die leiseste Spur einer Verwitterung.
Zur Bestimmung des Wassergehaltes wurden gewogene Mengen
des lufttrockenen Salzes gradatim bis zum schwachen Glühen erhitzt
und wieder gewogen.
I. 5-262 Gr. verloren 0-990 Gr. = 19-004 Procent Wasser,
II. 8-653 „ „ 1-636 „ = 18-906
III. 7-098 n „ 1-340 „ = 18-878
Es stimmt dies mit den von mir früher gefundenen Wcrthen
sehr nahe überein, so dass die adoptirte Formel:
3 CdO. S0 3 -f- SHO
wohl ausser allem Zweifel steht. Die Differenz zwischen der ge
fundenen und berechneten Menge des Wassers beträgt nämlich
etwas über 0-1 Procent.
v. Hauer. Über die Zusammensetzung des Kalium-Tellurbromides etc. 139
Über die Zusammensetzung des Kalium - Tellurbromides und
das Äquivalent des Tellurs.
Von Earl Kitter v. Hauer,
Vorstand des chem. Laboratoriums der k. k. geolog. Reichsanstalt.
Die Existenz einer krystallisirbaren Doppelverbindung von
Kalium- und Tellurbromid wurde von Berzelius nacbgewiesen.
Doch ist dieses Salz weder von ihm noch später je einer analytischen
Untersuchung unterzogen worden. Gleichwohl ist es eine der schön
sten und best krystallisirbaren aller bekannten Tellurverbindungen.
Es lässt sich beliebig oft, ohne eine Zersetzung zu erleiden, umkry-
stallisiren, und kann daher in einem Zustand ausgezeichneter Rein
heit dargestellt werden. Es lässt sich ferner bei einer Temperatur
entwässern, die um ein Geringes höher ist, als jene des Wasser
bades und zeigt sich im wasserfreien Zustande wenig hygroskopisch.
Alle diese Eigenschaften, welche ich bei wiederholten Darstellun
gen desselben kennen lernte, veranlassten mich einige Analysen
auszuführen, um aus den Resultaten das bisher adoptirte Äquiva
lent des Tellurs zu controliren.
Das chemische Äquivalent des Tellurs ist zwar von Berzelius
durch mehrere Oxydationsversuche zu verschiedenen Zeiten ermittelt
worden, aber diese Versuche wurden nie wiederholt und überhaupt
sind so wenige Tellurverbindungen bisher noch analytisch unter
sucht worden, dass die Zerlegung eines durch besondere Krystalli-
sationsfähigkeit ausgezeichneten Tellursalzes wohl als Beleg für den
gedachten Zweck dienen kann. Die neuere Zeit hat es zur Genüge
gelehrt, wie notlnvendig es ist die Äquivalente der Grundstoffe wie
derholt und auf verschiedenen Wegen zu prüfen, da auch mehrere
übereinstimmende Resultate, aber erzielt nach ein und derselben
Methode, nicht immer einen vollgiltigen Beweis für die Richtigkeit
der erhaltenen Zahl liefern. Ich erinnere beispielsweise an die Arbeit
von R. Schneider über das Äquivalent des Antimons, aus welcher
140
v. II aue r. Über die Zusammensetzung des
hervorgeht, dass dasselbe durch 30 Jahre hindurch um nicht weniger
als neun ganze Einheiten zu hoch genommen wurde.
Wenn in der vorliegenden Arbeit die Berechnung des Tellur-
Äquivalentes sich auf die bekannten Äquivalente des Kaliums, Silbers
und Broms stützt, so könnte die erhaltene Zahl wenig Vertrauen
verdienen, im Falle über das Äquivalent des Tellurs noch gar keine
Versuche vorliegen würden. Da ich aber auf einem so sehr verschie
denen Wege von dem, wie ihn Berz elius einschlug fast zu derselben
Zahl wie er gelangt hin, so darf aus eben diesem Grunde mein
Resultat um so mehr als eine Bestätigung seiner Angabe genommen
werden.
Zur Darstellung des Kalium-Tellurbromides gibtBerzelius fol
gendes Verfahren an: Man mischt wässriges zweifach Bromtellur mit
Chlorkalium und lässt krystallisiren. In der Mutterlauge bleibt zwei
fach Chlor- und zweifach Bromtellur. Das zweifach Bromtellur
erhielt er aber, indem er in eine unten in Eis gekühlte Glasröhre
Brom brachte, und unter öfterem Umschwenken nicht überschüssiges
gepulvertes Tellur zusetzte und schliesslich das überschüssige Brom
im Wasserbade verdunstete.
Da die Einwirkung des Broms auf Tellur eine ausserordentlich
heftige ist, so eignet sich dieses Verfahren nur um kleine Mengen
von Tellurbromid darzustellen. Selbst in dem in Eis gekühlten Ge-
fässe findet eine starke Erhitzung Statt, und es entwickeln sich bei
der gesteigerten Temperatur alsbald gelbe Dämpfe von Tellurbromid,
so wie auch viel freies Brom sich verflüchtigt. Ferner wird das
Metall durch das sich bildende Bromid umhüllt, so dass dadurch
die weitere Einwirkung des Broms verhindert wird. Man findet
daher nach dem Auflösen der Masse in Wasser stets viel metallisches
Tellur, welches unverbunden zurückblieb, und es geht bei diesem
Processe viel Brom unnütz verloren. Zur Darstellung grösserer Men
gen operirte ich daher in folgender Weise:
In einem zu verschliessenden Kolben wurden Stückchen des
Metalles mit verdünnter Bromwasserstoffsäure übergossen und hier
auf eine Quantität Brom zugesetzt, der Kolben aber verschlossen
und so lange stehen gelassen, bis das Brom verschwunden war.
Diese Operation wurde so oft wiederholt, als sich noch unverbundene
Theile des Metalles in der Lösung befanden. Die Einwirkung des
Broms erfolgt hier fast ohne Erhitzung, doch geht aber die Verbm-
Kalium-Tellurbromides und das Äquivalent des Tellurs. 141
düng desselben mit dem Tellur rasch von statten, besonders wenn
man den Kolben öfters umschwenkt. Durch Verdampfen der rubin-
rothen Lösung zur Trockne im Wasserbade erhält man das trockene
Tellurbromid. Lässt man die so erhaltene gelbe Masse in einer
wässrigen Auflösung von Chlorkalium, so erhält man beim Verdun
sten die von Berzelius angegebene Doppelverbindung. Bei der Analyse
dieser Krystalle zeigte sieb indessen, dass dieselben auch etwas
Chlor, von der Mutterlauge herrührend, enthalten. Doch ergab sich
das Resultat, dass Kalium und Tellur in gleichen Äquivalenten-Ver-
hältnissen zugegen sind. Um nun ein von Chlor gewiss vollkommen
reines Salz zu erhalten , stellte ich dasselbe mit Ausschliessung der
Anwendung von Chlorkalium nach einer anderen Methode dar.
Fein gepulvertes metallisches Tellur und Bromkalium wurden in
äquivalenter Menge in einen Kolben gegeben , und so viel Wasser
zugefügt bis das Bromkalium vollständig gelöst war. Nun wurde
Brom in kleinen Antheilen unter öfterem Umschwenken des Kolbens
zugesetzt, und dabei so verfahren, wie es früher bei der Darstellung
des Tellurbromides angegeben wurde. Das sehr fein vcrtheilte Tellur
metall, wie es durch die Fällung mit schwefliger Säure erhalten
wird, ist zu diesem Behufe sehr geeignet. Die entstandene dunkel-
rothe Flüssigkeit wurde längere Zeit erwärmt, zur Austreibung des
allenfalls im Überschüsse zugesetzten Broms, dann filtrirt, da sich
stets ein gelblicher Bodensatz bildet und erkalten gelassen. Die
Löslichkeit der Verbindung in der Wärme ist bedeutend höher, so
dass beim Erkalten einer in der Hitze concentrirten Lösung eine
grosse Menge von Krystallen anschiesst. Bei langsamem Verdunsten
über Schwefelsäure erhält man Krystalle, welche eine Grösse von
einem halben Zoll Durchmesser erreichen. In wenig heissem wie
kaltem Wasser lösen sie sich unzersetzt, bei stärkerer Verdünnung
scheidet sich aber teilurige Säure aus. Da bei dem freiwilligen Ver
dunsten die Lösung stark efflorescirt, so ist es gut die Ränder des
zur Krystallisation bestimmten Gefässes mit Fett zu bestreichen.
Die so erhaltenen Krystalle wurden nun viermal umkrystallisirt,
die beiden ersten Male durch Erkaltenlassen der in der Hitze con
centrirten Lösungen, dann aber durch freiwilliges Verdunstenlassen
der Lösung über Schwefelsäure. Das zuletzt angeschossene Salz
wurde bei 120 Grad C. getrocknet und über Schwefelsäure erkalten
gelassen.
142
v. Hauer. Über die Zusammensetzung des
Da, wie früher angeführt wurde, das Salz Kalium und Tellur in
äquivalenter Menge enthält und im wasserfreien Zustande daher nach
der Formel
KaBr + TeBr a
zusammengesetzt ist, so liess sich aus der Menge des darin enthal
tenen Broms, das Äquivalent des Tellurs berechnen. Bie Bestimmung
geschah durch Auflösen einer gewogenen Menge wasserfreien Salzes
in verdünnter Salpetersäure und Fällung mittelst einer Lösung von
reinem salpetersauren Silberoxyd. Fünf Versuche gaben folgende
Resultate unter Zugrundelegung des Silbers = 108-1 und Brom =80:
2-000 Gr.
6-668 „
2- 934 „
3- 697 „
1 -ooo „
der Substanz gaben 69-9460 Procent Brom,
n r>
r> n
99 99
99 99
69- 8443
69*9113
70- 0163
69-9001
99 99
99 99
99 99
99 99
Im Mittel: 69-9236 ProcentBrom.
Das Salz besteht also in 100 Theilen aus :
69-9236 Brom,
30-0764 Kalium und Tellur.
Setzt man das Äquivalent des Kaliums = 39-2, so ergibt sich
aus dieser procentischen Zusammensetzung das Äquivalent des Tel
lurs = 64-03 oder da einer zweiten Decimalstelle gar kein Werth
beizulegen, ist in runder Summe = 64. (800, wenn 0 = 100.)
Berzelius, der dasÄquivalent des Tellurs durch Oxydation des Me
talls mittelst Salpetersäure und Wägen der entstandenen tellurigen
Säure bestimmte, fand hei seiner ersten Arbeit im Jahre 1813 ‘)>
dass 100 Theile Metall 124-8 teilurige Säure und in einem zweiten
Versuche, dass 201-5 Theile geschmolzenes tellursaures Bleioxyd
I 57 Theile schwefelsaures Bleioxyd gaben, und berechnete hiernach
das Äquivalent des Tellurs = 806-48 bis 819. (64"5—65 - 5, wenn
II = 1.)
Im Jahre 1833 wiederholte Berzelius die Versuche das Äqui
valent durch Oxydation mittelst Salpetersäure zu bestimmen 2 ), und
*) Schwei^ger’s Journal, Band 22, S. 73.
2 ) Poggendorff’s Annalen, 32. Band, S. 14.
Kalium-Tellurbromides und das Äquivalent des Tellurs.
143
fand in drei Versuchen, dass 100 Theile Metall 24-9116, 24-9443,
24-945G Theile Sauerstoff aufnahmen, und berechnete aus dem Mittel
der zwei letzten Versuche das Äquivalent des Tellurs = 801-76
(64-14, wenn H = 1).
Diese Zahl differirt also nur am 0-14 von derjenigen, weicheich
auf einem ganz anderen Wege gefunden habe. Die runde Zahl 64
ist übrigens schon von vielen Chemikern, namentlich von Gmelin
in seinem grossen Handbuche aufgenommen worden , wiewohl sie
experimentell bisher nicht nachgewiesen war.
Zur Bestimmung der Zusammensetzung des Salzes im krystalli-
sirten Zustande erübrigte noch die Menge des Krystallwassers zu
erfahren.
Drei Versuche gaben folgende Resultate:
Gr. Krystalle verloren durch Erhitzen 7-27Procent Wasser,
7-49
n n n r> r> * n r>
„ „ „im Wasserbade 7-29 „ „
Im Mittel: 7-32Procent Wasser.
Schliesslich wurde noch zur Controle die Menge des Kaliums
bestimmt. Erhitzt man die Krystalle nach Austreibung des Wassers
stärker, so entweicht die grössere Menge des Tellurbromides in
gelben Dämpfen, während Bromkalium zurückbleibt. Doch lässt
sich dasselbe nicht vollkommen auf diese Weise entfernen , da ein
kleiner Theil des Bromides durch den Zutritt der atmosphärischen
Luft in teilurige Säure verwandelt wird. Zur Bestimmung desKaliums
darf man daher nicht so stark erhitzen, dass die rückständige Masse
ins Schmelzen geräth, weil sonst die zurückbleibende Menge der
teilurigen Säure teilurigsaures Kali bilden könnte. Laugt man mit
Wasser aus, so löst sich das Bromkalium, während die durch
Erhitzung entstandene kleine Menge wasserfreier telluriger Säure
ungelöst zurückbleibt. Man filtrirt und das zur Trockne verdampfte Fil
trat gibt die Menge des im Salze enthalten gewesenen Bromkaliums.
0-93S Gr. Krystalle gaben nach dieser Weise behandelt
0-294 Gr. Bromkalium == 10-34 Procent Kalium. Hieraus ergibt
sich für das krystallisirte Salz die Formel:
0-935
1-346
0-987
Kaßr + TeBr 2 + 3 HO
j44 v - Hauer. Über die Zusammensetzung; des Kaliinu-Tellurbromides etc.
Theorie
Versuch
3
1 Äquivalent
Ka 39-2 10-58 10-34
Te 64 17-28 17-51
Br 240 64-82 64-83
HO 27 7-29 7-32
KaBr + TeBr 2 + 3HO
370-2 99-97 100-00
Beim Erhitzen verliert das Salz sein Krystallwasser, ohne zu
schmelzen, bei stärkerem Erhitzen entweicht alsogleich Tellurbromid.
Das entwässerte Salz ist von orangegelber Farbe, welche bei jedes
maligem Erhitzen etwas dunkler wird, beim Erkalten aber ver
schwindet. Die Krystalle sind undurchsichtig, von dunkelrotlier
Farbe und lebhaftem Flächenglanz. An trockener Luft verwittern sie
oberflächlich und werden gelb. Die krystallographische Bestimmung
hat auf mein Ersuchen Herr Dr. Grailich übernommen und mir fol
gende Resultate seiner Messung, so wie die beigefügten Zeichnungen
mitgetheilt.
Orthotyp, ist in den makrodiagonalen Kanten durch die Flä
chen des ersten und zweiten Brachydoma abgestumpft: mit den Bra-
chydomenflächen tritt immer auch die gerade Endfläche auf. Gewöhn
lich sind die Krystalle nach einem Orthotypflächenpaar verzogen und
erinnern dann einigermassen an das gewöhnliche Vorkommen des
krystallisirten Alauns.
Die optischen Verhältnisse wird Herr Dr. Grailich demnächst
selbst veröffentlichen.
Za n t e des cli i. Delle dottrine del terzo suono, ece.
145
SITZUNG VOM 25. JUNI 1857.
Eiiigesemlete Abhandlungen.
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coincidenza delle
vibrazioni sonore, con un cenno sulla analogia, che presentano
le vibrazioni luminose dello spettro solare.
Memoria I del Profcssore Zantedeschi.
(Con una tavola.)
(Vorgelegt in der Sitzung vorn 22. Mai 1857.)
Noi in altro scritto vedremo ehe un solo identico corpo sonoro messo
in vibrazione da origine sopra se stesso a piu suoni; ora noi dobbiamo
osservare che due corpi sonori differenti messiin vibrazione conteiripora-
neamente producono un suono o aldi sotto o fra i medesimi; per cui un
tale fenomeno venne detto del terzo suono. Noi andiamo debitori di
quesfa scoperta al Tartini, il quäle la rese di pubblico diritto nella
sua Opera: Trattato di Musica secondo la vera scienza
delFarmonia, che venne alla luce in Padova coi tipi di Manfre
nella stamperia del Seminario, nel 1754. E conie che il Sigr. D'Alerri-
bert affermi nella Prefazione alla nuova edizione dei suoi Elementi
d i M u s i c a teoricaepraticasecondo i principi i d i R a m e a u
impressi in Lione l'anno 1766, cheRomieu della Societä Reale delle
Scienze di Montpellier avevapresentato a detta Societä nel 1753, cioe
nn anno innanzi che fosse stata pubblicata l'Opera del T ar ti n i, una
Memoria stampata Io stesso anno, che trattava dill’usamente del feno
meno del terzo suono; tuttavia il Tarti ni non e debitore di questa sco
perta che a se medesimo, il quäle la fece in Ancona fino dall 1 anno
Sitzb. (1. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Ult. 10
146
Zantedesch i.
1714 iiell’ eta di vcntidue anni, suonando il violino. Egli diede noti-
zia di questa scoperta, come egli medesimo attesta nella sua Disserta-
zione d ei principii d c 11 ’ armonia musicale, data alla luce in
Padova nel 1767 (capo 2, §. 3), ai Professori dell'arte, e la stabil!
come principio di perfetto accordo nella sua scuola di Musica aperta
in Padova fino dal 1728. Dalla scuola importanto del Tartini la sco-
perta del terzo suono si diffuse dentro e fuori d’Italia venticinque anni
prima che R o m i e u l'avesse a partecipare all’ Accademia di Mont
pellier.
II fenomeno avvertito dal Tartini consisteva in cici, che da due
suoni eccitati da uno strumento qualunque musicale, se ne ha un terzo
come risultante. Egli e necessario al conseguimento dell’ effetto che
i due suoni sieno sostenuti per un dato tempo e sieno intensi. Suppo-
niamo che da un suonator di violino si suonino contemporaneamente
con arcata forte e sostenuta degli intervalli perfettamente intonati
e presi tutti relativamente a una stessa nota fondamentale di perfetto
accordo, si sentiranno dei terzi suoni aflatto distinti.Lo stesso accadrä
se i presi intervalli saranno suonati da due suonatori di violino di-
stanti fra loro cinque o sei passi: suonando ciascuno la sua nota nello
stesso tempo, e sempre con arcata forte e sostenuta, si sen-
tira dalf uditore posto nel mezzo dei due suonatori molto piü il terzo
suono, che vicino a ciascuno di essi. Si avra lo stesso effetto da due
suonatori di oboe posti fra loro in distanza molto maggiore. Essendo
il suono dell’ oboe piü forte di quello del violino, si sentirä anche
meglio il risultante terzo suono; e nel mezzo dei due suonatori si
udira egregiamente.
Io invito gli studiosi a leggere F Opera originale del Tartini,
come ancora quelle del Pizzati e del Vallotti, che parlarono di questo
fenomeno (Pizzati. La Scienza dei suoni e dell’armonia,
Venezia 1782, presso Giovanni Gritti. Vallotti. Deila Scienza
teorica e pratica della m oder na Musica, Padova, Stamperia
del Seminario, presso Giovanni Manfre, 1779). lo non amo di entrare
in lunga discussione delle loro teorie, come di quelle riportate dai
Fisici nei loro Trattati, perche mi diluugherei troppo soverchiamente,
e forse con noja de’ miei lettori e con poco frutto della scienza, non
avendo avuto essi mezzi cos! precisi e perfetti, quali noi possediamo
a’ nostri giorni per determinare il numero delle vibrazioni, che costi-
tuisce un dato tono: riporterö in quella vece i risultamenti delle mie
Delle dottrine del terzo suono, ossia deJIa coiucidenza ece.
147
esperienze, che io lio eseguite coli’ assistenza del Sigr. Maestro
di organi Marzolo di Padova 1 ). Io ho ritrovato in ogni terzo suono,
che esso e rappresentato dal numero delle vibrazioni, che si ha dalla
differenza dei due numeri esprimenti le vibrazioni dei due dati suoni.
Allorche questa differenza non giunge a trentadue vibrazioni per
secondo, si ha sbattiinento, e non suono propriamente detto. II terzo
suono ora trovasi al di sotto dei due dati, ed ora si rinviene fra essi,
ma non mai al di sopra. I seguenti risultamenti mettono in chiaro
tjuanto ho asserito.
Serie Prima.
Espericnza 1.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Do di due piedi . . . .Mi terza maggiore ... Do
dtdla doppia ottava grave.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
512 . . 640 . . 128.
II terzo suono dedotto dalla differenza dei numeri delle vibra
zioni risponde perfettamente al do osservato, perehe il numero 128
e il do della doppia ottava grave di 512. 11 calcolo adunque e in per-
letto accordo coli’ esperienza.
Esperienza II.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Sol del do di 4 piedi . . . Re. ■ . Sol della doppia
ottava grave.
1 due dati toni in numero di vibrazioni . . . Differenza
384 . . 288 . . 96.
Ancor quiil terzo suono calcolato e lo stesso del terzo suono osser
vato, perehe il numero 96 esprime il sol del do di 64, che e la doppia
ottava grave di 256.
D Questo distinto ingegno inventivo e meccanico conosciuto in Ilalia e fuori pel suo
organo automatico, si presto egregiamente alla costruzione di varii apparati di Acustica
che trovai necessarii allo schiariinento di alcune questioni. Chi amasse di avere una
collezione completa di Acustica moderna, potrebbe rivolgersi al niedesinio, colia cer-
tezza che gli apparati, che avvessero ad uscire dalle mani del Marzolo, sarebbero in
ogni parte perfetti.
10*
148
Zantedeschi.
Esperienza III.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Do di 2 piedi ... La terza minore ... Fa del-
l'ottava grave immediata.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . . Differenza
512 . . 853-33 . . 341-33.
Si ha perfetta corrispondenza fra il terzo suono osservato e il
terzo suono calcolato, avvegnaehe il numero 341-33 rappresenta il
fa dell’ ottava grave immediata, ehe ha per do 256 vibrazioni. Fino a
qui abbiamo noi ripetuto l’andamento, ehe abbiam tenuto nel calcolo.
Nelle susseguenti esperienze non faremo che mettere in colonna i
toni dati, e il terzo suono osservato, col relativo numero delle vibra
zioni esprimenti i suoni dati e il terzo suono dedotto.
Esperienza IV.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 2 piedi . . Fa quarta . . .Fa del do di 8 piedi,
ossia della doppia ottava grave.
I due toni in numero di vibrazioni . . Differenza
512 . . 682-66 . . . 170-66.
II numero 170-66 rappresenta perfettamente il fa della doppia
ottava grave di 512.
Esperienza V.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 2 piedi . . mi h terza minore . La'' del do di 8
piedi o della doppia ottava grave.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
512 . . 614 . . 102.
II numero 102 rappresenta esattamente il la h del do di 8 piedi,
ossia della doppia ottava grave.
Delle dofctrine del terzo suono, ossia della coincidenza ecc.
149
Esperienza VI.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 16 piedi . . Sol ... Do di 32 piedi.
I due dati toni in nurnero di vibrazioni. . Differenza
64 . . 96 . . 32.
II numero 32 esprime il limite del suono netto e preciso musicale.
Esperienza VII.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 16 piedi . . Re . . . Sbattimenti.
I due dati toni in numero di vibrazioni. . Differenza
64 . . 72 . . 8.
II numero 8 rappresenta gli sbattimenti osservati.
Esperienza VIII.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 16 piedi ... Si Si b .
I due dati toni in numero di vibrazioni. . Differenza
64 .... 120 .. • 56.
II numero 56 esprime il si b osservato.
Esperienza IX.
Suoni dati Terzo suono osservato
Sol di 16 piedi . . Sol ottava . . Rinforzo
del sol di 16 piedi.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
96 ... 192 ... . 96.
II numero 96 esprime il rinforzo al sol di 16 piedi. Adunque nei
rinforzi non si ha mai l’intensitä rappresentata dalla somma dei due
suoni dati, perche qui si dovebbe avere per somma 288, e in quella
vece si ä 192,
150
Z a n t e d e s c h i.
Esperienza X.
Suoni dati Terzo suono ossevvato
Do di 4 piedi... Re .. . Sbattimenti.
I due dati toni in numero di vibrazioni . Differenza
256 . . 263 . . 7.
II numero 7 rappresenta i forti sbattimenti osservati.
Esperienza XI.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Do di 4 piedi . . Sol . .. Do immediatamente grave.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
256 . . 384 . . . . 128.
II numero 128 esprime il clo immediatamente grave dato dal-
1’esperienza.
Esperienza XII.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 4 piedi . .La . . Fa dell’ottava grave imme-
diata.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
256 : . 426-66 .... 170-66.
II numero 170-66 esprime il fa dell’ottava grave immediata, che
e del do 128.
Esperienza XIII.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Do di 4 piedi . . Si . . Si'' circa.
I due dati toni in numero di vibrazioni: . . Differenza
256 . . 480 ... . 224.
II numero 224 esprime il suono prossimo inferiore al si b , il quäle
fu soltanto per approssimazione nell’ esperienza determinato.
Delle dottriüe del terzo suono, ossia della coincidenza ecc.
151
Esperienza XIV.
Suoni dati .... Terzo suono osservato
Do di 8 pietli . . Do di 2 piedi. . . Sol del clo del-
l’ottava immediamenta acuta.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . . Differenza
128 . . 512 . . . . 384.
II numero 384 esprime esattamente il sol dell’ ottava irnmediata
superiore, che e rappresentata da 256 vibrazioni.
Esperienza XV.
Suoni dati Terzo suono osservato
Do di 4 piedi . . Sol . . Do dell’ ottava superiore
acuta.
I due dati toni in numero di vibrazioni . . Differenza
256 . . 768 . . . 512.
II numero 512 esprime esattamente il do dell’ottava acuta
irnmediata.
Queste esperienze io feci eseguire sul grande organo della Basilica
del Santo in Padova dal Signor Maestro Marzolo: al quäle io proposi
le relative investigazioni; e v’intervenne ancora il Sigr. Dr. Luigi
Borlinetto Assistente alla mia Cattedra di Fisica, il quäle pure con
altri ebbe a confermare l’esistenza dei terzi suoni, die a mano a
mano veniva assicurata dal Marzolo, che si ritrovava in prossimitä
alle canne risuonanti. Noi tutti eravamo nella Cappella detta della
Madonna Mora d’incontro all’organo, nella quäle i terzi suoni nel-
l'aria si udivano distinti dai suoni dati. Si fu in questa oceasione
che io ebbi la riprova della risonanza, che nel repieno deH’organo
da la Chiesa del Santo. Essa e il si'\ che si fa sentire in un modo
evidente sotto la maestä di quelle volte. Un Maestro di Musica, che
avesse egli a eomporre un canto ecclesiastico in si“, o nei due toni, che
danno per terzo suono il si ]> avrebbe un effetto il piii sorprendente in
quel tempio. Non devono mai i Maestri dell’ Arte dimenticare questo
principio tutte le volte che essi compongono una nuova musica per
una Chiesa o per un teatro. Non solo devono aver essi riguardo all’
estensione delle voci che devono eseguire la musica, ma ancora
all’armonia, alla quäle il luogo risponde.
152
Zantedeschi.
Gli anzidetti terzi suoni furono ancora confermati negli esperi-
menti successivi, de’ quali ini fu cortese il Sigr. Marzolo sull' organo
die eonserva nella propria casa. Nel corso di Acustica, ehe io diedi
alla seuola di Fisica nella Universitä di Padova nel I. semestre del
1856 — 1857 io ho verificato la legge da me stabilita con tre eanne,
delle quali la piii corta era della lunghezza di 0-25 edel lato quadrato
di 0‘04; la media della lunghezza di 0'328 e del lato quadrato di
0-04; e la terza della lunghezza di 0987 e del lato quadrato di 0 04,
(V. la Tavola.) La prima di queste tre eanne dava il si h del clo di
1024, e la seconda il sol della stessa ottava. Il terzo suono risultante
si fu il mi b della seconda ottava grave del 1024, il quäle era perfet-
tameute all’ unissono col tono della canna piii lunga. Ora il si b e
rappresentato in vibrazioni da 1843 - 2; il sol e rappresentato dal nu-
mero 1536. La differenza di questi due numeri e espressa da 307'2
questo numero rappresenta esattamente il mi" della seconda ottava
grave, quäle fu dato dall’ esperienza.
Per verificare la legge della differenza de’ due dati suoni io ho
cercato di istituire esperienze con istrumenti a corda, e con istru-
menti a fiato differenti dagli organi, come sarebbe il violino, il Violon
cello, il corno e l’oboe. Ma nel determinare il terzo suono, che non
manca mai quando l’esperimento e eseguito a dovere, ho dovuto con-
vincermi delle difficoltä che si parano innanzi per assicurarsi con
precisione del tono netto ed esatto, che ne risulta. Bisogna sem
pre che i suoni eccitati sieno forti e lungamente sostenuti; occorre un
orechio perfetto e bene educato, onde contemporaneamente abbia fes-
perimentatore la distinta percezione de’ tre suoni. Il suono risultante
e sempre il piü debole o fiacco; non di rado e in armonia coi suoni
dati, cioe e equissono o trovasi sulla terza, sulla quinta, ec: e la posi-
zione, nella quäle si ode distintamente, varia colla intensitä dei suoni.
In generale Io sperimentatore de e collecarsi fra i due suonatori, e
piii dappresso a quello, che intuona la nota piii alta; anzi stando
ancora al di dietro di questo, non manca di udirsi neli’ aria il terzo
suono distinto dai due suoni generatori. Non cos’i perö si ode netta-
mente il terzo suono in prossimita di chi intuona la nota piii grave.
Non ostante tutte le precauzioni, il giudizio de’ sperimentatori non
sempre si accorda nella determinazione del terzo suono. Accade
talvolta che sembra indeterminato, sebbene non si possa negarne
l’esistenza; talvolta per un orecchio e preciso, per un altro non
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coincidenza ecc.
153
ugualmente. Da ciö ne emergono le discrepanze, che si ritrovano
negli serittori, che hanno determinato il terzo suono ad orecchio
semplicemente, come fecero il Tartini, il Vallotti, e non pochi Fisici.
II modo di sperimentare di A. Sorgo, seguito ancora dalBiot, a mezzo
di canne d’organo, io lo trovo il migliore. Qm non manca il tipo di
confronto, e per’tutto quel tempo che occorre, per escludere qualsi-
voglia dubbiezza. Si narra che il Sigr. Sorgo avesse anche prima del
Tartini scoperto il terzo suono facendo sull 1 organo suonare il do e la
quarta, cioe il do e il fa contemporaneamente, i quali eranoforti e pro-
tratti: per fal modo avrebbe ottenuto un suono piü grave. Se il Sorgo
avessepresa l’ottava, che ha la tonica di 128, avrebbe udito nella doppia
ottavagrave il fa armonizzare col/iz acuto della doppia ottava superiore.
Per le difficolta iucontrate negli sperimenti ad orecchio, sono
stato costretto a doverli ripetere colle canne di organo, le quali mi
fornirono sempre il mezzo il piü sicuro del disinganno o della certezza
de’ terzi suoni assegnati. lo amo di riferire una serie di sedici espe-
rienze, nelle quali otto furono gü errorisusseguentementescoperti colle
canne ad organo. La prima nota dei suoni dati e sempre la piü grave.
Gli oboe erano perfettamente intonati dai Sigr. Professori Pighi, padre
e figlio, che banno rinomanza nell’ arte loro; ed alcuni miei amici
e Maestri di Musica assistevano a questo saggio di Acustica nella mia
abitazione la sera del Giovedi Santo, cioe del 9 di Aprile del 1837.
Serie Seconda.
Esperienza I.
Suoni dati Terzo suono
Do di un piede . . Mi terza maggiore . . Differenza
1024 1280 256.
Questo numero 256 rappresenta il do della doppia ottava grave.
L esperimento eseguito sull’organo lo verilicö pei'fettamente. Non
sivuol dimenticare, che nell 1 esperimento ad orecchio
era stato assegnato il do immediamente grave.
Esperienza II.
Suoni dati .
. Terzosuono
Do# . . Mi .
1066-66 . . 1280 .
Differenza
213-34.
154
Zantedeschi.
Questo numero 213-34 esprime il la della terza ottava grave
che ha per do il 128, e consuona perfettamente colla teoria. L’espe-
riraento sull’ organo confermö questo terzo suono, ma ad orecchio
nelle esperienze cogli oboefu asseritoesser eil la della
seconda ottava grave in luogo della terza.
Esperienza 111.
Suoni dati.... Terzo suono
Si ... Mi Differenza
960 .. . 1280 320.
Questo numero esprime il mi dell’ immediata ottava grave , che
ha per do il 256; e consuona colla teoria, coli’ osservazione ad
orecchio, e coli’ esperimento sull 1 organo.
Esperienza IV.
Suoni dati.... Terzo suono
Si . . . . Sol .... Differenza
960 .. . 1536 .... 576.
Questo numero esprime il re della stessa ottava del si, cioe del
512; ed e in accordo perfetto colla teoria e coli 1 esperimento del-
l'organo. L’osservazione ad orecchio nell’ esperimento
dell 1 oboeavevaassegnatoil sol dell’ ottava grave imme-
di ata.
Esperienza V.
Suoni dati Terzo suono
Si" . . . Sol Differenza
921-6 . . 1536 614-4.
Questo numero esprime il mi h della stessa ottava del si", cioe
del 512; e quadra perfettamente coli 1 esperienza sull’ organo, colla
teoria e coli 1 osservazione nell’ esperimento sugli oboe.
Esperienza VI.
Suoni dati .... Terzo suono
Do . . Sol Differenza
1024 . . .1536 512.
Questo numero esprime il do dell’ immediata ottava grave; e
quadra perfettamente colla teoria e colle esperienze fatte sugli oboe
e sull’ organo.
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coineidenza ecc.
155
Esperienza VII.
Suoni dati .... Ter/o suono
Si h . . Fa Differenza
921-6 . . 1365-33 .... 433-73.
Questo numero esprime il /a#dell’ ottava immediatamente grave
con molta approssimazione. La teoria avrebbe dato per il la#444-44.
La differenza non sarebbe che di 0 - 71. L’osservazioni cogli oboe
e coli' organo corrisposero esattamente.
Esperienza VIII.
Suoni dati .... Terzo suono
La . . Si Differenza
1706-66 . . 1920 213-34.
Questo numero esprime il la della terza ottava grave, ehe ha per
clo il 128. S'accorda colla teoria e coli’ esperienza sull’ organo; ma
non con l’osservazione fatta ad oreechio sugli oboe,
che diede il la della doppia ottava grave, e nemmeno
s’accorda col Tartini, che assegnöil sol della seconda
ottava grave.
Esperienza IX.
Suoni dati .... Terzo suono
Si . . Do Differenza
960 . . 1024 64.
Esprime questo numero il do della terza ottava grave. Rispotide
colla teoria e coli’ esperienza sull’ organo; ma l’osservazione sugli
oboe non diede che un suono grave indeterminato.
Esperienza X.
Suoni dati .... Terzo suono
Sol . . Sol4(= Differenza
1536 . . 1600 64.
Questo numero esprime il do della quarta ottava grave. Risponde
colla teoria e coli’esperienza sull’organo, mal’ osservazione sugli
oboe non diede che un suono grave indeterminato.
Esperienza XI.
Suoni dati .... Terzo suono.
Mi • Do di % piede . . . Differenza
1280 . . . 2048 .... 768.
156
Z a n t e d e s c hi.
Questo numero esprime il sol dell' ottava grave immediata, che
ha per do il 512. S’accorda collateoria ecoll’ esperieaza sull’ organo;
mal’osservazionead orecchio sugli oboe assegnö i 1 do
della stessa ottava.
Esperienza XII.
Suoni dati .... Terzo suono
Mi . . Sol DilTerenza
1280 . . 1536 256.
Questo numero esprime il do della doppia ottava grave. Corri-
sponde alla teoria ed alle esperienze ed osservazioni fatte sull’ organo
e sugli oboe. Il T artin i avevaassegnato il la della stessa
ottava. Questo la inutilmente ci siamo sforzati di verificarlo con
replicati esperimenti.
Esperienza XIII.
Suoni dati Terzo suono
Re . . 5oZ# DilTerenza
1252 . . 1600 448.
Questo numero esprime il la della doppia ottava grave pros-
simamente al valore dato dalla teoria, che e 443-73. Il valore dedotto
da noi in confrorito della teoria sarebbe maggiore di 4-27 vihrazioni.
L’esperienza sull’ organo fu in accordo con la nosfra deduzione;
ma l’osservazione ad orecchio sugli oboe diede il fa
immediatamente grave. Il Tartini aveva dato il mi
immediatamente grave.
Esperienza XIV.
Suoni dati .... Terzo suono
Do Sol duodecima .... DilTerenza
512 . . 1536 1024.
Questo numero esprime il do intermedio ai due suoni dati. Cor-
risponde colla teoria e coli’ esperienza sull’ organo.
Esperienza XV.
Suoni dati .... Terzo suono
Do ... Do Differenza
512 . . 2048 1536.
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coincidenza ecc.
157
Questo numero esprime la nota sol duodecima del 512, ossia il
sol delcfo 1024. Questo terzo suono e evidentemente intermedio fra
i due suoni dati. Si e trovata la perfetta corrispondenza coll'esperi-
mento fatto sull’ organo, e quadra ugualmente colla teoria.
Esperienza XVI.
Suoni dati Terzo suono
Sol .. La Differenza
153G . 1706-66 170-66.
Questo numero esprime il fa della terza ottava grave, che ha
per do il 128. S’aceorda perfettamente colla teoria. L'osserva-
zione ad orecchio eseguita sugli oboe e sopra un organo
nonviavrebbecorrisposto. Nelprimo caso il terzo suono sarebbe
risultato il sol della doppia ottava grave; e nel seeondo il sol della
terza ottava grave. Io ho amato di riferire queste discrepanze, per-
che si comprenda la difficolta, che talvolta s’incontra nel determinare
il terzo suono risultante. Basta una differenza la piü piccola del tono
preciso, perche, come ebbe ad avvertire Tartini, risulti un terzo
suono diverso. Io rni souo studiato di fare eseguire l’esperimento
sopra il grande organo della Basilica di S. Giustina in Padova. 11 do
fondamentale di questo organo e di sedici piedi. —Nel giorno 16 di
Aprile 1857 il rinomato professore d’organi Sigr. Agostini mi fu
cortese dell’ eseguimento di questa esperienza. Io pure vi assistetti
sull' organo. Feci eseguire contemporaneamente i suoni sol e la in
varie ottave; ma mi fermai precipuamente sopra l’ottava del do di
due piedi. Il terzo suono si udi distinto nell’ottava di sedici piedi, e
toccando il tasto del fa si udi l’unissono il piü perfetto; non cosi
ugualmente premendo il tasto del sol. Portato l'esperimento all’ ottava
di un piede, il fa si rinvenne nella ottava di otto piedi; e cosi proce-
dendo neli' ottava di mezzo piede e di un quarto di piede ad eseguire
1 esperienza, il terzo suono fa si portö nell’ ottava di quattro piedi e
di due piedi, e cosi di seguito; per cui non rirnase piü aleun dubbio
sulla perfetta corrispondenza tra l'esperimento e la deduzione fatta dai
dati due suoni sol e la.
G opposizione allorcbe e ben diretta serve a viemaggiormente
chiarire il vero ed a togliere ogni difficolta. Si voleva pure insistere
sopra il sol, come terzo suono risultante dalla seconda sol, la-, ed io
invitai gli stessi oppositori a voler eseguire l’esperimento sopra un
158
Z a n t e d e s c li i.
organo, che fosse di loro piacimento. Fu scello quello della ßasilica
dei Carmini di Padova, che e lavoro del rinomato Calido di Venezia.
L'esperimento fu eseguito nel giorno 18 di Aprile 1857; e mi fu cor-
tese di questo favore il piü volte ricordato con lode ne’ miei scritti
di Acustica Sigr. Marzolo. Esso fu esteso nelle ottave di due
piedi, di un piede, di mezzo piede, di un quarto di piede, ecc.; e sem
pre si ebbe per terzo suono il fa della terza ottava grave. II Signor
Marzolo con una scala si portava in prossimitä delle due canne
suonanti, per udire con maggior distinzione il terzo suono generato,
ed io abbassava, come mi veniva indicato da Iui, il tasto, che doveva
essere l’unissono al terzo suono da lui percepito nell’ aria. Io imper-
tanto con una mano sosteneva i due suoni dati, e coli 1 altra faceva
intuonare, allorehe ne era ricliiesto, ora il fa ed ora il sol della terza
ottava grave. Io lo ripeto, il fa fu sempre unissono al terzo suono
dedotto, e non cosi mai il sol, che distintamente si distaccava.
Si volle pure in questa occasione cimentare altra seconda, che
in sentenza di taluno pareva dovere Iimitare il prineipio dinamico da
me proposto; e si fu colla seconda do, re. Ma in qualsivoglia ottava,
che fosse stato eseguito l’esperimento, il risultato confermö sempre
la mia deduzioue.
Le difficoltä, che a quando a quando insorgono in qualche punto
della scienza, non sonomai destituite di ogni apparenza di vero; perche
l’errore puro ed assoluto non entra mai nell’ umana intelligenza. Il
numero delle vibrazioni corrispondenti a ciascun tono delle ottave
ascendenti e discendenti e ricavato dalla teoria delle corde; ma nell’
organo e introdotto il teinperamento equabile, per non discostarsi di
troppo dalla legge della dupla. Da cio ne nasce che non sempre il
numero delle vibrazioni assegnate a un tono dell’ organo corrisponde
esattamente a quelle assegnate dalla teoria delle corde. Poträ da ciö
avvenire che un orecchio il piii delicato non trovi che la dilferenza
dedotta da due suoni dati corrisponda perfettamente al tono dell’ or
gano. Poträ accadere che l’orecchio s’accorga che sia un po’ o calante
o crescente. Non mai tuttavia ebbe il teinperamento equabile a por-
tarci da un tono ad un altro ne’ miei esperimenti. Cio ho voluto pure
verificare sull’ organo della Chiesa dei Servi di Padova, che e lavoro
stimato del Sigr. Agostini. Nella sera del 22 Aprile del 1857 mi fu
cortese dell’ eseguimento dell’ esperienza l’egregio Sigr. Professore
Balbi, il quäle nelle varie ottave dell’ organo le piii adattate intuono
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coincidenza eec.
159
simultanearnente la secorida sol, la, ed ebbe sempre il ja della
terza ottava grave, verificato ancora coli’ unissono dell' organo. Che
se talvolta in qualche ottava non gli parve perfetto il fa, l'ebbe ad
attribuire al temperamento equabile introdotto riella registratura dell’
organo. Ripetuto ancora l’esperimento dell’ altra seconda do, re, il
terzo suono, che ne risultö, fu empre il do della terza ottava grave, e
non il do.Q
Raccolgo impertanto dai riferiti esperimenti:
1. 11 terzo suono non e mai al di sopra dei dati due suoni.
2. Esso si trova ora al di sotto del tono piü grave dato, ed ora al
di sopra, secondo che la differenza delle vibrazioni rappresen-
tanti i due dati toni e minore o maggiore del numero delle vibra
zioni, che rappresenta il suono piü grave.
3. Il suono risultante e tanto piü vicino all’ acuto dato, quanto
esso trovasi piü distante dal suono grave.
4. Il tono rappresentato da 32 vibrazioni per secondo, e il limite
del terzo suono netto e distinto. Nel caso infatti, in cui la dilfe-
renza fu di minore 32 vibrazioni per secondo, si ebbe sbattimento.
3. Ogui qualvolta la differenza delle vibrazioni fra i dati due suoni
sia minore di 32 vibrazioni, si ha sbattimento, il quäle e for-
tissimo nei toni piü gravi. Da questo argomento io dedussi il
limite del suono piü grave al mio organismo e a quello de’ miei
compagni, che si prestarono in queste ricerche, ch’io feci. Esso
impertanto e di 32 vibrazioni per secondo.
ö. 11 terzo suono non e sempre il massimo comune divisore de
dati due suoni. Le esperienze della Serie prima dei nunieri
I., II., IV., VI., VII., IX., XI., XVI., rispondono perfettamente
alla legge stabilita dai fisici. Le esperienze dei numeri III., V.,
VIII., X., XII., XIII., XIV., XV. della stessa Serie dimostrano
che il terzo suono e bensi il massimo eomun divisore, raa non
esatto. Ugualmente abbiamo proceduto nelF esame delle espe
rienze della seconda Serie. Dieci corrispondono esattamente, e
sono quelle dei numeri I., II., HI., V., VI., VIII., IX., X., XII.,
XIV.; e cinque non corrispondono esattamente, e sono quelle
dei numeri IV., VII., XI., XIII e XV.
Pare impertanto doversi conchiudere, che la legge fu stabilita
sopra un numero troppo ristretto di esperienze, o, per meglio dire,
sopra qualche caso isolato. Le tre canne anzidette, che io feci per il
160
Zantedeschi.
terzo suono costruire a Parigi, confermarono esattamente la legge
dei fisici francesi, ma le mie susseguenti esperienze comprovarono
non essere legge generale.
7. Dato il valore di due suoni, si puö colla mia legge determinare
in ogni caso a priori il terzo suono, o lo sbattimento.
8. 11 terzo suono si ode in modo speciale distinto dai suoni gene-
ratori nell'aria frapposta ai due strumenti, che suonano contem-
poraneaniente, come äavvertito il Tartini, che ebbe ha stabilire
la causa fisica del terzo suono nell’ urto dei due rispettivi
volumi d’aria mossi dalle vibrazioni delle due corde suonate.
Egli ba dato per regola che l’uditore posto nel mezzo rispettivo
dei due suonatori sente molto piü il terzo suono, che vicino a
ciascuno di essi.
9. Il valore dinamico o meccanico di ciascuna vibrazione e sem
pre lo stesso, qualunque sia il tono, al quäle essa appartenga,
percbe in ogni caso il terzo suono e rappresenta da un numero
di vibrazioni che e la differenza dei due numeri delle vibrazioni
esprimenti i dati toni.
10. Non e vera la dottrina del Tartini sul terzo suono, che per lui
e il basso armonico dei dati intervalli, il quäle viene rappresen-
tato da ‘/ 2 , quäle radice fisica del sistema armonico da lui imina-
ginato.
Noi infatti abbiamo ritrovato il terzo suono frapposto ai due
dati piii di una volta, ed abbiamo ancora avuto la dispiacenza di
non poter verificare tutti i suoi esperimenti, come riferimmo a
suo luogo.
11. Non e parimenti vera la dottrina del Pizzati sul terzo suono,
ehe lo risguarda come il fenomeno inverso a quello della corda
armonica. lmperocche nella corda armonica noi non abbiamo mal
che due suoni concomitauti generino un suono ad essi frapposto,
ma sempre un suono piü grave. Essi d’altronde non escono mal
dalle Serie delle armonie le piü perfette; e noi in quella vece
abbiamo ottenuto terzi suoni, che escono da queste armonie,
come il re e il si b .
12. Col principio del terzo suono da noi adottato pare si apra
la via allo scoprimento di nuovi suoni non contemplati dalle
regole comuni dell’ Arte; e s'intende come nei ripieni istrumen-
tali e vocali si odano formarsi nell' aria dei suoni, ehe sono
Delle dottrine clel terzo suono, ossia della coincidenza ece.
161
perfettamente distinti dagli originäli, ossia da quelli, ehe vengono
intuonati dagli strumenti e dai cantanti. Accade talvolta che
bisogna proeedere a tempo nella Musica, perche i suoni diretti
non abbiano a produrre frastuono coi terzi suoni e con quelli
riflessi. II fenouieno che abbiaino superiormente avvertito del si.'
nella Basilica del Santo si riscontra comune alla Chiesa del
Beato Pellegrino di Padova. Allorche si tocca il tasto del si 1 ’,
risuona piü forte e piü grato all 1 orecchio degli altri suoni. E la
Chiesa che armonicamente risponde al suono intonato.
Couclusione.
Se non erro grandemente, mi pare d’intravedere una analogia
tra il principio dinamico delle vibrazioni sonore e delle vibrazioni
lumiuose dello spettro solare. Chiunque raccolga alla distanza di
qualche centimentro daunprismadi perfettissimo flint lo spettro solare,
non vede che quattro zone colorate separate da luce bianca; e sono
due meno rifrangibili, rossa e gialla, e due piü rifrangibili, azzurra e
violetta. Ciascuno dei colori delle due coppie e separato da un filetto
di luce bianca, mentre l’intervallo, che separa il giallo dall’azzurro,
formato da luce bianca, e senza confronto maggiore. Se il teleriuo, che
raccoglie 1’ anzidetlo spettro, si allontani a paco a poco dal prisma
conservandolo sempre parallele alla faccia rifrangente del inedesimo,
si scorge che nei punti, nei quali i raggi delle due coppie cromatiche
vanno ad incontrarsi, sorge un terzo colore. Cos'i fra il rosso ed il
giallo si genera l'aranciato; fra il giallo e l’azzurro si genera il
verde; fra l’azzurro e il violetto si genera l'indaco, senza che sieno
distrutti i raggi primigenii generatori il terzo colore. L’analogia col
terzo suono corrisponde al caso, in cui il terzo suono generato e
intefmedio ai due suoni generatori. Si ha sempre nello spettro solare
che il potere rifraugibile del terzo raggio e sempre minore del piü
rifrangibile dato. Andre le sperienze di Stock ci guidano a questa
medesima couclusione. Un raggio piü rifrangibile da origine negii
esperimenti del lisico inglese ad un raggio meno rifrangibile. Per
ugual modo parrni che si possa ragionarc dei fenomeni degli spettri
secondarj, e di quelli delle interferenze. Io non intendo di spingere
piü innanzi le analogie; perche le ricerche sulla luce sono ancora
molto imperfette, e lasciano molto a desiderare a chi preferisce i
falti ai sistemi.
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. ßd. I. Hft.
11
VII.
VIII.
IX.
Prospetto
degli esperimenti eseguiti nella Memoria I. sulle dottrine del terzo suono.
I. 512
II. 288
III. 512
IV. 512
V. 512
VI. 64
Suoni fondamentali.
640
64
64
96
X. 256
XI. 256
XII. 256
XIII. 256
XIV. 128
XV. 256
384
853,33
682,66
614
96
72
120
192
263
384
426,66
480
512
768
Serie Prima.
Loro differenza. Loro somma.
128
96
341,33
170,66
102
32
8
56
96
7
128
170,66
224
. 384
. 512
. 1152
. 672
. 1365,33
. 1194,66
. 1126
. 160
. 136
. 184
. 288
. 519
. 640
. 6S2.66
. 736
. 640
. 1024
re del do di 1024 vibrazioni.
fa calante di 9,34 vibrazioni del do di 512 vibrazioni.
fa del do di 1024 vibrazioni.
re# calante di 5,34 vibrazioni del do di 1024 vibrazioni.
re b crescente di 20,08 vibrazioni del do di 1024 vibrazioni.
mi del do di 128 vibrazioni.
re b calante di 2,25 vibrazioni del do di 128 vibrazioni.
sol b calante di 0,32 vibrazioni del do di 128 vibrazioni.
re del do di 256 vibrazioni.
do crescente di 7 vibrazioni del do di 512 vibrazioni.
mi del do di 512 vibrazioni.
fa del do di 512 vibrazioni.
sol b calante di 15 vibrazioni del do di 512 vibrazioni.
mi del do 512 di vibrazioni.
do di 1024 vibrazioni.
162
S e r i
Suoni fondamentali.
I. 1024
II. 1066,66
III. 960
IV. 960
V. 921,6
VI. 1024
VII. 921,6
VIII. 1706,66
IX. 960
X. 1636
XI. 1280
XII. 1280
XIII. 1152
XIV. 512
XV. 512
XVI. 1536
. 1280
. 1280
. 1280
. 1536
. 1536
. 1536
. 1365,33
. 1920
. 1024
. 1600
. 2048
. 1536
. 1600
. 1536
. 2048
. 1706,66
Loro differenza.
. 256
. 213,34 .
. 320
. 576
. 614,4 .
. 512
. 443,73 .
. 213,34 .
. 64
. 64 .
. 768
. 256
. 448
1024
1536
. 170,66 .
Loro somma.
. 2304
. 2346,66
. 2240
. 2496
. 2457,6
. 2560
. 2286,93
. 3626,66
. 1984
. 3136
. 3328
. 2816
. 2752
. 2048
. 2560
. 3242,66
Seconda.
re del do 2048 vibrazioni.
re crescente di 42,66 vibrazioni del do di 2048 vibrazioni.
mi maggiore di 68,16 vibrazioni del do di 2048 vibrazioni.
mi b maggiore di 38,4 vibrazioni del do di 2048 vibrazioni.
mi b del do di 2048 vibrazioni.
mi del do di 2048 vibrazioni.
re calante di 22,07 vibrazioni del do di 2048 vibrazioni.
/«# minore di 71,14 vibrazioni del do di 2048.
Yi maggiore di 64 vibrazioni del do di 1024.
so/# calante di 63,58 vibrazioni del do di 2048.
la calante di 85,33 vibrazioni del do di 2048.
/«# calante di 28,43 vibrazioni del do di 2048.
fa maggiore di 21,34 vibrazioni del do di 2048.
do della tonica 2048.
fa b maggiore di 18,57 vibrazioni del do di 2048
la b maggiore di 5,88 vibrazioni del do di 2048.
Delle dottrine del terzo suono, ossia della coincidenza ece. 163
164
Zantedeschi. Delle dottrine del terzo suono, ecc.
Dal confronto dei numeri riferiti in questo prospetto emerge:
I. Che il terzo suorio, di qualunque ordine sia, e sempre o al di sotto
di tutti due i fondamentali, o fra i due fondamentali. Nel primo di
questi due casi i terzi suoni di coineidenza di primo, secondo,
terzo e quarto ordine ecc. procedono come i numeri 1, 1, 2, 4, 8 ecc.
Nel secondo caso procedono come i numeri 1, 2, 4, 8, IC ecc. Ogni
terzo suono diventa un centro vibrante che coli' attiguo forma altro
terzo suono. Ed in ogni caso legge generale si e, che esso e rappre-
sentato dalla differenza dei due attigui suoni gereratori. Per converso,
sommando i due toni fondamentali si ha sempre un suono superiore agli
stessi fondamentali, il quäle talora coincide col suono annonico conco-
mitante, come e rappresentato nel prospetto serie prima dai numeri
VI, X, XIV, XV, e nella serie seconda dai numeri VI e XIV. Chiunqne
voglia entrare nella discussione di queste ricerche, e pregato a fornire
alla descrizione del metodo seguilo i numeri delle vibrazioni rappre-
sentanti i suoni ottenuti. Io non posso ammettere che le vibrazioni si
somminino da darci un suono rappresentante la loro somma. Quelli che
fino ad ora ho potuto percepire furono sempre gli urmonici concomi-
tanti, o toni interi, come i quattro fa e i tre re registrati ai nun). I,
II, III, IX, XII, della serie prima, e ai numeri I, VII e XIII della
serie seconda; ma da’ miei esperimenti ed osservazioni ebbe a risul-
tare che talvolta il suono fondamentale, come in una campana, fu
accompagnato da tutti i toni dell’ intera ottava, come dirö nella mia
Memoria sulle verghe vihranti.
Zantedeschi. Delle dottrine delterzo sunno.erc.
/
Air. Hofc.Kofn. 5 tadtsdrucTceret.
Sitzungsl). dk. AkacLd.\V r mathnaturw. ClXWÜd. I Heft I85i
Zantedeschi. Deila corrispondenza, che mostrano fra loro i corpi ecc. 165
Deila corrispondenza, che mostrano fra loro i corpi sonori
nella risonanza di piu snoni in uno.
Memoria II del Prof. Zantedeschi.
(Con «na tavola.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 22. März 1857.)
Chiunque ponga mente al suono che rende una corda eonveni-
entemente tesa, si accorge, purche abbia orecchio lino e bene educato,
che esso non e semplice, ma che piü in se ne contiene. Se p. e. la
corda vibrante rende i! do, questo suono e accompagnato da altrisuoni
acuti, tra’ quäli in un modo piü distinto e sensibile quello, che e alia
duodecima del suono principale do, ossia alla ottava acuta di sol,
quinta immediata di do. A questo tien dietro quello che e alla decima
settima maggiore acuta del detto suono principale, ossia dalla
doppia ottava di mi terza maggiore immediata di do. Gli serittori,
che parlano di questo fenomeno avvertono che gli orecchi i piü raffi-
nati discernono altri suorii armonici, come sono quelli delle due ottave
superiori acute, e la quinta e la sesta della seconda ottava. Pongasi
che il tono fondamentale o la tonica sia uguale a 16 vibrazioni per
minuto secondo; nella serie anzidetta si avra:
16; 32; 48; 64; 80; 96; 106 66;
ehe divisi per sedici danno per quoto
1; 2; 3; 4; 5; 6; 6 66.
L'ultiino e il suono perduto cosl demoninato da qualche scrit-
tore, il quäle non pote bene determinarlo parendo quasi fosse inter-
niedio fra la sesta e la settima, come e in fatto. Si a dunque una
serie di suoni armonici, che pare possa estendersi indefinitamente, se
vi fosse l’orecchio di tanta perfezione dotato, da poterne essere in un
modo sufficiente impressionato. Non omefterö di ricordare qualche
fatto speciale avvertito da esperti suonatori del violone o contrabasso.
Pizzicata la corda piü grossa, che e il la basso dell' istrumento, si
edono nettamente la terza, la quinta e l'ottava, cioe il do, il mi e il
166 Zantedeschi. Deila corrispondenza, che möstrano fra loro
la e pizzicando la corda piü sottiie o il cantino, che e il sol, si odono
i suoni armonici della terza, della quinta e dell 1 oltava cioe il si, il re
e il sol, che sono talora accompagnati dal mi ossia dalla sesta. Si
attribuisce dai francesi la scoperla di alcuni di questi suoni arraoniosi
a Sauveur, come emerge da una sua Memoria pubblicata nel 1753.
Noi Italiani attribuiamo un tale onore al Tarlini. Non mancano scrit-
tori che lo dividono con Mersennes e Yallis. E certo che venne in
Italia e fuori dai cultori della Musica studiato, come si ä da Pizzati,
che fece particolari investigazioni; e da liameau nella sua opera
della Genesi armonica.
Le questioni, che vengono proposte intorno a questo argomento
sono le seguenti:
1. Si da suono semplice?
2. Il suono grave precede sempre il suono acuto?
3. Donde ripeter si deve l’origine de’ suoni armonici?
4. Il loro numero e bene determinato?
5. Quali conseguenze si derivano dal fenomeno de' suoni armonici?
Tanto gli antichi che i moderni scritfcori, come puö vedersi in
Tartini in Valloti, in Marloy, ammettono che non si dia suono sem
plice. Una tale dottrina e verissima nei casi i piu comuni del suono
eccitato in un pianoforte, in un violino, ecc; ma non e generale per gli
strumenti a fiato, ne per l’arpa fatta vibrare dalle onde dell’ aria, come
vedremo.
Bisogna sempre porre attenzioneper formarsi un preciso concetto
di questi fenomeni al modo, col quäle si mette iu vibrazione il corpo
sonoro. Fatte vibrare le corde gravi di un pianoforte, col suono fon-
damentale si udirä quasi concomitante il suono della duodecima, ma
quello della decimasettima si udirä sensibile, allorche il suono grave
sarä stato quasi spento intieramente. Il medesimo fenomeno accade
pure con tal ordine negli strumenti sonori a percussione, come e nelle
campane. Cos'i la campana dell’ Universitä di Padova, che ä per tonica
il re, fa udire a distanza la duodecima distintamente; mentre il tono
grave e quasi estinto; anzi pare che il suono acuto si estenda a una
distanza maggiore che il suono grave. Cio fu piü volte verificato dal
distinto Maestro di Musica Sig. Bresciani di Padova. Lo stesso feno
meno venne ancora riscontrato nella terza campana del Duomo di
Padova, che ä per tonica il mi bemolle; come mi fu narrato dal Sig.
Maestro Marzolo ben conosciuto pel suo organo autornatico stampatore
i corpi sonori nella risonanza di piu suoni in uno.
167
riproduttore. Trovandosi egli nella Cattedrale diPadovaad assistere ai
Divini Oificii accompagnati dal canto, e dal suono dell* organo, udi
distintamente il si bemolle della campana suddetta, o la duodecima, e
non ugualmente la tonica fondamentale mi bemolle. Ma nell' arpa di
Eolo (vedi la disposizione nelle figure delle annesse tavole), ehe si fa
suonare da una corrente d’aria, che spira da strette fenditure, eome
da porte socchiuse o da fenestre, il fenomeno accade inversamente.
Da prima si odono i suoni i piu acuti, che sono isolati, e a mano a
mano nella scala discendono fino al tono piii grave che accompagna,
e per cost dire arpeggia. Un arpa munita di otto corde, che erano
perfettamente all' unissono del tono fondamentale 128., diede esposta
al solfio dell’ aria i seguenti suoni incominciando dai piü acuti.
1. Sol 26, sensibilissimo col soffio forte dell’ aria.
2. Mi 24.
3. Do 22.
4. Sol 19, vibrante.
5. Mi 17, molto sensibile.
6. Do 15, poco sensibile.
7. Sol 12, bene sensibile.
8. Mi 10, poco sensibile.
9. Do 8. quasi nullo.
10. Do fondamentale sensibile ed ondulante.
Si vede impertanto che vi e una ripetizione costante della triade
armonica sol, mi, do per ciascuna ottava. Non mai si feeero sentire
ne la sesta, ne la settima, come fu verilicato in altri strumenti. Col
soffio dell 1 arpa piü forte altri suoni piu acuti si odono, per cui si puö
dire che la triade armonica si moltiplica quasi indefinitamente; e che
essa e la forma primitiva od originaria della natura. Conchiudo imper
tanto da questi esperimenti, che ö piii volle ripetuti in concorso del
Sigr. Maestro Marzolo, del Sigr. Assistente Borlinetto e de 1
miei Uditori, che si da suono semplice in qualche cirostanza, come
in quello dell' arpa; che i suoni piii acuti precedono talvolta i piü
gravi; e che non si puö affermare in un modo assoluto, quäle sia il numero
de' suoni armonici o concomitanti delle dilferenti ottave; ma che
in ogni circostanza la forma fondamentale e sempre della triade
sopradetta, che anche dai maestri della Grecia i piü celebri fu
i'ieonosciuta come la piü perfetta.
1 6S Zantedeschi. Deila corrispondenza, ehe mostrano fralon
Que’ scrittori impertanto, che affermarono esserb il tono piü grave
il tono generatore degli acuti, videro parte del vero, come fu il Pizzati;
come videro pure parte del vero coloro, che sentenziarono i suoni
acuti precedere i suoni gravi: tra questi e a noverarsi il Marloy.
Parmi che una corda sonora vibri ad un tempo in tuttalasualun-
ghezza, ed ancora nelle parti armoniche della terza, dellaquinta e del-
l’ottava; ma perö in guisa che la vibrazione dell’intiera corda coesista
alle vibrazioni delle parti armoniche. Non» si puo estinguere veruna
delle vibrazioni parziali, senza che si estinguano tutte le altre. Piz-
zicate una corda, che vi dia p. e. il do fondamentale di 128 vibra
zioni per secondo, e subito dopo stringetela fra le dita. Si estinguono
sulP istante tutti i suoni. Non e cosi in quella vece se una parte
avesse a vibrare indipendentemente dalP altra; come accade viel easo
che si collochi in un punto conveniente della corda il ponticello. Alla
metä della corda anzidetta si collochi impertanto il ponticello. Si
pizzichi una delle sue meta e si avrä la tonica di 64 vibrazioni; ma
nel tempo istesso che suona la meta pizzicata, suona ancora l’altra
meta. II punto a cui e applicato il ponticello e bensl un nodo, ma non
impedisce che passi all’ altra meta il movimento impresso alla prima;
anzi il movimento comunicato alla seeonda meta puö sussistere,
anehe estinto che sia il movimento vibratorio nella prima metä. In
fatti si pizzichi la prima meta e subito dopo col tocco delle dita si
estingua in essa il moto vibratorio ; l’orecchio attento e delicato avver-
tirä la continuazione del suono della seeonda metä. Questo fatto sern-
plicissimo mefte in piena evidenza che ciascuna delle due metä vibra
indipendentemente, sebbene l’una sia stata la causa generatrice del
movimento nelP altra. Se si avesse a premere colle dita il punto, al
quäle e applicato il ponticello, allora sarehhe impedita la trasmissione
del moto vibratorio nella seeonda metä della corda, e si udirebbe
vibrare soltanto la metä pizzicata.
Per tal modo parmi avere ancora risposto alla domanda fattami:
d’onde dipendano o si derivino i suoni armonici.
Io m’avviso che il numero de’ suoni armonici non sia stato
ancora in un modo assoluto determinato. Ne 1 rniei esperimenti se n’eb-
bero fino a dieci, i quali änno la forma costante nella loro ripetizione
della triade perfetta de’ Greci e del Tartini; ma per orecchi piü per-
fetti e per circostanze piü favorevoli parmi certo, che da al tri si tro-
veranno nella scala ascendente e discendente suoni armonici piü gravi
i corpi sonori nella risonanzn di piu suoni in uno.
169
e suoni armonici piü acuti. I limiti dell’ organismo il piü perfetto ed i
limiti dei toni propriamente detti devono necessariamente segnare i
confini di questa ricerca. E un fatto da me comprovato, che un corpo
sonoro vibrante, che dia in un minuto secondo un numero minore di
32 vibrazioni, cessa di essere un tono musicale senza sbattimenti.
Pare che in un decimo di secondo alla generazione del tono piü grave
perfetto debbano coesistere almeno 32 vibrazioni. Ma di cio diremo
trattando degli sbattimenti.
Le conseguenze, chi si derivano dagli osservati fenomeni
interessano in modo speciale Ia pratica, ossia la musica considerata
come arte; perche si apprende quali sieno gli accordi i piü perfetti,
che si devono introdurre nelle armonie e nelle melodie. Se pari all’
ampiezza od estensione de’ nostri strumenti fosse quella della voce
umana, io credo che i nostri cantici o le nostre musiche avrebbero un
carattere piü celestiale ed attraente di quello che posseggono: coli’
accompagnamento il piü basso e coi ripieni delle ottave, i soprani ed i
contralti farebbero risaltare in un modo meraviglioso i sentimenti e
le passioni del cuore umano. „Certo, scrive Pizzati (pag. 222 e
„seg. nella Scienza de’suoni e dell’armonia), che se si
„potessero combinare e proporzionare insieme le voci cogli istru-
„menti in maniera d’avere l’accordo di duodecima e decimasettima, e
„insieme per mezzo delle ottave diminuire i vuoti, che in un suono
„e l'altro vi sarebbero, tale accordo riuscir dovrebbe di tutti il piü
„grato, perche ancorche si debba supporre, che la quinta stessa
„immediata della fundamentale dell’accordo, ela terzamaggiore imrne-
„cliata risuonino insieme coila fondamentale medesima, pur queste
„essendo piücoperteda essa, e peröpiü indistinguibili formar debbono
„meno di varietä. Il poter fare la scelta dei soggetti neeessarj all’
„accordo di duodecima e decima settima non e si facile. Rameau
„(Demonstr. du princip. de l’Harrn., pag. 29) dice di aver cio
„eseguito, e aggiugne D’Alembert (Eiern, de musiq., chap.2,pag 8)
„con otlimo successo nel coro dell’ Atto di Pigmalione messo fuori
„nelP autunno del 1748, dove Pigmalione canta col coro l’Amour
»tr io mp he (pag. 34) :e in questo luogo le due parti del Basso
„vocale e istrumentale formano il suono principale e la ottava diesso;
«il secondo Soprano forma la duodecima; il Soprano primo insieme
„col Contralto forma la decimasettima maggiore e la ottava grave di
»questa decimasettima“.
170 Zantedeschi. Deila corrispondenza, ehe mostrano fra loro
Port» fine a queste considerazioni, ricordando un fenomeno, che
presentano le bande udite da lontano. I suoni intermedii si odono
armonizzare distintamente nell' aria, mentre i gravi dell’ accompa-
gnamento e gli acuti non riescono distinti all’ orecchio ugualmente.
Conclusione.
Dalle esposte dottrine emerge cliiaramentela ragione del metodo
seguito da’ pratici di formare i bassi degli organi unendo in un solo
tasto le note di una ottava do, mi, sol e do; ovvero riunendo in un
solo tasto i due o tre do consecutivi; ne’ quali casi il suono grave
composto, che ne risulta, non e mai uguale in intensitä alla somma
de’ suoni presi insieme, ma e sempre minore. L’armonia di questo
suono composto e una conseguenza di quanto abbiamo detto in questo
scritto, e la minore intensitä e una conseguenza di quanto abbiamo
riferito nel precedente.
Pare che il grande maestro Vallotti abbia preso le mosse da
queste idee, allorche ordinö che nell' organo di S. Giustina di Padova,
egregio lavoro di Don Pietro Nacchino, venissero aggiunte in
tasti separati la duodecima e la decirnasettima, che col ripieno pro-
ducono un rnirabile effetto.
Non so comprendere la ragione, per la quäle questa pratica non
sia stata seguita dai maestri d’organo. Forse che sorga una difficoltä
nella costruzione dei varii fabbricati delle chiese, i quali non sempre
rispondono bene ugualmente ai varii toni. Abbiam noi riferito le par-
ticolaritä della grande Basilica del Santo e della Chiesa del Beato
Pellegrino di Padova; potremo ora aggiugnere quelle di varie altre
chiese, come di S. Paolo diCampo Marzo in Verona, che e armonica, e
che risponde egregiamenle al si bemolle; di S. Sebastiano, che
risponde perfettamente al re maggiore, e di S. Tomaso, che risponde
egregiamente al fa \ di San Zeno Maggiore che risponde al si b ; di
Santa Anastasia che risponde al sol#; e del Duomo che risponde
al la. Si noti che l’orquestra di Santa Anastasia e un po’ piü bassa
di quella di San Zeno e del Duomo. Pare che questa risuonanza sia
un effetto della forma e delle dimensioni di un tempio, di un teatro, o
di una sala da concerto. Sarebbe da studiarsi I'argomento, che deve
fornire materia a gravi considerazioni fisieomatematiche; avvegnache
non occorrano per la medesima forma e per la medesima sostanza dop-
pie dimensioni, per avere la corrispondenza di un tono formato di un
'/ianteileschr. Bella corrisjondenaa nella risonanza di piü suont in uno.
s/x/ssp&//?(/
i corpi sonori nella risonanza di piu suoni in uno.
171
doppio numero (li vibrazioni. La prova di questa asserzione noi la
ricaviamo dalle dimensioni delle casse armoniche dei due diaposon
normali, ehe io feei costruire in Parigi per uso del gabinetto diFisiea
deir i. r. Universitä di Padova. II diaposon piü grave e il do di 128
vibrazioni; ed ä la cassa armonica di abete inverniciata esternamente
della lungbezza . . . di 0 m- 61
„ larghezza . . . „0-218
„ profondita od altezza „ 0-11
„ spessore delle pareti „ 0-012.
II diapason rappresentante il do della ottava superiore, ossia di
286 vibrazioni ä la cassa armonica pure di abete esternamente inver
niciata delle dimensioni:
in lungbezza .... di 0--31
„ larghezza . . . . „ 0-12
„ profondita od altezza . „ 0-068
nello spessore delle pareti „ 0-009.
Le dimensioni, che piü si discostano dalla metä sono quelle, che
agguardano lo spessore delle pareti. II fenomeno adunque contemplato
e una risultante di varii elementi, ed io Iascio ben volentieri l’integra-
zione di questa formola egli ingegni perspicaci e sottili dei Mate-
matici.
172
Zantedeschi.
Deila unita di misura dei suoni musicali, dei loro limiti,
della durata delle vibrazioni sul nervo acustico delV uomo, e
delH innalzamento dei tono fondamentale avvenuto nei diaspa-
son di acciajo, in virtu di un movimento spontaneo molecolare.
Memoria III dei Prof. Zautedcschi.
(Con tre tavole.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 22. Mai 1857.)
I Fisici ed i Maestri dell’Arte musicale hanno in ogni tempo sen-
tito il bisogno di avere un suono lisso, al quäle poter riferire gli
accordi dei varii strnmenti; ma i loro sforzi, sebbene utilissimi alla
scienza e all’ arte, non hanno potuto riunire in un tipo l’universale
consentimento delle intelligenze artistiche. Noi infatti troviamo
appresso i diversi popoli di Europa diapason, che non si accordano
perfettamento fra di loro. Piispetto al diapason normale de’ Fisici di
256 vibrazioni per seeondo, quello di Pietroburgo e da 272 a 276;
quello di Napoli, di 271; quello di Milano, di 268; quello di Venezia
di 266; quello di Vienna, da 265 a 268. Per ugual modo differis-
cono ancora fra di loro quelli di Parigi e di Londra. II bisogno di
avere un diapason tipo e sentito da tutti. In Germania, in Francia ed
in Italia si sono fatte delle proposizioni, le quali, per quanto io conosca,
non hanno ricevuto per anco la sanzione degli uomini competenti. V'ä
ancora un fenomeno particolare, contro dei quäle bisognerebbe met-
tersi in guardia, come si e fatto inFisica rispetto all 1 innalzamento dello
zero ne’ termometri. 11 tono dei diapason nella successione dei tempi
rimane lisso e costante? Una relazione, ch’io trovo nei giornali scien-
tilici della Francia e delF Inghilterra, mi fa credere che avvenga un
innalzamento nella tonalitä.
11 Signor Prof. Liss a j o u s hadeterminato nei 1856 colmezzo dei
Sig. Ferrand, uno dei primi suonatori di violone in Parigi, che il
diapason la alla Grand Opera eseguisse in uri minuto seeondo 898
vibrazioni circa(secondo me il la indicato e di 859 vibrazioni partendo
dalla tonica di 512). Al principio dei secolo XVIII, e precisamente
verso il 1715, cioe negli Ultimi anni dei regno di Luigi XIV., il fisieo
Deila unila <li inisura dei suoni musicali, dei loro liiniti, ecc.
173
Sauveur aveva determinato con moltadiligenza ilvaloredel laadope-
rato nelle orchestre di Parigi ad 810 vibrazioni per secondo. Emerge-
rebbe da questo, che nelP intervallo di 141 anno e piü il diapason
delle orchestre di Francia si sarebbe elevato di 88 vibrazioni circa
(o secondo me 49 vibriazioni). Questo innalzamento sarebbe accaduto
sopradutto in questo seeolo, e in modo piu rapido negli ultimi ven-
ticinque anni. In fatti sotto Luigi XVI, il la dellaCappella reale, secondo
Pfeiffer, corrispondeva ad 818 vibrazioni; nel 1808 il la di una
fluta di Holz apfei, secondoDelesenne, era di 883 vibrazioni; altri
diapason della stessa epoca davano per il la da 837 ad 800 vibra
zioni. Nel 1823, secondo Fischer, il /« fu acjli Italiani di 848
vibrazioni; al Feydaa di 855; all’ Opera di 863. Nel 1834, secondo
Scheibler, il la all’ Opera fu di 86T'5, al Conservatorio, di 870;
nello stesso anno 1834, secondoDeiesenne, il medesimo diapason
sarebbe stato di 882; ed in fine nel 1856 il la dell’ Opern, sarebbe
stato innalzato, come fu detto da principio, a 898 vibrazioni, e
secondo me, partendo dalla tonica fondamentale dei fisici, di 44-67
vibrazioni. AU' Opera Comique il diapason e nolabilmente al di
sotto di quello dell’ Opera; ed e tuttavia elevato di non poco di
quello di 810. Questo innalzamento dei diapason dei teatri di Parigi
si riscontra ancora nei teatri dei dipartimenti della Francia e al di
fuori. Secondo Delesenne il diapason di Lille sarebbe ancora piu
elevato di quello di Parigi ed eseguirebbe 901 vibrazioni per secondo.
Ma quäle potrebbe essere la cagione dell’ innalzamento della
tonalita riferita? Gli strumenti, che servirono di misura, rimasero
veramente fissi nella loro nota fondamentale ? — Dalle ricerche fatte
in Parigi da Marloye risulta, che non si trova un diapason antico,
che porti una nota bene derminata in origine od un prototipo, d’onde
l’incertezza nelle conclusioni di questo argomento.
Si vuoleche l’innalzamento della tonalita sidebba attribuire all' in
nalzamento dei tono fondamentale degli istrumenti tanto a fiato, cbe a
corda; e che il diapason abbia dovuto alzarsi per mettersi in accordo
eogli strumenti. Cosi pensa Figu er con altri di Francia. Secondo me
gli strumenti anno dovuto alzarsi nella tonalita perche colla succes-
sione dei tempo e avvenuto un cangiamento molecolare, che ä appor-
tato un grado maggiore di elasticitä indipendentemente dalle acciden-
talitä, che accompagnano la costruzione dei diapason in acciajo, come
dh'ö alla fine di questa Memoria.
174
Z a n t e d e s c h i.
A quäl fenomeno costante impertanto poträ la tonalita riferirsi,
per avere l'unitä inalterata, che si cerca da tutti ? Gli apparati della
Sirena acustica di Cagniard-Latour e le ruote dentate di Savart
sono ora gli apparati misuratori ai quali in ogni circostanza
dovranno riportarsi i diapason per riconoscere la loro stabilitä. Ma
questi apparati misuratori anno tutta la perfezione, che richiede
un’esatta e precisa misura, come sarebbe quella di un pendolo, acorn-
pensazione perfelta? No certamente. I niantici, quali sono quelli, che
generalmente si usano, non sono bastanternente regolati da dare per
un tempo finito una quantitä d’aria, che si possa dire al tutto costante
da mantenere sostenuto un tono per un tempo qualunqe. Mancanou
essi di un regolatore, che compensi le due quantitä de’ volumi d’aria,
che si introducono e che siernmettono in tempi uguali. II contatore della
Sirena non porla un cronometro a secondi da mettersi in moviinento
nello stesso identico tempo in cui incomincia a muoversi il contatore.
Abbisogna che lo sperimentatore lenga in mario l’orologio a minuti
secondi, e che appunti il movimento dell’ indice al principio e alla
fine dell’ esperienza. E indubitato che una frazione di minuto secondo
puö perdarsi in tale computo. E da ciö si deve ripetere la discordanza
dei risultamenti ottenuti dai varii fisici nella detenninazione del numero
delle vibrazioni nei varii esperimenti. Il difetto riscontrato nella Sirena
acusticatrovasi ancora nelle ruote dentate di Savart. L’apparato mo-
tore manca di regolaritä, rnanca ancor la perfetta detei'minazione del
teinpo della durata di un esperimento. Da ciö la necessitä di dover
prendere la media di molte osservazioni. Nei molteplici saggi, che io
pure feci eoi due anzidetti apparati (Vedi tav. I e II, annesse a questo
scritto) costrutti in Parigi dai Sigr. Fahre e Ku ne mann sui modelli
di quelli di Marloye e diSavart, che trovansi neiGahinetto diFisica
delCullegiodiFrancia, öriscontrata lanecessita di doverprendere delle
medie per fissare il numero delle vibrazioni di due diapason costrutti
nella stessa officinadi Parigi, che erano stati riconosciufi, l’uno di 128
vibrazioni e l'altro di2S6 per minuto secondo (Vedi la tavola II). Tali
numeri io non li ebbi che o per azzardo o molto prossiinamente con
varii esperimenti. Pensai perciö di perfezionare l'apparato misuratore
introducendo le due anzidette tnodißcazioni per aver una misura pre
cisa ed assoluta di una data tonalita di un suono. L’acustica con tali appa
rati perfezionati, che qui in Padova possono esser costrutti dall 1 in-
gegnoso maestro di organi, Sigr. Marzolo, ä il fondamento o l’instru-
Deila unila di misura dei suoni niusieali, dei loro limiti, ecc.
175
inento di precisione per istabilire un suono fisso e per riconoscere
ancora se i diapason, che si ritengono come normali, abbiano subito
verun cangiamento. E indubitato die pel moto intestino molecolare
dabbano accadere dei mutamenti in piü o in meno. Ciö io l’ebbi a
riscontrare in una armonica metallica, che da oltre un mezzo secolo
possiede il Gabinetto di Fisica dell’ Universita di Padova. II do della
prima ottava lo rinvenni crescente, il mi Io riscontrai calante, il la
della seconda ottava abbassato di un mezzo tono, cd il re ed il mi
della terza ottava divenuti disarmonici. Chi e che non conosca l’abbas-
sarsi od il sollevarsi della tonalita per la semplice variazione di tem-
peratura? L’unico fondamento impertanto per istabilire un tono fisso
lo si ä, come si e detto, nella Sirena aeustica e nelle ruote dentate
di Savart con que’ miglioramenti, che sono stati di sopra indicati.
Gli serittori non vanno d’accordo nel determinare l’estensione
Gelle ottave de’suoni, che rispetto al nostro organismo sieno armonici.
Nelle Memorie della Reale Accademia delleScienzedi Parigi Sauveur
diede l’estensione di dieci ottave, ed Eulero limitö questa estensione
a sole otto ottave (Tentamen novae Theoriae Musicae; Petropoli 1764)
„Certa cosa e, serive il P. Sacchi, che le voci acutissime e gravis-
»sime sogliono essere ad udire poco grate, e male oltre a certo grado
„si distinguono gli incrementi e decrementi loro. Questi simili etFetti
„discendono da ragioni contrarie. Conciossiacosache la voce acutis-
„sima ferisce, e stanca il sensorio con Ie troppo frequenti pulsazioni,
„e la gravissima colla tardita e lentezza sua per gli intervalli assai
„distanti, quasi il lascia ozioso. Le voci delle quattro ottave di mezzo,
„come le piü usitate, cosi anche sono le piü dilettevoli, le cui grada-
„zioni meglio si distinguono dall’ orechio. Non e perü a credere che
„la facolta dull’ udito si stenda all’ insü e all’ ingiü in tutti gli uomini
„egualmente.“ (Del numero e delle misure delle corde musiche, e
loro corrispondenze pag. 117. Milano 1761,pressoGius.Mazzucchelli.)
Fra gli orecchi infatti dei divesi individui della specie umana vi
a una grande deficienza di perfezione. 11 che si deriva da due cagioni:
a)dall'organizzazione piü o meno sviluppata, o completa; b) dall’eser-
cizio od educazione dell’ orecebio. Pei suoni gravi Sauveur e
Despretz ammisero 32 vibrazioni per secondo. S a vart le porto
da 14 a 16 semplici. Per gli acuti Savart a 48-000 e Despretz
a 73-700. Ecco come Savart, estendendo e perfezionando i suoi
apparati, giunse al massimo ed al minimo delle vibrazioni anzidette, e
176
Z a n t e d e s c h i.
eome ä esteso aneora i limiti dei suoni sensibili. Egli con una ruota
dentata de] diametro di 0"'-24 portante 360 denti ot enne il limile
del suono percettibile ad 8000 vibrazioni persecondo; con una ruota
del diametro di 0"'-82 munita di 720 denti il limile del suono percet
tibile lo portö a 48000 vibrazioni per secondo. Credette Savart
che questo limite potrebbe essere esteso al di la di questo confine
con una ruota di diametro maggiore ed armata con un numero di
denti tuttavia maggiore. Pei suoni gravi egli alle ruote dentate ha
sostituito un apparato a spatole di legno della lunghezza di 0 m, 60 a
0" 1- 70, ehe faceva passare attraverso la fenditura pratjcata sopra un
robusto banco di legno.
Mettendo in movimento l’apparato, per ogni passaggio della spatola
dalla fenditura, si ode un suono che rassomiglia ad una leggiera esplo-
sione; ma aliorquando si accresce la velocilä da far percorrere al
sistema da 7 ad 8 passaggi di spatole, si ode un suono contimto e
forte da coprire la voce di un organo, o di un basso. Savart valutb
da 7 ad 8 vibrazioni il suono emesso, o da 14 a 15 semplici. Penso
Savart checon spranghepiu lunghe si possonoavere suoni piii gravi,
constituiti cioe di un numero minore di oscillazioni. Si puö adunque
concbiudere che i limiti assoluli dei suoni gravi ed acuti non sieno
stati per anco derminati dai fisici.
Pure perö che nelf apparato a spatole di Savart non si debba
ripetere la gravita del tono direttamente dal numero delle spatole, che
nelf unitä di tempo attraversano la fenditura, ossia dal numero delle
oscillazioni dell’ aria vibrante o del velo aereo squarciato piii o meno
rapidamente dal passaggio delle spatole attraverso la fenditura. A questa
dottrina siera avvicinato De spr etz ammettendo che il tono nell’ap-
parato di Sa vart debbasi ripetere (lalle vibrazioni dell’ aria, e delle
diverse parti dell’ apparato ; ma egli non diede una diretta dimostra-
zione. Noi abbiamo supplito alla mancanza di questa prova, e 1 abbi-
amo dedotta da questo che la bassezza, od acutezza del tono e dipen-
dente dall’ altezza della colonna aerea vibrante.
11 nostro apparato, che abbiamo fatto costruire a Parigi (Vedi
tav. II) pel Gabinetto di Fisica della Universita di Padova, ha le spa
tole della lunghezza di 0 ,n ‘G0, della largherza di 0 ,n '3S, e della gros-
sezza di 0 ,n- 012; la cassa armonica a e della altezza di 0 m- 066 e
quella della cassa armonica b e di 0 m- 033. La distanza totale delle
fenditure dal terreno e di 0"'"95. Nella cassa asi ebbe il si della tonica
Deila unitä di misura dei suoni musicali, dei loro limiti, ecc.
177
fondamentale 128, e nella cassa b il si della tonica fondamentale di
256, cioe in ragione reciproca delle altezze delle colonne yibranti.
Si deve adunque ilsuono ripetere dalla colonna aerea vibrante, e
non dal numero delle spatole, che in una unitä di tempo attraversano
la fenditura, ne dalle vibrazioni delle parti costituenti l’apparato.
Despertz con esperinienti eseguiti con tre diapason due dei
qualidavano le tonicbefondainentali di due prossime ottaveper esernpio
128 e 256, ed il terzo il suono piü acuto, che pote avere, dedusse
il numero delle vibrazioni di quest’ ultimo nell' unitä di tempo di
un minuto secondo, che fu, come abbiamo detto, di 73700, che
da il re un poco calante della tonica fondamentale di 65536 vibra
zioni. Il re immediato sarebbe 73725-5.
I limiti adunque estremi ottenuti dai fisici S avart e Despret z
sarebbero di 16 vibrazioni e di 72700 per minuto secondo.
Iotrovoda un lato di restringere questi limiti pei suoni armonici
e dall' altro di ampliarli. Al di sotto di 32 vibrazioni si änno sbattimenti,
ma non suoni armonici puri, e coli’ ultima corda applicata al piano-
forte, ehe ora sarebbe la novantesima, si ä il numero di 349525-33.
Le durata impertanto di una vibrazione dei tono piü grave
sarebbe di tY di secondo uguale a 0-0313 di secondo; e la durata di
una vibrazione dei suono piü acuto sarebbe di T __<. _ uguale a
0 00000286 di secondo.
II suono piü grave armonico sarebbe costituito da 3-2 ed il suono
piu acuto da 34652-533 vibrazioni; posto che l’impressione nel-
l orecchio non persista che per 0-1 di secondo. Ecco il prospetto dei
suoni comparativi secondo le nostre osservazioni ed esperienze.
I. Do di 32 piedi
la
II. Do di 16 piedi
la
III. Do di 8 piedi
= 10 -m 39,488 = 32 vibrazioni
Limite dei basso dell’ organo
basso dei pianoforte.
= 5-19,744 = 64 vibrazioni
basso'dei violone o cotrabasso.
= 2-59,872 = 128 vibrazioni
basso dell’ Violoncello
basso della voce umana.
= 1-29,936 == 256 vibrazioni
basso dei tenore della voce umana
basso dei contraltoe dei soprano della voce
umana.
Sitzb. d. matliern.-nalunv. CI. XXV. Bd. I. Ilft. 12
sol
IV. Do di
4 piedi
sol
I
178
Zantedeschi.
la
V. Do di 2 piedi
fa
la
VI. Do di 1 piede
acuto del violone o contrabasso.
= 0-64,968 — 512 vibrazioni
basso del violino, delcalarinetto e deloboe
acuto del basso della voce umana
acuto del tenore della voce umana.
= 0-32,484 = 1024 vibrazioni
acuto del viloncello
re acuto del contralto della voce umana.
VII. Do di ‘/iä piede = 0-16,242 = 2048vibrazioni
acuto dell' oboe e del soprano della voce
umana.
VIII. Do di y4 di piede
= 0-08,121 = 4086 vibrazioni
acuto del violino.
IX. Do di y 8 di piede = 0-04,0605 = 8192 vibrazioni.
X. Do di */ 16 di piede = 0-02,03025 = 16384 vibrazioni
limite acuto dell' organo.
XI. Do diy 32 dipiede = 0-01,05145 = 32768 vibrazioni
mi limite del suono di una canna a bocca
del diametro di 4 millimetri e della lun-
ghezza di un centimetro corrispondente a
40960 vibrazioni.
XII. Dodi y 64 di piede = 0-005”'”’ = 65536 vibrazioni.
XIII. Dodi 1 / i2S dipiede = 0-0025 = 131072 vibrazioni.
XIV. Dodi y s58 di piede = 0-00125 = 262144 vibrazioni
fa — 349525,33 vibrazioni
limite attuale acuto del pianoforte.
Durando l'impressione sul nervo acustico per un decimo di
secondo, si avrebbe la coesistente impressione o durata di 34952,533
vibrazioni, corrispondente al suono piü acuto, che siasi potuto pro-
durre fino ad ora dalFarte.
Non sarä del tutto inutile l’osservare che si fabbrieano ora per
uso dei pianoforti ventiotto numeri di corde, delle quali la piü grossa
si adopera sola per un quarto di ottava; due appresso per un’ ottava
e mezzo; e tre pel restante della scala.
La rinomata fonderia di campane in Padova del Sigr. Colbac-
cliini a una esistenza da oltre ottanta anni, e conserva il suo diapason
a canna con embolo, che a due ottave incomiciando da quella di 4 piedi
uguale al do fondamentale di 256; conseva pure un eorista in acciajo,
Deila unita di misura dei suoni musicali, dei loro iimiti, ecc.
179
che in origine era il f'a dell’ ottava di 2 piedi, ossia della toniea di 512.
Ora confrontato col diapason a canna si trova, che esso e piü alto di
mezzo tono, ossia da in un minuto secondo 725-33 vibrazioni. ln
ottant 1 anni il tono originario di questo diapason si sarebbe alzato
di 42-67 vibrazioni, posto che il diapason a canna sia rimasto fisso o
costante.
Noi abbiamo degli argomenti per credere alla inalterabilitä dei
diapason in legno. Ne conserviamo uno, che vanta l’epoca di oltre un
mezzo secolo, formato alla maniera comune, che in origine dava il do
fondamentale di 8 piedi, ossia di 128 vibrazioni per secondo, e che
ora pure coserva la medesima tonalitä; il legno ben stagionato man-
tiene per etä lungliissime Io stato molecolare di aggregamento senza
sensibili alterazioni, a motivo della tessitura fibrosa, laddove nei
diapason in acciajo abbiamo la tessitura granuläre piü mobile od insta
bile. Sappiamo d'altronde che nelle canne non a influenza la Iarghezza,
che varia in proporzione della bocca, e pochissima per non dire nulla,
fisicamente parlando, la variazione della profondita, nei Iimiti pero
di qualche frazione di millimetro. Tutta l'influenza si avrebbe nei
nostro caso a ripetere dalle variazioni accadute nella lunghezza
della canna, la quäle non ci ha lasciato traccia apprezzabile di una
modificazione, che si possa dire sensibile, confrontando le divisioni
notate sulF embolo coi toni che si provocano.
Il Gabinetto di Fisica dell’ Universita di Padova conserva quattro
diapason in acciajo, che sono rappresentati nella ligura dai numeri
1,2, 3, 4 (Vedi Tav. III). Ne conserva pure tre parimenti in acciajo,
che sono rappresentati dai numeri 5, 6, 7; e finalmente tre in legno
di abete che portano i numeri 8, 9, 10. — Dali’ inventario eseguito
dal Sigr. Professore Dal Negro nei 1807, e dal catalogo deile aggi-
unte fatte al Gabinetto nei 1804 emerge, che la data di questi dia
pason devesi almeno riferire al periodo dei 1778 al 1800.
Ecco le dimensioni di cadauno di questi diapason:
quello dei numero 1 e della lunghezza ...... di 0 m -0650
„ Iarghezza 0-0030
„ profondita o grossezza . . „ 0-0060;
quello dei numero 2 e della lunghezza 0-1350
„ Iarghezza * 0-0035
„ profondita o grossezza . . „ 0-0070;
quello dei numero 3 e della lunghezza „0-1130
12
180
Zantedeschi.
0-0070
0-0100;
0-1170
0-0070
0-0100;
della larghezza di
„ profondita o grossezza . . „
quello delnumero4 e della lunghezza „
„ larghezza
„ profondita o grossezza . .
quello del numero 5 ha il braccio maggiore della
lunghezza „ 0-0820
ed il braccio minore, o piu corto
della lunghezza . . . „0-0130
ambedue le hraccia sono
della larghezza „0-0130
e della profondita o grossezza . „ 0-0060;
quello del numero 6 ä il braccio maggiore della
lunghezza „ 0-0885
ad il braccio minore della
lunghezza 0-0565
ambedue le hraccia anno la
larghezza 0-0070
e la profondita o grossezza . . „ 0-0100;
quello del numero 7 e della lunghezza „0-1110
„ larghezza 0-0055
„ profondita o grossezza . . „ 0-0095;
quello del numero 8 e della lunghezza 0-0655
„ larghezza „ 0-0055
„ profondita o grossezza . . „ 0-0075;
quello del numero 9 e della lunghezza „ 0-0850
„ larghezza 0-0055
„ profondita o grossezza . . „ 0-0092;
quello del numero 10 e della lunghezza • 0-3475
„ larghezza 0-0090
„ profondita o grossezza . „ 0-0130.
Il diapason del numero primo porta scritto sopra una delle sue
faccie il sol dell’ottava di un piede, ed ora risponde al la della mede-
sima ottava. Verso la fine adunque del secolo passato, questo diapason
avrebbe dato in un minuto secondo 1536 vibrazioni, ed ora nel 1857
ne vierte a dare 1706-66; nel periodo adunque da oltre mezzo secolo
si sarebbe questo diapason innalzato di 170-66 vibrazioni per minuto
secondo.
Deila unita di inisura dei suoni rnusicali, dei loro limiti, ecc.
181
II eorista dei numero secondo porta scritto, in modo perö che
non e intieramente conservato rilevandosi solo uettamente le due
lettere o ed l, il sol dell' ottava di quattro piedi; esso adunque nel
secolo scorso avrebbe dato per ininuto secondo 348 vibrazioni, ed
ora non si sarebbe innalzato che di circa mezzo tono ossia sarebbe
accresciuto di circa 10 vibrazioni. Cogli strumenti perö impiegati non
ho potuto determinare con precisione il quanto dell’aumento.
II. diapason dei numero terzo, che porta un anello in ottone con
vite di pressione per registrarlo, porta scritto fa dell ottava di due
piedi. Esso avrebbe dato nel secolo scorso per minuto secondo
682-66 vibrazioni. Ora nel 1857 rappressenta il sol perfetto; ossia
da 768 vibrazioni per minuto secondo. Viene esso ad essersi innal
zato di 85-34 vibrazioni per minuto secondo.
Il diapason dei numero quarto con anello pure di ottone, e vite
di pressione per registrarlo, porta scritto in una delle sue facce il sol
dell’ ottava di due piedi. Esso nel secolo scorso avrebbe dato per
minuto secondo 768 vibrazioni; ed ora nel 1857 da il sol un poco
crescente.
Tutti cinque adunque i diapason anzidetti, compeso quello
della fonderia Padovana, avrebbero presentato un innalzamento ma
perö ineguale tanto nelle varie scale, che nella medesima. Gli estremi
sarebhero fra un tono e un quarto di tono circa. Bisogna conchindere
che e ben difficile costruire diapason con acciajo, che si possa dire
ehe abbia la medesima, assoluta e identica disposizione molecolare.
Si osserva nei due diapason ad anello, che il tono si innalza,
allorche l’anello si abbassa; ma che la sonorita in pari tempo si rende
minore; e viceversa si nota, che si rende il tono piü grave portando
l’anello all 1 estremitä superiore dei braccio, e che la sonorita si rende
piü intensa. Si a da questo duplice fenomeno, che la sonorita e in
ragione reciproca dei numero delle vibrazioni. Pare che questa
i'agione inversa dei numero delle vibrazioni colle sonorita si derivi
da questo che il tono dipende dal numero delle vibrazioni eseguite in
una uriita di tempo, e la sonorita dal numero delle molecole vibranti,
0 dall' ampiezza delle loro vibrazioni, come si dice comunemente.
Aliorquando 1'anello si abbassa colla vite di pressione e come
si fosse accorciato il diapason. Il numero delle vibrazioni adunque
deve seguire la ragione inversa dei quadrato della lunghezza dei
diapason, ma in pari tempo 1’ampiezza delle vibrazioni e raffrenata
182
Z a n t e <1 e s c hi.
dalla pressione della vite e al contrario allorquando l’anello si innalza,
o si porta all’ estremitä superiore del braccio del diapason, accade
che la lunghezza del diapason e come si fosse accresciuta; e perciö il
tono si deve render piü grave per la legge anzidetta. Ed in pari tempo
le braccia del diapason non vengono essere impedite, o infrenate nell’
ampiezza delle loro vibrazioni.
Dei tre coristi portanti i numeri 5, 6 e 7 non v’ ä che quello
del numero 6 che dia un tono, che e il do di f / 2 piede, ossia di 2048
vibrazioni, il quäle prontamente si estingue.
Si vede l’influenza delle ineguaglianze delle braccia nella produ-
zione del tono, e la necessitä che le due braccia sieno unite irietallica-
inente nella parte arcuata perehe il tono si generi.
Il diapason del numero 8 di legno da il tono, che e il re dell'
ottava di un piede, ossia 11S2 vibrazioni.
Quello di legno del numero 9 da il fa delfottava di due piedi
cioe 682 - 67 vibrazioni per minuto secondo.
Quello finalmente di legno del numero 10 da il do dell’ottava
di 8 piedi 128 vibrazioni per minuto secondo.
La verificazione di queste tonalita fu da me eseguita coli' organo
del Sigr. Marzolo.e col diapason a canna del Sigr. Colbacchini;
e l'egregio Sigr. Pighi ini fu egli pure cortese di un tale riscontro
a mezzo del proprio corista. In questa occasione ebbi a rilevare
che il suo oboe, che conta circa mezzo secolo, rimase in confronto
degli attuali coristi piü basso di mezzo tono. Il che per me fu
una nuova prova della stabilita del tono dell' istrumento in legno ben
compatto come il bosso e l’ebano stagionati. Dovette egli di alcuni
millimetri accorciare l'instrumento e la piva o imboccatura per rialzare
il tono fondamentale, che fosse in accordo coi diapason attuali.
Da tutto questo noi dobbiamo conchindere all’ instabilita continua
dei diapason in acciajo; e al bisogno di dover ricorrere al diapason a
canna ed embolo, che e piü stabile; ed in ogni caso al confronto con
istrumento misuratore di precisione, quäle e la Sirena; e l’apparato
delle ruote dentale, con que' perfezionamenti, che ho di sopra esposti.
Deila unita di misura dei suoni musicali, dei loro limiti, ecc.
183
Nota alla Memoria III. sulla unitii dei suoni ecc. ecc.
Agli argomenti arrecati io ne posso aggiugnere altro, che mi a
fornito un diapason, che m'ebbi dalla cortesia dei Sig. Francesco
Cavedini di Verona, rinomatissimo fonditore di campane, il quäle lo
ebbe dal suo avolo Francesco egualmente fonditore di campane in
contrada S. Nazzaro di Verona. II Sig. Cavedini Francesco a doeu-
menti per garantire l’eta secolare di questo diapason. Egli pure ne’
suoi registri a notato che in origine era il do della tonica di 2 piedi
dei corista romano. Sperimentando ora io col corista a canna ed em-
bolo della celebrata fonderia padovana, trovai essere il re. Per le
ragione anzidette il corista a canna si dee ritenere come fisso o nor
male; adunque il diapason in acciajo si sarä esso innalzato di un
tono. Ritenuto che il corista romano rispetto al diapason normale de’
fisici di 256 fosse stato di 264, minore ancora di quello di Napoli,
il nostro corista secolare si sarebbe innalzato di 66 vibrazioni per
secondo.— Il la moderno di Vienna, quäle si usa dall’ Orchestra dei
teatro di Verona, a per tonica la nota di un piede eguale a 1024
vibrazioni. Il la sarebbe di 1706-66. Ora eonfrontato questo la con
quello dato dal diapason a canna della fonderia padovana, e innalzato di
mezzo tono, ossia l’aumento delle vibrazioni sarebbe stato di 106-67.
A questo vuolsi aggiugere che le campane nella successione dei
tempi aumentano della loro tonica originaria; e il loro aumento in
termine medio riesce di un quarto di tono. E aceaduto a fonditori di
campane, che essendo stato loro ordinato di rifondere una campana
di un concerto, che era andata rotta, si trovarono in errore essendosi
attenuti per la fusione dell’ ultima ai toni dei loro antichi registri. La
nuova campana si trovö disarmonica colle precedenti e si accorsero
allora dell’ innalzamento dei quarto di tono, al quäle andarono
soggette nella successione dcl tempo le antiche campane.
Non debbo omettere che gli antichi organi dei Nachini, che
contano quasi un secolo e mezzo, quelli ancora dei suo successore
Calido, che anno quasi un etä secolare, furono tutti innalzati nella
tonica di mezzo tono circa per potersi avvicinare a quella dei diapason
moderno, come mi ä assicurato aver eseguito pressoche in tutti gli
or gani di Venezia il Sig. Bassani, distinto costruttore di organi e
successore dei Calido. L’innalzamento sarebbe stato all 1 incirca di
184
Zantedeschi. Deila unita di misura dei suoni musicali, ecc.
mezzo tono; e quasi di un tono sarebbe stato Pinnalzamento in quelli
degli Stati Pontificii fabbricati dal Calido. I distinti suonatori di flauto,
ehe vanta Venezia, anno sperimentato, che quelli fabbricati nel secolo
scorso dal Pallanca, dal Mazzaini, dal Fornari, e da Pellegrino De
Azzi sono di un tono piü bassi di quelli, che si costruiscono attual-
mente. E una grande dispiacenza nell' osservare che non si segue
egola alcuna costante nelle varie citta, e perfino nella medesima.
II diapason del teatro della Fenice di Venezia e piü alto di quello che
segue il Bassani nella fabbrica degli organi; ed egli a due buone
ragioni per attenersi a questa regola. La prima si e, che 1’organo
conserva la sua maestä originaria; e la seconda, che si adatta ineglio
alla voce naturale de’ cantori ecclesiastici. Egli mi ä favorito un
antico corista a canna ed embolo, che e passato tradizionalmente dal
Nachini al Calido e Bassani padre e tiglio. Questo corista o diapason
vale per un’ intera ottava cromatica, che confrontata coi diapason
moderni, e precisamente con quello di Vienna, si trova piü hassa di
mezzo tono circa. Anche questi nuovi fatti, che o potuto raccogliere,
comprovano che i diapason in acciajo colla successione del tempo si
alzarono tutti piü o meno dalla loro tonica fondamentale, rnentre si
conservarono costanti o fissi quelli a canna, che vengono tuttavia
usati nell’ accordo degli strumenti in alcune parti d’ Italia.
■
7iantedeschi. Deila unit'a di mtsura ecc.
Taf.I.
Sirena /iri/jlirei ce/i cro/iomctro.
/'<■/// ma///ür reffo/ntorr
Aif - ilc.ff Tfof-u: Staitciäncckerei
Sil /.mi»sl) d.lt.Vkad.il.Wiinatli.naliirwCl. XXV! I lieft 18.57.
I
Zantedeschi. Deila unitädi misura ee.c.
Taf.n.
Alferxa. d/ctfa cm/ba f 6/0,033
UferAO z-M/a m/sa /a/0,06't
wof
t.Vumero der denfi- drde yua//m rrrefe
.96)
Diame tro del/e raote 0,24
/fueOr dert/a/e dr SaoarO ren rrgo/atvre
Sit/.inioslt.li k.Akad.d W matlinatunv. CI XXV H d l Ifrfl 1851.
Aus ikkflof’ u Staatslmcicr-i
Zanlcdcsclli. -Delta unitä di misura ecc.
Sit ssungsb. (L k. A ka d. (1 U' rnatli
natum.t'1 XXVJtd.t Heft. 1 IUI
Über Thierknospen und Zellen*
185
Uber Thier knospen und Zellen.
Von Professor J. Engel.
(Mit 1 Tafel.)
Zwei Jahrzehnte sind nun beinahe verstrichen, seit Schleiden
und Schwann ihre Untersuchungen über Pflanzen- und Thierzellen,
deren Entwicklung und Fortbildung veröffentlichten. Die Ansichten
dieser beiden Männer wurden von denjenigen Naturforschern, denen
die Zelle wirklich als die wichtigste Elementarform galt — und die
Zahl dieser Naturforscher ist weitaus die grössere — so ziemlich
allgemein angenommen, und wenn auch hier und da im Einzelnen
einiges verbessert, anderes hinzugefügt, manches in spätem Zeiten
anders gedeutet wurde, so hatte doch Niemand an den eigentlichen
Grundfesten der Entwicklungslehre der Zellen, vor allen der thieri-
schen Zellen, im Ernste gerüttelt.
Ein neues Eingehen in eine längst für ausgemacht anerkannte
Sache muss immer als ein grosses Wagniss erscheinen, und ich bin
mir dessen wohl bewusst, indem ich mit einer neuen Ansicht vor die
Öffentlichkeit trete. Aber seit der Zeit, wo ich in meinen Vorträgen
derselben Erwähnung gethan, sind bereits mehr als vier Jahre ver
strichen, und ich hatte seitdem immer Gelegenheit, dieselbe von
Neuem zu bestätigen, so dass mir die Richtigkeit derselben nicht mehr
zweifelhaft erscheint; andererseits lässt die S c h 1 e i d e n - S c h w a n n -
sche Theorie der Entwicklung der Zellen und ihrer Derivate der
Natur der Sache gemäss doch noch eine andere Auslegung zu.
Man mag einer bestimmten Entwicklungslehre noch so fest
anhängen, so viel wird man doch zugeben müssen, dass die Methode,
die Entwicklung mikroskopisch feiner Formen zu studiren, mit einer
grossen Schwierigkeit zu kämpfen hat; diese Schwierigkeit liegt
darin, dass wir in der Regel nicht die werdenden, sondern die gewor
denen Formen zur Untersuchung bekommen, dass wir es gewöhnlich
nicht in unserer Macht haben, den Gang der Entwicklung der Elemen
tarformen so zu regeln, um immer vollkommen sicher zu sein, an dem
186
Engel.
richtigen Ausgangspunkte unserer Untersuchungen uns zu befinden.
Und doch hängt hiervon alles ah. Die verfehlte Wahl des Ausgangs
punktes ist massgebend für die ganze folgende Untersuchung, und
trotz eines richtigen Detailstudiums kann die ganze Darstellung der
auf einander folgenden Entwicklungsvorgänge eine unrichtige werden.
Bei einer Entwicklungslehre mikroskopischer Theile müssen
wir uns die Glieder einer Reihe zusammenlesen und sie nach ihrer
mehr oder minder hervortretenden Ähnlichkeit auf einander folgen
lassen. Niemand bürgt uns aber, dass wir das erste Glied oder die
auf einander folgenden Glieder in allen Fällen richtig gewählt haben.
Reihen von nicht gar zu vielen Gliedern könnten vielleicht sogar völlig
umgekehrt werden müssen. Was z. B. dem Einen ein Zeichen von
Theilung zellenartiger Gebilde scheint, kann bei dem Andern für einen
Beweis der Verwachsung gelten, und es wird schwierig sein, hierüber
mit vollkommener Sicherheit zu entscheiden.
Die Zusammenstellung der Glieder einer Reihe ist aber selten
eine so vollständige, dass nicht oft ein Interpoliren der Reihe noth-
wendig wird. Man glaubt hierbei in seinem guten Rechte zu sein,
denn zwei einander sonst nahestehende Formen lassen — so meint
man — keine andere Ubergangsform als die interpolirte zu, und oft
glaubt man in einer Zeichnung durch einen einfachen Strich oder nur
durch die Verlängerung eines Striches die Reihe vervollkommnen und
sich aus der Verlegenheit ziehen zu können. Aber — so geringfügig
die angebrachte Veränderung zu sein scheint, sollte sie doch mit Vor
bedacht vermieden werden, denn bei Elementarformen, bei denen
man es ohnehin kaum mit mehr als zwei Contourlinien zu thun hat,
ist eine hinzugefügte dritte Linie eine Erdichtung von mehr als der
Hälfte der ganzen Form, und der Fehler wird daher um so grösser,
je einfacher die untersuchte Entwicklungsform ist.
Die Frage über die Entwicklung der Zellen dreht sich haupt
sächlich um einen Punkt, um den nämlich, welcher der verschie
denen Theile der Zelle der erstgebildete sei, ob die Zelle, ob der
Kern, und man ist darin, glaube ich, ziemlich einig, dass der Kern
das erste, die Zelle dagegen das später entwickelte Gebilde sei, und
nur über diese Art, wie sich die Zelle um den Kern oder aus dem Kerne
entwickeln soll, werden verschiedene Ansichten vorgebracht, der
eigentliche Vorgang der Kernbildung wird dabei weniger beachtet.
Entweder lässt man um den vorhandenen Kern eine granulöse Masse sich
Über Thierknospen und Zellen.
187
ablagern, die nach und nach zur Zellenwand sich consolidirt, oder
man nimmt noch kürzer an, dass der Kern später von einer Haut um
schlossen werde, die entweder aus der Blastemflüssigkeit sich bildet,
oder als Absonderung des Kernes selbst entstanden ist; oder man
glaubt, der Kern vergrössere sich, seine Wand werde selbst Zellen
wand, in seinem Innern entwickle sich ein neuer Kern. Keine dieser
Vorstellungsweisen hat den Vortheil, durch eine directe Beobachtung
gestützt zu werden; was man unmittelbar beobachten kann, ist nur
dies, dass bei frisch entstandenen Zellen die Zellenhöhle oft vom
Kerne fast ausgefüllt wird, während bei älteren Zellen der Kern ver-
hältnissmässig klein ist. Diese Thatsachen bilden den Ausgangspunkt
fast aller Meinungen.
Auf die erwähnten Weisen sucht man sich zu erklären, wie der
Kern in die Zelle kommt; dagegen bleibt es ganz unerklärt, wie der
Kern, was so häufig der Fall ist, von einer Duplicatur der Zellenwand
aufgenommen wird, und an diesem einfachsten Umstande, der fast
bei jeder frisch gebildeten Zelle gefunden wird, bewährt sich eben
keine der angegebenen Hypothesen, ausser man greift zu einer neuen
Hypothese, wodurch natürlich die andere nicht eben an Festigkeit
gewinnt.
Mit der ersten Frage hängt eine andere zusammen: wie die
Zellenmembrane selbst sich bilde. Wenn man sie aus einer körnigen
Schicht entstehen lässt, die sich allmählich schärfer abgrenzt und
endlich zu einer homogenen Haut wird, so ist dies wohl nur eigent
lich ein Bild, unter dem wir, gleich den Mineralogen atomistischen
Ansichten huldigend, uns den innern Vorgang der Gestaltung anschau
licher zu machen bestrebt sind, weil wir uns überhaupt die Entstehung
grösserer Theile nicht anders denken können, als indem wir kleinere
Theile Bausteinen ähnlich an einander fügen; aber der wahre Sach
verhalt ist es sicher nicht, und wir müssen uns bescheiden, Membranen
an Zellen als fertige Bildungen anzunehmen, ohne die Art näher
bezeichnen zu können, nach der sie entstanden sind.
Dasselbe gilt auch von einer dritten Frage, nämlich über die
Bildung des Kernes. Man glaubt in den wenigen Fällen, in denen
man noch spontane Kernbildung zulässt, die Entstehung eines Kernes
leichter begreifen zu können, wenn man ihn aus den vielen uns zu
Gebote stehenden Elementarkörnchen durch Zusammenfügung her
vorgeben lässt; aber gewiss mit Unrecht. Durch die Annahme des
188
Engel.
Verschmelzens mehrerer Elementarkörnchen kann man sich allenfalls
bildlich vorstellen, wie ein Körper entsteht, der auch an Grösse
einem Kerne ähnlich wird, nachdem er ihm an Form längst geglichen;
dann hat man aber eben nur ein grösseres Elementarkörnchen statt
mehrerer kleinerer; wie aber daraus ein Kern entsteht, begabt mit
jenen Fähigkeiten, die wir am Kerne doch nie vermissen, namentlich
der Fähigkeit sich weiter zu bilden oder zu theilen, wird eben nicht
erklärt werden können.
Ich halte es für zweckmässiger, die Beantwortung dieser beiden
letzten Fragen der Zukunft zu überlassen und die Sache zu nehmen,
wie sie ist. So wie wir Krystalle nicht im Entstehen beobachten
können, da sie uns immer schon als gewordene Krystalle sich dar
stellen, eben so gibt es gewisse organische Formen, die wir nicht im
Zustande des Werdens, sondern immer nur als gewordene erblicken,
und an diese knüpfen wir an, ihre weiteren Entwicklungen sind Gegen
stand einer naturwissenschaftlichen Forschung.
Schon seit dahren bin ich zur Überzeugung gelangt, dass der
Kern nicht dasjenige Gebilde sei, welches zuerst entsteht; durch
die Untersuchung des Wachsens abgeschnittener Haare ist diese Über
zeugung nicht nur befestigt worden, sondern es ist auch der unmittel
barste experimentale Beweis dafür gegeben worden, ein Beweis, der
nicht vielleicht zufällig nach vielem vergebenen Suchen, sondern nach
Belieben, ich möchte sagen jeden Augenblick, von jedem geführt
werden kann, so dass der Vorgang der Zellenbildung wenigstens für
diese Art productiver Thätigkeit, als das Nachwachsen abgeschnittener
Haare ist, und mithin auch nach der Analogie für das Nachwachsen
anderer durchschnittener Theile der unmittelbaren Beobachtung unter
zogen werden kann.
Aus den Spitzen abgeschnittener Haare, ja selbst einzelner Fasern
der Haare, sieht man nämlich Kn ospen hervorbrechen, die weder
aus Zellen, noch aus Kernen herauswachsen, aber anfänglich die rund
liche Form einer thierischen Zelle besitzen, welche bei fernerem
Wachsthum in eine sogenannte spindelförmige Gestalt übergeht.
Nachdem diese Knospen durch eine bestimmte Zeit blos wieder zur
neuen Knospenbildung verwendet worden waren, von denen jede eine
zellen artige Form besitzt, ohne selbst die anderen Embleme
einer Zelle (Kern, Inhalt, Zellenwand) zu zeigen, beginnt erst, und
zwar wieder in einer messbaren Zeit, die Bildung von Kernen oder,
Über Thierknospen und Zellen.
189
besser gesagt, von kernartigen Gebilden, und die Zelle ist nun
fertig; wenigstens lässt sich zwischen der so entstandenen und den
anderen thierisehen Zellen auch nicht der geringste Unterschied auf-
finden; auch ist bisher Niemanden eingefallen, diese Zellen des
Haares für etwas anderes als für Zellen zu erklären.
Da an den nicht abgeschnittenen Haaren, auch an den Haaren
neugeborner Früchte, ganz ähnliche Formen Vorkommen und man die
abgeschnittenen Haare vom nicht abgeschnittenen Nachwuchse über
haupt nicht unterscheiden kann, so hatte ich wohl Recht, zu schliessen,
dass der Zellenbildungsprocess auch an diesen letzteren in ganz glei
cher Weise vor sich gehe.
Ich dehnte dann meine Untersuchungen auf die Federn aus. Auch
hier fand ich die Knospenbildung der Zellenbildung vorausgehen,
was mir um so wichtiger war, als man gerade bei den Federn die
Analogie der pflanzlichen und thierisehen Zellen am besten nach-
weisen kann, und die Zellen der Federn, sowie jene der Chorda
dorsalis hei dem ersten Versuche einer Entwickelungsgeschichte
der thierisehen Zellen eine Hauptrolle hatten. Auf diese Weise war
das vermittelnde Glied zwischen den Wachsthumsformen verletzter
und nicht verletzter ursprünglicher Theile gefunden; die Thatsache
scheint mir nun festzustehen, dass die Kernbildung der Zellenbildung
nicht vorausgehe, oder, besser gesagt, dass weder Zellen- noch Kern
bildung der erste Bildungsvorgang seien. Nachdem ich diese That-
sachen einmal aufgefunden, erklärten sich mir viele der in Zellen zu
beobachtenden Vorgänge in überraschend leichter (freilich den bisher
gangbaren Ansichten über die Zelle widersprechender) Weise, und
so glaubte ich nicht länger zögern zu sollen, die Zeilenentwickelungs
lehre zu geben, wie ich sie seit Jahren durch zahlreiche Untersuchun
gen als die nicht nur mögliche, sondern auch wirkliche bewährt
gefunden habe.
Man kann die Frage, ob Zellen durch eine Art von Generatio
originaria aus plastischen Flüssigkeiten entstehen, als abgethan an-
sehen, und da fast Niemand mehr dieser spontanen Bildung von Zellen
das Wort zu reden bereit sein dürfte, von der Thatsache ausgehen,
dass zurEntstehung von Zellen präexistirende Formen nothwendig sind.
Der Zellenbildung geht am abgeschnittenen Haare die Knospen-
bildung voraus. Die Knospe ist ein rundliches Gebilde, welches, wenn
•flanes sich isolirt denkt, als eine kugelartige homogene Masse erscheint.
190
Engel.
in der kein Unterschied zwischen Peripherie und innerer Substanz
gemacht werden kann. Nichts desto weniger scheint ein solcher
Unterschied zu bestehen, denn an den nachfolgenden nun zu beschrei
benden Vorgängen betheiligt sich die äusserste Peripherie der Knospe
nicht.
In der structurlosen Knospe Fig. 1. beginnt eine Abtheilung
in zwei Hälften, a und b Figur 2, ganz nach dem ursprünglichen
Typus der Knospenbildung überhaupt. Jede Knospe an abgeschnit
tenen Haaren erscheint gleich von dem Augenblicke an, wo sie über
haupt zu erkennen ist, als ein fertiges Gebilde, dessen Zusammen
fügung aus kleinen Theilen eben so wenig beobachtet werden kann,
wie die des mikroskopisch kleinen Krystalles. Wo sich eine Knospe
abschnürt, geschieht dies nicht allmählich, sondern die Abschnürung
tritt uns eben fertig entgegen, ohne dass wir den Vorgang der
Abschnürung Schritt für Schritt verfolgen könnten. So erscheint aucli
die Abtheilung a der 2. Figur unvermittelt und gleich ursprünglich
vollständig, ohne Zwischenglieder und ohne allmähliche Übergänge
von einem minder entwickelten zu einem entwickelteren Zustande.
Das eben Gesagte gilt aber nicht hlos von Knospen abgeschnit
tener Theile, sondern ist, wie noch ausführlicher erörtert werden
soll, überhaupt der Typus der Zellenbildung.
Die Räume a und b der 2. Figur haben mannigfache Schicksale.
Die Äbtheilung b erscheint nicht selten minder durchsichtig und
dann gilt uns Figur 3 für eine Zelle, in der a den Kern darstellt,
während in b ein etwas trüber Zelleninhalt enthalten zu sein scheint.
Der Kern a ist in diesem Falle wandständig, liegt jedoch an der innern
Wand der Zelle nackt, d. h. er ist in keiner Duplicatur der Zellen
wand eingeschlossen.
Denkt man sich die Kugelzelle Figur 3 so um ihren Mittelpunkt
gedreht, dass a gerade nach oben zu liegen kommt, so ist der sehr
helle Kern dem Anscheine nach ein centralstehender. Zwischen dem
Kerne und der ganzen Zelle besteht ein bestimmtes Durchmesserver-
hältniss, da sich alle diese Formen mit geometrischer Regelmässigkeit
ausbilden. Der Kern a zeigt nämlich einen halb so grossen Durch
messer als die ganze Zelle. In einer meiner frühem Abhandlungen
(über das Wachsthumsgesetz thierisclier Zellen, Sitzungsberichte der
k. Akademie der Wissenschaften in Wien) habe ich dieses Ver-
hältniss in zahlreichen Fällen durch Messungen nachgewiesen, ohne
Über Thierknospen und Zellen.
191
dass mii’ dazumal der Grund derselben klar geworden wäre. Nur
glaubte ich in obiger Abhandlung das Verhältniss
2(«-i)
aufstellen
zu müssen, wo n die entsprechenden Durchmesser des Kerns und der
Zelle in Zehntausendsteln Par. Zollen und die constante Zahl 1 gleich
falls yioooo P. Zoll bedeuten soll. Nach meinem nunmehrigen Dafür
halten ist die negative Grösse im Nenner wegzulassen, was auf das
Gesammtresultat nur einen geringen Einfluss ausüben kann. Ist das
Verhältniss ein anderes, z. B. 2 / 3 , 3 / 4 oder */„, y 4 , so zeigt dieser,
wie noch weiter unten dargethan werden soll, an, dass bereits eine
Veränderung in der Zelle eingetreten ist, oder dass sich die Zelle nach
einem anderen Typus entwickelt hatte.
Beobachtet man eine Zelle vom obigen Verhältnisse */ a in ihrer
regelmässigen Lage, so dass der Kern a gerade nach oben gewendet
ist (Fig. 4), so ist der Kern allseits von der Zellenwand ziemlich enge
umschlossen; der Raum zwischen dem Kerne und der Zellenwand
beträgt nämlich nur die Hälfte des Durchmessers vom Kerne. Man
weiss längst dass hei jungen Zellen die Zellenhaut den Kern ziemlich
nahe umgibt, doch ist’s ganz unrichtig, dass der Kern verhältniss-
mässig um so grösser sei je jünger die Zelle. Es sollte heissen, die
Zelle ist um so jünger, je mehr Kern und Zelle im einfachen Durch
messerverhältnisse 1:2 oder 1:3 stehen.
Im Raume a Fig. 3 wird, wenn er grösser geworden, gewöhn
lich ein Kernkörper sichtbar; wie dieser entsteht, wird später erwähnt
werden.
Die beiden Räume a und b können sich entweder gleichzeitig
und gleichmässig vergrössern, oder es vergrössert sich blos der eine.
Vergrössert sich der Raum a, den ich vorläulig den Kern heissen
mH, ohne damit etwas weiteres über seine Natur andeuten zu wollen,
so wird dadurch der Raum b auf einen schmalen Streifen reducirt,
wodurch die ganze Knospe (oder auch Kugelzelle) das Aussehen der
b. Figur erhält. Liegt der Kern bei der Beobachtung nach oben, so
erscheint die Knospe oder Zelle wie Figur 6 darstellt; ein verhält-
nissmässig grosser, heller Kern wird von einer eng anliegenden Zel
lenwand umgeben. Der so vergrösserte Kern heisst nun bei den
Histologen der Brutraum. Dieser Name wird allerdings gewöhn
lich nur von sehr grossen Zellen gebraucht; aber die Grösse macht
hierbei keinen Unterschied; auch Zellen, die nicht viel grösser sind
■<;
i
192
Enge 1.
als Blutzellen, sind sehr häufig in ganz gleicher Weise wie die Zellen
mit Bruträumen geformt.
Irrtliiimlich glaubt man, dass der Brutraum ein vergrösserter
Kern sei, in dem der Kernkörper zu Grunde gegangen. Der Kern
körper war aber überhaupt nie zugegen, und der sogenannte Kern ist
nur eine Abtheilung einer Knospe, eine Knospe in einer andern.
Bei sehr kleinen Knospen oder Zellen von Blutkörpergrösse ist
der Kaum b der 5. Figur begreiflicher W~eise so schmal, dass er bei
der bezeichneten Lage leicht übersehen werden kann, was um so
eher möglich ist, da die Contouren hei so kleinen Körpern nicht als
scharfe oder dunkle Linien hervortreten. Man hält dann die Fig. 5
entweder für eine kernlose Zelle, oder für einen nackten Kern und
zieht dann, namentlich bei krankhaften Theilen, aus dem vermeint
lichen Schwinden des Kernes oder aus der Anwesenheit nackter
Kerne Schlüsse, deren Bichtigkeit entweder der nächste Moment in
Frage stellt, oder deren Richtigkeit nicht controlirt werden kann,
weil eben das Object dem Lebenskreise nicht mehr angehört.
Der Raum a bleibt aber nicht immer steril, sondern derselbe
Vorgang, durch den er seihst gebildet worden, tritt auch in ihm von
Neuem auf, und so bilden sich durch neue Querspaltung im Innern
dieses Raumes Formen wie jene der 7. Figur und verschiedene andere,
von denen im Verlaufe noch die Rede sein wird.
Eben so häufig kommt es vor, dass der Raum b (der 3. Figur)
sich unabhängig von a vergrössert, und so entsteht nun die 8. Figur,
in welcher bei grösserer Ähnlichkeit mit den bekannten Zellen, die
Durchmesser des Kernes und der Zelle in jedem andern Verhältnisse
als 1:2 oder 3 stehen können. In einer grossen Zelle erscheint ein
verhältnissmässig kleiner Kern, was man zwar gewöhnlich von einer
Schrumpfung des Zellenkernes herleitet, was aber in derThat nichts
anders ist als ein Stehenbleiben des Kernes auf einer einmal ange
nommenen Grösse.
Zellen von der Art wie sie die 8. Figur darstellt, bleiben nicht
selten was sie sind, sie entwickeln sich in keiner andern Weise. Sie
sind gewöhnlich mehr platt als kugelrund; ihre Contouren sind sehr
scharf, wenngleich fein; ihr Inhalt ist durchaus formlos, farblos und
durchsichtig; ihr Kern ragt nackt in die Zellenhöhle hinein, ist aber
an einer Stelle der Wand festgewachsen. Die Zellenwand scheint
ziemlich spröde zu sein, denn man bemerkt nicht selten Risse in der-
Über Thierknospen unil Zellen.
193
selben und bekommt daher in Theilen, in welchen derartige Zellen
in grösserer Menge zugegen sind, hei nicht ganz sorgfältiger Prä
paration leicht Trümmer von Zellen zu Gesichte.
In manchen Fällen entwickeln sich aber auch in dem Piaume b
wieder neue Abtheilungen und es entstehen dadurch Knospen, die
aus lauter zwiebelartig in einander geschichteten Schalen bestehen.
So entsteht z. B. aus der Fig. 8, in der drei solcher Abtheilungen
a',a, b vorhanden sind, deren vier und noch mehrere (Fig. 9).
Gewöhnlich hat dabei die ganze Knospe ihre Form verändert und
statt der kugelrunden Gestalt zeigt sie eine längliche, last tannen
zapfenartige Form.
Nicht immer aber ist eine derartige Theilung so regelmässig,
dass jede Schichte eine genau bestimmte Gestalt, etwa die einer
stark concav-convexen Linse besässe; die Theilungslinien nehmen
im Gegentheiie oft verschiedene Lagen gegen einander an, wodurch
eine solche Schicht an der einen Seite oft beträchtlich dicker wird
als an der andern; das Princip bleibt aber immer dasselbe, nur die
Detailausführung ist verschieden.
Jede Unterabtheilung dieser zwiebelartigen Knospen zeigt aber
wieder ein mehr minder regelmässiges Zerfallen in ähnliche blatt
artige Schichten und so erblickt man nicht selten Knospen mit viel
fach über einander gelagerten Hautschichten (Fig. 10), deren Zahl
mithin um so grösser wird, je älter die Knospe geworden.
Ist diese Spaltung bis zu einem gewissen Grade gediehen, dann
erfolgt nicht selten die letzte Metamorphose. Der an der Basis die
ser Knospe zurückgebliebene Raum a Fig. 10 spaltet sich abermals,
meist in zwei congruente Theile (Fig. 11); jede der darauffolgenden
Schichten gleichfalls in untergeordnete, selten parallel liegende Ab
tbeilungen. Die letzte Schichte b entwickelt sich nicht selten zu
einer Terminalknospe (b Fig. 11), in welcher sich derselbe Process
wiederholt.
Die kleinsten Abtheilungen solcher Knospen sehen nun aus wie
die Schuppen von Epidermis. Sie sind mehr minder polygonal gestal
tete Plättchen, mit allen jenen Biegungen und den leichten Facetten,
welche wir auch an Epidermiszellen linden. Sie haben jedoch keinen
Kern. Nur zuweilen erblickt man in einer der Abtheilungen (a Fig. 11)
durch abermaliges Spalten ein kernartiges Gebilde.
Sif zb. <1. mathein.-naturw. CI. XXV. BU. I. litt.
13
194
Engel.
Mit der Form hat die Knospe natürlich ihre Grösse auch bedeu
tend verändert, und solche Knospen streifen nicht selten in das
Makroskopische hinüber.
Ich glaube, dass es Fälle gibt, in denen eine derartige Spaltung
nach allen Seiten der ursprünglichen Knospen entsteht, so dass
makroskopisch-kugelartige aus Blattlagen schalig zusammengesetzte
Körner gefunden werden können, in derem Innern zellenartige Ge
bilde von der Form a Fig. 11 als Kern der ganzen Masse Vorkommen.
Ich habe jedoch diese Art von Bildung nicht weiter verfolgt; doch
glaube ich, sind sie in den Epitheliomen eben nicht selten. Die koni
schen tannenzapfenartigen Formen, die ich im Vorhergegangenen
ausführlicher geschildert habe, finden sich im physiologischen Zu
stande an den Spitzen der Federn bei ganz jungen, eben ausgekro
chenen Vögeln.
So weit die Bildungs- und Entwicklungsgeschichte der Knospen
(Zellen) mit wandständigem, nacktem Kerne.
Aus ganz ähnlichen Knospen wie Fig. 1 bildet sich aber auch
durch doppelte Spaltung die 12. Figur, und zwar auch hier wieder
ohne Übergangsglieder, d. h. ohne dass der Bildungshergang über
haupt beobachtet werden könnte. Es entstehen so zwei einander ganz
gleiche meist regelmässig kugelige Abtheilungen a und b (Fig. 12),
deren jede demnach halb so gross ist wie die ganze Knospe Fig. 12.
Ohne dass eine weitere Änderung vor sich geht in der Form der ein
zelnen Abtheilungen, wird die zwischen denselben liegende Portion
der Mutterknospe trübe (Fig. 1 3.) Hierauf erfolgt die Vergrösserung
einer der Abtheilungen a oder b, und eine Knospe mit zellen artigem
Aussehen ist nun fertig. Die nicht vergrösserte Abtheilung a Fig. 14
bildet nun den sogenannten Kern, die vergrösserte Abtheilung b den
Zellenraum; der Kern ist zwischen den Contouren der ursprüng
lichen Knospe und jenem der kugeligen Abtheilung b eingetragen;
er scheint demnach in einer Duplicatur der Zellenwand zu sitzen,
welche ihn nur an einem Punkte berührt und in dieser Profilansicht
eine halbmondartige Form zeigt.
Wenn die 14. Figur eine andere Lage annimmt, so dass der
Kern gerade nach oben dem Beobachter zugewendet erscheint, dann
hält man ihn für central liegend, weil er gerade die Mitte der Scheibe
einnimmt, welche der Contour der Knospe bildet. Er ist aber nichts
desto weniger in allen Fällen excentrisch oder wandständig.
Über Thierknospen und Zellen.
195
Das numerische Durchmesserverhältniss gestaltet sieh auch hier
wieder höchst einfach. Gewöhnlich wird die Abtheilung b doppelt so
gross als die Abtheilung a in jedem ihrer Durchmesser. Der Durch
messer des Kernes steht daher zu jenem der ganzen Knospe nahezu
wie 1:3 — ein Verhältniss, welches ich in meiner oben erwähnten
Arbeit über die Zellenentwicklung zwar nicht als das einzige, aber so
häufig gefunden habe, dass ich es als Ausgangspunkt aller weiteren
Berechnungen machte.
In dem Kerne kann später ein Kernkörperchen auftreten; dann
ist die Analogie mit den gewöhnlichen Zellen vollkommen festgestellt.
Auch Formen von der Figur 13 gelten gewöhnlich schon für
vollständige Zellen, hei denen der nicht selten etwas frühe Kern
(Fig. 13 Ä) in einer Duplicatur der Zellenwand sitzt. Bei diesen
zellenartigen Gebilden sind dann die Durchmesserverhältnisse von
Kern und Zelle wie 1:2.
Aus der Knospe Fig. 1 entstehen aber nicht selten 3 Abtheilun
gen a, b, c von vollkommen gleicher Grösse und Form (Fig. 15). Da
durch, dass die zwischen den einzelnen Abtheilungen befindliche
Masse der Knospe sich trübt, entsteht die 16. Figur. Indem nun eine
von diesen Abtheilungen, z. B. c, sich aufs Doppelte vergrössert, ent
steht die 17. Figur, und es bildet sich eine zellenartige Knospe mit
zwei dicht an einander liegenden und scheinbar von einer Duplicatur
der Zellenwand eingeschlossenen gleich grossen Kernen. Der weitere
Entwicklungshergang ist dann wie hei den einkernigen Zellen.
Zwischen den Zellen mit nackten und jenen mit eingeschlosse
nen Kernen gibt es weiter keine Übergänge. Der nackte Kern wird
nicht zum eingeschlossenen, und umgekehrt. Doch können sehr wohl
in demselben Gewebe nacktkernige Zellen neben andern sich vor
finden, da in beiden in der That der Bildungsgang, kleinere Umstände
ithgerechnet, ein gleicher ist.
War die Knospe Fig. 1 entweder gleich ursprünglich oder durch
einen späteren Theilungsproeess in 4 Abtheilungen zerfallen (tig. 18)
und vergrösserte sich eine dieser Abtheilungen, während die andern
stationär blieben, dann entsteht die 19. Figur. In dieser finden sich
3 Kerne in einer Gruppe neben einander und zwar nach einer ganz
bestimmten Art gruppirt, eingeschlossen von einer Falte der Zellen-
wand. Gewöhnlich besitzt keiner dieser drei Kerne einen Kern
körper.
13
196
Enge 1.
Sind die drei- oder auch mehrfachen Kerne einer Zelle anders
gruppirt, so ist der Bildungsgang ein anderer, wie noch später aus
einander gesetzt werden soll.
Durch weitere Vergrüsserung ändert sich das ursprünglich ein
fache Durchmesserverhältniss des Kernes mit der Zelle, und bei
grossen, meist nur wenig regelmässig geformten Zellen sind diese
numerischen Verhältnisse die verschiedensten, wie sie zum Theile
der blosse Zufall hervorzubringen vermochte.
Auch bei den oben bemerkten Knospen der zweiten Kategorie,
nämlich denen mit eingeschachteltem Kerne, ist eine fortgesetzte
Theilung möglich, nur erfolgt sie in anderer Art als bei denen der
ersten Kategorie. Bei diesen betheiligten sich nämlich eben sowohl
der Kern als auch die sogenannte Zelle in ganz gleicher oder nahezu
ähnlicher Art; bei den Knospen mit eingeschaltetem Kerne jedoch
ist entweder der Kern bei den nachfolgenden Produetionen ganz
unbetheiligt, oder er unterliegt zwar einer Theilung, producirt aber
wenig und nur die Zelle ist der eigentlich productionsfähige Tlieil.
In den zellenartigen Knospen (Fig. 14 oder 19) mit einge
schachteltem Kerne wiederholt sich derselbe Vorgang, durch wel
chen die Knospe 12 aus der Knospe 1 entstanden ist, und es ent
steht die 20. Figur — eine Zelle, mit einem wandständigen, einge
schachtelten Kerne, in deren Höhle zwei gleich grosse Zellen oder
kernartige Gebilde sich finden, die den gegebenen Baum bald mehr
bald minder vollständig erfüllen, im ersteren Falle an der Berührungs
stelle sich abplatten, im andern Falle dagegen ihre rundliche Form
unverändert beibehalten haben. Durch einen weiteren Theilurigs-
process, analog dem Bisherigen, entstehen in jeder der Knospen a und
b der 20. Figur die zellenartigen Formen a und b der 21. Figur,
d. h. es haben sich nicht um vorhandene Kerne die Zellen gebildet,
sondern die Kerne sind in der Zelle oder Knospe auf dem Wege der
Theilung oder Knospenbildung entstanden.
Diese Kerne der eingeschlossenen Zellen scheinen meist in
der Mitte der Mutterzelle zu liegen, sind aber wahrscheinlich nach
Analogie mit dem Bisherigen wandständig; nur hindert in der Regel
die Lage der Zelle dieses zu erkennen. Aber statt 2 Zellen sieht
man nicht selten auch 4, 5 und noch mehr Zellen oder kernartige
Körper im Innern einer grösseren Mutterzelle entstehen. Ich sage
absichtlich kernartig, denn da nach dem bisher Gesagten die ersten
Über Thierknospen und Zellen.
197
Abtheilungen, in welche das Innere einer Mutterzelle zerfällt, ein
fache kugelähnliche Massen sind, in denen man keine weiteren Unter
abtheilungen entdecken kann, so werden sie gewöhnlich für Kerne
gehalten; sind letztere dann später wirklich entstanden, so spricht
man, indem man den Kern für das erstentstandene hält, sich gewöhn
lich dahin aus, dass die Zelle sich um den Kern gebildet habe, statt
zu sagen, dass der Kern in der Knospe entstanden und dadurch die
Knospe zur Zelle geworden sei.
Sind 4 oder 5 kernartige Körper im Innern der Mutterzelle zu
gegen, so haben sie meist eine sehr regelmässige Lagerung (Fig. 22
und 23). Sind mehr denn 5 Inhaltsabtheilungen vorhanden, so ist
eine regelmässige Einlagerung zwar wegen der Menge der Gegen
stände nicht mehr zu erkennen, aber mit vollem Grunde zu ver-
muthen.
Nicht immer sind die Inhaltsabtheilungen gleich gross, doch
bemerkt man selbst bei ungleicher Grösse nicht selten eine bedeu
tende Regelmässigkeit. So ist in der 24. Figur eine solche Zellen
form abgebildet, in derem Innern 4 Unterabtheilungen, 2 grössere,
2 kleinere, je zwei einander an Grösse völlig gleich ausgebildet sind.
Bei mehr als vier Unterabtheilungen geht auch hier die Regelmässig
keit scheinbar verloren.
In manchen Fällen unterliegt der ganze Zelleninhalt (der 17.
oder 19. Figur) einer einfachen Theilung und es entsteht daraus die
Figur 25, in der der Inhalt der Mutterzelle eine einzige Tochterzelle
mit scheinhar centralem Kerne ist. Man hat in solchen Fällen so
selten Gelegenheit, die ganze Zelle in einer andern als der gezeich
neten Projection zu sehen; daher erscheint der Kern central; ich
halte ihn aber für wandständig und stütze mich hierbei auf die Ana
logie mit den nun aufgeführten Fällen.
Meine ganze Darstellung des Entwicklungsganges der Zellen
und Kerne ist daher, was die zeitliche Auffassung betrifft, der
gewöhnlich herrs ebend en Ansicht entgegengesetzt. Nach diesen
ist der Kern das erstentstandene, die Zelle bildet sich um den Kern;
Zelle und Kern werden gewissermassen als zwei verschiedene
Dinge betrachtet, so dass der Kern gleich ursprünglich als Kern, die
Zelle als Zelle aufträte, und beide nicht in einander übergehen.
Nach meiner Ansicht ist das was man Kern nennt, nicht das Erst
gebildete, aber auch die Zelle im gewöhnlichen Sinne des Wortes
198
Engel.
ist es nicht, sondern ein dem Anscheine nach homogenes, kugeliges
Gebilde, in welchem Zcllemnembran, Zelleninhalt und Kern erst all
mählich sich abtrennen. Das Knospeninnere zeigt anfänglich sich nir
gends ungleichartig, so dass es vielleicht nur ein Zufall ist, dass sich
die eine Abtheilung der Knospe zum Kerne, die andere zur Zellen
höhle entwickelt, und nicht umgekehrt; der deutliche Unterschied
stellt sich erst später heraus. Aber der Unterschied muss überhaupt
nicht ein starrer sein, und dem entsprechend finden wir in der That
sogenannte Kerne, die von dem eigentlichen Zelleninhalte sieh sein-
wenig abgrenzen, leicht mit diesem sich mengen können, so dass es
in manchen Fällen sogar schwierig wird, den Kern zur Anschauung
zu bringen. — Das was man Zelle nennt, ist somit schon eine
weitere Entwieklungsform der Knospe; der Zellenbildung geht die
Knospenbildung voraus. Aus der Abwesenheit eines Kernes darf nicht
geschlossen werden, dass er bereits verschwunden ist; viel häufiger
ist wohl der Fall, dass er noch gar nicht vorhanden war, sondern
erst später sich bilden dürfte. Bei der Bildung neuer Knospen oder
Keime ist es nicht blos oder vorzüglich der Kern, der durch seine
Spaltung zur Bildung beiträgt, sondern es können sich Kern und
Inhalt der Zelle in gleicher Weise dabei betheiligen, ja die Bildung
geht eben so häufig vom Zelleninhalte als vom Kerne aus. Die Knospe,
der Kern treten uns überall gleich als Ganzes entgegen, nirgends
stossen wir auf eine successive Zusammensetzung der einzelnen Bau-
stücke; die Zelle ist kein Absonderungsproduct des Kernes. Was
bei abgeschnittenen Theilen die Knospe, ist bei ausgebildeten Zellen
ihr Inhalt; wie sich jene allmählich (durch Differenzirung pflegt man
zu sagen) zur Zelle gestaltet, so wird auch der Zelleninhalt zur Zelle,
und zwar wieder ganz nach dem Typus der Zellenentwicklung aus
Knospen. Was daher Kern genannt wird, lässt sich erst im Verlaufe,
wenn diese Differenzirung weit genug vorgerückt ist, erkennen; Kern
und Inhalt der Zelle sind anfänglich nur zwei gleiche Abteilun
gen der Knospe.
Mit dem bisher Erörterten sind die Zellen (oder die in Zellen
umgewandeltenKnospen) bis zu demPunkte gekommen, dass dieBrut,
die jungen Zeilen, oder die jungen Kerne oder Knospen, wie man sie,
je nachdem sie mehr minder ausgebildet sind, nennen mag, ein selbst
ständiges Leben fortführen können. Es beginnt daher auch sehr
häufig ihre Lostrennung von der Mutterzelle oder Mutterknospe,
und zwar in verschiedener Art.
Über Thierknospen und Zellen.
199
Das Einfachste ist die Lostrennung der einen oder der anderen
jungen Knospe, wie sie die 2. oder 12. Figur zeigt, bevor noch
eine vollständige Zellenentwicklung eingetreten ist. In diesem Falle
bleibt zuweilen die andere Zwillingsknospe in der Form der 2G. und
27. Figur zurück, je nachdem sich die junge Knospe von der Knospe 2
oder 12 abgelöst hat. In vielen Fällen scheint sich jedoch die zurück-
bleibende Knospe hei der grossen Plasticität ihrer Substanz rasch
wieder in ein rundes knospen- oder zellenartiges Gebilde umwandeln
zu können, an welcher kein Eindruck, keine Narbe die Stelle verräth,
wo die andere Knospe sich ahgelöst hätte. Ob sich die beiden Knospen
u und b Fig. 12, wenn sie nicht ganz dicht aneinander stossen, lösen
können, so dass das Mittelstück der alten Knospe in der Form, wie
sie die 28. Figur darstellt, als ein selbstständiger Körper zurückhleibt,
ist schwer zu sagen, doch möchte ich dieses nicht bezweifeln, beson
ders wenn ich die Form einiger Blutkörper untersuche.
Die abgetrennte Knospe kann natürlich alle jene Veränderungen
durchmachen, welche so eben ausführlicher von den Knospen erörtert
worden sind; sie kann abermals in neue Knospen sich theilen, welche
sich Avieder ablösen, oder sich zur Zelle umgestalten. Diese Art von
Vermehrung der Knospen möchte ich die äussere oder die exogene
Vermehrung, oder, wenn man lieber will, die Vermehrung durch Ab
leger nennen. Sie ist die einfachste Art der Fortpflanzung; es geht
hierbei keinerlei Materiale verloren. Diese Art von Theilung kommt
gewiss am häufigsten in den zellenartigen Körpern vor, welche in den
thierischen Flüssigkeiten enthalten sind.
In den Fällen, in welchen sich die Zellennachkommenschaft in
einer Mutterzelle entwickelt hat, ist natürlich die Lostrennung der
einzelnen Sprösslinge ohne Zerreissung der Mutterzelle nicht
denkbar. Es scheint mir unwahrscheinlich, dass nach einer solchen
Zerreissung die Öffnung in der Mutterzelle, aus welcher die Tochter
zellen herausgetreten, sich wieder schliessen, die Mutterzelle mithin
in ihrer frühem Art und Weise noch fortbestehen könne, wenn ich
gleich ein solches Vernarben der Mutterzelle nicht ganz in Abrede
stellen möchte. Dagegen lässt sich unstreitig der andere Fall oft
beobachten, dass die Mutterzelle nach dem Austritte der Tochter
zellen im verstümmelten Zustande zurückhleibt (vielleicht um später
vollständig resorbirt zu werden, vielleicht auch um noch längere Zeit
ein selbstständiges Leben fortzuführen).
200
Gugel.
Die Art, wie diese Berstung der Mutterzelle von Statten geht, ist
nicht uninteressant. In einigen Fällen bemerkt man (Fig. 29) in der
Zellenwand eine grosse unregelmässig geformte Öffnung, aus der die
Tochterzellen herausgetreten sind.
In anderen Fällen zeigt die Mutterzelle nicht blos ein einfaches
Loch, sondern sie trennt sich in zwei mehr minder unregelmässige
Hälften (Fig. 30), die blos an der Stelle, wo der Kern sitzt, mit
einander Zusammenhängen. Dieses Fragment der Mutterzelle zeichnet
sich dann nicht selten durch einen hohen Grad von Elasticität aus, so
zwar, dass die beiden Hälften, aus denen das Fragment besteht, nach
dem Austritte der Tochterzellen mit einem Rucke auseinander-
sclmellen, sich strecken (Fig. 31), wobei die äussere Wand der ehe
maligen Mutterzelle sich sogar in kleine Fältchen legen muss. Auf
diese Art entstehen aus den rundlichen Mutterzellen geschwänzte und
spindelartige Zellen oder kleine Faserzellen. Man kann diese Art von
Berstung und darauffolgende Faserzellenbildung ungemein leicht und
oft im Milzblute, im Lebervenenblute, dann aber auch in anderen
thierischen Säften beobachten. Herr Professor Tr eit z [in Prag hat
mich vor Jahren auf diese Art der Bildung der Faserzellen der Milz
aufmerksam gemacht, da er dieselbe aber meines Wissens nirgends
veröffentlicht hat, so erlaube ich mir sie hier anzuführen, ohne von
ihm, dem die Ehre der Entdeckung gebührt, speciell die Ermächti
gung dazu eingeholt zu haben. Seitdem habe ich nicht nur diese
Thatsache vielfach bestätigen können, sondern auch Gelegenheit
gehabt, sie bei Tuberkel- und Krebszellen nachzuweisen.
Die ebenerwähnte Berstung erfolgt übrigens nicht immer so, dass
die Mutterzelle regelmässig der Kernanheftung gegenüber sich öffnet,
sondern öfter bald näher, bald ferner vom Kerne. So entstehen For
men, wie sie in der 32. Figur abgebildet sind —• Formen, die in der
Histologie unter dem Namen der geschwänzten Zellen bekannt sind.
Der Schwanz der Zelle bleibt dabei entweder eingerollt oder er
schnellt gleichfalls auf und stellt dann entweder eine gerade Linie
dar, oder er krümmt sich sogar leicht nach der entgegengesetzten
Seite, wobei die früher convexe, nun concav gewordene Seite in Folge
von Faltungen kleine Einkerbungen darbietet.
Welchen Zweck die Bildung von derartigen Faserzellen in der
Milz haben kann, ob ihnen noch eine weitere Function zugedacht ist,
ob sie blos aufgehäufte Trümmer sind, bestimmt durch eine allmäh-
Über Thierknospen und Zellen.
201
liehe Resorption entfernt zu werden, ist mir unbekannt. Sicher ist
dass diese Zellentrümmer über das System der Pfortader nicht hin
ausgeführt werden, höchstens hie und da spärlich noch im rechten
Herzen Vorkommen, in der Pfortader überhaupt schon seltener sind,
im Blute der Milzvene gegen die Milz hin sich häufen, in diesem Organe
aber in überaus grosser Menge an allen Stellen angetroffen werden,
namentlich an das Balkengerüste desselben sich anlehnen.
Oft bleiben an diesen Trümmern der Mutterzellen noch ver
schiedene Inhaltsportionen sitzen, wodurch die Zellentrümmer ein
eigenthümliches Aussehen erhalten. So bleibt oft an der Mutterzelle
nach deren Berstung die Knospe m (Fig. 23) noch hängen und es
bildet sich daraus die 33. Figur. Oft bleibt die Inhaltsportion o mit
der Knospe n (Fig. 23) an den Trümmern der Mutterzelle hängen
und man sieht dann die Figur 34 — Faserzellen mit doppeltem
Kerne, einem ungestielten von der Faser umschlossenen, einem ge
stielten, der Faser seitlich aufsitzenden Kerne, die bald von gleicher,
bald von ungleicher Grösse sind. Die Faserzelle kann dabei gestreckt
oder gebogen sein, wie dies in der 34. Figur dargestellt ist.
Diese Zellentrümmer haben eine sehr verschiedene Breite; sie
erscheinen oft so breit, wie sie in den Figuren 30, 31, 32, 34 bei
SOOmaliger Vergrösserung dargestellt sind, oft dagegen sind diese
Zellenreste fast linienförmig (Fig. 35) und nur die Gegend des Ker
nes hat noch eine gewisse Breite, dann erinnern die Fadenzellen mit
ungleich langen Fäden (A Fig. 35) sehr an die Spermatozoiden.
Es sind dies die gewöhnlichsten Formen, welche die Mutter
zellen durch ihre Berstung liefern; es gibt noch eine grosse Menge
anderer Gestalten, die übrigens weit weniger regelmässig sind. Sie
alle zu beschreiben und abzubilden, gewährt kein besonderes
Interesse.
Die beiden genannten Arten von Knospen- oder Zellenvermeh-
nung kommen vor in flüssigen oder weichbreiigen organischen Sub
stanzen; in festeren Theilen, wie an den Haaren, Federn, bleibt
entweder die Knospe, wenn sie eine äusserlich aufsitzende ist, eben
an dem Mutterstocke hängen; waren dagegen die Knospen in zellen
artigen Körpern entstanden, so kann die Mutterzelle nicht bersten;
die Brut vermehrt sich innerhalb derselben fort und fort, wobei
allerdings die Wände der Mutterzelle auch Veränderungen erfahren,
von denen später noch die Rede sein soll.
202
Engel.
Bisher sind die Falle erwähnt, dass zellenartige Knospen sich
durch Theilung vermehrten, und die Brutknospen als selbst
ständige Gebilde mehr oder weniger vollständig sich von einander
trennten. Nun kommen aber auch Fälle vor, dass diese Theilungen
im Inhalte einer Zelle zwar vielfältig, jedoch selten ganz vollstän
dig erfolgt, es tritt entweder nur eine ganz unvollständige Spaltung
ein, oder die bereits von einander getrennten Theile, die gewöhnlich
nicht die regelmässig runde Form von Knospen beibehalten, sondern
sich eng an einander legen, scheinen sogar zum Theile wieder mit
einander verschmelzen zu können, so dass es bei dem blossen Ver
suche einer Zellen- oder Knospenbildung bleibt. Es kommen dadurch
Formen zu Stande, wie ich sie in der 36. und 37. Figur dargestellt
habe. Andere hieher gehörige Formen werden noch später bei den
Knorpel- und Knochenzellen, wohin sie gehören, beschrieben werden.
War bisher von der Theilung und dem Freiwerden der Knospen
(oder wenn man lieher will, der Kerne oder Zellen) die Bede, so bietet
uns die Natur häufig aucliBeispiele von Venvachsung der ursprüng
lich getrennten Keime. Gerade jetzt hatte ich von einer solchen Ver
wachsung gesprochen; durch Verwachsung lässt man ja schon seit
langem, namentlich schon seit Schleiden und Schwann ihre wich
tigen und trefflichen Untersuchungen veröffentlichen, Fasern, Böhren
Membranen und so fort entstehen. Ich werde in der Folge zu zeigen
bemüht sein, dass man mit diesen Verschmelzungen der Zellen behut
sam sein müsse, da nicht selten ein ganz anderer Bildungsvorgang
besteht. Dagegen kommen Verschmelzungen in der That in manchem
Gewebe sehr häufig vor und führen dort zu interessanten Resultaten,
vorzüglich zeichnet sich hierin das Knorpelgewebe aus, daher ich die
Verschmelzung von Knorpelzellen an einem Beispiele zeigen werde,
sie gleichsam als den Typus dieses Processes hinstellend.
Zwei neben einander liegende, meist in einer Mutterzelle einge
schobene Knospen oder Zellen von ellipsoider regelmässiger Gestalt
(Fig. 38) zeigen an der Stelle, wo sie sich berühren, eine Abplattung
(Fig. 39), die alle Mittelformen durchläuft, his endlich die einander
unmittelbar berührenden Wände vollständig eben geworden sind
(Fig. 40). Mit der Abplattung der Zelle ist aber auch die Abplattung
des sogenannten Kernes eingetreten. Schon bevor noch die feine
Linie, welche die ursprüngliche Trennungsstelle andeutete, aus der
Mitte des neuentstandenen Körpers gänzlich verschwunden ist, beginnen
Über Thierknospen und Zellen.
203
die Kerne mit zarten linienartigen Ausläufern gegen einander zu
neigen (Fig. 41), und ist endlich die Trennung der beiden ursprüng
lichen Zellen ganz verschwunden, so sind auch die nunmehr leicht
gekrümmten Kerne mit ihren linienartigen Ausläufern an einander
gestoss'en und durch diese mit einander verbunden (Fig. 42). Nach und
nach schmelzen die Kerne vollständig zu einer (in der Horizontal-
Projection ringförmigen, in der That aber) kugelartigen Schale zusam
men, welche eine andere Kugel concentrisch umschliesst, seihst aber
wieder von einer kugelartigen Schale umgehen wird (Fig. 43 und 44).
So entstehen drei in einander geschachtelte zellenartige Gebilde, die
ich in einer früheren Abhandlung (die Entwickelung blasiger und röh
renartiger Gebilde im thierischen Organismus) mit den Namen Mark
raum, Kernraum und Zellenraum bezeichnet hatte. Jede von diesen
Abtheilungen ist noch einer weiteren Entwickelung fähig. So bildet
sich nicht selten in dem Markraume von neuem eine Abtheilung durch
Spaltung (Fig. 45) und man hat nun das Bild und die Genesis der
sogenannten eingeschachtelten Zellen; oder es entstehen im Mark
raume zwei oder mehr zellenartige Gebilde (Fig. 46 und 47), wäh
rend die andern Räume in eine grössere oder geringere Anzahl von
concentrischen Schichten zerfallen; nun nimmt der Körper Form und
Eigenschaften eines dickhäutigen Bläschens an, in dessen Innern eine
fortwährende Bildung neuer zellenartiger Formen vor sich geht, bis
endlich das ganze Bläschen makroskopisch geworden ist.
Hatten sich anfangs die Wände dieser combinirten Zellen in
concentrische Schichten gespalten, so tritt in diesen letzteren später
nicht selten eine Quertheilung auf, und dadurch zerfallen sie in eine
Reihe zellenartiger Gebilde, wie noch später erörtert werden soll,
oder aber sie bleiben zwar gespalten aber structurlos. Diese Ver
schmelzung der Zellen ist auch schon anders gedeutet worden und
wird sogar gewöhnlich anders gedeutet, nämlich als das gerade
Gegentheil, als eine Theilung der Zellen. Man wird aber leicht von
der Richtigkeit meiner Ansicht überzeugt, wenn man einerseits auf
die Grössenverhältnisse, dann aber auch auf die Lagerung aller dieser
verschiedenartigen Formen Rücksicht nimmt. Letztere sind namentlich
in Knorpeln der Art, dass die notorisch älteren Formen den Figuren
43 bis 47 in der Hauptsache gleichen, während die jüngeren Formen
der Reihe nach alle Stadien der Ausbildung von der Figur 42 an bis
zur 38. Figur zeigen.
204
Engel.
Oft geschieht die Verschmelzung zweier zellenartiger Körper
auch bei einer andern Stellung dieser Letzteren. So sieht inan in der
Figur 48 zwei Zellen, deren Kerne einander zugewandt sind. Durch
die Verschmelzung dieser Zellen entsteht die 49. Figur und diese
zwei Figuren sind besonders geeignet, die entgegengesetzte Meinung
zuzulassen, dass nämlich die Figur 48 aus der 49. durch Kerntheilung
hervorgegangen ist. Hier geben besonders die Grössenverhältnisse
Aufschluss, denn in der Mehrzahl der Fälle ist die Figur 49 grösser
als die Figur 48. Zunächst sind aber auch die Lagerungsverhältnisse
von Wichtigkeit, indem dadurch die 49. Figur meist als eine ältere,
mithin mehr entwickelte Form vor der 48. Figur hervortritt.
Auch kann eine solche Verschmelzung der Zellen hei jeder
anderen Stellung derselben gegen einander erfolgen. Die Kerne können
in mehr minder weiten Entfernungen von einander liegen, wodurch
der Markraum, die sogenannte Kernzone und die äussere Zone gleich
ursprünglich andere Grössenverhältnisse bieten müssen. Auch kann
die Lage der Combinationszellen eine vollkommen symmetrische oder
eine mehr minder asymmetrische sein; es können selbst Zellen von
verschiedener Grösse und Form sich combiniren, wodurch natürlich
die Figuren 43 bis 47 an Regelmässigkeit mehr weniger einbüssen.
Dass auch mehr als zwei zellenartige Formen sich combiniren
können, beobachtete ich gleichfalls, wenn auch nur in seltenem Fällen;
es entstehen dadurch Formen, wie sie in der SO. Figur abgebildet
sind. Interessant wäre es, diese Formen bis zu den makroskopischen
Bläschen zu verfolgen; vielleicht würde es sich doch herausstellen,
dass multiloculäre Blasen in diesem Verschmelzungsprocesseprimitiver,
zellenartiger Knospen ihren Ursprung haben.
Was die numerischen Verhältnisse anbelangt, so herrscht
auch sowohl bei den eben erwähnten eingeschachtelten Zellen als
auch bei der Tochterbrut der Mutterzellen oft eine sehr grosse Gesetz
mässigkeit. Haben sich z. B. wie in der 24. Figur in einer kugeligen
Mutterzelle vier Tochterzellen regelmässig, und zwar zwei grössere
und zwei kleinere entwickelt, so ist der Durchmesser jeder grösseren
Tochterzelle in der Regel die Hälfte, der Durchmesser der kleineren
Tochterzelle der dritteTheil vom Durchmesser der ganzen Mutterzelle.
