Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

Zur Charakteristik des heil. Justinus etc. 
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einen weiteren Einfluss nicht erlangt, wie aus der von Justinus liin- 
geworfenen Bemerkung hervorgeht: oig iyo> oü cOvcavog d\u. Was 
berichtet er nun von den strengen Judenchristen ? Er kündigt, da 
sie mit denjenigen Heidenchristen, welche das Gesetz nicht beobach 
teten, keine Gemeinschaft haben wollten, ihnen auch den Verkehr 
auf; er stellt sie als Secte hin. Denn bei dieser Aufkündigung spricht 
er offenbar im Sinne und als Repräsentant des gesammten das Gesetz 
nicht haltenden Heidenthums. Daneben nennt er in analoger Weise zwei 
Arten von solchen Heidenchristen, welche die Beobachtung des Geset 
zes eingegangen: die eine, welche dabei den Glauben an Christus 
festhielt; die andere, welche damit das eigentlich Christliche aufgab. 
Die der ersten Art Angehörenden werden nach Justin’s, d. i. der das 
Gesetz nicht haltenden Heidenchristen, Annahme vielleicht (fowg) 
selig; aber den Angehörigen der zweiten Art wird die Seligkeit 
geradehin abgesprochen. Also jenes milde Urtheil Justin’s über das 
Judenchristenthum bezieht sich lediglich auf die milderen Juden 
christen, und da mit diesen die Kirche in ihrer Mehrzahl den Umgang 
nicht aufgegeben hatte, so wird auch eine Hinneigung Justin’s zu 
ihnen nicht auflallen dürfen. Hauptsächlich machte man noch fol 
gende drei Momente geltend: 1) Justinus schweige in seinen Schrif 
ten über den Apostel Paulus, welcher den Judenchristen verhasst 
gewesen. Aber daraus folgt noch nicht, dass er im Geiste der Juden 
christen eine Abneigung gegen Paulus gehabt. Denn wäre dies der 
Fall, so hätte er oftmals Gelegenheit gehabt sich mit Anführung 
dos Namens des Apostels förmlich von ihm loszusagen. Dazu kommt 
noch ein Umstand. Wie von den Judenchristen wurde Paulus, der 
Heidenapostel und gewaltige Gegner des mosaischen Gesetzes, von 
den Juden mit tödtlichcm Hasse verfolgt. Da mm Justinus im Dialoge 
mit Tryphon ausschliesslich auf Juden einwirken wollte , so gebot 
ihm diese Rücksichtnahme Schweigen über die Persönlichkeit jenes 
Apostels. In den Apologien erwähnt er ihn ebenfalls nicht, weil sie 
in weiteren Kreisen gelesen wurden und auch in die Hände der Juden 
gelangen konnten ‘). Übrigens geht er in seiner Darstellung der 
christlichen Lehre immer auf Jesus Christus als den Anfänger und 
Vollender selber zurück. 2) Justinus lasse sich nie auf den eigen- 
thümlichen Lehrbegrifl' des Paulus ein. Aber er scbliesst sich gerade 
*) l)ie Belege in Illgen’s Zeit.sehr. f. <1. Iiistor. Theol. 1842. H. 3. S. 53.
	        
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