Hypothese über den Ursprung des Privilegium majus von 1156. 479
Seit dem Aussterben der Babenberger, besonders durch König
Ottokar’s Macht und Streben nach möglichster Unabhängigkeit und
Selbstständigkeit, welche durch diese Privilegienbriefe
eine diplomatische Basis wenigstens scheinbar ge
wonnen hatte, denn die Urkunden fanden sich vor und man
machte allerdings von ihnen Gebrauch, vermuthlich bona fide'),
war die Stellung der österreichischen Herzoge eine solche geworden,
dass sie jedenfalls von der der übrigen vorzüglichsten Beichsfürsten
ganz abwicli, daher der gesetzliche Ausschluss.
König fiudolf I. bestätigte am 11. Juni 1283 seinen Söhnen
diese Documente, welche zwar nicht inserirt, aber doch unver
kennbar bezeichnet sind („von alten Haydnischen und Christen Kay-
sern und Kunigen”); man will diese (mir durchaus nicht verdächtige)
Urkunde zwar ebenfalls für falsch und unterschoben erklären, was
hilft es aber ? -— Die ganze Geschichte Herzog Albrecht’s (K. Bu-
dolf’s Sohn, Herzog Rudolfs IV. Grossvater) beweist, dass die
neuen Herzoge von Österreich in die Fussstapfen König Ottokar’s tra
ten und die Gerechtsame geltend machen wollten, welche in die
sen Documenten angeführt sind. — Das Benehmen Herzog Albreehfs
gegen den Bischof von Passau noch bei Lebzeiten seines Vaters,
gegen den Erzbischof von Salzburg, mit dem es zu blutigem Kriege
kam, die vielen Kämpfe mit den Vasallen und widerspenstigen Unter-
thanen sind unwiderlegbare Beweise, dass die Söhne und Enkel Ru
dolfs I., die ihnen in diesen Documenten zugesprochenen Gerecht
same geltend machen wollten. — Dieses Benehmen war ohne Zwei
fel die Ursache, wesshalb- die geistlichen Wahlfürsten,
Mainz an der Spitze, das Haus Habsburg nicht zum erblichen
Besitze der deutschen Reichskrone gelangen Hessen. -—
Eben so ist das Benehmen Friedrich’s des Schönen und
seiner Brüder nach ihres Vaters gewaltsamem Tode (1308 u. s. f.)
gegen den neuen König aus dem Hause Luxemburg, ihre gewiss
selbstständige Haltung, die ihre Gegner als Trotz auslegten,
nur erklärbar durch das Fussen auf diesen ausgezeichneten Pri
vilegien. —
*) So lange die Habsburger die deutsche Reichskrone trugen oder hoffen konnten
sie zu tragen, war wohl keine Veranlassung zu dem besonderen Hervorziehen
dieser Privilegien.