Die Sache ist geometrisch genau, denn wenn zwei sich berührende
Kugeln von einer Kugelfläche umhüllt werden, so haben in den Furchen
zwischen den beiden Kugeln nur Kugeln Platz , deren Durchmesser
Über Thierknospen und Zellen.
205
genau den dritten Theil, aber nicht mehr des Durchmessers der Um
hüllungskugel beträgt. Ich werde auf diesen interessanten Umstand
später noch zurückkommen.
In den Comhinationsknosp en (Fig. 43, 44, 4ä, 49) be
stehen gleichfalls höchst einfache Verhältnisse, auf die ich bereits in
meiner oben citirten Abhandlung hingewiesen habe. Der Durchmesser
des Markraumes ist nämlich entweder die Hälfte oder der dritte Theil
vom Durchmesser der ganzen combinirten Knospe, was natürlich aufs
Genaueste mit den numerischen Verhältnissen übereinstimmt, welche
bereits oben von den einfachen zellenartigen Knospen angegeben
worden sind. Finden sich Ausnahmen von dieser Regel -— und sie
sind nicht so selten — so rührt dies unstreitig davon her, dass die
elementaren Knospen nicht in vollkommen symmetrischer Lage sich
comhinirt haben.
Es ist nun nicht leicht zu sagen, ob allenthalben dort, wo man
kugelige, aus mehrfachen concentrischen Schalen bestehende Körper,
wie z. B. die colloiden Körper hei krankhaften Degenerationen wahr
nimmt, eine solche Zellenverschmelzung vorausgegangen; so viel ist
gewiss, dass diese Zellencombinationen und die daraus hervorgehenden
Einschachtelungen zwar häufig beobachtet werden, aber doch nicht
immer dort angenommen werden müssen, wo eine concentrische
Schichten- oder Schalenbildung angetroffen wird. Später, wo von
Knospung überhaupt die Rede sein soll, wird sich’s zeigen, dass die
Natur einen noch viel einfacheren Weg einzuschlagen weiss, um
solche Schichtenbildungen hervorzurufen.
Dass auch Zellen oder Knospen, die der Reihe nach hinter
einander liegen zu faserigen und röhrenartigen Gebilden, dass Zellen
die neben einander liegen zu hautartigen Schichten verschmelzen
können, wird allenthalben als ausgemacht angenommen und ich habe
keinen Grund dieser Annahme zu widersprechen; aber dieses Ver
schmelzen der Zellen ist dann ein anderes als das eben erwähnte,
denn die Zellen verbinden sich dabei nur zum Theile, indem nament
lich die Kerne unverbunden bleiben, und indem ferner die Zellen,
welche ihre Selbstständigkeit aufgegeben haben, in der Mehrzahl der
Fälle auch aufhören fruchtbar zu sein, während bei den oben be
schriebenen Zellencombinationen so zu sagen eigentlich erst recht die
Fruchtbarkeit beginnt. Übrigens möge man nicht ohne genaueste
Prüfung von Fasern und Röhren, die reihenweise hinter einander
206
Engel.
liegende Kerne tragen, behaupten, sie seien aus verschmolzenen
Zellen entstanden, denn der eigentliche Bildungsgang der Fasern
ist ein anderer, und zwar wie folgt:
Am abgeschnittenen Haare, an der Feder geschieht die Faser
bildung in einer Weise, die für die Faserentwickelungen überhaupt
typisch genannt werden kann.
Hier werden nämlich die rundlichen Knospen, die aus den Enden
einzelner Fasern hervorwachsen, indem sie sich mehr minder in die
Länge strecken, entweder ellipsoidisch aber auch leicht kolbenförmig
(Fig. 51), durch eine unvollständige Längenspaltung zerfallen sie in
zwei weberschiffchenartig geformte Knospen (Fig. 52), von denen in
der Regel die eine, welche keine neuen Knospen treibt, im Wachs-
thume von der anderen, welche wieder Knospen treibt, überholt wird
(Fig.53). Derselbe Process kann sich ein zweites, ein drittes Mal, über
haupt fort und fort wiederholen (Fig. 54) und es treten nun wieder
zwei Fälle ein:
Von den in fortlaufender Reihe gebildeten Knospen verlängert
sich immer nur die eine, nie zu gleicher Zeit die nebenliegende
zweite und es entsteht demnach eine Faser (Fig. 54), an der bald an
dieser, bald an jener Seite von Stelle zu Stelle Knoten seitlich auf-
sitzen, die entweder eine regelmässig längliche, oder eine keulen
artige Form haben (Fig. 55). Gewöhnlich werden diese seitlich der
Faser anliegenden Knoten für Kerne der Zellen angesehen, aus deren
Verschmelzung man eben die Bildung der Faser sich erklärt.
Oder die jedesmalige Knospentheilung ist eine vollständige
Längentheilung und eine unvollständige Quertheilung, und obgleich
die eine Knospe auch hier wieder im Waehsthume von der andern
überholt wird, so bleibt doch keine Knospe steril, sondern jede gibt
wieder durch eine vollständige Längen- und eine unvollständige
Quertheilung zu neuen Knospen Veranlassung. Indem sich daher
durch eine Längenfurchung immer neue Knospen und dadurch neue
Fasern neben einander ausbilden, somit die Zahl der Fasern zunimmt
(Fig. 56 und 57), verlängern sich auch die Knospen und dadurch die
Fasern zu gleicher Zeit, und so geschieht das Wachsthum eines
Gewebes sowohl in die Länge wie in die Breite , aber nicht nach
beiden Dimensionen im gleichen Massstabe; es entsteht nun eine
Fasermasse, wo jede einzelne Faser aus hinter einander liegenden,
meist sehr in die Länge gezogenen spindelförmigen Knoten besteht
Über Thierknospen und Zellen.
207
aber auch mit der benachbarten Faser an irgend einer Stelle oft
nur durch einen feinen Faden zusammenhängt (Fig. 58). Alle diese
Knospen sind keine Zellen und enthalten auch im Beginne keine
Kerne, sondern erhalten dieselben erst später und zwar in
folgender Art:
Durch eine vollständige quere Theilung (Fig. 55 a und b) zer
fällt gerade so wie dies von der Knospe Fig. 1 angegeben wurde,
der Inhalt der Knospe in zwei Abtheilungen, von denen die eine, dem
breiten Knospenende anliegende, gewöhnlich eine regelmässig runde
Form besitzt. Diese beiden Abtheilungen unterscheiden sich nicht
nur durch die Form, sondern auch durch die Farbe, indem die rund
liche Abtheilung gewöhnlich farblos und durchsichtig, die andere
dagegen leicht grau oder gelb gefärbt und minder durchsichtig ist.
Die runde Abtheilung erscheint nun als Kern und die ganze Knospe
hat sonach das Aussehen einer geschwänzten Zelle. So gewinnt es
daher den Anschein, als sei die Faser durch Verschmelzung von
Zellen entstanden, von denen nur die Kerne ihre Selbstständigkeit
behalten haben und daher den Fasern seitlich aufsitzen. Durch das
Erscheinen dieser Kerne und der zellenartigen Form scheint aber die
Natur gleichsam andeuten zu wollen, dass die entsprechende Knospe
aufhöre zur Bildung von Fasern weiter benützt zu werden: denn sie
wächst zwar noch in die Länge, ja es findet sogar noch eine Ver
vielfältigung- der Kerne Statt, aber die Knospe ist gewöhnlich keiner
Längentheilung mehr unterworfen, aus ihr entstehen keine neuen
Fasern.
War die Knospe dagegen eine spindelartige (Fig. 58), so spaltet
sich ihr Inhalt nach dem Typus der 12. Figur gleich unmittelbar in
2 einander ganz ähnliche Abtheilungen a und b Fig. 58. Jede dieser
Abtheilungen kann später wieder in Unterabtheilungen zerfallen, und
so entstehen dem Anscheine nach mehrkernige Zellen (Fig. 58 c),
welche dem ganzen Fasergewebe wieder das Aussehen geben, als
seien die einzelnen Fasern durch Verschmelzung spindelförmiger
Zellen entstanden, wobei die Zellenkerne ihre Selbstständigkeit nicht
aufgegeben haben. Auch hier scheint die Natur gleichsam ihre Absicht
ausgesprochen zu haben, die Knospe zur weitern Faserbildung nicht
zu verwenden, indem in der That in Knospen mit mehreren Zellen
kernen keine Längenspaltung, wohl aber noch eine Querspaltung
des Inhalts vor sieb geht.
208
Fi n g- e 1.
Noch eine dritte Art von Knospenbildung ist hier zu erwähnen,
wobei ebenfalls Fasern entstehen, die aber nur dann aufzutreten pflegt,
wenn bereits die beiden andern Arten gleichsam verbraucht sind. Sie
besteht in Folgendem:
Eine Knospe von cylindrischer Form (Fig. 59) treibt an ihrem
kuppenartigen Ende eine neue anfänglich runde Knospe Fig. 60, die
aber bald darauf cylindrisch auswächst und wieder eine neue Knospe
erzeugt (Fig. 61), worauf derselbe Vorgang sich fort und fort wieder
holt. So entstehen Fasern, die aus perlschnurartig hinter einander
liegenden rundlichen Knospen von ziemlich gleicher Länge zusammen
gesetzt sind; nur die Endknospe ist gewöhnlich, bevor sie sich
getheilt hat, etwas länger und cylindrisch gebaut mit kuppenförmig
abgerundetem Ende. In diesen Knospen findet zuweilen nach dem
Typus der Figur 1 oder 12 noch eine Theilung des Inhaltes Statt,
wodurch die Knospe nun zellenähnlich wird (Fig. 62 bei «), was
wieder leicht zu der Annahme führen könnte, es sei die Faser durch
hinter einander liegende, mit einander verschmolzene Zellen entstan
den. Bei den Fasern der letztgenannten Art liegen die Zellenkerne
nun nicht an den Seiten der Faser, wie bei der 5S. Figur, son
dern sie unterbrechen wie jene der S8. Figur das Innere der Faser
selbst. Auch durch den zuletzt dargestellten Knospungsprocess ver-
grössert sich die Faser blos der Länge nach; anastomosirende
oder verbundene Fasern entstehen blos nach dem Typus der Figur
S6 bis 68.
Merkwürdig bleibt die Unabhängigkeit, welche die einzelnen
Knospen derselben Faser nicht selten in ihrem weitern Verhalten
zeigen. Während die eine Knospe durch Theilung ihres Inhaltes
kernartige Formen oft in nicht geringer Zahl entwickelt und dadurch
zur Zelle wird, ändert sich die zweite Knospe nicht oder nur wenig,
oder die Theilung des Knospeninhaltes erfolgt in einer ganz ver
schiedenen Art. Es herrscht hier nicht selten dieselbe Selbständig
keit, wie an den verschiedenen Schichten der Combinalionszellen
Fig. 46, von denen sich jede Schichte unabhängig von der andern oft
zu den verschiedenartigsten Gewebselementen entwickeln kann. Ge
wöhnlich ist auch in der That der Markraum später mit andern Form
elementen versehen, als der Kernraum, und dieser wieder mit andern
Formelementen, als die äussere Wand der Combinationszelle, möge
sie nun im Ganzen diesem oder jenem Gewebe angehören.
Über Thierknospen und Zellen.
209
Dass in grösseren Knospen auch ein unmittelbares Zerfallen in
concentrische Schichten, dann ein Zerfallen der Hauptschichten in
kleinere, ein Zerfallen dieser in faserartige Fäden erfolgt, habe ich
in meiner Abhandlung über das Wachsen abgeschnittener Haare nach
gewiesen. Dadurch zerfällt eine Knospe während sie sich in die
Länge vergrössert, in eine Menge von Röhren, welche wie die Aus
zugsröhren eines Fernrohres in einander stecken (Fig. 63.) Durch
eine weiter fortgesetzte Theilung spaltet sich wieder jede dieser
Auszugsröhren in eine grössere oder geringere Anzahl in gleicher
Weise in einander geschachtelter Röhren und so entsteht an der Ober
fläche eines Haares eine Reihe von zum Theile paralleler Querstreif-
chen (Fig. 63 a, b) von sehr geringem Abstande, Streifen, welche
nichts anderes bedeuten, als die Enden dieser in einander geschach
telten Röhren; der Abstand dieser Streifen gibt gleichsam einen
Massstab für die Dicke der Röhrenwand. Durch eine fortgesetzte
Theilung in verschiedener Richtung zerfällt später der Zwischen
raum zweier solcher Streifen in kleinere Unterabtbeilungen, welche
die Form von unregelmässigen Schüppchen annehmen, kernlos sind
und gewöhnlich für Zellen angesehen werden, durch deren Zusam-
menwachsen eben das Haar gebildet sein sollte. Diesen Schüppchen
fehlen in der Regel kernartige Gebilde, was man sich dadurch zu
erklären wusste, dass man ein Zugrundegehen der Kerne in den
verhornten Zellen annahm.
Es ist mir sehr wahrscheinlich, dass sich nach dem letztgenannten
System die Hauptschichten an Blutgefässen entwickeln, doch habe
ich hierüber keine weitern Untersuchungen gemacht, daher ich dieses
eben nur als eine Hypothese betrachtet wissen will.
Wenn Knospen von der Reschaffenheit der 58. Figur in ihrem
ursprünglichen Zustande bleiben, d. h. wenn sich in ihrem Innern
keine Kerne entwickeln, so stellen sie, da sie in der Regel dicht
an einander liegen, eine Art Haut dar, die mit lauter länglichen meist
nach einer Richtung streichenden Kernen besetzt zu sein scheint.
Sind diese Knospen überhaupt sehr zart und namentlich nicht dick,
so verschwinden wohl auch die Contouren derselben bald hier, bald dort
und das Präparat erscheint dann wie eine fast structurlose Membrane, in
welcher nur eine leichte Streifung an ihren primitiven Zustand erinnert.
Verschmelzen Knospen oder Zellen, ohne dass die Kerne der
selben ihre Selbstständigkeit aufgeben, so kann dies zwar vielleicht
SiUI). (1. mathem.-natunv. CI. XXV. lid. I. Hfl. 14
210
Engel.
in den verschiedensten Richtungen geschehen, nur hüte man sich
auch hier wieder, eine Reihe, die man sich zusammengestellt, für die
natürliche zu nehmen. Man lässt z. B. sternförmige Zellen mit ihren
Ausläufern Zusammentreffen, sich verbinden, und glaubt auf diese Art
nicht nur die Bildung eines Fasernetzes, sondern sogar die Bildung
eines Blutgefässnetzes erklärt zu haben. Es macht nun allerdings
keine Mühe unter den hundert Figuren, welche man im Sehfelde
zerstreut findet, alle die Glieder einer solchen Reihe zusammenzu
fügen: aber nichts bürgt für die Giltigkeit dieser Reihe ausser der
Umstand , dass das künstlich zuammengestellte Netz mit dem natür
lichen eine grosse Ähnlichkeit besitzt; und es lässt sich nicht in Ab
rede stellen, dass, wenn wir ein Netzwerk von Fasern zu construiren
hätten, wir kaum in anderer Weise vorgegangen wären. Aber was
unserem Geschmacke entspricht und unserer Fertigkeit zusagt, ist
nicht immer der Weg, welcher der Na turbei ihrem Schöpfungswerke
beliebt. Es hiesse viel dem Zufalle anheimgestellt, es könnten sich
ja viele Fortsätze der sternförmigen Zellen gar nicht finden und die
Fasernetze oder Gefässnetze könnten dann jenen regelmässigen Bau
in vielen Organen und sogar in kranken Geschwülsten nicht zeigen,
den sie uns wirklich überraschend oft darbieten. Netze von Fasern
oder Röhren entstehen nicht durchs Verwachsen sternförmiger Zellen.
Bisher wurde nur die Art besprochen, wie durch Knospenbildung
einfache Fasern entstanden sind. Die Entwicklung der Federn zeigt,
wie auch Fasern mit seitlich aufstehenden Ästen sich ausbilden
können. In den Figuren 64, 65, 66 habe ich die Entwicklung der
Ästchen an einem Federschafte gegeben, auch hier hat man eine ein
fache Knospenbildung vor Augen, der die Zellenbildung auf demFusse
folgt, aber nicht nothwendigerWeise folgen muss. Durch die Wieder
holung desselben Vorganges an den einzelnen Ästchen kann ein dicht
verzweigter Baum entstehen. Lägen zwei solcher Bäume neben ein
ander, so wäre freilich nichts leichter, als die Möglichkeit einer Ver
wachsung der Äste beider Baumsysteme zu beweisen; man brauchte
nur immer die kiirzern und längern Äste paarweise neben einander
zu stellen, um dann durch einen Punkt, den man zwischen die längsten
Äste anbringt, die Anastomose zum Schlüsse zu führen. Diese Ast
entwicklung an den Federn scheint übrigens mutatis mutandis das
Schema aller Astbildungen an freien zottenartigen Auswüchsen zu
sein.
Über Thierknospen und Zellen.
211
Gibt es an Blutgefässen seitlich aufsitzencle fadenförmig verlän
gerte Zellen — und sie kommen, wie bekanntlich, nicht selten vor —•
so ist dies noch lange kein Beweis für die Möglichkeit einer Astbildung
oder eines neuen anastomosirenden Gefässes; hat es den Anschein,
als ob zwei oder mehrere sogenannte sternförmige Zellen mit ihren
Fortsätzen zusammengewachsen wären, so ist nach meiner Erfah
rung der Bildungshergang folgender:
Eine Knospe (Fig. 67) theilt sich der Länge nach; die eine
Theilungsknospe theilt sich abermal (Fig. 68) und die Äste treiben
von neuem Knospen (Fig. 69), welcher Process der Knospenbildung
und Spaltung sich noch einige Male wiederholt. Erst nach und
nach bilden sich in den einzelnen Knospen Kerne und es erscheint
nun ein System von anastomosirenden Zellen, dessen Entstehung
allerdings nach der gangbaren Ansicht gedeutet werden könnte,
wenn nicht ein Blick in die Entwicklungsgeschichte uns eines bessern
belehrte.
Mit wunderbarer Wirthschaftlichkeit weiss nun die Natur alle die
verschiedenen Räumlichkeiten zu benützen, welche durch diese Kno-
spentheilungen, Spaltungen des Knospeninhaltes oder Zellenbildung
verwendbar werden und versteht hierdurch Formen zu bilden, deren
Mannigfaltigkeit und zum Theile scheinbare Unregelmässigkeit aus
dem blossen Zusammenwachsen von Zellen nie oder nur sehr gezwun
gen erklärt werden könnte. Um nur einige Beispiele zu geben, so
werden an einer Haarfaser von dem Bau der 62. Figur die zwischen
den einzelnen Kernen a stehenden Abtheilungen oft frühzeitig bohl
und mit Luft gefüllt, und das Haar zeigt dann (Fig. 71) die regelmäs-
sigste Abwechslung schwarzer und weisser Stellen, es erscheint in
höchst zierlicher Weise gestreift (Mäusehaar). Oder wie ich dies in
meiner schon erwähnten Abhandlung über das Wachsen der Haare
gezeigt habe, können die Lufträume nach der Richtung von Spiralen
um den Haarschaft herumgehen, es kann eine einfache Spirale, es
können zwei Spiralen zugegen sein, die entweder parallel oderim
entgegengesetzten Sinne laufen (was sehr an die Spiralgefässe der
Pflanzen erinnert) u. s. f. Aber auch die kleinen Zwischenräume, die
z - B. in den Figuren 21, 22, 23 zwischen den einzelnen kernartigen
Knospen Zurückbleiben, werden aufs Sorgfältigste benützt und die
Formen, die dort entstehen, tragen den Stempel ihres Geburtsortes
an sich.
14
212
Engel.
Dies führt mich nun am natürlichsten zur Untersuchung der
Formen, welche ja an Zellen eine Mannigfaltigkeit besitzen, wie an
keinem andern Gewerbselemente.
Runde und länglich runde Knospen (oder Zellen) sind das
gewöhnliche Ergehniss der ersten Bildung, und alle übrigen Formen
lassen sich auf diese beiden oder besser auf die erstgenannte Grund
form zurückführen. Geschwänzter und spindelartiger Formen und
ihrer verschiedenen Genesis ist bereits bei der Darstellung der
Figuren 27, 31, 55 und 58 erwähnt worden, und man kann dar
aus ersehen, welcher Behutsamkeit es bedarf, um nicht durch einen
Trugschluss aus einer ähnlichen Form auf einen ähnlichen Bildungs
hergang zu rathen. Ausser diesen Formen gibt es aber noch eine
grosse Zahl anderer, ja einige der erwähnten Formen entstehen selbst
wieder auf einem von dem oben beschriebenen durchaus verschie
denen Wege.
Viele von denjenigen Knospen oderZellen, die die Natur erzeugt,
ohne daraus etwas anderes weiter zu bilden, entwickeln sich in Mutter
knospen (Fig. 20—25). Die erste Formveränderung, die sie erleiden,
geht schon hier oft vor sich, man findet unter den daselbst befindlichen
Knospen mannigfach, oft ziemlich regelmässige polyedrische oder
polygonale Formen, wie sie eben aus Abplattung durch ihr enges
Nebeneinanderliegen entstanden waren. In manchen Fällen richtet
sich die Form der Mutterknospe nach der Form, Lage und nach der
Theilungsrichtung der eingeschlossenen Knospen. So wird eine runde
Mutterknospe bei der in der 72. Figur gezeichneten Lagerung der
Brutknospen zu einer im Querschnitte quadratischen, später rauten-
oder parallelogrammartigen Knospe, sobald die Theilung der Brut
knospen bei allen nach der längern Axe erfolgt und es entstehen
die Figuren 73 und 74, dergleichen so häufig in ossificirenden Knor
peln aufgefunden werden. Öfters entstehen durch unregelmässige
und ungleich häufige Theilung einzelner Brutknospen Anhäufungen
derselben an einer Seite der Mutterknospen und dadurch bedeutende
Formveränderungen der letztem selbst.
Die meisten Formverschiedenheiten der Zellen haben aber darin
unstreitig ihren Grund, dass die durch die erste Knospenbildung
disponibel erhaltenen Räume einer Mutterknospe sich neuerdings mit
Knospen füllen, die entweder ganz die Form dieser Räume annehmen,
oder auch an beliebige Theile der Inhaltsportionen der Mutterknospe
Über Thierknospen und Zellen. 213
sich anscliliessen. Berstet nun die Mutterzelle, so werden knospen
artige Gebilde oft von den verschiedensten Formen frei.
Es muss hier nämlich erwähnt werden, dass an die in einer
Mutterzelle gebildeten Tochterknospen nicht selten Port io n en des
Inhalts der erstem sich anhängen, wodurch der Anschein einer
Zelle hervorgerufen wird, in welcher die Tochterknospe als Kern, die
Inhaltsportion der Mutterzelle als Zellenkörper figurirt. Ja der ganze
Inhalt kann nach Berstung einer Mutterzelle entweder an dieser hän
gen bleiben oder auch frei werden. Im ersten Falle bilden sich z. B.
Zellen von der Form der 75. Figur; im andern dagegen zellenartige,
bald rundliche, bald plattrundliche oder auch verschieden gestaltete
Formen mit mehreren kernartigen Gebilden (Fig. 76). Dergleichen
zellenartige Formen, wie die letztbeschriehenen, trifft man nicht oft
in physiologischen, wohl aber in pathologischen Theilen öfters an,
und sie erreichen hier nicht selten eine merkwürdige Grösse. Wenn
Mutterzellen von der in der 24. Figur abgebildeten Form bersten, so
theilt sich der Zelleninhalt nicht selten in mehrere rundliche und
einige keilförmige Massen von der Figur 77, welche ein kernartiges
Gebilde enthalten und daher für Zellen gelten, ungeachtet der Zellen
körper durchaus nichts nach aussen hin fest begrenztes darstellt.
Oder wenn Mutterzellen von derForm der 20.Figur bersten, so bleiben
an den grossem rundlichen Knospen Inhaltsportionen hängen, wo dann
die Form 78 sich bildet, welche einer geschwänzten Zelle ähnlich
ist. Oder nach Berstung der Mutterzelle Fig. 24 entstehen zellenar
tige Formen von der Figur 79, daneben runde oder auch geschwänzte
Zellen, wie sie denn eben der Zufall mit einander verbunden hatte.
Oder wenn Mutterzellen von der Form Fig. 22 sich öffnen, so nehmen
einige der Brutknospen die Form der 80. Figur an. Durch Berstung
der Mutterknospen Fig. 23 entstehen die Figuren 81 und 82 und
dgl. Überhaupt sind hier die verschiedenartigsten Combinationen
denkbar und die Natur bringt sie in derThat auch oft genug hervor,
wie dies ein flüchtiger Blick auf die bizarren Formen in gewissen
Markschwämmen zur Genüge zeigt.
Ganz so wie hier runde (kernartige) Knospen mit verschiedenen
Inhaltsportionen von Mutterknospen sich verbinden und dadurch ver
schieden geformte zellenartige Körper bilden, nehmen auch die in
einer Mutterknospe enthaltenen Brutknospen statt der runden andere
formen an, wie sie eben der verfügbare Raum gestattet und indem
214
Engel.
sich durch eine Spaltung ihres Inhaltes später ein Kern entwickelt,
werden sie zu wirklichen Zellen, dergleichen man täglich namentlich
hei der Untersuchung krankhafter Geschwülste in grosser Menge und
in allen Formen beobachten kann. Von den früher beschriebenen, um
eine kernartige Knospe hlos gruppirten Inhaltsproportionen unter
scheiden sie sich dann nur durch ihre schärfere und beständigere
Begrenzung, was auf die Anwesenheit einer Zellenmembrane schliessen
lässt.
Hat sich eine Mutterknospe von der Form der 3. Figur, nachdem
in ihrem Inhalte eine Spaltung vor sich gegangen ist, etwas in die
Länge gezogen (Figur 83), und hat sich in ihr derselbe Spaltungs-
process noch ein paarmal nach gleicher Richtung wiederholt, wäh
rend die Mutterzelle eingeschoben zwischen ähnlichen Zellen und von
diesen allseitig umgeben eine mehr parallelipipede Gestalt angenommen
hat, Figur 84, so bilden sich zellenartige Formen von der Gestalt der
Zellen des Cylinderepithels; diese übrigens kernlosen Zellen wenden
ihren breiten Theil nach oben, ihre Spitzen nach unten. In den von
den untern Hälften dieser Zellen freigelassenen Räumen erscheinen
dann den oben liegenden an Form ähnliche, in der Richtung entge
gengesetzte zellenartige Körper, die ihre breitere Endfläche, die
Basis nach unten, ihre Spitze nach oben kehren und zwischen die
anderen Zellen einschieben. Dieses ganze Bündel von Zellen ist von
dem Raume b überwölbt, welcher dem Raume b der Mutterknospe
entspricht. Er ist unter dem Namen Zelldeckel bekannt und hat
erst in neuerer Zeit an den Darmepithelien seit der bekannten Theorie
Brücke’s über die Resorption der Darmschleimhaut die Aufmerk
samkeit auf sich gezogen. Bei der Zerstörung der Mutterzellen wird
dieser deckelartige Saum entweder als eine zusammenhängende Masse
von den Epithelien entfernt, oder ein Stück dieses Saumes bleibt an
jeder einzelnen Zelle sitzen. Die einzelnen Brutknospen (Cylinder-
zellen, wie man sie gewöhnlich nennt) haben entweder die Form
Figur 83 (wo die zwei zusammengehörigen abgehildet sind), wenn
sie sich aus der Knospe m der 83. Figur entwickelt haben, oder sie
zeigen die Form der Figur 86, wenn sie zwischen den Knospen m
und n im Raume c der Figur 83 entstanden sind, oder auch zuweilen
die Form der Figur 87, wenn sie in der ganzen Länge des Raumes c
entstanden sind. Tritt dann später durch Spaltung des Inhaltes die
Kernbildung ein, so kann der Kern eine sehr verschiedene Stellung
Über Thierknospen und Zellen.
215
einnehmen. Er ist entweder ein nackter oder ein eingeschachtelter
Kern in der oben angegebenen Bedeutung des Wortes. Die Zellen
erhalten nach der Kernbildung das Aussehen der Figuren 88 wenn
sie aus der Figur 8S, das Aussehen der Figur 89 wenn sie aus der
Figur 87, das Aussehen der Figur 90 wenn sie aus der Figur 86 her
vorgegangen, wobei sich die Stelle, in der der Kern sitzt, gewöhnlich
etwas verbreitert zeigt. Alle diese verschiedenen Formen und Kern
stellungen sieht man an den Epithelien des Darms und noch mehr an
denFlimmerepithelien der Luftröhre, und ich halte bei diesen letztem
den Büschel von Flimmerhaaren gleichfalls für nichts anders als für
das Überbleibsel des Knospenraumes b der Figuren 3 oder 84,
mithin für eine Analogie des Zellendeckels der Cylinderepithelien.
Die Art der Spaltung dieser Deckelsubstanz in einzelne Cilien konnte
ich bisher nicht weiter verfolgen. Öfters wachsen auch zwei neben
und hinter einander liegende Zellen, wie sie die Figur 85 darstellt,
zusammen, eine monströs lange Zelle darstellend, an deren Wand ein
schräg verlaufender Streif entsprechend der Stelle der Verwachsung
hinzieht.
Ich hin nun unvermerkt aus der allgemeinen Untersuchung über
die Knospen auf das besondere Gebiet der im Organismus beständig
bleibenden Zellen gerathen und werde dieses Thema weiter verfolgen.
Die Entwicklungslehre der Epithelialzellen habe ich in den
unmittelbar Vorhergehenden gegeben. Die Cylinderepithelien des
Darms, die Flimmerepitheiien der Luftwege habe ich nur in Mutter
zellen entstehen gesehen, so dass z. B. eine Darmzotte eines Embryo
bei hinreichend starker Vergrösserung das in der 91. Figur darge
stellte Aussehen bietet. Wie sich das Pflasterepithel entwickelt, oh
in Mutterzellen, oder nicht, darüber mangelt mir die Erfahrung. Die
formen desselben sind die bekannten rundlichen oder auch hexago
nalen,oder siegehören in dieKategorie derFormen 78, 79,80,81,82,
namentlich sieht man alle diese Formen auf der Vaginalschleimhaut
neugeborner Mädchen, was eine Entstehung derselben in Mutterzellen
vermuthen lässt. Später sind die rundlichen Zellen mehr vorwaltend.
Die Kerne der Epithelien sind bald nackt, bald eingeschoben, immer
aber wandständig, wenn gleich zuweilen die verschiedene Lage der
Zellen die Kerne als centrale erscheinen lässt. Mehrkernige Zellen
sind unter den Pflasterepithelien wohl selten, nicht aber unter den
Dylinder- oder Flimmer-Epithelien. In diesem Falle gehören sie
216
E n g e i.
entweder zweien aber mit einander verwachsenen Zellen an; oder sie
sind aus einer Theilung des ersten Kernes liervorgegangen. Das
erstere wäre dann anzunehmen, wenn die beiden Kerne (mehr als
zwei gehören überhaupt zu den Seltenheiten) von einander ziemlich
entfernt lägen; das andere dann, wenn sie unmittelbar neben einander
sich fänden.
Ausser den Hauptformen, welche oben bei den Cylinder- und
Flimmerepitheiien bereits beschrieben wurden, gibt es immer noch
welche, die abweichende Gestalten an sich tragen. Manche Epithelien
verlängern sich z. B. nach unten in einer ganz ungewöhnlichen Art
in einen langen Spitzenfortsatz, der nicht selten an seinem Ende sich
gabelförmig theilt, oder unter einen rechten Winkel einen kleinen
Seitenfortsatz abgibt, der sich wieder spaltet und dergl. Es wäre im
Allgemeinen nicht schwierig eine Entwicklungsgeschichte dieser
Formen zu geben, doch ist die thatsächliclie Begründung in dem
Einzelnfalle gewöhnlich schwer und entbehrt endlich jeder
Bedeutung.
Über die Entwicklung der epidermisartigen Schuppen, welche die
äussere Schichte der Haare bilden, ist bereits oben die Rede gewesen.
Die sogenannten sternförmigen Pigmentzellen scheinen in die
Kategorie der Knochenkörper zu gehören, was nämlich ihre F o rm e n-
entwicklung betrifft. Doch ist von mir der Gegenstand nicht weiter
genauer untersucht worden.
Aggregate von Fettzellen, welche man beim Fötus von einer
rundlichen Bindegewebskapsel umschlossen findet, die selbst an einem
Gefässe hängt und ein regelmässiges Netz von Capillarien einschliesst,
scheinen sich nach dem Typus der Figur 44 zu entwickeln. Während
nämlich die äusseren Substanzschichten zum Bindegewebe werden,
dürfte die innere Masse in die Fettzellen sich umwandeln. Ich habe
jedoch den Gegenstand nicht weiter untersucht und stelle daher das
Gesagte blos als eine Hypothese hin.
Die interessanteste Entwicklungsgeschichte geben unstreitig die
Knorpelzellen mit ihren verschiedenen Melamorphosen und sie
sind eben desswegen der Gegenstand häufiger Untersuchungen
geworden. Ich kann über ihre Entwicklung folgendes berichten (was
ich zum Theile schon bei einer andern Gelegenheit nämlich in dem
Aufsatze über die Knochenentwicklung in den Sitzungsberichten der
k. Akademie der Wissenschaften besprach).
Über Thierknospen und Zellen.
217
Die grosse re n Knorpelzellen entstehen durch eine Combination
von kleineren kernhaltigen Zellen nach dem Schema der Figuren 38
bis SO, sie werden dadurch zu sogenannten Schachtelzellen. Bei der
einfachen Combinationszelle Figur 44 oder 4S ist bekanntermassen
die Frage über die Analogie der verschiedenen Abtheilungen der
Zellenwände mit dem Primordialschlauche und der Cellulosenwand
der Pflanzenzellen besprochen und vielfach erörtert worden. Die ein
zelnen Abtheilungen aus denen die Combinationszelle besteht, sind am
Knorpel entweder ganz deutlich sichtbar und nach Aussen hin begrenzt,
oder es bedarf in einigen Fällen des Zusatzes von starkem Weingeiste
um sie sichtbar zu machen; oder es gelingt selbst mit dessen Hilfe
nicht mehr; die Schichten ein und derselben Wand oder auch die an
einander stossenden Schichten zweier oder mehrerer Combinations-
zellen stellen eine ganz zusammenhängende, von keiner Linie oder
Scheidewand unterbrochene Substanzmasse dar. Wo Knorpel ossifici-
ren, bleiben die Grenzen der Combinationszellen und in der Regel sind
auch die Grenzen der einzelnen Abtheilungen der Combinationsknospe
sichtbar, ja selbst in völlig ausgebildeten Knochen sind sowohl die
aus den Combinationszellen hervorgegangenen Systeme von Knochen-
körpern, die solchen Combinationssystemen angehören, nicht nur
vollständig und scharf von dem benachbarten Systeme abgegrenzt,
sondern man kann sogar die drei Schichten der Figuren 44 bis 46
deutlich unterscheiden. Der innerste Raum bildet nämlich das Lumen
des Haver’schen Canals, die beiden concentrisch verlaufenden äussern
Räume, die selbst wieder in eine grosse Menge untergeordneter Ab
theilungen nach dem Schema der Figur 47 zerfallen, sind die concen-
trischen Lagen von Knochensubstanzen, das sogenannte Haver’sche
Lamellensystem, aus denen die Wände der Haver’schen Canäle bestehen
und sind von Knochenkörpern durchzogen, welche gleichfalls regel
mässig concentrisch das Lumen des Haver'schen Canals umstehen.
Doch zurück zu der Entwicklung der Knorpelzellen.
Die Combinationszellen der Knorpel stossen mit ihren Wänden
eben so zusammen wie die einzelnen Zellen, aus denen sie entstanden
s 'nd; sie behalten aber im Querschnitte ihre meist regelmässig kreis
runde b orm. Nur im Längenscbnitte erscheinen sie von anderer Form.
Lurch fortwährende ßrutbildung im Innern des Markraumes dehnen
sie sich nämlich an ossilicirenden Knorpeln nach den Typen der Figu-
ren 72 bis 74 in die Länge aus und werden bei immer stärker
218
Engel.
werdender Verlängerung zuletzt zu sehr langen, am Längenschnitte
trapezartigen, am Querschnitte rundlichen Körpern, eingeschachtel
ten Systemen von Schachtelzellen, die in einer bestimmten Ordnung
beim regelmässigen Gange der Ossification neben und hinter einander
liegen. So reihen sie sich in der Längenrichtung entweder nach dem
Typus der Figur 92, verschmelzen dann später in dieser Richtung
und geben gebogen verlaufende Röhren, zuweilen von abnehmendem
Durchmesser, die mit Röhren der entgegengesetzten Seite des Kno
chens unter spitzen Bogen zusammenlaufen (Gelenksenden der Röhren
knochen); oder es verbinden sich Combinationssysteme yoii meist
gleicher Länge und dann bilden sich nach ihrem Verschmelzen Röhren
von nahezu gerader Richtung (Diaphyse der Röhrenknochen) und die
Knochenfasern laufen dann parallel. In meiner eben citirten Abhand
lung hatte ich auch die zu einem Röhrensysteme gehörigen hinter
einander liegenden Combinationen a, b, c, Figur 92 gemessen und
gefunden, dass sie merkwürdigerweise meist nach einem bestimmten
Gesetze in der Grösse differiren. Dies scheint ein Fingerzeig zu sein,
der den Grund einerseits dieser Lagerung, andererseits die nach der
Richtung vom Gelenksende abnehmende Grösse andeuten könnte.
Denkt man sich nämlich die 24. Figur von regelmässig runder Gestalt
und die zwei grösseren Keime, die in ihrem Innern Vorkommen, aber
mals von regelmässig runder Form, so finden in den zwischen diesen
befindlichen Räumen noch Knospen Platz, deren Durchmesser gleich
*/a gesetzt werden muss, wenn man den Durchmesser der Mutterzelle
gleich 1, folglich jenen der grösseren Tochterzellen gleich (4
setzt; ferner haben nur noch Knospen Platz vom Durchmesser i /o
u. s. f. in immer abnehmender Reihe. Bei den unmittelbar auf ein
ander folgenden Zellensystemen ossificirender Knorpel stimmt sowohl
die Anordnung mit jener der Knospen a und b in der 24. Figur, als
auch die Regelmässigkeit in der Grössenzunahme so überein, dass
das ganze System von hinter einander folgenden Knorpelzeilen, durch
deren Verschmelzung und Ossificirung später eine gebogene Kno
chenfaser entsteht, wahrscheinlich die Knospenbrut einer Mutter
knospe ist, welche durch eine fortgesetzte Theilung immer in dem
ursprünglichen Grössen- und Lage-Verhältnisse sich vervielfältigte:
und es wäre sonach der Schlüssel zur Erklärung einer Thatsache
gegeben, die mich lange beschäftigte, nämlich der regelmässigen
Grössenabnahme und der Stellung auf einander folgender Knorpel-
Über Thierknospen und Zellen.
219
zellen und der eben so regelmässigen Knoehenfaserung. Ich werde
später Gelegenheit nehmen, nicht nur an Knochenfasern, sondern auch
an Weichtheilen jene merkwürdige, aus der ersten Knospenspaltung
hervorgehende Regelmässigkeit in den Grössen und Stellungen der
verschiedenen zu einem Systeme gehörigen Theile noch näher zu
besprechen.
Demnach wäre der erste überhaupt erkennbare Vorgang bei der
Knorpelbildung und Ossification die Bildung von Mutterzellen (Hypo
these), in diesen entwickeln sich Brutzellen durch regelmässige Tliei-
lung des Inhaltes; diese Brutknospen vermehren sich durch fort
gesetzte Theilung aber nach einem bestimmten Gesetze so, dass zwi
schen den in einer Reihe hinter einander liegenden Brutknospen ein
gewisses von der Art der ersten Knospentheilung abhängiges Durch-
messerverhältniss besteht. Durch spätereWiederverwachsung je zweier
neben einander liegenden kernhaltenden Brutknospen entstehen erfah
rungsgemässgrössere Combinationsknospen, deren Wände zum minde
sten aus zwei, meistens aus drei, oft sogar aus vielen concentrirten
Schichten bestehen und überhaupt um so mehr in diese Schichten zer
fallen, je grösser sie werden. Diese Combinationsknospen verwachsen
bei beginnender Ossification in bestimmter, der künftigen Faserung des
Knochens entsprechender Richtung mit einander und bilden hierdurch
Knorpelröhren, in deren Wänden die Ossification beginnt. Jede
der Schichten, in welche die Wand einer Combinationsknospe zer
fällt, ist anfangs homogen; später tritt eine neue Spaltung in jeder
von ihnen auf, und es entstehen zellenartige Knospen in den äusseren
Schichten, die Markzellen des Knochens in dem innern Raume der
Combinationszellen. Die an den äussersten Schichten liegenden zellen-
artigen Knospen heisst man schlechtweg (einfache) Knorpelzellen;
sie sind einfach, ohne verdickte Zellenwand, meist mit einem einzigen
kernartigen Gebilde versehen (Fig. 93), zeigen eine sehr regelmäs
sige Anordnung, aus ihnen entstehen bei der Ossification die Knochen
körper.
Mit der Ossification beginnen in diesen einfachen Knorpelzellen
neue, zum Theile unvollständige Theilungen des Inhaltes; die ein
fachsten derselben habe ich in der Figur 91 dargestellt. Indem der
Inhalt der Knorpelzelle um den Kern herum in drei oder vier Abthei-
bingen zerfällt, bildet sich ein den Kern umgebender, in drei bis vier
Zacken auslaufender Raum, der sich gewöhnlich durch die Farbe
220
Engel.
schon von den anliegenden Theilen unterscheidet. Dieser Raum mit
der in demselben befindlichen Substanz nun, — denn dass dieser
Raum nicht leer ist, braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden —,
wird zum künftigen Knochenkörper. Durch eine mehr oder min
der häufige, mehr oder minder vollkommene Spaltung des Knospen-
innern wird aus der 94. Figur die 95. Figur, und das Knochenkörper
chen mit seinen Ausläufern ist nun abgegrenzt. Zuletzt verschwindet
der äussere Contour der Knorpelzelle, in deren Innerm die Bildung
dieser Knochenkörper erfolgte, und das Knochenkörperchen scheint
nun frei in der Knochenmasse zu liegen.
Dass die Knochenkörper anfänglich nicht blosse lufthältige Hohl-
räume sind, geht nicht nur daraus hervor, dass sie in ihrem Innern
selbst ein kernartiges Gebilde enthalten, sondern auch daraus, dass
sie durch Präparation isolirt erhalten werden können.
Ich habe im Vorhergehenden den, weil regelmässigsten, so
für uns einfachsten Fall der Knochenkörperbildung genommen, und
erlaube mir noch andere Fälle von Knochenkörperbildung vorzu
führen.
Hat die Knorpelzelle die Form der Fig. 3, so bildet sich der Kno
chenkörper nicht selten aus dem Raume b heraus, während der Raum a
zur Bildung der Kalkcanälchen des Knochenkörpers verwendet wird.
So erscheinen Knochenkörper von den Formen, wie sie in der 96. Figur
dargestellt sind, und zwar ohne ein kernartiges Gebilde im Innern.
Oft besteht die ursprüngliche Inhaltsspaltung aus vier Abtheilungen,
und durch weitere Spaltung jeder derselben entwickelt sich ein Kno
chenkörper von der Form, wie ihn die 97. Figur darstellt. Nicht immer
gehen die Spaltungen so regelmässig vor sich, sie erfolgen in der
einen Inhaltsportion öfter z. B. als in der andern, und das Knochen
körperchen zeigt dann minder regelmässige Gestalten. So kommen
z. B. Knochenkörper von der Form der 98. Figur vor, oder wenn sie
in geschwänzten Zellen erscheinen, erhalten sie nicht selten die in
der 99. Figur dargestellten Gestalten.
Es mögen die angegebenen Formen genügen.
Das System von strahligen Ausläufern, welches einem Knochen
körper angehört, wird noch vervielfältigt durch secundäre Abtheilun
gen, dergleichen in der 97.Figur dargestellt sind; und dieses System
secundärer Ausläufer ist es, wodurch benachbarte Knochenkörper mit
einander anastomosiren. Dies geschieht in folgender Weise.
Über Thierknospen und Zellen.
221
Nachdem durch einen der eben beschriebenen Vorgänge die
Bildung eines Knochenkörpers erfolgt ist, wiederholt sich derselbe
Vorgang in den mittlerweile vergrösserten einzelnen Abtheilungen
(Fig. 100) und es entstehen in dieser Art nothwendig zahlreiche
Anastomosen grösserer und kleinerer Knochenkörper. Man findet
daher Anastomosen nach den verschiedensten Richtungen entwickelt,
und eben so liegt es in der Natur der Sache, dass diese Ausläufer der
Knochenkörper auch gegen die Höhle des Markcanals der Knochen
verlaufen, in die sie einzumünden scheinen.
Die Knochenkörper, welche an der Zahnwurzel erscheinen, haben
gewiss ihre Form von ihrer Bildungsstätte, nämlich der Zwischenräume
jener bekannten kugelartigen Gebilde, die Czermak ausführlicher
beschrieben hat.
Im neugebildeten Knochen findet sich auch nicht selten die eine
oder die andere mit dem Lumen des Haver’schen Canals concentrisch
verlaufende Schicht, an der die Knochenkörper ganz fehlen. Sehr oft
ist dieses jene Schicht, welche am weitesten nach innen liegt, mithin
die Innenwand des Canals selbst bildet. Entweder ist hier die Bildung
der Knochenkörper noch nicht erfolgt, oder sie erfolgt überhaupt gar
nicht; denn dass Knochenbildung auch ohneKnochenkürper vorkommt,
ist an der Wurzel der Zähne sehr deutlich.
In manchen Knochen haben die Knochenkörper keine straldigen
Ausläufer. Entweder haben sich dieselben noch nicht gebildet (nach
dem Schema der Figur 94) oder sie bilden sich überhaupt nicht, und
das Knochenkörperchen hat entweder eine rundliche oder eine spin
delartige, oder eine halbmondförmige Gestalt. Es hat dann die Form
der Abtheilung a oder b der 3. Figur und ist überhaupt dann nichts
anderes als dieser Raum, der nicht verknöchert, während seine Um
gebung verknöchert.
Zwischen den spindelartigen Bindegewebskörpern und den
eben so gestalteten Knorpelzellen ist, was Form betrifft, kein
Unterschied. Eine andere Frage aber ist es, ob und wie die
ersteren in Knochenkörper übergehen können. Ich werde auf diese
Frage bei Beurtheilung pathologischer Ossificationen noch zurück
kommen.
Von den Zellen parenchymatöser Theilehabe ich jene der Milz
am öftesten und ausführlichsten untersucht und bereits im Vorher
gehenden eine kurze Darstellung des Entwicklungsganges der Mutter-
222
Engel.
zellen dieses Organes gegeben. Ich werde nun im Folgenden näher
auf die Sache eingelien.
Es macht einen grossen Unterschied, ob man die Milz von einem
ganz nüchternen Menschen oder von einem solchen nimmt, der in der
Periode der Verdauung und Chymusresorption gestorben ist. Im erste-
ren Falle bemerkt man in der Pulpa neben den bereits oben beschrie
benen Faserzellen meist nur plattrundliche mit einem Kerne versehene
Zellen, deren äussere Haut wenig durchsichtig, deren Begrenzung
nur eine sehr schwache Linie darstellt. Zur Zeit der Verdauung und
Chymusaufnahme dagegen sieht man eine grosse Anzahl von Mutter
zellen entweder von der Art, wie sie in der 14. Figur dargestellt sind,
oder mit Brutknospen in ihrem Innern etwa wie in der 23. Figur. Die
Zellen ohne Brut enthalten einen farblosen und durchsichtigen Inhalt
und zerfliessen leicht, mit Zurücklassung ihres Kernes; die Knospen
mit Brutknospen bersten leicht, mit Hinterlassung der oben beschrie
benen Trümmer, und lassen ihren Inhalt — kernartige Brutknospen —
austreten. Unter diesen Brutknospen gibt es immer solche, welche
den weissen Blutkörpern ähnlich sind in grosser Menge; ausserdem
aber meist in geringerer Zahl auch gefärbte Blutkörper, die den
freien Blutkörpern in Form, Grösse und Farbe vollkommen gleichen.
Nächstdein finden sich noch kleinere kernhaltige Zellen von unbe
stimmtem Charakter in diesen Mutterzellen.
Wenn nun gleich nicht in Abrede gestellt werden kann, dass
weisse und rothe Blutkörper sich in Mutterzellen der Milz ent
wickeln, so ist damit doch nicht behauptet, dass die Milz das ein
zige Organ zur Erzeugung dieser Zellen, namentlich der rothen sei,
und dass ihre Entwickelung, oder besser ihre Vermehrung nur in
Mutterzellen vor sich gehe. Mir scheint es im Gegentheile wahr
scheinlich, dass dieser Vorgang in der ganzen Gefässbahn stattfinde,
und er ist, wenn nicht alle Analogien täuschen, folgender:
Jedes Blutkörperchen stellt eigentlich gleich nach seiner Ent
stehung eine kernlose Knospe vor, wie die Figur 1, die eine ganz
gleichmässig röthliche Farbe zeigt. In dieser Knospe tritt, wie in der
Figur 2, eine Spaltung des Inhaltes auf, wodurch 2 Abtheilungen
« und b entstehen, die sich verschieden verhalten können. Entweder
nämlich häuft sich der Farbestoff mehr in der Abtheilung a an; das
rothe Blutkörperchen zeigt daher an der einen Wand eine etwas
dunklere Stelle von rundlicher Form, aber ohne sehr markirte Begren-
Über Thierknospen und Zellen.
223
zung (was übrigens bei der Zartheit der menschlichen Blutkörper
nicht befremden darf); oder der Farbestoff häuft sich mehr im
Raume b an, und das Blutkörperchen hat daher dem Anscheine nach
keinen Kern, wohl aber erscheint die Farbe ungleich vertheilt, indem
an dem einen Bande eine halbmondförmig gekrümmte dunklere Stelle
sich hinzieht und die Wand daher hier gleichsam verdickt ist. In der
Regel sind dann bei etwas grossem Blutkörpern beide Abtheilungen
der Knospe nicht gleich gross , das Verhältniss zwischen der stark
gefärbten und der weniger gefärbten Abtheilung ist daher ein solches,
wie dies in der 5. und 8. Figur dargestellt wurde, und bei der Klein
heit des Gegenstandes an und für sich, dann bei der Kleinheit der
tiefer gefärbten Abtheilungen war es wenig zu wundern, wenn man
bisher nicht viel Gewicht auf diese ungleiche Vertheilung legte.
Wenn gefärbte Blutkörper, in denen die Abtheilung b (Fig. 3) die
grössere Menge Farbstoff enthält, so zu liegen kommen, dass der
Raum n gerade nach oben zu steht (und dies ist in schwimmenden
Blutkörpern wahrscheinlich wegen der grossem Schwere des gefärb
teren Theiles meistens der Fall), so erscheinen sie wie in Figur 6 mit
hellerer Mitte; der Farbstoff scheinbar in grösserer Menge in der
Nähe des Randes angehäuft.
Es lassen sich demnach im Menschen- und Säugethier-Blut
dreierlei Hauptformen der rothen Blutkörper unterscheiden: gleich-
massig gefärbte, kernlose; dann ungleichmässig gefärbte, und zwar
erscheint der Farbestoff in Form eines tiefer gefärbten rundlichen
Fleckes an einer Wand angehäuft (demnach Blutkörper mit nacktem,
wandständigem, übrigens höchst weichem Kerne, dessen rasches Zer-
fliessen während der Untersuchung auch Ursache ist, dass man mei
stens Blufkörper der ersten Art wahrnimmt), und endlich Blutkörper,
bei denen die grössere Menge Farbestoffes an der einen Wand in
Form eines halbmondförmigen Streifens anliegt. Diese Blutkörper
sind weniger veränderlich und daher am öftesten zu sehen.
Über das Verhältniss der Häufigkeit dieser drei Formen von Blut
körpern ist es schwer etwas Bestimmtes zu sagen, da es höchst wahr
scheinlich hei verschiedenen Individuen und unter verschiedenen Um
ständen und Tagszeiten ein verschiedenes ist.
Was die Grössen betrifft, so schwanken diese innerhalb an
und für sich sehr geringer, aber zur Blutkörpergrösse relativ
bedeutenden Grenzen. Am grössten sind die Blutkörper der dritten
224
E » g c I.
Art, dann folgen ihnen jene der zweiten, auf diese jene der
ersten Art.
Die Formen sind zum Tlieile nach den Grössen verschieden;
am meisten rund sind die Blutkörper der ersten; am meisten platt
oder scheibenartig jene der dritten Art, was natürlich auch in der
Weise ihrer Fortbewegung einen Unterschied macht, ungeachtet die
Blutkörper bei der grossen Schmiegsamkeit ihrer Formen leicht durch
Hindernisse jeder Art sich hindurchdrängen können.
Die kernartigen Gebilde im Innern, wie sie sich hei den Blut
körpern der zweiten Art vorfinden, werden bei den Blutkörpern der
Menschen, der Süugethiere und Vögel nicht, oder wie es scheint, nur
selten fest, und können daher nur in wenigen Fällen isolirt dargestellt
werden; beim Amphibienblute dagegen ist dieses letztere bekannter-
massen das gewöhnlichere. Dies scheint mir einen sehr tief greifen
den Unterschied zwischen dem Blute höherer und niederer Thiere
begründen und mit der Vermehrung der Blutkörper, daher mit
der Baschheit des Stoffwechsels im innigsten Zusammenhänge zu
stehen.
Die kernlosen Blutkörper nämlich des Menschen und der höheren
Thiere sind der Vermehrung fähig, und wie es scheint vermehren
sie sich ziemlich rasch; die kernhaltigen der Amphibien und Fische
dagegen scheinen sich gar nicht weiter vermehren zu können.
Die Vermehrung der menschlichen Blutkörper erfolgt durch
exogene Knospenbildung. Von den beiden Abtheilungen a und b
Fig. 3 löst sich die eine Abtheilung a gewöhnlich ah und bildet dem
nach ein dunkler gefärbtes, aber kleineres und kernloses Blutkör
perchen; die Abtheilung b behält entweder ihre Halbmondform bei,
nur werden die Enden etwas abgerundet (Fig. 101, eine ziemlich
häufige Form der Blutkörper), oder wegen der grossen Geschmeidig
keit des Blutkörperstoffes wird auch die Abtheilung b wieder rund
oder scheibenförmig und bildet nun gleichfalls ein Blutkörperchen,
das von dem der ersten Art sich nur durch die Grösse und Farbe,
wenn auch nicht in sehr auffälliger Weise unterscheidet.
In seltenen Fällen kleben die beiden Abtheilungen der Knospen
noch, nachdem schon eine stärkere Scheidung eingetreten ist, an ein
ander (Fig. 102), und zwar ein kleineres an einem rundlichen oder
halbmondförmigen grösseren. Man ist dann geneigt, das Ganze für
ein zufälliges Ancinanderkleben zu halten; aber es ist nicht selten so
Über Thierknospen und Zellen. 225
innig, dass es der Einwirkung des Wassers lange Zeit hindurch
widersteht.
Noch seltener ist es, dass Blutkörper Knospen tragen, hei
welchen selbst wieder schon eine Spaltung des Inhaltes beobachtet
werden kann; ich habe dies beim Kaninchenblute ein paar Mal
gesehen und in der Figur 103 abgebildet.
In den losgelösten Knospen tritt dann wieder ein ähnlicher
Spaltungsprocess auf, und so können sich Generationen auf Genera
tionen fortwährend erzeugen, ohne so zu sagen an einen festen Ort
gebunden zu sein.
Es wäre interessant zu untersuchen, in welcher Stelle der Blut
hahn besonders diese Knospenbildung vorkommt, oder ob sich allent
halben im Gefässsysteme die Blutkörper vermehren können. Es
dünkt mir von Wichtigkeit, dass man bei späteren physiologischen
und pathologischen Untersuchungen des Blutes nicht allein hierauf,
sondern auch auf das Zahlenverhältniss der verschiedenen Arten von
Blutkörpern Rücksicht nehme. Vielleicht hat es in Krankheiten mehr
Bedeutung, diese Verhältnisszahlen festzustellen, als überhaupt die
absolute oder relative Menge der Blutkörper durch Beobachtung und
Bechnung zu bestimmen.
Haben sich in den Blutkörpern feste Kerne gebildet , wie dies
hei dem Blute der Amphibien und Fische der Fall ist, dann sind
sie den Mutterzellen vergleichbar, welche nur in ihrem Innern Brut
knospen entwickeln, aber nicht leicht durch exogene Knospen sich ver
mehren können. Da nun die Blutkörper der Amphibien und Fische
keine Brutknospen enthalten, so müssen sie als sterile Mutterzellen
angesehen werden und die Regeneration der Blutkörper erfolgt daher
bei diesen Thieren nur äusserst langsam.
Beim Fötus des Menschen und der Säugethiere sieht man eine
verhältnissmässig grosse Menge von kernhaltigen Blutzellen; doch
trägt der Kern auch hier den oben beschriebenen Charakter an sich,
d. h. er unterscheidet sich von der andern Substanz des Blutkörpers
wohl durch seine dunklere Farbe, ist aber kein fester Kern, sondern
eine weiche leicht zerfliessende Knospe.
Die oben beschriebenen Blutkörperformen sind zwar die häufig
sten, aber nicht die einzigen; alle aber lassen sich auf die erwähnten
Grundformen mit Leichtigkeit zurückführen. Die Form Figur 101
erscheint nur dann vollkommen rein, wenn der Blutkörper genau auf
S ' tzl ’- mathem.-naturw. CI. XXV. Ud. I. Hft. 13
226
Enge 1.
der Kante steht, bei jeder andern Mittellage bildet sich dagegen die
Fig. 104, wo bei a ein fast farbloser tellerförmig vertiefter Fleck
erscheint; diese Figur übergeht bei vollkommener Flächenlage in
eine Scbeibenform wie Fig. 106. Nicht selten sind (im Kaninchen
blute) Blutkörper von der Form der 1011. Figur, deren Erklärung
nach dem Obigen wohl nicht die geringste Schwierigkeit macht. Die
biscuitartigen Blutkörper (Fig. 106) betrachte ich als solche, welche,
wie in der Fig. 12, zwar in der Theilung begriffene Knospen dar
stellen, bei denen es aber nicht zur vollkommenen Quertheilung
kommt. Man sieht sie auch öfters in der Form der Fig. 107. Es
ist wohl nur sehr selten, dass man bei diesen Blutkörpern Zwischen
formen von Quertheilungen beobachten kann, welche gleichsam ein
weiteres Fortrücken der Quertheilung ausdrücken; und dies ist der
Grund, warum ich glaube, dass hier die Knospentheilung in der That
blos angefangen habe ohne weiter vorzurücken. Zuweilen findet man
Blutkörper von der Form 108. Sie entsprechen dann wohl zum Theile
der Fig. 7S, oder sind auch aus der Fig. 103 zu entwickeln, wo die
grössere Knospe wie ein an einer Seite offener Ring die kleinere,
meist rundliche und weniger gefärbte Knospe umgibt. Dann kommen
auch Blutkörper vor, bei welchen die Knospenbildung in etwas un
regelmässiger Art vor sich geht, so dass daraus die Fig. 109 entsteht.
Man kann sonach ganz wohl annehmen, dass die Blutkörper sich
in der Milz entwickeln; aber dieses Organ producirt verhältnissmässig
nur wenige, welche gleichsam den Stamm derselben bilden, und durch
eine innerhalb der Bluthahn fortgesetzte Theilung sich vermehren.
Daneben kann wohl auch eine Umwandlung der farblosen Blutkörper
in gefärbte gedacht werden, denn bei vielen ist die Form und Grössen
ähnlichkeit auffallend genug und man braucht sich nur die rothe Farbe
noch hinzuzudenken; aber fürs Erste ist der Beweis dieses Über
ganges aus naheliegenden Gründen nicht zu gehen; dann wird eine
solche Annahme es uns nicht verständlicher machen, wie die gefärbten
Blutkörper entstehen, weil dann dieselbe Schwierigkeit in Betreff der
farblosen Blutkörper doch immer wiederkehrt.
Übrigens entwickeln sich farblose Blutkörper neben den ge
färbten in den Mutterzellen der Milz gewöhnlich in grosser Menge.
In den Gekrösdrüsen jedoch und in den Lymphdrüsen überhaupt sieh
man meist nur die farblosen, selten die gefärbten Blutzellen w
Mutterzellen eingeschlossen. Die meisten Mutterzellen der Gekrös-
Über Thierknospen und Zellen.
227
driisen gehören dem Typus der 21. Figur an; durch Berstung der
selben, die man oft unter dem Mikroskope verfolgen kann, ent
stehen Formen von Faserzellen ganz in der oben beschriebenen Art.
Die meisten Lymphkör per sind so wie die Blutkörper nach
den Schemen der Figuren 1, 2, 3, seltener nach dem Typus der
12. Figur gebaut. Die Lymphkörper (und farblosen Blutzellen) welche
der Fig. 1 entsprechen, stellen bereits abgelöste Knospen dar, die bei
abermaliger Spaltung ihres Inhaltes sich vergrössern und vermehren;
sie sind die kleinsten von allen und erscheinen eben wegen ihrer
Kleinheit wie Kerne von den Lymphkörpern der zweiten Kategorie.
Bei diesen letztem erscheint, wenn sie auf der Fläche liegen, an der
einen Hälfte ein etwas dunklerer halbmondförmiger Streif, an der
anderen Seite ein helles kernartiges Gebilde — eigentlich eine
Knospe, die zur Ablösung bestimmt ist. Wie allenthalben erfolgt die
Ablösung auch hier nicht durch ein successives Abschnüren, son
dern durch einen Buck, und das ist wohl der Hauptgrund, warum man
diese exogene Vermehrung bisher unbeachtet liess. Kernkörperartige
Gebilde kommen in diesen Knospen nicht selten vor; ihre Bedeutung
wird gleich unten besprochen werden.
Es läge sehr nahe, von diesen physiologischen Formen den
Übergang zu denjenigen zu machen, welche in krankhaften Neubil
dungen Vorkommen, doch glaube ich mich hierüber bei einer andern
Gelegenheit ausführlicher aussprechen zu können. —
Im Bisherigen ist nur von den Metamorphosen der kernartigen
Gebilde, nicht der Kernkörper die Rede gewesen. Was sich über die
Kernkörper sagen lässt, kann in wenig Worte zusammengefasst
werden.
Kerne sind nach meiner Darstellung Knospen, die durch eine
Spaltung zu zellenartigen Gebilden werden können. Man trifft Kerne
mit und ohne Kernkörper an; die Zahl der Kernkörper ist nicht selten
beträchtlich; die Lagerung aber fast immer eine bestimmte.
Ich glaube nun behaupten zu können, dass es nicht der Kern
körper ist, um den der Kern sich bildet, ebenso wenig wie um den
Kern die Zelle, sondern dass der Kernkörper später entsteht als der
Kern und dass wir die Art der Bildung, etwa ein mühseliges Anein
anderreihen von Moleculen ebenso wenig wahrnehmen können, wie
kei der Zelle, sondern dass uns eben das fragliche Gebilde gleich
anfangs als ein fertiges erscheint.
iS*
228
Engel.
Die Figur 110 stellt eine nach dem oben angegebenen Typus
entwickelte, mit einem Kerne versehene Knospe dar; so lange der
Kern a eine gewisse Grösse nicht übersteigt, die übrigens bei ver
schiedenen Zellen verschieden ist, aber doch innerhalb enger Grenzen
variirt, ist auch im Kerne selbst nichts weiter wahrzunehmen; dann
aber tritt eine Spaltung des Inhaltes vom Kerne ganz nach dem Typus
der Figuren 1 und 2 auf, und das rundliche Körperchen, das der einen
Wand des Kernes anliegt, ist nun das Kernkörperchen Fig. 110 b.
Ich berufe mich zur Begründung dieser Behauptung wieder auf den
Bildungsvorgang in abgeschnittenen Haaren, wo man in der That dieses
successive Auftreten von Zellen, Kernen und Kernkörperchen ohne
Mühe auffinden kann.
Bei jeder andern Lage des Kernes wird der Kernkörper auch eine
andere Stellung im Kerne einzunehmen scheinen und so ist nament
lich die centrale Stellung eine sehr häufige, ohne dass desswegen das
Kernkörperchen als in dem Centrum des Kernes befindlich angenom
men werden müsste.
Wenn die Kerne grösser werden, so behalten sie entweder ihre
kugelartige Form bei, oder sie entwickeln sich hauptsächlich in die
Länge, dann bemerkt man auch gewöhnlich zwei und mehrere der
Beihe nach hinter einander stehende Kernkörper. Der Entwickelungs
gang ist hierbei folgender:
Der Kern a der Zelle (Fig. 111) spaltet sich nach dem Typus
der Figur 7 in zwei Abtheilungen a' und b. Wiederholt sich diese
Spaltung nach demTypus der Fig. 9 und 10 mehrere Male hinterein
ander, so entsteht ein gegliederter Kern Fig. 112. Oft werden im
weitern Verlaufe die Abtheilungen, aus welchen ein derartiger Kern
zusammengesetzt ist, ziemlich undeutlich, und nur an den Kernen von
jungen Fasern (Muskelfasern des Darmes beim Schweine-Fötus z.B.)
lässt sich diese Gliederung sehen. Bei alten Kernen ist sie spurlos
verschwunden. Oder es kann jede der Abtheilungen, aus denen der
Kern besteht, nach dem oben angegebenen Typus wieder ein Kern
körperchen erhalten, dann findet sich eine Reihe hinter einander lie
gender Kernkörper, von denen jeder von seinem Nachbar durch eine
zarte Linie getrennt erscheint. Meistens erfolgt diese Bildung von
Kernkörpern blos in dem einen oder dem andern Gliede des Kernes,
wie z. B. in Figur 113, gewöhnlich verschwindet bei alten Kernen
die Scheidewand zwischen den einzelnen Kernkörpern und der
Über Tbierknospen und Zellen,
229
gestreckte Kern hat nun (Fig. 114) zwei Kernkörper, die oft (aber
nicht immer und nicht nothwendig) regelmässig hinter einander
liegen.
Der ganze Bildungsgang ist von Virchow in umgekehrter Ord
nung beschrieben worden. Der Verlängerung des Kernes sollte die
Theilung des Kernkörpers, dann das Auseinanderrücken der beiden
Kernkörper vorausgehen und gleichlaufen, dann die Theilung des
Kernes nachfolgen. Es hält allerdings nicht schwer, eine dieser
Ansicht günstige Formenreihe zusammenzustellen, die dann als
Schema gilt, aber nach den am Haare gemachten Erfahrungen muss
ich mich gegen diese Ansicht erklären.
Zellen, Kern, Kernkörper sind demnach den eben entwickelten
Ansichten zu Folge Tlieile, die sich durch successives Spalten aus
Knospen und zwar alle nach gleichen oder nahe gleichen Sche
men entwickelt haben; es sind Sprösslinge ein und desselben Keimes,
die entweder sich trennen, um getrennt von einander denselben
Process zu wiederholen und so eine unendliche Vervielfältigung orga
nischer Keime, Ablegern gleich zu ermöglichen; oder sie bleiben
vereint und werden in diesem Zustande (als Zellen) zum Aufbaue
verschiedener Organe verwendet, sie gehen vereint zu Grunde, um
der mittlerweile in ihnen entstandenen Brut Platz zu machen; oder es
vereinigen sich Knospen, die einander berühren und aus derselben
Mutterknospe stammen, zu grösseren Gebilden, aus denen dann der
makroskopische Aufbau erfolgt. Zelle, Kern und Kernkörper sind
demnach dem Ursprünge und der Entwickelung nach nicht von einander
verschieden; jedes von ihnen kann sich durch Theilung vervielfältigen,
ja, was für die ganze Entwickelung wichtiger ist, eines kann zu dem
andern werden; das Kernkörperchen zum Kerne, dieser zur Zelle,
und die Begriffe: Zelle, Kern, Kernkörper sind demnach nur relativ
zu nehmen. Daraus folgt übrigens nicht, dass die Gebilde, die man
Ferne und Kernkörper zu nennen pflegt, auf einer gewissen Stufe der
Entwickelung der zusammengesetzten Knospe (der sogenannten Zelle)
angekommen,nicht chemischdiflerenteGebilde darstellen sollten; dann
S1 "d sie aber entweder stationär geworden, d. h. sie bleiben das was
S| e sind und bleiben in demselben Verhältnisse immer zu den andern
beiden Theilen der zusammengesetzten Knospe (Zelle), oder aber der
weitere Entw'ickelungsgang der einzelnen Partien, aus denen eine Zelle
besteht, ist dann ein verschiedener.
230
E n £ e I. Über Thierknospen und Zellen.
Man ist daher auf einem Standpunkte angekommen, dass man von
nackten, freiliegenden Kernen eigentlich gar nicht sprechen kann, da
der Name Kern nur in Bezug auf die Zelle eine Bedeutung hat. Essig
säure entscheidet hier nicht, da viele junge Kerne durch Essigsäure
gerade so angegriffen werden wie tlie Zellen selbst. Was man bisher
nackte Kerne genannt hat, waren Knospen von den Typen| der Fig. 1
oder S, oder zufällig durch die Präparation freigewordene Kerne,
und im letztem Falle natürlich bezüglich der organischen Weiterent
wickelung ganz gleichgiltige Dinge.
Da die Zellen und Kerne Knospen darstellen, so ist nicht anzu
nehmen, dass sie sich um heterogene Körper, wie um sogenannte
Körnerhaufen, schrumpfende Blutkörper oder gar wie Kolli ker will,
um zerstörten Nerveninhalt entwickeln. Man kann in solchen Fällen,
wo es nachgewiesen werden sollte, dass sich wirklich ein zellenartiges
Gebilde um jene Körper entwickelt, blos sagen, dass diese Körper
eingekapselt seien, aber von einer Zellenbildung um sie herum,
in der wahren Bedeutung des Wortes Zelle, kann die Bede nicht sein.
Jene oben genannten zellenartigen Formen, deren Inhalt Körnerhaufen
und schrumpfende Blutkörper, lassen übrigens auch eine ganz andere
Deutung zu, und was das in der Zelle eingeschlossene Nervenmark
betrifft, so steht Köl liker mit seiner Beobachtung ziemlich ver
einzelt da.
Die Beschreibung fasriger Gewebe ist einem andern Ab
schnitte Vorbehalten.
Engel. lieber Tlircrknospen mul Zellen..
-Ans 4.kl Kof-u Staats Wracker el
Sit7.unc;*sb.d.k^Akad.*1ANT math natunv.C'l.XXY'Ildl Heft 1851
Büchner. Über den Kohlenstoff- und Siliciumgehalt des Roheisens. 231
Über den Kohlenstoff- und Siliciumgehalt des Roheisens.
Von Max Büchner,
Assistent der Chemie am stand. St. Joanneum zu Gratz.
Die grossen Schwankungen in den Angaben über den Kohlen
stoffgehall der Eisenhochofenproducte veranlassten mich, eine Reihe
von Kohlenstoff- und Siliciumbestimmungen der verschiedensten Roh
eisensorten nach einem Verfahren zu unternehmen, welches sich im
hiesigen Laboratorium auf Herrn Prof. Dr. Gottlieb’s Veranlassung
durch Widtermann als vollkommen verlässig und als derzeit bestes
bewährt hat *). Dieses Verfahren beruht auf der Auflösung des Eisens
in Kupferchlorid und Wägung des Kohlenstoffes als Kohlensäure.
Man übergiesst zu dem Ende einige Gramme des mässig verkleinerten
zu untersuchenden Roheisens mit einer concentrirten wässerigen
Lösung von krystallisirtem möglichst säurefreiem Kupferchlorid und
überlässt so das Eisen einige Tage hindurch der Einwirkung des
Kupferchlorids. In den meisten Fällen ist in der eben angegebenen
Zeit das Eisen ohne die mindeste Gas-Entwickelung unter Zurück
lassung einer mit dem Glasstabe zerdrückbaren Masse von Kupfer und
Kohlenstoff in Lösung gegangen. Man digerirt es sofort unter Zusatz
von Clilorwasserstoffsäure, filtrirt es über ausgeglühtem Asbest und
wäscht aus.
Nachdem man es scharf getrocknet, bestimmt man den Kohlenstoff
gehalt nach Art der organischen Elementaranalyse durch Verbrennen
m it Kupferoxyd unter Anwendung eines Stromes von Sauerstoffgas,
wodurch sämmtlicher Kohlenstoff zu Kohlensäure verbrannt und als
solche gewogen wird.
Dieses Verfahren unterscheidet sich wesentlich von dem früheren,
bei welchem man die Kohlenstoffmenge unmittelbar durch Wägung
des Kohlenstoffs bestimmte, was immer zu hohe Resultate liefern
wusste, da die Kohle stets etwas wasserstoffhältig ist; andererseits
) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. 1833, Nr. 3, S. 498. Jahrb. L ieb i g
und Ko pp. 1833, S. 722.
232
B u c h n e r.
ist es durch Wohl er’s *) Entdeckung des krystallinischen Siliciums
mehr als wahrscheinlich, dass sich solches auch im Roheisen findet
und häufig als Graphit bei der Kohlenstoffbestimmung mit in Rechnung
gezogen wurde.
Das obige Verfahren diente sonach zur Bestimmung des Gesammt-
kohlenstoffgehaltes; die für die grauen und halbirten Roheisensorten
so wichtige gesonderte Bestimmung des ungebundenen Kohlenstoff-
Graphits wurde dadurch bewerkstelligt, dass die gewogene Menge
Roheisen mit massig concentrirter Chlorwasserstoffsäure unter Anwen
dung von Wärme so lange behandelt wurde, bis keine Gas-Entwicke
lung mehr wahrnehmbar war. Die Lösung wurde nun vom ausge
schiedenen Grahpit über Asbest filtrirt, dieser mit kochendem Wasser
ausgewaschen, dann mit Kalilauge, Alkohol und schliesslich Äther
behandelt, welche Agentien eine ziemliche Menge von Kohlenwasser-
stoffverbindungen aufnahmen, was sich an der Färbung der Flüssig
keiten bemerkbar machte. — Diese beiden letzteren Lösungsmittel
wurden bisher meist übergangen, und noch in neuester Zeit hat
Abel 2 ) eine Reihe von solchen Bestimmungen veröffentlicht, aus
denen zu ersehen ist, dass er sich weder des Alkohols, noch des Äthers
bediente. Der auf diese Weise nun möglichst reine Graphit, bei dem
sich noch eine entsprechende Menge Silicium befand, wurde nun wie
der mit Kupferoxyd im Sauerstoffstrome verbrannt und aus der Kohlen
säure der Kohlenstoffgehalt berechnet.
Die zur Analyse dienenden Roheisensorten waren nun folgende:
1. Spiegeleisen von Vordernberg von ausgezeichnet krystallini-
scher Struktur und von grossblättrigem Gefüge.
2. Spiegeleisen, vollkommen krystallinisch.
3. Spiegeleisen von Mosinz von eminent krystallinischem Gefüge-
4. Spiegeleisen von Eberstein, in ganz charakteristischen Stücken.
5. Luckiges Roheisen von Vordernberg, bläulich weiss, von strah-
lig körnigem Gefüge.
6. Luckiges Roheisen von Pions, Canton, St. Gallen, den obigen
ganz ähnlich, aus Rotheisenstein mit Holzkohlen erblasen.
l ) Nachrichten d. Gesellsch. Wissensch. zu Göttingen 1856, p. 39 — 44. — Clicni.
Centralblatt 1836, Nr. 9, 140.
a ) Quart. Journ. of the Cliem. Soe. IX, 3. Oct. 1836, p. 202, Journ. pract. ehern. 1857,
Bd. t.X'X, pag. 213.
Über den Kohlenstoff- und Siliciumgehalt des Roheisens. 233
7. Weisses Roheisen aus Liezen, Obersteiermark, von strahligem
Gefüge.
8. Weisses grelles Roheisen von Liezen, von mehr körniger
Structur.
9. Weisses grelles Roheisen von Liezen, körnig.
10. Weisses Gusseisen von Joachimsthal, strahliges Gefüge, durch
rasches Erkalten weiss geworden.
11. Halbirtes Roheisen von der Lölling.
12. Stark halbirt erhlasenes Roheisen von Liezen.
13. Minder halbirt erhlasenes Roheisen von Liezen.
14. Graues Gusseisen von Joachimsthal.
15. Graues Gusseisen von Elansko.
IG. Graues Gusseisen von Blansko.
17. Schaumiges grobkörniges Roheisen von Blansko.
18. Überkohltes, schwarzgrau erhlasenes Roheisen von Liezen.
1. 1. 3. 4. 3. 0. 7. 8. 9.
Chem. gebund. Kohlenst. 4 14 3-80 4-09 373 3-31 3-03 3-40 3-70 3-13
Graphit — — — — — — — — —
Silicium 0 01 0-01 0-20 0 37 Spur. 0'15 0 14 0-10 0-10
10. 11. 13. 13. 14. IS. 10. 17. 18.
Chem. gebund. Kohlenst. 3 60 (3-34 3-73 3-17 1-33 1 18 0-71 0-38 0-36
Graphit - 1 — 0-30 3 11 3-47 3-42 2-79 3 28 3-83
Silicium 0’6G 0 10 0-26 0-09 0-7 0-66 1-33 1-63 0 39
Das Spiegeleisen enthält nach Bromeis •) eine nicht unansehn
liche Quantität Graphit, während derVerfasser in verschiedenen Spiegel
eisen keinen nachweisen konnte, dagegen fand, dass das gewöhnliche
Eisen, namentlich in der Nähe der Lucken oder an den Rändern häufig
graues Roheisen eingelagert enthält, es haben aber dann die zunächst
liegenden Partien nie das Ansehen des wahren Spiegeleisens, son
dern das des dickgrellen weissen Roheisens. Stücke mit grossen Kry-
stall- oder Theilungsflächen enthalten nie Graphit. Es ist daher sehr
leicht möglich, das Bromeis ein solches fälschlich Spiegeleisen
genanntes Stück der Analyse unterwarf. Rammeisberg 2 ) hat eben
es jene Angaben als einer erneuerten Untersuchung würdig dahin-
M Hammelsberg Lehrb. chem. Metallurgie. 1830, p. 68.
2 I Wehrle, Lehrb. der Proliir- und Hüttenkunde. 2. Ausgabe, Ild. 2, p. 19.
234
B u c h n e r.
gestellt. Schon aus dem bei der Methode der Kohlenstoffbestimmung
Berührten geht hervor, dass der Kohlenstoffgehalt des Spiegeleisens
im Allgemeinen bisher immer zu hoch angegeben wurde, was auch
von der Verbrennung mit Sauerstoffgas herrühren mag, wo in solchen
Fällen, wie es scheint, versäumt wurde, den Sauerstoff in den Appa
raten durch Luft wieder zu verdrängen, was dann jedenfalls ein fehler
haftes Resultat liefert. Die übrigen weissen Roheisensorten haben sich
ebenfalls als Graphit frei gezeigt, was sowohl die bisherigen Erfah
rungen bestätigen, als auch mit der Theorie der Roheisengewinnung
übereinstimmt. Der Siliciumgehalt verschwindet beim Spiegeleisen
zum Theil beinahe gänzlich, und ist bei dem weissen Roheisen eben
falls gering.
Die grauen Roheisensorten zeigen einen verhältnissmässig eon-
stanten Graphitgehalt. Der aus dem Roheisen erhaltene Graphit wurde
früher häufig für eine Verbindung des Kohlenstoffes mit Silicium 1 )
oder auch von Eisen mit Kohlenstoff gehalten. Beides beruht jeden
falls auf einer irrigen Beobachtung. Wehrle untersuchte demnach
wahrscheinlich einen Graphit, dem krystallisirtes Silicium beigemengt
war, während im zweiten Falle der Verfasser nach sorgfältiger Dige
stion des Gemenges von Graphit und Silicium mit Königswassei 1 , nach
dem Verbrennen des Graphits vor der Gaslampe mit Gebläse immer
vollkommen ungefäi’hte, eisenfimie Kieselsäure erhielt. Somit fände
auch jener fragliche Punkt über die Constitution des Hochofengraphites
seine Erledigung, von dem Rammeisberg sagt, dass er eine
erneuei’te Untei’suchung verdiene. Der höhere Siliciumgehalt des
grauen Roheisens bestätigt fernei’s die Ansicht, dass die Reduction
des Siliciums erst hei einer Temperatur zu beginnen scheint, wo das
Roheisen grau zu werden beginnt. Das Maximum des Siliciumgehaltes
tritt bei dem schaumigen grobköi'nigen Roheisen aus Blansko, wo er
l'6°/ 0 erreicht, ein, während Karsten in einem anderen grauen
Roheisen als Maximum 3'4 0 / 0 gefunden hat.
Diesen Untersuchungen zufolge ist man keineswegs berechtigt,
eine auch nur wahrscheinliche Formel für die Zusammensetzung des
Spiegeleisens aufzustellen und der so einfache Ausdruck des \ iertel-
kolileneisens, welches man bisher als den Hauptbestandtheil des
Spiegeleisens betrachtet, scheint demnach kaum gerechtfertigt. Man
4 ) Rammelsb. Lehrh. ehern. Metallg. 1850, p. 74.
Über den Kohlenstoff- und Silieiumgehalt des Roheisens-
23 ö
muss im Gegentheil annehmen, dass das Spiegeleisen die Verbindung
eines noch unbekannten Kohleneisens mit reinem Eisen sei, daher es
auch auf eine so einfache Formel, wie die des Viertelkohleneisens
ergibt, keinen Anspruch machen kann. Würden nicht die physicali-
sclien Eigenschaften des Spiegeleisens und der Umstand, dass aller
Kohlenstoff darin chemisch gebunden enthalten ist, so sehr für die
Existenz einer wirklich chemischen Verbindung sprechen, so würde
man sich gar nicht veranlasst sehen, darin eine nach stöchiometrischen
Verhältnissen bestehende Verbindung anzunehmen.
Indem gerade die ausgezeichnet krystallinische Structur des
Spiegeleisens zur Annahme einer chemischen Verbindung führte, so
sind schon von Karsten, Hausmann, Mitscherlich, Ram-
melsberg und Gurlt Krystallmessungeri ausgeführt worden, wie
auch an einem ziemlich ausgebildeten Krysfalle, den ich erhielt, Winkel
von ungefähr 86°, 105° und 119° gefunden wurden, ohne dass man
jedoch bezüglich des Krystallsysteines daraus eine Folgerung machen
könnte.
236
II y r t I.
Vorträge.
Das arterielle Gefüss- System, der Rochen.
Von dem w. M. Herrn Prof, llyrtl.
(Auszug- aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung-.)
Die Literatur der vergleichenden Anatomie kennt nur zwei Werke,
welche diesen Gegenstand behandelten. Beide trennt der Zwischen
raum eines halben Jahrhunderts. A. Monro gab in seinem, 1787 in
deutscher Übersetzung erschienenen Werke: „Vergleichung des Baues
der Fische mit dem Baue des Menschen, etc.“ die Erklärung einer
Tafel, welche die Hauptstämme des arteriellen Gefässsystems eines
Rochen {skate, wahrscheinlich ein Glattroche) in ziemlich roher und
unvollständiger Weise darstellt. Joh. Müller erörterte unseren
Gegenstand in seiner durch Fülle und Neuheit der Thatsachen so aus
gezeichneten Abhandlung: „Über das Gefässsystem der Myxinoiden,
1841nur in so ferne, als die Kopfgefässe in einer näheren Bezie
hung zur Spritzlochkieme, zum Gehirn und Auge stehen, wobei er
vorzugsweise die Haie und Störe, weniger die Rochen berücksichtigte.
Vorliegende Abhandlung befasst sich mit der Darstellung des
gesummten arteriellen Gefässsystems der Rajidae, nach Untersuchun
gen an den Gattungen Torpedo, Rhinobatis, Raja, Trygon und Mylio-
batis. Sie zerfällt in zwei Abtheilungen. Die erste behandelt das System
bei den elektrischen Rochen, die zweite bei den übrigen.
Folgende bisher unbekannt gebliebene Verhältnisse erwähne ich
vorläufig:
1. Bei den Torpedines geben die Kiemenvenen, noch während
ihres Verlaufes an den Kiemenspalten, drei Arten von arteriellen Aus-
sendlingen ab, welche ich als dorsale, ventrale, und intermediäre
bezeichne.
Die dorsalen Verlängerungen der Kiemenvenen bilden die
Aortenwurzeln. Ausser diesen erzeugen die Venen des ersten Kiemen
sackes noch die Arteria temporalis und Carotis communis.
Das arterielle Gefäss-System der Rochen.
237
Die ventralen Verlängerungen der Kiemenvenen gehen von
jedem einzelnen Kiemensacke zu besonderen Bezirken. Diese sind für
den ersten Kiemensack : Weiclitheile und Haut zwischen Kiemengerüst
und Unterkiefer. Für den zweiten: Musculatur des zweiten und dritten
Kiemensackes, und Zurückzieher des ersten und zweiten Kiemenbo
gens. Für den dritten Kiemensack: vorzugsweise das Herz mit seinen
Anhängen. Für den vierten und fünften: Weiclitheile derselben.
Die zu den Kiemen gelangenden Äste der ventralen Verlän
gerungen der Kiemenvenen sind den Arteriis bronchialibus höherer
Wirbelthiere analog. Die zum Herzen gehenden Arteriae coronariae
sind am Bulbus und in der Furche zwischen Bulbus und Herzkammer
durch einen Arcus intercoronarius anterior und posterior ver
bunden.
Die intermediären Verlängerungen der Kiemenvenen treten
irgendwo zwischen oberer und unterer Commissur der Kiemenspalten
hervor, und sind für die elektrischen Organe bestimmt. Jedes elektri
sche Organ erhält drei Arterien, von welchen die vordere die stärkste
ist. Die Capillargefässe, in welche sich die Arterien der elektrischen
Organe auflösen, gehen in verhältnissmässig weite Venenanfänge
iiker, welche die Basen der einzelnen Prismen des elektrischen Appa
rates umgeben.
2. Die aus der Vereinigung der erten und zweiten Kiemenvene
entstandene vordere Aortenwurzel erzeugt drei Arterien, welche als
Arteriae musculo - spinales beschrieben werden. Die vordere der
selben ist die Carotis posterior autorum. Die Arteriae musculo-
spinales gehören nicht allein der vorderen Aortenwurzel an. Sie
wiederholen sich durch die ganze Länge der Wirbelsäule als paarige
Aste der Aorta. Ihr Verästlungsbezirk ist einerseits die Rückenmus-
culatur, anderseits die Medulla spinalis. Alle Rami spinales derselben
münden in ein unpaares, an der unteren Fläche des Rückenmarkes
gelegenes Gefäss ein, welches in der Schädelhöhle in die beiden
Arteriae profundae cerebri zerfällt. Jede Pröfunda cerebri anasto-
mosirt mit der Carotis interna ihrer Seite. Die beiden inneren Caro-
hden vereinigen sich in der knorpeligen Schädelbasis zu einem unpaaren
Stämmchen, welches nach seinem Eintritt in das Cavum cranii in
zwei Zweige zerfällt, die sich nach hinten Umschlägen, um mit den
Arteriis profundis zu anastomosiren. An der Umschlagsstelle ent
gingt die Arteria ophthalmica, welche nicht mit dem Sehnerv.
238
FI y r t I.
sondern durch einen unter diesem Nerven gelegenen Canal der knor
peligen Seitenwand des Schädels zum Augapfel geht. —
3. Die Beschreibung der Verzweigungen der Aortenäste erlaubt
keinen Auszug.
Bei den Rochen ohne elektrische Apparate, aber mit Spritzloch
kiemen, werden die arteriellen Verlängerungen der Kiemenvenen,
die mit den Spritzlochkiemen in nähere Beziehung treten, ausführlich
geschildert, und der Bau der letzteren in Beziehung auf die Frage
erörtert: ob die Spritzlochkiemen respirirende Organe sind oder nicht.
Es werden Gründe vorgebracht, nicht ohne Gewicht, welche es
wenigstens nicht unwahrscheinlich machen, dass die Vorstellung, welche
man gegenwärtig über zu- und abführende Gefässe der Nebenkieme
aufrecht hält, nicht über allen Zweifel sichergestellt ist. Von beson
derem Gewichte erscheint es hiebei, dass die Arteria ophthalmica,
welche man als eine arterielle Verlängerung der Vene der Spritzloch
kieme ansieht, bei den nicht elektrischen Rochen, wie bei den elek
trischen ein Zweig der Carotis cerebralis ist, die Arteria ophthalmica
autorum somit etwas anderes als eine Arteria ophthalmica sein
dürfte. Ich glaube in ihr eine Vene zu sehen, welche venöses
Augenblut zur Spritzlochkieme führt. Diese Kieme ist gebaut wie alle
übrigen. Sie functionirt also auch so wie diese. Sie kann venöses
Augenblut in artprielles umwandeln, und dasselbe in die Bahn der
Venen des ersten Kiemensackes leiten, welche gleichfalls arterielles
Blut führen. — Alle anatomischen Verhältnisse der Gefässe des Auges,
des Gehirns und der Spritzlochkieme wurden einer genauen Revision
unterzogen, was für und was gegen meine Ansicht spricht abgewogen,
und die definitive Erledigung der Frage auf die nächstens folgende
Darstellung der Kopfgefässe bei den Haien vertagt. ■—- Bei den eigent
lichen Rochen kreuzt sich die Arteria carotis cerebralis mit der
gleichnamigen Schlagader der anderen Seite in der Basalplatte des
Schädelknorpels, so dass beide die entgegengesetzte Hirnhälfte und
das entgegengesetzte Auge versorgen.
4. Das Herz der nicht elektrischen Rochen besitzt vier Arteriae
coronariae. Sie entspringen aus einer ventralen Verlängerung der
Venen des zweiten Kiemensackes, welche sich so weit nach hinten
erstreckt, dass sie entweder in die Arteria subclavia einmündet,
oder mit einem von dieser ausgesendeten Zweige anastomosirt. Die
zwei vorderen Arteriae coronariae laufen längs des Bulbus zum
Das arterielle Gefass-System der Rochen. 239
Herzen; die zwei hinteren ziehen längs den Ductus Cuvieri zur Vor
kammer und theilweise zur Kammer.
ü. Die Arterien des Darmcanals und der paarigen Baucheinge
weide, die Arterien der Brust- und Bauchflossen, des Beckengürtels,
des Schwanzes, sind so weit umständlich beschrieben, als es mit Ver
meidungnutzloser Ausführlichkeit geschehen konnte. Eine chirurgische
Anatomie des Gefäss-Systems zu gehen, habe ich nicht imSinne gehabt.
6. Das contractile Organ, welches J.Davy an den männlichen
Geschlechtszangen (cläspers) der Kochen erwähn t, habe ich an keinem
der untersuchten Exemplare finden können. Hiemit ist nur gesagt, dass
es mit dem arteriellen Gefässsystem in keiner unmittelbaren Verbindung
steht. Bei den gelungensten Injectionen der Beckenarterien der Kochen,
welche ich an den Küsten des adriatischen und mittelländischen
Meeres im vollkommen frischen Zustande der Thiere vornahm, zeigte
sichan keiner der in der Geschlechtszange ramifizirten Arterien irgend
etwas, was mit dem von Davy erwähnten, pulsirenden Organe in
Verbindung gebracht werden könnte. Es kann desshalb immer noch
ein Venenherz oder ein Lymphherz daselbst Vorkommen, worauf ich
bei der Bearbeitung meines Gegenstandes vor der Hand keine Rück
sicht genommen habe.
7. Die Verästlung der Carotis interna, so weit sie dem Gehirn
angehört, ist keine baumförmige, sondern bildet strahiige Büschel,
welche für unipolare Wundernetze erklärt werden.
8. Fünfzehn Präparate, welche im Verlaufe dieser Arbeit ange
fertigt wurden, und deren einige in den fünf Tafeln, welche die Beschrei
bungen veranschaulichen, abgebildet sind, werden im Museum für
vergleichende Anatomie aufbewahrt, um als Belege für die Richtigkeit
der gegebenen Darstellungen zu dienen.
240
F r i t s c h. Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der
Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der Lufttem
peratur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen der
Pflanzen, mit Berücksichtigung der Insolation und Feuchtigkeit.
Von dem c. M. Karl Pritsch,
Adjuncten der meteorologischen k. k. Central-Anstalt.
(Auszag aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung.)
Wenn ich es unternehme, an die Lösung einer Aufgabe zu gehen,
mit welcher sich bereits mehrere ausgezeichnete Physiker und Pflan
zengeographen beschäftigten, ohne ihre Bemühung durch eine allge
meine Anerkennung der aufgestellten Formeln gekrönt zu sehen, so
dürfte es wohl meine Pflicht sein, daran zu erinnern, dass ich mich
mit dem Gegenstände der Frage eine lange Reihe von Jahren hin
durch unablässig beschäftiget habe und bereits einige Versuche 1 ) 2111,
Lösung derselben unternahm, welche in der gegenwärtigen Arbeit
eine bestimmtere und fester begründete Bestätigung finden.
Bei einem Gegenstände, der in Österreich fast noch von keinem
anderen eompetenten Forscher in Angriff genommen worden ist und
so folgenreich in seiner Anwendung zu werden verspricht, war es
wohl angezeigt, von einer möglich vollständigen Darstellung der
Literatur auszugehen, ohne den Vorwurf besorgen zu müssen, dass
die Arbeit über die Gebühr ausgedehnt worden ist, weil es mir ohne
einen solchen Vorgang kaum möglich schien, über die Fragen, auf
welche es nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse vor
zugsweise ankommt, klar zu werden so wie über das zu ihrer Lösung
anzuwendende Verfahren.
Die Arbeit beginnt daher mit den bereits bekannten Lehrsätzen
der Pflanzen-Physiologie, welche die Pflanze in ihrer Wechselwir-
*) M. s. insbesondere meine Abhandlung: „Über die periodischen Erscheinungen nn
Pflanzenreiche“ in den Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissenschaften.
Dann meinen „Kalender der Flora von Prag“, Beilage der Sitzungsberichte dei
mathem.-naturw. Classe, Jännerheft 18ö2.
Lufttemperatur auf die Zeiten bestimmter Ent\vickelung-6pliasen etc. 241
kung mit der Atmosphäre betrachten, hierauf werden die Modilica-
tionen erörtert, welche diese Wechselwirkung durch verschiedene
Factoren erleidet, und insbesondere der Einfluss der Lufttemperatur
und Insolation hervorgehoben, so wie ferner noch jene Modificatio-
nen näher betrachtet, welchen die Wirkungsweise der Lufttempe
ratur durch die Bodenbeschalfenheit, örtliche Verhältnisse und die
Hydrometeore ausgesetzt ist.
Wenn ich diese allgemeinen Betrachtungen an die Autorität
hochgefeierter Forscher, wie Unger 1 ) und Sendtner 2 ) knüpfte,
so glaubte ich für meine Untersuchungen nur eine um so sichere
Grundlage gewonnen zu haben.
Die Pflanzen-Physiologen und Geographen haben aber die von den
Physikern aufgestellten Formeln blos angewendet, ohne die Aufstel
lung eigener zu versuchen. Ich konnte daher nicht vermeiden den
Einfluss der verschiedenen Factoren, insbesondere der klimatischen,
auf die Wechselwirkung zAvischen der Pflanze und atmosphärischen
Luft im Allgemeinen, auch vom Standpunkte der Meteorologen zu
betrachten, die Ideen von Quetelet 3 ) hierüber anzuführen und
mir zu erlauben, jene, von welchen ich selbst davon unabhängig
ausging, vergleichend anzufügen.
An diese Einleitung schliesst sich nothwendig eine detaiilirte
Geschichte der Vegetationsbeobachtungen, welche ja erst den Stoff
liefern zur Lösung der durch theoretische Betrachtungen angeregten
Fragen, und zwar nicht in dem Masse ihrer Anzahl, sondern in
jenem ihrer Vervollkommnung, welche bei so complicirten Erschei
nungen, wie sie der Vegetationsprocess mit sich bringt, nur das
Ergebniss mannigfaltiger und unablässiger Bestrebungen sein kann,
deren Erörterung nothwendig ist.
Von dem Impulse zu solchen Beobachtungen ausgehend, der auf
Linne zurückreicht, werden die älteren Versuche dieser Art auf
gezählt, welche in Österreich noch nicht Eingang gefunden hatten,
bevor die k. k. patriotisch - ökonomische Gesellschaft zu Prag, wahr
scheinlich in Folge einer Anregung der Versammlung deutscher
Naturforscher in München im Jahre 1827, das erste Beobachtungs-
*) M. s. „Die Pflanze und das Licht“. Eine Rede, gehalten in der feierlichen Sitzung
de r k. A. d. W. 18S3.
) dl. s. „Die Vegetations-Verhältnisse Siidbaierns“.
) M. s. Sur Ie climat de la ßelgique, Chapitre IV.
Sltz,J ' d - mathem.-naturw. CI. XXV. Rd. I.Hft.
16
242 Fritsch. Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der
System in Böhmen einführte, welches bis zu dem Zeitpunkte der
Errichtung deck. k. Central-Anstalt für Meteorologie und Erdmagne
tismus (1851) fortbestand, aber vorzugsweise nur dazu diente, die
Überzeugung zu erlangen, dass der Zeitpunkt zur Vergleichbarkeit
der an verschiedenen Stationen angestellten Beobachtungen noch nicht
gekommen sei.
Der Gedanke lag nun nahe, meine eigenen, seit 1835 datirenden
und in der Umgebung von Prag angestellten Beobachtungen, welche
dem gegenwärtig in Österreich geltenden Systeme als Ausgangspunkt
dienten, mit den daraus gezogenen Resultaten *) einer näheren Betrach
tung zu unterziehen, welche ich insbesondere aus dem Grunde für
nothwendig hielt, weil sie mir bereits dazu dienten, die Lösung der
Aufgabe, welche mich gegenwärtig beschäftiget, schon früherein
mal zu versuchen, in meinem Kalender der Flora von Prag, welcher
den Sitzungsberichten vom Jänner 1852 beigeschlossen ist; ich
konnte nicht unterlassen, auf den wesentlichen Inhalt dieser Arbeit
einzugehen, welche in mehr als einer Beziehung zur Begründung und
Beleuchtung meiner gegenwärtigen dienen kann.
Die Arbeiten von Quetelet sind, wie allgemein anerkannt ist,
so einflussreich auf alle Untersuchungen der Art, dass ich nicht unter
lassen konnte, das Wesentliche der Instructionen anzuführen, von
welchen sie ausgingen 3 ). Theilweise gilt dies auch von den Propo
sitionen, welche sich Quetelet von Spring ausbat.
Die aus meinen Prager Beobachtungen gewonnenen Resultate
haben auch zur Entscheidung der Frage geführt, ob es zweck
mässiger ist, die Vegetationsbeobachtungen im Freien oder in einem
Garten anzustellen. Auf Grund dieser Frage habe ich ein neues Beob
achtungssystem und die Instruction hinzu entworfen, welche im
Maihefte der Sitzungsberichte 1850 enthalten ist. Sie diente den
Beobachtungen zur Basis, welche ich im Jahre 1852 im hiesigen
k. k. botanischen'Garten begann und die Daten zu meinen gegenwär
tigen Untersuchungen lieferten.
1 ) M. s. Periodische Erscheinungen im Pflanzenreiche in den Abhandlungen der königl-
Gesellsch. der Wissensch. zu Prag 1 , V. Folge, IV. Band, und Kalender der Flora von
Prag in den Sitzungsberichten der mathem.-naturw Classe der kaiserl. Akademie der
Wissensch. Jänner 1852.
2 ) M. s. Academie royale des Sciences et belles-lettres de Bruxelles (tom. IX, n° I, d ßS
Bulletins).
Lufttemperatur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen etc. 243
Ich konnte mir nicht versagen, anzuführen, dass in Folge der
Impulse, die von Quetelet und, wie ich mich freuen darf, von mir aus
gingen, in anderen Ländern, wie in Schlesien durch Prof. Göppert
und Dr. Cohn in Breslau, durch Dr- Dippe, Mitglied des gross
herzoglich meklenburgischen statistischen Bureau in Schwerin, Prof.
Hoffmann in Giessen, durch Ais British Association for tlie ad-
vancement of Science ähnliche Beobachtungen in das Leben ge
rufen worden sind und einige Resultate, insbesondere der Beob
achtungen, welche von Dr. Cohn in Breslau geleitet werden,
anzuführen. Sie vervollständigen das Materiale für einen zweiten,
wenn es mir vergönnt sein wird, in einigen Jahren nachfolgenden
Theil der Arbeit, welcher die Darstellung der Gesetze des Einflusses
der klimatischen Factoren auf die Entwickelung der Pflanzen in ihrer
Abhängigkeit von geographischen Verhältnissen zum Gegenstände
haben wird.
Sendtner’s Bemerkungen über die Methode, die periodischen
Erscheinungen an den Pflanzen zu beobachten 1 ), haben so wesent
lich eingewirkt, meine Beobachtungen auf einen Grad der Genauig
keit zu steigern, wie man ihn bei älteren Aufzeichnungen, sowohl
den meinen, als fremden, vergebens sucht, dass eine etwas weitere
Exposition derselben um so mehr gerechtfertiget erscheint, als von
ihnen die endgiltige Instruction ausging, welche meinen Beobach
tungen im Wiener k. k. botanischen Garten zur Grundlage diente,
deren wesentlichen Inhalt ich in meiner Arbeit ebenfalls nothwendig
anführen musste, um die Pflanzenarten im Allgemeinen und insbe
sondere die Entwiekelungsphasen bestimmt zu bezeichnen und von
anderen zu unterscheiden, welche zu einer Untersuchung der Art
nicht geeignet schienen.
Indem ich den mittleren Fehler des Datums einer jeder dersel
ben bestimmte, überzeugte ich mich, dass
1- das erste Sichtbarwerden der Laubblattoberfläche,
2. die Entfaltung der ersten Blüthen,
3. das Reifwerden der ersten Früchte und
4. die vollständige Entlaubung jene Phasen seien, welche sich
der Zeit nach am genauesten bestimmen lassen.
1 ) M. s. Gelehrte Anzeigen der k. Akademie der Wissenschaften in München 181S,
Nr. 44—52.
16
Fritsch. Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der
Dieses Resultat war von dem grössten Einfluss auf das seit 1853
datirende Beobachtungssystem in Österreich, welches gegenwärtig
bereits 110 Theilnehmer zählt. Die älteren Beobachtungen, welche
auch vorzugsweise diese Phasen berücksichtigten, ohne von einer so
festen Überzeugung, dass sie sich vor den übrigen empfehlen, auszu
gehen, lassen sich sonach recht gut an die neueren anschliessen, und
man hat sogar hei der letzten Versammlung deutscher Naturforscher
und Ärzte in Wien im v. J. die drei ersten der oben aufgezählten
Phasen endgiltig angenommen.
Für meine gegenwärtige Arbeit sind die meteorologischen Beob
achtungen eben so wichtig, wie jene über die Vegetation, wenn sie
gleich, da sich ihre Methode schon lange festgestellt hat, einer Erör
terung weit weniger bedürfen. Ich konnte mir aber nicht versagen,
anzuschliessen, welche Anforderungen noch zu erfüllen sind, wenn
sie auch in Beziehung auf solche Fragen, wie die mich gegenwärtig
beschäftigende, vollständig genügen sollen; ich führe insbesondere an
die Wünsche von A. de Candolle und Prof. Hoffmann.
Nach dem gegenwärtigen Stande unserer Kenntnisse erübriget
nichts, als die klimatischen Factoren in eine Rangordnung zu bringen
und den Einfluss jener derselben einer näheren Betrachtung zu unter
ziehen, welche vor den übrigen einen überwiegenden Einfluss auf die
Vegetation ausüben; damit beschäftiget sich ein mit „Allgemeine
Betrachtung über den Einfluss klimatischer Factoren“ üherschrie-
bener Abschnitt.
Bereits im Jahre 1841 konnte ich die herrschende Ansicht durch
Beobachtungen bestätigen *)> dass in dieser Hinsicht die Temperatur
der Luft und die Niederschläge in erster Linie stehen, letztere jedoch
nur als bedingend für die Wirkungsweise der ersteren und in so
fern nicht in demselben Grade wesentlich. Ich war im Stande nach
zuweisen, dass die Differenzen der Temperatursummen vom Winter-
Solstitium bis zum Tage einer bestimmten Entwickelungsphase in ver
schiedenen Jahren nahezu constant bleiben, wie die Unterschiede
in den Zeiten der Entwickelungsphasen, wenn man sie mit entgegen
gesetzten Zeichen nimmt, und dass man eben so gut vom Anfang
*) M. s. „Elemente zu einer Untersuchung' über den Einfluss der Witterung auf die
Vegetation“ in den Sitzungsberichten der k. bühm. Gesellsch. der Wissensch. vom
Jahre 1842.
Lufttemperatur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen, etc. 245
des Jahres ausgehen könne, nm die gewohnte Übersicht der meteo
rologischen Beobachtungen zu erhalten •— jedoch nur die Tempe
raturgrade über dem Gefrierpunkte zählen dürfe. Ich führe dieses
Resultat an, weil es, so wenig man dies bei dem scheinbar so com-
plicirten Einflüsse des Klima’s auf die Vegetation erwarten sollte,
durch meine Untersuchungen neuerdings und zwar, wie schon früher
einmal, direct bestätiget wird, indem die längere Fortsetzung der
Beobachtungen erlaubte, es nicht blos für die Differenzen von Jahr
zu Jahr, sondern für die normalen Summen der Temperatur als gütig
nachzuweisen.
Spätere Untersuchungen von Quetelet 1 ) und Dove 3 ) legen
auf den Einfluss der Temperatur ebenfalls das grösste Gewicht und
haben ein ähnliches Gesetz desselben aufgestellt. Prof. Hoffmann
in Giessen, welcher in neuester Zeit über den Einfluss des Klima's in
allen seinen Factoren umfassendere und genauere Untersuchungen
angestellt hat 3 ), als je ein Forscher vor ihm, ist ebenfalls zu einem,
mit dem meinen, wie aus dem Nachfolgenden vollständig einleuchten
wird, übereinstimmenden Resultate gelangt, indem er den Sonnen
schein, also Wärme und Licht, und den Regen, also die Feuchtigkeit
als die einflussreichsten Factoren aufstellt.
Ein folgender Abschnitt beschäftiget sich nun mit der Darstel
lung der Temperatur-Formel, welche von verschiedenen Forschern
aufgestellt worden ist. Reaumur und nach ihm Cotte so wieBous-
singault hielten die einfache Summe der Temperatur,ohne meines
Wissens den Anfangspunkt derselben für andere als annuellePflanzen
näher zu bezeichnen, für ausreichend, welche Ansicht von mehreren
Forschern,wie A. de Candoll e, Lachmann und Cohn, bis gegen
wärtig getheilt worden ist.
Quetelet in Brüssel hat die Summe der Temperatur nicht aus
den einfachen Tagesmitteln über Null, sondern den Quadraten der
selben gebildet und in zwei Summanten getheilt, von welchen der eine
für den Zeitraum vorübergehender Einwirkung im Winter, der andere
für jenen seit dem Aufhören der letzten Fröste gilt.
M. s. Sur le climat de la Belgique. Chaprite IV. Annales de 1’Observatoire. Bruxelles
1846.
s. Uber den Zusammenhang der Wärmeiiuderungen mit der Entwickelung der
Pflanzen, in den Abhandlungen der Berliner Akademie 1846.
3 ) M. s. dessen Grundzüge der Pflanzenklimatologie.
246 Fritsch. Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der
Bei dem hohen Ansehen, dessen sich Quetelet mit Recht erfreut,
konnte ich nicht vermeiden, die Bedingungen, an welche er seine
Formel knüpft, näher zu erörtern, die Versuche ihrer Anwendbar
keit, insbesondere jene die von mir ausgingen, anzuführen und Alles,
was von verschiedenen Forschern, z. B. Schleiden für und von
Cohn, Lachmann gegen dieselbe angeführt worden ist.
Die von de Gasparin und Babinet aufgestellten Formeln
kommen darin überein, dass sie für jede Pflanzenart die Bestimmung
jenes Temperaturgrades voraussetzen, bei welchem der Einfluss der
Lufttemperatur beginnt, sie unterscheiden sich aber dadurch, dass
Babinet einen der beiden Factoren, aus welchen sie bestehen, die
um die Anfangstemperatur verminderte mittlere Temperatur und die
Zahl der Tage des Zeitraumes, für welchen sie gilt, und zwar den
letzteren ins Quadrat erhebt.
Die Frage nach der Realität der sogenannten Nullpunkte oder
Anfangstemperaturen der Pflanzen ist eine so wichtige und einfluss
reiche, dass ich es für nothwendig hielt, sie von allen Seiten zu
beleuchten und insbesondere anzuführen, was A. de Candolle 1 ) zu
ihrer Aufrechterhaltung unternommen und dagegen von Professor
Hoffman angeführt wird, um ihre Realität in Zweifel zu ziehen. Ich
habe noch beigefügt meine eigenen Versuche, diese Anfangstempe
raturen zu bestimmen.
Die Temperatur der Luft ist zur Zeit ihres Einflusses auf die
Vegetation in der weit überwiegenden Anzahl von Fällen mit Sonnen
schein eombinirt, eine nähere Betrachtung des Einflusses der Inso
lation schliesst sich daher nothwendig jener über den Einfluss der
Temperatur an, zumal gerade die wichtigsten Erscheinungen des
Pflanzenlebens, wie die Blüthe und Fruchtreife, wesentlich durch
die Insolation bedingt sind. Ich gelangte leider zur Überzeugung,
dass die bisher zur Bestimmung derselben verwendeten Instrumente,
insbesondere die Thermometer, weder an sich noch in Beziehung
auf die der Insolation ausgesetzten Pflanzen als Mass derselben dienen
können; es wurde mir daher inleuchtend, wie die Versuche, die
Angaben der den Sonnenstrahlen ausgesetzten Thermometer in Rech
nung zu bringen, nothwendig scheitern mussten und der halbe Unter
schied des täglichen Maximums und Minimums der Lufttemperatur
*) M. s. Geographie botanique.
Lufttemperatur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen etc. 247
im Schatten noch am geeignetsten erscheine, als Mass der Insolation
zu dienen.
Ein Trost war es für mich wieder andererseits, zur Einsicht zu
gelangen und bei A. de Candolle eine Bestätigung dafür zu finden,
dass man mit Rücksicht auf den Grad der Genauigkeit, welcher bei
derlei Untersuchungen auf dem gegenwärtigen Standpunkte unserer
Kenntnisse beansprucht werden kann, diesen Factor ohne Bedenken
vernachlässigen könne.
Dem letzten noch erübrigenden, eminenten klimatischen Factor,
der Feuchtigkeit nämlich, glaubte ich dadurch Rechnung zu tragen,
dass ich in einer der Formeln, welche schon a priori die meisten
Gründe ihrer Stichhältigkeit für sich hatte, nämlich in jener von
Boussingault, den Temperaturen des trockenen Thermometers jene
des nassen am Psychrometer substituirte, und so entstand eine neue,
von mir selbst aufgestellte Formel.
Es sind somit im Ganzen fünf Formeln, welche an den Beobach
tungen zu prüfen waren. Bevor ich jedoch diese Prüfung vornehmen
konnte, musste ich entscheiden, von welchem Zeitpunkte aus die Sum-
mirung der Temperaturgrade zu beginnen habe, ich musste ferner
auf ein Mittel bedacht sein, die Nullpunkte für die zu untersuchen
den Pflanzenarten zu bestimmen. Indem ich vorerst durch die Wahl
von annuellen Pflanzen die Schwierigkeiten in ersterer Beziehung
umging, da bei diesen über den Zeitpunkt, von welchen man aus
zugehen hat, kein Zweifel obwaltet, musste ich wieder verzichten
auf den Vortheil, alle Formeln auf gleiche Weise einer Prüfung
zu unterziehen, da ich vergeblich die hei den Formeln von de
Gasparin und Babinet vorausgesetzten Nullpunkte zu bestimmen
versuchte.
Es war also nothwendig, auf die lignosen Pflanzen überzugehen,
welche ich unter den übrigen Pflanzen allein auch in solchen Phasen
der Entwickelung beobachtete, die sich dem Erwachen aus dem
Winterschlafe zunächst anschliessen. Ich habe die Gründe entwickelt,
die mich bestimmten, anzunehmen, dass die mittlere Temperatur des
Zeitraumes, welcher zwischen dem ersten Sichtbarwerden der hellen
Zonen an den Knospenschuppen und dem ersten Ileryorbrechen der
Gaubblattspitzen aus der Knospenhülle, verstreicht, welche natürlich
bei jeder Art eine andere ist, dem sogenannten Nullpunkte der
Pflanze entspreche und gezeigt, dass man zu dieser Bestimmung nur
248 Fritsch. Untersuchungen über das Gesetz des Einflusses der
jene Tagestemperaturen verwenden dürfe, welche sich über den
Gefrierpunkt erheben.
Ich habe diese Nullpunkte, welche nach Verschiedenheit der Art
zwischen + 4° bis -(-7° Grad schwanken, für jede derselben nicht
allein aus den eigenen, mehrere Jahre hindurch angestellten Beob
achtungen für jedes einzelne Jahr, sondern auch aus jenen an ande
ren Orten angestellten zu bestimmen gesucht, die einzelnen Bestim
mungen für jede Art in ein Mittel vereint und den Fehler desselben
ermittelt. Zur Prüfung der Formeln wurden sodann nur die Daten
von jenen Arten benützt, bei welchen der Fehler des Nullpunktes
+ 1° nicht überstieg.
Es war dies bei folgenden Pflanzen der Fall: Acer Pseudopla-
tamis, Aesculus Hippocastanum, Catalpa syringaefolia, Corylus
Avellana, Philadelphus coronarius, Prunus Padus, Ribes Grossu-
laria, Sumbucus nigra, Syringa vulgaris, Ulmus campestris.
Von diesen Pflanzen, welche im Wiener k. k. botanischen Garten
beobachtet wurden, sind die Tage der oben bereits angeführten Ent
wickelungsphasen für die Jahre 1853 bis 1856 zusammengestellt.
Da die Beobachtungen immer an denselben Individuen ausgeführt
worden sind, so kann die Wirkungsweise aller anderen Factoren als
der klimatischen in den einzelnen Jahren als nahezu constant ange
nommen werden. Die Abweichungen der einzelnen Daten von ihrem
Gesammtmittel entsprechen daher den klimatischen Differenzen der
einzelnen Jahre.
Ich berechnete hierauf für die normalen Daten die Temperatur-
Constanten nach allen fünf Formeln, bei allen von übereinstimmenden
Anfangspunkten der Zeit ausgehend, Avofür die Gründe entwickelt
sind, und indem ich nachrechnete, an welchen Tagen in den einzel
nen Jahren dieselben den normalen Werth erreicht haben würden
und dieselben mit den Beobachtungs-Daten verglich, ergaben sich die
Fehler in Tagen. Die Resultate dieser Prüfung lassen sich in folgende
Sätze zusammenfassen:
1. Kleine, innerhalb der Grenzen für die Sicherheit der Beobach
tung liegende Fehler sind bei allen Formeln die zahlreichsten,
extravagante, wenn auch nur einzelne, kommen hlos bei den
Formeln von de Gasparin und Babinet vor.
2. Bei allen Formeln fällt reichlich die Hälfte der Fehler zwischen
die Grenzen der Beobachtungsfehler = + 3 Tage, es erklärt
Lufttemperatur auf die Zeiten bestimmter Entwickelungsphasen etc. 249
sich somit, wie die Ansichten hierüber so lange getheilt hleiben
konnten. DieFormel von Quetelet gibt in den meisten Fällen
die kleinsten Fehler.
3. Die Summe der Fehler, wohl das entscheidendste Moment, ist
bei derFormel von Boussingault, dann bei meiner am klein
sten, am grössten bei den Formeln von de Gasparin und
Babin et.
Es ist somit einleuchtend, dass die beiden letzteren den übrigen
nachstehen, es bleiben daher nur noch jene von Boussingault,
mir und Quetelet zur Auswahl übrig. Meine setzt Psychrometer
beobachtungen voraus, welche in Vergleiche zu einfachen Thermo
meterbeobachtungen nur selten und noch seltener mit der gehörigen
Vorsicht und Sorgfalt angestellt worden. Nach der Formel von
Quetelet ist die Berechnung der Constanten sehr mühsam, da man
die einzelnen Tagestemperaturen erst ins Quadrat erheben muss. Es
empfiehlt sich daher am meisten die einfache Formel von Boussin
gault, welche im Grunde schon Cotte und Re aumur aufgestellt
bat, wonach die Temperatursumme von einem passenden Zeitpunkte
anzufangen, z. B. für die Belaubung vom Anfänge des Jahres, für die
Blüthe vom Tage der ersten Belaubung u. s. w. gezählt — eine
Constante der Entwickelungsphasen ist.
Diese Wahl stimmt auch mit den Ansichten und Forschungen
von De Cand olle, Cohn, Lachmann undHoffmann überein,
und selbst Quetelet bedient sich der erwähnten Formeln neben
seiner eigenen.
Ihre Einfachheit verspricht eine sehr folgenreiche Anwendung,
und es kann nun keinem Zweifel unterliegen, dass die Aufzeichnungen
über die Entwickelungsphasen solcher Pflanzenarten, und deren gibt
es sehr viele, welche von anderen als klimatischen Factoren sehr
wenig abhängig sind, einen Total-Ausdruck desKlima’s geben, welcher
bei den allgemein verbreiteten Pflanzen früher und sicherer zurKennt-
mss der Abstufungen des Klima’s in einem Lande führen wird, als man
auf irgend einem anderen Wege dabin gelangen kann, so wie man
anderseits aus den Temperatur - Beobachtungen eines Ortes die
baage sofort entscheiden kann, welche Pflanzen mit der Aussicht
auf einen lohnenden Erfolg an irgend einem Orte angebaut werden
können.
250 Fritsch. Untersuchungen über d. Gesetz d. Einflusses d. Lufttemperatur.
Um hiezu schon gegenwärtig ein Scherflein beizutragen, sehliesse
ich unter dem Titel: „Kalender der Flora von Wien“ ein Verzeichniss
von einigen Hundert im hiesigen botanischen Garten in den Jahren
1852—1856 beobachteten Pflanzen bei, welches die normalen Tage
für die bekannten vier Phasen der Entwickelung und den mittleren
Fehler der Bestimmung enthält, und füge noch eine Tafel bei, welche
für alle Tage des Jahres die vom Anfänge des Jahres fortlaufenden
normalen Temperatursummen dieses Zeitraumes ersichtlich macht.
Ich kann nicht anders schliessen, als indem ich den hochver
ehrten Akademikern, meinem Vorstande Herrn Director K. Kreil
und dem Director des k. k. botanischen Gartens, Herrn Professor
E. Fenzl, meinen verbindlichsten Dank ausspreche für die Unter
stützung, welche sie meiner Arbeit, wenn auch meistens nur indirect
wie sie in ihrer Anspruchslosigkeit einwenden werden, angedeihen
Hessen.
v. Litt r ow. Phys. Zusammenk. d. Planeten Amphitrite u. Melpomene etc. 25 I
Physische Zusammenkunft der Planeten Amphitrite und
Melpomene im November 1857.
Von dem w. M. Karl v. Littrow.
Bei der weiteren Durchführung meiner Untersuchung über die
Möglichkeit bedeutender gegenseitiger Näherung der Planeten zwi
schen Mars und Jupiter, bin ich auf eine so bald und unter so günstigen
Umständen sich ereignende Zusammenkunft von Amphitrite und Mel
pomene gekommen, dass ich nicht umhin kann, dieselbe vorläufig
bekannt zu geben. Die wechselseitigen Entfernungen dieser Planeten
betragen:
1837 Oct. 28 0-1294
Nov. 7 0-1190
„ 17 01146
„27 01212
Dec. 7 01329
in Einheiten der halben grossen Erdbahnaxe. In ihrem kleinsten
gegenseitigen Abstande am 17. November, sind sie etwa 2-3 Millionen
geographischer Meilen von einander entfernt. So unwahrscheinlich
bei solcher Distanz eine merkliche Störung auch ist, glaube ich doch
die Aufmerksamkeit mit grossen Fernrohren versehener Astronomen
rechtzeitig auf die genannten Himmelskörper richten zu müssen. Die
beiden Planeten gehen um jene Zeit beiläufig gegen 2' 1 nach Mitter
nacht auf, und da sie nicht eben zu den kleinsten Asteroiden gehören,
so wird deren Beobachtung um so weniger einer besonderen
Schwierigkeit unterliegen, als gerade auf die interessanteste Zeit, in
der Mitte Novembers, der Neumond trifft.
Andere Zusammenkünfte derselben Art, auf die ich für das lau
fende Jahr geleitet wurde, wie:
252 v.l ittrow. Phys. Zusammenk. d. Planeten Amphitrite il. Melpomene etc.
Euterpe
Fortuna
Bellona
Amphitrite
Fides
Juno
Thalia
Calliope
Vesta
im Januar
„ März
„ Mai
„ Juli
— Polyhymnia „ August
habe ich nicht für nöthig gehalten in ähnlicher Weise vorher anzu
zeigen, weil hei denselben die betreffenden Planeten um jene Zeiten
nahe in Conjunction mit der Sonne sich befinden, oder sonst unsicht
bar sind.
Ich habe sichere Aussicht, bald weitere Voraussagen solcher
Zusammenkünfte von Planeten mittheilen zu können, die schon in den
nächsten Jahren sich ereignen und durch weit geringere gegenseitige
Entfernungen als die oben besprochene sich auszeichnen.
F. v. Hauer. Ein geolog. Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 253
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis
Duino.
Von dem c. M. Franz v. Dauer.
(Mit IV Tafeln.)
(Vorgetragen in der Sitzung am 8. Jänner 1857.)
I. Geschichte der Ausführung.
Als zu Anfang des Jahres 1855 der Plan festgestellt wurde,
nach welchem im kommenden Sommer die Aufnahmsarbeiten der
k. k. geologischen Reichsanstalt vorgenommen werden sollten, war
die geologische Detailaufnahme des östlichen Theiles der Alpenkette
in Kärnten nach Süden bereits über die krystallinische Centralaxe
des Gebirges, nämlich bis über den Parallelkreis von Klagenfurt und
über das Gailthal hinaus vorgerückt. Die Aufnahmen des Sommers
sollten den südlichsten Theil von Kärnten und einen kleinen Tlieil
der venetianischen Alpen mit umfassen. Von diesem Endpunkte bis
zum adriatischen Meere war nur mehr ein verhältnissmässig wenig
breiter Landstreifen übrig, aus welchem keine neueren Untersuchun
gen Vorlagen. Unter diesen Umständen schien es ausführbar einen
geologischen Durchschnitt anzufertigen, welcher, von N. nach S. die
ganze Alpenkette durchschneidend, ein auf wirkliche Beobachtungen
basirtes Bild ihrer geologischen Zusammensetzung darbieten sollte.
Die Ausführung dieser Arbeit wurde mir übertragen; ich wählte
die Linie dergestalt, dass sie einerseits die am sichersten unter
suchten Gegenden berührte und andererseits möglichst viele ver
schiedenartige Gebilde traf, und opferte diesen beiden Rücksichten
lieber die streng gerade Richtung auf.
Für den nördlichsten Theil des Durchschnittes, von der Donau
bis in die Gegend von Riedau, benützte ich die Aufnahmen, die ich
254
F. v. Hauer.
selbst im Sommer 1853 in Gesellschaft der Herren Dr. Peters,
E. Suess und H. Wolf ausgeführt hatte; für die Linie von Riedau
bis Vöklabruck lagen die Aufnahmen von Hrn. J. Kudernatsch
vom Jahre 1852 vor, von Vöklabruck bis zum Gosaubach bei Hall
statt benützte ich grösstentheils die Aufnahmen Lipold's vom
Jahre 1852, zum Theile aber auch Beobachtungen, die ich 1855 in
der Umgegend von Gmunden und Ehensee angestellt hatte, und eine
Aufnahme der nächsten Umgegend von Ischl, die ich 1853 in Gesell
schaft des Herrn E. Suess anfertigte. Eine Untersuchung des Hall
stätter Salzberges unternahm ich 1853 ebenfalls mit Hrn. E. Suess
und dieser vollendete im selben Jahre weiterhin allein den Durch
schnitt über den Dachsteingipfel bis Schladming im Ennsthale. Der
Abschnitt der weiter unten folgenden Beschreibung der Durchschnitts
linie, der sich auf das Dachsteingebirge bezieht, ist von ihm selbst
verfasst.
Von Schladming macht der Durchschnitt, entlang der Zone der
Grauwackensehiefer, einen Sprung nach Westen in die Gegend von
St. Johann im Salzachthale, wodurch es möglich wurde die Central
masse des Ankogels in denselben mit einzubeziehen. Diesen.Theil
von St. Johann bis St. Daniel im Gailthale fertigte Hr. D. Stur nach
seinen eigenen Aufnahmen und nach jenen der Herren M. Lipoid
und Dr. Peters vom Jahre 1853.
Von St. Daniel im Gailthale springt die Durchschnittslinie, ent
lang dem Glimmerschiefer des Gailthaies, wieder zurück nach Osten
in die Gegend von Feistritz, also ungefähr zum selben Meridian, dem
ihr nördlicher Theil im Allgemeinen folgt. Die Strecke von St. Daniel
bis zumPredielpass ist nach denAufnahmen von Hrn. Foetterle vom
Jahre 1855 gefertigt, und auch ich habe, von ihm geführt, diese
Strecke im selben Jahre begangen. — Die südlichste Strecke end
lich vom Predielpasse bis zum adriatischen Meere bei Duino habe ich
selbst im Jahre 1855 aufgenommen.
Die erste Zeichnung des Durchschnittes wurde in dem Mass-
stabe von 400 Klaftern auf den Zoll entworfen, demselben also, nach
dem die Original-Aufnahmskarten des k. k. General-Quartiermeister
stabes, die auch zu den Einzeichnungen bei den Aufnahmen der
k. k. geologischen Reichsanstalt zu Grunde gelegt werden, gefertigt
sind. Derselbe Massstab wie für die Horizontal-Distanzen ist auch
für die Höhen beibehalten. Bei der bedeutenden Länge, etwas über
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Pass.au his Duino.
43 Meilen, welche der ganze Durchschnitt erreicht, schien es wün-
schenswerth die Grundlinie (das Meeresniveau) nicht als Horizontale,
sondern in ihrer wahren, von der Krümmung der Erdoberfläche
bedingten Gestalt darzustellen, ähnlich wie dies von Verneuil und
Collomh bei ihrem schönen Durchschnitt durch ganz Spanien
geschehen ist 1 ). Der Unterschied der geographischen Breite von
Passau (48° 36') und Duino (45° 48') beträgt 2° 48'. Die grösste
Entfernung unserer Grundlinie von der horizontalen in der Mitte des
Durchschnittes am Gamskaarberg berechnet sich demnach an nahe
1025 Klafter.
Für die dieser Abhandlung beigeschlossene Tafel wurde die
Originalzeichnung auf den fünften Theil ihrer Grösse reducirt; der
Massstab beträgt demnach 2000 Klafter auf einen Zoll, oder V144000
der Natur, wie bei den publicirten Specialblättern der Karten des
k. k. General-Quartiermeisterstabes. Auch bei dieser Reduction wurde
das gleiche Mass für Höhen- und Horizontal-Distanzen beibehalten.
II. Frühere analoge Arbeiten.
Nur sehr wenige ähnliche Arbeiten aus früherer Zeit, die sich
über die ganze östliche Alpenkette erstrecken, liegen vor. Die bedeu
tendsten darunter sind:
1. Der Idealdurchschnitt der östlichen Alpen aus dem Donau-
thale über die Salzburger Alpen, die Tauernkette, die östliche Kette
des Grossglockners, die Karnischen Alpen und die Ebene von Vene
dig bis zum adriatischen Meere, welchen die Herren Murchison
und Sedgwick im Jahre 1831 veröffentlichten 2 ). In der berühm
ten Abhandlung, welcher dieser Durchschnitt beigegeben ist, hat
Murchison mit dem übersichtlichen Blicke des Meisters, der alle
seine Arbeiten charakterisirt, die Resultate eigener Beobachtungen
mit den Thatsachen zusammengefasst, welche ihm gewissenhafte im
Lande heimische Forscher, namentlich unser verewigter Part sch.
geliefert hatten. Diese so wie die ungefähr gleichzeitigenPublicationen
4 ) Verneuil et Collomb. Coup d’oeil sur la Constitution g(£oIogique de quelques Pro-
vinces de l’Espagne. Bulletin de la societe geologique de France II. Ser. T. X.
P- 61, pl. II.
~) A sketch of the structure of the eastern Alps, Transactions of the London Geo-
logieal society, Ser. Vol. III. pag. 301, Tab. XXXVI. Fig. 1.
256
F. v. Hauer.
von Boue und Li 11 werden unvergessen bleiben bei allen Fort
schritten, welche die Kenntniss unserer Alpen machen kann *). Eine
Copie des bezeichneten Durchschnittes, der mit Ausnahme der Gosau-
lager, welche er nur in den Nordalpen verzeichnet, sämmtliche
Schichtgebirge auf der Nord- und Südseite der Centralbecken voll
kommen gleichmässig entwickelt darstellt, erschien auch in den
Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie.
2. Ein Profil, welches Herr F. v. Rosthorn anfertigte und im
Jahre 1836 bei der allgemeinen Versammlung deutscher Naturfor
scher in Freiburg vorlegte, und das sich gegenwärtig in dem natur-
historischen Landesmuseum von Kärnten in Klagenfurt befindet 2 ).
*) Die Überzeugung-, die ich hier ausspreche, wird gewiss von allen unseren Alpen
forschern getheilt; ich muss dies ausdrücklich hervorheben , da durch ein mir
nicht begreifliches Missverständniss der ausgezeichnete englische Geologe Herr
W. J. Hamilton bei der Jahresrede, die er als Präsident der Londoner geolo
gischen Gesellschaft am 16. Februar 1855 hielt, gelegentlich einer sehr wohl
wollenden Besprechung meiner Abhandlung über die Gliederung der Trias-, Lias-
und Juragebilde der nordöstlichen Alpen und jener von Herrn E. Suess über
die Brachiopoden der Kössener Schichten, uns den Vorwurf macht, wir hätten
in denselben der Arbeiten Murchison’s gar nicht gedacht (Quarterly Journal
of the London geological Society, 1855 XI. Nr. 42, p. LXVIIl). Derselbe habe
schon auf seiner Karte der östlichen Alpen eine abgesonderte Reihe von Schichten
zwischen den alten Schiefergesteinen und den jüngeren Lias- und Oolithgesteinen
auf der Nord- und Südseite der Alpen verzeichnet, und dieselbe der Triasfor
mation zugewiesen. Aber gerade dieser Umstand ist auch in meiner Abhandlung
hervorgehoben, indem in derselben (Jahrbuch der k. k. geologischen Reichs
anstalt, IV. S. 717) ausdrücklich angegeben ist, die Karte der Herren Sedgwic k
und Murchison sei die einzige unter den älteren Karten, welche den bunten
Sandstein nicht blos an einigen vereinzelten Punkten am Nordrand der Kalk
alpen angebe. Ebenso ist (pag. 719) angeführt, dass die Herren Sedgwick und
Murchison die ersten waren, die es wahrscheinlich zu machen suchten, dass
die Salzablagerung von Berchtesgaden den Werfener Schiefern angehöre. Über
dies ist die ganze erwähnte Abhandlung gewissermassen nur als Erweiterung
zu früheren ähnlichen Arbeiten zu betrachten (Über die Gliederung der geschich
teten Gebirgsbildungen in den östlichen Alpen und den Karpathen , Sitzb. d. kais.
Akad. der Wissensch. IV, S. 274; und: Über die geognostischen Verhältnisse des
Nordabhanges der nordöstlichen Alpen zwischen Wien und Salzburg, Jahrb. d.
k. k. geologischen Reichsanstalt I. S. 17), deren Angaben und Citate nicht noch
einmal alle wiederholt werden sollten. In diesen Abhandlungen , sowie in allen
meinen übrigen Publicationen wird man an überaus zahlreichen Stellen Berufun
gen auf die so hochwichtigen Arbeiten Murchison’s finden. Aber auch Herr
Suess endlich hat, wo er auf die Abhandlung der Herren Sedgwick und
Murchison verweisen konnte, dies zu thun nicht unterlassen, wie Seite 2
seiner erwähnten Abhandlung beweist.
2 ) Jahrbuch des naturhistorischen Landesmuseums von Kärnten, II. Jahrgang, S. 19b-
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
2Ö7
Dasselbe läuft von Enns an der Donau über Steyer, das Prielgebirge,
Lietzen, den Triebenstein, Judenburg, die Saualpe, Völkermarkt im
Drauthale, Laibach, Adelsberg nach Fiume. Es ist nicht sowohl nach
theoretischen Ansichten, als vielmehr nach directen Untersuchungen
gefertigt, und gibt ein gewiss rühmendes Zeugniss von der Thatkraft
und dem Unternehmungsgeiste seines Verfassers, der es durchaus
nach eigenen selbständigen Beobachtungen anfertigte. Seiner Zeit
veröffentlicht hätte es einen wesentlichen Fortschritt der Kenntnisse
bedingt.
Weit ansehnlicher ist natürlich die Zahl jener Profile, welche
sich auf einzelne Theile der östlichen Alpenkette beziehen. Ich muss
mich darauf beschränken nur einige der wichtigsten jener zu erwäh
nen, welche ausgedehntere Partien der ganzen Kette zur Darstellung
bringen und in der Nähe der Linie unseres Profiles liegen. Dahin
gehören:
1. Die zwei bekannten Durchschnitte von Li 11 v. Lilienbach *),
der erste von Kressenberg in Baiern über den Untersberg, Hallein,
das Rossfeld, den Hochgöll, das Uagengebirge, Werfen nach Bischofs
hofen; und der zweite von Mattsee über Elixhausen, den Gaisberg,
das Wiesthal, den Schmidtstein, Scheffau und das Tännengebirge bis
Werfenweng. Beide durchschneiden demnach die ganzen nördlichen
Kalkalpen; sie sind durchgehends auf eigene Beobachtungen des
Verfassers begründet, und gehören jedenfalls zu den trefflichsten
der älteren Arbeiten, die wir über unsere nordöstlichen Alpen besitzen.
2. Der Durchschnitt von A. von Morlot, von Traunstein in
Baiern bis Mallnitz ~). Im nördlichen Theile schliesst er sich dem
ersten Lill’schen Durchschnitte an, und läuft über Teisenberg, den
Untersberg, Hallein, den ewigen Schneeberg und Dienten nach Lend
an der Salza; weiter nach Süd verfolgt er so ziemlich die Linie
unseres Durchschnittes und geht über den Gamskaarkogel und An
kogel bis Mallnitz.
3. Der Durchschnitt vom steinernen Meer bei Dienten über die
ganze Centralkette bis zum Rauhkofel auf der Südseite des Drauthales,
den Credner in seiner sehr werthvollen Abhandlung über die
1 ) v * Leonhard und Bronn’s Jahrbuch für Mineralogie u. s. w. 1830, Taf. 3
und 1833, Taf. 1.
2 ) Erläuterungen zur geologischen Übersichtskarte der nordöstlichen Alpen. Wien 1848.
s ‘tzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Heft. 17
5J58
F. v. Hauer.
Centralkette der Alpen in Ober - Kärnten und Salzburg veröffent
lichte O-
4. Die Durchschnitte, mit deren Anfertigung die Untersuchun
gen der k. k. geologischen Reichsanstalt in den österreichischen
Alpen begonnen wurden. Den Zweck der Arbeit, die Richtung der
einzelnen Linien, und die Art, in welcher sie ausgeführt werden
sollten, hat Haidinger seinerzeit mitgetheilt 3 ). Die gefertigten
Durchschnitte selbst werden in dem Archive der k. k. geologischen
Reichsanstalt aufbewahrt; eine allgemeine Übersicht der gewonnenen
Resultate bieten die Berichte der einzelnen mit der Ausführung
betraut gewesenen Geologen 3 ).
5. Der Durchschnitt, den Studer veröffentlicht, von Dienten bis
Kressenberg 4 ).
6. A. Boue. Durchschnitt von Görz nach Tarvis in Kärnten 5 ).
Dieser Durchschnitt, wenn er auch nicht durch eine Zeichnung ver
sinnlicht wurde, muss doch hier um so mehr erwähnt werden, als er
grossen Theiles dieselbe Gegend berührt, wie der südliche Theil
unseres Profiles.
7. Die zahlreichen von Stur, Dr. Peters und Lipoid mit-
getheilten Durchschnitte aus den Centralalpen und angrenzenden
Gegenden 6 ).
Schon weiter entfernt von der Gegend, auf welche sich die vor
liegende Arbeit bezieht, aber doch sehr wichtig zur Vergleichung
ist der Durchschnitt der Alpen von Tegernsee in Baiern bis Schwatz
in Tirol von Leopold v. Ruch 7 ), jener des nördlichen Abhanges der
Alpen in Salzburg und Tirol von der Centralkette bis zum Alpen
kalke von J. v. Russegger 8 ), der von Grossau bis zum Leopold
steiner See bei Eisenerz von F. Unger»), der von Baden über den
*) v. Leonhard und Bronn’s Jahrbuch, 1850, S. 513, Taf. V, Fig. 1.
2 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1, S. 9.
3 ) Ebendaselbst S. 617.
4 ) Geologie der Schweiz, 1, S. 120.
5 ) Apercu sur la Constitution geologique des Provinces Illyriennes; Memoires de la
societe geologique de France, Tom. II, p. 43.
6 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichanstalt, V, Taf. I bis Taf. VI.
7 ) Abhandlungen der k. preuss. Akademie d. Wissenschaften. Sitzung v. 27. März 1828.
8 ) v. Leonhard und ßronn’s Jahrbuch u. s. w. 1835, S. 505.
9 ) v. Leonhard und Bronn’s Jahrbuch u. s. w. 1848, Taf. V.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 259
V
Aninger dann Gablitz und Königstetten bis zur Donau von J. Cjz ek*),
der von Sonthofen nach St. Jacob im Stanzenthale von Es eher 3 ),
der von der Cima d’Asta über die Sette communi bis Bassano von
Zigno 3 ), viele der Durchschnitte in Studer's Geologie der Schweiz,
dann jene aus den Tiroler Alpen, die der geognostischen Karte
dieses Landes beigegeben wurden u. s. w.
III. Höhen.
Die einzelnen Höhen, die zur Construirung der Durchschnitts
linie benützt sind, wurden zum Theile den älteren trigonometrischen
und barometrischen Messungen, zum grössten Theile aber den zahl
reichen barometrischen Messungen, welche gleichzeitig mit der geo
logischen Aufnahme von den Geologen der k. k. geologischen Reichs
anstalt ausgeführt worden, entnommen. Es folgt hier zunächst das
Verzeichniss dieser Höhen, welche entweder auf dem Durchschnitte
selbst liegen, oder doch ihrer geringen Entfernung von demsellben
wegen Anhaltspunkte zu seiner Darstellung gaben. Dieselben sind in
der Reihenfolge von Norden nach Süden aufgeführt. Ihre Gesammt-
zahl beläuft sich auf 176, von denen 70 (sie sind mit einem *
bezeichnet) auf der Linie des Durchschnittes seihst liegen.
Bezüglich jener Höhen, welche hier zum ersten Male veröffent
licht werden, habe ich nur noch zu bemerken, dass diejenigen aus
dem nördlichen Theile des Durchschnittes, die von mir selbst, Herrn
Suess und Herrn Wolf gemessen worden, von dem Letzteren nach
den correspondirenden Beobachtungen an der Sternwarte zu Krems
münster berechnet wurden. Die von Herrn Suess gemessenen Höhen
des Dachsteinstockes wurden ebenfalls von Herrn Wolf nach corre
spondirenden Beobachtungen, die Herr Bergmeister von Ro ithberg
zu Alt-Aussee anstellte, gerechnet, nachdem die Seehöhe des letzteren
Punktes durch Vergleichung der Monatsmittel der Barometerstände zu
Kremsmünster und Alt-Aussee für ein ganzes Jahr zu 2999-2 Fuss
festgestellt worden war. Die im Isonzogebiete und der Umgegend
von Görz von mir gemessenen Höhen endlich hat Herr Dr. Lukas,
Assistent am k. k. meteorologischen Institute, nach den correspon
direnden Beobachtungen zu Triest berechnet.
1 ) Geognostische Karte der Umgebungen Wien’s.
2 ) v. Leonhard und Bronn’s Jahrbuch u. s. vr. 1845, Taf. V.
3 ) W. Haidinger’s Naturwissenschaftliche Abhandlungen, IV, S. 1.
17*
260
F. v. Haue r.
Berech
net von
Seehöhe
inW.Klft.
Gebirgsart
Donauspieg. b. Schlögcn.Passau SO.
* Sontagsfeld, Anhöhe Freienherg N.
Ober-Esternberg, Kirchthurm . .
* Wicdecker N. Asing S. Schotter-
grube
Schardenberg, Kirchthurm . .
Viechtcnstein, Schlosshof . . .
Grosser Haugstein,Engelhartszell W.
Stadl. Bauernhaus, Engelhartszell
SW
Stuhlberg, Bauernhaus,Engelharts
zell SW
Edt Bauernhaus, St. Egidy NW. .
Kallberg, St. Egidy W
* Banzen, Münzkirchen S
St. Jakob, Münzkirchen S. Bach
an d. Kirche
Wienering W. Schliergrube . . .
Schardingcrholz W.
Kenading, Siegharding NO. . . .
* Siegharding
Andorf, Siegharding SW
* Andorf 0. Bergrücken
Raab
* Zell
* Riedau
* Liinbergerwald, Traiskirchen SO.
Pram
Haag . . . .
Schernliain S.
Hofbrunn Bg. Haag SW
Kreuzhöhe höchster Pkt. a. Kober-
nauser Wald
Hauer
A
A
Hauer
A
Hauer
Suess
Hauer
Wolf
A
Wolf
Pillw.
Wolf
Hauer
Wolf
A
A
Wolf
A
Wolf
Wolf
A
Wolf
Pillw.
Wolf
Wolf
141-2
232-6
269- 2
270- 7
307-6
281-2
468-3
376-7
288
304-7
3910
286-9
236-6
238-0
Gneiss
Tertiärschotter
Gneiss
Tertiärschottcr
Nahe an der
Grenze gegen
Gneiss
Gneiss
Tertiärschotter
283-0
190-7
Schlier
Grenze v. Schlier
und Schotter
Quarz, Conglo-
inerat-Blöcke
Sandiger Schlier
186-4 Diluvial-Gerötle
1819 Tert. Sand
248-0
196-2
196-9
203-2
254-6 Schlier u.Quarz-
conglomerat
231-6 Schlier nahe ge
gen den Schotter
Schlier
30S-6:Grenzed.Schlier
j gegen Schotter
398-1J Schotter
408-3
216-4
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 261
Gemessen
von
Berech
net von
Seehöhe
inW.KIft.
Gehirg-sart
Steigelberg Kobernausen S.
Wolfsegg SW. Schliergrube .
A A
Simon. Simon
* Vöklabruck
Unter-Regau, Viiklabruek SO. .
Aurachkirchen
Seewalehen
* Aurach
Gaberg, Capelle S. v. Schörfling
Hochöd, Gmunden SW. . . .
* Hochkreithberg
Neukirchen am Aurachbach . .
Grossalpe am Aurachbach . .
Auracbberg, Sattel zwischen Kien
bach und Weyeregg-Bach . .
Taferlklause am Aurachbach. . .
Farnauberg N. Traunkirchen W. .
Farnauberg Spitze . . .
Krehrau im Langbaththale
s Vorderer Langbathsec . .
Hinterer Langbathsee . .
Sattlalpe im Höllengebirge
Eibelgupf „
Todtengraben „
Grosser Höllkogcl imHöllengebirg,
Hintere Spitzalpe „ „
Brunnkogel „ „
Kreil
Lipoid
Weid.
Lipoid
Zwischenbachalpe . .
Saag am Weissenbach
* Mittler-Weissenbach
Ischl
Simon.
Kreil
Kopist
Weid.
Kofist.
Simon
Locherkogel, Goisern S.
Mittel a. d. ver
schied. Angab
Schmidl Schmiill
0 Wohl derselbe Punkt wie Kreuzhöhe.
406-8
300-0
210-2
222-0
239-4
202
263
455-9
333-8
511-9
290-9
337-6
510-3
409-8
551-6
636-8
347-7
357-9
389-4
820-9
968-7
830 0
981-1
699-8
799-3
319-3
283-2
242-0
245-8
851-0
Schotter
Schlier wenig
unterd. Ligniten
Alluvium
99
Tertiärschotter
Wr. Sandstein
Wr. Sandstein
nahe d. Grenze
gegen Dolomit
Wr. Sandstein
Dolomit nahe der
Grenze gegen
Wr. Sandstein
Anfang d. rothen
Kalke
Jurakalk
Dolomit
Jurakalk
Grenze von Jura
kalk u. Dolom.
Diluv. Conglom.
Dolomit
99
Diluvium
Dachsteinkalk
262
F. v. Hauer.
Gemessen
von
Berech
net von
Seehöhe
inW.Klft.
Gebirgsart
Goisern . . .
Hallstätter See
* Klausalpe, Hallstatt NW
' Einsenkung zwischen dem Stein
bergkogel und Sommeraukogel
Damm. Sommeraukogel W., Holz
stätte
Ursprung, Wasserfall . . .
' Hierlatz .........
Sattel zwischen Hierlatz u. Feuer
kogel
Blankenalpe, Hallstatt SW. . .
Zwölferkogel
Fuss der Wand des Grünberges
Grünberg, Spitze
Gamskogel
Jodlerhütte auf der Wiesalpe t)
Wiesalpe 3 ) (Gschwandthütte) .
: Schladmingerloch , tiefster Punkt
„ Hierlatz
schichten
Oehsenkopf
Oehsen-Wiesalpe
Lahnbeckkogel (vordere Spitze)
„ (rückwärtige
Spitze)
Ochsenkogel (nördliche Spitze)
„ (Hierlatzschichten)
„ höchste Spitze . .
Gjaidalpe
„ tiefster Punkt des Kes
sels
Taubenkaar, verfallene Hütte .
Karl's Eisfeld, tiefster Punkt
des Gletschers
Karl’s Eisfeld, höchster Punkt
des Gletschers
1 ) Mittel von 8 Messungen.
2 ) Mittel von 8 Messungen.
Weidmann
Mittel a. d. ver
schied. Angab.
Lipoid Kofist.
Hauer
Suess
Lipoid
Suess
Lipoid
Suess
Wolf
Kofist,
Wolf
Kofist.
Wolf
283-8
271-8
801-9
621-7
708-5
422-2
1058-5
995-3
598-4
1043-7
688-8
1009 8
1070-0
880-2
878-1
1009-3
1063-6
1143-7
909-3
1012-7
1026-6
1168-4
1221-6
1241-9
923-6
901-1
961-8
1024-8
1526-6
Diluvium
Werf.-Schiefer
Salzthon
Dolomit
Hierlatzschicht.
Dachsteinkalk
Hierlatzschicht.
Dachsteinkalk
Hierlatzschieht.
Dachsteinkalk
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
263
Gemessen
von
Berech
net von
Seehöhe
in W.KIft.
Gehirgsart
Spitze zwischen Niederkreuz und
Ochsenkogel
1 Niederkreuz, höchster Gipfel . .
’ Dachstein, höchste Spitze . . .
1 Ramsau, letzter Punkt der Bunt-
sandstein-Abhiinge
" Selioiblingstein, Nordwest-Abhang
Brandriegl, höchster Punkt .
Förster in der Ramsau . . .
Torfmoor auf der Höhe der Ram-
sau-Terrasse
St. Ruprecht am Kulm . . .
Kulmhöhe, Spitze
Suess
n
Suess
Ennsfluss oberhalb Sehladming
Zwischen Haus und Oberhaus ,
Detter, Bauernhaus, Sehladming S.
(Bach)
Almhütte an der weissen Wand
Steinwänder Alm
Obere Wildkaar-Hütte ....
Grosser Wasserfall- Spitz . .
Rachwald (St. Johann NW.) .
f Hengsbachwald (St. Johann NW.)
Lipoid
Salzabrüeke in Lend . . .
,, „ St. Johann
* Füles-Eek
* Gamskaarkogel
’ Tennkogel
* Tofl'ernkogel
* Flugkogel
* Glasererkogel
Kötschachthal (Passauer Alpen
hütte)
Kötschachthal, Jägerhaus in Dörfl
0 Ankogel
A
Lipoid
Wolf
Wolf
Lipoid
A
Lipoid
133!)-9
1393-1
1551-9
729-9
1000-0
912-7
598-5
551-9
564-6
662-8
385-8
368-0
534-8
547-2
893-2
967-6
1309-7
745
732
337
302
1069-7
1272 )
1242 (
1243-5)
1177-2
1272-3
670
563-3
1715-2
Daehsteinkalk
Daehsteinkalk
Werf. Schiefer
Höchstei-Punkt
d. Werf.Schief.
Grauw. Schief.
Werf. Schiefer
Torf
Werf. Schiefer
Grauwacken-
Kalk
Alluvium
Grauwacken
schiefer
Grauwacken
schiefer
Schotter
»
Radstätter
Tauern-Schief.
Chloritsehief.
u. Kalk-Glim
merschiefer d.
Schieferhülle
Gneiss
Centralgneiss
Glimmerschief.
264
m \ mmiism-.
F. v. Hauer.
(Gemessen
* Liskele-Spitz
* Böseck
Fragant
4 Klenitzenkogel
* Stall
* Möllfluss bei Stall
* Griedelkogel
Scharnik
* Pfaffenfeld bei Griifelhof ....
Drauspiegel bei Ober-Drauburg .
* Jauken
Höchste Schotterablagerung NO.
v. Kötsehach
* St. Daniel
Gailfluss bei Mauthen
„ „ der Möderndorfer
Brücke
* Feistritz
Gailfluss NW., Arnoldstein . . .
* Göriacher Alpe
Sattel zwischen dem Achomitzer
und Bartolobach
*Tarvis (Zusammenfluss derBäche)
Rai bl
* Sattel des Römerthaies gegen das
Görzer Gebiet
Prediel
* Flitscher Klause
® Flitsch, Gasthaus 1. Stock . . .
* Polonig-ßerg
* Stanski-Vrch
* Capporetto
* Rücken zwischen dem Uelinski und
Mlinska-Bach
Perat
* Luico
' Mt. Kuk
Volzano
Sattel zw. Propotnizza u.Clabuzzaro
A
A
Stur
A
Stur
Prettn.
A
A
A
Prettn.
A
Stur
A
Foett.
A
Peters
A
Foett.
Morlot
Foett.
Morlot
»
Suppan
Hauer
A
A
Hauer
A
Hauer
Berech
net von
A
A
Keil
A
Keil
Prettn.
A
A
A
Prettn.
A
Keil
A
Keil
Wolf
A
Wolf
A
Wolf
Morlot
Wolf
Morlot
ff
Suppan
Lukas
A
A
Lukas
A
Lukas
Seehöhe
inW.Klft.
1267
1494
369
1284
443
393
1366
1398
319
319
1183
718-1
372-3
360-6
306-0
283-3
275-3
889-9
614-4
370-6
435-1
916-0
614-1
345-0
241-8
874-1
598-1
128-9
325-7
415-9
352-2
653-6
95-4
352-9
Gebirgsart
Glimmerschiefer
Centralgneiss
Schotter
Glimmerschiefer
Schotter
Glimmerschiefer
ff
Alluvium
Schotter
Trias-Kalkstein
Schotter
Alluvium
Alluvium
Kohlcnkalk
ff
Alluvium
Raiblerschichten
Dachsteinkalk
Dachsteinkalk
Eocen-Sandsf.
Dachsteinkalk
ff
Diluvium
Schiefer der
Kreideformation
Hippuritenkalk
Diluvium
SchieferdesHip-
puritenkalkes
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
265
Gemessen
von
Berech
net von
Seehöhe
inW. Kl ft.
Gebirgsart
Clabuzzaro .
Bach bei Vomari
St. Volfango
* Jocb, östlich bei Tribit
Mt. Cuzhe
* Spiegel d. Indrio unter Podraunem
* Podraunem
4 Podbregh
3 Mt. Cali
* Pecenon
* Canale
' Spiegel des Isonzo bei Morsca . .
* Mt. Orlich
St. Giacomo
Mt. Santo
Pass zwischen dem Isonzo- und
Gargarothal
Gargaro, Thalboden
Gebirgsknoten zwischen Vereoglia,
Ignaz und St. Primus . . . .
* St. Primus
Hauer
St. Martin
Görz
* Merna-Spiegel der Wippach . .
* Plateau zwischen Merna u. Logniza
* Hudilok
* Sella
* Bratovizza
^Medeazza
*) Mittel aus 5 Messungen.
A
Hauer
A
Hauer
Hauer
Lukas
A
Lukas
A
Lukas
Lukas
356-2
383-5
356-2
244-7
463-6
156-6
218-0
267-9
339-5
77-9
52-0
47-7
334-7
339-7
368-5
178-4
148-3
205-6
212-3
134-9
40-9 1 )
15-8
129-0
1101
115-2
30-3
72-5
Schieferd.Hip-
puritenkalkes
Schieferd.Hip-
puritenkalkes
Hippuritenk.
Eocen-Sandst.
Diluvium
Hippuritenk.
Eocen-Sandst.
Gränze v. Hip-
puritenu.Num-
mulitenkalk
Eocen. Sandst.
Alluvium
99
Hippuritenk.
IV. Beschreibung der Durchschnittslinie.
Es möge nun zunächst eine Schilderung der entlang der Durch
schnittslinie beobachteten geologischen Verhältnisse folgen, welche
besonders in jenen Partien, über welche detaillirte Berichte noch nicht
veröffentlicht wurden, eine etwas grössere Ausführlichkeit erfordert.
266
P. v. Hauer.
1. Von der Donau bei Passau bis zur Zone der Tertiärgesteine.
Unmittelbar östlich von Passau bildet der Donaustrom eine
kleine, nach Norden gerichtete Bucht. Ihre nördliche Spitze ist der
Anfangspunkt unserer Durchschnittslinie. Das Gestein, welches von
derselben zuerst berührt wird, ist Gneiss mit eingelagerten krystal-
linischen Schiefern von sehr verschiedener petrographischer Beschaf
fenheit. So findet man am Greitelstein und nördlich vom Bauernhause
Achleiten unmittelbar neben einander in deutlicher Wechsellagerung
gewöhnlichen schiefrigen Gneiss mit weissem Feldspath, grauem
Quarz und schwarzem Glimmer: lichtgrau gefärbtes Feldspath-
gestein dicht mit sehr kleinen, in der Masse ausgeschiedenen Feld-
spathkryställchen, in dem weder Quarz noch Glimmer für das unbe
waffnete Auge sichtbar, ausgeschieden sind; eben solches Gestein
mit dichter grauer Grundmasse und zahlreichen ausgeschiedenen
Feldspathkrystallen; Gneiss, der durch parallele Stellung der Feld-
spathkrystalle pegmatitähnlich wird; Weissstein mit Granaten; Syenit
schiefer, bestehend aus weissem Feldspath und grüner Hornblende;
graugrüne chloritisclie Schiefer mit eingeschlossenen Feldspath
krystallen oder auch Feldspath-Mandeln, bisweilen auch mit ausge
schiedenen Glimmerblättchen u. s. w. Alle diese Gesteinsarten sind
sehr deutlich geschiefert, die Absonderungsflächen fallen regelmässig
nach Nord-Ost.
Diese krystallinischen Gesteine gehören zu einem durch den
Donaustrom abgetrennten Stücke der gewaltigen Masse von Urgebirgs-
gesteinen, welche weiter im Norden den baierischen Wald, den Böh
merwald und das österreichisch-böhmisch-mährische Grenzgebirge
zusammensetzen, ein Gebiet, welches schon als Festland aus dem
umgebenden Meere emporragte zur Zeit, als die verschiedenen, jetzt
dasselbe so weit an Grossartigkeit überbietenden, geschichteten Fels
massen der Alpenkette am Meeresboden sich bildeten.
Von Regensburg bis Krems in Niederösterreich bezeichnet der
Lauf der Donau nahezu den südlichen Rand der genannten Gebirgs-
masse; nur auf den Strecken von Hofkirchen bis Aschach, bei Linz
und von Grein bis Krems sind wenig ausgebreitete Theile desselben
durch die Donau selbst von der Hauptmasse abgetrennt. Der Strom
zog es vor seinen Weg hier durch fertig gebildete Spaltenthäler zu
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 267
nehmen, als sich in den, wenn auch wenig festen Tertiärschichten
sein Bett auszuwühlen.
Über die meisten Theile der ganzen bezeichneten Landstriche
liegen ausführliche geologische Monographien aus der neueren Zeit
vor,so über denbaierischen Wald von Wineb erger >),vonWaltl 3 ),
von Gümbel 3 ); über den Böhmerwald von Dr. F. Hoclistetter 4 );
über das österreichisch-böhmisch-mährische Grenzgebirge von
Lipoid 5 ), von Peters 6 ), von Cjzek 7 ); über die südlich von der
Donau gelegene Partie bei Krems und Mautern von Cjzek 8 ) u. s. w.
Über jene Partie dagegen, die südöstlich von Passau zwischen
der Donau und dem Inn gelegen ist, sind bisher nur spärliche Notizen
veröffentlicht, wesshalb einige nähere Angaben über dieselben hier
angeschlossen werden sollen. Sie bildet eine Zone von durchschnitt
lich l‘/ 2 Meilen Breite, die von Nord-West nach Süd-Ost sich
erstreckend der allgemeinen Richtung des Donaustromes in dieser
Gegend parallel läuft. Die südwestliche Grenze gegen das Tertiär
land ist durch tiefe Einbuchtungen des letzteren sehr unregelmässig;
sie wird ungefähr durch die Ortschaften Aschach, Efferding, Neu
kirchen, Enzenkirchen und Schärding bezeichnet.
Das ganze Gebiet trägt im Allgemeinen den Charakter eines
Tafellandes, welches sich über den Spiegel der Donau bis zu einer
Höhe von durchschnittlich etwa 800 Fuss erhebt und demnach eine
Seehöhe von 1600—1700 Fuss erreicht. Die Abhänge gegen
diesen Fluss sind meist steil; nur einzelne Rücken ragen höher
empor; unter ihnen sind die bedeutendsten: Der Sauwald mit dem
grossen Haugstein (Seehöhe 462 Klafter), der Schöfberg, der
Feichtberg u. s. w.
Geognostische Beschreibung des baierischen und Neuburger Waldes , Passau 1851.
2 ) Passau und seine Umgebung , Passau 1853; dann im Correspondenzblatt des zoolo
gisch - mineralogischen Vereines in Regensburg 1847. Nr. I — VI, S. 29 — 32,
44 — 48, 79 — 80.
3 ) Übersicht der geognostischen Verhältnisse der Oberpfalz. Correspondenzblatt des
mineralogisch-zoologischen Vereines von Regensburg 1834. Heft 1, S. 1.
