Über die Belagerung und den Entsatz der Stadt Bregenz etc.
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wohnern Muth einsprach und sie, vielleicht von dem nahen Entsatz
unterrichtet, zu einem Ausfälle ermunterte.”
Der dermalige ehrwürdige Stadtpfarrer zu Bregenz, Herr
Christoph Walser, dichtete nach der Volkssage, wie sie der
mal s daselbst erzählt wird, in der Mundart seiner Vaterstadt ein
Gedicht *), und lässt in Hebel’s Weise vom Vater seinen Kindern
eines Abends erzählen: Vor etlichen Jahrhunderten kam auf einem
Ross ein unbekanntes, heimatloses, altes Weib in die Stadt zum
Stadtmann und Ratlie, und zeigte ihnen auf St. Hilari-Tag einen
Überfall an. Man vertraut wenig ihrer Aussage und bringt sie
in strengen Gewahrsam. Diese Aussage genauer überlegend und die
nahende Gefahr bedenkend, lassen sie die Alte wieder vor sich treten
und sie meldet: Sie komme müde vom Ritte über den Rhein. Sie
wäre nämlich gestern Nachts zu Mosterreute 2 ) durch die mit
leidsvolle Güte der Wirthinn hinter dem warmen Ofen in der Stube
gelegen. Nun kommen fünf bis sechs bärtige Männer mit Hellebarden
und breiten Schwertern herein, setzen sich um den Tisch mit dem
Wirthe an der Spitze, trinken und reden von dem Neste Bregenz,
das sie in der Ausbreitung ihrer Macht aufhalte. Nieder mit Bregenz,
lärmen sie, nieder mit den Zwingherren und Schlössern. Ja es bleibt,
schreit der Wirth, bei der Abrede, Tags vor St. Hilari steht mit dem
Banner- und Sturmzeuge am Stoss, um Nachts über den gefrorenen
Rhein zu setzen. Alle gaben ihren Beifall. Auf die stille liegende und
horchende Guta fällt ein Lichtstrahl hinter den Ofen. Sie fürchten
Verrath und bedrohen sie mit dem Tode. Sie stellt sich schlaftrunken
und unkundig ihrer Unterredung. Sie wird in den Stall hinahgeschafft,
wo sie an der Barre ein Rösslein gesattelt und gezäumt findet. Wie
ein Blitzstrahl durchfährt sie der Gedanke, nach Bregenz zu reiten.
Gedacht, gethan! Sie nimmt das Pferd heim Zaume, umgeht rückwärts
das Haus, setzt sich darauf und jagt durch Schnee und Eis auf die
Strasse gen Altstätten, und von da geraden Weges über den Rhein
*) Im National-Kalender für Tirol und Vorarlberg, Innsbruck 1827, S. 79 — 87
ab gedruckt.
2 ) Mosterreute, im Gedichte von Herrn Joh. Gabriel Seidl Moster-
brücke genannt, ist wohl Meistersrüti, einer der sieben Bezirke der
Pfarrgemeinde Appenzell. Vgl. Der Canton Appenzell, von Gabriel Rüsch,
1836, S. 182.