35 An der nächsten Bahnstation Hetzeen dorf finden wir wieder ein kaiserliches Lustschloß von Maria Theresia der gesunden Lage wegen für ihre Mutter Elisa⸗ beth Christine, Witwe Karls IV. erbaut. Es ist geräumig und diente während der Herrschaft der Napoleoniden der vertriebenen Koönigsfaumilie beider Sicilien zum Aufenthalt; jetzt, des großen Theils der einst kostbaren Einrichtung entkleidet, bie— tet es nur noch Interesse durch die Fresken des großen Saales von Le Grand, jene der Kapelle von dem Britten Widon und dem Hochaltarblatte von Karl Auerbach. In der Geschichte des Fortschrittes verdient Hetzendorf eine Stelle; Maria Theresia ließ hier, ihren Völkern und der Welt mit gutem Beispiel vorangehend, die neu entdeckte Blattern⸗Impfung an den Kindern ihres erlauchten Hauses, des Adels und der Landleute in der Umgebung vornehmen. Altmannsdorf, Hetzendorf gegenüber oͤstlich der Bahn, bietet nichts Merkwür⸗ diges. Sehr wichtig dagegen ist das benachbarte Inzersdorf am Wienerberge, Pfarrdorf, ziemlich regelmaͤßig angelegt, mit 160 Haͤusern und zwei Schloß⸗ gebäuden, die nebst dem benachbarten Gute Neu⸗Steinhof Eigenthum des Kory⸗ phäen der Ziegelfabrication, Alois Miesbach, sind. Die Kirche, von ihm im Jahre 1846 vom Grunde neu erbaut, hat sehenswerthe Altarbilder. Der Ort war der Sitz eines uralten Dynasten⸗Geschlechtes; in der Reforma⸗ tions⸗Periode machte er sich durch Religions-Parteien bemerkbar. Noch Anfangs des vorigen Jahrhunderts war die Umgegend verrufen wegen Raͤuberwesen; ihm zu steuern wurden die Waldungen des Wiener⸗Berges ganzlich ausgerottet. Jetzt ist Inzersdorf zu europäischer Celebrität gelangt durch Miesbach's Ziegel⸗ und Terra⸗ cotta⸗Fabrik, die vom Comité der Londoner Industrie⸗Ausstellung als die groͤßte Ziegel-Erzeugung der Welt (the largest manufactury of bricks in the world) be⸗ zeichnet wurde. I Die Ziegeleien sind rings um den Ort und in den benachbarten Gemeinden vertheilt; die größte ist jene am Wiener Berge wo eine durchschnittlich 40 Fuß mächtige tertiäre Thonschichte auch den staärksten Betrieb für mehr als 300 Jahre sichert, und eine eigene Werksstraße die Verbindung mit dem Bahnhofe zu Meid— ling herstellt. Die Trefflichkeit des Materials hatte schon vor langer Zeit Wür—⸗ digung gefunden; wieder war es die große Theresia, die zu seiner Benuͤtzung im Jahre 1757 den ersten Impuls gab, wie denn noch jetzt Ziegel mit der Marke M. T. vorgefunden werden. Die Erzeugung hat sich im Laufe der Zeit gehoben, belief sich jedoch, als Miesbach im Jahre 1829 die Herrschaft Inzersdorf erkaufte, kaum auf 3 Millionen gewöhnlicher Ziegel, während er jetzt in den 44, sammtlich