4 ) Jahrbuch der k. k. geolog. Reichsanstalt, V, S. 1—67, S. 367 — 386, VI, S. 10—39.
5 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, III, Heft 3, S. 33 — 34.
6 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, IV, S. 126 —140; 232 — 264.
7 ) Erläuterungen zur geologischen Karte der Umgebungen von Krems und dem Mann- .
hartsberg. Beilage zum VII. Bd. der Sitzungsberichte d. mathematisch-naturwissen
schaftlichen Classe der kais. Akademie der Wissenschaften.
8 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, IV, S. 264 — 283.
268
F. v. Haue r.
Gegen das Tertiärland im Süd-Westen geht der Charakter eines
Tafellandes meist mehr und mehr verloren und dasselbe löst sich
allmählich in einzelne Rücken und Höhenzüge auf. Sehr bemerkens-
werth ist die Richtung des Laufes der Donau. Von Hafnerzell bis
Schlögen folgt sie einem Spaltenthal, welches parallel dem Haupt
streichen der Gebirgsschichten aufgebrochen ist. Die unmittelbare
Fortsetzung dieser Spalte erkennt man in der sehr auffallenden
Tiefenlinie, welche von Schlögen in süd-östlicher Richtung, an
Gemersdorf vorüber, bis in die Ebene westlich von Aschach fortzieht;
sie ist Veranlassung, dass der Aschachfluss aus der anfänglichen
nordöstlichen Richtung seines Laufes bei der Zehrer-Mühle sich
plötzlich um volle 90 Grad nach Süd-Ost herumbiegt. Die Donau
selbst verlässt bei Schlögen diese Spalte,' wirft sich um den Sporn,
auf dem Au steht, herum und folgt auf eine kurze Strecke einer der
ersten parallelen Spalte, die aber nach den Mittheilungen von Dr.
Peters das Streichen der Schichten in einem schiefen Winkel
schneidet 1 ), in nord-westlicher Richtung, um dann in mannigfaltigen
Krümmungen ihren Weg bis Aschach zu finden.
Die Hauptmasse des ganzen Gebietes besteht aus Gneiss und
den verschiedenen schon oben erwähnten Varietäten von krystalli-
ni sehen Schiefern; geringere Verbreitung erlangt der Granit. Auf
der Höhe des Plateau’s findet man ausgedehnte Ablagerungen von
tertiärem Schotter, in dem Donauthal endlich einige Diluvial
terrassen und Lösspartien.
i. Gneiss und eingelagerte krystallinisehe Schiefer.
Allerorts zeigen diese Gesteine dieselbe Structursrichtung, die am
Anfangspunkte unserer Durchschnittslinie östlich von Passau bemerkt
wurde; sie streichen stets von Nord-Westnach Süd-Ostund fallen nach
Nord-Ost.
Entlang dem Innfluss von Passau bis ganz nahe von Schärding
herrscht fester, mehr schiefriger als flasriger Gneiss vor; er enthält
viel dunklen Glimmer in langen Streifen, wenig Feldspath und den
Quarz, tlieils in Schnüren zwischen den Glimmerstreifen, theils als
längliche Einschlüsse. Oft ist auch weisser Glimmer in nicht unbe
trächtlicher Menge beigesellt. Gleich südlich vom Biretbauer steht
ein Augitgestein, das sich schon von aussen durch einen eigenthiim-
*) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, IV, S. 235.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passan bis Duino. 269
liehen rostbraunen Überzug auszeichnet, an; es liegt conform mit dem
Gneisse. Kleinere, dem Gneisse regelmässig eingelagerte Partien
desselben Gesteines trifft man weiter am Inn aufwärts noch südlich
von Wernstein, dann kurz bevor man Fornbach gegenüber steht.
Nach weiter aufwärts folgt dann wieder fester Gneiss, der noch,
bevor man das Thal des Prambaches erreicht, allmählich in Granit
übergeht.
Die Strasse, die von Passau nach Schärding führt, zieht über
die Höhe des Plateau weg. Man sieht liier nur wenig Gneiss entblösst,
da Vegetation oder die aufgelagerten Schottermassen meist das anste
hende Gestein verhüllen. Bei Striding übersetzt aber die Strasse einen
westöstlich fortziehenden höheren Gneissrücken, der über das Plateau
hervorragt. Auf der Bergspitze südlich vonSchardenberg ist das Gestein
in einem Bruche aufgeschlossen. Es besteht aus 3 bis S Zoll mächtigen
beinahe horizontal oder nur sehr sanft nach West geneigten Platten von
Gneiss, deren Schichtflächen den sanften westlichen Abhang des Berges
bilden. Weisser Feldspath wiegt in der Zusammensetzung vor. Der
graue Quarz ist mehr untergeordnet. Schwarzer Glimmer ist in
kleinen Blättchen durch die Masse zerstreut, oft auch in unregel
mässigen Nestern angesammelt. Auch weisser Glimmer ist öfters bei
gemengt. Nördlich von Schardenberg, gegen die BauernhäuserKauner
und Wihr, wird der weisse Glimmer mehr und mehr vorwaltend; man
trifft hier stellenweise Gesteine, die vorwaltend aus Quarz und weissem
Glimmer bestehen und in einzelnen Handstücken ganz wie Glimmer
schiefer aussehen.
Verfolgt man von dem Sporn bei Achleuten das rechte Donau
ufer abwärts, so findet man bis in die Gegend von Engelhartszell
dem echten Gneiss sehr häufig Schiefer von abweichender petro-
graphischer Beschaffenheit eingelagert, ähnlich, wie sie schon ein
gangs erwähnt wurden. Ohne in eine vollständige Beschreibung der
selben liier einzugehen, sollen nur noch einige besonders bemerkens-
werthe Varietäten speciell hervorgehoben werden.
Ungefähr auf der Mitte des Weges zwischen Kasten und Banning
findet sich ein Gestein mit schiefriger grünlichgrauer Grundmasse
und darin porphyrartig ausgeschiedenen theils weissen, theils fleisch-
rothen Feldspathkrystallen; Eisenkies ist in ziemlich bedeutender
Menge eingesprengt, überdies gewahrt man Glimmerblättchen, und
feine Quarzschnürchen durchziehen das Ganze. Einige Lagen werden
270
F. v. Hauer.
durch Vorwalten von Feldspath ausgezeichnet; sie ähneln dem soge
nannten Forellenstein aus der Gegend von Gloggnitz.
Ein noch merkwürdigeres Gestein, aber nur in einzelnen grossen
Blöcken, trafen wir etwas nordwestlich von Ranning, es ist nicht
schiefrig sondern massig und besteht aus einem krystallinischen Ge
menge vonFeidspath, Quarz und Glimmer. Der Feldspath waltet vor, es
ist graulichweisser Orthoklas. Der Quarz ist grau gefärbt und in sechs
seitigen Doppelpyramiden, ohne Prismaflächen auskryställisirt. Diese
Pyramiden haben bis zu drei Linien Axenlänge. Der schwarze, in einem
etwas verwitterten Block grünliche Glimmer ist in grossen sechssei
tigen Tafeln, die bis zu 2(4 Linien Seitenlange haben, ausgeschieden.
Am Wege von Engelhartszell nach St. Egydi, östlich von Lueg,
kurz bevor man denAlmosenhach überschreitet, findet man (ob gang-
oder lagerförmig im umgebenden Gneisse konnte nicht sicher ent
schieden werden) eine etwa S Klafter mächtige Masse eines Gesteines,
das aus kleinen fleischrothen Feldspathkrystallen, welche öfter durch
kleine Lücken von einander getrennt sind, und aus dunklem Chlorit
besteht; weder Quarz noch Glimmer zeigen sich darin, in der Mitte
einer länglichen Chloritlinse zeigte sich aber Eisenkies.
Auf der Strecke von Engelhartszell bis Schlügen herrscht allent
halben eigentlicher Gneiss vor; Einlagerungen von anderen krystalli
nischen Schiefern sind hier viel seltener zu beobachten. Weiter
abwärts von Schlügen nimmt der Gneiss grosse porphyrartig ausge
schiedene Orthoklaszwillinge auf und geht allmählich in Granit über,
indem sich die schiefrige Structur nach und nach mehr verliert.
Auch weiter landeinwärts von der Donau fanden wir den eigent
lichen Gneiss weit mehr vorwaltend, so am Haugstein, am Wege von
St. Egidy nach Münzkirchen u. s. w.
2. Granit. Dieses Gestein, bei dessen Scheidung vom Gneiss
hier dieselben Grundsätze befolgt wurden, die Herr Dr. Peters
(p. 233 seiner oben erwähnten Abhandlung) in den benachbarten
Landestheilen auf der linken Seite der Donau anwendete, erscheint
in zwei Regionen unseres Gebietes in bedeutender Entwicklung. Die
eine erscheint nordöstlich, also im Liegenden, die andere südwestlich,
also im Hangenden der eben geschilderten Massen von Gneiss und
anderen krystallinischen Schiefern.
Die erste dieser Granitmassen herrscht in der Umgegend von
Aschach und lässt sich an der Donau aufwärts bis in die Gegend von
Eilt geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
271
Schlügen verfolgen, wo sie dem obenerwähnten Gneiss Platz macht, der
den Granit unterteuft. Die Grenze ist natürlich nicht scharf zu bestim
men; sie streicht von N. W. nach S. 0. ganz nahe an der oben be-
zeichneten Spalte, die von Schlügen in den unteren Theil des Aschach
thaies hinüberstreicht; auch weiter gegen Nordwest, wo die Donau in
der weiteren Fortsetzung derselben Gebirgsspalte läuft, bezeichnet
dieselbe nahe die Grenze zwischen Granit und Gneiss; denn nach
den Aufnahmen von Dr. Peters bildet das letztere Gestein am linken
(nürdlichen) Donauufer, eine sehr schmale, dem Laufe des Flusses
parallele Zone.
Bei Aschach selbst und zunächst nürdlich von diesem Orte wird
der Granit in mehreren bedeutenden Steinbrüchen zu Pflastersteinen
und Werksteinen verarbeitet. Er ist hier feinkürnig, sehr regelmässig
in Platten, die ebenfalls von Südost nach Nordwest streichen und
nahe senkrecht stehen, abgesondert. Die Hauptbestandtheile sind
grauer Quarz, weisser Feldspath und schwarzer Glimmer. Häufig auf
den Absonderungsflächen, seltener in dem Inneren fester Stücke
zeigen sich weisser Glimmer und Eisenkies, noch seltener erscheint
grüner Glimmer als Übergemengtheil. Ausgeschieden in der Masse
des Gesteines beobachtet man nicht selten bis faustgrosse dunkle
Nester, die grösstentheils aus Glimmer bestehen.
Klüfte und Gänge eines sehr feldspathreichen, glimmer- und
quarzarmen Gesteines, dann Gänge von sehr grosskürnigem Granite
durchsetzen häufig die Masse.
Östlich von Schünleithen befindet sich der letzte Steinbruch an
der Donau. Man bemerkt hier schon in dem gleichförmigen Gemenge,
obgleich selten, grüssere Ortholdas-Krystalle. Weiter nürdlich an der
Donau wird der Granit grobkörniger, enthält überall grosse Ortho
klas-Zwillinge, ist weit mürber, er nimmt oft eine etwas schiefrige
oder flasrige Structur an und eignet sich nicht mehr zur Gewinnung
von Pflaster- oder Werksteinen. Auch dieser porphyrartige Granit
ist sehr häufig von Gängen durchsetzt, die sich gewöhnlich durch
Vorwalten von Feldspath auszeichnen. Dieses Mineral ist meistens
weiss, bisweilen aber auch rosenroth oder entenblau gefärbt.
Gegenüber von dem Schlosse Neuhaus ist dieser porphyrartige
Gneissgranit ausgezeichnet durch grosse (1—2 Fuss lange) Nester
von einem feinkürnigen, sehr glimmerreichen Gesteine, die eine man
delförmige Gestalt haben und mit ihren grösseren Axen der Structurs-
272
F. v. Hauer.
richtung parallel liegen. Diese Nester wittern leicht aus und dann
bleiben an der Oberfläche anstehender Felsen grosse leere Löcher
zurück. Ganz ähnliches Gestein findet sich nach Dr. Peters auch
am linken Donauufer bei Neuhaus selbst.
Der Granit im Hangenden der ganzen Hauptmasse von Gneiss
und krystallinischen Schiefern lässt sich am besten in der Umgegend
von Schärding studiren. Schon oben wurde erwähnt, dass am rech
ten Ufer des Inn, nördlich von Schärding, der Gneiss allmählich in
Granit übergehe; das letztere Gestein ist nun weiter in einer Reihe
von Steinbrüchen am Ausgang des Bründlthales aufgeschlossen, und
bildet einen aus den umgebenden Tertiär- und Diluvialschichten
emporragenden Zug, der nach Süden bis Allerding, westlich von
Taufkirchen, reicht. Auch das Schloss von Schärding steht aut einem
isolirten Felsen dieses Gesteines.
In den Steinbrüchen im Bründlthaje besteht der Granit aus weis-
sem stark glänzendem Feldspath, grauem Quarz und schwarzem Glim
mer; stellenweise sind Partien von Chlorit eingeschlossen. Er zeigt
keine bestimmte Schieferung, erscheint aber oft in Folge eines Wech
sels glimmerreicherer Partien mit solchen, in welchen Quarz und
Feldspath vorwalten, streifig oder gebändert.
Weiter nach Südosten bestehen dann die Berge östlich von
Enzenkirchen, das südliche Ende der Höhe von Hochstrass, die iso-
lirte Höhe von Thomasberg, die Partien nächst Baierbach u. s. w.
ebenfalls aus Granit, der nach Nordost allmählich in Gneiss übergeht.
Eine dritte kleine Granitpartie endlich erscheint in dem Hügel
unmittelbar östlich von Münzkirchen. Derselbe besteht aus porphyr
artigem Granite mit grossen Orthoklas-Zwillingen, dem aber nach
Osten schon bei Schierdorf sehr flasriger Gneiss folgt.
3. Tertiärschotter und Conglomerat. Hauptsächlich in
der nordwestlichen Ecke der Partie von Urgebirgsgesteinen, die uns
beschäftigen, liegen auf der Höhe des Plateau ausgedehnte Massen
von gelb gefärbtem Quarzschotter, der ohne weitere Zwischenlage
unmittelbar auf den krystallinischen Schiefern aufruht. Häufig hat
derselbe eine Mächtigkeit von nur wenigen Fussen, an anderen Stel
len dagegen wird dieselbe bedeutend grösser. An vielen Stellen im
Gebiete des Schotters, besonders schön entwickelt westlich von
Münzkirchen im Schardingerholze, beim Locbbauern, dann bei Neu
kirchen am Walde und Mitterauberg, nördlich von Baierbach, im
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
273
Linsbergerwalde u. s. w. findet man zahlreich nmhergestreut auf der
Oberfläche Blocke, oft von sehr bedeutenden Dimensionen, eines
überaus festen Quarz-Conglomerates, in welchem die gewöhnlichen
Quarzrollstücke durch ein Kieselcement verbunden sind. Anstehend
konnten wir dieses Gestein nirgends entdecken, wohl aber fanden
wir in manchen Schottergruben zwischen den einzelnen Rollstücken
eine sehr feine pulverige, mit Säuren nicht brausende (kieselige)
Masse, die gewiss bei der Bildung der Conglomerate eine wichtige
Rolle spielt. Audi verdient es in Beziehung auf die letztere besonders
hervorgehoben zu werden, dass man in mehreren der Gruben beob
achten kann, wie die einzelnen Rollstücke in der Tiefe ganz lose
neben einander liegen, während sie weiter gegen die Oberfläche zu
in einzelnen Partien etwas zusammengekittet sind.
Diese Quarzconglomerate erinnern lebhaft an die festen, wie
verglasten oder gefritteten Quarzsandsteine und Conglomerate, die
Russegger vom Dschebel Achmar und von anderen Punkten in
Unter-Ägypten mitbrachte, und die er wenigstens theilweise als
durch Infiltration von Kieselmasse verkittet erklären zu müssen
glaubt !).
Dass die eben geschilderten Schotter- und Conglomeratmassen
in der That der Tertiärformation angehören, dafür liefert die Auffin
dung von Petrefacten (Östron und Pccten), die Herr Dr. Waltl bei
Münzkirchen entdeckte a ), einen sicheren Beweis.
Nur selten sind thonige Schichten in Verbindung mit den Schot
terablagerungen; doch wurden zwischen Münzkirchen und Eisenbirn
in einer Schottergrube bläuliche Mergel bis 2 Fuss mächtig im
Schotter eingelagert beobachtet.
4. Diluvium. Der Donau entlang trifft man an vielen Stellen
Schotterterrassen, sehr häufig wie bei Wesenufer, Engelszell, Pühra-
'vang u. s. w. zwei über einander. Die unteren heben sich meist nur
1—2 Klafter über den Spiegel des Flusses und müssen als Alluvial-
terrassen bezeichnet werden. Die höheren erreichen dagegen eine
Höhe von G bis G Klaftern über den jetzigen Spiegel des Flusses. In
einer derselben, beim Windstoss, westlich von Mürzhübel, zwei
Stunden oberhalb Aschach, zeigt sich am Gehänge fest zusammen-
*) Reisen in Europa, Asien und Afrika, I, S. 27.1.
2 ) Passau und seine Umgebungen, Seite 18.
Sitzb. d. malhem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Heft.
18
274
F. v. Hauer.
gebackenes Conglomerat, so wie man es so häufig in den Alpen-
thälern antrifft. Diese Terrassen können demnach wohl sicher als
Diluvialterrassen bezeichnet werden.
Von den Diluvialgebilden, so wie von der nördlichen Granitzone
ist auf der Linie unseres Durchschnittes selbst nichts zu sehen. Die
selbe läuft von der Donau weg nach Süd 10° in Ost über Freinberg
bis etwas südlich vom Bauernhause Asing. Sie trifft erst auf die kry-
stallinischen Schiefer, die schon oben geschildert wurden, berührt,
sobald sie die Höhe des Plateau erreicht hat, eine kleine Schotter
partie, südlich von dem Bauernhause Achleiten, und zieht dann über
eine zweite weit ausgedehntere Schotterpartie, aus welcher der
Freinberg, eine kleine Gneisskuppe, emporragt.
Am Ende dieser Schotterpartie, beim Bauernhause Wiedecker,
wendet sich die Linie mehr östlich (Süd 33° Ost), durchsehneidet die
Gneissschichten bis zum Küsselbach, dann die ausgedehnteste Schot
terpartie, welche hier den ganzen südlichen Theil des Gneissplateaus
bedeckt und aus der nur vereinzelte Kuppen des letzteren Gesteines
emporragen, bis Münzkirchen, wo sie den oben geschilderten Granit
hügel berührt. Von diesem Hügel wendet sie sich wieder nach Süd
10° Ost weiter über die Schotterpartie. Beim Bauernhause Ranzen
zeigt sich ein ziemlich schroffer Abhang von nahe 300 Fuss Höhe, an
dessen Fuss Gneiss ausbeisst; unten aber in dem tieferen Niveau ist
die Schotterdecke wieder vorhanden, und setzt fort bis in die Nähe
von Erlet, wo wieder der Gneissgranit zum Vorschein kommt, der
nur stellenweise von Schotter überlagert bis Brandstätten an der
Grenze des eigentlichen Tertiärlandes anhält.
2. Das obcröstcrreichischc Tertiärland.
Das obere Donauhecken, welches sich aus der Gegend von St.
Pölten gegen Westen bekanntlich immer mehr und mehr ausbreitet,
erreicht auf der Linie unseres Durchschnittes zwischen Brandstätten,
östlich von Dirsbach und Aurach, südlich von Vöklabruck, wo die
Wiener Sandsteinzone beginnt, eine Breite von 7 Meilen. Es bildet
im Ganzen ein flaches Hügelland, aus dem nur der Hausruck, der
westlich in den Kobernauser Wald fortsetzt, als höherer Rücken
emporragt. Die flachen Thäler im nördlichen Abschnitte des ganzen
Gebietes haben eine Seehöhe von 1100 bis 1200 Fuss, die aber
weiter nach Süden etwas mehr ansteigt. Der Kobernauser Wahl
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
erhebt sich über das umliegende Land bis zu einer Seeböhe von
2400 Fuss.
Die geologische Zusammensetzung des ganzen Landes ist sehr
einfach: dasselbe besteht aus Schichten der jüngeren Tertiär-,
Diluvial- und Alluvialformation. Die Schichten liegen beinahe immer
horizontal, nur local bemerkt man wellenförmige Anordnung der
Schichten oder einzelne Senkungen, welche Neigungswinkel bis zu
15° veranlassen.
Weitaus vorwaltend im ganzen Gebiete sind die Tertiär
schichten; sie setzen namentlich alle höher gelegenen Tlieile dessel
ben zusammen. Die Diluvial- und Alluvialmassen bleiben viel unter
geordneter und erscheinen meist nur in den Niederungen.
Das tiefste Glied der Tertiärformation bildet der sogenannte
Schlier, ein bald mehr bald weniger sandiger Mergel, der sehr häufig
mit Lagen von reinerem Sand und Sandstein wechsellagert und
namentlich nach oben häufig in die letzteren Gesteine übergeht; er
enthält im Allgemeinen selten Versteinerungen. Der reichste bekannte
Fundort ist Ottnang, von welcher Localität Hörn es 29 verschiedene
Arten Mollusken aufzählt, aber wohl noch ohne den ganzen Reichthum
erschöpft zu haben; an anderen Stellen fanden sich Foraminiferen,
Entomostraceen u. s. w. *), die Herr Prof. Reuss bestimmte. Alle
diese Fossilien stellen das neogene Alter der ganzen Ablagerung
ausser Zweifel.
Über dem Sand und Sandstein, oder wo diese weniger ent
wickelt sind, unmittelbar über dem Schlier folgt eine mächtige Abla
gerung von Tertiärgeröllen, welche man namentlich in der Gegend
unseres DurschschnitteS auf den Rücken der höheren Berge antrifft.
Sie bestehen vorwaltend aus Quarz und Urgebirgs-Fragmenten.
Zwischen dem Schotter und Schlier schieben sich im Hausruck
mächtige Lignitmassen, die mit Tegel und Sandlagen alterniren,
als wirkliches Glied der Formation ein, das aber am Grunde der
weiter im Norden und weiter im Süden entwickelten Schottermassen
fehlt.
Die Diluvialgebilde bestehen aus Schotter, der sehr häufig von
einer meist nur wenige Fuss mächtigen Lehmlage bedeckt ist.
*) Ehrlich, Geognostische Wanderungen, S. 71.
18*
276
K. v. Hauer.
Die folgenden Arbeiten haben hauptsächlich zur Kenntniss des
oberen Donaubeckens in der Gegend, in welcher unser Durchschnitt
dasselbe durchzieht, beigetragen.
A. Boue. Baierisclies und Öberösterreichisches Tertiärhecken.
Geognostisches Gemälde von Deutschland, S. 394—422.
A. Boue. Die Tertiärhecken der Schweiz, von Baiern, Ober
österreich u. s. w. Journal de Geologie public pur A. Boue, II,
S. 335.
C. Ehrlich. Über die nordöstlichen Alpen (Linz), S. 11—20.
C. Ehrlich. Geognostische Wanderungen im Gebiete der
nordöstlichen Alpen (Linz), S. 69—84.
M. Hörnes. Die Tertiärversteinerungen von Ottnang. Jahrbuch
der k. k. geologischen Reichsanstalt, IV, S. 190.
Otto Freiherr v. Hingenau. Die Braunkohlenlager des Häiis-
ruckgebirges in Oherösterreich. Wien 1856.
Diese Arbeiten haben das ganze Becken so genau kennen
gelehrt, dass ich mich hier darauf beschränken kann, nur wenige
Detailbcobachtungcn, entlang der Linie des Durchschnittes nachzu
tragen, darunter insbesondere sehr genaue Notizen über die Kohlen
ablagerungen im Hausruck, aus einem als Manuscript im Archiv der
k. k. geologischen Reichsanstalt befindlichen Notizenhuch von Herrn
J. Kudernatsch *)•
Von Brandstätten bis Siegharding (169 Klafter über dem Meere)
behält die Linie noch die Richtung nach Süd 10° Ost hei. Sie trifft
zuerst sandige Mergel, welche sich an den Gehängen der Gneiss-
höhen, südlich von Herrenberg, überall nachweisen lassen. Im Thale
des Pfutscherbaches vor Siegharding aber stösst man schon auf eine
Diluvialablagerung, die besonders etwas weiter westlich von unserem
Durchschnitte in dem Pramthale weit verbreitet und mächtig ent
wickelt ist. Sehr schön lässt sich das Verhältniss beider Formationen
gegen einander hei Alfersham, A / 4 Stunde westlich von Siegharding,
beobachten, wo grosse Schottergruben eröffnet sind. Herr Dr. K.
Peters entwarf von denselben die Zeichnung Fig. 12. Die Hügel
A ) Erst nachdem die vorliegende Arbeit bereits abgegeben war, erschien die werth
volle Abhandlung von Herrn Prof. Dr. J. II. Lorenz: „Über die Entstehung der
Hausrucker Kohlenlager,“ Sitzungsb. d. kaiserlichen Akademie der Wissenschaften.
Bd. XXII, Heft III, S. 6G0.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Fassau bis Duino.
277
zwischen Kindling und Alfersham bestehen aus wechsellagernden
Schichten von Mergel und reinem grauen Sand, welche letztere
eine Mächtigkeit von 8 Fuss erreichen. Sie sind nächst der Strasse
südöstlich von Alfersham durch Steilabhänge enthlösst, an welchen
der Bach hinfliesst. An diese Abhänge stösst horizontal eine Diluvial
ebene, in welcher die Schottergruben eröffnet sind. Unter der Acker
erde sieht man in denselben (5 Fuss mächtig braunen Lehm (ohne
Lösschnecken), welcher in seinen tieferen Lagen mit sandigen
Zwischenschichten wechselt; darunter folgt 6 bis 8 Zoll reiner
Sand, dann 6 Fuss Quarzschotter mit Sand, und unter diesem reiner
grauer Sand, der in seiner Beschaffenheit mit dem Sand des Ge
hänges hei Alfersham übereinstimmt, und schon der Tertiärforma
tion angehört. Der Schotter enthält einzelne glatt polirte Conglo-
merathlöcke.
Von Siegbarding bis Niderham nimmt der Durchschnitt die Rich
tung Siid 24° Ost an. Gleich südlich von Siegharding betritt man
wieder das Gebiet der mit Sand wechsellagernden Mergelschichten,
und auf dem von Andorf östlich herumziehenden Rücken (245°) findet
man als oberste Schichte den Sand vorherrschend. Niderham seihst
liegt wieder auf einer kleinen Diluvialpartie.
Von Niderham bis über Riedau hinaus folgt der Durchschnitt
einer beinahe rein nord-südlichen Richtung; er übersetzt den Hügel
südwestlich von Raab, an dessen Abhängen man regelmässig auf ein
ander folgend reineren Mergel, Sand und Schotter beobachtet, und
trifft dann über Zell, Riedau, Wabetswohl, wo er die Richtung Süd
8° West annimmt, bis gegen Jebing nur die bald mehr, bald weniger
sandigen, horizontalen Mergelschichten, an deren Oberfläche man
aber häufig Lehmlagen gewahrt, die vielleicht theilweise schon als
Diluvial betrachtet werden könnten. Sicherer erkennbar sind Di!u-
viallehm und Schotter in der Umgegend der sehr zerstreuten Ort
schaft Jebing selbst.
Südlich von Jebing streicht der Durchschnitt durch den Lim-
berger Wald. Daselbst treten wieder in grosser Menge abgerundete
Blöcke; des schon oben erwähnten Quarzconglomerates auf, die in
der Gegend vielfach als Bausteine verwendet werden. Weiter über
Strass, Anzenberg u. s. w. kommen wieder die gewöhnlichen Mergel
bis westlich von Haag, wo unser Durchschnitt auf den nördlichsten
Ausläufer des Kohlengebirges des Hausruck trifft.
278
F. v. Haue r.
Von Hölzing wendet sich der Durchschnitt nach Süd 22° Ost.
In dem tiefer gelegenen Terrain des Gaasbaches, Furthhaches und
Trattnachbaches tritt wieder allenthalben der Schlier an die Ober
fläche; erst im sogenannten Knausmüllerwald, nordwestlich von Wolfs
egg, steigt das Terrain wieder mehr an und die Lignite mit den über
lagernden Schottermassen treten wieder zu Tage.
Die bald als Schotter, bald als wahres Conglomerat auftretende
Decke der Lignitlager ist nach den Untersuchungen vonKuder-
natsch durch keinen Thon oder Lehm verunreinigt, auch wird sie
nie oder nur sehr selten von Eisenoxydhydrat durchdrungen und
gefärbt, so dass die Quarzgeschiebe hier immer rein weiss ohne Fär
bung erscheinen. Die Grösse der Geschiebe reicht vom groben Sand
korn bis zu der einer Doppelfaust, alle sind gut abgerollt. Bei Weitem
vorherrschend sind Geschiebe von reinem weissen, fast nie gelblichem
Quarz; dann sind auch zahlreich Geschiebe von Gneiss und quarz
reichem Glimmerschiefer, seltener schon von Granit, sehr quarzigem
Thonschiefer, dann von Alpenkalk; auch von den Lias-Mergelschie
fern der Alpen fand Hr. Kudernatsch einzelne Stücke. Sehr selten
erscheinen endlich Talkschiefer und Diallag. Die Schotterbildung ent
hält auch einzelne Lagen von gröberem Sand, die dann eine deutliche
Schichtung bedingen. Durch reichlich beigemengten kohlensauren
Kalk, der zwischen den Geschieben abgelagert ist, und mit dem da
befindlichen gröberen Sand einen wahren Mörtel bildet, entstehen
fest zusammengebackene Conglomerate, die man von Wolfsegg an
auf dem Hauptrücken fort und fort verfolgen kann.
In den untersten Lagen der Schotterbildung, gleich ober der
Lignit-Ablagerung, findet sich häufig verkieseltes Holz, jedoch stets
nur in Bruchstücken, die wie abgerollt oder ahgerieben erscheinen.
Die Lignitablagerung, schreibt Kudernatsch, gehört eigent
lich noch der Tegelbildung an, deren oberste Etage sie vorstellt. Es
hat jedoch schon während der Ablagerung dieser Lignite auch eine
theilweise Ablagerung von Schotter stattgefunden, da zwischen Fried
berg und Munderfing eine Schotterbildung unter einem Lignitflötze,
dem dann der obere Schotter aufliegt, zu beobachten ist. Somit lässt
sich annehmen, dass die Schotterablagerung gleich, fast ohne Unter
brechung, auf die des Tegels gefolgt sei.
An der ganzen Ostseite des Hausruck hat man drei über einan
der liegende Flötze; in Haag aber als dem nördlichsten Punkte, dann
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 279
Lei Munderfing westlich nur eines. Die Flötze haben immer im Han
genden und Liegenden einen Tegel zurBegleitung, der oft sehr schmal
(6 Zoll) ist, aber nie ganz fehlt. Schmale Tegellagen erscheinen
ausserdem auch öfter in den Flötzen, zumal wenn diese mächtiger
sind. Auf der Ostseite des Hausruck sind die zwei oberen Flötze
durch ein mächtiges Zwischenmittel von Sand getrennt.
Sehr merkwürdig ist das Verhalten der Flötze zu den Berg
rücken, unter denen sie liegen. Ihre Lage ist im Ganzen eine
schwebende, doch machen sie sanfte wellenförmige Biegungen, die
mit der Oberflächengestaltung in einer bestimmten Belation stehen,
und zwar so, dass dem Joche oder Bücken des Gebirges stets eine
auffallende Muldenbildung der Flötze entspricht. Vom Tage an, quer
durch den Bergrücken gedacht, herrscht ein sanftes widersinnisches
Einfallen, weiter im Inneren wird die Lage horizontal, bis in der
Gegend des obersten Rückens plötzlich wieder eine auffallende Sen
kung eintritt, ungefähr wie Fig. 10 andeutet.
Diese Senkung in der Mitte ist dem langgestreckten Bergrücken
nach hin und her zu beobachten. — Übereinstimmend damit ist das
Verhalten des durch Grubenbau gut aufgeschlossenen Flötzes zu
Bergern nächst Ottnang. Ein südlich laufender Zweig des Hausruck
endet hier mit einer isolirten Kuppe, indem spätere Auswaschungen
eine Einsattlung gebildet haben. Das Flötz nun fällt dieser isolirten
Kuppenform gemäss von allen Seiten gegen die Mitte zu ein, so dass
unter der Kuppe der tiefste Muldenpunkt sich befindet. — In der
Kohlgrub nächst Wolfsegg zeigen die oberen beiden Flötze den im
Vorigen geschilderten ähnliche Biegungen, das dritte tiefste liegt
dagegen beinahe horizontal; Fig. 9 gibt eine Detailzeichnung der
Schichtenfolge dieser Grube; die eingeschriebenen Zahlen bezeich
nen die Mächtigkeit in Fussen. Es folgen von oben nach unten:
1. Schotter und Congloinerat;
2. Lignitflötzchen von 1% Fass;
3. gelblicher durch Tegel gebundener Sand, bald mehr sandig,
bald mehr thonig;
4. Lignitflötz mit einem etwa 2 Zoll starken Schieferthon als
Mittelberg;
5. blaugrauer, glimmeriger, etwas sandiger Tegel; gegen die
Gebirgsoberflächc zu, besonders am Liegenden des Flötzes liin,
bräunlich gelb gefärbt;
280
F. v. Haue r.
6. grauer oder gelblich-grauer, etwas glimmeriger Sand;
7. gelblicher fetter Tegel;
8. Lignitflütz;
9. sandiger, glimmerreicher, lichtgrau oder bläulichgrau gefärb
ter Tegel; oben noch fett genug, um als Töpferthon verwendet zu
werden, mit einzelnen kohligen Pflanzentrümmern; nach unten mehr
und mehr sandig, zu unterst reiner Quarzsand;
10. Schlier.
Sämmtliche Glieder nehmen nach einwärts unter dem höchsten
Gebirgsrücken bedeutend an Mächtigkeit ab, wie dies die einge
schriebenen Zahlen zeigen.
Zur Vervollständigung eines Bildes der ganzen Ablagerung
sollen hier auch noch die Schichtenfolgen an einigen anderen Punk
ten, ebenfalls nach Hrn. Kudernatsch’sBeobachtungen, mitgetheilt
werden.
Auf dem ehemals Miesbach’sehen Werke zu Bergern findet man
die Flötze sanft muldenförmig gekrümmt; es folgen von oben nach
unten:
1. Hangend-Schotter und Conglomerat;
2. 3 Klafter gelblicher, glimmerreicher, feiner Sand mit Eisen
oxydhydrat in Streifen und Flecken. Hier finden sich zuweilen auf
rechtstehende auf der schmalen Tegelschichte, die als Hangendes das
oberste Flötz begleitet, aufsitzende Baumstümpfe;
3. 1 bis 3 Zoll gelblicher oder gelblichgrauer fetter Tegel;
4. Am Ausgehenden 2 Fuss, in der Muldenmitte 7% Fuss Lignit;
in der Muldenmitte schiebt sieb eine 4 Zoll mächtige Schicht von
dunklem fetten Tegel mit kohligen Pflanzentheilen in das Flötz ein,
und trennt von demselben eine 1% Fuss mächtige Liegendbank;
5. 2 bis 2 1 / lä Fuss äusserst reiner feiner Quarzsand, weiss oder
schwach gelblich weiss;
6. 2 Fuss bläulich-weisser bis fast weisser etwas sandiger
Tegel, der als brauchbarer Töpferthon benützt wird;
7. Schlier.
Zu Palamberg nächst Zell beobachtet man:
1. Schotter und Conglomerat;
2. Sandiger Tegel;
3. Lignitflütz, am Ausbiss 4 Fuss mächtig;
4. 6 Klafter gelblich-grauer glimmeriger Sand;
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 281
5. 1% Klafter reiner fetter, weisser bis bläulicher Tegel;
6. 9 Fuss Lignitflötz;
7. 1 Fuss Tegel nach innen sich ganz auskeilend;
8. 6 Fuss Lignitflütz;
9. 3 Fuss dunkler Thon mit einzelnen koliligen Pflanzen-
triimmern;
10. 3 — 4 Fuss lichterer Tegel, etwas sandig, als Töpferthon
verwendbar;
11. Schlier.
Zu Thomasroith nächst Ottnang endlich:
1. 40—50 Klafter Schotter und Conglomerat;
2. 2— 3 Fuss sandiger Tegel;
3. 6 Fuss Lignitflötz;
4. Schmale Tegellage, angezeigt durch die an der Sohle des
Lignitlagers allenthalben entspringenden Quellen;
5. 10 — 12 Klafter gelblich-grauer Sand mit Eisenoxydhydrat
in Streifen und Flecken;
6. 1—2 Fuss bläulich- und gelblich-grauer, ausgetrocknet aber
lichtgrauer fetter Tegel;
7. 2 Klafter Lignitflötz;
8. 3 — 4 Fuss dunkler Tegel mit vielen Kohlenstreifen und
absätzigen schmalen Lignitlagen, dann kohligen Pflanzentrümmern;
9. 4—8 Fuss Lignitflötz;
10. 1 Fuss dunkelgrauer, sehr feinglimmeriger, fetter Tegel, mit
einzelnen kohligen Pflanzentrümmern;
11. 3—4 Fuss lichterer, grauer sandiger Tegel, etwas fett, als
Töpferthon verwendbar;
12. Schlier.
Der Schlier selbst erscheint in der Umgegend des Hausruck-
Gebirges in den oberen Theilen vorwaltend sandig und besteht im
Wesentlichen aus einem Wechsel von Sand und verhärtetem Tegel
und Mergellagen, wobei der Sand selbst weitaus vorwaltet. In allen
Sehliergruben der Umgegend von Ottnang, Atzbach u. s. w. nimmt
dieses Gebilde die obersten Lagen ein; es zeigt selten Schichtenver
drehungen oder Windungen; nach abwärts tritt aber der Sand mehr
111 den Hintergrund und man hat dann einen regelmässigen Wechsel
von dünnen Sand- und Tegellagen; in diesen bemerkt man oft mannig
faltige Biegungen und Windungen der Schichten, wie von Strömungen
282
F. v. Haue r.
oder gewaltigen Aufregungen der Gewässer herbeigeführt, wäh
rend die Sandschichten darüber stets regelmässig liegen. So zeigt
die grosse Schliergrube, westlich von Ottnang, die in Fig. 8
dargestellte Lagerung; 1. bezeichnet den regelmässig gelagerten
Schliersand; 2. die gewundenen Schichten bestehen aus dünnen
Lagen von Mergelthon oder verhärtetem sandigen Tegel, die durch
äusserst dünne, glimmerreiche Sandlagen, oder auch nur durch
Lagen sparsamer Glimmerblättchen von einander getrennt sind.
Zwischen ihnen schieben sich hin und wieder stärkere Zwischen
lagen oder förmliche Keile von Sand ein, endlich treten unregel
mässige Putzen (M) von reinem mehr dickschichtigem und sandfreiem
Mergel auf.
Zu unterst folgt dann reiner Schliermergel; noch ober diesem
zeigen sieh aber in manchen Gegenden 3 — 6 Zoll mächtige Schich
ten von festerem Sandstein, dessen Körner durch kohlensauren Kalk
conglutinirt sind.
Von Wolfsegg wendet sich der Durchschnitt nach Süd 10° W.,
nach Schmidham nimmt hier die Richtung S. 18° W. an und erreicht
hei Vöklabruck das weite Alluvialthal der Vökla.
Die sämmtlichen Hügel dieser Strecke bestehen aus Schlier,
doch steht dieser an der Oberfläche nur selten an, sondern wird erst
durch die Schliergruben aufgedeckt; fast über alle diese Hügel ist
nämlich eine Decke von Diluvialschotter mantelförmig ausgebreitet;
mit demselben stellt hin und wieder ein sandiger rotlier Thon in Ver
bindung, der zur Ziegelerzeugung benützt wird. Flache Gehänge
sind fast immer mit diesen Gebilden bedeckt, nur der Gipfel und der
Fuss zeigen oft den Schlier anstehend. Die Mächtigkeit dieser Decke
beträgt meist nur ein paar Fuss, wesshalb sie auf unserem Durch
schnitte nicht weiter angegeben werden konnte, doch gibt Fig. H
ein Beispiel des Vorkommens an dem westlich nächst Ottnang
gelegenen Rücken. An dem sanften östlichen Gehänge zeigt sich die
Schotterdecke bis gegen den Ort, der steile Westabfall dagegen
zeigt den Schlier entblösst. Die Geschiebe dieses Schotters erreichen
selten die Grösse einer Doppelfaust; alle Zwischenräume zwischen
ihnen sind mit grobem Sand ausgefüllt. Es sind meist Quarzgeschiebe,
zum Tlieile sehr flach, wahrscheinlich aus einem Glimmerschiefer-
Gebirge, da sich an demselben öfter noch etwas Glimmer und eine
schiefrige Structur zeigt; ausserdem fanden sich einzelne Geschiebe
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Pnssau bis Duino. 283
einer sehr festen Grauwacke, dann von Gneissgranit lind von einem
braunen glimmerarmen Sandsteine. Sehr häufig durchzieht Eisen
oxydhydrat diese Schotterablagerung. Der erwähnte Ziegelthon ist
ziemlich sandig und glimmerig, wenig fett, er hat ausgetrocknet eine
lichte bräunlichgelbe Farbe; er liegt in der Regel auf dem Schotter.
Von Yöklabruck geht der Durchschnitt in gerader Linie nach
Aurach nach S. 10° 0. Das Alluvium der Vökla hält bis Ober-Regau
an; dann folgen Conglomerate und Schottermassen, welche die Hügel
über Aurach hinaus bis zum Wiener Sandstein bilden. Nur an wenigen
Stellen ist der tiefer liegende Sandstein oder Schlier entblösst, so am
Aurachbach südlich von Siking, eine Stunde östlich von unserem
Durchschnitt. Der Schotter selbst bildet Hügel, nicht Terrassen, und
unterscheidet sich dadurch von dem Diluvial-Schotter und Conglome-
rat, welches die Ufer der Flüsse, namentlich der Traun, begleitet. Er
enthält vorwaltend Kalk und Sandsteingerülle aus den Alpen, nahm
also das Material zu seiner Bildung jedenfalls anderswo her, als der
Quarzschotter des Hausruckgebirges, dessen Geschiebe wohl unzwei
felhaft aus dem nördlichen Urgebirge stammen.
3. Die Wiener Sandsteinzone.
Die breite Zone von Sandsteinen, Mergelkalken und Mergel
schiefern, welche den Nordabhang der von Wien bis Salzburg und
weiter bis weit über die Grenze der österreichischen Monarchie
hinaus in Baiern und der Schweiz umsäumt, bietet ein geologisches
Problem, dessen Lösung ungeachtet aller Bemühungen der letzten
Jahre verhältnissmässig nur geringe Fortschritte gemacht hat. Wäh
rend die Kenntniss der krystallinischen und der Schiefergebilde der
Centralalpen mächtig gefördert wurde, während die Altersbestimmung
und Abgrenzung der einzelnen Etagen der Kalkalpen von Jahr zu
Jahr eine grössere Sicherheit erlangt, und früher abweichende An
sichten über dieselben mehr Und mehr in Einklang gebracht werden,
haben sich die Schwierigkeiten, welche sich einer befriedigenden
Deutung der Gesteine der bezeichneten Zone entgegen stellen, durch
die sorgfältigen und umfassenden Beobachtungen der letzten Jahre
eher vermehrt als vermindert.
Es ist wohl hier nicht der Ort in eine umständliche Geschichte
der Ansichten einzugehen, welche nach und nach von den berühmte
sten Geologen über den Wiener Sandstein aufgestellt wurden; es
284
F. v Haue r.
genüge zu bemerken, dass es von der Grauwacke herauf bis zu den
Tertiärschichten kaum eineFormation gibt, mit welcher man es nicht
versucht hätte den Wiener Sandstein zu parallelisiren und wenn auch
in neuerer Zeit die Meinung, aller Wiener Sandstein, Karpathen
sandstein, Macigno, Flysch, Tassello u. s. w. sei eocen, mehr und
mehr Eingang fand, so fehlt es nicht an abweichenden Ansichten und
zwar gerade von Seite solcher Geologen, weiche die detaillirtesten
Studien im Gebiete des Wiener Sandsteines selbst anzustellen Gele
genheit hatten.
Schon bei einer früheren Gelegenheit suchte ich nachzuweisen *),
dass die als Wiener Sandstein bezeichneten Gesteine sehr verschie
denen Formationen angehören können. Weder die grosse petrogra-
phische Ähnlichkeit, noch der scheinbare Zusammenhang, in welchem
man diese Gebilde entlang dem ganzen Nordabhang der Alpen und
Karpathen verfolgen zu können glaubt, können ihre Vereinigung zu
einer Formation hinreichend rechtfertigen. Bietet doch der Alpen
kalk selbst eine schlagende Analogie; auch dieser wurde von allen
älteren Geologen als eine einzige im untrennbaren Zusammenhänge
stehende Formation betrachtet, die man, je nachdem man an einzelnen
Stellen Belege dafür aufzufinden vermochte, bald tiefer, bald höher in
die Normalreihe stellte. Gegenwärtig herrscht nicht der geringste
Zweifel mehr, dass die ganze Masse desselben aus einer Reihe von
verschiedenen Formationen bestehe, die aber, auch wenn man sie
nach dem Streichen der ganzen Kalkalpenzone verfolgt, an verschie
denen Stellen derselben eine sehr verschiedene Entwicklung zeigen.
So ist es als feststehende Thatsache zu betrachten, dass in den west
lichen Kalkalpen in der Schweiz die obere Jura- und die Kreidefor
mation vorwalten, während in den nordöstlichen Alpen die Trias-
und Liasschichten weitaus herrschend sind.
Die Erkenntniss dieser Thatsachen und die richtige Abgrenzung
der verschiedenen Formationen des Alpenkalkes wurde ermöglicht
einzig und allein durch die Auffindung von bestimmbaren Petrefacten
an überaus zahlreichen Localitäten; die ungemein grosse Seltenheit
derselben in dem sogenannten Wiener Sandsteine ist wohl die einzige
Ursache, welche es bisher unthunlich erscheinen liess, auch diesen
überall mit Sicherheit in seine einzelnen Elemente aufzulösen.
A ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. 18i>0, I. S. 47.
Ein gcolugisclier Durchschnitt der Alpen von Passaii bis Duino. 28t)
Die im Wiener Sandstein am häufigsten vorkommenden orga
nischen Reste sind bekanntlich die zuerst von Brongniart 1 ) näher
untersuchten und benannten Fucoiden. Sie finden sich in gleichen
oder sehr ähnlichen Arten beinahe allenthalben im Wiener und Kar
pathensandstein der Nordalpen, sowie der im Macigno und Albarese
der Südalpen, im Elysch der Schweiz u. s. w. Leider bieten sie aber
keine Anhaltspunkte zur Formationsbestimmung, denn ganz überein
stimmende Formen kommen in Schichten sehr verschiedenen Alters
vor. So finden sich, um einige Beispiele herauszugreifen: Chondrites
intricatus , Ch. furcatus, Ch. Targioni u. s. w., die Brongniart
zuerst aus dem Wiener Sandstein der Umgegend von Wien beschrieb,
nach S a v i und M e n e ghi n i a ) zusammen mit einem Hamiten der in der
pietra forte von Florenz, einem Gesteine, in welchem Meneghini
später noch zahlreiche bezeichnende Kreidefossilien auffand 3 ); diesel
ben Fucoiden sind aber auch sehr verbreitet in dem sogenannten Alba
rese in ganz Toscana, einem Gesteine, dessen unmittelbarer Zusammen
hang mit den eocenen Nummulitenschichten ausser Zweifel erscheint.
Dieselben Arten finden sich in den nordöstlichen Alpen, sowohl in
den der Neocomienformation ungehörigen Aptyehenmergeln von
Stollberg, als auch in den durch Nummuüten charakterisirten Sand
steinen von Greifenstein. Sandsteine, petrographisch denen von
Klosterneuburg und Greifenstein vollkommen ähnlich, mit Zwischen
lagern von grauem Fucoidenmergel fand Herr Dr. Peters 4 ) in un
trennbarem Zusammenhänge mit den der oberen Kreide angehörigen
Iludistenschichten von Althofen in Kärnten, und zahlreiche Fucoiden,
die ich von denen des Wiener Sandsteines kaum zu unterscheiden
vermag, fand ich in diesem Jahre in dem rotlien Liaskalk von Induno
bei Varese in der Lombardie.
Diese Beispiele Hessen sich leicht durch zahlreiche andere aus
den Alpen, Karpathen und Appenninen vermehren. Sie beweisen,
dass entweder wirklich Wesen von so niederer Organisation, wie
die Fucoiden es sind, durch längere Zeitepochen in ganz gleichen
Arten fortgelebt haben, oder dass sich die verschiedenen Arten der-
4 ) Histoire des vegetaux fossiles u. s. w.
2 ) Osservazioni stratigraphiche e paleontologiche concernenti la Geologia della Tos
cana, pag. 127.
3 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt V. 1854, S. 228.
4 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Ueichsanstalt VI. S. 548.
selben durch Merkmale unterscheiden, die bisher dem Scharfblicke
der Botaniker, die sich mit ihrer Untersuchung beschäftigten, ent
gingen.
Bessere Anhaltspunkte gewähren die freilich nur sehr verein
zelten Vorkommen anderer Fossilien. Durch sie werden in dem
früher sogenannten Wiener Sandsteine der nordöstlichen Alpen
folgende Formationen angedeutet:
1. Unterer Lias. Die Sandsteine unserer Grestener Schichten.
Näheres über dieselben enthält meine Abhandlung über die Glie
derung der Trias-, Lias- und Juragebilde in den nordöstlichen
Alpen ‘), auf die ich hier verweisen darf. Bei den geologischen Auf
nahmen bot es keine besonderen Schwierigkeiten dar, die hierher
gehörigen Schichten von den übrigen Wiener Sandsteinen abzu
trennen, selbst da, wo sie mit ihnen in unmittelbarer Berührung
stehen.
2. Neocomien. In einer besonderen Mittheilung: „Die Apty-
chenschiefer in Niederösterreich“ wies Cjzek 2 ) die Existenz von
mehreren Zügen von hydraulischem Kalk und thonigen, grauen,
rothen und grünlichen Schiefern nach, welche der Hauptzone der
Wiener Sandsteine regelmässig eingelagert, ungeachtet ihrer relativ
geringen Mächtigkeit, dem Streichen nach eine sehr bedeutende
Ausdehnung besitzen. In einem derselben bei Stollberg entdeckte er
nicht eben selten Belemniten und Aptychen, welch' letztere später
von Dr. K. Peters näher untersucht 3 ) und als der Neocomien-For-
mation angehörig erkannt wurden. Dieselben hydraulischen Kalk
steine und Ruinenmergel wurden später weiter nach West an vielen
Stellen im Gebiete des Wiener Sandsteines aufgefunden, doch bisher
noch nicht an Stellen, wo sich durch das Vorkommen von Nummu-
liten oder anderen Fossilien ein eocenes Alter der Wiener Sandsteine
nachweisen lässt. Das Vorkommen dieser hydraulischen Kalksteine
kann demnach, soweit die bisherigen Erfahrungen reichen, als be
zeichnend für Neocomien-Wiener-Sandstein angesehen werden.
Die Entdeckung eines Inoceramus im Sandsteine des Kahlen-
berges, die wir Herrn Gustav Petter verdanken 4 ), kann, wenn auch
*) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1853, IV. S. 739.
2 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1852, III. S. 1.
3 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1854, V. S. 439.
4 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1853, IV. S. 637.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
287
dieSpecies nicht näher bestimmbar ist, jedenfalls auch als ein Beweis,
dass die dortigen Sandsteine älter sind als die Eocenformation
betrachtet werden.
3. Eocenformation. Abgesehen von dem schon seit längerer
Zeit bekannten Vorkommen von Niunmulitenkalken und Sandsteinen
am Nordrande der Wiener Sandsteinzone am Waschberge hei
Stockerau, bei Oberwels nördlich von Gmunden, dann zwischen Matt
see und St. Pangraz hei Laufen, verdienen hier die erst in den
letzten Jahren aufgefundenen Nummuliten im Sandstein hei Greifen
stein nördlich von Klosterneuburg eine besondere Erwähnung um
somehr, als über diesen Fund bisher noch nirgend eine ausführlichere
Beschreibung veröffentlicht wurde.
Verfolgt man das durch den Donaudurchbruch aufgeschlossene
Profil von Nussdorf hei Wien über Klosterneuburg bis Greifenstein,
so erkennt man bis in die Gegend von Kritzendorf, eine halbe Stunde
nördlich von Klosterneuburg, stets die gleichen Gesteinslager wie am
Kahlenberge und Leopoldsberge bei Wien; feinkörnige Sandsteine in
meist nur 1 bis 2 Fuss mächtigen Bänken wechsellagernd, mit noch
weit schmäleren Schichten von Mergelschiefern, die häufig Fucoiden
enthalten und dazwischen stellenweise die Züge von hydraulischem
Kalk mit den sie begleitenden Mergeln.
Von Kritzendorf gegen Höflein und Greifenstein zu ändert sich
aber allmählich der petrographische Charakter. Die äussere Physio
gnomie der Berge bleibt zwar die gleiche, auch bestehen dieselben
wie früher aus Sandstein mit Zwischenlagen von Mergelschiefer.
Die Sandsteine sind jedoch heller gefärbt, mürber, grobkörniger.
Sie bilden dicke Schichten, ja oft viele Klafter mächtige, unge
schichtete Massen, die wieder mit dünner geschichteten Partien
abwechseln. Die mit ihnen wechsellagernden Mergelschiefer sind
weicher, weniger deutlich schiefrig und enthalten weit seltener
Fucoiden. Hydraulische Kalke finden sich hier nicht vor. In dieser
Art beobachtet man die Gesteine besonders deutlich in den zahl
reichen Steinbrüchen in der Umgegend von Greifenstein und Höflein,
ln den hellen Sandsteinen nun fanden sich, aber stets vereinzelt und
sehr selten, deutliche Nummuliten von 4 bis G Linien Durchmesser,
deren Kalkschale stets mürbe ist und an der Luft leicht zerfällt. Die
Schichten fallen so wie die der übrigen Wiener Sandsteine nach
Süd etwas in Ost.
288
F. v. Hauer.
Die Grenze dieser eocenen Sandsteinpartie gegen den übrigen
Wiener Sandstein ist theils mangelnder Entblössungen wegen, noch
mehr aber wegen der Seltenheit der Nummuliten und der gleichför
migen Lage der Schichten nicht scharf zu bestimmen, doch lässt sie
sich ungefähr von Kritzendorf an der Donau, nördlich an Gugging
vorüber bis gegen Hintersdorf und St. Andrä im Tullner Felde
ziehen. Weiter nach Westen sind Gesteine von gleicher Beschaffen
heit wie die von Greifenstein in der Wiener Sandsteinzone nicht
bekannt geworden.
Noch scheint es erforderlich einige Worte über die Lage der
Schichten der Wiener Sandsteinzone beizufügen. Dieselben fallen
der ganzen Strecke von Wien bis Salzburg entlang weitaus vor
waltend nach Süden, also widersinnisch gegen das Gebirge ein.
Dieselbe Neigung zeigen, wie schon erwähnt, die Nummuliten führen
den Sandsteine von Greifenstein, dann aber auch die wahrscheinlich
eocenen Mergel- und Conglomeratschichten von Hagenau und Star-
zing südwestlich von Sieghartskireben, dieNummulitenscbicbten nörd
lich von Gmunden, jene von Mattsee u. s. w., die alle am Nordrande
der Sandsteinzone auftreten. Die Stellung der Schichten, welche
ganz an jene erinnert, die man in der Molasse der Schweiz, in den
der Alpenkette zunächst gelegenen Partien südlich von der antikli-
nalen Linie beobachtet 1 ), wurde wiederholt Veranlassung, dass man
die nördlicher gelegenen, also gegen den Wiener Sandstein einfallen
den Nummuliten und Eocengebilde für wirklich älter hielt, als die ganze
Zone der Fucoiden-Sandsteine. Dass diese Folgerung hier, wo auch
die Fucoiden-Sandsteine selbst wieder scheinbar unter die weit
älteren Kalksteine einfallen, nicht stichhältig ist, bedarf wohl keiner
weiteren Auseinandersetzung; so wie die Fucoiden-Sandsteine jünger
sind als dieAlpenkalke, müssen auch die Eocengebilde mit Nummuliten
u. s. w. wieder jünger sein, als die genannten Sandsteine.
Nebst den drei genannten Formationen ist vielleicht auch die
obere Kreide in einzelnen Theilen der Sandsteinzone der nordöst
lichen Alpen vertreten. Bekanntlich zieht Hohenegger einen
grossen Theil der Sandsteine der Hochkarpathen zum Albien oder
Gault, und auch in den Südalpen kommen in dem flacheren Berg-
und Hügelland am Fusse der höheren Kalkalpen Gesteine der oberen
*) Stu der, Geologie der Schweiz, II. S. 374.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
289
Kreidenlagen in weiter Verbreitung vor. In der eigentlichen Wiener
Sandsteinzone nun fand Herr Lipoid an zwei Stellen, nämlich beim
Leiterbauer am Nord-Ostende des Zeller See’s, dann beim Mössel-
bauer am Ostufer des Mond-See's Gesteine mit Hippuriten die mit
jenen der Gosauformation übereinstimmen. leb besuchte später beide
Punkte: den ersteren im Jabre 1853 zusammen mit Herrn Dr. K.
Peters, den zweiten im Jahre 1854 in Gesellschaft von Herrn K.
Ehrlich und Herrn Hinterhuber, Apotheker zu Mondsee, der uns
an die Stelle führte. Beide Vorkommen, so interessant sie auch sind,
scheinen mir aber doch keinen directen Beweis herzustellen, dass ein
Theil der dortigen Wiener Sandsteine der oberen Kreide angehöre.
Am Zeller See finden sich die Hippuriten in abgerundeten Blöcken
eines Kalksteines, die zusammen mit anderen oft 2 bis 3 Fuss im
Durchmesser haltenden Rollstücken sehr verschiedenartiger Kalk
um! Sandsteine in einem zähen Lehm conglomeratartig eingelagert
sind. Das ganze Gebilde wird durch einen kleinen, von Ost nach
West herabkommenden Bach aufgeschlossen, es gehört wohl sicher
einer jüngeren Formation an, welche den Fuss der höheren Sand
steinberge umsäumt.
Der Hippuritenkalk beim Schwaighof unweit Mössl am Mondsee
dagegen bildete einen kleinen, aus einem Felde vorragenden Block,
den man oberflächlich absprengte und dann überackerte. Zur Zeit,
als ich die Stelle besuchte, war von diesem Gesteine nichts mehr zu
sehen. Das Feld befindet sich auf einem niederen Abbange, der nur
wenig über die Alluvialebene emporragt, und weiter erst erbeben sich
die höheren Berge von Wiener Sandstein. Auf dem Felde selbst
zeigten sieb Stücke von Sandstein und Kalkstein, dann auch Roll
stücke von Quarz, ln einem Steinhaufen, ganz nähe beim oberen
Schwaighofer (Felber), fanden wir Gerolle von den verschiedensten
Kalkarten. Auch hier bat man es demnach wahrscheinlich mit einem
aus der Ferne hertransportirten Block zu thun, der nicht dem Wiener
Sandstein selbst angehört.
Nach dieser Abschweifung können wir nun wieder zur Betrach
tung unseres Durchschnittes zurückkehren. Derselbe läuft von
Au rach in rein südlicher Richtung bis zur Grenze gegen die Kalk
steine. Die Nummulitenschichten, die als unter den Tertiärgebilden
verdeckt in der Gegend von Aurach angegeben sind, sind auf der
Lurchschnittslinie selbst nicht beobachtet, sie sind nach dem nur
SUisl). d. inathem.-iiiiturw. CI. XXV. ßd. i. Heft.
19
290
F. v. Hauer.
wenig mehr als eine Meile weiter östlich gelegenen Vorkommen von
Oberweis eingezeichnet. Herr Prinzinger beobachtete daselbst ein
Fallen nach Süd. Das Gestein ist ein weissgelb gefärbter Kalkstein
mit zahlreichen Quarzkörnern, der die Nummuliten und andere Eocen-
fossilien enthält.
Der Zug der Sandsteine seihst erreicht auf der Linie des
Durchschnittes eine Breite von etwa 1 */ 4 Meile. Er steigt zu Bergen
an, die, wie der etwas östlich von der Durchschnittslinie gelegene
Gmundnerberg, eine Seehühe von mehr als 500 Klaftern erreichen.
Dicht an der Nordgrenze desselben, zwischen Neudorf und Aurach,
beobachtete Herr Prinzinger fest anstehende hydraulische Kalke,
gleich jenen von Stollherg in Niederösterreich, dem Sandsteine ein
gelagert. An der Südgrenze gegen den Kalkstein zu nehmen die
Schichten, die alle regelmässig nach Süden fallen, eine steile, oft
senkrechte Lage an. Es tritt hier ein zweiter mächtiger Zug von
eigenthümlichen Gesteinen auf, wie sie die hydraulischen oder
Aptychenmergel zu begleiten pflegen. Am Aurachbache südlich, dicht
beim Meuer-Teufel, fand Herr Lipoid röthliche Mergelkalke, hinter
ihnen weisse Kalksteine und dann dunkle Mergel, alle sehr dünn
schiefrig, stark gewunden, brüchig. Noch weiter südlich im Graben,
der vom Kothenstein herabkommt, fand er weisse Mergel, hinter
ihnen auf längere Strecke rothe Mergelschiefer mit rothen von
thonigem Mergel durchzogenen Kalksteinen; noch höher endlich,
dicht an der Grenze gegen den Alpenkalk, ganz seiger stehende
Schichten von Kieselkalken und Mergeln.
Nach diesen Beobachtungen sieht man sich genöthigt, den
ganzen hier entwickelten Sandsteinzug von Aurach bis zum Alpen
kalk derjenigen Abtheilung der Wiener Sandsteine zuzuzählen, die
der Neocomien-Formation angehört, da keine sicheren Anhaltspunkte
vorliegen, einzelneTheile desselben, die vielleicht in die obere Kreide
gehören könnten, davon abzutrennen.
4. Vom Auriichbach bis in die (fegend von Ischl.
Von Aurachbach über den vorderen Langbathsee bis zur Spitze
des Höllengebirges behält der Durchschnitt seine rein nord-südliche
Richtung bei. Zunächst den im vorigen beschriebenen Gesteinen der
Wiener Sandsteinzone finden sich am Nordgehänge des Rothensteines
steile zackige Dolomitfclsen, an denen man keine Schichtung wahr-
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Fassau bis Duino. 291
nimmt. Sie werden in regelmässiger Aufeinanderfolge überlagert von
Petrefacten führenden Küssener Schichten, Adnether Schichten, end
lich hell gefärbten Jurakalken, gleich jenen des Höllengebirges selbst.
In der tiefsten Spalte des Langbaththales zeigen sich am Grunde
wieder die hell gefärbten petrefactenleeren Dolomite, und steigt man
aus dem Thule aufwärts, die Abhänge des Höllengehirges hinauf, so
erscheinen bald wieder deutlich geschichtet und flach nach Süd fal
lend die dunklen Kössener Schichten, und auf ihnen rothe Adnether
Schichten. Diese Gebilde, die hier keine sehr beträchtliche Mächtig
keit erreichen, bilden am Nordgehänge des Höllengehirges eine
tiefere Stufe, über sie erheben sich in schroffen Wänden die aus
gedehnten Kalk- und Dolomitgesteine, welche die Hauptmasse des
Gebirges bilden. Diese müssen, als noch über den Adnether Schichten
gelagert, der Juraformation zugezählt werden. Sie haben zwar noch
keine Fossilien geliefert, stimmen aber auch petrographisch mit
jurassischen Kalksteinen aus anderen Theilen der Alpen, deren Alters
bestimmung durch vorkommende Fossilien sichergestellt erscheint,
überein. So namentlich mit den jurassischen Aptyehen führenden
Kalksteinen der Spitze des Sandlings bei Aussee u. s. w.
Zunächst über denÄdnether Schichten fallen die Schichten, die
sen conform, nicht sehr steil gegen Süd. Weiter aufwärts wird aber
nach Herrn Lipoid’s Beobachtungen der Fallwinkel steiler und
steiler, und schon beim Albererkogel, etwa y a Stunde östlich von
unserem Durchschnitte, stehen dieselben senkrecht. Diese Stellung
der Schichten bedingt die steilen Wände, die das Hüllengebirge
überhaupt gegen das Langbaththal zu bildet; sie wird auch Veran
lassung zu häufigen Felsabstürzen in dieses Thal.
Von der Spitze des Höllengebirges wendet sich der Durchschnitt
in der Richtung Süd 30° West nach Mitterweissenbach, und weiter
über das Holzjoch gegen den Thalkessel von Ischl.
Der Mitterweissenbach ist wieder in den älteren Dolomit ein-
gesehnitten, den wir bereits am Rothenstein und im Tliale der Lang-
bathseen erwähnt haben. Zwischen ihm und den jurassischen Kalk
steinen des Höllengebirges wurden auf der Südseite dieses Gebirges
die Kössener und Adnether Schichten nicht beobachtet. Man darf
daraus schliessen, dass die jurassischen Kalksteine auch hier die älte
ren Gebilde ungleichförmig überlagern, in der Art, wie es im Durch
schnitt selbst hypothetisch gezeichnet ist. Was aber nur den unteren
19 *
292
l<\ v. H u e r.
Dolomit selbst betrifft, so liegt er, wie sich im Langbaththal sehr
deutlich ergibt, unter den Kössener Schichten. Er gehört offenbar
der grossen Dolomitetage an, welche man in den nordöstlichen Alpen
so oft zwischen den Hallstätter Schichten als unterer, und Kössener
oder Dachsteinkalk als oberer Grenze findet •). Ob man ihn der einen
oder der anderen dieser Formationen zuzählen soll, ist bei dem Man
gel bezeichnender Versteinerungen der Willkür überlassen. In dem
Gebiete, welches unser Durchschnitt berührt, fand Ehrlich in seinem
Gebiete in der Nähe von Mitterweissenbach Ostreen. Beim Ausgehen
den des Mitterweissenbaches in das Hauptthal der Traun beobachtete
Prinzinger dunkel gefärbte Kalksteine, die den Dolomiten einge
lagert scheinen, und südöstlich vom Ilohe-Joch beim Starnkogel an
der Südgrenze der ganzen Dolomitpartic glaubte er Kössener Schich
ten zu erkennen, die nach Süd fallen, also ebenfalls den Dolomiten
aufgelagert erscheinen. Diese Angaben deuten darauf hin, dass in
den bezeichneten Gegenden vielleicht noch mehrfache Formations
wechsel zu beobachten wären, deren Nachweis aber späteren Unter
suchungen Vorbehalten bleiben muss.
b. Der Thalkessel von Ischl.
Derselbe ist bezeichnet durch das Hervortreten der untersten
Glieder der Triasformation, welche alle Alpenketten dieser Zone unter
teufen, nämlich der WerfenerSchichten und Guttensteiner Kalksteine.
Diese Gesteine sind beinahe überall in dem weiten Kessel, der
durch die Kreuzung eines Querthaies (Traunthal) mit einem Längs
thal (Thal der Ischl, als dessen Fortsetzung das Thal des Retten-
baclies betrachtet werden kann) gebildet wird, von jüngeren
dem Diluvium, der Gosau- und Ncocomienformation angehörigen
Gesteinen verhüllt; südwestlich vom Orte, nördlich vom Schlosse
Wildenstein, sind sie entlang einem kleinen Bächelchen, welches m
einer tiefen Schlucht von Nordwest gegen Siidost herabkommt, zu
Tage gebend zu sehen. Das den Werfener Schiefern angchürigc
Gyps- und Steinsalzgebirge erscheint überdies am Südfuss des
Ilundskogels bei Ischl, dann bei Bernegg und am Iselder Salzberge,
*) Vergl. meine Abhandlung; über die Gliederung der Trias-, Lias- und Juragebilde
in den nordöstlichen Alpen. Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsansthl, VI, S. 7J7
und Tabelle Seite 784.
Rin geologischer Durchschnitt, der Alpen von Passau bis Duino. 293
und ist weiter südöstlich in den Gebirgen zwischen Aussee und Ischl
sehr verbreitet.
Die niedrigeren Kalkberge, die tlieils mitten im Thalkessel her
vorragen, wie der Jainzen, der Hundskögel und der Berg zwischen
dem Kroissengrahen und dem Ischlfluss, tlieils an den Rändern des
Kessels auftreten, wie der Kalkzug auf dem Wildenstein steht, die
vorspringende Kuppe bei Reiterndorf, die ersten Kalkkuppen auf der
linken Seite des Rettenbaches, endlich die aus dem Diluvium empor
ragenden Kuppen von „Im Brandberg“ sind Hallstätterkalke.
Ein besonderes Interesse erhält die Umgegend von Ischl endlich
noch durch das Hervortreten einer kleinen Kuppe eines der in den
Nordalpen überhaupt so seltenen vulcaniscben Gesteine, welche wir
zwischen dem Kattereck und Teichhäusel mitten im Walde auffanden.
„Es ist“, nach einer Untersuchung, der es Herr V. v. Zepharovich
auf meine Bitte unterzog, „porphyrähnlicher Trachyt“. In der röthlich-
grauen, sehr feinkörnigen, matten, stellenweise kleinlöcherigen
Gruhdmasse liegen ziemlich häufig bis 3 Linien lange und höchstens
eine Linie breite, tafclige, pellucide, graulich und röthlich weisse Sani-
dihkrystalle, durch ihre ausgezeichneten glatten Theilungsfläehen und
rissige Beschaffenheit hinreichend charakterisirt; etwas seltener da
neben kleine grüne Amphibol-Nadeln. Ausser dem Sanidin erscheint
aber noch gewöhnlicher Orthoklas von ziegelrother Farbe in kleinen
ziemlich gut ausgehildeten Zwillingskrystalleri als Seltenheit einge
wachsen; ebenso Eisenglanz in rundlichen dünnen Schüppchen 1 ). In
grosser Menge sind in dem Gesteine äusserst kleine gelblich-weisse
Körnchen eines zersetzten Minerales, häufig ein dunkles Pünktchen
als Kern enthaltend, von welchem eine nähere Bestimmung nicht
möglich ist. In den grösseren Hohlräumen gewahrt man eine zart
krystallinisch traubige Auskleidung von Quarz, dann Eisenglanz
schüppchen, oder auch Ausfüllung durch Calcit-Individuen; meist
sind die Wände der Hohlräume dunkelbraun überkleidet. Das Gestein
wirkt nicht auf die Magnetnadel, als feines Pulver wird es von
concentrirter Salzsäure theilweise zersetzt und ertheilt derselben
Eisenfärbung; dünne Splitter schmelzen vor dem Löthrohre an den
l ) E'n Eisenglanz führendes Eruptivgestein beschreibt Noeggerath auch von
Berchtesgaden. (Amtlicher Bericht der 23. Versammlung deutscher Naturforscher
und Ärzte zu Nürnberg.) S. 142.
294
F. v. Hauer.
Rändern schwer zu einer schwarzen glasartigen Masse. Das spcci-
fische Gewicht erwies sich an zwei Stücken = 2-58S und 2-591“.
Betrachten wir nun die einzelnen auf der Linie des Durch
schnittes selbst oder in seiner unmittelbaren Nähe auftretenden
Gesteine etwas genauer. Derselbe läuft durch den ganzen Kessel bis
zum Schlossberge fort in der Richtung Süd 30° West. Zunächst an
die im vorigen beschriebenen älteren Dolomite u. s. w. finden sich
südlich vom Stahrnkogel, nördlich und nordwestlich von den Bauern
häusern Gstötter die südlich fallenden, also der Dolomit regelmässig
aufgelagerten Gesteine der Neocomformation. In einem Graben,
gerade nördlich vom Gstötter, beobachtete ich von unten nach oben
die folgende Schichtenreihe:
1. Lichtgrauer, zum Tlieile gelblicher dichter Kalk, mit dunkle
ren unregelmässigen Flecken, die öfter an Fucoiden erinnern
(Fleckenmergel), 1 Fuss.
2. Hellbrauner, muschlig brechender Kalk (hydraulischer oder
Aptychenkalk), 2 Fuss.
3. Fleckenmergel (wie Nr. 1), 2 Fuss.
4. Dichter lichtgrauer, muschelig brechender Kalkstein, mit
kleinen Hornsteinpartien und Kalkspathadern (Aptychenkalk), 7 Fuss.
5. Fleckenmergel (wie Nr. 1), 2 Fuss.
6. Dunkelgrauer Kalkstein mit viel schwarzem Hornstein in
Mügeln und ganzen Lagen, 10 Fuss.
7. Röthlicher, weiss marmorirterKalkstein mitmuschligem Bruch
von vielen Kalkspathadern durchzogen, 8 Fuss.
8. Neoeomien-Mergel, die nun das Thal weiter nach Süd bis
zum Jainzen ausfüllen; einige Lagen sind thonig weich, andere
festere gehen in Sandsteine über.
Diese Gesteine ziehen sich westlich fort bis zum Maier in der
Ramsau, nahe am tiefen Sattel, der den Jainzen von den nordwärts
gelegenen Kalkbergen trennt. Hier (auf der Linie unseres Durch
schnittes selbst) tritt ein vorspringender Rücken von Gosaugesteinen
auf, welche die Neocomgebilde überdecken, und bis zu den Diluvial
gebilden am Ischlfluss anhalten.
Fossilien fanden wir in den Ncocomschichten an der eben
geschilderten Stelle nicht. Diese Schichten ziehen sich aber in
ununterbrochenem Zusammenhänge um den östlichen Fuss des Jain
zen herum bis nach Ischl selbst, und führen schon hier stellenweise
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 295
Versteinerungen. Noch weit schöner entwickelt sind sie aber im
Rettenbachgraben, östlich von Ischl. Dunkle graue Schiefer (echte
Rossfelder Schiefer) wechsellagern liier in zahllosen Bänken mit mehr
kalkigen Lagen; oft findet man auch den Kalk in sphäroidischen
Massen dem Schiefer eingebettet. Hornsteine sind häufig im Gesteine.
Von Petrefacten fanden wir den charakteristischen Aptychus Diclayi,
Ammoniten (wahrscheinlich A. subfascicidaris d' Orb.), Nautilen und
Fucoiden.
Die Gosauschichten, die sich, wie schon erwähnt, über die Neo-
comienmergel lagern, sind zu unterst röthliche Kalksandsteine, ganz
ähnlich den an andern Orten in den Alpen (Neuwelt, Neuberg u. s. w.)
häufigen Orbitulitenkalken; über ihnen folgt rotlies Gosauconglo-
merat. Die durch ein rotlies eisenschüssiges Cement zusammen
gebackenen Rollstücke bestehen grösstentheils aus Kalksteinen.
Die Gosaugesteine halten an bis zu den Diluvialbänken, welche
das rechte und linke Ufer des Ischlflusses begleiten, hinter diesen
erscheinen sie wieder und zwar nördlich fallend, und dann trifft
unser Durchschnitt auf den zwischen dem Iscblfluss und dem Krois-
sengraben gelegenen Berg von Hallstätterkalk, und dann in dem
letztgenannten Graben wieder auf die Neocomiengesteine. An der
Nordseite des Grabens erscheinen grünlich-graue Mergelschiefer mit
sehr viel Hornstein; auf der Südseite befinden sich Aufgrabungen in
einem sehr zähen Thone, der zum Ziegelbrennen verwendet wird; in
einer der höher gelegenen Gruben schon nahe gegen Kattereck hinauf
erkennt man, dass dieser Thon durch die Verwitterung der Neocom-
mergel gebildet wird, von denen unzersetzte Stücke noch häufig im
Thon zu finden sind.
Mit den Neocomienschiefern wechsellagern Sandsteine, die tlieils
sehr grobkörnig glimmerreich mit Kohlenspuren, tlieils feinkörnig
und an den Sohichtflächen mit Wülsten und Unebenheiten versehen,
und dann den gewöhnlichen Wiener Sandsteinen sehr ähnlich sind.
Auf den Kluftflächen ist dieser Sandstein mit Schliffen versehen;
Kalkspathadern, mitunter auch Gypssclmürehen, durchsetzen das
Gestein. Lipoid beobachtete ein Fallen der Schichten nach West,
also unter die westlich und südlich folgenden Gosauschichten, er fand
in den Schiefern Ammoniten.
Südlich vom Kroissengraben, beim Kattereck folgen wieder
Gosauschichten, : und zwar Sandsteine sowohl als Conglomerate.
296
F. v. H a u e r.
Schichtung ist nicht wahrzunehmen; die Sandsteine enthalten aber
nicht selten Fossilien, Exogyren, eine Lima, Rudistcn und Spuren von
Pflanzenabdrücken.
Diese Gosauschichten umgehen beinahe ringsum die oben
geschilderte kleine Trachytkuppe. Das sehr bedeckte Terrain hin
derte leider die Beobachtung der Contactstellen beider Gesteine;
eben so blieb es unsicher, ob im Südwesten der Trachytkuppe
zwischen ihr und den sehr nahe folgenden Werfener Schiefern
sich noch eine schmale Partie von Gosaugebilden durchzieht oder
nicht.
Die Werfener Schichten selbst haben alle charakteristischen
Eigenthiimlichkeiten dieses Gesteines: sie sind bald roth, bald grün
gefärbt, bald mehr bald weniger glimmerreich. In einer feinkörnigen
dichten Varietät finden sich hier nicht selten die bekannten Pseudo-
morphosen von Gyps nach Salz, wie sie Haid inger erst neuerlich
wieder von drei neuen Localitäten aus den Werfener Schiefern der
Alpen beschrieb 1 ). Das Vorkommen unterscheidet sich in nichts von
den dort geschilderten. Einige der verschobenen Würfel sind ganz
mit Gypsmasse ausgefüllt, bei anderen sind es Iloldräume, innen mit
Gyps überzogen, auf dem öfter Dolomit in kleinen Kryställchen abge
setzt ist. In einigen zeigen sich auch Täfelchen von Hämatit, welcher
auch auf feinen Kluftflächen in den Werfener Schiefern selbst nicht
fehlt. Die treppenförmige Ausfüllung der Hohlräume, so wie die zu
Spitzen ausgezogenen Ecken der Würfel finden sich ebenfalls nicht
selten. Nebst den deutlichen Pseudomorphosen nach Steinsalz findet
man in dem Gestein auch kugelförmige mit Gyps ausgekleidete Ilohl-
räume, dann grössere Massen von Gyps.
Die Werfener Schiefer fallen, wo man ihre Schichten anstehen
sicht, deutlich nach Südwest. Mit ihnen in Verbindung stehen auch
hier Guttensteirier Schichten, und zwar die dunklen, von weissen
Spathadern durchschwärmten Kalksteine sowohl, als auch dunkle
Dolomite und gelbe Rauchwacken. Am Ausflusse des kleinen Küchel
chens, an welchem alle eben geschilderten Gesteine beobachtet
wurden, in die Hizelau sieht man eine Partie dieser Schichten, und
zwar schwarze Kalksteine, anstehen. Weiter hinein in dem kleinen
Thale zeigt sich eine 3 — 4 Klafter mächtige Masse, von dunklen
L ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1833, VI, S. 101.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 297
Dolomiten und gelben Rauchwacken, zwischen zwei Massen von
Werfener Schiefern eingeschlossen. Alles fällt nach Südwest.
Steigt man aus dem Graben südlich hinauf auf die Gehänge des
Schlossherges, so findet man nordwestlich vom Schlosse Wildenstein
Steinbrüche eröffnet, in einem Gesteine, das nach seiner petrogra-
phischen Beschaffenheit mit Sicherheit als Hallstätter Kalk zu
erkennen ist. Dasselbe ist weiss, blassroth und grünlich marmorirt,
mitunter auch schwarz gefleckt, dicht, mit muscheligem Bruch, ohne
deutliche Schichtung. Seine Auflagerung auf die Werfener Schichten
und Guttensteiner Kalke ist sehr deutlich. Weiter am Schlossberge
aufwärts folgen ohne scharf markirtc Grenze die gewöhnlichen hell
gefärbten Kalksteine und Dolomite.
In der directen Verlängerung des Zuges von Werfener und
Guttensteiner Schichten nach Osten liegen, nur durch die Diluvial
ebene des Traunflusses getrennt, die Gypsgruben an der Südseite des
Hundskogels. Sie befinden sich auf einem niederigen, sanft aus dem
Diluvium emporragenden, und nördlich an den Hundskogel angelclin-
ten Rücken. Das Material, welches ausgebeutet wird, ist ein theils
schwarzgrau, theils röthlich gefärbter Mergel, reich mit Gyps durch
zogen, in dem sich einzelne Stücke von buntem Sandsteine vor-
fmden.
Der nördlich an das Gypsgebirgo angeschlossene Hundskogel
besteht an seiner Südseite aus dolomitischem Kalk, der von einem
versteinerungsleeren, dunkelgrauen, heim Anschlägen nach Schwefel
wasserstoff riechenden Kalkstein überlagert wird: er mag noch den
Guttensteiner Schichten angehören; an der Nordseite des Berges
findet sich dichter lichtgrauer Kalkstein mit den bezeichnenden Fos
silien der Hallstätter Schichten, als: Ammonitcs respondens Qu.,
A. tornatus BrA. neojurensis Qu., Globosen, Orthoceren, Crinoi-
den u. s. w.
Diese Beobachtungen rechtfertigen wohl hinlänglich die Dar
stellung, wie sie im Durchschnitte gegeben ist. Entsprechend den zu
fage beobachteten nach Süd fallenden Werfener und Guttensteiner
Schichten ist, als verhüllt unter den Neocomien- und Gosaugebilden
des Kroissengrabens, eine nach Nord fallende Partie derselben
Gesteine angenommen, auf welchen die nördlich folgenden Hallstätter
kalke eben so aufliegen, wie jene von Wildenstein auf dem südlichen
bliigel. Wir w'ollen nur noch bemerken, dass die weitere Fortsetzung
29S
F. v. Hauer.
des Zuges von unteren Trias-Schichten unter den Diluvialmasserf,
auf denen das Dorf Roiterndorf steht, in das Sulzbachthal hinauf nach
Bernegg gedacht werden muss. Die am Ausgange dieses Thaies zu
beiden Seiten anstehenden Massen von Hallstätter Kalk enthalten
ebenfalls bezeichnende Fossilien, und Spuren von solchen wurden
auch in den Kalksteinen des Jainzen und am Imbrandberg gefunden.
6. Tom Thalkcsscl von Ischl bis zum Hallstätter Salzbcrg.
Verhältnissmässig wenig Notizen liegen über die erste Partie
dieses Theiles unseres Durchschnittes vor. Er läuft vom Schloss
berg südwestlich von Ischl in rein südlicher Richtung bis zum Ram-
saubach, wendet sich hier nach Süd 30° Ost, um unmittelbar vor
dem Gosaubach wieder in die rein südliche Richtung überzugehen,
die. er bis zu den südlich vom Gosaubache gelegenen Höhen einhält.
Hier wendet er sich nach Süd 15° West und geht in gerader Linie
über den Hallstätter Salzberg zum Echernbach. Die Hauptmasse der
Gebirge, welche hier von ihm berührt werden, besteht aus den hellen
Dolomiten und Kalksteinen, die ihre Stelle zwischen dem Hallstätter
Kalk und eigentlichen Dachsteinkalk einnehmen, auf unseren Karten
aber überall mit dem letzteren vereinigt sind. Übrigens fand Herr
Lipoid in der westlichen Fortsetzung der Gebirgsmasse, die uns
beschäftigt, nördlich von Russberg über der Traunwandalpe in einem
Blocke die bezeichnende Bivalve (Megalodus triqueter). Das Gestein
ist ein lichtgrauer Kalkstein, der nach Nord fällt.
Unterbrochen werden diese Dolomite und Kalksteine an der
Jochwand südlich vom Weissenbaehgraben, südwestlich von Laufen,
durch einen bräunlichgefärbten, splitterigen, hornsteinführenden
Kalk, der nach Nordwest fällt, und von Prinzinger, der diese
Gegend untersuchte, als ganz übereinstimmend mit den Kalksteinen
der von Lipoid beschriebenen 1 ) Oberalmer Schichten geschildert
wird. Er darf demnach wohl als eine den älteren Kalksteinen ungleich
förmig aufgelagerte Partie von Jurakalk betrachtet werden, um so
mehr, als ausgedehnte Partien desselben Gesteines zum Theile mit
bezeichnenden Versteinerungen in den Gebirgen auf der rechten
Seile der Traun, wie am Rosenkogel, Rostalriedl, Sandling u. s. w.
auftreten.
1 ) Jahrbuch' der k. k. geologischen Ileichsanstalt, 1854, V, S. 595.
Ein geologischer Durchschnitt dee Alpen von Passau bis Duino. 299
Ältere Gesteine, nämlich Werfcner Schiefer, finden sich dagegen
nach den Beobachtungen von Prinzinger auf der Linie unseres
Durchschnittes im hinteren Theile des Ramsaubaches. Sie fallen nord
westlich, und werden unmittelbar von einem dunklen Kalksteine mit
undeutlichen Spuren von Petrefacten überlagert. Auf den letzteren
folgt grauer Dolomit bis unter die höheren Wände, wo dann geschich
teter Dolomit sich zeigt. Der dunkle Kalk könnte die Gattensteiner
Schichten, der ungeschichtete Dolomit die Hallstätter Schichten
repräsentiren.
Der Zug des gewaltigen von Nordwest nach Siidost streichen
den Gebirgsstockes der Schildwand, des Eilfer- und Zwölferkogels,
des Jocherkogels, Entenkogels u. s. w. besteht in den unteren gegen
das Traunthal abfallenden Wänden aus Dolomit, auf dem oberen
Rücken und weiter bis hinab in das Gosauthal aus Kalkstein.
Auch die Sohle des Gosautbales, da wo dasselbe von dem Durch
schnitt übersetzt wird, nämlich in seinem unteren engeren Theile,
ist noch in denselben Kalkstein eingeschnitten. Die Gosauschichten
selbst sind erst weiter oben im Thalo entwickelt; sie mit in den
Durchschnitt einzubeziehen schien um so weniger riöthig, als einer
seits schon der Thalkessel von Ischl ein Beispiel ihres Vorkommens
bietet, und als andererseits durch die umfassenden neueren Arbeiten,
namentlich die (Rassische Abhandlung von Reuss *) die Kreide
schichten des Gosautbales selbst so genau bekannt wurden, wie
wenig andere Gebilde der nordöstlichen Alpen.
Zwischen den Dolomiten und Kalksteinen des Gosautbales und
den Guttensteiner und Werfener Schichten, welche nördlich fallend
auf der Nordseite des Hallstätter Salzbcrges anstehen, sollten die
Hallstätter Schichten eingelagert sein. Statt ihrer findet man aber,
wenn man vom Salzberge über den Pass zur Sadlalpe hinaufsteigt;
entschieden jüngere jurassische, vielleicht selbst Neocomien-Schich-
ten, welche die Hallstätter Schichten verdecken mögen. Bei einer
Untersuchung in dieser Gegend, die leider durch ungünstiges Wetter
unterbrochen wurde und später nicht wieder aufgenommen werden
konnte, fanden wir unter den auf die Werfener Schichten von oben
herabgefallenen Bruchstücken Gesteine mit dem petrographischen
Denkschriften (1er kaiserl. Akademie (1er Wissenschaften. Mathem.-naturw. Classe,
VII. Band.
300
F. v. M n u e r.
Charakter der Neocommergel lind Kalksteine, dann rothe Kalksteine
von dem Typus der Kalksteine der Klausschichten. Diese letzteren
zeigten sich sogar anstehend hei der Holzstube auf dem Sattel, der
vom Salzberge in das Gosauthal hinüberführt. Sie enthalten Spuren
von Fossilien (Belemniten und Ammoniten) und scheinen westlich
unter die weissen, dem oberen Jura angehörigen Kalksteine desPlassen
einzufallen. Diese Gesteine wurden demnach auf dem Durchschnitte
als die älteren Formationen ungleichförmig überlagernd eingezeichnet.
7. Das Dachsteingebirge vom Hallstätter Salzbcrg bis Schladming im
Ennstbale.
Von Eduard Suess, Custos-Adjuncten am k. k. Hof-Minernlien-Cabinct.
Das Dachstein-Gebirge besteht aus einer einzigen kolossalen
Kalkmasse, welche fast ringsum durch hohe und steile Abstürze
begrenzt wird.
Auf seiner Nordseite wird es durch einen in ost westlicher Rich
tung durch das Lahn- oder obere Traunthal, längs dem Süd-Rande des
Hallstätter See's ins Echernthal laufenden BruchJ) abgeschnitten, imd
bietet etwa 4800' hohe Wände. Die westlichen Abstürze gegen den
hinteren Gosau-See betragen 6800' — 7800'. Am Südrande brechen
die Schichtenköpfe der Kalke mit einer Mächtigkeit von 3300' in
furchtbarer Steilheit ab, ihre Gipfel 7000' über das Ennsthal erhe
bend. Auf der Ostseite ist es die enge und tiefe Spalte des Salza-
Baches, welche den Grimming davon abtrennt.
Dieses weite, öde Hochplateau zeigt im Allgemeinen eine sehr
bedeutende Ansteigung gegen Süden. Während sich die Gipfel an sei
nem Südrande über dem Hallstätter See und dem Echernthale nur zu
einer Seehöhe von 6361 Fuss (Hierlatz), 6262 Fuss (Zwölferkogel)
oder 6420 Fuss (Gamskogel) erheben, die Wies-Alpe hier keine
bedeutendere Höhe als 6280 Fuss besitzt und die Zirbel-Kiefer noch
häufig in schönen Exemplaren vorkommt, erheben sich nach Süden
hin die Berge und das Plateau, welches sie trägt, staflelförmig immer
höher und höher, bis sie knapp am südlichen Absturze des Gebirges
im hohen Dachstein ihre grösste Höhe mit 9311 Fuss erreichen.
Auf dieser höchsten Spitze unserer Kalkalpen laufen die Grenzen
von Österreich, Salzburg und Steiermark zusammen. Ein kleiner
*) Vergl. den Holzschnitt p. 101, in Cotta’s Geol. Briefen aus den Alpen.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
301
Gletscher, unter dem Namen „das Karls-Eisfeld“ bekannt, zieht sich
von diesem Gipfel nach Süden und wird nach Osten von den Gjajd-
steinen, nach Westen vom Hohen- und Niedern-Kreuz umgrenzt. Zu
beiden Seiten des Gletschers, sowohl auf den Abhängen gegen das
Gosauthal, als auf jenen zwischen dem hohen Gjajdstein und Koppen
karstein, befinden sich kleinere, furchtbare zerklüftete Eisfelder.
Obwohl nun die Gegenden am Nord-Fusse des Dachstein-
Stockes, wie z. B. Hallstatt und das Gosau-Thal, seit langer Zeit und
zu oft wiederholten Malen von einheimischen wie von fremden Geo
logen besucht und beschrieben worden sind, findet man doch in den
älteren Schriften kaum irgend eine ausführlichere Nachricht über den
geologischen Bau des Hochgebirges. Die eigentliche Aufschliessung
dieser Region ist, kann man mit Recht behaupten, erst durch Fried
rich Simony, und seine am 14. Jänner 1847 vollführte erste
Besteigung des höchsten Gipfels geschehen. Die zahlreichen Ver
öffentlichungen dieses unermüdeten Forschers, welche den Dachstein
betreffen, finden sich in den Berichten und in den Abhandlungen der
Freunde der Naturwissenschaften (herausgegeben von Wilhelm Ilai-
dinger) und in den ersten Bänden des Jahrbuches der k. k. geolo
gischen Reichsanstalt ‘); und obwohl sie sich meist auf physicalische
Studien, auf Gletscher-Beobachtungen und Beschreibung derGebirgs-
tormen beschränken, enthalten sie doch einen reichen Schatz von
Belehrung für denjenigen, der die geologische Structur des Gebirges
untersuchen will. Seither hat Herr Lipoid ein geologisches Profil des
grössten Theiles des Dachsteingebirges veröffentlicht 2 ); obwohl die
Linie desselben so ziemlich mit der von mir gewählten zusammenfällt,
sind die Ergebnisse unserer Untersuchungen doch ziemlich verschieden.
Man stellt sich die österreichischen Kalkalpen am richtigsten
uls einen breiten und mächtigen Streifen von Kalksteinen vor,
*) Die bemerkenswerthesten davon sind: Über die Spuren vorgeschichtlicher Eiszeit
im Salzkammergule. Berichte, 1. 215 — 248. — Eine Winterwoche auf dein Hall
stätter Schneegebirge und Ersteigung der Dachsteinspitze. Berichte, II, 124—136.
— Zweiter Winteraufenthalt auf dein Hallstätter Sehneegebirge und drei Erstei
gungen der hohen Dachsteinspitze. Ebendas. 207— 221. — Aleteorolog. Beobach
tungen während eines dreiwöchentlichen Aufenthaltes auf dem Dachsteingebirge
(nebst Ansicht des Gletschers). Abhandl. I, 317. — Bericht über die Arbeiten der
Section V, Jahrb. I, d, 651.
2 ) Geologische Stellung der Alpenkalkst, u. s. w. Jahrb. der k. k. geolog. Reichs
anstalt, 1852, III, d, 90, Taf. II.
302
F. v. Haue r.
welcher auf rothen Sandsteinen und Schiefern (den Werfener
Schiefern) ruht und nicht nur an seinem Südrande unter seinen dem
Centralstocke zugekehrten Schichtenköpfen einen fortlaufenden
Streifen dieser Schiefer erscheinen lässt, sondern auch durch mehr
fache, zum Theile unter einander parallele, antiklinische Linien zer
sprengt ist, auf denen nun ebenfalls die ihn unterlagernden Werfener
Schiefer zum Vorscheine treten. Auf diese Weise theilt sich die
Kalkmasse gleichsam in eine Anzahl geotektonischer Elemente oder
einzelner Partien, die auf der Karte von den Werfener Schiefern
umgrenzt erscheinen. Diese antiklinischen Linien fallen aber keines
wegs immer mit den grössten Thalsenkungen zusammen. So treten auch
hier in der tiefen Spalte des Echernthales am Nordrande des Dach
steines die älteren Schiefer nicht zu Tage, sondern erst unmittelbar
jenseits des Somerau-Kogels, am Hallstätter Salzberge, in einem etwa
1700 Fuss höheren Niveau. Sie stehen hier mit den salzführenden
Thonen, wie es scheint, in inniger Verbindung und werden von den
versteinerungsreichen Hallstätter Kalken überlagert, die steil auf
gerichtet, zum Theile sogar üherworfen sind l ) und den Nord-Abhang
sowie den Kamm des Somerau-Kogels bilden. An einer einzigen
Stelle des Süd-Abhanges dieses Berges habe ich in Gesellschaft des
Herrn F. v. Hauer, von der Klaus-Alpe gegen den Someraukogel
ansteigend, im Einrisse eines Baches die Schichtenköpfe einer hei
24 Fuss hohen Partie von festen, dunkeln, etwas grünlich und rüth-
lich gefärbten Schiefern gefunden, welche in 1 bis 3 Zoll starken
Platten St. 8—9 streichen und unter 2S Grad nach Süd fallen; sie
liegen unmittelbar auf den Schichtflächen eines conform gelagerten
lichten Kalkes. Mit Ausnahme dieser kleinen Schieferlage scheint der
ganze dem Echernthale zugewandte Absturz des Someraukogels
aus Dachsteinkalk zu bestehen und die kolossalen in das Echernthal
herabgefallenen Blöcke enthalten in grosser Menge Mcgalodus tri-
queter Wulf., Ucmicardium Wulfeni Hau. und hin und wieder die
Beste einer grossen, noch unbeschriebenen Gastropoden-Art. Der
Kalk ist in dieser Gegend dicht, hellgrau, hier und da von grüner
thoniger Masse und auf kleinen Klüften von rüthlichem Gyps durch
zogen. Die Muschelschalen sind oft durch diese grüne thonige Masse,
*) Vergl. das Profil des Hallstätter Salzberges.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis I)uino.
303
oft auch durch weissen an den Rändern rothen Kaltspath ersetzt.
Stellenweise wird das ganze Aussehen breccienartig und es zeigen
sich in der lichten Kalkmasse eckige Bruchstücke von schwarzem
Kalk. Die Schichtung ist im Echernthale sonne auf den dem See zu
gekehrten Fels-Abhängen sehr deutlich und auf die mannigfaltigste
Weise gestört. Bei dem ersten Giesshache, der vom Someraukogel
herahstürzt, dem sogenannten Schleyerfalle, sind die Schichten stark
umgebogen und nach zwei sich kreuzenden Richtungen verworfen.
Nordabhang des Dachsteingebirges. Der gegenüber
liegende Abhang des Echernthales bietet die besuchtesten Wege zur
Ersteigung des Dachstein-Plateau’s. Mag man jenen über die Klaus-
Alpe, die Dürrn-Alpe oder über den Mirten-Palfen wählen, so trifft
man doch überall auf die Spuren eines gewaltigen Einsturzes, der
die Fortsetzung des Echernthales zu bilden scheint.
In der Gegend zwischen dem Hierlatz und dem Grünberge bis
zum Thiergarten und in die Herrengasse steigt mau hlos über zer
rissenes Haufwerk. Auch an grösseren Felspartien fallen die Schichten
bald Nord, bald Süd, Ost oder West; sie sind nichts als hereinge
brochene Trümmer. Die Richtung dieses grossen Bruches, welche an
fangs Ost-West ist, scheint sich am Fasse des Hierlatz nach Süd-West
zu beugen. Hin und wieder gelangt man hier in ganz enge Spalten,
wie die Tropfwände und die Herrengasse und an grosse dolinenartige
Einstürze, wie z. R. an den höchst merkwürdigen Kessel der Grub-
Alpe und das Thiergarten- oder Bärenloch, einen kesselförmigen Ein
sturz von etwa ISO Fass Durchmesser und 80 Fuss Tiefe. Die festen
Grenzpfeiler an jeder Seite des Bruches (Hierlatz, Grünberg und
Ursprungkogel) zeigen durehgehends nach Süd fallende Schichten.
Dieser ganze Abhang des Gebirges besteht aus Dachsteinkalk,
mit Ausnahme einiger in der Nähe der Klaus- und Dürrn-Alpe und
an einem oder zwei anderen Punkten im Walde auftretenden Partien
eines fleischrothen Crinoidenkalkes, der namentlich an der Klaus-
Alpe mit hraunrothem eisenschüssigem Kalke in Verbindung steht,
•u dem man Ammonites Tatricus, Ziynodianüs, Ilommairei, tripar-
titus, subradiatus, Tercbratida Boudi, Rhjnchonella Hausmnnni und
eine Anzahl anderer, den mittleren oder oberen Theil des braunen
Jura bezeichnenden Petrefacten gefunden 1 ). Die Fauna sowie der
0 Hauer, Jahrb. 18!>3, IV, 764, und an and. Ort.
304
F. v. H a u e r.
Gesteins-Charakter dieser Ablagerungen erinnern sehr entschieden an
jene von Swinitza im Banat und an den Klippenkalk Zeuschner's.
Da die Klausalpe bei weitem der versteinerungsreichstc Punkt der
selben in unseren Alpen ist, bat man für sic den Namen der „Klaus-
Schichten“ eingeführt, gegen den sich allenfalls einwenden lässt, dass
ich an dieser Localität eben diese Gesteine nie wirklich anstehend,
sondern nur in grossen Blöcken aufzulinden im Stande war. Immer
hin bleibt das gänzliche Fehlen dieser Schichten auf dem Hochplateau
höchst auffallend und kann kaum anders als durch bedeutende Niveau-
Veränderungen erklärt werden, welche nach der Ablagerung der Lias-
Schichten des Hierlatz und vor jener der Klaus-Schichten erfolgt sein
müssen i ).
Das Hoch-Plateau. Hat man die „Herrengasse“ und ein
kleines, mit den schönsten Alpenpflanzen geziertes Wäldchen von
Piinis cembrn passirt, so ist der tiefste Punkt des Hoch-Plateau's, die
Wies-Alpe erreicht. Sie hat Hrn. Simony mehrere Male als Haupt
quartier gedient, und ich habe sie zweimal, am 10. Juni und am
7. September 1833, bezogen, und mich jedesmal daselbst etwa vier
zehn Tage -) in Gesellschaft meines vortrefflichen Führers, des
Salinen-Arbeiters Johann Wal ln er aus Hallstatt, aufgehalten. Obwohl
ein solcher Aufenthalt mancherlei Entbehrungen mit sich bringt, und
wir gegen das Ende des Monates Juni, als die Alm von den Senne
rinnen noch nicht bezogen war, durch ein furchtbares Unwetter von
der Welt abgeschnitten, sogar in ernstliche Verlegenheiten wegen
unserer Nahrungsmittel kamen 3 ), zähle ich diese Zeit doch zu meinen
angenehmsten Erinnerungen.
Etwa in der Hälfte des Weges zwischen der Dümi-Alm-Hiilte und dem Ursprung-
Bache fand ich, auf Blöcken fleischrothen Crinoiden-Kalkes fortgehend, unter dem
Schutte ein Fragment desselben Kalkes, das deutliche Gletscherschlifl’e zu tragen
schien. Es fiel mir dies um so mehr auf, als mir sonst kein Beweis vor
liegt, dass der Gletscher je so weit vorgerückt sei.
2 ) Die Mittel aus meinen Ablesungen an diesem Punkte haben für die Jodlerhütte,
die ich im Frühjahre bewohnte, eine Seehöhe von 8281*5 Fuss (5286 Simony)
und für die Gschwandthütte, welche mich im Herbste beherbergte, 5262-7 ergeben.
Die Almhütten sind hier ausserordentlich viel ärmlicher gebaut und eingerichtet, als
z. B. jenseits des Ennsthaies.
3 ) Ich kann nicht unterlassen bei dieser Gelegenheit des freundlichen Eifers und der
Umsicht zu erwähnen, mit der mir der damalige k. k. Sudhaus-Inspector zu Hallstatt,
Herr Herbst, Hilfe zu bringen suchte, und durch die er mich zum innigsten Danke
verpflichtet hat.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 305
Weil» man behauptet für die Alpe» sei die Pyramiden-Gestalt,
für die scandiuavisclien Berge jene der Hochflächen bezeichnend,
so muss man hievon die österreichischen Kalkalpen ausnehmen. Das
Dachstein-Gebirge, der Hochschwab, das Tännengebirge bieten Hoch
flächen, die mehrere Stunden im Durchmesser haben, und über welche
sich die Gipfel nicht sehr bedeutend erheben.
Das Hoch-Plateau des Dachstein-Gebirges besteht, so weit
ich es kennen gelernt habe, nur aus zwei deutlich von einander zu
trennenden Ablagerungen: dem Dachsteinkalke und dem ihn
überlagernden mittleren Lias (den sogenannten Hierlatz-
Schichten ').
Der Dachsteinkalk, hier fast immer in Bänke von 1—4 Fuss
Mächtigkeit gesondert, ist von weisslichgrauer Farbe; hin und wieder
schwimmen in seiner Grundmasse bis fussgrosse Scherben und Bruch
stücke eines andern grell-ziegelroth oder ochergelb gefärbten Kalk
steines 2 ) und stellenweise (z. B. an den Klüften am südlichen Ab
hänge des Hierlatz) wird er breccienartig und liefert dann einen
hübschen Marmor. Von Fossilien bemerkt man darin die schon im
Echernthale angeführten Arten und ausserdem Durchschnitte von
hoch gethürmten Gastropoden, so wie von einer sehr grossen, von
der Dachsteinbivalve verschiedenen Muschel, deren einzelne Klappen
im Schladminger Loch lO 1 /^ Zoll lang werden, ln den obersten
Theil des Dachsteinkalkes pflegt sich eine 1—-2 Fuss mächtige
Korallenbank einzuschalten 3 ), und über derselben folgen Lagen von
weissem Kalke mit eigenthümlichen gelben Flecken.
Der Dachsteinkalk ist auf dem ganzen Plateau nicht nur an sei
ner Oberfläche von tiefen Karren durchfurcht, welche die Schicht
flächen in Reihen scharfer, paralleler Grate zertheilen, und das Gehen
oft ausserordentlich erschweren, sondern er ist auch von tiefen Spalten
zerrissen, welche alle Wässer verschlingen, den ganzen Abfluss des
Gletschers in sich aufnehmen und dadurch der Landschaft einen
überaus öden und rauhen Charakter verleihen. Der Wassermangel in
*) In den nachfolgenden Zeilen habe ich gänzlich von eigenthümlichen Bildungen
nbstrahirt, die sich hier und da auf diesem Gebirge finden, die ich den „Geyser-
Gebilden“ des Herrn Dumont zuzählen möchte , und welche der Gegenstand einer
selbstständigen Notiz werden sollen.
2 ) Z. B. zwischen der YVildkar-Hütte und der Ochsenwieshöhe.
) Der Lithodendronkalk bairischer Geologen.
Silz,) - d- mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Ilft.
20
306
F. v. Haue r.
der Höhe ist sehr auffallend und ohne allen Zweifel dieser Zerklüf
tung des Dachsteinkalkes zuzuschreiben. Am Fusse des Gebirges
zeigt uns dies der plötzlich mit einer grossen Wassermenge hervor
tretende Ursprungbach, welcher im Echernthale den Strubbfall bildet,
und Iler seit langer Zeit bekannte Hirschbrunn 1 )- Es ist dies ein am
Südrande des Hallstätter See's auf der Bruchlinie des Echernthales
liegender Kessel, demBärenloche ähnlich, doch kleiner, der sich von
Zeit zu Zeit ganz mit Wasser füllt, das dann meistens auch über seine
Bänder in den See überfliesst. Ein solches Aufquellen von Wasser findet
Statt, so oft die Temperatursverhältnisse in der Höbe plötzlich ein
stärkeres Abschmelzen des Gletschers veranlassen. Ein zweiter ähn
licher Einsturz heisst der „Kessel“. Zerklüftungen kann man auf der
Höhe an einigen Stellen in der Richtung der Hoswände, vorzüglich
aber am Zwölferkogel studiren. Am Süd-West-Abhange desselben,
nicht weit unter dem Gipfel, fand ich eine Höhle, die, wie es schien,
durch die Verwitterung einer Zwischenlage des Dachsteinkalkes ent
standen war. Nachdem ich etwa 30 Fuss weit in horizontaler Richtung
vorgedrungen war, und zu meiner Rechten eine kleine Wand erklettert
hatte, gelangte ich plötzlich auf einen Schneehaufen und an eine
senkrechte Spalte, durch die ich wieder ans Tageslicht kam. An dem
rückwärtigen Lahnbeck-Kogel befindet sich eine ähnliche Höhle, in
der ich, nachdem ich 40—SO Fuss weit vorgeschritten war, ebenfalls
von oben her Licht einfallen sab. Der Grund dieser Höhle ist stellen
weise mit einem silbergrauen Lehme gefüllt. — Die meisten solchen
Risse streichen von St. 8 bis Nord-Süd.
Die Hierlatz-Schichten, welche den Dachsteinkalk über
lagern, bestehen aus weissen, in hohem Grade krystallinischen Kalken,
welche hier und da roth gefärbte Partien enthalten, und fast überall,
wo sie auftreten, mit Versteinerungen überfüllt sind. Sie besitzen eine
Mächtigkeit von höchstens ISO—200 Fuss. In Folge ihrer geringe
ren Consistenz haben sie in der Regel weder jene scharfen Karren
felder, noch die tiefen Risse aufzuweisen, welche den Dachsteinkalk
auszeichnen. Sie zerbröckeln vielmehr leicht, und es werden insbe
sondere die petrefactenreichsten und sehr krystallinischen Lagen vom
Frost in Haufen kleiner, eckiger Bruchstücke zersprengt. Die Ver-
*) Vergl. Grüner'! Briefe in den Ephemeriden der Berg- und Hüttenkunde von Moll.
I. Band, 1803.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 307
Steigerungen dieser Ablagerungen entsprechen bekanntlich dem mitt
leren Lias. Einen breccienartigen Marmor, der zwischen ihnen und
dem Dachsteinkalke hier und da sichtbar wird, und eine grosse Menge
von eckigen Bruchstücken eines schwarzen Kalksteines eingebacken
enthält, könnte man, wenn man eben durchaus die Stufen des Ammo-
nites bisulcatus und des Amm. angulatus (Lias a oder Sinemurien)
vertreten wissen will, als Äquivalent derselben betrachten. Verstei
nerungen kenne ich daraus noch nicht.
Diese Hierlatz-Schichten nun bilden keineswegs eine zusammen
hängende Decke über dem Dachsteinkalke, sondern treten nur gleich
sam als Kappen auf den meisten jener, wie ich früher erwähnte,
stufenförmig sich gegen Süden übereinander erhebenden Terrassen
auf, so z. B.:
am Hierlatz .... in einer Seehöhe von 6351' bis 5960'
„ Gamskogel ....„„ „ „ 6420'
im Schladminger Loch . „ „ „ „ 6382'
hinter dem Ochsenkopf . „ „ „ „ 6660' (ungefähr)
am Grat zwischen dem vorderen und hinteren
Ochsenkogel in einer Seehöhe von .... 7330'
am Wege zwischen dem Ochsenkogel und Nie
derkreuz in einer Seehöhe von 7800' (ungefähr)
Man kennt sie also in verschiedenen, von einander getrennten Par
tien, von denen jede ein anderes Niveau einnimmt, und es gibt solche
Partien, die einen Höhenunterschied von 1500' zeigen. Diese That-
sache liefert uns den Schlüssel zum Verständnisse einer Erscheinung,
welche einen sehr wesentlichen Einfluss auf die heutige Gestalt des
Dachsteingebirges gehabt hat. Denn es ergibt sich aus dieser Ver-
theilung der Hierlatzschichten, aus dem Vorhandensein der zahl
reichen Klüfte im Dachsteinkalke, und endlich aus der staflelförmigen
Gestalt des Gebirges, dass dasselbe von zahlreichen und
bedeutenden Verwerfungen durchschnitten sei. Wie
könnte sonst auch das Hochplateau bei fortwährend nach
Süd fallenden Schichten, sich von seinem nördlichen Bande
mit einer Seehöhe von 5260' zu Höhen von 7000' und 8000' erheben
und endlich am äussersten Südrande im hohen Dachsteine 9311'
erreichen?
Es machen sich zwei Richtungen von Verwerfungen und Klüften
besonders bemerkbar, deren eine zwischen St. 24 und 8 schwankt,
20“
während die andere sich mehr der Ost-West-Linie nähert, also auf
der ersten etwa senkrecht stellt. Hieraus erklärt sich die Gestalt
jener kolossalen hexaedrischen Massen, z. B. des Hierlatz oder des
vorderen Ochsenkogels '). Das Schladminger Loch dagegen stellt sich
als eine mit eben dieser Erscheinung zusammenhängenden Senkung
dar, in der die Schichten nicht nach Süd, sondern unter lü bis
20 Grad nach West fallen.
Die lehrreichste Stelle zum Studium dieser Verwerfungen
scheint mir die Strecke zwischen dem Schladminger Loche und dem
Nieder-Kreuz zu sein; ein ungefähres Bild dieser Gegend dürften
die flüchtigen Notizen geben, welche ich an Ort und Stelle nieder
schrieb.
Wies-Alpe. 18S3. 12. September. Bei heiterem, windstillem
Morgen gelangen wir über die Ochsenwies-Alpe auf die Ochsenwies-
Hölie und treffen am Wege gleich über der Alpe eine rötldiche,
einige Fuss mächtige Einlagerung im Dachsteinkalke. Näher an der
Ochsenwies-Hühe sieht man in einem Graben eine zweite ähnliche
Schicht durchziehen und hinter dem vorderen Ochsenkogel scheint
noch eine dritte solche Lage hervorzukommen. Unmittelbar auf die
zweite Zwischenlage folgen weisseKalke mitMegalodus triqueter und
Gastropoden-Durehschnitten, die stark von Karren durchfurcht sind.
Wir wenden uns etwas rechts und erklettern zuerst eine hohe
Schuttmasse und dann über Karrenfelder die Einsattlung zwischen
dem vorderen und hinteren Ochsenkogel 2 ). Von hier aus den vorderen
derselben ersteigend, treffen wir auf dieselbe Lithodendron-Bank,
welche am gegenüberstellenden Ochsenkopf früher beobachtet wurde.
Um 10 J / 3 Uhr ist die vordere Spitze erreicht. Temperatur der Luft
7 Grad, Höhe 7011 Fuss 3 ). Die Abstürze nach Nord und Ost sind so
schroff, dass man selbst unmittelbar am Rande stehend die Fläche
der Bergwand nicht zu sehen vermag; das vorherrschende Gestein
besteht aus eckigen Bruchstücken von weissem Kalk, die durch ein
lichtrothes Bindemittel vereinigt sind. Auf dem Wege von hier gegen
den höheren, hinteren Ochsenkopf stösst man, nicht weit über der
Korallcnbank, auf weisse Kalke mit gelben Flecken, überlagert von
A ) Simony, Berichte d. Freund, der Naturw. I, 241.
2 ) Vergl. Fig. 7.
3 ) Statt der Barometer-Beobachtungen wurden hier die daraus berechneten Höhen ein
geschaltet.
Ein g-eolog-ischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 309
einigen Bänken eines sehr reinen weissen Kalkes mit zahlreichen
Dachstein-Bivalven, ganz wie am Hierlatz. Es folgen nun einige
kleine rothe Zwischenlagen und endlich die Hierlatz-Schichten in
ziemlicher Mächtigkeit und von zahllosen Versteinerungen erfüllt
(Ammoniten oosynotus, Rhynchonella obtusifrons, Reussii u. s. w.),
(Seehöhe 7330 Fuss). Ein steiler Abfall von etwa tausend Fuss
trennt sie von den im Schladminger Loche anstehenden Hierlatz-
Schichten; zugleich bemerkt man die dritte Partie derselben am
westlichen Abhange des gegenüberstehenden Ochsenkopfes; die
karge Vegetation lässt an den nackten Felsen jede Störung wie an
einem Modelle erkennen.
Hat man die Stelle, wo die Hierlatz-Schichten anstehen über
stiegen, so gelangt man noch einmal auf Dac hstei nkalk.
Er bildet die höchste Spitze des Ochseukogels (7432 Fuss). Weisse
Kalke von oolithischer Structur sind hier nicht selten; sie sehen den
Nerineen-Kalken des Blassen etwas ähnlich.
Wir erreichen nun ein ziemlich weites, ganz vom Frost zer
rissenes Steinfeld; kaum kann man einen festen Schritt thun. Und
doch passen die neben einander liegenden Bruchstücke oft noch
zusammen. Hierlatz - Schichten sind es, weisse und rothe Kalke
gedrängt voll mit den bekannten Versteinerungen, die diese gross-
artig öde Stelle bilden. Endlich ist der Fuss des Niedern-Kreuzes
erreicht und auch hier wieder bildet der Dachsteinkalk die
den mittleren Lias überragende Höhe. Hier herrscht eine
dunklere Varietät desselben mit vielen schwarzen Punkten vor, in der
ich jedoch Megalodus triqueter ebenfalls gefunden bähe. Sehr
erstaunt war ich, hier eine dünne, dunkelrothe sandige Zwischen
lage zu finden, denn ich erinnere mich nicht irgend sonst wo etwas
Ähnliches gesehen zu haben. Um 2 Uhr 15 Minuten war die Spitze
des Niedern-Kreuzes erstiegen (8359'; Luft + 2-6); um bis hierher
zu gelangen, hatten wir einige ziemlich steile Eisfelder zu passiren,
wurden aber dafür mit einem herrlichen Überblicke des ganzen
Plateau’s und des gegen das Gosau-Thal hinabhängenden Eisfeldes,
so wie des grossen Gletschers zu unseren Füssen belohnt. Weiter
vorzuschreiten schien aber unmöglich. Eine mehrere hundert Fuss
tiefe Kluft, der Richtung der Verwerfungen entsprechend, schneidet
nämlich das Nieder-Kreuz von dem, soweit ich erfahren konnte, bis
her unerstiegenen Hohen-Kreuz ab. Ohne besondere Vorrichtungen,
310
F. v. Haue r.
das Einlassen von Eisenringen in den Fels u. s. w. scheint es mir
nicht möglich sie zu übersteigen.
Der Hohe Dachstein. Die Ersteigung der höchsten Spitze
dieses Gebirges bleibt trotz den von Herrn Simony getroffenen
Vorkehrungen immerhin ein sehr gefahrvolles Unternehmen. In der
letzten Zeit erst hat dies ein beklagenswerthes Unglück bewiesen.
Die Hoffnung eine neue und durch die Nähe der parallelen Beob
achtung sicherere Messung der Höhe zu erhalten, veranlasst^ mich
hauptsächlich dieselbe dennoch zu wagen und ich habe am 10. Sep
tember 1854 nur in Begleitung des Johann Wallner den höchsten
Gipfel glücklich erreicht. Man besitzt bereits ausführliche Beschrei
bungen der mit dieser Besteigung verbundenen Schwierigkeiten‘)
und es sind dies so ziemlich dieselben, welche sich bei dem Erklet
tern der meisten Hochspitzen wiederholen; ich beschränke mich
also auf eine gedrängte Aufzählung der Beobachtungen.
Um ll h 30' zeigten meine Instrumente:
Temperatur der Luft —13
Psychrometer —US
Kappeller’sches Barometer:
Ablesung oben 468-2
„ unten 64-8
Temperatur des Quecksilbers . . . —0-6
Der Himmel war heiter, nur an der Südseite stiegen einige
Nebelwolken herauf. Es gibt dies, die Höhe des Barometers zu Alt-
Aussee auf 2999-2 angenommen, eine Seehöhe von 931D4 Wiener
Fuss. Hierlatz-Schichten habe ich auf dem Hohen Dachstein nicht
gefunden, sondern nur Dachsteinkalk mit Megälodus triqueter
ganz übereinstimmend mit Simony’s Angaben, und zwar ist es
namentlich eine mit pfirsichrothen und schwarzen Bruchstücken ange
füllte, fast breccienartige Varietät, welche hier herrscht und die am
Niedern-Kreuz und am Südabfalle des Hierlatz sich nahe an der
oberen Grenze des Dachsteinkalkes wiederfindet. — Im Ansteigen
sieht man rechts eine ringsum ausserordentlich steile und bisher
unerstiegene Pyramide aus dem Eise heraufragen, welche der
Nieder-Dachstein genannt wird. An der Nordseite dieser Pyramide
D Simony in Haidinger’s Natrn-w. Abliandl. I, 317; Berichte d. Frd. d. Naturw. II,
108, 124, 183, 207 etc.; auch Ruthner, Abendblatt der Wiener Zeitung’ vom
20. Jänner 1834 u. d. folg. Tage.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 311
fallen die Schichten nach Süd, an der Südseite aber nach Nord und
an dem östlichen Abstürze, der dem Besteiger des Hohen Dach
steines zugekehrt ist, sieht man sehr deutlich den Winkel, den die
Schichten bilden.
Der südliche Abhang des Dachstein-Gebirges ist
gegen Schladming hin so steil, dass man nur an wenigen Stellen in
das Ennsthal hinabgelangen kann. Der gangbarste Weg führt von
der Modereck-Alm über den Kratzer in die Ramsau hinab. Das
Plateau besteht auch in dieser Richtung durchgehends aus Dachstein
kalk, doch scheint das südliche Fallen der Schichten nicht so vor
herrschend zu sein, als in jener, die von dem hier heigefügten Pro
file durchschnitten wird. Schon einige Zeit bevor man am Kratzer
den hier verhältnissmässig niederen Rand der Hochebene erreicht,
scheinen flach nach Nord fallende Schichten vorzukommen, und es
ist nicht unmöglich, dass der homogene, nicht in Bänke gesonderte
Kalk von röthlicher Farbe, welchen man am äussersten Rande des
Plateau’s trifft, schon den Hallstätter Schichten angehöre. Nachdem
man einige Zeit hergab gestiegen ist und das Auge sich wieder an
den frischen Farben einer reicheren Vegetation geiaht hat, trifft man
in einem Lärchenwalde auf schwarze, nach Nord fallende Kalke,
die Guttensteiner Schichten, und erreicht endlich die fruchtbare und
wohlangebaute Ramsau, welche zum grossen Theile auf Werfener
Schiefern liegt. Diese Werfener Schiefer werden ihrerseits wieder
von grauen Thonschiefern, den Grauwackenschiefern unserer Geo
logen, unterteuft, die ebenfalls sehr regelmässig nach Norden fallen.
Sie bilden die Kulmhöhe (höchste Spitze 3977 Fuss), einen lang
gedehnten Bergrücken, welcher die höher gelegeneRamsau *) von dem
eigentlichen Ennsthale trennt, dessen Sohle nur 2315 Fuss hoch ist.
Ein mächtiger Zug von grauem, splittrigem, kieselreichem Kalke ist
den Grauwackenschiefern eingelagert und bildet einen grossen Theil
der Kulmhöhe; auch findet man in diesen Schiefern hie und da
grüne, Chlorit-Schiefern ähnliche Züge.
Östlich vom Hohen Dachstein tritt die ganze Masse des Kalk
gebirges eine Strecke weiter gegen die Enns vor, als jene Partie,
*) Die Kirche zu St. Rupert am Kulm hat eine Seehöhe von 3388 Fuss und das
Bauernhaus des Forstner in der Ramsau 3592 Fuss; beide Punkte liegen im
Gebiete der Werfener Schiefer.
312
F. v. H a u e r.
welcher der hohe Dachstein, Mitterspitz und Thorstein angehören; es
ist dies jener Theil, welcher den Koppenkarstein, Scheichenspitz,
Landfriedstein, Kratzer u. s. w. trägt. Merkwürdiger Weise tritt in
der Tiefe ganz entsprechend auch die Grauwacke mit den Werfener
Schiefern am Fusse des hohen Dachsteines wieder mehr nach Norden
vor und erreicht noch nordwestlich von der eigentlichen Ramsau am
Brandriegel eine Höhe von 5432 Fuss (vgl. Fig. G). Auch hier fallen
die Schichten fortwährend regelmässig nach Nord. Hat man nach
Norden gehend, den Brandriegel überschritten, so erreicht man zwei
hinter einander liegende Hügel, die aus Werfener Schiefern bestehen.
Beim Schönbühel zieht sich ein ähnlicher sehr steiler Rücken
vom Scheiblingstein herab, und hier findet man im graulichen Kalke,
der hie und da auch mit den Werfener Schiefern wechsellagert,
Ammonites Cassianus, Naticella costata und Myacites Fassaensis.
Ersteigt man nun diesen Rücken, so steht man vor jener grossar
tigen Kalkwand, welche vielleicht die ganze Mächtigkeit ffesDachstein-
kalkes mit den Hallstätter Schichten darstellt. Der höchste Punkt, den
ich hier erreichen konnte, hatte eine Seehöhe von gerade 6000 Fuss
und die Felsen bestanden an dieser Stelle aus einem lichlgrauen, sehr
bröckliehen Kalke von dolomitischem Aussehen, der dem oberen Theile
der Guttensteiner Schichten angehören dürfte. Rechts von mir sah
ich an der westlichen Wand des Scheiblingsteines und an den Vor
sprüngen des Koppenkarsteines die Hallstätter Schichten unter ziem
lich steilen Winkeln (etwa 25 Grad) nach Nord einfallen.
Der Höhen-Unterschied dieses Punktes und des hohen Dach
steines, der unmittelbar vor mir heraufragte, beträgt 3311'4 Fuss,
und dies muss man als das Minimum der Summe der Mächtigkeit
der Hallstätter Schichten und des Dachsteinkalkes betrachten. Dabei
liegen die Schichten nicht horizontal, die Winkel unter denen sie
einfallen, sind jedoch so veränderlich, dass es mir zu gewagt
scheint, sie abzuschätzen. Um nun zu entscheiden, wie viel von diesen
3311 4 Fuss auf jede der beiden Kalkablagerungen angehöre, blieb
mir leider kein schärferes Mittel übrig als das nähere Betrachten
dieses ungeheueren Absturzes. Es schien mir derselbe an seinem
unteren Theile (nach einer ganz oberflächlichen Schätzung) etwa
1000—1200 Fuss hoch aus dichteren Massen, welche nicht in Bänke
abgesondert waren, zu bestehen, während der ganze höhere Theil
(also 2300—2100 Fuss) in zahlreichen parallelen, hier und da etwas
Ml
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
313
gewundenen Linien die Schicht-Absonderungen des Dachsteinkalkes
zeigte. Es scheint aber der Dachsteinkalk doch noch mehr als 2300
Fuss Mächtigkeit zu besitzen. Denn gehört auch wirklich ein kleiner
Theil der 4800 Fuss hohen Hierlatz-Wand am Hallstätter See den
Hallstätter Schichten an, wie es Herr Lipoid vermuthet hat, und
zieht man für die Hierlatz-Schichten, welche die Kuppe des Berges
bilden, mehrere hundert Fuss ab , so bleibt doch noch ein viel zu
bedeutender Rest. Ich weiss nicht ob eine Verwerfung an der Hier-
latz-Wand die Höhe derselben vermehrt oder ob die Gesteine am
Gipfel des hohen Dachsteines trotz der darin enthaltenen Fragmente
von schwarzem Kalk nicht dem obersten, sondern dem mittleren
Thcile des Dachsteinkalkes angehören.
Herabgefallene Bruchstücke von Hallstätter Schichten an dieser
Stelle bestanden aus einem sehr homogenen Kalke von rosenrother
Farbe.
Aus der bedeutenden Mächtigkeit dieser Kalkmassen, aus ihrer
Reinheit und aus ihrem plötzlichen Abbrechen kann man wohl
mit Sicherheit den Schluss ziehen, dass sie weit von der Küste
abgelagert worden seien. Die Thonschiefer und krystallinischen
Gesteine, welche heute die unmittelbar jenseits der Enns liegenden
Gebirge bilden, müssen also erst in späterer Zeit unter der zer
borstenen Kalkdecke hervorgetreten sein 1 ).
8. Rrauwackcn-Zonc zwischen dem Hcngsbachwald und dem Salzathale.
Aus der Gegend von Schladming springt unser Durchschnitt,
wie schon erwähnt, entlang der Grauwackenzone um S Meilen weiter
westlich in den Hengsbachwald, nordwestlich von St. Johann im Sal
zathale. Eine eingehende Schilderung der Zone in dieser Gegend
verdanken wir Herrn Lipoid 3 ).
Die Verhältnisse sind denen im Ennsthale im Allgemeinen ana
log; nur wird der Unterschied augenfällig, dass die dunklen Grau
wackenschiefer häufiger mit Lagen von undeutlich oder selbst deut
lich krystallinischer Schieferstructur wechsellagern. Einige derselben
1 ) Meine Ansichten über diesen Gegenstand habe ich bereits im VII. Bande der
Denkschriften der kais. Akademie, 1854, in der Einleitung zu den „Brachiopoden
der Kössener Schichten“ ausgesprochen.
2 ) Die Grauwackenformation und die Eisensteinvorkommen im Kronlande Salzburg.
Jahrb. der k. k. geol. Reichsanstalt, V, S. 3ü9.
314
F. v. Hauer.
lassen sich, da die Bestandteile Amphibol und Feldspath erkennbar
ausgeschieden sind, als Dioritschiefer bezeichnen, andere werden
ihrer grünen Farbe wegen gewöhnlich unter dem Namen Chlorit
schiefer aufgeführt, wenn sie auch, wie schon vielfach mit Recht
bemerkt wurde, durchaus nicht sicher bestimmbar sind. Sie linden
sich häufig auch weiter östlich in der Grauwackenzone und ihre
petrographische Ähnlichkeit mit den Sericitschiefern des Taunus
veranlasste nähere Untersuchungen, die von meinem Bruder ausge
führt wurden, aber das Resultat ergaben, dass die chemische Zusam
mensetzung mit jener der Sericitschiefer nicht ühereinstimme l ). Auf
unserem Durchschnitte sind diese Schiefer in Ermanglung einer
sicheren Bestimmung als grüne Schiefer bezeichnet. In dem nörd
lichen Theile der Zone wie auch im Hengsbachwald seihst fallen die
Schichten entschieden nach Nord. Weiter nach Süden gegen den
Kalkzug des Glingel- und Glocker-Berges wird die Schichtung steiler,
senkrecht, endlich selbst nach Süd geneigt. Gegen die Grenze gegen
den Kalkstein nimmt der Schiefer im Kleinen wie im Grossen mehr und
mehr Linsen von Quarz und Spatheisenstein auf, und unmittelbar an der
Grenze findet sich ein anhaltender Zug von Ankerit und Spatheisen
stein, der unter 80 Grad gegen Süd fällt. Ihm unmittelbar ist der Kalk
stein aufgelagert. Dieser Kalkstein ist bläulich, weiss gerändert, kry-
stallinisch, durch eingeschlossene Glimmerblättchen geschiefert; häufig,
besonders in den nördlichen Theilen des Zuges, wird er dolomitisch.
Auf der Spitze des kleinen Glingelberges stehen die Schichten
senkrecht, eben so südlich hinab gegen Grafendorf zu.
Südlich vom Kalkzuge tritt noch einmal eine Partie von dunklen
Thonschiefern auf, die aber minder steil nach Norden fallen, so dass
man in der Schichtung für den Kalkzug des Glingelberges einen nach
oben offenen Fächer annehmen muss, wie ihn unser Durchschnitt
darstellt, während die nördlich anstossende Schiefermasse einen nach
unten geöffneten Fächer erkennen lassen würde.
Noch muss hier bemerkt werden, dass die bekannten Fundorte
silurischer Petrefacten bei Dienten ganz nahe westlich von unserem
Durchschnitte und zwar in den Hangend-Partien der Grauwackenzone
liegen, dass also für diesen Theil die Altersbestimmung der Formation
keinem Zweifel unterliegt.
*) Jahrbuch der k. k. geologischen Ileichsanstait, V, S. 869.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
315
9. Vom Salzathal bis zum Drautlial.
Diese die höchsten Erhebungen der Alpenkette auf der Linie
unseres Durchschnittes umfassende Abtheilung begreift in sich vier
verschiedene Hauptgruppen von Gesteinen: die Radstätter Tauern
gebilde, die Schieferhüllen der Centralgneissmassen, diese letzteren
selbst, und endlich die altkrystallinischen Gebilde.
Die Verhältnisse dieser verschiedenen Gesteinsgruppen und
ihrer einzelnen Glieder wurden in den letzten Jahren bei Gelegenheit
der Aufnahmen der k. k. geologischen Reichsanstalt von den Herren
Lipoid, Dr. Peters und Stur mit grosser Sorgfalt studirt, und
namentlich von den letzteren Heiden erschöpfend beschrieben !).
Indem ich in Retreif aller Details auf diese Arbeiten verweise, bemerke
ich nur, dass sie dahin führten, anzunehmen, die Schiefer und Kalk
steine der Radstätter Tauern, als deren westliche Fortsetzung die auf
unserer Durchschnittslinie zwischen dem Salzathale und dem Frauen
rigi gelegenen Gesteine erkannt wurden, seien durch Metamorphose
petrographisch veränderte Schichtgesteine, die der Trias und viel
leicht theilweise noch dem unteren Lias der nördlichen Kalkalpen
parallelisirt werden können; ebenso seien die Gesteine der Schiefer
hüllen der Centralgneisse als metamorphische Gesteine der Grau
wackenformation zu betrachten, deren Veränderung mit der Bildung
der Centralgneissmassen selbst, welche sich von den altkrystallini
schen Schiefern, dem ältesten Gestein der ganzen Alpenkette, sehr
wohl unterscheiden, in Verbindung gebracht werden könne.
Vom Salzathal geht der Durchschnitt in südlicher Richtung über
das Ilakor-Eck, die Hölhvandspitz, den Schuhflickerspitz, das Arleck,
Füleseck, den Frauenrigi bis zum Gamskarkogel östlich von Dorf
Gastein. Er trifl't im Salzathale auf eine kleine Zone zu den altkrystal
linischen Gebilden gehörigen Thonglimmerschiefers, dessen steil auf
gerichtete Schichten imNorden unter die Grauwackengesteine einfallen,
im Süden aber beinahe vollkommen senkrecht stehen, und hier gegen
die ebenfalls senkrecht stehenden Schichten der Radstätter Tauern-
1 ) Vergleiche: Dr. K. Peters: Die geologischen Verhältnisse des Ober-Pinzgnues
insbesondere der Centralalpen. Jahrb. der k. k. geolog. Reichsanstalt, V, S. 766,
und: Die geologischen Verhältnisse der Nordseite des Radstätter Tauern a. a. 0.,
S. 808. — D. Stur: Die geologische Beschaffenheit der Centralalpen zwischen
dem IIoeh-Golling und dem Venediger a. a. 0., S. 818.
31G
F- v. Haue r.
kalke, die das Hakor-Eck zusammensetzen, grenzen. Diese Kalksteine
halten mit Schiefern wechsellagernd, die vorzüglich weiter nach
Süden mehr und mehr entwickelt sind, bis zum Gamskarkogel an.
Als eine besonders bemerkenswerthe Erscheinung muss dabei her
vorgehoben werden, dass die am Hakoreck noch ganz senkrechten
Schichten, je weiter man nach Süden vorschreitet, flacher und flacher
nach Nord fallen.
Vom Gamskarkogel hält sich der Durchschnitt in der Haupt
richtung Süd 25° Ost auf der Höhe des Gebirgsrückens der das
Grossarithal vom Gasteinerthal trennt, über den Frauenkogel, Teun-
kogel, Gamskarberg, Tofernkogel bis zum Flugkogel. Auf dieser
ganzen Strecke herrschen die Gesteine der Schieferhülle der südlich
anstossenden Ccntralmasse des Ankogels. Sie fallen flach nach Nord,
also conform unter die Radstätter Tauerngebilde, gegen welche sie
auch durchaus nicht scharf ahgegrenzt erscheinen, und bestehen der
Hauptsache nach im nördlicheren Theile aus wechsellagernden Massen
von Kalkglimmerschiefer und grünen chloritischen Schiefern mit Ein
lagerungen von körnigem Kalk, Dolomit und Serpentin; weiter im
Süden gegen den Centralgneiss zu am Flugkogel dagegen bestehen
sie aus eben so gelagerten und mit einander abwechselnden Massen
von Glimmerschiefer, körnigem Kalk, Hornblendeschiefer und Gneiss.
Vom Flugkogel geht der Durchschnitt fortwährend mit der
Hauptrichtung Süd 25° Ost auf den Glasercrkogel, dann herab in
das Kötschachtkal und über den Tischlersprung hinauf auf die Spitze
des Ankogels. Auf dieser Strecke durchschneidet er die Masse des
Centralgneisses, in deren nördlicher Partie am Glasererkogel eine
Schichtung mit Nord-Fallen, unter die Gesteine der Schieferhülle sehr
wohl zu erkennen ist, während im Kötschachthal, dem eigentlichen
Mittelpunkte, von welchem die Veränderungen ausgingen, das Gestein
mehr und mehr massig, granitartig wird und am Tischlersprung und
Nordabhang des Ankogel selbst wieder Schichtung, aber mit flachem
Süd-Fallen deutlicher bemerkbar wird. Zwischen Tischlersprung und
Ankogel bemerkt man eine Lage Hornblendeschicfer, dem Gneiss ein
gelagert, auf der Spitze des letzteren dagegen eine Partie Glimmer
schiefer, dem Gneisse aufgesetzt.
Vom Ankogel wendet sich der Durchschnitt nach Süd (JÜ° West
hinunter zum Mallnitzerhach und über die kalte Wand nach Inner-
Fragant.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
317
An dem Mallnitzerbach trifft er auf eine Partie von Gesteinen
der Schieferhülle, welche zwischen der Centralgneissmasse des An
kogels und jener des Iloch-Narr, welcher auch die kalte Wand ange
hört, eingelagert ist. Auch hier bestehen diese Gesteine aus Glimmer
schiefer, Kalkglimmerschiefer und grünem, chloritischem Schiefer,
welche sehr steil aufgerichtet sind, aber doch im Allgemeinen nach
Siid fallen, so dass sie zwar auf der Centralmasse des Ankogels zu
liegen, die der kalten Wand dagegen zu unterteufen scheinen.
Diese letztere besteht nur aus schiefrigem Centralgneiss mit vor
waltend weissem Glimmer, der durchgehends ziemlich steil nach Süd
fallt.
Von Inner-Fragant geht der Durchschnitt noch, in südwestlicher
Richtung auf den Klenitzenkogel, dann aber in südlicher Richtung
durch das MoIIthal, das er bei Lassing unweit Stall durchsetzt, über
den Grindkogel, Sandfeldkogel ins Drauthal, unmittelbar oberhalb
Dellach.
Südwestlich von Inner-Fragant folgen bald hinter dem Central
gneiss wieder die Gesteine der Schieferhülle, und zwar Kalkglimmer
schiefer mit eingelagertem Gyps und darüber grüner chloritischer
Schiefer. Die ganze übrige Strecke bis zum Drauthale besteht aus
älterem Glimmerschiefer. Derselbe bildet am Klenitzenkogel zwischen
dem Möllthale und dem Fragantthale schwebende Schichten, die auf
der Südseite nach Nord, auf der Nordseite dagegen nach Süd fallen,
und demnach hier die Gesteine der Schieferhülle überlagern. Dass
dieses Verhältniss nicht das normale sei, lässt sich nach den Mitthei
lungen von Stur an vielen anderen Stellen der Alpen nachweisen.
In der zwischen dem Möllthale und dem Drauthale gelegenen
Partie des Glimmerschiefers ist eine fächerförmige Anordnung der
Schichten sehr deutlich; dieselben fallen auf der Nordseite nach Süd,
auf der Südseite nach Nord, sind aber in den mittleren Partien nicht
schwebend, sondern senkrecht gestellt.
Die Art und Weise wie IIr. Stur die in unserem Durchschnitte
dargestellten Verhältnisse erklärt, kann ich hier füglich ebenfalls
übergeben, da er dieselbe selbst in seiner schon oft citirten Abhand
lung, Seite SSI, auseinandersetzt, und mit Zeichnungen (Tab. VI)
erläutert.
Nocli erübrigt es mit einigen Worten der Schotterablagerungen
zu gedenken, die in den Thälern der in Rede stehenden Abtheilung
318
F. v. Haue r.
unseres Durchschnittes und zwar im Salzathale, im Fragantthale, im
Möllthale und im Drauthale auftreten. Auch über diese verdanken wir
Herrn D. Stur eine umfassende Darstellung *), in welcher er zu
Schlüssen gelangt, die freilich noch vielen Bedenken unterliegen. So
viel darf aber jedenfalls als festgestellt betrachtet werden, dass in
den Thälern der Centralalpen, abgesehen von den Alluvien, Schotter
ablagerungen von verschiedener Art Vorkommen. Die einen bilden
regelmässige Terrassen, die sich wohl nur selten auf eine Höhe von
mehr als 200 Fuss über die jetzigen Thalsohlen erheben, die anderen
erscheinen in weit bedeutenderen Höhen an den Thalgehängen und
Sätteln, welche die einzelnen Thäler verbinden, oft unabhängig von
den jetzigen Thalformen, und ermangeln häufig der regelmässigen
Terrassenform. Die ersteren werden allgemein als Diluvial anerkannt,
die letzteren behandelt Stur als tertiäre Meeresablagerungen, und
glaubt zur Erklärung ihrer Entstehung annehmen zu müssen, eine
gewaltige, gegen das Ende der Tertiärperiode eingetretene Senkung
habe den grössten Theil der jetzigen Alpenländer zu jener Zeit noch
einmal unter die Oberfläche des Meeres getaucht.
Gäbe man aber auch wirklich ein tertiäres Alter für alle diese
Ablagerungen zu, so scheint mir doch, dass als Meeresabsätze nur
jene betrachtet werden dürfen, die wirklich Überreste von Meeres
geschöpfen enthalten, wie z. B. die Ablagerungen im Lavant-Thale,
die von Prevali und vielleicht auch die von Fohnsdorf bei Judenburg
im Murtbale. Für alle übrigen möchte ich weit eher den Ansichten
des Herrn Dr. Peters beistimmen, der einige als jüngere locale
Ablagerungen aus süssen Wässern deutet, andere als schon in der
Eocen- oder jüngeren Kreidezeit herbeitransportirt betrachtet 2 ).
Auf unserem Durchschnitt sind sie schlechtweg als Hochschotter der
Alpen bezeichnet.
10. Vom Drauthal bis zum Gailthalc.
Vom Drauthale setzt der Durchschnitt in rein südlicher Rich
tung gerade über den Jaulten hinüber nach St. Daniel im Gailthal.
4 ) Über die Ablagerungen des Neogen, Diluvium und Alluvium im Gebiete der nord
östlichen Alpen. Sitzb. der kais. Akademie der Wissenseh. Mathem.-naturw. CI.
Bd. XVI, S. 477.
2 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, V, S. 814 und VI, S. 540.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 319
Schon auf der linken Seite des Drauthales oberhalb Dellach treten
aus dem Schotter einige kleinere Rauchwackenkuppen hervor und
auf der rechten Seite des Thaies gehört der ganze Gebirgsstock des
Jauken einer Kalksteinmasse an, die nach Westen bis über Lienz in
Tirol hinaus verfolgt werden kann, während sie nach Osten in die
durch ihren Reichthum an Bleierzen berühmten Kalkgebirge der
Umgegend von Bleiberg fortsetzt.
Auf der Linie unseres Durchschnittes treten in diesem Kalkzuge
nur Gesteine der Triasformation auf, und zwar im Drauthale selbst als
unterstes Glied die Kalksteine und Rauchwacken der Guttensteiner
Schichten. Erst weiter östlich, angefangen von Gajach östlich von
Greifenburg, schiebt sich zwischen diese Schichten und die Glimmer
schiefer eine schmale Zone von Werfener Schiefern ein. Die Schich
ten der kleinen Rauchwackenkuppen auf der linken Seite des Drau
thales fallen nach Nord, also anscheinend unter den Glimmerschiefer;
und das gleiche Fallen herrscht nach den Beobachtungen von Stur
auch weiter westlich allenthalben vor. Östlicher im Zuge dagegen
ist an vielen Stellen ein normales Fallen nach Süd beobachtet. Auch
auf der rechten Seite des Drauthales, am Nordfuss des Jauken fallen
die Guttensteiner Kalksteine nach Süden; höher am Berge hinauf
folgen ihnen aufgelagert hell gefärbte Dolomite, die man nach allen
Gründen der Analogie schon als der oberen Etage der Triasformation
angehörig, also als ein Äquivalent der Hallstätter Schichten ansehen
darf. Ich werde auf diese Dolomite später noch einmal zurückkommen.
Auf der Südseite des Jauken treten unter diesen Dolomiten wieder die
Guttensteiner Schichten und unter diesen die Werfener Schiefer her
vor, in den ersteren entdeckte Herr Stur auf der Müssen nordwest
lich von Kötschach, etwa 1 */ a Meile von unserem Durchschnitte Cri-
noiden (darunter Encr. liliiformis) und Brachiopoden, unter denen
Hr. Suess die Rhynchonella decurtata Gir. zu erkennen glaubte;
noch tiefer erscheinen dann im Pfarrergraben als unterstes Glied
Thonglimmerschiefer; auch die Solde des Gailthales besteht aus Thon
glimmerschiefer, der aber meist durch aufgelagerte Schottermassen
oberflächlich verhüllt ist; zwischen ihm und jenem des Pfarrergrabens
ist noch eine vertical stehende Partie von Werfener Schiefern und
Guttensteinerkalk eingekeilt.
Verfolgt man den Kalksteinzug des Jauken weiter nach Osten
ln die Umgegend von Bleiberg, so werden die geologischen Verhält-
320
F. v. Hauer.
nisse weit mannigfaltiger. Über den lichten Kalksteinen, welche wir
als schon der oberen Trias angehörig bezeichneten, treten die längst
bekannten Muschelmarmorschichten und über diesen die erzführen
den Dachsteinkalke auf; unter den Werfener Schiefern dagegen fin
den sich noch Gesteine der Steinkohlenformation. Umständliche
Schilderungen derselben liefern die neuesten Abhandlungen von
Dr. Peters 1 ) und Lipoid 2 ). In der Umgegend des Jauken aber
liegen, wie sich aus unserem Durchschnitt ergibt, die Triasschichten
ohne weitere Zwischenlage auf dem Glimmerschiefer. Diese Thatsache
kann kaum anders erklärt werden, als durch Annahme der Glimmer
schiefer habe hier zur Zeit der Ablagerung der Grauwacken- und
Steinkohlenformation als Festland aus dem Meere hervorgeragt.
11. Vom Feistritz im Gailthale bis zum Torcr Sattel östlich von Rnikl.
Von St. Daniel ziehen sich die im vorigen Abschnitt erwähnten
Thonglimmerschiefer in ost-südöstlicher Richtung dem Gailthale ent
lang fort, erweitern sich zwischen Tröpelach im Gailthale und Weiss-
briach im Gitschthale zu einem mächtigen Zuge, verschmälern sich
weiter gegen Osten gegen Hermagor zu wieder mehr und mehr und
verschwinden dann beinahe gänzlich unter der Schotter- und Alluvial
masse, welche das Gailthal ausfüllt; nur einzelne unter dem Schotter
hervorsehende Partien nördlich von Feistritz geben die Gewissheit,
dass sie in der Thal in der Sohle des Thaies fortsetzen.
Diesem Zuge von Glimmerschiefer entlang springt unser Durch
schnitt um 5y 3 Meile nach Osten bis Feistritz und zieht von hier in
süd - südwestlicher Richtung nach Tarvis, dann in rein südlicher
Richtung bis zum Torer Sattel östlich von Raibl.
Dieser Abschnitt unseres Durchschnittes zeigt die Verhältnisse
der älteren Schichtgesteine der südlichen Kalkzone vom Glimmer
schiefer angefangen bis zum Dachsteinkalke in einer Regelmässigkeit
und Klarheit, wie man sie nur selten in den Alpen findet. Das merk
würdige, und technisch so wichtige Vorkommen der Bleierze von
Raibl hat längst schon die Aufmerksamkeit vieler Geologen auf diese
Gegend gelenkt; Arbeiten der berühmtesten Meister, eines L. v.
1 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, VII, S. 67.
2 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, 1856, VII, S. 332.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
321
Buch 1 )» Sternberg 2 ), ]toue s ) und jüngerer Forscher nament
lich der Hrn. Meiling 4 ) Morlot 5 ) u. s. w. haben die Kenntniss
derselben mächtig gefordert, aber erst die geologische Detailauf-
nahme der Gegend, die Herr Foetterle durchführte, hat diese Ar
beiten zu einem nach allen Richtungen hin befriedigenden Abschlüsse
gebracht.
Die ersten anstehenden Felsmassen, die am Südende von Feist
ritz aus dem Alluvium des Gailthales emporsteigen, bestehen aus
dünngeschichtetem, halb krystallinischem Kalkstein, der steil nach
Süden fällt und einen nicht sehr mächtigen Zug bildet, der weiter
westlich sowohl als östlich die ersten das Gailthal im Süden be
grenzenden Höhen bildet. So verfolgt man ihn im Westen ununter
brochen, südlich an Vordernberg vorüber bis zum Osselitzer Bach,
der sich hei Watschig in die Gail ergiesst. Von hier bis Tröpelach
ist er auf eine kurze Strecke durch überlagernden Schotter verhüllt,
wird dann weiter westlich allmählich schmäler und keilt sich in der
Gegend von Unter -Döbernitzen gänzlich aus. Östlich von Feistritz
erscheint er bis in die Gegend von Arnoldstein nur in einzelnen aus
dem Schotter emporragenden Kuppen, bildet aber weiter wieder
einen zusammenhängenden Zug, der über Kräinegg, Korpitsch u.s. w.
fortsetzt.
Dieser Kalkstein bildet im Gailthale das unterste Glied der von
unseren Geologen sogenannten Gailthaler Schichten; ihm zunächst
aufgelagert ist eine weit mächtigere Masse von schwarzen und dun
kelgrauen Schiefern, dann Sandsteinen und groben Conglomeraten,
welche auf der Linie unseres Durchschnittes den ganzen Nordabhang
des Kapinberges zusammensetzen, und in einer breiten Zone nach
Westen und Osten fortziehen. Besonders schön entwickelt sieht man
die Gesteine dieser Abtheiiung einige Meilen westlich von unserem
Durchschnitt, wenn man von Pontafel im Fellathale durch den Bom
baschgraben nach Tröpelach im Gailthale hinübersteigt. Die Schichten
*) Mineralogisches Taschenbuch 1824, S. 408.
2 ) Bruchstücke aus dem Tagebuehc einer naturhistorischen Reise von Prag nnch
Istrien. Regensburg 1826, S. 69.
3 ) Memoire Geologique sur les Provinces Illyriennes. Mein, de la soeiete geologique
de France. 1836. Vol. II. 2. p. 46.
4 ) Hai dinge r’s Berichte über die Mitth. von Freunden der Naturwissenschaften,
V, S. 31.
5 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanslalt I. S. 266.
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Hft.
21
322
F. v. Haue r.
fallen fortwährend aber meistens ziemlich steil nach Süd. Die Schiefer
führen an manchen Stellen zahlreiche Petrefacten, Spiriferen, Pro-
ducten u. a., vollkommen übereinstimmend mit jenen aus den längst
bekannten dem Bergkalk parallelen Schiefern von Bleiberg. Über
dies findet man darin undeutliche Pflanzenreste und Kohlenspuren, ja
selbst grössere bis 1 Fuss mächtige Partien von Anthrazit, die in der
That geeignet erscheinen würden zu Schürfungsarbeiten einzuladen,
wären nicht alle bisherigen Bemühungen in unserer alpinen Stein
kohlenformation , namentlich an der Stangalpe bauwürdige Kohlen-
flötze aufzuschliessen erfolglos geblieben. Durch Aufnahme von Sand
körnern gehen die Schiefer allmählich in Sandsteine, und diese
durch gröberes Korn in Quarzconglomerate über. Die letzteren zeich
nen sich durch eine ausserordentliche Festigkeit aus. Viele Kubik-
klafter grosse Blöcke werden durch den Bombaschgraben in die
Fella herabgeführt, und sind in dem Bette dieses Flusses weit abwärts
von Pontafel noch zu finden, wo die übrigen Gesteine derselben
Gegend längst in Schotter oder Sand verwandelt sind. Im Bombasch
graben selbst werden diese Blöcke vielfach zu Mühlsteinen verar
beitet.
Über dieser Gruppe von Schiefern, Sandsteinen und Conglome-
raten endlich erscheint das oberste Glied der Kohlenformation, ein
bald licht-, bald dunkelgrau gefärbter, sehr dichter und etwas durch
scheinender, häufig aber auch dolomitischer Kalkstein, der ebenfalls
nicht selten Fossilien enthält und zwar Cyathophyllen, Crinoiden
u. s. w. Auf der Linie unseres Durchschnittes erscheint dieser Kalk
stein auf der Spitze des Kapinberges und an dessen nördlichem
Abhang gegen Goggau zu.
Detaillirter als auf dem Hauptdurchschnitte zeigt die Gliede
rung der ganzen Kohlenformation der in Fig. ö dargestcllte Durch
schnitt von Moderndorf im Gailthale über den Gartnerkogel nach
Pontafel, den Hr. Bergrath Foetterle aufnahm und mir freundlichst
mittheilte. Auf den unteren Kohlenkalk folgen erst Kohlenschiefer,
dann die Sandsteine und Conglomerate, dann Schiefer mit Sand
steinen wechsellagernd, endlich der obere Kohlenkalk, und diese Ge
bilde treten der wellenförmig gekrümmten Lage der Schichten
wegen alle zu wiederholten Malen zu Tage.
Sowie in den Nordalpen unmittelbar auf die Grauwackenfor
mation, folgen in den Südalpen unmittelbar auf die Steinkohlen-
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
323
formation die unteren Glieder der Trias, und zwar zunächst die
Werfener Schiefer. Eine schmale Zone derselben beobachtet man im
Gailitzthale an der Strasse nach Tarvis gleich südlich bei Unter-
Maylcr dem oberen Kohlenkalk aufgelagert; sie zieht nach Westen,
wird von unserem Durchschnitt am Südabhang des Kapinberges
durchkreuzt, breitet sich nördlich von Uggowitz im oberen Theile
des Ugnc-Baches mächtig aus, verschmälert sich dann wieder und
wird als schmales Band vom Malborgcthbach, Weissenbach, Vögel
bach, Bombaschhach, Pontebabach u. s. w. durchschnitten. Gesteins
charakter und eingeschlossene Petrefacten, deren ich z. B. in dem
durch den Vögelbach östlich von Pontafel aus dem Gebirge herab
gebrachten Schutt auffand, stimmen vollkommen überein mit den Wer
fener Schiefern der Nordalpen, und auch Gypslager, die diese Letz
teren so häufig begleiten, fehlen nicht.
Die dunklen Guttensteiner Kalke, die beständigen Begleiter der
Werfener Schiefer finden sich auch hier über die letzteren gelagert
in einem fortlaufenden Zuge, der bis über den Bombaschgraben
hinaus anhält.
Auf die Guttensteiner Kalksteine folgt wieder ein mächtiger Zug
von der oberen Trias angehörigen, hell gefärbten Kalksteinen und
Dolomiten , die ihrer ganzen Lage nach mit jenen übereinstimmen,
welche wir bereits weiter im Norden am Jauken kennen gelernt haben.
Im Norden fallen die Schichten, wo sie erkennbar sind, regelmässig
nach Süden, im Süden aber nach Nord. Der Zug reicht daseihst
bis zu dem Längsthal, in welchem die Strasse von Tarvis über Saif-
nitz zur Fella, und dieser entlang über Malborgeth nach Pontafel
geführt ist. Als eine Fortsetzung dieses Längsthaies erscheint der
untere Tlieil des Pontafelbaches, doch hat sich hier die Grenze der
lichten Kalksteine etwas weiter nach Norden gezogen, so dass der
Bach in die zunächst südlich wieder folgenden Guttensteiner Kalke
und Werfener Schiefer eingeschnitten ist. Versteinerungen sind aus
diesem Zuge bisher nicht bekannt geworden.
Die tiefe Einsenkung, in welcher Tarvis liegt, ist durch ausge
dehnte Schottermassen bezeichnet, welche durch hohes Ansteigen an
den Bergabhängen und Mangel eigentlicher Terrassenbildung sich
als der Hoch-Schotterbildung der Alpen angehörig erweisen. Hinter
diesem Schotter treten dann wieder nordwärts fallende Gutten
steiner Kalke und unter diesen Werfener Schiefer hervor. Dieselben
21*
324
F. v. Hauer.
bilden einen zweiten, dem ersten parallelen Zug der älteren Trias
gesteine, der hier, so wie dies in Nordalpen so häufig der Fall ist, zur
Bildung des obenerwähnten Lüngsthales Veranlassung gab.
Die Werfener Schiefer dieses Zuges erscheinen in unserem
Durchschnitt durch eine hervortretende Masse von rothem Porphyr
in eine nördlich und eine südlich fallende Masse getrennt, ein Ver
hältnis, welches veranlassen könnte zu glauben, der Eruption dieses
Porphyrs seihst sei der Aufbruch der Längsspalte und die Einpor
treibung der unteren Triasgesteine zuzuschreiben. Dies ist aber
wohl doch nicht der Fall, sonst müsste man denselben an mehr
Stellen entlang der Spalte antreffen, als es der Fall ist. Wahrschein
lich ist vielmehr das Eruptivgestein hier wie jenes, welches wir in
den Nordalpen bei Ischl kennen gelernt haben, in der schon vorhan
denen Spalte am leichtesten durchgebrochen.
Die Gesteine auch dieses Zuges stimmen in den meisten Varie
täten petrographisch mit den Werfener Schiefern und Guttensteiner
Kalken der nördlichen Alpen vollkommen überein. Mit den gewöhn
lichen grünen und rotlien Schiefern zeigen sich am Weissenbach,
südöstlich von Tarvis auch gelbe Sandsteine. Bedeutende Verände
rungen hat das Gestein mitunter an den Contactstellen mit dem Por
phyre erlitten. So ist das von Manchen als Diorit bezeiclmete Gestein,
welches sich bei der Kaltwasserbrücke am Schlizabach, südlich von
Raibl findet, wohl nichts als ein durch die Einwirkung des Porphyrs
veränderter Werfener Schiefer. Dasselbe ist dunkelgrün, deutlich
geschichtet, mit ausgeschiedenen Äderchen von blauem Jaspis.
Unmittelbar dahinter steht der Porphyr an, der zwischen Kaltwasser,
Flitschl und Luschari in einer ausgedehnten Masse auftritt.
Fossilien fand ich in diesem Zuge besonders in dem Pontafcl-
graben, nordwestlich von Pontafel, in Menge vor, so Naticella costatu
Myacites Fassaetisis, Avicula Venetiana u. s. w.
Häufig wechsellagern mehr oder minder mächtige Partien von
Guttensteiner Kalk mit den Werfener Schiefern, so namentlich im
Fellathal unterhalb Ponteba, gegenüber der an der Strasse befindlichen
Capelle u. s. w.; überdies ist aber auch im Norden sowohl als im Süden
von den Werfener Schiefern der Guttensteiner Kalk zu abgesonder
ten Zügen entwickelt, wie es im Durchschnitte zu erkennen ist.
Der nördliche Zug ist zwischen dem Schliza- und Seissanabach
fortlaufend zu beobachten, weiter nach West ist er vielfältig von den
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 32i>
Schottermassen des Fellathales verhüllt, und ist mehr zusammen
hängend erst wieder im Pontebahach entblösst.
Der südliche Zug bildet eine fortlaufende Masse von dem Thale
des Schlizabaches bis über das Fellathal hinaus.
Südlich davon folgt nun zunächst wieder der schon mehrmals
erwähnte lichte Kalkstein und Dolomit. Derselbe bildet die Berge im
Hintergründe des Weissenbachthales, südöstlich von Raibl, wo sich
dasselbe durch die Vereinigung der beiden kleinen Arme, des Römer
baches und Torerbaehes bildet. Auf der Linie unseres Durch
schnittes, auf der rechten Seite des Schlizabaches bildet er den
Fünfspitz und Schoberkogel, gegenüber den Königsberg bei Raibl mit
seinen reichen Erzlagerstätten, dann weiter nach West den heiligen
Berg im Kaltwasserthal, den Mittagskofel südlich von Malborgeth, den
Monte Gosadon, M. Bieliga, M. Classoral, endlich auf der linken Seite
des Fellathales den Monte Gievals, M. Gleriis u. s. w.
Das Gestein ist vorwaltend hellgrau oder weiss gefärbt, doch
kommen auch dunklere Varietäten vor. Es ist meistens wirklicher
Dolomit, oft krystallinisch körnig zusammengesetzt, mit Drusen, auf
denen kleine Dolomit-Rhomboeder ausgebildet sind. Nähere Beschrei
bungen verschiedener Varietäten enthält namentlich die Abhandlung
des Hrn. v. Morlot J ). Die Schichten, wo sie erkennbar sind, fallen
regelmässig nach Süd. Von Versteinerungen wurden auch in diesem
Zuge bisher nur unbestimmbare Crinoidenstiele oder eigentlich Hold-
räume, welche auf das ehemalige Vorhandensein solcher hindeuten,
aufgefunden.
