Werner. Der AverroiHintis in der chriBtlich-peripatetischen Psychologie.
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Der Averroismus in der christlieh-peripatetischen
Psychologie des späteren Mittelalters.
Von
l'rof. Dr. Karl Werner,
wirkl. Mitgliede der kais. Akademie der Wissenschaften.
1 )iis speculative Element in der christlieh-peripatetischen
Psychologie des Mittelalters ist die morphologische Anschauung
vom Menschen als Ineinsbildung von Geistigem und Stofflichem,
unter Einordnung des Letzteren in’s Erstere als bestimmende und
gestaltgebende Form. Diese Auffassung vom Wesen desMenschen
liegt in der thomistischen Anthropologie und Psychologie am
entschiedensten ausgeprägt vor, rief aber die Opposition des
Duns Scotus hervor, welcher der sinnlichen Leiblichkeit des
Menschen eine selbsteigene, von der intellectiven Seele unter
schiedene Wesensform vindicirte. Der Dualismus der scotistischen
Anthropologie schloss eine gewisse Härte in sich zufolge seiner
Zumuthung, das intellective belebende Seelenwesen mit einem an
sich leblosen Körper verbunden denken zu sollen. Die Wahr
nehmung der Denkwidrigkeit dieser Art von Einigung lenkte
unwillkürlich die Aufmerksamkeit Jener, welche sich nebenher
auch mit der thomistischen Auffassung des Menschenwesens nicht
vollkommen zu befreunden vermochten, auf die averroistische
Anthropologie hin, welche dem Gedanken des an sich leblosen
Menschenkörpers jenen der lebendigen sinnlichen Leiblichkeit
substituirte, und weiter auch die reine Geistigkeit des intellec
tiven Principes im Menschen in’s volle Licht treten zu lassen
schien. Die morphologische Grundanschauung der thomistischen
Anthropologie war allerdings damit völlig preisgegeben; nicht
minder musste es fraglich erscheinen, ob die averroistische