Full text: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Philosophisch-Historische Klasse Sitzungsberichte der Philosophisch-Historischen Classe der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Wien, 8. Band, (Jahrgang 1852)

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Prof. Dr. Karl Odo. 
stempelt. Er sagt in einer berühmten Stelle seiner zweiten Apolo 
gie >) : die Person Christi bestehe aus oüfxa, \6yog, <Wenn 
nun Justinus seine Anthropologie auf die platonisirende Annahme 
von der Trichotomie der menschlichen Natur gestützt hätte, so würde 
er allerdings anstatt des Pneuma (der Vernunftseele) in Christus 
den göttlichen Logos gesetzt haben und apollinaristisch lehren. Aber 
vom Standpunkte der Dichotomie ist in jener Stelle die Zusammen 
stellung von aco/za und ■■pv^v als Bezeichnung der vollständigen 
Menschheit Christi zu fassen und Xoyog als Ausdruck seiner Gottheit. 
Demnach behauptet der Märtyrer im kirchlichen Sinne: in Christus 
sei Göttliches und Menschliches zur persönlichen Einheit verbunden 
erschienen. 
Über das Verhältnis» Justin’s zum Ebionitismus ist erst in 
neuerer Zeit verhandelt worden. Am Weitesten ging Schwegler, 
welcher geradezu behauptete 2 ), der dogmatische Standpunkt Ju 
stin’s müsse wesentlich als eigenthüiiiliche Entwickelungsphase des 
akatholischen, d. i. ebionitischen Judenchristenthums aufgefasst wer 
den. Die Annahme einer solchen Hinneigung Justin’s zum Ebionitis 
mus ging von der Voraussetzung aus, dass das Judenchristenthum 
schon damals als Secte aus der Kirche ausgewiesen gewesen und 
dennoch von Justinus mit grosser Milde beurtheilt werde. Dabei 
kommt die vielbesprochene Stelle des Dialogs mit Tryphon c. 47 
in Frage. Justinus unterscheidet dort zwei Arten von Judenchristen: 
die eine mildere, deren Anhänger nur für sich am mosaischen Ge 
setze festhalten wollten, ohne dessen Beobachtung von den Christen 
heidnischer Abstammung zu verlangen; die andere strengere (ebio- 
nitisch gesinnte), welche das Gesetz auch für die Heidenchristen 
als absolut verbindlich betrachtete. Wenn er die milden Juden 
christen nicht von der Seligkeit ausgeschlossen sein, sondern sie, 
obschon als schwache, doch als christliche Mitbrüder gelten lässt, 
so gibt er damit zu verstehen, dass dieselben damals noch nicht als 
Secte aus dem kirchlichen Verbände ausgeschieden worden waren. 
Gleichwohl verschweigt er nicht, dass Manche seiner Richtung in 
sofern anderer Meinung seien, als sie auch mit ihnen keine Kirchen 
gemeinschaft haben mochten, Doch hatte diese Meinung Einzelner 
*) h. C. c. 10. 
2 ) Das nachapostol. Zeitalter. 1. Bd. (Tiib. 1846) S. 659 ff.
	        
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