Einen sicheren Anhaltspunkt zur Feststellung des Alters des
Dolomites, der uns beschäftigt, geben aber die demselben zunächst
auflagernden Schichten. Es sind dies die von unseren Geologen soge
nannten Raibler Schichten, die sich durch einen ausserordentlichen
Reichthum an Petrefacten auszeichnen, darunter Arten, welche der
oberen alpinen Trias, den Cassianer und Hallstätter Schichten, eigen-
thümlich sind. Ich werde weiter unten auf diese Schichten ausführ
licher zurückkommen.
Unsere Dolomite liegen demnach zwischen den unteren Trias
schichten und einem Schichtcomplexe, welcher der oberen Trias
angehört.
') Jahrbuch der k. k. geologischen Ueichsanstult 1. S. 2i>7.
320
F. v. Hauer.
Dieser Lagerung zufolge bezeichnete sie Foetterle <) als
Hallstätter Schicliten und spätere Entdeckungen haben es unzweifel
haft festgestellt', dass sie in der That der oberen Triasformation
der Alpen angehören. So erkannte ich -) unter den Fossilien, welche
Herr Dr. J. A. Pivona in dem Museum des Gymnasiums zu Udine
niedergelegt hat, Ammoniten aus der Familie der Globosen aus dem
hellgrauen dolomitischen Kalk von Paularo im Incaroigothale, nord
westlich von Ponteba, der eine unmittelbare Fortsetzung des nördlich
von Tarvis gelegenen Dolomitzuges bildet. Eine weit grössere An
zahl von Fossilien aber enthalten dieselben Schichten beim Bleiberg
hau Unterpetzen, westlich von Schwarzenbach, und Obir westlich
von Eisenkappel. Die dortigen lichtgefärbten dolomitischen Kalk
steine liegen nach Lipold's Untersuchungen 3 ) auf Guttensteiner
Kalk und werden unmittelbar von den Bleiberger Muschelmarmor
schichten überlagert, einem Gebilde, dessen Übereinstimmung mit
den St. Cassianschichten ich schon vor langer Zeit nachgewiesen
habe '*), nehmen also genau denselben Horizont ein, wie die lichten
Dolomite der Umgegend von Tarvis. Unter den Fossilien, die Lipoid
in denselben aufsammelte, bestimmte ich den Ammonit es Aon Miinst.,
A. Johannis Austriac Klips t., A. Gaytani Klip s t. und A. Jarbas
Münst. und Hörn es beschreibt 5 ) aus denselben nebst zahlreichen
neuen Arten drei schon aus den Cassianschichten bekannte Gastro-
poden.
Es kann nach diesen Thatsachen nicht dem geringsten Zweifel
unterliegen, dass unsere Kalksteine und Dolomite wirklich bereits
der oberen Trias angehören, und in Kärnten eine petrographisch
verschiedene untere Etage dieser Formation bilden, die aber mehrere
bezeichnende Fossilien mit der oberen Etage gemeinschaftlich ent
hält. In Ermangelung eines anderen bezeichnenden Ausdruckes
nannten sie unsere Geologen in ihren neueren Abhandlungen stets
Hallstätter Schichten, ein Name, der ihnen strenge genommen nicht
zukömmt, und der leicht zu der Meinung verleiten könnte, wir seien
der Ansicht, die obere Trias der Alpen zerfalle in zwei Abtheilungen,
4 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt VI. S. 902.
2 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt VI. S. 743.
3 ) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt VII.
4 ) W. Haidinger’s naturwissenschaftliche Abhandlungen I. ßd. S. 28.
5 ) Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften. Mathein.-naturw. CI. XII. S.2i.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
327
eine untere, die Hallstätter Schichten, und eine obere, die eigent
lichen Cassianer Schichten. Eine derartige Betrachtungsweise recht-
fertigen aber die bisherigen Beobachtungen nicht; sie erlauben nur
die obere Trias der Nordalpen als Ganzes mit der gesummten oberen
Trias der Südalpen in Parallele zu stellen; keineswegs aber die Hall
stätter Schichten ausschliessend als Äquivalent der tieferen, unter den
eigentlichen Cassianer Schichten gelegenen Abtheilung der oberen
Trias der Südalpen zu betrachten.
Wir kommen nunmehr zu dem die Dolomite unmittelbar über
lagernden Scliichtencomplexe, den sogenannten Raibler Schichten.
Schon Boue hat dieselben in seiner so lehrreichen Abhandlung über
die illyrischen Provinzen *) umständlich geschildert, und eine Anzahl
von Fossilien, nach Deshayes durchgehends neue Arten, aus ihnen
abgebildet.
Im Thale von Baibl seihst und auf den ost- und westwärts daran
schliessenden Höhen beginnt nach den Beobachtungen von Foet-
terle, der mir auch das Detailprofil der Scharte, westlich von Raibl
(Fig.4) mittheilte, die Etage der Raibler Schichten mit dunklen,
beinahe schwarzen, dünnblätterigen Schiefern, in denen man platt
gedrückte Exemplare von Ammonites Aon, dann Halobia Lommeli
und zahlreiche Abdrücke von Fischen, darunter Lepidotus suleatus
IIecke 1 3 ) und Pflanzen findet; über diesen Schiefern erst folgen,
mitunter in bedeutender Mächtigkeit vorwaltend bräunlich gefärbte
Mergelkalke und Mergelsehiefcr mit überaus zahlreichen Fossilien,
und zwar weitaus vorwaltend Acephalen, seltener schon Gastropo-
den; darunter alle die in der schon öfter citirten Abhandlung von
Boue abgebiideten Arten. Eine Beschreibung der wichtigsten und
häufigsten dieser Fossilien hoffe ich demnächst veröffentlichen zu
können. Der Umstand, dass einige bezeichnende Arten dieser Schich
ten mit solchen von St. Cassian übereinstimmen, genügt, um auch
sie noch als zur oberen Trias der Alpen gehörig zu erkennen, und
sie mit den Cassianer Schichten, mit denen sie auch in petrographi-
sclier Hinsicht im Allgemeinen übereinstimmen und mit den Muschcl-
marmorschichten von Bleiberg in Parallele zu stellen.
1 ) Memoircs de la Sociele geologique de France Tom. II. p. 43.
2 ) Sitr.nngsb. der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathem.-naturw. Classe,
II. Bd. 1849, p. 177.
328
F. v. Hauer.
Von Raibl aus verfolgte Herr Foetterle die llaibler Sehicliten
naeli Westen über das Kaltwasserthal, den Seissanagraben durch das
ganze Doynathal bis Doyna und weiter bis auf die Höhe des Sattels
zwischen dem Monte Gierais und dem Zucco di Roor. Von Raibl
nach Osten ziehen sie sich herauf zum Torer Sattel, wenden sich dann
etwas südöstlich über die Mangertalpe südlich am Mangert vorüber
in das Coritenzathal oberhalb Preth, in dem sie bis ganz nahe zu
dem Kessel, der das Thal scldiesst, fortsetzen.
Unmittelbar über den Raibler Schichten folgen dann in mäch
tiger Entwicklung die oberen Kalksteine und Dolomite, deren Schil
derung dem nächsten Abschnitt Vorbehalten bleiben soll.
12. Vom Torer Sattel bis Capporctto im Thale des Isonzo.
Von der Höbe des Torer Sattels gebt unser Durchschnitt in
gerader südlicher Richtung über die Strasse und den Predielbacli
nach Unter-Pretli und von hier über die westlichen Ausläufer des
Priezel nach der Flitscher Klause.
Die Dolomite und Kalksteine, die am Sattel selbst noch, mit
südlich fallenden Schichten, die Raibler Schichten überlagern, halten,
fortwährend das gleiche Fullen beibehaltend, bis zur genannten
Klause an. Sie sind vorwaltend hellgrau gefärbt; in den unteren Tliei-
len, so namentlich an der Strasse welche vom Predielpass nach Preth
herunterführt, trifft man hin und wieder ihnen untergeordnete schmale
Bänke von bald grünlich, bald bräunlich gefärbtem Mergel. Die
ersten Spuren von Versteinerungen trafen wir in von der Höhe her
abgefallenen Blöcken im Coritenzathale, nämlich Durchschnitte des
Megalocliis triqueter, denen zu Folge die Dolomite und Kalksteine, die
uns beschäftigen, der Gruppe des Dachsteinkalkes zugezählt werden
müssen. — In anderen Blöcken desselben Thaies sieht man zahl
reiche Durchschnitte von Gastropoden, Aceplralen und Ammoniten,
aus denen es aber hei der grossen Festigkeit des Gesteines leider
nicht gelang, bestimmbare Stücke zu gewinnen. Ganz ähnliche
Gesteine mit Schalendurchschnitten finden sich auch nördlich vom
Mangert im Lahnthale südöstlich von Weissenfeis. Sie gehören viel
leicht der Gruppe der Hierlatz-Schichten an, doch gelang es Herrn
Foetterle nicht dieselben auf den Höhen des Mangert, von dem sie
herabgestürzt zu sein scheinen, nachzuweisen. — Eine noch jüngere
Gesteinsgruppe dagegen fanden wir westlich vom Gipfel des genannten
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino. 329
Berges, am Sattel, der von der Mangertalpe in das Lahntlial hiniiber-
führt, anstehen; es ist dies ein rother liornsteinführender, oft schief
riger Kalkstein, der eine gleichsam zusammengebogene Mulde im
Dachsteinkalke bildet, wie man dies namentlich aus dem Thale
in der Umgegend von Weissenfels deutlich wahrnehmen kann.
Ungeachtet alles Suchens fanden wir keine Versteinerungen, doch
kann es nach der grossen petrographischen Ähnlichkeit als sehr
wahrscheinlich betrachtet werden, dass dieses Gestein zu den
später noch mehrfach zu erwähnenden jurassischen Kalksteinen
gehört.
Von Preth bis zur Flitscherklause entfernt sich die Strasse nur
wenig von der Linie unseres Durchschnittes, sie führt beständig
zwischen den aus Dachsteinkalk und Dolomit bestehenden Bergen
fort. Überall zeigen sich nackte Wände mit ungeheueren Schutt
massen an ihrem Fusse., sowie auch in den Seitenthälern. Die
Schichten fallen überall nach Süd. Unmittelbar vor der Flitscher
klause sieht man sehr steil (80 Grad) südlich fallende Schichten; das
Gestein ist ein hellweisser, theihveise oolithischer Kalk und enthält
in deutlichen Durchschnitten den Megalodus triqueter und andere
Fossilien. Bei der Klause seihst strömt der Bach durch eine 2 bis 3
Klafter breite, aber gewiss bei 200 Fuss tiefe Schlucht, welche von
der Strasse überbrückt wird. Gleich südlich von der Klause zeigten
sich in dem Kalksteine wieder sehr deutliche Exemplare der Dach-
steinhivalve und dasselbe Fossil sieht man auch in den zahllosen,
theihveise gigantischen Blöcken, welche, herabgestürzt von dem
steilen Südgehänge des Prinzei, den Grund des Bansitzathales aus
füllen. Von der Strasse aus gesehen bilden diese Blöcke einen
ungeheueren Wall, der das Bansitzathal ahsperrt und leicht für
eine Moräne gehalten werden könnte. Geht man in das Thal selbst
und besteigt den Wall, so überzeugt man sich leicht, dass er Berg
stürzen seine Entstehung verdankt. Die Wände die das von Ost nach
West streichende Thal im Norden begrenzen, bestehen nämlich aus
zwei Fuss bis über eine Klafter mächtigen, sehr steil (70—80 Grad)
nach Süd fallenden Schichten, von welchen sich im Laufe der Zeit
wiederholt grössere Partien abgelöst haben mögen.
Von der Flitscherklause wendet sich der Durchschnitt etwas
westlich (S. 13 Grad W.) nach Coritenza und dann über die Höhe
des Polonigberges nach Ternova.
330
F. v. Mauer.
Unmittelbar unterhalb der Flitscherklause öffnet sieb plötzlich
das bisher enge Thal. Angelehnt an die schroffen Kalkmassen sieht
man bis zu einer Höhe von etwa 300—400 Fass über der Thalsohle
sanftere Gehänge, die, wie man bald erkennt, aus Sandstein bestehen
und noch tiefer zeigen sich schöne Diluvialterrassen. Schon an der
Strasse, etwa auf der Hälfte des Weges zwischen der Flitscherklause
und Flitsch zeigte sich eine kleine Entblössung von Sandstein, der
unter dem Diluvium hervorsieht. Dem Ansehen nach glich das
Gestein so ziemlich dem gewöhnlichen Wiener Sandsteine. Deut
licher enthlösst zeigt es sich in den Aufrissen und Schluchten
unmittelbar nördlich von Flitsch. Die Decke bilden von den Siid-
gehängen des Rhombon herabgefallene Massen von Kalkschutt; unter
ihnen zeigt sich der Sandstein, doch so verwittert und zerstört, dass
die Schichtung hier nirgends deutlich zu erkennen war. Das
Gestein ist tlieils mergelig und schiefrig mit Kohlenspuren, theils ein
fester feinkörniger Sandstein, an der verwitterten Oberfläche ein
zelner Stücke aber braun gefärbt, mit wulstigen Erhabenheiten an
den Schichtflächen und mit einzelnen Bruchstücken von austern
ähnlichen Muscheln.
Klare Aufschlüsse über die Lagerungs-Verhältnisse des Sand
steines erhält man dagegen auf der linken Seite des Coritenza-
baches, entlang der Linie unseres Durchschnittes.
Unmittelbar über dem Dachsteinkalke sieht man im Bette des
Baches nicht weit unterhalb der Flitscherklause unter dem Diluvial
schotter rotlie schiefrige dünn geschichtete und häufig wellig gebo
gene Kalksteine, die steil nach Süden fallen und mit hellgrauen
Schichten wechsellagern. Zahlreiche Spathadern durchsetzen das
Gestein. Nach Versteinerungen suchten wir vergebens. Das ganze
Gebilde zeigt nur geringe Mächtigkeit und wird, wie man weiter
abwärts am Bache sehen kann, von einer ebenfalls nicht mächtigen
Partie mergeligen Sandsteines und Schiefers überlagert, auf welche
dann erst die Hauptmasse der Sandsteine folgt. Diese letzteren sind
meist dunkelbraun gefärbt, grobkörnig, oft in wirkliche Conglomerate
übergehend, unter deren Rollstücken man nebst den Kalksteinen
auch Hornstein, Jaspis, Kieselschiefer u. s. w. erkennt. Die Schichten
fallen flacher südlich, auf den Hügeln hei Coritenza aber erkennt
man sehr deutlich ihre muldenförmige Anordnung; auf der Nordseite
derselben fallen sie nach Süd, auf der Südseite dagegen nach Nord.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
33!
Im Isonzolhale selbst ist alles von Diluvium bedeckt, auf der Südseite
des Thaies erkennt man aber an den sanften Bergformen noch leicht
das Vorhandensein des Sandsteines.
Die Mulde von Flitsch ist ringsum abgeschlossen; bestimmbare
Versteinerungen wurden in den Gesteinen, welche sie erfüllen, bis
her nicht aufgefunden. Die Altersbestimmung dieser Gesteine beruht
demnach nur auf der Analogie mit den weiter abwärts im Isonzo-
thale auftretenden Gebilden und dieser zu Folge kann ich nicht
anstehen, die rothen Kalksteine als jurassisch, die Sandsteine und
Mergel aber als eocen zu betrachten.
Der Stock des Pirhan- und Polonig-Berges besteht dann wieder
aus Dachsteinkalk, der auch die Gehänge zu beiden Seiten des
Thaies unterhalb Flitsch gegen Saaga zu bildet, wo sich dasselbe
durch das Hervortreten der südöstlichen Ausläufer des Mt. Canin
einerseits und der nordwestlichen des Polonig-Berges andererseits
wieder vermengt. Bei Pod-Glanza nordöstlich von Saaga fallen die
Schichten steil (bis 80 Grad) nach Süd, am Polonig-ßerge dagegen
bilden sie ein Gewölbe, indem sie bei Loch di Zersotscha, sowie
überhaupt an der Nordseite nach Nord fallen, an der Spitze sich
horizontal legen und an der Südseite, gegen Ternova hin wieder
nach Süd fallen.
Von Ternova nach Capporetto zieht der Durchschnitt in der
Richtung (S. 33 Grad 0.). Diluvial-Schotter findet sich allenthalben
in grosser Mächtigkeit und Verbreitung im Thalgrunde abgelagert;
am Torrente Bocca, kurz oberhalb Saaga, findet sich unter dem
selben ein horizontal geschichteter Lehm, in welchem ich einen
Coniferen-Zapfen auffand.
Gleich oberhalb Serpenizza treten von den Höhen auf der
rechten Seite des Thaies wieder Schichten von rotliem und grauem,
sehr hornsteinreichem, schiefrigem Kalk bis an die Strasse herab.
Sie bilden einen Zug der von West-Nord-West nach Ost-Süd-Ost
parallel dem Laufe des Isonzo in dieser Gegend fortstreicht und
dessen ganze Erstreckung man sehr wohl von der Strasse aus über
sehen kann; er berührt nur auf eine kurze Strecke, gleich unter
halb Serpenizza die Strasse, dann macht er einer Masse von Dach
steinkalk Platz, deren Auftreten den Isonzofluss zu einer plötzlichen,
zwar kleinen, aber sehr scharfen Biegung nach Nord zwingt. Zwischen
dieser Partie von Dachsteinkalk, welche über Ternova hinaus fortsetzt
332
F. v. IIauer.
und dem höheren Rücken des Stanski Vrh, bildet der Zug der
rothen Kalksteine eine Einsenkung, die auch in der Terrainzeichnung
der Generalstabs-Specialkarte sehr wohl ausgedrückt ist, streicht
südlich hinter Ternova vorüber, wo er von unserer Durchschnitts-
Linie getroffen wird und kömmt erst kurz vor Capporetto wieder an
den Isonzo heraus, übersetzt denselben und streicht weiter über
Jeserza und Raima fort.
Dass die Partie von hellgrauen dichten Kalksteinen, die nörd
lich von dem Zuge der rothen Kalksteine hei Ternova auftritt, wirk
lich noch dem Dachsteinkalke angehört, das beweisen zahlreiche
Durchschnitte des Megalodus triqueter, die man südöstlich von
Ternova in den herabgerollten Rlöcken sieht; ausser dieser Muschel
fand ich daselbst auch ein gut bestimmbares Exemplar der Chern-
nitzia eximui Hörn.
Die Schichten des rothen Kalksteines selbst zeigen mannigfal
tige Biegungen und Krümmungen, doch ist das vorwaltende Fallen
nach Nord und Nord-Ost nicht zu verkennen; das Gestein ist dünn
geschichtet, in einzelnen Lagen rotli und schiefrig, in anderen hell
grau mit muscldigem Bruche, häufig von weissen Spathadern durch
setzt und mit regelmässigen Lagen von Hornstein wechselnd. Sein
Alter wurde durch Petrefacten nachgewiesen, welche Herr Stur zu
Na Stole in der westlichen Fortsetzung des Zuges auffand; es sind
Ammoniten, darunter ein deutliches Exemplar des A. Hommairei,
dann ein anderer Heterophylle, wahrscheinlich^, tatricus, Belem-
niten, dann grosse Exemplare von Aptychus lamellosus. Diesen
Petrefacten zu Folge gehört der rothe hornsteinführende Kalkstein
unzweifelhaft zur Juraformation.
Der Kalkstein der an den östlichen Ausläufern des Stanski Vrh
auftritt und bis Capporetto anhält, fällt ebenfalls nördlich und nord
östlich, er ist theilweise dolomitisch und enthält undeutliche Bivalven-
Durchsclmitte, die wohl auch von Dachsteinbivalven herrühren.
Diese Partie ist die letzte von Dachsteinkalk, die man imlsonzo-
thale findet. An der Südseite des Stanski Vrh gegen Starasclla zu
lehnen sich schon wieder,wie man ausderFerne sieht,Sandsteine an.
13. Y011 Capporetto bis Duino.
Die ganze noch übrige Linie unseres Durchschnittes trifft jün
gere, theils der Kreide, theils derEocenformation angehörigen Gebilde.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Pnssnu bis Duino.
333
Von Capporetto geht der Durchschnitt nach S. 38 Grad 0. bis
Lucco. Bis Mlinska wird die Thalsohle von Diluvialmassen ausgefüllt,
die gleich hei Capporetto deutlich zwei übereinander folgende Terras
sen bilden. Die Abhange oberhalb Mlinska (Fig. 3) zeigen zunächst
hinter dein Diluvium dunkelgrau gefärbte, splittrig brechende, etwas
seidenartig glänzende Schiefer, die nach Süd-West und Süd fallen.
In dünnen, 2 Zoll bis einen Fuss mächtigen Bänken ist ihnen grauer
dichter Kalkstein mit Spathadern eingelagert und auch in den Schie
fern selbst sieht man häufig Adern von krystallinischem Kalkspath.
Folgt man dem Fusssteige der von Mlinska in südwestlicher
Richtung aufwärts führt, so kömmt man sehr bald wieder an Schich
ten, die nach Nord-Ost fallen. Die Einlagerungen von Kalkstein sind
zahlreich, aber schmal, dann folgt eine bei zwei Klafter mächtige
Kalklage, die sehr steil Nord-Ost fällt, die Schichtenlage wird stei
ler und steiler, senkrecht und bald beobachtet man wieder ein Fallen
nach Süd. Höher hinauf sind ausser den 1 Zoll bis 1 Klafter mäch
tigen Kalksteinbänken auch breccienartige Schichten dem Schiefer
cingelagert. Die Grundmasse ist der grünlichgraue Schiefer, dem
unregelmässige Knollen und Fragmente des grauen Kalksteines, bald
mehr bald weniger gedrängt eingebacken sind. Die einzelnen
Brocken werden oft 1 Fuss gross. Noch weiter erscheinen endlich auch
Schichten eines grauen Sandsteines, der durch Verwitterung an der
Oberfläche eine dunkelbraune Farbe annimmt.
Diese Schichten halten an bis Luico. Bei diesem Ort, so wie
weiter westlich gegen Perat treten bedeutendere Massen von dichtem
grauen Kalk auf, der steil fällt, aber stets wieder mit Schiefer wech
sellagert. Gerade westlich bei Luico am Wege nach Perat zieht
sich eine 8—10 Klafter mächtige Schieferpartie zwischen zwei Kalk
massen hinauf.
Diese Wechsellagerung zeigt, dass die Schiefer- und Kalkpar-
tien einer und derselben Formation angehören; ihr Alter scheint sehr
sicher bestimmt durch das Vorkommen von Hippuriten in dem Kalk
steine, die sich unterhalb Luico fanden.
Von Luico zieht der Durchschnitt stets in den gleichen Gebilden
noch weiter südöstlich zum Mt. Kuk.
Am Südabhange, aber ganz nahe an der höchsten Stelle dieses
Berges, zieht sich eine mächtigere Masse von Hippuritenkalk von
West-Nord-West nach Ost-Süd-Ost am Mt. Colaunat und Mt. Jorza
334
F. v. Hauer.
vorüber. Der höchste Rücken seihst, dessen einzelne Höhenpunkte
diese Namen führen, besteht aus weichen Mergelschiefern, die auch
unter dem Kalksteine wieder hervortreten. Hei Vomani sah ich
sogar drei mächtige Kalkhänke mit den Schiefern alterniren. Die
ersteren enthalten an mehreren Stellen Hippuriten, in den letzteren
beobachtete Herr Stur südlich vom Mt. Colaurat Inoceramen. Die
Schichten fallen hier fortwährend nach Nord-Ost oder Nurd-Nord-
Ost und die gleiche Richtung bemerkt man hei Clabuzzaro, Propot
nizza, St. Valfango u. s. w.
Vom Kukberg wendet sich der Durchschnitt in eine beinahe rein
südliche Richtung bis zum Riecca-Bache, wo Sandsteine und ihnen
untergeordnet andere Gesteine zum Vorschein kommen, auf die ich
weiter unten zurückkommen will.
Vorher möge noch eine Schilderung jener Verhältnisse Platz
finden, die entlang der Strasse von Capporetto durch das Isonzothal
nach Canale beobachtet wurden.
Mit Ausnahme der schon oben erwähnten Schiefer die hei
Mlinska und Jederska bis an die Strasse hervortreten, führt diese
Strasse bis gegenüber der Capelle St. Lorenzo fortwährend auf
Diluvialterrassen. Erst hier zeigt sich in grossen Partien ein meist
massiger, theilweise aber auch geschichteter, dunkelgrau oder bräun
lich gefärbter Kalkstein von vielen Spathadern durchzogen, oft auch
breccienartig mit Einschlüssen von anders gefärbten Kalksteinen. Er
alternirt stellenweise sehr deutlich mit grauem, sehr dünnschiefrigem
Mergelschiefer. — Dieser Kalkstein ist olfenhar die directe Fort
setzung der Hippuritenkalke, die auf der Durchschnittslinie selbst hei
Luico und am Mt. Kuk beobachtet wurde, nur ist hier der Kalkstein
selbst zu mächtigeren Massen ausgehildet, die Scliieferzwischcn-
lagen dagegen mehr untergeordnet. Diese Gesteine, oft von Diluvial
bänken verhüllt, halten an bis Volzano.
Südlich von dem letztgenannten Orte hei Zighiuo stehen auf den
Abhängen feinblättrige, glimmeriggläuzende Schiefer von tlieils
grauer, tlieils röthlicher Farbe an. Sie alterniren mit rotlien mehr
kalkigen Schichten, welche zahlreiche dunkelgraue Kalksteinfrag
mente eingeschlossen enthalten. An einer Stelle zeigte sich dann
auch eine schmale Schichte eines dunkclgrauen Kalksteines.
Unter den von den westlichen Höhen hcrabgekommenen
Gerollen der kleinen Bäche, über welche die Strasse südlich von
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau bis Duino.
33')
Zighino führt, fanden sich bereits einige Kalksteinfragmente mit
deutlichen Hippuriten. Eine zwar kleine aber sehr lehrreiche Ent-
blössung zeigte sich dann an der Strasse gegenüber von Sella; die
Schichten streichen von Ost nach West und fallen flach unter etwa
20 Grad nach Nord. Von oben nach unten zeigt sich folgende
Reihe:
1. Brauner Kalkstein mit Hippuriten.
2. Grauer glimmerig glänzender Schiefer (6 Fuss).
3. Schmutzig gelblicher Schiefer, dem eckige grössere und
kleinere Brocken von heller und dunkler grauem Kalke eingebacken
sind; in diesen Kalksteinfragmenten zeigten sich zahlreiche Fossi
lien, Crinoiden, Corallen, auch Gastropoden (S Fuss).
4. Grauer Schiefer, wie Nr. 2(18 Fuss).
5. Dunkel graubrauner, sehr feinkörniger, etwas dolomitisch
aussehender Kalkstein, an den Bruchflächen etwas schimmernd
(12 Fuss).
ö. Grauer Schiefer, wie Nr. 2 und 4 (24 Fuss).
7. Kalkstein, wie Nr. o (2 Fuss).
8. Grauer Schiefer, wie Nr. 2 u. s. w. (2 Fuss).
9. Kalkstein, wie Nr. 5, theilweise aber auch dichter, dem brau
nen Hippuritenkalk Nr. 1 ähnlicher (18 Fuss).
10. Schiefer, oben dünnblätterig, roth gefärbt mit Glimmer
spuren, unten gewöhnlich grau wie Nr. 2 (12 Fuss).
11. Heller und dunkler gefärbter Kalkstein mit Hippuriten.
Auch liier erscheint es demnach vollkommen sicher, dass die
grauen und röthlichen Schiefer, so wie die Kalkbreccien in der That
mit den Kalksteinen selbst zu ein und derselben Formation gehören.
Gleich unterhalb Sella tritt die Strasse wieder an den Isonzo
heraus, nachdem sie auf der Strecke zwischen diesem Ort und Yol-
zano in ihrer geraden Richtung nach Süd eine bedeutende Ecke
abgesclmitten hat, die der Fluss gegen Madrea zu bildet. Tief unten
im Bette des Flusses sieht man hier sehr dünn geschichtete hell
graue Kalksteine mit Hornsteinlagen unter dem Hippuritenkalk her-
Yorkonnnen. Die Schichten, die 1—2 Zoll mächtig sind, neigen sehr
sanft gegen Nord, so dass sie nach und nach bis an die Strasse, die
einige Klafter über dem Spiegel des Isonzo hinführt, heraufkommen.
Hoch über derStrasse hängen noch Diluvialterrassen. AmVogertscha-
bache, der ungefähr in der Hälfte des Weges zwischen Sella und
336
F. v. II n u e r.
Doblar von SO. herabkömmt, nehmen die schmalen Kalkbänke wieder
eine Neigung nach SW. an, und verschwinden bald unter dem mehr
massigen Hippuritenkalk, der nur bis über Doblar anhält.
Die Hornsteinlagen deuten auf eine Verwandtschaft dieser dünn
geschichteten Kalksteine mit den imObigen erwähnten Jurakalksteinen.
Gegen Ranzina öffnet sich das Thal, das auf der letzten Strecke
eine enge Schlucht gebildet hatte; sanftere Gehänge machen sich
bemerklich und gleich hinter Ranzina beobachtet man die ersten
deutlichen Sandsteine, die demselben Zuge angehören, welcher auf
der Linie des Durchschnittes selbst am Rieccabache erscheint, und
von da his zu den Nordgehängen des Orlichberges anhält.
Die Gesteine, welche diesen Zug zusammensetzen, sind ziemlich
mannigfaltig. Vorherrschend treten Sandsteine auf, den gewöhnlichen
Wiener Sandsteinen ganz ähnlich und mit Mergelschiefern, die bis
weilen Fucoiden enthalten, wechsellagernd. Nebstbei findet man
nicht selten untergeordnete, oft mehrere Klafter mächtige Ränke von
Kalkstein, der sandig oder, wenn gröber im Korn, breccienartig ist,
und in letzterem Falle aus eckigen Kalkstein- und Hornsteinfragmen
ten besteht, die durch ein kalkiges Bindemittel zusammengekittet
sind. Das Gestein gleicht vollkommen den gewöhnlichen sandigen
Nummulitenkalken. Anderer Art sind wieder Einlagerungen einer
sehr groben Kalksteinbreccie, bestehend aus grossen knolligen Kalk
brocken, die in einer schiefrigen oder mergeligen Masse eingebettet
sind. Dieses Gestein gleicht sehr den oben erwähnten Breccien,
welche mit den Hippuritenkalken wechsellagern, ja sie enthalten
selbst auch Hippuriten, die zur Meinung veranlassen könnten, die
ganze Partie der Sandsteine, die uns beschäftigt, gehören auch noch
der Kreideformation an.
Die Gründe, die mich demungeachtet veranlassten, sie als eocen
zu betrachten, und demnach die Hippuriten der bezeiclineten Breccic
als auf secundärer Lagerstätte befindlich anzunehmen *), sind die
folgenden:
1. Die Sandsteine und ihnen untergeordneten Gesteine liegen
im Süden sowohl als im Norden auf den Hippuritengesteinen.
l ) Auch Boue betrachtet die Hippuriten in dieser Breecie hei Canale als aui
secundärer Lagerstätte befindlich.
Ein geologischer Durchschnitt »1er Alpen von Passau bis Dnino.
337
2. Sie haben die grösste petrographisdhe Ähnlichkeit mit den
früher eocenen Gesteinen des Coglio hei Garz, welche ebenfalls
unmittelbar auf llipptiritenkalk aufliegen.
3. In der westlichen Fortsetzung des Zuges am Monte di Bove,
einem Vorberge des Monte .Inanes, fand Herr Bergrath Fo etterle
in einem der Liegendpartie der ganzen Masse angehörigen Conglö-
merate deutliche Nummuliten.
Die Auflagerung unserer Sandsteine auf den nördlich von ihnen
befindlichen Kreidegesteinen ist weder an der Strasse noch auf der
Linie unseres Durchschnittes deutlich, wohl aber beobachtete sie
Foetterle sehr sicher am Monte Juanes und nördlich von Tarcento.
Das Fallen der Schichten im ganzen Zuge überhaupt ist bald nach
Süd, bald nach Nord gerichtet, und deutet auf mannigfaltige Störun
gen und eine im Allgemeinen wellenförmige Anordnung. So sah ich
südwestlich bei Buchin, zunächst an der Grenze gegen die Hippu-
ritenmergel erst nördlich und wenige Schritte weiter südlich wieder
südlich fallende Schichten; am Joch, nordöstlich von Tribit, fallen
sie nach NO., zwischen Polizza und Gnidavizza nach N. Hier sah ich
eine drei Klafter mächtige Kalkpartie sich im Sandstein auskeilen.
Am Torrente Indri, wo der Durchschnitt ihn trifft, fallen die Schich
ten regelmässig NNO. Bei Padraunem zeigte sich eine Schichte der
oben beschriebenen Kalkbreccic dem Sandsteine eingelagert. Zwi
schen Podbregh und Pecinon wechselt das Fallen der Schichten
mehrfach, und bei letzterem Orte tritt wieder die Breccie auf, in der
Herr Stur llippuriten auffand.
Im Isonzothal bei Canale finden sich an den Gehängen wieder
mächtige Diluvial-Tcrrassen, doch sind im Flussbette selbst, südlich
von Canale, so wie am Abbange nördlich von diesem Orte gegen
Pecenon zu, die unterliegenden Schichten sehr schön blossgelegt. Ein
bis zwei Klafter mächtige Bänke des oben beschriebenen Kalksteines
wechseln fortwährend mit eben so mächtigen Sandsteinpartien, die
durch Zwischenlagen von Fucoiden führendem Mergelschiefer in
schmälere Bänke getrennt sind. An der Strasse halten diese Gesteine,
und zwar bald südlich, bald nördlich fallend, an bis Globna, westlich
von Descla, wo sie dem Zuge von Hippuritenkalk Platz machen, der
von Globna bis Salcano die Berge zu beiden Seiten des Isonzo bildet.
Die Linie unseres Durchschnittes trifft diesen Kalkstein südlich
von Descla, und die Grenze zwischen Sandstein und Kalkstein zieht
Sitzl). d. inathem.-naturw. CI. XXV. ßd. 1. Heft. 22
338
F. v. Haue r.
sich von hier weiter nach Südosten, parallel dem Gebirgsrücken des
Monte Santo nach Gargaro. Die Sandsteine des Thalkessels von
Gargaro stehen demnach in unmittelbarer Verbindung mit jenen des
Isonzothales bei Canale. Schon Herr F. Kaiser hat genaue Unter
suchungen über die Lagerungsverhältnisse des Sandsteines in dem
Kessel von Gargaro veröffentlicht ■), aus denen hervorgeht, dass
dieser Sandstein dem Kalksteine des Orlichberges und des Monte
Santo wirklich aufliegt; eine Beobachtung, die ich vollständig bestä
tigen kann. Bei den Mühlen in der Ecke des Thaies, nordwestlich
von Gargaro besteht der Grund des Thaies, in dem der Bach tliesst,
aus Kalk; am Abhange links gegen Previn hinauf folgt über demsel
ben nahe horizontal geschichtet der Sandstein, der mit Schiefer-
zwischenlagen wechselt, und auch zahlreiche Bänke einer Kalkbreccie
enthält, die aus nur wenig abgerundeten, meist wie ausgewitterten
Kalkbrocken besteht.
Weiter südöstlich bei Gargaro fand ich in einzelnen Mauern
dieser Breccie wieder zahlreiche Hippuriten.
Der Kalkstein des Monte Orlich und Monte Santo ist vorwaltend
hell gefärbt; doch finden sich auch dunklere Varietäten, er ist bei
nahe überall sehr deutlich geschichtet. Die Schichten streichen
parallel dem Bergzuge von NW. nach SO., und fallen am nordöst
lichen Abhänge gegen Gargaro zu nordöstlich, am südwestlichen
Abhang gegen den lsonzo zu aber ebenfalls rechtsinnig südwest
lich; sie bilden demnach einen Dom, wie man dies auch bei dem
Übergange von Salcano nach Doliach sehr wohl beobachten kann,
indem sie auf der Höhe des Passes ganz horizontal liegen.
Vom lsonzo bis Dugoniva wendet sich unser Durchschnitt nach
West 15° Süd zur Capelle St. Primus und über Bnertia und Quisca
nach Traunich hei St. Martin. Bis ganz nahe zur Höhe des Rückens
auf dem die Capelle St. Primus steht, halten die vorher geschilderten
Kalksteine stets regelmässig nach Südwest fallend an. Südöstlich von
St. Primus, am Monte Sabotino fand ich darin wieder zahlreiche
Durchschnitte von Hippuriten.
St. Primus selbst steht aber schon auf einem Gebilde anderer
Art, nämlich auf einer nur wenige Klafter mächtigen Masse eines
M H n i <1 i n g- e r's Berichte über die Mittheilungen von Freunden der Naturwissen
schaften, VI. S. 17.
Eiu geologischer Durchschnitt der Alpen von Pnssau bis Duino. 339
grauen, dem Hippuritenkalke ganz eonform aufgelagerten Kalksteines,
der ganz erfüllt ist mit sehr kleinen Nummuliten. Unmittelbar über
dem Nummulitenkalkstein folgen dann ebenfalls conform gelagert die
Macigno-Mergel und Sandsteine des Collio. Die Auflagerung des
Macigno auf den Nummulitenkalk, und dieses auf den Ilippuritenkalk
ist an dieser Stelle ganz unzweifelhaft.
Die Grenze zwischen Sandstein und Kalkstein, die bei St. Pri
mus am höchsten Rücken selbst gelegen ist, zieht sich von da etwas
herunter gegen das Thal, streicht nahe an Podsabottina vorüber, über
setzt bei St. Mauro und Salcaro den isonzo, und zieht dann amSüd-
fusse des Tarnovaner Waldgebirges, des Kreuzberges und des Birn-
baumer Waldes, welch letzterem der bekannte Nanos angehört, ziem
lich parallel der Strasse, welche von Gürz nach Prewald führt, fort.
Schon bei Podsabottina (Fig. 2) sind die Grenzverhaltnisse
zwischen dem Kalkstein und den Sandsteinen abweichend von denen
bei St. Primus. Steigt man in der kleinen Schlucht, welche vom
Pabotino in das genannte Dorf hinab führt, herab, so findet man auf
die regelmässig südwestlich fallenden Schichten von Hippuritenkalk,
zunächst wahre Scaglia, dünn geschichteten, ziegelroth gefärbten
Kalk, theilweise mit dem grauen Kalk alternirend, oder Brocken von
ihm breccienartig einschliessend, liegen. Er enthält Bruchstücke von
Inoceramen, gehört also jedenfalls noch zur Kreideformation. Seine
Schichten fallen anfangs denen des Hippuritenkalkes conform süd
westlich, sie werden dann steiler und steiler, senkrecht und fallen
dann steil nordöstlich, bilden also ganz im Kleinen einen wirklichen
Fächer. Weiter abwärts folgt dann der Sandstein, dem wieder noch
ober Podsabottina eine schmale Schichte von Nummulitenkalk ein-
gelagert ist. Derselbe fällt ebenfalls steil nordöstlich, also scheinbar
unter die rothen und grauen Kalksteine, ln gleicher Weise findet
man bei St. Mauro am rechten Ufer des Isonzo die Sandsteine nord
wärts scheinbar unter dem Kalke fallen, und dieselbe Beobachtung
macht man allenthalben an den Gehängen, nördlich von der Strasse
zwischen Görz und Prewald, deren unterer Theil überall die nord
wärts fallenden Macigno häufig mit Einlagerungen von Nummuliten-
gesteinen (wie im Orte Schönparr, und auf den Gehängen nördlich
davon, südwestlich von St. Veit, an der Strasse, die von St. Veit zum
Nanos hinaufführt), deren höherer aber die ihnen scheinbar auf-
gelagerten Ilippuritenkalkmassen zeigt.
22*
340
F. v. Hauer.
Diese Erscheinungen haben bewährte Forscher irre geführt
und z. B. mit veranlasst, dass Herr von Rosthorn in einer an
interessanten Beobachtungen ungemein reichen Abhandlung *). die
mit Nummulitengesteinen wechsellagernden Sandsteine des Görzer
Gebietes und Wipbachthales als älter ansah, wie die Hippuritenkalke
des Nanos. Wollte man es aber wirklich noch nicht für erwiesen
halten, dass alle Nummuliten der Eocenformation angehören, so
bietet doch gerade in diesem Falle das gleich näher zu beschreibende
Vorkommen zahlreicher anderer Eocen - Petrefacten zu Russitz und
Cormons einen untrüglichen Anhaltspunkt zur Bestimmung des Alters
der von Rosthorn als Görzer Sandstein beschriebenen Gebilde,
und erlaubt jedenfalls die auf unserer Durchschnittslinie dargestellte,
ebenfalls direct beobachtete Schichtenstellung bei St. Primus als die
normale zu betrachten.
Übrigens hat die ganze Erscheinung, wenn man sie mit dem,
was andere Tlieile der Alpenkette zeigen, vergleicht, nichts Befrem
dendes. Schon vor sehr langer Zeit bemerkte Partsch -), gestützt
auf seine Beobachtungen in Dalmatien und den Alpen, dass man bei
Bestimmung des relativen Alters der Formationen nach der Neigung
der Schichten sehr vorsichtig sein müsse, und das scheinbare Ein
fallen jüngerer sandiger oder mergeliger Gesteine unter ältere Kalk
steinmassen gehört in der That zu den, man möchte sagen, regel
mässigen Erscheinungen des Alpengebirges. Ich erinnere hier nur
an den Südrand der Molasse-Gebirge in der Schweiz, an den Süll
rand der ganzen Wiener Sandsteinzone, in den nördlichen Salzbur
ger und österreichischen Alpen, an die Lagerungsverhältnisse der
Gosaumergel in den meisten der kleinen Becken, in denen sie abgela
gert sind, namentlich am Fusse der Wand bei Wicner-Neustadtu. s. w.
Über die Sandsteine und Nummulitengebilde des Coglio bei
Görz liegen sehr werthvolle Abhandlungen vor von Herrn Professor
B.Kopezky »), von Tomaschek 4 ), von J. Schiwitz ö ) u. s. w.
*) v. Leonhard und B r o n n’s Jahrb. für Mineralogie u. s. w. 1848, S. 434 u. s* "•
2 ) Bericht über das Detonationsphänomen auf der Insel Meleda 1826, S. 49 (Note).
3 ) „Der Coglio bei Görz.“ Jahresbericht des k. k. Ober- und Unter-Gymnasiums in
Görz für 1860.
4 ) „Bemerkungen über die geologischen Verhältnisse der Umgegend von Görz.
Programm des k. k. akademischen Gymnasiums in Görz für das Schuljahr 1864.
5 ) Beiträge zur geognöstischen Kenntniss des Coglio hei Görz. Programm des k. k.
Gymnasium in Triest. V. Jahrgang 1864.
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passau his Duino.
341
Unser Durchschnitt durchzieht dieselben von St. Primus bis
Traunich hei St. Martin, in der Richtung West 13° Süd nach Medana
und von hier nach Süd 4K ft West zum Versabach, südwestlich von
Unter-Russitz.
Das südwestliche Fallen der Macigno-Schichten hält an bis zu
der Höhe, auf der Quisca steht; das herrschende Gestein auf dieser
Strecke ist bräunlicher feinkörniger Sandslein mit hellgrauem un
regelmässig schieferigen Mergel wechsellagernd; letzterer enthält,
wenn gleich sehr selten, Fucoiden. Nordöstlich von Quisca fand ich
eine Schichte eines groben Nummuliten-Conglömerates dem Macigno
regelmässig eingelagert.
Westlich von Quisca schlägt das Fallen um; man gewahrt auf
dem Wege über St. Martin, Dobra his Medana, der fortwährend auf
dem Bergkamm hinzieht, vorwaltend ein Fallen der Schichten nach
Nord, mit Abweichungen bald nach Ost, bald nach West, meist unter
flachen Winkeln. Doch sieht man auch Schichtenkrümmungen und
locales Fallen nach anderen Weltgegenden. Es herrschen bald san
dige, bald mehr mergelige Gesteine vor, an mehreren Stellen, so hei
St. Martin, hei Medana u. s. w. zeigen sich blaugraue feinkörnige
Sandsteine mit Kohlenspuren, die ganz den echten Wiener Sand
steinen gleichen.
Südwestlich von Medana herrschen auf einer Strecke die Mergel
weitaus vor; unser Durchschnitt führt über die Ebene hei Casteletto,
und dann über die Hügel hei Ober- und Unter-Russitz, die aber
westlich von der Durchschnittslinie über St. Subida und den Berg
Quarin mit den übrigen Hügeln des Coglio in directer Verbindung
stehen.
Die Hügel bei Russitz bestehen grösstentheils aus dünnen
Schichten von feinschieferigem Mergel, die unter etwa 30 bis 40°
nach NW. einfallen. Sandstein kömmt darin sehr untergeordnet
vor. Auf der Höhe der zweiten Hügelreihe nördlich von Unter-Russitz
liegen durch Mergelschieferbänke getrennt mehrere 2 bis 3 Zoll
mächtige Schichten von Nummulitenkalk, die nebst zahllosen Num-
muliten auch manche andere Versteinerungen enthalten. Als eine
directe Fortsetzung dieser Schichten sind unzweifelhaft die Eocen-
gebilde von Cormons zu betrachten, aus denen ich in dem Museum
zu Görz sehr wohl erhaltene Exemplare, das Cerithium cornu-copiae
sah. Nordwestlich von Unter-Russitz gegen St. Subida lindet man
342
F. v. fl a 11 e r.
zahlreiche grobe Hornsteingerölle; sie stammen aus conglomerat-
artigen Schichten, die dem Macigno oder Tasello eingelagert sind.
In dem tiefen Einschnitt der Strasse bei St. Subida (Fig. 1) zeigt
sieb dies sehr deutlich. Die Schichten fallen hier nach NO., und man
sieht von unten nach oben:
1. graue Mergel feinschiefrig, aber fast ohne weitere Theilung
in Schichten;
2. brauner Sandstein nach oben in Conglomorat übergebend in
Bänken % Fuss Mächtigkeit;
3. Mergel, wie Nr. 1;
4. Sandstein, wie Nr. 2, darin in der Mitte eine Conglomerat-
schichte.
Aus den mitgetheilten Beobachtungen geht es unzweifelhaft
hervor, dass die gesammten Sand- und Mergelgebilde des Coglio so
wie die sich ihnen südöstlich anschliessenden bei Görz und im YVip-
bachthale der Eocenformation angehören. Einzelne Varietäten der
Gesteine gleichen wohl oft den Neocom - Sandsteinen des Wiener
Waldgebirges in Österreich, im Allgemeinen sind sie aber von diesen
gar sehr verschieden. Meist sind es braungefärbte, schiefrig sandige
Massen, nur selten dickere Bänke eigentlichen Sandsteines, dazu sehr
selten Fucoiden, niemals die bezeichnenden hydraulischen oder Apty-
chenkalke, keine glimmerreichen Sandsteine, an den Schichtflächen
häutig wulstige Erhabenheiten (Hohenegger’s Hieroglyphen), aber
abweichend von den Chelonierfährten ähnlichen Gebilden; dagegen
allenthalben mächtige Bänke von Nummulitenkalk und Sandstein regel
mässig eingelagert.
Vom Versabach bei Unter-Bussitz bis zur Wipbach bei Ruppa
zieht unser Durchschnitt über die ganz Hache Görzer Ebene nach der
Richtung S. 45° 0.
Diese Ebene ist von Schotter bedeckt, unter welchem man aber
westlich von Görz z. ß. bei der Brücke die Tassello-Sehichten änstehen
sieht; der Schotter hat hier eine Mächtigkeit von nur 2—3 Klaftern.
Von Ruppa zieht der Durchschnitt in süd-südöstlicher Richtung
über Lorjuiza und Hudilock nach Sella, von hier in süd-südwesllicber
Richtung bis Duino. Das Kalkplateau, über welches er auf dieser
Strecke hinübersetzt, trägt alle Charaktere der Karstgebirge.
Das erste anstehende Gestein, auf welches man südlich von
Merea und Ruppa auf der linken Seite des Wipbachbaches stösst, ist
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Passnu bis Duino.
343
fester, dichter heilklingeader, bald lichter, bald dunkler graugefärbter
Kalkstein mit zahlreichen sehr kleinen Nummuliten. Dieses Gestein
gleicht vollkommen jenem, welches hei St. Primus am Isonzo unmit
telbar dem Hippuritenkalke aufgelagert ist, es streicht von NW. nach
SO. und steht beinahe senkrecht; südlich von Ruppa selbst ist doch
das Fallen nach NW. zu erkennen.
Gegen Loquiza zu halten diese Schichten, in denen die Nummu
liten bald mehr, bald weniger deutlich zu sehen sind, eine kurze
Strecke an, dann stüsst man auf petrographisch, kaum gut zu unter
scheidende Kalksteine, die aber durch zahlreiche Durchschnitte von
Hippuriten, die sie enthalten, schon als zur Kreideformation gehörig
bezeichnet werden.
Hinter Loquiza trifft unser Durchschnitt eine etwa 50 Fuss tiefe
ausgedehnte Dolline. Stellenweise findet man auf dem Plateau Blöcke
von krystallinisch-stängligem Kalkspath, offenbar eine Bildung, die in
Spalten oder Höhlen abgesetzt wurde. Bald hinter Loquiza stösst
man auf sehr dunkle bituminös riechende Kalksteine, die ebenfalls
Hippuriten enthalten.
Ungefähr am halben Wege zwischen Loquiza und Iludilock sieht
man die Schichten sehr deutlich unter etwa 30° nach Nord etwas in
Ost fallen. Ein Kalkstein von sehr abweichender petrographischer
Beschaffenheit kömmt hier vor; er ist feinkörnig krystallinisch, in ver
witterten Stücken sandig mit Schwefelwasserstoffgeruch; er enthalt
keine Petrefacten, doch folgen bald wieder die dichten Kalksteine
mit Hippuriten.
Bei Iludilock befinden sich zahlreiche Dollinen, in einer der
selben zeigt sich auf Klüften die bekannte Terra rossa. Die Kalk
steine sind bald heller, bald dunkler gefärbt; letztere oft sehr ähn
lich den durch ihre fossilen Fische so bekannt gewordenen Kalk
steinen von Comen, welcher Ort kaum 1 '/ 3 Meilen östlich von unserer
Rurchsclmittslinie liegt. Fortwährend findet man Hippuriten bis Sella,
welches am Rande eines verhältnissmässig tiefen aber wasserleeren
Spaltenthales liegt, in dessen Grunde sich das Dorf Bnertorizza
befindet. Dieses Thal zieht östlich fort bis Clanz, ist aber, wie man'
in der Zeichnung der Generalstabskarte sieht, weiter nach OSO. zu
verfolgen, bis in die Gegend von Duttoule und Creple.
Bei Bnertorizza bedingt dieses Thal eine Änderung der Schichten
stellung an der Nordseite desselben und an dem steilen Abhang, der
344
F. v. M a u e r.
von Sella nach Bnestavizza fallen die Schichten nach Nord und NO.
an der Südseite dagegen his zum Meere flach nach Süd und Süd
west; der Kalkstein ist hier meist sehr dunkel, öfter schiefrig; Uip-
puriten fanden sich bei Medeauza, dann aber auch sehr häufig an dem
letzten Abhange gegen St. Giovanni am Meere nordwestlich bei
Duino. Das letzte Gestein, welches man im Hafen von Duino anstehen
sieht, ist ein sehr hellgrauer, beinahe erdiger Sandstein, an dessen
Bruchflächen man sehr zahlreiche, kleine glänzende Kalkspaththei-
lungsflächen erkennt. Sie rühren wohl von organischen Resten her.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass nur der nördliche Rand
jener Partie des Karstes, der in der Gegend unseres Durchschnittes
zwischen der Wipbach und dem Meere liegt, der Eocenformation
angehört, die ganze übrige Masse aber der Kreideformation auge-
höriger Hippuritenkalk ist.
Folgerungen.
Nur aus einer Vergleichung des Auftretens der verschiedenen
Formationen entlang der ganzen Alpcnkette wird sich die Geschichte
der allmählichen Bildung dieser gewaltigen Gebirgsmasse mit einiger
Zuversicht in allgemeinen Zügen skizziren lassen. Ein einzelner
Durchschnitt, wie der hier vorliegende, reicht dazu natürlich nicht
aus; eine wichtige Thatsache jedoch geht aus seiner näheren Be
trachtung hervor. Sie besteht darin, dass nur die einer gewissen
mittleren Zeitperiode ungehörigen Sedimentgebilde, und zwar die der
Trias und Liasepoche, in der nördlichen und südlichen Nebenzone
vollständiger mit einander harmoniren; dass dagegen bezüglich der
älteren Formationen zu beiden Seiten der Centralkette wesentliche
Unterschiede bestehen, welche durch die Zeit ihrer Ablagerung seihst,
bedingt sind, und von gewaltigen Revolutionen der Erdoberfläche, in
der Gegend der heutigen Alpen schon in der paläozoischen Zeit,
Zeugniss geben, dass endlich auch die jüngeren Formationen der
Nord- und Südseite nicht mit einander harmoniren, und theilweise
ganz verschiedene Bedingungen während der Zeit ihrer Ablagerung
voraussetzen, theilweise aber auch die Epochen der letzten Erhebung
in den Nord- und Südalpen als sehr verschieden erscheinen lassen.
So ist das älteste Versteinerungen führende Gebilde auf der
Linie unseres Durchschnittes, die sibirische Formation, nur in den
Nordalpen zu finden; gewisse Schiefer der Centralalpen wurden
Ein geologischer Durchschnitt der Alpen von Fassau bis Duino. 34«)
vielleicht zu gleicher Zeit abgelagert und später verändert; in den
Südalpen dagegen waren zu jener Zeit die Bedingungen zu einer
Meeresablagerung nicht gegeben.
Zur Zeit der Bildung der devonischen Formation fanden auf der
Linie unseres Durchschnittes, weder auf der Nord- noch auf der Süd
seite Ablagerungen Statt. Docli erscheinen, wie längst bekannt, devo
nische Gesteine in grosser Verbreitung am östlichen Ende der Alpen
bei Gratz.
Die Steinkohlenformation erscheint nur in den Siidalpen; wäh
rend ihrer Bildung erfolgte also in der Gegend der jetzigen Nord
alpen keine Ablagerung. Die in den Gesteinen dieser Formation vor
bildlichen Pflanzenabdrücke setzen ein nahe gelegenes Festland
voraus.
Gesteine dem Rothliegenden oder Zechstein angehörig konnten
bisher weder in den Nord- noch in den Südalpen nachgewiesen
werden.
Es kann demnach für den ganzen Zeitraum der Ablagerung der
paläozoischen Formationen eine gleichmässige Meeresbedeckung
unserer jetzigen Alpenländer nicht angenommen werden; und es
waren nur während der Silurzeit die jetzigen Nordalpen und ein Theil
der Centralalpen, während der devonischen Zeit die östlichen Cen-
tralalpen hei Gratz, während der Steinkohlenzeit die jetzigen Süd
alpen Meeresboden.
Der Umstand, dass die ältesten Glieder der Triasformation
gewöhnlich in concordanter Schichtenlage sowohl im Norden auf den
Gesteinen der Grauwackenformation als im Süden auf jenen der
Steinkohlenformation aufliegen, beweist aber, dass die Niveauverän
derungen jener Zeit nicht sowohl durch mit Schichtenstörungen ver
bundene Gebirgserhebungen und Senkungen hervorgebracht wurden,
sondern vielmehr Continental waren, und die horizontale Lage der
Schichten nur wenig oder nicht änderten.
Die Gesteine der Trias- und Liasepoche sind in den Nord- und
Südalpen beinahe ganz gleichartig entwickelt; ihre einzelnen Glieder
folgen ohne Störung regelmässig auf einander. Die gewaltige Mäch
tigkeit der Schichten des Hallstätter und Dachsteinkalkes an dem
Absturze gegen das Ennsthal macht ein rasches Auskeilen dieser
Schichten gegen Süd eben so unwahrscheinlich, als die nicht weniger
mächtige Entwicklung der gleichnamigen Gebilde in der Gegend von
346
F. v. Hauer.
Tarvis, ein solches gegen Nord. Als natürlicher muss die Annahme
betrachtet werden, dass diese Gebilde vor der Emportreibung der
Centralalpen in unmittelbarem Zusammenhang standen, und durch
das Hervortreten derselben erst von einander getrennt wurden >);
die Radstätter Tauerngebilde im Norden und die Triasgesteine zwi
schen demDrauthal und Gailthal im Süd —die ersteren metamorphosirt
durch dieselben Kräfte, welche den Centralgneiss bildeten und die
Gesteine der Schieferhülle ihre jetzige Gestalt annehmen Hessen,
die letzteren unverändert — wären dann Überreste der Gesteins
decke, die sich ehemals gleichmässig über die jetzt von den krystal-
linischen Gesteinen der Centralkette eingenommene Gegend aus
breitete. Sie wurden in einem zusammenhängenden Meere abge
lagert. Der Hauptmasse nach bestehen sie aus mehr oder weniger
reinen Kalksteinen, und deuten demnach auf Bildung in hoher See,
womit auch die relative Seltenheit organischer Reste, und wo solche
vorhanden sind, ihr vorwaltend pelagischer Charakter übereinstimmt.
Nur eingeleitet wird die Bildung überall gleichmässig durch ein Sand
stein- oder selbst Conglomeratgebilde, die Werfener Schiefer, deren
Absatz erfolgen mochte zur Zeit als sich das frühere Festland allmäh
lich unter den Meeresspiegel senkte. Weiter hinauf finden sich aut
der Durchschnittslinie sandige oder mergelige Gebilde in den Süd
alpen nur gegen das Ende der Triasperiode (die Raibler oder Cas-
sianer Schichten), in den Nordalpen dagegen local während der ersten
Abtheilung der Liasperiode (die Küssener Schichten).
Alle jüngeren Formationen, vom Jura angefangen, überlagern
ungleichförmig und nur local die oben genannten älteren Gebilde,
oder treten relativ niedere Gebirge bildend in zusammenhängenden
Massen erst am Nord- und Südrand der aus den älteren Gesteinen
bestehenden Hochalpen auf. Nach dem Ende der Liasperiode also
musste die erste Haupthebung des gesammten Alpengebirges erfolgt
sein, welche einen grossen Theil des ganzen Gebietes über den
Meeresspiegel heraufbrachte, so dass spätere Ablagerungen nur mehr
in einzelnen Buchten und Becken, oder aber an den Rändern erfolgen
konnten.
Gesteine der Juraformation sind auf der Linie des Durchschnittes
in den Nordalpen und Südalpen nachgewiesen, sie überlagern meistens
A ) Vergleiche Sues’: Die Brachiopoden der Küssener Schichten, S. 7.
Rin geologischer Durchschnitt «1er Alpen von Passau bis Duino. 347
ungleichförmig die älteren Gebilde, nur die Partie am nördlichsten
Rand der Kalkalpen scheint gleichförmig dem oberen Lias aufgelagert.
Übrigens sind alle unabhängig von den jetzigen Thälern.
Neocom-Schichten erscheinen auf der Linie unseres Durch
schnittes nur in den Nordalpen, und zwar sowohl als Randgebilde
(die Wiener Sandsteinzone), als auch im Innern im Thalkessel von
Ischl. Sie, so wie die jüngeren Kreidcgebilde, die Gosauschichten,
schliessen sich schon entschieden den grossen Längsthälern und
Tiefenlinien der Alpen an, welche Aufbrüche der ganzen Kalkmassen
bis zum bunten Sandstein darstellen. Die Bildung dieser Aufbruchs-
thäler muss also schon gegen das Ende der Jurazeit erfolgt sein.
Jüngere Kreideschichten sind in dem Randgebirge der Nord
alpen noch nicht sicher nachgewiesen, doch ist es sehr möglich, wie
schon früher erwähnt wurde, dass sie durch einen Theil der Wiener
Sandsteine ebenfalls noch vertreten werden. Diese Annahme gewinnt
an Wahrscheinlichkeit, wenn man bedenkt, dass die eocenen Num-
mulitenschiehten in gleicher Schichtenlage sich den Wiener Sand
steinen unmittelbar anreihen; auffallend aber bleibt es immerhin,
dass nur die in einzelnen Buchten im Innern der Kalkalpen abge
lagerten oberen Kreidegebilde (die Gosaugebilde) einen so über
raschenden Reichthum an organischen Resten darbieten, während die
Wiener Sandsteine kaum Spuren von solchen aufzuweisen haben.
Die letzten grossen Gebirgshebungen in den Nordalpen fanden
in der Gegend, wo unser Durchschnitt sie trifft, zu Ende der Eocen-
zeil Statt, wie die gemischte Lage der dieser Formation ungehörigen
Schichten beweist. In ungestörter horizontaler Richtung stossen an
ihnen die jüngeren Neogenschichten des Öberösterreichischen Ter
tiärbeckens an, die wieder nur durch eine eontinentale Hebung ihre
jetzige Höhe von durchschnittlich mehr als 1000 Fuss über dem
Meeresspiegel erreichen konnten.
In den Südalpen finden wir dagegen auf der Linie des Durch
schnittes die ganze Masse der südlich von den Kalkhochalpen gele
genen niederen Berge und Hügel aus Gesteinen der jüngeren Kreide
und der Eocenzeit gebildet. Kalksteine mit zahlreichen Versteinerun
gen nehmen an der Zusammensetzung der ersteren einen beinahe
vorwaltenden Antheil, während die letzteren beinahe nur aus Mer
geln, Conglomeraten und Sandsteinen bestehen. Die Schichten dieser
Formationen sind alle geneigt. Jüngere Tertiärschichten finden sich
348
F. v. Haue r.
auf der Linie des Durchschnittes nicht vor, doch treten sie in dem
benachbarten venetianischen Gebiete auf, und zwar analog der
Molasse der Schweiz mit geneigten Schichten, geben also Zeugniss
von einer Gebirgshebung, die erst in die Diluvialzeit verlegt werden
kann.
Eines eigenthümlichen Verhältnisses möchte ich schliesslich
noch gedenken, ohne übrigens demselben jetzt schon eine zu weit-
tragende Bedeutung vindiciren zu wollen. Es ist der Umstand, dass
Gebilde der Nordalpen, die in ihrem allgemeinen physicalischen Auf
treten, ja selbst in den petrographischen Verhältnissen eine gewisse
Analogie zeigen mit Gebilden der Südalpen, so häufig um eine Stufe
älter sind als sie.
So entsprechen in der ganzen Art des Auftretens den sibirischen
Schichten der Nordalpen die der Steinkohlenformation angehörigen
Gailthaler Schichten der Südalpen. Den Adnether Schichten der
Nordalpen, welche nebst den Ammoniten der höheren Liasetagen
auch zahlreiche Arieten und andere Formen des tiefsten Lias führen,
sind petrographisch und nach der ganzen Stellung analog den
Schichten von Erba, Iuduno u. s. w., die nur Fossilien der oberen
Liasetagen, und vielleicht schon einige jurassische Formen führen.
Die Randgebirge im Norden bestehen hauptsächlich aus Neocom-
Schichten, obere Kreide ist darin zweifelhaft, und Eoeensehichten
sehr untergeordnet. Die Handgebilde der Südalpen dagegen beste
hen vorwaltend aus jüngeren Kreide- und Eoeensehichten, denen
man auch noch die gehobenen Subapeninnenmergel beizählen muss.
Wollte man die Analogien noch weiter führen, so konnte man end
lich die im oberösterreichischen Tertiärbecken horizontal abge
lagerten Neogengebilde in eine gewisse Parallele stellen mit den
Schichten der venetianischen Ebene, deren Bildung im nahe gele
genen adriatischen Meere noch heute fortgeht.
Zllf yru*>vy*MV0
’^r'mnu /T^BSE^aifcw#>i
Dachstein kalk
Li.cls
Dachstein Dolomit
Lias
KacrmcrScfuc/itc/i
Lias
Adnether Schichten
Lias
Fyr-ö.
Jialfz.
CriiUensteiner -
Sch.
Ifärfener Schiefer
o _Branrfr/cj/rS
tjrraumaskjt
^
Iferfener Schiefer
JCalfc-
Ghlttensteiner Sch.
(rraufVCt'Ckc
Sud
E n ns - Th dl
•Jura
s itKungsli d.kAkaddW.ra.alknaturw.C1XXVB d 1 Heft 1851
Wiener.S'andsttin
Kreide
HippuritenkaJtz-
Kreide
Gosa.iL Seit ichten
Kreide
ft§
Fig. 7.
Sthicfbrfiertfippu
ritenkathes
Kreide
Tai. HL
«^pSSESS
Scaglca/
Kreide
Eocen -Jfe rgt Zs
Hierlatz. 0551
Ans cLkkHof u. Staats drucketet
Afrtychen Sc/uefer
Kreide
Roes fMer.Sch ichten
Kreide
J/l'c/ iatz, ichictden
Lias
Taf. IV.
Fi<,J
Fi//. /O.
•I
N $
SirZiUii^sl) d.lc.Akad d Wmath /nalunv.ClXXVBd.lHt*ft 1857.
1 •
%
S tur. Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 349
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
Als Beitrag zur Kenutniss der Flora von Österreich, der Geographie und Geschichte
der Pflanzenwelt.
Von D. Stur.
Seitdem meine Arbeit über den Einfluss des Bodens auf die Ver
theilung der Pflanzen in den Sitzungsberichten der k. Akademie der
Wissenschaften abgedruckt wurde 1 )» ist ein grosses Werk über
Pflanzengeographie von M. Alph. De Candolle erschienen 3 ). Der
gefeierte Name des Verfassers spricht für den reichhaltigen und aus
erwählten Inhalt desselben. Die einfache Darstellung der allgemeinen
Gesetze sowohl als auch die detaillirteste Auseinandersetzung der
meisten wichtigsten Tlieile der Pflanzengeographie machen es
unzweifelhaft, dass dieses grossartig angelegte Werk den neueren
Forschungen auf dem Felde der Pflanzengeographie eine gewisse
Richtung zu gehen vermögen wird.
Um so mehr ist es zu bedauern, dass in diesem für die Ent
wickelung der Wissenschaft so hochwichtigen Werke eine Kategorie
von pflanzengeographischen Untersuchungen, die von vielen aus
gezeichneten Männern der Wissenschaft schon lange her gepflogen
wurden, mit einer gewissen, deutlich fühlbaren Stiefmütterlichkeit
behandelt wurde. Ich meine hier die Untersuchungen über den Ein
fluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
Durch eine Anhäufung theils wirklicher, tlieils zweifelhafter
Daten über die Nichtbodenstetigkeit der Pflanzen, ferner durch die
Vergleichung von weit von einander entfernten Vorkommnissen von
einzelnen Pflanzen auf verschiedenem Boden, sucht DeCandolle
die Frage als erledigt darzustellen, dass nämlich der Einfluss des
Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen als Null zu betrachten sei.
D ßd. xx, S. 71.
2 ) Geographie botanique raisonnee, 2 vol. in 8 0, Paris et Geneve 1855.
350
S t u r.
Hiemit ist die Möglichkeit sogar, neue Kräfte für Untersuchun
gen in dieser Richtung zu gewinnen, benommen; denn wer sollte es
wagen, auf diesem so unfruchtbar dargestellten Felde seine Kräfte
unnütz zu zersplittern.
Wenn ich diesen Gegenstand in Folgendem näher berühre, so
soll es genügen, Zweifel in der scheinbar abgemachten Sache zu
erheben und die gewiss wichtige Frage über den Einfluss des Bodens
auf die Vertheilung der Pflanzen offen zu erhalten. Dies glaube ich
um so mehr thun zu müssen, als trotz der ausgezeichneten, in ihrer
Vollkommenheit einzig dastehenden Arbeit Sendtner’s: „Über die
Vegetations-Verhältnisse Südbaierris“, auch bei der letzten Versamm
lung der deutschen Naturforscher und Ärzte in Wien (Tageblatt
Nr. 7, Separat-Sitzung für Pflanzengeographie am 20. September
1856) die Meinungen sich dahin zu neigen schienen, dass den physi-
calischen Eigenschaften des Bodens der grösste Einfluss auf die Ver
theilung der Pflanzen zugeschrieben werden müsse.
Der allererste Grund zu Missverständnissen wurde dadurch
gelegt, dass man in der Betrachtungs- und Benennungsweise des
Bodens einen falschen Weg eingeschlagen hatte. Mit einer ganz
regellosen Willktirlichkeit betrachtete der eine der Schriftsteller allen
Boden der südlichen und nördlichen Kalkalpen als Kalk-, und den der
Centralkette als Urgebirge, ein anderer hatte in der Centralkette
Kalk- und Urgebirge, wie er in den Kalkketten Kalk- und Urgebirge
annahm.
Und daher kam es, dass Braya alpina Hoppe Strn hg. im Ver
zeichnisse der bodensteten Pflanzen des Dr. Poech (Regensb.
Flora 1842, S. 364) unter den Gneisspflanzen eingereiht erscheint,
während sie von Dr. Ehrhardt (Regensb. Flora 1849, S. 312)
als eine Kalkpflanze betrachtet wird, und in Mohl’s Verzeichnisse
(Über den Einfluss des Bodens) als Urgebirgspflanze figurirt. Und
doch kommt die Braya alpina nur auf einem einzigen Gesteine, auf
dem Kalkglimmerschiefer der Gamsgrube und deren Umgebung vor,
dessen Detritus man weder einen Kalkboden noch einen Gneissboden
nennen kann, und der, wenn man nach der alten Bezeichnungsweise
des Bodens consequent sein wollte, als ein Kalkgneissboden benannt
werden müsste. Es wäre ein Leichtes, diese Nachweisung von
fehlerhaften und sich ganz widersprechenden Angaben des Bodens
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 3S1
vieler Pflanzen zu vervielfältigen; dieser eine gewiss schlagende
Fall möge genügen.
Ein zweiter Grund, warum der Einfluss des Bodens auf die Ver-
theilung der Pflanzen missverstanden werden musste, war der, dass
man immer unter dem Namen Urgebirgs- oder Gneiss-Boden alle
Gesteine der Centralkette: Gneiss, Glimmerschiefer, Hornblende-
schiefer, Chloritschiefer, Serpentin, Kalkglimmerschiefer, körniger
Kalk, Dolomit u. s. w. zusainmenfasste. Daraus folgte, dass viele von
den echten Kalkpflanzen, die sowohl in der Centralkette als auch in
den Kalkalpen nur auf Kalk oder auf Kalkglimmerschiefer Vorkommen,
also hodenstet sind, als bodenvag erscheinen mussten.
Die oft vom Zufalle gebotene Gelegenheit, die der eine oder
andere der Naturforscher hatte, Gebirge, die ausschliesslich aus Kalk
oder Kiesel- und Thonerde bestehen, oder solche, in denen diese
Erden in gleichmässiger Mischung Vorkommen, in pflanzengeographi
scher Hinsicht untersuchen zu können, übte in vielen Fällen einen
hinderlichen Einfluss auf die schnelle Entwickelung dieses Theiles
der Naturerkenntniss. Die einen sahen, dass es die chemischen Eigen
schaften des Kalkes oder des Gneisses sind, die hauptsächlich auf die
Vertheilung der Pflanzen einwirken, die andern, die den Boden
überall chemisch gleichmässig gemischt fanden, konnten diesen Ein
fluss nur den physiealischen Eigenschaften des Bodens zuschreiben.
Daraus folgten sich vollkommen entgegengesetzte Bestrebungen, die
den Fortschritt in der Wissenschaft bald rechts, bald links vom rech
ten Pfade ablenkten. Es darf uns daher nicht wundern, wenn in
zusammenstellenden Werken der Einfluss des Bodens auf die Verthei
lung der Pflanzen ganz ausser Acht gelassen wurde, wenn man nur
in Ausnahmsfällen den chemischen Eigenschaften des Bodens einen
Einfluss zuschrieb, wenn man ferner die physiealischen Eigenschaften
des Bodens, deren Einfluss doch in vielen Fällen nicht geleugnet
werden konnte, durch verschiedene klimatische Zufälligkeiten zu
erklären suchte, oder die Vertheilung der Pflanzen nur vom Klima
abhängig machen wollte.
Es ist auffallend wie man sich bis jetzt, gewöhnlich gleich
voraus, wehren zu müssen glaubte gegen die namhafte Angabe einer
jeden einzelnen Gebirgsart, auf der die Pflanzen lebend gefunden
wurden. (Molil, Über denEinfluss; Ehrhardt, Regensb.Fl. 1849.)
Man glaubte (Molil, 1. c. Seile 16), die Vegetation wechsle nicht
352
S t u r.
in gleichem Grade mit den Gesteinen, insbesondere im Urgebirge.
Man glaubte, bei der Durchwanderung solcher Urgebirgs-Alpen-
Gegenden, wo die Gesteine: Gneiss, Glimmerschiefer, Serpentin u.s. w.
in mannigfachem Wechsel Vorkommen, die Floren dieser Gesteine
sehr übereinstimmend gefunden zu haben. Ich glaube jedoch nach
gewiesen zu haben, dass dem nicht so ist, indem die Flora des Kalk
glimmerschiefers nur theilweise und zwar nur im geringsten Theile
auch auf Gneiss und Glimmerschiefer vorkomme, dass nicht die ganze
Kalkflora auf dem Kalkglimmerschiefer zu treffen sei, und dass ferner
die Vertheilung der Pflanzen mit der Verkeilung der Gesteine im
innigsten Zusammenhänge stehe J ).
Dieses Sträuben gegen die Beobachtung des namhaft angeführ
ten Gesteines und dessen Einfluss auf die Vertheilung der Pflanzen
ist um so auffallender, als weder die chemischen noch die physicali-
sehen Eigenschaften des Bodens isolirt und unmittelbar von der Natur
gegeben sind, sondern immer und in allen Fällen mit einander ver
einigt im Gesteine vorliegen. In dieser Beziehung ist das schon oft
erwähnte, durch seine Flora sehr ausgezeichnete Gestein der Central
kette der Kalkglimmerseliiefer von besonderer Wichtigkeit.
Dasselbe besteht 2 ) aus körnigem Kalk, dem einzelne kleine
Quarzkörner beigemengt sind, und der in sehr dünnen, manchmal
kaum 1 Linie mächtigen Schichten auftritt, zwischen welchen sich
noch dünnere Lagen von Glimmer eingeschaltet befinden. In der
Mächtigkeit des Kalkglimmerschiefers wird bald der Kalk, bald der
Glimmer vorwaltend, nicht selten findet man Ausscheidungen einer
seits von Glimmerschiefer, andererseits von körnigem Kalk in dem
selben. Das Product aus der Verwitterung des Kalkglimmerschiefers
nähert sich in einem Extreme ganz dem Verwitterungs-Producte des
Glimmerschiefers, indem aus demselben eine an Glimmerblättchen
ausserordentlich reiche, in trockenem Zustande staubartige, die
Feuchtigkeit gierig aufsaugende, in feuchtem Zustande lehmige und
die Feuchtigkeit lange behaltende Erde entsteht. Im andern Extreme
treten im Kalkglimmerseliiefer Kalkwände auf, die den Einflüssen der
4 ) Beiträge zur Flora von Salzburg- in österr. bot. Wochenblatte V, Nr. ii, S. 83.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung- der Pflanzen. Sitzungsb. d. mathem.
naturw. CI. d. k. Akad, d. Wissensch. ßd. XX, S. 71.
2 ) Geologische Beschaffenheit der Centralalpen zwischen dem Hochgolling und dem
Venediger von D. Stur, Jahrb. d. k. k. geol. Beicbsanst. V, S. 829.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 353
Atmosphärilien ebenso standhaft widerstehen, wie eine jede Alpen
kalkwand. Und doch findet man trotz der, in Hinsicht auf die physi-
calischen Eigenschaften vollkommenen Gleichheit des Kalkglimmer
schiefer-Bodens der Gamsgrube oder des Iselthales bei Pregratten,
mit dem Glimmerschiefer-Boden z. B. des Hoch-Gollings, daselbst
ganz andere Pflanzen, als man sie je amHoch-Golling sammeln konnte.
Ebenso kommen auch nur einzelne Kalkpflanzen auf dem Kalkglimmer-
sehiefer vor und durchaus nicht alles, was die Kalk-Flora so auszeich
net. Zum Beweise, dass nicht nur die physicalischen Eigenschaften
der Gesteine, sondern auch ihre chemische Zusammensetzung einen
gemeinschaftlichen Einfluss ausüben auf die Vertheilung der Pflanzen.
In Dolomit-Gebirgen, namentlich auf der Kerschbaumer Alpe bei
Lienz, oder auf der benachbarten Schwärzen und von da herab bis
nach Tupfbad im Gailthale, in den Schutthalden und Giesbächen, wo
der in Gerolle und feinen Sand zerriebene Dolomit, in Bezug auf
physicalische Eigenschaften eine dem Gneiss, Glimmerschiefer oder
Quarz-Sande ganz analogen, trockenen, die Feuchtigkeit leicht durch
lassenden Boden bildet, findet man da etwa dieselben Pflanzen, die
man nach den physicalischen Eigenschaften dieses Sandbodens erwar
ten sollte? Nicht eine einzige Pflanze von dem kaum 20—30 Klafter
entfernten Glimmerschiefer ist im Stande, auf diesem durch seine
chemischen Eigenschaften ausgezeichneten Boden sich ausbreiten zu
können, während auf demselben beinahe alle Pflanzen Vorkommen,
die man an Dolomit-Felsen dieser Gegend wachsend findet.
Das alles beweist nur zu deutlich, dass bei gleicher physicalisclier
Beschaffenheit und ungleicher chemischer Zusammensetzung zweier
Bodenarten die Floren derselben ausserordentlich verschieden sind.
Der umgekehrte Satz, dass nämlich bei gleicher chemischer
Zusammensetzung zweier Bodenarten, aber bei auffallend ungleichen
physicalischen Eigenschaften derselben auch die Flora dieser Boden
arten ungleich ist, hat man schon vielfach nachgewiesen.
Aber auch die Trockenheit des Bodens oder die Feuchtigkeit
desselben wird nur in den selteneren Fällen von aussen herbeigeführt,
sie hängt auch grösstentheils von seinen chemischen oder physicali
schen Eigenschaften ab, oder kürzer gesagt, gehört dem Gesteine an.
Das gewisse Mass 1 ) des mechanischen Widerstandes, das der Boden
l ) Hoffmann’s Grundziige der Pflanzenklimatologie. Leipzig 18ä7. S. Sül.
Sitzl». d. mathem.-naturw. CI. XXV. ßd. I. Hfl. 43
354
S t u r.
den aufsaugenden Würzelchen entgegensetzt, das rechte Mass der
wasserhaltenden Kraft und des Wärme bindenden Vermögens
gehören ja eben dem Boden oder dem Gesteine an. Ja sogar die
grössere oder geringere Absorption oder Reflexion des Lichtes,
mithin die daraus folgende Modification der directen Beleuchtung
durch Sonnenstrahlen gehört ebenfalls dem Boden oder dem Ge
steine an.
Alle diese Betrachtungen, glaube ich, sind geeignet, die Über
zeugung aufzudringen, dass man die alte Bezeichnungs- oder Benen
nungsweise des Bodens verlassen müsse, indem man mit der speciellen
Angabe und Benennung des Bodens oder des Gesteins, d. h. dei
Unterlage, auf der die Pflanzen lebend gefunden werden, nicht nur
die chemische Zusammensetzung und die physicalischen Eigenschaf
ten desselben angibt, sondern man deutet nach dem jetzigen Stande
unserer geologischen Kenntnisse die Lagerungsverhältnisse und die
Nachbargesteine zugleich an, also alles was bei pflanzengeographi
schen Arbeiten über das Verhältniss der Pflanze zu ihrem Boden
Wissenswerthes ist. (In jenen Fällen, wo die chemischen Analysen
noch nicht bekannt sind, werden sie in der Folge zu den genannten
Gesteinen leicht nachgetragen werden können, was bei der allge
meinen Benennung: Kalk-, Schiefer-, Urgebirge, nicht geschehen
kann.)
Der Werth dieser Angaben ist überdies in der Natur begründet.
Denn der Dachsteinkalk am Dachstein im Tännengebirge, überhaupt
in der nördlichen Alpenkette, hat genau dieselben petrographischen
Eigenschaften, die der Dachsteinkalk des ringsherum von Schiefer
gebirgen umgebenen Lienzer Gebirges (der Kerschbaumer Alpe),
und unterscheidet sich nicht in dem allergeringsten Merkmale von
den Dachsteinkalken des Terglou, des Krn in Krain, des Monte
Mariana und Monte Monfalcone in der Carnia.
Die Hallstätter Kalke und die Dolomite derselben gleichen sich
an allen bis jetzt bekannten Punkten untereinander, und sind an allen
Stellen ihres Vorkommens ganz gleich schwierig in petrographischer
Hinsicht von den Dachsteinkalken zu unterscheiden.
Ebenso unterscheidet sich der Centralgneiss unserer östlichen
Alpen nicht im geringsten von dem Centralgneisse der Schweiz,
ebenso gut wie der Kalkglimmerschiefer, der Chloritschiefer, der
Kalkschiefer, der Serpentin oder Glimmerschiefer.
Über den Einfluss des Rodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
355
In der Betrachtung des Gesteines und dessen Einflusses auf die
Vertheilung der Pflanzen sollten sieh daher die Pflanzengeographen,
die bisher getrennt theils die chemischen Eigenschaften des Bodens
hervorgehoben haben, theils die physicalischen Eigenschaften des
selben priesen, vereinigen.
De Candolle wurde durch die Ungleichheit der Angaben der
Naturforscher verführt, und glaubte durch die Vergleichung der
Angaben verschiedener Pflanzengeographen zu dem Resultate gekom
men zu sein, dass der Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der
Pflanzen ein ausserordentlich geringer und nicht nachweisbarer ist.
Leider war DeCandolle bei der Vornahme dieser Vergleichung
nicht sehr strenge in der Wahl, indem er die sehr gewissenhaften
Angaben M o h 1 ’ s *) mit denen des Dr. Ehrhardt und des Dr. P o e c h
verglich. Denn die Arbeit des ersteren verliert schon wegen der
einzigen Angabe der Braya alpina Hoppe Strnbg. der Gamsgrube
auf Kalk (da sie auf Kalkglimmerschiefer wächst), die des andern
wegen der Betrachtung der Gebirge um Heiligenblut als Gneiss-
gebirge (da in der nächsten Umgebung und besonders nördlich von
Heiligenblut gar kein Gneiss vorkommt) jeden ernsteren wissenschaft
lichen Werth.
Das auf diese Weise mit Unrecht abgekürzte Verzeiehniss der
bodensteten Pflanzen sucht DeCandolle noch ferner dadurch in
Misscredit zu bringen, dass er es mit den Angaben Wahlenberg’s
(fl. carp.') in Verbindung bringt. Wahlenberg’s geognostisehe
Untersuchungen in den Karpathen, wie weit stehen sie zurück gegen
die von Beudant auf seiner mineralogisch-geognostisehen Reise
durch Ungarn gesammelten! Und wer wollte diese letzteren an Werth
gleichstellen denjenigen aus den österreichischen und schweizerischen
Alpen! Und diese letzteren wieder, sind sie im Stande, allen Anfor
derungen der Pflanzengeographen zu entsprechen?!
Daraus folgt, dass die Untersuchungen Wahlenberg’s in den
Karpathen als veraltet, und unvergleichbar mitArbeiten über den Ein
fluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen aus den Alpen,
vorläufig bei Seite gelegt werden müssen.
Die Angaben der Herren Sauter, Prof. 0. Heer und Prof.
U n g e r glaubt DeCandolle ausser Acht lassen zu müssen, weil sie
'* ü e Cau ü o 11 e, Geogr. but. ruis. I. S. 432.
23 ‘
3i>6
Stur.
sicli mit einem geringeren Territorium beschäftigen. (Sendtner’s
Vegetations-Verhältnisse Südbaierns sind ebenfalls nicht berück
sichtigt.)
Ebenso lässt D e C a n d o 11 e alle jene Pflanzen, die eine geringe
Verbreitung besitzen, unbeachtet, indem sie ungenügend sein sollen
als Beweise für den Einfluss des Bodens aufgestellt zu werden, da
uns die Gelegenheit benommen ist, dieselben an anderen Orten auf die
Richtigkeit dieser Bodenstetigkeit zu prüfen.
Hierin thut aber D e C a n d o 11 e ganz unrecht. So ist namentlich
folgende ausgezeichnete und in ihrer Art einzige Flora des Dachstein
kalkes und deren Dolomite von ihm unbeachtet gelassen:
Sesleria sphaerocephala Ard.
Valeriana elongata Jacq.
„ saxatilis L.
„ supina L.
Centaurea montana Jacq.
Anthemis alpina L.
Achillaea Clusiana Ts eh.
„ atrata L.
Aronicum Clusii Koch.
Buphthalmum salicifolium L.
Cr eins blattarioides R c h.
Geracium cliondrilloides Jacq.
Saussurea pygmaea Sp r.
Phyteuma cor datum Sieb.
lietonica Allopecurus L.
Veronica aphylla L.
„ saxatilis L.
Paederota Bonarota L.
Scrofularia chrysanthemifolia M. B.
Androsace Helvetica L.
» Iiausmanni L e y b o 1 d t.
„ lactea L.
„ villosa W u 1 f.
Primula integrifolia J acq.
Soldanella alpina L.
Rhododendron hirsutum L.
Rhodothamnus Chamaecistus Rchb.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
357
Gentiana bavarica L.
„ pumila J a c q.
„ imbricata Fröl.
„ pannonica Scop.
„ lutea L.
Ilippocrepis comosa L.
Sedum atratum L.
Saxifraga Hohenwartii V e s t.
,, Burseriana L.
„ caesia L.
„ crustata V e s t.
Potentilla nitida L.
„ Clusiana Murr.
,, caulescens L.
Rosa alpina L.
Alchimilla alpina L.
Iberis rotundifolia L.
„ cepeaefolia W u 1 f.
Hutchinsia alpina L.
Petrocallis pyrenaica.
Kernera saxatilis Rchb.
Papaver alpinum L.
Ranunculus Traunfellneri Hoppe.
„ Seguierii Vill.
„ liybridus B i r.
Pulsatilla grandiflora Hoppe.
Siebera cherleriöides Sehr ad.
Der grösste Theil dieser Pflanzen, wenn nicht auf einem und
demselben Berge, findet sich aber zerstreut über allen jenen Alpen
des nördlichen Alpenzuges vom Sclineeberge, über den Hochschwab,
den Dachstein, das Tännengebirge über Berchtesgaden bis nach Tirol,
so weit die Dachsteinkalke und Hallstätterkalke Vorkommen.
In dem südlich von der Centralkette gelegenen, ringsherum von
Glimmerschiefer eingeschlossenen, aus Dachsteinkalk, Hallstätter-
Kalk und deren Dolomiten gebildeten Lienzergebirge (Kerchbaumer
Alpe) linden wir diese Pflanzen wieder. Und noch weiter südlich am
Terglou und von da herab bis an den Rand der südlichen Kalkhoch
alpen (am Krn, Slieme-Wrch), so weit der Dachstcinkalk reicht,
358
S t u r.
bewohnen denselben wenn auch mit anderen südlichen Formen unter
mischt, doch immer noch Pflanzen aus dem angegebenem Ver
zeichnisse.
Soviel bekannt, sind aber auch wirklich die Dachsteinkalke
nirgends ausserhalb der Alpen mit Sicherheit nachgewiesen; die
wundervollen Versteinerungen des Hallstätter Kalkes und die sie ent
haltenden Kalke, sind auch bis jetzt nur aus den Alpen bekannt.
Wenn daher diese Gesteine nur in den Alpen Vorkommen, die sie
bewohnenden Pflanzen ebenfalls nur aus den Alpen, von einem ebenso
beschränkten Raume als ihre Unterlage bekannt sind, ist dies nicht
gerade der beste Beweis für die Bodenstetigkeit dieser Pflanzen?
Die Flora des Dachsteinkalkes und des Hallstätter Kalkes ist
aber bodenstet unter den verschiedensten Umständen. Man trifft sie
nicht nur in der nördlichen und südlichen Kalkalpenkette an, sondern
auch auf dem von weit ausgebreiteten Silicat-Gesteinen gänzlich
isolirten Kalkgebirge bei Lienz (auf der Kerschbaumer Alpe). Diese
Flora bleibt unter dem Zudrange des scharfen Nordwindes, ferner
auf Gebirgen die abwechselnd der Einwirkung der kalten Gletscher
luft, und des durch den nahen Süden gemilderten Klima ausgesetztsind,
endlich unter dem beständig aufsteigendem warmen Luftstrome der
südlichen Ebenen ihrer Unterlage getreu. Welche Änderung müssten
gewisse physicalische Eigenschaften des Bodens erleiden, um unter
den verschiedensten klimatischen Einflüssen dieselben Pflanzen anzie-
hen zu können. Doch ändern sich weder die chemische Zusammen
setzung der Dachsteinkalke und der Hallstätter Kalke, noch die phy-
sicalischen Eigenschaften derselben ; dies alles zum Beweise, dass
das Gestein auch unter bedeutend verschiedenen klimatischen Ver
hältnissen einen unverkennbaren Einfluss auf die Vertheilung der
Pflanzen ausübt.
Sehr wichtig ist hiebei zu bemerken, dass diese drei eben
erwähnten Vorkommnisse der Dachsteinkalk-Flora nicht nur nicht
Zusammenhängen, sondern durch ganz heterogene Gesteine weit aus
einander getrennt werden, so dass an eine Wanderung dieser Flora
längst der zusammenhängenden Gräthen der Gebirge gar nicht zu
denken ist. (Und wenn dies als möglich angenommen werden könnte,
so müsste man dann fragen, warum sich diese Pflanzen in den Gebir
gen der Centralkettc auf Silicatgesteinen nicht eben so allgemein
ausgebreitet haben, wie sie bekanntlich gänzlich fehlen?)
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertlieilung der Pflanzen. 359
Wichtig für die Nachweisung des Einflusses des Bodens auf die
Vertlieilung der Pflanzen erschien mir ein von De Can dolle gege
benes Verzeichniss von Pflanzen, die sowohl in Lappland als auch in
den Alpen Vorkommen 1 )- Es sind 1 aut er P fl an z e n derCentral-
kette oder Urgehirgs-Pflanzen der älteren: Hievon sind:
Thalictrum alpinum L.,
Braya alpina Hoppe,
Lychnis alpina L„
Potentilla tiivea L.,
Oxytropis lapponica Gaud.,
ausgezeichnete Kalkgliimnerschiefer-Pflanzen;
Alsine biflora Wahl,
und Sibbaldia procumbens L.,
ebenso ausgezeichnete Glimmerschiefer-Pflanzen; und die übrigen
sind zum Theil Torf-Pflanzen, oder sogenannte bodenvage Pflanzen.
Das auffallende Zusammenvorkommen der oben angegebenen
Kalkglimmerschiefer - Pflanzen erregte insbesondere meine Auf
merksamkeit, und ich suchte mich in der Geologie Lapplands zu
diesem Zwecke zu unterrichten. Dies war auch nicht schwer,
denn nicht nur besitzen wir eine ausgezeichnete Beschreibung der
Gesteine und ihrer Lagerungsverhältnisse von Keilhau 2 ), sondern
auch geologische Karten dieser Gegenden vonKeilhau, Durocher 3 )
und M u r chi s o n 4 ) deren Genauigkeit allgemein anerkannt, zu meinem
Zwecke hinreichend war. Nach den älteren Angaben die ganz Scan-
dinavien aus Gneiss bestehend darstellten, war zu hoffen, dass die in
den Alpen nur auf Kalkglimmerschiefer vorkommenden Pflanzen hier
etwa auf Gneiss gefunden werden. Dem ist aber in der That nicht so.
In jenem Theile Lapplands nämlich, in welchem die Glimmer
schiefer- und Kalkglimmerschiefer-Pflanzen wachsend angegeben
werden, kommt nicht nur kein Gneiss vor, sondern theils Glimmer
schiefer (micachiste von Dur och er), theils aber ein Complex von
Schiefern vor, in dem der Thonschiefer mit Kalkschiefern (Forma
tion quarzo et calcareo shisteuses von Duro eher) zu so oft wieder
holten Malen wechselt, ja selbst der Thonschiefer oft kalkhaltig' ist, dass
1 ) De C a n d o 11 e, geogr. bot. rais., B. II, S. 1008 — 1011.
2 ) Keilhau’s Gaea Norvegica. Ghristiania 1850.
3 ) J. Büro eher, Carle geologique et melallurgique de Ia Scandinavie. 1855.
; ) Geological Map of Europe bv Murchison et Nicol. 1850.
360
S t u r.
dieser Schichtencomplex in jeder Hinsicht dem Kalkglimmerschiefer
der Gamsgrube, sowohl nach der chemischen Zusammensetzung als
auch nach den physicalischen Eigenschaften vollkommen gleichen
muss. Wenn man noch die Angaben Keilhau’s ‘) über das Mit
vorkommen von Chloritschiefer und Hornblende-Gesteinen berück
sichtigt, gewinnt das geologische Bild dieser Gegenden mit dem
der Central-Alpen noch mehr an Gleichartigkeit.
Die Thatsache nun, dass die oben angegebenen Pflanzen unter
ganz gleichen Boden-Verhältnissen sowohl in den Alpen als auch in
Lappland Vorkommen, spricht auf eine schlagende Weise für den Ein
fluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen, und man muss es
erkennen dass es das Gestein, und insbesondere seine chemische
Zusammensetzung ist, die die Vertheilung der Pflanzen auch in diesem
Falle bedingt.
Die Übereinstimmung der scandinavischen Gegenden mit denen
der Alpen geht aber gegen alle Erwartung noch viel weiter in den
übrigen Pflanzen und in der Vertheilung derselben.
Alle die von A n d e rss o n 3 ) als in AevRegionesylvaticainferiore
und superiore (Seite 409, 410 und 412) in Lappland vorkommend
angegebenen Pflanzen wachsen in der unteren Region des Zer
trümmerten 3 ) der Alpen, und sie kommen in Lappland ebenfalls auf
einem Boden der dem Diluvium angehörig, aus allen Gesteinen des
felsigen Scandinaviens zusammengesetzt ist, also wie der Boden der
unteren Region in den Alpen aus Kalk-, Kiesel- und Thonerde besteht.
Ebenso erinnert das Pflanzenverzeichniss der Lofoden, der
Nordlandie und Finnmarkie (wie 2, Seite 435 und 436), die nur aus
Gneiss bestehen, nicht wenig an die Gneiss-Flora mancher Gegenden
in unserer Nähe, namentlich der kleinen Karpathen und des Rosalicn-
Gebirges.
Die allgemein tiefere Depression der Vorkommnisse der Pflanzen
entspricht dem rauhen Klima Scandinaviens.
Wer wollte bei den ungenauen Angaben des Vorkommens der
Pflanzen, bei der Unvollkommenheit der geologischen Untersuchungen
Scandinaviens noch weitere Ähnlichkeit mit unseren Alpen suchen.
L ) L. c.
2 ) Conspectus vegetationis Lnpponicae. 11 o r n s c h u c h’s Archiv, skand. Beitr. zur
Naturg. 1850.
3 ) Über d. Rind. d. Bodens, Siizungsb. d. k. Akad. d. Wissensch. Bd. XX, S. 80.
Über Jen Einfluss des Rodens auf die Vertheiiung der Pflanzen. 361
Zu welchen complicirten und unnatürlichen Rechnungen müsste man
Zuflucht nehmen, wenn man diese unleugbaren Thatsachen über die
Vertheiiung der Pflanzen durch den Einfluss des Klima allein erklären
wollte.
Durch die Annahme der zwei über einander befindlichen Regio
nen des verschiedenen Bodens, der oberen Region des Felsigen und
der unteren des Zertrümmerten*), die in der Entstehungsgeschichte
der Alpen begründet sind, werden wir ferner in den Stand gesetzt,
manche Erscheinungen auf dem Felde der Pflanzengeographie auf
eine sehr einfache Weise zu erklären.
Die Naturalisation der Pflanzen auf kleine und grosse Distanzen 3 )
wurde vielfach ausgebeutet als ein Beweis, dass der Einfluss des
Bodens auf die Vertheiiung der Pflanzen als Null zu betrachten sei.
Die in England wirklich oder wahrscheinlich naturalisirten
Pflanzen 3 ), die Rumex-Arten ausgenommen, sind lauter Pflanzen der
Ebene oder der unteren Region, wo der Boden ganz allgemein als aus
Kalk-, Kiesel- und Thonerde gleichmässig zusammengesetzt ange
nommen werden muss, und sie haben sich auch in England in der
Ebene also in gleicher Bodenart naturalisirt, d. h. sie sind bodenstet
geblieben. Rumex alpinus und R. scutatus sind aber auch in den
Alpen bodenvag bald über Kalk und über dem Urgebirge auf gemisch
tem Boden zu finden, und konnten sich daher um so leichter auch in
England verbreiten.
Alle jene Pflanzen europäischen Ursprungs, die sich in Canada
oder denVereinigten Staaten naturalisirt haben 4 ), sind ebenfalls nur
Pflanzen der unteren Region, und haben sich ebenfalls in den oben
angegebenen Gegenden in der Ebene, d. h. über tertiären, diluvialen
und alluvialen, allgemein aus Kalk-, Kiesel- und Thonerde gleich-
mässig gemischtem Boden verbreitet, d. h. sie sind bodenstet
geblieben.
Es ist nicht zu zweifeln, dass dasselbe der Fall ist mit jenen
Pflanzen, die fremden Welttheilen angehörig, bei uns naturalisirt sind.
Die gleiche Boden-Beschaffenheit sowohl an dem ursprünglichen
Standorte, als auch an dem der naturalisirten Pflanze bringt cs
M Über d. Einfl. d. Bodens. Sit/., d. k. Akad. d. Wissenseh. Bd. XX, S. 80.
®> Be Candölle, Geogr. hot. rais. Bd. i, B07 —798.
D De Candoll e, I. c. S. 64S u. s. f.
'*) Be C and olle, I. c. Bd. i, S. 746, !«•
362
S t u r.
ferner mit sich dass die Pflanzen ohne irgend einer Formveränderung
zu unterliegen (1. c. Seite 1086 und 1089) sich naturalisiren können.
Es wäre daher unzulässig daraus zu schliessen, dass der Boden keinen
Einfluss auf die Verbreitung und Formveränderung der Pflanzen
ausübe, worauf wir weiter unten ausführlicher zurück kommen
werden.
Welche sind nun jene Pflanzen, die man über den verschieden
sten Gesteinen in der oberen Region des Felsigen lebend antreffen
kann?
Diese Pflanzen lassen sich in mehrere Gruppen abtheilen, nach
denen wir sie auch näher berücksichtigen wollen.
Die auffallendsten davon sind jedenfalls die bekannten Torf
pflanzen. Und insofern als die Torfbildung sowohl auf Kalk als Dolo
mit, Gneiss und Glimmerschiefer Vorkommen kann, findet man auch
die dem Torfe angehörigen Pflanzen über diesen verschiedenen geo
logischen Unterlagen. Sind diese Pflanzen aber desswegen boden
vag zu nennen? Gewiss nicht, denn der Torf ist eben so gut ein eigen-
thümlicher Boden, ich möchte sagen, ein recentes Gestein als der
Kalktuff, oder der Salzthon.
Viele von diesen Pflanzen kommen vereinzelt oder auch mehrere
unter einander aufStandorten vor, wo man keine mächtigeAblagerung
von Torf nachweisen kann; in allen diesen Fällen ist es aber jeden
falls der Anfang einer Torfbildung, oft nur ein mächtigerer Überzug
von Moosen auf feuchten Stellen, der die Torfpflanzen anzieht.
Eine weitere Reihe von bodenvagen Pflanzen in der oberen
Region bilden die Gräser, die Cyperaceen und Juncaceen; an diese
schliessen sich unmittelbar an, Pflanzen aus der Familie derLiliaceen,
Asparageen, Irideen und Orchideen, kurz Pflanzen mit einem unter
irdischen Stamme mit fleischiger oder büscheliger Wurzel. (Siehe
in Sendtner’s Veget. Verb. Südbaierns, Seite 434, 433 und 436.)
Alle diese Pflanzen bewohnen oder bilden vielmehr die Alpen
wiesen ‘)j und bedingen wegen der Beschaffenheit ihrer Wurzeln
unumgänglich nothwendig eine wenn noch so dünne Schichte eines
lockeren Bodens. Aus der Entstehungsweise dieses Bodens, der aus
staubförmigen Theilen der Gesteine, die durch Winde sowohl von
4 ) 0. Heer, Beitr. zur Pflanzengeographic.
#
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung - der Pflanzen.
363
den über den Alpenwiesen emporragenden Spitzen, als auch aus der
Tiefe derThäler zusammengetragen werden, besteht f ), folgt, dassdie
chemische Zusammensetzung desselben nur in den allerseltensten
Fällen dem darunter liegenden Gesteine gleich ist, und daher gewöhn
lich aus Kalk-, Kiesel- und Thonerde besteht. Diese Pflanzen nun
sind ebenso wenig als die ausgezeichnetsten Kalkpflanzen bodenvag,
denn sie bleiben ja ihrem Boden, der aus Kalkerde, Kieselerde und
Thonerde gleich zusammengesetzt ist, auf einer jeden Alpe sowohl
über Kalk als auch über dem Urgebirge treu. Darum sind z. B. in
der Umgebung des Terglou, im Flitscher Gebirge, überhaupt in dem
südlichen Dachsteinkalk-Gebirge, trotz den gewöhnlich ganz hori
zontal ausgebreiteten grossen Alpen-Flächen die Alpenwiesen gar
nicht zu finden, da jede Gelegenheit zur Bildung des aus Kieselerde,
Kalkerde und Thonerde gleichmässig gemischten, hiezu nothwendigen
Bodens wegen ausserordentlich grossem Mangel an Silicat-Gesteinen
unmöglich ist.
Aus dem gänzlichen Mangel an Kalk ist es zu erklären, dass in
den Gebirgen des Glimmerschiefers, wo der Kalk gar nicht auftritt
und der reiche Detritus des Glimmerschiefers nicht auch Kalkerde
enthält, auch die Pflanzendecke dieses Detritus nur aus einigen Arten
von Festuca, Poa und Avena besteht, und die übrigen Alpenwiesen
bewohner (s. 0. Heer, Beitr. zur Pflanzengeographie, S. 93, 94)
alle fehlen.
Dagegen findet man in denjenigen Gegenden, wo der Kalkglim
merschiefer vorherrscht, alle, auch die bis 9000 Fuss Meereshöhe
besitzenden Alpen, und zwar auch die steileren Flächen derselben,
mit grünnen Matten, die als Wiesen benützt werden, überall bedeckt,
indem aus dem leicht verwitternden Kalkglimmerschiefer überall an
dessen Oberfläche der aus Kalk-, Kiesel- und Thonerde gemischte
lockere Boden, der die Pflanzen der Alpenwiesen beherbergt, in
Menge entsteht. (Hiemit vergleiche in Sendtner’s Veg. Verh. Südb.
Seite 465, §. 174, wo die Alpen wiesen Algäu’s über Kalkbornsteinen,
Kalksandstein, Lias und Fleckenmergeln, als die schönsten bezeichnet
werden.)
Daher ist auch diese Reihe von Pflanzen ihrer Unterlage treu,
trotzdem dass man sie sowohl über dem Kalke als auch über dem
‘) Sendtner’s Veget. Verh. Südb. S. 130.
364
S t 11 r.
Urgebirge finden kann. (Siehe 0. Heer, Beitr. zur Pflanzengeogr.
Seite 90, und Seite 127: „Die gesammteVegetation der Kalkvvaiden
findet sich auf dem Schiefer“.)
An die eben abgehandelte Reihe von Alpenwiesen-Bewohnern
schliessen sieh Pflanzen an wie die (an das Vorkommen der Primula
farinosa L., erinnernde) Primula longiflora L., die die saftigeren
Stellen der Alpenwiesen zu ihrem Wohnorte wählen, und mit diesem
ebenfalls über Kalk und Schiefer zu finden sind.
Eine merkwürdige und gewiss wichtige Gruppe von Felsen-
Pflanzen ist folgende:
Gnaphalium Leontopodium L.
„ carpathicum Wh I n h.
„ Hoppeanum Koch.
Eritricliium nanum S c h r a d.
Aster alpinus L.
Gentiana tenella Rottb.
„ nivalis L.
Trifolium alpinum L.
Phaca australis L.
„ astrayalina DC.
Hedysarum obscurum L.
Anemone baldensis L.
Cerastium alpinum L.
Dianthus silvestris Wulf.
Alle diese Pflanzen sind überall über dem Kalkglimmerschiefer
zu finden und treten da häufig manchmal in ungeheuerer Menge auf.
Man findet einige davon am Glimmerschiefer, andere über Kalk; das
Eritricliium nanum kommt sowohl auf Kalk als auch auf Glimmer
schiefer vor. Diese letzteren Vorkommnisse sind jedoch nur sehr selten
zu nennen, sind gewöhnlich sehr zerstreut im Gebiete der Alpen,
obwohl an Ort und Stelle diese Pflanzen häufig auftreten.
Die oben angegebenen Pflanzen scheinen nun ursprünglich dem
Kalkglimmerschiefer anzugehören, einige wenige davon begnügen
sich, wenn ihnen am Glimmerschiefer die physicalischen Eigenschaften
des Glimmerschiefers zu Theil werden, andere und so zu sagen alle,
wenn sie im Kalkgebirge wenigstens den Kalk, den einen chemischen
ßestandthcil des Kalkglimmerschiefers finden; und verbreiten sich im
Kalkgebirge insbesondere an solchen Stellen häufig aus, wo der durch
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
365
Winde zusammengetragene auch Kieselerde und Glimmerblättchen
enthaltende Boden in einer dünnen Schichte den Kalk bedeckt, und
diese Pflanzen hier zufällig einen Boden finden, der in Bezug auf
chemische Zusammensetzung dem des Kalkglimmerschiefers gleich ist.
Das Eritrichium nanum wäre in dieser Beziehung als eine
bodenvage Pflanze zu bezeichnen; sie erinnert aber an die andern
Myosotis-Arten und ist so zu sagen eine Torfpflanze, die sieh den Torf
(oder Dünger) auf dem sie lebt, seihst erzeugt.
Doch schon einige wenige Pflanzen aus der eben abgehandelten
Reihe ändern in ihrer Form, wenn sie vom Kalkglimmerschiefer auf
andere Gesteine herabsteigen. Diese Veränderungen der Form sind
beinahe zahl- und endlos z. B. bei
Draba aizoides L.,
die beinahe auf jedem Gesteine und je nach den localen Einflüssen
ausserordentlich ändert. Ganz auf dieselbe Weise verhalten sich:
Draba tomentosa W h 1 n b.,
„ frigida Saut,
und sehr viele andere Pflanzen.
Wenn man daher das Gestein oder den Boden, d. h. die Unter
lage auf der die Pflanzen leben, so wie sie mit ihrer chemischen
Zusammensetzung und den physicalischen Eigenschaften in der
Naturgegeben ist, ins Auge fasst, so wird man eingestehen müssen,
dass es nur bodenstete Pflanzen gibt und die Anzahl der hoden
vagen, die gerade die entgegengesetzte Meinung von dem Einflüsse
des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen hervorzurufen im Stande
waren, auf eine sehr geringe zusammenschrumpft.
Aber auch mit der Annahme des Einflusses der physicalischen
Eigenschaften des Bodens auf dieVertheilung der Pflanzen wird man
allein nicht auslangen. Denn der lockere Boden der zur Beherber
gung der Alpenwiesen erforderlich ist, bildet sich über dem Dach
steinkalk (oligopeliqiie) *) wie über dem Gneisse (oligopsammique),
also über dysgeogenen Gesteinen eben so gut, wie über dem eugeo-
genstem Dolomit, wenn dieUrsachen derBildung desselben vorhanden
sind, und fehlt gänzlich z.B. in der UmgebungTerglou’s, imFlitscher
Gebirge, wenn diese Bedingungen unmöglich gemacht sind.
1 ) Thurmann essai de phytostatique I, 9ä. (Die Ansichten T h ur m a n n‘s sind in
Sendner’s Veg‘. Verh. Siidh. S. 293, Cap. 2 vollkommen widerlegt.)
366
Stur.
Man schreibt daher in den wichtigsten Fällen die Bildung eines
aus Kieselerde, Thonerde und Kalkerde gemischten, überall dieselben
Pflanzen beherbergenden Bodens bald den physicalischen Eigen
schaftendes Dachsteinkalkes, bald denen des Gneisses zu, eine Bildung,
die schon in der chemischen Zusammensetzung dieser Gesteine
unmöglich gemacht ist.
Abgesehen von der Unmöglichkeit eine Grenze zwischen einem
erdigen und einem sandigen Verwitterungs-Product zweier Gesteine
zu bestimmen, ist überdies die Einreihung der in der Natur vorkom
menden Gesteine in Gruppen, wie sie Thurmann aufgestellt hat 1 ),
auch dem geübtesten äusserst schwierig, so dass deren Gebrauch
eine unendliche Verwirrung in den Angaben der physicalischen
Eigenschaften des Bodens, auf dem die Pflanzen leben, hervorrufen
müsste; und diese Angaben dann zu gar keinem andern Zwecke
gebraucht werden könnten, indem man von den physicalischen Eigen
schaften des Bodens gar nie z. B. auf die chemische Zusammen
setzung des Bodens schliessen kann.
Diese Betrachtungen glaubte ich vorausschicken zu müssen, um,
wenn es mir ebenfalls nicht gelingen konnte, den Einfluss des Bodens
auf die Vertheilung der Pflanzen ausser Zweifel zu stellen, wenig
stens gerechte Zweifel zu erheben gegen jene Behauptungen, die
dem Boden jeden Einfluss auf die Vertheilung derPflanzemabsprechen.
Die Pflanze kann sich in Folge sowohl innerer unbekannter als
auch von aussen wirkender Ursachen verändern 2 ).
Die der Pflanze inwohnenden formverändernden Ursachen sind
uns unbekannt. Uber die von aussen auf die Pflanze einwirkenden,
und über den Rang und die Qualität derselben, sind wir ebenfalls
nicht im Klaren.
Es scheint aber dass dieselben Ursachen die das Vorkommen
der Pflanzen bedingen, also die klimatischen und Boden-Verhältnisse,
wenn sie Veränderungen erleiden, auch auf die Pflanzenform einen
verändernden (von aussen kommenden) Einfluss üben müssen.
Diesen Einfluss direct im Grossen nacbzuweisen ist unmöglich,
indem seit den ältesten historischen Zeiten an den klimatischen und
1 ) Thurm ann, 1. c. I, S. 95.
2 ) De Canti. Geogr. hot. rais. S. 1098.
Über den Einfluss des Bodens auf die Veptkerhmg der Pflanzen. 367
Boden-Verhältnissen keine grossartigen durchgreifenden Verände
rungen vorgefallen sind.
Wie die Versuche, um den formverändernden Einfluss der kli
matischen und Boden-Verhältnisse nachzuweisen, anzustellen sind,
scheint uns die Natur zu lehren; indem sie es veranstaltet, dass
Samen von Pflanzen einer bestimmten Zone oder einer bestimmten
Bodenart durch die verschiedensten, ebenfalls von der Natur gebote
nen Transportsmittel, in andere Zonen, und auf andere Gesteine
gebracht werden. Leider muss man es aber eingestehen, dass man
bis jetzt die Beobachtung der Resultate dieser durch die Natur ver
anstalteten Versuche entweder ganz ausser Acht gelassen oder nur
oberflächlich und nicht systematisch beobachtet habe.
Wirkliche Versuche sind um so weniger gemacht worden. Denn
wenn man auch Pflanzen der Ebene in botanische Gärten verpflanzt
hat, so hat man sie nur dem Einflüsse der Cultur ausgesetzt, indem
man denselben weder einen andern Boden noch andere klimatische
Verhältnisse darbieten konnte. Wenn man Alpenpflanzen in botani
sche Gärten verpflanzt hat, so hat man nicht nur das Klima der
selben und den Boden, sondern auch den Luftdruck unter dem sie
lebten, verändert, und wenn man auch hiedurch, anstatt der erfolgten
Krankheit oder des Todes dieser Pflanzen eine Veränderung dersel
ben liervorgebracht hätte, so wäre man doch nicht berechtigt, mit
Sicherheit dieses Resultat der Veränderung eines dieser Verhältnisse
oder allen zusammen oder der Cultur zuschreiben zu dürfen. In
jenen Fällen, wo man Alpenpflanzen auf dieser oder jener Bodenart
in den botanischen Gärten zog, musste man die Hitze unseres Klima
durch Überfluss an Feuchtigkeit, und vorzüglich durch das Abhalten
der directen Sonnenstrahlen zu modificiren suchen. Hätte man auf
diese Weise Veränderungen der Pflanzen auf verschiedenem Boden
wahrgenommen, so wäre diese Veränderung nicht dem Boden einzig
und allein zuzuschreiben, indem man die Pflanzen unter gänzlich
veränderter Beleuchtung eultivirt hatte.
Man wird einsehen, dass die Versuche die den formverändernden
Einfluss der klimatischen und Boden-Verhältnisse nachweisen oder
widerlegen sollen, eine äusserst umsichtige Behandlung voraussetzen
ufid vorläufig zu den pia desideria gehören. Auch wird daraus einleuch
tend, dass man auf alle derartige bis jetzt gemachte Versuche, ob sie nun
diesen Einfluss nachweisen oder widerlegen, kein Gewicht legen dürfe.
368
Stur.
Daher müssen wir auf die wenigen sicheren in dieser Richtung
gemachten Beobachtungen mehr Gewicht legen, nicht als sollten sie
etwas allgemein Gütiges beweisen, sondern in so fern als sie uns als
Fingerzeige dienen können, welche Richtung in der Zukunft ein
geschlagen werden sollte.
Das Klima scheint keine Formveränderungen der Pflanzen ver
ursachen zu können!). Denn wenn man die durch das rauhe Klima
der Alpen ganz verkrüppelten niedrigen strauchartigen letzten Bäume
des Waldgürtels, oder die ganz an der Erde kriechenden letzten
Straucharten, mit andern von dem Klima weniger hart bedrängten,
gleichartigen vergleicht, so wird man keine anderen Veränderungen
als die geringere Grösse undÜppigkeit der Formen derselben wahr
nehmen. Würde man die Samen der verkrüppeltsten auf einen
klimatisch günstigeren Ort aussäen, so wären die daraus gezogenen
gewiss in Allem den tiefer gewachsenen Bäumen und Sträuchen gleich,
nur mit dem Unterschiede, dass sie der Kälte viel besser wider
stehen vermögen, als die andern. (De Cand. Geogr.bot.rais.il, 1088,
nach Hook. New. Zeeland Flora, intr. p. XII.)
Dasselbe ist der Fall wenn umgekehrt aus den höheren Gegen
den eine Pflanze durch Samen-Transport in eine tiefere, wärmere
Gegend gelangt. Die Formen derselben werden grösser, üppiger,
und wenn man die Samen dieser wieder in die höheren Regionen
versetzen würde, die daraus gezogene Pflanze wäre gewiss auch von
den anderen dieser höheren Regionen nicht verschieden. Sucht man
den Unterschied im Klima noch grösser zu machen, und bringt Pflan
zen warmer Gegenden in kältere und kalte, und umgekehrt, so sterben
sie ab ohne sich zu verändern. (De Cand. 1. c. 1089.)
Das Klima verändert daher die Pflanzen-Formen nicht, es bedingt
nur die Grösse und die Üppigkeit (oder das negative) der Pflanzen-
Formen 2 ).
Es bleiben uns daher nur die Boden-Verhältnisse als diejenigen
zu betrachten, die einen formverändernden Einfluss auf die Pflanzen
ausüben könnten.
Einige, nur sehr wenige Beobachtungen, die diesen Einfluss
des Bodens unwiderleglich beweisen, habe ich in meiner Arbeit
*) De C an dolle, Geogr. bot. rais. II, S. 1088.
2 ) Über d. Einfl. d. Bodens, Sitzungsb. d. k. Akad. d. Wissenseh. Bd. XX, S. 87.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 369
über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen an
geführt.
Die einen davon beweisen blos, wenn eine und dieselbe Pflan
zenform auf verschiedene Gesteine übertragen wird, dass sie bald nur
auf einzelnen Theilen bald überall mehr oder weniger stark behaart
wird. Wenn man aber bedenkt, dass bei vielen Pflanzen die Haare
ausserordentlich charakteristisch sind, dass die Form und Lage der
selben ausserordentlich constant erscheint, so ist auch dieses schein
bar so geringfügige Resultat nicht zu verschmähen.
Ein anderer Fall auf der Peewurz-Alpe im Ennsthale beweist,
dass sich Oxytropis montana DC. in die Oxytropis triflora Hoppe
blos durch den Einfluss des Bodens verändern könne.
Ein dritter Fall in der Pölla im Katschthale in Kärnten weist
nach, dass aus den Samen der auf Gneiss und Glimmerschiefer wach
senden Oxytropis campestris DC. wenn sie in einen aus Kalk-
gliinmerschiefer und Chloritschiefer gemischten Boden gelangen,
eine Zwischenform die von Oxytropis campestris DC. und Oxytro
pis Haller i Bunge gleichweit absteht, entstehen kann; ja dass an dem
selben Orte ein Individuum (wahrscheinlich durch Zufall der Ein
wirkung blos von Ghloritschieferstücken ausgesetzt) vorgekommen
ist, welches von Oxytropis Halleri II u n g e nicht zu unterscheiden ist.
Dieser letztere Fall wird durch das Vorkommen der Oxytropis
Halleri Bunge auf der Gstemmten-Spitz im Ennsthale bestätiget,
in dem hier auch auf Hornblendegesteinen nur diese Form, rundherum
aber auf dem Glimmerschiefer nur die Oxytropis campestris DC.
gefunden werden kann, und dieser Standort von dem häufigeren Vor
kommen der Oxytropis Halleri Bunge in den Gegenden des Cen-
tralgneisses zu weit entfernt ist, als dass man eine Wanderung
dieser Pflanze gerade nur auf die Gstemmte - Spitze annehmen
könnte.
Dass diese Form-Veränderungen weder dem Klima noch ande
ren Einflüssen zugeschrieben werden können, ist klar,indem alle diese
Beobachtungen auf einer und derselben Stelle gemacht wurden, wo
die in Frage stehenden Pflanzen nicht ein einziges Mal über eine
Klafter von einander entfernt gestanden sind. Ich lege ein besonderes
Gewicht auf diese Beobachtungen, weil sie die einzigen sind, die den
Einfluss des Bodens auf die Veränderung der Pflanzen-Formen
nachweisen.
Sitzb. fl. rnathein.-naturw. CI. XXV. ßd. I. Hft.
24
370
S t u r.
So wie der Fall auf der Gstemmten-Spitze, d. h. die Vertheilung
der Oxytropis Halleri Bunge auf Hornblende-Gesteinen und der
Oxytropis campestris auf Glimmerschiefer, den formverändernden
Einfluss des aus Kalkglimmerschiefer und Chloritschiefer gemischten
Bodens in der Pölla bestätiget, ebenso beweist im Allgemeinen der
Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen, d. h. die
Erhaltung der Formen auf einem und demselben Boden, den form
verändernden Einfluss des Bodens, oder dass das Gestein die Formen
der Pflanzen erzeugt 1 ).
Niemand fühlte es besser als ich selbst, dass ich in Betracht
der Wichtigkeit dieses Satzes, zur Bestätigung desselben nur diese
wenigen Beweise liefern konnte 2 ). Da aber im Gesteine alle Bedin
gungen der Pflanze gegeben sind, unter welchen sie in einem gewissen
Klima leben kann, so erscheint zulässig der Schluss, dass wenn das
Gestein ändert, also die Lebensbedingungen ändern auch die Pflanze,
ihre Form ändert oder stirbt.
Zwei um die Botanik und Pflanzengeographie hochverdiente
Männer, Hegetschweiler und 0. Heer, beschäftigten sich mit
demselben Gegenstände. Sie suchten festzustellen 3 ) dass innerhalb
gewisser Typen die Pflanzenformen grösserer oder geringerer Ver
änderungen fällig sind , und suchten nachzuweisen , dass die Viel
förmigkeit derTypen dem Einflüsse der Aussenwelt zuzuschreiben sei.
Die Hauptfaetoren der Aussenwelt, durch welche sie auf die Pflan
zenform verändernd einwirken kann, sind: Licht und Wärme, das Was
ser, der Boden und die Atmosphäre. Hege ts eh wei Ier betrachtet
die drei ersten als die wichtigeren, während er dem Boden und der
Atmosphäre (weil die chemische Zusammensetzung der letzteren
überall eine gleiche ist) bei weitem den geringeren Einfluss zuschreibt.
Der Höhe über derMeeresfläche wird auch eine besondere Wichtig
keit einberaumt.
Alle diese Factoren: Liebt, Wärme, Wasser, Höhe über dem
Meere, bilden zusammen das, was man unter dem Namen Klima
zusammen fasst; und nach dem was früher gesagt wurde, sollte sich
der Einfluss dieser Agentien nur auf die Bestimmung der Grösse und
Üppigkeit der Formen der Pflanzen beschränken.
1 ) Übel* d. Einil. d. Hodens, Sitzungsb. d. k. Aknd. d. Wissenscli. Bd. XX, S. 87.
2 ) L. c. Seite 97.
3 ) Heg-etsch weiler, Beitr. zur kril. Aufzäld. d. Schweiz. Pfl.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen.
371
Und in der That, von solcher Art sind auch die Veränderungen,
die von Hegetschweiler diesem Einflüsse zugeschrieben werden.
Die montanen Pflanzen (von 1800—5000' M. H.) zeigen je nach
ihrem höheren Wohnort eine montane, subalpine und alpine Grösse,
die Alpenpflanzen (von 5000—8500' M. H.) dagegen eine verlän
gerte, mittlere und verkürzte Grösse: Resultate die den Satz, dass
das Klima die Grösse und Üppigkeit der Pflanzen bedingt, nur
bestätigen.
Sobald aber wirkliche Formveränderungen diesen Agentien
zugeschrieben werden, so spricht alsogleich die Erfahrung dagegen.
Dies ist namentlich (um wenigstens ein Beispiel hervorzuheben) bei
der Betrachtung der Aretien der Fall. Hege ts c h w ei 1 er glaubt,
dass die Aretia helveticah. *) die (der höchsten Alpen-Region ange-
hörige) Forma imbricata der Aretia alpina G a u d. und glacialis
Schleich. (A. pennina Gand.) darstellt, und dass diese beiden
letzteren die (der tieferen Alpen-Region angehörige) Forma elon-
gata und meilia der Aretia Helvetica L. bilden. Dieser Behauptung
widerspricht das Vorkommen der Aretia Helvetica in der Natur. Ich
habe sie am Teufelsabbiss des Schafberges in einer Höhe von
5500' M. H., dann am südlichen Abhange des Dachstein^ im Enns-
tliale beiläufig in 5000' M.H. auf Dachsteinkalk in einer ungeheueren
Menge leben gesehen und gesammelt. Tief unter diesen Standorten
kommt sie auch noch herabgeschwemmt vor, ohne dass man die
geringste Veränderung in der Form derselben wahrnehmen könnte,
viel weniger dass sie in Aretia glacialis übergehen würde. Dagegen
tandich die Aretia glacialis am Grossen Sonnenblick unter dem Haf
nereck in 9000' M. H., unter dem Venediger bei der letzten Rast in
10063' M. H., beide Male auf Gneiss. Die Aretia alpina Gaud. (die
sich von der Aretia glacialis nur mit Mühe unterscheiden lässt) fand
ich auf dem Monte Paralba in Carnia in 8000' M. H. 3 ) auf Kohlen
kalk. Alles dies widerspricht vollkommen der Annahme, dass diese
verschiedenen Formveränderungen dem Klima zuzuschreiben wären.
Und durch welche Ursachen will man umändern lassen die auf
Koblenschiefern vorkommeudeM?jfIros«ce PacHeri Leyboldt, die in
7000' M. H. gefunden wird, und die AtulrosaceHausmanniL ey b o 1 d t,
1 ) Hegetsch weiier, Beitr. zur krit. Aufzähl. <1. Schweiz. Pli. S. 8I>.
2 ) In meiner Arbeit über den Einfluss des Bodens. Sitzungsb. d. k. Akad. d. Wisscnsch.
Bd. XX, S. 130 als A. glacialis angeführt.
372
Stur.
die an allen bis jetzt bekannten Standorten über Dolomit zwischen
5600—8000' M. H., sowohl in der südlichen als auch der nördlichen
Kalkalpenkette vorkommt 1 ). Denn man wird sowohl die Gneiss- und
Glimmerschiefer-Form Aretia glacialis, wie auch die Kohlenschiefer-
Form die Aretia Pacheri, die Dachsteinkalk-Form die Aretia lielve-
tica und die Dolomit-Form die Aretia Ilausmanni, sowohl in der ver
längerten als auch mittleren und verkürzten Grösse zu finden im
Stande sein, und hat sie auch in der That gefunden.
Alle diese verschiedenen Formen eines und desselben Grund-
Typus müssen dem Einflüsse des verschiedenen Bodens zugeschrie
ben werden. Und es bleibt in allen diesen Fällen nichts anderes übrig,
als dem Boden, dem Gestein oder der Unterlage, in welcher die Wur
zeln der Pflanzen eingefügt sind, und aus welchem sie die dargebo
tene Nahrung für die Pflanze einsaugen, den formverändernden
Einfluss auf die Pflanzen zuzuschreiben; für welche Annahme auch
die Vertheilung der Pflanzen, d. h. die Erhaltung der Pflanzen-Formen
auf gewissen Bodenarten spricht.
Auf dem Wege der Untersuchung über den formverändernden
Einfluss der Aussenwelt auf die Pflanzen, hofften Ilegetschweiler
und Heer zur wahren Erkenntniss der Grundtypen der Pflanzen und
deren Formen zu gelangen. Nur durch Untersuchungen dieser Art
hielten sie es für möglich, gleichwärtige, gleich weit von einander ste
hende Pflanzentypen von sehr nahe stehenden, wenn auch constanten
und gut unterscheidbaren Formen zu sondern, die letzteren je nach
ihrer Verwandschaft den Typen zu unterordnen, und eine Gleichheit
in die systematisehelReihenfolge der Pflanzen einzuführen. Hegetsch
weiler und Heer haben dies in der Flora der Schweiz (1840) für
eine grosse Anzahl der Schweizer Pflanzen durchgeführt T h u r m a n n 3 )
hat auch eine ähnliche Reduction derFormen unternommen und (Seite
339 u. s. f.) angedeutet, welchen verschiedenen Formveränderungen
gewisse Pflanzentypen unterworfen sind, je nachdem sie dem Ein
flüsse des einen oder des andern der Factoren der Aussenwelt vor
zugsweise ausgesetzt sind.
Berücksichtigt man aber den wirklich formverändernden Einfluss
des Bodens, im Gegensätze zu dem von Hegetschweiler, Heer
*) Verh. des zool. bot. Vereins in Wien 1853, S. 07 und über den Einfluss des Bodens
I. c. Seite 130.
2 ) Essai de la phytostatique. I, S. 335.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vcrtheilung der Pflanzen.
373
und Thurmann betrachteten Einflüsse des Klima, so ist jetzt schon
möglich, nach den wenigen in dieser Richtung gemachten Beobach
tungen diese Verzeichnisse um etwas zu verlängern. So könnte man
einem und demselben Grund-Typus unterordnen:
Sesleria sphuer acephala Ard., als Dolomit-Form, Sesleria mi-
crocephala DO. als eine Form des gemischten Bodens.
Valeriana elongata L. als Dolomit-Form, Valeriana celtica L.
als eine Form des gemischten Bodens.
Achillea atrata L. als Kalk-Form, Achillea moschata L. als
Glimmerschiefer-Form.
Prena'nthes tenuifolia All. als Kohlenschiefer-Form, Prenan-
thes purpurea L. als Form des gemischten Bodens.
Pedicularis foliosa L. als Dachsteinkalk-Form, Pedicularis
comosa L als Dolomit-Form, Pedicularis Friederici Augusti Tom-
masini als Nummulitenkalk-Form.
Scrof'wlaria clirysanthemifolia M. ß. als Dolomit-Form, Scro-
fularia canina L. als Form des gemischten Bodens.
Aretia glacialis Schleich, als Glimmerschiefer-Form, Aretia
Pacheri Leyboldt als Kohlenschiefer-Form, Aretia helveticah. als
Dachsteinkalk-Form, Aretia Hausmanni Leyboldt als Dolomitform.
Androsace lactea L. als Kalk-Form, Androsace obtusifolia All.
als Schiefer-Form.
Soldanella alpina L. als Kalk-Form, Soldanella montana W.
als Schiefer-Form.
Rhododendron hirsutum L. als Kalk- und Dolomit-Horm, Rho
dodendron ferrugineum L. als Form des gemischten Bodens.
Oxytropis montana DC. als Kalk-Form, Oxytrcpis triflora
H o p p e als Form des gemischten Bodens (Kalltgiimmerscbiefer, Horn-
blendesehiefer, nicht Glimmerschiefer).
Oxytropis campestris DC. als Glimmerschiefer-Form, Oxytro
pis Halleri Bunge als Form des gemicliteu Bodens (Kalkglimmer
schiefer, Chloritschiefer und Hornblendeschiefer, und nicht Glimmer
schiefer).
Astragalus leontinus Jacq. hei Lienz als Kalkgeröll-Form,
Astragalus leontinus im G ailthale, als Schiefergeröll-Form, und
A. Ohobrychis L. als Löss-Form oder Form des gemischten Bodens.
Sempervivum Dölleanum Lehm, als Kalkglimmerschiefer-
Form, Sempervivum arachnoideum L. als Glimmerschiefer-Form.
374
S t, u r.
Hutchinsia alpinn R. Br. als Kalk-Form; Hutchinsin brevicau-
lis Hoppe als Schiefer-Form.
Iberis rotundifolia L. als Dachsteinkalk-Form, Iberis cepeaefolia
Wulf, als Form des erzführenden Dolomits.
Pulscitilla alba Loh. Rchb. als Glimmerschiefer-Form, Pul-
satilla grandiflora Hoppe als Form des gemischten Bodens.
Dianthus alpinus L. als Kalk- und Dolornit-Form, Dianthus
glacialis Han ke als Form des gemischten Bodens.
Nasturtium sylvestre R. Br. als Form des gemischten Bodens,
Nnsturtium lippizense DC. als Hippuritenkalk-Form.
Mercurialis ovata Hoppe als Dolomit-Form, Mercurialis peren-
nis als Form des gemischten Bodens.
Sowie die früher erwähnten Verzeichnisse Hegetschwei
le r’s , Heer’s, Thurmann's 1 ) von Jedermann ohne Schwierig
keiten angenommen werden können, so werden über das von mir
gegebene Verzeichniss ohneZweifel die Meinungen verschieden sein.
Der Grund davon liegt wohl darin, dass mein Verzeichniss auf wirk
liche durch den Boden bedingteFormveränderungen hindeutet, wäh
rend die obigen Angaben sich nur auf Veränderung der Grösse oder
Üppigkeit der Pflanzen beziehen.
Es ist nicht zu zweifeln, dass sich ganz auf diese Art, besonders
Pflanzenformen verschiedener, von einander sehr entfernt stehender,
geologisch verschieden gebauter Gebirgssysteme einem Grundtypus
unterordnen lassen werden, wenn wir in der geologischen Kenntniss
derselben bedeutendere Fortschritte gemacht haben werden.
Als erste Nothwendigkeit muss man bei diesen Untersuchungen
das Festhalten (also nicht das übliche Zusammenziehen) der Formen
durch gute Beschreibungen und Abbildungen voraussetzen. Denn nur
dann wird man im Stande sein zu behaupten , oh unter veränder
ten Lebensbedingungen die Form der Pflanze ebenfalls sich ändere.
Aber auch für höhere Zwecke der Wissenschaft scheint es noth-
wendig zu sein, die constanten und gutunterscheidbarenFormen durch
Beschreibungen zu fixiren.
Denn nur die Formen sind direct von der Natur gegeben, die
Grundtypen, denen man die einzelnen Formen unterordnet, können
zum grössten Theile nicht beobachtet werden, weil sie oft idealer
*) Thurmann's Essai de la phyt. S. 333.
Über den Einfluss des Hodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 375
Natur sind. Auch ist in den allermeisten Fällen die Wahl schwer zu
treffen, welche man von den in derNatur gegebenen Formen, ob man
z. B. die Aretia glacialis, A. Helvetica, oder A. Hausmanni u. s. w.
als Grundtypus annehmen solle, da uns keine historischen Beweise
vorliegen, ob eine von diesen Formen früher da war, oder ob sie
gleichzeitig entstanden sind aus einer Grundform, die vielleicht längst
untergegangen ist.
Daraus würde nun folgen: dass man trachten solle eine jede in
der Natur gegebene Form als solche, und in Beziehung zum Boden
und zum Klima genau kennen zu lernen, die Formen mit Hegetsch
weiler nach ihrer Verwandtschaft in Gruppen oder Formenkreisen,
einem Grundtypus zu unterordnen, und diese dann in General-Familien
u. s. w. eintheilen. Der einem Grundtypus entsprechendeFormenkreis
hätte dann nur eine speciellere Bedeutung des Genus.
Es scheint, als wenn auf diese Weise allen Anforderungen Genüge
geleistet werden könnte.
Der Beobachtung der Natur wäre der weiteste Wirkungskreis
geöffnet; die Systematik würde auf festeren Fuss gestellt, indem sie
in derErkenntniss einer jeden in der Natur gegebenen Form begrün
det wäre; dem Pflanzengeographen stündejein besser ausgearbeitetes
Materiale zu Gebote, theils zu den detaillirtesten Aufnahmen, wie
auch fürvergleichende und zusammenstellende Arbeiten; der Pflanzen
historiker könnte hieraus den grössten Nutzen ziehen; die Heber-
tisten 1 ) könnten die den Grundtypen entsprechenden Formenkreise
als Species, die Formen als Varietäten, Monstrositäten, Racen und
Variationen betrachten; dieJordanisten brauchten nur dieFormen
als Species aufzufassen; endlich die Entdecker oder Beschreiber
neuer unbekannt gewesener Formen würden anstatt „toto coelo
differt“ zu schreiben, gezwungen sein, diese neuen Formen in For
menkreise einzureihen und auf diese Weise in einem die Arbeiten der
Systematiker erleichtern, vereinfachen und vervollständigen helfen.
Nach diesen Vorbemerkungen glaube ich an die Mittheilung
der Beobachtungen über die Beziehungen der Pflanzen zu ihrem
De CandoUe, Geogr. bot. rais. S. 1074, sagt: „Entre M. Herbert dont !a
Systeme reduirai les especes a y. 0 c, et M. Jo rdan, dont Ies principes, et sur tonl.
la pratique, les augmenteraient dans un proportion inconnue se trouve la grand
masse des botanistes.
S t u r.
376
Boden schreiten zu können, die ich auf der im Sommer 18S6 im Auf
träge der k. k. geolog. Reichsanstalt ausgeführten Reise zu machen
Gelegenheit hatte. Die geologischen Aufnahmen wurden in der
Wochein (nordwestlichster Theil von Krain) im Görzer Gebiete des
Küstenlandes längs demlsonzo und einem Theile des Karstes in Krain
ausgeführt.
Am 2ö. Mai wurden die geologischen Untersuchungen in Loitsch
begonnen, und dieselben über Planina, Adelsberg bis Prewald aus
gedehnt. Von da reiste ich nach Triest und Venedig, nach Dilino
Monfaleone und Görz, machte einen Abstecher nach Wipbach und
Schönpass im Wiphach-Thale, untersuchte dann das Wassergebiet
des Isonzo bis an seine nördliche Wasserscheide und besuchte end
lich die Wochein.
Die Gegenden und Standorte, denen nebst der geologischen
Arbeit in botanischer Hinsicht einige Beachtung und Aufmerksam
keit gewidmet werden konnte, sind im folgenden Verzeichnisse nach
grösseren Orten, von welchen aus die Begehung vorgenommen wurde,
und auch in der Zukunft vorgenommen werden könnte, gruppirt
enthalten. Das Venzeichniss soll das Auffinden der Standorte beim
Gebrauche derselben erleichtern, einen Überblick des begangenen
ermöglichen, und zugleich zur Abkürzung des Textes bei der Angabe
der Standorte der Pflanzen dienen.
In der Umgebung von:
Loitsch (Logac, Logatec) 149 7' M. H. (im Nordwesten) Nowi-
swet, Gern. Sibersche und Posenei; (im Nordosten) die Umgebun
gen der Wegweiser-Häuser (1S05' M. H.) auf der Strasse nach
Ober Laibach; (im Südosten) niedere Hügel gegen Martinhrib; (im
Südwesten) der Birnbaumerwald (mittlere Meereshöhe 26S7').
Planiua 1440' M. H.: Wiesen der Unz im Becken von Planina
(1440'); (im Norden) Einfluss der Unz in die Höhle bei Jakobowic;
(im Osten) Haasberg; (im Süden) die Mündung der Poikhöhle, der
k. k. Cameralwald mit dem Räubercommando (Pass der Strasse
1918' M. H.); (im Westen) S. Maria (2438' M. H.) und die Berge
nördlich von Kaltenfeld.
Adelsbcrg (Postojna) 1706' M. H.: (im Südosten) die Anhöhen
zwischen Adelsberg und Rakitnig; S. Peter an der Poik und dessen
hügelige Umgebung; (im Nordwesten) Sagan und Umgehungen, im
Becken von Adelsberg.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 377
l'rewald (Razderto) 1791' M. H.: (im Norden) Ubelsku, Strane
und S. Michael bei Luegg am östlichen Abhänge des Nanos- (4098')
Gebirges; (imOsten)Goritsche an derNanosica; KorenicabeiZerme-
lice; (im Süden) S. Ulrich am Karste; (im Nordwesten) Rebernice
d. h. südwestliche Abhänge des Nanos-Gebirges.
Triest: (im Südosten) S. Andree; Longera, Bassoviza und
Monte Spaccato (1422'M. II.); Zaole und Stramare; Slavnik bei
Materia (3120' M. H.).
Venedig: Lido.
Duino: (im Nordosten) Porto Duino und dessen felsige Umge
bung; Meeresufer zwischen Duino und S. Giovanni; Süsswasser-
sümpfe (nicht Salinen wie es die Generalstabskarte anzeigt) zwi
schen S. Giovanni und Bagni; Porto Canale Rosiea südlich von Mon-
falcione.
Görz, 274' M. H.: (im Norden) Monte Santo (21S1' M. H.) und
die Thalöflhung des Isonzo bei Salcano.
Wipbach (Ipäwa) 338' M. H.: Schloss Wipbach: (im Norden)
Greben VVrch; Zoll (1961); Weichseldorf zwischen Zoll und Pod-
kraj (1822'); die Umgebungen der Strasse von Zoll nach Schwar
zenberg (höchster Punkt der Strasse 2343'); (im Osten) die Strasse
von St. Veit auf das Nanos-Gebirge nördlich von Lozice.
Schönpass3108' M. H.: (imNorden) Wand beiS. Vitulje(2039');
der Caun (Tschaun, Zbavn) westlich von Mali Modräsowaz; (im
Nordwesten) Gritseha in der Gemeinde Kouk.
Canale (Kanov) 368' M. H.: Idria di Canale (3683').
Woltschach (Wuce) 700' M. H.: Ebene von Zighino und Wolt
schach (704' M. H.); (im Westen) Kamenza-Thal und die südlichen
Abhänge des Kuk-Berges.
S. Lucia am Zusammenflüsse der Idria mit dem Isonzo 493'M. li.:
(im Norden) Modreiza und die Wand bei Modrea; (im Osten) Baca-
(Bazlia-) Thal unterhalb Podmeuz; Tribusa-Thal (538' M. H.); (im
Süden) Umgebungen von Lom di Tolmino.
Grachowa im Baca-Thale 872' M. 11.: Na Pollana westlich von
Deutschruth unter dem Hradische-Berg.
Kirchlich» (Cirkna) an derCirknica im Gebiete des Idria-Thales
nördlich von Idria 1032' M.H.: (imNorden) Porsen (Börsen, Poresen,
Borodin) (5475'); (im Nordosten) westlicher Abhang des Cerui
Wrch nördlich von Novake; (im Süden) Otäles (1897') am Penk
378
S t ii r*
(3312'): (im Südosten) Zelin am Zusammenflüsse der Cirknica mit
der Idria (741'); Recca Raima und Sebrelje (2044').
Tolmein (Tomin) 639 1 M. H.: (im Norden) Krn-Berg (7095‘)
und Kostjak am Fusse desselben; „pri rudecim robu“ (6017') zwi
schen dem Perhau und dem Slieme-Wrch; die Abhänge des Merzli-
Wrch im Tominska-Thale; Pod Kukam (3399) unter dem M.
Vocliu.
Caporetto (Karfreit, Koborid) 755' M. H.: (im Süden) der Ma-
tajur (3298); (im Westen) Stou (na Stole 4657'); (im Norden) die
Wände von S. Antonio und Umgebung.
Flitsch (ßouz) 1430'M.H.: (im Nordosten) die Bausca (1650')
bei der Flitscherklause; (im Osten) die Trenta; (im Nordwesten)
Wratni-Wrh, Cerniala und Rombon im Flitscher Gebirge.
ßaibl 2885' M. II.: die Halde des Bleibergbaues.
Wochein 1784' M. H.: (im Norden) na Jezerci bei der Konsza,
und Abanza-Thörl (östlich am Drass B.); Tose (Drass B.) Belopolje,
Ledine (südliche Abhänge des Terglou) und Terglou (9036'); (im
Westen) Dedenpole; das Thörl zu den Alpen pri Jezerich unter der
Ticerza (Tuscherza B); der Steg über die Savica, unterhalb des
Ursprunges; (im Süden) Wräta za Cernou Gorou; Cernaprst
(Schwarzenberg 5826').
In diesem nun in der angegebenen Weise begangenen Terrain
ist die Vertheilung der zwei Regionen, der oberen Felsen-Region
und der unteren Trümmer-Region *)> eine sehr ungleiche. Man könnte
beinahe sagen, dass die Trümmer-Region ganz fehle und nur die fel
sige Region entwickelt sei.
Die Ursache dieser Erscheinung ist in der Entwicklungs
geschichte des betrachteten Terrains begründet. In dem südlichen
Theile der begangenen Gegenden fehlen die ueogen-tertiären Abla
gerungen, also Tegel, Sand und Schotter, gänzlich, und nur die
Diluvial- und Alluvial-Ablagerungen sind entwickelt.
Erst in der Umgebung von Tolmein erscheinen tertiäre Schotter-
Ablagerungen; die Entwicklung derselben ist aber eine sehr unter
geordnete, indem sie nur an solchen Orten erhalten worden sind, wo
sie vor den zerstörenden Einflüssen der Diluvial- und Alluvial-Epoche
geschützt waren.
*) Über <1. Einil. d. Bodens, Sitzungsb. d. kais. Akad. d. Wissensch. Bd. XX, S. 76*
§. 2 und 3.
Über den Einfluss des Bodens nuf die Vertheilung der Pflanzen.
37R
Ganz dasselbe ist der Fall östlich von Tolmein im Gebiete des
Idria- und Baca-Thales, wo man kaum noch Spuren dieser Ablagerun
gen nachweisen kann, und ebenso konnten sich bei Flitsch im Norden
des Kessels nur auf einer einzigen erhöhten Stelle tertiäre Conglo-
merate erhalten.
Je nach der grösseren oder geringeren Entwickelung der ter
tiären Diluvial- und Alluvial-Ablagerungen waltet die Felsen-Region
vor der der unteren Trümmer-Region vor.
In der Wochein ist das Verhältniss der unteren Region zur
oberen des Felsigen ein normales, wie es in allen nördlicheren Thei-
len der Alpen der Fall ist. Die Gerolle und Conglomerate, die Sand
steine des neogen-tertiären Terrains ebenso gut wie die Alluvionen
bilden in der unteren Region einen aus Kalkerde, Kieselerde und
Thonerde gemischten Boden.
Im Gebiete des Isonzo von Flitsch abwärts bis Tolmein und
Canale ist zwar die Trümmer-Region noch deutlich entwickelt, aber in
den nur äusserst untergeordnet vorkommenden tertiären Ablagerun
gen, im Diluvium und besonders im Alluvium, ist der Kalk vor der
Kieselerde und Thonerde ausserordentlich vorwaltend.
Im Wipbachthale, dann im Becken von Adelsberg und von Pla-
nina ist die Mischung des Bodens der unteren Region aus Kalkerde,
Kieselerde und Thonerde eine gleichmässige, in Folge des Auftretens
von Nummuliten-Sandsteinen, deren Bestandtheile auch dem Becken
von Planina mitgetheilt worden sind. Zwischen Triest und Monfalcone
fehlt dieTrümmer-Region fast gänzlich, indem die nackten Felsen des
Hippuritenkalkes und der Nummuliten-Sandsteine unmittelbar von den
salzigen Alluvionen des Meeres oder vom Meere selbst eingefasst
sind.
Aus dem beinahe gänzlichen Fehlen der unteren Trümmer-Region
in dem besuchten Terrain folgt nun eine ausserordentliche Entwicke
lung der oberen Region des Felsigen.
In der Wochein bis an den Terglou, in der Trenta, und um
Flitsch am Monte Canin, Cerniala und Rombon, und herab bis auf den
Stou, den Krn und den Slieme Wrch, den Vochu und den Schwar
zenberg (Cerna prst) besteht die obere Region ausschliesslich aus
Dachsteinkalk, und nur verschwindend kleine Stellen kaum von eini
gen Quadratklaftern sind mit andern, auch Kieselerde und Thonerde
enthaltenden Gesteinen bedeckt.
380
S t ii r.
Ebenso ausschliesslich vorwaltend tritt der Kalk auf in dem
Hochplateau, das sich von Canale bis Prewald und Adelsberg zwischen
dem Isonzo, der Idria und der Wipbach ausbreitet. Und zwar besteht
der Birnbaumer Wald mit dem Nanos aus Hippuritenkalk; der Kreuz
berg zwischen Schwarzenberg und Zoll aus Dolomit; der Tarnowa-
ner Wald mit dem Caun nördlich von Schönpass aus weissen Jura
kalken (Plassenkalken), die gegen Canale von Hippuritenkalken
abgegrenzt sind. Das nördlich von Triest und Duino sich bis an das
Wipbachthal ausbreitende Karst-Plateau besteht an dessen südlichem
Rande von Monte Spaccato einerseits über Prosecco bis Nabresina,
dann in südöstlicher Richtung bis auf den Monte Slavnik aus Nummu-
litenkalken, an die sich nördlich sehr ausgedehnte Flächen von Hip
puritenkalken anschliessen.
Nur selten wird das ausschliessliche Vorwalten des Kalkes in
den zwei eben besprochenen, nördlich und südlich vom Wipbachthale
gelegenen Kalkebenen durch das Auftreten von Lehm-Ablagerungen
modificirt. Es sind nämlich die in diesen Kalkebenen häufig auftre
tenden kesselförmigen Vertiefungen, die Trichter genannt, an ihrem
Grunde grösstentheils mit einem aus vielem Kalk, wenig Thonerde
und Kieselerde bestehenden Lehme, über dessen Entstehung vorläufig
noch nichts Sicheres bekannt ist, ausgefüllt. Je nach der Ausdehnung
dieser Ablagerungen wird das Vorwalten des Kalkes mehr oder
minder verwischt. Auch sind nicht alle diese Trichter und gewöhnlich
die ausgedehntesten nicht vom Lehme ausgefüllt, so dass das Vor
walten des Kalkes jedenfalls als allgemein angenommen werden muss.
Von Krn bis nach Tolmein herab und von da östlich im Gebiete
des Bacu- und Zirknizathales kommen Gesteine vor, die bald der
Kohlenformation, bald der Trias- und Kreideformation zugerechnet
werden müssen. Es sind dies grösstentheils Schiefer, die als reine
Thonschiefer nur selten auftreten, meist als gleichmässig aus Thon
erde und Kalkerde gemischte Schiefer anstehen, manchmal mit Quarz-
Sandsteinen wechsellagern oder Hornsteine eingelagert enthalten,
also einen Boden bilden, der, wenn auch an Kalk sehr reich ist, doch
auch Kieselerde und Thonerde enthält.
Von ganz gleicher Qualität ist der Boden desjenigen Gebirges,
das sich am rechten Ufer des Isonzo von Woltschach abwärts über
Canale bis Plava ausbreitet. In diesem Terrain sind Mergel
und Sandsteine anstehend, in denen als Einlagerungen kalkige Con-
Über den Einfluss des Bodens auf die Verfcheilung der Pflanzen.
381
glomeratschichten mit Hippuritentuümmern auftreten. Ebenso füllen
Nummuliten-Sandsteine die Abhänge des Wipbachthales aus, und
reichen mitunter auch tiefer in das Gebiet der Hippuriten- und Num-
mulitenkalke, z. B. hei Prewald, bei St. Peter au der Poik.
Der an das Meer unmittelbar angrenzende Karst zwischen
Triest und Duino, und von Triest weiter abwärts nach Süden, mit
seinen beinahe von aller Dammerde entblössten nackten Felsen, stellt
so ganz recht das Bild der Alpen vor, zur Zeit, als das tertiäre Meer
bis in das Innere derselben reichen und die Ablagerungen bilden
konnte, die als die letzten Spuren dieses ehemaligen viel höheren
Meeres-Niveau betrachtet werden müssen 4 ).
Denken wir uns nun den Karst plötzlich um einige hundert Fuss
gehoben, so würde gleichzeitig das Meer weit nach Süden zurück
treten, der Meeresgrund südwestlich von Triest würde weit und breit
trocken gelegt werden, und es entstünde eine weite Ebene, deren
Boden nach stattgefundener Aussüssung aus Kieselerde, Thonerde
und Kalkerde gemischt, aber auch zugleich von aller Vegetation
entblösst wäre.
Ohne Zweifel müsste diese weite Ebene in dem am Karste
angrenzenden Theile von diesem die Vegetation empfangen: Ver
hältnisse, die jedenfalls auch mit denAlpen und den nach dem Weichen
der Meere trocken gelegten tertiären Ablagerungen der Ebene statt
finden mussten.
Der Karst scheint aber die Niveau-Veränderungen nicht mit
gemacht zu haben, denen die Alpen während der neogenen Periode
unterworfen waren, derselbe war seit der neogenen Periode von
keinem höheren Meeres-Niveau umgeben als das gegenwärtige ist.
Und wenn der Karst auch wirklich die neogenen Senkungen der
Alpen mitgemacht haben sollte, worüber vorläufig noch keine Daten
vorliegen; die letzte Hebung der Alpen bat der Karst sicher nicht
mitgemacht, indem im Gebiete desselben nicht eine Spur von neoge
nen Ablagerungen bekannt ist. Und in sofern als der Karst eine
Insel des tertiären Meeres, die seit der neogenen Epoche keine
Niveau-Veränderungen und auch keine Überfluthungen des Meeres
erfahren hatte, darstellt, ist der Karst und die Flora desselben, die
') Über die Abi. des Neog. Dil. und All. Sitzüngsb. d. kais. Akad. d. Wissriiscb.,
jedenfalls von der der jetzigen Alpen und deren Umgebung sehr ver
schieden ist, von grösster Wichtigkeit für die Geschichte der Pflan
zenwelt.
Aus der Vertheilung der beiden Regionen des verschiedenen
Rodens, dem Vorwalten des felsigen und dem gänzlichen Mangel des
Zertrümmerten, die in der Geologie des begangenen Terrains begrün
det ist, folgt auch der Charakter der Pflanzendecke dieser Gegenden.
Das, was den gleichmässig gemischten Boden der unteren
Region am besten charakterisirt, die Wiese und der Acker, dies ist
auch in unserm Terrain im Gebiete der unteren Region nur selten
und nur dort vorhanden, wo der Kalk nicht vorwaltend auftritt und
der Boden gleichmässig gemischt ist.
Die Wiesen nehmen beinahe allen ebenen Raum des Beckens
von Planina, von Adelsberg und des Wipbach-Thales ein, so weit
nämlich der Alluvialboden dieser Gegenden reicht.
Auffallend ist der Mangel der Wiesen jedem fremden Besucher
derTolmeiner und Flitscher Gegenden, wo man ausgedehnte Flächen
der Thalsohle, die aber ausschliesslich aus Dachsteinkalk-Geröllen
gebildet sind, beinahe von aller Vegetation entblösst beobachten kann.
Auch in der oberen Region des Felsigen entspricht das Vorhan
densein von ausgedehnten Wiestlächen oder der gänzliche Mangel
derselben genau der Zusammensetzung des Bodens.
Am allerauffallendsten spricht sich dieser Unterschied in der
Bedeckung des Bodens mit Wiesen aus, wenn man von einem höhe
ren Punkte , z. B. vom Lascek (Vlaszek auf der Generalstabskarte)
nördlich von Canale, das Kalkplateau des Tarnowaner Waldes, die
Gebirge der Sandsteine und Mergel am rechten Ufer des Isonzo,
und die Gebirge des Wassergebietes des ßaca- und Cirkniza-Thales
(westlich von Tolmein und nördlich von Kirchheim) nach einan
der überblicken kann. Während die beinahe waldlosen Saudstein-
Gebirge, besonders aber die aus Kalkmergelschiefern und Hornsteinen
bestehenden Gebirge des Baca- und Cirkniza-Thales alle mit einem
freudig grünen Wiesenteppiche allgemein bedeckt sind, mangelt dem
Kalkplateau an unbewaldeten Stellen beinahe alle Vegetation. Aber
auch in dem Kalkplateau, namentlich um Loqua, und östlich am
Mrzawec im Thalkessel Auskä Läsna, wo in den Vertiefungen des
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung’ der Pflanzen.
383
Terrains, die Hornsteine des Jurakalkes dieser Gegenden zusammen
geschwemmt, den Kalkboden mit Kieselerde reichlich versehen, sind
üppige Wiesen zu treffen, die an Fruchtbarkeit denen der Ebene oder
der Alpen gar nicht nachstehen.
Während z. B. in Flitsch, sowohl in der Tiefe des Kessels als
an den höheren Wänden desselben, die weisse Farbe des Kalkes
überall durch die spärliche Vegetation durchschimmert, sind die aus
Sandsteinen und aus dem Detritus derselben bestehenden Hügeln am
Rande dieses Kessels, besonders im Norden von Flitsch, mit frucht
baren, den einzigen Reichthum von Flitsch bildenden Wiesen bedeckt.
Ganz ähnliche Verhältnisse bietet in dieser Beziehung die
Wochein. Die Tiefe der Thalsohle nehmen die Wiesen ein, aber im
Gebirge selbst über Dachsteinkalk, kennt man keine Wiesen.
Das Vorkommen der Cerealien im begangenen Gebiete verräth
ebenfalls einen innigen Zusammenhang derselben mit der Beschaffen
heit der Unterlage, auf der sie gebaut werden.
In Flitsch und in der Trenta erreicht der Anbau der Cerealien
2000' Meereshöhe; kommt aber insbesondere in der Trenta nur sehr
sporadisch vor. Die beinahe ganz horizontalen Flächen der Geröll-
Ablagerung in der Thalsohle der Trenta bestehen stellenweise aus
schliesslich aus Dachsteinkalk; daher werden sie zum grössten Theile
nur als Wiesen benützt, indem bei Getreide-Anbau der Nutzen des an
Kieselerde und Thonerde sehr armen Bodens die Arbeit durchaus
nicht aufwiegt.
Auch um Flitsch werden nur jene Stellen zum Getreide oder
vielmehr ausschliesslich zum Mais-Anbau verwendet, wo das Kalk-
gerölle mit einem Detritus der Kreide-Sandsteine des Flitscher Thaies
überdeckt ist. Auf den ausschliesslich Kalk enthaltenen Ebenen
gedeiht weder der Getreidebau noch die Wiese.
Nach der bedeutenden und massenhaften Gebirgs-Erhebung des
Terglou sollte man, wenn diese einen Einfluss auf das verticale Auf
steigen des Getreides ausüben würde, finden, dass in der Trenta das
Getreide viel höher hinauf gebaut werde, als dies in der Thal der
Fall ist.
Um Caporetto, dann östlich um Drezenca und westlich im
Gebiete des Natisone wird das Getreide noch bis zu 2000' Meeres-
384
Stur.
höhe gebaut. In diesem Theile des begangenen Terrains stellt sich
besonders deutlich heraus, dass zum nutzbringenden Gedeihendes
Ackerbaues ein Stück ebenen Landes mit lockerem Boden durchaus
nicht genügt, auch dann, wenn dasselbe in keiner bedeutenden Meeres
höhe gelegen ist; dass die chemische Zusammensetzung desselben
vorzüglich berücksichtigt werden muss.
Um Drezenca sowohl als auch um Sedulla und Bergogna im
Natisone-Gebiete wird das Getreide nur so weit hinauf auf den Abhän
gen des Thaies gebaut, als noch die tertiären Ablagerungen nebst
Kalk, auch Bestandtheile der unterliegenden Sandsteine und
Mergel beigemengt enthalten. Über den letzten Vorkommnissen
des Getreides folgen noch bis auf 1000' senkrechter Erhebung
beinahe ganz horizontale Flächen von reinem Dachsteinkalk-
Detritus übereinander. Diese werden aber trotzdem vom Acker
baue nicht heimgesucht, ja nur die wenigsten dieser Stellen können
als einmal mähbare Wiesen benutzt werden, da die üppige Kalk-
alpen-Flora auf diese zum grössten Theile trockene und der Sonnen
hitze direct ausgesetzte Flächen nicht herabsteigen kann, und die
Pflanzen der unteren Region auf dem ungleichmässig gemischten, an
Kalk sehr reichen Boden ebenfalls nicht bestehen können.
Eine bedeutendere Meereshöhe erreicht der Getreide-Anbau
östlich von Drezenca in der Gemeinde Km. Das Dorf Krn hat auf
dem südlichen Abhange des bedeutenden Alpen-Gipfels Krn genau
dieselbe Lage wie Sedulla und Bergogna auf den südlichen Abhängen
des Stou. Auch ist die Massen-Erhebung des Gebirges nördlich von
Stou, nämlich die des Monte Canin im Flitscher Gebirge, genau eine
gleich grosse, wie die nördlich auf den Krn folgende des Terglou-
Gebirges. Und doch erreicht der Getreide-Anbau im Dorfe Krn 3000'
Meereshöhe (die untersten Häuser in Krn besitzen 2739' Meeres
höhe) und steigt also um 1000' höher als in Sedulla und Bergogna.
Die verschiedene Beschaffenheit des Bodens muss Ursache hievon
sein. Denn die am südlichen Abhange des Krn ausgebreiteten Kalke,
Sandsteine und Mergel der Kreide bilden einen Detritus, der bei
3000' Meereshöhe noch überall gleichmässig aus Kalkerde, Kiesel
erde und Thonerde zusammengesetzt ist, und daher Ursache ist von
der Existenz günstigerer Bodenverhältnisse für das Vorkommen der
Cerealien bei Krn, als es in gleicher Meereshöhe über Sedulla und
Bergogna der Fall ist.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertbeiiung- der Pflanzen. 385
Auch mag aus der gleichmässigen Mischung des Bodens die
Fruchtbarkeit der Gegend von Camigna und Salizhe erklärlich sein.
Bekannt ist im Tolmeinischen wegen der Fruchtbarkeit seiner
Äcker das Woltschacher Feld, welches auf dem Alluvial-Schuttkegel
der Kamenza steht. Dieser Schuttkegel verdankt seine Entstehung
der Zerstörung des tertiären Schotters im Innern der Kamenza,
der aus Hippuriten-Mergeln und Kalken, und zum grössten Theile
aber aus Hornsteinen der im Kamenza-Thale anstehenden Kalke
besteht.
Die Felder von Tolmein stehen denen von Woltschach in der
Fruchtbarkeit weit nach, indem hier die Kalkgerölle die vorwaltend-
sten sind.
Von Tolmein nördlich im Tominska-Thale, dann nordöstlich und
östlich im Gebiete des Baca-Thales, ferner in der Umgebung von
Kirchheim im Idria- und Cirkniza-Thale, tritt das Getreide nur sehr
sporadisch auf, indem auch die dasselbe beherbergenden Ablagerun
gen des lockeren Bodens nur vereinzelt und in untergeordneter Ent
wickelung zu finden sind. Die Meereshöhe, in welcher das Getreide
wachsend gefunden wird, ist in diesen Gegenden ausserordentlichen
Schwankungen unterworfen, die auch nur in dem unregelmässigen
Auftreten des lockeren Bodens der unteren Region begründet sind.
So werden:
in Rauna im Tominska-Thale bei 2980' M.H.
„ Lubino westlich von Podmeuz „ 1369' „
„ Tumlino bei Chnesa „ 1516' „
n Grachowa im Baca-Thale „ 900' „
„ Deutschruth nördlich von Grachowa . . . „ 2720' „
„ Oblak im Baca-Thale 1632' „
„ Podberda im Baca-Thale 1142' „
» Baca oberhalb Podberda ....... „ 2433' „
„ Strzisce unter dem Schwarzenberg . . . ,, 2568' „
» Zakriz und Goriach nördlich von Kirchheim „ 2200' „
» Novake nördlich von Kirchheim „ 1869' „
am Sattel zwischen Novake und Duza . . . . „ 3143' „
in Otäles im Idria-Thale 1897' „
» Sebrelje südlich von Recca Rauna . . . „ 2044' „
und am Verhost südlich von Sebrelje 3400' „
Cerealien gebaut.
Sitzb. J. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. I. Ilft. 25
386
S t u r.
In dem bisher betrachteten Theile des begangenen Terrains
treten die Cerealien ganz in derselben Weise und genau unter den
selben Verhältnissen auf, wie dies in allen anderen nördlicheren
Gegenden der Alpen der Fall ist. Das Getreide steigt hier nirgends
über 3500' M.H., wie dies in den nördlichen Kalkalpen der Fall ist,
und übersteigt daher nicht nur die Grenze der unteren Region nicht,
sondern kommt auch hier am üppigsten auf gleichmässig gemischtem
Boden vor.
In den noch zu betrachtenden südlichen Gegenden des began
genen Terrains bildet das Auftreten des Getreides scheinbar eine
Ausnahme von der Regel, indem es hier auch in der eigentlichen
Felsenregion zu treffen ist.
Um Canale im Thale des Isonzo und von da östlich hinauf auf
das Kalk-Hochplateau des Lascek (mit den Gemeinden Bainsiza
[2150' M.H.], Cau [2638'] und Lom di Canale) bis nach Cjapovano,
ferner bei Idria di Baca im Thale der Idria, und von da östlich auf
das gleichartige Plateau von S. Veitsberg erreicht der Getreidebau
eine Meereshöhe von 2500—2800'. Aber in der unteren Region,
also in der Thalsohle des Isonzo und der Idria, ebenso wie in der
oberen Region auf den genannten Hochebenen, ist das Vorkommen
der Cerealien ein sehr seltenes, und der vom Getreideanbau in
Anspruch genommene Flächenraum beinahe verschwindend klein. Die
Ursache hievon kann nur in dem Vorwalten der Felsen, also in dem
Mangel an gleichmässig gemischtem Boden gesucht werden. In der
unteren Region des Zertrümmerten, die in den sehr engen Thälern
des Isonzo und Idria beinahe auf Null reducirtist, kann der Flächen
raum des aus lockerem Boden bestehenden Terrains nicht bedeutend
sein, und überdies ist noch auf vielen Stellen der Boden wegen
grossen Gehaltes an Kalk für den Anbau des Getreides untauglich.
Oberhalb Canale, am westlichen Rande des Hochplateau des
Lascek, kommen in der oberen Region vereinzelte Partien von
Sandsteinen vor. Auf diesen und auf den Lehm - Ablagerungen
der Kesseln, also auch hier nur auf gemischtem Boden kommen
die Cerealien vor. Aber sowohl die Sandsteine, als auch die den
Grund der kesselförmigen Vertiefungen ausfüllenden Lehm-Ablage
rungen sind hier nur äusserst selten; daher werden sie überall von
dem unermüdeten Fleisse der armen Bewohner dieser Gegenden auf
gesucht und auch dann noch benützt, wenn sie kaum mehr als eine
Über den Einfluss des Bodens auf die Verkeilung der Pflanzen. 387
Quadratklafter Flächenraum einnehmen, und oft stundenweit von den
Wohnungen entfernt, zwischen den Kalkfelsen des Hochplateau zer
streut liegen.
Zwischen Görz und Schönpass und nördlich im Tarnowaner
Walde werden die Cerealien bis 3000' M.H. (Loqua in 3002' M.H.)
gebaut. In der deutlicher entwickelten unteren Region, so weit die
Nummuliten-Sandsteine reichen (1800'), ist der Anbau des Getreides
ein allgemeiner. In der oberen Region im Gebiete des Tarnowaner
Waldes zwischen 2000'—3000' sind die Vorkommnisse der Cerea
lien nur sehr vereinzelt, indem sie hier nur auf die Vertiefungen des
Terrains beschränkt sind, die mit einem aus Kalk und Hornsteinen
gemischten, nur selten vorkommenden lehmigen Roden ausgefüllt
sind, wie bei Loqua und an anderen Orten.
In Wipbach und nördlich davon in der Gemeinde Kreuzberg
und Kouk erreicht das Getreide 2SS0' M.H. Während es aber in dem
breiten Wipbach-Thale (bei 338' M.H.) allgemein gebaut wird, und
von Wipbach über Oberndorf, Zoll bis Podkraj auf 1822' M.H. hin
aufsteigt, und in dieser (durch Zoll und Podkraj markirten) Einsen
kung der Rela, die mit Nummuliten-Sandsteinen ausgefüllt ist, alles
ebenere Terrain von dem Getreide eingenommen wird, findet man in
der oberen Region in der Gemeinde Kreuzberg und Kouk die Cerea
lien nur sehr sporadisch auftreten. Der für den Getreide-Anbau taug
liche Flächenraum ist gegen den vom Walde und nackten Felsen
eingenommenen verschwindend klein, genau in demselben Verhält
nisse, in welchem die allgemeine Verbreitung des Hippuriten-Kalkes
und der Jurakalke dieser Gegenden zu dem vereinzelten, nur auf den
Grund der kesselförmigen Vertiefungen beschränkten Vorkommen
des Lehmes steht.
Im Adelsberger Recken, zwischen Adelsberg und Prewald, steigt
das Getreide nur wenig über 1800' M.H., tritt hier also vorzugsweise
>n der unteren Region auf, indem die dasselbe beherbergenden Allu-
vionen der Poik und der Nanosiza sowohl, als auch die Hügel des
Nummuliten-Terrains 1800' M.H. nicht übersteigen.
An den Hippuritenkalkwänden des Nanos steigt das Getreide
nirgends empor und fehlt im Rirnbaumer Walde, wo der Hippuriten-
kalk an allen Orten ansteht, gänzlich.
Auf niedrigeren, das Recken von Adelsberg umgebenden Kalk
bergen tritt das Getreide ebenfalls nur sehr selten auf, und dann
25
i
§
388 s t u r.
entweder über vereinzelnten Vorkommnissen von Nummuliten-Sand-
steinen oder von Lehm.
Im Becken von Planina übersteigt das Vorkommen der Cerealien
nicht 1700', da die Äcker in dieser Gegend nur an den etwas erhöhten
alluvialen Ablagerungen der das Becken von Planina manchmal ganz
überschwemmenden Unz angebracht werden können.
Also in der That kommt in den Gegenden, die eben ausführ
licher besprochen worden, das Getreide ausnahmsweise auch in der
Begion des Felsigen vor, obwohl dasselbe auch hier über gemischtem
Boden gedeiht. Diese scheinbare Anomalie wird aber von der Natur
hervorgebracht, in dem hier die tertiären Ablagerungen fehlen, also
die Bestimmung der oberen und unteren Begion in dem Sinne, in
welchem dies in anderen Theilen der Alpen geschah, nicht möglich
ist; und dadurch dass hier in der felsigen Begion in einer Meeres
höhe von 3000' Ablagerungen eines gemischten zum Gedeihen des
Getreides nöthigen Bodens Vorkommen, auf denen die bis über
5000' M. H. in den Alpen den Einflüssen des rauhen Klima’s zu wie
derstehen vermögenden Cerealien, bei dem viel milderen Klima der
betrachteten Gegenden ohne Schaden wachsen können.
So wie sich der Charakter der Gegenden in Bezug auf den Man
gel der tertiären Schotter-Ablagerungen ändert, treten aber auch die
Cerealien wieder in der Weise auf, wie sie in den nördlichen Theilen
der Alpen beobachtet worden sind. In dieser Hinsicht sind die Vor
kommnisse des Getreides umLoitsch und in der Wochein sehr wichtig.
Im Loitscher Becken und von da in nordwestlicher Richtung
über Hotederzic und Godovic tritt das Getreide überall auf in der
Weise, wie indem Hochplateau desLascek und im Tarnowaner Walde.
In diesen Gegenden fehlen aber die Schotter-Ablagerungen gänzlich.
Nördlich von Loitsch in der Gemeinde Siberse bis nach Medwedie-
berdo (2463' M.H.) geben die stellenweise vorkommenden tertiären
Schotter-Ablagerungen der ganzen Gegend einen ganz andern Cha
rakter. DasFelsige derGegenden mit den kesselförmigen Vertiefungen
zugleich verschwindet beinahe gänzlich, und das Getreide tritt über
den Schotter-Ablagerungen auf, ganz in der Weise, wie dies sonst in
den Alpen der Fall ist.
In der Wocliein wird das Getreide im Gebiete der unteren
Region über den tertiären und alluvialen Ablagerungen gebaut. Man
findet hier vorzugsweise jene Stellen vom Getreide-Anbaue ein-
Über den Einfluss des Bodens auf die Verkeilung der Pflanzen. 389
genommen, deren Boden gemischt ist und wo der Kalk durchaus nicht
vorwaltet. Namentlich um Feistritz auf den Alluvionen der Bistriza
die aus dem Detritus der tertiären Sandsteine und Mergel bestehen.
Das Thal von Mitterndorf und Kerschdorf verdankt seine Fruchtbarkeit
dem Antheile seines Bodens an Hornsteinen, die ihm aus den hornstein-
führenden Schiefern der Hierlatz-Schichten (mittlerer Lias) dieser
Gegenden mitgetheilt worden sind. Alle diese Vorkommnisse des
Getreides überstiegen nicht 2200' M. H.
Auf dem Hochplateau der Pokluka um Kopriunik (3217' M. H.)
und dessen Umgebung findet man die Cerealien in den kesselförmigen
Vertiefungen dieser Gegenden, obwohl auf tertiären Schotter-Abla
gerungen, genau in der Weise gebaut, wie dies im Tarnowaner
Walde und den benachbarten Hochebenen der Fall ist. Hier erreicht
das Getreide, ebenfalls nur sehr sporadisch auftretend, 3500' M. H.
Die Resultate die aus der Betrachtung der Verbreitung der
Cerealien im begangenen Terrain sich ergeben, lassen sich im Fol
genden zusammenfassen:
Die Cerealien kommen nur auf gleichmässig gemischtem Boden
vor, und die Verbreitung desselben ist abhängig von der Verbreitung
des gemischten Bodens. Die Meereshöhe bis zu welcher die Cerea
lien hinauf steigen, ist in der südlichen und nördlichen Kalkalpenkette
nahezu eine und dieselbe. Diese Meereshöhe hängt durchaus nicht
von der Massen-Erhebung des Gebirges, sondern von der Meeres
höhe, bis zu welcher der zum Gedeihen der Cerealien nothwendige
lockere gleichmässig gemischte Boden vorkommt.
Über die oberen Grenzen des Waldgürtels lassen sich in dem
begangenen Terrain keine sichern Beobachtungen anstellen J ). Der
Wald ist vielseitig theils des Holzes wegen, theils aber auch zu dem
Ziele abgetrieben worden, dass die früher bewaldeten Flächen als
Waiden benützt werden könnten.
Die ausserordentliche Trockenheit, insbesondere der südlichen
der Sonnenhitze vorzüglich ausgesetzten Abhänge tritt dem Wachs-
thume des jungen Waldes hinderlich in den Weg; so dass man, die
1 ) Siehe nach in Sendtner’s Beob. über die klimatische Verbreitung der Laubmoose
durch das österr. Küstenland und Dalmatien. Flora von Regensburg 1848, S. 195.
390
Stur.
Wochein ausgenommen, kaum eineStelle in dem begangenem Terrain
finden dürfte, wo es gestattet wäre, die natürliche obere Grenze des
Waldes zu beobachten.
In der Woehein und namentlich im westlichen Theile in
den Gebirgen über dem Ursprünge der Saviza, wo der Wald wegen
der Schwierigkeit der Förderung des Holzes aus dem vielfach durch
tiefe Kessel durchzogenen Hochplateau an seiner Natürlichkeit nur
wenig verlieren konnte, übersteigt der Wald 5500' M. H. nicht.
Im Süden der Wochein auf den nördlichen Abhängen des
Schwarzenberges hört der Wald bereits in 4000' M. H. auf.
Auf dem südlichen Abhange des Sckwarzenberges konnte ich
die Grenze des Hochwaldes auf dem Sattel zwischen Katzbock und
Strzisce auf 3138' M. H. bestimmen.
Im Hintergründe des Tominska-Thales, dort wo der Wald am
südlichen Abhange des Krn am höchsten hinaufsteigt, erreichen die
letzten Bäume kaum 5000'.
Im Flitscher Gebirge hört der Wald auf gleich unterhalb der
Horicica-Alpe am Rombon, also in 3460' M. H.
Die ebene Fläche der Goreni-Glava, westlich von Karfreit, die
etwas niederer ist als der 4657' hohe „na Stole“ ist gar nicht be
waldet. Der Wald tritt erst auf dem westlichen Abhange des „Na
Stole“ auf und steigt dann im Westen auf dem viel feuchteren Monte
Maggiore, der aus Dolomit des Dachsteinkalkes gebildet ist, noch um
einige hundert Fuss höher.
Am nördlichen Abhange des Matajur reicht der Wald bis 3600
und 3700' M. H. Der südliche Abhang ist des Waldes beinahe gänz
lich beraubt.
Am Kuk-Berge, westlich von Wolfschach, reichen zusammen
hängende Waldbestände, nach einer Messung oberhalb Fonn in der
Camenza, westlich von Woltschach nur bis 2589' M. H.
Das Hochplateau des St. Veitsberges und des Lascek östlich
vonCanale, übersteigt nirgends die obere Grenze des Waldes, ebenso
das Hochplateau des Tarnowaner Waldes, dessen höchster Punkt der
4440' hohe Mrzawee bis an den Gipfel hinauf bewaldet ist. Dasselbe
ist der Fall im Birnbaumer Walde, dann in der Jelouza und Pokluka
in der Wochein.
Hat man einmal Gelegenheit gehabt das Hochplateau des Birn
baumer Waldes, des Tanowaner Waldes oder der Jelouza nach
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 391
mehreren Richtungen zu begehen, und hat man im Gebiete derselben
die hohen und starken beinahe bis auf den Gipfel hinauf unverästeten
Buchen, und die schlanken Tannen bewundert, so hat man sich zu
gleich die Überzeugung geholt, dass diese Hochebenen, mit ihren
nackten überall anstehenden Kalkfelsen, mit ihren bald ausgedehnten
bald aber kaum einige Klafter im Durchmesser besitzenden Kesseln
und Einsenkungen so recht eigentlich das Terrain bilden, auf welchem
alle nothwendigen Bedingnisse zu einem kräftigen Fortbestehen des
Waldes von der Natur gegeben sein müssen. Man hat sich zugleich
überzeugt, dass die gleichartigen Karstebenen z. B. um Triest mit
derselben Kalkunterlage, mit derselben Oberflächen-Gestaltung, nicht
von der Natur bestimmt sind, das wüste und traurige Ansehen darzu
bieten, es vielmehr die Menschenhand sein musste, die den Wald
ausrottete und für dessen Erneuerung keine Sorge trug.
Erst in neuerer Zeit widmet man diesem Gegenstände eine Auf
merksamkeit, indem man auf dem nackten, dürren Kalkplateau den
Wald aus Samen zu ziehen Versuche macht.
Eine hieher bezügliche Beobachtung, die ich im Liskouz-Walde
westlich von Hotederzic nordwestlich von Loitsch zu machen Gele
genheit hatte, scheint mir zu wichtig, als dass ich sie hier nicht
mittheilen sollte. In dieser Gegend kommt über dem Hippuriten-
Kalke, der hier ein weites unebenes, von Kesseln sehr häufig unter
brochenes Thal bildet, Corylus Avella L. so häufig vor, dass alle
Wege und Stege von dieser Staude beinahe ganz eingeengt und
unwegsam gemacht sind, und das übrige Terrain ganz undurchdring
lich geworden ist. Ich irrte in dieser Gegend einige Stunden hindurch,
ohne Hoffnung sich herauszuwinden und konnte oft genug bemerken,
wie daselbst aus dem Dickicht der Haselstaude, junge Buchen und
Eichen kräftig emporschiessen, und stellenweise durch den Schatten,
ihrer bereits ausgebreiteten Kronen, die Haselstaude zumTheil oder
ganz verkrüppelt machten.
Dies scheint mir in der That ein von der Natur angestellter
Versuch zu sein, die Karstplateaus mit neuen Wäldern zu versehen.
Man sollte diesen Versuch an andern Orten dadurch nachahmen,
dass man vorerst für die Entstehung eines Bestandes der Haselstaude
aus Samen, Sorge tragen würde. In einigen Jahren wäre nicht nur
eine Schutzwehr gegen die Stürme des Karstes aufgewachsen, hinter
welcher junge Eichen und Buchen bis zu einer gewissen Grösse ohne
392
S t u r.
Schaden fortwachsen und kräftiger werden konnten, sondern es
würde zugleich aus den abgefallenen Blättern eine Humus-Schichte
gebildet werden, die die Feuchtigkeit an sich ziehen und im Schatten
der Stauden lange behalten, und somit die Keimung der später einzu
säenden Eichen- und Buchen-Samen ermöglichen im Stande wäre.
Dass die Haselstaude auch auf dem Karste fortkomme, und sich
unter derselben eine feuchte Humus-Schichte bilde, hievon kann man
sich am südlichen Rande des Adelsberger Beckens südlich von Hru-
suje (östlich von Prewald) genügend überzeugen; wo die Corylus
Avellana ohne der Schutzwehre eines Waldes ganz isolirte Bestände
bildet, und dem Sturme den sie hier so zu sagen aus der ersten Hand
empfängt, ganz gut wiedersteht.
Trotz den vielen Unregelmässigkeiten in dem Auftreten des
Waldgürtels im begangenen Terrain lässt sich doch eine allgemeine
Depression des Waldes dieser Gegenden nicht verkennen, die einer
gleichzeitigen Depression der Cerealien und der geringeren Ent
wicklung und Erhebung der untern Region entspricht.
In der Wochein namentlich scheint eine grössere Ausdehnung
der untern Region auch das Höhersteigen des Waldgürtels zu be
dingen.
Diesen Zusammenhang scheint ferner noch der Umstand anzu
zeigen, dass die obere Grenze des Waldes in der nördlichen und
südlichen Kalkalpenkette nahezu dieselbe, und viel niedriger ist als
die in der Centralkette; was auch in Bezug auf die obere Grenze der
untern Region gilt, die mit ihren tertiären und jüngeren Ablage
rungen in der Centralkette viel höher hinauf reicht als in den Kalk
ketten.
Im Vorangehenden wurde schon öfters darauf aufmerksam
gemacht, das die neogen tertiären Schotter-Ablagerungen in der
Weise, wie sie in den nördlichen Theilen der Alpen Vorkommen,
in dem begangenen Terrain nicht überall vorhanden sind, und dass
sie von Norden nur bis zu einer gewissen Grenze herabreichen,
über welche nach Süden hinaus gar keine Spuren vorgefunden
worden sind.
Das Vorkommen der neogenen tertiären Ablagerungen lässt sich
von der Einsenkung des oberen Natisone dem Isonzo-Thale nach bis
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 393
in die Gegend zwischen Woltschach und Ronzina, deutlich verfolgen;
dann sind Spuren davon im Gebiete des Baca-Thales und Idria-Thales
vorgefunden worden. Endlich findet man die südlichsten Spuren
dieser Ablagerungen in der Gemeinde Siberse, sie buchten sich aber
nicht bis nach Loitsch herab, biegen dann nach Norden, um so in dem
Becken von Ober-Laibach einzumünden.
Es Hesse sich diese südliche Grenzlinie der neogen-tertiären
Ablagerungen graphisch durch eine Linie andeuten, die man von den
Quellen des Natisone am nördlichen Abhange des Matajur angefangen
über Karfreit, Woltschach, Siberse, Idria bis Ober-Laibach ziehen
würde (mit einer südlichen Einbuchtung von Woltschach gegen
Ronzina, und weiter östlich gegen Siberse herab).
Wir haben gesehen, dass südlich von dieser Linie das Getreide
ausnahmsweise auch in der oberen Region, obwohl auch hier nur über
gemischtem Boden vorkomme, also südlich von dieser Linie in Bezug
auf Cerealien eine andere Ordnung der Dinge herrsche.
Diese Linie gewinnt aber an Wichtigkeit durch die Beobach
tung, dass viele der südlichen Pflanzen, die in Istrien und Dalmatien
häufig verbreitet sind und so zu sagen hier ihre Heimath haben, über
diese angegebene Linie nicht hinausgehen, und diese Linie folglich
ihre nördliche Grenze darstellt. Ich will versuchen, durch Angabe
folgender Beispiele auf die merkwürdigen Verhältnisse aufmerksam
zu machen.
Sesleria tenuifolia Schrad erreicht diese Linie kaum und ich
konnte sie nur im Gebiete des Birnbaumer Waldes noch beobachten.
Sesleria juncifolia H o s t. reicht bis auf die Dolomit-Berge nörd
lich von Kaltenfeld, westlich von Planina.
Crepis chondrilloidcs J a c q. konnte bis auf denCaun bei Schön
pass, also in das Gebiet des Tarnowaner Waldes verfolgt werden.
Scorzonera villosa Scop. steigt bis an den Rand des Birn
baumer Waldes über dem Wipbach-Thale.und im Adelsberger Becken.
Omphalodes verna Mnch. in den Wäldern um Loitsch erreicht
die besprochene Grenzlinie.
Onosma stellulatum W. Kit. zieht bis auf den Caun und die
nördlichen Abhänge des Wipbach-Thales.
Scopolina atropoides Schult, kommt bei Idria vor, und wurde
auch im Thale von Nowi swet, nordwestlich von Loitsch, nahezu an
der Grenzlinie gefunden.
394
Stur.
Molopospermum cicutarium DC., das nach Beobachtungen von
v. T o m m a s i n i am Monte Santo vorkommt, wächst auch am Matajur,
also ganz an der Grenzlinie.
Paliurus aculeatus L. wächst noch sehr häufig auf den nörd
lichen Abhängen des Wipbach-Thales, im Gebiete des Birnbaumer
Waldes.
v
Genista sericea Scop. kommt noch amNanos und am Caun vor;
ebenso erreicht
Genista silvestris Scop. das Hochplateau des Kreuzberges
nördlich von Zoll, und des Birnbaumer Waldes.
Saxifraga petraea Pona L. erreicht die Wand bei Modrea im
Tolmeinischen, und kommt auf dem nördlichen Abhänge des Matajur,
südlich vom Isonzo, noch ziemlich häufig vor.
Nasturtium lippizense DC. kommt noch sehr häufig im Walde
bei Planina vor.
Euphorbia carniolica J a c q. zieht, so viel bekannt, über Idria
nicht weiter nach Norden.
Daphne alpina L. steht bei Adelsberg und nach den Beobach
tungen von v. Tommasini am Monte S. Valentino bei Görz.
Die letzte Campanula pyramidalis L. glaube ich bei Sella zwi
schen Ronzina und Woltschach beobachtet zu haben, wenigstens sah
ich nördlich davon im Gebiete des Isonzo dieselbe nur an solchen
Orten, wo sie als Flüchtling aus den Gärten betrachtet werden
musste.
Aber nicht genug, dass diese die südliche Grenze der neogen
tertiären Ablagerungen darstellende Linie zugleich die nördliche
Grenze für viele südlichen Pflanzen bildet; sie ist zugleich als die
südliche Grenzlinie zu betrachten von der folgenden Dachsteinkalk-
und Dolomit-Flora des begangenen Terrains:
Sesleria sphaerocepliala Ard.
Tofieldia glacialis Gaud.
Armeria alpina L.
Scabiosa longifolia W. Kit.
Asterocephalus lucidus Vill.
Valeriana elongata Jacq.
Centaurea nervosa W.
Achillea atrata L.
Crepis hyoseridifolia Rchb.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 395
Crepis blattarioides R e h b.
„ Jacquini Tausch.
Taraxacum laevigatum DC.
Saussurea pygmaea S p r.
Phyteuma cor datum A11.
Campanula Zoysii W u 1 f.
„ tliyrsoidea L.
„ spicata L.
Eritrichium nanum Schra d.
Pedicularis verticillata L.
„ rostrata L.
„ tuberosa L.
Veronica aphylla L.
Paederota Ageria L.
Androsace villosa Wulf.
Gentiana pumila J a c q.
„ nivalis L.
„ lutea L.
Bupleurum graminifolium Va hl.
Astrantia carintliiaca Hoppe.
„ carniolica Wulf.
Oxytropis montana DC.
Saxifraga Hohenwartii V e s t.
„ squarrosa Sieh.
Pote7itilla nitida L.
„ Clusiana Murr.
Alchimilla alpina L.
Noccea alpina L.
„ rotundifolia L.
„ ccpeaefolia W u 1 f.
Petrocallis pyrenaica R. B r.
Alyssum Widfenianum B r n h.
Arabis vochinensis S p r.
Papaver alpinum L.
Ranunculus Traunfellneri Hoppe.
Aquilegia pyrenaica DC.
Geranium argenteum L.
Linum alpinum L.
396
S t u r.
Hievon zieht die Paeclerota Ageria mit dem Isonzo längs den Dilu-
vial-Ablagerungen bis nach Canale herab.
Astrantia carinthiaca Hoppe kommt am Börsen und am Mata-
jur noch vor.
Astrantia carniolica Wulf ist auch südlich von der tertiären
Linie am Dolomit verbreitet.
Alcliimilla alpina L. fand ich auch am Matajur.
Die Ursachen hievon sind theils darin zu suchen, dass am nörd
lichen Abhange des Matajur Dachsteinkalk vorkömmt urtd der Dolomit
nördlich von der tertiären Grenzlinie mit dem südlich davon liegen
den unmittelbar zusammenhängt.
Diese Thatsachen wären geeignet, den Beobachter zu der irri
gen Meinung zu verleiten, dass der Einfluss des Bodens auf die Ver-
theilung der Pflanzen gleich Null zu setzen, und dass alle Vertheilung
der Pflanzen von solchen Grenzlinien einzig und allein abhängig sei.
Mit dieser südlichen Grenzlinie der neogen-tertiären Ablage
rungen fällt in dieser Gegend zugleich zusammen die nördliche
Grenzlinie der Kreide-Ablagerungen und die südliche Grenze der
Dachsteinkalk-Ablagerungen. Die Linie ist daher nicht nur die
Grenze verschiedenen Bodens, sondern auch die Grenzlinie zwischen
zwei Vegetations-Centren der Alpen und der südlichen Gegenden des
Karstes, Istriens und Dalmatiens, und es ist daher nicht zu wundern,
wenn diese Verhältnisse in den Vorkommnissen der Pflanzen so auf
fallend und genau markirt sind.
Aus dieser Ursache mag auch erklärlich erscheinen, dass selbst
die Dachsteinkalk-Flora in diesen Gegenden einen Zuwachs an neuen
Formen erhalten habe. Diese sind (so weit vorläufig die Untersuchun
gen gediehen sind):
Campanula Zoysii Wulf.
Astrantia carinthiaca Hoppe.
Alyssum Wulfenianum Brnh.
Arabis vochinensis Spr.
Geranium, argenteum L.
In dem begangenen Terrain hatte ich ferner Gelegenheit, einige
Standorte von Pflanzen zu besuchen, deren merkwürdige Bodenver
hältnisse, begleitet von eigenthümlichen Pflanzenformen, besser als
Über den Einfluss des Bodens auf die Verkeilung- der Pflanzen. 397
sonst irgendwo den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der
Pflanzen und insbesondere aber den die Pflanzen-Form verändernden
Einfluss des Bodens beweisen.
Das Vorkommen der Pedicularis Friedend Augusti Tommasini
auf dem Monte Slavnik zog mich insbesondere an. Die verwandte
Pedicularis comosa L. fand ich am Dolomit des Hippuritenkalkes
des Monte Prese bei Serravalle im Venetianischen, und ich war
begierig zu erfahren, auf welchem Gesteine die oben angegebene
Pedicidaris am Slavnik zu finden sei.
Von Triest fuhr ich nach Materia und erstieg von da den Slav
nik, und fand zu meiner grossen Befriedigung, dass in der ganzen
Erstreckung des Standortes der Pedicidaris Friederici Augusti
Tommasini ein dunkler Nummulitenkalk die unmittelbare Unterlage
bildet.
Dann wallfahrtete ich zu dem einzigen bis jetzt bekannten
Standorte der
Hladnikia pastinacifolia R c h b.
am Caun nördlich von Schönpass im Wipbach-Thale.
v
Das Hochplateau des Tarnowaner Waldes fällt am Caun und
westlich davon mit einer beinahe senkrechten Wand in das Wipbach-
Thal herab. Die äusserste oberste Kante dieser Wand, so wie die
Wand selbst ist ganz unbewaldet, erst in einer Entfernung von bei
läufig 50—100, manchmal auch mehr Klaftern von der Kante fängt
der Wald an und zieht sich dann ununterbrochen bis gegen Idria hin.
Diese äusserste unbewaldete Kante ist nun zum Theil fester Fels,
zum Theil ist sie aber von kleinen und grösseren Stücken und
Bröckeln des anstehenden Jurakalkes (Plassenkalk) bedeckt. Auf
dem Felsen fand ich nun:
Cerastium lanigerum Clementi (in atti del Congresso di Firenze),
auf dem zerbröckelten steinigen Boden aber die:
Hladnikia pastinacifolia R c h b.
Die Area dieser beiden Pflanzen beträgt, so weit ich mich davon
überzeugen konnte, kaum 20 Quadratklafter.
Auf einem ganz ähnlichen Standorte kommt über Hippuritenkalk
am Nanos die Draba ciliata Scop. vor; das Vorkommen dieser
Pflanze ist ebenfalls so beschränkt wie das der beiden vorangehenden.
Den Standort der Möhringia villosa Fenzl und rar. ß. gla-
brata, der seit längerer Zeit schon beinahe bezweifelt wurde, da
398
Stur.
ausser dem Custos Frey er in Triest diese Pflanze Niemand, auch
der mit jugendlicher Lust und Liebe mit der Flora dieser Gegenden
beschäftigte Dr. Dollin er in Idria nicht, auffinden konnte, hatte ich
Gelegenheit zu besuchen.
In Koch’s Taschenbuch der deutschen und schweizerischen
Flora wird der Standort angedeutet als „in Oberkrain am Poresen-
berg ober Zarz (nicht Zurz)“, wonach er von manchen nicht genau
instruirten Reisenden kaum gefunden werden dürfte.
Auf der Generalstabskarte ist der Berg als Borodin benannt; in
Kirchheim heisst er Porsen oder Börsen und liegt über Puce und
Goriach nördlich von Kirchheim. Dieser Berg besteht in seinem ober
sten Theile aus Kalk- und Thon-Schiefern, die zumTheil der Kohlen
formation, zum Theil der Trias- und Kreide-Formation angehören
und vielfach untereinander wechseln, so dass die Felsen bald aus
reinem Kalk, bald aus Schiefern, bald aus beiden bestehen.
Westlich, kaum 30 Klafter entfernt von der höchsten Spitze des
Porsen, fand ich in dem obersten senkrechten Theile der nach Süden
abfallenden Wände kaum eine Klafter unter der Gräte die bespro
chene Möhringia. Die M. villosa Fenzl scheint auf Stellen vorzu
kommen, wo der Kalk vorwaltet, die var. glabrata aber über reinem
Thonschiefer. Ich bin überzeugt, dass beide Formen auch tiefer
unter der Spitze an den Wänden des Porsen zu finden sein werden.
Der Standort sollte daher in der Zukunft auf folgende Weise genau
angegeben werden „in den nach Süden abfallenden steilen Wänden
des Porsen (Börsen, Borodin) bei Göriach und Puce nördlich von
Kirchheim, östlich von Tolmein. Die erste Form über Kalkschiefer,
die zweite über Thonschiefer. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese
Pflanzen auch in der östlichen Fortsetzung der Gesteine in der Gegend
von Zarz und Daine auf ähnlichen Standorten zu finden sein werden“.
In der Umgegend der Cerna prst (Schwarzenberg) kommen
schwarzbraune, stark eisenhaltige Schiefer als Einlagerungen von sehr
geringer Ausdehnung, die unter einander nicht Zusammenhängen, son
dern isolirt und stellenweise auftreten, im Dachsteinkalke vor. Gerade
an der Spitze der Cerna prst steht eine solche Schiefer-Einlagerung
an. Diese Stelle ist nun auf eine sehr auffallende Weise mit dem
schönen Geranium argenteum bewachsen und bedeckt, dass im
Bereiche dieses Vorkommens nebst Trifolium noricum beinahe alle
andern Pflanzen zurückgedrängt sind.
Über den Einfluss des Bodens auf die Verkeilung- der Pflanzen. 399
Von der Cerna prst ist nun das Geranium argenteum über den
Slieme Wrcli bis auf den Krn verbreitet, kommt aber nur an solchen
Stellen vor, wo sich eine mächtigere Schichte derDammerde (die von
den Winden aus dem Thale hier zusammengetragen wird) vorfindet.
Dies scheint anzudeuten, dass das Geranium argenteum nicht eine
Dachsteinkalkpflanze ist, sondern dem Schiefer der Cerna prst
ursprünglich angehört. In der Folge dürfte sich diese Thatsache
weiter erklären, wenn man Beobachtungen über die Unterlage dieser
Pflanze aus anderen Gegenden wird vergleichen können.
Leider kam ich bereits nach der stattgehabten Heuernte auf
diesen merkwürdigen Standort, und konnte mich in Bezug auf das
Vorkommen mancher anderer Pflanzen dieses Standortes nicht genau
instruiren.
Aber unter allen den besuchten Standorten verdient jedenfalls
eine Schäfer-Alpe „pri rudecim robu“ zwischen dem Slieme Wrch
und Perliou östlich von der Spitze des Krn, nördlich von Tolmein,
die meiste Aufmerksamkeit der Botaniker.
Schon vom Calvarienberge bei Woltschach gewahrt man in der
bezeiehneten Gegend ober dem Slieme Wrch einen rothen Fleck in
dem sonst weissen Dachsteinkalke dieser Berge. Hat man diesen
Fleck einmal vom Thale aus gesehen, so kann man denselben nicht
verfehlen, denn es führt von Tolmein über Sotto Tolmino oberhalb
Dollia über den Merzli Wrch (4290') bis auf den Sattel östlich von
der Alpe Losina ein guter Fusssteig, und von da findet jeder gute
Bergsteiger den Weg leicht hinauf zu der bezeiehneten Stelle. Man
findet da in dem massenhaft entwickelten, prachtvoll geschichteten
Dachsteinkalk eine kaum 2 Klafter mächtige und kaum 40 — SO Klafter
lange Einlagerung von rothen Mergeln und grünlichen Sandsteinen.
In der Umgegend dieser Einlagerung wächst sowohl auf den rothen
Mergeln als auch auf dem Dachsteinkalke:
Pedicularis rostrata L.
Veronica aphylla L.
Paedorota Ageria L.
Oxytropis montana DC.
Potentilla Clusiana Murr.
lielianthemum alpestre R c h b.
Uanunculus Traunfellneri Hoppe.
Geranium argenteum L.
400
Stur.
Nur auf dem Dachsteinkalke über den Mergeln und Sandsteinen
konnte ich bemerken
Alsine aretioides M. K. (Siebera cherlerioides Hoppe),
und nur auf den Mergeln und Sandsteinen unter der eben erwähnten
Pflanze fand ich:
Alsine lanceolaia M. K. (Facchinia lanceolcita Rchb.),
Phaca australis L. und
Laserpitium peucedanoides L.
Die Alsine aretioides M. K. findet sich bekanntlich auf allen
Dachsteinkalk-Alpen, am Hochschwab, in den Ennsthaler Kalkalpen,
auf der Kerschbaumer Alpe u. s. w.
Die Alsine lanceolata M. K. fand ich sonst nur über Kalkglim
merschiefer iin Iselthale bei Pregratten, im Gebiete der Centralkette
der Alpen.
Wenn man das beschränkte Vorkommen der Alsine lanceolata
M. K. auf der, gegenüber dem herrschenden Dachsteinkalke ver
schwindend kleinen Stelle über den Mergeln und Sandsteinen unseres
Standortes bedenkt; wenn man die Unmöglichkeit einer Wanderung
dieser Pflanze von der Centralkette auf den besprochenen Standort
über Berg und Thal eingesehen hat; wenn man ferner das Auftreten
der Alsine aretioides M. K. auf dem Dachsteinkalke über den Mergeln,
die Alsine lanceolata M. K. aber auf den Mergeln und Sandsteinen
unter Aar Alsine aretioides M. K. beachtet hat, so drängt sich unwider
stehlich die Frage auf: ob die Alsine lanceolata M. K. nicht eine
auf den Mergeln und Sandsteinen veränderte Form der nur auf dem
Dachsteinkalke vorkommenden Alsine aretioides M. K. ist?!
Es ist dies freilich eine schwer zu beantwortende, sehr wich
tige, aber auch viele Vorsicht, Unbefangenheit und Liebe zum Gegen
stände erfordernde Frage, deren Beantwortung nur auf dem Wege
der Erfahrung zu erwarten ist, und deren leichtfertige Behandlung, ob
Bejahung oder Verneinung, der Wissenschaft nur Schaden bringen kann.
Aus dem häufigen Vorkommen der Alsine lanceolata auf älteren
Gesteinen, der Alsine aretioides auf jüngeren, dürfte die erstere als
Grundform zu betrachten sein, und wäre als wahrscheinlich anzu
nehmen , dass es leichter gelingen sollte, aus der Alsine aretioides
M. K. die Alsine lanceolata M. K., als umgekehrt durch Culturs-
Versuche zu erhalten, die jedenfalls so eingeleitet werden müssten,
dass die in der Natur beobachteten Verhältnisse, unter welchen die
Über den Einfluss des Bodens auf die Verkeilung- der Pflanzen.
401
Pflanzen auf dem besprochenen Standorte wachsen, möglichst getreu
nachgeahmt werden sollten. Dass diese Versuche an dem bezeichne-
ten Standorte am leichtesten ausgeführt werden und am sichersten
zum Ziele führen könnten, ist kaum zu bezweifeln.
Das Mitvorkommen der Phaca australis L. auf derselben Stelle
verdient ebenfalls eine Beachtung.
Plutca australis L. ist ebenfalls eine Pflanze der Centralkette,
die, so weit mir bekannt, nur auf Kalkglimmerschiefer und den diesen
begleitenden Gesteinen, die eine gleichartige chemische Zusammen
setzung besitzen, vorzukommen und gewöhnlich als Nachbarin neben
der eben betrachteten Alsine lanceolata zu stehen pflegt.
Sen dt n er in seinen Veget. Verb. Südbaierns, Seite 7ö9,
gibt ebenfalls das Vorkommen der Phaca australis in den Kalkalpen
Algäus, aber auch nicht über reinen Kalk, sondern über. Kalkhorn
steinen an, deren chemische Zusammensetzung gewiss im wesent
lichen nicht verschieden ist vom Kalkgliinmerschiefer oder von den
Mergeln und Sandsteinen unseres Standortes.
Obwohl für diese Pflanze eben so wenig Grund vorhanden ist,
eine Wanderung derselben anzunehmen, wie dies bei der Alsine
lanceolata M. K. der Fall ist, und obwohl nur eine entferntere Form,
die am Kalk vorkommende Phaca frigida L. mit der Phaca australis
verglichen werden könnte, so scheint doch jedenfalls vorläufig nur
diese Erklärungsweise auch für diese Pflanze hier zulässig zu sein.
Das Laserpitium peucedanoides L. fand ich sowohl über dem
Dachsteinkalke als über Schiefern, aber auch jedenfalls unter zwei
der Unterlage entsprechenden deutlichen Formen.
Wenn man von diesem Standorte auf diejenigen zurückblickt,
mit denen wir uns eben näher beschäftigten, so scheint es, dass man
zu allen den so vereinzelt unter sehr beschränkter Verbreitung vor
kommenden und eben darum höchst wichtigen Pflanzenformen mit
der Zeit und nach fortgesetzten Studien die Grundtypen oder Stamm
formen (wenn sie nicht ausgestorben sind) zu nennen im Stande sein
wird, aus denen durch eigenthümliche Bodenverhältnisse in Verbin
dung mit klimatischen Einflüssen die seltenen entweder umgeformt
worden sind, oder als umgeformt angenommen werden könnten.
Und wenn das Vorkommen der Pflanzen „pri rudecim rolm“ uns
auch nicht berechtigen sollte, mit Sicherheit den formverändernden
Einfluss des Bodens als nachgewiesen zu betrachten, so beweist es
Sitzl). d. mathem.-nalui-w. CI. XXV. Ild. I. Ilft.
26
402
S t u r.
aber doch hinlänglich wenigstens das, dass der Boden auf die Ver-
theilung der Pflanzen einen unverkennbaren Einfluss ausübt, und dass
es hier wenigstens in dem Falle gerade die chemische Zusammen
setzung der Mergel und Sandsteine (aus Kalkerde, Kieselerde und
Thonerde, analog dem Kalkglimmerschiefer) ist, die die Pflanzen der
Centralkette (namentlich des Kalkglimmerschiefers) anzuziehen im
Stande ist, und dieselben, mitten in einem grossartig entwickelten
reinen Kalkgebirge, so ganz vereinzelt (wie es ihre Unterlage ist)
erscheinen lassen kann.
Noch einige Worte der Verständigung muss ich dem nun fol
genden Verzeichnisse der von mir gesammelten und in Bezug auf ihre
geologische Unterlage beobachteten Pflanzen vorausschicken.
Die geologische Aufnahme, meine Hauptaufgabe, lässt mir weni
ger Zeit übrig als der Gegenstand dieser Zeilen zu einer erschöpfen
den und gründlichen Behandlung desselben erfordern würde. Es
konnte daher mein Bestreben nur dahin gerichtet sein, ein Material
zu einer in jeder Beziehung vollständigeren und umfassenderen
Arbeit zu sammeln und zu liefern, und ich that es in der Überzeu
gung, dass ich die mir von der Direction der k. k. geologischen
Reichsanstalt dargebotene Gelegenheit erst dann besser benützt
und die Wichtigkeit derselben gewürdigt habe, wenn ich nach meinen
Kräften auch in dieser Richtung zu wirken bemüht war.
Den Werth des Materials wollte ich dadurch begründen, dass
ich auch diesmal in das nachfolgende Verzeichniss keine Angaben
von flüchtigen Bestimmungen aus Notaten oder blos aus dem Gedächt
nisse, sondern nur solche aufgenommen habe, zu denen ich die Pflan
zen sammeln und in meinem Herbar aufbewahren konnte, um sie in
entscheidenden Fällen jedem freundlichen Besucher zur Einsicht
vorlegen zu können.
Der Werth des Materials wird ferner noch dadurch erhöht, dass
ich bei der Bestimmung der gesammelten Pflanzen nicht nur die
Bibliothek und das Herbar in Museo des k. k. botanischen Gartens in
Wien benützen konnte, sondern insbesondere auch dadurch, dass
ich bei dieser Arbeit von dem Director dieser Anstalt, Herrn
Dr.F enzl, und den Herren Custos-Adjuricten TheodorKotschy und
Dr. Reissek kräftig, auf die wohlwollendste und freundlichste
Weise mit Rath und That unterstützt worden bin. Ich kann den
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 403
genannten hochgeehrten Herren gegenüber der regen und freund
lichen Theilnahme, die sie an dem Gelingen meiner Arbeit genommen
haben, nur meinen aufrichtigen und tiefgefühlten Dank aussprechen.
Die Angaben des Verzeichnisses sind folgendermassen geord
net: zuerst der Name der Pflanze, dann der Name des Standortes
und in wichtigeren Fällen die Meereshöhe desselben, endlich die
geologische Unterlage.
Die Namen der Pflanzen folgen im Verzeichnisse in derselben
Reihe nach einander, in welcher sie in Rei dien b ach's Flora
Germanica excursoria aufgeführt sind. Die Diagnosen, Synonymen
und Blüthezeit sind ebenfalls dort nachzusehen.
Die Höhenmessungen sind zum grössten Theile von mir selbst
gemacht und von Herrn Dr. Lukas, Assistenten am meteorologischen
Institute zu Wien, berechnet. Dort, wo meine Messungen nicht aus
reichten, bediente ich mich fremder, die in den Jahrbüchern der
k. k. geologischen Reichsanstalt von Herrn Adolph Sennoner
zusammengestellt sind. Die Höhen-Angaben im Verzeichnisse selbst
beziehen sich nicht auf die genannten Berge u. s. w., sondern geben
möglichst genau die Meereshöhe an, in welcher ich die genannte
Pflanze sammelte.
Die Beschreibung aller der Gesteine, die im Verzeichnisse nach
der Angabe des Standortes als geologische Unterlage angeführt
werden, sind zu finden in den Jahrbüchern der k. k. geologischen
Reichsanstalt.
404
Stur.
VERZEICHNISS
der auf meiner im Sommer 1856 ausgeführten Reise, in Krain (um Pia-
nina, Adelsberg, Prewald, Wipbach, in der Wochein), im Küstenlande (um
Triest, Duino und Monfalcone, im Isonzo- und Idria-Tliale), endlich am Lido
bei Venedig, von mir gesammelten wildwachsenden phanerogamischen
Pflanzen, nebst Angabe der geologischen Unterlage derselben.
Potamogetoneae.
Zostera marina L. Zaole bei Triest, im Schlamme der Salinen.
Iluppia rostellata Koch. In der Umgebung der Mündungen des Karstflusses
Timavo in das Meer bei S. Giovanni, in einer Bucht, die die nächste ist
von S. Giovanni gegen Duino, auf dem nur bei hoher Fluth über
schwemmten sehr seichten Meeresboden.
— maritima L. S. Elisabetha am Lido bei Venedig in einer Lache, die mit
dem Meere in keiner Verbindung steht.
Aroideae.
Arum italicum Mi 11. Im Birnbaumer Walde westlich von Loitsch, schwarzer
Hippuritenkalk.
Typhaceae.
Typha angustifolia L. Bagni von S. Giovanni bei Duino, im Schlamme der Süss
wasser-Sümpfe.
Alismaceac.
Alisma ranunculoidcs L. Bagni bei S. Giovanni, im Schlamme der Süsswasser-
Siimpfc.
(framineae.
Lepturus cylindricus Trin. Stramare bei Triest, Damm der Salinen.
Lolium temulentum L. Zighino bei Woltsehach, auf Äckern über AUuvial-
Schotter.
Cynosurus echinatus Linn.S. Andree bei Triest, auf Schutt. — In der Umgebung
des Porto Duino, auf Hippuritenkalk. — Stramare bei Triest, Schlamm
der Salinen.
Agropyrum littorale (Host). Zaole und Stramare bei Triest, Schlamm und
Dämme der Salinen.
Triticum villosum M. B. S. Andree bei Triest, auf Schutt.
Polypogon monspeliensis Dsf. S. Elisabetha am Lido bei Venedig, Sand.
Milium effusum L. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Über (len Einfluss des Bodens auf die Vertheilung- der Pflanzen.
405
Alopecurus agrestis L. Am Karste bei Bassoviza, über Nummulitenkalken.
Phleumpratense L. Zaole und Stramare bei Triest, Schlamm und Dämme der
Salinen.
Phalaris paradoxa L. S. Andree bei Triest, Schutt.
Sesleria sphaerocephala Ard. Krn nördlich von Tolmein, dolomitischer Dach
steinkalk. — Am Thörl pri Jezerich, an der Tieerza in der Wochein,
dolomitischer Dachsteinkalk.
— tenuifolia Schrad. Am Nanos-Gebirge, an der Strasse nördlich von
Lozice und S. Veitli, weisser Hippuritenkalk.
— coentlea Ard. Nördlich von Kaltenfeld bei Planina, Dolomit des Hippu-
ritenkalkes.
Dactylis glomerata L. Sand der Dünen am Lido bei Venedig. ■—-S. Andree bei
Triest, Schutt. —• Stramare bei Triest, Dämme der Salinen.
Festuca tenuifolia Sibth. Rakitnig an der Poik, südlich von Adelsberg, Lehm
der Felder über Hippuritenkalk.
— pumila Vill. Ledine am Terglou, über Dachsteinkalk und Dolomit
der Trias. — Na Jezerci bei der Konsca in der Wochein, über Dach
steinkalk und Dolomit der Trias.
Melica ciliata L. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk.
Lophoeliloa phleoides Vill. S. Elisabetha am Lido bei Venedig, Sand.
Bromus mollis L. S. Andree bei Triest, Schutt.
— divaricatus Rhod. An der Brücke über den Isonzo bei Görz, Kalk-
conglomerat.
Glycerin festucaeformis Heinh. Stramare bei Triest, Schlamm der Salinen.
Koeleria dactyloides Roch. Am Karste bei Bassoviza, Nummulitenkalk.
— glauca De C. Zaole und Stramare bei Triest, Schlamm und Dämme
der Salinen. — S. Peter an der Poik, Hippuritenkalk.
Cyperoideae.
Carex alba Scop. Auf den Hügeln südlich von Loitsch, Hippuriten-Dolomit.
— montana L. Auf den Hügeln südlich von Loitsch, Hippuriten-Dolomit.
Pycreus ßavescens P. B. Alluvionen des Veldeser Sees.
Schoenus mucronatus L. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfal-
eone, Sand.
limnochloa parvula R. L. In der Umgebung der Mündungen des Karstllusses
Timavo in das Meer bei S.Giovanni, in einer Bucht, die die nächste ist
von S. Giovanni gegen Duino, auf dem nur bei hoher Fluth über
schwemmten sehr seichten Meeresboden.
Iridcac.
Ins graminea L. S. Michael bei Luegg, im Becken von Adelsberg, auf Felsen von
weissem Hippuritenkalk.
Narcisseac.
Leucuium aestivum Linn. Wiesen der Unz im Becken von Planina, Lehm.
406
S t u r.
Juncaceac.
Tofieldia glacialis Gaud. Na Jezerci bei der Konsza in der Wochein, Dolomit
der Trias.
Veratrum Lobelianum Brnh. Auf den Anhöhen nördlich von Kaltenfeld bei
Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Sarmcntaceac.
Smilax aspera L. Felsen am Meere hei Porto Duino, Hippuritenkalk.
Tamus communis L. Felsen am Meere bei Porto Duino, Hippuritenkalk.
Ooronariae.
Lilium carniolicum Brnh. Anhöhen nördlich von Kaltenfeld bei Planina,
Dammerde über Dolomit des Hippuritenkalkes. — Porsen bei Kirch-
heim, Kalk- und Thonschiefer.
— bulbiferum L. Monte Spaccato bei Triest, über Nummulitenkalk.
Asparagus tenuifolius L am. Haasberg bei Planina, über Dolomit des Hippuriten
kalkes, an Stellen wo grössere Anhäufungen von Dammerde vorhanden
sind. -— S. Peter an der Poik, an gleichen Stellen über Hippuritenkalk.
— marinus Clus. Stramare bei Triest, Dämme der Salinen.
OrcMdeac.
Nigritella angustifolia Rieh. Na Pollana westlich von Deutschruth unter dem
Hradische-Berg bei Grahova im Gebiete des Baca-Thales, Kalk- und
Thonschiefer.
Orchis laxiftora Lam. Zaole bei Triest, Dämme der Salinen aus Sand und
Gerolle.
Spiranthes aestivalis Rieh. Wiesen im Gebiete des Canale Rosica bei Monfal-
cone, Siisswasser-Alluvionen.
Cephalanthera ensifolia Rieh. Sibersche nördlich von Loitsch, Lehm und
Schotter über Dolomit des Hippuritenkalkes.
Sautalaceae.
Osyris alba L. In der Umgebung von Duino, über Hippuritenkalk. — Bagni bei
S. Giovanni, westlich von Duino, Hippuritenkalk.
7'hesium divaricatum Jan. S. Peter an der Poik, Nummuliten-Sandsteine. —
Stramare bei Triest, Nummuliten-Sandsteine.
— montanum Ehrh. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Strobilaceae.
Juniperus communis L. Zwischen Loitsch und Martinhrib, schwarzer Hippu
ritenkalk.
Amcntaccac.
Salix alba L. Wiesen der Unz bei Haasberg im Bocken von Planina, Alluvial-
Lehm.
Über den Einfluss des Hodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 407
Cmpinus Duinensis Soop. Westlich bei Duino zwischen der Strasse und dem
Meere über Hippuritenkalk.
Quercus Ilex L. Mit dem vorigen hei Duino, oberhalb des Porto Duino, über
Hippuritenkalk.
— pubescens W. Südlicher Abhang des Nanos bei Loziee im Wipbach-
Thale, Nummuliten-Sandsteine.
— pedunculata Ehrh. Posenei nördlich von Loitsch, Dolomit des Hippu-
ritenkalkes.
— austriaca W. Sagan im Becken von Adelsberg, Hippuritenkalk.
Aristolocliiae.
Aristolochin pallida W. K. Auf den Hügeln südlich bei Loitsch, Hippuriten-
Dolomit.
Asarum europaeum L. Im Walde bei Planina, Walderde über schwarzem Hip
puritenkalk.
Plnmbngineae-
Armeria alpina L. Kostjak am Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
Caprifoliaceae.
Scabiosa longifolia W. Kit. Dedenpole, eine der Althammer-Alpen in der
Wochein, Dachsteinkalk.
Asterocephalus graminifolius (L). Saviza-Steg unter dem Ursprünge, westlich
vom Wocheiner See, Daehsteinkalk.
— gramunlius (L). In der Trenta bei Flitsch, Dolomit.
— lucidus (Vill.). Tose im Terglou-Gebirge, Dachsteinkalk.
— Hladnikianus (Host). Porsen bei Kirchheim, Kalk- und Thonscliiefer.
Succissa leucantha (L.) Felsen am Meere bei Duino, auf Hippuritenkalk.
Valeriana elongata Jacq. Na Jezerci bei der Konsza in der Wochein, Dolomit
der Trias.
Itubiaccac.
Jlubia peregrina L. S. Andree bei Triest, Schutt.
Sherardia arvensish. Bagni bei S. Giovanni, westlich von Duino, Hippuritenkalk.
Compo sitae.
Centaurea amara L. Schloss Wipbach und Umgebung, Hippuritenkalk. — Caun
bei Sehönpass, Jurakalk (Plassenkalk).
— vochinensis B alb. Modreiza bei S. Lucia im Tolmeinischen, Diluvial-
Schotter (Kalk).
— nervosa W. Tose im Terglou-Gebirge, Dachsteinkalk.
— stricta W. K. Südlicher xkbhang des Nanos bei Loziee im Wipbach-
Thale, Hippuritenkalk. — S. Ulrich am Karste bei Prewald, Num-
mulitenkalk und Sandstein.
— variegata Lam. Kostjak am Krn, nördlich von Tolmein, Dachstein-
kalk. — Grebcn-Wrch nördlich von Wipbach, Jurakalk. — Südlicher
408
S t u r.
Abhang des Nanos bei Prewald, Schutt aus Hippuritenkalk. —
(Forma Centaureae tuherosae Vis. simillima, tuberis carens) Porsen bei
Kirchheim, Kalk- und Thonschiefer.
Centaurea Scabiosa L. a) Zipfel der Blätter breiter, die Wurzelblätter beinahe
ungetheilt: Kainenza bei Woltschach tertiäre Gerolle, vorherrschend
aus Kalk. — Am Ufer des Isonzo nördlich von Wottschach Diluvial-
Schotter, vorherrschend aus Dachsteinkalk-Geröllen. — b) Zipfel der
Blätter sehr schmal, auch die Wurzelblätter fiederspaltig: Oberhalb
Schönpass im Wipbach-Thale auf Nummuliten-Sandsteinen. — Weich
seldorf, zwischen Zoll und Podkraj, Nummuliten-Sandsteine.
—- sordida W. auf dem halben Wege von Salcano, auf den M. Santo
bei Görz, Schutt aus Nummuliten-Sandsteinen und Hippuritenkalken.
(Ganz in der Nähe von Centaurea Scabiosa L. und nur entfernt konnte
C. rupestris L. beobachtet werden.)
— rupestris L. Nördlich von Kaltenfeld, Anhöhen aus Dolomit des Hip-
puritenkalkes. — S. Peter an der Poik, Nnmmulitenkalk. — Bei Zoll
nördlich von Wiphaeh, auf Jurakalk und Kalk-Conglomerat. — Auf
den Abhängen unterhalb Zoll, vom Kalk auf Nummuliten-Sandsteine
herabgeschwemmt.
— adonidifolia. Rchb. Bei Longera am Monte Spaccato bei Triest,
dunkler Nummulitenkalk.
— Karschtiana Scop. Schlossmauern und Felsen von Duino, Hippuriten-
kalk.
— cristata Bert. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk. — (Forma
lanato floecosa) am Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
Gnaphalium germanicum W. Schloss Wipbach, auf Hippuritenkalk. — In der
Umgebung des Porto Rosica bei Monfalcone aus Sand und Gerollen
bestehende Alluvionen des Meeres.
Micropus erectus L. Am Karste bei Longhera, Nummulitenkalk.
Anthemis Cota L. S. Andree bei Triest, Schutt.
Achillea atrata L. Na Jezerci hei der Konsza in der Wochein, Dolomit der Trias.
— Ledine am Terglou, Dachsteinkalk.
— odorata L. S. Peter an der Poik, Nummulitenkalk.
Chrysanthemum, montanum L. S. Peter an der Poik, Nummulitenkalk. — Caun
bei Schönpass im Wipbach-Thale, Jurakalk (Plassenkalk).
Arntca montana L. S. Peter an der Poik an der Grenze zwischen Nummuliten-
Sandsteinen und Kalken.
Carpesiuni cernuum L. Im Baca-Thale unterhalb Podmeuz im Tolmeinischen
(800'M.H.) Alluvionen des Baca-Flusses. — Beim Zelin südwestlich
von Kirchheim, am Zusammenflüsse derCirkniza mit der Idria(740'M.H.)
Alluvionen des Thaies. — Im Tomiriska-Thale auf den östlichen
Abhängen des Merzli-Wrch (3300' M.H.) über Kalk- und Thonschiefern.
(Am letzten Standorte sehr häufig, an den beiden ersten nur sehr ver
einzelt.)
Inuta squarrosa L. Zaole hei Triest, Dämme der Salinen.
— ensifolia L. Südliche Abhänge des Nanos, Hippuritenkalk.
Diplopappus annuus C a s s. Um Görz auf Nummuliten-Sandsteinen.
Cineraria aurantiaca Hoppe. Nördlich von Belopolje am Terglou, am Fusse
der Dachsteinkalkwünde.
— aurantiaca Hopp e. ß. lanata. Caun bei Schönpass, Jurakalk (Plassen-
kallc). •— Slavnik hei Materia, Nummulitenkalk.
— campestris Reh. Berge bei S. Peter an der Poik, an der Grenze zwi
schen Nummuliten-Sandsteinen und Kalken, in Gesellschaft der Cine-
raria arachnoidea Rchb.
— arachnoidea Re hb.Berge bei S. Peter an der Poik, an der Grenze zwi
schen Nummuliten-Sandsteinen und Kalken, in Gesellschaft der vorigen.
Scnecio crraticus B er toi. Wiesen der Unz im Becken von Planina, Lehm. — An
höhen nördlich vonKaltenfeld hei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Cichorium Intybus L. Wiesen der Unz im Becken von Planina, Lehm.
Apargia tergestina Hoppe. In der Umgebung des Bahnhofes bei Adelsberg, Hip-
puritenkalk. — Bei Sagan im Becken von Adelsberg, Hippuritenkalk. —
Schloss Wipbach, Hippuritenkalk.— M. Santo hei Görz, Hippuritenkalk.
Leontodon hastilis L. Im Nanos-Gebirge nördlich von S. Veith und Loziee, Hip-
puritenkalk.
— Berinii Bartl. Caun bei Schönpass, Jurakalk- (Plassenkalk-) Wand
bei Vitulje.
Helminthia echiöides Giirtn. S. Andree bei Triest, Schutt.
Barkhausia cernua (Ten). Zaole hei Triest, Salinen-Schlamm. — Lido bei Ve
nedig, Sand der Dünen.
— setosa DC. Rakitnig an der Poik hei Adelsberg, Lehm der Felder über
Hippuritenkalk. — Zaole bei Triest, Nummuliten-Sandsteine.
Crcpis chondrilloides Jacq. Zwischen Bassoviza und Longera am Karste hei
Triest, auf Nummuliten- und Hippuriten-Kalken. — Caun bei Schönpass,
Jurakalk (Plassenkalk). — Schloss Wipbach, Hippuritenkalk.
— hyoseridifolia Rchb. Ledine am Terglou, Dachsteinkalk.
— blattarioides Rchb. Tose im Terglou-Gebirge, Dachsteinkalk.
Geracium. chondrilloides (Jacq.). Nördlich von Belopolje am Terglou, Dach
steinkalk.
Ilieracimn pilosellaefonne Hoppe. S. Ulrich am Karste bei Prewald, bebauter
Boden über Nummulitenkalken.
— rupeslre All. Siberse bei Loitsch, Dolomit des Hippuritenkalkes.
— villosum L. Caun bei Schönpass, Jurakalk (Plassenkalk). — Na Pollana
westlich von Deutschruth unter dem Hradische-Berg im Gebiete des
Baca-Thales, Dolomit.
— florentinum Gaud. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuriten
kalkes. — Im Nanos-Gebirge nördlich von S. Veith und Losize im
Wipbaeh-Thale, Hippuritenkalk-Schutt. — M. Spaccato bei Triest,
Nummuliten-Sandstein. — S. Elisabetha am Lido, Sand.
— angustifolium Hoppe. Grasige Stellen des Caun hei Schönpass,
Dammerde-Anhäufungen über Jurakalk.
— glabratum Hoppe. Matajur südlich von Karfreit, Hippuritenkalk.
Taraxacum laevigalum DC. Ledine am Terglou, Dachsteinkalk.
i
410 Stur.
Lactuca percnnis L. Südlicher Abhang des Nanos, nördlich von Lozice und S.
Veith im Wipbach-Thale, Hippuritenkalk.
Sonchus maritimus L. Zaole bei Triest, Dämme der Salinen.
Sconouera villosa Scop. Rakitnig an der Poik, im Recken von Adelsberg, auf
Lehm und dem darunter lagernden Hippuriten. — Im Nanos-Gebirge
an der Strasse nördlich von S. Veith um Lozice, Hippuritenkalk. —
Schloss Wipbach, Hippuritenkalk.
— rosea W. Kit. Porsen bei Kirchheim, Kalk-und Thonschiefer.
Homogyne silvestris H. C assin. An der Strasse südlich von Schwarzenberg,
Dolomit des Hippuritenkalkes. — Sibcrse nördlich von Loitsch, Dolomit
des Hippuritenkalkes.
Carduus leucographus L. S. Andree hei Triest, Schutt.
— arctioides Willd. Wrata za cernou Gorou, in der Wochein, braune im
Dachstcinkalke eingelagerte Schiefer.
Cirsium Erysitliales Scop. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Rhaponticum scariosmn DeC. Unter dem Tieerza-Thörl pri Jezerich, in der
Wochein, an Wänden über Dachsteinkalk-Schutt.
Serratula tinctoria L. Wiesen des Kostjak am Krn nördlich von Tolmein, rothe
Kalkmergel (der Kreide).
— Vulpii Fischer Oster. Südlicher Abhang des Stou (na Stole),
westlich von Karfreit, Wiesen über Dachsteinkalk.
Jurineä mollis L. Um Bassoviza und Longera am Karste hei Triest, über Num-
muliten- und Hippuriten-Kalk.
Echinops Ritro L. Südliche Abhänge des Nanos bei Prewald, Hippuritenkalk.
Cnmpannlaccae.
Phyteuma cordatum Vill. Krn nördlich von Tolmein, dolomitischer Dachstein
kalk. — Ledine am Terglou, Dachsteinkalk.
Campanula ZoysiiWu 1 f. Wratni Wrch, Cernala undRombon imFlitscher Gebirge,
Dachsteinkalk. — Tieerza-Thörl pri Jezerich in der Wochein, Dach
steinkalk. — Abanza-Thörl bei derKonsza in der Umgebung des Terglou,
Dolomit der Trias. — Cernaprst, südlich in der Wochein, Dachsteinkalk.
— carnica Schiede. Na Pollana westlich von Deutschruth im Gebiete
des Baca-Thales, dolomitische, hornsteinführende Kalke.
— caespitosa Scop. Abanza-Thörl bei der Konsza im Tcrglou-Gebirge,
Dolomit der Trias.
— patula L. Wand bei Modrea, Gegend von S. Lucia im Tolmeinischen,
dünngeschichteter Kalk mit Hornsteincn. — Stou’s Gräthe „pod Baba“
bei Karfreit, dolomitischer Dachsteinkalk.
— cervicaria L. Südlich von Loitsch, Dolomit des Hippuritenkalkes. —
Porsen bei Kirchheim, Kalk- und Thonschiefer.
— Rapunculus L. Schloss Wipbach, Hippuritenkalk.
— thyrsoidea L. Südliehe Abhänge des Stou, westlich von Karfreit, Dach
steinkalk.
— spicata L. Felsen an der Poststrasse unterhalb S. Antonio bei Karfreit,
Dachsteinkalk.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. 411
AjugaChamaepitys Schreb. Bagni bei S. Giovanni westlich von Duino, Hippuri
tenkalk. — Monte Santo bei Görz, Hippuritenkalk.
Teucrium Botrys L. Dobraz, zwischen Ronzina und Sella am Isonzo, lehmige
Erde über Hippuritenkalk.
— Chamaedrys L. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
— jflamm L. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk.
— montanum L. In der Umgebung des Monte Spaccato auf Nummuliten-
kalken. — Schloss Wipbach, Hippuritenkalk. — Nanos bei Prewald,
Hippuritenkalk.
Scorodonia heteromalla Mnch. Zwischen Otales und Deviza im Idria-Thale,
südlich von Kirchheim, bunter Sandstein.
Nepeta nuda L. Idria di Canale bei Canale, am Isonzo, Mergel und Sandsteine
der Kreideformation.
Stachys recta L. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
— maritima L. Dünen in der Umgebung von Porto Rosica bei Monfalcone,
Sand und Gerolle.
— salviaefolia Tenore. Bagni bei Monfalcone, über Alluvionen an der
Strasse nach Monfalcone.
Acinos thymoides Longera am Karste bei Triest, Nummulitenkalk.
Calamintha thymifolia (Scop). Wände an der Poststrasse unterhalb S. Antonio
bei Karfreit, Dachsteinkalk.
— grandiflora Mnch. Bei Podkraj im Birnbaumenvalde an der Strasse,
schwarzer Hippuritenkalk. — Gritscha im Kouk nördlich von Wip
bach oolithischer Jurakalk. — Südlich bei Sebrelje südwestlich von
Kirchheim, Gesteine der pietra verde. —Westliche Abhänge des Cerni
Wrch nördlich von Nowake bei Kirchheim.
Prunella vulgaris L. ß. pinnatifida. Bagni bei S. Giovanni, westlich von Duino,
im Schlamme der Süsswasser-Sümpfe der Umgegend.
Salvia Sclarea L. S. Andree bei Triest, Schutt.
Vitex Agnus castus L. Am felsigen Meerstrande zwischen Duino und S. Giovanni,
Hippuritenkalk.
Asperifoliae.
Echium vulgare L. Südlich von Loitsch, Hügel aus Dolomit des Hippuritenkalkes.
— Strane östlich am Nanos, im Becken von Adelsberg, Hippuriten
kalk, Schutt.
Onosma stellulatum W. K. Südlicher Abhang des Nanos bei Lozice und S. Veith
im Wipbaeh-Thale, über Nummuliten-Sandsteinen.
Omphalodes vema Mnch. Wegmaeher-Hütten am Karste zwischen Loitsch und
Ober-Laibach, schwarzer Hippuritenkalk.
Eritrichimn nanum Sehr ad. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk. —
Ledinc am Terglou, Dachsteinkalk.
Convolvulaccae.
Convolvulus sepium L. bei S. Giovanni, westlich von Duino, im Gebüsch über
Hippuritenkalk.
412 Stur.
Convolvulus Soldanella L. Dünen in der Umgebung von Porto Rosica bei Mon-
falcone, Sand.
— cantabrica L. Bagni bei S. Giovanni, Hippuritenkalk.
Polygalaceae.
Polygala nicaeensis Risso. S. Ulrich am Karste bei Prewald, Nummulitenkalk.
Personatac.
Euphrasia tricuspidata L. Auf der Halde des Bleibergbaues bei Raibl, blei
führender dolomitischer Kalk.
Pedicularis verlicillata L. Porsen bei Kirchheim, westliche Gräthe, Kalk- und
Thonschiefer.
— rostrata L. Pod rudecim robu am Slieme-Wrch, nördl ch von Tolmein,
rothe Mergel- und grünliche Sandsteine.
— tuberosa L. Stou, westlich von Karfreit, Dachsteinkalk.
— Friederici Augusti Tommasini. Slavnik bei Materia, Nummu
litenkalk.
recutita L. Wrata za Cernou Gorou, in der Wochein, in der Umgegend
der Cernaprst, braune, im Dachsteinkalke eingelagerte Schiefer.
— Haquetii Graf. Kostjak am Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
Veronica arvensis L. Auf den Hügeln südlich von Loitsch, Lehm über Dolomit
des Hippuritenkalkes.
— aphylla L. Pri rudecim robu am Slieme-Wrch, nördlich von Tolmein,
auf Dachsteinkalk, rothen Mergeln und grünlichen Sandsteinen.
— austriaca L. S. Ulrich am Karste bei Prewald, Nummulitenkalk.
— fruticulosa L. Südlicher Abhang des Kukbcrges am Matajur, Hippuri
tenkalk.
Paederota Ageria L. Zighino bei Woltschach, Wiinde aus tertiärem Conglomerat.
— Pri rudecim robu am Slieme Wrch, rothe Mergel-und grünliche
Sandsteine.
Verbascum simmtum Lim. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
Solanaceae.
Scopolina atropoides Schult. In der Mündung der Poikhöhle bei Planina, Lehm
über Hippuritenkalk. — ln den kesselförmigen Vertiefungen des Kar
stes nördlich von Loitsch, Lehm. — [m Thale Novi swet, westlich von
Loitsch, südlich von Hotcderzic, Lehm der Kessel über Hippu
ritenkalk.
Plantagincae.
Plantago Layopus L. Lido bei Venedig, Sand.
— sericea W. K. Haasberg hei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
— carinata Schrad. Stramare bei Triest, Hügel aus Nummuliten-Sand-
steinen. — Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuritenkalkes.
— arenaria'W. Kit. Dünen in der Umgehung des Porto Rosica hei Mon-
falcone, Sand.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheiluug der Pflanzen. 413
Lysimachiaceac.
Androsace viltosa L. Thörl an der Ticerza ober den Alpen pri Jezerich in der
Wochein, Dachsteinkalk.
Anagallis arvensis L. Porto Rosica bei Monfalcone, Dünensand. — Am Slavnik
und dessen Umgebung bei Materia, Hippuriten- und Nummulitenkalk.
Samölus Valerandi L. Stramare bei Triest, Schlamm der Salinen.
Contortac.
Gentiana obtusifolia W. Ledine am Terglou, üachsteinkalk.
— pumila Jaeq. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
— nivalis L. Griithe des Kombon bei Flitsch, lehmiger Hoden über Dach
steinkalk.
— utricidosa L. Anhöhen südlich von Loitsch, Lehm auf Dolomit des
Hippuritenkalkes.
— angustifolia Gris. Porsen bei Kirchheim, westliche Gräthe, Kalk- und
Thonschiefer.
— lutea L. Südlicher Abhang des Stou, westlich von Karfreit, Dachsteinkalk.
Apocynum venelum L. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfalcone,
Sand.
llinbellifcrac.
Echinophora spinosa L. Lido bei Venedig, Sand. — Dünen in der Umgebung des
Porto Rosica, Sand.
Malabaila Ilaequelii Tausch. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuriten
kalkes.
Smymium perfoliatum Mill. S. Giovanni bei Duino, Süsswasser-Alluvionen.
Anlhriscus nodosa Spr. S. Giovanni bei Duino, Hippuritenkalk.
Myrrhis odorata Sp r. nördlich von Kaltenfeld bei Planina über Dolomit des
Hippuritenkalkes.
Molopospermnm cicutarium DU. Matajur, südlich von Karfreit, Hippuritenkalk.
Orlaya grandiflora Hoffm. Oberfeld, nördlich hei Wipbach, Felsen des Hip
puritenkalkes.
Laserpitium peucedanoides L. Na Pollana, westlich von Deutschruth im Gebiete
des Baca-Thales, auf Hornsteinen der Kalk- und Thonschiefer. —
Pri rudecim robu am Slieme-Wrch,nördlich vonTolmein, rotheMergel-
und grünliche Sandsteine. -— Kostjak am Krn, nördlich von Tolmein,
Dachsteinkalk. — Stou, westlich von Karfreit, Dachsteinkalk. — Zwi
schen dem Ccrnala und dem Rombon im Flitscher Gebirge, Dachstein
kalk.
Pteroselinum Rablense Rchb. (n der Bausza bei der Flitscher Klause, Dachstein
kalk-Schutt.
Orcoselinum legitimuni M. B. Abhänge bei Coritenza, nördlich von Flitsch, Wie
sen über Kiesel-Conglomeraten.
Ferula Ferulago L. Rakitnig an der Poik, Lehm der Äcker. — Nördlich von
Schönpass, Nummuliten-Sandsteinc.
414 Stur.
Oenanthe Lachenalii Grnel. Porto Rosica bei Monfalcone, Italkgerölle des
Meeresstrandes.
Libanotis daucifolia Host. Am Eingänge in die Grotte bei Planina, Schutt aus
schwarzem Hippuritenkalke.
Crithmum mariiimum L. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk.
Trinia Renningii M. B. S. Ulrich am Karste bei Prewald, Nummulitenkalk. —
Longera am Karste bei Triest, Nummulitenkalk.
Illadnikia pastinacaefolia Rchb. Caun oberhalb Schönpass, auf zerbröckeltem
Jurakalk (Plassenkalk).
Carum Carvi L. S. Peter an der Poik, Nummuliten-Sandstein.
Bupleurum graminifolium Vahl. Cernaprst in der Wochein, Dachsteinkalk. —
Ticerza-Thörl ober den Alpen pri Jezerich in der Wochein, Dach
steinkalk. — Rombon im Flitscher Gebirge, Dachsteinkalk.
— caricifolium W. S. Ulrich am Karste bei Prewald, Nummuliten
kalk.
Haquetia Epipactis (Neck). Hügel südlich bei Loitsch, Dolomit des Hippuriten-
kalkes.
Astrantia carniolica W u 1 f. Tribusa im Idria-Thale, Dolomit der Trias. — Recca
Rauna bei Kirchheim, Dolomit der Trias. — Poliza bei Kirchheim,
Dolomit der Trias. —- Pod kukam im Tominska-Thale nördlich von
Tolmein, dolomitischer Dachsteinkalk.
— carinthiaca Hoppe. Kostjak am Krn, nördlich von Tolmein, lehmige
Erde über Dachsteinkalk. — Am Slieme-Wrch, nördlich von Tolmein,
Dachsteinkalk. —• Matajor, südlich von Karfreit, Hippuritenkalk. —
Tose am Terglou, in der Wochein, Dachsteinkalk. — Zuerst hielt ich
diese Pflanze für Astrantia gracilis Bartling. Dafür wurde sie auch von
Herrn Ritter von Tommasini, nach brieflichen Mittheilungen anerkannt.
Wegen der bisher sehr mangelhaften Beschreibung der Astrantien, und
da ich kein Original-Exemplar der A. gracilis vergleichen konnte,
stelle ich diese Pflanze als eine sehr eonstante, und zu der A. carnio
lica einen auffallenden Gegensatz bildende Form vorläufigzu A. ca
rinthiaca Hoppe.
Eryngium mariiimum L. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfal-
eone, Sand.
IMianmcne.
Paliurus aculeatus Lam. Zaole bei Triest, Nummuliten-Sandstein. — Duino,
Hippuritenkalk. — Schloss Wipbach und Umgebung , Hippuritenkalk.
Rhamnus saxatilis L. Zwischen Loitsch und Martinhrib, Hippuritenkalk.
— pumilus L. Slavnik bei Materia, Nummulitenkalk.
— alpinus L. Im Birnbaumer Walde, westlich von Loitsch, schwarzer Hip
puritenkalk.
Terebinthaceae.
Pislacia vera L. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk.
Rhus Cotinus L. Rebernice, südlicher Abhang des Nanos, Hippuritenkalk.
Über den Einfluss des Bodens nuf die Vertheilung der Pflanzen. 415
Papilionaceae.
Trifolium gracile Th ui 11. Schloss Wipbach, Hippuritenkalk.
— angustifolium L. Zaole bei Triest, auf Nummuliten-Sandsteinen.
— ochroleucum L. Idria di Canale, westlich oberhalb Canale, auf Macigno-
Mergeln und Sandsteinen.
— noricum Wulf. Cerna prst, auf Schiefern, die im Dachsteinkalke ein
gelagert sind, häufiger als am Dachsteinkalke, und da auch nur über
Dammerde-Anhäufungen.
— nigrescens V i v. Zaole bei Triest, Schlamm der Salinen.
Melilotus parviflora D s f. S. Andree bei Triest, Schutt.
— Petitpierrana W. Stramare bei Triest, Nummuliten-Sandsteine.
Medicago lupulina L. Longera am Karste bei Triest, Nummulitenkalk.
— mollissima Roth. Lido hei Venedig, Sand der Dünen. — Dünen in der
Umgebung des Porto Rosica bei Monfalcone, Sand.
— marina Lob. Lido bei Venedig, Sand der Dünen. — Dünen in der
Umgebung des Porto Rosica bei Monfalcone, Sand.
— Pironae Vis. Medicago rupestris. Pirona. (In Programma
del Ginnasio Liceale di Udine 1855 „Florae Forojuliensis syllabus
a J. A. Pirona, Pag. 41.“) Bei Modrea zwischen S. Lucia und Tolmein
an einer Wand, über welche ein Wasserfall herabstürzt, rechts am
Wege von Modrea nach Tolmein, über hornsteinführenden dünn
geschichteten Kalken.
— prostrata Jacq. Stramare bei Triest, Nummuliten-Sandsteine. —
Longera am Karste bei Triest, Nummulitenkalk.
Phaca australis L. Pri rudecim robu am Slieme-Wrch bei Tolmein, rothe Mergel.
Oxytropis montana D e C. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk. — Pri rude
cim robu am Slieme-Wrch, nördlich von Tolmein, rothe Mergel. —
Südlicher Abhang des Rombon im Flitscher Gebirge, Dachsteinkalk.
Astragalus vesicarius L. Südlicher Abhang des Nanos bei Prewald, Hippuriten
kalk. — Berge bei S. Peter an der Poik, Hippuritenkalk. — Caun bei
Schönpass, Jurakalk- (Plassenkalk-) Wand bei Vitulje.
Colutea arborescens L. In der Umgehung von S. Giovanni und Duino, Hippuri
tenkalk.
Anthyllis Dillenii Schult. Bagni S. Giovanni bei Duino, Hippuritenkalk. —
Caun bei Schönpass, Jurakalk.
— montana L. Slavnik bei Materia, Nummulitenkalk. — Auf dem Nanos-
gebirge, Hippuritenkalk.
Genista sagittalis L. Gorice bei Prewald, im Becken von Adelsberg, Nummuliten-
Kalkmergel.
— tinctöria L. Südlich am M. Kuk in der Umgebung des Matajur,
Macigno-Mergel. — S. Michael bei Luegg, im Becken von Adelsberg,
Hippuritenkalk.
— sericea AVulf. Zwischen Longera und Bassoviza am Karste bei Triest,
Nummulitenkalk und Hippuritenkalk. — Slavnik bei Materia, Nummu
litenkalk. — Südliche Abhänge des Nanos, Hippuritenkalk.
S t u r.
416
Genista silvestris Scop. Zwischen Longera und Bassoviza am Karste bei
Triest, Nummulitenkalk und Hippuritenkalk. — Monte Spaceato bei
Triest, Nummulitenkalk. — Slavnik bei Materia, Nummulifenkalk. --
Bei Zoll, nördlich von Wipbaeh, auf Jurakalk und Conglomerat. —
Südliebe Abhänge des Nanos bei Prewald, Hippuritenkalk.
— germanica L. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippurilcnkalkes. —
Anhöhen südlich von Loitsch, Hippuriten-Dolomit.
Cytisus argenteus L. Felsen am Meere bei Duino, Hippuritenkalk.
— purpureus Seop. Haasberg bei Planina, Dolomit des Hippuriten-
kalkes.
Vicia sylvatica L. Kamenza bei Woltsehach, tertiärer Schotter aus Kalk- und
Hornsteinen.
— grandiflora Scop. Zwischen Duino und S. Giovanni, auf Hippuriten
kalk.
Orobus variegatus Teno re. S. Ulrich am Karste bei Prewald, bebauter Boden
über Nummulitenkalken.
— tuberosus L. Anhöhen südlieh von Loitsch, Lehm über Dolomit des
Hippuritenkalkes.
—- nigerh. Gorice bei Prewald an derNanosiza, im Becken von Adels
berg, Nummuliten-Sandsteine und Mergel.
llippoerepis comosa L. Anhöhen südlich von Loitsch, Dolomit des Hippuriten
kalkes. — S. Giovanni hei Duino, Hippuritenkalk.
Arthrolobiam scorpioidcs Desv. Stramare bei Triest, Nummuliten-Sandsteine.
Coronilla vaginalis Lam. Sibersche nördlich von Loitsch, Dolomit des Hippu
ritenkalkes.
— Emerus L. Rebernice am Nanos bei Prewald , Hippuritenkalk-Schutt.
Corniculatae.
Saxifraga tridactylites L. S. Peter an der Poik, Lehm über Hippuritenkalk. —
Bei Loitsch, Lehm über schwarzem Hippuritenkalkc.
— petraea Pona L. Einfluss der Unz im Becken von Planina, Hippuriten
kalk.— Mündung der Poikhöhle bei Planina, Hippuritenkalk und Lehm.
— Südlicher Abhang des Kuk in der Umgebung des Matajur, Hippuri
tenkalk. — Wand bei Modrea, zwischen S. Lucia und Tolmein , diinn-
geschichteter hornsteinführender Kalk. — Matajur am Eingänge einer
kleinen Höhle, auf Tropfstein.
— rotnndifolia L. Südlich von Schwarzenberg an der Strasse nach Zoll
und Wipbaeh, Dolomit des Hippuritenkalkes.
— Hohcmvartii Vest. Rombons Scharte im Flitscher Gebirge, Dach
steinkalk. — Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
tcnella Wu If. Lom di Tolmino über S. Lucia an der Idria im Tolmei-
nisehen, Hippuritenkalkwand. — Krn, nördlich von Tolmein, Daeh
steinkalk.
— oppositi folia L. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
squarrosa Sieb, ln der Trenta bei Flitsch, Dolomit. — Na Jezerci bei
der Konsza im Terglou-Gebirge, Dolomit der Trias.
Uber den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung“ der Pflanzen.
4 17
Portulaccacene.
Polygonuni maritimum L. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfal-
cone, Sand.
Portulacca, oleracea L. Uido bei Venedig, Dünen-Sand.
Aizoidcae.
Salsola Soda L. Lido bei Venedig, Sand.
Tamarixgallica L. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfalcone, Sand.
Itosaceae.
Polenlilla nitida Linn. Krn, nördlich bei Tolmein, Dachsteinkalk. — Ledine am
Terglou, Dachsteinkalk.
— alha L. Berge, nördlich von Kaltenfeld bei Planina, Dolomit des Hippu-
ritenkalkes.
— Clusiana Murr. Pri rudecim robu am Slieme-Wrch, nördlich von Tol
mein, rothe Mergel. —Na Jezerci bei der Konsza, Terglou-Gebirge,
Dolomit der Trias.
— pedata V. Bagni bei S. Giovanni, westlich von Duino, Hippuritenkalk.
Alcliimüla alpina L. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.— Matajur, süd
lich von Karfreit, Hippuritenkalk und Dachsteinkalk.
Poterium Sangvisorba L. Anhöhen südlich von Loitsch, Dolomit des Hippuriten-
kalkes. Siborse, nördlich von Loitsch, Dolomit des Hippuritenkalkes.—
Lido bei Venedig, Sand.
Sangvisorba offieinalis L. Wiesen der Unz im Becken von Planina, Lehm.
Aremonia Agrimonioides Neck. In der Umgebung von Loitsch über Hippuriten
kalk.
Rosa alpina L. An der Mündung der Poikhöhle bei Planina, Hippuritenkalk.
— sempervirms L. Bagni zwischen S. Giovanni und Monfalcone, Hippuri
tenkalk.
Crataegus monogyna Jaeq. (fl. rosei) Ubelsku, östlich am Nanos, im Becken
von Adelsherg, Nuinmulitcn-Sandsteine.
Onagreae.
Pitnica Granalnm L. S. Giovanni bei Duino, Hippuritenkalk.
Tcdrailynainac.
Calcile maritima L. Dünen in der Umgebung des Porlo Rosica bei Monfalcone,
Sand.
Thlaspi praecox W u I f. Anhöhen nördlich von Kaltenfeld, bei Planina, Dolomit
des Hippuritenkalkes. — S. Peter an der Poik, Nummulitenkalk.
Riseutetla laevigata L. S. Ulrich am Karste, bei Prewald, bebauter Boden über
Nummulitenkalk. — Wratrii Wrcb, im Flitscher Gebirge, Dachstein
kalk. — Na Jezerci bei Konsza, Terglou-Gebirge, Dachsteinkalk.
Noccaea alpina (L.) Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk. — Ledine am
Terglou, Dachsteinkalk. — Na Jezerci bei der Konsza, Terglou-
Gebirge, Dolomit der Trias.
Sitzb. (1. mathem.-nalurw. CI. XXV. Bil. I. Ilft.
27
418
S t ii r.
Noccaea rotundifolia (L.) Ledine am Terglou, Dachsteinkalk.
— cepeaefolia (W ulf). Auf der Halde des Blcibergbaues bei Raibl, blei
führender dolomitischer Kalk.
Petrocallispyrenaica R.Br. Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.— Ticerza
Thörl oberhalb der Alpen pri Jezerich in der Wochein, Dacbsteinkalk.
— Na Jczerci bei der Konsza im Terglou-Gebirge, Dolomit der Trias.
Atyssum Wulfenianum Brnh. Krn,nördlich von Tolmein, höchste Spitze, Dacb
steinkalk.
Cardamine hirsuta L. Im Birnbaumenvald westlich von Loitsch, schwarzer Hip-
puritenkalk. — Räuber-Commando, zwischen Planina und Adelsberg
an der Strasse, Lehm auf Hippuritenkaik.
Arabis drenosa Scop. Nördlich von Kaltenfeld bei der Capelle S. Lorenzen,
Dolomit des Hippuritenkalkes.
— vocliinensis Spr. Von Cernala bis auf den Rombou im Flitscher
Gebirge, zerstreut, Dachsteinkalk. — Ticerza-Thörl ober den Alpen
pri Jezerich in der Wochein, Dachsteinkalk.
— alpina L. Am Eingänge in die Poikhöhle bei Planina, auf Kalkgeröllen.
Cheiranthus Cheiri L. Felsen am Meere bei der Ruine Duino, Hippuritenkaik.
Barbaren arcuata Rehb. Wiesen am Einflüsse der Unz im Becken von Planina,
Lehm. — Im Becken von Loitsch, auf Lehm.
Nasturtiwm Lippizense DeC. Cameralwald bei Planina, schwarzer Hippuriten
kaik. — Rakitnig bei Adelsberg, Hippuritenkaik. —Longera am Karste
hei Triest, Nummuliten- und Hippuritenkaik.
Papaveraccac.
Glaueium luteum Scop. Porto Rosica bei Monfalcone, Damm des Canals, Kalk-
gerölle mit Lehm.
Papaver alpinum L. Ledine am Terglou, Dacbsteinkalk.
Violaccae.
Viola stagnina Kit. Südlich von Loitsch auf Hügeln von Dolomit des Hippurilen-
kalkes über Lehm.
Cistineae.
Helianthemum alpestre Rchb. Porsen beiKirchheim, Kalk- und Thonschiefer.—
Krn, nördlich von Tolmein, Dachsteinkalk.
— vulgäre Giirtn. Südlich von Loitsch, auf Hügeln von Dolomit des
Hippuritenkalkes, über Lehm.
Ranunculaceae.
Itanunculus Traunfellneri Hoppe. Pri rudecim robu am Slieme-Wrch, nördlich
von Tolmein, rothe Mergel und Dachsteinkalk.
— lanuginosus L. In Wäldern um Loitsch über Hippuritcnkalken.
Thalictram Jacquinianum Koch. Longera am Karste bei Triest, Numrnulitenkalk.
Hepatica triloba L. Posenei, nördlich von Loitsch, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Clematis Vilicella L. Zaole bei Triest, im Gebüsch über Nummuliten-Sandsteinen.
— S. Giovanni bei Duino, über Süsswnsser-Alluvionen.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung 1 der Pflanzen.
419
Aconitum tenuifolium Host. Dorf Krn und Umgebung, nördlich von Tolmein,
Kreide-Mergel. (Siehe v. Tomasini Fl. Regensburg 1837, 1. Seite 73.)
Helleborus viridis L. Hügel, südlich von Loitsch, Lelun über Dolomit des Hippu-
ritenkalkes.
Aquilegia nigricans limg. Südlicher Abhang des Nanos bei Prewald, Hip-
puritenkalk. — Na Jezerci bei der Konsza in der Wochein, Dolomit
der Trias.
— pyrenaica DeC. In der Trenta bei Flitsch, Dolomit.
Rutaeeae.
Euphorbia Peplis L. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
— litterata Jacq. Dünen in der Umgebung des Porto Rosica bei Monfal-
cone, Sand.
— Paralias L. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
— carniolica Jacq. Südlich und südöstlich von Loitsch, mit Aremonia
Agrimonioides Neck, schwarzer Hippuritenkalk.
— amygdaloides L. Südlich von Loitsch, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Mercurialis ovata Hoppe. Gipfel des Haasberges bei Planina, Dolomit des Hip
puritenkalkes.
Ruta divaricata Ten. S. Michael bei Luegg, im Becken von Adelsberg, Hippuri
tenkalk. — Monte Spaccato bei Triest, Nummulitenkalk.
Sapindaceac.
Tribulus terrestris L. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
Acer Pseudoplatanus L. Gemeinde Siberse, nördlich von Loitsch zerstreut und
einzeln stehend, Dolomit des Hippuritenkalkes.
Malvaccac.
Malva mosekata L. ß. laciniäta. Südlich von Schwarzenberg, auf der Strasse nach
Zoll und Wipbach, Dolomit des Hippuritenkalkes.
— Bismalva Beruh. Kamenza hei Woltschaeh, tertiärer Schotter aus
hornsteinführenden Kalken.
dcraniaccae.
Erodium maritimum Sm. Lido bei Venedig, Dünensand.
Geranium lucidum L. Berge um S. Peter an der Poik, Hippuritenkalk.
— macrorrhizon L. Schutt an der Wand bei Modrea zwischen S. Lucia
und Tolmein, dünngeschichteter hornsteinführender Kalk.
— nodosum L. Einfluss derUnz im Becken von Adelsbi rg, Hippuritenkalk.
— Im Birnbaumer Walde westlich von Loitsch, schwarzer Hippuriten
kalk. — Korenicu bei Zermelice südöstlich von Prewald, schwarzer
Hippuritenkalk.
■— argenteum L. Ccrnaprst im Süden der Woehein, schwarzbraune Schie
fer im Dachsteinkalke eingelagert. — Pri rudecim robu am Slieme-
Wrch, nördlich von Tolmein, rothe Mergel, und Dammerde über Dach
steinkalk.
27 *
42Ü
S t u r.
Caryophyllaceae.
Möhringia villosa (Wulf.) und ß.glabrataF r e y e r. In den nach Süden abfallen
den steilen Wiinden des Porsen (Börsen, Borodin) bei Göriach und Puce,
nördlich von Kirchheim, östlich von Tolmein. Die erste Form über Kalk
schiefer, die zweite über Thonsehiefer. Es ist sehr wahrscheinlich, dass
diese Pflanzen auch in der östlichen Fortsetzung der Gesteine in der
Gegend von Zara und Daine auf ähnlichen Standorten zu finden sein
werden.
Sabulina lenuifolia L. Südlich von Loitsch auf Hügeln des lii|>puriten-Dolomites.
— laricifolia (L.) Reich. Jcon Fl. G. & H. CCX11 f. 4933. Bausza bei der
Flitscher Klause, Dachsteinkalk-Schutt.
Facchinia lanceolata Rchb. Alsinelanceolata M. K. Pri rudecim robu amSlieme-
Wrcli bei Tolmein, rother Mergel und grünlicher Sandstein.
Siebera cherlerioides Hopp e. Alsine aretioidesM. K. Pri rudecim robu am Slieme-
Wrch bei Tolmein, über der vorigen auf Dachsteinkalk.
Cerastiumovaturn Hoppe. In den Felsenritzen der kleinen und grossen Spitze
des Terglou, Dachsteinkalk.
— Idnigerutn Clementi. (In Atli dcl congresso di Firenze.) Stellaria
repens Scop. (?) Caun beiSchönpass, Felsen des Jurakalkes (Plassen-
kalk).
Gypsophila rigida L. Lido bei Venedig, Sand.
Dianthus prolifer L. S. Andree bei Triest, Schutt.
— vaginatus Vill. S. Peter an der Poik, Hippuritenkalk.
— alpesfris Strnbg. Nördlich über den Hütten von ßelopolje am Fusse
des Terglou, Dachsteinkalk, Schutt.
—• Waldsteinii Strub. Nördlich bei Salcano im engen Thale des Isonzo
über Hippuritenkalk und dessen Schutt. (Sternbergs Standort.)
— sitvestris W u 1 f. Auf der Halde des Bergbaues bei Raibl, bleiführender
dolomitischer Kalk.
Silene vespertina Rtz., Silene sericea All. Dünen in der Umgebung des Porto
Rosica bei Monfalcone, Sand.
— Saxifraga L. ß. Seguiurii. Schloss Wipbach und Umgebung, Hippu
ritenkalk. — Nanos-Gebirge nördlich von S. Veitli, Hippuritenkalk.
— alpestris L. Porsen bei Kirchheim, Kalk- und Thonschiefer.
— pelidna Rchb. Bei Sagan im Recken von Adelsberg, Hippuritenkalk.
— injlata Sm. angustifolia Ten. Lido bei Venedig, Sand der Dünen.
Lychnis diarna Sibth. Einfluss der Unz im Becken von Planina, Lehm
der Wiesen.
Hypericincac.
Linum alpinem L. Zwischen dem Cernala und dem Rombon im Flitscher Gebirge,
Dachsteinkalk.
— ilarbonnense W. Südlicher Abhang des Nanos bei Prewald, Hippuriten
kalk. — Berge nördlich von Kaltenfeld bei Planina, Dolomit des Mip-
puritenkalkcs.
Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung- der Pflanzen. 421
Linum tenuifolium L. Bosquetto bei Triest, Nummuliten-Sandsteine. — Bas-
soviza am Karste bei Triest, Hippuritenkalk. — Longera am Karste bei
Triest, Nuninuilitenkalk. — S. Giovanni bei Duino, Hippuritenkalk.
— corymbulosum Robb. An der Strasse zwischen Zaole und Stramare,
über Nummuliten-Sandsteinen.
— nodiflorum L. An der Strasse zwischen Zaole und Stramare, über Num
muliten-Sandsteinen.
— maritimum L. In der Umgebung von Porto-Rosica auf Wiesen über
Meeresschlamm. — Stramare bei Triest, feuchter Schlamm der Sali
nen. — Zaole bei Triest, auf einer Wiese innerhalb der Salinen.
— flamm L. Weicliseldorf bei Zoll im Wipbach-Thale, Nummuliten-Sand
steine.
Hypericum veronense Schrk. Um Longera am Karste bei Triest, Nummuliten-
kalk.
— Richeri Vill. Caun beiSchönpass, Jurakalk- (Plassenkulk-) Wand bei
S. Vitulje.
Verzeichniss der eingegangenen Druckschriften.
423
VERZEICHNIS
der
EINGEGANGENEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JUNI.)
Academie Imp. des Sciences deSt. Petersbourg, MemoiresSciences
politiques, liistoire etc. Serie VI. Tom. S.
— Sciences naturelles. Tom. 9.
— Memoires, presentes par divers savants. Tom. VII.
— Bulletin Classe pbysico-mathemat. Tom. 12—13.
— „ „ bistorico-pbilologique.Tom.il —13.
— Compte-Rendu 1834/53.
Aecademia delle seionze di Torino. Memorie. Vol. 16.
Akademie, kais. Leopold.-Karo!., der Naturforscher-Verhandlungen.
Bd. XXIII, Suppl.
Akademie, k. preussische der Wissenschaften, zu Berlin. Monats
bericht. März, April.
Annalen der Chemie und Pharmacie. Bd. CLXI, Heft 123, 102,
Nr. 1, 2.
Anna 1 es des mines.
Annales des Universites de Belgique. 1853/35.
Annuaire de l’institut des provinces. 1857.
Annuaire des 5. Departements de l’ancienne Normandie. 1857.
Argeiander, Fr., Anzeige von einer auf der k. Sternwarte zu Bonn
unternommenen Durchmusterung des nördlichen Himmels als
Grundlage neuer Himmelskarten. Bonn 1856; 8°-
Archiv der Mathematik und Physik. Bd. XXVIII, Heft 3.
Archiv für die Holländischen Beiträge zur Natur- und Heilkunde.
Utrecht 1857.
424
Verzeichniss (Ter
Beejapore, the Jumma Musjeed at — 3. 1. et d. Fol.
Berlin, Universitäts-Schriften a. d. J. 1856.
33ieiä, ®. Sttb., gcutna ber SBirbeltfpere «Siebenbürgens. f)ermannftabt
1856; 8°-
Boccardo, Girol., Memoria in risposta al quesito „Considerata l’in-
fluenza morale e fisiea che hanno avuto sull’umano consorzio
gli spettacoli etc. Milano 1857; 8 0- -
Boeck, Willi., Becherches cliniques sur la Syphilisation. (Revue
medico-chirurg. de Paris.)
B oehm, Ludw., Der Nystagmus und dessen Heilung. Berlin 1857; S 0,
Br uni i, C. Georg., Pocmata, partim jam aute, partim nunc primum
edita. Londae 1857; 8°-
Cognola, Atti della fondazione scienlifica Cognola dalla sua istitu-
zione in Poi. Milano 1856; S 0,
Cicogna, Em., Relazioni dei consolati di Alessandria e di Soria per
la repubbliea veneta da Lorenzo Tiepolo agli anni 1552—
560. Venezia 1857; 8"-
— Deila Leandreide, Poema ne anoriimo inedite. Venezia 1857.
Congres scientifique de france. Session 24. Grenoble 1857; 8°'
Cosmos, Nr. 19—22.
Ferrari, Silvio, Calcul decidouzimal. Turin 1857; 4°-
Fiorelli, Giuseppe, Notizia dei vasi dipinti rinvenuti a Cuma nel
1856 posseduti da sua Altezza B. il Conte di Siracusa. Napoli
1856; Fol.
Flora, 1857, Nr. 1-19.
Förster, Allgem. Bauzeitung. Jahrg. XXII, Heft 4.
Foetterle, Frz., Bericht über die Durchstechung der Landenge von
Suez an die k. k. geogr. Gesellschaft. Wien 1857; 8 0,
Fortschritte der Physik. Bd. IX, X.
Foocher de Careil, A., Lettres et opuscules inedits de Leibnitz.
Paris 1854; 8°-
— Nouvelles lettres et opuscules inedits de Leibnitz. Paris 1857; 8 0,
Fournet, J., Note sur le refroidissement des 25 et 26 avril 1855
dans l’ile de Sardaigne. Lyon 1855; 8°-
— — Sur la congelation de la vapeur vesicuiaire et sur les fleches
glaciajes. Paris 1856; 8°-
Fusina, Vinc., Süll' eccessivo diborcimento avvenuto in questi ultinn
anni. Milano 1856; 8°‘
eingegangeiien Druckschriften. 423
© effCen, 3ol)., Sic bamburgifcfyeu niebetfädjftfcfyen ©efcmgbiicfycr be§
16. 3al)rl). Hamburg 1857; 8°-
Gesellschaft, deutsche morgenländische, Zeitschrift der. Bd. XI,
Heft 2.
Gesellschaft, k. k. geographische. Mittheilungen. 1857, Heft 1,
Wien 1857; 8°-
Gesellschaft, physicalische zu Berlin, die Fortschritte der Physik.
Bd. IX, X, Heft 1.
Helfferich, Ad. et Clermont G. de, Apercu de l’histoire des langues
neolatines en Espagne. Madrid 1857; 8°-
Jahrbuch, neues, der Pharmacie. Bd. VI, Heft 5, 6.
Istituto Veneto, Atto delle Adunanze. Tom. 11, punt. 5.
Kluekh ohn, Aug., Geschichte des Gottesfriedens. Leipzig 1857; 8°-
La in out, Magnetische Ortsbestimmungen des K. ßaiern. Th. II.
Lancet, Nederlandsch. Jahrg. V. Nr. lü—12.
Leuormant, Franf., Description des niedailles et Antiquites compo-
sant le cabinet de M. A. Baron Belir. Paris 1857: 8°-
Magyar Törtenehni Tär. Pest 1856; S 0-
Magyar Nyelo Bendszere. Buda 1857; 8°;
Malacarne, Giamb. ,1. rapporti che i lati dei Poligoni regolari et
hanno Ira essi. Vicenza 1857; S 0-
Marianini, Stefano, Sull’azionp niagnetizzante delle correnti elet-
triche iriornentanee. Memoria 7—10. Modena 1846—-52; 4 0-
— Sulla proprietä posseduta in particolar modo dai corpi umidi
di assorbire l'elettricita dagliisolanti solidi etc. Modena 1854; 8 0-
(Nebst 6 anderen Abhandlungen mathematisch-physicalischen
Inhalts.)
Mauron y Villodas, D. Franc., Disertazione teorica sobre il modo da
producir un rriotor permanente etc. Madrid 1857; 8 0-
M ilne, Edwards IL, Legoris sur la Physiologie et l’anatomie comparee
de riionune et des animaux etc. Toin. I, Paris 1857; 8 U "
Merl iui, Giov., Il passato, il presente et Pavvenire nella industria
manifatturiera in Lombardia. Milano 1857; 8 0-
Mittheilungen der k. k. Centralcominission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale. Jahrg. 11, Nr. 6.
Mittheilungen aus Justus Peuthe’s geographischer Anstalt. Jahrg.
1857; Nr. 1.
Nachrichten, astronomische. Nr. 1069.
27 a
426 Verzeichniss der
Nardo, Giov., Risposta categorica a quarto asseri il Prof. Moliu
contro il fu Dr. Olivieri, relativamente alla struttura del cuore
dei rettili. Venezia 1857; 8°-
Nypels, M. S., Les ordonnances criminelles de Philippe II. des 5. et
9. Joillet 1570. Bruxelles 1856; 8 0,
Palacky, Jan, Zemepis vseobecny vedeeky srovnävace. 1. Heft,
Prag 1857; 8»-
Palmer, Aaron H., Documents and facts illustrating the origin of the
mission to Japan. Washington 1857; 8°-
Ram, P. F. de, Notice surlelieu de naissance deGodefroid de Bouillon.
Bruxelles 1857; 8°-
— Considerations sur 1 ’histoire de l’universite de Louvain 1425—
1797. Bruxelles 1854; 8®-
Rapport trieunal sur l'etat de P enseignement moyen en ßelgique.
1852—54. Bruxelles 1856; Fol.
R a p p o r 1; presentee a la societe Imp. de l'Agriculture d’histoire naturelle
de Lyon sur les travaux de la Commission des soies. Lyon
1857; 8®-
Reumont, Alfredo, Deila diplomazia italiana dal secolo 15 al 16.
Firenze 1857; 8°-
Rey, C., De l’influencedü vent sur la forme des nuages. Lyon 1856; 8 0-
Romanin, storia documentata di Venezia. Tom. V. pont. 1, 2.
R ö mer-B ii chn er, B. J., Beiträge zur Geschichte der Stadt Frank
furt a. M. Frankfurt 1853; 8"-
— Die Wahl- und Krönungs-Kirche der deutschen Kaiser zu St.
Bartholomäi in Frankfurt a. M. Frankfurt 1857; 8 0- (2 Ex.)
— Die Entwicklung der Stadtverfassung und die Bürgervereine der
Stadt Frankfurt. Frankfurt 1855; 8°-
Schafhäutl, Geognostische Untersuchungen des südbaierischen
Alpengebirges. München 1851; 8 0-
©eqejjet, SInt. tß[)it. ü., 9ted)t8gcfrf)id)te bet ©tobt unb Stepublif Sucetn.
Sb. III, f>eft 1.
Societe des Naturalistes de Moscou, Bulletin. Tom. 24, I et 4.
Tom. 29, 4"-
Societe geologique de France. Tom. XIII. feuilles 20—30.
Society R. Geographical, Journal. Vol. 26.
Society, Chemical. Nr. 34—36.
Spengler, .1., Bad-Ems im Sommer 1856. Wetzlar 1857; 12°’
oingegang-enen Druckschriften.
427
Survey, geological oflnclia,Memoires,Vol. I.p. 1. Calcutta 1856; 4°'
Suzzara, Gaetano, Trattati di agricoltura generale eomparate coi
Sistemi della francia ecc. Verona 1857; 8 0-
Thierarznei-Institut, k. k. Vierteljahrs-Schrift. Bd. IX, Nr. 1.
Tormay, K., Bevölkerung der Städte Buda-Pest und ihre Bewegung
im Jahre 1 8 54 / 55 . Pest 1857; 8 0-
Verein für Geschichte und Alterthum Schlesiens. Codex diplomat.
Silesiae. Bd. I.
Serein für fiebenbürgifcTye SanbeSfunbe, 9Ird)io 33b. II, f)eft 2, 3.
— 3af)te8betid)t, 1854 — 56.
Serein für Daterlänbifdje Staturfunbe in SMrtentberg. 3af)regf)efte.
Sb. XIII, Nr. 1, 2.
Serein fyiftorifdjer Don unb für Dberbaiern. 2Ird)iD, Sb. XVI, |)eft 1, 2.
3al)re8berid)t 1855.
Setein I)iftorifd)er für 9tieberfad)fen. 9tad)rid)ten. 3alprgang 20.
Verein, naturhistorisch-medicinischer zu Heidelberg. Verhand
lungen. Nr. 1, 2.
Verein, zoologisch-botanischer, in Wien. Verhandlungen. Bd. 6.
Villa, Giov., Ulteriori osservazioui geognost. sulla Brianza. Milano
1857; 4"-
Zaluski, Jan, Slovo o stosunkach handlowych mieszkaucöw scytyi
zachodniej a. t. d. Lemberg 1857; 4 0,
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH ■ NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XXV. BAND. II. HEFT.
JAHRGANG 1857. — JULI.
431
SITZUNG VOM 9. JULI 1857.
Eingesendete Abhandlung.
Uber die Dauer und die Anzahl der Ventrihel-Contraclionen
des ausgeschnittenen Kaninchenherzens.
Von Job. Czcrinak und G. v. Piotrowski in Krakau.
(Vorgelegt von dem w. M., Herrn Prof. Brücke.)
Ein ausgeschnittenes Herz schlägt, sich selbst überlassen,
bekanntlich noch einige Zeit fort, indem es innerhalb seiner Muskel
wandungen ein automatisch erregendes Organ besitzt. Mit Wahr
scheinlichkeit verlegt man dasselbe in die, in die Herzsubstanz zer
streuten Ganglien. Die Wirksamkeit dieses Gangliennervensystems,
welches man das musculo-motorische genannt hat, ist an verschie
dene Bedingungen geknüpft, namentlich an die Gegenwart von 0
haltigem Blut in den Herzgefässen, an die Erhaltung einer bestimmten
Temperatur, und endlich auch an die Zustände der im Herzen ver
ästelten Fasern der N. vagi.
Durch eine hinreichend starke Beizung dieser Vagusfasern,
welche das sogenannte regulatorische Nervensystem des Her
zens darstellen, wird bekanntlich die Herzthätigkeit in Diastole
gehemmt.
Man ist noch nicht im Klaren, wie diese Wirkung des Vagus
auf die Herzbewegungen zu Stande kommt; ob die Vagusreizung die
Entwickelung selbst oder nur die Fortleitung der nach
aussen übertragbaren Kräfte des musculo-motorischen Nervensystems
hemmt?
28
432 C z e r m a k und P i o tro w sk i. Über die Dauer und die Anzahl
In dieser Beziehung*) schien es uns von einiger Wichtigkeit,
zu ermitteln, wie lange und wie oft das ausgeschnittene Herz noch
schlägt, je nachdem die Vagi vorher durchschnitten oder einige Zeit
hindurch und während des Ausschneidens elektrisch gereizt worden
waren.
Wir haben dieser Untersuchung mehr als 60 Kaninchen und
viele Stunden in den Monaten Februar bis Juni 1. J. geopfert.
Nichtsdestoweniger verkennen wir durchaus nicht, dass die
verhältnissmässig bedeutende Zahl unserer Versuche noch viel zu
gering ist, als dass einige der von uns erhaltenen Zahlen gros
ses Vertrauen beanspruchen könnten, obschon andere derselben
allerdings kaum einen Zweifel über ihre allgemeine Giltigkeit
zulassen.
Es ist uns von vornherein klar gewesen, dass es uns unmöglich
sein würde, bei der Ermittelung des Antheils der voraufgegangenen
Vaguswirkung an der, als Function der sie erzeugenden Bedingungen
aufgefassten Leistung des ausgeschnittenen Herzens die übrigen, an
diesem Vorgänge sich betheiligenden Bedingungen auch nur annähernd
constant zu erhalten.
Denn hierzu wären wenigstens Kaninchen desselben Wurfes,
in gleicher Weise aufgezogen und unter möglichst gleichen Umstän
den untersucht, erforderlich gewesen, da selbstverständlich ein und
dasselbe Thier weder zu gleicher Zeit noch zu wiederholten Malen
zu diesen Versuchen benützt werden kann.
Das k. k. physiologische Institut in Krakau, dessen Gründung
freilich erst einige Monate zurüekdatirt, ist jedoch noch nicht im
*) Beiläufig: bemerkt auch hinsichtlich der durch Kö 11 i ker genauer bekannt gewor
denen Wirkung: der Chloroforminhalationen auf den Herzschlag 1 . Wir haben schon im
November und December 1856 K ö 1 li k e r’s Angaben durch mehre Versuche bestä
tigt, und zugleich die neue Thatsache gefunden, dass die eintretende Hemmung des
Herzschlages nach Durchschneidung der Vagi nicht ganz ausbleibt. Über die Erklä
rung der Chloroformwirkung könnte somit dieselbe Controverse angeregt werden,
welche über die ganz analoge Digitaliswirkung zwischen Traube und S tan niu s
besteht. Wüsste man genau, welchen Einfluss die voraufgehende Vagusreizung oder
Lähmung auf die Leistung des aufgeschnittenen Herzens hat, so könnte man das
Verhalten des in verschiedenen Phasen der Digitalis- und Chloroformwirkung
ausgeschnittenen Herzens zur Beilegung jener Controverse gar wohl mit be
nützen.
der Ventrikel-Contractionen des ausgeschnittenen Kaninchenherzens. 433
Besitze einer eigenen Kaninchenzucht, da zunächst noch dringen
deren Bedürfnissen Rechnung getragen werden musste.
Wenn wir uns nun nichtsdestoweniger auf diese Untersuchung
einliessen, so lag der Grund einfach in der vielleicht nicht unberech
tigten oder doch verzeihlichen Vermuthung, es werde die zu varii-
rende Bedingung (VagusWirkung) einen viel grösseren Einfluss auf
die Erzielung von Differenzen in der Gesammtleistung (Thätigkeit
des ausgeschnittenen Herzens) haben, als sich aus unseren Ver
suchsresultaten unmittelbar ergeben hat.
Dass wir unter solchen Umständen die ganze Untersuchung
nicht früher haben fallen lassen und jetzt mit einer zu dem gemachten
Aufwande verhältnissmässig geringen Ausbeute an unzweideutigen
positiven Resultaten vor die Öffentlichkeit treten, findet wohl darin
eine Entschuldigung, dass wir uns einerseits schon zu tief eingelassen
batten, um die Untersuchung sofort ganz abzubrechen, dass aber ande
rerseits auch die Mittheilung negativer Resultate mitunter förderlich
sein kann und selbst die kleinste positive Errungenschaft niemals
ganz werthlos ist.
Wir theilen im Folgenden 60 unserer Versuche (von Nr. 3 bis
inclusive Nr. 62) mit, von denen 30 an Männchen, 30 an Weibchen
angestellt wurden. Sie sind tabellarisch in drei correspondirenden
Reihen zusammengestellt, je nachdem a) das Herz einfach ausge
schnitten wurde (Tab. II, A, B), b) vor dem Ausschneiden desselben
die Vagi, so dass das Herz möglichst lange und möglichst oft in
Diastole Stillstand, elektrisch gereizt (Tab. I, A, B), oder cj durch
schnitten (Tab. III, A, B) worden waren.
Hinsichtlich der Ausführung der Versuche sei nur bemerkt, dass
das Herz in allen Fällen nach rascher Eröffnung des Thorax in der
Medianlinie und des Pericardiums, sammt einem Stücke der grossen
Gefässe ausgeschnitten und ohne Zeitverlust auf ein Uhrglas gebracht,
unter einer Glasglocke, unter welcher sich zugleich eine Taschenuhr
mit Secundenzeiger befand, beobachtet wurde. Die Anzahl der
Schläge der Ventrikel (die der Vorhöfe wurden vernachlässigt)
notirten wir von 15 zu IS Secunden, vom Moment des Ausschnei
dens an; für die letzten Schläge wurde die absolute Zeit ver
zeichnet.
Von den Rubriken der einzelnen Tabellen bedürfen nur die mit
»Locationsnummern“ überschriebenen Doppelrubriken einer kurzen
434 Czermak und Pi otrowski. Über die Dauer und die Anzahl
Erklärung. Unter den Locationsnummern verstehen wir die Zahl,
welche jedem einzelnen Versuche seine Stelle in der aufsteigenden
Reihe anweist, die man erhält, wenn man sämmtliche 60 Versuche
entweder nach der Dauer oder nach der Anzahl der Pulsationen
anordnet. Jene Versuche, in welchen das ausgeschnittene Herz gleich
lang oder gleich oft geschlagen hat, erhalten selbstverständlich die
gleiche „Locationsnummer der Dauer“ oder „der Anzahl“.
Die Summen der Locationsnummern geben Aufschluss darüber,
welche der 6 Reihen von Herzen im Allgemeinen länger oder kürzer,
häufiger oder seltener pulsirt hat, und dienen somit zur Controle der
aus den absoluten Werthen berechneten Mittelzahlen.
TABELLE I.
Betreffend die während der einige Zeit hindurch bestandenen Vagusreizung ausgeschnittenen Herzen.
A. Männchen»
Nummer
des Versuchs
Dauer der
Vagusreizung-
Dauer
der Schläge
Anzahl
der Schläge
Locationsnummer
der Dauer | der Anzahl
Grösse
des Thieres
Gewicht
in Grammen
Temperatur in
Reaumur
XXIX
XII
XXXII
LV
XVIII
XLII
XXIII
XXI
LVI
XXVI
5“ 0*
3- 40
5- 30
7-35
6- 10
17-30
4- 32
4-20
6-40
4-48
5”45 s
9-45
10- 43
11- 28
11- 33
12- 15
13- 13
17-30
21-47
24-47
152
404
207
466
334
253
407
492
556
349
9
23
23
26
28
31
35
46
47
49
7
37
13
44
33
22
39
46
51
34
klein
mittel
klein
mittel
gross
mittel
gross
gross
mittel
klein
319
778
710
740
9-5
11- 5
11-0
16-3
12- 0
12-0
14-5
12-0
16-3
13-5
X
VI
XL VIII
XXXIX
XV
XLIV
LX
LVII
LIX
L VIII
Mittel:
10-0
0
30
31-15
5-45
4-55
27
50
55
a
5
5
6-0
13“33 5
5-35
5-58
9-13
9-30
10-0
11-36
15- 0
16- 5
16- 25
17- 7
362
203
232
531
146
398
421
286
398
284
495
31-9
Weibchen,
8
10
21
22
24
29
39
41
43
45
32-6
20
17
50
8
36
42
26
36
25
47
gross
mittel
gross
gross
mittel
klein
klein
mittel
klein
mittel
1405-5
1068
435-6
545
710
513
742
12-86
12-0
13-0
16-0
11-7
13-0
15- 5
16- 7
16-5
16-5
16-5
Mittel:
Gesammtmittel aus A und Ii:
1T-39 -1’
12“46-05‘
341-4
351-7
28-2
30-05
30- 5
31- 55
14-74
der Ventrikel-Contractionen des ausgeschnittenen Kaninchenherzens. 435
436 Czermak und Piotrowski. Über die Dauer und die Anzahl
I
II
TABELLE II.
Betreffenrl die einfach ausgeschnittenen Herzen.
A. Männchen.
Nummer
des Versuchs
XXXVII
XXXV
IX
XLVII
LIII
XLIX
XL
LIV
XXXIV
XL1II
Dauer
der Schläge
5"
5-
7'
7-
12'
iS*
15
15
35
7
f 2-30
12-40
1611
30-52
36-55
Mittel:
14™39-5‘
XXXI
IV
XVII
XIV
VII
XXVII
XX
LXI
XXIV
LXII
5“15’
6-26
7-0
7- 45
8- 30
9- 30
9-30
12- 55
13- 30
14- 12
Mittel: 9 m 27-3 !
Gesammtm. a.Au.ß: 12 m 3- 4 S
Anzahl
der Schlage
110
118
203
324
412
730
283
613
223
323
333-9
Locationsnummer
der Dauer
5
5
9
16
30
32
33
42
51
52
28-1
der Anzahl
3
4
12
31
41
55
24
52
14
30
26-6
Grösse
des Thieres
klein
mittel
gross
klein
klein
gross
mittel
mittel
klein
gross
B. Weibchen.
109
296
250
286
286
328
410
443
233
406
304-7
319-3
5
11
14
18
20
22
22
34
36
37
2
27
23
26
26
32
40
43
18
38
klein
mittel
mittel
mittel
klein
mittel
gross
gross
gross
klein
21-9
25-0
27-5
27-05
Gewicht
in Grammen
560
770
642
685
1355
752
722
371
1135
950
672
Temperatur in
Reaumur
11- 5
10- 5
13- 0
14- 5
15- 7
16- 0
12- 0
15-5
11- 0
13-3
13-3
10-0
10-0
12-0
11-5
13- 0
14- 0
13- 0
17-0
14- 5
17-0
13-2
HanXQfittB Sglgggg
-•/4 .^4 "4-
TABELLE III.
Betreffend die nach Durchschneidung der Vagi ausgeschnittenen Herzen.
A. Männchen.
Nummer
des Versuchs
XXXVI
III
XXVIII
XXX
XLVI
XLV
XIX
XXII
LI
XXVIII
Zeit v. d. Vagusdurch
schneidung b. z. Aus
schneidung d. Herzens
38“35 5
90
5-44
5- 10
8-41
6 - So
12-43
8-5
6-16
7- 23
Dauer
der Schläge
8-15
915
11-
11-
12
30
33
30
13-43
16-40
28-36
Anzahl
der Schläge
189
143
233
232
226
339
487
539
635
382
Mittel:
12“24- 9* | 362-7
Locationsnummer
der Dauer
3
4
19
21
27
28
32
40
44
50
der Anzahl
8
5
18
21
15
49
45
49
54
35
Grösse
des Thieres
klein
klein
klein
klein
klein
gross
gross
gross
gross
gross
XXXVIII
V
VIII
XI
XIII
XXV
XVI
XLI
LII
L
67 m 10’
8- 30
14-30
10-0
9- 0
9-25
11-20
31-0
6- 17
7- 5
3 m 15‘
4- 42
5- 20
5- 30
6- 52
6- 55
7- 40
8- 15
14-25
22-30
Mittel:
Gesanimtmittel aus A und B:
8'"32-4'
10“28-65’
86
200
307
201
190
238
305
231
630
502
26-8
Weibchen.
1
2
6
7
12
13
17
19
38
48
29-9
1
10
29
11
9
19
28
16
53
48
289-0
325-81
16-3
21-55
22-4
26-15
mittel
mittel
klein
gross
mittel
mittel
mittel
mittel
gross
gross
Gewicht
in Grammen
669
368
699
1167
1245
810
769
985
1558
Temperatur in
Reaumur
11- 5
12- 5
11-0
10-0
14-5
15.0
13- 0
14- 0
15- 8
13-5
13-08
11-7
10-0
13-0
11-5
11- 5
9-5
12- 0
12-0
15-8
15-8
12-28
. -V ‘T T-: -.
der Ventrikel-Contractionen des ausgeschnittenen Kaninchenherzens. 437
438 Czerniak und Pi o tro wski. Über die Dauer und die Anzahl
Wir formuliren in Kürze die aus den mitgetheilten Tabellen sich
ergebenden Resultate wie folgt:
1. Das ausgeschnittene Kaninchenherz >) kann, sich selbst über
lassen, bei mittlerer Zimmertemperatur, über eine halbe Stunde
fortschlagen. Die beobachtete untere Grenze der Dauer ist 3 Min.
15 Sec. bis 5 Min. 45 Sec. Als Mittel aus allen 60 Versuchen ergibt
sich eine Dauer von 11 Min. 46-33 Sec.
2. Das ausgeschnittene Kaninchenherz kann noch über 700
Schläge machen. Die beobachtete untere Grenze sind 86 bis 109
Schläge; im Gesammtmittel = 332-366.
3. Unter ähnlichen Bedingungen schlägt das ausgeschnittene
Herz der Männchen cf länger und öfter, als das der Weib
chen 9- Di es ergibt sieb für die Dauer widerspruchslos sowohl
aus den Mittelzahlen der absoluten Werthe und der Locationsnum
mern, als auch aus den meisten Grenzfällen der einzelnen Tabellen;
für die Anzahl der Schläge machen nur die Locationsnummern von
Tabelle II eine Ausnahme. (Vgl. Tab. IV.)
4. Das nach der Reizung der Vagi ausgeschnittene Herz schlägt
im Allgemeinen länger und öfter, als das nach Durchschneidung
der Vagi ausgeschnittene Herz.
Dies gilt natürlich übereinstimmend für Männchen wie für
Weibchen und ergibt sich hinsichtlich der Dauer der Schläge
widerspruchslos nicht nur aus den Mittelzahlen der absoluten Werthe
und der Locationsnummern der beiden ganzen Tabellen I und III,
sondern auch ihrer einzelnen, Männchen und Weibchen betreffenden
Hälften (vgl. Tab. IV), so wie aus der Vergleichung aller unteren
Grenzfälle; hinsichtlich der Anzahl der Schläge machen wesentlich
nur die Mittel der absoluten Werthe bei den Männchen eine Aus
nahme. (Vgl. Tab. IV.)
*) Es sind, wie gesagt, nur die Kammer-Contractionen genauer berücksichtigt worden.
Bezüglich der Vorhöfe bemerken wir beiläufig, dass sie sich in den meisten Fällen
öfter zusammenzogen als die Kammern, in einigen Fällen jedoch gar nicht. Die
Vorhöfe pulsirten gleich lange Zeit wie die Kammern, nach Durchschneidung
der Vagi in li, nach Reizung der Vagi in G , bei einfach ausgeschnittenen Herzen in
9 Fällen. Länger als die Kammern schlugen die Vorhöfe nach Durchschneidung der
Vagi in G, nach Reizung der Vagi in 10, nach einfacher Ausschneidung des Herzens
in 6 Fällen. Unter dieser letztem ist ein Fall (Nr. XX), ein grosses Weibchen
betreffend, in welchem die Vorhöfe über 1 Stunde und 18 Minuten
pulsirten.
der Ventrikel-Contractionen des ausgeschnittenen Kaninchenherzens. 439
o. Das einfach ausgeschnittene Herz hält in Bezug auf die Dauer
und Anzahl der Pulsationen die Mitte zwischen dem nach Reizung der
Vagi und dem nach Durchschneidung der Vagi ausgeschnittenen
Herzen.
Diesen Satz möchten wir jedoch nur mit der grössten Zurück
haltung aufstellen, da derselbe bei den Männchen die einfachen Mit
telzahlen sowohl der absoluten Dauer und Anzahl der Schläge als
der Locationsnummern der Anzahl widersprechen. (Vgl. Tab. IV.)
TABELLE IV.
Zusammenstellung siimmtlicher Mittelzahlen.
Tab. I.
Einfache Mittelzahlen der
absol.
Werthe
Loca-
tions-
n um-
mern
der Dauer
cf 13 83
211-39,1
31-9
28-2
absol.
Werthe
Loca-
tions-
num-
mern
der Anzahl
362
341*4
326
30-6
Gesammt-Mittelzahlen der
absol.
Werthe
Loca-
tions-
num-
mern
der Dauer
12-46,08
30-08
absol.
Werthe
Loca-
tions-
num-
mern
der Anzahl
331-7
31-55
Tab. II.
<^14-39,8
2 9-27,3
28-1
21-9
333-9
304-7
26-6
27-8
12-3,4
280
319-3
27-08
Tab. III.
12-24,9
? 8-32,4
26-8
16-3
362-7
289-0
29-9
22-4
10-28,68
21-88
328-81
26-18
6. Eine Beziehung zwischen der Leistung des ausgeschnittenen
Herzens und der Grösse des Thieres, dem Gewichte des Thieres oder
der innerhalb geringer Grenzen schwankenden Lufttemperatur Hess
sich nicht entdecken.
7. Wenn man nun auch (in Anbetracht der allerdings nichts
weniger als vorwurfsfreien Anordnung der Untersuchung, so wie des
geringen Unterschiedes der Mittelzahlen für einfach, oder nach vor
aufgehender Vagusdurchschneidung oder Reizung ausgeschnittener
Herzen, ferner in Anbetracht der grossen absoluten Schwankungen
hinsichtlich der Dauer und Anzahl der Schläge) das Hauptresultat
unserer Bemühungen als ein wesentlich negatives bezeichnen und
dahin formuliren wollte, dass die voraufgehende Vagusreizung oder
440 Czermak und Piotrowski. Über die Anzahl der Ventrikel-Contr. etc.
Durchschneidung anscheinend von keinen erheblichen Folgen für die
Grösse der Leistung des ausgeschnittenen Herzens sei, so dürfte man
als Endergebniss unserer Untersuchung, wie uns dünkt, dennoch mit
einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, dass durch die Wirkung
des gereizten Vagus nicht sowohl die Entwickelung
der nach aussen übertragbaren Kräfte des musculo-
motorischen Nervensystems selbst, sondern wesent
lich nur die Übertragung dieser Kräfte auf die Mus
kelsubstanz gehemmt und regulirt werde, da im ent
gegengesetzten Falle das nach Reizung der Vagi ausgeschnittene
Herz, welches während der Dauer der Reizung, wo es in Diastole
stillsteht und desshalb verhältnissmässig am unvollkommensten mit
0haltigem Rlute versorgt wird, wohl auch ohne Zweifel (trotz der
Steigerung der Erregbarkeit der in Diastole ruhenden Muskeln) arn
kürzesten und am wenigsten häufig schlagen müsste, was gewiss
nicht der Fall ist.
Ung’er. Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
Aus cll.h Hof u. St a.at s flxuckeTei.
2.Heft. 1851
U n g e r. Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
441
V o r t r ii g e.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
Von dem w. M. Prof. Dr. F. Ilnger.
(Mit I Tafel.)
(Als Fortsetzung der gleichnamigen Beiträge, Sitzungsberichte der kais. Akademie der
Wissenschaften mathem.-naturw. Classe Bd. XII, S. 367.)
IV.
Studien über sogenannte Frühlingssäfte der Pflanzen.
Eines der wichtigeren Probleme der Pflanzenphysiologie ist der
Nachweis der stufenweisen Ausbildung der organischen Verbindungen,
welche die von den Pflanzen aufgenommenen Nahrungsstoffe durch
den Assimilationsproeess erleiden. Bisher ist hierin auf dem Wege
der Erfahrung nur Weniges bekannt geworden, der grösste Theil
beruht auf Schlüssen, die man aus den allgemeinen Gesetzen der
Chemie gezogen hat.
Allerdings bietet es mancherlei Schwierigkeiten dar, bei solchen
Erfahrungen und Versuchen den passendsten Angriffspunkt zu finden,
nicht immer sind Zeit und Gelegenheit für derlei Untersuchungen
vorhanden, und am wenigsten liefert das gemässigte Klima taugliche
Objecte. Meines Erachtens ist der aus verwundeten Pflanzentheilen
von selbst ausfliessende Zellsaft (nicht Milchsaft) besonders geeigen-
schaftet als Grundlage für derlei Untersuchungen zu dienen. Während
In den wärmeren Ländern eine Menge von Bäumen und Schling
pflanzen, von Palmen und anderen kräftigen Monokotyledonen bei
Verletzung längere Zeit hindurch hinlängliche Mengen von Pflanzen
saft ergiessen, findet dies im gemässigten Klima nur bei einer
kleineren Anzahl einheimischer Pflanzen und das nur auf eine sein-
kurze Zeit beschränkt Statt, und wir sind daher nur auf einige
Ahornarten, die Birke und Weinrebe, beschränkt. Zwar zeigt das
Holz noch einiger anderer Bäume und Sträucher im Frühlinge vor
dem Aufbreclien der Knospen einen Saftreichtlium, wie zum Beispiel
442
D n f e r.
jenes von Juglans regia, Juglans cinerea, Cornus sanguinea u. s. w.,
es sind aber meist so geringe Quantitäten von Saft zu erhalten, dass
man damit keine weiteren Untersuchungen anstellen kann.
Leider wissen wir über den Saft der Palmen, welcher in grosser
Menge zur Weinbereitung verwendet wird, so wie über den ähnlichen
Saft von Agave americana und von anderen Agave-Arten so viel als
Nichts. Aber selbst mit dem Safte unserer einheimischen Pflanzen geht
es uns nicht viel besser.
Ein Frühlingsaufenthalt in der Umgebung von Gratz in Steier
mark verschaffte mir im vergangenen Jahre (1856) Gelegenheit
hierüber einige Erfahrungen zu machen, die, wenn sie gleich wenig
umfangsreich sind, doch so viel Werth besitzen dürften, um als
Anknüpfungspunkt für weitere Untersuchungen zu dienen.
Es lag mir bei diesen vorzüglich an der Birke und an der Rebe
angestellten Versuchen daran zu erfahren, von welcher Beschaffenheit
im Allgemeinen der aus den gemachten Wunden des Holzkörpers
austretende Saft sei und namentlich, wie sich der Gehalt von Zucker
und Gummi zu den übrigen Bestandtheilen desselben verhalte, end
lich ob die physicalischen und chemischen Eigenschaften des Früh
lingssaftes an den verschiedenen Theilen der Pflanze in verschiedenen
Zeiten sich verändern oder constant bleiben.
Hierzu war eine Reihe chemischer und physicalischer Unter
suchungen nothwendig, welche ich grösstentheils im botanischen
Garten und im chemischen Laboratorium des Joanneums unter
freundlicher Mitwirkung des Hrn. Prof. Gottlieb ausgeführt habe,
und deren Resultate ich im Folgenden kurz zusammenfassen werde.
Ich begann die Untersuchung mit einer hinlänglichen Quantität
Birkensaftes, welcher aus einem mehr als 40jährigen Baume am
31. März gewonnen wurde. Derselbe wuchs auf Thonschiefer-Unter
lage. Das etwa 2 Fuss über der Erde in den Stamm getriebene Bohr
loch ging 2 Zoll tief und hatte einen Durchmesser von 2 Linien. Der
ausgeflossene Saft, welcher innerhalb 10 Stunden 1 Litre füllte, war
vollkommen klar, farblos und schwach süss schmeckend '). Beim
Hervortreten kamen von Zeit zu Zeit Luftblasen mit, was um so
sicherer beobachtet werden konnte, als der Saft durch eine in das
*) Derselbe blieb in luftdicht verschlossenen Gefässen nach lä Monaten noch ganz und
gar unverändert.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
443
Bohrloch gesteckte Glasröhre abzufliessen genöthiget war. Die
Bestimmung des specifischen Gewichtes, welche durch das Pikro-
meter bewerkstelligt wurde, zeigte 1-0031.
Nach dem Eindampfen im Wasserbade stellte der Saft eine gelb
liche syrupähnliche Flüssigkeit von angenehmen süssem Geschmacke
dar. Mit gewöhnlichem Alkohol behandelt, der einen Tlieil der Flüs
sigkeit löste, gab sich der ungelöste Theil durch Trübung zu erken
nen. Das Filtrat, welches die Zuckerlösung enthielt, liess indess
auf dem Wasserbade abgedampft keine Zuckerkrystalle erkennen.
Der auf dem Filter gebliebene Rückstand wurde mit destillirtem Wasser
ausgewaschen. Das Waschwasser abgedampft, liess einen flockigen
Niederschlag zu Boden gehen, der sich durch seine kleberige Beschaf
fenheit nicht undeutlich als Gummi zu erkennen gab, aber zugleich
noch die löslichen Salze des Birkensaftes enthielt. Die auf dem Filter
gebliebene, trockene, pulverförmige Substanz wurde geglüht, wobei
sich unter Ammoniakentwicklung ein nach ungebranntem Horn riechen
der Gestank verbreitete, was auf einen Gehalt an Eiweiss schliessen
b'ess. Die rückbleibende Asclie enthielt phosphorsaure Salze.
Nach Verlauf einer Woche wurde an einem anderen Birken
baume des botanischen Gartens der aus zweien in der Entfernung von
ungefähr 3 Klafter über einander liegenden Bohrlöchern ausgeflossene
Saft zur Untersuchung genommen. Jeder für sich aufgefangene Saft
war von dem andern etwas verschieden. Mit alleiniger Berücksich
tigung des specifischen Gewichtes verhielten sich dieselben folgen-
dermassen:
Aus dem
oberen )
Bohrloche f
9. April 10. April
1-0042 1-0047
12. April
1-0043
14. April
16. April
17. April
unteren 1
Bohrloche j
1-0033
1 0036
1-0038
1-0034
1-0044
- 1 )
Schon vom 14. April angefangen, versiegte der Saft aus dem
oberen Bohrloche, während er aus dem unteren noch zu fliessen fort
fuhr und erst am 17. April auch hier zu fliessen aufhörte.
*) Auch Knight und Biot fanden den aus demselben Bohrloche fliessenden Saft
mit der Zeit verdünnter. *
444
U n g e r.
Bei diesen Bestimmungen des specifischen Gewichtes der Bir
kenflüssigkeit habe ich es indess nicht bewenden lassen, sondern zu
erfahren gesucht, ob dasselbe zugleich im Verhältnisse zum Gehalte
an Zucker und anderen löslichen Kohlenhydraten stehe, zu welchem
Zwecke ich mich der von Fehling 1 ) angegebenen Methode be
diente.
Da hierbei vorzüglich darauf zu sehen ist, dass aller Rohrzucker
so wie das vorhandene Gummi in Traubenzucker verwandelt wird, so
musste die zu untersuchende Flüssigkeit durch längere Zeit —
wenigstens durch 2 Stunden — mit Schwefelsäure gekocht werden,
und es haben vorläufige Versuche bestätiget, dass weder das blosse
Abdampfen noch eine Verkürzung der angegebenen Zeit allen im
Birkensäfte vorhandenen Rohrzucker in Traubenzucker zu umwandeln
im Stande war. Der unter solchen Vorsichten auf den Gehalt an
Zucker untersuchte Saft von 1-0042 spec. Gewichte, welcher am
9. April aus dem oberen Bohrloche der Birke erhalten wurde, zeigte
in einem Versuche 0-94 % , im zweiten Versuche 0-95 °/ 0 Zucker.
Der zur selben Zeit aus dem unteren Bohrloche erhaltene Saft
von 1-0053 sp. Gew. hatte im 1. Versuche 1-2%, im zweiten gleich
falls l-2°/ 0 und im 3. Versuche 1-3% Zucker. — Ferner der am
14. April aus dem unteren Bohrloche ausgeflossene Saft von 1-0034
hatte 0-76°/ 0 Zucker. Es geht somit aus diesen Versuchen hervor,
dass in der That der grössere oder geringere Gehalt an Zucker,
Gummi u. s. w. auf das specifische Gewicht des Saftes von Einfluss
ist und dessen grössere oder geringere Consistenz bedingt.
Auf gleiche Weise stellte ich auch an mehreren aus den Schnitt
flächen von Reben hervorgequollenen Säften Untersuchungen an. Am
7. April zeigte der aus einer Rebe des botanischen Gartens aufge
sammelte Saft nur ein sp. Gew. von 1-0003 — am 8. April 1-0009 —
am 9. April 1-0011 und am 10. und 11. April ein sp. Gew. von
1-0012 3 ). Am 14. April wurde bei einer anderen Rebe der Saft an
zwei durch 1 Klafter in der Höhe unterschiedenen Schnittflächen
aufgesammelt und verglichen. Der aus der unteren Schnittfläche
A ) Fehling-, die quantitative Bestimmung von Stärkmehl mittelst Kupfervitriol. Ann.
d. Chemie 1849, p. 109.
a ) Diese Beobachtung stimmt mit jener über die Zunahme des spec. Gewichtes des
Saftes mit dem Vorrücken der Vegetationsperiode von E. Brücke angegebenen
überein. (Über das Bluten des Rebstockes. Ann. d. Phys. u. Chem. Bd. 63, p. 184.)
Beitrüge zur Physiologie der Pflanzen.
445
erhaltene Saft hatte ein spec. Gew. von 1-0008, an der oberen nur
ein spec. Gew. von 1-0001. Über die Genauigkeit der hier ange
gebenen Zahlen ist nicht zu zweifeln, da alle bei solchen Bestim
mungen nothwendigen Vorsichtsmassregeln befolgt wurden. Dem
entsprechend, liess der Saft von 1-0003 gar keinen merkbaren Gehalt
an Zucker und in Zucker überführbare Bestandteile, der von 1-0009
etwa 0-07%, — dagegen jener von 1-0012 spec. Gew. in einem
Versuche 0-16°/ 0 » in einem zweiten, der richtiger sein dürfte, 0-15°/o
erkennen.
Man sieht also, dass die Bebe in Bezug auf ihren Frühlingssaft
denselben allgemeinen Bestimmungen unterliegt, wie der Frühlings
saft der Birke.
Gerne würde ich dieselben Versuche auch noch auf mehrere
Ahornarten ausgedehnt haben, allein wenn dieselben auch in den
ersten Tagen des Aprils aus den Bohrwunden des Stammes Saft aus-
fliessen Hessen, so verminderte sich derselbe kurz darauf nur zu sehr
und hörte bald ganz auf. Es war somit das nöthige Material in dieser
Zeit nicht mehr zu erlangen. Zur Vergleichung mit dem Frühlings
safte der Birke und Rebe mögen jedoch nachstehende Angaben nicht
ohne Interesse sein. Der am 3. April aus drei verschiedenen Ahorn
arten gewonnene Saft verhielt sich folgendermassen: Das grösste
specifische Gewicht hatte der auch sonst verhältnissmässig am süsse
sten schmeckende Saft von Acer Pseudopintanus mit 1 '0075 , dem
zunächst Acer saccharinum mit 1-0072 und endlich der gleichfalls
noch bemerkbar süss schmeckende Saft von Acer illyricum mit 1 0033.
Für eine Anomalie, die ich mir bis jetzt noch nicht zu erklären
weiss, muss ich es ansehen, dass ich aus dem Frühlingssafte des Berg
ahorns, welcher das höchste specifische Gewicht hatte, nur 0 - 306°/ o
Zucker abzuscheiden im Stande war, während dieser Saft doch
bedeutend süsser schmeckte als der Birkensaft, dessen Zuckergebalt
bis zu 1 °/ 0 stieg, es wäre denn, dass im Ahornsafte eine relativ viel
grössere Zuckermenge mit einer sehr kleinen Quantität von Gummi
verbunden ist, während im Birkensäfte nicht nur das Umgekehrte
stattfindet, sondern überdies noch die Summe beider Bestandtheile
des Saftes jene des Ahorns um ein Namhaftes überschreitet.
Vergleicht man diese Frühlingssäfte mit den aus sogenannten
Honigdrüsen der Pflanzen ausgeschiedenen Säften, von welchen
mehrere Agave-Arten reichliche Quantitäten liefern, so finden wir
Sitzb. d. mathern.-naturw. CI. XXV. Bd. II. Hfl. 29
446
U ii g e r.
zwischen beiden eine grosse Übereinstimmung und können daraus
entnehmen, wie wenig Unterschied bei der Bereitung derselben
obwalten müsse. Nach Büchner 1 ) hat der aus den Nektarien der
Blumen von Agave americana abgeschiedene Nektar nur ein spec.
Gewicht von 1 -050, der von Agave geminiflora nach Büchner
jun. 3 ) ein Gewicht von 1-090 und endlich jener von Agave lurida
nach Anthon 3 ) ein spec. Gewicht von 1-200 und obgleich keine
quantitativen Analysen derselben vorliegen, so scheint mir doch, dass
diese süsslich schmeckenden Nektararten und die obgenannten Früh
lingssäfte wahrscheinlich nur im Gehalte von Zucker und einigen
Salzen von einander unterschieden sind.
Bevor ich mir erlaube eine Erklärung der oberwähnten That-
sache, dass das specilische Gewicht des Frühlingssaftes aus den
oberen Theilen der Pflanze geringer als aus den unteren ist, was der
vorgefassten herrschenden Meinung gerade zuwiderspricht 4 ), zu
geben, will ich nur voraus noch das Verhältniss des Saftausflusses
zur Knospen- und Blattentwickelung in Betrachtung ziehen.
Im Allgemeinen tritt bei den Baumpflanzen unseres Klima s die
Saftfülle und der aus den Wunden erfolgende Ausfluss des Saftes
schon lange vor dem Anschwellen der Knospen ein. Genauere Ver
gleiche der Beobachtungen mit Bezugnahme auf die gleichzeitigen
Temperaturverhältnisse sind meines Wissens noch nicht gemacht
worden. Die Saftfülle nimmt unstreitig eine Zeit lang allmählich zu,
vermindert sich aber viel schneller als sie zugenommen hat und ver
schwindet mit dem Aufbruche der Knospen ganz und gar und kehrt
im Verlaufe der Vegetationszeit in keiner Weise wieder zurück.
An der Birke, welche wegen der Grösse und Dauer der Saft
fülle für die Beobachtung als ein besonders geeigneter Gegenstand
gelten kann, verhielt sich die Sache folgendermassen. Reducirt man
*) Repertorium für Pharmacie XXXVII. (1831), p. 221.
2 ) Repertorium für Pharmacie LI. (1835), p. 326.
3 ) Repertorium für Pharmacie XLIII. (1832), p. 27.
4 ) Knight fand sowohl bei Sycomorus als hei der Birke den Saft von den oberen
Theilen specilisch schwerer als von den unteren Theilen. Das Gleiche bestsitiget
Biot gefunden zu haben. Dagegen erhebt schon E. Brücke (Über das Bluten
des Rebstockes, Annal. d. Phys. u. Chem. Bd. 63 (1844), p. 183) erhebliche
Zweifel, indem der in senkrechten, seitlich nicht communicirender Röhren vor
handene Saft hei Verletzung derselben unmöglich nur aus dem Horizonte der
Wunde ausiliessen kann.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
447
die in verschiedenen Zeiträumen erfolgten Ausflussmengen auf ein
gemeinsames Zeitmass, z. B. auf eine Minute, so fand ich
am
31. März aus dem Borloche fliessen 12 Tropfen.
9. April
10. April
12. April
14. April
16. April
17. April
! oben „
unten „
i oben „
unten „
(oben „
\unten „
(oben „
(unten „
r oben „
Junten „
(oben „
(unten „
12 „
60, später 40 Tropfen.
12 Tropfen.
60, später 40 Tropfen.
75
25
0
25
Tropfen.
Tropfen.
Die Blattspitzen traten
bereits aus den Deck
schuppen hervor.
Die ersten Blätter
entfaltet.
o
20
0
0
Tropfen.
Die Belaubung fortge
schritten, jedoch nicht
beendet.
Tropfen. Die Belaubung beendet.
Bei der durch den Schnitt verletzten Bebe ist der ganze Saft
erguss, das sogenannte Thränen oder Bluten, längst vorher beendet,
ehe die Knospen sich entfalten. Merkwürdig aber schien mir der
Umstand, dass, nachdem an einer und derselben Bebe die unteren
Schnittflächen nach erfolgtem Thränen wieder trocken geworden
sind, die Schnittflächen der oberen Äste erst zu Thränen anfingen,
was gewissermassen mit dem am 12. April an der Birke beobach
teten Säfteerguss in Einklang steht, indem auch hier gegen die
Begel aus der oberen Wunde mehr Saft als aus der unteren in
gleichem Zeiträume ausfloss.
Suchen wir nun eine Erklärung für diese Thatsachen, so können
wir sie nur in der anatomischen Einrichtung der hier in Betracht
kommenden Organe und in den Gesetzen der Erhaltung des Gleich
gewichtes flüssiger Körper zu finden hoffen.
Ohne Zweifel ist die am Ausgange des Winters bei unseren
Holzgewächsen erfolgende Umsetzung des im Holzkörper aufgespei
cherten Amylums in Gummi und Zucker die Veranlassung einer
stärkeren Endosmose der Wurzelzellen. In Folge dieser verstärkten
Endosmose werden vorzüglich dem Holzkörper nach Massgabe der
da aufgespeicherlen Kohlehydrate und Proteinsubstanzen eine grös
sere Menge Saft zugeführt. Es erzeugt dies eben jenen Zustand von
29*
I
■
448
U n g- e r.
Pletora, die wir ganz besonders in der Rebe und Birke und bei den
tropischen Pflanzen vor der Blüthenentwicklung wahrnehmen. Diese
grosse Anhäufung von Saft ist die einzige auslangende Quelle, welche
für den darauffolgenden Process der Blatt- oder Blüthenentwickelung
die nöthigen Mittel aufzubringen im Stande ist.
Der Saft ist anfänglich in den langgestreckten, spindelförmigen
Holzzellen der Wurzel und der Rinde allein enthalten und tritt erst
von da in die benachbarten Spiralgefässe über, die in denselben
enthaltene Luft wird dabei herausgedrückt, zum Theile gewiss auch
von der Flüssigkeit absorbirt >) und so kommt es, dass bei Verletzung
des Stammes monokotyledoner sowie dikotyledoner Pflanzen der Saft
vorzugsweise nur aus den Spiralgefässen hervortritt. Die Kraft, wo
mit dasselbe geschieht, kann nach vielfältig darüber angestellten
Versuchen bis zum Drucke von anderthalb Atmosphären steigen.
Da die Aufnahme der rohen Nahrungsflüssigkeit durch die
Wurzel statlfindet und von den Spitzen derselben nach aufwärts und
von den unteren Theilen des Stammes zu den oberen aller Wahr
scheinlichkeit nach fortwährenden Veränderungsn unterworfen ist,
die seine allmähliche Assimilation herbeifuhren, so muss der Zell
saft der oberen Stammtheile durch eine grössere Menge assi-
milirter Substanzen, daher auch durch ein grösseres specißsches
Gewicht vor dem Zellsafte der tiefer liegenden Theile ausgezeichnet
sein. Dem widerspricht aber sowohl die an der Birke wie an dem
Weinstocke gemachte Erfahrung, indem der von den höher gelegenen
Wunden des Stammes ausgeflossene Saft durchaus ein geringeres
specißsches Gewicht als jener von tiefer gelegenen Wunden zeigte.
Es lässt sich indess diese Erfahrung mit der von unten nach aufwärts
zunehmenden Assimilation recht wohl dadurch in Einklang bringen,
wenn man erwägt, dass der von einer unendlich grossen Reihe über
einander liegenden Holzzellen sicherlich bedeutend verschiedene
Saft in ein und dasselhe von unten bis nach oben continuirliches
Gefäss tritt, und bevor hier noch nach den Gesetzen der Diffusion
eine gleichförmige Mischung zu Stande kommen kann, die concen-
trirteren specifisch schwereren Theilchen sich nothwendiger Weise
*) Die angestellten Versuche über den Gehalt von Luft des ausfliessenden Birkensaftes
haben leider fehlgeschlagen und müssen daher unbeantwortet bleiben.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen. 449
nach abwärts begeben, während die specifisch leichteren die oberen
Partien der Flüssigkeitssäule einnehmen müssen.
Durch den Druck eben dieser kleinen Flüssigkeitssäulen, die
sich nach der Menge der vorhandenen Spiralgefässe richten, ist auch
die grössere Menge des aus den unteren verletzten Stellen ausflies-
senden Saftes gegen die oberen von selbst verständlich. Aber auch
hierin finden sich hie und da Ausnahmen, die nur dadurch zu
erklären sind, dass Hemmungen mannigfacher Art, welche an den
unteren Wunden eintreten, wie z. B. Verschliessung der Gefässe
durch Turgescenz der nebenliegenden Elementartheile, Pfropfbildun
gen aus der Flüssigkeit beim Contacte mit der atmosphärischen
Luft, parasitische Pilze u. s. w. ja, vielleicht selbst veränderte
Richtung der Saftströmung, einen vermehrten Ausfluss aus höher
gelegenen Wunden, oder wohl gar ein alleiniges Ausfliessen des
Saftes daselbst bedingen können. Es kann daher nur die Aufgabe
einer speciellen Untersuchung sein, für den gegebenen Fall die
nächste Ursache solcher Anomalien der Saftführung aufzudecken,
wozu jedoch nur in grosser Menge und unter verschiedenen Umstän
den angestellte Beobachtungen und Versuche ausreichen dürfen.
V.
Zur näheren Kenntniss des Honigthaues.
In den Naturwissenschaften haben seltene und mit auffallenden
Eigenthümlichkeiten begleitete Erscheinungen von jeher die Auf
merksamkeit des Menschen erregt, und nach dem ihm angeborenen
Triebe zu Deutungen und Erklärungen derselben Veranlassung
gegeben. Gewöhnlich hatte die Schwierigkeit des richtigen Verständ
nisses hierauf keinen Einfluss, da es der Phantasie immerhin ein
Leichtes ist, das für die Reihenfolge eines endgiltigen Schlusses
Erforderliche aus ihren Mitteln zu ersetzen. Zu diesen das Interesse
der Menschen in Anspruch nehmenden Erscheinungen gehört auch
der Honigthau — ein auf Blättern und andern Pflanzentheilen
zuweilen vorkommender kleberiger, süssschmeckender Überzug —
eine Erscheinung, welche bald örtlich, bald weit verbreitet, um so
eher die Aufmerksamkeit zu fesseln im Stande war, als damit mannig
fache landwirthschaftliche und industrielle Beziehungen in Berührung
450
U n g e r.
traten und daher die Ökonomen längst auffordern musste, seiner
Natur und den Ursachen seiner Erscheinung auf die Spur 7,11 kommen.
In der That besitzt dieser Gegenstand schon eine so umfassende
Literatur, dass es keines geringen Zeitaufwandes bedürfte, auch nur
die wichtigeren Angaben und Mittheilungen über die Erscheinung
und Ausbreitung u. s. w. zusammenzustellen , denn nicht blos in
Europa, sondern auch in anderen Welttheilen ist der Honigthau bereits
ein Gegenstand der Beobachtung geworden ')•
Im Allgemeinen kann man wohl sagen, dass der Honigthau meh
reren ganz verschiedenen Ursachen seine Entstehung verdanke, wenn
man alle auf den Pflanzen ungewöhnlich vorkommende kleberige und
süssschmeckende Überzüge mit diesem Ausdrucke bezeichnen will,
und dass, wie ich selbst einmal zu beobachten Gelegenheit fand 2 ),
Blatt- und Schildläuse daran sicherlich ihren Antheil haben.
Die für die Pflanzenphysiologie weit wichtigere Frage ist, oh der
Honigthau auch als Secret, natürlich nicht von einem normalen
Zustande der Pflanze bedingt, auf derselben auftreten kann. Analo
gien ähnlicher normaler Secretionen sind im Pflanzenreiche sehr ver
breitet, doch gehen sie nicht unterschiedslos von jedem Pflanzen-
theile aus, sondern werden, wie bekannt, stets von besonders con-
struirten Drüsenapparaten bewerkstelliget.
Erst im Jahre 1855 hatte ich wieder Gelegenheit die Erschei
nung des Honigthaus, und zwar seltsam genug mitten in der Stadt
Wien, zu beobachten. Es war in den letzten Tagen des Monates
Juni als die sämmtlichen Blätter einer eben blühenden Linde des
Klostergartens der Herren P. P. Franciscaner derart mit einer syrup-
artigen dickflüssigen Substanz überzogen wurden, dass dieselbe in
Form von Tropfen vom Baume herunterfiel und dadurch alle darunter
befindlichen Gegenstände ohne Unterschied besudelte. Nicht blos die
älteren Blätter, sondern auch die jungen Triebe zeigten diesen Über
zug, der bis zum 5. Juli Tag für Tag an Intensität zunahm. Später
1 ) Unter andern gibt Bruce (Heisen etc.) von der Gin-Gin oder Gesse el Aube,
einer am Ufer des Guanque in Ägypten wachsenden Grasart an: „an den Blättern
einiger Pflanzen bemerkte ich etwas von einer klebrigen Feuchtigkeit, derglei
chen man auf unseren Linden oder Ahornen antrifl’t, aber in weit geringerer
Quantität; sie hat einen zuckersüssen Geschmack.
2 ) Uber Zuckerdrüsen der Blätter und einige von den Blättern überhaupt ausgehende
Zuckerabsonderungen. Flora 1844, p. 41.
Beitrüge zur Physiologie der Pflanzen.
4SI
wurde auch ein zweiter Lindenbaum desselben Gartens vom Honig-
thau ergriffen, jedoch etwas schwächer als der erstere. Herr Pater
Victor Michalovich, damals im Klostergebäude wohnend und mein
Schüler aus der Botanik, machte mich auf dieses seltsame Ereigniss
aufmerksam. Die mir von ihm überbrachten beblätterten Zweige jener
Linde zeigten den glänzenden Überzug im reichlichen Masse, ja sogar
Spuren der tropfenweise daran angesammelten nun eingetroekneten
Flüssigkeit. Von Blattläusen oder anderen Insecten war kaum etwas
zu bemerken. Es erlaubten die Umstände nicht dieser Erscheinung
die vollste Aufmerksamkeit zuzuwenden.
Glücklicher war ich dagegen in dem abgewichenen Jahre 1SS6,
wo ich, auf meiner ländlichen Besitzung in der Nähe vonGratz lebend,
in der zweiten Hälfte des Monates Juni neuerdings durch dieselbe
Erscheinung überrascht wurde. Hier hatte ich zur Beobachtung die
ses Phänomens nicht nur die hinlängliche Müsse, sondern im chemi
schen Laboratorium des Joanneums in Gratz zugleich Gelegenheit
einige in das Feld der Chemie einschlägige Untersuchungen vorzu
nehmen. Das Wichtigste, was ich bei dieser Gelegenheit über die
Natur und Erscheinungsweise des Honigthaues erfuhr, enthalten nach
stehende Zeilen, die ich nicht aus dem Gedächtnisse schreibe, sondern
grösstentheils den zu jener Zeit niedergeschriebenen Notizen ent
nehme. •—
Schon am Anfänge des Monats Juni fingen die Blätter verschie
dener Bäume und Sträucher eine von dem gewöhnlichen Aussehen
veränderte Beschaffenheit zu erlangen. Sie waren auf ihrer Ober
fläche mit firnissglänzenden Punkten bestreut, übrigens weder an
Gestalt noch an Färbung alienirt. Gegen die zweite Hälfte des Monates
war jene Erscheinung schon sehr augenfällig geworden, die glänzen
den Punkte nahmen nicht blos an Grösse und Ausdehnung zu, sondern
verflossen gegenseitig und vergrösserten so den fremdartigen Über
zug, der gar bald sich zu grösseren und kleineren unregelmässigen
Flecken ausdehnte. Besonders deutlich Hess sich dies an solchen Bäu
men und Sträuchern wahrnehmen, die an sonnigen Gehägen standen
und daher dem directen Sonnenlichte und der Erwärmung besonders
ausgesetzt waren.
Es war nunmehr kein Zweifel, dass man die Erscheinung eines
eben sich ausbildenden Honigthaues vor sich hatte. Ich war nun darauf
bedacht die Ausdehnung dieser Erscheinung sammt allen sie begleiten-
452
U n g e r.
(len Nebenerscheinungen so aufmerksam als möglich zu verfolgen.
Es stellte sich hiebei gleich anfangs heraus, dass der Honigthau eine
weit ausgedehnte Verbreitung hatte und in der ganzen Landschaft zu
bemerken war, die ich auf meinen täglichen Fusswanderungen zu
erreichen im Stande war. Überall waren es Bäume und strauchartige
Pflanzen über deren Blätter er sich verbreitete, nur selten krautartige
Gewächse. Die Intensität war jedoch nichts weniger als durchaus
gleich und veranlasste mich nachstehende Verzeichnisse von Pflanzen
zusammenzustellen, woraus jenes Verhältniss am besten sichtlich
gemacht ist. Es zeigt sich daraus, dass keineswegs sämmtliche Pflan
zen vom Honigthaue ergriffen waren, und dass es verhältnissmässig
nur eine kleine Anzahl von Arten war, an welchen derselbe besonders
deutlich auftrat.
In diese Kategorie gehörten namentlich:
Juglans regia.
Quercus pedunculata.
Prunus domestica.
Corylus Avellana.
Titia europaea.
Carpinus Betulus.
Ligustrum vulgare.
Rubus Idaeus.
Evonymus europaeus.
Die Pflanzen, deren Blätter nur Spuren oder geringe Mengen
von Honigthau an sich trugen, waren:
Crataegus Oxyacantha.
Acer campestre.
Prunus Armeniaca.
Fraxinus excelsior (nur an jun
gen Individuen).
Scrophularia nodosa
Aegopodium podagraria.
Rosa canina.
Frei vom Honigthaue blieben durchaus nachstehende Pflanzen,
welche in der Nähe der vorhergehenden standen:
Ribes rubrum.
„ Grossularia.
Syringa vulgaris.
Clematis Vitalba.
Mespilus germanica.
Retula alba!
Salix Capraea!
Populus tremula !
Berberis vulgaris.
Rhamnus Frangula.
Cornus sanguinea.
Viburnum Lantana.
Vitis vinifera.
Prunus avium.
Pyrus Malus.
„ communis.
Beiträge zur Physiologie (1er Pflanzen.
433
Dies auf sorgfältige und mehrmals wiederholte Beobachtungen
gegründete Verzeichniss von Honigthau tragenden und davon gänzlich
freien Pflanzen, welche häufig hart neben einander standen, spricht
keineswegs für solche nähere Ursachen, welche ausserhalb der Pflan
zen liegen, sondern deutet vielmehr darauf hin, dass die Hervorbrin
gung des honigartigen Blattüberzuges von den betreffenden Pflanzen
aus selbst bewerkstelliget werde.
Ich bemerke hiebei nur noch, dass der genannte Überzug aus
schliesslich die Oberseite der Blätter einnahm, und dass mit Ausnahme
von Juglans regia nirgends Blattläuse auf den vom Honigthaue ergrif
fenen Blättern, ja selbst nicht einmal deren zurückgebliebene Haut
bälge zu bemerken waren. Von besonderem Interesse und vielleicht
entscheidend für dieErkenntniss der nächsten Ursache dieser Erschei
nung dünkte es mich, eine chemische Untersuchung dieser syrupartigen
die Blätter überziehenden Substanz vorzunehmen. Da die Blätter von
Carpinus Betulus, welche grösstentheils dasGehäge der Grenze meiner
Besitzung am Bosenberge beiGratz bildet, mir ein genügendes Material
für eine derartige Untersuchung schon am 16. Juni zu liefern ver
sprach, so machte ich mich doch an demselben sonnigen und warmen
Tage daran, eine hinlängliche Menge mit jenem Firnissüberzuge ver
sehenen Blätter zu sammeln. Dieselben sammt ihren Stielen ja selbst
ganze junge Zweige, die einen solchen Überzug besessen , wurden
vom Stamme getrennt, in ein passendes Cylinderglas gebracht, mit
destillirtem Wasser übergossen und unter beständigem Umrühren mit
einem Glasstabe so lange mit dem Abwaschen fortgefahren, bis die
zuletzt abgegossene Flüssigkeit vollkommen klar blieb. Das gesammte
trübe Waschwasser, welches wirklich den firnissglänzenden Überzug
der Blätter aufgenommen hatte, was daraus zu erkennen war, dass
dieselben nunmehr ihr gewöhnliches Aussehen wieder erlangten,
wurde nun auf das Filler gebracht, woraus eine zwar klare, aber
etwas wenig gefärbte Flüssigkeit hervorging. Dieselbe auf dem
Wasserbade bis zur Trockenheit eingedampft gab von 130 Hain
buchenblättern nicht mehr als U434 Grm. trockenen Rückstand. In
der bereits ziemlich concentrirten bräunlichen Flüssigkeit unterschied
man mit freiem Auge deutlich zweierlei Flocken: die grösseren waren
körnig und zugleich mit grösseren Körnern bestreut, die kleineren
stellten homogene Hautlappen dar, welche mehr oder minder zm-
sammengerollt waren und hei ihrer Bewegung ein cigentluimliches
454
U n g e r.
Schillern der Flüssigkeit verursachten. Ausserdem nahm man noch
grössere prismatische Krystalle wahr. Alkohol Hess die Flocken un
verändert.
Die zur Trockenheit eingedampfte Flüssigkeit wurde jetzt mit
etwas wenigem Wasser übergossen, aufgerührt und dann mit starkem
Alkohol behandelt, worauf eine weissliche Trübung entstand, die hei
vermehrtem Zusatze von Alkohol wieder verschwand. Die fiitrirte Al
kohollösung gab eine weingelbe Flüssigkeit, welche allen Trauben
zucker enthielt, während die unlöslichen braunen Flocken auf dem
Filter zurückblieben.
Um den Alkohol zu entfernen, dampfte ich nun die Zuckerlösung
ab, löste sie wieder in viel Wasser und schritt nun zur Bestimmung
des Gehaltes an Traubenzucker nach der Methode Fehling's mittelst
einer zu diesem Zwecke bereiteten titrirten Kupferlösung.
Die gesammte durch Weingeist von dem Gummi geschiedene
Zuckermenge betrug 0263 Grm., was verglichen mit der untersuchten
Menge der von den Blättern abgewaschenen Substanz von 1-434 Grm.
25-313 % Traubenzucker gibt.
Der auf dem Filter zurückgebliebene Rückstand, welcher vor
zugsweise Gummi enthielt, wurde sammt dem Filter durch mehrere
Stunden mit verdünnter Schwefelsäure gekocht, um denselben in
Traubenzucker überzuführen. Dieser llockige Rückstand löste sich
vollkommen und nachdem er filtrirt war, wurde er mit Atznatron-
lauge neulralisirt. Die Prüfung der Flüssigkeit auf Traubenzucker
ergab 0-116 Grm., was bezüglich der ersteren Substanz 8-159% ent
spricht.
Es enthielt daher der untersuchte Honigthau der Hainbuchen-
blätter 33-472 % Zucker und in Zucker überführbare Substanzen
und 66-528 °/ 0 andere in Wasser lösliche Körper.
Vom 16. bis 19. Juni dauerte die Erscheinung in demselben
Masse fort und selbst ein kleiner Regen, welcher am letztgenannten
Tage stattfand, hatte jenen firnissartigen Anstrich von den Blättern
nicht weggewaschen. Dagegen ging am 20. Juni ein heftiger Regen
guss nieder, der die Reinigung der Blätter der Art bewerkstelligte,
dass jede Spur von Honigthau verschwand. Besonders an den Wall
nussblättern war längs der Mittelrippe, welche für das abfliessende
Wasser eine natürliche Rinne bildete, aller fremde Überzug vollkom
men weggewaschen.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
455
Trotz dieser meteorischen Reinigung stellten sich schon am fol
genden Tage Nachmittags, d. i. den 21. Juni, welcher sehr heiter und
warm war, auf den ganz und gar reinen Blattflächen einzelne kleine,
punktförmige Flecken von Honigthau wieder ein und erwiesen sich,
da hier alle fremdartige Einwirkung fehlte, somit nnhezweifelt als
Secret der Blätter selbst. Dasselbe fand auch später mehrmals und
zwar am Ende Juni so wie am Anfänge Juli Statt, so dass das Auftreten
von glänzenden Punkten auf der Oberfläche der durch Regen vorher
gereinigten Blätter zu den regelmässig wiederkehrenden Erscheinun
gen gezählt werden muss.
Da ich nach meiner ersten Untersuchung des Honigthaues der
Hainbuchenblätter nicht auf lange fortdauerndes regenloses Wetter
rechnen konnte, indem dasselbe bereits durch volle 6 Wochen anhielt,
so beeilte ich mich auch noch für eine zweite und dritte chemische
Untersuchung das nöthige Material zusammen zu bringen. Es waren
jedoch nur die Blätter von Juglans regia und Quercus pedunculata,
welche durch die nöthige Quantität des Honigthaues ein einiger-
massen sicheres Resultat zu geben versprachen, daher blos von diesen
beiden Pflanzen am 18. Juni die Sammlung gemacht wurde.
Es wurde mit diesen Blättern auf die gleiche Weise wie mit
jenen von Carpinus Betidus verfahren. Das Waschwasser der Eichen
blätter ging wegen des Wachsgehaltes, der demselben mechanisch
zugeführt wurde, schwer durch das Filter und stellte zugleich eine
bei weitem lichtere Flüssigkeit als das Waschwasser der Wallnuss
blätter dar. Merkwürdig schien es, dass die letzteren selbst nach
wiederholtem Waschen noch etwas Wachsglanz behielten, der seihst
durch Anwendung von Weingeist nicht ganz entfernt werden konnte.
Die zur Trockenheit eigedampften Waschwasser beider Pflanzen
enthielten folgende Mengen:
499 Blätter von Quercus pedunculata gaben 0892 Grm. feste
Substanz, 56 Blättchen von Juglans regia gaben 2-435 Grm. feste
Substanz. Jene 0'892 Grm. enthielten 0-391 Grm. Zucker und in
Zucker überführbare Substanzen, die 2-435 Grm. trockener Substanz
der Nussblätter enthielten 0-580 und 0-393 in Zucker überführbare
Substanzen. In pCt. berechnet erhielten wir für jene 43-8% von
diesen 23-82% + 16-14% = 3996%.
Da nach dem am 19. Juni erfolgten Regengüsse wieder trockenes
und heiteres Wetter eintrat, so war der auf kurze Zeit verschwundene
456
U n g e r.
Honigthau bald wieder in der vorigen Ausdehnung, ja noch intensiver
aufgetreten. Dies veranlasste mich mit den-Blättern von Juglans regia,
die mir in grosser Menge zu Gebote standen, und zwar mit den
Blättern des nämlichen Wallnussbaumes, der mir zur früheren Unter
suchung dienlich war, eine nochmalige Analyse vorzunehmen und sie
mit noch grösserer Sorgfalt durchzuführen. Ich gebe die Resultate
davon in nachstehender Tabelle, worin ich auch die Zahlenverhält
nisse der früheren Untersuchungen vergleichungsweise zusammen
gestellt.
Die
Versuchs-
Pflanzen
waren
«ca
— 5
w —
i2 o
X3 n
Io
3 U
CO C5
S N
JS 3
« ro
<3 S
Dieselbe enthielt in Gramm
Dieses in pCt. berechnet
Carpinus
Betulus
16. Juni
1836
130
424
1-434
0-263
0116
23-313
8-139
Quercus
peduncul.
16. Juni
1836
179
499
0-892
0-391
43-8
Juglans
regia
18. Juni
1836
36
626
2-433
0-380
0-393
23-82
16-14
Juglans
regia
26. Juni
1836
33
323
0 329
0133
0-103
0-004
0-283
23-32
19-83
0-73
331
Wenn schon in den angeführten Erscheinungen eine Menge
Thatsachen liegen, welche für diese Fälle den Honigthau als eine Se-
und Exeretionssubstanz der Blätter höchst wahrscheinlich machen, so
lag es mir doch sehr daran durch positive Beweise die Richtigkeit
dieser Ansicht ausser Zweifel zu setzen.
Zu diesem Zwecke schloss ich sowohl abgepflückte als am Baume
befindliche von allen parasitischen Thieren reine Blätter zwischen
zwei etwa eine Linie von einander abstehende Glasplatten hermetisch
ein. Die bereits darauf befindlichen punktförmigen Honigthautröpfchen
wurden ihrer Zahl, Lage, Grösse und Form nach genau markirt und
darüber ein Tagebuch geführt. Zu meinem grössten Leidwesen stellten
sich aber in der Folge weder Argumente für die secretive Natur des
Honigthaues noch gegen dieselbe heraus.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
457
Die untersuchten Blätter blieben in beiden Fällen durch längere
Zeit frisch und lebenskräftig, aber es trat weder eine Vergrösserung
noch Veränderung an jenen Honigthaupunkten ein, ja es zeigte sich
vielmehr schon nach einigen Tagen ein Verschwinden derselben. Da
es auf diese Art nicht ging, stellte ich den Versuch in anderer Weise
an, welche mir durch die Natur selbst angedeutet wurde, freilich ohne
dabei einen Abschluss von Insecten bewirken zu können. Ich wusch
nämlich mit destillirtem Wasser sorgfältig mehrere wohlbezeichnete
Blätter des oft genannten Wallnussbaumes, und beobachtete nun die
vollkommen gereinigten Blätter mit besonderer Berücksichtigung der
Blattläuse, welche sich allerdings hie und da auf den Versuchsblättern
einstcllten, jedoch bei jedesmaliger Beobachtung, welche mehrmals
des Tages stattfand, immer wieder davon entfernt wurden. Die zum
Versuche gewählten Blätter waren übrigens die vom Stamme entfern
testen, und es konnten daher nicht leicht von andern darüber befind
lichen Blättern Tröpfchen, wenn auch noch so klein, auf sie herunter-
fallen. Nichtsdestoweniger boten auch diese gewaschenen Blätter
schon nach 6 Stunden hie und da sehr kleine glänzende Punkte von
Honigthau dar, die sich vor Ablauf von 24 Stunden bedeutend ver-
grösserten und zu denen sich noch viele neue gesellten.
Dies so wie die ähnliche Erscheinung, welche sich jedesmal
kurz darauf nach jedem Regen einstellte, scheint mir nach allen seinen
Nebenumständen betrachtet, mehr zu Gunsten einer Secretion von
Seite des Blattorganes als zu Gunsten einer fremdartigen zufällig auf
die Blätter gelangten Substanz zu sprechen.
Ich kenne die Excremente der Blattläuse in ihrer chemischen
Zusammensetzung zu wenig genau, um nicht auch von daher ein
Argument für den Honigthau als Erzeugnis der Blattsubstanz nehmen
zu können. Zwar ist es gewiss, dass Zucker in den meisten Fällen
in den Darmexcrementen der Blattläuse vorhanden ist, und es ist ja
eben dieser Umstand, welchen andere Insecten, besonders Ameisen,
in deren Nähe lockt, da sie zum Theil von diesen süssen Excrementen
leben, es scheint mir jedoch unwahrscheinlich, dass auch das so leicht
verdauliche Gummi, welches sie mit dem Pflanzensafte in geringer Menge
aufnehmen, als Residuum der Verdauung und zwar, wie oben gezeigt, in
so bedeutender Menge ausgeschieden werden soll. In diesem Falle
würde der so namhafte Gummigehalt des Honigthaues eher auf eine
Secretion der Blätter als auf eine Excretion der Blattläuse hinweisen.
458
U n g e r.
Es ist endlich eine allgemeine Regel, dass der Honigthau nur
an der Oberseite der Blätter erscheint. In den beiden in dieser
Schrift von mir erwähnten Fällen war es so. Bemerkt man den
Honigthau ja zuweilen ausser der Oberseite auch auf der Unterseite
der Blätter, so ist er sicherlich durch Berührung eines nachbarlichen
mit Honigthau versehenen Blattes dahin gelangt, was um so evidenter
ist, als er da nie in Form von Tröpfchen, sondern als verwischte
Flecken auftritt. Jede leise Bewegung durch Erschütterung bei
Bewegung der Luft ist dies zu bewerkstelligen im Stande.
Diese Erscheinung lässt sich mit den Excretionen der Aphiden
schlechterdings nicht in Einklang bringen. Sollte der Honigthau von
der Anwesenheit jener Thiere auf denselben oder den benachbarten
Blättern herrühren, so müsste man ihn auf der Unterseite eben so
häufig als auf der Oberseite derselben wahrnehmen, ja man würde
sogar nach der bekannten Lebensweise der Thiere auf der Unterseite
der Blätter ihn vorzüglich hier beobachten müssen. Auch ein Über
tragen des Honigthaues aus der Entfernung, etwa dadurch, dass der
selbe von den Aphiden mit grösserer oder geringerer Gewalt aus
dem After fortgespritzt würde, stosst auf dieselben Schwierigkeiten
bei der Vergleichung mit den beobachteten Thatsachen.
Endlich sind das meist verstreute Auftreten der Anfänge des
Honigthaues die Verlheiluiig über die ganze Blattflächei so wie die
allmähliche Vergrösserung der Tröpfchen sicherlich noch Momente,
die für die secretive Natur des Honigthaues sprechen. Nach allem dem
lässt sich somit wenigstens für eine gewisse Reihe von Erscheinungen
der Honigthau nur als eine Excretiou der Blattsubstanz ansehen, und
es erscheint vor allem die Epidermis der Oberseite der Blätter, welche
diese Function vollführt, was sehr wohl durch den eigenthiimlichen
Bau derselben und durch die an dieselbe sieb anschliessende Gruppi-
rung der Elementartbeile der Blätter dereinst sicher ihre Erklärung
finden wird.
Neuerlichst hat Herr Th. Gümbel eine von den früheren An
sichten abweichende Theorie der Bildung des Honigthaues vorge
bracht 1 ). Er will den Pollen, welcher zufällig auf die Epidermis der
Blätter fällt, als nächste Ursache jener Erscheinung ansehen.
*) Uber die Entstehung und das Wesen des sogenannten Honigthaues. Jahresbericht der
k. Landwirthschafts- und Gewerbsschule zu Landau in der Pfalz für das Studien
jahr 1855/56.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
459
Es kann hier nicht meine Absicht sein, in eine Kritik dieser
Anschauungsweise einzugehen, noch weniger Thatsachen yorzulegen,
die für oder wider diese Theorie sprechen. Jedenfalls scheint es
mir aber der Mühe werth zu sein, bei einer wiederholten Gelegenheit
der Beobachtung jenes interessanten Phänomens auch der Schick
sale der zufällig in den flüssigen und klebrigen Honigthau gelangen
den fremden Körper, namentlich des Pollens nachbarlicher Pflanzen
mit grösserer Aufmerksamkeit zu gedenken, als es bisher gesche
hen ist.
VI.
Öll'nen und Sehliessen der Spaltöffnungen bei Pflanzen.
In den inductiven Wissenschaften muss man häufig froh sein,
durch die Feststellung einer Thatsache auch nur einen kleinen Schritt
vorwärts gethan zu haben.
Die Pflanzenphysiologie, eine in der Entstehung begriffene Wis
senschaft, steht noch auf so schwankenden Füssen und hat noch eine
so wenig solide Unterlage, dass eine Erfahrung, welche als Anhalts
punkt für weitere Forschungen und als gesicherte Grundlage von
Schlüssen verwendet werden kann, immerhin einigen Werth besitzt.
Dieser Fall ist mit der Erkenntnis# von den Veränderungen,
welche jene mikroskopisch kleinen, aber zahlreichen Öffnungen der
Pflanzen, welche man Spaltöffnungen nennt, in Folge verschiedener
Einflüsse im täglichen Lehensgange erleiden.
Bisher ist es der Anatomie zwar gelungen, den Bau jener kleinen
Spiracula ausfindig zu machen, die Entstehungsweise zu verfolgen,
auch die Zahl, Grösse und Verlheilung derselben über die Oberfläche
der Pflanze zu ermitteln. Sie hat durch vergleichende Untersuchungen
in Erfahrung gebracht, dass dieselben bei verschiedenen Pflanzen
sowohl ihres Vorkommens als ihrer Form nach sehr grossen Abände
rungen unterworfen sind; sie hat aber zugleich nachzuweisen gesucht,
wie dieselben in allen Fällen mit den Lufträumen des Innern der
Pflanze in Verbindung stehen, gleichsam ihre Öffnungen nach aussen
darstellen, und für den Verkehr der luftförmigen Körper, welche die
Pflanze umgeben und in ihr enthalten sind, die einzigen direeten und
unmittelbaren Wege sind.
Weiter ist die Anatomie nicht gegangen, und konnte auch von
ihrem Standpunkte aus nicht leicht gehen, weil die Veränderung,
460
U n g^e r.
welche man an diesen winzigen Öffnungen mit Hilfe starker Vergrös-
serungen zu bemerken im Stande war, bei weitem nicht ausreichte,
um darüber etwas Endgiltiges zu erfahren. Vor Allem blieb die in
mancher Beziehung so wichtige Frage, ob diese Öffnungen verschlos
sen werden können, ob Öffnen und Schliessen in der lebenden Pflanze
mit einander regelmässig abwechseln u. s.w. unentschieden, insoferne
Muthmassungen, an denen es zwar nicht fehlte, für keine genügenden
Antworten angesehen werden können. Es ist leicht einzusehen, dass
ein Öffnen und Schliessen der zwischen den halbmondförmigen Zellen
befindlichen Spalte zunächst nur durch diese seihst bewerkstelligt
werden und nur darauf beruhen kann, dass verschiedene Zustände der
Turgescenz ein Näheraneinanderrücken und Entfernen ihrer inneren
freien Seiten und Ränder hervorbringen.
Während man nach den allgemeinen Gesetzen der Ausdehnung
in Folge der Endosmose glauben sollte, dass nur ein Turgescenz-
zustand der Porenzellen ein Aneinandertreten und Schliessen der
Spalte zu bewirken im Stande wäre, hat Schleiden die entgegen
gesetzte Ansicht ausgesprochen, indem er den Zustand der Collahes-
cenz als jenen bezeichnete, der den Schluss der Zellen bewerkstelligen
sollte.
In Folge sorgfältiger anatomischer Untersuchungen über die
Spaltöffnungen und einiger zur Lösung obiger Frage angestellten
Versuche glaubte ich den Satz aussprechen zu dürfen, dass die ver
schiedenen Turgescenzzustände der Spaltöffnungszellen jedenfalls so
gering sein müssen, dass sie auf die Erweiterung und Verschlies-
sung der Spaltöffnung keinen merkbaren Einfluss nehmen, ja dass die
Lage und Anheftungsweise jener Zellen in vielen Fällen von der Art
seien, dass dergleichen Veränderungen gar nicht stattfinden können.
Ich operirte damals nicht mit Substanzen, welche durch ihre Eigen
schaft der Zelle Flüssigkeit zu entziehen, sich besonders eignen,
verschiedene Grade der Turgescenz beliebig hervorzurufen, sondern
ich begnügte mich, die beiden Extreme der Trockenheit und voll
kommenen Befeuchtung mit einander zu vergleichen. Eine Reihe in
einer gewissen Richtung ausgeführter Versuche brachten mich jedoch
über diesen Punkt bald auf Gedanken, die sich mit diesen meinen
Ansichten nicht vereinbaren Hessen, zugleich mir aber einen Finger
zeig gaben, auf welche Weise die Sache zur Entscheidung zu brin
gen sei.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
461
Ich war mit einem meiner Schüler, Herrn Dr. Leit geh, eben
beschäftigt, die luftführenden Organe der Pflanze einer nähern Unter
suchung zu unterziehen und den Zusammenhang derselben mit den
Spaltöffnungen durch Injectionen zu prüfen, als derselbe auf den
Einfall gerieth, mittelst gewaltsamen Einblasens von Luft dieselbe
durch die Pflanzentheile hindurch zu pressen. Schon der erste Ver
such mit dem hierzu in mehrfacher Beziehung höchst tauglichen Blatte
von Allium fistulosum, welches mit der Spitze ins Wasser getaucht
am andern Ende aufgeblasen wurde, gelang vollständig. An der
ganzen Blattoberfläche traten unzählige Luftbläschen auf einmal her
vor, die sich mit einander zu grossen Blasen vereinigten und nach und
nach von dem Blatte ablösten. Mit der Vermehrung des Druckes
wurden die Luftblasen nur häufiger und das Phänomen überraschender.
Eben so leicht, ja noch leichter gelang dasselbe Experiment an
den Blättern von Allium Cepa, mehreren Iris-Arten, an Stengeln von
Equisetum und Rippuris, an hohlen Stengeln von Compositen und
Umbelliferen; kurz es zeigte sich, dass man auf eine ganz einfache
Weise durch einen passend angebrachten Druck sich von der Weg
samkeit der luftführenden Bäume und deren unmittelbaren Zusammen
hang mit den Spaltöfl’nungen zu überzeugen im Stande ist.
Doch wie überraschend wurde derselbe Versuch, als es sich bei
weiterer Verfolgung desselben herausstellte, dass selbst eine geringe
Menge von Feuchtigkeit, im Anblasen durch die Luftgänge durchge
trieben, sogleich ein Stocken des Luftaustrittes hervorbrachte und
dass ein vollends mit Wasser injicirter Tlieil auf keine Weise für die
Luft wegsam gemacht werden konnte.
Der Grund dieser Erscheinung liess sich nur entweder in der
Adhäsion des Wassers an die Wände der sehr engen, luftführenden
Intercellulargänge, welche die beim Einblasen entwickelte Kraft nicht
zu überwinden im Stande ist, suchen, oder darin, dass die oberfläch
lichen Ausführungsgänge derselben — die Spaltöfl’nungen — durch
ihre Verschliessung das Hemmniss herbeiführten.
Es waren nun durch neue Versuche zu ermitteln, welche von
diesen beiden Ursachen hierbei geltend gemacht werden konnte.
Um die Kraft zu ermitteln, welche nöthig war, das von innen
in die Luftgänge eingetriebene Wasser durch die Capillaren der Inter
cellulargänge durchzupressen, wurde ein mehrere Zoll langer End-
theil einer Blatttutte von Allium fistulosum über das Ende eines Glas-
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. II. Hft. 30
462
U n g e r.
rohres gezogen und mittelst einer passenden Ligatur luftdicht an
dasselbe befestigt Nachdem das Ganze senkrecht aufgehangen
wurde, füllte ich es mit Wasser. Es zeigte sich hierbei, dass erst bei
dem Drucke einer Wassersäule von 8 Fuss Länge die äussere Ober
fläche des Blattes nass zu werden anfing, somit erst der Druck von
i/ 4 Atmosphäre das Wasser von Innen nach Aussen durchzupressen
im Stande war. Im Ganzen war der Wasserdurchgang sehr gering,
und betrug in 24 Stunden nicht mehr als 7 Cent. Met. Kub. Das
durchgepresste Wasser hatte in diesem Falle zuerst die in den Inter-
cellulargängen vorhandene Luft zu entfernen, an dessen Stelle es
eindrang, und dann erst durch die Spaltöffnungen auf die Oberfläche
hervorzutreten, — ein Vorgang, der nur theilweise und langsam statt-
linden konnte. Eine Modification dieses Versuches Hess mich jedoch
bald erkennen, dass in der That die Adhäsion der Luft an die Wände
der Zwischenzellengänge viel beträchtlicher ist, als die Anziehung
des Wassers an dieselbe. Denn bringt man vor Anstellung desselben
Versuches durch irgend eine Operation erst die Luft aus den Luft
gängen hinweg, so erfolgt der Wasserdurchgang sehr leicht und durch
eine viel geringere Kraft.
Um dieses auszuführen, wurde ein ähnliches Blatt von Allium
fistulosum durch 24 Stunden unter Wasser im luftverdünnten Baume
unter dem Becipienten einer Luftpumpe gelassen, und nachdem es
vollkommen mit Wasser injicirt war, gleich den andern an eine Glas
röhre befestigt. Es zeigte sich, dass eine 8 Fuss hohe Wassersäule
das Wasser der Art durchzupressen im Stande war, dass alle
Minuten einTropfen durchging und in 24Stunden 30 Cent. Met. Kub.
durchgepresst waren. Das Blatt verhielt sich in diesem Falle wie ein
befeuchteter Schwamm.
Es zeigen diese Versuche ausser der Wegsamkeit der luftführen
den Bäume und ihrer äusseren Öffnungen für Gase und Flüssigkeiten
nur so viel, dass die Anziehung der Oberfläche der capilaren Räume
für dieselbe sehr verschieden ist, ohne dabei zu ermitteln, wie viel
die verschiedenen Turgescenzzustände der von den Zellen umschlos
senen superficiellen Öffnungen hierbei Antheil nehmen.
*) Ich bemerke hierbei, dass die Wahl des Glasrohres sich nach der Weite des Blattes
richten muss, der Art, dass dieses beim Dariiberziehen über jenes knapp an dasselbe
nnliegt.
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
463
Um dies mit Sicherheit in Erfahrung zu bringen, musste ich zu
den ersteren Versuchen zurückkehren und sie exaeter ausführen. Zu
dem Zwecke nahm ich ein am Ende hufeisenförmig gebogenes Rohr
und setzte auf den kürzeren Schenkel eben wieder ein Blatt von
Allium fistulosum luftdicht auf. Statt durch den Mund die Luftpressung
auszuführen, überliess ich dies einer Quecksilbersäule, welche beliebig
verlängert oder verkürzt werden konnte. Liess man nun einen Druck
von etwa 1—2 Zoll auf die Wände des Blattes einwirken und stellte
diese Vorrichtung so weit unter Wasser, dass die Oberfläche des
selben die Spitze des Blattes noch bedeckte, so konnte man auf der
ganzen äusseren Oberfläche desselben das Hervortreten von Luft
blasen wahrnehmen, welches so lange dauerte, als der gleiche Druck
durch im langen Schenkel nachgegossenes Quecksilber erhalten wurde.
Dieser Versuch gelang nicht hlos mit dem Blatte von Allium fistulosum
und andern Allium.-Arten, ferner mit dem Blatte von Nymplicoa albet,
sondern auch mit beblätterten Stengeln von Hippuris vulgaris, Equi-
setum limosuni, besonders schön mit jenen von Lysimachia thyrsi-
flora '), Menyanthes trifoliata und im minderen Grade auch mit den
blühenden Stämmchen von Gratiola officinalis und anderen Pflanzen,
ja es war diesfalls ganz gleichgültig, oh wie bei Allium und Nymplicoa
einzelne Blätter, oder wie bei den übrigen Pflanzen ganze mit Blät
tern und Blüthen besetzte Stengeln zum Versuche angewendet wur
den. In allen Fällen ging, wie es sich von selbst versteht, die Ent
wicklung der Luftblasen nur von jenen Theilen der Pflanze und von
jenen Flächen der Blätter aus, welche mit Spaltöffnungen versehen
waren, wesshalb zum Beispiele bei diesen Versuchen Luft an den Blät
tern von Nymplicoa nur an der Oberseite — (die Unterseite hat keine
Spaltöffnungen) —, dagegen an den Blättern von Lysimachia und
Menyanthes nur an der Unterseite hervortrat, indem beide nur an
der Unterseite der Blätter dagegen höchst sparsam an der Oberseite
mit Spaltöffnungen versehen sind.
Ich glaube nicht besonders bemerken zu müssen, dass bei den
vielfältig hierüber angestellten Versuchen viele Fälle vorkamen, wo,
indem der Stengel oder die Blätter kleine Verletzungen besassen, durch
eben diese verletzten Stellen gleichfalls Luft hervortrat, was wohl
nicht anders sein konnte, indess auf den Gang des Versuches so wie
1 ) Siehe die beigefiigte Abbildung.
30*
464 Buse r.
auf das Resultat in den meisten Fällen von keinem erheblichen Ein
fluss war.
Ganz anders verhielt sich aber die Sache, wenn dieselben Ver
suche an den nämlichen Pflanzen nach kürzerer oder längerer Zeit
wieder angestellt wurden, vorausgesetzt, dass, um die in das Glas
rohr eingekitteten Pflanzen frisch zu erhalten, dieselben unterWasser
bewahrt wurden. Schon nach 24 Stunden konnte man mit Erstaunen
wahrnehmen, dass dieselben Individuen und unter den gleichen Um
ständen keine Luft mehr aus ihrer Oberfläche hervortreten Hessen,
selbst wenn der Druck durch Erhöhung der Quecksilbersäulen um
ein Bedeutendes vermehrt wurde. Am schmiegsamsten bewährte sich
hierbei unter den Versuchspflanzen Allium fistulosum und Lysima-
cliia tliyrsiflora, schwieriger verhielt sich Menyanthes trifoliata
und bei Gratiola sowie bei Nymphaea war alles wie abgeschnitten.
Nach abermal 24 Stunden folgten auch diejenigen Versuchspflanzen,
welche früher hei verstärkter Pressung noch sparsam Luft hindurch
Hessen den übrigen und nach 3 bis 4 Tagen war man nicht mehr im
Stande selbst bei einem Quecksilberdrucke von 7 Zoll auch nur die
geringste Menge Luft durchzupressen. Da der Raum im unteren
Schenkel des Glasrohres möglichst trocken erhalten wurde, somit von
hier aus keine Feuchtigkeit in die luftführenden Räume eindringen,
der Turgescenzzustand der die Capillaren bildenden Zellen nicht ver
ändert sein konnte, so muss die Schliessung jener Haarröhrchen nur
an den Enden erfolgt sein. Diese hier fortwährend mit Wasser in
Berührung, haben also, wie nicht anders möglich , durch Aufnahme
desselben in die halbmondförmigen die Spalte unmittelbar begrenzen
den und diesen nachbarlichen Epidermiszellen eine derartige Ver
engerung der Spalte und Verschliessung herbeigeführt, dass selbst
ein Druck von y 4 Atmosphäre dieselbe nicht wegsam zu machen im
Stande war. Es darf uns aber diese Kraft, mit welcher die Schlies
sung der Spaltöffnung in dem Falle ausgeübt wird, darum nicht wun
dern, weil wir durch hundert andere Vorgänge der Endosmose auf
die Pflanzensubstanz eine noch viel grössere Kraftentwicklung an
täglich vor unseren Augen vor sich gehende Erscheinungen wahrzu
nehmen im Stande sind.
Durch diesen Versuch glaube ich jedoch auf das schlagendste
nicht nur zwei verschiedene Zustände der Spaltöffnung, einen geöff
neten und einen geschlossenen erwiesen, sondern damit zugleich gezeigt
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
465
zu haben, dass derTurgescenzzustand derSpaltöffnungs-
zellen, sowie der gleichzeitig erfolgende Turgescenz-
zustand der Epidermiszellen keineswegs das Öffnen,
sondern umgekehrt das Schliessen der Spalte hervor
bringt. Dies Ergehniss ist einigermassen im Widerspruche mit den
vortrefflichen Untersuchungen, welche erst kürzlich über dieUrsachen
der Erweiterung und Verengerung der Spaltöffnungen von Herrn H.
v. Mo hl angestellf wurden 1 ), wesshalb ein näheres Eingehen auf die
Erklärung jenes Phänomens hier nicht am Unrechten Orte sein wird.
Die Untersuchungen von H. v. MoliI haben auf das unwiderleg-
licliste nachgewiesen, dass das Erweitern und Verengern der Spalt
öffnung nicht blos die Wirkung der dieselbe unmittelbar umgehenden
Porenzellen, sondern zugleich als die Wirkung der nachbarlichen
Epidermis angesehen werden muss, und dass nur eine ungemein gün
stige Lage der ersteren, die sie unabhängiger als gewöhnlich macht,
den Effect mehr ihnen als den Epidermiszellen zuwendet.
Dieselben Untersuchungen haben ferner gelehrt, dass die durch
Wasseraufnahme bewirkte Turgescenz der Porenzellen ihre Wirkung
mehr in senkrechter Richtung auf die Blattfläche als in horizontaler
ausübt, daher ein Heben derselben, und damit ein Erweitern nicht
ein Verengern der dazwischen liegenden Spaltöffnung bewirkt, end
lich dass die zarteren Porenzellen besonders vermöge ihres fort
währenden Umwandlungen unterworfenen Inhalts durch den dauern
den Einfluss des Lichtes lebhaftere endosmotischen Wirkungen
unterliegen als die benachbarten wenig lebendigen Epidermiszellen.
Alle Veränderungen, welche demnach in dem täglichen Leben der
Pflanzen vor sich gehen, haben nicht nur mannigfaltig wechselnde
Zustände von Öffnen und Schliessen der Spaltöffnung zur Folge, son
dern diese Bewegungen seihst sind zugleich das Resultat sehr com-
plicirter Vorgänge und zum grossen Theile von der Structur der
betreffenden Organe selbst abhängig.
Wie Hr. v. Mohl selbst Beispiele anführt, sind Turgescenz-
zustände der Porenzellen, wenn diese in Verbindung mit den Epider
miszellen stehen, häufig nicht mit Erweiterung, sondern mit Ver
engerung der Spaltöffnung verbunden. Zu diesen Fällen gehören
offenbar auch die von mir untersuchten Pflanzen. Ihr längeres Ver-
1 ) Bot. Zeitung- 1836, St. 40 und 41.
466
U n g e r.
weilen im Wasser hatte jedoch nicht blos eine Verengerung der Spalt
öffnung, sondern eine vollkommene Verschliessung zur Folge. Von
den meisten der angeführten Pflanzen gehören die Spaltöffnungen zu
den kleinen.
Bei Menyantlies . . beträgt d. Längendurchm. derselben 0-0120"
„ „ „ „ Breitedurchm. „ 0-0020,,
„ Allium fistulosum „ „ Längendurchm. „ 0-0090 „
„ „ „ „ „ Breitedurchm. „ 0-0026 „
„ Nymphaea alba „ „Längendurchm. „ 0-0064,,
„ „ „ „ „ Breitedurchm. „ 0 0033 „
„ Lysimachia thyrsiflora der
Oberseite des ( Längendurchmesser 0-0083 „
Blattes / Breitedurchmesser 0-0022,,
Unterseite des i Längendurchmesser 0-0084,,
Blattes | Breitedurchmesser O OOSO,,
Bei Gratiola officinalis beträgt der Längendurchm. derselb. 0-0120 „
„ „ „ „ „ Breitedurchm. „ 0-0023 „
Es ergibt sich hieraus wie gering die Zunahme des Querdurch
messers oder die Verschiebung der Spaltöffnungszellun nach einwärts
sein dürfen, um eine gänzliche Verschliessung der Öffnung herbei
zuführen.
Während nach v. Mo hl bei einzelnen Pflanzen der Spielraum
von der grössten Erweiterung bis zur vollkommenen Schliessung der
Spalte auf VW" steigt und wie ich ihn z. B. bei Lilium Martagon
noch Viva'" fand, beträgt er in obigen Fällen durchaus nicht mehr
als */400
Allein es handelt sich hier nicht hlos um eine Annäherung der
Innenflächen der beiden Porenzellen, sondern um ein festes Aneinan-
derschliessen , welches selbst ein senkrecht darauf angebrachter
Druck von J / 4 Atmosphäre, ja, wie ich zum Beispiele bei Lysimachia
und Gratiola erfuhr, selbst von % bis s / 4 Atmosphäre nicht zu über
winden im Stande war. Es beweist dies, dass der Turgescenzzustand
der Porenzellen wesentlich durch den Turgescenzzustand der Epi-
dermiszellen unterstützt sein musste.
Nur einen Fall, nämlich bei den Orchideen, wo der Turgescenzzu
stand der Porenzellen und der Epidermis überhaupt nicht einSchliessen,
sondern stets ein Öffnen der Spalte bewirkt, galt es noch mit den
obigen Versuchen in Vergleichung zu bringen. Werden Blätter dieser
Beiträge zur Physiologie (1er Pflanzen.
407
Pflanzen, wie in oben angegebenen Versuchen in den kürzeren Schenkel
einer hufeisenförmig gebogenen Röhre eingekittet und dieselbe unter
Wasser gebracht und durch Hineingiessen des Quecksilbers in den län
geren Schenkel der Röhre ein Druck auf die Luft zwischen dem Grunde
des Blattes und des Quecksilbers angebracht, so muss, falls jene
Theorie richtig ist, anfänglich wenig oder keine Luft durch die Spalt
öffnungen durchgehen, in der Folge aber, sobald die Einwirkung des
Wassers auf die Porenzellen erfolgte und die Öffnung der Spalte
bewirkte, ein Durchströmen oder sogar ein rascheres Durchgehen der
Luft zu beobachten sein.
Diesen Versuch stellte icb an Blättern von Orchis muculata
und Gymnadenia conopsca, welche mir eben zu Gebote standen,
wirklich an. Ich überzeugte mich von der Wegsamkeit der Intercel
lulargänge, was allerdings bis in die Spitze der Blätter der Fall war,
aber — es ging weder gleich nach dem Eintauchen in das Wasser,
noch nach Einwirkung desselben während 8 — 9 Stunden, ja selbst
nach Verlauf von 24 bis 36 Stunden nicht im Mindesten Luft aus den
Spaltöffnungen hervor. Ganz dasselbe zeigten auch die Blätter von
I Lilium Martagon und Lilium candidum, die zu gleichen Erwartungen
berechtigten.
Gleichzeitig mit diesen hatte ich auch mit Blättern von Amaryl
lis aulica und Iris pallida experimentirt. Welch" ganz anderer
Effect in beiden! Der Druck von 2" Quecksilber brachte ein so häufi
ges Hervortreten von Luftblasen an beiden Blattflächen dieser Pflan-
< zen zu Stande, wie dies bei keiner andern Pflanze, die ich bisher
in dieser Rücksicht untersuchte, der Fall war. Es erfolgte der Durch
gang der Luft durch die Spaltöffnung so lange, als noch irgend ein
Druck stattfand und hörte erst nach ungefähr 2 Stunden auf, nachdem
das Gleichgewicht des Quecksilbers in beiden Schenkeln der Röhre
hergestellt wurde.
Es war auch hier die Frage, ob nach längerer Einwirkung des
Wassers auf die Oberfläche dieser Blätter wie in allen übrigen Fällen
ein Schliessen der Spaltöffnungen erfolge oder nicht. Nach 8 bis
9 Stunden, als ich das Experiment wiederholte, war das noch nicht zu
beobachten, im Gegentheile ging die Luft bei demselben Druck eben
so rasch durch die Spaltöffnungen. Dasselbe war auch nach 24- bis
36stündiger Einwirkung des Wassers der Fall. Es zeigten daher diese
beiden Pflanzen einen auffallenden Unterschied gegen alle früheren
468
U n g e r.
und es war zu vermuthen, dass in beiden Fällen der Einwirkung des
Wassers auf die Epidermis und die Spaltöffnungszellen irgend ein
Hinderniss entgegengetreten sei.
In der Tliat war es nicht schwer, in dem wachsartigen Über
züge, welcher dieselben Blätter, besonders aber das Blatt von Iris
zeigte, den Grund der nicht erfolgten Endosmose zu suchen. Die
Sache war bald entschieden, nachdem ich einen kleinen Theil von
jedwedem Blatte mit einem Badeschwämme durch mehrmaliges Abwi
schen von dem Wachsüberzuge befreite.
Als ich nun in angegebener Weise das Experiment wiederholte,
gingen aus den unberührten Theilen nach wie vor zahlreiche Luft
blasen hervor, aber es zeigte sich auch nicht ein einziges Bläschen
an jenen Stellen, welche mit dem Schwamme abgewischt wurden.
Die endosmotische Wirkung der Poren und der Epidermiszellen musste
nach dieser Operation augenblicklich erfolgt sein.
Dieser Umstand leitete mich auf den Gedanken, ob nicht auch
irgend ein die Aufsaugung hindernder Überzug bei den Orchideen-
und den beiden Lilien-Blättern die erwartete Wirkung verhinderte.
Ich wusch demnach auch die Blätter dieser Versuchspflanzen stellen- (
weise mit Wasser, allein der Erfolg war trotzdem kein anderer. —•
Um sich nach allem dem eine bestimmte Ansicht zu bilden, wird es
erspriesslich sein, einen Blick auf dieStructur der betreffenden Poren
zellen und ihre seitliche Umgebung zu werfen. Es unterliegt keinem
Zweifel, dass die Porenzellen von Lilium und Gymnadenia Fig. 1, 2,
3,4 k gegen die angrenzenden Epidermiszellen lein viel unabhängigeres '
Verhältnis besitzen als die Porenzellen von Amaryllis, Iris, Asplio-
dellus u. s. w., Fig. 6, 6, 7 k, indem diese in verschiedenem Grade
von den nachbarlichen Epidermiszellen bedeckt, und in deren seitliche
Ausbuchtungen aufgenommen werden, was bei ersteren nicht der Fall
ist, da sie in demselben Horizont mit den Epidermiszellen liegen und
mit diesen seitlich nur an einer kleinen Stelle Zusammenhängen.
Während also die geringsten durch Eudosmose bewirkten Verände
rungen der Epidermiszellen auf die von ihnen verborgenen und in sie
aufgenommenen Porenzellen einwirken müssen, ist das bei den frei
gelegenen Porenzellen nicht oder doch wenigstens in viel beschränk
terem Sinne der Fall. Wenn also irgendwo Bewegungserscheinungen
in den Porenzellen auftreten, die ihnen eigenthümlich und unabhängig
von den Nachbarzellen zukommen, so kann das nur bei den freien
Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
469
Porenzellen der Fall sein; in allen übrigen Fällen werden dieselben
niemals zur Geltung kommen, da sie von den bei weitem stärkeren
Wirkungen der sie einschliessenden Epidermiszellen verdunkelt wer
den. Was auch die Wirkung der Feuchtigkeit auf die Porenzellen
ist, so könnte sie sich jedenfalls nur bei freien Zellen kund geben.
Dass dies aber auch hier nicht der Fall ist, beweisen die oben
angeführten Versuche an Orchis-, Gymnadcnia- *und Lilium-B1 ä11ern
nur zu deutlich. Wenn bei diesen auf kleinen unterWasser befindlichen
Schnittchen die Spaltöffnungen sich erweitern, so ist das nicht auch
der Fall, wo die Oberhaut unverletzt in ihrer Verbindung mit den
übrigen Theilen der Pflanze steht. Noch bevor es zu den vorzugs
weise in senkrechter Richtung erfolgenden Ausdehnung der Poren
zellen und der dadurch hervorgehenden Erweiterung der Spaltöffnung
kommt, ist die secundäre Wirkung, welche von den angrenzenden
Zellen ausgeht, bereits erfolgt, und statt der zu erwartenden Öffnung
tritt vielmehr Schliessung der Spalte ein.
Auf eine ganz eigenthümliclie Weise wirken Überzüge von nicht
benetzbaren Substanzen, welche die Oberhaut samint den Spaltöffnun-
( gen überziehen. (Fig. S, 6, 7.)
Hier wird die Einwirkung des Wassers auf die Oberfläche gleich
Null und sie beginnt erst dann, wenn der Überzug durchdrungen oder
absichtlich entfernt wird. Das Öffnen der Spalten ist hier keineswegs
als die primäre Wirkung der Feuchtigkeit auf die Porenzellen zu
betrachten, wohl aber ist die Schliessung derselben dem rasch fort
gepflanzten Einflüsse der Epidermis auf die Porenzellen zuzuschreiben.
Erklärt man nun das Verhalten der Orchideen- und Lilienblätter,
zu welchen sich sicher noch viele andere gesellen werden, dadurch,
dass durch die Benützung der Oberfläche mit Wasser der seitliche
Druck von den Epidermiszellen die senkrechte Ausdehnung der Poren
zellen überwiegt, so würden diese Blätter unter allen die empfind
lichsten für superficielle Wasseraufnahme bilden, darauf folgen alle
anderen, welche oben als Versuchspflanzen namhaft gemacht wurden,
und die unempfindlichsten werden die mit einem Wachsüberzuge
versehenen sein.
Es geht aber hieraus jedenfalls mit Sicherheit hervor, dass
atmosphärische Zustände, welche eine reichliche Dunstmenge führen
oder wässerige Niederschläge zur Folge haben, auf die meisten Pflan
zen dadurch einwirken, dass sie die Spaltöffnungen schliessen.
470
Unger. Beiträge zur Physiologie der Pflanzen.
Viel ungewisser sind dermalen noch jene äusseren Einwirkungen,
welche ein über das gewöhnliche Mass des Offenseins erfolgte Auf
schliessung der Spalte bewirken. Die in der erwähnten Abhandlung
v. Mohl’s angeführten Beobachtungen möchten indess mit Grund
vermuthen lassen, dass erhöhte Wärme und Lichteinfluss eine beträcht
liche Erweiterung der Spalte bewirken. Dies wird auch durch die
Beobachtung unterstützt, dass die Verdunstung der Zellflüssigkeit
eben der Pflanzen durch ihre Oberfläche bei vermehrter Wärme und
directer Einwirkung des Sonnenlichtes am raschesten vor sich geht,
und dass jene Theile dazu am meisten beitragen, welche mit den zahl
reichsten und grössten Spaltöffnungen versehen sind.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Eine Spaltöffnung von der Unterseite des Blattes von Lilium candidum
S90mal vergrössert, unter Wasser, welches durch die verletzten Epider-
miszellen ll von allen Seiten freien Zutritt hatte, betrachtet.
Die eigentliche Spalte, die inan im Hintergründe der Vorspalte
ansichtig wird, ist auf 1 / 5 oo ,,/ geöffnet, schliesst sich aber auf Anwen
dung von Zuckerwasser vollständig.
Fig. 2. Spaltöffnung von der Oberseite des Blattes derselben Pflanze im auf die
Axe senkrecht geführten Querschnitte. Die beiden Porenzellen kk
mehr geschlossen. Durch hautartige Fortsätze an der Ober- und Unter
seite entstehen Höhlungen oder Höfe vor und hinter der eigentlichen
Spalte, welche durch die Vor- und Hinterhofspalte nach aussen und
innen münden.
Fig. 3. Eine Spaltöffnung des Blattes von Gymnadenia conopsea R. Br. mit
den angrenzenden Epidermiszellen unter Wasser 360mal vergrössert.
Die eigentliche Spalte ist halb geschlossen, schliesst sich aber aut
Zuekerwasser ganz.
Fig. 4. Querschnitt durch dieselbe Spaltöffnung; kk Spaltöffnungszellen,
ll Epidermiszellen.
Fig. 5. Querschnitt einer Spaltöffnung des Blattes von Asphodelltts ramosus.
Vergrösserung 59 %.
Man sieht über die Porenzellen kk und ober der Epidermis ll eine
dünne körnige Wachssehichte.
Fig. 6. Querschnitt einer Spaltöffnung des Blattes von Amaryllis aulica mit
dem Wachsüberzug. Vergrösserung 36l }'i.
Fig. 7. Querschnitt einer Spaltöffnung der Aussenseite des Blattes von Ins
pallida mit dem Wachsüberzug. Vergrösserung 36 %
Fig. 8. GefässmitWasser gefüllt, in welchem eineU-förmig gebogene Röhre be
findlich, in dessen kürzerem Schenkel ein Zweig vonLysimachia tkyssi-
flora luftdicht eingekittet ist. Die Röhre ist zum Theile mit Quecksilber
gefüllt, wie es der Zustand am Beginne des Versuches zeigt. Grösse %.
B.
I
Kj
llyrtl. Heber die Piica. neTvi larimjri.
Hyrtl. Über die Plica nervi laryngei.
471
Über die Plica nervi laryngei.
Von Prof. Hyrtl.
(Mit 1 Tafel.)
Ich bezeichne mit dem Namen Plica nervi laryngei eine zu
beiden Seiten des Aditas ad laryngem gelegene Schleimhautfaite,
welche in vollkommen entwickelter Form allerdings zu den seltenen
anatomischen Vorkommnissen gehört, aber wegen ihrer praktischen,
bei der Extraction fremder Körper aus der Speiseröhre sich Gel
tung verschaffenden Bedeutsamkeit, so wie in Hinsicht gewisser phy
siologischer Erscheinungen, welche von ihrer Gegenwart abhängig
sind, mehr als eine werthlose Spielart ist.
Die vordere Rachenwand liegt, so weit sie dem Ringknorpel ent
spricht, an die hintere Rachenwand an. Nur im Momente des Sehlin
gens drängt der Bissen beide von einander. Seitwärts vom Ring
knorpel linden sich zwei Buchten, durch das Einsinken der Schleim
haut in den Hohlraum zwischen Ringknorpel-und Schildknorpelplatte.
Sie verlängern sich seitwärts vom Giessbeckenknorpel nach auf
wärts bis zum Ligamentum glosso-epiglotticum laterale. Diese
Buchten sind auch ausser dem Schlingact, mit der hinteren planen
Rachenwand natürlicherweise nicht in Contact. Von der Grenzlinie
an, wo der Pharynx in den Ösophagus übergeht, müssen diese
Buchten aufliören, also nach unten blind endigen, und können erst
ini Schlingact mit dem untern Pharynxende zum trichterförmigen
Speiseröhreneingang zusammenfliessen. In diesen Buchten nun liegen
die fraglichen Schleimhautfalten. Hat man sie einmal in ihrer vollen
Entwicklung gesehen, was allerdings ein Seltenheitsfall ist, so wird
man auch an vielen Kehlköpfen wenigstens Spuren ihres Vorkom
mens bemerken, welche, wenn obige Bedingung fehlt, nicht beachtet
werden. Aus diesem Grunde fand die Sache so lange keine Aufmerk
samkeit.
Unter 1S2 Leichen, welche ich in den beiden letzten
Semestern auf das Vorkommen dieser Falte durchsah, kam sie in
472
II y i- t 1.
vollständiger Entwicklung nur bei dreien vor. Alle drei Fälle betrafen
Männer. Die Falte zieht sieb von der Gegend des Processus muscu-
laris der Basis des Giessbeckenknorpels, an der vorderen Wand
jener eben erwähnten lateralen Buchten bis in die Nähe des abge
rundeten Endes des grossen Zungenbeinborns bin, durchschneidet
somit den Baum der Bucht in schiefer Dichtung nach aussen und
oben, und trennt ihn in zwei kleinere Räume, von welchen der untere
bei weitem grösser und tiefer als der obere erscheint, welcher letztere
nur dann auch in die Augen fällt, wenn, wie es in der Abbildung der
Fall ist, eine vom Seitenrande des Kehldeckels quer nach aussen
zum grossen Zungenbeinhorn gerichtete accessorisehe Schleimhaut
falte vorkommt.
Die Länge der Falte beträgt 10 Linien; ihre grösste Breite
welche in ihre Mitte fällt, blos 3 Linien. Ihre Dicke ist allenthalben
ziemlich gleichförmig. Beim Prüfen zwischen den Fingern fühlt man
einen harten, nicht zusammendriiekbaren, runden Strang in ihr. Die
ßreitenabnahme geschieht regelmässig nach beiden Enden hin; die
Gestalt der Falte ist somit halbmondförmig. Spannung der Rachen-
echleimhaut in querer Richtung macht die Falte stärker hervortreten.
Ihr concaver Rand sieht nach rück- und abwärts gegen die hintere
Rachenwand. Sie überragt somit die unter ihr gelegene Bucht wie
ein schräges Schirmdach, welches, wenn es den Druck des eben
verschlungenen Bissens auszuhalten hat, sich an die unterliegende
Wand (Schildknorpelplatte) anlegt, oder sich ihr wenigstens nähert,
und die Bewegung des Bissens nicht im geringsten stört oder aufhält.
Der von der Falte überragte Blindsack lässt sich an seiner untern
Hälfte, wo er sich auf die Innenfläche der Cartilago thyreoidea stützt,
wohl leicht verschieben, aber durch Fingerdruck nicht mehr aus
hauchen, was nur an der oberen, dem Ligamentum tliyreo-hyoideum
anliegenden Hälfte des Sackes möglich ist.
Richtung und Länge der Falte stimmt mit jener des Nervus
laryngeus superior, nach seinem Durchtritt durch die Membrana
thyreo-liyoidea, überein. Schneidet man die Falte ein, so findet man
den genannten Nerv zwar nicht unmittelbar im freien Rande der
selben, welcher dann unmöglich so scharf und schneidend sein könnte,
sondern l / z — 1 Linie weit von ihm entfernt in der Substanz des
lockeren Bindegewebes, welches die beiden Blätter der Falte anein
ander hält. Er bildet den oben angeführten harten Strang in der Falte.
Über die Plica nervi laryngei.
473
Kein Ast der Arteria laryngea begleitet ihn. Jener Zweig dieser
Arterie, welcher gewöhnlich dem Nervus laryngeus bis zu dem
Musculus crico-arytaenoideus posticus folgt, liegt im Befestigungs
rande der Falte, also ziemlich weit vom Nerven entfernt.
Ausser jenen drei Fällen, in welchen die Falten die Breite von
3 Linien erreichten, kamen noch fünf andere mit geringerer, aber
dennoch sehr auffallender Faltenbildung vor. Einer davon betraf eine
Frau. Von Kindesleichen habe ich nur 16 untersucht, ohne mehr als
eine Andeutung zu sehen, welche, wenn man es einmal weiss, zu
welcher Grösse es die Falte bringen kann, auch an Kehlköpfen Er
wachsener recht oft vorkommt, und deutlicher in die Augen fallen
gemacht werden kann, wenn man auf die Schleimhaut dieser Bachen
partie einen solchen Zug ausübt, dass der Nervus laryngeus superior
gespannt wird, und sich wie die Sehne des Bogens erhebt. Kürze
des Nervus laryngeus, welche ihn nicht der krummen Wand der
Bucht folgen, sondern sich mehr geradlinig durch dieselbe fortsetzen
und dadurch die Schleimhaut vom Boden der Bucht aufraffen macht,
scheint mir die Ursache des Vorkommens dieser Falte zu sein.
AVelche Bedingungen jene Kürze herbeiführen, darüber habe ich
keine Vermuthung.
An einem der drei eklatanten Fälle war noch eine zweite
abnorme Schleimhautfalte vorhanden, welche von den Seitenrändern
des Kehldeckels in querer Richtung nach aussen zog, um sich in
der Gegend des abgerundeten Endes des grossen Zungenbeinhornes
zu verlieren. Sie war ebenso hoch wie die Plica nervi laryngei,
aber ohne Einschluss eines Nerven oder Gefässes. Ihr Name könnte
Plica liyo-epiglottica lauten. Zwischen ihr, dem Ligamentum epi-
glottico- arytaenoideum, und der Plica nervi laryngei war die
Schleimhaut zu einem tiefen Sinus ausgebaucht, dessen Grund sich
gegen die Zungenwurzel richtete. Ich habe diese Falte öfter auch
allein Vorkommen gesehen, mit grösserer oder geringerer Breite.
Gewöhnlich ist bei ihrem Vorkommen das Ligamentum glosso-epi-
glotticum laterale sehr schwach, oder fehlend. Sie steht auch mit dem
von Bez als Arcus palatinus medius beschriebenen Faltenwurf des
Isthmus faucium in solidarischer Beziehung, fehlt wenn dieser stark
entwickelt ist, und gewinnt an Ausdruck hei seiner Grössenahnahme.
So wenig die Plica nervi laryngei den normalen Schlingprocess
zu beirren im Stande ist, so ungünstig ist sie für den Auswurf des
474
H y r t I.
Erbrochenen gestellt, von welchem sich ein Theil in den von den
Falten überragten Buchten fangen kann, und dann von selbst wieder
in den Ösophagus zurückgeht, oder durch erneuerte Anstrengung
ausgestossen wird. Je grösser die Breite der Falte, desto schwerer
wird das Erbrechen sein. Im höchsten Grade der Entwicklung der
Falte, wo ihr freier Band an die hintere Bachenwand ansteht, kann das
Erbrechen auf unüberwindliche Hindernisse stossen, indem die Falte
wie eine Klappe wirkt, welche nach oben nicht umgeschlagen werden
kann, und die Idiosyncrassien des Vomitus bei gewissen Menschen
könnten demnach aufeinen anatomischen Grund zurückgeführt werden.
Auch beim Ructus, welcher Theilchen der Magencontenta emportreibt,
werden diese durch die Falten, selbst hei geringer Breite derselben,
aufgehalten, und durch eine absichtlich hervorgerufene Schlingbewe
gung wieder nach abwärts befördert werden.
Fremde Körper, welche der Husten aus den Luftwegen empor
schleudert, können gleichfalls unter die Falten gerathen, und sich
bei geeigneter Form an denselben oder in den Buchten unter den
Falten fixiren, und werden dann den Instrumenten, welche ihre Ent
bindung und Herausbeförderung bewirken sollen, mehr weniger
unzugänglich sein. Sollten sie in den Vertiefungen unter den Falten
so eingekeilt oder befestigt sein, dass sie nicht extrahirt werden
können, so wäre dieses meiner Ansicht nach der einzige Fall, wo
Malgaigne’s Laryngotomie soushyoidienne Erfolg versprechen
könnte. Schlundstosser und Schlundsonden gleiten beim Einführen
über die Falte unaufgehalten weg, aber die Zurückziehung der Schlund
haken kann, wenn das Ende derselben sich unter der Falte fängt,
nur durch eine Drehung des Instrumentes möglich werden. Die bei
solchen Operationen zuweilen vorkommende Blutung wird eher aus
den Gefässen dieser Schleimhautfalte, als aus anderen ebenen
Schleimhautpartien der Schlingorgane stammen. Bei roher Manipula
tion wäre selbst Zerreissung der Falle nicht unmöglich; gewiss eine
Verletzung von schwerer Bedeutung, wenn man den Einschluss der Falte
bedenkt. Mit der Schlundzange gefasste spitzige Körper, Nadeln,
Knochensplitter, welche im Ösophagus steckten, können beim Aus
ziehen sich am Rande der Falten spiessen, und ich will, den Falten zu
Liehe, der Möglichkeiten nicht noch mehrere anführen, welche die
praktische Bedeutung dieses Vorkommens erhöhen, und die Kennt-
riiss seines Daseins dem Chirurgen nicht ganz werthlos machen, um
Über die Plica nervi laryngei.
475
so weniger, als die Falte ein von aussen zugängliches Gebilde ist.
Von der zwischen Kehldeckel und grossen Zungenbeinhorn befind
lichen Falte gilt das Gesagte mit den nöthigen Restrictionen. Da
sie einerseits an einem elastischen und beweglichen Gebilde, dem
Kehldeckel, haftet, wird sie der Herausbeförderung fremder Körper
weit weniger ungünstig sein, als die Plica nervi laryngei.
Erklärung der Tafel.
Isthmus faucium, ad Uns ad laryngem, und hintere Kehlkopfwand vom Rachen
aus gesehen.
a, Zunge,
b, weicher Gaumen,
c, Aditlis ad laryngem,
d, d, Spitzen der Cartilagines arytaenoideae,
e, hinterer Halbring des Ringknorpels,
f, knopfförmiges Ende des grossen Zungenbeinhorns,
g, hinterer Rand der Cartilago thyreoidea,
h, Plica nervi laryngei,
i, Plica hyo-epigloltica.
Unter h und i die betreffenden Buchten.
47(5
K r e i 1.
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen in den
afrikanischen Missions - Stationen Chartum und Gondohorb.
Von dem w. M. Director R. Rrcil.
(Auszug 1 aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung.)
Herr Kreil hielt einen Vortrag über zwei Reihen meteorologi
scher Beobachtungen, welche in den afrikanischen Missions-Stationen
Chartum, am Zusammenflüsse des blauen und weissen Nil (SO 0 3'
östlicher Länge von Ferro, 15° 35' nördlicher Breite und 138Toisen
Seehöhe) undGondokoröam weissen Nil (49° 20' östlicher Länge von
Ferro 4° 44' nördlicher Breite und 2S1 Toisen Seehohe) von dem seit
her verstorbenen Missionär Dovyak ausgeführt worden sind, und
welche aus dem Grunde ein besonderes Interesse gewähren, weil sich
in ihnen der Einfluss der Wüste deutlicher ausspricht als man aus
den bisher bekannten Beobachtungen der afrikanischen Stationen,
die sämmtlich am Meere liegen, entnehmen konnte.
Die Beobachtungen in Chartum umfassen die Monate Juni bis
November des Jahres 1832, und es wurde an wenigen Tagen unter
lassen, denStand der Instrumente (Barometer und Thermometer) oder
die Richtung des Windes, den Anblick des Himmels und den Wasser
stand des blauen Nils aufzuzeichnen, was jedoch nicht zu fixen Stun
den und nur während des Tages geschah, nicht aber bei der Nacht.
Dessen ungeachtet Hessen sieh hei der Regelmässigkeit, mit welcher
dort die Änderungen in der Atmosphäre vor sich gehen, durch
eine zweckmässige Zusammenstellung der Beobachtungszahlen sehr
brauchbare Resultate erreichen. Diese Regelmässigkeit ist in den dor
tigen Gegenden ungefähr fünfmal so gross als in unseren Breiten,
denn wenn man z. B. aus einer grossen Anzahl von Beobachtungen
die Änderung des Luftdruckes von einem Tage bis zur gleichen Stunde
des folgenden Tages in Prag mit jener in Chartum vergleicht, und
für beide Stationen die gleichen Tage und dieselbe Stunde wählt,
so findet man diese Änderung für Gondokorö 0"’38, für Prag 2”01,
woraus folgt, dass dort eine viel geringere Anzahl yoii Beobachtungen
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
477
hinreicht, um das Gesetz ihrer Änderungen zu erkennen, als dies bei
uns der Pall wäre.
Gleich das erste Element, der Luftdruck in Chartum, gab ein
merkwürdiges Resultat, indem für den täglichen Gang desselben zwar
eine sehr regelmässige Zahlenreihe und eine tägliche Schwankung
erhalten wurde, welche im Verhältnisse 0"7o zu 0"48 oder nahezu 3:2
grösser ist als bei uns, welche also auch mit dem Ergebnisse anderer
Tropenörter übereinstimmt, bei der sieb jedoch das Eigene heraus
stellt, dass die Wendestunden im Vergleiche mit den aller übrigen
bekannten Beobachtungsorte geradezu verkehrt sind , indem das
Minimum um 10 Uhr Morgens, also zu einer Zeit eintrifft, in welcher
man hier das Maximum findet, während das Maximum zwischen 4 Uhr
und 5 Uhr Abends, also zur Zeit unseres Minimum statthat; ein Vor
gang, an dessen Wirklichkeitum so weniger zu zweifeln ist, als
er auch durch die Beobachtungen eines jeden einzelnen Monates
bestätigt wird.
Um diese Erscheinung mit der bekannten Hypothese, nach wel
cher der aufsteigende Luftstrom die Ursache der Änderungen des
Luftdruckes während der Tagesstunden ist, in Übereinstimmung zu
bringen, muss man die nächste und fernere Umgebung des Ortes in
Betracht ziehen. Dader aufsteigende Luftstrom durch die Erhitzung des
Bodens erzeugt wird, diese aber offenbarin dem sandigen oder steinigen
und ausgetrockneten Boden der Wüste stärker sein muss als in einem
bewässerten und bebauten Lande, so geschieht es, dass in diesem die
Luflmassen weit weniger in die Höhe getrieben werden, als in jenem.
Grenzen nun zwei Landstriche von so verschiedener Beschaffenheit
an einander, so müssen sich in den höheren Luftschichten, von dem
Augenblicke an als die Insolation kräftig zu wirken beginnt, die
Luftmassen von dem wärmeren über den kühleren ergiessen, und in
diesem der Luftdruck wachsen, während er in jenem abnimmt.
Die Umgebungen von Chartum entsprechen ganz den hier vor
ausgesetzten Bedingungen. Die beiden Flüsse, derweisse und der
blaue, deren Vereinigung zum eigentlichen Nil nahe bei Chartum
stattfindet, machen, dass die ganze Landzunge zwischen ihnen cul-
turfähiges Land ist, welches entweder bebaut oder als Weideland
benutzt wird. Diese savannenartigen Strecken dehnen sieb gegen
Südwesten weit über Kordofan aus und sind zur Zeit der tropischen
Regen, welche bis über den 17. Breitegrad hinausreichen, mit reich-
Sitzb. (1. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. II.Hft. 3i
47S
Kreil.
liebem Pflanzenwuchse bedeckt. Auf der Nordostseite von Chartum
findet man einen anderen von Südosten kommenden Nebenfluss des
Nil, den Atb ara, an dessen Ufern sich die Pracht der tropischen
Vegetation zu vollem Glanze entwickelt. Gegen Süden nimmt mit dem
immer reichlicher werdenden Regen die Vegetation noch zu, und
gegen Norden breitet sich der Nil zu einen See aus, der zur Zeit des
Hochwassers zwei bis drei deutsche Meilen im Umfange hat.
Ganz verschieden von dieser Bodenbeschalfenheit ist die fernere
Umgebung Chartums mit Ausnahme jener gegen Süden. Nördlich brei
tet sich zu beiden Seiten des Nils durch 8 Breitegrade Nubien aus, das
wenigstens bis in das Gebiet der tropischen Regen, die freilich hier
auch kaum mehr diesen Namen verdienen, eine vollkommene Wüste
ist, von welcher nur die Inseln und schmalen Küstenstriche des Nil
und Atb ara auszunehmen sind. An dem Westufer des Nil tritt die
Wüste bis an den Fluss heran, aber auch das wenige durch seine
Überschwemmungen culturfähig gemachte Land kann aus Mangel an
Händen nicht bebaut werden, und wird höchstens als Weide benützt.
Südlich von der lybischen Wüste erheben sich pflanzenlose Ge
birgszüge, die sich einerseits in die grosse Wüste verlieren, anderer
seits gegen Süden in den unübersehbaren bei Dongola beginnenden
Sandebenen verflachen. Von diesen Wüstenebenen, welche mit der
Sahara in unmittelbarer Verbindung sind, erstreckt sich der eine
Arm südwestlich bis an die Savannen von Darfur und Kordofan,
während der andere nach Osten ausgreifende die grosse Krümmung
ausfüllt, die der Nil zwischen Sehen di und Dongola macht.
Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich, dass Chartum wie
eine Oase in einer unübersehbaren Wüstenzone liegt, die sie von drei
Seiten umgibt, und die von den Beobachtungen herausgestellte Ab
weichung im täglichen Gange des Luftdruckes vollkommen erklärt.
Der jährliche Gang des Luftdruckes, so weit er aus einer sechs
monatlichen Beobachtungsreihe entnommen werden kann, ist regel
mässig und dem in unseren Breiten entsprechend, er gibt nämlich zu
Ende August oder im Anfänge Septembers ein Maximum, welches in
Wien gewöhnlich um ein Monat später eintritt.
Das Gesammtmittel des Luftdruckes aus allen angestellten Beob
achtungen ist 32770 Pariser Linien, woraus unter Annahme des
Luftdruckes von 337-'"7 an dem Ufer des Mittelmeeres zu Alexan
drien die Seehöhe von Chartum zu 138 Toisen gefunden wurde.
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
479
Die mittlere Luft-Temperatur im Schatten wurde aus der
gesummten Beobachtungsreihe gleich 26-"0 Reaum. berechnet. Sie
würde natürlich geringer ausgefallen sein, wenn auch Nachtbeobach
tungen vorhanden gewesen wären. Am grössten war sie um 5 Uhr
Abends, wo sie durchschnittlich 27 9 5 betrug, während um 7 Uhr
Morgens das Mittel 23 9 0 gefunden wurde. In der Sonne stieg sie ein
mal (am 24. October um 2 Uhr) auf 49°, wobei jedoch, da die Beob
achtungen von keinem erklärenden Texte begleitet sind, unentschie
den bleibt, oh das Thermometer nicht etwa mit einer Centesimal-Scala
oder einer geschwärzten Kugel versehen war.
Die Monate Juni und October waren in Chartum die wärmsten,
die dazwischenliegenden blieben wahrscheinlich wegen der auf sie
fallenden Regenzeit in der Temperatur zurück. Man findet nämlich:
im
35
35
33
33
33
Juni (vom 14. angefangen) das Mittel der Temper
Juli
August
September . . .
October ....
November (bis 14.)
atur = 27 9 1
= 26-0
= 25-6
= 25*6
= 26-8
= 22-9
Bemerkenswerth bleibt hiebei, dass dieselben Monate, besonders
October in unseren Breiten, verglichen mit mehrjährigen Mitteln
kalt, hingegen die folgenden, Juli und November, um vieles wärmer
waren, als sie gewöhnlich zu sein pflegen. Es gaben nämlich dieBeob-
achtungen von Mailand und Prag folgende Differenzen zwischen den
Monatmitteln des Jahres 1832 und den vieljährigen, wobei das Zei
chen— ein Zurückbleiben der Temperatur im Jahre 1852 andeutet.
Mailand Prag-
Juni . . . . — 0 9 51 + 0 9 18
Juli .... —{- 0*44 -j- 1*91
August . . . -f 0*11 + 1*24
September . . — 0*30 —1- 1*13
October ... — 0*44 — 0*71
November . . 1*96 -f- 2*15
Ein Gang, der um so merkwürdiger ist, da sich aus den von Herrn
Burkhardt durchgeführten Vergleichungen des Ganges der Tem
peratur zwischen Lissabon und Jaslo in Galizien herausgestellt hat,
31*
480
K r e i 1.
dass die Temperatur-Extreme ungefähr acht Tage brauchen, um die
Breitendifferenz von nahezu 11 Graden zu durchschreiten (Sitzungs
berichte, December 1856. Lithographische Darstellung des Ganges
der Wärme und des Luftdruckes im September 1856).
Die Winde wehten in Chartum fast aussehliessend in der Rich
tung des Thaies. Im Juni wechselten Süd- mit Siidwestwinden. Die
ersteren erhielten jedoch bald die Oberhand und herrschten in den
folgenden Monaten bis September ohne Ausnahme. Im October trat
der Wechsel mit Ost-, Nordost- und Nordwinden ein, und im Novem
ber hatten die letzteren die Alleinherrschaft erlangt.
Unter den 144 Beobachtungstagen waren 111 heitere, 20 ge
mischte, 12 trübe. Regen fiel in 21 Tagen. Man kann also von einer
eigentlichen Regenzeit unter diesem Breitegrade, welcher der Grenze
der tropischen Regen schon so nahe liegt, nicht mehr sprechen. Die
seltenen Regen, die aber doch noch manchmal in Platzregen über
gehen, treten gewöhnlich in den Monaten Juli, August, September
und October ein, im Mai und Juni weniger.
Der Nil fing im Juni zu steigen an und erreichte am 20. August
seine grösste Höhe mit 17' 10" englisches Mass. Das Wachsen der
Wasserhöhe geschieht viel rascher als das Abnehmen, indem sie bin
nen 51 Tagen um 11 Fuss gewachsen war, aber 80 Tage brauchte,
bis sie um diesen Betrag fiel.
Mit 14. November 1852 hören die Beobachtungen in Chartum
auf, und sie beginnen, von demselben Beobachter und wahrscheinlich
mit denselben Instrumenten, am 7. Jänner 1853 in Ulibary, einem
Dorfe am weissen Flusse im Lande der Barri, wo sich jedoch der
Beobachter nur bis 25. Jänner aufhielt. An diesem Tage ühersiedelte
er nach Gondokorö eine halbe Meile südlich von Ulibary, gleich
falls am Ufer des weissen Flusses gelegen, wo sie bis zum Jänner
des folgenden Jahres fortgesetzt wurden. Es liegt also von diesem
Orte ein vollständiger Jahrgang von Beobachtungen vor, welche
hinreichen, um von den dortigen atmosphärischen Vorgängen ein
deutliches Bild zu geben, das freilich durch Nachtbeobachtungen,
die auch hier fehlen, noch sehr vervollständigt werden würde.
Die Umgebungen von Gondokorö liegen bereits ausserhalb des
unmittelbaren Einflusses der Wüstenzone; das Land ist stark bevölkert,
daher auch bebaut und von zahlreichen Flüssen durchschnitten, von
denen die grössten und meisten wie der Abai, Godjeb, Sobat aus den
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
481
Gebirgen und Hochebenen Abyssiniens, andere aus noch südlicher
auslaufenden Gebirgsreihen kommen und die ihren Abfluss sämmtlich in
einem der beiden Nilarme finden. Eigentliches Wüstengebiet scheint
bis auf viele Tagreisen vom Orte nicht vorzukommen, daher auch die
Einwirkung der Wüste keine solche mehr ist, dass sie in den atmo
sphärischen Erscheinungen grosse Abweichungen vom regelmässigen
Gange erzeugen könnte, wenn gleich, wie sich bald zeigen wird, ihr
Einfluss immer noch ein mächtiger bleibt.
Der Luftdruck ändert sich im Verlaufe des Tages in der Weise,
wie man es auch an anderen Breiten zu sehen gewohnt ist. Das Maxi
mum tritt zwischen 9 und 11 Uhr Morgens, das Minimum um 4 Uhr
Nachmittags ein. Die Änderung beträgt im Mittel 1”'S Pariser Mass
und war am grössten (2”6) im Februar, am kleinsten (0”7) im
August. In den Monaten vom Juni bis November betrug sie
in Gondokorö im Jahre 1853 . . 1’" 34
„ Chartum „ „ 1852 . . 0 • 75
, Prag „ „ 18S2 . . 0-48
„ „ » » 1853 . . 0•37
Die Jahresänderung des Luftdruckes kann in folgenden Monat
mitteln dargestellt werden:
ISS3 Jänner 319- 23
„ Februar 318-66
„ März 318-85
„ April 319-23
„ Mai 320-08
„ Juni 320-62
„ Juli 320-56
„ August 320-23
„ September 320-17
„ October 319-93
„ November 319-70
„ December 319-72
1854 Jänner 319 36
woraus sich die Jahresgleichung
y = 319"'75 + (9-88762) Sin ( a?.30° + 246» 29')
+ (9-54848) Sin (2;r.30»+ 154» 27')
+ (8-86451) Sin (3a?. 30» + 86» 5')
482
Urei 1.
ergibt, in welcher die eingeklammerten Zahlen Logarithmen sind.
Nach ihr fällt
das Minimum auf den 6. März,
„ Maximum „ „ 28. Juni.
In unseren Breiten fällt das grösste Maximum immer in die
kalte Jahreszeit, nämlich im December oder Jänner und hat seinen
Grund ohne Zweifel in der dadurch hervorgebrachten Verdichtung
der Luft. Dies Maximum kann daher am Äquator nicht stattfinden, und
die aus obiger Gleichung hervorgehenden Extreme entsprechen
unserem Minimum im April und unserem Maximum im September
oder October, treten also sämmtlich früher ein als bei uns. Die jähr
liche Schwankung am Äquator ist doppelt so gross als bei uns. Da
aber die jährliche Temperaturschwankung, die man doch für die
Hauptursachc der Barometer-Schwankungen halten muss, auch inner
halb der Frist von März und April zum September und October bei
uns grösser ist als am Äquator, so wird ersichtlich, dass man zur
Erklärung dieser grösseren Barometer-Schwankung noch eine zweite
Ursache, wahrscheinlich die bei uns viel grössere Dunstmenge zu
Hilfe nehmen müsse, welche einen grossen Theil der Bodenwärrne
aufnimmt und dadurch der Erwärmung der Luftschichten und der
Entstehung eines so mächtigen aufsteigenden Luftstromes, wie er am
Äquator besteht, entgegenwirkt.
Die Temperatur der Luft würde in Gondokorö im Mittel
des ganzen Jahres gleich 22 ? 7 Reaum. gefunden. Um sie mit der
von Chartum zu vergleichen, darf man aber nur die Monate von Juni
bis November nehmen, welche
in Gondokorö im Jahre 1853 das Mittel = 21 9 1 Reaum.
„ Chartum „ „ 1852 „ „ =26-0 „
Es ist also Chartum wenigstens im Sommer fast um 5 Grade wärmer
als das 10 Grade südlicher gelegene Gondokorö, worin man offenbar
den mächtigen Einfluss der Wüste und den Mangel des Regens
erkennt.
Die Schwankungen der Temperatur den Tag über sind aber in
den verschiedensten Breiten aulfallend constant. Man findet sie zwi
schen 7 Uhr Morgens und 3 Uhr Nachmittags:
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
483
in Gondokorö 5 ? 02
„ Wien 5'25
„ Prag 5-06
„ Chartum zwischen 7 und 5 Uhr . ö ■ 08
Bei uns erleiden aber die Zeiten der Extreme nach den Jahres
zeiten eine Verschiebung von mehreren Stunden, welche, da sie von
der veränderlichen Cg-össe des Tagbogens der Sonne abhängt, am
Äquator nicht vorhanden sein kann, und auch von den Beobachtungen
nicht angezeigt wird.
Die jährliche Schwankung der Temperatur ist in Gondokorö in
Rücksicht auf die geringe Breite sehr bedeutend, wie man aus folgen
der Zusammenstellung der Monatmittel sieht.
Jänner 25 ? 49 Reaumur.
Februar 26-27
März 25-56
April 23-52
Mai 21-72
Juni 20-92
Juli 20-64
August 20-21
September 21-07
October 21-91
November 22-10
December 23 -25
Daraus ergibt sich die Jahresgleichung:
y = 22 ? 72 + (0-43034) Sin ( a?.30 + 64» 12')
+ (9-87557) Sin (2a;.30» + 10» 14')
+ (9-55227) Sin (3a;.35» + 329» 28')
wo die eingeklammerten Zahlen Logarithmen sind.
Nach dieser Gleichung fällt das Maximum der Temperatur auf
den 17. Februar, das Minimum auf den 1. August, also nahe auf die
Zeiten, an welchen bei uns die entgegengesetzten Extreme ein-
treten. Der thermische Äquator ist demnach durch die Wüste weit
gegen Norden verrückt, wie man sowohl aus diesem jährlichen
Gange als auch aus dem Vergleiche der Mittel-Temperatur zwischen
hier und Chartum ersieht.
484
K r e i I.
Die Temperatur erreichte im Schatten keinen hohem Grad als
30 9 7 R. am 23. März. In den ersten drei Monaten wurden auch Tem
peraturen in der Sonne an einem Thermometer mit geschwärzter
Kugel angemerkt. Die höchste derselben war 37 ? 0 R., um 6 9 6 höher
als die gleichzeitige im Schatten: es war dies am 13. März bei sich
trübender Witterung und starkem Ostwinde, zu dem der Reohachter
die Remerluing beisetzt, dass er erstickend heiss war.
Die tiefste Temperatur wurde am 31. Jänner um (I Uhr Mor
gens mit 13 9 4 R. angemerkt. Vor 6 Uhr Morgens und nach 8 Uhr
Abends wurde keine Beobachtung gemacht.
Die tägliche Änderung der Temperatur hat einen starken
jährlichen Gang und ist, wie bei uns, am grössten im wärmsten Mo
nate, nämlich 8 9 2 im Februar, am kleinsten 3 9 2 im Juli. Die jähr
lich e Änderung hingegen hat einen eben so starken täglichen Gang,
sie ist um 7 Uhr Morgens = 2 9 6, um 4 Uhr Abends = 7 ? 9.
Diel! eit erke it des Himmels war im Jänner am dauerndsten,
im April am geringsten. Im Jahresmittel verhielt sie sich zu der in Wien
wie 8 zu 3, d. h. auf 8 heitere Tage in Gondokorö kommen in Wien 3.
Der Regen war in folgender Weise vertheilt:
im Jänner
„ Februar
„ März
„ April
„ Mai
„ Juni
» Juli 0
„ August
„ September
„ October
„ November
„ December
,, Jänner
1833
unter Beobachtungs
tagen
21
26
27
29
31
23
20
31
23
30
23
20
10
Summa
Tage mit
Regen
2
7
7
12
12
7
3
11
5
5
7
2
0
mit starkem
Regen
3
1
2
316
80
*) Die Beobachtungen wurden in den ersten eilf Tagen des Monates, die meist trübe und
regnerisch waren, durch eine Krankheit des Beobachters unterbrochen.
Über ewei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
485
In Wien ist nach vieljährigen Beobachtungen die Anzahl der
Tage mit Niederschlägen im Verlaufe des Jahres fast doppelt so gross,
nämlich 144, in Triest ist sie 108, in Ragusa 72.
Nacli obiger Zusammenstellung scheint auch in Gondokorö sich
eine doppelte Regenzeit einzustellen, wie dies von mehreren Rei
senden in den benachbarten Gegenden Abyssiniens erzählt wird;
denn die Regen waren im April und Mai am häufigsten und stärksten,
nahmen im Juni und Juli ab, um im August wieder zu wachsen. Es
kommen einzelne Regentage in jedem Monate vor, und eine länger
anhaltende Trockenheit kann höchstens in den Monaten December
und Jänner eintreten. Die Regen verdankt man dort zum grossen
Theile den sehr zahlreichen Gewittern, welche fast durchgängig
in den östlich gelegenen Gebirgen entstehen, und von denen viele
das Nilthal gar nicht mehr erreichen. Es sind im Tagebuche des
Beobachters 28 Gewitter im Jahre 1853 angemerkt, nämlich 1 im
Jänner, 1 im Februar, 2 im April, 11 im Mai, 2 im Juni, 1 im Juli
4 im August, 4 im September, 1 im October und 1 im November;
man kann also auch aus ihnen auf ein zweimaliges Auftreten der
Regen schliessen, da sie im Mai, August und September am zahl
reichsten sind.
Die Winde waren in Gondokorö den grössten Theil des Jahres
hindurch veränderlich; im Jänner hei'rschte wohl der Ost vor, aber
schon im Februar wechselte er viel mit Süd, dies dauerte auch im
März und April noch fort, bis endlich im Mai der Süd die Herrschaft
erlangte und sie auch im Juni und einem Theil des Juli noch be
hauptete. Im August trat oft Nordost und Ost ein, und es begann
wieder ein starker Wechsel zwischen Süd, Nord und Ost. West findet
sich sehr selten vor. Im November und December behaupteten Nord
und Nordost die Oberhand.
Die Wasser höhe des weissen Nils begann im Mai zu steigen,
hielt sich aber in den letzten Tagen dieses und den ganzen folgenden
Monat hindurch auf derselben Höhe, nämlich zwischen 2 und 3 Fuss;
im Juli erreichte sie 3, im August 5 Fuss, und am 4. September das
Maximum von 6 Fuss 6 Zoll , fiel aber noch in diesem Monate
unter 4 Fuss, wechselte im October zwischen 5 und 3 Fuss, ebenso
im November, im December blieb sie auf 3 Fuss und sank dann bis
zum 20. Jänner 1854 auf 2 Fuss 10 Zoll herab. Da sie am 16.,
17. und 18. Jänner 1853 2 Zoll unter 0 stand, so scheint im Ver-
486
K r e i 1.
laufe dieses Jahres entweder der Regen viel reichlicher gewesen zu
sein als im Jahre 1852, oder die Regenzeit sich später eingestellt zu
haben.
Erdbeben sind in dem Tagebuche 7 angemerkt, aber durch-
gehends schwache, nämlich: am 8. Juni, 5. Juli, 6. August, 14. und
18. October, 17. und 22. November.
Wenn man nun die hier angegebenen Vorgänge in der Atmosphäre
in ihrem Zusammenhänge betrachtet, so sieht man dass es zwei Haupt
ursachen sind, durch deren Wechselwirkung sie hervorgebracht
werden, nämlich die Wüste und das Meer, zwischen denen das
obere Nilthal in der Mitte liegt, welche daher auch dessen Witterung
bestimmen, je nachdem der Eiufluss der einen oder der andern über
wiegend ist. Die Träger dieses Einflusses sind die Winde, welche
hier dieselben Gesetze befolgen müssen, wie in anderen Gegenden,
z. R. in Ostindien, dessen Klima bereits genauer erforscht ist. Auch
über dem Continente von Afrika wechselt der Monsun in ähnlicher
Weise wie über dem von Asien, nur ist seine Änderung den örtlichen
Umständen angepasst.
Da er seine grösste Kraft durch den aufsteigenden Luftstrom
gewinnt, der über dem erhitzten Roden des festen Landes, insbe
sondere der Wüste entsteht, diese aber in Afrika eine grössere Aus
dehnung hat als in Asien, so muss er in Afrika zurZeit der nördlichen
Declination der Sonne der Wüste zu wehen, also eine Richtung von Süd-
ost nach Nordwest haben, welche sich in dem von Süden nach Norden
gewendeten Nilthale in eine südliche umgestalten muss. Er ist mächtig
genug die über dem Meere gesammelten Dünste auch über die Gebirge
mit sich zu nehmen, die ihm längs der Küste entgegenstehen, und an
denen er einen grossen Theil absetzt, daher dort die Gewitter und
Regengüsse beginnen, so wie die Sonne sich der nördlichen Hemi
sphäre nähert. Gleichwie aber unsere Südwestwinde, obschon sie
auf den Alpen den grössten Theil ihres Wasservorrathes verlieren,
doch auch unsere Länder noch mit Regen versorgen, so bringt auch
der afrikanische Monsun über das diesseits der Gebirge gelegene
Gebiet noch eine hinreichende Menge von Dünsten mit, um dort die
Zeit der Regen hervorzurufen, welche meistens den von den östlichen
Bergreihen kommenden Gewittern ihre Entstehung verdanken.
Die öftere Trübung des Himmels in dieser Jahreszeit und die
kühleren Seewinde müssen eine sehr fühlbare Abnahme der Temperatur
Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
487
erzeugen, woraus sich die auffallende, von den Beobachtungen heraus
gestellte Thatsache ergibt, dass in einem nördlich vom Äquator
liegenden Orte der Sommer um so viel kühler ist als der Winter,
also eine Verrückung des thermischen Äquators, an welche Thatsache
sich noch eine zweite anschliesst, nämlich die, dass die Sommer
temperatur in dem 10. Breitengrade nördlicher liegendenChartum um
5° R. grösser ist als in Gondokorö.
Es ist demnach in den obersten Nilgegenden in der Nähe des
Äquators während unseres Sommers der Einfluss des Meeres der vor
wiegende, wie dies die herrschenden Südwinde, die vielen Gewitter,
die kühlere Sommertemperatur und die zu dieser Jahreszeit häufigeren
Regen beweisen.
Andere Erscheinungen treten ein, wenn die Sonne unter den
Äquator hinabsteigt, der südliche Theil von Afrika mehr erwärmt
und der Seewind genöthigt wird, eine westliche und südwestliche
Richtung einzuschlagen, hei welcher er die ihn vom Nilthale abschei
denden Gebirge nicht mehr, oder wenigstens nicht regelmässig zu
übersteigen im Standeist, daher nun eine grosse Veränderlichkeit
in der Windrichtung eintritt. Es begegnen sich hierbei oft kalte, von
den Gebirgen und den bereits überschwemmten Thälern kommende
Luftströme und warme Wüstenwinde, durch welche erstere fähig
gemacht werden, mehr Feuchtigkeit aufzunehmen, welche sie aber
bei dem Zurücktreten der letzteren wieder fahren lassen müssen,
daher die Regen auch während diesen Wechselwinden fortdauern,
und die eigentlich trockene Jahreszeit auf den südlichsten Sonnen
stand, nämlich die Monate December und Jänner fallen muss. In diesen
Monaten haben die Wüstenwinde (eigentlich Nordwestwinde, die aber
durch die östlich vom Nilthale gelegenen Gebirgszüge in Nord- und
Nordostwinde abgeändert werden) die Oberhand und mit ihnen
tritt eine höhere Temperatur und andauernde Heiterkeit ein.
In Ostindien wechselt bekanntlich der Südwest Monsun sehr
regelmässig mit dem Nordost. In Centralafrika ist dieser Wind im
Sommer ein Südost, und sollte, da sieh der Continent von Afrika im
Vergleiche mit jenem von Asien um so viel weiter gegen Süden erstreckt,
in unserem Winter sich nur in einen Nordost verwandeln. Dass hier
auch der Gegenwind, Nordwest, eintrete, ist zu bezweifeln, weil die
afrikanische Wüste sich auch im Winter wahrscheinlich nicht so stark
abkühlt, dass sich der Einfluss dieser Abkühlung bis über das Meer
488 Kreil. Über zwei Reihen meteorologischer Beobachtungen etc.
erstreckt, wie dies bei den nördlich von Ostindien liegenden Länder
strecken der Fall ist. Immerhin aber wäre eine Aufklärung dieser
Verhältnisse durch Beobachtungen höchst wünschenswert!).
Je mehr der Wind in seinem Laufe nach Nordwest der Wüste
sich nähert, desto mehr verliert er das Gepräge eines Seewindes.
Seine Dünste sind erst nach längerer Zeit und stärkerer Anhäufung
im Stande, die herrschende Trockenheit zu überwältigen und Regen
hervorzubringen, daher diese in Chartum erst im Juni und Juli begin
nen, während sie in Gondokorö bereits im April und Mai ihre grösste
Stärke erreichen. Diese Stärke nimmt aber bei wachsender nördlicher
Breite rasch ab, und wenige Grade über Chartum hören sie ganz auf,
da die trockene Wüstenluft die wenigen zugeführten Dünste rasch
aufsaugt und ihnen nicht gestattet, sich in Regentropfen zu ver
einigen.
Die Wasserhöhen des Nils, zur Zeit der Überschwemmung hin
gegen, befolgen ein anderes Gesetz; diese sind nicht nur in Chartum
dreimal so gross als in Gondokorö, sondern es beginnt auch das
Wachsen des Stromes in Chartum schon ein Monat vor, in Gondokorö
aber zwei Monate nach dem Eintritte der Regenzeit, ein Beweis, dass
das Anschwellen der Flüsse nicht in den schwachen Regen des Nil-
thales, sondern in den viel heftigeren am Quellengebiete seinen
Grund hat.
Schaefer. Über eine Vergiftung mit Mitisgrün.
489
SITZUNG VOM 16. JULI 1857.
Eiliges endete Abhandlung.
Über eine Vergiftung mit Mitisgrün, nebst einer Reihe
chemischer Untersuchungen, die Resorption und Ausschei
dung von Arsen und Antimonial-Präparaten betreffend.
Von Dr. Eduard Schaefer,
k. k. Professor der Vorbereitungswissenschaften an der inedicinisch-chirurgischen
Lehranstalt in Gratz.
(Vorgelegt von dem w. M. Herrn Prof. Redtenbach er.)
Ich hatte vor einem Jahre Gelegenheit eine Vergiftung mit
Mitisgrün näher zu heohachten, von dieser ausgehend will ich dann
eine Reihe chemischer Untersuchungen anschliessen, die ich mit
Arsen und Antimonial-Präparaten bezüglich deren Resorption und
Ausscheidung aus dem Körper durch verschiedene Secrete unter
nahm.
Ein vierzehnjähriges Blumenmachermädchen nahm absichtlich
ein Loth Mitisgrün ein, wurde von den heftigsten Zufällen ergriffen,
und eine halbe Stunde darnach in das Wiener k. k. allgemeine Kran
kenhaus auf die zweite medicinische Abtheilüng gebracht, wo ich als
Secundarius diente.
Bei meiner Ankunft stellte sich gerade bei ihr Erbrechen ein,
das Erbrochene zeigte einen deutlich grünen Bodensatz. Sie gestand
mir, dass sie ein Loth Mitisgrün, welches sie für ihr Geschäft
brauchte, absichtlich eingenommen habe. Ich musste der Patientin
früher meine Aufmerksamkeit schenken, bevor ich eine nähere che
mische Untersuchung des Erbrochenen unternehmen konnte.
490
Schaefer.
Sonstige Symptome, die icli an ihr beobachtete, waren: einge
fallene Augen, Zittern der Extremitäten, nebstbei klagte sie über sehr
viel Durst, über ein brennendes Gefühl im Halse, über Übelkeit, nach
träglich wurde blutig gestriemter Schleim erbrochen, die Magen
gegend war aufgetrieben, jedes Berühren daselbst verursachte ihr
viel Schmerz. Der Puls hatte 132 Schläge in der Minute. Später
stellten sich Schmerzen in den Waden ein.
Ich begünstigte für den Augenblick das Erbrechen durch Ein
geben einiger Tassen lauwarmen Wassers und schritt dann gleich
zur Anwendung des Eisenoxyd-Hydrates, welches ich ihr zu drei
Unzen in einem Zeiträume von einer Stunde, anfangs von je fünf zu
fünf Minuten einen Esslöffel voll, später in grösseren Intervallen gab.
Die erste Dosis wurde erbrochen, die andern blieben. Nachdem
ich mit meiner Aufgabe am Krankenzimmer für den Augenblick fertig
war, schritt ich zur Untersuchung des Erbrochenen. Ich bediente mich
hierzu der Schneider'schen Methode zur Auffindung des Arsens,
die ich auch später bei meinen Untersuchungen mit Vortheil anwandte,
so oft ich im Voraus wusste, dass ich es mit Arsen zu thun habe.
Die erbrochenen Massen, die mit Kochsalz und Schwefelsäure
durch eine halbe Stunde erhitzt wurden, lieferten sowohl im Vorlage
ballon, sowie in dem vorgelegten Fläschchen, welches Wasser ent
hielt, ein Destillat, welches, im Marshi’schen Apparate untersucht,
ganz deutliche Arsenspiegel gab, über welche ich bei gelinderWärme
Schwefelwasserstoff-Gas leitete, wodurch sie gelb wurden; in Chlor
wasserstoff-Dämpfen verflüchtigten sie sich nicht, während Ammoniak
flüssigkeit sie auflöste. Dieser Methode bediente ich mich zur Con-
statirung jedes Arsenspiegels bei meinen Versuchen. Bei kleineren
Spiegeln verliess ich mich auf den Knoblauchgeruch, den sie beim
Verjagen im Wasserstoffstrome gaben.
Nach ungefähr zwei Stunden zur Patientin zurückgekehrt, fand
ich keine Verschlimmerung.
Weil noch kein Urin gelassen wurde (es war 4(4 Stunden nach
Einnahme des Giftes), so nahm ich Urin mit dem Katheter, unter
suchte denselben in einem andern Marshi’schen Apparate, indem
ich mich, um das Aufschäumen zu verhindern , einer zollhohen
Schichte von Olivenöl bediente, das ich in die Gasentbindungs-Flasche
gleich beim Beginne der Wasserstoff-Entwicklung hineingoss.
Ich bekam von hundert C.Cm. Urin einen deutlichen Arsenspiegel.
Über eine Vergiftung mit Mitisgrün.
491
Ausser einem Kopfweh, welches sich nachträglich dazu gesellte,
trat keine Verschlimmerung am ersten Tage mehr ein; an den fol
genden Tagen verloren sich alle Symptome, sie bekam am vierten
Tage schon Appetit, jedoch beim Genüsse von Speisen fühlte sie
einen Druck in der Magengegend.
Vom vierten Tage an gab ich ihr ein Diureticum.
Im Urin konnte ich jedoch jeden Tag das Arsen finden, wie lange
jedoch die Ausscheidung des Arsens dauerte, kann ich nicht angeben,
weil das Mädchen am 9. Tage aus dem Krankenhause vollkommen
gesund entlassen wurde.
Ich stellte mir nun die Aufgabe, zu bestimmen, wie viel Arsen
in der von dem Mädchen genommenen Quantität Mitisgrün enthalten
war, und wie viel Arsen sich in den Föralstolfen der ersten fünf
Tage vorfand, um daraus auf die Grösse der Wirksamkeit des Eisen
oxyd-Hydrates gegen die arsenige Säure einen Schluss zu ziehen.
Untersuchung des Mitisgrün.
Ich fand in hundert Theilen käuflichen Mitisgrüns:
Kupferoxyd 30-40
arsenige Säure 54-36
Essigsäure 9-13
fremde Beimengungen 0-25
100-20
folglich war in einem Lothe dieses Mitisgrüns 9-51 Grm. arsenige
Säure enthalten.
Die Untersuchung der Föralstoffe.
Sie wurden zuerst getrocknet, gepulvert und, um den Kupfer-
und Eisengehalt der Föralstoffe bei der Fällung des Arsens mit Schwe
felwasserstoff zu umgehen, in einem grossen geräumigen Ballone mit
dem doppelten Gewichte Kochsalz gemengt; mit Schwefelsäure über
gossen und in dem von Schneider angegebenen Apparate durch
'A Stunden erhitzt. Der Rückstand des Ballons zeigte im Marshi’-
schen Apparate kein Arsen mehr. Das Destillat sowohl des Vorlage
ballons als auch des Fläschchens, welches Wasser als vorgeschlagen
enthielt, wurde im Wasserbade verdunstet. Weil der Rückstand noch
organische Substanzen enthielt, so wurde selber mit verdünnter
Chlorwasserstofl’-Säure und chlorsaurem Kali bis zur Lösung gelinde
492
Schaefer.
erwärmt, in die erwärmte verdünnte Flüssigkeit Schwefelwasserstoff-
Gas geleitet, der gelbe Niederschlag der entstand, nach längerem
Stehen auf einem Filter gesammelt, bei verstopften Filtertrichtern mit
Ammoniakflüssigkeit digerirt, die Ammoniakflüssigkeit im Wasserbade
abgedunstet, und weil mir die Menge des abgedampften Rückstandes
für Schwefelarsen zu gross erschien, mit einigen Tropfen Schwefel
säure die organischen Substanzen verkohlt, getrocknet und der Rück
stand mit Salpetersäure oxydirt. Hierauf wurde der ausgeschiedene
Schwefel abfiltrirt. Die klare Flüssigkeit mit einer salmiakhältigen
Ammoniakflüssigkeit bis zur deutlichen alkalischen Reaction versetzt,
mittelst schwefelsaurer Rittererde die Arseniksäure als arseniksaure
Rittererde Ammoniumoxyd gefällt; der Niederschlag nach längerem
Stehen auf einem gewogenen Filter gesammelt, hei 100° C. getrock
net und gewogen gab nach Abzug des Filtrums:
8-12 Grm. arseniksaure Rittererde, Ammoniumoxyd.
Diese entsprechen nach der Berechnung 423 Grm. arseniger Säure:
951 Grm. arseniger Säure nahm ein das Mädchen,
4- 23 „ erhielt ich durch die Analyse der Füralstoffe; somit sind:
5- 28 Grm. durch Erbrechen und durch eine kleine Resorption durch
den Urin entfernt worden.
Obwohl dies alles schon bekannt ist, so führte ich desswegen
die Beobachtung des Krankheitsfalles und die dabei vorgenommenen
chemischen Analysen um so ausführlicher durch, weil man in neuester
Zeit die Wirksamkeit des Eisenoxyd-Hydrats nicht so hoch anschlägt,
als es dasselbe verdient und es durch das Magnesiahydrat zu ersetzen
glaubte.
Nun beginne ich mit einer anderen Reihe von Untersuchungen,
die ich zur Lösung folgender Fragen einleitete:
1. Frage. Wann tritt das Arsen im Urin auf nach Einnahme eines
Arsenpräparats und wie lange dauert seine Ausscheidung
nach Aussetzung des Medicaments?
2. Frage. Lässt sich das Arsen hei endermatischer Anwendung
nachweisen?
3. Frage. Wird das Arsen in den Knoehen als dreibasiger arsen
saurer Kalk länger zurückgehalten oder wie aus anderen
Geweben ausgeschieden?
Über eine Vergiftung mit Mitisgrün.
493
4. Frage. Findet sich das Arsen auch in Neugebilden, Schuppen
bei Ekzem und Psoriasis?
Durch die Gefälligkeit meiner Herren Collogen, der Professoren
Dr. Riegl er und Rehaczek, konnte ich das reichhaltige Materiale
des Gratzer Krankenhauses benützen, sowie die folgenden Kranken
skizzen, welche mir durch die Güte des Herrn Secundarwundarztes
Petri und Assistenten Dr. von Egger übergeben wurden.
Zur ersten Frage.
In einem Falle von Paraplegie gebrauchte man täglich zwölf
Tropfen Tinctura Fowleri. Der erste Urin vier Stunden nach der
ersten Einnahme entleert, lieferteeinen deutlichen Spiegel, näher
untersucht als Arsenspiegel sich bewährend.
Um mich zu überzeugen, ob das Arsen noch früher in Urin auf-
tritt, benützte ich den nächsten Fall, wo Tinctura Fowleri gegeben
wurde. Hier wurde der Urin eine Stunde nach der Einnahme von
zwölf Tropfen Tinctura Fowleri mit dem Katheter genommen und
ich bekam schon einen matten Anflug, der durch Zusammenjagen in
die eng ausgezogene Röhre deutlich als Arsenspiegel und durch den
Knoblauchgeruch sich als Arsen charakterisirte.
In einem anderen Falle von geheilter Syphilis, bei welchem
gegenwärtig ein pleuritisches Exsudat besteht, wurde Solutio Pear-
sonii (die Unze dieser Flüssigkeit enthielt einen Gran arseniger
Säure). Davon wurden um acht Uhr früh zehn Tropfen gegeben. Um
zehn Uhr, also nach zwei Stunden, wurden schon Spuren von Arsen
mittelst des Marshi’schen Apparates, im nächsten Urin ein etwas
deutlicherer Anflug bemerkt, der durch Zusammenjagen als Arsen
spiegel erkennbar war.
So wurden Urine in weiteren Fällen von Carcinoma epitelialc,
Carcinoma mammae, von ekzematösen und mit Psoriasis behafteten
und von syphilitischen Individuen untersucht, wo in der ersten oder
zweiten Stunde, nach Einnahme des Arsenpräparates, das Arsen im
selben naebgewiesen wurde.
leb untersuchte ferner den Urin eines Mannes, den ich auf einer
Excursion traf, der jeden zweiten Tag zwei Gran arsenige Säure
nimmt (denn so viel wog die Dosis, die er mir gab und die er jeden
zweiten Tag einnahm). Ich konnte das Arsen in zwei Unzen Urin,
nachdem derselbe eingedampft wurde und mit Chlorwasserstoff-
Säure und chlorsaurem Kali die organischen Substanzen zerstört
Sitzb. d. mnthem.-naturw. CI. XXV. Bd. II. Hfl. 32
494
S c h a e f e r.
waren, schon durch Fällen mit Schwefelwasserstoff nachweisen.
Da ich keine Urinmenge vom ganzen Tag bekam, die er mir
schicken wollte, so hätte eine quantitative Ermittlung des Arsens
keinen Anhaltspunkt gegeben, um nachzuweisen, wie sich die
Menge des eingenommenen zum ausgeschiedenen Arsen verhalte,
worüber ich bei erster Gelegenheit nähere Untersuchungen aus
führen werde.
Machen wir einen Rückblick, so kann man nach Gebrauch von
zehn Tropfen Tinctura Fowleri pro dosi eine Stunde nach der Ein
nahme den Urin arsenhältig finden.
Die Frage, wie lange man den Urin nach Aussetzung des Medi-
camentes noch arsenhältig findet, findet durch Nachstehendes seine
Erledigung.
Nach Gebrauch von zehn Tropfen Solutio Pearsonii täglich
durch eine Woche hindurch, fand ich nach Aussetzen des Medica-
ments am vierten Tage keinen deutlichen Arsenspiegel mehr. Bei
Gebrauch von dreissig Tropfen Tinctura Foivleri, zwölf Tage hin
durch, fand ich nach Aussetzung des Medicaments den letzten Spiegel
am 15. Tage, und einmal bei täglichem Gebrauche von zwanzig Tro
pfen Tinctura Fowleri durch sechzehn Tage hindurch am 24. Tage
den letzten deutlichen Nachweis von Arsen.
Eben so wie den Urin untersuchte ich auch den Speichel, nach
dem das Medicamcnt durch drei Tage ausgesetzt war, und fand in
kleinen Mengen Speichel deutlich im Marshi'schen Apparate einmal
am 15., einmal am 22. Tage noch das Arsen, wo im Urin am 16. und
24. Tage dasselbe verschwand.
Ich möchte nun nach einer Reihe von vierundzwanzig dergleichen
Untersuchungen den Schluss ziehen, dass es keine bestimmte Frist
für das letzte Auftreten des Arsens im Urin gibt, sich dasselbe nach
der grösseren oder geringeren Dosis und längerer Dauer der Verab
reichung richte, dasselbe, wie ich aus einer ferneren Untersuchung
sehe, jedoch gänzlich ausgeschieden wird, nach Verabreichung von
Diureticis, die Dauer der Abscheidung durch die grössere entleerte
Urinmenge abgekürzt werde.
Zur zweiten Frage.
Bei Anwendung des Cosmi'schen Pulvers auf ein Fussgeschwiir
zeigte der Urin der ersten Stunde einen braungelben Anflug, den
gewissenhaft einen Arsenspiegel zu nennen ich mir nicht traue, weil
Über eine Vergiftung 1 mit Mitisgrün.
495
ich die fernere Constatirung nicht vornehmen konnte, jedoch der
Urin der folgenden Standen gah mir deutliche Arsenspiegel. Ich
wollte nun den Urin dieser Kranken länger untersuchen, bekam aber
die nächsten Tage einen immer matter werdenden Anflug, vermuthlich
war wegen der Schorfbildung die Resorption aufgehoben. Das Fuss-
geschwür heilte.
Zur dritten Frage: Untersuchung der Knochen auf ihren
Arsengehalt.
Dass ich auch in den Knochen Arsen finden würde, zweifelte
ich von vorneherein nicht, dass ich es wirklich fand, beweist folgen
der Fall:
Einer mit Carcinoma mammae behafteten Person, bei der die
Operation nicht ausführbar war, wurden täglich fünf Tropfen Tinc-
iura Fowleri durch längere Zeit im Ganzen zwei Drachmen ordinirt;
drei Tage vor dem Tode wurde die letzte Dosis von fünf Tropfen
angewendet.
Ich bekam einen Oberschenkelknochen von diesem Cadaver, den
selben übergoss ich, nachdem er von allen Weichtheilen sorgfältig
gereinigt, die Beinhaut abgeschaht war, mit concentrirter Salzsäure ;
nach dreitägiger Einwirkung hei gewöhnlicher Temperatur war der
Knochen sammt Knorpel gelöst, diese dicke Flüssigkeit wurde mit
Wasser verdünnt und im Schneider’schen Apparate destillirt; das
Destillat im Mars hi "sehen Apparate untersucht, gah einen deut
lichen Arsenspiegel.
Wie man nun in einer alten Tinctura Foioleri öfters Arsenik
säure statt arseniger Säure findet, so war es auch bei dieser Tinc-
tur, welche dieses Individuum nahm, der Fall; es konnte daher das
Arsen in diesem Falle wegen der Isomorphie der phosphorsauren mit
den arseniksauren Salzen als dreibasischer arseniksaurer Kalk in
den Knochen sich längere Zeit aufhalten.
Diese Idee drängte sich mir desshalb auf, weil ich hei der Ana
lyse dieses Knochens mehrere grössere Arsenspiegel bekam, während
das gleichzeitig untersuchte, sehr gefässreiche Medularcarcinom der
Brustdrüse von demselben Gewichte des Knochens nur einen kleinen
Spiegel gab. Da jedoch das Arsen drei Tage vor dem Tode ausge
setzt war, so war dies kein geeigneter Fall; ich wünschte mir einen
Knochen, wo ungefähr vier bis acht Wochen vor dem Tode das Arsen
ausgesetzt worden wäre.
32*
496
Schaefer.
Da in Steiermark sehr viele Individuen tlieils aus Aberglauben,
theils zur Kräftigung der Gesundheit das Arsen gemessen, so führte
der Zufall so ein Individuum auf die Klinik des Herrn Professor
Rehaczek in der Person einer 35jährigen Dienstmagd mit einer
Gangrän des linken Unterschenkels behaftet.
Sie hatte früher im Dienste Pferde zu hüten und zu füttern und
gab zwei Pferden täglich eine Handvoll Hüttenrauch.
Weil hier auf dem Lande der Aberglaube herrscht, dass, wenn
die Pferde gedeihen sollen, auch der Fuhrmann Hüttenrauch gemessen
muss, so nahm sie jeden zweiten Tag ein Kügelchen (das sie aus
Hüttenrauch formte).
In Folge dessen erbrach sie sich häufig, bekam Bauchschmerzen
und nach zweijährigem Gebrauche wurde das Erbrechen häufiger,
— zugleich magerte sie ah.
Gegenwärtig hat sie eine trockene spröde, sich abschuppende
Haut und einen auffallenden Schwund des ganzen Zellgewebes und
wurde wegen obiger Gangrän des Unterschenkels am Oberschenkel
amputirt.
Sie soll nach ihrer Aussage ungefähr acht bis zehn Wochen vor
dieser Amputation mit der Einnahme des Hüttenrauchs ausgesetzt haben.
Ich analysirte zuerst die den Unterschenkel umgehenden Weich-
theile nach obiger Methode und fand kein Arsen.
Ich analysirte die Unterschenkelknochen, nachdem ich sie nach
48stündigem Stehen und Auflösen mit concentrirter Salzsäure im
Schneidetischen Apparate destillirte und fand keine Spur von
Arsen im Destillate, nachdem ich dasselbe im Mar shi’schen Apparate
untersuchte.
Es müsste nun, wenn obige Ansicht die richtige wäre, der Stoff
wechsel binnen dieser Zeit den arseniksauren Kalk gerade so ausge
schieden haben, sowie der phosphorsaure Kalk durch neue Anlagen
ersetzt wird oder das Arsen wird aus den Knochen, sowie aus andern
Gewebtheilen in derselben Zeit ausgeschieden. Es fehlt mir hier die
Mittelstufe nämlich einen Knochen zu untersuchen, wo vier bis sechs
Wochen früher die Einnahme des Arsens ausgesetzt wurde, welches
ich bei vorkommender Gelegenheit näher untersuchen werde.
Zur vierten Frage?
Ich wies das Arsen in Schuppen bei Psoriasis und Ekzem nach,
so wie auch in einem Brustdrüsencarcinom.
Über eine Vergiftung- mit Mitisgriin.
497
Weil bei diesen Krankheiten die Tincturci Fowleri häufig ange
wendet wird, so will ich hier nur sagen, dass die Psoriasis und das
Carcinom sich dabei durchaus keiner Besserung erfreuten; das Ekzem
war kein günstiger Fall um an ihm das Arsen als Heilmittel zu studi-
ren, es wäre auch ohne Medicament durch blosse kalte Umschläge
geheilt. Ich untersuchte die Schuppen auf folgende Weise: ich unter
warf sie, nachdem ich sie mit Salzsäure durch einige Stunden stehen
liess, einer Destillation und untersuchte das Destillat im Marshi’schen
Apparate und bekam immer einen Arsenspiegel, jedoch muss man
etwas grössere Quantitäten Schuppen untersuchen.
Zum Schlüsse füge ich noch einige Versuche über Resorption
und Ausscheidung von Antimonialpräparaten hinzu:
Ein Patient mit Pneumonie bekam täglich einen Gran Brech
weinstein.
Erste Einnahme um 2y 3 Uhr Nachmittags; ersterUrin von sechs
Uhr Nachmittags gab einen schwachen, die folgenden deutlichere
Spiegel im Marslnsehen Apparate, welche hei gelindem Erwärmen
oranggelb wurden, nachdem Schwefelwasserstoff darüber geleitet
wurde und bei nachheriger Behandlung mit Chlorwasserstoffgas ver
schwanden.
Nachdem durch sechs Tage täglich ein Gran Brechweinstein
angewendet wurde, verschwand bei dem Aussetzen des Medicaments
am vierten Tage das Antimon aus dem Urin.
In einem Falle von chronischen Lungenkatarrh, wo fünffach
Schwefelantimon (Goldschwefel) angewendet wurde, zeigte der Urin,
im Marshi’schen Apparate untersucht, einen deutlichen Antimonspiegel;
ein zweites — ein drittes Mal fand ich kein Antimon im Urin.
Weil nun der Goldschwefel in alkalischen Flüssigkeiten, in Anti
monsäure und Schwefelkalium sich zerlegt, so wurde bei zwei andern
Fällen noch kohlensaures Kali angewendet — bei welchen ich einige
mal Antimon im Urin, mehreremal aber nicht fand.
Der Kermes minerale wurde beim Gebrauche von kohlensaurem
Kali und auch ohne demselben immer im Urin nachgewiesen.
Ich bediente mich bei allen meinen Arbeiten der reinsten Rea-
gentien so wie jedes Marshi’schen Apparates nur einmal.
V o r t r ä g c.
Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel.
Angestellt iin physiologischen Institute der Wiener Universität
von Friedrich Gau st er,
aus St. Andrä im Lavantthale.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgetragen von dem w. M. Herrn Prof. Brücke.)
Kölliker beschrieb in seiner „Mikroskopischen Anatomie“ am
Grunde der Zunge zwischen den papillis circumvallatis und der
epiglottis einerseits und der Tonsillen andererseits die sogenannten
Balgdrüsen, als linsenförmige oder spliäroidische Körperchen, welche
unter der dort sehr dünnen Schleimhaut im submukösen Bindegewebe
eingebettet, wie er sagt, dickwandige Kapseln sind, die nach aussen
von einer Faserhülle umgeben sind, und in der Mitte eine mit Platten
epithel ausgekleidete trichterförmige Höhle zeigen, welche durch
eine feine Öffnung mit der Oberfläche der Zunge communicirt, und
in welche man gewöhnlich von unten her den Ausführungsgang einer
tiefer gelegenen Schleimdrüse münden sieht. Zwischen dieser Faser
hülle und der Epithel der Höhle befinde sich „in einer zarten, fase
rigen, gefässreichen Grundlage eine gewisse Zahl geschlossener
Follikel.“ Vom Baue dieser Follikel sagt Kölliker, dass er sehr
ähnlich sei dem der Peyer’schen Drüsen im Darme. Die Beschrei
bung des feineren Baues der „Follikel“ zu wiederholen, wäre über
flüssig, da sie ohnehin jedermann kennt, oder im genannten Werke
nachsehen kann. Ebenso beschrieb Kölliker diese Follikel und deren
Anordnung in den Tonsillen, und betrachtet dieses Organ als ein
Aggregat mehrerer Balgdrüsen.
Die Abbildung der Balgdrüsen, welche Kölliker seiner Beschrei
hung beigibt, hat wohl nicht den Zweck, ein naturgetreues Bild einer
Balgdrüse zu geben, sondern ist mehr eine schematische Zeichnung :
(»ausirr. (Intersndiungcniihrr dir Biilgdriisiui der Zung'enwur/.el.
Fuj.2.
SjtKiingsli.d.k.Akndi.W. maIli.lialiiv»' l'IXWlid.2 llrfl. Ifi.W.
Untersuchungen über die ßalgdrüsen der Zungenwurzel.
499
denn in Wirklichkeit geben Durchschnitte durch die Mitte von
Balgdrüsen des Menschen, sowie auch der Thiere ein ganz ande
res Bild.
Was zuvörderst die, den ganzen Balg umgebende Faserhülle
betrifft, so ist an getrockneten Präparaten von einer solchen wohl
nichts zu sehen , es erscheinen vielmehr die Follikel mit dem sie
einhüllenden Stroma ganz einfach in das umliegende submuköse
Bindegewebe locker eingebettet, welches hier, keine andere Beschaf
fenheit zeigt, als anderswo.
Die Zahl der Follikel ist in der Zeichnung von Kolliker etwas
zu gross angegeben; es finden sieh selten mehr als fünf oder sechs
in einer Balgdrüse, ja in mancher ist auch gar kein bestimmt abge
grenzter Follikel vorhanden, und man findet nur um die Höhle eine
körnige Masse (Fig. 3, c') herumgelagert, welche ganz das Ansehen
bietet, wie in den confluirenden Payer’schen Drüsen im Darme des
Menschen. Was endlich die Höhle der Balgdrüsen anbelangt, so sah
ich sie nie in der Gestalt, wie sie K öl liker abbildete, sondern beim
Menschen findet man immer Grübchen (Fig. 3, 6) von der Gestalt
eines Trichters , dessen weite Öffnung nach der Oberfläche der
Zunge zu sieht, und dessen engster Tlieil der tiefste ist, wo gewöhn
lich der Ausführungsgang einer darunter liegenden Schleimdrüse aus-
mündet (Fig. 3, f).
Trotzdem, dass ich in diesen einzelnen Punkten von Kolli ker
ab weichen muss, glaube ich doch seine Grundansicht gegen Sachs,
der sich neuerlich gegen dieselbe ausgesprochen hat, vertheidigen
zu müssen.
Im vorigen Jahre schrieb nämlich H. Sachs eine Dissertation
(Observationes de linguae structura penitiore. Dissert. inauguralis
anat. physiol. etc. Vratislaviae ISS6), in der er unter anderem
auch angibt, dass er über diese Gebilde genauere Untersuchungen
vorgenommen habe. Hiezu wählte er nebst Menschenzungen die
Zungen von Ochsen, die er in Essig kochte, trocknete und dann von
einem Ende der Balgdrüse bis zum anderen viele feine, unmittelbar
aut einander folgende Durchschnitte machte. Bei diesem Verfahren
uun, sagt er, habe er gesehen, dass die sogenannten Follikel, die
um die Grübchen der Balgdrüsen gelagert sind, keine geschlossenen
Kapseln seien, wie Kölliker sagt, sondern dass sie mit weitem
Lumen in diese Grübchen münden, dass also ihre Höhle mit der des
500
G a u s t e r.
Grübchens communicire, und will hiemit beweisen, dass die Gebilde,
welche Kölliker als Follikel beschrieb, nichts anderes seien, als
kleine blindsackförmige Ausbuchtungen dieser Grübchen. Entspre
chend dem anatomischen Befunde schreibt ihnen Sachs die Function
zu, dass sie als receptacula für den Schleim dienen sollen, der sich
aus den tieferliegenden Schleimdrüsen in die Grübchen ergiesst, und
in jenen für einige Zeit aufbewahrt werden soll.
Diese Behauptung veranlasste mich, die Balgdrüsen und Tonsil
len einer wiederholten genauen Untersuchung zu unterziehen. Ich
nahm diese in derselben Weise vor, wie es Sachs angibt, und zwar
an Zungen vom Menschen und vom Rinde, und an Tonsillen vom
Schweine, und kam zur Überzeugung, dass Sachs bei seinen Beob
achtungen einerseits (bei der Rindszunge) keine Follikel vor sich
gehabt habe, sondern dass er der irrigen Meinung war, Kölliker
habe diese Ausbuchtungen der Grübchen als Follikel beschrieben,
und dass er andererseits (beim Menschen) die Gebilde, welche wirk
lich Follikel im Sinne Kölliker’s sind, nicht als solche erkannt,
sondern für Ausbuchtungen der Grübchen gehalten habe.
Es ist also der Zweck dieser Abhandlung, zu zeigen, dass sich
die Follikel an der Zunge ifnd in den Tonsillen, abgesehen von den
oben angeführten Punkten, in der That nicht anders verhalten, als
es bereits Kölliker beschrieben hat.
Was die Balgdrüsen an der Rindszunge anbelangt, so findet
man in besagter Gegend in unregelmässigen Abständen von einander,
einzeln oder zu mehreren beisammen stehend, gewöhnlich halbkugel
förmige Grübchen in der Schleimhaut (Fig. 1, 2, 6), die von einer
gleich dicken Schichte Plattenepithel ausgekleidet sind, wie sie die
übrige Schleimhautoberfläche besitzt. An dieser letzteren ragen
allenthalben dickere und dünnere Papillen, erstere gewöhnlich noch
mit fadenförmigen Fortsätzen in das Epithel hinein. Dergleichen
Papillen finden sich auch in den obenerwähnten Grübchen, in deren
Grunde sie jedoch weniger zahlreich und mehr stumpf und rundlich
werden.
Von diesen Grübchen gehen bisweilen eine, zwei, oder auch
mehrere kleinere Ausbuchtungen, blind endende, ebenfalls mit Epithel
ausgekleidete, enge, schlauchförmige Fortsätze ab (Fig. 2, k'),
welche in verschiedenen Richtungen und auf verschiedene Entfer
nung hin, theils mehrfach winkelig gebogen, theils bogenförmig oder
Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel. 501
auch geradlinig verlaufend, in die darunter liegende Schleimhaut,
oder auch mitten zwischen die Follikel hineinragen.
Um den tiefsten Grund dieser Grübchen und ihre Ausbuchtungen
befinden sich theils bis dicht an das Epithel reichend, theils durch eine
mehr oder weniger dicke Schichte faserigen Bindegewebes von diesem
getrennt, rundliche oder polyedrisclie Nester einer dunkleren Masse
(Fig. 1, 2, c), in welcher wieder einzelne, kleinere, noch dunklere»
rundliche oder polyedrisclie Körper (Fig. 1,2, d) bemerkbar sind.
* Diese Nester sind an ihrer Peripherie scharf abgegrenzt und
ringsum von faserigem Bindegewebe umgeben. Sie besitzen keine
eigentliche Hülle, sondern sind eben nur in das sie umgebende Binde
gewebe locker eingebettet. Die zuerst erwähnte dunklere Masse
stimmt ganz mit der „zarten, faserigen Grundlage“, welche Kölliker
in den Balgdrüsen beschrieb, und die kleineren scharf abgegrenzten
Körper in dieser Grundlage ganz mit den „Follikeln“ Kölliker’s
überein, nur bieten diese hier ein dunkleres Ansehen dar, als ihre
Umgehung, während sich dies heim Menschen gerade umgekehrt
verhält. In diesen Körpern, so wie auch in der, diese umgebenden
( Grundlage sind deutliche capillare Gefässramificationen wahrzunehmen.
Führt man feine Schnitte der Reihe nach durch die ganze Masse der
eben beschriebenen Gebilde, so findet man, dass der Bau derselben
überall gleich ist, und dass weder Ausführungsgänge aus diesen
Gebilden, noch irgend wie anders beschaffene Öffnungen oder Lücken
sich vorfinden.
4 Diese ganzen Gebilde am Grunde der Kindszunge sind mithin
wahre Balgdrüsen im Sinne Kölliker’s, obwohl sie, wie aus dem
bisherigen und den beiliegenden Abbildungen ersichtlich, in Gestalt
und Anordnung der sie constituirenden Elemente nicht ganz gleich
sind mit jenen an der Menschenzunge.
Macht man in oben erwähnter Weise feine Durchschnitte durch
die Balgdrüsen des Kindes, so findet man fast bei jeder in den erste-
ren Schnitten in einiger Entfernung vom Grunde des Grübchens einen
oder mehrere rundliche, geschlossene, ringsum scharf abgegrenzte
Körper (Fig. 1, k), welche entweder frei im submukösen Bindege
webe liegen, oder wohl auch mitten in den oben beschriebenen Nestern
zwischen den Follikeln eingebettet erscheinen. Untersucht man die
nächstfolgenden Schnitte, so sieht man, dass diese Körper immer
grösser werden, dass sie sich gegen den Grund des Grübchens hin
502
G a u s t e r.
immer mehr und mehr verlängern, und dass die Zwischenwand zwi
schen ihnen und dem Grübchen endlich ganz verschwindet, und ihre
Höhle mit der des Grübchens zusammenfliesst (Fig. 2, £). Manchmal
beobachtet man, je nachdem man eben mit den Durchschnitten ange
fangen hat, den umgekehrten Gang; man sieht nämlich Ausbuchtungen
aus den Grübchen entstehen, die dann auf späteren Schnitten, wenn
sie eben in ihrem Verlaufe aus der Schnittebene herausgebeugt haben,
als geschlossene rundliche Körper erscheinen, in deren Inneren man
natürlich nur das Epithel wie in den Grübchen sieht. Da nun diese
Ausbuchtungen von den verschiedensten Punkten der Grübchen aus
gehen können, und in den verschiedensten Richtungen sich in die Tiefe
ziehen, und man daher an den verschiedensten Punkten auf Quer
schnitte von solchen Blindsäcken kommen kann; so wäre es wohl
denkbar, dass man diese scheinbar geschlossenen Körper bei ober
flächlicher Betrachtung für Kölliker’s „Follikel“ halten könnte, mit
denen sie jedoch im Baue keine entfernte Ähnlichkeit haben.
Wie aber Sachs der Meinung sein kann, dass Kölliker die
Querschnitte von solchen Ausbuchtungen als Follikel beschrieben habe,
kann ich mir nicht anders erklären, als dass Sachs die Follikel an
der Rindszunge niemals gesehen habe, zumal er auch gar nichts von
solchen Gebilden erwähnt, die mit diesen eine Ähnlichkeit hätten.
Analog dem Verhalten der Follikel in den Balgdrüsen der Rindszunge,
gab Sachs auch ein eigenthümliches Verhalten derselben in den Ton
sillen an, und zwar nahm er als Object die Tonsillen vom Schweine.
Er sagt nämlich, dass die Gebilde, welche Kölliker als Follikel
beschrieb, und die bekanntlich rings um die mit Epithel ausgekleideteu
Hoblgänge gelagert sind, welche senkrecht auf die Oberfläche der
Tonsillen, von da in die Tiefe ziehen, keine geschlossenen Körper
seien, sondern Höhlen, die tlieils unmittelbar, theils durch längere
weite Ausführungsgänge in die erwähnten Hohlgänge münden.
Weiter gibt er keine genauere Beschreibung, sondern sagt,
dass aus seiner beiliegenden Abbildung alles klar zu ersehen sei.
Es ist nicht der Zweck dieser Abhandlung, den ohnehin hinläng
lich gekannten Bau der in Rede stehenden Gebilde ausführlich zu
beschreiben; daher will ich nur bemerken, dass Sachs bei seiner
Untersuchung der Tonsillen nur Durchschnitte durch Schleimdrüsen
vor sich gehabt hat, welche ja in grosser Menge am Rande der Ton
sillen Vorkommen, wie dies seine Abbildung deutlich zeigt. Diese
a
Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel.
503
Zeichnung gibt nämlich genau das Bild von Schleimdrüsen mit ihren
Ausführungsgängen, womit natürlich die Anordnung der Follikel Kol
li leer’s in den Tonsillen gar keine Ähnlichkeit hat.
Die Follikel sind nämlich in nicht grosser Anzahl und mässigem
Abstande von einander um je einen jener oben erwähnten, blind
endenden Hohlgänge herumgelagert, und bilden, indem alle von die
sem ziemlich gleich weit entfernt sind, nur eine Lage um diesen,
gleichsam wie in der Fläche eines Cylinder-Mantels liegend. Ausser
diesen findet man nur wenige Follikel in der Umgehung zerstreut.
Sachs hingegen zeichnet eine grosse Anzahl solcher Gebilde,
von denen er meint, Kölliker habe sie als „Follikel“ beschrieben,
dicht neben einander, ja einander unmittelbar berührend, und zu klei
neren und grösseren, neben und hinter einander liegenden Träubchen
gruppirt, welche durch bindegewebige Scheidewände von einander
getrennt sind, und lässt die vermeintlichen Follikel, wie bereits
erwähnt, in Ausführungsgänge sich sammeln.
Bei genauer Untersuchung auf einander folgender Schnitte, welche
durch die Mitte der Tonsillen gehen, sieht man nirgends die bekannten
Follikel (Kölliker’s) sich ötfnen oder ausmünden, und diese besitzen
auch einen ganz anderen Bau, als die von Sachs beschriebenen Ge
bilde. Sie bestehen nämlich aus einer geschlossenen Kapsel, mit
einem feinkörnigen Inhalte, welcher gebildet wird von reichlichen
Zellen und Kernen, zwischen welchen nicht selten capillare Gefäss-
ramificationen wahrzunehmen sind.
Diese Gebilde stimmen also in ihrem Baue ebenfalls mit den
Pey er'sehen Drüsen im Darme, und den sogenannten Follikeln in
der Zunge überein.
Aus dem Gesagten geht also hervor, dass Sachs nicht etwa
Dinge beschrieben habe, die nicht existiren, dass er aber auch hier
nicht die Gebilde vor sich gehabt habe, die Kölliker als Follikel
beschrieben hat.
Eben so wie von den Tonsillen gab Sachs auch von den Balg
drüsen des Menschen nur eine Abbildung und eine kurze Erklärung
zu dieser, aber keine genauere Beschreibung.
Er zeichnet die Balgdrüsen des Menschen als kugelige, gleich
förmig dunkle Massen unter der Schleimhaut, in deren tiefsten Grund
Ausführungsgänge von Schleimdrüsen einmünden, und sagt, dass dies
ganz einfach Schleimdrüsenausführungsgänge seien, die vor ihrer
a
i
504
G a u s t e r.
Mündung zu einer einfachen Höhle oder mehreren seichten Aus
zackungen sich erweitern. Hier, wo sich wirklich Follikel, wie sie
Kölliker beschrieb, vorfinden, sah er unbegreiflicherWeise das
Ganze für eine homogene Masse an, und deutet diese ganz ohne Grund
als einfache Aushöhlungen.
Wahrscheinlich schritt er schon mit der Idee zur Untersuchung
der Menschenzungen, dass die sogenannten Follikel Kölliker's
nichts anderes seien, als solche oben besprochene Aussackungen,
zu welcher er durch seine Untersuchung an der Ochsenzunge
gebracht wurde.
Sachs war also, wie ich schliesslich nochmals erwähnen will,
hei der Abhandlung dieses Gegenstandes der irrigen Meinung, Köl
liker habe diese Aussackungen von den Höhlen der Balgdrüsen als
Follikel beschrieben. Die Ansicht also, welche er bekämpft, hat Köl
liker niemals gehegt, sondern sie ist ihm nur von Sachs selbst
durch ein Missverständniss untergelegt worden.
Zum Schlüsse will ich noch einige Eigentlnimliehkeiten der
Schleimdrüsenausführungsgänge in der Rindszunge erwähnen, wie sie
bei dieser, aber nicht bei der Menschenzunge Vorkommen.
Beim Menschen verlaufen die Ausführungsgänge theils gerad
linig, theils bogenförmig, oder auch mehrfach leicht gewunden, unter
einem rechten oder diesem doch nahekommenden Winkel gegen die
Oberfläche der Zunge hin, und münden dort theils an beliebigen
Punkten, theils, und zwar dort, wo sich Balgdriisen finden, in den
tiefsten Punkt der mehrfach erwähnten trichterförmigen Vertiefungen.
Beim Rinde hingegen münden die ziemlich kleinen Ausführungsgänge,
welche aus den einzelnen Schleimdrüsenläppchen hervorkommen, in
lange, weite Schläuche, deren Querdurchmesser das vier- bis zehn
fache von dem der Ausführungsgänge beträgt. Die Wand dieser
Schläuche wird von faserigem Bindegewebe gebildet, in welchem
weiter keine geformten Elemente wahrnehmbar sind. Ihr Inhalt ist
eine homogene, hyaline Masse, welche auf Durchschnitten in Gestalt
eines Pfropfes hervorquillt, und ganz das Verhalten des Schleimes
zeigt. Der Verlauf dieser Schläuche ist ein sehr mannigfacher: sie
nehmen ihren Ursprung gewöhnlich in ziemlich beträchtlicher Tiefe,
wo man sie durch plötzliche Erweiterung eines Ausführungsganges
entstehen sieht (Fig. 1, f, yf), und verlaufen dann vielfach gewunden
und geschlängelt in den verschiedensten Richtungen zunächst zwischen
Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel. 505
den tiefer liegenden Drüsenläppchen und kommen auf grossen Um
wegen nach und nach der Oberfläche näher.
Auf diesem Wege nehmen sie an verschiedenen Punkten Aus
führungsgänge von nahe liegenden Drüsenläppchen auf. Gegen die
Oberfläche hin verlaufen sie unter einem spitzen oder rechten Winkel,
in welch letzterem Falle sie ganz nahe unter der Schleimhaut wieder
unter einem rechten Winkel umbeugen und dann eine kürzere oder
längere Strecke parallel mit der Oberfläche verlaufen. In der Gegend,
wo die Balgdrüsen Vorkommen, sieht man sie nicht selten ganz nahe
der Oberfläche in einem Halbkreise oder einem noch grossem Kreis
bogen um die Grübchen der Balgdrüsen herumziehen.
Was nun die Ausmündung dieser Schläuche betrifft, so sieht
man sie, nachdem sie eine kürzere oder längere Strecke nahe unter
der Oberfläche verlaufen und bis dicht an das Epithel gelangt sind,
sich plötzlich wieder verengern und durch einen dünnen Ausführungs
gang (Fig. 1, f"), der kaum die Weite von dem eines kleineren
Drüsenläppchens besitzt und das Epithel durchbohrt, entweder frei
an der Oberfläche der Schleimhaut oder in die Grübchen der Balg
drüsen ausmünden.
In Bezug der letzteren Stelle muss ich aber bemerken, dass ich
nie welche in deren tiefsten Tlieil, sondern immer nur durch die seit
lichen Wandungen einmünden sah. Bei der Untersuchung der Zungen
bekommt man auf einem und demselben Objecte niemals einen grös
seren Längsschnitt dieser Schläuche zu sehen, sondern man kommt,
eben des vielfach geschlängelten und gewundenen Verlaufes wegen
an verschiedenen Punkten auf rundliche, ovale, langelliptische Durch
schnitte derselben, je nachdem sie der Schnitt eben mehr quer oder
schief traf (Fig. 1, 2, f'); bei genauer Betrachtung vieler auf einander
folgender Schnitte lässt sich jedoch der Verlauf dieser Schläuche
ganz gut verfolgen.
Die Bedeutung dieser Gebilde betreffend, lassen sie sich wohl
ganz einfach als Reservoire des Schleimes erklären, aus welchen die
ser durch die vielen zwischen sie hinein verflochtenen Bündel von
Zungenmuskeln während der Thätigkeit der Zungenmuseulatur, also
vorzüglich beim Fressen und Wiederkäuen, ausgepresst wird.
506 Gauster. Untersuchungen über die Balgdrüsen der Zungenwurzel.
Erklärung der Abbildungen und der Bezeichnungen iu denselben.
Fig. 1. Senkrechter Schnitt durch eine Balgdrüse vom Ochsen, etwas vor der
Mitte derselben entnommen.
Fig. 2. Senkrechter Schnitt durch die Mitte derselben Balgdrüse.
Fig. 3. Senkrechter Schnitt durch die Mitte einer Balgdrüse vom Menschen.
a Epithelium der Zunge.
b Höhle der Balgdrüse.
c Bindegewebiges Stroma, in welchem die Follikel liegen,
c' Cytoblastennester, entsprechend den contluirenden Peyer’schen
Drüsen.
d Follikel (Kölliker’s).
e Schleimdrüsen.
Ausführungsgänge der Schleimdrüsen.
f' Quer- und schiefe Schnitte durch die weiten Schläuche, in welche
die Ausführungsgänge der Schleimdrüsenläppchen einmünden.
f" Mündung dieser Schläuche.
g Muskelbündel.
h Querschnitte von Muskelbündeln.
i Durchschnitte von Gefässen.
k Schnitt durch den tiefsten Theil einer in schiefer Richtung in die
Tiefe ziehenden Ausbuchtung der Balgdrüsenhöhle.
k' Dieselbe Ausbuchtung der ganzen Länge nach durchschnitten.
Ettingshausen u. Debey. Die urweltlichen Thallophyten etc. 507
Die urweltlichen Thallophyten des Kreidegebirges von Aachen
und Maestricht.
Von dem c. M. Dr. Constantin Ritter v. Ettingshausen
und
Dr. Matthias Hubert Debcy,
praktischem Arzte in Aachen.
(Auszug aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung. Vorgetragen vom Erst
genannten in der Sitzung vom 16. Juli 1857.)
Schon seit Langem ist es bekannt, dass die zur mittleren und
oberen Kreide gehörigen Gesteine in den Umgebungen von Aachen,
namentlich der sogenannte Aachener Sand, Pflanzenfossilien führen,
ohne dass bisher denselben eine genaue, umfassende Untersuchung
gewidmet worden wäre.
Die erste Erwähnung von Pflanzenresten der Aachener Kreide
verdanken wir dem Herausgeber der „Juliae etMontium subterranea“,
dem Franciscus Beuth, der auf seinen Reisen in den Jahren 1770
bis 1776 eine ansehnliche Sammlung von Mineralien und Petrefacten
zusammengebracht und auch bei Aachen gesammelt hat. Seine Aus
beute an Kreidepflanzen war indess sehr dürftig, während er aus den
Kohlenfeldern an der Worm und bei Esehweiler vierzig Nummern
aufzählt und mehrere derselben kenntlich abbildet. Seine Kreide
pflanzen beschränken sieh auf die ziemlich häufigen fossilen Hölzer,
die er unter der damals gebräuchlichen Benennung „Lithoxyla et
Carpolithi“ aufführt.
Fast ein halbes Jahrhundert später erschien von Schlot-
heim’s Petrefactenkunde. In dieser Schrift erwähnt Schlotheim
unter der Abtheilung „Pflanzenreich, Dendrolilhen“ (S. 384)
mehrere fossile Hölzer von Aachen. Bei weitem wichtiger sind da
gegen die fossilen Früchte, die er in seinen „Nachträgen zur Petre
factenkunde“ unter den Namen Carpolithes hemlocinus, C. hispidus,
C. pruniformis, C. abietinus, so wie die Früchte, die er unter den
Benennungen C. avellanaeformis und C. juglandiformis anführt. Die
meisten derselben sind Zapfenfrüchte, welche jener merkwürdigen
508
Ettingshausen und Debey.
Coniferen-Gattung angehören, die von Dr. Debey unter der Benen
nung Cycadopsis aufgestellt wurde, die der jetzt lebenden Sequoia
sehr nabe stellt und eine der bezeichnendsten Pflanzenformen der
Aachener Kreide sowohl wie noch mehrerer anderer Kreideablage
rungen zu sein scheint. (Ich muss hier bemerken, dass dieses fossile
Pflanzengeschlecht auch in den Localfloren des sächsischen und böhmi
schen Quadersandsteins vertreten ist, denn Geinitzia creiacea En dl.,
Sedites Rabenliorstii Gein. und Cryptomeriaprimceva Corda fallen
demselben zu.) Merkwürdigerweise sind aber die von Schlotheim
gegebenen Abbildungen, unter denen namentlich Taf. 21, Fig. 13 sehr
kenntlich ist, in der jüngeren Literatur vollständig übersehen worden,
und es ist uns nicht ein einziger Schriftsteller bekannt, der darauf
verwiesen hätte. Die übrigen von Schlotheim abgebildeten Früchte
gehören zwei Dikotyledonenarten an und sind als solche ebenfalls
höchst werthvolle Bereicherungen der Aachener Kreideflora gewesen,
um so mehr, als dieselben gegenwärtig zu den grössten Seltenheiten
gehören.
Nach ferneren zwanzig Jahren (im J. 1841) erschien Göppert’s
Abhandlung: „Fossile Pflanzenreste des Eisensandes von Aachen“.
Göppert behandelt darin einen Theii der im Bonner Museum gegen
wärtig aufbewahrten Pflanzenreste aus dem Aachener Saude und einige
Holzstücke aus der Schlotheim’schen Sammlung in Berlin. Von
diesen letzteren gehört jedoch nur ein einziges Exemplar mit voller
Sicherheit dem Aachener Sand an, wie wir nach eigener Ansicht der
Stücke, die uns durch die Güte des Herrn Prof. Dr. Beyricli auf
einige Zeit zur Untersuchung geliehen wurden, behaupten zu dürfen
glauben.
Die meisten Verdienste um die Erforschung der Aachener Kreide
flora hat sich aber Dr. Debey erworben, welcher seit einer Reihe
von Jahren die Fossilien derselben auf das Sorgfältigste sammelte und
untersuchte. Von ihm erschienen vier Abhandlungen Q, welche als
A ) Dr. M. H. Debey: Übersicht der urweltlichen Pflanzenrestc des Kreidegebirges
überhaupt und der Aachener Kreideschichten im Resondern. Verhandlungen des natur
historischen Vereins der preussischen Rheinlande. Bonn 1848, S. 113—123.
Derselbe: Über eine neue Gattung urweltlicher Coniferen aus dem Eisensande
der Aachener Kreide. Ebend. S. 126—142.
Derselbe: Entwurf zu einer geognostisch-geogenetischen Darstellung der
Gegend von Aachen. Mit 1 Steindrucktafel mit geognost. Durchschnitten. Aachen
Die urweltlichen Thallophyten des Kreidegebirges von Aachen etc.
509
wichtige Vorarbeiten zur näheren Kenntniss der erwähnten Kreide
formation und deren Petrefacten angesehen werden müssen. Auf
Wunsch des Herrn Dr. Debey habe ich mich der gleich angeneh
men als interessanten Aufgabe unterzogen, die Kreideflora von Aachen
mit ihm gemeinschaftlich durchzuarbeiten.
Eine sehr reichhaltige Sammlung von Fossilien aus fünfundzwan
zig Fundstätten der Kreideformation in den Umgebungen Aachens,
Eigentlnim des Herrn Dr. Debey, welche Sammlung ich bei Gelegen
heit einer Reise durch Deutschland zu studiren das Vergnügen hatte,
liefern uns das Material zu den Bearbeitungen.
Vorliegende Abhandlung enthält die Bearbeitung der Thallophy
ten der Aachener Flora. Es sei mir nun erlaubt, einige Resultate
dieser Arbeit in Kürze auseinanderzusetzen.
Die Zusammenstellungen der bis jetzt bekannt gewordenen fos
silen Pflanzen lieferten das eigenthümliche Ergebniss, dass die Algen,
die niedersten Formen der Pflanzenwelt, in weit geringerer Zahl bis
zur Jetztwelt erhalten worden sind, als es aus dem bedeutenden Vor
herrschen der Meere gegen das Festland in der Vorwelt erwartet
werden könnte; und unter allen Formationen sind es bis jetzt nur
der Jura und die Kreide, die sich durch vorherrschenden Algenreich
thum noch einigermassen auszeichnen. Dazu kommt noch, dass eine
nicht unbedeutende Zahl als Algen beschriebener Pflanzen durch die
neuesten Untersuchungen sich als sehr zweifelhaft oder gar nicht zu
ihnen gehörig erwiesen hat. Die Gattungen Confervites, Caalerpites,
Chondrites, Cylinclrites, Keckia, Encoelites, Münsteria u. a. enthal
ten tlieils sehr unsichere Formen, von denen es nicht einmal sicher
ist, ob sie überhaupt Reste organischer Bildungen sind; tlieils hat
man Pflanzenformen unter ihnen als Algen bezeichnet, die zu völlig
verschiedenen höheren Abtheilungen des Pflanzenreiches gehören.
So musste eine ganze Reihe von aufgestellten Caulerpites-Arten zu
den Coniferen gezogen werden.
Mag als Grund des seltenen Vorkommens fossiler Algen die
rasche Zersetzbarkeit sowohl, wie die wegen des zarten Gewebes
1849. (Vervollständigter Abdruck aus dem amtlichen Berichte der 25. Versammlung
der deutschen Naturforscher und Ärzte zu Aachen.) S. 269—327, Taf. IV.
Derselbe: Beitrag zur fossilen Flora der holländischen Kreide. Verhandlungen
des naturhistorischen Vereins der preussischen Rheinlande und Westphalens. VHI.
Bonn 1836, S. 568.
Sitzb. d. mathein.-naturw. CI. XXV. Bd. II. Hell.
33
510
Ettingshausen und D e b e y.
schwierige Nachweisbarkeit vieler Algen mit Hecht angeführt werden,
was Bischof in seiner chemischen und physicalischen Geologie 1 )
hervorhebt; so zeigen doch manche Algen, wenigstens in der Jetzt
welt, wie die Lessonien, die Fucus-Arten, die Laminarien u. a. eine
sehr feste, fast holzige Beschaffenheit. Andererseits finden sich zarte
halyseriten- und chondriten-artige Algen schon in den Schiefern
der Grauwacke, und verschiedene Vertreter der Delesserien, Lami
narien und Caulerpen von der feinsten membranösen Structur in ver
schiedenen älteren und jüngeren Ablagerungen sehr kennbar erhalten.
Ja es dürften vielmehr eben jene zarten Algenformen der vorwelt
lichen Floren zu beweisen geeignet sein, dass die Zahl der Algen
arten in der Urwelt eine verhältnissmässig geringe gewesen und dass
insbesondere die riesenhaften Formen der Jetztwelt, wie wir deren
in Lessonia fucescens, Macrocystis pyrifera u. a. von Armdicke und
700—800' Länge kennen, der Vorzeit gefehlt haben. Ich erlaube
mir noch hier die Angabe, dass als die grösste der bis jetzt bekann
ten fossilen Algen der Cylindrites spouyioides Göpp. gilt, ein übri
gens sehr zweifelhaftes und vielleicht zu den Spongien gehörendes
Fossil. Die nächst grössten sind die ebenfalls zweifelhaften Kcckia-
Arten, von Otto aufgestellt; während, wie schon oben angegeben,
die grosse Mehrzahl der fossilen Algen aus sehr zarten und kleinen
Formen besteht.
Der durch unsere Arbeit für die fossile Flora gewonnene Zu
wachs ist nicht geeignet, ein günstigeres Verhältnis für den Algen
reichthum der Vorwelt zu erzielen.
Herr Prof. Unger hat in seinem Sammelwerke „Genera et
species plantarum fossilium“ die Zahl der Kreidealgen auf 40 Arten
bei einer Gesammtzahl von 132 Kreidepllanzen angegeben. Der
Procentgehalt der Kreideflora an Algen beträgt daher nach dieser
Angabe 31 8. Diese Zahl musste aber bald um ein Bedeutendes sin
ken. In Unger’s später erschienenem „Versuch einer Geschichte
der Pflanzenwelt“ linden wir den Procentgehalt der Algen für die
Kreideperiode bereits auf 23-4 herabgesetzt. Nach unseren Unter
suchungen der Aachener Kreideflora, welche Flora, vorläufig bemerkt,
eine ansehnliche Menge höchst eigenthümlicher Gewächsformen, dar
bietet, und im Ganzen vielleicht mehr Arten als alle bisher bekannten
0 Bel. II, Abtli. 6, Bonn 1833, S. 1821.
Die nnvelllichen Tliallupliyten des Kreidegebirges von Aachen etc. 5 | |
Kreidefloren zusammengenömmen umfasst, sinkt der Procentgehalt
an Algen für die Kreideflora im Allgemeinen auf 9 herab. Für die
Aachen-Manstrichter Flora allein aber erreicht derselbe nur 6-3.
Aus der Classe der Flechten ist nur ein einziges dem Geschleclite
Opegrapha entsprechendes Fossil, freilich bis jetzt auch die einzige
Flechte der Kreideflora, bei Aachen aufgefunden worden. Die Samm
lung des Herrn Dr. J. Müller in Aachen enthält ein verkieseltes
Holz aus dem Aachener Sande, welches noch mit vollkommen gut
erhaltener Rinde versehen ist. Diese Rinde zeigt deutliche Reste
einer Flechtenart, welche sich nach genauerer Untersuchung als
zu dem angegebenen Geschleclite gehörig zu erkennen gah.
Was endlich die Classe der Pilze betrifft, so gelang es einige
unzweifelhaft hierher gehörige Formen für die Kreideflora, aus
welcher bis jetzt kein einziger Pilz bekannt ist, aufzufinden. Seit
Göppert die schöne Entdeckung eines Blattpilzes des Exstipulites
Neesii auf dem Laub des Hymenophyllites Zobelii aus der Stein
kohlenformation gemacht, kann es nicht mehr auflällen, ähnliche Bil
dungen in jüngeren Formationen anzutreflen. Der Lias hat 5 Arten
von Xylomites geliefert, und wenigstens 40 Arten, in mehrere
Geschlechter vertheilt, sind in verschiedenen Localgebilden der
Tertiärformation, unter andern auch im Bernstein beobachtet
worden.
Es sind grösstentheils Blattpilze, einige wurden auf Inseeten,
andere im fossilen Holze gefunden.
Wir fanden auf den Blattabdrücken eines zu der Familie der
Proteaceen gehörigen Pflanze, die Dryophyllum bezeichnet wurde,
die deutlichen Überreste zweier Pilzarten, von denen eine dem
jetzigen Geschleclite Aecidium, die andere Art dem Geschleclite
Ilimantia verwandt ist. Eine dritte Pilzart, eine sphseria - ähnliche
Form, fanden wir auf einem Blattreste einer monokotyledonen Pflanze,
eine vierte dem Geschleclite Hysterium verwandte Art auf einem
Dikotyledonen-Blatt.
Schliesslich habe ich noch die Bemerkung beizufügen, dass wir
beabsichtigen, auch alle übrigen Abtheilungen der Kreideflora von
Aachen zu bearbeiten, um so mehr, als keine der Floren vorwelt
licher Formationen derart unvollständig bekannt ist, wie die Flora
der Kreidezeit, und unsere bereits vorliegenden Untersuchungen in
dieser Beziehung wichtige Ergebnisse lieferten. Es sei mir gestattet,
33*
512
Ettingshausen und Debey. Die urweltlichen Thallophyten etc.
das Allgemeine derselben liier rnitzutheilen, in nachfolgende Punkte
zusammengefasst.
Erstens wurden neue und höchst eigentümliche Pflanzen
formen aufgefunden, welche, man kann sagen, fehlende Glieder des
Systems ergänzen.
Zweitens ist für die Kreideflora die Möglichkeit zu einer
genaueren Vergleichung mit der Flora der Jetztwelt dadurch gewon
nen worden, dass mehrere jetztweltliche Familien und Geschlechter
bis in die Kreide hinab verfolgt werden konnten.
Drittens zeigte sich, dass die Kreidezeit, welche bisher als
zu den an Pflanzen ärmsten Zeitabschnitten gehörig betrachtet wurde,
an Artenzahl nur gegen die Steinkohlen-, die Eocen- und die Miocen-
periode zurücksteht.
Viertens hat sich eine engere Verknüpfung der Kreideflora
mit der Flora der darauf folgenden Eocen-Periode herausgestellt,
indem ein Vegetatiunsgebiet der Jetztwelt, welches in der Eocenzeit
vorherrschend vertreten war, nämlich das neuholländische, durch
die Entdeckung mehrerer charakteristischer australischer Pflanzen
formen in den Schichten von Aachen, nun auch für die Flora der
Kreidezeit nachgewiesen werden konnte.
Reichardfc. Über die Gefiissbiindel-Vertheilung' etc.
513
Über die Gefiissbiindel-Vertheilung im Stamme und Stipes
der Farne.
Von II. W. Reickardt.
(Auszug 1 aus einer für die Denkschriften bestimmten Abhandlung.)
Schon Gaudichaud machte darauf aufmerksam, dass die
Gefässbündel im Stipes der Farne verschiedene Stellungen zeigen,
und dass diese Differenzen einen wichtigen Behelf zur richtigen
Erkenntniss der einzelnen Arten abgeben. Später veröffentlichte
Presl eine leider unvollendet gebliebene Abhandlung über diesen
Gegenstand. Seitdem ist über denselben nichts Näheres erschienen,
einige in Zeitschriften zerstreute Notizen ausgenommen.
Alle diese Arbeiten nehmen hlos auf den Stipes Rücksicht, und
übergehen die Gefässbündel-Vertheilung im Stamme ganz, obwohl
dieselbe beinahe noch wichtiger ist, als jene im Stipes.
In dieser Arbeit wurde zum ersten Male auch auf die Gefäss-
bündel-Vertheilung sowohl im Stamme, als auch im Stipes Rück
sicht genommen und darnach gestrebt, von derselben so weit es nach
dem vorliegenden Materiale möglich war, eine genaue Schilderung
zu geben, das für jede Art Charakteristische hervorzuheben und so
ein klares Bild von dem Gefässbündel-Systeme einer jeden Art zu
entwerfen. So weit es möglich war, wurde auch versucht, grössere
Abtheilungen, wie die Cyatheaceen anatomisch zu charakterisiren.
Diese Familien-Merkmale dürften insbesondere für die Paläontologie
wichtig sein, denn durch solche blosvom Stamme und Stipes hergenom
mene Charaktere werden sich gewiss viele, jetzt noch uneinreihbare
fossile Farne sicher erkennen lassen.
Die Veranlassung zur nachstehenden Arbeit gab eine Sammlung
von Farnen aus Venezuela von Karl Moritz in der Provinz Caracas
nahe bei Tovar gesammelt, welche das Museum des k. k. Universitäts
bot. Gartens erhielt. Die in derselben befindlichen Arten sind, da nur
von einer einzigen Art eine Abbildung des Querschnittes vom Stipes
in Presl's Abhandlung vorliegt, beinahe ganz unbekannt in Bezug auf
514
Reichardt. Über die Gefsissbündel-Vertheilung etc.
ihr Gofässbiindel-System. Von siimmtlichen Arten liegen auch fructi-
ficirende Wedel vor, die mit Numern der Moritz'schen Sammlungen
versehen sind, so dass sich die richtigen Benennungen sicher ermit
teln lassen.
Für den Stamm der Farne musste eine ganz neue Bezeichnungs
weise eingeführt werden, da er noch nie zu Beschreihungen henützt
wurde; er bietet manche Schwierigkeiten in Bezug auf seine Gefäss-
hündel-Vertheilung dar, um ihn zur Unterscheidung der einzelnen
Arten benützen zu können. Die bedeutendste liegt im Längsverlaufe
der Gefässbündel. Weil dieselben nämlich nicht parallel, sondern
vielfach unter einander anastomosirend verlaufen, trifft man auf jedem
Querschnitte einen oder mehre Gefässbündel, die aus der Anastomose
von zwei benachbarten hervorgingen. Da diese durch Paarung ent
standenen Gefässbündel an Querschnitten durch verschiedene Höhen
des Stammes an verschiedenen Orten und in wandelbarer Zahl sich
vorfinden, so gaben die mit einander verglichenen Stammschnitte
scheinbar sehr differirende Resultate. Diese Schwierigkeit wurde so
zu überwinden gesucht. Bei näherer Betrachtung zeigte sich nämlich,
dass jene Gefässbündel, welche aus der Paarung von zwei benachbar
ten entstanden, sich von den einfachen unterscheiden Hessen. Sie
wurden gepaarte genannt. Sie zu erkennen ist insbesondere bei
Baumfarnen leiebt möglich, wo die einzelnen Gefässbündel eine
halbmondförmige Gestalt haben; denn dann sind die gepaarten
doppelt halbmondförmig gekrümmt, und meist noch ein Mal so lang
als die einfachen. Etwas schwieriger ist die Unterscheidung bei
krautigen Farnen, deren Gefässbündel rundlich oder elliptisch sind.
Bei diesen erkennt man die gepaarten Gefässbündel an ihrer
doppelten Länge und einer schwachen Einschnürung in der Mitte.
Um die ursprüngliche Gefässbündelzahl im Stamme eines Farnes
zu ermitteln, wird zuerst die Zahl der einfachen Gefässbündel ange
geben, dann jene der gepaarten und die Zahl dieser letzteren
verdoppelt zu jener der einfachen hinzugezählt. Auf diese Weise
erhält man ein von dem Vorhandensein einfacher und gepaarter
Gefässbündel unabhängiges Resultat, das sich stets gleich bleibt und
mit ihm eine feste Basis für Beschreibungen.
Bezüglich des Stipes wurde genau dicPresl'sche Bezeichnung
beibehalten. Nur einige auffallende Formen von Gefässbündeln wurden
mit neuen Namen helegt und für jene Seite des Stipes, die Presl
G r ai lic h u. Mandl. Note über den Zusammenhang i. d. Änderung etc. {) 1 5
Vorderseite nennt, die Benennung Oberseite, für die Hinterseite die
Bezeichnung Unterseite eingeführt, weil diese letzteren Bezeichnun
gen genau das Verhältniss ausdrüeken, in welchem die Oberseite
zur oberen, die Unterseite zur unteren Blattfläche des Wedels
stehen.
Note über den Zusammenhang zwischen der Änderung der
Dichten und der Brechungs- Exponenten in Gemengen von
Flüssigkeiten.
Von Jos. Grailich und A. Han dl.
Die Wärmeentwickelung, welche bei der Mischung von Wasser
und Alkohol, Wasser und Schwefelsäure u. s. w. eintritt, ist seit lan
gem ein Gegenstand der Aufmerksamkeit von Physikern und Chemikern
gewesen, und von Schmidt, Thillaye, Budberg u.a. einer
genauen Messung unterzogen worden. Als Äquivalent der frei gewor
denen Wärme wurde die Contraction der Flüssigkeit beobachtet und
die mechanische Theorie der Wärme verspricht hier, wie in so vielen
anderen Fällen , wo messbare Wärmeactionen messbare Aggregat
änderungen begleiten, Einsicht in die bisher völlig verhüllten
Gründe der Erscheinung.
Zahlreiche Beobachtungen, welche im vorigen Sommer von einem
von uns über die Änderung der Brechungsverhältnisse mit der Ände
rung der Concentration von Lösungen angestellt wurden, schienen
darauf hinzudeuten, dass zwischen der Grösse der Contraction und
dem Betrage, um welchen sich die Fortpflanzungsgeschwindigkeit
des Lichtes ändert, in vielen Fällen einfache und leicht übersehbare
Relationen walten. Vorläufige Versuche mit Alkohol von 88% Gehalt
widersprachen dieser Ansicht nicht, und eine Beobaehtungsreihc, an
verschiedenen Salzlösungen angestellt, gab denselben weitere Bestä
tigung. Wir erlauben uns hier eine vorläufige Mittheilung über diese
Arbeit niederzulegen, welche im nächsten Winter in grösserem Um
fang ausgeführt werden soll.
Bezeichnet man durch v t , v 2 die Volumina zweier Flüssigkeiten
von den Dichten d t , d s , so ist die Dichte der Mischung derselben
516
Graiiich und II a nd 1.
B __ ?, 1 <h + v z <k
v \ + v ä + ä y l
wo d eine von dem Volumverhältnisse der gemischten Flüssigkeiten
abhängige Grösse ist. In der That, betrachtet man das neue Velum,
welches durch die Mischung erhalten wird, in der Form einer Reihe
mit unbestimmten Coefficienten
V = Vt + v z -(- avi + bv 2 -f cvi v 2 + ev 2 ~ -)- fv t 2 ■
so sieht man leicht ein, dass alle Coefficienten, welche einfach mit
Vt, v z , vi 2 , v 2 3 , v 3 ! .. . multiplieirt sind, der Nulle gleich sein müssen;
es reducirt sich somit der Ausdruck für das neue Volum auf
V = »i -f- v 2 + cvi v 2 + fv t ~ v 2 -f- gvt v 2 2 ■ • •
d. i. V — v x + v 2 -\- Av+ 7«i a ■ • •)
oder wenn man A (a» 4 -j- ßv 2 -f- 7?^ 2 -}-...) = 5 setzt, auf den
Nenner des obigen Ausdruckes.
Bezeichnen nun ebenso c,, c 2 die Geschwindigkeiten, mit denen
das Licht sich durch die erste und zweite Flüssigkeit fortpflanzt, 4> 4
die Zeiten, in welcher es die Flüssigkeit vom Volum v t und v 2 (hei
gleichen Querschnitten dieser Volumina) durchschreitet, und C, T,
Fdie entsprechenden Grössen für die Mischung, so wird
C = — = Vi + Vz + ÖVl v? -
'T t\ + 4 + t 2
(wo Tin derselben Weise wie oben in einer Reihe nach den Grössen
4 und 4 entwickelt worden und v ein dem o analoger Coefficient ist).
Dividirt man beiderseits durch c (die Geschwindigkeit des Lich
tes in der Luft) und führt für 4 und 4 die Grössen —, — ein, so
Ci e 2
wird, wenn n i} n : >, iVdie Brechungsexponenten der ersten und zwei
ten Flüssigkeit und des Flüssigkeitsgemenges bezeichnen,
^ «i Vi + n 2 v 2 + On, n 2 o, v 2
+ v 2 Sv t v 2
Durch die Beobachtung von D und N lässt sich nun aus den
beiden gegebenen Gleichungen sowohl d als auch — = 0 bestimmen.
c
Zeigt d die Contraction (oder Dilatation) der Flüssigkeit an, so
wird durch G die Retardation (oder Acceleration) des Lichtes im Flüs
sigkeitsgemenge bestimmt. Wir ersparen uns die Vergleichung der von
Note über ilen Zusammenhang zwischen der Änderung der Dichten elc. 517
uns ausgewählten Form derConstanten d mit der von Ru db erg ange
nommenen für die spätere ausführlichere Mittheilung unserer Beob
achtungsreihen und begnügen uns hier an dem Beispiele des Alkohols
und einer Salzlösung die einfache Beziehung anzudeuten, welche
zwischen den Contractions- undRetardations-Coefficienten zu bestehen
scheint.
Ste. Clai reDeville hat vor einer Reihe von Jahren eine Un
tersuchung über die Änderungen in den Dichten und den Brechungs
verhältnissen des Äthylalkohols und des Holzgeistes veröffentlicht.
Wir geben zunächst die Berechnung der aus diesen Beobachtungen
abstrahirten Werthe von d und ö.
1. Alkohol mit Wasser. Bei 16° C. Alkohol, v 2 Wasser.
v z D N
10 0 0-796 1-3633
9 1 0-829 1-3653
8 2 0-859 1-3662
7 3 0-880 1-3651
6 4 0-902 1-3633
5 5 0-9275 1-3629
4 6 1-3592
3 7 0-960 1-3544
2 8 0-972 1-3471
1 9 0-984 1-3407
0 10 1-000 1-3339
Die dritte Decimalstelle von D und die vierte von N ist auf
eine Einheit nicht mehr sicher; man kann somit innerhalb der Gren
zen, welche die Genauigkeit der Beobachtung zulässt
6
s
—0-018
—0-014
—0-012
—0-011
—0-012
-0-010
-0-008
-0-005
—0-0090
—0-0072
—0-0061
—0-0055
—0-0060
-0-0045
-0-0041
-0-0020
-f»
setzen.
2. Holzgeist mit Wasser. Bei 9° C. v, Holzgeist, v 2 Wasser.
10
9
8
7
6
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
n
0-807
0-8371
0-8619
0-8873
0-9072
0-9232
0-9429
0-9576
0-9709
0-9751
1-0000
N
■3358
•3405
•3429
•3452
•3462
3462
■3452
■3428
3394
3380
3339
6
—0-014
—0-012
—0-012
—0011
—0-0086
—0-009
-0-008
—0-006
+ 0-006
—0-0078
-0-0063
—0-0064
—0-0054
—0-0040
—0-0058
—0-0040
—0-0040
—0 0026
518
Grail ich und Hand 1.
Berücksichtigt man, dass auch hier die letzte Stelle von D und
Nunsicher, folglich auch die von o und 0 ungenau ist, so hat man
wieder
Deville gibt die Stelle des Spectrum nicht an, auf welche sich
seine Messungen beziehen; nach dem Brechungsexponenten 1 "3339
zu schliessen muss sie an der Grenze von Blau und Grün, etwa hei b
oder E, liegen. Er macht aber selbst auf die Unsicherheit der Ein
heiten der letzten Stellen seiner Zahlen aufmerksam.
Die Abweichung am Ende der letzten Columne deutet darauf
hin, dass das Verhältniss ~ ein anderes wird, wenn die Mischung
in solchen Verhältnissen stattfindet, dass dabei bestimmte chemische
Verbindungen eintreten.
Dass übrigens, wie man wohl vermuthen dürfte, die Farbe
innerhalb der Grenzen einer Beobachtung, welche noch in der vier
ten Decimalstelle der Dichten und Brechungsexponenten sicher ist,
keinen Einfluss auf das Verhältniss von ciund 0 übt, ergibt sich unter
anderen auf einer Beobachtungsreihe, welche wir mit Salmiaklösung
angestellt. Die Untersuchung wurde im Keller des k. physicalischen
Institutes ausgeführt, bei einer Temperatur von 9°—10 9 5 R., da
wir fanden, dass Beobachtungen in den regelmässigen Arbeitssälen
des Institutes theils wegen des Einflusses der im Verlaufe der Arbeit
sich ändernden Temperatur (wir haben im Verlaufe weniger Wochen
Temperaturunterschiede von 16° R. erfahren), theils wegen der Er
schütterung des Gebäudes durch vorüberfahrende Wägen zu keinem
befriedigenden und zuverlässigen Resultate führen konnte. Die Me
thode, scharfe Linien im Spectrum auch im Keller zu erhalten, ist von
einem von uns bei einer früheren Gelegenheit beschrieben worden 1 ).
3. Concentrirte Salmiaklösung und Wasser in gleichen Volu-
minibus.
v t = i, u 2 = l. <4 = 1 0005, <4 = 1-0706, 0 =—0 0057
4 ) S. die Einleitung meiner „Krystallographisch optischen Bestimmungen.“ Die Linien
95, 0t, !D. ft gehören (lern Ahsorptionssystem des salpetrigsauren fiases, hei Anwcn-
düng 1 der OMamme, an.
Note über den Zusammenhang zwischen der Änderung der Dichten etc. 519
Wasser Conc. Lösung Mischung 0
iVffl = 1-3327 1-3799 1-3566 —0-0040
Na =» 1-3335 1-3815 1-3578 -0 0040
Ns> = 1-3342 1-3824 1-3586 —0-0039
N% = 1-3360 1-3842 1-3602 -0-0041
‘2*10
also im Mittel 0 = 0-0040 = — 8, d. i. nahezu
O
4. Concentrirte Salmiaklösung und Wasser ; 3 / 4 Concentration.
v, =3 v t = 1 o=—0-0030
Wasser Conc. Lösung Mischung 0
Nß = 1-3327 1-3799 1-3662 —00026
iV® = 1-3335 1-3815 1-3671 -0-0027
iV$ = 1-3324 1-3824 1-3680 —0-0024
iVg = 1-3360 1-3842 1-3703 —0-0028
O . jfi
also im Mittel 0 = 0-0026 = 8, d. i. nahezu
520
Krabbe.
SITZUNG VOM 23. JULI 1857.
Über ein Tricliosom in der Leber von Triton cristatus.
Von Dr. H. Krabbe.
(Vorgclegt von dem c. M. Prof. Dr. C. Wedl.)
Als ich in den Monaten Mai und Juni dieses Jahres im Labora
torium des Herrn Prof. Wedl histologische Studien machte, wurde
ich darauf aufmerksam gemacht, dass frei in den Muskeln des Triton
cristatus geschlechtlich nicht entwickelte Nematoden gefunden
waren, und es gelang mir zweimal, solche in den Muskeln der Bauch
wand aufzufinden. Das Würmchen machte schlängelnde, nicht sehr
lebhafte Bewegungen, war gleichmässig cylindrisch und hatte kaum
*/ 4 der Dicke einer Muskelfaser; es war keine Anlage eines innern
Organs erkennbar, mit Ausnahme des Darms; die beiden Enden des
Körpers waren abgerundet, das eine war zugeschmälert. Trotz
häufigen Nachsuchens fand ich nur diese wenige Individuen, wurde
aber dabei aufmerksam auf das Vorkommen von gelblichen Flecken
und Knötchen ander Oberfläche der Leber, welche, wie es sich zeigte,
tlieils von Trichosomen, theils von eingekapselten Anhäufungen von
Trichosomen-Eiern herrührten. Die ersteren waren in der Leber
substanz frei eingebettet, Hessen sich jedoch wegen ihrer Zartheit
nicht unverletzt aus derselben herauspräpariren, so dass das ver-
schmächtigte Kopfende nie zu Gesicht kam, während das dickere hin
tere Ende nicht selten frei wurde; die grösste Länge des Wurms,
die mir zu isoliren gelang, betrug 13 Millim.Mitunter wurden Bewe
gungen, besonders des Ilinterendes beobachtet. Es fanden sich immer
nur Weibchen, und sie enthielten Eier in solcher Menge, dass sie
oft einem Eierschlauche mehr ähnlich sahen; doch wurde beim
Über ein Trichosom in der Leber von Triton cristatus.
521
Zerquetschen des Wurms auch der Darm sichtbar. Am schräg abge-
stutzten Hinterende befand sich die Afteröffnung zwischen zwei abge
rundeten Lippen, von denen die untere dieselbe überragte; die obere
schien durch eine Mittelfurche wiederum in zwei getheilt zu sein.
Die Kapseln mit Eiern Hessen sich leicht isoliren, waren gegen
1 Millim. im Durchmesser, rundlich oder nierenförmig, und batten eine
dünne, durchscheinende, weiche Hülle; beim Auflegen eines Deck
gläschens Hessen sich unter dem Mikroskope die Eier leicht unter
scheiden. In einigen Kapseln waren die Körperwandungen des
abgestorbenen Wurms noch zu erkennen, während in anderen dieser
zerfallen war, und die Eier frei in der Kapsel zu liegen schienen.
Während in den noch nicht eingekapselten Trichosomen in der Leber
die Eier um einen grossen Theil noch unreif waren, fanden sich in den
Kapseln fast nur reife Eier; mittelst Druck Hess sich der Embryo
durch das eine Ende des Eies heraustreiben; er war dreimal so lang wie
dieses und zeigte schwache Bewegungen, wenn er frei gemacht war.
Unter 23 Tritonen, die ich untersuchte, fanden sich nur zwei,
deren Leber keine Spur von Trichosomen zeigten; gewöhnlich waren
sie in grosser Menge zugegen und gaben der Oberfläche der Leber
ein marmorirtes Aussehen.
Im Darm der untersuchten Tritonen fanden sich auch, doch
weniger constant, Trichosomen, die sich aber immer auf einer jüngern
Entwickelungsstufe befanden und meistens geschlechtlich unent
wickelt waren. Nur einen traf ich (12 Millim. lang), der einige Eier,
aber unreife, enthielt; Männchen waren nie zu erkennen. Diese im
Darmschleim vorkommenden zeigten ziemlich lebhafte schlängelnde
Bewegungen.
Es wurden mehrere Tritonen und Frösche mit Stückchen der
Leber, die reife Eier enthielt, gefüttert, aber mit negativem Resultat.
Die gefütterten Thiere wurden zwischen dem zweiten und siebenten
Tage untersucht; die Eier fanden sich gewöhnlich wieder im Magen
oder Darm, aber theils unverändert, tlieils abgestorben und halb auf
gelöst. lnwieferne die in den Muskeln vorkommenden Würmer dem
Trichosomum der Leber des einen oder andern Nematoden angehö
ren, war ich nicht im Stande zu entscheiden.
Dujardin (Hist. nat. des Helminthes, S. 21) fand im Mai und
Juni 1838 Weibchen des Trichosomum im Darm des Triton puncta-
tus, erwähnt aber nicht ihr Vorkommen in der Leber; dagegen fand
522
v. Farkas-Vukotinovic.
er ein ganz ähnliches Verhältniss des Calodium splenaecum im
Sorecc araneus, von dessen Darm aus der Wurm in die Milz einwan
dert, wo er gelbliche Knötchen bildet.
Eiiigescndetc Abhandlungen.
Das Lika- and Krbava - Thal in Militär - Croatien.
Von Ludwig v. Farkas - Yukotinovic,
Vorsteher des Nat.-Museums zu Agram, correspond. Mitglied der k. k. geologischen Reichsaustalt
und Mitglied mehrerer gelehrter Vereine.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 30. October 1836.)
(Mit 1 Karte.)
Das Likaner Thal beginnt bei den Compagnie-Ortschaften Smil-
jan, Osik und Kula; es dehnt sich von Norden gegen Süden in der
Länge von 6—8 Meilen aus. Das Thal bildet eine Hochebene, die
nahe an 1800' über dem Meere liegt; Sand und Grus bedeckt
die Flächen; theilweise erheben sich kleine wellenförmige Hügeln
mit gröberem Gerolle; darunter hauptsächlich Quarz und Brauneisen
stein, als Rasenläufer; aus den sandbedeckten Flächen ragen unzäh
lige Kalkfelsen hervor, die verschieden an Gestalt und Grösse durch
das ganze Thal verbreitet sind und stellenweise so zahlreich auftre-
ten, dass sie das ganze Land steril und ungangbar machen. Einige
dieser Felsen erheben sich zu einer Höhe von 100'; sie gewähren
eine schöne Rundschau in das umliegende Likathal, welches durch
die zerstreut liegenden Felsblöcke, durch die aufsteigenden verschie-
dengestaltigen Spitzen und Hörner einen eigentluimlichen Anblick
gewährt.
An der westlichen Seite des Likathales thürint sich eine gross
artige, langgedehnte, gespaltene, gehörnte Kalkwand empor, deren
mittlere Höhe oOOO' erreicht; es sind dies die croatischen Alpen unter
dem Namen Velebit bekannt; sie gehören zu den julischen Alpen,
welche sich von Kärnten, Krain und Istrien herab längs der croa
tischen Meeresküste über Fiume, Zeng und Karlopago bis gegen Dal
matien herabziehen und andererseits mit den in Dalmatien und Griechen
land anstehenden diuarischen Alpenzügen Zusammenhängen; am west
lichen Abhänge senkt sich der Velebit bis an das adriatische Meer,
gäbe, steil, zerklüftet, kahl und unbewohnt; die ganze Gegend trägt
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
523
in erhöhtem Masse das bekannte traurige Ansehen der adriatischen
öden Küste , der durch das immerwährende Sengen der Sonne und
anhaltende Wüthen der heftigen Stürme jede Hoffnung auf eine grü
nende Zukunft für immerdar benommen bleibt.
Wenn man den Kamm des Velebits überschreitet und in die
erwähnte Westseite hinabsteigt, so findet man von der Mitte der
Alpen gegen abwärts bis an das Meeresufer einen weisslichten, stel
lenweise conglomeratischen Kalkstein, der in den höheren Lagen, wo
er den darunter liegenden dunklen Kalken aufliegt, eine aschenartige
Farbe annimmt. Auf den gegenüber liegenden Inseln Veglia und Pago
finden wir dasselbe Gestein, den Hauptstock der Inseln bildend, wieder,
wo es von kalkigen und sandigen Nummuliten führenden Gebilden
bedeckt wird; diesseits an der Küste, namentlich zwischen Bakar
(ßuccari) und Kraljevica (Portore) sieht man dieselben Nummuliten-
gesteine anstehen, mit dem Unterschiede, dass die Gesteinsbildung
auf den Inseln einen sandigen mehr lockeren Charakter hat, die Num
muliten in verticaler Stellung sich befinden und nicht selten leicht
herausgenommen werden können, während die Nummulitensteine an
der Küste fest und unauslöslich mit der kalkigen Gesteinsmasse ver
bunden sind und sich meistentheils in schiefer, gedrückter Stellung
befinden. Die Verbreitung der lichten conglomeratischen Kalke zieht
sich weiter ins innere Land hinein, tritt an vielen Stellen partien
weise auf und ist um Korenica am mächtigsten entwickelt.
Das Korenicer Thal liegt 2000' hoch; die Gebirgskette, durch
welche Bosnien von Croatien geschieden ist, zieht sich mit steilen
dachförmigen Abhängen von Norden gegen Süden zu in einer Länge
von drei Meilen; am Eingänge ins Thal erhebt sich die Alpe Plisi-
vica (deutsch Kahlenberg) zu einer Höhe von 5202' vom Meere; sie
ist einer der interessantesten Punkte des ganzen Gebietes, tlieils
wegen der schönen Rundschau, tlieils wegen dem einer Alpenflora
angehörigen Pflanzenreichthum, hauptsächlich aber wegen den petre-
factenfiihrenden Gesteinen, die dem Forscher die gewünschte Aufklä
rung gewähren. Derselbe schon früher erwähnte lichte Kalk, der an
der Küste erscheint und im ganzen Korenicer Thale zu Tage steht,
steigt bis an den Gipfel der Plisivica; ein fünfter Theil der Alpe ist
kahl, aus der reichen Gras-und Pflanzendecke ragen ungeheure Fels
kolosse empor; zu deren Füssen und an den steilen Abhängen liegt
das Gerolle in reichlichem Masse und hier eben ist es, wo das sonst
524
. Farkas-Vukotinovi c.
gänzlich versteinerungsleere Gestein eine beträchtliche Anzahl von
Hippuriten enthält, so zwar, dass die Anzahl gegen den Scheitel auf
steigend zunimmt und das Gestein damit ganz angefüllt genannt wer
den kann. Zwischen den Hippuriten war mir eine Species, nämlich:
Hippurites intricatus Lau za, leicht bestimmbar. Von Hippur it es
intricatus Lanz. Kreide-Formation aus Dalmatien bei Zara und
Prolog an der bosnischen Grenze (Lanza in litteris 1856) beiinden
sich im AgramerNational-Museum mehrere Exemplare vom Autor selbst
eingesandt, nach welchen die Plisivicaer Hippuriten bestimmt wurden.
Aus diesem Umstande geht hervor, dass die Likaner Kalke mit den
Hippuriten-Kalken, die in den angrenzenden dalmatinischen Gebirgen
Vorkommen, identisch sind (Professor Lanza über Dalmatiens geo-
gnostische Verhältnisse; Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsan
stalt, 1853, I. Quartal, pag. 157), während das Nummuliten-Gebilde
den unteren tertiären Gliedern beizuzählen ist. Für den Kreis der
gegenwärtigen Betrachtungen haben dieNummuliten-Schichten keinen
weiteren Werth, weil die Tertiär-Formation an der Likaner Küste
nicht vorkömmt. Diese lludisten-Kalke mit verschiedenen Modifica-
tionen in Farben und Structurs-Wechsel repräsentiren die Kreide;
wir werden weiter unten wieder darauf zurückkommen.
Ganz im Gegensätze zu den obenerwähnten liebten Kalken findet
sich ein zweiter in grossen Massen entwickelter Kalkstein, der den
Hauptstock des Velebit-Gebirges ausmacht: er ist dunkelgrau, häufig
ganz schwarz von Farbe, stark mergelhältig mit sehr ausgesprochener
Schichtung; das Streichen ist von NO. nach SW., das Fallen von W.
gegen 0. in einer ziemlich aufgerichteten Stellung, ln der obersten
Region insbesondere bei Halan 3185' und bei Ostarie gegen Karlo-
pago zu in einer Höhe von 2749' ist der dunkle Mergelkalk mit einer
Menge von versteinerten Rruchstücken (Hippuriten und Crinoidcn)
angefüllt, welche, da sie in Kalkspath umgewandelt sind, dem Gestein
ein geflecktes Aussehen gehen. Dünne Sandstein- und Mergelschiefer-
Lagen wechseln mit den Kalken.
Längs des Velebits auf dessen nordöstlicher Seite liegen nie
dere, abgerundete Rergkuppen mit tiefen Thaleinschnitten, die aus
Sandsteinen zusammengesetzt sind und einem üppigen Waldwuchs
zum Standorte dienen; grobkörnige, thonige und schiefrige Sand
steine wechsellagern, und zwischen denselben erscheinen an vielen
Stellen graue Sandsteinschiefer mit einem festen Gefüge, die Schiefer-
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
525
thon und Steinkohlen in vier bis sechs Zoll mächtigen Aushissen füh
ren. Die Festigkeit, das Gefüge und die Farbe der Sandsteine variirt.
Bei den grobkörnigen und grauen schiefrigen ist Quarz überwiegend;
stellenweise, wo sich Feldspath dem Gemenge zugesellt, nimmt die
Festigkeit zu; die vorherrschende Farbe ist die braune und graue,
eine Varietät hievon, die höher amVelebit ansteigt, besteht aus horn
steinartigen und feldspathigen, thonigen Fragmenten; bei den thoni-
gen Schiefern ist die rothe Farbe vorherrschend; der Glimmer, der
reichlich vorhanden ist, gibt dem Gestein eine noch grössere Theil-
barkeit und Verwitterbarkeit.
Bei Ternovae eine Stunde westlich von Gospic sind diese Sand
steine von mir genauer untersucht worden und es ist auch die Kohle
einer näheren Betrachtung unterzogen. Im chemischen Laboratorio
der k. k. geologischen Reichsanstalt durch Herrn Karl von Hauer
analysirt, ergab sich folgendes Resultat:
Wassergehalt in 100 Theilen 3-7
Asche 24
Reducirte Gewichtstheile Blei 23-35
Wärmeeinheiten . . 5279
Äquivalent einer 30" Klafter weichen Holzes 9-9-0.
Die Kohle kommt in einer schwarzen starksandigen Asche in
kleinen Blättchen und Stückchen vor, die lebhaft glänzen und wenn
sie sich in der Tiefe nicht besser zeigt, dürfte sie kaum bauwürdig
erscheinen. Die rothen glimmerigen Schiefer enthalten Bivalven,
worunter Myacites Fassae?isis diese Schichten, als dem bunten Sand
steine angehörend, erweiset; in der Nähe von Ternovae bei Brusane
am Fusse des Hochgebirges tritt ein kleinkörniger schwarzer Kalk
auf, der von den Velebiter schwarzen Mergelkalken und theilweise
von Sandsteinen überlagert wird, dieser Kalk ist mit Farrenkräuter-
ßruchstücken überfüllt; am Fusse der hochansteigenden Velebiter
Kalkwände zieht sich das Sandstein-Gebilde fort gegen Süden zu
abwechselnd mit schwarzen Thon- und Mergelschiefern; insbeson
dere ist bei Pocitelj, von Gospic beiläufig l 1 /^ Stunde entfernt, ein
schwarzer Schiefer von mir gefunden worden, der deutlich gezeich
nete Pflanzenreste enthält, unter welchen ich eine Äthiopteris er
kannte. Bei Pilar unweit St. Rock (1 Stunde links von der über den
Velebit nach Dalmatien führenden Strasse) kömmt, dem vorigen Kalke
ähnlich ein zweiter vor, der Reste von durcheinander geworfenen,
Sitzh. d. mnthcin.-natunv. CI. XXV. Bd. H. Hft. 34
526
v. Farkas-Vukotinovic.
zerbrochenen Enkrinitenstielen führt; einzelne Stiele erreichen mit
unter die Länge eines halben Schuh’s; Thonschiefer begleitet die
Kalke, Cölestin, Calcit und Bleiglanz kommen vor; das Ganze wird
vom Sandstein bedeckt, der hier quarzreich, kleinkörnig und so fest
ist, dass er zu Mühlsteinen durch die anwohnenden Grenzer verwen
det wird. Die Velehiter Kalksteine sind häufig in Dolomit umgewan
delt, der ganze Striche für sich einnimmt, und da er dem Bunten-
Sandstein aufgelagert ist und mit ihm eine gleichartige Lagerung
besitzt, den Muschelkalk der hier fehlt, zu ersetzen scheint.
Das Thal Krbava liegt dem Likaner Thale parallel vom Compagnie-
Orte Bunie nördlich bis Udbina südlich, wo es endet und kessel
artig eingeschlossen ist. Die Bergkette Ljubovo, Vrebacka staza und
Ploca, bestehend aus den Velebiter Kalken trennt beide Thäler. Der
Berg Udbina mit dem Compagnie-Orte gleichen Namens und den Rui
nen des uralten Krbaver Bischofsitzes gehört dem bunten Sandsteine
an; der Sandstein ist hier sehr glimmerreich und führt Myacites,
Fassaensis und Nucula in grosser Anzahl; die rothen weniger glim
merhaltigen Varietäten enthalten sehr viele Pflanzenreste, die aber so
unvollkommen sind, dass ich an den vorhandenen Exemplaren keinen
Versuch zu einer näheren Bestimmung vornehmen konnte. Westlicher-
seits lagert der lichte Kreidekalk auf den Velebiter Kalken und unten
tiefer im Thale erheben sich kleinere Hügeln, die aus Kreidemergcln
bestehen; insbesondere befindet sich eine derartige Ablagerung
nächst Bunie in Laudongaj (Laudonshain); das Thal Krbava ist mit
Sand, Schotter und Gerolle, bestehend aus Kalk undbuntem Sandstein,
bedeckt; an jenen Stellen wo die rothe Erde des bunten Sandsteines
vorwaltet, zeigt sich der Boden dem Ackerbau eben nicht ungünstig;
die kalkigen Wände der Thalränder sind kahl, beinahe baumlos; der
Anblick ist wüst, die Dürre im Sommer gewöhnlich gross, im Herbst
und Frühjahre dasWüthen der Stürme heftig und im Allgemeinen ein
Mangel an Wasser; aus dem geht hervor, dass es dem Thale nicht
an urbarem Grunde fehlt, sondern dass die übrigen physicalischen und
klimatischen Verhältnisse hauptsächlich das Leben daselbst erschweren.
Das grösste Interesse bietet unstreitig das Vorkommen der
Steinkohle; ich war bei der ersten Besichtigung dieser Gegend der
Meinung, die Steinkohle gehöre der Trias an und zwar um so mehr,
weil aus der Trias von Sava in Krain eine Kohle durch Herrn Doctor
Karl Peters an Herrn Karl Ritter v. Hauer zur Untersuchung ein-
S
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien. 527
gesendet wurde (Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt 1855,
pag. 852). Aus denselben Formations-Verhältnissen schloss ich auf
die Identität der Likaner Kohle. Bei einer zweiten genaueren Unter
suchung aber glaube ich von der Meinung abkommen zu müssen und
die Likaner Kohle als eine der Steinkohlen-Formation ungehörige zu
erklären, aus folgenden Gründen: Die Sandsteine die am Fusse des
Velebits abgelagert sind und die ich anfänglich alle zum bunten
Sandstein zählte, müssen getrennt werden; insbesondere sind die
quarzigen Sandsteine, die den dunkelgrauen festen, feinkörnigen und
schwarzen Schiefer mit der Kohle führen viel älter, weil sie von dem
Velebiter Kalke überlagert werden und sie bedecken die Pflanzen ent
haltenden schwarzen Kalke bei Brusane, wo sie sich dann an der Alpe
Visocica bis zur Höhe nahe an 3000' erheben. Die schwarzen Kalke
von Brusane sind vermöge der darin enthaltenen Pflanzenreste für
Kohlenkalk zu erklären, was auch die damit verbundenen schwarzen
Schiefer hei Pocitelj, wo ich die für die Kohlenbildung bezeichnende
Äthiopteris vorfand, bestätigen. Der bunte Sandstein liegt wohl
hei Ternovac auf den älteren Kohlen-Sandsteinen strichweise auf,
aber auch dieser wird sowohl bei Ternovac seihst in der Gegend von
Jadovno als auch bei Udbina von den besagten Velebiter Kalken
bedeckt; bei Pilar endlich tritt der Kohlen-Sandstein mit dunklen
enkrinitenreichen Kalken und Schiefern von schwarzer Farbe allein
ohne bunten Sandsteinen auf, während in der Gegend von Udbina,
wo der bunte Sandstein in grösserer Ausdehnung ansteht, blos lich
tere Mergelschiefer in seiner Begleitung Vorkommen und die schwar
zen Schiefer gänzlich fehlen. Diese Ansicht, dass in der Lika die
Kohlenformation, nebst Bildungen, die zur Trias und Kreide gehören,
entwickelt sind, gewinnt um so mehr Gewissheit, weil durch Herrn
Fr. Foetterle dieselben Verhältnisse hei Fucine, Mrzlavodica und
Ravnagora angetroffen worden sind (Jahrbuch der k. k. geologischen
Reichsanstalt VI, S. 714). Bei einer mehr detaillirten Untersuchung
würde man sich wahrscheinlich überzeugen, dass in den vielverzweig
ten Gebirgszügen hierorts auch die der Lias ungehörigen Kalke Vor
kommen , weil dieselben weiter hinauf gegen Otocac und die grosse
Kapela an mehreren Localitäten grössere Partien bilden; um jedoch
genauer sich darüber aussprechen zu können, ist eine länger andau
ernde Durchforschung um so mehr nothwendig, weil die Kalksteine
hier in der Regel petrefactenleer sind.
34*
528
v. Farkas-Vukotinovic.
Die Physiognomie der Likaner Gegend stellt uns ein von den
gewöhnlichen Gebirgsgegenden verschiedenes liild vor die Augen.
Ein Labyrinth von domartigen, zuckerhutförmigen, thurmspitzigen,
zerworfenen, unzusammenhängenden und kahlen Felsgebilden em
pfängt den Wanderer, der sich in ein ausgestorbenes, menschenleeres
Steinmeer versetzt glaubt; die hohen Scheitel der Berge ragen
gewöhnlich kahl und nackt aus der unteren dunklen waldigen Ein
hüllung hervor und man glaubt Schneeberge vor sich zu sehen, nur
einzelne grüne Stellen wie Oasen — erquicken das Auge. Nicht
menschenleer ist die Gegend, wohl aber arm zu nennen, die Sand
schichten um das hin und wieder eingemengte Kalkgerölle, das die
Hochebenen bedeckt, haben ein sehr spärliches, lehmiges, stellen
weise mergeliges Bindemittel, welches dem Gedeihen der Cerealien
eben nicht sehr förderlich ist, wozu die Rauheit des Klima höchst
ungünstig einwirkt; der Wechsel der Temperatur ist auffallend und
plötzlich, so zwar, dass man an den schönsten und wärmsten Som
mertagen des Morgens und Abends oder selbst des Tages nach einem
Gewitterregen Winterkleider zur Hand nehmen muss. Ganz besonders
scharf sind die Luftströmungen in denGebirgshöhen; auf den höchsten
Spitzen des Velebit, z. B. auf der Visocica (5000 und Sveto brdo-
Monte santo 6552' Meereshöhe) bleibt die Luft in den heissesten
Sommertagen kühl; die Temperatur-Verhältnisse für das Lika-Thal
sind beiläufig folgende:
Breitegrad 44 und 45, Längegrad 33 und 34.
October .
November
December
Jänner .
Februar .
März . .
April . .
Mai . .
Juni . .
Juli . .
August .
September
+
+
135 /m
077 /ioso
181 /uio
as / 3 i
9
3-
2'
0-
2 "/S30
0- 307 / 3332
327 / 3 00
+
+ 10- 18S / 377
+ 12- 109 /lS0
+ 14- 89 / 37 9
+ 12- 7 %3
+ 9-
Durchschnittliche Jahrestemperatur 6 7 / 34 R.
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
529
In den meisten Gegenden wo Kalkgebilde vorherrschen, liegen
hunderte von kesselartigen Vertiefungen nebeneinander, die das Land
öde und undurchdringlich machen, Spalten und Höhlen finden sich
häufig; ganze Strecken sind unterminirt, was sich an den Strassen
während des Fahrens durch einen dumpfen Wiederhall zu erkennen
gibt. Eine besondere Eigenthümlichkeit besteht hier noch im Ver
laufe der Bäche; kein Bach nimmt so zu sagen ein natürliches Ende
und läuft dem Meere oder einem Flusse zu; durch tiefe Felsenbeete
sich fortwälzend, Ober Wände fallend, stürzt jeder in einen Ponor
(Abgrund), der ihn verschlingt. Nachdem die Wässer so verschwun
den sind, kommen sie gewöhnlich an weiten Stellen wieder als ganze
Bäche zu Tage; dieser eigenthümliche Verlauf ist den vielen Zerklüf
tungen der Kalksteine , der hohen Lage der Thäler und den abwech
selnd auftretenden Sandstein-Bildungen zuzuschreiben; gewöhnlich
sind die kalkigen Gegenden wasserarm, während die sandigen und
thonigen reicher an Quellen sind.
Dass die ganze Lika erst nach der Ablagerung des Kreide-
Gebildes eine Veränderung erlitten habe, beweiset die gehobeneLage
sämmtlicher Gesteinsschichten; die nächste Ursache hiezu dürfte
meiner Ansicht nach in dem zwischen Zutalokva und Zeng anstehenden
Grünstein und Porphyr zu suchen sein. Der Grünstein ist bei dem
Berge Vratnik in grösseren Massen entwickelt; er ist grünlichgrau
und dicht, weniger krystalliniscb, er nähert sich demAphanit; in sei
ner Begleitung kommen röthlichte, schmutzig violete, dichte, por
phyrartige Feldsteine vor; da dieser Punkt ein besonders bemerkens-
werther ist, bis jetzt aber von mir nicht genauer untersucht werden
konnte, so rechne ich mir es zur Pflicht, darüber weitere Erhebungen
zu machen und die gemachten Erfahrungen seiner Zeit mitzutheilen.
Zur leichteren Veranschaulichung liegt eine geognostische Skizze
des Likaner und Krbaver Thaies bei.
530
v. Farkas-Vukotinovic.
11. Die Likaner Flora
mit Angabe der geognostisclien Unterlage.
Die Zahl der freiwachsenden Pflanzen in der Lika ist sehr
beträchtlich zu nennen; man wird nicht so leicht eine zweite Gegend
finden, wo in Anbetracht desselben Flächeninhaltes ein solcher Reich
thum Vorkommen würde. Der Charakter der Flora ist südlich zu
nennen; er gleicht durchschnittlich jener von Dalmatien einerseits,
während ein Theil der Pflanzen zu den im Kiistenlande und Istrien
einheimischen gehört, ein dritter Theil aber ein ausschliessliches
Eigenthum der Lika ausmacht; dieser letzte Theil, wenn auch nicht
zahlreich, hat für den Botaniker beinahe das grösste Interesse.
Ich kann keinen Anspruch machen, die Likaner Flora genauer
kennen gelernt zu haben: dazu war die Zeit zu eng bemessen; das
Verzeichniss der von mir daselbst gesammelten Pflanzen dürfte jedoch
zur Erweiterung der botanischen Kenntnisse etwas beitragen, um so
mehr, weil die croatischen Alpen seit Waldstein und Kitaibel
von keinem Naturforscher bereist waren, folglich noch immer zu den
am wenigsten bekannten in der Monarchie gehören.
Das Pflanzen-Verzeichniss ist nach Reichenbach’s Flora
germanica excursoria geordnet. Ich füge den Standorten die Anga
ben der geognostisclien Unterlage bei, damit sie als ein weiteres
Material zu dem Studium: „Über den Einfluss des Bodens auf die
Vertheilung der Pflanzen,“ dienen sollen.
Potamogcloncac.
Potamogeton lucens L.
rufescens S ehr ad. •> Gacka-Bach bei Otocac.
natans L. )
Aroidcac.
Arum maculatum L. An Hecken und in Gebüschen. Sand. Lehm.
Alismaccac.
Ö
Alisma Plantago L. In Gräben.
Itydrocliarideae.
Nupkar luteum S ra. Lika-Bach.
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
Grainineäe.
Psilurus nardoides Trin. Bei Karlopago. Kreidekalk.
im Getreide.
Cynosurus ecliinatus L. Grasige Anhöhen und im Getreide, stellenweise. Lehmig. 10
Sand und Gerolle.
Elymus eiiropaens L. Auf Felsen am Strassenrande zwischen Leskovac und Kore-
nica. Ilippuritenkalk.
Hordeum geniculatum A 11. An Mauern, an Felsen am Meeresstrande hei Karlopago.
Kreidekalk.
Alopecurus creticus Trin. Auf grasigen Hochebenen bei Ostarie. Auf buntem Sand
stein und Kalkgerölle-
Alopecurus bidbosus IIost. Hochebene bei Vrebacka staza. Alpenkalk.
Phleum tenue Schrad. Hochebene bei Vrebacka staza, Alpenkalk. 15
Sesleria inierrupta Vis. Am Velebit bei Halan. Alpenkalk.
„ tenuifolia Schrad. ) auf Felsen auf der Plisivica, Velehit und Visocica;
„ juncifolia Host. j Alpenkalk, Hippuritenkalk.
Triodia decumbens L. An Grasstellen im Hochgebirge. Alpenkalk und Dolomit.
Lophochloa phleoides Vill. Zwischen Felsen um Karlopago. Kreidekalk.
Koehleria ylauca De. Auf Felsen und Grasplätzen bei Vrebacka staza; Alpenkalk.
Cjperoideae.
Pycreus pannonicus.
In Gräben, an feuchten Stellen und auf Wiesen. Sandi
ger Lehm.
flavescens P. B.
Monti P. B.
Jiincaceac.
) Auf Grasplätzen in Wäldern und auf Heiden. Kalk 2ö
h. | und Sandboden.
Veratrum album L.
Lobelianum Bern
Sarmentaceae.
Streptopus amplexifolius Pers. Auf der Plesivica; Hippuritenkalk.
Ruscus hypoglossum L. In Wäldern auf Kalkboden.
Coronariae.
Lilium Carniolicum L. Im Gebüsch, an Waldrändern; Alpenkalk.
Tülipa sylvestris L. Am Velebit bei Halan. Alpenkalk.
30
Scilla pratensis W. K. Auf Wiesen bei Korenica. Humoser Thonboden.
Codonoprasum ftexum W. K. Auf der Visocica. Alpenkalk.
Asphodellus albus L. Auf grasigen Anhöhen hei Ljubovo, Vrebacka staza. Alpeukalk.
Anthericum ramosum L.
„ Liliayo L.
Asparagus tenuifolius Lam. Auf Grasplätzen im Gebirge. Alpenkalk.
Gymnadenia odoratissima Rieh. Auf Bergwiesen bei den Plitvizer Seen. KalktufF.
532
v. Farkas-Vukotinovic.
40
Orchis fusca J a c q.
„ sambucina L.
„ incarnata L.
Cypripedium Calceolus L.
I Auf Grasplätzen bei den Plitvizer Seen; Hipp. Kalk.
( theilweise Kalktulf.
Im Walde am Mrzin bei Korenica. Dolomit.
Santalaceae.
Thesium pratense Ehrh. Im Grase im Wald Jasikovac bei Gospic. Lehmiger Sand.
Strobilaceae.
Pinns sylvestris L.
„ Abies L.
45 „ Pumilio W. K.
Juniperus nana W. Auf den Gipfeln des Hochgebirges über der Hochwaldregion
Hippuriten- und Alpenkalk.
Auf den Gipfeln des Velebits und Plisivica, theilweise in Ge-
birgswäldern; Kreide und Alpenkalke.
Tymcleaccac.
Daphne alpina L. An steilen Abhängen bei Milanovo jezero und an der Strasse
gegen Karlopago. Hipp, und Kreidekalk.
50
55
Anientaccac.
Populus tremula L. \
„ nigra L. /
Betula alba L. I
„ pendula Ehrh. )
Ainus viridis De. |
„ glutinosa G ä r t. (
Ostrya Carpinifolia S c o p.
Carpinus Betulus L.
Coryllus Avellana L.
Fagus sylvatica L.
Ouercus Cerris L.
Auf lehmigem Sandboden und Gerolle des bunten Sand
steines ; an Hügeln und ebenen öden Stellen.
In Schluchten und nassen Plätzen; auf buntem Sandstein.
ln Gebirgswäldcrn; Hippuriten- und Alpenkalk.
Aristolochleac.
Arislolochia pallida W. K. Im Thale bei Gospic zwischen Kalkfelsen; auf lehmigem
Sandboden.
Capri foliaccae.
60
Scabiosa pübescens Kit. Auf Grasplätzen bei Ljubovo, Vrebacka staza und St. Hoch.
Alpenkalk und Mergelsand.
Asterocephalus agrestis W. K. Auf Grasplätzen zwischen Felsen. Alpenkalk, Lehm
und Sandgerölle.
Succisa leucantha L. An der Strasse gegen Karlopago ; Kreide- und Alpenkalk.
Sambucas racemosa L. ln Gebirgswäldern am Velebit. Alpenkalk.
Lonicera alpigena L. In Gebirgswäldern am Velebit. Alpenkalk und Dolomit.
Das Lika- und Krbava-Thal In Militär-Croatien.
533
Rubiaccae.
Asperula longiflora W. K. Auf Felsen im Gebirge. Alpeukalk. 6ä
Galium rubrum L. An Strassenrändern gegen Karlopago und Halau am Veiebit. Alpen-
und Kreidekalk.
Compositae.
Centaurea alba L. Im Krbava-Thale bei Bunic und Ljnbovo. Kreide- und Alpenkalk.
„ splentlens L. Grasplätze bei Vrebacka staza. Alpenkalk.
„ mollis W. K. In Gebirgswäldern am Veiebit. Alpenkalk und Dolomit.
„ stricta Vf. K. ) 70
carniolica Host. f Auf Gras P IStzen bei L j ubovo > |J|isivicl > und ™ Vele -
variegata Lam. ) bei Halau. Hipp, und Alpenkalk.
„ spinulosa Rochl. In den Niederungen an Strassenrändern zwischen
Felsen und im Getreide. Kalkfelsen und Ackererde.
Centaurea collina L. ) Zwischen Gebüschen an Felsen am Strassenrande bei Pod-
„ sorclida W. j präg. Kreide kalk. 75
„ rupestris L. Auf Hochebenen bei Vrebacka staza und Jance. Alpenkalk.
Artemesia abrotanum L. )
austriaca 1 ( Am Strassenrande gegen Karlopago Kreidekalk.
Helichrysum Stoechas Mnch. An Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Achillea Clavenae L. Im Hochgebirge; auf Plisivica und Veiebit. Hipp, und Alpenk. 80
Pyrethrum einerariaefolium Ten. Auf Felsen zwischen Gebüsch bei Podprag.
Kreidekalk.
Pyrethrum uniylandulosum Vis. Am Veiebit an der Strasse nach Halan. Alpenkalk.
Bellidiastrum Miclielii H. C a s s. Auf Felsen im Hochgebirge. Hipp, und Alpenkalk.
Doronicum Mathioli Tsch. In Wäldern; auf Kalkfelsen.
Inula candida L. An Felsen bei Karlopago. Kreidekalk. 85
„ campestris Bess. Auf Grasplätzen am Fusse niederer Berge. Alpen- und
Kreidekalk.
Inula sr/uarrosa L. Auf Felsen im Gebüsch bei Ljubovo und Podprag. Alpenkalk.
„ Bubonium Murr. Auf der Hochebene bei Ostaria. Alpenkalk.
„ ensifolia L. Auf Kalkfelsen im Gebüsch bei Podprag. Kreide- und Alpenkalk.
Erigeron alpinus L. Am Gipfel der Visocica (5400'). Alpenkalk. ()()
Cineraria crassifolia Kit. Plisivica. Ilippuritenkalk.
Senecio rupestris W. K. An Felsen am Veiebit. Alpenkalk.
„ croaticus W. K. In Wäldern am Veiebit. Alpenkalk.
Thrincia hirta Rth. Bei Karlopago. Auf Kreidekalk.
Leontodon Villarsii Lois. Auf Felsen bei Karlopago. Kreidekalk. 95
Barkhausia hispida W. K. An Hecken und Strassenrändern, im Getreide. Lehmiger
Sandboden.
Crepis hispidissima Bartl. An Strassenrändern gegen Karlopago und Halan gegen
Podprag. Kreidekalk.
Crepis rigida W. K. Auf Grasplätzen am Fusse der Vrebacka staza. Alpenkalk.
Hieracium croaticumW.K. Auf der Plisivica und bei Leskovac. Hipp.-und Kreidekalk.
„ „ „ Auf Grasplätzen im Mittelgebirge. Alpen- und 100
Kreidekalk.
Hieracium piloselloides Vill. Auf steinigen Weide- und Wiesenplätzen bei Korenica.
Lehmiger Sand und Kalkgerölle.
334
v. Farkas-Vukotinovic.
Hieraciumglaucum Al 1. Im Hochgebirge. Auf Alpenkalk und Dolomit.
„ flexuosum W. K. Auf Felsen im Hochgebirge. Hipp.- Alpenkalk und Dolomit.
„ pallescens W. K. Auf Felsen am Velebit und auf der Plisivica. Alpen-
und Hipp.-Kalk.
105 Hieracium villosum W. K. (Laivsonii Vill.) An Felsenwänden am Velebit und hei
Ternovac. Alpenkalk und Dolomit.
Hieracium murorum L. Auf Felsen. Kalkfelsen.
„ racemosum W. K. In niederen Wäldern, auf Hügeln und an Strassen-
rändern in Hecken. Bunten Sandstein.
Hypochaeris maculata L. Auf Hochwiesen. Lehmiger Sandboden und Kalk.
Mycelis muralis L. Kalkfelsen.
110 Lactuca sayittata W. K. An Hecken und Zäunen. Ackererde.
„ perennis L. Auf Kalkfelsen bei Ljubovo und Vrebacka staza. Alpenkalk.
Scorzonera villosa Scop. Auf Hocliwiesen. Alpenkalk.
Urospermum Dalechampii Desf. Felsen bei Karlopago. Krcidekalk.
Trayopogon floccosus Kit. Am Velebit bei Iialan. Alpenkalk.
115 Carduus canclicansVf. K. Auf bebauten und öden Äckern. Lehm, und kalk. Sandboden.
Carduus alpestris W. K. Auf Grasplätzen im Hochgebirge. Alpenkalk.
„ arctioides VV. In Hecken und auf Wiesen bei den Plitviza-Seen. Hippuriten-
kalk und Kalktuff.
Cirsium canum M. B. Auf Grasplätzen zwischen Gebüsch bei Vrebacka staza. Alpenkalk.
„ eriophorum Scop. In Gebirgswäldern. Alpeukalk.
120 Carlina Simplex W. K. Auf unbebautem Boden, an Strassenrändern. Sandboden
und Gerolle.
Echinops Ritro L. Auf Kalkfelsen.
Cucurbitaccac.
Ecbalium agreste Rchb. Bei Karlopago auf Schutt, an Mauern, Kreidekalk.
Caiupanulaceae.
Phytheuma spicatum L. In Gebirgswäldern. Kalkboden.
Campanula rotundifolia L. Auf Felsen im Hochgebirge. Hipp.-und Alpenkalk.
125 „ muralis P a r t s c h. )
rn > An Felsenwänden gegen Karlopago. Kreidekalk.
„ gargamca Ten. ) ö ö 1 °
„ graminifolia W. K. Auf der Hochebene von Ostarie bei Stara vrata.
Alpenkalk.
Campanula tenuifolia VV. K. Auf Grasplätzen im Hochgebirge. Hipp.-und Alpenkalk.
„ pyramidalis L. Auf Felsen bei Karlopago und um Gospic. Hipp.- und
Alpenkalk.
Labialae.
130 Satureja liortensis L. Auf Felsen an der Strasse nach Karlopago. Kreidekalk.
Micromeria montana L. ) Auf Felsen im Gebirge am Velebit und Jance.
„ pygmea Rchb. j Alpenkalk.
Thymus acicularis W. K. Irn Hochgebirge, auf der Visocica und am Merzin. Alpen
kalk und Dolomit.
Thymus pannonicus All. Auf Bergen und Hügeln, unbebauten Feldern allgemein.
Kalkfelsen und Sandboden.
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
535
Teucrium montanum Va r. supinum J acq. Auf Felsen. Kreide- und Alpenkalk. 135
Scorotlonia Arduini R chb. Auf Felsen an Strassenrändern bei Karlopago und Pod
prag. Kreide und Alpenkalk.
Nepeta violacea Ait. Auf steinigen Wiesen bei Korenica. Hippuritenkalk.
Stachys subcrenata Vis. Auf Felsen an Strassenrändern gegen Karlopago und Pod-
prag. Kreide- und Alpenkalk.
Stachys oblif/ua W. K. Auf steinigen Wiesen und Grasplätzeu bei Korenica, ßunic,
Ljubovo, Vrebacka staza. Hipp, und Alpenkalk.
llyssopus officinalis L. Grasplätze bei Jance. Alpenkalk. 14Q
Bctonica hirsuta L. An Weide- und Grasplätzen, allgemein. Kalk und Sandboden.
Marrubium candidissimum Dill. An Felsen und in Steingerölle, allgemein. Kalk.
„ hirsutum W. An Felsenwänden, im Gerolle an der Strasse nach Karlo-
pago. Kreidekalk.
Acinos alpinus M11 ch. Auf der Plisivica und bei den Plitvica-Seen. Hipp.-Kalk.
Calamintha piperella. Auf Felsen der Plisivica und des Velebit bei Ilalan. Hipp.- 145
und Alpenkalk.
Calamintha alha W. K. An Felsen am Velebit und an der Strasse nach Karlopago.
Kreide- und Alpenkalk.
Calamintha subunda W. K. Am Berge Urlaj, Velebit; Alpenkalk.
Calamintha grandiflora Mnch. I11 Wäldern. Auf Kalk und Dolomit.
Scuiellaria peregrina L. An Strassenrändern am Velebit bei Halan.
Salvia officinalis L. Auf Felsen bei Karlopago und Podprag. Kreidekalk. 150
Asperifolicae.
f F
!
Onosma stellulatum W. K. Auf Felsen bei Karlopago und Podprag. Kreidekalk.
Myosotis lithospermifolia Hm. . „ , , „,. v . . , „
— , . ' > Am Gipfel der Plisivica. Hippuritenkalk.
„ alpestns Sturm. )
Cynoglossum cheirifolium L. An der Strasse gegen Halan. Alpenkalk.
Convolvulaceae.
Convolvulus sylvaticus W. K. An Hecken und Zäunen. Kalk- und Sandboden. 155
Polygalaccae.
Polygala alpestris Rchb. Im Hochgebirge. Alpen-und Hippuritenkalk.
Pcrsonatae.
Mclampyrum cristatum L. Auf Feldern und im Gebüsche. Lehmiger Sandboden.
Pedicularis rosea Jacq. Am Gipfel der Plesivica. Hippuritenkalk.
Globularia cordifolia L. Auf Felsen im Hochgebirge. Alpen- und Hippuritenkalk.
Veronica montana L. In Wäldern des Gebirges. Kalkboden. 160
„ urticaefolia Jacq. An Bergabhängen bei den sieben Plitvica-Seen. KalktufT.
„ media Sehr ad. Wiesen bei den Wasserfällen in Svica nächst Otocac.
Kalktuff.
Linaria cymbalaria L. Auf Felsen bei Divoselo. Alpenkalk.
Scrophularia glandulosa W. K. An Garten-Mauern und Zäunen. Lehm. Sandboden.
„ peregrina L. Auf unbebauten Federn und an Strassenrändern stellen- 165
weise. Sand und Kalkgerölle.
S36
v. Farkas-Vukotinovic.
Scrop/iularia canina L. An Felsenwänden bei Karlopago. Kreidekalk.
„ laciniata W. K. An den Strassenrändern gegen Karlopago und auf
Felsen der Plesivica. Kreide- und Hippuritenkalk.
Digitalis ferruginea L. In Gebüschen auf Felsen bei Jance. Alpenkalk.
„ fuscescens W. K. Mit der vorhergehenden.
170 » laevigata W. K. Am Wegrande auf Felsen von Brusane bis Ostarie und von
Stara vrata abwärts gegen Karlopago. Alpen- und Kreidekalk.
Digitalis grandiflora L. Im Walde Jasikovac bei Gospic. Sandboden auf Kalkunterlage
Verbascum ruhiginosum W. K. Auf Felsen am Velebit bei Halan. Alpenkalk.
„ pulverulentum V i 1 l. An Wegrändern, an Felsen, Mauern u. s. w., allge
mein. Alpen- und Hipp.-Kalk.
Plantagincac.
Plantago carinata Sehr ad. L. Auf hochgelegenen Grasplätzen. Alpen- und Hippu
ritenkalk.
Lysimacliicac.
175 Androsace villosa L. Am Gipfel der Visocica. Alpenkalk.
Primula columnae Ten. Am Gipfel der Plisivica. Hippuritenkalk.
„ Kitaibelii Scho tt. Auf Felsen am Velebit. Alpenkalk und Dolomit.
Ericaccac.
Erica carnea Scop. Auf Felsen in Gebüschen. Kalk- und Sandboden.
Pyrola chloraniha Sw. In Wäldern des Hochgebirges. Auf Alpenkalk.
Rhododendron ferrugineum L. Im Hochgebirge auf Kalkfelsen.
Contortac.
Gentiana acaülis. L. Auf Hügeln, Grasplätzen bei Bilopolje. Kreidekalk.
„ augulosa M. B. Mit der vorhergehenden.
Umbelliferae.
Smyrnium perfoliatum L. In Wäldern, an Hecken, Zäunen u. s. w. allgemein.
Kalk- und Sandboden.
Cherophyllum temidum L.
185 „ coloratum L.
Im ITochgebirge,theilweise in niederen Gebirgen,
an Felsen und Gebüschen. Auf Alpen- und Hippu
ritenkalk.
„ hirsutum L.
„ cicutaria V i 11.
„ macidaium L.
Myrrhis odorata Spr. Am Gipfel der Plisivica östlicherseits zwischen Pinus pumi-
lio. Hippuritenkalk.
190 Torillis heterophylla Gus.)
. , 7 . , } In Hecken und Gebüschen. Kalk- und Sandboden.
„ Anthriscus Gmel.)
Laserpitium verticillaium W. K. In Gebüschen, auf Grasplätzen, auf Hochwiesen bei
Vrebacka staza, Ljubovo u. s. w. Alpenkalk.
Laserpitium Archangelica Jacq. An Hecken bei Leskovac. Hippuritenkalk.
„ marginatum W. K. In Gebirgswäldern. Alpenkalk.
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien.
337
Pastinaca opaca Beruh. An Hecken, Zäunen, Strassengräben, stellenweise Lehm- 105
und Sandboden.
Opopanax Cliironium Koch. Auf Hochwiesen, im Gebüsch, auf Grasplätzen bei Lju-
bovo, Vrebacka staza. Alpenkalk.
Peucedantim Petteri Vis. Auf Wiesen und Waklblössen in Jasikovac bei Gospic. Sand
und Gerolle.
Ferüla sylvatica Bess.)
sulcata Desf j Grasstellen bei Ljubovo, Vrebacka staza. Alpenkalk.
Atamantha ramosissima Portsch. An Strassenrändern bei Halan. Alpenkalk. 200
Trinia purnila J a c q.) . v
(flauen L ) Am Gipfel der Plisivica. Hippuritenkalk.
Bunium montanum Koch. Auf Äckern bei Korenica und Ostarie. Humoser Mergel.
Bupleurum aristatum Bartl. Auf Grasplätzen bei Jance. Alpenkalk.
„ Odontites L. Auf Felsen an der Strasse nach Karlopago. Kreidekalk. 205
Astrantia carniolica Wul f. In Wäldern der Hochgebirge. Alpenkalk und Hipp.-Kalk.
Eryngium amethystinum L. Auf Triften, unbebauten Feldern. Kalk- und Sandboden.
Rhamucac.
Paliurus aculeatus L. Zwischen Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Rhamnus infectorius L. \
„ catharticus L. /
plpinus L / Gebirgswäldern, an Felsen. Alpen- und Hippk.
„ Wulfenii S p r. J
210
Terebinthaceac.
Rhus Cotinus L. Auf Felsen bei Karlopago und Plitvica-Seen. Kreide- u. Hipp.-Kalk.
Papilion aceac.
Trifolium scabrum L. Weideplätze und öde Felder bei Gospic. Sand-und Lehmboden.
„ ochroleucum L. In Gebirgswäldern, stellenweise. Alpenkalk. 215
„ purpureum L. Auf unbebauten Plätzen bei St. Roch. Sandboden.
n procumbens L. Auf Sand und Quarzgerölle bei Gospic.
Dorycnium sabaudum Rchb. Zwischen Felseii häufig an der Strasse nach Podprag.
Kreidekalk.
Bonjeanea hirsuta L. Zwischen Felsen an der Strasse nach Karlopago. Kreidekalk.
Oxytropis eampestris De. Am Gipfel der Visocica. Alpenkalk. 220
Anthyllis montana L. An Felsen auf der Plisivica. Hippuritenkalk.
„ „ Var. atropurpurea; Statura gracili. An Felsen der Stara vrata
bei Ostarie. Alpenkalk.
Genista sericea W ulf. An Felsen der Hochgebirge. Hipp.- und Alpenkalk.
„ sylvestris Scop. Auf Grasplätzen und Waldwiesen bei Ljubovo und Vrebacka
staza. Alpenkalk.
Genista holopetala Rchb. Auf Felsen bei Podprag. Kreidekalk. 225
Cytisus falcatus W. K. An felsigen Abhängen. Hipp.- und Alpenkalk.
» angustifolius Mnch. ln Wäldern am Velebit gegen Halan. Alpenkalk und,
Dolomit.
Cytisus Alschinger Vis. mit den obigen am Velebit.
538
v. Farkas-Vukotinovic.
Vicia polyphylla D e s f. Auf Äckern im Getreide im Krbava-Thale und bei Gospic
u. s. w. Sandiger Lehmboden.
230
„ laevigatus Ki. [ Auf Triften und grasigen Abhängen der Plisivica. Hippu-
„ alpestris W. K.)
Arthrolobium scorpioides D e s v. Am Fusse des Yelebits bei St. Roch. Gerolle und
Sand des bunten Sandsteines.
233 Coronilla vaginalis L am. Plisivica und Mrzin. Hippuritenkalk und Dolomit.
„ montana Riv. An Felsen im Walde zwischen ßrusane und Ostarie. Alpenk.
Onobrychis sativa L. Auf Hochebenen im Grase bei Ljubovo. Alpenkalk.
Corniculatae.
Seclum hispanicum L. ) An felsigen Strassenrändern bei Podprag und Karlopago.
„ glaucum W. K. j Kreidekalk.
240
album L. In Felsengerölle bei den Plitvica-Seen. Hippuritenkalk.
n
„ rupestre Dill. Auf der Plisivica. Hippuritenkalk.
Saxifraga lasiophylla Schott. In Wäldern, auf Felsen, am Velebit. Alpenkalk.
Ribcsiaceae.
Ribes alpinum L. Zwischen Felsen im Gebüsch bei Gospic. Alpenkalk.
„ spicatum Itobs. In Schluchten unter dem alten Schlosse Mrzin bei Korenica.
Dolomit.
Porlulaccaceae.
243 Ilerniaria glabra L. Auf Gras- und Weideplätzen. Kreide- und Alpenkalk.
Scleranthus perennis L. Auf Äckern im Getreide bei Gospic. Lehmiger Sandboden.
Polycarpon tetraphyllum L. f. Zwischen Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Aizoidcac.
230 Camphorosma tnonspelliaca L. An der Kirchenmauer in Karlopago. Kreidekalk
Salsola Kali L. Auf Felsen am Meeresstrande bei Karlopago. Kreidekalk.
Rosaccac.
Dryas octopctala L. An den höchsten Felsenspitzen der Plisivica. Hippuritenkalk.
Alchimilla alpina L. An Felsenwänden östlicherseits auf der Plisivica. Hipp.-Kalk.
Rosa alpina L. Im Hochgebirge. Alpen- und Hippuritenkalk.
„ rubrifolia Vill. An der Strasse bei Halan. Alpenkalk.
„ repens Scop. An der Strasse gegen Karlopago. Alpenkalk.
Spira chamaedrifolia L. Var. foliis pilosis. An Felsenwänden neben der Strasse
nach Podprag. Kreidekalk.
Tetrady nainae.
Biscutella alpestris W. K. Auf Triften auf der Plisivica und Mrzin. Hippuritenkalk
und Dolomit.
Das Lika- und Krbava-Thal in Militär-Croatien
539
In Wäldern auf der Plisivica. Hippuritenkalk
Draba ciliata Scop. An Felsen im Hochgebirge. Alpen- und Kreidekalk.
Kernera saxatilis R c h b. i v .
,, , T , > An Felsen auf der Plisivica. Hippuritenkalk.
Alyssum montanum L. |
„ medium Koch. Auf Felsen ah der Strasse gegen Karlopago. Kreidekalk.
Pteuroneurum carnosum De. Auf Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Dentaria trifölia Wk. \
„ enneaphylla L. f
„ bulbifera L.
„ polyphylta W. K.J
Arabis alpina L. ) v . .
. 7 . , > An Felsen auf der Plisivica. Hippuritenkalk.
„ auriculatci L a in. j
Nasturtium lippicense De. An Strassenrändern und Gräben, sehr häufig. Alpen-
und Kreidekalk.
Hesperis laciniata Wk. )
. , > An der Strasse {regen Halan. Alpenkalk und Dolomit.
„ runemata Wk. )
Erysimum crepidifolium Rchh. Zwischen Felsen, auf unbebauten Feldern , allge
mein. Alpenkalk, Hippuritenkalk und lehmigen Sandboden.
260
265
270
Ranuncüläccac.
Rananculus aeoniti^olins L. In Wäldern des Hochgebirges. Alpen- und Ilipp.-Kalk. 275
„ scutatus W. K.) „ , . . v . .
, r > Am Gipfel der Plisivica. Hippuritenkalk.
„ montanus L. )
Thalictrum airopurpureum J a c q. Auf Felsen im Hochgebirge. Alp.- und Hippuritenk.
Ilelleborus Bocconi Ten. Auf Grasplätzen, zwischen Felsen, in Gebüschen, u. s. w.
allgemein. Alpen- und Kreidekalk.
Ilelleborus niger L. Stellenweise im Hochgebirge. Alpenkalk.
Aquilegia platysepala Rchb. ln Gebirgswiildern bei Korenica und am Velebit. Alpen- 280
und Hippuritenkalk.
Aquilegia viscosa W. K. Am llerge Badanj im Velebit-Gebirge. Alpenkalk.
Paeonia pubens Sm. ) Im Gebüsch an Felsen hei Bunic und Vrebacka staza.
„ corallina R t z. ( Alpenkalk.
Rutaccac.
Euphorbia viridiflora W. K. In Wäldern und Gebüschen bei Korenica und am Fusse
des Velebit. Alpenkalk, Hippuritenkalk und Dolomit.
Euphorbia ambigua W. K. Zwischen Pinus pumilio östlicherseits auf der Plisivica. 285
Hippuritenkalk.
Euphorbia Paralias L. ) „ , , , . . „ , . ,, ,
( In Schluchten auf Felsen an der Strasse gegen Karlo-
„ Myrsinites L. >
mt ir •• «i \ pag°. Kreidekalk.
„ Wulfcnn Hopp.*
Ruta divaricata Ten. An Felsen nächst der Strasse nach Podprag und Karlopago.
Alpen- und Kreidekalk.
Sapindaccae.
Acer monspessulanum L. In Gebüschen und Hecken des Mittelgebirges. Alpen- und 290
Kreidekalk.
i
■
Farkas-Vukotinovic. Das Lika- und Krbava-Thal etc.
Acer obtusatum Kit. In Gebirgswäldern. Alpenkalk.
Malvaecae.
Malva moschata L. An Hecken und in Gebüschen. Kalk- und Sandboden.
Alt he a hirsuta L. An Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
„ pallida W. K. An Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Geraniaccae.
295 Geranium lucidum L. In Wäldern an Felsenstellen. Alpen- und Kreidekalk.
„ macrorrhizon L. Auf Felsen bei Halan. Alpenkalk.
CarjophjMaeeae.
Möliringia pendula Fenz 1. Auf Felsen des Hochgebirges, sehr häufig. Alpenkalk.
Sabulina caespitosa Ehr h. Auf Grasplätzen im Hochgebirge. Alpen- und Hippkalk.
Cerastium ciliatum W. K. Am Gipfel der Plisivica. Hippuritenkalk.
300 „ grandiflorum W. K. Auf Felsen bei Stara vrata nächst Ostarie. Alpenkalk.
Dianihus utrorubens A 11. Auf Feldern und Grasplätzen bei St. Roch, Sandböden
und Kalkgerölle.
Dianthus diutinus Kit. An Felsen bei Podprag. Kreidekalk.
„ serotinus VV. K. Auf Grasplätzen im Hochgebirge. Alpenkalk.
„ petracus W. K. An Felsen bei den Plitvica-Seen. Hippkalk.
305 „ nitidus W. K. Am Gipfel der Visocica. Alpenkalk.
„ virgineus L. An Felsen im Gebüsch bei Podprag. Kreidekalk.
„ longicaulis T e n. An steilen Abhängen an der Strasse gegen Ostarie.
Bunter Sandstein.
Drypis spinosa L. Auf Felsen bei Karlopago. Kreidekalk.
Silene pusilla W. K. ) An Felsen der höheren Gebirge, Plisivica Visocica, Osta-
310 „ Saxifraga W. K.) rie u. s. w. Alpen- und Hippuritenkalk.
„ ftavescens W. K. Auf Grasplätzen im Hochgebirge am Velebit , stellenweise.
Alpenkalk.
Silene Otites L. Zwischen Gebüsch, auf Grasplätzen bei Vrebacka staza. Alpenkalk.
Agrostema coronaria L. In Gebüschen, an Strassenhecken. Alpenkalk.
Tkeaccac.
Evonymus latifolius L. In Gebirgswäldern. Alpenkalk.
ll.ypericinac.
315 Hypericum alpinum L. Im Hochgebirge auf Alpen- und Hippuritenkalk.
V:
m
Reu ss. Mineralogische Notizen aus Böhmen.
541
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
Von dem w. M. Prof. Dr. Aug. Renss.
(Mit 1 Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 25. Juni 1857.)
1. I ber gediegenes Eisen im Piiincr Böhmens.
In den Gebirgsgesteinen ist ohne Zweifel kein Metall so all
gemein und massenhaft verbreitet, als das Eisen. Jedoch sind es stets
nur seine Oxydationsstufen und die zahlreichen Verbindungen dieser
verschiedenen Oxyde mit anderen Substanzen, welche bald stel
lenweise in grösseren Massen zusammengehäuft erscheinen, bald
die Gesteine mehr weniger gleichmässig durchdringen. In letzterer
Form bilden sie zugleich die Hauptquelle der wechselnden Fär
bungen der Felsarten und bringen auf diese Weise einige Mannig
faltigkeit in die sonst mitunter ermüdende Einförmigkeit besonders
der geschichteten Gesteine. Desto sparsamer tritt das Eisen in
metallischem Zustande auf der Erdoberfläche auf. Die mitunter
kolossalen Massen meteorischen Eisens, die man besonders in neuerer
Zeit in verschiedenen Ländern entdeckt hat, können hier nicht in
Anschlag gebracht werden, da sie, aus fernen Regionen nur zu
fällig auf die Erde gelangt, als Fremdlinge dieser nicht ursprüng
lich angehören und daher keinen constituirenden Bestandteil der
selben bilden. Hier kann nur von dem auf und in der Erde selbst
gebildeten, dem sogenannten tellurischen Eisen die Rede sein. Dieses
ist aber eine so seltene und vereinzelte Erscheinung, das man seine
Existenz durch lange Zeit ganz in Abrede stellte und jetzt noch jeder
Fund desselben, von manchen Seiten mit vielem Misstrauen und Be
denken aufgenommen wird. Und doch ist manches gediegene Eisen
unter solchen Verhältnissen gefunden worden, dass sein tellurischer
Ursprung sich nicht verleugnen lässt, wenn man auch von der andern
Seite zugeben muss, dass manches früher für tellurisch angesehene
Eisen sich als ein Kunstproduct herausgestellt habe. Bei dieser
Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XXV. ßd. 11. Hft. 3S
542
R e u s s.
grossen Seltenheit des irdischen metallischen Eisens muss jede neue
Beobachtung, welche uns eine unwiderlegliche Bestätigung der in
Rede stehenden Erscheinung liefert, erwünscht sein und als eine
Bereicherung unseres Wissens angesehen werden. Einen solchen
Fund will ich nun auf den folgenden Blättern möglichst sorgfältig
beschreiben.
Zuvor erlaube ich mir aber, die bisher bekannt gewordenen
Beobachtungen wahren tellurischen Eisens, deren Zahl keine be
deutende ist, kurz zusammen zu fassen, obwohl solche theilweise
Zusammenstellungen auch schon anderwärts gemacht worden sind *).
Das älteste und am meisten bekannt gewordene Vorkommen von
gediegenem Eisen ist jenes auf der Grube „Eiserner Johannes“ bei
Grosskamsdorf in Thüringen. Es wurde vielfach bezweifelt, hat aber
seine Echtheit behauptet. Es ist mit dichtem Magneteisen verwachsen,
derb, mit etwas blättrigem Gefüge, mehr in das Stahlgraue geneigt
und weniger ductil als Meteoreisen. Nach Klaproth’s Untersuchung
enthält es : Eisen 92-5, Blei 6-0 und Kupfer l‘S.
Bei Canaan in Connecticut wurde eine zwei Zoll dicke Eisen
masse gangartig im Glimmerschiefer gefunden. Es enthielt zwischen
den breiten Platten, in die es getheilt war, Graphit, hesass keine
krystallinische Structur und zeigte, mit Säuren geätzt, keine Widman-
stätt’sclien Figuren. Nach Shepard enthielt es Eisen 91 - 8, Graphit 7'0.
(Ann. Journ. Scienc. XII. 154 und [2] V. 292.)
Auf einem Gange bei Oulle unweit Allemont in der Dauphinee
kam im Gneiss Eisen in ästig-stalaktitischer Form vor, mit Quarz
verwachsen (Phillips an elementary introduction to the knowledge of
mineralogy 1823 p. 213).
In dünnen Blättchen soll es sich nachEschwege in einem
Eisensteinconglomerate in der Gegend von Itabira do Matto Dentro
in Brasilien gefunden haben; ebenso nach Proust in Schwefelme
tallen aus Amerika eingewachsen, so wie nach De mar gay in kleinen
Flittern im Cerit der Bastnäs-Grube bei Riddarhyttan in Schweden.
Als vulcanisches Product wurde es am Graveneire im Departement
i) G. B i s c li o f ’s Lehrbuch <1. chemischen u. phisicalischen Geologie, II, 3, p. 2075 ff. —
Hausmann, Handbuch der Mineralogie. II, 1, p. 39. — G. Dana a System of mine
ralogy. 4 edit. 1855, II, p. 18, 19. — Bornemann in Poggendorff’s Annalen der
Physik und Chemie 1853, 88. Bd. p. 145 ff. und 325 ff.
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
543
Puy rle Dome in Frankreich angetroffen in einem Wasserrisse
zwischen Laven und Schlacken, theils stahlgrau und von zackigem
Bruche, theils blätterig und von silberweisser Farbe.
Auch durch pseudovulcanische Proeesse scheint metallisches
Eisen (H a u y’s acier pseudovo/canique) hervorgebracht worden zu
sein. Wenigstens ward es von Mossier zu la Bouiche im Allier-De
partement in einem Kohlenlager, das sich wahrscheinlich spontan ent
zündet hatte,gefunden. Es hatte eine Schwere von 7 - 45 und enthielt:
Eisen 945, Kohlenstoff 4-3, Phosphor l - 2. — Auch Pusch gibt
an, in dem Erdbrande von Straka bei Teplitz in Böhmen metallisches
Eisen gefunden zu haben. (Leonhard’s Zeitschrift f. Min. und Geogn.
1826, p. 530.)
Eisen begleitet ferner in kleinen Plättchen und Körnern
sowohl in Südamerika, als am Ural das Platin. Obwohl es von vielen
Seiten als von den hei der Ausbeutung des Platinsandes benützten
eisernen Werkzeugen abstammend angesehen wurde, so dürfte es
doch unzweifelhaft dem natürlichen Eisen beizuzählen sein, da es
oft mit Platin verbunden vorkömmt. Osann fand in den von ihm ana-
lysirten Körnern: Eisen 86 - 33, Platin 8-15, Kieselerde 048, un
löslichen Rückstand 4*50. Andere Körner des Platins enthalten eine
geringere Menge von Eisen, 5 —13 pCt. Breithaupt unterscheidet
das Eisenplatin, welches eine dunklere Farbe und ein geringeres
specifisches Gewicht von 14*66—15 - 19 besitzt, als besondere
Species.
Borne mann beschreibt (in Poggendorffs Annalen derPhys. u.
Chem. 1853, 88. Bd. p. 145) ein interessantes Vorkommen von ge
diegenem Eisen aus der Keuperformation von Mühlhausen in Thü
ringen. Am Wege nach Pfalfenrode liegen im Kohlenletten Knollen,
die gewöhnlich mit Schwefelkies erfüllt sind. Einer derselben ent
hielt aber das gediegene Eisen von sehr unregelmässig zackiger Form,
im Innern mit Höhlungen, die theilweise mit derselben Masse erfüllt
waren, welche die äussere Kruste des Eisens bildete. Diese bestand
aus einem dichten Gemenge von Magnetit mit Brauneisenstein, dem
aber zugleich fein zertheiltes metallisches Eisen eingesprengt war.
Das Eisen war sehr weich und geschmeidig, von heller, ins Silber-
weisse ziehender Farbe, und enthielt weder Nickel noch Kobalt. In
der Kruste waren neben dem Eisen etwas Wasser und Spuren von
Mangan, Magnesia, Thonerde und Kieselerde vorhanden.
33*
544
R e u s s.
Ein anderes Vorkommen von gediegenem Eisen wurde in der
jüngsten Zeit von Bahr beobachtet (Erdmann’s Journal für prakt.
Chemie 1851, Bd. 54, p. 194). Derselbe fand es auf einer schwim
menden Insel im See Ralang in Smäland, die nach vierjährigem Ver
weilen unter Wasser Tags vorher sich über den Wasserspiegel erhoben
hatte, im Innern eines Laubholzstammes, dessen Gewebe stellen
weise durch das Eisen ersetzt war, während es an anderen Stellen
sich in den Zwischenräumen der Holzfaser abgelagert hatte. Es bil
dete, mit Eisenoxydhydrat gemengt, keine zusammenhängende Masse,
sondern mehr weniger gehäufte und an einander gereihte Kügelchen
und hatte im Äusseren Ähnlichkeit mit dem Sumpferze. Das möglichst
gereinigte Eisen war silberweiss, etwas schmiedbar und hatte ge
schmiedet ein Eigengewicht von 6-625. Merkwürdig ist neben Tbon-
und Kieselerde, Kalk und Magnesia, Vanadin- und Phosphorsäure und
Spuren von Mangan der nicht unbedeutende Gehalt an Nickel und
Kobalt, die sonst nur dem Meteoreisen eigenthiimlich zu sein pflegen.
In den meisten der angeführten Fälle finden wir das gediegene
Eisen in Gesellschaft von Eisenoxyden, z.B, Rotheisenstein, Limonit,
Magnetit, aus deren Roductiou dasselbe hervorgegangen sein dürfte.
Mitunter kann man die fortschreitende Desoxydation von Eisenoxyd
und Eisenoxydhydrat durch die Stufe des Eisenoxyduloxydes bis zum
metallischen Eisen verfolgen. Weniger klar ist das Agens, welches
die Reduction bewirkte. In dem Bornemann’schen und Bahr’schen
Falle möchten wohl organische Substanzen unzweifelhaft das Reduc-
tionsmittel gewesen sein, während bei dem vuleanischen und pseudo-
vulcanischen Eisen wohl auch die gleichzeitige Einwirkung einer
hohen Temperatur mit in Anschlag gebracht werden muss. Welche
Agentien sonst noch mit im Spiele waren, ob, wie Bahr vermuthet,
galvanisch-elektrische Spannung der verschiedenartigen sich berüh
renden Substanzen, kann wohl bisher kaum entschieden werden.
Ebenso in Dunkel verhüllt ist die Entstehung des metallischen
Eisens, welches von Th. Andre w s (Pogg. Ann. 1853, Bd. 88, p. 321)
in sehr fein vertheiltem Zustande, vergesellschaftet mit Magneteisen
in manchen, besonders plutonischen Gesteinen zuerst nachge
wiesen wurde, wie z. B. im Basalte des Hügels von Slievemish in
der Grafschaft Antrim, auf den Maiden rocks, im Basalte von Giants
causeway, im Trachyt der Auvergne u. s. w. Es gibt seine Gegen
wart dadurch zu erkennen, dass es, wenn man aus dem gepulverten
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
545
Gesteine den magnetischen Theil auszieht und unter dem Mikroskope
mitangesäuerter Kupfervitriollösung übergiesst, aus demselben metalli
sches Kupfer reducirt, was durch den Magnetit nicht bewirkt wird.
Auf diese Weise habe ich auch in manchen böhmischen Basalten
einen Eisengehalt gefunden, und es scheint das metallische Eisen
daher in Gesteinen dieser Art ziemlich verbreitet zu sein.
Ich übergehe nun zur Beschreibung des böhmischen tellurischen
Eisens, welches den Gegenstand der gegenwärtigen Abhandlung
bildet, und seines Vorkommens. Es wurde schon im Jahre 1844 von
dem Veteranen der Naturforscher Böhmens, dem Herrn Gubernialrathe
Neumann aufgefunden, aber nicht näher beschrieben. So verdanken
wir mithin demselben Manne, der im Jahre 1811 das erste böhmische
Meteoreisen — den verwünschten Burggrafen von Elbogen — als
solches erkannte, auch die Entdeckung des ersten böhmischen telluri
schen Eisens. Ich hin demselben besonders verpflichtet für die ge
fällige Mittheilung der nachfolgenden Daten und der zur Unter
suchung dienenden, in seiner Sammlung aufbewahrten Exemplare.
Sie wurden insgesammt im Jahre 1844 hei Gelegenheit des
Baues des 130 Klafter langen Eiseubahntunnels bei Chotzen (in
geringer südlicher Entfernung von der Stadt) gefunden. Der Tunnel
durchbricht einen schmalen, fast gerade südwärts verlaufenden Hügel
rücken, so, dass seine Sohle nur 20 Klafter von dem höchsten Punkte
des Hügels absteht. Derselbe besteht aus einem deutlich geschich
teten, festen, blaugrauen, stellenweise graugelben oder gelblieh-
weissen Pläner, der hier sehr arm an Versteinerungen ist und dessen
Schichten unter 20 bis 24° gegen 0. einfallen. Er umschliesst zahl
reiche festere Concretionen von bald ziemlich regelmässig kugeliger
oder elliptischer, bald von unregelmässig knolliger Gestalt, die sich
meist leicht von dem umgehenden Gesteine trennen lassen. Ihr peri
pherischer Theil besteht aus festem Kalkmergel von gelblicher Farbe,
während im Innern gewöhnlich ein Kern von anderer Beschaffenheit
enthalten ist.
Im frischen Zustande wird dieser Kern von sehr feinkörnigem
graulich-speisgelbem Eisenkies — wohl meistens Markasit —, welcher
einen geringen Arsengehalt besitzt, gebildet, ln den meisten Fällen
hat aber das Eisenhisulphuret eine pseudomorphe Umbildung erlit
ten. Es ist nämlich in gewöhnlich ocherigen, selten compacteren
gelbbraunen oder rostgelben Limonit umgewandelt, welcher oft so
546
R e u 8 s.
weich ist, dass er sich zwischen den Fingern zerreiben lässt. Fast
stets ist er zugleich porös, füllt auch oft den Raum, den früher der
Eisenkies einnahm, nicht mehr vollkommen aus, sondern erscheint
durch die unregelmässigen Höhlungen, welche ihn durchziehen, wie
zerfressen. Ja oft findet man in letzteren losgerissene pulverartige
Theile des Eisenoxydhydrates liegen, ganz ausser aller Verbindung
mit den umschliessenden Wandungen. Gewöhnlich hat aber zugleich
die mergelige Rinde der beschriebenen Concretionen eine Verän
derung in Beziehung auf ihre Färbung erlitten. Es scheint nämlich
das neu gebildete Eisenoxydhydrat dieselbe ebenfalls durchdrungen
zu haben; wir finden sie mehr weniger gelb gefärbt, am intensivsten
in unmittelbarer Nähe des oft nicht mehr scharf von der Umgebung
abschneidenden Kernes. Bei einigen Concretionen wechseln con-
centrische lichtere und dunklere Farbenzonen mehrmals mit ein
ander ah.
Das Innere dieser Knollen ist nun auch die ursprüngliche Lager
stätte des in Rede stehenden gediegenen Eisens, das aber nur auf
einen engbegrenzten Raum einer einzigen Plänerschichte — nicht
weit über der Sohle des Tunnels — und darin nur auf einige verein
zelte Knollen beschränkt gewesen sein soll. Als Herr Gub. Rath Neu
mann während des Tunnelbaues die Localität besuchte, fand er die
ersten.Eisenstückchen lose auf der Halde des eben in dem Tunnel ge
brochenen und auf einen Haufen gestürzten Gesteines. Die eigen-
thümliche constante Form derselben, das starke Angegrilfensein
durch Oxydation, das Anhängen einzelner Gesteinstiiekchen entfernten
wohl sogleich jeden Gedanken an eine Abstammung derselben von
den hei der Arbeit angewandten eisernen Werkzeugen; die schon
dadurch geweckte Aufmerksamkeit wurde durch die Behauptung der
Arbeiter, dass die Eisenstücke in den Plänerknollen gesessen seien,
noch gesteigert. Bei, so weit es die damals gerade karg zugemessene
Zeit erlaubte, fortgesetzter Untersuchung gelang es, 16 solcher Eisen
fragmente aufzufinden, von denen drei noch in die zugleich aufge
fundenen Bruchstücke von Mergelconcretionen ganz genau hinein
passten. Um jeden etwa noch möglichen Zweifel zu beseitigen, be
findet sich endlich unter den von Herrn Neumann mir zur Unter
suchung übergebenen Stücken eines, in welchem gediegenes Eisen,
mit Limonit gemengt, noch ganz unverrückt und unbeweglich fest
sitzt, mit der Umgebung innig verwachsen.
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
547
Bei den übrigen lag das gediegene Eisen, nur locker verbunden
mit dem ocberigen Brauneisenstein, in den Knollen und fiel daher
beim Zerschlagen der letzteren leicht heraus.
Die Eisenstücke, deren grösstes 3 Unzen 1 Drachme wog,
stimmen beinahe alle auf eine sehr auffallende Weise in ihrer Form
überein. Sie bilden Schalen-von verschiedener Grösse, deren eine
Fläche massig und gleichförmig gewölbt, die andere ebenso concav,
der eine Rand bogenförmig , dick und eingerollt, der entgegenge
setzte scharf und gerade ist. Auf der ausgehöhlten Fläche läuft in
ziemlicher Entfernung von dem dicken Rande und demselben parallel
eine stark und scharf hervortretende kielartige Leiste , die von dem
erwähnten Rande durch eine breite Furche geschieden wird. An die
sem Kiele sind die Eisenstücke am dicksten. Das vorher berührte
grösste dieser Stücke misst 2" in der Länge, 2'6"' in der Breite,
und besitzt an dem Kiele eine Dicke von 0-6". Zum Behufe grösse
rer Deutlichkeit habe ich auf beiliegender Tafel eine Abbildung der
concaven Fläche dieses Stückes (Fig. 1), so wie des Verticaldurch-
schnittes eines anderen (Fig. 2) beigegeben.
Sämmtliche Eisenbrocken sind an der Oberfläche mit einer mehr
weniger dicken Schichte braungelben Eisenrostes überzogen und
besonders auf der gewölbten Fläche ist dieser auch mehr weniger in
das Innere des Eisens eingedrungen, so dass sich dünne Blätter von
diesem leicht trennen lassen, welche ringsum mit einer dünnen Lage
von Eisenoxydhydrat bedeckt sind. Seltener sind mehr weniger tief
reichende Querrisse vorhanden, die dann ebenfalls mit Eisenrost
erfüllt sind. An der Oberfläche mancher Stücke hängen auch noch
zahlreiche Partikeln des Pläners, von dem sie einst umgeben waren.
Das Innere der Schalen wird stets von sehr compactem metallischem
Eisen gebildet.
Dasselbe hat bei 15° R. Temperatur ein Eigengewicht von
7-732, ist weich, dehnbar, sehr licht stahlgrau, reducirt eine Lösung
von Kupfervitriol sehr rasch und zeigt auf polirten und mit Säuren
geätzten Flächen keine Spur von Widmanstätt'schen Figuren.
Schon früher wurde durch den Sohn des Entdeckers, Herrn F. G. Neu
mann in Wien eine chemische Untersuchung vorgenommen, welche
nach der mir gemachten Mittheilung nachwies:
Eisen 9833
Kohlenstolf .... 0-74
548
R e u s s.
Arsen 032
Nickel 0 - 61.
Da nun besonders des auffallenden Nickelgehaltes wegen eine
Wiederholung der Analyse nothwendig schien, unternahm Herr von
Payr im Laboratorium des Herrn Professors Röchle der auf meine
Bitte dieselbe. Er fand jedoch, dass das Eisen ungemein rein sei und
nur etwas Kohlenstoff und eineSpur von Arsen enthielt. Erstem- gab
sich theils durch den beim Auflösen in Salzsäure entweichenden
Kohlenwasserstoff, theils durch den zurückbleibenden Rückstand
von nur 0-1 zu erkennen. Die Spur von Arsen dürfte wohl aus dem
Eisenkies in das metallische Eisen übergegangen sein. Von Nickel,
Kobalt und Phosphor, auf welche die besondere Aufmerksamkeit
gerichtet war, konnte keine Spur entdeckt werden.
So wie die äussere Form, scheint auch die Lage der Eisenstücke
in den Plänerknollen eine ziemlich eonstante gewesen zu sein. Der
umgebogene dicke Rand und die nach Umständen mehr weniger
gewölbte Fläche waren nach aussen gegen ‘die Peripherie gerichtet,
während der scharfe Rand und die concave Fläche dem Innern der
umschliessenden Höhlungzugewcndet und von dickeren oder dünneren
Lagen von Eisenoxydhydrat überdeckt war. Wenigstens liess sich
dies an den Exemplaren beobachten, an welchen das jmetallische
Eisen noch in die Höhlungen der Plänerknollen hineinpasste, und nur
auf diesem Wege findet die übereinstimmende Form der Eisenpar
tikeln eine theilweise genügende Erklärung.
Was die Rildungsweise des Eisens in unserem Falle betrifft, so
kann man wohl die Vorgänge, welche dabei stattbatten, im Allge
meinen ahnen, ohne aber imStande zu sein, das Detail derselben und
die Agentien, die dabei mitgewirkt haben mögen, mit Restimmtbeit
nachzuweisen. Es treten hier jedem Versuche dieselben Schwierig
keiten entgegen, welche auch in den anderen , vorher erwähnten
Fällen jede befriedigende genetische Erklärung unmöglich machen.
Fasst man alle in unserem Falle beobachteten Erscheinungen zusam
men, so dürfte es kaum einem Zweifel unterliegen, dass das Ganze
auf einer Reihe von chemischen Processen beruht, deren Ausgangs
punkt man wohl in dem Eisenkiese zu suchen hat, welchen man jetzt
noch in vielen der Chotzener Plänerknollen erhalten findet. Derselbe
unterlag, wie es häufig statthat, einem oxydirenden Zersetzungspro-
cesse und wurde dadurch in meistens ocheriges Eisenoxydhydrat
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
549
umgewandelt, das wir an der Stelle des Eisenkieses so viele der
Knollen erfüllen und bisweilen noch einen Überrest unzersetzten
Kieses umschliessen sehen. Aber auch dieses scheint von ferneren
chemischen Veränderungen nicht überall verschont geblieben zu sein.
Einem solchen chemischen Vorgänge — und zwar einem Reductions-
processe — dürfte das in einzelnen Knollen Vorgefundene gediegene
Eisen seinen Ursprung verdanken. In dieser Beziehung stimmt unser
Fall mit den vorher angeführten vollkommen überein. Wir sehen
hier, wie dort, eine Reduction des Eisens aus einem seiner Oxyde.
Dass bei Chotzen die Zwischenstufe des Eisenoxyduloxydes, das andere
Tellureisen begleitet, mangelt, kann durch besondere individuelle
Verhältnisse bedingt sein. Während wir aber bei einigen der früher
beschriebenen Vorkommnisse den Einfluss organischer Substanzen,
bei anderen eine hohe Temperatur — beides mächtige desoxydirende
Einflüsse—-mit der grössten Wahrscheinlichkeit als reducirendes
Agens in Anspruch nehmen können, fehlt in unserem Falle jeder An
haltspunkt. Am wahrscheinlichsten ist es immer noch, dass organische
Substanzen oder Gase dabei wirksam waren, denn, wenn diese bei
höherer Temperatur Eisen rasch zu reduciren vermögen, so können
sie dasselbe wohl auch bei gewöhnlicher Temperatur, aber lang
sam — in langen Zeiträumen — zu Stande bringen. Auf den
genetischen Zusammenhang des metallischen Eisens mit dem Eisen
kiese deutet übrigens schon der wenn auch sehr geringe Arsen
gebalt hin, der wahrscheinlich aus V^tzterem in das Eisen über
gegangen ist. — Das das Chotzener Eisen wirklich tellurisches
Eisen sei, ergibt sich schon aus manchen seiner beschriebenen
Eigenthiimlichkeiten. Aus der Reihe der Meteoreisen wird es aus
geschlossen durch die Art seines Vorkommens und, wenn man es
selbst als den Rest eines vorweltlichen, während der Ablagerung
des Pläners Statt gehabten Meteoreisenfalles anzusehen geneigt
wäre, durch den Mangel jedes Nickel- und Kobaltgehaltes und der
Widmannstätt’schen Figuren. Sollte man dagegen, um im Wegieug-
nen jedesTellureisens consecjuent zu bleiben, es gewaltsam zu einem
Kunstproducte stempeln wollen, so könnte es doch nur von den beim
Durchbrechen des Tunnels gebrauchten Werkzeugen abstammen,
womit sich aber die so constante Form der Eisenstückchen und das
starke Angegrilfensein derselben durch Oxydation nicht in Einklang
bringen lassen.
550
R e u s s.
Einen unwiderleglichen Beweis für den tellurischen Ursprung
des Chotzener Eisens liefert aber das schon früher kurz erwähnte
Stück eines Plänerknollens, in welchem man das metallische Eisen
noch fest eingewachsen findet. In einem Bruchstücke durch Eisen
oxydhydrat ochergelb gefärbten Pläners sieht man neben einer Partie
sehr porösen Eisenochers drei festere Einflüsse von Haselnnssgrösse
liegen, welche mit dem umgehenden Gesteine innig Zusammenhän
gen. Sie besitzen eine dunkel-schwärzlich-braune Farbe und zeigen
einen Strich, der theils gelb-braun, theils metallisch glänzend ist.
Kleine Partikeln werden vom Magnet angezogen. Zerreibt man einige
derselben, so unterscheidet man darin unter der Loupe neben deut
lichem Eisenoxydhydratpulver zahlreiche kleine Flitterchen lebhaft
glänzenden metallischen Eisens, welche sich durch Schlämmen und
durch den Magnet leicht von dem Oxydpulver trennen lassen.
Ohne Zweifel hat man es hier mit Partien gediegenen Eisens zu thun,
die durch Oxydation schon wieder zum Theil in den Zustand des
Eisenoxydhydrates übergeführt worden sind. Mit anderen Stücken
dürfte dies wohl schon zur Gänze geschehen sein, so dass keine Spur
mehr davon übrig geblieben ist. Diese rasch eintretende Oxydation
istgewiss, wenigstens zumTheile, der Grund, wesshalb das metallische
Eisen sich überhaupt gar so selten in den verschiedenen Gestein
schichten vorfindet, während von der anderen Seite auch das Zusam
mentreffen besonderer Umstände nöthig gewesen sein mag, um die
Reduction desselben zu bewirken. Künftige mit Sorgfalt angestellte
Untersuchungen werden uns vielleicht auch diese mein- weniger voll
ständig kennen lehren.
II. Über den Lillit, eine neue Minernlspecies von Pribram.
In meiner Abhandlung über die paragenetischen Verhältnisse
der Pribramer Gangmineralien (Sitzungsberichte der kais. Akad.
der Wiss., Bd. 22, S. 138 ff.) habe ich eines dem äusseren Ansehen
nach der Grünerde oder dem Glaukonit ähnlichen Minerals, welches
nicht selten in einer der zahlreichen dortigen Caleilformationen (dem
Calcite III) vorgekommen ist, vielfache Erwähnung gethan. Beson
ders in jüngster Zeit hat es sich selbst in bedeutenden Tiefen (über
350 Klaftern) in Begleitung von Pyrit und Samteisenerz, in dem
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
551
Kalkspathe eingeschlossen oder doch von demselben bedeckt gefun
den. An Stufen, die aus früheren Zeiten des Pi-ibramer Bergbaues
herstammen, traf ich auch den Cronstedtit in seiner Gesellschaft.
Die Verhältnisse, unter denen das Mineral auftritt, habe ich an dem
bezeichneten Orte ausführlich beschrieben. Hier erlaube ich mir nur
des klareren Verständnisses wegen, zu wiederholen, dass dieselben
von der Art sind, dass man die Substanz für ein Zersetzungsproduct
eines knolligen und nierenförmigen, dünnstenglig zusammengesetz
ten Pyrites ansehen muss. Mitunter sah ich den Pyrit noch theilweise
erhalten und deutlich erkennbar, während aber in den meisten Fäl
len der Zersetzungsprocess bis zum völligen Verschwinden des
ursprünglichen Minerales gediehen ist.
Das daraus hervorgegangene Product stellt eine amorphe glanz
lose Substanz von erdigem Ansehen dar, die mitunter selbst zerreib
lich ist. In anderen Fällen bildet sie eine zusammenhängende Masse,
welche beiläufig die Härte des Gypses besitzt. Sie ritzt den Gyps
nur auf den vollkommensten Theiluugsflächen. Ihre Farbe ist schwarz
grün und neigt nur dann in das Braune , wenn Eisenoxydhydrat in
bedeutender Menge beigemengt ist. Die Farbe des glänzenden Stri
ches ist etwas lichter als die Oberflächenfarbe, dunkelgrau-grün.
Die Substanz fühlt sich mager an. Das specifische Gewicht ergab
sich im Mittel aus mehreren Wägungen = 3-0428. Sehr feines Pul
ver, im befeuchteten Zustande unter dem Mikroskope betrachtet,
scheint mit lauchgrüner Farbe durch.
Im Kolben erhitzt, gibt das Mineral Wasser und wird schwarz.
In offener Glasröhre vor dem Löthrohre behandelt, entbindet es eben
falls Wasser und nimmt eine braune Färbung an. Auf der Kohle
schmilzt es schwer zur schwarzen schlackigen Masse, die nach dem
Erkalten vom Magnete lebhaft angezogen wird. Mit Borax am Platin-
drathe zusammengeschmolzen, löst es sich leicht zu einer im heissen
Zustande rothen, nach dem Erkalten gelben durchsichtigen Glasperle.
Mit Phosphorsalz gibt es ebenfalls ein gelbes Glas, in dem ein weis-
ses ungelöstes Kieselskelet schwimmt. Mit Soda und Salpeter auf dem
Platinbleche zusammengeschmolzen, ertheilt es dem Flussmittel nur
stellenweise eine sehr schwache grüne Färbung. Alle diese Ver
suche deuten auf die Gegenwart von vielem Eisen, Kieselerde und
Wasser, als Hauptbestandtheiie des Minerales, zu denen noch ein
sehr geringer Mangangehalt hinzukommt.
5S2
Heus s.
Dieselben Bestandteile, mit Ausnahme des Mangans, ergaben
sieb aus einer qualitativen Untersuchung auf nassem Wege. Man
erkannte dabei auch noch die Gegenwart von Pyrit und kohlensau
rem Kalk, welche aber nur als mechanische Einmengungen anzusehen
sind, wie eine Prüfung des Minerals durch vergrössernde Gläser
unzweifelhaft darthut. Dasselbe lässt nicht selten noch die stengelige
Zusammensetzung des Pyrites, aus dem es entstanden ist, wahrneh
men und aus dem benachbarten Kalkspathe senken sich dann zwischen
die einzelnen Stengel sehr dünne Säulchen desselben, bestehend aus
vertical über einander liegenden winzigen Kryställehen, hinein; oder
es liegt der Calcit auch in einzelnen Körnchen, die wegen ihrer
Kleinheit sich nicht vollkommen absondern lassen, in der Masse
zerstreut.
Der ebenfalls eingemengte Pyrit ist keineswegs als ein der Zer
setzung entgangenes Residuum des ursprünglichen Pyrites zu betrach
ten, sondern als eine spätere Neubildung. Denn er liegt in einzelnen
rundum ausgebildeten Krystallen oder Krystallgruppen (H oder -f-
Ao
oder II. die zuweilen eine Grösse von 1—2"' erreichen, mehr
weniger reichlich in der zersetzten Masse eingebettet, selbst voll
kommen frisch und glänzend, nicht die geringste Spur einer chemi
schen Veränderung darbietend.
Aber auch noch eine dritte, offenbar mechanische Beimengung
verräthsich häufig dem bewaffneten Auge; ja wo sie in reicherem
Masse vorhanden ist, vermag man sie schon mit freiem Auge zu
erkennen. Nicht selten sehen wir nämlich das Mineral mit Eisenoxyd
hydrat in grösserer oder geringerer Menge gemischt, wobei dasselbe
bald nur als fein vertheilter Ocher, bald in kleinen Kügelchen, aus
vom Centrum nach allen Seiten hin ausstrahlenden Fasern bestehend,
bald endlich selbst in grösseren Partien ausgeschieden erscheint.
In letzterem Falle vermag man daran alle Charaktere des bekannten
Samteisenerzes (Göthites) nachzuweisen. Über den innigen Zusam
menhang desselben mit dem erdigen grünen Minerale werde ich wei
ter unten noch einiges beifügen.
Die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung auf troekenem
und nassem Wege, so wie auch der mechanischen Analyse wurden
durch die quantitative chemische Zerlegung bestätigt, welche Herr
von Payr im Laboratorium des Herrn Prof. Dr. Röchle der vorzu-
Mineralogische Notizen aus Böhmen. 553
nehmen die Gefälligkeit hatte. ZumBehufe derselben wurde möglichst
reines Material ausgewählt; es wurden die eingemengten Kalkspath-
partikeln mit Hilfe der Loupe, die Pyritkryställchen durch Schläm
men möglichst davon getrennt. In der auf diese Weise gereinigten
Substanz unterschied man nur noch sehr wenige und kleine Splitter
von Kalkspath und Pyrit, die sich als solche leicht erkennen Hessen.
Von etwa beigemengtem Eisenoxydhydrate konnte ich darin keine
Spur entdecken, was, falls eine solche Verunreinigung wirklich
vorhanden gewesen wäre, unter dem Mikroskope doch hätte
geschehen müssen.
Das Mineral zeigt ein auffallendes Verhalten gegen Säuren.
Schon eine schwache kalte Säure, z. B. Essigsäure reicht zur Zer
setzung hin, sie nimmt Eisenoxyd daraus auf, ohne Kieselerde
abzuscheiden. Eine stärkere Säure, z. B. Salzsäure, besonders im
erwärmten Zustande, löst das Mineral leiebt mit Ausscheidung von
gallertartiger Kieselsäure auf. Die salzsaure Lösung ist intensiv gelb.
Treibt man aber durch Glühen zuvor das Wasser in einem Strome
von Kohlensäuregas aus dem Minerale aus, so widersteht dasselbe
selbst starken erhitzten Säuren hartnäckig. Es stimmt dies mit dem
Verhalten der wasserfreien Eisenoxydulsilicate überhaupt überein,
in denen das Eisenoxydul die Kieselsäure sehr fest zurückhält, wäh
rend bei den Hydraten die Zersetzung viel leichter eintritt.
Ich lasse nun die Resultate der Analyse nach den mir gegebenen
Mittheilungen des Herrn v. Payr wörtlich folgen:
„1‘579 des Minerales geben 0-513 Kieselsäure = 32 - 48 pCt.
0-862 Eisenoxyd = 54-95 „
0 031 Kalkcarbonat= 1-96 „
Salzsäure Hess davon ungelöst 0-010 Pyrit = 0-63 „
T638 der Mineralsubstanz, in einer Atmosphäre von Kohlen
säure geglüht, gaben 0-184 Verlust = 11-23 pCt. Davon sind
0-17 Schwefel und 0-63 pCt. Doppelschwefeleisen (Pyrit); ferner
0-8624 Kohlensäure, die bei dem Glühen des Silicates ausgetrieben
und beim Erkalten im Kohlensäuregas nicht mehr aufgenommen wur
den. Demnach beträgt die Menge des hinweggegangenen Wassers
10-1976 pCt.
0-852 des Minerales gaben, mit Salpetersäure befeuchtet,
geglüht, mit kohlensaurem Ammoniak befeuchtet und wieder geglüht,
0-775 Substanz, also — mit Berücksichtigung des Wassers, des
554
R e ii s s.
Schwefels im Pyrit und der Kohlensäure im Calcit — eine Gewichts
zunahme von 3-43 pCt.
Nach Abzug dieser Menge Sauerstoff von der gefundenen Menge
Eisenoxyd == 54-95 bleiben 31-32 pCt. Eisen und Sauerstoff.
Nach Abzug des beigemengten Doppeltschwefeleisens und des
kohlensauren Kalkes bleiben also :
Si0 3 = 32-48
Fe+O =51-52
HO =10-20
oder in 100 Theilen:
94-20
Si0 3 = 34-48
Fe-)-0 = 54'69
HO =10-83
100-00
Dies führt am wahrscheinlichsten zu der Formel: 2(Si0 3 , FeO, HO)
-f- (Fe 2 0 3 , IIO), obwohl die Resultate der Analyse nicht vollkommen
damit stimmen; denn die Formel würde verlangen:
2SiO s = 34-07
4Fe
50
3HO = 9-94
: 55-99
und eine Gewichtszunahme von 2-92 pCt. an Sauerstoff. Es ist hier
offenbar in dem Gemenge etwas mehr von dem wasserhaltigen Eisen
oxydulsilicat und etwas weniger von Eisenoxydhydrat enthalten, als
der angegebenen Formel entspricht“.
Nimmt man die eben angegebene Zusammensetzung des in Rede
stehenden Minerales als die wahrscheinlichste und richtigste an, so
unterscheidet es sich in chemischer Beziehung wesentlich von allen
verwandten Mineralien.
Am nächsten stehen ohne Zweifel der Cronstedtit, Sideroschi-
solith, Stilpnomelan, Hisingerit u. s. w., für deren einige bisher noch
keine sicher feststehende Formel aufgestellt worden ist. Sie unter
scheiden sich aber in der Zusammensetzung alle von dem beschrie
benen Minerale.
Der Cronstedtit — nach v. Kobell’s Correction der Formel:
3(FeO, MgO, MnO) Si0 3 -f- Fe z 0 3 , 3110 — unterscheidet sich,
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
555
abgesehen von der verschiedenen Zusammensetzung des enthaltenen
Eisenoxydhydrates, schon durch die Gegenwart der Talkerde. Der
Sideroschisolith [3(FeO, HO)-j-3FeO, Si0 3 ] würde, Avenn die ange
nommene Formel die richtige ist, gar kein Eisenoxyd enthalten. Bei
beiden ist überdies das Eisenoxydulsilicat wasserfrei. Der Stilpno-
melan, dessen chemische Zusammensetzung ebenfalls noch im Dun
keln liegt, Avürde zwar eia Eisenoxydhydrat, aber zugleich Thonerde
und Magnesia enthalten.
Die Formel des amorphen Hisingerites ist: 3FeO, Si0 3 -j-
2Fe 3 0 3 Si0 3 -|- 6HO. Seine schalig-nierenförmigen und traubigen
Gestalten dürften übrigens vielleicht auf eine analoge Weise, Avie bei
unserem Minerale, aus einem Schwefeleisen entstanden sein. Ferner
stehen in chemischer Beziehung die Grünerde, der Glaukonit und die
verschiedenen Chlorite mit demselben.
Es dürfte daher avoIü erlaubt sein, dasselbe als eine eigenthüm-
liche chemische Verbindung und, da es auch durch besondere mine
ralogische Merkmale ausgezeichnet ist, als eine besondere Mineral-
species zu betrachten, der ich zu Ehren des Herrn Gubernialratbes
von Lill in Pfibram, der den Pfibramer Gangmineralien eine so
grosse Aufmerksamkeit zugeAvendet und sich dadurch grosse Ver
dienste um ihre Kenntniss envorben hat, den Namen „Lillit“ bei
zulegen vorschlage.
Zuletzt noch einige Worte über die Entstehung und Aveitere
Umbildung des Minerales. Es kann, Avie schon früher envähnt wurde,
keinem ZAveifel unterliegen, dass dasselbe ein Zersetzungsproduct
des Pyrites sei. Es zeigt dieselben nierenförmigen und traubigen
nachahmenden Gestalten, dieselbe diinnstengelige Zusammensetzung,
Avie der in demselben Minerale manchmal noch unzersetzt auftretende
Pyrit. An der Unterseite des darüber liegenden Calcites erkennt man
deutlich die Abdrücke der kleinen Hexaeder oder II—Avelche die
u
Oberfläche der frischen Partien drüsig machen. Endlich findet man
nicht selten den Pyrit nur theilweise von der Zersetzung ergriffen,
während der übrige Theil noch deutlich das ursprüngliche Mineral
erkennen lässt, so dass man die Umwandlung durch alle Phasen bis
zu ihrer Vollendung zu verfolgen im Stande ist.
Der Weg, auf Avelchem die Zersetzung vor sich gegangen, dürfte'
nicht schwer nachzmveisen sein. Es ist bekannt, dass der Sclnvefel-
5S6
R e u 8 s.
kies durch doppelt kohlensauren Kalk zersetzt wird. Dass es an
letzterem nicht fehlen konnte, beweist die reiche Entwickelung des
Caleites, in welchem der Lillit entweder eingebettet liegt oder von
welchem er doch bedeckt wird. Das gebildete kohlensaure Eisen
oxydul zerfiel zum Theil sogleich in Eisenoxydhydrat, zum Theil
wurde es durch die in der Lösung zugleich befindliche Kieselsäure
zerlegt und in wasserhaltiges Eisenoxydulsilicat verwandelt, welches
mit dem Eisenoxydulhydrate in eine, wenn auch nur sehr lockere
Verbindung trat und den Lillit bildete.
Die grosse Ähnlichkeit seiner Zusammensetzung mit jener des
Cronstedtites macht es begreiflich, wie sich aus demselben Pyrite bald
Lillit, bald Cronstedtit bilden konnte. Wir finden daher letzteren
auch fast stets von ersterem begleitet, und wie ich in meiner früher
erwähnten grösseren Abhandlung darthat, fand ich einmal mitten in
der Lillitmasse einzelne Säulchen des Cronstedtites eingebettet, so
dass sich an einer gleichzeitigen Entstehung beider kaum zweifeln
lässt.
Es liegt dann die anderwärts schon ausgesprochene Idee wohl
sehr nahe, dass der Cronstedtit ebenfalls ein Umbildungsproduct des
Pyrites sein möchte, eine Ansicht, die auch darin eine Bestätigung
finden könnte, dass die Stengel des Pyrites zuweilen unmittelbar in
die dünnen Säulen des Cronstedtites fortsetzen, daher an einem Ende
aus Pyrit, an dem andern aber aus Cronstedtit bestehen.
Der Lillit unterliegt aber in der Folge wieder einer Zersetzung,
zu welcher er durch die lose Verbindung des Eisenoxydhydrates mit
dem Eisenoxydulsilicate ohnedies schon hinneigen muss. Die fortge
setzte Einwirkung kohlensauren Wassers reicht hin, um diese Zer
setzung hervorzubringen. Durch den Einfluss der Kohlensäure auf
das Eisenoxydul zerfällt die Verbindung und das schon fertige Eisen
oxydhydrat scheidet sich aus, während das gebildete kohlensaure
Eisenoxydul zerlegt wird und sich ebenfalls in Eisenoxydhydrat
umstaltet. Welche Verhältnisse es bedingen mögen, dass sich gerade
das einfache Hydrat — der Göthit — bildet, ist wohl schwer zu ent
scheiden, wenn nicht etwa das Vorhandensein dieser Hydratstufe im
Lillit auch massgebend auf das sich bei seiner Zersetzung bildende
Eisenoxydhydrat einwirkt.
Die eben erörterte Umbildung kann man in allen Phasen ver
folgen, von der Beimengung sparsamen ocherigen Eisenoxydhydrat-
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
557
pulvers liis zum Vorhandensein deutlicher grösserer oder kleinerer
Partien von Samteisenerz, entweder in der Lillitmasse selbst oder in
ihrer Nähe.
Das aus der Zersetzung des Lillites hervorgegangene Eisenoxydul-
carbouatwird jedoch in den meisten Fällen weiter von der Geburtsstätte
hinweggeführt, um erst in grösserer Entfernung wieder als Nadeleisenerz
präcipitirt zu werden. Daher sehen wir dasselbe so oft in Gesellschaft
des den Lillit deckenden oder umschliessenden Calcites (III) erschei
nen oder auch auf der Unterlage verschiedenartiger älterer Mineral
substanzen zum Vorschein kommen, wie ich dies in meiner Abhand
lung über die Pribramer Gangmineralien ausführlicher auseinander
gesetzt habe. In allen Fällen scheint aber der Lillit das Material zu
seiner Bildung geliefert zu haben. Wir können dies schon aus dem
Umstande schliessen, dass er sehr oft die Räume, welche der Pyrit
vor seiner Zerstörung eingenommen hat, nicht mehr vollkommen aus
füllt, ja sehr oft sind sie zum grossen Theile leer, nur noch mit einem
Überzüge von Lillit ausgekleidet oder auch mehr oder weniger von
später gebildetem Pyrit oder Calcit erfüllt. In solchen Fällen gibt
nur ein dünner Überzug oder eine sparsame Einmengung des dunkel
grünen pulverigen Minerales seine frühere reichlichere Gegenwart
zu erkennen.
Welche Umstände bei der Neubildung von Pyrit besonderen
Einfluss ausgeübt haben mögen, wage ich nicht zu entscheiden. Viel
leicht haben auch hier durch das Wasser herbeigeführte organische
Substanzen die ßeduction des Eisenoxydulsilicates zu Schwefeleisen
bewirkt. Befremden kann uns diese wiederholte Bildung von Pyrit
in keinem Falle, da dieses Mineral auf den Pribramer Erzgängen zu
sehr verschiedenen Zeiten gebildet wurde, daher in der Reihe der
Pribramer Gangm ineralien mehrfach wiederkehrt.
III. Über einen dichten Pyroxen you Itochlitz.
Durch die Güte des Herrn Em. Porth erhielt ich vor einiger
Zeit ein derbes verseil windend-körnig zusammengesetztes Mineral, das
durch sein höheres specifisches Gewicht und die bedeutendere Härte
schon im vorhinein seine Verwandtschaft mit den augitischen Sub
stanzen ahnen Hess, das aber durch seine beinahe schneeweisse Farbe,
36
Sitzh. (1. mathem.-naturw. CI. XXV. Bd. II. Hfl.
558
R e u s s.
welche zum Vorschein kam, wenn man das in geringer Menge bei
gemischte Kupferoxydcarbonat durch eine schwache kalte Säure ent
fernt hatte, meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Dazu kam auch noch
die eigenthiimliche Art seines Vorkommens, über welches ich nach
den Mittheilungen des Herrn Porth folgende Bemerkungen voran
schicke.
Das Mineral findet sich in einem Lager körnigen Kalksteines,
das, im Liegenden von Glimmerschiefer, im Hangenden von Quarz
schiefer begrenzt, sich mit einem Streichen nach St. 20 von Fran
zensthal über Oberrochlitz nach Passeg zieht. Es bildet im Kalksteine
Bänke von einigen Zoll bis zu 8 Fuss Dicke, welche sich aber in der
Richtung des Streichens oft auskeilen, um in einiger Entfernung
wieder zu beginnen, ohne jedoch ein bestimmtes Niveau einzuhalten.
Es stellt daher eigentlich ein Aggregat paralleler grösserer und
kleinerer linsenförmiger Massen dar, die mit Schichten chloritischer
und taikiger Schiefer vielfach wechseln. Zuweilen ist die in Rede
stehende Mineralsubstanz ziemlich rein und setzt selbstständig die
genannten Lenticularmassen zusammen, oder sie ist innig mit Talk
schiefermasse gemengt und dann mürbe und zerreiblich,oder sie findet
sich in einzelnen Partien unmittelbar in dem körnigen Kalkstein ein
gewachsen. Nicht selten wird sie von Schnüren einer licht grau-grünen
asbestartigen Substanz durchzogen.
Wie die durch den Oberrochlitzer Bergbau gewonnenen Auf
schlüsse lehren, wird der eben beschriebene Schichtencomplex von
einer sich in ihrer Mächtigkeit nicht gleichbleibenden gangförmigen
Quurzmasse durchsetzt, welche grössere Partien von Buntkupfererz,
Kupferkies, Kupferbraun, Malachit, silberreichem Fahlerz u. s. w.
eingeschlossen enthält und daher die Hauptlagerstätte der Erze, die
der Gegenstand des Bergbaues sind, darstellt. Von da verbreiten
sich die Kupfererze auch in die Lagerpartien des in Rede stehenden
Minerales, während die zwischenliegenden Schichten von körnigem
Kalkstein und Talkschiefer fast ganz erzleer sind und nur hie und da
schwache Malachitanflüge auf den Klüften zeigen.
Die augitische Substanz dagegen führt, abgesehen von den
dünnen Lagen von Allophan, Kieselkupfer und Malachit, die der
ganzen Masse nicht selten eine grünliche Färbung ertheilen, zahlreiche
Mineralien eingesprengt. Dahin gehören insbesondere: Allophan,
Malachit, selten Kupferlasur, Kupferbraun, Buntkupfererz, Kupferglanz
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
559
und Kupferkies, Bleiglanz, Schwefelkies, Zinkblende, sämmtlich nur
derb, etwas Weissbleierz, das man auf Klüften auch in sehr kleinen,
aber stark glänzenden, fast wasserklaren Kryställchen antrifft, und
endlich noch weit seltener Pyromorphit. Die Klüfte werden bisweilen
auch von dendritischen Zeichnungen von Eisen- und Manganoxyd-
hydraten bedeckt oder sind mit einer Schichte einer gelblich- oder
grünlich-braunen, sehr weichen, sich seifenartig anfühlenden, fein
faserigen Substanz (wohl Sch eer er’s Neolith) überzogen. Immer
aber spielen hier die Kupfersulphurete eine weit untergeordnetere
Bolle, als in dem Quarz.
Das Mineral selbst stellt eine ganz dichte, verscbwindend-kör-
nige Masse dar, die aber, unter dem Mikroskope betrachtet, eine
deutliche krystallinische Structur zeigt. Sie ist zuweilen, besonders
stellenweise, lichtgrün in verschiedener Intensität gefärbt, was aber,
wie die Betrachtung unter der Lotipe lehrt, nur von einer Beimen
gung von Allophan, Kieselkupfer und erdigem Malachit herrührt.
Besonders auf den Klüften treten diese Substanzen deutlicher hervor;
hat man jedoch das Mineral kurze Zeit mit verdünnter kalter Salzsäure
digerirt, so erscheint dasselbe rein weiss. Auf diese Weise gereinigt,
gab es als Mittel aus mehreren Wägungen des Pulvers ein specilisches
Gewicht von 3-3976. Der Strich ist matt, weiss; die Härte zwischen
5!> und 6-0. Das Mineral ist nur an dünnen Kanten sehr schwach
durchscheinend.
In dünnen Splittern und in Pulverform vor dem Löthrohre
erhitzt, schmilzt es ziemlich schwer und ruhig zu einem weissen
emailartigen Glase. In Borax löst es sich leicht und unter schwa
chem Aufschäumen zu einem nach dem Erkalten durch Eisen schwach
gelb gefärbten durchsichtigen Glase. Weit langsamer erhält man
ein solches beim Zusammenschmelzen mit Phosphorsalz und es
schwimmt dann darin die Kieselerde als weisses Skelet. Wenn man
die Probe mit Kobaltsolution befeuchtet und erhitzt, so wird sie an
den geschmolzenen Kauten nach dem Erkalten blassroth. Mit Soda
und Salpeter auf dem Platinbleche erhitzt, bläht sie sich auf, ehe sie
zusammenschmilzt, wobei eine blassgrüne Färbung hervortritt. Setzt
man eine grössere Menge des gepulverten Minerales zu, so schmilzt
das Ganze nur zur schlackigen Masse.
In erhitzter Salzsäure löst sich das Mineral unter Ausscheidung
von Kieselgallerte leicht zur intensiv gelben Solution.
36 *
560
Heus s.
Die quantitative Analyse wurde von Herrn v. Payr im Labora
torium des Herrn Prof. Dr. Rochleder vorgenommen. Sie wies in
100 Gewichtstheilen nach:
Kieselerde 55-03
Kalkerde 20-72
Talkerde 15 71
Eisenoxydul 4-S4
Manganoxydul 3-16
T!Ä4lf
Es beträgt der Sauerstoffgebalt der Basen mithin fast genau die
Hälfte vom Sauerstoffgehalte der Kieselerde, woraus sieb die Formel
3RO-f2SiO-, also die Augitformel ergibt, wobei RO=CaO-)-MgO
-j-FeO-f-MnO ist. Unser Mineral stellt sich daher als eine weisse
Varietät des Malakolilhes heraus, die in chemischer Beziehung unge
mein mit einem von H. Rose analysirten Malakolithe von Fahlun in
Schweden übereinkommt, welcher besteht aus:
Kieselerde 54-55
Kalkerde 20-21
Talkerde 15-25
Eisenoxydul 8-14
Manganoxydul 0-73
Thonerde 014.
Nur ist hier der Eisenoxydulgehalt ein grösserer; rechnet man
aber Eisenoxydul und Manganoxydul zusammen, so erhält man auch
hier 8-87, also beinahe gerade so viel, als bei der böhmischen Abän
derung (S-0). Dieselbe zeichnet sich demnach besonders durch den
grossen Mangangehalt (3-16) aus, der selbst noch etwas höher ist,
als bei dem von Berzelius untersuchten rothbraunen, sehr eisenreichen
Malakolith von Degerö in Finnland, welcher 3-0 pCt. Manganoxydul
enthält. Auffallend ist endlich noch bei dem nicht unbedeutenden
Eisenoxydulgehalte unseres Minerales die fast schneeweisse Farbe,
welche dasselbe nach Entfernung der färbenden kupferhaltigen Sub
stanzen darbietet. Es ist dies übrigens das erste Vorkommen der die
Erzlager der nordischen krystalliuischen Gesteine so sehr auszeich
nenden Malakolithe, welches aus Böhmen bekannt wurde.
Unter sehr analogen Verhältnissen kommt ein ganz ähnliches
Mineral, ebenfalls erzführend, bei Unterrochlitz vor. Nur ist es licht
grau-grün oder grünlich-grau, oftmals mit feinkörnigem Kalk, Quarz
Mineralogische Notizen aus Böhmen.
561
und Schwefelkies innig gemengt oder auch feinkörnige Zinkblende
und Bleiglanz eingesprengt enthaltend. In einzelnen Klüften ist es in
Krystallen angeschossen, die trotz ihrer sehr unregelmässigen Aus
bildung doch die Augitform zweifellos erkennen lassen. Es ist daher
ebenfalls Malakolith, aber mit einem bei weitem grösseren Eisengehalte.
IV. IJber den Steininannit von Pribram.
In der neuesten Zeit sind mehrfach Zweifel gegen die Selbst
ständigkeit des Steinmannites ausgesprochen worden und in seiner
Übersicht der Resultate mineralogischer Forschungen im Jahre 1SSS,
pag. 109, 110 hat Kenngott denselben geradezu für eine Abände
rung des Bleiglanzes erklärt. Eine bestimmte Bestätigung oder Wider
legung dieser Ansicht konnte nur durch eine genaue chemische
Analyse, die bekanntlich bisher noch fehlte, geliefert werden. Auf
den von Prof. Zippe selbst mehrfach ausgesprochenen Wunsch ver
anstaltete ich eine solche, die durch Herrn Dr. Schwarz, damals
Assistenten am chemischen Laboratorium des Herrn Prof. Dr. Roch-
Ieder, ausgeführt wurde. Das Mineral wurde mit grösster Sorgfalt
den im hiesigen Museum aufbewahrten Originalexemplaren entnom
men, war aber demungeachtet nicht rein, da es nach der Art des
Vorkommens überhaupt unmöglich sein möchte, sich eine zur Analyse
hinreichende Menge vollkommen reines Steinmannites zu verschaffen.
Die Resultate der Analyse dürften aber trotzdem genügen, um einen
Schluss über die Wesenheit des Steinmannites daraus ziehen zu
können.
Die vorgenommene chemische Untersuchung lieferte:
Schwefel, Antimon,
Arsen, Zink,
Blei, Eisen,
welche sich zu folgenden binären Verbindungen verknüpfen lassen,
die zum Theile unter einander wieder zusammengesetztere Verbin
dungen cingegangen sein mögen, und zwar:
PbS 76'4S
As 3 S 3 9-2S
SbS 3 0-77
ZnS 11-38
FeS 210
99-98.
S62
R e u s s. Mineralogische Notizen aus Böhmen.
Eine andere Probe gab um 2-0 pCt. Blei weniger, fast kein Zink,
beinahe kein Arsen, aber dagegen viel Antimon. In einer dritten
Probe fand ich einen wenn auch geringen Silbergehalt. Es geht aus
diesen Ergebnissen hervor, dass ausser dem Schwefelblei kein anderer
Bestandtheil constant sei, die übrigen (Zinkblende, Eisenkies, Anti
monglanz, Fahlerz u. s. w.) alle als zufällige Einmengungen zu
betrachten seien. Der Steinmannit wird daher auch nur für einen
gewöhnlich verunreinigten Bleiglanz erklärt werden können. Die
Formen, in denen er auftrilt, stimmen ganz mit denen des jünger»
Bleiglanzes (Bleiglanz II) überein, dem er auch in Beziehung auf
seine Bildungsepoche beizuzählen ist, wie ich dies schon in meiner
Abhandlung über die paragenetischen Verhältnisse der Pribramer
Gangmineralien ausführlicher dargethan habe. Dann erklärt sich auch
der geringe und oftmals ganz fehlende Silbergehalt sehr ungezwungen.
Reuss. Über sibirische Schälsteine und das Eisenerzlager von Auval bei Prag 1 . 563
Über si/urisc/ie Schalsleine und das Eisenerzlager von Auval
bei Prag.
Von dem w. M. Prof. Dr. August Reuss.
(Vorgelegt in der Sitzung vom 25. Juni 1857.)
Die Zahl der bisher bekannt gewordenen Eisenerz-Ablagerungen
im Gebiete der SilurformationCentral-Böhmens ist schon so gross, dass
die Entdeckung eines neuen solchen Lagers keine besondere Bedeu
tung haben kann. Wenn ich mir es trotzdem erlaube, einen Fund
dieser Art, der vor nicht sehr langer Zeit bei Auval unweit Prag
gemacht wurde, zum Gegenstände der vorliegenden kleinen Abhand
lung zu machen, so bewogen mich besondere Gründe dazu.
Abgesehen von der industriellen Bedeutung, die dieses Eisenerz
lager durch seinen Reichthum guter Erze und durch die günstigen
Verhältnisse, die demselben aus der Lage unmittelbar an einer Eisen
bahn und einer Hauptpoststrasse erwachsen müssen , wohl erlangen
dürfte, bietet es noch ein specielles wissenschaftliches Inter
esse dar.
Unter den Gesteinschichten, die dasselbe zunächst einschliessen,
gelang es mir, eine Felsart aufzufinden, die bisher noch nirgend im
Bereiche silurischer Gebilde gefunden worden war, und die man für
ein ausschliessliches Eigenthum der devonischen Formation ansehen
zu müssen glaubte. Ich meine die Schälsteine, die ich unter den sibi
rischen Gebilden bisher nirgend erwähnt finde, während sie in den
Devonschichten Nassaus, mancher Gegenden Westphalens, des Har
zes und von Devonshire eine bedeutende Rolle spielen. Unsere Ge
steine kommen mit den Nassau’schen Schalsteinen in so hohem
Grade überein, dass eine Unterscheidung derselben bisweilen fast
unmöglich wird.
Überdies erregt das Eisenerzlager selbst durch die es zusammen
setzenden Gebilde, durch die Art ihrer Verbindung mit einander und
durch sein Verhalten zu dem Nebengesteine ein nicht geringes
564
Reuss. Über silurische Schälsteine
Interesse, indem es uns manchen tiefen Blick in die Geschichte seiner
Entstehung und der Umbildungen, die es im Laufe der Zeit erlitten
haben mag, gestattet. Überall spricht sich eine merkwürdige Analogie
mit den ebenfalls von Schalsteinen begleiteten Eisenerzlagern Nassaus
aus. Es wird dies aus der nachstehenden Schilderung der geoguosti-
schen Verhältnisse zur Genüge hervorgehen.
Auval liegt am östlichen Ende des böhmischen Silurgebietes,
nicht weit von dessen Grenzen entfernt, in einer Ausbuchtung, die
am weitesten gegen Osten vorspringt. Südwärts endet die Silurfor
mation bei Skworec, Prisimas und Limus, indem sie dort am Granit
abschneidet, der, den nördlichsten Ausläufer der Granitmassen Central-
ßöhmens bildend, ziemlich steil aus dem Auvaler Becken emporsteigt.
Ostwärts verbirgt sie sich schon bei Tuklad unter dem Rothliegen-
den und eben so verschwindet sie schon in geringer Entfernung
nordwärts unter den Kreidegebilden, die schon im Fiederholze bei
Auval und von da längs einer über Horuschan, Wischerowitz u. s. w.
verlaufenden Linie auftreten. Die tiefsten Schichten der Kreidefor
mation, graue Schieferthone mitNestern und schwachen Flötzen einer
wenig brauchbaren Kohle , sind in dieser Gegend und neuerlichst
selbst im Fiederbolze—noch südlich von dem dortigen Jägerhause —
durch viele vergebliche Schürfe aufgeschlossen worden.
Die sibirischen Schichten streichen sehr regelmässig, der Längs
ausdehnung des ganzen Beckens folgend, beinahe von Ost nach West
(zwischen h. S — 6); doch weicht die Streichungslinie zuweilen
etwas nach Süden oder nach Norden ab. Viel veränderlicher ist das
Fallen der Schichten. Nördlich von dem unmittelbar bei Auval west
wärts ziehenden Rücken „na kopcich“, über welchen die Prager
Poststrasse führt, so wie an dem Nordabhange des Rückens selbst
senken sich die Schichten steil — von 4S°—70° — fast gegen
Norden; an der Südseite des Hügels aber herrscht die entgegen
gesetzte Fallrichtung unter einem viel kleineren und mitunter
selbst flachen Winkel. Es fallen dort überall die Schichten dem Gra
nite zu, dessen Grenze überhaupt einen Einfluss auf das Streichen
der anstossenden Silurgebilde zu nehmen scheint.
In der Antiklinallinie liegt gerade die weiter unten zu beschrei
bende Schalsteinmasse. Oh und von welchem Einflüsse dieselbe auf
die Schichteustellung gewesen sei, will ich nicht entscheiden: doch
kehren solche und mitunter viel gewaltigere und weit fortsetzende
und das Eisenerzlager von Auval hei Prag.
565
Faltungen noch vielfach im Bereiche der böhmischen Silurforma
tion wieder. Gewöhnlich sind sie an die mächtigeren Quarzitzonen
gebunden.
Die die Umgegend von Auval zunächst bedeckenden Schichten
gehören der Quarzitetage — der Etage D. Barr and e's — an. Es
geht dies deutlich aus den petrographischen Charakteren der Gesteine
und aus den, wenn auch selten, darin gefundenen Petrefacten her
vor. Die Schichten , welche der Granitgrenze zunächst liegen —
zwischen dieser und dem vorerwähnten Hügelrücken „na kopcich“ —
dürften sogar einer noch tieferen Schichtengruppe, den azoischen
Schiefern beizuzählen sein, welche hier — am Bande des Silur
beckens — nur spärlich entwickelt erscheinen, während sie im west
lichen Theile zu sehr grosser Mächtigkeit anschwellen. Sie beste
hen durchaus aus Grauwacken und Grauwackenschiefern, in denen
noch nie eine Spur von Petrefacten gefunden worden ist. Erstere
stehen schon am Südabhange des Hügels „na kopcich“ nicht weit
unterhalb des Gipfels an und sind in einem Steinbruche entblösst.
Die meist nicht sehr dicken, stark zerklüfteten Bänke fallen unter
einem Winkel von nur 15° h. 7-—8. Das Gestein ist licht grau-grün,
sehr feinkörnig und reich an winzigen, mitunter aber auch grösseren
Bröckchen von Grauwackenschiefer, sämmtlich in paralleler Richtung
gelagert und dadurch eine Andeutung schiefriger Structur hervor
bringend. Kleine, mit rostgelbem Eisenocher erfüllte Höhlungen sind
darin sehr häufig.
Weiter südwärts werden die Grauwacken noch feinkörniger und
am Ende des Thiergartens jenseits des Baches stehen compacte
graue Grauwackenschiefer an, mit beinahe gleichem Falle. Wendet
man sich von da nach Auval zurück, so wird man stets von solchen
Schiefern, die dort die tiefsten Schichten des Silursystems zusammen
setzen, begleitet. An dem Abflüsse des ehemaligen Teiches unweit
der Eisenbahn sieht man sie mit 35° h. 4—5 fallen. Die Klüfte sind
fast durchgehends durch Rotheisenocher gefärbt. Das Gestein selbst
ist compact, sehr ebenschiefrig, röthlich-grau und blass grau-grün
bandförmig gestreift. Die Streifung spricht sich schon auf den Kluft
flächen durch eine parallele Reifung aus. Ganz ähnliche Schiefer
stehen an dem Abhange hinter der Auvaler Mühle an.
Die der Quarzitetage selbst unzweifelhaft angehörenden Schich
ten in der Umgegend von Auval zeigen eine grosse Mannigfaltigkeit.
I
566
Reuss. Über silurische Schalsteine
Ich will sie in Kürze beschreiben und nur bei den interessanteren
etwas verweilen. Die tiefste Stelle zunächst über der vorerwähnten
Grauwacke nimmt Quarzit ein, den man unmittelbar am Kamme des
Hügels zu beiden Seiten der Poststrasse anstehend und, wie gewöhn
lich, durch zahlreiche Schotterbrüche aufgewühlt findet. Seine sehr
regelmässigen Schichten senken sich unter 45° h. 23. Er ist sehr
feinkörnig, mitunter eine dichte fast |homogene Quarzmasse, gelb
lich-, graulich-, oder stellenweise auch röthlich - weiss. Manche
seiner Schichten sind so zerklüftet, dass es beinahe unmöglich
wird, ein zusammenhängendes Stück von einigen Zoll Grösse her
auszuschlagen. Sämmtliche Klüfte sind mit einer dünnen Rinde
von sehr feintraubigem Psilomelan und Pyrolusit und von gelb-brau
nem Eisenocher überkleidet, welcher durch die Form sehr klei
ner Rhomboeder, die er darbietet, seine Entstehung aus Eisenspath
zu erkennen gibt. Das ganze Gestein erhält dadurch eine tiefbraune
oder selbst schwarze Färbung.
Es lassen sich diese Quarzite in der Richtung des Streichens
weiter ostwärts verfolgen und es scheint in dieser Richtung ihre
Mächtigkeit zuzunehmen. Man sieht dieselben in Nord-Ost vonAuval
auf dem dort sich erhebenden Hügel — vinice — theils in klippigen
Felsmassen emporragen, theils in mehreren ärarischen Schotterbrü
chen entblösst. Er ist sehr deutlich geschichtet, undeutlich schiefrig,
theils isabellgelb , theils röthlich , theils graulich-weiss , theils roth
gefleckt, bald dicht, bald mehr porös und von rostgelbem Eisenocher
durchzogen, und von weissen Quarzadern in der Richtung der Schichten
durchschwärmt. Auch hier sind die Klüfte mit einem stellenweise
dicken Überzüge von rothem und gelbem Eisenocher und von unvoll
kommen metallisch glänzendem bläulich-schwarzem Manganoxyd-
hydrat versehen.
Auf die Quarzite folgen nun Schiefer von verschiedener Reschaf-
fenheit, meist mit etwas undeutlicher Schiefertextur, bald asch- und
grünlich-grau, mit braunrothen Flecken und Adern, besonders da,
wo sie von feinen Klüften durchzogen werden , mitunter stark zer
klüftet und auf den Klüften mit rothem Eisenocher bedeckt, bald
weinhefenfarbig, chokoladebraun oder braunroth gefärbt durch einen
bedeutenden Eisengehalt. Manche derselben bieten auf Kluftspalten
dicke Überzüge gelbbraunen Eisenochers dar. Mit bewaffnetem Auge
entdeckt man in allen diesen Schichten eine zahllose Menge zarter
und das Eisenerzlager von Auval hei Prag. 567
Glimmerschüppchen; ja mitunter sind dieselben auch schon mit freiem
Auge zu erkennen.
In diese Schiefer sind nun die Schalsteine eingebettet, in welche
ein allmählicher Übergang stattfindet, indem in den Schiefern, welche
zugleich eine grössere Consistenz und Härte annehmen, sich Nüsse
von Speckstein, Kalkspath und dgl. einstellen. Sie bilden eine Zone
von sehr wechselnder Mächtigkeit. Es beträgt dieselbe an der Stelle
an welcher sie zuerst durch einen Schürf entblösst wurden, wohl
20—24 Klafter, weiter ostwärts aber unweit des ersten Fund-
schaehtes dürfte sie bis zu 50—60 Klafter anwachsen. In der Rich
tung des Streichens möchte sich die Lagermasse kaum sehr weit
erstrecken. Wenigstens vermag man sie an der Oberfläche nicht in
grosser Ausdehnung zu verfolgen. Die Schichten fallen steil unter
70 — 75° Stunde 5.
Bei aller Verschiedenheit, welche die Schalsteine darbieten, las
sen sich doch hauptsächlich zwei Typen unterscheiden. Dem ersteren
gehören graulich-rothe, braun-rothe oder meistens chokoladebraune
Schiefer an mit meist nicht sehr vollkommener Schiefertextur , deren
Grundmasse dem bewaffneten Auge eine grosse Menge winziger
Glimmerschüppchen darbietet, stets aber einen grossen Eisengehalt
besitzt und stellenweise auch mit Kalkcarbonat imprägnirt ist. Sie ähnelt
vollkommen den vorerwähnten rothbraunen Schiefern, in welche die
schiefrigen Schalsteine auch unmerklich verfliessen.
In diese schiefrige Grundmasse sind nun zahlreicheMandeln einer
ölgrünen oder grünlichgrauen, durchscheinenden, weichen, sich fettig
anfühlenden, specksteinartigen Masse, die wohl am meisten mit dem
Neolithe Scheerer’s übereinstimmt, eingebettet, bald scharf aus der
Umgegend hervortretend, bald wieder unmerklich in dieselbe über
gehend. Ihre Grösse wechselt von der eines Mohnsamens bis zu jener
einer Bohne. Sie sind gewöhnlich in der Richtung des Streichens in die
Länge gezogen und bewirken dadurch sowohl, als auch durch ihre mehr
weniger lineare Anordnung eine Andeutung von Linearparallelismus.
Neben ihnen liegen in dem Schiefergesteine mehr vereinzelte Nüsse
gelblichen oder graulich-weissen Kalkspathes, jede aus einem einzi
gen vollkommen theilbaren Individuum bestehend. Mitunter sind sie
mit einer dünnen Schichte gelben Eisenochers überzogen.
Der Calcit durchzieht das Gestein aber auch noch bisweilen in
Schnüren und Adern von verschiedener, aber nicht beträchtlicher
56S
R euss. Über silurische Schalsteine
Dicke, oder liegt in grösseren unregelmässigen Partien darin einge
bettet. Ebenso sind Quarzadern keine gar seltene Erscheinung. Ge
wöhnlich ist der Quarz graulich-weiss , etwas fettglänzend und mit
Partien ocherigen Brauneisensteines, der wahrscheinlich durch Um
wandlung von Eisenspath entstanden sein mag, innig verwachsen.
Endlich begegnet man in den beschriebenen Schalsteinschiefern
noch ziemlich häufig einem olivengrünen oder grau-grünen weichen
Minerale, das bei etwas stärkerer Vergrösserung aus äusserst zarten
durchscheinenden Schüppchen von unbestimmter Form zusammen
gesetzt erscheint und seinem chemischen Verhalten nach mit dem von
Fr. San.dberger in den Nassau’schen Rotheisensteinlagern nach
gewiesenen Aphrosiderite Übereinkommen dürfte.
Aus den eben geschilderten Schalsteinschiefern bilden sich
allmählich Gesteine von einem andern Typus hervor, die mit den man
delsteinartigen Schalsteinen Nassaus und Westphalens die grösste
Ähnlichkeit haben. Sie sind sehr undeutlich schiefrig, meistens
massig, röthlich- oder gelblich-grau, am häufigsten jedoch grünlich
grau gefärbt und enthalten deutliche Brocken der vorerwähnten
Schiefer eingeschlossen. Ihre Masse ist härter als jene der Schiefer
und ganz von Kalkcarbonat durchdrungen, braust daher lebhaft mit
Säuren und zeigt unter der Loupe eine Menge mehr weniger feiner
Blättchen einer grau-grünen chloritischen Substanz eingemengt, die
ihr auch die grünliche Färbung ertheilt. In dieser Grundmasse
liegen zahlreiche, meist nicht sehr grosse Mandeln verschiedener
Mineralsubstanzen eingestreut, die den mandelsteinartigen Habitus
des Gesteines bedingen. Am seltensten bestehen sie aus dem grünen
Speckstein, der in den Schalsteinschiefern so häufig erscheint und
immer mehr zurücktritt, je mehr die Schieferstructur des Gesteines
verschwindet. Seine Stelle nimmt grüner Chlorit ein, mitunter so
deutlich blättrig, dass man die einzelnen Blättchen sehr wohl mit
freiem Auge unterscheiden kann. Häufig sind auch Mandeln von
Kalkspath, der zuweilen einen bedeutenden Eisengehalt und eine
rothbraune Farbe besitzt. Auch an grösseren Calcitpartien, selbst von
Faustgrösse, meist graulich-weiss gefärbt, fehlt es nicht. Endlich
umschliessen manche, besonders die grünlich gefärbten Abänderun
gen des Gesteines noch viele, höchstens erbsengrosse, meistens fast
regelmässig runde Mandeln eines grau-weissen , fettig-glänzenden
Quarzes. Andere Mineralsubstanzen konnte ich bisher in den Schal-
und das Eisenerzlager von Auval bei Prag.
569
steinen nicht auffinden. An Blöcken, die längere Zeit den Atmo
sphärilien ausgesetzt waren, sind die Calcitmandeln entweder ganz
verschwunden und haben nur leere Höhlungen hinterlassen oder die
selben sind nur theilweise mit porösem gelbbraunem Eisenocher
erfüllt.
Die eben beschriebenen Gesteine nehmen ein um so grösseres
Interesse in Anspruch, als sie mit manchen schieferigen und mandel
steinartigen Schalsteinen Nassaus und anderer Länder eine so grosse
Ähnlichkeit besitzen, dass sie sehr leicht damit verwechselt werden
können. Die mehr massigen Abänderungen gehen allmählich in die mit
dem Namen „Variolit“ oder Kalkdiabas belegte Felsart über. Bei
aller dieser Verwandtschaft unterscheiden sie sich doch wieder in
anderen Beziehungen davon. Die dioritischen Varietäten des Schal
steines — die Schalsteinporphyre v. Dechen’s — fehlen der böh
mischen Silurformation , so wie ich überhaupt bisher keine Körner
oder Krystalle von Feldspath in unseren Schalsteinen nachweisen
konnte. Auch stehen diese weder mit Kalksteinlagern, noch mit wah
ren Grüusteinen — Diabasen — die in der sibirischen Quarzitetage
vergeblich gesucht werden, in Verbindung, wie dies doch bei den
devonischen Schalsteinen constant der Fall ist. Dagegen treten sie
hier wie dort in inniger Verbindung mit Rotheisensteinlagern auf
und zwar stets im Liegenden derselben.
Die geognostischen Verhältnisse, unter denen sie Vorkommen,
die mit den einschliessenden Schiefern vollkommen conforme Lagerung,
die deutliche Schichtung und der unmerkliche Übergang in die nach
barlichen Schiefer sehliessen jede Idee an eine platonische Entste-
hungsweise der Schalsteine aus, wenn es bisher auch nicht gelungen
ist, Versteinerungen darin zu entdecken. Es kann dies um so weniger
in Anschlag gebracht werden, als dieselben auch den Schiefern selbst
gänzlich zu fehlen scheinen. Wenigstens hat bisher keine Spur davon
sich darin gezeigt. Ebenso wenig würde die von manchen Seiten für die
Schalsteine anderer Länder geltend gemachte Ansicht, dass dieselben
Tuffe seien, zu deren Bildung platonische und neptunische Kräfte
vereint wirkten, hier in Anwendung kommen können, da in der gan
zen Umgebung jede Spur plutonisclier Gesteinsmassen und Vorgänge
fehlt. Die gerade in die Streichungslinie der Schalsteine fallende
Schichtenfaltung kann hier nicht etwa als ein Beweis angeführt wer
den, da dergleichen Faltungen in weit grösserem Massstabe, stets
570
Reuss. Über silurische Schalsteine
dem Streichen der Schichten folgend, fast alle grösseren sibirischen
Qüärzitmassen zu begleiten pflegen. In welcher Beziehung übrigens
die Quarzite zu diesem antiklinalen Schichtenbaue stehen, näher zu
erörtern, ist hier nicht der Ort. Alle Erscheinungen sprechen deut
lich dafür, dass unsere Schalsteine metamorphischen Ursprunges
seien und zwar dass sie aus den Schiefern selbst, zwischen welche
sie eingebettet sind und in welche sie allmählich verfliessen, hervor
gegangen sein möchten. Freilich darf ich es nicht unternehmen, eine
Darlegung der eomplicirten chemischen Vorgänge, durch welche die
successive Umbildung, die reiche Entwickelung von Speckstein und
später von chloritischer oder talkartiger Substanz u. s. w. bewirkt
wurde, auch nur zu versuchen. Ebenso wenig ist es für jetzt möglich,
die Quelle anzugeben, welcher die Menge des Kalkcarbonates, das
offenbar erst später in die sich umbildenden Gesteine im gelösten Zu
stande eingeführt wurde, entnommen ist. Kalksteine, deren Gegen
wart diese Erklärung hei den Schalsteinen anderer Länder so sehr
erleichtert, sind wenigstens hei Auval gar nicht vorhanden.
Um alle diese räthselhaften Vorgänge auch nur theilweise auf
zuhellen, würde eine grössere Anzahl genauer quantitativer chemi
scher Analysen erforderlich sein, die aber bisher nicht zu Gebote
stehen. Übrigens muss ich hier gleich noch bemerken, dass die
beschriebenen Schalsteine sich wohl nicht auf die Umgegend von
Auval zu beschränken, sondern nach mir vorliegenden vereinzelten
Probestücken auch an anderen Punkten des böhmischen Silurgehietes
in Begleitung von Eisenerzlagern vorzukommen scheinen.
Das Hangende der Schalsteine bilden, wie schon früher erwähnt
wurde, wieder Schiefer, ganz analog jenen, die im Liegenden auftre-
ten, und meist von braunrother oder doch roth gefleckter Farbe. Sie
schliessen ein Lager von dichtem Rotheisenstein ein, in welchen sie
allmählich übergehen und der wohl auch nur aus einer Umbildung
des Schiefers hervorgegangen sein mag. Dasselbe wurde an einer
Stelle in der Mächtigkeit von 2' durch einen Schürf entblösst. Oh es
sich in der Richtung des Streichens weit ausdehne, oder oh es viel
leicht mit dem im Hangenden befindlichen, viel mächtigeren Eisenerz
lager sich vereinige, können erst fernere Untersuchungen lehren.
Der Gehalt an Eisenoxyd nimmt in den Schiefern immer mehr zu,
bis man endlich einen schiefrigen, dichten Rotheisenstein vor sich hat,
in welchem compacte Schichten mit lockerem ocherigen wechseln.
und das Eisenerzlager von Auval bei Prag.
571
Hie und da lindet man in dem Gesteine auch braunen Eisenocher ein
gemengt oder Spalten damit erfüllt. Stellenweise wird es von Quarz
adern durchzogen, welche in kleinen Höhlungen trauhig gehäufte
winzige Rhomboeder darbieten, die ursprünglich wohl Eisenspath
waren, nun aber bald in Rotheisenstein, bald in Limonit umgewandelt
sind. Dieselbe Pseudomorphose beobachtet man auch an derben, rnit
dem Quarze verwachsenen Partien. Stellenweise findet man end
lich in dem dichten Rotheisensteine zahlreiche, meist sehr kleine
Würfel eingewachsen, die ebenfalls aus Hämatit bestehen, ursprüng
lich aber ohne Zweifel dem Pyrit angehörten.
Im Hangenden dieses wenig mächtigen Eisensteinflötzes erschei
nen wieder die schon mehrfach erwähnten rothbraunen eisenschüs
sigen Schiefer, die an der untersuchten Stelle, ohne eine wesentliche
Änderung zu erleiden, eine Mächtigkeit von beinahe 7 Klaftern
erreichen.
Dem nun in der Reihe der Schichten folgenden Eisenerzlager
zunächst sind sie mehr weniger weisslich, blassröthlich oder gelblich
oder von rotlien Streifen und Flecken durchzogen. Sonst ähneln sie,
mit Ausnahme der mandelförmigen Einschlüsse, vollkommen den
vorher geschilderten Sehaisteinschiefern und werden auch von Adern
von Aphrosiderit durchsetzt oder enthalten unregelmässige Partien
desselben eingeschlossen.
Das Eisenerzlager, welches den Gegenstand des begonnenen
Bergbaues bildet, hat auf der Höhe des Hügels „na Jcopcich,“ wo es
zuerst entblösst und durch Abraumarbeit ganz offen gelegt wurde,
eine Gesammtmächtigkeit von beinahe 20' und ist bis jetzt in der
Richtung des Streichens auf eine Erstreckung von mehr als 160 Klaf
tern verfolgt worden, ohne dass man noch sein Ende erreicht hätte.
In diesem Verlaufe erfährt es jedoch manche Änderungen in seiner
Mächtigkeit, indem es sich stellenweise zusammenzieht, um sieh bald
darauf wieder zu grösserer Mächtigkeit aufzuthun. Ebenso zeigt es
von der deutlich nachweisbaren Streichungslinie h. verschiedene
kleine Abweichungen, indem sein Verlauf, so wie jener der zunächst
angrenzenden Schiefer im Kleinen manchen Krümmungen unterwor
fen ist. Auch scheint es ostwärts vom Gipfel des Hügels, wo es
zunächst unter der Oberfläche liegt, sich mehr in die Tiefe zu senken,
indem es dort durch mehrere Schürfe erst in der Tiefe von 6 — 7 Klaf
tern angefahren wurde. Das Fallen ist im Allgemeinen beinahe nord-
572
II eu ss. Über sibirische Schälsteine
wärts (St. 23) gerichtet, unter einem durchgehends steilen, aber sehr
veränderlichen Winkel von 45—60°; die Erzniederlage folgt also
ganz conform dem Fallen der nachbarlichen Schichten und stellt sich
als ein wahres Lager heraus.
Obwohl dasselbe ein zusammenhängendes Ganze darstellt, lässt
es sich doch ungezwungen in mehrere Zonen, die freilich nicht scharf
geschieden sind, trennen. Die äussere Grenze bildet beiderseits eine
in der Breite sehr veränderliche Zone von derbem Rotheisenstein,
der in der Beschaffenheit mit dem schon früher beschriebenen über
einkommt. Dichte Partien wechseln mit ocherigen, und oft ist die
schiefrige Structur sehr deutlich ausgesprochen; häufig wird er auch
porös und es stellen sich hin und wieder kleine, sehr unregelmässige
Höhlungen ein, die mit einer zerfressenen, gewöhnlich ocherigen
Hämatitmasse theilweise erfüllt sind. Selten sind sie mit kleinen
tafelförmigen Eisenglanzkryställchen überkleidet, oder es finden sich
einzelne krystallinische kleinblätterige Partien auch in dem dichten
Rotheisenstein eingewachsen. Hie und da zeigen die zerfressenen
Partien an der Oberfläche stärkeren halbmetallischen Glanz und bläu
lich-schwarze Farbe, die durch einen sehr dünnen Überzug von Man-
ganschaum und Psilomelan bedingt werden. Die grösseren derben
Rotheisensteinmasseri bergen im Innern sehr oft einen festen Kern
von schwarzem, dichtem Magnetit, der nicht selten auch ganz regel
los mit dem Hämatit gemengt ist. Oder es vertritt die Stelle des
Magnetites ein Eisenerz mit ebenfalls schwarzem Strich, aber weni
ger magnetisch und mit einem Wassergehalt, das sich aber von den
anderen Erzen nicht scharf genug trennen liess, um eine genauere
Untersuchung zu gestatten. Es scheint sich dem Chamoisit zu nähern.
An anderen Stellen findet eine deutliche Mengung mit Brauneisenstein
Statt, wie der mehr in das Braune ziehende Strich darthut, ja stellen
weise ist oeheriger Limonit klar zu erkennen.
Auf diese Hämatitzone folgt nun nach innen auf beiden Seiten
ein 6 —12" mächtiges Zwischenmittel eines festen und schweren
graulich-schwarzen oder dunkel grünlich-grauen, undeutlich schieferi
gen Gesteines, das seine Schwere offenbar der Imprägnation mit dem
vorerwähnten schwarzen Eisenerze verdankt , unter der Loupe zahl
reiche sehr feine Glimmerschüppchen wahrnehmen lässt und hin und
wieder von feinen Schnüren körnig-krystallinischen Siderites durch
zogen wird.
und das Eisenerzlager von Auval bei Prag.
573
Den bei weitem grössten Tlieil des Lagers bildet aber eine
centrale Zone, die in einigen Merkmalen von den Seitenzonen
abweicht. Zuerst fällt das Vorherrschen des Eisenoxydul-Oxydes auf,
welches bald als wahrer Magnetit, bald als das vorerwähnte Hydrat
entweder für sich grössere Massen zusammensetzt, oder mit Rotheisen
stein ein unregelmässiges, oftmals sehr inniges Gemenge eingeht.
Poröse, zerfressene Partien enthalten auch hier wieder Limonit in
mehr weniger reinem Zustande, oder sind mit Brauneisenocher
erfüllt. Auch die früher berührten Manganerze fehlen in dünnen
Überzügen nicht, ebenso wie sehr kleine Drusen dünner Eisenglanz
täfelchen.
Ein zweiter hervorstechender Charakterzug liegt in der bedeu
tenden Entwickelung von Quarz, der bald das ganze Gestein in wech
selnder Menge durchzieht, bald in grösseren oder kleineren unregel
mässigen Partien inneliegt, bald auch die Erzmasse in mehr weniger
dicken Adern und Streifen durchsetzt.
Die letzteren werden zuweilen von körnigem Spatheisenstein
begleitet, welcher hin und wieder auch allein feine Adern zusammen
setzt. Nicht selten aber ist er schon in Eisenoxydhydrat umgewandelt.
Neben dem Quarze sind in den Eisenerzen, besonders im
Eisenoxyduloxyde, noch einige andere Mineralspecies, deren Auftreten
zum Theile nicht ohne Interesse und Bedeutung ist, eingewachsen.
Vor Allen verdient hier der Anthracit erwähnt zu werden, der bald
nur in einzelnen stark pechglänzenden, schwarzen, spröden Körnern
von kleinmuscheligem Bruche, bald auch in bis zollgrossen, ziemlich
kleinkörnig zusammengesetzten Partien inneliegt. Vorzüglich scheint
er die Nähe des Quarzes zu lieben, da man ihn am häufigsten in
dessen Nachbarschaft zusammengedrängt findet. Von ihm ist der
nicht unbedeutende Kohlenstoffgehalt abzuleiten, den die chemischen
Analysen der Auvaler Eisenerze nachgewiesen haben. Er dürfte bei
der Zugutemachung derselben nicht ohne wohlthätigen Einfluss blei
ben, vielmehr würde er die Reduction wesentlich befördern.
Ferner beobachtet man, in den Eisenminern eingewachsen,
unregelmässige Partien desselben graugrünen, sehr feinschuppigen
Aphrosiderites, dem man hin und wieder in den Schalsteinschiefern
und in den das Eisenerzlager zunächst einschliessenden Grauwacken
schiefern begegnet. Auch er pflegt am häufigsten in der Gesellschaft
des Quarzes aufzutreten.
Sitzh. d: mathem.-naturw. CI. XXV. ßd. II. Hffc.
37
574
R euss. Über sibirische Schalsteine
In den derben, reinsten, quarzfreien Massen der schwarzen
Eisenerze findet man nicht selten auch kleine Partien körnigen Kalk-
spathes und Eisenspathes, zuweilen durch Eisenoxyd roth gefärbt.
Die quarzreichen Stellen der Lagermasse dagegen enthalten, wiewohl
nur höchst selten Pyrit, in kleinen gestreiften Hexaedern oder eben
solchen derben Partikeln, theils noch frisch, theils ganz oder theil-
weise in Eisenoxydhydrat oder in rothes Eisenoxyd umgewandelt.
Ich füge hier noch die Resultate zweier von Herrn Dr. Schwarz
im Laboratorium meines verehrten Freundes Herrn Prof. Dr. Roch-
leder ausgeführter Analysen an. Eine Probe des Hämatites gab
Eisenoxyd 85-83
Kohlenstoff 6-30
In Salzsäure unlösliche, unverbrennliche Substanzen,
besonders Kieselerde 7-87
100 00.
In dem Magnetite dagegen wurde gefunden:
Eisenoxyduloxyd 89-89
In Salzsäure unlösliche und zwar :
flüchtige Substanzen (Kohlenstoff) 4-62
unverbrennliche Substanzen (Kieselerde etc.) 5-49
100-00.
Eine genauere Untersuchung des ganzen eben geschilderten
Eisenerzlagers führt in Betreff der Entstehung desselben zu ähnlichen
Resultaten, wie ich schon in Beziehung auf die im Liegenden befind
lichen Rotheisensteine ausgesprochen habe. Es scheint dasselbe
ebenfalls einer allmählichen Umbildung der Grauwackenschiefer seinen
Ursprung zu verdanken. Wenigstens in Bezug auf die äusseren,
zumeist aus Rotheisenstein bestehenden Zonen lässt sich dies mit
grosser Wahrscheinlichkeit schliessen. Nicht nur dass man stellen
weise einen allmählichen ununterbrochenen Übergang von den Schie
fern bis in den Hämatit verfolgen kann, lässt dieser auch noch eine
deutliche Sehieferstructur wahrnehmen und zerfällt, conform dem
Schiefer, in parallele Platten. Nicht selten kann man an diesen von
aussen nach innen denselben Fortschritt in der Entwickelung nach-
weisen, wie in dem ganzen Lager selbst. Die äusseren Schichten
lassen die Schiefersubstanz, wenn auch mehr weniger mit Eisenoxyd
imprägnirt, noch deutlich unterscheiden. Weiter nach innen nimmt
und das Eisenerzlager von Aiival bei Prag.
575
der Eisengehalt immer mehr zu, während die Schiefersubstanz in
gleichem Masse verschwindet und ebenso rasch die Schieferstructur
sich verwischt. Das Innere endlich besteht aus dichtem Rotheisen
stein oder aus einem Gemenge desselben mit Eisenoxyduloxyd; oder
es ist die Masse im Innern porös und zerfressen, theilweise mit
ochrigem Limonit erfüllt oder auch mit einem dünnen Manganüber-
zuge versehen. Ebenso finden wir die Mitte des ganzen Lagers aus
dichtem Magnetit oder aus einem Gemenge desselben mit Hämatit,
beide mehr weniger von Quarz durchdrungen und durchzogen,
zusammengesetzt, ohne jede Spur einer schieferigen Structur.
So wie sich der Rotheisenstein aus dem Schiefer hervorgebildet
zu haben scheint, eben so dürfte der Magnetit aus dem Hämatit her
vorgegangen sein durch einen Desoxydationsprocess, bei welchem viel
leicht organische Substanzen, als deren Residuum man wohl den in den
Erzen eingewachsenen Anthracit betrachten darf, eine nicht unwich
tige Rolle gespielt haben möchten. Desshalb finden wir den Magnetit
auch hauptsächlich im Innern des Lagers — in einer Lage, die einem
solchen Reductionsprocesse am günstigsten war—, während dasselbe
in den peripherischen Theilen meistens unveränderten Rotheisen
stein aufzuweisen hat.
Der gewöhnlich ocherige Brauneisenstein ist offenbar das
jüngste Glied in der Reihe der Eisenerze und ist entweder aus
schon früher abgesetztem Eisenspath entstanden, wie wir denn auch
wirklich noch unveränderte Partien desselben hin und wieder in dem
Gesteine antreffen, oder er ist unmittelbar als solcher aus einer der
Zersetzung unterlegenen Lösung von Eisenoxydulcarbonat nieder
geschlagen worden, und findet sich daher meistens in ocheriger
Form an den porösen und zerfressenen Stellen des Eisenerzlagers.
Durch andere chemische Proeesse scheint unter gleichzeitiger
Einwirkung von Kiesel- und Thonerde der Aphrosiderit gebildet
worden zu sein. Dass der Calcit ebenfalls der jüngsten Bildungs
periode angehöre, lässt sich schon im vorhinein vermuthen.
Das ganze Eisenerzlager zeigt in Beziehung auf seine geogno-
stischen Verhältnisse eine grosse Analogie mit manchen Eisenerz
lagern in Westphalen und Nassau, welche ebenfalls Schalstein im
Liegenden haben , grösstentheils aus Rotheisenstein bestehen und
überdies auch Aphrosiderit und Anthracit führen. Da sie seihst
Petrefacten umschliessen , so dürfte es endlich kaum zweifelhaft
37 *
576
R e u s s. Über sibirische Schalsteine
sein, dass sie auf ähnliche Weise durch Umbildung anderer Fels
gesteine entstanden sein mögen. —
Das Hangende des Auvaler Eisenerzlagers bilden wieder Grau
wackenschiefer, die an vielen Stellen enthlösst sind. In der Nähe der
Eisenerze sind sie mehr weniger roth gefärbt, je nach der verschie
denen Menge des Eisenoxydes, mit welchem sie imprägnirt sind, bald
braunroth, bald wieder nur lichtweinhefenfarbig, bald grau gefleckt
und zuweilen nur längs der sie durchsetzenden Klüfte die Eisen
färbung darbietend. Schiefer von dieser Beschaffenheit sind auch auf
der das Auvaler Thal nordwärts begrenzenden Höhe — auf dem
Weinberge— durch einen Schürf enthlösst. In weiterer Entfernung
von den Eisenerzen werden sie mehr weniger einförmig grau. Zu
nächst dem Jägerhause an der Prager Poststrasse in Westen von
Auval liegen darin zahlreiche rundliche Concretionen von verschiede
ner Grösse eingebettet, welche aus einem sehr festen, beinahe dich
ten, dunkelgrauen, mitunter fast schwarzen Quarzite bestehen. Sie
mnschliessen oft zahlreiche Versteinerungen, wenn auch meist nur
als schlecht erhaltene Steinkerne, die gewöhnlich mit einer dünnen
Lage braungelben Eisenochers überzogen sind. Von grösseren Thier-
species sind immer nur Trümmer vorhanden; bisher erkannte ich in
diesen Kugeln; Dalmanites atavus, Bar r., Ogygia desiderata Bar r.,
Calymene Arago Rouault., Illaenus Katzeri Barr., Placoparia
Zippei Barr., Cytherina prunella Barr., unbestimmbare Trüm
mer von Orthocerus, Pugiunculus striatulus Barr., Bellerophon
nitidus Barr., Nucula bohemica Barr, und Orlhis modesla Barr.,
also durchgängig Species, welche sich auch in den Quarzitkugeln der
Umgegend von Rokitzan wiederfinden. (Barrande im Jahrbuch der
k. k. geol. Reichsanstalt 1856, p. 355 ff.) Es gehören daher die das
Auvaler Eisenerzlager zunächst bedeckenden Schichten offenbar der
Quarzitetage, und zwar der Basis derselben (Barrande’s D, d.) an.
Eine umfassendere Ausbeutung der nur wenig aufgeschlossenen Ört
lichkeit wird die weitere Bestätigung dieser Gleichstellung bringen.
Manche der Schieferschichten sind mit Eisenoxydhydrat impräg
nirt und haben dadurch eine gelbbraune oder licht holzbraune Fär
bung angenommen. Mitunter ist die Imprägnation eine so reichliche,
dass das Gestein zu einem compacten thonigen Brauneisenstein wird,
in welchem man noch die zahlreichen Glimmerschüppchen des
Schiefers zu erkennen vermag. Auf diese Gebilde, die eine nicht
und das Eisenerzlager von Auval bei Prag.
577
unbedeutende Mächtigkeit besitzen, ist in geringer westlicher Ent
fernung von Auval am Südwestgehänge des Thaies ein Stollenbau
eingeleitet worden.
Im Hangenden dieser eisenoxydhydratreichen Schichtengruppe
liegen vorerst sehr weiche weissliche thonige Schiefer, welche wie
der von festeren grauen Schiefern überlagert werden. In diesen
setzen zwei 1—2 Klafter mächtige Quarzithänke auf, welche sehr
regelmässig St. 5—6 streichen und mit 40—45 Grad beinahe gerade
gegen Nord einfallen. Das Gestein ist äusserst fest, sehr feinkör
nig, theils graulich, theils röthlich gefärbt und von Adern weissen
krystallinischen Quarzes durchzogen. Auf den zahlreichen, dasselbe
durchsetzenden Klüften liegt oft ein mehrere Linien dicker Besteg
einer licht gelblichgrünen feinschuppigen, glimmerigen Substanz.
Den Raum im Hangenden dieser Quarzite bis zur oberen Grenze
der ganzen Silurformation nehmen nun wieder Schiefer ein, die
aber ihre Physiognomie bald sehr wesentlich ändern. Man sieht sie
bei der Hodover Mühle überall an dem waldigen Berggehänge ent-
blösst. Sie sind sehr dünnblättrig, zerbrechlich und verwitterbar,
dunkelgrau bis schwarzgrau von Farbe, und ihre sehr ebenflächi-
gen Schichten fallen unter 45 Grad St. 23—24. In geringer Entfer
nung von Hodov, in einer Linie, die aus dem Fiederholze über
Horuschan und Wisclierowitz nordostwärts verläuft, verbergen sich
die Silurgebilde unter den Schichten der Kreideformation, deren
tiefste von, schwache Kohlenflötze und Kohlennester führenden asch
grauen Schieferthonen gebildet werden. Auf diese lagern sich dann
die Sandsteine des untern Quaders.
Bemerkenswerth ist eine eigenthümliche Veränderung, welche
die Quaderschichten im Fiederholze durch eine Art von Raseneisen
steinbildung erlitten haben. Das Fiederholz ist ein flacher sumpfiger
Walddistrict, in welchem der Sandstein nur durch eine wenig mäch
tige Lage von Moorerde überdeckt wird. Die Wässer der zahlrei
chen, das Terrain durchziehenden Gräben setzen überall rostfar
bigen Eisenocher in Menge ab und beurkunden dadurch ihren gros
sen Eisengehalt. Diese Absätze von Eisenoxydhydrat sind nun auch
bis in den unterliegenden Quadersandstein eingedrungen, und haben
ihn auf 2—3 Fuss Tiefe in weiter horizontaler Erstreckung in rei
chem Masse irnprägnirt, so dass derselbe dadurch in einen sandigen
Brauneisenstein von gelb-, rost- bis schwärzlichbrauner Farbe umge-
578
Reuss. Über sibirische Schälsteine etc.
wandelt wurde. Die Sandkörner sind durch ein reichliches Cement
von meist erdigem, selten dichtem Brauneisenstein verkittet, ja mit
unter hat dieser das Übergewicht über die Sandkörner erhalten.
Ebenfalls in Brauneisenstein umgewandelte Coniferenzapfen liegen
hin und wieder darin, und cylindrische Höhlungen beurkunden die
frühere Gegenwart walzenförmiger Pflanzentheile. Auch an Stein
kernen von Muscheln fehlt es stellenweise nicht, und zuweilen
erkennt man in ihnen noch deutlich Formen, die den Quader
charakterisiren.
Eine vorgenommene chemische Analyse wies in einem Probe
stücke nach:
79-01 Eisenoxydhydrat,
20-19 Quarzsand,
0-80 organische Substanz, nebst Spuren von Phosphorsäure,
Schwefelsäure, Thonerde und Mangan.
Auffallend ist der beinahe gänzliche Mangel an Phosphorsäure,
wenn man nicht annehmen will, dass dieselbe wohl vorhanden Avar,
aber später wieder ausgelaugt und hinweggeführt worden sei. Übri
gens kann dieser Umstand der technischen Benützung dieser Eisen
erze, welche überdies durch die geringe Entfernung ihrer Lager
stätte von dem vorher beschriebenen Lager von Roth- und Magnet
eisenstein eine noch grössere Bedeutung erlangen, nur günstig sein.
Nach abwärts in verticaler Richtung gehen dieselben allmählich in den
gewöhnlichen feinkörnigen Quadersandstein über.
Brücke. Über den Bau der Muskelfasern.
579
Vorträge.
Uber den Bau der Muskelfasern.
Rosultato von Untersuchungen, die mit Hilfe des polarisirten Lichtes angestellt wurden
von Prof. Ernst Brücke.
(Auszug aus einer ain 23. Juli 1857 für die Denkschriften überreichten Abhandlung.)
1. Man muss an den Muskeln zweierlei Substanzen unterschei
den: Eine schwächer lichtbrechende isotrope und eine stärker licht-
brechende anisotrope.
2. Die Erscheinungen der Doppelbrechung, die einzelne Muskel-
cylinder oder grössere Massen derselben darbieten, sind die Summe
der ElTecte der einzelnen sarcous Elements.
3. Die Erscheinungen sind in jeder Beziehung so als ob jedes
einzelne sarcous clcment ein doppelbrechender positiv einaxiger
Körper wäre, dessen optische Axe in allen Zuständen des Muskels
der Faserrichtung parallel liegt.
4. Die sarcous ölements selbst repräsentiren wiederum ganze
Gruppen kleiner doppelbrechender Körper, für die ich den Namen der
Disdialdasten vorschlage.
ö. Auf der verschiedenen Vertlieilung der Disdiaklasten in der
isotropen Grundsubstanz entsteht das vielfach verschiedene Ansehen,
welches lebende und todtc Muskeln unter dem Mikroskope darbieten.
G. Die nicht quergestreiften, sogenannten glatten Muskelfasern
sind solche, in denen die Disdiaklasten gleiclunässig vertheilt oder in
denen doch die Gruppen derselben so klein sind, dass man sie nicht
einzeln unterscheiden kann.
7. Die Disdiaklasten sind feste Körper von unveränderlicher
Grösse und Gestalt; weder alternirendeSchläge einesMagnetelektro-
inotors noch hindurchgeleitete coustante Ströme üben einen merk
lichen Einfluss auf ihre optischen Coustanten aus, noch bringen
sie ihre Axen merklich aus der Lage, abgesehen von den Orts-
580
K u p f f e r und L u d w i g.
Veränderungen, welche die erregte Contraction für die Muskelsubstanz
mit sich bringt.
8. Einwirkung von Kali, Natron, Essigsäure und verdünnter
Chlorwasserstoffsäure zerstören ihre doppelbrechende Wirkung, end
lich auch das Kochen.
Die Beziehung der Nervi vugi und splanchnici zur Darm
bewegung.
Von Dr. C. Kupffer aus Dorpat und dem c. M. Dr. C. ludwig.
1. Nn. vagi. Die Angaben von Valentin, Kilian u. A., dass
die Erregung des Vagusstammes am Halse im Dick- und Dünndarm
Bewegung einleite, können wir nach einer ausgedehnten Versuchs
reihe, die wir an Katzen und kleinen Hunden ausgeführt haben,
bestätigen. Die bezeichneten Thiere eignen sich bekanntlich darum
vorzugsweise zu unsern Versuchen, weil der blossgelegte Darm der
selben meistens sich weder während des Lebens noch nach dem
Tode automatisch bewegt und weil er sich alsbald wieder beruhigt,
wenn er durch Reizung zur Bewegung gebracht worden war. Wir
verzeichnen hier kurz die Ergebnisse zu denen wir kamen, als wir
gleichzeitig die beiden wohl isolirten vom Hirne getrennten Hals-
slämme des in Verdauung begriffenen Thieres mittelst des Schlitten
elektromotors reizten.
Man kann nur dann mit Sicherheit darauf rechnen vom erregten
Nerven aus Darmbewegung zu gewinnen, wenn man den Versuch
erst einige Minuten nach dem letzten Athemzuge anstellt; um sich
also das Abhängigkeitsverhältniss des Darmes vom n. vagus darzu
stellen, verfährt man am besten so, dass man die Nerven am lebenden
Thier mit den wohlisolirten Dräthen umgibt, die Unterleibshöhle er
öffnet und sogleich die Erregung einleitet. Tritt dann, wie häufig,
keine Erregung ein, so erstickt man das Thier und erregt so wie der
Hirntod eingetreten, von Minute zu Minute jedesmal einige (5 bis 10)
Secunden hindurch die Nerven. Man wird dann jedenfalls den Zeit
punkt finden, in welchem der Darm, ohne äussern Angriff
zu erfahren, ruhig bleibt, während er, wenn dieSchläge
den Nerven treffen, in Bewegung kommt. In der That-
sache, dass der sehr erregbare Darmmuskel des lebenden Thieres
Die Beziehung- der Nervi vagi und splanchnici zur Darmbewegung. 581
den Angriffen des sehr erregbaren Nerven so häufig widersteht,
dürfte wohl einer der wesentlichsten Gründe für die vielen zu
Tage gekommenen negativen Versuche liegen. — Die Erregung,
welche eingeleitet ist, erstreckt sich nicht gleichmässig auf den
ganzen Darm, sondern meist nur auf einzelne Stücke desselben; das
Stück, welches ergriffen wird, ist zugleich unbestimmt, indem
es sich nicht selten ereignet, dass in einer Reihe aufeinanderfol
gender Reizungen an ein und demselben Thiere entweder immer
dasselbe und in einer andern Reihe jedesmal ein anderes Stück
bewegt wird. Die Zusammenziehung ist nie tetanisch, sondern
rhytmisch und peristaltisch ; die Ausdehnung und Stärke der Bewe-
gung wächst jedoch mit der Stärke der Erregung. Die Zusammen
ziehung beginnt, wie bekannt, günstigsten Falls 2—3, meist S bis
10 Secunden nach Anfang der Erregung; einmal eingeleitet besteht
die Rewegung zuweilen länger und zuweilen kürzer als die Nerven
erregung. Der letztere Fall kann namentlich sehr auffallend werden,
wenn der Darm sogleich nach Beginn der Erregung sich bewegt,
und dann hei noch fortdauernder Reizung dauernd zur Ruhe kommt,
augenblicklich aber wieder in die freilich eben so vorübergehende
Bewegung einkehrt, wenn man den Reiz, nachdem man ihn selbst
noch so kurze Zeit unterbrochen hatte, wieder beginnen lässt.
2. Nn. splanchnici. Wenn wir die Nerven auf elektrischem
Wege erregen wollten, so haben wir sie meist beide gleichzeitig
und dann fast jedesmal in der Unterleibshöhle erregt. Als Reizträger
benutzten wir feine bewegliche Dräthe oder Bleche von Platin, welche
auf lackirtes Leinen, Heftpflaster u. dgl. geklebt oder genäht und in
die bekannten nachgiebigen Leitungsschnüre der gemeinen Inductions-
npparate eingefügt waren. Bei ihrer Anlegung hüllten wir den Nerven
in das weiche, drathtragende Leinenstück, banden das abgeschnittene
Nervenende an die Schnur fest und nähten diese selbst, wie die Bauch
wand in passender Entfernung an; mit der grössten Sorgfalt wurde
dann endlich jedes noch freigebliebene Drathstüekchen durch umge
wickeltes Guttapercha-Papier u. dgl. bedeckt. Auf diese Weise gelang
es den feinen leichtbeweglichen Nerven isolirt und ungezerrt in den
Kreis zu bringen und ihn dort zu erhalten und den Strom zwischen
Bauchwand und Darm isolirt hergeben zu lassen. Die elektrische
Erregung haben wir statt in der Unterleibshöhle zuweilen und immer
mit gleichem Erfolg auch oberhalb des Zwerchfells vorgenommen,
582
Kupffer und Ludwig.
und ebenso haben wir häufig dem elektrischen Schlag einen Pincetten-
druck substituirt. Wir brauchen kaum darauf aufmerksam zu machen,
dass man sich in allen Fällen von ganglion coeliacum entfernt halten
muss, da in dieses der Vagus mit eingeht.
Über die motorischen Verrichtungen unseres Nerven bestehen
sehr entgegengesetzte Meinungen; nach den Versuchen von Joh.
Müller, Volkmann u. A. sollen die Nerven Bewegung erwecken,
nach Pflüger sollen sie umgekehrt dieselbe hemmen. In der. That
stehen aber diese Behauptungen nur in scheinbaren Widerspruch,
denn bei gewissen Zuständen des Darms wirkt der Nerv
bewegend und bei anderen beschwichtigend auf die
Muskeln desselben ein.
Um sich von der muskelerregenden Wirkung zu überzeugen,
verfährt man ähnlich wie beim n. vagus. Man legt am lebenden
Thier, am besten der Katze, den Nerven zwischen die Poldräthe;
nach Vollendung der Operation schliesst man die Bauchhöhle
durch Näthe, bedeckt das Thier mit erwärmter Watta und beginnt
dann einige Zeit später die Beobachtung nachdem man das Thier
vorher erstickt hat. Dazu öffnet man die Bauchhöhle mit Vorsicht,
hängt die Lappen der Bauchdecken in Haken so auf, dass die Därme
innerhalb derselben, wie in einer fixirten Mulde liegen. Von Zeit
zu Zeit bedeckt man dann die freiliegenden Darme mit einem Lein
tuch und warmer Baumwolle. Diese Vorsicht ist darum geboten,
weil jede Berührung oder Lageveränderung des Darmes fortschrei
tende Bewegungen einleitet. —Nahezu constant sieht man dann einige
Zeit nach dem Tode auf jede Erregung des Nerven (mechanische oder
elektrische) eine Bewegung erfolgen; die Zeit nach dem Schluss der
Athmung, in welcher der erregte Nerv den Darm afficirt, scheint um
ein Geringes später einzutreten, als diejenige, in welcher der n. vagus
die Darmbewegung mit Sicherheit einleitet. Die Bewegung trägt ganz
den Charakter, welchen die vom Vagus aus bewirkte darbietet.
Zur Darlegung der von Pflüger beobachteten hemmenden
Wirkung des n. splanchnicus, eignet sich der Darm des Kaninchens
weitaus besser als der der Katze, da er beim ersteren Thiere schon
während des Lebens und zwar aus Gründen bewegt ist, die durch
eine Erregung des n. splanchnicus zum Schweigen gebracht werden
können. Begreiflich musste man jedoch wünschen ein ähnliches
Resultat auch an den Katzen zu erzeugen; um dieses zu bewerk-
Die Beziehungen der Nervi vagi und splanchnici zur Darmbewegung. 583
stelligen verfuhren wir so, dass wir schon am lebenden Thier beider
seits die nn. splanchnici und vagi vorsichtig in zwei (vorerst noch
geöffnete) Induetionskreise schalteten, so dass ein jeder Nerv nach
Belieben, für sich allein oder gleichzeitig mit dem andern, in jeder
beliebigen Stärke gereizt werden konnte ; hiernach wurde die Hals-
wunde und die Bauchhöhle wieder zugenäht, das Thier dann 10 bis
IS Minuten später erstickt, die Bauchhöhle wieder eröffnet und der
Versuch begonnen. In der That wurde nun bei mehreren Thieren
und an diesen in mehrfach wiederholten Beobachtungen die durch
den erregten n. vagus eingeleitete Bewegung sogleich beruhigt,
wenn der Inductionskreis, in dem die nn. splanchnici lagen, geschlossen
wurde; die Bewegung kehrte dann sogleich wieder, wenn man die
nn. splanchnici ausschaltete. Oder es konnten bei gleichzeitiger
mittlerer Erregung der nn. splanchnici und vagi keine Bewegungen
erzeugt werden, die nach Entfernung der nn. splanchnici aus der
Kette sogleich auftraten.
Diese letzteren Beobachtungen gehören in ihrer vollen Reinheit
allerdings nicht gerade zu den häufigen Ergebnissen der zahlreichen
auf sie zielenden Versuche. Dieses wird jedoch begreiflich, wenn man
bedenkt, dass die Zeit, in welcher die nn. vagi ihre Fähigkeit den
Darm zu erregen gewinnen, meist nahezu zusammenfällt mit der, in
welcher die nn. splanchnici ihre beruhigende Kraft einbüssen.
Was über die Beziehungen die zwischen den Darmbewegungen
und den nn. vagi und splanchnici bestehen, bekannt geworden, unter
stützt die Annahme, dass dieselben nicht so einfacher Natur sind, wie
wir sie (das Herz ausgenommen) sonst zwischen Muskel und Nerv
gewahren; sie machen vielmehr den Eindruck eines Zusammenhangs,
wie er von den sensiblen Nerven aus, durch das Rückenmark hin
durch zwischen Nervenerregung und Muskelbewegung besteht. Wenn
man irgendwo ein solches System zwischen Nerv- und Darmmuskel
substituirt, so wird es allerdings, wenn auch nicht erklärlich, aber
doch weniger auffallend, dass trotz lebhafter Erregbarkeit der Nerven
und des Darms ein bestehendes Abhängigkeitsverhältniss sich auf
löst, ja sogar seine Zeichen umkehrt.
584
Ludwig 1 und Spiess. Vergleichung der Wärme des
Vergleichung der Wärme des Unterlcieferdrüsen Speichels und
des gleichseitigen Carotidenblutes.
Von dem c. M. C. ludwig und A. Spiess aus Frankfurt a. M.
(Mit 2 Tafeln.)
DieBeobachtungen welche beide Temperaturen verglichen, wur
den mittelst des Thermomultiplicators ausgeführt. Die Kettenglieder
desselben bestanden aus zwei in entgegengesetzter Ordnung einge
schalteten Neusilber-Eisenelementen, welche an der Löthstelle die
Gestalt eines Cylinders von 1 Millim. Durchmesser besassen. Um die
astatische Nadel liefen 32 Drathwindungen; sie erhielt sich auch ohne
Compensator auf dem Nullpunkt der Theilung. Das somit dargestellte
Differentialinstrument war keineswegs ein sehr feines, wie sich aus
folgenden Angaben, welche aus der empirischen Graduirung stammen,
ergibt. Ein Wärmeunterschied von
1° C. entsprechen der Ablenkung von 8°
2°C. „ „ „ 12»
3» C. „ „ „ „16°
4° C. „ „ 19»
k»r 21«
Die geringe Empfindlichkeit des Instrumentes verminderte begreif
lich die Schwierigkeiten des Versuches ausserordentlich; seine Form,
vermöge deren es sich denBlut- undSpeichelgefässen enger anschliesst,
und seine geringe Trägheit gaben ihm bei unseren Versuchen das Über
gewicht über das Quecksilberthermometer.
Das Element, welches in den Strom der Art. carotis eingesetzt
wurde, war in das Lichte des Apparates eingepasst, welchen einer von
uns durch Spengler für die Bestimmung des Seitendruckes in den
Arterien beschreiben liess. Das Ende des Elementes, welches die
Löthstelle trug, ragt nur um etwa zwei Centimeter über das Plättchen
der Canüle hervor, welche in das Innere der Arterie kommt. Dieses
feine Ende war umgebogen und wurde also, wenn die Canüle ein
gesetzt waren, vom strömenden Blute rings umspült.
Das Element, welches in den Speichel tauchte, besass eine Ein
richtung, welche die Figur versinnlicht. In den Speichelgang a
Uxiterkieferdrüsenspeicliels und des gleichseitigen Carotidenblutes. 585
wurde das Rölirclien bb
eingebunden, das Röhr
chen mündete nach hinten
in die Erweiterung bb, ii;
in diese letztere ist seitlich
eingeschraubt ein Rohr
eec zum Abführen des
Speichels, welcher von a
hereindrang; indem man
mittelst Kautschuk ein be
liebiges Glasrohr an das
Ende c steckt, ist man im
Stande den Speichel beliebig weit von der Wunde zu führen und seine
Absonderungsgeschwindigkeit zu messen. In das hintere Ende der
Erweiterung bb, ii wird eine der Länge nach durchbohrte Schrauben
spindel hh eingeschraubt; in diese ist das Element il gg eingelenkt.
Vermöge dieser Einrichtung kann die Löthstelle d möglichst nahe an
die Speicheldrüse gebracht und dem Speichel in dem Masse in welchem
er gebildet wird, Abzug verschafft werden, ohne dass durch Reibung
eine für unser Instrument merkliche Wärmemenge, entwickelt würde.
Wenn das Element in den Speichelgang eingesetzt wurde,
so legte man auch sogleich um den Speichelnerven eine den elektri
schen Strom leitende Vorrichtung. Diese bestand aus zwei feinen
Platindräthen, welche auf ein isolirendes Zeug (gefirnisste Leinwand
etc.) festgeheftet waren; die Dräthe konnten jenseits der Wunde
mit einer Inductionsvorrichtung verbunden werden.
Nach dem Einbringen der Vorrichtung wurden alle Wunden
sorgfältig zugenäht und zwar so, dass die Klemmenhler Elemente,
welche den Leitungsdrath zum Multiplicator aufnehmen, an beiden
Orten gleich weit von der Haut abstanden, so dass also auch das mit
der Löthstelle in Verbindung stehende Drathstück an beiden Orten
gleichweit von der Haut bedeckt war; die Haut um die Wunden, inner
halb Welcher die Blutung vollkommen gestillt war, wurde mit Lösch
papier sorgfältig getrocknet; die Wunden wurden darauf mit einer
fingerdicken Lage Watta und diese mit einem Kartenpapier bedeckt,
in das Öffnungen zum Durchlass der Dräthe geschnitten waren. Über-
liess man nun die Elemente und Nadel sich selbst, so nahm die letztere
nach zehn bis fünfzehn Minuten eine bestimmte Stellung, zuweilen auf
586
Ludwig und Spiess. Vergleichung der Wärme des
Null zuweilen auf einem andern Grad ein. Wenn sie nicht auf den
Nullpunkt eintraf, so nahm sie immer eine Lage an, die ein Überge
wicht der Temperatur des Blutes über die in der Wunde des Speiehel
ganges anzeigte. Obwohl es gar nicht unmöglich ist, dass ein solcher
Unterschied besteht, so glauben wir doch, dass er in den meisten
Fällen von einer noch immer nicht genügenden Sorgfalt für die gleich-
massige Abkühlung der Elemente herrührt. Auf das Resultat unserer
Versuche ist jedoch dieser Umstand nicht von wesentlichem Einfluss.
Wir haben schon erwähnt, dass zum Speichelnerv ein möglichst
sorgfältig isolirter elektrischer Strom zugeleitet wurde. Dieses geschah
mehr der Reinlichkeit als der Genauigkeit des Versuchs wegen, da das
Thermoelement und die aus ihm hervorgehenden Dräthe einen sehr
gut isolirenden Firniss erhalten hatten, der auf seine abschliessenden
Eigenschaften jedesmal vor und nach dem Versuch geprüft wurde.
Zur Messung der Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels
wurde an die Mündung c des gebogenen ein gerades Rohr gesteckt,
welches mit dem freien Ende ein weniges aufwärts geneigt wurde;
das Rohr war mit einer Theilung versehen; der Zwischenraum zwi
schen zwei Theilstrichen fasste etwas mehr als 0-008 C. C.; man
konnte also die in einer selbst kurzen Zeit abgesonderte Speichel
menge genügend genau bestimmen.
Aus den von uns an fünf theils grossen, theils mittelgrossen
Hunden angestellten Beobachtungen theilen wir nur die folgenden
mit, die übrigen stimmen mit den gegebenen vollkommen überein.
Die Tafel ist an und für sich verständlich; wir bemerken nun: Der
Gang der Nadel von — nach -j- bedeutet bei der Anordnung die wir
unserem Instrumente gegeben, ein Übergewicht der Speichel- über die
Bluttemperatur. Die der Tabelle zu Grunde gelegten Beobachtungen sind
so angestellt, dass aufgezeichnet wurden die in fünfzehn Zeitsecun-
den abgesonderten Speichelmengen, und die Grenzen in welchen zu
jener Zeit die Nadel schwankte. Diese Beobachtungen sind der Über
sichtlichkeit wegen dann so zusammengefasst, dass die Zeiten in
welchen die Absonderung ungefähr gleich rasch blieb, zur Bildung
eines Mittels zusammengestellt sind. Da die Nadel im Beginne der
Beobachtung natürlich nicht zur Ruhe kam, so bedeuten die zu den
ersten 15" oder 30" geschriebenen Ablenkungen die Grenzen der
Schwankung vom relativen Nullpunkt bis zum höchsten in dieser Zeit
erreichten Ausschlag.
Unterkieferdrüsenspeichels und des gleichseitigen Carotidenblutes. 587
Ludwig- und S p i c s s. Vergleichung- der Wärme des
Zahl des
Thieres
Ver
suches
Dauer
der
Reizung
Absonderung des Speichels in C. C. während 1 Sec.
während der Reizung
nach der Reizung
Verhalten der Magnetnadel
während der Reizung
nach der Reizung
2' 0"
0"
2' 30"
von 0" bis 30" = 0*034
„ 30" „ 60" == 0*022
„60" „120" = 0 013
von 0" bis 30" = 0-037
„ 30" „120" = 0-018
von 0" bis 30" = 0-022
„30" „ 75" = 0-019
„75" „120" = 0-008
von 0" bis 30" = 0 018
„30" „ 90" = 0 012
„90" „150" = 0-008
von 0 bis 1' = 0-007
„ 2' „ 3' = 0-003
„ 7' „ 8'= 0-002
2' nacli d. Schluss d. Erreg
war die Absond. beendet
geht von —-14° auf -f 8°
schwankt, zw. — 5° u. +5°
stellt sich auf —2°
von —12° auf -f 15°
schwankt um + 3-5°
Absond. hört alsbald auf
Absond. hört alsbald auf
von + 0 auf + 7°
zwischen 8° und 9°
stellt sich auf + 7°
auf — 5
— 7
— 12
0' bis 1' = —12
1' „ 2'= —14
0 bis 5-0' = + 3
0 bis 1' 30"= +4
bis 2' 30" = + 3
Unterkieferdrusenspeichels und des gleichseitigen Carotidenblutes. 589
Diese Versuche stimmen also darin überein, dass der Speichel
das in ihm stehende Thermoelement auf einen hohem
Wärmegrad bringt, als ihn das Blut der gleichseitigen
Carotis besitzt; der Temperaturüberschuss des be-
zeichneten Elements über das andere betrug in den
Fällen mittlerer Absonderungsgeschwindigkeit des
Speichels um mehr als 1° C.
Die Beobachtungen 1, S, 7, 8, 9 bcthätigen diesen Satz unmit
telbar, da sich hier die Nadel jenseits des Nullpunktes im positiven
Quadranten während der Speichelabsonderung feststellte. Dasselbe
lässt sich jedoch auch aus den Beobachtungen ableiten, in welchen
die Nadel von einer verhältnissmässig hohen Gradzahl des negativen
Quadranten nach dem positiven Kreisviertel hinging, um den Nullpunkt
nahebei oder ganz zu erreichen, ohne ihn jedoch zu überschreiten. In
diesen Fällen war das im Speichelgang stehende Thermoelement unge
fähr um 5° kälter als das imBlut stehende; es mussten also auf den in
das Rohr (in der Umgebung des Elements) dringenden Speichel jeden
falls sehr merklich abkühlende Einflüsse wirken, welche es demselben
unmöglich gemacht hätten, das von ihm berührte Thermoelement auf
die Blutwärme (die Nadel also auf Null) zu bringen, wenn der Speichel
selbst nur diesen Wärmegrad besessen hätte. Von der Richtigkeit
dieser Ableitung kann man sich leicht überzeugen, wenn man die
Thermoelemente in zwei getrennte Wassermassen taucht, von denen
die eine um zwei bis drei Grad kälter ist als die andere. Wir nehmen
an, das für den Speichelgang bestimmte Kettenglied sei in die kältere
Flüssigkeit gebracht worden. Bringen wir nun durch einen Kautschuk
schlauch ein Glasrohr in Vei’bindung mit der Canüle für den Speichel
gang und lassen durch dasselbe einen Strom wärmeren Wassers
gehen, so muss dieses letztere um 1 0 bis 2° wärmer sein als das in der
Umgebung des anderen Elements, wenn sich die Nadel auf Null an
stellen soll, vorausgesetzt dass man dem Wasserstrom die mittlere
Geschwindigkeit des Speichelstromes ertheilt.
Unsere Beobachtungen decken natürlich nicht den Wärmegrad
auf, den der Speichel im Entstehungsmomente besitzt; denn es ist
offenbar, dass er sich beim Übergang aus den letzten Enden in den
Stamm des ductus abkühlen muss und zwar in dem Masse, in welchem
die Temperatur des Blutes geringer ist, als die des Speichels und in
welchem dieBerührungsdauer zwischen beiden Flüssigkeiten vermöge
Sitzl). d. mathem.-nalurw. CI. XXV. Bd. II. Hft. 38
590
Benedikt. Über die Abhängigkeit des elektrischen
der verminderten Absonderungsgeschwindigkeit des Speichels wächst.
Rücksichtlich des letzteren Punktes sind namentlich die Daten unserer
Tabellen lehrreich, welche aus der Nachwirkung des Reizes genom
men sind.
Über die Abhängigkeit des elektrischen Leitungswiderstandes
von der Grösse und Dauer des Stromes.
Von Moriz Benedikt,
Camlitat der Mediciu.
Wir definiren die elektromotorische Kraft durch das Product
aus der im Systeme wandernden Summe von Kraft — dem Strome —
in die Summe der geleisteten Arbeit — den Leitungswiderstand.
Wir wollen diese Arbeit nur in so ferne betrachten, als sie in. einem
Drathe ausgeübt wird. Es fragt sieb, ist diese geleistete Arbeit blos
von der Natur desDrathes und für dessen Dimensionen abhängig, oder
ist sie auch eine Function der Stromstärke? Unter Stromstärke ver-
E
stehe ich —, wo E die elektromotorische Kraft und Wden wesent-
W
liehen Widerstand bedeutet.
Um diese Frage vom theoretischen Standpunkte zu beantworten,
müssen wir uns Alles, was über die Vorgänge beim Durchgehen eines
Stromes durch einen Drath bekannt ist, vergegenwärtigen. Wir
wissen:
1. dass Längsschwingungen erregt werden, welche einen ent
sprechenden Ton erzeugen;
2. dass in einem bestimmten Verhältnisse mit der Stromstärke
Wärme frei wird;
3. dass die entwickelte Wärme in einem bestimmten Zusammen
hänge mit dem Leitungswiderstande steht,
4. wie es die Contraction des Muskels beim Hineinleiten eines
Stromes und die Veränderung des Cohäsionszustandes von Kupfer-
und Eisen-Dräthen bei längerer Einwirkung der Elektricität nach
Dufour zeigt, dass derStrom eineÄnderung im Zusammenhänge und
Abstande der Theilchen bewirkt.
Leitüngs widerstände? von der Grösse und Dauer des Stromes.
591
Der erste Punkt gibt uns über das zu lösende Problem um so
weniger Auskunft, als die Abhängigkeit des Wesens eines solchen
Längstones von der Stärke der einwirkenden Kraft überhaupt unbe
kannt ist. Der zweite und dritte Punkt lassen eine gewisse Abhän
gigkeit der geleisteten Arbeit von der Stromstärke vennuthen —
eine Vermuthung, die durch den 4. Punkt zur hohen Wahrscheinlich
keit erhoben wird. Über die Art der Abhängigkeit gibt folgende Be
trachtung Anhaltspunkte. Die Petfina’schen Arbeiten über Stromthei-
lung zeigen uns, dass sich die Componenten, in die sich der Strom
zerlegt, verkehrt verhalten, wie die Hindernisse. Es liegt daher aus
diesem und auch aus allgemeinen Vernunftgründen nahe, wenigstens
für Elektiicität den Satz aufzustellen, dass, wenn eine Kraft in zwei
verschiedenen Arten wirken kann, die Componenten jener Kraft sich
verkehrt verhalten, wie die Hindernisse, die sich diesen Wirkungs
arten entgegenstellen. Gilt dieser Satz nicht blos für die Theilung
der elektrischen Kraft inBezug auf die fernereFortpflanzung, sondern
auch für die Theilung in Bezug auf Fortpflanzung und moleculare
Action, so ergibt sich folgendermassen das Gesetz für die Abhängig
keit der geleisteten Arbeit von der Stärke des Stromes. Da nämlich
die Intensität der Attractiv- und Bepulsiv-Kraft im quadratischen Ver
hältnisse der Nähe zunimmt, so ist klar, dass bei einer weitern mole-
cularen Action die Hindernisse im quadratischen Verhältnisse zu- oder
abnehmen, je nachdem derRepulsiv- oder Attractionskraft entgegen
gearbeitet wird. Daraus folgt aber auch, wenn der obige Satz, dass
die Theilung der Arbeit den Hindernissen verkehrt proportional ist,
wahr erscheint, dass der Strom zur molecularen Arbeit in einem qua
dratischen directen oder indirecten Verhältnisse steht.
Um diesen Betrachtungen und Vermuthungen eine experimen
telle Basis zu geben, unternahm ich, mit Erlaubniss des Herrn Regie-
rungsrathes R. v. Ettingshausen, eine Untersuchungsreihe im
k. k. physicalischen Institute, wozu mich noch der Umstand ermu-
thigte, dass bei den verschiedenen Autoren die Angaben über den
specifischen Leitungswiderstand der Art differiren, dass der Unter
schied nach meiner Überzeugung nicht von den Bruchtheilen eines
Percents mechanischer Beimengung, sondern von der Verschiedenheit
der elektrischen Quantitäten, mit denen die verschiedenen Autoren
arbeiteten, herrührt. Der Parallelismus, der sich zwischen magneti
schen und diamagnetischen Substanzen in Bezug auf ihre physicali-
38*
V
592
Benedikt. Über die Abhängigkeit des elektrischen
sehen und elektromagnetischen Eigenschaften durchführen lässt,
bewog mich eine grössere Reihe von Dräthen in meine Versuchsreihe
einzubeziehen, um aucli in dieser Beziehung eine etwaige Differenz
ausfindig zu machen. Diese Vermuthung erwies sich durch die Expe
rimente als eine wohlbegründete. Einige Umstände machten mich
ferner darauf aufmerksam, dass ein Dratli durch langem Gebrauch
alsLeiter, seinLeitungsvermögen ändere. Ich untersuchte daher auch
diese Variation bei verschiedenen Dräthen und erhielt auch für hete
rogene Metalle essentiell verschiedene Resultate.
Die Methode, die ich bei meinen Versuchen befolgte, war fol
gende.
Ich bestimmte mir nach den allgemeinen Principien die elektro
motorische Kraft E eines oder mehrerer Jedlik’schen Zinkkohlenele
mente, ebenso deren wesentlichen Widerstand Wund Stromstärke S.
AlsNormaldrath benützte ich b^Meter eines 0 - 18MilIim. dicken versil
berten Knpferdrathes. Das Normalstück wurde hei jedem Versuche
gewechselt, da sich dessen Leitungswiderstand möglicherweise durch
längeren Gebrauch ändern konnte.
Die Stromstärke wurde nach der W e b e r'schen Formel
TR tg u
9
2 k
bestimmt, wobei jedoch T(die horizontale Componente
des Erdmagnetismus) nicht weiter bestimmt wurde, so dass alle fol
genden Angaben über elektromotorische Kraft und Stromstärke eigent
lich mit T zu multipliciren sind. R der mittlere Halbmesser des Mes
singreifens der nach Gangain verbesserten Tagentenboussole be
trägt 109 Millim. Statt des eigentlichen Normaldralhes J / 4 Meter auf den
die Reduction gemacht wurde, schaltete ich immer y s Meter, also den
Widerstand = 2 ein. Darauf beziehen sich die folgenden Angaben
von w„, g n , d. i. der Ablenkungswinkel und die Stromstärke bei Ein
schaltung des Widerstandes = 2.
Den Widerstand (W 7 ) eines zu prüfenden Drathes fand ich,
nachdem ich die, diesem Widerstande zukommende Stromstärke
bestimmt hatte (S'), nach folgenden Formeln:
E TI7 E „ r , „ T , Tlr , E E E
- s - = W; -
W+ W; (1) W'
W.
S' — " 1 ” ’ ” S' S S'
Die Buchstaben haben die Bedeutung, die soeben angegeben
wurde. Wollte ich den Widerstand für mehr als ein Element bestim
men, so suchte ich die Daten E und W für jedes Element, fand die
Leitungswiderstandes von der Grösse und Dauer des Stromes.
593
entsprechenden Zahlen für eine Combination von Elementen durch
Summirung der Daten der einzelnen Elemente und bestimmte das
neue W' nach der Formel 1.
Aus einer grösseren Menge von Versuchsreihen, die wenigstens
alle dasselbe qualitative Resultat gaben, theile ich die verlässlichsten
und am meisten charakteristischen mit. ln den folgenden Tabellen
bedeutet Ae Anzahl der Elemente; die römischen Ziffern unter der
Rubrik Ae die Zahl der Elemente, die arabischen die Numern der
selben, so dass If 3 ,4 zwei Elemente, Numero 3 und 4 bedeutet/V'
bedeutet „Ablenkungswinkel“, "W" Widerstand,''E" elektromotorische
Kraft, "g" Stromstärke. Von den Indices bedeutet "o", dass keinDrath
eingeschaltet wurde, "n", dass 1 / 2 Meter des Normaldrathes, "/c",
"pt", dass ein Kupfer-Zink-Platin-Drath eingeschaltet war. So
bedeutet z. ß. u„ den Ablenkungswinkel beim Widerstande 2, Wk
den Widerstand eines Kupferdrathes etc.
Die einzelnen Beobachtungen sind in der Reihe gemacht, wie
sie angeführt werden. Es wurden die ßeobachtungen entweder an
fangs mit mehreren Elementen gemacht, oder umgekehrt.
Versuche mit Kupfcrdriitlieii.
a)
Ae
u k
gk
Wo
Wk
E
la
lh>2
Ii
78%«
69% »
21°
20%«
63% »
57 %«
83-99 6-66
131-00
47-01
6-48
34-78
44-60
27-22
0-17
0-49
0-32
»■2t
«•II
«•2t
14- 28
29-32
15- 04
Anmerkung. Die Identität des Widerstandes für je zwei Elemente zeigt die
hohe Verlässlichkeit dieser Daten.
»0
Ae
g.
Wo
Wk
E
.2,3,4
h
1112,3:4
'a
'•s,4
I 3
U
69 %«
72% »
72 %«
19%»
20 %»
20 % «
20 y*°
67»
52% »
68% »
65 0
43-47
46-80
52* 13
55-00
6-14
6-48
6-40
6-40
40-70
22-81
44-03
37-19
1-16
0-33
0-83
0-32
0-51
0-28
0-23
0*06
0*30
0*10
0*®G
58- 02
14-343
43- 68
14-976
28- 70
14- 60
14- 10
Anmerkung. Die Versuche sub h sind mit einem andern Drathe und in einer
andern Zeit gemacht.
594
Zu gleicher Zeit mit der Versuchsreihe sub a wurde auch der
Leitungswiderstand eines dritten Drathes bestimmt und folgende
Zahlen erhalten:
c)
Ae
u k
g*
Wo
Wk
78y 8 ° 21» 64i/a» 83-99 6-66 36-36 0-17 0*23 14-28
Diese Zahlen sind natürlich ebenso verlässlich, wie die sub a.
Dieser Drath wurde durch mehrere Stunden dem Strome eines
Elementes ausgesetzt und dann wieder auf seinen Leitungswiderstand
untersucht, und zwar mit folgendem Resultate.
rt)
Ae
u t
g»
gk
Wo
Wk
Ii
h
78% »
80°
223/4»
62% o
62 3 /4 fl
82-23
98-36
7-09
7-27
33-31
33-67
0-18
0-16
0*28
0*28
13-34
15-74
Anmerkung. Auch diese Resultate zeigen einen hohen Grad von Verlässlichkeit.
Qualitative Resultate aus diesen Versuchen:
1. Der Widerstand nimmt ab, wenn die Stromstärke wachst.
2. Er nimmt zu mit der Dauer des Stromes.
Versuche mit Zinkdrath.
a)
Ae
u„
u,.
g,
Wo
Wz
E
h
k
Hl ,2
HR ,2,3
h
73% »
78 3 / 4 »
79% 0
21% 0
22««
223/ 4 o
63%o
67»
723/ 4 o
58-53
87-19
145-74
6- 83
7- 01
75y 4 » | 239-31
93-57
7-27
34-78
40-86
55-85
65-88
0-26
0-17
0-43
0-60
0-17
0*18
«•19
0*11
0*09
I»)
15-24
14- 82
30-05
45-91
15- 92
Ae
u,
g»
Wo
Wz
Ae
78% 0 213/ 4 fl| 67» 85-24 6-92 | 40-8G| 0-18 0-191 15-34
c)
u„
go
g..
Wo
Wz
78« 23%o 66 3 / 4 o 81-59 l 7-48 44-60 0-21 10*31 17-13
Leitunffswiderstandes von der Grosse und Dauer des Stromes.
59S
U)
Ae
Wo
Wz
I
78%»
221/4°
66i/ 4 »| 85-24j 7-09
39-41
0-18
«»•awSi IS-34
Anmerkun g. Die Werthe von Wz für ein Element zeigen,wie zuverlässig diese
Daten sind. Dieser Drath wurde hierauf mehrere Mal durch einige Stunden
einem Strome ausgesetzt und dabei die Daten sub b), c) und d) gefunden.
Diese Daten wurden an zwei auf einander folgenden Tagen gefunden.
Qualitative Resultate aus diesen Versuchen:
1. Der Widerstand nimmt ab mit der wachsenden Stromstärke.
2. Der Widerstand nimmt zu mit der Stromdauer.
Versuche mit Stalddrath.
Anmerkung. I4 wurde nicht direct bestimmt, und das dazu gehörige E und
Wo aus dem Mittel der andern drei Elemente bestimmt.
Dieser Drath wurde ebenfalls durch einige Stunden der Einwir
kung eines Stromes ausgesetzt und folgende Resultate dann gefunden.
1>)
Ae
g.t
Wo
Wst
E
I 78%» 221/4»| 2Sy 2 » 85*251 7-09 8-27 | 0-18 1*0? | 15-34
Qualitative Resultate aus diesen Versuchen:
1. Der Widerstand wächst mit der zunehmenden Stromstärke.
2. Der Widerstand nimmt ab mit der Dauer des Stromes.
Versuche mit Platindrath.
Ae
u„ u
g-
g P t Wo
Wpt E
h
h
«i.»
1111 ,3,3
I,
781/3 0
80% »
79% »
221/4 »
23»
22i/ 4 o
12/4»
131/4«
19%»
23%»
1 31/„ 0
83-24
106-30
191-74
285-29
93-35
7-09
3- 77
4- 08
6-08
7-45
4-11
0-18
0-148
0-328
0-492
0-164
3*80
3-9«
«JO
ä-54
3'368
15-34
15-79
31-13
46-47
15-34
Anmerkung. Die Angaben für Wpt variiren hier um drei in der zweiten Stelle.
596
Benedikt. Über die Abhängigkeit des elektrischen
Qualitative Resultate aus diesen Versuchen:
Der Widerstand wächst mit der zunehmenden Stromstärke.
Versuche mit Messingdrnth.
a)
Ae
Sc
Sc
Wo
Wm
E
Ii
Hl ’3
h
78% o
80»
22y 4 °
22%°
36%°
50%°
85-25
98-36
7-09
7-27
12-8
21-23
0-18
0-34
0-16
1*03
1*13
1S-34
31-08
IS -74
Anmerkung. Diese Versuche sind aus derselben Reihe wie die bei Kupfer sub a.
Dieser Drath wurde ebenfalls durch längere Zeit einem Strome
ausgesetzt und dann folgende Resultate erlangt.
»0
Ae
*u„
Wo Win
Ii
h
73%°
78%°
21%°
22°
40%°
S8-SS
87-19
6- 83
7- 03
14-30
14-94
0-26
0-17
«•80
«•83
13- 22
14- 82
Qualitative Resultate aus diesen Versuchen :
1. Der Leitungswiderstand nimmt zu mit der wachsenden Strom
stärke.
2. Der Widerstand nimmt ab mit der grösseren Stromdauer.
Allgemeine qualitative Resultate:
Bei den (diamagnetischen) Kupfer- und Zinkdräthen nimmt
mit der wachsenden Stromstärke der Widerstand ab, bei den (mag
netischen) Stahl- und Platindräthen aber zu. Messing, über dessen
magnetisches Verhalten ich keine specielle Versuche machte, befolgt
ganz das Gesetz der genannten magnetischen Körper.
Die erstere Reihe von Dräthen hat ferner die Eigenthümlichkeit,
dass ihr Widerstand mit der Zeit des Gebrauches zunimmt, während
er bei den anderen abnimmt.
Quantitative Bestimmung des Ändcrungs-txesctzcs.
Eine oberflächliche Betrachtung der gewonnenen Resultate zeigt
schon, dass sich die Quadrate der Leitungswiderstände entweder
direct oder indirect verhalten, wie die Stromstärken. — Unter Strom
stärke ist hier nicht jene verstanden, die hei der Einschaltung resul-
tirt, sondern jene, die ohne alle Einschaltung zum Vorschein kommt,
Leitungswiderstandes von der Grösse und Dauer des Stromes. 597
also jene Summe von elektromotorischer Kraft, die gleichsam aus den
Pforten des Elementes hervorkommt, um den Drath zu durchwandern.
Das oben erwähnte Gesetz bekommt durch folgende Rechnungen seine
volle Giltigkeit.
Nehmen wir zuerst die Daten für Kupfer sub a, so haben wir
für die Stromstärke im oben erörterten Sinne bei einem Elemente
83-99, für zwei Elemente 13100, für den Widerstand bei einem
Elemente "0-24", bei zwei "0'17". Da die Widerstände mit den
wachsenden Stromstärken abnehmen, so haben wir nach der Formel
s:s'=l' 3 : l°~.
131 00:83-99 = (0'24) a : x 2 ; 1555 = ; xY 1535 =
= 0-24 = x. 1-247; x = o-J!>.
Der Versuch gibt 0 - 17, also eine Differenz, die im hohen Grade
befriedigend ist, da auch die ähnlichen Versuche von Lenz zeigen,
dass die Fehlergrenze eine weitere ist.
Nach derselben Formel haben wir für Zink folgende Resultate:
Für zwei Elemente:
145-74: 58-55 = (0-18) 3 : x z
2-489
(0'18) a
x 2
aW2-489 = 0 18
o? = 0-18 :1-609
Der Versuch gibt auch »•*!.
Für drei Elemente:
239-74:58-55 = (Q-l8)* :x 3
4-087 = (0 ' 18) 1
a- 3
^.^4-087 = 0-18
_ 0-18
2-022
.r = 0*08§0,
Der Versuch gibt 0*09.
Rei Platin gilt hingegen offenbar die Formel s : s' = f 3 : L'~.
a
598
Benedikt. Über die Abhängigkeit des elektrischen
Wir haben also für zwei Elemente:
191-74:106-50 =(4-79)*:#ä
2-249 = »
;r a
xY 2-249 ■= 4-79
^ = 4-79:^2-249
X == *• 3®
Der Versuch gibt 3-72, also eine Differenz von 6 in der zweiten
Stelle. DieDaten für Wpt zeigen aber, dass diese Differenz für Platin
ebenfalls noch innerhalb der Fehlerquellen liegt.
Für drei Elemente haben wir:
285-29:106-50 = (5-74) 3 : x*
2-678
5*74 5*74
x — F2-678 1-637
x = 3-506
Der Versuch gibt 3-72. Es ist also hier eine Differenz 0 - 22
die sehr befriedigend ist.
Es folgen daher aus denVersuchen folgende wichtige Resultate:
1. Von einem specifischen Leitungswid erstände
in dem früheren Sinne kann nicht mehr die Rede sein.
2. Die Formel für den Le itungswiderstand^-, wo
nrZ
k eine von der Natur des Metalls abhängige Constante, l die Länge
und r den Halbmesser des Drathes bezeichnet, ist für eine Reihe
von Metallen — vielleicht allen diamagnetischen — mit
1 E
— , wo s durch die Formel —, unter W den wesentlichen Lei-
y s w
tungswiderstand verstanden, ’repräsentirt wird, zu multipliciren,
für eine andere Reihe — vielleicht alle magnetisc'he
Metalle — aber mit Ys.
Der Umstand, dass bei einigen Metallen der Widerstand wächst,
bei andern abnimmt, wenn die Stromstärke zunimmt, schliesst fast alle
Fehlerquellen aus, die etwa qualitativ zur Erlangung obiger Resultate
beigetragen haben sollten.
Leitungswiderstandes von der Grösse und Dauer des Stromes.
599
Ein ferneres Resultat ist:
3. Dass bei der ersten sub 2 genannten Reihe von
Metallen der Widerstand mit der Dauer des Stromes
wächst, beiden darauf untersuchten der zweiten Reihe
aber abnimmt.
Schon dieses Verhalten, und noch mehr die jedenfalls kleine
Änderung in der Zeit der Versuche, aus denen die Resultate sub 2
gewonnen wurden, schliessen auch diesen Vorgang für die qualitative
Beirrung der Resultate sub 2 aus.
Verzeichniss der eingelang-ten Druckschriften.
601
DER
EINGELANGTEN DRUCKSCHRIFTEN.
(JULI.)
Academie d’Archeologie de Belgique. Annales. Bd. XIV, Heft, 1, 2.
Anvers 1857; 8°-
Academie des Sciences. Paris.
— Comptes rendus hebdomadaires des Sciences. Tom. XXXV—
XLII. 1852; 4»-
— Supplement a. c. r. Tom. I. 1856; 4°-
— Memoires de l’Academie. Tom. XXIV, Tom. XXVII. part. 1,
1856; 4<>-
— Table generale d. c. r. (3 aoüt 1835 ä 30 decemb. 1850.) Tom.
I. 1853; 4°-
Akademie, preussiscbe, der Wissenscbaften. Monatsberichte. Nr. 5
und 6. Berlin 1857; 8 0,
Annales des Mines. Serie V, Tom. X, livr. 5 et 6. Paris 1857; 8°-
Annals of tbe astronomical observatory of Hanvard College. Vol. I,
part. 1. Cambridge 1856; 4°-
Archiv der Mathematik und Physik, heraasgegeben von Job. Aug.
Grunert. Greifswalde 1853.
Baer, R.E.v., und Ilelmersen, G. v., Beiträge zur Kenntniss des russi
schen Reichesund der angrenzenden Länder Asiens. XIX Bände.
(BandXVIist nicht erschienen.) St. Petersburg 1839—1854; 8 0-
Bauzeitung, allgemeine, Jahrgang XXII, 5. und 6. Heft. Wien
1857; 8<\
Blake, William P., Description of the fossils and Shells collected in
California. Washington 1855; 8 0-
602
Verzeichniss der
Brantz, Mayer, observations on mexican history and archaeology.
Washington 1856; 4°-
Bulletino archeologico Napolitano. Anno IV, Napoli; 4°'
Concours de l’Acad. Imperiale Leopoldo-Caroline des Naturalistes
de Breslau propose par le prince Anatole de Demidotf. Breslau
1857; 4»-
Conestabile, Conte Giancarlo di Giambattista Vermiglioli, de’
monumenti di Perugia, della litteratura et bibliografia Perugina.
Perugia. Vol. II, 1855—56.
Cos mos, Vol. XI, livr. 3.
Dana, J. D., on american geological history. New-Hawen 1856.
De-Bow, J. D. B., the seventh census of the united states. 1850.
Vol. I, Washington 1853; 4»-
Gerhard, E., Winkelmann und die Gegenwart. Mit einer Abbildung.
Berlin 1856; 4°*
Gesellschaft, physicalisch-medicinisehe in Würzburg. Verhand
lungen. Erlangen 1850; 8°-
Hough, Franclin A. M. M. D., results of a series of meteorological
observations mode in obedience to instructions from the regents
of the university at sundri Academies in the state of New-
York, from 1826 to 1850. Albany 1855; 4°-
Istituto, J. R., Lombardo. Giornale Nr. 52.
Jahresbericht des Marienvereines zur Beförderung der katholi
schen Mission in Central-Africa. Wien 1852; 8 0,
Journal, the astronomical. Vol. V, Nr. 5, 6, 7.
Journal of the Academy of natural Sciences of Philadelphia. New.
series. Vol. III, part. 3. Philadelphia 1856; 4°-
Journal of the american education. Hartford 1856; 8 0,
Karsten, C., Die Fortschritte der Physik im Jahre 1747. Berlin
1849; 8°-
Kupfer, A. T., Über den Einfluss der Wärme auf die elastische
Kraft der festen Körper und insbesondere der Metalle. St.
Petersburg 1856; 4°-
Lotos, 1857. Heft 3 — 7. Prag 1857; 8»-
Meech, L. W. A. M. on the relative intensity of the liead and light
ofthesunuponditferentlatitudes the earth. Washington 1857; 4°’
Mittheilungen der k. k. Centralcommission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmale, Jahrg. II, Heft 7. Wien 1856; 4«-
eing-elangten Druckschriften. 603
Mittheilungen aus Justus Perthe’s geographischer Anstalt. 1857.
Heft 2 und 3. Gotha; 4°-
Mommsen, Th., Die Rechtsfrage zwischen Ciisar und dem Senat.
Breslau 1857; 4°- (Aus den Abhandlungen der philos.-histor.
Gesellschaft in Breslau.)
Museum, Francisco-Carolinum für das Erzherzogthum Österreich
ob d. E. und das Herzogthum Salzburg. XI. 16. Heft. Linz; 4°-
Orti Manara, Conte Giov. Girol. La penisola di Sermione illustrata.
Verona 1856; 4°-
Palacky, Frantisek, Dejiny ceske. Dil IV. castka 1. Praha; 8°-
Palacky, F., Geschichte von Böhmen. Bd. IV, Abthl. 1. Prag 1857.
Bangabe, A. R., antiquites helleniques. Athenes 1855; 4°-
Report, tenth annuel, of the board of regents of the Smithsonian
Institution, schovving the operations, expenditures, and condition
of the institution, up to January 1, 1856. Washington 1856; 8°-
Report of the secretary of the treasury, on the state of the finances,
for the year endiug june 30, 1855. Washington 1856; 8°-
Report of the commissiones of patents for the year 1854. Agricul-
ture I. Arts and manufactures II. Washington 1855; 8 0-
Report of the commissiones of patents for the year 1855. Agricul-
ture I. Arts and Manufactures II. Finances I. Washington
1856; 8»-
Report of experiments with small arms for the military Service.
Published by authority of the secretary of war. Washington
1856; 8"-
Reslhuber, A., Bericht über die Kometen von den J. 975, 1264,
1556. Linz 1857; 8°-
Runkle, John, New tables for determining the valeurs of the coelTi-
cients in the perturbative function of planetary inotion, wliieli
depend upon the ratio of the mean distances. Washington
1585; 4«-
Sanford, H. S., The different Systems of penal Codes in Europe
also, a report on the administrative changes in France, since
the revolution of 1848. Washington 1856; 8 0-
Sunto, dolle observazioni meteorologiche fatte nell osservatorio dell’
R. Marina. Napoli 1847—1856; 4°-
Wolcott, Gibbs and Frederick Genth, researches on the Ammonia-
Cobalt bases. Washington 1856; 4 0-
604 Verzeichntes der eingelangten Druckschriften.
Zepharovich, V. R. v., Bericht über die Schürfungen auf Braun
kohle zwischen Priszlin und Krapina und ein Vorkommen von
Bergtheer zu Peklenicza an der Mur in Croatien. Wien; 8°-
(Aus dem Jahrhuche der k. k. geolog. Reichsanstalt 18S6.)
Zippe, Dr. F. X. M., Geschichte der Metalle. Wien 18t>7; 8°-
Übersicht der Witterung im Mai 1857.
Von A. U. Burkhardt, Assistenten der k. k. Central-Anstalt.
Beobachtungsort.
Mittlere
Tem
peratur
Re'aumur
Maximum
Tag Temp.
Minimum
Tag Temp.
Mittlerer
Luft
druck
Par. Lin.
Maximum
Tag Luftdr.
Minimum
Tag Luftdr.
Mittlerer
Dunst
druck
Par. Lin.
Nieder
schlag
Par. Lin.
Herr
schender
Wind
Anmerkungen
und
secundäre Extreme.
Beobachtungsort
nach der mittle
ren Temp. geordn.
Mittlere
Tem
peratur
lleaumur
Admont .
Agram. .
Althofen .
Ancona .
Aussee (Markt)
Aussee (Alt-)
Bludenz . .
Bodenbach .
Bologna . .
Botzen. . .
Brünn . . .
Bukarest. .
Cairo . . .
Curzola .
Czaslau .
Czernowitz .
Debreczin .
Deuts chbrod
Ferrara . .
Frauenberg.
Fünfkirchen
Gastein . .
Gran . . .
Gratz . . .
Gresten . .
Hermannstadt
St. Jakob I. .
St. Jakob II. (Gurk)
Jaslo . .
Inner-Villgratten
Innichen . .
Kahlenberg
Kalkstein. .
Kaschau . .
Kesmark . .
Kirchdorf .
Klagenfurt .
Komorn . .
Korneuburg
Krakau . .
Kremsier
Kremsmünster
+ 9 ? 29
+ 13-08
+ 10-14
+ 12-99
+ 9-41
+ 9-04
+ 10-38
+ 10-41
+ 13-73
+ 14-40
+10■öS
+ 12-13
+19-87
+ 1Ö-40
+ 10-41
+ 9-96
+ 12-74
+ 9-00
+ 10-49
+ 13-09
+ 7-06
+ 12-80
+ 12- lö
+ 10-40
+ 10-30
+ 9-38
+ 9-27
+ 9-97
+ 6-14
+ 8-20
9-37
5-21
+ 11-43
+ 9-22
+ 10-34
+ 11-18
+ 11-37
+ 11-02
+ 10-Ob
+ 10-86
+ 10-46
22-6
21 6
21-6
2 1 *
2 2 *
29- 6
22-6
22-6
22-6
22-6
21-6
21-6
30- 6
30-6
22-6
21-6
24-6
20-6
21-6
+ 13-90 30-3
21-6
29- 6
22-6
21-6
21-G
21-6
30- 6
21-6
21-6
23-6
22-6
21-6
22-6
23- 6
24- 6
22-6
21-
21-6
21-6
26-6
3 1 •
3 2 •
22-6
+ 17 9 8
+ 21-3
+ 18-9
+ 19-4
+ 19-8
+ 19-6
+ 21-4
+ 23-3
+ 20-3
+ 21-9
+ 21-8
+ 22-0
+ 32-7
+ 20-6
+ 22-2
+ 20-0
+ 20-2
+ 20-0
±111.4
' S 1 . 8
+ 24-0
+ 21-4
+ 18-1
+ 22-2
+ 21-1
+ 21-7
+ 19-0
+ 18-4
+ 16-4
+ 22-0
+ 13-7
+ 19-1
+ 20-0
+ 14-5
+ 18-9
+ 19-1
+ 20-3
+ 22 -6
+ 22-2
+ 20-0
+ 19-4
+23-0
+ 20-7
4-3
7- 3
1-3
1-
1- 9
1 •«
2 • 0
% ‘ 3
8- 3
3‘
2- 3
4-3
4- 3
5- 3
2- 3
7 • 3
8 ■ 3
3- 3
4- 3
8-3
3- 3
4- 3
1-3
3-9
15-3
13-3
13-3
3- 3
4- 3
4-3
1-
7-3
3 • 3
7 • 3
2-3
4-3
7-3
2-8
0-0
4-4
7-8
0-8
+ 6-6
+ 12-1
+ 10-8
+ 0-0
+ 1-3
+ 3-4
— i-1
+ 3 ‘3
0-1
62
2-7
2-6
3-1
2-0
3-2
1-8
+ 0-3
- 2-0
+
5-0
1-0
2- 3
1-0
3- 6
311 "'38
330- 36
307-32
333-64
310-46
300- 99
314-08
331- 88
332- 20
323-71
328-33
322-93
335- 86
336- 50
326-69
326- 74
331- 68
320- 64
333- 00
321- 57
330-68
301- 51
332- 58
320- 07
321- 45
320-39
300-84
327- 97
292-30
314-00
328-72
312-87
319-46
319-49
328-21
321-97
16-3
16-3
15- 3
16-
16-3
15- 3
16- 9
15- 3
16- 4
16- 3
15-3
17- 3
15- 6
4-6
13-3
16- 9
16 6
15- 3
16- 5
13-3
16-6
16-3
26-9
16-3
16-3
13-3
15-3
16-4
16-4
314”S5
333-39
310-61
337-21
314-97
303-82
317-15
335-22
335-79
329-43
331-24
326-27
337- 24
339-60
329- 92
330- 27
333-83
323- 61
338- 00
324- 48
333-47
303-22
333-73
322- 80
324-63
323- 30
303-87
330-61
293-22
315-11
331-27
316-24
322-55
322-33
331-49
325.45
26-9
31-3
26-9
31-
26-9
26.6
26-3
26-9
31-4
30- 3
26-9
31- 9
1-3
31-9
26- 3
27- 9
31-6
26-9
26-6
31-6
26.6
26-9
26-9
26-6
31-9
26- 9
27- 6
26-6
31-9
27-6
26-6
26-9
26-7
26-7
307-86
326- 83
305-24
331- 21
307-91
297-36
310-63
327- 15
329-15
323- 33
324- 03
319-47
333-82
332- 44
322- 39
323- 02
327-87
316- 44
332-00
317- 87
326-01
297- 51
329-05
315-95
317-40
317-15
298- 71
323-69
290-01
324-66
308-98
315- 31
316- 08
324-10
307-23
2-12
4-06
305
316
2- 90
3- 31
3-36
3-94
3-78
3-61
3-01
3-54
2-92
3-55
3- 51
4- 01
3-51
3-40
28-06
31- 54
17- 89
15-05
43-32
69-91
32- 55
8-52
11-64
15-05
18- 98
54-08
10-60
29-79
5- 38
14- 43
23-22
21-24
12- 34
33-42
6- 76
13- 47
39-92
56-53
17-10
13-75
15- 47
32-68
7-16
19-68
47-80
17-72
10-64
12-16
27-57
51-15
W. NO.
NNO. SO.
NW.
SO.
0.
0. W.
NW.
NO.
ONO.
NO.
O. OSO.
N.
SO. NW. O.
NW. N.
NNW.
N.
N.
O.
0. so.
NO. SO.
s.
so. w.
W.NW.
ONO. NW,
NW. SO.
NW.
SO.
WNW.
NW.
W.
OSO.
W. 0.
NW.
N.
W.
O.
NW. SO
NW.
NO.
NO.
Ain 29. 17 9 2, am 16. 3 9 8.
Am 26-9. 327-53, am 29. 20 9 3.
Am 31-3. 298 n 'l3, am 29.17 ”5.
Am 7. 3 9 0, am 2. 315"17.
Am 3. u. 15. 1 9 7.
Am 27. 19 9 8.
Am 29. 21 9 0.
Am 29. 19 ? 5.
Am 26. 20 9 5.
Am 1. 29 ? 2, am 13. 30 9 3, am
20. 13-1.
Am 29. 20 9 2, am 6.12 9 0.
Am 25. 20 9 3, am 4. ü 9 4.
Am 17. 1 9 7, auch Maximum
Luftdruckes.
Am 27. 328-40.
Am 31-3. 318" 12, am 4.—0
Am 24. 333"0Ü, Maximum
23. 21 9 8.
Am 29. 20 9 0.
Am 27-6. 327-64, am 16. 7
Am 29. 17 9 6.
Am 30. 20 ? 8.
Am 31. 316-62.
Am 31. 318-85, am 27. 17-
Am 16-9. 322 n ’75.
des
9 2.
am
9 0.
3.
Am 17. 3 ? 5.
Am 28. 14 9 3, am 6. -0 6,
am 1. 0 9 7.
Am 31-3. 290 n '07, am 6. 0-5,
am 28. 17°3.
Am 29. +140, am 1. 2. und 6.
—1 9 0.
Am 14-9. 7 ? 4.
Am 14. 5 9 2.
Am 30. 21 9 0.
Am 30. 19 9 0.
Am 21. 10 9 2.
Am 29. 20 ? 5.
Am 29. 16 ? 9.
Cairo. .
Smyrna .
Curzola
Born . .
Triest .
Trient .
Udine .
Botzen .
Bagusa .
Venedig.
Lissa . .
Ferrara.
Bologna.
Senil in .
Ofen . .
Meran .
Mailand .
Fünfkirchen
Agram
Ancona .
Gran . .
Debreczin
Pressburg
Gratz. .
Bukarest
Melk . .
Prag . .
Laibach.
Kaschau
Mediasch
Tyrnau .
Luino .
Wien . .
Ödenburg
Komorn.
Martinsberg
Zavalje .
Linz . •
Wilten .
Klagenfurt
Lienz ■ .
Korneuburg
+ 19 ? 87
+ 16-28
+ 15-40
+ 15-07
+ 14-82
+ 14-61
+ 14-50
+ 14-46
+ 14-39
+ 14-26
+ 14-07
+ 13-90
+ 13-73
+ 13-00
+ 13-33
+ 13-31
+ 13-20
+ 13-09
+ 13-08
+ 12-99
+ 12-80
+ 12-74
+ 12-28
+ 12-13
+12-13
+ 11-37
+ 11-31
+ 11-30
+ 11-43
+ 11-42
+ 11-42
+ 11-41
+ 11-40
+ 11-39
+ 11-37
+ 11-
+ 11-33
+ 11-32
+ 11-28
+ 11-18
+ 11-07
+11-02
Sitzli. <1. mathem.-naturw. CI. XXV. Btt. II. Uff.
II
Übersicht der Witterung im Mai 1857.
Dcobachtungsort.
Mittlere
Tem
peratur
Reaumur
Maximum
Tag Temp.
Minimum
Tag Temp.
Mittlerer
Luft
druck
Par. Lin.
Maximum
Tag Luftdr.
Minimum
Tag Luftdr.
Mittlerer
Dunst
druck
Par. Lin.
Nieder
schlag
Par. Lin.
Herr
schender
Wind
Aumerkuiigeii
und
secundäre Extreme.
Beobachtungsoit
nach der mittle
ren Temp. geordn.
Mittlere
Tem
peratur
Reaumur
Kronstadt .
Laibach .
Lemberg .
Leutsehau
Lienz . .
Linz . .
Lissa . .
Luino . .
St. Magdalena
Mailand .
Martinsberg
Mediasch.
Melk . .
Meran . .
Obervcllach
Obir I. .
ObirHI. .
Oderberg
Odenburg
Ofen . .
St. Paul .
Perugia .
St. Peter .
Pilsen . .
Plan
Prag . .
Pregratten
Pressburg
Pürglitz .
Raggaberg
Ragusa .
Reichenau
Rom . .
Rosenau .
Rzeszotv .
Sachsenburg
Saifnitz .
Schemnitz
Schössl .
Semlin. .
Sexten. .
Smyrna
Suhlen
Tyrnau.
+ 9 9 21
+ 11-50
+ 10-18
+ 9-15
+ 11-07
+ 11-
+ 14-07
+ 11-41
+ 9-17
+ 13-20
+ 11-37
+ 11-42
+ 11-57
+ 13-31
+ 9-77
+ 7-59
— 0-25
+ 10-56
+ 11-39
+ 13-33
+ 10-13
+ 9-63
+ 7-31
+ 10-52
+ 5-55
+ 11-51
+ 7-64
+ 12-28
+ 9-80
+ 5-15
+ 14-39
+ 8-35
+ 15-07
+ 10-00
+ 10-17
+ 9-33
9-51
+ 9-48
+ 10-60
+ 13-60
+ 7
•08
+ 16-28
+ 4-39
+ 11-42
30-5
21-6
25-6
24-6
S 0 • 6
a l • 8
22-6
22-6
31-6
21-6
20-6
21-6
30 6
21-6
22-6
21-6
29-6
29-6
S 1 ■ 6
3 3-6
22-6
29-6
21-6
22-
21-6
22-6
16-6
21- 7
20-6
21-6
22- 6
29-6
29- 6
30-
21-6
21-6
21-6
21-6
a i - 6
3 0-6
22-6
21-6
22-6
30-6
21-6
21-6
+ 16 ? 2
+ 21-1
+ 19-7
+ 18-4
+ 19
+ 20-8
+ 18-6
+19-0
+ 17-5
+ 21-5
+ 20-5
+22-2
+ 20-9
+ 21-9
+ 20-7
+ 21-5
+ 8-ä
+ 20-3
+ 21 -8
+22-0
+ 19-8
+ 15-9
+ 15-0
+ 22-4
+ 13-0
+ 24-0
+ 19-7
+21 -2
+ 18-6
+ 12-0
+ 19-8
+ 22-4
+ 18-6
+ 22-8
+ 20-8
+ 17-6
+ 16-8
+ 22-8
+ 22-8
+ 14-9
+ 24-5
+ 14-0
+ 21-0
4-3
3-3
3-3
3-9
6- 3
2- 3
1-3
3- 3
1 • 9
7 • 3
3- 3
7- 3
4- 3
1-3
+ 2 9 7
2
1
1
2
7
4-3
16-3
1-
2-3
7-3
7-3
17-3
16-3
17-9
4 • 3
14-3
7-4
+ 8-
+ 3'
+ 5-0
+ 7-2
+ 3-7
— 2-0
— 10-0
+ 3-1
+ 1-5
+ 4-8
+ 1-7
+ 3-0
- 0-6
+ 0-5
+ 0-0
+ 0-7
- 1-2
+ 4-0
— 0-5
— 3-0
+ 10-7
0-0
4-4
0-9
2-6
3
3
2
2
7
0
+ 9-0
- 3-0
+ 4-2
314-62
325-60
325-83
315-77
310-84
322-27
336-61
328-93
303-84
330-64
325-91
325-02
327-52
324-72
329-73
328- 29
332-92
320-73
318 83
290-77
324-83
277-45
329- 35
331-14
323- 74
334-75
313-59
333-47
324- 75
328-90
315-33
313-94
324-54
333-78
339-18
339-18
331-14
16-3
10-6
16-3
i 6 ■ 6
16-3
15- 3
16- 3
16-3
15- 9
16- 3
16-3
23-3
15- 9
16- 3
16-6
15*9
16-3
15-9
15- 3
16-
15- 3
26-6
16- 3
15-3
16-3
15-3
31-3
15- 9
16-
22-3
16-4
15- 3
16- 3
15-3
17- 3
17-9
4-6
317*27
328-95
328-47
318-04
313-87
325-38
339-76
332-65
307-52
334-31
328■59
327- 26
330-77
328- 64
332-65
331- 27
335•49
324-19
322-01
293-64
328-03
280-19
332- 78
334-00
327-21
330- 91
316-72
337-88
327-27
331- 98
312-94
316-35
327-43
336-57
340-62
341■71
16-3 334-29
31 -9
31-6
27-6
27-6
2 6<9
3 1-6
26.6
31-3
26-6
31 -3
31-7
26-9
31-9
26-9
27-6
26-9
31-9
26-9
30-
26-9
26-6
26-9
26-7
26-9
26- 9
16-9
26-6
30-
31- 6
27- 7
26-9
313
26-9
31-3
31-3
6-6
26-9
311-05
322-00
321- 84
312-36
308-27
318-22
332-34
326- 95
301-81
327- 22
322- 00
321•62
323- 39
322■50
325-57
327- 05
328- 80
317-25
315-86
290-77
320-64
275-24
324-52
326-89
318-95
337-01
310-09
329- 68
321-24
324-30
318-71
310-59
320-07
330- 11
337-76
337-21
327-05
3’ r 78
3-72
3-18
3- 58
4- 74
3-16
3-99
3-53
3-78
4-16
3-31
2-58
3-37
3- 60
4- 17
3-66
3-20
3-16
3-87
49-61
22-50
35-98
18-82
11-34
49-10
22-60
35-36
42-82
13- 37
57-10
15-19
14- 26
11-22
17-76
2-86
23-16
52-27
17-90
28-61
14-40
9-19
29-31
52-20
21-39
16-44
10-15
15-12
23-60
3-72
8-70
19-46
11-50
10-08
7-63
SW.
W. S.
NW.
NW.
0. w.
w.
NO.
NO.
S.-
O.
W. NO.
NW.
NW.W.
W. SO.
SO.
s.
NO.
NO. W.
NO.
*)
W. 0.
NO.
0.
so.
0. NO.
SW.
N. S.
SW.
0.
0.
SW.
NW.
SO.
N. SO.
sw. so.
NW.
N. SW.
Am 26. 14 9 6, am 16-9. 316-68,
am 27-9. 311*91, am 4-3.
316” 12.
Am 29. 19 9 2.
Am 21. u. 30. 18 ? 6.
Am 29. 16 ? 2, am 22. 18 9 3.
Am 29. +19 9 0.
Am 30-3. 319-87.
Am 28. 18 9 4.
Am 18. 19 9 0.
Am 30. 17 9 2.
Am 26-3. 327-62.
Am 30. 19 9 3.
Am 20. 20 9 5, am 11. 19°7, am
1. 323-44.
Am 29. 17°6.
Am 29. 20 ? 2, am 15. 8 9 6
Am 14. 5-5
Am 30. 21 9 0
Am 29. 18 ? 1, am 4. 1-8, am
15. 2 ? 8.
Am 22. 12 9 9, am 28. 0 9 8, am
15 3°2
*) Mittlere Windrichtung OSO.
Am 21. u. 29. 18 9 0, am 2. 0 ? 0,
am 6. 0 9 5.
Am 29. 20 ? 8.
Am 26. 18 9 0.
Am 14. 18 ? 3.
Am 7. 2 ? 0.
Am 16-3. 327-19, am 30.18 9 2.
Am 22-3. 330-86.
Am 30. 18°8.
Am 30. 19 ? 2, am 10.19 9 5.
Am 15. 14 9 8, am 29. 13 9 9, am
6. 0 9 0.
Am 9. 21 ? 0, am 2. 11 9 0.
Am 27. 0 9 0 u. 10 9 0, am 17. 9.
340-52, am 31-3. 337-'76.
Am 30. 20 ? 2.
Wallendorf
Kremsier
Schössl .
Oderberg
Brünn .
Tröpolach
Pilsen .
Hermannstadt
Frauenberg
Kremsmünster
Bodenbach
Czaslau .
Gresten .
Bludenz.
Kirchdorf
Lemberg
Rzeszow
Althofen
St. Paul.
Krakau .
Rosenau
Jaslo . .
Trautenau
Czernowitz
Pürglitz. .
Obervellach
Weissbriach
Perugia
Saifnitz . .
Schemnitz.
Markt Aussee
St. Jakob 1.
Kahlenberg
Sachsenburg
Admont. .
St. Jakob II.
Kesmark .
Kronstadt .
St. Magdalena
Leutschau.
Deutsehbrod
Alt-Aussee
Reichenau.
Innichen .
Gastein . .
Pregratten.
Obir I. . .
St. Peter .
+ 11-01
46
+ 10
+10
+ 10
+ 10
+ 10
+ 10
+ 10
+ 10-
+ 10
+ 10-41
+ 10-41
+ 10-40
+ 10-38
+ 10-34
+ 10-18
+ 10-17
+ 10-14
+ 10-13
+ 10-05
+ 10-00
+ 9-97
+ 9-97
+ 9-96
+ 9-80
+ 9-77
+ 9-75
+ 9-63
+ 9-51
+ 9-48
+ 9-41
+ 9-38
+ 9-37
+ 9-33
+ 9-29
+ 9-27
+ 9-22
+ 9-21
+ 9-17
+ 9-15
+ 9-06
+ 9-04
+ 8-35
+ 8-20
+ 7-66
+ 7-64
+ 7-59
+ 7-31
Übersicht der Witterung im Mai 1857.
in
Bcobachliingsorl.
Mittlere
Tem
peratur
Reaumur
Maximum
Tag Temp.
Minimum
Tag Temp.
Mittlerer
Luft
druck
Par. Lin.
Maximum
Tag Temp.
Minimum
Tag Temp.
Mittlerer
Dunst
druck
Par. Lin.
Nieder
schlag
Par. Liu.
Herr
schender
Wind
Anmerkungen
und
secundärc Extreme.
Beobachlungsort
nach der mittle
ren Temp. geordn.
Mittlere
Tem
peratur
| Reaumnr
Trautenau .
Trient . . .
Triest . . .
Tröpolach .
Unter-Tilliach
Udine . . .
Venedig . .
Wallendorf.
Weissbriach
Wien . . .
Wilten. . .
Zavalje . .
-f 9 ? 97
+ 14-61
+ 14-82
+10-83
+ 6-73
+ 14-30
+ 14-26
-| 11-01
+ 9-73
+ 11-40
+ 11-28
+ 11-33
19-6
22-6
21-6
21-6
21-6
22-6
30-6
21-6
21-6
22-6
29-6
+ 22"3
+ 20-8
+ 19-9
+ 16-1
+ 24-0
+ 22-6
+ 20-4
+ 19-2
+22-1
+ 21-0
+ 20-4
3-6
2-3
1-3
1 9 3
7- 3
8- 3
4-0
0-0
8-0
8-0
3-6
+ 4-0
-f 3-0
+ 21
+ 4-8
320-30
330-00
333-80
313-90
336-46
322-28
329-32
313-63
320-20
13-9
16-3
16-9
13-3
16-3
22-3
13-S
16-3
16-3
322"33
333-60
338-34
316-89
339-93
323-14
332-30
316-90
323-74
27-6
31-3
31-9
26-9
31-6
31 - 9
26-
26-6
19-6
316"'41
327-30
332-29
311-06
331-39
318-70
324-63
310-42
316-80
3-31
4-77
3-94
3-39
40-90
40-00
20-30
23-99
31-72
12-40
17-76
17-98
19-62
O. NW.
SW.
WNW.
0.
W. 0.
so.
O. NO.
W.
NW. NNW.
WSW.
N.
Am 14. 5 -2, am 8. 2 9 0.
Am 29. 20 ? 0.
Am 20. 20 9 0, am 30. 18 9 2.
Am 29. 14 9 6, am 1. u. 6. 0 9 2.
Am 30. 19 ? 4.
Am 16-3. 324’-39, am 17. 6 9 2,
am 31. 13 ? 8.
Am 29. 20 ? 6.
Am 13. 2 9 6.
Am 21. 20 ? 2.
Sexten ....
Unter-Tilliach .
Inner-Villgratten
Plan
Kalkstein . . .
Raggaberg . .
Sulden . .
Obirlll. . . .
+ 7-08
+ 6-73
+ 6-14
+ 3-SS
+ 3-21
+ 3-13
+ 4-39
— 0-23
Verlauf der Witterung im Mai 1857.
Bis zum 10. blieb die Wärme noch zurück, erreichte um den 2. in den westlichen Alpen und wieder um den 7. das Minimum, welches von einem secundären Maximum des Luft
druckes begleitet war, das absolute Maximum des Luftdruckes am 15. hatte nur iin O. und SO. das Minimum der Temperatur (Semlin, Smyrna) neben sich, das Maximum der Temperatur
am 21. hatte an keiner Station den höchsten Luftdruck zur Seite, es trat derselbe am 24. ein.
Die Trockenheit war auch in diesem Monate noch bedeutend, nur der Regen am 30. in den westlichen Stationen wie Bludenz, Kremsmünster, Linz, in Wien und im südöstlichen
Ungarn am 31., unterbrach den fühlbaren Regenmangel. In Siebenbürgen, Mediasch, Kronstadt, Hermannstadt dagegen machten die grossen Niederschläge am 2. und 15. die Witterung zu
einer bedeutend kühlen. Eine Auffallende Erscheinung war der weit verbreitete Höhenrauch vom 17. bis 21.
Admont. Regen am 1. 5. 6. 7. 8. 9. 12. 13. 14. 17. 18. 19. 25. 27. 28. 3t., am 13. 5™54, Nebel am 1. 2. 3. 4. 6. 8. bis 12. 10. 20. 29., am 6. Schnee bis 1500', am 11.
um 8 h 30' Blitze im OSO., am 12. um 3 b 30' Donner.
Agram. Regen am 1. 3. 4. 12. 13. 17. 19. 24. 25. 26. 27. 30. 31., am 30. 14™33, am I. mit Hagel um 2 b 30' (in der Grösse von .Maiskörnern) durch 10 Minuten mit kleinem
Verbreitungsbezirk, am 2. und 6. Mondkranz; am 17. um 2 h 35' Gewitter aus WSW. hei Drehung des Windes von S. über W. nach NNW 3 mit heftigem Gussregen, die Temperatur um 2 h
19 9 1, fällt auf 15 9 2 bei heftigem Gussregen. Ende um 2 h 50' bei 13 9 7, Regenmenge 0' ? 88, am 19. um 4 b 38' Gewitter aus NW. bei S. in NW® endet um 5 h 15', am 27. um ll h Morgens
rasch vorüberziehendes schwaches Gewitter aus W., Abends vollendeter Regenbogen; am 28. und 29. Mondkranz; am 30. Mai um 6 h 7' heftiges Gewitter aus NO., Blitze oft kugelförmig,
strömender Regen, Ende um 9 b . (Vom Neusiedler-See bemerkte ich an diesem Abende gleichzeitig viele schwache Blitze am Horizonte von SSO. über S. und SSW.)
Althofen. Regen am 3. 12. 19. 22. 24. 30. 31., Gewitter am 12., am 17. Höhenrauch. Bei dem Gewitter am 12. zündete der Blitz hei fast heiterem Himmel.
Aussee, Markt. Regen am 5. 7. 9. 13. 16. bis 19. 28. bis 31., vom 30. auf 31. 14™’56, am 15. 10 h Ab. schnell erscheinendes und ebenso schnell verschwindendes Meteor im
W., am 16. Morg. ziemlich starker Reif, besonders auf der Südseite, am 16. und 17. Ab. Gewitter, am 29. Blitze.
Aussee, Alt. Regen am 5. 6. 7. 13. und 14. 17. 18. 19. 27. 28. 30. 31., Regen am 31. 19”92, Nebel am 13. 30. und 31. Am 11. Mai ist der Schnee an der südlichen Ab
dachung des Loser oder Augswaldes bis an den oberen Rand der Waldregion geschmolzen.
Am 16. August von 7 h bis 8 1 ' Ab. Gewitter.
Bludenz. Regen am 1. 2. 3. 5. 12. 13. 17. 18. 19. 23. bis 27. 30. 31., am 31, 8 n '47, am 1. Schnee bis 1000', der von jetzt an auch weiter hinauf zurück geht, am 2. Reif
und sehr starker Thau, am 3. Thau, brennende Abendröthe, am 4. starker Thau, am 5. kalter NW. Wind, ebenso am 6. Bis 11. veränderliche Wechselwitterung, doch ohne Regen, am 12.
wenig Schnee auf den Hochalpen, am 13. nach 5 Uhr Ab. östlich von Bludenz durch 10' haselnussgrosser Hagel, am 14. kalter NW. Abendroth, am 15. Schnee auf der Sonnenseite bis
6000’ hinauf weg, am 16. starker Ostwind, am 17. und 18. Regen, zuletzt auch in grosser Höhe (7500'), am 18. um 5 1 30' schwaches vorübergehendes Gewitter, am 19. zunehmende
Wärme, am 20. Ab. O 6 — 7 , am 21. 22. und 23. warm, am 23. starker Föhn, dann regnerisch und abgekühlt bis 31., am 25. um 9 b Ab. Blitze im W., am 27. begannen die Alpenregionen
schneelos zu werden, am 28. Bodennebel.
Bodenbach. Regen am 2. 5. 26. 27. 28. 29. 31., am 23. 2”60.
Bologna. Regen am 2. 4. 5. 6. 10. 11. 12. 14. 18. 23. bis.27. 29. 30. 31., am 2. stürmisch aus NO., am 12. und 13. Blitze, am 19. Gewitter, am 20. und 21. Blitze, am 23.
und 24. stürmisch, am 26. und 31. Blitze.
Botzen. Regen vom 30. April auf 1. Mai, am 2. 3. 6. 7. 11. 12. 20. 22. bis 24. 26. 29. 30., am 24. 4'40.
Am 7. Donner, am 11. Wasserziehen der Sonne, am 13. um 8 h 30' Blitze im SO., am 19. um 9 b 30' im N., am 20. um l h 30' schwaches Gewitter, um 8 h 30' Blitze im N.
Brünn. Regen am 1. 4. 5. 7. 10. 13. 17. 19. 25. 27. 28. 30. 31., am 2. Hagel, am 5. Mondhof, am 10. Gewitterregen im SO. und SSW., am 17. starkes Gewitter im OSO.,
am 19. um ll h 45' Gewitter im SSO., am 20. um 4 b 30' Ab. im SSO., dünne Nebel waren am 7. 15. 21. 22. 26. 29. Morgens, am 7. mit Reif.
IV
Verlauf der Witterung im Mai 1857.
Bukarest. Regen am 2. 7. 8. 9. 15., am 30. und 31. liier kein Regen.
Cairo. Regen am 1. 13. 17. 25., am 1. OSO. (Chamsin), am 1. um 3 1 ' 15' heftiger NW. z. N., zu Zeiten SW., dabei sehr trüb, um 9 h Ab. NO., später heftige Blitze im W.,
etwas Regen und Donner, Ende des Chamsin, Luftdruck steigt, Temperatur sinkt von 2 b Ab. -j-29°2, bis 2. 7 h Morgens auf 15 ? 0; bis 5. Nordwind und Heiterkeit vom 5 h bis 8 h N.,
NW. und W. wechselnd, am 8. Mittags kleinste Mittagstemperatur des Monates um 2 h 19°2, der Himmel wie am 9. und 10. von weisseii Wolken umzogen, am 10. drückende Luft (schwül)
bis 12. schwache Wechselwinde aus N. und WNW., um 2 h Drehung des Windes über ONO., am 13. Windstille, nach 10 h 30' Morgens schwacher Südwind (Chamsin), umtlorter Himmel,
kein Staub, Temperatur um 3 h Ab. auf 31 °0, uin 7 h Ab. Staub und starker Westwind, um 10 h seltene Regentropfen. Bis 10. grösstentheils heiter und Nordwind, am 16. viele Federwolken,
um 3 k Westwind und trüb, am 17. von 6 h bis 6 1 ' 15' einzelne schwere Tropfen, bis 22. grösstentheils heiter und schwacher N., NNO. und NNW. Wind, am 20. um 7 h ziemlich starker
Nordwind.
Vom 23. bis 30. Abends vorherrschend NO. und NNO. Wind, am 25. von 7 b 30' bis 7 h 45' Morgens Regen bei NNW. Wind, um 10 h Morg. OSO. (Chamsin), wenig Staub,
sonst oft starker NO.
Am 26. bemerkte Herr Dr. Reger ONO. Wind, dann Chamsin (ohne Cham sin-Charakter).
Am 29. und 30. drückend heiss ohne Chamsin-Charakter bei NNO. Wind; am 31. Morgens Windstille, um 10 1 * 30' SSW. Wind, Horizont nur etwas staubig, Chamsin, um 8 h Ab.
noch 28 ? 1, um ll h 26°4.
Curzola. Regen am 5. 1 1. 24. 25. 30. 31., am 24. 8"84, am 22. um 9 h Ab. Gewitter.
Czaslau. Regen am 1. 1 1. 27. 30. 31., am 31. 4"45, am 6. um 2 h Morg. Gewitter im SO., am 7. und 8. Reif, Minimum—1°4 und —1 ? 2, am 9. Reif, am 12. um 7 h Abends
Gewitter im N., Morgens starker Nebel, bis zum 24. betrug der ganze Niederschlag nur o’^OO, am 22. und 23. heftige trockene Südostwinde.
Czernowitz. Regen am 1. 2. 3. 6. 7. 8. 12. bis 19. 24. 27. 28., am 3. 15"l2, Nebel am 1., am 3. Morg. Sturm aus NNW., am 17. Reif.
Debreczin. Regen am 6. 13. 17. 20. 27., am 5. 2' r 46 mit Gewitter.
Deutschbrod. Regen am 1. 3. 12. 19. 20. 27. 30. 31., am 31. 6' ? 75, Nebel am 3. 7. 9. 18., am 11. um 3" 30' Gewitter aus NO., um 4 h 15'aus NW., am 12. um l" 15'
aus SO; um 8 h 15' Ab. im NW. Blitze, am 20. um ll h 45' Morg. Gewitter aus NO.
Nebel am 3. 7. 9.
Ferrara. Regen am 2. 3. 5. 13. 14. 15. 24. 25. 26. 31.
Frauenberg. Regen am 13. 30. und 31., am 31. 19"'92 , fast der ganze Niederschlag des Monats.
Am 15. um 9 1 ' 45' Ab. erschien im SW. plötzlich ein Feuer-Meteor mit bläulichem Lichte, welches nach 2 Secunden gleich einer Rakete zerplatzte und in vielen Funken ausein
anderstob. Am 19. um ll h Morg. Donner, am 26. Ab. Blitze.
Gastein. Regen am 1. 2. 3. 5. 0. 7. 12. 13. 14. 16. bis 19. 24. 27. 30. 31., am 2. mit Schnee, am 19. Schnee bis 7000' nur mehr fleckenweise, am 15. bis 6500', am 23.
bis 7500', am 16. um 8 1 ' Ab. Gewitter aus W., am 29. Blitze im NW.
Gran. Regen am 1. 3. 12. 14. 17. 19. 27. 31., am 31. S^l?, am 2. Nebel, am 4. Ab. starker Wind, am 12, Gewitter, Abends Wetterleuchten, am 19. von 5 bis 6 Uhr Abends
Gewitter.
Gratz. Regen am 2. 3. 4. 6. 10. 17. 19. 24. 25. 27. 30. 31., am 31. 5*01, am 17. Nebel. Höchster Wasserstand der Mur am 25. + 4'10", kleinster vom 7. bis 10. +2'5".
Gresten. Regen am 1. 2. 5. 10. 11. 13. 14. 17. 18. 24, 25. 26. 27. 30. 31., vom 30. auf 31. 13’ r 0I.
Am 1. und 2. kurze Regengüsse mit Sonnenschein, am 3. und 4. Reif, am 7. Morg. Höhennebel, ebenso am 8. und 9., am 10. Gewitter von SW. gegen O. und wieder zurück
gegen W., bis 3 h 45' ununterbrochener Donner mit Regen, bei Ostwind und Hagel, Abends Nebel im Thale; am 11. Gewitter von l h 30' bis 2 h wie gestern, Regen bis 4 b , am 12. um 4 11
30' kurzes Gewitter von O. nach W. ohne Regen.
Am 17. Gewitter von 3 h 45' bis 4 1 ’ Morgens, am 25. um 3 h 30' Gewitter aus SW., nur 3 Explosionen mit etwas Hagel, am 26. um 8 1 ' 30' Ab. Sturm aus NW.; im NW. ein
fernes Gewitter mit 3 Explosionen, am 29. um Mittag plötzliches Einhüllen des Ötschers in Wolken, und bald darauf um 5 h 30' fernes Gewitter im S.
Am 30. begann schon hier um 7 Uhr Morgens der Regen und dauerte den ganzen Tag, ebenso am 31. (man vergleiche Wien).
Die Schneehöhe war am 8. auf der Nordseite bis 2800', auf der Südseite bis 3400', auf der Westseite bis 3500' und auf der Ostseite bis 3200' =0-0 ; am 19. war die Nordseile
erst bis 3600 , die Westseite bis 5000' schneefrei (0*0), von 3600' bis 6000' war die Schneedecke noch 0*1 bis 0*7. Am 29. ist die Nordseite des kleinen Ötschers 4900' schneefrei,
sowie die Westseite am grossen Ötscher. Der grosse Buchstein bei St. Gallen zeigt auf seiner Krone (7009') noch 0*8.
Hermannstadt. Regen am 2. 3. 5. 9. 11. 14. bis 18. 25. 27. 31., vom 2. auf 3. binnen 27 Stunden 36*53, am 2. Schneefall bis 2000' herab. Überschwemmung, am 4. Reif,
am 5. Rothenthurmer Wind (Föhn).
Am 9. war der Schnee wieder bis 1000' hinauf weg. Am 20. um 2 1 ' 45' anslreifendes Gewitter aus O. mit heftigem Sturm, am 27. Blitze im W.
Herr Proi. Ileissenberger bemerkt: Die Witterung dieses Monates war meist kühl und reich an atmosphärischen Niederschlägen, das Wärmemittel desselben ist das niedrigste
unter den Monatsmitteln der letzten 7 Jahre und bleibt um 1°2 unter dem 7jährigen Monatsmittel. Ungewöhnliche Wassermassen fielen am 2. aus der Atmosphäre herab und verursachten,
nachdem schon durch die beträchtlichen Regenfälle im letzten Viertel des vorigen Monats der Erdboden stark getränkt war, eine Überschwemmung, die sehr bedeutenden Schaden
amichtete. Doch war diese Überschwemmung nicht so bedeutend als jene im Jahre 1851, damals erreichte die Zibin bei Hermannstadt eine Höhe von 12', diesmal nur 9' über den
gewöhnlichen Wasserstand.
Jaslo. Regen am 1. 3. 5. 6. 7. 11. bis 15. 19. 20. 25. 26. 27. 28., am 1. 3' ? 24, am 25. 3*70, Nebel am 5. 6. 9. 10. 12 29. 31., Gewitter am 11. 12. 25. 27.
1 n n er - V ill gr att e n. Regen am 4. 5. 6. 7. 9. 11. 17. 20. 23. 24. 26. 27. 29. 30. 31., Schnee am 1. 2. 3. 6. 7., am. 1. Nebel, am 7. liegt Schnee bis 4800' herab, am 6.
Leif, am 8. Höhennebel, am 11. um 2 h Gewitter mit etwas Hagel (2 starke Explosionen), am 13. Morg. Thau, Ab. Blitze; am 14. NW 7 und Abendroth, am 15. Reif und Abendroth, am
16. Reif, dann W«— 7 , vom 18. bis 22. Thau, am 20. N 7 , vom 23. bis 26. Höhennebel, am 24. Schneefall auf 8000', am 27. Thau, am 28. Reif, am 29. um 7 h 30' Vorm. Gewitter, am 30.
und 31. Nebel.
innichen. Regen am 3. 4. 5. 8. 11. 12. 17. 20. 22. 23. 24. 26. 27. 29, 30. 31., mit Schnee am 1. 2. 6. 7., Schnee am 1., am 11. 5*20, am 30. 4*97 Regen.
Am 3. Abendroth, am 5. Abendroth, am 6. Reif und Abendroth, am 7. Abend-, am 8. Abend- und Morgenroth, am 9. ebenso, am 10. und 11. Morgenroth, am 11. um 3 U Abends
Gewitter, am 12. und 13. Abendroth, am 13. Wetterleuchten, am 15. Abendroth, ebenso am 19. 20. 21. und 28. Häufige Höhennebel (vom 1. bis 10. 12. 19. 22. bis 27. 29. bis 31.),
am 15. 16. 21. 28. Reif.
Am J. 17. 20. war die Windstärke 4, der Mai war nass, trüb, feucht und nebelig, und mehr kühl als warm.
V
Verlauf der Witterung im Mai 1857.
Kahlenberg. Das Tagebuch vom 17. angefangen enthält: Regen am 18. 19. 30. 30. 31., am 31. 2™38, am 17. um 7 h Ab. Gewitter, am 19. um 7 h 30' Morgens, am 31.
stürmisch aus SSO. bis O., am 30. nach 6 k Abends Gewitterregen, am 38. und 31. sehr reine Luft.
Kalkstein. Regen am 4. 5. 6. 7. 11. 13. 17. 30. 33. 34. 36. 39. 30. 31., Schnee am 1. 3 .3. 7. 11., am 1. von 7 h Morg. bis 2 h Ab. starker Schneefall, am 3. mit Hagel (Grau
penhagel), ebenso am 7. um 2 h Ab. bei O 7 , der 18" hohe Schnee schmilzt wieder, am 10. Thau, ebenso am 11. von 13 bis 3 Uhr Gewitter mit Hagel, Regen, Schnee, ! dann Hagel und
Regen bis 3 h , am 13. Reif, Abends Blitze, vom 17. bis 33. Thau, am 19. Morgenroth, am 33. Höhennebel, am 24. Nebel, am 26. Schnee bis 6000' herab, vom 37. bis 29. Thau, am 29.
von 4 k 30' Vorm. Donner von Osten und Platzregen, um 7 h 30' Blitz und Donner, am 30. bei 7000' auf der Sonnenseite schneefrei, auf der Schattenseite bei 5000', am 30. und 31.
Nebel, neuer Schnee bis 6500'.
Kascliau. Regen am 1. 5. 6. 13. 19. 20. 27. 29. 31., am 13. von 10 h bis 3 h Sturm aus NW., am 19. und 20. nach l h 15' Ab. Gewitter und sehr dunstig.
Kes mark. Regen am 2. 5. 6. 9. 12. 14. 38. 30. 31., am 30. 6 "'50.
Kirchdorf. Regen am 1. 4. 5. 9. bis 13. 17. 18. 26. 37. 30. 31.
Am 1. um 4 1 ' fernes Gewitter von NNW. nach SO. und Platzregen; am 4. Reif, am 5. um 8 h Gewitterregen mit kleinem Hagel, am 6. war der Ende April gefallene Schnee
endlich von den sonnigen Anhöhen abgeschmolzen; am 9. von 4 bis 6 Uhr Ab. Gewitterwolken im SW., vom 6. bis 10. täglich Reif, am 10. um 4 h 30' nahes Gewitter aus WSW. mit
Hagel von 1 / a " Durchmesser die Körner, der Hagelstreif erstreckte sich in einer Breite von nur l/ 3 Stunde, und zog von WSW. nach OSO., Abends Nebel längs der Krems.
Am 11. starker Thau, um 4 k 30' fernes Gewitter im N., um 5 h 30' Gewitterregen mit kleinem Hagel; am 12. Morg. starker Thau, um 4 h fernes Gewitter, von VV. nach O.
ziehend, Abends Streifregen; am 13. von 7 h 30' bis Mittag Gussregen, um l h 30' fernes Gewitter von W. bis NO., um 2 h 45' nahes Gewitter aus W., um 4 h 40' fernes im W., erstercs
mit Regen.
Am 15. um 9 h 40' ein prachtvoll bliiulichglänzendes Lichtmeteor, 20° über dem Horizonte, durch 3 Secunden die Nacht mit Vollmondshelle beleuchtend, gegen NW. ziehend und
einen feucrig-rothen Streif durch 1 Secunde hinterlassend.
Am 16. Gewitterwolken von W. nach SW. ziehend, um 12 h 30' fernes Gewitter aus W.
Am 17. die Berge mit Höhenreif umzogen, um 7 h und 9 k ferne Gewitter aus W., um 10 h heftiger Gussregen.
Am 18. Höhenrauch, der die Berge mit einem bläulichen Schleier überzieht.
Am 21. ist die Schneegrenze bis 3000' hinaufgerückt, am 22. von Morgens Drehung des Windes aus SSO. über W. nach NO., um 3 h 45' Gewitterwolken von SW. nach W.
ziehend, am 24. grosser Sonnenhof, am 35. Blitze im WSW., am 36. um 1 l h und 2 h 30' grosser farbiger Sonnenhof, um 5 1 ' 45' fernes Gewitter von W. nach NO. ziehend, um 7 h schnell
heranziehende Wolkenwand (H 5 ), schnell bei W 8 über den Zenith ziehend, um 8 h Regen.
Am 29. Sonnenhof, von 8 bis 12 Uhr Gewitter im WSW. nach NO. ziehend, am 30. und 31. hier schon Regen.
Klagenfurt. Regen am 9. 12. 17. 24. bis 27. 30. 31., am 30. 8™71, am 1. 3. 3. kalte Ostwinde, am 12. Gewitter mit Sturm aus NW., am 14. kalter Ostwind, am 15. Schnee
grenze am Nordabliange der Gebirge 3200', am 17. Gewitter mit Sturm aus NW., am 25. Blitze, am 31. kalter Ostwind, die Schneegrenze reicht bis 4900' herab.
Abweichungen vom vierjährigen Mittel (— darüber) Luftdruck —0 T 19, Temperatur -f-0°82, Feuchtigkeit 0, Niederschlag 2l' r 75, nur in den Jahren 1817, 1828, 1833, 1834,
1835, 1853, 1855 ist noch weniger Niederschlag verzeichnet, in den letzten 2 Tagen fielen fast ®/ 5 des ganzen Niederschlages im Monate.
Ko morn. Regen am 31.
Krakau. Regen am 1. 4. 7. 11. 13. 27. 30. 31., am 31. 10Nebel am 2. 4. 10. 20. 21., am 11. und 13. Gewitter, am 19. Höhenrauch, am 25. Blitze, am 31. Gewitter.
Kremsmünster. Regen am 1. 5. 12. 13. 17. 26. 27. 29. 30. 31., am 25. 11*95, am 30. 10*20.
Am 1. um 4 1 ' Ab. entferntes Gewitter im SO., schwach und von kurzer Dauer, am 14. Morg. Reif, am 11. um 4 h 50' Ab. im SW. entferntes Gewitter mit Hagel. Am 12. nach
2 11 Ab. fernes Gewitter im NO., um 3 1 ' im W., zieht nordwärts vorüber und dauert bis 4 h , am 13. um 12 h Mitt. Gewitter im NO., zieht nach Ost; um l h Gewitter im Süden mit Hagel,
um 3 h entferntes Gewitter im N., zieht ostwärts bis 4 h .
Am 16. im Thale an der Krems schwacher Reif, am 17. um 5 h Ab. Gewitter im N., zieht gegen O. und SO., beständiges Rollen des Donners mit Hagel im NO., vom 19. bis 23.
schöne warme Tage, am 23. von 10 bis 11 Uhr Ab. öftere Blitze im SW. — Der Himmel hier heiter.
Am 25. von 9 bis 11 Uhr Ab. anhaltendes Blitzen im W. und SW. — In den Vorbergen ist der Schnee aufgelöst. Am 26. um 6 1 ' Ab. Gewitter im W., mit starkem SW. Winde,
zieht nahe auf der Nordseite vorüber, nächste Explosion 6 Secunden Intervalle, der Blitz schlug in einem Meierhofe N. ein, zündete und äscherte das Gebäude ein, dauert bis 8 h Ab. und
verschwindet im NO., dabei starker Regen mit kleinem Hagel, am 29. um 8 h 30' Ab. im W. starkes Blitzen, das Gewitter zog entfernt nordwärts vorüber. Nach 2 h Morgens am 30. Blitze
und ferner Donner im NO.
Am 31. allgemeiner Landregen, im Gebirge fällt Schnee.
Kronstadt. Regen am 2. 8. 10. 14. 15. 17. 18. 20. 27. und 28., am 2. 28*98, am 2. um 7 1 ' und 10 1 ' 30' Gewitter aus W., von Prüll bis in die Nacht hinein ununterbrochener
Regen, um 5 h Ab. fielen mit dem Regen zugleich dichte Schneeflocken, am 4. fiel im Gebirge reichlich Schnee, welcher noch die Berge bis 3000' herab bedeckte. Am 4. Reif an freien
Orten, um I0 h Ab. grosser Mondhof, am 5. Vor- und Nachmittags sehr windig, Abends Sturm aus S. Am 7. um 6 h 45' Gewitter aus S., um 9 h Wetterleuchten im NW., am 8. um 10 1 ' Ab.
Regen, am 10. um 3 h 45' Ab. Strichregen, am 14. um 8 h Ab. Regen, am 15. den ganzen Tag bis in die Nacht hinein feiner Landregen, am 17. an freien Orten Reif, gegen Abend wenig
Regen, am 18. Vormittag Regen, am 20. von 3 bis 4 Uhr Ab. Gewitter und Regen aus W., am 21. von 4 bis 5 Uhr Morg. dichter Nebel.
Am 26. um 9 h Ab. Blitze im S., am 27. um 10 h 30' Morg. Strichregen, um 5 1 ' Ab. Gewitter und Regen aus W., am 28. um l h 30' bis 4' 1 30' Regen, am 30. Nachm, und Abends
ziemlich starker Südwestwind.
Laibach. Regen am 1. 2. 12. 13. 14. 17. 24. 26. 27. 28. 31., am (3. Gewitter von l k 40' bis 2" 30' Ab.
Lemberg. Regen am 1. 3. 4. 5. 6. 8. 13. 14. 16. 19. 24. 25. 26. 27. 28. 30., am 27. 10*00, am 3. mit Schnee, am 12. von 9 k bis 9 k 30' Blitze, am 25. Gewitter im SO.,
am 26. im W., am 27. im SW., am 30. von 3" 30' bis 4 h Ab., am 31. Blitze im O.
Leutschau. Regen am 1. 4. 5. 6. 8. 11. 12. 13. 19. 20. 25. 27. 28. 29., am 1. 5*19, am 2. und 3. stürmisch aus N., am 11. kleiner Hagel, am 11. vor 12 1 ' Mitt. Gewitter
aus SSO., am 13. nach 12 h Mittags, vom 19. bis 21. sehr dichter Höhenrauch, so, dass das Hochgebirge kaum zu sehen war, und die von der Sonne beleuchteten Gegenstände nur einen
undeutlichen, verwischten Schatten gaben.
Am 25. um 2 k Gewitter gegen SW.; am 27. von ll k 40' das erste stärkere Gewitter, am 31. gegen N. und S.
Lienz. Regen am 1. 2. 3. 5. 6. 11. 17. 23. 24. 26. 30. 31., am 24. 3*24, am 1. Abendroth, vom 1. bis 3. Strichregen, im Hochgebirge Windwolken (Schneesturm), am 3.
wechselnde Bewölkung, Abendroth, am 4. sehr feiner Regen, am 5. Staubregen und Abendroth, Stäuben der Berge ; am 6. sehr starker Thau und etwas Reif, feiner Regen von 8 h Vorm,
an, am 7. Staubregen im Hochgebirge, vom 9. bis 14. starker Thau, am 10. wechselnde Menge der Wolken, am 11. um l h 45' Strichregen, am 12. von 4 bis 5 Uhr, am 13. von 3 bis
VI
Verlauf der Witterung lm Mai 1857.
ß Uhr stossweise NW 5 , am 14. wechselnde Bewölkung, am 15. wenig Thau, sehr schwacher Reif, am 16. Thau, von 3 bis 4 Uhr NW 5 , am 17. um 11>‘ Strichregen mit NW 5 , am 18.
wechselnde Bewölkung und Abendrotli, am 19. starker Thau und Abendroth, ebenso am 20. 21. 22. 23., vom 14. bis 22. sehr reine Luft (kein Höhenrauch).
Am 23. feiner Regen den ganzen Vormittag, um 12 1 ' etwas Ausheiterung aus SO. bis 6\ dann Wolkenzug aus SW. und W 5 , Abends Blitze über den ganzen Horizont, um 10 h
Regen bei SO.
Am 24. Morg. Schnee bis 8500', von S 5 an Nebel und Regen, dann gelichtet, Spritzregen und Drehung des Windes, Abends Ausheiterung aus N., nach 10 h ganz trüb.
Am 25. wechselnde Bewölkung und Regentropfen, ebenso am 26., aber öfter Regen, um 5 k Abends Ausheiterung aus NW., schwaches gelbes Abendroth; Schleinitz bis 8000' herab
schwach angeschneit.
Am 27. um 18 h Ab. Ausheiterung von N., am 28. starker Thau, aber von West her sich trübend.
Am 29. um 8 U Morg. Ausheiterung aus W., Nachmittags Strichregen in der Umgebung, um 4 h 30' ein drohendes Gewitter im W., das von SW. nach NO. zog, und wobei es in
Aineth und Oberdrum 2 und 1 Stunde nach W. von Lienz schwach hagelte, hier blos 4maliger Donner und 15' lang NW 7 , kein Regen, am 30. dunstig und feiner Regen, am 31. feiner
liegen, herbstlich, Abends die Bergspitzen bis 7000' herab fein angeschneit.
Ende Mai reichte die Schneelinie auf der Nordseite bis 4500', auf der Südseite nur mehr bis 7000' herab, die Alpenwiesen begannen grün zu werden. Herr Keil bemerkt, dass seil
dem Beginne der Beobachtungen in Lienz (1852), noch keine so sehr mittlere Maitemperatur aufgezeichnet wurde. (Vergl. Hermannstadt.)
Linz. Regen am 1. 5. 12. 13. 17. 27. 30. 31., am 30. 9*98, am 1. Strichregen, am 3. Morgenroth, am 4. Höhenrauch, Snnnenhof, glühendes Abendroth, am 7. Morgenrot!),
am 9. schwächer, ebenso am 10.; von 5 bis 7 Uhr Ab. fernes Gewitter im NO., Regen im SO., am 11. Höhenrauch.
Am 12. ferne Gewitter, am 13. Vormittags öfterer Regen und Donner, Abends zwischen 5 b und 7 h Gewitter mit 7'80 Niederschlag, am 14. Abendroth.
Am 17. Höhennebel, um 4 h Ab. Gewitter mit (haselnussgrossem) Hagel, um 5 h 35' durch 4' und später wieder, die Masse hatte nicht Eis-, sondern Schnee - Consistenz. Die NNW.
gelegenen Berghohen erschienen wie mit Schnee bedeckt. Nach 6 Uhr noch häufiges Rollen des Donners und Regen, der in Bächen abströmt und die angeschwemmten Hagelkörner
fortschwemmt. Niederschlag binnen 2 Stunden 5 80. Die Stadt Linz wurde von dem Hagelwetter nicht erreicht. Nur in dem äussersten, dem Freienberge zugekehrten Theile, fielen einige
Körner, am 19. Morgennebel, am 20. schwaches Abendroth, am 21. Höhenrauch, ebenso am 22.
Am 26. um 7 h 25' Ab. heftiger Gewittersturm aus W., der Äste von den Bäumen bricht, stauberfüllte Luft, im S. häufige, zur Erde fahrende Blitze, Nachts stürmisch, ebenso am
27., mit Regen.
Am 29. Ab. Blitze, Nachts Gewitter, am 30. Morgennebel.
Der ausgedehnte Landregen begann hier schon am 30., hielt auch am 31. den ganzen Tag an.
Lissa. Regen am 1. 3. 4. 5. 11. 17. 24. 29. 30. 31., am 30. 7*40, am 1. 6*04, am 1. mit Gewitter und Hagel, am 24. mit Nebel und Blitzen, am 30. Blitze.
St. Magdalena. Regen am 3. 11. 13. 15. 18. 21. 24. 25. 26. 27. 31., am 26. 8*96, am 3. ziemlich starker Reif, am 12. erstes Gewitter im NO., am 28. Abends Wetter
leuchten im NW.
Mailand. Regen am 4. 6. 10. 12. 20. 23. 25. 30., vom 23. auf 2 4. 20*00, am 10. von 4 bis 6 Uhr Gewitter, am 12. von 6 1 ' 20' bis 6 b 35' ebenfalls, am 24. um 7 h 30' Sturm
und Gewitter, am 31. um 6 h 10' Ab. Gewitter mit starkem Regen, vermischt mit Hagel.
Martinsberg. Regen am 4. 5. 12. 18. 19. 22. 25. 26. 27. 31., am 31. 6*72, am 1. Hagel und Nebel, am 2. Reif, am 3. ebenfalls, am 4. um 5 h Ab. Graupenfall, am 6. und 7.
Reif, am 12. von 6 bis 7 Uhr Ab. Gewitter, am 25. um 12 h Mittags fernes Gewitter, am 30. Blitze im SSO., am 26. Mondhof.
Mediasch. Regen am 2. 3. 5. 14. 15. 16. 17. auf 18. 27., am 3. 22*50. am 19. Nebel, am 20. Gewitter, am 21. Nebel, am 31. war es hier fast heiter.
Melk. Regen am 1. 2. 3. 5. 6. 12. 13. 17. 18. 19. 24. 25. 26. 27. 30. 31. In der Nacht vom 30. April auf 1. Mai Schnee, am 2. sehr wechselnde Bewölkung, am 2. Auflösung
des Schnees in der Ebene, auf den Bergen aber nur zum Theil, um l h 30' Drehung des Windes, dann Sturm aus W.
Am 3. kühler NO. Wind, nach 10 1 ’ trüb, gegen W. wenig Regen, am 4. Thau und Spuren von Reif, Schnee bis 2800' verschwunden, am 5. bis 3000' (Jauerling), am 6. und 7.
rauher NO. Wind, am 8. Thau und wenig Reif, am 9. schöne Federwolken aus NO., reiner Sonnenuntergang, am 10. Spuren von Reif, um 3 h Ab. gewitterartige Wolkenansammlung aus S.,
um 4 h Donner, hier feiner Spritzregen, gegen S. aber Gussregen, sofort fast heiter bis 12 h Mittags, um 2 h Ab. starkes Gewitter im N., viele Blitze, Nachts heiter.
Am 12. starker Thau und dichter Bodennebel, der späte als Höhennebel abzieht, um 10 1 ' 30' Windstille, dann Gewitter aus NW., Intervalle l" bis 4" und Hagel durch 15',
zuerst erbsen- dann haselnussgross, einige rund, andere mehr oder wei.ig eckig, der Regen dauerte noch 1 Stunde, bis 15. sehr wechselnde Bewölkung, am 15. Sonnenhof, am 16. Morgens
grosse Abkühlung, starker Thau, dünner Nebel.
Am 17. Mittags höhenrauchartige Dunstnebel mit eigenthtimlichem Gerüche.
Am 18. regnerisch gegen NW., Aulthürmen von finsteren Staubwolken, Höhenrauch.
Am 19. starkes Morgenroth, Tages über Regentropfen, um 7 h ferner Donner und Blitze, der Wind wird zum Sturm aus WO 0 , nach einer halben Stunde wieder schwacher SO.
vom 20. Abends bis 24. Mittags grösstentheils heiter, dann Höhenrauch und regnerisch.
Am 26. seit 8 h Abends fernes Gewitter, nach Mitternacht Sturm aus NO. dann SW., am 26. 27. 28. nach Sonnenuntergang Drehung des Windes von SW. nach O., am 29.
Morgens Nebel.
Am 30. Morgens warmer SW. Wind, dicht bewölkt, um i h 30' Donner, Streifregen, dann dauernder Regen, auch bis 31. Abends.
Meran. Regen am 20. 23. 24. 26. 30. 31., am 24. 4*56, am 20. um 2 h Ab. Blitz und Donner mit heftigem Regen, die Temperatur sinkt von 1 bis 2 Uhr von 22° bis 14°.
Obervellach. Regen am 1. 3. 7. 9. 17. 24. 26. 30.
Oder berg. Regen am 1. 3. 5. 7. 18. 24. 25. 27. 28. 30. 31., am 27. 4*31, am 2. Lichtkranz um den Mond, am 4. um 5 h 24' Ab. Sturm, vom 6. auf 7. starker Reif, am 9.
Nebel, vom 9. auf 10. starker Reif, am 11. um 3 h fernes Gewitter, am 12. Nebel, um 9 h Ab. Blitze gegen S., am 16. Nachm. Staubwolken (Höhenrauch?), am Gebirge bis 21. oft Nebel,
am 21. Morgens stark, die Sonne beim Aufgange roth, am 22. um 2 h 37' Gewitter, 12 hörbare Donner, am 24. Früh Nebel, um 10 h 42' Sturm aus O., am 25. Nebel, um 2 h 6' Ab. Gewitter
(9 Explosionen), dann wieder um 5 h 38'; um 8' 1 25' Blitze im N. und O.
Am 27. um tl’ - 45' Gewitter bis l h 58', dann Sturm.
Am 30. seit 3 h 20' Ab. Regen bis ll h , am 31. von 4 h 26' bis 1. Juni 3 h 48' Morgens.
Ofen. Regen am 5. 19. 31.
Öden bürg. Regen am 5. 19. 20. 25. 27. 31., am 20. Gewitter im S., und 2 Stunden von Ödenburg im Walde Hagel, um Mitternacht starker Wind.
Am 30. hier kein Regen, am 31. nur Mittags.
VII
Verlauf der Witterung im Mai 1857.
St. Paul. Regen am 1. 5. 10. 12. 13. 14. 17. 19. 24. 27. 31., am 31. n’lö, Nebel am 1. 2. 6. 11. 12. 13. 16. 17. 18. 19. 20. 22. 25. 28., vom 15. bis 17. Höhenrauch,
am 17. Gewitter mit NW., am 26. Nachts SW. Sturm, am 18. und 19. nebelartiger Höhenrauch.
St. Peter. Regen am 3. 7. 13. 16. 17. 19. 24. 26. 30. 31., am 1. und 2. Schnee, am 16. um 9 b NW. Sturm nur 10 ! aber sehr heftig dauernd.
Pilsen. Regen am 1. 4. auf 5. 12. 20. 25. 27. 30. 31., am 12. um 2 h Ab. Gewitter, am 17. Höhenrauch, am 18. ringsum im Horizonte Nebel, am 19. Blitze im NW., am 27.
Gewitter im NO., am 30. Gewitter iin W., Nebel war noch am 15. im NO., am 16. im NW., am 29. sehr dicht.
Plan. Regen am 3. 5. 6. 7. 10. 1 1. 17. 24. 26. 30. 31., am 24. 9”24, am 28. starker N., dann NO. Wind. Es fiel den ganzen Monat kein Schnee, hier eine Seltenheit.
Prag. Gewitter am 11. um 6 h und 8\ am 17. um 2 h 30' aus NW., am 26. um 10 h aus SW. und O.
Pregratten. Regen am 6. 7. 23. 24. 26. 29. 30. 31., am 1. SO 5 , Schnee und Nebel, am 13. Blitze, am 14. NW 8 , am 15. Reif, dann NW 8 , am 17. NW 9 , 20. Abendroth, am 21.
Thau, dann S 5 , am 24. Nebel, am 26. S 5 , am 27. SW 5 und Blitze, am 27. und 28. Abendroth, am 30. und 31. Nebel.
Pressburg. Regen am 1. 5. 10. 12. 17. 19. 25. 27. 31., am 31. 4 T 66, am 5. Mondhof, am 7. Reif auf den Anhöhen, am 10. um 3 b 15' Gewitter in der Nähe, am 12. Wetter
leuchten im NO., am 14. Morgens Windstösse aus WNW 8 , am 17. um 8 h Ab. Gewitter im SW., um 6 h 30' in Gänserndorf, am 19. Gewitter vom SW., vom 18. bis 20. war die Atmos
phäre sehr rauhig, am 30. kein Regen, am 31. von 7 b 15' bis Mittags Regen.
Pürglitz. Regen am 1. 13. 20. 26. 27. 28. 31., am 31. 15' ? 04, ain 3. 4. 6. Reif, am 12. um l b 30' Donner, am 12. um 6 h Ab. im W. und NW. Gewitter, um 8 h näher, am
14. und 15. Morgens Reif, am 17. Vormittag von 9 h 30' bis Ab. Höhenrauch, am 10. um 10 b 30' Donner dann Höhenrauch, am 25. Gewitter im 0., am 30. von 10 bis 12 Uhr
Morgens Regen, am 31. aber den ganzen Tag.
Ragusa. Regen am 5. 11. 15. 18. 24. 29. 30. 31., am 30. ^"OO, am 18. um 8 h Ab. Gewitter aus NO.
Am 22. um 7 h 54' wellenförmiger Erdstoss durch 2", am 24. um 8 b 45' starker Regen und Blitze von SW. bis NW.
Reichenau. Regen am 4. 10. 19. 30. und 31., am 3. starker Reif, am 8. Reif, am 10. Gewitter von S. nach NO., am 19. um 10 b Gewitter bis 2 b Ab., am 20. um 12 Uhr.
Rom. Am 1. Gewitter und Sturm im O. um 5 h Ab., auf den Bergen Schnee, am 23. Gewitter im O., am 29. um 7 b Morgens, am 30. heftiger Gewitterregen.
Rosenau. Regen am 2. 8. 13. 18. 19. 20. 21., am 23. 4”74, am 13. Gewitter, am 25. Donner, ebenso am 31. — Am 19. 20- und 21. war die Atmosphäre beständig mit
dünnem Nebelschleier verhüllt, auch bei sonst reinem Himmel (also Höhenrauch).
Rzeszow. Regen am 3. 4. 6. 11. 13. 15., am 13. 3 ? 23, am 12. Gewitterwolken von S. nach NO., am 12. um 4 h 30' Gewitter im S., um 6 h Donner, um 6 b 20'im NO. endend,
am 18. Morgens sehr dichter Nebel.
Am 19. 20 und 21. bis Mittag war das Firmament mit einer Art Dunst, gleichsam wie Staubwolken, zum grössten Theil umgeben (Höhenrauch).
Am 23. sehr schöne Abendröthe, am 25. von 3 h 15' Gewitter im SO., schwach gegen W. ziehend.
Am 26. Gewitterwolken im NW. und S., am 29. Nebel von 6 h bis 7 h 30' Morgens.
Sachsenburg. Regen am 3. 8. 16. 22. 24. 25. 31., am 31. war die Schneegrenze auf der Sonnenseite 5500', auf der Schattenseite 4900'. ’
Saifnitz. Regen am 1. 5. 9. 14. 23. 24. 28. 31.
Schemnitz. Regen am 1. 6. 27. 28. Gewitter am 12. Ab., am 19. und 25. Vorm, und am 31. Nachm.
Schössl. Regen am 2. 5. 12. 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31., vom 29. auf 30. 2 , ’l8, am 3. 4. 6. Reif, am 7. Morgenfrost, Nachmittags um 3 h 15' wurde hier eine schwache
Erderschütterung bemerkt, die jedoch in der Umgebung, besonders in nördlicher Richtung, heftig gewesen sein soll.
Näheres hierüber fehlt noch.
Am 8. Morgenfrost, am 12. von 2 bis 4 Uhr Ab. Gewitter am südlichen Horizonte, am 17. 18. 19. Höhenrauch, am 25. um 3 h Nachm. Gewitier im N., am 26. von 10 b 30' bis
12 h Nachts gegen N. und S., von O. nach W. ziehend, endlich am 27. Mittags.
Semlin. Regen am 5. 6. 13. 14. 26. 30., am 30. 6"'31, am 12. Gewitter, am 13. von 5 bis 9 Uhr Ab. heftiges Gewitter im NNO. mit starken und häufigen Entladungen, am 30.
um 8 b 30' Abends bis nach 10 b heftiges Gewitter. (Dieses Gew'itter scheint mit dem Landregen vom 30. und 31. in den westlichen Gegenden in gar keinem Zusammenhänge zu stehen.)
Senftenberg. Regen am 1. 5. 6. 11. 12. 13. 14. 17. 19. 25. bis 31., am 5. 8"31 mit Hagel, am 3. Reif auf den Dächern, am 6. auffallende nordlichtartige Helle im N. und
NO. tief im Horizont. Herr Prorsen, welcher das Leuchten und Knistern der Quecksilbersäule jedesmal in seinem meteorologischen Tagebuch anmerkt, bemerkte dieses am 5. 6. 7. 12. 13.
17. und 19. Abends.
Am 11. seit 10 h 40' Donner aus Gewitterwolken im S. und SW., nach l b Regen, um l h 30' erste und stärkste Explosion von 2 Secunden, Intervalle um l h 43' 3 Sccundcn,
l h 52' 5 Secunden, von da bis 2 h 0' alle 1 bis 2 Minuten ein starker Schlag mit Intervalle von 3 bis 4 Secunden. Nach l b 52' kurze Zeit hindurch schrotgrosser Hagel, von 2 b 10' an
alle 2 bis 3 Minuten eine Explosion mit 3 bis 4 Secunden Intervalle, bis 2 b 25' alle 4 Minuten ein Schlag mit 3 bis 5 Secunden Intervalle. Das Gewitter verschwindet im Osten ; um 3 b
fernes Gewitter im S. Während des Gewitters Windstösse aus SO. und NW., Wolkenzug der hohen H 5 aus W., höhere F 5 aus SW.
Am 12. um 12 h Mitt., um 12 h 40' Ab. erbsengrosser Hagel, nach l h schwaches Gewitter, um 10 h Blitze im NW., um 10' 30' ein Donner.
Am 15. Morgens Reif auf den Dächern, am 15. und 16. schwacher Sonnenhof, am 17. um 8 h Morgens Spur von Höhenrauch, um Mittag deutlicher Geruch desselben, um l b
schwacher Donner, Höhenrauch dauert den ganzen Tag, am 18. Morg. Spur hievon, am 19. Luft dunstig, die Sonne war orangen gefärbt, alle Wolken sind von sehr ausgedehnten strahlen
förmigem Wasserziehen umgeben, starker Geruch nach Höhenrauch (Heerrauch), am 20. Morgens ist derselbe ganz verschwunden. Bis 24. oft reiner Himmel mit Federwolken wechselnd.
Am 25. nach 4 h Ab. Donner im Zenitlie.
Am 26. 2 Blitze im W. nach 10 b Ab., am 30. schon um 6 b Morg. dichter Regen aus tiefen Wolken bis 2\ am 31. bis Mittag nur o” 14.
Sexten. Regen am 1. 2. 5. 7. 11. 12. 20. 22. 23. 24. 26. 30. 31., am 1. und 2. Schnee, am 6. dann 8. 9. 11. 14. 15. 28. Reif, am 7. dann 24. 30. 31. Nebel, am 11. um
4 b Gewitter, am 20. N 7 und Hagel.
Smyrna. Regen am 8. 13. 14. 15. 16. 17., am 17. 4' r 00, am 7. von 4 bis 5 Uhr Gewitter, vom 15. ll b Ab. bis 16. l b Morg. Gewitter.
Tyrnau. Regen am 5. 19. 27. 31., am 31. 4”'l6, am 12. Ab. Blitze, am 19. Gewitter, am 30. Blitze. Grosse Trockenheit, der Wasserstand der Wag und March ist unter 0. Wald-
häche sind schon wieder vertrocknet.
Trautenau. Regen am 1. 2. 3. 16. 25. 26. 27. 28. 29. 30., am 29. 8”30, am 1. 12 b his 12 h 15' Regen mit Hagel ohne Schaden, am 17. 18. 19. 20. den ganzen Tag und
Nacht Höhenrauch.
Trient. Regen am 12. 20. 23. 24. 26. 31.. am 20. und 22. Gewitter, am 2. 7. 9. 10. 11. 14. Gewitteransammlung aus SW., aber im SO. sich entladend.
Triest. Regen am I. 12. 13. 23. 24. 25. 26. 27. 30., am 26. ie”00, am 19. und 20. Nebel auf dem Meere.
=
viii Verlauf der Witterung im Mai 1857.
Udine. Regen am 2. 3. 13. 14. 23. 24. 23. 26. 30. 31., am 13. von 7 h bis 8 1 ' 30' Ab. Gewitter, am 14. von 12 bis 2 Uhr, am 23. von 8 bis 11 Uhr, am 25. von 3 h 15' bis
7 h Ab., am 30. von 7 bis 9 Uhr, am 2. Hagel.
Unter - Till i ach. Regen am 5. 6. 7. 9. 17. 23. 24. 26. 30. 31., am 1. 2. 3. 7. Schnee, am 1. Nebel, am 2. war die Thalsohle (4600') von allem Schneefrei; am 5. Abendroth,
am 6. Reif, am 7. Hühennebel, am 11. Morgenroth, am 13. Abendroth, später Blitze, am 15. Reif, am 18. Morgenroth, am 23. Nebel, am 23. JMorgenroth, am 26. Nebensonne, am 31.
Höhennebel. Starke Ostwinde (O 5 ) waren am 24. und 29., Westwinde am 4. und 11.
Valona. Regen am 13. 15. 25. 31., am 25. 8"20. Im ganzen Monate 20”l3.
Venedig. Regen am 5. 6. 1 1. 12. 14. 24. 25. 26. 27. 29. 30. 31., am 24. 13"67, am 1. 2. Blitze, am. 1. im O., am 12. um 10 h 30' Ab. Gewitter bis Mitternacht, am 13.
Blitze im N., ebenso am 23., später, um i ]l Morgens, am 24. Gewitter, um 7 h Ab. häufige Blitze und Donner.
Wallendorr. Regen am 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 12. 14. 18. 17. 18. 20. 24. bis 29., am 2. 11*76, am 2. Überschwemmung, um 9 1 ' Morg. Gewittersturm, am 13. Wirbelwinde,
am 26. Donner, am 31. vorüberziehendes Gewitter ohne Regen, an beiden Tagen Morg. und Ab. SO. Wind, Mittags aber SW., Bewölkung zwischen 1. und 7. schwankend.
Weissbriach. Regen am 1. 2. 5. 6. 19. 20. 22. 24. 27. 30. 31., am 2. Hagel ohne Schaden, Gewitter am 12. 20. 27., am 27. mit haselnussgrossem Hagel, ebenfalls unschädlich.
Wien. Regen am 1. 3. 5. 6. 17. bis 20. 27. 28. 31., am 27. 7"b0, am 31. 6"89.
Aus meinem Tagebuche führe ich nachstehende Aufzeichnungen an, welche grösstentheils mit jenen der Herren Beobachter an den auswärtigen Stationen im Zusammenhänge stehen:
Am 1. hie und da Spritzregen, Nachmittags die Wolkendecke sehr oft gelichtet, Nachts und am 2. Morgens stärker bewölkt, Regentropfen, dann Ausheiterung und Abkühlung; am
3. Morg. Thau, hie und da Reif, Mittags Strichregen mit wenigem schrotgrossen Hagel (in Hadersfeld), bis 5. wechselnde Bewölkung, Drehung des Windes nach W., am 5. von 7 bis
11 Uhr Regen, dann Nachm, bis 4" trübe.
Am 6. Aufheiterung aus N„ bei Tag wechselnde Bewölkung, am 7. Spuren von Reif auf Wiesen, ebenso am 8. Morg. bei +1 ? 5 im freien Felde, um 8 h Ab. 3 • 0 und dünner
Nebel in Mauer bei Wien, am 9. Spuren von Reif, Nachm, leicht bewölkt, am 10. den ganzen Tag gewitterartige Wolkenansaminlungen, gegen 4 1 ' Streifregen, um 8 h Blitze im NO.
Am 11. heiter, dann starker SO., gewitterartige Wolken im SW., Abends wieder aufgelöst, Nachts und am 12. Morgens leicht bewölkt, steigende Wärme, um 2 h gewitterartige Wolken
im WSW., im Quellengebiete der Liesing heftiges Gewitter mit starkem Gussregen und Hagel, die Liesing führt Abends bis 2 Fuss tiefe trübe Regenfluthen. Blitz und Donner waren von
1 bis 2 Uhr in Wien wahrnehmbar, um 5 h zuckten noch Blitze aus fernem SW. auf, um 8 1 ' Ab. Regen, Nachts und am 13. bewölkt, halbheiter und starke Abkühlung, ebenso am 14.,
am 15. bei Tag und Nacht ganz heiter, in den Niederungen höhenrauchartige Nebelstreifen, am 16. Morgens starker Thau. in den Thaleinsenkungen bei Mauer, Lainz etc. starker
Reif, der z. B. Kleefelder ganz weiss überzog, so dass man von den Blättern den Reif wie Schnee zusammenscharren konnte. Die Temperatur war auf freiem Felde um 4 1 ' 30' Morgens
4*1*0; auf Anhöhen keine Spur von Reif, ebenso auf Bäumen. Nachmittags Federwolken, grosser Sonnenhof, Abends Mondhof.
Am 17. halbheiter, dann doppelte Wolkendecke, später Regen von 2 bis 4 Uhr Ab., um 7 h 30' Regen und Donner; am 18. Morgens ganz heiter, höhenrauchartiger Dunstnebel,
der alle Gegenstände durchschimmern lässt, ebenso am 18. eine für unsere Gegenden eben nicht häutige Erscheinung, um 5 h Gewitterregen, um 9 h Blitze im S., Nachts heiter, doch rauchige
Atmosphäre, man will einen eigenthümlichen Geruch an diesem Nebel wahrgenemmen haben, am 19. von 7 h bis 7 1 ' 40' starkes Gewitter mit Regenguss im Zenithe der Orte Mauer und
Atzgersdorf (1 Meile südlich von Wien), gegen Mittag rasche Aufheiterung, von 12 bis 2 Uhr Gewitter im SW., Donner hörbar, Platzregen, dann heiter, um 8 1 ' 15' Blitze im WSW.,
Nachts bewölkt, ebenso am 20., wo die Luft wieder neblichter wurde als gestern, sonst ganz wolkenlos bei SO. Wind.
Am 21, 22. und 23. sehr heiter, am 23. Morgens stürmischer Ostwind, ebenso am 25. bei Wolkenansammlungen am ganzen Himmel, im Bereiche Wiens nur Regentropfen, horizontale
Nebensonnen, am 26. Morgens Höhennebel bis zum Fuss der Berge im SW. (900' Schneehöhe), gegen O. und SO. gelichtet, später Ausheiterung von dort.
Am 26. um 10 h Ab. Minimum des Luftdruckes, um 10 1 ' 12' plötzlicher Sturm aus W., der zolldicke Äste von den Bäumen bricht, Ziegel von den Dächern wirft, um 8 1 ' 15'
Regen und am 27. Landregen bis 5 h Ab., am 28, Aufheiterung aus SW., steigende Wärme, fast heiter, am 29. starker Thau und Nebel, besonders in der den Bergen nahen Ebene, der
Nebel zieht später aus SSO. ab.
Am 30. Gewitterwolkenansammlung im W., dort auch Gewitter und Regen, in Wien nur kurzer Spritzregen, im SO. jenseits der Leitha kein Regen mehr, Nachts bewölkt, fernes
Gewitter im S., am 31. Nachts starker Regen in Wien, nicht so jenseits des Leithagebirges, wo nur Mittags am 31. etwas Staubregen fiel.
^\om 31. Mai auf den 1. Juni starker Landregen im ganzen Bereiche Wiens und auch in der südöstlichen Gegend von Bruck an der Leitha bis Ödenburg.
Wüten. Regen am 13. 17. 19. 27. 30. 31., am 31. 5*90, am 1. Schnee und Regenstürme über die Nordgebirge herab, am 2. Morgenroth, am 8. kalte O. und Nordostwinde, am
13. seit 25. April wieder der erste Regen, am 16. um 8 h Ab. Gewitter von W. nach O., an diesem Abende grosses Gewitter in Mailand; am 23. stürmischer trockener Südwind, am 24.
nut Morgenroth, am 25. um 5 h Morg. Gewitterwolken im SO., am 26. stürmischer WSW. Wind, um 8' 1 Ab. Gewitterregen, am 27. Schnee auf den Bergen bis zu 5000' herab, am 29.
starke Morgenröthe und Wechselwinde, am 30. und 31. zu allen Beobachtungsstunden Regen.
Zavalje. Regen am 12. von 6 h 30' durch die ganze Nacht bis 13. 8 1 ' Ab. (lTOä), am 26. von 8 bis 11 Uhr Ab., am 31. begann der Regen um 7" Ab.
Störungen: der Magnetkraft keine, des Luftdruckes am 16., der Temperatur am 5. 25. bis 31., der Feuchtigkeit am 18., des Dunstdruckes am 24. und 25.
i llgnetische Elemente für Wien am 15. und 16. Mai: Magnetische Declination 12 9 41 ! 96, Horizontale Intensität 2*01037, Inclination 64 9 11 ! 20.
Veränderungen.
Vom 5. bis 14. beobachtete in Greslen Fr. Magdalena Urlinger.
Die Beobachtungen auf dem Kahlenberge begann Herr Dr. II. Billhuber am 17.
Von Kasch,iu senden die Herren Gabriel von Corzan, Karl Wiedermann und Dr. Hermann Tausch seit Mai regelmässige und vollständige Beobachtungen ein.
in 0In " in ‘‘ lt Andreas Kögl, Amtsleiter des dortigen k. k. Telegrafenamtes, bereitwilligst die Beobachtungen übernommen.
Kremsier beobachtet Herr J. Andreas Rettig, Piaristen-Ordenspriester.
In Lissa hat Herr Franz Krema seit Mai vollständige Beobachtungen begonnen.
übernommen^ 01 * )et, ' )ac ** tele während der Wintermonate der Sohn des Herrn J. Fischer, Joseph Fischer, die Temperatur; seit 19. April wurden die Beobachtungen wieder vom Referenten
Verbesserung: ln der Übersicht im März ist bei Rosenau und Wallendorf das Minimum der Temperatur — statt + zu lesen.
Phänologische Übersichten von Österreich im Mai 1857.
Von Karl Fritsch und Franz Löw.
Phytophänologische Beobachtungen.
(Die Daten gelten für die ersten Blüthen auf den günstigsten Standorten.)
Die ersten Blüthen:
Admont
Agram
Alt-
Aussee
Holzen
Hriinn
Bugganz
Cilli
Gastein
Gresien
Hermann-
Stadt
illinik
Innsbruck
St. Jakob
Kascbau
Kesmark
ith«
Aesculus Hippocastnnum
Antirrhinum raajus .
Aquilegia vulgaris .
Asparagus officinalis
Asperula odorata .
Berberis vulgaris .
Campanula patula .
Centaurea Cyanus .
Cerastium arvense .
Chrysanthemum Leucan
Convallaria majalis
Crataegus Oxyacantha
Cydonia vulgaris .
Cytisus Laburnum .
Diauthus Cartbusiano
Evonymus europaeus
Galeobdoiou luteum
Geranium sanguineutr
Helianthemum vulgär
Hesperis matronalis
Hyoscyamus uiger .
Iris germanica . .
„ Pseudacorus
Juglaus regia . . .
Knautia arvensis . .
Lonicera Caprifolium
„ tatarica .
„ Xylosteum
Lotus corniculatus .
Lychnis flos cueuli
„ Viscaria . .
Matricaria Chamomilla
Morus alba . . .
Myosotis palustris
16/5
26/iS
23/6
24/5
27/4
27/4
27/4
27/4
27/4
27/4
27/4
27/4
22/4
27/-
26/5
27/4
17/5
6/5
28/4
26/4
6/5
24/4
20/4
13/4
26/4
26/5
14/5
20/5
15/6
3/6
15/5
14/5
2/6
10/5
27/5
20/5
5/5
19/5
25/5
9/5
5/5
11/6
27/5
20/4
9/5
19/5
19/4 !
25/5
9/5
6/5
15/5
13/5
26/5
29/5
30/5
30/5
28/6
13/6
1/6
4/6
22/5
15/6
12/5
22/5
16/5
11/5
16/5
24/5
29/5
23/5
10/5
25/5
26/5
24/5
25/5
31/5
24/5
10/5
14/5
5/6
25/5
25/4
23/5
29/5
14/6
30/5
10/5
8/5
17/5
7/5
10/5
18/6
16/5
10/5
14/5
17/5
14/5
27/4
11/5
16/5
14/!
10/5
8/5
2/6
10/6
4/5
5/5
7/5
28/5
6/4?
21/4
8/5
15/5
9/5
10/5
7/5
2/6
19/5
5/5
13/5
24/5
1/5
13/5
20/5
27/5
14/4
7/6
25/6
2/6
11/6
3/6
29/5
2/6
12/6
1/6
5/6
13/6
11/5
27/5
17/5
12/5
lo/6
24/5
8/5
20/5
20/5
16/6
23/5
15/5
10/5
10/5
15/5
15/5
29/5
28/5
2/6
Sitzb. d. mathem.-natunv. CI. XXV. Bd. II. Heft.
II
Die ersten Blüthen:
Admont
Agram
Alt-
Aus sec
Botzen
Brünn
Bugganz
Cilli
Gastein
G res teil
Hermann-
Stadt
Ulinik
Innsbruck j St. Jakob
Kaschau
Kesmark
Onobrychis sativa . . . .
Ornithogalum umbellatuin
Paeonia offieinalis . . . .
Pinus Abies
„ silvestris
I'lantago media
Quercus pedunculata . . .
„ Robur
Reseda lutea
Robiaia Pseudacaeia . . .
Rubus Idaeus
Salvia pratensis
Sorbus aucuparia ....
Symphytum offieinale . . .
Syringa vulgaris ....
Thyruus Serpyllum . . .
Tragopogou pratensis . .
Trifolium pratense . . . .
Trollius europaeus . . . .
Tulipa Gesneriaua ....
Vaccinium Myrtillus . . .
Valeriana offieinalis . . .
Viburnura Lantana ....
„ Opulus ....
23/5
20/5
22/5
19/6
2/G
26/5
22/5
17/4
5/6
27/4
27/4
27/4
30/5
24/4
12/5
7/5
13/5
10/5
7/5
13/5
20/4
13/4
13/4
24/4
27/4
1/5
14/5
20/5
14/6
4/5
io/:
24/!
26/!
3/6
14/5
31/,
12/5
27/5
8/5
29/!
19/4
11/4
25/4
19/5
30/5
22/5
26/5
8/6
27/5
13/5
26/5
20/5
13/5
14/5
5/5
26/5
17/5
IS/4
36/5
23/5
20/4
16/5
23/4
17/5
10/5
1/6
23/!
13/!
7/5
16/5
9/5
11/5
21/5
27/5
14/5
7/5
13/5
5/5
9/5
31/5
13/5
2/3
23/4
26/4
27/5
3/5
22/5
8/6
24/5
3/6
12/6
18/5
27/5
7/6
20/5
19/5
12/5
11/3
20/5
12/5
20/5
25/!
Die ersten Blüthen:
Kirchdorf
Klagen-
furt
Königs
berg
Krcmsicr
^reins-
münster
Kronstadt
Laibach
Lemberg
Leut
schau
Lienz
Linz
Mcdiasch
Ncusohl
Ncutit-
sclicin
Aesculus Hippocastanum . . .
Antirrhinum majus
Aquilegia vulgaris
Asparagus offieinalis ....
Asperula odorata
Berberis vulgaris
Campanula patula
Centaurea Cyanus
Cerastium arvense
Chrysanthemum Leucanthenium
18/5
9/6
23/5
23/5
31/5
20/5
20/5
15/5
9/6
22/8
18/5
25/5
21/5
16/5
27/5
28/5
18/5
19/5
3/6
30/4
13/5
6/5
n/i
31/5
4/5
11/5
20/5
14/5
31/5
4/6
16/5
23/5
7/6
28/5
14/5
19/5
28/5
29/5
23/5
5/5
16/5
4/6
18/6
21/5
19/5
29/5
23/5
12/5
24/6
20/5
14/5
20/5
13/5
19/5
26/4
26/4
5/5
25/5
10/5
8/6
17/5
23/5
2 7/5
18/5
20/5
5/6
III
Die ersten Blüthen:
Convallaria majalis .
Crataegus Oxyacantha
Cydonia vulgaris . .
Cytisus Laburnura . .
Dianthus Carthuslanorum
Evonymus europaeus
Galeobdolon luteum
Geranium sanguineum
Helianthemum vulgare
Hesperis matronalis
Hyoscyamus uiger .
Iris germanica . .
„ Pseudacorus .
Juglans regia . .
Knautia arvensis .
Lonicera Caprifolium
„ tatarica .
„ Xylosteum
Lotus corniculatus
Lychnis flos cuculi
„ Viscaria .
Matricaria Chamomilla
Morus alba . . .
Myosotis palustris
Onobrycliis sativa .
Ornithogalum umbellatun
Paeonia ofTicinalis .
Pinus Abies . . .
„ silvestris . .
Plantago media . .
Quercus pedunculata
„ Robur. .
Reseda lutea . . .
Robinia Pscudacacia
Rubus Idaeus . .
Salvia pratensis
Sorbus aucuparia .
Symphytum officinalt
Syringa vulgaris .
Thymus Serpyllum
Kirchdorf
30/5
3 i/5
20/5
30/3
2/6
25/6
3/6
23/3
23/5
20/3
31/5
30/5
20/5
30/5
29/5
18/5
Klagcn-
furt
30/3
19/5
1/6
24/5
22/5
15/5
14/5
14/5
24/5
5/0
6/5
12/5
1/0
27/5
15/5
13/3
Königs
berg
14/5
14/!
1
3/5
3/5
Krcmsicr
6/0
14/6
3/6
1/6
Krems-
miinstcr
17/5
21/5
2/6
23/5
30/4
28/5
30/5
19/5
2/6
23/5
14/5
8/5
17/5
31/5
25/5
16/3
18/5
19/5
14/5
18/6
28/5
11/5
17/3
14/5
Kron
stadt
5/3
14/3
14/5
11/5
18/5
30/4
11/5
26/!
30/5
20/3
11/5
6/5
20/5
Laibach
16/4*2
11/5
23/5
20/!
Il/i
20/!
7/5
20/5
8/5
7/5
24/3
4/5
Le in her"
Leu.t-
schau
14/3
27/5
27/5
1/6
11/6
4/5
23/5
20/5
31/3
5/6
22/5
7/6
18/3
8/6
28/5
18/6
8/6
1/6
29/5
3/6
17/5
10/6 !
7/6
22/5
18/5
25/5
23/5
26/5
7/6
23/5
29/5
1/6
26/5
2/6
10/5
18/6
26/5
18/5
30/5
28/5
11/6
18/6
1/6
29/5
20/5
18/5
17/6
5/6
22/5
23/5
21/5
24/5
Lienz
Linz
Mcdiasch
19/5
30/3
1/6
1/6
12/6
16/3
23/5
22/5
13/3
22/5
27/3
28/5
8/6
25/5
30/5
13/5
31/5
13/5
10/5
3/6
16/5
23/3
23/5
21/5
14/6
12/5
22/5
9/5
28/5
23/5
29/5
13/5
25/5
5/6
n/3
6/6
20/5
25/5
20/5
11/5
16/5
18/5
3/6
11/5
11/5
12/5
20/4
9/5
22/4
26/4
21/4
20/4
23/5
14/3
27/4
20/4
Ncusohl
21/5
27/5
16/5
14/6
19/6
20/5
22/5
30/5
12/5
26/5
1/6
20/5
16/5
16/5
3/6
16/5
20/5
2/5
17/5
Ncu-
titschcin
9/5
29/5
4/6
2/6
tr,/5
2J/5
22/S
5/6
19/5
IV
Die ersten Blüthen:
Kirchdorf
K läge ii-
furt
Königs
berg
Kremsicr
Krcms-
nüinsten
Kronstadt
Laibach
Lemberg
Lcnt-
sebau
Lienz
Linz
Mediasch
Neusobl
Ncutit-
schcin
Tragopogon pratensis
Trifolium pratense .
TroIliu8 europaeus .
Tulipa Gesneriana
Vaccinium Myrtillus .
Valeriana ofTicinalis .
Viburnum Lantana . .
„ Opulus . .
Die ersten Blüthen:
20/5
20/5
14/5
13/5
25/5
4/6
25/5
13/5
25/5
Ofen
Prag
30/4
1/6
14/5
8/5
13/5
2/5
18/5
11/5
25/5
18/5
28/4
11/5
2/6
20/5
22/5
4/5
30/5
5/6
15/5
12/5
27/5
17/5
19/5
28/5
29/5
15/5
3/6
5/5
8/5
29/5
12/5
18/5
27/4
26/4
4/5
Press
burg
Rovcredo
Rzcszow
Schass-
bürg
Sclicni-
nitz
Scbössl
Szkleno
Szliars
Täufers
Wciss-
briacb
30/5
18/5
18/6
13/5
6/6
Wien
25/5
Wiltcn
Aesculus Hippocastanuin . . .
Antirrhinum majua
Aquilegia vulgaris
Asparagus ofTicinalis ....
Asperula odorata
Berberis vulgaris
Campanula patula
Centaurea Cyanus
Cerastium arvense
Chrysanthemum Leucanthemum
Convallaria majalis
Crataegus Oxyacantha ....
Cydouia vulgaris
Cytisus Lahurnum
Dianthus Carthusianorum . . .
Evonymus europaeus ....
Galcobdolon luteum
Geranium sanguineum . . . . ,
Helianthemum vulgare
Hesperis matronalis
Hyoscyamus niger
Iris germanica
n Pseudacorus
Juglans regia
Knautia arvensis
Lonicera Caprifolium . . . . .
22/4
31/5
14/5
27/4
22/4
29/4
5/5
9/5
13/5
29/4
17/5
4/5
2/5
8/5
9/5
12/5
28/5
24/5
18/5
3/6
22/5
18/5
25/5
21/4
21/4
30/4
22/5
21/4
14/5
15/5
10/5
15/5
25/5
13/5
15/6
17/5
28/4
21/5
21/5
12/5
22/5
23/5
22/5
21/5
23/5
8/5
22/5
30/5
20/5
23/i
13/6
21/5
2/6
7/6
24/4
19/5
19/5
1/5
9/5
23/5
27/5
2/5
16/5
2/5
14/5
14/5
19/5
13/5
6/5
23/5
26/3
21/3
19/3
18/3
28/5
12/5
28/5
25/5
21/5
29/5
27/5
21/5
15/5
14/5
15/5
12/5
25/5
20/5
17/5
23/5
26/5
25/5
23/5
16/5
18/5
23/5
V
Die ersten Bliithen:
Ofen
Prag
Prcss-
burg
Rovorcdo
Rzcszow
Schass-
l>»rg
S chcm-
nitz
Schössl
Szkleno
Szliäcs
Täufers
Weiss-
briach
Wien
Willen
Lonicera tatariea ....
„ Xylosteum . . .
Lotus corniculatus . . .
Lychnis flos cuculi . . .
„ Viscaria ....
Matricaria Cliamomilla . .
Morus alba
Myosotis palustris . . .
Ouobrychis sativa ....
Ornithog/alum umbellatum
Paeonia officinalis ....
Pinus Abies
„ silvestris
Plantag-o media
Quercus pedunculata . .
„ Robur
Reseda lutea
Robinia Pseudacaeia .
Rubus Idaeus . . .
Salvia pratensis . .
Sorbus aucuparia . .
Symphylttm ofTieinale
Syring-a vulg-aris . .
Thymus Serpyllum
Trag-opog-on pratensis
Trifolium pratense
Trollius europaeus .
Tulipa Gesneriana
Vaceinium Myrtillus .
Valeriana officinalis .
Viburnum Lantana
„ Opulus . .
10/5
1(5/4
8/5
9/5
10/5
17/5
4/5
2/5
4/5
14/5
18/5
15/5
28/!
26/5
20/5
23/5
24/5
19/4
16/4
3/3
18/5
14/5
10/5
12/5
28/5
20/15
8/6
3/6
18/:
26/!
27/4
3/5
26/5
30/5
22/5
25/4
28/4
20/5
14/5
5/6
24/5
23/5
22/5
16/6
3/6
26/5
16/5
20/4
17/5
22/5
10/5
6/6
1/5
14/5
11/5
3/6
1/6
9/6
3/6
20/6
10/6
4/6
6/6
4/6
12/6
12/5
2/6
18/6
8/5
3/5
21/5
27/5
20/5
18/5
13/5
18/4
16/5
2/5
18/5
16/5
16/5
24/4
12/5
24/5
19/5
28/4
12/5
2/5
28/4
17/5
30/4
12/5
19/5
30/4
23/5
18/5
8/5
15/5
21/5
20/5
14/5
15/5
8/5
8/S
S7/5
14/3
17/3
10/3
9/3
27/3
8/3
8/3
8/3
13/4 ?
13/5
23/5
VI
Zoophänologische Beobachtungen.
Die Zeiten gelten für die erste Erscheinung.
Erste Erscheinung:
Antocharis Cardamines
Calliilimn sanguineum .
„ violacouin
Caloptcryx Virgo . . .
Canlharis vesicatoria
Cercopis sanguinolenta
Cetonia au rata ....
„ hirtella . . . .
Chrysmncla fastuosa . .
Coononyinpha Paniphilus .
Colias Hyale
Crex pratensis
Cryptocephalus sericeus .
Cypselus apus
Erislalis tcnax
Eurydema oleraeeuni . .
Gryllotulpa vulgaris . . .
Gryllus campestris . . .
Lacon muriuus
Lamia textor
Lanius collurio ....
Leina asparagi
„ duodeeini-punclata
„ nierdigera ....
Malachius aeneus . . . .
Oriolus galbula ....
Pentalonia baccarum . .
„ prasinum . .
Perdix Coturnix ....
Phyllopertha horticola . .
Rhagium mordax . . . .
Sturnus vulgaris . . . .
Syroiuastes margiuatus
Telephorus rusticus . . .
Agram
Bolzen
Cilli
22,3
12/4
23/4
8/4
3/4
3/4
7/4
7/4
7/4
22/4
23/4
8/3
8/3
3/3
27/3
8/3
19/4
19/4
10/!
18/4
Grestcn
Hermann-
stadt
20/4
11/3
27/3
9/3
23/3
10/3
11/3
11/5
9/3
1/3
2G/3
28/3
14/4
10/4
24/:
Innsbruck
2 4/4
3/3
28/3
12/3
24/4
21/3
13/G
9/4?
20/3
10/4
7/3
8/4
12/3
2/6
Kaschan
30/5
20/5
8/3
29/3
23/ii
1/6
Kcsmark
21/:
3/3
21/3
16/3
21/3
22/3
Kirchdorf
20/4
4/6
26/3
4/6
8/5
24/3
28/5
8/5
11/3
0/3
Krcms-
miinsler
6/6
8/3
4/5
16/4
24/6
9/6
3/5
13/5
23/3
Lcul-
schau
Linz
3/5
25/5
27/6
22/5
16/5
6/5
12/5
21/5
10/5
8/5
13/4
11/5
22/5
25/5
22/5
20/3
9/5
12/5
12/5
12/5
5/5
18/3
16/3
10/5
21/4
8/5
7/3
21/5
2/4
11/5
31/3
18/3
9/5
2 2/5
28/3
7/3
Neutit-
sclicin
20/3
26/5
9/6
19/5
22/5
20/5
17/3
8/6
13/3
19/5
20/5
13/5
8/6
6/6
18/5
20/3
20/5
19/5
Prag
18/4
3/6
22/5
29/3
17/4
19/6
11/5
16/5
30/3
26/3
23/»
9/3
29/5
4/6
11/5
Täufers
9/5
12/:
8/3
10/!
AVien
18/4
4/4
11/3
3/6
21/5
14/4
19/4
14/5
15/5
22/3
6/5
8/5
6/4
16/3
6/5
11/5
8/5
1/5
19/5
19/5
6/5
16/5
13/4
19/3
2/5
24/3
21/4
21/4
2/3
Gang der Wärme und des Luftdruckes im Mai 1857.
Die punctirten Linien stellen die Wärme, die ausgezogenen den Luftdruck dar.
Die beigeschriebenen Zahlen sind Monatmittel
Ein Netztheil entspricht bei der Wärme einem
, denen die stärkeren Horizontallinien entsprechen.
Grad Reaumur, beim Luftdrucke einer Pariser Linie.
Nit/.uii”Sij il. k. AkaiLtl.W matli. naturw. II.XXVüil t ili’li 1857.
bibl öaw
u/ ' lim II
■YW13373009
jw
/rz71
tW. / ■ \ v!
v
|§E
r - -/T'
jrf f' jjBAFSt.
^ JlZ
r X T\
rt
TyV'S/ljpv
p^ r h
DyJ
te"'**< kI_T^
k ii. *'VJf* ! & r Y v *- r }
i' \3T k7 7k V v. \
NS&f P w
t^L^'-^FvtL^y. \ I ’
WEl NV^^Cz£
Ajjr j^^n-jVV (
D**v / rV 1/ t
jTuC^IPpjK.^g
P^oCÖ
\_ PIj 7 ||M> j*=, i
>J
, m s
mm